Skip to main content

Full text of "Theologisches Universal-Lexikon : zum Handgebrauche für Geistliche und gebildete Nichttheologen"

See other formats


THEOLOGISCHES 
UNIVERSAL- 
LEXION: ZTUuUM 


HANDGEBRAUCHE 
FÜR GEISTLICHE... 








THE LIBRARY 
OF 
THE UNIVERSITY 


OF CALIFORNIA 





PRESENTED BY 
PROF. CHARLES A. KOFOID AND 
MRS. PRUDENCE W. KOFOID 


— 
⸗ 





If Yı \ ('n y > 
Digitized by \ oogle 
— — — — 


Digitized by Google 


Digitized by Google 


Theologifches 


Univerſal-Lexikon 


zum Handgebrauche für 


Geiſtliche und gebildete Nichttheologen. 


— — — 


Erfter Band. 
A-M. 


Elberfeld 1874. 
Berlag von R. 2. Friderichs. 


Abarbanel 


Abarbanel. S. Abrabanel. 

Abarim. 4. Moſ. 27, 12; 21, 11; Gebirgszug 

iſchen Hesbon und dem Südende des Todten 
— Der nördliche Theil iſt der Pisga mit dem 
Nebo. 

Abanzit, Firmin. + 1767. Ein geiftreicher, frei⸗ 
finniger, auch theologiſcher Schriftiteller, größten: 
theils in Genf lebend. Schrieb mehrere bogmatifche, 
eregetifche, polemifche Schriften, entdedte manches 
Neue, 3.8. ftellte er zuerſt die Anficht auf, die 
Dffenbarung, unter Nero geichrieben, beziehe 
I den Untergang des jüdischen Staates. 

bba. Chaldäiſches Wort, gleich Bater. Marc. 
14, 36. Röm. 8, 15. 

Abbadie, Jakob. Franzöftfcher Prediger zu Ber⸗ 
fin und zu Zondon 1689. + 1727. Verf. von La 
verite de la religion chretienne, einer berühm: 
ten Apologie des Chriftenthums. 

Abbe. Hat zwar eine Abtei als Beneficium, 
aber felbft nur eine niedere Weihe. S. Abt. 

Abbitie. Oeffentliche Abbitte als Zeichen ber 
Buhgefinnung war ein Theil der Kivchenzucht in 
den erſten chriftlihen Jahrhunderten. ©. Bußdis⸗ 
eiplin. 

Abbo, Abt von Fleury und Borfteher der bor: 
dom Schule. Ermarb fich große VBerdienfte um die 

iffenjhaften. Wurde von einem aufjägigen 
Möndı erftochen 1004. 

Abbot. Erzbiihofvon Canterbury 1611. + 1638. 
Durch Gelehrjamteit, Kanzelberedſamleit, fittlichen 
Wandel und tolerante Gefinnung ausgezeichnet. 
Als Borkämpfer proteftantifcher Grundjäge und 
unerfchrodener Vertheidiger der Vollsrechte, war 
er ein Gegenftand des Hafjes der katholifirenden 
und abfolutiftifchen Stuarts, jo daß ihn Karl I. 
fuspenbirte. 

Abbreviatoren. Die Secretäre der päpftlichen 
Kanztei, welche die Bullen auöfertigen ; wegen Be: 
fted.cchteit von Paul IL. aufgehoben. 

Abbuna oder genauer Abuna. Titel des Patri: 

en in ber abefiynijchen Kirche. 
8.6.-tuorium. Cine Ceremonie bei Ein: 
weihung der Kirchen nach Gregor dem Gr. Der 
Biſchof ſchrieb mit dem Stabe die Buchftaben des 
Alphabets auf die Erde, um anzubeuten, daß die 
Gemeinde Alles, was fie dort höre, ins Herz jchrei- 
ben jolle. 

Abdas, auch Audes. Märtyrer. Bifhof zu Sufa. 
Zerjtörte einen Feuertempel (16. Mai) nad) 400. 

Abdias. — erſter Biſchof von Baby— 
Ion. Erdichteter Verfaſſer einer Geſchichte der Apo: 
bet in welcher Refte früherer Ueberlieferungen mit 

ährchen und Legenden ——— ſind, und 
welche bei der —9 
nutzt iſt. 

Abdias. ©. Obadja. 


Abdon. 1) Einer der Richter Iſraels. Richt. 
12,13. — 2) Zevitenftadt in Affer. Jef. 21,13. — 
3) Ein Perſer, der 250 unter Diocletian ald Mär: 
tyrer in Rom ftarb (30. Juli). 

Abed-Nego. Chaldäifcher Name des Afarja, des 
Genofien Daniels (Dan. 1, 6.7; 2, 49). 

Abel. 577 Der zweite Sohn Adams, von fei- 


nem Bruder Kain erjejlagen (1. Moj. 4). — In 
ben ‚Zufammenjegungen der Stäbtenamen heißt 
Abel (Nde) nach dem iſchen Aue. Vgl. 1. Sam. 


6,18. Abel: Mehola 1. Kön. 19,16; Richt. 


affung der Legenda aurea be: 


Abendmahl 


7, 22. Tanzplatz. Geburtsort de3 Elifa. Abels 
Sittim, Ncacien:Aue. 4.Mof. 25,1; Joſua 2, 1. 
Jericho gegenüber im Gefild Moab. Abel: 
Keramim, Weinbergs-Aue, Richt. 11, 33, jen- 
ſeits des Jordan, wo Joſua die Ammoniter jchlug. 

Abeliten, Eine hriftliche Secte in Afrika, perfi- 
ſchen oder manichäiſchen Urfprungs, nur bei Augu⸗ 
ftin De haeresibus erwähnt. Enthielten ſich der ehe: 
lichen Gemeinſchaft, obgleich fte nicht ohne Weib leb⸗ 
ten, und pflanzten ihr Gejchlecht durch Adoption fort. 

Abely. Biſchof von Rhoder in Süd-Frankreich. 

reund und Biograph des Bincent v. Paula. 
egner der Janjeniften. Er jchrieb: Medulla 
theologica. + 1691. 

Abend, Der Ausdrud „zwiſchen den Abenden“, 

bie Beitbeftimmung für die Schlachtung des Paf- 
ah (2.Moj. 12, 6), wird verjchieden erklärt: „wi⸗ 
hen Sonnenuntergang und Dunkelwerden;“ oder: 
„vom Anfang des Untergangs bis zum wirklichen 
Untergang;” oder (Hikig): „Die Stunden vor und 
nah Sonnenuntergang;” ein Grenzpunft zweier 
Sabbathe, an denen nicht geſchlachtet werben 
durfte, melder als eine gemwifje neutrale Zeit für 
diejen Zwed beftimmt wurde. 

Abendläuten. Dur Urban IL al3 allgemeine 
Aufforderung zum Gebet, urfprünglich zur Ueber: 
windung ber Zürlengefahr, eingeführt. Gebetet 
werden drei Ave Maria. Später fam dad Morgen: 
und Mittagläuten hinzu. Als Sitte ift das Abend» 
läuten vielfach in der luth. beibehalten. 

Abendmahl. Das Mahl Jeſu mit feinen Jün— 

ern am legten Abend vor feinem Leiden, durd 
id Sinnbildlichkeit bedeutjam. Erzählt Matth. 
26, 26—29; Marc. 14, 22—25; Luc. 22, 19 fj.; 
1. Kor. 11,23 ff. Im vierten Evangelium über: 

angen, würde es ba feine Stelle finden, wo bie 
— erzählt iſt, 13, Uff. Das gewöhn— 
liche Mahl ver Paſſahfeier \ Paſſah) wird in 
feierlihem Augenblid von Jeju dazu benugt, den 
Jüngern feinen bevorftehenden Tod und deſſen Be— 
deutung zum Bemwußtfein Ju bringen. Indem er 
ber Sitte gemäß in der Rolle des Hausvaters das 
gebrochene Brod und den Kelch umherreicht, deutet 
er in jenem den zu brechenden Leib, in diefem das 
zu vergießende Blut an, Die fürzefte Faſſung der 
begleitenden Worte ift: Nehmet, das ijt mein Leib 
— das ift das Blut des Bundes, weldyes um Vie— 
ler willen vergofien wird. In der ausführlichiten 
ift hinzugefügt: dieſes thut zu meinem Gedächtniß 
(Zue. und 1. Kor.). Ein Blut „bed Bundes” wird 
Jeſu Blut nad 2. Moj. 24, 8 als Sinnbild und 
Mittel einer neuen Einheit zwijchen Gott und Men— 
fen. Dadurch, daß die Jünger Brod und Wein 
genoffen, follten fie den Tod auffaſſen als einen 
Tod hingebender Liebe, deffen Frucht fie geniehen 
follten. Eine große Streitfrage ift das Datum des 
legten Mahles. Nad) den Synoptitern fand es ald 
Paſſahmahl am Abend des 14. Nijan ftatt (Mare. 
14, 12; Luc. 22, 7). Nah Johannes jcheint dafs 
ſelbe nicht al Paffahmahl, fondern einen Tag frit: 
ber ftattgefunden zu haben, aljo am 13. Nijan; 
denn Joh. 18, 28 jest das Paſſahmahl erjt als bes 
vorftehend. Die Mehrzahl der Ausleger ftimmt 
für die Unausgleichbarkeit diefer Angaben. Gemäß 
dem Satze 1. Kor. 11,26: „ſo oft ihr“ ift diejes legte 
Mahl als kirchliche Einrichtung aufgenommen wor: 
ben ; zuerft, indem bei jedem Mahle deſſelben gedacht 
wurde, fpäter als abgejonderte Feier, und zwar bald 
mit ber Bedeutung eines Sacraments, wie noch jegt 


Abendmahlsbrod 3 
Nachtmahl, Communion, Eudariftie, Sacrament 
des Altar). 

Abendmahlsbrod. Im Morgenlande gebrauchte 
man gemöhnliches, gejäuertes Brod, im Abendlande 
lam die Sitte des ungefäuerten Brodes auf. Die: 
fer Unterjhied wurde Gegenftand bes Gtreites 
1053, als da3 Schiöma vorbereitete. Der 
Vatriarch Michael Gerularius nannte die Lateiner 
deshalb Azymiten (j. d. Art.). Die Brode waren 
fuhenförmig, gingen aber feit dem 12. —— 
in die oblatenförmigen Hoftien über. Die lutheriſche 
Kirche 2 die Hoſtie beibehalten, die reformirte 
nicht. Gebrocdhen wird das Brod bei ver Austheis 
lung überall mit Ausnahme der lutheriſchen Kirche. 

Abendmahlsfeier. Communion. In der apojto: 
liſchen Zeit bejtand bie eier des heiligen Abend» 
mahls in einem vollftändigen gemeinfamen Mahle 
der Ehriftengemeinde, Liebesmahl oder Agape ge: 
nannt, an deren Schluß nad) ber Dankſagung das 
Brod gebrochen und der Kelch herumgereicht wurbe. 
Bald aber, als dieſes Mahl durch die Natur der 
Sade und durch Verbot feltener wurde, löſte fich, 
an verichiedenen Orten zu verjchiedenen Zeiten, 
das heilige Abendmahl davon los und vereinigte 
fih mit dem Gotteädienft. Yuftin z. B. kennt ſchon 
die Trennung, während fie fi) an einzelnen Orten 
bis ins 4. und 5. Jahrhundert noch nicht findet. Im 
8. Jahrhundert bildete die Abenbmahlöfeier den 
pweiten Theil des Gotteädienftes, als Geheimfeier, 
bei deren Beginn alle noch nicht Getauften entlafjen 


wurden (missa fidelium). Naderfolgtem Bruder: | Drdal 


bu wurde das Belenntniß des Glaubens geipro: 
ben. Nah Formeln wie „Herr, erbarme dich”, 
„Seiner jei wider den Andern” erfolgten die Dar: 
bringungen der Stoffe (oblationes, rgospop« 
auf den Tiich ; hierauf das Dankgebet (Eudjarijtie), 
welches mit sursum corda (erhebet die Herzen) 
eröffnet und mit Refponjorien ausgeſchmückt wurde; 
dann Austheilung, Dank, Segnung. Aus dieſem 
zweiten Theile des Gottesdienftes bildete fih bis zum 
6. Jahrhundert allmählich die Meffe heraus fh d. 
Art.). —— der Abendmahlsfeier blieben im 
Ganzen dieſelben auch in den Kirchen der Neforma: 
toren. Luther reformirte die römische Meſſe zu einer 
Feier im evangeliſchen Sinne (1526 „die deutſche 
Reſſe“), wobei er zu immer größerer Einfachheit 
fortſchritt. Die Einleitung ‚beitehend aus Bermah: 
nung und Baterunjer, die Segnung ber Elemente 
dur Abjingen der Einfegungsmorte und das Kreu⸗ 
zeszeichen, Austheilung der Hoftie und des Kelches 
an die Einzelnen mit bejtimmten Distributionsfor: 
meln, waren Die Hauptbejtandtheile der lutheriſchen 
Feier. In der reformirten Kirche war der Geficht3: 
punkt des Erinnerungämahles einerjeits und des 
—— Liebesmahles andererſeits maßgebend. 

ide verlangen eine nur aus würdigen Gliedern 
beſtehende Gemeinde, weshalb ein Hauptgewicht 
auf eine ernſte und ſtrenge Vorbereitung gelegt 
wird. Bei der Austheilung wird der Gefichtspunft 
ber Gemeindejfeier im Gegenfag zu einer facramen: 
talen Handlung bes Einzelnen dadurch hervorge: 


Abendmahlslehre 


ber Geſichtspunkt überall derfelbe. Die unirte Feier 
combinirt beide, die lutheriſche und die reformirte. 
Die Austheilung geſchieht an den Einzelnen mit 
dem unparteiiihen Ausdruck: Chriftus fpricht: das 
ift mein Leib 2c. — In der griechiſchen Kirche bil: 
det die Abendmahläfeier einen myftifch:theatrali« 
ihen Vorgang: das Leiden und Sterben Ghrifti 
wird an dem Abendmahläbrode wiederholt, 4. B. 
der Zanzenftich mit der „heiligen Lanze”, die Grab: 
legung. Der Gang mit dem Sacrament durch die 
Cole verfinnbildlicht den fr 775 Nach der 
Conſecration communicirt der Biſchof mit den 
Geiftlichen Hinter einem Vorhang ; der Wegzug ded 
legtern ift der feierlichfte Augenblid;; dann erfolgt 
die Austheilung bes in Wein eingetauchten Brodes 
löffelweije an die Gemeinde. 
Abendmahlsgemeinihaft. Die von einer Kirche 
der andern gewährte bedingungsloſe Zulaffung 
ihrer Glieder zur Theilnahme an der Feier des 
Abendmahls findet zwifchen den evangeliſchen Kir: 
hen Deutichlands herkömmlich ftatt, und hat in 
ber preußijchen Landeskirche ihren rechtlichen Aus: 
drud gewonnen. Rhein. Kirchenordn. $3. Der 
neulutferifche Eonfefjionalismus fträubt ſich da⸗ 
gegen, weil Abendmahlsgemeinſchaft Kirchen: 
gemeinſchaft jei, und will fi nur zur gaftweifen 
Spendung des Abendmahls an Einzelne verjtehen, 
deren perjönlihe Stellung zum lutherifchen Sa: 
eramentäbegriff dies ermögliche. 
Abendmahlsgerichte (Abendmahlsprobe). ©. 
tdalien. 
Abennmahlsichre. Sobald das heilige Abend: 
mahl den Charakter eined Sacraments annahm, 
wurde es auch Gegenjtand ber bogmatifchen Unter: 


d)|fuchung. Jede der chriſtlichen Hauptlirchen hat 


ihre eigene Abendmahlslehre, indem jede Sinn und 
Wirkung de3 Sacramenis anderd audlegt, und 
bejonders das Verhältnig von Brod und Wein zu 
Leib und Blut Ehrijti. Die katholische zig nimmt 
eine vollftindige Einerleiheit beider an. Durch die 
Weihe des Prieſters wird Brod und Wein wirklich 
und eigentlich in Leib und Blut verwandelt (Trans: 
fubftantiation) auf dem Wege eined Wunders. 
Zwar der äußere Schein (Accidenz) des Brodes 
und Weines bleibt, aber das Weſen (Subitanz) ift 
verändert. Aus diefer Lehre entjtand die Meſſe 
(f.d. Art.). Die Wirkung des heiligen Abendmahls 
ijt eine magiſche, jchon als äußerlich gethanes Wert 
übt der Genuß eine Gnadenwirkung aus. Unter 
ben evangelijchen Lehren ift diejenige Luthers der 
römischen am nädjten. Luther leugnet die Ber: 
wandlung (ſowohl jubjtantiell als accidentell); 
allein „in, mit und unter“ dem Brode und dem 
Weine genießen wir wahrhaftig Leib und Blut 
Ehrifti: indem wir mündlic jenes effen, genießen 
wir zugleich auch legteres. Darum nehmen Un: 
gläubige wie Gläubige den Leib Chrifti in ſich auf, 
nur mit dem Unterſchiede: die Einen zum Heile, 
die Andern zum Gerichte. Diefe Lehre wurde ge: 
ſtützt durch die Lehre von der Ubiquität des Leibes 
Ehrifti (Größ. Kat. Luthers, 5. Hauptit.). Den 


hoben, daß eine Auätheilung im Großen ftattfin: | fhärfften Gegenſatz gegen Luther fpricht die 


det, jo daß 3. B. die fiende Gemeinde bantweife 
Schuſſeln und Keldye in Empfang nimmt und unter 
fi) austheilt, ohne Distribution des Geiſtlichen an 
jeden Einzelnen und aljo auch ohne Distributions: 
formel. Zwiſchen ber Zwingli ſchen und Calvin ſchen 
Beier finden ſich einige Unterſchiede, ebenſo zwiſchen 
den reformirten Landeskirchen; im Ganzen iſt aber 


Zwingli’sche Auffaſſung aus. Brod und Wein find 
und bleiben nur „Zeichen” des Leibes und Blutes 
Ehrifti, und zwar (geſchichtlich) des gekreuzigten 
Chriſtus, nicht des in Himmel verklärten. 

Nachtmahl ift ein Erinnerungsmahl, und bildet 
äußerlich ab, was im innern Leben des Chriften 
unabhängig vom heiligen — —— (vgl. 


Abendmahlsftreitigfeiten 4 


Baſel'ſches Belenntniß darüber). Calvins Auf: 
fafjung trat in die Mitte zwiſchen Luther und 
mingli. Der Leib Chrifti ift nicht gegenmär: 
tig, Chriftus ift und bleibt im Himmel, aber bei 
bem Genuß des Brodes und Weines findet durd 
die Vermittlung des heiligen Geiftes gleichwohl ein 
eiftiges Genießen des im Himmel verklärten Herrn 
tatt, nämlich durch den Mund des Glaubens. Die 
Gnade ift alfo nicht ſchlechthin an das heilige Abend: 
mahl gebunden, aber die Gnadenmwirkung findet 
bier in größerem Maße ftatt (Testis. IV, 17). Die 
neueren Auffaffungen des heiligen Abendmahls 
find ſehr verjchieden. Theils fließen fie fih an 
die alten confeffionellen Faflungen an, theils nä⸗ 
kn fie fih der Vermittlung der Ealvin’ihen My: 
tif in Bariationen, theils ſprechen fie rationaliftifch 
von einem Mahle der Humanität und Bruderliebe, 
theils denten fie fich ein einfadhes Erinnerungs: 
mahl an das Abendmahl Ehrifti. Die griechifche 
Kirche hat ebenfalld die Transfubftantiationslehre 
angenommen (uerovaliwaıg). 
ndmahlöfireitigfeiten. Schon im 2. Jahr: 
undert gehen die Meinungen über das heilige 
ahl aus einander: die jinnbilolihe Faſſung 
(Jgnatius), die Annahme einer Art Verwandlung 
( ftin), und die Annahıne einer Bereinigung des 
Irdiſchen und Himmliſchen im heiligen Mahle 
—— In der alexandriniſchen Schule von 
igenes an wird das Abendmahl aufgefaßt als 
— des im Gläubigen ſtattfindenden Vor: 
anges ftetiger berg Darm Logos, d. h. das 
Beniehen von Brod und Wein heißt ſich nähren 
mit der fittlihen Wahrheit und Kraft Chrifti. Der 
Uebergang von dieſer ſymboliſchen Auffaffung zur 
realiftifchen vollzog fi) in der zmweiten Hälfte des 
4. Jahrhunderts, hauptſächlich durch die über: 
ſchwengliche Liturgifhe Sprachweiſe veranlaßt. 
Durch Eyrill von Serufalem, den Syrer Ephräm 
und Gregor von Nyffa wird ſchon die Borftellung 
einer Art Umbildung und Berflärung der Stoffe 
durch Einheit mit dem Logos in beftimmter Weiſe 
angebahnt; es findet noch feine Verwandlung in 
den geichichtlichen Leib Chrifti ftatt, aber durch An: 
eignung der Stoffe von Seiten des Logos bilden 
die legtern eine parallele Erſcheinung zum Leibe 
Ehrifti. Aus Gregorsl. Leben wird die erfte ſicht⸗ 
bare Berwandlung berichtet. Ueber den Begriff des 
Opfers im Abendmahl vgl. den Art. Meile. Der 
erjte Abendmahläftreit entftand im 9. ——— 
dert. Paſchaſius Radbertus, Mönch zu Corbie, 
ſprach den beſtimmten Satz aus, daß die Subſtanz 
der Abendmahlsſtoffe ſich in die Subſtanz des von 
Maria geborenen Leibes umwandle, wobei er ſich 
auf Wunderjagen ftügte. Dagegen erhob ſich aber 
eine zahlreiche Gegnerſchaft, bejonders der Mönch 
Ratramnus, fefthaltend an dem Begriffe des gei- 
tigen Genufjes. Die Lehrbeftimmung blieb nod 
dwantend. Da trat Berengar von Tours (um 
1050) mit der Lehre auf, daß im Abendmahl feine 
Mefensummandlung der Elemente ftattfinde, fon» 
dern durch die Weihe des Priejterd nur die Wir: 
kungsfähigteit der Elemente verändert werde, be: 
dingt durch den Glauben des —— Aber 
er * heftigen Widerſpruch (Lanfranc), wurde 
vielfach verfolgt und widerrief mehrmals. Die 
Transſubſtantiationslehre war jetzt eine im Be: 
wußtjein der Zeit allgemein anerfannte. Hildebert 
von Tours erfindet für den Begriff den Ausdrud, 
und Snnocenz IIL janctionirt 1215 feierlich das 


Aberglaube 


Dogma. Bon jet an ift Alles nur Entwidfung 
biejes Dogma's. (Vgl. Concomitanz, Frohnleid): 
nam, Anbetung.) Bereinzelte Widerjprüche, wie non 
—5* von Paris, waren ohne Bedeutung. Der 
Huſſitenſtreit über Kelchentziehung (f. d. Art.) war 
nicht eigentlich dogmatijcher Art. — Die Reforma- 
tion erwedte die Streitfrage wieder. Im Bermer: 
fen ber Trandfubitantiation waren alle Reforma: 
toren einig. Luther, anfangs ſchwankend, wurde 
durch den Gegenſatz des verneinun Sluftigen Karl: 
ftabt zu feiner pofitiveren Confubftantiationslehre 

eführt („Wider die himmlischen Propheten“). 

— entſchied ſich in einem Streite zweier 
ſchwäbiſcher Pfarrer für die Erklärung der Ein— 
ſetzungsworte: „das bedeutet meinen Leib.“ („Ueber 
wahre und falſche Religion.”) Oecolampad gleich— 
falls: „das iſt das Zeichen meines Leibes.“ Au 
greift die Schweizer 1526 heftig an, ſchilt fie „Sa: 
cramentirer” und bleibt am Buchſtaben: „das ift 
mein Leib.” Noch zwei Brofchüren folgen. Die 
Schweizer antworten ruhiger als Luther, fie ſuchen 
zu beweiſen, daß Luthers Lehre zur Transjubftan: 
tiation führe, und halten feit, daß nicht der ver: 
Härte, fondern der gekreuzigte Chriſtus Gegenſtand 
des Abendmahles Hei, wogegen Luther die Lehre 
von der Ubiquität (j. Allgegenmart) aufftellt. Das 
Marburger Colloquium bringt feinen Frieden 
(1529); ebenfomenig der Friedensbrief Luthers 
(1537). Auch die Bermittlungen Melanchthons und 
Bucers bringen nur momentane Annäherungen zu 
Stande, wie die fog. Wittenberger Concordie(1536). 
Die vermittelnde Abendmahlslehre Calvin gab 
neue Hoffnung zur Verſöhnung, Melandthon 
ſuchte daran anzufnüpfen;; die Augsburger Confeſ⸗ 
fion wurde im Artikel vom Abendmahl 1540 im ver: 
jöhnlien Sinne verändert. Die Anhänger Me: 
lanchthons, Bhilippiften genannt, geriethen allent: 
halben in heftigen Streit mit den ftrengen Luthe⸗ 
tanern; jo in Hamburg durch den Lutheraner 
Joachim Weftphal 1552; in Bremen, Heidelberg, 
Wittenberg (ſ. Philippiften). Die Abendmahls⸗ 
lehre, bis ins verfloffene Jahrhundert Gegenftand 
bigiger Kämpfe, blieb die Urſache der Trennung 
der proteftantijchen Kirche, bis die Union bie 
Sceidewand aufhob 

Abendmahläwein. Im Abendlande wurde ge: 
wöhnlic rother Wein gebraucht. Ueberall war er 
mit Wafjer gemifcht mit myſtiſcher Beziehung auf 
Joh. 19, 34. Im Mittelalter fiel der Wein als 
Abendmahlselement für die Laien weg. ©. Kelch— 
entziehung. 

Abendopfer. Beitand aus einem Lamm als 

Brandopfer und Rauchwerk; wurde dargebracht 
„wiſchen den Abenden“. (2. Moſ. 29, 39; 30, 7; 
4. Moſ. 28, 4. 
Aben⸗Eſra. +1168. Bedeutender jüdifcher Ge: 
fehrter aus Toledo, als Commentator der Bibel, 
Grammatifer der hebräifhen Sprache, als Philo— 
fopb, felbft Dichter berühmt. 

Aberglaube, —— = Zuvielglaube (afar = 
zuviel), bezeichnet eine Weltanfchauung, welche von 
religiöjer Grundlage ausgeht, allein durch mangel: 
hafte Naturerfenntniß außer Stand ift, das Ueber: 
natürliche vom Natürlichen zu unterjcheiden, daher 
in allen unerflärten Erfceinungen des Natur: 
lebens übernatürliche Wirkungen Seht und fich zu 
diejem Behufe mit einer Welt neuer, der Phanta- 
fie angehöriger —* umgiebt. Dahin gehören 
mythologiſche Vorſtellungen, Gejpenfter:, Heren⸗, 


Abefigmen 5 
Bunberglaube, Glaube an Borbedeutungen, Sym: 
—*** w. Der Aberglaube kann auch auf 
Grund feiner Vorſtellungen zu einem praltiſchen 
Handeln übergehen, indem er Doc) auch wieder auf 
jeine phantaftische Welt eine Gejegmähigfeit über: 
trägt und auf Grund der legteren gewifje Wirkun⸗ 


zu unver im Stande zu fein glaubt, 3. B. 
her {che Heilungen, Geiftercitattonen, Teufel: 
beſchwörung, Scha i 


—*5— u. ſ. w. 
Abefiynien und abeſſyniſche Ktirche. Dieſe ſteht 
mit derägyptifchen ſkoptiſchen) Kirche in Verbindung. 
Der ——— wird dadurch gewahrt, daß 
ber Abbuna der abeſſyniſchen Kirche von dem Pa: 
triarchen zu Alerandrien geweiht wird. Die Lehre 
ift monophyſitiſch. Das Lehrinterefje bewegt ſich 
um bie Lehre von der Gelbitjalbu er und 
von den drei Geburten (1. vorzeitlih, 2. leiblich, 
3. durch Empfangen des heiligen Geiftes). Der Zu: 
8 der Kirche iſt in jeder Hinſicht verlommen. 
hneidung, Sabbath, Speiſeverbot, Faſten, Bun: 
deslade zc. ijt aus dem Jubenthum entnommen, 
Aberglaube aller Art und die herrichende Sitten: 
Infigfeit zeigen den Einfluß des Muhamedanismus 
und des Heidenthums. Die Verfafjung der Kirche 
if — Re an = sr ns —* 
e erhaupt önche), die 
Bir öfe, Priejter, Diakonen. 
iſſionsverſuche unter ven Abefiyniern durch bie 
ejuiten endigten mit deren Bertreibung, m 
fieren Erfolg in neuefter Zeit. Proteftanti ge 
Riljionsarbeit durch Gobat, Iſenberg, Krapfu. A, 
bejonders durch die Chriichona:Brüder. 
Abfall (Apoſtaſie). Die offene Losfagung von 
dem bisherigen Kirhenglauben und Austritt aus 
der Gemeinschaft. Das Wort wird in der Regel 


fian die Forterhebung der Steuer nnd ihre Ber: 
wendung für das Gapitolium in Rom. 
Staatlihe Abgaben treten erft mit ber Einfüh: 
rung des Königthums auf, theils Naturallieferun: 
en, theils Abgaben an Geld und Zölle (1. Sam. 
‚11—17); eine gewifje geordnete Erhebung fin: 
det fich ſchon unter Salomo (1. Kön. 4, 27; 10, 
14 ff.) Nach dem Untergang des Reiches zahlen 
die Juden dem Nebulabnezar Tribut, nad) ber 
Rüdfehr an ihre Dberherren Schoß, Zoll und 
Begegeld (Eöra 4, 13. 20; 7,24; 1. Mafk. 10, 
29 u. d.), wovon Priefter und Leviten jedoch befreit 
blieben. Die Maktabäer Löften diefe Steuern ge: 
gen einen feften Tribut ab. Unter den Römern 
erhoben die einheimijhen Fürften ihre Abgaben 
fort, endlich aber wurden die römiſchen Abgaben 
eingeführt und nad) der Gewohnheit der Römer 
duch Zollpächter eingetrieben. 


Abgötterei 


aben, kirchliche. In ber römifchen Kirche 
des Mittelalterd wurde nad altteftamentlihem 
Vorbild der Zehnte erhoben, ſchon im 6. Jahrhuns 
dert als heiliges Recht beanſprucht und durch Karl 
d. Gr. 779 feierlich anerkannt. Dazu fommen im 8. 
Jahrhundert Beiträge zur kirchlichen Baulaft, Dis⸗ 


B.|pensgelder, ungefähr im 14. Jahrh. die Stolges 


bühren; nad) der bee ber ——— des 
Papſtes Abgaben ber Fürſten (census) an denſel⸗ 
ben und der PBeteröpfennig, eine Abgabe jedes 
zu (f. d. Art.). Der Klerus ift von biejen 

gaben befreit. Diefem liegen dagegen befondere 
Abgaben ob: 1) eine (urjprüngli —— 
Gebühr des Ordinirten an den Ordinirenden, obla- 
tio; 2) Procurationen, die Verpflihtung der Be: 
—— des vifitirenden Biſchofs; 8) eine jähr- 
iche Kathedralſteuer. Aus der lehensrechtlichen An⸗ 
chauung ber Kirche entwickeln ſich das subsidium 
charitatis, eine Steuer, die der Biſchof in jedem 
Nothfall von feiner Geiftlichkeit einziehen darf; 
ferner das jus deportuum, annalia, annatae: ber 
Biſchof z0g bie Einkünfte des erjten Jahres einer 
neu — Pfründe für ſich ein (ſ. Annas 
ten). Wie dann für Dispenfen Gebühren von Kle⸗ 
rifern und Laien gezahlt wurden, erhoben die Bis 
ſchöfe audh Abjentgelder für die Entbindung 
von der Refidenzpflicht. Als die ————— päpfts 
liches Reſervatsrecht geworden, wurde die obla- 
tio unter dem Namen Servitien auf bie Höhe eines 
Yahreseintommens feitgefegt. Zudem beanfpruch- 
ten die Päpſte von allen rejervirten Pfründen die 
Annaten, welche aber das Eoncil von Koftnig nur 
für diejenigen bemilligte, welche über 24 Goldguls 
den eintrügen, mwodurd alle deutichen Bisthümer 
befreit blieben. Der Name der Annaten ift auf 
die Servitien übertragen, fo daß, wenn jpäter von 
Annaten geredet wird, immer nur bie Servitien 
verftanden werben müſſen. Die Erzbiſchöfe zahl: 
ten außerdem Balliengelver. Dieje päpftlichen 
Abgaben bilden einen dauernden Streit: und Bes 
fchwerdepuntt. Das Tridentinum geftattete ben 
Biſchöfen ihre Diöcefangeiftlichleit zu beiteuern, 
behufs Errichtung ee Lebranftalten. Für 
den frühern Heimfall des Nachlaffes eines Geift- 
fihen an den Biſchof gelten auch heute noch parti⸗ 
cularrechtlich Erbſchaftsabgaben. 

Die evangelische Kirche kennt feine beſondere Be: 
fteuerung der Geiftlihen. Die Aufbringung der 
Kosten ber Gemeindebedürfniffe ift particularrecht⸗ 


pel. | lid) geordnet. Die Koften der allgemeinen Kirchen: 


verwaltung beftreitet faft überall der Staat, nur 
in Rheinland und Weitphalen werden bie Gyno» 
dalkoſten matritelmäßig auf die einzelnen Gemein: 
ben umgelegt. 

Abgar Bar Manu, Der erfte hriftlihe Fürft 
in Edeſſa, um 170. 

Abgar Uchomo. Fürft von Edeffa. Soll an Chri⸗ 
ſtus gefchrieben und ihn gebeten haben, zu ihm zu 
fommen, und ihn von einer ſchweren Krankheit zu 
heilen; worauf ihm die Antwort von Jejus gewor⸗ 
den, er Lönne zwar nicht felbft tommen, werde aber 
einen Jünger fenden. Der von Eufebius zuerft 
erwähnte Briefmechfel ift jedoch nachweislich uns 
echt. Dem Briefe beigefügt war nach ber Legende 
ein Bild Chrifti, welches jegt in Genua und in 
Rom gezeigt wird. 

Abgötterei. Jede religiöfe Berchrung, welche nicht 
den wahren Gott zum Gegenitand hat. In der Bis 
bel wird Abgötterei bezeichnet durch Lüge, aid 


Abraham a Sancta Clara 7 


berte von Mejopotamien, wohin ſchon fein Bater 
ben Mohnfig von Ur in Chaldäa verlegt hatte, 
nad) Kanaan aus, ald Nomadenfürft (1. Mo. 
12, 4 fi.). Im Hain Mamre bei Hebron erſcheint 
ihm Javeh und verheift ihm und feinem Samen 
das Land zum Eigenthum. Nach manchen Wander: 
zügen läßt er ſich bleibend daſelbſt nieder. Zur Bes 
freiung Lots madjt er den berühmten Kriegszu 
gegen Kebor:Laomer (1. Mof. 14), wo ihm = 
ver fiegreihen Heimkehr Melchiſedek fegnend ent: 
gegentritt und den Zehnten von ber Beute em: 
pfängt. Es folgt die Verheifung, daß Abrahams 
Same zahlreich wie die Sterne fein und Kanaan be- 
fißen werde, und ein Opfer vermittelt die erfte förm⸗ 
liche Bundesſchließung zwiſchen Gott und Abraham. 
Da Sarai finderlod ift, erzeugt Abraham mit 
der * ben Iſmael, erhält aber bei der zwei: 
ten feierlichen Bundesſchließung, bei welcher bie 
Beichneidung eingeſetzt wird, die Verheißung, baf 
Sarai's Nachkomme Erbe der Verheißung fein 
werbe. Der Name Abram wird in Abraham, der 
Name Sarai in Sarah umgewandelt. In bejtimm: 
ter Weife wird die Verheißung erneuert bei dem Be: 
fud) der drei Engel, und Iſaak wird geboren. Die 
Eiferfucht zwiſchen Hagar und Sarah nöthigt Abra⸗ 
ham, die Erftere mitihrem Knaben zu entlajjen. So 
durch manderlei Glaubensproben geübt, erhält er 
enblich ven Befehlder Opferung Iſaaks; jein williger 
Gehorjam bejteht die Probe und er empfängt den 
Sohn mit neuer Berheifung zurüd. (1. Moj. 22.) 
Abrahams religionsgeihichtliche Bedeutung wird 
im Neuen Tejtamente hervorgehoben. Er iſt ber 
Bater der Gläubigen, das Urbild des Glaubens. 
Er ift die erfte gejchichtliche Perjönlichkeit, die ſich 
zum Glauben an einen lebendigen Gott, an eine 
lie Weltordnung erhebt, deren religiöfed Leben 
darum einen fittlihen Charalter erhält. Das 
Wandle vor mir und ſei fromm“ ift die Signatur 
feines Lebens. In der inneren Stimme feines Gei: 
jtes und Gewifjens vernimmt er die Stimme Got- 
tes, der zu folgen ei im Gegenfaß gegen alle Ue⸗ 
berlieferung das höchſte Gefet feines Xebens wird; 
bie ſich Veihtt verleugnende Hingabe an jeinen Gott 
ift jein Gotteödienft. Das Symbol diejes lau: 
bens iſt die Beichneidung, die den Untergang des 
natürlichen Lebens im yore die Weihe des 
natürlichen Kindeslebens an Gott ſchon durch die 
Eltern ausdrüdt. Die Opferung Iſaals bezeichnet 
den Höhepunkt biefer Frömmigfet des Gehor: 
ſams und der Selbftverleugnung. Abrahams Leben 
wird theils als geſchichtlich, theils als fagenhaft ge: 
ſchmückt, theils als philofophiih erdachtes Ideal 
aufgefaßt, in welchem das Volk Iſrael und ſeine 
Geſchichte ein Vorbild finden. Auf Abraham füh— 
ren auch die Muhamedaner ihren Glauben zurück. 
Sein Ehrenname bei ihnen iſt Chalil Allah ꝛc. 
(vgl. Jak. 2, > Freund Gottes. Vgl. Bunjen, 
Gott in der Geſchichte. 
Abraham a Sanıta Clara. Kloftername des 
Augufiiner Barfüßers Ulrid) Megerle, geb. 1642 
zu Krähenheimftetten in Baden, gejt. 1709 als 
— in Wien. Beliebter Voltksprediger und 
riftfteller. In feinen Predigten einigt er wahr: 
aft redneriſchen Schwung mit der allervollsthüm⸗ 
ften Sprache, den tiefjten Ernſt mit jprudeln: 
dem Wit und beißender Satyre; er ift unübertreff: 
lid als Sittenjhilderer feiner Zeit. Adhtunggebie: 
tend ift der unerſchrockene Muth, mit dem ber Hof: 
prediger die Sünden von Hoch und Niedrig ftraft, 


Abſetzung 


das ernſte Streben, das ſittliche Bewußtſein ſeiner 
* zu fördern, das auch in dem burleslen Gewande 
einer Predigten unverkennbar iſt. In Abraham 
a Sancta Clara ſtellt ſich uns der Katholicismus 
ſeiner Zeit dar. Unbefangen predigt er in den 
ſinnlichſten Anſchauungen den troffeften Aber: 
glauben des Heiligen: und Mariendienſtes. Sonſt 
mild, wird er Zelot —— den Proteſtanten 
und Juden. ©. fein Leben und Verzeichniß feiner 
Schriften von Th. G. von Karagan (Wien, Herold). 

Abrahamiten. 1) Vgl. Art. Baulicianer. — 2) 
Eine neue Secte in Böhmen, welche den Glauben 
Abrahams erneuern wollte. Sie befannten ſich 
zur Lehre von Einem Gott, nahmen aber aus der 
Schrift nur das Vaterunjer und die zehn Gebote. 
Die Secte ift erlofchen. 

Abrahams Schooß. Bildliche Bezeihnung des 
Glüdes im ewigen Leben. Das Bild ift hergenom: 
men von der Sitte des zu Tiſche Liegens. Luc. 16, 
22. Bol. Luc. 13, 22. 

Abrayas. Abrafar. 1) Ein Geheimmort der Ba- 
filidianer (Gnoftifer), welches den großen Archon 
der 365 Himmel bedeutet (j. d. Art. Bajilidianer). 
Die Erklärung ift zwiefadh. Entweder, die Bud: 
jtaben als Zahlzeihen genommen, Abraras = 365, 
der Zahl der Geijterreiche, in denen fich Gott ent: 
faltete. Oder Abraxas wird abgeleitet vom ägyp: 
tiſchen abrak (A738 1.M. 41,43) und sax, heilig. 
2) Heiliger Name. 

Abrarasgemmen tragen bie Bafılidianer ala 
Amulette, fie zeigen den Namen oder fymbolifche 
Darftellungen Gottes eingefchnitten. 

Abrenunciation. Entjagung. Da bie ältefte 


fitt: Kirche die Welt als das Reich des Satans anfah, 


jo betheuerte der Täufling mit Handſchlag, daß er 
entjage dem Teufel, feinem Gepränge und feinen 
Engeln. Man betrachtete dieſe Verpflichtung als 
den chriſtlichen Soldateneid. 

Abſalom. Dritter Sohn Davids. Aus Rache 
ermordete er feinen Bruder Amon, der feine 
Schweſter Thamar entehrt hatte. Nah 5 Jahren 
mit dem Vater wieder ausgeföhnt, ftiftete er mit 
Hülfe der ifraelitiihen Stämme eine Verſchwö— 
rung an, um fi des Thrones zu bemächtigen; 
fam aber in der Schlacht im Walde Ephraim ums 
Leben. (Vgl. 2. Sam. 13 ff.) 

Abfalon, eigentlich Arel. Biſchof von Röskilde, 
Erzbiichof von Lund. + 1201. Bedeutend ala Red: 
ner, Politiker, Krieger und Kirchenmann. Einen 
großen pofitiichen Einfluß übte er in Dänemarf 
aus. Aber auch kirchlich hervorragend durch die 
von ihm geleitete —— * Rügens, als 
Verfaſſer des feeländijchen Kirchenrechts und durch 
ſeine Betheiligung an dem von Schonen. Ein 
eifriger Beförderer der Klöſter, ſetzte er mit Strenge 
das Gölibatögefeg durch, dem das Volk widerſtrebte. 
Sein Schreiber und Begleiter war Saro Gram: 
maticus. 

Abſentgelder. S. Abgaben, kirchliche. 

Abſetzung. Depositio. Entfernung aus dem 
geiftlichen Amte, feinen Rechten und Würden, ohne 
den Verluſt des Standes ſelbſt; kann nur auf 
Grund eines fürmlichen Prozeſſes wegen ſchwerer 
Bergehungen in Lehre und Wandel — Die 
Vorſtufen find die suspensio, die Enthebung von 
geiftlichen Functionen auf Zeit und die unfreimil: 
lige Emeritirung, bie völlige Enthebung mit einem 
Verluft am Einfommen. 


Acceß 9 
Bedeutung: Verſicherung, daß mar vom Schulbner 
nichts mehr zu fordern habe) ftatt. Die Thomiften 
waren die Bertheidiger der erjten, die Scotijten 
ir jmeiten Anficht. Die erfte wurde von der Kirche 


Ku, 1) Eine Sammlung von et anche: 
Briefter auf die Feier der Meſſe; 


— —2 ki Baterunfer und fieben Gebete 
den heiligen Geift. — 2) Wenn bei Wahlen zu 
* höhern Kirchenamt, z. B. bei der — 
damit die geforderte Stimmenmehrheit erſcheine, 
>. ihren biäherigen Gandidaten verlaflen und 
einen Andern ftimmen, jo ift Diejer durch 
Hoch gewählt. 

Kceidentarier. —— 2 ber Partei Diete Upren: 
ebener Name, dem Dieje ihrer: 

* a) 


tantialiften entgegenftellten. 
Stolgebühren 
—— Eine Fat ober Biſchofswahl 


duch Acclamation wird als Wirkung einer Quaſi⸗ 
Anfpiration betrachtet. 
Kcommodation. Die Lehre (der Rationaliften), 


daß manche biblische Vorftellungen als bloße An: 
g an damals berri e Denkweiſe auf: 
une jeten. Man 3* durch dies Jugeftändniß, 
die Autorität der heiligen Schrift anzutajten, 
den —— zu entgehen, welche dem Zeitbewußt⸗ 
heit unvereinbar erſchienen, 
»ihrend die Gegner darin die Untergrabung der 
Autorität Je u und ber Hpoftel, ja einen Xngriff auf 
rer ſittliche Aufrichtigkeit erblidten. — Formelle 
der negative Accommodationen, ein Anſchließen 
an vorhandene Ausdrüde oder Bezeichnungen im 
Lollöieben ohne weitere Berücfichtigung damit zu: | ma 
— rethümer, werden nicht mehr 
in Abrede 


geftellt. 

Krefins, viſchof der Rovatianer zur Zeit bes 
Concils von Nicäa (325), von Eonftantin, der alle 
Parteien dort zu einigen fuchte, ebenfalls hinbe⸗ 
tuſen, erflärt fich mit den Entſcheidungen in der 
Cheiftologie und über das Oſterfeſt einverstanden, 
bält aber die Anſchauung feiner Partei über die 
** keit der Wiederaufnahme der in Tod: 

allenen aufrecht. Conſtantin foll hierauf 
ug ar Bericht des Sokrates und Sozomenos 
ihn ſpöttiſch aufgefordert haben, für fich allein eine 
Seiter in den Himmel zu errichten, erleichterte aber 
de Rüdlehr der Novatianer zur katholiſchen Kirche 
durch ein möglichft mildes Kirchengeſetz. 

Adaja. Die Benennung Griehenlands als rö- 
müder —— Apſtg. 18, 12; 19, 21. 


—— Fa — geſteinigt, Joſ 7, nörd: 
üh von Jerich 


F ‘Do Adern. 
. Ein König der Philifter zu Gath, bei 
David Zuflucht fand. 1. Sam. 21 u. 27. 
Tochter Ralebs. of. 15, 16. 
h. Ehe Stadt der Kananiter, Sof. 11,1, 

ü der Kähe des Leontes. 
erg 1) Eine Seeftabt im Gebiete Affer, 

ze t erobert war (Ecdibba; Zib). Hof. 

— — Eine Stadt i * — "Jude (She: 
. gr 15, 44; Mida 1, 

‚ Ahterfeld, 3. Heinr., Beofeffor der latholiſ em 
ologie zu —— —— Braunsberg. 
— ſche D 
en Tode die —ã— de ogmatif heraus, 
som römischen Stuhle als Irrlehre verworfen 
de. Als Anhänger de3 Hermejianismus (j. 


“ 


Acta martyrum 


d. 9.) von feiner Profeſſur fuspenbirt (1843), rebi- 
irte er bie Zeitſchrift für Philofophie und fatholi- 
fe Theologie 

Aderbau bei den Hebräern. Die mofaiiche Ges 
feßgebung trachtet mit Fleiß darnach, das Volt in 
ein jeßhaftes, Aderbau treibendes umzuwandeln, 
welches des Verkehrs mit den Umwohnern möglichit 
entrathen könne. Daber bie Gejege, welche nicht 
bloß das gewonnene Eigenthum jhüfen, jondern 
auch verhüten follen, daß durch Mangel an Befik 
die Einzelnen zu anderem Erwerb „greifen müßten 
(Yubeljahr). Auch mit dem religiöjen Leben wird 
der Aderbau in engjte Verbindung gebracht, die 
geſchichtlichen —— ſind zugleich Feſte 
der Saat und der Erndte. So fruchtbar Paläſtina 
war, nahm es doc) den Fleiß feiner Bewohner in 
Anfpruc (Anlagen von Terrafjen, Bewäfjerungen). 
Man pflügte mit einfachen Pflügen, die von Ochfen 
gezogen wurden; zum Drejchen bediente man ſich 
meiſt der Drefchwag en. Gejäet wurde die Winter: 
er im Detober und November, die Sommer: 

cht im Januar und Februar, — im April. 
Man baute Weizen, Dinkel, Gerſte, Moorhirſe, 
Linfen und Bohnen, Lauch, Gurken, Melonen, 
Baummolle und Flachs. 

Kcofta, Uriel. Gabriel, ein Bortugiefe, trat, durch 
die Ablaßlehre gegen das Chriftenthum eingenom⸗ 
men, unter obigem Namen in Amfterdam zum Ju: 
denthum über ; gab aber bald feinen neuen Glau⸗ 
uf | benägenoffen Anftoß durch feine Zehre, nur um des 
Guten willen dürfe man Gutes thun, nicht in der 
—— Hoffnung einer jenſeitigen Beloh⸗ 

mung, da ohnehin die heiligen Schriften zu dieſer Er: 

ung nicht berechtigten; nicht irgend einem poft: 
tiven Gefege, jondern nur dem Naturgejege müfje 
man folgen. In einer Selbitbiographie ſchildert er 
den graujamen Act, wieer von dem auf ihn gelegten 
Banne wieder befreit wurbe. + ungefähr 1647. 

Acta martyrum. Aufzeichnungen über bie 
Kicchenheiligen. Die älteften derartigen Schriften, 
bie wir befigen (aus dem 4. Jahrhundert), find 
einfache Berzeichnifie der Namen mit Angabe der 
Gedächtniftage, wie fie in den einzelnen Gemein: 
den zu deren Gebrauch angejertigt wurden. (Cufe: 
bius IV, V, VI) Gemiß ift freilich, daß fchon in den 
erſten Genieinden ſich Aufzeichnungen fanden über 
die erlittenen Drangſale und die Bewährung ihrer 
Glieder, aber dieſe Sepriften find in der diocletia- 
niſchen Berfolgung untergegangen. Neben jenen 
Kalendarien entftanden dann Martyrologien, welche 
die Gefammtlirche umfaßten, auch Ort und Zeit 
der Paffion bemerkten, und deren Urfprung auf 
Hieronymus zurüdgeführt wird. An dieje Schloff en 
ſich freie Bearbeitungen an, welde dem erbaulichen 
und —— en Intereſſe dienten, ſodann 
wiſſenſchaftlichere Lebensbe — en der im Lei⸗ 
in = die Bei großen Beitgenofien. Die Mar: 

en diefer Art find * enhaft. Zu nennen 

Abbe ejonbers die Heiligenbefchreibung des Simeon 
Metaphraftes 901, der auf Glaubwürdigkeit feinen 
Anſpruch machen fann. Im Abendlande verfahten 
Martyrologien Ado von Vienne und Florus zu 
Lyon, und im 13. Jahrhundert erſcheint Die 
Legenda aurea des Jatob a Voragine, eine umfaf: 
— Pond "arten ind eu heleaag ride Darnach 
aben der Märtyrer Acten heraus Sannius 16. 
abrh.) und Ruinart 1689 ; Beide ſchon im wiſſen⸗ 
——— Intereſſe. — Die fämmtlicyen Heiligen» 
acten, verjehen mit ben gründlichjten Commentaren 


Acta Pilati 


und fritifhen Unterfuchungen, herauszugeben, be: 
Be im Auftrag feines Ordens der Yejuit Job. 

olland in Berbindung mit ©. Henſchen und Dr. 
Pagebroch, denen immer neue Kräfte beigefellt 
wurden (Bollandiften), fo daß der Tod der Urheber 
den Fortgang des Wertes nicht hinderte. Bei der 
Aufhebung des Ordens waren 49 Bände erjchienen. 
Das Bollandifteninftitut dauerte indeſſen bis 1788 
fort und bradte es bis zum 6. October-⸗Band. Nach 
der Miederbelebung des Ordens ift auch die Her: 
ausgabe der Acta sanctorum wieder aufgenommen 
und bereit3 der 10. October:Band erjchienen. Der 
Stoff ift nach dem Kalender vertheilt, die acta der 
einzelnen Heiligen folgen in der Reihe der Gedächt⸗ 
nißtage. — A. apostolorum = Apoftelgeihichte. — 
A.apocrypha, wunderliche Machwerke mit fatholi- 
fchen und häretifchen Tendenzen, die fich auf die Ge: 
ſchichte der Apoftel beziehen, erdichteten Inhalts, von 
der Tradition zurücgeführt auf einen Lucias Chari: 
nusim2. Jahh. So? a.Petri; verſchiedene a.Pauli; 
a. Petri et Pauli; a. Pauli et Theclae; a. An- 
dreae; a. Andreas et Matthiae; a. Thaddaei; 
a. Philippi; a. Thomae; a. Bartholomaei; a. 
Barnabae. Bon Tifchendorf herausgegeben 1851. 

Acta Pilati. Verlorenes Buch des 2. Jahr: 
Bundert3, ein untergefhobener Bericht des Pilatus 
an den Kaifer Tibertus über das Leiden Chrifti. 

Actus forensis. Das göttliche Urtheil, welches 
den Sünder, abgejehen von feiner fittlihen Be: 
ſchaffenheit, um Chrifti willen für gerecht erklärt, 
von den altproteftantifhen Dogmatifern im Unter: 
fchied von der Heiligung und im Gegenfag zur fa: 
tholifhen Lehre betont. 

Actus formalis sacramenti nennt bie Dog: 
matif die Confecration, die Darreihung und die 
Annahme her Abenbmahläelemente. 

Actus paedagogiei. Die freien Handlungen 
des Menjchen, durch welde er dem Evangelium 
einen Eingang bei fich vorbereiten Tann. 

Actus personales. Die Thätigfeiten im tri- 
nitariſchen Gott, durch weldye die Beziehungen der 
brei Perſonen unter einander beftimmt werden: 
Zeugung (des Sohnes aus dem Vater) und Spi— 
ration (Hauchung des heiligen Geifte au dem 
Bater und dem —— 

Actus poenitentialis. ©. Buße. 

Actus providentiae. Hiervon redet die Dog: 
matif bei der logifchen Sergliederung des Begriffs 
der Borfehung und untericheidet das VBorhermifien, 
den Willendact und die Ausführung. 

Ada. 1) Weib Lamechs. 1.Mof. 36,2. — 2) Weib 
Efau’s, Tochter Elons. 1. Mof. 36, 2. 

Adad. 1) König von Edom. 1. Mof. 36,35. — 
2) Ein m... Salomo’3. 1. Kön. 11, 14. 

Mdaja. Der Name tommt öfter vor: 2. Kön. 
22,1; 1. Chr. 6,41; 9,12; 2. Chr. 25, 1; Esra 
10, 29; Neh. 11, 5. 

Adalbert, der Heilige. Bon Geburt (950) ein 
Czeche; zweiter Erzbifchof von Prag (983). Um den 
Schwierigkeiten feiner Stellung zu entgehen, bie 
daher ftammten, dab das Erzbisthum gegründet 
mar, um bie politiſche Abhängigkeit Böhmens von 
Deutſchland zu bejejtigen, faßte er den Entſchluß, 
fi allein der Belehrung der flavifchen Völker zu wid: 
men und unter ihnen eine nur von Rom abhängige 
Kirche aufzurichten. Er verließ 997 Prag und ging 
unter dem Schute Boleslaws von Polen nad 
Samland, wo er von den heibnifchen Preußen er: 
ſchlagen wurde. Er ift in Gnefen begraben. 


10 


Adam 


Adalbert, Erzbiſchof von Bremen und 
(1045), Sohn eines Pfalggrafen von Sachſen, ge: 
dachte mit Unterftügung des Kaiſers das Erzbis⸗ 
tum in ein Patrierchat zu verwandeln, dem bie 
nordiſchen Biſchöfe unteritehen follten. Während 
Clemens II. dem Plane nachgab, verlangte Leo IX. 
die Bedingung der Treue, ehe er ihm ald apojto: 
lichen Stellvertreter im Norden anerlenne. Nach 
Heinrich IIL. Tode mußte Adalbert wiberftrebend 
ſich fügen. Als er den minderjährigen Heinrih IV. 
in jeine Gewalt befommen, war er mehrere Jahre 
Regent Deutjchlands, bis er, Durch eine Verſchwö— 
rung der Billunge geftürzt, ſich in fein Erzbistpum 
zurüdziehen mußte, wo er 1072 ftarb. Grün— 
hagen: Adalbert, Erzbiſchof von Hamburg und die 
Idee eines nordiſchen Patriarchats, 1854. 

Adalgar. Erzbiſchof von Bremen, 888. Zu 
feiner Zeit gelang es dem Erzbiſchof Herimann von 
Köln durch den Einfluß des Hatto von Mainz bei 
dem Papite Formojus und der Reichsſynode zu 
Tribur die Anſprüche Kölns als Metropole über 
Bremen durchzufegen; jo daß Adalgar feinen Platz 
unter den * einnehmen mußte. Beim Wech⸗ 
jel der politiihen Lage erwirkte Adalgar jedoch bei 
Sergius 111. 905 die Vernichtung der Beſchlüſſe 
von Tribur. Er ftarb zwar ohne feine Anſprüche 
befviebigt zu fehen, aber die Selbſtändigkeit des 
Erzbisthums blieb fir die Folge anerkannt. 

Adalhard und Wala. Brüder und Vettern 
Karls des Großen. Beide Aebte von Corbie, ge: 
wannen fie unter Karl dem Großen und Ludwig 
dem Frommen großen politiihen Einfluß und wa- 
ten eifrige Beförberer der auf die Einheit des 
Reiches gerichteten Bejtrebungen bei ber ung 
der Erbfolge. Für die kirchliche Entwickelung ift 
namentlih Wala dadurd wichtig geworben, daß er 
mit Paſchaſius Rabbertus e8 war, der den Papft 
Gregor IV. durch Borlage von unechten Auszügen 
aus Eoneilienbeichlüflen und alten päpftlihen Ver⸗ 
orbnungen über die Vorrechte des Stuhles Petri 
(erfte Spur der pſeudoiſidoriſchen Decretalien) 
bewog, auf feinen Erklärungen zu beftehen, als bie 
deutichen Bischöfe auf der Synode zu Worms ihm 
unter Drohung des Banns die Berechtigung ab: 
jprachen, fich in die Angelegenheiten des fränfifchen 
Reiches zu miſchen; weil Gregor für Lothar gegen 
Ludwig den Frommen und die beabfichtigte Aen— 
derung der Erbfolge aufgetreten war. Wala ftarb, 
nachdem er fid) von allen Gefchäften zurüdgezogen 
hatte, in der Abtei Bobbio 836. ©. Funk, Ludwig 
der Fromme. 

Adam (dev Röthliche). 1) Der erfte Menſch nad) 
der Bibel. Die Erzählung giebt weder eine geſchicht⸗ 
liche noch er ing ea jondern eine religiöje 
Auffaffung von dem Urfprung des Menſchen und 
feinem Berhältnif zu Gott. Der Menfch, erft aın 
ſechſten Tage geihaffen, bildet die Krone der Schö: 
pfung. Er tritt ins Leben durch unmittelbaren 
— Lebenshauch. Seine Würde iſt die Eben: 

ildlichleit mit Gott. Adam lebt in urſprünglich 
finblicher Unſchuld, in mit Gott und der Welt ver: 
föhntem Dafein. Aber die Sünde (ſ. Sündenfall) 
bringt ihn zum Fall. Er verliert die Unſchuld und 
muß im Schweihe feines Angefichts fein Brod effen. 
Die Erzählung wird theils in dogmatiſchem Inter: 
efie für Geſchichte gehalten, theils als philofophifche 
Sage betrachtet, in welcher das innere Menfchen: 
leben überhaupt im Sinnbild dargeftellt ift. ©. 
1. Mof. 1—8. Ueber den doppelten Bericht der 


Adam 


11 


Adoption 


Menihenihöpfung |. Art. Schöpfung. — 2) Stadt | im Staate zuläffig. Denn das ——— nehme 


am Jordan (Joſ. 19, 36). 
Adam, Meichior. Conrector und Profeſſor zu 
— —— geb. zu Grotkau in Schleſien, 7 1622. 
erfaffer einer jhätbaren Sammlung von 136 
Lebenäbefchreibungen deutſcher und jchweizerifcher 
Tpeslogen: Vitae theologorum Germanorum, 
1620. 
Adam von Bremen. Ein Domberr zu Bremen 
um 1068, Verfafier ver Gesta Hammenburgensis 
ecelesiae pontificum, der Hauptquelle für die 
Kirchengeſchichte des Nordens vom 8. bis 11. Jahr: 
— herausgegeben von Lappenberg und von 
r$ 


Adama. Gen. 10, 19; 14, 2. Eine Stabt ber 
Kananiter, lag wo jest das Todte Meer ift und 
ging mit Sobom unter. 

“ —— Stadt im Stamme Naphtali (Joſ. 

38). 

Adamiten werben zunächſt antinomiſtiſche Gno⸗ 
ſtiler des 2. und 8. Jahrhunderts in Nordafrika 
genannt, welche die urſpruüngliche Unſchuld durch 
völlige Nacktheit wiederherſtellen wollen; ferner 
eine zur Zeit ber Huffitenbewegungen nach Böhmen 
geflüchtete Secte von Picarden (corrumpirt aus 
Segharben), der Aehnliches von Aeneas Syloius 
u %. vorgeworfen wird, und die Ziska mit Gewalt 

ichtet haben foll (val. über fie die genauere 
Unterju bei Schroeth,R.:. 34, S. 689-695) ; 
verfehiebene fanatiſche Rotten der Wieder: 


mehrfach auftaudhten. Daß bei weitgetriebener asle⸗ 
iſcher Schwärmerei fich auch dieſer extreme Um: 
Ihlag mehrfach eingeftellt hat, ift leider nicht zu 
bezweifeln, wenn auch den zunächſt fo genannten 
Parteien falfche Vorwürfe gemacht werden. 

Mar. 1) Name des 12. Monats im jüdischen 
Jahre; ſ. Monate. — 2) Hagar: Adar, 4. Mof. 
4,34, —— zukünftige ſüdliche Grenzſtadt Iſraels 
an 


iar. Ort bei Beth:Horon, wo fih Jubas 

Maklabäus gegen Nicanor lagerte. 1. Maft.7,40. 

Adda, ein Habbi, der 358 den jüdischen Kalender 
tftellte 


ellte. 
Übelbert. Ein Zeitgenoffe und mer des 
Bonifacius. Während er bei dem Bolte in großer 
Achtung ftand, fo daß es ihn den Heiligen nannte, 
verflagte ihn Bonifacius als Jrrlehrer auf der Sy: 
node zu Soiſſons 744, und dem römijchen Eoncil 
745, und feste feine Berurtheilung durch. Aber 
erft nad) Karlmanns Tod gelang es, die Einfper: 
rung Adelbert in Mainz zu bewirlen. Da Bonifa: 
aus Schilderungen von Adelbertö * und Per⸗ 
* mit andern Documenten im Widerſpruch ſtehen, 
o iſt eine Unklarheit nicht aufzuhellen. Es ſcheint, 
Adelbert habe ſich dem durch Bonifacius ſo ſehr 
—— römiſchen Syſtem und dem ſich ver: 
ãu römiſchen Kirchenweſen widerſetzt; 
womit ſich erflärt, daß er erſt fallen gelaſſen wurde, 
als Pipin des Papſtes beburfte. 
Aden. Eine Handelsſtadt im ſüdlichen Arabien. 
Adeodatus. 1) Sohndes Auguſtin. S. Auguftin. 
— 2) Papſt 672—676. Vertheidiger ber Lehre von 
zwei Willen in Chriftus. 
Adiaphora (= Gleichgültiges) nannte man die 
Handlungen, welche durch das Sittengejeg weder 
ten noch verboten jeien, und darum erlaubt. 
on Schleiermacher ift gezeigt, daß der Begriff un: 
haltbar jei auf dem Gebiet chriftlicher Ethik und nur 


—— die beſonders in Amfterbam | aber 


den ganzen Menſchen in Anjpruch und rn in 
feinem Thun nicht3 zu finden, was außerhalb der 
Beziehung zur fittlihen Aufgabe ftände und fomit 
gleichgültig wäre. 

Adiaphoriftiiide Streitigkeiten. Als das Leip- 
ziger Interim (1548), um bie proteftantiichen 
Grundjäge feithalten zu können, in den äußern 
Dingen des Eultus und der Kirchenverfaſſung nach⸗ 
geben wollte, weil dieſe doch adiaphora (Gleichgül⸗ 
tiges) ſeien, erhuben ſich Flacius und ſeine Freunde 
mit Heftigfeit dagegen, um der Gefahr willen, die für 
da3 unwiſſende Volk darin liege und weildie Nach— 

iebigfeit in unreiner Abficht begründet fei. Die 

oncordienformel beendigte den Streit durch den 
Satz, daß man in Mitteldingen, um der Schwachen 
willen, etwas nachlaſſen bürfe (1577). — Der zweite 
abiaphoriftiiche Streit ſchwebt zwiſchen Pietiften 
und Orthodoren. Weil Jene bei allen Dingen eine 
ausbrüdliche Beziehung auf die Seligkeit forder: 
ten, verwarfen he Bieles, 3. B. Tanz, Theater, 
al3 unbedingt fündlih, die Gegner aber ſahen 
dieſe Dinge als fittlic) gleichgültig an. 

Adida. 1.Maff. 12,38. Vulg. u. Luther Modus, 
1. Maff. 13, 13. Stadt auf einem Hügel in der 
Ebene Juda gegen Joppe hin, nach Ewald, Geſch. 
Sir. IV, 382 dafjelbe mit 

— Joſ. 15, 36, Stadt in der Ebene 


Adler. Häufig in der Bibel erwähnt. Es iſt 
nicht immer der Adler zu verſtehen, fon: 
bern aud der Geier (Mich. 1, 16; Hiob 39, 27), 
der auch Aas frißt und von den Alten zu ben 
Adlern gerechnet wurde. 

Adminifirator. Verwalter. War ber Titel der 
proteftantiihen Inhaber von Bisthümern und 
geiitlihen Stiftern. 

Ado. Erzbifchof von Bienne, 800 — 875. Ber: 
fafjer eines Martyrologiums und einer Lebens: 
bejchreibung der Heiligen. 

Adonai. Eigentlic mein Herr (oder meine Her: 
ven als pluralis majestaticus), ald Anrebe, aber 
allgemein als Bezeichnung Gottes, wie die Juden 
es überall ausfprechen ftatt Javeh oder Jehova. 
Das Wort findet fi) in der Zufammenjegung vie: 
ler jübifchen Eigennamen wieder: Adonia (Gott 
mein Herr), 1) der Sohn Davids, weldyer ftatt 
Salomo’3 die Nachfolge zu erlangen fuchte und von 
Diejem bingerichtet wurde; 2) ein Levite; 3) ein 
Volkshäuptling zur Zeit Esra's. Adoni edel, 
Herr der © igkeit. Ein König ber Kananiter 
zu — Joſ. 9,1. 

donibefel. Grauſamer Kananiterkönig. Bon 
Juda und Simeon überwältigt. Richt. 1, 5. 

Mdoniram. 1. Kön. 4, 6. Ein Rentmeiſter 
Salomo’s. 

Adoptianismus, Die Lehre des Elipandus von 
Toledo und Felix von Urgel, daß Chriftus zwar 
—— göttlichen Natur nach ein wirklicher, aber 
einer menſchlichen Natur nach nur ein adoptirter 
Sohn Gottes ſei, womit ſie den Einwürfen der 
Muhamedaner gegen die orthodoxe Lehre zu be— 
gegnen ſuchten. Der Adoptianismus wurde auf 
den Synoden zu Narbonne 788, zu Regensburg 
792 und Frankfurt 794, namentlich durch Alkuins 
—— verworfen, und erloſch im 9. Jahr⸗ 

undert. 

Adoption. Aus der Adoption entſteht das 
firchenrechtlihe Ehehinderniß der Verwandtſchaft. 


> 


Adoraim 12 


Adoraim oder Adora. Stabtim Stamme Juda, 
vielleicht = Adora (1. Mall. 13,20 und bei Jo— 
ſephus), mwahricheinlih das jekige Dura, wurde 
von Rehabeam befeftigt. 2. Chr. 11,9. 

Adoram. Schagmeifter Davids, 2. Sam. 20,24; 
Rebabeams, 2. Chr. 10, 18. 

Adoration. ©. — 

Adramelech und Anamelech. 2. Kön. 17, 31. 
Gottheiten der aus Sepharvaim nah Paläftina 
verpflanzten Eoloniften; Die Verehrung ift die des 
Moloch, und fie find vielleicht mit dieſem eins. 

Adrampitium. Seeftabt in Myfien, an dem nad) 
ihr benannten Meerbujen. Apftg. 27, 2. 

Adrian I. Bapit, 772—79. Erhielt von Karl 
dem Großen die Schentung Pipins betätigt, und 
beichidte das zweite nicänifche Concil. Während jei- 
ner Regierung hatte der adoptianiſche Streit ftatt. 
— 4. II. +872, erlangte im Streit mit Photius 
von Eonftantinopel (ſ. d. Art.) die Anerkennung 
der päpftlichen Oberhoheit auf dem römischen Eon: 
cil. — A. III. Hatte den Kampf mit Photius fort: 
aufegen, + 885 nad) einjä tiger Regierung. — A. IV. 
Der Gegner Barbarofjas und Arnolds von 
Brescia, + 1159. — 9. V, regierte nur 38 Tage. 
— 4. VI, 1522 — 1523, früher ——— 
Karls V. in Spanien, ſuchte durch Abſtellung man- 
cher Mißbräuche der Reformation Einhalt zu thun. 

Adrianiften, Name einer Kekerpartei, bie 
nicht beftanden Hat, und nur durch ein Mifver: 
ftändniß Theodoret3 angenommen wurbe. 

Mdrianifiinnen. Der Verein frommer Frauen 
mit dem Entjchluffeder Ehelofigfeit, welchen Bruder 
Adrian (+ 1580) in Holland mit unfittlihen Ten: 
benzen ftiftete. 

Adriel von Mehola. Der Mann ber Merab, 
Tochter Sauls, die zuerft bem Davib verheißen 
war. 1. Sam. 18, 19. 

Adullam. 1) Rananiterftabt. 1. Mof. 38, 1. 
12.20; of. 12,15; 15, 35; Mid. 1, 15; Neb. 
11, 30. — 2) Die Höhle Adullam, 2 Stunden von 
Bethlehem, in der fi) David verbarg. 

Advent (= Ankunft). Das erfte Were Zeichen 
für die kirchliche Feier der Adventszeit iſt der Be: 
ſchluß des Concils zu Serida 524, daß der Advent 
wie die Faftenzeit vor Oſtern ald tempus clausum 
efeiert werde und in ihm feine Hodyzeiten ftatt- 

inden jollten. Im Gottesdienft wurde die Zeit 

des Alten Teftamentes, der noch nicht gefchehenen 
Erlöfung, durd) die Berfchleierung der Bilder und 
bie violette (Trauer:) Farbe der Kirchengemwänder 
verſinnbildlicht. Die alte Kirche ließ, wie nod) jest 
die griehiiche, die Adventäzeit 6 Wochen dauern, 
die fatholifche Kirche, der die Lutherifche folgte, zählt 
4 Abventsjonntage, dem jeboch dort noch ein fünf: 
ter al3 praeparatio adventus vorangeht. Zur 

ier des Advent gehören die Rorate: Meflen zu 

bren der Jungfrau Maria, die vom 18. Decem: 
ber an Morgens in ber Frühe gehalten werben. 


Die lutheriſche Kirche behandelt auch Heute nod) | j 


die Adventäzeit, ähnlich wie bie Faſtenzeit, als eine 
in erniterer Stimmung zu verlebende Bußzeit, wo 
aud) der Gottesdienft alles feftlihen Charakters 
entbehren joll. Das gebotene Falten findet fich 
nur noch in der anglicanifhen Kirche. Mit dem 
eriten Adventsjonntage beginnt jegt allgemein das 
Kirchenjahr, die Reihenfolge der Betrachtungen des 
Lebens und des Wertes Chrifti. 

Advocatus Dei et Diaboli (Advocat Gottes 
und des Teufels). Beim förmlichen Prozeſſe, der 


Aegypten 


bei Heiligfprechungen geführt wird, die beiden Be: 
amten, benen obliegt, bie Tugenden des zu creiren: 
ben ‚Heiligen, reſp. jeine Mängel ins rechte Licht 
zu ftellen. 

dvocatus ecclesiae, Kirchen⸗ oder Kaften: 
vögte, vertreten bie geiftlichen Stiftungen vor Ge: 
richt, leiſten in ihrem Namen ben Eid, führen Gottes: 
urtheile aus, jorgen für die Bewahrung und Wie: 
bererlangung bes Vermögens, und führen ben 
Heerbann, ben ein er zu ftellen hat. Da nad 
germaniſchem Rechte das kirchliche Perſonal, als 
nicht wa entänig, aud vor Gericht ſich nicht ver: 
treten oder volles Eigenthum beſitzen fonnte, aljo 
in fremder Munt fich befinden mußte, jo übern 
men die Gründer eines Klofters in der Regel dieſe 
Schutzpflicht, fonft fiel fie dem Könige zu. Weil 
aber dadurch eine gewiſſe Abhängigfeit entjtand, 
jo jchloffen ſpäter die Klöfter lieber mit benachbar⸗ 
ten Mächtigen einen Vertrag, jo daß fie die Vog— 
teirechte behielten, fie aber durch jene ald Bertre: 
ter ausliben ließen. Damit den Bogteien durch ihren 
Einfluß auf das Vermögen der Klöfter bald ber 
beutende Vortheile verbunden waren, jo wurden 
fie verkauft, verfchenkt und zu Lehen genommen. 
Die Kirchen fuchten ſich dem fühlbar werden: 
den Drud auf jede Weife wieder zu entziehen; je: 
doc) erjt Urban III. und Innocenz ILL gelang e3, 
den Schuß der Kaiſermacht mit Erfolg gegen ben 
Drud der Vögte zu erlangen. 

‚ Medefius und Frumenlius. Als Jünglinge an 
die Küfte Nethiopiens verſchlagen um 330, gelang: 
ten fie dort zu hohen Aemtern, die fie zur Ein: 
führung des Chriftenthums ten. 

Aegldius, der Heilige. Einfiedler zu St. Gilles, 
um 700. + 1. Sept. Sein Grab wurbe ein bes 
rühmter Wallfahrtsort. 

gidius von Rom. Doctor fundatissimus. 
Erzieher Philipps des Schönen, Profefior ber 
Theologie zu Paris und Erzbifchof von Bourges. 
+ 1316. — Schriftfteller und 
Anhänger des Thomas von Aquino. 

Aegypten (toptiſch Keme, griechiſch Aigyptos, 
hebräiſch Mizrajim, wobei die Dualform auf das 
Doppelreih Ober: und Unter: Aegypten hinmweift), 
bad Nilthal von 24° 6’ bis 31%36’ n.B. und von 
27° 30° bis 30° 40° ö. 2. umfaffend, durd bie 
jährliche Austretung des Nil von Juni bis Sep; 
tember zu der fruchtbaren Korntammer aller Nach⸗ 
barjtaaten geworben, ift nicht bloß durch das außer⸗ 
ordentlich milde Klima, den Reichthum an Baus: 
materialien und bie oajenartige Abgeſchloſſenheit 
u dem erften Denktmallande präbdeftinirt worden, 
ondern vor Allem in der Geſchichte der Religionen 
nächſt Paläftina das bedeutendite Land. Schon 
die alte Götterreligion, auf die fo Bieled in ber 
griechiſchen Mythologie zurückweiſt, macht die frü⸗ 
heſte Bergangenheit des Landes auch für die Res 
ligionsgejchichte außerordentlich bedeutfam; zumal 
eitvem bie neueren Erpeditionen die überreichen 
Denkmäler mit den bei Joſephus, Julius Africa: 
nu3 und Eufebius aufbewahrten Fragmenten aus 
bem großen chronologiſchen Werk Manetho’3 in 
Berbindung gebracht haben, ift auf bie ältefte uns 
überhaupt befannte Götterlehre ein ganz neues 
Licht geworfen worden; und man fann, wie bie 
langen Reihen der königlichen Dynaftien, fo auch 
bie allmähliche Entfaltung und Mobdificirung bes 
Eultus in dem (durch bie Hyffosherrichaft geſchiede⸗ 
nen) alten und neuen Reiche (jenes nad) Bunſen 


Aegypten 


3648, Lepſius 3892, Böckh 5702 v. Chr., dieſes im 
16. Jahrh. v. Chr. beginnend) verfolgen. Wichtig find 
befonders die 3. und 4. Dynaftie der Pyramiden⸗ 
Erbauer, die 12. der Dfortafiden, und nad) der Bes 
freiumg von den Hykſos die 18. und 19. Dynaftie, 
wie für die äußere Geſchichte, jo für Religion, 
Kunft und Eultur. — Noch wichtiger für Die Theo: 
logie ift aber Aegypten durch die auf feinem Bo: 
den fptelende Jugendgeſchichie des jüdiſchen Vol- 
ted. Das Verhältniß der Juden zu den Hylſos ift 
allerdings heute noch eben fo ftreitig, wie zur Zeit 
des Apion und Joſephus, und fiber die Chrono: 
logie von Ein= und Auszug exiſtiren noch bie ver: 
chiedenſten Meinungen, weil die Eroberung des 
erufalemer Tempels unter Rehabeam durch Sche: 
Ihont (Sifat) die erfte feft beftimmbare Gleichzei- 
tigfeit iſt (970); um jo wichtiger aber und von ber 
neueren Forſchung eifrig gel dert ift die Frage 
nach dem Berhältni des Mofaismus zu der ein: 
beimifchen Religion. — Kaum weniger bedeutjam 
ift dann hernach zur Ptolemäcrzeit und unter der 
Kömerherrichaft die allgemeine ſynkretiſtiſche Strö⸗ 
mung, aus der neben einander die Allegorifirung 
der alten Götterreligion, die helleniftiige Philo: 
logie und Grammatik, der Neuplatonismus und 
Philo's alerandrinifch » jüdische Religionsphilofo: 
phie hervorgehen. — Die bedeutjamfte Rolle fpielt 
} Aegypten als die zweite Geburtäftätte bes 
ner Mr Schon in ber apoftolifhen Zeit 
von ber neuen Religion intenfiv berührt, ſieht 
Aegypten Die erbittertften Kämpfe zwijchen dem 
Neuen und Alten auf feinem Boden burchge: 
lümpft (Zucian, Celſus, Borphyrius); Hier haben 
die wichtigften gnoſtiſchen Syiteme ihren Aus: 
gangapuntt (Bafılid, Valentin, Karpofrates u. A.); 
bier bildet fich aber aud die innerlich bedeutendſte 
aller lirchlichen Schulen aus in der Alerandriner 
Ratechetenfchule —— Clemens, Origenes, 
Herallas, Diony — und wird der Anſtoß zur 
eigentlichen Dogmenbildung gegeben (Sabellianis⸗ 
mus, Arianismus). So hat die ſchönſte Periode 
des jugendlichen Chriſtenthums hier ihren Mittel: 
puntt; eben fo aber auch die mit dem 4. Jahr: 
hundert beginnende innere Fäulniß, die ſchließlich 
das Ehriftenthum felbft zu Grunde gehen läßt; ein: 
ſeitig —— Ausbildung: Athanaſius, Theo⸗ 
philus, Cyrill, Dioskur; Mönchthum: Antonius; 
Pobelfanatismus: Ermordung der Hypatia; in: 
nere Spaltung jeit dem monophyſitiſchen Streite, 
duch deſſen ſtets fteigende Erbitterung zwischen 
Kopien und Melhiten das Land fchliehlich fait 
wehrloß dem Islam anheimfällt. Seitdem haben 
die Kopten als äußerlich bedrängte, innerlic) zer: 
Secte immer mehr abgenommen, find ge: 
genwärtig auf etwa 200,000 — unter 
denen * 1825 die engliſch-kirchliche Miſſionsge⸗ 
ah thätig ift. — Um fo blühenber hat fich in 
der Zwiſchenzeit der Islam in Aegypten entfaltet, 
bejonders in Wiſſenſchaft und Kunft Hier feine 
reichſten Blüthen getrieben, um ſich freilich ſchließ⸗ 
lich auch in Aegypten als das Meteor zu erweifen, 
das, nachdem das anfängliche Feuer ausgebrannt, 
nur Schladen zurüdläßt. — Für die Gegenwart 
ift Negypten einer der erften Zielpuntte für Wif: 
jenfhaft, Handel und Induſtrie; auch arbeiten 
neben der engliſch⸗koptiſchen Miffion noch eine Reihe 
anderer Miſſionsgeſellſchaften auf den verſchiede⸗ 
nen Feldern, Die eingeborene und eingewanberte 
Chriſten, Zuden und Muhamedaner darbieten. 


13 


Hera 


Aelfrit. Ein englifcher Benedictiner, + ald Erz« 
bifchof von Canterbury 1005, war ein Gehülfe 
Dunftans und Aethelwolds bei der Einführung des 
römiſchen Kirchenweſens in England. Sein Haupt⸗ 
verdient find feine Bemühungen um die Verbreis 
tung der heiligen Schrift und die Unterweijung des 
geijtlichen Standes. Er verfaßte u. a. Homilien 
und eine Liturgie. 

Aclia Capitolina. Name von Serufalem, als 
ed um 136 von Hadrian wieder aufgebaut und von 
Heiden bevölfert wurde .Der Tempel wurde zum 
Tempel des Jupiter Capitolinus. 

Heltefle, Val. Presbyterialverfaffung. 

Aelteſte bei Den Juden. Mit diejem Gefammt- 
namen werden die Häupter der Gemteinfchaften be: 
zeichnet, in welche das Volk Iſrael ſich gliederte: 
Haus, Geſchlecht, Stamm. Zunädjt waren fie 
die Anführer im Kriege, dann aber die Vertreter 
des Volkes in ber Berathung und Ordnung ber 
Angelegenheiten, von denen anjcheinend allein bie 
Beſchlußfaſſung ausging. Aus der Gefammtheit 
der Xelteften wurde Durch Mofes ein Ausſchuß von 
70 gebildet, der unter Jojua und in der Richterzeit 
fortbeftand. Aud unter den Königen und den 
Maktabäern finden ſich noch Spuren de3 Xelteften- 
rathes, aus dem ſich fpäter der hohe Rath, das Sy— 
nedrium entwicelte. Vgl. Ewald, Aiterthümer. 

Aemilia Johanna, Gräfin von Schwarzburg: 
Rudolſtadt. a gen evangelischer Kirchenlieber. 

Aeneas, Biſchof von Paris um 870, verthei- 
digte in einer Schrift adversus Graecos die katho⸗ 
liche Lehre vom Ausgang bes Heil. Geiftes gegen 
Photius. 

Aeneas Sylbius. Der Papft Pius IL 

Henon oder Enon (Alvor), nad Joh. 3, 23 
ein Ort, wo Johannes taufte, ift unbelannt. 

Meonen, ©. unter Gnoſticismus. 

Aepinus (eigentlih Hoch). Ein Brandenburger, 
geb. 1499. Wegen * reformatoriſchen Beſtre⸗ 
bungen gefangen geſetzt, kam er nach ſeiner Befrei⸗ 
ung nach Stralſund und arbeitete dort die neue 
Kirchen⸗ und Schulordnung aus. Als Paſtor und 
Superintendent in Hamburg ſetzte er die neue Kir: 
chenordnung durch. Er unterſchrieb die ſchmalkal⸗ 
diſchen Artikel und war auf den Conventen zu 
Frankfurt und Naumburg. Aepinus erklärte ſich 
gegen das Interim, und gerieth auch ſonſt in theolo- 
Sifpen Streit Durch feine Meinung, daß die Theil: 
nahme Chrifti an den Leiden der Bejtraften in der 
Höllenfahrt zum Stand der Erniebrigung gehöre 
und mejentlich feizur Vollendung der Erlöfung. 

Hera. Mit dem Worte bezeichnet man eine jede 
Zeitrehnung, die von einem beftimmten Termin 
anhebend die Jahre fortzählt. Die erjte Aera, die 
fi in der Bibel findet, ift die feleucidifche, nad 
welcher die Bücher der Malkkabäer die Jahre zäh: 
len; fie nimmt gewöhnlich) ihren Anfang mit dem 
Tiſchri 312. Die Incongruenz der Rechnung zwi⸗ 
ſchen dem 1. und 2. Buch der Mallabäer löst Wie: 
jelee dadurch, daß er annimmt, das 1. Buch be— 
ginne das Epochenjahr nicht mit dem Tiſchri 
(Herbft), ſondern wie die Römer mit dem Januar 
(Thebet). Vor dem Gebraud der ſeleucidiſchen 
Hera findet fich bei den Juben feine Jahreszählung 
von einem allgemein feftftchenden Termine an. 
Im Pentateuch dienen die —— iſchen Reihen 
zur Beſtimmung ber Chronologie. Nach dem Aus: 

ug aus Aegypten wird etliche Mal gerechnet, wie 
* nad dem Anfang des Exils. Unter ben 


Aergerniß 


eigenen und fremden Königen rechnen die Juden 
nach den — — ihrer Herrſcher. Da- 
neben war fpäter bei den Juden, 3. B. Sofephus, 
eine Weltära im Gebraud, fo bat te die Jahre 
von Erfchaffung ber Welt zählten. Der Weltären 
bedienten ſich auch viele Kirchenhiftorifer, jelbft bis 
nach der Reformation. Dai bei denjelben aber in 
den verſchiedenen Texten jehr abweichende Anga: 
ben der Bibel zu Grunde gelegt werben, fo find fie 
unter einander jehr verſchieden und ihr Gebraud) 
ſchwierig. Die antiochenifche oder alerandrinifche 
Meltära des Mönchs Pandorus, bie lange zur 
Berehnung des Dfterfeftes benußt wurde, jet 
Chrifti Geburt ind Jahr 5493; die Nera bes 
Anianus, deren fi) noch die äthiopifchen Chrijten 
bedienen, ins Jahr 5501. In byzantiniſchen 
oder conſtantinopolitaniſchen Aera entſpricht das 
5509. Jahr unſerem erſten, beginnt aber mit dem 
1. September; bie byzantiniſchen Kaifer, ſowie 
bie Ruſſen bis auf Peter den Großen bedienten 
fi ihrer. Bemerkenswerth ift noch die diocle— 
tianifche oder Märtyrer » Xera, in Alerandrien 
erfunden, von ben ägyptifchen und äthiopiichen 
Ehriften gebraucht ; fie hat ihre Epoche 284 n. Chr. 
oder auch 276. Die biocletianifche Aera ift bei 
ben hriftlichen Völlern überall verdrängt durch 
die bionyjianifche (Abt Dionyfius), . die 
Sabre von der Geburt (ab incarnatione) Ch 
ählt; ihr erftes Jahr ift 1. Januar bis 31. 
December 754 nad der Erbauung Roms. Die 
Sahresangaben bei den Schriftftellern ftimmen 
troß ber gleichen Aera häufig deshalb nicht über: 
ein, weil als Jahresanfang neben dem 1. Januar 
auch der 25. December, ber 25. März und Dftern 
geieht! wurde. Erjt Bapft Innocenz IX. feste 1691 
1. Januar als Jahresanfang feft. Der Erwäh⸗ 
nung werth ift noch die julianijche Periode von 
Scaliger, aus ber Multiplication ber cyflifchen 
—* 28, 19,15 berechnet; ihr 4714. Jahr ent: 


pricht unferem erften. Endlich werben zur Zeitbe⸗ 
immung bie Indictionen (Römerzinszahl) be: 
nutzt; ———— ein 16jähriger Steuerkreis. Die 
beigeſetzte Zahl bezeichnet, das wievielſte Jahr des 
Steuerkreiſes das betreffende ift. Um die Indiction 
eines Jahres n. Chr. zu finden, addirt man 3 und 
bividirt durch 15. Der Neft giebt bie Indiction an; 
ift fein Reft, fo ift 15 die Indiction. Bgl. Ideler, 
Handbuch der Ehronol.; Piper, Kirchenrechnung. 

Hergerniß, axivdador, eigentl. Falljtrid. Alles 

bas, wodurd ein Anjtoß erregt wird, im biblifchen 
Spradgebraud immer mit dent Nebenbegriff des 
Verleitens. In der Kirchenſprache öffentliches Aer⸗ 
——— Worte oder Handlungen, welche das ſitt⸗ 
iche oder religiöfe Gemeingefühl verlegen, aljo 
rüdfichtslofe Uebertretung der Grundgebote, oder 
Widerſpruch gegen die Grundanjhauungen der 
Gemeinschaft. 

Aërius, Stifter der Secte der Nörianer und 
Presbyter in Sebafte (gegen 360), früher jelbft Asket, 
betämpfte den Werth der —— gebotenen Faſten, 
der Fürbitte für die Todten, die judaiſirende Beibe: 
haltung der Baffahmahlzeit beim Abendmahl und 
die hierarchiſche Ueberordnung der Biſchöfe über 
bie dreöbpten Der Name Aerianismus wurde auch 
als Kegerbezeichnung für ben Proteftantismus ge: 


audt. 

Aerſe. Beulen oder Feigwarzen, 1. Sam. 5, 6; 
6,4. 11. Welche Krankheit gemeint fei, läßt fid) 
mit Sicherheit nicht mehr angeben. 


14 


Affect 


Ueſthetiſche Auffafſung der Religion iſt dieje⸗ 
nige, welche neben dem Verſtande dem Gefühle und 
der Phantaſie in der Religion noch eine ſelbſtän— 
dige Thätigfeit zuerfennt, und das Geſchichtliche 
in ber Religion der letzteren zumeift, infofern die— 
jes eine Berförperung religiöfer Ideen barftellt. 
Das Geſchichtliche erhält damit ſymboliſche Bedeu 
tung und gehört daher ber äfthetiichen Betrachtung 
an. Nachdem Kant durch feine Auffafjung des 
Religiös⸗Geſchichtlichen ald Verkleidung moralifcher 
Neen einen Weg gebahnt, hat der Philoſoph Fries 
den Gedanken weiter ausgeführt, und de Wette 
ihn zu einem dogmatiſchen Syfteme verarbeitet 
(Zehrbuch der hriftlihen Dogmatik). 

Aethiopien. Großes Land im öftlihen Afrika, 
das heutige Nubien, Korbofan und Habeih um: 
Sr im U. T. Kuſch genannt (Pi. 68, 32; 
Sej. 11,11; 20,4; 43,3; 45, 14. Jer. 46, 9 u. 
d.); iſt bald von Aeappten abhängig (2. Chr. 12, 
2), bald beherrſcht es pten, fo dab vor Pſam⸗ 
metich Toger eine äthiopiice Dynaftie in Aegypten 
regiert. Unter diefem gründet eine ägyptijche Aus: 
mwanderung aus der Kriegerlafte einen eigenen 
Staat in Nethiopien, der fpäter der herrſchende 
wurde. Die Berfer und Btolemäer hatten nur vor⸗ 
übergehenden Einfluß. Zur Zeit des Neuen Tefta: 
ments haben fie eigene Füriten (Kandace, Apitg. 


rifti | 8, 27) 


, 27). 
Aethiopiſche Bibelüberjegung. Zeit und Urhe⸗ 
ber der Ueberſetzung find ungemwiß, —3z3*8 
entſtand fie im 4.—5. Jahrh. Zu Grunde liegt der 
griechische Tert der alegandrinijchen Kirche, an den 
die urjprüngliche Ueberſetzung fich ſehr treu an- 
ſchließt; diejelbe hat jedocd manche Umarbeitung er: 
fahren. Da die äthiopifche Bibel außer den fanoni: 
jhen und apofryphifchen Büchern noch einige 
pjeudepigraphifche (Henod), 4 Esra,3 Maftabäer zc.) 
enthält, jo zählt fieim A. T.46, imN.T. 35 Bücher. 
Obgleich die äthiopijche (Geez:) Sprache längft aus: 
geftorben, jo i dieſe Ueberſetzung doch bei allen 
abeſſyniſchen * im alleinigen kirchlichen 
Gebrauch. Kritiſche Ausgabe von A. Dillmann. 

Aethiopiſche Kirche. ©. Abeſſyniſche Kirche. 

Aötius. Ein Haupt der ftrengen Arianer, der 
Anomöer, welche die Mejenseinheit de3 Sohnes 
mit dem Vater befämpften und [ehrten, der Sohn 
fei duch den Willen des Vaters aus Nichts her: 
vorgerufen und ihm baher in Allem unähnlich 
(dvouoog), nur in Bezug auf Wirkfamteit fei er 
ihm allerdings ähnlich. Aetius war Diakon in 
Antiochien, er juchte dort die Kirdengemeinihaft 
der Arianer und Katholiken zu jprengen und mußte 
deshalb weichen. Als Vertreter des Arianismus 
nahm er Theil an der erjten Synode zu Sirmium 
(351). In den Wechfelfällen des arianiſchen Strei: 
tes erfuhr auch Adtius manche Verfolgung, ald er 
ſich aber fpäter der Gunft bes Cäfar Gallus und 
des Julian erfreute, ſammelten fih um ihn und 
feinen Freund Eunomius die Arianer. Aätius wird 
jogar zum Biſchof geweiht und weiht Biſchöfe für 
feine Partei. Er ftarb zu Eonftantinopel. 

Affeet heißen lebhafte, vorübergehende Gefühls: 
erregungen, entweder aufregenber Art (Zorn), oder 
deprimirender (Schmerz). Der Afjert an und für 

ich iſt nichts fittlich Vermerfliches. Aud bei Chri- 

s zeigen fich jehr lebhafte Aſſecte: Traurigkeit, 

ehmuth, Entrüftung. Der Affect kann aber ver: 
werflic werben, wenn er die Fähigkeit der Selbſt⸗ 
beherrihung aufhebt (Jähzorn) durch das Ueber: 


Affectiones 


—— Heftigfeit, ober qualitativ, wenn er das 
Aufwallen vorhandener jelbitfüchtiger oder finn- 
licher Leidenſchaften bedeutet. 

Affeotiones der h. Schrift wurden in ber alten 
lutheriſchen Dogmatik die Eigenihaften der h. 
Schrift genannt, welde fie ald göttlihe® Buch 
harakterifiren. Dahin werben gezählt: 1) ihre 
Nothwendigkeit zum Heile und ihre vollftändige 
Fähigkeit, das letztere zu bewirken; 2) ihre Ber: 
ftändlichleit in Beziehung auf das, was zum Heile 
nothwendig ift, und die Möglichkeit, die Schrift 
durch die Schrift zu erflären; 8) ihre unbedingte 
Autorität in Glaubensſachen und ihre Wirkungs⸗ 
Nähinleit auf das Menjchenherz. 

Mnität, Berwandtihaft durch Verſchwäge⸗ 


iſt ein Ehehinderniß. 
J— Denis Auguſte, Erzbiſchof von Paris. 
Ward in dem Straßenkampfe des 25. Juni 1848, 
ala er fich, um Frieden zu ftiften, in erzbiſchöflicher 
Tracht auf die Straße wagte und die Barricaden 
beftieg, von einer Flintenkugel getöbtet. 

Aira, die Heilige, in der diocletianifchen Berfol: 

zu Augsburg verbrannt, ſoll vor ihrer Be 
in öffentlicher Unzucht gelebt haben. Aſch⸗ 
ba, Kirchenleriton. Dagegen Rettberg. 

Agabus. Der Prophet, welcher nad Apftg- 
11, 28 die große Hungersnoth des Jahres 44 vor: 
berjagte, auch Apoftel Paulus feine Gefangen: 

mung weiſſagte, Apftg. 21, 10. 11. 

Name, vielleicht ftehende Bezeichnung der 
Amaleliterfönige; einen diejes Namens hieb Sa: 
muel zu Gilgal in Stüden (1. Sam. 15). 

Agape (zum erjten Mal Brief Zub. 12) ift der 
Ausdrud für Die Liebesmähler der erften Chrijten: 
gemeinde, welche anfangs täglich (Apftg. 2,42) gegen 
Abend anden und zu melden Leder feinen 
Beitrag brachte. Das Mahl ſchloß mit der Aus- 
tbeilung des h. Abendmahls und dem Bruderkuß. 
US die Agapen ſeltener und oft politiſch 
tig wurden em jun. in dem befannten Briefe 
an Trajan X, 96), trennte fid) das h. Abendmahl 
allmählich davon. Dft kamen Unordnungen bei den 
Agapen vor, vgl. 1. Kor. 11,20 ff.; Tertullian De 
jejunüis 17, Unmäßigkeit, Egoismus. Synoden 
verbieten die Abhaltung in Kirchen (ſchon zu Laodi⸗ 
ea 363). Allmählich verſchwinden fie ganz. 

hießen in der alten Kirche Männer, 
welde bei den Dialonifien, Agapetae Wittwen 
oder Jungfrauen, die bei den Geijtlichen wohnten. 
Begen Sittenlofigkeit ward Beides verboten. 

Agapetus I. Bapft. Auf einer Reife zu Jufti- 
nian L, um denjelben zur Verſchonung Staliend 
und der Dftgothen zu beftimmen, gelang es ihm, 
die Abfegung des monophyſitiſchen Patriarchen 
Anthimus und die Einfegung des Rom geneigten 
Rennas zu erwirten. In der Weihe defielben übte 
er einen Act kirchlicher Oberherrlichteit über das 
morgenländifche Batriarchat aus. Er ftarb 536. — 
Agapetus IL. 946—955. Um an dem deutſchen 
König Otto einen Halt gegen das noch mächtige 
Yaus der Marozia zu haben, entichied er fich ge: 
—— erſten Ausſpruch in dem Streit zwis 

‚Artold und Hugo von Bermanbois über das 
Erzbisthum Rheims für den — Otto's, 
, und beſtätigte die Abſetzung Hugo's 
durch die Synode zu Ingelheim. Agapetus ſiand 
auch auf Seiten Adelheids, der Witiwe Beren⸗ 
Bi durch welche Dito nad Italien gerufen 
e. 


15 


Agende 


Agathe, die Heilige, erlitt den Märtyrertod 
unter Decius. Gedächtnißtag b. Febr. 

Agatho, Biſchof von Rom, 678—681, bat den 
Bertheidigern der päpftlichen Unfehlbarkeit dadurch 
viel Mühe gemacht, daß er durch jeine Legaten auf 
dem den Monotheletiömus verdammenden Eoncil 
von Conftantinopel (680) feinen Vorgänger Hono⸗ 
rius namentlich mit verdammte. Im Uebrigen er: 

ob er alle mit feiner Stellung verbundenen An: 
prüche, erklärte 3. B. die von dem König von 
Northumberland vollzogene Entjegung eines Bi: 
ſchofs von York für ungültig, legte fich den Titel 
eines ölumenijchen Bifaofs bei und —* vom 
Kaiſer den Erlaß der ſonſt bei der römiſchen Bi⸗ 
ſchofswahl üblichen Steuer zu erlangen. 

Agenda. S. Rituale. 

Agende. Das Wort, welches nur in der lutheri⸗ 
ſchen und von bort in der unirten Kirche üblich ge: 
worben, bezeichnet eine Sanımlung von —— 
ren der Gottesdienſtordnung. In der reformirten 
Kirche iſt ver Ausdruck üblich: Ordnung oder Form 
zu ae ꝛc. Den Reformatoren trat jehr bald das 
Bedürfniß nah, den Gotteödienft nad) dem Prin- 
eip der neuen Lehre umzugeftalten. So erfchien Zus 
lhers Ordnung des Gottesdienftes in der Gemeinde 
1523, feine deutjche Meſſe 1526 und fein Tauf: 
und Traubücjlein, in denen er ſich möglichſt an 
bie römischen Ziturgien anſchloß. —— 
Leo Judae erſchienen von 1523 ab Form der Taufe, 
Braud) des Nachtmahls ꝛc. und 1525 Ordnung der 
riftlichen Kirche zu Zürich. Diefen nachgebildet tra⸗ 
ten zahlreiche Agenden oder Kirchenordnungen and 
Licht. Dieälteften find diedes Herzogthums —— 
1525, die von Schwäbiſch-Hall und Bugenhagens 
ſtirchenordnung der Stadt Braunſchweig, die vie⸗ 
len andern zum Muſter diente. Geht auch durch 
alle Agenden Gemeinſames hindurch, ſo ſpricht 
ſich doch in ihnen auch der verſchiedene Charakter 
der einzelnen Kirchen beſtimmt aus. Während die 
Agende Joachims IL. am meiſten fatholifirt, haben 
die Iutherifhen Agenden von Würtemberg, im 
und Baden große Berwandtihaft mit den refor: 
mirten deutſchen Agenben, die ſich wieder nicht un⸗ 
wejentlih von den Calviniſchen unb —— 
unterſcheiden. Den Zwingliſchen iſt der lituͤrgiſche 
Eharalter der Sacramenisfeier, der ſich von dem 
boetrinellen Charakter in den Liturgien des Calvi: 
nifchen Typus vortheilhaft unterjcheidet, die Sitte, 
die Verjtorbenen abzufündigen, und das Vorhan: 
denſein von Gebeten für die Feſtlage eigenthümlich. 
Die —— ließ die alten Agenden viel⸗ 
fach in Vergeſſenheit gerathen und ſetzte ungenü: 
ge Productionen an ihre Stelle. Bon bedeuten: 

Einfluß ift bie neue preußifche Agende geme: 
fen. Ein tieferes religiöjes Gefühl und ein Ver: 
langen nad) Uniformität ber Kirche feines Landes 
veranlaßte Friedrih Wilhelm III., die Abfafſung 
einer Agende eifrigft zu betreiben und, nachdem er 
eine Arbeit Eylerts zurüdgemiejen, ſich ae. 
daran zu betheiligen. Die Liturgie für die Hof: 
und Garnifongemeinde zu Potsdam 1816 fand 
ihren Kritifer an Schleiermader. Die Kirchen: 
agende für die Hof und Domtirche in Berlin 1822 
ging noch mehr auf die Liturgien des 16. Jahr). 

urüd, und obwohl fie nicht minder heftigen Wider: 
seien erregte, fand fie doc, da mancher Einfluß 
dafür verwendet wurde, in dem größten Theile 
ber Landeskirche allmählich Eingang. Nachdem mit 
Bunjen und Borovsky die Agende von Neuem 


Agendenftreit 


revibirt war, wurde fie 1824 mit dem Befehl, fi 
tiber die Annahme zu erklären, den Geijtlichen zu: 
geſchickt; wo fie nit angenommen würde, jollten 
nur erweislich früher im Gebrauch geweſene 
Agenden ohne Abweihung ferner benußt werden. 
Eine von Schleiermacher verfahte Borftellung der 
Berliner Geiſtlichen wahrte gegen fie die Freiheit 
ber Geiftlihen. Endlid wurde durch bejondere 
Commiſſionen das in den einzelnen Provinzen 
Herlömmliche und Paſſende aufgefuht und bie 
Agende erichien für die einzelnen Provinzen mit 
diejen Nachträgen. Ein nur ſcheinbares Weiter: 

eben auf diefem Wege find die Rarallelformulare, 
* Benutzung der Oberkirchenrath freigegeben, 
denn dieſelben Find gegen die Haupttendenz ber 
Agende, gegen die Union, gerichtet. Die Einfüh- 
tung der Agenbe erfolgte nicht ohne große Schwie⸗ 
rigfeiten und harte Kämpfe ıf. Union). Die rhei: 
nie Eynode nahm fie bedingungsweije erjt 1835 
gegen die Gewährung der Kirdenordnung an; hier 
allein wurden die Gemeinden durch ihre Vertreter ge: 
hört, und bier allein ıft fie, wenn auch nicht immer 
ſehr glüdlid), fortgebildet und vermehrt wor“ n. In 
naher Verwandtſchaft mitder preußiſchen Agenbe fte: 
hen die badische und die von Bunjen verfahte, in der 
Gejandtichaftstapelle Roms gebrauchte capitolinis 
u Bei aller Anerkennung des vielen Guten in 

er Agende und ihres Zufammenhanges mit ältern 
zeformatorifchen ift doch dem Borwurf der Katho: 
lilen nicht aller Grund abzuſprechen, die Agende, 
die ſich oft jo ängjtlidy an den Ritus der römischen 
Kirche hält, habe eine Schale ohne den Kern 
entlehnt. Denn der Zufammenhang des Ganzen 
in der Orbnung des Gotteödienftes mweift auf eine 
dramatiſche Darftellung der Erlöfung hin, wie fie 
bie Meſſe mit dem Meßopfer zwar giebt, die aber 
der Idee des proteftantifchen Eultus fern ift. 

Agendenftreit. Ueber den preußifchen f. vorigen 
und Art. Unon.— Der badifche Agendenftreit wurde 
durch die im J. 1858 von dem Obertirchenrath 
Ulmann:Bähr erlaffene, zu alterthümlihen und 
theilmeije Zatholifirenden Formen zurückkehrende 
Agende hervorgerufen. Der Oberlirchenrath hatte 
zwar die Zuftimmung der Generalſynode von 1855 
zur Einführung derjelben zu erwirken gewußt, 
aber die Einführung fcheiterte an dem lebhaften 
Widerjtand, den die Gemeinden entgegenjegten, 
und der den Großherzog am 20. December 1858 
zur Zurüdnahme der Bwangsverordnung veran: 
laßte. Der Streit war der erjte Anftoß zur neuen 
badiſchen Kirchenverfaffung von 1861 und zu ber 
—— Entwickelung der kirchlichen Zuſtände in 

aden. 

— die Heilige, wurde in der Verfolgung 
des Diocletian in ein öffentliches Haus gebracht, 
wo Symphronius, ber fie zu berühren wagte, er: 
blindete. (Gemälde des Tintoretto.) Als die Flam⸗ 
men des Scheiterhaufens fie nicht verlegten, ward 
fie enthauptet. Ihr Sinnbild ift ein Lamm; ihr 
Gedächtnißtag der 28. Januar. Der Orden ber 
Trinitarier verehrt fie als Hauptpatronin. 

Agnoeten, d.h. Nichtwifjende. Spottname einer 
Partei der Monophyfiten, die mit dem Diakon 
Themiftius im 6. Jahrh. lehrten, Chriftus habe 
Manches nicht gewußt. 

Agnus Dei. Die Lammbilder, welche aus dem 
übrig gebliebenen Wachfe der Oſterkerzen verfertigt, 
von glapfte im 1. und 7. Jahre feiner Regierung 
geweiht und an Bornehme verſchenkt werben. — In 


16 


Aguirre 


der griechiſchen Kirche heißt ſo das Tuch, welches den 
Kelch bedeitt.— Der alte Morgengeſang der griechi⸗ 
hen Kirche: Lamm Gottes, das du trägjt die Sün- 
den ber Welt, erbarme did) unfer, wurde von Gregor 
dem Großen in die lateiniſche Liturgieaufgenommen. 
Er wird in der Meſſe vom Kg geſprochen und 
vom Chor gefungen. Die Worte werden brei Mal 
wiederholt, zum legten Male mit ber Aenderung am 
Schlufje: giebunsdeinen Frieden. Auch in die evan: 
geliihen Gejangbücher ift Diefes Lied aufgenommen 
als das befannte: D Lamm Gottes unſchuldig. 

Agobard oder Agobert, Erzbiſchof von Lyon feit 
816. Belämpfte die Adoptianer, die Öottesurtheile, 
die Juden, die Bilderverehrung und folgte einer 
freieren Auffafjung der Infpiration. 

Mponiflifer. Streiter Chrijti. Eine fanatifche 
Secte ver Donatiften im 4. Jahrh. 

Agreda, Maria Jejus, Superiorin des Kloſters 
zu Agreda in Spanien, berühmt als Berfaflerin 
bed Buches Mistica Ciudad de Dios etc. 1670, 
welches in anſtößig ſchwärmeriſcher und phantafti: 
cher Weife Maria und die unbefledte Empfängniß 
verherrlichte. Da die Inquifition und die Sorbonne 
das Bud) verboten, die Franciscaner aber es eifrig 
vertheidigten, entſpann ſich ein langer Streit. 

Agricola, Rudolph (1443—1485), einer der er: 

en deutjchen Humaniften, ftudirte in Zwolle unter 

homas von Kempen, ging 1471 auf 8 Jahre nad) 
Italien, und lebte jeit 1483 bejonders in Worms und 
Heidelberg, wo er auch Hebräiſch lernte. Sein Ber: 
dienft um die Philologie rühmen Erasmus und Me: 
lanchthon, die durch jein Buch von der dialektiſchen 
Erfindung begründete Reformation der Logik wird 
von Petrus Ramus fehr anerkannt; den Scholafti: 
fern war auch er troß feiner Vorſicht in Streitfragen 
(mie 3. B. über die Autorität bes Evangeliums und 
der Kirchenverfammlungen) persona ingrata, 

Agricola von Eisleben (Johann), (1492-1666), 
bejonders befannt durch den jogen. antinomiftifcyen 
Streit, in welchem (1527 und 1537) er Luther und 
Melanchthon gegenüber behauptete, daß das Geſetz 
im neuen Bunde nicht mehr gelehrt werden müfle; 
hernach als Generalfuperintendent der Mark Bran: 
denburg bei der Abfaffung des Augsburger In: 
terims (1548) mit betheiligt; eifriger Schriftiteller, 
der u. X. auch eine Sammlung von Spruͤchwörtern 
herausgegeben hat, defjen Hauptbedeutung aber in 
der Kirchenregierung gelegen zu haben ſcheint. 

Agrippa, S. Herodes. 

45* Caſtor. Ein chriſtlicher Schriftſteller 
bes 2. Jahrh. und bekannt durch Erwähnung bei 
Eufebius und Hieronymus als Betämpfer des 
Gnoftifers Bafilides. 

Agrippa von Nettesheim, geb. 1487 in Köln, 
geit. 1555; ein Mann vom bewegteften Leben; be: 
rühmt durd) feine Kenntniffe in der Magie, ein 
Spiegel jeiner nad) Klarheit ringenden, gährenden 
Zeit. Durch feine Schrift De incertitudine et va- 
nitate scientiarum, in welcher er die fittlichen und 
intellectuellen Zuftände feiner Zeit der Kritik unter 
wirft, auch die römische Hierarchie und Tradition 
betämpft und auf die Schrift Hinweifet, gehört er zu 
den Männern, die der Reformation den Eingang 
bereiten halfen, ohne jelbft zur Klarheit gelangen zu 
können. Seine Werte deutih,5 Bde. Stuttgart 1865. 

Aguirre, Zojeph Saenz de, 1630—1699, ein 
ſpaniſcher Benedictiner und Abt zu Salamanca, 
erhielt den Earbinalshut für feine Schrift gegen 
bie quatuor propositioncs cleri Gallicani. 


Agur 


Agur. Sprüche 30, 1. Ein ſonſt unbelannter 
ifraelitiicher Meifer, deſſen Sprüche a. a. D. gefam: 
melt find. Nad Hitigs Fühner Bermuthung ein 
Sohn der Königin von Maſſa. 

Ahab. 1) Sohn Omri’s, König von Iſrael, 
918—897 v. Chr. Bon feiner Gemahlin, der Si: 
donierin Sfebel, geleitet, führte er in Jirael den 
phöniziſchen Baal: und Nitarte-Dienft ein, und ver: 
folgte Die Propheten des Jahvedienftes, wie Elias. 
Auch fonftige Frevel und Ungeredtigfeiten werben 
von a Er führte 3 Kriege green 
Ben:Habad IL. von Syrien, den dritten im Bunde 
mit Joſaphat von Juda. In der Schlacht zu Ra: 
moth in Gilead wurde er tödtlih verwundet. 
(1.Kön. 16—22.) — 2) Ein falſcher Prophet unter 
den Erulanten in Babel. (Jerem. 29, 21.) 

Aha. Sohn Jothams, König von Juda, 741-725. 
Bei jeiner Thronbefteigung 25 Jahre alt (2.Kön. 
16,2, LXX). Als Betah von Iſrael und Rezin von 
Syrien in Jubaeinfielen, Jerufalem belagerten und 
das Gebiet verheerten (Jeſ. 7,1 ff.), auch die Edomi⸗ 
ter und Philiſter fich befreiten, wandte er ſich, ben 
Rath des Propheten Jejaja verfhmähend, um 
Hülfe an Tiglath-Pilefar, den König der Aſſyrer, 
der dann Syrien zwar überwand, aber auch Juda 
tributpflichtig machte. Ahas war ein eifriger 
Begünftiger des Moloch und alles ausländiichen 
Gögendienftes. 2. Kön. 16, 10 ff.; 23, 11. 12; 


2. en 28. 

4 rg 1) König von Jirael, Sohn und Nachfol⸗ 
ger Ahabs, 897—896 ; ftarb nach ——— Re⸗ 
gierun; an einem Sturze aus dem Obergemache. 
1. Kön. 22, 52; 2. Kön. 1. — 2) Sohn — 
König von Juda, 886. In dem unglücklich mit 
Joram von Iſrael unternommenen Feldzuge ggen 
Hafael von Damaskus erregte Senn einen Auf: 
fand und töbtete Ahasja. 2. Kön. 8, 25 ff. 

Ahabverus. Ascovngos, perjifcher Name, gleich 
dem Kerres der Griechen, der offenbar im B 
Eftger zu verftehen ift. Viele Ausleger finden in 
Esra 4, 6 den Kambyſes, des Cyrus Sohn, in 
Daniel9, 1 den Aftpages von Medien, und in Tob. 
14, 15 ben Kyaxares 1. 

Ahasverus, der ewige Jube, war nad) ber Le: 
gende ein Schufter zu Serufalem, der den mit dem 
Kreuze belafteten Ehriftuß, der ſich an feine Thür 
Iehnte, mit harten Worten und Schlägen wegtrieb, 
und zur Strafe umberirren muß, bis an den jüng⸗ 
ften Tag, ohne fterben zu können. Nach einer ande: 
sen Sage war der ewige Jube ein Pförtner Carta⸗ 
Bilus im Palaſte des Pilatus, der Jeſu einen 
—— gab. Er ſoll jpäter von Ananias getauft 

ein und als Chriſt in der Hoffnung bereinftiger 
Begnadigung ein frommes Büßerleben führen. Vgl. 
Gräke, Die Sage vom ewigen Juden. 

Ahaba, auch Ahera. Ort und Fluß in der Nähe 
Babels, an dem Göra (8, 21.31) die wiederfehren: 
den Epulanten verfammelte. Rach Ewald ift ge- 
meint ber Pallakopas ber Griechen, ber fübli von 


Babolon flieht. 

Ahia, Sohn Ahitobs. Hohepriefter unter Saul. 
l. Sam. 14, 3. Urentel Eii’s. 

Ahia von Silo. Ein Prophet, der dem Sero: 
beam J jein Königtfum verfündigte, aber auch den 
u g feines Haufes. 1. Kön. 11; 14. 

m. = * alja. ahi — 

ater der Ahinoam, emahlin 

Sauis — —8* Zadoks, 2. Sam. 15, 27. 35. 
36; 17, 1522. 


17 


Ain 


Ahiman, Ein Enalsſohn zu Hebron, Joſ. 16, 14. 

Ahimelech. 1) Priefter zu Nob, welcher David auf 
ber Flucht die Schaubrode gab (1. Sam. 21) und 
von Saul mit feiner Familie getöbtet wurde. — 
2) Ahimelech der Hethiter, ein Gefährte Davids 
in der Müfte. 1. Sam. 26, 6. 

Abinadab. Einer von den Amtleuten Salomo’s. 
1. Kön. 4, 14. 

Ahitob. Name verfhiedener Berfonen. 1. Sam. 
14, 3; 22,9; 2. Sam. 8, 17 ıc. 

Apitophel von Gile. Stand bei David in großem 
Anjehen, zeigte ſich aber bei Abſaloms Aufftand 
als der erbittertfte Feind und erhängte fich, als er 
den unglüdlichen Ausgang bed Unternehmens vor: 
ausfah. 2. Sam. 17, 

Ahlwardt, Theologiſcher Schriftſteller 
des 18. Jahrh., der das Werk Joh. Guft. Reinbech's 
über bie in der Augäburger Eonfeffion enthaltenen 
göttlichen Wahrheiten fortgejept hat. 

Ahmetha. Cära 6, 2; Su 1,1. = Echatana, 
die ee: Mediens. 

—* Das unmittelbare Wa 
—— inge in Form eines unbeſtimmten Vor⸗ 
geiüß 8. Das Ahnungsvermögen wirb vielfach ala 
zunblage ber Prophetie angejehen. U. bezeichnet 
auch die Richtung des Geiſtes auf diejenigen 
Dinge, deren begrifflihe Erkenntniß nicht mehr 
möglich, deren Dafein aber dem Bemußtjein eine 
ſelbſtgewiſſe Sache ift. 

Platanus. Ein in Syrien und Paläſtina 
einheimischer Baum. Der Stamm ift gerabe und 
„ bas Holz fein, weiß und hart. Ahornftäbe 
egte Jakob in die Tränkrinnen (1. Moſ. 30, 37). 

Luther lberjegte Kaftanie. 

Ai. Stadt der Kanaaniter, öftlih von Bethel; 
* Tell Hadſchar. Wurde von Jofua verbrannt, 

päter aber wieder aufgebaut. Sof. 7, 2; 8,1 ff.; 
Esra 2, 28. 

Aichſpalt, ober Aſpelt, Beter, von feinem Ge: 
burtsorte Afpelt bei Trier, ſchwang fi durch 
ärztliche Kunft und ſtaatsmänniſche Tüchtigfeit 
empor, wurde durch päpftlihen Willen Domprobft 
zu Trier, dann Biſchof zu Bafel, zuletzt Erzbifchof 
von Mainz. Ein treuer Anhänger bes Papites, 
wirkte er gegen die Haböburger für die Lurem: 
burger und 1314 für Lubwig von Bayern. 

D’Ailly, Petrus, de Alliaco, geb. 1350 zu Com: 
piegne, wurbe 1880 Doctor der Sorbonne, dann 
Vorſteher eined Collegiums zu Paris, mo Gerfon 
und Nicol. de Elömanges feine Schüler waren. 
1395 Biſchof von Puy, 1396 von Gambrai. 
+ 1419. Seine —————— — ſich auf 
die Hebung des Schismas und bie Reformation 
der Kirche. Er war Haupturheber des Concils 
von Piſa und zu Conſtanz Hauptvertheidiger des 
Sapes, daß ein allgemeines Goncil über dem 
Bapite ftehe; zeigte überhaupt eine bewunberungs: 
mwürdige Gelbftändigleit dem Papſte gegenüber. 
Sonft orthobor, war er ein heftiger Gegner Huf: 
his für deffen Berurtheilung er ftinmte. Unzu⸗ 


ehmen zus 


ieben mit dem Mißerfolg des Concils Tehrte er 
n fein Bisthum zurüd und ftarb auf einer Reife 
alö päpftlicher Legat. Hinterließ zahlreiche theolo⸗ 
ei Portojonhiige und aſtrologiſche Schriften. - 
Aimoin oder Ahmoin. Mönd in St. Germain 
bes Proͤs bei Paris im 9. Jahrh., ſchrieb Heiligen» 
eeigiäten, die einigen biftorijchen Werth haben. 
in. 1) 4. Moſ. 34, 11, nad) Robinjon bie 
Duelle Neba Andſchar am Fuße des ———— 


Ajalon 


— 2) Die Stadt Ain bei Rimmon, anfangs dem 
Stamme Juda, dann Simeon zugetheilt, jegt ver: 
muthiich EI Ghuwein. Joſ. 15, 32; 19, 7; 21, 16. 

Ajalon. Ardcır. 1) Im Stammgebiet Dan, eine 
Zevitenjtadt. Joſ. 21, 24; 1. Chr. 6, 69. Schau: 
platz des fiegreihen Kampfes Joſua's gegen die 5 
————— Joſ. 10. Wird von den Phili— 
ftern erobert. 2. Chr. 28, 18. — 2) Stadt in 
Sebulon. Richt. 12, 12. j 

Alad, genauer Akkad. Stadt in Babylonien. 
1. Mof. 10, 10. 

Akathiftos, Bezeichnung eines Lobgeſanges auf 
bie Jungfrau Maria in der griechiſchen Kirche. 

Akatholiſch, nicht katholiſch. In Defterreich früt- 
here öffentliche Benennung der Protejtanten. 

Alephaloi, Hauptlofe, wurden die Monophyſi⸗ 
ten genannt, welche fi von ihrem biäherigen 
Haupte, dem Patriarchen Mongos, losfagten, als 
derjelbe Zeno's Henotifon (482) unterjchrieb. 

Atıba, Rabbi. Einer der berühmteften jüdifchen 
Gelehrten, um 100 n. Chr. ; ein Hauptbegründer ber 
talmudiftiichen und kabbaliſtiſchen Literatur. Afiba 
ſchloß fih an Bar⸗Kochba an, wurde mit demſelben 
gefangen und 135 graufam getöbtet. 

Alto, aud Ale. Richt. 1, 31. Eine von 
ben Siraeliten nicht eroberte fanaanitifche Stabt, 
wurde zu Phönizien gerechnet und jpäter Ptole⸗ 
mais genannt. Apftg. 21,7; 1. Maft. 5, 15 u. ſ. 
Beſonders wichtig in den Kreuzzügen, wo fie den 
Landungsplag der Pilger bildete. Seit 638 in den 
Händen der Kalifen, wurde fie von Balduin 1104 
erobert, und blieb dann abwechſelnd im Beſitz der 
verſchiedenen u Parteien oder der Muha⸗ 
mebaner, bis fie zulegt 1291 vom Sultan Aſchraf 
von Aegypten erftürmt und völlig Be murbe. 
Der Name St. Jean d’Acre, den bie Stabt noch 
führt, ftammt von der ſchönen Kirche der Johanni⸗ 
ter. Später ift die Stadt wieder aufgebaut und in 
den Befig der Türken gelommen. Dur Napo: 
feon I. wurde fie vergeblich belagert. Das heutige 
Acre ift Meiner, bat 20,000 Einwohner; ber 
Hafen ift verfandet. 

Aloimeten, d. h. Niht-Schlafende. Name von 
Mönden im 5. Jahrh., welche den Gotteädienft 
Tag und Nacht fortjegten, indem eine Abtheilung 
die andere ablöjte. Ihr berühmteftes Klofter war 
Studion in Eonftantinopel. Als neftorianifirend 
beleate Johann II. die Afoimeten mit dem Bann. 

Atoluthen. Urjprünglic jüngere Kleriter, Be: 

leiter des Biſchofs, welchen niederer Kirchendienſt 
ibertragen wurde, den ſpäter Zaien verrichteten. 
Der Aloluthat ift jegt nur noch von Bedeutung 
als die höchfte von den vier niederen Weihen, der 
Durchgang zum römifch-tatholiichen Prieiter. 

Akra. Einer der Hügel, auf denen Serufalem 
faq, die fogenannte Unterftadt tragend. ©. Je: 


ruſalem. 

Akrabattine. Landſtrich im Edomiterlande, 
1. Malt. 5, 3, vgl. 4. Moſ. 34, 4. 

Alrabim, d. h. Storpionen. Darna ißt 
4. Moſ. 34, 4 eine Gebirgskette an ber ſüdöſtlichen 
Grenze Juda's, die das Sumpfthal EI Chor von 
der Arabah ſcheidet. Es finden ſich dort viele 
Storpionen. 

Alamelech. Stadt Aſſers. Jof. 19, 26. 

Alanud von * (ab Insulis). Ein Ciſter⸗ 
ienjermönd aus Ryſſel in Flandern, Biſchof von 

urerre, + zu Elairvaug 1203. fuchte in der 
Theologie eine mathematiſche Demonftration, ba 


18 


Alberti 


man bie Reber u mit Autoritätäbemweifen, fon: 
bern durch unftgründe überführen müfje. Es 
werben ihm viele Schriften en bie aber 
zum Theil von gleichnamigen Berfaffern herrühren 
en Er fchrieb 5. 8. De fide catholica contra 
Waldenses, Albigenses, Judaeos et Paganos 
s. Muhametanos. 
an — $ fpanif 
0, inand Alvarez, Herzog von, ſpaniſcher 
General unter Karl V. und Sfilpp IL., hat ſich in 
den Religionsfämpfen des Neformationszeitalters 
eine furdtbare Berühmtheit erworben. Der Sieg 
von et, 547) iſt ihm Hauptfächlich zuzuerken⸗ 
nen. Treuloß ijt die Öefangennahme des ng 
Philipp von Heffen nah der Schlacht von * 
berg, als dieſer in Halle den Fußfall vor dem Kaiſer 
thun mußte und ſich dann arglos mit dem gefan: 
— Kurfürſten von Sachſen zu Alba einladen 
eß. Seit 1567 Statthalter in den Niederlanden, 
fuchte Alba den Aufitand mit blutiger Strenge zu 
übermwältigen, wobei er 18,000 Menihen dem 
u berantwortet haben foll. + 1582. 
Ibanus. 1) Der Heilige, Protomartyr Eng: 
lands, geb. zu Berulam, römiſcher Soldat, der, 
Chriſt geworben, in der diocletianifchen Berfol 
ung umlam. — 2) Heiliger von Mainz, im 4. 
ahrh. Die St. Albanskirche fteht an feiner To— 
desſtätte; Ruheplatz der Faſtrade, Gemahlin Karla 
d. Gr.; ſpäter Klofter und Nitterftift mit bem 
Rechte, Münzen zu prägen (Albanusgulden). 

Alber, Mattyäus, geb. 4. Dechr. 1495, einer 
ber Reformatoren baren" par wurde Bre: 
diger in feiner Baterftadt Reutlingen und ver: 
timdigte bie evangelifche Wahrheit. Der Magiftrat 
gab ihm die höchſte geiftliche Würde und Bollmacht 
zu reformiren, troß der Proteftation des Abtes 
von Königäbronn, des Patron der Stadtlirchen, 
des Magiftrat3 von Mm und der öfterreihiichen 
Statthalterei in Stuttgart. Bor das Neihäfam: 
mergericht zu Eßlingen gefordert, berief er ſich auf 
die Schrift und durfte ungefährdet heimziehen. 
Alber hielt feft an der lutherifchen Lehre, auch ala 
[9 Zwingli brieflid an ihn wanbte. An dem Ges 
präd in Urach nahm er ze unb forderte die 
Megihaffung der Bilder. gen des Interim 
verließ er Reutlingen und ging nad) Stuttgart, 
wo er Xeltefter der Stiftäfirdhe wurde. +1570 als 
Abt von Blaubeuren. J. Hartmann, M. Alber. 
Tüb. 1863. 

Albert der Große, aus dem ſchwäbiſchen Ge: 
ſchlecht der von Bollftädt, geb. um 1200, ftubirte 
zu Padua, trat in den Dominicanerorden, lehrte 
zu Paris und darauf ald DOrdensprovinzial für 
Deutſchland zu Köln, refignirte als Biſchof von 
Regensburg und fehrte nad Köln zurüd, um nur 
den Studien zu leben. Die Maffe feines Wiffens 
erſchien den Zeitgenofien jo wunderbar, daß die 
en. ein Leben ausgeſchmückt hat. Sein Haunt: 
wert ift die Zumma theologiae. Die völlige Ber: 
air re rg bes Kirchenglaubens fucht er mit 
ariftoteliicher Methode zu erweijen, wobei er auch 
fein reiches phyfifalifches und mathematifches Wil: 
fen zur Begründung de Dogmas anwendet. 

Alberti, Johann, Leydener Profeſſor der Theo: 
fogie feit 1740, + 1762; wegen feiner Berdienfte 
um die philologiich-Fritifche Ge eje öfter alö der 
holländifche Ernefti bezeichnet. Antritts-Diſſerta— 
tion De theologiae et critices connubio. Fer: 
ner: Obss. philol. in sacr. N. T. libros. 


Albertini 


Albertini, J. B. von, geb. 1769 zu Neuwied, 
iſchof der Brüdergemeine, vorher Prediger und 
or zu Riesky. + 1831. 

Alberus, Erasmus, ein Anhänger Luthers. 
felvollen Zeben führt er in mehreren 
—— chlands die Reformation ein. 

in heftiger Gegner des Interims und Verfaſſer 
von „Der Barfüßer Mönd Eulenfpiegel und 
Acoran“. Berfafjer des —— Nun freut 
euch Gotteskinder all“. + ald Generalſuperinten⸗ 
dent zu Neubrandenburg 1568. 

igenfer wurden bie im 13. Jahrh. in Süb- 
frankreich weit auägebreiteten antipäpftlichen Sec: 
ten (Ratharer, Waldenfer) genannt, als diefe fich 
um den mächtigen Grafen Raymund VI. von Tou: 
louſe organifirten. Der Bapft Innocenz III. gab 
dem Legaten Beter von Caſtelnau Vollmacht, gegen 
die Keger in jeder Weife einzufchreiten. Die Er: 
mordung des Letzteren bot die Beranlaffung zu 
einem Kreuzzuge, welchen Arnold, Abt von Eiteaur, 
und Simon von Montfort ins Werk fegten. Ray: 
mund von Touloufe unterwarf ſich ſchimpflich und 
der Hauptangriff war nun gegen ben Bicomte Ray: 
mund Roger von Bezierd, den Führer ber Albi- 
gie, erichtet. Da ſich der Hauptlampf um die 
e Besiers und Albi drehte, wurden die An: 
gegriffenen Albigenfer genannt. Troß der Unter: 
werfung wurde das Gebiet ded Grafen von Tou: 
loufe von ber Synode zu Montpellier und vom 
Bapfte Simon von Montrort zugetheilt. Der Kampf 
müthete von 1209—29. Die Albigenfer wurden 
fo fgitematifch auögerottet, daß der Name im fol: 
Jahrhundert verſchwindet. Hahn, Gejgichte 
Ketzer im Mittelalter, 1845. 
Alto, Rabbi Zofeph, aus Spanien, + 1430. 
Benedict III. veranftaltete ein Religionsgeſpräch 
zwiſchen dem Proſelyten Hieronymus a Santa Fide 
und & rten Rabbinen, unter benen Albo war. 
Mit Rüdfiht auf diefen Congreß verfaßte er zur 
Bertheidigung des Judenthums feine Schrift sepher 
Ikarım, in ber er bie 13 Artikel des jüdiſchen 
Glaubenäbelenntnifjed auf 3 rebucirt: Einheit 
Gottes, Offenbarung, Vergeltung. 
Albrecht von Apeldern, Domherr in Bremen, 
Apoftel von Liefland. Er verlegte den Biſchofsſitz 
nad Riaa und ftiftete zum —* der Miſſion den 
den der Schwertbrüder (1202). 
Albrecht, ſeit 1514 Kurfürft von Mainz, Sohn 
des Kurfürjten von Brandenburg, Erzbiihof von 
Magdeburg und Adminifttator von Halberftabt. 
Da er, um feine Palliengelder zu bezahlen, den 
Ablaß von Leo X. pachtete und Tetzel ausfendete, 
ift er die mittelbare Beranlaffung der lutherifchen 
Reformation. Albrecht bezeigte eine gewiſſe Liebe 
u den Wiffenichaften und ftiftete die Univerfität 
a.d.D. Er un nr als der Erfte, den 
efuiten Aufnahme in Deutſchland; bemilligte aber 
auch feinen proteftantiichen Unterthanen 1544 Frei: 
beit gegen Bezahlung jeiner Schulden. + 1545. 
Albrecht von Brandenburg, eriter Herzog in 
en Als Hochmeifter von Preußen wünſchte er 

der polnischen Lehnsherrſchaft zu entziehen; und 
Hülfe in Deutfchland ſuchend, wurde er durch Dfi: 
ander dem Evangelium gewonnen. Er befolgte 
Luthers Rath, den Orden aufzuheben und Preu: 
ben in ein weltliches Herzogthum zu verwandeln, 
1525 nad dem Kralauer Frieden. Die Neforma: 
tion wurte in Preußen eingeführt durch Georg v. 
Polenz, Eperatus, Dfiander u. A. Albrecht trat 


In einem w 


19 


d'Alembert 


dem ſchmalkaldiſchen Bunde und dem Fürſtenbund 
von 1550 als eifriges Mitglied bei. Der Verbefie: 
rung be3 Kirchenweſens wandte er alle Sorgfalt 
u. 1543 ftiftete er bie Univerfität zu Königsberg. 

ie Zerwürfniſſe in der Landeskirche, welche fich 
an bie Dfianderijhen Streitigfeiten anfchlofien, 
fonnten weder durch die neue Kirchenorbnung 1558 
noch durch bie titio corporis doctrinae Pru- 
tenicae gänzlich bejeitigt werden, da fich politifche 
Intereffen hineinmifchten. + 1568. 

Albrehtölente. Name der „Evangelifchen Ge: 
meinſchaft“ innerhalb des amerifanijhen Metho: 
dismus, die getiftet ift durch einen eifrigen aber 
ungebilbeten Laien Albrecht. Die Angſtbank fpielt 
eine große Rolle, Belehrungen find nur anerkannt, 
wenn fie an der Angftbant mit Geichrei, Stöhnen, 
Augenverdrehen geſchehen. Die zehn Gebote gelten 
nur für die Unbekehrten. 

AlcantarasOrden. Geiftliher Nitterorden zu 
Alcantara in Spanien feit dem 13. Jahrh., zur 
Bertheidigung der unbefledten Empfängnik Maria. 
Die Ritter durften fich jeit 1540 verheirathen. Der 
Orden ift aufgehoben 1835. 

Aleimus. ©. Altimus. 

Aleuin, Borfteher der Domfchule zu York, folgte 
ber Einladung Karls d. Gr., ihn bei der Grüns 
dung von Unterridhtsanftalten im fränliſchen Reiche 
zu unterjtüßen, wurde VBorfteher der schola pala- 
tina und erhob als Abt von Tours dieſes Klofter 
= einer berühmten Schule der Wiſſenſchaften. 

a3 Vertrauen Karl gewährte ihm großen Eins 
fluß, mit bem er fi am adiaphoriſtiſchen Streite, 
wie an ben Mafregeln zur Hebung des geiftlichen 
Standes betheiligte, durch den er aber auch die 
angelſächſiſche Ehrerbietung vor Rom auf bie frän- 
fiiche Geiftlichfeit übertrug. Seine zahlreichen 
Schriften find meift Gompilationen, dem Bebürf: 
— fränkiſchen Volkes angemeſſen bearbeitet. 


Aldus, Herausgeber einer der erſten Ausgaben 
des guys Neuen Teftamentd (Venedig 1518), 
nad) ben Mufter der des Erasmus (1516); ver: 
mittelt auch die Belanntichaft zwiſchen Erasmus 
und dem jpäteren Carbinal Aleander. 

Aleander, Cardinal, befannt ala päpftlicher 
Nuntius auf dem Reichätage in Worms (1521) 
ee fein heftige Auftreten gegen Luther, auch 
bie Hauptveranlaffung des Todes ber beiden erften 
evangeliihen Märtyrer Voes und van Ei in 
Brüflel (1523). 

Alegambe aus Brüffel, Jefuit, Berfaffer der 
Bibliotheca scriptorum societatis Jesu, + 1652. 

Alemannen. Germanijche Stämme, zerftören 
die chriftlihen Anpflanzungen der Römer in 
Schwaben und ber Schweiz im 3. Jahrh. Erft 
nad) ber Schlacht bei Zülpich bahnt die Verbins 
dung mit dem Frankenreich dem Chriftenthum 
Ein eng: Schottiſche Miffionare befehren das Volk. 
Auf: Fridolin (6. Jahrh.) folgte Eolumban und ©. 
Gallus, Trutpert, Zandolin und PBirminius. Im 
8. Jahrh. ift die Chriftianifirung vollendet. ©. 
Hefele, Geſchichte der —— des Chriſten⸗ 
thums im ſüdweſtlichen Deutſchland. Tüb. 1837. 

d'Alembert (+ 1783), mit Diderot der Haupt: 
verfaffer der berühmten Encyflopädie, auf die 19 
der franzöfifche Unglaube des 18. Jahrh. in erjter 
Reihe zurückführt; jharffinniger Mathematiker, 
aber flacher Philofoph, aud an dem Kampf gegen 
ben Jefuitenorben in ich — 


Alengon 


Alencon. Hier fand 1657 eine reformirte 
Eynode ftatt, auf welcher der Streit über bie 
— noch friedlich beigelegt wurde. 

rander der Große. Iſt gemeint Dan. 7,7 und 
8, 21; 1. Maff. 1, 1; nad) Jojeph benahm er fich 
gegen bie Juden fehr freundlich und gewährte ihnen 
mande Erleichterung. 

Alerander I, Bapft 109—119, fol unter Ha⸗ 
drian 119 den er erlitten haben; angeb- 
liher Erfinder des Meihwaflers. 

— II. 1061—73, ohne kaiferliche Genehmigung 

efrönt, Eiferer gegen Simonie und Briefterehe, 
* unter dem Einfluſſe Hildebrands. Forderte 

einrich IV. zur Verantwortung nach Rom. Sein 
Gegenpapſt Honorius II. wurde durch Hanno von 
— Mantua 1067 abgeſetzt. 

I. 1169 81. Kräftiger Vertreter der päpſt⸗ 
lichen Anſprüche gegen Friedrich Barbaroſſa, gegen 
den er ſich mit den Lombarden verbündete. Nach 
der er bei Legnano gab Friedrich ben Gegen: 
papſt Victor IV. auf. a erlangte Aleranber 
nad) Bedet3 Ermordung (j. Bedet), daß Hein: 
ri III. von England alle drei iten ber Kirche 
zugeftand. Alerander berief die dritte Zateraniy: 
node, die ben Garbinälen das —— Recht der 

apſtwahl gab, die Freiheit der Geiftlichen von 

gaben und weltlichen Gerichten becretirte, auch 
die Mafregeln der Inquifition gegen die Ketzer in 
Südfrankreich beſchloß. Reuter, Geſchichte A. III. 
— IV. 1254—1261, führte fortvauernbe un: 
glüdliche Kämpfe mit den Hohenftaufen und mußte 
aus Rom fliehen. 

— V. 1409—20. Bom Concil zu Pifa nad) der 
Abfegung Gregor XI. und Benedict XIII. auf 
den päpjtlichen Stuhl erhoben, Löfte er baldmög— 
lihft das unbequeme Concil auf. Er wurde von 
dem Cardinal Eofja (Johann XXIL.) vergiftet. 

— VI. (Borgia) 1492—1503, berühmt durch 
unübertroffene Lafterhaftigkeit. Er hatte fich zur 
Hauptaufgabe ſeines Berufes die —— einer 
5 Kinder von der Roſa Vanozza geſetzt, wobei er 
weder — noch Gewalt Moe Mit feiner 
Tochter Lucrezia foll er Blutfchande getrieben ha⸗ 
ben. Gegen italienische Fürften und Adelige fcheute 
er nicht Gift, nit Schwert. Mit den Türken ſchloß 
er ein Bündniß gegen Frankreich. Unter ihm wurde 
Savonarola verbrannt, die Büchercenſur einge: 
führt. Er ftarb an Gift, das er für einen Garbi: 
nal beſtimmt hatte. 

. 1655—67. Hänbel mit * XIV. 

elen zu bed Papſtes Demüthigung aus. Während 

einer Regierung trat Chriftine von Schweden 

zum Ratholiciömus über. In den janfeniftijchen 

Streitigleiten ließ er den Sat verfechten, baf der 
Bapft in —— unfehlbar ſei. 

— VIII 1689—91. Beendigt glücklich den 
Streit über das — Verdammie bie 4 Säge 
ber gallicanifhen Kirchenfreiheiten, aber auch die 
Zehre ber Jejuiten von ber philoſophiſchen Sünde, 
melde, ohne Gedanken an Gott und das Geſetz 
begangen, den Berluft ber Gnade nicht nach ſich 


jiehen follte. 
Alerander, ——— von Alexandrien ſeit 812. 
Als Heiliger gefeiert am 26. Februar. Gegner des 
unter ihm ah Ast Artus. 
Alerander Balad, angeblicher Sohn des Antio- 
us Epiphaned. Gemann mit Hülfe u. A. des 
affabäers Jonathan, dem er die hohepriefterliche 
Würde ertheilte, feines Baterö Neid) von Deme: 


— 


20 


Alexandriniſche Bibelüberſetzung 


trius Soter wieder. 1. Malk. 10, 48. Als aber 
be3 Demetrius Sohn den Kampf erneuerte, mußte 
er troß eines neuen Sieges des Jonathan (1. Mat. 
10,69 ff.) fliehen, da aud) fein Schwiegervater Ptole⸗ 
mäus Philometor fich gegen ihn wandte, und wurde 
FH 17 dt ermordet, 146 v. Chr. (1. Mall. 

Alexander, Patriarch von Conjtantinopel. Ent: 
——* Gegner des Arius, Vertheidiger des 
nicäniſchen Belenntnifjes. 

Alexauder von Hales, doctor irrefragabilis 
( 1245), Mitglied des Franciscanerordens, lehrte 
an ber Univerfität zu Paris, ſchrieb die Summa 
theologiae universae, einen Kommentar zu ben 
Sentenzen bed Lombarden, * durch 
feine dialeltiſche Methode, nach der jeder Sat 
nad Bejahung und Verneinung und unter Anzie⸗ 
hung aller möglichen Autoritäten beſprochen wurde, 
und welche der ſpätern Scholaſtik zum Muſter 
diente. —— 

Alexauder von Hierapolis. Stand auf dem 
Concil zu Epheſus (431) auf Seiten des Neſtorius; 
appellirte an den Bapft Sirtus IL. und wurde 
vom Kaijer ins Eril & didt. 

Alerander NRatalis (Nosl), Dominicaner, 
+1724, neben Tillemont ber bedeutendfte der gro: 
Ben katholiſchen Kirhenbiftorifer aus der Blüthe: 
zeit der franzöſiſchen Theologie vor der Unter: 
drüdung des Galvinismus und Janfjenismus, 
Seine 24bändige, 1677—1686 erfchienene Kirchen⸗ 
geſchichte Hat trog ihrer eifrigen Vertheidigung des 
Katholicismus gegen die Reformirten (Blondel 
und Dalläus) und ihrer Die Baronius’jchen Annas 
len noch überbietenden riefenhaften Gelehrjamteit 
30 Jahre lang auf dem Inder geitanden unb wurde 
erft Durch einen Dominicaner: Bapft freigegeben. 
Auch feine 10bändige Theologia dogmatica et 
moralis (Paris 1693), die fih eng au bie Be: 
ftimmungen der Tridentiner Synode anſchloß, 
nimmt unter ben damaligen Werten einen hohen 

ein. 


Ran 
ander Newsli, ber Heilige, Er von 
a rad 1218—1263. Hat ſich ſowohl 
um Rußland die größten Verbienfte erworben, als 
auh dur die Ausbreitung des Chriſtenthums 
unter den Mongolen. Den Lodungen des Bapjtes, 
ihn zur römischen Kirche durch Ausficht auf Unter: 
ung des Abendlandes berüberzuführen, wider: 
tand er beharrlid). 

Alerander von Parma, Farneſe, 1592. Spas 
niſcher Statthalter in den Niederlanden. Gemann 
dur ben Vertrag von Arras bie ſüdlichen Pro⸗ 
vinzen für Spanien und den Katholicismus zurück 
und ließ den Nichtlatholifen die Wahl zwiſchen 
Auswanderung und Converfion. 

Aleyander 8, römischer Kaifer, 222-235. 
Seine Mutter Julia Mammäa verehrte den Dri- 
genes. Gewährte den Ehriften Nachſicht und Ber 

ünftigung, da er, obwohl Heide, bie chriftliche 
ittenlehre hochachtete. 

Alerandrien, ©. Aegypten. 

Alerandriniie Bibelüberfegung, auch Sep: 
tuaginta genannt, iſt die ältefte und wichtigjte grie⸗ 
chiſche Ueberjegung bes Alten Tejtaments. Nach 
der Sage, weldhe in einem unechten Briefe des 
Arifteas, eines Dfficierö des Königs Ptolemäus 

iladelphus von Aegypten, berichtet iſt, joll ber 
Bibliothefar des Legtern, Demetrius Phalereus, 
ben König veranlaßt haben, fich eine Ueberjegung 


Alerandrinifcher Dialekt 


des Bentateuch® zu verſchaffen. Diefer habe hier: 
auf 72 jüdijche Gelehrte (aus jedem Stamme 6, 
daher uaginta LXX) fommen laflen, welche 
in 72 Tagen das Werk vollendeten, und zwar, wie 
jpäter erzählt wird, jeder getrennt, in einzelnen 
Bellen, und doch wieder alle bis auf das Wort 
übereinftimmend. Die jpätere Tradition dehnt das 
Verl über das ganze Alte Teftament aus. Die 
wirflihe Entftehung kann jedoch nur eine allmäh: 

e jein, von hiedenen Ueberfegern, zu ver: 
ſchiedenen Zeiten. Wahrfcheinlich ift, daß die Arbeit 
unter Ptolemäus Philadelphus (285—247) begon: 
nen worden und zur Zeit, alö die Heberjegung des 
Budes Jeſus Sirach entftand (gegen 131), in deſſen 
Borrede fie erwähnt ift, beendigt war. Auf Aegyp- 
ten, ald Drt des Urſprungs, deutet Ausdrucksweiſe, 


iſche Anſchauung, die geſchichtlichen Ber: 
ee mw. Die a daniaee 


nverftändlich, 
eremia) mit vielen 


iſcher Dialelt. S. Helleniftifch. 
Alerandriniſche Haudſchrift. S. Bibelh 


Aleraudriniſche Juden. Durch die Begünſti⸗ 
ungen, welche Alexander d. Gr. und feine Nad: 
olger den Juden zu Theil werben ließen, mehrte 
fh ihre Zahl in Aegypten erftaunlih. Sie ftan- 
den unter einem eigenen Ethnarchen und bilbeten 
ein Viertel der Bevölkerung zu Alerandrien. Sie 
batten Religionsfreiheit; ja Btolemäus Philometor 
erlaubte ihnen fogar den Bau eines Tempels bei 
Seontopolis, in dem mit Prieftern und Leviten ein 
vollitändiger Tempeldienſt eingerichtet wurde, fo 
daß die Aleranbriner, von Jerufalem unabhängig, 
nur im freundfchaftlichen Verhältniß zu der dorti⸗ 
gen Hierarchie ftanden. Dadurch gewann bas 
derandrinifche Judenthum eine ganz hervorra= 
—— eſchichtliche Bedeutung. Alexandrien 
i den Mittelpunkt eines weit verbreiteten 
griechiſch redenden Judenthums, welches mit Ele⸗ 
menten helleniſcher Bildung zerſetzt war, und mel: 
Ge3 daher den MEERE der alten Welt zum Chri- 
ftentfum vermittelte. Mit dem Auftreten des Ar 
tern und durch ſchwere Verfolgungen unter Cali: 
zula, Rero, Vespaſian, verlor das alexandriniſche 
dJudenthum allmählich feine Bedeutung. 

Alerandriniſche Katechetenſchule. Aus einer 
uriprüngfich nur für die Unterweifung übertreten: 
iden bejtimmten firchlichen Lehranſtalt ent: 


Ba Banane ua de ehen Gadhfhule, Die 
i e. Die 
kebeutenbften Behver Verteiben . 


antänus 


21 


Alexandriniſche Theologie 


(7 202), Elemens von Alerandrien (+ 220), befon: 
ders aber Drigenes (+ n i i 
von Alexandrien (4 265), fpä 
Dibymus (+ 395) und viele Andere. Der Einfluß 
der Schule auf die Entwidelung bed driftlichen 
Dogmas war ein ſehr bedeutender. 
lexandriniſche Religionsphilofophie. In Ale: 
gandria entwidelte fi unter den Ptolemäern eine 
reihe Blüthe geiftigen Lebens, in welches die zahl: 
reihen Juden daſelbſt ebenfalls Hineingezogen wur: 
den. Dadurch Famen zwei fich völlig fremde Ideen⸗ 
freife, der jüdifche und der griechifche, in eine felt- 
fameBerührung,unddie Folge war eine Vermiſchung 
beider zu einem eigenthlimlichen neuen Gedanken⸗ 
igiteme, weldes man alexandriniſch⸗judiſche Neli- 
gionsphilofophie benennt. Als Gründer berfelben 
iſt Ariftobulus (um 175), ala der orragendfte 
ertreter —* "1 gegen 60 n. Ehr.) zu nennen. 
Das Charakteriftiiche diefer Philoſophie befteht 
darin, dab griechiſche Ideen, bejonders ber plato: 
niſchen Philoſophie, in die ———— Offen⸗ 
barung hineinverſetzt werden. Die Erzeugniſſe des 
griechiſchen Denkens erſcheinen derſelben nicht ori⸗ 
ginal, ſondern als eine auf dunkeln Wegen den Grie⸗ 
hen aus der moſaiſchen Religion zugeſloſſene Weis⸗ 
heit. Um das Alte Teſtament mit der griechischen Phi⸗ 
lojophie in Einflang zu bringen, wurde die alles 
—— ————— eingeführt, welche mit 
Leichtigkeit oft das Gegentheil von dem aus der 


Bibel herausbrachte, was darin ftand. Als Ge: 
heimlehre, dem Bolfe verborgen, ift jener tiefe 
Sinn Dffenbarung überliefert worden. Die 


—— ſind folgende: Gott wird in abſtracte⸗ 
ter Weiſe als das reine, teuer verbor: 
ene Sein, wenn auch als perſönliche urjprüngliche 
hätigkeit, aufgefaßt, als der unverföhnbare Ge- 

genjag gegen alles Endliche. Um daher eine Be: 

ziehung herzuftellen zwiſchen Gott und der Welt, 


and» | werden zwiſchen beide Mittelwejen eingejchoben, in 


denen fich die hebräiſche —— von den En⸗ 
gein mit der platonifchen von ben Jbeen vereinigt. 
ieſe ſchafft Gott als geiftige, ſchaffende Weſen, 
welche die —— Goͤttes in der Welt vermit⸗ 
teln. Als das hoͤchſte dieſer Mittelweſen wird der 
Logos (Vernunft, Wort), die im Chriſtenthum ſo 
berühmt gewordene Idee, gedacht. Die Welt und 
der Zeib, ald das gerade Gegentheil Gottes, find 
für den Menſchengeiſt ein Kerter, deſſen Ucbermwin: 
bung das höchſte ftttliche Ziel bildet, d.h. die Unter: 
drüdung der Sinnlichkeit, deren großartigfte Er: 
cheinung bie Efitaje iſt. Diefe religionsphilofo: 
gpilgen Ideen fanden eine nachhaltige und weite 
erbreitung. Unter den Apokryphen des Alten 
Teitamentes gehört die „Weisheit Salomo’s” in 
dieſe Richtung. Bereinzelt finden ſich aud) Ideen 
der Art in den johanneiihen und paulinifchen 
Schriften. Bol. Dähne, Geſchichtliche Darftellung 
der ba ar rag che Religionsphilofophie. 
Alerandrinifche Theologie. (S. den Art. AL. 
Katechetenichule.) Die alerandrinifche Schule bil: 
bete durch die Bedeutung ihrer Lehrer bald eine 
beftimmte theologifhe Richtung aus. Beſonders 
Drigenes hat ber Schule eine aufs Trandcendente 
erichtete, ibealiftiiche ſpeculative Richtung, die ur: 
prünglich der gnoftiichen nicht fremd war, aufge: 
prägt. (5. Drigene3.) Eine Vernachläſſigung des 
Wörtlichen, —— fine war bie * 
liche Folge; allegoriſche Schriftauslegung und kühne 
——— Aber das Heberfinnliche charalteri⸗ 


— 


Alerianer 


firten die Schule. Ihr Charakter trat erft fcharf 
ervor im Gegenfag zur antiocheniſchen Schule. 
brend jene Vertreterin der allegoriſchen Schrift: 
auslegung, Schöpferin der Lehre von der Wejens: 
gleichheit Chriſti mit dem Vater, von der Trinität 
war, juchte die antiocheniſche Schule möglichft klare, 
nüchterne Begriffe, mit einer entjchiedenen Ric: 
tung zum Realen, Menſchlichen, Natürlihen. Sie 
vertrat die hiſtoriſche Schriftauslegung in ber Lehre 
von Ehriftus, vergaß nie den Begriff des Menſch⸗ 
lien und kam daher nie zu der Vermiſchung 
beiden Naturen, wie bie Kirchenlehre. Die Haupt: 
vertreter der jpätern alerandrinifhen Schule find: 
Athanafius, —— Gregor von Nazianz, Gre⸗ 
or von Nyſſa, Didymus der Blinde; in einſeitiger 
cheinung: Cyrill. Zur antiocheniſchen Schule 
ählen: Diodor von Tarſus, Theodor von Mop: 
ei, Johannes Chryfoftomus, Theodoret. Die 
eiden Schulen traten in den arianiſchen Streitig: 
feiten in heftigen Gegenfag. 

Alerianer (Lollyarden, Eelliten). Eine Laien: 
brüderſchaft zur Krankenpflege und Todtenbeftat: 
tung, welche in der Zeit der Peſt um 1300 in 
Antwerpen fi bildete und den heiligen Alexius 
—— Schutzheiligen hat. Oft verwechſelt mit 

sg 

erins I. Gomnenus, 1081—1118, Kaifer zu 
Byzanz, hatte viel mit den Türfen zu lämpfen, 
bie er 1115 und 17 befiegte, nicht minder mit ben 
Kreugfahrern, die er übrigens ng Se ungen Er 
em die Baulicianer 1115 zu bekehren und ver⸗ 
F treulos und grauſam die Bogumilen. 

lexius der Heilige, Sohn eines römischen Se: 
nators im 5. Jahrh., jchied aus ber Ehe und wählte 
das Cölibat und Eremitenleben. Später lehrte er ald 
Bettler unerfannt von den Seinigen zurüd. Auf 
bem aventinifchen Berge zu Rom liegt feine Kirche. 

Alfons Toftatus, + 1455. Biſchof von Aquila, 
»qui scibile discutit omne,« ſchrieb 24 Folianten 
biblifher Gommentare. 

Alfons 1., König von Portugal, 1139—1185. 
Nahm das Königreih vom Papft zu Lehen und 
erlannte fo deſſen weltliche Oberherrlichkeit an. 

Alfred der Große, 871—%01, König von Eng: 
land, ſuchte durch gelehrte Männer, die er an feinen 
Hof zog, das geiftige Leben jeines Volkes neu zu 
beleben. Er jelbft überjegte und bearbeitete mehrere 
philofophifche undtheologifche Werke, z. B. Boethius, 
vom Trofte der Philofophie ; des Oroſius Geſchichts⸗ 
buch; Gregor I. Liber —— 

Alger von Lüttich, Kanonikus, trat ſpäter ins 
Kloſter Clugny; ein kir —— Schriftſteller des 12. 
Jahrh., der mit umfaſſender —— über 
das Abendmahl gegen Berengar und viele kirchen⸗ 
vechtlihe Schriften jchrieb. Bon Bedeutung: Trac- 
tatus de misericordia et justitia. De sacra- 
mentis corporis et sanguinis Domini. Bgl. 
Hüffer, A. v. Lüttich (Beiträge sc. Münfter). 

Algier. Als Seeljorger für die Chriftenjclaven 
functionirten in Algier ſtets franzöſiſche Priefter. 

ur Leitung ber Mifjion hatte die Propaganda dort 
einen apoftolifchen Vicar. Sept ift Algier zum Bis: 
thum erhoben unter dem Erzbistum Air. Die 


22 


&: | liche H 


Aller-Seelen 


Eigenjgeft der Engel, vermöge deren biefe zwar 
nicht wie Bott überall find, aber auch nicht wie die 
Menſchen einen beftimmten Raum einnehmen, ver: 
möge deſſen fie alſo an einem beftimmten Orte find, 
aber bajelbjt feinen Raum brauden. Sie fünnen 
fofort fein wo fie wollen, ohne irgend welche räumt: 
inbernifje. 

Alima. Eine Stabt in Gilead. 1. Malk. 5, 26. 

Altimus (Eljagim), ein den Syrern ergebener 
jübifcher Priefter, wurde von Demetrius Soter 
zum Hohepri ernannt (1. Malk. 7) gegen Zus 
das Maktabäus und fuchte durch den Verrath des 
Batchides und fpäter Durch bie Hülfe des Feldherrn 
Nikanor fi zu behaupten, mußte aber nad des 
Zehtern Niederlage fliehen. 2. Malk. 14, 3 ff. 

Ada  Dah) der Anbetungswürdige. Der 

ab (al ilah), würbige. 
arabiſche Name Gottes. 

Allatius, Leo (geb. 1586, geft. 1669), der be⸗ 
rühmtefte unter allen latinifirenden Griechen, 
welcher ald Profefjor und Bibliothetar in Rom 
(im welcher Stellung er u. A. die berühmte Heidel« 
berger Bibliothef in Empfang nahm) ſowohl 
durch fein Hauptwert De ecclesiae occidentalis 
atque orientalis perpetua consensione (1646 ıc.), 
als in vielen kleineren Schriften die Vereinigung 
der griechiſchen und römiſchen Kirche, d. h. die 
Unterordnung jener unter dieſe anflrebte. — Bal. 
außer ben älteren Biographien in Jöchers Ge— 
lehrtenlegifon u. f. m. und der neueren Charaf- 
teriftif bei Bichler, beſonders Schroekh, Kirchen⸗ 
sehen 45 = ——— 9,2 — 

oriſche außlegung. S. Auslegung. 

Ale nfeligmagend nennt fih die katholiſche 
Kirche nad dem Sage: Der kann Gott nit zum 
Bater haben, der die Kirche nicht zur Mutter hat. 

d'Allemand. Der energiiche Cardinal, der trog 
der Auflöjung des Bajeler Concils 1433 durch den 
Bapit, dafjelbe doch noch fortführte und präfidirte. 

Allen (Alan, Allyn). Ein eifriger Beförberer der 
Gegenreformation unter Maria, verließ er mit 
Giifabethe Thronbefteigung fein Vaterland, wid⸗ 
mete jein Leben bem einzigen Zwed, England wies 
ber fatholijch zu machen, gründete ein Collegium 
für englifche Priefter, ließ iq ſelbſt mit den Fein⸗ 
ben feines Baterlandes rar II. von Spanien 
in Berbindung ein. Er behauptete den Sag, da 
im Fall ber Ketzerei der Souverän die Herrſchaft 
über fein Bolt und Reich verliere. Wurde 1687 
Cardinal. 

Allerchriſtlichſter * Ehrentitel der Könige 
Frankreichs ſeit Ludwig AL 

Allerglãubigſter König, rex fidelissimus, auch 
allergetreuejter überfegt. Chrentitel der Könige von 
Portugal, durch Benedict XIV. beigelegt. 

Aller-Heiligen. Neben den Gedädhtnistagen eins 
zelner Märtyrer feierte ſchon im 4. Jahrh. bie 
orientalifche Kirche ein allgemeines Feſt aller Hei: 
ligen und Märtyrer. (Bon Chryfoftomus eine 
erg auf diejen .) In der abendländifchen 

irche führte es Bonifacius IV. ein; allgemein 
wurde es im 9. Jahrh. Die Drientalen feiern es 
am —— nach Pfingſten, die Occidentalen am 

. Rovember. 


evangelifhe Kirche hat durch die Thätigkeit des 1. N 


Pfarrerd Dürr und unter VBeihülfe des Guſtav⸗ 
Adolph: Vereins bereitö eine Anzahl Gemeinden 
begründet 

Alicubitas = die Gigenfchaft des Irgendwo: 


feins, nad der Lehre der alten Dogmatiler eine | Elugny 


Allerbeiligfled. S. Tempel. 

Aller: Seelen. Am Tage nad) Aller:Heiligen zum 
Gedächtniß aller Verſtorbenen in der katholiſchen 
Kirche gefeiert; zuerſt eingeführt durch Odilo von 
998, bald allgemein, mit feierlihem Tod⸗ 


ur 





Algegenwart 


tenamt unb ber Sequenz Dies irae. In der evan- 
ei en Kirche theilwei 


Allgegenwart. S. Eigenſchaften Gottes. — All⸗ 
gegenwart Ehrifti. ©. Ubiquität. 

Allgenugjamfeit. ©. Eigenidaften Gottes. 

Allıanz, evangeliihe. Um ben Uebergriffen 
des Bujeyismus und des Papismus eine dem We: 
fen der evangelifchen Kirche entiprechende Einheit 
entgegenfegen zu fönnen, wurde die Allianz ober 
der evangelifhe Bund 1845 von Schottland aus 

iftet und zu Liverpool am 10. Auguft d.%. con: 
ituirt, als eine freie Bereinigung von Ynbivi: 
aller evangeliſchen Genoſſenſchaften. Als 
Grundlage ber Vereinigung wurden 9 Säge auf: 
geitellt, zu deren Belenntniß Jeden ber Zutritt 
= Allianz verpflichtete: 1) Die Infpiration und 
utorität der Bibel. 2) Das freie Forſchungsrecht 
ber Ehriften. 3) Dreieinigfeit.4) Die Verderbniß der 
menſchlichen Natur. 5) Die Menjchwerbung bes 
Sohnes Gottes und fein Erlöſungswerk. 6) Recht: 
fertigung allein durch den Glauben. 7) Das Wert 
bes heiligen Geijtes bei ber Belehrung bes Men: 
8) Unfterblichleit der Seele und Yufer- 
ung zum icht. 9) Göttliche Einfegung des 
digtamtes und der Sacramente. Die erfte Ge: 
neralverfjammlung fand ftatt zu London 1846. Eine 
—* ber Thätigfeit des Bundes iſt u. A. die Be⸗ 
iung des Madiaiſchen Ehepaares in Florenz. 
Den Höohepunklt erreichte die Allianz auf der Ber: 
ſammlung zu Berlin 1857 ; allein ſchon dort machte 
ſich eine engere Auslegung der Grundfäße geltend 
aeg und Bunfen), und ala in Genf ber 
influß des englifch methobiftifchen Geiftes über: 
wiegend wurbe, zogen fich bie einer freien Theo: 
logie Hulbigenden noch mehr zurüd, jo daß bie 
Alan in —— Er ftatt eine Bereinigung 
aller lebendigen Ehrijten nur eine Verbindung ber 
Drthodoren in ben verſchiedenen evangelijchen De: 
nominationen zu werben. Val. bie Protofolle der 
Verhandlungen zu Liverpool, London, Berlin, 
Genf und Amſterdam. 

Allioli. Verfaſſer der einzigen vom Papfte ges 
billigten und zum Gebraud) freigegebenen deutſchen 
Bibelüberfegung (in 6 Bänden 1830—32). Seiner 
Arbeit zu Grunde liegt bie ee ber Bul: 
er von Braun, Augsburg 1788 ff., und beren 
befferung durch Feder, Nürnberg 1803. 

Alliy, Peter, geb. 1641, + 1717. Ein gelehrter 
Bolemiter der franzöſiſchen reformirten Kirche. 

Almadt. S. Eigenſchaften Gottes. 

Alloentionen find Anſprachen des Papftes an 
die Gardinäle, fie werden duch Anſchlag an bie 
Porten der Peterskirche veröffentlicht. 

Allõoſis, ein griechiſches Wort = Umärtderung, 

im Streite zwiſchen Luther und Zmwingli eine 
deutung gewonnen. Der Lehre Luthers von ber 
communicatio idiomatum, d. h. der Lehre gegen: 
über, daß die beiden Naturen in Chriftus, die gött- 
und menfhlide, einander ihre Eigenschaften 
mitgetheilt — ſo daß alſo auch die menſchliche 
Ratur Chriſti göttliche Eigenſchaften hatte, hielt 
ingli, wenn man von der menſchlichen Natur 
hriſti göttliche Eigenſchaften ausſagte, dies für 
eine bloße Redefigur, eine gear ir Sprach⸗ 
gebrauch, welche er Alldoſis nannte. Luther pole⸗ 
miſirte heftig gegen dieſe Anſicht. 
Almeisheit. S. Eigenſchaflen Gottes. 
Allwiſſenheit. S. Eigenihaften Gottes. 


23 


e noch als Gedächtnißtag—“ Almon. Stabt im Stamme 
ebenen, als jogenanntes Todtenfeft. 21,1 


Altar 


Almodad. 1.Moj. 10,26. Arabiſche Völterfchaft. 
enjamin. Jof. 


8. 

Almon Diblathaim. Station der Iſraeliten 
zwiſchen Dibon » Gab und dem Berge Attarus. 
4. Moſ. 33, 46. 

Almofenier. In ber franzöfiihen Hofgeiftlich- 
feit urjprünglich diejenigen, welche das Tönigliche 
Almojen vertheilten. Das Amt erweiterte fich. Der 
Großalmojenier (Joh. de Bely 15. Jahrh.) hatte die 
Aufjiht Über den gefammten Hofllerus und alle 
öffentlihen Wohlthätigkeitsanftalten, und machte 
die Vorſchläge zur Belegung der Bisthümer und 
Beneficien. Die Revolution bob das Amt auf. 

Almofenprediger. Bezeihnung ber Ablaßpre⸗ 
biger oder Quäjtoren. Das Tridentinum bob 


fie auf. 

Aloe, vgl. 4. Mof. 24,6; Hobel. 4, 14, das 

geihä tefte Räucherwerk bei den Drientalen, ift 

as onenartig riehende Holz eines Baumes, 
ber in früherer Zeit auch in Baläftina wuchs, 
jeft nicht u | 

Aloger. Eine noch dunkle von Epiphanius an: 

eführte Secte bes 2. Yahrh., die das Evangelium 
ohannis * ſeiner Logoslehre verwarf, und 
ebenſo den Chiliasmus und die Fortdauer der 
Gnadengaben. 

Aloyſius von Gonzaga. Ein Jeſuit (4 1591), 
der wegen ſeiner aufopfernden Barmherzigleit ge⸗ 
gen Kranke iu geſprochen ift (21. Juni). 

bon Alpen. Einer der Borlämpfer der Union 
vor der wirklichen Einführung berfelben, durch 
feinen „Batriotifhen Aufruf“ ıc. Frankfurt 1801. 

Alphaus, por, wahrſcheinlich derſelbe Name, 
wie Klopas ober Kleophas. — 1) Vater bes jlinge: 
ren Jakobus, Matth. 10, 8 und des Joſes, Mare. 
15, 40, Mann der Maria, welche nad) unrichtiger 
Auslegung von Joh. 19, 25 für die Schweſter 
Maria’s, der Mutter Jefu, gehalten worden iſt. — 
2) Bater des Levi, Marc. 2, 14. 

Alraunflaude, 1. Mof.30, 14 (Dubaim), atropa 
mandragora. Aus ihren Früchten, den Liebes: 
üpfeln, bereitete man Liebestränfe. 

Alfled, 3. H., + 1588. Reformirter Theolog, 
Verfaſſer einer allgemeinen Encyklopädia, Pro: 
fefior u Herborn und zu Weißenburg (Siebenbür: 
gen), Mitglied der Dorbrechter Synode. 

Alter. yayy- Drt des Schlachtens. Die Opfer: 


ftätte wurde in den älteften Zeiten aus Erbe ober 
Steinen erbaut. Gefeglich war bei den Hebräern 
nur der Altar ber Stiftähütte (f. d. Art.), aber e3 
werben auch fonft mehrfach Altäre erwähnt, “| 
denen yahoe geopfert wurde, 5. Mof. 27,5; Joſ. 
8,30; Richt. 6,24; 1. Sam.7,17; 14,35; 2. Sam. 
24,18 f.; 1. Kön. 18, 80. Der Altar war zugleich 
Aſyl (2. Mof. 21,14). ©. d. Art. Branbopfer: 
altar, Räuderaltar. 
In der chriſtlichen Kirche verwandelt fidh ber 
Abendmahlstiſch durch die Opferidee des Abend» 
mahls allmählich in den Altar, der zum Gebraud) 
beſonders eingemeiht fein muß. Der Altar, von 
Holz oder Stein, muß erbaut fein über dem 
Grabe eines Märtyrerd ober en Reliquien. 
(In der griechifchen Kirche f. Antimenfium.) Er 
and gegen Dften gewendet. Der Haupt, Hoch⸗ 
vei-Altar, bem Heiligen der Kirche gemeibt, fteht 
in der Chornifche um mehrere Stufen erhöht; die 
Neben, Seiten, Meß⸗, Botiv:Altäre an ben Wän⸗ 


Altenburger Religionsgeſpräch 24 Altranftäbter Convention 


Dialonat 22, der Priefterweihe 24, Biſchofsweihe 
30 Jahre; bie evangelijche Kirche (nicht allgemein) 
ür die Ordination 35 —— und 
inden fönnen mit dem 14. Jahre erteilt wer: 
ben. Für Ordensgelübde ift der Termin durd die 
Staatögejeggebung mindeſtens auf die Boljährig- 
keit gerüdt. Confeſſionswechſel fordert das 14. 
Jahr als annus discretionis d. h. als bas Jahr, 
in weldem die Fähigkeit, den Unterſchied zu beur- 
theilen, eintritt. Die Confirmation bedingt in ber 
nam Kirche allgemein das 14. Jahr, wä 
rend 
ulä 


den und Pfeileen; ber Laienaltar zwifchen Chor 
und Schiff in ben Kirchen, mo den Laien durch den 
Zettner (f. d. Art.) der Anblid des Hochaltars ent: 
en iſt. Als muck des Altars dienen die 
—Se— das Tabernalel und kojtbare Decken 
(retabulum). — Zu den Altargeräthen rechnet man 
bie Dur, d. 5. das Gefäß zur Aufbewahrung der 
ftie, Kelch und Patena, das Kreuz, La: und 
chter. Für die Feier der Mefje wurden foigenbe 
Altartücher vorgeichrieben: die Unterdecke tobale, 
ro xara gapxe, das corporale b. h. die Bebedung 
ber Hoftie, palla d. 5. Die Bededung des Kelches. 
In der griechiſchen Kirche iſt das eiborium, ber 
Altarbaldadin, beibehalten, zwifchen deifen Säulen 
verjhiebbare Vorhänge aufgehängt find; in ber 
römiſchen Kirche wurden fie nah Schluß der Ka: 
tehumenen:Mefje fortgezogen. 











































wäh: 
— Firmung ſchon mit 7 Jahren 
zulälitg 
Alter Styl. Die Zeitrechnung nad) dem alten 
julianifchen Kalender; es hinter der Gregoriani⸗ 
ſchen um 12 Tage zurü 
ia aaa bildet ein Ehehinberniß, von 
it der Reformation wurden auch in ber luthe: | dem jedody Dispens möglich ift. 
riihen Kirche alle Nebenaltäre eichafft, die] Wlthamer, Andreas, von feinem Geburtdorte 
reformirte Kirche hat nur einen Abendmahlstifch. | Brentiud genannt. + 1564. Als Dekan zu Ans: 
Auch die [utherifche Kirche feierte am Altar nur | bach reformirte er dort das Kirchenweſen, jomie 
die Communion, während nad) den Theorien ber | jpäter als Generalfuperintenvent zu Jägerndorf 
neueren Liturgif der Altar der Ort des Gebets | inden jchlefiichen Fürftenthümern, Er nahm Antheil 
und ber Gesraipenbung ift. Die damit in Berbin: | an den Schwabager Artikeln und dem Religions» 
bung ftehende Forderung, der Altar müffe in der | gejpräd zu Bern. Berjaffer eines Katechismus. 
Chorniſche ftehen und bürfe —— nicht hinter) Alting, 3. Heinr., geb. 1618, reformirter 
und über ſich Haben (Regulativ der Eifenacher Eon: | Theolog, Pro all zu Heidelberg und Gröningen. 
ferenz), findet ihren Widerſpruch (Bunfen) und ift | Bon feinen Schriften ift am befanntejien bie Bears 
ganz gewiß.reformirten Anſchauungen fremd. beitung bed Heidelberger Katehismus. Sein Sohn 
Altenburger Religionsgeipräd, 1568, nad) hef⸗ Jakob war Drientalift und Nachfolger des Goma⸗ 
tigen Streitigteiten zwiſchen den flacianiſch gefinn: | rus in Gröningen, geftorben 1679; feine Werte 
ten herzoglid) fächfilgen Theologen und ben Me: | wurden bis 1687 in 4 Folianten durch jeinen 
lanchthonianiſchen furfürftlihen, durd die beider: | Schüler B. Beder (f. d. Art.) Herausgegeben. 
feitigen Fürften Kurfürft Auguſt und Herzog Jo: 
bann Wilhelm veranlaßt. Der Hauptvertreter der 
— Partei war Paul Eber, der der andern 
igand. 
Altenſtein (Karl Freiherr vom Stein zu) über 
nahm, nachdem er [don mehrere bo Aemter ber 
Eivilverwaltung verfehen hatte, 1817 das Minifte- 
rium ber geiftlichen ag und erwarb 
fid) namentlich um Univerfitäten, Gymnafien und 
Bollsunterricht omg *8* n ber 
tung der evangelifchen Kirche er fich zwar o 
an. sense dem Willen Frdr. Wilhelm’s IIL, 
ſuchte dann aber durch Zögern und Ausweichen bie 
Härten zu mildern und die gegenüberftehenden An: 
fichten zu vermitteln, fo in der Agendenſache, und 
mit weniger Erfolg in den Kölner Wirren. Die 
Freiheit der theologifchen Forſchung fand bei ihm 
ſiets einen Schuß gegen die zornigen Angriffe einer 
neu erwachenden Orthobogie. 
Alter. Für gewiſſe Handlungen und Stänbe 


Altkirglihe Dogmatik bezeichnet diejenige Pe⸗ 
riode in ber Geſchichte Hauptfächlich der Iutherifche 
Dogmatik, in welcher dieſe lediglich eine wiſſen⸗ 
—8 Ausführung der Bekenntnißlehren dar⸗ 
ſtellte. Sie dauerte, der wifjenfchaftlihen Form 
nad) eine zweite Scholaftit, nad Aufftelung der 
reformatoriſchen Belenntniffe faft zwei —5 — 
derte lang. In der lutheriſchen Kirche find Ehen: 
nitz, Gerard, Hutten, Galov, Duenftedt, Hollaz, 
Buddeus die hervorragendften altkirchlichen Dog: 
matifer. Die reformirte hatte eine ähnliche Theo: 
logie nicht aufzumeifen; einzelnen Erjcheinungen, 
mie Alfted, Gisbert Bostius, gegenüber hatte 
Dogmatik immer eine der Scholaftil mehr abhoide 
Richtung. Seit der Mitte des 18. Jahrh. nimmt 
die altfirchliche Dogmatif durch den Einfluß der 
Abiofophie und Kritik (Leſſing, Semler) ein Ende. 

Geſchichte der Dogmattif. 

Altmann, 1065, —* von Paſſau. Von Hein⸗ 
rich IV. wegen gewaltſamer Einführung des Cöli— 
batgeſetzes —2 wurde er päpftlicher Legat. 
ingen, 3.®. Altorf ober Altdorf. Kleine nürnbergiſche Uni⸗ 
wechſei. Das lanoniſche Recht enthält daher über | verfität, an der noch Semler Brofeffor mar, gleich. 

zeitig mit Helmftädt und Rinteln; gegen Ende 

die aber in ben Fällen, wo das Staatsinterefje |ded 18. Jahrh. aufgehoben; bejonders befannt 

durch die bort von Ernſt Soner (Profeſſor der 

»| Raturwiffenigaft), fowie feinen Freunden und 

Schülern vertretenen ſocinianiſchen Grundfäge. 

Die Sade wurde, nachdem fie lange verborgen 

geblieben war, 1615 entdedt und gewaltſam 
unterdbrüdt. 

Altranflädter Gonvention, von Karl XII. von 
Schweden dem Kaiſer abgenöthigt, 1707 ; ſollte den 
Evangelifhen in Schleſien das durch den meft- 
phäliihen Frieden verheifene Religionsexercitium 


Minderjährigkeit bis zum 25. Jahre dauerte, nicht 
mehr feftgehalten werben fann. Aus ihr ergeben 
fi jedoch die noch feftgehaltenen Normen bes fa- 
noniſchen Alters. Für lirchliche Weihen und Aem—⸗ 
ter forbert die Fatholifche Kirche bei der Tonfur und 
der niebern Weihe 7 Jahre, dem Subdialonat 21, 


Alumnat 


—— Die Convention wurde ausgeführt 
durch Executionsreceß 1709. 

Alumnat. Der Stand eines Schülers in 
einem biſchöflichen oder päpftlihen Seminar. Die 
Alumnen haben bie Borrechte des geiſtlichen 
Standes, s 

Alypius. Freund bes Auguftin und in beffen 
erfter Beriode faft fein beftändiger Begleiter, jo 
ihon bei jeinen Borlefungen über Rhetorik in 
Zagafte und Karthago, ebenfo in Mailand, mo er 
ihm von der Ehe abrieth, und bei dem Land: 
aufentbalt, während deſſen Auguftin feine Selbſt⸗ 
geipräche verfaßte, endlich mit ihm zufammen 
(387) getauft. 

Amadeus VII, Herzog von Savoyen, ent: 
fagte 1434 dem Thron und ftiftete die Einfiebelei 
zu Ripaille für 6 Ritter des heil. Morig. Bom 
Bajeler Eoneil (f. d. A.) zum Gegenpapft Eu: 
gens IV. gewählt (ala Felix V.), refignirte er 
1448 zu Gunften Nikolaus V. 

Amalarius, Briefter in Mey, jpäter Abt von 
Hornbach, Liturgifer, ſchrieb De officio eccle- 
siastico libri IV, worin er die Bebeutung der 
Eultushandlungen darlegt, und u. A. zur ſym⸗ 
boliihen Auffaffung des Abendmahls Neigung 
bat. Im Auftrage Ludwigs d. Fr. revidirte er die 
Regel Ehrodegangs für das gemeinfame Leben 
ber Kleriler. + 837. 

Amalefiter. Ein räuberifches Beduinenvolf im 
peträifchen Arabien; nad 1. Moſ. 86,12 Nachlom⸗ 
men Eſau's. Da aber jhon zu Abrahams Zeiten 
Amaleliter genannt werden, 1. Moj. 14,7, jo er: 
[einen fie als urarabijhes Volk, von dem aber 
nah Emalds Bermuthung ein Zweig in ben Ber: 
band ber Idumäer getreten war. Als Feinde 

raels geichlagen bei Raphibim (2. Mof. 17, 8 

.), fiegreich an der Südgrenze Paläftina’s (4. 
Mof. 14, 39 ff.), befiegt durh Saul (1. Sam. 
14, 48 ff.), unter David (l. Sam. 27, 8f.), 
ausgerottet unter Hislia (1. Chr. 5, 43). 

‚Amalie, die Heilige, aus dem fränkiſchen Kö— 
nigöhaufe, ging un wie ihr Gemahl Pfalzgraf 
Witger von Lothringen ins Klofter. — Eine an: 
dere Amalie, die wie jene ben 10. Yuli zum Ge: 
dachtnißtag hat, war Braut von Pipins Sohn 
Karl undentzog fich ber Heirath; inder St. Peter⸗ 
Abtei bei Gent find ihre Ueberreſte. 

Amalrid) von Bena. Sein Syſtem gründet 
fi auf Ariftoteles und mehr noch auf Scotus 
Erigena ; er war entſchieden pantheijtifch, indem er 
den Unterjchied zwiſchen Geſchöpf und Schöpfer 
aufhob, die Dffenbarung als einen Prozeß der 

Öttlihen Selbitbewegung in der Welt in drei 

Perioden theilend. Iſt die erfte Offenbarung 
eine Menfhwerbung Gottes in Abraham, bie 
zweite eine Menſchwerdung in Chriftus geweſen, jo 
tritt die vollendete Incarnation, die Erfüllun 
Aller mit dem heil. Geift eben mit ihm (Amalrich 
ein. Das Abendmahl jymbolifirt nur die Wahr: 
beit, daß mit dem Creatürlichen das Göttliche 
jubftantiell Eins fei. Im Folge dieſer Lehren zeig: 
ten ſich unter den Schülern fittlihe Verirrungen 
(f. Secte vom freien —— Amalrich ſtarb 1209 
aus Kummer darüber, daß feine Lehre vom 
Bapfte verworfen wurde. 

Amama. Reformirter Ezeget, Schüler des Job. 
Drufius und Brofeflor der hebräijhen Sprache 
in Franeker. Beftritt u. U. in feinem Antibar- 
barus biblicus (1628. 1656) die der gründlichen 


25 


Ambrojius 


————— hinderlichen Vorurtheile (in 
Bezug auf LXX, Bulgata ꝛe.). 

Amana. 1) 2. Kön. 5, 12 (der immer Strö- 
mende), der Chryſorrhoas, jegt Barady, welcher 
vom Antilibanon fommt und Damaskus burd: 
ftrömt. — 2) H05.4,8, ein Bergrüden des Anti- 
libanon. 

Amandus, der Apoftel Belgiens, 7675. Gedächt⸗ 
nißtag: 6. yebr. Nachdem er unter den Slaven 
an der Donau und den Baälen das Evangelium 
geprebigt, wandte er feine ganze Thätigfeit auf 
die Ausbreitung und Befeftigung des Ehriftens 
thums an der untern Scheide. Das ihm über: 
tragene Bisthum — legte er wegen der 
Unſittlichkeit ſeines Klerus nieder und widmete 
ſich ganz ſeiner Miſſionsthätigkeit. 

Amaſa, Abigails Sohn, ſtand zu Abſalom; 
von David begnadigt, wurde er von Joab er— 
mordet. 2. Sam. 17, 26; 19,13; 20,9 ff. 

Amazia. 1) Sohn und Nachfolger bes Joas in 
Juda, —809. Nah glücklichem Kriege mit 
Edom unterlag er in dem jelbft veranlakten 
Kriege mit Joas von Iſrael. Ierufalem wurde 


‚geplündert, Amazia jelbjt gefangen. Später nahm 


er jenen Thron zwar wieder ein, wurde aber in 
einer Empörung zu Lachis ermordet. 2.Rön.14f.; 
2. Chr. 25. — 2) Der BPriefter zu Beihel, der 
Amos (Am. 7, 10) dad Weifjagen verbot. 
ober ‚ suggestus, pulpitum, hieß 
das im Schiff der Kirche angebrachte um einige 
Stufen erhöhte Gerüjt für die Sänger. Da von 
dort aus in großen Kirchen der Bilchof zu pre 
digen pflegte, wurde ber Ambo zur Slanzel. 
Amboife. Stadt in ranfreih, die in den 
Hugenottentriegen eine Rolle jpielt, jo durch die 
jog. Verſchwörung von 4. (1560), gegen bie 
Guiſen gerichtet, und durch die Berorbnung von 
A. (1563) zur VBerföhnung der Parteien. 
Ambrofianijger Kirchengeſaug. S. Kirchen: 


gefang. 

Ambrofianifcher Lobgefang. Das Te Deum lau- 
damus, der ftehende Feſtgeſang der abendländi— 
ſchen Kirche, von Luther verdeutſcht: Herr Gott, 
dich loben wir, wird dem Ambrofius zugejchries 
ben; von Andern dem Athanaſius zu Alexandrien 
oder dem Nicetius zu Trier. Andere finden darin 
beffer einen uralten griechiſchen Morgengejang. 

Ambrosianum offleium. Die in Mailand 
gebräuchliche Liturgie, die von der römiſchen ab» 
weicht und auf Ambrofius zurüdgeführt wird. 

Ambrofiafter. Pieudo:Ambrofius. Bezeihnung 
bes unbelannten Berfaflerd eines Commentars 
zu ben Briefen Pauli, den man früher dem Am— 
brofius zuſchrieb. Nach Angaben in der Schrift 
ſelbſt ift fie verfaßt zur Zeit des Bapftes Dama— 
us (366—384). 

Ambroſius. Biſchof von Mailand, geb. 340, wohl 
zu Trier. 7397. Wurde als Präfect von Mailand 
und noch Katehumen durch bie einftimmige Wahl 
be3 Volkes zum Biſchof erhoben. Die Energie 
feiner Berfönlicteit, die er beim Antritt feines 
Amtes in dem Eifer bewies, mit welchem er ſich 
den theologiſchen Studien hingab, ji feiner Gü⸗ 
ter entäußerte und ben täglichen Pflichten des 
Amtes oblag, bethätigte ſich noch viel mehr in den 
Kämpfen für das Necht der Kirche gegen Arianer, 

eiden und gegen bie Staatögewalt und in dem 

tlihen Ernte, mit weldhem er felbft dem Kaiſer 
Theodofius ſich gegenüberftellte, dem er das Abend: 


Ambrofius 


mahl verweigerte, bis er für eine Frevelthat bie 
Kirchenbuße auf ih genommen. Seine Berjön: 
lichkeit findet fich wieder in feinem, Cicero nadjge: 
bildeten Buche über bie Pflichten; indem er aber 
bort die allgemeinen Pflichten und die volllomme: 
neren, die nur wenigen Auserwählten zufommen, 
unterſchied, 3.2. — Faſten ꝛc., ging 
von ſeinem Einfluß eine mächtige Beförderung der 
falſchen Askeſe aus. Für die Entwickelung des 
Cultus iſt Ambroſius höchſt wichtig geworben. 
Er führte in der abendländiſchen Kirche die Re— 
ſponſorien ein und die griechiſche Tonweiſe und 
begründete durch ſeine Hymnen den Kirchenge— 
ſang. Die Ausgabe ſeiner Schriften durch die 
Benedictiner, Paris 1686 und 1690. 

Ambroſius. Ein Freund des Origenes, durch 
ihn von der valentinianiſchen Gnoſis bekehrt, 
ſpäter ihn zu mehreren feiner Schriften veran— 
laflend. Drigenes hat ihm u. 9. feine Schrift 
gegen ben Geljus und die über das Gebet gewid⸗ 
met, und feine Ermahnung zum Märtyrerftande 
an ihn gerichtet. 

Ambrofius Gamaldulenfid, 1431 Generalabt 
bes Ordens von Gamaldoli, ſuchte burd eine 
ftrenge Bifitation die Genofjenjhajt zu verbeſſern. 
Eugen IV. eifrig ergeben, wurde er von demſel⸗ 
ben 1435 ala Bevollmädtigter zum Concil nad 
Bajel gefandt. Ein gründlicher Kenner des Grie: 
chiſchen, betrieb er zu Ferrara Die Unionsverhand: 
lungen mit der griedifchen Kirche und entwarf 
ein Unionsformular. Außer Ueberjegungen lie: 
ferte er u. N. eine Gefhichte von Monte Eaffino 
und eine Schrift über dad Sacrament. 

Amen, Ein hebräiſches Wort = wahrlid. In 
der Synagoge wurde der Segen des Prieſters 
mit dem Amen der Gemeinde befräftigt, auch die 
Pialmen mit dem Amen gefhloffen. Die hrift: 
lihe Gemeinde übernahm den Gebraud. Das 
Amen ift am Schluffe eines Belenntnifjes oder 
Grlübdes Belräftigungs-, am Schluffe eines Ge: 
betes Wunſchformel. 

Amefius, Wilhelm. F 1633. Reformirter Theo: 
log. Nachdem er bei der Dordredter Synode 
thätig gewejen, warb er Profefjor zu Franeder. 
Schrieb gegen die Remonftranten exegetiſche, 
philofophiihe und ethiihe Schriften (Medulla 
theol.). In ber Ethik bejaß er ftreng puritanifche 


und rigoriftiihe Anfihten. Vgl. A. Schweizer, |6 
1860. 


Stud. u. fr. 

Amittus (humerale ephod), das Linnentuch, 
welches der Prieſter vor dem Celebriren unter 
Gebet um Hals und Schulter fchlingt. 

Ammianns Marcellinus. + 390. Unbefange: 
ner heidniſcher Diftoriter des 4. Jahrh., neben 
Zoſimus wichtig zur Gontrole des Eufebius und 
feiner Nachfolger in der Geſchichte der nachcon— 
ftantinifhen Zeit. Bon feiner Gefchichte der 
römiſchen Kaifer von Nerva bis Valens find bie 
eriten 13 Bücher verloren, die 18 folgenden über 
bie Jahre 353 —378 erhalten. 

Ammon oder Amon. Ein ägyptifher Gott, 
befien Verehrung vornehmlich ihren Sig in The: 
ben hatte, Jupiter Ammon, wahrſcheinlich eine 
Perjonification der Sonne, entjpredr ıd dem 
Baal der Phönizier. Ser. 46, 25. 

Ammon, Chriſtoph Friedrich, geb. 1766 in 
Baireuth, jeit 1789 Brofeffor der Philofophie und 
Theologie in Erlangen, 1794 in Göttingen, ſpä— 
ter Oberhofprediger in Dresden, 1849. Rationa: 


26 


Amortifation 


liſtiſcher —— von außerordentlicher Gelehr⸗ 
ſamkeit, ebenſo als Philolog und Drientalift. wie 
als Theolog. Er hilft an der Gründung der Wiſ⸗ 
ſenſchaft „bibliihe Theologie” (1792). Berfafler 
einer Dogmatit »Summa theologica«e (1808); 
„Sittenlehre” (nah Kant'ſchem Syftem); „Die 
Geſchichte des Lebens Jeſu mit fteter Rüdficht 
auf die vorhandenen Quellen“ (2 8. 1842), in 
welhem er dad Glaubensbebürfnif ebenfo mie 
das wiſſenſchaftliche berüdfichtigen will, das Ne: 
bernatürliche vorfihtig behandelt, jedoch von ra: 
tionaliftiihen Grundjägen beherrſcht ift. Auch 
als Kanzelrebner und Landtagsabgeorbneter 
hatte Ammon einen Namen. Im Alter neigte er 
ur Drtbodorie ; ſchon 1817 den Harms'ſchen The: 
= uftimmend, erhält er von Scleiermader 
eine jharfe Rüge; fein legtes Buch, „Fortbildung 
des Chriſtenthums zur Weltreligion,* kehrt wie: 
der mehr zum frühern Standpunkte zurüd. Die 
Gegner haben Ammon viel geihmäht ; der Baron 
von Udermann meinte: „Die frechſten Spötter 
haben ihren Meifter gefunden !" 

Ammoniter, Bolt im Oſten Paläſtina's. Der 
bleibende Grund der Feindfeligteiten der Ammo: 
niter gegen Iſrael war bas Verlangen, das Land 
zwiſchen Arnon. und Jabok wieder zu gewinnen, 
welches fie an bie Amoriter verloren hatten und 
welches nad) deren re Sirael bejegt Hatte. 
&.5. Moj. 2, 19—21; Ridt. 11, 13 f. Jephta, 
Saul, David befiegten fie, Ufia und Jotham 
machten fie tributpflihtig. Bei dem Zerfall des 
Reiches und nad dem Eril ftehen fie immer auf 
Seiten ber Gegner Iſraels. Zulegt erwähnt 
ihrer als eines zahlveihen Volles Juſtinus 
Martyr. 

Ammoniud, 1) A. Saccas, Stifter der neu: 
platoniſchen Philoſophie, Zeitgenoffe des Cle— 
mens v. Al., Lehrer des Origenes und Porphy— 
rius. — 2)Ein qriſtlicher Lehrer des 3. Jahrh., 
von Euſebius und Hieronymus fälſchlich mit dem 
Erſteren identificirt, —— einer verlorenen 
Schrift über die Webereinftimmung Mofis und 
Jeju. — 3) Ein ägyptiſcher Mönd im 4. Jahrh., 
unter den nitriſchen Mönden (den Freunden des 
Drigenes) hervorragend, aber ein echt jonder: 
iiher Heiliger. — 4) Titel eines philojophifchen 
Geiprähes von Zacharias von Mitylene im 


ahrh. 
molo, Biſchof vonLyon ſeit 8340, 862, ſprach 
ſich gegen den Reliquienaberglauben aus; den 
Wundern läge Betrug und Gewinnſucht zu 
Grunde. Im Streit mit Gottfchalt deſſen Gegner. 

Amon. Der Sohn Manaſſe's, König in Juda, 
641—39. Begünftigte den Gögendienft und bes 
förderte dadurch den Berfall, Zn einer Verſchwö— 
rung der Großen wurde er ermordet. Das Bolt 
rächte feinen Tod. 2. Kön.21,19; 2. Chr. 33, 21. 

Amoriter, auch Emoriter (Bergbemohner), wa⸗ 
ren der mächtigſte Stamm der Kanaaniter und 
wohnten im Gebirge Juda, theilmeife aber auch 
jenfeit des Jordan, wo Mojes zwei amoritifche 
Königreiche (5. Moſ. 4, 46. 47) eroberte. Außer 
den Bürgern Gibeons entgingen Refte der Amos 
riter ber Ausrottung und wurden Frohnarbeiter. 
1. Kön. 9, 20; 2. Chr. 8, 7. 

Amortifation. Da der Kirche todte Hand zu: 
geichrieben wird, weil ihre Güter fich dem öffent» 
lihen Berfehr entziehen, fo heißt die Anſamm— 
lung von Bermögen von Seiten der Kirche Amors 


Amos 


tifation. Es liegt im Intereſſe bes Staates, ben 
äßigen Befig der Kirche nicht zu geftatten, 
während das kanoniſche Recht den Erwerb na: 
mentlih durch Erbſchaft jehr erleichtert. Die 
Amortijationögejege beſchränlen daher das Recht, 
Grundftüde zu erwerben und Erbichaften anzu: 
nehmen. In der neueren Zeit hat die fat olile 
Kirche und der Jeſuitenorden vielfahe Milde: 
zungen derjelben zu erlangen gewußt. 
mod (ray), Prophet, beffen Weiſſagungen 


wir im Kanon beſitzen. Er trat auf unter Uſia, 
König von Juda, und Jerobeam II., König von 
rael, aljo ums Jahr 800. Er war Hirte in 
oa, ſüdlich von falem. Seine Weiſſagung 
iſt hauptſächlich gegen das abgättifche Zehnftämme: 
reich gerichtet. In ben eriten 6 Kapiteln hält er 
eine Umfhau auf die umliegenden Bölfer und 
droht ihnen allen das Gericht an, inäbefondere 
dem übermüthigen Ifrael (Kap. 1—6). Amos ging 
felbft von feinen Heerden weg nad) Bethel, dem 
Eige des Gößendienftes, dort zu predigen, mußte 
aber, durch die Intrigue des Prieſters Amazia 
nöthigt, wieder zurückkehren. Kapitel 7—9 ent: 
drei ſymboliſche Bilder, in denen Amos die 
mende Vergeltung darſtellt: das Geſicht von 
den verwüſteten Feldern und dem Senkblei, das 
Geſicht vom reifen Obſt, das Geſicht vom zerftör: 
ten Gögentempel. Am Schluffe (9, 1115) taucht 
die Ausſicht auf eine zufünftige Rettung auf. 
Amos, pioy- Bater des Jeſaja. 


Amofins. + 1634. Einer der älteften reformirs 
ten Ethiler, befonders durch feine Schrift über 
das Gemiffen. In Calvins und Beza's Geift 
— auch er noch die Lebensſtrafen der 


eher. 

Kuuphitogins, der Heilige, 7 nad) 392. Erft 
Rhetor, dann Einfiebler, endlih Biſchof von 

nium, nahm Theil an ber zweiten Synode von 
ftantinopel 381 und war ein eifriger Gegner 
der Arianer. Seine Schriften find unedt. 

Amphipolis, Apftg. 17,1. Zn Macedonien am 
Strymon. Atbenienfice Eolonie. 

Amraphel. Ein König in Babylonien zur Zeit 
Lots. 1. Moſ. 14. 

Amri. S. Dmti. 

Amddorf, Nitolaus von. Derältefte und treufte 
Sreund Luthers und von 1517—24 faft immer 
an Luthers Seite. Als Superintendent in Mag» 
deburg führte er dort die Reformation durch; 
wurde zum Bifchof von Naumburg eingejegt und 
verwaltete das Bisthum im evangeliihen Seite, 
bis er 1646 im ſchmalkaldiſchen Kriege flüchten 
mußte; 1552 ald Superintendent nad Eiſenach 
berufen, ftarb er bort 1565. Sein glühender Haß 
* Rom, ſein Eifer für die Reinheit der luthe⸗ 
riſchen Lehre, bie er mit ſcholaſtiſchem Berftande 
auffaßte, jeine Berehrung für Luther und die Härte 
feines Weſens verwidelten ihn lebenslang in eine 
Menge von Streitigkeiten. In den theologischen 
Kampfen vertrat er faft immer mit ſchroffer Ent: 
ſchiedenheit das Äußerjte Extrem. Er Ir ſich zu 
der Behauptung binreißen: gute Werte jeien 
ſchadlich zur Seligteit. So gerieth er in Streit 
mit Bucer, tabelte die Wittenberger Concordie, 
vertheidigte die Lehre vom Genuß ber Ungläus 
digen, verhinderte einen Erfolg des Regens: 
burger Gejprächs, eröffnetedie Heftigfte Oppofition 
gegen das Interim und gegen die Wittenberger im 


27 


Anachoreten 


adiaphoriſtiſchen Streite und hielt zu den Flacia⸗ 
nern im ſynergiſtiſchen Streite. Immer ein Mann 
des Buchſtabens, ſelbſt nicht frei von hierarchiſchem 
Geiſte, den er bei Rom bekämpfte, ift er von ſei⸗ 
nen Freunden über Gebühr gefeiert, von jeinen 
Gegnern mehr als billig geläftert worden. 

mit (munus). Das Werk Chriſti wirb von 
ber Dogmatik unter dem Gefidhtspunfte eines 
dreifachen Amtes aufgefaßt: 1) als prophetifches 
Amt, injofern Chriftus der Berfündiger bes gött- 
lihen Willens und Rathichluffes ift, feine Lehr: 
thätigfeit; 2) als Hohepriefterlihes, injofern er 
ein Opfer dargebracht zur Verföhnung zwiſchen 
Gott und den Menſchen; 3) als föniglihes Amt, 
infofern er ala ſchützender und fördernder Herr 
feine Kirche regiert. Auch in neueren Dogmatifen 
wurden biefe Nemter als Geſichtspunkte noch feſt⸗ 
gehalten. Auch dem heiligen Geifte wurben Aem—⸗ 
ter zugejhrieben: 1) Strafamt; 2) Lehramt; 
3) Bußamt; 4) Troftamt. 

Amt der Schlüſſel. S. Schlüffelgewalt. 

Amtsgnade. Zn den pietiftiichen Streitigfeiten 
viel gebrauchter Ausdrud, indem die Orthodoxen 
diefelbe behaupten, als eine von dem Leben und 
Wandel des Predigerd unabhängige von Gott 
ertheilte Kraft des Lehramtes. 

Amulet. Die Bedeutung des Amulets ift bie 
eines Schußmittel3 gegen Zauberei und Gefahr 
undBeförberungsmittels bei Unternehmungen. Der 
Amuletglaube war über den gangen Orient verbrei« 
tet, auch bei den Hebräern Ez. 13,16, fo daß felbft 
die von Mofes verordneten Zeichen 5. Moj. 6, 8; 
11, 18 alö Amulete betrachtet, und Amulete alö 
er getragen wurden. 

mun, ber Grube, Ein Einſiedler in der ni⸗ 
triſchen Wüfte, Zeitgenoffe des Antonius, + 356. 

myraut, Moyfe, Amyraldus, Moſes. Mildge: 
finnter, weitherziger reformirter Theologe zu Sau: 
mur. + 1664. Erregte Aufjehen und heftigen Streit 
in der Kirche durch feinen Universalismus hypo- 
theticus, mit bem er jedoch die Dordrechter Lehre 
ftügen wollte. (Traité de la pr&destination.) 
Darnach giebt’3 in Gott einen Gnadenmwillen, daß 
alle Menfchen felig werben, unter der Bedingung 
bes Glaubens; da fie bei dem allgemeinen Berber: 
ben dieſe Bedingung Berg verjhmähen, wird 
eigentlich fein Menſch jelig. Daneben giebt e3 einen 
particularen Willen in Gott, mit welchem er ewig 
feftgefegt hat, eine beftimmte Anzahl Menſchen zu 
retten. Jene Erwählten, aber aud) nur bieje, wer: 
den unfehlbar jelig. Ueber die Union der Refors 
mirten und LZutheraner fchrieb er vortrefflih: fie 
werde nicht Dur Synoden mit Stimmenmehrheit 
oder zweideutige vermittelnde Formeln herbeiges 
führt. Da man inder Wurzel beide Kirchen immer 
einig finden werde, folle man von den Controvers⸗ 
punkten auch die Wurzeln auffuhen. Dann folle 
man gegenfeitig den Gottesdienft bejuchen, bie 
Geiftlihen einander aushelfen; würden die Letz— 
teren einander freundlich behandeln, jo wäre das 
Bolt bald ausgeföhnt. Ueber ihn Dr. A. Schwei: 
ger in Baur und Zeller's Jahrbüdern, 1852. 

Anabaptiflen. S. Wiedertäufer. 

Anabaton, In der griechiſchen Kirche der erhöhte 
Drt vor dem Altar, auf dem der Diakon fteht. 

Anachoreten. Einfiedler, die fi aus Melt 
ganz zurüdzogen, um in der Einſamkeit ungejtör: 
ter Gott dienen zu können; befonderen Anlaß dazu 
gaben die Berfolgungen, Da fie bei dem Bolte 


Anagnoft 


erflärlich großes Anfehen genoffen, gewannen fie in 
lirchlich⸗politiſchen Kämpfen manchmal großen Ein- 
fluß. Indem ſich an einzelne Anachoreten andere 
anſchloſſen, bildeten fi Heine Gemeinfchaften 
(jo durch Chariton 340 am Todten Meer, 
mus bei Jerufalem), aus denen ſich das Cöno— 
biten: oder Klofterleben der Mönche entmidelte. 
Anagnoft. Lector, Vorlefer. Hatte in der alten 
Kirche die heilige Schrift und die Acta martyrum 
vorzulefen. Das Amt gehört zu den ordincs mi- 
nores, da es nur mechanifche Fertigkeit fordert; 
doch geſchah die Weihe feierlich mit Handauflegung. 


Das Amt ift in der römischen Kirche verſchwunden, 
und bie betreffende Function auf den Diakonus 
übergegangen. 


Anagogiſche Schrifterflärung. S. Auslegung. 

Unallet I., einer der erften Bischöfe von Rom, 
jo von Petrus zum Presbyter geweiht fein. Starb 
al3 Märtyrer. Die Jahre feines Bisthums wer- 
den verſchieden berechnet, 103 — 112 oder von 84 
an. — Anaflet II, 1130— 1138. Gegenpapit 
de3 Innocenz II. Obgleich auf den Eoneilien zu 
Piſa und Rheims ercommunicirt, behauptete er 
fi dennoch gegen Innocenz und den Kaiſer 2o: 
thar II. in Rom. Außerhalb Roms war er wenig 
anerkannt. 

Analogie des Glaubens. S. Auslegung. 

Analogion. Das tragtare Lejepult in der grie: 
chiſchen Kirche, welches nad Beendigung der Lection 
wieder weggenommen wird. 

Anelytiſch ift eine Methobe, welche ihren Aus: 
gangspunkt bei dem Erfahrungsmäßigen, Einzel: 
nen nimmt und won da aus auf die allgemeinen 
Principien zurüdgeht. Synthetiſch ift der umge: 
fehrte Meg, welcher von allgemeinen Principien 
bad Verftändniß des Erfahrungsmäßigen gewin- 
nen will. In der Dogmatik der Scholaftifer und 
alten lutherifchen Theologen bedeutet analytifch die 
Methode für die Anor —* des dogmatiſchen 
Stoffes, welche vom Ziele der Theologie rückwärts 
geht auf die Mittel, alſo z. B. von dem Begriffe 
der Seligfeit in Gott aus die geſammte Theologie 
entwidelt. Calixt ift der Bertreter diefer Methode. 
Bor ihm ift die ſynthetiſche gewöhnlich, d. 5. ber 
Gang von der Urſache zur Wirkung, alſo 5. B. von 
Gott zu feinen Heildmitteln, feiner Gnade, ihrem 
Bollzuge in Chriftus, dem Glauben, bis endlich 
zum ewigen Heile. In der Homiletif bezeichnen 
beide Ausdrücke entgegengeje Ten mung 
des Tertes für Predigten. Man kann einen Tert 
in feinen einzelnen Theilen ag wa und an je: 
ben einzelnen Theil eine freie Betrachtung anknü— 
pfen, ohne daß die Rede eine fünftlerifche Einheit 
bildet. Oder man fann bie einzelnen Tertgedanfen 
zu einer Einheit, einem Thema, zuſammenfaſſen 
und darauf nad) logischer Dispofition einen ſym— 
metrifh auögeführten Redebau aufrichten. Das 
erftere (eine Gonadiie) nennt man das anatytijche, 
das letztere das fynthetifche —— Man braucht 
dafür auch die Ausdrücke: progreſſiv und regreſſiv, 
oder textual und thematiſch. 

Anamelech. Eine Gottheit der nah Samarien 
verjegten Eoloniften, der Kinder geopfert wurden. 
S. Adramelech. 

Ananias, 1) Ein Chriſt zu Jeruſalem, welcher 
mit feinem Weibe Sapphira die Gemeinde durch 
Zurüdbehalten eines Theiles feined Vermögens 
beim Vollzug der Gütergemeinſchaft täufchte und 
von jähem Tobe überrafcht wurde. Apſtg. 5,1. — 


28 


2) Der Ehrift zu Damaskus, durch befien Handauf⸗ 
— Paulus wieder ſehend wurde; ſoll ſpäter 
I 


: | Paulus mit na 
ſcheinlich derjelbe, den Joſephus auch Ananus 
nennt, ber den Jakobus binrichten ließ, ſpäter ab- 


Anatolius 


of von Damaskus geworben fein. — 3). Ein 


Hohepriefter unter Felix, zog als Ankläger des 


Cãſarea. Apftg.23u.24. Wahr: 


ejegt und während bes legten Krieges als der 
Führer der Gemäßigten von den Zeloten über- 


mältigt und getödtet wurde. 


Ananja, Stadt in Benjamin. Neh. 11,31. 32. 

Anaphora. In der griechiſchen Liturgie daffelbe, 
was in ber lateinijchen canon missae, d. h. ber 
Theil der Handlung, welder die Eonjecration ber 
Elemente umfaßt. Auch das Bud, worin die 
Abendmahläliturgie enthalten. 

Anaftafia, die Heilige, verwandte ihr Bermögen 
zur —— der Chriſten, und wurde in der 
diocletianischen Berfolgung 304 (25. December) 
verbrannt. 

AnaftafinsI., Bapft, 398— 402. Verdammte des 
Drigenes Bud „Bon den Anfängen“. Außerbem 


verbot er gebrechlichen Perjonen den Eintritt in 
einen Orden und verorbnete, dab das Evangelium 


in ber Meſſe ftehend angehört werde. — A. I. 


496— 498. Stellte fid) freundlicher zum Henoti⸗ 


fon als feine Borgänger, aber ftarb, ehe die Inter: 
andlungen zu Ende geführt waren. ·A. II. 911- 
13. Hob die Unabhängigkeit Bremens von Köln 
wieder auf. — A. IV. 1153 — 1154. Renovirte 
das Pantheon und ertheilte dem Johanniter:Orden 
feine Vorrechte. — Ein 5. X. war Gegenpapjt Bene: 
dicts III. 855 und refignirte freiwillig, 
Anaftafius der Sinaite, Es find drei dieſes Na— 
mens zu untericheiden: 1) Patriarch zu Antiochien, 
widerjprad) ber Xehre von der Unvermweslichkeit des 
Leibes Chrifti und wurde verbannt. + 599. Die 
ihm zugeſchriebenen Werke: der Hodego3 und Ana- 
gogiſche Betrachtungen über die Schöpfung, find 
von einem Einftedler, dem 2) Anajtafius gefchrie- 
ben. 3) A. der Jüngere, Nachfolger des Erften. 
Anaftafins, Priejter zu Conftantinopel, Freund 
bes Nejtorius, gab den Anlaß zu den neitoriani- 
[hen Streitigkeiten, weil er die Bezeichnung der 
Maria ald Ieoröxog, Mutter Gottes, verwarf. 
Anaftafius, Abt eines römiſchen Klofters, über: 
fete die Canones des Concils zu Conftantinopel 
869, verfaßte die Lebenäbejchreibungen der Päpſte 
bis Nicolaus I. (Liber pontificalis). 
Anaflafius, der Kaiſer. S. Monophyſitiſche 
Streitigkeiten. 
Anaflafins, der Apoftel der Ungarn, ein Bene: 
dictiner aus Rom. + 1010 ala Biſchof von Rolocza. 


Anathema, on Im Neuen Tejtament ein 


Ausdrud der Ausihliefung von den göttlichen 
Segnungen. Gal.1,8; Röm.9,3. In der Kirchen: 
fprahe der Ausdrud für bie nöllige, feierlich 
audgeiprochene Ausftoßung, bie excommunicatio 
major. Bol. d. X. Bann. 

Anathoth. Priefterftadt in Benjamin. Geburts» 
ort deö Jeremia. Ser. 1,1; 11,21. Bgl.2. Sam. 
23, 27; 1. Kön. 2,26. Das heutige Anatä. 

Anatolia. Heilige (9. Juli), in Rom hingerich⸗ 
tet unter Decius. 

Anatolius aus Alerandrien. Lehrer der ariftote: 
liſchen Philoſophie, wurde 270 Biſchof von Laodicea. 
Bon feinem Hauptwerke Kavores nıepi Tod ndaoye, 
worin er den 19jährigen Cyklus einführte, ein 


Anatolius 


—— bei Euſebius. Die angebliche lateiniſche 
ſetzung des —— anon paschalis 
ift unecht. "Bat. Ideler, Chronologie. , 

Anatolius. Patriarch von Eonftantinopel feit 
449. Auf dem Concil gu Chalcedon war er für Die 
orthodoge Lehre und erlangte bie Gleichſetzung 
feines Patriarhats mit Rom, die Jurisdiction über 
den ganzen Drient. 

Anbetung der Eudariftie. Aus ber Lehre von 
ber Transjubftantiation folgte conjequent die Bor: 
ſchrift, vor dem Sanctiffimum, möge es im Taber: 
nafel aufbewahrt fein, ober zum Kranten getragen 
werben, ober zur Verehrung ausgeſtellt fein, an: 
betend das Knie zu beugen. Aus dem Anftoß ber 
Evangeliſchen an biefer Sitte gs das Epottwort 

or: „Deus in pyxide.“ — —— etu n 

ie —— manchen Bisthuũmern und Klo⸗ 

ſtern, daß zu jeder Zeit nad) beſtimmter Ordnung 
eine Perſon in ſtiller Andacht in der Kirche ſei. 

Autillon. Eine berühmte franzöſiſch reformirte 
Familie, deren Stammmwater im 16. Jahrhundert 
als Präfident bes oberften Gerichtähofes Glaubens 
u refignirte. — David Ancillon, emigrirt 

639, Brediger in Hanau und Berlin. — Karl, 
juriftifcher und hiſtoriſcher Schriftfteller, + 1715.— 
riedrich, Prediger in Berlin, 1832 Staats: 


mini 

Ancyra. Synode, 314, über die Behandlung der 
Gefallenen, ftellte 24 Canones über Kirchenzucht 
auf. — 358, Synode ber Scmiarianer in den aria- 
niſchen Streitigkeiten. 

Andadt. Ein neuerer Begriff, der in der Bibel 
noch nicht in unferm Sinne vorfommt (Hof. 7, 6), 
bedeutet einen Zuftand religiöjer Ergriffenheit, in 
welhem die Gedanten bes Menſchen fich abjchließen 
und rabienmäßig um ein religiöfeß Object concen⸗ 
kriren. — Anbaht3sübungen, Mittel, diejen 
Zuftand zu erweden, verwerflich, fofern fie auf 

ame Gemüthserregung ausgehen. — An: 
ahtbüher. ©. Erbauungsbücher. 

—— Lorenz, geb. 1480. Als Verwalter des 
Yisthums Strengnäs, beichügte er die erften refor⸗ 
matorifchen —— der Brüder Peterſon und 
führte ais Reichskanzler unter Guſtav Waſa bie 
Reformation in Schweden durch, wozu er felbft Die 
Bibel in die Landesſprache üb Später uns 
zufrieden mit den Einmifhungen des Königs in 
bie Kirchenverwaltung, wurde er als Teilnehmer 
an einer Berjchwörung EA den König ange 
und zum Tobe verurtheilt. Als ihm Guftav gwar 
das Leben jchenkte, aber ihn feiner Aemter entjegte, 
farb er aus Kummer 1552. 

Andreä, Jakob, geb. 1528, +1590. Prediger In 
—— Superintendent gu Göppingen, VProbſt 
und Profeffor gu Tübingen. Seine reihen Gaben 
and Kenntnifje verfchafften ihm eine weit auäge: 
breitete firchliche Thätigkeit. Er nahm an den mei: 
ſten Eonventen, Synoden der Seit tbeil und —* 
viele —*—* Der ——— ſeiner * 
tigfeit war die Einheit und Reinheit ber lutheriſchen 
Lehre. Mit Schrift und Wort tHätig 9 en bie 
Uniondverjuche mit den Calviniften, in den ——— 
ſchen Streitigkeiten, an ben Reichätagen zu Regens⸗ 
burg und Frankfurt, den ——7* zu 
Vorms und Maulbronn, rüſtete er ſich zu dem 

e feines Lebens, der Eoncordienformel 

.d. A), an deren Abfaffung er den bebeutendften 
Antheil hat, dba nicht nur der Gedanke dazu von 
Um ausgegangen, n auch ihre Grundlage, 


29 


Angelophanie 


bie ſchwäbiſch⸗ ſächſiſche Concorbienformel, weſent⸗ 
lich fein Wert ift. 

era Sy nn Balentin. Enkel bes Borigen, 
+1654. Ein Mann lebendigfter Frömmigkeit und 
von dem vieljeitigjten Interefje für alles Gute aud) 
außerhalb der Kirche. In den ſittlichen Verhee⸗ 
zungen des jährigen Krieges, von dem er jelbit 
viel & leiden Hatte, entwidelte ex als Hofprediger 
in Stuttgart eine bewunderungdwürdige Wirk⸗ 
ſamkeit durch Beſchaffung von Predigern, durch 


ein S er cht u. ſ. w. Mit 
ſeinem Freunde Herzog —— Braunſchweig 
unterhielt er einen lebhaften Briefwechſel. Er hat 


viel, aber fein größeres Wer? gefchrieben. 

Andrend, der Apoftel, Bruder des Petrus. 
a 18, 10,2; o5.1,41; 12, 22. In 
der Apoſtelgeſchichte tritt er ſchon zurüd, von 
am fpätern Leben Haben ſich nur Sagen er: 

en. 

Andreas, Erzbiſchof von Krain, juchte 1482 in 
Bajel ein neues allgemeines Eoncil zu verfammeln 
* Sirtus IV. Mit der Stadt Baſel, die ihn 
chützte, ercommunicirt, wurde er endlich gefangen 
g * und im Kerker erdrofſelt gefunden, 1484. 

‚ Andronicus, 2. Maft.4, 31. Statthalter des An- 
—— Epiph., ließ den alten Hoheprieſter Onias 
en. 


e 
—* ariae, An faften, Q 

gariae, Angarienfaſten, Quatemberfaſten, 
ſind die in der katholiſchen .. —— jähr- 
lich wieberlehrenden 8 Saftage ittwoch, Frei: 
tag und Samftag in ben Wo nad) bem 18. 
December (Lucia), nad) dem Aſchermitiwoch, nad; 
Pfingften, nad) Kr —— Die reformirte 
Kirche führte der en bie vierteljährlichen Bet: 
tage ein. Der Name Angariens(Frohnden:)Fajten 
rührt davon her, daß an dem Tage die Frohn- 
ben Dunn — werden pflegten. 

‚Angelici, Engelsverehrer. Eine von Epipha⸗ 
nius erwähnte, ihm jelbft unbefannte Secte ; wahr: 
Baier 8 — mihverſtandene Bezeichnung 
gnoſtiſcher eien. 

—— Drben. Geſtiftet 1530 für Jung: 
frauen von der Gräfin von Guaſtalla. Anfangs 
der Glaufur nit unterworfen, hält er die Regel 
re Auguftin und fteßt unter Leitung der Barna: 
iten. 

Angelolatrie, Die Synode zu Laodicea 363 
verbot die Verehrung und Anbetung (veneratio et 
adoratio) der Engel; zu Nicäa 787 und Trient 
wurde bie Berehrung geftattet. Das Michaelis: 
in N; in ber datholiſchen Kirche das Feſt aller 

nael. 

Ungelologie. Der Theil der Dogmatif, welder 
von den Engeln handelt. ©. Engel. 

Ungelophanie. Erſcheinung von Engeln, um 
die Verbindung des Unſichtbaren mit dem Sicht: 
baren herzuftellen in mädtigen Momenten (Ge: 
burt, Auferftehung Ehrijti), zur Tröjtung und 
Erretiung bedrängter Gerechten. Sie erſcheinen 
in menſchlicher @eftalt, im Lichtglange (2. Mof. 
3, 2). Am bäufigften find Engelerfheinungen in 
ber Genefis, werden dann feltener, Bilionen 
u. f. m. folgen dafür. Häufig werden fie wieder 
nad dem Eril (1. Chr. 21, 16.30; Dan. 10,5; 
12, 6; 2. Watt.3,25; 11, 8; Tob. 5, 5; 11, 14). 
Im Neuen Teitanıent hat Engeleriheinungen bes 
ſonders die Apoialypfe, das Lucas:Gvangelium 
und bie Apoftelgeihichte (Matth.1,20; 2,13; Luc. 
22,43; 16,22; Apoc. 5,11; 8, 3; Jud. 14u. 6). 


Angelſachſen 


ſachſen ging mit der altbrittiſchen Cultur auch die 
altbrittiſche Kirche unter. Die neuen Anköõmmlinge 
waren Heiden, und der erbitterte Nationalhaß 
binderte auch ben Verſuch einer milfionirenden 
Einwirkung der übriggebliebenen Chriſten auf 
ihre Herren. Erſt Gregor der Große, jeit 590 
Papſt, jandte den Benedictiner Auguftin mit 40 
Mönden nah England, dem dann die Belehrung 
Aethelbert3 von Kent gelang. Nicht ohne Schuld 
der Miffionare, welche in religiöfer Bejchränttheit 
das Hauptgewidht auf die römifhen Sagungen 
und Gebräude legten und die einheimiſchen Chri« 
ften dur das Berlangen ärgerten, ihre ab» 
weichenden Lehr: und Eultusformen aufzugeben, 
madte das ChriftentHum nur langfame Fort— 
fchritte, fo daß erſt um 650 auch Mercien, als 
der legte angelſächſiſche Staat, gewonnen wurbe. 
Die Annahme der riftlichen Lehre geſchah meift 
nad Beihluß der Landesverſammlung, daher die 
Taufe bei Taufenden zugleich; doch finden ſich 
keine Spuren von Gewaltmaßregeln. Zur Eini⸗ 

ung ber altbrittijchen Kirche mit der neuen wurde 

4 die Synode zu Streaneshald; gehalten, welche 
die römiſche Glaubenälehre, die firchlihe Unis 
formität und die Suprematie des Papſtes ans» 
nahm. Doch blieb die angeljähfiihe Sprade die 
Kirchenſprache; erft fpät gelang es Rom, das 
Eölibatögejeg, und nur unvolllommen das fano: 
nifhe Gejeg zur Anerkennung zu bringen. Dieje 
Romanifirung Englands ift auf Deutjchland, das 
von dorther durch Bonffacius riftianifirt wor: 
den, von größtem Einfluß gemweien. 

Angelus Domini, Darunter verfteht man 
das Gebet des englifhen Grufies (Ave Maria), 
welches täglid dreimal beim Ave-Maria-Läuten 
gebetet werben ſoll. 

Angelus Silesius. ©. Scheffler. 

Anger, Rudolf, Profefior der Theologie in 
Zeipzig, Herausgeber der Synopſe (1852) und 
bes Hermas, tüchtiger Exeget, F 1866. 

Angers (Departem. Maine⸗et⸗Loire). Hat Sy: 
noden: 1) 455, 2) gegen Berengar von Tours, 
3) 1269, 4) 1279, 5) 1365, 6) 1448, fämmtlid 
ohne größere Bedeutung, meiſt mit Kirchendiss 
eiplin fich beſchäftigend. 

Ungilram von Meg, + 791. Ihm werben 
von Hinkmar von Rheims die mit den faljchen 
Decretalien eng aufammenhängenden Capitula 
Angilramni zugefchrieben, eine Sammlung von 
Decretalien, welche die Bifchöfe dem Gericht des 
Landes und den Provinzialjynoden enthoben. 
Allein die Sammlung ift jünger ald Angilram 
und rührt wahrjgeinlich von dem Verfaſſer der 
pſeudo⸗iſidoriſchen Decretalien her. ©. Rettberg. 

ür die Echtheit Waſſerſchleben, Beiträge zur 

eich. d. falfchen Decret., 1842. 

Anglikaniſche ſtirche. S. England. 

Anglofatholicismusoder Anglifanismusnennt 
man die in der engliihen Staatskirche aufge: 
lommene, dem Natholicismus ſich zuneigende 
Richtung, fonft Puſeyismus oder Tracturianis» 
mus genannt. 

Anhalt. An der Saale und in Berbft führte 
Fürft Wolfgang, der perjönliche Freund Luthers, 
die Reformation ein, deren erſte Anfänge in Ans 
halt auf die Aebtiſſin Elifabetd von Weyda im 
Etift Gernrode und auf Stephan Molitor zurüd: 
zuführen find. An der Mulde folgten bie 3 Fürs 


30 
Angelſachſen. Durch die Invafion ber Angel: |ften Johann, 


Anno 


vahim und Georg (der Biſchof 
von Merjeburg) dem Vorbild ihres Vetters Molf: 
ang, und beriefen Nikolaus Hausmann aus 
widau, den ihnen Luther dringend empfohlen 
hatte. Durch ihn wurde das ganze Sand bald 
dem Evangeliumgemwonnen. Unter Johann Georg, 
welcher als Bormund der Kinder jeiner Brüder 
bie Regentfhaft über ganz Anhalt führte, ging 
Anhalt durch das anhaltinische Belenntnik 157 
zur reformirten Kirche über, jo daß fpäter aud) 
ber Heidelberger Katechismus eingeführt wurde. 
1644 kehrte Johann von Anhalt: Zerbft zum Lu⸗ 
therthum zurüd. In unſerm Jahrhundert ift 
ne eu 1818 — 1880, mit feiner 
emablin 1825 zur katholiſchen Kirche überge: 
treten; in Folge beffen ift in Köthen eine katholi⸗ 
ſche Gemeinde — Eine Union beſteht in 
Bernburg ſeit 1820, in Deſſau ſeit 1827. 

Anicet. Biſchof von Rom. Als ihn 160 Polykarp 
von Smyrna beſuchte, am die Berfchiedenheit 
der orientalifchen und oceidentalifhen Kirche be» 
treffend die feier des Dfterfeftes zum erftenmal 
zur Sprade. 

Anna, die Heilige. Nach ber Meberlieferun 
die Mutter der Maria, der Mutter Jeſu; mi 
Joachim verheirathet, fol fie 20 Jahre kinderlos 

eblieben fein, bis ihr ein Engel die Geburt der 

aria verhieß. Andere berichten, daß fie nach 

oachims Tode noch zweimal verheirathet, 

leopha3 und Salomo, Mutter der 2 Marien, 
ber Frau des Alphäus und der des Zebebäuß, 
geworben jei. —* Evang. de nativitate Mariae 
und Protevangelium Jacobi, Die Verehrung ber 
gain Anna findet * in der griechiſchen Kirche 
jeit dem 4. Jahrh. In der römiſchen beftimmte 
Gregor XIIl. 1584 die allgemeine Feier ihres 
Gedädtniktages, 26. Juli. Weber die Empfjängniß 
Mariae f. Maria. 

Annas, bei Zofephus”Avewog. War unter dem 
ſyriſchen Legalen Duirinius zum Hoheprieſter 
ernannt, aber bereits durch den jüdiſchen Procu⸗ 
rator Valerius Gratus aus dem Amt entfernt, 
welches bald nachher jein Schwiegerjohn Kaiphas 
überfam. Wenn Annas dennod in der h. Schrift 
immer ber Hohepriefter genannt wirb, jo joll er 
damit nur ald früherer Hohepriefter bezeichnet 
werden (Luc. 3,2). Nach Wiefeler war er der 
Borfigende ded Synedriums, von dem der Hohes 
priejter, das Oberhaupt der Priefter, unterjyi.s 
den werben müffe. 

Annaten. S. Kirchliche Abgaben. 

Annege. Droit d'annexe. Das jrühere Necht ber 
feanzöftiden Parlamente, nach welchem in ihrem 
Sprengel die päpftlihen Ausfertigungen nicht 
eher vollftredt werden durften, bevor fie nicht 
eine förmlide Ermächtigung hierzu ertheilt hatten. 

Anni cleri. Die zum Bau einer Kirche oder 
Pfarrwohnung aufgenommenen Kapitalien müſ⸗ 
jen von den folgenden Pfarrern aus ihrem Pfründe⸗ 
eintommen in Friften (anni cleri) allmählich abs 
getragen werben. Das evangelifche Kirchenrecht 
legt durchgehends die Baulajt dem Kirchenärar 
oder ben Gemeinden auf. 

Anniverjarien, von anniversarius dies, d. h. 
Jahrestag, find die für Verftorbene am Jahres» 
tag ihres Todes gehaltenen Meffen. Da diejelben 
bejonders geftiftet jein müfjen, bilden fie eine 
Duelle des Eintommens für den Klerus. 

Anno, &. Hanno. 


Annulus piscatorius 


Annulus piscatorius, d. h. Fiſcherring, mit 
bem Bilde von Petri Fiſchzug. Wie jeder Biichof, 
trägt auch der Papft einen Ring ald Sinnbild der 
Bermählung mit der Kirche. Da mit demfelben 
in Wachs gebrüdt die päpftlihen Breven ver: 
ihlofien wurben, beißen fie sub annulo pisca- 
torio erlaffen. 

Aunnnciaten. 1) Ein weiblicher Orden, geftif- 
tet 1501 durch Johanna von Balois, ift Durch die 
Revolution aufgehoben. — 2) Die Himmlifchen, 
genannt von der blauen Farbe ihrer Kleidung, 
ein Drben gefiftet durd die Wittwe ge 
aus Genua 1604, leben in firenger Elaujur, be: 
ſchäftigt mit der Anfertigung von Kirchentüchern 
und Kleidung für Arme. 

Annus carentiae, Die Zeit, während welcher 
bie Kleriler zu Gunften eines geiftlihen Obern 
ober einer Stiftung auf einen Theil bes Ein: 
lommens verzihten müffen. 

Annus claustralis. Das erfte zu ftrenger 
Reſidenz (Aufenthalt im Stifte) verpflichtende 

r der Stiftäherren. 
nus deeretorius, In ben weftphälifchen 
Friebenäbeftimmungen das Jahr 1624. 

Annus deservitus et gratiae, Den Erben 
eines Geiftlichen fallen Einkünfte des legten Jah: 
tes zu, die der Verftorbene verdient, aber nod) 
nit bezogen hat. Außerdem wird ihnen gemöhn: 
ih nod das Einfommen eines Monats oder 
eines? Quartals bemilligt; die Particulargefeg: 
gebungen regeln dies näher. 

Annus diseretionis. Unterſcheidungsjahr, 
beim Religionswechſel. ©. Alter. 

Unomöer. Die Anhänger des Nrianers Adtius 
(1. d. A.) behaupteten die weſentliche Verſchieden⸗ 
heit bes Vaters und bes Sohnes. 

Ansbach. Bon Nürnberg aus verbreitete ſich 
die Reformation im Ansbach'ſchen. Als 1524 der 
größte Theil der Landftände die Erflärung gab, 
daß fie bei ber evangeliihen Wahrheit beharren 
wolt:n und daß man das Kirchenweſen refor: 
miren folle, ließ Markgraf —— der zugleich 
Chriſti und bes Kaiſers Freund fein wollte, zwar 
bie Predigt Des Evangeliums zu, ging aber nit 
weiter, verlangte vielmehr nad) dem Reichätag zu 
Speyer, daß neben ber Brebigt die Tatholifchen 
Geremonien, Meſſe, Klöjter ıc. geduldet werden 
follten. Als nach einem Tode 1527 fein Bruder und 
Mitregent Georg, der bisher im Ausland gelebt 

tte, die Herrihaft allein übernahm, berief er 
ofort die Prediger Althamar und Nürer, verbot 
den fatholifchen Gottesdienft und ließ auf dem 
eriten Eonvent zu Schwabad; die 23 Artifel auf: 
fefen und annehmen, aus welchen die branden⸗ 
birgiſch- nürnbergiſche Kirchenordnung hervor: 
ging, die 1638 von Oſiander bearbeitet erſchien 
und die Einrichtung des evangeliſchen Kirchen: 
weſens vollftändig durchführte. 

Auſegis. Rachdem er Karl dem Großen als 
Brumeifter und Diplomat gedient hatte, zog er 
ſich in das Klofter Fontanella, defien Abt er war, 
jurüd, und vollendete dort feine Libri III capi- 
tularium,eine Sammlung der Reichsgeſetze, welche 
Rarl d. Gr. und Ludwig der Fromme von 789— 
817 in Bezug auf Kirche und Reich erlafjen hat: 
ten. Diejelbe erlangte officielle Geltung und bis 
ins 13. Jahrhundert leistete jeder deutiche König 
darauf den Eid. — 2) Anſegis, einflußreicher 
Rirhenfürft unter Karl dem Kahlen, vertritt die 


31 


Anſelm 


Partei des Papſtes dem fränkiſchen Klerus (Hint: 
mar von Rheims) gegenüber; iſt eine Zeitlang 
Primas von Franken, muß aber wieder reſigniren, 
als fein Gönner Karl der Kahle ftirbt. fF 832. 

Anjelm von Canterbury. Geboren 1033 zu 
Aoita, trat er unter Lanfranc in das Klofter Bec 
in der Normandie ein, dort den Studien obzu: 
liegen, wurde bald Prior und 1078 Abt. Bei 
Erledigung des Erzbisthums Canterbury benugte 
ber engliſche Klerus die Krankheit des gegen die 
Kirche mit viel Willfür verfahrenden Wilhelm IL., 
denjelben zur Wahl Anjelms zu beftimmen, weil 
fie in ihm einen kräftigen Vertreter erwarteten. 
* ſeinen Willen wurde Anſelm ernannt 
(1093). Aber bald entſtanden Zerwürfniſſe zwi: 
ſchen ihm und dem Könige, da Anfelm mit größ: 
ter Entfchiedenheit die päpftlihen Anſprüche ver: 
theidigte. Mährend einer Reife nad) Rom (1097) 
wurde fein Erzbistum mit Beſchlag belegt und 
bis zu Wilhelms Tode verweilte er auf einem 
Kloftergute in Gampanien, wo er feine Muße zur 
Abfafjung der berühmten Schrift Cur Deushomo? 
benugte. Nach Wilhelms Tod konnte er nur auf 
furze Zeit nad England zurüdfehren (1103), da 
er den Zehenseid dem König Heinrich — 
Nach einem Compromiß jedoch, in dem der König 
bei der Belehnung mit Ring und Stab, der Papit 
beim Lehnseid nachgab u. A., —— er für immer 
zurück (1106), ſetzte für fein Erzbisthum das Pri: 
mat ber Landeskirche durch, und benugte die 
ihm gewordene Macht zur durchgreifenden Reform 
der Klöfter und der gefunfenen kirhlihen Dis— 
eiplin. Groß in diefer Thätigkeit als Kirchenfürft, 
erlangte Anfelm body no größern Ruhm als 
theologifcher Schriftfteller. Er ift eine ber groß: 
artigften Erſcheinungen der Scholaftif. In ihm 
ift noch Glauben und Erkennen in voller Harmos 
nie. Sein Grundfag ift Fides praccedit intel- 
lectum (ber Glaube ꝛc.), credo ut intelligam 
(id) glaube, damit ich erfenne). Der Glaube jieht 
als das a priori Unanfechtbare feft, allein die 
Wiſſenſchaft Hat nun die Aufgabe, den Inhalt des 
Glaubens aud) ala den abfolut nothwendigen In— 
halt ber Vernunft nachzuweiſen. Diejer Aufgabe 
ift Anjelm in einzelnen Buntten mit nicht mehr 
erreihtem Scharffinn nadjgegangen. So in der 
Lehre von Gott durch feinen berühmten ontologi: 
fhen Beweis für das Dafein Gottes, da Gott, 
da man ihn aus Nothmwendigfeit denle, aud in 
Wirklichkeit egiftiren müſſe (in feinem Proslo- 
gium). Eingreifender in ber Entmwidelung der 
Theologie ift er durch feine Berföhnungstheorie 
geworben, welche er in Cur Deus homo ? aufftellt 
und welche ala Satisfactionstheorie ſeitdem von 
der Kirche feflgehalten if. Anfelm + 1109, 
21. April. — Val. Haffe, Anfelm von Canterbury, 
1843—1852. 2 Bände. 

Anſelm, Bifhofvon Havelberg. Als Lothars II. 
Geſandter zu Eonftantinopel 1135 hat er mit 
Nicetas, Erzbifchof von Nitomedien, ein Geipräd 
über die Gontroveräpunfte der lateiniihen und 
griechischen Kirche, welches er nachher niederſchrieb 
und en als eine der bedeutendſten Streitſchrif⸗ 
ten gilt. 

Anfelm, der Heilige. Biſchof von Lucca. Gin 
derart auf die Grundfäge Gregors VII. ein, dab 
er zur Sühne dafür, daß er ſich vom Kaijer hatte 
mit Ring und Stab belehnen lafjen, fein Amt 
nieberlegte und nad) Elugny ging. Auf Befehl 


Anfelm 


Gregors zurüdgelehrt, wurde er vertrieben. + als 
äpfilicer Legat 1086 (18. März). — 2) Der 
Dbeim des Vorigen, jpäter Alerander II. 

Anfelm von Laon. Schüler des Anjelm von 
Canterbury. Lehrer der Theologie zu Paris, 
dann Borfteher der Schule zu Laon. F 1117. 

Ansgar. Der Apoftel des Nordens. Geboren 
801 in der Picardie, trat er ins Klofter Corbie 
und wurde von bort 822 nah Neu⸗Corbie (Cor⸗ 
vey bei Hörter) gefandt. Seine erfte Miſſions— 
reife (826) machte er im Gefolge des neubelehrten 
Königs Harald nad Dänemark. Bon bort ver: 
drängt, ſandte ihn Ludwig der Fromme nad 
Schweden (BD); unterwegs von Seeräubern ge- 
plünbert, fam er nad Birfa am Mälarjee und 
erlangte die Taufe einiger Eingebornen und die 
Gründung einer Kirche. Nad) 1'/, Narr über: 
trug ihm der Kaiſer das für bie nord⸗albingiſchen 
Lande neugeftiftete Erzbisthpum Hamburg und 
der Bapft den Legatenberuf für Dänen, we: 
den und Slaven. Unter vielen Mühen forgte er 
nun eifrig für die Fortfegung der Miffion in 
Schweden, welche er Gautbert als freilich kurzen 
Wirkungskreis übergab. Inzwiſchen war Hamburg 
von den Normannen zerftört (337). Ansgar jelbft 

atte nur das nadte Leben gerettet. Nad) einigen 
hren großer Noth vereinigte Ludwig der Deut: 
je das Erzbistfum mit Bremen, wohin Ans: 
gar feinen Sig verlegte. Außer auf Dänemarf, 
wo e3 ihm gelang in Schleswig eine Kirche zu 
ründen, richtete er fein Augenmerk auch auf die 
laven und vergaß Schweden nicht; feine zweite 
Reife dahin, 848—850, hatte das Nefultat, daß 
der Thing (die Volksverſammlung) die Predigt 
de3 Evangeliums erlaubte. Doc dauerte es noch 
fange, bis das Heidenthum überwunden wurde; 
erft 1001 ließ fi König Dlaf taufen. Ansgars 
Charakter fhildert die Empfehlung des Dänen: 
lönigs nah Schweden: er habe nie einen fo mil: 
den, guten Mann gefannt. Ansgar + 865, 3. Feb. 

Anſo. Mönch und Abt zu Lobbes (um 800), 
dem jpäter zu Lüttich gehörigen Klofter, Verfafler 
von Lebenäbefhreibungen jeiner Borgänger, des 
heiligen Urdmar und des heiligen Ermino. 

Anterus. Bifchof von Rom 235, nad) einem 
Monat Hingerichtet, weil er die Märtyreracte zu 
ſammeln befahl. 

Anthimus. 1) Patriarch von Eonftantinopel, 
welcher, ein Freund ber Monophyfiten, auf Ans 
dringen Agapetus I. von Juftinian wieder ab» 
gejegt wurde 536. 2) Ein Bifhof von Tyana, ein 
Gegner Bafilius d. Gr. 372. 

Anthologium beißt in ber griechiſchen Kirche 
das Meßbuch. , 

Anthropolatrie (Menjhendienft). Wurde ber 
Kirche von den Apollinariften und A. zum Bor: 
wurf gemacht wegen der Anbetung Ehrifti. 

Anthropologie ift die Lehre vom Menſchen, zu: 
nächſt im allgemeinften und weiteften Sinne. In 
der Pe ewöhnlicd im Sinne von Pſycho⸗ 
logie, dann utfsmiffenfcaft der Ethik. In der 
Dogmatik bezeichnet Anthropologie denjenigen 
Theil derſelben, welcher fi mit dem Zuftand des 
Menihen, ſoweit diefer für das dogmatiſche Den: 
ten in Betracht fommt, beſchäftigt. Sie betrad): 
tet in der Regel ben Menſchen nach zwei Seiten 
bin, 1) nad feinen urfprüngliden Anlagen (sta- 
tus integritatis), 2) nad) jeiner erfahrungsmäßis 
gen Beichaffenheit in feinem Abfall von der urs 


32 


Antichrift 


——— Beſtimmung (status corruptionis). 
Der Reihenfolge ber Theile nach folgt die Anthro⸗ 
pologie gewöhnlich der Theologie. In der neuern 
Dogmatik ift fie Häufig au der Ausgangspunft. 
nibropomorphismus heißt diejenige Borftel: 
lungsweiſe von Gott, welche Gott vermenſchlicht 
und ihn dadurch aufhören macht, das Abfolute zu 
fein. Der anthropomorphiftifche Ausdruck fann 
entweber mit dem Bewußtſein feiner Ungenügend- 
heit bloß zur Verdeutlichung des Gedankens ge: 
wählt werben (ſymboliſcher Anthropomorphis: 
mus), oder er fann als wirklicher Begriff aus 
Beſchränktheit bes Dentens hervorgehen, aus Un: 
fähigkeit, die Begriffe Raum und Zeit von Gott 
zu abftrahiren (dogmatiſcher A.) ; fo der heidniſche 
BVolytheismus gänzlich. Aber auch der hebräiſche 
Monotheismus ift davon nicht frei, indem er Gott 
Hände, Füße, Stimme u. f. w. beilegt, was nidt 
immer als bewußte Verſinnbildlichung gefaßt 
werden fann. Das Chriftentbum verwirft grund: 
fäglidh den Anthropomorphismus, wenn aud) in 
ber geſchichtlichen Erſcheinung feiner Lehren der: 
jelbe nicht immer ausgeſchloſſen iſt. Kant nennt 
Antbropomorphismus die Berfinnbilblihung mo⸗ 
—3 Ideen. Einzelne Philoſophen haben den 
theiſtiſchen Gottesbegriff überhaupt anthropo⸗ 
a Hk at er 
Authropopathismus (von avspwno - nass) 
ift die Borftellungsweife von Gott, welche dieſem 
menſchliche Gefühle und Leidenjchaften beilegt, 
wie z. B. Zorn, Liebe. Die heidnijchen Religionen 
find oft im ſchlimmſten Sinne anthropopathiich, 
aud das Alte Teftament ift voll anthropopathi: 
her Ausbrüde. In der praktiſchen Religions» 
lehre ift wegen der Unvorftellbarleit Gottes der 
anthropopathiſche Ausdrud unumgänglich, um die 
Beziehungen Gottes zur Welt barzuftellen, 
Antigrift. Dachte man im apoftoliichen Zeit: 
alter die Wiederkunft Chrifti fi) nah, jo war die 
Aufrichtung feines Neiches nicht gedacht, ohne daß 
die herrſchende Weltmacht noch einen legten Bers 
fuh macht, ihr Reid zu behaupten; die Perſön⸗ 
lichfeit, in weldder man bie babei ſich entwickelnde 
Gottlofigteit und Bosheit erfüllt und gleichſam 
incarnirt Ion bieß der Antichrift. Er fteht an der 
Spige des Kampfes gegen bas Reich Gottes. So 
bejonders 2. Zee .2; Offb.305.11,7u.13. Als 
diejer erfcheint dem Apolalyptiler ber wiederleh⸗ 
rende Nero, wobei bie Bilder, unterbenen bie Ber: 
fon des Antichriſts gejhildert und Nero verhüllt 
wird, Daniel3 Schilderung des Epiphanesentlehnt 
find. In den Evangelien, auch den johanneiſchen 
Briefen, erjheint der Antichrift meift ala Pieubos 
Hrift, d. 5. Irrlehrer, der fi für den Meſſias 
ausgiebt, ift auch nicht beftimmt an eine einzelne 
Berjon gelnüpft (Matth. 24, 6.23 ff.; 1. Jah. 
2,18; 4,3; 2.305.7). In der Folgezeit, ala bAr 


Antichrift in der gedachten Weije nicht erjchien, \ 


jah gewöhnlich jede Partei den Antichrift in ihren N 


Gegnern. So fahen die erjten Shriften den Anti: 
chriſt in Nero, die Protejtanten im Bapft, und 
umgelehrt, während der Fremdherrſchaft das 
deutſche Volk in Napoleon u.f.m. Die Annahme 
eines perjönlihen Antichrift3, ſonſt faft als 
Dogma betrachtet, ift heute immer mehr zurück⸗ 
getreten. Der Antidrift wirb gefaßt als die 
Perjonification des widerchriſtlichen MWeltgeiftes, 
der fi im Gegenjag gegen das chriſtlich Gute 
ebenjalld immer fteigere und fein inneres Wejen 


Antidifomarianiten 


entihiebener offenbare, bis endlich der vollfom: 
- Abfall von Gott und allem Guten zu Tage 

e. 
Antidikomarianiten, Gegner der Maria, wer: 
den Alle genannt, welche die Birginität der Ma— 
tia leugnen, alfo fowohl die Ebioniten, welche 
Jeſus ald den wahren Sohn Joſephs und ber 
Raria bezeichneten, als auch die, weiche annahmen, 
Maria Habe noch andere Kinder geboren. Epipha- 
nius, 78. Härefe. Das Gegentheil der Antidifo: 
marianiten find die Kollyridianer in Nrabien, 
welhe Maria göttliche Ehre erwiefen und ihr Ku- 
hen (zoAlvpis) opferten. 4. Jahrh. 

Antilegomena nennt Euſebius Diejenigen 
Bücher des Kanon (f. d. A.), welche zwar in den 
mei Kirchen —— wurden, hinſichtlich 
deren Echtheit aber keine allgemeine Ueberein: 
fimmung herrſchte; er unterjcheidet fie von 
den geradezu für unecht (vö905) gehaltenen. 

Antilibanon, Die öftlihe durch Cöleſyrien 
vom Libanon getrennte Gebirgäfette im Norben 
Baläftina’s (f. Libanon). 

Antimensium, Das geweihte Tuch, welches in 
der griehifchen Kirche vor der Meſſe über den 
Altar gebreitet wird, um denfelben dadurch zum 
Dpferaltar zu machen. In daſſelbe find ſteis Re- 
liquien eingenäht. 

Antinomismus wird, bei mancher Verſchieden⸗ 
heit im fpeciellen Gebrauche des Wortes, im All: 
gemeinen jede Richtung genannt, welde die Gül⸗ 
tigteit bes Gefeges aufheben will, baher ſowohl 
eigenthümliche Theorien als auch praltiſch liberti⸗ 
niſtiſche Richtungen (nad Nitzſch St. u. Kr. 1846, 
1.2. als philoſophirende Sünde befinirt). In 
der Regel gründen fich bie legteren als der natür: 
liche Rückſchlag auf unnatürlihe Asleje, daher 
wir fie zuerft und in größtem Umfang faft in 
allen gnoftifchen Kreifen finden, ſowohl denen ber 
befieren Art, wie Bafılidianern und Ba: 
Ientinianern, als aud) beſonders bei den auf 
der äußerfien Grenze bes Chriſtenthums ftehenden 
Rainiten, Rarpofratianern und Mani: 
Häern. Gleichzeitig tritt uns auch jhon im 2. 
Jahrhundert in Marcion baserfteausgebilbete 
Syſtem eines theoretifhen Antinomismus ent» 
gegen. — Im Mittelalter wird felbftredend allen 
bäretiihen Parteien die [hlimmfte Sittenverberb: 
niß nachgeſagt, felbjt ſolchen praktiih frommen 
Rihtungen wie derjenigender Waldenjer und ſogar 
nur gegenden Drud der Hierarchie gewandten Be: 
ftrebungen wie denen der Stedinger. Doch es ift 
zweifellos, daß unter ben asketiſch-dualiſtiſch ger 
färbten Secten (Bogomilen, Albigenjern) 
fih manche Neigung nicht bloß zu einem theoreti- 
IhenAntinomismus,fondernjelbft zumLibertinis⸗ 
mus findet; die Brüder und Schwejtern 
des freien Geiftes bilden in dieſer Hinficht 
peciell den Mebergang auf die folgende Epoche. — 
In der gewaltigen Bewegung der Reformationd: 
jeit treten mit Einem Schlage die verſchiedenſten, 
früher im Geheimen wudernden Tendenzen ans 
Tageslicht, und vor Allenı der Anabaptismus 
mit den verwandten antitrinitarifhen Tendenzen 
zeigt ſich uns faft überall rg als Antino⸗ 
mismus. Selbftein Job. Denk, ein Sebaftian 
Frank und ein Joh. Gampanus fallen in 
die Kategorie de3 theoretijhen Antinomismus, 
Dem eg Grad des Libertinimus zeigen 
nicht Bloß die wilften Beftrebungen des Bauern: 


33 


Antiochien 


friegöd und des Münfterfhen Aufruhrs, 
ſondern vor Allem die holländifhen und 
Genfer Libertiner, welde Ealvin fo viel zu 
ihaffen machten. Am lehrreichiten für die Ent: 
ftehung der antinomiftiichen Geiftesart find je: 
doch die Syiteme des David Joris und bes 
Heinrich Niklaos und ihrer weitverbreiteten 
Secten. (Bgl. die Monographie über ven Legteren 
in der Beitjchr. f. Hift. Th. 1862, 3 u. 4 und über 
ben Erjteren 1863, 1; 1864, 4.) — Aber aud) bie 
von der Heberjpannung ber anabaptiftiichen Ten: 
benz ſich freihaltende firchliche Reformation mußte 
erft die Neigung zum Antinomismus von ſich ab: 
ftoßen, um fi normaler entfalten zu lönnen. Dieſe 
Bedeutung bat ber fpecifiich fogenannte antino: 
miſtiſche Streit in der lutheriſchen Kirche, durch 
Joh. Agricola’s faljhe Theorie fiber das Ber: 
hältniß des Gejeges zum Evangelium (daß das 
Geſetz nicht mehr gepredigt werden bürfe) veran⸗ 
laßt; und ebenfo in der reformirten Kirche die 
Ueberjpannung der Prädeftinationslehre, die be: 
jonders in England und Holland von ber 
Kirche überwunden werben mußte; vgl. die eng: 
liihen Antinomer und Libertiner der Revolu: 
tionszeit, wie die Levellers, Stanters, 
a Fünfmonardijten; und 
die holländiſchen Secten der Hattomiften und 
Janfeniften. — Nod eine Blütheperiobe er: 
lebt endlich der Antinomismus der verjchieben: 
En Art durch bie pietiftifche —— mit —— 
eparatiſtiſchen und chiliaſtiſchen Anhängſeln. 
Selbſt der eigentliche Pietismus hat mannigfad 
eine faljche Tree unb ®raris über die Stel: 
lung zum Gejege veranlaßt, wie bie Secte der 
Pregizerianer in Würtemberg darthut; und 
alle ihr verwandten Richtungen, bie Herrn- 
buter, bie Methodiften, bie infpirirten 
Gemeinden ber Wetterau, die Haugianer 
in Norwegen, mußten ſämmilich eine Art „Sid: 
tungsperiode” durchmaden. Am furdtbarften 
aber tritt bie Gefahr des Umſchlags einer faljch 
asketiſch⸗chiliaſtiſchen Lebensanſchauung in boden: 
loſen Libertinismus zu Tage in ben jogen. cars 
naliſtiſchen Rotten, der Buttlarſchen in Welt: 
pbalen, ber Borbelumer in Holftein, ber 
Bruggler und ber Antonianer in ber 
Schweiz, ber Ronsdorfer Zioniten (Eller: 
ſchen Rotte) im Rheinland. Und daß aud in ber 
Gegenwart ähnlihen Ueberjpannungen ähnliche 
Eonjequenzen nur zu ſehr drohen, hat die Ge⸗ 
ihicdhte der Königsberger Muder, der Wup⸗ 
perthaler Brädeftinatianer und zumal ber 
Burn ne im Uebermaß dargethan. 
Antinomiſtiſcher Streit imengeren Sinne wirb 
ber Conflict zwijchen Agricola einerfeits und Zus 
ther und Melandthon andererfeits genannt, in 
ber boppelten Bhaje von 1527 nad) der kurſäch⸗ 
ſiſchen Kirchenvifitation, und von 1537 bei der 
Veranlaffung der Thejen (Bofitionen) Agricola's 
über die Buße und ihr Verhältnig zum Glauben. 
(S.d.vor.Art.) Nah heftiger gegenfeitiger Polemil 
muß Agricola 1540 revociren. — Aud in Ams⸗ 
dorfs Behauptung von der Schäblichkeit der 
guten Werke mußte abermals die antinomiftifche 
Ueberjpannung der evangeliihen Grundlehre von 
der Glaubensgerechtigleit abgewieſen werden. 
Untiodien, fo genannt nad Antiohus, dem 
Vater ihres Erbauers Seleucus Nitator, am 
Drontes, die Hauptftadt Sn mwurbe ber 


. Antiohus II. 


zweite 
11, 19u.26; 13; 14; 15) nicht bloß durch bie 
Größe und Lage der Stadt, ſondern auch 
darum, weil hier in der helleniſtiſchen Gemeinde 
ein Gegengewicht gegen die judaiſtiſchen Gemeins 
den Paläſtina's fich bildete. Sie hatte bedeutende 
Biihöfe, die im Geifte eines Paulus wirkten: 
Barnabas, Jgnatius, Chryſoſtomus; jo gemann 
bei der Ausbildung der Hierardhie Antiochien bald 
die Mürde des Patriarhats neben Rom, Eon: 
ftantinopel und Jerufalem (Synode zu Chalcevon 
451). Synoden find häufig in Antiochien gehals 
ten, mehrere gegen bie Novatianer 252, gegen 
Paul v. Samojata 269; in dem arianifchen Streite 
841, 361, 363, 376, 379, 383. Im Jahre 637 fiel 
Antiodien in die Hände der Muhamedaner, 
aus denen ed rur für die kurze Zeit der Kreuz: 
züge befreit wurde; damit erloſch feine Bedeu⸗ 
tung für die riftlihe Kirche. — Antiodien 
in Bifidien wird Apftg. 13, 14 erwähnt. 
tiochus Il., König von Syrien (Heög) feit 
962. Bol. Dan.11,6. Befiegt von Ptolemäus II. 
Philadelphus von Aegypten, mußte er feine Ge: 
mahlin Laodice verftoßen und die Berenice hei« 
rathen, die Tochter jeines Siegers, welche er nad 
BPhiladelphus’ Tod wieder verftieß. Dieſe zu 
rähen, zog Ptolemäus III. Euergetes heran 
und plünbderte Syrien, 246. 
Antiochus ILL, der Große. Eine Niederlage 
egen Negypten bei Raphia 217 rächte er durch 
* Sieg über Ptolemäus Epiphanes bei Paneas 
198, wodurch ganz Paläſtina in feine * lam. 
Sein ſiegreiches Vorſchreiten in Kleinaſien rief die 
Einmiſchung der Römer herbei, von denen er 190 
bei Magneſia geſchlagen wurde. Antiochus wurde 
bei der Plünderung des Belustempels in Ely— 
mais getödtet. Die Juden begünftigte er. 
Antiohus IV. Epiphanes, König feit 176. 
Dan. 11, 21-45; vgl. 7,8; 1. Makk. 1,10 als 
der Böfewicht bezeichnet (das Vorbild des Anti: 
rifts im Neuen Teftament), auch nach heidniſchen 
Säriftftellern ausgezeichnet durch glänzende Ga: 
ben, berüchtigt durch feine Graufamleit. 
Seine Regierung war ſehr unruhig, indem er 
drei Kriegszlige nach Aegypten unternahm, 171 
v. Chr. (Dan. 11,22), 170 (1. Malt. 1,17 ff.; 
Dan. 11,25; 2. Matl.5,1), und 168 (Dan. 11, 
29 ff.), bald da, bald bort Empörungen zu 
dämpfen hatte oder reihe Tempel zu plündern 
uchte. 1. Malk. 1, 20; 2. Malt. 5,11. In Yu: 
äa fand bie Partei, welche dem heibnifch:griechi: 
[hen Weſen ergeben war, naturgemäß eine Stüße 
an ihm und begünftigte den Jafon, welder feinen 
frommen Bruder Dnias ftürzte, dann aber wieder 
von Menelaos verdrängt wurde, der bas Hoheprie: 
fterthum durch Geld an ſich brachte und den Onias 
ermorden ließ. 2. Maft.4,23.50. Als er aber (167) 
jämmtligen Unterthanen jeines Reichs gebot, 
ihren Gultus zu verlaffen und bem von ihm 
eingeführten olympifhen Zeus, mit dem er fi 
identificirte, zu dienen, und diefen Befehl auf 
der Rüdfehr vom letzten ägyptifhen Zuge, als 
er von der Burg und dem Tempel in Serujalem 
Befig genommen und dieſen geplündert hatte, 
auf die graufamfte Weife zur Ausführung brachte; 
erhob fich der große religiöfe Freiheitskrieg unter 
ber Anführung der Maktabäer, welche den Yyfias, 
den Feldherrn des Antiohus, ſchlugen und 8 
Jahre nad) der Verunreinigung des Tempels ben: 


34 
Hauptpunkt des Chriſtenthums (Apſtg. |; jelben von Neuem weihen tonnten. Antiochus ftark 


Antitrinitarier 


auf der Rüdtehr von einem vergeblihen Beute: 
zuge nad) Elymais, 164. 
ntiohus V., 164—162, unter ber Vormund⸗ 
haft des Lyfiad. Nah einem Scheinfrieden, 
1. Matt. 4, 35, zogen Lyſias und Antiochus mit 
furdtbarem Heere gegen Judas Maklabäus, 
1. Malt. 6, 47. Betbzura ergab fih, Jerujalem 
murde belagert, 1. Maft. 6, 49. 50. Doch ſchloß 
Antiohus mit dem Judas Frieden und gewährte 
die Religionsfreiheit, um Raum gegen andere 
inde zu gewinnen, wurbe aber im folgenden 
ahre, 162 v. Ehr., von Demetrius Seleucus’ 
ohn überwunden und hingerichtet. 

Antiohus VI., bei Joſephus Theos genannt, 
145—144, Sohn bes Balas, wurde von Tryphon 
dem Demetrius IL, entgegengeftellt, gewann für 
fi den Hohepriefter Jonathan und defjen Bruder 
Simon, wurde aber von Tryphon ermordet. 
1. Malt. 11, 57 f ‚12, 24 ff. 

Antiochus VII. Sibetes, 139— 130, gewann 
fein Königreih von Tryphon; En mit Simon 
dem Hohepriefter, verbündet, erkannte er nad 
kurzer Fehde mit Johannes Hyrlan benfelben an, 
fowie die freie Religionsübung der Juden. Er 
war einer der beiten Seleucidenfürften. 

Antipad (Herodes, Matth. 14, 1 u. fonft). 
Herodes bed Gr. Sohn, Tetrarch von Galiläa und 
Peräg feit 4 v. Chr. Entließ feine Gemahlin, die 
Tochter des Aretas (ſ. d. A.), und nahm die Hero- 
bias zu fi, jeines Bruders Philippus Frau. 
Ließ Johannes enthaupten. Chriftus wurde vor 
ihn als feinen Landesfürften geführt. Bon 
Agrippa I. in Rom verklagt, wurde Antipas 39 
n. Chr. nad Gallien verbannt; feine Tetrarchie 
fiel an Agrippa. 

Antipafha. Im der griehifhen Kirche ber 
Sonntag nach Dftern. 

Antipatrid. An der Straße zwiſchen Jeruſa⸗ 
lem und Gäjarea, Dei bob Dorf K’far:Saba. 

Antipfon. Die Weiſe des Pfalmengejangs, 
mobei die Chöre ſich in denfelben theilen; ſoll 
in der Kirche von Jgnatius eingeführt fein. Dann 
der Spruch oder Berd, ben der Vorſänger an 
ftimmt, um der Gemeinde die Dielodie des zu ſin— 

enden Liedes, auch den Geſichtspunkt der Auf: 
affung, anzugeben. Zu unterjheiden von Reſpon⸗ 
forium (ſ. d. A.). 

Antiphonarius (nämlich liber, Bud). Eine in 
firhlihem Gebraud befindlihe Sammlung von 
Antiphonen, berrührend von Ambrofius und Gre⸗ 
gor dem Großen. 

Antitalten. Gefammtbezeihnung aller ber 
Antinomiften, welche das Geſetz durch wifjentliche 
Uebertretung (dvrırdosesIu, d. h. widerftreben) 
als überwunden und ungültig darjtellen wollten, 
und fo Wolluſt und Völlerei nicht mieden. 

Antitrinitarier oder Monarchianer find im 
weiteren Sinne noch alle Kirchenlehrer der vor: 
nicänifchen Periode gewefen, indem felbft Driges 
nes (auf deſſen Lehre von der ewigen Zeugung 
des Logos bie jpätere Entwidelung weiterbaute) 
noch entihiedener Suborbinatianer war. Im 
engeren Sinne nennt man verjchiedene kleinere 
Richtungen fo, die ſich am weiteften von ber ſpäte⸗ 
ren Rircheniebre entfernen, als 1) die eblonifirens 
den Monardianer, die Aloger, die Anhänger des 
Theobotus und Artemon ſowie Paulus von Sa— 
mojata, 2) die fogen. Patripaffianer, Prareas in 


Anton 


Kleinafien, Nostus, Kleomenos und Kalliftus 
in Rom, 3) die Bertreter des fogen. Modaliämus, 
Sabellius und Beryll von Boftra. — Im Mit⸗ 
telalter fehlt e8 der ganzen Natur feiner Ent- 
widelung nad) an neuen Speculationen über dad 
kinitariche ogma; um R mehr bringt deren, 
obgleich die Reformatoren jelbft die trinitariſchen 
und hriftologifhen Dogmen unberührt Laffen, 
die Reformationgzeit, und vor Allem fließen die 
drei großen Strömungen des Anabaptismus, An 
titrinitarismus und Antinomismus fo fehr in ein- 
ander, daß faft immer die Vertreter der einen 
Tendenz auch die der andern find, wie 3. B. Dent 
mit feinen Freunden Heßer und Kautz, Sebaftian 
* und Joh. Campanus, David Joris und 

ine. Nillaos beweiſen. — Die ſpeculativ am 
meiftendurchgebilbeten monarchianiſchen Syfteme 
gehen von Italien aus: Camillo Renato, Ber: 
nardino Dcchino und befonders Ontel und Neffe 
(£elio und Fauftus) Sozini. Die Märtyrer des 
Antitrinitarismus find Servet in Genfund Gen: 
tilis in Bern geworden. Eine Freiftätte fand bie 
jonft überall verftoßene Richtung, in ber fpeciellen 
Ausbildung als Socinianismus, längere Zeit in 
Eiebenbürgen und Polen. Bon dort vertrieben, 
wandten fi) viele Socinianer nad Holland, wo 
fie ih zum Theil an Arminianer und Mennoni: 
ten anſchloſſen. Kirchenbildend hat fi) in Europa 
ſchon durch die immer neu gewedten Berfolgungen 
der Antitrinitarismus nicht le Önnen, 
während in England und Amerika jeit Ende des 
vorigen Jahrhunderts eine größere unitarifche 
Gemeinſchaft entftanden ift, der u. A. Channing 
und Theodor Barker angehören. Doc hat bie 
neuere deutſche Theologie, ſoweit fie Schleier: 
mader folgt, meift die alte Form des trinitari» 
Ihen Dogma’3 aufgegeben, und fi) entweder wie 
Schleiermacher jelbft dem Mobalismus (Sabel: 
lianismus) zugewandt, oder doch (mie Rothe 
8.) auf bie manderlei Wahrheitäelemente in 
den früher mit Gewalt unterdrüdten Anſchau⸗ 
ungen hingewieſen. 

9, Baul, Einer ber Begründer ber pietiſti⸗ 
ſchen Richtung, neben Franke Profeſſor in Halle; 
bielt u. U. nach Speners Entwurfe Borlefungen 
über das Neue Teftament. + 1730. 

Anton Ulrich, Herzog von Braunſchweig. 1710 
zum Katholicismus ——— nachdem er 
eine Entelin Eliſabeth Chriſtine behufs en 
Berbeirathung mit dem jpäteren Kaiſer Karl VI. 
hatte vorangehen laffen. Doch blieb feine Eon- 
verfion ohne weitere Folgen, außer einem Schrift: 
wecjel über das den Schritt begünftigende Gut⸗ 
achten des Helmftäbter theol. Prof. Fabricius. 

Untonianer. Eine Secte in der Schweiz, deren 
Stifter Anton Unternährer war, geftorben im Ge: 
fängniß zu Luzern, 1824. Aus willtürlich zu: 
jammengeftellten Vibelſprüchen begründete er 
fine Lehre, die darauf Hinauslief, daß Alles, 
was Gott geichaffen, alfo natürlich jei, auch gut 
ki, und das Böſe darin beftehe, daß man einen 
Unterſchied madt. Die dur) Chriftus begonnene 
Erlöfung müſſe jegt vollendet werden dur Auf: 
bebung alles Geſetzes; der einzige Gottesdienſt 
beſtehe in der Pflege der (geichlechtlichen) Liebe 
ohne Zwang und Unterfhied. Es follen noch 
Spuren der Secte vortommen. 

Antoninus. Dominicaner, Erzbichof von Flo: 
sen. Ein ausgezeichneter Briefter und Biſchof, 


35 


Anwartſchaften 


der ſich bei der Peſt (1448) und einem Erdbeben 
(1453) ın Florenz bewährte. Bemerkenswerth iſt 
ſein Zweifel an der Echtheit der conſtantiniſchen 
—— und ſeine freie Stellung zur ſtreitigen 


Pe: Er ſchrieb: Summa theologica und 
umma historialis. Er wurde 1523 heilig ge: 
fprodhen. 


Antoninus Pins, Römifher Kaifer, 138—161. 
Schützte die Chriften gegen die Volkswuth, ald man 
öffentliche Unglücksfälle der Race ber beleidigten 
Götter zuſchrieb. Dennoch ift das bei Eujebius 
ihm zugeichriebene Edict (mpos ro xowwör) unedt. 

Antonius de Dominis. Erzbifhof von Spas 
latro, Primas von Dalmatien. Unzufrieben mit 
ber römischen Politik, wurde er ber Jnquifition 
verdächtig, verließ dann Stalien und trat in 
London zur reformirten Kirche Über, welchen 
Schritt er in einer oft aufgelegten Schrift ver: 
theidigte. Als er jeinen Wunſch, Erzbiihof von 
Hort zu werben, nicht erfüllt fah, feiner Umkehr 
aber ber Eardinalshut als Lohn verheißen wurde, 
belannte er fich in Brüffel wieder m latholiſchen 
Kirche und that in Rom Kirchenbuße. Hier ſoll 
er von Neuem von der Inquiſition eingezogen 
und im Gefängniß geſtorben ſein, 1624 

Antonius, der Heilige, geb. 261 zu Koma in 
Ober⸗Aegypten, gab ſich früh einem Zuge zum 
beihaulichen Leben hin. Dem Worte Chriſti nad)» 
zulommen, entäußerte er fi feines ganzen Ber: 
mögens, unb lebte als Asket, zuerft allein, dann 
mit Gleichgefinnten. Den Berjuhungen der Dä- 
monen zu wiberftehen, legte er ſich noch größere 
Entbehrungen auf und lebte 10 Jahre allein in 
einer Felögrotte. Um ihn ſammellen ſich als um 
ihren geiftigen ı: viele Aöleten, denen er in 
einem Leben bes ftrengften Faftens, der Arbeit 
und des Gebet3 voranging. In der Berfolgung 
des Marimin erfchien er in Alerandrien, um bie 
Ehriften zur are zu ermahnen, und 
noch einmal 14 Jahre jpäter, um dem Arianid« 
mus entgegenzuwirlen. Er ift ber Bater bed 
Möndthums. Er ftarb am 17. Januar 356, im 
Alter von 105 Jahren. 

Antonius von Padun, der Heilige. Geboren 
1195 in Lifjabon, trat er zuerft in den Orden ber 
regulirten Chorherren des 5. Auguftin, fpäter in 
ben Franciscanerorden. Nachdem er 1221eine Mil: 
fionsreife zu den Mauren gemacht hatte, ftubirte 
er auf Befehl des Ordens Theologie und wirkte 
nun als Lehrer und Prediger. Der Milderung 
der Ordensregeln wiberjegte er fi und bewirkte 
beim Papfte die Abjegung des Ordensgenerals 
Elias. Er ftarb zu Padua, wo er begraben liegt, 
1231. Seine Legende ift vol Mährchen. Er ift 
ber Schugheilige von Padua und ber ber Haus⸗ 
thiere. 

Antonius, Orden des heiligen. Antonierherrn 
im 11. Jahrhundert. Ein franzöfifher Edelmann 
Gafton gründete aus Dankbarkeit für die Heilung 
feines Sohnes vom Antoniusfeuer (einer Krank⸗ 
heit, genannt nad dem heiligen Antonius) ein 
Hofpital, in dem er mit feinem Sohne und 8 Ges 
fährten den Krankendienſt ve Diefe Laien: 
verbrüberung erhob Bonifaz . zum Orden 
nad) den Chorberrnregeln be3 heiligen Auguſtin 
in ſchwarzem Kleid und halbem Kreuz in Blau. 

Anwartihaften. Urſprünglich gab es feine 
Weihe ohne Amt; fpäter galt die Regel, Teine 
Weihe ohne Tiſchtitel. Je mehr aber bie abjoluten 

3 


Apelles 


Weihen zunahmen, deſto häufiger ſuchte man ber 
entſtehenden Verlegenheit zu entgehen durch das 
Verſprechen, eine demnächſt frei werdende Stelle 
zu übertragen, das find gratiae exspectantiae, 
Exſpectanzen. Eolde Anwartfdaften fanden zu: 
meijt bei den Ka u ftatt, wo fie weder 
das Berbot Bonifaz’ VIII. noch des Concils von 
Trient hat abjtellen fönnen. Andere Anwartichaf: 
ten gingen aus von ben päpfllihen Empfehlungen 
an die Gollatoren der Pfrlinden für einzelne ver: 
diente Männer, bie anfangs bittweife geftellt wur: 
den, dann Mandate — mandata de providendo — 
mwurben, denen — —— und Befehle folgten. 
Bald wurden ſolche mandata nicht mehr einzelnen 
verdienten Männern gegeben, ſondern nach Gunſt, 
Politik und für Geld; und der Unfug wurde ſo 
arg, daß das Tridentinum die mandata ganz 
aufhob. Endlich entſtanden Anwartſchaften durch 
das jus primae precis, das Recht des Königs, 
in jedem Stift die erſte nach der Thronbeſteigung 
erledigte Pfründe zu beſetzen. 

In der evangelilyen Kirche giebt e3 feine offe: 
nen Anwartihajten, wenn man nicht bie spes 
succedendi des Adjuncten dazu rechnen will. In 
der Sache felbft unmöglicd werben fie durch die 
Pfarrwahl der Gemeinden. 

Apelled. Ein Chrift, Röm. 16, 10. Der Sage 
nah Biihof von Smyrna. 

Apelles. Schüler des Gnoftifers Marcion, der 
nad) des Meifterd Tode das Syſtem deifelben 
umbildet und den übrigen, befonders den aleran: 
drinifchen Gnoftilern, annähert ; durch die Offen: 
—— der Philumene belehrt, über die er 
auch eine beſondere Schrift herausgiebt. Eine 
andere Schrift von ihm behandelt die Wider: 
fprüche im Alten Teftament. 

haerema, 1. Naff.11,34. Stadtin Ephraim, 
welche Demetrius Soter dem Jonathan gab. 

Apharfäer, Apharfehäer. Sara 4, 9; 5, 6. 
Einige jener Boltsftämme, die von den Aflyrern 
in das entvölferte Iſrael verpflangt wurden. 
Ewald vermuthet Perſer. 

hek. Name mehrerer Städte in Sfrael. 
1) Im Stamme Aſſer (30. 19 ‚30), Kanaaniter: 
ftabt, jegt Afta; 2) 1. Kön. 20, 26; im Diten 
von Genezareth; 3) ohnmweit Zisreel, 1. Sam. 
29, 1; 4) ohnweit Ebenezer, 1. Sam. 4,1. 
Aphthartodoketen oder Phantaſiaſten; durch Zus 
lius von Halicarnaß gegründet. Secte der Mono— 
phyſiten. Lehrten, der Leib Chriſti ſei unverwes— 
lich; gegen den Widerſpruch ſtärlte ſie ein ſie be— 
günftigendes Ediet Juſtinians, mit deſſen Wider: 
ruf durch Julian IL. ſpäter die Secte erloſch. 

Apion. Ein ägyptiſcher, den Juden feindlich 
gefinnter Schriftſteller, der u. Man der Spitze 
der Geſandtſchaft an den Kaiſer Caligula ſtand, 
welche die alexandriniſchen Juden verklagen ſollte, 
und gegen den Joſephus feine durch ihre Auszüge 
aus Manetho wichtige Echrift contra Apionem 
ſchrieb, worin er Juden und Hylſos identificirte. 

Apotalypſe. Die Offenbarung des Johannes. 
Tie einzige neuteftamentliche Schrift apofalypti: 
ſcher Art. 1) Verfaſſer. Als folden r die 
Tradition den Apoftel Johannes an nah 1,1.4.9 
und 22,8, wo der Name Johannes genannt wird. 
Schon frühe wird die Schrift als 5 ren be: 
zeugt. So haben ſchon Papias und Melito (135) 
nad) den Berichten bes Eujebius die D nn 
für infpirirt gefalten. Irenäus beruft ſich au 


36 


Apofalypfı 


Leute, die Johannes noch gelannt. Dann noch: 
Yuftin, das Schreiben von Lyon und Bienne 
(177). Erſt Dionyfius von Alerandrien a 
den apoftolifhen ""rfprung, Gajus von Kom 
cheint fie Cerinth , ızuweifen, die jyrifche Ueber⸗ 
egung hat fie nicht. Eufebius und viele berühmte 
Morgenländer erfennen fie niht an. Die Ber: 
werfung gejhah jedoch meift aus dogmatiſchen 
Gründen gegen den Chiliasmus. Allmählich mit 
dem Zurüdtreten des legtern wird auch die Apo— 
Talypfe als apoftolifch anerfannt. In neuerer Beit 
ift die Frage (befonders jeit Semler) nad) der apo⸗ 
ſtoliſchen Abfaſſung wieder aufgetaucht ; es wurbe 
gefragt : kann derjelbe Berfajjerdas 4. Evangelium 
und die Apolalypſe geſchrieben haben ? beide find 
ſprachlich und in Beziehung auf Vorftellungsfreis 
jo verfchieden, daß eine Verſöhnung ſchwerlich 
möglich ift (de Wette, Ewald, Lüde, Baur u. ſ. w.). 
Hengftenberg und Baur halten von entgegengejeß: 
ten Standpunkten an bem —— Urſprung 
feſt. Andere, wie Ewald, Lücke, Bleek, beſtreiten ihn. 
2) Inhalt. Das Buch beginnt mit einer Viſion, 
in ber ber sen dem Seher 7 Briefe an 
7 Heinafiatifche Gemeinden bictirt zur Warnung 
und zum Troft. Hierauf enthüllt ji bie Offen: 
barung. Gott ſelbſt ericheint und bringt das 
Bud mit 7 Siegeln. Das Lamm tritt zu Gott 
und die Siegel werden eröffnet. Die 4 erjten 
fündigen Krieg, Hunger, Tod, Hölle an (4 Rei- 
ter), im 5. fchreien die Märtyrer nad Recht; das 
6. bringt Erdbeben u. f. w. — jegt fol das 7. 
geöffnet werden. Die Frommen werben mit Dem 
Zeichen verjehen, und ein Blid wird auf die Se: 
ligkeit der Märtyrer im Himmel eröffnet. Die 
Spannung ift indefjen geftiegen. — Da wird bas 
7. Siegel erbrochen. Aber aus dem fiebenten Sie: 
get entwideln fi die 7 Poſaunen. Die 4 erjten 
eſchreiben wieder neue furdtbare Plagen. Die 
5. und 6. bringen Heujchreden und parthiſche 
den Die 7. follte erfolgen — aber wieder wird 
ie verzögert. Johannes muß ein Buch verſchlin⸗ 
gen, dann erfolgt die Drohung an Jerujalem 
wegen ber Tödtung der beiden Zeugen. Der 7. 
Bofaunenfhall erfolgt, aberaud) er zerlegt ſich wie⸗ 
der in 7 Geſichte. Es erfcheint der Satan und das 
falfche Brophetenthum, das Weib (Iſrael) gebiert 
den Meſſias und wird indie Wüſte gejagt. Das erſte 
Thier neigt aus dem Meer auf, dann lommt das 
zweite, Hierauf wird in ben 3 legten Geſichten 
noch einmal das Lamm und die Zurüftung zum 
Gerichte gezeigt. Aber noch ehe das Gericht wirt: 
lich beginnt — bie Gerichtsengel erjcheinen be: 
reits — entfaltet fi) das Gemälde in die 7 Zorn: 
ſchalen, hauptjächlid) gegen Babel (Rom), die Hure, 
erschtet, mit deren Wehe die Vorbereitungen 
—— Nun kommt der Meſſias, überwindend 
die Feinde und den Satan; es kommt das tau— 
fendjährige Reich, zu dem die Todten auferſtehen. 
Darnad beginnt noch einmal ein Kampf des mit 
Sog und Magog verbundenen Satans, dann das 
Gericht, und das neue Jeruſalem erſcheint. 3) 
Auslegung. Diejes dramatiſch-künſtleriſch an— 
gelegte Buch (nad) der Siebenzahl georbnet) hat 
die verfhiedenften Auslegungen —— Wir 
unterſcheiden beſonders zwei Arten: a) bie firchen: 
geihichtlide, faft von der ganzen älteren Kirche 
teftgehaltene. Darnach wäre die Apolalypfe eine 
Darftellung der geſammten Kirchen: und Melt: 
geſchichte durch die Jahrhunderte hindurch. Vieles 


Apokalyptik 


wurde hineingetragen; die Nölferwanberung, 
die Reformation, der Papſt, die franzöſiſche Re: 
volution, Napoleon u. |. w. glaubte man in ben 
opolalgptifhen Bildern entdeden zu können. 
Bengel berechnete, dab das Jahr bes 212 
dad —* 1836 ſei. Seit Herder, Eichhorn u. ſ. w. 
bahnte fi allmählich eine wiſſenſchaftliche Ertlä- 
rung an. b) bie zeitgefchichtliche, wonach in der 
Apolalypſe lediglih Vorgänge und Erwartungen 
der Zeit befchrieben find, in welder der Verfaſſer 
lebte. Der Kampf der Ehriftengemeinde gegen 
die römische Weltmacht bildet dad Drama des 
Zuches. Die römische Staatsmacht erfcheint 3. B. 
in bem Thiere (12, 18 ff.), Babel (16) ift Rom, 
ebenfo die Buhlerin (Kap. 17). Die 7 Häupter 
find 7 Kaiſer. Da als der ſechſte Galba zu berech— 
nen iſt, fo ift das Buch unter ihm (68) gejchrieben. 
Der fünfte, der als achter wiederfommt (13, 3; 
17,10) ift Nero, von dem damals das Gerücht 
sing, er, der Todte, habe 1a nur nad Parthien 
surüdgezogen und werde bald wiederflommen 
(Zueton: Nero 14, 57; Tacitus, Hist. 12, 28). 
Die Zahl 666 (13, 18) beftätigt die Beziehung 
suf Nero; denn 666 mit hebräiſchen Bud: 
faben (die zugleih Zahlen find) geſchrieben 
giebt: Neron Kaisar. Andere entdecken darin 
„Lateinos“. Die Apolalypſe hat den praltichen 
Zweck, den Muth ber Ehriftengemeinde unter 
dem Drude zu erheben. Für die erftere Art ber 
Auslegung vgl. Auberlen, der Prophet Daniel 
und die Offenbarung Johannis, 1854. Außerdem: 
Bengel, Hengftenderg (2. Ausg. 1861). , bie 
andere: Ewald, Commentar zur Apolalypfe, 1528; 
die johanneifhen Schriften, Bd. 2, —— 
1862. Außerdem: Lüde, Verſuch einer Einl. n 
die Offenb. Joh., Bonn, 2. Aufl., 1852. Bleel, 
ie 4 von Sobsad,. Volkmar, 1862. 
ofalyptif, Ein eigenthümlicher Zweig ver 
jübiihen Literatur fpäterer Zeit. Diejelbe trat 
auf in verhängnißvollen Zeiten, in denen bie 
Geifter ahnten, daß eine große Kataftrophe ber 
Beihichte bevorſtehen müſſe. Die Zeitgeſchichte 
wurde dann in einem ſymboliſchen Gewande bar: 
geſtellt, ein räthſelhaftes dramatifches Bild von 
Figuren, Thier⸗ und Menſchengeſtalten, Ratur: 
ereignifjfen, Zahlenverhältniffen u. ſ. w. bradte 
den Lauf der Ereigniffe zur Anſchauung und 
zeigte zugleich, wie Alles nach einer Krije, nad 
einem Gerichte hindränge, welches bie Verwid: 


lungen der Zeitläufte dem Glauben Iſraels ge: 
mäß zur Löſung bringe. Die hervorragendjten 
€ Olersturgweiged find: 1) 


heinungen dieſes 
das Buch —e 2) das Buch Henoch, 8) das 
vierte Buch Esra, 4) die Sibyllinen, 5) die Apo: 
talgpfe des Sohannes (andere f. Pjeudepigra: 
phen). Nur bie erfte und legte find Fanonijd. 
Apotalyptifer. ©. Chiliaſten. 
Apofataftafis. Wiederherftellung aller Dinge, 
lommt zuerft Apftg. 3, 21 vor, wo von der Wie: 


derberftellung der urfprüngliden — 
des Reiches Gottes auf wunderbarem We in 
ede iſt. 


bad MWiedererfcheinen bes hr bie 
In der kirchlichen Dogmatik bildet die Lehre 
son der Mpokataftafis den Gegenfag zu der 
Lehre von den ewigen Höllenftrafen. Die 
alerandrinifchen Theologen (Elemens u. Driges 
nes), auch einige aus der antiocheniſchen Schule 
(Diobor, Theodor v. M.) hatten, die Strafe als 
Zuchtmittel betradgtend, no an dem Glauben 


37 


Apofryphen 


an bie endliche Rücklehr auch der Verdammten 
zur Seligfeit feftgehalten. Aber feit diefer Zeit 
wurde bie Emigleit ber Höllenftrafen ala im In⸗ 
terefle des Glaubens immer nothwenbiger erad): 
tet, höchſtens, daß eine mögliche Milberung ber: 
arg (Auguftin)angenommenmurbe. Die ortho: 

ore lutherifche Theologie verwirft mit der Augs⸗ 
burger Confeſſion den Anabaptiften gegenüber die 
Lehre von ber Wiederbringung; die Prädeſtina— 
tionslehre Calvins natürlich nicht minder. Die 
Rationaliften und Supernaturaliften fonnten ſich 
dagegen nicht mehr mit der Emigteit der Höllen: 
ftrafe befreunden und die meiften modernen Dog» 
matifer fprechen fich dagegen aus, gewöhnlich für 
eine Möglichkeit ber Beſſerung, von pantbeifti« 
ſchem Standpuntte aber für eine Nothwendigkeit 
ber Rücklehr. Eine britte Anficht ift in der erften 
und neueften Beit nicht felten gewefen, bie Lehre 
von ber endlichen Gelbftaufreibung der Böjen in 
ber Strafe. 

Apokrifiarius. Der ſtehende geiftliche Gefanbte 
der Patriarchen am oftrömifchen Kaiferhafe, heute 
Nuntius. — Am fräntifchen Hofe aber ift U. ber 
Titel bed Archicapellans, ber den Kaifer in kirch— 
—* Fragen zu berathen und für ihn zu antwor⸗ 
en bat. 

Apokryphen, d. i. verborgen, wurben in ber 
alten Kirche die an das Alte und Neue Teftament 
fih anſchließenden Schriften genannt, welche nicht 
das lanoniſche Anjehen befaßen und daher von 
dem öffentlihen Gebraud; im Gotteödienfte zu: 
rüdgehalten wurden (f. Kanon). Apokryphen 
des Alten Teſtaments find Schriften, welche mit 
ber alerandriniihen Bibelüberjegung verbreitet 
worden find, theild aus dem Hebräifchen. über: 
fegt, theils urfprünglich griechifch gefchrieben, zum 
Theil Schriften von ausgezeichnetem literarischen 
und religiöfen Werth. Unter den Apokryphen ges 
ſchichtlichen Inhalts find folgende hervorzuheben. 
1) Das Bud Esra (RKodocc, ö kepevg), eine Be: 
ſchichte des Tempels von feiner Wieberherftellung 
unter Jofia an bis zur zweiten Wiederheritellung 
durch Serubabel und Edra. Der Stoff ift aus 
ber griechifchen Ueberſetzung ber Bücher Chronif, 
Esra u. Nehemia und aus einer fremden Duelle 
(3, 1—5, 6 über Serubabel)entnommen. 2) Die 
Bücher ber Makkabäer, melde — nichts 
gemein haben, als den Gegenſtand. Das erſte 
Bud, ſchlicht, wahr, des großen Gegenſtandes 
würdig in der Darſtellung, erzählt die Frevel⸗ 
thaten Antiohus IV. Epiphanes, die glorreiche 
—— des Prieſters Mattathias mit ſeinen 
Söhnen, dann bie Kämpfe des Judas Maklabäus, 
des Jonathan und Simon, bis zur Befreiung 
von den Syrern und dem Hoheprieftertfum des 
Johannes Hyrlanus (175—135), urſprünglich 
hebräiſch geichrieben. Das zweite, bedeutend ges 
ringer an Werth, enthält zwei Schreiben der pa- 
läſtiniſchen Juden an die ägyptifchen wegen des 
Feſtes der Tempelweihe, bann einen Auszug aus 
einem von Jaſon von Eyrene berrührenden 
Mallabäerbuche voll Legenden und Unwahrjceins 
lichleiten über die Jahre 176—161. Das dritte 
Bud) nimmt feinen Stoff aus ber Zeit bes Pto⸗ 
lemäus Philopator, der auf wunderbare Weiſe 
aus einem graufamen Berfolger ein Freund der 
Juden wird, wahrjcheinlich reine Legende, oder 
„typiihe Darftellung der Verhältniffe der Juden 
unter Caligula” ; das vierte Buch ftellt die Mars 


Apollonius von Tyana 


39 


Apoftel 


Apollonius von Thana. Eine ſeltſame Geftalt | Kifhen Deiften: Robert Boyle(t1691), welcher eine 


bes 1. Jahrhunderts, ein Mann, ber durch feine 
magiihen Künfte und Wunder feine Mitwelt 
in abergläubijhes Staunen fegte. Kirchenge: 
ſchichtlich hat derfelbe nur dadurch eine Bedeu: 
tung, daß er Gegenjtand eines Buches aus dem 
Anfang des 3. Jahrhunderts wurde, in welchem 
er als Ideal eines heidniſchen Weiſen, als das 
größte geiftige und fittliche Erzeugniß bes Heiben- 
tyums erjcheint, dabei aber, was Merk und Lehre 
betrifft, Chriftus außerordentlich ähnlich ift. 
Baur bat diefe von einem Sophiften Flavius 
Bhloftratus berrührende Schrift ala heidniſche 
Tendenzichrift gegen das Chriſtenthum erkannt 
(züb. Zeitſchr. 1832); Avollonius fol dad Gegen: 
bild Chrifti jein, es jol bewiefen werden, daß das 
Heidentbum bdaffelbe Ideal, wie das Chriften: 
thum, zu erzeugen im Stande fei. 

Apollod (Ayollonius). Apftg. 18, 24. Ein 
alerandrinifcher Jude, hervorragend durch Ge: 
lehrſamleit und Beredfamteit; lernte das Chri— 
ſtenthum bei den Sohannesjüngern kennen. 
Apftg. 18, 25. Durd Aquila und Priscilla mit 
dem paulinifchen Evangelium befannt geworben, 
ging er nach Korinth als Lehrer der Gemeinde. 
1. Kor. 16, 12. In ihm vermuthen die Meiften 
ben Berfafler des Hebräerbriefes (f. d. A.). 

Apologeten. Theologen vorzüglid der erften 
Ghriftenheit, welche es übernahmen, den Angrif: 
fen des Juden» und Heidenthums gegenüber 
ihren chriftlichen Glauben zu vertheidigen. Den 
Juden gegenüber, wo man ben gemeinjamen Bo: 
den der altteftamentlihen Offenbarung hatte, 
war bie Aufgabe, in dem A. T. den Typus ber 
neuteftamentlichen Erfüllungen aufzuzeigen und 
den Borwurf zu begründen, daß nur Derzens: 
bärtigfeit und Bosheit fie verhindere, dies einzu: 
jehen. Den Heiden gegenüber mußte aber, ſobald 
der thatfächliche Beweis der Reinheit von den 
vorgeworfenen Laftern nicht mehr audreichte, bie 
heidniſche Philojophie als Bertheidigungsmittel 
zur Hand genommen werden; theild indem man 
fie, ähnlich wie das Zudenthum, als Vorftufe des 
EhriftenthHums behandelte und die Erfüllung des 
son ihr Gefuchten im Chriſtenthum nachwies, 
teil indem man mit ihrer Hülfe die hriftlichen 
Brincipien als wahr und gut zu entwideln und 
darzuftellen tradhtete. Der erfte Apologet, defien 
Werte uns erhalten find, ift Zuftinus Martyr; 
an ihn ſchloſſen fih Tatian, Athenagoras, Theo: 
»hilus von Antiodien, Hermias, Tertullian, Mi: 
nucius Felix, Eyprian, Arnobius und Lactan: 
tiusan, ferner Drigenes, Methodius und Eufebius 
von Cäfarea (f. d. Art.). Spätere Apologeten 
find Agobard von Lyon gegen die zen Ray: 
mund Martini gegen die Mubamedaner. Im 
ausgehenden Mittelalter fonnten gegen den Step: 
ticismus an ber Kirchenlehre Savonarola und 
Ludwig Vives (De veritate rel. christ.) ſchreiben. 
In der Reformationsperiode trat das Bedürfniß 
der Apologetik Hinter die confejfionelle Bolemit 
jurüd;indefjen erwachte auch bald dieſes Bedürfniß 
wieder. Apologeten ſind zu nennen latholiſcher 
Seits: Blaiſe Pascal (Pensées 1646), Le Vaſſor 
(De la vérité rel), Lamy (Preuves évid.); res 
formirter Seits: Du Bleifis-Mornay (+ 1623), 
J. A. Zurretin (F 1687); in Holland Grotius 
(1627) (De veritate rel. christ.); Limborch: (De 
veritate rel. etc.) gegen Juben. Gegen bie eng: 


Prämie für Predigten gegen den Deiömus aus: 
fegt, Riharb Barter (+ 1691), Ralph Cudworth 
(+ 1688) (Systema intellectuale), Samuel Elarte, 
Thomas Sherlod, Nath. Lardner (Credibility 
of the gospel-history), Will. Warburton. Als 
Apologeten gegen die burd die Wolfenbüttler 
Be (1777) hervorgerufene Strömung in 

eutihland find zu erwähnen: Leonh. Euler 
(Mathematiler, + 1783) (Rettung der Dffenba- 
rung gegen die Einwürfe der geeigeilten), Albr. 
Haller (1777) (Briefe über die wichtigſten Wahrs 
heiten ꝛc.), Theod. Ehrift. Lilienthal (die gute 
Sache der göttlichen Dffenb.), Joh. Friedr. Kleuler 
(Neue Prüfung und Erklärung der vorzüglichſten 
Beweije für die Mahrheit des Chriftenthums). 
Epodhemadend für die Apologetit gegen die Res 
ligionälofigfeit find Schleiermahers Reden über 
Religion. Neuere Apologien: Stein, Apologetif 
des Ehriftenthums. Stirm, Apologiedes Chriſten⸗ 
thums. led, Bertheidigung des Chriſtenthums 
Bruch, Betrachtungen über ChriftenthHum und 
hriftlihen Glauben. Etudes philos. sur le 
christ., 1839. Tholud, Geſpräche über die vor: 
nehmften Glaubensfragen der Zeit, 1846. Hanne, 
Borhöfe zum Glauben zc., 1850. ar Borträge 
von Auberlen, Geb, Riggenbach zc., 1861. 
Guizot, Möditations sur l'essence de la rel. 
chröt., 1864. Schenkel, Chriſtenthum u. Kirche, 
1867. 

Apologetif ift die ſyſtematiſche Darftellung 
derjenigen Grunbfäße, auf melde eine Berthei: 
digung des Ehriftenthums fi zu gründen hat. 
Als wiſſenſchaftliche Disciplin von Manchen (Nöſ⸗ 
felt, Tholud) bezweifelt, von Andern (Schleier: 
macher, Lechler, Hagenbach) anerlannt. Bol. 
Lechler, Stud. u. Krit., 1839. — Apologetiken: 
Wolf; Sad, Entwurf einer riftlichen Apologetif 
(Begründer der Wiſſenſchaft); fatholiicher Seits: 
Drey, Apologetit als wiflenihaftlide Nachwei⸗ 
jung der Göttlichfeit des Chriſtenthums, 1847. 

Apologie der Augsburgiſchen Confeſſion. S. 
Auasbura. Confeſſion. 

Apoſtaſie. S. Abfall. 

Apoftel. Geſandte. So wird zwar Apftg.14,4.14; 
13,2 aud) Barnabas mit genannt, als der von ber 
Gemeinde zur zur. des Evangeliums ausge⸗ 
endet wurde, ſonſt aber ftetö nur die 12 Jünger 
Jeſu und Paulus. Einige waren ſchon vorher durch 
Johannis Predigt angeregt, andere erft durch ihn 
erwedt; ſämmtlich waren fie Männer ohne Gelehr: 
famteit, Fiſcher und Gewerbsleute, aber theilweife 
nicht ohne Bildung. Ihre Namen find: Gi: 
mon, mit dem Zunamen Petrus, und Andreas, 
Söhne des Jona, Jakobus und Johannes, Söhne 
des Zebedäus; Philippus, Bartholomäus (Na: 
thanael), Thomas, Matthäus (Levi), Jakobus, 
Sohn des Alphäus, Judas Zalobi, wohl derjelbe 
mit Lebbäus oder Thaddäus, Simon und Jubas 
Iſcharioth. Nach des Leyteren Tode meinten bie 
Elf die Zwölfzahl ergänzen zu müſſen durd die 
Wahl des Matthias. Beſſer füllte deffen Stelle 
Paulus aus, der fich immer einen Apojtel nennt, 
nad) innerer Berufung, aber eben deshalb in fei- 
nem Anſehen in der Kirche auch lange beftritten 
wurde. Ueber die Nachrichten der Apoftelgeihichte 
und bie neuteftamentlichen Briefe hinaus, find die 
ferneren Lebensſchickſale der Apoftel unbefannt; 
nur von Johannes iftgewiß, ba er ber @emeinde 


Apoftelbrüber 


in Ephefus vorgeftanden babe. Die Legende und 
die firchliche Sage weiß von einer Theilung ber 
Apoftel in die Länder der Erbe und weitgehenber 
Wirffamteit der Einzelnen, befonbers des Petrus, 
den fie zum erften Bifchof von Rom macht. — 
Neander, Geſchichte der Apoftel. 

Apoflelbrüder. Gerhard Segarelli fuchte das 
Leben des Heren in feiner Einfachheit nachzu— 
ahmen, durchzog feit 1260 ald Bußprediger Italien 
und bildete, ohne von der Kirche fich loszuſagen, 
eine freie Gemeinſchaft. Das gegen fie gerichtete 
päpftliche Verbot aller nicht vom Papſt erlaubten 
Gemeinfhaften reiste ben Eifer gegen die Ber: 
weltlihung der Hierardjie. Segarelli, mehrmals 
gefänglich als Irrlehrer eingezogen, wurde 1300 
verbrannt. Unter der Führung Dolcino's (j. d. 
4.) bildete die Gemeinfchaft ihre myjtifch « aöfeti- 
fche Lehre von der Nothwendigkeit, allem irdiſchen 
Befige zu entjagen, von dem religiöien Leben 
ohne Formen und Gebräuche und der Einheit ber 
Brüder in der Liebe in ſchwärmeriſcher Weife wei: 
ter aus. Gegen die Verfolgung vertheidigte die 
Secte fi * mit den Waffen, wurde geſchlagen, 
aber nicht vernichtet, denn noch bis ins 16. Jahr⸗ 
hundert werden Synoden erwähnt, die fie ver: 
dammen. Die Apoftelbrüder verbanden ſich oft 
mit den fFratricellen und Begharden. 

Apofteleonvent nennt man bie Apftg. 15 ge: 
ſchilderte Berfammlung ber ige und Aelte⸗ 
ften, welche über die Stellung der Heidendriften 
zum Gefet berieth und endlich ben Bermittlungs: 
vorfchlag des Jalobus annahm, daß die Heiden: 
chriſten ſich enthalten follten des Genufjes ber 
Gögenopfer, des Blutes und des Erftidten, jo: 
wie der Hurerei. Ueber die Geſchichtlichkeit des 
Berichtes find mit Unrecht Zweifel laut geworben. 
Man muf anerkennen, daß Gal. 2, 1—10 dafjelbe 
Ereigniß geſchichtlich treu beichreibt. 

ofielgeſchichte. Das einzige geſchichtliche Buch 
des Kanons, welches ſich mit der Zeit nach Jeſu 
Abſcheiden beſchäftigt. 1) Der 2 halt zerfällt in 
2 Hälften: die erfte (1—12) beichreibt die Ent: 
ftehung der erften Gemeinden in Paläftina und 
Syrien, erzählt nämlich, nad) eg Ra 
Himmelfahrt, die Ergänzung der Apoftel, Aus: 
gießung des heiligen Geiftes, zwei Verfolgungen 
der Apoftel, Wahsthum und Charakter der Ge: 
meinbe in Jerufalem, die Hinrihtung des Stepha- 
nus, die Ausbreitung des Ehriftenthums über Ju⸗ 
dia und Samaria (Philippus), die erften Heiden: 
befehrungen, die Belehrung Pauli, zwei Heilungen 
des Betrus, eine weitere Berfolgung in Jerufalem. 
Der zweite Theil beſchäftigt id faft ausſchließlich 
mit Baulus, feiner erften Miffionsreife mit Barna⸗ 
bas nad) Kleinafien, ven Apoftelconvent, der zwei: 
ten Reife mit Silad und Timotheus, endlidy der 
dritten, feiner —— und Verbringung 
nah Rom. 2) Die Auffaſſung der Apoſtel—⸗ 
geſchichte mit Beziehung auf ihren Zwed ift ftreis 
tig. Die Einen laffen diefelbe aus einem rein 
hiſtoriſchen Bedürfniß entjtanden fein. Dabei 
nimmt man theils an, daß die Apoſtelgeſchichte 
den Zwed habe, eine Kirchengeſchichte der apofto: 
lichen Zeit zu fein, wobei die Beſchaffenheit der 
Leſer für Hinmweglaffungen und Hervorhebun: 
gen einzelner Stojfe ah he gewejen fei; die 
Andern ‚meinen, die Apoftelgefhichte wolle eine 
ihren des Petrus und Paulus fein, oder eine 
Geſchichte der Miffionen von den Mittelpunlten 


40 


Apoſtoliſche Conftitutionen 


Jerufalem und Antiodien; Andere fuchten dog: 
matijche Gründe, die Mpoftelgefchichte fei eine 
Rechtfertigung der Lehre des Apoftela Paulus 
Am weiteften geht die Anfiht der fogenannten 
Tendenzkritif, wie fie von Schn. burger begon: 
nen, von den Tübingern (Baur, Ter) vollendet 
worden '* Diefe behauptet, bay ın der Dar: 
ftelung Mooſtelgeſchichte zwiſchen Petrus und 
Paulus eine Parallele gezogen fei, daf die her: 
vorgehobenen Handlungen des Einen regelmäßig 
bie entiprehenden Gegenhandlungen im Andern 
finden, daß aljo alles das wegfalle, was nicht in 
diefe Parallele paſſe. Nah Schnedenburger ift 
dies zum Zwed ber Reditfertigung des Apojtels, 
nah Baur u. A. hat die Apoftelgefhichte den 
Zweck, beide Parteien, die juben: und heidenchrift: 
lie, zu verjöhnen, weshalb Petrus möglichft 
pauliniſch, und Paulus möglichſt petriniſch dar 
geftellt jei. 3) Ebenfo verfhieden find die Anſich⸗ 
ten über die Quellen. Belannt find die foge: 
nannten „Wirftüde“, d. h. die Stüde der Erzäh- 
lungen, in denen in ber 1. Perſon geredet wird 
(16, 10—17; 20,5—15; 21, 1—18; 27, 1—28, 
16). Sie find offenbar der Quelle eines Augen: 
zeugen entnommen, was auch durch die Vollſtän— 
digkeit und Anfchaulichkeit der Berichte im Gegen: 
fag p. Uebrigen beftätigt wird. Die Einen 
(Schleiermacher) halten nun Timotheus für das 
Subject, der eingeleitet fei 16, 1; wogegen aber 
außer andern Grlinden die Stelle 20, 4 u. 5 zu 
ſprechen ſcheint, wo Timotheus vom Wir ausge— 
ſchloſſen iſt; Andere nennen den Silas (Schwan: 
bed), aber er ift fiher 15, 22.40; 16, 19. 25 aus 
dem „Wir" ausgeſchloſſen; Andere (die Meiften) 
denlen an Zucas, was zujammenftimmt mit der 
Erzählung; in Philippi Hört das Wir auf, dort 
fängt es jpäter wieder an (16, 17; 20, 5. 6). An: 
dere Quellen find jedenfalls durch mandjerlei Wie: 
derholungen und Widerfprüce angedeutet, aber 
verwiſcht. Dererfte Theil läßt auch einen (hebrai⸗ 
firenden) Sprachunterſchied bemerken. Volkmar 
nennt ald Quelle eine „Predigt Petri”, welche 
—— gegen Paulus polemiſirte. Der 
Verarbeiter des ganzen Buches iſt jedenfalls der 
Verfaſſer des 3. Evangeliums; ebenſo iſt zwiſchen 
den Wirftüden und dem Anderen kein jpradhlicher 
Unterjhied. Daher wird meiftens Lucas aud 
als Verfaſſer des ganzen Buches betrachtet. Die 
eit der Entftehung iſt höchſt wahrſcheinlich zwi⸗ 
chen 70 und 80 n. Chr. zu jegen. Vgl. Kritiſche 
Unterfuhungen über bie Nhoftelgeidiähte von 
Schnedenburger (1841), Schwanbed (1847), Lele⸗ 
buſch (1854), Zeller (1854). 
poftolifer. 1) Epiphanius set ge eine gno⸗ 
ſtiſche Secte diefes Namens, die auf allen Beſitz 
verzichten wollte. — 2) Eine Secte am Nieder: 
rhein.im 12. Jahrh., welche Alles in der Kirche 
verwarf, was nicht von den Apoſteln eingejegt war, 
und dem hierardhifhen Weſen des Klerus diente, 
und die in der Kirchewie im Leben der Einzelnen 


ug Einfachheit verlangte. Neander, 8.:G. 
h — — 242. — 3) Die Apoſtelbrüder 
( 


. db, Art.). 

Apofiolifde Gonflitutionen. Eine Samntlung 
lirchlicher Vorſchriften in Büchern über Liturgie, 
Disciplin und Dogma, wahrſcheinlich judenchrift: 
lien Urfprungs (3. - 4. Jahrh.), zu hierarchiſchem 
Zwede erfunden, von dem Goncilium Trulla- 


‚num ald unecht verworfen, die dennoch auf bie 


Apoftolifche Evangelien 


wätere Entwidelung, namentlich der en 
Kirhe, Einfluß gewonnen hat. 
Baur u. 9. find es urfyrünglich 3 Büher, u; 
7,8 Das 1. Buch hat zur Quelle die lange 
Recen des Ignatius und ftammt aus dem 
Ende bes 3. Yahıh, Das 2., vor 325, ftimmt mit 
dem 18. —* Kapitel des Barnabas md handelt 
von dem Lebenswandel und der Vorbereitung auf 
Chriſtus. Das 3. Bud enthält einzelne litur: 
ifhe Formulare und ie aus dem 4. Jahrh. Ein 
zueil des Buches wird in Handſchriften dem Hip: 
yolyt zugeſchrieben: Verordnungen der heiligen 
Anoftel über Orbinationen. 

Apoftolifche Evangelien. In der griechiſchen 
Kirche die Sammlung der an den Feſten vorzu⸗ 
lejenden Evangelien. 

Apoſtoliſche Ranones, alte. Gewöhnlich ver: 
Reht man unter Apoftol. Kanones eine Samm: 
lung von 85 Regeln, eine Diöciplinarordnung bes 
Kierus enthaltend, welche in der ——— Kirche 
recipirt ift (Gone. Trull. 692). Eine Ueberſetzung 
der 50 erften durch Dionyfius Exiguus fam um 500 
in den Decibent und wurde hier allmählid aner: 
fannt. Mehr ald diefe fonnten aber nit Ein- 

ang finden. Die alten katholiſchen —— 
ehaupteten den apoſtoliſchen Urſprung, die älte⸗ 
ren proteſtantiſchen ſetzten fie in das 5. Jahrh. 
Die Neuern nehmen den allmähliden Urfprung 
aus den Synobdalbeihlüffen und andern Acten: 
2 an; au den Abſchluß der eg I 
fang des 5. Jahrh., da Br Goncilien zu Ephe⸗ 
Ir und Ehalcedon nicht mebr berüdfichtigt zu 


in feinen 
No olifäe Kirhenordnung. Eine Samm: 
fung aus dem 3. Jahrh., verwandt mit dem 7. 
und 8. Bud) ber onftitutionen ; enthält in 35 
—— moraliſche Vorſchriften der —— und 
luß eine Ermahnung des Petrus 
life Majeftät. Ehrentitel der Könige 


— in Symbolum. Nach der Sage bei 
anden, daß von ben Apofteln, um 


er Une fefte Glaubenönorm jede jpätere Ab: 
mweihung der Lehre zu verhliten, jeder einen Sat 
dıefes Belenntniffes aufftellte. Das Thatſächliche 
der Entftehung ift Folgendes. Das apoftolifde 
Symbolum kommt zuerit Ende deö 6. Jahrh. in 
ber Eambridger ang hrift eines Pjalters in der 
iegigen Geftalt vor feiner früheren Entwid: 
—— e findet es ſich bei Turranius Rufinus 
ee (+410), welcher in feiner Expositio 
oliei drei verſchiedene Formeln 
Iegteen auführt: die römiſche, aquilejenfische 
* — In dieſen älteren Formeln 
fehlt: „Schöpfer Himmels und der Erbe,“ „ein: 
pfangen,“ „gelitten, geftorben,” „allgemeine,“ 
„Gemeinde; ber Heiligen, “ „erviged Leben.” 
Schon früher finden fi Andeutungen für den 
Gebrauch einer Ähnlichen Formel bei der Taufe 
bei Eyprian (Epist. ad Magn.), Tertullian (De 
cor. mil.), Ignatius (Ep. ad Traj.). Vgl. das 
Belenntniß in den Const. ap. 7. ®., worin nur 
die Empfängniß vom Biden Geift,  Höllenfahrt 
und Gemeinfchaft der Helligen fehlen. Dffenbar 
bat fi dad Symbolum allmählich Herausgebildet 
aus ber Formel Matth. 28, 19, und zwar durch 
388 mie durch entgegenftehende bäre: 
Anfihten. In der apoftolijchen Zeit ſcheint 
aber die Formel Matth. 28 noch nicht gebraudt 


41 


Appellationen an den Papft 


worden zu fein, fondern die Taufformel auf den 


Namen Chrifti (Apftg. 2, 38; Röm. 6,3 u. f.). 
Ueber das Berbäftnik des apoftolifchen Symbo⸗ 
lum zur regula fidei ſ. d. A. 

Apoſtoliſche Väter beißen bie älteften Firdh: 
lihen Schriftjteller, die für Schüler ber Apoftel 
gelten, deren Schriften aber zum größeren Theile 
von der neueren Kritik beanftandet find. Man 
rechnet zu ihnen Clemens von Rom, Barnabas, 
Hermas, Ignatius, Polyfarp, Papias, gemwöhns 
lih auch noch den Verfaffer des Brief an den 
Diognet. Unter ben älteren Ausgaben zeihnen 
fi) die von Eotelier (1672) und Elericus (1724) 
aus; die beften neueren find von Jacobſon und 
Dreffel, während die Schulausgabe von Hefele 
fehr mangelhaft tft. 

Apoftolifches Zeitalter wird der Zeitraum ges 
nannt zwiihen dem erjten Pfingftfefte und ber Bil 
dung der alten Kirche im 2. Jahrh., in welchem 
der Einfluß der Apoftel und ihrer erften Schüler 
in den Gemeinden noch wirkſam war. Durd bie 
fog. Tübinger Schule hat die Unterfuhung des 
apoftoliihen Zeitalter eine erhöhte Bedeutung 
erlangt. Nach Baurs Darftellung bildete ber 
ſchroffe Jegenſatz des Ebionitiämus und Pauli: 
nismus die Phyfiognomie bes Zeitalters. Die älte: 
fienSchriftenjeien Tendenzichriften der einen(Apo» 
kalypſe und fpäter die Pſeudoclementinen) ober der 
andern (Briefe Pauli, Lucas) Partei. Spätertrat 
m | nad) Baur eine Bermittlung ein (die jpätern Briefe, 
und bejonderä Apoſtelgeſchichte, ſ. d. A.), aus wel: 
her allmählich das fatholifche Chriſtenthum ſich 
herausentmwidelt hat. Bol. Schwegler, Nachapoſto⸗ 
liſches Zeitalter. Baur, Kirchengeſchichte, 1.8. 
Dagegen: Ritſchl, die Entftehung der ältkatholi⸗ 
ſchen Kirche, 2. mx 1857. Lechler, das apofto: 
He und nahapojtolifche Zeitalter, 1851, u. U. 

Apoftool, Samuel. Ein Lehrer ber bollän: 
diſchen Taufgefinnten, Gegner bes freier gefinn- 
ten Galenus Abrahams, Stifter der Amſter— 
damer Gemeinde hut „Sonne“ (1664, 1683), 
welder die Gemeinde zum „Lamm“ gegenüber: 
ftand. Beide Namen waren ben Abzeihen der 
Verſammlungshäuſer entnommen. 

Apotelesmata nennt die lutherifche Dogmatit 
die Säge, welde von Handlungen, die zum Mitt: 
leramte Chriſti gehören, jo reden, ald gingen fie 
von ihm nur nah Einer Natur aus. Indem 
folche Redeweife der Bibel hervorhob, re 
fie damit der Anwendung von Bibeljprüden, die 
Dfiander und Stancarus (f 1574) je für ihre Auf⸗ 
faffung beibraditen, da Iener Ehriftum nur nad 
feiner güttlihen, Diejer nur nad) feiner menſch— 
lihen Nutur für den Erlöfer erlannte. 

MApotheofe ift der Act, dur melden ein 
Menſch für eisen Gott erflärt wird ober ſich ſelbſt 
erklärt, wie bei den römischen Kaiſern geſchah. 

Appellanten. Diejenigen Janfeniften, welche 
die Bulle Unigenitus nicht anerfannten und vom 
Bapft an ein allgemeines Eoncil appellirten. ©. 
Acceptanten. 

Uppellationen an den Papfl. Sobald der 
päpftlide Stuhl als den andern Biſchöfen über: 
geordnet anerkannt wurde, mußte nothwendig 
auch von dem Sprud) der Biſchöfe an ihn appel: 
lirt werden können. Das Goncil zu Sardica 347 
ſprach daher den Say aus, dab aud ein von 
der Synode verurtheilter viſcho an den Papſt 
apvelliren könne, Die pſeudoiſidoriſchen Decre: 


Approbation von Büchern 


42 


Arabien 


talien behnten dies noch weiter bahin aus, daß | ben fie eifrige Ehriften und bie treuften Freunde 


causae majores fofort an das päpftliche Gericht 
gezogen werben, Bilchöfe aber nur dort gerichtet 
werben bürften, bann daß Jeder und in allen 
Saden an den Bapft appelliren dürfe. Der Miß: 
brauch diefer Appellationen gehört mit zu den 
zahlreichen Beſchwerden über Rom, und das Baje- 
ler Eoncil verbot mwenigftens die Appellationen 
” saltum unb vor dem befinitiven Urtheil. 

as Tridentinum beſchränkt fie noch mehr, nur 
causae majores dürfen nad) Rom gezogen wer: 
den, die andern jollen durch Delegaten, Synodal⸗ 


richter, erledigt werben. Die meiften Staaten 
verboten aber die Appellationen an ben Papft 


ſchlechthin. 
Vom Papſte an ein allgemeines Concil zu ap⸗ 
pelliren, hat Pius II. 1459 für ketzeriſch erflärt, — 


natürlid, denn das Berlangen nad) einem ſolchen 


ift der Unglaube an pärftlihe Unfehlbarkeit; 


Zuther appellirte nad) der Formel a papa male 


informato ad papam melius informandum. 

Approbation von Büchern. Nach dem Beſchluß 
des Tridentinums darf bei Strafe fein theolo: 
giſches Buch gebrudt werben ohne Approbation 
(Billigung) des Biſchofs. — In der proteftan- 
tiihen Kirche beftand ſolches Gebot zwar nicht, 
aber es wurde bie Approbation der Synoden oder 
Facultäten manchmal freiwillig nachgeſucht. 

Apfis. Die halbrunde Nifhe an der alten Ba: 
filita, aus der ſich ſpäter die Chornifche entmwidelte. 

Apſychoi. Die Anhänger des Apollinaris, wel: 
‚her annahm, daß Chriftus nur ein auue dıpvyor 
(einen Leib ohne menſchliche Seele, an beren 
Stelle der Logos war) gehabt habe. ©. Apollis 
naris. 


Aquabiba, Claudius, 1581 — 1615. Drdens⸗ 
general der Sefuiten, unter deſſen Leitung ber 


Orden feine größten Reftaurationserfolge er: 
langte. Die innern Streitigfeiten be3 Ordens, 
welche die Schrift bes ſpaniſchen Zefuiten Mariana 


über das Inftitut bes Ordens und die Tyrannei 
feiner Obern hervorrief, fowie die Angriffe der 


Dominicaner befiegte er durch Intriguen und Ka⸗ 
balen und durch die unbeugjame Feſtigkeit feines 
Charakters. Bon ihm ftammt die Ratio studio- 
rum, 1586. 

Aquila. Ein Profelyt aus Pontus, fol Chrift 
— und zum Judenthum wieder abgefallen 
ein; überſetzte das Alte Teſtament ins Griechiſche 

mit buchſtäblicher Treue, um die oft ungenaue 
LXX zu — 130. i 

Aguila, M. Caspar (Adler). Daerals Pfarrer 
in Jenga bei Augsburg fich verheirathet hatte und 
dies mit feiner Zuftimmung zu Luther öffentlich be: 
kannte, wurbe er zum Tode verurtheilt, jedoch be: 
gnadigt. Verbannt fam er nah Wittenberg und 
hörte Luthers und Melanchthons Borlefungen ; 
nach kurzem Aufenthalt bei Sidingen halfer Luther 
bei der Bibelüberjegung und wurde Prediger und 
Reformator in Saalfeld. Noch einmal mußte er 
flühten, als wegen feiner heftigen Schriften 
gegen bas Interim und feiner Treue gegen ben 
J—— Kurfürſten ein Preis auf ſeinen 
Kopf geſetzt war. fJ 12. Nov. 1560. 

Aquila und Priscilla. Ein jüdifches Ehepaar 
aus Bontus, in Rom anjälfig, verlieh die Stadt in 
der Verfolgung unter Claudius und traf in Ko: 
rinth mit Paulus zufammen. Die nächſte Veran: 
lafjung war das gleiche Gewerbe. Belehrt, wur: 


des Paulus, den fie auch nad) Epheſus beglei- 
teten, wo fie den Apollos mit dem paulinifchen 
Evangelium befannt madten. Später wohnten 
fie wieder eine Zeitlang in Rom (Röm. 16, 3. 4; 
vgl. 2. Tim. 4, 19). 

uileja. Die Kirche Aquileja’3 hat ein eige: 
nes Ölaubenäbelenntniß, in dem fi der Zuſatz 
findet: (in Gott) „den unſichtbaren und leidens— 
unfähigen“, mit welchem den Ratripaffianern ent: 
gegen getreten wurde. Im Uebrigen ift es nur 
eine anbere Rebaction des Apostolicum, beren 
Beibehaltung fih daraus erklärt, daß Aquileja 
bis 1751 ein eigenes Patriarchat bildete. In 
Aquileja find 3 Synoden gehalten: 1) 381 wegen 
des Nrianerd Palladius (Ambrofius von Mais 
land); 2) 698 im Dreifapitelftreit (f. d. Art.); 
3) 1409 von Gregor XII. 

Ar. Ar:Moab. Hauptftadt der Moabiter (5. 
Moſ. 2, 9; Jeſ. 15, 1), am Arnon, das jpätere 
Areopolis. 

Arab, Stadt im Gebirge Juda, Joſ. 15, 52. 

Araba. 1) Stabt im Stamme Benjamin, Joſ. 
18, 18, aud) Betharaba. — 2) Die Schludt vom 
Ghor im ©. des tobten Meeres bis zur Norboft: 
fpige des arabiſchen Meerbuſens im W.des Gebir⸗ 
ges Seit, durch welde der Zug ber Jiraeliten 


ging. 

Krabath (vulg. Arabathane, Afrabattine). 
Zandftrih in Idumäa. 1. Mall. 5, 3. Gtor: 
— 

Arabici. Eine arabiſche Secte, welche glaubte, 
daß die Seele mit dem Leibe ſterbe und wieder 
auferſtehe; von Drigenes widerlegt. 

Arabien. Zerfällt nach der gewöhnlichen Ein» 
theilung in brei Theile: 1) Das glüdliche Ara: 
bien. Zwiſchen dem arabiihen und perfischen 
Meerbujen, an ben Hüften eben und fandig, ift, 
namentlich das fübmweftlihe Binnenland, reich 
und fruhtbar. Das berühmte Sabäa war ein 
Diftriet defjelben. 2) Das peträifche Arabien. Es 
umfaßt die Sinai-Halbinfel mit dem nördlich an⸗ 
grenzenden Landſtrich zwiſchen Aegypten, bem 
Mittelmeer, Baläftina und dem glüdliden und 
wüften Arabien. Eine von tiefen Thälern und 
Schluchten durchzogene Gebirgslandihaft, in der 
einzelne bewäfjerte fruchtbare Ebenen ſich finden, 
und welche im Norden in die Wüfte übergeht. 
Bewohnt ift dieſer Theil jet, wie auch fonft, von 
Bebuinenflämmen. Meiftens werden hierzu aud 
die im Norden und Dften wohnenden Nabatäer 

erechnet, die bibliſchen Stämme der Edomiter, 

malefiter und Moabiter. 3) Das wüſte Ara- 
bien. Im Weften und Norden begrenzt von 
Syrien, im Dften vom Euphrat und den baby: 
loniſchen Gebirgen, im Süden mit ungemifjer 
Grenze vom glüdlichen Arabien. Eine hügelige 
Steppe, welche Beduinen burdjftreifen. 

Die Bewohner Arabiens werben in ber Bibel 
abgeleitet von Kufch, dem Sohne Hama, einzelne 
Stämme aber von Abraham, b ba eine Ver⸗ 
einigung ber verſchiedenen Völferftämme anzus 
nehmen ift. Die Sprache ift jemitifh. Die Jirae: 
liten famen mit den arabiſchen Völkern vielfach 
in feindliche Berührung, mit den Midianitern 
ihon während bes Zuges, 4. Mof. 22, 25. 31; 
ihrer Einfälle hatten fie Ip aud während ber 
Richterzeit zu erwehren, Ridht.6;7;8. Die letzte 
Fehde ift ber firieg des Herobes Antipas mit dem 


Arad 


Könige Aretas. Die Ausbreitung des Chriften- 
thums in Arabien Mmüpft fih fagenhaft an den 
Apoftel Paulus; ganz hrifttanifirt ift es niemals 
geweſen. Seitbem der Islam Arabien gewonnen, 
Br bie meiften Miffionsbemühungen ganz er- 
olglos geblieben, 

rad. SKanaaniterfladt im Stamme Juda. 
4. Mof. 21, 1; 33, 40. 

Aradus. Inſelſtadt an der phönizifchen Küfte, 
1. Matt. 15, 23; ihre Bewohner bie Arvaditer 
(LXX Agadıo), 1.Mof. 10, 18; 1. Ehr. 1, 16; 
&;. 27, 8.11. 

Arafna. Eine Perfon mit Drnan 1. Chron. 21, 
24; 2. Chr. 3, 1; vgl. 2. Sam. 24,16 ff. Ein 
Sebufiter, der David den Tempelberg überließ. 

Aram. Im Alten Teftament das Land zwi— 
jchen Phönizien, Baläftina, Arabien, dem Tigris 
und Taurus, aljo Syrien und Mejopotamien; 
fpeciell wird unter Aram Syrien verftanden und 
Mefopotamien heißt Paddan-Aram oder Aram: 
Naharaim. Bemohnt wurde ed von femitifchen 
Stämmen ber Aramäer, welde (Amos 9, 7) aus 
Kir in Armenien eingewanbert waren. Bal. die 
Böllertafel 1.Mof. 10. Das bebeutendfte aramäi: 
fche Rei war Damaskus, von den Afiyrern un- 
ter Tiglath⸗Pileſar erobert. Die Religion der Ara⸗ 
mäer war fymbolifcher Raturdienft. Die Sprache 
ift ein Zweig des femitifhen Sprachſtammes, nahe 
verwandt ‚e Hebräifhen und Arabifchen ; 
durch Schrift und Ausſprache unterfchied fich 
das Syriſche vom Babyloniigen (Chalbäifchen), 
Mo welches legtere von ben Gebilbeten in Ba: 


läfiina, aber nit vom Volke verftanden wurde, 
2. Kön. 18, 26, und uns durch einzelne chaldäiſch 
gejchriebene Stüde bes Alten Teftaments, Dan. 
2,4—1, 28; Eöra 4, 8-6, 18; 7, 12—26, und 
die Targumim belannt geworben ift. Nach dem 
Eril wurde dad Aramäiſche, oder beſſer eine ſtark 
aramaifirende Mundart, die Bollsiprade in Pa: 
läjtina, die im Neuen Teftament und bei Jojephus 
fortwährend hebräiſch heißt, von den Neuern 
fyrodaldäiih genannt wird. In der ſyriſchen 
Mundart ift die Peſchito geichrieben. 

Aranda. 1765 Bräfident von Caftilien, Geg: 
ner der Imquifition und ber Sefuiten, wurde 
1773 aus feiner Stellung verdrängt. 

Ararat. Eine Landihaft in Armenien, ef. 
37, 38; 2. Kön. 19, 37, in welcher der Berg Ara» 
rat liegt, auf welhem nad 1. Moj. 8, 4 Noah 
nad) der Fluth landete. Der Ararat rehtö vom 
Arares ift ein hoher, auf feinem Gipfel mit ewi⸗ 
gem Schnee bedeckter Berg, dem zur Seite die 
Kuppe des Heinen Ararat liegt. . 

Arator. Ein Geiftliher, Geheimfchreiber Athal⸗ 
richs, + um 556. Bearbeitete die Apoftelgejhichte 
in lateinifchen Verſen. Ed. Hübner, 1350. 

Arbues, Pedro de Epila. Der erfte Inquifitor 
von Aragonien, durch feine Grauſamkeit berüch⸗ 
tigt; wurde Ende des 15. Jahrhundertö von Ju: 
den erichlagen und dafür am Gentenarium Petri 
1867 vom Bapfte Pius IX. fanonifirt. 

Arcan » Disciplin ift die Praxis der drift- 
lichen Kirche von Tertulliand Zeiten Bis ins 3. 
Yahrhundert, wonach die Taufhandlung und die 
Abendmabläfeier und als mit denfelben eng ver: 
bunden das Salböl, dad Taufiymbol und das 
Gebet des Herrn als chriſtliche Myfterien behan: 
delt wurden, derart, daß nicht nur die Nichtge⸗ 


43 


Archäologie, Kirchliche 


tauften von biejen Feiern gänzlich ausgeſchloſſen 
waren, fondern man aud) vermiedb, in ihrer Ge- 
genwart davon anders als nur andeutungsweiſe 
zu reden. Der Urfprung liegt im Dunleln, er 
wird theild auf das Judenthum zurüdgeführt, 
theils in den Berfolgungen geſucht, theils aus 
dem Inftitut des Katehumenats abgeleitet. Ein 
Heide oder Jude, der fi zum Uebertritt melbete, 
fonnte noch nicht fofort aufgenommen werben; 
er mußte eine Zeitlang beauffichtigt und belehrt 
werben, was in ben Zeiten ber Drangfal unb 
Spionage doppelt nothwendig war. Es entftanb 
dadurch eine zweifache Claſſe von Chriften: ge: 
taufte und ungetaufte. Erjtere ericheinen ala 
die Eingeweihten in die Lehre, inäbefondere in 
die Geheimniffe von der Taufe und dem heiligen 
Abendmahl, und mas zuerft nur dogmatiſches 
Geheimniß, wurde allmählih aud ein liturgie 
fches. Beide nahmen im Gottesdienft allmählich 
die Stellung ein wie die Myfterien im heidnifchen 
Eultus. Die Katehumenen wurden beim Bes 
inn bes heiligen Abendmahls entlafjen und dies 
es dadurch zur Geheimfeier. Die Arcan-Disci⸗ 
plin bat in der römifhen Dogmatik eine große 
Bedeutung. Sie bildet nämlich die Aushülfe für 
ben Beweis, daß bie katholiſchen Dogmen ſchon 
apoftolifchen Uriprungs find, auch wenn die Ge: 
ſchichte augeniheinlid dagegen fpridt. Die 
Scriftfteller vom 2.—6. Jahrhundert follen des⸗ 
halb nicht von Engelanrufung, Heiligenverehrung, 
Transjubftantiation fprechen, weil dieſes in jener 
zeit Geheimlehren gewejen feien. Vgl. Rothe, 
e disciplina arcanı 1841 unb bie Gegenbe» 
merkungen Credners, Jen. A. 2.:3. 1846. 
Arhäologie. Die Kunde von den Zuftänden 
und Berhältniffen eines Volles in alter Zeit, bie 
Geographie und Gefchichte entweder einbegrif- 
fen oder nit. Die biblifche Archäologie hat aljo 
bie politiihen, öfonomifchen, jocialen und reli- 
giöfen Einritungen und Verhältniſſe der in ber 
Bibel auftretenden Böller, inäbefondere und 
hauptſächlich des Volkes Iſrael, dDarzuftellen. Die 
Quellen der Archäologie find vor Allem die bibli- 
ſchen Schriftfteller ſelbſt, ſodann Joſephus und mit 
Vorſicht gebraucht Bhilo und der Talmud. Auch 
erodot, Strabo, Diodor, Plutarch, Plinius u. A. 
nd wichtig für die Kenntniß der babyloniſchen, 
perfiichen und anderer Alterthümer, die ihr Licht 
aud auf das Verſtändniß der jüdifchen werfen. 
Weiter die vielen Neifebefhreibungen (vgl. dar: 
über Ritters Erdfunde und T. Tobler's Bibliogra- 
phie). Eine äußerft bedeutende Quelle hat der Ar: 
häologie fi in derjüngften Zeit aufgethan durch 
die begonnene und fortichreitende Erforſchung der 
ägyptiſchen und afiyrijhen Denkmäler und Rui— 
nen. Arhäologifhe Handbücher: de Wette, Lehr: 
buch ber hebr.:jüdifchen Archäologie. Winer, Al: 
terthümer. Ewald, Bibl. Realwörterbud des 
Volkes Iſrael. Keil, Bibl. Archäologie. 
Arhäologie, kirchliche. Leichäftigt fich mit 
der äußern Erſcheinung des kirchlichen Lebens, aljo 
mit Berfaffung und Cultus und der firdhlichen 
Sitte, auch wo fie in das bürgerliche Leben ſich 
hineinerftredt. In der Berbindung mit der Dog- 
men: und Kirchengeſchichte giebt fie uns das volle 
Bild der firdlichen Bergangenheit und damit die 
Bedingung des Beritändniffes der Gegenwart. 
Abgezweigt von der kirchlichen Archäologie zu einer 
bejondern Exiſtenz hat ſich die chriftlihe Kunſt— 


Archelaus 


geſchichte. Anguſti, gg er aus ber ri 
lichen Archäologie, 12 Bbe., 1816—31 ; ferner: Die 
chriſtlichen Alterthlimer, ein Lehrbuch für akademi⸗ 
ſche Borlefungen, 1819. Gueride, Lehrbud der 
chriftfich = Firchlicden Archäologie, 1859. 

Ardelaus (3 v. Chr. bis 6 n. Chr.), Sohn He: 
rodes deö Gr. von der Samaritanerin Malthafe, 
war mit Antipas in Rom erzogen. Bei ber —F 
lung des väterlichen Reiches erhielt er als Eth— 
narch Youmäa, Judäa, Samaria und die Küſten— 
ftädte. Nach 9 Jahren wurde er feiner tyranni: 
{hen Graufamfeit wegen von feinem Bruder und 
feinen Unterthanen in Rom verklagt, entfegt und 
nad) Vienne verbannt, 6 n. Chr. 

Ardeväer. Cära4,9, NNIW- Eine von Dönap: 


par nad Samarien verſetzte Völlerſchaft, bie 
frühern Einwohner von Ereh, mworunter nad) 
Tuch, Gefenius, Bochart nicht Edeſſa, ſondern 
Arakka am Tigris zu verſtehen ſein ſoll. 

Archiatharoth. Joſ. 16,2 LXX Ataroth = Ah: 
roth Adar, Joſ. 16, 5; jet Dorf Atara. 

—— — Der oberſte Wür⸗ 
benträger ber fränfifchen Kirche. Als Vorfteher der 
90 eiftlicen erhielt er politifchen Einfluß und 
wurde allmählich der Chef der Kanzlei, archican- 
cellarius. Bei der Theilung des Reichs wurde das 
Amt mit beftimmten erzbifchöflichen Sigen feft ver: 
bunden, für Germanien mit Mainz, für Italien 
mit Köln, für Gallien mit Trier. 

Ardieuflos. In größeren Benedictinerklöftern 
der Gacriftan. 

Ardidialonus. Urſprünglich Gehülfe und Ver: 
treter bes Bifchofs in ber Regierung des Bisthums. 
Als DVorfteher der Rriefterichoft und neben dem 
Archipresbyter, hatte er die Aufficht über die Dia- 
fonen und jungen Geiftlichen, ihre Erziehung und 
Studien, fodann Über dad Armenmwejen und die 
Vermögendvermwaltung zu führen, und F da⸗ 
durch bedeutenden Antheil an der Strafgewalt; 
ſeine Unterbeamten zur Beaufſichtigung waren die 
Archipresbyter auf dem Lande. — Da ſie immer 
felbftändiger wurden und ſich Uebergriffe in die 
Macht des Biſchofs erlaubten, wurden ihre Befug: 
niffe durch mehrere Synoden beſchränkt. Die Bi: 
ſchöfe richteten Generalvicariate und Generalvica: 
riatögerichte ein, und das Tridentinum nahm ihnen 
endlich die eigene Gerichtöbarfeit ganz. In Deutſch⸗ 
land find ihre Befugniffe rg De das Generalvi: 
cariat übergegangen und die Stellen eingezogen. 
In der engliſchen Kirche befteht der Arcidiafon 
noch mit Gerichtsbarleit. In der deutfch:evangeli- 
fchen Kirche findet fich der Name nur ald Titel des 
erften Nebengeiftlichen. 

Ardierend (Hohepriefter) ift in ber griechifchen 
Kirche ald Bezeihnung der höhern Geiftlichkeit 
üblich geworben. 

Ardimandrit oder Erzabt heißt in ber griedhi- 
fchen Kirche der Vorfteher mehrerer Klöfter; aud) 
als Titel auf die Prälaten übertragen. 

Archippob. Rol.4,17; Philem.2. Ein Chrift in 
Colofjä, Borfteher oder Lehrer der Gemeinde. Die 
Legende macht ihn zu einem ber 70 Jünger und 
jäft ihn als Märtyrer fterben. 

Archipresbyter. Der Gchülfe und Vertreter beö 
Biſchofs in geiftlichen Geihäften. Der Ruralardi- 
preöbyter war urfprlinglich der eigentliche Pfarrer 
feines Sprengels (Defanatö), der allein das Recht 
der Taufe Hatte. Später wurden bie einzelnen Kir: | 


44 
ft: | hen felbftändig, über welche er nun im Namen 


Arianer 


des Biſchofs die Aufſicht führte, = Dechant. 

Archontiker. Eine gnoſtiſche, beſonders dem 
Judenthum feindliche Secte. Der Judengott iſt 
ber Teufel, Kain und Abel waren Söhne bes Teu: 
feld. Taufe und Thei.nahme an den Myſterien 
verwarfen fie. Baur, noſis, S. 192, 201. 

Arcimboldi, Joh. Angelus. Als päpftlicher 
Nuntius und Ablakhändler nah Dänemark und 
Schweden gejendet 1617, ftellte er fid) in den poli: 
tifhen Wirren, die aus der Calmarif Union 
entiprangen, erft auf Ghriftians II., die dänijche 
Seite, dann ebenfo von Sture durch Verſprechun⸗ 

en gelodt auf bie ſchwediſch mationale und beftäs 
igte das Abjegungsurtheil über den Dänisch gefinn- 
ten Erzbifchof Trolle von Upſala. König Chriſtian 
nahm ihm dafür das Schiff mit den Ablafgeldern 
weg, und der Papft z0g ihn vor Gericht. Nach 
einigen Jahren ber Ungnade ward er Erzbiſchof 
von Mailand. 

Arelate, S. Arles. 

Areopag. Apftg. 17,19. Der Maröhligel in 
Athen, nordweſtlich von der Akropolis, auf dem 
fich der athenienfifche Gerichtähof verjammelte. Auf 
diefem Hügel hielt Paulus die berühmte Rede, 
Apitg. 17, 22 ff. 

Aretas. Arabifche Könige bed Namens erwähnt 
die Bibel zwei. 1) Aretas, 2. Matt. 5, 8, Zeitge⸗ 
nofle des Antiohus Epiphanes. — 2) Schwieger: 
vater des Herobes Antipas. Leiteren für die Ber: 
eg feiner Tochter zu züchtigen, begann Ares 
as Krieg und ſchlug ihn. römiſche Statt: 
ge; Bitelliud rüdte dem Antipas zur Hülfe ber: 

ei, ließ aber fein Heer Halt maden, ala bie 
Nahricht vom Tode des Kaiſers Tiberius eintraf, 
und begab fich felbft nad Rom. Während biefer 
Beit set Aretas Damaskus, 2. Kor. 11, 82. 

Aretius Benedictus, aus dem Canton Bern, 
wurde Profefior der Philoſophie in Marburg, der 
Theologie in Bern 1563, + 1574, ſchrieb Theolo- 
giae problemata, außerdem dbogmatifche und exe: 
getiſche Schriften. 

Areus oder Arius. 1, Maft. 12,7. 18. 19. (A. 
Darius). Der König der Spartaner, welcher bem 

ohepriefter Anas den Brief, 1. Mat. 12, 20, 
chrieb, in dem eine gemeinfame Abftammung der 
Juden und Spartaner vorausgefegt wird. 

Argob. Diftrict von 60 Städten in Bafan, 
die nad) der Befiegung Dgs dem Stamme Ma: 
naffe und dem Haufe Jairs zufielen, ein Theil des 
fpätern Gaulonitis. 

Arianer. Arius, von Geburt ein Libyer, war 
als Diafonus ſchon wegen Beglinftigung ded Me: 
letius von der Kirchengemeinſchaft ausgeichloffen 
gewefen, aber wieder aufgenommen und als Pres— 
byter Vorfteher einer eigenen Kirche in Aleran: 
drien geworden. Zwiſchen ihm und dem Bilhof 
Alerander entipann fi ein theologifcher Streit 
über das Verhältnik des Sohnes zum Bater, der 
in feiner Ausbreitung die ganze Kirche ergriff und 
für lange Zeit aufs heftigfte erregte. A. beftritt 
die Ewigleit des Sohnes, der ein Mittelmefen jei 
zwifchen Gott und ber Welt, ein zeitlich geworde: 
nes Geſchöpf, aus dem Willen, nicht aus dem We: 
fen Gottes, freilidy das erjte und vollfommenjte 
Geſchöpf. („Es gab eine Zeit, wo er nicht war.“) 
Eine Synode zu Alegandrien ſetzte den Arius ab, 
und eine zweite that ihn in den Bann. 9. gin 
zu Eufebius von Rilomedien, beffen Standpunli 


Arianer 


von dem ſeinigen nicht allzuverſchieden war, da 
auch er die Idee der Gottheit im Vater vollendet 
ſah, der ſein Weſen, das Sein von Ewigkeit, nicht 
mittheilen kann. Derfelbe machte Bermittlungs: 
verfuche zwiſchen Arius und Alerander und bemo 
den Kaifer, den Bifchof Hofius von Corduba n 
Alexandrien zu jhiden, um die Einigkeit wieder 
berjuftellen. In Alerandrien hatte aber der Streit 
größeren Umfang gewonnen, und bie Darftellung 
des Hoſius veranlaßte den Raifer, das erjte ökume⸗ 
niſche Concil eg Nicäa zu berufen, 325. Die 
arianiſche Lehre konnte nicht durchdringen. Ein 
von Eufebius von Cäſarea vorgelegtes Glaubens: 
befenntniß wurde durch Einfügung des Wortes 
Suoovcrog (gleiches Wejens) den Alerandrinern 
näher gebradt, von ber Synode angenommen und 
Artus nebft ven Bischöfen Theonas von Marmarica 
und Secundus von Ptolemais ercommunicirt 
und verbannt. Weltliche Einflüffe erwarben dem 
Artus die Gunft des Kaifers wieder, und ed wurde 
Une Wiederaufnahme in die Kirche betrieben. 

anafius, der Führer des nicänifhen Concils, 
— Biſchof von Alexandrien geworden, 
widerſetzte ſich entſchieden. Es wurden gegen ihn 

i Anklagen erhoben; auf eine Synode zu 

Cäjarea vorgefordert, erſchien er nicht; eine zweite 
Eynode zu Tyrus entjegte ihn und hob die Abend: 
mahlsgemeinthaft mit ihm auf, der Kaifer ver: 
dannte ihn nah Trier. Arius überreichte dem 
Kaijer ein in biblifhen Worten abgefahtes Glaus 
bensbefenntniß und jollte zu Conjtantinopel wie: 
der in die Hirchengemeinjchaft aufgenommen wer: 
den, als er plötzlich jtarb, 336. 

As nad) Conſtantins Tode 337 alle verbann- 
ten Biſchöfe, auch Athanafius, zurüdberufen waren, 
handelte es ſich in der nächſten Periode des Strei- 
tes hauptjählih um die Perfon des Athanafius. 
Beide Parteien juchten den Bijhof von Rom und 
den Kaifer für fich zu gewinnen. Die Abendländer 
ſprachen fid) für das Nicänum aus. Die Antinis 
täner fammelten ſich zu Antiochien 341, wo fie 
ein möglichjt wenig ſchroffes Belenntniß aufftell- 
ten (die zeitliche Schöpfung verwarf man, —* das 
öuoovcnog zu lehren). Conſtans und Conſtantius 
juchten die drohende Spaltung zwifchen Orient und 
Deeident durch eine Synode zu vermitteln; aber mit 
feinem andern Refultat, alö daß die Nicäner zu Sar- 
dica 347 das Öuoovarog fejthielten und bie Anti: 
nicäner ercommunicirten, während dieſe zu Philip: 
popolis das ouoovaos nicht annahmen und die 
Häupter ber Nicäner bannten. Mit Hülfe der welt- 
lichen Macht wurde Athanaſius nad) Alerandrien 
jurüdgeführt. Als aber Kaifer Conftans ermordet 
mar, fiegten die Antinicäner wieder durch den Bei: 
ftand des Conftantius. Auf den Synoden zu Arles 
353 und Mailand 355 wurde Athanafius abgejegt, 
und gleiches Schidjal traf feine Freunde Hofius von 
Eorduba und Liberius von Rom. Athanafius floh 
zu den Anadoreten, feinen Stuhl nahm Georg 
aus Kappabocien ein. Das nicänifhe Symbol 
war befiegt. Unter ven bis jegt verbunden geme: 
fenen Antinicänern trat num aber die Spaltung 
—— Die ſtrengen Arianer unter Aëtius (f. d. 

) und Eunomius bildeten ihre Lehre von ber 
Weſensverſchiedenheit des Sohnes und des Vaters 
immer conjequenter aus; der Sohn ift zwar über 
die Gejhöpfe erhaben, aber dem Bater nur nad 
der Wirffamteit ähnlich. Dahin konnten die An: 
tiochener nicht folgen, denen hauptfächlich daran 


45 


Ariel 


lag, nicht durch die Gleichheit den Unterſchied 
zwifchen Bater und Sohn zu verlieren. Sie 
behaupteten daher fortan die Wejensähnlichkeit 
(öuowvoros). Auf den vier Synoden zu Sirmiun 
351, 357, 358, erhielten die Semiarianer die 
Ueberhand. Die zweite firmiiche Formel fprad) 
bie Unterordnung des Sohnes und die Zeugung 
aus dem Vater aus, diedritte, gegen die Aötianer, 
die Weſensähnlichkeit, die vierte die Aehnlichkeit in 
allen Stüden. Ein allgemeines Concil follte den 
Streit beendigen und die Einigungsformel aus: 
ſprechen; doch fam es nicht dazu. Die abendländi: 
ſchen Biſchöfe verfanmelten fich zu Rimini. Ob— 
glei) die größte Mehrzahl nicänisch gefinnt war, 
auch die Arianer entjete, ließen ſich dennoch ihre 
Abgeſandten an den Kaifer zur Unterjchrift einer 
andern Formel, bie ber dritten ſirmiſchen ähnlid) 
war, bewegen, der dann auch die Synode beitrat. 
Die Drientalen verfammelten fihnoc 359 zu Seleu: 
cia in Iſaurien und wiederholten eine frühere For: 
mel von Antiodien 341, in welcher die Weſensgleich⸗ 
heit nicht —— und eine Zeugung des u 
aus dem Bater vor aller Zeit gelehrt war. Dem 
faijerlichen Befehl folgjam, nahmen aber auch fie 
die Formel von Rimini an. Sowohl Aötius und 
10 jeiner Anhänger ald aud die Häupter der 
Semiarianer wurden abgefegt und verbannt, an 
ihre Stelle traten Arianer. 

Nach des Conftantius Tode erlaubte Julian allen 
vertriebenen Biſchöfen, ihre Stellen wieder einzu: 
nehmen. Athanajius kehrte zurüd. Die ftrengen 
Arianer wurden von den kirchlichen Aemtern aus: 
geſchloſſen. Das Abendland bekannte ſich auf der 
Synode zu Paris von Neuem zum Nicänum. Da: 
gegen ſuchte Kaifer Valens, ein entjchiedener 
Ürianer, durch Berfolgungen und Verbannung 
Aller, die ſich von der Kirchengemeinſchaft mit den 
Arianern ge diejen die Alleinherrichaft zu 
verſchaffen; nur Rüdficht auf die Stimmung bes 
Boltes ließ ihn mit Athanafius u. A. eine Aus: 
nahme machen. Viele der Semiarianer wurden 
chen geneigt, fih an das Abendland anzu: 
lieben, und der Einfluß der Gregore von Nazianz 
und Nyffa und des Bafilius von por gr wirkte 
erfolgreich nach diefer Richtung, fo daß der Boden 
bereitet war, als 380 Theodofius die Arianer nicht 
mehr als Mitglieder der Staatskirche anerfannte 
und ihren Gotteödienft in den Städten verbot. 
Das zweite allgemeine Coneil zu Conftantinopel 
fonnte denn das Nicänum beftätigen 381. Als auf 
einer fpätern Synode 383 das Belenntniß des 
Eunomius verworfen wurde, folgten Unterbrü: 
Aungsmaßregeln gegen ben Arianismus. Nur un: 
ter den —— Völkern fand er längere 
Dauer. Die Weſtgothen traten erſt 5889 zu Toledo 
dem katholiſchen Glauben bei, Die Sueven 558, die 
Burgunder um 517, die Longobarden erft um 700. 
Bol. Baur, bie hriftliche —* von der Drei: 
einigfeit, 3 Bände, 1841-43 ; Möhler, Athanafius 
d. Gr. und feine Zeit, 1827; Dorner, Entwid: 
lungsgeſchichte der Lehre von der Perjon Chrifti, 
n. Aufl. 1853-57; Ritter, Geſchichte der chriſt⸗ 
lihen Philofophie, zweiter Theil. 

Ariarathed (complut. Aräthes, Luth. Aretas), 
1. Daft. 15,22. Ein König von Kappabocien, 139 
v. Chr., es ift X. VI. Bhilopator, der den Alexan⸗ 
ber Balas gegen Demetrius unterftüßte. 

Ariel, d. 5. Löme Gottes oder Feuerherd Got: 
tes. Den Namen führt: 1) Ein Gabiter, 4. Mof. 


Arimathia 


3) Ezech. 43, 15 der Brandopferaltar. 
Arimathia. S. Rama, womit es identisch. 
Arioch. 1) 1.Mof. 14, 1, König von Elaffar. 

2) Dan. 2, 14, ber Dberft ber Leibwache Nebukad⸗ 

nezars. 

Ariſtarchus. Ein Begleiter des Paulus auf 

deſſen dritter Stiffionsreite, Apftg. 19, 29, gerieth 

beim Aufftand zu Ephejus in Gefahr, Apitg.20,4, 
theilte die Gefangenſchaft des Paulus und wurde 
der Sage na el zu Apamea. 

Ariflen. Gern er einer fchon zur Seit bes 
Dictators Sulla befannten Schrift über die Zus 
ben. Verſchieden von dieſem echten Arifteas ift der 
Pjeubo:Arifteas, angeblih Dfficier der Leibwache 
des Philadelphus von Aegypten, unter deſſen Na- 
men eine jagenhafte Schrift über die Entjtehung 
ber Septuaginta —— ift (f. Alex. Bibelüberf.). 

Ariſtides. Philojoph aus Athen, verfaßte eine 
Schusichrift für das en an Hadrian. 

riſtobulus. 1) 2. Maff. 1,10. Ein alerandrini: 

{cher Jude am Hofe eines Ptolemäus, wahrſchein⸗ 

lic) des Philometor. 2) Ein Römer (Röm. 16,10), 

von defjen Angehörigen etliche gräubig waren. 

Arifion von Pella. Ein Apologet des Chriften- 
thums, Verfaſſer eines Dialogs zwifchen dem Ju: 
den Bapisfus und dem Chriften Salon. 

Ariftotelifhe Philofophie. S. Scholaftik. 

Arius. ©. Arianer. 

Artiter. 1. Mof. 10, 17. Kanaanitifche Bölfer: 
ſchaft am nörblichen Abhang des Libanon, von der 
Stadt Arte, jpäter Cäfarea Libani, heute Arka. 

Arles. Synoden zu Arles find gehalten 314 
gegen die Donatiften, 353 gegen Athanafius, 452 
gegen die Arianer, 475 für die Semipelagianer. 

rmband, Ringe aus Elfenbein, Horn ober 
edlen Metallen; auch Ketten und Schnüre trugen 

die Hebräerinnen als Schmud, 1. Mof. 24, 22; 

Ez. 16, 11; 23, 42, an einem ober an beiden 

Armen. Auch 5 vornehme Männer, 2. Sam. 

1, 10; vgl. 4. Mof. 31, 50. 

Arme der Mutter Gotteß, S. Piariften. 

Armenien. Hochland im weſtlichen Afien, weft: 
lich an Kleinafien, öftlih an Medien angrenzend, 
durh den Taurus und die moschifchen Berge 
im Süden und Norden abgefhlofien. Bon den 
hohen Gebirgen, deren höchſter Gipfel, der Ararat 

1.Mof. 8,4), 17000 3. hoch ift, entftrömen bie gro: 
ei Flüffe Euphrat und ag Im nad Süben, Ara: 
zes nach Norden. In der Bibel wird Armenien 
bald mit dem Namen Ararat (Gen. 8, 4; 2. Kön. 

19, 37; Jeſ. 37, 38; Ser. 51, 27), bald mit Tho- 

garma (Gen. 10,3, 1. Ehron. 1,6; Ey. 27, 14; 

38, 6), bald mit Aſchkenas (Gen. 10, 3; er. 51, 

27), bald mit Mini (er. 51, 27), welches bier 

neben Aſchkenas fteht, alſo nur einen Theil von 

Armenien bildet, bezeichnet. Ueberhaupt ſcheinen 

dieſe Bezeichnungen verjchiedene Theile Armeniens 

im Auge zu haben, nicht das ganze. Der erfte ge: 

ſchichtliche König ift Tigranes I. (6. Jahrh.), wel⸗ 

cher im Bunde mit Cyrus die mediſche Herrſchaft 
abwarf. Alerander d. Gr. eroberte 328 Das 

Land, aus dejjen Hand es fiberging in diejenige 

der Seleuciden. Ihre Herrihaft dauerte Über hun: 

dert Jahre, dann wurde Armenien wieder jelb: 
ftändig, bis die parthifche Arfacidendynaftie (um 

150. Ehr.) fich des Landes bemächtigte, welche unter 

fortwährenden Kämpfen und mit — | 

bis 428 n. Chr. regierte. Nun war das Land ein 


46 
26,17; 2) Jeſ. 29, 1.7 heißt fo Jerufalem, und; ftetiges Streitobject 


Armenien 


wiſchen den perfiihen Saffa- 
niben, den pzantinitihen Kaifern und endlich den 
Kalifen. Unter den Bagratiden (385—1079) ent: 
ftand im 9. und 10. Jahrh. eine kurze Blüthezeit. 
Unter wechjelnder Abhängigkeit von Byzanz und 
ben Kalifen und unter verheerenden Kämpfen hielt 
diefe Dynaftie, die ſich durch ihren driftlichen 
Glaubenseifer auszeichnete, aus big in die Mitte 
des 11. Jahrh., in welchem das Land theild den 
Seldſchucken, theils den Griechen unterworfen 
wurde. Später theil3 perſiſch, theils türkiſch, hatte 
Armenien einen fo furdtbaren Drud zu erf 
daß jeine Bewohner mafjenweije ausmanderten. — 
Das Ehriftentfum fand ſchon frühe in Armenien 
Eingang. Nach ber *— ſoll Thaddäus, einer der 
70 Junger, dort das Evangelium verfündet und 
den Märtyrertod erlitten haben; fein Werf aber 
fol von einem Vereine von Männern, Däfier 
enannt, fortgeführt worden fein — Sichere 

puren bes Chriftenthums lafjen 0 ſchon im 
2. Jahrh. entdecken. Im 4. Jahrh. iſt Gregor der 
Erleuchter (ſ. d. Art.), deſſen Leben ſagenhaft 
ausgefhmüdt iſt, durch die Belehrung bes 
Königs Tiridates der Apoftel Armeniens gewor: 
den. Ein Nachkomme —— Nerſes, wurde 
366 von der Synode zu Walarſchapat zum Patri⸗ 
archen oder, olitos“ (dies iſt der Titel der 
armenijchen Patriarchen) ernannt, wodurch r 
leich die Lodtrennung von dem Patriarhat Cä- 
—* dem Armenien bisher angehörte, ausge: 
proden war. Defien Sohn Sahaf arbeitete ge: 
meinam mit Miesrob an der Ueberfegung der 
Bibel ind Armeniſche, und hielt 432 eine Synode, 
auf welcher die den Nejtorianiamus verbammen: 
den Beichlüffe von Ephefus (431) aboptirt wur: 
den. Die Herrichaft der —— Saſſaniden 
ſeit 428 brachte um 450 eine lutige Chriften: 
verfolgung, deren Opfer der Katholifos Joſeph 
wurde, 454. 491 verwarf die Synode zu Walar: 
chapat das chalcedonenſiſche Eoncil und befannte 
ih zum Monophyfitismus. Da ſich in der Folge: 
zeit durch griechiſche Einflüffe mande antimono: 
phyfitiihe Richtung bemerklich machte, fogar der 
Katholitos Jezr fih zur Annahme des Chalce: 
donenje bewegen ließ, jo entitanden vielfache 
Streitigleiten, welde aber eine Synode 645 
wieder zu Gunjten bes Monophyfitismus entjchied. 
Uebrigens hörten die Verſuche der Union mit 
ber Fatholifhen Kirche niemals auf: 1179 auf 
der Synode zu Hromglai, 1307 zu Sis, 1316 zu 
Atan wurden die Propofitionen der katholiſchen 
Kirche angenommen; 1439 auf dem Unionsconcile 
m Florenz die Einigung anerkannt. Jm Anfang 
es 18. Jahrh. entjtand die Congregation der 
Mechitariſten, deren ausgeſprochener Zweck die 
Vereinigung mit der katholiſchen Kirche war, und 
deren Klofter St. Lazaro bei Venedig (jeit 1717) 
mit feiner Druderei beſonders berühmt geworben 
ift. Jetzt gehören etwa 100,000 von 3 Millionen 
Armeniern zur den Kirche. Die armenis 
ſche Kirche ſelbſt ift einer gänzlihen Veräußer- 
lihung verfallen; in der Lehre unterjcheidet fie ſich 
von dem Katholiciömus kaum durch ihre mono« 
—I — en und den Sa, daß der heilige 
Geift nur vom Bater ausgehe. An der Spike der 
Kirche fteht der im Kloſter Etſchmiazin bei Erivan 
refidirende Katholifus, der vom ruffiihen Kaifer 
die Bejtätigung erhält. Eine gebildetere Klafje von 
Geiſtlichen bilden die Wartabeds, die Lehrer. Die 


’ ’ 


Armenpflege 


Priefter find vereheliht. Seit 1830 hat fich bie 
proteftantiiche Miffion Armeniens bemächtigt. In 
Bebel bei Eonftantinopel befteht zu diefem Zwecke 
ein armeniſches Seminar. Man zählt bis jegt 
gegen 10,000 evangelische Armenier. — Die armen 
ſche Literatur, welche fich ſeit Miesrobs Einfüh— 
rung der armeniſchen Schrift datirt, iſt eine ziem⸗ 
lich reiche und meiſt theologiſche. Das bedeutendſte 
Werk iſt die Bibelüberfegung, von Miesrob und 
feinen Schülern 411 begonnen, 1805 herausgege: 
ben zu Venedig, der aud) ein neuer Korintherbrief 
igefügt ift (von Rink irrig für echt gehalten). 
Außerdem enthält die Literatur Ueberjegungen 
von Ignatius' Briefen, Eufebius’ Chronik, ein: 
—— riften Philo's und Baſilius des Gr. u. A. 
ie armeniſchen Schriftſteller David, Ueberſetzer 
des Ariftoteles, Esnik polemiſche Schriften), Fo: 
hannes Oznienſis (8. Jahrh., polemifhe Reben, 
Kanones), Gregorius Rarelenfis te Shrh., 
Gedichte, Reden), Nerjes Klajenfis, Nerjes Lam: 
bronenfis, Ignatius (12. Jahrh.) u. A. find für 
die Theologie von Bedeutung geweſen. Eine große 
Zahl hiſtoriſcher Schriftfteller, wie Moſes Chore: 
nenfis, Elifäus, Lazarus u. A., übergehen wir hier. 
Armenpflege. Faft unmittelbar zugleich mit der 
chriſtlichen Gemeinde tritt die chriſtliche Armen: 
pflege auf, alö die Aeußerung der brüberlichen Liebe, 
weldye die Gemeindegliever unter einander ver: 
band, und die Einrichtung des Diafonats befeftigte 
bie —— als die gemeinſame That der Ge: 
meinbe. tritt die Mare Idee auf, daß die 
A e weſentlich Aufgabe der Gemeinde iſt 
und fein ſoll, nicht des Einzelnen, daß dieſer nur 
giebt an die Gemeinde und der Arme nur empfängt 
von der Gemeinde. Die milden Gaben ber 
Einzelnen find ein Dpfer, Chriftus dargebradt, 
welhes von der Gemeinde durch bie Bijchöfe 
und Diafonen angenommen und auf den Opfer: 
altar, da3 find die Armen, niebergelegt wird. 
Es gilt als ndjag, das Wohlthun der Einzel: 
nen fei ein unnüges und zu verwerfen. Damit 
übereinftimmenb wird das Bermögen ber Kirche 
urfprünglic als den Armen gehörig angejehen, die 
Biſchöfe find die Verwalter defjelben. Dies Klingt 
nah in einer Menge kirchlicher Beitimmungen, 
in Aeuferungen der Kirchenväter und Eoncilienbe: 
ſchlüſſen bis zum Eoncil von Trient, 3. B. daf 
der Bifchof die Gewalt über dad Armenvermögen 
befige, daß er es aber jämmtlich für die Armen zu 
verwenden habe. — Wenn Jemand jagt: ich 
will der Kirche etwas widmen, ſo befehlen ihm die 
Priefter, e8 den Armen zu geben. Die Kirche ift 
verpflichtet, die Armen zu ernähren. Die Geijt: 
lichen jollen Tafeln halten, an melde die Armen 
aufgenommen werden. Die Zehnten jollen zwi: 
ſchen den Geiftlihen und den Armen getheilt wer: 
den. — Kirchengut ift Armengut. — Die Geift: 
fihen follen den Ueberjhuß ihrer Pfründen den 
Armen geben. — Das Erbe ber —— fällt 
der Kirche, d. h. den Armen zu. Conc. Trid. cl 
act. Conc. Mediol. Es war nicht bloß die Ber: 
weltlichung des Klerus, wodurch dieje ideale Armen: 
pflege zu Grunde ging. Die altkirchliche Armen: 
or lediglich auf der Borausjegung Heiner, 
in Einheit des Geiftes und lebendiger Liebe eng 
an einander gejchlofjener Gemeinden ; fie wurde un: 
möglich, fobald die Gemeinde ſich weiter entwidelte, 
und gar ala das Chriftentfum Staatäreligion 
warb, und ber innere Verband ber Gemeinde 


47 


Armenpflege 


durch die bloß locale Zugehörigkeit erfekt wurde. 
Es überfam aber der Staat von der Kirche ein 
Bemwußtfein feiner Verpflichtung der Armenpflege, 
das ſich ſchon zur Zeit des römischen Neiches in 
mehreren Gejegen Gratians, Balentiniand und 
Theobofius, ausſprach, und unter Karl d. Gr.heißt es 
imcapitul.vom Sage 806 : Jede Gemeinde * ihre 
Armen in odie Mittel der Geiftlichen nicht 
ausreichen, Joll die Gemeinde zutreten. Die Armen 
pflege der Kirche veräußerlichte fich immer mehr; 
fie wurde in den Klöſtern ein planlojes Almofen= 
Ipenden, bei den Biſchöfen ein Vertheilen beftimm: 
ter Einfünfte unter beftimmte Perfonen. Dabei 
wuchs die Armennoth des Mittelalters. Mit dem 
Loderwerden des Lehnäverbandes und der Hörig- 
feit gerieth die Berpflichtung des Herrn, für feine 
Hinterjafjen zu forgen, immer mehr außer Uebung ; 
das Beifpiel der Bettelorden nahm die Scheu vor 
dem Bettel, Noth und Trägheit riefen die Bettler: 
banben hervor, die in Deutſchland und ander» 
wärts zur Zandplage wurden. 

Die Reformation ſuchte auch hier auf das Alt: 
firhlihe zurüdzugehen. Die Bugenhagenſchen 
Kirhenordnungen trennen Armenfonds und fir: 
chenfonds, und ftellen Armendiakonen an, die jene 
verwalten und verwenden follen. Das Snftitut 
ne fi nit Halten können. In der reformirten 

irche ift freilich überall die Diakonie ald Ge: 
meindeamt und mit ihr kirchliche Armenpflege an: 

eordnet; allein will man hier die Fortdauer einer 
irchlichen Armenpflege im Gegenjag einer bürger: 
lichen fehen, jo iſt Eins zu beachten. Calvins 
Kirchenordnung umfaßt die Gemeinde ala bürger: 
liche und Firchliche zugleich, die Armenpflege der 
Diafonen ift daher ebenſowohl eine bürgerliche als 
kirchliche; nur da hat ſich die Diafonie als gemeind⸗ 
lihe lirchliche Armenpflege erhalten können, wo 
die reformirten Gemeinden unter anberägläubiger 
Bevölkerung enger auf einander angewiejen waren 
und ihre Armen an den jonftigen Armenmitteln, 
die durch Fatholifche Klerifer verwaltet wurben, 
feinen Antheil hatten. Wie nahe auch die refor- 
mirte Diakonie der bürgerlichen Armenpflege fteht, 
zeigen manche Gemeinden des Niederrheing mit 
iſchter —— wo zu dem Collegium der 
iatonen katholiſche Beiſitzer hinzutraten zur Ver⸗ 
waltung des Armenvermögens, und umgefehrt, 
lange bevor die franzöfijche Geſetzgebung das kirch⸗ 
liche Armenvermögen den Eivilgemeinden übergab 
und die Wohlthätigkeitäbureaus organifirte. 

Mit dem Sinken der firhlihen Armenpflege 
mußte der Staat es fich immer mehr angelegen 
fein laffen, eine bürgerliche Armenpflege zu orga: 
nifiren. Die Anfänge im römischen und fraͤnkiſchen 
Reiche find bereits erwähnt. ausgebildetſten 
wurde die Rechtspflicht der Gemeinden zur Unter⸗ 
ſtützung ihrer Armen in Frankreich und England 
ausgeſprochen; es entſtand eine förmliche Armen⸗ 
geſetzgebung, und bekannt ſind die Klagen über 
Ueberbürdung der Gemeinden mit Armenſteuern, 
die dennoch das Wachſsthum ber Armuth nicht hin⸗ 
derten; und gleiche Erfahrung von der Unzuläng⸗ 
lichkeit der angewenbeten Mittel machte man über 
all. Gegen diefe Not juchte man von vielen Seis 
ten die Hülfe in einer Rücklehr zur kirchlichen 
Armenpflege, die aud) Heute noch von Manden 
erjirebt wird. .cjuche dazu find an mehreren 
Orten gemadt: in Evinburg von Chalmers, der die 
erſte Fräftige Anregung zur Umgeftaltung ber 


Armeipflege 


Armenpflege gab, in Erlangen, Gütersloh u. ſonſt; 
an andern Orten hat man fie wieder aufgeben und 
den bürgerlichen Behörden, wie früher, überlafien 
müffen. Als das Uebel der öffentlichen en 
NArmenpflege kann man nun aud) leinenfallä er: 
fennen, dab die bürgerliche Gemeinfhaft das Sub: 
ject derjelben ift; vielmehr ift hier ein chriftlicher 
Gedanke in aller Energie als Princip aufgenom: 
men, die öffentliche gemeinfame Pflicht des Bei: 
jtandes und ber Unterſtützung der Nothleidenden. 
Das Hauptübel bleibt, 1) daß diefer Pjlicht gegen: 
über geftellt ift ein Recht des Armen auf Unter: 
jtügung, welches er fogar im Wege einer Klage er: 
langen fann, jo ba ihm das Bewußtjein, Wohl: 
that zu empfangen, ihwindet; 2) der burcaufra: 
tische Schematismus, der fi aud) diejes Verwal: 
tungszweiges bemädtigt hat. Die Armenpflege 
ift bloßes Almofengeben geworden. Weder das 
Eine noch das Andere ift aber bei der kirchlichen 
Armenpflege vermieden worden noch zu vermeiden, 
am wenigjten bei dem Staatskirchenthume, daher 
aud) feine Abhilfe des Uebels zu erwarten. Da 
nun außerdem die firchliche Armenpflege die bür: 
gerlicye niemals ganz aufheben Tann (denn fie muß 
fich auf die Gemeindeglieder beſchränken, und fett 
eine freimillige Unterordnung und eine gemifje 
kirchliche Disciplin voraus), jo ſcheint in der That 
bie firhliche Armenpflege nur da noch das innere 
Recht einer eigenen Criftenz zu haben, wo das 
bürgerlihe Gemeinwejen an dem Zwieſpalt der 
Gonfeffionen noch derart krank ift, daf Die Confeſ⸗ 
fionen fih als Barteien in allen Beziehungen 
gegenüber ftehen und die Minorität eine — 
nahme auf ihre Armen nicht erwarten darf. In 
olchen Fällen entſteht von ſelbſt ein concentrirteres 
irchliches Gemeindegefühl, aus welchem denn auch 
die größere Sorge für die Armen hervorgeht. Die 
Beſtrebungen der Neuzeit auf dieſem Gebiete laſſen 
[ dahin harakterifiren, daß fie die Armenpflege 
affen als Sache weder des Staates noch der 
Kirche, jondern als Angelegenheit der Geſellſchaft. 
Auf der einen Seite ftehen hier die Vereine für die 
innere Mifftion und ihr verwandte Bejtrebungen. 
Das Eharafteriftiiche derjelben ift, dab die Armen: 
pflege einen religiöfen Charakter tragen fol, ihr 
eigentliches Ziel die Seelenrettung it. Kirchlich, 
d. h. von der Inſtitution der Kirche ausgehend, iſt 
fie nicht, fie benutzt das ſich ihr unterorbnende 
Kirchenamt als willlommenes Organ. Auf der an: 
dern Seite ftehen die weitverzweigten Bemühungen 
für die Hebung des Proletariats und feiner öfonomi: 
ſchen Lage, die fi an die Namen einzelner Män: 
ner knüpfen: Liedfe, Schulze: Deligih, und ſich 
gipfeln in dem internationalen Verein für Wohl: 
thätigkeit. Das Gemeinfame auf beiden Seiten ift, 
daß die freimillige Hülfsbereitichaft der Einzelnen 
fih in den freien Vereinen fammelt zu der Mög: 
lichfeit einer energifhen und burchgreifenden Thä- 
tigkeit und auch die Armen nicht bloß als Almojen- 
empfänger eine unterjhiedslofe Menge bilden, 
jondern dem individuellen Verhältnifje die volljte 
Anertennung und Berüdfichtigung zugeftanden 
wird. Wir erbliden in dieſem Allen die Entfaltung 
des Keims der brüberlichen Liebe, der in der erjten 
chriſtlichen Gemeinde die erften Wurzeln ſchlug. 
Die Armenpflege unferer freien Vereine fteht höher 
als die der erften Gemeinden, nicht nur meil fie 
weiter gehend und umfafjender ift, fondern weil 
in der Form ber freien Vereine bie Perjönlichkeit 


48 
‚ auch der Wohlhabenden zu ihrem Rechte kommt. 


Arminius 


Ebenſowenig läßt unſere Zeit dasjenige vermiſſen, 
wodurch die apoſtoliſche Zeit vor der Folgezeit her: 
vorragte. Der Grundjat ber fränkifchen und jpä: 
tern Geſetzgebung: suos pauperes quaeque civi- 
tas alito, ift der volllommene Gegenjag zu ber 

auliniſchen Collecte, die die — in Korinth 
Kir die Nothleidenden in Jerujalem in Anſpruch 
nimmt. Kaum wird heute an irgend einem Theile 
der Erde ein Nothftand fühlbar, welcher die Kräfte 
ber Nächſten zu überfteigen droht, fo werden durd) 
freiwillige Gaben und Sammlungen von allen 
Seiten Die Mittel ber Abhülfe herbeigetragen, ohne 
daß die Grenzen ber Kirche, der Confejlion, d 
Nationalität hindernd dazwiſchen träten. So viel 
des Unzureigenden und Mangelhaften daher aud) 
ein Blid auf das heutige Armenmwefen uns immer 
nod) darbietet, fo läßt auch er uns dennod nidt 
verfennen, daß die fittlihen Jdeen des —— 
thums in immer reiherem Maße das L ber 
Geſellſchaft erfüllen. , 

Arminins, Jalob. Gründer ber reformirten 

Religionsgemeinfchaft der Arminianer, geboren zu 
Dudewater in Südholland 1560. Durd) vielfeitige 
theologifche (unter Danäus in Leyden, Th. Beza ın 
Genf) und philofophifche Bildung ift er zu einer 
geiftesfreien Richtung gelangt, die an vielen Här: 
ten bes reformirten Dogmas Anſtoß nehmen 
mußte. Nad vollendeten Studien und Reifen, 
worunter auch nad) Stalien, wurde er Prediger in 
Amfterdam (1588), fpäter (1603) Profefjor in 
Leyden. Schon vielfach verdächtigt, gerieth er ie 
in offenen Streit mit feinem Collegen Franz ©o: 
marus wegen der Prädeftinationsiehre, die er nicht 
in allzuſchroffer manichäiſcher Weiſe aufgefabt 
wiſſen wollte. Mitten in den Streitigkeiten ſtarb 
er, 19. Oct. 1609. 

Er gab die Anregung zu einer lebhaften Bewe 
ung in ber reformirten Kirche. Es entjtand eine 
reiere Richtung, welche nicht bloß gegen die ſchroffe 

Barren a fondern auch gegen jede enge 
tirchliche Beſchränkung überhaupt auftrat, wie aud) 
ſchon Arminius gegen den übertriebenen Belennt: 
niß zwang von Seiten der holländiſchen Stände ſich 
Der Tin ze Die jortgejegten Streitigleiten 
auch nad dem Tode des Arminius, an befjen Stelle 
Simon Epistopius(f. den Art. Epistopius) trat, be: 
wirkten, daß die Arminianer 1610 den Ständen eine 
fogen. „Remonftranz” (gegen die Vorwürfe des Pr 
lagianisınus) überreichten, in welder eine vermit⸗ 
telnde Lehre ſchlechthinige Wirkſamleit der Gnade, 
aber Möglichkeit der Nejiftibilität, der Widerſet 
lichkeit gegen diefelbe) in fünf Artikeln Ausdrud 
findet. Daher ihr Name Remonftranten. Cine 
Gegenremonftranz fteigerte den Kaınpf, in welchen 
fid) auch politifhe Beweggründe einmifchten, da 
die Häupter der Arminianer, wie Hugo Grotius— 
ber Landſyndikus Oldenbarnevelt, — — hervor: 
ragende Mitglieder der republifanijhen Parte! 
waren, zu einer immer tieferen Scheidung. “ 
Synode von Dordrecht (1618 und 19), welche * 
Sireit endlich beilegen ſollte, verdammte die = 
nianer und ftellte die jirengjte Prädeftinationslehrt 
auf. Zugleid wurden die Befiegten in Ku 
Weiſe —* t, Oldenbarnevelt wurde hingerichte 
Grotius —— genommen, die era 
dentenden Prediger abgejegt. Nach Morik en 
(1625) erhielten die Arminianer endlich, Dune 
und volle bürgerliche Freiheit (1630). Seitdem fäll 


Arnauld 


bad Schwergewicht ihrer Bedeutung in ihre theo- 
logiſche Wiſſenſchaft. Außer den Ken genannten 
Simon Episfopius (+ 1643), Berfaffer der Insti- 
tutionum theol. libri IV (unvollendet), Hugo 
Grotius (} 1645), der fich beſonders durch feine 
exegetiſchen Schriften ausgezeichnet hat, find noch 
zu nennen: Bhilipp von Limborch (7 1714), beffen 
Theologia christiana die —— Theologie 
zuſammenfaßt, Adrian von Cattenburgh, der 
Herausgeber der Bibliotheca scriptorum re- 
monstrantium, Sean le Elerc (Klerifus, + 1736), 
als Ereget auögezeichnet. Als Kirchengemeinſchaft 
bat der Arminianismus, feitdem die reformirte 
Kirche ihre alte Starrheit verloren hat, aufgehört, 
bedeutend zu fein. In Holland bejteht eine Anzahl 
von Gemeinden, die Durch eine jgnodale Berfafjung 
mit einander verbunden find. Als Belenntnih der 
Arminianer ift vorzüglich die Confessio, von ©. 
Episfopius, in 25 Kapiteln, anzufehen. 

Arnauld, Anton. Der Verfechter des — 
nismus gegen die Jeſuiten, geb. 1612; früher 
Juriſt, wurde er 1641 Prieſter und 1643 Mitglied 
der Sorbonne. Sein berühmtefte® Buch De la 
frequente communion, in welchem er der laren 
Jeſuitenlehre entgegentrat, nad) welcher der Ge: 
nuß des Sacraments in der Furcht vor ber Ber: 
dammniß jchon Hinreiche, den Segen deffelben zu 
erlangen, und er ernftlihe Bußwerke verlangte, 
wurde von ben Sejuiten verfolgt, in Rom ver: 
dammt, und Arnauld mußte ſich in ftrenger Ver: 
borgenheit halten. Bon Reuem verfiel er dem 
Vorwurf der Gegner, ald er in dem „Brief an eine 
ri vom Stande” die ftrenge auguftinifche 

ehre von Gnade und Prädejtination wiederholte, 
in Beziehung auf die päpftlihe Verwerfung 
der aus Janjens Schriften aufgejtellten fegerifchen 
Säge die Unterfheidung des du fait und du 
droit machte. Arnauld wurde aus der Sorbonne 
ausgeftoßen,aber hierdurch wurden Pascals Lettres 
à un provincial hervorgerufen, die den Jefuiten- 
orben empfindlicher angrifien, ala bisher geſchehen 
war. Um fich von dem Verdachte des Calvinis: 
mus zu reinigen, wandte fid) Arnauld aud gegen 
die reformirte Abendmahlälehre (gegen Claude 
und Jurieu); dem Papfte bot er die Materialien 
zu den 65 jejuitifchen Sägen, die verworfen wur: 
den, und ftritt gegen bie Anjprüche des Königs im 
Regalienftreit. Wegen feiner Angriffe gegen Wil: 
beim von Dranien mußte er fi in Brüffel in 
ftrenger Berborgenheit aufhalten, die angebotene 
Nüdtehr nah Frankreich lehnte er ab, da feiner 
Schriften wegen Mande noch im Gefängniß 
——— Er ſtarb 1694, bis zuletzt getreu 
einen Grundſätzen, ein Vertheidiger der Freiheit 
der Kirche und der janſeniſtiſchen Grundſätze 
gegen Jejuiten (La morale pratique des Jesui- 
tes; La theologie morale des J.) und Refor— 
mirte, Bapft und König. 

Arndt, Ernjt Morig. Geb. 1769 zu Rügen, geft. 
1860 zu Bonn. Obgleich Arndt Berdienjte auf 
andern Gebieten liegen, jo fann er doch aud) in 
einer kirchlichen Encyklopädie nicht Übergangen 
werden, da er zu Denjenigen gehört, von welchen 
die religiöfe Begeifterung gewedt wurde, welche die 

eiheitöfriege begleitete und den religiöfen Auf: 
chwung des Proteftantismus bedingte. Aber nicht 
wenig hat er auch durd) jeine Schriften dazu bei- 
Be in den Zeiten firchlicher und politischer 

eaction in ber Gemeinde das Bewußtſein von 


49 


Arnold 


dem wachzuhalten, worin das Wefen beö Proteftan: 
tiömus zu juchen und was für die Kirche zu erftres 
ben jei. Bon feinen religiöfen Liedern, der Frucht 
ſchwer ermorbener Lebenserfahrungen, werden 
manche ben Weg in bie Geſangbücher der Gemeinde 
nod finden. — Vgl. Schenkel, E. M. Arndt, 1866. 

Arndt, Johann. Geb. 1555 zu Ballenftedt, geft. 
1621 zu Celle al3 Lüneburgifcher Generalfuperin: 
tendent; ftudirte feit 1576 zu Helmjtädt, Witten: 
berg, Straßburg, Bafel Medicin und Theologie, 
1583 Bajtor zu Babeborn in Anhalt, verlor die 
Stelle, weil er fi der Abſchaffung des Erorcismus 
nicht fügen fonnte, 1590 Paſtor zu Quedlinburg, 
1599 zu Braunfchweig, 1609 zu Eisleben, 1611 in 
Celle. Der Berfafjer des „Wahren Chriſtenthums“, 
des verbreitetiten und beiten Erbauungsbuches der 
lutheriſchen Kirche. Entjtanden aus Wocenpre: 
digten, ift daſſelbe eine erbaulihe Glaubenslehre, 
aber durchaus myſtiſch gehalten, mit beftändiger 
tieferer Deutung und Anwendung auf ein inwen⸗ 
biges Chriſtenthum. Bei dem Volte fand das Bud) 
die danfbarjte Aufnahme, zog aber von Seiten der 
Theologen dem Verfaſſer die bitterften Verbäd: 
tigungen zu al einem Srrlehrer; Angriffe, die 
auch nah Arndts Tode fich erneuten, ald durch 
Spener bie Schriften Arndts wieder verbreitet 
wurden. Das bleibende Verdienft des Buches be: 
fteht darin, daß es die lutherifhe Lehre aus ber 
Dürre der ſcholaſtiſchen Lehrbeitimmungen wieder 
in die Wärme des religiöfen Lebens zurüdjührte. 
Vielfach benutzt hat —* die Schriften älterer 
deutſcher Myſtiker, mit denen er ſich mit Vorliebe 
beſchäftigt hatte (1617 beſorgte er die Her: 
ausgabe der Deutſchen Theologie), Kempis, Tau: 
ler, Staupig. Mit dem Wahren —— iſt 
in den Ausgaben das Paradiesgärtlein verbunden. 
Arndts Anregung führte in die lutheriſche Kirche 
die Myſtik wieder ein und bahnte dadurch Spener 
und dem Pietismus den Weg, die rechtgläubige 
Lehre in chriſtliches Leben wieder umzujegen. 

Arno, Erzbiſchof von Salzburg. + 821. Xei: 
tete die Mifjion unter den von Karl d. Gr. ſeit 
791 unterworjenen Waren und Slaven und 
jegte die Erhebung Salzburgs zur Metropole von 
Bayern burd). Dh von Karl zu Staatsgejhäften 

ebraucht, ftand er an der zn. der Gejanbdt: 
Paft, die den vertriebenen Zeo III. wieder nad) 
Rom zurüdführte. Aleuin ſchätzte ihn hoch. Bon 
Arno rührt her das Congestum Arnonis, ein 
Güterverzeihniß der ſalzburgiſchen Kirche, welches 
durch hiſtoriſche Notizen wichtig iſt. 

Arnobius. Ein Rhetor, ſchried um 300 n. Ch. nach 
ſeiner Belehrung ein apologetiſch-⸗polemiſches Buch 
über die chriſtliche Religion, Disput. adv. gentes, 
an welchem die polemiſche Darjtellung des Heiden: 
thums befjer it, als die noch Unkenntnis und Un: 
klarheit verrathende des Chrijtentyums. 

Arnobiud, der Jüngere. Ein Semipelagianer 
in Gallien im 5. Jahrh., Verfajjer eines Commen: 
tars zu den Palmen. Oft als Verf. der Schrift 
„Prädeſtinatus“ vermuthet. 

Arnold, Gottfried, der Verfaſſer der Kirchen: 
und Kegerhiftorie, geb. 1666 zu Annaberg in 
Sadjen, feiner zahlreichen — — und 
geiſtlichen Lieder wegen von den Myſtikern und 
Pietiſten überall hochgeſchätzt, iſt der hauptſäch— 
lichfte Vertreter der ſeparatiſtiſchen Bewegung in 
der lutherifchen Kirche im Anfang des vorigen 
Jahrh. Bon Spener pietiftiich angeregt, gab er 


Arnold 


fi ganz einer myftifchen Richtung hin in Verbin: 
‚ dung mit verwandten Gemüthern zu Frankfurt 
und Quedlinburg und legte diefelbe in mehreren 
Schriften (die erfte 
göttlichen Sophia, das eheliche und unverehelichte 
2eben u. |. w.) dar. Ein Lieblingsgedanfe war 
darin, ben ehelojen Zuftand als den volllommenen 
bejchreiben. Arnold legte jein Amt ald Pro: 
Feklor zu Gießen nieder und enthielt fich aller 
Theilnahme an Kirche und äußerm Gottesdienſt. 
Später jedoch gab er diejen fireng myſtiſch jepa- 
ratiftifchen Standpunft wieder auf, verheirathete 
ich und wurde Prediger zu Allftädt 1700 und zu 
erleberg, wo er 1714 ftarb. In der „Unpartei: 
iſchen Kirchen: und Kegerhiftorie” ift jein durch— 
gehendes Bejtreben, die Berechtigung der verjchie: 
denen Ketzereien nachzuweiſen, und daß fie mei: 
ftend hervorgegangen jeien aus dem Berlangen 
nad) wahrem inwendigen Ehriftenthume, dem fi 
die herrfchende Kirche entfrembet habe. 

Arnold, Thomas. Nector der Schule zu Rugby. 
Bertraut mit den Anjchauungen der deutſchen 
Theologie und fich anſchließend an Schleiermader 
und Rothe, war er eins ber würdigften und ein: 
flußreichiten Häupter der breitfirchlichen Partei in 
der englifchen Kirche. F 1842. — ©. Thomas 
Arnold, von Karl Heing. Brot. Monatsbl., 1867. 

Arnold von Brescia. Ein Schüler Abälards. 
Ausgezeichnet durch Keinheit der Sitten und feu: 
rige Beredjamfeit, fand er Anklang und Anhang, 
ala er feine Stimme gegen das Berderben der 
Kirche erhob, eine Reform des Lebens ber Geift: 
lihen und Rüdfehr zu apoftoliiher Einfachheit 
verlangte. Als Schismatifer auf der Lateran: 
ſynode 1139 verurtheilt, begab er fich zu Abälard 
und erregte durch deffen Vertheidigung den heitig: 
ten Zorn Bernhards von Elairvaug, der eine neue 

rurtheilung erlangte. Arnold hielt ſich nun län: 
gere Zeit in der Schweiz auf. Als aber Eugen III. 
vor den aufjtändiihen Römern geflohen war, be: 

ab fich Arnold gegen 1146 nad) Rom, wo die po: 
Atifchen Verhältniſſe feinen reformatorifchen Ideen 
günftig jhienen. Um die Kirche zu reinigen, lehrte 
er nun, müffe fie der weltlichen Gewalt entkleidet 
werden, daher dürfe der Papſt nicht der Fürft in 
Nom bleiben; die alte Republik, von Volk und Se: 
nat regiert, fei wieder herzuftellen. Arnold trat 
an die Er der politifchen-Bewegung. Aber als 
Hadrian IV. das Interdict über die Stadt ver: 
hängte, verlichen ihn die Römer und ſchwuren 
ihn zu verbannen, wenn das Interdict aufgehoben 
würde. Arnold flüchtete fih in ein feſtes Schloß 
in Campanien. Da Barbaroffa auf feinem Krö: 
nungszug nad Rom ſich gegen ihn erflärte, wurde 
Arnold dem Papjte ausgeliefert und auf beffen 
Befehl gehängt, der Leihnam verbrannt, bie Aſche 
ind Meer gemorten (1155). 

Arnoldi, Wild. 1842 Bifchof von Trier. Ver: 
weigerte beim Antritt jeines Amtes den bifchöf- 
lihen Staatöeid. Veranlaßte 1844 bie feierliche 
Ausjtellung des heiligen Rockes in Trier, die den 
Brief Ronge's und die Bildung der deutich «Tatho: 
liſchen Gemeinden hervorrief. Erwies fih auch 
ſonſt als ein eifriger Vertreter der ultramontanen 
und hierarchiſchen Grundfäge, + 1864. 

Arnoldi, Bartholomäus, (Ufing), Auguftiner 
und als Profefjor der Theologie Lehrer Luthers; 
gehörte aber fpäter zu feinen Gegnern, und mußte 
deshalb 1526 Erfurt verlaffen, + 1532, 


50 


Liebe, das Geheimniß der fi 


Artemon 


Arnoldiſten. Der Name, in dem Verdammungẽ⸗ 
decrete des Papſtes Lucius III. 1184 und im 
—*5 Friedrichs II., umfaßt alle die Secten 
in Ober⸗Italien und Deutſchland, welche in grö: 
Berm oder geringerm Anſchluß an Arnold von 
Brescia gegen die weltliche Macht des Papſtes und 
gegen bie Hierarchie auftraten. 

ruoldus, Nilolaus. Ein Pole, reformirter 
Theologe, Brofefjor in Franeder, der Nachfolger 
bes Coccefus; jchrieb gegen Socinianer und Ka: 
tholifen, + 1680. 

Arnon, Der nördliche Grenzfluß bes Moabiter: 
landes gegen die Amoriter, fpäter gegen Iſrael 
(Ruben); heute Mudjcheb, entjpringt bei Katrane 
auf den arabifchen Gebirgen und fließt ins Todte 
Meer. — Die Höhen Arnon (4. Mof. 21, 28) find 
feine feljigen Ufer. 

Arnulph, der Heilige, war Biſchof von Mek. 
Damit er Kleriker werden könne, nahm jeine Ge: 
mablin den Schleier; auch Arnulph ftarb als 
Mönch 641, 

Arpad. Königäftabt in Syrien, die Sanherib 
eroberte. 2. Kön. 18, 34; 19, 13; gef. 10, 9; 
Jer. 49, 23. 

Arpachſchad. 1. Mof. 10, 22. Das Volt von 
Arrapagitis nördlich von Afigrien. Die Nach— 
tommen Arpachſchads, d. 5. die Abzweigungen die: 
ſes Volksſtammes, drangen über den Euphrat 
nad Kanaan und nad) Arabien. — Knobel, Bölter: 
tafel. 1850. Fürft in Merx' Archiv, 1867, ©. 16 f. 

Arpharad. König von Medien, zu Echatana 
nach Jud. 1, 1 von Nebufadnezar befiegt. Die 
Angaben lafjen fich mit den fonftigen biftorifchen 
Daten nicht einigen; die Geſchichte ſcheint auch in 
diefem Bunte im Buche Judith romanbaft zu fein. 

Arfaced. Name der Könige von Barthien und 
Medien. Der 1. Maft. 14, 1—3 Ermähnte ift 
Mithridates I. 

Arfenius, Römifcher Diakon. Erzieher von 
Theodofius deö Großen Sohne Arcadius, der ihm 
nad dem Leben trachtete, iiber die Ehrenbezeu⸗ 
gung erbittert, die er ihm bezeigen ſollte. Arſenius 
floh in die ägyptifche Wüſte und lebte dort als 
Einfiedler. Er gehört zu den Belennern (19, Juli). 

Arſenius. Patriarch zu Conjtantinopel. Bor: 
mund des oh. Laskaris, fprady den Bann aus 
über Michael Paläologus, der jenen blendete und 
fi zum Kaiſer machte. Da Michael, zu anderer 
Buße bereit, dem Throne nicht entjagen, Arſenius 
aber den Bann nur unter biefer Bedingung löfen 
wollte, jo ließ der Kaiſer den Patriarchen durch eine 
Synode in Eonftantinopel abjegen und verbannen. 
+ 1267. Seine Anhänger, die Arjeniten, hoben 
die Kirchengemeinſchaft mit feinem Nachfolger auf, 
bis 1312 das Verfahren des Arfenius für recht: 
mäßig, er ſelbſt für heilig erllärt wurde. 

Ariachſchaſchta ift der hebräifche Ausdruck für 
ben perſiſchen Königsnamen Artahfchatra, der im 
Griechiſchen Artarerres lautet. Die Meinung ift 
unfiher, dab Esra 4, 7.8 der Pjeubo:Sınerbis 
zu verftehen fei, oder gar Esra 7, 1. 11 Xerxes. 
Wahrſcheinlich ift überall Artarerres Longimanus 
gemeint, von welchem ficher die Stellen Neh. 2, 1; 
5, 14; 13, 6 handeln. 

Artemon. Hauptvertreter ber ebionitiſchen 
Monargianer in Rom, von Biſchof Zephyrinus 
(nad) 200) egcommunicirt, von den Theodotia- 
nern einigermaßen abweichend, da dieſe jhon 190 
von Victor verdammt waren. Seinen Anhän: 


Artikel 


gern wird außer ihrer Belämpfung ber Logosidee 
vorgeworfen, fie bejchäftigten fich mit Geometrie, 
hielten fih an Ariftoteles und Theophraft und 
veritümmelten bie biblifchen Bücher. 

‚Artikel, die neununddreißig. S. Englijde 


Kirche. 
ä gie Drt von unbelannter Lage. 1. Kön. 


Aruma. Stadt bei Sihem, Richt. 9, 41. 

Arvaditer. 1. Mof. 10, 18; 1. Chr. 1, 16; E. 
27,8. 11; 1. Maft. 15,23. Die fanaanitifchen Be: 
mohner der Inſel Aradus, gegenüber der Stadt 
—— in Phönizien, trieben Handel und 

eefahrt. 
rzueikunde bei den Hebräern. Spuren von 
Aerzten find früh, 2. Moſ. 21, 19; die Heilfunde 
betraf vornehmlih äußere Schäden; Heilmittel 
waren Salben, Baumblätter und Bäder. Nach 
bem Eril erweiterten ſich auch die ärztlichen Kennt⸗ 
niffe. Wohl Hape far aber nicht die Priejter tra- 
ten als Nerzte auf; dieje hatten nur die (polizei: 
liche) Aufjiht über mande Krankheiten, 3. B. 
Ausſatz. — Heilende Kraft erwartete man aud 
von Amuleten, Beſchwörungen und Zauberbän— 
dern, 2. Kön. 5, 11. 

Alahel. Sohn der Beruja. Einer ber Helden 
Davids, 2. Sam. 2,18; 25, 24, feiner Schnell: 
füßigfeit wegen gerühmt. 

amonäer. ©. Haömonäer. 

“ion. 1. Sam. 30, 30; 1. Ehron. 6, 44; Joſ. 
15, 42, Levitenftadt im Stamme Juba, fam jpä- 
ter an den Stamm Simeon, Jof. 19, 7; 1. Ehr. 


4, 32. 
Aſarhaddon. S. Ejarhabbon. 
Aſarja. Name ge ih im Alten Tefta- 

ment, der öfters mit Ufia wechjelt. Ueber den Kö: 

nig diefes Namens ſ. den Art. Uſia. 
fafel. ©. Azazel. 

Ale. Mit Ale fich beftreuen ober fi in gr 
fegen, ift ein Zeichen ber Trauer. Hiob 42, 6; 
Matth. 11,21. Die Aſche der rothen Kuh, 4. Moſ. 
19, wurde in das Sprengwafjer gethan. 

Hide, Rabbi. Oberhaupt ber Schule zu Sura 
am Guphrat, der 427 n. Chr. ftarb. Er jammelte 
mit Sorgfalt die vollftändigften Nachrichten über 
die Tradition in den verfchiedenen jüdischen Schu: 
fen und ftellte, nachdem er ſich durch Hülfe feiner 
Schüler und Zuhörer über die Anfichten, welche 
die meifte Wahrfcheinlichteit für fich hatten, unter: 
richtet und Alles mit Afribie verzeichnet hatte, die 
babylonifche Gentara oder den Talmud Babli zu: 
fanmen, einen Gommentar zur Miſchnah, der viel 
ausführlicher ift als die jerufalemijhe Gemara, 
In 30 Jahren beenbigte er fo die Durdjarbeitung 
der 63 Tractate der Miſchnah und die Revifion des 
Ganzen, des babyloniſchen Talmuds. Einen Heinen 
Reit vollendete fein Gehülfe R. Abina nad Aſche's 
Tod (427). 

Aſcher ober Affer. Stamm Iſraels von A., 
dem Sohn der Silpa. Das Stammgebiet am Mit: 
telmeere war ein jchmaler, fruchtbarer Landſtrich 
an der Nordküſte, begränzt von Manaſſe, Iſaſchar, 
Sebulon und Raphthali, der füblich bis zum Kar: 
mel reichte; wurde nicht ganz von Iſrael erobert. 
Tyrus und Eidon 3. B. blieben frei. 

Aldera und Aftarte find im Wefentlichen eins 
und bezeichnen die mit obfcönem Cultus ausge: 

ete ſyriſche Göttin. Noch unerflärt ift die 

—— des Sprachgebrauches im Alten Teſta⸗ 


61 


Asmodi 


ment. Movers macht den Unterſchied, daß er die 
erſte als Phallusſäule (S die —— 
die zweite als ſideriſche Göttin. Aber ber Unter: 
ſchied ift nicht ftreng durchzuführen, obgleich bie 
Bedeutung einer Bildſäule bei der erften vorzu- 
wiegen — Der Aſtartedienſt, in Verbindung 
— 58 To aus Phönizien 2 Ba: 
na, Richt. 3, 7; 6, 25, vorzüglich durch Iſebel, 
— ERS 
ermittwoch. Der erfte Tag ber Faſten, 
eaput jejunii, Mittwoch nad hr Bor ber 
Meffe wird an diefem Tage ein Gefäß mit der 
Aſche von ben im vorigen Jahre gefegneten Palm: 
zweigen auf den Altar gejtellt, geweiht und mit 
berjelben den Gläubigen das Kreuzeszeichen an die 
Stirn gemacht, nad dem Beichluß der Synode 
von Benevent 1091, als ein Zeichen der buffer: 
tigen Gefinnung und Erinnerung an den Ernft 
des Gerichtes, denn die Aſche ift Bild des Todes. 
Asdod, Azotus, jet Esdud. Eine der Fürften: 
ftädte der Philifter und Sig des Dagoncultus. 
Dem Stamme 2 eigentlich zugetheilt, aber erft 
von den Maffabäern erobert. 1. Sam. 5, 5; 
6,17; Joſ. 13,3; 2. Chron. 26,6; Neb. 4, 7; 


pftg. 8, 40. 
eleität (aseitas) m ſcholaſtiſche Ausdruck 
zur Bezeichnung der Abſolutheit Gottes, von a se 
= von ſich aus. 

Aſiarchen. Apfig. 19, 31. Die —— Be: 
vollmädhtigten der Stäbte im proconfularifchen 
Afien, welche bie öffentlichen Spiele zu Ehren der 
Götter anorbneten. Gie waren aus ben Bürgern 
ber Städte genommen, vielleicht in Mehrzahl als 
Collegium. 

Aſien. Im Neuen Teftament die römifche Pro⸗ 
vin; Asia propria, d. 5. Myfien, Lydien, Phry⸗ 
ien, Carien; einmal, Apftg.2,9, fteht Afien neben 
Sry ien, was fonft dazu gehört. Als Herr 
m leinafien heißt Antiochus d. Gr. König von 
ien. 

Afıma. Göttin der Ginwohner von Hamath, 
2. Kön. 17, 30; nad den Juden angebetet unter 
dem Bilde eines Affen, Ejels oder fahlen Bodes. 

Afinerii, — Ein Spottname der Ju⸗ 
den, ſpäter auf die Chriſten übertragen, weil man 
ihnen nachſagte, fie beteten einen Eſel an. 

Astalon. Eine Seeftadt in Phönizien und 
Sig eined Philifterfürften, zwifhen Gaza und 
Jamnia, vom Stamme Juda nicht erobert; gehörte 
jpäter bald zu Aegypten, bald zu Phönizien oder 
Syrien, 1. Matt. 10,86; 11,60; wurde 1191 von 
den Sarazenen zerjtört. 

Asketen. Entweder um durch Entfagung irdis 
ſchen Genuffes eine höhere Stufe der Gerechtigfeit 
zu erlangen, oder aus irgend einer Hinneigung zu 
gnojtifcher und manichäiſcher Lehre, daß die Ma- 
terie böje fei, weihten ſich von den erften Zeiten des 
EhriftentHums an immer Viele dem enthaltfanıen 
Leben, deſſen gefegliche Ordnung fi im Mönchs: 
feben daritellt. Solche Leute hießen Asketen, von 
doxeiv üben (in der Gottfeligkeit). Als die Haupt: 
ſache ver Askeſe erfchien ſchon früh die Birginität, 
die Enthaltung vom ehelichen Leben. 

Astetit. ©. Ethit. 

Astidas, Theodorus. Biſchof von Cäfarea in 
Kappadocien, ein Schüler des Drigenes, veran- 
laßte den Dreifapiteljtreit N d. A.). 

Asmodi. Der böſe Geiſt in der Gefchichte des 
Tobias, Nach der Ableitung aus dem Hebräifchen 

4* 


Aana 


würde Asmodi der Berderber fein (nr), nach Ab: 
leitung aus dem Perſiſchen der Berjuger. Das 
Erfte tft vorzuziehen. 

Adna. Zwei Städte im Stamme Juba. of. 
15, 33. 43. 

Asnoth: Thabor. Grenzort des Stammes 
Narhthali. Joſ. 19, 34. 

Aior. Ebene in Galiläa nahe beim See Geneza: 
reth, 1. Malk. 11, 67. In der Bulgata aber ift 
Aſor = Hazor, Jof. 11, 10 u. ſonſt. 

Aspar. 1. Matt. 9, 33. Ein See im ©.:D. 
Paläſtina's, mo Jonathan ein Lager hatte; nad) 
der LXX (Aaxxos) iſt an eine große Cifterne zu 
denfen. 

Affe. Nah Emald 965—917, ee. von Juda, 
Sohn Abia's ſchaffte den Gögendienft abund richtete 
DE ein, zu deſſen Feithaltener 
das Volk nad) dem Siege über den ägyptiihen Kö: 
nig Sera bei Mareja eidlich verpflichtete. Als 
Baeja von Iſrael ſich mit Benhadad verband und 
Rama befejtigte, trennte er durch Geſchenle an 
diejen das Bundniß und zerftörte Rama durch 
forifche Hülfötruppen; mas der Prophet Hanani 
bitter tadelte. Daß Aſſa ihn dafür ins Gefängnik 
werfen ließ, iſt das erjte Beijpiel einer Vergewal⸗ 
tigung der Propheten. Aſſa jtarb am Podagra. 
1. Kön. 15; 2. Chron. 14; 15; 16. 

Aſſaph. Der Sohn Berechja, der ——— 
Davıds, deſſen Nachlommen lange ein Sänger: 
geistent bildeten. 1. Chr. 7, 39-43; 2. Chr. 

, 14; 29, 80 ıc. Bon den 12 ihm zugejchriebenen 
Pſalmen 50, 73—83, gehört ſchwerlich einer der 
davidiihen Zeit an. 

Affeburg, Rofamunde Juliane von. Eine Vi: 
fionärın, welde Ende des 17. Jahrh. viel Auf: 
ſehen madte. Bon adeliger Abkunft im Magde— 
burgiſchen geboren, hatte ſie ſchon in früher Jugend 
Vifionen aller Art. Sie wurde indeß erft Dur 
den ſchwärmeriſchen Superintendenten Beterjen 
von Lüneburg, der fie in fein Haus z0g, über fie 
eine Schrift jchrieb (die species facti von dem 
abeligen Fräulein R. 3. v. U.) und ihre Dffen: 
barungen im Snterefje feiner chiliaſtiſchen An: 
fhauungen vermwerthete. Auf eine Anklage der 
Lüneburger Geiftlichteit Hin wurde Peterjen mit 
dem vifionären Fräulein, das indefjen eine große 
Beruhmtheit geworden war, ausgemwiejen 1692, 
von welcher Zeit an die Nachrichten über bie Vi— 
fionärin verjhwinden. Der Charalter derjelben 
war ein durchaus unbeſcholtener, wie das auch 
Leibnig, der fie fannte, bezeugt (Brief an Ludolf 
vom Jahre 1692). Bol. Shrödh, Kirchengeſch. 
VIII, ©. 302, 

Aflemani. Eine durch Gelehrfamteit berühmte 
Maronıtenfamilie im 18. Jahrh., melde nad) Rom 
ausmwanderte und deren Glieder bort eine einfluß— 
reiche Stellung einnahmen. Der berühmtejfte ift 
Joſeph Simon, Cuſtos der vaticanishen Bi: 
bliothel. Derjelbe reifte in päpftiichem Auftrage 
1715 nad Aegypten und Syrien, um hier Hand: 
fhriften für die vaticanifhe Bibliothek zu ſam— 
meln. Cine zweite Reije 1735 hatte den Zwed, 
die Maroniten von türfifchen Berfolgungen zu 
beireien. Als Gelehrter hat er das Hauptverdienit, 
die ſyriſche Literatur und Geſchichte zur Kenntniß 
der Abendländer gebracht zu haben. Seine Haupt: 
werte jind: Bibliotheca orientalis (unvollendet), 


1719ff.; Ephraemi Syri opera, 1732 ff.; Kalen- | 2. Kön. 15, 19, 


52 


Afiyrien 


nibus, 1776; Historia orientalis; Syria vetus et 
nova; Euchologia eccl. orientalis, u. A. + 1768. 
— Joſeph Aloys, Bruder des Vorigen, ifteben: 
falls durch orientalifhe Studien befannt. Er 
Ichrieb einen Codex liturgicus, ein Wert de Pa- 
triarchis Chaldaeorum et Nestorianorum. — 
Stephan Evodius, Better der Borigen, ift 
gleihfalls Drientalift. Er gab einen Katalog der 
orientalifhen Handſchriften in der Bibliotheca 
Medicea, Laurentiana et Palatina heraus, ferner 
Acta ss. martyrum orientalium 1748. 

Aſſer. ©. Aſcher. 

Aſſiſtenten. Bei der Feier der Meſſe und an— 
dern Acten bedarf der Celebrirende der Gehülfen. 
Dem Biſchofe aſſiſtiren die Kanonici. In der Meſſe 
verſehen den Dienſt jetzt gewöhnlich Laien und 
Knaben. — Im evangelifchen Gottesdienſt treten 
Aſſiſtenten nur auf bei der Ordination und der 
Einweihung von Kirchen ohne nothwendige und 
weſentliche Betheiligung. 

Assistentia (activa, passiva). Bei der Che: 
ſchließung leiftet der Prieſter assistentia passiva, 
wenn er ohne eigene Betheiligung nur die Erflä: 
rung der Brautleute anhört; iſt bei gemijchten 
Ehen ohne katholiſche Kindererziehung vorgejchrie: 
ben. Bei der assistentia activa befragt der Prie- 
fter im Ornate da3 Brautpaar um feinen Entſchluß 
und ſpricht die eheſchließende Formel aus. 

Afluri. 2. Sam. 2,9. Neben Gilead und es: 
reel der Diftrict, in welchem Isboſeth herrichte. 
Nach richtiger Lesart find wohl die zwifchen dem 
Berge — und dem See Genezareth wohnen: 
den Geſſuriter gemeint. 

Affus. Seeſtadt in Myfien, mo ſich Paulus 
nah Milet einfchiffte, Apftg. 20, 13, neun Meilen 
von Troas, der Inſel Lesbos gegenüber. 

Affyrien im engern Sinne iſt die Provinz zwi: 
ſchen dem Tigris und dem Zagros:Gebirge, be: 
grenzt im Süden von Babylonien, im Norden von 
Armenien, mit der Hauptitabt Ninive. Im meitern 
Sinne umfaht das aſſyriſche Reich aber außerdem 
Medien und Babylonien. Bemwohnt war es von 
einem ſemitiſchen Stamme, der hergeleitet wird 
von Affur, dem Sohne Sems; hierzu jtimmt, daß 
die Sprache jemitifch gemwejen ift. Die Eigennamen 
auf ben Denlmälern weifen aber darauf hin, daß 
ein fremder Stamm in die Ureinwohner fid) einge: 
drängt oder die Herrſchaft über fie errungen habe. 
Handel und Gewerbfleig muß unter dem Volke ge: 
blüht haben, am meiſten tritt aber jeine friegerifche 
Tapferkeit und Tüchtigkeit hervor. Meber die Re: 
ligion der Aſſyrer fehlen die genauern Kenntniffe, 
gewiß ift nur, daß der Geftirndienft bei ihnen 
ge da er durch fie bei den Hebräern Eingang 
and. Dunkel ift auch noch die Gefchichte des afjy: 
riihen Neihes. Die Nachrichten der Profanicri: 
benten Kteſias, Herodot und Diodor laſſen ſich mit 
den bibliſchen nur durch die Conjectur vereinigen, 
daß die im Alten Teftament genannten aſſyriſchen 
Könige der Periode eines neuafiyriichen Reiches 
angehörten, welches fi aus dem Sturze unter 
ZTonosfonfoleros (8. Jahrh.) wieder erhoben hatte. 
Uebrigens jtehen die Nachrichten, welche die neuen 
Unterjuhungen Rawlinſons, Layards u.N. aus 
ben Ruinen von Ninive entziffert haben, auf Sei: 
ten der bibliihen Angaben. Genannt werden in 
der Bibel folgende affgrifche Könige. 1) Phul, 

der Sraeı unter Menahem zins: 


daria eccl. universae, 1755; De sacris imagi- bar machte. 2) Tiglath:Pilejar, 2. Kön. 15; 16, 


Aftaroth 


Bundesgenoſſe von Ahas, überwand ben 
von Iſrael und Rezin von Damaskus (741 v. Chr. 
und deportirte viele ihrer Unterthanen. 3) Sal: 
manafjar, 2. Kön. 17; 18, zerftörte das Reich 
Iſtael völlig und führte den Neft der Einwohner 
in die Gefangenschaft ; —* auch Juda tribut⸗ 
pflichtig. Unter ſeiner Herrſchaft ſtanden Babylon, 
Medien, Mejopotamien. 4) Sanherib. Belagerte 
712 auf den Zuge nad) Negypten Jerufalem unter 
Hisfta, 2. Kön. 18, 13 ff.; Jeſ. 29 ff., und mußte 
eilends umkehren. 5) Ejarhaddon, der Sohn deſſel⸗ 
ben, 2. Kön. 19, 37. Außerdem wird ef. 20, 1 
Sargon erwähnt, der zwijchen Salmanafjar und 
Sanherib regiert zu haben jcheint. Die Blüthezeit 
des Reichs fällt unter Salmanaffar; unter Eſar— 
haddon juchten die Babylonier ſich wieder frei zu 
machen, und 597 wurde Afiyrien von den Mebern 
erobert. 

Aſtaroth. Stadt der Rephaiten in Bafan, 
1. Moſ. 14, 5, dem Stamm Manaffe zugetheilt, 
301.13,31, den Zeviten überlafjen, 1. Chr. 6, 71. 

Alarte. ©. Achern. 

Aſterius. 1) + 330. Der bedeutendite Schrift: 
fteller, der bei Lebzeiten des Arius den Arianis mus 
zu vertheidigen fuchte. 2) Bifchof von Amajea in 
Pontus, deſſen Predigten die 2. Synode zu Nicäa 
erwähnt. 

Aftrologie und Aftronomie, |. Sternfunbe. 

Aſtrut. 1684— 1766. Ein franzöfifcher Arzt, 
Sohn eines zum Katholicismus übergetretenen 
Proteftanten, gab 1753 anonym feine Bermuthun: 
gen über den Urfprung der Genefis heraus, 
mit welchen eine Epoche in der Kritif des Penta: 
teuds beginnt. Ausgehend von dem verſchiedenen 
Gebrauch der Namen Jahve und Elohim, nimmt 
er zwei Hauptquellen der Genefis an, deren jede 
den einen ber beiden Namen conftant gebraucht 
babe. Da einzelne Dinge wiederholt erzählt wer: 
den und das Fehlen des Gotteönamens feinen 
Grund abgiebt, diefe Stüde dem einen oder an: 
dern Hauptbericht zuzumeifen, fo jchreibt er fie 
einer dritten Quelle C zu. Sn eine vierte Ab- 
tbeilung vermweift er alle die Erzählungen, bie 
ihm der Geſchichte Iſraels fremd zu fein fchienen, 
ohne auzugeftehen, dab dieſe ſämmtlich aus Einer 
Schrift entnommen feien, vielmehr unterfcheidet er 
auch hier neun verfchiedene Quellen. Die alttefta: 
mentliche Kritif hat in wichtigen Punkten Ajtrucs 
Anfihten beftätigt. 

Aſyl. Aſylrecht. Um ben zerftörenden Wir: 
tungen der au unter den Hebräern inne 
Blutrache entgegenzumirten, wurden 6 Aſylſtädte 
beftimmt, Sof. ‚7.8, jo daß dahin Keiner von 
dem Bluträcher verfolgt werden durfte, jondern 
der Richter unterfuchte, ob der Todtſchlag mit Ab- 
fit gejhehen jei. War dies der Fall, jo wurde ber 
Mörder ausgeliefert, andernfalls fügte ihn das 
Aſyl, wenn er eö bis zum Tode des Hohepriefters 
nicht verließ. Das Aſylrecht beitand aud in der 
Hriftlihen Kirche und wurde durch faiferliche Ge: 
fee geregelt ; es erſtreckte fich nicht auf abfichtliche 

er, Mörder, Ehebreher und Nunafern: 
täuber, jollte aud die richterlihe Entſcheidung 
nit verhindern, und wie es auf die Umgebung der 
Kirchen, ihre Borhöfe und Hallen auf 30 Schritt im 
Umtreis ausgedehnt wurde, mußte der Schutz deſſel⸗ 
ben waffenlos erbeten werden. Während die Kirche 
ihr Aſylrecht immer beſchützte, erließen die Päpſte 
aber auch Verordnungen gegen den Mißbrauch, 


53 


Athanafius der Große 


damit nicht Verbrecher ſich der Strafe entzögen. 
Als die Blutrache durch die Milderung der Sitten 
ſchwand, auch das Strafrecht menschlicher wurde, 
verlor das Aiylrecht feine Bedeutung und ift von 
fast allen Gejeggebungen aufgehoben, zuletzt auch 
in Italien, 1850. 

Atad. Jenſeits des Jordans, Ort der legten 
Leichenklage um Jakob, 1. Moſ. 50, 10. 

Atargatid. Eine Göttin der Syrer. 2. Mafl. 
12, 26. Beſaß ein Heiligthum zu Aſtaroth— 
Karnaim. Atargatis ift die Derfeto, Dea Syria, 
vorzüglich verehrt zu Hierapolis. In einen im 
Tempel befindlichen Schlund ſchütteten die Wall: 
fahrer Waffer. Dies und daß ihr die Fifche heilig 
waren, läßt fie ala weibliche Perjonification der 
—— Naturkraft erkennen, als Seitenſtück zu 

aal. Verwandt iſt daher die Aſtarte und baby— 
loniſche Mylitta. 

Ataroth. 1) Stadt der Gaditen, 4. Moſ. 32, 8, 
beim Berge Attarus. 2) Stadt auf der Grenze von 
Ephraim und Benjamin, Joſ. 16, 7, nach Robin: 
fon das Dorf Atara, auf der Straße von Jeru: 
falem nad Bethel. 

Athalja. Tochter Ahabs, Gemahlin Jorams 
von Juda, Mutter des Ahasja. Sie führte in 
Juda den Baalsdienſt ein und verleitete ihren 
Sohn zu dem unglücklichen Bündniß mit Sfrael, 
2. Chron. 22, 4. Rach feinem Tode bemädtigte 
fie fih des Reiches, wurde aber nad 6 Jahren 
vom Hohepriefter Yojada, ber den Thronerben 
Joas jo lange im Tempel vor ihr verborgen hatte, 
vom Thron geftoßen und ermordet, 878 v. Chr. 
2. Rön. 11,2. 

Athanaſianiſches Symbol, Nad) den Anfangs» 
morten auch Symbolam Quicungue (vult salvus 
esse) geheißen; jpricht in beftimmter Weife die abend» 
ländiſche Lehrentwidlung von der Dreieinigkeit 
aus, wie fie in den Streitigfeiten, deren Mittel 
punft Athanafius geweſen, ſich ausgebildet hatte, 
mit ſcharfer Abmweifung aller Härefien. Der lateis 
niſche Text ift der urſprüngliche. Es ift jet allge: 
mein anerfannt, daß das Symbol nicht von Atha- 
naſius herrührt. Giefeler läßt es im 7.—8. Jahrh. 
in Spanien entftehen. 

Athanafius der Große. Die Lebensgeſchichte 
des Athanafius fällt zufammen mit der Kirchen» 
geichichte feiner Zeit. Athanafius, dur Alerander 
von Alerandrien zum Presbyter geweiht, hatte feine 
theologiſche Begabung durch eine apologetiiche 
Schrift gegen das Heidenthum bereitö bewährt, 
al3 ihn Alerander als feinen Gehülfen nad) Nicäa 
mitnahm. Seine Hauptthätigleit entfaltete er von 
da an in den arianifchen Streitigleiten, in denen 
er als der wichtigfte Vertreter des orthodoren nich» 
niſchen Glaubens erſcheint (S. Arianer.) In Nicäa 
trug er, ber Diakon ohne Stimme, ben Sieg über 
Arius davon. 328 zum Biſchof von Alerandrien 
geweiht, weigerte Athanafius fi, den von Conſtan⸗ 
tin zurüdgerufenen Arius in die Kirchengemein— 
ſchaft wieder aufzunehmen. Arius’ Lehre von bem 
Erlöfer als einem Geſchöpfe Gottes war für Atha⸗ 
nafius gleichbedeutend mit Aufhebung der Erlös 
fung. Als N. auch gegen des Kaijers Willen zähen 
Widerjtand leiftete, verurteilte ihn die Synode zu 
Tyrus (335), und erging nad) Trier in die Verban⸗ 
nung. Nach Gonjtantins Tode (337) zurüdgeru> 
fen, verurtheilte ıhn die Synode von Antiohien 
(339) aufs Neue, weil er, noch nidt von einer 
Synode losgejproden, den biſchöflichen Sig mie: 


Atheismus 


ber eingenommen habe. In Rom fand er Schuß 
und gewann das Wbenbland für bie nicänifche 
Lehre; die Synode zu Sardica (343) ſetzte ihn 
wieber ein. Als aber ber faiferlihe Einfluß ſich 
bemühte, dem Arianismus zum Siege zu verhelfen, 
verurtheilten ihn wieder bie Synoben zu Arles und 
Mailand 353, 355; an feine Stelle als Bifchof 
trat Gregor der Kappadocier. Unter Zulian (361) 
durften alle vertriebenen Biſchöfe zurückkehren, 
auch Athanafius (Gregor war in einem Bollsauf- 
ftande ermorbet), der nun mit Sanftmuth die Ein⸗ 
= ber Kirche wieber herzuftellen fuchte; unbeug⸗ 
am aber gegenüber den Zumuthungen Julian, 


mwurbe er zum vierten Male verbannt, bi8 ihn Jovian | t 


(364) zurückrief. Noch einmal mußte er fliehen, 
als Valens mit Gewalt im Drient den Arianis: 
mus durchführen mwollte, allein bie Haltung ber 
alerandrinifchen Gemeinde nöthigte ben Kaiſer, den 
Betehl zurüdzunehmen, und Athanafius durfte bie 
legten Lebensjahre in Frieden zubringen. + 373. 
Seine Schriften > eologifch:apofogetifch-poles 
mifch in bogmatifcher Auseinanderfegung oder ge: 
ſchichtlicher Darlegung, theologifcheregetiih und 
homeletiih. Sein Leben befchrieben von Möhler 
(fath.), und Böhringer, Kirchengeſch. in Biogr. 
Atheismus, Leugnung des Dafeind Gottes, 
wurde im Altertum und in ber ältern chriftlichen 
Kirche aud) im relativen Sinn ald Leugnung der 
Itenden (polytheiftiichen, trinitarifchen, theifti- 
den) ellung von Gott gebraucht, injofern 
man ſich das Dafein Gottes nur unter ik te 
als wirklich denfen konnte. Unberechtigt ift ber 
Bormurf des („Steptifchen”) Atheismus gegen bie: 
jenige philofophifhe Anſchauungsweiſe (4. B. die 
Kant’sche), welche den Beweis für das Dafein Got: 
tes für unmöglich erflärt. Atheismus kann nur 
basjenige philofophijche Syitem genannt werden, 
welches in bejtimmter Weife die Unmöglichkeit bes 
Daſeins Gottes ausfpricht („dogmatiſcher“ Atheis 
mus). Er leugnet die Mirklichleit des Gottes: 
bewußtfeind und erflärt die Gottesidee für ein 
Truabild der Phantaſie. Bon diefem theoretifchen 
Atheismus ift zu unterfcheiden der prattiiche (Pi. 


14, 1), welcher ein eben bedeutet, deſſen Grunbfäge | baru 


bewußt oder unbewußt vom Dafein eines gered: 
ten Gottes abfehen. 

Athen. 2. Makt. 9, 15; Apfta. 17,15; 18,1; 
1. Thefi. 3, 1. Die Hauptftabt Attika's, gehörte 
fpäter zur römischen Provinz Achaja. Paulus be: 
fuchte Athen auf der zweiten Mifftonsreife und 
fand dort den Altar des unbelannten Gottes. 

Athenagoras. Der vieljeitigite und gewandtefte 
der chriſtlichen Apologeten des 2. Jahrh., ſowohl 
Auftin wie Tatian und Theophilus an Bildung, 
Takt und philoſophiſcher Schulung übertreffend. 
Hauptwerk: Hocogeice (gew. Legatio, befjer Sup- 
plieatio überjegt) an M. Aurel und Commodus 
177 gerichtet. Außerdem rührt nod) eine Schrift 
über die Auferftehung von ihm her. Bon feinem 
Leben ift nichts Genaueres befannt. 

Athinganer. Eine Secte des 10. Jahrh., welche 
außer der Bejchneidung das ganze jüdiſche Gejek 
mit ins Chriftentbum herübernahm. 

Athoßd» Berg, äyıov öpos. Monte santo. Ein 
Vorgebirge der macebonijchen Halbinjel Chalcidice, 
auf dem fich ein eigenthümliches Mönchsinſtitut 
findet. Nachdem früher Einfiedler auf dem Berge 
fich niedergelafjen, entjtand um 880 das erfte Klo⸗ 
fter bei Hieriffus. Begünſtigt von den byzantinis 


54 


Audianer 


[chen Raifern, folgten mehrere, fo daß ınan heute 
22 zählt, bavon das jüngfte um 1375 gegründet 
ift. Diefelben bilden unter fi einen Berband, der 
früher durch ein monarchiſches Oberhaupt, ben 
Protos, regiert wurde; Mr durch einen jährlich 
erneuerten Regierungdausfhuß in Karyäs. Beim 
Berfall des griechifchen Reiches und der türfifchen 
Invaſion retteten die Klöfter ihre Exiſtenz, fie 
bildeten eine Art Republif; fie zahlen einen jähr: 
lihen bedeutenden Tribut, die Mittel dazu ver: 
Ihaffen ihnen Handeläunternehmungen. Die Klö- 
fter find entweder ſlaviſch oder griechiſch. Alle 
er find ber heiligen Jungfrau geweiht und 
—— ch fo in deren Verehrung, daß jedes Sta⸗ 
dium ihres Lebens an einem Orte beſonders ge: 
feiert wird. War ber Athos früher ein Sitz fird: 
licher Wiſſenſchaft, fo ift Heute davon nichts geblie⸗ 
ben, als noch eine Reihe von zum Theil werthuollen 
Manufcripten. 

Atrium. S. Kirchhof. 

Atroth. 1) Name einer Stabt in Gab, 4. Mof. 
32, 35, und 2) einer in Juba, 1. Chron. 2, 54. 

Attalus. König von Pergamus, 1. Maff. 
15, 22; entweder Attalus IL, + 138, ober IIL., 
beifen Nachfolger, ift gemeint. 

tto. Bischof von Bercelli, 945-960, hat mehrere 
Schriften hinterlaffen, die von feinem Talent, ſei⸗ 
ner Gelehrfamleit und feinem reinen u. 
Streben zeugen; herauägegeben find fie von Bu- 
ronti del Si 1768. 

Attritio nennen die katholiſchen Dogmatiker 
die (unvollfommene) Reue, welche die Sünde ala 
Urfache der Berdammniß betrachtet und aus Furcht 
vor der Hölle verabjcheut, welche alfo ohne allen 
fittlihen Werth ift, und unterfcheiden fie von ber 
contritio, welche die Sünde ald Beleidigung Got: 
tes aus Liebe zu ihm verabſcheut. Die proteftan- 
tiſchen Dogmatiker nach ihrer Definition von 
Reue (contritio) für die attritio gar feine Stelle. 

Auberlen, K. A. Geb. 1824 zu Fellbach, geſt. 
1864 zu Bajel ala Profefior ber Theologie. Ber: 
faffer der Theofophie F. A. Detinger’3 nad) ihren 
Grundzügen. Der Prophet Daniel und die Offen: 

ng Johannis. Die göttliche DIE, 1861. 
Die bibliſch⸗theoſophiſche Richtung der Bengel: 
Detinger’ihen Schule ſuchte er darin zu erneuern. 

Aubigne, Theod. Agrippa d'. Geb. 1550 bei 
Pons, Vertrauter Heinrichs IV. Verließ ben Hof 
nad) des Königs Tode und veröffentlichte die All: 
gemeine Weltgeichichte. In politifche Unmtriebe ver: 
widelt, floh er nad) Genf, wo er 1630 ftarb. 

Soldat, Staatsmann und Schriftiteller, bat er 
feine Kräfte in allen biefen Beziehungen der refor: 
mirten Kirche mit Erfolg gewidmet. Sein religiöfer 
und fittliher Charakter iſt zwar nicht ohne Sat: 
ten, aber feine energifche, ftramme, feine menjd): 
lihe Rüdficht kennende, unermüdlich fchaffende, 
fernig religiöfe Natur macht ihn zu einer charal: 
teriſtiſchen Geftalt eines caloiniftifchen, fübfrangö- 
ſiſchen Edelmannes. Bon ihm ſtammt der als Ge— 
re — ————— berühmte Merle 

a 


ae ne in ® 

Audianer oder Anthropomorphiten. Aubius 
eiferte im 4. Jahrh. gegen dieGeiftlichen, trat aus der 
Kirche aus und ließ jich zum Bifchof weihen. Nach 
Scythien verbannt, verbreitete er unter den Gothen 
das Chriftentfum. An die Ausdrüde der Schrift 
ſich anſchließend, lehrte er einen Körper und 
menjhenähnliche Geftalt Gottes, 


Audientes 


Audientes, d. h. Hörende. In der alten Kirche 
die Katechumenen, welche nur der Predigt beiwoh⸗ 
nen durften. 

Audientia episcopalis. Die ſchiedsrichter⸗ 
liche Gewalt der in Rechtsſtreitigkeiten 
ber Chriſten. Eine Conſtitution Conſtantins be 

mmt, daß ihr Spruch inappellabel und ſchon 

Eine ei verlangt werben fünne. Später 
wurde jedoch die Uebereinftimmung beider Par: 
teien erfordert, bis das Inſtitut ganz erlofch. 

Auferſtehung. Wie die altheidniſchen Völfer, 
jo lannte aud) das jübifche Bolt urfprünglich Feine 
Auferftehung. Aus dem Grabe, in dem bie Ge: 
beine der Väter verfanmelt find, entfteht in ver: 
ſchwimmender Borjtellung allmählich das Todten⸗ 
reich, der Scheol, der Hades ber Heiden. Dem 
althebräifchen Denten lag die Herrlichkeit des Le: 
bens im Diesſeits. Aber je größer der Ernft ber 
Lage wurde und je weniger die Wirklichkeit dem 
Ideal hebräiſcher Glückſeligkeit entſprach, deſto 
mehr entwickelte ſich der Gedanke an eine zukünf⸗ 
tige meſſianiſche Herrlichkeit auf Grund einer wun⸗ 
berbaren Wiederbelebung ber Tobten, Jeſ. 25 f.; 
Ez. 37. War dies bis dahin eine mehr nationale 

bee, fo wurde fie in dem Maße immer mehr eine 

hre vom einzelnen Berfonleben, je mehr über: 
haupt bas individuelle Leben bei den Juben her: 
vortrat. In ſpäten Büchern, wie Dan. 12,2 ff.; 
2. Maff.7, 14, wird deutlich von einer perfönlicdhen 
Auferftehung geredet. Die Pharifäer bildeten die 
Lehre dogmatiſch aus (gegen die Sabbucäer) und 
führten fie ins Vollsbewußtſein ein (Apftg. 23, 6). 
In ber Lehre Jeſu wird eine —— gezeich⸗ 
nete perſönliche Fortdauer ohne Andeutung einer 
diesſeitigen leiblichen Auferſtehung gelehrt, Matth. 
22, 30; Luc. 28, 43; Matth. 10, 28, mit Bergel: 
tung, £uc. 16, 19 ff.; Matth. 25, 31. Das phari: 


jäifhe Dogma findet ſich mieder bei Paulus 
1. Kor. 15: der Leib vermweft wie bad Samenforn, 


aber aus bem verweſenden entmwicdelt ſich eine neue 
Zeiblichleit (ein „geiftiger Leib"). ulus und 
der Apolalypje —— iſt die Idee der dop⸗ 
pelten Auferſtehung, der erſten bei der Wieder⸗ 
tunft Chriſti, der Auferſtehung ber Gläubigen, 
dann nach Verfluß des tauſendjährigen Reiches, 
der zweiten, in welcher alle Todten ihre Gräber 
verlafien Gerichte (Apof. 20). In ber fpätern 
Sen wurde bie finnliche Auffaffung ber Aufer: 
bung nur noch finnlicher, nur bie Alerandriner 
fuchten eine Bergeiftigung ber Lehre —— ren. 
Die Scholaſtiler erhoben Fragen über Geſtalt 
Stoff, Alter deö wiederbelebten Stoffes. In der 
proteftantifchen Dogmatik wurde die alte Lehre im 
Weſentlichen beibehalten. Schon bei dem Tode des 
Einzelnen tritt ein Gericht ein, es erfolgt ein gei: 
ftiges Fortleben entweder im Himmel ober in der 
Hölle, weldes aber noch nicht abjolut ift. Das 
abjolute Gericht erfolgt beider Wiederfunft Ehrifti, 
wo die Leiber erwedt werden. In neuerer Beit tft 
vielfach die leibliche Auferftehung als Ausprud 
eines höhern Lebensproceſſes betrachtet, und darauf 
befchränft worben, daß die Seele im Fortleben ſich 
ein neues Drgan bilden müfje. Die allgemeine Idee 
der Unfterblichteit der Seele (ſ. d. A.) ift vor ber 
ipeciellen der Auferftehung hervorgetreten. 
Auferfle 
16; Zuc. 24; 


55 


Aufgebot 


ge bef. 1. Kor. 15, 5 ff). Paulus führt als 
eugen bafür auf: die zwölf wer fünfhuns 
dert Brüder, Jalobus und ſich jeldft; er nimmt 
diefe Thatſache als die Grundlage des Chriften: 
thums an (1. Kor. 15, 14). Sie bildet ven Haupt» 
gegenftanb apoftolifcher Predigt (Mpftg. 1, 22; 
3,15; 10,41). Die verjchiedenen Berichte über 
das Thatſächliche gehen theilweiſe jehr weit aus 
einander. Nach Marcus und —— finden die 
Erſcheinungen Jeſu nicht in Jeruſalem, ſondern in 
Galiläa ſtatt, wohin die Jünger verwieſen werden; 
nach Lucas und Johannes erſcheint Jeſus den in 
Jeruſalem verweilenden Jüngern. Auch die Reihen⸗ 
folge der Erſcheinungen wird von den verſchiedenen 
Berichterſtattern verſchieden erzählt. Die Erſchei⸗ 
nungen ſelbſt werben theils fo dargeſtellt, daß Je: 
ſus körperlich vorzuſtelien, theils ſo, daß dies aus⸗ 
drücklich ausgeſchloſſen iſt. Nichtsdeſtoweniger 
kan bie Kirche im Glauben an bie leibliche Aufer: 
tehung feft. an find im vorigen Jahrhundert 
entjtanden. Die Wolfenbüttler Fragmente erklär: 
ten die — ——————— Betrug ber Jünger, die 
den Leichnam aus dem Grabe entwandten, eine 
Ueberfpanntheit, bie bald ihre Wirkung verlor. 
Die —— llten die Hypotheſe vom 
Scheintode Jeſu auf, die kurze Zeit des Leidens 
am Kreuze, die Leere des Grabes waren die unter⸗ 
ſtützenden Gründe. Aber die Frage, wie ſich 
dann das Leben nach ber Wiedererwachung ge: 
ftaltet Habe und ferner wie eine ſolche mit ven Bes 
richten in Einklang zu bringen ift, hat bie Hypotheſe 
jo ierig gemacht, daß fie aufgegeben ift. Strauß 
hat bie „ HRomappothefe“ aufgeftellt, welche jet 
eine weitverbreitete Anficht iſt (beſonders auch 
durch Renan und Schenfel). Darnad) ift das Ereig« 
niß nicht ein Äußeres, fondern ein inneres pſychd⸗ 
logisches. Die Erſcheinungen find Bifionen ; 1. Kor. 
15, 1 ff. ftellt Paulus die —* mit ſeiner 
Chriſtusviſion zuſammen; die Art der erzählten 
Erſcheinung ſtimme mit dem Charafter der Viſio⸗ 
näre überein, wobei auch darauf Werth gelegt 
wurde, daß Frauen die erjten Trägerinnen bes 
Auferftehungsglaubens waren. In neuefter Zeit 
ift noch bie Hypotheſe aufgeftellt, daß ber Aufer- 
ftehungäglaube erft allmählich und zwar in Galiläa 
entitanben jei, daß der Leichnam verſcharrt wor: 
ben, und alle Erzählungen über Begräbniß u. | m. 
freie Ausſchmückung, daß der „dritte Tag“ nad) Sof. 
6, 2 entjtanden fei. Die Frage ift ohne Zweifel eine 
noch lange nicht vollftändig erörterte; auch die bei: 


‚|den legten Hypotheſen bieten offenbar viele Schwie: 


rigteiten. Die Auferftehung Jeſu — die eminente 
Bedeutung eines —— reigniſſes, auf 
dem ſich die chriſtliche Kirche fundamentirt; ſie be⸗ 
eichnet dad Erwachen des chriſtlichen Gemein- 
\aftögeiftes, ben Uebergang der gejammten gei: 
ftigen Perſönlichkeit Jeju in — — Gemeinde. 
Worin nun aber die geſchichtlichen Vorgänge eigent⸗ 
lich beſtanden, welche dieſen Umſchwung hervor: 
riefen, das wird der geſchichtlichen Kritik auch 
—— noch ein Gegenſtand der Unterſuchung 
bleiben. 

—*** Ausrufung, Proclamation, Bannum 
nuptiale. Seit der 4 Lateranſynode 1215 iſt die 
Proclamation eines Brautpaares vor ber verjant: 


hung Jeſu erzählt Matth. 28; Marc. | melten Gemeinde üblih und durd das Triden— 
oh. 20 als eine durch ein Wunder |tinum und bie een Aid rn firirt wor» 
erfolgte leibliche Wiederbelebung Jelu. Dies war den als fir 


olizeiliche Einrichtung zur Verhli⸗ 


ber einftimmige Glaube ber apoftolijchen Zeit tung ungültiger und unerlaubter Chen. Regel ift 


Aufklärung 


breimalige Proclamation an 3 Sonntagen. Dis: 
penfation hiervon ıft zuläffig. Bon wem und wo 
proclamirt werden müffe, beftimmen die Special: 
ejeggebungen. Wenn die Broclamation ſich auf die 
— Seite der Che bezieht, ein actus foren- 
sis ift, jo fann ihre Vermeigerung bei Braut: 
leuten, deren Ehe wohl das Staats-, aber nicht 
das Kirchengeſetz gejtattet, nicht geduldet werden, 
—— =: von den Beiftlichenerzmungen werden. 
o mit der Giviltrauung aud eine Proclamation 
durch die bürgerlichen Behörden eingeführt ift, hat 
das Aufgebot wieder feine urjprünglide Bedeu: 
tung, die einer Aufforderung an die Gemeinde 
zur Fürbitte für die Nupturienten, erhalten. 
Aufklärung. Vorbereitet durch die Wolffiſche 
Philoſophie, bildete ſich Durch ben Einfluß der eng: 
liſchen Deiften und Freidenler gegen die Mitte des 
vorigen Jahrhunderts eine Denkweiſe aus, welche 
auch die Theologie lange beherrichte und mit dem 
Namen der Aufklärung bezeichnet wird. Ihr Prin- 
eip ift, frei von aller Autorität mit eigenen Augen 
zu fehen, bie Beurtheilung der teligiöfen Wahrheit 
liegt bei dem gefunden Menfchenverjtand. Der 
Bater der Aufflärung ift Chrijtian Thomafius, die 
bedeutendften und einflußreichften Werle die Wol: 
fenbüttler Fragmente und Nicolai's Allgemeine 
deutſche Bibliothef. Aus- diefer Denlweiſe ent: 
widelte fich der Rationaliämus (f. d. Art.). 
Augsburg. Den Anfang des Chriſtenthums in 
Augsburg leitet Die Legende von ber heiligen Afra 
ab im 4. Jahrh. Als a a bie Stabt 
in ber Mitte deö 8, Jahrh. In der K.G. ift Augs: 
burg berühmt wegen 3 dort gehaltener Reichätage : 
1530 wurde die Confelfion übergeben, 1547 das 
Interim betannt gemadt, 1555 der Religions: 


Augsburgiſche Gonfeifion, Als Kaifer Karl V. 
ben Reichstag auf den April 1550 nad) Augsburg 
ausſchrieb und dabei verſprach, daß die ftreitigen 
Religionsmeinungen angehört und erwogen, aud) 
ein gütlicher Vergleich über das getroffen werden 
folle, was von beiden Seiten ala nicht recht abzu⸗ 
ihaffen fei, jo Beauftragte Kurfürft Johann von 

dien Luther, Jonas, Bugenhagen und Me- 
landthon, die wichtigſten Glaubensartifel aufzu- 
fegen, um bem Raifer einen Inbegriff der evan- 
geliihen Lehre übergeben zu können. Zu Grunde 
m t wurden * Arbeit die 17 Artikel, welche 

525 für den Convent zu Schwabach entwor: 
fen waren, und die 15 Artikel, welde von Zu: 
ther u. A. zu Marburg 1529 ald Grundlage eines 
Schutzbündniſſes unter den Evangeliſchen aufge: 
jegt und dem Kurfürften in Torgau übergeben 
waren (Torgauifche Artikel). Die Redaction des 
Ganzen übernahm Melandıthon, ber mit Spala— 
tin und den Andern den Hurfürften auf den Reichs: 
begleitete, während 3* in —— zurück⸗ 
blieb. Am 11. Mai hatte Melanchthon die Apo— 
logie (den Titel führte das Bekenntniß) vollendet 
und ſandte fie an Luther, der am 15. feine Zuſtim— 
mung gab. Fortdauernde Verhandlungen mit 
Brüd, den andern Theologen, dem Biſchof Stadion 
von Augsburg und bem kaiſerlichen Gecretär Val: 
bez ließen aber nod immer neue kleine Aende— 
rungen entftehen. Nachdem nun aud) die übrigen 
anwejenden evangelilchen .. das Wert ge: 
prüft hatten, wurde auf einer Berfammlung der 
Evangelifh:Gefinnten die Confeifion von den an: 
wejenden Fürften und den Magiſtraten von Nürn: 


56 


Augsburgifches Interim 


berg und Reutlingen unterſchrieben. —— 
einleitenden Anrede an den Kaiſer wird die it⸗ 
willigkeit ausgeſprochen, dies Glaubensbekenntniß 
deutſch und lateiniſch öffentlich zu übergeben, da⸗ 
mit auch die Andern Gleiches thun und eine Unter: 
redung und Bergleich ftattfinden möge ; im andern 
Falle appellive man an ein allgemeines freies Con: 
cil. Hierauf wird in 21 Artikeln der evangelifche 
Glaube erörtert. Bon Gott. Bon ber Erbfünde. 
Vom Sohne Gottes. Bon der Rechtfertigung. 
Bom Predigt: Amt. Bom neuen Gehorfam. Bon 
der Kirche. Was die Kirche fei. Bon der Taufe. 
Bom heiligen Abendmahl. Bon der Beichte. Bon 
der Buße. Bom Gebraud) ber Sacramente. Bom 
Kirchenregiment. Bon irhenorbnungen. Dom 
meltlihen Regiment. Bon Chrifti Wiederkunft. 
Dom freien Willen. Bon der Urſache der Sünden. 
Bom Glauben und guten Werken. Bom Dienft 
ber Heiligen. Hieran fchließen fih 7 Artikel, in 
denen die Mißbräuche befprochen werben, die abge: 
ftellt worden. Bon beiberlei Geftalt bed Sacra: 
mentd. Bom Eheftande ber Priefter. Bon ber 
Meſſe. Bon der Beichte. Vom Unterfchied ber 
Stände. Bon Kloftergelübden. Bon der Bifchöfe 
Gewalt. In der Reihstagfigung des 25. Zuni im 
Biſchofshofe wurde dann die Confeſſion durch den 
Dr. Baier lateinijch und deutfch mit lauter Stimme 
verlefen und beide Exemplare dem Kaifer über: 
geben. ( Dieſe Eremplare find verloren, aber noch 
in bemjelben Jahre ift von Melanchthon eine Aus: 
gabe in beiden Sprachen beforgt.) Einige Tage 
—— ul die römischen Theologen die 
Confeſſion zur Widerlegung ; und ließen ihre Eon: 
futation, ein ſeichtes Machwerk, am 3. Auguft vers 
lejen. Dem Befehl des Kaifers, die Evangelifchen 
jollten ſich hiermit für widerlegt erfennen und dar: 
nad) richten, konnten fich diejelben natürlich nicht 
unterwerfen. Die Confutation war von Manchen 
während ber Berlefung nen, und Me- 
lanchthon übernahm den Auftrag der evangelifchen 
Stände, dagegen ihr Bekenntniß zu vertheidigen. 
Diefe Apologie der Augsburgiſchen Confeifion er: 
ſchien lateiniſch und deutſch in Wittenberg 1531. 

mwingli hatte dem Kaiſer eine eigene Te 
einer Lehre eingereicht und ine hatten die 
Dig ne de Städte, welche wegen des Artifels 
vom Abendmahl die Confeſſion nicht mit unter: 
fchrieben, durch Bucer, Hedio und Capito die Con- 
fessio tetrapolitana überreichen lafien. 

Die Augsburgifhe Confeſſion ift von großer 
ftaatörechtlicher Bedeutung, durch fie erfchienen Die 
Evangeliſchen als eine berkminte und geſchloſſene 
Religionspartei, die Rechte in Anſpruch nahm und 
mit man verhandeln mußte; ſie iſt die Voraus⸗ 
ſetzung der Religionsfrieden von Augsburg und 
Münſter. Gut gemeint, aber vielleicht Unvorfichtig 
war ed, wenn Melanchthon in der Ausgabe der 
Augustana von 1540 den Art. 10 vom Abend» 
mahl zu Gunften der Reformirten umgejftaltete. 
Es erhob ſich der Streit, ob die Variata oder In- 
variata bie Geltung eines Symboles habe. Die 

tage wird dadurch vermicelter, weil, wo in der 

olgezeit die Eonfelfion angenommen wurde, mei: 
tens die Variata von 1540 vorlaa. In das Con: 
cordienbuch wurde die Invariata aufgenommen. 

Augsburgiſches Interim. Nach dem fiegreichen 
Ausgange des ſchmallaldiſchen Krieges, als Karl V. 
die Hoffnung ſchon hatte fahren laſſen müffen, daß 
dad 1545 eröffnete Concil zu Trient ohne eine 


Augsburger Religiongfrieden 


ſtarle Röthigung von außen einen Weg zum Frie: 
den einjchlagen werde, beſchloß er unter Zuſtim— 
mung der proteftantifchen Stände eine Ordnung 
zu geben, wie mittlerweile die Religionsſache chriſt⸗ 
lich einzuftellen und zu richten ſei. Die Bijchöfe 
Julius Plug von Naumburg und Michael Helding 
(Sibonius) mit dem brandenburgiichen Hofprediger 
Johann Agricola entwarfen dieſe interimiftische 
Ordnung in 26 Artifeln. Im Grunde genommen, 
wurde den Proteftanten nichts nachgegeben, als 
Duldung der Priefterehe und des Abendmahls 
unter beiden Geftalten und bie Beibehaltung ber 
geiftlihen Güter, genug um den Katholifen und 
dem Papſte das Interim verhaßt zu machen. 
Obgleich auf dem Reichstage die Stände das In— 
terim annahnten, & tonnte e3 bei dem Wibermwillen 
des Bolfes, den jeine Prediger nährten, an ben 
meiften Stellen nur mit Waffengewalt eingeführt 
wer Der Unmwille des Bolfes machte fih in 
Spott und Pasquillen Luft, und die Streitigkeiten 
über das — Interim zeigten die tiefgehende 
Erbitterung. Völlig zur Ausführung ift es nie 
gelommen. Der Paffauer Bertrag 1552 machte 
auch diefer Halbheit ein Ende. 

Augöburger Religiondirieden. 1555 auf dem 
von Köni erbinand im Namen Karls V. abge: 
haltenen Reichätag zu Augsburg, als Frucht des 

lüdlichen Feldzugs von Morig von Sachſen, ge: 

Pehloffen. Nach langem Kampfe wurde endlich der 
unbedingte Religionsfriede zugeftanden. Kein 
Stanb des Reiches joll Fe . ber Pe 
halber vergemwaltigen, ftreitige Religion fol nur 
auf friedlichen Wege zur Vergleihung gebracht 
werben. Die eingezogenen Kirchengüter bleiben 
den Proteftanten. Einbegriffen in diefen Frieden 
find nur Katholifen und Augsburgiiche Confeſ— 
fiond:Berwandte. Die von den Proteftanten ver: 
langte Religiondfreiheit der Unterthanen ihren 
Fürften —— wurde nicht gewährt, vielmehr 
nur das Recht der freien Auswanderung zugeitan: 
den. Der mit dem Frieden publicirte geiftliche 
Vorbehalt, gegen den aber bie Proteftanten pro: 
teftirten, beitimmt : Geiftliche, welche von der alten 
Religion abtreten, werden ihrer Stellen und ihres 
Einkommens verluftig ; die dem geiftlichen Fürften: 
thume x. gehörenden Städte, welche fi bisher 
zur Augsburgiſchen Confejfion befannt haben, 
follen dabei unvergewaltigt gelaffen werben. Am 
25. September erfolgte die Promulgation. 

Augufti, Joh. Ehr. Wilh. Geb. 1772 zu Eichen: 
berga, Enkel eines jüdifchen Proſelyten, Docent der 
Philologie und orient. Sprachen in Jena, Profeflor 
der Theologie in Breslau und Bonn, + 1841. 
Ein äußerft fruchtbarer theologiſcher Schriftfteller; 
Hauptwerk: Denkwürdigleiten aus der chriftlichen 
Archäologie, 12 Bde., im Auszug als Handbud 3 
Boe.,und Lehrbuch 1 Bd.,und die Dogmengeſchichte. 
Obgleich in der Behandlung der Bibel nicht immer 
orthodox, leitet ihn bei der Bertheidigung des 
Dogmas und der landeöherrlihen Rechte über Ber: 
fafjung und Liturgie ein kirchlich conjervatives 
Interefie. 

Angufliner. Papft Alerander IV. vereinigte 
1256 verſchiedene Congregationen von Eremiten, 
die fich in Italien gebildet hatten, unter dem Na: 
men der Auguftiner-Eremiten und unter der Regel 
des heiligen Auguftin und gab ihnen das jchwarze 
Kleid mit Kapuze und ledernem Gürtel ala Dr: 
benstracht. 1567 wurde der Orden unter bie 


57 


Auguftinus 


Bettelorden aufgenommen, obgleich er Eigenthum 
und liegende Gründe behalten durfte. Ohne den 
Bettelorden gleichzulommen, dehnte er fich weit 
aus; aber zugleich verfiel die Zucht, und es bildeten 
fi) im Drden wieder eigene Congregationen mit 
einem General:Bicar, die aber jämmtlid dem 
Drdens:General unterworfen blieben, fo die Au: 

uftiner:Barfüßer. Unhiftorifch juchte der Orden 
‚eh Urjprung auf Auguftin zurücdzuführen und 
die aöfetiiche Gemeinfchaft, die derfelbe in Tagafte 
und Hippo um fich ſammelte. Auch die fog. Regel 
des heiligen Auguftin rührt nicht von ihm her; 
nur ihre Grundzüge finden ſich in feinen Reden 
über die Sitten der Geiftlihen und in den Büchern 
an die Nonnen von Hippo. Mit der Reformation 
verfiel der Orden. Luthers Vorgang fand Nach— 
folge, und in ber Kirche wurbe der Orden anrlichig. 
— Dem Drden zur Seite ſteht der Frauenorden 
ber Auguftinerinnen. Seit dem 15. Jahrh. findet 
ſich aud) ein ordo tertius der Auguftiner wie beiden 
Dominicanern. — Verſchieden von den Auguftiner: 
Eremiten find die vegulirten Auguftiner:Chorherren, 
die aber ebenjomwenig ihre Regel auf Augujtin zus 
rüdführen können. 

Auguflinud, Aurelius. Geb. 354 zu Tagafte in 
Numidien, der Sohn eines Heiden Patricius und 
der Ehriftin Monica. Seine Jugend war ein be: 
ftänbiges —— zwiſchen den chriſtlichen Ein⸗ 
flüſſen und den Lockungen des Heidenthums, die 
eine leicht erregbare Sinnlichkeit trafen. Dies und 
fein brennender Wiſſensdurſt führte ihn zu den 
Manichäern, deren Lehre, daf die Materie böje fei 
und burd eine ftrenge Askeſe getödtet werden 
müffe, jeiner unter der Sinnlihleit gebundenen 
religiöfen Stimmung zufagte, während das phan— 
tafiereihe Gewand und die Geheimlehre der Weis: 
heit, die ihm Aufſchluß über die göttlichen Dinge 
verhieß, ihn reiste. Bald enttäufft, riß er fi 
wieder los und ergab ſich als Lehrer der Rhetorik 
zu Rom und Mailand dem Studium ber neu: 
platonifchen Philofophie. Hier —— Ambroſius 
Einfluß auf ihn, der ihm das Verſtändniß der Bi— 
bel erſchloß. In der ee bes Land⸗ 
lebens auf einer Billa bei Mailand bereitete fich 
im Stubium ber Schrift und unter philoſophiſchen 
und religiöjen Unterredungen mit gleidgefinnten 
Freunden der religiöje un Fol in ihm vor, fo 
daß er nad) fchweren innern Kämpfen endlich im 
Jahre 387 zur latholiſchen Kirche zurüdtrat und 
die Taufe empfing, mit ihm fein Freund A ypius 
und fein natürliher Sohn Adeodatus. Nach Ta: 

afte zurüdgefehrt, führte er dort mit feinen 
Freunden ein gemeinfames astetifch : befchauliches 
Leben, welches fortgeführt wurde auch als ihn die 
Gemeinde zu Hippo:-NRegius als Presbyter berief. 
Die Confeſſionen (Selbjtbefenntnifje) geben ein 
Spiegelbild feiner jegigen Betrachtungen über fein 
früheres Leben. Seine bedeutenden und hervor: 
ftechenden Gaben ließen ihn 395 zum Mitbiichof 
des alternden Balerius, dann nad deſſen Tode 
um Biſchof gemählt werben. Aus diefer Periode 
eines Lebens ftammen die philofophiichen Schrif: 
ten: Contra Academicos; De beata vita; 
De ordine; Soliloquia de immortalitate. Seine 
nun folgende bedeutende literariihe Thätig- 
feit war theild eregetiichen, theils dogmatiſchen 
(De doctrina christiana, Enchiridion ad Lau- 
rentium, De fide et symbolo, De catechizan- 
dis rudibus) Inhalts, theils bejonders wandte er 


Auguftinus 58 Auslegung der heiligen Schrift 


ſich gegen das Heidenthum, bie Manichäer, Bela: |ten zwei Theologen diefed Namens auf. 1) Yo: 
gianer und Donatiften. Das Hauptwerk ift De hann Vinarienfis, der treuefte Anhänger Luthers, 
civitate Dei, gegen den Vorwurf gerichtet, daß | der deſſen Iateinifche und jpäter auch Die deutichen 
durch den Abfall von den vaterländifchen Göttern | Schriften herausgab, ſowie auch die Tifchreden. 
und das Eindringen bed Chriftentfums das Reich | Zweimal war er Feldprediger. Als Hofprebiger 
in Verfall geratben fei. Während er im Kampfe |in Weimar ftand er beftänbig auf Seiten ber One» 
mit den Manichäern die fittlihe Selbftbeftim: | fiolutheraner gegen Dfiander und für Flacius, mit 
mung des Menſchen zu vertheidigen hatte, ſchien welhem zufammen er die letzte Cenſur des Con» 
ihm Belagius, der diefelbe gegen eine unbedingte | futationsbuches beforgte. Als die flacianifche Par: 
Gnabenlehre verfechten wollte, die Wahrheit der |tei am Hofe unterlag, verlor auch er feine Stelle 
göttlihen Gnade zu verlegen, und gegen ihn | und wurbe jpäter Prediger zu Erfurt, wo er 1575 
wandte fi Auguftin mit feiner Lehre von dem | ftarb. — 2) Johannes Bratislavienfis, d. h. Joh. 
völligen Berberben des Menſchen und ber unbe: | Goldfhmib aus Breslau. Innig befreundet mit 
dingten Gnadenwahl Gottes; fo daß aud der | Melandhthon, wirkte er zuerft an ber Univerfität 
Glaube auf die ſchlechthin wirkende Gnabe Gottes | Wittenberg, bis er nad) Roftod als Profeffor und 
zurüdgeführt werden millſſe. Hieraus erklärt zo fen wurde, wo er die Medlenburger 
e3 fich, dat Auguftinus der Ausgangspunkt für | Kirchenorbnung verfaßte. Bon bort wurde er nad 
verfhiedene Enlwicklungsreihen geworden tft. | Preußen berufen, um die Oſiandriſchen Streitig- 
Hatte er in fich religiös den Manihäismus über: |Teiten zu ſchlichten, als Präſident des ſamländiſchen 
munben, fo war er, ohne es zu wollen, von dem | Bisthums. Obwohl er den Führer ber Djiandriften 
Einfluß deſſelben nicht völlig frei in der Lehre von | Funk zum Widerruf —— er doch die Ab⸗ 
ber völligen Unfähigkeit des Menſchen gu einigem | neigung der Partei nicht ü inden und fand auch 
Guten („Die Tugenden ber Heiden find glänzende | bei ber Einführung der von ihm verfahten preu- 
Lafter”). Endlich den Donatiften gegenüber hatte ßiſchen Kirchenordnung fo viel Schwierigfeiten, daß 
er die Berechtigung einer Alled umfalfenden Kirche |er nach dem Tode feined Bruberd nah Breslau 
zu begründen. Meil er aber ebenfalls den Grund: | zurüdtehrte, wo er als Prediger an St. Elifabeth 
gedanten, bie Kirche ift das Reich Gottes, nur | 1568 ftarb. — Der Bruber des vorigen, Andreas, 
nad anderer Seite hin gemenbet, fefthält, verleitet | mar Leibarzt des Herzogs Albrecht von Preußen, 
ihn der Gegenfah gran das ſchwärmeriſche Weſen, Schwiegerjohn Dfianderd. Da er den ſchwa 
das unhbeilvolle Wort coge intrare (nöthige fie ea engine bildete er den Rüdhalt 
bereinzulommen) in Bezug auf bie Kirche auszu: | Dfiandriften, zu deren Gunften er feinen Einfluß 
fprehen und damit den weltlihen Bmangsmaß: | vielfach geltend machte. 
regeln fpäterer Zeit ein Vorbild zu geben. Bon| Wusbreitung des Chriſtenthums. S.Chriften» 
Auguſtin entlehnten bie Scholaftifer durch den |thum und die Namen der Länder oder Völfer. 
Lombarben bie Form, Auffaffung und Einthei:] Ausgießung des heiligen Geiles. Ein von 
Iung, bie Reformatoren ben Geift und das Prin: | Joel (3, 1 ff.) in —— geſtelltes, Apſtg. 2 in 
eip ihrer Dogmatik; wie die Mönche ihre Regel | Erfüllung gegangenes igniß auf dem Gebiete 
aus feinen Schriften zogen, hat auch die proteftan: | bes religiös: geifigen Lebens, bas fi in einer 
tifche Myſtik an feinen Confeſſionen ſich genäht. | fittlich «veligiöfen Erhebung des Gemeindelebens 
So ift er der eigentliche Kirchenvater bed Abend: | tundthat. In der Ungeduld diliaftiicher Erwar: 
landes geworden, deſſen Theologie von ihm ben | tungen find aber von jeher Secten entitanden, die 
Ausgang genommen hat. Auguftinus ftarb den [eine erneute Auögießung des heiligen Geiftes, 
28. Auguft 430. Die Gebeine des Heiligen liegen | durch welche die Welt umgeftaltet werben würbe, 
feit 1842 in dem bei Hippo errichteten Denkmal. | entweder ald noch bevorftehend erwarteten, oder 
— Bol. Böhringer, Kirchengeſch. in Biogr, Aug. | als ihnen zu Theil geworden rühmten, 3. B. bie 
Seine Schriften Herausg. zu Paris, 11 Bände, | Montaniften, die Secte des heiligen Geiftes. Aus 
1835 ff. ber neueften Zeit die Irvingianer. ©. Pfingitfeft. 
Anguflinus, der Heilige. Erfter Erzbiihof von] Wuslegung der Heiligen Schrift bat zur Auf: 
Canterbury, der Apojtel der Angelfachjen (ſ. d.W.), | gabe, das von einem bibliihen Schriftfteller Bor: 
wurde ald Abt des Benedictinerklofterd in Ron | getragene in feinem geſchichtlichen Sinne, d. b. jo 
von Gregor d. Gr. zur Miffionsarbeit nad) Eng: | wie es von jenem gemeint ift, aufzufaffen und dar: 
land (596) geſchickt und führte mit dem Chriſten- | zulegen. Auch Eregefe oder Schrifterflärung ge: 
thum auch das römische Kirchenweſen mit Unter: |nannt, letztere häufig noch mit dem Nebenbegriff 
drüdung altbrittiihen Kirche ein. Der Ein: | weiterer Ausführung zu praltiichen Sweden. Die 
fluß der Gemahlin des Königs Aethelbert von Kent, |einzig richtige Methode der Auslegung ift die 
der fränfifchen katholiſchen Prinzeſſin Bertha, frönte | grammatisch:hiftorifche, d. h. die, welche von allen 
Er Thätigkeit in fürzefter Zeit mit dem glänzend: jeigenen Anfichten abjehend, nur auf dem formalen 
en Erfolge. Zum Erzbiſchof von Canterbury (598) | Wege der Grammatik und ber gefhichtlihen For: 
ernannt, ſtarb er 610. jThung den Sinn einer Stelle entwidelt. Dieje 
Aurelion. Römijher Kaifer, 270—275, unter | Auslegung ift erft feit Erneiti (+ 1781) zur grö— 
dem eine allgemeine (die neunte) Ehrijtenverfol: | Beren Geltung gefommen. In der früheren Zeit 
gms ftattgefunden haben joll. Diefelbe wird von | verhinderte die dogmatiſche Befangenheit die Durch: 
jebius und Andern gar nicht erwähnt und nur | führung diefer Methode: eö lag eine von der Bibel 
gefagt, daß in den Gefinnungen des Kaiſers ein | unabhängige dogmatiſche leberzeugung vor, wel 
den Chriften nadıtheiliger Umjchwung eingetreten | aber vermöge der Einheit der Wahrheit nothiwendig 
fei. Vielleicht ift der Irrtum dadurch entjtanden, | mit jener in Uebereinftimmung gebracht werben 
daß man ein Edict des Aurelius in Folge eines | mußte. Died war der Hauptgejichtäpunft der 
Schreibfehlerd dem Aurelian zufchrieb. Eregeje; um ihn durchzuführen, bedurfte es einer 
Aurifaber. In der Reformationsgefchichte tre: | bejondern Methode. Die Alegandriner führten die 





Auslegung der Heiligen Schrift 59 Austritt aus der Kirchengemeinjchaft 


allegorifhe Auslegung, bie in ber aleran: 

driniſch⸗ judiſchen Religionsphilofophie —— 
war, in die chriſtliche Theologie ein. Auch in 

einfachſten ung der Bibel iſt eine tiefere 

ſche Weisheit (Gnoſis) verborgen, wobei 

ich die buchſtäbliche Auffafſung auch noch als 

Wahrheit ftehen bleibt. Drigenes unterſcheidet 


emäß einen breifahen Sinn: den budftäb: | erfcheinen 


lichen, ven moralifchen, ben geiftigen; ber erfte nur, 
wo es einen Gottes würdigen Sinn giebt, der zweite 
moralifche Anwendungen, ber britte dogmatifche 
Wahrheiten —— Durch Auguſtin und 
Gregor d. Gr. fand die myſtiſche A. auch in ber 
latholiſchen Kirche Eingang, jedoch nur ald Mittel 
ser Erbauung. Man unterjhieb: 1) sensus litte- 
ralis, 2) tropologicus (= moralijher Sinn), 
3) allegorieus (Anwendung auf bie Kirche), 4) ana- 
jous (auf das Jenfeitige). Neben diefer allego» 

riſchen Auslegungsweiſe geht aber immer auch eine 
biftorifche Her: bie Antiochener Diodor 

von Tarfus, Theodor von Mopfvefte, Johannes 
Chryſoſtomus, Ephräm der Syrer, Theodoret ver: 
treten gefunde Principien. Im Mittelalter wurde 
das Scriftftubtum überhaupt vernachläſſigt, man 
begnügte fi mit Sammlung des bereits Borhan- 
benen. Dagegen erwachte im 14. und 15. Jahrh. eine 
neue Luft gu philologiichen Studien, was ber 
Bibelausle zu Statten fam. Antnüpfenb an 
die großen Rabbinen des 11. und 12. Jahrh., Rafchi, 
Aben Era, Kimchi, Maimonides, pflegten Männer, 
wie Nikolaus Lyra (+ 1340), Laurentius Balla 
(+ 1457), Reuchlin 6 1622), das Studium der 
i Sprache. Die gleiche Beſchäftigung mit 

der griechiſchen Sprache war Folge der Einwan⸗ 
ng gelehrter Griechen nad) ber Eroberung von 
Eonftantinopel (1453). Unter den gelehrten Er: 
Härern de3 Neuen Teftaments ie vor Allen 
Defiverius Erasmus (+ 1536) genannt werden; 
für Frantreich: Jalob Faber Stapulenfis (+ 1537). 
Die Reformation Fehrte grundfäglich zum Schrift: 
finn wieder zurüd; es gelang ihr aber nicht ganz, 
weil ja auch wieder eine bogmatifche Lehre ent: 
ftand, welche in Webereinftimmung gebracht wer: 
den mußte. Die reformirte Kirche hat fich immer 
mehr an eine nüchterne, hiſtoriſche Auslegung 
gehalten, als die lutherifhe. Calvin und Theo: 
bor Beza find Mufter gewiffenhaft genauer Ere: 
— Gegen ſpätere Verirrungen (Coccejus u. A.) 
ifbeten bie Arminianer ſtets die Vertreter einer 
gefunden Eregeje, vorzüglich Grotius. In ber 
lutheriſchen Kirche ſpricht ſchon Gerhard wieder 
von einem s. spiritualis und Baier von einem 
s. oceultus. Eigenthümlich ift, mie auch Kant 
eine moralifhe Auslegung der Bibel, natürlich 
nicht al3 wirklihen Sinn, fondern als praftifche 
Anwendung für das Volk, verlangte. Seitdem 
man durch dad Erwachen der Kritik (Semler) 
eine objectivere Stellung ber Bibel gegenüber 
—— gelernt hat, ſeitdem Männer wie 
de Wette, Geſenius u. A. ſich mit philologiſchen 
Unterſuchungen an die Bibel gemacht haben, iſt 
auch die hiſtoriſch⸗ grammatiſche Schriftauslegung 
Hide und mehr zur Geltung gelommen. Als erege: 
tifche Werke über die ganze Bibel find bemerlens: 
werth: Bunfen, vollft. Bibelwerk für bie Gemeinde; 
Zange, Theologifch:homiletifches Bibelwerk (praf: 
tiih). Für das Alte Teftament: Kurzgef. erege: 
tiſches Handbuch zum Alten Teftam., Leipz. 1838-62 
(von Higig, Knobel, Hirzel, Thenius, Dlshaufen, 


Bertheau). Für das Neue: de Wette, Kurzgef. 
. Handbuch ; Meyer, das Neue Teftament, grie: 
56 u. ſ. mw. Ueber einzelne Bücher, ſ. dieſe. 

Ausſatz. War in Aegypten einheimiſch und wird 
in ber Bibel oft erwähnt. Es iſt ein Ausſchlag, 
ber zuerſt in Heinen weißen Fleden im Geficht er: 
ſcheint, die um fich frefien; ſchmerzhafte Geſchwlire 
inen, die Sinne werben ftumpf, die Nägel an 
Händen und Füßen fallen ab; und endlich erfolgt 
der Tod an Abzehrung, wenn nicht eine feltene 
glückliche Krife die Krankheit bricht. In einer Per 
tiode ber Krankheit ift die Haut gefpannt und weiß 
> wie Schnee. 3. Mof. 13. Eine andere 

rt des Ausfages ift die Elephantiaſis, der knol⸗ 
lige Ausjag. Knoten und Knollen erſcheinen an 
den Gliedern, daraus entwideln ſich Geſchwüre, 
bie eine übelriechende Jauche ausfondern. Die 
Extremitäten fterben ab, ja trennen fi vom Kör⸗ 
per. Wirft fich die Krankheit auf die Füße, fo 
ſchwellen fie —9* werden prall und hart und be: 
fommen eine jchuppenartige Haut. In Hiobs 
Krankheit meint man die Elephantiafis zu erkennen. 
Der Ausſatz läßt ſich nicht heilen; ob er anſteckend 
fei, ift nicht entſchieden, jedenfalld nur bei ber 
nädjften Berührung. Dem Ausſätzigen verbietet 
das Gefek die Gemeinfhaft mit Andern, er ift 
unrein, muß fich außerhalb der bewohnten Orte 
aufhalten. Die Aufficht über die Ausfägigen füh: 
ven bie Briefter. Wer geheilt ift, bat fich ihnen 
vorzuftellen, und das Geſetz giebt genau bie Kenn⸗ 
zeihen an, nach welchen das Borhandenfein der 
Krankheit beurtheilt werben fol. An eine ärzt: 
liche Behandlung durch die Priefter ift hierbei ent: 
fernt nicht zu denen. Wer vom Ausſatz genefen 
war, wurbe unter bejtimmten Reinigungsfeierlich» 
keiten, 3. Mof. 14, wieder in die Bollsgemeinde 
aufgenommen. Auf Befprengungen und Waſchun⸗ 
gen folgte nad 7 Tagen, bie der Genefende noch 
nicht in feiner Wohnung zubringen durfte, die 
Darbringung verſchiedener Schuld:, Sünd: umd 
Dantopfer (3. Mof. 14). Außer dem Ausfag an 
Menſchen redet das Geſetz noch von Ausfag an 
Kleidern und an —— mas damit gemeint jei, 
ift von Sommer (Bibl. Abhandlungen I, 220 ff.) 
wohl richtig erflärt. E3 wurde aber ähnlich ver- 
fahren; gelang es durch Entfernung ber infieirten 
Stelle, oder burd; Wajchen, das Umſichgreifen des 
Verderbens zu verhüten, jo wurde unter Anwen: 
—— Symbole wie bei der Reinigung 
der Menſchen das Haus wieder für rein erklärt, 
im andern Falle da3 Haus zerftört, dad Kleid 
verbrannt. 

Ausfeguung der Wöhnerinnen. In der fatho: 
fischen Kirche üblich, fi anlehnend an das mos 
ſaiſche Geſetz. Da fich aber darin der Mangel an 
einer richtigen Auffafjung der fittliden Berechti- 
gung der Ehe ausfpricht, fo ift fie meift von ber 
evangelifchen Kirche mit Recht fallen gelaffen. In 
ber lutherifchen Kirche ift der Kirchgang der Wöch⸗ 
nerinnen eine öffentlihe Dankſagung. 

Ausftelung des Sarramentd, in ber katho— 
liſchen Kirche jeit der Einführung des Frohnleid: 
namfeftes ald befondere Kirchenfeierlichkeit zur Er: 
wirkung bejonderer Gnaben üblich, darf nur mit 
biſchöflicher Genehmigung an hohen Feittagen un⸗ 
ter vorgeie tiebener Geremonie und wegen einer 
causa publica et gravis ftattfinden. 

Austritt aus der Kirchengemeinſchaft geihieht 
durch eine ausdrückliche Erflärung oder durch die 


Autbert 


Theilnahme an einer fremblirchlichen Handlung, an | 
ber nur die Glaubendgenoffen Theil zu nehmen be: 
rechtigt find. Bei dem gegenwärtigen Berhältnifje 
des Staates zur Kirche, wonach er von jedem Bürger 
ein beftimmtes Religionäbelenntniß erwartet, er: 
fennt er einen Auätritt aus ber bisherigen Reli: 
ionsgemeinſchaft nur in dem Falle an, daß damit 
er Zutritt zu einer andern anerfannten verbun: 
den iſt. Diejer Grundſatz ift im Preußifchen aud) 
durch die Gerichtshöfe anerkannt, und als nicht im 
Widerſpruch mit ber religiöjen Freiheit ftehend 
erachtet. — ui Rn = Ar OP 

Autbert. Der Freund und Gefährte Ansgars 
auf der erften Miffionäsreife zu den Dänen. Grün: 
der der Schule zu Hadeby (Schleswig). + 829. 

Authenticität der Schrift beſagt, daß das 
biblifche Buch oder die ganze heilige Schrift wirk: 
fi von dem Verfaſſer und aus der Zeit herrühre, 
welche in dem Buche oder in ber Meberfchrift ange: 

eben werden. Die Ergebniffe der fritifchen For: 
—— haben für viele Bücher der heiligen * 
die Behauptung der Authenticität aufgeben laſſen. 
ge unteriäeiken von ber oe gig ift die 

anonicität, d. 5. daß ein Buch von aee und 
mit Recht zum Kanon gezählt worden ſei. 

Autohthonen. Durch Urzeugung — 
Menſchen. S. Abſtammung des Menſchengeſchlechts. 

Auto-dasf6. Spaniſches Wort, welches bedeutet: 
Glaubenshandlung. Die öffentliche, mit kirchlicher 
Feierlichkeit verbundene Verkündigung eines Urs 
theils der Inquifition und die Ausführung deffelben 
durd) die weltliche Obrigkeit. ©. Smauifition. 

Autofephalen (d. i. Selbfthäupter), oder Ale⸗ 
phalen (d. i. Hauptlofe) heißen die Biſchöfe, welche 
eine ee vom Papſte oder einem Patriar⸗ 
den unabhängige Stellung einnehmen; 3. B. früher 
die Erzbiihöfe von Ravenna, Mailand, Aquileja 
ober von Enpern. 

Autoritätöglaube heißt der Glaube, welcher 
nur auf dem Zeugniffe Anderer, ohne eigene 
Ueberzeugung und Erfahrung beruht, wie ihn die fa: 
ang irche fordert. Die evangelische Kirche kann 
ihn nur im Widerfpruch mit fich felbit verlangen. 

Auxentius. Arianer, trat als Biſchof von Mai: 
land an die Stelle des orthoboren Dionyfius. Be: 
bauptete bei der Gunft des Kaifers feinen Sig 
auch dann, ald in Rom 369 der Arianiämus ver: 
dammt worden war. + 374. Einen anderen Auxen⸗ 
tius verfuchte vergebens Juftina, die Wittwe Ba: 
lentinians, als Arianer an die Stelle bes Ambro: 
fius zu jegen. 

Ave Maria. S. Angelus Domini. 

ven. Amos 1,5, in Syrien, nad) Hitzig das 
ſyr. Heliopolis, : 


60 





Baader 


Averrods, Arabiiher Philoſoph, + 1206, Durch 
feine Gommentare zum Nriftoteles von ungemeis- 
nem Einfluß auf die riftlihe Scholaftil, Seine 
eigenthlimlihen Meinungen wurden aud von 
einer eigenen Secte der Averroiften fortgepflanzt. 
R Avicenna. Arabifcher Philofoph und Arzt, 

1036, 


Avignon. Stadt und Graffchaft in der Pro: 
vence, fam durch Kauf an den päpftlihen Stuhl, 
war von 1305—1377 die Nefidenz det Päpſte in 
Folge der Streitigkeiten mit Franlreich (babylos 
nifhe Gefangenschaft); ſpäter nod der Sitz der 
Gegenpäpfte während bes Schismas. 1791 ward 
Avignon mit Frankreich — 

Avbisorden. Ein geiſtlicher Ritterorden in Bor: 
tugal, von Alfons J. gegen die Mauren gegründet, 
erhielt feine geiftlihe Drganifation von Inno— 
cenz III. 1204 beftätigt, hieß früher „Brüder der 
heiligen Maria von Evora“. Der Orden ift feit 
1789 ir einen militärijchen Orden ohne Gelübbe 
umgewandelt. 

vith. 1. Mof. 36, 35; vgl. 1. Chr. 1, 46: 
My · ein Dri in Ebom. 

vituß, + 523. Bifhof von PVienne, gewann 
den Burgunder-König Sigiömund für den Fatho: 
liſchen Glauben. Mit feiner Belämpfung des Aria» 
nismus hängt zufammen, baß er in feinen Schriften 
die Prärogative des Papſtes jehr betont. 

Aova. 2. Kön. 18, 34; Jeſ. 37,13; eine wahr: 
| einlich jyrifche oder meſopotamiſche Stabt, welche 

Aſſyrer zu Hiskia's Zeit unterjochten und deren 
on Salmanafjar nah Samarien fanbte. 

Avbim. of. 18, 23; fonft unbelannte Stabt 
in Benjamin. 

“on 


. Die Ureinwohner der Gegend von 
Gaza, welche die Philifter bis auf einen Heinen 
Reit, Jof. 13, 8, vertilgten. 

Azazel, Hazazel, Aſaſel (3. Mof. 16, 8 fi.). Der 
eine Bod am Berföhnungdtag wird „zu Azazel“ 
gejagt. Wird verſchieden erklärt; theils als Ort 
wohin der Bod gejagt wird, theild ald Name des 
Bodes, jo daß der Ausdruck bezeichnete einen „zum 
Azazel beitimmten Bock“, theil3 ala liturgiſche 

ormel „zur Sinwestbeteng” (Winer), theils ala 

ämon (Emald u. A.). Die legte Erklärung ift 
richtig. 

Azem trat der Stamm Juba an den Stamm 
Simeon ab. Sof. 15, 29; 19, 3. 

Amon (LXX Zeiuwve). Stabt an ber füblichen 
Grenze Baläftina’s. 4. Mof. 34, 4; Jof. 15, 4. 

Ayymiten nannten bie Griechen die Abend» 
länder vom Gebrauch bed ungefäuerten Brobes, 
ben fie ihnen als Ketzerei vorhalten jeit Michael 
Gerularius 1051. 


B. 


Baader, Franz von. Berühmter theoſophiſcher 
Denter. Geb. zu Münden den 27. März 1765, ſtu— 
dirte er zuerſt Medicin, ging dann zum Stubiumder 
Raturwiſſenſchaften und zum Bergwejen über, dem 
jein Aufenthalt in Freiburg diente. Nachdem er 
die Jahre 1792—96 in England zugebracht hatte, 
wurde er 1797 furfürftliher Münz: und Bergrath, 
1807 Oberft:Bergrath in München, alö welcher er 
1820 mit vollem Gehalte zur Ruhe gejegt wurbe. 


1822, welche durch 


Eine Berufung nad) —— 
onarchen gerichtete 


eine 1814 an die drei alliirten 


Denkſchrift, in der die Nothwendigkeit einer engern 
Verbindung von Religion und 
war, veranlaßt wurde, fcheiterte an einem 

1826 begann er an ber Univerfität München 
Vhilofophie zu lefen, wurde aber 1838 wegen anti« 
hierarchifcher Aeuferungen vom Katheder entfernt. 
Am 25. März 1841 farb er, im Alter von 75 


olitif dargeſtelli 
ufall. 


über 


Baal 


Jahren. — Baader Philojophie ift eine myſtiſch⸗ 
theoſophiſche Natur: und Neligionsphilofophie. Er 
will weder auf jpeculativem noch auf rein empiri: 
fhem Wege zur Wahrheit gelangen, ſondern durch 
ein unmittelbares geniales Erfaffen der Dinge, 
welches nur möglich ift durch ein eigenthümliches 
Denken durch und in Gott. Der Menidpift an und 
für ſich nicht fähig die Wahrheit zu erfennen, er 
bedarf erft einer göttlichen Erleuchtung, um in das 
Innere des Seins einzudringen, aber dann erfennt 
er auch das Wejen der Dinge voll und ganz. Baa— 
der ſteht darin in beitimmtem Gegenjag gegen 
Kant, gegenden er 1809eine Schrift fchrieb: „Ueber 
Kants Deduction der praftifchen Vernunft und die 
abjolute Blindheit der letzteren.“ Materiell ift 
feine Bhilofophie eine jchlechthin theojophiiche, d. h. 
er denkt ſich Alles nur in ungertrennbarem Zufam: 
menhang mit Gott; feine Piychologie, feine Onto: 
logie, feine Ethik find daher im Grunde immer 
mieder Theologie. In Gott jelbft erfennt er innere 
Unterjchiede, aus deren a die Welt her: 
vorgeht ; in der Melt ſelbſt ift alle relative Boll: 
fommenheit bedingt durch die Beziehung zu Gott 
and dem mehr oder weniger — der 
göttlichen Idee und der Materie. Sämmtliche 
Werfe Baaders find herausg. von Franz Hoff: 
mann, 16 Boe., Leipzig, 1851— 1860. Bal. Hoff: 
mann: Borhalle zur jpeculativen Lehre Franz 
Baaders, 1836. ae Des Gardinalpunlte der 
Baaderſchen Philofophie 1355. 

Baal, babyi. Bel, d.h. Herr. DerName der Gott: 
heit, welche faſt von allen-femitifchen Bölterjtäm: 
men, bejonderd von den Phöniziern, Karthagern 
und Babyloniern verehrt wurde und deren Eultus 
auch die Juden jo oft fich hingaben. Richter 2, 11; 
3,7; 6,25. 1.Rön. 16,23; 2. Kön. 3,2; 10, 21ff.; 
17, 16 ff.; 21, 3; Ser. 2, 8; 7, 9; 32,29 u. õ Zu 
verjtehen ift die Sonne als das Princip alles phy: 
fiihen und animalifchen Lebens, daher tritt ihm zur 
Seite jo häufig die Aſchera, die fruchttragende 
Raturtraft. Als der oberfte Gott oder einzige 
Himmelsgott wird Baal von den Alten Zeus oder 
Jupiter überſetzt, als Sonnengott Herafles. Schon 
beim äfteften Dienfte Baals geihah das Menſchen— 
opfer (Jer. 19, 5), welches wohl jpäter durch Selbft: 
verftümmlung erjegt wurde (1. Kön. 18, 28). Die 
Kanaaniter nannten den fo verehrten Baal Moloch 
(König), oder Baal-Molod, Jer. 32, 35; Mich. 6,7. 
Die Stätten der Anbetung find Höhen und Altäre; 
Säulen (1. Kön. 14, 23; 2. Kön.3,2; 10,26 u. 6) 
find al3 Dentfteine errichtet; jpäter erft in Chal: 
däa finden fih Bildſäulen Baald. Der Strah: 
lenkranz derjelben weiſt auf die Sonne, die Stier: 
börner jind Symbol der ſtarken zeugenden Kraft, 
wiedem Baal Stiere geheiligt waren oder er unter 
dem Stierbild verehrt wurde. Als der Eultus ſich 
ausbildete, erbaute man aud dem Baal prächtige 
Tempel und richtete eine zahlreiche Prieſterſchaft 
ein; in dieſer Geftalt brachte Iſebel den Baals- 
Cultus nad Iſrael (1. Kön. 18). De nad den 
Functionen oder Thätigfeiten, die in ihm angejchaut 
wurden, führt Baal verfchiedene Beinamen, ähnlich 
wie Zeus bei den Griechen: 1) Baal:Berith als der 
Bundeögott, der Wächter über dem Bünbdnifje der 
Phönizier, Richt. 8,33; 9,4. 2) Baal-Sebubzu Efron 
2.Rön.1,2.8. 16, Fliegengott, Zeig anouvıog, der 
bie Fliegen und Mücden, die ſchlimmſte Yandplage, 
abmehrende Bott. 3) Baal:PBeor, entweder von dem 
Berge Beor, dem Sig des Dienftes, oder von dem 


61 


Babel 


unzüchtigen Cultus durch en junger Mäd⸗ 
ar — IR Wovers, Phönizier; Creuzer, Sym⸗ 
olit 11. 

Baal. Auf der Grenze Simeons, 1. Chr. 4, 33. 

Baala, ©. Kirjath-Jearim. 

Baalath in Dan, of. 19, 44, wurbe von Sa: 
lomo befeitigt, 1. Kön. 9, 18. 

Baalath: Beer, 1. Chr.4,33, Stadt im Süden 
des Stammes Simeon, Joj. 19, 8. 

Baal-Gad. Joſ. 11, 17; 12, 7; 18, 5; als der 
äußerfte Punkt des Nordens genannt, wohin Joſua 
gedrungen, am Fuß des Hermon im Thal des Li— 
banon; irrig hielt man es für Heliopolis in Sy: 
rien, das jegige Balbef. B. de Velde findet es in 
Kalat:Boitra, 1/s Stunden nördlich von Banjas. 

Baal⸗Hamon. Hohel. 8,11, mo Salomon einen: 
Weinberg hatte; d. LXX haben Beelamon, mas auf 
Belamon Judith 8, 8 hinwies. 

Baal: Hazor. Landgut Abſaloms, 2. Sam. 
13, 23, vielleicht daffelbe mit Hazor Neh. 11, 33 
im Stamm Benjamin an ber Gränze Ephraims. 

BaalsHermon, dafjelbe wie Baal:Gad, Richt. 
8,3; vgl. Joſ. 13, 6. 

Baalis. Jer. 40, 14; König der Ammoniter, 
ließ den jüd. Statthalter Gedalja ermorden. 

Baal⸗Meon. 4. Mof. 32,38; 50.13, 17, Stadt 
im Stamme Ruben, fiel jpäter wieder in die Hände 
der Moabiter, 9 römische Meilen von Hesbon. 

Baal-Perazim. In Juda 2.Sam. 5,20; 1. Chr. 
14, 11; bier ſchlug David die Philifter. 

Baal-Salifa,wohlgleihBeth:Salifa, 15 Millten 
nördlid von Lydda, 2. Kön. 4, 42, im Gebiet 
Salija, 1. Sam. 9, 4. 

Baal⸗Thamar. Ort eines Kampfes ber Jirae: 
liten gegen Benjamin, Richt. 20, 33. 

Baal:Zcphon. 2.Mof. 14, 2.9; 4. Mof. 33, 7; 
Stadt in Argypten, fonft nicht erwähnt, lag hart 
am Rothen Meere, in der ®egend des heutigen Suez. 

Baanes. ©. Paulicianer. 

Bab. Ein perſiſcher Reformatordes Islam, wel: 
her eine eigenthümliche Bereinigung von Islam, 
Chriſtenthum und dem alten Barfismus anitrebte. 
1843 trat er auf, ausgezeichnet Durch Rednertalent 
und feurige Hingabe an jeine Sadye, ın Berbindung 
mit 18 Apofteln. Durch feine Schüler wurden in 
die religiöfen Beftrebungen auch politifche gemengt, 
mas die Verfolgung Babs herbeiführte, Sein groß: 
artiger Märtyrertod 1852 ift bereitö Gegenitand 
des Mythus geworden. Die religiöfe Gährung des 
Babismus dauert noch fort. Bgl. Gobineau, Les 
religions et les philosophies dans l’Asie centrale, 
Paris, 1866. 

Babel. Babylon. Die alte berühmte Hauptftadt 
des babylonischen Weltreichs am Euphrat, deren 
Urſprung die Bibell.Mof. 11 in die Urzeit zurüd- 
führt, und von wo aus Nimrod fein Neid aus: 
dehnte (1. Moſ. 10, 10). Zur Zeit der hödjiten 
Blüthe hatte Babel einen Umfang von 12 Meilen, 
war mit einer 200 Ellen breiten und 50 Ellen ho- 
ben Mauer umgeben und außerdem durd) einen 
breiten Graben geſchützt. Ueber den Euphrat, der 
die Stadt durchfloß und eigentlich in zıwei Städte 
theilte, führte eine ftehende Brüde. Bon den be: 
rühmten Baumerfen, die erwähnt werden, dem Ve: 
lustempel, dem Balaft des Nebufadnezar mit dein 
hängenden Gärten, der alten Königsburg findet jid) 
noch ein Eolofjaler Trümmerhaufen des Birs Nim: 
rud, nad} der Tradition der arabiſchen Stämme ber 
Thurm von1. Moſ. 11, in dem aber neuere Unter- 


Baboeuf 


—— die Ruinen bes Belustempels erkannt 
haben. Beftand diefer aus 8 verjüngten Stodwer: 
ten, bie fich auf quabratifchem Unterbau erhoben, 
jo ift aber die Hälfte des Baus eingeftürzt und hat 
mit ihrem Schutt dad Andere bebedt. Der mit 
Asphalt bereitete Badjtein trogt der Bermitte: 
rung, und man hat begonnen, bie he zu 
entziffern, aus denen hervorgeht, dab Nebuladne⸗ 
zar den Bau wenigitend renovirt hat. In dem 
oberften Stockwerk ſtand ein goldener Altar und 
ein Ruhebett für den Gott, in dem unterjten die gol: 
bene Bildfäule figend auf goldenem Siuhle vor 
dem Altar. Der Reichthum der Stadt, als Haupt: 
ftadt des großen Reiches und Mittelpunkt bes 
Handels, beförderte die Entwidelung der Bildung 
mit aller Kunftfertigfeit und Wifjenichaft, rief aber 
auch einen übermüthigen Luxus und eine Sitten: 
verberbniß hervor, von welcher die Propheten (Jeſ. 
14, 11; 47, 1; Ser. 51,39; Dan. 5, 1) wie bie 
Brofanfchriftfteller die ärgſten Schilderungen ma⸗ 
chen. Cyrus eroberte die Stadt 538 v. Chr. (Jeſ. 21; 
Jer. 50; Dan. 5), jpäter ließ Darius, ber nad) einem 
Aufftandsverfuche fie noch einmalerobert hatte, die 
Mauer ſtark abtragen und bie Einwohner zum Theil 
mwegführen. Terxes plünberte ben Tempel. Alexan⸗ 
ders Vorhaben, die alte Größe derfelben wieder 
berzuftellen, vereitelte fein Tod. Die Trümmer der 
Stadt gaben das Material ber zum Bau von 
Seleucia und Ktefiphon. So find die Weifjagungen 
der Propheten über Babel längft erfüllt, die ganze 
Gegend ift wüfte und öde, obgleich noch in den erften 
Sahrhunderten nad) Chr. Babylon beitand und be: 
rühmt war. 


Baboenf, Prediger des Communismuß in Frant: 


reich, 1797 hingerichtet. 

Babylad, Biſchof von Antiodhien, Märtyrer 
unter Decius, deſſen Geſchichte die Sage auge: 
mr bat. Chryjoftomus widmet ihm eine 

milie. 

Babylon in Aegypten am Nil, im ©. von He: 
liopolis, ift eine Colonie von Babylonien. Ohne 
Grund, nur nad Trabition der koptiſchen Chriften, 
bezieht man auf diefen Ort 1. Pet. 5, 13. 

Babylonien. Im A. T. Sinear, ift die Ebene 
zwiſchen a und Tigris, in welcher bie 
Hauptjtabt Babel lag, im Norden begränzt von 
Mefopotamien und Afiyrien, im Süden vom 

iſchen Meerbufen, im Dften vom Tigris, im 
Weſten von Arabien. Die ungemeine Fruchtbarkeit 
bes Bodens war bedingt durd die Ueberſchwem— 
mungen bed Euphrat, die gewaltige und kunftreiche 
Bauten hervorgerufen hatten, jo daß ein förm— 
liches Kanalſyſtem das Land durchzog. Das Volt 
der Chaldäer (f. d. A.) gehört zum ſemitiſchen 
Stamme, die Sprache zum aramäiſchen Dialelte. 
Die Keilinfchriften auf den Dentmalen geben über 
die Geſchichte des Volls und feine Sitten Aufſchluß 
und lafjen erkennen, eine wiehohe Stufe der Bildung 
es erlangt hatte (0j. 7,21; er. 50,16; E. 17,4). 
Belannt find die aftronomijchen Kenntniffe der 
Chaldäer, die den Thierfreis, ſowie die Eintheilung 
in Moden fanden, die Mittagähöhe und Mondfin: 
fterniffe berechneten. Die Religion war Naturdienft, 
ber Eultus des Bel und der Mpylitta, der allmähli 
fi zu einem Geftirndienft entwidelte. Das a 
loniſche Reich nennt die Schrift ſtets Babel (Bi. 
137, 1), oder Land der Chaldäer (Fer. 24, 5; &. 
12, 13). Deſſen Gefchichte |. unter A. Chaldäer. 

Babyloniihe Gefangenihaft. Wie bas Zehn: 


62 


ih | dem Papfte zu gehorden, und 


Paccanariften 


ftämmereich durch die Affgrer zerftört und die 
Einwohner weggeführt waren, fo ereille da’jeibe 
Geſchick das Reich Juba unter Jojadıin 597 v. 
Chr. Nebulabnezar ließ 10,000 Mann, ben Kern 
des Boltes, hinwegführen (2. Kön. 24,25; Jer.52), 
und als unter dem von dem Sieger eingejegten 
Bebelia (596—586) ſich ein Aufftand erhub, wurde 
nad) ber vollen Zerftörung Jerufaleıns wieder eine 
Anzahl deportirt, denen noch einmal der legte Reſt 
der im Lande Zurüdgebliebenen folgen mußte, jo 
daß nur Pöbel und ungefährliches Volt in Iſtael 
verblieb (586). Bon diejen Deportirten waren nur 
einzelne eingeferfert und mißhandelt (ei. 42; 43; 
51; 52, und die oben angeführten Stellen), vielmehr 
waren fie al3 Coloniften in Babylon verteilt, mit 
der freien Bewegung in Handel und Wandel, aud) 
ohne Beläftigung ihrer Neligionsübung. Wo ihrer 
Biele zufammenwohnten, hielten fie ihren Gottes: 
dienft und ihre Berfammlungen zum Leſen der 
Schrift und zum Gebet. Die ununterbrochene Arbeit 
der Propheten (vgl. den fog. zweiten Jeſaia 40—66, 
Ezechiel) und Priefter hielt unter vielen Berbannten 
den Glauben des Ya es aufrecht, derjelbe 
ward fogar während des Exils fefter und reiner. 
ALS Cyrus die Erlaubniß der Rücklehr gab (558), 
machten von berfelben nur Diejenigen Gebrauch, 
welche in fefter Anhänglichleit an ihre Religion 
und ihr VBolfden Muth fanden, alle neugewonnenen 
Verhältniffe wieder preiszugeben; während Alle, 
denen es an fold lebendiger religiöfer Ueberzeu⸗ 
ung fehlte, zurüdblieben (536). So ift die legte 
Öefangenfgjaft bie große Sichtungäzeit Jiraels, 
aus der eö mit einem feiten und unerigüitterliden 
Monotheismus —— 
Die Dauer der Geſangenſchaft war nur als 
runde Zahl auf 70 Jahre angegeben; je nad) dem 
Anfang der Berechnung erhellen 50—60 Jahre. 
— Babyloniſche Gefangenſchaft der Päpſte. S. 
vignon. 
actalaureus, vielleicht von Bacca Laurea — 
Lorbeer abzuleiten, bezeichnet unter ben alabe: 
mifhen Würden den niedrigften Grad. Baccalau⸗ 
reus, Licentiat, Doctor ift die Stufenreihe ber 
theologiſchen Würden, von weldyen aber das Bacca⸗ 
laureat in Deutſchland verſchwunden ift. 
Baccanariften. Nach ver Aufhebung des Jeſuiten⸗ 
orben3(1773)wurden verjchiedene Verſuche gemacht, 
denfelben unter anderen Formen wieder aufleben zu 
laffen. Mit Erfolg griff diefen Gedanlen auf Nik. 
Baccanari, der Sohn armer Eltern aus der Gegend 
von Trient. Anfänglich Handelömann, dann Ser: 
geant bei der Bejagung der Engeläburg, dann wie: 
der Kaufmann, aber durch den Betrug feines Affo- 
cie’3 in ſehr bebrängte Lage gebracht, traf er in 
Rom den Jefuiten Caravita, der aus verſchiedenen 
Ständen eine Bruderſchaft gebildet hatte, die den 
Orden Jeſu wieberherftellen wollte. 8. ftellte ſich 
an deren Spike, bezog mit 12 Gefährten ein Land» 
haus bei Spoleto, das nad) den Regeln des ejuis 
tenordendeingerichtet wurde, worauf er von Pius VI. 
die Genehmigung und manche Privilegien erhielt; 
1799 wurde aber B. mit mehreren Gefährten ein: 
jperrt. Freigelafjen, legten fie das Gelübde ab, nur 
gin en nad) Obers 
Stalien. B. aber überlam den rag, in Wien 
bie Klerifer vom Herzen Jeſu mit feiner Gejell- 
ſchaft zu vereinigen, was aud gelang. Mehrere 
Collegien und Benfionate, die ererrichtete, wurden 
auf Befehl der franzöfiihen Regierung aufgelöft. 


Bacchides 


Mit der Erneuerung des Jeſuitenordens (1814) 
hörte die Vereinigung auf. 

Bacchides. Statthalter und Feldherr des De: 
metrius von Syrien (1. Mall. 7, 8), in den frie: 
nen mit Judas Makkabäus, überließ dem Hohe: 
—* Altimus (161) zu feinem Schutze zuerſt ein 

iſches Heer (1. Makk. 7,20), kehrte nach Nikanors 

iederlage (1. Malk. 7, 26 ff.) zurück und ſchlug 
Sudas 160 bei Laiſa (1. Makt.9,5-18), wobei Letz⸗ 
terer fiel, befeftigte Jeruſalem, hielt nad) des Al: 
fimus Tode (159 v. Chr.) mit Jonathan Frieden, 
belagerte ihn aber, als der Krieg wieder entbrannte, 
eblich in Bethbafi (1. Mait.9, 62 ff.), worauf 

er ee mit ihmvertrug. Bol. Holgmann, 

ch. Sfr. II, ©. 114—116. 

ad. In der Bibel nicht nur die eigentlichen 
aus Quellen entjpringenden, immer fließenden 
Bäche wie der Arnon und Kifon, fondern auch die 
Gemwäfler, welche in der Regenzeit die Schluchten 
ber Gebirge ausfüllen (Hiob 6, 15), dann auch die 
Schlucht oder das Gebirgäthal ſelbſt (Wadi). Ge: 
nannt werben im Dftjorbanland: der Yabof, jegt 
abi Serfa 1. Moj. 23, 22. Der Crith, wahr: 
ſcheinlich Wadi Adjlau. Das Bad-Thal Sittum 
4.Mof. 25, 1. Der Arnon, jegt Mudſcheb 4. Mof. 
21,13. Der Sered 5.Mof.2,13, und ber Weiden: 
bach, jet Wabi el Ahſa. Diesjeit des Jorbans der 
Bad) Aegyptens oder Sihor , wahrjcheinlich der Re: 
ch bei Rhinocolura 4. Mof. 34,5; Joſ. 15,4. 

47. Bach Befor im gr Gerar fließt ind Mittel: 
meer 1. Moj. 26, 17. Bad) Eskol ins Todte Meer 
4.Mof.13, 23; 5.M. 1,24; Soref ind Mittelmeer 
zwiſchen Aslalon und Gaza Richt. 16, 4. Kidron, 
r hen Jerufalem und dem Delberg, fließt ins 

dte Meer 2. Chr. 15, 16; 29, 16; Joh. 18, 1. 
Der Rohrbach Jof. 16, 8. Kifon Richt. 5, 21. 

Bad, Johann Sebaftian, geb. 21. März 1685 
in Eiſenach, 1723 Mufikdirector an ber Thomas: 
ſchule in Zeipgig, + 1750, einer der größten Com- 
poniften für kirchliche Mufif. Ein Meijter auf der 
Drgel, hat er einen bemunderungswürbigen Ge: 
dantenreihthum auf dieſe übertragen. Eine Menge 
Motetten und Cantaten für fonntäglihe Kirchen: 
mufit von Bach find Eigenthum der Kirche ge: 
worden. Sein herrlichites Werk ift die Paſſion 
nach Matthäus. 

Baden. Das Baden ift in ben älteften Zeiten 
nur das Gejchäft der Frauen, erjt fpäter unter 
Hoſea erjcheint es als ftehendes Gewerbe der Nän- 
ner Hoſ. 7,4. 6; da gab es eine Bäderftraße in 

alem, Ser. 37, 21, wie ſchon am ägyptiichen 
Hofe ein Bäder genannt wird 1. M. 40, 1. Das 
gewöhnliche Mehl war Weizen- oder Gerftenmehl, 
der Teig wurde in hölgernen Trögen oder Schüj: 
feln angemengt und in der Regel gejäuert. Meiſt 
but man das Brod in dünnen, runden Kuchen, die 
—58 geſchnitten wurden, und bereitete den 
darf täglich, obwohl die Schaubrode zeigen, daß 
man auch Brod hatte, was nad) 8 Tagen nod) ge: 
niehbar war. Die ältejte und Sn Form des 
Badens war in heißer Ajche oder in Sand, 1.Mof. 
18, 6; 1. Kön. 17, 13; oder man erhigte in einer 
Grube Steine, auf die man den Teig legte, oder 
bediente fich endlich der Defen, d. h. ca. 3° hoher 
ge, die man duch Feuer von innen erhigte, 
worauf der bünn gerollte Teigvon innen oder außen 
angellebt und ber Krug oben verfcploffen wurde. 
Auch fannte man, 8. Moj. 2, 5; 6, 14, eiferne 
Piannen. 


63 


Baden 


Baron, Roger. Geb. 1214, geft. 1294. Doctor 
mirabilis, Nachdem er in Orford und Paris ftus 
dirt, trat er 1240 in den Frranciscaner » Orden. 
Ausgezeichnet durch) jeine vieljeitigen Kenntniffe in 
der lateinijchen, griechifchen, hebrätfchen, arabiichen 
Sprache und in den mathematijen, phyfilaliihen 
und aſtronomiſchen Wiſſenſchaften, die ihn durch 
manche Entdedung feinem Jahrhundert vorgreifen 
ließen, drang er aufeineallgemeine und vielfeitigere 
Geiftesbildung. Scharf tadelte er das Mechanſſche 
der damaligen Scholaftil mit ihren leeren Spitzfin⸗ 
digfeiten und griff fie auf das entjchiedenfte an, 
indem er da3Sich-Stügen aufdieNutorität verwarf, 
daher auch die Laien zum fleißigen Bibellefen und 
zwar in der Urſprache aufforberte. Sein Tadel gab 
Anlaß zu der verbejjerten Ausgabe der Bulgata 
dur Hugo a. ©. Caro. Da er durd feine Kriti— 
fen bei den Ordensobern Anjtoß erregte, gerieth er 
10 Jahre in ftrenge Haft, aus der er erjt nad) dem 
Tode Nifolaus IV. befreit wurde. Die Reforma- 
tion hat viele Gedanken Bacons verwirklicht. Er 
ſchrieb: Fratris Roegri Bacon Ordinis minorum 
opus majus ad Clem. IV. Lond. 1738. 

Baden. Als religiöje a bei Berunreiniguns 

en mehrfach geboten, 3. Moſ. 14,8; 15, 5; 17,16; 
22,6; 4. Moj. 19, 19, aud) jonft im Morgenland un: 
entbehrlich. Man badete wo möglich in fließendem 
Waffer, die Häufer der Bornehmen enthielten aber 
in ber Regel ein Bad, 2. Sam. 11, 2; Suf. 15, und 
in jpätern Zeiten gab es auch öffentliche Bäder. 
Warme Duellen werben erwähnt 1. Mof. 36, 24. 

Baden. Nachdem die wenigen Spuren des durch 
die Römer an den Rhein gebrachten Chriſtenthums 
durch die Alemannen wieder ausgetilzt waren, 
ſind es hauptſächlich brittiiche Miffionäre, deren 
Zeben fagenhaft umhült ift, wie Fridolin, der 
Grünber des Klofters Sädingen, Columban und 
Gallus am Bodenfee, Trutbert in der Gegend von 
Freiburg, welche die erfte fpärliche Ausjaat unter 
die Alemannen ausjtreuten. Erjt die Unterwerfung 
der Alemannen durch die Franken bradite im 6. 
und 7. Jahrh. allmählich eine Chriftianifirung des 
Volles im Großen zu Stande. Die Biſchofsſitze 
Straßburg und Gonjtanz greifen ſchon bis in dieje 
Zeit zurüd. Da das jegige Baden erſt allmählich 
durch Zufammenjegung der verſchiedenſten Länder: 
theile, der Markgrafihaft Baden, der Pfalz, öfter: 
reichiſcherGebiete, der GrafſchaftFürſtenberg, einiger 
Bisthümer u. ſ. w. entſtanden iſt, fo iſt tie Ge: 
ſchichte der ſpäteren Zeit eine ſehr verſchiedene in 
den verſchiedenen Gebieten. Die Univerfität Hei⸗ 
delberg (jeit 1386) hat jchon früh reformatorischen 
Beitrebungen gerne ihre Thüren geöffnet und Vlän- 
ner, wie Johann Wefjel, Jalob Wimpfeling, Jo: 
hann Reudlin, Agricola, hatten hier in entſchiede⸗ 
nem Geijte gewirkt. Auch aus Freiburg (1457) 
gingen Männer hervor, die jpäter unter die Refor— 
matoren bes Landes zählen, wie Cajpar Hedio, 
Urban Regius, Wolfgang Capito u. A. Nad Lu: 
thers Auftreten, der 1518 in Heidelberg erſchienen 
war, traten bald eine Reihe begeifterter Anhänger 
—— die ſich die Predigt des Evangeliums zur 

ufgabe ſetzten. In Pforzheim wirkte Johann 
Scwebel, am Nedar Erhard Schnepf, Jakob Dt: 
ter, von Heidelberg aus ber jpätere ſchwäbiſche Re: 
formator Johannes Brenz, im ſüdlichen öſterreichi⸗ 
= Theil Dtto Brunfels, in Waldshut der jpätere 

jiedertäufer Bathajar Hubmaier, in Conftanz 
Ambrofius Blarer. Mannigfache Verfolgungen tra⸗ 


* 


Baden 


ten ein, beſonders in den öſterreichiſchen Theilen, 
und die evangeliſchen Prediger wurden zum großen 
Theil vertrieben, einzelne wie Johann Heuglin 1627 
zu Meersburg, Peter Spengler in Freiburg getöd⸗ 
tet; dagegen hlop fi ſchon 1523 der Graf Geo 
von Wertheim der evangelifchen Lehre an; 15 
brachte eö die Energie der Bürger von Heidelberg, 
welche in der dortigen Heiliggeijtlirche während ber 
Be ein lutheriſches Lied anftimmten, dahin, daß 
Kurfürft Friedrid) Il. nachgab u. das h. Abendmahl 
evangeliich feierte. In Conftanz mußte 1526 der 
Biſchof mit dem Domtfapitel die Stadt verlaffen. 
Auf den Speyrer Reichstag 1526 brachte Mark: 
graf Philipp einen evangelisch gefinnten Prediger 
mit; und auf dem Reihätage 1529 ermahnte 
er zur Nachgiebigkeit gegen die Evangelijchen. 
Als fi 1535 die Marfgrafihaft Baden in zwei 
Hälften theilte, wurde die Baden-Baden'ſche unter 
baieriihem Einfluß überwiegend fatholiich, die 
Baden⸗Durlach'ſche evangelifh, Hanau⸗Lichtenberg 
trat 1545 der Reformation bei. Auch Graf Wil: 
beim von Fürſtenberg verjchaffte derjelben, wenn 
auch nurauf einige Jahre, günjtige Umftände. Eine 
unglinftige Wendung trat jedoch mit der Schlacht 
von Mühlberg 1547 ein, welche befonders die Stadt 
Eonftanz, die mit ſpaniſchen Truppen gewaltſam 
katholiſch gemacht wurde, hart betraf. Der Reli: 
gionsfriede von 1555 — aber das Verlorene 
theilweiſe wieder. Markgraf Karl II., der Fromme, 
führte 1556 die evangeliſche Kirchenordnung feier: 
lig ein, ebenfo der Kurfürft Otto Heinrich von 
der Pfalz, wobei ns Brenz einen großen 
Einfluß ausübte. In der Folgezeit, während die 
Markgrafſchaft dem lutherifchen Glauben treu blieb, 
wandte fid) Kurfürſt Friedrich III., der Nachfol— 
er Otto Heinrich's, der reformirten Kirche zu, und 
ieß 1563 durch feine Profeſſoren Zacharias Ur: 
ſinus und Caſpar Olevianus den berühmten Hei- 
delberger Katechismus ausarbeiten, ja der refor: 
mirte Confeffionalismus entwidelte fi in ber 
Pfalı in folher Schroffheit,, daf 1572 der Predi- 
er Sylvan wegen geringer Abweihung vom Lehr: 
griff enthauptet wurde. Als unter Großherzog 
Karl Friedrich die badischen Landestheile vereinigt 
murden, traten auch die Eonfeffionen einander naͤ—⸗ 
er. 1807 vereinigte Karl Friedrich die kirchlichen 
hörden, die reformirte der Pfalz und die [uthe: 
rijhe von Baden, zu einer einzigen, um bie Union 
ber beiben Confejftonen anzubahnen. Dieje wurde 
unter feinem Nachfolger Karl durch die erfte badiſche 
Generaliynode 1821 Eirchengefeglich eingeführt und 
= ſich bald vollftändig eingelebt. Einige lutherifche 
eparationen traten erſt in den 50erfahren ein. In: 
befieniftaber das Großherzogthum ein Boden viel: 
facher firhlicher Kämpfe geworden. Nachdem 1834 
durch eine Synode in gemäßigt rationaliftiichem 
Sinne abgefahte Bücher, Agende, Katechismus, 
Geſangbuch, bibliiche Geſchichte (von Hebel) einge: 
führt worden waren, veranlahte der Oberficchen: 
rath Ullmann:Bähr die Synode 1855 zu einer Re- 
vifion derjelben ım orthodoren Sinne. Die Ein: 
ührung eines neuen Katehismus und einer bibli- 
hen Geſchichte gelang; aber als auch eine neue 
Agende eingeführt werden follte, welche zu alten 
Hinoaikien Formen zurüdgriff, erhob fich eine eb: 
afte Oppofition unter der Bevölferung, welde die 
urüdnahme bes Einführungserlaffes durch den 


64 


Badener Artikel 


gegen das Eoncorbat, welches bie Regierung mit 
der römischen Eurie 1855 abgejhlofien hatte. In 
den ſog. Durlacher Gonferenzen, an deren Spike 
Männer, wie Brofeffor Schenkel, Pfarrer Zittel in 
Heidelberg, ber befannte Hiftorifer Häußer, fpäter 
ber Staatsrechtälehrer Bluntſchli ftanden, wurde 
die Oppoſition organifirt. Das Concorbat fiel und 
am 7. April 1860 erließ Großherzog Friedrich eine 
Proclamation an fein Volk, von welder fich die 
liberale Aera in Baden datirt. Das Princip der 
Trennung von Staat und Kirche wurde maßgebend 
und der Kirche ihre Selbftändigkeit zurüdgegeben. 
In Folge davon wurde durch die Synode von 
1861 eine neue Slirchenverfaffung eingeführt, ge: 
gründet auf das jog. Gemeindeprincip, d. 5. auf 
den Grundſatz der Selbtregierung und Selbft: 
verwaltung der Gemeinde, welche auch bie freie 
Pfarrwahl —— und einen dem politiſchen 
ähnlichen Conſtitutionalismus. Seitdem hat die 
orthodore Partei einen u Kampf gegen 
die beftehenden Berhältniffe geführt. Am heftigften 
fam berjelbe zum Ausbruch bei Gelegenheit bes 
Erſcheinens eines Buches, welches Profeſſor Schen- 
kel unter dem Titel „Charafterbild Jeſu“ heraus: 

ab (1863). 119 Geiftliche proteftirten gegen die 
in dem Bucheenthaltenen Anfichten und verlangten 
die Abſetzung des Berfafjerd von feiner Stelle als 
Director des evangeliichen Predigerfeminars. Der 
Oberkirchenrath ſchritt * ein und veriheidigte 
fein Verfahren in einem Erlaffe vom 17. Auguft 
1864, worin er den Grundjaß der Lehrfreiheit in 
rei Meife zur Geltung bringt. Da der Kampf 
ortdauerte, jo brachte die Synode von 1867 ben 
Streit dadurd zum Auätrag, daß fie jenen Erlaß an» 
erfannte und die Gleichberechtigung der beiden Rich⸗ 
tungen, ber liberalen und orthoboren, inder Landes: 
lirche ausſprach. Mit faft noch größerer Lebhaftig: 
feit werden in Baden bie Kämpfe mit der fatholi- 
chen Kirche geführt. Nachdem in den 50er Jahren 
ein erbitterter Conflict zwiſchen ber Curie in Frei: 
burg und der Regierung über die Rechte der Kirche 
im Staat ausgefodhten war, nahm feit 1860 haupt: 
— der ſogenannte Schulſtreit die Gemüther 
in Anſpruch, welcher dadurch entſtand, daß durch 
die Geſetzgebung von 1860 die Leitung der Schule 
in die Hände des Staates aus denen der Kirche 
überging. — Die Einwohner des Landes find */s 
evangelisch, */s katholiſch. — Bierordt, Geſchichte 
der Reformation in Baden, 1847. 

Baden im Aargau, Religionsgeſprüch zu. Am 
21. Mai 1526, zwijgen Ed und Delolampadius 
über die 7 ftreitigen Punkte von Abendmahl, Meß— 
opfer, Marien: und Heiligendienft, Fegefeuer, Erb: 
fünde und Taufe. Da es darauf abgejehen war, 
der fatholiichen Partei einen Triumph zu bereiten, 
fo wurden, obgleich Defolampadius ſich nicht über: 
wunden erklärte, in Folge des Geſprächs die 
ftrengften Maßregeln gegen Zwingli's Anhänger 
von der Tagſatzung beſchloſſen. 

Badener Artikel, Die Kantone Quzern, Solo: 
thurn, Bajel, Bern, Aargau, Thurgau, St. Gallen 
jegten 1834 in einer Conferenz zu Baden eine Reihe 
von Beitimmungen feft, welche die Uebergriffe der 
fatholifchen Kirche in den Staat beichränfen joll: 
ten: die Schweiz jollte ein eigenes Erzbisthum bil: 
den, das ftaatliche Placet, die Aufiicht über die 
Spnoden, die ftaatliche Autorität in En Ichließungs: 


roßherzog zur on hatte. Mit diefer Bewes | fahen, die Aufficht über die Klöfter, n thigenfalls 
D 


gung verband ſich alsba 


eine andere, dev Kampf | der Gid der Treue von den Geijtlichen jollten der 


Bader 


Kirche gegenüber behauptet werben. Es ent 
vielfache ** in Folge der Artilel. 
Gallen wurde das Gejeg verworfen. Im Aargau 
mußte militärifche Gewalt gebraucht werden. In 
Bern lam es zum Aufruhr und fogar zur Andro: 
franzöfilcher Intervention 1836. 
ader, Auguftin. Gin Kürfchner von Augäburg. 
1529 als Wiedertäufer verwiejen, gab er ſich für 
den König des 1000jährigen Reiches aus und 
wurde 1530 in Stuttgart ze tet. 
Bader, Johannes. Seit 1518 Pfarrer und Re: 
formator der Reihäftabt Landau, ein — Bu⸗ 
cers, deſſen Abendmahlslehre er nahe fteht. Gegen 
die Anfeindungen des Biſchofs und der latholiſchen 
Geiftlichteit ſchützte ihn die Anhänglichleit feiner 
Gemeinde. Nod vor Luther gab er einen Katechis⸗ 
mus heraus: „Geſpräch⸗ Büchlein vom Anfang 
riftlihen Lebens mit dem Jungen Bolt zu Lan: 
dau.” Den Ernft feiner ſittlichen Auffaffung bewies 
er, als er jahre lang das Abendmahl auszutheilen 
fi) weigerte, weil feine heilige Gemeinde fei. Am 
Ende feines Lebens (1545) erwuchſen ihm mande 
Anfehtungen aus freundlichem Verkehr mit 


endfeld. 
“Backtilaöth. Judith 2,21. Luth. Bethulia. 
Eine Fläde, 3 Tagereifen von Ninive gegen Eili- 
cien bin. 

Bar. War in Paläftina einheimifh, 1. Sam. 
17,34; 2.Sam. 17, 8; 2. Kön. 2, 24; Sprücdm. 
17,12; Hof. 13, 8; es ift der braune Bär, der ge: 
u KH im Fr auch den Menſchen anfällt. 

&fa. LXX Baaoa. Feldherr Nadabs, und 
nach defien Ermordung König von Iſrael, 1. Kön. 
15, 16 fi. Er —— in antitheokratiſchen Grund: 
= ir in ndiger Fehde nit Juba,953—930. 

der Rama, 2 Stunden von Jerujalem, befeftigte, 
rief Aſſa die Syrer zu Hülfe, die durch Eroberung 
— Baeſa nöthigten, Rama aufzu⸗ 


geben. 
Baffomet, oder Baphomet (Mahomed). Ein 
ötzenbild, deſſen Verehrung man ben Tempel: 


dort eine Schentwirthfchaft, a er zugleich 


65 


nben | Gaben auögerüftet, aber —— grundliche Kennt: 
n Et. niſſe, ohne allen innern ſitt 


Balde 


ichen Halt, iſt Bahrdt 
die Carricatur des Theologen der Aufllärungs:- 
periode, dem alles tiefere Berftändni für Relig 

abgeht. Bon feinen vielen Schriften einige: Briefe 
über die Bibel im Volkstone. Neuejte Offenbarung 
Gottes. Syſtem der Moraltheologie. Die Heine 
Bibel. Syftem der Dogmatik. Selbftbiographie. 

Bahrgericht. Bahrrecht. Der eines Mordes 
Beihuldigte mußte die auf der Bahre ruhende 
Leiche des Erſchlagenen berühren, damit das Got» 
tesurtheil, wenn ſie blutete oder fi) bewegte, ihn 
als ſchuldig —— 

Bahurim. Ort im Stamme Benjamin unweit 
Jeruſalem, 2. Sam. 3, 16; 16, 5; 17, 18. 

Baier. 1) Dr. Ehriftian, der Furfäcpfiche Kanzler, 
welcher 1530 das deutſche Eremplar uguftana 
verlad. — 2) Johann na altlutherijcher 
Dogmatiler, der 1686 ein Compendium theol. 

sitivae erfcheinen ließ, herausgegeben von J. P- 

eufch, 1757 . 

Baiern. ©. —*— 

rg eig Ralmzmweigtragen, heist eine Gere: 
monie beim fübifgen Zaubhüttenfeft, wenn bie 
Gemeinde den Umzug in ber Symagoge bält unter 
Schütteln der Zulab, db. 5. ein en⸗, ein 
Palm⸗, ein Weidenzweig zu einem Zweige ver- 
einigt. 2. Maft. 10,7. — In der fatholifchen Kirche 
die Balmenproceffion am Palmfonntage, welche 
das Mittelalter durch den Aufzug des Palmefeld 
ſchmückte. 

Bajus, Michael. Der Grundleger des Janſenis⸗ 
mus. ©. de Bay. 

Bala, Stadt im Stamme Simeon. %of.19,8; 
vol.15, 29. 

Balaam. S. Bileam. 

Baladan, König zu Babylon zur Zeit Hiskia's, 
Vater des Merodad) : Baladan (f. d. A); 2. Kön. 
20, 12; Jeſ. 39,1. 

Balat, gr Zipors, König von Moab, ber 
den Bileam rief, um Sfrael zu fluchen, 4. Mof.22, 


und den Rachelrieg wider die Midianiter, 4. Moſ. 
31, verurſachte. 

Balad, S. Alerander Balas. 

Baldachin (umbella coelum). War in den 


ich | älteren lateinifhen Kirchen, wie noch heute in ben 


griechifchen, über dem Altar angebradt. Wenn 
das Sacrament bei Proceffionen öffentlich getra- 
gen wird, muß e3 unter dem Baldachin geichehen; 
eigentlich me ed auch nur in diefer Art öffentlich 
den Kranken aebradht werben. Das Tragen bes 
Baldachin durch vornehme Perſonen ift ein Act ber 
Devotion. 

Balde, Johann Jakob. Geh. 1603 zu Enſis⸗ 
beim im Eljaß. Als Stubent der Rechte trieb ihn 
unglüdliche Liebe in den Jeſuitenorden; er lehrte 
dann zu Ingolſtadt und wurde Hofprediger in 
Münden. 1654 wurde er Prediger in Amberg, 
und ftarb als Hofprediger des Herzogs von Bayern 
zu Neuburg an der Donau, 8. Aug. 1668. Balde 

ehört durch ſcharfe Beobachtung des Lebens und 

roßartigkeit des Gedankens zu den erjten Did: 
tern Deutihlands; mit glühender Begerfterung ver: 

errlichte er die Helden der Liga. Seine katholiſche 

ihtung, wie der Umftand, daß er in lateinis 
ſcher ur die er mit Gewandtheit handhabte, 
dichtete, ließ ihn bald in Bergefienheit gerathen. 


Zuftipiel „das Religionsedict“ ver: | dich 
j ihm ein Jahr Feſtungshaft in Magdeburg. | Herder hat ihn durch feine Terpfihore wieder be: 
Er ſiarb an häßlicher Krankheit 1792. Mit manchen ! dannt gemadt. Seine Gedichte, epiſche auf Tilly, 
5 


Balduin 


Marimilian I. u. A., lyriſche (Oden), auch ein 
dramatifches „vie Tochter Jephta's“, find 1729 ge: 
fammelt erfchienen, in Auswahl von Drelli (1818) 
und Elesca (1829). Ueberjegt ſind fie von Neubig 
(1830) und Nigner (1881). Das Wenige, was 
er in deutfcher ** herausgab, leidet an uns 
gelenfer Form. 

Dalduin. König von Jeruſalem nad feines 
Bruders Gottfried von Bonillon Tod (1100-18). 
Noch eig a Balduin, ber II., Stifter ber 
Templer, der III. IV., V., folgten nad). 

Balduin von Flandern gründete 1204 das la— 
teinifche Kaiſerthum in Eonftantinopel. 

Balleien. Behufs leichterer Verwaltung wurde 
der Grundbeſitz der geiftlichen Ritterorben, nad) 
Nationen und Provinzen, in Bezirke getheilt, 
„Balleien” genannt. 

Ballenftedt, Verfaſſer eines rationaliftischen 
Buches über die „Urmelt”, 1819, ein Paftor. 


Ballerini, Pietro (geb. 1698) und Giro: 
lamo (geb. 1702). Ein gelehrted geiftliches 
Vrüderpaar aus Verona, die in engfter Stubien- 
gemeinschaft mehrere verdienſtvolle theologifche 
Werfe herausgaben, wobei der theologiiche over 
fanoniftifche Stoff mehr dem Pietro, der geſchicht— 
liche fritiihe dem Girolamo zufällt. Ser- 
mones 8. Zenonis (1739), Samma $. Antonini 
— 8. Raimundi de Pennaforte (1749, 

pera Ratherii episcopi Veronensis (1756), 8. 
Leonis M. pout. opera (1757) mit den Kanonen 
bi auf Gratian. Pietro —— in zwei Wer— 
ten bad Primat des Papſfles im papaliſtiſchem 
Sinne (De potestate eccl. 8. pontificum ete. 1765 
imd Liber de vi ac ratione primatus etc. 1766). 


Balfam ift das koſtbare, mwohlriechende Harz 
der BYaljamftaude (Hobel. 5, 1 u. 13), welches da: 
durch gewonnen wird, daß man in bie Rinde feine 
Einſchnitte macht und den Saft auffängt, der von 
Plinius 12, 54 als hervorragendes Product Pa: 
läftina’S hervorgehoben wird. Das Balfambarz, 
welches wahrſcheinlich unter ’I3 (f. d. angeführ: 
ten Stellen) zu verftehen ijt, bildete früher einen 
koftbaren Handeläartifel(1. Moſ. 37,25; G3. 27, 17). 
Die Staude, welche der Geſtalt nach dem Weinſftoch 
ähnelt, nicht über 2 Fuß hoch wird und beſtändig 
grüne, der Raute ähnliche Blätter trägt, findet ſich 
nur noch im glüdliden Arabien; in Paläſtina 
wuchs fie ſonſt in Gilead (1. Mof. 37, 25; Ser. 
46, 11) und bei Jericho (Strabo 16, 763). Die 
Alten gebrauchten den Balfam ald Heilmittel bei 
äußeren Wunden (Ser. 8, 22; 46, 11; öl, 8). 

Baljamon, Theodor. Seit 1193 Patriarch von 
Antiochia, ein angejehener kanoniſtiſcher Schrift: 
fteller des 12. Jahrh. Sein berühnteftes Wert ift 
ber Commentar zum Nomofanon und Syntaama 
des Photius, ’Efnynaıs row lepwv zui Deiuw 
xevorww, heraudg. Paris 1615 und 1620. 

Balthafar, 1) S. Belfazar. 2) Der mythifche 
Name eines der heiligen drei Könige. 

Balter. Katholischer Theologe in Breslau, Her: 
mejianer und Berfaffer der „Beiträge zur Ver: 
mittlung eines richtigen Urtheils über Katholicis: 
mus und Protejtantismus”, 1840. 

Balnze, Stephan. Geb. 24. Novemker 1630 in 
Tulle, wurde von den Jefuiten erzogen und folgte 
bald feiner Neigung zu geſchichtlichem Quellen: 
ftubium, worin er Außergewöhnliches, wie für die 
Projan- jo für die Kirchengeſchichte feiitete. Nach— 


66 


Bann 


dem er ſich durch feinen Anti-Frizonins (1652), 
worin er die Jrrthlimer in Frizons Gallia purpu- 
rata (Gefchichte der franzöſiſchen Cardinäle) auf: 
dedte, einen Namen gemacht, begab er ſich zu dem 
Erzbiichof de Marca von Toulouje, ben er bei fei: 
nen gelehrten Arbeiten unterftügte. Nach defien 
Tode (1662) übertrug ihm Colbert bie Stelle als 
Bibliothefar (1667 — 1700) feiner werthuollen 
Bibliothek, die jpäter an Ludwig XIV. fam. 1707 
wurde Baluze Director des f. Collegiums. Eine 
genealogifche Geſchichte des Haufes von Auvergne, 
auf Betreiben des Cardinals von Bouillon gejchrie: 
ben, erregte aber den Zorn des Hofes; er verlor 
Aemter und Einfonmen, bis er nach dem Frieden 
von Utrecht reftituirt wurde. Er ftarb, faft 88 Jahre 
alt, 1718, ie bi des Drudseiner Auögabe des 
Eyprian. Außer der Herausgabe der Werke von 
Salvian, Bincenz von Lerius, Lupus von Fer: 
rieres, Agobard, Amulo, Leidrad, Florus Diako: 
nus, Säjarius von Arles, find als bedeutende Werte 
von Baluze zu nennen: Capitularia regum 
Francorum, Epistol, Innoc. 1m. libri XI, eine 
Sammlung von GConcilienbefchlüffen, Vitae pa- 
parum Avenionensium,eine Sammlung fleinerer 
Schriften. 

Bamberg. Reichöunmittelbares Bisthum feit 
1007, 1801 fäcularifirt, feit 1817 Erzbisthum. 

Bampfield, Franz. Stifter der baptiftifchen 
Secte der Sabbatharier, welche den Sabbath 
ftatt des Sonntags feiern (Ende des 18. Yahrh.). 

Banez, Domijnicus. Ein Dominicaner, welcher 
den Jejuiten gegenüber 1593 den Auguftinismus 
vertheidigte. 

Dann, Bei den Hebräern DAN. Alt ift in 
girael das Bannopfer, d. h. bad Gelübbe, ein 

ing, oder eine Perſon der Gottheit zu übergeben 
und zu vertilgen; erjcheint zugleich als theofratifche 
Strafe. Durch Mojes wurde ver Bann zur furdt: 
baren Waffe der Theofratie (3. Mof. 27). Was 
dem Bejtehen der Religion gefährlich erfchien, oder 
den Abſcheu erregte, ward mn jo Altäre, 
Götzenbilder, Götzendiener (2. Mof. 22,20), Kriegs 
zeichen ber Feinde, ganze Städte (5. Moſ. 13, 16) 
und die gefangenen Feinde (Jof. 10, 28 ff.). In 
dieſer Art trifft der Bann dielanaanitijchen Städte, 
Richt. 20, 48; 5. Mof. 2, 34; 3,6; of. 6, 17; 
10, 28; und ähnlich ift die Verbannung (Esra 
10, 8) der Habe Derer, die fi von heidniſchen 
MWeibern nicht trennen wollen. Der Bann wird 
dann zur Strafe und in der Ausführung natur: 
gemäß allmählich immer milder, fo Daßer zur Aus: 
ſchliehung aus der Gemeinde wird; fo erjcheint er 
zur Zeit Eſsra's und im Neuen Teftament. Die 
Nabbinen unterſcheiden 3 Stufen: eine Bejchrän: 
fung bes Verkehrs, ferner Ausſchließung vom Hei: 
ligthum, endlich völlige — des Nationalver⸗ 
bandes und Hingabe an alles Verderben. die⸗ 
ſer Art iſt das dradeum, welches dem cherem 
entſpricht, im Neuen Teſtamente aufzufaſſen; Luc. 
6, 22; Joh. 9, 22; 12, 42; 16,2; vgl. Röm. 9,3; 
ald Ausschließen von der Lebensgemeinſchaft der 
Gemeinde und allem Segen, der nur an die Ber: 
bindung mit ihr gefmüpft, und durd) fie vermittelt 
ift. Aehnliches 1. Kor. 5, 5; 1. Tim. 1, 20. 

Bann, Kirchenbann. Gehört zu den Genfuren, 
den Bellerungsmitteln der Kirche und ift Deren 
letztes. Man unterjcheivet bie excommunicatio 
minor, die Ausſchließung eine? Mitgliedes ber 


Bannherrent 


Kirche vom Empfang der Sarramente und ber 
Erlangung der Kirchenämter, und major, bie 
Ausfhließung von aller Gemeinfhaft und ber 
Theilnahme an den in der liche hinterlegten Gna- 
den. Die feierliche excom. ma). ift das Anathema 
(.d. 9). Wer mit dem Gebannten in Berlehr 
trat, verfiel jelbft dem Bann. Berbunden wurde 
mit dem Bann die Acht, das bürgerlich rechtlos 
gemacht werden, weil der Staat das ale: der 
Kirhe auszuführen übernommen. Unterjdieden 
wird bie excom. ferendae sententiae, wenn fie 
duch — ———— erfolgt, oder latae sententiae, 
wenn fie ipso facto z. B. durch Angriff auf einen 
Priefter eintritt. Bei Prieftern fließt der große 
Bann von allen Rechten, aud vom Genuß der 
Beneficien aus, der Heine Bann vom Genuß, nicht 
von der Verwaltung der Sacramente. Das Recht 
des Bannes für dic ganze Kirche hat nur der Bapft, 
der Biſchof für feine Diöceje, doch fol ein Biſchof 
ven Bann des andern anerlennen. Dem Banne 
müffen zwei Ermahnungen vorhergehen. Die 
bürgerliche Gejeggebung hat das Recht des Bannes 
überall noch bejchränft. — Die Reformatoren er: 
hielten den Dann nur als Ausfchluß vom Sacra: 
ment aufrecht. Luther, Bermahnung von dev Er- 
communication, 1539; Calvin, Inſt. 4, 11. Spä- 
ter wurden Kirchenbann und Kirchenbuße oft wie: 
der zum förmlichen Eriminalverfahren, find bes: 
* faſt überall abgeſchafft, und der Bann be- 
chränkt ſich jegt Höchftens auf Ausfhluß von 
Kirhenämtern und dem heiligen Abendmahl. ©. 
ben A. Kirchenzucht. 

‚ Bannherren, Bannbrüber. Das aus den Geift: 
lichen, zwei Mitgliedern des Raths und Einem aus 
der Gemeinde beftehende Collegium nad) der Baje- 
ier Kirchenordnung, weldem die Handhabung der 
Kirhenzucht übertragen war. 

Baptifien, Der gemeinfame Name aller Der: 
jenigen, welche nicht nur die Kindertaufe verwer: 
fen und dafür halten, daß die Taufe erft bem 
ernſtlich Bekehrten zu ertheilen fei, fondern aud) 
die Wirkung derjelben dadurch bedingt glauben, 
daß fie in der urjprünglichen Weife durch vollftän: 
diges Untertauchen geſchehen müſſe; weshalb fie 
die zu ihnen Uebertretenden noch einmal taufen. 
Das Baterland des Baptismus ift England, mo 
man den Urjprung bis in die Zeiten der älteften 
brittifchen Kirche hinaufzuführen jucht; Hein: 
rich VIII. ließ mehrere Wiedertäufer Hinrichten 
und 1618 werden Baptiflen als bejonbere engliſche 
Kirchengemeinſchaft —— Hervorgegangen 
iſt der Baptismus aus dem Gegenſatz gegen das 
Staatskirchenthum und aus einem ſtarren Biblicis⸗ 
mus, der eine nothwendige geſchichtliche Entwide: 
lung der chriſtlichen Kirche nicht begreifen kann; 
daher auch die urſprüngliche Abneigung des Bap⸗ 
tismus gegen theologische Wiſſenſchaft und wifjen: 
ſchaftliche Ausbildung der Prediger, weil fie der 
allein nothiwendigen Frömmigkeit für gefährlich 
erachtet wurde. Erjt ſpaͤter kam man davon zurüd, 
jo daß auch die Baptijten Seminare oder Gollegia 
zur Ausbildung ihrer Prediger gründeten. Da die 
Baptiſten nach der ganzen Grundlage ihrer Auf: 
fafiung dem Independentismus huldigen müffen, 
fo bildet jede Gemeinde für ſich ein vollftändiges 
Gemeinmejen, das alle jeine Angelegenheiten jelb: 
ftändig und ohne Rüdficht auf Andere orbnet und 
mit ihnen nur zu beftimmten Zwecken in eine freie 
Verbindung eintritt. In Bezug auf die Lehre 


67 


Barckhauſen 


ſtehen bie Baptiſten im Allgemeinen der reformir- 
ten Kirche nah, zerfallen aber in eine Menge von 
Secten und Ridhtungen nah dem Vorherrſchen 
irgend einer Anficht oder Lehre. In England ijt 
es vornehmlich die Lehre von der Gnadenwahi, 
welche feit 1691 die calviniftischen Particular-Bap: 
tiften und die arminianifchen General : Baptiften 
von einander ſcheidet. 1689 erhielten fie in Eng: 
land unter Wilhelm IIL. Duldung. In Amerika 
wurde bie erjte Baptiftengemeinfhaft gegründet 
1639 Durch Roger Willtams, der als puritanifcher 
Geiftlicher zu ihnen übertrat; jetzt bilden die ver: 
ſchie denen Gemeinſchaften einen bedeutenden Teil 
(gegen 4 Millionen Seelen) der evangelifchen 
Kirchen in Amerifa; fie jpalten ſich ebenfalls in 
calviniftiiche und arminianifche (Z’ree-Will-Bap- 
tists). Die Christian Baptists oder Campbelliten 
ehören der unitarifchen Lehrweife an. In Deutid: 
and find namentlich durch die Bemühungen des 
Baptiften Onten (jeit 1834) in Hamburg baptifti: 
ſche Gemeinden in verjchiedenen Gegenden begrün: 
det (ſchon gegen 50), im Wupperthal, in der 
Weichſelniederung, in Würtemberg u.a.a.D. 1843 
geitand ihnen Preußen bedingte Duldung zu, 
ebenfo die andern beutfchen Staaten mit Aus: 
nahme Medlenburgs. Nach langen Kampfe in 
Dänemark gelang ihnen 1842 die Gründung ber 
Gemeinde Fribericia. Für Miffion, Bibel: und 
Tractatverbreitung zeigen ſich allerorten die Bap- 
tiften thätig; die amerifaniichen und engliſchen 
Geſellſchaften unterftügen die Bemühungen auf 
dem Continente. 

Baptifterien. In der alten Kirche hatte nur 
der Biſchof dad Net der Taufe und fie geſchah 
nur in der Dfler: und Pfingft:Vigilie mit dem 
Ritus des Untertaucdhens. Dazu waren eigene 
Localitäten nöthig, die ein großes Taufbaffin und 
Raum für die Tauflinge und die Zuſchauer ent: 
halten mußten. Die gewöhnliche Form war eine 
Rotunde oder ein Achteck. Das Vorbild für viele 
der Baptijterien war das Baptijterium ©. Johan: 
nis im Lateran. Als die allgemeine Taufe um 
Dftern nit mehr durchzuflihren war, auch bie 
Parochialverfaſſung ausgebildet wurde, jo daß jeder 
Pfarrer das Recht der Taufe erhielt, verſchwanden 
die Baptifterien, der Ritus der Beiprengung ließ 
die Tauffteine oder Taufbeden auffommen, deren 
ältefte Form noch zumeilen an die Baptifterien 
erinnert, 

Barabbas, d. h. Sohn des Abba. Der Mörder, 
beffen Freilafjung ftatt Jefu die Juden verlangten, 
Matth. 27,16, hieß nad) Drigenes und der arme: 
wider Ueberfegung Jejus Barabbas, 

aradai. Beiname des monophyfitiichen Mön: 
ches Jakob Zanzalus, Biihofs von Edefja, von 
welchem die Jakobiten (f.d. A.) den Namen führen. 

Baraf, Sohn des Abinoam, der auf Auffor: 
derung der Deborah fih an die Spige Iſraels 
ftellte und Siffera Zug Richt. 4. 

Barafla. 1. Malk. 5, 26, Bocooge, eine be: 
feftigte Stadt jenjeit3 bes Jordans; das alte 
Beitradh, of. 21, 27. 

Barbara, die Heilige. Wird zu den 14 Nothhel: 
fern gerechnet (4. Dec.); ſoll unter Marimin um 
236 zu Nitomedien in Bithynien von ihrem heid- 
nifhen Bater, gegen deffen Willen fie Chriſtin 
geworden, enthauptet worden jein. 

Bardhaufen. Der Nector am Joachimsthaler 
Gymnafium zu Berlin, Volckmann, gab 1712 unter 

5 


Barclay 


bem Titel Theses theologicae eine Dogmatif her: 
aus, in welcher er unter Berufung auf Erocius in 
Bremen u. U. den in ber deutſchen reformirten 
Kirche allgemein angenommenen Univerfalismus 
ber Gnade lehrte. Dagegen erhob ſich Bardhaufen, 
25 an demſelben Gymnaſium, als Verfechter 
des Particularismus. Hatte Volckmann ſich auf 
die Confessio Sigismundi bezogen, fo ſuchte er 
nun darzuthun, einmal, daß die Säge Voldmanns 
fid) fo, wie Voldmann fie lehre, in derjelben gar 
nicht fänden, daß die Dordrechter Beichlüffe ihnen 
entgegen ftänden und Calvin für fie nicht ange: 
zogen werben könne, daher Volckmann keinenfalls 
behaupten dürfe, dab feine Lehre die genauere 
reformirte ſei. Friedrih Wilhelm I. verbot aber 
bie Fortſetzung bes literarifchen Streiteö, als der: 
felbe größere Dimenfionen anzunehmen drohte, 
weil er ebenfomwenig geneigt war, den Unterjchied 
der reformirten Kirche feined Landes vor den an: 
bern zum Karen Ausdrud zu bringen, ala ihm 
damit gedient fein konnte, eine Lehre von ber 
Gnadenwahl verbreitet zu fehen, die jeven Unions⸗ 
verſuch mit der lutherifchen Kirche, welden die 
Hohenzollern nie aus dem Auge verloren haben, 
nur erſchweren mußte. 

Barclay, Robert. Geb. 1648 zu Gorbondtomn, 
aus einer alten fchottifchen Familie. Rad vollendeter 
Erziehung wurde er in Paris dur den Bruder 
fein:r Mutter dem Katholicismus zugeführt, aber, 
von feinem Bater fchleunig nad) Haufe gerufen, 
0b er fid) mit demfelben den Quälern an. Er 
ft der Theologe der Quäler gemorden. Außer 
einem Katechismus jchrieb er (1676) die „Apologie 
ber wahren Religion“, worin er das quälerifche 
Eyftem von ber Erleuchtung des heiligen Geijtes, 
als der einzigen Quelle aller Religionsmwahrheit, 
aus der auch die Echrift allein eftoffen fei, ent: 
widelte. Er ar 1690. &. Duäfer 

Bar⸗Cochba. Sohn des Sterns. Als im Jahre 
132 unter Hadrian ein jübifcher Aufftand aus: 
brach, gab I ein bis dahin unbefannter Menſch 
für den Meſſias aus, nannte fid) Sohn des Sterns 
(nad) 4. Mof. 24, 17) und ftellte fi an die Spige 
einer großen fanatifhen Bewegung. Sein Unter: 
nehmen hatte um jo größeren Fortgang, als ſich R. 
Aliba, der größte er feiner Zeit, für 
ihn erflärte. Drei Jahre währte der Kampf, 
580,000 Zuben follen nad römifchen Berichten 
—— ſein. Bar⸗Cochba errang große Erfolge 

ber bie Römer, fand aber endlich, als feine legte 
Beftung, Bether in Samarien, fiel, fein Ende durch 

ie Hände der Seinigen, bie nun zu jpät erfann: 
ten, daß fie getäufcht jeien (185). Seinen Namen 
verwandelte das Volk in Bar:-Eofiba, Sohn der 
Züge. Münter, der jübifche Krieg unter Trajan 
und Hadrian, 1821. 

Bardefanes. Gnoftifer aus Edeſſa um 170, 
trennte ſich nit von ber Fatholiichen Kirche, 
verbreitete aber Durch feine Hymnen, die ihn zum 
eriten ſyriſchen Hymnendichter machen, gnoſtiſche 

deen. Sein Sohn Harmonius war ebenfalls 


ichter. 
Barfüßer. Bei Auguſtinern, Franciscanern, 
Kapuzinern und Karmelitern haben einzelne Con: 
—— reſp. ber ganze Orden ben Gebrauch 
es Barfußgehens als große Asleſe angenommen. 
Much weibliche Orden, wie die Elariffinnen, find 
beim gefolat. 
Bar⸗Hebräubs. &. Abulfaradic. 


68 


Barnabas 


‚ Bari in Apulien war ber Verſammlungsort 
einer Synode 1098 unter Urban II., auf welcher 
mit den Griechen über das filioque verhandelt 
wurde und Anjelm von Canterbury (ſ. d. A.) gegen 
die ——** Lehre auftrat. 

ar⸗ Jeſus. Ein jüdischer Magier in ber Um: 
gebung des Proconfuls S. Paulus, Apftg. 13,6 ff.; 
—— ſich ſelbſt den Namen Elymas, der Weiſe, 
eigelegt und wurde von Paulus mit Blindheit 
beſtraft. 

Barkers. Eine Secte. S. Jumpers. 

Barlaam. Ein gelehrter Baſilianermönch aus 
Unteritalien, wurde Abt in Conftantinopel und 
von Andronicus III. an Benedict XII. nad 
Avignon (1339) gefendet, um eine mögliche Union 
der Griehen und Lateiner, vor Allem aber die 
Hülfe des Abendlandes gegen die Türten für das 
bebrängte Griechenreich zu vermitteln. Wie fich 
Barlaam ſchon früher durch feine offene Kritik der 
Unmifjenheit der griehifhen Mönde viele Feinde 

emadt hatte, fo griff er die Heiychaften bes 

erges Athos (ſ. d. A.), die in ſchwärmeriſ 

Contemplation vom unerſchaffenen Lichte umflofjen 
fein wollten und bie er fpottend Nabeljchauer 
nannte, an. Als aber eine Synobe 1341 feine 
Klage abwies, verließ er Griechenland und trat in 
Italien zur römiſchen Kirche über, die er fortan 
gegen die Griechen in mehreren Schriften fehr 
eifrig vertheidigte. Er wurde Biſchof zu Gerace 
im Neapolitanijchen. } 1348. 

Barletta, Gabriel. Ein berühmter Vollspre⸗ 
biger aus B. im Neapolitanifhen, am Ende bes 
15. Jahrh. Seine Predigten 1497 zu Brescia 
gedrudt. — Die Stabt Barletta ift in neuejter Zeit 
befannt geworden durch bie am 19. März 1866 
daſelbſt erfolgte Proteftantenmegelei. 

Barmen. Miſſionsgeſellſchaft, geftiftet 1818. 
Als ein eigenes Seminar zur Ausbildung von 
Miffionaren in Barmen errichtet war 1827, betrieb 
man bie Bereinigung mit dem Elberfelder und den 
übrigen Miffionsvereinen im Rheinland zu ber 
Rheinischen Miſſionsgeſellſchaft 1828, melde von 
da an eigene Miffionen unternahm. Das Miſſions⸗ 
gebiet der Rheinischen Gefellichaft ift ba Capland 
unter Hottentotten und Namaquas, Borneo und 
China. 

Barmherzigkeit wird die Gefinnung ber Liebe 
genannt, infofern ſich die letztere auf die Entbeh- 
rungen des Nächften bezieht, und äußert fih in 
bejtimmter Weife ald innerer Drang, jenen Entbeh⸗ 
rungen abzuhelfen. Die Barmherzigkeit ift eine 
Haupttugend des Alten Teftaments(OrPIIT. IQI)- 
Bi. 37,26; 112,5; Hof. 12, 6; Bad. 7, 9; Hiob 
6, 14, jedoch nah dem Standpunfte des Alten 
Teftaments nicht ganz ohne den Nebenbegriff eines 
Gott sag Hure Werkdienſtes. Großartig und 
in voller Reinheit erſcheint die ge feit in 
ber Auffaffung Ehrifti Luc. 10, 86; cl, 6, 7. 
46. 48; 9, 18. 86; 12,7; 14, 14; 20, 84; 28, 23; 
Luc. 6,36 u. d. Vgl. auch Jak. 2,18; 5,11; 1. Betr. 

‚8; Röm. 1, 14; 12, 8. Sn ber Tatholiichen 
Kirche wurde die Barmherzigkeit wieder verdienſt⸗ 
liche Tugend. 

. Barmherzigkeit Gott. S. Eigenichaften 
ottes. 

Barnabas. Ein Levit von der Inſel Cypern. 
ze frühzeitig zum Chriftentfum über, Apſtg. 4, 
87. Gr führte Paulus bei den Wpofteln ein, 


Barnabiten 


9,27, und rief ihn von Tarjus nad) Antiochien. 
11,25. Seitdem er wegen bed Marcus von 
Paulus trennte, fchweigen die Nachrichten der 
Kpoftelgefhichte über ihn. Die Sage läßt ihn 
entweder Bifhof von Mailand werden, oder nad) 
einem Aufenthalt in Rom unter ben cyprifchen 
Juden ben Märtyrertob finden. Ein Brief des 
Barnabas wurbe in der alten Kirche viel gelejen, 
findet fih aud im Codex Sinaiticus; die Echt: 
beit deſſelben hat bis in die neuefte Zeit ihre 
Vertreter gefunden. Der Brief ſucht 1—17 nad: 
zuweiſen, daß das Alte Tejtament felbft das 
Chriſtenthum als feine geiftige Erfüllung anzeige; 
die typiſch⸗ allegoriſche Deutung ift wenig geihmad: 
voll; der zweite Theil 18—21 giebt paränetifche 
Borfhriften. Als die Empfänger des Briefes find 
Heidenchriften zu denken, unter denen eine Hins 

ung zum Judaismus herrſchte. Die Abfaf: 
fungägeit ift nad) 70 und vor 150. n. Chr. Gegen 
die Berfon des Barnabas ald Verfaſſer ſprechen 
manche Verſtöße in Betreff der jüdiſchen Ceremo— 


nien, die ein Levit vermieden hätte. Bam. ep. ed. 
Hilgenfelb 1866. Zur Literatur: Henke (für ge 


beit) 1827. Rörbam, De auth. * B. 1828. 
mann, Stud. und Krit. (für Unechtheit) 1828. 
Den van Ryſewyk (für Echtheit) 1835. Her 
ele, Sendſchr. des Ap. B. unterfucht, überjegt, 
erflärt 1840. Meizjäder, Zur Kritik bes Barn. 
1863. Boltmar, Monum. vetust. ined. 1864. 
Barnabiten. Bon ihrer Kirche des heiligen 
Barnabad in Mailand fo genannt, fonft —— 
gation ber regulären Kleriler des heiligen Paulus, 
geftiftet von einigen Klerikern zu Mailand, beftä- 
figt Durch Glemens VII. 1533 und Paul III. 1543, 
um die Ziebe — Gottesdienſt durch häufiges 
Predigen und Ausſpenden bes Heiligen Sacramen⸗ 
ted wieder herzuftellen.. Sie nahmen gerne 
Gymnafialunt t in ihre Hände und befaßten 
hd neibig mit Krankenpflege und Predigt. Die Con: 
gerget n bat zur Zeit außer dem Haupthaus in 
om 20 Collegien. Die Mitglieder legen außer 
den brei Mönchsgelübden das vierte ab, nicht nad) 
—— Würden außerhalb des Ordens zu 
e 


Barnes, Robert. Als er lutheriſche Ideen in 
England verbreitete, ließ ihn Heinrich VIII. ver: 
n. Nach feiner Entlafjung trat er in Witten: 
berg zur Lutherifchen a über. Bei dem Um: 
f der Dinge in England wurde er des 
igs Hofeapellan, vermittelte die Heirath mit 
Anna von Cleve und büßte den Aerger des Königs 
über biefelbe mit der Entdedung von Ketzereien in 
feinen Schriften, wofür er ben Feuertod erlitt 
1540. Er bat eine —————— ber Päpſte 
von Petrus bis Alexander III. geſchrieben, die 
mehr —— gemeint, als geſchichtiich begrün⸗ 
det i 


Barnevelt. S. Arminius. 

Baronius, Cäfar. Geb. zu Sora, 30. October 
1538, ftubirte zu Neapel und Rom bie Rechte und 
trat in Verbindung mit Bhilipp Neri, dem Stifter 
der gelehrten und freien Dratorianer-Congregation, 
ourbe in dieſer Congregation 1598 Superior, von 
welher Zeit an ſich feine wiſſenſchaftliche Lauf: 

batirt. 1596 wurbe er zum Garbinal und 
BihliotHefar der vaticanishen Bibliothek —* 
und lenkte ſelbſt bie —— Papſtwahl von 
ih ab. Die lirchengeſchichtl Vorträge im 
Oratorium, wobei ihm die ungedrudten Urkunden 


69 


Bartholomäus 


des Vaticans und ſämmtliche Goncilienacten zu 
Gebote ftanden, führten ihn zu einem Stubium 
ber Quellen und bie Magbeburger Genturien wur⸗ 
ben die Beranlaffung zur Herausgabe feines bedeu⸗ 
tendften Werkes: Annales ecclesigstici a Chr. 
nato ad ann. 1198 (12 Bde., Rom 1588). 
Mit dem Jahre der Geburt Chriſti beginnend, 
erzählt er chronifenmäßig alle Begebenheiten je 
eines Jahres, die auf Firchliche Verhältniffe Bezug 
haben. Außer der Jahreszahl find immer die he 
gierungsjahre des Papſtes und des Kaiferd voran⸗ 
—— Die Tendenz iſt, im Gegenſatz gegen die 
urien nachzuweiſen, daß die römiſche Kirche 
ſich zu allen Zeiten gleich geblieben iſt. Die vielen 
chronologiſchen Fehler des Werkes hat ſpäter Pagi 
eorrigirt. Baronius ſelbſt konnte nur bie erften 
12 Bände bis 1193 vollenden, eine Fortſetzun 
ab Raynald in 9 Bänden bis 1677. Baroniu 
tarb infolge übermäßiger Arbeit, 80. Mai 1607. 

Barriöre, Jean de la. Abt des Klofterd Feuil- 
lans, Stifter der Feuillanten 1586, einer Congre- 
gation der Eiftercienfer. Er ift durch die furcht⸗ 
bare Strenge feiner Ordensregel, an ber viele 
Mönde erlagen, berühmt geworden. Aus Bers 
dacht gegen feine Rechtgläubigleit wurbe er 1592 
aus dem Kloſter vertrieben. 

Barfabas. Sohn bes Saba. 1) Joſeph Bars 
ſabas, wurde mit Matthias in re gebracht 
bei der Ergänzung der Zmölfzahl ber Apoſtel; war 
nad) Eufebius einer der 70 Juͤn En ; 
1, 23 in einigen Codd. Barnaban gelefen wird, ſo 

en Manche irrig feine Identität mit Barnabas 

hauptet. — 2) Judas Barſabas, wurde vom 
Apoftelconvent mit Baulus nad Antiochien gefandt. 
Apftg. 15, 22. 

Barfillai. Gileaditer aus — Da · 


den vid gaſtfrei auf, 2. Sam. 17,2 42, und 


lehnte die angebotene Belohnung zu Gunſten fei- 
nes Sohnes ab. 

‚ Barfumas. Bifhof von Nifibid. ©. Nefto 
rianer. 

Barſumas. Archimandrit in Syrien, mitthätig 
auf der Räuberignode 449. Haupt ber Eutychianer 
in Syrien, + 458. 

Bart. Die Bartwinkel an Ohren und Schläfen 

u ftugen, ift ben Siraeliten verboten, weil dies 
ei ben Arabern — Bedeutung hatte, 3. Moſ. 
19,27; 21,5. In ber Trauer läßt man ihn uns 
orbentlih, 2. Sam. 19, 24; vol. 8. Moſ. 21, 5, 
oder ſchneidet ihn ab, Jeſ. 15, 2. Den Bart 

——— — iſt aͤrgfte Beſchimpfung, 2. 

am. 10, 4. 

Bartholomäus. (24. Huguft.) Die —— 
ber verſchiedenen Apoſtelverzeichniſſe läßt in ihm 
den Nathanael erkennen, ob. 1,45; nad ber 
Legende foll er in Indien das Evangelium verkün- 
digt haben. Die Armenier nehmen ihn für fi in 
Anſpruch, bei ihnen fei er lebendig geſchunden und 
in verfehrter Stellung gefreugigt worden. 

Bartholomäus von Brescia. Schrieb kirchen⸗ 
rechtliche Werte, namentlich Gloffen zu Gratiand 
Decret. 1236. 

Bartholomäus, de martyribus genannt von 
der Kirche zu Lifjabon, in welder er getauft ift 
(1514). Eine durch Frömmigleit und Edeljinn bes 
fannte PVerfönlichkeit. Nahm ald Erzbiſchof von 
Braga Theil am Concil zu Trient, ſchrieb einige 
Erbauungsbücder (Compendium vitae spiritua- 
lis), ftiftete dad erfte Priefterjeminar in Portugal. 


Bartholomäusnacht 


Zog fi in die Einſamleit eines Klofters zurüd 
und lebte ven Stubien und Werlen der Barmher- 
zigleit. + 1590. 

Bartholomäusnadt. In der Bartholomäus: 
nacht, 24. Auguft 1572, begann auf Befehl 
Karls IX. und unter Führung der Guifen die 
Niedermegelung der Hugenotten in Frankreich, die 
der Bapft als freudiges Ereigniß feierte. 

Bartholomiten. 1) Clemens V. erlaubte 1307 
flüchtigen armeniſchen Mönden des heiligen Baſi⸗ 
lius, den Gottesdienft nad) ihrem Ritus in ber 
Kirche des heiligen Bartholomäus zu Genua zu 
feiern. Sie gründeten mehrere Klöfter und wur: 
den 1560 aufgehoben. — 2) In Gemeinihaft 
lebende Weltpriefter, nach den Satzungen bes Bar: 
tholomäus Holzbaujer (Generalvicar von Chiem: 
fee, + 1658 als Dechant in Bingen). Die Glieder 
haben außer der Seelforge fi allen Werken hrift: 
licher Liebe zu widmen, leben in einem Haufe zu: 
fammen, übergeben daher auch ihr Einkommen, 
nad) Abzug eines Heinen Theils für nothleidende 
Berwandte, zu gemeinfamem Gebrauch. Mit je: 
dem derartigen Haufe ift ein Snabenfeminar und 
ein Emeriicnhaus verbunden. Die Stiftung fand 
ſchnelle Ausbreitung, ihre Briefter Häufige Verwen⸗ 
dung, bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts der 
Eifer nachließ und das Inftitut zerfiel. 

arton, Eliſabeth. Das Mädchen von Kent. 
Eine Hellfeherinin England zur Zeit Heinrichs VIII. 
Ihre in epileptifchem Zuftande ausgeſtoßenen Ne: 
den, von Denen einige eintrafen, wurden für MWeif: 
fagungen gehalten, und der Zulauf zu ihr mehrte 
fi, als fie, vor dem Muttergotteöbi in Alding: 
ton geheilt, als Nonne eingelleidet, in ihren Pro: 
hezeiungen fortfuhr, und einen in — Bud) 
haben geichriebenen Brief der Maria, nebit 
mandjerlei Gefichten, empfangen zu haben vorgab. 
Es ſcheint, dab die fatholifche Geiftlichkeit fie ge: 
brauchte, um Heinrich VILI. von feiner Oppofition 
gegen Rom zurüdzufchreden. Elijabeth verfündigte 
dem Könige feinen Tod nad) 7 Monaten, wenn er 
fid) von Katharina werde ſcheiden laſſen. Wegen 
Hodverraths vor . geftellt, wurbe fie ver: 
urtheilt, ihren Betrug öffentlich zu befennen, und 
mit mehreren Berbreitern und Beglinftigern ihrer 
Dffenbarungen enthauptet, 1534. 

Barud. Der Sohn bes Nerija, war ber 
Freund und Gehülfe des Propheten Jeremia 
(Jer. 32, 12), theilte deſſen Gefängniß und bes 
— ihn nad) Aegypten (Jer. 42, 1—6). Ihm 

efahl Jeremia feine Weifjagungen aufzuſchrei— 
ben und im Tempel öffentlich zu verlefen, und an 
den durd den Mißerfolg, er. 36, 16. 26, Ges 
beugten richtete ex das Troftwort, Kay. 45, 1—5. 
In Barud) erblidt Bunfen den Berfafler des zwei: 
ten Theils des Jeſaja (Gott in der Geſch. I, 207 
ff. — Unter Baruchs Namen findet fich ein deutero⸗ 
lanoniſches Bud) paränetifhen Inhalts, welches 
Baruch zu Babel geſchrieben und dem König Je 
chonja und dem ganzen Volle vorgelefen haben ſoll. 
Daß dies Buch uneht, ergeben die hiſtoriſchen 
Berjtöße in der Einleitung. Ueber das Zeitalter 
und die Grundſprache des Buchs ſchwanken noch 
die Annahmen. Mebereinftimmend wird für den 
erfien Theil 1,1; 3, 8 ein hebräiſches Driginal 
vorausgefegt, welches, durch den alerandrintichen 
Ueberſehzer des Jere mia (Higig, Ewald) ins Gries 
chiſche überiegt ſei. Der zweite Theil ſoll dann von 
einem Andern griehiid verfaßt jein. Frithſche, 


10 


Bafeler Eoncil 


Kurzgef. exeg. Handbuch zu den Apolr. bes A. T. 
1851. Die Ent hung est Ewald (Bei. Iſr. 
III) zwifchen 360 und 350. 

Baſan. Jenſeits des Jordans, bildete früher 
ein eigenes Königreich, K Mof. 21, 33; 32, 33, 
mit den Hauptſtaͤdten Aftaroth und Edrei, 5.Mof. 
1, 4; Joſ. 9,10, und fam an den halben Stamm 
Manaffe. Begrenzt wurde esimNorben von Sy: 
rien, Joſ. 12,5. Das Land mar ebirgig (Hau: 
ran), aber umſchloß auch fette Triften und große 
Waldungen. Jer. 50,19; 5. Mof. 32, 14; Jef. 2, 
15; Ez. 39, 18. Die jpätere Provinz Batanäa 
umfaßt nicht das ganze Bafan, zu dem aud 
ri Trahonitis, Auranitis und Jturäa 
gehörten. 

Baſedow, Yohann Bernh. Geb. zu Hamburg 
1723, ftudirte in Leipzig Philofophie und Theo- 
logie, 1753 Lehrer der NRitterafademie zu Soröe, 
1761 wegen Heterobogie nad) Altona verfegt. 
Bon Noufjeau’s Emile angeregt, wandte er feine 
Thätigkeit der her, bes Erziehungsmwes 
ſens zu, gab ben Orbis pictus heraus (Altona, 
1774) und ftiftete das Philanthropin bei Deffau ; 
verließ daffelbe und ftarb zu Magdeburg 25. Juli 
179%. Durch feine vielen Schriften, die was ihnen 
an Gründlichfeit und Gelehrfamleit abgeht durch 
Popularität erjegen, ift er der beveutendfte Be: 
förderer der Aufllärung geworden. 

Baſel. Die Reformation fand in Baſel früd 
Eingang. Wolfgang Eapito, Caſpar Hedie, Wils 
helm Räublin wirkten gleich bei ihrem Beginn. 
1523 fam Johannes Decolampabius nad) Bajel. 
1524 wurde den Mönchen und Nonnen erlaubt, 
das Klofter zu verlafien. Wilhelm Farel bispu: 
tirte in eier Jahre daſelbſt. Die [hwan: 
fende Haltung bes Rathes rief mehrere Bilder: 
eisen hervor 1528 und 1529, bis die reformirte 

ajorität entſchieden fiegte. In neuerer Zeit ift 
Bajel der Sig einer sh Thätigkett für 
innere und äußere Miffion. —— De 
bann Urljperger gründete bort 1780 die Deutjche 
Chriſtenthumsgeſellſchaft; daraus haben ſich ein⸗ 
zelne Zweige beſonders ausgebildet; ſo 1804 
die Baſeler Bibelgeſellſchaft, 1816 die Miffions: 
geſellſchaft. Diejelbe hat das weftliche Afrika, 
China, vorzliglih Dftindien in ben Bereich ihrer 

ütigkeit gezogen. Sie hat ungefähr eine halbe 
Million Franken Einkünfte. (S. Miffton.) 

Bafeler SGomparctaten. S. den folgenden Artikel. 

Bofeler Concil. Das Concil zu Conftanz hatte 
beichloffen, daß alle 5 Jahre ein allgemeines Con⸗ 
cil gehalten werben folle. Das Concil zu Siena 
mar aber ſchon 1423 aufgelöft; jo konnte die Eu: 
rie dem allgemeinen Andringen auf Ausjhreiben 
eines Concils nicht widerftehen, um fo weniger, 
als die Huffitennoth und die eg Lage Roms 
gemeinjfames Handeln der ganzen Kirche forder:- 
ten. Martin V. berief das Concil auf 1431 nach 
Bafel ein und ernannte Giuliano Gefarini zum 
Zegaten. Kaum aber hatte die Verſammlung ihre 
Thätigleit begonnen, ald Eugen IV., der inzwi—⸗ 
ſchen den päpftlihen Stuhl beftiegen hatte, das 
Decretder Aufhebung erließ und damit den Kampf 
gegen bad Concil eröffnete. In der 2. und 3. 
Sitzung nahm man die Sähe fiber die Macht ber 
on pair Eoncilien wieder auf, und ging als: 
bald in confequenter Anwendung bis zur Einlei⸗ 
tung eines Prozefles gegen Eugen vor. Den Be- 
nühungen des Kaiſers gelang es, 1433 dent Papſte 


Bajeler Eonfeifion 7 
bie Anerkennung abzunöthigen. Cefarini betrieb 
jobann bie Aus ang Be ben Hufliten, die er 
zur Abordnung einer Geſandtſchaft nad Baſel, 
an deren Spitze Procop, vermocht hatte. In den 
ſogenannten Compactaten, die jedoch Eugen nicht 
beſtätigte, geftand man ihnen die 4 Artikel ber 
Galigtiner zu, wodurch die Bereinigung ange» 
babnt wurde. In den Reformangelegenheiten ber 
Kirche fahte das Concil ernfte Beihlüffe, hob 
Amofen: und Balliengelder auf, beſchränkte bie 
ppellation nad) Nom und die geiftlihen Vorbe— 
halte, rief aber damit die Eurie zum entſchloſſen⸗ 
ten Widerftand auf, indem fie an der Minori- 
tät des Concils Unterftügung fand. Der Zwie⸗ 
ſpalt in der Berfammlung brach in offenen Kampf 
aus, jo daß man bis zum Handgemenge fam, als das 
Concil behufs ber beabfichtigten Unionsverhand: 
lung mit den Griechen nad) Italien verlegt wer: 
ben follte. Die Minorität verlas ihr Decret ald 
techtägültig und verließ Bafel, Unter Führung 
des Cardinals d’Allemand ging die zurüdgeblie: 
bene Majorität ihren Weg weiter, eröffnete den 
Brogeh gegen Eugen, fegte ihn ab und wählte an 
feine Stelle den Herzog Amadeus von Savoyen 
als Felix V. Eugen hingegen berief fein Concil 

Ferrara und verlegte es nad — 
& handelte ſich nun darum, welches Concil 
son den Völkern anerlannt werde. Den Bemil: 
bungen des Legaten Nikolaus von Cuſa war 
ed auf den Reihätagen zu Mainz und Frank: 
jurt 1442 gelungen, bie deutſchen Kurfürften 
für Eugen zu gewinnen, als diefer fie wieder 
durch die unbefonnene Abjegung des Erzbiſchofs 
von Trier und Kölnerbitterte, jo daß fie drohten, 
fi auf die Seite der Bafeler zu ftellen, bie ihre 
Sigungen feit 1443 vertagt hatten. Den Unter: 
banblungen bes Aeneas Sylvius gelang ed Eugen 
zu beftimmen, noch auf dem Tobbette das ſoge— 
nannte Fürftenconcordat zu beftätigen, wodurch 
ihm die Anerkennung ber Deutſchen wurbe, ba 
er in demſelben dad Bafeler Concil und feine Be: 
ſchlüſſe bis zur Verlegung nad) Ferrara geneh— 
migte. Als auch Franfreih und alle weltlichen 
Nähte ſich Rom geneigt zeigten, entjagte Felix V. 
feinee Würde; die in Bafel Zurüdgebliebenen 
wählten aber an jeine Stelle den Nachfolger Eu— 
gens, Rilolaus V., durch welche Wahl 1449 Eoncil 


und Shisma beendigt wurden. Die Frucht des 


Concils war, dab durch ſchlecht gehaltene Zuge: 
fändnifje zwar einige der ſchreiendſten Uebolſtände 
der päpftlichen Kirchenhertſchaft abgeftellt wurden, 
jonft aber nur auf das ungmeibeutigfte an den 
Tag geſtellt blieb, daß auf dem bisherigen Wege 
eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern 
nicht zu erlangen fei. 

Bajeler Confeſſion. Wurde ala Abjchluß des 
Reiormationswerfes in Bafelam21. Januar 1534 
som Rathe aufgeftellt und von ben Zünften be: 
Khworen. Zu Grunde liegt ihr das Belenntniß 
Derolampabs in feiner Synodalrede 1531, ver: 
ſaßt ift fie von Myfonius. In 11 Artikeln: Bon 
Gott. Bon den Menſchen. Sorge Gottes für uns. 
Bon Ehrifto wahrem Gott und wahrem Menfchen. 
Bon der Kirche. Bom Nachtmahl unfered Herrn. 
Som Braud) des Bannes. Bon der Obrigteit. 
Ton Glauben und Werfen. Vom jüngften Gay. 
Son Gebot und Nidht:Gebot. — Wider den Jır: 
thum der Wiedertäufer entwidelt fie kurz und 
bünbigdie reformirte Lehre. Die Kirche bannet um 


.— 


Bafilides 


ber Befferung willen. Obrigfeit ift dann erft rechte 
Dbrigfeit, wenn fie recht hriftli ift. Die Con— 
feffion ift Grundgefeg der Bafeler Kirche geblies 
ben und wurde jährlih am grünen Donnerftage 
in der Gemeinde verlefen, ein Antrag auf Abän: 
derung 1826 wurde zurlidgewiefen. Da außer 
Bafel aud Mühlhauſen die Eonfeifion annahm, 
führt fie aud) den Namen Confessio Mühlhusana. 
Hagenbah, Kritiihe Gefhichte der Entftehung 
der Bafeler Eonfeffion, 1858. 

Bafeler Confeſſion, zweite. S. Helvetifche Eon: 
feſſion, erfte. 

Bafilianer. Nach dem Vorbilde bes von Baſi— 
liusd. Gr. geftifteten Kloſters bilbeten ſich mehrere, 
welche aud) die von Bafilius aufgeftellten Ordnun⸗ 
gen, die große und rung annahmen und fie 
allınählid in allen Klöſtern der griech. Kirche ver: 
breiteten, Daher deren Mönche fi allgemein Bafi: 
lianer nennen. Eigentlich kommt dieſer Name aber 
nur ben griehifhen Mönden in Neapel und Unter: 
italien zu, welche die Regel des Bafilius befolgten 
und von Gregor XIII. 1573 vereinigt und * 
mirt wurden. Der weibliche Orden der Baſilianer⸗ 
innen führt ſeinen Urſprung auf die Schweſter des 
Baſilius, die Macrina, als Stifterin zurück. 

Baſilides. Lehrer in Alexandrien zur Zeit Ha— 
brians, Begründer eines ber widtigiten ana 
fhen Syfteme. Seine Hauptideen find folgende. 
Alle Entftehung ift ein Prozeß von unten nad 
oben, vom Unvolllommenen zum Volllommenen. 
Das Abfolute, der Anfang aller Dinge, ift das 
ihledthinige Nichts. Diefes jegt aus fich heraus 
die Welt in embryonifger Weife, ald Same 
(onegue Tod xöauov) aus dem die Melt fich ent⸗ 
widelt. Die in diefem onedoua zur Entfaltung 
fommenden Dafeinsformen nennt Baſilides 
„Sohnſchaften“ (vidınres), deren es 3 giebt. Die 
erjte fteigt zum höchſten feligen Nichtein leicht 
empor, die zweite gelangt nur halbwegs, fie bleibt 
noch am Weltjanen kleben. Eine Fe trennt 
dieje beiden. Da erhebt fich der erfte Archon, der 
Herr ber Welt, und gründet die ätherijche Wert, 
die fogenannte Ogdoas; ebenfo ein zweiter Ars 
con, welder die jogenannte Hebdomas grünet. 
Beide MWeltbildner dünken fi ala die volltoms 
menften und höchſten. Da wird der Sohn bes 
erften Archon erleuchtet von ber höchſten Sohn: 
ſchaſt, und ein Licht geht von diefem aus, das 
aud den Archon zum Bewußtfein feiner jelbjt 
zurüdführt. Yon der Ogdoas geht bie Erleuch— 
tung in derſelben Weife in die Hebdomas, und 
von da durch die ganze Stufenreihe der 365 Him: 
mel, deren Arhon Abraxas heißt, Hindurd, 
bi8 in die Tiefe, wo die dritte Sohnfdait, 
d. 5. das Menſchengeſchlecht, noch nach Erlöjung 
feufzt. Die Marıa wird von der Kraft des Höch— 
ſten überjchattet und gebiert Jefus. In ihm geht 
die Kriſis und die Scheidung des Geiftigen und 
Materiellen vor ſich (Leiden, Sterben) und theilt 
fi von ihm aus feiner Mitwelt mit. Dadurd) 
erhält dieje dritte Sohnſchaft allmählich die äthe— 
riſche Feinheit der andern und fie fteigt durch alle 
Himmel hindurch raſch in die höchſte Seligfeit em— 
por, das ijt das Endziel der Welt (Aroxaruoraaıg). 
Eine allgemeine Unwiffenheit wird über alle Melt: 
ftufen ausgegofjen, damit feine aus ihrer Lage 
und Ruhe gejtört werde. — Erin Sohn Ylidorus 
hat das Syſtem jeines Vaters meitergebildet. 
Die Bafılivianer verfielen in corrumpırte, antis 


Bafilidianer 


nomiftifche uns. Sie gingen im 4. Jahrh. 
unter. Die Darftellung des B.'ſchen Syſtems 
findet fi) in Hippolyts Philosophumena, bei Ire⸗ 
näus und Epiphanius, bei Erfterem und den Letz⸗ 
teren mit Differenzen, bie —— ausgleichen 
laſſen. Literatur darüber: Baur, Chriſtl. Gnoſis, 
1835. Jacobi, Bas. philosophi gnostici senten- 
tiae etc. 1852. Bunfen, Hippol. u. . 31.,1852. Uhl: 
born, das B. ſche Syftem ıc., 1855. Hilgenfelb, das 
Syſtem des Gnoftifers B., Theol. Jahrbb., 1856. 
Baur, das Syftem bes Gnoftifers B, und die neue⸗ 
ften Auffaffungen deffelben, Theol. Jahrbb., 1856. 

Bofilidianer, Anhänger des Baſilides. ©. d. 
vor. Art. 

Bafiliken. Die von Kaiſer Yuftinian promuls 
girte Sammlung des römiihen Rechtes war las 
teinifch geſchrieben und es bedurfte zu ihrer An: 
wendung im Drient ber Uebertragung ins Gries 
chiſche. Nah manden Vorarbeiten, veranlaßt 
durch Baſilius Macedo 878, publicirte daher Leo 
der Weiſe 886 die Bafılilen (Basıkıxa vouue), 
eine griechiſche Bearbeitung des römischen Rechts⸗ 
buches aus alten Ueberjegungen und Gommenta: 
ren. Ausgabe von Heimbach, 1833. 

Bafilifen. Die öffentlihen zum Hanbel unb 
zur Gerichtspflege bejtimmten Gebäude der Grie⸗ 
hen und Römer, welde jpäter die Grundform 
ber hriftlihen Kirchen abgaben. Sie bejtanden 
aus 2 Haupträumen, ber halbrunden Niſche dem 
Eingang gegenüber, in welchem ber Gerichtähof 
feinen Sig hatte, und bem vieredigen —A 
welches durch Säulenreihen in drei Schiffe ges 
theilt wurde und dem Publicum den Ort des 
Verkehrs gewährte. Aus der Thüre der Lang— 
ſchiffe trat man in eine Vorhalle hinaus, die in 
den Borhof (atrium) führte. Die Seitenſchiffe 
waren von ber Höhe der Säulen, das Mittelſchiff 
war höher durch bie auf den Säulen ſich erheben» 
den, iiber das ſchräge Dach der Seitenſchiffe em: 
porragenden Mauerwände, von weldhen aus das 
zu. fi in einem ftumpfen Wintel aufpihte. 

as Licht enıpfing das Gebäude durch die Fen— 

er in ben Seitenwänden, das erhöhtere Mittel: 
hiff durd) die höheren Seitenwände von oben. 
Die ganze Eonjtruction empfahl diefe Gebäude 
für den Gottesdienft der Chriften, während die 
heibnifchen Tempel ſich in Stätten des chriftlichen 
Eultus nit umwandeln ließen. Der Gemeinde 
blieb nun das Langhaus (vaos); die Niſche (xoyxn, 
äyıs), im Mittelalter Chor, welde durch Schran: 
ten (cancelli) von dem Langhauſe geſchieden wa⸗ 
ren, bildete den erhöhten Sif des Klerus (Baua). 
Allmahlich (5. Jahrh.) ſchob ſich zwiſchen die Apfis 
und das Langhaus noch ein Querſchiff hinein, ſo 
daß die Kirche die Form eines Kreuzes darbot. 
Gewöhnlich war das Querſchiff erhöht wie die 
Apſis und bildete einen Theil der Klerusſitze. 
Der Raum unter der Apſis, ſonſt Kerker für die 
Angeſchuldigten, wurde Begräbnißſtätte der Mär» 
tyrer, oder fpäter die Krypta, die Grablirde. 
Die Vorhalle (an ber ganzen Breite der Kirche) 
war zur Aufnahme ber Pönitenten bejtimmt, 
ALS die älteften jolher Baſililen befchreibt Eufe- 
bius die zu Tyrus und die von Conjtantin über 
dem heil. Grabe 325 erbaute. 

Bafiliskus, der Uſurpator. Erließ 476lein Edict, 
burd) welches der Monophyſitismus zur Staats» 
religion erhoben werden follte; Bafilisfus wurde 
jedoch in Folge davon geftürzt, 477. 


12 


Badnage 


Bafllins von Auchra. Durch die Eufebianer 
zum Biſchof erhoben, war das t ber Semis 
arianer, wurde bei dem Siege der Arianer 360 
auf der Synobe zu Eonftantinopel abgej 

Baſilius, der Bogomile. War Arzt und breitete 
unter dem Gewand des Mönchs die Irrlehre ber 
Bogomilen aus, als deren Haupt er galt. Alerius 
ber gromme ließ ihn ergreifen und, da er jeine 
Lehre nicht abſchwören wollte, verbrennen, 1115. 

Bafilius Der Große. Der Bruder Gregors 
von Nyfia, Freund des Gregor von Nazianz, ges 
boren 330 in Gäfarea in Kappabocien. Der Reis 
gung zum asfetifhen Leben folgend, —— er 
nad Vollendung ſeiner Ausbildung bie berühm⸗ 
teſten Asketen und gründete in einer Einöde bei 
dem Dorfe Anefi in Bontus ein Klofter, wohin er 
ſich zurüdzog. 364 aber von Eufebius von Cäſa⸗ 
tea zum Presbyter berufen, ſtand er bemfelben 
ur Seite bei dem Widerſtande gegen bie Verſuche 
ed Arianiömus, bort einzubringen, und wurde 
370 an feiner Stelle zum Biſchof gewählt, nicht 
ohne Widerfprud einer Partei, bie ererſt allmählich 
Überwand. Uriprünglid dem Semiarianismus 
geneigt, trieb ihn der Kampf gegen bie ftrengen 
Arianer immer entidiebener auf die Geite des 
nicänifhen Belenntniffes, zu deſſen ftandhafteften 
Vertheidigern er fortan gehörte. Bor dem Exil, 
mit dem ihn Balens bedrohte, bewahrte ihn nur 
bie geläbrlicpe Erkrankung des kaiferlihen Soh⸗ 
nes, die ala göttliches Mahnzeichen gedeutet wurbe. 
In ber Meletianiihen Spaltung bemühte er I? 
freilich vergebens, bei Athanafius und in Rom die 
Anerkennung bes Meletius zu erlangen und zwi⸗ 
hen dem Drient und Dreibent die Wieder L 
a bes kirchlichen Friedens zu vermitteln. Er 
ftarb 379. Außer feinen dogmatifchen (3. B. Vom 
heiligen Geift), polemiſchen (3. B. gegen Euno« 
mius) und bomiletifhen (Homilien und Predig⸗ 
ten) Schriften find feine entre von Wichtig» 
feit, von denen behauptet wird, fie enthielten d 
vom Apoftel Jalobus ber mündlich forigepflanz⸗ 
ten Liturgien, und bie neben benen des Chryſo⸗ 
ftomus noch heute in ber —— Kirche 
braucht werden. Manches Unechte hat ſich * 
in dieſelben eingeſchlichen. Beſte Ausgabe ſeiner 
Schriften von Garnier, Paris, 1721—1730, 3 
Boe., Fol. Bgl. Kloſe, Baſilius der Gr., nach ſei⸗ 
nem Leben und feiner Zehre, 1835. 

Bofilius von Seleneia. Erklärte fi zu Con⸗ 
ſtantinopel 448 und zu Epheſus 449 gegen Euty⸗ 
des, behauptete aber, als er 451 zu Chalcedon 
abgefegt werden follte, er habe nur gezwungen 
gegen jeine eigentliche Meberzeugung geftimmt. 

adlama. Stabt, vielleiht in Gilead, wo Jo⸗ 
nathan Maflabäus getöbtet und begraben wurde, 
1. Matt. 13, 28, 

Baönage, Benjamin. Geb. 1580, geft. 1652. 
Pfarrer inCarentan,nahın Theilanallen Synoden 
und Berjammlungen ber franz. Proteftanten und 
präfidirte die Nationaljynobe zu Alengon 1637. 
Bon feinen Enteln find zwei berühmt: 1) Jakob 
Basnage, geb. 1653, beliebter Prediger in 
Rouen, Rotterdam und Haag, befien diploma« 
tiiche Fähigkeiten mehrfach benugt wurden. Seine 
Hauptwerke find die Allgemeine Kirchengeichichte 
und die Geſchichte der franzöſiſchen Kirche, in 
denen er aber fortwährend apologetiihe Zwecke 
im Hinblid auf Bofjuets Darftellungen vers 
folgt. Ebenfo ſchrieb er die Geſchichte der Juden 


Bafora 


1706. — 2) Samuel Basnage. Ein Better 
bes Borigen, geb. zu Bayeur 1633 und Predis 
dort, flüchtete 1685 nad Zütphen, + 1721. 
Sörieh eine Kritik der Annalen des Baronius; 
Exereitationes hist. crit.; eine Kirchengeſchichte 
von Auguftus bis Pholas und Moralethöologique 
et politique, in der er zuerft den Verſuch machte, 
ati? und Moral von einander zu irennen. 
fora. ©. Baraffa. 

Bafiholm. Geb. 1740, anfangs Prediger der 
deutihen Gemeinde in Smyrna, 1779 Hofprediger 
in Kopenhagen und Fönigl. Confeffionarius. Eine 
Ueberjegung der Bibel mit Anmerkungen und der 
Verſuch einer verbefierten Einrichtung des Gottes: 
dienſtes vermwidelte ihn in mehrfache theologi: 
ſche Streitigkeiten. Bon Gelehrfamteit zeugen 
die Jüdiſche Geichichte” und die „Unterjudungen 
über die religiöfen und philoſophiſchen Meinun: 
gen der älteften Bölter“. 

Bath. S. Maß und Gewidt. i 

Rol, d. h. Tochter der Stimme oder wie: 
derhallende Stimme. Nach dem Talmud ber vierte 
und ni e Grad der Offenbarung, der an bie 
Stelle des Urim und Thummim getreten ift; alfo 
eine Stimme vom Himmel, die in zweifelhaften 

Uen dem Menſchen eine Entſcheidung giebt. 

Maimonibes wird fie innerlich, nicht Äußer: 
li vernommen. Das heißt alfo, durch innere 
Geiftesregung vernimmt der Menjd) in einem zu 
i nenden Worte bie Antwort auf eine 
in bmertich beichäftigende frage. Manche Stel: 
len des Talmub reden von ber Bath-Kol jehr 
geringihägig- * 

Baih ſeba. Das Weib Uria's des Hethiters, nad) 
deſſen Rord Davids Gemahlin, Mutter des Salo: 
mo und Nathan, mußte in Verbindung mit dem 
Propheten Nathan für ihren Sohn Salomo die 
Thronfolge von David zu erlangen. 

Bauer, Aurel Reinhard Egin. Ein deutſchla⸗ 
tholiſcher Prediger in Dresden, welcher 1849 in 
die proteftantifche Kirche zurücklehrte. Populäre 
Schriften von ihm find: Die Galerie der Refor⸗ 
matoren, das Urchriſtenthum, Vollserzählungen 

A 


u. A. 
en —— An ——* — 

iſenberg im Herzogthum Altenburg. rivats 
docent J Theologie zu Berlin, dann 1839—42 
zu Bonn, wo ihmbie veniadocendi en ehe mwurbe, 
nachdem er feine „Kritif der evang. Geſchichte des 
Johannes” und die „Kritilderevang. Synoptifer“ 
(1840) veröffentliht. Ihm find die biblischen Er» 
zählungen entftanden aus ber Willfür und boden» 
Iojen Reflerion des Einzelnen, darum aud voll 
Viderſpruche und Gedantenlofigkeiten. Seit 1842 
in Berlin, ließ er 1850 nad) längerem Schweigen 
fiber theologiſche Stoffe feine „Kritik der pauli⸗ 
niſchen Briefe” erfcheinen,, in denen er noch über 
die Tübinger Schule Hinausfprang und auch die 
yaulinifchen Hauptbriefe für unecht erflärte. Inder 
Energie feines Dentens, der Schärfe und Leiden» 
ſchaft des Geiftes ftellt B. Bauer nad) dem Aus: 
drud von Schwarz die tollgewordene Logik vor. 
Sein Bruder Edgar trat mit derjelben Tendenz 
auf ; er vertheibigte feinen Bruber in der Schrift 
„Bruno Bauer und feine Gegner”. 

Bauer, Georg Lorenz. Profeſſor der Theologie 
zu Altdorf und Heidelberg, Rationalift, Berfafer 


73 


Baumgarten 


Teftaments, ber Hebräifchen Alterthümer, Moral 
des Alten Teftaments u. U, + 1806. 

Bauernkrieg. ©. Reformation. 

‚Baufunft bei den Hebräern. Bon einer 
eigentlih hebräiſchen Baufunft läßt -fih nad 
ben wenigen vorhandenen Daten nicht reden, 
weil bie großen Prachtbauten Davids und Salo: 
mo's durch phönizische Künftler ausgeführt wur: 
den. In der mallabäiſchen Periode verbreitete 
ih griechiſcher Geihmad, vornehmlich herrſchte 
diefer in den Bauten der Herodianer, bei den 
Theatern, Schlöffern zc., bie auch in ihrer Beftims 
mung nit dem althebräiihen Sinne, jondern 
griehiihen Sitten dienen ſollten. Vgl. im Ein: 
zelmen bie Art. Häufer, Tempel. 

Baufunft, chriſtliche. Ueber die Entwidelung 
des Kirchenbau er vgl. die Art. Baſililen, Byzan⸗ 
tinifcher, Romanifcher, Gothiſcher Styl. 

Banlafl. Unter der firhlihen Baulaft verfteht 
man bie Berpflitung, für die Errichtung und 
Unterhaltung der firdlichen Gebäube bie nöthi- 
gen Mittel herzugeben., Naturgemäß ruht dieſe 
zunächſt auf bem SKirchenvermögen, in zweiter 
Linie auf der Gemeinde, welche in Fällen der Ar: 
muth von ber ganzen Kirche oder der Nachbar: 
haft unterftügt werden muß. Als das Kirchen» 
gut als Pfründe in bie Hände der Geiſtlichen kam, 
häufig fogar an Laien, wurden genauere Beftims 
mungen nöthig, die das Tridentinum dahin zus 
fammenfaßt, daß die Bauloften zunächſt aus den 
Einkünften der Kirche genommen werben follen, 
darnach treten Die ein, welde Einkünfte von der 
Kirche beziehen, Patrone und Geiftlidhe, u 
die Parochianen. In der evangeliſchen Kirche fi 
diefe Grundfäge geltend geblieben, nur find bie 
Geiftlichen der Pflicht enthoben, mit Recht, da fie 
felten bie frühern Pfründen genießen. Die Spe- 
eialgefeggebungen regeln bie Vertheilung der Baus 
laſt im Einzelnen. Als Nachwirkung der frangös 
ſiſchen Gejeggebung liegt in einem großen Theile 
der preußischen Rheinprovinz die Baulaft, in Ans 
fehung der Kirchen bedingungsmeife, in Anfehung 
der Piarrhäufer unbedingt ben Eivilgemeinden 
ob; eine Anomalie, die fih nur aus der Geſchichte 
er ri Kirche während der Revolution 

tt. 

Baumgärtner, Auguftin. Als Gefanbter bes 
Herzogs Albrecht zu Bayern an bas Goncil zu 
Trient 1562, hielt er dort eine Rebe, in welcher 
er das in ber katholiſchen Kirche herrſchende Ber: 
derben ber Geiftlichkeit jchilderte, welches die Ge: 
meinben erbittere und der Reformation in bie 
Arme treibe; er forderte verbeflerte Schulen, 
Aufhebung des Eölibats, Aben [unter beider: 
lei Geftalt. Die Synode nahm feine Rebe höchſt 
beifällig auf, erfüllte aber keins feiner Begehren, 
und fein Herzog verfuchte mit Erfolg, durch Auf: 
nahme der SJejuiten, der befürdhteten Zuwendung 
des Volles zum Broteftantismus zu wehren. 
Baumgärtner ftarb 1599 als Kanzler der Uni⸗ 
verfität Landshut. 

Baumgarten, Siegmund Jakob. Profeſſor der 
Theologie in le. Geboren zu MWollmir- 
ftäbt 1706, ftudirte er in Halle, wurbe Adjunct 
des jüingern Franke, 1728 Adjunct der theologi⸗ 
ſchen yacultät, 1743 orb. Mitglied; ein äußerſt 
beliebter alabemifcher Lehrer und fruchtbarer 


einer Einleitung ins A.T., einer Altteftamentlien | Schriftfteller (Augemeine Weltgeſchichte u. 4.). 
Theologie, einer Mythologie bes Alten und Neuen Mit dem Pietismus noch eng verbunden und 


Baumgarten⸗Cruſius 


ebenfo mit der Orthodoxie, ift er Wolfiſcher Sus 
pranaturalift (Evang. Glaubenälehre und Theolos 
gifhe Moral), der Theologie und Philoſophie zu 
vereinigen ſuchte. So ift er die Weberleitung in 
den Rationaliämus; diejer Stellung entfpricht e3 


auch, dab Semler (1758) fein Leben beſchrieben 1866 


und feine Werke herausgegeben hat. 

Baumgarten » Grufind. Geboren zu Merfe: 
burg 1788, Docent zu Leipzig 1809, Profeſſor 
ber Theologie zu Jena 1812, + 1343. Las 
und ſchrieb vorgüglih über Dogmengeſchichte, 
neuteſtamentliche Exegeſe, bibliſche Theologie, 
Dogmatik und a 1817 vertheidigte er gegen 
die Harmsſchen Thefen bie Teligiöte Freiheit, 
Theses theol. contra superstitionem et pro- 
fanitatem. 1820 erſchien feine Einleitung in 
dad Studium der Dogmatik; 1827 Handbud der 
chriſtlichen Sittenlehre; 1828 Grundzüge der bib- 
liſchen Theologie; 1832 feine Dogmengeſchichte. 
„Milde und zartfühlend, allem leidenſchaftlichen 
Parteitreiben von Grund der Seele abgeneigt, 
hat er alö Exeget, mit allen dazu nöthigen Mit; 
teln ausgerüftet, ben Sinn der Schriftmit feltener 
Unbefangenheit und Schärfe erforicht, ala Dog: 
menhiftorifer bie Urbildung und Entwidlung der 
religiöjen Denkarten in einem Umfang und mit 
einer Feinheit wie nur Wenige erfannt und 
verfolgt, ais Syftematiter nicht jowohl in durch⸗ 
greifender Drganifation der von ihm vertretenen 
Disciplinen, aber defto mehr durch tiefes Ein: 
bringen in ihr zarteres Gewebe Ausgezeichnetes 
geleitet und immer an dem Grund des Evange: 
liums gehalten, welches ihm Kraft und Sade 
Gottes zur Seligkeit war.” (E. Schwarz bei Her: 
309.) — Sein Bruder, Karl Wilhelm, ein befann: 
ter Philolog, gab einige religiöje Schriften (3. B. 
bie unfihtbare Kirche) heraus, 

Baumgartend Berfolgung. Michael Baumgar: 
ten, geb. 1812 in Schleswig, wurde 1850 ala Pro: 
feſſor der Theologie nad) Roftor berufen, gerade 
in ber Zeit als dort die politifche und Firchliche 
Reaction, letztere unter der Leitung Kliefoths und 
Krabbe's, ihren Anfang nahm. Baumgarten, ein 
Mann, ber rüdfihtslos dem zu folgen pflegt, was 
er als recht erfannt hat, fand ſich troß feiner or: 
thodoren, an die Meife von Klaus Harms erin- 
nernden Richtung bald in Widerfprud mit dem 
herrſchenden Syſtem. In feiner Schrift „Nacht: 
gefihte Sacharja's“ 1854 wollte man dogmatiſche 
und politiiche Heterodogie finden, und der Land: 
rath von Maltzahn ftellte, wenn auch vergeblich, bei 
ben Landftänden den Antrag auf Yaumgartens 
Entlafjung aus der Prüfungscommiffton. Dies 
und fein freimüthiges Auftreten auf einer Pfarr: 
ſynode zu Parchim 1856 gegen Einführung jüdi- 
fer Grundfäge in der Sabbathjeier erregte die 
Leidenfhaften gegen ibn. Eine Brüfungsfrage, 
die Baumgarten aus Anlaß von 2, Kön. 11, 4— 
16 über die Berechtigung der Revolution in arg: 
lofer, aber unvorfichtiger Weife ftellte, gab bie 
Veranlaffung, ihn aus der Prüfungscommilfton 
1856 zu verweifen. Am 6. Januar 1858 wurde 
er auf einen durchaus ungerechten Bericht bes 
Oberlirchenraths hin, der ihn als einen gefähr: 
lihen Menſchen Tennzeichnet, feines Amtes ent: 
fegt, jedoch unter Belafiung jeines Gehalts. Bol. 
Baumgartens Schrift „Eine firlide Krifis in 
Mecklenburg“. Auf die Entjegung folgte eine 
ganze Reihe gerichtlicher VBerfolgungen wegen au: 


74 


Baur 


geblicher Preßvergehen; ſechs Mal wurde Baum: 

arten gerichtlich belangt, mit Gelb oder mit Ge: 
Fängni beftraft; fogar für die Herausgabe von 
amtlihen Actenftüden. Bal. H. 9. Studt, ber 
treue wadere Zeuge Brof. Baumgarten, Altona, 


Baur, Ferdinand Chriſtian. Geboren zu 
Cannftadt, den 21. Juni 1792. Profeſſor am 
Seminarzu Blaubeuren 1817, nad Tübingen als 
Profeſſor der Theologie berufen 1826, Geftorben 
den 2. December 1860. Durch großen kritiſchen 
Scharfſinn, ſowie umfangreihe Gelehrjamteit 
und zahlreiche literarijche Arbeiten einer der ber: 
vorragendften Theologen unferes Jahrhunderts. 
Nach einigen früheren Schriften über Symbolik 
und Motdologie, fowie einer Gegenſchrift gegen 
Möhler, wandte fih Baur mit Vorliebe ber Er- 
forschung und Unterfuchung des Urchriſtenthums 
zu, wodurd) er von bleibender Bedeutung für die 
Entwidelung der Theologie und Stifter einer 
theologischen, der jogenannten Tübinger Schule, 
geworden ift. Seine Gombinationen auf dem Ge— 
biete der neuteftamentlichen Kritik find oft glän- 
zend, doch vermißt man nicht felten einen unge: 
trübten gefhichtlihen Blick; und auch feine treue: 
ften Anhänger haben nicht leugnen fönnen, daß 
er fih von feinen philojophiichen Borausjegungen 
aus zumeilen gewaltfam mit entgegenftehenden 
gefhichtlihen Thatfahen abzufinden wußte. Der 
Grundgedanle, der jeine Arbeiten durchzieht, ift, 
daß das Chriſtenthum nicht einheitlich in die Welt 
getreten, fondern daß dem Urchriſtenthum, weis 
es darin aufgegangen jei, in Jejus den verhei- 
benen Meffias der Juden zu erlennen, in Baulus 
ji) eine andere Richtung entgegengeftellt habe, 
welche im Ghriftenthum eine Univerjalreligion 
verfündigte, die dann innerlich die Geredhtigteit 
aus dem Glauben erfaßte und die freiheit vom 
Geſetz zum Schibboleth hatte. Dieje Richtungen, 
welche anfangs fich entjchieden belämpjten, wur: 
den im Abendlande wie in Kleinafien durch 
mande Einflüfje genöthigt, ji einander zu nä- 
—— und Compromiſſe einzugehen, bis ſie in der 
atholiſchen Kirche ſich zuſammenſchloßen. Einen 
ſolchen Entwicklungsgang rückwärts zu verfolgen, 
war die Aufgabe der kritiſchen Forſchungen Baurs 
und ſeiner Schüler; die von früheren ſich weſentlich 
dadurch unterſcheiden, daß fie auf den Gejammt: 
gedanteninhalt und die daraus zu erſchließende 
Tendenz der Schriften des N. T. ein befonderes 
Gewicht legen (daher der Ausdruck Tendeuzfritik), 
menn die Frage nad) dem Berfafjer und der Ent: 
ftehungägeit beantwortet werden ſoll. So wurden 
die meiften der fanonifhen Bücher zu Tendenz: 
ſchriften gemacht, die den Widerjprud zwiſchen 
dem Judenchriſtenthum der Urapoftel und dem 
Paulinismus theils darjtelen theils verjöhnen und 
verwijchen follten. Hat auch Baur jelbji mand)e 
von feinen früheren Behauptungen gemildert 
und aurüdgenommen, haben namentlih aud) die 
Arbeiten feiner Schüler und Anhänger in ber 
Evangelienfrage ein höheres Alter der heiligen 
Schriften anerfennen müfjen, jo daß im Ganzen 
die Anſichten der Schule eine erheblide Modifi- 
cation erlitten, jo hat fie doch das Verdienſt, 
wichtige 7* angeregt und den Blick der For⸗ 
ſcher, mehr als früher der Fall war, auf den 
theologiſchen Gehalt der einzelnen neuteftament- 
lichen Schriften hingerichtet zu haben. Die 


Bautain 


perſönliche und wifjeniaitliche Bedeutung Baurs 
und die aufrichtige Wahrheitäliebe, mit der er 
feine Forihungen, unbelümmert um den Ausfall 
ihrer Ergebnifje, muthig durdführte, wird aud) 
von folden feiner kirchlichen Gegner anerkannt 
werden, die nicht nur feine wirklichen Uebertrei« 
bungen und fehler belämpften, ſondern aud) die 
Wahrbeitselemtente, die in manden feiner Auf: 
ftellungen liegen, fid) nicht anzueignen wußten. 
Die Haupticriften Baurs find folgende: Ueber 
das manichäiſche Religionsiyften, 1831. Chriſt⸗ 
liche Gnoſis, 1835. Die ſogenannten Paſtoral⸗ 
briefe des Apoſtels Paulus, 1835. Der Gegenſatz 
des Katholicismus und Proteftantismus, 1836. 
Die Lehre von der Verſöhnung, 1838. Die Lehre 
von der Dreieinigfeit, 1841—43. Paulus, der 
Apoftel Jeſu Ehrijti, 1845. Lehrbud) der Dogmen: 
geſchichte, 1347. Kritifche Unterfugungen über bie 
lanoniſchen Evangelien, 1847. Das Chriſtenthum 
und bie Kirche der erften 3 Jahrhunderte, 1 
3. Aufl. 1863. Fortfegung dieſes Wertes bis 
zum 6. Jahrhundert, 1859. Nad) des Verfaflers 
Tod von Zeller herausgegeben: Kirchengeſchichte 
des Mittelalters, 1861. Kirchengeih. des 19, 
Jahrhunderts, 1862. Borlefungen über neuteft. 
Theologie, 1864. Borlefungen über Dogmenge: 
ihichte, 1865. Vgl. Zeller, Vorträge und Abhand: 
lungen, Leipzig, 1865. 
tein, AbbE in Straßburg, ber wegen ber 
Behauptung, daß die Dogmen nur geglaubt wer: 
den müßten, nicht begriffen werben könnten, zum 
Widerruf gezwungen wurde, 1834. 
Bazrter, Richard. Geb. 1615. Als Vicar zu Kid: 


ichnete er fich ſchon durch eifrige praf: | theilte 


berminfter zeich 
tiſche Thätigfeit aus, verließ bie Stelle, um als 
Feldprediger 1642 das Parlamentäheer zu beglei- 
ten, und trat dann in Hibderminfter wieber ein, 
bis er, ein ftrenger PBuritaner und Nonconformift, 
in golgeder Uniformitäfß-Mete eine Stelleverlaffen 
mußte. Seine Muße verwandte er zu ſchriftſtelleri⸗ 
ihen Arbeiten, deren eine ihm unter Jakob eine 
längere Gefängnißitrafe zuzog. Barter, jelbft aus: 
gezeichnet als praftifcher Gei —— bat ſein Ideal 
eines ſolchen in dem Reformed Pastor gezeichnet. 
Belannter noch ift feine „ewige Ruhe Heili⸗ 
gen“ (the Saints’ everlasting rest). Er ſtarb 1691. 

Barterianismms ift der milde Calvinismus, ben 
Barter vertritt, der eine Präbdeftination des Einen 
zur Seligteit befennt, aber für den Andern feine 
göttliche Berwerfung annimmt. 

de Bay oder Bajus, Michael. Geb. 1513 in 
Relin, wurde nah Bollendung feiner Studien 
Auffeher im Collegium Standent zu Löwen und 
Profefior (1551), wo er mit feinem Collegen Heſſels 
die Auguſtiniſchen Lehren von ber Unfähigkeit des 
Menihen zu allem Guten, der Nichtverdienftlich- 
feit der Werte und der ausfchließlichen Wirkſamke 
der göttlichen Gnade vortrug. Ihre Gegner,* die 
Franciscaner, ftellten 18 Sätze zufammen und 
erwirkten eine formell fehr verbäcdtige Berwer: 
[ung durch die Sorbonne. Beide, geſchiltzt durch 

Cardinal Granvella, blieben jedod) in ihren 

Aemtern, und murben fogar zum Goneil nad 
Trient geſandt, 1563. Als de B. von Neuem über 
den freien Willen und das Verdienft der Werte 
ihrieb, verwarf 1567 Pius V. 76 Säte als irrig 
und —— legte den Parteien —— 
auf. Die Bulle wurde erſt fpäter publicirt, als 
de B. in feinen Vorlefungen die Süße zwar ver: 


75 


Bayern 


warf, aber nicht als bie jeinigen anerfannte und 
auch die Echtheit der Bulle ſelbſt bezweifelte. Gre— 
gor XIII. publicirte fie aufs Neue, wie er fie in 
den Negiftern Pius’ V. gefunden hatte. Doch fand 
de B. Schuß bei der Facultät und blieb in a 
und Anjehen; wurde jogar 1577 Großinquifitor 
der Niederlande. B. ift der —— des Janſe⸗ 
nismus. Er ſchrieb u. X. De libero hominis arbi- 
trio, De charitate, justitia et justificatione, De 
peccato originis. Seine Schriften find heraus: 
gegeben von Gerberon 1596. Bal. F. 9. Linſe⸗ 
mann, Michael Bajus, Tüb. 1867. 

Bayern. Die Einführung und Ordnung der Tas 
tholiſchen Kirche muß auf Bonifarius zurüdgeführt 
werden. Allerdings gehen die Zeugnifle für den 
Beſtand des Chrijtentfums im heutigen Bayern 

in bie Römerzeit hinauf, wie die Legenden von 
er heil. Afra und dem heil. Fabian und die Ge: 
ſchichte des heil. Severin zeigen, zu deſſen Zeit die 


. | katholijche Kirche als die herrichende ericheint. Aber 


mit dem Rüdzug der Römer 448 und der Einwans 
derung ber Bojaren zerfielen bie Gemeinden unter 
ber Uebermacht des Heidenthums und des Aria: 
nismus. Neuen Eingang fand das Chriftenthum 
theild durch die brittiſchen Miffionare von der 
Schweiz aus, theild duch fränkiſche (Emmeran, 
‚Corbinian), und in der Mitte des 7. Jahr: 
hunderis ift es bereitö ſehr verbreitet; aber in der 
verichiedenen Heimath ber Miffionare, in dem Ver: 
fehr mit den Longobarden und anderen Einflüffen 
ift e8 begründet, daß zu Bonifacius’ Zeiten 
Land als von Häretifern, Schiämatifern und aller: 
lei Unordnung beläftigt gefchildert wird. Bonifacius 
da3 Land in 4 Bisthlimer, Salzburg, Re: 
gensburg, Freifing, Paſſau, und beförderte die Er: 
richtung von Klöjtern, durch deren Anzahl Bayern 
fic) ſeitdem ausgeichnete. Die Reformation fand an 
den bayerifchen Fürften von jeher den entſchieden⸗ 
ften Widerftand, fie beriefen zuerft die Jejuiten 
nad Deutſchland und übergaben ihnen die Univer- 
fität Ingolftadt; jelbft die Inquiſition wurde tr 
des Proteftes der —— ae ‚und bei 
Strafe die Ablegu es tridentiniihen Glau: 
bensbelenntniffes und der Beſuch der Meſſe ver: 
langt. Nach dem dreißigjährigen Kriege Pie 
Marimilian dad Borbild Defterreihs, in Be: 
Ihränfung der den BProteftanten zugeficherten 
Rechte. Bon bejonderer Bedeutung für bie Herr: 
fchaft bes päpftlihen Syſtems in Deutichland 
wurde außerdem Bayern dadurch, Daß ber erzbi * 
liche Stuhl zu Köln eine Reihe von Jahren hin: 
durd nur mit bayerijchen Prinzen bejegt ward. 
Die evangeliiche Kirche Bayerns findet fich daher 
nur in den frühern freien Nei —— und un⸗ 
mittelbaren Gebieten, ſowie in Anſpach, Bayreuth 
und der Pfalz. Sie zerfällt in die proteſtantiſche 
Kirche diesſeits und jenſeits bes Rheins (Pfalz). 
Jene ift — mit einzelnen reformirten Ge: 
meinben, dieſe jeit 1819 umirt und hat eine ſynodale 
Berfaffung nach der Revifion von 1849. Als die 
Beichlüffe der Generalfynode von 1853 und Edicte 
be3 Kirchenregimentes die frühere Befreiung vom 
Symbolzwang beſchränkten und 1856 ein neues 
orthodores Geſangbuch einführten, ohne auf ent: 
gegenjtehende Wünfche der Gemeinden Rüdjicht zu 
nehmen, bildete fi der Taufende von Mitglievern 
zählende Proteftantiiche Verein, und in Folge der 
Aaitationen in den Gemeinden ſah ſich das Kirchen: 
regiment genöthigt, einen Berfonenwechjel eintreten 


Bayle 


zu laſſen und den Beichlüffen ber neuen Sy: 
nobe, welche die Titurgifche Freiheit ber Gemein: 
den wahrten, beizutreten, ohne jedoch die rg 
Aenderung der Verfaſſung ron zu bewilligen. Be: 
fannt ift, daß die bayeriſchen Proteftanten fich 
lange Zeit über das Kniebeugungsgeſetz und über 
das Verbot bed Guftav:Adolf:Bereins zu beflagen 


hatten. 

Bayle, Peter. Sohn eines reformirten Geift: 
lichen, geb. 1647, ftubirte bei den Sefuiten zu 
Taulaufe Philofophie. In der Ueberzeugung von 
der Unhaltbarkeit mancher reformirten Lehren trat 
er zum Katholiciömus über; fein Scharfjinn und 
feine Wahrheitöliebe fanden ſich jedoch noch wenis 
ger bei der jeſuitiſ Dogmatik befriedigt und 
nad) 17 Monaten kehrte er wieder um und ftudirte 
in Genf Eartefiihe Philofophie. Darnach war er 
au ber Vhilojophie zu Sedan 1681 und zu 
Rotterdam, bis er 1693 feined Amtes entjekt 
wurde, als ihn fein College Jurieu beichulbigte, 
burd) die ihm zugefchriebene Schrift Avis impor- 
tant aux röfugies fih an die Spike einer Ber: 
ſchwörung zu Gunften Ludwigs XIV. gejtellt zu 
rei Seine Muße benugte er nun zur Herausgabe 
eined® Dictionnaire historique et eritique. In 
biefer wie in feinen übrigen Schriften ſieht feine 
große Gelehrjamkeit im Dienfte der Stepfis und 
der Kritif. Da er Gewißheit der Wahrheit haben 
wollte, jo betrachtete er fie von allen Seiten und 
tellte die möglihen Einwände und Zweifel auf, 

urch mußte er dem fejtgewurzelten Dogmatis: 
mus jeiner Zeit als Feind des Chri 8 er: 
—— Sein Commentaire philos. sur ces paro- 
es de l’Evangile: contrains-les d’entrer ijt eine 
Vertheidigung ber Toleranz. + 1706. 

Bazra. S. Bozra. 

Bdellium. 573 1.Mof. 2,12, 4.Mof.11,7; 
BIAN«, wird meiftnad) Borgang ber Alten für das 
durchſichtige, wohlriehende Harz einer in Arabien 
= wachſenden Palmenart gehalten. Nicht zu 

illigen ift die Erklärung durch Perlen. Laſſen er: 
lennt barin ben Moſchus. 

Bealoth. Stadt im füdlichen Theil ded Stam: 
mes Juda, Sof. 15, 24. 

Beaten hießen in Spanien bie Tertiarierinnen, 
weldye freiwillig bie drei Kloftergelübde beobad): 

et 


teten. 

Bentification, Die Borftufe ber Kanonifation 
(. d. A.), ift die nad vorhergegangenem Prozeß 
erfolgte feierliche Erflärung des Papftes, daß Je: 
mand um feiner heroifchen Tugenden und der von 
ihm ausgegangenen Wunder willen für felig zu 
erachten ſei und als folder in einem beftimmten 
Diftrict in befchriebener Weiſe angerufen und ver: 
ehrt werden bürfe. 

Beatus. Presbyter und Abt von Lipana, 
Hauptgegner der Adoptianer (785). 

Beaumont. Erzbifhofvon Paris, verweigerte im 
janfeniftiichen Streit allen Denen die Sterbefacre- 
mente, welche die päpftliche Bulle „Eonftitution“ 
nicht auädrüdlich anerfannten (1752). 

Beaufobre. Geb. zu Niort 1659. Nach der Auf: 
bebung des Edicts von Nantes mußte er fliehen, 
wurde franz. Prediger zu Deſſau, 1694 zu Berlin, 
geft. 1738 ala —— Kabinetsprediger 
und Director des franz. Hauſes und Inſpector der 
franz. Kirchen. Einer der ausgezeichnetſten Predi⸗ 
ger der franz. reformirten Kirche. Ueberſetzte das 


76 


Becket 


Neue Teſtament, um die alte fehlerhafte Marotſche 
Ueberſetzung zu verbeffern, bearbeitete, um eine 
umfafjende Geſchichte der Reformation zu gewin⸗ 
nen, bie Geſchichte der Secten des Mittelalters 
— — den Unterſchied darzuſtellen, die der Ma» 
nichäer. 
ebel, Heinrih. Geb. 1472 zu Juſtingen in 
Schwaben, geft. 1516. Profeffor der Beredfamteit 
in Bafel. Gehört zu dem Kreife der Humaniften, 
welde die Reformation vorbereiten halfen, wozu 
Bebel durch feine ſcharfen und wigigen Sittenfchil: 
derungen und die Ermahnungen, bas Neue Ihe s 
ment in der Grundiprache zu lejen, viel beitrug. 
—— Leopold von. Geſt. 1363, ſeit 1352 
Biſchof von Bamberg. Bertheidigte den —— 
den der Kurverein zu Renſe 1338 adoptirte, daß 
der römifche König feine Würde nicht vom römi- 
Ken Stuble, fondern von der Wahl der Kurs 


en berleite. 

8. As Johannes X. Patriarch von Con⸗ 
ftantinopel. Als Großfanzler der Patriarchallirche 
widerſetzte er ſich den Verſuchen bed Kaiſers Michael 
Paläologus zur —— mit ber abendländt:» 
ſchen Kirche durch das Concil zu Lyon 1274. Des: 
en ins Gefängniß geworfen, änderte er feine Ans 
ichten und wurde zur Belohnung zum Patriarchen 
ernannt. Dem hierdurch erregten Aergerniß aus⸗ 
zumeichen, legte er feine Würde nieder und ging 
ins Klofter, ohne feine Unionsbemühungen aufzu⸗ 

eben. Bei dem Umſchwung der Stimmung am 
Ste, nad) dem Tode des Michael, wurde er nach 
Bithynien verbannt und ftarb im Elend 1298. 
eder. ©. Belter. 

Bedet, Thomas. Erzbiſchof von Canterbury. Der 
Borfechter der Rechte und Freiheiten ber Kirche in 
England, 308 als Züngling die Aufmerkfamteit des 
Erzbiſchofs Theobald von Ganterbury auf fidh, der 
ihn zur Belohnung für die Ausführung wichtiger 
Aufträge zum Archidiafonus madte und ihn dem: 
nächſt bem König Heinrich II. empfahl, als das Amt 
des Kanzlerd erledigt war. Den Anforderungen 
auch dieſes Amtes gab fi) Bedet ungetheilt hin 
und richtete fich völlig nach den Wunſchen bed Kö— 
nigs, ohne jedoch jemals den Rechten der Kirche 
etwas zu vergeben. In ber —— ein ee 
Werkzeug an ihm zu haben, —— er König ſeine 
Wahl zum iſchof von Ganterbury und Primas 
bes Reiches. Mit der Annahme des Amtes än- 
derte er feine Lebensweiſe und ſcheinbar auch feine 
Grundſätze; ur ein Höfling, der des Königs 
Wuünſche ausführte, wurde er nun ein Aälet, der 
dem Könige widerſtand und bie Rechte des Bapftes 
und der Kirche vertheibigte. Der Conflict brad) bald 
aus. Bon einer Verſammlung der Geiftlihen 1163 
verlangte der König die Berzichtleiftung auf die Ere- 
cution der Gerichtäbarkeit. Alle fügten ſich, nur 
Becket wiberftand; die Anerlennung ber von ben 
Vorfahren ererbten Rechte ded Königs (consue- 
tudines avitae) fnüpfte er an den Vorbehalt: unbe: 
ſchadet der Rechte der Kirche. Zwar verſprach er 
enblid die Gonftitutionen von Clarendon (1164) 
anzunehmen, d. h. 16 Artikel, welche die Freiheiten 
der Geiftlichen beſchränkten, bie —— Gewalt 
erweiterten; aber nachdem er die Urkunde noch 
einmal geprüft, weigerte er ſich entſchieden. Vor 
ein Concil zu Northampton vorgefordert, weigerte 
Becket ſich, zu erſcheinen, und floh nad Frankreich 
um Papſte Alexander III. nad Send. Bis zum 
Fahre 1170 währte der Kampf zwifchen dem Könige 


Beda 


und bem flüchtigen Primas, der von ber einen 
Seite mit Gewaltmaßregeln, ſelbſt gegen Beckets 
Freunde und Verwandte, von der andern mit Bann 
und Interdict geführt wurde. Selbft verſchiedenen 
päpftlihen Vermittlungsverſuchen fette Becket 
feine Unbeugſamkeit entgegen, bis Heinrich die Con⸗ 
ftitutionen fallen ließ. Als aber die Rüdgabe der 
Kirchengüter verweigert wurde, erklärte der nad) 
Canterbury bereits zurückgekehrte Bedet, er habe 
nur dem Wunfche des Papftes nachgegeben, werde 
aber fein Recht der Kirche aufgeben und die Biichöfe, 
die auf Seiten des Königs in den Bann get 


feien, * nicht löſen, bis Alles erflillt ſei. Der 
König ließ im Zorn ein Wort der Hoffnung fallen, 
von Becket erlöjet zu werben, auf das hin 4 Rit— 


ter denjelben in feiner Kathedrale erichlugen, 29. 
December 1170. Der Bapft erflärte ihn für einen 
Märtyrer, der König pilgerte ald Büßender zu 
feinem Grabe und räumte ber Kirche Alles das 
ein, wofür Bedet fein Leben eingefegt hatte. Buß, 
der h. Thomas 1856. Brijchar, Tüb. Quartalſchr. 
1852. Morris, Life and martyrdom ofS. Th.1859. 
Beda. Venerabilis (der Ehrwürdige). Wurde 
eboren 674 auf dem Gebiete bes Klofters zu 
Besrmouth und in feinem 7. Jahre dem Abte 
Denedict zur Erziehung eben; von hier in dad 
Kiofter Jarrow übergefiedelt, hat er daſſelbe nie 
wieder verlaflen; in demjelben zum Briefter ge: 
weiht, fand er feinen Beruf ald Lehrer der Kloſter⸗ 
ſchule und ala Schriftfteller. Sein Beiname be: 
ku, welchen Eindrud jeine tiefe ———— 
ine anſpruchsloſe Demuth, fein ſittlicher ſt 
bei feinem ausgebreiteten Wiſſen auf die Beitge 
nofjen gemacht hat. Außer feinen vielen exegetiſchen 
i find bejonders feine firchenhiftoriichen 
(Historia eccles. gentis Anglorum) zu bemerfen, 
in denen er bie Zeitberechnung des Dionyfius 
weiterführte und zu deren allgemeiner Annahme 
mitwirfte (De sex aetatibus mundi). In der Aus: 
der Schrift folgt er faft immer der alle: 
geriſchen Auffaffung. Ein Berzeichniß feiner Schrif: 
ten (fte erfchienen 1544 in Paris, 1563 in Bafel, 
Fe in Köln), ha das ganze est —— 
iſſenſchaft umfaſſen, hat Beda ſelbſt im Anhang 
———— gegeben. Vgl. Gehle, De 
Ven. vita 1838. 

Bedan. 1. Sam. 12, 11. Zwiſchen den Rich⸗ 
tern Jerubbaal und Jephta genannt, im Buche ber 
Richter wird aber Niemand diejed Namens aufge: 
führt. Schwerlich ift mit den LXX zu leſen Barat, 
der in die Ders nicht paßt; noch mit den Rab: 
binen Bendan = Simfon; eher mit Gefenius und 
u. an Corrumpirung bed Namens Abdon zu 


en. 

Beeljebub. 2. Kön. 1, 2. 3. 16. Eine phöni: 
de Gottheit (f. d. Art. Baal), im Neuen Tefta- 
mente, Matth. 12, 24, der Oberfte der Dämonen. 
Entweder ift anzunehmen, daß der alte heibnifche 
Bott den Juden ohne Weiteres zum Teufel wurde, 
wie in den Teufelsfagen unſers Bolfes bie alten 
heidniſchen —— ſpulen, oder wenn die Les: 
art ber meiften Codd. richtig ift und gelejen wer: 
den muß Beelzebul, zu unterjcheiden ng der 

„Miftgott”, die einen jüdiſchen Wortwik 
ennimmt, und der Deutung „Herr ber Wohnung”. 
Der Herr der Wohnung joll nad) Jahn u. U. der 
dert der Lichtregion fein, nach Movers ber Saturn 
er babylonifche Bel. Bunfen nimmt Wohnung 
glei Abgrund, Hölle. 


77 


Begräbniß 


Beer. 1) Nicht. 9, 21 floh dahin Jotham vor 
Abimeleh. — 2) Eine Station der Siraeliten, 
4. Mof. 21, 16—18, wo die Freude über den ge: 
mwonnenen Brunnen im Lieb fi ausfprict. 
Beeroth. Heimath der Mörder des Isboſeth, 
2. Sam. 4, 2. Heute El Bireh, nördlich von Jeru: 
falem. Der Ort gehörte zu Gibeon, wurbe aber 
ju Benjamin gerechnet, 2. Sam. 4, 3. 
Beerſeba. Siebenbrunnen, 1. Mof. 26, 33 ge: 
deutet Bundesbrunnen. Stadt im Stamme (Juba, 
of. 15, 28, fpäter) Simeon, of. 19, 2. War die 
enzſtadt Jirael3 und daher häufig genannt, um 
die äußerfte Ausdehnung von Norden nad) Süden 
zu bezeichnen: von Dan bis Beerjeba. 
Beeſterah. Levitenftadt in Manaffe, jenfeits bes 


YJordans, of. 21, 17; 1. Chr. 6, 56 Aſtaroth 
genannt. Bulg. Bosra, LXX Booop«, heute 
Boftra. 


Beghinen. Begharden. Genofienihaften von 
—— die ohne ein Gelübde abzulegen einem 
ommen Leben ſich weihten, bildeten ſich, angeregt 
durch ben Prieſter Lambert Le Boͤgue, gegen das 
Ende des zwölften —— und verbreiteten 
fi namentlich in den Niederlanden und am Rhein. 
Sie lebten in einem Beghinenhofe, einem Compler 
Heiner Häufer, von denen jedes 1 ober 2 Beahinen 
bewohnten, in einer gewiſſen Gemeinſchaft bes 
Bermögens, in Gehorfam unter einer ſelbſtgewähl⸗ 
ten Borfteherin; meiftens hatten fie eine eigene 
Kirche mit einem Pfarrer. Bald bildeten fich ähn- 
lihe Männergejellichaften, Begharden. Später 
famen die Begharden in vielfahe Berührungen 
mit ben Brüdern des freien Geiſtes, auch verbargen 
fi unter ihnen Ketzer und Schismatiler, fo daf 
fi die Verfolgung der Kirche gegen fie richtete 
und Clemens V. auf dem Eoncil zu Bienne ihre 
Unterdrüdung befahl; fie retteten fi durch den 
Anſchluß an die Tertiarier bes Dominicaner: und 
Franciscaner:Orbend. Die Reformationszeit hob 
mn. die Begharbenhöfe auf, an einzelnen Or: 
ten, 3. B. Bremen, ließ man fie unter veränderter 
Geitalt ald proteftantifhe Stiftung fortbeftehen. 
Eigentliche Beghinenhöfe giebt es nur noch in Bel: 
gien. Bon ihrer frühern Verbreitung zeugt, daß 
am Niederrhein noch heute Beghine die Voltäbe: 
zeichnung für alle Religiöfen ift. 
erde. Die Erregtheit von Empfindung unb 
Trieb im Menſchen nad) einer beftimmten Richtung 
bin (Efien, Trinken, Geldu. ſ. w.). Diejelbe ftammt 
aus der jinnlich:felbjtjüchtigen Natur des Men: 
en und ift ein Zeichen, daß letztere in unrichtiger 
ife überwiegt. Die hriitlihe Moral fordert da⸗ 
er ihre Ueberwindung. Gal.5,24; Röm. 6, 12; 

01. 3, 5; Matth. 18, 9. 

Begiertaufe. Da die Kirche die Seligleit an 
bie Taufe bindet und ſich doch nicht zu der An: 
nahme verftehen konnte, daß Jemand der zwar 
ohne die Taufe zu erlangen, aber mit dem Wunfche 

etauft zu fein ftürbe, der Seligteit verluftig geben 
ollte, jo jegte fie den Wunſch der wirklichen Taufe 
gleich und nannte dies Begiertaufe, Baptismus 
aminis. 

Begrüäbniß. Bei den Hebräern beftand die Be: 
ftattung zu allen Zeiten im Begraben. 1. Moſ. 
23, 19; Apftg. 5,6. Das Verbrennen der Leichen 
gehörte entweder p ben fchimpflichen Todesſtrafen, 
3. Mof. 20, 14; 21,9, oder wurde durch bejondere 
Umftänbe geboten, Amos 6, 10. 1. Sam. 31, 12.13 
folgt dem nen bad Begräbniß der Gebeine. 


Begräbniß 


Unbegraben zu bleiben, jo daß bie Leiche ein Fraß der 
Raubthiere wurde, galt für den größten 4 
daher es eine Mebung der Frömmigleit ift, verlaſ⸗ 
fene Todte zu begraben. Cigentlihes Einbal: 
fantiren it felten, 1.Moj. 50,2, gewöhnlich wurden 
aber zwiſchen die Binden, mit denen man ben 
Leichnam ummwidelte, wohlriechende Spezereien ge: 
legt oder aud) auı (Grabe verbrannt. Die Leiche 
wurde auf einer offenen Bahre hinausgetragen, 
die Verwandten begleiteten fie, Klageweiber folg- 
ten. Die Gräber waren künſtliche oder natürliche 
Höhlen, mit einem Stein verſchloſſen; nicht jelten 
zur Seite und am Ende mit Begräbnißiammern 
umgeben. Die Sitte der Erbbegräbnifje iſt uralt, 
da fon Abraham fich ein ſolches kaufte. 

Bon der driftlihen Kirche wurde bie jü- 
diſche Sitte des Begrabens im Anſchluß an die 
Hoffnung der Auferftehung übernommen; das 
römijche Verbrennen wurde bald als heidniſcher 
Brauch förmlich verboten. Als Drt des Begräb- 
niſſes ift eigentlich der Pla rings um die Kirche 
üblid) ; ald Auszeichnung galt immer das Begräb: 
niß in der Kirche, bis es von der bürgerlichen Ge— 
ſetzgebung unterfagt worden. Jedenfalls muß nad 
lanoniſchem Rechte der Ort ein geweihter fein. 
Der Regel nach wird ein Jeder in —— Parochie 
oder an dem Orte ſeines Todes beſtattet; die Wahl 
eines andern Ortes unterliegt Beſchränkungen mit 
Rückſicht auf die der Kirche des Ortes zu entrich— 
tenden Gebühren. Die kirchliche Begräbnißfeier bei 
den Katholifen zerfällt in 3 Theile: die noeturna 
pervigilatio, das Ausftellen der Leiche im Sarge, 
wobei Pjalmen gebetet werden und Freunde und 
Nachbaren Antheil nehmen; die Beerdigung, wo: 
bei Crucifix und Lichter vorgetragen und Palmen 
—— werden, Sarg und Grab mit Weihwaſſer 

eſprengt und die erſte Scholle auf den Sarg vom 
Prieſter geworfen wird; und die Seelenmeſſe. Bei 
den Proteftanten gelten im Allgemeinen biejelben 
Grundfäge über ben Drt des Begrabens, doch fen: 
nen fie natürlich nicht die Bedingung des gemeih: 
ten Ortes; die eier befchräntt ſich auf Gejang, 
Gebet und Rede am Grabe, häufig in der Kirche 
(Leichenpredigt), nicht felten Beides verbunden, aud) 
wird noch eine Anſprache an die Leidtragenden 
(Parentation) hinzugefügt. Die Feierlichleit des 
Begräbnifjes gilt als Ehrenrecht, welches nur den 
Gliedern der Kirche zulommt, daher bei den Ha: 
tholifchen ausgeſchloſſen find ungetaufte Kinder 
und Ercommunicirie de jure und de facto, Das 
proteftantifche Kirchenrecht verweigert die eier 
ebenfalls den Ercommunicirten, d. 5. den vitandis. 
Die neuere Zeit hat auch hier die ältern Gewohn— 
heiten zu erneuern geſucht und namentlich) den 
Selbftmördern das kirchliche Begräbnik verwehrt. 


Wenn man fich dabei auf den Sak bezieht, den 
Nitzſch, Pralt. Theol. I, 299, ausfpridht, daß man 


ben Tod unerbaulicher Berjonen nicht feiern könne, 
jo follte man nicht überfehen, was eben dort folgt, 
und den unbedingten Ausſpruch corrigiren, daß 
die Gemeinde in der Theilnahme an diejen Ge: 
ſchick die theilnehmende Liebe an den Hinterlafjenen 
jeiert, und fie nur zu häufig die Verfchlingung des 
Unbeils mit ihren eigenen unvollfommenen Zus 
ftänden leidtragend anerfennen mul. Das Ve: 
gräbnig auf dem Kirchhof einer fremden Confeſſion 
bat in den legten Decennien oft Gelegenheit zur 
Heußerung des Fanatismus gegeben. Das Grab 
müßte nie verweigert werben; freilich ift einer ka⸗ 


718 


Beichtgebot 


tholifchen Gemeinde ebenjomwenig zuzumuthen, au; 
ihrem kirchlichen Cigenthum die Ausübung eines 
fremden Ritus zu dulden. 

Behemoth. S. Nilpferd. 

Beichtbücher hatten den Zweck, den Prieſtern 
einen Maßſtab für die den Beichtenden aufzulegen: 
ben Buhübungen an bie > zu geben, enthalten 
aljo die Sünden und bie je nad) der Perſönlichkeit 
aufzulegenden Bußwerte, wie das Herkommen oder 
ber Vorgang einer Autorität fie beftimmt hat. Die 
Grundlage der Beichtbücher oder Pönitentialbücher 
bildete das Regifter des Theodor von Ganterburp, 
das in demſelben enthaltene Bußrecht wird unter 
dem Poenitentiale Romanum verjtanden. 

Beichte, d. h. Bejahung, Bekenntniß. Nach ka— 
tholiſcher Lehre iſt die Beichte, d. h. das geheime 
Belenntniß aller nad) der Taufe begangenen Tod⸗ 
jünben, deren fi der Sünder bewußt wird, eine 
von Gott angeordnete Bedingung zur Vergebung 
der Sünden. Dies Bekenntniß fann gültig nur 
einem geweihten und approbirten Priefter abge- 
legt werben, es muß reumüthig, vollftändig und 
mündlich fein. Der Mangel macht die Abjolution 
ungültig. Der Strenge diejer Bejtimmungen fteht 
der Sa gegenüber, daß bie formale Bolljtän- 
digfeit hinreicdhe, wenn die materiale unmöglich 
oder unzuläffig ſei; fie ift dies aber fchon, wenn 
durch das Belenntniß ein großer Schaden zu be- 
fürdten ift. Dem Beichtenden ertheilt ber Priefter 
die Abjolution nad) erfolgter Uebernahme ber Bu: 
ben frajt der ihm übergebenen Gewalt. Das Beicht: 
ſyſtem Hat fich in der Kirche nur allmählich ent: 
widelt. In der alten Kirche forderte die Bußdis— 
eiplin bei öffentlichen Vergehen das Belenntnig vor 
der Gemeinde. Als mit der Annahme befielben ein 
bejonderer Klerifer beauftragt war, ſchaffte dies 
Nektarius von Conftantinopel 390 der Mißbräuche 
wegen ab und überließ es Jedem, jeinen Beichtiger 
zu wählen. Nach Leo’s I. Weifung joll das öffent: 
liche Bekenntniß nicht mehr gefordert werben, es 
genügt das geheime an den Priefter; aber noch 
wird dies nicht ald Bedingung hingeftellt, dad Be; 
fenntniß an Gott wird noch für genügend erachtet, 
bis das Lateranconcil 1215 bei Strafe des Bannes 
jedem Katholifen gebietet, einmal im Jahre, um 
bie Dfterzeit, feinem Pjarrer alle feine Sünden zu 
beichten. 

Die Reformatoren erklärten ſich unbebingt gegen 
die Obrenbeichte als eine Beſch ber Gemij: 
jen. Ganz verſchieden von ihr ift bie auch von 
Zuther empfohlene Privatbeihte, Die weit weniger 
ein allerdings freigelaſſenes Belenntniß der Sün- 
den fein foll, alö eine feeljorgerifche Belehrung 
und Beiprehung, auf deren Grund dann die Gna— 
denzuſicherung (Abjolution) ausgeiprochen wird. 
In der Sitte iſt die Brivatbeichte allerdings in der 
lutheriſchen Kirche meist zu einem formellen Sün: 
denbefenntnig geworden. Luther felbft proteftirt 
aber dagegen, auch nur dieſe Beichte zur Bedin— 
gung der Zulafjung zum Abendmahl zu machen. 
In der reformirten Kirche ift an die Stelle der 
Beichte ein Vorbereitungsgottesdienft getreten mit 
dem allgemeinen Sündenbelenntniß. Die Wieder: 
einführung der Privatbeichte in der Iutherifchen 
Kirche ift von vielen Seiten ernſtlich verjucht, aber 
mit wenig 510: Kirchentag zu Bremen 1852. 

Beichtgebot. War auch die Beichte vor dem Ge: 
nuß bes Sacraments längft allgemeine kirchliche 
Sitte, fo bejtiminte doch erft das Lateranconcil 


Beichtgeld 79 


1215 in dem Canon omnis utriusque sexus, daß 


Jeder jährlicdy einmal und zwar in der Dfterzeit |B 


jenem Pfarrer beichten müſſe bei Strafe des Ban: 
ned; es gilt died Gebot für Jeden von der Zeit 
an, daß er zum erjten Mal zur Communion zuge: 
laſſen ıft. Eine Beſchränkung der öftern Beichte 
liegt aber keineswegs darin. Klerifer und Nonnen 
find verpflichtet häufiger zu beichten, und in ber 
Regel haben aud) die Brüderjchajten und jonftigen 
Vereine für ihre Glieder ein ſpecielleres Beicht: 
gebot. 

Beichtgeld. Beichtpfennig. Beichtopfer. Eine 
Gabe an Geld, welche an den Beichtiger gegeben 
zu werben pflegte und zu ben Accidentien gehört; 
da fie allmählich zu einer feften drüdenden Abgabe 
wurde, ift fie zu Trient abgefchafft, der freimillige 
Far aber geftattet. In der [utherifchen 

ift das Beichtgeld trof des Anſtoßes, den 
Geiftlihe und Laien daran nehmen, noch nicht 
überall abgefchafft. 

Bei —— S. Beichtvater. 

Beichttind. S. Beichtvater. 

Beichtopfer. S. Beichtgeld. 

Beichtfiegel. Die Stellung des Beichtenden 
yum Beichtiger beſchreibt Luther gut mit den Wor⸗ 
ten: es iſt nicht mir, ſondern Chriſtus gebeichtet; 
der Beichtiger darf alſo das, was er gehört hat, 
ſelbſt gar nicht wiſſen, als in ſeiner Eigenſchaft 
des Beichtigers. Daraus ergiebt ſich die unbedingte 
Pflicht der Geheimhaltung des in der Beichte An: 
vertrauten, das Beichtjiegel. Die Kirche bejtraft 
die Verletzung defielben mit Amtsentjegung. Es 
Ion manchmal der Staat bie Forderung aufgeftellt, 

eit die Offenbarung eines Beichtgeheimniffes 
nothwendig, um eine dem Staate drohende Gefahr 
abzuwenden, ober ein Verbrechen zu verhüten, oder 
den ſchãdlichen Folgen eines Verbrechens abzuhel: 
fen oder vorzubeugen, müſſe ver Geiitliche dafjelbe 
der Obrigkeit anzeigen. Preuß. Land-Recht II, 
81, 8.82. Aber nicht mit Unrecht Hat jich die Kirche 
dem immer wiberfekt. 

Beihtfpiegel. Ein georbnetes Verzeichniß der 

möhnlidyeren Sünden, als ein Erfenntnißmittel 
Kir den Beichtenden. 

Beichtſtuhl. Ein nad beftimmten Vorſchriften 
ingerichteter Si zur Abhaltung der Beichte. Er 
muß in der Kirche an einer Stelle ftehen, wo er 
von Allen geſehen werden lann; ber Beichtende 
fol von dem Beichtiger durd eine Wand getrennt 
fein, In der ein Gitter, jo daß er wohl gehört, aber 
nicht gefehen werben kann. In jeder Kirche 
müflen fo viel confessionalia ftehen, als fie con- 
fkssores hat. 

Veichtvater. Beichtlind. Der Beichtiger heißt 
Veichtdater, weil durch feinen Dienſt der gefallene 
Sünder gewiſſermaßen immer aufs Neue geiſtlich 
erzeugt wird als Kind Gottes reſp. der Kirche, 
Nur ein ordinirter Priefter kann Beichtvater jein. 
Urjprünglich gehört das Recht der Abfolution nur 
dem Bischof, der es auf feine Presbyter überträgt ; 
daher hat jeder aud) jeinen Beichtiprengel und die 
Varochianen find auf ihre Pfarrer als Beichtväter 
angewieſen, jedoch find Ausnahmen gejtattet und 
unbedingt in articulo mortis, wo felbjt ein nicht 


approbirter Prieſter abfolviren fann. Das Ber: 
haltniß des VBeichtvaters gilt als geiftliche Ber: 
wandiſ (ſ. d. X). Der Ausdruck Beichtvater 


iſt wm ber lutheriſchen Kirche übernommen. 


Belgien 


Beichtzetiel. Beichtſchein. Ein Zeugniß des 
rieſters, daß man in der öſterlichen Zeit zur 
Beichte geweſen ſei, zu dem Zweck der Berechtigung 
zum Genuß des Abendmahls und um die Erfüllung 
der kirchlichen Pflicht nachzuweiſen. Verwandt den 
Beichtzetteln find Die Kirchenzeugniffe in der refor: 
mirten Kirche. 

Bekehrung beſchreiben die reformirten Dog— 
matifer am richtigſten als das Abſterben des alten 
und das Auferftehen deö neuen Menſchen. So: 
bald nämlich durch die — Gnade das Perſon— 
leben Chriſti auf den Menſchen wirket, ſo daß er 
im beginnenden Glauben ſich demſelben zuwendet, 
ſo wird ihm auf der einen Seite die bisherige 
Gottwidrigkeit feiner geſammten Lebensſtellung 
als einer von Chriſtus völlig verſchiedenen offen— 
bar, ſo daß er mit aller Energie der vom Gewiſſen 
angeregten Willenskraft ſich von ihr abwenden 
muß; zugleich aber empfindet er in der neuen gött: 
lichen Lebensmittheilung das Princip einer neuen 
Alles beherrihenden Lebenärichtung. Die Beleh: 
rung geht ſomit aus von der göttlichen That der 
Dfienbarung feiner Gnade und der Möglichkeit 
einer Lebensgemeinſchaft mit ihm, fie vollzieht fid) 
lediglich durch den Glauben. Wenn die lutheri: 
Ihen Dogmatifer die Belehrung in Buße und 
Slauben ſetzen, fo ift dies nicht jo zu verftehen, 
daß fie in dieſe zwei Momente audeinandergche, 
fondern es ijt die Buße eine Seite der Verwirk— 
lichung und Selbftoffenbarung des Glaubens. In 
dent biblifhen Ausdrude: Aendert euern Sinn 
(Luther: Thut Buße), liegt ebenjowohl der Glaube 
als bie Sg im engern Sinne beſchloſſen. Die 
Mittel der Belehrung find alfo auch feine andere, 
al3 die den Glauben hervorrufen, das Wort und 
die Sacramente, dur welde dem Menſchen bie 
Offenbarung der Gnade Gottes in dem Leben 
Jeſu Ehrifti nahe gebracht wird. 

Belenner, confessores, find urſprünglich bie 
jenigen, welche in den Verfolgungen ihren Glau— 
ben vor dem Richter befannten, ohne wie die Mär: 
iyrer deshalb Mifhandlungen oder Tod zu erbul: 
den. In der Hircheniprache ift das Wort für alle 
Heilige üblich geworden, die nicht Märtyrer find. 

Befenntnißlriiten. ©. Symboliſche Bücher. 

Belker, Balthaſar. Geb. 1634 in Weftfriesland, 
Prediger in Franeker und Amfterdam, wurde von 
jeinem Confijtorium abgeſetzt wegen feines Buches 
„Die bezauberte Welt”, in dem er die Möglichkeit 
eines Beſeſſenſeins durch den Teufel oder Dämonen 
belämpfte. Bon ben betreffenden bibliichen Stellen 
jagt er, daß die Schrift nicht vorhabe uns über 
natlirlicge Dinge zu belehren, fondern fie accom: 
mobire ji den Meinungen der Menſchen. Bor 
dem ftrengen Urtheil fonnte ihn die Verſicherung 
nicht jchügen, daß er durch feine Behauptungen 
die Weisheit und Kraft des Heilandes allein ver 
mehren wolle. 7 1698. 

Belümmerte. Ein Zweig der Mennoniten. 

Del. ©. Baal. 

Bela, ©. Zoar. 

Belgien. Als der Apofiel der Belgier wirb ber 
RUE Maternus genannt (der Jüngling zu Rain). 

ie lirchliche Geſchichte der älteſten Zeit ift aber 
dunkel, erſt zu Conftantins Zeit findet das Land 
ſich in Bisthümer eingetheilt. Belgien theilt dann 
die Echidfale des fränfiihen Reiches. Im Mittel: 
alter hältdie reg Selbjtändigfeit der Städte, 
geflügt durch ihren Reichthum, dem Einfluß der 


Belgiſche Conſeſſion 


N die Wage. So bilden ſich ee 
die freien hriftlichen Gemeinfchaften der eghinen, 
Zollharden, ber Brüder des gemeinſamen Lebens, 
und Erasmus mit den Humaniften fand hier feine 
Heimath. Das Eindringen der Reformation be: 
gegnete freilich dem erbittertiten Widerftand, in 
Brüffel ftarben die erften Märtyrer der Reforma— 
tion, und Philipp II. wollte mit Gewalt dem Ka— 
tholicismus die Herrſchaft bewahren. Berlor er 
darüber aud) die 7 vereinigten Provinzen, fo er: 
reichte er in dem eigentlihen Belgien vollftändig 
fein Ziel. Seitdem ift Belgien die allergetveuefte 
Provinz des päpftlihen Stuhls. Nur einmal, durch 
Bajus (f.d. A. de Bay), dien die Univerfität Löwen 
ſich freier ftellen zu wollen. Kaifer Joſeph IL. erregte 
dur das Toleranzedict, die Aufhebung der be: 
ſchaulichen Möndsorden und der biſchöflichen Se: 
minarien ben beftigften Widerftand, jo daf fein 
Nachfolger Alles zurüdnehmen mußte. Der Ein: 
fluß der ultramontanen Geiftlichleit Belgiens 
wuchs, als fie den nationalen Gegenfah gegen das 
erg Holland zu jhüren wußte und im 
unde mit ben 2iberalen die Zoätrennung von 
demſelben und die Aufrichtung des Königreichs er« 
langte. Die Zahl der Klöfter wuchs auferorbent- 
lic, und vor Allem gewannen die Jefuiten an Zahl 
und Vermögen. Wie aber auch bier ein Umſchwung 
fi) vorbereitet, darüber vgl. Nippold, Neuefte 
Kirchengeſchichte. Die evangelifche Kirche Belgiens 
bejteht ın wenigen Gemeinden meift jüngern Ur: 
Innen von benen einige fid) in einer Union zu: 


zuerſt 


ammengeſchloſſen haben. Die Evangeliſche Ge— 
ellſchaft in Brüſſel iſt für die Ausbreitung des 
Proteſtantismus thätig, und der deutſche Guſtav⸗ 
Adolf:Berein intereſſirt ſich lebhaft dafür. 
Belgiſche Confeſſion. Urfprünglid) eine Privat: 
fohrift des Guido de Bres, welche er dem König 


Philipp einjandte, ift fie von der Dordrechter Sy: | fi 


node geprl und gebilligt; diefer Tert weicht von 
em der frühern lateinischen, franzöfifhen und 
niederdeutſchen Ausgaben nicht unerheblich ab. 

Belial. S. Teufel, 

Bellarmin, Robert Franz. Der Haupttheologe 
des tridentiniihen Katholicismus, fpeciell des 
Ultramontanismus. Geboren den 4. Dct. 1542 zu 
Monte Pulciano bei Florenz, zeichnete er fich ſchon 
als Knabe aus und trat mit 18 Jahren in den es 
fuitenorden. Nachdem er mehrere Jahre ein Lehr: 
amt befleidet hatte, ftubirte er Theologie zu Padua 
und Löwen, wo er, der erfte Jeſuit, auch ein Lehr: 
amt überlam und fih an dem Streite mit Bajus 
betheiligte. Nach Rom berufen, hielt er dort die 
Vorlejungen, aus denen fein berühmteftes Wert 
hervorging: Disputationes de eontroversiis 
ehrist. id. adv. huj. temp. haereticos, 8 Bbe., 
1581. In größter Ausführlichleit, mit großem 
Aufwand von Gelehrfamteit werden alle Streit: 
puntte beſprochen; wie er die katholiſchen Lehren 

anz ungelhmtidt vorträgt, jo ift auch die Dar: 
Hellun bes Protejtantismus jo treu, ald man von 
einem Manne, ver die evangelifche Lehre nad} fei- 
nem Standpunlte verfennen mußte, nur erwarten 
fann, dabei ohne Bitterfeit und Schmähung. Nad) 
Bollendung diefes Werks wurde er in Firchenregi- 
mentlihe ZThätigfeit durch feine Ernennung zum 
Cardinal und Erzbijchof von Capua hineingezogen ; 
nur jeine Ordens:Angehörigteit verhinderte zwei⸗ 
mal jeine Wahl zum ee Da ihn feine Stellun 

an Rom feffelte, gab er 


80 


Benedict von Ariane 


feinem oft fonft vertheidigten Grundſatz, man dürfe 
fein Amt haben, das man nicht verwalten könne. 
Dan bedurfte jeiner aber in Rom in dem Kampfe 
gegen die Republif Venedig, melde die Macht des 
Staates über die Geiftlihen ausbehnte und an Paul 
Sarpi einen gewandten VBorjechter Hatte. Hier ver: 
a Bellarmin zum großen Unmwillen Boffuets 
die abjolute Macht bes Papftes (De potestate 
pontificis in temporalibus). Ebenfo hatte er die 
ultramontanen Anjprüce bes päpſtlichen Stuhles 
egen Jakob I. von England zu vertheidigen ge: 
Baht. n höherem Alter zog Bellarmin fi, nad: 
dem er noch einige Jahre ein Bisthum verwaltet, 
in das Sefuitencollegium zurüd, verfaßte nod 
mehrere etbauliche Schriften und ftarb 1621. Mebr: 
fach iſt feine —— beantragt, aber wohl 
mehr aus kirchenpolitiſchen Gründen, als 
einer Stelle in der Vorrede zur Glementinifcen 
Ausgabe der Bulgata unterblieben. 

Belliten. Unter den verſchiedenen Ketzereien, 
welche Philaftrius vor den Zeiten Chrifti findet, 
nennt er auch die Belliten, die den König Belus 
abgöttijch verehrten. 

elfazar. LXX Bairusap. Der lekte 

König in Babylon, ein ſchweigeriſcher, übermüthi- 
ger Tyrann, wurde bei der Gchürmung ber Stabt 
dur Cyrus während eines nädtlihen Gelages 

etöbtet, Dan. 5, 10, nad) ber Weiffagung durch 

ie Schrift des Mene Mene. Der Name — ſich 
außer der Bibel nirgends, der letzte König heißt 
ſonſt Nabonnedus (Beroſus u. A.) oder —— 
bei Herodot. Die Erzählung aber von der Erobe⸗ 
rung der Stabt ftimmt mit der Schilderung bes 
Zenophon, weicht jebody von ber des Beroſus bei 
Joſephus ab; mit dem auch die Angabe, daß Bel: 
jazar ein Sohn bes Nebulabnezar gewefen, ſowie 
die a nicht in Einklang zu bringen 

n 


ind. 

Belufligung, freiwillige, am Böfen, unterfchei- 
bet die katholiſche Moral von der Begierde und ver: 
ſteht unter ihr das freimillige Wohlgefallen an 
einer fittli unerlaubten Sage, noch ohne Wunſch 
und Streben nad) wirklicher That, delectatio mo- 
rosa; von der fie dann. unterjucht, ob fie immer 
Slinde Ki und wie man ihr zu widerftehen habe. 
Die Cajuiften waren hierbei zu dem von Papft 
Innocenz XI. allerdings verdammten Safe fort: 
— Licitum est filio gaudere de par- 
ricidio parentis a se in ebrietate perpetrato, 
propter ingentes divitias inde ex hereditate 
consecutas. Auf dem Boden evangelijcher Ethik 
ift Schon die caſuiſtiſche Er gr unmöglic. 

enaja, Sohn des Jojada. Wegen feiner Hel: 
denthaten, die 2. Sam. 23, 20 f. erzählt werben, 
machte ihn David zum Commandanten feiner Leib: 
mache und einer Heeredabtheilung. Mit unwandel⸗ 
barer Treue hing er an David und feinem Haufe. 
Die Vollftredung der Urtheile an Joab, Adonia 
und Simei wurde ihm übertragen und trat er an 
bes Erſtern Stelle, 1. Kön. 2, 28—85.46; 4, 4. 
Andere des Namens find: Ein Ritter aus Pirea- 
thon in Ephraim, 2. Sam. 23, 30. Ein Briefter, 
1. Chr. 15, 18. Ein Levit, Auffeher über Zehnten 
und Opfergaben, 2. Chr. 81, 13. Ein Bornehmer, 
Ez. 11, 1. 18, und zmwei fonft ganz Unbelannte, 
Göra 10, 25. 43, 

Benedict von Aniaue. Die Mißbräuche, die er 
im Klofter des h. Sequanus antraf, veranlaßten 


ein Erzbiäthum auf, nach ihn, fich zurückzuziehen und bas Klofter Aniane zu 


Benediet der Levite 


gründen, in dem er Benedicts Regel firenge durch⸗ 
führte. Der Ruhm, den er erlangte, verfchaffte Hm 
| Ludwig den Frommen die Oberaufficht 

alle Klöjter, Die er unter der Regel Benedict3, welche 
er revidirt und vermehrt einer Synode ber Aebte 
zu Machen 817 vorgelegt hatte, vereinigen wollte. 
Ludwig baute für In das Kloſter Gornelismünfter 
bei Aachen, wo er ftarb 821. 

Benediet der Lebite. Diafonus in Mainz in 
ber Mitte des 9. Jahrhunderts, Berfafjer einer 
Sammlung von Gapitularien, in welcher zuerft 
die pfeuboifiborifhen Decretalien benust wur⸗ 
den. Knuſt (De fontibus et consilio Ps. Isid. 
1832) hielt ihn daher für ben Berfafler ber 

teren. 

“Benedici von Nurfia. Der Gründer des abend: 
länbifhen Mönchsweſens. Angemwibert von dem 
lafterhaften Leben feiner Genoſſen, entfloh er, in 
Begleitung feiner Amme, dem elterlichen Haufe in 
Rom, um ein einfieblerifched Leben zu führen, und 
überließ fih unter Zeitung eines Mönches Ro- 
manus in tieffter Verborgenheit der allerhärteften 
Askeſe. Wegen des Nufes feiner Heiligfeit von den 
Münden zu Bicovaro bei Subiago zu ihrem Vor: 

her erwählt, verließ er das Klofter wieder, weil 

ie Mönche feinen Anforderungen nicht nachgeben 
mollten, und gründete bei Subiago Kleinere Ge: 
meinfhaften von Mönchen, beren jede er einem 
Abte unterorbnete. Conflicte mit der Weltgeiftlich: 
keit, namentlich dem Briefter Florentinus, ließen 
ihn aud) bier weichen; er ging mit einigen Ge: 
treuen nah Campanien, wo er auf dem Monte 
Caſſino ein Klojter erbaute, welches er nad) feinen 
Grundjägen organifirte, wie er diefelben in feiner 
Regel ausführlich entwidelt (629). Benedicts 
—* iſt —— han m —— — 
als das irgend eines Heiligen ausgeſchmückt 

Beuediet L Bei den Griechen Bonofus, Papſt 
von 573—578. In feine Regierung fällt die große 

| in Folge der Berwüjtungen durch bie 

infälle der Longobarden. 

— II. 684— 685. 7. Mal, ber Heilige. Be: 
mühte fich bei den fpanifchen Biſchöfen Veh um 
die Annahme der al zu der 6. bkumeniſchen 
Synode. Bom Kaiſer — Pogonatus, bei 
dem er in * Anſehen ſtand, erlangte er den 
Verzicht auf das Beſtätigungsrecht der Papſtwahl 


vor der Orbiyation. 

— III. 856— 858. Smwifchen ihn und feinen 
Borgänger ſetzt die Sage die Päpftin Johanna 
(1.d. 9); er Üüberwand bald einen Gegenpapft 
Anaftafiusund erlangte von Ethelmolf die Zufiche: 


rung gewifjer, ſchon früher entrichteter Abgaben 


aus nd. 

— IV. 900— 903. Krönte Ludwig III. von 
Burgund zum römijchen Kaifer. 

— V. 964 zum Bapft —— gegen den Willen 
Otto's, der ſchon bei Lebzeiten —83 XII. 
einen Laien als Leo VIII. hatte zu deſſen Nach— 
folger wählen laſſen; wurde von den Römern 
dem erzürnten Kaiſer, der bie Stadt belagerte, 
ausgeliefert und nad) — exilirt. + 966. 

— VI. Noch unter Otto 972 erwählt, wurde 
nach deſſen Tode von Creſcentius gefangen ge— 


nommen und im Gefängniß erdroſſelt. 
— VI 975—983. Regierte ruhig und beglin- 
ftigte die Klöfter. 


— VIII 1012—1024. Der Beiftanb des Kai⸗ 
fer Heinrich II. befreite ihn von dem Gegen: 


81 


Benedictiner 


papfte Gregor ; und von der Frömmigkeit beffelben 
erlangte er die Veftätigung der frühern Schenlun⸗ 
gen und neue Privilegien. Die betreffende Urkunde 
ift freilich unecht, mindeftens jüngeren Datums. 
IX. Durch Simonie erhoben 1033, beflect 
mit allen Laftern, blieb er 11 Jahre dennody un: 
angefochten, erft 1044 verjagten ihn die Römer 
und wählten ben Gegenpapit Sylveſter ILI. Bene: 
dict vertrieb diefen und verfaufte fein Bapftthum 
an Gregor VI. (oh. Gratianus). Die Synode zu 
Sutri te Beide ab und wählte Zuidger von 
Bamberg ald Clemens II., nad deſſen Tode fi 
Benedict noch einmal, 1047—1048, des päpftlien 
Stuhls bemädhtigte. + 1056. 

— X. Gewählt im Widerfprud mit einem dem 
Kaifer und dem Vorgänger geleifteten Eide, wid) 
er bem von ber Hilbebrandichen Partei gewählten 
Nifolaus IL. + 1059. 

— XI. 1305—1304. Nahm bie kirchlichen Cen« 
furen feines ——— onifaz VIII. gegen 
Philipp IV. von Frankreich zurück. 

— XI. 1334— 1342. Ein Franzoſe, Peter 
von Luna, refidirte zu Avignon und hand unter 
dem Einfluß hilippß, daher durfte er Ludwig 
von —— nicht vom Bann und Interdict 
löſen und bewirkte dadurch den Kurverein zu Renſe, 
der dem päpſtlichen Regimente hätte gefährlich wer⸗ 
den lönnen, wenn bie deutſche Uneinigkeit um ein 
Weniges geringer geweſen wäre. 

— XIIL (a). 1894 in Noignon, der ſchidmati⸗ 
che Papſt; feinem vor der Wohl gegebenen Bers 
preden, zur Beendigung des Schismas abzu— 
danfen, wenn ber Gegenpapft in Rom Gleiches 
thäte, —* ſich unter allerlei Winkelzügen, hielt 
fogar eine Belagerung in Avignon aus, bis ihn 
die Coneilien zu Piſa und au Conſtanz abjegten. 
Da er ftatt fich zu fügen eine Bannbulle erließ, 
wurbe er für einen Schismatifer und Heer erklärt, 
flüchtete nach Spanien, wo er zulegt feine Here 
Ichaft auf das Dorf Peniscola befhränft ſah, und 
von dort aus fortfuhr bis an feinen Tod, 1424, bie 
Welt als Papft in den Bann zu thun. 

— XII. (b). 1724—1730. Ein ſchwacher, gut⸗ 
mlütbhiger Dominicanermönd, der am Kanonifiren 
viele Freube fand, 5. B. des h. Nepomul, aber mes 
der mit feinen Reformen in Rom noch in feinen 
Streitigfeiten mit Portugal und Luzern große Er⸗ 
folge hatte. Sein Anſehn litt noch mehr durch die 
Erprefiungen feines Günftlings Coscia. Nur bie 
* nigenitus hielt er als Papſt entſchieden 
aufrecht. 


t 

a 1740 — 1758. Einer ber gelehrteften 
Päpſte. Verfaffer mehrerer Werte über Heiligen: 
cultus und Kirchendisciplin. Als ft juchte er 
bie Würbe der Eurie Durch verftändiges Nachgeben 
gegen bie Fürften zu erhalten, damit fie nicht müde 
mwürben zu bitten. Seine Politik der Vorſicht be: 
folgte er auch in Frankreich in dem Streite des 
Parlaments und der Geifilichleit über die Con- 
stitutio Unigenitus; und gegen die Jefuiten, denen 
er zwar jchon früher die Accommodation an das 
—— in ihrer Miſſionsarbeit unterſagte, aber 
erſt auf dem Todbette das Beichtſitzer und die 
Handelſchaft verbot und damit in einem Breve an 
den Patriarhen von Liffabon die bevorftehende 
Aufhebung des Ordens andeutete. 

Benebictiner. In feinem Gremitenicben hatte 
Benedict die fittlihen Gefahren kennen gelernt, 
welche die ftrenge Askeſe mit fich führt h zu Vicovaro 


Benedictiner 


ben zuchtlofen Geift, der in einer Gemeinſchaft von 
Mönchen herrſchend werden kann. Die Organi: 
fation, die er Durch feine Regel gab, jollte beiden 
Gefahren begegnen. Die ee ir des 
klöſterlichen Lebens ſind: das Gelübde der stabilitas, 
das Beharren in dem gewählten Stand, am ge— 
wählten Ort; die conversio morum, die Ablehr 
vom Weltleben, die obedientia, der Gehorſam 
gegen den Vorgeſetzten; und das Letzte iſt das 
Wichtigſte. Der Abt, den die Mönche wählen, iſt 
der Leiter des Ganzen, ſeine Stellung zu dem Ein— 
zelnen ſoll ſeinem Titel (Vater) pin Kai find 
der Mönche zu viel, jo vermitteln ber Prior oder 
die Dekane die Verbindung mit dem Abte. Das 
Zeben ber Mönche iſt getheilt zwiſchen 7maligem 
Gotteöbienft und Arbeit, die Askeſe ift beſchränkt. 
Das Klofter ſoll eine Welt für fich bilden, das zum 
Zebenäunterhalt Nöthige wo möglich im Klofter 
jelbft gewonnen und bereitet werden, die Entja: 
gung alles Eigenthums allen Verband des Ein: 
einen mit der Außenwelt löjen; dies wird noch ge: 
Törhert durch Die Sitte, jchon Kinder aufzunehmen 
und in Kloſter zu Mönchen zu erziehen. Die eige: 
nen Briefter und die Kirche machen das Klofter auch 
vom Klerus unabhängig. Die Regel Benedict3 hat 
nur jehr allmählich die Alleinherrfchaft errungen, 
die fie Jahrhunderte eh obwohl nad) dem 
Borbild von Monte Caſſind bald viele Klöfter ent: 
ftanden. E3 war vor Allem Gregor II., der ihr 
zum Siege verhalf, und der Umftand, daß zu ben 
Sadjen und Angeln das Mönchsweſen nur durch 
Benedictiner gebracht wurde und allein in dieſer 
Form ſich dort ausbreitete. Der Orden — bald 
wieder durch den Einfluß, den er erwarb. Der 
Reichthum der Klöſter machte die Stellung des 
Abtes zu einer einträglichen Pfründe, die häufig 
an Solche, die dem Kloſterleben fremd waren, ver: 
eben wurde. Die Mönche felbft, die nur aus den 

eien Familien fein durften, ergaben fic) dem Wohl⸗ 
leben; meift Priefter, ftellten fie ſich den Collegial: 
Prieftern gleich, ohne deren Einfluß erlangen zu 
fönnen, bie in enger Verbindung mit dem Bifchof 
jtanden. Den erſten vorübergehenden Reforma: 
tionsverjuch machte Benedict von Aniane (f. d. A.) 
durch die Aachener Regel. Wirkfamer war bie 
Stiftung der Eongregationen von Elugny, Gamal: 
doli, Ballombroja u. a. Während nämlich bis da: 
hin ein jedes Klofter völlig unabhängig für ſich 
dageftanden hatte, vereinigten fi jest mehrere 
unter einem Abt als Leiter des Vereins und ge: 
wannen dadurch an Kraft nach innen und aufen. 
Die Bettelorden wirkten infofern auf die Benedic- 
tiner ein, daß durch Annahme bejonderer Regeln 
und Neuferlichkeiten ſich aus ihnen neue, jelbftän- 
dige Orden entwidelten, 3. B. die Eiftercienjer, 
und daß fie ihre eigentliche Aufgabe immer mehr 
in der Pflege ihrer Klofterjchulen und der Wiſſen— 
Ichaften überhaupt erfannten, woburd fie bleiben: 
des Verdienſt fi erwurben haben. Am berühm: 
teften ift die Congregation bes heiligen Maurus 
geworden, 1618 in Paris geftiftet. In feiner Blüthe: 
zeit zählte der Orden an 37,000 Häufer, jet 
möchte er 2000 Mitglieder haben. 

Die Benedictinerinnen leiten ihren Urfprung 
mit Unrecht von der Scholaftica, der Schweiter des 
Benedict, her. Rafcher noch als in den Mönchs— 
Aöftern machte hier der Verfall fich offenbar. Viele 
Klöfter gingen in adlige Frauenftifte über, die 
kaum noch ein Gelübde verlangten; andere erfuhren 


82 


Beneficium 


Reformationen, die von einzelnen Träftigen Web- 
tiffinnen ausgingen und bildeten Congregationen 
mit bejonderen Namen und Regeln. 

Benedictionale. In der römiihen Kirche das 
Buch, welches den Ritus der verſchiedenen Seg- 
nungen enthält. 

Benedictionen, Segnungen, heißen in ber fa- 
tholiſchen Kirche die firhlihen Handlungen, Durch 
welche für Perfonen und Saden Gottes Gnade 
vermitteltwird. Die Benedictionen werben unter: 
fhieden von den Gonfecrationen, durch welche 
Perſonen und Sadhendem gewöhnlichen weltlichen 
Berfehr entzogen werben. Beide gehören zu den 
Sacramentalien. Sie werben ertheilt im Namen 
der Kirche durch den Klerus in ber durch das Ri— 
tuale beftimmten bierardifchen Ordnung. Dem 
Papſte vorbehalten ift die ag ber Rofe und 
des ganzen Erbkreifes; den Biſchöfen die Bene: 
biction von Fürften und Aebten und von Eultus: 
geräthen. Diefe bifchöflihen Rechte fünnen auf 
PVriefter delegirt werden. Benebdicirt, gefegnet, 
werben auch Feldfrüchte, Häufer, Thiere, Geräthe 
2c. Der Ritus ift je nach der Perſon des Segnen— 
den und nad dem Object verjchieden ; es fommen 
dabei vor das Kreuzidhlagen, der Exorcismus, 
Weihwaſſer, Räudern, Salbung mit Del, die Jn- 
vocation (da3 Segnungägebet). Auch in der evan: 
geliſchen Kirche find Benedictionen gebräuchlich, 
Segnung der Eonfirmanden, der Geiftlidhen, der 
MWöcnerinnen, der Eultuögeräthe. Ein Unter: 
ſchied von Eonfecrationen ift hier aber nicht auf: 
recht zu halten. Nur als Ehrenvorrechte pflegen 
manche Benedictionen ben Superintendenten oder 
Generaljuperintendenten vorbehalten zu werden. 
S.d. 4. Weihe, Ordination, Eonfirmation. — 
Benediction der Aebte. Da der Abt eines 
Klofters nicht Priefter zu fein braucht, häufig fo- 
gar Laien Aebte waren, jo fünnen fie nicht ordi—⸗ 
nirt,d. 5. geweiht, fondern nur eingefegnet werden. 
Durch die Einfegnung, wobei ihm die Inſignien 
des Amts dur den Biſchof überreicht werben, 
erhält der Abt die Jurisdiction und das Redt, 
im Kloſter die niedern Weihen zu ertheilen. 

Benedictnd. S. Mefie. 

Beneficium, Pfründe, nennt man den Inbegriff 
alles mit einem Kirchenamte verbundenen Ein- 
fommens, im weitern Sinne aud) das Amt felbit. 
Urfprünglich bezog der Biſchof allein alles Kirch: 
lihe Einfommen und gewährte daraus den Geift: 
lihen feines Sprengels den Unterhalt. Seit dem 
9. Jahrhundert ift aber fefte Negel, daß jedes 
ftändige Kirchenant mit befonderem Eintommen 
dotirt fein muß. Die frühere Gewohnheit liegt 
noch der ah des fanonifchen Rechtes zu 
Grunde, daf die Erjparnii aus dem Beneficium 
nicht Brivateigenthbum des Geiftlichen wird, fon: 
dern nad) jeinem Tode an die Kirche zurüdfallen 
ſoll. Das Beneficium wird ertheilt von der Kir: 
hengewalt an die zum Amte befähigten Perſonen 
und geht nurmit dem Amte felbft wieder verloren. 
Der Inhaber des Beneficiums (Beneficiat, 
en hat daher von Antritt des Amtes an 
den Genuß aller mit jenem verbundenen Ein: 
fünfte, wie er aud) die darauf haftenden Laften, 
3. B. die Unterhaltung der Gebäude nad der 
Particulargefeggebung, zu tragen hat. Die Er: 
rihtung der Beneficien, die von Privatperfonen 
durd Schenkung von Gütern ausgehen fann, an 
welche Bedingungen gefnüpft werden dürfen, ift 


Beneficium competentiae 


eine gemeinjame Angelegenheit ber Kirche und bes 
Staates, welche zu prüfen haben, ob das beabſich⸗ 
tigte Kirchenamt nöthig ober rd und ob das 
gewährte Einfommen hinlänglich ſei; ebenfo wen— 
den beide gleichmäßig ihre Sorge der Erhaltung 
ber beftehenden Beneficien zu, melde durch einge- 
bende Gefegebung geihügt find. — Kirchliche 
Beneficien, die ohne das urfprünglid damit ver: 
bundene Amt vergeben werden, z. B. an Laien, 
beißen Eommenden, Präbenden. 

Benefleium competentiae. Die Rechtswohl 
that der Competenz ift das den Geiftlihen wie 
allen öffentlichen Beamten gewährte Privilegium, 
daß die Beſchlagnahme ihrer Güter und Einkünfte 
ſchuldenhalber ſoweit beſchränkt wird, daß ihnen 
das zum Lebensunterhalt Nothwendige, Congrua, 
daraus verbleiben muß. Die Höhe der Congrua 
ift verfchieden beftimmt, nach preußifhem Rechte 
kann nur die Hälfte des 400 Thaler überfteigenden 
Betrages des Einkommens vom Gläubiger in 
Anſpruch genommen werben. ‚Schulden, bie aus 
unerlaubten —— hervorgegangen, genie⸗ 
ben dieſe Wohlthat nicht. 

Bengel, Johann Albrecht. Geboren zu Winnen⸗ 
den am 24. Juni 1687. 1713 Kloſterpräceptor zu 
Denlendorf, Prälat zu Herbrechtingen 1741, Prä⸗ 
lat von Alpirsbad) und Eonfiftorialrath in Stutt: 
gart 1749, + 1751. Ein Theologe von nachhal⸗ 
ligem Einfluß. Durd die kritiſche Ausgabe des 
Neuen Teftaments (1734) und die Darlegung ber 
dabei befolgten Grundfähe hat er große Bedeu⸗ 
tung für die Geſchichte der Terikritit. In ber 
Auslegung der Schrift im Gnomon (1742) bietet 
er eine Probe feiner, tieffinniger Auffaffung in 
einem präcifen, gebrängten Ausdrud. So gejund 
der hiſtoriſch⸗ kritiſche Sinn ift, mit dem er Stelle 
für Stelle ins Auge faßt, und fo wohlgelungen 
manche Auslegung in der Beziehung iſt, hält er 
doch feft an einer volllommenen Infpiration ber 
heiligen Schrift und fühlt fi häufig verjucht, 
zur typifchen Auslegung zu greifen. Am befann: 
teften ift Bengel ala der Bater bed modernen 
Chiliasmus durch feine Schriften über die Dffen- 
barung en und feinen Verſuch, die apofa: 
Igptifchen Zahlen und den Eintritt des taufend- 
jährigen Reiches zu berechnen, den er auf das Jahr 
1836 beftimmte. Bergleihe: Die erklärte Difen- 
barung Johannes, 1740. Ordo temporum a prin- 
eipio per periodos oeconomiae div. historicas 
atque proph. etc. 1741. Sechzig erbauliche Reden 
über die Offenbarung Johannes, 1747. Die apofa: 
lyptiſche Richtung Bengels hat ſich namentlich in ſei⸗ 
nem befannten Schüler und Anhänger Dettinger 
fortgepflanzt. Im Piarramt und in feiner Stel: 
lung im Eonfiftorium war feine Thätigfeit eine 
jehr jegenäreiche, von einem milden, echt ——— 
Geiſte beſeelt. Seine Predigten erſchienen 1839, 
von Burk herausgegeben. Einzelne Lieder haben 
ihren Weg ins würtembergiſche Geſangbuch ge- 
funden. Bengeld Leben und Wirken von Burf,1831. 

Benhadad. (Sohn des Adad, einer ſyriſchen 
Gottheit, entweder Saturn ober Sonne.) Ben: 
hadad I., König von Damaskus, ſchlug mit Aſſa 
um Bunde den Baeſa von Iſrael, 1. Kön. 15,17. — 
Benhadad II, Sohn des Borigen. Bon Ahab 
zweimal gefchlagen, 1. Kön. 20, 1. Einen zweiten 
23 endigt Ahabs Tod. — Benhadad III. der 
Rachfolger Haſaels, verlor deſſen Croberungen an 
Joas, TKön. 18, 26. 


83 











Bentley 


Ben-Hinnom. S. Hinnom. 

Benignus. (1.November.) Angeblich ein Schüler 
Polyfarps, der im Anfange des zweiten Jahrhun- 
bert3 das Evangelium in Burgund verfündigt 
haben und eines qualvollen Märtyrertodes gejtor: 
ben jein fol. 

Benjamin, d. h. Sohn des Glüdes. Yüngfier 
Sohn Jatobs von der Rahel, 1. Mof. 35, 17. 
Der von ihm hergeleitete Stamm war der Heinfte, 
daher auch jein Gebiet Hein. Es grenzte im Nor- 
den an Ephraim, im Süden an Juda, im Weiten 
an Dan, im Often an den Jordan, war gebirgig, 
aber gut angebaut. In Folge einer Greuelthat 
der Benjaminiten zu Gibea wurde durch einen 
Rachekrieg der Stamm fajt vertilgt, Richt. 20, 46. 
Aus ifm war der erfte König Saul; nad) Isbo— 
ſeths Tode hing er treu an Davids Haufe, fo daß 
er mit beim Königreiche Juda blieb. 1. Kön. 12,21. 
Rur einige Städte gehörten zu Jirael. 

Benno, der Heilige. Biichof von Meißen. Seine 
Kanoniſation 1523 gab die Veranlafjung zu Zu: 
thers Buch wider den neuen Abgott und alten 
Teufel, der zu Meißen fol erhoben werden. Erjt 
Mönd zu Hildesheim, dann Kanonikus zu Gos- 
lar, von Heinrich IV. zum Biſchof von Meißen 
erhoben, zeichnete Benno ſich in dem Streit des 
Kaifers mit dem Papfte durch fein ſchwankendes 
Berhalten aus. Da er das dem Kaifer gegebene 
Gelübde der Treue nicht hielt, war er mehrere 
Zahre jeines Amtes entjegt. Als er durch Demüz 
thigung vor Heinrih IV. und durch die Fürſprache 
des Papſtes fein Bisthum wiedererhalten hatte, 
widmete er fi ganz der Sorge für feine Kirche 
und der Belehrung ber Slaven. + 1107. Seitdem 
feine Gebeine 1576 nad Münden gebradt find, 
gilt er ald Schugpatron der Stadt und des Bayer: 
landes; ein Theil feiner Reliquien beſchirmt 
Dresden. 

Benoit, Elias. Geboren zu Paris 1640, Pfar: 
rer zu Alengon, zog durd feine feine Vertheibi- 
gung des Proteftantismus den Haß der Jefuiten 
auf fih. Nach der Aufhebung des Edicts von 
Nantes vertrieben, wurde er Prediger zu Delft. 
+ 1728. Seine Histoire de l’edit de Nantes ift 
gründlich und dur die Documente, bie fie ent⸗ 
hält, von Werth. 

Benoit, Rene. Ein katholiſcher Priefter und 
Mitglied der Sorbonne, gab 1566 eine franzöſiſche 
Ueberjegung der Bibel mit Anmerkungen heraus, 
bei welcher er die Genfer Bibel jebt ſtark benugt 
hatte. Da mehrere Stellen in derfelben Anſtoß 
erregten, fam fie auf ben Index und wurbe durch 
fönigliche Edicte verboten, der Verfaſſer aber aus 
der Sorbonne auögeftoßen, bis er nad) 20 Jah: 
ren widerrief und rehabilitirt wurde. 

Bentley, Richard. Geboren 1662 zu Dulton in 
Yorijhire. 1700 Borfteher des Dreieinigkeits— 
Collegiums (Master of Trinity) in Cambridge, 
1716 Brofeffor der Theologie. Das kritiſche Tas 
lent, welches ihm als Philologen fo großen Ruhm 
verſchafft, fuchte er auch der Theologie fruchtbar 
zu madhen durch eine genaue Bergleihung der 
beften Handicpriften und muftergiltige Ueberſetzun⸗ 
gen des Neuen Teftaments. Eine beabjichtinte 
und ſchon angekündigte Ausgabe deflelben unter: 
blieb jedoch in Folge der heftigen Angriffe jeiner 
Gegner. Auch Predigten und eine a, vıowetiiche 
Er gegen Eollins find von ihm vorhanden. 


6* 


Ber 


Ber. ©. Beer. 
Berachah. 2. Chr. 20, 26. Bei Engebi; viel: 
leicht das heutige Bereikuth. 
erea. 1. Malk. 9, 4. Nicht zu verwechfeln mit 
Berda, 2. Matt. 13, 4, welches in der Vulgata 
auch Berea heißt. 
Bered. 1.M. 16,14. Im S. von Kadesbarnea. 
Beredfamkeit ift die natürliche oder dur Stu: 
dium und Hebung angeeignete Fähigkeit, feine Ge: 
danlen nit nur Mar und verftändlid auszufpre: 
en, fondern aud) in einer ihnen fo entſprechenden 
orm ber Rede, daß die ihnen innewohnende Wahr: 
eit zur vollen Macht des Eindbruds auf das Gei- 
tesleben de3 Zuhörers gelangen fann. Sie wird 
daher mit Recht nad) Theremind Vorgang eine 
Tugend genannt, bie der Prediger fi aneignen 
er da fie die Form barbietet, in ber der Inhalt 
des Evangeliums allein als Berfündigung für 
Andere wirkſam gemadt werden lann. Der Wider: 
ſpruch, der ſich nicht jelten gegen bie Beredſam— 
keit erhoben hat, beruht in der Auffaffung, als jei 
fie nur die Kunft, durch gewandte Form ben 
Willen zu überreden, oder den Hörer gleichſam zu 
bezaubern. (Bgl. aud) Kant, Analytil des Erha: 
benen $ 53.) Wie bei jeder Kunſt giebt e8 auch bei 
ber Beredſamkeit einen Mißbrauch der Aunftmit: 
tel beim Mangel des bejeelenden Gedanlens, Die 
wirtenden Träger der religiöjfen Idee in ber 
Schrift find ale von hinreißender Beredfamleit, 
von den Propheten an bis zu Etephanus und 
Paulus, am meiften Chriftus felbft; dem ftam: 
melnden Moſes aber fteht zur Seite der berebte 
Yaron. &o kann ebenjomwenig der Mijfionar als 
ber Prediger in der Gemeinde die Beredfamteit 
entbehren. (Bol. d. U. Homiletif, Predigt.) 
Berengar von Tourd. Als Vorfteher der Dom: 
** zu Tours um 1040 ftand er durch Gelehr: 
amteit und Frömmigkeit in großem Anjeben; 
um jo größeres Nergerniß erregte daher Ab: 
mweihung von ber geltenden Abendmahlslehre. Er 
unterſchled zwiſchen den geheiligten Zeichen (sacra- 
mentum) und dem dadurch Bedeuteten (res sa- 
eramenti); von jenen behauptete er, daß fie nicht 
in den Leib und das Blut Chrifti verwandelt 
würden, wie die Kirche mit Paſchaſius Radbert 
annahm. Da aber der Glaube vermittelft derjel: 
ben den Genuß des bimmlijchen Leibes Ehrifti 
babe, jo könnten fie nur in diejem Sinne Leib 
und Blut des Herrn genannt werden. Yanfranc, 
bener für jeine Anficht zu gewinnen geſucht hatte, 
trat auf dem Eoneil zu Rom 1050 als fein Antläger 
auf. Die Lehre wurde verworfen, ebenjo auf den 
Synoden zu Bercelli und Paris, wo Berengar 
aber nicht erjchien. Bon der Vermittlung des ihm 
befreundeten Hildebrand (Gregor VII.) hoffte 
Berengar einen günitigeren Erfolg. Auf der Sy: 
node zu Ron 1059 fiegten indeſſen feine Gegner 
Lanfrane und Humbert und zwangen ihn, feine 
Vertheidigungsihrift zu verbrennen und am Bo: 
den liegend ein Bekenntniß zu verlefen, daß Brod 
und Wein nad) der Eonjecration nicht bloß Zei: 
hen feien, fondern der wahre Leib Chriſti, der in 
—— Weiſe (sensualiter) von dem Prieſter ge: 
rohen werde. Erbittert über das —— 
ſeiner Gegner, verbreitete Berengar ſeine Lehre 
trotz ſeines Widerrufs und unter heftigen Anz 
griffen auf den Papſt und die Kirche. Bier frans 
gönige Synoden 1062—76 verbammten ihn wie- 
erholt, bis Gregor VII. (Hildebrand) ihn vor 


84 


Berleburger Bibel 


ein neues Eoncil zu Nom ftellte, 1078. Die For: 
mel, die er bier mit Zuftimmung des Rapftes 
befannte, genligte feinen Gegnern noch nicht, und 
auf der Synode 1079 mußte er, erfchredt durch 
den Zorn des Papftes, geſtehen, geirrt zu haben, 
und eine neue Formel —— die nur durch 
Sophiſterei gedeutet werden konnte, als ſpreche ſie 
nicht ganz und völlig das kirchliche Dogma aus. 
Unter dem Schutz des ihm dennoch gewogenen 
Papſtes zog er ſich nach St. Göme bei Tours zu: 
rüd und ftarb 1088. Leſſing, Ber. Tur. oder An: 
fündigung u. f. w. 1770. 

Berengarianer. Die Anhängerber Abendmahlö: 
lehre deö Berengar von Tours. Uebereinftimmend 
in ber Berwerfung der Brobverwandlungälehre, 
gingen fie in der Art auseinander, wie fie den 
Inhalt des Sacramentes mit den Elementen fid 
verbunden dadten. Einige erllärten Brod und 
Wein für Schatten und Figur des Leibes Chriſti, 
Andere fagten, der Leib Chriſti fei in dem Brod, 
mwelches Brod bleibe, verborgen (impanirt); An- 
dere, es werde Brob theitmweite verwandelt, theil⸗ 
weife bleibe es; noch Andere, eö werde bloß für 
die Gläubigen verwandelt. Es blieb der Nefor: 
mation vorbehalten, den Widerſpruch Berengars 
mit Erfolg zu erneuern. 

Berenice. S. Bernice. 

Berg. S. Gebirge. 

Berg. S. Jülich. 

Berg des Stiftd überjegt Luther Jeſ. 14, 13. 
Es ift aber in der Stelle gemeint ber Berg im 
Norden, auf dem nad heidniſcher Vorftellung die 
Bötter tagen, der Albordſch der Iranier, welchem 
der Meru der Inder ꝛc. entipricht. E3 ift zu über: 
fegen: Berg der Götterverfammlung. 

Bergbau. Davon, daß die Jiraeliten ſelbſt 
Bergbau betrieben hätten, findet fih im Alten 
Tejtamente feine Spur, Hiob 28 fpricht nicht da⸗ 
gegen. Wenn 5.Mo].8,9 der Metallreihthum des 
gelobten Landes gerühmt wird, fo fann man bie 
Stelle nad) unjerer jegigen Kenntniß nur auf das 
Eifen beziehen, das der Libanon liefert und bie 
Rupfergruben, weldje früher bei Aleppo waren. 

Bergiihes Bud. S. Concordienformel. 

Bergius, Johann. Geboren 1587 zu Stettin, 
feit 1624 Hofprediger, 1637 Oberhofprediger und 
Conjiftorialrath zu Berlin, + 1658, genoß das 
Vertrauen Sigismunds und betheitigte ſich in 
beffen Auftrage am Leipziger Religionsgeſpräch 
1631 und am Thorner Colloguium 1642. Nah 
feiner unioniftiihen Richtung hatte er den Kur— 
fürften von der Beſchickung der Dordrechter Sy: 
node abgehalten. — Sein Bruder Konrad war 
ber NReligionslehrer des großen Kurfürften und 
wurde 1629 Lehrer am Gymnafium zu Bremen. 

Berleburger Bibel. Eine Bibelüberjegung mit 
Anmerlungen, ift in dem philadelphiſchen Kreije 
entjtanden, den Graf Gafimir zu Berleburg um 
fi) gefammelt Hatte, und 1726 in 8 Bde. Fol. 
herausgegeben. Am meiften betheiligt an der Ab— 
faffung waren Joh. Fr. Haug und Joh. Chr. 
Edelmann. Die Ueberjegung ftrebt die pünktlichite 
Genauigfeit an, aber die feparatiftifche und my: 


ſtiſche Denkweife der Verfaſſer giebt dem Werte 


den Charakter. Die Anmerkungen bezweden vor 
Allem den myſtiſchen oder geiftlichen Sinn aufzu: 
meijen, und enthalten beshalb Auszüge aus allen 
möglichen Schriften, namentlid; der Myſtiker, wie 
eines Thomas a Kempis, Böhme, Dippel,Beterfen, 


Derner Disputation 


der Frau von Guyon u. A. Da bad Werk 
aus einem feparatiftifchen Kreife hervorgegangen 
ift, fo geht eine Polemik gegen die Drthodorie 
und bie vermeltfichte Kirche burch baffelbe hindurch. 

den myſtiſchen Kreijen früher viel gebraucht, 
ift es jegt jelten geworden. In ber Hirſchberger 
Bibel ift es ſtark benugt. 

Berner Disputation. Zange hatte der Berner 
Rath eine ziemlich neutrale Stellung zwiſchen der 
alten Kirche und den reformatorifchen Bewegun— 
gen einzuhalten gewußt und ſich begnügt, die 
Ausbrüche des Parteigeiftes niederzubalten. Als 
auf der einen Seite die Katholiken durch den Aus- 
gang bes Geſprächs zu Baden fich berechtigt glaub: 
ten, von Bern die Vertreibung der Evangelifch: 
Gefinnten zu verlangen, auf der andern Seite 
aber immer mehr Gemeinden Befreiung von der 
Mefie forderten, beſchloß der Rath) 1527 die ganze 
Ungelegenbeit durd ein Religionsgefpräd) zu be: 
endigen, zu dem alle Biihöfe und Stände der 
Eidgenoffenihaft eingeladen wurden, um mo mög: 
lich die Einigfeit des Glaubens unter einander 
wieder — Die Disputation fand ſtatt 
7.—26. Januar 1528. Reformirter Seits waren bie 
Säupter Zwingli, Decolampad, Bucer, Capito, 
Blauter u. U. zugegen; katholiſcher Seits war bie 
Betheiligung bedeutend ſchwächer, e3 fehlten alle 
Diihöfe. Den Verhandlungen zu Grunde gelegt 
wurden 10 Schlußreben ober Thejen, welche Snder 
und Kolb verfaßt und Zwingli revidirt hatte; über 
die Kirche, das Berbienft Chrifti, dad Abendmahl, 
Meſſe, Heiligenverehrung und Cölibat. Die Folge 
der Disputation war das Neligionsedict vom 7. 
Februar 15283, wodurd den Schlufreden Gejeges: 

ertheilt, die Gewalt der Biſchöfe aufgehoben, 
die Reform des Gottesdienfted angeordnet wurde 
und Bern in die Reihe der reformirten Städte 
— Fiſcher, Geſchichte der Disputation u. ſ. w. 
1328. 


Berner Synodus. Zur Vollendung bes durch 
das Reformationsedict von 1525 begonnenen Re: 
formationäwerles wurben ſämmtliche 230 Geift: 
fiche deö Cantons 9. Jan. 1532 nad) Bern beru: 
fen, um über die fruchtbare und heilfame Führung 
de3 Amtes mit einander zu berathen. Die Be: 
ſchlüſſe diefer Verfammlung, welche der Rath be: 

igte und Capito zufammenftellte und ordnete, 
führen den Namen „ber Berner Synodus". Sie 
enthalten eine vollftändige Kirchen: und Lehrord⸗ 
‚ die auch durd die jpätern Symbole nicht 
abgeihafft ift. Die neuefte Ausgabe des Synodus 
ift von 1830. In Richters Kirchenordnungen wird 
er vermißt. 

Bernhard, Claude. Ein durd) feine Frömmig- 
Zeit berühmter Prieſter; ftubirte anfänglich die 
Rechte, bis eine Bifion ihn bewog Priefter zu wer: 
den. Er gab ſich völlig der Predigt, der Armen: 
und Kranfenpflege hin. Das Volk gab ihm ben 
Ehren:Beinamen „der arme Priefter”. + 1641. 

rd von Botono. Geboren um 1200 zu 
Parma, war Lehrer des kanoniſchen Rechtes zu 
Bologna und bearbeitete die Decretalienfammlung 
Gregors IX. mit Benußung der frühern Commen: 
tare. Das Werk ift in ber Regel der Sammlung 
beiaefügt und heit daher Glossa ordinaria. 

Bernhard von Glairnaug. Geboren 1091 zu 
Fontaines bei Dijon aus ritterlihem Geſchlechte, 
trat zugleich mit 30 durch ihn angeregten Gefähr: 
ten 1113 in bas Klofter Citeaux des neu geftifteten 


85 


Bernhard von Menthon 


Eifiercienfer-Drben ein und wurbe ſchon 1115 als 
Abt des neu —— Kloſters im Thale von 
Clairvaux entſendet. Die Strenge feiner Aäfefe, 
burch welche er ſich eine von finnlihen Eindrüden 
ungeftörte Contemplation zu verfchaffen fuchte, un: 
tergrub zwar feine a fo daß feine Ordens: 
obern fie durch Verbote be — aber erhöhten 
ringsum ſein und ſeines Kloſters Anſehen. Als 
Innocenz II. 1130 nad) Frankreich kam, um wider 
den Gegenpapft Anaklet II. Anhang zu gewinnen, 
entjchied fid) Bernhard für ihn und wandte nun 
feine ganze Kraft und feine Beredſamkeit auf, 
Deutfhland und Frankreich zur Anerkennung des 
Innocenz zu bewegen. Dem Beifpiel der Synode 
von Ejtampes folgte Ludwig VL, Heinrid I. und 
Lothar von Deutichland. Bernhard blieb in Inno: 
cenz' Nähe, auf der Synode zu Rheims 1131, dem 
zuge nad) Jtalien 1133, dem Eoncil zu Piſa 1134. 
aum nad Clairvaux zurüdgelehrt, bewog er 
Lothar zu einem zweiten Hülfezug nad Stalien, 
da Innocenz von Roger von Sicilien arg bedrängt 
war; jein Zureben gewann aud Roger felbft und 
nad) Anaklets Tobe dankte man ihm den kirchlichen 
Frieden. Weniger mit Erfolg gekrönt war Bern» 
hards Wirken für den 2. Kreuzzug. Seine eindring- 
lihe Beredfamkeit brachte freilich ein anfehnliches 
Kreuzheer zufammen, aber der unglüdlihe Aus: 
gm wurde ihm auch vorgehalten. Das kirchli 
nterefje, welches ihn beherrichte, läßt fein Beneh⸗ 
men gegen Abälard a den er burd) die von 
ihm verbreiteten Ideen für mitfhuldig an bem 
Treiben de3 Arnold von Brescia hielt. Die Denk: 
art der beiden Männer, bie fleptifche Dialektik des 
Einen, die kirchliche und myſtiſche Eontemplation 
des Andern ftand fi ohnehin fo fern, daß das 
uni faft unvermeiblih war. Gleicher: 
maßen thätig war Bernhard gegen Häretiler vers 
—— Art am Niederrhein und im ſüdlich 
rankreich, wobei er ſich aber allen Gewaltmaß: 
vegeln abgeneigt zeigte. Die Befchlüffe der Synode 
von Rheims 1148 gegen die Häretifer find unter 
feinem Einfluß gefaßt ; ebenbort gelang es ihm aber 
nicht, die Berwerfung der Lehre feines Gegners 
Gilbert von Poitiers zu erlangen. Bon feinen Ab» 
ger iſt Die berühmtefte De consideratione 
ibri V; außerdem Predigten und 86 Reben über 
dad Hohelied. E3 werden ihm zugeſchrieben 
lateinische Hymnen, von denen zwei in beut 
Bearbeitung: D Haupt voll Blut und Wunben, 
und D Jefu füß, wer dein gedenkt, aud) in unfere 
Geſangbücher aufgenommen find. Sie finden 
in den gef. Werfen Bernhards, ed. Joh. Mabiffon 
1690. Bernhard ftarb am 20. Auguft 1153, und 
murbe 1174 von Alerander III. Heilig geſprochen. 
Sein Leben von Zeitgenofjen Guilelmus von St. 
Thiern, Gaufridus u. Alanus ſ. Ed. von Mabellon 
Iu. VI. Neander, ber h. Bernhard und fein Zeit 
alter. 3. Morifon, The life and times of S. Bern- 
hard, Lond. 186 


en 


4. 

Deruhard von Gompoftelle. Archidiakonus zu 
Compoſtella; —— Rom eine Sammlung der 
Decrete Innocenz’ III, die Compilatio Romana, 
an, welche unterdrückt wurde, ba fie einige ber Eurie 
unbequeme Stüde enthielt. — Ein anderer Berns 
hard von Compoftella trägt au ben Zunamen 
de Montemirato und commentirte Die Decretalen 
Sinnocenz’ VL. und zu. IX. 

Bernhard von Menthon (bei Amely in Gas 
voyen), 923—1008. Der Sohn eines Ritters, riß 


Bernhard von Pavia 


ſich nad) beendigten Studien von dem elterlichen 
Haufe 103, wurde Priefter zu Aofta und Archidia⸗ 
fonus. Durch die Verwendung feines eigenen Ber: 
mögens und bie Beiträge, die feine begeifternden 
Predigten jammelten, gelang es ihm, das Hofpiz 
auf dem ©. Bernhard zu begründen und mit einer 
Chorherrengemeinſchaft zu befegen, die fi bis zum 
heutigen Tage der Rettung verunglüdter Wan: 
derer widmet. 

Bernhard von Pabia. Mar Präpofitus, fpäter 
Biſchof zu Pavia 1190; verfahte das Breviarium 
extravagantium, d. i. eine Sammlung der von 
Gratian erlaffenen und von ihm in feine Samm— 
lung nicht aufgenommenen und der ſpäteren päpft: 
lihen Decrete. Dies Werk ftand auf der Rechts: 
ſchule zu Bologna in hohem Anjehen und wurde 
oft commentirt. 

Bernhard von Pommern. Ein fpanifcher Prie— 
fter, der 1122 die Weihe zum Biſchof von Pont: 
mern erhielt und einen mißlungenen Verſuch 
machte, das Land zu befehren. Da er die Schuld 
des Mißgeſchicks in feinem demüthigen Auftreten 
fuchte, bewog er Dtto von Bamberg zu einem 
prunfvoll ———— Miſſionszuge. 

Bernhard, Erzbiſchof von Toledo, + 1125. Ein 
Benedictinermönd, den Gregor VII. zum Abt von 
Sahaguna in Gaftilien wählen ließ, 1080, und 
fpäter zum Erzbifchof von Toledo beförderte, aud) 
mit dem Range eined Primas von Spanien be: 
gabte. Ein sr Anhänger des Papftes, war 
er bemüht, mit Hülfe der Benebictiner das römi:- 
ſche 5— in Spanien durchzuführen und die 
rn Liturgie an die Stelle der mozarabifchen 
u ſetzen. 

Bernhardi, Bartholomäus, von Feldlirch, 
Probſt in ga 
von Albrecht von Mainz zur Berantwortun 
gogen werden, wurde aber vom Rurfürften % 

rich dem Weiſen beſchützt. 

Bernhardin von Ochino. ©. Ochino. 

Bernhardiner. ©. Eiftercienfer. 

Bernice. Apftg. 25, 13.23; 26,30. Mar bie 
ältefte Tochter Herodes Agrippa’s I. und Entelin des 
Ariſtobulus, des Sohnes Herobes des Gr. Nach— 
dem ihr erfter Gemahl, Herodes von Chalcis, der 
Bruder ihres Vaters, geftorben war, lebte fie mit 
ihrem Bruder Agrippa II. in blutſchänderiſchem 
Umgang, und fehrte auch zu ihm zurüd, als fie 
ihren zweiten Mann Bolemon, König von Cilicien, 
wieder verlaffen hatte. Apſtg. 25 u. 26. 

Bernis, Frangois Joahim, Graf von Lyon. 
Seine anmuthigen aber leichtfertigen Gedichte ge: 
wannen ihm als Abbe die Gunft der Bompadour; 
von ihr dem Könige empfohlen, ging er 1751 als 
Gejandter nad) Venedig, vermittelte 1756 zwifchen 
bem Hofe und dem Parlament wegen des lit de 
justice, 1757 mit Oeſterreich das Bündniß gegen 
Preußen, wurde Minifter des Ausmärtigen 1758- 
1759 und Carbdinal. Nach einer 5jährigen Un: 
gnabe zum en von Albe ernannt, jandte 
ihn Ludwig XV. 1769 ins Conclave nad) Rom, 
wo er die Wahl eines jejuitenfeindlihen Bapites 
burchfegte und dann von Clemens XIV. die Auf: 
hebung des Yejuitenordend erlangte. + 1794. 

Berno. Bon Wilhelm dem Frommen 910 als 
Abt des neubegründeten Klofters Clugny berufen, 
führte er bie Regel des Heiligen Benedict in der 
alten Strenge wieder ein und ftiftete bie Congre— 
gation von Clugny (f. d. A.). 


€: 
rie⸗ 


86 


verehelichte ſich 1521, ſollie K 


Berthold 


Berno. Bernard. Gelehrter Venedickinermönch 
zu Prüm bei Trier. Als Abt des Kloſlers Neichenau 
am Bodenſee 1008 hob er die unter feinem Bor: 

änger fehr verfallene Kloſterſchule und machte 
co um die Berbefferung des deutſchen Kirchen: 
gejanges verdient. 

Bernward, Aus einem vornehmen ſächſiſchen 
Geſchlechte, wurde 987 Hofcaplan und Erzieher 
Otto's III. Seit 993 Biſchof von Hildesheim, be: 
fejtigte er die Stadt und ficherte die Grenzen des 
—— begründete die Münſterſchule und die 
Benedictiner-Abtei zu Hildesheim. Die Kunſtwerke 
in ber dortigen Domfiche find zum Theil Werke 
feiner eigenen Hand. Er ftarb am 20. November 
1022 und wurbe 1193 Fanonifirt. 

Beröa. 1) Stadt in Macedonien am Fuße bes 

Bermius, Apftg. 17, 10. 13; 20, 4; fpäter hieß fie 
Irenopolis, jetzt Kara⸗Feria oder Verria. — 2) 
Stabt in Syrien, 2. Maff. 13, 14, an ber Stelle 
bes heutigen Aleppo, von Seleucus erbaut. Hiero⸗ 
nymus fand bort bei ben Nazaräern das hebräi- 
—— welches er dem Matthäus zus 
tried. 
Berothai. 2. Sam. 8, 8. Nah den Meiften 
einerlei mit Berotha, Ey. 47,16, dem heutigen 
Beyrut. Nach Ewald, Geſch. Sf. ILL, 195, ift je⸗ 
bod) das Barathema des Ptolemäus 73° 20°, 33° 0* 
zu verftehen. — 

Berquin, Ludwig von. Geb. 1490, wurde, weil 
er Schriften von Erasmus und Luther überſetzte, 
wiederholt vor dem Parlamente angeflagt, aber 
durch die Gunft des Königs Franz I. geſchützt. 
ALS er aber aus Beda's Schriften zwölf Säge ala 
gottlos bezeichnete, 1527, wurde im von Neuem 
der Prozeh gemacht und er ald unverbefferlicher 

er 1529 verbrannt. 

Berruher, Jojeph Iſaac. Ein franzöſiſcher Je: 
fuit, geb. am 1. Nov. 1681. Um die Vibel mehr 
befannt zu machen, bearbeitete er fie in der Art 
eined Romans, 1728. Das Merk fand, weil es 
lebendig und interefjant gefhrieben mar, vielen 
Beifall, wurbe aud) ins Spanifche und Stalienifche 
überjegt, aber erregte auch großen Anfioi durch 
viele leichtfertige und fchlüpfrige Schilderungen. 
1738—1758 erjdienen noh 3 Vände, die Zeit 
nah Ehrifti Geburt umfafjend, und erſt 1753 
wurbe es von Benebict XIV. verbamınt. 

Berfabe. S. Beerjeba. 

Berthelier, Philibert. Aus einem allen Genfer 
Patriciergefchlecht, ftand er mit Bonivard an ber 
an ber Partei, welche bie alten Freiheiten 
Genfs gegen ben Bifchof und ben Herzog von Sa: 
voyen — zu erhalten ſuchte und das Vünd⸗ 
niß der Stadt mit den Eidgenoſſen vermittelie. 
Seine auf Befehl des Biſchoſs ohne Urtheil und 
Recht * inrichtung, 1621, gab mit Beran: 
lafjung zu der Befreiung der Stadt, wod dei 
Reformation der Weg gm wurde. Bgl. Merle 
v’Aubigne, Geſch. der Ref. Bd. J. 

Berthier, Wild. Franz. Geb. 1704, ein gelehr 
ter Sejuit, der die Geſchichle der franzöſiſchen 
Kirche von Longueval in G Büchern bis 1529 fort- 
jegte und das von ben Jeſuilen zur Belämpfung 
der Encyklopäbiften gegründete Journal de Tre- 
voux leitete. Nach Auflöfung des Ordens wurde 
er Erzieher Ludwigs XVL, 309 ſich dann nad) 
Bourges zurüd und lebte dort den Wiſſenſchaften 
bis an feinen Tod 1782. 

Berthold. Der Apoftel der Liefländer. Aus 


& 


Berthold 


Abt des Klofters Zoccum weihte ihn Hartwid IL 
von Bremen zum Bifchof der noch heidniſchen Lief: 
länder. Als Fine erjte Mifftonsreije feinen Erfolg 
hatte, predigte er einen Kreuzzug und fiel in der 
erften Schlacht, die er mit jeinem Heere den Hei— 
den lieferte, 1198. 

Berthold. Erzbifhof von Mainz, 1485—1504. 
Graf von Henneberg. War nit nur Fr bie Ber: 
waltung des Reiches von großem Einfluß (Rante, 
8b. I), fondern bemühte fid) auch für die Nefor: 
mation der Klöſter und die kirchliche Zudt und 
ftellte die Beſchwerden der deutſchen Nation für 


die Curie zufammen. 

Berthold, der Franciscaner. Der berühmte 
Voltsprediger des Mittelalters, wurde geboren zu 
Regensburg um 1220 und erhielt feine Bildung 
* igen Franciscanerkloſter durch Bruder Da: 
vid von Augsburg. Seine Wirkſamteit als Reiſe— 
prediger begann er 1250 in Niederbayern und 
durch °g predigend Süddeutſchland und Thürin- 
gen. 3 272. Seine Predigten find herausgegeben 
von Kling 1824 und Beifter 1862. 

Berthold. Biihof von Chiemjee. Geb. 1465, 
Biſchof jeit 1508, refignirte 1525, + 1543. Im 
Onus ecclesiae (1524) ſchildert er das Verderben 
der Kirche und fordert eine nöthige Verbeſſerung. 
In der Teutfchen Theologie (1531) entwidelt er 
manches dort Gejagte und ſucht das römische Lehr: 
foftem zu rechtfertigen. Die Teutſch. Theol., her: 
ausgegeben von Reithmeier 1852. 

hold von Rohrbach. Cin Laie, der 1356 
zu Würzburg gegen firhlihe Mißbräuche predigte 
und zu Speier verbrannt wurde. 

Berthold. Stifter des Karmeliterordend. ©. 
Karmeliter. 

Bertholdt, Leonhard. Bekannter Bibelkritifer 
der rationaliftiihen Schule. Geb. 8. Mai 1774 
zu Emälirchen im Bayreuthiſchen, ftudirte er zu 
Erlangen, ward 1802 Adjunct der philologiichen 
Facultãt, 1805 außerordentlicher Profefior, 1806 
ordentlicher Profeſſor der Theologie. F 1822, 
Seine befanntefte Schrift iſt die Hiftorifch = Fritifche 
Einleitung in die kanoniſchen Schriften des Alten 
und Neuen Teitaments, Erlangen 1812 — 1819. 
Außerdem ſchrieb er eine Dogmengeſchichte und 
einen Commentar zum Daniel. 

Berti, Giovanni Lorenzo. Geb. 1696 in Sara: 
vezzo bei Toscana, trat in den Orden der Augu: 
ftiner-Eremiten, und ward Brofefjor der Theologie 
zu Pifa. Ausgezeichnet ald Dogmatifer, jchrieb er 
Libri de theol. disciplinis, ein Syftem der fatho: 
liſchen Dogmatik auf auguftinifcher Grundlage. 

erufung nennt der bogmatiihe Spracdge: 
brauch, fich anlehnend an den bibliſchen Ausdrud, 
die göttliche Einladung durd Wort und Sacra— 
ment zur Anregung des in Chrifto dargebotenen 
Heiles. Man unterſcheidet die allgemeine Beru: 
fung (universalis), die durch die Verkündigung 
de3 Evangeliums auf Erden und unter einem Bolle 
ee von ber bejondern (specialis), wenn 
durch beſondere Wirkung des heiligen Geiftes ber 
Renſch inne wird, daß aud) ihm das Heil beftimmt 
fi. Im Kampfe mit der Prädeftinationslehre 
wurde die Lehre von der Allgemeinheit der Beru: 
—*2* in dem Sinne, * die Einladung zum 
Heile an jeden Menſchen komme, und von der Wirk: 
jamteit derjelben, d. h. daß fie für Jeden ernftlich 
gemeint hinreichend fet, vielfad) erörtert, y 
daß es gelungen wäre, Mifverjtändniffe und Wis 


87 


Beſeſſene 


—— zu vermeiden, ſo lange man ſich nicht 
entſchließen konnte, auch auf Seiten des Menſchen 
und in feinem Glauben eine freie ſittliche Willens: 
beftimmung anzuerkennen: eine Anerkennung, 
melde in tieferen religiöfen Gemüthern die Danl: 
barfeit gegen Gottes Alles durchwaltende Gnade 
und das Gefühl, aud in unfern Willensregungen 
nur von ihm getragen zu werden, nicht ausſchließt, 
jondern nur erhöht. 

Berulle, Pierre de, Carbinal. Geb. 1575 aus 
einer vornehmen franzöfifhen Familie, widmete er 
fi) dem geiftlihen Stande und der Belehrung der 
Calviniften. Zur Hebung des verwilderten geift: 
lihen Standes ftiftete er nad) dem Vorbilde des 
Philipp von Neri ein Dratortum, d. h. eine Ge: 
meinſchaft von Prieftern, die ohne Gellibde ein 
gemeinſames Leben führten und ſich mit wifjen- 
Khaftlichen Studien beihäftigten. S. Dratorianer. 
Die Sorietät erhielt die päpftliche Betätigung 
1613 und breitete fi ge in Frankreich aus. 

Beryll v. Boſtra. ©. Antitrinitarier. 

Beihaulikeit (Contemplation). Der Zuftand 
der Seele, wenn ber Geijt fi von der Außen: 
welt abzieht und ſich ausſchließlich auf die Betradh: 
tung des eigenen Seelenlebens, infofern diejes ein 
religiöfes ift, concentrirt und darin einen inneren 
Genuß findet. Vielfach hat man in der Beſchau⸗ 
lichkeit daS wahre chriſtliche Leben zu finden ge: 
meint. 

Beihneidung. Die Sitte, die Vorhaut deö 
männlichen Gliedes abzujchneiden, ift von Abra- 
ham bei feinem Stamme eingeführt, von Mofes 
gejeglich geboten, 3. Mof. 12, 3, und von Joſua 
durchgeführt, Joſ. 5, 5. Die Befchneidung war 
das Bundeszeichen der Weihe zum Eintritt in die 
Gemeinde Gottes, mußte daher an jedem Ziraeli: 
ten und an Jedem gejchehen, der ſich in die Ge: 
meinihaft des Volkes aufnehmen ließ. 1. Mof. 
34, 15 f. ©ie findet ftatt am achten Tage nad) der 
Geburt, mit ihr verbunden ift die Namengebung, 
Luc. 1,59; 2,21. Die Beſchneidung ift bei den 
Aegyptern älter alö bei den Juden, und findet ſich, 
hart 4 beiden RNachlommen Abrahams, auch bei Phö— 
niziern und Syrern. Unbejchnitten heißen die Phi: 
lifter. Als Grund der Sitte kann auch bei biejen 
Völkern nur ein religiöjer angenommen werden. 
Das Zeugungsglied gilt ala * iſt Symbol des 
Lebens, die Beſchneidung jumbolifirt daher die 
Weihe des Lebens an die Gottheit. Da in Aegyp⸗ 
ten nur die Priefter: und Kriegerfafte bejchnitten 
war, jo ift die —— ein äußeres Zeichen 
des Adels des Volles Afrael. 

Beihneidung Chriſti, Fefl der, ift die Dctave 
des —— wurde aber, um bie Colli— 
fion mit der römiſchen Neujahröfeier zu vermeiden, 
erjt ſpäter unter Gregor d. Gr. gefeiert und erft 
nad) dem 10. Jahrhundert in die Reihe der allge: 
meinen kirchlichen Fefte aufgenommen. Zum Neu: 
jahröfefte wurde es, ald aud die Kirche den 
Sahresanfang auf den 1. Januar fette, was in 
Frankreich um 1564, in Schottland um 1600, in 
England 1756 geſchah. 

eſchwörung Des Teufels, S. Erorciömus und 
Teufelsbanner. 

Beſek. Richt. 1, 3.7. Muß zum Stanme Juda 

5* haben, daher verſchieden von Beſek (Luther 
aſek) 1. Sam. 11, 8, welches nad) Hieronymus 

11 Millien von Sichem liegt am obern Jordan. 
Beſeſſene. S. Dämoniſche. 


Beſold 88 


Beſold, Chriſtoph. Belannter Convertit zum Ka⸗ 
tholicismus. Geb. zu Tübingen 1577, trat er als 
Profeſſor der Rechte 1630 heimlich zu Heilbronn 
zur fatholifchen Kirche über, und öffentlich nad) der 
Schlacht bei Nördlingen 1634, zum größten Schmerz 
bes ihm befreundeten Bal. Andrei. Mit Benupung 
ber Urkunden des age Archivs juchte 
er in zwei Werfen zu beweifen, daß die meiften der 
von Würtemberg fäcularifirten und zu Sirchen: 
und Schulzweden verwendeten Klöfter reichsun⸗ 
mittelbar gewejen feien und daher reftituirt wer: 
den müßten. Da das Intereffe des Haufes Deiter: 
reich entgegenftand, blieb fein Bemühen erfolglos. 
1687 wurde er Profeflor in Ingolftabt und ftarb 
1638, ehe er einem glänzenden Rufe des Papſtes 
nad) Belgien folgen fonnte. 

Befor. 1. Sam. 30, 9. 10. 21. Iſt wahrfcein: 
= der Wabi el Scheriah, weldyer unterhalb Gaza 
mündet. 

Beiprengung mit Meihwafler — liturgiſche 
Handlung in der katholiſchen Kirche, welche theils 
als jelbftändiger liturgifcher Act, vor dem Hochamt, 
theils in Verbindung mit andern, namentlich den 
Sacramentalien, erſcheint und fymbolifch die Rei: 
nigung von Sünden darftellen joll. 

Beflarion. Earbinal, der Vermittler zwiſchen 
Drient und Deeibent. Geb. 1395 zu Trapezunt, 
trat er in ben Orden des heiligen Bafılius be: 

leitete 1437 Johann VI aläologus auf das 
&oncit zu Een Wer unter per * 
ei — nigung mit der römiſchen 
Ai e und bie Annahme des Belenntnifjes, daß 
der heilige Geift er hr Sohne ausgehe, wirkte. 

um Cardinal und Borfteher des Ordens ber Ba: 
tlianer ernannt, blieb er in Italien und beförberte 
dad Studium der griehifhen Sprade und ber 
Miffenfhaften überhaupt. Seine Bibliothek ver: 
machte er der Republik Venedig. Mehrfach zu 
diplomatifhen Gejhäften verwendet, verjäumte er 
feine Gelegenheit, das Abendland zur Hülfe in 
ie des griechischen Reiches aufzu: 
orbern. 

Beſſel. Geb. zu Buchheim bei Mainz 1662. 
Benedictinerabt zu Gottweid bei Wien And Zur: 
mainzifcher Official. In feine Hände legte 1710 
ber Convertit Anton Ulrich von Braunfchweig das 
Glaubensbelenntniß ab, und Beſſel ſchrieb die Fünfgig 
Motive, in denen er den Uebertritt des Herzogs 
rechtfertigte. Ruhmvoller ift für ihn die Chronif 
be3 Klofterd Gottweich, von welcher der erſte Theil 
(2 Foliobände) 1732 erfhien und welche für die 
mittelalterliche Geographie von großem Werthe ift. 

Beftätigung. S. Confirmation. 

Beladh. Stadt in Syrien, welche David er: 
oberte, 2.Sam.8,8; nad) 1. Chr. 18, 8 ift Tebach 
zu leſen, welches nicht weit von Maakha log. 

Betane. Stadt bei Hebron. Judith 1,9. 

Beten. S. Gebet. 

Bethabara ift die gemöhnliche aber unrichtige 
Lesart, Joh. 1,9, ftatt Bethanien, durch Drigenes 
eingeführt, der am Jordan fein Bethanien, wohl 
aber ein Bethabara fand. 

Bethanath. Kanaaniterftabt, Nicht. 1, 33, im 
Stamme Naphthali, Joſ. 19, 38; nad) Eufebius 
der Ort Batanda, 15 Meilen öftlih von Cäfarea. 

Bethania. Ein Ort in der Nähe Jerufalems 
am Delberge, Marc. 11,1; Luc. 19, 29, Matth. 
21, 17; befannt aus der Leidensgeſchichte und als 
Wohnort von Maria und Martha. Jet ein 


Bethel 


unbedeutendes Dorf, mo man das Haus bed Si- 
mon und dad Grab bes Lazarus, Joh. 11, zeigt. 
Ein zweites Bethania muß Tenfeit bes Jordan ge: 
legen haben. ©. Bethabara. 

Bethanoth. Zof. 15, 59. Stadt im Stamıne 
Juda, vielleicht das Dorf Bethanin nach Eufebius. 

Belharaba. Joſ. 15, 6. 61; 18, 22. Auf der 
Grenze zwiſchen Juda und Benjantin. 

Betharbeel wirb Hof. 10, 14 ald von Salınan 
zerftört erwähnt, ſoll Arbela in Galiläa fein. 
Higig liest aber den Namen de3 Orts Salman: 
betharbeel und verweifet auf Arbela in Peräa. 

Bethaſsmabeth. Neh.7,28; 12,29; Esra2, 24. 
Drt im Stamme Juba ober Benjamin. 

Bethaus. Es gehört zu ben Ehrenrechten ber 
im Staate anerkannten Confeffionen, daß ihre 

ottesdienftlihen Gebäube durch Thurm und 

loden und bie ganze Bauart als ſolche zu erken⸗ 
nen find und ben Namen Kirchen ober Kapellen 
führen. Die Verfammlungähäujer der nicht aner- 
fannten Gemeinſchaften heißen Bethäufer, jo in 
Defterreich bis 1848 Die evang. Kirchen. Ebenfo ge: 
braucht man bie Bezeichnung für ſolche gotteöbienft: 
—* ebäube, bie beſcheidener und dürftiger aus- 
geſtattet find. Bgl. db. Art. Kapelle und Oratorium 

Beihaven. Joſ. 7,2; 18, 12; 2. Sam. 13,5; 
14, 23; öftli von Bethel. 

Bethbarah. Nicht. 7, 24. Auf dem diesfeitigen 
Ufer deö Jordan; hierauf verweilen die Berthei« 
biger der Lesart Bethabara (f. d. A.). 

Bethbafl. 1. Malt. 9, 62. 64. Bulg. Beth: 
fezia, Joſephus Bethalaga. Ort in der Wüfte, den 
Jonathan befeftigte. 

Beth: Birei,. 1. Chr. 4, 21. Stabt Simeons, 
heißt Joſ. 19, 6 Bethlebaoth. 

ethtar. 1.Sam.7,11. Lag in Süb:Paläftina 
ohnweit Mizpa. 

Bethcherem. Jer. 6, 1; Neh. 3, 14. Stabt im 
Stamme Juda, lag nad Hieronymus auf einer 
Anhöhe zwiſchen Jerufalem und Theloah, welche 
Bocode im Frankenberge erkannt haben will. 

Bethdagon. J0j.15,41. Stadt in Juba, in ber 
Niederung; ber von Eufebius hierfür bezeichnete 
Drt liegt aber im Stamme Dan. Ein anderes 
Bethdagon im Stamme Affer wird erwähnt of. 
19, 27. Seins von beiden ift gemeint 1. Malt. 
10, 83; vielmehr ift Hier das Wort getrennt zu 
lefen: Haus (Tempel) des Dagon. 

Beth⸗Diblathaim. S. Almon:Diblathaint. 

Betheden. Amos 1,5. Ort in Syrien, ſoll das 

eutige Dorf Eden auf dem Libanon fein. Andere: 
eit⸗el⸗Dſchanne bei Damaskus auf dem Hermon. 
Luther überjegt Luſthaus. 

Bethefed. 2. Kön. 10,12. Lag in ber Ebene 
Samaria's; nad) Ewald das Don! Beth⸗Kad. 

Bethel. Hieß urſprünglich Zus, 1.Mof.28,19; 
Richt. 1,23.26; Joſ. 18, 13, und lag ander Straße 
nad Sichem, nicht weit von Silo; nad) of. 18,22 
ben Stamme Benjamin zugetheilt, wurde ed von 
Ephraim erobert, Richt. 1,23, und verblieb bein: 
jelben. Bethel war ein Ort von uralter Heiligkeit, 
wahrſcheinlich ftand dort ſchon ein fanaanittjches 
Heiligtum. Später war es eine Zeitlang der Ort 
der Bundeslade, Richt. 20, 18; 1. Sam. 7, 16. 
Jerobeam jtellte dort das goldene Kalb auf, 1Kön. 
12, 18 jf.; 13, 1. 32, Amos 7,13; und nad) ber 
negführun wurde ein levitifcher Priefter hinge⸗ 
ſchickt, den Ze: Eultus einzurichten. Erſt Jofia 
machte dem falſchen Cultus ein Ende, 2. Slön. 


Bethemef 


2, F Nach dem Exil iſt es im Beſithz der Benja⸗ 
iten, Neh. 11, 31; ed wurde von Bacchides be⸗ 
—* 1. Malk. g, 50, und von Beäpaftan erobert. 
Robinfon bat den dri im —— Beitin vermuthet; 
Thenius erkennt es in Sindſchi 
Stamme Aſſer 


Bethemel. Joſ. 19, 27. 
nahe bei Jep hta. 

Bethesda. Job. 5,2. Ein Teich mit heilfräf: 
tigem Waſſer ug ufalem, der mit Säulen für 
die Kranlen umge 
es ber tiefe Gr Birlet:Jjrail an der nördlichen 
—— —* nic — — tr en, 
daß er zur Burg Antonia ge e. Ra 
nn Biel s der Keich, die Duelle der Jungfrau”, an 

beö Thales Joſaphat, identiſch mit 
= ——— (Neh. 2, 14). Da dieſe Quelle 
intermittirend ſprudelt 
bei Johannes paſſen, fie hat jedoch feine Heilfräfte. 
Bethezel. Micha 1, 11. Ort ohnweit Samaria. 
Beibgader. 1. Chr. 2, 51. Jm Stamme Juda. 
Bethgamul. er. 48, 23. stadt i in Moabitis, 
nach Robinfon Om-el-Dfchemal. 
Bethhanau. 1. Kön. 4,9. Wahrſcheinlich in Dan. 
Beihharam. LXX Baithara. 4. Moj. 32, 36; 
Joſ. 13, 27. Stadt im Stamme Gab. Der ipä: 
tere Name ift Bethramtha Herobes nannte fie 
Da Ehren der Gemahlin Auguftus’ Liviad oder 
as. 
— ober Bethagla, Joſ. 15, 6; 18, 19. 
laubt Robinfon an die Duelle Hagla im im SD. 

u Nerven legen zu müſſen. 

hhoron. So 16,3. Lag im Thale an einer 
Mir auf der Grenze von Ephraim und 
Benjamin, jo daß von einer niedern (of. 16, 3; 
18, 13) und einer obern Stabt (Joſ. 16,5) gerebet 


wird. Da bie Höhe, die den Engpaß te, 
erfteigen war (of. 10, 11; 1. Mall. 3, 
3—24), jo bi der Drt eine: ” tige —— 


ſche Poſition und es wurde dort öfter gefä 

Joſ. 10, 10; 1. Mall. 7, 39; 2. Malk. 15, 25. 

jüdifchen ‚Kriege wurben nad) der Niederlage des 
Geftius in den Engpäffen viele Römer auf ber 
Fucht nad) Beisoeon erſchlagen. Die Angaben 
der Bibel und des Eufebius treffen in der Lage ber 
—— Beit⸗ ur⸗el⸗Fola und Beit⸗ ur⸗et⸗Tachta zu⸗ 


——— Ein Vorläufer des Pietismus, Pfarrer 
im Dorfe Linnen bei Fehrbellin bis 1663, der in 
feinen Schriften die Berwilberung ber (utheriichen 
Kirche und die Berlommenheit ihrer Prediger ſchil⸗ 
dert und ftatt der Orthobogie ein lebendiges Chri— 
ftenthum fordert. Spener belennt, von ihm mande 
Anregung erhalten zu haben. 

Beihjefimoth. Ort jenfeit des Jordan, 4. Moſ. 
33,39; Joſ. 12, 8, war dem Stamme Ruben zu: 
getheilt, of. 18, 20, fpäter aber wieder im Befit 
der Moabiter, €. 25, 9 

Bethleaphra ift nad), Micha 1,10 wohl in Juda 


zu ſuchen. 
" Beihlebaot. 19, 6. Stabt im Stamme 
Eimeon, wird Joſ. 15, 32 bloß Lebaoth ge 

Bethlehem. Der Geburtsort Davids, 1. Sam. 
16,1; 17,12, und Jefu, Matth. 2,5; Luc. 2, 4.7; 
tag im Stamme Yuda, Richt. 17, 7.9; Nicha 
5,2, ſechs Millien von Serufalem, warein unbebeu: 
tender Ort —* einer felſigen Anhöhe in fruchtbarer 
Gegend, den Rehabeam befeſtigte. Nach 1. Mo 
35,19; 48, 7; Mal. 5,2 war der ältere Name 


89 


war. Nach der Trabition ift | Si 


‚0 würbe das zur Angabe Iſaſchar 


Bethtapuah 


8 bewohntes Dorf; in der Kirche zeigt man die 
öhlengrotte, in welcher Chriſtus geboren ſein ſoll. 
—— eres Bethlehem lag in Sebulon. Joſ. 
Beiömande, 2. Sam. 20, 14. In ber Nähe 
von Ab 
Beihmarkabotf. of. 19, 5; 1, Chr. 4, 81, 
Stadt im Stamme Simeon. 
Beihmille, Richt. 9, 6. 20. Ein Caftell bei 


32, 3. 86; Jof. 18, 27. 
Stadt im Stamme Gab; — der Nähe waren 
Quellen, Jef. 15, 6, weiche man im Wadi⸗Schaib 
oder Rimrin erfannt hat, woburd) der Ort Nimrin 
beftimmt wird. 

Bethpazzez. Joſ. 19,21. Stabt im Stamme 


Beißnime, 4. u 


afchar. 

Bethpelet ober Bethpalet. Joſ. 15, 27; Neh. 
11, 26. Im Süden Juda's, wurbe nad) dem Exil 
wieder von Juden bejegt. 

Belhpeor. 5. Mof. 4, 46. Moabiterftabt ohn⸗ 
weit bes Jorban, Fericho gegenüber, in der Nähe 
des Berges Peor, fiel dem Stamme Ruben zu. 

Beihphage. Ein Flecken in der —* von Je⸗ 
ruſalem und Bethanien. Matth. 21, 1; Marc. 
11, 1; 2uc. 19,20. Seine Stelle wird albwegs 
Betpanien und bem Delberg * da es aber 
immer vor Bethanien genannt wird, ſo ſcheint es 
— u von Bethanien nad Jericho gelegen zu 


"Beihredo, Stadt in Dan, nicht weit von 
Lais, Richt. 18, 28. Das dort —— Thal iſt 
die Ardsel-Huleh am Fuß des Antilibanon. Val. 
4. Mof. 13, 22. 

Bethſaida. 1) Eine Stabt am weitlichen Ufer des 
Sees Genezareth, Joh. 1,45; Marc. 8, 23; 6, 45, 
nicht weit von Kapernaum ; war ber Wohnfit des 
Petrus, Andreas und Philippus und ber —* 
‚| Aufenthaltsort Jeſu, Joh. 1, 45; 12, 

m | 2) gr Stadt im untern aulonitig, öftlich vom 
See, welche der Tetrarch Philippus ausbaute und 
Juliad nannte. Luc. 9, 10 wird diefer Ort ge: 


meint fein. —* —* 14, 18. 
Betbican. in ber Ebene Esdrelon diesfeit 
des Jordan, 2. Maft.12,29, wurde von Stamme 


Manafje erobert, Yof. 17, 11; 1. Sam. 31, 10. 
Später hieß die Stabt Scythopolis und war eine 
befeftigte Grenzftabt Galiläa’s, in der viele Heiden 
wohnten, und welche zu ber Defapolis (j.d. A.) ge: 
—— Im 4. Jahrhundert wird ſie als Sitz eines 
iſchofs erwähnt, iſt jetzt ein Meiner Ort, Beifan. 
Bethſemes. 1. Sam 6, 12; Joſ. 21, 16; 1. Kön. 
4,19; 1. Chr. 6,60. Eine Brieiterftadt i im Stamme 
Yuda, lag in einer Niederung zwiſchen Cheſſalon 
und himna, nahe bei der Philiſtergrenze. Hierher 
wurde die Bunbeslade von den Philiftern zurüd- 
gefchidt, 1. Cam. 10. Unter Ahas wurde fie von 
den Bhiliftern erobert. Nach 1.Sam. 6,19 ſcheint 
der Ort nicht unbedeutend geweſen zu fin, wenn 
auch in der Zahlenangabe Tertverberbniß ange: 
nommen werben muß. — Andere Städte des 
mens find: 1) im Stamme Naphthalt, of. 1, a; 
Richt. 1, 33; 2) im Stamme Iſaſchar, Jo]. 19 
J in Xegypten, die fonft Helioporis —— 
tadt. 


Rheſia. In Nord-Paläſtina, Richt. 7, 22, 


j. | war ſchon gg nicht mehr befannt. 


Bethtapuah. Joſ. 15, 53. Auf dem Gebirge 


Ephrata. Bethlehem ift jegt ein großes, von Chri: ! Juda, ift das Dorf Te fiuß. 


Bethul 


Bethul. Beihuel, Stadt im Stamıne Simeon, 
an PR S 80 —* 50. Kata ne wie 
u, vgl. Joſ. 15, 30; das ige a. 
Beipulia, Jud. 7,13; me 11. 13; 7,8; 
15,3. Wird nur im Bud Judith erwähnt als 
ein fefter Ort auf einem Berge in der Nähe der 
Ebene Eödrelon. Daf der Name erdichtet fei, ift 
unwahrſcheinlich; es jollen die biblifhen Angaben 
auf ben Ort Sanur paffen, der zwiſchen Dicheba 

und an auf einer Felſenhöhe Liegt. 

Bethzacharia. 1. Matk. 6,32. Lag nach Jofephus 
60 Stadien von Bethzur, ift das heutige Beit: 
Salarieh. 

Bethzur. Bulg. Beffur. Auf dem Gebirge Juda, 
If. 15, 58. Bon Maon gegründet, 1. Chr. 2, 45, 
von Rehabeam befeftigt, 2. Chr. 11, 7, ift fie in 
ber jpätern Zeit als Ka gegen Jdumäa 
von Wichtigkeit. 1. Mall. 4, 61; 6, 7. 26; 14, 
33; 2. Matt. 13, 19. Nach der alten Sage hat 
F ef tu den Kämmerer getauft, Apitg. 8, 


Betomefhaim. Zub. 4, 6; 15, 4. Lag in ber 
Ebene Esdrelon. 

Betonim. Joſ. 18, 26. Grenzftabt im Stamme 
Gad, die zu Eufebius’ Zeit noch vorhanden war. 
Betrachtung nennt man das finnende Eingehen 
in einen gegebenen Stoff (Text oder Concept) und 
die formloje freie Darlegung der gewonnenen Ge: 
banken. Im Unterſchied von der Predigt ift die 
ee ar die objective, ungezwungene, form: 
freie Entwidlung des religiöfen Gefammtinhalts 
eines Tertes, während die Predigt denfelben fünft: 
leriſch verarbeitet, reproducirt mit der beftimmten 
Abſicht der Wirkung auf Andere. Die Schrift: 
auslegung deö Predigers geht über in Betrachtung 
und aus dieſer wird die Predigt geboren. 

Bettelmönde, Die Orden der Dominicaner und 

ranciscaner (ſ. d. A.) waren nad den Ordens: 

tatuten verpflichtet, den nöthigen Unterhalt fich zu 

erbetteln, da die Mönche kein Eigenthum befiten 
und in der Demuth geübt werden follten. Den 
Bettelmönchen beigezählt werben die Karmeliter, 
die Auguftiner-Eremiten und die Serviten. Der 
Reihthum der Klöfter bildete Häufig einen wunder: 
lien Gegenfag gegen ihren Vettel. Durd den 
Einfluß auf die niedern Vollsklaſſen find fie von 
größter Bedeutung geweſen. 

Beute. Was der einzelne Mann im Kriege er: 
beutete, blieb fein Eigentum. Die allgemeine 
Beute an Menſchen und Bieh wurde zwiſchen den 
Soldaten und dem Bolt getheilt; jene gaben ben 
500. Theil an bie Briefter, diejes den 60. an bie 
Zeviten ab. 4. Mof. 31, 26,1. Sam. 30, 24; 2. 
Maft. 8, 28.30. Nicht jelten wurde die ganze Beute 
Jehova geweiht und dann entweder verbrannt 
(j. d. A. Bann) oder dem Heiligtum überwie: 
jen. Joſ. 6, 24. 

Beveridge (Beveregius, Guilielmus). + 1708 
als Biſchof zu St. Aſaph in England, ſchrieb über 
Kirchengeſchichte und griechiſches Kirchenrecht. 

rund. Motiv. Jeder Handlung liegt 
eine Setbftentiheidung des Willens zu Grunde; 
dasjenige nun, was auf dem Wege eines Gedanken: 
prozeſſes die Selbſtentſcheidung beftimmt, heißt 
Beweggrund. Der Beweggrund kann ein quter oder 
ein Ichlechter fein und unterjcheidet ſich von Trieb: 
feber dadurch, daß letztere einen beitimmenden 
(innlichen oder geiftigen) Trieb bezeichnet, welcher 
unmittelbar das HandelnaesBenfchen leitet, ohne 


90 


Beza 


daß eine Thätigleit des Denkens dazwiſchen liegt. 
Man kann nicht ſagen, daß das Eine oder das An— 
dere ausſchließlich ſittlich berechtigt ſei, wie Kant 
es vom Beweggrund meint, da der Zuſammenhang 
zwiſchen dem menſchlichen Wollen und feinem ſul⸗ 
lihen Weſen aud beim volllommenften Menſchen 
theils ein bewußter, theils ein unbemußter bleiben 
wird. Iſt die Triebfeder gut, dann ift aud) das 
Handeln nad) ihr gut, ebenfo beim ** rund 
Vgl. Bruch, Theorie des Bewußtſeins, ©. 210. 
Rothe, Ethik, 2. Aufl., 2. B. ©. 102. 
Beweije für das Dafein Gottes. S. Gott. 
Beza, Theodor, eigentlich de Böze. Geb. 24. 
Juli 1549 zu Bezelay in Burgund, empfing feine 
erfte Bildung und —— geläuterter Reli- 
giofttät durch Wolmar in Orleans, ftubirte darauf 
in Baris die Rechte und bejchäftigte ſich mit Litera: 
tur und Dichtkunſt. Durch das Studium ber be: 
bräiſchen Bibel und der Schriften ber Reformatoren 
von Neuem angeregt, gab er 1548 feine Pfründen 
auf und begab fich mit feiner Braut nad Genf, 
wo er zur reformirten Kirche übertrat. 1549 ward 
er Lehrer ber griechiſchen Sprache zu Laufanne, 
erklärte bier den Römerbrief und die Briefe Petri, 
überjegte auch metrifh einen I der Pſalmen 
und betheiligte fi an dem Schriftwechſel über die 
Hinrichtung Servets, bie er, vom Strome der Um: 
ftände bewegt, ebenfallä rechtfertigt. 1556 madhte 
er eine Reije in bie Schweizer Cantone, um eine 
Gejandtihaft nach Paris im Intereſſe der bedroh⸗ 
ten Waldenfer zu —— was ihm auch gelang; 
1667 eine zweite Reiſe bis nach Deutſchland we— 
en der —— der Pariſer Gemeinde; und 
Pebelte in einem Conflict mit ber Berner Regie: 
rung 1558 nach Genf über, mo er die Zeitung ber 
dort begründeten Schule und Akademie übernahm 
und ſich Calvin in der Zeitung ber Kirche als treuer 
Gehülfe zur Seite ftellte. Um feinen Webertritt 
vor feinen Verwandten zu rechtfertigen, gab er 
1560 fein Glaubenäbetenntniß (confessio) heraus, 
eine Hare wohlgeorbnete Darftellung der caldiniſch⸗ 
teformirten Grundjäße, weldye auch in franzöfifcher 
und italienifcher Sprache verbreitet wurde. An den 
Geſchicken der franzöſiſchen Reformation nahm 
Beza perjönlich den lebhafteften Antheil, er verthei: 
bigte feine Partei auf dem Religionsgeſpräch zu 
Poiſſy 1561 und St. Germain 1562, leitete die 
Synoden zu Nodjelle 1571 und Nismes 1572 und 
hatte Einfluß auf Heinrich IV. Obgleich Beza im 
Sacramentsjtreite fich zu heftigen Gegenichriften 
gegen Heshuſius verleiten ließ, blieb er jederzeit 
Unionsverſuchen zugänglich, wofür jeine dem Pfalz: 
grafen Dtto Heinrich übergebene —— 1556 
und ſeine Theilnahme am Religionsgeſpräch zu 
Mömpelgard zeugt, worüber er, durch Andreä ber: 
ausgefordert, 1587 Bericht erjtattete. Rach Calvins 
Tode 1564 trat Beza an die Spite des Genfer 
Eonfiftoriums und galt ald das Haupt der Refor: 
mirten, welches wieder zu gewinnen die Jefuiten 
und Franz von Sales vergeblihe Mühe anmwen: 
beten 1597. Bon feinen Schriften find noch zu nen: 
nen, außer feinen kritiſchen und exegetiſchen Arbei: 
ten über das Neue Tejtament, feine Ausgabe des: 
felben und feine Ueberjegung mit Anmerlungen 
1556 und öfter. | für die Geſchichte feiner 
eit ift feine franzöfiiche Kirhengejchichte von 1521 
is 1563, deren legte Bücher nur unter feiner Auf: 
ficht geichrieben find. Biographien Beza's aus neue: 
ver Zeit find: Baum, Theodor Beza, Straßburg, 


Bezaleel 91 Bibelchriſten 


1843, 1851; und H. Heppe, Theodor Beza, Elber⸗ 
feld, 1561. 

aleel. Der kunſtfertige Baumeifter ber 
Ai ütte, 2. Moſ. 28, Eh 1, der auch das 
Salböl bereitete. 

Bezel. S. Beiel. 

Bejer. LXX und Luther Bezor. Jof. 20, 8, ge: 

wöhnlich mit dem Zufage in der Ebene, 5. Mof. 4 
43; 30).20,8; 1. Chr. 7, 78, jenjeit des Jordan, 
Jeriho gegenliber ; ift irrig mit Boftra in Hauran 
von Hieronymus verwechjelt. Es war eine Leviten⸗ 
und Freiſtadt. 
Bezetha. Der vierte, nörblid vom Tempel ge: 
legene —— welchen Jeruſalem bedeckte und der 
von der Burg Antonia durch einen tiefen Gra- 
ben geſchieden war. Agrippa zog ihn durch die 
dritte Mauer zur Stabt. 

Bibel, ra Bıßlia Ile, biblia sacra, bie gött: 
lihen Bücher, auch heilige Schrift genannt, ift das 
Religionäbuch des ChriftenthHums. Sie befteht aus 
einer Anzahl von Schriften, welche zu verſchiede⸗ 
nen Zeiten und in verſchiedenen Berhältnifjen ge: 
ihrieben worden find, welche aber nichtäbeftome: 
niger ein fittlich-veligiöfes Ziel im Auge haben, 
und im Ganzen aus einem Geifte hervorgegangen 
find, fo daß Ir ein mohlabgerundetes Ganzes 
bilden. Dieje Schriften piren fich in zwei be: 
deutungsvoll geichiedene Hälften, in das fogenannte 
Ate und dad Neue Teftament. Jenes bildet die 
Sammlung der Schriften, welche aus dem a 
Sehen des hebräifchen Boltes hervorgegangen finb 
und den reinen Abdrud des heiligen seiten Sei: 
ſtes darftellen, welcher dieſes Volt erfüllte; dieſes 
—— der —— —* 17 unmittel: 

e der großen weltgeſchichtlichen That: 
—— & 7 — Ye 


* 


löſung durch Chriſtus entſtanden 

Geiſt, der in Chriſtus lebte und von ihm 
ausging, in ſeiner reinen Urſprünglichkeit bar: 
ſtellen. Inſo fern die Geſchichte Iſraels und bie Er: 
ſcheinung —* die höchſten Offenbarungen Got⸗ 
tes in der Menſchheit bezeichnen, iſt der Inhalt der 
ibel die Dffenbarung zu nennen. Die Bibel hat 
von Anfang ihres Dafeins an (f. Kanon) die 
Bedeutung eines heiligen Buches gehabt, mit der 
böchften Autorität in chriftlicher Lehre und chrift: 
lichem Leben —— Aber als in der katho— 
lichen Kirche die Entwidlung zum Aeußerlichen, 
PBriefterlichen, Gefeglichen im Widerſpruch mit der 
älteften Kirche immer mehr zur Erjcheinung fam, 
da trat auch das Anfehen der Bibel mehr und 
mehr hinter der Ueberlieferung, welche dem Be: 
dürfniß der Entwidlung diente, in den Hinter: 
grund. Die Bibel wurde bad Buch der Ketzer, und 
daher mit den letztern verbächtig und unbeliebt. 
Die Reformation war es, welche mit dem Zwede, 
das urfprüngliche Chriftenthum wiederherzujtellen, 
gegenüber der Tradition die ausfchliehliche Auto: 
sität der Bibel zum Grundſatz erhob. Die Autori: 
tät erſchien als göttliche, die Bibel als Gotteswort. 
In dieſem Gegenſatz erte ſich nun aber im 
Laufe der Entwicklung nicht ſelten die Vorſtellung 
von der Bibel auf eine Höhe, die ihren gejchicht: 
—— allmählich ganz überſehen ließ. 
Obgleich man in der lutheriſchen Dogmatik nie 
unterlafjen hat, Beides hervorzuheben, die menfch: 
liche bie göttliche Seite ber Schrift (bie fides 
humana und divina), fo hatte doch eigentlich nur 
die letztere eine Bedeutung, während die eritere 
ind Verſchwindende zurücktrat (j. Affectiones, In⸗ 


fpiration). Herber und Leſſing waren e3, welche 
dagegen wieder auf die in ber Göttlichleit unter: 
gegangene Menfchlichkeit der Bibel aufmerkfam 
machten; fie ſuchten nachzuweiſen, wie gerade in 
der menſchlichen Mannigfaltigkeit der Bibel ihre 
Größe und Schönheit Hauptjächlich erfichtlich werde. 
Bon da aus hat die neuere Fritifche Theologie den 
Ausgangspunft für ihre Forſchungen genom: 
men. Es entftanden hieraus die Wiſſenſchaften 
der biblifchen Kritik und bibliihen Theologie, 
deren immer mehr ſich erweiternde Ergebniffe ſich 
bereitö bis ind Außerorbentliche ausdehnen. Vgl. 
darüber befonders Rothe, Zur Dogmatif, 3. Art. 
Fe Kanon und Tradition, 1859. Tholud, 

eitſchrift für chriſtliche Wiffenfhaft und chriſt⸗ 
—— Leben, 1850. Scentel, Dogmatik, Bd. I, 

346 


©. 346. 

Bibelanflalten. S. Bibelgeſellſchaften. 

Bibelatlas Haben herausgegeben: Adermann ; 
und Weiland 1832, Kiepert 1847. 3. Ausgabe 
1857; von Lionnet bearbeitet 1859. B. Hughes, 
Bible maps or a historical and descript. Atlas 
of Script. geogr. Ban be Velde, Map of the 
—X land. 8 Bl. Gotha 1858. ©. auch Palä- 

ina. 

Bibelandgaben. Die —— und beſten 
Bibelausgaben find folgende. Ausgaben bes Al: 
ten Teftaments: Biblia hebraica manualia etc. 
a Joh. Simonis, Hal. 1752, 1828 (aud) einzelne 
Büder). Biblia hebraica etc. J. Jabn, Vienn. 
1806, 1839. Die Bafeler Ausgabe 1837. Die Bi- 
blia hebr. rec. U. Hahn, 1831, 1839. Die Aus: 
gabe von Theile (Lip. 1849). Auch einzelne 
Bücher von demielben. Beide Teftamente von 
Theile und Tifhendorf, 1850. Polyglottenbibel, 


‚zum praltifhen Handgebrauch von Dr. Rud 


Stier und Dr. 8. G. W. Theile. Bielefeld, 5 Vde. 
4. Aufl. 1563, in Lieferungen. Die Septuaginta 
ift ————— von Breitinger, Reineccius 
1730, van Eß 1824; die neueſte Ausgabe iſt 
von Tiſchendorf 1850; 3. Aufl. 1860. Ausgaben 
des Neuen Xeftament3: Novum Test. Gracce etc. 
C. Chr. Knapp. Hal. 1797. 5. Aufl.1840. 9. 4. 
Scott, Lips. 1805. 4. Aufl. 1839. 3.9.9. Titt: 
mann, ed. stereot. Lips. 1820 ; von Hahn herausg. 
1861. 3. ©. Bater 1824. E. Lachmann, Bero 
1831. 4. Göfchen, Lips. 1832. 8. G. W. Theile 
1841. Beſonders empfehlenäwerth: C. Tiſchen⸗ 
dorf, N. T. Graece, textum ad fidem auth. 
testium rec. etc. Lips. 1841. 7. Aufl. 1859. 
Editio stereotypa. Lips. 1850, 1863. Rad) dem 
Cod. Vatic, hauptſächlich: Ph. Buttmann, Lips. 
1856. Nah Lahmann und Tiihendorf: Aug. 
Hahn. Bon großer Wichtigkeit find die Ausgaben 
des Codex Sinaiticus durch Tiſchendorf. Bibli- 
orum Codex Sinaiticus Petropolitanus; 4. voll. 
1862 (230 Thaler). Testamentum Nor. Sinait. 
s. Nov. Test. cum ep. Barnabae et fragm. 
Pastoris 1863. Ein Triglottenteftament ift von 
Tifchendorf herausg. 1854 (griechiſch, lateinisch, 
deutſch); ein Tetraglottentejtament von Theile 
und Stier 1855 (auch englijch). 

Bibelauslegung. ©. Auslegung ber h. Schrift. 

Bibeldriften nennt fi ein Zweig der Methos 
diften in England, geftiftet von dem Prediger 
William D’Bryan, nad dem fie au Bryaniiten 
genannt werben. Sie wollen aud) in ben Einrich⸗ 
tungen des Gemeinbelebens, der Anftellung und 
dem Unterhalt der Prediger, wie im Cultus nichts 


Bibelgefellichaften 


gelten laffen, was nicht mit ausdrücklichen Worten 
und Vorbildern der Bibel Üübereinftimmt. 
Bibelgefelligaften und Bibelanflalten. Damit 
die Bibel für einen möglichft geringen Preis dar: 
eboten und aucd den Armen der Befig und bie 
enutzung derfelben ermöglicht werde, ftiftete Dr. 
Freiherr von Kanftein (+ 1719) die erfte Bibel: 
anftalt, die er mit dem Waijenhaus zu Halle für 
immer verband. Grundſatz ift, die Bibel für den 
Selbftkoftenpreis zu verkaufen und Luthers Ueber: 
ſetzung zu verbreiten. (S. die Vorreden zu ben 
Bibeln.) Die größte und berühmtefte unferer Bibel: 
eſellſchaften iſt die brittifche und ausländijche ; ge— 
Niftet auf Anregung des Geiftlihen Thomas Char: 
led zu Bala in Merionethſhire, Durch Joſeph Hughes, 
den Baptiftenprediger, und den deutſchen Brediger 
Steinlopf in London am 17. März 1504. Die Ge: 
ſellſchaft hat ihre Thätigfeit über den ganzen Con— 
tinent ausgedehnt und überall eigene Bibelgefell- 
ſchaften hervorgerufen oder ſich mit beftehenden in 
Verbindung gejegt, zufanımen etwa 7000 Agen: 
turen und Niederlagen — Große Thätig: 
keit entwickelt fie für die Ueberſetzung der Bibel in 
alle lebenden Sprachen; bei dem Jubelfeite 1854 
tonnte fie Exemplare der Bibel in 166 Spraden 
aufftellen, in fie die Bibel drudt, und 


tte fiber 46 Millionen Bibeln oder Theile der 
ibel in Umlauf gefett. Die bedeutenden dazu 
nöthigen Mittel 


teben gr ben Beiträgen 
ihver Mitglieder und von Hülfsgefellfchaften, 
bie fie —— hat, zu. In Deutſchland entſtand, 
als die älteſte Bibelgeſellſchaft, die Nürnberger 
am 20. Mai 1804 durch den Kaufmann Sties- 
ling, fie verlegte ihren Sig 1806 nad) Bajel. In 
Preußen gründete der Prediger Jänicke 1806 die 
Berliner Gefellihaft, aus welcher 1814 die preu- 
Bifhe Hauptbibelgefellichaft hervorging. Andere 
Geſellſchaften find: die ſächſiſche jeit 1828, die 
Bibelgejellichaften zu Fra ‚ Stuttgart, Bre: 
men, Lübeck und viele andere. In O eich ift 
jede Bibelgejellichaft feit 1817 verboten gemejen. 
Der Unterſchied diefer Geſellſchaften unter einan- 
der, ſoweit er nicht rein local ift, befteht lediglich 
darin, daß die einen ihre Bibeln nur verlaufen, 
andere auch verſchenken, die einen die Apokryphen 
mitverbreiten, die andern nicht. Als die brittifche 
und ausländifche Bibelgeſellſchaft 1826, auf An: 
dringen der Schotten, das Princip feftftellte, weder 
Bibeln mit Apokryphen jelbft zu verbreiten, noch 
irgend eine Geſellſchaft zu unterftügen, die das 
thue, trennten ſich alle continentalen Geſellſchaften 
und mander ſchottiſche und engliſche Hülfsverein 
von ihr. Diejelbe Srage hat die bergiſche Bibel: 
gieniäen gejpalten. Die fämmtlichen deutfchen 

ibelgeſellſchaften verbreiten nur die Zutherbibel, 
einzelne —— die Verbreitung der Stierſchen 
verbeſſerten Lutherbibel; eine bindung der 
deutſchen Geſellſchaften unter einander zur Her: 
ftellung eines gemeinfamen Tertes ift angebahnt. — 
Die von der proteftantifchen englischen Bibelgefell: 
ſchaft ausgehende Anregung erftredte ſich auch 
auf die fatholifhe Kirche. In Regensburg bildete 
der Borfteher de Briefterfeminars, Wittmann, eine 
Dibelgejelligaft, die erjt 1817 durch päpftliche 
Bulle aufgehoben wurde, als fie !/. Million Neue 
Tejtamente gedrudt hatte, Leander van Eh er: 
hielt Unterftügungen zur Herauögabe feiner Leber: 
ſetzung, bis der Apokryphenbeſchluß feine Berbin: 
dung mit der brittifchen Geſellſchaft löfte. 


92 


Bibelhandſchriften 


Bibelhandſchriften. 1. Codices bes Alten Te: 
ftaments. Die Handihriften des Alten Teftaments 
reihen ihrem Alter nad nicht über die maforeti- 
ide Textfeſtſtellung zurüd, weil die mit biefem 
authentiſchen nicht übereinftimmenden Terte ver⸗ 
tilgt wurden. Man . die Handſchriften des 
Alten Teftaments ein in; 1) amtlide Synagogen» 
rollen, welche falligraphifch und genau in chaldäi« 
iher Quadratſchrift auf Bergamentrollen geſchrie⸗ 
ben beim Gottesdienfte gebraudt wurden, ge- 
wöhnlih nur den Bentateuch enthalten und nicht 
jehr alt find. 2) Privathandigriften, ls mit 
chaldäiſcher Quadratſchrift, theils mit rabbinifcher 
Curſivſchrift geichrieben. Jene, auf Pergament 
oder Baummollenpapier gewöhnlih columnen= 
und ſtichenweiſe geſchrieben, häufig mit Beifü- 
gung einer Meberjegung (gem. eines Targum) und 
von Scholien, Barianten u. f. w. begleitet, reichen 
felten bis ins 12. Jahrhundert zurüd; bie letz— 
tern find nod jünger. — 2. Des Neuen Tefta- 
ments. Die nennenswertheften Handſchriften des 
Neuen Teftaments find folgende: 1) Codex Si- 
naiticus, 1844 und 1859 von Tiſchendorf entdeckt, 
enthält einen Theil des Alten und das Neue 
Teftament, den Barnabasbrief und einen Theil 
bes Hermas, nad) Tiſchendorf aus dem 4. Jahr: 
hundert, typographiih herausg. 1862, Hand⸗ 
audg. 1863 und 1864. 2) Codex Alexandrinus 
(Cod. A), ungefähr aus dem Ende des 5. Jahr: 
nos befindet fih im brittiihen Muſeum 
eit 1628, enthält das Alte und Reue Teita- 
ment, — von Woide 1786. 3) Cod. Vati- 
canus (Cod. B) aus dem 4. Jahrhundert, enthält 
das Alte faſt ganz und dad Neue Teftament bis 
Hebr.9, 14. Bon Mehreren (Hug 1810) oberfläd- 
lich verglichen, iſt eben jet erft eine Ausgabe des 
R.T. durch Tif — erſchienen. 4) Cod. Eph- 
raemi (C), ein Balimpfeft mit Schriften Ephräms 
beſchrieben, von Pierre Allix (um 1700) herge⸗ 
ſtellt, nach Tiſchendorf Älter ald Cod. A, enthält 
Evangelien und Apoſtelgeſchichte und befindet fich 
auf der kaiſ. Bibliothel in Paris, herausg. von 
Tiſchendorf 1843. Während dieſe vier faft das 
ganze Neue Tejtament begreifen, enthalten fpes 
ciell die Evangelien folgende: Cod. Cantabrigien- 
sis s, Bezae (D) in Cambridge, alö Gejchent Be— 
za's (1581), enthält Evangelien und Apoftelgeich., 
etwa aus der Mitte des 6. Jahrhunderts, her: 
auög. von Kipling 1793. E (Bajeler Cod., etwa 
8, Jh), F (Cod. Boreeli mu Utredt, 9. Jahrh.), 
G, H (aus dem 10. Jahrh. in London und Ham- 
burg), J (Fragmente, Balimpfeit, aus dem 5. bis 
T. Jahrh., in Petersburg), K (Cod. Eyprius), L 
(Paris), N (6. Jahrh. Fragm.), P, Q (in Wolfen 
büttel, 6. Jahrh., Fragm.) R (London, 6. Jahr). 

ragm.), S (949, ım Batican), U (Benebig, 10. 
Jahrh.), V (in Mostau vom Athos, 9. Jahrh.), 

(Münden, 9. Jahrh., Fragm.), Z (Dublin, 6. 
Jahrh.), I (Oxford 844), A (Drford, 9. Jahrh. 

ragm.), II (Petersburg, 9. Sr. & (2ondon, 
9. Zahrh., Fragm.), außerdem noch Heinere rag: 
mente, Die Apoftelgeihichteenthalten: D, E(Cod. 
Laudianus, Oxford, 6. Zahr.), G, H,J, L(Rom, 
9. Zahrh.), P. Die paulinifchen Briefe: D (Cla- 
romontanus in Paris aus dem 6. Jahrb., ber: 
ausg. von Tiſchendorf 1352), E (Cod. Sanger- 
manensis, 9. Jahrh.), F (Augiensis, 9. Jahrh.). 
G& (Boernerianus in Dresden, 9. Jahrh.), H 
(Fragm. aus dem 6. Jahrh. zu Paris); K(Mosfau, 


Bibelfalender 


9% Jabrh.), L, M (Britt. Mufeum, Fragın.,) 
N (Beteröburg, Fragm.), 0, Q 
latholiſchen Briefe enthalten: K,L,P. Man theilt 
diefe Codd. ein in: 1) Uncialyandichriften (mit 
großen) und 2) Minustelhandigriften (mit Heinen 
Budftaben). Jene find die älteren (bis ing 10, 
Jahrhundert) und brauchbareren. Sie find wieder 
entweder vorftihometrifch (f. Bibeltert), dahin ge: 
hört. B. Cod. A,B, C, Z, der Cod. Sin. ; oder 
fihometrifh, beide D, zwei E, G, F, 4, H; oder 
nacftihometrifch, K, E (Bafeler), L, V, K. — 
Unjere Angaben für die Entftehungszeit der Codd. 
iind Tifhendorf entnommen. S. Bibeltert. 

Bibelfalender. Zur Beförderung eines regel: 
mäßigen und fruchtbaren Bibellefens ift mehrfach 
der Inhalt der Bibel in Lectionen auf jeden Tag 
des Jahres getheilt. Am ältejten und weitverbrei: 
tet find die täglichen Lojungen und Lehrterte der 
Brüdergemeine, bie aber mehr der unmittelbaren 
Erbauung dienen follen und in ihrer .. ben 
Urſprung nie verleugnen. Ein wirkliches Belannt: 
nerden mit dem Bibelinhalt haben die Bunfenfchen 
&eletafeln im Andachtsbuche und im Bibelwerk im 
Auge. Außerdem ift zu nennen der Filder Bibel: 

| von Zahn, die Werderichen Bibelzettel, 
Dieffenbachs Hausagende. 

Bibeltert Des Alten Teflamenis. Geſchichte 
deſſelben. Daß der jegige Bibeltert bei Weitem 
nicht mehr derjenige ift, weldher aus ben Händen 
der h. Schriftsteller hervorgegangen ift,geht hervor 
aus der Unterfuchung der Gejchichte des Textes, in 
meldher wir verſchiedene Perioden unterſcheiden 
Üönnen. 1) Der größten Veränderung mußte der 
Zegt vor — des Kanon ausgeſeht ſein, als 
die Bücher ſelbſt noch nicht als heilige galten. Das 
Eigenthümliche des Tertes in diejer vorlanoni: 
Ihen Zeit ift der Schriftcharalter, welcher nicht 
die jegige Duadratichrift, ſondern bie althebräi- 
ide, der phönizifchen ähnliche, aus dem Samari: 
tanifhen und aus den malfabäifhen Münzen noch 
eriennbare Schrift war. Der Tert war noch ohne 
Socale, ohne Vers⸗ und Wortabtheilung, gewöhn⸗ 
ii auf Thierfelle (4. Mof. 5, 23) gejchrieben. 2) 
Schon beftändiger mußte der Tert werden, fobald, 
nie nad dem Eril geſchah, ein Schriftgelehrten: 
tum auflam, welches fi das Studium der alten 
Schriften und naturgemäß immer mehr auch ihres 
Textes zur Aufgabe machte. Die widtigfte Ver: 
änderung in dieſer Zeit ift die Umwandlung der 
altbebrätichen in die ſyriſche Quadratſchrift, un: 
gewiß zu welcher Zeit, aber fiher allmählich, 
su Ehrifti Zeit der Bollendung nahe (Matth. 5, 
18). Auch hat fi allmählich ein allgemein als 
autbentiih anerlannter Bibeltert (Mikra) herge— 
felt; mit der minutiöjeften Genauigkeit wurde 
der Text behandelt, wenn auch ohne Fritifches 
derftändniß lediglih nah äußerlihen Regeln, 
weähalb diefer Text leineswegs als der 5* 
richtige angeſehen werden darf und oft hinter den 
ütern Neberjegungen zurüdfteht. Vocale hat die 
Schrift immer noch nit, dagegen ſcheint ſich 
eine beftimmte Art zu lejen, die Worte und Verſe 
abzutheilen, wenigſtens in mündlicher Tradition 
Ihon vor der Zeit des Talmud ausgebildet zu 
haben. Die ftrophenweife Schreibart poetijcher 
Stüde ift ſchon früher. Die Eintheilung in Ab- 
IHnitte (Barafhen, Hapbtharen) ar auch ſchon 
bald aus dem praftiihen Bedürfniß erwachſen 
kin, 3) Im 6. Jahrhundert nad) Chriſto beginnt 


93 


(Kragm.). Die J 


Bibeltert des Neuen Teſtaments 


eine eigenthümliche wiſſenſchaftliche Bewegung im 
udenthum, welche ſich ausſchließlich dem Tert- 
ſtudium zuwendet. Man ſammelt den gefammten 
kritiſchen Apparat der früheren Jahrhunderte und 
fixirt Alles das ſchriftlich, was bisher mündliche 
Tradition war. Die wichtigſte Arbeit der Zeit war 
bie Anwendung des Vocalfyftems im Bibeltert; 
ein complicirtes Zeichenfyften, das fih an das 
ſyriſche und arabiiche anſchließt als das Mittel, 
die traditionelle Ausſprache feitzuftellen. Zur 
Feſtſtellung der Betonung in ber Ausſprache wur: 
ben ebenfo die Accente hinzugefügt. Die Haupt: 
ſchule für diefe Thätigfeit befand ſich in Tiberias 
(vom 6. bis 11. Jahrhundert), und das Nefultat 
diefer Arbeit wird Majora genannt. Bon jet an 
war ber maforetijche Tert der mafigebende, und 
alle Tertunterfuchungen der folgenden Zeit ziel: 
ten dahin ab, durch Collationirung (namentlich 
aud) der fog. ———— den maſore⸗ 
tiſchen Text herzuſtellen. Arbeiten der Art ſind 
die des Aharon ben Aſcher und des Jak. ben NRaph⸗ 
thali (11. Jahrhundert), ebenſo dad Wert des 
Meyer Hallevi aus Toledo über den Pentateuch 
(13. Jahrhundert). Aus diejer nahmajoretiihen 
Zeit jind die meiften unjererjegigen Handſchriften. 
4) Einen neuen Fortigritt in der Sicherung des 
Tertes bildet die Buchdruckerlunſt. Gedrudt wur: 
den zuerjt einzelne Theile, Die Pjalmen 1477, der 
Pentateuch 1482, die Propheten 1486, die Hagio- 
graphen 1487, bie ganze hebräiſche Bibel 1488 zu 
Soncino, 1494 die Gerſomſche zu Brescia, 1514 
bi3 1517 nad Handſchriften die complutenfildhe 
Polyglottenbibel, 1525 Biblia Bombergiana, der 
maforetijche Text Herausg. von Jalob ben Ehajim; 
1569 die Antwerpener Bolyglottenbibel, 1587 von 
Elias Hutter nad) älteren Ausgaben, nad) der Ma: 
jora 1611 Ausgabe von Buztorf, 1661 und 1667 
eine aus — eg andſchriften entſprun⸗ 
gene Ausgabe von Joſ. Athias (Amſt.) u. ſ. w. 
Ueber die neueren Ausgaben ſ. Bibelausgaben. 
Die Aufgabe der altteſt. Textkritik ift bis heute noch 
ſehr groß. Kritifche Arbeiten auf Grund fiherer 
Grundjäge müſſen erft u erwartet werden. 
Bibeltert des Neuen Teſtaments. 1) Die Dri: 
ginale der neuteft. Schriften find jämmtlid ver: 


loren. Sie waren auf Papyrus oder dünnes Per: 


gament gefchrieben (2. Joh. 12), welches bald ab: 
genugt war. Die Schrift bejtand in großen Un: 
cialen und lief ohne Ynterpunction und Wort: 
abtheilung ununterbroden. Natürlich bildeten 
fih ſchon in diefer erjten Zeit viele Varianten. 
Unfere älteften Handſchriften find vielleicht aus 
dem 4. Jahrhundert; nur wenige umfafjen das 

anze Neue Teftament (j. Bibelhandicriften). Die 
Dann der einzelnen Bücher ift nicht immer die 
gleiche. Das Evangelium Johannis jolgt zuwei— 
len unmittelbar dem Matthäus. Die katholiſchen 
Briefe ftehen den paulinijchen Häufig voran. Bon 
11. Jahrhundert wird Baummollenpapier filr die 
Handſchriften ge ftatt des PBergaments; ſchon 
früher tritt ftatt der Rolle das Buch ein. Alte Per: 
gamente wurden oft noch einmal überjchrieben, jo 
daß jett der urfprüngliche Tert auf mechanischen 
und chemiſchem Wege wiederhergeftelt werden 
muß (Balimpfefte). Im 5. Jahrhundert führte 
der aler. Dialon Euthalius die ſtichometriſche 
Schreibmweije (in Stichen, kurzen Abjägen) ein. 
Eine Kapiteleintheilung ift ſchon älter, wenn auch 
nicht viel und in verſchiedener Weiſe. Schon die 


Bibeltert de3 Neuen Teftaments 


GEvangelien:Harmonie des Ammonius theilt den 
Evangelientert in kurze Abfchnitte ein, melde 
weitere Berbreitung fanden; daneben beftanden 

r bie Evangelien nod) andere (3. B.Cod. A und 

). Außer den Gapiteln wurden auch Berifopen 
für die fichlihen Lectionen abgetheilt. Eine all: 
gemein gültige Gapiteleintheilung führte erſt Hugo 
a&t. Caro (13. Jahrhundert) ein. Die Beſchaffen⸗ 
heit bes Textes zeigt fi ſchon in den älteften Ei« 
tatenalsjehr verdsrben. Grammatifche, ftiliftische, 
dogmatifche Beweggründe, Mißverftändnifie, Ver: 
fehen der Abjchreiber führten eine Menge Varian: 
ten herbei, meshalb auch ſchon frühe Verſuche 
gemadt wurden, den Tert zu rectificiren. Es 
treten beſonders 3 Tertautoritäten hervor: Ori⸗ 
genes, Heſychius aus Aegypten, Lucian aus Antio⸗ 
dien. Durch Eufebius fanden die Driginal:Hand: 
ſchriften ihren Weg nah Byzanz. Kritifch verfuhr 
auch Hieronymus, welcher den Tert der Itala mit 
dem des Drigenes verglich. Im Ganzen unter: 
fcheidet man zwei Hauptrichtungen der Lesarten: 
die orientalifipe und occidentaliſche. 2) Der ge: 
druckte Tert beginnt im Jahr 1514, in weldem 


der Cardinal Zimenes das N. T. in ber fogenannten | Epiph 


Gomplutenfer —— zu Complutum (Alcala) 
drucken ließ; das Werk wurde jedoch erſt 1520 
aaa wege und zeigt eine große Abhängigfeit 
von der Bulgata. 1516 erſchien die Ausgabe des 
Erasmus bei 
zweier Bafeler Handihriften ohne großen Werth; 
mehrmals aufgelegt, 1535 4. Ausgabe. Luther 
überfegte nad; Erasmus. Bebeutender find ſchon 
die Ausgaben bes Buchhändlers Robert Stepha: 
nus in Paris 1546, 1549, 1550, 1551 nad) Eras⸗ 
mud ehr ar — — Er 
führte zuerſt auch die Verseintheilung ein, 
—* au Fo D. Nach ihm beforgte Theodor 
Beza nach Codd. C, D, E und den alten Weber: 
fegungen 1565 eine Ausgabe. Ihm folgen die Aus: 
gaben des Buchhändlers Elzevir in Leyden (1624, 
1638). Diejer Text wird textus receptus genannt, 
und wird lange allgemein —— Nur Brian 
Walton in feiner Biblia polyglotta 1657 und John 
Fell 1675 (Oxford) leiften etwas Bejonderes. Eine 
tritifchere Periode beginnt mit John Mill, welcher 
1707 zu Orford ein Neues Teitament mit einem 

anz bedeutenden kritiſchen Apparat erfcheinen ließ. 
In Deutfchland verfährt Albrecht Bengel zuerft 
nad Hareren kritiſchen Grundfägen, er theilt bie 
Handſchriften nad Familien ab und läßt das Alter 
entfcheiden. Ausgabe 1734. Mill legt er zu Grunde. 
Etwas fpäter, 1751 und 1752, erſcheint J. F. 
Wetjtein mit feiner Ausgabe, bietet einen gro: 
gen fritifhen Apparat, benugt Cod. A, ift aber 
viel von individuellem Gejchmad geleitet. Ein 
eigentliches kritiſches Syſtem begründet zuerft 
3.3. Griesbach, indem er 3 Clafjen von Lesarten 
aufftellt, die oceidentalifche, die orientalifche und 
byzantinische, und nad) dem Zufammenftimmen bie: 
kt Bariantenfamilien entſcheidet. 1774 Libri Novi 

estamenti (Synoptifer). 1796. 1806. Den textus 
rec. legte er zu Grunde. Zu nennen find noch die 
Ausgaben von Alter 1786, A. Birch 1798 u. o., 
Matthäi 1782 bis 1788. Die Griesbachſche Hypo⸗ 
thefe wurde vereinfacht von X. Scholz, welder nur 
2 Recenfionen annahm, die alegandriniige und 
byzantiniſche. 1830 bis 1836. Karl Lachmann läßt 
ben text. rec. ganz fallen und ſtellt als Grundſatz 
auf: die orientaliihen Codd, und bie Eitate der 


94 


roben in Bafel mit Benukung 


Bibelüberfegungen 


Kirchenväler find zunächft zu vergleichen ; nur wo 
diefe differiren, ift der occidentalifhe Tert zur 
Hülfe zu rufen. Ausgabe 1842 und 1850. Auf eine 
jehr bedeutende Höhe find die kritiſchen Arbeiten 
in neuefter Zeit durch Conftantin Tiſchendorf ge: 
fördert worden. Nicht nur hat Tifchendorf eine 
ganze Reihe von Codd. auf verſchiedenen Reifen 
neu entbedt, worunter beſonders der koftbare Fund 
des Cod. Sinaiticus, nicht nur hat er die Mehrzahl 
der bebeutenderen Codd. auch genau verglichen, 
mehrere biplomatif genau zum Abdrud gebracht, 
fondern er hat fich per die Erforderniſſe einer er: 
giebigen Tertkritif wiſſenſchaftlich dargelegt: Die 
Grundbedingungen find eine genaue Erforfchung 
der Unciafcodd., der Ueberſetzüngen, der Kirchen: 
väter, eine erweiterte paläogra. Bihe Kenntniß der 
Handſchriften, ſprachliche och ungen, beftimmte 
rationelle Grundfäge für die Wahl einer Lesart. 

Bibelüberfegungen. Altes Teftament. 1) 
Griechiſche Ueberfegungen. Die bedtutendfte ift Die 
alerandrinifche — d. Art.), Septuaginta (LXX) 
genannt. Da dieſe bei den Juden vielfach verdächtigt 
ward ſo verfaßte im 2. Jahrhundert Aquila, nach 
anius ein Proſelyt aus Pontus, eine bis zur 
Unverftändlichfeit buchftäblich genaue Ueberſetzung. 
Nach diefem —— age on aud tag eine 
Berbefferung der LXX, von welcher die Weber: 
—* des Daniel in die griechiſche Bibel Eingang 
gefunden hat. Auf ihn folgte der Ebionit Symma⸗ 
Aus, gras eine freiere, vom Mortlaut unabhän- 
gigere Ueberjegung ſchuf. Alle drei find nur noch 
in Bruchftüden, welche in der Herapla des Drige: 
nes gejammelt find, erhalten. Drigenes benutte 
dieſe Heberfegungen, ſowie noch drei andere ano: 
nyme, die mit Quinta, Serta, Septima bezeichnet 
werden, um ben Tert ber LÄX gegen die bald ein: 
reißende Textverderbniß zu retten, in dem großen 
Bibelwerle der Herapla. Diejelbe enthält: a) den 
hebräifchen Text mit hebrätfchen, b) benjelben mit 
—— Buchſtaben, c) bie —— des 

quila, d) bes Symmachus, e) der L —8 
Theodotion, und an einigen Stellen die vorhin ge: 
nannten drei Ueberſetzungen. Aus der Vergleichung 
wurbe die LXX corrigirt. Außer Origenes machten 
fih um Tertesrecenfionen noch verdient Lucian, 
Presbyter in Antiochien, und Heſychius, ein ägyp— 
tiſcher Biſchof * Jahrhunderth. Eine weitere Ueber: 
ſetzung, die ſog. Versio Veneta (zu Venedig), 
aus dem 10. Sabrhundert, ift ohne kritiſchen, 
aber keineswegs ohne eregetifchen Werth. 2) La: 
teinifche Ueberſetzungen. Die ältefte ift die Itala, 
aus den erjten Zeiten des Chriftenthunns, eine treue 
Ueberfegung der LXX, aber nur nod in Frag: 
menten vorhanden. (Gejammelt in P. Sabatier’s 
Bibliorum 8, Lat. verss. antiquae u. ſ. w. Rem. 
1743.) Als dieſe Ueberſetzung fehr corrumepirt 
wurde, unternahm Hieronymus 882 eine Fritifche 
Bearbeitung derjelben; nad Vollendung des 
Neuen Teitaments bearbeitete er noch Pſalmen, 
Sprüdwörter, Hiob, Prediger, Hohelied, Chronit, 
wovon jedod nur noch die Pjalmen und Hiob übrig 
find. Während noch Hieronymus mit der Verbefie: 
rung ber Jtala beichäftigt war, faßte er auch den 
Plan, eine unmittelbar aus dem Grunbdterte flie— 
bende Ueberjegung des Alten Teftaments zu lie: 
fern. 405 war biete 09. Bulgata vollendet, welche 
die anerkannte Ueberjegung der kath. Kirche wurde. 
(S. Hieronymus und Bulgata.) Die angelfächfifche 
Ueberjegung von Xelfric (1O. Jahrhundert) ift aus 


- 


Bibelüberjegungen 


der Bulgata gefloffen. 3) Syrijche Ueberfekungen. 
Eine der älteften Ueberjegungen ift die Beichito 
aus ber Mitte des 2. Jahrhunderts, wahrſcheinlich 
von einem Chriften. Sie ift unmittelbar aus dem 
bebräifchen Terte überjegt, dem fie treu folgt; die 
LXX berüdfichtigt fie nicht, wenn auch Anflänge 
an Lesarten derjelben vorfommen. Verſchiedene 
Recenfionen der Peſchito machten ſich die neftoria: 
niſche und monophyfitifche Partei, übrigens ohne 
wejentliche Unterſchiede. Ausder LX X veranftaltete 
617 der Bifchof Baulvon Tela in Mefopotamien ine 
forijche Ueberjegung nach dem heraplarifchen Terte. 
Ein großer Theil ift in Codd. zu Mailand und 
Baris noch vorhanden, herausgegeben von Middel⸗ 
dorpf 1835, von Thomas Stat Rordam und von 
Geriani. Die jog. Versio figurata bei den weft: 
fihen Syrern iſt mit der vorigen identifch. Eine 
Ueberfegung von Patriarch Mar Abba (+ 552) ift 
verloren. Cine neue Recenfion der beraplarifchen 
Ueberjegung hat Jakob von Edeſſa im 8. Jahrhun: 
dert veranjtaltet. 4) Aethiopiſche Ueberjegung, 
vieleicht aus dem 5. Jahrhundert in der Gerz: 
ſprache nad) der LXX, erhalten, theilmeife heraus: 
gegeben von Dillmann 1853. 5) Aegyptiſcher Ueber: 
vegungen erijtirten drei, eine in dem niederägypti: 
Ihen, foptijchen, eine andere im oberägyptiſchen, 
ſahidiſchen, eine dritte im basmurifchen oder Delta: 
Dialekt, aus der LXX, in Bruchftüden gedrudt (der 
Pentateuch der koptiſchen von Wilkins 1731, Pjal- 
menvon Schwarze 1843). 6) Arabifcher Heberjegun: 
gen giebt eö jehr viele. Aus dem Urterte: Von R. 
Saadia Gaon (} 942), mit rabbinifchen Erflärun: 
gen ; einzelne Bücher (Pentateuch, Jeſaja, Hiob) find 
‚davon erfterer gebrudt. Ferner eine lleber: 

legung des Joſua, der Könige (theilmeife, 11. Jahr: 
hundert), eine Ueberſetzung des Pentateuch (13. 
Jahr ) von Erpenius herausgegeben. Aus 
der LXX überfegt find die in der Pariſer und Lon— 
doner Polyglotte enthaltenen Ueberjegungen ber 
a ei der jalomonifchen Bücher, des Esra, 
der Bjalmen u. A. Aus demfamaritanifchen Penta⸗ 
teuch überſetzte Abu Said 1070, ein Samaritaner, 
den Pentateuch ind Arabiſche. 7) Vom famaritani: 
ſchen Bentateuch giebt es eine famaritanijche Ueber: 
ſetzung aus ungewifjer Zeit, im Ganzen treu dem 
bebräuichen Grundtert (gedrudt in der Pariſer Boly: 
alotte). 8) Eine perfische unmittelbare Ueberſetzung, 
buchftäblich genau, von Jakob Sohn des Jofeph Ta: 
mus aus bem 13. Jahrhundert. 9) Eine armenifche 
wurde von Miesrob im 5. Jahrhundert nad der 
LXX verfaßt, gebrudt Ben. 1733 u. d. In arme: 
niſcher Sprache ift die georgifche oder — 
Ueberſetzung (6. Jahrhundert) nach der LXX verfaßt. 
10) Ebenfalls nad) der LXX hat Ulfilas ſeine go: 
thiſche Meberjegung abgefaft, vorhanden find noch 
Pentateuch, Csra, Nehemia,Hiob, Pſalmen, Sprüd): 
er, Jefaja, Jeremia, Daniel, Joel, Hofea, Ha: 
bahıt, Maleadhi, ed. 1843 Gabeleng und Löbe. 11) 
Die jlavifche, im 9. Jahrhundert durch Methodius 
und Eyrillus, ift aus der LXX. Val. auch den Artitel 
um. — Neues Teftament. Die Ueber: 
fefungen bes Neuen Teſtaments werben eingetheilt 
m orientalifche und oceidentalifche. 1) Syrifche: 
a) Beidito, ſyriſche Ueberſetzung 1; 0. Im Neuen 
Zeftament allem 4 tatholifche Briefe und die Apota- 
. b) Bhilorenianijche Ue ung, we 
bilogenus durch feinen Presbyter Poly: 

lary in Mabug bejorgen ließ (508), wörtli eu. 
616 wurde dieje Ueberſetzung kritiſch revibirt von 


e ber 


95 


Bibelverbot 


Thomas von Heraflea (heraflenfiihe Ausgabe); 
ed. Jose White, Oxon. 1778, ck 
ftein, das h. Ev. des 
Baticanifche Ueberſetzung (hierofolymitanifche), in 
einer dem Talmud fi nähernden Sprache, wahr: 
ſcheinlich im füblihen Syrien entftanden (5. oder 
6. Jahrhundert). Vgl. Adler (der Entdeder) N. T. 
verss,. Syrr. pag. 135 ff. 2) Negyptifcher Ueber: 
ſetzungen giebt ed drei: die Foptifche, fahidifche, bas⸗ 
murifche,nurnod fragmentarifch, . o. Altes Tefta: 
ment. 3) Die ätbiopifche Ueberjegung f. o. 4) Die 
armeniſche ſ. o. 5) Arabifche Ueberjeungen find 
theil8 aus dem Grundterte: die Evangelien, Rom, 
typogr. Medic. 1590, Apoftelgefhichte, Briefe und 
Apokalypſe in den Polyglotten; theils aus der 
Peſchito. Die römische Bibel von 1671 enthält eine 
arabijche Ueberfegung. 6) Perſiſche Ueberſetzung aus 
der Peſchito (Lond. Polyglotte). 7) Gothifche und 
ſlaviſche Weberfegungen ſ. o. 8) Lateiniſche, ſ. o. 
Itala. Die Bulgata ift im Neuen Teſtament eine 
Revifion der Itala, während das Alte Teftarnent 
neu bearbeitet ift. 

Bibelverbot wird die Beſchränkung bes Leſens 
der Bibelüberjegungen in der katholiſchen Kirche 
genannt. Verboten tft zwar, ftreng genommen, nur 
ber u ae und nicht von der Kirche 
approbirter Ueberſetzungen; aber da die Kirche jo 
wenig Ueberjegungen billigt und bie Benugung 
derſelben erjchwert, fo ift die Beſchrünkung einem 
Verbot der Bibel an die Laien gleichzujegen; um 
fo mehr als, wenngleich die Kirche das a 
Berbot vermeidet, ber einzelne Bifchof oder Geift: 
liche feiner Gemeinde e3 zu ertheilen durch nichts 
gehindert wird. Das Bibelverbot begleitet in 
er Schritte die Be bes pr 

irchenſyſtems. Gregor VII. findet es unzuläflig, 
die Bibel in der Vollsſprache zu gebrauden und 
nennt es göttliche —— daß —* Sprache 
den Laien unverſtändlich ſei. Als die Kirche dann 
an den Albigenſern und Katharern die Erfahrung 
machte, daß aus der Bibel-Säfe geſchöpft wurden 
die dem Lehrfyftem der Kirche widerſprachen und 
die Hierarchie bedrohten, verbot das Concil zu 
Drouf 1229 die Bibeln in den Landesſprachen. 
Die Huffitendbewegung ſchärfte Die Antipathie gegen 
das Bibellefen der Laien. Die erneuten Berbote 
zeigen, daß die Meberjegungen fich dennoch mehr: 
ten und Eingang fanden. Dem Drängen der Ne: 
formatoren auf die Bejchäftigung mit der Bibel 
wagte man fein Verbot derfelben entgegenzufegen. 
Luthers Ueberjegung wurde jogar in der Emſerſchen 
Ausgabe dem Tatholifchen Bolfe angeboten. Das 
Concil zu Trient erft erinnerte fi an das Mort 
des Cardinals Hoftus: den Laien die Bibel geben, 
jei die Perlen vor die Säue werfen, und geftattete 
das Lejen der Bibel in der Landesſprache in appro: 
birten Ueberfegungen nur auf einen Erlaubnif- 
ſchein des Beichtigers am kirchlich unverbächtige 
Laien. Dennoch hat es auch in katholiſchen 
Kirche nie an Vertheidigern und Befördern des 
Bibelleſens gefehlt. Die Janſeniſten, aus deren 
Kreis die Ueberſetzung bed Pater Quesnel 1699 
hervorging, nannten ed den Mund Chriſti ver: 
ichließen, wenn man dem Volle die Bibel entzöge ; 
und die Biſchöfe Sailer und Wefjenberg beförber: 
ten jogar die Regensburger Bibelgefellihaft zur . 
Verbreitung ber Ueberſetzung ded‘L. van Ch. Wie 
9 aber die Kirche dazu verhielt, bewies die 

ille Unigenitus (f. d. A) und die Auflöfung ber 


Sohannes, forifch 1853. ce) - 


Bibelwerfe 


Vibelgeſellſchaft durch püpftliches Gebot, jowie die 
immer wiederholten Berbammungen der proteftan: | di 
tiſchen Bibelgeſellſchaften. Die Entſchuldigung fol: 
ches Verhaltens damit, daß —32* Bibel * ct 
und verjtümmelt jei, ijt nachgerade albern geworben. 
Die evangeliſche Kirche hat dem Bibelverbot ber 
römiſchen Kirche gegenüber fich immer gern auf die 
Ermahnungen aller Kirchenväter zum fleifigen Ge: 
braud) der heiligen Schrift berufen und die Beſchäf⸗ 
tigung mit der Schrift nicht nur für ein Recht, 
” ondern für eine Pflicht aller Chriften ohne Unter: 
chied erllärt, und, wie Ye es ihr damit fei, am 
beſten dadurch geze aeigt, daß fie die Bibel in bie 
Schulen einführte. Dennoch find auch in der evan: 
glfden Kirche vorübergehend Stimmen gegen das 

ibellefen laut geworden (Semler, Leſſing und 
Delbrüd), um dem Unheil zu fteuern, welches 
Unvernunft und Aberglaube H häufig anrichteten. 
Jedenfalls ift es zmedmäßig, wenn neben der Bi: 
bei dem Bolfe auch Bibelmerfe und Bibelauszlige 
geboten werben. 

Bibelwerfe find Merle, welche alles basjenige 
Material enthalten, welches zum vollftändigen Ver: 
ftändniß ber bibliſ en Schriften nothwendig ift, 


aljo Ueberjegung, Erflärung, Einleitung, gefchicht: 
liche, geograp ie u. ſ. w. Notizen. Wir heben als 
bedeutende e ber Art hervor: das engliſche 


— über wo —— rg — 
ru Leipzig 1 Lange, ologiſch⸗ 
—— Bibelwerk, 2. Aufl. ſeit 1861, Neues 
eſtament in 14 Bon. —— Joſias Bunfen m 
1860), Bolljtändiges Bibelwerf für die G 
—— von Ad. Kamphauſen und En J 
olgmann 
iberach, Nikolaus von. Lebte im 13. Jahr: 
hundert und wird von Flacius, der Auszlige aus 
feinen Briefen über das Berderben ber Bifchöfe 
und ber Eurie bringt, ald Wahrheitszeuge aufge: 


Bibiana, bie Heilige. Tochter bes römischen 
Nitterd Flavianus, wurde unter Julian, ald der 
BPräfeet Apropianus die Ehriften wegen Zauberei 
verfolgte, zu Tode geichlagen. 

Bi Iiander, —— Geb. zu gg in 
Thurgau, Gehülfe Zwingli'3 und bes D3 
Mykonius zu Zürich, nah Zwingli's Tode Profeſ⸗ 
for des Alten Tejtaments. Er widerſprach 1556 
der Präbeftinationsiehre des Martyr Bermilius, 
ward 1560 emeritirt, + 1564 an der Peſt. 

ang Uebertreibung in ber Geltend- 

ung der Autorität der Bibel. 

Bibt logie. Lehre von der Bibel, bildet ge: 
wöhnlich den eriten Theil der Dog matit. 

ibliothet, Allgemeine Ber, be Beitfchrift 
für Aufllärung jeıt 1765. S. N 

Biblifge Ardäslogie. ©. * Act gie 

Bibliide Chronologie. ©. ker e,biblifche. 

Bibliſche Geographie. ©. Geograppie. 

Biblifhe Hermenentif, S. Sermeneutif. 

Biblifger Kanon. S. Kanon. 

Bibliige Kritil,. ©. Einleitung. 

Bibliſche Philologie. Beſchäftigt fi mit dem 
Studium ber Spraden, in weldyen das Alte und 
Reue Teftament geichrieben ift, unb der ihnen ver: 
—— alſo mit den ſemitiſchen Sprachen, mit 

riechif en und ben alerandriniihen und bel: 
—56 en Dialekten. 

ihr ſche Theologie iſt diejenige teologifähe 

Disciplin, welde ven Lehrinhalt der einzelnen 


96 





Bickel 


Bine Bücher geſchichtlich erforſcht. Sie hat aljo 
e Aufgabe, den 3* der relig Keen 
Ideen ben bibliſchen Schriften, ihre Ber 
rungen, ihre verjchiedenen —— en in objec⸗ 
tiv geſchichtlicher Weiſe darzulegen, ohne daß ſich 
irgend ein d iſches Intereſſe von vornherein 
in die Unterfuchung einmifht. Diefe Wifjenf it 
bejteht noch nicht lange. In ber Zeit der Refor 
mation unb im 17. Saschunbert bie biblifce 
Theologie mit ber Dogmatik zufammen ; höchſtens 
fammelte man Bibelftellen zu dogmatifchen we: 
den: id, Collegium biblicum 1671. Hulſe⸗ 
mann, indiciae etc, 1679. Majus, Theol. pro- 
phetica 1710. Baier, Analysis et vind. illustr. 
dietorum 1719. Die Nationaliften juchten die 
biblijche Theologie geltend zu machen in fritijchenn 
Sinne der Kirchenlehre gegenüber (Bahrdt, Teller, 
auch Semler), jevod noch ohne Berftänbniß für 
ke Auffaffung. Das befte Werk der Art ift: 
ahariä, Biblische Tipotaie ie 1772; dann: Huf: 
nagel, Handbuch der bibL Theol. 1785; Ammon, 
Entwurf einer reinen bibl. Theol. 1792, Bibl. 
Theol. 1801; Storr, Doctrinae c para 
theol. esacrislitteris repetita 1793. Der Stand- 
punft dieſer Werte ift jedoch immer noch ber, daß 
die bibliſche Theologie eine Vorarbeit, eine Ma— 
—— für Die Dogmatik darſtellen ſoll. 
biftorifchen Charakter der biblijchen ze. 
—2 zuerſt ſchärfer Gabler in einer al 
Rede 1787 (Kl. theol. Schr. 1831). Rad) Bien 
Grundjägen erſcheinen: Lor. Bauer, Bibl. Theol. 
bed Neuen Teftaments 1800. Kaifer, BibL. RX* 
De Wette, Bibliſche Dogmatik des ten und Neuen 
Teſtaments 1813. D. G. C. von Cölln, Bibl. TH., 
— von Schulz 1836, 2 Bde. Während in 
diefen Bearbeitungen die Trennung zwijchen fub: 
jectiver Heberzeugung und der objectiven Lehre der 
bibliſchen ——— nicht ganz vollzogen tft und 
darum die bibliſche Theologie hier noch mehr den 
Charakter einer Dogmatik, z. B. auch in der Ein- 
theilung, trägt, hat dagegen die Tübinger Säule 
den Gegenfap 4 am ſchä te ften gezogen und bie 
ſchichtliche Auffa Ari bewußt in ben grö t 
möglicyen Gegenjat gegen bie dogmatiſche geftelt. 
wald | Ch. Baur, Borlejungen über neuteftantentl. Theo: 
logie, Zeipzig 1864. Bon einem ber Kirchenlehre 
näheren Standpunkt find: Hävernif, Vorl. Über 
bie Theol. des Alten Teftaments, herausg. von 
er 1848, neuerdings von Herm. Schulz. Luk, 
ibl. Dogmatik, herausg. von Rüetſchi 1347. 
Schmid, Bibtl. * des Neuen Teitaments, 
en von Weizjäder 1853. Hahn, die Theol. 
des Neuen Teftaments 1854. Debler, Proless- 
zur — des Alten Teſtaments, 1845. Ein: 
zelne Xehrbegriffe find dargeftellt: der pauliniſche 
von Ufteri, 6. Aufl. 1850, der johanneifche von 
Köftlin 1845, ber Hebrüerbrief von Riehm 1858, 
der petrinifche von Weiß 1855 
Wie die biblijche Theologie in die Dogmen: 
geſchichte ausläuft, fo ift fie aufs innigjte verbun: 
den mit dem Kiffen um bie Bibel in der Kanonif, 
Kritik und Hermeneutik (f. die A.)), ohne daß man, 
nad Peltö Vorgang, den Namen bibfifcpen 
Theologie ald Gefammtbezeihnung aller diejer 
— wählen ſollte. 
Bickel, Johann Wilhelm. Geb. 2. Nov. 1799 
zu Marburg, ftudirte zu ne und Göttingen, 
ward 1820 Docent zu Marburg, 1826 orbent» 
sh licher Profeſſor der Nechte, 1834 Mitglied bes 


Biddle 


Oberappellationägerichtes zu Caſſel, 1841 Director 
des Obergericht3 zu Marburg, 1845 Bicepräfident zu 
Cafiel, 1846 Staatärath und Juftigminifter, } 1848. 
Er ift von großem Einfluß auf die evangeliſche 
Kirche in Heffen gewejen. Im confervativen Sinne, 
mit entjchtedener Abneigung gegen allen Rationa- 
lismus, vertrat er bejonnen und mäßig die For: 
derungen ber Zeit. So war er 3. B. Vertreter 
der Presbpterial: und Synodalverfafjung. Seine 
Yauptwerfe find: Weber bie Entftehung und den 
heutigen Gebraud der beiden Ertravaganten: 
lammlungen des Corpus juris canonici 1825, und 
die Geſchichte des Kirchenrecht 1841; ferner: 
Ueber die Reform der proteftantifchen Kirchenver: 
faffung, 1839. Die Presbyterial- und Synodal⸗ 
verfafjung. Ueber die Verpflichtung der proteftan: 
tiſchen Geiftlichen, 1839. 

Biddle. Bidellus. Der Stifter der engliſchen 
Unitarier, geb. 1615, wurde Lehrer an ber Frei— 
Thule zu Gloucefter. Wegen jeiner antitrinitarijchen 
Meinungen wiederholt mit Gefängniß und Ber: 
bannung bejtraft, gründete er dennod in London 
1651 eine Gemeinthaft, welche die Dreieinigleit 
vrwarf und vom heiligen Geifte — er 
zwar eine Perſon, aber nicht Gott ſei. Er ſtarb 
1662 im Gefängniß. 

Biel, Gabriel. Geb. zu Speier, ſtudirte und 
lehrte jeit 1442 in Erfurt, ward Prediger zu Mainz, 
Brobft zu Urach. Begleitete Reuchlin 1447 nad) 
Rom und lehrte dann Bhilofophie und Theologie 
ju Tübingen. Als der letzte Scholaſtiker hat 
er beſonders die Lehre vom opus operatum ent: 
widelt. Wir befigen von ihm mehrere Predigt: 
fammlungen. 

Bienen. Paläftina war reich an wilden Bienen, 
wie der häufige Ausdruck: dad Land, wo Mil 
und Honig fließt, bezeugt. Vgl. 1. Sam. 14, 25; 
Richt. 14, 8. Von den Efjenern jagt Philo, daß 
fie jich mit der Bienenzucht beſchäftigt hätten. Auf 
de Schwärme der wilden Bienen —* ſich die 
Vergleichung mit Kriegsheeren, 5. Mof. 1, 44; 
7. 118, 18; Jef. 7, 12. gl. d. A. Honig. 

Diennium canonicum, Bezeicynet die Zeit, 
melde früher die Stiftäherren dem Studium ber 
Theologie oder des kanoniſchen Rechtes widmen 
jollten. Kirchen: und Staatögefeggebung haben 
jegt ein breijähriges akademiſches Stubtum ber 
Theologie zur Borbedingung jedes geiftlihen Am: 
tes gemacht. 

igamie. Die Doppelehe widerjpricht dem Me: 
fen und Begriff der chriſtlichen Ehe; eine bereitä 
beſtehende Che ift deshalb auch allgemein als ug: 
bedingtes Chehinderniß anerlannt. Dem ug 
Ihmähten Gutachten der Reformatoren über bie 
Bigamie Philipps von Selten fteht als eben ſolche 
Ausnahme die päpftliche Dispenfation des Grafen 
von Gleichen gegenüber, jo daß fid) in biefem 
Buntte beide Kirchen nichts vorzumerfen haben. 

Bilder bei den Hebräern. Das Gefek verbot 

u er ſtrengſte jede bildliche Darftellung Jahve's 

feine Anbetung unter irgend einem Bilbe. 
Dennoch finden ſich bis zum Untergang des Zehn: 
Rämmereichs zahlreiche Spuren davon, dab Jahve 
unter bildlihen Darjtellungen angebetet wurde. 
Bir erfennen darin die Refte frühern mefopotami: 
ſchen Gotteöbienftes. a. 19.20. Daß aber 
auch der Bilderbienft nur Anbetung Jahve's fein 
wollte, Richt. 18, zeigt die ehaltene Unterjchei- 
bung beffelben auch in den Strafreden ber Pro: 


97 


Bilderjtreit 


pheten von bem Götzendienſt. Als ſolche Sinnbil: 
ber finden fich aber die Theraphim, 1. Sam. 19,13; 
die Kälber, 1. Kön. 12, 28; 2. Mof. 32,5; G;. 
21, 16, und bie Steindenfmäler. Ferner gehört 

ierher die eherne Schlange, 4. Moſ. 21, 8 ff. 

ildwerk als Schmud oder Symbolit war jon 
vom Cultus keineswegs ausgeſchloſſen, wie die 
Cherubsgeftalten auf dem Dedel der Bunbeslade, 
in den Teppichen der Stiftshütte und dem Getäfel 
bes ſalomoniſchen Tempels beweifen. 2.Moj. 25,18; 
36, 35; 1. Kön. 6, 85. 

Bilderbibeln. Die Sitte, ben Tert der heiligen 
Schriften mit bildlihen Darftellungen bibliſcher 
Scenen zu ſchmücken und zu illuftriven, ift jo alt 
al3 die Freude an der Bibel und an der Kunft. 
Bon den ältern beutichen Bibelausgaben ift kaum 
Eine ohne Holzihnitte. Nur die reformirte Kirche 
verhielt fich jpröder dagegen, weil fie an der Ab— 
bildung Gottes in Menjchengeftalt Anftoß nahm. 
In neuefter Zeit find als —— Leiſtungen an 
Bilderbibeln hervorgetreten: Die Bibel mit Holz— 
ſchnitten nach Zeichnungen der erſten Künſtler 
Deutſchlands, 175 Bilder, bei Cotta 1850. Bilder⸗ 
bibel mit 327 Bildern von Huber, feit 1855. Bilder: 
bibel von Dlivier, bei Perthes, Gotha 1834. Das 
Neue Teftament von Dverbed, Düffelborf 1841. 
Die Bibel in Bildern von Jul. Schnorr. Die 
Volksbibel von Guft. König. Die Bibel ober die 
h. Schrift des Alten und Neuen Teftaments (jo: 
wohl nad) lutheriſchem als katholiſchem Texte) von 
Guſtave Dore. 

ilderfireit. Weil Muhamedaner und Juden 
Bilder in Kirhen und Tempeln aufs höchfte verab: 
ſcheuen, waren bie orientalifgen Chriſten unter der 
Herrſchaft der Sarazenen um jo mehr geneigt, die 
Verehrung der Bilder als etwas ſpecifiſch Chriſt⸗ 
liches anzufehen. Kaifer Leo IIL, der Saurier, 
aber, welcher aus politifchen Gründen den Ueber: 
tritt der Juden und Muhamedaner zur hriftlichen 
Staatsfirhe im Auge hatte, mußte fie als ein 
Hinderniß feines Zieles zu ira ci trachten. Aus 
diefem Gegenjage entiprangen die Bilderftreitig: 
keiten, 720 842. Rallerliche Edicte 726 und 730 
verboten die Verehrung der Bilder und befahlen, 
fie aus den Kirchen zu entfernen. Bergeblid traten 
Johannes Damascenus zu Jerufalem und Papft 
zw. U. für die Bilderverehrung auf; Conftan: 
tin V. Kopronymus, dem fein Schwager, mit si 
der Bilderfreunde, den Thron ftreitig gemacht 
hatte, ging noch entſchiedener vor. Eine Synode 
zu Sonftantinopel 754 mußte alle Bilderverehrung 
verdammen, und mit rüdfichtslojer Strenge wurde 
der Beichluß durchgeführt. Erſt die Kaiſerin Irene 
gewährte den Bilderfreunden anfänglid Schuß, 
dann alleinige Berechtigung, um dad Schisma mit 
dem Abendlande auözugleihen, wo die Synode zu 
Gentilly 767 die Bilderftürmerei nicht gebilligt, 
die Lateranfynode 759 fie verdammt hatte. Ein 
allgemeines Concil in Nicäa 787 annullirte und 
verdammte das Concil von 754 und Billigte in 
ftarfen Ausdrüden die Verehrung der Bilder. Das 
Abendland, ſonſt den Bildern günftig, verwarf auf 
der Synode zu Frankfurt 794 bieje weitgehenden 
Beihlüffe, die im Drient durch den Einfluß des 
Theodor von Stubium (f. d. A.) aufrecht gehalten 
wurben, bis das Heer Leo V. auf den Thron feste 
814. Die Synode von 815 zu Eonftantinopel vers 
nichtete die Beſchlüſſe des zweiten nicäniſchen Con⸗ 
cils, und aud) das Abendland N zu Paris 


Bilderftürmerei 
auf Betreiben Michaels II. den Bilderdienft. Die 


Bilderfreunde, namentlich die Mönche und Theo: | dafü 


dor von Studium, wurden graufam verfolgt, ohne 
daß ed gelungen wäre fie zu brechen oder ausju: 
rotten. Und als nach Michaels II. Tode feine 
Wittwe Theobora bie Regeniſchaft führte, brachte 
eine neue Synode zu Sonftantinopel die Beſchlüſſe 
von 787 wieder zur Geltung; am 19. Febr. 842, 
„dem Giegesfeft der Rechtgläubigkeit,“ wurden 
die Bilder in die Kirchen zurüdgebradht. Die Bil: 
derfeinde waren befiegt. Vgl. Schloffer, Geſch. der 
bilderftürmenden Kaijer, Frif. 1812. J. Marz, 
ber Bilderftreit, Trier 1839, 

Bilderflürmerei ift die gemwaltfame und fu: 
multuariſche Entfernung und Berftörung der Bil: 
der in den Slirchen, wie fie durch erregte Vollks— 
mafjen in dem Bilberftreit deö Orients und in der 
Reformationszeit fich oft wiederholte. 

Bilderberehrung in der Fatholifhen Kirche. 
Das Tridentinum gebietet die Verehrung der Bilder, 
fo da die Ehre denen gezollt werbe, welche durch die 
Bilder dargeftellt werden. Es ift ihr aber noch 
nicht gelungen, praftiic ebenfo wie theoretifch da⸗ 
von die Anbetung der Bilder zu trennen. Da dad 

meite nicänifche Concil, worauf dad Tribentinum 
ich bezieht, zu Frankfurt 794 und zu Paris ver: 
worfen worden, jo fucht man bem zu entgehen, in⸗ 
dem man fagt (Weber und Welte), es feien dort 
nur die mikverftandenen Beichlüffe verworfen. 
Eine Vergleihung der '4 karoliniſchen Bücher, 
welche der Frankfurter Synode voraufgingen, zeigt 
das Leere der Behauptung. 

Bilderwand, $ den griechiſchen Kirchen trennt 
eine Gitterwand den für die Geiftlichkeit beftimm: 
ten Altarraum von dem Schiffe der Kirche; die an 
diefer Wand befindlichen, verſchiebbaren Vorhänge 
tragen ſtets die Bilder Chrifti und Maria’s und 
geben der Wand den Namen. Die Wand ift durch— 
brochen von den Thüren, durch deren mittelfte mur 
der celebrivenbe Bifchof und der communicirende 
Raifer geht. 

Bildung bezeichnet einen beftimmten intellectuell: 
fittlihen Zuftand des Menjchen. Befteht die fittliche 
Arbeit darin, daf die menjchliche Perjönlichkeit ſich 
die Außenwelt factiſch dienſtbar madje als ein Organ 
des Beiftes, fo ist Bildung die diefer vorausgehende 
geiftige, ideelle Beherrichung der finnlichen Welt, 
indem der Menſch die Welt zu feinem geiftigen 
Eigentum madt. Es gehört hierzu zweierlei: 
1) die Aufnahme der Welt in ihrer Mannigfaltig- 
feit, d. h. Kenntnifle, 2) die —— der Welt 
als Einheit, d. h. Verarbeitung dieſer Kenntniſfſe 
zu einer höhern, von der Perſönlichkeit frei be: 

errichten Einheit, zu einer einheitlichen fittlichen 
eltanfhauung, welche, ſobald fie wirklich vor: 
anden ift, Denlen und Handeln des Menſchen er: 
ült. Daher fällt in der richtigen Verwirklichung 
Geiftesbildung mit Charakter: und Gemüthsbil: 
=; zufanmen. Vgl. Rothe, Ethik, 2. Aufl. 1867, 
8.11. ©. 121. 


Bileam, Der Prophet aus Aram, 4.Moj.22,5, 
welchen Balak, der Moabiterlünig, rufen ließ, da: 
mit er Sfrael verfluche, und ber dann ſegnete, 
4. Moj. 22 ff., fpäter aber den Rath ertheilte, die 
Siraeliten zum Gößendienft und zur Hurerei zu 
verleiten, um fie zu verderben, 4. Moj. 31, 16, und 
zulegt mit den Midianitern erichlagen wurde. 
%05.13,22. Die Perſon Bileams iſt unzweifelhaft 
echt geſchichtlich; da er als Anbeter bes Einen Gottes 


— — — 


98 Biſchöfliche Gewalt des Landesherrn 


geſchildert wird, iſt er mit Melchiſedek ein Zeuge 
r, daß in Aram und Paläſtina der Glaube 
Abrahams nicht ganz ifolirt ftand. re be: 
fundet er bad Alter und das frühe it Anjehen 
des Prophetenthums. Die Charakteriftik ift pfycho- 
logiſch richtig und ergreifend. Die vorliegende Ge: 
jtalt des Segens ift jedenfalls jünger, 4. Mof. 
24, 20 —24 weift in bie Zeit des Jeſaja. Bunfen 
Pr die drei erften Sprüche, 4. Mof. 23, 7—24, 9, 

r alt, aus der Zeit unmittelbar nad; Mofes her: 
rührend und für Bruchftüde eines epifchen Bileams⸗ 
buches, die beiden Pur Sprüche für jünger. 

Bileamiten. ©. Nitolaiten. 

Bilde. 1) Die Magd der Rahel, 1.Mof.29,29, 
und Mutter von Dan und Naphihali, 1. Mof. 
30, 6. 7. 8, wurde von Ruben entehrt, 1. Mo}. 
85, 22, — 2) Eine Stadt im Stamme Simeon, 
1. Chr. 4, 29, welche Jof. 19, 3 Bala genannt 
wird (j. d. 9.). 

Billican, Theobald, eigentlich) Gerlach. Geb. zu 
Billigheim in der Unterpfalz gegen Ende des 15. 
Jahrh., wurde er ald Baccalaureus zu Heidelberg 
von Luther bei dem Auguftiner-Eongrefie 1518 ge: 
wonnen, mußte in Folge befien Heidelberg verloffen 
und führte als Prediger in Nördlingen 1522-1585 
dort die Reformation durch, betheiligte fi auch 
in diefer Zeit an den Abendmahläftreitigkeiten. 
Nach Heidelberg zurüdgelehrt, Tonnte er nur als 
Docent des kanoniſchen Rechtes eine Anſtellung an 
der Univerfität erlangen, die ihm 1544 durch Frie⸗ 
drich V. wieder genommen wurbe. Er ftarb als 
Profeſſor der Geſchichte zu Marburg. Rach katho: 
liſcher Ueberlieferung wäre er 1530 zu Augsburg 
wieder katholiſch geworben. 

Billigkeit. Alles menſchliche Recht ift unvoll⸗ 
fommen, nicht nur durch jeinen formellen Charak⸗ 
ter, jondern weil ed das von der Gemeinfchaft noch 
unvollkommen erfannte göttliche Geſetz den menſch⸗ 
lichen Verhältniſſen anzupaſſen ſuchen muß; es i 
daher unvermeidlich, daß häufig, mas menſchlich 
Recht ift, in Wahrheit Une: til. Diefen Eonflict 
gleicht die Billigfeit aus. Ihre bedingende Vor: 
ausfegung ift Daher ein Mares Gefühl für das dem 
—— Rechte Entſprechende und die aus der 

iebe entſprungene Kraft, auf das vom menſchlichen 
Rechte Verſtattete zu verzichten. Im Weſen 
Billigkeit, deren Eniſcheidung fubjectiv ift, liegt es, 
daß fie diefelke nie zum Gejeggebot für Andere 
machen fan. Die Gejelljhaft hat in ihrer Nechts: 
iphäre ber Billigfeit einen Raum gewährt in der 
— Freiheit des richterlichen Ermeſſens. 

ingham, Joſeph. Geb. in Watefield, ſtudirte 

in Drford, wurde Prediger in Headbourn Worthy 
bei Windefter und in Havart bei Portsmouth, 
1712—1723. Er ſchrieb in episfopalem Geifte ein 
ſchätzbares Werk über kirchliche Archäologie. 

Birret oder Barret. Die Tirchliche Kopfbe: 
dedung des Priejters, ift fpätern Urfprungs, da 
früher das Humerale über den Kopf gefchlagen 
wurbe. Seine Farbe richtet fi) nad) der des Ta— 
lars. Das Birret, defjen Form verſchieden, ift 
"2 in der evangelifchen Kirche üblich. 

iihöflige Gewalt des Landesherrn. Die bi: 
ſchöſliche Gewalt des Kirchenregiments fiel in ben 
[utheriichen Gemeinden und in der reformirten 
Schweiz an die weltlihe Obrigkeit, in den refor- 
mirten Kirchen unter dem Kreuz in Frankreich und 
am Rhein an die kirchliche Gemeinde, bis fie der 
Landesherr an ſich z0g. Beide Kirchen ſetzen, wenn 


Biſchof 


fie die Kirchengewalt (jus in sacra) dem Landes: 
deren, beziehungsweiſe der bürgerlichen Obrigkeit 
zugeftehen, die Glaubenseinheit eines Landes vor: 
aus, wobei von felbit, ſobald die päpftlihe Gewalt 
aufgegeben, und als Inhaber der Kirchengewalt 
bie Gemeinde gedacht wird, Kirchenobrigleit und 
Zandesobrigfeit zufammenfällt. Dies Recht an die 
Perſon des Fürſten zu binden, wie durch die Lehre 
Dom summus episcopus, bem oberften Bilchof, 
oder dem membrum praecipuum, dem vornehm: 
ften Gliede ber ——— oder gar dem Ober: 
Aelteften geſchehen, ift firchenrechtliche — um 
hiſtoriſch geworbene Zuftände zu vertheidigen, auch 
wohl um das Recht der Kirchengemeinde zu hindern, 
ſich ebenſo am Kirchenregimenle zu betheiligen, wie 
die Vollsgemeinde in geſehlich geordneter Weiſe Theil 
nimmt an ber Regierung des Staates. Der Obrig: 
feit gebührt immer auch im confejjionell gemifchten 
Staate ein Antheil am Kirchenregimente, welches 
ſich nicht auf das (jus circa sacra) Äußere Kirchen: 
weſen zu bejchränfen braucht, ba fie weder einen 
Staat im Staate dulden, noch die Rechte anderer 
Confeffionen beeinträchtigen laſſen darf; allein fie 
lann und darf das Recht nur ausüben im organi: 
fen Zufammenhang mit der Gemeinde. 

Biſchof (episcopus) heißt in der kath. Kirche 
ber Hirbenebree, welcher in verfaffungämäßiger 
Unterordnung unter die Einheit alle Theile der 
Kirhengewalt in einem befchräntten Gebiete 
(Sprengel, Diöcefe) der Kirche ausübt. Man er: 
blickt im Biſchof einen Nachfolger der Apoftel in 
ihrem Amte, forbert daher für ihn eine befondere 
Weihe (f. d. A. Biſchofsweihe) und Schreibt ihm be: 
fondere Rechte der Macht und der Ehre zu. Sn 
Sole feiner Weihe hat der Biſchof die Befugniß 
der ers rag ser. ang rg ei: 
figer Geräthe, ber Benediction der Kirchen, der 
Aebte und der Könige. Außer dem Rechte der Re: 

rung und der Disciplin in feiner Diöcefe fönnen 
Um die päpftlihen Refervatrechte auf Zeit über: 
tragen werden. (5. d. A. Duinquennalfacultäten.) 
Die kath, Kirche tet ben Episkopat als apo⸗ 
ſtoliſche Einrichtung ( fe: 20, 28; 1. Tim. 3, 2; 
Unie{gite yoiihen Büldof (Rufe) und Bas 
iſchen Bischof (Aufjeher) und Pres: 

byter (Xeiteker) nicht die (vgl. Apftg. 20, 
28 mit 17 und Tit. 1, 5 und 8, wo die Namen 
gleihbebeutend) ; ein folder tritt zuerft in ben 
ignatianiſchen Briefen auf. Da indefien unter den 
He der Gemeinde Einer der Leiter fein 
mußte, und, ald aus den Stäbten das Chriftenthum 
* auch auf das platte Land verpflanzte, die Um: 
ng ber Stadt Firchlich mit ihr verbunden und 

von ihr abhängig blieb, fo ift das Uebergewicht des 


igenden der Presbyter der Stadtgemeinde | der S 


aud über die Landgemeinden von felbjt entftanden 
und jpäter rechtlich firirt. Dies ift die gewöhnliche 
Anſicht nach Neander. Rothe (Anfänge der hrift: 
lichen Kirche) hat die Meinung, daf der Episkopat 
= — ya Rn * zung * 
othbehelf eing worden ſei. Dagegen Ritſchl 
Altlath. Kirche) und Baur (Kirchengeſchichte). = 
terer führt ben Epislopat hauptfächlich auf die praf: 
tifche —— der Einheit gegenüber den Jrr: 
iehrern zurüd, Die epislopale Verfaſſung ift um 
150 nach Chr. völlig ausgebildet. Bon den evange: 
Kirchen hat nur die anglicanifche den Biſchof 

in —— Auffaffung feſt 


99 


Bithynien 


emeinde; bie übrigen haben zuweilen den Titel 
eibehalten für die Generalfuperintendeuten, mir 
in Naflau und eine Zeitlang in Preußen. 

Bilhofswahl. In den erſten Zeiten der Kirche 
wählte natürlich nur die Gemeinde ihren Bifchof 
und zog dabei als Berather nicht ſelten benachbarte 
Biihöfe zu. Im germanishen und fräntijchen 
Reiche, wo die Kirche erft begründet wurde, war 
dies unmöglich und die Kaiſer ernannten um fo 
mehr die Biichöfe, als dieſelben ein Lehen des Rei: 
ches trugen. Der Inveftiturftreit befreite Die Kirche 
—— und gab ihr die kanoniſche Wahl frei. 

as Recht derſelben ſteht bei den Domcapiteln; 
dieſelben ſind aber jetzt gehalten, eine persona 
grata zu wählen, d. h. ihre Auswahl iſt auf ſolche 
Männer beſchränkt, die der Staatsregierung ges 
nehm find. Dennod; hat die Curie mandmal ein⸗ 
zelnen katholiſchen Fürſten das Necht der Ernen- 
nung zugejtanden. Der Erwählte bedarf der näpft- 
lichen Beitätigung, welche nad) aenauer Prufun 
feiner Qualification und der Zegalität der Wah 
—— ertheilt wird. Durch dieſelbe erhält er 

ie Rechte der Jurisdiction. 

Biſchofsweihe. Die weientlichen Theile der Bi: 
ſchofsweihe, die nur an einem Sonn« oder Feſt⸗ 
tage während der Meſſe in der Kathedrale des 
Bisthums durch einen Bifchof, dem zwei andere, 
im Nothfall aud) hohe Kleriker, aſſiſtiren, ftattfin« 
den fann, find: die Verlefung der päpftlichen Eon» 
firmation, ber Eid des Biſchofs und das Examen, 
die Bekleidung mit den bifhöflihen Gewändern, 
bie Auflegung des Enangelienbuchsaufden Naden, 
und darnach folgende Ueberreichung defjelben, die 
Handauflegung, die Salbung deö Hauptes und 
ber Hände, die Ueberreihung der Infignien und 
die Inthronifation, d. h. das Hinführen zu dem 
Biihofsthron. Zum Schluß der Feier ertheilt der 
neue Bifhof den Segen. Die Grundzüge der gan⸗ 
zen Handlung, jedoch ohne Handauflegung und 
Salbung, die aud) in der griechiſchen Kirche fehlt, 
finden fi ſchon in den apoftolifchen Gonftitutios 
nen. Die allmählih ausgebildete Feier ift im 
Pontificale Romanum feftgeftellt. Der durd die 
Biihofsweihe ertheilte ordo ift unauslöſchlich 
und geht au durch Abjegung und Bann nicht 
verloren. 

Bisjothjah. Joſ. 15, 28. Stabt im Stamme 
Juda an der füdöftlihen Grenze. 

Bisthum heißt der Diftrict, auf welchen ſich 
bie Gewalt eines Bijhofs erſtreckt. Der Umftand, 
daß urfprünglich nur der Bischof das Taufrecht 
bat, zeigt, daß eigentlih Bisthum und Parodie 
eins und baffelbe ift, und erklärt damit die Ent: 
ftehung des bifhöflihen Amtes als des Pfarrers 
tammgemeinde, bie im Lauf ber Zeit in 
viele Heine fich theilte. Daher auch die vielen und 
Heinen Bisthümer in Stalien und im Oriente, 
bie aus ber Zeit ftammen, als das Amt nod nicht 
vorzugsmeije ein Firhenregimentlihes war. In 
Frankenland und Germanien wurden bie Bis— 
thümer von vornherein als kirchliche Verwal—⸗ 
tungsbezirfe, Daher in größerm Umfang gegründet. 
Die Erridtung eines Bisthums ift zwar ein Re: 
ſervatrecht des PBapftes, aber zur Beitimmung 
feiner Umgrenzung (Eircumicription) ift die Zu: 
ftimmung des Staates erforderlich. 

Bithron. 2. Sam. 2, 29. Ein Diftrict am 


gehalten, und nad) | Jordan. Die Bulgata liejt an der Stelle Bethoron. 


der innerlich⸗ irchlichen Seite Fin die Brüber-| Vithynien. Eine Provinz in BIETEN: welde 


Bitten, erfte 


im Norden vom Schwarzen Meer, im Weften vom 
Bosporus, Propontis und Myfien, im Dften von 
blagonien, im Süden von Phrygien und My: 
begrenzt wurde. Es lagen dort die Städte 
ilomedia, Chaicedon, Herallea, Nicka, Pruſa. 
Der Apoftel Paulus wurde gehindert, Bithynien 
zu durchwandern, Apftg. 16, 7, doch fanden ſich 
dort Ehriftengemeinden, 1. Bet. 1, 1. 

Bitten, erfie. S. Anwartihaften. 

Bittgänge find Progeffionen, zu dem Zweck 
veranftaltet, um von Gott Gaben zu erflehen, und 
werben darum in Zeiten öffentliher Noth ge: 
halten. Außerdem find regelmäßige Bittgänge 
eingeführt, namentlid am Tage des 5. Marcus, 
25. April, und 3 Tage vor Himmelfahrt, jowie zur 
Segnung der Feldfrüchte; zuerjt vom h. Mamer: 
tus, Biſchof von Vienne, 452 angeordnet. Die 
Bittgänge heißen auch Litaneien, von den Gebe: 
ten, die dabei geſprochen werben, ober Kreuz: 
ginge, weil das Kreuz vorangetragen wird. Die 

age heißen Bitttage, die Woche Bittwoche. 

Blzochen find bei den Fratricellen — was 
bei den Franeciscanern die Tertiarier, fie wurden 
mit den Fratricellen verfolgt. 

Blair, Hugh. Berühmter Prediger. Geb. 1718, 
ward er Landprebiger zu Eolefjie, dann Pfarrer 
an verſchiedenen Kirchen in der Stadt Edinburg, 
zulegt an ber hohen Kirche und von 1757 bis 1783 
Brofefjor der Beredfamtleit dafelbft. Seine Pre: 
digten (1777; 5 Bde.), ausgezeichnet durch ihren 
praftifch » fittlihen Gehalt, find von Sad und 
eg überjegt. 

landina, Eine Märtyrerin, welche in ber Vers 
folgung ber Gemeinde zu Lyon 177 unter aus: 
erlejenen Martern mit großer Stanbhaftigfeit den 
Tod erlitt (2. zei). „Ih bin eine Chriftin und 
unter und wird nichts Böfes gethan,” war ihre 
legte Erflärung. 

Blandrata, Georg. Unitarier. Geb. zu Sa: 
luzzo in Biemont 1515. Der Des verdäch⸗ 
tig geworben, flüchtete er nach Genf 1556. Seine 
Zweifel an ber Trinitätslehre, die er gegen Calvin 
und öffentlich ausgeſprochen hatte, ließen ihm aud) 
ben Aufenthalt in der Schweiz nicht filher erfchei: 
nen ; er wanbte ſich nad) Polen, wo er in jüngern 
Jahren ala Leibarzt ber Königin gelebt Hatte. 
Unter ber Beglinftigung des Fürften Nabzimil, 
wurde er Vorſteher der Gemeinden in Kleinpolen. 
Cabvins Antlagen gegenüber beſchwichtigte er noch 
1561 bie ee zu Pinczow durch ein vor ihr 
abgelegtes Glaubensbelenntniß; aber 1563 ging 
er als Zeibarzt bes Fürften Joh. Sigismund nad 
Siebenbürgen und wirkte hier offen als Antitrini- 
tarier gegen die Reformirten. Angefeindet auch 
von feiner Partei, weil er ihren radicalen Beftre- 
bungen nicht folgteund das göttliche Wefen Ehrifti, 
beshalb auch feine Anbetung fefthielt, zog er 49 
gegen das Ende feines Lebens, als Stephan Ba: 
thory die Jejuiten nad Siebenbürgen rief, von 
ben firhlihen und theologischen Kämpfen völlig 
—— und ſtarb nach 1585, ermordet von ſeinem 
atholiſchen Neffen, der von ihm enterbt zu wer⸗ 
den fürchtete. 

Blafien, Sanct. Ehemals eine —— Bene⸗ 
bictinerabtei im Schwarzwald im Breisgau. Eine 
Eremiten:Eolonie an der Alb (die Brüder an der 
Alb) nahm im 8. Jahrhundert die Benedictiner- 
zegel an und wurde ald Priorei mit dem Klofter 
Rheinau verbunden, woher ihr die Gebeine des 


100 


Bleek 


h. Blaſius gejchentt wurden, bie freilich ſpäter bis 
auf den Arm zurückgegeben werben mußten. Die 
reihe Stiftung Reginbert3 von Selbenburen 
madte St. Blafien jelbftändig. Der erfte Abt 
wurde 945 eingeweiht und 948 da3 Klofter erbaut. 
Neue Stiftungen und zweckmäßige Anfäufe ver: 
rößerten ben Reichthum derart, daß der Abt 
itglied bes Grafenbundes, 1405 infulirter Abt, 
1746 Reichsfürft wurde und viele Klöfter von ihın 
—— In Folge des Reichsdeputationshaupt⸗ 
ſchluſſes und bes Preßburger Friedens wurde die 
Abtei jäcularifirt und fam an Baden. St. Blafien 
de den Ruf behalten, daß dort allezeit die Wifjen- 
haften gepflegt feien, weniger Theologie als Ge: 
ſchichte. Unter den Mönden haben ſich mande 
einen Namen gemacht, ala Herrgott, Chuno, Eid)» 
horn, Neutgart. 

Blaſius, der Heilige. Biſchof von — Mär: 
tyrer unter Diocletian. Da fein Gebet einen 
Knaben errettet haben ſoll, den eine Gräte zu er⸗ 
ftiden drohte, wird an feinem Gebädtnißtage (3. 

ebr.) die Halsweihe vorgenommen. Der Priefter 

ält 2 brennende Kerzen unter den Hals des Gläu- 

igen und betet, daß die Fürbitte des Heiligen ihn 
vor —— bewahre. 

Blasphemie. S. Gotiesläſterung. 

Blaſtares, Matthäus. Prieſter und Mönch, ver: 
faßte 1335 eine alphabetiſch geordnete Sammlung 
der lirchlichen und weltlichen Geſetze, welche als 
juriſtiſches Compendium vielfach gebraucht iſt. 

Blattern. 2. an 9,9. Nach der Analogie der 
andern Plagen muß eine in Aegypten endemiſche, 
mit den Nilüberfdwenmungen in Zufammen: 
bang ftehende Krankheit gemeint fein, entweder 
aljo die vom September bis December vorkom⸗ 
menden Eitergeſchwüre ober eine ſchmerzhafte Art 
— die um die Zeit des Nilanwuchſes vor⸗ 

ommt. 

Blaurer (auch Blarer, Vlaarer), Ambroſius. 
Geb. zu Conſtanz 12. April 1492. Als Prior des 
Klofters Alpirsbad) 1521 wurde er durch Luthers 
Schriften gewonnen, trat aus dem Klofter aus 
und begab ſich nad) Conſtanz, wo er feit 1524 als 
Prediger wirkte. Seine Talente und feine in ber 
Abendmahlölehre zwiſchen Luther und Zwingli 
vermittelnde Stellung eigneten ihn zur Organi: 
firung des evang. Kirchenweſens. In dieſer Art 
wirkte er 1528 zu Memmingen, 1531 in Ulm und 
Ehlingen, ſeit 1534 unter Herzog Ulrich neben 
Schnepf und Grynäus in Würtemberg. In der 
Stuttgarter Concordie ſprach er 1534 feinen zwi: 
hen Luther und Zwingli vermittelnden Stand: 
punft in der Abendmahlslehre aus, —* Theil 
am Schmallalder Geſpräch 1537 und ſetzte auf 
bem Gößentag zu Urad 1537 die Entfernung 
aller Bilder durch. Nach Conſtanz zurüdgelehrt 
1538, half er die Reformation in yon. Lindau, 
Augsburg befeftigen, ließ fich 1548 in Winterthur 
nieder, wo er 1564 ftarb, nachdem er noch in Biel 
ala Prediger wirlſam gemejen und einen Ruf nad 
Bajel abgelehnt hatte. Nah Luthers Vorgang 
war Blaurer feit 1533 mit einer früheren Nonne 
verheirathet gemejen. 

Bleek, Friedrich. Geb. 4. Zuli 1793 zu Ahrens: 
böd, bejudte das Gymnafium zu Lübed, ftudirte 
Theologie und Bhilofophie zu Kiel 1812 und Ber: 
lin 1814 bis 1817, ward bort Repetent 1818 und 
erjt 1823 a. 0. Profefjor, da das Ernennungs- 
becret aus irrigem Verdacht des Demagogenthums 


— 


Blenmybes 


eit 1821 zurückgehalten war. Seit 1829 bis zu 
einem Tode 18569 Iehrte er an ber Univerfität 
Bonn. Ausgezeichnet durch feine firenge Wahr: 
heitöliebe, feine Gelehrjamteit und feinen Fleiß, 
bat fi) Bleel in feinen Arbeiten auf biblijche 
Kritit und Exegeſe befhräntt. Die Früchte ſei— 
ner Studien liegen vor in zwei großen Werken: 
Ueber den Hebräerbrief, Berlin 1828—1840, das 
klaſſiſche Werk der Eregefe, und den Beiträgen 
zur Evangelienkfritif 1846; ſowie in ben Vorle— 
jungen, bie nad) feinem Tode herausgegeben find. 
Einleitung ins Alte Teftament, herausgegeben 
von %. 5 Bleel und A. Ramphaufen, Berlin 1860, 
2. Aufl. 1865, Einleitung ins Neue Teftament, 
Berlin 1862, 2. Aufl. 1866; Synoptiſche Erklä⸗ 
rung ber drei erften Evangelien, herausgegeben 
von 9. Holmann, geiräig 1862; Borlefungen 
über die Briefe an bie Koloſſer, Philemon und 
Ephejer 1865; Vorleſungen Über die Apolalypfe, 
Berlin 1862. Außerdem viele Heinere Auffäge in 
den Studien und Kritifen und ben Jahrblihern 
für deutſche Theologie. 

Blemmydes oder Blemmida. Ein gelehrter 
Prieſter und Mönd im griehifhen Kaiſerthum 
im 13. Jahrhundert, der ſich jehr für die Union 
mit der lateinischen Kirche bemühte. Die Concu⸗ 
bine des Kaiſers Vatazes wies er ala Ehebredherin 
aus der Kirche und rechtfertigte dies öffentlich. 
Die ihm von Theodor Laslaris angebotene Pa: 
triarchenwürde lehnte er ab. 

Blondel, Geb. 1591 zu Chalonssfur- Marne, 
war Prediger zu Houdan bei Paris, feit 1650 
Brofefjor der Gefchichte zu Amfterdam. Alsgründ: 
licher Geſchichtsforſcher ſchrieb er mehrere — — 
polemiſche Schriften, unter denen ſein Nachweis 
der Unechtheit der iſidoriſchen Decretalien, die 
Widerlegung der — von der Päpſtin Johanna 
und das große Werk gegen das Supremat des 
Bapftes die berühmteſten find. In ben letzten 

ahren erblindet, fegte er dennoch feine jchrift: 

lieriſche Thätigkeit fort. Er ftarb 1655, nachdem 
er troß jeiner Verdienſte um die reformirte Kirche 
von firhlichen und politiihen Gegnern Manches 
zu erbulden gehabt hatte. 

Blount, Charles. + 1693. Ein — Deiſt. 

Blumhardt, Ehriftian Gottlieb. Bekannt durch 
ſeine Thätigkeit in der Miſſion. Geb. 1779 zu 
Stuttgart, trat, nachdem er unter ſchwierigen 
nn er bie theologifhen Studien zu 

übingen abjolvirt hatte, 1303 als Secretär ber 
deutihen Chriſtenthums-⸗Geſellſchaft in Bafelein, 
und nahm Theil an der Gründung der Bafeler 
Bibelgefeliaft 1804. 1807 in fein Vaterland zu: 
rüdberufen, warb er Pfarrer in Burg 1807 bis 
1816, und —* dann nad) Baſel zurück als Inſpee⸗ 
tor der dort begründeten Miſſionsſchule. In dieſer 
Stellung gab er die Anregung zur Bildung meh: 
rerer deutſcher Miffionsgefellihaften, fchloß die 
Verbindung feiner Anftalt mit der engliſchen fir: 
lihen Mifjionsgejellichaft, welche die in Bajel 
ausgebildeten Zöglinge ——* und erreichte 
endlich, daß die Baſeler Geſellſchaft eigene Miſſions⸗ 
ſtationen begründete, zuerſt in Rußland, bis 1836 
alle Miifionare von dort verbannt wurden, dann 
in Weft-Airika und in Oftindien. Literariſch thä- 
tig war Blumhardt durd feinen Verſuch einer 
allgemeinen Miffionsgefchichte 1828 bis 1837 und 
die Redaction des Evang. Miffions-Magazins. 
+19. December 1838. 


101 


Bochart 


Blut. Aus der Anſchauung, daß das Leben 
im Blute ift,3.Mof. 17,11; 6. Moſ. i2, 28, folgt, 
daß bei jedem Opfer das Verfahren mit deni Ylute 
als Hauptſache gilt, 3. Mof. 16, 14. 15. 18, denn 
ohne Blutver hen ift feine Verföhnung, Hebr. 
9, 22, und daß der Genuß alles Blutes unbedingt 
verboten ift,3.Mof.17,14. Auch die Heidendriften 
ſollten fich deſſelben enthalten, Apftg. 15, 20. 29. 

Blutoder. ©. Haleldama. 

Bluthochzeit heißt die Ermordung der Hugenot: 
ten bei der — Karls IX. von — 
24. Auguſt 1672. 

Blutrache. Die uralte Sitte der Blutrache, 1. 
Moj. 4, 14, ift durch das mofaifche Recht im ge: 
*7 Grenzen geduldet, 2. Moſ. 21, 12 — 14; 
4. — 9—34; 5. Moſ. 19,1—13. Der vorſätz⸗ 
lie Mörder verfällt derſelben unbedingt, 2. Mof. 
21, 14, den en Todtſchläger ſchützt das 
—— Freiſtadt, 5. j 4, Al ff., wo erbis zum 
Tode beö Hohepriejters ——— muß d b. 
A. Aſyh. Zur Vollziehung der Blutrache berechtigt 
ift jedes Familienglied, 2. Sam. 14, 7, aber die 
Unterlaffung derſelben wird nicht —— Die 
Blutrache war noch unter David in Geltung, 2. 
Sam. 14, 7; ſpäter finden ſich aber keine Spuren. 

Blutſchande. Inceſt. Die eheliche oder außerehe⸗ 
liche Geſchlechtsgemeinſchaft zwiſchen Verwandten, 
unter welchen die Ehe nicht ſtatthaft ift,3. Moſ. 18, 
6—18, wurde nad) dem moſaiſchen Rechte mit dem 
Tode beftraft, 3. Mof. 18,29. Das fpätere römische 
Recht, in Uebereinftimmung mit dem fanonifchen, 
dehnte den Begriff der Blutſchande auch auf die 
Berhältniffe aus, melde durch Adoption und geift- 
liche erg gr wurden. Die Strafe 
bes Inceſtes war der Tod, bis die jüngere Gejeg- 
gebung aud) hier Milderungen eingeführt e 

Bluttag, der Prager. Am 16. Juni 1621 ließ 
—— II. die Blüthe des böhmiſchen evangel. 

els, zum Beginn ber Gegenreformation nad) der 
u am weißen Berge, hinrichten. 

Iuttaufe. Der Märtyrertod wurde ala voll: 
gültige, alle Sünden tilgende und die kirchliche 
Zaufe mit Wafjer erjeende Bluttaufe angefehen. 

Bluttheologie nennt man die Lehrart von ber 
Verſöhnung dur den Tod Chrifti, welche befon: 
der in herrnhutiſchen Kreifen einheimiſch, in 
finnlidher, oft phantaſtiſch fpielender Weife derart 
von dem Blute er alö dem Quelle ber Selig: 
feit redet, daß aller Übrige Lehrinhalt des Chriften: 
thums dahinter völlig zurüdtritt. 

BneBaraf. of. 19, 45. Stabt in Dan. Eufe: 
bius fannte den Ort nod) als Barba bei Asdod. 

Boas. 1) Der Gatte der Ruth und durch fie 
Stammmvater des Geſchlechtes David. Ruth 4, 22. 
— 2) Eine der beiden Säulen am Tempel. ©. 
d. A. Jachin. 

Bobola, Andr. Geb. 1690. Ein Jeſuit, der unter 
den Schismatikern in Plusk als Miſſionar wirkte 
und von den Koſalen auf qualvolle Weife ermordet 
wurbe 1657. —— bat ihn b. Mai 1853 ſelig ge: 
jprochen, weil Die Sage ging, nad) feiner Seli en 
dung werde das Königreich Polen wieder aufleben. 

Bohart, Samuel. Geb. 1599 zu Rouen, ein jehr 
gelehrter reformirter Geiſtlicher zu Seban, der über 
biblifche Geographie und Naturgefchichte jchrieb. 
Namentlich fein Hierozoikon, welches alle in der 
Bibel genannten wirllichen und fabelhaften Thiere 
behandelt, wird als Sammelwert älterer Quellen 

oft eitirt. F 1667. 


Bochim 


Bochim. Nicht. 2, 1—5. Drt bei Gilgal, deſſen 
Zage unbefannt ift, der aber ein ne er Ber: 
fammfungsort des Volkes geweſen zu jein ſcheint. 

Bodhold, Johann. Botel, Bokelſohn, Johann 
von Leyden. Geb. 1510. Ein Schneider zu Leyden, 
wo er eine lüderliche Schenke hielt, fam durch Mat: 
tbiefen nad) Münfter 1534 und fchloß fich als deſſen 
Gehülfe der wiebertäuferijchen Bewegung an. Nach 
deſſen Tode übernahm er Fraft einer Offenbarung 
bie Führerſchaft und richtete das wiedertäuferiſche 
Köntgthum auf 1534, deſſen Unthaten fein marter: 
voller Tod 1536 büßte. Mehr Heuchler als ana: 
tifer, ftrebte er mit der troßigen Kraft eines unter: 
nehmenden Geiftes faft nur nad) der Befriedigung 
einer ungebändigten ausſchweifenden Sinnlichkeit. 

Bodsdienft. Nach 3.Mof. 17, 7 und 2. Chr. 11, 
15 (von Luther Felbteufel überjegt) nimmt man 
an, die Juden hätten aus Aegypten den Bodädienft 
entlehnt. Nach Bunfen aber wäre die es 
des gefürchteten phönizifchen Gottes Uſoos, ber 
Haube, Bottige, von den Juden auf alle gefürchteten 
böfen Geifter übertragen. Ein derartiger heidnifcher 
Eultus ift auch 2. Chr. 11, 15 unwahrſcheinlich. 

Bodenflein. ©. Carlftabt. 

Böhme, Zatob. Größter Theofoph. Geb. zu Alt: 
Seidenberg bei Görlit in der Lauſitz 1575, Sohn 
armer Landleute. Nachdem er faum einen Schul: 
unterricht genofjen, fam er in die Lehre nad) Gör: 
fig, wo er 1594 Schuhmadhermeifter wurde. Ob: 
gleich fein — Studium auf die Bibel und einige 
myſtiſche Schriften a ac blieb, fühlte er einen 
ungemein ftarfen * telleriſchen Trieb in ſich. 
Als er im Jahr 1612 die „Aurora“ herausgab, 

og ihm das den lebhaften Zorn ſeines lutheriſchen 
sſpfarrers Gregor Richter zu, und der Magiſtrat 
unterfagte ihm fogar die Herausgabe neuer Bücher, 
was Böhme einige Jahre befolgte. 1624 reifte er 
nad) Dresden, um fic dort vor dem Eonfiftorium 
zu rechtfertigen, mas ihm gelang. Am 27. Rovem: 
ber 1624 ftarber. Wie faft alle Myftifer ging Böhme 
von Gott als der abfoluten Weite, der undefinir: 
baren Grenzenlofigteit aus, aber weil als folcher 
Gott fein ofjenbarer Gott fein fünnte, weil er ein 
unerfennbares Nichts wäre, barum dürfe man nicht 
bei diefem Begriff von Gott ftehen bleiben. Gott 
fee in fich felbft ſich jelbft einen Unterſchied. Gott 
feige fich ſelbſt als jein Anderes, daraus erft werde 
Gott lebendiger Geift. „Kein Ding ohne Wider: 
wärtigfeit mag ihm ſelber offenbar werden.” Die 
abfolute Einheit ſchlöſſe alles Leben, alle Mannig- 
faltigfeit, allen Geift aus. Alle Dinge beftehen in 
Ja und Nein. Der Gegenfaß ift die Grundbebin: 
ung jebeö Begriffes. Durd) diefen Grundgedanken 
In Philoſophie ift Böhme der Vater der jpäteren 
peculativen Artder Entwicklung des Gottesbegriffs, 
überhaupt der fpätern Speculation geworden 
(Schelling, Hegel). Die Erlenntnißweiſe * die un⸗ 
mittelbare, intuitive, auf „Erleuchtung“ gegrün: 
det; viermal befand ſich Ey fogar in Efitafen. 
Eeine Schriften, welche von Andern herausgegeben 
wurden, find zahlreich. Die widhtigiten find außer 
der (bedeutendften) Aurora: Befchreibung der 3 
Principien des göttlichen Weſens, Vom dreifachen 
Leben des Menichen, Psychologia vera, Bon der 
Menſchwerdung Jeſu Chrifti, Yon ſechs theofophi: 
ſchen Punkten, Bon ſechs myſtiſchen Punkten u. |. m. 
Dal. außer der Geſchichte der Philofophie und 
Baurs riftlicher Gnoſis: Fr. de la Motte-Fou- 
que, 3. Böhme, Greiz 1831. J. Hamberger, die 


102 


Böſe, das 


Lehre des deutſchen Philofophen J. Böhmen einem 
ſyſtem. Auszug aus deffen Schriften, Münden 
1844. Beip, J. Böhme, der deutiche Philoſoph, 
der Vorläufer hrijtlicher Wiffenichaft, Leipz. 1860. 

Böhmen, Das Chrijtentyum fam nad) Böhmen 
von Mähren aus durch Cyrillus und Methodius, 
363-886, die in Unterordnung unter ben Papſt 
ein ſloveniſches Kirchenweſen aufriteten, welches 
aber dem lateinifchen weichen mußte, alö nad) dem 
Zerfall des mährifhen Reiches Böhmen wieder 
unter deutfchen Einfluß gerieth. Aber erſt Bretis: 
law 1092—1100 unterbrüdte die letzten Rejte bes 
Heidenthums und zugleih die lbriggebliebenen 
Spuren bes flovenifhen Gultus. In der Seller 
Mann einigten fid) nationale und religiöfe Frei⸗ 
heitäbeftrebungen, welche durch waldenſiſche und 
willifitiſche Schriften angeregt waren; nad) Huffens 
Berbrennung 1415 dauerte der een und 
der Krieg mit den Deutichen, bis 1433 die Bafeler 
Compactaten den firhlichen Frieden dadurch her: 
ftellten, daßfiedie Communion sub utraque, unter 
beiberlei Gejtalt, den Caliztinern geftatteten. Aus 
ben Taboriten, die mehr auf Bereinfadung des Eul: 
tus und Sittenreinheit gedrungen en, und fi 
der Kirche nicht anf te, entwidelten ie 
böhmiſchen Brüder. Luthers Neformation fand in 
Böhmen vorbereiteten Boden ; aud) die Neformir: 
ten fanden Eingang und im Anfang bes 17. Jahr: 
hunderts war fajt ganz Böhmen evangelifch, trotz 
der Jeſuiten, die ebenalts ihre Gollegien und in 
Prag eine eigene Univerfität neben der utraquitis 
jchen gründeten. Die politifchen Streitigleiten mit 
dem Haufe Defterreid; über den Majeftätsbrief, die 
immer an lirchlich⸗ religiöſe Borgänge ſich anlehnten, 
der Aufitand 1618 und die pet engen 
von der Pfalz endigten mit dem Untergang ber 
evangelifchen Kirche in Böhmen, deren gewaltjame 
Vertilgung der Prager Bluttag inaugurirte. Das 
Zoleranzedict 1781 offenbarte aber dennod das 
Vorhandenfein vieler Taufend Evangelifher. Der 
Guftav: Adolf» Berein hat feit dem Proteftanten: 
Patent ſich die Unterftügung der böhmischen Kirche 
fräftig angelegen fein laffen. Vgl. Böhmiſche Brü- 
der und Huſſiten. 

Böhmer, Juft. Henning. Berühmter Kirchen: 
redhtälehrer. Geb. 29. Januar 1674, + 1749 als 
Regierungsfanzler des HerzogthHums Magdeburg 
und Drbdinarius der Yuriftenfacultät zu Halle. 
Bearbeitete das kanoniſche Recht in feiner Anwend⸗ 
barfeit auf die proteftantifche Kirche und gilt als 
Autorität für das Kirchenrecht. Jus ecclesiasti- 
cum Protestantium ete., 1756—1789. — Sein 
Sohn Georg Lubwig, 1715— 1797, und fein Entel 
Georg Wilhelm, + 1839, haben ſich gleichfalls als 
Schriftſteller über ——— befannt gemacht. 

Böhmiſche Brüder. S. Brüder. 

Böſe, das. Das ſittlich Böſe (mownoor), ein 
Begriff der Ethik, entgegengeſetzt dem ſittlich Gu— 
ten, zu unterſcheiden von dem ſittlich Schlechten 
(xaxov). Beſteht die ſittliche Aufgabe des Men: 
ſchen darin, daß er zu ſeiner Beſtimmung einer 
von der ſinnlichen Natur unabhängigen, nur gei⸗ 
1 beftimmten Perjönlichkeit reife, jo heißt der 

rozeß der Entwidlung und jeder Moment eines 
ſolchen Prozefles, der zu diefer Beftimmung führt, 

ttlih gut. Das Gegentheil davon heißt fittlich 
chlecht oder fittlich böfe; erfteres, wenn der fitts 
liche Prozeß nur unvollkommen und ſchwerfällig 
fih vollzieht; legtered, wenn eine Entwitlung 


Bosthius 


vorhanben ift, diefelbe aber in bewußtem Gegenjat 
zu ber des Menſchen verläuft. Man 
rebet von einer „Ichlechten” Erziehung, von einem 
„Ihlechten" Menſchen, wenn bei den betreffenden 
Berfonen ein Bewußtſein einer — Beſtim⸗ 
mung fehlt. Das Böſe aber iſt das ſchlechthin 
eg das Princip, weldyes die Auflöfung 
deö Guten in ſich ſchließt. Je bemußter und beab: 
igter bie böfe Handlung ift, defto mehr nimmt 
den Charakter des Diabolifhen und Satani: 
ben an. Die Begriffe Sünde und Böſes fallen 
materiell zuſammen, unterideiben fich aber ba: 
durch, daß die Sünde das Böſe bezeichnet, injofern 
man diefed unter dem Gefichtäpunft als perjön- 
* alſo auch verſchuldete und zu ſühnende That 
eht. Vgl. Rothe, Chriſtl. Ethik, I, 8. 108. 

Boẽthius. Ein vornehmer Römer, geb. 470. 
Er bekleidete hohe Ehrenftellen und hatte EL 
auf Theodorich, den Dftgothen. Durch eine Hof: 
intrigue geftürzt, wurde er beö Hoc) ange: 
u 525 hingerichtet. Im Gefängniß ſchrieb 
er dad Buch De consolatione philosophiae (ed 
Dbbarius 1843, überj. Freytag 1794). Nach der 
latholiſchen Sage ſoll er als Katholit dem Hab der 
Arianer gefallen fein. Er war vielleicht nicht ein- 
mal Ehrift. Guſt. Baur, De Botthio 1841. Fr. 
Nisich, das Syftem d. Boethius, Brl. 1860. 

tius, M. Sebaftian. Geb. 1515 zu Guben, 
Rector in Eiſenach und Superintendent in Mühl: 
haufen, legte wegen des Interims fein Amt nie: 
der; 1547 Diakonus in Halle, nahm er fich des 
Schulweſens an und ftiftete die Marienbibliothet. 
Wegen Streitigleiten legte er da8 Amt nieder und 
1568. 

Begakib, Karl Heinrich von. Erbauungsigrift: 
fteller und Liederdichter aus der 3 Schule. 
1690 in Niederſchleſien geboren, ſtudirte er in 

ena und Halle, wo ihn —— erweckte. Lange 

it in mühſeligen Verhältniſſen lebend, nahm er 
feit 1740 am Hofe zu Saalfeld die —— eines 
Gewiſſensrathes ein, wo er ſich nebenbei lebhaft 
mit erbaulicher Schriftſtellerei beſchäftigte. 1774. 
„Das güldene Schagkäftlein der Kinder Gottes.” 
„Tägliches Hausbuch der Kinder Gottes.” „Der 
vertraute ——— Seele mit Gott.“ Be— 
trachtungen ü 3 Neue Teſtament.“ „Uebung 
ber Gottjeligleit in geiftlichen Liedern.“ 

Bogomilen. Gehören zu den Katharern. Der 
Name ftammt her von einem flavijchen Popen 
Bogomil um 950 oder ber Gebetäformel Bogo: 
milui (Gott, erbarme Dich). Sie waren verbreitet 
in Thracien ; Alerius Comnenus verfolgte fie grau: 
fam und fieß das Haupt der Secte, Bafilius, 1118 
verbrennen. Nach ihrer Lehre find Satan und 
Chriſtus Söhne Gottes, ber Erftere hat, von Gott 
abgefallen, die Welt geſchaffen, des Menjchen Seele 
aber ift von Gott. Mojes ift von ihm verführt. 

iftuö kam in einem Engellörper, die Welt zu 
erlöjen. Sie verwarfen die Gebräuche der Kirche, 


firebten in ftrenger Asleſe nad heiligem Leben 
und ließen vom Teftament nur die Pjalmen 
und Prop gelten, ftatt ded Neuen Teitaments 


he apolryphiſche Schriften. Ueberrefte 
der Secte gab es noch im 15. Jahrh. ©. Katharer. 

Bolivia. Gehörte früher unter dem Namen 
Charcas zudem ſpaniſchen Bicelönigthum La Plata; 
jeit der Unabhängigleits:Erflärung, 6. Aug. 1824, 
iſt es felbftändig. Die Religion bes Landes ijt Ta: 
tholiſch, andere Religionen werben gebulbet. In 


103 


Bonifacius 


der Art des Katholicismus zu Bolivia offenbart 
fi) die Frucht jeſuitiſcher Miſſionsmethode. Der 
mit Feten überladene Eultus zeigt jehr nadtes 
Heidenthum, welches noch weniger in ben Sitten 
des Volkes überwunden ift. 

Bollandiflen, S. Acta martyrum. 

Bologna, Berühmt durch das ganze Mittelalter 
ift die Rechtsſchule zu Bologna, geftiftet durch 
Irnerius 1140, auf welcher namentlich ſeit Gra— 
tian 1151 das Stubium des kanoniſchen Rechtes 
gepflegt wurde. Das Bisthum Vologna wurde 
nad) der Erhebung Ravenna's exempt, und jpäter 
jelbjt zum Erzbistyum erhoben, 1553, worüber bis 
1604 ein heftiger Streit mit Navenna ſchwebte, 
den Clemens VII. ſchlichtete. 

Bolfer, Hieronymus. Ein ehemaliger Karmeliters 
mönd aus Paris, lebte zu Genf und Vevey 1551. 
Als er öffentlich die Prüdeftinationslehre Calvins 
als falſch und goitlos angriff, und derfelben eine 
der jpätern tridentiniſchen ähnliche Lehre entgegen: 
fegte, wurde er unter Androhung der Prügelftrafe 


.[von Genf verbannt. Auch aus Bern vertrieben, 


fehrte er nad) Franfreich und in den Schooß der 
tatholiſchen Kirche zurüd, 1555. 

Bona. Gardinal. Geb. 1609, trat er 1624 in 
ben Eiftercienjerorden, dejien General er 1651 
wurde, + 1674. Er beſchäftigte ſich mit ardhäolo: 
giſch⸗ liturgiſchen Studien und war Mitarbeiter 
an dem Werk der Bollandiften, verfaßte außerdem 
asfetifche und —— Schriften. 

Bonaventura. Doctor seraphicus. Johann 
Fidenza, geb. 1221, wurde Mitglied des Francis: 
canerordens und deſſen General 1256. Berthei: 
digte den Orden gegen die Angriffe der Univerfität 
Paris; wurbe Bilder von Albano und nahm Theil 
am UniondsConeilzu Lyon 1273. + 1274, 15. Juli, 
fanonifirt 1482, Mit der Scholaſtik verband er 
die myftiihe Contemplation, deren Syitem er im 
Itinerarium mentis in Deum zeichnet. Das Brevi- 
loquium ift eine der beiten Dogmatiten des Mittel: 
alters. Seine Schriften, unter denen, außer ben 
dogmatiſchen und ntyftifchen, viele exegetiſche und 
adtetiiche, ließ Sixtus V. jammeln 1555. In den 
Liedern ſpricht fi ſchwärmeriſche Verehrung der 
Maria aus. 

Bonifacius. Der Apoſtel der Deutſchen; eigent: 
lich Winfried, war geboren in Kirton bei Devonſhire 
um 680. Nach einem Miſſionsverſuche unter den Frie⸗ 
ſen 716 ließ er 718 ſich vom Papſte, dem er den Hul— 
digungseid leiſtete, zu ſeinem Miſſionswerk autori- 
* ward 723 paͤpſtlicher Legat und ſuchte als 
olcher nicht bloß die Deutjchen Stämme der Bayern, 
Thüringer und Heflen dem Ehrijtenthum zu ge: 
winnen, jondern aud) die zerfallene fränfijche Kirche 
in ber Unterordnung unter Rom neu zu organi: 
firen. Auf dem Concil 742 verpflichtete er Die 
auftrafischen Biichöfe, auf der Synode zu Soiffons 
744 die Geifilihen Reuftriens zum Gehorjan un: 
ter ben püäpftlichen act überwand aber bort 
und auf ber Synode zu Leſtines 745 feinen Haupt: 
gegner, den ſchwärmeriſchen Adalbert, zugleich mit 
bein Gegner des römijchen Kirchenweſens Clemens, 
und vollendete die Organifirung der Kirche durch 
die Uebernahme des Erzbisthums von Mainz als 
Metropolitan von Deutſchland. Wie er zur Be: 
feftigung der Kirche bie Bistbümer Negensburg, 
Salzburg, Paffau, Freifingen, Würzburg, Bura: 
burg, Erfurt und Cichftäbt gründete und mit 
ergebenen Männern bejegte, jo jlütele ev on 


Bonifacius I. 


paſſenden Stellen viele Klöfter, unter benen fein Lieb: 
lingäftofter Fulda hervorragt. Auf einem im —* 
Alter unternommenen Miffiondzuge zu den riefen, 
unter denen feine Arbeit begonnen hatte, wurde er 
bei Dodumerjchlagen755. „ nfeinen Borftellungen 
abergläubifch, in Tips Sitten ftreng, in Aeußer⸗ 
lichkeiten engherzig, gegen Untergebene herriſch, vor 
den Päpften demüthig, außer wo er Mißbräuche in 
Rom geſchützt ſah, hat er Hug und begeiftert ein 
langed Leben an jeinen Plan gejegt und ihn une 
eführt. Er hat, feinem Eide freu, die deutſche 
— von den Päpſten abhängig gemacht, von 
denen er ſich ſelbſt abhängig fühlte.” Nicht nur 
das Gute, aud) das Böfe, mas Deutſchland durch 
die römische Hierarchie erfahren hat, verdankt es 
Bonifacius. Für die evangelifche Kirche war er 
ein zwei 25 Heiliger. 
onifarins 1. apt 418—422. Wurde durch 
ben Schiedſpruch des Kaiſers Honorius auf den 
päpftlichen Stuhl geiekt. In —— befeſtigte 
er die Suprematie Roms dur Einſetzung des 
Biſchofs von Theſſalonich ald Vicar. ALS Heiliger 
verehrt 25. Dctober. 

— Il. 530-532. Die von ihn erlaffene Bulle, 
daß jeder Bapft feinen Nachfolger jelbjt ernennen 
könne, mußteer, durch Athalarich gezwungen, jelbft 
verbrennen. 

— III. 606, 15. Febr. — 12. Rov. Erlangte 
duch Schmeidheleien gegen Kaifer Phokas, daß 
derjelbe Rom ald das Haupt aller Kirchen aner: 
Tannte. 

— IV. 608-615. Er weihte dad Pantheon, 
welches ihm Photas fchenkte, zu einer riftlichen 
Kirche. ALS Heiliger verehrt 25. Mai. 

— ng Wandte —* Sorgfalt vor: 
züglich der jungen Kirche Englands zu. 

er 847. War nur 15 Tage Papſt. 

— VII. 974. Von der Partei des Crescentius 
nad) der Ermordung Benedicts VI. erhoben, flüch⸗ 


tete er, vom Boll vertrieben, mit den Schäßen bes. 


Baticans nad) Eonftantinopel, Tehrte aber in Dem: 
felben Jahre zurüd, belagerte und tödtete feinen 
—— Johann XIV. und beſtieg von Neuem 
den päpft chen Stuhl, ftarb aber bald darauf. 

— VIII. As Cardinal Benedict Cajetanus 
bewog er —* Vorgänger Cöleſtin zur Abdan— 
fung und kerkerte ihn nach feiner Erhebung 1294 
zeitlebens ein. Wie fein Papſt vor ihm, verjuchte 
er die Anfprliche des päpftlichen Stuhles auf die 


Oberherrlichkeit auch über Gehen geltend zu |’ 


maden. Wenn Noolph von Naffau ihm Folge 
leiftete und vom Bündniß mit England zurüdtrat, jo 
fligten fich doch weder Genueſer 1296, nochSicilianer 
1295, no Eric von Dänemark 1295 — 1299; 
aber in Rom felbft gelang es ihm, die feindjelige 
Familie Colonna zu überwinden und ihre Stadt 
Pränefte zu zerftören. Am unheilvollſten war fein 
Streit mit Kilipp von Frankreih. Der Bapft 
verlangte von ihm in en Händeln mit lan: 
dern und England, daß er ſich feinem Schieds- 
ſpruch unterwerfe, und verbot der Geiftlichleit die 
Entridtung einer Steuer an den König; mußte 
aber dadurch, daß Genua alle Ausfuhr von Gel: 
bern inhibirte, milbere Saiten aufziehen. Indem 
er dann aber einen Schiedöfprud, der ihm als 
Privatmann überlaffen wurde, in Form einer Bulle 
publicirte, erbitterte er ben König, der den Krieg 
jofort erneute und des Papſtes Todfeinbe, die Co: 
lonnas, bei fi) aufnahm. Gegen die päpftliche Bulle 


104 


Bonnet 


1301 erklärten bie Stände des Reichs in Meberein- 
ftimmung mit der furzen, groben Antwort Philipps, 
daß ihr König in weltlihen Dingen Niemand 
unterworfen fei. Als dagegen Bonifacius durch 
die Bulle Unam sanctam die Unterord 

unter den Bapft für zur Geligfeit —— er: 
Härte, fo wurde durch Philipp von Nogaret im 
Staatsrath die Anklage gegen den Bapit erhoben 
1303. Bonifacius antwortete durch die Bann: 
bulle. Wieder erklärte fich die Reichsverſammlung 
gegen ben Papſt. Nogaret und Sciarra Eolonna 
überbradten ihm bie Beihlüffe nah Anagni und 
nahmen ihn dabei unter Mißhandlungen gefangen, 
7. Sept. 1303. Bon den Einwohnern der Stabt 
befreit, floh Bonifacius nad) Rom, fiel aber in 
Folge der Aufregung in Raferei und ftarb 11. Dct. 
1303. Die Früuͤcht feines Regimentes war: das 
Geheimniß, die Anmaßungen der Päpſte zurüd: 
umeifen, war ben Königen offenbar gemorben; die 

Itherrihaft der Hierarchie war gebrochen. Die: 
je Niederlage gegenüber erfand Vonifacius aber 

ber Einführung bes Jubiläums 1300 einen ein: 
träglihen Triumph ber Herrichaft der Kirche über 
die Gemüther beö Volles. Vgl. Drumann, Geſch. 
Bonif. VIII. 2 Bde. 1852. 

— IX. 1389 — 1404. Ritter Gegenpapft 
gegen den Avignoner Clemens V. Seine Regie: 
rung verläuft in den Bemühungen, Feinde und 
rebelliſche Unterthanen zu beruhigen, dem Gegen: 
papjte die Anhänger zu entziehen und Ro... 
viel Geld zufammenzubringen, wozu ihm 3.2. 
er zu der Annaten von jeder Pfründe 

ente. 

Bonifariusverein. Ein Berein in ber kathol. 
Kirche, entfprechend dem evangel. Guftav:Adolfa: 
Berein, welcher die Unterftügung der unter 

oteftanten zerftreut lebenden Katholifen zum 

med bat. ©. Piusverein. 

Boni homines. So hießen 1) die Mönde von 
Grummont ; 2) die Minimen; 3) Chorherren im 
Klofter S. Salvador in Portugal im 15. Jahrh.; 
4) die englijhen Sadbrüder; 5) die Katharer. 

Bonivard, Franz. Berühmter Abt der Priorei 
von St. Victor, nahe bei Genf (jeit 1510); er bes 
günftigte die Bartei in Genf, welche auf Befreiung 
von Savoyen fann. Auf der Flucht vor dem Her: 
zog von —— 1519 nöthigten ihn zwei faiſche 
Freunde auf die Priorei zu verzichten und lieferten 
ihn bem Herzog aus, der + 20 Monate gefangen 
Kine Nach 1527 fette er fich wieder in ben Beſitz 
einer- Priorei und betheiligte fih an dem Heinen 
Kriege zwifchen Genf und dem umliegenden Abel, 
trotz mander Bitte dennoch immer auf Seiten der 
Gegner des Herzogs. 1530 von demjelben gefan: 
gen genommen, wurbe er im Schlofje Chillon ein: 
gejperrt gehalten und erft 1536 durch die Erftür: 
mung bes Schloffeß befreit. Sein unftätes Leben 
ift ein Spiegel der Zeit, ohne fittlihe Würde 
und Reinheit des Charakters. Literariich war er 
fehr thätig, beſonders verfaßte er auf Veranlaj: 
fung des Magiftratd eine Geſchichte der Stadt 
Genf. Er war viermal verheirathet. Seine le 
Frau wurde wegen Ehebruchs mit einem = 
maligen Möndhe hingerichtet. 

Bonnet, Charles. Naturforfherund Philoſoph, 
geb. den 13. März 1720 in Genf, wandte ſich vom 
Studium des Rechtes zur Naturmifjenfchaft. Nach⸗ 
dem er ſich zuerft dem Sperialftubium der In— 
feftenlehre gemwibmet hatte, erweiterte fi fein 


Bonofus 


Studium allmählich zu den größten Problemen 
des Raturs und Seelenlebens. In feinen pſycho⸗ 
logiſchen Ausgangspuntten Senfualift, entwidelt 
er trogdem eine tieffinnige Philofophie über ben 
Zufammenhang des Seelenlebend mit dem Natur: 
leben, erfüllt von einem ernften religiöfen Geifte. 
mar zeigt fih hauptjählih in dem Werke 
Palingenesie philosophique (1764), in dem die 
volllommene Organijation des zufünftigen Zu: 
fandes auf Grund naturwiſſenſchaftlicher Prin: 
dipien gergliebert ift. Bedeutende Schriften außer 
biefer Ans: Essai de psychologie 1754. Essai 
analytique 1760. Considerations sur les corps 
organises 1761. Contemplation de la nature 
1764. Seit 1768 lebte er einfam in Genthod am 
Genfer See, wo er den 20. Mai 1793 ftarb. 

Bonofus, Biſchof von Sardica, lehrte, daß Ma: 
ria noch andere Kinder außer Jeſu gehabt habe. 
Die Synode von Capua 391 und Biſchof Siricius 
von Rom verwarfen die Lehre. Seine Anhänger 
elften fi nad) 445 ſchroffer zur kath. Kirche. 

Bood, Martin. Kaiholiſcher Theologe, geb. 1762 
zu Huttenried in Bayern. Caplan in ve iedenen 
Gemeinden Bayerns, dann Pfarrer in Gallneu: 
firhen, hatte er bei reich gejegneter Wirkſamkeit 
fortwährende Berfolgungen und wiederholte Unter: 
fuhung zu beftehen, weil er, ein Schüler Sailers, 
die —— che Lehre von der Gerechtigkeit aus 
dem Glauben predigte und auf ein frommes Leben 

auf die lirchlichen Werle drang. 1814 gab er 
in Pfarramt nothgedrungen auf, wurde aber 
1817 als Profeſſor und Religionslehrer in Düſſel⸗ 
dorf und 1819 ald Pfarrer zu —— bei Neuwied 
tellt, wo er den 29. Auguſt 1825 ſtarb. 
quin. Doctor der Theologie und Prior des 
Karmeliterflofterd zu Bourges, verließ er 1541 
feiner evangelifchen —— en wegen ſein 
Vaterland und wurde Calvins Nachfolger zu Straß: 
burg. Bald aber unter dem Schuße der Königin 
von Navarra als Prediger in Bourges angeftellt, 
mußte er 1555 zum zweiten Mal nad) Straßburg 
fliehen. Als Profeſſor der Theologie zu Heibel: 
berg ſeit 1557 nahm er Theil an den Bewegungen 
in der pfälzifchen Kirche, auch an den Religions: 
geiprächen zu Maulbronn und Poiſſy. 1574, bei 
der Lutheranifirung Heibelbergs, ging er nad) 
Zaufanne. + 1582, 

Bora, Katharina von. Luthers Gemahlin. Geb. 
1499, Nonne im Klofter Nimpiſch bei Grimma, ent: 
floh fie unter Luthers Mitwifjen mit 8 Gefährtinnen 
aus dem Klofter, lebte dann im Haufe des Ph. Rei: 
chenbach zu Wittenberg und heirathete Luther am 
13. an. 1525, dem fie 6 Kinder gebar, wovon 4 fie 
überlebten. Nad) Luthers Tode lebte fie meiftens 
in Wittenberg und ftarb auf der Reife nad) Tor: 
gau, um der Peſt zu entgehen, in folge eines un: 
glüdliden Sturzes aus dem Wagen 1552. Sie 
wird geſchildert als eine einfache, verſtändige Haus: 
frau, in welcher Feftigleit des Charakters mit find: 
li lauben verbunden war. 

borianer. Eine gnoſtiſch- antinomiſtiſche 
Secte, die zur Zeit des Epiphanius noch beſtand. 
Dafie wer daß die Seele göttliche Subftanz 
fei und durch die Berührung der Materie nicht be: 
Hedt werde, verfielen fiein grobe Unfittlichkeit. 

Bordelumſche Rotte. Eine pietiftiihe Schwär: 
— unter Leitung der Candidaten Bähr 
und Borſenius in dem holſteiniſchen Orte Borbe: 
lum um 1739. Da fie die äußere Kirche verachteten, 


105 


Borromeo 


Alles auf bie innere Belehrung fehten, und 
in einer Liebeögemeinfchaft leben wollten, war 
ihr Ausgang allerlei Unzucht. In Folge eines 
loͤnigl. Edicis kam Bähr einige Jahre ind Zucht⸗ 
haus, und ftarb 1743 im Elend. 

Borel und die Boreliften. Adam Borel, geb. 
1603, gab fein Amt als reformirter Prediger auf, 
weil die Bibel ohne Auslegung hinreiche den Glau⸗ 
ben zu bewirlen, und ftiftete eine Privatgeſellſchaft 
mit religiöfen Zufammentünften. + 1667. 

Borgia. Ein ſpaniſches Geſchlecht, das nad 
Italien auswanderte und durch feine Beziehungen 
zum päpftlihen Stuhle berühmt, beziehungsweife 
berüchtigt wurde. Alfonjo B. wurde 1455 Papſt 
al3 Calixt III. ; Rodrigo B. 1492 als Alexander VI. 
Cäfar B., der Sohn des Vorigen, mar ein burd) 
moraliſche Scheußlichleiten berüchtigter Menſch, der 
1607 bei der Belagerung von Biano fiel; Lucrezia 
B., deſſen — durch ihre Ausſchweifungen 
nicht minder berüchtigt ais Vater und Bruder, 
verheirathet mit dein Fürſten Giov. Sforza, dem 
Herzog von Biscaglia und Alfons von Eſte, die ſie 
immer wieder verließ, + 1520. 

Borgia, Franz. War Jefuitengeneral von 1564 
bis 1572. ©. Sejuiten. 

Borgia, Stephano. Ein Carbinal, der 1797 
von Bin? VI. mit der Dictatur im Kirchenftante 
— = ig * —— vertrieben —5* 

1804. ift auch durch feine Beftrebungen 

denigatt und Kunft von —— 

orhaſira. 2. Sam. 8, 26. Wurde als Stabt 
in Südpaläſtina bei Hebron angenommen, von 
Joſephus Beſira genannt. Es iſt aber zu über: 
ſetzen: der Brunnen Haſira. 

— - ©. — 

orri, Borro, Borhus, Burrhi, Franz Joſeph. 
Ein Alchymiſt, Schwärmer und Abenteurer des 17. 
Jahrhunderts. Unter dem Vorgeben von Erſchei⸗ 
nungen, bie ihn zum Propheten für bie Wieder: 
vereinigung der Kirche unter dem Papſte beftimmt 
hätten, und aldymiftifcher Geheimfünfte, bildete er 
in Mailand eine Partei und trieb ſich, verfolgt von 
der nquifition, an den Höfen umber. In Wien 
ergriffen, wurde er von der Inquifition zu Rom 
—— gehalten, bis er 1695 ſtarb. 

Borromäudberein. Wurde 1844 zu Coblenz 
von einigen katholiſchen Adligen zur Verbreitung 
guter Schriften gegründet. x 

Borromeo, Karl von. Der Heilige. Geb. 1538 
zu Arona. Als Nepote des Papſtes, aber ausge⸗ 
zeichnet durch Gaben und Frömmigkeit, ward er 
mit 22 Jahren Cardinal und Erzbifchof von Mai: 
land. Hier wirkte er für die Reform des Firchlichen 
Lebens dur Sebung der Prieftererziehung, Wies 
derherftellung der Bußzucht, Berichönerung des 
Sotteödienftes, vor Alleın aber durch viele eis 
fungen von Barmherzigkeit und Liebe, beſonders 
durch feine bewunderungswürdige Selbftaufopie: 
rung während der Peit 1576. Dem römifchen 
Softem völligergeben, warf er fein Augenmerk auf 
die Schweiz. Er ftiftete dort den goldenen Bund 
der katholiſchen Cantone, ftellte die Nuntiatur 
bet, beförderte die Einführung der Jejuiten und 

emühte ji um Verwirklihung des Plans, die 
Schweiz wieder fatholifch zu machen, um ben Zugang 
nad Deutjchland zu behalten. Erftarb1584,3.Nov., 
und ward 1616 Fanonifirt. — Seinen Namen trägt 
eine Congregation der barmberzigen Schweftern 
(.d. 4). 


Bosheit 
Bosheit ift der höchſte Grad der wiberfittlichen 
Gefinnung 9 8 zum Nächſten. ie 
Pflicht der Liebe Tann verlegt werden durch einen 
Mangel an fittlicher Energie gegenüber dem natür: 
lihen Hange zur Selbftlußt; ift aber nicht dieſe 
fittlide Schwachheit, jondern bewußte und bered): 
nete Abficht der Beweggrund des felbftfüchtigen 
Handelns, fo ift died Bosheit. Man hat daher 
Diufig unterſchieden zwiſchen Echwachheitö: und 
—— welche Unterſcheidung aber unge⸗ 
nau iſt, ſobald man damit den Begriff der Sünde 
überhaupt zerlegen will, ohne die beſtimmte Beyie: 
hung auf die Nächftenliebe. In der Bibel fteht, 
nad) luth. Ueberfegung, Bosheit ee 
mein für das Böfe oder für die Sünde, 3. B. Jel. 
13, 11 (Ueberf. von MX). Im Griechifchen ift 
Bosheit = nrevnpia (4.3. Luc. 11,39), ein grund» 
ſätzliches Widerftreben gegen dad Gute, wie das 
Jeſus den Pharifäern vormirft (f. dad Böfe), im 
chſten Grade die Sünde wider den heiligen Geift. 
uch xaxie wird gewöhnlich, aber ungenau, mit 
Bosheit überjegt (Röm. 1, 29). 
Bofiuet, Jacques Benigne. Berühmter fran: 
Öfifcher Kanzelredner unb Theologe. Geb. zu Dis 
E 1627, wurde er 1652 Prieſter und Doctor der 
Sorbonne, Kanonikus in Metz, 1669 Bfichof von 
Eondom, 1670 Erzieher des Dauphin, 1681 Biſchof 
von Meaur, 1697 Staatörath, 1698 Almofenier der 
Herzogin von Burgund. + 1704. Bon * Ver⸗ 
ehrern der letzte Kirchenvater genannt, iſt er eigent⸗ 
lich nur der größte Hoftheologe. Seine zahlreichen 
Schriften, die ſeinen Ruhm begründeten, zeichnen 
ſich mehr durch die Schönheit und Eleganz der 
orm, als die Tiefe des u ag dag Inhalts aus. 
ömiſch orthodor, hat er nur das Beſtreben, eine 
einige franzöſiſche Staatslirche zu ſchaffen, deren 
Regiment durch die Staatspolitik beftimmt werde. 
Er belämpfte die Proteftanten und zeigte ihnen 
ben Katholicismus alö bie bequemfte Religion, 
Exposition de la doctrine de I’ Eglise catho- 
lique sur les matieres de controverse, Paris 
1671; Iobte bie Aufhebung des Edicts von Nan— 
tes und befämpfte enblih Madame Guyon und 
ihren Quietiömus, deffen Verwerfung er vom 
apfte erlangte. In dieſem Sinne leitete er 1682 
die Berfammlung des franzöfifchen Klerus, welche 
die 4 Sätze der gallicanifchen Kirchenfreiheit auf: 
ftellte, und belämpfte er zu deren Bertheidigung 
den Ultramontanismus. Seine Lchrbücher über 
Philoſophie und Gefchichte, die er für den Dauphin 
jchrieb, werben nod) heute in Frankreich gebraudit. 
Den größten Ruhm bat er fid) als Kanzelredner 


erworben, an rhetoriicher Kunft ift er faum über: | y 


troffen (Discours funebres). Seine fämmtlichen 
Werke, 46 Bbe., find von Cardinal Baufjet heraus: 
gegeben 1819. 

Boftra. Stabt in Arabien, wo Beryllus Biſchof 
war und 244 durch eine Synode überführt wurde. 

Bouhourd, Dominique. Ein Jeſuit zu Paris, 
* das Neue Teſtament ins Franzöſiſche. 

1702. 

Bourdaloue, Ludwig. Geb. 1632 zu Bourges. 
Ein berühmter Prediger des Jeſuitenordens, durch 
feine dialektiſche, fpigfindige Beweisführung her: 
vorragend, der aud) zu Gontroveräprebigten gegen 
bie Reformirten benugt wurde. + 1704. © e 


106 


Brandenburg 
Bonrignon, Antoinette. Geb. 1616 zu Lille. 
Die Tochter eined Kaufmanns, häßlich aber geift- 


reich, gab fie fih_ früh phantaſtiſch- religtöfer 
Schwärmerei hin. Einer Heirath zu entgehen, floh 
fie aus dem elterlichen Haufe 1636 und 1640 und 
führte eine Zeitlang ein asketiſches Leben mit eini« 

en Genofjen. Später war fie Borfteherin eines 
Spitals zu Lille; aber von einem Hange zum 
abentenerlihen Leben Hingerifien, begab fie fich 
1667 nad Amjterbam, mo * Offenbarungen 
und Teufelsbeſchwörungen Aufſehen erregten. Von 
dort vertrieben, nahm ſie ihren Sitz auf einer 
(Hallig:) Inſel Nordſtrand, ſpäter in Huſum, wo 
eine eigene Preſſe der Verbreitung ihrer Schriften 
biente. 1676 war fie in Hamburg, 1677 in Oſt⸗ 
friesland, + 1680 ın Franeler. Ihre Schriften, 
mit hinreißender Beredfamteit verfaßt, enthalten 
einen myftiihen Chiliasmus. Gejammelt find fie 
von dem reformirten Theologen Poiret, Amſter⸗ 
dam 1679, 21 Bbe. 

Bouthillier de Nanck, Armand Sean le. Der 
Stifter des Trappiftenordens (j. d. A.). 

Bower, Archibald. Geb. 1686 zu Dunden in 
Schottland. Mitglied der Gejellihaft Jeſu und 
Rath der Inquifition, floh er 1726 aus Italien 
nad England und trat zur anglicanijchen Kirche 
über. Literariſch war erjehrthätig. Seine Geſchichte 
der Päpfte hatte er ald Katholil begonnen. Da er 
in feinen jpäteren Jahren mit den Jejuiten wieder 
in Verbindung ftand, jo wurde die Aufrichtigkeit 
feines Wejens vielfady angezweifelt. 

Boyle, Robert. Geb. 1627 zu Lisborn in Jr: 
land. Er veranlafte —— und Verbreitung 
der Bibel, namentlich des N. T., in verſchiedenen 
Spraden, war Borfteher der 1647 geftifteten Ge: 
feufchaft zur Verbreitung des Chriftenthums und 
verwandte einen Theil jeines Vermögens zu einer 
Stiftung von Predigten gegen den Unglauben, 
Boyle'ſche Stiftung. 

ozra. Eine feſte Stadt in Edom, Jer.49,18.22; 
Jeſ. 34, 6; 63, 1; 1. Moſ. 86, 88; lag auf einem 
Berge ; das >. Dorf Bozaireh. Es ift nicht zu 
verwechſeln mit dem jpätern Boftra, welches in 
einer Ebene in Hauran lag. 

Bradwardina, Thomas von. Doctor profun- 
dus. Geb. 1290 zu Hartfield in Suffolf. Ein ge: 
lehrter Mathematifer und Theologe, wurde Kanzler 
der Kathedrale in London, Beichtvater Eduards III., 
ben er auf feinen Feldzügen begleitete, ſtarb 1349 
als erwählter Erzbiihof von Canterbury. Erft 
1618 ift fein theologijches Wert De causa Dei ge: 
brudt, in welchem er gegen ven PBelagianismus die 
auguftinifche Lehre von der Prädeſtination verihet: 

igte. 


Brahma ift die höchſte religiöje Idee ber Be: 
mwohner Indiens. Als Höchftes Weſen bildet 3. 
mit Viſchnu und Giva eine Art Trinität (Tri: 
murti). Die Brahmanen find feine Priefter und 
ftellen die höchfte Kaſte im indiichen Staatsfyfteme 
dar. Bol. barüber d. A. Indien. 

Brainerd, David. + 1747. Der Mifftionar der 
Indianer zu Neu⸗Jerſey. 

Brand ober Brant, Sebaftian. Geb. zu Straf: 
burg 1457, Syndicus bafelbft 15053, + 1521, ift 
der Berfafler des Narrenidiffs, in dem er ſatyriſch 
die Sünde und die Thorheit feiner Zeit ſchildert. 
Das Bud ward jo berühmt, daß Geiler e8 feinen 


herausgegeben v. Bretonneau, 14 Bde., Baris 1707. | Predigten ald Tert zu Grunde legte. 


Bourged. S. Pragmatiſche Sanction. 


Brandenburg. Die Beſiegung der wendiſchen 


Brandopfer 


Ureinwohner und bie Einführung bed Chriften- 
thums ging au bier Hand in Hand. Wie die 
Grafen zur Beſchutzung der Marten eingejegt wur: 
den, fo ftiftete Dtto I. die Biäthümer Havelberg 
46 und Brandenburg 948, aber erſt Albrecht der 
Bär, 1123— 1170, gründete das Chriſtenthum 
feiter, welches bls dahin noch immer mit dem 
heidenthum zu fämpfen gehabt hatte. Niemals 
aber gelangte die Kirche hier zu ſolcher Macht der 
serrichaft, wie im Welten und Süden des deut: 
Reiches. Waldenſiſche und huſſitiſche Anſich— 

ten fanden leichten Eingang und wurden lange 
teftgebalten. So verbreiteten ſich auch Luthers 
Sgriften und Meinungen raſch durd die Mart; 
aber Kurfürjt Joachim hielt zeitlebens jede refor: 
matorifhe Bewegung mit Strenge nieder, wie in 
Stendal 1530, wo e8 bis zur reformatorifchen Em: 
porung fam. Zwar forderte auch er eine Nefor: 
mation der wg aber nur durch Papſt und Con: 
alim. Seinen Zorn gegen Luther übertrug er auf 
alle feine Anhänger, und feine Heftigfeit verfchul: 
iete viel an dem Ausgang des Reichstags von 
1590. Dennoch fonnte er bie Verbreitung der 
reformatoriſchen Anfichten weder im Lande noch 
im eigenen Hauſe hindern. Bon feinen beiden 
Söhnen, unter welde das Land nad) feinem Tode 
getheilt wurde, trat Markgraf Johann glei nad) 
dm Regierungdantritt der Yngeburgifhen Eon: 
keffion und dem Schmaltaldifchen Bündniffe bei, 
lie aus Sachſen und Ansbach evangelifche Pre: 
diger lommen, erlaubte 1536 in Kottbus evange: 
liſchen Gottesdienft und brachte durch die Küftriner 
Abendmahläfeier 1538 die Neformation im ganzen 
Sande zur Geltung. Behutfamer verfuhr der Kur: 
fürft Joachim II., ist von dem Biſchof von 
Brandenburg, Matthiad von Jagow. Das Verbot 
der eigen Bibelüberfegung wurde aufgeho: 
ben, die Klöfter allmählich eingezogen, evangelifche 
Prediger berufen, aber überall die tatholifchen For: 
men bes Gottesdienftes möglichſt geſchont, erit 
1539 am Alerbeiligentage Teierte ber Kurfünit 
mit feinem Hofe das heilige Abendmahl in evan: 
licher Weife. Auf Grund der —— 


trat Kurfürſt Sigismund zu ihnen 
über durch die Confessio marchica. Die katholiſche 
Kirde etloſch in der Mark faft völlig. Die Neuzeit 
in Berlin und andern Städten große fatholi: 
Gemeinden entftehen jehen, welde zur Diöceje 
Breslau gehören. 

Brandopfer war das allgemeinfte Opfer der 
Fraeliten, ohne Beziehung auf beftimmte Verſchul⸗ 
dungen, mit allgemeinen Zwede, die göttliche 
Gnade zu gewinnen, es wurde täglid) Morgens 
und Abends (4. Mof. 28, 3), auferdem bejonders 
an Sabbathen, Feiten und den erſten Monatätagen 
bergebracht, 4. Mof. 28, 10; 3. Mof. 23, 37; 
4. Mof. 28, 11; auch in Verbindung mit Dank: 
opfern, 2. Mof. 24, 5; Jof. 8, 31; Richt. 20, 26; 
1. Sam. 10,8, und Sühnopfern, 3. Moj. 5, 7; 
8, 14. 18; 16, 3. Es beftand aus einem oder 
mehreren männlihen Thieren (das tägliche Opfer 


war je ein jähriges Lamm) ber Heerde, oder bei hagens Kirchenordnung von 1528. Eriter eva 
Armen auß Tauben. 4. Mof. 15. Rach der Hand: | 


107 


Braunſchweig 


auflegung wurde das Opferthier am Altar ge⸗ 
ſchlachtet und das Blut an denſelben geſprengt, 
das Fleiſch zerſtückt und Alles auf dem Altar ver: 
brannt. Bgl. 3. Mof. 1, 6 ff. In fpäterer Zeit 
durften auch Heiden, 5. B. die Kaiſer, im Borhofe 
der Heiden ein Branbopfer für fid) darbringen 


en. 
Dash: Der Branbopferaltar ber 
Stiftshütte wird beſchrieben 2. Mof. 27, 1°ff.; 
38, 1 ffj., er war hohl und wurde mit Erbe gefüllt, 
da er transportabel fein mußte. Größer war der 
aus Erz gefertigte Altar des ſalomoniſchen Tem: 
pels, 2. Chr. 4,1, 7,7. Aſſa erneute ihn, 2, Chr. 
15, 8, Ahas entfernte ihn, 2. Kön. 16, 14; Mas 
naſſe ftellte ihn wieder her, 2. Chr. 33, 16; wahr: 
ſcheinlich vorher auch ſchon Hislia. Bei der Nüd:- 
fehr aus der Gefangenſchaft wurbe ber Brand: 
opferaltar jofort, nod vor Erbauung des Tempels, 
aufgerichtet, Esra 3, 2.6. Antiohus Epiphanes 
entweihte ihn, 1.Malf.1,62; 4, 44, deshalb wurde 
ein neuer gebaut, 1. Malt. 4, 45. 47. Bei der He: 
novirung des Tempels burch Herodes muß aud 
ein neuer Altar erbaut jein, der aber im Neuen 
Teftament nicht beſchrieben wird. Er fol einen 
Opferherd von 24 Eileen Quadrat gehabt haben, 
um welden der Umgang für den Priejter eine Elle 
breit ging. Das Feuer auf dem Altar follte ununs 
terbrochen brennen, 3. Moj. 6,12, nachdem e8 durch 
Feuer von Himmel —— war, 3. Moſ.9, 24; 


vgl. 2. Chr. 7, 1. Die Sage, wie daſſelbe bewahrt 
mworben, findet fi 2. Matt. 1,19; 2,1. 
Brafilien. Die latholiſche Kirche hat in Bra: 


filien denjelben äußerlichen, paganiſtiſchen Charat: 
ter wie in ganz Südamerila, eine Frucht der 
Jefuitenmiffion. Die frühere Macht der Kirche ift 
vom Staate befchräntt. Unter dem Erzbisthum 
Bahia ftehen 7 Bisthümer, die Zahl der Klöſter ift 
auf 20 rebucirt, und zu ber Aufnahme in einen 
Orden bedarf es jedeömal einer kaiferlichen Erlaub: 
niß. Die Beſoldung der Geiftlichen ift gering, fie 
find noch auf die Zehnten angemwiefen. Ebenſo ge: 
ring ift aber ihre theologijhye Bildung. Der Bro: 
teftantismus ijt verhaft. Eine evangeliiche Ehe 
lonnte ein braſilianiſcher Bischof als gar nicht vor: 
handen behandeln. Evangeliihe Gemeinden giebt 
es jet unter dem Schuge des preußiichen Ober: 
firchenrath3 in Rio Janeiro und mehrere neu ge: 
ftiftete unter den deutſchen Einwanderern der Pro: 
vinz Santa Catharina. 

aun, J. W. 5. Dr. und Prof. der katho— 
lifchen —— zu Bonn ſeit 1829. Weil er Her: 
mejianer, verhinderte der Erzbifchof von Köln feine 
Ausgabe von Muratori De ingeniorum etc. und 
entzog ihm 1843 das Recht der Vorlefungen, worauf 
er # bis zu feinem Tode vorzugsweiſe archäolo⸗ 
gifhen Forſchungen hingab. 

Braunſchweig. Das in der Zeit des Vonifacius 
in bieje Gegend verpflanzte Chriſtenthum murde 
durch die Errichtung ber Bisthümer Hildesheim 818 
und Halberjtadt 853 und vieler bedeutender Klö⸗ 
fter, Neu⸗Corbie erg 822, Ganderäheim 806, 
und anderer befeftigt. Die Reformation fand zu: 
erjt Eingang in die Stadt Braunfchweig, deren 
Verhältniſſe günftig lagen, weil fie nicht nur ihre 
ftäbtiiche Unabhängigkeit behauptete, ſondern aud) 
von ber biihöflichen Gewalt erempt war. Der Nath 
jelbft leitete die Kirchenverbefjerung durch Bugen⸗ 
eli⸗ 
ſcher Prediger war G. Lampe 1526. Im Herz m 


Braut 


mar unter bem dergog Heinrich, 1514— 1568, 
bem erbitterten Gegner Yuthers, nur die Zeit von 
1542—1547 der Reformation günftig, als Heſſen 
und Sachſen das Land bejegt hielten. Herzog Ju: 
lius dagegen erließ 1569 die Kirchenordnnung, durch 
Martin —— und Joh. Andrei u. U. verfaßt; 
er verwandelte die Klöjter in Bildungsanftalten 
und ftiftete 1576 die Univerfität Helmftäbt; durch 
bad Corpus Julium 1573, feinen Theologen Mar: 
tin Chemnig und den Generalfuperintendenten 
Sceder machte er das Herzogthum eine Zeitlang 
zur Burg bes reinen Lutherthums, obwohl er bie 
von ihm zuerft begünftigte Concordienformel nicht 
einführte. Der Uebertritt des Herzogs Anton Ul: 
rich zur Fatholifchen Kirche 1710 brachte den Evans 
gelifchen nit nur feine Nachtheile den Katholiken 
gegenüber, ſondern jogar eine erneute Kirchenord: 
nung mit einer ftrengen Verpflichtungsformel der 
Geiftlihen auf die ſymboliſchen Bücher und eine 
größere Beſchränkung der Katholifen und Ueber: 
wachung derjelben durch die evangeliichen Geift: 
lihen. Die evangelifche Kirche wird verwaltet durch 
das Eonfiftorium zu Wolfenbüttel, unter welchem 
6 Generalfuperintendenten und 29 Guperinten: 
denten ben 35 einzelnen Diöcefen vorftehen. Der 
Landeskirche eigenthümlich ift die Beftimmung, daß 
bie Confirmanden von dem Superintenbenten ger 
prüft werden. Die wenigen reformirten Gemein: 
den bilden eine Conföderation mit den Gemeinden 
in Hannover. Der unlösliche Gegenfag der Glau- 
bensftellung ber Gemeinde Braunſchweig zu der 
orthodoren Lehrauffaffung des Paftor Geibel 1835 

ab Beranlafjung zur Entfernung deſſelben aus 
einem Amte mit Belaffung feines Gehaltes. Ein 
bemerfensmwerther Vorgang, wie Conflicte dieſer 
Art zu löſen find. 

Braut. ©. Ehe. 

Brauteramen. Nach katholiſchen lirchengeſetz 
ai Beftimmungen foll vor der Eheſchließung der 
Pfarrer fich nicht nur überzeugen, ob fein fanoni: 
ſches Hinderniß vorhanden, fondern auch, ob die 
Brautleute eine genügende Kenntniß der Neligions: 
wahrheiten bejigen, um demnächſt ihre Kinder 
darin unterweiſen zu fönnen. In der evangelifchen 
Kirche ift in Heflen 1657 und 1854 und in Schme: 
den eine Prüfung der Brautleute im Katechismus 
vorgeichrieben. 

Brautführer, paranymphus. Durd) die Volta: 
fitte auch in die firchliche eingeführt, ift der Braut: 
führer der Ehrenwädhter der Braut und der Zeuge 
der Freiwilligkeit ihrer Zuftimmung. Der Braut: 
führer tritt, wie der Taufpathe, in eine geiftliche 
Verwandtichaft mit den Brautleuten. Da die Nonne 
bei der Einfleidung ald Braut Chrifti gilt, fo Heißt 
auch die Matrone, die fie zu dem Acte und den 
einzelnen Handlungen deffelben begleitet und Hin: 
führt, Brautführerin, Paranymphe. 

— In der griediichen Kirche ift die 
Krönung der Braut mit dem Kranze ein wejent- 
licher Ritus bei der Trauung einer Jungfrau. In 
der abendländifchen Kirche ift der Brautkranz nur 
ein Schmud, den jedoch Häufig Kirchen: und Staats⸗ 
gejete der unkeuſchen Braut verfagen. 

Brautring. Der Gebrauch des Ringes ala 
Beichen der Verlobung ift von den Römern liber: 
tommen. In der sriechthhen Kirche, wo ein golbe: 
ner und ein filberner Ring angewandt wird, wie 


in ber römischen, wo beide gleich find, werben bie 


108 


Breitinger 


gemwechfelt. In der proteftantifchen Kirche befteht 
größtentheils die Sitte fort. 

Bredling, Friedrich. Ein vielverfolgter Myſtiker. 
Geb. zu Handevith in Schleömwig 1629, ftubirte in 
Deutichland Theologie und lad in Hamburg die 
Schriften der Myititer, 1656 — 1657; vicarirte 
bann für ben Generaljuperintendenten Klotz und 
war freiwilliger däniſcher Felbprediger. 1659 in 
jeiner Baterjtadt Paſtor, fjchrieb er gegen bas 
ſchlechte Leben der Geiftlichen. We —2 Schrift 
ſuspendirt und eingeſperrt, entfloh er. In Zwoll 
1660 angeſtellt, verkehrte er mit ben Separati 
und Myitilern, die damals in Holland eine Zu- 
flucht fuchten, und da er feine mit ihnen überein: 
ftimmenden chiliaſtiſchen Anſichten veröffentlichte, 
auch fortfuhr das ungeiftlihe Leben der Pfarrer 
zu rügen, fo ward er abermals entſetzt, m jei- 
nen Aufenthalt in Hamburg und lebte ala ec⸗ 
tor und Schriftſteller, aus von Unterftügungen 
feiner Gönner, + 1711. Seine Schriften Enb ohne 
bleibenden Werth. 

Breithaupt, Joahim Juſtus. Bietiftifch gefinn: 
ter Theologe in Halle. Geb. 1658 zu Nordheim in 
Braunihweig. Nach Beendigung der Studien zu 
Helmftädt ward er Eonrector der Schule zu Wol: 
fenbüttel 1680 und begab fich bei Auflöjung Der 
Schule im folgenden Jahre zu Kortholt nach Kiel, 
wo er an ber Facultät fich habilitirte und nad 
einem Aufenthalt bei Spener ald Profeſſor der 
Homiletif angeftellt wurde. In Spenerjcher Weife, 
durch Predigt, Hatechifationen, private Erbauung: 
ftunden, wirkte er für lebendiges Chriſtenthum ſeit 
1685 als Hofprediger und Eonfiftorialvath in Mei: 
ningen, 1687 als Pfarrer und Senior zu Erfurt 
und als Profeſſor der evangelifchen Farultät. Den 
Anfeindungen der Gegner wid) er 1691 bu 
nahme eines Rufes nach Halle, wo er mit jeinen 
Gefinnungsgenofjen Anton und Frande ſich — 
ſammenfand und in Einem Geiſte mit ihnen wirkte. 
Neben der theologiſchen Profeſſur verwaltete er 
feit 1705 das Amt des Generalſuperintendenten 
des Herzogthums ragen 1714 wurbe er Mit: 

lied des Conſiſtoriums zu Magdeburg. Er ward 
Bros des Klofterd und Pädagogiums gu U. 2. 

rauen zuMagdeburg, 1715 Abt zu Klofter Bergen, 
+ 1732. Sn feinen theologischen Schriften fucht er 
ftetö die Glaubendlehren auf das Leben anzumen: 
den und praftijch fruchtbar zu maden. Bal. In- 
stitutiones theologicae 1694, 2 Bde. Er ift auch 
Berfafjer von Kirchenliedern: Poemata miscel- 
lanea, 1720. 

Breitinger, gohann Jakob. Geb. in Zürich am 
19. April 1575. Rad Vollendung feiner Studien 
ward er Pfarrer zu Zumilon 1597, dann zu Albis⸗ 
rieden; daneben Lehrer an ber Lateinſchule und 
1605 Profeſſor der Lpgif am Gymnaſium zu Zü⸗ 
ri. 1609 als Pfarrprediger am Großmüniter er⸗ 
nannt, erwarb feine hingebende Treue während der 
Peſtzeit 1611 ihm die allgemeinfte Anerkennung, 
die fih in der Wahl zum Pfarrer an St. Peter 
1612 und 1613 zum Pfarrer am Großmünfter und 
damit zum Borfteher der zürcheriſchen Kirche aus: 
ſprach. Indem er vollen Gebrauch madte von 
dem Rechte feines Amtes, auch die mit Gottes Wort 
ftreitenden Mißbräuche der Obrigleit zu rügen, 
wirkte er, wie einft Zwingli, gegen die fremden 
Bündniſſe und die Beitechlichkeit der Rathäherren; 
und drang nicht ohne Erfolg auf Hebung der öffent: 


Ringe bei der Trauung vom Priefter gejegnet und | lichen Sittlichfeit im Geifte reformirter Kirchenzucht 


Bremen 


Für den weitern Kreis der Kirche ift er beſonders 
durch ſeine Theilnahme an ber Dordrechter Synode 
son Bedeutung geworben, auf ber er, ein ausge⸗ 
ipochener Gegner der Remonftranten, an dem 
dogmatiſchen Bermwerfungsurtheil ihrer Lehre den 
mtihiedeniten Antheil nahm, aber als Ausländer 
des weitern Urtheilö gegen fie, als der Obrigfeit 
Ungehorjame, fich enthtelt. ftarb 1645. 

Bremen. Das Bistum Bremen wurde von 
Karl dem Gr. 788 geftiftet und fpäter, nad) der 
Jerftörung Hamburgs, unter Ansgar mit Ham: 
burg zu einem Erzbistfum vereinigt, wodurch 
manhe Streitigkeiten mit Köln entjtanden,, dem 
Bremen bisher unterworfen gewejen war. Als im 
11. Jahrhundert der Sit des Erzbifchofs nad) Bre- 
men verlegt war, fuchte Adalbert (}. d. U.), mit 
vrübergehenbem Erfolg, ein —— Patri⸗ 
ardat des Nordens in Bremen zu begründen. Die 
Kformation fand ihren Eingang zur Zeit des 
Ebiſchofs Ehriftoph von Braunfchweig, und es 
Im ihr als günftiger Umftand entgegen, daß ber- 
kibe, im Streit mit Rath und Bürgerfchaft, feinen 
Sig in das Stift Verden hatte verlegen müſſen. 
So konnte Heinrich v. Zütphen ſich nach feiner 
ertten Predigt (10. Nov. 1522) zmei Jahre als 

iger der Ansgarifirche behaupten, und ald er 
1524 nah Dittmarjchen berufen murbe, waren 
son an feine Stelle ala Prediger der Reformation 
Johann Tiemann und Jalob Probit getreten, fo 
dab ſchon 1526 in vier Pfarrlicchen evangelifcher 
otteödienft eingeführt war. Der Streit mit dem 
Erbifhof wegen der gewaltjamen Neformirung 
des Doms 1532 wurde durch den Vergleich 1534 
deendigt, der der Stadt die Freiheit des evange: 
den Glaubensbelenntniffes ficherte, welches dann 
durch die ftreng lutherifche Kirchenorbnung von 
1534 befeftigt wurde. Der Harbenbergfche Streit 
(.d. 9), 1555—1568, diente auch hier nur dazu, 
das Gegentheil von dem herbeizuführen, was die 
Ciferer erftrebt hatten, die melanchthoniſche Rich⸗ 
tung erhielt in Bremen das Uebergewicht. Die An: 
nahme der Concordienformel wurde 1580 vermwei: 
gert, und 1618 nehmen Bremer Deputirte an ber 
Derdrechter Synode Antheil. Der Dom blieb je: 
dech lutheriſch und auch die Übrigen reformirten 
Rirhfpiele führten die reformirte Kirchenverfaflung 
möt dur. Die Bremer Kirche hat unter ihren 
Fredigern immer viele gehabt, deren Namen weit: 
bin einen quten Klang hatten: Untereyk, + 1693; 
——— 1680; Zampe, + 1729; Menten, +1831; 
Dräfede, + 1832; Arummacher, + 1845; Mallet, 
71865. Auch der Kampf der or Richtung 
mit einer freifinnigen ift mehrmals bort zum Aus: 
brud; gelommen, do bei ber —— Naͤgels und 
in dem Krummacher-Paniel'ſchen Strrite. Eine 
Vefonderheit des bremiſchen Kirchenweſens befteht 
darin, daß, obgleich die Union nicht eingeführt iſt, 
einige Gemeinden combinirt reformirt und lutheriich 
und mit jeeinem Pfarrer der beiden Confeffionen be: 
Iept fin, — aß bie Localbegrenzung der Ra: 
tohien aufgehoben und die —— zu Perſonal⸗ 
gemeinden geworben find. Vgl. Walte, Ztichr. für 
bift. Theologie, 1864, I. 

Brenz, zen Geb. zu Weil in Schwaben 
1499. Der Reformator Süddeutſchlands. Studirte 
zu Weg 1514 Baccalaureus, 1520 Kanoni— 
tus. Durch Luthers Auftreten in Heidelberg 1518 
gasnen, lehrte erinev. Sinne; einer eingeleiteten 

nierfuchung entzog ihn ber Ruf nach Schwäbiſch 


109 


Bretfchneider 


Hall 1522. Hier führte er allmäpli 
mation ein, las yo noch die Mefje 1528, 
aber 1525 wird das Abenbmahl unter beiberlei 
Geftalt gefeiert, 1526 erfcheint feine Kirchenord⸗ 
—* und 1527 ſein Heiner Katechismus. Allein 
erft die Viſitation von 1543, der er als Superin⸗ 
tendent beiwohnte, entfernte die legten Nefte des 
römischen Kirchenwefens, wodurch feine zweite 
Kirhenordnung 1543 ins Leben trat. In dem 
Abendmahläftreit mit den Schweigern ftand Brenz 
entſchieden auf der Seite Luthers, er betheiligte 
fih an der erg | deö Syngramma Suevicum 
1525, wie an den Geſprächen zu Bern 1528 und 
Marburg 1529, ſprach ſich 1530 gegen die Ber: 
einigung mit den Smwinglianern aus und fchrieb 
nod in jpätern Jahren gegen diejelben zur Ber: 
theidigung feiner Ubiquitätslchre (f. Bullinger). 
uswärts thätig für die Ordnung des Kirchen: 
weſens war Brenz in Nürnberg, wo er mit Ofian- 
der 1533 die Brandenburgifche Kirchenordnung 
revibirte, und in Würtemberg, wohin ihn Herzog 
Ulrich 1535 berief, um unter Schnepf die Kirchen: 
ordnung feftzuftellen und 1537 die Univerfttät 
Tübingen zu reformiren. Als Karl V. 1546 nach 
Hall fam, mußte Brenz flüchten, und wiederum 
nad) Einführung des Interims, gegen welches er 
2 ſtark ausgeſprochen hatte. Unter vielen Ge: 
ahren durch Herzog Ulrich verborgen, in Bajel, 
Stuttgart und der Burg Hornberg, wurde er von 
Ser3og Ehriftoph zu ben Berathungen wegen des 
ridentiner Concils berufen 1550 und machte 
felbft 1551 als Gefandter eine vergebliche Reife 
dahin; 1553 zum Probft an der Stiftälirche in 
Stuttgart berufen, verfaßte er die große Kirchen: 
ordnung von 1559 und ließ feinen großen Ka— 
tehismus erfcheinen. Aufer den Belenntniß: und 
ie en gab Brenz mehrere exegetifche und 
erbaulide Schriften heraus; die projectirte Ge: 
jammtausgabe feiner Werte 1576 ift unvollendet 
eblieben. Er ftarb 1569. Vgl. Hartmann und 
— Brenz, nach gedrugften und ungedruckten 

uellen, 1840. Hartmann, Lienz (in den „Väter 
d. luth. 8.” 6 Th.). 

Breslau. Seit 1052 Viſchofsſitz für Schlefien, 
früher in Pitſchen. Das Bisthum ftand unter dem 
Erzbistfum Gneſen, wurde aber wegen feines 
Reichthums * das goldene genannt) und ſei— 
ner weltlihen Macht 1245 unmittelbar unter die 
DOberhoheit des Bapjtes gejtellt. Wie im Politiichen, 
fo ift aud) im Kirchlichen feine Geſchichte mit der 
böhmifchen verbunden. In den Huffitenfriegen 
wurde das Bisthum ſchwer chen na der Bi: 


bie Refor: 


hof feldft mußte flüchten. Schlefien nahm Theil 
an den Nechten bes Majeftätäbriefes. Die Refor: 
mation fand in Breslau früh Eingang. Es wirt: 
ten hier u. A. Dfiander und Urfinus eine Zeitlang. 
Die freie Stellung der Stabt verhinderte den voll: 
ftändigen Sieg der Gegenreformation. In neuefter 
* it Breslau der Hauptort der altlutherifchen 

irhe und Sig ihres Oberconfiftoriums gewor: 
den. Die Univerfität hat eine fatholifche und evan⸗ 
gelüiche theologi * Facultãt. — Die Diöceſe des 
Fürſtbiſchofs umfaßt Schlefien, Pommern, Bran: 
denburg; die öſterreichiſchen Bezirke find durch ben 
Frieden von 1865 davon getrenht. , 

Bretigneider, Karl Gottlieb. Bekannter ratio: 
naliftifcher Theologe. Geb. am 11. Febr. 1776 zu 
Gersdorf. Studirte nah dem Wunſche feines früh 
verftorbenen Vaters Theologie zu Leipzig,beichäftigte 


Breve 


fi) aber in den Candidatenjahren mit belletriftis 
ſchen Studien, da er den innern Zwiejpalt mit der 
firhlihen Orthodorie nicht überwinden konnte. 
Gr beſchloß nad) abgelegtem Examen ſich der alade⸗ 
miſchen Laufbahn zu wibmen und eröffnete feine 
philoſophiſchen und theologischen Vorlefungen 1804 
zu Wittenberg. 1807 jedoch als Oberpfarrer in 
Schneeberg, 1808 als Superintendent in Anna: 
berg gewählt, folgte er dem Rufe, ſowie er auch 
1816 die Generaljuperintendentur in Gotha über: 
nahm, die er bis an feinen Tod (22. Jan. 1848) 
verwaltete. B. vertritt den rationalen Suprana: 
turalismus. Seine zahlreihen Schriften find theils 
dogmatiſchen Inhalts, wie: Syftematiihe Ent: 
widlung aller in der Dogmatit vorflommenden 
Begriffe u. j. m., 4. Aufl. 1838; Handbuch der 
Dogmatif der ev.luth. Kirche 1838; theild philo: 
—— fritifche, wie fein MWörterbuh über das 
Neue Teftament (3. Aufl. 1840), das Wörter: 
buch über die Apofryphen und die LXX (1805) 
und fonftige Arbeiten über die Apofryphen, dann 
feine Probabilia de evangelii et epistolarum 
Joannis Ap. indole et origine etc. 1820, worin 
8. den erjten bedeutenden Verſuch macht, bie 
Echtheit des Evangeliums und der Briefe Jo— 
ie zu bezweifeln. Auch feine populär:literari: 
che Thätigleit, ebenfo ſehr gegen lirchliche Engher: 
doleit wie gegen Unkirchlichleit gerichtet, ift von 

edeutung. Cr ift Verfafler einer populären reli: 
giöfen Glaubenälehre (3. Aufl. 1846), ftreitet in 
zahlreihen Schriften gegen Pietiften, für das Recht 
des Rationaliömus gegen Symbolzwang, zum 
ak der Deutihlatholifen, für die Union der 
Confeffionen. Einige religiöfe Romane: Heinrich 
und Antonio, der Freiherr von Sandau, Elemen: 
tine, verfolgen das gleiche Ziel. Vgl. feine Selbit: 
biographie: „Aus meinem Leben.“ Dal. über ihn 
Aug. Kirchenztg. 1848, deren Nebaction er eine 
Beitlang bejorgte. 

Breve heißt jeder ber vollen folennen Form ber 
Bulle (j. d. A.) entbehrender päpftlicher Erlaß. 
Die Breven werben geichrieben in moderner Schrift 
auf weißem Papier und a nie verfiegelt mit 
bem Fiſcherring und dem Namen und ber Orb: 
nungszahl des Bapftes: und tragen dann die Be: 
zeichnung sub annulo piscatorio (f. d. A.). Offen 
ergehen die Breven, welche zur allgemeinen Kennt: 
J oder für Juden beſtimmt ſind. Ausgefertigt 
werden ſie im Secretariat oder der Dataria und 
unterzeichnet vom Secretär der Breven. 

Brevier, Breviarium heißt die Sammlung der 
Gebete, weldye an den 7 kanoniſchen Stunden des 
Tages von den dazu Berpflichteten gebetet werden 
müjjen. Es zerfällt nad) den vier Jahreszeiten in 
vier Theile, und jeder Theil hat 4 Abtheilungen: 
Pialterium, proprium de tempore, proprium 
de sanctis, commune sanctorum, und Anhänge. 
Der Stoff ift genommen aus den Pjalmen, Bibel: 
abſchnitten und Lebensbejchreibungen der Hei: 
ligen. Die Anfänge des Breviers werben auf 
Gregor. (+ 604) und fein Antiphonarium zurüdae: 
führt; Gregor VII. jchrieb eine Zufammenftellung 
vor, die öfter überarbeitet durch Pius V. 1568 in der 
gegenwärtigen Form fejtgeftellt und allgemein ein: 
geführt ift. Auch die griechiſche Kirche hat als Bre: 
vier ein Horologium;, die evangelifche Kirche aber 
lann ihren Geiftlihen Fein Brevierlejen vorſchrei— 
ben, fie jegt bei ihnen tägliche Schriftbetradgtung 
voraus, 


110 


Brocarda 


Bricenarl, Milhelm. Biſchof von Meaur. Iſt 
in der Rejormationsgeihichte Franlreihs dadurch 
befannt, daß er an feinem Hofe Farel, Rouffel, Le: 
fevre u. A eine Zufluchtsftätte gewährte und ihnen 
das Predigen und die Verbreitung der reforma: 
torischen Ideen geftattete, bis er jelbjt in den Ver: 
dacht der Ketzerei gerieth, deshalb feit 1523 ſich 
egen Luther ausſprach und die Verbindung mit 
einen frühern Freunden löfte. Seine myitifche 
Theologie half ihm über den Widerjprud hinweg, 
das Evangelium zu wollen und die römische Kirche 
nicht anzutaften. 

Brigham⸗-Young. Eeit 1844 der Seher, Offen: 
barer und Präfident der Mormonen; früher ein 
Zimmermann, feit 1850 auch Gouverneur von 
Utah fi d. A. Mormonen). 

Brigitta. Die Heilige. Die Schugpatronin von 
— Trat als 1l4jährige — ſchon ins 

loſter und ftiftete jpäter das Kloſter Kill:Dara, 
von dem viele andere ausgingen. + 523. Ihr Le: 
bein ift mit Wundern überreich ausgeihmüdt, in 
denen ihre Wohlthätigleit verherrliht wird. Da 
fie namentlih um ihre Fürbitte für den Ernbte: 
jegen angerufen wird, und ihr zu Ehren bis 1220 
von den Nonnen ein ewiges Feuer, das Brigitten: 
feuer, unterhalten wurde, an welches ſich jo viel 
——— tnüpfte, daß der Biſchof es exlöſchen 
ließ, ſo vermuthet man nicht ohne Grund, in ihrer 
Verehrung habe ſich der Culius der Göttin Ce— 
ridwen, der celtiſchen Ceres, chriſtianiſirt. 

Brigitta. Die Heilige von Schweden. Geb. 
1302. Berheirathet an einen vornehmen Schwe: 
den, führte fie mit ihrem Manne, als Tertiarier 
ber Franciscaner, ein asletiſches Leben; nad) dei: 
jen Tode legte fie fich die härteften Bühungen auf, 
machte Wallfahrten nah Rom und Jerufalem und 
ftiftete außer iprem Orden mehrere Wobhlthätigfeits- 
Anftalten. Sie ftarb 1373, nachdem fie ihre ver: 
ſchiedenen Gefichte und Offenbarungen bictirt hatte, 
die ihr von Maria und Chriftus geworden fein 
jollten. Troß des Widerſpruchs von Vielen, bat 
das Concil zu Bafel das Buch approbirt, wie man 
jeht erflärt, in dem Sinne, dab fie nichts dem 
Glauben Widerfprechendes enthielten. Brigitta ift 
fanonifirt den 7. Oct. 1391, 

Brigittenorden. Ordo Salvatoris. Chriftus 
jelbft ſoll Brigitta die Safungen ihre Ordens 
offenbart haben, nad) weldem in einem Doppel: 
Hofter 60 Nonnen mit 12 Orbenöpriejtern und 
Diatonen leben unter Leitung einer Webtiffin. 
Troß bes göttlichen Urjprungs Find die Sagungen 
mehrfach modificirt. Der Orden breitete ſich u 
ſächlich im Norden aus. In dem Klofter zu Augs: 
burg war Decolampadius 1522— 1524 Mönd. 

Brill, Jatob. Ein niederländifger Myſtiker, 
r 1700 zu Leyden. Er gab gegen 40 Schriften 
heraus, welche viel gelefen wurden (gefammelt 1705 
in Amjterdant, aud ins Deutſche überjegt). Er 
vertrat die myſtiſche Frömmigkeit, welche bis zur 
Verachtung alles Aeußerlichen, et (Chri: 
tus, Bibel) fortichreitet, und die ausfchliegliche 
Innerlichkeit (Chriftus in uns) als wahrhaft real 
gelten läßt. Die Selbitverleugnung bis zur Selbft: 
auflöfung feines Ichs iſt darnach das Ziel unferer 
Religiofität. 

Brittinianer, Cine Congregation der Augufti: 
ner:Eremiten zu Brittini in der Marl Ancona, von 
Gregor IX. beftätigt. 

rda heißen kurze, allgemeine Rechtsſätze, 


Brod bei den Hebräern 


melhe von den Gloffatoren ber Rechtäblicher aus 
den bejprochenen Stellen abjtrahirt und an ben 
Rand gejchrieben wurden. Die Herleitung des Wor: 
te8 liegt im Dunfeln. 

Brod bei den Hebräern. ©. Baden. 

Brodbrechen im Abenpmahl. Mit Ausnahme 
der Lutheraner brechen alle Eonfeffionen das Brob 
kim Abendmahl und zwar vor der Gonfecration. 
Die vömische Kirche bricht die Hoftie in drei Theile, 
son denen der Heinjte in ben Kelch gethan wird, 
um die Einheit des zweigeftaltigen Sarraments 
darzuftellen, die beiden an genießt der Prie: 
ker. Die Griechen theilen das Brod mit der Loncha 
(Lanze) in vier Theile und legen fie kreuzförmig 
jur Darftellung des Tobes. Die reformirte und 
unirte Kirche bricht das Brod nad) dem Vorgang 
der Einjegung behufs der Austheilung. 

Brodverwandlung. ©. Transfubftantiation. 

Bromley, Thomas. Engliſcher Myſtiker. Geb. 
am 1. Febr. 1629 in Worcejter. Ein Mitglied der 
philadeiphifchen Societät (1698—1708) des Por: 
dage in London, verfündigt B. in feinen zahl: 
reichen Schriften die myjtifchen Grundſätze, welche 
in 3. Böhme wurzeln, von dem Umgang mit ber 
himmliihen Jungfrau Sophia (Weisheit), ber 
Enthaltung von der Ehe und von dem vollendeten 
Ehriftentgum. Die chiliaftiihe Erwartung von 
der —— Wiederkunft Chriſti ſpricht fh in 
keinen Gefichten und Dffenbarungen in finnlich 

r Weife aud. Da B. ald Ronconformift 
ine Pfründe, die er in Oxford genof, verloren 
hatte, jo begab er sh zu Pordage nad) London 
und widmete fich lebendlang der Berbreitung ber 
muftiichen Anfichten durch Schriftftellerei und Pre: 
digt nach dem oft betonten Grundjag, daß bie 
Gabe der ‚Prophezeiung nicht auf die Paſtoren be: 
khräntt fei. + 18. April 1691. 

Brouffen, Claude. Hugenottiſcher Märtyrer. 
Seh. zu Nismes. Als Advocat zu Toulouje ließ 
er fi nash der Aufhebung des Edictö von Nantes 
und der Zerfprengung der Hugenottengemeinden 
ın Genf ordiniren, und war als Prediger in der 
Kirche der Wüfte wirkjam, den evangelifchen Glau: 
ben zu erhalten. 1693 wurde auf feinen Kopf ein 
Preis von 10,000 Livres gejegt, und als man ihn 
1698 ergriffen yon ftarb er zu Montpellier, wo 
u erbroffelt auf das Nad geflochten wurde. 

Browne, Browniſten. Robert B. wurde geb. zu 
Rorthampton 1550. Als Prediger der holländiichen 
Viedertäufergemeinde in Norwich, griff er die Ver: 
faffung und Eultusform der anglicaniichen Kirche 
an; wiederholte Beitrafungen mehrten jeinen Eifer 
und verſchafften ihm Anhang. Eine Gemeinde, die 
er in Middelburg auf Zeeland nad) feinen Grund: 
lägen einrichtete, verließ er wieder und fehrte nad) 
England zurüd, wo er feine Agitationen gegen die 
dochlirche und die Preäbyterianer wieder —— 
Er verwirft jede organifirte Kirche: jede Gemeinde 
toll nad) ihm im ſich völlig felbftändig fein und zu 
endern nur in dem Verhältniß brüderlicher Ge: 
meinſchaft ftehen. Seine Umtriebe zogen ihm 1590 
die Ercommunication durch den Bijchof von Peter: 
borough zu, worauf er ſich mit der Staatskirche 
ausföhnte und eine Pfarrei erhielt. Dennoch er: 
regte er von Neuem Unruhe, wurde zum 32. Male 
verhaftet und ftarb im Gefängniß 1626. Seine 
Anhänger murden ebenjo wie er verfolgt und be: 
ri ich meift nad) Holland, wo fie, durch Ro: 

on veformirt, fich ald die Gemeinden der In: 


111 


Brüder, böhmifche oder mährifche 


bepenbenten conftituirten, bie dann auch in England 
Duldung und großen Einfluß erlangten (f. In⸗ 
bependenten). 

Brüder, barmderzige. Johann Ciudad, ge 
1495, faßte nach manden Verirrungen den Ent- 
ihluß, Gott in den Kranken zu dienen. In einem 
gemietheten Haufe eröffnete er mit einigen Freun⸗ 
den 1540 in Granada ein Spital, und —28* eine 
weltliche Verbrüderung zur Krankenpflege. 1572 
gab Pius V. derſelben die Regel Auguſtins. Auf 
dem erſten Generalcapitel 1586 wurden die Con: 
ftitutionen des Ordens entworfen und 1611 beftä« 
Der Orden theilt fi in zwei Zweige, bie 
feine Verbindung unter einander haben. Der 
ipanifche fteht unter dem Generale zu Granada, 
der andere unter dem gu Rom. In Deutichland 
wurde der Orden 1605 eingeführt, fein erites Klo: 
jter war Felsberg in Defterreih. Der Stifter, der 
ben Beinamen Johannes von Gott (Dio) erhielt, 
ift 1600 kanoniſirt. 

Brüder, böhmiſche oder mähriſche (ſ. Huffiten). 
Angeregt durd den utraquiftiichen Erzbiichof No: 
kyczana und unzufrieden mit feiner Halbheit, 
vereinigte deſſen Neffe Gregor um 1450 die ftren: 
gern Galirtiner mit den Ueberreften der Taboriten 
und ber Secte des Peter von Chelczig und bildete 
zu Liticz in Böhmen eine neue Gemeinfchaft mit 
der Tendenz, ein Gemeindeleben nach Chrifti Geift 
in apoftolifcher Einfalt aufzurichten. Von hervor: 
ragender Bedeutung in ihrer Organijation ift ihr 
Pfarrer Michael Bradacz. Unter Berfolgungen 
(die ihnen den Namen Grubenheiner, wegen ihres 
Aufenthaltes in Bergen und Wäldern, einbracdhten), 
die aus der Furcht vor dem Wiederaufleben tabort- 
tifher Empörungen entiprangen und die erfte Ge: 
meinde zerjprengten, breitete ſich die Gemeinſchaft 
in Böhmen und en weiter aus. Dur Sy: 
noden befeftigte fie ihre erfte Organifation, die fih 
conjolidirte, als ſich 1494 eine ftrengere Partei der 
Amofiten ausfchied. Neue Berfolgungen, 1503— 
1516, wurden ſchon gemilbert durch das gemein: 
fame Interefje aller Nichtfatholifden, und volle 
Freiheit gewährte auch den Brüdern der Beſchluß 
der Stände 1524, Allen die Predigt des Evange: 
liums zu geftatten. Die hiermit beginnende Blüthe- 
zeit der Unität wurde nur unterbrochen durd) die 
Berfolgung 1548. Weil fie Ferdinand II. den Zu: 
zug im (ümatatbifchen Kriege verweigert hatte, 
trieb er alle Brüder in die Verbannung. Viele 30: 
gen nad) Polen, noch mehr nad Preußen, wo fie 
gaftlihe Aufnahme fanden, ſpäter aber wieder 
größtentheils abzogen, als man von ihnen die An: 
nahme des Corpus doctrinae Prutenicum ver: 
langte. Um 1570 war faft ganz ze. lutheriſch 
oder unitariſch. Die gemeinſame Confessio Bo- 
hemica von 1575 verband die Unität mit den 
Evangeliſchen, und der Majeſtätsbrief gewährte das 
gemeinſame Conſiſtorium zu Prag. Mit den Evan: 
geliſchen wurde auch die Brüderkirche bis auf einen 
Heinen Reft nad) der Niederlage am weißen Berge 
auögerottet. Nur in Polen hielten ſich die Gemein 
den, welche jeit 1548 ſich dort gebildet und 1570 
den Kg I Sendomir mit eingegangen waren; 
allein ihre Eigenthümlichkeit konnten aud) fie nicht 
länger bewahren, und fe vereinigten ſich 1627 zu 
Dftrog mit den Reformirten. Das Unterjcheidende 
der Brüder liegt nicht in der Lehre. Wieviel das 
von auf walbenfiichen Urfprung zurlidzuführen, ift 
noch mehr ober weniger zweifelhaft. Im Abends 


Brüder des freien Geiftes 


mahl nahmen ſie eine geijtige Gegenwart an und 
traten damit zwifchen Luther und Calvin. Die 
Lehre bildete fi aus in den Verhandlungen mit 
Zutheranern und Reformirten, von 1467—1671 
erſchienen 34 Confeſſionen. Kirchenordnung und 
Kirchenzucht iſt das Weſentliche und Eigenthüm— 
liche. Die Gemeinde iſt nad) dem Stand des chriſt⸗ 
lichen Zebens in drei Klafien, Katechumenen, auf: 
genommene und ftreitende Glieder getheilt; Ael— 
tejte und Nelteftinnen, aus diefen gewählt, üben mit 
ben Geiftlichen die Zucht und verwalten die Ge: 
meinde. Auch das häusliche Leben jteht unter der 
Aufſicht der Kirche. Die Priefter, mit den Dia: 
Imen als Gehülfen und ben Aloluthen, üben die 
Seelforge. Sie bewahrten das Cölibat und follten 
vom Betrieb des Handwerfs leben. An ihrer Spige 
ftanden bie vier Biſchöfe (Senioren), deren erfter, 
Mathias von Kummald, die Weihe durch den Wal: 
denferbijchof Stephan erhalten hatte. Dieje Haben 
mit dem engern Rath die Leitung bed Ganzen und 
fordern Gehorjam ihrer Anordnungen in allen 
Beziehungen. Unterjcheidend im Gultus ift bie 
Wiedertaufe der Uebertretenden und der Erwach⸗ 
jenen an der Stelle unferer Confirmation. Der 
hymnologische Reichthum der böhmischen Brüder: 
unität ift befannt, nicht minder aud ihre fateche: 
tiihe Literatur. Als bedeutend wird gerühmt das 
Kralcezer Bibelwerk in böhmifcher Sprade. Bal. 
Comenii Hist. frat. Boh. 1702. Lochner, Ent: 
ftehung und erjte Schidjale der Brüdergemeinde 
1832. Gindely, Geſchichte der B. 8.1857. Zezſch⸗ 
wig, die Katehismen der Waldenjer und B. B. 
18653. Köppen, Kirchenorbnung und Disciplin ber 
alten h. Brüderfirche 1845. 

Brüder des freien Geiſtes. Aus den Schü: 
lern Amalrichs von Bena hervorgegangen, bie ſich 
nad) feinem Tode zerftreuten, findet ſich die Secte 
im 15. und 14. Jahrhundert in Italien und längs 
bes Rheines; beftändig verfolgt, aber nie auöge: 
rottet. Pantheiſtiſch lehrten fie die Einheit des 
Menſchen mit Gott; fobald der Geift berfelben 
bewußt geworden, ſei er frei und es gebe für ihn 
leine Sünde mehr; die praktiſ unfittlichen 
Folgerungen konnten nicht ausbleiben. Bol. Hahn, 
Studien und Kritifen 1846. Krönlein, Am. v. 
B. und David v. Dinant 1847. 

Brüder, die langen. Bier Mönche der nitrifchen 
Wüfte, ob ihrer Leibeslänge jo genannt, weldye in 
dem antbropomorphitijchen Streite vom Patriar: 
hen Theophilus verfolgt und die Veranlaffung 
wurden, daß Chryjoftomus in den Streit ver: 
widelt ward. 

Brüder Jefu kommen Matth. 12, 46 und an den 
Parallelſt. vor, ebenjo Joh. 2, 12; 7, 3. 5. 10; 
Apftg. 1, 14; Gal. 1,19. Sie werden Matth. 
13, 55 Jakobus, Yojes, Simon, Judas benannt. 
Leibliche Brüder Jeſu anzunehmen, konnte fich die 
fatholiiche*Kirhe aus dogmatiſchen Gründen nicht 
entichließen, die Angabe der Schrift von den Brü: 
dern Jeſu wurde daher fo umgedeutet, daß bar: 
unter Bettern(Gefchwifterkinder) zu verftchen feien, 
nämlich die theilweife gleichnamigen Söhne des 
Alphäus (Matth. 27, 56); man begründete die Ver: 
wandtihaft dadurch, daß man Klopas gleich Al: 
phäus jegte und aus Joh. 19, 25 die Mutter der 
Alphaiden als Schwefter der Maria nachwies. Die 
ganze Aufftellung jcheitert aber daran, daß adeAgpos 
(Brüder) feine Bettern find, und daß biefe „Brü— 
der" faft immer in Berbindung mit ber Mutter 


112 - 


Brüderverein 


Jefu genannt werben, daf bie Söhne Alphäus ber 
reits Apoftel waren, ‚als bie Brüder no nicht 
glaubten (oh. 7,5), und daß ſich aus ber Ber: 
gleihung der Synoptifer mit Joh. 19, 25 ergiebt, 
daß es noch fehr fraglich ift, ob Die Schwefter ber 
Mutter Jeſu Maria gg und die Frau bes 
Alphäus geweſen ift Ri ie Commentare zu Joh. 
19, 25). ©. Maria und Jakobus. 

Brüder vom ——— Leben. Fratres 
communis vitae. Brüder des Geſetzes Chrifti oder 
vom guten Willen. Eine von Gerhard Groot ge 
1340, + 1384) und Florentius Rademin (geb. 1850, 
r 1400) 1376 zu Deventer geftiftete Genoffenfchaft, 
welche in den Niederlanden fich auöbreitete und 
durch die Pflege einer edeln Myſtik, der Wifien- 
ſchaften und des Volksunterrichtes die Reformation 
der Kirche vorbereitete. Das Centrum des Ber: 
eins bildete das Kloſter der regulirten Kanoniler 
zu Windeſem, an welches ſich die Brüder: (Frater-) 
Häuſer anfhlofien, in denen die Glieder des Ber: 
eins ohne Gelübde in Gemeinſchaft des Befites, 
der Arbeit und der Erbauung unter jelbftgewähl: 
tem Borftand zufammienlebten; Ein berühmt ge: 
wordenes Brüderhaus biefer Art war die Anftalt 
auf dem St. Agnesberg bei Zwoll. Belannte Män— 
ner biefer Gemeinfchaft find die durch ihre evange: 
liſche Fömmigleit auögezeichneten Thomas a 
Kempis und Joh. Weifel. Auch die Pflege der Bil: 
dung fand in den Brüderhäufern eine Stätte, und 
Männer wie Hermann Buͤſch, Agricola, Erasmus 
haben hier ihre wiffenjhaftliche Anregung empfan- 
gen. Ganz ähnlich eingerichtet waren frauen: 
vereine, deren zen ebenfalld Groot anregte. 
Bol. Delprat, Over de Broederschaft van G. 
a. 1856. Ullmann, Ref. vor der Reformation, 
Br. II. 

Brüderanflalten heißen diejenigen Inſtitute, 
welche Jünglinge zu den verjchiedenen Arbeiten der 
innern iffion ausbilden; ihre Zöglinge wer: 
den Brüder genannt. 9. Diafonen und Innere 
Miffion. R 

Brüdergemeine, Brüderunität. S. Herrnhuter. 

Brüderihaften find religiöfe Vereine, melde 
zu einem bejondern arg ober religiöfen 
Zweck zujammengetreten find und befonbere reli: 
giöfe Uebungen unter ſich pflegen. Von den Orden 
unterfcheiden fie ſich dadurch, daß fie feine Gelübde 
ablegen und die Gemeinjchaft fi lediglich auf den 
Brüderſchaftszweck bezieht. Sie find hervorgegan: 

en aus dem Genoſſenſchaftstrieb des Mittelalters. 

18 die ältefte gilt die Brüderihaft der Gonfa: 
lonieri, beftätigt pon Clemens IV. (1265— 1271). 
Waren früher die Zwecke manchmal ſehr äußerlich, 
z. B. der Brückenbrüder, fo find es heute entweder 
rein religiöje, bie beſondere Berehrung eines u 
figen, oder Miſſionszwecke. Da die Brüderfchaften 
bejonbere Gottesdienſte feierten, fo ftifteten fie nicht 
felten eigene Altäre, oder hielten eigene Capläne 
und Vicarien. Wenn dann das Streben erwachte, 
fi vom Pfarrverbande loszumachen, hatten bie 
BPäpfte manche Differenzen mit der Diöcefangeift: 
lichkeit zu — Die verbreitetſten Brüder: 
{haften find die von den Jejuiten gepflegte maria: 
nische Eongregation und die Franz Zaverins: ober 
Miffionsbrüderfchaft. 

Brüderverein, Eine religiöfe Vereinigung inner: 
halb der evangeliihen Kirche Rheinlands, metho: 
Frege ga Tendenz, bie in Elberfeld ihren 
Sig hat, und ihre Senbbrüber zur Belehrung in 


Brunnen bei den Hebräern 


113 


Bucer 


En Unglauben verfallenen Gemeinden aus: | willig ober gezwungen, weil er die katholiſche Lehre 
i 


Brunnen bei den Hebräern waren zum Theil, 
aber felten, eigentlihe Brunnen (lebendigen Waſ⸗ 


jers), 1. Mof. 26, 19. In der Regel war man auf 


fünftlich ausgemauerte Eifternen angewieſen, um 
dad Regenmwafler aufzuſammeln, die mit einem 
Stein verfchloffen und als werthuoller Beſitz be: 
bütet wurden. 1. Mof. 16, 18; 26, 15; 29, 2; 
2. Sam. 17, 19; 2. Kön. 3, 25. 

Bruns. Erzbifchof von Köln. Geb. 925. Der 
Bruder Dtto’3]., von — zum Abt von Lorſch 
und Archicapellan des Reiches gemacht, ſpäter 953 
zum Erzbiſchof von Köln und Herzog von Lothrin⸗ 
gen, war als Staatsmann die fräftigfte Stütze des 
een Negimentes in Deutjchland. Gebilbet 
in athedralfchule zu Utrecht, fpäter durch die 
Griechen am Kai nich unb den Britten Slaac, 
beförberte Bruno aud) als Kirchenfürft die mifjen: 
Ihaftlihe Bildung der Klerifer. Für Kirchen und 
Köfter thätig, führte er die Regel Benedicts in 
feinem Sprengel durd. + 965, 11. Det. Er ift 
lanoniſirt. Seine Biographie, Vita Brunonis, 
von Rütger findet ſich in den Scriptores rerum 
Brunsvicensium ed. Leibnitz. Vgl. Pieler, Erzb. 
Br. 1851. Maurenbrecher, Hift. Stichr. 1861. 

Bruns. Apofiel der Preußen, auch Bonifacius 

enannt. Geb. 970 zu Querfurt, begleitete er als 

omberr zu Magdeburg Dtto III. 996 nad) Sta: 
fien und 33 ih dort 1001 an Romuald von 
Gamalboli und deſſen asketiſche —— an. Auf⸗ 
gefordert von Boleslaw von Polen, erbat er ſich 
vom Papfte die Erlaubniß eines Miſſionszuges 
nad Preußen, und ſetzte denjelben als Erzbiſchof 
ins ‚nachdem er vorher die Stätten der Wirt: 
jamteit des 5. Adalbert befucht und deſſen Leben 
rieben hatte 1004. Nach kurzer Wirlkſamkeit 
in Breußen wurde er 1008 oder 9 mit feinen 18 
Gefährten erfchlagen. 

Bruns. Der Stifter des Karthäuferorbens. 
Geb. zu Köln 1085 und auf den dortigen Schulen 
vo wurde er Rector ber Domjchule zu Rheims. 

ie Verderbtheit der Kirche trat ihm im Leben des 
—— anafjes entgegen. Als Ankläger deſ⸗ 
klben auf der Synode zu Autun 1077, mußte er 
fliehen und mwurbe feiner Pfründen beraybt. Die 
auf Befehl des Papftes ihm angebotene Reftitui: 
rung ſchlug er aus und begab fih, um ber Welt 

anz zu entfliehen, nad; Südfrankreich zum Bifchof 
o von Grenoble 1086, der ihm und feinen jedyö 
ährten die Einöde Chartreufe — Karthauſe — 
anwies. Hier bauten fie Zellen für je Zwei und 
lebten in ftrengfter Askeſe, im fteten Stillſchweigen 
mit Arbeit und Bücherabſchreiben beichäftigt. Nach 
6 Jahren, als die Colonte ſich ſchon vergrößert 
hatte, wurde Bruno von Urban II. nad) Rom be: 
rufen. Bruno blieb in Jtalien und erbaute in der 
Einöde della Torre, im ——— Squillace, ein 
neues Einſiedlerlloſter, in welchem er am 6. Oct. 
1101 ſtarb, nachdem er das Erzbisthum Rheggio, 
we ihm angeboten worden, ausgeſchlagen 
hatte. Bgl. d. A. Karthäuſer. 

Bruns. Biſchof von Olmiitz. Bon ihm ift eine 
Schilderung ber deutſchen politifchen und Kird: 
fihen Zuftände vorhanden, welche er dem Concil 
zu Lyon 1278 vorgelegt hat. 

Bruns, Giordano. Der Philofoph. Geb. zu 
Rola bei Neapel um 1550, verließ er das Domini: 

fter, in welches er eingetreten war, frei: 


ber Trandfubltantiation und der unbefledten Em: 
pfängniß beftritt, und lebte als Lehrer der Philo: 
jopb e in der Schweiz 1580, in Frankreich 1582, 
n England 1583, in Wittenberg 1586 — 1588, 
und andern deutſchen Stäbten, bis er nad) Stalien 
zurüdfehrte 1592. Bon der Inquifition 1598 er: 
iffen, wurbe er 1600 zu Rom verbrannt. Seine 
.ehre befteht in einer poetifch = pantheiftifchen 
Beltanfhauung, in einem Naturenthufiasmus, 
der das Leben der Natur und das Leben Gottes 
ür Eins fegt. Beide, Gott und die Welt, unter: 
cheiden fich wie —— und Stoff. Bal. Barthel⸗ 
mes, Jordano Bruno de Nola, 2 Bde. 1846; 
Clemens, Giord. Bruno u. Nic. von Eufa, 1847. 
Bruno Saxonictus. Ein Geiftliher im Erzbis: 
u. Magdeburg, der 1082 eine Geſchichte des 

ampfes Heinrichs IV. mit den fächftfchen Fürften, 
von Standpunft ber Legtern aus, fchrieb. 
— Germaniae historica, im 6. 
1844. 

Brufiflopfen. Die beim katholiſchen Gebete 
vorgejchriebene Ceremonie, ald Zeichen des Schuld: 
betenntniffes. 

Bruſtkreuz. ©. Pectorale. 

a ſchilblein des Hoheprieſters. S. Hohe: 
priefter. 

Bucer, Martin. Geb. 1491 zu Schlettftabt im 
Elſaß. Mit 15 Jahren trat er in den Dominicaner: 
Drben ein und wurbe zur Fortfegung feiner Stu: 
dien nad) Heidelberg gefendet. Hier gewann ihn 
Luthers Auftreten 1518 für die Reformation; von 
feinen Orbensbrübern verfolgt, ließ er fi 1521 
des Gelübdes entbinden und wurde 1521—1522 
Feldcaplan beim Pfalzgrafen Friebrih. Von feis 
ner Pfarrei in Landftuhl 1522 und Weißenburg 
1523 durch Krieg und Bann vertrieben, fand er 
Aufnahme in Straßburg bei dem Pfarrer Zell zu 
St. Lorenz, der ihm Bibelftunden und Predigten zu 

alten geftattete, in fyolge beren ihm bie Pfarre zu 

t. Yurelien 1524 übertragen wurde. Als im 
Jahre 1548 das Augäburgifche Interim in dem 
proteftantiihen Straßburg eingeführt werben 
follte, widerſetzte ſich Bucer demjelben auf das 
entjchiedenfte; er wurde 1549 feines Amtes ent: 
hoben und folgte dem Rufe des Erzbiſchofs Cran- 
mer nad) England, wo er für die Sache der Nefor: 
mation unermüdlich thätig war und als Profeſſor 
der Theologie zu Cambridge am 28. Februar 1551 
ftarb. Bucers kirchliche Thätigfeit geht faft ganz 
in feinen Unionsbeftrebungen auf und den Be: 
mühungen, eine formel des Belenntnifjes vom 
Abendmahl zu finden, welche jede der ftreitenden 
Parteien in ber evangelifdyen Kirche annehmen 
fönnte, woburd er aber den Schein eines bedenk⸗ 
lichen Schwankens auf fi ud. Beide Theile zur 
Friedfertigkeit ermahnend, fteht er auf der Dis: 
putation zu Bern 1528, zu Marburg 1529 in 
Uebereinftimmung mit feiner Erflärung von 1524 
auf dem Boden —— Anſchauung, ſo daß 
ihm die Unterzeichnung der Schwabacher Artikel 
1529 und der Augsburger Confeſſion unmöglich 
wird und er die Confessio tetrapolitana 1530 
und deren Vertheidigung 1531 verfafjen und dem 
Kaifer einreihen muß. Dagegen unterzeichnete 
er die Auguftana und bie ge werke Ar: 
tifel nad dem Gefpräd mit Luther zu Coburg 
1530 und beftrebte fih unermüdlich, die Formel 
berjelben als verträglih mit den — 


— 


Monu- 
„Hannover 


Buchanan 


der Schweizer darzuſtellen. Noch weiter ging er 
im Vergleichsgeſpräch zu Caſſel 1535 mit Luther 
und Melanchthon und in der Wittenberger Con: 
tordia 1536, wo er den Ausdrud Zugegenfein 
(adesse) vom Leibe Chrifti zugeftand und ben 
Genuß der Unwürdigen mit einer Unterjcheidung 
von den Ungläubigen. Wenn dieje Concordia auch 
in Straßburg angenommen wurde und von ben 
Schweizer Cantonen ſich Bern 1557 am geneig- 
tejten zur Annahme zeigte, ja fogar feinen Kate: 
ismus von B. revidiren ließ, jo war doch ber 
folg feiner Unionsbemühungen im Ganzen kein 
roßer. Bucers Friedensliebe und kirchenpolitiſcher 
(id jah in der Einigung der Kirchen das höchſte 
iel und fonnte die dogmatiſchen Unterjchiede nicht 
o body anjchlagen, wie feine Zeit; feiner indivi- 
duellen Stellung gang: eine Einigungdformel. 
Bon gleich wenig € Totg find Bucers Bemühungen 
zum Yusgleid mit den Katholifen in feinen pfeudo: 
nymen Schriften und den —— mit Car⸗ 
dinal Sadolet und Georg Wizel geweſen, ſowie 
auf den Religionsgeſprächen zu Hagenau 1540, 
Regensburg 1541,1546, mo man von ſeiner Theil: 
nahme fich große Erfolge verſprochen hatte. Ein 
ſchwerer Schlag war es für Bucer, als er 1543 
vor dem kaiſerlichen Heere Bonn verlaffen mußte, 
wo er jeit 1542 dem Aurfürften Hermann bei der 
begonnenen Reformation bed Erzbisthums als 
Rathgeber zur Seite geftanden hatte. — Geine 
reformatorijche Bedeutung erfannte bie katholi— 
Ihe Maria an, als fie feine Gebeine auögraben und 
verbrennen ließ. Bon Elifabeth ward Fein Grab: 
mal mwieberhergeftellt. Vgl. Baum, Capito und B. 
(Väter der ref. 8.). 

Budanan, Claudius. Vorkämpfer der Miſſion 
in Indien. Geb. 1766 zu Cambuslang bei Glas: 
gow; ftudirte zuerft eh Sur und bann, 
nad) einigen Jahren jugendlicher Berirrungen, aus 
denen er durch den Prediger Newton zurüdgeführt 
wurde, Theologie. Ging 1796 als Gapellan der 
oftindifchen Compagnie nad) Indien und begann 
1800 zu Galcutta jeine Thätigfeit für die Miffio- 
nirung Oſtindiens unter Uinterftügung des Lord 
Wellesley. In einer Dentichrift über die Nützlich— 
feit einer firhlichen Berfafjung für das brittifche 
Indien kämpfte er gegen den Widerftand, den die 
Compagniealler Nifionsarbeit entgegenjette, und 
forderte die Eintheilung Indiens in —88 und 
die Anſtellung von (3) Biſchöfen und Predigern. 
Nach einer längeren Miffionsreife 1806 Tehrte er 
nad) Europa zurüd, um hier für Dftindien zu 
wirfen, und jtarb 1815, nachdem das Parlament 
die erſten Beſchlüſſe gefaßt hatte, die ſeine Pläne 
ur Ausführung bringen follten, und der erfte 

iſchof in Calcutta an feine Beſtimmung abge: 
gangen war. Val. über ihn Bajeler Magazin 1829. 

Buchſsbaum, Buxus, deſſen feites und leichtes 
Holz zum Bauen verwendet wurde, wird verftan: 
den ef. 41, 19; 60, 13, wo die LXX einmal 
Bappeln, das andere Mal Cedern überjegen. 

Buddeus, Joh. Franz. Bekannter Theologe. 
Geb. 1667 zu Anclam, war bereits mit 20 Jahren 
Magifter und Adjunct der philofophifchen Facultät 
u Wittenberg, 1689 zu Jena. 1692 als Profej- 
Ir der griechischen Sprache nad) Coburg berufen, 
olgte er 1693 dem Rufe nad) Halle als Brofefjor 
der Moralphilofophie und ging 1705 als Profeſſor 
der Theologie nad) Jena, mo er 1729 ftarb. Zwi⸗ 
fhen Drthodorie und Pietismus vermittelnd, 


114 


Bude 


at er feine enorme Gelehrjamleit in mehr ala 
undert Schriften niedergelegt, auch war er ein 

liebter afademijcher Lehrer. Unter jeinen Schrif⸗ 
ten waren die Institutiones philos, eclecticae, 
Inst. theol. moralis, Hist. eccles. Veteris Test., 
Inst. theol. dogmaticae, Isagoge historica ad 
theologiam univ., Ecclesia apostolica etc. bie 
gelejeniten. 

Buddha. Sivdharta, genannt Buddha, d. 5. 
ber Erleuchtete, al Sakſamuni (Waldeinfiedler) 
aud) Sautama gehannt, Sohn des Königs Suddho⸗ 
dana von nr re + vielleidht 543 v. Chr., ift der 
Stifter des Buddhismus, ber jegt in Oſte und 
Mittelafien verbreiteten Religion. Aehnlich wie 
der Brahmanidmus, aus dem er Desnorgegengen, 
oe er dad menſchliche Elend in dem bleibenden 

echjel aller Dinge. Das Elend wird mit dem 
Menſchen geboren, und ift mit beffen Leben um: 
zertrennlich. Während aber der Brahmanismus 
durch Selbftquälerei und Selbjtertödtung zur Ber 
freiung vom Leiden fommen will, hält Buddha 
diefen Weg für eine Täufhung. Er fieht viel: 
mehr die Löſung des Näthjeld darin, daß der 
Menſch diefes irdifhe Sein erfennen lerne als 
das Nichts, daß er fich darüber erhebe in vollftän 
diger Gleihgültigkeit und ſich verjente in jenen 
Zuftand, der von allem Irdiſchen, überhaupt von 
allem Wirklihen und Eriftirenden abftrahirt und 
ben —* Nirvana nennt. In dieſem Nirväna, 
diefem abfoluten Nichts, findet Alles fein Ziel, 
felbft Brahma muß endli in dieſer abjoluten 
Ruhe „verweien“. Die Weltflucht ift daher der 
natürliche ee der buddhiſtiſchen Religion. 
Die —* der Volllommenheit iſt das eheloſe 
Bettlerleben der Mönche; ihre Aufgabe iſt, die 
Menſchen mit völliger Aufopferung des eigenen 
Lebens zur Weisheit und Tugend zu führen. Die 
Tugend führt zur Reinigung in den Himmel der 
Götter und endlidy ins Nirvana, dad Böſe da— 
gegen immer tiefer hinab und in der Seelenwan= 
derung in immer qualvollere Eriftenz. Einen 
eigentlihen Eultus hat Buddha nicht vorgeſchrie⸗ 
ben, fondern nur Moralgejege. Nach re ode 
wurde dagegen Buddha ſelbſt göttlid verehrt. 
Seine Religionsgemeinfhaft organifirte ſich hier— 
archiſch. Das geiftliche Oberhaupt bildet der in 
Tibet refidirende Dalai:Lama,. In Indien tonnte 
fi der Buddhismus dem Brahmanismus gegen» 
über nicht behaupten, dugegen fand er bei ber 
mongolijh:malayifhen Race weite Verbreitung. 
Er zählt über 300 Millionen Anhänger. — Nach 
Buddha's Tode wurden von feinen Schülern feine 
Ausfprüche — Urſprünglich im Sans⸗ 
frit abgefaßt, find fie ins Pali, Tibetaniſche, 
Shinefifche und Kalmüdifche überjegt, und ihre 
Erklärung und Auslegung ift der Gegenftand 
Er Commentare. Die katholiſchen Miffio- 
nare jahen mit Verwunderung die Aehnlichkeit 
des Mönchsweſens, ja aud) die Hierarchie bei den 
Buddhiften, und bauten darauf die Hoffnung 
raſcher Belehrung; aber wenn die Tugendlehre 
des Buddhismus und die Abwejenheit eines äußer- 
lihen finnlihen Eultus den Vuddhismus dem 
Ehriftentfum nähert, fo hindert ihn feine pan= 
theiftiiche Speculation dejto eg ich die chriſt⸗ 
lihen Jdeen anzueignen. Vgl. Weber, die neues 
ften Gegen auf bem Gebiete des Buddhis— 
mus, Berl, 1853. 

Bude, Wilhelm. Berühmter Philolog, geb. zu 


Büchercenfur 


Paris 1467, geft. als Bibliothelar von Franz I. 
1540. In archäologiſchen und hiſtoriſchen Werfen 
fprad) er feine Mikbilligung des römiſch-katho⸗ 
kidhen Kirchenweſens aus und pried das Evan: 
elium als die eigentlihe wahre Weisheit, ohne 

8 zur Reformation zu befennen. Erft feine 

ittwe ging mit ben Söhnen nad) Genf und trat 
emirten Kirche über, der die Söhne 
durch Herausgabe eines Theild von Calvins Wer: 
ien und Ueberjegung einiger biblifhen Bücher 
dienten. 

Büdhercenfur. Büderverbot. Um die Verbrei: 
tung von Meinungen, die der Kirche ſchädlich oder 
feindlih, zu hindern, befahl ſchon Alexander VI. 
1501, daß fein Buch ohne ausdrüdliche Licenz des 
Biihofs gedruckt werben folle. Das Tridentinum 
beftätigte dieſe —— Bezug auf alle Bit: 
Ger, die von religiöfen Dingen hanbelten. Da 
aber die Kirche nicht hindern Tonnte, dab auch 
Schriften der Evangelifhen_gelefen wurden, jo 
wurde im Anſchluß an die Eoncilbefchlüffe durch 
verſchie dene päpftliche Eonftitutionen, zulegt durch 
die Bulle Sollicita ac provida 1753 die Gongre: 
gation des Index librorum prohibitorum ange: 
ordnet, welche die Titel ſämmtlicher Bücher (den 
Inder) —— die ihres ſchuͤdlichen Inhalts 
wegen von den Gläubigen —*— geleſen werden 
dürfen, ohne eine in Ausnahmefällen vom Biſchof 
zu ertheilende Erlaubniß. Der Index expurgan- 
dorum enthält die Schriften, in welchen nur eim- 
jelne Stellen auszumerzen ir In der — ⸗ 
lichen Kirche ging die Tenſur an die Kirchenbe— 

örden fiber, an welche eine Schrift vor ihrem 
zumeilen eingeliefert werden mußte. Nur 

in ber Blüthezeit der Orthodoxie und der Kirchen⸗ 
iplin konnte dies aufrecht gehalten werben. 
Die Cenſur ift darnach vom Staate übernommen 
und feit 1848, als mit evängelifcher Bildung 
unverträglich, aufgehoben. Die proteftantifche 
Kirche follte nur das — unbedingter Freiheit 
be der Beröffentlihung wiſſenſchaftlicher Schriften 


en. 

Büffel. S. Einhorn. 

Bürgerreht war bei den Hebräern unzer—⸗ 
trennlic an die Abftammung von Ifrael gefnüpft, 
außgeichlofjen waren nur Bajtarde und Verſchnit⸗ 
tene (5. Mof. 28, 1 ff.). Einzelne Fremde, die 
unter Jjrael wohnten und als Proſelyten das Geſetz 
annahmen, fonnten im dritten Gliede in das Bolt 
aufgenommen werden, wenn fie nicht zu einem ber 
am meiften verfeindeten Völker gehörten (ſ. d. 
angef. Stelle). 

nbagen, oh. Dr. Pomeranus. Einer 
der hervorragendſten Mitarbeiter an der Refor: 
mation. Geb. 1485 zu Wollin. Humaniftijch ge: 
bildet, wurde er ald Rector der Schule zu Treptow 
(1505) und Lector am Klofter Belbud dur Lu: 
thers Schrift von der babylonifhen Gefangen: 
Ihaft der Reformation zugeführt. Er ging 1521 
nah Wittenberg, wurde zur Uebernahme von Vor: 
lefungen veranlaft, erhielt 1523 das Pfarr: 
amt dort und war jeitdem der getreuejte Freund 
und Mitarbeiter Luther. Er betheiligte ſich an 
dem Abendmahläftreit gegen die Schweizer, an 
den Borbereitungen für die Augujtana 1530, an 
der Concordia 1536, der Neformationsformel 1545 
und den Eonventen zu Schmaltalden 1537 und 
1540. Die lutheriſche Bibel übertrug er ind Nie: 
berjächfijche 1525. Sein Hauptverdienft liegt aber 


dort zur 


115 


Bullarien 


Ei bem Gebiete der Kirchenleitung, durch de 
Bifitation von 1528, die von ihm verfaßten 
Kirhenorbnungen und die Drganiftrung des en. 
Kirchenweſens in Norbdeutfchhland. So in Braun: 
jhmeig 1528, in Hamburg 1529, in Lübeck 1530, 
in Bommern 1535, in Dänemark 1537 — 1542. 
Die Bugenhagenfhen Kirchenordnungen fliehen 
fi fämmtlich an die Grundſätze des „Unterricht 
der Kirchenvifitatoren” 1528 an, fie tragen viel 
Sorge für Einrihtung des Schul: und Armen: 
weſens, wenig für die Conftituirung der Gemeinde, 
es wirft in ihnen die Tatholifche Anſchauung nad, 
dab das Kirchenregiment der bifchöflichen Gewalt 
darum dem Landesherrn) zuftehe. Jede Beru: 
ung nad) außen lehnte Bugenhagen ab, nachdem 
er 1536 die Generalfuperintendentur des Kur: 
freifes übernommen hatte. Auch während bes 
ſchmalkaldiſchen Krieges und unter dem Interim 
bielt er in Wittenberg aus; vielen deshalb erlitte: 
nen Anfeindungen der „echten“ Lutheraner ſetzte 
er fein chriftlihes und pajtoraled Gemiffen ent: 
egen. + 20 April 1558. Bol. Vogt, Bugen: 
“ en, 1867. 
ulgaren, Nach ihrer Einwanderung in bie 
Donaugegend empfingen fie das Ehriftentfum 
durch Griehen; Eyrill und Methodius follen auch 
= thätig geweſen fein, aber erft 861 ließ ſich 
önig Bogovis taufen, und zwang fein Bolt, ihm 
zu I re Um mit dem Chriftenthbum nicht zu— 
gleich die politifche Abhängigkeit von den Griechen 
u übernehmen, erbat er oA 863 Iateinifche Prie: 
fe von Nikolaus I. Doc gelang es dem Nach— 
olger des Patriarchen Photius, nach dem Beſchluß 
des Concils zu Conftantinopel 870, die Anerfen: 
nung feiner Batriarchalrechte, die Vertreibung der 
römischen Geiftlihen und die Aufnahme feines 
Erzbiſchofs Theophylaft ni 
ulgari wurden die Albigenjer und Katharer 
genannt, nad) der Ableitung ihres Urfprungs aus 
der Bulgarei. 

Bull, Georg. Geb. 1634, Dr. theol. 1686, Bi: 
* zu St. David 1705, +1710. — in 
einen Schriften den Anglicanismus gegen Katho⸗ 
liten und PBresbyterianer. Sein berühmteftes Wert 
aber, wofür ihm jelbft Bofjuet dankte, ift die 
Defensio fidei Nicaenae, worin er nachweift, daß 
die Trinitätälehre ſchon von den älteften Vätern 
gelehrt fei. 

Bulla ineoenaDomini. Die Nachtmahlsbulle, 
welche ſonſt alljährlich am Gründonnerſtage inRom 
verlefen wurde, verdammt alle Häretifer und Keger, 
und in ausführlichfter Meife Alle, welche fi an der 
Macht des päpftlichen Stuhles vergreifen. Die Ge: 
een an diejem Tage, ber eigentlid) zur Wie: 
deraufnahme der Ercommunicirten beftimmt war, 
die Beitrafung aller Derer zu verlündigen, die fich 
der Buße entzogen, ift ſehr alt; die Ercommunica- 
tionsbulle daher allmählich entjtanden und erftvon 
Urban II. 1627 in die jegige Form gebracht. Die 
in der Bulle — nd Prätenſionen des 
römiſchen Stuhles veranlaßten die Fürſten, die 
—— derſelben zu verbieten, und Clemens 

IV. unterließ 1770, die Verleſung derſelben an: 
zuordnen. Aufgehoben ift diefelbe jedoch nicht und 
fie wird daher für das Gemiffen des Katholiken noch 
infoweit für bindend angejehen, al3 die darin bes 
—— Rechtsverhältniſſe nicht von der Kirche in 
anderer Weiſe Zee find. 

Bullarien iind Sammlungen * nach dem 


Bulle 


Abſchluß des kanoniſchen Rechtsbuches erlafienen 
päpſilichen Verordnungen, z. B. das Bullarium 
magnum Romanum (von Leo J. bis Benedict XIII., 
1727), —— 1835 ff. Außerdem giebt es auch 
Bullenfammlungen für einzelne Orden. 

Bulle, Die offenen Briefe und Verordnungen 
ber Päpſte, die in feierlichfter Form erlafjen wer: 
den, haben diejen Namen von der Kapſel des Siegels 
erhalten. Die Bulle wird in der Kanzlei ausge: 
fertigt, in lateiniſcher Sprache auf Pergament mit 

othiſchen Zügen geichrieben, am Schluß das Da: 

um nach römifcher Weiſe und das Regierungsjahr 
bes Papftes angegeben. Unterzeichnet werben Con: 
ſiſlorial⸗ Bullen von den Earbinälen und dem Papſte, 
die übrigen von Beamten der Kanzlei. Das Siegel 
zeigt die Köpfe der Apoftel Petrus und Baulus mit 
der Ueberſchrift S.P. E.S. P. A. und den Namen 
des Papſtes. Gewöhnlich werden die Bullen nad) 
ihren Anfangsworten bezeichnet. Da namentlich 
im Mittelalter vielefalfche Bullen fabricirt wurden, 
um badurd Rechte zu erſchleichen, jo find die Merk: 
male ber echten Bulle in den verjchiedenen Jahr: 
hunderten jegt genau bezeichnet. 

Bulle, die goldene. 1) Das von Karl IV. 1856er: 
laſſene Reichsgeſetz. Der päpftlichen Forderung, daß 
die Wahl des deutichen Königs der Beftätigung des 
Papftes unterliegen müffe, weldye no) Johann AXll. 
in einer Bulle von 1317 ausgejprochen hatte, wird 
bier auf Grund des Kurvereins zu Renſe 1338 
bie — des Königs durch die Kurfürften ent: 

egengejeßt. Auch jonft bezieht die Bulle ſich viel- 
ad) auf die Berhältnifje der geiftlihen und welt: 
lihen Madt. — :) Denjelben Namen, von ber 
— Siegelkapſel genommen, führt eine Bulle 

igtus’ V. 1479, die zwei Bullen vom Jahre 1474 
bejtätigte, welche bie Privilegien der Franciscaner 
und Dominicaner inthielten, das fogenannte Mare 
magnum. 

ullinger, Joh. Heinr. Schweizerifcher Reforma- 
tor, geb. 1504 u Bremgarten im Canton Yargau 
als der Sohn eines fatholifchen Priefters, der jpäter 
zur Reformation übertrat und die Mutter Bul: 
lingers heirathete. Bullinger, auf den Schulen zu 
Enmerich und Köln gebildet und dort ſchon mit 
teformatorifchen Ideen erfüllt, ward 1523 Lehrer 
an ber Klofterjchule zu Gappel und nachdem er 
wingli näher getreten, aud) 1528 in das geiftliche 
—— zu Zürich aufgenommen war, 1529 
Pfarrer zu Bremgarten. Dur die Folgen der 
Schlacht bei Eappel von hier vertrieben, 21. Nov. 
1551, wurde er am 9. Dec. d. J. zu Zwingli's Nach⸗ 
folger als erjter Pfarrer und Antiftes in Zürich 
berufen. Eine der bedeutendften Größen unter den 
Neformatoren, fteht er an der Spitze der Schweizer 
in den Abendmahlsftreitigkeiten mit den Luthera—⸗ 
nern, immer bereit zum Frieden, jo weit es ohne 
Verlegung der Wahrheit möglich; aber abgeneigt 
ben auf jormale Einigung gerichteten Bemühungen 
Bucers. Hatte er bei der Unterfchrift der von ihm 
ſelbſt hauptſächlich verfaßten erften helvetifchen Con: 
feſſion 1536 in einem ausdrüdlichen Anhange die 
Gewiſſensfreiheit gewahrt, jo widerrieth er eben 
deshalb entjchieden die Unterfchrift der Wittenberger 
Eoncordia; und als Luther nad) der Züricher Con- 
ferenz 1538, in welcher die Schweizer den Genuf 
des Leibes Chriftials geiſtlichen Glaubensgenuß an⸗ 
erlannten, Zwingli des Neſtorianismus bezüchtigte, 
über die Züricher Bibelüberſetzung ſich ungünſtig 
äußerte und im Belenntni vom Nachtmahl 1514 


116 


Buͤndeslade 


bitter gegen die Schweizer ausfiel, verfaßte er 1345 
„das wahrhafte Bekenntniß der Diener der Kirche 
zu Zürich 2c.” gegen Luther, worauf derfelbe nicht 
mehr antworten fonnte. Ein nicht minder heftiger 
Conflict erhob fich jpäter zwiſchen Bullinger und 
Brenz, in weldhem ſich, wie Bullinger durch Nude, 
———— eidenſchaftlichkeit hervorthat (1564). 
ie Einigung zwiſchen Calvin und den Schweizer⸗ 
firhen im Consensus Tigurinus 1549 war haupt⸗ 
a Bullingers Werf. Auch in den Streit über 
ie Prädeftination wurde er hineingezogen, indem 
fih Bolſec (j. d. A.) ohne Grund auf ihn berief 
1551 und er in dem Streite ber Straßburger Pfars 
rer Marnad und Zandius über die Erwählung 
fi) gutachtli zu äußern hatte; auch hier bildete 
er die Bermittlung zwiſchen der Schroffheit Calvins 
und den Zwin Wien Kirchen, die ihm dadurch 
möglich wurde, daß er das praftijche Moment der 
Prädeftinationslehre am meiften betonte, daß die 
von Ewigkeit her gejchehene Erwählung eine unver: 
diente Gabe, das Heil ein Gefchent Gottes fei, die 
BVerantwortlichleit der Sünde aber immer auf den 
Menden falle. Dankbare Anerkennung erwarb 
fi Bullinger von den fremden Kirchen durch feine 
Bemühungen um die Flüchtlinge aus England und 
Italien, denen er Aufnahme in Zürich vermittelte. 
Dft hatte er mit feinem Rathe die auslänbifchen 
Reformirten zu unterftügen. Johannes a Lasky 
wandte fich an ihn, Eduard VI. von England bes 
diente ſich feiner, und die frangöfiiche Kirche ver 
pflichtete er fich durch Theilnahme an .. Synoben 


1571 und 1572. Er ftarb den 16. — 1575. 
eß, Leben Bullingers, 1828. Franz, Nertwürbige 
e aus dem Leben Bullingers, 1828, Beftaloszi, 


ullinger, 1858. 

Bund. S. Offenbarung. 

Bundeslade. Die Bundeslade war bad grökte 
Heiligthum Iſraels; in ihr lagen die beiden Geſetzes⸗ 
tafeln, gewijlermaßen die Bunbesacte zwifchen Gott 
und dem Volf. Daher wurde auch der Dedel der 
Bundeslade als der Ort ber Gegenwart Gottes 
angejehen und aufihn, den Gnadenſtuhl, das Sühn: 
— ſprengte der Hoheprieſter das Blut des 

erſöhnungsopfers. —— ihrer Bedeutung 
war die Bundeslade von Acacienholz angefertigt, 2, 
Moſ. 26, 10, mitGold überzogen lernt. 
Wie fie durch ihren Standort im Allferheiligften 
des Tempelö den Bliden des Volkes entzogen war, 
jo wurde fie auch auf dem Zuge verhüllt und nurvon 
Zeviten getragen. Als das Fräftige Zeichen der 
Gegenwart Gotteö wurde fie zuweilen mit ins Felb 
genommen, um dem Heere den Sieg zu verichaffen, 
l Sam. 4, 4, und dabei einmal von den Bhiliftern 
erbeutet. Seitdem ward fie nicht wieder in die Stifts⸗ 
hütte zurüdgebracht, ſondern blieb in einem Pri: 
vathaufe zu Kirjath-Jearim, bis David fie nad 
Serufalem führte, 2.Sam.6,3, wo fie in derneuen 
Stiftshütte ihren Drt fand und darnach Mr dem 
Tempel aufgeftellt wurde, 1. Kön. 8, 1 ff. val. 
1, Chr. 14,3. Wahrſcheinlich ift die Bundeslade 
bei der Zerftörung des erjten Tempels mit ver: 
brannt; im zweiten Tempel war das Allferheili 
leer, da in heiliger Scheu die Gejepeötafeln nicht 
erneuert werden konnten, ein Behälter für diefelben 
alſo gegenftandälos gewejen wäre. Die Volksſage 
erklärte died damit, daß die Bundeslade nod) vor: 
— aber auf göttlichen Befehl verborgen ſei, 

. Malt. 2, 4 ff., bis ber Meſſias fie wieder and 
Licht bringen werde. 


Bungener 


Bungener, Laurence Louis Felix, geb. zu Mar: 
feille 1814, ftudirte Theologie in Genf und war 
bis 1848 Director des dortigen Gymnafiums, gab 
bann feine Stelle auf und lebt literarifh thätig. 
Bon feinen Schriften ift hervorzuheben Rome et 
la bible (deutſch Berlin 1860), das Leben Calvins, 
Geihihte des Tridentiniſchen Concils ſdeutſch 
Stuttgart 1861). 

Bunſen, ng Karl Joſias, Nitter von. Geb. 
25. Aug. 1791 zu Corbach in Waldeck. Bezog als 
iuviohus ber Philologie und Theologie 1808 die 
Univerfität Marburg, 1809 Göttingen, und trat, 
nachdem er dort begonnene umfafjende Studien, 
bei denen ihm die Erforfchung des Gotteöbewußt: 
ſeins im Alterthume als Ziel vorſchwebte, in Ko: 
penhagen, Berlin und Baris fortgefegt Hatte, Durch 
eigenthümliche Verfettung der Umjtände 1818 als 
Geſandtſchaftsſecretär zu Rom in die Diplomatifche 
Laufbahn ein. 1834 zum außerorbentlichen Ge: 
jandten ernannt, gelang es ihm nicht, in der Ange: 
legenheit de3 Erzbiſchofs von Köln mit den gemijch- 
ten Ehen das von ihm Erftrebte zu erreichen, er bat 
um feine Abberufung und lebte in England, der 
—— feiner Frau, bis ev 1839 als preußiſcher 

ejandternad) Bernging. 1841 fandte ihn Friedrich 
Wilhelm IV. nad) London, um die Einrichtung des 
Bistums zu Jerufalem zu vermitteln, er blieb dort 
als preußischer Gejandter, bis er 1854 wegen ber 
damaligen preußiſchen Politik feinen Pe erbat. 
Bon dem Könige, dem er perfönlich naheftand, mehr: 
fad) geehrt und ausgezeichnet, verbrachte er den Reft 
feines Lebens in Heidelberg und Bonn, +28. Novbr. 
1860. Bunſens Berdienfteum dieevangelifche Kirche 
beruhen nur zum geringen Theile in dem, was er in 
feiner amtlichen Stellung that, 3. B. zur Gründung 
der evangelijhen Gejandtichaft3 - Kapelle in Rom, 
ber evangelifhen Krankenhäufer in Rom und Lon: 
don; ber Einfluß, den er durch feine zahlreichen 
Werke ausgeübt, wird erft ſpäter gewürdigt werben. 
Als Frucht feiner Hymnologifchen und liturgiſchen 
Studien erſchien die jogenannte capitolinifche Li— 
turgie 1827; der Verfucd) eines allgemeinen deut: 
ſchen Gefang: und Gebetbuchs, 1833; das allge: 
meine evangelifhe Gejmig: und Gebetbud, 1846; 
die Leidensgeſchichte und die ftille Woche, 1842; 
in Berbindung damit: die Bafılilen des hriftlichen 
Roms, 1843. Das bedeutende Wert „Aegyptens 
Stellung in der Weltgefhichte” erſchien 1844—45 
und 1854. Daran fhlofjen ſich die Arbeiten über 
Ignatius von Antiodien, 1847, und Hippolyt und 
feine Zeit, 1852, in deutfcher Ueberjegung 1852 
und 1853. Nach feiner Rüdtcehr nach Deuticland 
ariff Bunfen in den „Zeichen der Zeit”, 1855, die 
herrfchende Reaction in der evangelifchen wiein der 
latholiſchen Kirche mit Schärfe an; feit der Zeit galt 
er der gläubigen Partei als ein Apoftat; während 
doch feine dogmatiſch allerdings geänderte Stellung 
nur der conjequenten Entwi . der Brineipien 
zuzufchreiben ift, die er immer befolgt, und die 
ihren Ausdrud nicht weniger in der „Berfafjung 
der Kirche der Zukunft”, Hamburg 1845, gefunden 
katten. Ohne fih an dem heftigen literarischen 
Streite zu betheiligen, den Stahlö und Hengiten: 
bergs Beantwortungen der „Zeichen der Zeit” her: 
vorriefen, — theologiſche Auffafſung in dem 
1857 und 1858 erſchienenen Werke „Gott in ber 
Geſchichte“ vor, in welchem er den Glauben an eine 
fittlihe Weltordnung dadurch zu wecken und zu 
ttärfen ſuchte, daß er den Berfuch machte, den Fort» 


117 


Buridanus 


ſchritt der Offenbarung Gottes in der Geſchichte 
ber Welt der Gemeinde darzulegen. Sein letztes 
Merl, in welchem er die Frucht feiner Studien zu: 
fammenfafjen wollte, das Bibelwerk, fonnte er nicht 
vollenden und mußte die Ausführung des Planes 
feinen Mitarbeitern überlajjen. Bet feinen Leb— 
zeiten erſchien nur Bd. 1, 2 und 5. 

Bunyan. Baptijtifcher Volksprediger, geb. um 
1628 zu Elfton bei Bedford. Seines Gewerbes ein 
Keffelflider, wurde er aus einem wüften Leben er: 
weckt und hielt fich zu den Baptiften 1655. An der 
Bibel gebildet, entwidelte ſich jet feine Gabe der 
Beredſamkeit, die ihn zu einem der größten Vollks— 
prediger gemacht hat. Als einflußreichen Noncon: 
formijten verfolgte ihn Karl II; nachdem er 
1660—1672 in Haft gewejen war, erlangte er Die 
— des Predigens erſt durch die Indulgenzacte 

alobs II. 1687. + 1688. Berühmt ift fein asketi⸗ 
{ches Werk „des Chriften Pilgerreiſe“, welches er im 
Gefängniffe ſchrieb. In durdgeführter Allegorie 
ſchildert es das Chriftenleben mit feinen Berjucyun: 
gen und Kämpfen bis zum endlichen Siege. Bielfad) 
in deutſchen Ueberjegungen verbreitet. 

Buraburg, Bistum, wurde von Bonifacius für 
Heſſen auf dem Burberge bei Friglar gejtiftet, aber 
—* — dem erſten Bilhot Wilta nad Friglar 
verlegt. 

Burgunder. Ein germanifher Stamm, ber 
aus feiner urfprünglichen Heimath zwiſchen Oder 
und Weichjel in der Völkerwanderung aufbrad) und 
um 350 als Nadıbar der Mlemannen am oberen 
Main fi tefigefegt hatte. Unter Balentinian 373 
nahmen IE das Land zwiſchen Main und Nedar 
ein, Üüberjchritten dann den Rhein und ließen fi 
bei Worms nieder. Zn dieje Zeit fällt ihre Be— 
tehrung zum Ehriftenthum (Anfang des 5. Jahrh.), 
welches fie, abweichend von allen Germanen, in der 
fatholifchen Form annahmen. Beliegt von Aätius, 
erhielten fie von Balentinian III. die Erlaubniß 
zur Niederlaffung an der oberen er et wo fie 
neue Reiche gründeten mit ben Hauptjtädten Genf, 
Zaufanne, Vienne und Lyon. Hier müffen fie von 
den Weftgothen den Arianismus empfangen haben, 
ben fie erſt im 6. Jahrhundert wieder aufgaben. 
Ein Religionsgefpräd zwifhen der burgundiſchen 
Geiſtlichkeit und dem fatholifchen Biſchof Avitus 
von Bienne unter König Gundobad, 499, hatte 
zwar feinen Erfolg, allein 517 ließ der fatholifche 
König Sigismund, Gundobads Sohn, im Reichs: 
coneil zu Epaon die Einführung der latholiſchen 
Kirche beſchließen, wofür ihn die römische Kirche 
als Heiligen verehrt. Bereits jeit Chlodwig, deſſen 
Gemahlin Chlothilde aus dem burgundiſchen Rönigs⸗ 
hauſe war, hatten die Burgunder ſich nur mit 
Mühe der Angriffe der Franken erwehren können, 
Gundobad war eine Zeitlang tributpflichtig geweſen. 
Sigismund wurde von ihnen gefangen und er— 
mordet, und endlich 534 ſein Bruder Godemar ge: 
ſchlagen und das Land erobert. 

Buridanus, Johannes, Geb. zu Bethune in Ar: 
tois, ein Schüler Occams, lehrte an der Univerfität 
zu Paris in der erſten Hälfte des 14. Jahrhunderts. 
Seine Lebensunftände find genauer nicht bekannt. 
Be Philoſoph als Theolog, fühlt er ſich dennoch 
bei ſeinen Unterſuchungen als Scholaſtiker durch die 
Autorität gebunden, was auch bei ſeinen berlihm— 
ten Unterjuchungen über das Vroblem der Willens: 
freiheit hervortritt. ©. über ihn bei Tennemann 
und bei Ritter in der Geſchichte der Philoſophie. 


Burmann 


Burmann, Franz. Niederländbifher Theologe, 
geb. zu Leyden 1632, der Sohneinesgeflüchteten pfäl- 
ziſchen Predigers, war Subrector in Leyden jeit 
1662, Brofefjor um 1664, auch Prediger zu Utrecht. 
+ 12.Nov. 1679. Ein fharfbentender Kopf, feiner 
Jade sa nad Eoccejaner, führte er in feiner Syn- 
opsis theologiae et spectatim oeconomiae foe- 
derum Dei (1651) die Eoccejanifhe Bundestheo⸗ 
[ogie näher in neuerer Form durch. Er bildete 
damit eine gewiſſe Bermittelung mit ber Orthoborie. 
Außerdem hinterließ er exegetiſche Schriften über 
das Alte Tejtament. 

Burnet, Gilbert. Hervorragender englifcher Theo: 
Loge, geb. 1643 zu Edinburg. Seine theologifheh 
Studien vollendete er in Km und Franfreich 
und übernahm 1669 eine Profeffur zu Glasgow, 
nachdem er eine Zeitlang eine Pfarrftelle verwaltet 

tte. 3. den dantaligen PBarteiungen der jchot: 
tiſchen Ye vertrat er die Toleranz und tadelte 
ebenſo die Berfolgungen der Nonconformiften, wie 
er dem Epistopalfgftem das Wort redete. Nachdem 
er bei Hof lange Zeit in hohem Anfehen geftanden, 

and 1674 eine entjdiedene Wendung in feinem 
erhältnig zum Hofe ftatt. Den dort herrſchenden 
tatholifirenden Tendenzen trat er offen im feiner 
Reformationsgejhichte Englands 1559 ——— 
Deshalb und wegen ſeiner Verbindung mit 
Whigs von Karl II. bedroht, flüchtete er nach Hol: 
land. Als Rathgeber Wilhelms I. kehrte er nad) 
England zurüd, wurde Biſchof von Salisbury und 
führte in der Ordnung des Kirchenweſens die von 
ihm ſtets vertretenen Grundjäge der wahren Tole: 
vanz dur. Nach jeinem Tode (1715) gab fein 
Sojm die von ihm verfaßte Geſchichte feiner Zeit 
u 


Bursfelder Gongregation. Die Benebictiners 
Abtei Bursfeld bei Minden, geftiftet 1093, war 
1430 fo verfallen, daß nur noch ein Mönd und eine 
Kuh vorhanden war. Durch Johann von Minden 
1453—39 reformirt, wurde fie nod) mehr gehoben 
durch Johann von Sagen 14389—69, der in Ber: 
bindung mit 2 uſch die Klöſter Bernhauſen, 
Huisburg, St. Petri bei Erfurt und Bergen mit 
Bursfeld zu einer Congregation der ſtrengen Be: 
nebictinerregel vereinigte; welche bald weit aus: 
gedehnt, durch das Concilium zuBaſel 1440 beftätigt, 
aber durch die Reformation zerftört wurde, die die 
meiften Klöfter fäcularifirte. Bursfeld erhielt einen 
lutheriſchen Abt, deſſen Würde noch heute befteht. 

zus, Caeſar von. Geb. 1544 zu Cacaillon. Ka: 
nonilus zu Salon und Domberr, ftiftete er 1593 
die Congregation der Priefter der chriftlichen Lehre 
(Doctrinarter) in frankreich. Er ftarb 1607. 

Buſch, Johannes, Geb. 1339 zu Zwolle, trat trotz 
ber Bitten feiner Eltern ins Klofter Windesheim 
und wurde dort 1419 Kanonikus. Als dem Convent 
des Klofterö durch das Baſeler Concil 1435 die 
Reformation der Klöfter in Norddeutichland über: 
tragen war, überfam das Geſchäft Buſch ald Sub: 

rior zu Wittenburg, jpäter Prior zu Sulta, da er 
* früher ſich bei der Bifitation der Klöſter in 
Holland ausgezeichnet hatte. Buſch führte jeinen 
Auftrag aus in Verbindung mit der Bursfelder 
Eongregation und gegen den häufigen gewaltjamen 
Widerftand der Mönde und Nonnen, mit Unter: 
ftügung der welfiſchen Herzöge. Er jchrieb di 
Chronik des Kloſters Windesheim 1464. + 1479. 
Buſche, 9. von dem. ©. d. Art. Hermann. 
Buiendaum, Hermann. ZejuitundMoraltheolog, 


118 


Bußgrade 


geb. 1600 zu Nottelen in Weftphalen. Mitglieb 
des Sejuitenordens, Lehrer ber Moraltheologie 
zu Köln, Rector der Sjejuiten-Collegien zu Hildes⸗ 

eim unb Münfter, + 1688 als Beichtvater bes 

iſchofs Bernhard von Galen. Berühmt ift fein 
Handbuch der Moral geworden: Medulla theolo- 
giae moralis, 7 Bände, 1645, weil bafjelbe von 
den Parlamenten zu Paris und Zouloufe ver: 
dammt wurde. Die Bufenbaum ſchuldgegebene 
Bertheidigung des Königsmordes und Aehnliches 
liegt nicht direct in dem Buche ausgeſprochen und 
ift erft Durch feine Commentatoren, unter ihnen 
Lacroix, beftimmter entwidelt worden, aber die 
Auslegung wäre nicht möglich, wenn nicht diefe 
Frage wie die fittlihen Verhältniffe alle in höchſt 
zweideutiger Weiſe behandelt wären. 

Bußbank. Angftbank im amerifanifh:methodi- 
ftifhen Gottesdienft; wird von denen eingenom= 
men, in welchen das Bußgefühl jo lebendig erregt 
wird, bab fie meinen, e8 werde unter der Ein: 
wirkung der Predigt und dem Gebet der Gemeinde 
jet derart gejteigert werden können, dab es in 
der höchſten Krifis in das Gefühl der Erlöſung 
umjchlage. 

Bußbüder,libripoenitentiales. S. Beichtbucher. 

en ©. Bußgrade. 

Buße. An der fatholifhen Lehre von der Buße 
hat fich die Reformation entzlindet; jo tritt auch 
in ihr der Unterjchied ber Kirchen ſehr Har zu 
Tage. Da die katholifche Kirche das ganze Heils- 
leben als ausschließlich an Die Kirche —— be⸗ 
trachtet, fo iſt ihr die Buße eigentlid nur die 
Wiederherftellung des durch die Sünde geftörten 
Berhältnifjes ee Kirche. Sie rechnet zur Buße: 
1) Die Reue. Sie unterfcheidet attritio und con- 
tritio, indem fie unter der erjteren bie Reue, welche 
aus Furcht vor den Strafen entfteht, unter ber 
legteren die aus Liebe zum Guten entſtehende 
Reue begreift. Sie hält die erftere ſchon für Hin- 
teihend. 2) Die Beichte (f. d. A.), in welcher der 
Prieſter als richterliher Stellvertreter Gottes die 
bereute Schuld vergiebt, davon abfolvirt. 3) Die 
Genugthuung, weldedarin befteht, daß der Sünder 
durch gewifje Bußleiftungen die Kirche er 
Der ganze Bußprozeß ift alfolediglich ein äußer: 
lider. Er hat aber in der tatholiihen Kirche die 
Bedeutung einedSacramentederlangt(Sacrament 
der Buße). Nach evangelifcher Aufla ung ift bie 
Buße ein rein perfönlicher ethiſcher Prozeß. Die 
proteftantiihe Dogmatik hat zur Buße zweierlei 
gerechnet: 1) das durch den Widerjpruch mit dem 
ewigen Geſetze erwedte Bemußtjein der Sünde, 
den durd die Erfenntniß der Sünde erwadten 
Schmerz über die eigene Schuld, in welchem die 
Luft der Sünde erftirbt (contritio); 2) den Glaus 
ben, das Bewußtjein der Rettung durch Chriftus, 
das — Ergreifen eines neuen Lebensprincips. 
Die Grundzüge der Differenz zwiſchen dieſen 
Begriffen der Buße finden ſich im Alten Teſtamente 
in dem Gegenſatz der prophetiſchen Ermahnungen 
zu den Meinungen des Volks, die der Phariſäismus 
ausbildete. Bgl. Jeſ. 1, 16; Jer. 18,31; Pſ. 61, 19. 

Bußgrade. Nah der Bußdisciplin der alten 
Kirche traten die Ercommunicirten, welche Wieder: 
aufnahme begehrten, nur allmählich in beſtimmten 
Stufen wieder in den Schooß der Gemeinde. Die 
Bußgrade entfprechen genau den Graben, welche 
beim Katechumenat = Tree irn um 
die Büßer flehentlich bittend in der Borhalle der 


Bußkampf 


age —— is), in der zweiten Stufe hören 
A ebend die Predigt in (dxeoaaıs), auf der 

itten empfangen fie knieend nad) ber Entlaffung 
ee firbitte ber 
Gemeinde (Unonrrwors), endlich blirfen fie der Feier 
des Abendmahls beimohnen, ohne noch Antheil 
zu nehmen (ovoraaıs). nach Ablauf diejer 
Prüfungsperiode wurden fie wieder feierlich in 
die Gemeinſchaft aufgenommen. Die ſyſtematiſche 
Ausbildung diefer Ordnung findet fih in Den 
— des Concils von Ancyra 314, und Nicäa 


Bublampf. Die —— des Pietis⸗ 
mus und des Methodismus ſtellte Die Forderung, 
dab das Hin» und Hergezogenwerben des Unbe: 
tehrten zwifchen Fleifh und Geift (Röm. 7) im 
Gefühle befonders tief und lebendig empfunden 
werden müſſe, ehe es in ihm zu einem Bruche 
mit feiner Bergangenheit fommen könne. Sie 
forderte als nothwendig das Bewußtjein eines 
Momentes, in dem der Geift den Sieg liber die 
ur enftehenden Kräfte der Sünde erlangt habe. 
uhpfalmen beißen die 7 Pjalmen 6, 31, 37, 

50, 101, 129, 142, von denen liturgifch in der 
fatholif Kirche ein häufiger Gebrauch; gemacht 
wird, befonders von dem Miserere Bj. 50 (51) und 
De profundis 129 (130). 

ſtationen. S. Bußgrabe. 

ng. In der evangeliſchen Kirche wurben 
bie Angarienfaften (ſ. d. A. Angariae) in Buß: 
und Bettage umgewandelt, außerdem öfterd das 
Senat Schwerer LZandescalamitäten durch Buß: 
tage Firhlich lebendig erhalten. Zur Ausgleichung 
der Berfchiebenheit der kirchlichen Sitte in den ein: 
zelnen Provinzen ift in Preußen und an anderen 
Orten ein einziger Landes⸗Buß⸗ und Bettag füralle 
Eonfeffionen auf den Mittwoch nad Jubilate ange: 
ordnet. Der Bußtag ift zum Theil als politiſch⸗ 

erliher Feittag zu betrachten. 

werke, Die Tatholifche Lehre bezieht die 
göttliche Vergebung nur auf die ewigen Strafen 
der Sünde, die der Sünde der Oläubigen zulom: 
mende zeitliche See kann burd freiwillige 
Usbernahme von Strafen, welche durd) das richter- 
lihe Urtheil des Priefters auferlegt find, aus: 
geglihen werden. Die als Strafe auferlegten 
Berle heißen Bußwerke. Val. d. A. Ablaß. 

Butterbriefe heißen die päpftlihen Dispen— 
fationen von der Strenge des Faftenverbotes, 
welches auch den Genuß von Eiern, Butter zc., als 
von Thieren herrührend, verwehrt. 

Butilar, Eva, und die Buttlarfde Rotte, Eva 
de Vefias, geb. von Buttlar, geb. 1670 zu Eid: 
wege in —2* trennte ſich nach ihrer pietiſtiſchen 
ug Brad von ihrem Manne und bildete 
1702 in Allendorf eine philadelphiſche Societät, 
in welher die Lehren von eiftlihen Ehe und 
bie Erwartung des taufendjährigen Reiches in eine 
grenzenlofe Lafterhaftigkeit umjchlugen; da die 
aus 20—40 Perſonen beftehende Societät in wil⸗ 
Ber Hurerei lebte und in Eva bie ewige Weiöheit, 
in ihren Zuhältern Winter und Leander Appen: 
feller aber den Vater und den Sohn verehrte. 
In Allendorf 1702 ausgewiefen, in Sadmanns: 
haufen 1704 entlarut, floh die Rotte nad) Köln, 
dann nach Lübe bei Pyrmont; gefänglich eingezogen 
1706 und zur Verbannung verurtheilt, zerftreute 
fie fih, Eva entfloh und ftarb nach einigen ehrbar 
verlebten Jahren in Altona. Vgl. Keller, die Butt: 


119 


Byzantinifcher Bauftyl 


an erg, kr — — hiſtoriſche 
eologie, . Göbel, Gejchichte des chriſtlichen 
Sehens. 1852. 

Buxtorff, Johannes. Geb. 1564 zu Camen in 
Weſtphalen, der Sohn eines Predigers, ftudirte 
zu Marburg, Herborn, Heidelberg und Bafel, pro: 
movirte hier und wurbe Profeffor der hebräiſchen 
Sprade. Seine gründliche Kenntnif der rabbi: 
nifhen Ziteratur verwendete er zu dem Zwecke, 
die unverfälfchte Erhaltung des hebrätfchen Terteö 
von den älteften Zeiten her zu beweifen und gegen 
früher erhobene Zweifel fiher zu ftellen. urch 
—* grammatiſchen und lexikaliſchen Arbeiten, 

anuale hebraicum 1602, Lexicon hebr. et 
chald. 1607, Biblia hebraica 1618, Tiberias 
(Gefchichte des maſoretiſchen Tertes) und Anderes, 
leiftete er Bedeutendes für die Erlernung der he: 
bräifhen Sprade. Eine Concordanz und ein 
chaldaiſch⸗ talmudiſches Lexikon konnten erſt nad) 
ri Tode 1629 herausgegeben werben von jeinent 
Sohne. 

Burtorff, Johannes. Geb. 1599, Sohn und Nach⸗ 
folger deö Vorigen in der Brofeffur und Erbe 
jeiner Gelehrſamkeit. Schon im 16. Jahre Magi: 
fter, bejuchte er noch Heidelberg und Dordredt 
1619, Genf 1623 und wurde Diafonus in Bafel 
1624 bis ri Tode jeines Vaters 1629, an deſſen 
Stelle er trat als Profefjor der Theologie bis an 
jeinen Tod 1664. Die Ueberzeugungen feines 
Vaters von der Unverjehrtheit des maforetifchen 
Textes, der — ————— der Quadratſchrift 
und dem moſaiſchen Alter der Punctation, verfocht 
er in vielen Schriften, namentlich gegen Ludovicus 
Cappellus (Tractatus de punetorum origine, an- 
tiquitate et autoritate, 1648). Da Burtorfis 
Anfiht dem damaligen dogmatiſchen Intereſſe ver 
proteitantifchen Theologie diente, jo wurde fie troß 
der Einfprüde, die Cappellus dagegen erhoben 
—— fogar im 2. Kanon der Formula consensus 

elvetica al3 fymbolifche Lehre firirt 1675. 

Burtorff, Johann Jakob. Sohn des Vorigen, 
geb. 1645. Gleihfall3 ausgezeichnet durch bie 
Kenntniß des Hebräifhen, wurde er 1664 Adjunc- 
tus feined Vaters. Die Profeffur feines Vaters 
beffeivete er bis an feinen Tod 1704. Er gab 
mehrere Werke feines Orofvaters aufs Neue 
heraus, 

Burtorfi, Johann. Neffe des Borigen, geb. 1663. 
War Prediger in der Grafſchaft Mark, dann bei 
Bajel und wurde feines Onkels Nachfolger ala 
Profeſſor der hebräiſchen Sprade. Er fchrieb 
Catalecta philologico-theologica etc. 1707. 

Byblos. Eine uralte Stadt in Phönizien, heift 
in der Bibel Gebal, Joſ. 13, 5; 1. Kön. 5, 18; 
Ezech. 27, 9; jetzt Dſchiblath, liegt nicht weit vom 
Meere, 24 Meilen von Beirut. 

Byflus. Das griechiſche Wort und ebenfalls das 
dafür gebraudte hebräiſche Schesch bezeichnete 
fowohl ein feines glänzendes Gewebe aus Leinen, 
als ein gleiches aus Baummolle. Wo aber von 
Kleidern ber Priefter oder Vorhängen und Tep: 
pichen der Stiftähütte die Rede ijt, 2, Moſ. 28, 42; 
39, 28; 3. Mof. 6, 3; 16, 4. 23, ift immer Leinen 
gemeint. 

Byzantiniſcher Bauſtyl iſt der aus derrömifchen 
Bafilitenform ſich herausgeftaltende, im byzanti- 
nifhen Reid zur allgemeinen Geltung gelangte 
Kirchenbauſtyl, der unter Jujtinians Regierung 
feine höchſte Blüthe erreichte und durch die 538 


Byzantinismus 


erbaute Sophienkirche in Eonftantinopel muſter | 
filtig repräfentirt ift. Der Grunddaralter dieſes 

tyles iſt die lateiniſche oder 
form, welche in der über der 
benden Kuppel ihren Abſ Wr findet. Außer ber 
—— entſtanden bald noch eine Anzahl 

ebentuppeln auf den vier Armen bed Kreuzes 
oder über dem Haupteingang oder den Aus: 
ſchnitten der Extremitäten. In ber ruffiichen 
und griehifhen Kirche befteht dieſer Styl noch in 
ben verjhiedenften Variationen. &. Baſiliken. 


— Kreuzed: 
reuzung fid) wöl: 





120 


Cäfarius von Nazianz 


l. Beftermann, die antifen und chriſtl. Bafilifen, 
vi Se die altchriftl. Kirchen 1862. 

Byzantinismus nennt man die geſchmeidige 
Unterwerfung der Kirche, der religiöjen und theo: 
logifhen UWeberzeugung unter den Willen des 
Monarden. In Byzanz war bie Unterorbni 
der Kirche unter die Staatögewalt Syftem un 
Gefeß: daher der Name. Im Abenblande ift ber 
Byzantinismus nie Syftem gewejen, aber, abge: 
fehen vom. Cäfareopapiämus (f. d. Art.), leider 
nur zu häufig die Lebensregel vieler Theologen. 


€. 


Cabal. Sof. 19, 27, ift wohl das von Sa Fir | 
erwähnte Chabolo. Damit ift nicht zu verwechſeln 
ber gleihnamige Diſtrict in Galiläa an ber tyri: 
{hen Grenze. ‚Der Name (wie Nidts) wird 
jpottend gedeutet 1. Kön. 9, 13. 

Gaetilia, die Heilige. Das Gelübde ber Jung: 
fraujchaft hielt fie troß der Che mit Valerian und 

ewann aud diejen und feinen Bruder für das 
&priftentbum. Beide ftarben als Märtyrer. Cäci: 
lia foll nad) der Legende vor der Abführung zum 
Tode (230) noch einmal das Lob Gottes zur Drgel 

ejungen, dann das Inſtrument zerbrochen haben, 
are iſt ſie die Schußpatronin der Muſit geworben. 

Caecilianus. S. Donatiſten. 

Caedmon (ſprich Kädmon). Ein engliſcher Dich» 
ter aus dem 7. Jahrhundert, der die Geſchichten 
der zwei erften Bücher Mofis und des Daniel in 
freier dichterijher Paraphraſe bearbeitete, ſowie 
die Höllenfahrt Chrifti. Er fol Mönd im Klofter 
Streaneshalch gewejen fein und die Dichtergabe 
fpät und auf wunderbare Weije erhalten n. 
Die ihm zugeſchriebenen Werte feinen jedoch 
nicht alle Einem Berfafjer angugehören. Ausgabe 
von Bouterwek, Elberfeld 1849— 1854 ; Oreverus, 
Dldenburg 1852—1855, 

‘ Gaerularius, Michael. Patriarch von Conſtan⸗ 
tinopel 104559. Urheber der Spaltung zwiſchen 
Gonftantinopel und Rom. Erftellte 1053 den latei⸗ 
nifhen Eultus in den Klöftern Bulgariens ab 
und erhob feine Anklageı gegen Rom befonders 
wegen des Gebrauchs des Ingejäuerten im Abend: 
mahl. Eine päpftlide Geſandtſchaft vermochte 
zwar den freund Michaels, den Abt Nicetas Per: 
toratus, jeine Schrift gegen Rom zu verbrennen, 
er felbft aber blieb unbeweglich, und fo legte fie 
1054 die Bannbulle gegen ihn und feine Anhän- 
ger in der Sophienkirche nieder, in der die griech. 
Kirche als ketzeriſch gebrandmarkt wurde. Unter 
dem Kaifer Jſaak Comnenus wurde Cärularius 
1059 wegen einiger Anmaßungen in die Verban— 
nung geichidt, wo er bald ftarb. 

Gaejaraugufla, Seragofie. Synode um 380 | 
gegen Priscillian. DieCollectio Caesaraugustana | 
iſt eine Kanonenjammlung. 

Caeſarea. 1) Baläftinä. Sebafte. Apftg.9,30; 
10,1; 12, 19; 23, 33; 25, 1. Am Meer zwijchen 
Joppe und Dora, früher Stratonsthurm, erhielt | 
den Namen zu Ehren des Nuguftus, nachdem Heros 





— — — — nn nn 


nahm hier in den Streitigkeiten zwiſchen Griechen 
und Juden ſeinen Ausgang. In den Kreuzzügen 
wurde Caeſarea wiederholt erobert von Balduin 
1101, von Saladin 1187 und endlich zerſtört von 
Baibars 1265. Als chriſtlicher Biſchofſitz iſt die 
Stadt befannt durch Euſebius den Kirchenhiſto— 
riler. —2) Caeſarea Philippi, Matth. 16,33; 
Marc. 8, 27, jrüher Paneas, ſpäter von Agrippa 
II. Neronias geheißen, lag in Gaulonitis am Fuß 
des Libanon, jegt das Dorf Banjas. Der Sage 
nah der Wohnort des blutflüjfigen Weibes. 
Matth. 9, 22. 

Caeſareopapismus beißt das Syſtem der Un: 
terwerfung bes Episfopats unter die kaiſerliche 
Macht, wie es in Byzanz ſtaatsrechtliche Gültig: 
feit hatte; in der proteftantifchen Kirche die Ent: 
artung des Summepistopats. 

Gaefariner. Die ftrenge Partei der Francis⸗ 
caner. ©. d. Art. 

Caeſarius von Arled, Als Abt eines Klofters 
502 zum Bifhof von Arelate gewählt. Ordnete 
auf mehreren Synoden, zu Ayde 506, Arles 524, 
Carpentras 527, die kirchliche Disciplin, erwarb 
fi) VBerdienfte durch feine Pflege der Predigt und 
des Klofterweiens, und wurde befonders belannt 
im pelagianiſchen Streite zu Drange 529 alö An: 
hänger des Auguftinismus, den er gegen den Se: 
mipelagianismus vertheidiate. Bei Alarich fälfch- 
lich angeflagt, ward er nach Bordeaur verwiejen, 
aber bald zurüdberufen. Auch 509 und 512 war 
erauf furze Zeit in Ungnade. } 543, Ald Wunder: 
thäter verehrt. 

Caeſarius von Heiflerbad. Seit 1199 Mönd 
bes Eiftercienjer:Klofters Heifterbad im Sieben: 
gebirge bei Bonn, wo er Prior und Novizen: 
meifter wurde, F nad 1227. Seine hiſtoriſchen 
Werte: Ortaet miraculaS, Engelberti; Libri XII 
(lialogorum demiraculis; Vita Elisabethae, find 
für die Sittengejhichte feiner Zeit von größtem 
Werthe. Zn feinen Homilien, die von hiſtoriſchen 
Belegen durchzogen And, waltet gejunde moralijche 
Betrachtung, aber übermäßiges Allegorienipiel, 
Seine Werte find noch nit ſämmtlich heraus: 


' gegeben. 


Caeſarius von Nazianz. Bruder des Gregor von 


‚ Nazianz, durch deſſen Leichenrede er befannt ift. 


Er war Leibarzt bei Julian, legte die Stelle feines 
Glaubens wegen nieder, trat wieder ein unter Jo— 


des die Stadt ausgebaut hatte. Meift von Griechen | vian und wurde Statthalter in Bithynien. Seine 


tors, nad) Jeruſalems 
der Provinz Judäa. 


bewohnt, war fie ver Sif des römifchyen Procuras | fajt wunderbare Errettung bei dem Erbbebem von 
——— die Hauptſtadt Nicäa 368 beſtimmte ihn, der Welt zu a 


er legte jüdiſche Krieg ı 


jagen. 


+ 369. Ihm zugeſchriebene Werte find upiccht, 


Gaefarius von Prüm 


Caeſariuß von Prüm z0g fi ala Abt von 
Brüm 1222 nad Heiſterbach zurück; befaßte fich 
mit eiymologiihen Studien, Exrplicatio rer. et 
verborum, verfaßte das Registrum eccl. Prum. ; 
iR zuweilen mit dem Caeſarius von Heifterbad) 
verwechfelt (f. d. Art.). 

Gajaner. 1) Kainiten. — 2) Gegner ber Waffer: 
taufe bei Tertullian, beren Lehre von einer Mon: 
taniftin Duintilla herrührte. 

Gajetan, Thomas (eigentlih Jakob de Bio). 
Geb. 1469 zu Gaöta, trat in den Dominicaner: 
orden 1484, ward Profeſſor der Philofophie und 
reger gr der Sapienza 1500. 1507 Ge: 
neralvicar, 1 Drdenägeneral, vertrat er bie 
pärftlihen —— auf dem Concil zu Piſa 1511. 
Cardinal und Erzbiſchof 1518 von Palermo, 1519 
von Gaẽta. Als päpftlihem Legaten in Deutſch⸗ 
land wurden ihm die Verhandlungen mit Luther 


übertragen. Obgleich fein Berhalten in Rom kei- 
nen unbebingten Beifall fand, behielt er das Ver⸗ 
trauen ber Curie, ging 1523 ala Legat nad) Un: 
garn und wurbe 15 iber Eroberung Roms ge: 
fangen. + 1534. Seine erften Schriften find phi⸗ 
loſophiſchen Inhalts, nach dem Auftreten der 
Reformation vorherrihend Bibeleregefen, in denen 
er den buchftäbliden Sinn —— Auch eine 
Bibelüberfegung verſuchte er. Aus feinen Schrif: 
ten ift Die Meinung, daß ungetaufte Kinder durch 
Gebet und ftellvertretende Taufbegierbe ber Eltern 
ber a damni entzogen würden, als häretifch 
(zu Trient 1547) auögemerzt. 

Gajetaner. S. Theatiner. 

Gajus tommen imMeuen Teftamente vor Apftg. 
19, * 20, 4; Röm. 16, 28; 1. Kor. 1, 14 un 
3. Joh. 1. 

jus, der Heilige, Römiſcher Biſchof 283 bis 
2%. Die ihm zugeichriebenen Decretalien find 
uneht. Gewiſſes über ihn ift nicht befannt. Sein 
Gedaͤchtnißtag der 22. April. 

Gajus. Belannter römifher Presbyter um 
217. Bertheibiger ber riftlichen Lehre gegen Hä⸗ 
retifer, namentlih ein en Gegner 
des Ehiliadmus, verwarf er die Apolalypfje und 
ſchrieb fie dem Ketzer Cerinth zu. Gegen ben Mon: 
tanismus ſchrieb er ben Auddoyog gög Ilgoxkov, 
von dem jedoch nur Fragmente bei Eufebius, 
Hieronymus, Theodoret auf uns gekommen find. 

Galas, Jean. Ein hugenottiſcher Kaufmann zu 
Toulouſe. Als fein ältefter gr aus Melandolie 
fich erhängt hatte, ward er beſchuldigt, denfelben 
ermordet zu haben, um feinen Uebertritt zur röm. 
Kirche zu verhüten, nad) einer regellofen Unter: 
fugung verurtheilt und ——— 1762. Bol: 
taire veranlaßte eine Revifion des Prozeſſes, deren 


Folge nit nur die Rehabilitirung der unglüd: 
lichen lie, fondern auch eine größere Duldung 
ormirten war. Bgl. Coquerel, Histoire 
des &glises du dösert. 
fanza. + 1648. Der Stifter des Calafan- 
jier oder des Piariſten⸗Ordens (f. d. Art.). 
Calattaba. Ein geiftliher Ritterorden zum 
Kampf gegen die Mauren, 1164 beftätigt. Die 
Großmeifterwürbe ift jeit 1457 mit ber Krone 
serbunden und feit 1805 der Orden ein Verdienſt⸗ 
orden — Die Comthurinnen von €. (1219) 
find jäcularifirt. 
— rg ren re 
durch die Gemahlin Erida, Elifabeth (Tochter 
Yyoadims von Brandenburg), reformirt, die den 


121 


Galirtus 


Eorvinus zum Superintenbenten berief. 1540 
nahmen die Stände die Reformation an. 1542 
exſchien die Kirchenordnung, 1543 fand die Kir⸗ 
chenviſitation durch Corvinus ftatt. Als das Land 
1588 an Braunſchweig fam, wurde die Braun: 
ſchweigiſche Kirhenorbnung von 1569 mit einigen 
Aenderungen troß ber Ceremonien als Galen: 
bergiſche Kirhenorbnung eingeführt. Nach der 
Trennung von Braunfhweig 1635 wurde 1636 
das Eon cum zu Hannover eingejet. 

Galizt J. Papft 220—226. Ihm wird die Ers 
bauung einer Kirche an der Stelle von S. Maria 
Traftevere zugeſchrieben. Sein angeblider Mär: 
tyrertod iſt ungewiß. 

— U. 1119—1124, Beſiegte feinen kaiſerlichen 
Gegenpapft Burdinus (Gregor VIIL) und ſchioß 
mit Heinrid) V. das Wormſer Concordat 1122, 
weldes den Jnveftiturftreit jo beendigte, daß die 
Biſchöfe und Aebte kanoniſch frei gewählt werben 
und die firhliche Inveftitur mit Ring und Stab 
ſowie nachher die Faiferliche Belehnung mit dem 
Scepter empfangen follten. Die Bemühungen, in 
Frankreich Gleiches zu erringen, mißlangen. Er 
eröffnete das Lateranconcil 1124. 

— III. 1455—1458. Aus dem Haufe Borgia. 
Da er unter bem Vorwand eines beabfidhtigten 
Türkenfrieges auch die Geiftlichkeit befteuerte und, 
um Geld zu jammeln, auch die Wiener Goncors 
bate von 1448 nicht hielt, appellitten der Erz: 
biſchof von eg und die Pariſer Univerfität an 
ein allgemeines Goncil. Durch die unkanoniſche 
Erhebung feines Nepoten Roderigo Borgia zum 
Gardinal bahnte er demfelben (Alexander VL) 
den Weg zum päpftlichen Stuhle. 

Galizt, ai mitgezählt in der Reihe der Päpfte 
wird Calixt III., der 1168 ala Gegenpapft gegen 
Alerander III. von Barbarofja aufgeftellt, aber 
1177 nad) der Schlacht bei Legnano im Vertrag 
zu Venedig fallen gelaffen wurde. 

Galirtiner. Die gemäßigte Partei unter den 
Huffiten, welde unter dem Einfluß der Univer: 
fität Prag ftand und die Forderung der freien 
Predigt des Evangeliums, der Briefterehe und des 
Kelches (calix) machte. Ihre Grundfäge wurden 
auf der Synode von Prag 1421 feftgeftellt. Der 
Kreuzzug des Bafeler Concil3 wurde von den vers 
einten Barteien abgeſchlagen und das Eoncil jah 
fi) genöthigt, um Aergeres zu verhüten, die Baſe— 
ler Gompactaten zuzugeftehen, welche die Brager 
Artikel jo modificirten, daß das Abendmahl unter 
einer und unter beiden Geftalten ausgetheilt wer: 
den, nur verordnete Prediger predigen, bie 
Geiſtlichkeit Güter verwalten und nur die Obrig- 
feit Sünder beftrafen dürfe. Die Taboriten wur- 
den geichlagen bei Böhmiſchbrod 1434, und ala 
der Erzbiſchdf Rokyczana von Sigismund aner: 
fannt war, unterwarfen ſich ihm die Calixtiner. 
(Bal. d. Art. Huffiten.) 

Galirtus, Georg. Bebeutender Vertreter einer 
verjöhnlichen theologifhen Richtung in der Iuthe- 
riſchen Kirche. Geb. 1586 zu Medelbye in Schles- 
wig. Studirte Theologie und Philologie zu Helm: 
ftädt, wo er nad) Vollendung einer wiſſenſchaſt⸗ 
lihen Reife 1609—1613 Profeffor der Theologie 
wurde, welche Stelle er bis zu feinem Ende 1656 
behielt. Humaniftijche und philofophifche Bildung, 
namentlich aber auch feine geſchichtlichen Studien 
hatten ihn über die lutheriſche Engherzigfeit ſei— 
ner Zeit erhoben und lafjen ihn im Iroffen 


Gallenberg 


Widerſpruch mit feiner Zeit erſcheinen, ur ir. 
aber ala einen Propheten der Zulunft. Dur 
feine geſchichtlichen Studien gelohnt, aus der 
Berfhiedenheit das Gemeinfame und Fundamen⸗ 
tale hervorzuheben, war er feit Melanchthon der 
erfte friedfertige lutheriſche Theologe, gerade des⸗ 
halb aber der viel verfolgte. In feinen Schriften 
De praecipuis religionis Christianae capitibus 
und feiner Epitome theologiae fand man bie 
Ubiquitätslehre und Anderes nicht correct luthe⸗ 
riſch; der Drud feiner Schrift Deimmortalitate 
animae et resurrectione mortuorum wurde ver: 
boten, weil die Beweisführung zu philofophiich 
war. Obgleich einer der (auch geſchichtlich) gründ⸗ 
lichften Polemiler gegen den Katholicismus, wurde 
er als Kryptopapiit angellagt. Calov und Hülfe: 
mann hoben fürmlid) die Gemeinjchaft mit €. auf, 
als er fih am Thorner Religionsgeipräche 1645 
betheiligt hatte; die Wittenberger aber fegten ihm 
den Consensus repetitus fidei verae Lutheranae 
1655 entgegen. Diefer Streit, der fid) aud) nad) 
feinem Tode zwifchen feinen Anhängern und ben 
Orthodoxen iſt unter dem Namen des 
ſynkretiſtiſchen (j.d. Art.) befannt. Um das eigent⸗ 
lich Fundamentale zu finden, gebt E. auf bie 
erften 5 Jahrhunderte zurüd, wobei er von man- 
hen katholiſchen Einrichtungen zeigte, daß fie 
jüngern Urfprungs feien. Dabei et er aber 
mehr die Zahl der Fundamental:Artifel zu bes 
ſchränken und die Einigung in unbeftimmtem Aus- 
drud berzuftellen, als unter Anerkennung einer 
nothwendigen geſchichtlichen Entwidelung die 
Principien ded Evangeliums zu erörtern. Ber: 
dienftvoll find die Epitome der Dogmatik ynd feine 
Theologia moralis, worin er zuerft die letztere 
jelbftändig und getrennt von der Dogmatik bear: 
beitete, und in dem.erjtern Werk die analytische 
Methode einführte, indem er von dem Ziel ber 
Theologie, dem ewigen Leben, ausging, darnad) 
als Subject den Denthen und die Brincipien ober 
Mittel zu dem Zwede behandelte. Bon feinen 
Schriften ift die Gefammtausgabe, die fein Sohn 
Friedrich Ulrich vorbereitete, nicht zu Stande ge: 
tommen. Bol. Gaß, G. Galirt und der Synkre⸗ 
tismus, 1846. Sente, Calirt, Halle 1853, 1856, 
1860, und Calixts Briefwechlel, Halle 1833, 

Callenberg. Profefior der Theologie in Halle. 
+ 1760. Begründete 1728 zur Beförderung der 
Miſſion unter den Juden ein Miffionäfeminar, 
welches feinen Namen trägt und feine Miſſionare 
je zwei und zwei durch Europa und in den Orient 
ausjendete; jeit 1791 ift es mit den Frandifchen 
Stiftungen verbunden. 

Gallenberg, Sidonie. Eine Gefährtin der Eva 
von Buttlar (f. d. Art.). 

Galmet, Auguftin. Benebictinermönd. Geb. 
1672. Lehrer der Theologie zu Moyen:-Moutier 
und zu Münfter 1704. Abt zu Nancy 1718, zu 
Senones 1728, + 1757. In feinen eregetifchen 
Schriften La S. Bible, 1707, Dictionnaire histo- 


122 


| 
| 


Calvin 


berg, warb er 1643 an das Danziger Gymnaſium 
berufen, 1650 nad) Wittenberg, wo er Primarius 
und Generalfuperintendent wurbe. 6 Mal verhei⸗ 
rathet, jah er 5 Gattinnen und 13 Kinder zu 
Grabe tragen. Er felbft ftarb 1656. Seine Natur, 
ohne jede tiefere Gemüthsanlage, fchien für die 
theologifche Polemik befonders geſchaffen und bot 
das ſcharfe Gegentheil zu dem mildegefinnten 
Galirt dar. Das ntereffe feines Lebens concen: 
trirte fich auf die Einheit und Reinheit der luthe⸗ 
rischen Lehre. Gegen die Papiſten jchrieb er feine 
Mataeologia papistica, feine Theologia ap. Ro- 
mana, gegen bie Reformirten feine Consideratio- 
nes Arminiasmi, feinen Socinianismus ei. ei 
tus u. ſ. wm. Sein Hauptlampf war aber gegen 
Calixt und feinen Anhang gerichtet: Digressio de 
nova theologia Helmstadio-Regiomontanorum 
Syneretistarum, Harmonia Calixtino-haeretica 
u.a. Gegen Ealirt verfaßte C. jogar ein neues 
ſymboliſches Bud) 1665: den Consensus repetitus 
fidei verae Lutheranae, Nad dem Tode feines 
Gönners Georg II. ſank der Einfluß Calovs, feine 
Historia syncretistica wurde fogar mit Beſchla 
belegt. Außer feinen polemifchen Schriften ift no 
fein Systema locorum theologorum 1655—77, 
feine Apodisis articulorum fidei 1684, feine 
Theologia naturalis et revelata juxta Aug. conf. 
1646, ſowie fein eregetifches Wert Biblia illus- 
trata hervorzuheben. Vgl. Tholud, die Witten: 
beraer Theologen 1852. 

Galvarienberg. Nah der Bulgata die Meber: 
feßung von Golgatha. Daher heißen fo Anhöhen, 
welche den Kreuzesweg Chrifti dadurch verfinn: 
lihen follen, dab an den Seiten die Haupt: 
momente des Leidens in Bildern und Statuen 
(14 Stationen) dargeftellt find. Solche Ealvarien: 
berge find meift mit Abläffen begabte Wallfahrts: 
orte, welche eine Pilgerreife nah Zerufalem er: 
ſetzen fönnen. 

Galvariften. Priefter des Calvarienberges. 
Eine Eongregation geitiftet 1653 zu Betheram in 
Bearn, von Hubert Charpentier, zur Berehrung 
des Leidens Chriſti und zur Belehrung der Pro: 
teftanten. Ihr Sit ift jet auf den Mont Bale- 
rien zu Paris, 

Galvin, Johann (Caulvin oder Cauvin). Geb. 
den 10. Juli 1509 zu Noyon in der Picardie, der 
Sohn eines unbemittelten yiscalprocurators, ge: 
noß eine forgfältige Erziehung und erhielt ſchon 
als Knabe eine geiftlie Pfründe, welche ihm die 
Mittel zur weitern Ausbildung verfhaffte. Der 
Vater, von den Gaben feines ——— überzeugt, 
beftimmte ihn jedoch bald, hier eine glänzenbere 
Laufbahn für en hoffend als im geiftlichen 
Stande, zum juriftifhen Studium, welchem dieſer 
in Orleans und Bourges mit großen Fleiße ob: 
lag. In Bourges führte ihn der gelehrte Deutfche 
Wolmar in das Studium der griechifchen Bibel, 
was in ihm den Anfang zu jeinem Entwidlungs- 
proceffe hervorrief. In Paris, wohin er fih nad 


—* et critique, ehronologique, géographique | dem Tode feines Vaters begab, famen feine refor: 
€ 


ittöral de la Bible, 1722, giebt er den gram: 
matiſchen Sinn nad) tridentiniihem —— 
werthvoll find bie archäologiſchen Excurſe, ebenfo 
die Histoire ecelésiastique et civile de Lorraine, 
1728. 


Galovn, Abraham. Der größte Streittheologe | lang zur 


ber lutherifchen Kirche. Geb. 1612 zu Mohrungen 
in Oſtpreußen. 1634 in Roftod, 1637 in Königs: 





matoriſchen Ueberzeugungen zur Reife; er ſchloß 
fi der evangelijden Gemeinde an, mußte aber 
wegen einer von ihm verfaßten Rede, die der 
Univerfitätsrector Cop öffentlid) hielt, 1583 die 
Flucht — Gr begab ſich ſodann eine Zeit⸗ 

önigin von Navarra. Um wiederholten 
Verfolgungen zu entgehen, floh der nad Paris 
Zurücgetehrte 1534 nad Bajel, wo er jeine 


Galvin 


Institutio ſᷣrieb. Urfprünglid an Franz I. gerich⸗ 
tet, ſollte ba8 Buch eine einfache Darftellung des 
evangelifhen Glaubens jein, wurde aber in ben 
fpätern Ausgaben 1539 und 1559 zu einer ſorg⸗ 
fältig ausgearbeiteten Dogmatif. Auf der Durd)- 
reife zur Herzogin von Ferrara wurde Calvin 
von Farel in Genf feftgehalten 1536 und fand 
damit den Schauplag feiner jpätern Wirffamteit. 
Sein Auftreten in Genf war rigoriftijch und Hart, 
und bald erwedte er gegen fich eine ftarfe oppo: 
fittonelle Stimmung. Aud) der Rath, mißtrauiſch 
egen bie wachſende Macht Calvins, gab den Ein- 
Höfen Berns nad, und rief dadurch jenen Bruch 
bervor, der 1538 die Vertreibung Calvins zur 
Folge hatte. In Straßburg, wohin er ſich wandte, 
Brebiger ber —— Gemeinde, kam er mit 
der deutſchen Reformation in nähere Verbindung 
und fchrieb 1540 fein Buch vom heil. Abendmahl. 
Aber jhon 1541 wieder nah Genf zurüdberufen, 
trat er an die Spitze ber Gemeinde und der gan: 
sen reformirten Kirche. Belang bie Organifirung 
der Kirche bald durch Aufrichtung bes Conſiſto— 
riums, jo fand das theofratijche Gepräge, welches 
jein Einfluß dem Staate aufdrüdte, und die 
Durhführung der ftrengen Kirchenzucht befto 
ihärfere Oppofition an den Libertinern, denen 
Calvin unbeugjam, nit ohne eigene Gefährdung, 
entgegentrat. Iſt man gewohnt, ihren Widerſpruch 
als im fittlihen Libertinismus beruhend anzu: 
jehen, jo weijen neuere Forſchungen der Brüder 
Galiffe darauf hin, das vielmehr die politifche 
Partei fich durch Ealvin das Ziel ihres Strebens 
entwu ſah und ihr Batriotisnus in der Herr⸗ 
daft der Fremden eine Gefahr erblidte, denn 
f wurde der Zufluchtsort aller um ber Reli: 
gion willen Berbannter, und viele gelangten zu 
großem Einfluß. Die von Calvin eingenommen 
Stellung forderte Die Strenge, die er gegen Boljec 
und namentlid gegen Servet bewies (j. d. Art.), 
defien Tod ihm in gewiſſem Maße zur Laft fällt, 
um beöwillener vielfach getabelt und jorgfältig 
vertheidigt ift. Er glaubte, Gottes Ehre fei durch 
Servet in hartnädıger Bosheit angegriffen; da— 
von durchdrungen, —* Calvins harte Perſön⸗ 
lichleit das Furchtbare der That nicht, die belannt⸗ 
lid) auch der ſanfte Melanchthon billigte. Calvins 
Einwirlung auf die Kirche Frankreichs und Eng: 
lands mit Schottland, in defien Reformator Anor 
er feinen treueften Schüler hatte, war bedeutend 
durch die jortwährende Verbindung, in welcher er 
zu ihnen ftand, und mittelbar durch bie Stiftung 
der emie zu Genf 1559, welde der franzöfi: 
hen Kirche die zen lieferte. In der Schweiz 
dloß fi jeit dem Consensus Tigurinus 1549 
die Zwingli'je Kirche immer mehr an ihn an, wo: 
hingegen in Deutihland, obgleich er in früherer 
Zeit Die Augustana variata unterjhrieben hatte 
und Melanchthon befreundet war, aud) in manchen 
Anfhauungen Luther näher ftand, die Abend: 
mahlslehre zu einer tieferen Scheidung führte, 
nachdem Weitphal ben Consensus angegriffen und 
Calvin ihm und Heßhus 1554 und 1561 geantwor: 
tet hatte. Der Calvinismus als Lehre, defjen 
Spige ber Präbdeftinationäglaube bildete, ver: 
breitete fih nun längs bes Rheins bis zu den 
Niederlanden, hauptſächlich dur die zwiſchen 
Luther und Zwingli vermittelnde Abendmahls⸗ 
lehre (f. d. Art.) fih Eingang verihafiend. Bon 
Calvins Werten find außer der Institutio reli- 


123 


Gamerarius 


gionis christianae 1559 (von Tholuck herausg. 
1834 und 1835) und feinem Catöchisme del’öglise 
de Genöve von 1536 namentlich) zu erwähnen feine 
Commentare, welche beinahe die ganze Bibel um: 
faflen, und ſich auszeichnen durch eine gründliche, 
unbefangene hiſtoriſche Auslegung. Biel von 
Krankheit heimgeſucht, aber in eiferner Selbft: 
beherrſchung thätig bis and Ende, ftarb er 1564 
am 27. Mai, nachdem er dem Rath der Stabt noch 
einmal für jeine Treue gedankt und ihn zur Be- 
wahrung berfelben ermahnt hatte. Sein Leben 
haben beichrieben Henry, das Leben 3. Calvins, 
Hamburg 1835— 38; GStähelin, Johannes Cal: 
vin's Leben und ausgew. Schriften, 1863; Buns 
gener, Calvin, fein Leben, fein Wirken und feine 
Schriften, 1863; Viguet et Tissot, C. d’apres 
C. 1864. Galiffe, Quelques pages d’hist. exacte 
sur les procös intentes a Gen. en 1547 à 1559. 
Vaney 1862, Die befte Gefammtausgabe feiner 
Werte Amjterdbam 1671. Neue Ausgabe der Straß: 
burger Theologen, Braunſchweig 1863 ff. 

antaldulenjer. Gejtiftet durch Romuald, geb. 
950 in Ravenna. Als Benedictiner-Mönch zu Ra: 
venna ftrebte er nad) großer Heiligkeit und ſchloß 
fi an einen Anadoreten Marinus an. Zn einem 
unftäten Anachoretenleben fammelte erimmer aufs 
Neue Berehrer um fich, die er zu klöſterlichen Ge: 
meinfhaften unter harten Regeln organifirte ; 
einen Miffionszug nah Ungarn mußte er auf: 
geben und ftarb 1027 im Kloſter Val de Castro. 
1018 hatte er die Heine Eremitenniederlaffung zu 
Campus Maldoli in den Apeninnen geſtiftet, die 
nad feinem Tode durch Petrus Damiani auf: 
blühte und den ** ihres Stifters am treueſten 
bewahrte. Filiale ſchloſſen ſich an und durch die 
päpſtliche Beſtätigung 1072 wurde die Congrega— 
tion als befonderer Orden anerkannt, ber durch 
feine ftrenge Regel, ifolirte Xebensweife, Faſten, 
Schweigen, Geißelung und Aehnliches ein Bild eiſer⸗ 
ner Zucht bot. Mit dem zunehmenden Reichthum 
von Tamaldoli verfiel die Strenge. Aus verſchie— 
benen Reformverfuden gingen neue Congregatio⸗ 
nen hervor, jo 1476 die Congregation von Murano 
duch Juftiniani, die Congregation des heil. Ro: 
muald mit ftrenger Regel oder vom Kronenberge, 
die von Turin und die Eongregationll.2, Frauen 
vom Troſte 1633. Nach der Aufhebung des Ordens 
1782 ift er in Neapel 1822 wieberhergeftellt; ein 
Glied deſſelben war Gregor XVI. 

Camera Romana, ©. Curie. 

Camerarius, Joachim. Reformatoriſch thätiger 
Humaniſt. Geb. 1600 zu Bamberg, ſtudirte er zu 
Leipzig, Erfurt und Wittenberg, wo er mit Mes 
lanchthon Freundſchaft ſchloß. Veſuchte den Eras: 
mus in Baſel 1524 und ward Lehrer der griech. 
Sprache am neuerridhteten Oymnafium zu Nürns 
berg, Toigie 1535 einem Ruf nad) Tübingen, um die 
Univerfität neu zu organifiren. 1541 ging er nad 
Zeipzig. Auf dem Reihätag zu Augsburg 1530 
als Abgeordneter von Nürnberg anweſend, ſchrieb 
er die Confutation nad. Auch fpäter betheiligte 
er ſich an reformatoriſchen Verhandlungen, 1554 
am Geſpräch zu Naumburg, 1555 am gr 
Augsburg, zu Nürnberg 1556 wegen der ofiandri 
ſtiſchen Streitigleiten, 1560 berieth Narimilian 11. 
mit ihm zu Wien über die Religiondvereinigung. 
+ 1574. Unter feinen Schriften ift außer zahl: 
reihen Ausgaben der Elaffifer und philologijchen 
Arbeiten hervorzuheben die Lebensbeſchreibung 


Gamero 


Melanchthons (Herausgegeben von Strobel, Halle 
1777). 


Gamero, Johann. NReformirter Theologe aus 
Schottland. Stubdirte in — Vaterland Huma: 
niora, ward Profeſſor der —* ophie in Bordeaux, 
ſtudirte dann Theologie und wurde 1608 Prediger 
au Bordeaux, 1618 an Gomarus' Stelle ghrofeflor 
in Saumur, 1624 in Montauban, ftarb 1625 in 
Folge einer Mißhandlung. Antiarminianer, ſuchte 
er die Präbeftinationslehre zu mildern. Seine 
bedeutenderen Schüler waren Amyraldus und 
Gappellus, durch welche er von Einfluß auf die 
franz. Kirche geweſen ift. 

Gameronianer, Als Karl II. das Prälatenthum 
in Schottland wieder einführte, über 400 Geift: 
liche ihrer Stellen beraubte, die Feldgotteädienfte, 
welche fie mit ihren treuen Gemeinden abhielten, 
verbot, erhoben fich die Preöbyterianer zum Wider: 
ftand. Die Indulgenz:Acte von 1669 konnte am 
wenigften die ftrengen Covenanter befriedigen, da 
ge önigl. ikea air eng) re 

nter denfeiben nahm Richard Camero eine her: 
vorragende Stelle ein, der in Rotterdam von dem 
Presbyterium ber vertriebenen Paſtoren zum Feld: 
paftor ordinirt war, und dur glühenden Eifer 
wieber auszulöfhen fuchte, daß er früher ſich hatte 
bie Zufage entlocken lafjen, ſich folder Predigten 
zu enthalten. Er nahm Theil an der Erklärung 
vom 22. Januar 1680, die Karl II. des Thrones für 
verluftig erklärte, und fiel als Anführer feiner 
Partei in einem Gefecht gegen bie lönigl. Trup- 
pen; fein College Eargill wurde gefangen und hin: 
— Die Cameronianer erlitten die härteſte 

erfolgung, ohne fich zu beugen. Die von Ja: 
lob II. gewährten Indulgenzen, durch welde er 
dem Bapismus wieder den Weg zu bahnen fuchte, 
lamen auch ihnen zu gut; allein erft die Vertreis 
bung ber Stuart3 und die Parlamentdacte von 
6 


Sat, daf die Presbyterial:Berfaflung Die einzig 
von derScrift gebotene und die Kirche völlig vom 
GStaate —— ſei, nit anerlannt wurde, fo 
blieben fie getrennt, 1709 au neue Unru⸗ 
ben und erft 1743 wurden fie als felbftändige 
Kirhengemeinfhaft anerlannt. Sie zählen jegt 
nod etwa 40 Gemeinden. 
mifarden. Die Reformirten in den Seven: 
nen, welche nad) der Aufhebung des Edictö von 
Nantes im bewaffneten Aufftand 1702—1704 die 
—— —* ſich erkämpfen wollten. Nachdem 
Claude Brouſſon eine religiöſe Ermuthigung her: 
vorgerufen, trieb die Grauſamkeit des Inſpee—⸗ 
tors der Miſſionen François de Langlade du 
Chaila und die fiegverheißende Viſion der Bro: 
pheten einen Bauernhaufen, die Burg von Pont 
de Montvert zur Befreiung der Gefangenen anzu: 
greifen und zu zerjtören. Der Aufftand wuchs 
unter den Führern Laporte, Roland, Jean Cava— 
lier; nach augenblicklichen Niederlagen folgten 
größere Siege über Montrevel 1703—1704, bis es 
illars gelang, nachdem auf den erften Enthufias: 
mus bie beginnende Demoralifation gefolgt war, 
den Führer Cavalier zu gewinnen und zu unter: 
werfen, Roland, der den Krieg fortjegte, gefangen 
zu nehmen und zu tödten. Erft 1710 endeten die 
legten Kämpfe und die Scenen des Fanatismus 
und unmenſchlicher Barbarei. Eine auffallende Er: 
ſcheinung bilden die Inſpirirten und Propheten 
ber Camiſarden, die in krampfhaften Zudungen | 


124 


endigte völlig die Verfolgung. Da jedoch der | TH 


Ganus 


Dffenbarungen und Geſichte hatten. Auf das voll: 
fommenfte überzeugt, daß ihre Sache bie Sache 
der Wahrheit und Gottes fei und darum die Ber: 
heißung des Sieges habe, jehen B ben Untergan 
vor Augen ohne Ausficht auf Rettung. Es find 
die Erjheinungen, fo lange nicht Willfür, Trug 
und Fanatismus fi Hineinmengt, ber äußere 
Ausdrud des Verzmeifelnd am Heid Gottes auf 
Erden, ohne irre zu werben an Gott jelbft. Der 
Name E. kommt von den von ihnen getragenen 
Bauernhemden (camises). Dgl. Hofmann, Ge: 
ſchichte des Aufruhrs in den Sevennen, 1837, 

Gampanus, Johannes. Ein Antitrinitarier aus 
den Niederlanden, der 1529 dem Religionsgeſpräch 
in Caſſel beimohnte, 1530 in Torgau zurlickgewie⸗ 
fen, darauf in Jülich, wo er das Bolf aufregte, 
eingeferfert wurde und geifteöverwirrt 1574 ftarb. 
Seine Schrift „Wider alle Welt nad) den Apo: 
fteln“ enthält feine Anfichten. 

Gampegius. Lorenzo Campeggi. Cardinal. Als 
päpftliher Legat zum Nürnberger Reihötag 1524 
und nad) Augsburg 1530 gejendet, gab er zwar 
durch Geiz und Unredlichkeit mandes Aergernif, 
mußte indeß durch feine ſchlaue Politik die Auf: 
rechthaltung des Wormſer Edicts durchzuſetzen 
und die fpätere Reftauration durd) die Vereinigum 
ver lath. Fürkten mit Defterreich anzubahnen. Ad 
in England 1519 und 1528 ai er als Legat, 
um bie Ehefache Heinrich VIII. zu orbnen, deren 
Ausgang ihm perfönlide Kränkung zuzog. Sein 
Bruder Thomas war auf dem Gefpräd zu Worms 
anmejend 1540, 

Ganifius, Beter, eigentlich de Hondt. Geb. 1524 
zu Nymwegen. Der erite deutjche Jefuit. Wirkte 
am Collegium zu Ingolitadt ald Rector ber Uni: 
verfität und feit 1551 als Hofprediger in Wien für 
die Unterbrüdung der Reformation in Bayern und 
Deiterreih. Auch am Tridentiner Concil nahm er 
eil. + 1597. Bon feinen Schriften ift die bedeu⸗ 
tendfte fein Katechismus 1554 und 1566, ber weit: 
verbreitet ift. Pius IX. ſprach ihn kürzlich felig. 

Eanflein, Karl Hildebrand. Gründer der Bibel: 
anftalt in Halle. Geb. 1667. + 19. Auguft 1719. 
Studirte die Rechte, wurde Kammerjunker in Ber: 
lin 1689, ging darauf 1690 zur Armee nad) Flan- 
bern, wo er in einer töbtlihen Krankheit das Ge: 
lübde that, feine Zukunft dem Dienfte Gottes zu 
weihen. Mit Frande und —— befreundet, ſtif⸗ 
tete er 1710 die mit dem Waiſenhaus zu Halle 
verbundene Canſteinſche Bibelanſtalt. Die erſten 
Ausgaben des Neuen Teſtaments in 12° 1712 
wurden zu 2 Grofchen, bie ganze Bibel in 8° 1713 
zu 9 Grofchen verlauft. Die Anftalt hat fih nad 
feinem Tode fortwährend vergrößert, jo daß fie 
jest gegen 50,000 Eremplare jährlich abfeßt. 1867 
hat fie ein nad dem Grundtert revidirtes N. T. 
ausgegeben. ©. verfaßte auch eine Harmonie der 
Evangelien mit praftiiher Erflärung 1718— 25 
und fchrieb ein Leben Speners, Halle 1729, 

Ganterbury. ©. England. 

Canus, Melchior. Katholifher Dogmatiter. 
Geb. zu Taracon bei Toledo. Dominicaner, Pro: 
feffor der Theologie zu Salamanca und Ordens: 
provinzial. F 1560. In feinem Hauptwerte Loci 


4 
i 


theologici, Salamanca 1563, verfolgt er eine | 


ftreng Iholaftifche Methode ; dem römischen Syſtem 
ift er völlig ergeben, iſt aber ein ſchroffer Gegner 
des Yefuitenordens. In der Unterfuhung über die 
Grundlage der Dogmatik wies er der h. Schrift 


Ganut der Große 


die erfte Stelle an. Es fehlt bei ihm nicht an ein= 
zelnen freimlithigen Neußerungen. C. wohnte aud) 
dem Tridentiner Concil bei. 

Ganut der Große. S. Dänemarf. 

Gapadofe, Abraham. Gleichzeitig mit da Cofta 
(f. d. Art.) getauft gl aber ohne defien 
gi ige Gaben, bemeift er feine Belehrung zum 

vinismus durch eine Schrift gegen die Baccine 
und eine andere fiber feine eigene Converfion. 

Eapharfalem. 1. Matt, 7, 31. Ort des Sieges 
über Nifanor 161 v. Chr. Die Lage ift unficher. 

Gaphira. Gideonitenſiadt, Joſ. 9, 17, im Stamme 


Benjamin, 18, 26; Esra 2, 25; Neh. 7, 29; jet |, 


Kefir. 

% htor. Die alte Heimath der Philifter. Am. 
9,7; Ser. 47,4; val. 1. Mof. 10, 14; 5. Mof. 2, 
23, Nach ben LXX märe es Kappadocien, wozu 
er. 47,4 nicht ftimmt. Jet wird allgemein Ereta 
darunter verftanden. 

Capiſtranus, Johannes. Berühmter Francis: 
taner. Geb. 1386 zu Capiſtrano, trat mit 30 Jah: 
ren in den Franciscaner:Orben, defien General: 
vicar er murbe. Ausgezeichnet durch asketiſchen 
und antihäretifchen Eifer, den er in den Partei: 

en des Ordens bemwiefen, wurde er 1450 von 
Rifolaus V. nach Deutihland geſchickt, um gegen 
die Huffiten und für einen Kreuzzug gegen bie 
Türfen zu wirlen. Er fammelte bei dem Wider: 
ftreben der Fürften durch feine erfchlitternden Pre- 
digten ſelbſt ein Kreuzheer, mit welchem er Bel: 
ab entjeten half. Er ftarb bald darauf; feine 
eiligſprechung (f. ©. Voigt's Aufjag in Sybels 
r. Zeitſchrift 1864), die er fchon bei feinen 
bzeiten im Auge hatte, wurde 1690 nad) vielen 
Bemühungen —* Ordens endlich durchgeſetzt. 

Capitel heißt das mit corporativer Verfaſſung 
organiſirte Collegium von Klerilern an einer Ka: 
thedrallirche, welches das ftändige Rathscollegium 
des Biſchofs zu bilden beftimmt ift. Zur Verwal: 
tung des Vermögens und ber andern Angelegen: 
heiten hat es eigene Beamte. An der Spitze ftehen 
der Domprobft und Domdechant. Das widhtigite 
Recht ift die Biſchofswahl und die Verwaltung der 
Didcefe in der Sedisvacanz durch einen Bicar. 
Der Bifchof ift in der Verwaltung der Diöceje 
zuweilen an den Conſens, — an den Rath 
des Capitels oder einiger Capitularen gebunden. 

her waren die Rechte und der Einfluß der 
itel bedeutender, ſie ſtanden ſelbſtändig, nicht 
ſelten feindlich, den Biſchöfen gegenüber; die ge— 
genwärtige Ordnung iſt durch das Tridentinum 
und die Landesgeſetzgebungen eingeführt. Der 
Urſprung der Capitel liegt in der Regel Chrode— 
gangs von Met, welche die Kleriker der bifchöflihen 
irche in ein Münſter (monasterium oder domus 
episcopi) Nöfterlich vereinigte. Die urfprüngliche 
Gnrihtung zerfiel, die Einkünfte des Stiftes blie- 
ben nur noch zum Kleinen Theil gemeinfam und 
wurden auf bie einzelnen Stellen als Pfründen 
(canonica)vertheilt. Die Kanonikate wurden fortan 
efucht, unbefümmert um bie damit verfnüpften 
tlihten, fie wurden ein Vorrecht des Adels, fielen 
der Bewilligung der Fürften anheim oder den 
päpftlihen Expectanzen, und nirgends fant im Ale: 
zus die Zucht mehr als in den Capiteln, deren 
Stellen endlich großentheil3 von Laien bejegt 
waren, bie faum die nievern Meihen erhalten hat: 
ten. Verſchiedene Verfuche zur Reorgantfirung ber 
Eapitel find gemadt, indem man entweder zur 


125 


Gapitular 


Auguftinerregel zurüdtehrte oder die Mönchsregel 
annahm (regulirte Chorherren), aber immer waren 
die Berhältniffe mächtiger, die Gapitel hatten eine 
Stellung zwiſchen dem Landesherrn und demBifchof 
befommen, bie fie mit immer größern Rechten ala 
Corporation ausftattete, wobei die Pflichten des 
Einzelnen um jo mehr zurüdtreten mußten, als 
beiden Theilen am meiften daran lag, die Stifts— 
en mit ihren Anhängern zu —— Das Tri⸗ 
entinum vollführte die Reorganiſation, es erneu⸗ 
erte das alte Verbot der Häufung incompatibler 
fründen, verpflichtete zur Reſidenz, d. h. daß der 
apitular am Orte des Capitel3 feinen Wohnfig 
habe, daß die Dignitäten (die Aemter) des Gapi- 
teld nur an Theologen verliehen werben dürfen, 
und orbnete fie dem Bifchof unter. Namentlich 
entz3og es den Capiteln die jelbftändige Admini— 
ation während der Sedisvacanz und gebot die 
nitellung eine Bicard. Die Autonomie der Ca⸗ 
pitel ift daher jegt auf rein geiftliche Dinge be: 
rn t. Der Biſchof verleiht den Capitularen 
emter und beichäftigt fie in feinem Dienfte oder 
an den Seminarien. Das Ernennungsrecht ift ver: 
—— geordnet, aber überall Vorſorge getroffen, 

ß nur dem Landesherrn genehme Perſönlich- 
keiten eintreten können. Außer den Capiteln an 
ben Metropolitanlirchen gab es früher auch Land⸗ 
capitel, Collegiateapitel in den Landſtädten des 
Bisthums, wo früher eis lihe Reſidenzen ge: 
mejen waren oder eine jelbjtändige Verwaltung 
dur einen Erzpriefter Kr hatte. Vollftändig 
von der urjprüngliden Beftimmung entfernten 
fi die Capitel, welche in der Reformation trof 
des Uebertrittö der Säcularifation entgingen. Die 
biſchöflichen Rechte fielen an die Landesherren, die 
den Stiften ald Borfteher Adminiſtratoren jegten, 
die Stifter felbft wurden bloße Verforgungsanftal: 
ten des Adels, die Pfründen von den Gliedern 
berechtigter Familien vergeben; die alten Digni- 
täten blieben aber ohne Inhalt. In Preußen er: 
hielten ſich 3 Stifter, die nad) einer Cabineisordre 
von 1846 zum Beſten von Kirche und Schule or: 
ganifirt werben follten, allein die Ordre ift nicht 
ausgeführt. Verhdl.d. Landtags 1865. Bloße Ver: 
jforgungsanftalten find die den Gapiteln nachge⸗ 
bildeten Frauenftifte, die fich auch in evangelifchen 
Ländern erhalten haben. 

Capito, Wolfgang Fabricius (Köpflin). Geb. 
zu Hagenau 1478. Promovirte ald Arzt 1498, als 
Theologe 1506 und als Juriſt, lehrte dann zu 
Freiburg, war 1512—15 Pfarrer zu Bruchfal, wo 
er mit Decolampad befannt wurde, und trug dann 
reformatorifche Grundfäße ald Dr. der Theologie 
zu Baſel in Predigten und Vorlefungen vor. 15 
zog ihn Albrecht von Mainz an feinen Hof. Seine 
Ermahnungen an Zuther 1522, fich größerer Mä- 
Bigung zu befleißigen, und ähnliche an Zell in 
Straßburg 1523 hatten den Erfolg, ihn ſelbſt zu 
größerer Entfchiedenheit zu treiben, und feit 1523 
trat er in Straßburg beftimmt als Mitarbeiter 
von Bucer und Hedio auf; 1524 verheirathete er 
fi und führte die Reformation in feiner Vater: 
ftadt ein. Das Berner Synodat ift fein Werk. An 
der Confessio tetrapolitana hat er ſich beteiligt. 
Außerdem jchrieb er exegetijche Werke und Deco: 
lampads Leben. 

" Gapitular Heißt jedes inveftirte Capitelmitglied, 
weldeseinen bejtimmten Sig im Chor und Stimme 
in den Verſammlungen bat, Es muß bie Weihe 


Gapitularien 


bes Subdiakonus haben, das Tridentinum beſchwö⸗ 
ren, Reſidenz und Chordienjt halten. Andere Be- 
dingungen wechjeln. 

Gapiinfarien find die von den fräntifhen Kö: 
nigen meift unter bem Beirath der geiftlichen und 
weltlichen Großen erlaffenen Berordnungen, jonft 
auch constitutiones, edieta, decretiones, ordina- 
tiones genannt. Obgleich feit Karl d. Gr. über Die 
firhlihen Angelegenheiten auf dem Reichötage 
von den us und Nebten abgefondert be: 
ſchloſſen wurde (leges ecclesiasticae), jo verblieben 
auch nad) diejer Zeit manche kirchliche Gegenftände 
der Beſchlußfaſſung des ganzen Reihätags. Die 
Capitularien find daher eine wichtige Duelle kirch⸗ 
lihen Rechtes. Die Sammlung des Anfegis 827 
wurbe officiell anerkannt. Die neuefte Sammlung 
der Capitularien findet fich bei Perg in den Monu- 
menta (fermaniae. j 

Gapitularvicar heißt der vom Capitel für bie 
Zeitder Sedisvacanz ernannte Bisthumsverweſer; 
feine Wahl muß binnen 8 Tagen nad) der Erledi- 
gung des Sitzes ftattfinden, bis dahin führt das 

apitel die Verwaltung. Der Bicar hat die Rechte 
der jurisdietio, nicht des ordo. 

apitulation hieß der Vertrag, den bie Capitel 
mit dem erwählten Biſchof über die gegenjeitigen 
Rechte abſchloſſen. Da diefe Wahlcapitulationen 
zu einer Schmälerung der biſchöflichen Gerechtſame 
benußt wurden, traten Kaifer und Bapft häufig da- 
gegen auf; jeitvem bie neuere Kirchen: und Staats: 
etzgebung die gegenfeitige Stellung feft beftimmt, 
And te außer Anwendung gelommen. 

Gaplan (eapellanus). ũrſprünglich der Geift- 
lie an einer Kapelle, d. 5. einer Kirche ohne Tauf: 
recht. So haben Klöfter und Hofpitäler Capläne, 
da ftatt befonderer Kapellen in den Kirchen Neben: 
tapellen undAltäre geftiftet und mit befonderemEin: 
fommen dotirt wurden. Die Inhaber eines ſolchen 
Deneficiums heißen Mekpfründner, Frühmehner. 
Endlich find Capläne auch Geiftliche zur Aushilfe 
und Unterftügung der Pfarrer an größeren Ge: 
meinden, auch des Biſchofs. Die Stellung ift ver: 
ſchieden nad) der Kirdye, der Caplan kann als Hof: 
caplan fogar von ber biſchöflichen Gewalt getrennt 
und wieder dem Pfarrer unterworfen fein, oder, 
wenn die Kapelle Parochie — ihm gleichſtehen. 
Genießt er ein eigenes Beneficium, jo iſt er feſt an: 
geitellt, der bloße Gehülfe aber fann jederzeit ent⸗ 
laffen werben (ad nutum amovibilis). In der 
evangelifhen Kirche, wo der Titel noch befteht, 
z. B. in England, auch Naffau, find die Caplaneien 
Hülfspredigerftellen geworden. 

appel, Eine hervorragende proteftantifche Fa- 
milie Frankreichs im 16. Jahrhundert, die viele 
Berfolgungen zu erbulden hatte. Der Eine, Louis, 
geb. 1534 zu Paris, trat ald Lehrer ber griechiſchen 
Sprade in Bordeaur zur reformirten Kirche über. 
Ein Mann von hohem Anfehen, erwirkte er das 
Edict von 1561, weldhes den Reformirten freie 
Religionsübung verjhaffte, und wurde von ihnen 
fpäter nad Deutſchland gefhidt, um dort die Hülfe 
der proteſtantiſchen Fürften zu erwirien. Nad) 
manchem duch die Verfolgung hervorgerufenen 
Wechſel der Stellungen Prediger zu Meaug 1561, 
u Antwerpen 1569, Profefjor in Leyden 1575, 

[dprediger der Hugenotten 1576, ward er Pre: 
Diger und Profefjor der Theologie in Sedan. 7 
1686. — Ein Bruber diefed, Jacques, ein hoch: 
geftellter Richter in Rennes, mußte 1585 die Flucht 


126 


Capuziner 


ergreifen. — Der bedeutendſte von ihnen, Louis, 
(der jüngere) Sohn des Vorigen, wurde 1585 auf 
der Flucht feiner Eltern nad) Sedan geboren, Die 
Mutter ftarb aus Reue, weil fie nach dem Tod des 
Mannes, um den lindern den Befig zu —— 
die Meſſe beſucht hatte. Erzogen unter der Aufſicht 
feines älteſten Bruders Jacques, Prof. der Theo: 
logie in Sedan, fiudirte Louis Theologie, wurde 
1613,naddemer England, Deutſchland und Belgien 
bejucht hatte, Lehrer der hebräiihen Sprache zu 
Saumur,1615 auch Brediger, 1633 Profefjor ander 
Univerfität, als College von Amyraut und de la 
— * 1658, In feinen Forſchuͤngen trat er als 
egner der Burtorffe auf. Im Arcanum puncta- 
tionis revelatum 1624 wies er ben fpätern Ur: 
Iprung der hebräifchen Punctation durch geſchicht⸗ 
lihe Zeugniſſe nad. In der Critica sacra unter: 
Ba er den Text des Alten Teftaments. Aus den 
arallelftellen, den Citaten im Neuen Teftament, 
dem Keri und Ktib, den Heberfegungen und bem Tal: 
mud zeigte er, wie dem Texte die Integrität man- 
gele, ohne Me; eine Berfälfhung anzunehmen fei, 
oder das Anjehen der Schrift erichüttert werde. 
ee erregte bei protejtantifchen Theologen 
großes Bedenken, wurde erft 1650 durch feinen fa: 
tholif$ gewordenen Sohn, Priefter des Drato: 
riums, —— und von Buxtorff dem Sohn 
heftig bekämpft. Gegen dieſen zeigte er endlich 1645 
das —* Alter der ſamaritaniſchen Schrift vor 
der Quadratſchrift. Die Anfihten Cappels find in 
ber Formula consensus Helv. 1675 geradezu ver: 
morfen, von der heutigen Theologie aber ganz all: 
9° Gaprara, Johann Baptift. Einflußreigerpäpk 
oprara, Johann Baptift. Einflußreicher päpft: 
licher Diplomat, Geb. zu Bologna 1733. Pr 
Vicelegat zu Ravenna, darnach Nuntius zu Köln 
und zu Luzern, wurde er päpftlicher Geſandter zu 
Wien, um bie Reformen Joſephs II. zu mäßigen 
und zu Bintertreiben. Für feine geleifteten Dienite 
um Cardinal erhoben, erhielt er das Bisthum 
ejt 1792. Als Legatusa latereging er 1801 nad 
Paris mit Vollmacht zum Abflug bes Concor: 
dats. Gegen die demſelben beigefügten organischen 
Artikel legte er Verwahrung ein. & ſchloß gleid: 
fall das italienifche Concordat, ward Grybifchef 
von Mailand, jegnete bei Napoleons Krönung dort 
die eijerne Krone und blieb am kaiferlichen Hoie. 
Mit der Gefangennehmung des Papftes, den er 
vergebens am 20. Juli 1809 zur Berge er: 
* hatte, endigten ſeine Functionen. Er ſtarb 
aris den 21. Juli 1810, 
aputiati. Eine nad) angeblihen Offenbarun— 
gen der Maria von einem Zimmermann Durand 
1182 geftiftete Partei in der Auvergne, deren 
Kennzeihen die weiße Capuze war, mit politifd: 
revolutionärer Tendenz. 

Gapuziner. Congregation der Franciscaner. 
Matthäus von Ba ru Zubwig von Foſſom⸗ 
brone, Glieder der Obſervanten (der ftrengeren 
Franciscanerpartei), hielten die Wiederherftellung 
der urjprüngli vom 5. Franciscus getragenen 
fpigen Capuze und das Tragen des langen Bartes 
für weſentlich, erhielten trog mander Verfolgung 
der Drbensobern vom Papſte die Erlaubniß, ſich 
ſo zu tragen und zu predigen; als Congregation 
beſtätigt durch eine Bulle von 1628, jedoch mit 
Unterordnung unter die Conventualen (die laxeren 

—— Das erſte Kloſter war Colmenzono. 
ie Satzungen von 15355— 75 bildeten den Orden 


zu 


Caraccioli 


aus, fie verlangen in Allem die größte Aermlich— 
tet und Dürftigkeit. Der angeordnete Wechſel der 
Gmeralvicare, Provinziale, Euftoden und Guar⸗ 
diane fol allem Streben nah Macht und Reich: 
thum vorbeugen. Als Bernhard von Ochino unter 
den —— zu großem Anſehen gekommen, 
zoeimal Generalvicar geweſen war und dann ſich 
für die Reformation entſchied und nad) Genf ent: 
Hob, wollte der Bapft den Orden aufheben; esrettete 
ihn nur die bemüthigfte Unterwerfung. Seitdem 
versichteten die Capuziner auf geiftige Bildung, er: 
Iangten aber gerade dadurch den größten Einfluß 
auf dad Volk, 1573 wurde ihre Beſchränkung auf 
alien aufgehoben, 1592 kamen fie nach Deutſch— 
land und betheiligten fich felbft an der Miſſion. 
re Zahl ift in neuerer Zeit wieder gewachſen. 
Ein weiblicher Orden ber Capuzinerinnen ift 1538 
von Maria Laurentia Longa nad) ber Regel ber 
kil. Clara zu Neapel geftiftet und von Borro— 
nius nah Mailand verpflanzt. 

Garaccioli, Galeazzo, Graf, Marquis von Vico, 
rg Proteftant. Geb. 1517. Als Zuhörer 
des P. Martyr Vermigli wurde er von der evan: 
geliihen Wahrheit ergriffen, und zog fich deshalb 
von feinen früheren Verbindungen zurüd. Als er 
auf einer Reife im Faiferlihen Dienfte Rom und 
in Deutihland die Reformation hatte näher fen: 
nen lernen und feine Ueberzeugung dadurch befe- 
fügt hatte, verließ er 1551 Neapel und die Sei— 
nigen und sing nad Genf zu Calvin. Meder die 
dringendften Bitten feiner Frau und feiner 6 Kin: 
der, noch der Zorn feines Vaters konnten ihn bei 
niederholtem Zufammentreffen 1553 und 1555 
jur Umlehr bewegen. Da feine Frau ſich von ihm 
lesgeſagt hatte, verheirathete er ſich mit Bewilli— 
gung des Magiftrats und unter Zuftimmung Cal- 
vind 1560 zum zweiten Mal. Er war ein hochgeach⸗ 
teted Glied und Aeltefter der Gemeinde. Calvin 
nidmete ihm den Commentar zum 1. Korinther: 
wo 1586, 

Carchemiſch. Jeſ. 10,9; 2. Chr. 35, 20. Das 
Sirtefium der Griehen am Einfluß des Chaboras 
inden Euphrat, eine große und befeftigte Stadt, 
wo Pharao Necho 606 v. Chr. von Nebufadnezar 
geihlagen wurde. Jer. 46, 2; 2. Chr. 35, 20. 
Kardinal ift der Titel für die an den Haupt: 
firhen Roms angeftellten Prälaten, melde den 
findigen Senat der Kirche und Beirath des Pap- 
fies Bilden. Urfprünglich hieß jeder an einer Haupt: 
firche angeftellte Geiftliche Cardinalis (von cardo 
Zhürangel, aljo das Fefte, von den: Anderes ab: 
bängt). Pius IV. beſchränkte 1567 den Titel auf 
die römischen Cardinäle. Die Zahl derfelben F 
ad Marimum auf 70 feſtgeſetzt durch Sixtus V. 
1586, wird aber jelten erreicht. Darunter find 6 
Cardinalbifhöfe nad; der Zahl der Pfarrkirchen in 
Rom, 50 Sardinalpresbyter, 14 Carbinaldiafonen. 
Die Ernennung derfelben fteht ausfchlieklich dem 
Bapfte zu, der die Wünfche kath. Monarchen be: 
rüdjihtigt (Aroncardinäle). Bei der Inveftitur 
wird ihnen der Hut übergeben, der Mund geichlof: 
fen und geöffnet, ihr Titel angemiefen und der 
Ring eingehändigt. Ihre Auszeichnung beftcht in 

eng a rothen Hute und dem Titel 
Eminenz. Sie befigen die höchſte geiftliche Würde 
nähft dem Papſte. Sie allein können zu Päpften 
gewählt werben, und fie allein haben das Recht, 
den Bapft zu wählen (conclave). Sie bilden den 
fändigen Rath bed Papſtes und im Kirchenſtaat 


127 


Carmel 


die höchſten Verwaltungsbeamten. Zn legterer Hin- 
fit giebt e8 einen Cardinal:Kämmerer (Finanz: 
minitter), Cardinal-Staatsjecretär (Minifter des 
Auswärtigen und des Innern); außerdem nod) 
Gardinäle für das Pönitenz-, für das Dispens- 
wejen, für bie Breven u. ſ. w. Die Gardinäle bil: 
den die Congregationen und das Conſiſtorium. 
Die Eongregationen find Ausſchüſſe für beftimmte 
Verwaltungszweige, beftehend aus Garbdinälen, 
Secretären und Conjultoren mit genau geregeltem 
Geſchäftsgang; fie bearbeiten die Angelegenheiten 
ihres Neffortg theils felbftändig, theils vorberei- 
tend für das Confiftorium, wie die Congregatio 
consistorialis. Diswichtigſten Congregationen find 
außer diefer die Congr. sacri oflieii s. inquisi- 
tionis, das höchſte Glaubenstribunal; Congr. 
indicis, zur Ueberwachung ber Literatur; Congr. 
interpretum conc. Trid., zur Interpretation der 
Concilienbeſchlüſſe; Congr. sae. rituum, für litur- 
giide Gegenftände, aud) Heiligſprechungen; Congr. 
e propaganda fide, Zeitung der Yriffiondanftal: 
ten; Congr. immunitatis eccles., für Wahrung 
ber Rechte der Kirche; Congr. super negotiis 
episcoporum entſcheidet in Gtreitigfeiten der 
Bifchöte und Orden; Congr. indulgentiaram 
prüft Reliquien und ertheilt Abläſſe. Das er. 
jtorium, d. h. das Plenum des Cardinal-Colle⸗ 
giums, verfammelt fich unter Vorſitz des Cardinal- 
decans oder des Papftes; zu den öffentlichen Con⸗ 
fiftorien Haben Prälaten und Gefandte Zutritt, in 
diejen werden die Beichlüffe der geheimen Gonfi- 
tien mit einer Anjprache, Allocution, des Pap— 
e8 befannt gemacht. Immer haben die Conſiſto— 
rien nur ein berathendes Votum. 

Carey, William. Baptiftifcher —— Geb. 
1761 zu Paulersbury in Northampion. Wandte 
ſich früh erweckt zu den Baptiften und wurde Pre: 
diger an mehreren Gemeinden, trieb dabei, um 
feinen Unterhalt zu gewinnen, fein Schuhmacher— 
Handwerk fort und ftubirte die Anfangsgründe der 
bibliſchen Spraden. Durch die Theilnahme an 
einem Miffionsverein zu Nottingham erwachte in 
ihm ſelbſt der a race er rief 1792 die Bap- 
tiſten⸗Miſſionsge — 78 ins Leben und ging 1793 
als deren erjter Miffionar nach Bengalen. Dort 
wirkte er zuerft ald Auffeher auf einer Indigo— 
Plantage unter den Hindus, fpäter 1799 kaufte 
er jelbjt eine Jndigo:Pflanzung, die er aber bald 
wieder aufgab. Er lich ſich mit andern Miffionaren 
in dem däniſchen Serampore bei Calcutta nieder, 
von wo aus er auch ben Unterricht bes Bengalifchen 
am College zu Calcutta übernahm. Unmittelbare 
Erfolge für die Bekehrung der Hindus hat er nicht 
gehabt, aber feine Ueberſetzung der Bibel ins Ben: 
galifche und die Anfertigung von Epradlehren 
und Wörterbüchern ift verdienftuoll gemejen. Da 
er in Serampore ein Eigenthum für Miffions: 
zwede gefauft hatte, zerfiel er mit feiner englifchen 
Geſellſchaft, von der die Miffionsanftalt zu Seram: 
pore 1827 ſich trennte. Carey hinterließ der legteren 
bei feinem Tode 1834 fein ganzes nicht unbedeu: 
tendes Vermögen. 

Garlfladt. S. Karlſtadt. 

Carmel. 1) Das Vorgebirge Paläſtina's, 
welches durch die Hügel Galiläa's mit dem Liba— 
non zuſammenhängt und nach der Bucht von Acco 
(Ptolemais) hinſtreicht; wird feiner Fruchtbarkeit 
und feiner üppigen Wälder wegen gerühmt, Jeſ. 
33, 9; 35,2; Jer. 4, 26. Es bildete die Grenze 


Carmefin 
ade Aſcher und Iſaſchar, a 19, 26; fpäter 


zwiſchen Galiläa und Tyrus, Die vielen Grotten 
und Höhlen des Gebirges wurden oft als Zuflucht3: 
ftätten benutzt, 1.Kön. 18, 19; 2. Kön. 2, 25. Au 
ihm opferte Eliad die Baaläpfaffen. Jetzt ift au 
dem Berge ein Klofter. — 2) Stabt im gebirgigen 
Theile des Stammes Juda, of. 15, 55; 1. 
Sam. 15, 12; 25, 5, wo Nabal fein Gut hatte, 
jegt Kermel, 8 Millien füdlih von Hebron. 

Garmefin oder Scharlah. 1. Mof. 38, 28; 2. 
Mof. 28, 5 ff.; Jer. 4, 30; Jeſ. 1,18. Eine body: 

länzende rothe Farbe, bie im Alterthum fehr ge: 
fyäkt mar und gewonnen wurde aus den todten 
Körpern und Eierneftern der Schildlaus (arab. 
Kermed), den fogen. Kermeöbeeren, die in Border: 
afien auf den Blättern der Stecheiche fih häufig 
finden. Die Farbe wurde zu Pradhtgewändern 
verwandt und eu I den Deden oder Teppichen 
ber Stiftshütte. Bähr (Symbolik) findet in der 
Farbe das Symbol des Lebens. 

Carpzov. Ein berühmtes Juriften- und Theo: 
logengeſchlecht, mweldes von dem Bürgermeifter 
Sımon Carpzov in Brandenburg um 1550 ab: 
ftammt und ungefähr 15 hervorragende Juriften 
und rag gi zählt. Für und von Bedeu— 
tung find: Benedict, berühmter Kirchenrechts— 
lehrer und Criminalift zu Leipzig. Geb. 1595, 
+ 1666. Der Begründer des Episkopalſyſtems 
durd feine Jurisprudentia ecclesiastica 1645. — 
Johann Benedict I Geb. 22. Juni 1607 zu 
Rochlitz, geft. 22. October 1657 ala Profefjor der 
Theologie zu Leipzig und a an der Thomas: 
fire feit 1633, Burh feine Isagoge in libros 
eccles. luther. symbolicos, nad) feinem Tode her: 
ausgegeben 1665, ift er der Vater der Symbolilk 

eworden. Berühmter ift feine Homiletik Hodege- 
icum etc. 1656, in welcher er 100 Dispofitions: 
methoden aufführt und die Iutherifche Predigt zu 
einer funftvollen aber inhaltölofen Rednerei ver: 
führte. — Sein Sohn Johann Benedict IL, 
geb. 1639, wurde 1665 Profefjor der Moralund Po: 
lemit in 2eipzig, 1668 Subdiafon an der Thomas: 
Fire und Profeffor der hebr. Sprache, jpäter Pa: 
und o. Prof. der Theologie. + 1699. Schrift: 
ellerifch nur thätig als Herausgeber exegetiſcher 
und anderer Schriften, madte er fi befannt 
durch feine Anfeindung Speners und der Collegia 
biblica, war Mitglied der Leipziger Unterfuchungs: 
Eommiffion 1689 und veranlafte 1692 das Be: 
denlen der Facultät an die Landftände; griff auch 
in Programmen ben Bietismus an, wofür er aber 
von Thomafius mit bitterm Spott gegeißelt wurde. 
— Sein Bruder war Samuel Benedict, der 
1671 ®rof. poes. zu Wittenberg, 1674 alö Hof: 
prebiger nad Dresden berufen, 1680 Paſtor an 
der Kreuzfirhe und Superintendent wurde und 
als Mitglied des Oberconfiftoriumd an Spenerd 
Berufung mitwirkte,. Durch feinen Leipziger Bru: 
der ließ er fich indeß umftimmen und trat als Spe: 
ners Rachfolger gegen ihn auf. Seine Kanzelbered: 
famfeit wird Ar — Sein Sohn Johann 
Gottlob, geb. zu Dresden 1679, wurde 1702 
Diafonus in Dresden, nahdem er als Geſandt— 
na England und Frankreich befucht 
hatte, 1708 Diafonus in Leipzig und 1713 0. Brof. 
der Theologie. Seine Werke über altteftamentliche 
Einleitung und Kritik machten Epoche: Introductio 
in libros V. T. 1721, auch 1731, 1757. Criticasacra 
1728, Apparatus historico-criticus 1748. Ihm 


128 


Carteſius 


—* die Verbal⸗Inſpiration des Textes noch feſt 
ennoch iſt ſeine Kritik der entgegenſtehenden 
Meinungen Simons, Glericus’ und Eine s aus⸗ 
gegeichnet. 1730 ging er als Superintendent nad) 
Lübeck und bethätigte dort den angeerbten Eifer für 
orthodores Lutherthum durch die Befehdung der 
Herrnhuter. (Religionsunterfudhung der böhmischen 
Brüder 1742.) Geft. ald Jubilarius 1767. — 

. Benebict III, Sohn des Leipziger 
3. B. II. Geb. zu Leipzig 21. November 1670. 
Beſuchte die vorzüglichften Univerfitäten Deutfch- 
lands, aud Straßburg, wurde Prediger an ber 
Nicolailirhe, 1703 Profeffor der orientalifchen 
Spraden und bewies feine gründliche Kenntniß 
der hebräifchen und rabbinifchen Literatur durch 
— ——— —— Schriften und des Collegium 

abbinico biblicum in libr. Ruth. feines Vaters, 
— Erin Sohn Johann Benedict IV., geb. in 
Leipzig 20. Mai 1720. 1747 a. o. Brofeffor in 
Leipzig, 1748 in Helmftäbt, 1749 0. Profefior der 
Theologie, 1759 Abt zu KHönigslutter. + 1803. 
Seine Kenntniß der claſſiſchen Literatur erregte 
—— in ſeinem 22. Jahre durch eine Schrift über 
Leo —— — Segen Als 
ve er Teller gegenüber die chloſ⸗ 
ſene Orthodoxie in ſeinem Fiber ——— 
purioris 1768. In ſeinen exegetiſchen Schriften 
at er ſich um die grammatiſche Auslegung große 
erdienſte erworben. 

Carranza, Bartholomäus. Erzbiſchof von To: 
ledo. Geb. 1503 zu Miranda de Arga. Trat 1520 
in den Dominicaner-Drden und wurde ſchon 1530 
bei der Inquifition wegen feiner Anfichten über 
die Macht des Papftes verflagt, indeß freigegeben. 
ALS Profeffor der Theologie zu Valladolid erlangte 
er folhen Ruf, daß ihn Karl V. mit Dominicus 
be Soto auf das Tridentiner Goncil ſchickte. Mit 
Philipp II. ging er nad) England, ward Beicht: 
vater der Maria und arbeitete eifrigft am Sturze 
Cranmers und der Wiederaufrichtung des Katho: 
licismus. Zum Lohn ward er Erzbifchof von Tor 
ledo und gr von Spanien; als ſolcher reichte 
er Karl V. die Sterbejacramente. Bald nachher 
wurde er des Lutherthums angellagt, da8 man in 
feinem Katechismus gefunden haben wollte und 
mit dem er ben Kaifer angeftedt haben follte. Da 
ber Anklage k. Ungnade zu Grunde lag, mußte 
auch das Concil feine Approbation des Katedhis- 
mus widerrufen. Rad) Bjähriger Haft wurde Gar: 
zanza nach Rom ausgeliefert und dort von Neuem 
9 Jahre gefangen gehalten. Er ſchwur die ihm 

ur Laft gelegten Irrthümer ab und ftarb im Klo- 
her bella Minerva, wo er 5 Jahre Erereitien durd): 
.. jollte. Nach feinem Tode ward er fehr 
geehrt. 

Gartaphilus. Der ewige Jude nad) der Sage 
des Orients. Pförtner im Palaſt des Pilatus, 
fchlug er Jeſus, als er weggeführt wurde, mit den 
orten: Geh zu, was zögerſt du, morauf Jeſus ſich 
ummendend erwiederte: Ich gehe, du ſollſt warten, 
bis ich wiederlomme. Immer wenn er das hun 
dertite Jahr erreicht, fommt er wieder in das 
Alter, das er damals hatte, Cartaphilus ward in 
der Folge von Ananias getauft und führte ein 
frommes Leben in der Hoffnung, bereinft begna= 
digt zu werden. (©. Ahasverus,) 

Gartefind (Rene Descartes). Geb. 1596 zu La⸗ 
baye in der Touraine. Lebte in Holland ganz ben 
philofophifhen Studien. + 1650 in Schweden, 


Cajas 


wohin ihnChriftina berufen hatte. Seine Philoſophie 
fängt anmit dem ſchlechthinigen Zweifel an Allem, 
feibi den logijchen Geſetzen; als das einzig Ge: 
wiſſe findet er die Thatjache de Denkens und 
ihließt daraus die Eriftenz des denfenden Sub: 
jects (cogito, ergo sum). Bon diefem feſten Punkte 
geht der Schluß weiter zum Begriffe des Geijtes 
und der Zergliederung feines Inhalts. Die Ideen 
find dem Geifte eingeboren, und unter dieſen ijt 
die höchſte die Idee Gottes. Dieſe Ideen Tönnen 
nun nicht anders gedacht werden denn als wirk— 
lid eriftirende Objecte, und mie dies von allen 
gut, jo gilt e8 in eminentem Sinne von Gott. E. 
entwidelt aljo den —— Beweis des An— 
felmus weiter. Bon dem 3 ee Gottes aus leitet 
alsdann E. den Begriff der beiden Subjtanzen ab, 
des Geifted und der Materie, welche im cart. 
Syfteme unverbunden neben einander a en wes⸗ 
halb das Syſtem einen dualiſtiſchen Charakter 
annimmt. Da dieſe Philoſophie als den Weg zum 
wahren Wiſſen den Zweifel hinſtellt, wurde ſie von 
den orthodoxen Theologen als höchſt verdächtig 
angeſehen; in Holland wurde das Studium der: 
jelben auf Betreiben der Boetianer 1675 verbeten, 
ebenfo in der Schweiz, 1680 * in Marburg und 
born. Am freieſten durfte ſie ſich bewegen in 
uisburg. Großen Einfluß hat fie Daher auf die 
evangel. Kirche unmittelbar nicht ausgeübt. In 
neuerer Zeit aber find in der röm. Kirche Hermes 
und Günther auf cartefianifhe Principien bei 
iprentheologijchen Unterfuhungenzurüdgegangen. 

Gajas, Bartholomäus de las. Geb. 1474 zu 
Sevilla in Spanien. Ging mit feinem Vater 1498 
nad) Amerika und war ber erfte Priefter, der dort 
die Weihen empfing. Sein Lebenszweck war, bie 
Indianer dem Chrijtenthum zu gewinnen und fie 
vor der Bedrüdung und der Bernichtung durch bie 
Spanier zu —— Zu dieſem Behuf machte 
er 7 Reifen nad) Spanien, und führte die Sache 
der Indianer vor Karl V. und Paul IIL, der die 
Befähigung der Indianer zum Chriftenthum ans 
ertannte, verfocht fie auch in mehreren Schriften. 
Erft in feinem 70. Jahre nahm er das Bisthum 
von Chiapa an. Fäljchlich Schreibt man Las Caſas 
bie Einführung der —— in Amerika zu. 
Ohne fein Zuthun waren jchon Neger eingeführt, 
deren gab! fih aber mehrte, alö jeine Berwen: 
dung ein Berbot erwirkt hatte, die Indianer zur 
Arbeit in den Bergwerken anzuftellen. Er jtarb 
zu Madrid 1566 im 92. Jahre jeines Lebens. 

Gafel. Caſula. Das Mefgewand der Tatholi- 
ſchen Priefter, das mit einem Kreuz bezeichnet ift. 
Anfangs hatte ed nur eine Deffnung, um den 
Kopf durchzuſtecken, und mußte über die Arme zu: 
tückgeſchlagen werden, jpäter wurde es offen und 
bequemer gemacht. 

Caſelius, Johann. Ein ausgezeichneter Huma⸗ 
nift, der um feiner Gefinnung willen viel zu dul: 
ben — Aus einer holländischen Familie v. Keſſel 
zu Göttingen jan 1533, ein Schüler von Vie: 
lanchthon und 
torius in Florenz und Sigonius in Bologna, ftu: 
dirte er, um feine philologifche und ——“ 
dildung zu ergänzen, die Rechte, wurde in Piſa 


Dr. juris 1566, ging als Erzieher der Söhne des 


Herzogs Albrecht nah Nojtod 1575, und von 


dort an die Univerfität Helmftädt. Hier wurde er | 


von dem Theologen Hofınann angegriffen, der mit 
andern Orihodoxen an den humaniftiihen und 


129 


amerarius, ſowie des Peter Vic: | 


Gaffianus 


philologifchen Studien, als ver Orthodoxie gefähr: 
ih, Anſtoß nahm. Obgleich die Yacultät die Sache 
aufnahm und Hofmann Abbitte leiten mußte, 
wurden Gafelius’ legte Lebensjahre dadurch ſehr 
verbittert; er jah ein Hereinbrechen der Barbarei 
herbeigeführt durch die Engherzigfeit ber Theologen. 

Gaslugim. Gen. 10, 14. Nach Borchardt And 
die Colchier — die aus Aegypten ſtammen 
ſollen, nach Andern die Anwohner von Mons Ca— 
ſius bei Peluſium. 1. Moſ. 10, 14 werden von 
ihnen die Philiſter abgeleitet, wenn der Zuſatz nicht 
zum folgenden Verstheile gehört. Vgl. Amos 9, 7. 

Gaffander, Georg. Ein durch feine milde Ge: 
finnung ausgezeichneter fatholijcher Theologe. Geb. 
am 24, Aug. 1513 zu Be g9e, agifter der freien 
Künfte und Lehrer der jhönen Wilfenfchaften das 
jelbit, lebte von 1549 zu Köln dem Studium 
der heil. Schrift und der unter den Eonfeffionen 
fteeitigen Lehrpunkte. Seine Gelehrfamfeit und 
jeine Milde, fowie fein perjönlicher Verkehr mit 
Häuptern der Reformation ließen ihn geeignet er⸗ 
ſcheinen zum Werkzeug einer Wiedervereinigung. 

u dem Ende rief ihn Wilhelm von Cleve nad) 

uisburg, und der Kaifer Ferdinand I. forderte 
von ihm ein Gutachten über die confefftonellen 
Differenzen. Diefer Aufforderung entiprad feine 
Consultatio de articulis inter Cath. et Pro- 
test. controv. Er hält eine Bereinigung durch 
Zurüdgehen auf die alte Kirche für mög, und 
will in Laienkelch und Priefterehe eier ‚moge: 
gen er im Uebrigen die römische Lehre fefthält. Sein 

atholicismus ıft jedoch mehr ein ideeller ald der hi⸗ 
ftorifche. Die Schrift kam daher auch auf den Inder. 

Gaffel. 1) Religionsgefpräch 1534, 28. und 29. 
Der., zwischen Bucer und Melandithon. Troß der 
er en Inftruction Luthers gelang ed Bucer, im 

njhluß an die Gonftanzer Berathung, die Eini- 
—— zu erlangen: Brod und Leib ſind 

eide eins als Sacrament. Dieſem Geſpräch folgte 
dann die Wittenberger Concordia. — 2) Landgraf 
Wilhelm VI. veranlaßte 1661 ein Gefpräcd ber 
reformirten Theologen Eurtius und Hein von 
Marburg und der lutberifchen Mujäus und Hen— 
nichen von Rinteln über die Lehrdifferenzen. Man 

andelte vom Abendmahl, der Taufe, Bräbeftina- 
ion und den beiden Naturen in Ehrifto, und es 
mwurbe anerfannt, daß die Lehrdifferengen das We: 
fen des Glaubens nidht berührten. Der beabfich: 
* Friedenscongreß ging mit Herzog Wilhelm 
1663 zu Grabe. 

Gaffianus, Johannes. Mönd) im Klofter Beth: 
(ehem, befuchte er mit feinem Abte Germanus 390 
die ägyptifhen Anachoreten und hielt ſich fieben 
Jahre unter ihnen auf. Bon Ehryfoftomus em: 
pfing er die Weihe und ging 405 nad) deſſen Sturz 
nad) Rom, um bei Jnnocentius für ihn zu wirlen. 
Eingeladen, in der Provence asketiſches Leben zu 
organifiren, richtete er Klöfter zu Maſſilia ein und 
fchrieb De coenobiorum institutis libri XII, bie 
Vorſchriften des Mönchslebens enthaltend, und 
Collationes Patrum, die Gejpräche, die er mit den 
Anahoreten Aegyptens geführt. In denjelben 
herrſcht noch die — Anſicht, daß das 
asletiſche Leben nur ein Mittel zur Heiligung ſei, 
und für ſchon Geförderte heilfam; daneben zeigen 
ſich auch Die Schattenfeiten. In den neftorianifden 
Streitigfeiten trat Cafjianus tem Neftorius ent: 

egen, De incarnatione 1, VIL In den pelagiani« 
| * ging er nicht mit Auguſtin, weshalb ſeinem 





Caſſiodor 3 
Kloſter Pelagianismus vorgeworfen wurde (von 
Auguftin: De praedestinatione Sanctorum); pe= 
lagianiſche Säge finden ſich mehrfach in feinen 
Schriften. Vgl. Wiggerd, Darftellung des Au: 
guftinismus und Pelagianiamus, 1833. 

Gajflodor, Magnus Aurelius. Der berühmte 
Staatömann Theodorichs d. Gr. Geb. 468 zu 
Scyllacium in Bruttien, + 563. Zog fi in hö- 
herem Alter in das Klofter Vivareſe zurüd, unter 
defien Mönden er wiſſenſchaftliche Beihäftigun: 
gen einführte. Gr ſelbſt ſchrieb mehrere Werte theo: 
logischen und hiſtoriſchen Inhalts, in denen er „die 
Trümmer der Wifjenfchaiten zu retten ſuchte“, 
Compilationen aus ältern Werten. Seine Institu- 
tionesdivinarum litterarum, die eine Art biblifcher 
Einleitung enthalten, und jeine Kirchengeihichte, 
Historia ecclesiae tripartita, wurden im Mittel: 
alter viel — Seine Werke, ed. Garet, 2 Bde., 
Rouen 1670. Vol. Archiv für Kirchengeſch. 1825. 

Gaftellio, Sebaftian, eigentlich Chateillon, geb. 
1515 in Sauoyen. Ein fein gebildeter Philologe, 
erhielt dur Calvin Anftellung in Genf, das er 
aber wieder verlafien mußte, als er fich nicht in 
allen dogmatifchen und kritifch-eregetiichen Fragen 
Galvin unterordnen konnte. Von 1544 — 1553 
führte er in Bafel ein fümmerliches Leben, bis er 
1553 die Profefjur der griechiſchen Sprade er: 
langte. Doch erſchien 1551 die fhon in Genf vor: 
bereitete Bibelüberjegung, die bei Calvin und 
Beza wenig Anflang fand, weil die Eleganz der 
Sprache die Originalität und bie Einfachheit des 
göttlichen Wortes beeinträdhtige. In Genf hatte 
man ihm feiner Meinungen wegen den Eintritt 
ind Minifterium verweigert, in Bafel befahl man 
ihm 1563 bei jeinem Lehrfad zu bleiben und fich 
der Theologie zu enthalten. Bal. Schweizer, Tüb, 
Jahrb. 1851. Mähly, ©. €. 1868 

funlisnmud nennt man bie religionsphilo: 
mach Theorie, welche in der Welt nur eine Ges 
ammtheit von en erblidt und einen 
einheitlihen Gebanfen ber Borfehung nicht aner: 
lennt. 

Caſualreden und «Predigten find ſolche geiſt⸗ 
liche Reden, welche hervorgerufen werden durch 
irgend einen Vorfall im Leben des Einzelnen oder 
der Gemeinde, und den Zweck haben, denſelben 
von ſeiner religiöſen Seite zu betrachten. Die ſpe⸗ 
cielle Beziehung auf eine oder mehrere Perſönlich⸗ 
teiten oder auf einen Vorfall, der die Rede durch⸗ 
ziehen muß, unterjcheidet die Gafualrede von der 
Gelegenheitörede. Nur zu oft wird thatjächlich 
eine Taſualrede (3. B. Leichen: oder Traurede) zur 
bloßen Gelegenheitärede über ein allgemeines 
chriſtliches Thema, wenn der Prediger den betref- 
fenden Berjonen zu ferne fteht. 

Caſuiſtit. Die Ausbildung der Bußdisciplin, 
welche bie jittlihen Bergehungen nach ihrer äu— 
Bern Erfcheinung elaffificırte, und der Einfluß des 
lanoniſchen Rechtes, welches liberhaupt das Sitt- 
liche nur in Bezug auf die äußern Verhältniſſe 
betrachtete, führten zur Entwidlung der Caſuiſtik, 
welche die Beurtheilung der Sünden leiten und 
fchwierige Gemiflensfälle enticheiden follte. Sie 
beruht auf der Borausjegung einer möglichen Col: 
Iifion der Pflichten, weil fie in der ethiſchen Beur: 
theilung nicht vom Gemifjensprincipe ausgeht. 
Seitdem Raimund de Bennaforti die Summa de 
casibus poenitentialibus fchrieb, folgte eine Menge 


ähnliher Werke, meiftend gleichfall3 Summae!N 


0 Cataldus 


genannt, von denen die berühmteſten find die Pisa- 
nella von Barthol. a S. Concordia, die Angelica 
von Angelus (die Luther verbrannte), die Pacifica 
von Pacificus und die Summa casuum conscien- 
tiae von Prieriad. Die Meifter der Cafuiftif find 
die Jeſuiten geworben; durch den Probabilismus 
wurde die Gahuifit zu einer Auflöfung riftlicher 
Moral. Allerdings bildet ihre Methode einen 
Fortfchritt, infofern fie den Buchftaben bes Ge— 
ſetzes wieder flüfftg machen, aber nur um ihn nad) 
untergeordneten Rüdjihten ſchwankend irgend 
einer menjhlichen Meinung zu unterwerfen. In 
der evangelifchen Kirche, die das hriftliche Leben 
aus der Heiligkeit der Gefinnung aufbaut, findet 
daher die Gajuiftit feine Stelle. Luther verwarf 
fie, wie er die Summa des Angelus mit der Bulle 
verbrannte. Anfäge in der reformirten Kirche 
durh Alfted und Berlins, die Caſuiſtik als 
Pflichtenlehre und zu asketiſchen Zwecken weiter 
zu bilden, wichen befjerer Bearbeitung der Ethik. 
Dennod erzeugte die lutherifche Kirche nad) Bal— 
duin (1575—1627), Tractatus de casibus con- 
seientine, wieder eine Neihe von Cafuiften; die 
einjeitige Ausbildung der Glaubenslehre hatte fie 
die Einheit des Glaubens und Lebens wohl vor: 
ausfegen, aber nicht begreifen gelehrt. Das Auf: 
treten der Bietiften rief einen neuen Geift in der 
Theologie überhaupt wach, deffen Vertreter Bud— 
deus in der Moraltheologie 1711 nachweiſt, daß 
es bei richtiger Behandlung der Pflihtenlehre einer 
Caſuiſtik niemals bedürfe. Ihre Vorgänger fan: 
den —— die Caſuiſten in den Bharifäern und 
den Rabbinen des Talmud, die mit großem Auf: 
wand von Scarffinn alle möglichen Fälle der 
Sünde ausklügelten und beſprachen. 

Gafula. ©. Cajel, 

Casus reservati.Refervatfälle. Nicht jeder lath. 
Geiſtliche kann von jeder Sünde abfolviren, fon: 
dern e3 bedarf bei Todjünden und ihnen gleich- 
ee der Abjolution des Papſtes oder der 

iſchöfe. Das Abfolutionsreht wird überhaupt 
angejehen als von Ehriftus nnd den Apojteln, und 
durch fie dem Papfte und den Bifchöfen verliehen; 
dieje übertragen dafjelbe, jo weit e8 ihnen nützlich 
ſcheint, an die Priefter. a auch durch die 
Quinquennalfacultäten ber Papſt ſeine Reſerve— 
rechte den Biſchöfen auf Widerruf era er lann 
und dieſe wieder F Rechte an einzelne Geiſtliche. 
Die päpſtlichen Reſervatrechte ſind feſtgeſtellt durch 
einzelne Bullen (De coena Domini) und Conſtitu⸗ 
tionen, die bifhöflichen beftimmen die Synoden 
für jedes Bisthum befonders. Das Tridentinum 
verdammt ausdrücklich Alle, welche das Rejervate 
recht und damit einen Unterſchied in der Dignität 
der Geiſtlichen beftreiten. 

Gataldus, der Heilige. Bischof von Tarent. In 
Unteritalien, mo das * gepflanzte Chriſten⸗ 
thum durch Einfälle der Barbaren wieder zerſtört 
worden oder doch ſtarke Reſte des Heidenthums noch 
vorhanden waren, predigte ein iriſcher Geiſtlicher 
Cataldus das Evangelium und begründete das 
Bisthum Tarent. Er wird ſeit 1071 als Heiliger 
verehrt. Seine Geſchichte iſt dunkel, durch die 
Sage mit Wundern geſchmückt. Die Legende ſetzt 
ihn ins 2. Jahrhundert; weil er aber aus dem 
chriſtlichen Itland gekommen, und eine Pilgerfahrt 
nad) Jeruſalem berichtet wird, hält ihn Zöckler bei 
Sei für einen Zeitgenoſſen Benedicts von 
urfia. 


Catechismus Romanus 


Catechismus Romanus. Das Coneil zu 
Trient befhloß die Herauögabe eines Katechismus 
ald einer allgemeinen Grundlage des Religions 
unterrihtes. Das Claborat der nieder elehten 
Commiſſion fand aber 1562 feinen Beifall und in 
der legten Seſſion wurde die Ausführung des Be: 
ihluffes dem Papſte übergeben. Diefer Fette eine 
Commiffion von 4 Dominicanern, deren jeder 
einen Theil bearbeitete, nieder, Mutius Calinus, 
Erzbiſchof von Zara, Egidio Foscarari, ia Is 
Modena, Leonardo Marino, Erzbifchof von Yan- 
ciano,und Francesco Fureiro, ein Bortugiefe,denen 
einige Philologen beigegeben wurden. Eine andere 
Gommiffton unter dem Präſidium bes Cardinals 
Eirletius prüfte dad Werl. Der h. Borromäus, 
Cardinalund Erzbifchof von Mailand, hatte großen 
Einfluß auf das Ganze. 1566 wurde der Katechis⸗ 
mus unter päpftlicher Autorität herausgegeben. 
Seine Geltung als ſymboliſche Schrift beftreiten 
bie Jejuiten, da fie einmal feiner Lehre von der 
Gnade und Freiheit widerſprochen haben. 

Gatenen (d. 5. Ketten) find eregetifche Sammel: 
werke, in denen zu den einzelnen Ctellen der heili- 
gen Schrift bie verfchiedenen Audlegungen der 
früheren Exegeten in kurzem Auszuge zugefügt und 
diejelben wie eine Kette aneinander gereiht worden 
find. Der Name de3 Eregeten wurde jedesmal zus 
gefügt ; eigene Auslegung u vermieden. Die 
äleften Handſchriften folder Catenen find aus 
dem 9. Jahrhundert, das 
der Vervielfältigung und Bermehrung berjelben 
iehr thätig. Sie bilden jet noch ein werthuolles 


literatiſches Material, da fie viele Bruchftüde aus 


den verlorengegangenen Schriften deralten Schrift: 

ler enthalten ; am bedeutendſten find Die griechi⸗ 
ſchen Gatenen, die lateinifchen enthalten meift auch 
anderweit Bekanntes. Die neuefte Ausgabe von 
Catenen ift die von 9. Cramer, Catenae etc. 
Oronii 1838, 43, 44. 

Cave, Wilhelm. Englifcher Theologe, geb.30. Dec. 
1697,+1718, Hofcaplan Karls II. und Domherr zu 
Rindfor, befchäftigte fih vorncehmlih mit dem 
Studium der Kirchenväter. Die reichfte Frucht def: 
jelben ift die Scriptorumeccles. historia litteraria 
1688, eine umfafjendefirchliche Literaturgeſchichte, 
in der aufammen über 2000 Schriftfteller befpro- 
hen werden. Das Werk ift aber reines Sammel: 
merk, ohne auf den Geift und Anhalt der be: 
ſprochenen Schriften näher einzugehen. 

Cazalla, Auauftin. Evangeliicher Märtyrer in 
Spanien, geb. 1510 zu Valladolid. Wurde durch 
feine Predigergabe Hofcaplan Karla V., den er nad) 
Deutichland begleitete. Die Controverspredigten 
gegen die Lutheraner nöthigten ihn zum Studium 
Ihrer Schriften und er kehrte 1552 innerlid) evan- 
— in feine Vaterſtadt zurüd, Obgleich er feine 

tellung zu Karl V. beibehielt, wurde fein Haus 
der Verſammlungsort einer Heinen evangeliichen 
Gemeinde; bis er 1558 mit derfelben und 4 Ge: 
Ihmiftern von der Inquifition ergriffen und am 
21. Mai 1559 im Autodafe ald das erfte Opfer 

er Art verbrannt wurde. 
der. Der berühmtefte Baum im Alten Te: 
famente, defien Holz zu Prachtbauten verwen: 
wurde, wie es wegen feiner Dauerhaftigfeit 
auch als Bild der Lebenskraft diente, 3. Mof. 14, 
4.6; 4. Mof. 19, 6. Der Baum gehört zu den 


Radelhölzern, wächft langſam, wird ſehr hoch und! Matthäus Juder und Baſ 


131 


ittelalter war aber in. 


Genturien, Magdeburger 


ofterwähnten Cedern des Libanon find fehr zu: 
fammengefchmolzen. 

Gellarius (Kellner), Martin. Geb. 1499 zu 
Stuttgart, ein Schüler Reuchlins, wurde in Witten: 
berg 1522 von den Wiedertäufern gewonnen, wen⸗ 
dete ſich aber 1527 wieder zur Kirche zurüd. Er 
lebte dann feit 1536 in Bafel ald Fenftermader 
unter dem Namen Martin Borrhaus und erhielt 
1544 wieder eine Profeffur, erft der Rhetorik, 
dann ber Theologie. + 1564. Von ſeinen Schriften 
ift die bedeutendfte De operibus Dei electionis et 
reprobationis 1527. 

Gelle’fches Interim, oder Abſchied, ift Die von 
den Räthen bes Kurfürften Morig mit den Theo: 
logen, auf Grund der Torgauer Artikel, zu Klofter 
Celfe 16—18. Novbr. 1548 zu Stande gebrachte 
Vereinigung, welde von den Ständen mobificirt 
wurde und in ber letzten Form als Leipziger In⸗ 
terim befannt ift. 

Gelliten. Name der Alerianer, fo genannt weil 
fie für das Begräbniß Verftorbener (cella, Grab) 
befondere Sorge trugen. 

Gelfus. Heidnifcher Polemiler gegen das Chriſten⸗ 
thum im 2. Jahrhundert. In feiner Schrift Aoyos 

Ansns läßt er zuerft einen Juden dad Chriften- 
tum widerlegen, dann beides, Judenthum 
und Ehriftenthum, durch einen heidniſchen Phi: 
loſophen. Er ift dur die Widerlegung bes 
—— bekannt geworden (ſ. Origenes). Nach 
der Vermuthung des Letztern war Celſus ein unter 
Hadrian lebender Epifuräer, nur erſcheint er im 


‚Buche felbft eher als Neuplatoniker denn als Epi- 


kuräer. Gein Beftreben ift, das — 
möglichſt als reine Unvernunft erſcheinen zulaſſen, 
und Chriſtus ſelbſt iſt ihm ein Betrüger. Vgl. 
Bindemann in Jllgens Zeitſchrift 1842. Baur, 
— eſchichte der drei erſten Jahrhunderte, 


Genfuren find bie von der Kirche mit dem 
— der Beſſerung angewendeten Zuchtmittel. 

m engeren Sinne werben darunter begriffen Ex⸗ 
communication, Interdict und Suspenjion. 

Genfuß. S. Abgaben. 

Gentral:Amerifa,. Das frühere Generalcapita- 
nat von Guatemala erflärte fi 15. Dechr. 1821 
unabhängig von Spanien und bildete Die Republif 
der vereinigten Staaten Central: Amerita’s, be: 
ftehend aus den Staaten Guatemala, San Sal- 
vabor, Honduras, Nicaragua und Eoftarica. Die: 
felbe Löfte fih auf, und diefe Staaten beftehen 
unabhängig neben einander. Zur Zeit ber Ber: 
einigung verfuhr man ziemlich radical mit der 
Kirche, päpftliche Bullen und Ablaßbriefe wurden 
verboten, die Klöjter (und in Honduras das Cöli- 
bat) aufgehoben, Religiondfreiheit ah 
Durch die Stellung der Geiftlichen in den India— 
nerbörfern ift aber der Einfluß der Kirche nicht 
minder groß geblieben. Der Charakter des kirch⸗ 
lichen Lebens ift der allgemeine des fpanifchen 
Amerila, Heiligencultus mit fließendem Ueber: 

ang zum Heidenthum. Unter dem Erzbisthum 

vatemalaftehen 4Bisthümer: Leon, Ciudad Neal, 
Comayagua, San Salvador, 243 Pfarreien mit 
716 Kirchen. 

Genturien, Magdeburger. Das große kirchen⸗ 
geichichtliche Werk, welches Flacius in Verbindung 
mit den Magdeburger — Joh. Wigand, 

ilius Faber heraus— 


did; das Holz iſt knotenfrei und rothſtreifig. Die gab, führt dieſen Namen, weil die Darſiellung, 
9* 


Geraft 


nach (16) beftimmten Rubriken georbnet, je Ein 
Jahrhundert (centuria) umfaft. Das Wert Ec- 
clesiastica historica erſchien von 1560—74, neu 
herausgegeben 1624. Es ift fortgeführt bis zur 
14. Genturie, und bildet die erfte vollftäudige all: 
gemeine Kirchengeſchichte, trog mander Mängel 
durch die wachjende Menge des Stoffs, die ſcharfe 
Kritik, die gelehrte Erörterung höchſt bedeutend. 
Es verfolgte die Tendenz, auf hiſtoriſch-⸗wiſſenſchaft⸗ 
lihem Wege, die lutherifche Kirche als die wahrhaft 

riftlihe Kirche nachzuweiſen. Die tatholiiche 

irche hat erft jpäter verfucht, in den Annalen des 
Baronius ihm ein ebenbürtiges entgegenzujegen. 

Geraft, coluber cerastes. Eine fingerdide, 14 
ZoU lange, mit 2 Fühlhörnern verjehene Schlunge, 
welche in Aegypten und Baläftina häufig vorlommt 
und vielleicht 1. Mof. 49, 17; el. 11, 8; 14, 29 
und fonft gemeint ift. 

Cerdon, der Gnoftiker, ſyriſcher Abkunft, um 150, 
verbreitete die Lehre, daf; der Gott Moſis, der De: 
miurgos, ein anderer jei, als ©ott, der Bater Jeſu 
Ehrifti; jener fei lediglich gerecht (nad) Epiph. An— 
gabe böfe), biefer aber gut. Sein Schüler war Mar: 
cion, der das Syſtem ng | entwidelte. 

Geremoniale, Eigentlich ein Buch, welches den 
vorgeſchriebenen Rıtus enthält, joviel wie Agende, 
Rituale; indbefondere aber dasjenige, welches die 
Pontifical:Berrihtungen ber 2 beſchreibt. 

Ceremonie. Die Form der religiöſen Handlung, 
in der zugleich ihr Inhalt ſich für Gefühl und 
Bhantatie ſymboliſirt. Die Geremonie ift daher 
nieetwas Wejentliches, fondern dem Wechfel unter: 
worfen, ihre Form hat fich überlebt, jobald fie als 
Symbol nicht mehr verjtanden wird, und Daher 
nur noch den Eindrud beabſichtigter Feierlichleit 
macht und zum leeren Schaufpiel wird. Je leben: 
diger und wahrer das religiöfe Leben, deſto einfacher 
und innerlicher wird der Gottesdienft; der Man: 

el des inneren Lebens zeigt ſich in dem Bejtreben, 
bie Geremonie zu etwas Nothwendigem, göttlich 
Geordneten zu machen; der Sat, die Cerentonie 
bewirte das, was fie bedeuten jolle, ſtoht auf der 
Grenze des Chriſtenthums. Die latholiſche Kirche 
unterjcheidet univerfale und particulare Ceremo— 
nien, jene ſind die durchaus nothivendigen, mit dem 
Gedanken der Handlung untrennbar verbundenen, 
diefe die nach Zeit und Ort wandelbaren Formen. 
Mit dem Abendmahl ift 3. B. untrennbar ver: 
bunden dad Austheilen, aber daß das Brod dabei 
gebrochen werde, Be nicht im Begriffe felbit. Die 
römische Kirche Hataber den Beftreben nadygegeben, 
die particularen Ceremonien möglichft zu univer⸗ 
jalen zu machen. Daber findet fih in ihr ein 
caeremoniarius, ein Geiftliher, der bei großen 
Feiern die Vornahme der Functionen überwacht 
und im Gottesdienſt den einzelnen Prieſter erinnert, 
welche Geremonie ihm nun obliege. Der Inbegriff 
ufammengehöriger Ceremonien heißt Ritus, 5. B. 
aufritus, die Geſammtheit aller Ritus bildet den 
Cultus einer Religion. 
Gerinth, deſſen Zeitgenoffe der Apoftel Johen: 


nes noch gemwejen, bildet den Uebergang des Ju— 


daismus zum Gnofticismus. Die Welt ift nad) 
der Lehre des Cerinth nicht vom höchſten Gott ge: 
fhaffen, mit den Menſchen Jeſus hal ſich der 
Aeon Chriftus vereinigt bis zur Kreuzigung. 
Gerinth war Chiliaſt und lehrte ein finnliches Me}: 
fiasreih. Ihm wurde von Manchen die Offen: 
barung Johannis zugejchrieben. 


132 


Chalonitis 


Chalcedon. Stadt in Bithynien, Gonftantino- 
pel gegenüber, wo jegt Scutari, hieß früher Pro- 
cerajtis. Hier wurde 451 das 4 ölumeniſche 
Concil gehalten, weldhed die Lehre von zwei Na: 
turen Chrifti in Einer Perſon feftjtellte. In der 
Vorstadt zur Eiche (ad quercum, &is deu») hielten 
die Gegner des Chryfoftomus 403 ihre Synode, 
die das Abjegungsurtheil ausſprach. 

GChaldäa. Chaldäer. Ein jemitifher Stamm, 
derurjprünglic) jeinen Wohnfit in den gordyäiſchen 
Bergen Süd-Armeniens gehabt haben muß, wohin 
ihn wenigſtens Zenophon und Strabo verjegen, 
der fi dann im untern Mejopotamien niederlief 
und bort unter afigrifcher Herrfchaft ftand. Diefe 
oder jpätere Einwanderungen find indeß nicht in 
Jeſ. 23, 13 angedeutet. Bon der aſſyriſchen Herr- 
ſchaft befreite jich, nad) einem mißlungenen Verſuch 
des Merodach-Baladan, Jef. 39, 1; 2. Kön. 20,12; 
2. Chron. 32, 31, Nabopolaffar, 625. Chr. Sein 
Sohn Nebukadnezar befejtigte Das Reich durch den 
Sieg von Carchemiſch 605 über Pharao Necho und 
dehnte e8 durch große Eroberungen aus, Evil: 
Merodad) wurde 559 ermordet von jeinem Schwager 
Neriglofior (559—556), deiien Sohn Labojoarchad 
555 durch Nabonad (Beljazar), unter dem 538 
Cyrus Babylon eroberte und mit dem perjifchen 
Reiche —— Als höchſten Gott verehrten die 
Chaldäer den Bel, den Herrn des Himmels, d. 5. 
die Kraft der Sonne; ihm zur Seite ftand die My— 
litta (vgl. Meni Jef. 65, 11), die Göttin der Frucht: 
barkeit. Diejer Cultus wandelte ſich in Gejtirn: 
dienft, der bas Leben der Erde ald ein Abbild des 
am Himmel Borgezeichneten betrachtete, und end⸗ 
lid in einen Bolytheismus, unter dem die Priefter 
einen eisen Geheimdienft weiter pflegten. 
S. auch VBabylonien. 

Cha Bade Chriſten. S. Neftorianer, 

Chaldũiſcher Dialekt. S. Semitiſch. 

. &halmers, Dr. Thomas. Geb. 17. März 1780 
in Oft: Anftruther. Prediger zu Kilvany 1803, 
1815 zu Glasgow, machte er dort den Verſuch, das 
Armenweſen alöein Gemeindewerk der brüderlichen 
Hülfe und Handreihung zu reformiren und bie 
Armen der perfönlihen Pflege von 25 Diafonen 
zu übergeben. Vgl. Gerlad, die lirchliche Armen— 
pflege des Dr. Chalmers, Berlin 1842. Seine 
Grundfäge ſprach er in mehreren Schriften aus, 
3. B. On the Christian and economic Polity. 
Profeffor zu St. Andrews in Edinburg 1823, feit 
1834 Mitglied der General Assembly, brachte er 
jeinen Plan zur Ausführung, daß die Kirche Dem 
Mangel an gottesdienftlihen Gebäuden aus den 
Mitteln der freiwilligen Liebe abhelfen müffe. 
Und al31834 der Staat in Bezug auf die Pfarrei: 
bejegung dur die Patrone den Gemeinden Das 
Vetorecht verjagte, war er der Führer bei der 
Trennung der freien ſchottiſchen Kirche vom 
Staate und Borfigender ihrer Aljembly. +31. Mai 
1847. Vgl. Köftlin, die fchottifche Kirche, 1852. 

Ghalne, 1. Mof. 10, 10. Am, 6, 2. Jeſ. 10, 9. 
Ktefiphon, Stadt am öjtlihen Ufer des Tigris, 
Seleuciagegenüber, Winterrefidenz der parthijchen 
Könige, wahrſcheinlich Hauptjtadt der aſſyriſchen 
Provinz Chalonitis, 

Chalonitis. Landſchaft in Afiyrien, ſ. den Art. 
Chalne. Damit ift nicht zu verwechſeln Kalachene 
(hebr. Chaladı, 2. Kön. 17,6), eine afiyrifche Bro: 
vinz an der Grenze von Armenien, wohin bie 
Jiraeliten deportirt wurden, 


Chalons 


Chalons. Yon den in Chalons gehaltenen = 
noden 470, 579, 594, 603, 649, 650, 818, 839, 
873, 886, 915, 1056, 1072, 1073, 1115, 1129 find 
bemerfenäwerth die von 650 wegen 20, und bie 
von 813 wegen 60 Kanones über die Kirchenzucht. 

Cham (Ham), Chamiten. Der Sohn Noahs, 
1. Dof. 5,32; 7,13; 9,18; 10,1. Inder Völter: 
tafel 1. Mof. 10, 6 ff. werben von ihm abgeleitet 
4 Bolfaftämme, nämlich die Kuſchiten (Methiopier), 
die fih in Süd:Arabien und nad) Mefopotamien 
auäbreiteten, die Aegypter (Mizraim), Phut (die 
Rauretanier) und die Kanaaniter. Die Sprache 
einzelner dieſer Völler wird herkömmlich die femi- 
tiſche genannt, weil die jemitifchen Stämme der 
Chaldäer und Iſraeliten die chamitiſchen Urein: 
wohner Mefopotamiend und Paläſtina's fiber: 
wanden und ihre Sprache annahmen. Die Religion 
war Naturbienjt der — und gebärenden 
Raturfraft, Baal und Mylitte, in verfchiedener 
Ausprägung und Ausbildung. Die Stammesab- 
neigung zwischen Iſrael und den Kanaanitern ſ. 
1.0of. 9,20—27, Vielleicht liegt in der Stelleeine 
Anjpielung darauf, - in Kanaan die hamitifche 
—— der zeugenden Kraft in Unzucht aus: 


Chambres ardentes. Der in Frankreich 1535 
zur Ausrottung der Hugenotten errichtete außer: 
ordentliche Gerichtshof. 

Chamier, Daniel. Reformirter Geiftlicher zu 
Rontclimar, geb. 1564, fehr einflußreiche Perfön: 
lichleit unter den Protejtanten Frankreichs. Er 
wer Mitglied der Nationaljynode von Saumur 
1597, und feine Feſtigkeit ſoll weſentlich dazu 

igetragen haben, daß das Edict von Nantes er: 
laſſen wurde. Bon nun an war er eines der her: 
vorragendften Mitglieder der franzöfiihen Natio: 
naljimoden. Im Fahre 1612 Pfarrer und Brofeffor 
mu Wontauban, ficl er bei der Belagerung deffelben 
1621 durch eine feindliche Kugel, tief betrauert. 
Son feinen polemiſchen Werken ıft das bebeutendite 
Panstratiae catholicae corpus, von feinem Sohn 
1626 herausgegeben; im Auszuge von Spanheim 
1643, Chamierus contractus. 

Chamos. Hauptgott der Moabiter und Ammo⸗ 
niter, 4. Hof. 21, 29; Richt. 11, 24; Ser, 48, 7; 
defien Cultus Salomo in Iſrael einführte, 1. Kön. 
11,7. Wahrſcheinlich urjvrünglich daſſelbe wie 
Baal und Moloch. Nach jüdischer Sage in jpäterer 
Zeit —— dem Symbol eines ſchwarzen Steins 
verehrt. 

mpeauy, Wilhelm von (de Campellis). Be: 
rühmter Lehrer der Scholaftik in Paris, und eigent: 
liher Gründer der Pariſer Univerfität. Nachdem 
er zuerft Dialektif und Rhetorik in Paris gelehrt, 
befuchte er die Schule zu Zaon, deren berühmter 
Lehrer Anſelm von Laon ihn begeifterte. Als Leh: 
ter der Theologie kehrte er 1108 nad) Paris zu: 
räd, wo ihm Übrigens durd) das glänzende Auf: 
treten feines Lehrers Abälard das Leben verbit: 
tert wurde. Er ftarb 1113 als Bischof von Chalons. 


133 


Charenton 


blieb er bi zur Convention von Amboife 1563, 
mannigfad für die Kirche thätig, feiner Gemeinde 
ern, 1571 gab er in Folge einer Erbichaft fein 
mt auf, widmete fich auf feinem gone dergeifts 
lihen Pflege der Neformirten in Lyonnais und 
nahm Theil an den Synoden von Rodelle 1571 
und Niämes 1572. Infolge der Bartholomäus: 
nacht flüchtete er nad) Genf, wo er, nachdem er 
eine Zeitlang Theologie gelehrt Hatte, Paftor 
und fpäter aud) Profefjor der Dane Sprade 
wurde. yortwährend in enger Verbindung mit der 
king el wurde er erwählt, die Einigung mit 
en Deutichen zu betreiben, begleitete aud) 1587 
Heinrich IV. als Feldprediger und hielt das Gebet 
vor der Schlacht bei Goutrad. + 23. Febr. 1591. 
Seine 23 Schriften een fih auf Kirchenver: 
fafjung, Kirchenrecht, Geſchichte und Dogmatik; 
ihr Verzeichnif; France protest. IIL 320—332. 
Ehanning, Wild. Ellory. Geb. zu Newport in 
Rhode-Island am 7. April 1780. Ward 1803 
ze einer congregationaliftifchen Gemeinde in 
ojton, wurde bald ein berühmter Prediger und 
Schriftſteller, und eine Autorität nicht bloß für 
religiöfe, ſondern fürdie mannigfachften humanen, 
focialen, pädagogischen Befirebungen. Eine impo: 
nirende eletfiche Berfönlichkeit, ift feine Wirkjam: 
feit von er Arte Segen begleitet ge: 
wefen. Sn religiöfer Beziehung vertrat er eine 
fittlich « praftifche Richtung, im Gegenſatz zur 
theoretiſch- dogmatifchen, und hat darin für bie 
Entwidelung des kirchlichen Lebens einen großen 
Einfluß erreiht, indem er für diefe Richtung ein 
Vorbild geworden ift. Er ftarb als das Haupt ber 
Unitarier 1842. Eine Auswahl feiner Werke in 
beutfcher Ueberſetzung von Sydow und Schulze, 
1850—1855. Val. Bunfen, Gott in der Geſchichte. 
Zaboulaye, Oeuvres sociales etc. 1854. Nippold, 
Prot. Monatsbl, 1866, 

Chantal, Johanna Francidca Fremiot, Baros 
nin von. Geb. 28. Januar 1572 zu Dijon. Früh 
verwittwet, erwählte fie 1604 Franz von Sales 
zu ihrem Beichtvater, auf deſſen Anregung fie ald 
die Erfte dem Orden von der —— ariä 
oder den Salefianerinnen beitrat, den tie nad 
feinem Tode allein leitete. Sie ftarb 1641 und 
wurbe 1751 heilig gefprochen. 

Chaos. Der Urzuftand’der Dinge, das ununter: 
ſchiedene und ununterfheidbare Nichtetwas, aus 
dem die Welt durd die Schöpfung ſich herauss 
bildet, das potenzielle Sein, das erſt zum wirk⸗ 
lihen Sein gejtaltet werden muß. Das Chaos ift 
nad den meilten Kosmogonien ber Alten die 
Grundlage der Schöpfung; fo bei Hefiod. Nach 
manden Auslegern ift au das Tohu Vabohu 
der Bibel ein .. Chaos. 

Character hypostaticus nennt bie Dogmatit 
den nbegriff Alles deflen, —— drei tri⸗ 
nitariſchen Perſonen bei völliger Weſenseinheit 
ſich als ſelbſtändig von einander unterſcheiden. 

Character indelebilis, unauslöſchliches Ge: 


Champion, Pierre de. Stifter des Ordens ber |präge, geben nad) kath. Lehre die drei Sacra- 


Auguftinerinnen von Tournay 1424. 
handieu, Anton de. Geb. 1534. Trat in Paris 


ber reformirten Gemeinde bei und wurde, nad) | Yebensbeziehungen. Daher können dieje 


| mente der Taufe, Firmung und Briefterweihe; der 
Menſch tritt durch fie in unmwiderrufliche geiftige 


acra⸗ 


ZSollendung feiner theologiſchen Studien unter | mente weder aufgehoben noch wiederholt werben. 


Calvin, Baftor an derſelben 1554. Wegen einer 


Vertpeidigungsichrift ver Neformirten gefänglich befaunt durch ve 


ingezogen, befreite ihn Anton von Navarra mit 
Roffengemalt 1558. In den folgenden Unruhen 


Charenton. Ein Fleden in der Nähe von Paris, 
iedene Synoden im amyral⸗ 
bifchen Streite. Die von 1645 ſprach Amyraut 
von der Anklage auf Heterodoxie frei. 


Charfreitag 


ehren ©. Charwode. 

Gharpentier, Hubert. Licentiat der Theologie 

1633, der Stifter des Ealvariften:Drdens. 
GEharpentier, Peter. Ein proteftantifcher Rechts⸗ 


134 


Chemnik 
jübifcheSecte der gen geftiftet durch Iſrael 


Saat Schem (Beiht) um 1740 in Medziboze in 


Rodolien, der ald Prophet und Wunderthäter auf: 
trat. Er und feine Nadfommen ftehen als Zadif, 


elehrter, der fid) zum Spion bes franzöfifchen | Gerechter, mit Gott in Verbindung, und daher neh: 


ofes unter den Hugenotten in Genf und Fran: 
reich Kr ließ und 1572 eine Vertheidigung 
der Bartholomäusnadt herausgab. Zur Beloh: 
nung wurde er Mitglied bed Staatsraths 1573 
ra — der Rechtsſchule von Pont a Mouſſon. 

1612. 

Gharron, Peter. Geb. zu Paris 1541. Ein fran: 
öfifcher Geiftlicher, der, früher Advocat, fid) einen 

amen als Prediger und als Polemiler gegen die 
Reformirten erwarb. 1594 Generalvicar zu Ca: 
hors. + 1603 zu Paris. Sein Traite des trois ve- 
rites 1594 ift gerichtet gegen Atheiften, Heiden, 
— Muhamedaner und Häretiker. In dem 

raite de la sagesse 1601 fpricht fid) ein Sfepti- 
cismus aus, der auf den Einfluß des Philofophen 
Montaigne, mit dem er befannt war, zurüdzu: 
führen ift, und der dem Berfaffer Anfeindungen 


zuzog. 

Wartophylar. In der griechiſchen Kirche einer 
der — Geiſtlichen, mit dem Berufe, die kirch— 
lihen Documente zu verwahren.: Bei fteigendem 
Einfluß nahm er jpäter die Stelle ein, Die der 
Generalvicar in der lat. Kirche hat; er befigt ge: 
wifle Ehrenvorrechte und Rang vor den Biſchöfen. 

arwode, Stille Woche. Das Wort ift nicht 
abzuleiten von zapıs, Gnade, jondern von caren, 
Hagen, trauern. St die eigentliche Gedächtniß⸗ 
feier des Leidens Chrifti; die freier der einzelnen 
Tage ift der Erinnerung an die Borgänge in den 
entjprehenden Tagen gewidmet; es treten daher 
hervor: 1) Der Sonntag der feier des Einzugs 
in Serufalem, ber Balmfonntag; er ijt ausge: 
zeichnet Durch die Balmenweihe und die Palmen: 
progeffion. Den Namen Dominica indulgen- 
tiae führt er, weil in ber alten Kirche an ihm die 
bevorjtehende Abfjolution angekündigt wurde. 2) 
Der Gründonnerjtag. Der Name wird verſchieden 
* eleitet; vielleicht verband ſich mit ihm eine 
ymboliſch gedeutete Frühlingsfeier Als Stiftungs: 
tag des Abendmahls ſchon zu Auguſtins Zeiten 
ſolenner Abendmahlstag. In Rom beſondere Feier: 
die Fußwaſchung, die Verkündigung der Nacht— 
mahlsbulle, die Weihe des Salböls u, * 3) Der 
Charfreitag wird in der römiſchen Kirche als 
Trauertag ohne alle Feſtlichkeiten des Gottes— 
dienſtes, ohne Glockengeläute und ohne Eonjecra: 
tion der Abendmahlselemente gefeiert, und iſt 
ftrengfter Fafttag. 4) Der Samftag als Dftervigilie. 
In der evang. Kirche ift der m vorherr: 
hend der Eonfirmationstag geworden. Der Grün: 
onnerjtag wird nicht allgemein ald Communions⸗ 
tag firhlid) begangen. Dagegen wird in der deut: 
fhen Kirche, welcher feit 1862 die Schweiz fi an- 
gefatofen hat, der Charfreitag ald der Höhepynit 
er firhlichen Feiern des Jahres angeſehen, hinter 
ben ſelbſt die Ofterfeier zurüdzutreten ſcheint. 

Chaſiphja. Esra 8, 17; ift vielleicht im nord⸗ 
öftlihen Medien am kaspiſchen Gebirge zu ſuchen. 

Chaſſidim. Fromme. 1) Ein geheimer Bund 
unter den Juden zur Zeit der Seleuciden, ber un: 
ter den Berfolgungen den nationalen und religiö: 
fen Geiſt zu erweden und zu fräftigen ſuchte. Nach 
Einigen follen aus ihnen unter veränderten Heit: 
umftänden die Eſſäer geworden jein. — 2) Eine 


men an berjelben alle Diejenigen Theil, welche dem 
Zadil ſich anſchließen. Strenge Unterwerfung um: 
ter denfelben in allen Lebensbeziehungen ift die 
erfte Bedingung, daneben große (Freiheit des finn- 
lihen Lebens, Sie beobadhten den Talmud und 
abbaliftifche Gebräude. Bon der herrſchenden 
Synagoge find fie ercommunicirt. Die Secte ift 
verbreitet in Polen und den Donauländern. 

Chatel, Abbe Ferdinand Francois, Ein fran- 
zöſiſcher Freiheitsſchwärmer. Geb. 1795 zu Gan: 
nat:en»Bourbonnais, 1818 Pfarrverwejer zu 
Moulins, Pfarrer in Monetay, 1823 Aumonier bei 
ber Garde, ftiftete er in der Aufregung der Juli: 
revolution eine neue Kirche, Erlise catholique 
frangaise ober unitaire frangaise, die, von allen 
Hrijtlihen Wahrheiten entlleidet, nur das natür—⸗ 
liche Gejeg zur Geltung ige u follte. Er verfün- 
digte feine Lehre in einer Reihe von Schriften: 
Profession de foi de l'égçlise cathol. frang. Par. 
1833; Catöchisme à l’usage de l'église cath. 
frang. 1833; Le code de l'humanite 1838. Vom 
Großmeiſter der Templer Fabre Palaprat lieh er 
fi zum Primas von Gallien weihen. 1842 ſchloß 
die Polizei feine Capellen, er befam eine Anftel: 
lung im Poftdienfte. Ein Verſuch nach der Revo: 
[ution von 1848, feine Reformation zu wieders 
holen, hatte kein befferes Ergebniß. Er jtarb 1857. 

Ghavila. 1.Mof. 2,11; wird gedeutet als Ara- 
bien (Neltere), weil das Paradied am Zufammen= 
jluß des Euphrat und Tigris zu ſuchen ſei; oder 
Sufiana, wenn dafjelbe in Babylonien (Hopkin> 
fons), oder Paläftina (Clericus nad) 1. Sam. 15, 
7), oder Kolchis (die Meiften, auch Bunfen), oder 
Ava (Indien, fo Buttmann) u.a. — ©. Eden. — 

u unterſcheiden davon ift die femitifche Landſchaft 

haulan in Nordjemen. 1. Moſ. 10, 29; 25, 18; 
1. Sam. 15, 7. 

Ghazaren. Das Reich derjelben dehnte fi vom 
faspiihen Meere bis in die Krim aus, und wurde 
1016 von den Ruffen zerjtört. Geſchichtlich merk: 
würdig dadurch, dab Jahrhunderte lang feine Kö: 
nige Shen waren, aber Heiden, Chrijten und 
Muhamedaner Religionsfreiheit genofien. Wenn 
der Brief des Rabbi Chasdai, jüdiſchen Minifters 
am Maurenhofe in Spanien, an den König Joſeph 
der Chazaren 958 (in der Vorrede zu Burtorffs 
Ausgabe des Buches Kosri) echt ift, fo ijt jeden: 
falls die Antwort des Königs, in weldier er die 
Fragen beantwortet und über das jüdiſch⸗-chaza— 
tische Reich Auskunft ertheilt, apoltyphiſch. Auf 
Anfuchen der Chazaren wurde von Michael III. 
von Byzanz 960 der Mönd Conſtantin (Eyrill) 
zu ihnen gejendet, um ihnen das Evangelium zu 
verfündigen. Da das jüdiſche Reich nad) ihm fort: 
beftand, tft fein Erfolg jedenſalls nicht umfaſſend 
gemejen. Man hat auch in den Chazaren die 10 
Stämme Sfraeld wiederfinden wollen. 

Chemnitz, Martin. Geb. 1522 am 10. November. 
Studirte 1539 —47 Mathematif und Humaniora 
zu Frankfurt und Wittenberg, inzwifchen war er 
einige Mal um des Unterhalts willen Schullehrer. 
Als Hofmeister fam er nad) Königsberg, erlangte 
die Gunft des Herzogs Albrecht, wurde 1549 fein 
Kalendermaher und Bibliothelar und ftudirte nun 


Cherbury 
Theologie. Aber als Gegner des nad) Königsberg 


berufenen Dfiander nahm er dort feinen Abichied, | F 


trat 1553 in Wittenberg als theol. Lehrer auf, 
übernahm 1554 eine Nredi erjtelle zu Brauns 
(dmeig und ward bort —— 1567. 
71586. Einer der bedeutendften Theologen ber Re: 
formationgzeit, begründete er feinen Ruf burd) 
fein Examen Concilii Tridentini 1565—73, eine 
Iharffinnige, aud) von Katholifen anerlannie Fri: 
ti der Tribentiner Concilienbeſchlüſſe, die Fort: 
fegung einer vernidytenden Polemik gegen den 
Jeſuitenorden, welche er mit feiner Schrift Jesui- 
tarumtheologiae praecipua capita eröffnet hatte. 
In den Innerconieifionehen Streitigkeiten feiner 
Zeit nimmt Ch. ebenfalls eine hervorragende Stel: 
lung ein. Er vertrat bier den Standpunlt der 
„reinen“ Iutherifchen Lehre, ohne jedod) den Fa: 
natiömus fo vieler Mitftreiter zu teilen. In den 
adiaphoriftifchen Streitigkeiten war er mit Mörlin 
auf dem Wittenberger Eonvent und dem Wormſer 


135 


Chiliaſten 


heiligſten auf der Bundeslade mit ausgebreiteten 
lügeln und mit zum Deckel der Bundeslade 
geſenltem Angeſicht. Nach Ezechiel iſt ihre Geſtalt 
viel verwidelter: die Cherubim haben vier Geſich— 
ter (das Gefiht eines Menſchen, eines Stiers, 
eines Löwen, eines Adlers), vier Flügel, den 
ganzen Leib mit Augen bededt, und find mit einer 
außergewöhnlichen Schnelligleit ausgerüſtet. Le: 
ber ven ſymboliſchen Sinn der Cherubim giebt e3 
verſchiedene erg Keil hält die Cherubim 
für Engel; de Wette für Symbole von Natur: 
fräften,; Emald, Knobel u. N. ſehen fie als Wejen an, 
auf denen thronend Gott San: Riehm hält 
fie außerdem für Wejen, deren Beftimmung ift, 
die Heiligthümer zu behüten, befonders aber die 
für die Menſchen unerträgliche glanzvolle Erſchei— 
nung Gottes zu bededen. Die Analogie ber Che: 
rubim mit den Greifen, welche in den indischen 
Bergen das Gold bewachen, und den griechiſchen 
und ägyptifhen Sphinxen liegt nahe; über ben 


Eolloquium 1557. Im Hardenbergifhen Abend: | gefchi — Age erg mg eecrigrn da 
mahläftreite ſchrieb er 1560 De coena Domini, die iſt man aber nod) nicht Mar. Ebenſowenig ift der 
enwart ha aus dem Schriftwort bewei: | Urfprung deö Namens feftgeftellt. Außer den exe: 


ſend. Die Dfiandrifhen Streitigkeiten wurden 
rag durch das von Chemnik und Mörlin ver: 
faßte Corpus doctrinae Prutenicum 1567. Im 
majoriftiihen Streite fhrieb er fein Bedenken 
1568, und das durch die fryptocalviniftifchen Strei: 
tigfeiten zur Unterbrüdung der Melancdhthonia: 
ner veranlafte Corpus doctrinae Julium 1559 
wurde unter jeiner Mitwirfung verfaßt. Mit Hef: 
tigkeit trat er ald Vertreter des reinen Luther: 
thums dem Wittenberger Katechismus 1572 ſchroff 
entgegen. Großen Antheil hat Ch. an der Eoncor: 
dienſormel; wie er fich für die ſchwäbiſch-ſächſiſche 
Formel intereffirt hatte, jo war er Mitverfafler 
des Torgauifchen Buches 1576 und revibirte daſ— 
felbe mit Andreä und Selneder zu Klofter Ber: 
en 1577, bemühte ſich perſönlich bei den Fürften 

x Annahme defjelben und fchrich die Apologie 
1581. Die ungünftige Aufnahme des Eoncordien: 
werles in Braunſchweig beugte ihn jehr, er alterte 
vor der Zeit und legte 1584 fein Amt nieder. 

Eherbury, Edward Herbert, Lord. Geb. 1581 zu 
Nontgomery in Wales. Gefandter Jakobs I. nad) 
Paris 1616. + 1648. Einer der Begründer des 
engliihen Deidmus durch feine philofophifhen 
Sthriften De veritate 1624, De causis errorum 
1645 und Liber de religione gentilium 1645, in 
denen er den Deismus zuerft ſyſtematiſch dar: 
ftellte und die Behauptung zu begründen juchte, 
das Ehriftenthum jei nicht Die allgemeine Religion, 
weil fie die göttliche Vorſehung nicht genug erfen: 
nen laſſe. 

C . ©. Bann. 

Gherubim. Symbolifche Figuren in ben reli: 
giöjen Vorftellungen der Hebräer, welche 1. Moſ. 
3, 24 das Paradies bewachen; Pf. 18, 11; 99, 1 


ger Werfen über bie angeführten Stellen vgl. 
iehm, De natura et notione symbolica Cheru- 
borum, Bafel u. Ludwigsburg 1864. 

Cheſil. Stadt im Stamme Juda. Joſ. 15, 30; 
nad) 19, 4 und 1. Chr. 4, 30 daſſelbe wie — 

Cheſſalon. Joſ. 15, 10; jetzt Kesla, zwei Mei⸗ 
len weſtlich von Jerufalem. 

Cheſuloth. Stadt im Stamme Iſaſchar, Zof. 
19, 15; jegt ein Dorf Namens Ikſal, weitlih vom 
Thabor. 

Chierſy. Ort im Erzbisthum Rheims. Auf der 
Synode zu 38 im Jahre 849 wurde Gottſchall 
wegen feiner Prädeſtinationslehre verurtheilt, und 
die von 853 billigte die entgegengefegte Lehre 
Hincmars. In den Acten der Synode von 857 
über den Streit zwifchen Bincmar und er 
von Soifjond wurden zum erften Mal die pjeudo» 
iſidoriſchen Decretalen angezogen. 

Ehili. Freiftant in Südamerika zwiſchen bem 
großen Ocean und den Eordilleren, feit 1817 ſelb⸗ 
ftändig, wird vermaltet nach der Gonftitution von 
1833. Die katholiſche Religion ift die Staats— 
religion; doch herrſcht Neligionsfreiheit, und das 
Staatsgeſetz Hält die Kirche in großer Abhängig: 
feit, Sämmtlihe Kirhengüter find eingezogen, 
die Geiftlichen werden vom Staate bejoldet. Die 
Zahl der Klöſter ift beſchränkt und den Religiofen 
der Austritt geftattet. Unter dem Erzbiſchof von 
Lima ftehen die Suffraganbijchöfe von ©. Jago, 
Conception und Coquimbo. 

Chiliaflen. Chiliasmus ift der Glaube an ein 
bevorjtehendes 1000jähriges Neid) Chrifti, welches, 
durch feine fichtbare Wiederkunft begründet, eine 
Zeit des Friedens und des volllommenen Genufjed 
darbieten werde, ohne Trübung durch Sünde 


——A—— tragen; 2. Moſ. 25, 18ff.; und Uebel. Der Chiliasmus iſt Die Uebernahme 
7ff. 


die Bundeslade in der Stiſtshütte be: 
wachen, ebenso ı. Aön. 6,23 ff. im ſalomoniſchen 
Tempel, deren Bildnifie in die Teppiche der Stifts: 
hütte gewebt 2. Moj. 26, 1 und in die Wände des 
Tempels gefchnigt waren, 1. Kön. 6, 32. In Bezug 
auf die Geftalt der Eherubim fann bie piöterifähe 
Beihreibung Ey. 1 nicht maßgebend fein. Nach 
2, Mof. 25, 18— 20; 37, 7—9; 1. Kön.6, 23—23; 
8,6.7; 2. Ehr. 3, 10—183 hatten fie die Geitalt 
don geflügelten Menſchen; zwei jtanden im Aller: 


der jüdiſch-meſſianiſchen Ideen in das Ehriften: 
thum; feinen bibliſchen Ausdrud findet er in der 
Offenbarung Johannis, zu der alle hiliaftifchen 
Syſteme zurüdtehren. In der alten Kirche jehr 
verbreitet, namentlih unter den Judendriften 
(vgl. Brief des Barnabas, Papiad, Irenäus 
u. a.), wurde er von dem Presbyter Cajus, Ori⸗ 
genes und feiner Schule befänpft und ſchwand 
mit der zunehmenden Nadt und Ausbreitung der 
Kirche, die das Reich Gottes auf Erden darzuftellen 


Chilmad 


fih volllommen bewußt war. In der Reformations: 
eit erwachte der Chiliasmus von Neuem, zuerjt 
in jehr finnlidyer Geftaltung bei den Wiedertäu: 
fern, darnad) bei vielen Shwärmern und Secten, 
denen die unfichtbare Kirche zu geftaltloswar, und 
die in der Örgenwart nur die Herrſchaft der Sünde 
und des Weltgeiftes fahen. So namentlich im 17. 
Sahrhunderte die Camifarden und die böhmifchen 
und Ir ie Brüder (vgl. Comenius, Lux in 
tenebris), die der Untergang ihrer Gemeinden nö: 
thigte, ihre Hoffnungen auf die Wiederkunft Chrifti 
zu vertagen. So die Labadiſten, die Antoinette 
Bourignon mit ihrem Anhänger Peter Poiret 
Economie divine 1687), in England die Jane 

eade (+ 1704), in Deutjchland die Weigelianer, 
Wilhelm Joahim er In der Berleburger 
Bibel fand diefer Chiliasmus feinen Ausdruck, bis 
Bengel benfelben (1740) biblifch zu begründen 
fuchte, und Detingersd Theofophie ihn aufnahm. 
Seitdem ift er die Lieblingälehre vieler Kreiſe ge: 
blieben. Da der Mittelpunft des Gottesreiches 
Serufalem fein muß, bereiteten Manche ſchon den 
Auszug nad) dem gelobten Lande vor. Stark er: 
fünt mit chiliaſtiſchen Ideen ift die heutige Juden: 
miffion, welche die Belehrung Iſraels und die neue 
Sammlung des Volkes als die biblifche Vorbedin: 
gung für dad Kommen des Reichs aufjtellt. Durch⸗ 
aus auf hiliaftifhen Vorausſetzungen ftehen die 
Svedenborgianer, Jrvingianerund Darbyften, und 
ald Garricatur haben die Heiligen der legten Tage 
(Mormonen) ihr Reid am Salzjee gegründet als 
die Verwirklihung eines Gottesreihes. Der Chi: 
liasmus verfennt das Gefe der Entwidelung in 


136 


Chor 


150,000 Befehrte zählte. Die Feindſchaft wer 
Mandarinen benugte einen Regierungswechjel; 
da3 Chriftenthum wurde bei Todesftrafe verboten, 
der Jeſuit Schall (1684) mit feinen Genofjen vor 
Gericht gezogen, einige von ihnen getöbtet, die 
andern verbannt. Noch einmal erhielten fie einen 
Freibrief, bis die Streitigkeiten zwifchen den Do: 
minicanern und Jefuiten über die bei den Letztern 
gewohnte Accommodationan das Heidenthum, wo: 
bei der Bapft ſich auf die Seite der Kläger ftellte, 
dad Anfehen der Ehriften ſchwächte. Die Verfol: 
gungen begannen wieder 1747 und das Chriften: 
thum blieb durch ſcharfe Edicte verboten, bis es 
1845 für unſchädlich und zuläſſig erflärt wurde. 
Die römische Kirche hat durd) Errichtung von vier 
Bisthümern die Mifjion fofort aufgenommen. 
Proteftantifcher Seits Hatte Gützlaff ſelbſtändig 
feit 1826 in Ehina gewirkt; feine Bemühungen 
gingen dahin, befehrte Chineſen zu Evangeliften 
Im Innern zu bilden. Früher hoch erhoben, ift 
die Frucht feiner Arbeit fpäter um fo bitterer ge: 
tabelt worden. China ift der Zielpunft aller prote: 
ftantifchen Niffionsarbeitengemworden. In Deutſch⸗ 
land bildeten ſich drei verſchiedene Gejellichaften 
* China, bie ſich 1856 zu dem Geſammtverein 
ür chineſiſche Miffion vereinigten; außerdem ha: 
ben Barmen und Bajel dort Stationen erridtet. 
Die Hoffnung, daß die Revolution der Taipings 
dem Chriftentyum den Weg öffnen werde, bat 
ſich als — — erwieſen. 

Ghinnereih. Cinnereth. Joſ. 11, 2; 19, 85; 
5. Woj. 3, 17; ift Genezareth (f. d. 9.). 

Chios. Inſel im Archipelagus, jegt Scio. Apftg. 


dem geiftigenZeben der Welt, und in dbogmatijcher | 20, 15 


und ethiſcher Befangenheit dad zwar langjame, 
aber trog ſcheinbarer Unterbredungen und Rüd: 
fhritte dennoch ftetig fortichreitende Einwirken 
des de Geiſtes auf die Gefammtentwide: 
lung der Menjhheit. Zum Chiliagmus können 
ebendeähalb nicht gerechnet werden Syſteme, 
welche, wie dad Rothe'3, eben diefe Zuverficht nur 
zum concreten Ausdrud der Hoffnung der Vol: 
endun eg Bol. Eorrodi, Geihichte des 
Ehiliadmus, 1783, 

Ehilmad, Ey. 27, 23; ift vielleicht die Stabt 
Eharınande in Mefopotamien. 

China. Ueber die alten inefiihen Religions: 
formen ſ. Confuciud. Seit dem 7. Jahrhundert 
hatten Neftorianer das Chriſtenthum hier verfün: 

digt und beim Eintritt der mongolifhen Herrſchaft 
beitand eine organifirte neftorianifhe Kirche. Der 
Großlhan Kubilai ſoll dann um 1270 den Papft 
um Miffionare haben erfuchen lafjen. Ausgejen: 
dete Dominicaner und Minoriten erreichten ihren 
Beftimmungsort nicht, bis Johannes von Monte 
Eorrino in China eintraf, und bald eine fatholi: 
he Kirche begründete, der er ala Erzbiſchof von 
ing vorftand. + 1328, Dem ſich ausbreiten: 
den Ehriftentfum trat aber der Bubbhismus mit 
fiegreiher Concurrenz entgegen; und als bie 
Mongolendynaftie 18370 in China unterging, wurde 
auch das von ihr beſchützte Chriftenthum wieder 
ausgerottet. Die Bortugiejen, die 1522 zuerft 
wieder mit China in nähere Berbindung traten, 
fanden keine Spur mehr. Die Jefuiten übernah: 
men die Miffion 1583, und da fie ed verftanden, 
fih zugleich durch andere Kenntniſſe nüslih und 
beliebt zu machen (Matthäus Ricci, Adam Schall), 
jo breitete fich bie Kirche fo aus, daß fie um 1651 


Ghisloth-Tabor. of. 19, 12.22; 1.Chr.6, 62, 
Stadt im Stamme Sebulon. 

Chittim. 1. Mof. 10, 4. Der Name eines von 
Javan abftammenden Volkes. Es find gemeint 
die Bewohner der Inſel Eypern, Zef. 23, 1. 12; 
Ez. 27, 6; Jer. 2, 10; jo auch Jofephus und Hie: 
ronymus. In den Stellen Dan. 11, 30; 1. Maft. 
1, 1; 8, 5 wollen Manche die Macedonier ver: 
ftanden wiffen. Entweder ift der Name jelbftändig 
von dem Ortsnamen Eitium auf Cypern abgeleitet, 
ober, was fid) übrigens Damit verbinden läßt, der 
Name der Eyprioten ift einige Male im weiteren 
Sinne gefaßt. 

Ehiun. Amos 5, 26. Wird von manchen Aus: 
legern als die Gottheit Saturn aufgefaßt; Ewald, 
Hitzig und Bunfen überfegen in der betr. Stelle: 
das „Geſtell“ eurer Gögenbilder. 

Chlodwig. Fürft der faliihen Franken, der 
Stifter des fränfifhen Reiches. Sein Uebertritt 
zum Chriſtenthum 496, nad) dem Gelübde, das er 
in ber Schlacht bei Zülpich geleiftet, ift zum Theil 
dem Einfluß feiner katholi den Gemahlin, ber 
burgundiſchen Königstochter Chlotilde, zuzufchrei: 
ben; zumeift aber waren eö Gründe der politijchen 
Zweckmäßigkeit, dieihn bejtimmten. Sein Chriften: 
thum ließ ihn eher befähigt erjcheinen, über die 
Hriftlihen Stämme zu herrſchen, die er vereinigen 
wollte, und fein Katholicismus gab ihm den Vor: 
wand, bie arianiſchen Fürften zu befriegen. Wie 
dem auch jei, fein Uebertritt bildet in der kirch⸗ 
lichen Geſchichte Deutfchlands eine wichtige Epoche. 
Er ftarb, da er eben 511 das erfte Concilium 
fräntifcher Biſchöfe verjammelt Hatte. 

Ghor. Der Theil der hriftlichen Kirchen, der 
für die Geiftlichleit beſtimmt ift und in dem ber 


Choral 137 Chriftenverfolgungen 
Hochaltar ſteht; Daher aud) der Name für den ge: | zur Aushülfe in der Seelforge. Sie heißen auch 


meinfamen Gebetädienft der Geiftlichen (officium 
publicum), befonders der Chorherren, Kanoniler 
und der Mönche. — Die "ix endorfſche Gemeinde 
it, nad) den Lebensverhältniſſen ihrer Mitglieder, 
in Ehöre eingetheilt. 

1. Der langſame, feierliche lirchliche 
Gemeinde ent: —— gebraucht von den 
gregorianiſchen Prieſtergeſaͤngen und ſpäter von 
der Grundmelodie in dem figurirten Geſange, hat 
dad Wort in der evangelifhen Kirche die oben an: 
argebene Bedeutung erhalten, ald man anfing, 
Sammlungen von Gemeindegefängen für den 

med der Orgel (Choralbücher) zu veranftalten. 
Der rhythmiſche Choral, d. h. ein mit größerem, 
ausdrucks vollerem Wechfel des Rhythmus gejunge: 
ner Gemeindegejang, ift bie urjprüngliche Sing: 
meije, findet aud) in unjerer * wieder viele An⸗ 
hänger und iſt von der Eiſenacher Kirchencon— 
ferenz 1853 empfohlen worden. Andere dagegen 
baben Bedenken, ſowohl äfihetifche, als praktische, 
da nur mit ber äußerjten Anftrengung eine Ge: 
meinde für den rhythmiſchen Choral eingeſchult 
werden kann. ©. auch Kirchengeſang. 

Der Ort des Geſangunterrichts für 
Die Chorknaben in den Domtirchen; in den Klö— 
fern der zum Chorbienft bejtimmte Ort hinter 
dem Hochaltar. Dann die Chorfingfnaben, die 
aus den erfchulen ausgewählt wurden. 

Chorbiſchof. So heifen die Bifchöfe eines Sand: 

iſtrictes in der griechiſchen Kirche, die allmählich 
im Rang unter die Biſchöfe der Städte herabge: 
drüdt wurden und als ihre Gehülfen erjchienen. 
Ym Abendland kommen jie nur vereinzelt im ran: 
tenreiche vor, ald von den Biſchöfen angeordnete 
Gehülfen und Vertreter. Die Ruraldialonen mad): 
ten fie völlig überflüffig. 

Ghorenten. Nebenname der Meflalianer. ©. 


d. Art. 

ya Bezeihnet im Canton Bern bie 
mit der Ehegerichtöbarkeit und der Sittenpolizei 
betraute Behörde; wurde eingerichtet, als die bi: 
ihöflihe Gewalt aufgehoben war 1528, beftand 
aus 2 Mitgliedern des fleinen, 2 des großen Ra: 
thes und 2 Predigern und hielt feine Sigungen 
in dem Ehorherrenftift zum Münſter, daher der 
Name. Chorgerichte wurden aud) in den Gemein: 
den deö Waadtlandes, wo die bernijche Kirchen: 
erdnung galt, eingeführt. Sie erhielten die Sitten: 
glei, als 1561 Birets und der andern Prediger 

en nad) Einführung calvinifcher Kirchen: 

zucht abgelehnt worden war. Als wejentlich bür— 
erlihe Gerichte ftanden fie von 1704 ab unter 
ath und Bürgerſchaft als höherer Inſtanz. Erjt 
1852 wurden die Chorgerichte zu Kirchenvorftän: 
den, die auch zu der Theilnahme an den Synoden 
berechtigt en 

Ghorgejang bildet den Gegenjat zum Gemeinde: 
gelang, tft in der katholiſchen Kirche jaft ausſchließ⸗ 
id an die Stelle des legteren getreten, in ber 
proteftantifchen Kirche aufein Minimum bejchräntt, 
oder ganz weggefallen. S. Kirchengeſang. 

Ghorherren. S. Auguftiner und Kanoniter. 

Ghorsicar. In der uftäfung des kanoniſchen 
een im 10. Zahrh. eitellten die Kanoni⸗ 
ier fi Stellvertreter für den regelmäßigen Chor: 
dienft; allmählich wurden ſolche Stellen ftändig 
und fundirt und daher auch nad dem Triden: 
unum beibehalten zur Verjtärfung des Ehors und 


ebendati, 
Chridma. S. Salböl. 
ade — S. aus Chriſtus. 
Chriſtenthums⸗Geſellſchaft. Geſtiftet durch J. 
Johann Urlsperger, Senior zu Augsburg, 1780 
zu Baſel, als eine Verbindung aufrichtiger Chri— 
ſten zur Beförderung wahrer Gottſeligleit, die 
ihren Sit erjt in Nürnberg, dann 1784 in Bajel 
hatte und fih durch Zweigvereine über Süd: 
deutſchland verbreitete. Da fie die Beftrebungen 
der innern und äußern Miſſion zufammenfakte, 
bildeten fih aus ihr neue Vereine mit beſtimmtem 
Zweck: die Bafeler Bibelgejellichaft 1804, die Miſ— 
jionsgejellichaft 1816, die Beuggener Anjtalt 1820 
unb mehrere andere, woburd der Hauptverein 
immer mehr in Schatten getreten ift. An feiner 
Spite ftanden als Leiter und Geichäftsführer 
Schmidt, Steinlopff, Blumhard und Spittler; 
fein Organ war jeit 1784 die Monatsſchrift: 
Samnılungen für Liebhaber driftliher Wahr: 
heiten. 

Ghriftenverfolgungen gingen zuerft von ben 
Juden aus, als durd) den Delenikten Stephanus 
der Gegenſatz des Chriftenthums gegen den Tem: 
efbientt hervorgehoben wurde. Die ftrenger juden⸗ 

iftliche Partei ſcheint nie verfolgt zu * die 

inrichtung des Jakobus war ein einzel ng ei 
Act, der in der Politik des Agrippa, den Phari: 
jäern zu fchmeicheln, fich begründet. Unter Elau- 
dius 53 erlitten die Chriften die erfte Verfolgung 
von den Römern, aber auch nicht wegen ihrer be» 
fondern Religion, fondern weil fie no von den 
Juden nicht unterfchieden wurden. Die erjte eigent⸗ 
lie Chrijtenverfolgung brach unter Nero aus, der 
auf die Chriften die Schuld des von ihm verur- 
ſachten Brandes der Stadt job, 64 n. Ehr. Un» 
ter den folgenden Kaiſern A fi) der Gegen: 
fat des der römischen Herrſchaft zu Grunde lie 
genden nationalen und religiöfen Geiftes zu dem 
der hriftlichen Gemeinde und brady von Zeit zu 
Zeit in heftigen Verfolgungen aus. Gemöhnlid) 
werden 10 derſelben angenommen, unter Nero 64, 
Domitian 95, Trajan 105, Marc Aurel 177, Sep: 
timius Severus 202, Marimin 235, Decius 249, 
Balerian 257, Aurelian 275, Diocletian 303-311. 
Zwiſchen dieje fallen Verfolgungen in einzelnen 
Provinzen, da die den Chriften feindlichen Gejege 
nie aulachaben waren. Toleranzedicte gab erit 
Gonftantin 312 und 313, und als er felbft über: 
trat, hatte das Chriftenthum die Herrſchaft ge: 
wonnen. Andere größere Verfolgungen fanden 
ftatt in Berfien 343 und 414, auch hier vorwiegend 
aus politiihem Intereſſe; jpätere Bedrüdungen 
fallen immer in die Zeit des Krieges mit den 
Griechen, für deren natürliche Verbündete die Chri: 
iten galten. Schwer traf dienordafrifanijche Kirche, 
die unter den römifchen VBerfolgungen am meijten 
gelitten hatte, die Verfolgung , weldye der Van— 
dalenfürjt Geiferich 439 über fie verhängte und 
Hunnerih 483 mit verfchärfter Graujamleit er: 
neuerte, um den Arianismus an bie Stelle des 
Katholicismus zu jegen. Die Muhamedaner dul: 
deten in der Regel die Ehriften in den eroberten 
Ländern. Verfolgungen, bie zeitweilig auftraten, 
haben jpecielle, nicht in der Religion liegende Ber: 
anlaffungen und blieben local beihräntt, jo unter 
Harun al Rafid, bem fatimidischen Kalifen Halin, 
und in Spanien unter Abderrahman II. 850-852. 


Chriſtfeſt 


Die Ausbreitung des Chriſtenthums unter den 
ermaniſchen und nordiſchen Völkern iſt gleich 
falls überall durch Perioden der Verfolgung und 
verfuchten Ausrottung der eben begründeten Kirche 
unterbrochen worden; fo unter den Gothen durd) 
Athanarid 350, als Ulfilas auswanderte; bei 
den riefen unter Nabbod 714—719; in Däne: 
mark um 870; in Preußen 1207, 1225, 1231. 
In der neuern Zeit fanden größere Chriftenver: 
folgungen ftatt in China 1750, 1815, 1839 und 
Sapan 1597 u. öft. 

Sitten ©. Weihnadten. 

Chriſtian. Biſchof —— Geb. zu Freiim: 
welde. Giftercienfermönd zu Klofter Kolbag und 
zu Oliva. Ererbat ſich 1210 mit mehreren Ordens: 
brüdern von Innocenz IIL. die Erlaubniß zu einer 
Miffion nad) Preußen. Nach den erjten Erfolgen 
zum Biſchof geweiht als Suffragan von Gneſen, 
ließen ihn die Rachezüge der Preußen die Noth: 
wendigkeit eines ftarfen militäriſchen Schußes er: 
fennen. Er ftiftete 1225 den Orden ber Ritter 
Ehrifti, und rief, als faft die ſämmtlichen Ordens: 

lieder in einer Schladht gefallen waren, 1228 
beutichen Orden nad) Preußen, der das Land 
für das Chriftentfum und für ſich eroberte. In 
den legten Lebensjahren (F 1241) hatte Chriftian 
vielfahe Verwidlungen mit dem Orden, der bie 
Herrſchaft des Biſchofs nicht anerkennen wollte, 
und mußte wiederholt den Schuß des Papjtes in 
An ih nehmen. . 

briflian II. von Dänemarf. König ber ver: 
einigten Reihe Schweden, Rorwegen und Däne: 
marf. Geb. 1481. Seine Abficht, die Reformation 
in feinem Lande einzuführen, ſcheiterte durch die 
ruckſichtsloſe Grauſamkeit feiner jonjtigen Regie: 
rung. Er hatte wiederholt Luther um einen Theo: 
logen gebeten ; verbot aud) der Univerfität Kopen⸗ 
Bogen, Luthers Lehre zu verdammen. Allein die 
edrängniß, in bie er en durch das Stodholmer 
Blutbad 1520 verjegte, nöthigte ihn, um des Kai: 
fer8 und des Papftes willen, ſchon vorbereitete, 
der Reformation günftige Geſetze zurüdzuziehen. 
Der Aufftand der Prälaten gegen ihn 1523 trieb 
ihn der Reformation noch mehr entgegen. Luther 
ewann ihn völlig, fo daß er 1524 die Bibelüber: 
etung nad Dänemark endete. Um die Hülfe 
Karls V. zu gewinnen, ſchwor er 1530 den evan: 
gelifhen Ölauben wieder ab; als aber fein Unter: 
nehmen mißlang und er jelbft 1552 gefangen ge: 
nonmen wurbe, fehrte er in feiner Ketterhatt 1532 
— 1546 zu dem Belenntniß feiner Ueberzeugung 
zurüd. Nachdem er 1546 dem Thron entjagt hatte, 
ftarb er 1559 auf dem ihm überlafjenen Schlofje 


Kallundborg. 

Ehriflian gr Herzog von Sachfen : Zeit. 
Der Convertit. Biſchof von Naab. Geb. 9. Oct. 
1666. Diente unter Karl von Lothringen gegen 
die Türken; trat heimlich 1689 zur römiſchenKirche 
über, 1691 öffentlid und wurde Biſchof und Gar: 
dinal von Sachſen. Er war das Hauptwertzeug 
bei der Gonvertirung Friedrich Auguft's I., feines 
Betters, der ihm 1. Jan. 1697 die Generalbeichte 
ablegte, und über den geſchehenen Uebertritt eine 
Urkunde ohne Datum zu beliebiger Ausfüllung 
beffelben empfing, damit er ſich um den polniſchen 
Königäthron bewerben könne. 

Ghriflfatholifd nennen fi die Deutſchkatho⸗ 
liten. ©. d. Art. 

Chriſtologie. Der Abſchnitt in der riftliden 


138 


Chriftologie 


Dogmatif, ae von ber Perfon Chrifti han⸗ 
deit, heißt Chriftologie. Sobald fih um Chriftus 
ein größerer Kreis von Erfolg feiner Wirkſamkeit 
og und je mehr dur fein Hinſcheiden der per= 
— Eindruck von ihm ſchwand, deſto mehr er: 
wachte die Neflerion über jeine Berfon. Im Gans 
jen findet fich in den ee Evangelien noch 
er unmittelbare Eindrud jeiner Perjönlichkeit, 
ohne daß ſchon ein beftimmter dogmatifcher Be: 
griff die Darſtellung beherrſchte. Jeſus felbit 
nennt fih Menfchenfohn (f.d. A.), duldet aber ven 
Ausdruck Gottesjohn (Matth. 16, 16) im Sinne 
des Meſſias, der in den ſynoptiſchen Evangelien als 
eine von Gott gejalbte, prophetenartige Erjchei: 
nung (Matth. 3, 16; Luc. 24, 19) aufgefaßt wird. 
Erft die Vorgejhichten bei Matthäus und Lucas 
führen durd) den Bericht einer Zeugung aus dem 
h. Geift eine zur weitern Begriffdentwidlung ge: 
eignete bogmatifche Vorftellung in die Evangelien 
ein. Die Kpolalypfe eht von jüdiſchen Borftel: 
lungen aus, erhebt aber die menſchliche Perſön— 
lichleit Jeſu zu ſolcher Höhe, * ie Prädicate 
Jahve's auch auf Chriſtus überfließen (1, 17 f.; 
2,8; 22, 13). Paulus geht vom Begriff des zwei⸗ 
ten Adam aus (Röm. 5, 12 ff.) und fließt als: 
dann, daß Chriftus dem Fleiſche nad Sohn 
Davids, dem „Geifte der Heuligfeit” nah So 
Gottes (Röm. 1, 3) fei; er ift ber „himmlische 
Menſch“ (1.Kor. 15, 47), infofern der Geift, nicht 
das Fieiſch, das ſchlechthin regierende Princip in 
feiner Berjönlichkeit Hu In den jpätern Briefen, 
bejondersan die Kolofjer, Bhilipper und in den Pa- 
ftoralbriefen, ift [yon eine jpeculativere Faffung an 
die Stelle der bezeichneten getreten. Indem Bhil. 
2,6 ff. eine unperfennbare Vräerifienz lehrt, Kol. 
1,15. 16; 2,9 Chriftus als das Princip der Welts 
ſchöpfung anfhaut, 1.Tim. 3, i6 die Offenbarung 
eines ſchon exiſtenten Göttlichen vorftellt, fo ft 
dieſe Vorſtellungsweiſe ſchon auf derjelben Linie 
mit der johanneifchen Lehre vom Logos. Der nad) 
verbreiteter, aber nicht unbeftrittener Anfiht aus 
der philoniſchen Philofophie herübergenommene 
Begriff vom Logos gab endlich im vierten Evan: 
geltum die philoſophiſche Unterlage für das ſchon 
lange nad einem Begriffe ſuchende Bedürfniß, 
zwiſchen Chriſtus und Gott einen tieferen Zu 
fammenhan nachzumeifen. Bon der im Prolog 
oh. 1, 1 ff.) ausgeſprochenen Lehre ift die ganze 
arftellung des Evangeliums erfüllt, Chriftus er: 
fcheint mit vorweltlidem Bewußtfein (17, 5) und 
mit der Macht eines in irdifche Hüllen gelleideten 
öttlichen Weſens. — In der Folgezeit ſpinnen 
Fi bie beiden Richtungen, welde ſich jhon im 
Neuen Teitament geltend machen, conjequent wei: 
ter fort, die heidendriftliche am johanneifchen Lo⸗ 
908 anfnüpfend, den Gedanken der Gottheit im: 
mer weiter entwidelnd, im Onofticismus bis zum 
Dofetismus, d. h. der Vorftellung, daß das leib: 
liche Leben Ehrifti ein bloß ſcheinbares geweſen iſt, 
fortfchreitend; . die judendpriftliche, indem fie fi 
mehr an das Prophetenbild der Synoptifer ans 
ſchloß und im Ebionitismus bis zur BVorftellung 
vom „bloßen Menſchen“ gegenüber der Logoslehre 
fortging. Je mehr das Sudengriftentfum ein 
überwundener Standpunkt wurde, defto mehr fam 
die Logoälehre zur unbeftrittenen Geltung (Juftin, 
Tatian, Theophilus), indem nur nod) die Antwort 
auf die Frage, ob der Logos perjönlid oder un: 
perjönlich zudenken ſei, eine Zeitlang(Athenagoras, 


Chriftologie 


Itenãus) ſchwankt. Nähere Beftimmung über 
das Verhältnii des Logos zu Gott finden wir 
zuerjt bei Tertullian, welcher den Logos jubitanz: 
artig aus Gott emaniren läßt und ihn Gott un: 
terordnnet, und zweitens bei Origenes. Letzterer 
ftellt zwei Pofiulate zur Beitimmung des Logos: 
begrifieß auf: 1) die Ewigkeit des Logos und 
2) feine Unterordnung unter den Vater. Dadurch, 
daß diefe Prädicate gegenfeitige Beſchränkungen 
enthielten, wurde Origenes der Anlaß für zwei 
auseinandergehende Rıdıtungen und den ganzen 
dogmatifchen Kampf, welder im 4. Jahrh. jeinen 
Anfang nahm. Nachdem der Streit des Diony- 
ſius von Alerandrien, welcher behauptete, da der 
Sohn ein vom Vater verſchiedenes Geſchöpf jet, 
und des Dionyfius von Nom, welder die Einheit 
beider fefthielt, ein Vorjpiel gebildet hatte, brach 
in dem arianifchen Streit endlich der ganze Wider⸗ 
fpruch hervor. Arius behauptete, daß der Sohn 
ein zeitlich gewordenes, vom Bater verſchiedenes 
Geſchöpf jei, wenn aud) das erfte unter allen, wo: 
egen Athanafius und das Concil zu Nicäa (325) 
n Begriff der Weſensgleichheit (ouoovaıos) zur 
firhlihen Geltung bradıte und ihn aud) gegen: 
über dem Auakunftömittel der Wefensähnlichkeit 
u Gonftantinopel (381) fefthielt. Als damit bie 
h e über das Jenſeitige in ber Ehriftologie ent: 
hieden war, erhob fich fofort eine neue Frage 
über die Art der Verbindung der beiden, des Gött⸗ 
lihen und Menſchlichen, in der geſchichtlichen Per: 
ion Chrifti. dem zuerft Apolinaris durch 
feine Theorie, daß der Yogos in een die Stelle 
eingenommen habe, die ſonſt der Geiſt (vovs) ein: 
nehme, den Wiberfpruch der Kirche (381) heraus: 
gefordert hatte, war es vorzüglich Neftorius, wel: 
der die beiden Naturen in Chriftus fo jehr trennte, 
daß er eö für unlogifch erflären mußte, die Maria 
Gottesgebärerin zu nennen, aber er wurde daflir 
erdammt auf dem Concil zu Ephejus 431. Das 
Princip der Einheit der Perſon Chrifti war damit 
ausgejprochen, und es ſchien nur conjequent, wenn 
der Kr pimanbrit Eutyches den Say ausſprach, es 
* nur Eine Natur in Chriſtus und ſelbſt fein 
ib habe eine dem unfrigen — Beſchaffen⸗ 
beit. Aber Rom (Brief Leo's d. Gr.) und das Con⸗ 
cil zu Ehalcedon 451 F en dieſe Conſequenz nicht, 
fie verdammten ben clan und den Eu: 
tyhianismus und definierten einen zwiſchen beiden 
fiegenden Begriff, der ausſprach, daß eine Einheit 
der Raturen beftehe ungetheilt und ungejchieden 
(ddimperws, dywgiorws), aber auch unvermiſcht 
und unverändert (dovyyvrws, drgenrws). Die 
Anhänger des Eutychianismus eriftirten als Tee: 
tif tei fort, vielfach — und durch 
Compromiſſe herbeigelockt, bis der Verſuch des 
Kaiſers Herallius, die Monophyſiten durch das 
eſtändniß des einen Willens (638 Mono— 
theletiämus) zu verſöhnen, bewies, daß man Com: 
promifje für fernere — unterlaſſen müſſe. 
Das 6. öf. Concil zu Conſtantinopel 680 ſchloß 
die chriſtologiſche Lehrbildung ab. Die dogmati⸗ 
che Windſtille, welche hiermit eintrat, wurde nur 
durch den fog. Adoptianismus unterbrochen, d. h. 
bie Lehre zweier ſpaniſcher Biſchöfe, — ——— 
von Toledo und Felix von Urgella, daß Chriſtus 
feiner menſchlichen Ratur nad) nicht in demſelben 


139 


Chriftologie 


nach diefer Unterbredung auf der Synode in 
Frankfurt a. M. 794 wiederhergeitellt. Die Ne: 
formation hat grundjäglich dad Dogma von Chri: 
tus unverändert gelaſſen; nichtädeitomeniger hat 
ih aus dem Gegenfahe der lutheriſchen und ve: 
ormirten Abendmahlslehre hervor aud) ein Gegen: 
fag der chriſtologiſchen Borftellungen in beiden 
Kirchen herausgebildet. Die Lutherifche Abend: 
mahlslehre verlangte als Stütze Die Lehre von der 
Ubiquität (Allgegenwart) des Leibes Chrifti, dieje 
aber wieder eine bejtimmte Theorie über das Ber: 
hältniß der beiden Naturen in Chriftus. Da trat 
nun die Lehre von der communicatio idiomatum 
hülfreich in die Iutherifche Dogmatik herein, d. 5. 
die Lehre, daß die Eigenſchaften jeder der beiden 
Naturen auf die andere übergegangen feien, oder 
vielmehr, da nur die eine Seite der Sade eine 
praftiihe Bedeutung hatte, dab die Eigenjchaften 
der göttlihen Natur fi) au der menſchlichen 
mitgetheilt Haben. Dem gegenüber erllärte die 
teformirte Kirche dieſe Uebertragung von gött: 
lien Eigenſchaften auf den Menſchen Jeſus für 
eine bloße Redefigur, hielt an der Trandcendenz 
des Logos feft und ließ Chriftus nur durch ben 
— Geift mit dem Logos verfnüpft fein. Der Unter: 
chied beider —— eht in dieſem Buntte fo: 
weit, daß im lutheriihen die Menjchwerbung 
durdans nicht Eins mit feiner Empfängniß tft, 
vielmehr dem Stande der Erhöhung angehört und 
ſchon vor der Empfängnif als die Aufnahme 
der Menfchennatur in die Unendlichkeit der Trini⸗ 
tät vollzogen ift, im reformirten Dagegen bie relas 
tive Menſchwerdung zugleich den der Ernies 
drigung bildet. Iſt damit im reformirten Syitem 
die Menjchlichkeit Jeſu als das Wefentliche betont, 
jo bilden die arminianiſche Lehre von der vorwelt⸗ 
lichen, aber geſchöpflichen Eriftenz des Sohnes, und 
die rein menſchliche Auffaſſung der Socinianer 
mit ihrem Zuſatz einer Apotheoje nur Folgerungen 
aus der reformirten Lehre. Die theologijche Ent: 
widlung in ber proteftantifhen Kirche hat in der 
golgegeit eine Reihe von neuen chriftologifhen 
uchen hervorgebracht. Der Nationalismus 
nahm feinen Ausgangspunkt in dem Kantſchen 
Beprill eines notwendigen Tugendideals, indem 
er in Chriſtus die Verwirklichung bes letztern er: 
fannte. Hatte den Rationaliömus der Begriff 
eines Borbildes geleitet, fo bedurfte dagegen 
Scleiermader eines vollendeten Urbildes Der 
Menichheit, da feine religiöfe Heilsgemeinſchaft 
nothwendig den Ausgangspunkt in einer ſchlechthin 
volltommenen, alle na —— die Menſchheit 
irn und befeligende Wirkung in fidh ſchlie— 
enden Perſönlichkeit forderte. Andere Verfuche 
ſchließen ſich meift in den bunteften Schattirungen 
an den Begriff des Urbildes an; der Bantheismus 
hat in Chriftus den höchſten Punkt der in der 
Menſchheit ſich ſelbſt erfaſſenden Gottheit erfannt; 
die a durch die Ziteraturdes „Leben Jeju” 
hindurchgegangene Theologie hat ſich dagegen von 
ben dogmatifchen Begriff gänzlich —“ und 
verweiſt die Frage nach Chriſtus ausſchließlich auf 
das Gebiet der geſchichtlichen Unterſuchung. Die 
Forderung der vollen Menſchlichkeit iſt mit den 
meiften diefer legtern Nerfuche verbunden und 
der Begriff der religiöfen Genialität vielfad 


Einne Gott fei, wie feiner göttlichen nad, daß als erflärende Grundlage gewählt worden. So 
vielmehr erftere nur eine Adoptivfohnfchaft bean: verſchieden diefe Methode auch von der dogmatis 
yruchen Lönne; aber die dogmatifche Ruhe wurde ſchen fein mag, das erkennt ſelbſt die radicalite 


Ehriftoph 1 


Unterſuchung diefer Methode mit ber dogmatiſch⸗ 
confervativen an, daß in ber Perſon Chrijti eine 
efhichtliche Einzigartigkeit vorliegt und daß die 
iffenfchaft, jei ed auf dem Wege der Philofophie, 
fei es auf dem Wege der Geſchichte, dieſes Räthſel 
zu löfen hat. — Literatur: f. Dogmatit, Dogmen: 
geihichte, biblifche Theologie, Symbolik. Außer: 
dem Specialwerke; dogmengeſchichtliche: Dorner, 
die Lehre von ber on Ehrifti, n. Aufl. 1853- 
1857,2 Bode. Baur, die chriftl. Lehre von der Drei: 
einigleit und Menſchwerdung Gottes in ihrer ge: 
ſchichtlichen Entw., Tüb. 1841 — 1843, 3 Bde. 
Dogmatiſche: Herder, von Gottes Sohn. Sar: 
torius, die Lehre von Chrifti Perfon und Wert, 
7. Aufl. 1857. Nägelsbach, der Gottmenich, die 
Grundidee u. ſ. w. 1853. Thomafius, Ehrifti Per: 
fon und Werf, Erl. 1858 — 1855. Schnedenbur: 
ger, Vom doppelten Stande Chrifti, 1548. Geh, 
die Lehre von der Perſon Chriſti u. ſ. w. 1556. 
Ath. Coquerel, Chriftologie, deutſch von Althaus, 
1860. ©. ferner „Leben Jeju“. 
Ehrifleph, Herzog von Würtemberg. Geb. am 
12. Mai 1515. Der Sohn des Herzogs Ulrich, 
der durch den ſchwäbiſchen Bund aus feinem Lande 
vertrieben wurde. Am bayeriſchen Hofe erzogen, 
erlangte er die Gunft Karls V., wodurch es ihm 
möglich wurde, feinem Vater die Herrſchaft wieder 
u verſchaffen. Rad deſſen Tode ergriff er 1550 
Fofort die Regierung, obwohl das Yand in Folge 
des ſchmalkaldiſchen Krieges für ein öfterreichifches 
—* erllärt war. Nach dem Vertrag von Paſſau 
und dem Vergleich mit Ferdinand 1552 hob er 
das Interim auf, berief Brenz zu ſich und organi: 
firte die Iutherifche Kirche durch die Kaftenord: 
nung 1552, die Kleine Kirhenordnung 1553, die 
be 1559; 1553 wurbe der Hlirchenrath (das 

2 eingefett, 1556 die Klojterorbnung 
erlaſſen. Bereitwillig zeigte er fich zur Beſchickung 
des Tridentiner Concild, wofür er die Confessio 
Würtembergica ausarbeiten ließ, die freilich nicht 
einmal zum Borlefen kam. Ebenjo bemithte er 

ch um die Einigung der evangelifchen Kirche 

eutſchlands. Er veranlaßte das Wormſer Ge: 
fpräd) 1557, auf dem freilich Brenz und mit ihm 
die würtembergifche Kirche durd das ſchärfere 
Betonen der Ubiquitätälehre ſich noch mehr von 
den andern trennte. 1561 brachte er ven Raum— 
burger Fürftentag zufammen, und als Friedrich 
von der Pfalz fi) von den Lutheranern getrennt 
—* verſuchte er durch das Maulbronner Ge— 
präch 1564 noch einmal die Differenzen auszu— 
gleihen. Er ftarb am 28. Dec. 1568, als einer 
der edelften und frömmiten deutichen Fürften. 

GChriflophorus, der Papft. Ein Römer, Das 
Schickſal, das er feinem Vorgänger Leo 503 be: 
reitete, widerfuhr ihm nad) 6 Monaten 904 durch 
feinen Nachfolger Sergius III. er wurde entthront 
und in den Kerker geworfen. 

Chriſtophorus, der Heilige. Von diejem Heiligen 
ift nur gewiß, daß erim Morgen: und Abendlande 
feit langer Beit verehrt wird. Die alten Martyro: 
logien, die auf einen Märtyrertod unter Decius 
hinweifen, jagen nichts von feiner riefenhaften 
Größe, nod) davon, daß er den Heiland durd das 
Meer oder den Rhein getragen habe, welches Ver: 
dienft ihm doch allein einen Blaß unter den Noth: 
helfern verſchafft hat. Die erften Spuren der Sage 
finden ſich im mozarabifhen Miffale. Sie muß 
hren Urjprung haben in altgermanifcher Mytho: 


40 Chriſtusbild 
logie oder in ſymboliſchen Charakterdarſtellun— 


en. 

— Chriſt⸗Orden. Geftiftet von Dionyſius von Por, 
tugal 1317 als Ritterorden zum Kampf gegen bi 
Mauren, mitden Satzungen der Eiftercienfer, erhielt 
er die Güter des aufgehobenen Templer-Ordens. 
Nach feinen Erfolgen wurde ihm das Gelübdeder Ar: 
muth und der Keufchheit von Alerander VI. erlaf: 
fen. 1550 vereinigte Johann IIL die Großmeifter: 
würde mit der Krone. Der Orden ift fäcularifirt 
und zum Verdbienftorben geworden. Uebereinftim: 
mend mit dem portugiefiihen hatte Johann XXIL 
einen Orden in Jtalien geftiftet; auch diefer befteht 
nod) als päpftlicher Berdienftorden. Beide Orden 
haben Großkreuz, Comthure und Ritter, das Or⸗ 
— ift ein weißes Kreuz mit rother Ein- 

aflung. 

/hristo saerum. Eine religiöfe Genoffenfhaft 
in den Niederlanden, geftiftet 1797 dur Onder 
van Byngaard:Geanzius, Bürgermeifter von Delit, 
in der auf Grund des Glaubens an die Gottheit 
Chrifti und fein verfühnendes Leiden der Unter: 
ſchied der Confeffionen überwunden fein follte. 
Der Gottesdienft zerfiel in Ehrdienſt (liturgiſcher 
Gottesdienſt) und Lehrdienft. Religionsfreiheit 
erhielt die Gejellichaft 1802, Die en der Mit: 
glieder betrug anfangs mehrere Taujend, nament⸗ 
lih Mennoniten, war aber ſchon 1822 bedeutend 


ejunfen und ift jeßt jehr gering. Ihre Grundſätze 
And dargelegt 1801 in der Schrift Het genoot- 
schap Christo sacrum binnen Delft 


Chriſtus. Daſſelbe Wort wie das hebräiſche 
Meifias, der Gefalbte, ift der ftehend gewordene 
Beiname Jeſu von Nazareth, aus dem eriten Für: 
zeiten Belenntniß der Gemeinde: Jeſils ift der 
Chriftus, d. 5. der erwartete König und Heiland 
feines Bolles. Val. d. A. Meſſias und Jeſus 
Chriftus. Bon diefem Belenntniß erhielten zu 
Antiochien feine Anhänger den Namen Chriften. 
Die Form des griehifchen und lateinifchen Wors 
tes weift auf den Urfprung des Namens unter 
den Heiden hin, die das Wort Chriftus für einen 
Berfonennamen hielten. So fheint ihn auch Sue— 
ton in der befannten Stelle Judacos impulsore 
Chresto assidue tumultuantes aufzufafien. 

Ghriftusbild. Die ältefte Kirche benugte zur 
Darftellung Ehrifti eines der Monogramme jei: 
nes Namens, das A und D, oder das Bild des 
Lammes und bejonders gern des Fiſches, weil die 
Buchftaben des griechiſchen Wortes 2yIrs die An: 
fangsbuchſtaben des Bekenntnißſatzes Thoooc Xor- 
org HEov viic durijo enthielten. Später ſchon 
2 Daritellungen Chrifti nad) den Gleichnißreden, 
o das beliebte Bild des Hirten mit dem Yamme 
auf den Achſeln. Eigentliche Chriftusbilder fin: 
den fich erjt unter Gonftantin, als die Freiheit 
der Religionsübung das Verberaende des Sym— 
bold unnöthig erfheinen ließ. Die Darftellung 
ſchwankt zwischen dem Bilde eines idealen Jüng- 
lings und des bärtigen Mannes. Im 4. Jahr: 
hundert tritt die Sage von dem Bilde Jeſu auf, 
welches abaedrüdt auf dem Schweißtuche der 5. 
Beronica König Abgarusvon Edefſa bejefien Haben 
follte, und von demjenigen, welches dem Cvange: 
liften Lucas zugeichrieben wurde, Darnach ent- 
widelte fich für die Chriftusbilver des Mittelalters 
ein fefter Typus. Chriftuserjcheint mit ovalem Ants 

39 grader Naſe, gewölbten Augenbrauen, hoher 
Stirn, geſcheiteltem, wallendem Haupthaar und 


Chrodesang 


lurzem, aeipaltenem Barte, Ald Typen aller ſpä— 
teren Daritellungen find anzujchen die berühmten 
Ehrifiusbilder von Raphael, Guido Reni, Garacci 
und Titian. Die Kunſt wird immer wieder als 
ihre Höchfte Aufgabe die Ausprägung eines Chri: 
fiusbildes verjuchen, indem ihr bei dem Fehlen 
eines jeden Portraits die vollite Fehlen gelafjen 
ift, das Bild nach der geiftigen Auffafjung von der 
Berjon Chriſti zu entwerfen; jo wird das Chriftus: 
bild immer ein Spiegel jein für die religiöfe Auf: 
faflımg einer Zeitperiode. Die nächſte Aufgabe 
wird dahin gehen, zugleich mit dem Ausdrud der 
unbedingteften vefigiöfen Hingabe und der tiefiten, 
geweihteften Sammlung den der energifchiten ſitt⸗ 
lihen Thatfraft E vereinigen. 

Ghrodegang. Geboren aus vornehmem Geſchlecht 
im Haspengau zu Anfang des achten Jahrhunderts, 
trat in den geiſtlichen Stand und wurde von Karl 
Nartell zum Referendar und Kanzler erhoben, 
erhielt 742 das Bisthum Met und ging 753 als 
Sefandter zum Longobarden:König Aiftulph, um 
zwiſchen ihm und Bapit Stephan zuvermitteln. Bei 
der Reform feines Klerus folgte er dem Borbild 
Auguftins und verordnete ein gemeinfames Leben 
der Geijtlichen, aud) eine Gemeinschaft der Stu: 
dien und Des Gebets, welches zu den beftimmten 
Stunden, horae canonicae, in der Kirche gehalten 
werben follte, nach Art der Mönchsregel, nur daß 
der Klerifer im Befit feines Vermögens blieb. 
Diefe Regel Chrodegangs wurde von Karl dem 
Großen im ganzen Reiche eingeführt und erwei- 
tert, vonder Aachener Synode 816 beftätigt. Seine 
Regel findet ſich pe bei Manfi, Collectio 
eonciliorum, und bei Holften, Codex regularum. 
+ 766. Bol. die Acta sanct. März 1, 458. 

Chromatius. Biſchof von Aquileja ſeit 388, ge: 

hörte zuden gelehrten Freunden des Hieronymus; 
er vertheidigte den Chryfoftomus und fuchte ver: 
gebens Hieronymus und Rufinus zu verjühnen. 
Sein literarifcher Nachlaß ift großentheils ver: 
loten gegangen. Manches ihn Bugeiähriebene ift 
ie ? 406. 
Chronicon paschale. Eine ältere hriftliche 
Chronik, welche die Zeit von der Schöpfung bis 
6 n. Chr. umfaßt und aus vielen alten Schrift: 
Rellern catenenartig zufammengeftellt ift. Den Ra: 
men Chronicon paschale erhielt es von feinem 
Herausgeber Ducange 1688, weil es immer die 
Canones paschales einfdiebt und die Regeln der 
Dfterberehnung damit giebt. Es jcheint die zweite 
Hälfte von 354— 630 von einem anderen Ber: 
ale berzurühren, als die erfte. Die Zeit der Ab: 
afjung ift unſicher; Photius erwähnt das Buch 
no nicht, 

Chronik, Bücher der, heißen nad) Hieronymus 
2 Geſchichtsbücher des Alten Teftaments, welche 
von der Vulgata und den LXX Paralipomena 
d. h. Ergänzungsbücher genannt werben, bei den 
Hebräern Buch der Zeitgeſchichte heißen. Die bei- 
den im Kanon voranftehenden Bücher Esra und 
Rehemia rühren von demfelben Verfaſſer a und 
bildeten urjprünglich mit der Chronik ein Ganzes. 
Der Schluß der Chronik wird im Anfange des 
Eära wiederholt, Das Buch kündigt fih an als 
eine Geſchichte des Volkes Iſrael. Da esnun den 

teuch und Jofua als kanoniſche und befannte 
ücher vorausjegt, geht es über den Zeitraum 
bis David fchneller hinweg, beſchränkt ſich aber 
Im Fortgang aufdie Erzählung der Geſchichte Jerus 


141 


Chryſoſtomus 


ſalems und zwar inſofern, als ſich in derſelben 
die Herrlichteit des Volkes Gottes zeigt. Die Dar: 
ftellung vermeilt daher bei David, Salomo, Afja 
und Joſias und ſchildert ausführlicher die Tempel: 
bauten und den Gultus, und die Verdienfte der 
hervorragenden Männer um die Religion. Der 
Standpunkt des Buches ift ein entſchieden Teviti- 
ſcher, wie j don aus der Inhaltsangabe hervorgeht, 
indem es mit Vorliebe die levitiihen glanzvollen 
Zeiten ſchildert. Oft ift die Geſchichte ſtark im 
levitiichen Sinne gefärbt, wenngleich der dem 
Berfafier oft gemadte Vorwurf bewußter Ent: 
ftellung der — durchaus ungerecht iſt. Die 
Quelle des Buches war vornehmlich ein älteres 
Geſchichtsbuch der Könige Juda und Iſrael, wel: 
ches auch der Berfaffer des Buches der Könige be- 
nutzt hatte oder welches mit diefem eins ift. Die 
eitirten Prophetenfchriften waren Theile jenes 
Werkes. Die Zeit der Abfafjung ergiebt ſich aus 
1. Chr. 3, 16—24; Neb. 12, 10 ff.; 12, 22 und 
aus der Bezeichnung der „Könige von Berfien“, 
aus ber Rechnung nad) perjifchen Dariten (1. Chr. 
29, 7); e8 muß die griechiiche Herrſchaft eben be- 
gonnen haben. Damit ftimmt auch die Sprache, 
die den Einfluß der aramäifchen Vollksſprache er: 
fennen läßt. Der jüdiſche Kanon ftellt das Bud 
in bie dritte Klafje der fanonijchen Bücher, der 
Hagiographen, und bezeichnet e8 Damit als eines 
der jüngeren. Commentar von Bertheau 1854, 
im eregetiihen Handbuch. 

Chrouologie, biblifche und riftliche. ©. Zeit: 
rechnung. 

Shrylantkus. Patriarch von Jeruſalem um 
1710, der Nachfolger feines Vetters Dofitheus ; 
hatte Ruf durch Kenntniß Haffifher Sprachen und 
ald Prediger. Veranlaßte die Herausgabe der 
Ilevonkia des Euthymius Bigabenus dur den 
Metropolitan Athanafius und jchrieb Ilepi rwr 
Exrinsaorızüv Ogyyırluy tig dvarokumns &x- 
xAnvies. 

Ghryfippus. Vorfteher des Klofters Laura und 
der Auferftehungstirche in Jeruſalem, Hüter des 
heiligen Kreuzes, hatte ſich nad) Baläftina begeben, 
um den Unterricht des Abtes hymius zu ge: 
nießen. Vgl. Euthymii vita. Vorhanden ijt von 
ihm eine reis und ungebrudt Encomium 8. 
Theodori Martyris. 

Chryſologus. Der Beiname des Petrus von 
Ravenna, geb. 406 zu Timola im Kirchenftaate, 
433 Bifhof von Navenna. Eutyches wandte ſich 
an ihn 448, um ihn für feine Lehre zu gewinnen. 
In dem Antwortichreiben ermahnte ihn Chryſo— 
logus, ohne auf die vorgelegten Fragen zu ant— 
worten, dem Papjte in allen Stüden Folge zu 
leiften. Seinen Ruhm und feinen Beinamen er: 
hielt Betrus durch feine Predigten, deren 170 vor: 
handen find, ein Theil derjelben allerdings unedht. 
Es find kurze Baränejen, Erklärungen der Para— 
beln und des Glaubensbekenntniſſes in gedrungener, 
ſchwungvoller Sprache; intereſſant dadurch, daß 
ſich in ihnen eine andere Redaction des Apoſto— 
licums findet. 

Chryſoſtomus (Goldmund), Johannes, der Kir: 
chenvater. Geb. 347 in Antiodien. Ein Schüler 
des RhetorsLibanius, war er eine Zeitlang Sad: 
walter, 30g ſich dann in die Wüfte zurlick und ſtu— 
dirte dort die h. Schrift. Nach Antiochien zurück— 
nelehrt, empfing er 370 die Taufe. Der Wahl zum 
Biſchof entzog er fich durch eine zweite Flucht in 


Chub 


die Wüfte, Nach feiner yrg 3 empfing er 380 die 
Weihe als Diafon, 386 ald Presbyter, 387 hielt 
er die berühmten 21 Reden über die Bildjäulen, 
ernfte Strafreden, als in einem Aufftand die Bild: 
fäulen des Kaiſers umgemworfen und beſchimpft 
waren. Durch Verwendung ded Eutropius ward 
er gegen feinen Willen 897 Bifhof und Patriard) 
von Conftantinopel. Hierzeichnete er fih aus durch 
treuen Eifer der Seeljorge, durch Beförderung der 
Ausbreitung des Chriftenthums, durch feine Be: 
mühungen um Hebung und Schmud des Gottes: 
dienftes und feine Freimüthigkeit in der Rüge der 
Sittenverderbniß bei Hod) und Niedrig. Da fi 
Chryſoſtomus in den origeniftiihen Streitigfeiten 
der langen Brüder (ſ. d. A.) gegen den Patriarchen 
Theophilus von Antiodien annahm, berief diejer 
403 eine Synode feiner Anhänger und der Geg: 
ner des re: nad) Chalcedon (f. d. A.) ad 
quercum (eis deür), welche über den nicht erſchei⸗ 
nenden Chryjoftomus das Abſetzungsurtheil aus: 
ſprach. Ariadnus verbannte ihn. Die Furt vor 
dem Unmwillen des Volkes nöthigte den Kaifer, ihn 
zurüdzurufen. Alsaber Chryſoſtomus unerſchrocken 
fortfuhr, die Sittenlofigfeit der Gemeinde zu ta= 
deln und die Kaijerin Felbft fid) getroffen fühlte, 
erneuerte eine Synode das Abfegungsurtheil, jeht 
weil Chryfoftomus, von einer Synode verurtheilt, 
ein Amt wieder aufgenommen, ehe ihm eine an: 
Synode es verwilligt. Er ging ın die Ver: 
bannung nad) Bithynien und ftarb407, 14. Sept., 
als er von Eucufus nad Pityus am Schwarzen 
Meere gebracht werben follte. Durd Reinheit des 
Charakters in ſchlimmer Zeit hervorleuchtend, ift 
er für immer bedeutend geworden als driftlicher 
Prediger, wenngleich er fa nach dem Geſchmacke 
der Zeit nicht von prunfender Rhetorik frei hielt; 
und durch tiefe Schrifterklärung, in der er im Ge: 
genſatz gegen die Allegorijten ſich hiſtoriſch -gram— 
matiſcher Interpretation befleißigte. Seine e 
usgegeben von Dübner, Paris 1861. Die 
Klier und dad Bud vom Prieftertfum oft 
überjegt. Sein Leben beſchr. von Neander, 3. 
Aufl. 1858. 
hub. Ez. 80, 5. Ein Bolläname, der fonft nicht 
wieder vorlommt; wenn nicht Chnab (Nubien) 
oder Zub (Lybien) zu lejen ift, muß an ein nord» 
afrifanifches Volk gedadyt werden. 

Chur. Hauptftadt des Schweizer Cantons Grau: 
bündten. Bifhofsfig. Nach der Ueberlieferung fol 
der heil. Lucius, ein Schüler des Petrus, das 
Evangelium in Rhätien verlündigt haben. Der 
erfte ficher befannte Bijchof ift Ajimo um 452; 
aus der Folgezeit wird genannt der heil. Ba: 
Ientinian, der Erbauer des Luciuäflojters in 
Ehur. + 548. Das Bisthum ftand unter Mailand 
ala Metropole, bis es der Vertrag von Berdun 
843 Mainz unterorbnete. Die geographiicdhe Yage, 
die den Eingang nad) Italien beherrichte, madıte 
das Bisthum politiſch wichtig; eine Zeitlang fun: 
girten die Bischöfe als Taiferliche Statthalter; |pä- 
ter reichöunmittelbar, wurden fie in den Streit 
der Kaiſer mit den Bäpften vermidelt, und hatten 
19 der Verſuche Dejterreichö zu erwehren, welches 

as Bisthum dem Neich entfremden wollte. In 
Folge der franzöſiſchen Revolution verlor Chur 
alle außerjchweizerischen Landſchaften, e8 wurde 
1823 mit St. Gallen vereinigt, aber 1845 wieder 
als Bisthum —— gemacht. Die Refor- 
mation fand zeitigihren Eingang, es wirkten bafür 


142 


Eilicien 


der Schulleiter Jalob Salzmann (Aleander) und 
der Pfarrer an St. Martin, Johann Komanber. 
BVorbereitet war fie durch bie grenzenloje Verfun: 
fenheit des Klerus: die Priefter führten Waffen, 
und die Mönde hatten Weiber und Kinder im 
Klofter. Der Artifelbrief des Bundestages vom 4. 
April 1524 ftellte die ärgften Mißbräuche ab, die 
evangelifche Lehre fand indeß durd Komanders 
Predigt Eingang. Der Disputation zu Jlanz am 
7. Januar 1526 folgte die Erklärung der Freiheit 
des —— Bekenntniſſes 1526, der Feier bes 
evangel. Abendmahles und der 20 Reformations: 
artifel. Die Gegenanſchläge der Katholiten endig: 
ten mit der Flucht des Biſchofs 1541 und der Ent: 
hauptung des Abtes Schlegel wegen Lanbesverrath. 
1557 wurden die Synoden eingerichtet. Wieder: 
täuferifche Beftrebungen hatten ſich früh einge: 
mifcht, waren aber ſchon 1526 zurückgewieſen. In 
den italienischen Bezirken fanden antitrinitarifhe 
Meinungen Anklang dur Francesco Galabreie, 
Camillo Renati, P. Vergerius und Stancarus, 
deretwegen die Confessio Rhaetica 1552 bear: 
beitet wurde. Mar hierdurd die evang. Kirche in 
Graubündten befeftigt, fo famen für einen Theil 
derjelben ſchwere Tage, als dort die Proteftanten 
im ®Beltlin gemordet wurben 1620, und 1621 
Defterreih Engadin und Prättigau eroberte und 
mit Dragonern zu reformiren begann. In 
—* Freiheitslampfe, der erſt 1657 beendigt 
5 fündigten beide Theile durch Barbarei. 
©. 7 idelis. 

Chyträus, David. Geb. am 26. Februar 1530 
zu Ingelfingen. Lieblingsſchüler Melanchthons, 
wurde er Profeſſor in Roſtock 1551, wo er am 25. 
Januar 1600 ftarb. Er betheiligte ſich an mehre 
ren Eonventen in den flacianifchen Händeln, an 
der Abfafjung der Eoncordienformel und der Ord⸗ 
nung der öfterreihifchen Kirchenverhältniffe 1569, 
wozu ihn Marimilian II. berief. Er ſchrieb u. A. 
Onomasticon theologicum ; Regulae vitae 1555; 
Historia Confessionis Augustanae 1578 und 
Chronicon Saxoniae, Seine — Schrif⸗ 
ten erſchienen Leipzig 1599. Biographie von 
Schütz 1720, von Preſſel 1862. Bol. Stud. und 
Krit. 1853, 

Ciborium. zıBwgiov. Urſprünglich die auf Säu: 
len ruhende Ueberdachung des Altars, wie fie 
in der griechiſchen Kirche fich noch findet, dann 
das Schränkchen, worin die Hoftien u. dal. 
aufbewahrt werden, auch Tabernatel genannt, und 
der zur Bewahrung der Hoftien dienende Kelch 
pyxis). 

Cilitien. Die füdöftlihe Provinz Kleinaſiens, 
begrenzt im Süden vom Mittelländifchen Meere, 
im Norden und Weften vom Taurus:, im Dften 
vom Amanus:Gebirge, mit der Hauptftabt Ta us, 
dem Geburtsorte des Paulus. Zerfiel in das raube 
Eilicien im Weften und das ebene, eigentliche, 
obere Gilicien. Es war eine Provinz des Seleuct- 
denreiches, 1. Makk. 11, 14; 2, Maft, 4, 36, und 
wurde von Pompejus mit dem römischen Reiche 
vereinigt 63 v. Chr. Unter den Einwohnern, dir 
ſyriſch⸗phrygiſchen Urfprungs waren, befanden 
jich viele Juden, Apftg. 6,9. Das Chriſtenthum 
fand frühzeitig feine Anhänger, Apftg. 15, 23.41; 
Gal. 1,21. Durch wen e8 dort gepflanzt wurde, 
ift unbelannt, wahrfheinlih von Paulus wäh: 
o“ Aufentyalts zu Tarfus, Apftg. 9, 30; 


— 


Gilicium 
Cilicium. xudlxıov. Ein aus ciliciichen Ziegen: 


143 


Civilehe 
Reformverſuche Einzelner rufen verſchiedene Ob⸗ 


haaren gefertigter Stoff, der zu groben Kleidern | ſervanzen hervor, Streitigkeiten im Orden ſelbſt 


md Deden gebraucht wurde; daher das grobe 
härene Gewand der Mönde und Aslketen. In 
neuerer Zeit wird nur ein ſolcher Gürtel um die 
Senden getragen, der in Klöftern ftrenger Objer: 
varz aus Draht geflochten und mit Spigen nad) 
innen bejeßt i 

Gingulum. Der weißjeidene Gürtel des Tatho- 
liſchen Geiftlichen, mit dem er die Alba gürtet. 
Das Eingulum der Sutane und bed Ordens: 
Heids ift von ſchwarzer Seide. 

Gircada, Gircadura und Giremitio hieß die 
freie Berpflegung, welche die Eircuitores, Vifita- 
toren der Zandgemeinden, von ben Priejtern der: 
jelben beanſpruchen fonnten. 

Girenmecellionen. Der Name jener norbafti- 
laniſchen Aöteten, welche den Donatiften fi an— 
chloſſen, und im Gegenfat gegen die der Kirche 
zu Theil gewordenen Begünftigungen von dem 
diſchen Beſitz alles Elend der Kirche ableiteten, 
in Haufen im Lande bettelnd umberzogen, aber 
im wilden yanatiömus unter ihren Führern Fafir 
und Arid einen Krieg gegen alle Befitenden 
führten. Als Gewalt angewendet wurde, ihr Weſen 
zu dämpfen, ſuchten fie häufig freimillig den Tod, 
da fie das Leben veracdhteten. Der Name Circum⸗ 
tellionen ift ihnen von den Gegnern gegeben, fie 
ſelbſt nannten fi Agonistici, Kämpfer Chrifti. 
Bol. Reander, Kirchen-Geſch. IL, 517 ff. ©. aud) 
Donatiſten. 

Circumeisi,d. 5. Beſchnittene. Andere Bezeich⸗ 
nung der Bafagier. Eine Secte in Italien im 12. 
Jahrhundert, die das moſaiſche Geſetz buchſtäblich 
hielten und den Subordinationismus lehrten; 
vielleicht ftanden fie in Berbindungmit einer alten 
Bartei von Judendriften im Driente. 

Gireumferiptionsbulle,. Eine päpftlihe Con: 
fitution, in welcher die Abgrenzung (circum- 
seriptio) einer Diöceje feftgejtellt und zugleich 
Anordnungen über die Bisthumäverwaltung ge: 
troffen werden. Die Abänderung der Grenzen 
einer Diöcefe Tann ebenfowenig wie die Aufrich- 

eines neuen Bisthums ohne Zuftimmung der 
Landesgewalt geſchehen. 

flertienſer⸗Orden. Wurde geſtiftet von dem 
Benedictiner:Brior Robert zu Montier la Celle, 
der mit Eremiten aus dem Walde von Molesme 
en dem Orte Citeaux bei Chalons ein Kloſter nach 
der firengen Benedictinerregel gründete. Als Ro: 
bert 1098 Abt von Molesme geworden, folgte ihm 
in Eiteaur Alberich, der die Statuta Cistertien- 
sium aufitellte. Die Strenge der Askeſe unter 
Stephan Harding brachte den jungen Orden dem 
Untergang nah, als ihm Bernhard von Clairvaur 
beitrat. Der Orden hob ſich rafch und zählte nach 100 
Jahren ſchon 500 Abteien; 1119 hatte ihm Stephan 
das Grundgefeg, die charta caritatis, gegeben 
nebit einer Organifation, durch welche der Orden 
dem Einfluß der Biſchöfe entzogen wurde. Die 
Regierung lag bei dem Collegium der 25 Defini- 
toren, die aus den Aebten ernannt wurben, unter 
dem Präfidium des Abtes von Citeaur. Die aske— 
tijch⸗· ſchwärmeriſche Begeifterung des Ordens, fein 
ledhaftes Intereſſe an den Kreuzzligen, verſchaffte 
ihm nicht nur Einfluß im Volk, auch die Ritter: 
oden in Spanien und ni —— 
ihm. Im 13, Jahrhundert beginnt der Verfall 
dur, das Nachlaſſen der asketiſchen Strenge. 


verurjachen die Trennung neuer Congregationen, 
von denen die Feuillanten und die Trappiften die 
befannteften gemorden find. Gegenwärtig beftehen 
nur noch wenige Klöfter des Ordens in Spanien, 
Polen, Dejterreih, Sachſen und jeit 1844 in Eng- 
land. Die Ordenstracht ift weiß mit ſchwarzem 
Gürtel. — Der weibliche Orden der Giftercien- 
ferinnen oder Bernhardinerinnen ift aller Wahr: 
ſcheinlichkeit nad) von Stephan gegründet, fie folg- 
ten benjelben Safungen mie die Mönde. Das 
ältefte Klofter war zu Tart. Auch fie fpalteten fi 
in verfchiedene Congregationen. Am berühmteften 
— ihr Inſtitut zu Port⸗Royal bei Paris 
(f. d. Art.). 

Gifternen. S. Brummen. 

Gitate des Alten fommen im Neuen Teftamente 
häufig vor. Sie find faft Durchgängig der Ueber: 
Be der LXX entnommen. In der Frage ber 

noptiihen Evangelien hat die Citationsweiſe 
eine große Bedeutung erlangt. Bleek, de Wette 
u. A. haben nämlich gezeigt, daß Matthäus an den 
Stellen, die er gemeinjam mit den andern Evan- 

elien hat, gewöhnlich die LXX citirt, da, wo er 
Felbftändig ift, ven hebräifchen Urtert, wenn aud) 
nicht immer rein. Marcus citirt mit Ausnahme 
von 1,2 nad) der LXX, ebenfo Lucas mit derjel- 
ben Ausnahme 7, 27. Aus der Citirweiſe des 
Matthäus wurde feine Abhängigkeit von Marcus 
oder einem in Marcus am getreueften wieder: 
—— Original geſchloſſen. Vgl. Holtzmann, 

yn. Evangelien, ©. 259 ff. Die Art, wie die Citate 
im Neuen Tejtamente angewandt werben, grlndet 
fih nicht auf die Grundſätze der heute gemöhnlich 
maßgebenden geſchichtlichen Auslegungsweiſe. Sie 
werben, —*8 von ihrem Arge Sinne, 
in praktiſchem Intereſſe ausgelegt, meift mit Be- 
ziehung auf die mefftanifchen Derhältniffe, Die 
allegoriſche Auslegung findet fich befonders in den 
pauliniihen Schriften. — Citate des Neuen Teſta⸗ 
ments in den Kirchenjchriftftellern dererften Jahr: 
hunderte I für die Beftimmung der Abfaſſungs⸗ 
verhältnifje der neuteftamentlihen Schriften von 
Wichtigkeit. Kirchhofer, Duellenfammlung zur 
Geſchichte des N. T. 1842. Scolten, die älteften 
Zeugniffe betreffend die Schriften ded Neuen 
— überſetzt von C. Manchot, Bremen 
1 


Civilehe ift die Ehe, welche durch bürgerliche 
Formen geſchloſſen wird und zu ihrer Gültigkeit 
keinerlei kirchlicher Formen bedarf. Die Eivilehe ift 
die urfprüingliche. Auch beider kirchlichen Ehe liegt 
nad der Gedichte und dem Tridentinum das 
Hauptgewicht nicht in den kirchlichen Ceremonien, 
jondern in der Erklärung vor dem Geiftlichen als 
einem Beamten, der öffentlichen Glauben hat. Die 
Civilehe ift gefeglich eingeführt durch den Code 
Napoleon, in England als facultative, d. h. als 
mögliche undim Belieben der Betreffenden ag 
1856 zu Gunften der Diffidenten, ebenfalld für 
Diifidenten in Preußen am 30. März 1847. In 
Nordamerika ift fie allgemein. Wenn den Bertre: 
tern ber Eivilehe vorgemorfen wird, fie zerftörten 
die religiöfe Grundlage der Che und des Familien⸗ 
lebens, jo wird dabet überfehen, daß eine religiöfe 
Einfegnung oder Weihe der Ehe nicht verworfen, 
fondern vielmehr als Forderung des religidfen 
Lebens aufrecht erhalten wird; biefelbe kann aber 


Glarendon 


nicht Gegenftand des Zwanges fein, und die Gül— 
tigfeit der Ehe foll nicht von ihr abhängig gemacht 
werben. Die Bedingung der priefterlichen Einfeg: 
nung zur Gültigkeit der Ehe fegt Kirche und Staat 
in fortwährenden unauflösliden Conflict, und 
führt im Staate mit gemiſchten Confeffionen zu 
Härten. Wie der Staat im Intereſſe der Religions— 
freiheit feiner Bürger, muß die Kirche im Inlereſſe 
der eigenen Freiheit auf Trennung der bürger: 
lihen Cheſchließung von der firdlichen Ehefegnung 
dringen. Bortrefjlid hat fid) für die unbedingte 
Nothwendigkeit der Civilehe eine evangelifche kirch⸗ 
liche Behörde ausgeſprochen, die,durch langjährige 
Erfahrung mit der Sade vertraut, nicht Erdlie 
Theorien zu entwideln, fondern praliiihem Be: 
bürfniß zu entiprechen fuchte, nämlich das Confi- 
ftorium zu Coblenz in feiner Begutachtung ber 
Provinzialfynode von 1844. Wir verweifen nad): 
träglic) auf das, dieje Frage hiftorifch erſchöpfende 
Werk: Das Recht der Eheſchließung in feiner ge: 
ſchichtlichen Entwidelung, von E. Friedberg. Lpz. 
1865. Boll interefjanter, ſchlagender Thattachen. 
Vgl. Brot. K.:Zeit. 1867, Nr. 9. 

Glarendon, Die Conftitutionen von Clarendon 
vom an. 1164 enthalten in 16 Eapiteln die Reichs: 
tagsbejhlüffe von Weſtminſter 1163 über die 
geiftliche Gerichtäbarkeit und die Rechte des Königs 
über Biſchöfe und Prälaten, welde in der Ber: 
fammlung der Biſchöfe und Stände zu Clarendon 
vereinbart und proclamirt wurden. Auch der Erz: 
biſchof Becket unterfchrieb fie, widerrief aber feine 

ftimmung, was die Beranlafjung des großen 

treites abgab, der mit feinem Tode endiate. Nad) 
feiner Ermordung 1170 mußte Heinrich IL. 1172 
einwilligen, daß die dem Papſte anſtößigen Stellen 
ausgemerzt würden. 
larifjerinnen oder Glariffinnen. Geftiftet 
durch Clara von Aſſiſi. Geb. 1193. Fioh auf den 
Rath des h. Franciscus aus dem elterlichen Haufe 
1212, leiftete da8 Gelübde der Keufchheit und bas 
des Gehorſams gegen Franz und unierwarf fid) 
mit ihren Gefährtinnen, die die ftrenge Regel Be: 
nedicts annahmen, feiner Aufficht; ihre eigene 
Regel 1224 wurde vom Papſte bejtätigt. Eigent: 
lich ein nur beihaulider Ecden, widmen fie ſich 
jegt auch der Erziehung der Jugend. Sie heißen 
auch Damianiftinnen, von der Rirche, in welder 
Clara zuerst ihren Aufenthalt nahm. 

Glarfe, Dr. Samuel. Hervorragender englifcher 
Beltefope und Theolog. Geb. zu Norwid am 11. 

ctober 1675, Vfarrer zu St. Bennet in London 
1706, feit 1709 zu St. James. Anhänger der 
Newtonſchen Philoſophie, correjpondirte er über 
verſchiedene Probleme mit Leibnitz. In derDemon- 
stration of tlıe being and attributes of God 
entwidelt er Gott, Tugend und Unfterblichfeit als 
Poftulate der praktiſchen Vernunft und begründet 
daraus die Nothiwendigkeit der Offenbarung. Er 
ift dadurch der Begründer des rationaliftischen 
Supranaturalismus. Weber feine Dreieinigteitö: 
lebte, die eine immanente Trinität nicht anerfennt, 
mußte er fihhvor der Convocation, des Arianismus 
bejcyuldigt, verantworten. Außer Predigten und 
verjhiedenen theologiſchen Schriften veröffent: 
lichte er auch philologiſche und phyſikaliſche Arbei: 
ten. — Andere Theologen des Namens find: Sa: 
muel Glarte 1599 — 1652, ald Nonconjormift feines 
Amtes entfegt, nach Fox der fleifinite Martyro- 
foge, Samuel Clarke, ſein Sohn, ſchrieb Anmer- 


144 


Claudius 


tungen zur Bibel. Dr. John, Clarke, Dedant von 
Weftminfter, gab feines Bruders Samuel Werke 
heraus. Samuel Clarfe 1623—69, ein Drientalift. 
William Clarke, geb. 1696, Alterthumsforjder. 
Adam Clarke 1760— 1832, Wesleyanifcher Geift- 
licher, jchrieb einen Bibelcommentar 1810—1825 
und leugnete bie ewige Sohnſchaft Chrifti, der 
nur nad) der menſchlichen Natur ald Gottes Sohn 
anzufehen jet. 

Classes, Entfprechen in der reform. Kirchenver⸗ 
faſſung den heutigen Kreisfynoden. Die Glaffical- 
verjammlung wird bejchidt durch den Pfarrer und 
einen Aelteſten aus jeder Gemeinde; fie übt die 
Disciplin und beauffichtigt die Verwaltung der 
Gemeinden. An ber Spike fteht das jährlich er- 
neuerte Moderamen, beftehend aus Präjes, Aſſeſſor 
und Scriba. Die Verbindung mehrerer Elafjen 
bildet die Provinzialfynode. 

Glaube. Apftg. 27, 16; ein Inſelchen an der 
Südweſtſeite Ereta’3, jett Gozzo. 

Claude, Johann. Reformirter Theologe. Geb. 
1619 zu La Sauvetat in Süd: Franfreid, berühmt 
ald Prediger und Polemiker. Bekleidete mehrere 
Pfarrftellen, 1654 zu Nismes, 1666 zu Charenton 
bei Paris, mußte 1685 beim Widerruf des Edicts 
von Nantes das Land verlajjen, ging nad dem 
Haag, befchäftigte fi dort mit literarifchen Ar- 
beiten und ftarb 1687. Sein Hauptwerk ift die 
Defense de la reformation 1673, eine Gegenfdrift 
gegen den Janfeniften Nicole. Außerdem Plaintes 

es protestants, die Hauptquelle für die Leidens: 
geihhichte des franz. Proteſtantismus; Oeuvres 
posthumes, Amfterdam 1688, von feinem Sohn 
herauägegeben. 

Glaudianus, Presbyter in der Diöceje Vienne. 
7 470. Verfaſſer des ins Breviarium aufgenom= 
menen Hymnus Pange lingua gloriosi. Ihm wer: 
den noch andere Gedichte zugejchrieben, Carmen 
contra poetas vanos, Carmen paschale, Laus 
Christi, deren Echtheit nicht unzweifelhaft ift. 

Claudius. Römifcher Kaifer 41—54. Begün- 
ftigte den Herodes Agrippa, dem er das ganze 
Reich feines Großvaters zurüdgab; auch den Juden 
zu Alerandrien ſchenkte er ihre Privilegien wieder. 
Unter ihm wurden aber auch die Juden aus Rom 
verwieſen, Apftg. 18, 2, nad) der Notiz des Sue: 
ton: Judaeos impulsore Chresto assidue tumul- 
tuantes Roma expulit (als die Juden unter dem 
Aufrührer Ehreftus fortwährende Unruhen mad: 
ten, vertrieb er fie aus Nom). 

Claudius, Matthiad. Der MWandöbeder Bote 
genannt. Bekannter Volksſchriftſteller, der auch in 
religiöjer Beziehung eine bedeutende Wirkung aus: 
übte. Er wurde geboren den 15. Auguft 1740 zu 
Rheinfeld im Holfteinfchen, ftudirte in Jena und 
brachte dann den größten Theil feines Lebens in 
Wandsbed zu. Er ftarb am 21. Januar 1815 in 
Hamburg. Er ift eine religiöfe Natur, die ſich in 
fernig volfsthümlicher Art ergieht, voll Humor 
und Spott und doch voll Ernft und Religion. In 
ſpäterer Zeit nahm feine ſchriftſtelleriſche Thätig⸗ 
feit eine dogmatiſch härtere Richtung an mit oft 
heftiger Polemik gegen den Rationalismus. „Der 
Wandsbeder Bote” (1770—75) ift eine von ihm 
herausgegebene Zeitichrift. Seine Schriften find 
von ihm bit in dem Asmus omnia sua secum 
portans, 8 Bde., neuefte Aufl. 1344, gefammelt. 
ae Leben von W. Herbit, Gotha, 2, Aufl, 
1862, 


Claudius von Turin 


Glaudind von Zurin. Yon Geburt ein Spanier, 
Schüler des Adoptianers Felix von Urgel, lebte er 
als Lehrer deö jüngern Klerus am Hofe Ludwigs 
des Frommen und verfaßte eine Reihe von Cate: 
nen, die nur zum — gedruckt ſind. Er war 
ein kühner rückſichtsloſer Charakter, der ſich auch 
nicht ſcheute, das apoſtoliſche Recht des römiſchen 
brimats anzugreifen. Biſchof von Turin 
ernannt 820, rottete er dort den Bilderdienft nicht 
ohne Gewaltmaßregeln aus. Seine Anfichten über 
Bilderverehrung ſprach er auß im Apologeticus 
de eultu imaginum adv. Theutmirum Abbatem. 
Gegen ihn ſchrieben Theutmir und der Schotte 
Dungal, ſowie Jonas von Orleans. Zu feiner 
—* vor einer Verſammlung von Bi: 
ihöfen zu ericheinen, weigerte er fi in wenig 
böflicher Form, blieb aber biß zu feinem Tode 839 
in Amt und Würde. Unbiftorifh wollte man auf 
ihn die Waldenfer zurüdführen. 

Glemanges, Nilolaus von. Geb. um 1360 im 
Dorfe Elemanges in der Champagne. Studirte 
1386 Thrologie unter d'Ailly und Gerjon. 1391 
Baccalaureus, war er ſchon 1393 Rector der Uni: 
verjität und als folcher ihr Organ bei ihren Be: 
mähungen, das päpftlide Schisma zu beendigen. 
Lem Andringen der —— auf Abdication 
der — *2 — e ſetzten die Avignoner die Wahl 
denedicts entgegen; Clemanges wurde fein 
Serretär, und hielt, ohne ſich von der Univerſität zu 
trennen, bei ihm aus, biß derjelbe 1407 den König 
son Frankreich und dad Volk ercommunicirte, da 
fie ipın den Gehorfam aufgefündigt hatten. Wegen 
dr Beihuldigung, die Ercommunicationsbulle 
verfaßt zu haben, mußte fi) Elemanges bei den 
Karthäufern von Balprofond und von Fontaine 
du Bofc verbergen. Erft fpäter hat er diefe Ein» 
ſamleit verlaffen und 1425 in Navarra wieder 
Lorlefungen begonnen. Seine Schriften De fructu 
eremi, De fructu rerum adversarum, De novis 
festivitatibus non instituendis, Destudiotheolo- 
giae, Disputatio de concilio generali zeigen ihn 
der Kirche unterworfen, aber tief getroffen durch 
iten Berfall. Das Wort Gottes ſtellt er als die 


war. 4. 


egeben von Muralt 1848); die apofto: 


(den Ranones und Eonftitutionen; die Elemen: 


145 


Clemens II. 


tinen (f. d. Art); zwei Briefe an die fyrifchen 
Jungfrauen. Wahrſcheinlich echt ift hiervon nur 
der erfte Brief an die Korinther, der, veranlaft 
durd einen Streit und dur Unordnungen in der 
Gemeinde, die Einheit paulinifcher Glaubensgerech⸗ 
tigkeit mit praftifher Sittlichfeit darzuthun fich 
bemüht, auch über Gemeindeverfafjung jpricht, 
wobei die Stellung des Biſchofs noch gar nicht 
erwähnt wird. Der zweite ift entſchieden unecht, 
fennt den Gnoſticismus ſchon in fehr auögebil- 
deter Geftalt, gehört alfo jedenfalls erft and Ende 
des 2, Jahrhunderts. In dogmatiſchem, ebioniti: 
ſchem Interefje ift die Perſon des Clemens benugt 
in den Elementinen; hättediefe Schilderung vollen 
biftorifhen Grund, fo könnte um ber verſchiede— 
nen Geiftesrichtung willen aud) der —— 
nicht von Clemens Romanus herrühren. Dur 
die Clementinen iſt der Irrthum entftanden, als 
fei Clemens ein Repräfentant des ftarren Juben: 
chriſtenthums. Der Brief an die Korinther ift 
vielmehr in paulinifcher Richtung, obgleich in ſchon 
— Form, geſchrieben. 
einens, Titus Flavius, mit dem Beinamen 

Alerandrinus, Ein heidniſcher Philoſoph. Trat in 
jpätern Lebensjahren zum Chriſtenthum über; 
auf ausgedehnten Reifen lernte er die bedeutend: 
ften Lehrer kennen, wurde der Nachfolger des 
Pantänus als Vorfteher ber Katechetenſchule zu 
Alexandrien und gab ihr eine philoſophiſche frei- 
finnige Richtung. In der Verfolgung unter Seve- 
rus verließ er 202 Alerandrien; ob er dahin zu: 
rüdgefehrt, ift ungewiß. Seinen Tod jegt man um 
220. Seine hilofophifche Erlenntniß wandte er 
auf das Chriftentbum an — denn das Chriften- 
thum ift ihm nichts Anderes, als die Vollendung 
der Erfenntniß, die ſchon im Heidenthum zerftreut 
(ald Aoyog anepuerixös) vorhanden war — und 
fieht in der philofophifchen Erkenntniß die noth: 
wendige Vollendung bed Glaubens, Glaube und 
Erkenntniß widerſprechen nad) feiner Anficht ſich 
nicht, „Die Erfenntniß ift gläubig, aber auch der 
Glaube ifterfenntnigmäßig vermöge einer gewiſſen, 
von Gott an gegenfeitigen Uebereinftim: 
mung.” Dabei fommt er aber zu der Annahme 
einer efoterifhen Tradition, welde in dem Bud: 
ftaben der Schrift und den Heilsthatſachen durch 
Anwendung ber allegoriihen Interpretation die 
tiefere fpeculative dee findet und entwidelt, wäh: 
rend der Eroterifer bei jenen ftehen bleibt. Den 
Logos ordnet er, obwohl er von Ewigkeit her ift, 
dem Bater unter; feine riftologifche lg ie 
bat eine bofetif —— Sein wichtigſtes Wer 
bilden die drei Bücher Protrepticus, Paedagogus 
(38.), Stromata (7 B., das ächte ift unedht). Bon 
den Adumbrationes, die Rufinus überjette, ift 
das Meifte verloren. Vortrefflich ift eine asketiſche 
Schrift ris 6 awLöuevog nAovoros. Die beſte Aus: 

abe jeiner Schriften 1715, Oxford, durd) Potter. 
euere in ver Bibliotheca sacra, pars Ill 
von Klog. Den Hymnus in Christum gab heraus 
Piper, Ööttingen 1835; ris 6 awfouerog DIS: 
haufen, —— 1831. 

Glemend II. Als auf der Synode zu Sutri 
Gregor VI. abgedanft hatte, und Glocefter ab: 
gejegt war, fegte Heinrich ILL. den Biſchof Suid— 
ger von Bamberg auf den päpftlihen Stuhl, der 
ald Clemens II. 1046—47 regierte und 1047 
eine Synode gegen die Simonie hielt. Er ftarb 
an Gift. 

10 


Glemens IIT. 


Glemens III. 1187—91. Vorher Baolo Eäcolati, 
Biihof von Perugia. Schloß Frieden mit Rom, 
von dem ſich die Häpfte Streitigleiten halber ent: 
fernt hatten, und ſchlug dort den päpftliden Sig 
wieder auf. Wirfte eifrigft für den (3.) Kreuzzug, 
als Saladin Zerufalem erobert hatte (1187). Gab 
ber ſchottiſchen Kirche 1189 ihr Brivilegium der 
Befreiung von der Unterordnung unter die eng: 
liſche, belehnte ala reale von Sicilien nad) 
dem Tode Wilhelms (1189) den Baftard Tancred 
und rief dadurch den neuen Streit zwijchen ben 
Bäpften und ben —— hervor. 

— (III) Guibert, neilaoi von Ravenna. Nach 
der Abjegung Gregors VII. durch die Synoden von 
Mainz und Briren 1080 ald —— Fr 
fand er im deutfhen Reihe und in Stalien faft 
allgemeine Anerkennung, obmohler 1088 aus Rom 
vertrielen wurde. + 1100. 

— IV, 1265-68. Vorher Gui Fulcodi, le Gros, 
Erft Soldat, dann Juriſt, dann Geiftlicher. Hielt das 
Bundniß feines Vorgängers mit Karl von Anjou 
gegen die Hohenftaufen aufrecht. Daß er aber Kon: 
radins Hinrichtung gewünſcht, ift nicht erwiefen. 
. Vorher Bertrand d’Agouft, 1305—14. 
Erzbiihof von Bordeaug, hatte er fi vor feiner 
Dahl Philipp dem Schönen gegen Geld verpflichtet. 
Er et 1309 den Sig der Eurie nah Avignon, 


— 


wiberrief die Bullen feines Vorgängers Bonifa: 
cius' VIIL und ließ einen förmlichen Eonfiftorial: 
Beet gegen benjelben auf Philipps Verlangen 
zu, deſſen Enburtheil er jedoch fi und einem Con» 
eil vorbehielt und welches nie geſprochen iſt. Auf 
Philipps Drängen mußte er aud) die Aufhebung 
bed Templerordens durch das Eoncil zu Bienne 
gelöehen lafien 1312, Er ftarb mit Philipp dem 

hönen und ben Grofmeifter Jak. Molay in 
demjelben Jahre 1314, nad der Verwünſchung 
beö Letztern. Er trägt den Vorwurf des Geizes, 
ber Simonie, des Nepotiämus und der MWolluft. 
Nach ihm heift das 7. Buch der Decretalen, wel: 
ches er nad) der Synode von Bienne publicirte, 
die Glementinen (f. d. Art.). 

— VI. 13143—52. ®eter Roger. Benebictiner, 
Erzbifchof von Send und Kanzler von Frankreich. 
Berfchmenderifh und prachtliebend, verkündigte 
er ein zweites Jubiläum, obgleich erft 50 Jahre 
verfloffen waren. Ludwigs deö Bayern erbittertiter 
Feind, ſprach er über = ben grauenvollen Bann 
aus und beförderte Die Wahl Karls IV. ald Gegen: 
tönig 1316. In Rom bemältigte er Cola di Rienzi 
1347. Avignon erfaufte er von der Königin Jo— 
banna von Sicilien 154*, die er von dem Verdacht, 
ihren Gemahl ermordet zu haben, freifprad. Be: 
trarca rühmt feine Gelehrfamteit; aber kirchliches 
Interefje läßt feine Regierung nit erkennen, 
zus wäre ein joldhes in Aare erfolgloſen 

emühungen zur Wiedervereinigung mit den Grie⸗ 
hen zu finden, 

— (VL) Gegenpapft gegen Urban VI. und 
Bonifacius IX., eigentlich Robert von Genf, Sohn 
bed Grafen Amadeus, Biſchof von Cambray, 
murde er zu Anagni von den Gardinälen gewählt 
1378, refidirte zu Avignon und war von Frank— 
reich und Neapel, Spanien und Schottland aner: 
fannt. Urban ließ gegen ihn den Kreuzzug pre: 
digen. Als die Sorbonne ſich für freiwillige Ent: 
[egung — äpſte ausſprach, rührte ihn der 

chlag. Sein ſchismatiſcher Nachfolger war Peter 
be Luna, Benedict XIII. * ve 


146 


Clemens XI. 


Glemens VII. 1523— 34. Giulio Medici. Ein 
Verwandter und Günftling Leo's X., der ihn zum 
Cardinal erhoben hatte, aud) wie er ein Freund der 
Wiſſenſchaften. Schon Mitbewerber Adrians VI. 
um bie päpftliche Krone, jehte er nad) deflen Tode 
feine Wahl durch. Seine Regierung bezeichnen die 
vergeblichen Berjuche, ven Fortgang bes Proteftan: 
tismus in Deutjchland zu hemmen; das Leber: 
gewicht Karls V. in Italien zu brechen, veranlafte 
er die 2 Ligue 1526, erlebte 1527 die Erftür: 
mung Roms, verföhnte ſich mit Karl im Vertrag 
von Boulogne und Frönte ihn 1530. Der Auf- 
forberung zu einem allgemeinen Concil wid er 
aus, Seine falfche, kurzſichtige Politik verurjachte 
auch fein ſchwankendes Berhalten in der —— 
dungsfrage Heinrichs VIII; feiner endlichen Wei: 

erung berjelben 1535 folgte bie Losſagung Eng: 
ande von der römischen Kirche. 

— VIII 1592— 1605. Borher Eardinal Hippolgt 
Adobrandini. Geb. 1536, Stand auf Seiten der 
Ligue gegen Heinrich IV., verföhnte ſich aber mit 
ihm nad) feiner Krönung 1597 und bemilligte die 
Scheidung von Margaretha von Balois, das 
Herzogthum Ferrara 1598 als erledigtes Lehen 
ein. In dem Streit der Jejuiten und Dominica- 
ner über die göttliche Gnade vermied er eine Ent: 
ſcheidung und fegte dazu 1597 die Congregatio 
de divinae auxiliis gratiae ein. Im Jahre 1600 
feierte er das Jubiläum und ließ eine neue Aus: 
gabe der Bulgata bejorgen. 

— (VIII) Negidius Munoz, Kanonikus zu Bar- 
celona. Wurde ald Nachfolger Benedicts XIII. 
ger de Luna) von Alfons von Arragonien als 

egenpapft 1423—29 aufgeftellt gegen Martin V. 
Er entjagte 1429 und erhielt das Bisthum Va: 
lencia. 

— IX. Julius Rospigliofi. 1697—99. Geb. 
1660. Juriſt und Dichter, Aroncardinal von Spa: 
nien. Er ordnete die gerrütteten Finanzen des 
Kirchenftaates, vermittelte den Frieden zu Aachen 
1668, legte durch die pax Clementina den janfe- 
niftifhen Streit für eine Weile bei und ftarb aus 
Schrecken bei der Nachricht von der Eroberung 
Candia's durch die Türken. 

X. 1670-76. Emilio Altieri. Geb. 15% 
zu Rom, Nachfolger des Vorigen, überließ er die 
Gewalt faft ganz dem Gardinal Proluzzi. Unter 
ihm begann der Streit mit Ludwig XIV, über 
das a * 

— XI. 1700—21. Vorher Giovanni Franc. 
Albani aus Urbino. In dem Streit der Domini: 
caner und Jejuiten über Anbequemung an heid: 
nifhe Sitten in den Milfionen entſchied er mie 
Innocenz X, für die Dominicaner gegen Uleran: 
der VII. und die Jeſuiten. Deſto nachgiebiger 
zeigte er fich diejen gegenüber in der Behandlung 
der Janjeniften durch die Bulle Vineam Domini 
1705, welche ftrenge Unterwerfung unter die Bul: 
len feiner Borgänger forderte, und durch die Bulle 
Unigenitus, welde das Neue Teftament Ques— 
nelö verdammte. E3 entſtand der Appellantenftreit 
und die Berfolgungen der Janfeniften. Clemens 
operirte in der Bolitif mit wenig Glüd; im fpa- 
nischen Erbfolgeftreit auf Seiten der Bourbonen, 
fonnte er die ſcheinbare Bermittlerrolle nicht durch: 
übhren und mußte 1709 ungünftigen Frieden mit 

efterreih ſchließen. Vergebens protejtirte er 


| gegen die Annahme der preußifchen Königskrone. 


m Utrechter Frieden blieben feine Anſprüche 


Clemens XI. 


unbeachtet. Im Privilegienftreit mit Sardinien 
wurden 3000 Geiftlihe verjagt, bis ber Papft 


nachgab. 

Siemens XI. 1730—40. Lorenzo Corfini. 
Beitieg den päpftlihen Stuhl im Alter von 78 
Jahren. Berbammte 1738 die Freimaurer. Der 
verſuch, San Marino und Piacenza zu erwerben, 
miklang. Größer find feine Verdienſte um Rom 
jelbft und die vaticanijche Bibliothek (Affemani). 
. Carlo Rezzonico. 1758—69. Bradte 
durch feine Begünftigung des Jefuitenordend den 
päpftlichen Stuhl in die größte Bebrängniß. Dem 
Sturm gegen die Jeſuiten fegte er die Bulle 
Apostolicum pascendi munus 1765 entgegen, 
morauf Frankreich, Portugal, Spanien, Neapel 
die Jejutten vertrieben; vergeblich ſprach er durch 
die Bulle Animarum saluti das Interdict über 
die Zänder aus. Ein Breve an ben Herzog von 
Parma, worin er fi auf die Nachtmahlsbulle 
int, veranlaßte das Verbot der Bulle durch die 
Könige von Frankreich, Neapel und Spanien, in 
Deutihland erſchien das Werk von Juftinus Fe: 
bronius; und als der Bapft nit nachgeben und 
den Jejuitenorden nicht aufheben wollte, bejegten 
die Franzojen Avignon und der König von Sici- 
fien Benevent. Während der Berathungen, was 
zu ** ſtarb Clemens plötzlich am Schlagfluß. 

— XIV. 1769—74. Lorenzo Ganganelli. Geb, 
13. October 1705 zu Arcangelo bei Rimini, Sohn 
eines Arztes. Gewählt nach dreimonatlihem Con⸗ 
clave durch franzöfiihen Einfluß. Nach Tangem 

ern und allmäblichen Vorbereitungen hob er 
1773 durch die Bulle Dominus ac redemptor 
noster den Jeſuitenorden aus —— Macht⸗ 
solllommenheit auf, weil er den beabſichtigten 
Bortheil der Kirche nicht mehr bringe. Die Aus: 
ſohnung mit den Nächten folgte leicht und fchnell, 
aber des * Todesahnung bei Unterzeichnung 


der Bulle erfüllte fih jhon am 22. September 
1774, Bon feinem Eifer fir Kunft und Wifjen: 
Ihaft zeugt daS Museo Pio Clementino, 
fementinen. Schriften, welche, aus demſelben 
Gedanlenkreis entiprungen und unter einander 
nahe verwandt, dem römifhen Biſchof Clemens 
(j.d. A.) zugefchrieben werden. In der Mitte des 
2. Jahrhunderts in Rom entftanden, bilden fie eine 
Auseinanderfegung des Juden: mit dem Heiden: 
criſtenthums vom Standpunft des erfteren. Beide 
dauptſchriften, um die es fich dabei handelt: 1) 
die Homilien, eine 2 Briefe und 20 Homilien an 
Yalobus umfafiende Schrift, 2) die Recognitionen 
(dvayyuasıs, Wiedererfennungen), liberjegt von 
Rufin, eine weitere Ausführung der erfteren, je: 
vi mit Abſchwächung der dogmatiſchen Schärfen 
derjelben, gründen fich auf Erzählungen, die ſchon 
nf verlorenen Schriften: „Predigt (xov- 
yua) des Petrus“, „Wanderungen des Petrus“, 
enthalten waren und die nun zu einer Art Ten: 
denzroman verflochten find. Clemens, jo erzählen 
bie Elementinen, welcher in den heidniſchen hie 
ſophenſchulen vergeblich Befriedigung fucht, findet 
diefelbe durch Petrus. Diefer ift gerade im Be: 
griffe, mit dem Zauberer Simon in einen Kampf 
einzutreten, der, in einer dreitägigen Disputation 
beitebend, endlich mit der Flucht des Magiers 
endigt. Petrus verfolgt feinen Geaner gemeinjam 
mit Clemens, welcher unterwegs feine längft ver: 
en Eitern und Brüder wiederfindet, um fie 
ebenfalls zum Chriftentgum zu befehren. In Lao⸗ 


147 


Cletus 


dicea erfolgt eine zweite Disputation mit Simon, 
die mit einer zweiten Niederlage des Letztern ab: 
—— In dieſen Disputationen erſcheint Petrus 
als Vertreter eines ebionitiſchen Chriſtenthums im 
Gegenſatz gegen das pauliniſche Heidendriftens 
thum, weldyes in Simon, dem Magier, zur Er: 
et fonımt, deſſen Bild Manche für das ent: 
tellte Bild des Apofteld halten wollen. Die Lehre 

der Glementinen ift monotheiſtiſch, läßt aber die 
Entmwidlung von Gott aus in dem Widerſpiel von 
Gegenfägen (Syzygien) ſich vollziehen, von denen 
die —— Seite das gute, die weibliche das 
verderbenbringende Princip repräſentirt. Der 
Adam⸗Chriſtus, d. h. das ſtets ſich gleichbleibende 
Princip der Wahrheit, das in m und Chriſtus 
und in allen gleichartigen Erfcheinungen in ber 
Mitte zwifchen beiden zum Vorſchein gelommen, 
ift die concrete Darftellung des männlichen Prin⸗ 
cips in feiner ftetigen Verwirklichung. Chriftus 
wird demnach aud) nicht m gedacht, als unter 
dem Bilde eines prophetifch infpirirten Menſchen; 
und fein Wert ift wefentlic fein anderes, als das: 
jenige Moſis, das unter menſchlichen Verfälihun: 
je 15 hat als Geheimlehre, die nun 

rch Chriſtus offenkundige Lehre wurde. Die 
Ethik der Clementinen beſteht weſentlich aus As: 
keſe. Die Tendenz derſelben geht dahin, einem 
theofophifhen Judenchriſtenthum dem fiegreihen 
Heidengrijtenthum gegenüber noch ein legtes Wort 
zu reden. Ueber die Priorität des einen oder an— 
dern ber beiden Bücher wird noch geftritten; für 
diejenige der Homilien find die meiſten Aelteren 
und einige Neuere (Uhlhorn, Wifeler), dagegen 

ilgenfeld u. A. Ausga en: Ta Kinufvra ed. 

chalegler 1847. Homilien ed. Dreffel 1858. Re: 
eognitionened. Gersborf 1838. Ein fpäterer Aus: 
zug, Epitome, ed. Drefiel 1859. Vgl. Schlie⸗ 
mann, die Elem. u. d. Ebionitiömus 1844. Hil⸗ 
genfeld, die clem. Rec. u. Hom. 1848. Uhlhorn, 
bie Hom. u. Rec. 1854. Wiſeler, Exercit. crit. 
in Clem. Hom. 1857. 

Glerieus (Jean le Elerc). Geb. zu Genf am 19, 
März 1657. Trat nad) Vollendung feiner Studien 
zu den Arminianern über. Ward ei der 

ebräifchen Sprade am Remonftranten:Öymna- 
tum zu Amſterdam 1684 und Nachfolger Lim: 
borchs als Brofeffor der Kirchengefhichte 1712. 
Starb 1736, nachdem er ſchon 1728 durd) einen 
Schlaganfall die Sprache theilweife und 1732 völlig 
verloren hatte. Clericus ift ein ungemein frucht: 
barer Schriftiteller, der Vieles unter fremdem 
Namen, und auch viele Werke Anderer von Neuem 
berausgab. Sein Hauptwerk ift der Commentar 
ir Alten Teftamente. In der Ars critica gegen 

ihard Simon äußert er fich freifinnig über * 
ſpiration; ſeine dogmatiſchen Schriften zogen ihm 
wiederholt den Vorwurf des Socinianismus zu; 
gegen Bayle hatte er den Vorwurf des Atheismus 
zu widerlegen. Das Verzeichniß ſeiner Schriften 
bei Niceron, M&moires, tome XL, p. 294, 

Glermont. Auf der Synode zu Gl. ad Clarum- 
Montem 1095 wurde auf bie Anrede Urbans hin 
der — beſchloſſen. 

Cletus. Die römiſche Kirche nennt die erſten 5 
PVäpfte Linus, Glemens, Cletus, Anacletus, Ever 
reſtes. Hegefipp u. A. fennen aber weder Cletus 
noch Anacletus, fondern nur einen Annencletus 
80—95 als Nachfolger des Linus; es ſcheint Daher 
Cletus nur eine Abkurzung des Namens zu ſein, 

10* 


Cleve 


woraus der Irrthum einen beſondern Papſt ge⸗ 
macht hat. 

Gleve. S. Jullich⸗Cleve⸗Berg. 

Cliniei, Cliniſche Tauſe. Da in der alten 
Kirche die Taufe * verſchoben zu werden 
pflegte, ſo empfingen Viele dieſelbe erſt auf dem 
Krankenbette in Todesgefahr; ſie heißen Clinici, 
ſolche Taufe cliniſche Taufe. Obwohl die Wirkſam— 
keit ſolcher Taufe unbezweifelt blieb, verbot dennoch 
das Concil zu Neocäfarea und die Pariſer Synode 
von 689, ſolche Berfonen zu Presbytern zu weihen. 

Glugny. Eines der berühmteften Klöfter. Ge: 
ftiftet 910 von Wilhelm von Aquitanien und 
Berno, dem Abt des Kloſters Beaume, ald Bene: 


Dictiner: Abtei der firengen Regel, die nur dem Abt 
und dem Papfte unterworfen fein follte. Unter 


Berno's Nachfolger Odo breiteten ſich die Clunia— 
cenfer durch Anlage neuer Klöfter aus, und träf: 
tige Aebte hoben das Anfehen. Unter ihnen ift der 
—— Petrus Venerabilis 1122—1156, der 
Gönner Abälards und Gegner Bernhards von 
Clairvaux, bedeutend als theologiſcher Schrift: 
ſteller. Er er auch die Consuetudines Clu- 
niacenses auf, jo daß die bisherigen Gewohnheiten 
fefte Sagungen wurden und die Gefammtheit der 
eluniacenfifhen Klöfter ſich zu einer Eluniacenfer: 
Eongregation entwidelte. Das Klofter erhob ſich 
im 12. Sahrhundert zu einer ungemeinen Blüthe. 
Unter Clugny entitanden in diejer Zeit mehr als 
2000 Klöfter und Stifter. Aber der zunehmende 
Reihthum und die Macht des Abtes, die durch die 
Privilegien des Ordens gemehrt worden, loderte 
die Strenge der Asleſe und der Disciplin. Schon 


Petrus Benerabilis hatte Ordnung und Eintracht 


mwiederherzuftellen. Als die Aebte fih, um ihren 
Beſitz gegen die Habgier der Großen zu fichern, 
unter den Schuß des Königs von Frankreich ftell- 
ten, wurde die Beſetzung —3 eine Commende 
der Krone und kam in den Beſitz der Guiſen 1528. 
Die Verſuche, den Orden zu reformiren, mißlan: 
gen, dur) die Gründung des Eollegiums zu Paris 
1269 fowohl, als jpäter durch den Verſuch einer 
Einigung mit den Maurinern unter Richelieu 
1634—44. Die Barteiungen nahmen zu, als die 
Reformaten ſich abzweigten; und als die Revolu: 
tion 1790 das Kloſter jäcularifirte, nahm fie dem 
legten Abte von Larodhefoucauld, Erzbifhof von 
Rouen, nur eine gute Bfründe. Die Gebäude und 
auch die ſchöne Kirche der Abtei wurden von den 
Bürgern auf den Abbruch verfauft. 

Goadjutor, Der Gehülfe eines ſolchen — 
Geiſtlichen, der vorübergehend oder bleibend an der 
Führung feines Amtes verhindert ift; es gebührt 
ihm ein ausreichender Unterhalt aus den Einfünf: 
ten der Stelle und zuweilen der Anſpruch der Nad): 
folge. Einen folden Coadjutor erhält nad dem 
Tridentinum der Pfarrer oder ein Benefiziat durd) 
den Biſchof. Ein Bischof ſoll eigentlich feinen Coad: 
jutor haben, da bei einer Verhinderung der Weib: 
bifhof und der Provinzialbifchof ihn vertreten 
follen. Die neue Praxis a ihn jedoch (Wei: 
jenberg in Conftanz, Geiffel in Köln); die Be: 
ftellung gefchieht unter Einwilligung des Landes: 
fürften und des Gapiteld durch den Bapft. 

Coctejus. — Koch. Bedeutender reformir⸗ 
ter Theologe. Geb. 1603 in Bremen, ſtudirte er 
in Franeler unter Amefius und Amama, wurde 
1629 Profeſſor der bibliſchen Philologie in Bre: 
men, 1636 in Franeler, 1650 Profeſſor der Dog: 


148 









Coeleſtin IIT. 


matik in Leyden. + 1669. Coccejus begründete die 
fogenannte Föderaltheologie. Statt von dem 
Rathſchluß des Heils wie die bisherige reformirte 
Dogmatik auszugehen, faht er die Geſchichte des 
Heild ins Auge, und das Verhältniß (foedus, 
Bund), in welches der Menſch in den verjdiede: 
nen Entwidlungsjtufen des Reiches Gottes zu 
Gott geftellt ift. Er unterfcheidet drei folder Stu: 
Fr „Dekonomien;“ die Stufe des bloßen Gemif: 
en3, die Stufe bes Geſetzes, und die hödhite, die 
Stufe ded Evangeliums in Chriftus, in welcher 
erſt der wahre Gnadenbund mit Gott erreicht wird. 
Bon den orthodoren Theologen angefeindet, ge: 
wann feine Theologie die Herrſchaft in der nieder: 
ländifchen Kirche und wurde einflußreich für leben— 
diges Chriſtenthum. Sein Syftem wurde auöge: 
bildet durd feine Schüler Burmann, Heidanus, 
Momma, van Til, und dadurch der Prädeftina- 
tionälehre der Boden entzogen. Der Streit mit 
den Gegnern, unter denen Giäbert Vostius und 
die Boötianer ſich hervorthaten, drohte jeit 1672, 
nicht bloß ein theologifcher zu bleiben, als die nie: 
derrheiniſchen Synoden vermittelten, fo daß die 
Synode zu Amjterdam 1677 fürmlid) die Duldung 
und Anerkennung des Coccejanismus als einer 
Lehrmeinung —— Das Hauptwerk des 
Coccejus iſt Summa doctrinae de focdere et 
testamento Dei, 1648. Außerdem Lexicon et 
Commentar.serm.hebraici etchaldaici, 1669 und 
1639. Seine eregetifhen Werte nehmen die 5 
erften Bände der durch jeinen Sohn beforgten 
Sefammtausgabe, 8 und 2 Bde. Fol. ein. 

Cochlãus. Johann Dobened. Katholischer Theo: 
loge der Neformationgzeit. Geb. zu Wendelftein 
bet Nürnberg 1503. Decan der Stiftöficche zu 
Frankfurt, feit 1525 zu Mainz, 1529—39 am Hofe 
Georgs von Sachſen, + 1552 ald Kanonikus zu 
Breslau. Wie er vorzüglich die perfönliche und 
gehäffige Polemik gegen die Neformatoren zu füh— 
ren hatte, fand er aud) bei den öffentlichen Ver- 
bandlungen mehrfach eine Stelle. Bon Frankfurt 
aus erhielt er Zutritt bei Aleander in Worms 1521. 
An der Confutation der Auguftana arbeitete er 
mit 1530. Auf dem Hagenauer Gonvent 1540 und 
beim Regensburger Kolloquium 1546 war er an: 
wejend. Seine Schriften find weder nah Form 
noch Inhalt bedeutend; er begreift die Reforma— 
tion nur ald aus niederm Intereſſe hervorge: 
gangen. Von Werth ift nur feine Gefdichte der 
Sullte, Mainz 1549. 

oelefin. Es werden 5 Päpfte des Namens 
gezählt: 

— 1, Der Heilige 42—432. Die neftorianifchen 
Streitigfeiten benutte er, die Superiorität des 
römifhen Stuhles auszudehnen. Eine nordafti- 
fanifche Synode wies feine Anfprüche bei andere: 
Beranlafiung ab. Für die Miffion thätig, ernannte 
er Balledius zum Bischof von Jrland. Er ift fano: 
nifirt. Gedenktag 6. April. 

— II. 1143—44. Vorher Guido Caſtelli; 
päpftliher Legat in Frankreich 1140, hob er das 
Interdict über Frankreich auf. 

— III. 1191—98. Vorher Jacinto Bobo. Ward 
85 Jahre alt erwählt. Cardinal feit 1143. Krönte 
nothgedrungen Heinrich VI., ftand aber auf Sei: 
ten jeiner Gegner. Für Richard Löwenherz trat er 
erſt ein, al3 derfelbe ſich losgekauft hatte. Philipp 
von Frankreich löfte trof des päpftlichen Verbots 
feine Ehe und reizte die engliſchen Vafallen, den 


Goeleftin IV. 


päpftlihen Zegaten zu verjagen. Dagegen beftä: 
tigte Cöleftin deutſchen Ritterorden. 

Eoeleftin IV. Gewählt 23. Sept.'1241, ftarb vor 
feiner Krönung, wenige Tage nad) der Wahl. 

— V. 1294. 5. Juli — 13. Dec. Der Heilige. 
Border Peter von Morrone, ein Einfiedler, der die 
yäpftliche Würde mit Unluſt trug, unter dem Einfluß 
Karlö II. von Anjou ftand, die Curie nad) Neapel 
verlegte, die Cardinäle durch die Beftätigung der 
Constitutio Gregord X. fiber das Eonclave erbit: 
terte, und ee ih ur Amtsentſagung von Gar: 
dinal Ganfani ( onilacius VIII) beftimmen ließ, 
der ihn dann, um ihn unfhädlich zu machen, auf 
dem Schloffe bei Anagni bis an feinen Tod 1296 
gefangen hielt. Er ift durch Clemens V. Tanoni:- 
hirt. Gedächtnißtag 19. Mai. 

Gorleftinerorden. Geftiftet von Peter von Mor: 
tone (f. d. vor. Art.). Derjelbe lebte ald Einſiedler 


und fammelte feine Gefährten 1254 in einem Klo: | ft 


fter, wo er ihnen die Regel Benebicts mit ftrenger 
Asleſe auflegte. Nad) der Erhebung ihred Grün: 
ders änderten fie den bisherigen Namen Einfiedler 
des h. Damian oder von Morrone in den Namen 
Eoeleftiner. Durch die Gunft des Papftes dehnte 
der Orden ſich aus; das Hauptflofter zu Majella 
war allein Abtei, die andern Private. Die Kleis 
dung ift weißer Rod mit ſchwarzer Capuze und 
fünwarzem Scapulier. Der Orden hat nur noch in 
alien einige Glieder. 

Goclefind. Freund und Mitlämpfer des Pe: 
lagius. Bon vornehmer Geburt und früher Ad- 
pocat. Als er fich in un um ein Preöbyter: 
amt bewarb, vertlagte ihn der Diakon Paulinus 
bei der Synode 412 wegen feiner Leugnung der 
völligen Berderbniß der menjhlichen Natur. An: 
fang bes pelagianijhen Streites. S. d. Akt. 


tus, 

Gorleiyrien. 2. Malk. 10, 11; Luther Nieder: 
fgrien: 1. Makl. 10,69; 2. Makk. 8,8. Der frucht: 
bare Theil Syriens zwiſchen Libanon und Anti: 
libenon; im weitern und politifhen Sinne das 
ganze innere Syrien zwifchen dem Libanon und 
dem Caſius; war der Bantapfel wiſchen den Se: 
leuciden und Ptolemäern, mei im Befig der 
Erfteren. Unter ihnen hatte e8 einen eigenen He: 
gemon, 1. Maff. 10, 69; mit Phönizien zufam- 
men einen Strategos. Luther beivemal: Haupt: 
manıt. 

Goelibat. Der Mangel an Erlenntniß der fitt- 
lihen Bedeutung der Ehe, die erjt dem entwidel: 
ten Ehriftenthum möglich wurde, lich früh die 
Ehelofigteit ald etwas Höheres, dem geiftlichen 
Renihen Geziemendes erſcheinen, und nachdem 
fie von Einzelnen, 3. B. dem Apoftel Paulus, 
1. Kor. 7,7, freiwillig übernommen worden, ftellte 
die Kirche gegen die Uebung und Borfchrift ber 
apoftolifchen Kirche, 1. Tim. 3, 1; Matth, 8, 14; 
1. Kor. 9, 5, Regel und Gebote auf (Concil zu 
Reocäfarea 314). Schon verheirathete Priefter 
durften ſich Übrigens nicht von ihren Frauen 
trennen (Goncil zu Nicäa 325). Unterfagt war die 
Che mit einer Wittwe und die überhaupt hie 
jmeite Ehe; Berheirathete jollten nicht zu Biſcho— 
fen genommen werden, —* Kleriker überhaupt 
nicht mehr heirathen. Das Concil von Trullanum 
692 hat dieſe Beftimmungen aufrecht erhalten; in 
der zuffifchen Kirche ift die Erlaubniß, daß der nie⸗ 
dere Kleriker verheirathet jein dürfe, fogar zu 
einer Bedingung, daß er verheirathet fein müfle, 


149 


Coligny 


geworden. In der abendländiſchen Kirche forderte 
die ——— Hierarchie das Cölibat nad 
Hildebrands Worten: non liberari potest eccle- 
sia a servitute laicorum nisi liberentur cleriei 
ab uxoribus. (Die Kirche fann von der Knecht: 
ſchaft der Laien nicht frei werden, wenn bie Geift: 
lichen nicht von den Weibern befreit werden.) Mit 
der größten Strenge wurde daher feit Hildebrand 
(1074) das Cölibat durchgeführt; an manden 
Drten empörten fich bie Geiftlichen gegen die Zu— 
muthung, bie Weiber zu entlafjen; nachdem aber 
die Bulle von 1074 den Laien, der von einem be» 
weibten Priefter dad Sacrament empfinge, in den 
Bann gethan, ftellte fi das Volk auf die Seite 
der Hierardhie. Das Concil zu Rheims 1119 und 
das Lateranconcil 1139 trennten die Ehen ber 
Priefter. Zwar geftattete das Interim die Priefter: 
ehe, aber das Tridentinum ftellte die ältern Be— 
immungen wieder her, bejchränfte fie aber auf 
die höhern Weihen. Reactionen gegen das Cölibat 
auch in der Fatholifhen Kirche find nicht felten. 
Die neuere Zeit fieht eine Wiederaufnahme des 
Kampfes gegen das Eölibat in dem Borgehen der 
Geiſtlichen in Jtalien; dejto fefter aber hält die Curie 
an ifren Grundſätzen. 1832 bedurfte es einer 
päpftlihen Encyelifa, das Cölibat neu zu befräf: 
tigen. Die evangelifche Kirche hat von Anbeginn 
ben Zwang bes Gölibatgejeges verworfen, Luther 
1520. Die erſten Briefter, die in die Ehe traten, 
waren Jakob Knade 1518 und Bartholomäus von 
Er ige 1521. Der neueften —* blieb es vor⸗ 

ehalten, auch in der evangeliſchen Kirche das 
Gölibat zu —— Bal. Haſe, Handbuch der 
prot. Polemit, 1862, ©. 125 ff. 

Coelicolae, ©. Himmels:Anbeter. 

Goelln, Dan. Georg Konr.von. Geb.am21. Dec, 
1788 zu Derlinghaufen in Lippe:Detmold. Sohn 
eined Predigerd. Studirte in Marburg, wo er 
1816 a. o. Krofeffor der Theologie wurde, 1817 
Dr. theol., 1818 Brofeffor der Theologie zu Bres⸗ 
lau. Gemäßigter Rationalift, fchrieb er im Inter: 
effe der Union 1822 und 1830 gegen Hengften: 
— über alademiſche Lehrfreiheit. Sein vs 
werk Biblifhe Theologie, ed. Schulz, Leipz. 1836, 
und die Bearbeitung der erften Hälfte von Mün— 
ſchers — — 2. Auflage 1832 und 34. 
+ 17. Febr. 1833. 

Eoenobiten. Die gemeinschaftlich Lebenden. Die 
Vereine der Asketen, welche Pahomius zuerft auf 
der Nilinfel Tabennä 304 organifirte. Die An: 
fünge des Mönchthums. 

Goligny, Gaspard de. Herr von Chatillon. Geb. 
am 16. Febr. 1518 zu Ehatillon fur Loing. Zeich: 
nete ſich früh, feit 1542, als tapfrer Feldherr aus, 
wurde 1551 Statthalter der Champagne und 1552 
Admiral von Frankreich. Nach dem Feldzug 1552 
—55, indem Frankreich Met, Toul, Berdun ge: 
wann, vertheidigte er 1556 St. Duentin ruhmvoll 
gegen die Spanier. Bei der Capitulation gefangen 
genommen, lebte er 2 Jahre in Gent, lernte dort 
den Proteftantismus fennen und trat zu ihm über 
1558, öffentlid) mit feinem Haufe 1559. Bon nunan 
ward er immer mehr ald das Haupt und der Führer 
der Hugenotten anerfannt. Nach der Verſchwörung 
von Amboife 1560 an den Hof berufen, beftrebte 
er fi, auf gefeglihem Wege jeinem Glauben die 
Anerkennung zu verſchaffen, in Gemeinſchaft mit 
dem Kanzler 2’Höpital, mit bem er aud) das ver: 
gebliche Geſpräch zu Poiſſy zu Stande bradte. 


Gollecten 


Der Bürgerkrieg nad) dem Blutbad bei Vaſſy 
1562 ftellte ihn neben Eonde an die Spike der 
— — Armee; er verhinderte die völlige 

iederlage bei Dreux und eroberte die Normandie. 
Der gegen ihn erhobene Vorwurf, mitſchuldig am 
Meuchelmord des Herzogs von Guiſe zu fein, 
wurde durch den Geheimrathsbeſchluß von 1566 
widerlegt. Der Friede von —— 1563 dauerte 
nicht lange ; 1567 brach der Bürgerkrieg von Neuem 
aus; eine völlige Niederlage bei St. Denis vers 
—— wiederum Coligny, und es erfolgte ber 
feine Frieden von Longjumeau 1568. Der Ein- 
fluß der Guifen am ——“ Hofe verurſachte 
neue en der Qugenotten, ber Krieg 
brach noch in demfelben Jahre wieder aus; Co: 
ligny befeftigte La Rochelle und trat nad) Conde'd 
Tode bei Jarnac 1569 an die Spige des Heers. Bei 
Montcontour gefhlagen, wußte er die Berlufte 
— und befiegte den Marſchall Briſſac 
bei Arnay le Duc am 27. Juni 1570, fo daß der 
Frieden von St. Bermain (Auguſt 1570), ber ben 
teformirten Gultusfreiheit gewährte und ver: 
bürgte, bewilligt werden mußte. Coligny folgte 
jegt jogar einer Einladung an ben 501 & lois 
1571, wo er fortan verblieb, von Karl IX! hoch: 
eehrt. Die Furcht vor feinem wachſenden Einfluß 
teigerte aber den Haß der Guiſen, ein Mordan— 
aa am 22. Auguſt mißlang, beſchleunigte aber 
en Entihluß der Bartholomäusnadht 24. Auguft 
1572, als deren erfted Opfer Goligny fiel. Der 
Leihnam wurde — mißhandelt, an den 
Galgen von Montfaucon gehängt, und erft 1599 
miliengruft zu Chatillon beigefegt. Stä⸗ 
> rot. Monatsbi. 1858. X. Meylan, Vie de 

aspard de Culigny, Baris 1862. 

Gollecten. Sammlungen für milde Zwecke. 
Kommen fhon im Neuen Teftamente vor, Röm. 
15, 25; 1. Kor. 16, 2; 2. Kor. 8, 1 ff.; Apfig. 
24, 17. Als die naturgemäße Form ber Vereini— 

ng ber Mildthätigfeit der Einzelnen zu Einem 
Bipeite in ber br beibehalten. Die Gollecte 
durd) den Klingelbeutel ift der Ueberreft der alten 
Oblationen im Gottesdienft. Die Beranftaltung 
einer Gollecte innerhalb der Gemeinde zu Ge: 
meindezweden liegt in den Befugnifjen der Ge: 
meinde felbft, Gollecten außerhalb der Gemeinde 
und nicht fpeciell zu Gemeindezweden bebürfen 
ber Genehmigung de3 Staates und der firdlichen 
Behörde. —— ige Beſtimmungen hatte bie 
reformirte Kirche. Die Bewilligung einer Collecte 
ftand bei der Clafji3, die das Bedürfniß prüfte 
und Empfehlungsjhreiben gab; Collecten für 
firhlihen Lurus, Thürme, Gloden, Orgeln waren 
unbedingt verboten. Das Collectenweſen, welches 
in ae Theilen der Kirche zum Unmefen ge: 
worden ift, follte nach dem Gircular:Erlaß des 
preußifchen Ober:Kirchenrathä von 1851 reformirt 
werden. 

Gollecten heißen die kurzen Gebete, welche am 
Altar vor der Berlefung der Epiftel vom Geiſt— 
lihen gejproden oder gefungen werden; vorher 
geht die jogenannte Jutonatıon, worauf der Chor 
antwortet. 

Collegia nationalia ober pontifleia. Jana- 
tius von Loyola ftiftete 1552 das Collegium Ger- 
manicum, eine Höfterlihe Bildungsanftalt für 
Beute Geiftliche, die fpäter in ihrem Baterlande 
ald Niffionspriefter ——— finden ſollten. 
Das Inſtitut war geſunken, als Gregor XIII. 


in der 


150 


Collegium Germanicum 


1573 daſſelbe nicht nur aufs Neue einrichtete, ſon⸗ 
dern auch ein griechiſches 1677, engliſches 1579, ma⸗ 
ronitiſches 1584, illyriſches und ungariſches grün: 
dete, welches letztere übrigens 1584 mit Dem deut⸗ 
{chen vereinigt wurde, Die Alumnen werden unter 
Zeitung der Jeſuiten ausgebildet, verpflichten ſich 
eidlich, lebenslang unter ihrer Nation im ftrengen 
Gehorfam gegen bie Obern ald Miffionare da zu 
arbeiten, wohin man fie fendet. Das Inſtitut 
fteht unter dem Protectorat ber Congregatio de 
propaganda fide. Die Collegia nationalia find 
alfo beftimmt, in den nicht Fatholifchen Ländern 
ben Kern einer Geiftlichteit zu bilden, welche, 
Rom unbedingt ergeben, mit dem ganzen Lebens: 
intereffe daran gebunden, von dem Mittelpuntt 
aus leicht regiert werde und den übrigen Klerus 
des Landes theild überwache, theild tonangebend 
mit —— Bis 1843 war ber Beſuch des Colle- 
gium Germanicum in Preufjen verboten. 

Collegia pietatis hieß Spener bie von ihm 

eit 1670 eingerichteten Erbauungäftunden; feine 
nhänger a davon ben Namen Bietiften. 

Gollegialiyflem. Zur Begründung der beſtehen⸗ 
ben landeöyerrlihen Gewalt in der evang. Kirche 
und zur Berubigung bed wiſſenſchaftlichen Ges 
wiſſens find drei Syſteme aufgeftellt: das Epis- 
fopaliyftem, wonach die Rechte der Biſchöfe auf 
den Landesherrn bevolvirt find; das Territorial« 
ſyſtem, wonach fie ihm zuftehen ald Zandedobrigs 
feit; das Collegialſyſtem, wonad) fie ald von Sei: 
ten der Kirhengejellihaft übertragen anzuſehen 
find. Der Vater dieſes Syſtems ift Sam. Bufen: 
dorf, De habitu rel. christianae ad vitam civilem 
1657. Ihm ſchloß fih an Chr. Matth. Pfaff. Die 
Rechte der Obrigkeit gebühren ihr theils als ſolcher, 
jura circa sacra, theild find fie die Gollegtal- 
rechte, jura in sacra, der Kirche, und ihr übertra— 
gen. Die biftorifch nit nachweisbare Uebertra— 
gung durch die Gemeinden wird im Syftem damit 
nr daß die Gemeinden fich gefreut, ald bie 

üriten die jurasacrorum an ſich zogen. Troß des 

rrthums der Bertragstheorie bringt dies Syſtem 
doch das Urrecht der Gemeinden zum Ausdruck: 
Grund genug. dat es Stahl ald ein Ergebniß 
ne ; rationaliftifhen Rihtung zu brandmarlen 
ucte, 

Gollegianten oder ger Eine $raction 
ber Arminianer, welde, ald in der Unterdrüdung 
nad) 1619 ihnen bie Prediger verwehrt wurden, 
in Eonventifeln zur Schriftausfegung zuſammen⸗ 
famen. Die Stifter find die drei Brüder van der 
Codde zu Leyden. Die unter ihnen auftretenden 
Redner hießen Propheten. Schwärmerijche Ideen 
anden Eingang; mit den Arminianern behielten 
ie nur ben —— gegen Prädeſtination ge— 
mein; mit Wiedertäufern und Quäkern vermeng: 
ten fie fich öfter. Die Secte erlofch um 1800. 

Gollegiatftift und Gollegiatlirhen. Die Ber: 
einigung des Klerus einer Pfarrliche zum ge: 
meinfamen Leben nad) Art der Domcapitel heißt 
—— oder Collegiatſtift. Die Mitglieder hei⸗ 
ben Stiftäherren, die Kirche Collegiatlirche. Das 
Stift hat einen Decan oder Probft und jteht unter 
Aurisdiction des Bifhofs. Beitanden die Dom: 
capitel meift aus Abeligen, fo trug das Collegiat: 
ftift einen bürgerlichen Charafter. Berühmte Col: 
legiatlirhen find 3. B. zu Nahen und Zanten. 

Collegium Germanicum. &.d. Art. Collegia 
nationalia, 


Collifion der Pflichten 


Colliſion der Pflihten. Das Zufammentreffen 
meier oder mehrerer Pflichten, die einander wider» 
— und von denen daher nur die eine auf 
Koften der andern erfüllt werden kann. Die Ur: 
jahe der Collifion liegt nicht im Begriffe ber 
Bricht ſelbſt, fondern in ber zufälligen Berfettung 
der äußern Lebendumftände. Gemöhnlid) find die 
Golifionen nur ſcheinbar und bejteht der Wider: 
ſpruch, der mit gutem Willen fehr leicht zu entfer: 
nen ift, nur mit unjerer Neigung. Wo aber in ber 
That eine Collifion eintritt, da entfcheidet natur: 
emäß die nach dem Urtheil des Gewiſſens größere 
fight, die widerfprechende kleinere Pflicht hört 
dann fofort auf, Pflicht zu fein, und ed entiteht 
keine ——— wenn dieſelbe zu Gunſten 
einer höhern Pflicht übertreten wird. Die Löſung 
einer Pflihtencolfifion wird — nur da⸗ 
durch chwierig, daß nach hebräiſcher Weiſe die 
Gebote in ihrem formalen Ausdruck als göttliche, 
und ſchon als ſolche ohne Beziehung aufs Subject 
ilige Gefege betrachtet werben, von denen im 
e ber Collifion nothwendig eines verlegt wird. 
efteht aber bad Sittlihe nicht bloß in einer ar 
malen Erfüllung von Gefegen, fondern giebt bad 
Rotiv einer Handlung den fittlihen Werth, fo 
tritt bei der angegebenen Löſung aud) feine Ge: 
—— ein, oder die ſcheinbare 
egeöverlekung iſt eine ſittlich gebotene. Vgl. 

d. Art. Caſuiſtik. 

Colloquium. Wiſſenſchaftliches Gefpräd. Tritt 
juweilen an die Stelle ber Prüfung in der Form 
einer Unterrebung mit ben geiftlichen Borgejegten. 
für proteftantifhe Geiftlihe mancherorts die Be: 
dingung für Beförderung zu einem andern Amte, 
des —— in eine andere Landeslirche oder 
in Disciplinarfällen. 

Eollyridianer. S. Antidilomarianiten. 

Col⸗Nidre. Der Anfang eines tibel berüchtigten 
fübiichen Gebetes in halbäifcher Sprache, welches 
am Berföhnungs: Abende in der Synagoge gebetet 
wird und im Boraus alle Gelübde und Schwüre 
bed lommenden Jahres annullirt. Darauf ift gegen 
die Juden BREUER EN fie gejtatteten den 
Meineid. Nach den jüdischen Erklärungen bezieht 
ſich dieſe Annullirung aber nicht auf Gelübde, die 
von Andern abgenommen feien, aud die reser- 
vatio mentalis, die Iſaak Abuhab im alle eined 
Itthums oder Zwanges zuläßt, ſoll nicht geftat» 
tet fein, um eine Schuldgegen Andere abzuleugnen. 
Sal. Bodenſchatz, Ueber den — 

Golobarfus, gegen 200, deſſen Lebensumſtände 
unbelannt find, war Stifter einer gnoftifhen 
Secte, die mit den Balentinianern zufammenbing. 

Golonie wird Apftg. 16, 12 Philippi genannt, 
Julius Cäſar hatte dahin einen Theil der itali- 
den Gemeinden verpflanzt, die auf Seiten des 

ntonius geftanden hatten; daher war die Stabt 
zum Range einer römischen Colonie erhoben, und 
hatte als foldhe das jus Italicum —— Recht), 
d. 5. eine freie Communalverfa Jung, Befreiung 
von Ropfiteuer und Freiheit des Grundbeſitzes. 

. Kolouna, Der Name einervornehmen römischen, 
in der Kirchen: und Profangefchichte oft genannten 
Familie, welche unter ihren Gliedern einen PBapft 
und zwölf Cardinäle zählt. Durchgängig ftanden 
die Colonnas auf Seiten der Gegner der Päpſte 
und ihrer weltlichen Herrſchaft; in ihre zahlreigen 
firglichen und politiſchen Kämpfe mifchten ſich die 
Gamilienfehden mit den Orſinis. Wegen ihrer 


151 


Comenius 


een Gefinnung follen fie non Alexander 
Il. für alle Zutunft zu einem kirchlichen Amte 
für unfähig erklärt fein; Bonifacius VIII. erklärte 
die Nachkommen feiner Gegner Otto und Johann 
Golonna bis ind 4. Glied für irregulär. 

Coloſſer und Gorinther f. unter K. 

Eolumba, aud) Golumban — urſprnglich 
Crimthan, der Apoſtel der Norbpikten. Geb. um 
520 in Irland, zog er 563 mit 12 Mönchen nad) 
Schottland, mo er auf der Inſel Hy (Jona), bie 
ihm der Scotenfönig Conall gab, ein Klofter grün: 
dete, welhes dad Stammtllofter vieler andern 
und ber Ausgangspunft ber ——— Ca⸗ 
ledoniens wurde. Columba's Weisheit und chriſt⸗ 
liche Milde wird gerühmt. Sein Leben iſt mit un⸗ 

ähligen Wundern ausgeſchmückt. + 597 am 9. 
Fund Vgl. Acta sanct. 9. Juni. 

Golumban, der Heilige. Der Apoſtel der Ale: 
mannen. Geb. um 550 ın England, begab er be 
590 mit 12 Gefährten auf eine Miffionsreije na 
Gallien. Dort ftiftete er die Klöjter Anegray, Zu: 
geuil u. a. Später von bort vertrieben, wen⸗ 
dete er fich nad) der Schweiz und Oberitalien, mo 
er das Hlofter Bobbio jtiftete und 615 ftarb. Den 
von ihm erbauten Klöftern gab er eine eigene Re: 
gel nad) ber heimiſchen Tradition, die fi durch 
ihre harte Strenge von ber Regel Venedictd, der 
fie fpäter weichen mußte, unterſchled. Auch in an: 
dern Dingen behielt Columban die Berjchiedenheit 
ber engliichen Kirche von der römiſchen bei, und 
beeinträchtigte dadurch feine Wirtfamfeit. Sein 
Gedächtnißtag ift der 15. Nov. Vgl. Acta sanct. 
ord. S. Ben, von Mabillon, 2 Bde. 

Golumna, Aegidius de, Genannt Negidius von 
Rom. ©. d. Art. 

Gombe, la. S. Lacombe und Guyon, 

Gombefis, Franz. Ein gelehrter frangdfifcher 
Dominicaner, + 1679, der zu Baris lebte und mit 
Unterftügung des franzöftihen Episkopates ſich 
ber kritiſchen Herausgabe der griech. Kirchenväter 
widmete. Hauptwerle: Auctuarium novum bi- 
bliothecae Patrum 16148; darin Historia Mono- 
thelitarum ; Auctuarium novissimum 1672; Bibl. 
Patr. concionatoria 1662; Maximus confessor. 
a ET" feiner Schriften bei Nicoron Bd. 


. 185. 

Comenius, ob. Amos. Berühmter Pädagoge. 
Geb. 1592 zu Comnia in Mähren, feit 1616 Pre 
diger der böhmifchen Brüder in Fulned, vorher 
1614 Rector zu Prerau. 1624 mit ſämmtlichen 
evangelifchen — ausgewieſen, lebte er zuerſt 
in Liſſa, wo er 1632 die biſchöfliche Ordination 
empfing, damit ſich die biſchöfliche Succeſſion trotz 
der zeitweiligen Zerſtörung der Brübderfirche fort: 
pflanzen könnte. InLiſſa gab er feine Janua lin- 
guarum roserata 1631 heraus, die feinen Ruhm 
al3 Pädagoge begründete, den andere pädagogiſche 
Werte: Novissima methodus 1648, Orbis sensua- 
lium pietus 1650, en Zur Einrihtun 
des Schulweſens nad) jeinen Brincipien 1641 * 
England, 1642 nad) Schweden, 1650 nach Sieben⸗ 
bürgen berufen, nahm er 1657 feinen dauernden 
Aufenthalt zu Amfterdam. + 15. November 1671 
zu Naarden. Er hat 2 theologische Werte heraus: 
gegeben, die Kirchengeſchichte der böhmischen Brüs 
der lateinifcdy und deutſch 1648 und Lux in tene- 
bris 1657, Offenbarungen und Weifjagungen 3 
böhmifcher Brüder fiber das auf 1672 angeflin: 
digte taufendjährige Reich und das bevorftehende 


Commemoration der Heiligen 


Gericht über Defterreidh und Nom. Da vie Zeit: 
ereigniffe zu diefen Weiffagungen nie ftimmten, 
änderte Comenius unbefangen Faffung und Deu: 
tung, ohne felbft daran irre zu werden. 
ommemoration der Heiligen. Wenn auf einen 
Tag mehrere Fefte oder Gedächtnißtage fallen und 
das geringere, wie 3. B. ein Sonntag, weder ver: 
legt noch ausfallen fann, fo wird es in der Litur: 
ie und der Meſſe erwähnt (commemorirt), und fo 
in untergeorbneter Meife mitgefeiert. — Das 
Wort bezeichnet au) das fürbittende Gedächtniß, 
I fommt die Commemoratio vivis et defunctis, 
ie Fürbitte für die Lebendigen und die Verftor: 
benen, vor. 

Gommendatur:Abt. ©. Abt. 

Commende ift Die lebertragung einer firchlichen 
Pfründe an einen Klerifer, ohne die Verpflichtung, 
das damit verbundene Amt felbft zu verwalten; 
urfprünglid; aber die zeitweilige Uebergabe eines 
erledigten Amtes ohne die dazu gehörige Pfründe. 
Am häufigften wurden Abteien als — ————— 
— — gegeben. Man umging damit 
das Verbot der Cumulirung der Benefizien. Der 
Mifbraud der Commenden, den die avignonifchen 
Päpſte am ärgſten trieben, fo daß Clemens V. 
feldft alle Commenden renovirte, hat durch die Be: 
ftimmungen des Tridentinums einEnbe gefunden. 

Commensalitium. Tiſchgenoſſenſchaft. Daf: 
felbe was familiaritas. Einer der Tanonifchen 
Gründe, aus denen dem Biſchof die Competenz er: 
wüchſt, einen Geiftlichen, der nicht zu feiner Diöceſe 
gehört, zu ordiniren. Wenn der Ordinand auch 
nicht eigentliher Hausgenoffe des Biſchofs war, jo 
muß er doch 3 Jahre lang in einem fo engen Dienit: 
verhältniffe zu ihm geftanden haben, daß derfelbe 
feinen Charakter genau fennen lernen konnte. Dem 
auf Grund des Commtenfalitiums Gemweihten muß 
binnen Monatöfrift ein Benefizium verliehen 
werben. 

Gommentare find fortlaufende Auslegungen 
zum Verſtändniß des bibliſchen Tertes, die ſich von 
Gloffen und Scholien (f. d. Art.) daburd unter: 
jcheiden, daß fie fortlaufend und zufammenhängend 
den ganzen Tert und nicht bloß einzelne ſchwierige 
Stellen erllären. Der Gebraudy des Wortes wird 
auf die Auslegungen beſchränkt, die den eregetijch: 
hiſtoriſchen Sinn erörtern, ohne Rüdficht au praf: 
tiihe und erbauliche Anwendung. Die Literatur 
der Gommentare iſt fehr reich; neben vielen an: 
dern zu einzelnen Büchern der Schrift nennen wir 
von vollftändigen Commentaren außer Calvin und 
Luther: Ch. und %. ©. Starke, Synopsis bibl. 
exeg. V.et N.T. 3 Th. 1733, und V. T. 6 Th. 
1741; H. Grotius, Annotationes ad V. T. 1644; 
Calov, Annott. ad N. T. &41—46, 1672 und 
1676; ſ. ferner Bibelwerk und Auslegung. Com— 
mentare zu den einzelnen Büchern ſ. diefe. 

Gommenthurei. Soviel als Commende bei den 
Ritterorden, der Grundbefit, der einem Ordens: 
ritter zur Benugung und Berwaltung zugemiefen ift. 

Commissi, Die Laienbrüder der Auguſtiner— 
Barfüher ohne Capuze. Val. Conversi. 

Gommodian. Ein chriftlicher Dichter des 3. 
z.. in Afrifa, der felbft Heide geweſen. 

ein Gedicht Instructiones adv. gentium deos, 
eines der älteften Denkmale chriſtlicher Dichtkunft, 
polemifirt gegen das Heidenthum und enthält chi⸗ 
liaftifhe Erwartungen. Ausgaben von Rigaltus 
1650 und Schurzfleiich 1704, 


152 


Communio laica und peregrina 


Commodus. Römiſcher Kaiſer 180—192, Sohn 
des Marc Aurel. Setzte die Chriſtenverfolgungen 
feines Vaters nicht fort; man fagt, durch feine Con⸗ 
cubine Marcia dazu bewogen. 

Common prayer book, Das allgemeine Ge: 
betbuch der anglifanifchen Kirche, welches die ganze 
liturgiſche Form der Gottesdienfte enthält und auch 
als das Andachtsbuch der häuslichen Erbauung 
gebraudt wird. Von Erasmus mit zu Grunde: 
legung der alten Liturgie 1548 entworfen, ift es 
nad) manden Nevifionen (1549, 1552, 1559) in 
ber — Geſtalt 1662 vom Parlament 

eftätigt. 

Communicatio idiomatum. Die Lehre von 
Ehriftus ift an der Definition des Chalcedonenje 
mejentlich ftehen geblieben, daß in Chriftus zwei 
unvermiſchte Naturen beftehen, daß diefelben 
aber in ungetrennter Einheit zu denfen feien. Es 
versteht fih, daß diefe Formel auf die Dauer 
nicht genügte, daß das Bedürfniß erwachen mußte, 
das Berhältniß der beiden Naturen in Chriftus 
näher zu beftinmen. Die Frage darnach erhob fich 
mit der Reformation, deren Gegenſätze in der 
ech auch immer mehr auf eine be- 
ftimmtere Faſſung des chriſtologiſchen Dogmas 
hindrängten. Die lutheriſche Faſſung des Genufjes 
vom Leib und Blut Chriſti verlangte aud) eine nä- 
here Begründung in der Auffafiung Ehrifti ſelbſt, 
verlangte inäbejondere eine vollftändige Einheit 
feiner Berfon. Um diefem Bedürfniß zu genügen, 
entftand die Lehre von der Communicatio idio- 
matum der beiden Naturen, d. b; von der gegen: 
feitigen Mittheilung ihrer Eigenjchaften. Darnach 
tft die Einigung der beiden Naturen in Ebhriftus 
derart, daf die göttliche ihre ſämmtlichen Eigen: 
ſchaften aud) “ die menſchliche überträgt, und 
dieje die ihrigen wieder auf die göttliche, wobei 
aber ſowohl die Natur des Berhältnifjes an fich 
ſchon als da3 dogmatiſche Intereſſe der Zeit das 
Borwiegen des erjtgenannten Berhältnifjes natur⸗ 
gemäß veranlaßt. Indem man damit drei Factoren 
in Chriftus feßte, feine Perſon und feine beiden 
Naturen, folgerte man daraus dreierlei Arten von 
Berhältniffen und Eigenfchaftsbildungen: 1) genus 
idiomaticum, d. h. jede Eigenſchaft, die einer ber 
beiden Naturen zulommt, muß man aud) der gan: 
zen Perſon zuerfennen; 3. B. die Allmacht von 
Seiten der göttlichen, das Leiden von Seiten ber 
menſchlichen; nit nur bie göttlide Natur ift all: 
mächtig, nicht nur die menschliche leidet, fondern 
die ganze Perſon Ehrifti. 2) genus apotelesmati- 
cum, Alles, was von der Perfon Chrifti ausgeht, 
feine ganze Erlöferthätigfeit (droreiesuarea) voll: 
zieht fi nicht, ohne daß beide Naturen gleihmäßig 
dabei betheiligt find; jo ift das Leiden ohne beide 
Naturen undenkbar: die göttlide Natur muß dem 
menſchlichen Leiden erft feinen Werth verleihen. 
3) genus majestaticum, bie —— atur über⸗ 
trägt ihre Eigenſchaften an die menſchliche. Letzte⸗ 
red ei die Grundlage der Lehre von der Ubiqtutät 
des Leibes Chrifti und Demzufolge auch der lutheri- 
ihen Abendmahlölehre. Vgl. Concordienformel 
VIII. Ehemnit, De duabus in Christo naturis. 
Schröder, Tractatus de reali comm. id., außer: 
dem bie —— und Schriften über das dhri: 
ftologifhe Dogma. 

Communio laica und peregrina. Com- 
munio laica bezeichnet den Kreis in der kirch— 
lien Gemeinschaft, welder die große Mafje der 


u 


Communionbücher 


——— umfaßt im Gegenſatz zum geiſtlichen 
Stande. In dieſeibe kann der Geiſtliche zurüuͤck— 
treten, entweder freiwillig durch Dispens des Pap⸗ 
ſtes (bei niedern Weihen), oder zur Strafe in Folge 
der Depofition, Abjegung freductio in communio- 
nem laicam). Verwandt Mt die communio pere- 
grina, die Berfegung in die Familiengemeinſchaft, 
eine Art der Suspenfion; der Beftrafte wird einem 
fremden Geiftlichen gleichgeftektt, der feine Beglau: 
bigungs⸗ und Empfehlungsichreiben, litterae for- 
matae ober commendatitiae, vorzeigen kann; er 
darf alfo feine lirchlichen Verrichtungen vorneh: 
men, behält aber den Fortbezug der Pfrlinde. 

Gommunionbüder. Die Borbereitungs: und 
Andahtsbücher zum heil. Abendmahl bilden einen 
befonderen Zweig der Erbauungäliteratur. Sie 
pflegen Belehrungen und Betrachtungen Über das 
Abendmahl, Gebete und Lieder zu enthalten. Aus 
der vorreformatorifchen Zeit geh hierher, außer 
den Beicht: und Bußipiegen, der Tractat Bonaven⸗ 
tura’3, De praeparationead missam, und Thomas 
a Kempis, das 4. Bud der Nachfolge Eprifti. Seit: 
dem Suter 1527 feinen Sermon von der Beidhte 
ind Betbücdhlein aufnahm, ift die Anzahl der Com: 
munionbücher mit jedem Jahr gewachſen. In fei: 
nem Geifte find noch Melifander, Beicht: und Bet: 
büdlein für hriftl. Communicanten, 1581, Oſian⸗ 
der, das würtembergifche Communicantenbüdjlein, 
1590, gehalten. Dann folgt die Zeit evangelifcher 
Scholaſtik, welche auf diefem Gebiete wenig pro: 
ductid üft, und nur einzelne wohlthuende Ausnah: 
men hervorgebracht hat, wie Arndis Wahres Chri: 
ſtenthum, 1605, Scrivers Buß⸗, Beicht und Com: 
mumionbuch, 1708. Eine neue Anregung erhält die 
Communionliteratur Durch den Pietismus; mit den 
Katehiämen werden Stüde verbunden über bie 
Vorbereitung zum heil. Abendmahl. Communion: 
bücher im Spenerſchen Geifte find die der Wür: 
temberger Hoffmann, 1702, Storr, 1755, Hiller, 
1160, Roos, 1791, Schmolte, Freſenius, 1746. 
Im —— und rationafiftifchen Ge- 
ſchmacke find ge ten die Communionbücher von 
Lübke, 1772, Rojenmüller, 1776 u. ö., Ries, 1781 
u. ö., Cramer, 1794, 15. Aufl., yörfter, 1794, 13. 
Aufl., Spieler, 1824, u. a. Die neuere gläubige 
Richtung Hat viele alte Schriften wieder neu * 
gelegt, theils neue verfaßt, wie die von Kapff, 
184, Wichern, 1850, Delitzſch, 1854, Sudhoff, 
2. Aufl. 1859 u. a. Bgl. zur Literatur: Winer, 
Literatur, II. ©. 366. 

Gommunidmnd und aliſsmus erfireben 
beide Die Aufhebung der Ripftände im öffentlichen 
Leben, welche aus ungleihen Bertheilung Des 
Eigenthums re fie unterſcheiden ſich fo 
von einander, daß erfte alles PBrivateigenthum 
in einer allgemeinen Gütergemeinjhaft aufheben, 
der andere die Privatwirt = mit Unterord⸗ 
nung des privaten Rechtes und Willens durch den 
Staat geregelt haben will. Der Communismus 
iſt die eomcretere, rabicaleze Form ber forialifti- 
ſchen Beftrebungen. Beide aber widerftreiten einem 
der erften fittlichen Grundfäße. Alle natürliche und 


ſonlichen Arbeit * und läͤhmen die Spann: 

8* i ——— ** —— 
nomiſches lend i nothwendi von, 
wnöbeiondere wenn der Eomununmsmus feine 


153 


Compaternität 


äußerfte Confequenz zieht und bis zur Aufhebung 
—— Grundlagen des Lebens, felbft bis 
zur Aufhebung der Ehe und Familie und zur Ge: 
meinfchaft der Weiber und Kinder fortfchreitet, 
und enblid der ungebändigten Befriedigung der 
fleifhlichen Lüfte verfällt. Der Socialismus in 
feiner befleren Form irrt, infomweit er durch das 
Geſetz des Staates hervorrufen will, was nur die 
Frucht freiefter chriſtlicher Sittlihleit in der Ges 
meinſchaft des Handelns fein kann; er verwechfelt 
das Pflihtgebot der chriſtlichen Bruderliebe mit 
dem Rechtsanfprud. Die connmuniftifhen Gedan= 
fen haben ihre Ausbildung erhalten theils in ab- 
ftracten — tigen —* wie in der pla⸗ 
toniſchen Lehre vom Staat, theils in einer einſei⸗ 
tigen religiö ichtung, der ſchon die erſte jeru⸗ 
lemiſche Ehriſtengemeinde mit ihrer relativen 
ütergemeinjchaft nicht ganz entging, der aber 
die aöfetifchen Bereinigungen ſchon der Effäer und 
Therapeuten, und dann der chriſtlichen Klöſter 
verfielen, die den Privatbefig des Einzelnen gleich: 
falls aufhoben, und die ſchon Hier nicht felten mit 
der nothwendigen Eonjequenz endbigte, mit der 
Genußfucht und Arbeitsſcheu der Vielen, welche 
freiwillige Armuth wählten, um dem Mißbrauch 
des Reichthums zu fröhnen. Eine Richtung zum 
Communismus bat and jederzeit der Chiliasmus 
genommen, dem communiftifche Gedanken als 
Traum und Hoffnung vorfhmweben, die er dann 
B- Boraus zu realiſiren felten unterlaflen fann. 
ie Geſchichte der chriſtlichen Kirche weiſet in 
Secten und Härefien eine fortlaufende Kette von 
dem Communismus verwandten Beltrebungen, 
von den Eircumcellionen an duch die Paftorellen, 
Katharer, Fratricellen, Begharden und Brü 
bes freien Getftes bis zu den Wiedertäufern. Von 
ihnen entlehnte Ideen fpielen mit bei den zunächſt 
aus der Schwere des auf dem Volle laſtenden 
Drudes entfprungenen Bauernaufftänden im Thur⸗ 
gau 992, Yütland 1086, Schonen 1180, dem Krie 
der Stedinger 1200, der Jacquerie in Srantreich 
1358, dem Aufftand Watt Thler's in England 
1381, der Käfebrödter in Holland 1491, des Georg 
Dofa in U 1514, dem beutfchen Bauern: 
frieg 1525. In furchtbarfter Weife lamen die com: 
muniftiihen S$deen in dem revolutionirenden 
Vena zum Ausbruh. Die bebeutendften 
ertreter des franzöfifhen Communismus find: 
Baboeuf (J 1797), Darth& (+ 1797), Fourier 
(+ 1837), Zamennais (+ 1854), Blanc (Orga- 
nisation du travail, 1840), Proudhon (F 1866, 
Systeme des contradietions &conomiques) und 
Gabet (Journal populaire). Dem humaniftifchen 
Sorialismus — Tage, in welchem gleichfalls 
die verſchiedenen Syſteme ſich entgegenſtehen, 
unter denen das Laſalle'ſche das bedeutendſte iſt, 
ſtellt ſich zur Seite ein chriſtlicher Socialismus 
in den Beſtrebungen der innern Miſſion. Stein, 
der Sociglismus und Communismus des heutis 
gen Frantreichs, 2. Aufl., 2 Bde., 1847. 
Gompactaten, Baſeler, he ber Vergleich des 
Baſeler Concils mit den Hufftten 1433, in welchem 
—8 die Forderungen der —— Artilel modi⸗ 
cirt zugeftanden wurden: 1) Duldung bes Abend⸗ 
mahls unter beiberlei Geftalt. 2) Freie Predigt 
durch orbimirte Geiftliche. 3) Verwaltung der Güter 
Sur die Geiſtlichteit ohne Befig. 4) Ausübung 
der Kirchenzucht durch die Obrigkeit. 
Gompeternttät, Mitvaterjchaft. Der Tauf⸗ und 


Gompatronat 


Firmpathe wird ald der geiftliche Erzeuger bes in 
ber Taufe Wiebergeborenen angejehen; find daher 
mehrere Bathen, ſo waltet unter ihnen Gompater: 
nität und damit nad) früherer, jegt aufgegebener 
Anjhauung ein Ehehinderniß, weldes ſich aud 
auf die Kinder erftredt. 
mpatronat ift das Patronatrecht, welches 
an —— Gütern mit gleichen Rechten haftet; 
ei ed, daß — Stifter einer Kirche gemein: 
348 das Recht erworben, oder daß das Pa— 
tronatgut in die Hände mehrerer Beſitzer überge: 
angen ift. Die Inhaber eines Compatronats üben 
Die Rechte gemeinfhaftlih aus und tragen ebenfo 
die Laften; die Ehrenrechte kann jeder für jeine 
Perſon fordern. 

Gompetenz. Zuftändigteit. Bezeichnet das Recht, 
bie dem Amt zuftändigen Befugniffe auszuüben; 
im engern Sinne meint man damit die Pfründen- 
competenz, die Nachweije bes Jahreseinklommens 
einer Stelle, 

Compilationes decretallum heißen fünf 
Sammlungen ber jpätern päpftlihen Decretalen 
er gsi welde in die Sammlung Gre⸗ 

td IX, 1230 aufgenommen in ; und zwar 
T grins) von Bernhard von Pavia 1190, hat 
5 * unter dem Titel judex, judicium, clerus, 
oonnubia, crimen; 2 ——— von Johannes 
Galenſis 1215, umfaßt bie Zeit von 1159—93; 
8 (tertia), von Petrus von Benevent 1210, um: 
je 1198—1210; 4 (quarta), ein Nadjtrag zum 

origen 1218; die 5. (quinta) enthält die Decres 
talen Honorius’ V. biö 1220. 
Gompletorium ijt dad Breviergebet vor bem 


& —— 
ompluienſiſche Polygloite. S. Polyglotte. 
Tompofielia, San Jago de. (Früher Giacomo 


alem der berühmteſte Wallfahrtsort. Soll vom 

oſtel Jakobus gegründet fein, ee Gebeine 
man bort zeigt. Der Ritterorden von Gompoftella, 
geflftet 1161 zur Beſchlitzung der Pilgrime, ijt 
1835 aufgehoben. Die Grogmeijterwürde war jeit 
1439 mit der Krone verbunden. 

Gonclave. Sowohl ber Drt der ———— 
der Cardinäle zur Papſtwahl, als die Verſammlung 
elbſt. Conclaviſt heißt derjenige aus der Diener: 
ht ber Gardinäle, der dieje ind Conclave be- 
gleitet. S. d. X. Papſtwahl. 

Goncomitanz. Den Ausdruck hat Thomas von 
Aquin für diedamit bezeichnete Lehre des Lombar: 
den aufgebracht. Die Lehre von der Concomitanz 
(d. h. Begleitung) ift ein Theilder Abendmahlslehre 
und ſpricht aus, daß im Leibe Chrifti, d. h. in der 
ie immer zugleich aud) das Blut Chriftigegeben 


(im Stadt in Spanien, nad) Rom und Jeru: 


ei, fo daß aljo der Kelch mehr oder weniger über: 

iffig wird. Die Lehre ift die Gonjequenz der 
Transjubftantiation, und es gründet ſich auf fie 
bie ehe (1415). 

Goncordanz. Uebereinftimmung. Die Venen: 
nung eines lexitaliſchen Wertes, in welchem jämmt: 
liche in einem Schriftwerfe (der Bibel) vorfommen: 
den Wörter mit Angabe der Stelle (Capitel und 
Vers) aufgeführt werden (Berbal:Concordanz), oder 
ie die Gegenjtände und Begriffe mit Angabe der 
bezüglicden Stellen (Real:Concordanz). Die älteſte 
Concordanz ift die des Hugo de St. Caro über die 
Bulgata 1244. Neuere find: Lankiſch, Deutjche, 

ebr. und griech. Concordanz: Bibel, 1677, in der 
gabe von Reineccius (Leipzig 1718), weitaus 


154 


Goncorbat 


bie befte Concordanz; ferner Büchner, Neal» u, 
BerbalsHand-Eoncordanz, 1740, 11. Aufl. 1859; 
Bed, 1770, Wichmann, 1782, n. Aufl. 1806; 
Scott, 1827; Hauff, 1828; Bernhard, 2. Aufl. 
1860; Zung, 1853 (fath.); für Cafualfälle u. f. w. 
von Wagnig, Haupt u. A. Hebräifche Eoncordanzen: 
Mordechai Nathan, 1523 u. ö.; Buxtorff, 1632; bie 
neuefte: Yürft, Concord. librorum V. T. sacr. 
hebr. atque chald. etc., Zeipg. 1840. Griechiſche: 
C. H. Bruder, Tamieion, 2. Aufl, 1853, das befte 
Werk über dad N. T.; Betulejus, 1546, Stepha- 
nus, 1594, Schmid, 1638, William, 1767, 
Eoncordat und Gireumferiptiondbullen. Con⸗ 
cordat ijt der Vertrag zwiſchen dem Papfte ald 
dem Oberhaupt ber Kirche und einem Staate, in 
welchem die —— der Kirche in demſelben, 
die ihr zugeſtandenen Rechte, aufgelegten Pflichten 
und die übernommenen Leiſtungen des Staates 
feftgejtellt werden. Beſtimmungen biefer Art fin- 
den ſich aud in den Eircumfcriptionöbullen, welche 
bie Bisthüwer abgrenzen und einrichten, in Bezug 
auf diejenigen Staaten, welde ſich zur Abſchlie⸗ 
Bung eines förmlichen Goncordates nicht verſtehen, 
wie 4. B. Breußen 16. Juli 1821, Indem bie Cir: 
eumjeriptionöbullen vom Stacte genehmigt und 
publicirt werden, leiften ſie thatfägich der Kirche 
dafjelbe wie ein Concordat. Der Abſchluß von 
Goncordaten bezeichnet ein von der Nothwendig- 
feit erzwungenes Ablafjen ber Kirche von ihren 
theoretifch feftgehaltenen Macdhtanfprüden; es ift 
daher auch die Anficht ausgeſprochen (Ueber ben 
Charakter der Concordate, 1853), bie —— 
vie der Kirche jeien nur Privilegien und fönnten 
daher vom Papfte ug widerrufen werben. 
Die lange fejtgehaltene Anficht, Concorbate (in 
völlerrechtliche Verträge, die aljo nit einjeitig 
geändert werben könnten, 2 die neuere Zeit 
Baden, Würtemberg, auch Defterreih) ebenfalls 
jtritten und will ben Inhalt der Concordate mit 
Recht in die Landeögefeggebung siehen, welche die 
Bedingungen aufzujtellen habe, unter welchen fie 
der Kirche gewiſſe Privilegien gewähren will, Nach⸗ 
dem von den jüngften Concordaten das eine mit 
Baden vom 28. Juni 1859 an dem Widerjtande 
der Landesvertretung gejcheitert ift, und das an- 
dere mit Defterreich von 1855 jo unheilvolle Früchte 
getragen hat, daß jelbit die Katholiken deffen Auf: 
hebung begehren, jcheint die Periode der Concor⸗ 
date ihrem Ende nahe zu fein. Das älteite Eon: 
cordat ift das Calirtinijche oder Wormfer vom 23. 
September 1122, in welchem der Inveſtiturſtreit 
beendigt wurde. Der Kaiſer geftand freie kanoniſche 
Wahl der Biſchöfe zu, der Bapft, daß die Negalien 
zu Lehen genommen würden. Ym olgten die 
Concordate des Papſtes Martin V. auf dem Con: 
cil zu Conſtanz mit den Deutſchen, ag nn und 
Engländern 1418 über eine gr von diejen Na⸗ 
tionen erhobener Beſchwerden. Die Fürſten⸗Con⸗ 
cordate von 1447 find 5 Bullen, welche bie Frank⸗ 
furter —— der deutſchen Kurfürſten im 
Sinne des Episkopalismus vom 21. März 1446, 
und die in Mainz von den Fürſten angenomme: 
nen Bajeler Reformationspecrete 1447 proviſoriſch 
concediren; ihr wejentlicher Inhalt wurde in dem 
ar aeg Concordate vom 17. Febr, 1448, 
welches der Kaijer im Namen der Nation mit dem 
Papſfte ſchloß, beftätigt. (Vgl. Spittler, Fundas 
mentalge). der deutſchkath. 8. 1790.) Das ber 
rühntelte Concordat der Neuzeitift das franzöjifche, 


Coneordia oanonum diseordantium 155 


am 15. Juli 1801 durch ben päpftlihen Minifter 
Sonfaloi abgeſchloſſen, und am 8. April 1802 mit 
ben organiſchen Artifeln promulgirt. Außerdem 
mit Bayern 5. Juni 1817, mit Hannover 1824, 
mit den Staaten ber oberrheiniſchen Kirchenpro: 
vinz 11. April 1827, mit den Niederlanden 1827, 
mit Spanien 1845, mit Rußland 15. Nuguft 1847, 
nit Defterreich 25. September 1855, mit Würtem: 
berg 8. April 1867. 

oncordia canonum discordantium ift 
ber Titel, den jet die Ausgaben des Decretum 
Gratiani führen, weil es in biefer Decretalen: 
fammlung darum zu thun tft, die Widerſprüche 
und Unebenheiten auszugleichen. 

Goncordienbug — te Geſammlausgabe 
ber lutheriſchen Belenntnißſchriften, welche am 26. 
Juni 1580 in Dresden deutſch erſchienen iſt mit 
einer Vorrede und der Unterſchrift der damit ein⸗ 
veritandenen Neichäftände. Sie enthält: die ölu: 
menishen Symbole, die unveränderte Augsburger 
Eonfeifion, die Apologie, die Schmaltatifjen Ar: 
titel, Luthers Katechismen und die Goncorbien: 
formel und wurde dadurch bie „Magna charta 
deö deutſchen Lutherthums“. 

Contordieuforiuel. Von der Mitte des Nefor: 
mationsjahrhunderts an erhoben ſich in der luthe⸗ 
rigen Kirche eine Reihe heftiger dogmatiſcher 
Gtreitigteiten. Es wurde geftritten, ob in der evan: 
geliihen Kirche nur noch das Evangelium (Agri: 
cola), oder aud noch das Geſetz zu predigen jei. 
Durch) die formal juriftifche Auf ns der Recht: 
fertigung wurde der Dfiandrifche Streit hervor: 
** da Oſiander den Prozeß der Rechtſerti— 
gung als einen mehr materialen auffaßte und da: 
durd eine Annäherung an den Ratholicidmus an: 
zubahnen ſchien. Diejen Gegenfägen ganz entjpre: 
hend erhob fich zu gleicher Zeit ein Streit über 
bie Frage, ob die guten Werte nothwendig jeien 
zur Sehgteit oder nicht. Gegen ©. Major be: 
bauptete Amsdorf fogar die Schädlichfeit ber 
„og Werke. Bon ng tößerer Bedeutung war 

fogenannte ſynergi —* Streit über das Ber: 
haltniß des göttlichen Willens zum menſchlichen. 
Nahdem Luther zuerft, wie Calvin, ſtreng präde: 
ftinatianifch gedacht, mifderte er fpäter feine Mei- 
nung, ald an bie Stelle der erften Gefühlsfülle 
das dogmatifche Reflectiren trat; Melanchthon 
aber ging vor bis zur Lehre eines gewiſſen Syner: 
giämus. Bon feinem Schüler Pfeffinger verthei: 
digt, erwedkte er einen heftigen dogmatiſchen Han: 
bel, in welchem der eifrige Flacius ſelbſt ſoweit 
ging, daß er die Sünde ir etwas Subftantielles 
erlärte. Endlich waren die Abendimahls: und die 
griſtologiſchen 


treitigkeiten von Neuem erwacht. 


ö —— Luther⸗ 
thum allen dieſen Kämpfen ſiegreichen Widerſtand 
34 geltend, dieſes 

aus den Kämpfen gejtählt —* angene, neu 
hum Ten # und firden: 

gejeglich zu beitimmen. Träger diejer Idee 
war der Tübinger Profefjor Jalob Andreä, der bei 
Kurfürft Auguft von Sachſen Unterftügung fand. 
Stpodbiihen Goncarbie (og. Safe für Bft hen 
i ncorbie (vgl. x. für hiſt. Theol. 
1866), der Schwäbiſch⸗ſächſiſchen 


t lirchli Rechtes nicht zu re 
ncorbie, der Mißbrauch. Vgl. Ehe, 3 e, 


Coneubinat 


Maulbronner Formel, dem Torgiſchen ed. 
Semler, 1760), traten eine Anzahl der eu 
enditen Theologen: Andreä, Chemnitz, Selneder, 
Shyträus, Musculus, Körner, im Klofter Bergen 
bei Magdeburg zufammen und verfaßten unter 
F Reviſion der drei Erſten eine in wiſſenſchaft⸗ 
licher Darſtellung ausgeführte Bekenntnißſchrift, 
welche am 28. Mai 1577 vollendet war, — das 
Bergiihe Buch oder Concordienformel genannt. 
Daffeibe zerfällt in 12 Artifel: 1) de peccato ori- 

Er (Erbfünde); 2) de libero arbitrio (frei 
ilfe); 8) de justitia fidei coram deo (Glau— 
benögerechtigfeit); 4) de bonis operibus (gute 
Merte) ; 5) deloge et —— (Beleg un Evan: 
elium); 6) de tertio usu legis (dritter Gebrauch 
Geſetzes); 7) de coena Domini (Abendmahl); 

8) de persona Christi; 9) de descensu Christi a 
inferos (Höllenfahrt); 10) de caeremoniis ecele- 
siasticis, quae vulgo adiaphora vocantur (Adia⸗ 
phora); 11) de aeterna praedestinatione et elec- 
tione Dei; 12) de aliis haeresibuset sectis. Neben 
ber Predigt des Evangeliumd wurde auch die des 
Gejeges anerlannt. Rechtfertigung und Heiligung 
wurden als zwei verſchiedene Krojeffe gegen Oſian⸗ 
ber getrennt. Gute Werke gehen nothwendig aus 
bem Glauben hervor. Bei der Belehrung wirft ber 
Menſch nicht mit, die Erbfünde macht ihn gleich 
einem Kloß. Der Synergismus ift alfo verworfen, 
aber auch der Flacianismus. Die Abendmahlälehre 
Calvins und die Präbeftinationdlehre werden ver: 
bamınt, Die communicatio idiomatum anerfannt. 
Die neue Bekenntnißſchrift wurde von 86 Reichs⸗ 
ftänden, worunter auch Sachſen, Brandenburg, 
Mecklenburg, Würtemberg, die Pfalz, Baden, un: 
terjchrieben, verworfen von Heflen, Nafjau, Anhalt, 
Pommern, Holftein, Bremen, Nürnberg u. a. 
Diele Stände fielen jpäter von der Concordien⸗ 
formel ab, eigentlih nur Kurſachſen blieb treu, 
wo ber Kanzler Erell im e 1601 den Kampf 
dagegen auf dem Schajfot büßte. Vgl. Heppe, Ge: 
ſchichte der luth. Goncorbienformel und Eoncorbie, 
1858, 2 Bde. Göſchel, die Eoncordienformel nad 
Geſchichte, Lehre und kirchl. Bedeutung, 1858. 
Franf, die Theologie der Concordienformel, 1858, 
8 Bode. Heppe, der Tert der Bergijchen Concor: 
dienformel, verglichen mit dem Texte der Schwäb. 
Concordie, der wãbiſch⸗ ſächſiſchen Concordie 

und des Torg. Buches, 1857. 

Gonenbinat, Die gefchlechtlihe dauernde Ver: 
bindung zweier Berjonen ohne die Formen —32* 
ſchließung. Sie galt dem älteren römiſchen Rechte 
als zuläſſig, wenn die Frau niedern Standes war, 
und unterſchied ſich, wenn lebenslänglich, wenig 
oder gar nicht von der formlofen Ehe (matrimo- 
nium tantummodo). Daflelbe fand ſich in 
Deutichland namentlich beim Adel. Das Gebot der 
feierlichen Eheſchlieung und damit das Verbot 
des Eoncubinates erließ im Orient Leo der Philo⸗ 
joph 873, im Dccident Die Staatsgeſetzgebung erſt 
im 16. Jahrhundert und das Tridentinum. Seit: 
bem ift durch Staats⸗ und Kirchengejeßgebung jede 
Verbindung eined Mannes mit einer Frau ohne 
bie Form der Eheſchließung für ftrafbar erflärt. 
Wenn feitens der katholiſchen Kirche die Bezeich⸗ 
nung Goncubinat auch für die allein durch bürger: 
liche Trauung geſchloſſenen Verbindungen anges 
wandt worden, “ iſt das ein jelbjt auf dem Stand» 
—— 

ibat. 


Concu rsus divinus 


Coneursus dirinus, Die Lehre vom concursus 
divinus, d. h. der göttlichen Mitwirkung bei dem 
freien Handeln der Menſchen, entipringt aus dem 
Beitreben, eine Formel zu finden, in der ſich das 
Verhältnif der relativen sang Br der Welt zu 
ihrer abjoluten Abhängigkeit von Gott auäfprede. 
Als Ertreme weift diefe Lehre die pantheiftifchen Lö: 
jungen des Problems ab, wonad) das Endfiche nur 
null Fo nei des Unendlichen ift; den Carte: 
fianifchen Occafionalimus, nach welhem Gott im 
Körper wie im Geifte wirfet und dieſe enge ar 
nur zufammentreffen; bie Tpeosie, wonach Gott 
allein und die kreatürli aft nur fcheinbar 
wirft und den in allen dieſen Syftemen liegenden 
Determinismus, der die Realität der Slinde ge: 
fährbet. Weber die Schwierigkeiten, die bei bieten 
Theorien hervortreten, ſ. Müller, Lehre von der 
Sünde, 3 Aufl. 1, S.310 ff. Rothe jagt über dieſes 
Verhältnib Folgendes: „Die Weltregierung Gottes 
ift feine ſchlechthin allwiſſende, allweiſe und afl- 
mächtige Wirkfamfeit, vermöge welcher er in ber 
Entwidlung der Welt aus fich felbft heraus das 
Spiel der relativ jelbjtändigen natürlichen nz, 
inöbefondere der perföntichen, jo leitet, daß eben 
mittelft deffelben ſein ewiger Weltplan fi voll: 
zieht, oder feine ewige Weltidee ſich in tätiger An- 
näherung ſchlechthin unfehkbar reafifirt.“ „Dem 
wie jehr auch die einzelnen Erfolge jeder für fü 
Wirkungen der Freatürlihen Selbitbefiimmung 
find, ihr Totalergebniß ift Die Wirkung ihrer Ber: 
müpfung und Berfettung unter einander, und dieſe, 
die wir den Zufall zu nennen ——— iſt allein 
Gottes Werk, das einer Weltregierung.“ 
Rothe, Ethit,2. Aufl. 1,8. 54; Scheulel, Dogm. II, 
©. 251; Martenjen, Dogm. ©. 191. 

Eonferenz. Evangeliſche Kirchenconferenz. Ein 
periodiſcher Zufammentritt von Abgeordneten der 
deutfchen evangel. Kirchenregimente, um wichtigere 
Fragen des kirchlichen Zebens zu ge Nah 
mannigfachen Borverhandlungen erlin 1846, 
Frankfurt 1851, feit 1852 jährlich, ſpäter zweijähr: 
lih in Eifenad. Ihr * ift das Allgemeine 
Kirchenblatt von Mofer, Stuttgart 1852 ff. Die 
Auswahl fogenannter Kernlieder für die kirchl. Ge: 
ſangbücher, eine Kirchliche Statiftik für das evangel. 
Deutſchland von Zeller 1865 und die Anbahnung 
(f. d. Art. Canſtein) einer Verbeſſerung der luthe: 
riſchen Bibelüberfegung find Früchte diefer Con: 
ferenzen. 

Confessio, Eonfeffion. Belenntniß. Daher das 
Geftändnik der Sünden in der Beichte, wonach der 
Beichtvater auch confessionarius heißt. Meiſtens 
aber wird das Wort gebraudt von dem ſchriftlich 
niebergelegten Glaubensbelenntniß, und weiter als 
Brreihnung der Religionsparteien, die ſich Durch 
Zuftimmung zu einem ſolchen von andern unter: 
fcheiden. Der Ausdruck Confessio für das öffent: 
liche Glaubenäbelenntniß einer Refigionspartet ift 
erit jeit der Reformation üblih. Die widtigiten 
derjelben find: die Conf. Anglicana, das Befennt: 
nif der engliſchen Kirche, 1552 in 42 Artikeln von 
Eranmer verfaßt, Weglaſſung der legten 3 
Artikel 1563 von Deftätigt und publiciet 
1571 als das Blaubenäbelenntniß ber 39 Artilel; 
Conf. Anhaltina 1579, das pe. refor: 
mirte Betenntniß in Anhalt; Conf, Argentina oder 
Tetrapolitana, 1530 zu g von ben 4 
Städten übergeben ; Conf. Augustana 1530, das 
Augsburgiſche Bekenntniß, durch Melanchthon ver: 


156 





















verfaßt; 





Confirmation 


faßt; Conf. Basileensis in Baſel 1534, auch Conf. 
Mühlhusana genannt; Conf. Belgica, 1562 von 
den Reformirten in Niederland Philipp IL über: 

ben; Conf. Bohemica 1575, das gemeinfame 

efenntniß der 4 evangel. Parteien Böhmens ; 
Conf. Gallicana ober de la Rochelle 1559 in 
Frankreich; Conf. Genevensis, 1558 von Farel 
onf. Helvetica, I. 1536, II. 1564, und 
Conf. Rhaetica 1552, mit der genannten Bafeler 
Confeſſion die Belenntniffe der Schweiz; Conf. 
Saxonica, 1551 von Melandthon zur Borlage an 
das Tridentinum; zu demjelben Zmede die Conf. 
Würtembergica 1552; Conf. Sigismundi oder 


eworben. Es gilt a 

eiungen von bürgerlichen Laſten, weldye die Bor: 
zeit einer Eonfeffion zugeftanden, wie 3. 8. den 
Mennoniten die Befreiung vom Militärdienſt, dem 
GConvertiten erg bewilligt werden. Außerdem for: 
dert der Staat die Freiheit der Weberzeugung, und 
macht daher die Erklärung des Hebertrittö von einer 
beftiminten Alteröreife abhängig, annus discre- 
tionis. Da mit der Zugehörigleit zu einer Gon- 
effion beftimmte Rechte und Pflichten verbunden 
lg jo hat der Staat beim Confeſſionswechſel eine 
beitimmte Austritis:Erflärung vorgejchrieben, an 
welche erft die rechtlichen Folgen des Uebertritts 
gebunden find; Firchlich wird der Uebertritt als 
vollzogen angefehen durch active Theilnahme an 
einer unterjheidenden kirchlichen Feier. Die katho⸗ 
fische Kirche hat für den Uebergang zu ihr befon- 
dere liturgifhe Formen (über die wiederholte 
Taufe vgl. d. Art. Kepertaufe). Ueber den Con: 
feſſionswechſel der Neuzeit, ſ. Proteſt. Monatsbl, 
1866 p. 341 


GEonfirmation (Beftätigung) ift bie feierliche 
Aufnahme des Katehumenen in die Abendmahls⸗ 
gemeinjchaft nach Ablegung des Glaubensbekennt⸗ 
niffes. Sie kann weder als Erjag der Firmung 
nod) ald aus derjelben hervorgegangen angejehen 
werden, denn es findet feine andere Aehnlich— 
feit ftatt, ald daß die Zeit für beide Handlungen 
das fpätere Kindesalter ijt, feine andere Ber: 
wandtichaft, als daß beide eine Folge der Kin: 
dertaufe find. Die Firmung (f. d. Art.), in der 
das frühere Taufmonopol der Bifchöfe fich geltend 
macht, will den Kirchengliedern durch No ig: 
leit des Sacramentes ihre Gebundenheit an die 
Hierarchie ausdrüden ; die Confirmation der evan- 
gelifchen Kirche ift die Forderung und Anerfennung 
der Nothwenbdigkeit des perſönlichen Glaubens zum 
Heilsbeftg. Die Confirmation entwidelte fich in ber 
evangelifchen Kirche erft allmählih. Nur in ver: 
einzelten Kirchenorbnungen (Straßburg, Bommern) 
tritt ein den fatechetiihen Unterricht abſchließender 


Confirmation 


Act ein. Je dogmatiſch ſtrenger die Richtung der 
Kirde wurde, deſto mehr trat die Confirmation in 
den Hintergrund, weil bie Objectivität der Taufe 
gefäßrbet ſchien durch werte Hy Inſtituts, 
das die Taufe ergänzen ſollte. Erſt durch Spener 
iſt fie in die evangeliſche Kirche vollſtändig einge: 
fuhrt. Die Confirmation bildet den Abſchluß des 
Katehumenenunterrichtes, der zur Abendmahlsfeier 
vorbereitet. Wejentlich ihr gehörig ift aber die Prü: 
fung von der Gemeinde oder ihrem Vorſtand, als 
ein Bezeugen bes Vertrautjeins mit der Heildwahr: 
beit. Die Handlung jeldft zerfällt in das Bekenntniß 
des Confirmanden und Das a era bt 
legung verbundene Fürbittegebet. Unevangelifch ift 
die Gonfirmation zuweilen dem Superintendenten 
vorbehalten, in der englijchen Kirche dem Bifchof. 
Eine überjpannte Borftellung von der Wirkung der 
Gonfirmation, die der magijchen fich nähert, tft in 
neuerer Zeit zum Borjchein getreten. Ueber ⸗ 
firmation — Höfling, Sacrament der Taufe, 
2 Bbe., 1846 48; Bachmann, die Confirmation 
des Katechumenen, 1. Abth., Berlin 1852. 

Gonfirmation im kirchenrechtlichen Sinne ift die 
Beitätigung der Wahl oder Präfentation eines 
Geiftlihen durch die kirchlichen Borgejegten ober 
die StaatSbehörden. 

Gonföderation. Diefer Name ift dur ben 
wang. Kirhentag in Anwendung gelommen zur 
Bezeichnung einer erjtrebten Verbindung der Con: 
dag bie unter Bewahrung der confeffio: 
nellen Bejonderheiten die Erreihung praftijcher 
und firchenregimentlicher Zwecke ermoͤglichen fol. 
Die E. bildet den Gegenjag zur vollen Union. 
Bol. Fabri, die politische Lage und die Zukunft der 
evangeliichen Kirche in Deutichland, 1867. 

Gonformiften. S. Nonconformiften. 

Gonjucins, Religionälehrer China’s, eigentlich 
Konzfustfü, d. 5. Gelehrter, wurde geb. im Für: 
Be Su 551 v. Chr. aus einem vornehmen 

andarinenhaus. In den Staatsdienft eintretend, 
übernahm er zunächſt ein unbebeutendes Verwal: 

Samt, in weldem er fich aber bald als ein 
wirtschaftliches Talent hervorthat. Nach dem Tode 
feiner Mutter, die er innig verehrte, zog er ſich 
von feinem Amte zurüd, und widmete fi einer 
tiefgehenden a und fittlihen Arbeit an ſich 
und in fich jelbit. Im dreißigſten Jahre trat er 
als Tugendlehrer öffentlih auf und fammelte 
Jünger um fich. Eine Zeitlang an den Hof des 
Königreihs Tſi berufen, kehrte er fpäter in feine 
Heimath zurüd, wo er raſch auf der Stufenleiter der 
Ehre bis zu dem Range eines Minifters emporftieg. 
Aber ald er nad dem Tode des Königs Ting: 
Kung von feiner Stellung weichen mußte, ging er 
wieder zu ber früheren Ailferen Thätigkeit über 
und ftarb hoch verehrt 479 0. Chr. Seine 2 ver: 
breitete ſich allmählich durch bedeutende üler 
wie Meng:tfü über ganz China und wurde zur 
Staatsreligion erhoben. Sie ift mehr Sittenlehre 
ala Heligion, wenigjtens von allen theologischen 
Speculationen weit entfernt. Man joll wohl der 
Gottheit Ehrfurcht erweiſen, aber mit Gefühl und 
Denten nie in zu nahe Berührung mit ihr fommen. 
Der Himmel als der Vater, die Erde ald die Mut: 
ter aller Lebendigen, beide aus einem höhern Brin: 
tip, dem Y, hervorgegangen, werden verehrt, aber 
ein eigentlicher religiöjer Eultus bejteht nicht. Das 
teligiöfe Gefühl der Chineſen ift weſentlich Pietät 
gegen die Eltern, die Ahnen und befonders den 


2 


—— —ñ —ñ —ñ — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — 


Conſalvi 


Kaiſer, den Sohn der Gottheit. Die Nächſtenliebe, 
die Vervollkommnung, den Weg der Mitte im 
Leben fern von allen Extremen, die Harmonie der 
Seele, gewifjenhafte Pflichterfüllung ſtellt die 
Lehre des C. als ihre Ziele Hin. Indem „Schufing“ 
bat E. die Sprüde älterer Weiſen — 
Spütere Schriften, wie vorzugsweiſe dad „Ta Hio“, 
ftellen feine eigene Lehre dar. 

Eonfutation Der Augsburger Gonfeffion. ©. 
—— Confeſſion. 

ongregation. Eine geiſtliche Verbindung zu 
beftimmtem chriſtlichen Zwede. Bon den Orden un: 
terſcheidet fie fih dadurch, daß ihre Glieder die 
Ordensgelübde gar nicht ober nicht alle able: 
gen. Sole Eongr. find die Laienhoäpitalbrü- 
der 1297, die Brüder der hriftlichen Liebe 1545, 
die Angelifen 1530, die Piariften 1640 u. a.; im 
mweitern Sinne heißen Gongregation auch Brüder: 
Ihaften und andere Bereine. — Drdens:Congre: 
ation or Complex von Klöftern unter gemein: 
* gel und einem gemeinſamen Vorſtand; 
te bildeten ſich innerhalb der Orden durch Refor: 
men und ein —— auf größere Strenge 
der Regel. S. au rdinal. 

Gongregationalißen. S. Independenten. 

Congrua ift das ald Minimum zum ftandes- 
mäßigen Unterhalt eines Geiftlichen erforderliche 
und fejtgejegte Einfommen. Die Klagen über un: 
ng ofbung ber niedern Geiftlichkeit find 
* alt; das Tridentinum traf Beſtimmungen, die 
* erbeneficien vor ber Habgier der geiſtlichen 

bern zu ſchützen. In den Eoncordaten ift meift 
bie Congrua der Pfarrer feitgefegt; für die evan⸗ 

eliſche Kirche Badens durch die Negulirung des 

—— nach beſtimmten Klafſen, fo daß für 
jedes Dienſtalter ein Maximum und ein Minimum 
beſtimmt iſt. Anderwärts, wie z. B. im preußiſchen 
Rheinland, hat man wohl das Minimum des Er— 
forderlichen berechnet, aber noch nicht die Möglich— 
feit gefunden, e8 zu befchaffen. 

Gonring, Hermann. Einer der vielfeitigften 
Gelehrten des 17. Jahrhunderts. Geb. zu Noorden 
am 9. Nov. 1606, ftudirte er zu Helmftädt und 
Leyden, wurde 1632 Profeffor der Naturphilofophie 
zu Helmftädt, 1637 auch der Medicin, beſchäftigte 
ſich daneben eingehend mit Staats: und zn. 
und war einer der einflußreichjten Männer der Zeit. 
Er jchrieb eine große Anzahl medicinifcher, juriſti⸗ 
jcher und theologiſcher Schriften. In feinen die 
firhligen Fragen betreffenden Werten zeigt er 
fid) ald Schüler und Verehrer Calixts, den er auch 
in einer bejonderen Schrift gegen deſſen Feinde 
vertheidigt hat. Bedeutend find eine Anzapl jtaats- 
und firchenrechtlicher Arbeiten, in denen er das 
Recht des Staates in Bezug el die Kirche betonte, 
unb bie a — Confeſſionen zu einander 
behandelte, z. B. De constitutione episcoporum 
(iermaniae, und De coneiliis et circa ca summae 
potestatis auotoritate. Bortrefflich find auch feine 
polemiſchen Schriften gegen die katholiſche Kirche: 
Defensio ecclesiae protestantium adv. duo pon- 
tificiorum argumenta; Fundamentorum fidei 
pontificiae concussio u. a. Auch die ſchwachen 
Stellen in der Gefchichte und Dogmatik der römi: 
chen Kirche deckte er auf. + 12. Dec. 1681. Eine 
unvollſtändige Gefammtausgabe feiner Schriften 
in 6 Bbn. Fol. von Göbel, 1730. 

Conſalvi, Ercole. Römifcher Diplomat. Geb, zu 
Rom am 8. Juni 1757. Seit 1786 in der römtfchen 


Conscientiarii 


Prälatur angeftellt, war er beim Ausbruch der Rer 
volution feit 1792 Auditor der Rota (oberften 
Gerichtshofes) und wurde 1797 Affefjor im Kriegs: 
minifterium. Bon den Demolraten und Franzoſen 
verfolgt, mehrfad) verhaftet, verließ er Rom, war 
Gecretär des Conclave bei der Wahl Pius’ VIL.; 


15 





8 Conftantin der Große 


= Torgau und „der —— Bedenken“ 1538, 
er Kurfürft zu Sachſen 1539 in Wittenber 
einrichtete und 1542 zum Gonfiftorium, au 
ur Handhabung der Disciplin erweiterte. Sie 
nd dann in allen lutherifchen Ländern eingerich- 
mworben. In Preußen 1808 aufgehoben, wur: 


von diejem 1800 zum Earbinal und Staatsjerretär | den fie 1817 wieder angeordnet, und ihre Com: 


ernannt, jchloß er als folder das Eoncorbat mit | petenz 1845 erweitert. 


Frankreih. Auf Napoleons Begehren 1806 ent: 
lafjen und nad) Beziers verbannt, rieth er zur Ab: 
lehnung bes Eoncorbates von Fontainebleau 1813. 
Vertrat die Curie 1814 in Wien, führte unter hef⸗ 
tiger DOppofition Reformen im Kirchenftaate im 
abſolutiſtiſchen Sinne dur, ſchloß dann die Eon: 
eordate mit den deutihen Fürften ab und ftarb 
1821 alö Präfect der Propaganda. 
Conseientiarii. Die Anhänger des M. Knut⸗ 
fen 1674 (f. d. 9.). 
Eonfecration. Die Weihe des Brobes und Wei: 
nes im Abendmahl. Der Ritus ift das 
ober Singen der Einfegungsworte und das Bezeich: 
nen mit dem Kreuz. Ebenfalls die Weihe kirchlicher 
Saden und Geräte. Vgl Benedictionen. 
Consensus een) ift der Titel 
mehrerer Befenntnihfchriften der Reformationszeit, 
welche in den Lehrdifferengen Unionsformeln jein 
wollten, oder einer abweichenden Lehre gegenüber 
die einhellige Meinung der Kirche aus — 
behaupteten. Zu den e gehören ber Cons. von 
Sendomir 1570 (f. Brüder, böhmifche), Tigu- 
rinus 1549, Genevensis 1554 (f. Calvin, Bullin» 
ger), Cons. von Dresden 1562 (f. Drespener €.), 
die Conſenſusformel 1567, Cons. Helveticus 1675, 
Cons. repetitus fidei vere Lutheranae 1655 
(f. Calixtus). 
Consiliaevangelica, evangelifheRathichläge, 
unterfcheidet die katholiſche Kirche vom Sittengejeg 
(praecepta), als fittlihe Vorſchriften, zu denen 
Piemand verbunden fei, deren Befolgung aber eine 
—— Stufe der Volltommenheit mit ſich führe. 
olche consilia find Armuth, Keujchheit, Gehor: 
fam. Die Reformatoren wendeten ſich ernftlich gegen 
diefe Theorie, auf welcher der Sa von den über: 
Ihüffigen Verdienſten aufgebaut ift, und ftellten ihr 
die Schriftlehre entgegen, daß in Folge ber Sünde 
Niemand den göttlichen Willen ganz zu erfüllen im 
Stande fei. Die kath. Lehre ift die richtige Conſe— 
quenz der fath. Ethik, die weſentlich nur Pflichten: 
lehre ift, ihr Princip ift Gehorjam dem Gebot, 
während die evang. ausgeht von der dee des Gu: 
ten, die das chriftliche Leben zu verwirklichen hat. 
Was die kath. Kirche ald allgemeinen Rath aufitellt, 
wird in der evang. dem Einzelnen unter beitimmten 
Borausfegungen zur Pflicht, die Unterlafjung zur 
Sünde 


Consistentes, Stehende, hießen bie Büßer 
nad) der Ausbildung der Bußdisciplin, wenn fie 
nad) Ueberwindung der erften Bußgrade, ohne noch 
am Abendmahl Theil zu nehmen, dem Gottes: 
dienfte wieder ftehend unter der Gemeinde anwoh⸗ 
nen durften. 

Conſiſtorialverfaſſung. Confiftorien find in 
der evangeliſchen Kirche Deutſchlands die aus 
geiftlichen und weltlichen Mitgliedern zufammen: 
gejegten Rathöcollegien, melde die ſog. biſchöfliche 
Gewalt des Landesheren ausüben und das fir: 
henregiment verwalten. Hervorgegangen find fie 
aus den Ehegerichten, welche nad) den Schmalfal- 
diſchen Artitein 1537, dem Antrag der Landſchaft 


\ * Geſchäftskreis umfaßt 
bie fog. jura episcopalia (biſchöfliche Rechte): 
bie oberfte Regierung und Verwaltung, die Auf: 
ficht, die Verleihung der Aemter, die Kirchliche 
Gerichtäbarkeit, die obere Vermögensverwaltung 
(fteht in Preußen bei den Regierungen). Die Con» 

ftorien I lanbeöherrliche ftaatliche Behörden, 
ie mit kirchlichen Geſchäften betraut find, ihre 
Mitglieder werden vom Landesherrn berufen und 
angeftellt ald Staatödiener. Daß die Landesherrn 
von ber Kirche mit der Kirchenregierung be: 
traut, die Eonfiftorien daher ald Behörden der 


Sprechen | Kirche anzujehen feien, ift eine Firchenrechtliche 


Fietion. Eine wirklich Firchliche Behörde wirb das 
Confiftorium erjt da, wo eine Verantwortlichkeit 
ber Kirche, d. h. einer Synode gegenüber vorhan⸗ 
den ift, unabhängig von den Drganen bed Staates. 
(S. Biſchöfl. Gewalt des Landesheren.) Die Wir: 
fung ber Eonfiftorialverfaffung tft vielfach Unter: 
gang eines jelbftthätigen Gemeindelebens unter 

üreaufratifher Schablone gewejen. Den ch, 
die Conſiſtorialverfaſſung mit der Presbyterialver⸗ 
faffung zu vereinigen, machte die rheiniſche Synode 
1844 und 1850. Verſchiedene Berfuche, mit der Eon- 
fiftorialverfaffung eine Synodalverfaffung zu ver: 
binden, find bis jegt noch nirgend geglüdt. In 
den Kirchenverfafiungen von —— und 
Baden iſt das Conſiſtorium Organ einer Reprä⸗ 
ſentativverfaſſung, daſſelbe wird dadurch Aufſichts⸗ 
und Verwaltungsbehörde und der Synode ver: 
antwortlid. S. Richter, Kirchenordnungen. Dove, 
Sammlung der widtigften neuen Kirchenordnun⸗ 
gen, 1867. Die Gentralbehörbe für die Eonfiftorien 
eines Staates ift ein Dber:Eonfiftorium (in Preu⸗ 
Ben ie oder das Cultus⸗Miniſterium. 
Mediat⸗Conſiſtorien find die mit beſchränkten Con: 
ſiſtorialrechten verſehenen Conſiſtorien der Stan⸗ 
desherrn oder einzelner Städte. 

Conſiſtorium (Consistoire). Der früher übliche 
Name der Presbyterien in der reformirten Kirche. 
E. beißt ferner die Berfammlung der GCardinäle, 
in welcher die päpftlihden Breven und Allocu: 
tionen verfündigt werden. Auch die bifchöflichen 
Behörden des Drdinariats oder Generalvicariats 
(f. d. 9.) führen den Namen Eonfiftorien. 

Consolamentum (Troft). Der Einweihungs: 
Ritus der Handauflegung bei den Katharern, die 
Geiftestaufe nach Joh. 14, 16 u. 26. 

Gonftans 1., Kaifer. Yon 337 — 350. Verbot 
in Gemeinfchaft mit feinem Bruder und Mitfaifer 
Gonftantius 346 den heidnifchen Eultus, I 
die Donatiften durch Ueberredung und mit Ge: 
walt zu unterbrüden, begünftigte Athanaftus, 
und ward von Magnentius ermordet 350. 

Gonftantin der Große, Geb. 274. Sohn bes 
Conſtantinus Chlorus und der Helena. Nach fei: 
nes Vaterd Tod zum Kaifer ausgerufen 306, be: 
fiegte er feine Mitfaifer Maxentius 312 im Weften, 
Marimus 320, Licinius 314, 323. Seit 311 dem 
Chriſtenthum zugemendet, theils aus Politik, theils 
aus Aberglauben (mie vielleicht das bekannte 
Geficht des Kreuzes mit der Inſchrift: In hoc 


Conftantin 


signo vinces beweift), theils aus philofophifcher 
Ueberzeugung von den dhriftlihen Ideen, denen 
fein Vater nicht abgeneigt und feine Mutter 
lebhaft zugeneigt war, ohne in feinem Leben 
den chriſtlichen Grundfägen viel Nechnung zu 
tragen, wie die graufame Hinrichtung feines Soh—⸗ 
ned Erispus zeigt, erließ er 311 das erſte Dul- 
dungsgeſetz, gab 312 dem Chriſtenthum ftaatliche 
Anerfennung und ließ 315 —323 die ferneren 
Gejege folgen, melde das Chriſtenthum zur 
Etaatöreligion erhoben. 330 verlegte Eonftantin 
die Refidenz von Rom nad) Byzanz. Um bie Ein: 
heit der Kirche zu wahren, griff die Staatögewalt 
beftimmenb in die arianiſchen Streitigleiten ein, 
wurden bie jhismatischen Parteien verworfen und 
831 ihre Zufammenkunft unterjagt. Er ftarb 897, 
nachdem er auf dem Todtenbette von dem Biſchof 
Eujebius von Nifomedien die Taufe empfangen. 
Sein Zeben ift bejhrieben von Eufebius, De vita 
Const. libri IV. De laudibus Constantini. 
W. Heinichen 1830. Vgl. Manfo, das Leben Cons 
ſtantins des Gr. 1817. (Hug), Denkichr. zur Ehren: 
rettung Conft. Ztſchr. für d. Erzd. Freiburg 1829. 
Arendt, Tüb. Quartalſchr. 1834. Befonders aber: 
I. Burdhardt, die Zeit Conft. d. Gr., Bafel 1853, 
und Th. Keim, der Lebertritt Gonit., Zürich 1862. 
Gonftantin, Papſt, 708—715. Bemühte fich, die 
Dberherrlichkeit des römischen Stuhles über die 
Erzbisthimer Ravenna und Mailand zu behaup- 
ten. Juftinian, auf deſſen Befehl er nad) Niko: 
medien reifen mußte, ſoll begrüßend ihm die Füße 
elüßt und damit dieſe Sitte eingeführt haben. 
in anderer Gonftantin wurde nah Pauls 1. 
Tode 768 durch feinen Bruder y.. zur 
Bapftwürde erhoben, aber vertrieben. Da er nicht 
lanoniſch ermwählt worden, wird er in die Reihe 
der Bäpfte nicht gezählt. 
Gonftantinopel. Die alte Colonie Byzanz, von 
Eonftantin dem Gr. 326 als zweite Hauptftabt 
des Reichö neu gegründet; die erfte Stadt, die als 
Hriftlihe entitand und in der feine heidnifchen 
Tempel (außer vorübergehend zu Julians Zeiten) 
eduldet wurden. Bon Bedeutung nicht nur für 
ie politiſche Geſchichte, jondern auch für die Ent: 
wickelungsgeſchichte der Kirche wurde Conſtan⸗ 
tinopel als der Mittelpunkt, um den ein eigen: 
thümliches Kirchenweſen, abweichend vom römi: 
ſchen Ratholicismus, fich bildete, welches die Auf: 
gabe, das bürgerliche Leben mit dem Geifte Chrifti 
und der Kirche zu erfüllen, in der Unterordnung 
der Kirche unter den Staat zu löjen verfuchen 
tonntd; welches, ſelbſt nicht originell ſchöpferifch, 
die eberlieferungen der Vorzeit und der griechi: 
hen Eultur treu bewahrte, die Kunft und die 
Wiſſenſchaft zuerft mit dem Chriſtenthum verband 
und das Öerettete zur rechten Zeit dem Abend— 
lande wieder überlieferte zur Erneuerung der er: 
n Kirche. Die Bedeutung Conftantinopels 
ür die Gulturentwidelung Europa's und als der 
ächter gegen den Einbruch des aſiatiſchen Gei— 
ftes, ſpricht ſich in feiner wechjelvollen Geſchichte 
aus; 29 Mal ift Eonftantinopel belagert und 7 
Mal erobert gewejen, ehe es 1453 zum 8. Mal 
eritürmt bleibend in die Hände der Türfen fiel, 
Die Folgen der Eroberung find fo weittragend 
geweſen, dab man faft jagen könnte, die Periode 
der neuern Geſchichte habe mit dem Falle Con: 
ftantinopelö begonnen. — Synoden find zu Con» 
ftantinopel gehalten: 1) Das 2. otumeniſche Gon: 


159 


Gonftanz 


cil 381, gegen Arianer und Apolloniften und 
wegen des antiochijchen Streited. 2) 553 im Drei: 
capiteljtreit. 3) Das 6. ötumenifhe Concil 680 
gegen die Monotheleten. 4) Das 8. öfumenifche 
ncil 869 reſp. 879 (das erfte von den Römern, 
das zweite von den Griechen allein anerkannt), 
wegen bes Patriarchen Photius. 5) Das trullani: 
ſche Eoncil, Synod. Quinisexta, 691. 6) Die Sy: 
noden gegen Eyrill Lularis 1638 und 1642. — 
Patriarchat. Die Reihe der Biſchöfe wird bis auf 
den Apoftel Andreas hinaufgeführt. Bis zur Neu- 
gründung der Stadt ftand das Bisthum unter 
dem Metropolitan von Heraflea. Als durd die 
Verlegung der faiferlichen Reſidenz der politische 
Einfluß wuchs, —— das zweite ötumeniſche Con⸗ 
cil 381 ihm den Rang unmittelbar nach Rom und 
den Patriarchentitel zu. Das Concil von Chalce⸗ 
don theilte ihm u. Ehren mit Rom und bie 
Jurisdiction im Drient zu. Immer ftrebten nun 
unter Begünftigung der Kaijer die Patriarchen 
von Eonftantinopel dahin, ald das Oberhaupt der 
orientaliichen Kirche anertannt zu werden. Seit 
587 nahmen fie den Titel blumeniſche Patriarchen 
an, nur vorübergehend in jynodalen Kämpfen 
wurde zum Schiedsſpruche Roms die Zuflucht ge: 
nommen (691). Im Bilderftreit vereinigte Yeo der 
Iſaurier Jlyrien mit dem Patriarchat von Eon: 
ftantinopel, und endlich reifte durch die gegen: 
jeitige Rivalität die Spannung zwiſchen Rom und 
Sonftantinopel bis zum Schiöma unter Photius. 
Die Eroberung dur die Türken beeinträchtigte 
vorerft nicht die kirchliche Macht des Patriarchats, 
bob fie eher, weil der Geiftlichkeit allerlei bürger: 
liche obrigteitliche Rechte übertragen werden muß: 
ten. Im 16. Jahrhundert trennte ſich aber die 
ruſſiſche Kirche von Eonftantinopel durch Aufrich: 
tung eines eigenen Patriarhats in Moskau, an 
deſſen Stelle Später die heil. Synode trat. Auch 
ein eigenes ferbifches Patriarchat entitand im 14. 
Jahrhundert, wurde aber 1765 wieder aufgehoben. 
In Folge der Selbftändigfeit Griechenlands löfte 
fih aud diefe Kirche, 4. Auguft 1833, von dem 
Berbande mit Conftantinopel. Die Eroberung Eon: 
ftantinopels durch die Lateiner 1204 veranlafte 
ein lateinifches Patriarchat bis 1261 in Unterord: 
nung unter den römischen Stuhl; dafjelbe dauert 
nod im Batriarchat:Picariat fort, welches die 
Metropolitanrechte über die —— in der 
europäiſchen Türkei und in Kleinaſien ausübt. 
Gonflantind. Sohn Conſtantins des Großen, 
Bruder des Conftans, Kaifer des oftrömischen 
Reiches von 337 — 361, ein Freund der Arianer, 
befonders offen feit dem Tode feines Bruders Con: 
ftans (350). Das unumjchräntte Regiment in der 
Kirche juchte er mit leidenschaftlichem Eifer herzu: 
ftelen; wie er bie. heidniſchen Opfer 356 bei 
Todesitrafe verbot, verfolgte und verbannte er die 
nicäniſchen Bischöfe, die den von ihm perſönlich 
erzwungenen Beihlüffen der Synoden zu Arles 
und Mailand 356 nicht beitraten. Gr jtarb 361. 
Gonftanz. Stadt am Bodenjee, erbaut durch 
Eonftantius Ehlorus, den Vater Eonftantins des 
Großen. Das Bisthum foll hierher von dem zer: 
ftörten Bindoniffa 640 oder 511 verlegt und der 
erſte Biſchof von Conſtanz Marimus geweſen fein. 
Doc ſ. Rettberg 11, 99 ff. Das Bistyum war 
das größte in Deutichland und umfaßte Würtem: 
berg, Baden und einen Theil der Schweiz. Der 
legte Biſchof war Dalberg und fein Generalvicar, 


Conſtanzer Eoncil 


ber die Verwaltung führte, Weflenberg, bis 1821 
bei der Einrihtung der oberrheinifchen Kirchen: 
provinz das Bisthum aufgelöft wurde. Die Stadt 
war freie Reichöftadt ; jo fand auch die Reformation 
rafhen und ungehinderten Eingang durch Blaarer 
und Zwick. Biſchof und Domcapitel mußten die 
Stadt verlafien. Als Reichsſtand ſchloß Conftanz 
ſich der Proteftation von Speyer 1529 an, unter: 
zeichnete bie Confessio Tetrapolitana, trat 1530 
in den ſchmalkaldiſchen Bund, und verlor feine 
reihsftändischen Rechte, ald e8 dem Interim fi 
widerſetzte und von Ferdinand erobert wurde 1548. 
Gonflanzer Goncil. 5. Nov. 1414—22. April 
1418. Berufen von König Sigismund und Jo: 
ann XXI. zur Beendigung des Schiämas, der 
eform der Kirche an Haupt und Gliedern, und 
der Prüfung ber Lehren Wicleffs und Huß', Hat 
eö den traurigen Ruhm, Huß (f. d. U.) verurtheilt 
und verbrannt und die Dargebotene Gelegenheit 
zur Abftellung der Schäden der Kirche der Lift der 
Eurie und der Uneinigfeit der Nationen geopfert zu 
haben. Die Abftimmung geſchah nad Nationen, 
der deutſchen, franzöſiſchen, engliſchen, italieni: 
ſchen, ſpaniſchen. Zwar wurde der Grundſatz auf⸗ 
eſtellt, ein allgemeines Concil ſtehe über dem 
Bapfte ; bie regelmäßige Wiederkehr ber Verſamm⸗ 
lung in je 10 Jahren beſchloſſen; aud die drei 
Eoneurrenzpäpfte (Johann floh, von einem großen 
Sündenregifter verfolgt, Gregor entjagte und 
Benedict wurde aufgegeben) 26. Mai 1415 ab: 
efegt ; aber als trog Sigiämunds, fiberhaupt der 
Deutichen Vorftellungen, zuerft die Reform an 
Haupt und Gliedern vorzunehmen, dennoch vor 
der Befhtußfaffun über die Reformen Odo Co: 
lonna als Martin V. zum PBapft gewählt war (11. 
Nov. 1417), gelang eö demjelben, in Einzelcon: 
eordaten mit den Deutichen, Franzofen und Eng: 
ländern, — durch halbe und zweideutige 
Zugeftändniffe zu beſchwichtigen, auf ein lünftiges 
Eoneil zu Pavia zu vertröften und am 18. März 
1418 das Concil zu fchließen. v. Weflenberg, die 
** Kirchenverſ. 1840, v. Raumer, die Kirchen: 
verſ., im hiſt. Taſchenbuch 1840. 2. Toſti, Storia 
del conc. di Constanza Nap. 1843. Steinhauſen, 
Annal. ad Hist. Conc. Const. 1862. 
Gonftitution. Die aus der Rechtsſprache her: 
genommene allgemeine Bezeihnung kirchlicher, 
virkide Verordnungen. 
nflitutionalismuß, firdliger. Der Aus: 
drud, früher nur von einem Syftem politifcher 
Berfaffung gebraucht, ift in neuerer Zeit auch auf 
die Organijation deö Kirchenweſens übertragen, 
infofern auch bier ein dem politifchen ähnliches 
Repräjentativfgitem fih in einzelnen Ländern 
(Divenburg, Baden) entmwidelt hat. Es ift das 
Synodalfyjtem mit der Conjequenz des politifchen 
Eonftitutionalismus durchgeführt. Die Formen 
der Gemeindeverfaffung, die der kirchliche Conſti— 
tutionalismus für das Berfaffungsleben der Kirche 
im Auge bat, find dem Presbyterialigftem ver: 
wandt. Der innere Unterſchied aber ift, daß hier 
die Bresbyterien als ein über der Gemeinde fte: 
hendes, vornehmlich zur Disciplin und zum Regi: 
ment beftimmtes Amt erfcheinen, nad) dem Gonfti 
tutionalismus aber die Bertretung der Gemeinde 
bilden. Vgl. die Rede Rothe's hierüber in den 
Verhandlungen der badiſchen Generaljynode von 
1561; ferner: Schentels Allg. kirchliche Zeitſchrift 
m Jahr 1861 an. 


160 


Conventifel 


Gonftitutionifien oder Acceptanten hießen in 
denjanjeniftifchen Streitigkeiten Diejenigen, welche 
die Bulle Unigenitus 1713 ohne Vorbehalt ans 
— 

onsubstantialis. Der lateiniſche Ausdruck für 
das im arianiſchen Streite ſo viel gebrauchte griech. 
ouoovᷣoioc, gleichen Weſens, mitwefenhaft, vom 
Sohne Gottes und ſeinem Verhältniß zum Vater. 

onsubstantiatio. Nach der Confubftantia: 
—— Luthers bleibt das Brod im Sacra- 
mente Brod, doch ſo, daß in ſeiner Subſtanz der 
Leib Chriſti wahrhaftig enthalten iſt. ©. Abend: 
mahlslehre und Abenbmablsftreitigkeiten. 

Gontari, Cyrill. Biſchof von Beröa 1636. 
Gegner und Nachfolger des Patriarhen Eyrillus 
Lukaris von Eonftantinopel. 

Gontarini, —— — Pal Geb. 
16. Oct. 1483 zu Venedig. Nachdem er im ſtaats⸗ 
männifhen Dienfte feiner Vaterftadt ald Gefand: 
ter an Karl V. fi ausgezeichnet hatte, ward er 
1535, noch Laie, Cardinal. Bearbeitete als ſolcher 
mit Caraffa, Sabolet und Polus 1537 das Refor- 
mationsgutachten, welches darauf ausging, das 
fittlich eig und die päpftlihe Wi aus 
der römifchen Kirche zu entfernen. 1541 als Le: 
gat nad) Regenäburg gefandt, billigte er bie bort 
verglihenen Formeln, welche evangelifhe Lehren 
unter Tathol. Ausdrüden enthielten, tonnte aber 
dad Scheitern der Verhandlungen nicht verhin- 
dern. Selbft in tiefer innerer religiöfen Ueberzeu: 
gung ftehend, dur Wahrheitäliebe und keuſche 

ittlichkeit ausgezeichnet, ſprach er in einem Trac: 
tat iiber die Rechtfertigung, Contareni De justi- 
ficatione 1571, fo jo aus, daß feine Aeu- 
Berungen fpäter im römiſchen Sinne geändert 
wurden. Obgleich fein Berhalten in Regensburg 
in Italien ſcharfen Tadel fand, ernannte ihn der 
Bapft zum Gardinallegaten von Bologna, wo er 
24. Aug. 1542 ftarb. Beccatello, Vita del Card. 
Cont. in den Epist. Reg. Poli ed. Quirini, t. III 
nebft j. Briefen abgedrudt. 

Gontemplation. S. Betrachtung. 

Gontraremonfiranten. Die prädeftinatianifti: 
[hen Galviniften (Dordredter) in Holland, bie 
* der Remonſtranten. 

'ontritio. ©. Reue. 

Eontroveröpredigten find folhe Predigten, 
deren Haupttendenz die Bejtreitung der ar rei 
Lehre einer andern Religionspartei ift. Wenn: 
gleich die Behandlung der Scheidelehren von ber 
Kanzel nicht auszuſchließen ift, jo ift die pofitive 
Begründung um jo mehr vorzuziehen, als es über: 
aus jchwer Bält, im Kanzelvortrag der Gegenpar: 
tei die volle Gerechtigkeit angebeihen zu Iaflen, die 
verlangt, daß auch die Stellung, welche die Lehre 
im ganzen Syftem einnimmt, zur Sprache gebracht 
werde. Gefchichtlich bietet die reiche Literatur ber 
Controverspredigten eine ſchlimme Blumenlefe der 
Leidenihaft und des blinden fanatiſchen Eifers 
auf der Kanzel. Hier und da hat die katholiſche 
Kirche noch regelmäßige Controverspredigten zur 
Belehrung der Proteftanten beibehalten. 

Gonvenant, richtiger Covenant (f. d. A). 

Eonvent. In Klöftern und Ordens:Eongrega- 
tionen bie Berfammlung der ftimmberedtigten 
Mitglieder. 

Gonventifel, Die religiöfen Privatverfanm: 
lungen der Bietiften, zu denen Speners Collegia 
pietatis den Anſtoß gaben. Weil nicht jelten von 


Conventualen 


antilirchlicher Richtung, wurden fie vielfadh ver: 
boten, jofern fie ohne re eines Geift- 
fihen gehalten wurden. In Würtemberg gab 
ihnen ſchon 1743 das Conventifelgefeg die Frei: 
heit, anderwärts fielen die Befchränfungen erft mit 
der Gewährung der allgemeinen Freiheit des Ver: 
fammlungsredt3. 

Gonventualen. Die Franciscaner, welche fd 
den Reformationen des Ordens entzogen; der 
Gegenfag zu den Objervanten ſeit dem Conjtanzer 
Goncil. Bei den Karmelitern diejenigen, melde 
der milden Regel Eugens IV. folgen. 

Conversi (Befehrte). Die Laien, welche fi 
an die Klöfter anſchloſſen, ohne wirkliche Mönde 
und —2* zu werden; ſie gelobten Gehorſam 
und Keuſchheit. Laienbrüder. 

Gonvertit Heißt vorzugsweiſe der aus einer 
nichtlatholiſchen Eonfeifton in die katholiſche Kirche 
Zurüdtehrende. Convertiten:Eid ift der Eid, in dem 
die Härejie förmlich abgeichworen und das Tri- 
dentiner Glaubenäbelenntnig angenommen wird. 
Vgl. Nippold, der Confeſſionswechſel in unſerm 
Jahrhundert, Brot. Monatäbl. 1867. 

Gonvict. Auf den katholiſchen Univerfitäten die 
nah Möfterlihen Grundſätzen eingerichtete und 
unter biſchöflicher Aufficht ftehende Anftalt des 
Zufammenlebens der katholiſchen Theologie:-Stu: 
direnden. Auf andern Univerjitäten der gemein: 
Ihaftlihe, armen Studirenden umfonjt oder gegen 
ein Geringes bewilligte Tiſch. 

Gonvocation, In der anglicanifhen Kirche die 
Berjammlung der Geiftlichfeit, melde aus dem 
Oberhaufe (den Biihöfen) und dem Unterhaufe 
(dem niedern Klerus) bejteht, auf königlichen Be: 
jehl zufammenberufen wird und das Recht ber 
firhlihen Gejeggebung hat. Die Convocation be: 
kit jeit 1717 nur nod) formell, das Regiment ber 

irhe wird durch das Parlament ausgeübt. 

Gooperator. Ein auf Zeit angejtellter Gehülfe 
des Pfarrers, der in gan von demielben 
an den Filialen thätig ift. Er ift zu unterjcheiden 
von dem Bicarius, und ift ad nutum ordinarii 
amovibel, d. h. er kann nach dem Willen des Bi: 
ſchofs verjegt werben. ‚ 

Gopiaten, von zonıerai Arbeiter oder xanerog 
Grube. In der alten Kirche die zum Klerus ge: 
sechneten Todtengräber, welche in Eonftantinopel 
eine eigene Gilde bildeten. 

Gopulation, Der Act der lirchlichen Eheſchlie— 
fung. ©. Trauung. 

Goquerel, Athanaſe. Berlihmter freifinniger 
ftanzöſiſcher Kanzelredner und Theologe. Geb. 1795 
in Paris, Baftor daſelbſt, + 1868. Viele feiner Re- 
den find gebrudt. Unter feinen Schriften find her: 
vorzuheben: Biographiesacre6e, deutich 1338. His- 
toire sainte et analyse de la Bible, 1850. 1841 
beteiligte er fich an dem Kampfe, der durch Strauß 
über Yon Leben —— erufen war, durch eine 
Legenchrift gegen Strauß. — Sein Sohn Athanaſe 

el, der Jüngere, ift jet eines der Häupter 
der durch bie Tübinger Schule in Frankreich er: 
wahten antifupranaturaliftiihen Richtung. Sein 
Drgan ift das in Paris erſcheinende Lien. Dur) 
die Agitation der gegneriihen Partei aus feinem 

amt entlafien (1862) und alö Redacteur 
deö Lien, ift U. ©. das Haupt der liberalen Agi⸗ 


* 


tationäpartei im reformirten frankreich geworben. 
Bel. U. C. Profession de foi chretienne 1864; 
Predigten 1866. 


161 


Sept. 730. Der Gründer des 


nift des Neformationdzeitalterd. Geb. zu 





Corpus doctrinae 


Gorbinian. Geb. um 680 zu Chartres, + 8. 
isthums Freifing 
in Bayern. ©. Bolland zu 8. Sept. 

Gorderiuß, Balthajar. Geb. zu Antwerpen 
1592, + zu Nom 1650. Schrieb Catenen zu Hiob, 


den Palmen, Lucas und Johannes und edirte 


griechiſche Väter. 
Cordova hatte feine Blüthezeit unter den 


maurifchen Kalifen, von denen Hakim II. um 980 


bier die berühmte Gelehrtenſchule gründete, an 


welcher Abulkaris, + 1106, Averro&s (f. d. A.), 


+ 1206, Maimonides, + 1208, und Andere lehr: 
ten, und die mit ber Eroberung der Stadt 1236 
ein Ende nahm. In Eorbova wurde 852 eine 
Synode gehalten, welche ſich gegen das Sichdrän⸗ 
en zum Martyrium in ben Berfolgungen der 
uhamedaner ausfprad). 

Gordus, Euricius. Vielfeitig gebildeter Huma- 
etter 
1486. Begleitete Luther 1521 nach Worms, wurde 
in Ferrara Doctor der Medicin, lebte ald Arzt in 
Braunfchmweig 1524, als Profeffor in Marburg 
1527 und Bremen 1534, + 1535. Er gehörte zu 
dem Kreife der Erfurter Humaniften, mie fein 

eund Eobanus Hefjus, und ift befannt durch 
eine in elegantem Latein gejchriebenen Satyren 
und Epigramme auf die Bettelmönde und bie 
fittlihen Schäden ber Zeit. Kahler, Vita Euricii 
Cordi, 1744 

Cornelius. Der römifhe Hauptmann, Apfte. 
10 ff.; nad) der Legende ward er Biſchof von Eä- 
farea und ftarb ald Märtyrer; fein Gedächtnißtag 
ift der 2. Febr. 

Gornelius, Bifhof von Rom, 251—252. Un: 


ter ihm erhob ſich der novatianiſche Streit (ſ. d. A. 


Novatianus). Cornelius war der Vertreter ber 
mildern Praxis in der Wiederaufnahme von Ge: 
fallenen; weshalb Novatian und feine Partei fich 


von ihm trennte. 


Gornelins a Lapide (var den Steen). Sefuit, 
berühmter Exeget, der noch heute bei den fatho- 
lichen Theologen Autorität ift. Geb. 1598 zu 
Boehaff bei Lüttich, wurde er Lehrer der h. Schrift 
zu Löwen und Rom und ftarb am 12. März 1637. 
Seine Commentare find weitſchweifig, enthalten 
aberreiche Nuszügeaus den Kirchenvätern. Neuefte 
Auflage, Lyon 1838, 11 Bde. 4. 

Gornelius, Beter von. Berühmter Maler. Geb. 
1787, + 1867. Director der Münchener Alade- 
mie, jeit 1841 in. Berlin. Großartig und fühn in 
der Auffafjung, wird Cornelius auch für bie firch: 
lihe Malerei, befonderd durch feine Gemälde für 
die Ludwigskirche in München (das Weltgericht), 
und durch * Berliner Cartons für das Campo: 
Santo einen großen Namen bewahren. 

Coronati, Getrönte, heißen 4 Brüder, Seve: 
rus, Severianus, Karpophorus, Victorinus, welche 
304 den Märtyrertod ftarben. Es wurden ihnen 
Kronen mit jharfen Nägeln ind Haupt gebrüdt. 

Gorporale, Ein Tud von Leinwand, auf dem 
bie Hoitie niedergelegt wird; früher jo groß, daß 
man Keld und Hoftie damit bededen fonnte (da: 
ber palla), jegt von Heinerm Umfang. 

Corpus doetrinae, Diefen Titel führen ver: 
ſchiedene Sammlungen kirchlich anerkannter —* 
ſchriften aus dem 16. Jahrhundert, welche außer 
ber Augsburgiſchen Confeſſion, der Apologie, Zu: 
thers Katehismen und den Schmalfaldifchen Arti- 
keln, bie felten fehlen, eine und bie andere fpecielle 

11 


Corpus evangelicorum 


Bekenntnißſchrift enihalten. 1) Corp. doct, Phr 
lippicum oder Misnicam 1559 enthielt Melanch⸗ 
thons Belenntnißſchriften; wurde in Sachjen lirch⸗ 
lich autorifirt und häufig anfgelegt. — 2) Das 
Hamburger 1560, enthielt 5 Declarationen des 
hamburgiſchen Miniſteriums in ftreng lutheriſchem 
Sinne in Bezug auf Adiaphorismus, Oſiandrismus, 
Majorismus und Die Abendmahlslehre. — 3) Das 
Braunſchweigiſche 1563 enthielt u. A. Die Braun: 
ſchweiger Kirchenordnung uud die Lüneburger Ar: 
tifel. — 4) Pommeranicum enthielt das nieder: 
deutſch bearbeitete Corpus Misnicum, Luthers 
Katehismen nebft den Bedenken auf Augsburg 
1530, Schmaltalden 1540 und das Glaubensbe: 
Ienntniß von 1529. — 5) Prutenicum ober 
Repetitio Corp. doct., durch Mörlin bearbei: 
tet 1567. — 6) Thuringicum enthält als jpecielle 
Schriften das Thüringijche Belenntniß von 1549 
und das Confutationsbucd, 1558. — 7) Branden- 
burgicum, aufer der Augäburgifchen Eonjeffion 
und dem Keinen Katehismus eine Zufammen: 
ftellung von Yeußerungen Luthers über die contro- 
verien Lehren, redigirt von Musculus. — 8) 
Wilhelminum in Braunjchweig:Züneburg enthält 
die allgemeinen lutheriſchen Belenntniffe und an— 
gebunden das Heine Corp. doct. von 1575, ent: 
baltend einen Tractat von Urbanus Rhegius 
Formula quaedam und Bericht von der hriftlichen 
Lehre des Chemnit. — 9) Julicum 1576 in 
Braunfhweig: Wolfenbüttel, mit dem vorigen we: 
ſentlich übereinjtimmend. 10) Hessiacum 
1626, umfaßte die Confeffion mit der Apologie, die 
Katehismen Luthers, die Schmalfaldiichen Artitel 
und die Wittenberger Concordia. — Vgl. Heppe, 
die Entftehung und Fortbildung des Luther— 
thums. 

Corpus evangelicorum nannte ſich die zu 
einem ftändigen Collegium am NReichätag ver: 
einigte Vertretung der evangeliihen Stände, 
welche ſich 1653, 22. Juli, zu Regensburg un: 
ter dem Vorige von Kurſachſen conftituirte auf 
Grund des jus eundi in partes, welches der weit: 
phälifche Frieden garantirt hatte, um die evan- 
geliihen Intereſſen fortan gemeinfam zu ver: 
treten, und vom Kaijer anerfannt wurde. Dem 
gegenüber hielten ſich jhon früher die Katholiken 
ebenjo unter der Führung von Kurmainz ver: 
einigt, und obgleid) nie förmlich conftituirt, beſtand 
das Collegium factifh und führte den Namen 
Corp. cath. ſelbſt in officiellen Schriften. Beide 
Corpora löjten fi) 1806 mit dem Reichstage auf. 
Die oft entbehrte Gemeinihaft in der Wahrung 
der confejfionellen Intereſſen haben Kirchentag 
und Eiſenacher Eonferenz zu erjegen gefucht. 

Corpus juris eanoniei. Das kanoniſche 
Rechtsbuch — das Decretum Gratiani 1151, 
die Decretalenfammlung Gregors IX. 1234, den 
Liber sextus 1298, die Clementinen 1313 und die 
Ertravagantenfammlung Johanns XXII. 1340, 
nebit ven Extravagantes communes. Da die nad): 
clementinifchen Ertravaganten feine gemeinvecht- 
liche Anerkennung gefunden haben, 1 heißt die 
Sammlung ohne dieje: Corpus jur. can. clau- 
sum. Der Name Corpus jur. can. fommt erjt 
ſeit dem 15. Jahrhundert vor und ift Dem Corp. 
jur. eivilis nachgebildet. Die befte neuere Aus: 
"gabe von Ricpter 1333 — 1839. Das Corp. jur. 
can. erlangte früh allgemeine Anerkennung, jo 
dab man bejondere Lehrjtühle zu feiner Erklärung 


162 


Gorvey 


gründete; vielfach wurde es auch zur Duelle 
des gemeinen deutſchen Rechtes, weil eine Menge 
von bürgerlichen Berhältniffen, 3. B. die Ehe, als 
causae ecclesiasticae betrachtet wurden. Die 
fatholifche Kirche ficht das Corpus clausum jort- 
während als Quelle ihres Rechtes an; es find 
aber die Beziehungen des Staates durd) die ftaat- 
liche fpätere Geſetzgebung geändert und nur die 
rein inneren kirchlichen Angelegenheiten können 
noch nach dem kanoniſchen Rechte beurtheilt wer: 
den. Für die evangelijche Kirche ift freilich Luthers _ 
Verbrennung (1521) des Rechtsbuches von ihm 
ſelbſt nicht aufrecht gehalten, er hielt 1524 wieder 
Vorlefungen darüber, und es ift von Proteftanten, 
3. B. Böhmer, bearbeitet; indeffen wird auch heute 
nicht mit Unrecht feine Anwendbarkeit in evanges 
liſch lirchlichen —— beſtritten, wenn es 
zu Weiterm dienen ſoll, als das kirchliche Gewohn⸗ 
heitsrecht zu erkennen. 

Corpus juris civilis iſt das Rechtsbuch des 
bürgerlichen römifchen Rechtes, welches die Inſti— 
tutionen (533), —50333 (533) Juſtinians, die 12 
Bücher des Juftinianifhen Coder, die Conftitu: 
tionen (534) und die Novellen (573—582) um: 
faßt. Das bürgerliche Recht ift um fo mehr vie 
Grundlage des fanonijchen geworden, als es über 
viele firchliche Berhältniffe bereits Feftitellungen 
enthielt. Wie alles neuere Recht, jo ift aud) das 
evangelifche Kirchenrecht vielfah vom römiſchen 
beeinflußt geblieben. Wie der Bapft ſich veranlaßt 
ſah, den Geiftlihen das Studium des bürgerlichen 
Rechtes zu verbieten, jo zog man in der Reforma— 
tionszeit das jus civile vor, und widerrieth oder 
verbot (Heffiihe K.:DO. 1526) das Studium des 
fanonijchen Rechtes. 

Correctionsanſtalten, geiftlidge, find Häufer, 
in welche Geifilihe wegen gröberer Disciplinar: 
vergehen el gewiffe Zeit zur Strafe und Befjer 
rung verwiejen werden. Auch Klöſter vertraten 
die Stelle. Sind es Anftalten, die mehr den Zwed 
al einen mihrathenen Klerifer den Bliden der 

selt zu entziehen um der Firchlichen Ehre willen, 
jo nennt man jie Demeritenhäufer. Die Concor: 
oate haben die Einrichtung der Anftalten in allen 
Diöcefen gefihert und die Staatsgejeggebung der 
Strafbeitimmung des Biſchofs Schranfen gejegt. 
Die evangelifche Kirche entbehrt ſolcher Anftalten. 
Die Nothwendigkeit der Verweiſung in ein Eorrecs 
tionshaus würde die fernere Verwaltung eines 
evangelifchen Bredigtamtes, welches Integrität des 
Charakters fordert, unbedingt unmöglid maden. 

Correetores Romani, Ein Gollegium, welches 
Pius IV. 1563 auf Veranlafjung des Tridentinums 
einfeste zu einer Revifion und neuen Ausgabe des 
gratianischen Decrets (f. Corp. jur. can.), welche 
Arbeit durch die Editio Ronıana 1582 beendigt 
wurde. 

Gorrodi, Heinrich. Geb. am 31. Juli 1752 zu 
Züri. Sohn eines Predigers. Schloß fih in 
Halle an Semler an und wirkte in deſſen Geiſt in 
Zürich als Profeffor des Naturrechts und der Mo: 
ral jeit 1786, + 1795. Sein Hauptwerk ift die Ges 
ihichte des Chiliasmus 1781, Beleuchtung der 
Geſch. des Kanons 1792, 2 Bor. 

Gorvey. Benedictiner: Abtei bei Hörter an der 
Weſer. Tochterflofter des berühmten Klofters 
Corbie in der PBicardie, wurde 822 von dem Abte 
Adalhard gegründet zur Befeitigung und Ausbrei— 
tung des Chriſtenthums unter den Sachfen, nachdem 


Corvinus 


ſchon 816 eine Miſſions⸗Colonie an ungünſti⸗ 
ger Stelle im Sollinger Walde ſich niedergelaſſen 
hatte. Nach Adalhards Tode 826 erhielt Neu: 
Corbie an Warinus jeinen eigenen Abt, und nad): 
dem bie Gebeine des 5. Vitus dorthin von St. De: 
nis übertragen waren, wurde es mit Gütern reich 
dotirt. Seine Bebeutung erlangte Eorvey burd) 
die gleich nad) der Gründung gt tiftete Schule und 
die Niffionsarbeit unter den Sadjfen, bie ſich über 
den ganzen Norden ausdehnte. Viele berühmte 
Männer der Kirche verdankten Corvey ihre Bil- 
dung (f. Ansgar). Dem Verfall der Sitten im 
Ipätern Mittelalter entging auch Corvey nicht. Im 
dreifigjährigen Kriege erlitt es beträchtliche Ein: 
buhen. Dennoch wurde die gefürftete Abtei 1794 
zu einem Bisthum erhoben, welches 1803 die welt: 
lihe Herrſchaft an Raſſau⸗Oranien verlor, 1821 
bei der ircumfeription der preußifchen Bisthümer 
aber gänzlich aufgelöfet wurde. Der Beſitz der Abtei 
wurde in eine Standesherrichaft 1822 umgemwan: 
np — Wigand's Geſch. v. Corvey geht nur 
is 1146. 

Corbinus, Anton (Räbener). Theologe der Re: 
formationsgeit. Geb. am 27. ge 1501 zu War: 
burg; 1523 aus dem Kloſter Loccum evangelischer 
Anfıhten wegen verjagt, ging er nad) Witten: 
berg, warb Prediger zu Goslar 1528, zu Witen- 
bauen 1531, nahm Theil an den Geſprächen zu 
iegenhain 1532, Gaffel 1585, Schmalfalden 1537, 
ging im Auftrag Philipps v. Heflen zu den gefan- 
genen Wiedertäufern nad) Münfter 1536, und 
machte mehrere Bifitationdreifen im ——— 
1541 und 1542. Bon der Herzogin Eliſabeth, 
Wittwe Erichs I. von Göttingen und Calenberg, 
zum Vormund von ErichLI. berufen,verfaßteer 1542 
die Galenbergifche Kirchenordnung und führte fie 
durch eine Bifitation im Lande ein, wie er auch an 
der Reformation des Molfenbütteler Landes ſich 
betheiligte. Als Erich II., wieder katholiſch gewor: 
den, das Interim einführen wollte, widerjeite fich 
Corvinus mit den andern Predigern, wurde ge: 
fangen genommen und 3 Jahre auf dem Ealenberg 
in Haft gehalten. Erft 1552 befreit, ftarb er 1553. 
Bal. Havemann, Elifabeth von Braunjchweig, 1839. 
Uhlhorn, ein Sendbrief, 1853. 

Gosmas und Damianud, Zwei Heilige, die 
al5 Patrone der Aerzte und Apotheler verehrt 
werden. Die Lebensbeſchreibungen find fabelhaft 
und widerſprechend. Sie jollen als Aerzte zu Ae⸗ 
gina gelebt, für das Evangelium gewirkt und in 
der diocletianifchen Verfolgung den Märtyrertod 
erlitten haben. Gedäcdhtniftag, der 27. Sept. 

Gotelerius, Jean Baptifte. Geb. zu Nismes im 
December 1627, ward 1648 Doctor der Sorbonne 
und erhielt 1667 den Auftrag, die griechiſchen 
Handihriften der königlichen Bibliothek zu ordnen. 
719. Auguft 1686 als Brofefjor der griechiſchen 
Sprade. Bon ihm rührt eine Auögabe der apo— 
ſtoliſchen Väter her 1642, die Elericus von Neuem 
herausgab 1698. Außerdem Ecel. Graecae monu- 
menta, 1677 u. 1688. Homiliae IV. Paris 1661. 

Gourt, Anton. Eigentlider Gründer der Kirche 
der Wüjte in Frankreich. Geb. 1696. Nach dem 
Widerruf des Edictö von Nantes und dem Cami— 
ſarden⸗ Krieg beitand feine reformirte Kirche mehr, 
nur noch heimlidye Broteftanten. Da brachte Court 
1716 eine Synode von 5 Baftoren zufammen, und 
1717 eine zweite in Languedoc, welche eine neue 
Kirhenverfaffung und Kirchenzucht aufftellte und 


163 


Granmer 


auf Grund derfelben die „Kirche in der Wüſte“ 
organifirte. Court ließ fich 1718 ordiniren, ftiftete 
1729 zu Zaufanne ein Seminar, um Prediger zu 
erziehen, und ließ fich ſelbſt dort nieder, um von 
da aus die franzöfifche Kirche und ihre Wieder: 
belebung zu leiten und ihr Unterftüßung zu ver: 
Ichaffen. Gedrudt find von ihm: Histoire des 
troubles des Cevennes, Villefranche 1760. Le 
Patriote frangois 1751. Lettre d'un patriote1756. 
Sein handſchriftlicher Nachlaß in der Genfer Bib— 
liothefumfapt 116 Bände. — Sein Sohn Court be 
Gebelin, geb. 1725, + 1780, Iebte in Paris als 
zen des Mufeums in großer Achtung ala 
lehrter, nicht minder wie fein Bater ftetö für die 
Proteftanten thätig; von ihm ift Les Toulon- 
naises 1763, und das berühmte Monde primitif 
analyse et compare, Paris 1773—1784. 

Govenant oder Gonvenant heißen bie beiden 
Bertragsbündniffe, welche die Schotten unter ein: 
ander und mit ihrem Fürften zur Aufrehthaltung 
ihrer Kirche gegen Katholicismus und Episfopalis: 
mus fchloffen. Der erfte Covenant wurde gejchlof: 
fen 1580 mit König Jakob auf Grund des Glau— 
benäbelenntniffes von 1560. Der zweite ift von 
1638, al3 Karl I. die Fatholifirende Liturgie ein- 
führen und das Episkopalſyſtem aufrecht halten 
wollte. Es enthielt neben dem Covenant von 1589 
das eidliche Gelübde, die Freiheit de3 Evangelium 
zu wahren, und wurde von allen Schotten unter: 
ſchrieben. Der Covenant in feiner ganzen Strenge 
wurde vertreten von den Covenanters oder Came⸗ 
ronianern (f. d. A.). — Aehnliche Bündniffe hatten 
ſchon 1537 und 1539 die proteftantifchen Lords 
unter einander gefchlofjen. Ebenfo führt aud) der 
Bund der Schotten mit dem englijchen Parlament 
zur Bertheidigung der Religion vom Jahre 1642, 
der durch den Sieg der engliſchen Jndependenten 
zu Ende ging, den Namen Covenant. 

Gramer, Sofann Andreas. Dichter und Theo: 
loge. Geb. 23. an. 1723, ward 1754 Hofprediger 
in Kopenhagen, vorher 1748 Prediger zu Crellwitz 
bei Merjeburg und 1750 zu Quedlinburg. 1765 
auch Profeffor der Theologie, 1771 durch Struen: 
fee entjegt, ging er als Superintendent nad) Lü— 
beck, bis er 1774 nad) Struenfee's Sturz ald Pro: 
fanzler und Profeffor nach Kiel berufen wurde. 
+ 12. Juni 1788. Mehr als durch feine kirchliche 
Wirkjamteit ift er als Dichter befannt geworden. 
In Leipzig hatte er im Gegenſatz zu Gottſcheds 
Schule den Dichterbund der Bremer Beiträger 
gegründet 1744 und blieb in enger freundſchaft⸗ 
licher Verbindung mit Klopftod. Seine gejanı- 
melten Werte 1782 und 1783 enthalten 250 geift- 
liche Lieder, von denen viele in die Gejangbücher 
aufgenommen find. 

Granmer, Thomas. Erzbiſchof von Canter: 
bury. Der Reformator Englands. Geb. 2. Juli 
1489 zu Aslacton in der Graffhaft Nottingham, 
1523 Brofeffor der Theologie und Univerjitäts: 
prediger zu Cambridge. Die Ehe Heinrichs VIII. 
mit Katharina hielt er für ungültig, wurde Des: 
halb als Gefandter des Königs 1530 nad) Rom, 
1531 nad) Deutſchland gejendet, wo er ſich heims 
lic) mit einer Nichte Ofianders verheirathete. Troß 
des noch bejtehenden Cölibatgefeges war er ſchon 
1519 zum erjten Mal verheirathet gewefen. 15°2 — 
zum Erzbiſchof von Canterbury ernannt, ſprach cr 
am 23. Mai die Auflöfung der Che des Königs 
aus, und beftätigte die Ehe niit Anna Boleyn, die 

11* 


Crato von Erafftheim 


er am 1. Juni traute, Auf feinen Rath hob Hein- 
rich die päpftlihe Gewalt über England auf, erließ 
die Suprematsacte vom 3. Nov. 1534 und begann 
die Reformation. Die Synode 1536 berieth 10 
Religionsartikel, 1537 wurde die Ueberſetzung ber 
Bibel geftattet. Kräftig widerftand er 1538 ber 
— Reactionspartei, und führte um ſo 
entſchiedener unter Eduard VI. die Reformation 
durch unter Beihülfe Bucers, Lasky's, Ochino's, 
Martyrs, Jonas’ u. A.; 1542 wurden die 42 Ar- 
tifel (die Grundlage der 39) vom König genehmigt 
und die revidirte Liturgie eingeführt. Unter Ma- 
ria, ber katholiſchen, des Hochverraths angeflagt, 
und nad) unregelmäßigem Brozeffe verurtheilt, ließ 
er fi zu einem fchriftlichen Widerruf bewegen, den 
er aber öffentlich vor feiner Verbrennung zurüds 
nahm, und ftarb muthig und getroft am 21. Mai 
1556. Granmers öfters ſchwanklende Handlungs: 
weife wird bejtimmt durch feinen Glauben an bie 
unbedingte Autorität des Königs und der Schrift; 
fügfam dem königlichen Willen, hat er dennod) feine 
evangelijche Ueberzeugung nicht geopfert. 

Grato von Crafftheim. Cigentlih Johannes 
Krafit. Ein um die Keformation verdienter Arzt. 
Geb. am 22. Nov. 1519 zu Breslau, bezog er bie 
Univerfität Wittenberg, wo er 6 Jahre Luthers 
Tiihgenofje war, wandte fid) auf deſſen Anrathen 
dem Studium ber Medicin zu, lebte 1550—1560 
in Breslau, dann am Faijerlichen Hofe als Leibarzt. 
Ein verdienftvoller Arzt (vgl. Henfchel, Crato, 
Bredlau 1853), war er bei Marimilian eine Stüte 
des Proteftantismus gegen die jefuitiichen Machi— 
nationen; abgeneigt den Iutheranifchen extremen 
Parteien, bemühte er fich für die Union der Böh: 
men mit den Evangeliſchen, und in Verbindung 
mit Beza, Urfinus u. U. für die Bewahrung der 
milden melanchthoniſchen Richtung. Starb zu 
Breslau 1585 am 19. October. 

Creatianismus. Die Theorie, nad) welcher bei 
der durch Zeugung bewirkten Entftehung des 
menfchlichen Zeibes die Seele und der Geijt von 
Gott geſchaffen (nicht auch durch die Zeugung fort: 
gepflanzt) und dem entjtandenen Leibe eingehaudht 
wird. 

Gredenz, Eredenztifh. Bei feierlihen Hochäm⸗ 
tern werden auf einem Credenztiſche an der Epiftel- 
feite des Altars der Kelch und die übrigen zum 
Gebrauch lommenden Geräthe niedergelegt. 

Gredner, C. Auguft. Geb. anı 10. Jan. 1797 zu 
Maltershaufen. Bildete fich jeit 1817 in Breslau 
unter Schulz und v. Coeln. Seit 1821 Hauslehrer 
in Göttingen und Hannover, habilitirte er fich 1828 
in Jena, 1830 a. o. Prof., 1832 Prof. der Eregeje 
und Kirchengeihichte in Gießen. F 1857. Außer 
manchen Difjertationen und Brogrammen find von 
feinen Schriften zu nennen: Beiträge zur Einleis 
tung in bie bibl. Schriften 1832; Einleitung ins 
Neue Teftament 1836; Zur Geſchichte des Kanons 
1847; Gejchichte des Kanons 1860, ed. Vollmer. 
An der Erörterung kirchlicher Zeitfragen bethei: 
ligte er fi in lebhafter Weife zur Vertheidigung 
der freien Forſchung und des Kirchlichen Fort: 
ſchritts. Crörterungen 1846; Heſſiſche Kirchen: 
zeformationd:Drdnung 1852; bie fittlihen Ber: 
irrungen 1853, 

Erell, Nitolaus. Geb. zu Leipzig 1551. Erzogen 
auf der Schule zu Orimma (1568—72), ftubirte er 
zu Leipzig und ward Prof. der Rechte 1575. Als 
Erzieher des Kronpringen Chriftian von biefem 


164 


Crethi und Plethi 


1585 zum Kanzler ernannt, erhielt er die Leitung 
der Staatögejchäfte. Den theologiihen Zäntereien 
trat er durch ftrenge Befehle entgegen und begün: 
ftigte die von Auguft unterbrüdt gemejenen Phi: 
lippiften. Die Abſchaffung des Exorcismus bei der 
Taufe 1591 erregte den Unmillen der Theologen, 
mit ihnen verband fich nach des Kurfürften Tode 
1591 unter ber Regentichaft bed Herzogs Friedrich 
Wilhelm von Weimar der gegen ihn erbitterte 
Adel, deffen Privilegien gejhmälert waren. Erell 
wurde verhaftet und die Eryptocalviniften ober 
BPhilippiften des Landes verwitſen. Nach längerer 
Haft wurde er in einem unregelmäßigen Prozeß: 
verfahren durch das Appellationägericht zu Prag 
zum Tode verurtheilt und hingerichtet am 9. Det. 
1601, unter lebhafter Betheuerung feiner Unſchuld 
an den ihm fchuld gegebenen Verbrechen des Mein: 
eids und des Hochverraths. Haffe, Die Bedeutung des 
Erellihen le (Ztichr. für Hift. Theol. 1848). 

Grell, Baul. Brof. der Theologie in Wittenberg. 
College von PB. Eber und Major. Gab 1566 das 
Monotessar. hist. evang. heraus, ebenfo 1574 
die zweite Auflage der Wittenberger lat. Bibel 
von 1565. 

Grell, Samuel. Geb. 1660. Stubirte bei ben 
Arminianern in Amfterdam 1630 und wurde 
Geiftlicher der Unitarier zu Königswalde bei Frank⸗ 
furt a. d. D., verließ feine Gemeinde und ftarb 1747 
zu Amfterdam. Er ſchrieb unter dem Namen Arte: 
monius über den Prolog des Johannes; verfaßte 
das Slaubenöbelenntnif der Unitarier in der Mart 
1716 und Cogitationesnovae de primo etsecundo 
Adamo. 

Crescens. Begleiter bed Paulus, 2. Tim. 4, 10, 
fol in Galatien (Apoft. Conft. VII, 46) und in 
Gallien das Evangelium verfündigt haben. 

Crescens, ber Cpniter, lebte zu Rom zur Zeit 
Juftins und Tatiand. Er fuchte das Volk gegen 
das Chriftenthum aufzureizen; ald Juſtin feine 
Unmifjenheit und Sittenlofigkeit aufbedte, gelobte 
er ihm Rache und wurde die wahrfcheinliche Urjache 
feines Märtyrertobes, 

Gredeentind. Aus einer römischen Patrizier- 
familie, Entel der Theodbora. Bemächtigte fih mäh- 
rend der Minderjährigleit Olto's III. der Herrſchaft 
in Rom unter dem Titel eines Patricius, als jol- 
her anerkannt 989. Nach Johanns XV, Tode unter: 
warf er fich Otto III. und dem Bapfte Gregor V., 
brad) aber nach dem Abzug des Heeres die gelobte 
Treue; von der Synode in Pavia in den Bann 
gi an, feste er den Griechen Philagathus Byrne 

I.) zum Gegenpapjte ein und bemühte fih, Rom 
unter die Oberherrfchaft von Byzanz —— 
Von dem rücklehrenden Kaiſer in der Engelsburg 
belagert, ward er nad) der Erſtürmung auf ihren 
Zinnen enthauptet, Johann XVI. aber verjtüm: 
melt rüdlings auf einem Ejel duch die Stabt 
geführt und in den Kerker — 998. 

Gredconius, Bifchof in Afrita um 690, bearbei- 
tete die Kanonenfammlung des Dionyfius unter 
dem Titel Concordia canonum; der Inder dazu 
ift bad Breviarium Cresconii. 

Greöpin, Johann. Advocat am Parifer Parla- 
ment, trat zum Proteſtantismus über und errich- 
tete in Genf eine Buchdruderei, aus der auch feine 
eigenen Werfe Histoire des martyrs 1560 und 
L'etat de l’&glise 1562 hervorgingen. + 1572. 

Grethi und Plethi. 2. Sam. 15, 18; 20, 7.28; 
1. Kön. 88, 44. Die Leibwache Davids, worüber 


- 41 


Crethim 


Benaja ald Oberſter geſetzt wurde. Die Namen | 
werden verſchieden gedeutet. Die ältere Anſicht faßt 
die Endung i als Pluralform oder adjectiviſch und 
überiept Scharfrichter und Läufer, bez. Scharf: 
rihter: und Yäuferjchaft, da dieſe Leibwache Todes: 
urtheile vollftredte, 1. Kön. 2, 25. 34. 46. Die 
neuere Anficht verfteht richtiger die Namen als 
Eigennamen: Creter und Philiſter, vgl. 1. Sam. 
9,14; Amos 9, 7. Eine Garde aus Philiftern 
begründete fih in dem Aufenthalte Davids zu 


Ailag. 
Crethim. Nach Zeph. 2, 5; Ez. 25, 16 eine Nöl: 
lerſchafi am Mitteländifchen Meere und im füdli- 
Baläftina, 1. Sam. 30, 14. Man denlt an 
er, da die PVhilifter aus Creta (j. Caphtor) 
ſtammten. Zuth. überfegt an den erjten Stellen 
nad) der Bulgata Krieger. 

Griminalverbredgen der Kleriker jollte nad 
älterem Recht der bürgerliche Richter beurtheilen, 
der Biſchof aber die Amtsentjegung bewirken; pä: 
ter erlangte die Kirche dad Vorrecht, daß immer 
zur geiftliche Richter die Kleriker beurtheilen ſoll⸗ 
ten, nicht ohne Widerſpruch und manche Ausnahme, 
5 endlich die bürgerliche Juſtiz in der neuen Ge: 
jepgebung ſich auch die Geijtlihen wieder völlig 
interwarf. 

Erispinns und Crispiniauus. Zwei Vrüder 
aus Rom, die in Gallien das Evangelium verfün- 
digten und in Soiſſons durch Scufterarbeit ihren 
Unterhalt erwarben ; fie ftarben ald Märtyrer 237. 
Die —. haben fie zu ihrem Patron er: 
wählt. Dan jagt ihnen nad), daß fie armen Leu: 
ten die Schuhe ſchenkten und reihen Gerbern das 
Leder ftahlen. 

Crispus. — ——— in Korinth. Apſtg. 
18,8; 1. Kor. 1, 14. Bekehrie ſich durch die Pre⸗ 
digt des Apoſtels Paulus, und ſoll Biſchof von 
Lügina geweſen fein. 

rocius, Johann. Hervorragender Theologe 
des 17. Jahrhunderts. Geb. 28. Juli 1550 zu 
Laesphe. Nach Vollendung der Stubien zu Her: 
born und Marburg, ward er ſchon 1612 Hofpre: 
diger zu Eafjel. 1616 und 1617 dem Kurfürften 
Sigismund zur Reformirung der Landeskirche 
überlafien, ſchrieb er die Conversatio Prutenica, 
Berlin 1618, warb 1617 Profeſſor ver Theologie 
iu Marburg, 1624 fiedelte er mit ber reformirten 
gecultät nach Cafſel über bis 1653, in welchem 
Jahre er wieder in jeine frühere Stellung in Mar: 
burg zurüdberufen wurde, wo er 1659 ftarb. Seine 
Berte find theiis Streitfchriften gegen Katholiken, 
theils begründen fie das gute Recht der reformirten 
—* in Deutſchland, und die Thatſache, daß ſie 
im Religions frieden einbegriffen worden. Sein Ba: 
ter Baul Erocius, 1551—1607, war ber Bearbei- 
ker des großen Martyrbuchs; fein Bruder Lud— 
wis, 1586— 1655, Baitor an St. Martinin Bremen 
und Profefſor der Theologie; fein Sohn J. Georg 
—— 1629 - 1674, Profeſſor der Theologie in 

tg. 

Erommell, Oliver. Protector von England. Geb. 
am 25. April 1599 zu Huntingdon. Weber die 
Daten jeines yo en Lebens giebt jedes Ge: 
diätöcompendium Auskunft. Wir können bier 
nur die Firchlichschriftliche Seite in der Geſchichte 
dieſes Feldherrn und Staatsmannes ins Auge 
aflen, der neben Guftan Adolf als der größte, 
gemaltiafte, bemußtefte politifche Vorlämpfer des 


165 


Grommell 


einem angejehenen Gefchlechte, jelbft in angefe- 
wre 2ebenäftellung ald Landevelmann, war 
eine große, mit aller Gewalt ruhiger fefter Lei: 
denſchaft ausgeftattete Natur [en lange durd) 
das Feuer jener geiftigen Kämpfe hindurd) gegan: 
en, *86 in der Atmoſphäre des calvini— 
Prifchen Chriſtenthums auch jegt noch erzeugen, 
und welche überall, wo fie eine eblere Natur 
ergreifen, fo jehr den Grund ber Seele aufmwühlen, 
den tiefften Zebensernft heraufrufen und läuternd 
und ſtärkend wirken, welde aber damals, bei der 
— und kirchlichen Lage Englands, unter 
en auf einander treffenden Gegenſätzen eines 
katholiſirenden Königthums und eines puritaniſch 
und ſelbſt ſchwärmeriſch aufgeregten Proteftantiös 
mus eine jet faum noch vorjtellbare Schärfung 
erhielten. So findet ihn die beginnende Revolution. 
Bald wird er ein angejehener Führer, allmählic) 
ihr Haupt, ihr Staatdmann und ihr Held. Die 
efiegung bed Königthums, die Verurtheilung 
und Hinrichtung des Königs find vor Allem fein 
Werk. Rüdfichtslos fchreitet er auf feinem Wege 
voran. Man kann Zweifel hegen, ob nicht oft 
Berehnung an bie Stelle der Meberzeugung trat, 
ja ob nicht ein ganzes Leben von dem — einer 
großen herrſchdurſtigen Naturgeleitetund beſtimmt 
worden iſt. Wirklich war dies auch bis vor noch 
nicht ir langer Zeit die herrichende Auffafjung 
in der Geſchichtsſchreibung. Der — ———— 
Mann galt ziemlich allgemein als ein großer 
Heuchler oder als ein in Selbſttäuſchung befan— 
gener Huger Fanatiker. Guizot und Macaulay, 
mehr noch und tiefer prüfend Carlyle und Ranke, 
haben eine ganz andere, eine entgegengeſetzte Auf⸗ 
faſſung zur Geltung gebracht, und Merle d’Aubigne 
hat ihn Ian zu einem proteftantifchen Heiligen ma— 
hen wollen. Unter den fürzeren Darjtellungen ift 
dievon. Pauli inn. Spbel’s Hiftorifcher Beitfärift, 
Bd. 8,S. 2809 ff. wohl die bedeutendfte, in ähnlichen 
Sinne wie Ranke. Kein Saale: dag Erommell im 
Weſentlichen von tiefen unerjchütterlihen Grund: 
ſätzen getragen wurde. Er hielt fid) für ein Werl: 
zeug in Gottes Hand, und ftärkte fid) an den fidht: 
baren, oft fo wunderbaren Erfolgen in diejer Zu: 
verſicht. Mit —— Ahnung und mit hellem 
Geiſte fühlte und erkannte er — gewaltiger wohl 
als irgend einer der Zeitgenoſſen — die Lage der 
europaͤiſchen Verhältniſſe und die große Strö— 
mung der Geſchichte. Er fühlte in ſich die Aufgabe 
und die Kraft, unter Gottes Beiſtand dem Strome 
des Lebens und der Wahrheit, dem Strome bed 
Evangeliumd und der driftlihen Freiheit und 
römmigfeit zum Siege zu verhelfen. Mit dieſen 
tuarts, neben diefem, alle feindlihen Mächte 
zufammenfaffenden und leitenden Papſtthum, ne: 
ben bem fen en Frankreich, Spanien, Defter: 
reich, in diefem jo edeln und doch jo gebundenen, 
traditionsfüchtigen und gejeglihen England wäre 
das Volk unaufhaltiam dem großen Katholifirenden 
Zuge der Zeit anheim gefallen. Cromwell jah die 
Gefahr und fühlte deren Größe. So ſetzte er Alles 
daran, um das zu retten, zu guy und zu jtär: 
fen, was England groß und frei und chriſtlich— 
evangelifch gemacht hat; und was die chriſtlich— 
evangeliihye Welt dem protejtantifhen Groß: 
britannien verdantt, das verdankt fie auch Crom— 
well. In demjelben Sinne hat er als Herricher 
das Banner des Vroteftantismus über Europa 


evongeliihen Proteftantismus gelten muß. Aus; emporgehalten. Er hat die Waldenjer geihüt! 


Gromwell 


und ift fiir die fran;öfischen Neformirten einge: | 
treten. Mehr noch: die Siege und die Herrichaft 
Cromwells haben auch in Deutichland und den 
Niederlanden wieder die ermattende Welt geſtärlt. 
Wilhelm III. war nur möglid nad und durch 
Gromwell. Nachdem er feine Kraft in inneren und 
äußeren Kämpfen mit den feudalen und katholi: 
firenden Tendenzen in feinem Baterlande, wie 
Ipäter immer von Neuem mit den puritankid): 
politiihen Schwärmereien friner eigenen Partei 
verzehrt, jelbft im Schoofe ver eigenen Jamilie 
wegen feiner politifchen und kirchlichen Maßnah— 
men, zulett noch von einer geliebten fterbenden 
Tochter mit Stillen Anklagen gedrüdt, ftarb er nad) 
einer zeitweiligen innern aus körperlichen Urfa- 
en auffteigenden Aufregung am 3. September 
1658, eine jener gewaltigen räthjelhaften Ber: 
fönlichfeiten, die jo tiefe Abgründe des Seelen: 
lebens ahnen laffen und die neben den hellen Lich— 
tern einer höheren Gotteswelt auch dunkle Schat: 
ten zugemifcht zeigen. Der Grund aber dieſes 
Genius ift, wie wunderbar auch Manches in ihm 
neben einander zu ftehen jchien, und wie wider: 
ſpruchsvoll ſein Thun zumeilen auch fein mochte: 
der Grund dieſes Seelenlebens ift doch das Gebet 
zu dem heiligen Gotte gewefen. 

Grommel, Thomas. Geb. gegen Ende bes 15. 
Sahrhunderts, Secvetür des mächtigen Lordkanz— 
lers Heinrichs VIII. Woljey, und von ihm bei der 
Aufhebung einiger Hlöfter benugt. Nach Woljeys 
Sturz 1529 trat er in die Dienfte des Königs, 
ward Mitglied des geheimen Raths und leitete 
mit Granmer die Reformation der englifchen Kirche; 
wandte ſich aber in der Reactionsperiode den Ka: 
tholiten wieder zu; water jenem Zuthun nahm 
das Parlament 1539 die 6 Fatholifchen Artikel (die 
Blutbill) an. €. fiel dann in Ungnade und ward 
den 10. Juni 1540 enthauptet. 

Groius Rubianus (Joſeph Jäger). Geb. um 
1480 in Dornheim in Thüringen. Einer der geift: 
reichjten Humaniften, Profeſſor in Erfurt jeit 
1515, Freund des Hutten, Heß und Cordus. Von 
ihm ift die Jdee der Epist. obscur. viror. (1516 
1. Theil) ausgegangen, an deren Abjaffung er aud) 
den größten Antheil hat. 

Grucifig, d. h. ans Kreuz Gehefteter. Das Kreuz 
mit dem Bilde des Gekreuzigten, findet ſich im 
firglichen Gebraud) nicht vor dem 7. Jahrhundert. 
Seit dem 4. Jahrhundert ift das einfache Kreuzes— 
zeichen häufig, wicht felten nrit dem Bild des Lam— 
mes am Fuß, bis die trull. Synode 692 ſich gegen 
die fymbolische Darftellung Chrifti ausſprach. Die 
älteften Erucifire haben bloß das Bruftbild, dann 
den ganzen Körper bekleidet, bis die jet herrichende 
Gewohnheit der Darftellung allgemein ward. Im 
fpätern Mittelalter erft bildete ſich die Gruppe 
unterm Kreuz. Während die Iutherifche Kirche die 
Aufftellung eines Crucifires auf dem Altar duldet, 
bat ſich die reformirte Kirche ſtets abwehrend da: 
gegen verhalten, und diefe Abneigung haben aud) 
die Unions:Agenden nicht zu überwinden vermocht. 

Erueiger. Hervorragendes Theologengeichlecht 
der Reformationäzeit. Caspar. Geb. am 1. Jan. 
1504 zu Leipzig. Studirte feit 1521 in Wittenberg 
Theologie, Botanifund Mathematik, und ward bort, 
nachdem er 1524—28 das Nectorat der Schule zu 
Magdeburg verwaltet, Profefjor und Prediger an 
der Schloßfirche. Luthers Gehülfe bei der Bibel: 
überfegung, von ihm und Andreä hoch geſchätzt, 





166 


Cummean 


nahm er Theil am Marburger Geſpräch 1529, der 
Wittenberger Eoncordie 1536, dem Schmaltaldener 
Eonvent 1537 und dem Wormfer Convent 1540. 
Während des ſchmallkaldiſchen Krieges war er Nector 
der Univerfität. + 16. Nov. 1548. — Sein Sohn 
Caspar €. H., geb. am 19. März 1525, Brofeffor 
der Theologie in Wittenberg, ward als Philippiſt 
1574, da er die antimelandthonifhen Artikel der 
Torgauer Synode zu unterjchreiben ſich weigerte, 
verhaftet, jeines Amtes entfegt und des Landes ver: 
wiejen. Bon Landgraf Wilhelm aufgenommen, ftarb 
er 7597 als Prediger in Eafjel. — Deſſen Sohn 
Georg, geb. am 24. Sept. 1575, war er des 
Landgrafen Morik, der ihn zum Profefjor der 
Theologie in Marburg ernannte 1605. Er nahm 
Theil an der Dordredjter Synode. + 1637. 

Crufius, CHriftian Augujt. Geb. am 10. Jan. 
1715 zu Xeuna bei Merjeburg. 1744 Profefjor der 
Bhilojophie in Leipzig, 3750 0. Brofefjor der Theo: 
logie. Sein phitofophiiches Syſiem ftellt ſich Wolf 
entgegen und ift abhängig von Norausjegungen 
orthodorer Theologie. Er jchrieb u. a. Hypomne- 
mata ad theol. prophet. 1764, auf weldye Detigich 
und Gaspari wieder hingewieſen haben (Stubien, 
1. Bd., Berl. 1845); Entwurf der nothwendigften 
Bernunftwahrheiten 1745; Logik 1747, Begriff 
der Moraltheologie, 2 Bdr., 1772. 

Cruſius (Krauß), Martin. Geb, zu Grabern bei 
Gräfenberg. Stwdirte in Ulm, Straßburg und 
Tübingen Philologie und Theologie, übernahn 
1554 das Nectorat zu Memmingen, 1559 die Bro: 
feffur der lateinifchen und griechiſchen Sprache zu 
Tübingen. In Berbindung mit Andreä begann er 
1575 einen Briefwechſel mit dem Patriarchen Je: 
remias 11. von Konjtantinopel, um die Griechen 
dem PBroteftantismus zu befreunden (f. denſ. Mor— 
genblatt 1553, Nr. 61 ff.), überſetzte auch zu dein 
Ende Heerbrands Compend. theol. 1582 ins Grie: 
hifche, jowie eine Sammlung lutherifcher Predig: 
ten, Corona anni, 4 Bde. Fol, Witt. 1609. An: 
dere Werle find philol. Inhalts. + 1607. 

Cucullus, Cutulla. Die Capuze der Mönche, 
auch Caſula over Cappa genannt, daher Eucullati, 
Mönche, 

Cudworth, Ralph. Geb. 1617 zu Aller in Som: 
merjet. Dr. theol. und Borjtand des Chrift Col: 
lege. Von großer Gelehrfamteit, hewandert in 
Philoſophie, Alterthumslunde und Literatur, ftellte 
er fi) die Belämpfung des Deismus zur Lebens: 
aufgabe. Sein Sir aa The true intellectual 
system of the Universe, Part I. 1678, wurde 
1733 von Mosheim überjegt und mit Anmerkun— 
gen verjehen. 

Culdeer. Ein Wort keltischen Urfprungs, bedeu- 
tet Diener Gottes und kommt ſeit dem 12. Jahr: 
hundert zur Bezeichnung der keltiſchen Mönche und 
Weltpriefter vor. 

Cultur ift die fortfchreitende Vergeiftigung der 
Welt, das umfafjendfte fittliche Product. Chriſt— 
liche Cultur befteht da, wo der ſchaffende und 
ſich verbreitende Geijt der chriſtliche ift. 

Cultus ift die äußere Forın der Hottesverehrung 
einer nn Gemeinſchaft, das Ganze des Got: 
tesdienftes (j. d. A.). 

Cultus latriae, duliae, hyperduliae finb 
die im Mittelalter geichaffenen Ausdrudsmweifen 
für die Anbetung Gottes, die Verehrung der Heiz 
ligen, die befondere Verehrung der Marta. 

Eummcan, Cumean, Comean. Der im Uebrigen 


Cumulirung der Beneficien 


völlig unbefannte Berfaffer eines Pönitentialbu: 

es, welches von Spätern als Judicia Cumeani 
ctirt wird. Wie Wafferjchleben (Bußordnungen) 
vermuthet, ift das Werk in Stalien gejchrieben 
nad) 668. 

Gummlirung Der Beneficien, d. h. die Anhäu: 
fung mehrerer Pfründen in Einer Hand, war ftets 
durch die Kirchengeſetze verboten, fand aber zu jeder 
Zeit unter allerlei Borwänden ftatt und war An: 
lab zu ununterbrochenen Sllagen. 

Cunibert. Biſchof von Köln 623, war am Hofe 
der Merovinger von politifhem Einfluß und tritt 
bei manchen Reichsgeſchäften auf. 656 foll er ſich 
auf einige Zeit in fein Bisthum zurüdgezogen ha: 
ben. Als Heiliger wird er am 12. Nov. verehrt. 
Die ihm geweihte Kirche zu Köln ftammt aus dem 
13. Jahrhundert. 

Curatus. Der Inhaber eines mit Seelforge ver: 
bundenen Amtes (beneficium curatum). Später 
wurde die Bezeichnung namentlich für die Geift: 
lihen gebraudyt, welche das Amt folder Stellen 
verwalteten, deren Pfründen an Klöfter und Stif: 
ter gefallen waren. Dieje ftanden, unabhängig vom 
eigentlichen Inhaber der Stelle, unmittelbar unter 
dem Biſchof. 

Gurcellaeus, Stephan. Geb. am 2. Mai 1586 
zu Genf. Wurde, nahdem er zu Fontainebleau und 
Amiens Predigerjtellen bekleidet hatte, als Pro: 
effor an das Remonftranten:Öymnafium zu Am: 

dam berufen und zeichnete ſich als Ereget und 
Dogmatiter aus. F 22. Mai 1659. Bon feinen 
Werken ift zu erwähnen feine Ausgabe des Neuen 
Teftaments, Amſterd. 1658, 12., 4. Ausg. 1698, 
8.; ferner von Blondels De Johanna papissa 
1658. Seine Jnftitutionen, die unvollendet blie: 
ben, in der Gejanumntausgabe feiner Werke, Amft. 
1675, Fol. 

Cureus, Joachim. Ein Arzt in Glogau, der, 
geb. 1532 zu Freiftabt, in Wittenberg Theologie 
und Philologie ftudirt hatte und der melandhtho: 
nischen Richtung zugethan war. Er ift der Berfafler 
des Werts Exegesis perspicua, Genevae 1574, 
defien Erſcheinen das derfahren gegen die Philip: 
piften oder Eryptocalvinijten hervorrief; e8 war 
thatfähhlich von Bögelin in Xeipzig gedrudt. Neu 
berauägegeben 1855 von W. Schefier. Vgl. Heppe, 
zus. des deutſchen Proteftantismus, 1853, 

. 422 


Eurie. —135 eine Volksabtheilung im 
alten Rom, ſpäter der Verſammlungsort eines 
Senats oder Rathes und dieſer Rath ſelbſt. Daher 
bedeutet biſchöfliche Curie den Inbegriff der bi— 
ſchöflichen Adminiſtrativbehörden, römiſche Curie 
d. A.) den Inbegriff aller in Rom concentrirten 
Behörden. Auch die Amtswohnungen kirchlicher 
Vürdenträger beißen Gurien. 

Gurie, roͤmiſche. In der Verwaltung derjelben 
fliegen zufammen die bifhöflihe über Rom, die 
erzbiichöfliche über die römiſchen Bifchöfe, das Pri- 
mal über die Kirche und die ftaatliche des Kirchen: 
ftaates. Jede derjelben hatte urſprünglich die allge: 
meinen überall wiederlehrenden Organe, Archi— 
dialonus, Cameriengo, Arhipresbyter, Cardinal: 
vicar, Pönitentiar, Cardinal:Bönitentiar, die hier 
nur eigenthümlich aber erfennbar modificirt find. 
Die Curie zerfällt in folgende Behörden: 1) die 
Rota Romana, der höchſte Gerichtähof der Kirche 
(. d. X. Rota); 2) die Signatura justitiae, er: 
fennt über Zuläffigfeit der Appellationen, Compe: 


167 


Cuſanus 


tenz⸗Nichtigkeit 2c. ; 3) die Signatura gratiae, unter 
bem önlichen Borfit des Papſtes, entjcheidet in 
Gnadenſachen; 4) die Dataria, urjprünglic Er: 
peditionsbehörde, entfcheidet jekt über Dispenfe 
und bie Berleihung der rejervirten Pfründen; 
5) die Pönitentiaria, erledigt Gefuche um Abfolu: 
tionen und Dispenfationen, und 6) das Cardinal: 
Collegium. Hierzu tritt das Secretariat in 3 Abthei: 
lungen: a) das Staatöfecretariat des Auswärti— 
gen zur Verhandlung mit den Mächten über kirch— 
lihe Angelegenheiten; b) das Gecretariat ber 
Breven, mit dem vorigen verbunden, und der Me: 
morialen; c) die apoftolifche Kanzlei und die apo: 
ftoliihe Kammer (Camera Romana), welde die 
Einfünfte verwaltet. Außerdem wird ein großer 
Theil der Gejchäfte durch die Eardinal:Congrega: 
tionen erledigt (f.d. A. Cardinal). Der Gejchäfts: 
gang der Curie ift ſchon durch die in einander 
—— Befugniſſe ſehr verwickelt. Da die Be— 
hörden meiſtens ſelbſtändig, ohne den Papſt, zu 
entſcheiden die Berechtigung beſitzen und jeder Be— 
ſcheid perſönlich abgefordert werden muß, jo beſteht 
zur Vermittlung Bloc ber Curie und dem Bu: 
blicum, jelbft den Bilchöfen, das Inſtitut der Pro: 
euratoren, Agenten und Spedizionere (sollecita- 
tori dilettere pontificie). Bgl. Mejer, die römische 
Curie, in Jacobjon u. Richter's Zeitſchrift für Recht 
und Politik der Kirche 1847, Hft. I und IL. 

Gurio, Coelius Secundus. Geb. am 1. Mai 
1503 zu St. Chirico bei Turin. Unter humanifti: 
[hen Studien mit den Schriften der Reformatoren 
vertraut geworden und für die evang. Ucberzeugung 
gewonnen, wurde er in ein Kloſter geiperrt, aus dem 
er ſich durch die Flucht befreite, und mehrere Jahre 
in Mailand, Pavia, Ferrara und Lucca troß man: 
cher Verfolgung als Lehrer für die Verbreitung 
deö Evangeliums thätig war, bis ihn die zuneh: 
mende Gefahr nöthigte, nad) der Schweiz auszu: 
wandern, wo er in Yaufanne 1542 eine Anftellung 
fand und 1547 zu Bajel die Profeffur der Eloquenz 
übernahm Nicht Theologe von Fach, betheiligte er 
fi) durch viele Schriften fortwährend an den theo: 
logiſchen Zeitfragen, feiner freien Richtung wegen 
bei Calvin und deſſen freunden eben nicht beliebt ; 
von andern Seiten aber, aud) von Marimilian Il, 
und Papft Paul IV., durch glänzende Anerbietun: 
gen, die er jedoch ablehnte, ausgezeichnet. Sein 
Hauptwerk ift eine Spottichrift gegen das Papft: 
thum, Pasquillus eestaticus, 2, Aufl. Genf 1544, 
jpäter öfter auch überſetzt. Außerdem Christ. rel. 
institutio brevis, Bajel 1549; De amplitudine 
beati regni Dei 1554; Opuscula 1544. 

Gurtins, Valentin. Geb. am 6. San. 1493 zu 
Lebus in Brandenburg. Als eifriger Franciscaner: 
mönch im Katharinenflofter zu Roſtock durch Stü- 
ter für die Neformation gewonnen, ward er 1528 
Prediger an der heil. Geiſtlirche dafelbft, verhei: 
rathete fich 1532, ging 1534 nad) Lübeck; jeit 1545 
dort Hauptpaftor, wurde er 1554 Superintendent 
der Lübedifchen Kirchen. + 1573 am 27. Nov. Ein 
Gnefio-Lutheraner und Anhänger des Flacius, be: 
theiligte er fih an den Eonventen zu Braunfchweig 
1557 und 1561 und Lüneburg 1563, und ficherte 
die Rechtgläubigkeit Lübecks durd die Formula 
consensus 1560, welche bis 1685 von jedem Geift: 
lihen unterjchrieben worden ift. 

Cuſanus, Nikolaus (Chrypfis, Krebs). Geb. 
1401. Der Sohn eines Sciffers zu Cues an der 
Mofel. Früher Nechtsgelehrter, trat er in den 


Cuſch 


geiſtlichen Stand, ward 1430 Decan zu Koblenz und 
wohnle ald Archidiakonus von Lüttich dem Baſeler 
Concil bei, auf welchem er zuerſt die Sätze von der 
Gewalt des Concils über die Päpſte und die Un— 
abhängigleit der Fürſten vom römiſchen Stuhle 
vertheidigte (De catholiea concordantia 1433, 
De auctoritate praesidendi 1434), aber jpäter 
auf die Seite des Papftes trat, ala defjen Geſand— 
ter er auf dem Neichätag zu Frankfurt 1446 er: 
ſcheint. 1448 Carbinal, 1450 Biſchof von Briren, 
teformirte er 1451 als Legat die Klöfter; feine Un: 
terhandlumgen mit den Böhmen blieben ohne Er: 
folg. Während eines Streites mit dem Erzherzog 
Sigismund, der ihn zwei Jahre gefangen gehalten 
hatte, ftarb er 1464 zu Todi an der Peſt. Seine 
Merle find gedrudt Paris 1514, Bajel 1565, 3 
Bode. fol. Giordano Bruno entlehnte von ihm die 
Lehre von Gott ala dem abfoluten Marimum und 
Minimum. 

Cuſch, Aethiopien, bezeichnet im Allgemeinen 
alle dunfelfarbigen Stämme ſüdlich von Aegypten, 
1. Mof. 10, 6, dann das Reich, das aufer Aethio- 
pien auch Nubien und Kordofan umfaßte. Die von 
Eufc abgeleiteten Stämme, 1. Moſ. 10, 7, finden 
fi ſämmtlich in Südarabien. Ueber den Zuſam— 
menhang mit Nimrod f. d. A. 

Eufhan:Riigathaim. Richt. 3, 8.10. König 
der Mejopotamier, der Iſrael unterwarf, bis es 
durch Dthniel befreit wurde. Willkürlich hat man 
ihn mit Nimrod identificirt. 

Euflod. An den Domftiftern der Kanonikus, 
dem bie Seeljorge der Dompfarrei oblag, die aber 
in der Regel einem Subcuſtos oder Chorpfarrer 
übergeben wurde. Meift war der Euftos zugleich 
al3 sacrista und thesaurarius mit der Sorge für 
die firhlihen Geräthe und Bebürfniffe betraut. 
Bon custos, d. h. Wächter, ſtammt das Wort 
ai > (ſ. d. 9.). 

uth, Cutha. 2. Kön. 17,24. 80. Ein Diftrict, 
aus dem Coloniften nad Iſrael verſetzt wurden, 
aus beren Vermiſchung mit den Eingeborenen bie 
Samaritaner erwuchſen, daher auch die nicht jemi- 
tiſchen Worte des Samaritaniſchen Cuthäiſch ge: 
nannt werben. Die Lage von Eutha ift ungewiß, 
wahrſcheinlich jedoch ift Chufiftan zwifchen dem 
De und Choaspes mit der Hauptitadt Sufa zu 

tehen. 

uthbert, der Heilige. Biſchof von Lindisfarne, 
der Schutzpatron von Nord:England. Geb. um 635 
bei Melroje. Durch Frömmigleit und Miffionseifer 
auögezeichnet, wurde er als praepositus nad) Lin: 
disfarne verjegt, um das Klofter römiſch zu refor- 
miren. Aus einem Einfiedlerleben, in das er ſich 
zurüdgezogen, ward er auf den Biſchofsſtuhl beru: 
fen 684. + 637. Er ward jpäter unter die Heiligen 
verjegt, da man nach 400 Jahren feinen Leichnam 
noch unverweſt fand. Sein Grab wurde ein bejuch- 
ter Gnadenort. Der Leichnam wurde beim Unter: 
gang von Lindisfarne vor den Normannen geflüch: 
tet 876, jpäter 999 in Dunholm (Durham) von 
Neuem beigefegt und eine prächtige Kathedrale 
darüber erbaut. Am 17. Mai 1827 wurde der Sarg 
eröffnet. Vgl. James Raine, Sanct Guthbert, Dur: 
ham 1828. 

Eyklus ift eine Periode von Jahren, nad) deren 
Ablauf beſtimmte Verhältnifje in derjelben Orb: 
nung wieberfehren. Man bedurfte ver Cyklen zur 
Berechnung des Diterfeftes. Der Mondcyklus des 
Meton umlapt 19 Jahre, nach deren Berlauf bie 


168 


Cypriamus 


Neumonde wieder auf denjelben Monatätag fallen. 
Melde Stelle ein Jahr im Cyflus einnimmt, wird 
durch die Goldene Zahl bezeichnet. Der Sonnen: 
cytlus umfaßt 28 Jahre, nad deren Berlauf die 
Sonn: und Fefttage wieder auf denfelben Wochen: 
tag fallen. 

Cyniler. Bei den Schlilern des Antifthenes 380 
v. Chr. artete das Streben nad) Bebürfniglofigfeit, 
die als die Hauptaufgabe des Philoſophen erſchien, 
in die Vernadläffigung aller äußern Form und 
alles Anftandes aus; damit eg Fe 
offenbarte fich bei den Spätern fittlihe Rohheit. 
Daber der Name (Cynismus — hündiſches Wefen). 

Cyperblume. Hobel. 1, 14 (Luth. Copher); 4, 
13. Ein in Baläftina wachſender Straud, bei den 
Arabern Alhenna genannt, deſſen weiße, .. 
riehende Blüthen zu einem Pulver, Archenda, 
verarbeitet werden, mit welchem die Weiber Nägel, 
Haare und Lippen orangegelb färben. 

Cypern. 1. Matt. 15, 23; Apftg. 11,19; 18, 
4;21,3;27,4. Fruchtbare und reiche Infel im 
Mitteländiihen Meere (Eyprefien und aes Cy- 
prium, Kupfer) ; die Bewohner heißen Eittim, Jef. 
23,1; 1. Maff. 10,4, von der Stadt Eitium. Phöni: 
ziſche Coloniften hatten die Inſel bevölfert ; fpäter 
unter die Herrſchaft der Aegypter gerathen 550, 
unterwarf fie fi) den Perjern und Alerander bem 
Großen 333, kam dann an die Ptolemäer, bis fie 
dem römijchen Reiche einverleibt wurde 58 v. Chr. 
Zur Zeit der Kreugzlige en Cypern einer Seiten: 
linie der Comnenen. Richard Löwenherz eroberte 
die Inſel und bilbete eine englijche Lehnsherrſchaft 
des Haufes Lufignan 1192. 1473 gewannen Die 
Venetianer die Jnfel, die fie 1571 an die Türfen 
verloren. 

Cypreſſe, deren Holz auch fonft als leicht und 
dennod) bauerhaft zum Schiffbau verwendet wurde, 
versteht man 1. Mof. 6, 14; Luth. Tannenholz. 

Gyprian, Ernft Salomon. Geb. 1673 zu Dft: 
heim in Franken. Studirte in Jena und Helmftädt. 
1699 dort a. o. Profeſſor der —* 1700 zu Co⸗ 
burg Director des Gymnas. academ., 1713 na 
Gotha ins Dberconiiftorium berufen, feit 17 
BVicepräfident defjelben. + 1745. Seinen Eifer für 
reine lutheriſche Lehre bewährte cr durch feinen 
MWiderftand gegen die 1717 auf Preußens Antrieb 
vom Corpus evang. beichlofjene Union der Evan: 

elifchen. „Abgedrungener Unterricht von lirchlicher 

ereinigung der Proteftanten,” 1722; „Authen: 
tiſche Rechtfertigung,” 1722. Außerdem fchrieb er: 
„Weberzeugende Belehrung vom Wachsthum bes 
Bapittyums,” 1719, „Bertheidigung der evang. 
Kirche gegen Arnolds Kekerhiftor.,“ 1746, durch 
Groſch vollendet; „Urtheile der engliſchen Theo: 
logen über die Synode zu Dordredht,” 1723. 

Cyprianus, Thascius Cäcilius, der Heilige. 
Lateiniſcher Kirchenvater. Geb. zu Carthago 200. 
Heidnifcher Rhetor, befehrt 245, getauft 246, ward 
er von der Gemeinde 248 zum Bifchof erwählt, troß 
einer Fraction der Geiftlichkeit, Die den Marimus 
zum Gegenbifchof aufftellte. Seine Strenge in 
der Handhabung der Kirchenzucht gegen weltliche 
Pracht und gegen die lapsi (in der Berfolgung 
Gefallenen) erregte ihm ſchwere Kämpfe, nament- 
lich als er gegen Stephan von Rom die Kegertaufe 
(ſ. d. A) ald ungültig betritt (Synode zu Car: 
thago 261), und weil er zur Zeit der beciichen 

erfolgung Carthago verlajfen hatte; ebenjo fein 
Felbftbemubtes Auftreten als Biſchof gegen den 


Cyran, St. 
Jeliciſſimus (f. d. A.), in Folge deffen ein — 
Gegenbiſchof Fortunatus gewählt wurde. Er ftarb 


den Märtyrertod am 14. Sept. 258. Bon feinen 
Berten ift das —— De unitate eccl., Aus: 
gabe von Krabinger, Münfter 345. Kleinere find: 
Ad Donatum, De habitu, De dominica oratione, 
859. Gefjammtausgabe von Baluzzi, Paris 1726 
und Goldhorn in der Bibliotheca patr. Zeipz. 
1838— 39. Eine deutſche Ueberjegung von Feier: 
abend, München 1818—20; Ausgewählte Schrif⸗ 
ten von Krabinger, Augsburg 1848. 

n, St. Beiname des Johann de Hauranne 
Du Bergier, des Janjeniften (ſ. d. A.). 

Cyrene. Große Stadt inLibyen, wo viele Juden 
wohnten, 1. Mall. 15, 23, fo daß fie in Jerufalem 
eine eigene Synagoge hatten, Apitg. 2, 10; 6,9. 

Cyriacus, der Heilige, deſſen Gebeine das Col: 
— St. Cyriaci zu Neuhauſen bei Worms 

t, ſoll Bapft gerelen, ben römiſchen Stuhl 
verlafjen und mit der heil. Urjula den Märtyrer: 
tod bei Köln erlitten haben. In den Papftlatalo: 
gen findet ſich aber feine Stelle für ihn. 

Cyriatus. Patriarch von Conftantinopel 595. 
Rußte auf Befehl des Kaiſers Phofas und Betrei- 
ben des Papſtes Gregor den Titel ökumeniſcher 
Patriarch, den ihm wie feinen Vorgängern die 
Synode gewährt hatte, wieder ablegen und ftarb 
aus —* 606. 

Cyrillus Lutaris. Patriarch von Eonftantinopel. 


. Zularis. 

Cyrillus und Methodius. Die Apoftel der 
Slaven. Geb. zu alonich, traten die beiden 
Brüder Conftantinus und Methobius mit Auf: 
gebung bisheriger Stellen zu Eonftantinopel in ben 
geiftlihen Stand und ließen fid) von Michael III. 
ald Miffionare zu den Ehazaren fenden 860; bes: 
gleihen als Raſtislaw oder Rajtices um Lehrer 
und Prediger bat 863. Conftantinus erfand das 
laviſche Alp ‚ liberfegte die heil. Schriften, 
ein inar für Prediger, und es entftand 
eine flavifch chriſtliche Kirche. Den Berhältniffen 
nachgebend, ſchloſſen die Beiden fi an Rom an, 


nachdem bie ſlaviſche Sprache und Liturgie gemähr: 
leiftet worden, gingen auch jelbft dorthin zu Ha- 
drian Il. 868. Methodius ward Erzbifchof der 


pannoniſchen art Eonitantinus begab jich unter 
dem Namen Eyrill in ein Kloſter und ſtarb am 14. 
Febr. 869. Der Haß der Deutſchen gegen bie ſla⸗ 


169 
ung Kirche richtete fich aber gegen Methobius, ber 









Dach 


zur Verantwortung nad) Rom zurücklehren 
mußte. Der Papſt trat auf feine Seite 881, aber 
nad) deflen Tode 882 ftieg die Macht der Gegner 
unter dem Bischof Wiching, welche nad) Methodius’ 
Tode 885 die ſlaviſchen Ürifer verjagten, die zu 
den Bulgaren flüchteten. Bgl. Philaret, Eyrill und 
Methodius, Mitau 1847; Ginzel, Geſchichte der 
Slaven:Apoftel, 1857. 

Eyrillus von Alerandrien, Patriard) jeit 412, 
vorher Mönd in der nitrifchen Wüfte. Ein Eiferer 
gegen Juden und Heiden, ſchrieb er gegen Julian 
eine Vertheidigung des Chriſtenthums Seine Ma: 
riolatrie veranlaßte ihn zur Verfolgung des Ne- 
ftorius (j. d. 9). Wegen feines eigenmächtigen 
Verfahrens zu Ephefus 431 ward er vom Kaiſer 
abgejegt, aber jpäter reftituirt und befehrte ſich zur 
Lehre von zwei Naturen. + 444. Oper. gr. et lat. 
ed. J. Aukert, Paris 1688, 7 Bde. Commentarii 
in Luc. ed. Parker, Oxon. 1858. 4. 

Cyrillus von Jeruſalem. Seit 350 ein Semi: 
arianer, verlor er deshalb zwei Mal fein Bisthum 
360 und 367 und gehörte zu Eonftantinopel 381 
zur —— Bartei. + 386. Von ihm find 23 
Katecheien, eigentlih Predigten vorhanden, von 
denen die in mancher Beziehung intereffanten letz 
ten 5, die myftagogifchen Reben, welche die Myſte⸗ 
rien erflären, für unecht gehalten werben. Ausgabe 
von Lentner, Münden 1848. 

Eyrus, hebr. Koreſch. Aus den widerſprechen⸗ 
den Angaben des Herobot, Ktefiad und Zenophon 
geht ſoviel hervor, daß Cyrus, ein Berfer, dem me: 
diſchen Herrjchergefchledhte angehörte, durch einen 

* ſein Vaterland befreite 


der Gefangenſchaft entließ. + 529. 

Ezersli, Johann, Geb. am 12. Mai 1813 zu 
Werlubenbei Neuenburgin Weftpreußen. Seit 1842 
Priefter, 1844 Vicar in Schneidemühl, fagte er ſich 
in Folge von Ronge's Brief von der römiſchen 
Kirche los, erklärte fi jedoch für das apoftolifche 
Glaubensbelenntnig 1845 und trennte fi auch 
fonft von der ertremen Richtung der Deutſch— 
fatholifen. Schrieb Rechtfertigung ſeines Abfalls, 
Bromb. 1845; Sendichreiben an hriftlich-apofto- 
liche Gemeinden, 1845 und 1846. ©. d. Art. 
Deutſchkatholilen. 


D. 


Dabaſeth, Dabbeſeih. (Kamelshöder.) Stadt 
in Eebulon, Joſ. 19, 11, lag auf dem Carmel. 
Dabraih. Joſ. 19, 12; 21, 28. Levitenftabt in 
Iſaſchar, jet das Dorf — wo ſich Ueber⸗ 
reſte Aa alten Straße finden. ®. d. Velde, Mem. 


Dad, Simon. Geb. 29. Juli 1605 zu Memel. 
Evangelifcher Liederdichter. Als Famulus eines in 

ittenberg ftudirenden Theologen bejuchte er die 
dortige Stadtichule, fpäter das Gymnafium zu 
Magdeburg, ftudirte in Königäberg Theologie und 
Philologie, wurde 1633 Collaborator, 1636 Con: 
tector der Stabtichule dort, 1639 Prof. der Roefie 
m der Univerfität. + 15. April 1659. Wir befigen 
von ihm eine große Zahl religiöfer Lieder, die ihren 


— eg ad ang rg er 
ober in dem feiner Freunde haben, baher vielfach 
den Tod und die Hoffnung in der Trübjal behan— 
dein. Es fpricht I in ihnen warme Empfindung 
und lebendiger Glauben aus. An poetifhem Werthe 
überragen fie feine weltlihen Dichtungen, deren 
befte das befannte „Aennchen von Tharau“ ift. In 
die Gefangbücher find verhältnißmäßig nicht viele 
feiner Lieder übergegangen. Dad) war cin hervor: 
ragendes Glied des ——— Dichterbundes, 
zu dem Roberthin, + 1648, —— + 1640, B. 
Thilo, + 1662, H. Albert, + 1668, gehörten. Eine 
Gefanmtausgabe jeiner Lieder ift noch nicht er- 
Ichienen. Die meiften finden fid bei W. Müller, 
Bibliothek deutſcher Dichter, Bd. 5. 


DAchery 


D'Achery, Johannes Lucas. Geb, 1609 zu St. 
Quentin, trat er in den Benedictinerorden und 
1632 in die Congaregation St. Maur. Als Biblio: 
thefar in der Abtei St. Germain des Pr&s in Paris 
war er ein unermüdlicher Sammler von Hands 
Schriften, durch deren Ordnung und Derausgabe er 
ſich anerkannte Verdienfte um die Wiſſenſchaft er: 
warb. + 1685. Er gab heraus: Spicilegium vete- 
rum scriptorum, Paris 1655, 14 Bde.; Epist. 
St. Barnabae, 1645; Lanfranei Opera, 1651; Re- 
gula solitariorum, 1653; Asceticorum v. — 
tualium opusculorum indieulas, 1648, ed. 2 
1671. Bon ihm war das Material geſammelt zu 
Mabillons Acta Sanctorum. 

Da Coſta, Saat (1798—1860). Einer der be: 
rühmteſten holländifchen Dichter, Nachfolger Bil: 
derdyls, aber nicht bloß auf dem poetijchen, ſon— 
dern auch auf dem religiös-kirchlichen Gebiete. 
Kaum vom Judenthum zum Chrijtenthum über: 
gegangen (1822), fchreibt er die „Beſchwerden gegen 
den Geift der Zeit“ (1823), eine Parallele zu den 
Harmſiſchen Thefen, nur jhärfer und geiſtvoller, 
und ift bis zu jeinem Tode eines der Häupter Der 
firengiten orthodoren Richtung in der holländischen 
Landeskirche geblieben. Seine theologiſchen Schrif: 
ten find etwa mit Ausnahme der über „Iſrael und 
die Völker“ ohne Werth; feine Poeſien aber werden 
begeiftern, folange überhaupt die niederländijche 
a lebt. Val. über ihn Brot. Mon. October 
1861. 

Daehne, A. Fried. Geb. in Leipzig am 26. Octo: 
ber 1507, Profeſſor der Theologie in Halle, wo er 
fi 1831 Habilitirte. Schrieb: Geſchichtl. Darftellung 
der jüdijch:alerand. Netigionsphilo)., Halle 1854; 
De praescientiae divinae eum lib. hum. con- 
cordia, 1830 ; Entwidelung des paul. Yehrbegrifis, 
1835; die Ehriftuspartei zu Korinth, 18-41. 

Daemonifde, Bejeffene, werden im Neuen Te: 
ftamente häufig als von Chriſtus geheilt erwähnt. 
Auch bei Profanſchriftſtellern, Joſephus, Plutarch, 
Lucian, werden bejtimmte Krankheiten der Einwir— 
tung böfer Geifter zugejchrieben. Dan hat zu den: 
Ion an Geiftestrante, welche zugleich an Epitepfie, 
Mondſucht, Taubheit, Blindheit und andern Krank— 
heiten litten. Wenn ein folder Kranker in feinen 
lihten Augenbliden das Herannahen des Paroxys— 
mus fühlt, jo fann es ihn (wie auch dem Zu— 
fchauer) fein, als gewänne eine fremde Macıt 
Gewalt über ihn, er weiß noch, daß er jpricht und 
thut was er nicht will, ohne doch es unterlaflen 
zu können. Bei dem Unvermögen damaliger Heil: 
tunft, jolchen Kranken zu helfen, nahm man jeine 
Zuflucht zu Beihwörungen und Zaubermitteln. 
Jeſus heitt ftets durch die unmittelbare Einmwir: 
lung feiner religiös: fittlichen Perfönlichkeit auf 
das Gemüthsleben der Kranfen. Um die Wahr: 
haftigkeit Jeju und feine Jrrthumslofigteit nicht 
bloßjuftellen, hat man bis in die neuejte Zeit für 
ung gehalten, ein wirkliches Bejefienjein von 

öjen Geiftern zu vertheidigen, und hat darüber 
gejtritien, ob die Dämonen gefallene Engel oder 
Seelen abgefhiedener Menfchen oder gar die See: 
len der inder Gintfluth umgelommenen Giganten 
gewesen jeien, auch fich Dabei nicht jrei gehalten von 
ven Nadywirkungen des germaniſchen Hexen: und 
Teufelglaubens, während dod nicht zu verfennen 
ift, daß es niemals weder in der Abſicht noch in 
der Aufgabe Jeſu liegen konnte, Belehrungen über 
da3 Weſen einer Krankheit zu ertheilen. nennt 


170 


Dünemarf 


fie, damit er verjtanden werde, übereinftinmend 
mit der Ausdrucksweiſe des ganzen Volkes, und 
heilt fie in Uebereinftimmung mit feinem eigenen 
Wejen. Die gerühmte tiefere Einficht in das Gei- 
fterreich bei den Vertheidigern wirklicher dämoni— 
cher Bejefienheit it im Grunde nichts Anderes als 
eine Verlennung des Wejens der Sünde und des 
geiftigen Xebens überhaupt, die fi) von manichäi— 
ſchen und magischen Ideen noch beherrjchen läßt. 
Bal. die Commentare zu den Evangelien und die 
Literatur über das Leben Jefu. Befondere Behand: 
[ung findet der Gegenftand in Semler, Umftänd: 
lihe Unterfuhung der dämoniſchen Leute, 1762; 
Delitzſch, Bibl. Pſychologie, ©. 293 ff. 
Daenemarf, Die Beranlaffung zu den erfien 
nachhaltigen Verſuchen, das Ehrittenthum in Dä- 
nemark einzuführen, boten, da ein früherer Mif: 
fionszug des heil. Willibrord 699 ganz erfolglos 
geblieben war, die Thronftreitigkeiten zwifchen den 
Söhnen Göttrids und Harald Klaf. Diefer wandte 
fih an Yudwig den Frommen um Hilfe, und deſſen 
Gefandter, Erzbiſchof Ebbo von Rheims, benutzte 
feinen Einfluß und gründete die Cella Wellang, 
um eingeborne Dänen für die Miffion auszubilden. 
ALS Harald fi in Ingelheim mit vielen feiner 
Yeute hatte taufen laſſen 826, überlam Ansgar die 
Leitung der däniſchen Wiffionsarbeit, die nun batv 
durd) die Gründung der Kirchen in Schleswig und 
Nipen einen Fräftigen Auffhwung nahm, bis eine 
Erhebung der Heiden unter dem Sohne des getaufz 
ten Königs Horich das Meifte wieder zerftörte. 
Auch Gorm der Aıte (F 941), der eigentliche Stif: 
ter des dänischen Staates, blieb dem Chriſtenthum 
jeindlich, bis er, von Heinrich 1. bezwungen, dem 
Erzbifchof Unni von Bremen (F 936) geftatten 
mußte, die Kirchen wieder aufzurichten und Miffio: 
nare zu fenden. Sein Sohn Harald Blaatand 
(941— 996) begünftigte das Chriſtenthum; die 3 
alten Kirchen zu Schleswig, Ripen und Arhuus 
wurden zu Bisthümern erhoben und ein neues 
Bisthum Ddenfee errichtet. Aber erjt im Alter lieh 
fid) der König jelbjt taufen, und fein Geſetz führte 
das Chriftenthbum als Staatöreligion ein. Zu 
mächtig war nod die heidnifche Partei, an ihrer 
Spite der Thronfolger Sven, der ſich ſiegreich ge⸗ 
gen den Vater erhob und nun die Chriſten grauſam 
verfolgte. Erjt die Eroberung Englands änderte 
fein Verhalten; fterbend empfahl er feinem Sohne 
Kanut Dem Großen (1019— 35), die Einführung des 
Ehriftenthums in Dänemark zu vollenden. Diejer 
folgte dem Rathe, Biſchöfe und Priefter wurden 
aus England herübergefandt, die Kirchen wieder 
hergeftellt, Ktöjter begründet, und um 1060 wurde 
als der letzte heidniſche Landſtrich die Inſel Born: 
holm dem Chriftentgum gewonnen. Obgleich lange 
Zeit hindurch die Geiftlichen nur aus England ka— 
men, blieb doch die Kirche unter der Suprematie 
des Erzbiichofs von Bremen; erft die Errichtung 
des Erzbisthums Lund 1104 (Erzbiſchof Ascer) 
machte die dänische Kirche von Deutjchland unab: 
hängig. Das Berdienft, die erfte Ordnung ber kirch— 
lichen und ftaatlihen Berhältniffe, auf denen alles 
Spätere fich aufbaute, abgejchlofjen zu haben, ge: 
bührt dem Erzbischof Abjalon von Lund unter Aal: 
demar I., dem Berfaffer des Schonenfchen (1162) 
und des Finnifchen (1171) Kirchenrecht. Den 
Grund zu der weltlihen Macht der Kirche legte 
Knud der Heilige 108086, als er den Biſchö 
die Würde der Jarle oder Herzöge ertheilte, den 


Danemarf 


— einführte und die geiſtlichen Gerichte beſtä— 
tigte. Die letztern zogen durch die an fie geſtatteten 
Appellationen mit der Zeit faft die ganze bürger: 
liche Rechtspflege an ih. Durch die politiſche Stel: 
Img, welde ihnen eingeräumt war, wurde das 
Interefle der Geijtlichen mit dein der Krone und 
des Adels enge verknüpft, und da von Anfang die 
Wahl der Bischöfe beim Volte geftanden hatte, wo- 
von fie auf die Stifter überging, diefe aber den 
Wünſchen der Könige Rechnung zu tragen pflegten, 
jo ruhte der Streit zwiſchen der Geijtlichfeit und 
der Krone, an dem es auch hier nicht fehlte, auf 
anderer Grundlage als in Deutichland. 1320 
wurde von dem König Chriftopher den Prälaten 
eine verfafjungsmäßige Theilnahme an der Ber: 
waltung des Reiches zugeftanden; die Calmariſche 
Union nahm alle Bijchöfe und eine Anzahl Prä— 
laten in den Reichsrath auf, und ficherte damit 
ſowohl den Frieden zwiſchen Kirche und Staat, als 
auch eine relative Unabhängigleit der dänischen 
Kirche von der römischen Curie; förderte aber um 
jo mehr die Verweltlihung der Geiſtlichleit. Die 
geiftlihen Beneficien wurden Borredjte des Adels. 
Die Reformation fand Dänemark in mancher Reife 
vorbereitet und wurde von Chriftian 11. jo begün: 
ftigt, daß er Luther felbft oder Karlftabt 1521 nad) 
Kopenhagen zu ziehen verfuchte, eine Ueberſetzung 
der Bibel vorbereitete und ein Gefeg iiber die Ilm: 
geftaltung des Gottesdienftes entwarf 1522. Rach 
jeiner Thronentfegung 1523 wurde daher vielfad) 
die Sache des vertriebenen Königs mit der Refor: 
mation identificirt, jo daß die Stände Friedrich I. 
durch jeine Handfeſte verpflichteten, die Ketzerei zu 
beftrafen. Inzwiſchen lernten einzelne Gelehrte das 
Evangelium in Deutſchland und in ben Herzog: 
thümern fennen; der Karmeliter: Provinzial Bau: 
lus Eliae hatte ſchon früher als Vertrauter Ehri: 
flians, von dem er fpäter ſich losſagte, der Refor— 
mation im Erasmifchen Sinne fid) geneiat gezeigt, 
jest überjegte er mehrere Schriften Luthers, und 
betbeiligte fich an einer Meberjegung der Palmen; 
in den Schulen feines Ordens wurde das Neue 
Teftament gelejen und beſprochen, weldes, von 
Hans Michelfen überjegt, König Ehriftian 1524 in 
Leipzig hatte druden und in Dänemark verbreiten 
lafien. So begann aufs Neue eine reformatorifche 
Bewequna, feitden der König 1525 die Bibel freigab. 
Hans Tauſen und Jürgen Sadolin traten unter 
dem Schuße des Königs als Prediger auf. Der 
Adel erzeigte fich auf dem Tage in Wiburg geneigt; 
auf dem Neichstag zu Odenſee 1527 wurde den 
Bihöfen die geiftlihe Jurisdiction entzogen, und 
bis zum allgemeinen Concil Religions = ge: 
währt, die Ehe der Geiftlihen geſtattet. In Wi- 
burg, Malmoe und Kopenhagen gewann das Evan: 
gelium fefte Mittelpunfte. Noch günftiger wirkte 
der Reichstag zu Kopenhagen, wo die ‘Prediger ein 
Glaubensbefenntnif in 43 Artikeln vorlegten, da 
der König gewonnen wurde. In dem Interregnum 
nad jeinem Tode 1533 gebrauchten die Biſchöfe 
als Glieder des Neichsrathes ihre Gewalt, um 
der Bewegung Einhalt zu thun; jedoch der Bürger: 
Irieg, die Grafenfehde und ein Bauernaufjtand 
flärkten nur die Evangelifchen und vermehrten den 
Haß gegen die Biſchöfe. Chriftian III. (1534) be: 
ftätigte die Religionsfreibeit ; Die neue Gonftitution 
nahm den Biſchöfen alle weltlihe Gewalt und zog 
die firhlichen Güter zu Gunſten des Adels und 
ber Krone ein. Abgeſchloſſen ward die Reformation 


17 


1 Dänemark 


durch die Kirchenverſammlung 1537, den Her: 
rentag 1539 zu Dbenfee und die Annahme der 
Kirchenordnung, welde, von Bugenhagen revidirt 
und vollendet, auch Luthers Billigung gefunden 
8 Das Kirchenregiment lam von Anfang voll: 
tändig an den König ; den Bilchöfen (Superinten- 
denten), obgleich fie ordinirt wurden, blieb nur die 
Disciplin in ihren Stiftern und das Necht der 
Kirchenvifitation ; unter ihnen find die Pröbſte die 
unmittelbaren Borgefegten der Pfarrer, fie haben 
die Schulvifitationen und die Aufficht über die lirch— 
lichen Gebäude. Jährlich wird eine Diöcefanfynode 
gehalten, beftehend aus dem Biſchofe, den Pröbſten 
und dem Stiftsamtınann, die aber, feitvem die 
Kichhendisciplin völlig untergegangen, fid) nur mit 
den materiellen Angelegenheiten der Gemeinden 
befchäftigt. Der Territorialismus der dänischen 
Kirhenverfaflung erreichte feinen Gipfel durch das 
Königsgeſetz vom 14. Nov. 1660, welches dem Könige 
mit unzweideutigen Worten die volle und abjolute 
Kicchengewalt zufprach. Die lutheriſche Kirche mit 
den beiden Katedyismen Luthers undder Augustana 
invariata als ſymboliſchen Schriften war damit 
in Dänemarf allein geftattet, allen Anders: 
gläubigen der Aufenthalt im Lande verſchloſſen. 
Durch befonderes Privilegium wurden einzelne 
Städte, wie Friedericia, Freiftätten für verſchiede— 
nen Eultus. Bejchränlte Neligionsfreiheit erhielten 
die Reformirten 1747, die Katholiten in Kopen: 
hagen und die Juden 1814, die Baptiften unter 
der Bedingung der Kindertaufe 1842. Das däniſche 
Grundgejeg von 1848 erflärt die lutheriſche Kirche 
für Die Kirche des Volles, proclamirt aber unbe: 
dingte Neligionsfreiheit. Das Kirchenregiment, da 
es zu der in Ausficht geftellten Kirchenverfaſſung 
noch nicht gelommen tft, liegt beim Eultusminifter 
und beim Reichsrathe, und die Berhältniffe find 
aus der Berworrenheit noch nicht gelöft; einzelne 
Geſetze, wie über die Einführung der facultativen 
Eivilehe und die Aufhebung der Kirchſpielverbände, 
zielen auf eine Loslöſung der Voltsfirhe von 
Staate. Im Innern herrſcht eine freie Bewegung. 
Eine hochkirchliche Richtung hat wenig Einfluß ge: 
wonnen, dejto mehr die Grundtvigfche national: 
firhliche Richtung, die, aus dem Grgenfaß gegen 
ben Nationalismus hervorgegangen, volle Freiheit 
vom Staate verlangt und den Grundjat verficht, 
daß nicht die Bibel, fondern das apoftolijche Glau— 
bensbelenntniß, weldes von dem Herrn den Apo— 
fteln jelbft mitgetheilt worden, als Grundlage des 

riftlihen Glaubens anzufehen fei. Die Miſſion 
ift in Dänemark frühzeitig gepflegt, das noch vor: 
handene Miffionscollegium für die Miffion auf 
Srönland, Tranfebar, der Küfte von Guinea und 
den weftindifchen Beſitzungen befteht feit 1710. Die 
Wirkſamkeit deffelben Hat dadurch gelitten, daß auch 
die Miffion in ſtaatskirchlichem Sinne geleitet 
wurde, Neben ihm ift die Miſſionsgeſellſchaft zu 
Kopenhagen als freier Verein durch den Prediger 
Rönne zu Lingby geftiftet, und feit 1850 ein Ber: 
ein für die Evangelijation China's. Die Bibelgeſell— 
[doll 1811 durch Dr. Henderfon ins Leben geru: 
en, hat eine jehr qute verbefjerte Ueberjegung des 
Neuen Teftanents (1819) herausgegeben und jorgt 
für die fremden Befigungen. Werke und Bereine der 
innern Miffion find zahlreich entjtanden und finden 
lebhafte Betheiligung. In Folge der Religions: 
freiheit haben nicht nur die Baptiften Zuwachs 
erhalten, ſondern aud die Methodiften Eingang 


Dagon 1 


zen und die Katholiken in —*Xc—— eine 
irche erbaut. Bemerkenswerth iſt, da 

monen Viele an ſich ziehen. — Der ſtandina— 
viſche Kirchentag erſtrebt eine Vereinigung der 
Kirchen Dänemarks, Schwedens und Norwegens. 
Dal. Münter, Kirchengeichichte von Dänemark und 
Norwegen, 1823; Dahlmann, Geſchichte von Dä⸗ 
nemarf, 1840. Lüttke, Kirchl. Zuftände, 1864. 

Dagon. Eine philiftäifche Gottheit. Wurde ab- 
gebildet ald Fiſchrumpf mit Menſchen-Geſicht und 
:Händen, und hauptſächlich verehrt zu Gaza und 
Asdod. Richt. 16, 23 ff.; 1. Sam. 5, 1; 1. Makk. 
10, 83. Man verehrte unter jeinem Bilde die be: 
lebende und jchaffende Fruchtbarleit. Wahrſcheinlich 
ift die Ableitung von Dog, Sic, feitzubalten, ob: 
wohl Philo Byblius das Wort von Dagan, Ge: 
treide, herleiten will. — Dagon nennt Joſephus 
B. J. I, 2. 3 die Feſte bei Jericho, welche 1. Malt, 
16, 14. 15 Doch genannt wird, 

Dajaffen oder Dayals find die Urbewohner der 
Snjel Borneo, malaiihen Stammes. Die Miffion 
unter ihnen begann 1835 die Rheinische Geſellſchaft 
durch den Biltonar Barnftein. Das mühevolle 
Werk wurde 1859 durch den Aufftand faft völlig 
zeritört. Aucd amerikanische Gejellfchaften haben 
unter den Dajakken Stationen errichtet. 

Dalberg, Karl Theodor Anton Maria, Reich: 
freiherr von. Geb. am 8. Febr. 1744 zu Hernäheim 
bei Worms, Sohn des Freiheren Franz Heinrich 
von Dalberg. Domicellar zu Mainz, 1772 Statt: 
halter in rt, erwarb er ſich als ſolcher Berdienfte 
um das Schulweſen; mit feiner ganzen Richtung 
damals der Aufklärung zugethan, wirkte er anre: 
gend und belebend in weitern Kreifen. 1787 Coab: 
jutor von Mainz, 1788 aud) für Conftanz gewählt, 
ward er zum Erzbiſchof von Tarjus geweiht. Er 
hatte die Errichtung einer beutichen Nationalkirche 
im Auge und veranlafte literarijche Erörterungen 
biefes Gedankens. 1789 überließ er Eonftanz dem 
Coadjutor von Weflenberg. 1802 Kurfürft von 
Mainz, erhielt er als Reichserzfanzler das Erzbis— 
thum Regendburg und Aſchaffenburg. Dann trat 
er in nähere Verbindung mit Napoleon, deſſen Arö: 
nung er beimohnte und dem er die dee des 
Rheinbundes eingab. 1806 als Fürſt-Primas 
des Rheinbundes ward er von Napoleon mit 
Frankfurt a. M. beſchenkt und nahm 1810 von 
demjelben Hanau und Fulda mit dem Titel und der 
Dlacht eines Großherzogs an. Nach der Schladht 
bei Leipzig legte er feine Regierung nieder und zog 
fi in fein Erzbisthum Regensburg zurüd, wo er 
1817 ftarb. So herben Tadel feine Politik mit 
Recht erfahren hat, dennoch ift fein edler Charak— 
ter, feine Wohlthätigkeit und Uneigennüsigfeit 
anzuerfennen, und die Sorgfalt, mit der er überall 
für Voltsbildung wirkte. Bgl. Krämer, K. Th. 
Dalb. 1821. 9. M. E, die legten Lebenstage eines 
beutichen Bifchofs, 1846. 

D’Alembert. ©. unter A. 

Dallaeus, eigentl. Daille, Sohannes. Geb. am 
6. Januar 1594 zu Chatellerault. + 1670. Berühm: 
ter frangöfifcher Theologe. 1623 Schlofprediger 
des Duplejfis:Mornay, deſſen Enkel er erzogen 
hatte, 1625 Pfarrer in Saumur, 1626 zu Paris, 
präfidirte der letzten Nationaljynode zu Loudun 
1659. Bon — zahlreichen Werfen find die be— 
rühmtejten: De l’emploi des peres 1631, lateiniſch 
1656, in welchem er das Anjehen der Kirchenväter 


12 


die Mor: | A 


Damaſus T. 


des Amyraultſchen Univerfalismus — 

pologie des Synodes d’Alencon et de Charen- 
ton. Sein Leben fchrieb fein Sahn Horace, Paſtor 
zu Rochelle, der nachher als is in Zürich ftarb. 

Dalmanutha. Marc. 8, 10. Ort nahe bei Mag: 
dala am See Tiberiad; —* nirgend erwähnt. 

Dalmatica. Das Feſtgewand der Dialonen in 
der römiſchen Kirche ſeit dem 4. Jahrhundert; ein 
Obergewand aus koſtbarem Stoffe mit Aermeln, 
wird über Alba und Stola —— 

Dalmatien. Landſtrich an der Oſtküſte des Adria⸗ 
tiſchen Meeres. Das Chriſtenthum fand dort früß- 
zeitig Eingang durd Titus, 2. Tim. 4,10. Die 
Bewohner gehören heute der röm. Kirche an, es 
finden fich vereinzelt griech. katholiſche Gemeinden. 

Damaris oder Damalid, (Dem Anjcheine nach) 
eine vornehme Frau, welche in Athen dem Apoſtel 
Paulus anhing, Apſtg. 17, 34. Manche bielten fie 
für die Gattin des Dionyfius Areopagita. Ihr 
Gedächtnißtag ift der 4. October. 

Damasdcenud. S. Johannes Damascenus. 

Damaskus. Stadt am Fuße des Antilibanon, 
in einer fruchtbaren, von den Bächen Amana und 
Pharphar, 2. Kön. 5, 12 (Barady und Awadſch 
bewäfferten Ebene. Hat gegenwärtig über 200, 
Einwohner, viele Moſcheen und mehrere hriftliche 
Kirchen. D. wird bereit? erwähnt in der Ge 
ſchichte Abrahams, 1. Mof. 14, 15; 15, 2. In 
nähere Verbindung mit der Geſchichte Iſraels trat 
die Stadt feit David, ber fie eroberte und mit 
einer Bejakung belegte, 2. Sam. 8, 5. 6; 1. Chr. 
18 (19), 5. 6. Unter Salomo gründete Rejon das 
Reich der bamascenifhen Syrer, 1. Kön. 11, 28. 
Obwohl er Salomo’s Widerſacher geweſen, hielten 
feine Nachfolger ein Bundniß mit den Königen 
Juda's feft, 1. Kön. 15, 19, welches Beranlaffung 

ab zu den Fehden mit Jfrael, die mit wechſelndem 
Süd unter Ben Hadad I. und II. fortvauerten. 
Mit Glüd kämpfte Hafael, 2. Kön. 8, 28. 29; 9, 
14—16; 10, 32. 83; 12, 17. 18; 18, 8. 7; 
2. Chron. 24, 23. 24, gegen Iſrael und Juda, bis 
unter Joas und Jerobeam II., 2. Kön. 13, 22 ff.; 
14, 25, die Eroberungen wieder verloren gingen. 
ALS darnad) Rezin von D., verbiindet mit Pelah 
von Iſrael, Juda überfiel, 2. Rön. 15,37; 16,5 ff., 
rief diefes die Aſſyrer zu Hülfe, welche D. erober: 
ten und die Einwohner in die Gefangenihaft an 
den Fluß Kyrus führten, 2. Kön. 16,9; Amos 1,5; 
Jeſ. 8, 4; 10, 9; 17,1 ff. D. theilte das Schickſal 
des affyrifchen Reiches. Später gehörte es zum 
feleucidifch:jgrifchen Reiche und fam mit dieſem 64 
v. Chr. unter römische Herrſchaft. Eine Zeit: 
lang bejaß es der König Aretas, 2. Kor. 11, 28 
(ſ. d. 9). Biele Juden waren in D. anjäffig, unter 
ihnen fand das Evangelium Annahme, Apita. 9. 
Auf der DVerfolgungsreife nad) D. wurde Pau— 
lus befehrt und hielt dort feine erſte Predigt. 
Später war D. Sit eines Biſchofs. Dem ojtrö- 
mifchen Reiche einverleibt, ward es 632 vom Kalifen 
Omar erobert und zur Refidenz gemadt. Während 
der Kreuzzüge ſchwankte der Beſitz. 1401 eroberten 
die Mongolen die Stadt, und 1516 kam fie an das 
osmaniſche Reich, bei dem fie geblieben ift, abge: 
rechnet die Zeit von 1833—1840, in ber fie unter 
änyptiicer Hoheit ftand. Biel genannt ift D. durch 
3 — Niedermetzelung der Chriſten, 9. bis 16. 

uli 1860. 
Damaſus I. Geb. 306. Papſt 366—384, nach⸗ 


ber Kritik unterwarf; und bie zur VBertheidigung | dem die Gegenpartei, die Urfieinus erwählt hatte, in 


Damafus II. 


Blutigem Kampfe befiegt war. Valentinian gab 
367 ihm ala Bifchof von Rom das Recht, die Strei- 
tigteiten der andern Biſchöfe zu unterjuchen und 
zu ſchlichten. Gegen die Arianer hielt Damaſus die 
Eynoden zu Rom 368 gegen Urjacius und Balens 
und 870 geeen Aurentiu von Mailand, und 
wohnte jelbit der Kirchenverfammlung von Con: 
ftantinopel 381 bei. Hieronymus, der ihm befreun- 
bet war, wurde von ihm zur Verbefferung der Bi: 
belüberjegung aufgefordert. Seine Schriften find 
herausgegeben durch Ubaldini, Rom 1638; Me: 
senda, Rom 1754 und zu Paris 1840. 
Damafus II. Bifchof Poppo von Briren, 1048 
gegen Benedict IX. zum Papſte erwählt, ftarb 
23 Tagen. 
amiani, Petrus. Geb. 1007 zu Ravenna. In 
niedern ugs aufgewachien, erwarb er ald 
Lehrer fich Ehre und Bermögen, trat dann in die 
Eremitengemeinichaft von Fra Avellana, deren Abt 
er wurde. Durch die Strenge feiner Asleſe und die 
rüdfihtslofe Schroffheit feines Auftretens erlangte 
er bald das Anjehen eines Bolköheiligen. Eine 
Schrift über die Sittenlofigleit des Klerus (Liber 
Gomorrhianus) 1051 verband ihn mit Hildebrand, 
dem fpätern Gregor VII. Stephan X. machte ihn 
1057 zum Cardinal und benugte ihn, das Bolt 
und die Mönchäorden für die päpftlichen Ziele gegen 
den dem Kaifer und den weltlichen Intereſſen zu: 
gewendeten Klerus zu gewinnen. Damiani hatte 
großen Antheil an den Beichlüffen des Lateran: 
concils von 1059, welches das Anhören der Mefie 
bei beweibten Prieftern verbot. Nachdem er als 
—** Geſandter die Unruhen zwiſchen der 
ia zu Mailand und dem Erzbiſchof Wido, wie 
er meinte, nicht conſequent genug beigelegt, verließ 
er ſein Cardinalat und kehrte —* inöde zurüd. 
Bei der Wahl Aleranders II. (Anfelm von Zucca) 
gegen Cadolaus von Parma (Honorius II.) bewies 
er ſich als der gejchidteite und gefährlichfte Gegner 
deö Zektern, der auch 1064 in Mantua förmlich 
entjegt wurde. Als Beichtvater der Königin Agnes 
wurde er zu Heinrich IV. gefendet 1069 und ver: 
mochte ihn, jeine Gemahlin Bertha wieder zu fi 
zunehmen. Damians Wirffamteit war eine Vor: 
bereitung für den Sieg der Hierarchie im Kampfe 
Gregord mit Heinrih IV. Seine Werke find ges 
jammelt von Eajetanus in 4 Fol.Bänden, Rom 
1606; Paris 1610, 1642, 1663; Venedig 1743. 
na Leben bejchrieb fein Schüler, der Moönch Jo: 
es 


Damianiſtinuen. S. Franciscaner. 

Damianus. Patriarch von Alexandrien. + 601. 
Lehrte, daß die Hypoſtaſen der Trinität nicht für 
fi Gott ſeien, fondern in ihrer Bereinigung das 
Eine göttliche Weſen ausmachten. Seine a 
hießen Damianiten, auch Angeliten, vom Verſamm⸗ 
lungsort, Angelium, oder Tetraditen (4 Götter). 

Damianus und Cosmas. S. Cosmas und Da: 
mianus. 

Dan. Der Stamm leitet ſeinen Urſprung ab von 
dem Sohne der Bilha, 1. Moſ. 30, 3 ff.; 35, 25. 
Obgleich einer der kühnſten und ftreitbarften 
Stämme, konnte er das ihm angemiejene Gebiet 
wiſchen Ephraim, Benjamin und dem Philifter: 
land weder ganz gewinnen, Richt. 1,34, noch gegen 
Juda be en, 30[.21,16; 1. Chr. 6,44. Daher 
309 ein Theil nach Rorden, Richt. 18,1 ff., eroberte 
dort die ſidoniſche Stadt Laiſch und fi in 
ihe feft; da die Stadt den Namen Dan erhielt, 


173 


Daniel 


erklärt fi) ber häufige Ausdruck „von Dan bis 
Berjaba”. Unter Jerobeam wurde Dan eine ber 
Hauptcultuftätten. Nach dem Eril ift der Stamm 
nicht mehr vertreten und wird daher auch bei der 
Aufzählung, Offenb. 7, 6, nicht mit erwähnt. 

Danueus. Lambert Daneau. Geb. zu Orleans 
1530. Studirte Jura, dann feit 1560 Theologie zu 
Genf. Lehrte 1582 zu Gent, fpäter an der Afademie 
in Navarra. + 1596. War der Erjte, der die Ethit 
(1577) von der Dogmatif getrennt behandelte. 
Strenger Calvinift. Ethices christ. libri III, 
1577. Loci communes. Politica christiana. 
Examen libri de duabus in Christo naturis a 
Chemnitio conscripti, 1581. 

Daniel, der —— Nach der Einleitung des 
apokalyptiſchen Buches des Alten Teſtaments, wel: 
che3 Danield Namen trägt, war derjelbe ein He: 
bräer aus vornehmem Geſchlechte, welcher ald Jüng: 
ling nach Babel fortgefchleppt und dafelbft am Hofe 
Nebukadnezars erzogen wurde. Obgleich in aller 
Wiſſenſchaft der neuen Heimath gebildet, blieb Da: 
niel doch bejtändig feinem heimathlichen Glauben 
treu. Durch die Deutung zweier Träume Nebulad: 
nezars zu hoher Würde berufen, behielt er dieje 
auch unter den nachfolgenden Königen bei; ja un: 
ter der mediſchen Herrſchaft nach dem Falle Baby: 
lons erhielt er jogar die Würde eines der drei 
Statthalter des Reiches und verharrte darin bis 
in die Zeit des Cyrus. Erwähnt ift der Name noch 
Ez. 14, 14. 20; 28, 3. — Inhalt bes Buches 
Daniel. Nah den biographifchen Einleitungs: 
Notizen (Cap. 1) über Daniel wird der Traum Ne: 
bufabnezars von dem Kolofje mit dem goldenen 
Haupte, der filbernen Bruft, dem ehernen Bauche, 
den eifernen Schenteln und theilmeife thönernen 
Füßen, der durch einen an die Füße ftoßenden und 
dann die Welt erfüllenden Stein zerftört wird, bes 
richtet, woran fich unmittelbar die Deutung Da: 
niels anſchließt (2); dann folgen die a 
von der wunderbaren Rettung der drei Freunde 
Danield aus dem Dfen (3), von Nebukadnezars 
Traum vom großen Baume und feinem Wahnſinn 
(4), von der räthjelhaften Schrift „Mene mene iekel 
upharſin“, welche dem König Belfazar durch Da: 
niels Mund den Untergang meihjagt (5), und von 
dem Wunder in ber Lömwengrube (6). Es folgen 
bie garten ange Vifionen Danield von den 
vier aus dem Meere auffteigenden, aber untergehen: 
ben Thiergeftalten, an beren Stelle endlich bie 
—— des — tritt, nebſt der 
Deutung Daniels auf die 4 Weltreiche und das 
meſſianiſche Reich (7); ferner von dem Widder mit 
feinen zwei ungleihen Hörnern und dem Biegen: 
bod mit dem großen Horn, das aber zerbricht und 
durch vier neue erjeßt wird, von deren einem wie: 
der ein Heines, ſchrecklich verwüſtendes, aber zum 
Untergang beftimmted Horn auswächſt (8). Das 
9. Cap. giebt alödann die Auskunft über die 70 
Yahre Jeremia’s, in denen Jerujalem wüſte liegen 
joll, indem die 70 Jahre als ebenjoviele Jahrwochen 
(7% 70 Jahre) aufgefaßt werden und für das Ende 
— der Anbruch des meſſianiſchen Reiches ver⸗ 
heißen wird (9). Das Buch ſchließt mit einer noch ge⸗ 
naueren Beichreibung des letzten Weltreiches in ei 
nem Kampfegegen das meffianifche Reich, das endlich 
mit der Auferftehung der Todten fiegreich aus dem 
Streite hervorgehen wird (10—12). — Auffaj: 

ung. Diejelbe ift von den entgegengefegten wiſſen⸗ 
chaftlichen Standpunften aus eine ſehr verjchiedene, 


Daniel 


Die kirchlich confervativen Forſcher (Lüderwald, 
Stäudlin, Hengſtenberg. Hävernick, Jahn, Herbſt, 
Scholz, Auberlen, Delitzſch) betrachten, von ber 
Se tlichfeit der erzählten Thatſachen ausge: 
hend, Daniel als den Berfaffer bes gefammten 
Buches, wobei fie fih auf das Selbftzeugnik bes 
Buches (12, 4), die Einftimmigfeit der jüdiſchen 
und hrijtlihen Tradition, auf das Zeugniß des 
Joſephus (Ant. 11, 8), die Belanntſchaft des Bu: 
des Baruch mit Daniel u. a. berufen. Das Buch 
enthält demgemäß eine Weiffagung von den vier 
von jeiner Zeit an auf einander folgenden Weltrei: 
chen, deren drittes (perfifches) befonders genau 
beichrieben wird, deren letztes das römiſche ift und 
an deſſen Stelle das Neich Gottes tritt. Zweifel 
an der Echtheit wenigftens von Cap. 3—6 erhob 
J. D. Michaelis; dann am ganzen Buche Eor: 
rodi, Eichhorn, Bertholdt, denen die Neueren 
wie Dleek, von Lengerle, Hitzig, Knobel, Ewald 
u. 2. folgten. Der wunderbare Inhalt, die Stel: 
lung unter den Hagiographen, welde die Trabi: 
tion dem Buche angewiejen hat, die Nichterwäh— 
nung befjelben in dem Schriftenverzeihnig des 
Sefus Sirach, geſchichtliche Unrichtigkeiten, 11, 1, 
vgl. Jer. 25, 1; 1, 21, vgl. 2,1; 6, 18; Suja €. 
Bu.a., griechifche Wörter (Cap. 3), fpätere dogma⸗ 
tifche Vorftellungen (Engellehre, Astetik u. |. w.), 
die Lobeserhebungen Daniels und andere Dinge 
bilden für, fie die Gründe, die Abfaffung des Buches 
in die malfabäifche Zeit zu verjegen. In der Zeit 
der drüdendften Unterjohung Iſraels durch die 
ſyriſche Herrichaft Hätte demgemäß ein Jude mit 
dem Zwede, feine unterbrüdten Landsleute zu 
tröften, dem Daniel eine Weiffagung in ben 
Mund gelegt, welche die Erlöfung Jiraels als dem: 
nächſt bevorftehend verfündigte. Das legte Welt: 
rei) wäre demgemäß nicht das römijche, ſondern 
nad) dem babylonijchen, mebifchen, perjischen) das 

eich Aleranders des Großen (ber —— mit 
dem großen Horn, das ſich dann durch kleinere er: 
fegt), und das fchredliche Tleine Horn, das aus die: 
fen auswächſt, ift der graufame Unterbrüder 
Iſraels, Antiohus Epiphanes, unter dem das 
Bud) geſchrieben und das Kommen des Reiches 
Gottes erwartet wurde. Die erzählten Begeben- 
beiten jener babylonifhen Könige find Vorbil— 
der für das Treiben und das drohende Schidjal 
bes Antiohus Epiphanes. Alle Träume und Bifio: 
nen deuten auf diejen Zeitpunkt. Die Rechnung, 
Cap. 9, gäbe demgemäh genauen Aufſchluß tiber 
die Asofungapeit Da die 9, 26 erwähnte Ein: 
ftellung des Opfers in Jeruſalem 163 geihah, und 
von da noch ein halbes Siebend bis zum Ende (aljo 
164) ift, da ferner die letzte Woche der Welt 
die Gegenwart des BVerfafjers, jo wird 167 als 
oiaflungdjaht mit Bejtimmtheit —— 
Die Einheit des ganzen Buches iſt, obgleich von 
Bertholdt u. A. beitritten, jetzt allgemein anerlannt. 
Eigenthümlich ift, daß der Abſchnitt 2, 4— Cap. 7 
aramäiſch gejchrieben ift, während die fibrigen 
Theile hebräijd) find. — Commtentare zu Daniel: 
Bertholdt 1806; Hävernid 1832; Gaufjen, Daniel 
le prophete, 2. Aufl. 1850; v. Zengerfe 1835; 
Hitzig 1850; Auberlen, der Prophet Daniel und 
die Offenbarung Joh. 1854, 2. Aufl. 1857. Bur 
Kritik vgl. die Einleitungen ins Alte Teftament; 
ferner Corrodi, Freimüth Berjuche 20.1783; Stäud- 
lin, Neue Beitr. 1781; Griefinger, Reue Anficht der 


Aufjäge im Buche Daniel 1812; Gefenius, Allg. Juda. 


174 


Danna 


2. 3. 1816; Kirmß, Comm. hist. crit. ete. 1828; 

Hengftenberg, Beitr. ; Hilgenfeld, die jüdifche Apo- 

—— 1857; Bleek, Jahrb. für deutſche Theol. 
860 


Daniel. Biſchof von Wincheſter 705, v 
2 zu Malmesbury. Sandte den Bonifacrius 
nad) Deutſchland; fein ar Sage ig y' 
jelben an alle Chriften, Könige und Biſchöfe i 
noch vorhanden. Bon einer ne 721 nad 
Ron zurüdgelehrt, gab er dem Beda die Materia: 
lien zu feiner Geſchichte von Beier, und 309 ſich 
erblindet in ſein Klofter zurüd. + 745. Sein Brief 
bei Würtwein, Epist. Bonif. 

Daniel, Hermann Adelbert. Geb. am 18. Nov. 
1812 zu Köthen. Inſpeetor des Pädagogiums und 
tele zu Halle. Namentlich befannt durd feine 
liturgiihen Arbeiten: Thesaurus hymnologicus, 
Halle 1841—46; Codex liturg., Lips. 1847—55; 
außerdem durch feine geographiichen Lehrbücher. 

Dankopfer, OHAW (Andere: Heils- oder Frie⸗ 
bensopfer), find freimillige Darbringungen für er- 
fahrene göttliche Gaben und Gnaden, zuweilen aud) 
für noch zu Empfangenbes, welches den Gläubigen 
aber in der betenden Erwartung gemiß ift. Das 
Bejondere ift, daß nur die Fettjtüde verbrannt, 
das Bruftftüd und die Schulter mit dem liturgiſchen 
Ritus des Webens den Prieftern übergeben, der 
Reft von dem Dpfernden mit den Seinigen verzehrt 
wurde. Bei den öffentlihen Dantopfern fiel jedoch 
das ganze Fleiſch den Prieftern zu. Speisopfer 
waren ftet3 Damit verbunden. ©. Lev. 7, 11 ff. und 
bie Ausleger. — Die fath. Kirche nennt die bei 
Gelegenheiten gehaltene Meſſe Dank⸗ 
opfer. 

Dankpredigt, —— erren wird gehalten 
bei dem Eintreten von Greigniffen, die für das 
Allgemeine ſegensreich find oder bei der Abwen⸗ 
bung drohender Uebel. Die Predigt hat in ber 
Schilderung der Beranlafjung die offenbar gemor: 
bene göttlihe Fügung hervorzuheben und bie Auf: 
gaben und Bflihten nachzuweiſen, die der Gemeinde 
und dem Einzelnen dadurch nahegelegt find, und 
in beren Erfüllung die rechte Dankbarkeit ſich be 
thätigt. Die Beranftaltung von Dankgottesdienſten 
zu fordern, ift ein aus feinem Begriff und dem jus 
circa sacra fließendes Hecht des Staates. 

Dankjagungs:Gottesdienfte heißen in der ref. 
Kirche die Nachmittags: Gottesdienfte an den Com: 
muniontagen, welche der fortdauernden Andacht 
der Abendmahlsgenoſſen dienen follen. 

Dann, Ehrijtian Adam. Geb. am 24. Dec. 1758 
in Tübingen. Ein würtembergifcher Geiftlicher, 
Schüler Storrd und feinem biblischen Supra- 
naturalißmus zugewandt; gehörte zu den Män- 
nern, die alö Bectoraltheologen durch die Art ihrer 
praftijchen Amtsführung dazu dienten, die Berbin- 
dung des würtembergiſchen Pietiämus und feiner 
Eonventifel mit der Kirche aufrecht zu erhalten. 
Als Diafonus in Stuttgart gab er in hohen Kreis 
jen durch die einem Schaufpieler gehaltene Leichen 
rede 1812 Anftoß und wurde deshalb auf einen 
entlegenen Alb⸗Ort Defchingen, jpäter nach Möſ— 
fingen verjegt, bis er auf den Wunfch der Stutt- 
garter Gemeinde 1824 ihr wiedergegeben wurde, 
erſt als Archidiafonus der Stiftäfirhe, dann als 
Stadtpfarrer. + 1837. 

Danna, Joſ. 15, 49. Stabt auf dem Gebirge 


Dannhauer 


Daunhauer, Konrad. Geb. zu Kundringen im 
Breisgau 1603. Brof. der Theologie und Pfarrer 
am Nünfter zu Straßburg. F 7. Nov. 1666. Ein 
orthodog lutherijcher Zelot, gründlicher Gelehrter, 
war ein Lehrer Speners, dem er die Abneigung 
gegen die Galviniften einimpfte. Außer feinen 
Streitichriften find zu erwähnen feine Dogmatik 
Hodosophia und Liber conscientiae, ed. 2, 1679; 
Theol. casualis, ed. Mayer 1706, und feine Kate: 
diömusmild in zehn ftarfen Quartbänden; val. 
Tholud, Atad. Leben des 17. Jahrhunderts, Bd. II. 

Danovius, Ernſt Jakob. Geb. zu Redlau bei 
Danzig am 12. März 1741, wurde Profefior der 
Theologie zu Jena 1768, ertränkte ſich in einem 
Anfalle von Melancholie 1782, Da er Semler und 
Erneſti verehrte, jo entfernte er ſich in vielen 
Stüden vom hergebradhten ee Er wünjdte 
eine Bereinigung mit den Reformirten, deren Doc: 
trin von der Prädeftination er zuneigte, jo fern er 
auch ihrer Ehriftologie ftand. Seine theologijche 
Barteiftellung erregte ihm mandjerlei Widerwärtig: 
feiten. Er fchrieb außer Heinen Schriften: Theo. 
dogmat. institutio, Jenae 1772—76, 2 Bbe., und 
überjette A. J. Rouſtan's Predigten. Seine Lebens: 
— von Schütz. Vgl. Frank, Jenaiſche 

ologie. 

‚Daute Alighieri. Geb. 1263 zu Florenz. Stu: 
dirte in Bologna Philoſophie, in Paris Theologie, 
trat dann in Kriegsdienjte, jpäter in den Staats: 
dienft jeines Vaterlandes. Als Ghibelline wurde er 
von der welfiichen Partei unter der falſchen Anklage 
der Untreue in der Berwaltung feines Privatamtes 
1302 verbannt, fein Vermögen confiöcirt. Heimath: 
los, wandte er ſich zuerft nad) Verona, und nad) 
manden Wanderungen und wechſelndem Aufent: 
halte, unter den fortgefegten Bemühungen, eine 
ehrenvolle Rüdberufung zu erlangen, ftarb er am 
14. Sept. 1321 zu Ravenna. Er erlebte die ereig: 
nißreichſte Zeit des Mittelalters, den Fall der Ho: 
henſtaufen, den legten Kreuzzug und den Beginn 
des Avignoniſchen Erils, die Periode, wo in der 
oröhten Berweltlihung der Kirche der Umjchrwung 
li vorbereitete. In —* Hauptwerk, der Di- 
vina Commedia, jpricht der Dichter die großars 
tige, in bewegtem, thatenreichem Leben gewonnene 
Weltanſchauung des tiefen Theologen und jcharf: 
blidenden Staatömannes aus. Die Allegorie jil: 
dert den eignen Lebensgang des Dichters, wie er, 
durch die Bosheit alles irdischen Glüdes beraubt, 
in der innerlichen Richtung feines Lebens, in der 
Wiſſenſchaft Heil ſucht und in der göttlichen Liebe 
die Rettung findet. Die Ideen und Richtungen fei- 
ner Zeit ſchildert und beurtheilt er in ven Perſön— 
lihleiten, welche fie vertraten. Weil er über die 
Gebrechen der Kirche an Haupt und Öliedern zürnt, 
bat man ihn als Vorläufer der Reformation be: 
trachtet (zuerft Flacius 1556), und es ift literari- 
Ider Streit, ob er als römiſcher Katholif oder als 
Häretifer anzufehen jei. Seine übrigen Werte, die 
Vita nuova (1300), das Convito, Canzoniere und 
De vulgari eloquio, wozu nod) feine Briefe und 
die Ueberſetzung der Bußpſalmen fommen, berei: 
teten die Divina Commelia vor. Berühmt ift die 
Schrift De monarchia von dem Verhältniß der 
geiſtlichen und weltlihen Gewalten, die ſich gegen- 
ſeitig unterjtügen jollen, ftatt eine die andere zu 
beberrichen. — Als Ausgaben von Dante find her: 
vorzuheben die von Lombardi 1791, und Biviani 
1520. Ueber die zahllofen Gommentare (5. B. von 


175 


Darby. Darbysmus 


Dionifi, Lombardi) ſ. Bibliographia Dantesca 
von Colomb de Batines 1845, Deutfche Ueber: 
jegungen der Commedia find von Kannegießer, 3. 
Aufl. 1843 ; Stredfuß, 3. Aufl. 1840; Vhilalethes 
(König —— von Sachſen) 1839. Als Hülfs⸗ 
mittel: Vocabolario Dantesco von Blanc 1852, 
Biographien: von Balbo 1839; Wegele, Dante's Le⸗ 
ben und Werte — 1852; Schloſſer, Dante⸗ 
Studien, 1855. Ueber die religiöſe Bedeutung 
Dante’3 vgl. Baumgarten-Erufius, De Dantis 
doctrina theol. Ozanam, Dante et la phil. 
cath. 1339; Hegel, Dante über Staat und Kirche, 
1842; Aroux, Dante heretique, rövolutionnaire 
et socialiste, 1854; Vicchioni, Del senso allego- 
rico e dei vaticinj della Div. Comm. 1857. 

Danz, Johann Andreas. Geb. zu Sundgaufen 
im Gothaiſchen am 1. Febr. 1654. Doctor und o. 
Profefior der Theologie zu Jena feit 1713, jeit 
1685 Profeſſor der orientalifhen Spraden. Ein 
berühmter Hebraift, Begründer der philoſophiſch⸗ 
demonftrativen Drientaliftenfchule. Sein Haupt: 
wert Literator Ebraeo-Ch us, Sjena 1696. 
Die erjte Ausgabe 1686 hat den Titel Nucifran- 
gibulum. 

Danz, Johann —— Lebrecht. Geb. am 31. 
Mai 1769 zu Weimar. Studirte zu Jena und Göt⸗ 
tingen. 1798 Rector der Bürgerſchule zu Jena, 
wurde er Dialonus und Privatdocent, 1807 Brof. 
ber Theologie, ward 1837 emeritirt und ftarb 1851 
am 15. Mai. Als Kirchenhiftorifer gaber heraus: das 
Lehrbuch der Kirchengeihhichte 1818— 26 ; ein Aus: 
zug daraus, Kurzgefaßte Zufammenjtellung, 1824 ; 
were Tabellen 1838; ſodann Walchs 
Bibliotheca patristica und die Libri symboliei 
eccl. Rom. cathol. Bon feinen übrigen zahlreichen 
Schriften ift zu nennen die Theol. Encyflopädie 
1832 und ein Univerfalwörterbud) der theol. Lite 
ratur 1542. Seine Richtung war die eines bibli- 
ſchen Rationalismus, der Religion und Theologie 
zu unterjcheiden verftand. 

Danzig wird jeit dem 10. Jahrhundert genannt 
(Gedanum Dantiscum); der - Adalbert pre: 
digte hier zuerft das Evangelium. Zum Hanfe: 
bunde 1245 gehörig, fiel die Stabt 1310 unter den 
deutichen Drden, und ftellte ſich, als fie fich deſſen 
Herrichaft entzogen, unter polnischen Schutz. Bon 
1772—1793 freie Stadt, fiel fie dann an Preu- 
fen und war nad dem Tiljiter Frieden bis 1813 
wieder dem Namen nad) frei, aber mit franz: 
fijcher Bejagung. Die Reformation, deren Grund: 
hide zuerſt durch Jakob Knade 1518 und den Fran— 
eiscaner Alerander gepredigt wurden, ward durch 
die Sturmprediger in eine politiiche Bewegung 
hineingerifjen, daher ging aud die evangelifche 
DOrganifirung des Artifelbriefes nad) dem Danziger 
Aufruhr 1525 in der gemwaltjamen Reftauration 
nad) dem Siege des Königs Sigismund 1526 wie: 
der unter, bis 1529 Bancratius Klemme, vom 
Rathe unter günftigeren Verhältniffen Träftig un- 
terftügt, eine Umgejtaltung des Kirchenweſens be: 
wirfen konnte. Bgl. Schnaaſe, Geſch. der evangel. 
Kirche Danzigs, 1963. a 

Daphne, Die Vorjtadt Antiochiend mit einem 
berühmten Apollotempel. Hier ermordete Andro: 
nicus auf Anjtiften des Menelaus den Hoheprie: 
fter Onias, 2. Makl. 4, 34. 

Darby. Darbysmus. John Darby entjtammt 
einer angejehenen englüihen Familie, war Ad— 
vocat, ftudirte dann gegen den Willen feines Vaters 


Darike 


Theologie und wurde Geiſtlicher. In ihm trieb 
die Lehre der anglicaniſchen Kirche von der apoſto⸗ 
liſchen Succeſſion ihre negativen Conſequenzen. 
Als er ſich überzeugte, daß die Succeſſion geſchicht⸗ 
lich unhaltbar, und thatſächlich nicht vorhanden 
ſei, fiel ihm zugleich der Begriff von Kirche und 
‚Amt völlig dahin. Wie bie Heilsökonomie des Alten 
Teftaments durch den Abfall des Bolfs, die Apo: 
ftafie, gerbrochen worden, fo hält er auch bie beab» 
fihtigte Heilsanftalt des Neuen Teftaments durch 
die Hooftafie ber Chriften für zerftört, die ganze 
Kirche daher für unrehtmäßig. Es ſchien ihm, es 
bleibe nichts übrig, ald daß die Gläubigen ſich in 
Heine freiwillige Häuflein fammelten, in denen der 
Einzelne feine Gaben ohne einen officiellen Beruf 
” Nuten bed Ganzen verwende. Die Aemter, die 

i feinen Genoffentipaften vorkommen, betreffen 
daher auch nur das Aeußere, Genofjenichaftliche, 
niemals das ur Auf Grund jeiner Anſich⸗ 
ten jammelten a zuerft in Irland „Brüder“, 
bie erjte grober: ahl in Plymouth (daher Ply⸗ 
mouthbrübder). Darby verließ England und fam 
1838 nad) Genf. Eingeladen nach LZaufanne, um 
den Methodismus der Dijjidentengemeinde zu be: 
fämpfen, verjchaffte er dort 1840 feinen Ideen 
Eingang, bie alsdann durch literarische Agitation 
und durch Sendlinge in den —— Kreiſen 
mehr Anhänger gewannen, ſo daß ſich in vielen 
Orten der Schweiz darbyſtiſche Häuflein bildeten. 
Bei dem Mangel einer chriſtlichen Entwickelung 
wird D's. Blid auf die eſchatologiſchen Erwartun⸗ 
gen — (Vues sur l'attente actuelle de l'eglise 
et des prophöties qui l’etablissent); bie in 
nächſter Nähe erwartete Wiederkunft Chrifti und 
bie benorftehende Berherrlihung find der Lieblings: 
gegenjtand der religtöjen Betrachtung feiner Ans 
bänger. Auch unter ihnen hat es bereitö Spaltun- 
en wegen Zehrmeinungen gegeben. Vgl. die Zeit: 
chrift Christian witness und Darbys Tractate 
Sur la formation de l'église, Le ministere u. a. 
Gobet, Examen des vues Darbystes 1846; Her: 
zog, Les Freres de Plymouth et John Darby 
1845; Darby, die Kirche nad) dem Worte Gottes, 
Tüb. 1850 


Darife. 1. Chron. 29,7; Esra 8, 27; 2, 69; 
Neh. 7, 70—72. Eine perfiihe Goldmünze im 
Werthe von 2 attiſchen Golddrachmen (5 Thlr. Pr.), 
bie nach dem Eril bei den Juden in Geltung war. 

Darius, der Meder. Dan. 6,1.29; 9, 1; 11,1. 
Da er als unmittelbarer Vorgänger des Cyrus und 
Eroberer beö ——— Reiches bezeichnet wird, 
fo kann nur Kyaxares II. gemeint ſein, der Sohn 
und Nachfolger des Ajtyages. — Der Darius des 
Buches Era, 4, 5. 7. 2455, 5; 6, 1, 10, welchem 
die Juden die Erlaubniß des Tempelbaues ver: 
dankten, ift Darius Hyftaspes, ber den Krieg gegen 
Griechenland u. Neh. 12, 12 und 1. Matt. 
1, 6 iſt Darius III. Codomannus zu verftehen, der 
von Alerander dem Großen befiegt wurde. 

Darlehen. Nach dem Vorgang des mofaifchen 
Gefeges, welches nur von Fremdlingen Zins zu 
nehmen Arge und fi anſchließender Beftim: 
nungen bes römifchen Rechtes über den Leihver: 
trag, welches denſelben als unentgeltlihen betrach⸗ 
tet, erflärt auch das kanoniſche Recht den Zins: 
gewinn ala a Benedict XIV. lehrte aber in 
der Encyllifa Vix pervenit, daß es Nechtätitel 

eben Zönne, die zum Zinänehmen berechtigten. 
ine eigentliche cheidung hat ber römiſche 


176 


Daut 


Stuhl nicht getroffen, aber die milbere Praris, bie 
fih nad) der Landesgefeggebung richtet, ftets 
empfohlen. j 

Darftellung Jeſu im Tempel. Die Kirche feiert 
biefelbe am 2. Februar, dem 40. Tage nad Weib: 
nadten, nad 3. Mof. 12, 2—7. Das Fejt führt 
aud) den Namen Lichtmeh (f. d. A.), Luc. 2, 22— 
32, over Festum Simeonis und ift 542 von Jufti- 
nian als das Feft der Begegnung (ünenawrn) in 
der orientalifchen Kirche eingeführt. 

Datarius. Der Vorſteher der Datarie, b. 5. ber 
Abtheilung in der römischen Eurie, welche urjprüng: 
lich den Bullen und Breven das Datum ber Aus: 
fertigung beizufügen hatte, und der jetzt die Erthei- 
lung von Dispenjationen zufteht. ©. d. A. Römi: 
ſche Eurie. Iſt der Datarius ein Cardinal, jo führt 
er den Titel Prodatarius. 

Dathema oder Dameda (Dhami) war eine 
Feitung in Gilead, 1. Matt. 5, 9; Judas Makla— 
bäus —— fie bei ber Belagerung, 1. Makl. 
5, 29.8 

Dathenus, Petrus. Bon der holländiſchen Emi- 
grantengemeinde zu Frankfurt 1555 zum tr 
berufen, wurde er fpäter Hofprebiger Friedrichs 
zu Heidelberg, in deſſen Begleitung er 1564 An: 
theil am Gelpräh zu Maulbronn nahm. 1566 
überjegte er den Heidelberger Katechismus ins 
Hollündifche, folgte einem Rufe in fein Vaterland 
und präfidirte der zweiten Dordrechter Synode 


1578, 
Dattelpalme, Richt. 4, 5; Joel 1, 12, war ehe: 
mals in Paläftina häufig, dort namentlich am 
Todten Meere und bei der Palmenſtadt“ Jericho, 
jegt jelten und nur vereinzelt. Die Früchte, welche 
im Auguft und September reifen, waren ein ge: 
wöhnlicyes Nahrungsmittel, aus denjelben wurde 
ſchon im Altertum Wein bereitet. Die Balmen: 
weige waren Zeichen der Freude, 1. Makk. 13,51; 
ob. 12, 13, und wurben beim Laubhüttenfeſt be- 
nutzt, 3. Mof. 23, 40; Neh. 8, 15. 
aub, Karl. Geb. am 20. März 1765 zu Caffel. 
Studirte in Marburg, und hielt darnach dort Bor: 
lejungen; feines freien Standpunftes wegen ver: 
dächtigt, fam er an die Landesichule zu Hanau als 
Prof. der Philoſophie und wurde 1795 als Prof. ber 
Theologie nach Heidelberg berufen, wo er 1836 auf 
dem Katheder vom Schlage gerührt ftarb. Zuerſt 
Kantianer, wandte er fi) Schelling un) darnach 
Hegel zu, bei diefen Wandlungen nur danad) ftre- 
bend, der religiöfen Ueberzeugung eine immer aus: 
reichendere mwifjenihaftliche Begründung zu gewin⸗ 
nen. Indem er die Unzulänglichkeit jomohl des 
Supranaturaliömus al3 des Nationalismus erör⸗ 
terte, juchte er die Nothwendigkeit einer objectiven 
Dffenbarung Gottes außerhalb der menſchlichen 
Vernunft darzuthun, die Wunder ald die Einheit 
des Idealen mit dem Gejchichtlichen zu begreifen. 
„Judas Fichariot" (1816) iſt ein Berjud, das Pro⸗ 
blem des Böfen zu löfen. Theologumena, Heidel⸗ 
berg 1806; Prolegom. zur Dogmatit; Borlefun- 
gen über Dogmatik; die dogmatiſche Theologie 
jegiger Zeit, 1833 ; Lehrbuch der Katechetif, 1801 ; 
—— nach Kantſchen Grundſätzen, 1794 und 
noch Anderes. Seine Vorleſungen find herausgege⸗ 
ben von Marheineke und Dittenberger, Berlin 
1839—44. 
Daut, Joh. Marimilian. Geb. zu Riederroden 
am Ende des 17. Jahrhunderts. Kam als Schu 
ftergejele nad) Frankfurt und gab dort feine „Helle 


David 


Donnerſtimme“ heraus, in der er neben Schmä: 
bungen auf Kirche und Geiftlichteit myſtiſche und 
ciliaſtiſche Ideen ausſprach. Bertrieben, hielt er 
jih eine Zeitlang zu Schwarzenau auf und fand 
dann in der Umgegend von Um Anhang unter 
den Yandleuten. gen ihn erſchien „J. M. Daut’s 
und C. A. Römeling's Weiffagungen aus dem gött- 
lichen Wort beurtheilt”. Er joll jpäter in die Landes: 
litche zurüdgetreten jein. Vgl. Unjchuldige Nach— 
—— 1710; Wald), Rel. Streitigk, Thl. V, ©. 
1061. 

David. Der König Jiraels. Nicht bloß die Macht 
und der Glanz feiner Herrſchaft, die in gleichem 
Mafe nie wiederfehrten, ließ zu allen Zeiten in 
David den eigentlichen wahren König Iſraels, das 
grundlegende Bild aller idealen Zukunftshoffnuns 
gen erbliden, jondern die Erfenntniß, daß der 
Grund diefer Herrlichkeit allein in feiner Perſön— 
\ihleit lag, die mit wahrer Frömmigleit die um: 
ſichtige Klugheit des Regenten, und mit der Kraft 
des rain Kriegers die zarte Tiefe eines gott: 
begeifterten Dichters verband, und die Durch ihre gei: 
ſtige Macht, fajt ohne es zu wollen, die Herrſchaft 
zum Segen des Volfes erwarb. Daher hebt die 
bebräiiche Geſchichtsanſchauung die unmittelbare 
göttliche Sügung eines Lebens hervor und jpricht 
dies in der Erzählung feiner Salbung durch Sa: 
muel aus. David bildet infofern den Mittelpunft 
der hebräifchen Geſchichte, als alles Frühere in der- 
jelben als Vorbereitung diefer Zeit fich in der Be: 
jeitigung des Davidifchen Reiches und der Aufrich: 
tung des Nationalheiligthumes zu Jerufalem ab: 
chließt; zugleich aber zeigen fich in Davids Leben 
elbſt die Keime des folgenden raſchen Berfalles. Cs 
laſſen fi drei Perioden in feinem Xeben unter: 
ſcheiden. Die erjte reicht bis zum Tode Sauls, die 
jmeite bis zur Aufrihtung der Stiftshütte, die 
dritte bis zu jeinem Tode. 

An den Hof Sauls fam David durch feine Fertig: 
feit im Saitenjpielund in der — mit der ſich 
triegerifche Gewandtheit und Tapferkeit verband, 
die ihn bald jo auszeichnete, daß er des Königs 
Schwiegerfohn und Oberfter der Yeibwache wurde. 
Der Kampf mit Goliath, 1. Sam. 17, ift unzwei: 
ſelhaft geichichtlich, fann aber (val. 2. Sam. 21, 
19; 1. Chr. 20, 5) doch nur unter der Annahme 
ſagenhafter Ausſchmückung der Einzelheiten in den 
ganzen Zufammenhang der Lebensgeſchichte aufge: 
nommen werden. Das fteigende Anjehen, weldes 
David durch tapfere Thaten gewann, erregte den 
Argwohn und die Eiferſucht Saul, der in tiefer 
Berftimmung unter den ihn bedrängenden Sorgen 
und unter ven Gefahren, die aus dem Zwiejpalt 
mischen ihm und Samuel vor feinen Augen er: 
wuchſen, jich des gefürchteten Nebenbuhlers durch 
Mord zu entledigen juchte, 1. Sam. 15, 25. 29; 
19, 10 ff. Die innige Freundſchaft, welde David 
mit Jonathan geſchloſſen hatte, wurde ihm zur 
Rettung. Nach einem kurzen Aufenthalt bei Sa: 
muel und bei der Prophetenfchule zu Rama, er: 
fennt er die Notwendigkeit der Flucht. Beim 
ng I von Gath fühlt er fid) nicht ſicher; mit 
den Getreuen, die ihm begleiten, beqiebt er ſich in 
die öftliche Wüfte Juda's (Höhle Adullam), mit 
ihnen macht er Kriegszüge gegen die Philifter und 
zum Schutze befreundeter Städte, 1. Sam. 30, 
%—31, ohne ſich gegen Saul irgendwie aufzu: | 
lehnen, auch als diejer ihn verfolgte. Als bieje | 
Lage unhaltbar geworden, begab er Jich mit jeinem | 


177 


David 


Heere zum König Adis, der ihm die Stadt Zilla 

einräumte, in welcher David eine Lehnsherrſchaft 
aufrichtete. Sein Tribut an Achis war ein Antheil 
ander Beute, die ev auf Zügen gegen die Bhilifter ge: 
wann, und welchen jener nahm in dem Glauben, er 
befehde Sauls Unterthanen. Das Mißtrauen der 
BVhilifterfürften bemahrte ihn vor der Gefahr, aud) 
im Kriege gegen Saul Heeresfolge leiften zu müſ— 
fen. — Sauls und Jonathans Tod, den David jo 
aufrichtig beflagt, 2. Sam. 1,19 ff., ruft ihn in 
die Heimath zurüd, der Stamm Juda Übergiebt 
ihm die Herrichaft, er jchlägt feine Reſidenz zu 
Hebron auf, wahrſcheinlich in einem Tribut: oder 
Zehnsverhältniß zu den ee die das übrige 
Iſrael bejegt hielten, jo dab Abner, Isboſeths 
Feldherr, von Mahanaim aus erft in 5 Jahren 
allmählich das Land wieder erobern kann, 2. Sam. 
2,9. 10. 11. Nach diefer Zeit kommt es zu Feind: 
feligteiten zwifchen den beiden ifraelitiichen Reichen 
und zur Niederlage Abners, 2. Sam. 2, 12—3, 1. 
Gekränkt von Isboſeth und auch in der richtigen 
politifhen Erwägung, daß nicht der ſchwache 35: 
bofeth, jondern nur eine fräftigere Hand im Stande 
jet, Jirael gegen die Philifter zu ſchützen, will 
Abner ſich David unterwerfen, wird aber von 
Joab verrätherifch ermordet; und wie damit Is— 
bojeths bevorjtehender Untergang gewiß geworben, 
ermorden ihn zwei jeiner Oberften, um zeitig Da— 
vids Gunft zu gewinnen. In ihrer Strafe zeigt 
er, wie wenig er gejonnen, durch Mittel des Ver: 
raths jeine Macht zu vermehren. Da Saul 
Stamm aber bis auf den Krüppel Mephibofeth 
erlojchen war, jo blieb den Neltejten der Stänme 
nichts übrig, als das Neid) David anzutragen, auf 
den Viele mit Abner längft ihre Hoffnung geſetzt 
haben mochten. Dem neuen Reiche gewann David 
die feite Hauptjtadt Jerujalem, von der aus der 
unvermeidliche Kampf gegen die Philifter geführt 
wurde, um die nationale Selbitändigteit und Un: 
abhängigkeit zu fihern. Dahin wurde aud die 
Bundeslade gebracht, 2. San. 6, 1 ff., und eine 
neue Stiftöhütte errichtet, um dem Innern Yeben 
des Bolfes den fejten Halt zu geben und jtaatlicye 
undreligiöfe Jntereffen zu vereinigen, 2.Sam.8, 17; 
20,25; 15,24 ff. Din tiefgehenden Unterſchied 
zwifchen der Stellung, die das Haus Sauls zu der 
alten Religion und ihren Vertretern, der Prieſter— 
ſchaft, eingenommen und derjenigen Davids, jpricht 
Michals Spott und Davids Antwort aus, 2. Sam. 
6, 20 —23. An den Sieg Über die Bhilifter, 
2, Sam. 5, 17—25; 1. Chr. 14, 8—17, reiht ſich 
der Zug gegen die Amaleliter, 2. Sam. 8, 12, 
Moabiter, 5, 2, Ammoniter und gegen Hadadejer, 
2. Sam. 10,1 ff.; 1. Chr. 19, 1—15, jo dafs bis 
zum Orontes hin, mit Ausnahme Phöniziens, 
alles Land David unterworfen, jelbjt Damasfıs 
tributpflichtig war. Auf diefer Höhe des Glüds 
und der Macht jpricht ſich Davids Inneres Leben 
in Licht und Schatten aus im Pſalm 15. Zwei 
Verſuchungen thun fich ihm nun auf, beiden unter 
liegt er, F nicht ohne bußfertig ſeinen Fall zu 
erlennen. Die eine iſt, das theotratiſche König— 
thum in die Form des aſiatiſchen Despotismus 
umzuwandeln und zu einer erobernden Welt 

macht Iſrael zu machen. Der Anfang hierzu lag 
in der Zählung des Volfes; die folgende Pe 
ift die Strafe Jahve's, der fih David unterwirft, 
in williger Seldjtbeihräntung theokratiſcher Kö: 
nig zu bleiben. Die andere ift ——— des 


David 


Mißbrauchs der königliden Gewalt zur Befriebi: 
gung der eigenen Begierden, und der Anfang der 
Ipäter jo verhängnifvollen Harems-Wirthſchaft. 
Die Geſchichte mit Bathjeba erſcheint als der 
tragische Punkt in Davids Leben, von dem das 
Unheil ausgeht. Die fittlihe Blöße, die er ſich 
hier gegeben, und die Zerftörung des Familien: 
lebens, ruft Amnons Schandthat und in weiterer 
Folge Abjaloms Empörung und den Aufitand 
Seba's hervor. An Joab, dem Mitſchuldigen feines 
Frevels, fann David den Mord jeines Sohnes 
nit rädhen und muß aud den Meuchelmord 
Amaja's von ihm ertragen. Erſt als der Tod ihn 
irdifcher Nüdfichten entbindet, darf er dem Erben 
die Uebung verjpäteter Gerechtigteit befehlen. Am 
Ende der Frienlichen Periode, die auf jene Wirren 
folgte, mußte David nod) das Drohen eines Bru— 
derfrieges um die Erbfolge jehen und von den 
Wünſchen feines Weibes und jeiner Umgebung bei 
der — derſelben ſich leiten laſſen. Trotz 
der vielen Gebrechen, welche in Davids Leben 
hervortreten, ziert ihn doch der Name eines Man— 
nes nach dem Herzen Gottes; ein Zug tiefer 
Frömmigkeit geht durch ſein ganzes Leben. Am 
größeſten iſt er int Unglück, in Demuth und Selbſt— 
verleugnung hält ihn jein Gottesglaube fittlid) 
rein, daß er nie zu ſchlechten Mitteln der Net: 
tung greift; auf der Höhe des Glüds haben ſtarke 
Leidenſchaften in unbewadten Augenbliden ihn 
bezwungen, aber nur momentan, nie ohne auf: 
richtige Buße. Seine Herrſchaft ruhte auf feiner 
BVerjönlichkeit, die die religiöfe und nationale Idee 
- jeines Volkes begeijtert a hatte; eine ihm un: 
ähnliche Nachkommenſchaft vermochte fie nicht zu 
erhalten. Dennoch irrte er nicht, als er in feinen 
legten Worten (2. Sam. 23) in prophetijcher Ge: 
wißheit von dem ewigen Bund redete, den Gott 
ibm als Berricher gefeht habe, denn er hatte in 
Iſrael einen Geift wadıgerufen, der in aller Noth 
und Trübjal fommender Zeiten dafjelbe aufrecht: 
hielt und es dem Davidjohne entgegenführte. Ueber 
David als Dichter j. Pialmen. 

David, Chriftian. Geb. 1690 zu Senftleben bei 
Reu⸗Titſchein in Mähren ; ein Zimmermann. Das 
Erwachen jeines religiöjen Lebens entfremdete ihn 
der fatholijchen Kirche, vor den Berfolgungen der 
Geiftlicden verlieh er die Heimath, trat in Berlin 
zur lutheriſchen Kirche über, und in Görlig 1717 
in eine Gemeinſchaft von Erwedten. Er erregte 
in den mährijchen Evangelifchen den Gedanten der 
Auswanderung, verhandelte mit ZJinzendorf und 
führte die erften Coloniften nad) Herrnhut 1721, 
wo er den eriten Baum zur Anfiedelung fällte. 
Er hat unter der Brüdergemeine einen hervor: 
ragenden Einfluß behalten. Nach der durch Krü— 

er veranlaßten feparatiftiihen Bewegung ver: 

Fate er mit Zinzendorf die Statuten von 1727 
und ging jpäter als Sendbote der Gemeine in die 
Djtfeeprovinzen. Nach vielen Miſſionsreiſen ſtarb 
er 1751 zu ——— Er iſt Verfaſſer vieler Lieder 
des herrnhuter Geſangbuches und der „Beſchrei— 
bung und zuverläſſige Nachricht von Herrnhut“, 
Leipzig 1755. 

David Joris. ©. Joris. 

David von Augsburg. Novizenmeiſter und 


178 


Decius 


Bertholds von Regensburg und als aslketiſcher 
lateiniſcher Schriftſteller. Fee Deutſche My: 
ſtiler 1845) hat auch 7 deutſche, an Form und In— 
halt ausgezeichnete (vgl. Gervinus) Tractate von 
ihm nachgewieſen. Ausgabe der Werke Davids, 
Augsburg 1596, und Biblioth. magna, Köln 1618, 
Bd. 13. Manches noch unedirt. 

David von Dinant. Die Synode von Paris 
1209 verdammte eine Schrift: Quaternuli des Ma: 
gifters D. Ueber feine Lebensverhältniſſe ift weiter 
nichts befannt ; feine Yehre nur aus Andeutungen 
bei Albertus Magnus und Thomas von Aquino. 
Er nannte Gott die erfte Materie, aus welder 
Alles fei. 

Davidiß, Franz. Nector, jpäter Hofprediger zu 
Klaufenburg. Trat von den Zutheranern zu den 
Galviniften über und wurde Unitarier. Er ftellte die 
Behauptung auf, Chriftus dürfe, da er nur ein 
Menſch geweien, nicht angebetet werben. Gegen 
ihn erklärte fich aber die Synode zu Torda 1568, 
und um jeinen Einfluß zu brechen, rief Blandrata 
den Socinus nad Siebenbürgen. 

Debora. 1) Die Amme der Rebekka, die unter 
einer Eiche bei Bethel begraben wurde, 1. Moi. 
24, 59; 35, 8. — 2) Die Prophetin, Richt. 4, 
welde den Barak aufforderte, ſich an der Spitze 
Iſraels gegen Jabin und Siffera zu erheben, 
und welche ihn als Prophetin begleitete. Ihr 
Siegeslied, Richt. 5, ift als echt anerkannt; in 
funjtvollen Strophen ift eö eins der ſchönſten Er: 
zeugnifje hebräifcher Poefie. Commentare dazu: 
ältere von Yette, Observ. philol. crit. in august. 
Deborae et Mosis cantıca 1745; Schnurrer, 
Dissert. in Deb. cant. 1775; Herder, Geift der 
hebräifchen Poeſie; jüngere von Hollmann, Com- 
ment. phil. crit. in carmen D. 1818; Kemint, 
Com. de c. D. 1840; Kalfar, Quaestionum bibl. 
specim. 1835; Böttger, Com. exeg. erit. in D. 
e.; Böttcher, die älteften Bühnendichtungen. Dal. 
as die Commentare zum Bud; der Richter 
(j. d.) 

Debrerzin. Stadt an der Theiß. Die Synode 
1567 ftellte wider die Antitrinitarier ein Belennt: 
nif auf, Brevis confessio ete. und die Articuli 
ex verbo Dei ete., welche das Geſetzbuch der un: 
gariichen Kirche bildeten und in welchen aud) die 
2. helvetifche Confejfion ald Bekenntnißſchrift Un: 
garns anerlannt wurde. 

Deran. Der Vorſteher des Capitels. Daber 
präfidirt auch dem —————— der Gar 
dinaldecan. Ueber die Landdecane, decani rurales, 
R Archipresbyter. Unter den evangelifchen Kirchen 
indet fid) jo der Decan in der anglicanifchen, jonit 
ift es der Titel des Superintendenten : Amtes ge 
worden. 

Decanica, deeaneta, ungewiffer Ableitung. 
In früherer Zeit Die Bezeihnung für ein geiftlides 
Corrections⸗ oder Strafhaus. 

Decanie. 5. Archipresbyter. 

Detaniſſa. In Nonnenklöſtern die von der 
Aebtiſſin beſtellten age über je 10 Non: 
nen; entiprechen dem Decan in Mönchsklöſtern 

Deeimae Saladini. Um die Koften des drit- 
ten Kreuzzugs zu beftreiten, legte Clemens II. 
1188 jedem bepfründeten Geiftlichen, der nicht an 


Brofefior der Theologie im Barfüher:stlofter zu | dem Zuge Theil nähme, eine Steuer zum Betragt 
Regensburg und jeit 1243 zu Augsburg. Geb. | des zehnten — ſeines Jahreseinkommens auf, 
zwiſchen 1210und 1220, ſtarb er zu Augsburg am 15. welche obigen Namen führte. 
November 1271. Bekannt als der geliebte Lehrer: Decius. Cajus Quintus Mefftus Trajanıs. 


Decius 


Bon Rhilippus Arabs 249 als römischer Senator 
an die empörten Zegionen in Bannonien gejendet, 
wurde er gezwungen, bie faiferlihe Würde anzu: 
nehmen. Um die Einheit und die Kraft des Rei— 
des wieder uftellen, machte er den Berjud, 
das Chriſtenthum, die Urſache des Untergangs des 
altrömijchen Reiches, wieder auszurotten. Die von 
ihm befohlene Verfolgung 250 ift die erfte allge: 
meine. Biele Märtyrer erlitten den Tob oder Lei: 
den und Berfolgungen, 3. B. Eyprian, Drigenes, 


die fieben ephefinif ünglinge. Vgl. Eufeb. VI, 
0 Eyprian De Y Decius fiel 251 gegen 
die Gothen. 


Deeins, Nikolaus. Angebliher Verfaſſer der 
Lieder „Allein Gott in der Höh' fei Ehr'“ und 
„Do Lamm Gottes, unſchuldig“, jol Mönch und 
Probit zu Stetterburg, darnach Zehrer an der Ae: 
—— zu Braunſchweig und evangeliſcher 

farrer in Stettin geweſen ſein. Allein unter den 
Stettiner Predigern et ſich kein Decius und 
während er 1529 geſtorben fein ſoll, iſt Die Melo: 
die” „Allein Gott in der Höh' jei Chr’ 1540 von 
Hans Kugelmann gejegt. 

Deeins, Philipp. Italieniſcher Kanoniſt. Geb. 
1454 zu Mailand. Lehrte zu Siena, Padua und 
Bifa. War anditor rotae, Auf fein Gutachten 
berief König Ludwig XII. das Concil zu Piſa 
1511 ohne den PBapft, weil derjelbe ungeachtet der 
dringenden Nothwendigfeit die Reform der Kirche 
verjäumt habe. Rach ber Niederlage der Franzo— 
ien ging er nad) Frankreich, lehrte zu Bourges, 
wurde Barlamentörath zu Grenoble und erhielt 
1515 feine frühere Stellung zu Piſa wieder. + 
1535 zu Siena. Er war ber 2 Leo's X. 

Deelaratio cleri Gallicani, Die Lehren der 
wer Kirche, welche Bithou 1594 in den 
‚bertes in 83 Artikeln aufgeftellt hatte, faßte die 
Sorbonne in 6 Thejen zufammen, welche fie Zub: 
wig XIV. am 8. Mai 1663 überreichte. 1. Der 
Bapft hat feine Gewalt über das Zeitliche des Kö» 
nigs. 2. Der König fteht nur unter Gott. 3. Die 
Unterthanen können vom Papfte ihres Gehorſams 
nicht entbunden werden. 4. Gegen bie Eoncil: 
beſchlüſſe kann der Papſt nicht Biſchöfe abjegen. 
5. Er iſt den Beſchlüſſen unterworfen. 6. Nicht 
— ohne den Conſenſus der Kirche. 

eclaratio Thorunensis iſt das Bekennt— 
nik der Reformirten, welches diejelben auf dem 
Ihorner Gefpräh am 16. Sept. 1645 durch den 
Superintendenten Buthner verlefen ließen. Die 
Jefuiten fegten eö durch, daf es wegen mander 
Iharfen Stellen aus den Acten der Verhandlung 
megblieb. 1664 nahm Kurfürft Sigismund die 
Deel. unter die ſymboliſchen Bücher der Mark 
auf. Vgl. Seripta facientia ad coll. Thor. 1645. 
Acta Conv. Thor. 1646. Reimann, der Kampf 
Roms gegen die religiöfe Freiheit Polens, Hiſt. 
Zeitichr. 1864. 

Declarationes Congregationis, Cardina- 
lia Conc. Trid., aud) Resolutiones genannt, find 
die in authentifcher Form in Specialfällen gege: 
benen Erflärungen über den Sinn und die Aus: 
führung der Beſchlüfſe des Concils dur die zu 
dem Zwecke 1564 und 1587 eingeſetzte u 
tion. Eine Sammlung derfelben Thesaurus Reso- 
lutionum, 1745—1826, 85 Bde. 4 Ein rt 
daraus Collectio Declarationum, 1812 — 181 


dur mern 
Derlarativformel ift die bei der allgemeinen 


179 


Deismus 


gr übliche Ankündigung, dab den Bußfertigen 
die Sünden vergeben feien; bei der Brivatbeichte, 
wo die Borausjegung gilt, daß der nn. bie 
gewifje Neberzeugung von der bußfertigen Geſin— 
nung des Communicanten gewonnen habe, pflegt 
durch die Indicativ: Formel (die Vergebung be: 
ftimmt zugefihert) die Abjolution ertheilt zu 
werben. 

Derretalen und Derretalfammlungen j. Com- 
pilationes und Corpus juris can. 

Deeretiften beißen die Lehrer und Bearbeiter 
des Fanonifchen Rechtes (decretum Grat.) im 
Unterſchied von den Zegiften, den Glofjatoren bes 
römiſchen Rechtes. 

Deceretum #ratiani, ©. Gratian. 

Defensor. Bertheidiger. — ecclesiae Schirm: 
vogt der Kirche, d. i. advocatus eccl. — Def. ma- 
trimonii Bertheidiger der Ehe. Beiden biſchöflichen 
Ehegerichten wird in Klagen auf Ungültigkeit und 
Nullität das Intereſſe der Ehe jelbjt durch einen 
befondern Beamten vertreten, jo Daß er jelbft gegen 
den Willen der Parteien die ferneren Rechtsmittel 
von einem die Ehe vernichtenden Urtheil —— 
muß. Das Inſtitut ähnelt der Staatsanwaltſcha 
bei den bürgerlichen Gerichten. 

Definition bei den geiftlihen Orden, ift ein 
Bezirk, der mehrere Klöfter umfaßt; an ihrer 
Spitze ftehen die Definitoren. 

ion ift die Ausftoßung aus dem 
geiftlichen Stande, welche bei ſchweren Verbrechen 
der u an den weltlichen Richter vorher: 
ing. In Wefenund Wirkung der Abfegung gleich): 
feine, fonnte fie nur durch einen conjecrirten 
iſchof unter Aſſiſtenz von drei andern geichehen. 
Sie kann jeßt durch bloßen Beſchluß des Capitels 
ohne feierlihe Form ftattfinden. Bei der Gere: 
monie wurde dem Berurtheilten der —— 
Ornat Stüd vor Stück ausgezogen, die ung 
ſymboliſch wieder weggenommen und die Tonſur 
verwiſcht. 

Dei gratia. Als Ausdruck der Demuth, aber 
aud um die Autorität ihres Amtes anzuzeigen, 
fügten die — 5* dies Prädicat ihrem Titel bei; 
zuerſt Felix IL. 356, von den deutſchen Cunibert 
von Köln 623. Als die weltlichen Fürſten ſeit 
Pipin den Zuſatz annahmen, um ihre Souveräni: 
tät auszuſprechen, wurde er bei den Geiftlichen 
jeltener und ſchon vor 1250 durch die noch jegt 
üblihe Formel: divina et apostolicae sedis gra- 
tia und ähnliche erjegt. 

Deidmus, eigentlich — Theismus, jedoch nad) 
dem Sprachgebrauch der Kantſchen Schule ein be: 
ftimmter Gegenjat zu dem legtern. Indem beide 
zufammen den Gegenfag gegen Atheismus und 
Pantheismus ausfprehen und die Annahme eines 
transcendenten (jenfeitigen) Gottes feithalten, bil: 
den fieunter fih wieder Gegenfägein der Auffaffung 
des Verhältnifies des transcendenten Gottes zur 
Welt. Während der Theismus eine lebendige Be- 

iehung Gottes zur Welt verlangt, alſo z. B. eine 
5 enbarung, in weiterer Fortbildung Wunder, 
—— u. ſ. w., löft der Deismus dieſe Ber: 
bindung ab, leugnet eine lebendige Einwirkung 
Gottes auf die Welt und macht Gott zu einem 
leeren abftracten Begriff. Die natürliche Welt: 
auffafjung und der religiöfe Glaube jtehen in ihm 
noch gänzlich unvermittelt neben einander. Bei der 
Unfäbhigteit, beive Forderungen zu einer neuen 
Weltanſchauung zu vermitteln, blieb der Deismus 
12* 


Dekalog 


eine philoſophiſch unvollkommene Anſchauungs— 
weiſe ohne dauernden Werth. Seine geſchichtliche 
Bedeutung liegt aber hauptſächlich in ſeinem Ein: 
fluß auf die vogmengejchichtliche Entwidlung. Der 
Deismus bildet eine bedeutungsvolle Entwick— 
lungsphaſe des religiöjen Denkens in England im 
17. und 18. Jahrhundert, diefelbe geiftige Rich: 
tung, welde in Deutjchland unter dem Namen 
„Rationalismus” aufgetreten ift. Angebahnt von 
dem Gmpirismus Bacons und Lode’s bildete ſich 
eine praktiſch verftändige Auffafiungsweije des 
Chriſtenthums, welche allem Uebernatürlichen ab: 
hold die I Katur: und Bernunftreligion wieder 
herjtellen wollte, und dieſe zurüdführte aufdie Be: 
griffe Gott, Tugend und Vergeltung, welche allen 
Religionen gemeinſam als unerjchütterliche Ariome 
galten. Was über dieje hinausreichte, die pofitive 
Religion, Offenbarung, Wunder, Weifjagung, 
wurde alö überflüjfige Zuthat der Prieſter ver: 
worfen, mit Vorliebe aud als Allegorien aufge: 
faßt und das Chriſtenthum als Wiederherjtellung 
der Vernunftreligion verftanden. Die Hauptver— 
treter Ddiefer Richtung waren Edward Herbert 
(r 1648), Verfaſſer der Schriften De veritate und 
Je religione gentilium; Charles Blount (+ 
1693); John Toland (F 1722), Verf. der Chris- 
tianity not mysterious. Anthony Collins (+ 
1729), Berf. von Discourse on — 
und Disc. of the grounds and reasons of the 
christ, rel. 1724; Datth. Tindal (+ 1733), Chris- 
tianity as old as the creation. Der Einfluß 
der Hobbes⸗Hume'ſchen ſteptiſchen Richtung gab 
dem Deismus einen fritifcheren, ſteptiſcheren Cha: 
vafter, als ihn der deutjche Nationalismus beſaß. 
Eine Reaction gegen ihn erhob ſich daher aus dem 
religiöjen Bewußtſein des Volkes. Die Entftehung 
bes Methodismus bezeichnet zugleic) das Ende des 
engliſchen Deismus. Bal. Lechler, Seid). des engl. 
Deismus, 1841. 

Dekalog. Das Zehntafelgebot. 2. Moſ. 34, 28; 
5. Moſ. 4,13. Der Dekalog kommt im Pentateuch 
zweimal vor, 2. Moj. 20, 2—14 und 5. Mof. 5, 
6—18, an der legtern Stelle mit einigen Abwei: 
dungen und der Umſtellung der beiden Glieder 
des legten Gebotes. Die Eintheilung ift bei Philo 
und Joſephus in 2 Fünfgebote, jo dat; das erſte 
der zweiten Tafel das Gebot ift: du folljt nicht 
tödten. In der chriſtlichen Kirche faßte man bald 
das Verbot der Abgötterei, 5. Mof. 5, 6.7, und 
daS Des Bildervienftes als eins (dagegen Drige: 
nes). Um die Zehnzahl herzuftellen, nahm Hiero— 
nymus Vs. 6 als Gebot. Auguftin trennte das 
Berbot des Gelüftenlafiens in zwei Gebote; ihm 
folgt die katholiſche Kirche und Luther. Vgl. Geff: 
ten: Ueber die Eintheilung des Dekalog, 1838. 
Stier, die zehn Gebote, 1858. 

Dekapolis. Zehn Städte öjtlih vom Jordan, 
vorzugsweije von Heiden bewohnt, welche, in einem 
Bundesverhältnik zu einander ftehend, von Augu: 
ftus dem Statthalter von Syrien unmittelbar 
untergeordnet waren. Joſephus nennt als die grö— 
Befte von ihnen Scythopolis, Plinius aber Da: 
masfus, welches Jener gar nicht nennt. Gadara, 
Geraja, Bella werden dazu gerechnet. 

Delbrüd, J. Fr. Ferd. Geb. 1772 zu Magde: 


180 


Demetrius II. Nikanor 


in Scleiermaders Slaubenslehre, 1837. Chriſten⸗ 
thum, Betrachtungen und Unterjuchungen, 1823— 
1527; ber 1. Theil auch unter dem Titel: Bhilipp 
Melanchthon, der Glaubenslehrer, 1826. Als Norm 
der Schriftauslegung jtellt er darin die Tradition 
des apoftolifchen Glaubenäbefenntnifjes auf, wo: 
gegen die drei Sendſchreiben von Sad, Ritzſch 
und Lücke 1827 entjtanden find. Der verewigte 
Scleiermader, 1837. 

legat. Delegirte Gerichtöbarteit. Die Juris: 
bietion, welde den Biihöfen nad ihrem Amte zu: 
fteht, wird als ein ihnen übertragenes (delegirtes) 
Recht von den Generalvicaren und Officialen in 
eigenem Namen ausgeübt. Ebenſo kann päpftliche 
„Jurisdietion an Biihöfe und Andere übertragen 
werden. Die Delegation ift entweder eine jtäu: 
dige, mit einem Amte untrennbar verbundene, 
oder eine durch Vollmacht ertheilte perjönlice. 
Der Delegat bildet aljo im Unterſchied vom Man: 
datar oder Commiffar eine eigene Gerichtsinſtanz, 
von der an den Deleganten appellirt werben fann. 

Delegation. Der Name der Provinzen im 
Kirchenſtaat und ihrer Regierungäbehörde. 

Delisid, Franz. Geb. zu Leipzig 1813, Profeſſor 
der Theologie in Roſtock, 1850 Profeſſor in Er- 
langen, jeit 1867 in Leipäig, ſchrieb: Jesurun, isa- 
goge in grammat. et lexic. ling. hebr. contra 
Gesen. et Ewald 1838. Zur Gejdichte der jüdi: 
ihen Poeſie vom Abſchluß der h. Schrift bis auf 
die neuejte Zeit 1836. Neue Unterfuhungen über 
—— und Anlage der fan. Ev. 1853. (Mit 
Keil) Bibliſcher Commentar über dad A. T., bis 
jest: Bud) Job 1864; Prophet Jejaja 1865 ; Pſal 
men, neue Ausarbeitung 1867. — Ueber die Ge: 
nejis, 3. Aufl. 1860. Das Hohelied 1851. Habakul 
1854., Bibliſche Pſychologie, 2. Aufl. 1861. Com: 
mentar zum Brief an die Hebräer 1857. Pſalter, 
eriter Theil 1859, zweiter Theil 1860. 

Demad. Benleiter des Apoftel Paulus, Kol. 
4, 14; Phil. 24, den er aber jpäter verließ, 2. Tim. 
4, 10. Falſche Deutung diejer Stelle läßt ihn 
vom Chriftenthum wieder abfallen. 

Demeritenhänfer. S. Correctionsanftalten. 

Demetrius I. Soter. König in Syrien, 162— 
151, Sohn des Seleucus Philopator. Bon jeinem 
Bater als Geifel nah Rom geſchickt, blieb er dort 
während der Negierung feines Oheims Antiohus 
Epiphanes. Nach deſſen Tode entfloh er, und er: 
langte, nachdem der junge König Ant. Eupator 
und Lyſias getödtet waren, die Herrſchaft. Beſon 
ders die Intriguen des Alfimus verurjachten vier 
Kriegszüge gegen die Juden, 1. Matk. 7, LT; 
9, 17.3 2Matf. 14,3 f.; 15, 1, bis fein Feldherr 
Bacchides mit Jonathan Frieden jhloß. Gegen 
ihn verbanden fic die Juden mit Alerander Ba: 
las 154. Demetrius fiel in der Shlagt 151. 

Demetrins II. Nifanor. Der Sohn des Bor 
gen. Groberte das väterlihe Heid wieder von 
Alerander Balas 147, und bejtätigte den Hoheprie— 
fter Jonathan. Als er aber demjelben die Beripre: 
chungen nicht hielt, und diefer fich mit Antiochus 
Theos und Tryphon verbündete, mußte er trot Des 
Sieges bei Ajor nad) der Einnahme von Damaskus 
durch Jonathan nach Eilicien fliehen. Auf einem 
Kriegszug gegen die Perjer, 1. Mat. 14, 14, wurde 


burg, jeit 1818 Profeſſor der Literatur in Bonn. | ergefangen genommen; von dort entlafien, gelangte 
Borher 1797 Lehrer in Berlin, 1309 Regierungs: | er zwar wieder zur Herrſchaft 131, wurde aber von 


und Schulrath in Königsberg, 1816 in Düffeldorf. 


71345. Schrieb Erörterungen einiger Hauptſtücke 


Alerander Zebinas von Neuen vertrieben umd 
ſtarb zu Tyrus 126. 


Demetrius 


181 


De salute animarım 


Demetrius, der Goldſchmied in Ephejus, er: | Innocenz III. machte dies 1204 in dem Streite 


regte ven Aufitand gegen Paulus, Apftg. 19, 24 ff. 

Demetrind. Biichof von Alerandrien 189. Nach 
der Eage ein ungebildeter Winzer, den Biſchof Jo— 
bann in Folge einer Engelerfcheinung zu feinem 
ler ernannte, nachdem Demetrius feine 
und feiner Frau Jungfräulichfeit durch die Feuer: 
probe ermielen hatte. Demetrius berief Origenes 
an die Katechetenfchule und jandte ihn auf eine 
Rifftonsreife durch Arabien. Als aber derjelbe auf 
einer Reife nach Paläſtina ſich von den dortigen 
Biihöfen hatte zum Presbyter weihen laffen und 
damit die Gewohnheit der Kirche verlegte, nahm er 
das jo übel, daß er ihn ercommunicirte 232. 

Deminutio benefleii. Die Belaftung einer 
pfrunde mit einer neuen Zeitung (Amtsobliegen- 
beit) ift eine Verminderung ihres Werthes. Die 
Belaftung darf nur eintreten in der Bacanz vor 
der Neubejegung aus gerechter und nüßlicher Ur: 
lache unter Zuftimmung der Betheiligten, der Ge: 
meinde und ber geiftlichen Obern. 

Demiurg, Weltihöpfer. S. Gnoſticismus. 

Demuth. Die chriftlihe Demuth mwurzelt in 
dem Gefühl der umbedingten Abhängigkeit von 
Gott ; auch in Bezug auf andere Menjchen hat fie 
darin ihren Grund, ſofern A die willige Anerfen: 
nung der benjelben von Gott gegebenen Gaben 
und ihres Berufes in fich ſchließt und diejelbe auch 
dem anfcheinend Geringiten zu Theil werden läßt. 
Die Demuth ift deshalb mit der Selbjtachtung und 
dem Aufrechthalten der Berjönlichkeit nicht nur 
nicht unvereinbar, fondern vielmehr deren tiefite 
Weihe ſowie nothwendige Stüte und Reinigung. 

Denar. Eine römische Silbermünze im Werthe 
von 16 AS — 5 Sar. Die jpätern Golddbenare 
waren gleich 10 Silberdenaren. 

Denk, Johann, der Antitrinitarier. Geb. in 
Bayern, befuchte er 1521 in Baſel als Gorrector 
einer dortigen Druderei Defolampads Vorleſun— 
gen, und war 1523 Rector der Sebalde-Schule 
in Nürnberg, wo er mit Minzer zuſammenkam. 
Seiner reformirten und anabaptiftiichen Anſichten 
wegen von dort verbannt, war er 1525 Mitalied 
der Täufergemeinde in Augsburg und betheiligte 
hd 1526 in Straßburg an der von Hetzer edirten 
Ueberjegung der Propheten (Wormjer Bropheten 
1527). In Folge einer Disputation über fein 
„Büchlein von Geſetz“ mit Bucer, der ihm vor: 
warf, die Sünde zu einem Wahne zu machen, 
auch von hier verbannt, wirkte er mit Hetzer, Kautz 
und Hilarius für jeine Anfichten in der Pfalz und 
ging 1527 nad Bafel, wo ihm fein „Widerruf, 
Proteftation und Belenntniß“ von Neuem den 
Schutz Defolampads erwarb. Er ſtarb an ber 
Veit 1528. Nach feiner Lehre vom innern Worte, 
mußte er Bibel, Taufe und Sacrament gering 
achten, und den täuferifhen Lehren von ber Ge: 
meinde der Heiligen und der Wiederbringung hul- 
digen. Die Präexiſtenz Chrifti verwarf er. Bal. 
Zrechfel, die prot. Antitrinitarier, 1839 — 1844. 
Heberle, Dend, Stub. und Kritik, 1851 u. 1855, 
— La vie et les écrits de J. D., Strasb. 
_ Denuneiatio evangelica, Die Weifung des 
Deren Matth. 18, 15—17 wurde benust, um die 
lirchliche und päpftliche Jurisdiction auch auf alle 
weltlichen Rechtshändel auszjudehnen, wo die Dem 
Kläger angeblih anaethane Nechtsverlegung als 
Verjündigung an ihm aufgefaßt werden könnte. 


Philipps von Frankreich mit Johann von Eng: 
land geltend. Obgleid) die Decretalen den Grund: 
fat ausfprechen, ift er doch heute felbft von Kanoni: 
ften als unzuläffige Vermiſchung der kirchlichen 
Zucht mit der Rechtspflege verworfen. 

Deportuum jus. Das Recht des Bifchofs, die 
Einkünfte des erften Jahres von jeder neu verlie— 
henen Pfründe einauziehen. 

Depofition. Die Amtsentſetzung eines Geift: 
lihen. ©. Degradation. 

Depreratinformel, Die Abfolution wurde bis 
auf Thomas von Aquino fürbittend ausgeſprochen: 
Absolutionem et remissionem tibi tribuat Deus, 
Dann erft begann man im Prieſter den los: 
ſprechenden Richter zu erbliden, und wählte bie 
Indicativformel. 

Depntaten find niedere Kirchenbeamte der grie: 
chiſchen Kirche, deren Dienft darin befteht, den 
Vriefter bei feierlichen Gottesdienften auf dem 
Gange zum Altare mit brennenden Lichtern zu 
begleiten, auch fonft bei Aufzügen ihm voranzu- 
gehen und ihm Bahn zu machen. In der römi: 
ſchen Kirche find es die Vorgeſetzten Heinerer Be: 
zirfe in größeren Landdecanaten, welche den Ber: 
tehr des Decans mit den Pfarrern vermitteln. In 
der reformirten Kirche findet ſich der Titel bei den 
weltlihen Mitgliedern des Kirchenvorjtands zu 
Bafel (Ref. Ord. 1529), welche auf die Prediger 
und die Schulen Acht zu geben haben. 

Derbe. Stadt in Lykaonien, füdlid von lo: 
nien. Waterftadt des Timotheus, Apftg. 16, 1, 
und des Cajus, 20,4. Hierhin fam Paulus, Apſtg. 
14, 6. 20 und 16, 1. 

Derefer, Thaddäus Anton. Geb. 1757 zu Fahr 
in Franken. 1783 Brofefior der Theologie zu 
Bonn, 1791 in Straßburg zugleich Prediger und 
Superior des Seminars; weil er den Eid ver: 
weigerte, 1793 zum Tode verurtheilt. Durch Robes⸗ 
pierre'3 Sturz befreit, wurde er in Heidelberg und 
Freiburg Profeſſor und geiftliher Rath, 1810 
Pfarrer in Karlsruhe, verließ jedoh das Amt 
ſchon 1811 wieder und nahm eine Profefiur am 
Seminar zu Luzern an, bis er hier feiner freien 
Richtung wegen entlafjen wurde. 1814 nad Bres— 
lau berufen, hatte er aud) dort manche Conflicte. 
Er jtarb 1827. Bon feinen Schriften fam „Tu es 
Petrus“ 1790 auf den Inder. Außerdem fchrieb 
er eine hebrätiche Grammatik, Leipzig 1817; die 
Fortietsung der Bibelüberfetung von Brentano ; 
Kathol. Gebetbuh, 5. Aufl. 1837; Erbauungs: 
buch, 8. Aufl. 1520. 

erwifd, Das Inſtitut der Derwiſche bei den 
Muhamedanern ift ähnlich den Mönchsorden der 
Katholiten, doch legen die Dermwifche weder das 
Gelübde der Keufchheit, noch irgend ein bindendes 
ab. Sie leben theils in Klöftern, theils einzeln, der 
Beichaulichkeit und religiöjen Uebungen mancherlei 
Art hingegeben. Der Urſprung des nftituts wird 
in die eriten Zeiten des Islam hinaufgeführt. Wie 
die Mönche, zerfallen auch die Derwiſche in viele 
verschiedene Orden. 

De salute animarum, Die päpjtliche Bulle 
vom 16, Juli 1821, melde die Verhältniffe der 
fatholiichen Kirche in Preußen, nad) den durd Nie: 
buhr und Eonjalvi 1820 geichloffenen Berein- 
barungen, ordnete; ift durch Cabinetsordre vom 
23. Augquft defielben Jahres unter Vorbehalt aller 
Majeftätsrecdhte genehmigt und publicirt, 


Descartes 


Descartes. S. Cartefius 

Descensus Christi. ©. Höllenfahrt. 

Defertion. > Verlaffung 

Defiderius. König der — In dem 
Streben, ſeine H aft über ganz Italien aus⸗ 
zubehnen, mifchte er ſich in die Streitigfeiten we: 
gen der Bapftwahl 767 und bejegte Theile des Pa: 

imoniums Petri. Von Stephan III. zu Hülfe 
rien befiegte ihn Karl der Große 774. 7 als 

Pier ener im Klofter Corvey 

aü, Aecocov, in — 2. Makk. 14, 16. 

Den Albrecht von Mainz, Joahim von Bran- 
denburg und Heinrid von Braunſchweig ſchloſſen 
* 1525 ben katholiſchen Bund, dem entgegen 

ohann Friebrid) und Philipp von Heſſen u Frie⸗ 
denwalde am 7. Nov. ſich verbündeten. 


Anhalt. 
efſervauten ober Sutturſaliſten. Die Articles 
organiques vom 8. April 1802 zur Ausführung 
des franzöfifchen Concordates von 1801 beſtim⸗ 
men, daß in jedem Canton ein Pfarrer beftellt 
werbe, ben der Staat befolde. Da die Sprengel 
berfelben 7 groß waren, fo wurde geſtattet, daß 
Biſchof außerdem fo viele Deſſerbanten, Suc⸗ 
eh en anſtelle, als das Bebürfniß erheifche. 
Diefelben können vom Bifchof abgejegt und ver: 
fegt werben (r&vocables) und find von den Ge: 
meinben zu bejolden. Hierin beftand der einzige 
Unterſchied von den Pfarrern (cures). Dem Ueber: 
maß ber bifchöflihen Macht ift ein germaßen be: 
— durch die fpätern Provinzgialſynodalbe⸗ 
üſſe, > auch der —— —— —— Zuzie⸗ 
bung des Offizialats abgeſetzt werben dürf 
Determinismus und In — Die 
Schwierigkeit, den Begriff des freien Willens, ſpeciell 
in ſeinem Verhältniß zum göttlichen Willen, zu de⸗ 
finiren, hat von jeher auf zwei en sgegenge‘ te Ge: 
dantenfyfteme hrt. Wird der Wille fo beftimmt, 
daß alle jeine Seuche ihren legten Grund in der 
unabhängigen Selbftentiheidung des Individuums 
ner fo ıft dies Indeterminiämus. Iſt die De: 
nition aber fo, daß die Willendentf eidungen 
felbft nur Producte von außer dem Willen liegen: 
den Urſachen find, fo daß der Wille gleihjam nur 
den Brennpunkt bildet, in dem fich die ftreitenden 
Urſachen vereinigen, fo ift Died Determinismus. 
Der endlich et. bezieht fich ausſchließlich auf 
das Berhältnif des menſchlichen Willens zu Gott, 
indem Letzterer als der Verurfacher aller men: 
lichen Willensbewegungen gedacht wird, und geht 
aus einem frommen, iter [Do ec Gefühle, wie es fi 
3. B. auch bei Lut e servo arbitrio gegen 
Eraömus) und — ——— (Abhäng se —* 
gefühl) fand, hervor und hat als religiöſes efühl 
auch reg Berechtigung. Dieſes kann aber eine dog: 
matiijhe Form anne hmen, wie in den Syftemen 
Auguftins und Glos deren Brädeftinations: 
lehre den jchärfften Ausdrud des determiniftifchen 
Gefühls ausfpricht. Je mechanischer dieſes beftim: 
mende Berhältnik Gottes zum Individuum im 
Einzelnen gedacht wird, * mehr nähert ſich der 
en iöfe Determinismus dem Fatalismus. Der 
medaniſche Fatalismus, der als Volksaber⸗ 
alaube auch im Chriftentgum niemals gefehlt hat, 
iſt die Vollendun — deter miniſtiſchen Mechanis⸗ 
mus, dem der Menſch nur Ari! als millenlofe 
Mafgine erfcheint. > philoſophiſche Det. 
t feinen Ausgangspımft in philoſophiſchen 


182 


Deuteronomium 


im — und ER Syftem, welche 
aus der Harmonie bed Ganzen eine geſetzmäßig 
geregelte Willensbewe des Einzelnen verlan: 
gen, oder wie in pantheiftif Spyitemen, melde 
a3 Individuum nur ala Erſcheinung des Ganzen, 
das Leben der Individuen nur als naturgemäßen 
Entwicklungsprozeß ded Ganzen anjehen (Hegel: 
Ihe Schule), oder wie im Materialiämus, der die 
—— en nur als nach dem Natur: 
eſetz fich vollziehende Veränderungen des organi- 
Arten Stoffes kennt; jeien es piy — Ber 
von den Erfahrungen einer Äakır 
feit der —— Handlungen (3. B. ne En 
rungen der Criminalftatiftit) ausgehen oder von 
einer nähern Analyfirung der menſchlichen Willens: 


aud) | Äußerungen nad) ihren legten Gründen, als welche 


Temperament, Naturell, Erziehung u. f. mw. ange: 
nommen werden (Scholten). Vgl. Herbart, Zur 
Lehre von der Freiheit deö men — Willens, 
Gött. 1836; Romang, Ueber Willensfreiheit und 
Det.; L. Ph. iſcher —8 für Philoſ. ne 
Theologie ; Zeller, Theol. Jahrbücher 1846; 
Scolten, De vrije wil; kritisch ondersoek, 1859. 

etrusio in monasterium, ©. Klofterver: 
weifung. 

Deurbofl, Wilhelm. Geb. zu Amfterbam 1650, 
+ 1717. Ein Korbmacher, der theologifche und phi⸗ 
loſophiſche Studien trieb, und d * ſeine Schrif⸗ 
ten wie durch öffentliche ðvorieſungen, die Manches 
in der ref. Lehre tadelten, Streitigkeiten in der 

holländiſ en ref. Kirche erregte. 
Deusdedit, der Se e. Bapft 615618. Da 
der Name —— mit Adeodatus, wird er 


zuweilen A. J. genannt. Er war der Sohn eines 
Subdiakonen. Die Legende ſchreibt ihm wunder: 
bare Heilungen von Ausfägigen zu. Zwei Decre: 


talen unter feinem Namen über die Che zwijchen 
Gevattern und bie Den find unedt. 

Deuterojefaja. ©. —* 

Deuterokanoniſch heißen bei den Katholiken zu: 
weilen die Bücher, welche nicht im hebräiſchen Ka: 
non, fondern nur im alerandrinifchen fich finden, 
und jonft Apofryphen (f. d. A.) genannt werden. 
BProteftantifche Kritifer nennen fo auch Bücher des 
Neuen Teftaments, welche nicht unmittelbar apo: 
ftolifcher Abfaffung find, wie der Hebräerbrief. 

Deuteronomium. Das 5. Bud) Mofis. Jft nad 
Emwald und Riehm unter Manafle, nah Bunjen 
unter Hiskia, jedenfalls vor Jofias, nad de Wette 
und —— unter dem Letzteren geſchrieben, ſei 
ed nach Ewalds Vermuthung durch einen Flücht— 
ling in Aegypten, oder daß nach Andern Jeremias 
und ber Hoheprieſter Hilkia daran betheiligt ge: 
weſen. ir die Beftimmung der Abfaffungszeit 
fommen in Betracht die Stellen 2, 12; 4, 58; 
19, 14; 14, 22—27; 15, 19—23; 16, 117: 
17,3.16; 28,68. Das Buch enthält eine geiftigere 
Zufammenfaffun des Geſetzes, in welcher das 
Religiöſe und Sittliche das nur Rituelle mehr zu— 
rückdrängt und das moſaiſche Recht, den ver: 
änderten Zuftänden des Volks und feines Staats: 
lebens entiprechend, fortgebildet ift. Bgl. das 
Königägejeß 17, 14—20; das Prophetengejeß 18, 
9—22; die Gerichtsordnung 19,12;21,2—6; 22, 
15 f.; 25, 7 f.; das Verbot des Dp erns außer: 
halb des Tempels 14, 22 ff.; 15, 19 ff.; 16, 1 ff.; 
die Beftimmungen über die Leviten; die Strenge 

en den Götzendienſt u. X. m. Der Bericht über 


geg 
rundanichauungen, feien es metaphyſiſche, wie den Tod des Moſes, der in Styl und Sprade 


Deutjchfatholifen 


mit dem Ganzen übereinftimmt, bildet nur einen 
ſehr untergeordneten Beweggrund, weshalb die 
neueren kritiſchen Forſcher gegen die moſaiſche 
Abfaffung ftimmen, welche von andern, wie Delitich 
und Keil, noch feitgehalten wird. Zur Literatur vgl. 
die unter Einleitung in das Alte Teftament und 
Pentateuch angeführten Schriften ; Ed. Riehm, die 
Geſetzgebung Mofts im Lande Moab, 1854 ; Com: 
mentar von 1859. 

Dentihkatholiten nennen fichdieMitgliedereiner 
jelbftändigen, von der römischen Kirche getrennten 
Religionspartei. Den äußern Anlaß zu diejer 
Trennung gab ein offener Brief eines juspendirten 
Caplans, Joh. Ronge, zu Yaurabüitte in Oberfchle: 
fien vom 1. Dct. 1844 an den Biſchof Arnoldi zu 
Trier, der im Auguſt defelben Jahres eine Ausftel: 
lung des heil. Rodes zu Trier veranlaft hatte. In 
aut gewählten Worten verglich der Brief den Bijchof 
mit Tegel und mahnte ihn an die wahren Biſchofs⸗ 
vflihten. Dem Briefe folgten Flugichriften, die 
direct zur Trennung von der römischen Kirche auf: 
forderten, da der röm. Biſchof die Religion zum 
Nittel der Herrſchſucht herabgewürdigt habe, die 
Gemüther in geiftiger Knechtſchaft halte und na: 
mentlich die Einheit der deutichen Nation verhin: 
dere. Die Agitation, welche einem in weiten Krei: 
jen verbreiteten Gefühle entgegentam, wurbe auf 
Reifen Ronge's, bie fi zu Triumphzügen geital: 
teten, fortgefett und es bildeten ſich deutichlatho: 
lüche Gemeinden zu Breslau, Berlin, Elberfeld, 
Yeipzig, Offenbach, Worms u. a. a. D. Schon frü: 
ber hatte eine ähnliche Seceffion in der kath. Ge: 
meinde Schneibemühl ftattgefunden durch den Bi: 
tar Czerski, der in heimlicher Ehe gelebt hatte und 
deshalb juspendirt wurde. Im Gegenjak zu dem 
Probfte der Gemeinde, der in den gemijchten Ehen 
den ultramontanen Grundſätzen folgte, hatte ſich 
ein Theil der Gemeinde enger an den Vicar an: 
geihloflen, und folgte ihm bei feinem Austritt aus 
der Kirche. Die „hriftfatholiiche” Gemeinde zu 
Schneidemühl veröffentlichte ihr Glaubensbekennt⸗ 
niß, welches fich gegen neue römische Irrthümer 
ausiprach, die Kelchentziehung verwarf, aber das 
woſtoliſche Glaubenäbelenntnig und die fieben 
Sacramente beibehielt, am 19. October 1844. Die 
von Ronge geleitete Breslauer Gemeinde ftellte 
ebenfalls ein Betenntnif auf, welches das Apo- 
stolicum modernifirte und alles Wunderbare ſtrich. 
Anfänglich gingen beide Richtungen zufammen. 
Auf dem Concil zu Leipzig drang der Ronge'ſche 
Typus am 23.—26. März 1845 mit folgendem 
Belenntni dur: „Sch glaube an Gott den 
Vater, der durch fein allmächtiges Wort die 
Welt geſchaffen und fie in Weisheit, Liebe und 
Gerechtigkeit regiert. Ich glaube an Jeſum Chri- 
um, unfern Heiland. ch glaube an den heiligen 
Geiſt, eine heilige allgemeine chriſtliche Kirche, 
Vergebung der Sünden und ein ewiges Leben.“ 
Die Verſchiedenheit der Glaubenslehre ſoll feinen 
rund zur Trennung geben. Nichtsdeftomeniger 
wurde die Spaltung zwiſchen Ezersti und Ronge, 
trotz einer Vereinbarung von 1846, immer mehr 
offenbar, auch Theiner, der 1845 zugetreten 
Dar, verlieh die neue Kirche bald wieder. Diejelbe 
hatte indeffen an Umfang gewonnen, begün— 
— den politiſchen Liberalismus, dem ſie 

je länger je mehr ergab (auf dem Concil zu 

Berlin 1847 waren 151 Gemeinden vertreten); 
bendeshalb aber ftellten fich die Regierungen ihr 


183 


Deutſchorden 


immer mißtrauiſcher gegenüber und erſchwerten 
den Zutritt. Die Blüthezeit des Deutſchkatholicis— 
mus waren die Jahre 1848 und 1849; die Hemm— 
niffe der Gemeindebildungen waren überall gefal— 
len, aber um jo unverhohlener trat die politifche 
Seite der Bewegung in den Vordergrund. Der 
Prediger Dowiat erklärte offen, das Religiöſe fei 
nur Dednantel des Politiſchen gewejen, und jo 
wendete fich auch die Reaction gegen die Gemein: 
den. Das Concil in Leipzig 1850 wurde polizeilich 
verhindert und ſuchte Zuflucht in Köthen; in Ge: 
meinjchaft mit den freien Gemeinden conftituirte 
es „eine Religionsgemeinfchaft freier Gemeinden”. 
Der öfterreihifche Landtag hatte 1849 die Auf: 
löfung der Gemeinden beantragt. Der Wiener Ge: 
meinde wurde die Anerkennung 1850 verjagt, 1851 
die Münchener aufgelöft. Durch die Oppofition 
wuchs in den Gemeinden immer mehr die Nega— 
tion alles Neligiöfen. Auch Ezersty hatte fich bin: 
reißen laffen; auf der Synode 1865 wurde fogar 
der Antrag der Kölner Gemeinde, den Glauben 
an einen perfönlichen Gott feſtzuhalten, abgewieſen. 
Von vornherein hat es der Bewegung an einer 
wirflich religiöjen Begeifterung und an bedeuten: 
den Perjönlichkeiten als Führern gefehlt, und fo 
mußte fie die Hoffnungen (Gervinus, Miffion der 
Deutichfatholiten) täufchen und die Befürchtungen 
rechtfertigen. Man muß aber Hafe zuftimmen, der 
den Deutſchkatholicismus die vorzeitige Fehlgeburt 
nennt und die Garricatur deſſen, mas im Schooße 
der Zukunft ruht. Seinen Ausgang hat der Deutſch⸗ 
fatholicismus in dem religiöfen Reformverein ge: 
funden, der, von Ronge geftiftet, feine erfte Gene: 
ralverfanmlung 1863 zu Frankfurt hielt. Val. 

Materialien zur Geſch. der deutſchkath. Kirche von 

Behuſch; Kampe, Geſch. der relig. Bewegung (1852 

—60), 4 Bde.; Brugger, der Deutſchkatholicis— 

mus 2c. 1852—54; das Wejen des Deutichfatho: 

licismus 1850. 

Deutihmann, oh. Geb. 1625. Seit 1657 a. o., 
5 1662 o. Profeffor in Wittenberg, Schwieger: 
ohn Galovs. + 12, Auguſt 1706. BVerjuchte die 
Uebereinftimmung der Theologia paradisiaca (der 
Glaubenslehre Adams und der Patriarchen) mit 
der Concordienformel nachzuweiſen, und war der 
erbitterte Gegner Calixts 1I. und Speners, dem 
er 263 Ketzereien nachwies. 

Deutihorden. Deutſche Ritter oder Herren. 
(Heftiftet 1190 bei der Belagerung von Acco, be: 
ftätiat am 6. Febr. 1191, follte der Orden ritter: 
liche Thätigkeit mit der Pflege der Leidenden und 
Pilger vereinigen. Er zerfiel daher in die 2 Klafjen 
der Ritter und der Pfleger. Das Ordensfleid war 
weißes Gewand mit ſchwarzem Kreuz, der erfte 
Hochmeiſter Heinrich Walpott von Baflenheim, der 
jeinen Sit zu Acco nahm. Inter Hermann von 
Salza riefen Konrad von Mafovien und Biſchof 
Ehriftian in Preußen 1226 den Orden zu Hülfe 
gegen die heidnifchen Preußen. Unter dem Deutich: 
meijter Hermann Balf und mit Hülfe eines deut: 
{chen Kreuzheeres unterwarf ſich der Orden, der 
gleich Anfangs den Dobriner Ritterorden, 1237 
auch die Schwertbrüder in Liefland in fi) aufge: 
nommen hatte, ganz Breußen, und richtete dort 
jeine Herrichaft auf. 1283 war die Unterwerfung 
nad langem Kampfe vollendet. Das Gebiet des 
Ordens dehnte fich fiber gang Pommern aus. 
Kulm, Thorn, Marienwerder wurden gegründet, 
deutiche Coloniften ins Land gezogen und 1309 


Devay 


der Sit des Ordens jelbft nad) Preußen (Marien: 
burg) verlegt. In der Blüthezeit des 14. Jahrhun: 
derts wendete der Orden jeine friegerifche Thätig- 
feit auf die Eroberung Litthauens, welches zum gro: 
Ben Theil gewonnen wurde, dann aber mit Bolen 
verbunden gegen den Orden fidh erhob und demſelben 
1410 in der Schlacht bei Tannenberg den eriten 
großen Schlag beibradhte, von dem er I nie wies 
der ganz erholt hat; doch ließ ihm der Frieden von 
Thorn 1411 noch fein Gebiet. Kriege mit Polen 
und innere Spaltungen führten den Berfall herbei, 
den auch fräftige Hochmeifter, wie Heinrich von 
Plauen und Ludwig von Erlihaufen, nicht ver: 
hindern fonnten. Der „preußifche Bund“ des Land: 
adels und der Städte 1440 mußte anerfannt wer: 
den; Elbing, Thorn, Danzig, Königsberg ftellten 
ſich unter Polens Schutz; nad 13jährigem Kriege 
mußte im Frieden von Thorn 1460 der Drden fein 
Land von Polen zu Lehen nehmen. Die Bemühun: 
en um eine Reformation des Ordens im Innern 
cheiterten (1479), ebenfo die Bemühungen, der 
Lehnähoheit ſich wieder zu entziehen. Der Arie 
brach von Neuem aus 1519. Während eines Hat. 
jenftillftandes fuchte der Hochmeiſter Albrecht von 
Brandenburg (j.d. A.) Hülfe in Deutichland, lernte 
Dfiander in Nürnberg kennen, durch ihn Luther 
1523, und folgte dem Rathe, den Ordensſtaat in 
ein weltlihes Herzogthbum zu verwandeln, mit 
weldem er am 10. April 1525 in Krakau belehnt 
wurde. Auch Liefland ging verloren, trogdem daß 
Walter von Plettenberg die Rufen bei Maholm 
(1501) und bei Pleskow (1502) ſchlug und als 
Herr des Landes anerkannt wurde. Sein Nadıfol: 
ger jah fich genöthigt, da die Reformation Ein: 
gang gefunden hatte, Albrechts Beispiel zu folgen, 
und als Herzog von Kurland und Semgallen das 
frühere Ordensgebiet 1561 zu Wilna von Polen 
zu Zehen zu nehmen. Nach dem Berlufte Preußens 
hatte der Orden jeit 1527 feinen Sitz zu Mergent: 
beim, bis 1809 ein Napoleonifches Decret den 
Orden auflöfte. Die Güter fielen an Baden, Bayern 
und Würtemberg. Ein Heiner Theil wurde nad) 
dem Frieden dem Orden zurüdgegeben. In Oeſter⸗ 
reich wurde er als geiſtlich militärifches Inſtitut 
unter den Schuß des Kaiſers geftellt, ein Erzher: 
zog ift beftändig Hochmeifter. Bal. Kurd v. Schlö— 
zer, die Hanſa und der deutjche Hitterorden, 1851; 
Verfall :c., Berlin 1853; Joh. Boigt, Geſchichte 
Preußens 1827—29; Watterich, die Gründung 
des deutfchen Ordensſtaates in Breußen, 1857. 
— Matthias Birö. Der ungariſche Luther. 
Geb. zu Deva in Siebenbürgen am Anfang des 
16. Jahrhunderts. Studirte zu Kralau 1523, trat 
in einen Möndsorden und ward Priefter. Von 
den Ideen der Heformation ergriffen, ging er 1529 
nad) Wittenberg, wo er Luthers Haus: und Tiich- 
enofje war. Als Prediger zu Ofen 1531 und Ka— 
hau wirkte er mit Erfolg (fein Büchlein De san- 
etorum dormitione), jo daß ergefangen nad) Wien 
zur Unterfuhung vor den Biſchof Faber geführt 
wurde, 6. November 1531, und, faum entlafien, 
neue Gefangenſchaft 1532—34 erdulden mußte, 
Unter dem Schuge des Grafen Nadasdy entfaltete 
er dann feine Wirkſamkeit zu Sarvar und fpäter 
zu Debreczin als Baftor und Senior. Schon 1537 
hatte er auf einer Reife Orynäus in Bajel fennen 
gelernt; als er vor dem Einfall der Türken 1541 
in die Schweiz flüchtete, wandte er fich von feiner 


184 


Diafon 


dem zwinglifchen Lehrbegriff zu, und es ift ihm 
bejonders zuzuichreiben, daß diefe Richtung in Un— 
garn das Uebergewicht erlangte. Bon feinen Wer: 
ten ift am bedeutenbditen die Heberjegung des Neuen 
Teftaments 1531 und ein Handbuch der Religion 
(Kurze Erflärung der zehn Gebote, des Glaubens, 
des Baterunfers und des Siegels des Glaubens). 
D.s Todesjahr ift ungewiß, jedenfalls vor 1547, 

Devolutiondredt. Wenn die zur Berleihung 
einer firchlichen Pfründe berechtigte önlichkeit 
aus eigenem Berjchulden die geſetzliche Friſt nicht 
einhält, jo geht für den einzelnen Fall diefe Befug— 
niß ex jure devoluto auf den nädjfthöhern Kir- 
chenobern fiber, nad) den Beftimmungen der Yate: 
ranconcile von 1179 und 1215. Nad den Wiener 
Concordaten von 1418 geht das Bejegungsrecht 
eines Bisthums bei unfanoniiher Wahl immer 
auf den Papſt, nicht auf den Erzbifchof. Läßt auch 
der kirchliche Obere eine Friſt von 3 Monaten um: 
genützt verftreihen, jo tritt das Recht des eriten 
Verleihers wieder ein (Recht des Nüdfalles, jus 
postliminii). Einzelne regeln Specialgejegebun: 
gen, in Preußen 9. 2. II. 11, $. 391 — Im 
weitern Sinne ift Devolutionsredht überhaupt die 
Befugniß der Obern zum Einſchreiten, wenn noth: 
wendige Jurisdictionshandlungen von den Berech⸗ 
tigten unterlaflen werden. 

De Wette, S. Wette, de. 

Derter, Flavius Lucius, Sohn des Biſchofs 
Pacian von Barcellona, wird von Hieronymus 
unter feinen Freunden und als Verfafler eines 
Geſchichtswerkes Omnimodum historia genannt. 
Der Jeſuit de la Higuera wollte daffelbe zu Fulda 
gefunden haben und edirte es; es hat ſich aber der 
Betrug herausgeftellt. Dal. Mondejas, Kirchl. Ab: 
bandlungen ; d'Aguirol, Concilienjammlung. 

Diagramm. Bei den Ophiten die Zeichnung der 
3 Weltreiche des Syftems, verjehen mit magiſchen 
Beihwörungsformeln, durd welche die Geijter 
oder Yichttheile aus der Finſterniß herausgeführt 
werden Jollten. 

Diakon. Das kirchliche Amt der Diakonen be- 
jchreibt zuerft Juſtin, Apol. I, 65, als ein unter: 
georbnetes, dem die Hülfsleiſtung beim Abend: 
mahl und die Aufrechthaltung der Dronung im 
Gottesdienft obliege. Die jpätere * legt ihnen 
auch die Sorge für die Armen auf, und zieht ſie 
zum Klerus; immer aber ſollen ſie nur nach An— 
ordnung des Biſchofs handeln. Nach der Auffaſ— 
jung der römischen Kirche gehört der Diakon zu 
den ordines majores, verpflichtet daher zum Cö— 
libat. Der Diakon ift Gehülfe des Priefters; öfters 
ward ihm die Predigt übertragen. Geweiht wird 
er buch Handauflegung des Biſchofs ohne Sal— 
bung. Der unmittelbare Zufammenbang des alt» 
firhlichen Diafonats mit der Einrichtung Apfta. 
6, 2 (Bitringa, Böhmer) ift Ber zweifelhaft; im 
diefer hat man weit eher die erjte Geftalt des Bres- 
byteramts, der Verwaltung und Borfteherichaft 
der Gemeinde zu erbliden. In der luther. Kirche 
ift der Titel Dialon für die Nebengeiftlihen bei— 
behalten, daher auch Subdiakon und Ardidiaton. 
Die ref. Kirche hat fi) mehr an die Stelle Apita. 
6, 2 nad ihrer Auslegung angeichloflen, und 
nennt Diafonen die —— der Gemeinde, 
die durchgängig als Mitglieder des Confiftoriums 
(Bresbyteriums) in daffelbe aufgenommen wurden. 
Val. Ritſchl, Altkath. Kirche, 2. Aufl., 354 ff. ; Ewald, 


frühern lutheriſch-melanchthoniſchen Anſchauung! Geſch. Jir. VIL und die ref. Kirchenordnungen. 


Diafonicum 


Dialonicum. Ein Anbau an der Kirche zur Auf: 
bemabrung der Geräthe und zu ähnlichen Zweiten. 
— In der griechiſchen Kirche ein Handbuch für die 
Aunctionen des Dialons. . 

Diakoniffa. Auf dies Amt kann im Neuen Te: 
ftamente nur Röm. 16, 2 bezogen werden. Es be: 
ftand nur bis zu ben Synoden von Drange 441 
und Epaon 507. Die Berrichtungen waren Pflege 
der Armen, Kranken und Gefangenen und Hülfe: 
leiftung bei der Taufe der Frauen. Die D. find zu 
unteriheiden von den Presbyterinnen, welche bis 
sur Synode von Laodicea beftanden und den frauen 
kin follten, was die Preöbyter den Männern. Bei 
den Jakobiten und ausnahmsweiſe bis ins 12. 
Yahrhundert in der ariehiihen Kirche haben D. 
ih erhalten. Sonst führten den Titel aud die 
Boriteherinnen in den Klöftern. 

Diakoniffen-Anflalten. Dialonen-Häufer. Die 
erite diefer Anftalten aründete 1836 der Pfarrer 
Fliedner (+ 1864) zu Kaiſerswerth am Nhein, in der 
Abficht, die jegensreihe Wirkſamkeit mancher kath. 
weiblicher Orden auf evangeliichen Boden zu ver: 
pflanzen und das altkirchliche Amt der Diakoniffen 
zu erneuern. Die Schweitern (aufgenommen wer: 
den Jungfrauen bis zum 30. Jahr) werben nad 
einer theoretifhen und praftifchen Uebungszeit 
(Brobejchweitern) feierlich eingefegnet und an Stel- 
len, wo man ihrer bedarf, entiendet. Sie verpflich⸗ 
ten jich auf je 5 Jahre und bleiben im engften 
Berbande mit der Anftalt, die auch die Beſtim— 


mung über ihre Stellung behält. Hauptſächlich zur 1% 


Krankenpflege beftimmt, hat die Anftalt die Kin: 
dererziehuung und die Pflege der Gemüthskranken 
und die Rettung der Gefallenen in den Bereich ihrer 
Virffamteit gezogen, und vereiniat daher mit dem 
Kranfenhaufe ein Waifenftift, ein Seminar für 
Yehrerinnen, eine Seilsanftalt für Gemüthskranke 
und ein Maadalenenitift. Außer den in Privat: 
tranfenpflene Thätigen arbeiten an 300 Schweitern 
auf 110 Stationen, von denen 13 eigentliche Töch— 
teranftalten find. In Eonftantinopel, Smyrna, 
Jeruſalem und Alerandrien find Kranken⸗ und 
Raifenhäujer von Kaiferswerth aus gegründet. 
1864 verpfleaten die Schweftern auf den verjchie: 
denen Arbeitsfeldern 27,000 Berionen. Angeregt 
von Kaifersmerth find in und außerhalb Deutſch⸗ 
land andere Diakoniffen:Anftalten entitanden, die 
in gleicher Weiſe eine zu hülfreicher Yiebesthätig- 
leit verbundene Genofjenihaft beabfichtigen, oder 
auch nur die Ausbildung zur Kranken-, Armen: 
und Kinderpflege, 3. B. in Straßburg 1842, Ber: 
Im 1847, Neudettelsau 1854, Dresden 1842, Ut— 
vecht 1844, Yondon 1848. Val. Armen: und Kran: 
!enfteund, Kaiſerswerth, und die Berichte der An: 
ftaften. — Als Seitenitüid zur Dieloniffen:Anftalt 
gründete Pfarrer Fliedner 1846 die Diakonen- 
Anftaltin Duisburg zur Ausbildung junger Män- 
ner für Kranken: und Armenpflege in dem Gedan: 
fen, diefelben in den Gemeinden den Diatonen des 
Presbyteriunms als Helfer beizugeben (Gemeinde: 
diafonen). Bei der Organijation wurde eine Hin: 
&errettungsanftalt nach Wichernichen Grundfägen 
und ein Aranlenhaus damit verbunden. Bal. die 
Berichte. — Ueber den Gedanken, den Diakonat in 
der Kirche als Gemeindeamt und als befondern Ordo 
wieder aufzurichten, und an feiner Spige ein Archi⸗ 
dialonat, val.die Berhandlungen der kirchlichen Con⸗ 
ferenz zu Berlin 1856 ; Actenftücte des ev. Oberfir- 
Genraths, 4. Heft, 1857. ©. auch Innere Miffion. 


185 


Didymus 


Diana von Ephefus. Apſtg. 19, 24. Iſt ur: 
ſprünglich von der griechifhen Artemis ganz ver: 
Ichieden, deren Name auf die aftatifche Naturgott: 
heit der Aſchera, welcher aleichfalld der Mond ge: 
heiligt war, übertragen wurde, jo daß die Auf: 
fafjungen in einander übergingen. Ihr Bild ift ein 
mit vielen Brüften verjehener, mit Thiergeftalten 
verzierter Blod. Yhr Tempel wurde zu den Wun: 
dermwerfen der Welt gezählt. Plinius befchreibt ihn 
Hist. 24,21. Val. Hirt, der Tempel der Diana zu 
Ephejus, 1809. Als er durch Heroftrat verbrannt 
worden war, wurde er noch prächtiger wieder auf: 
gebaut und endlich durch die Gothen zerjtört. Bon 
dem Tempel wurden Kleine filberne Modelle an: 
gefertigt und verkauft, Apſtg. 19, 24. 

Diafpora, Zerftreuung. Wie der Ausdrud Joh. 
7,35; at. 1, 1; 1. Bet. 1, 1 von den Juden ge: 
braucht wurde, welhe außerhalb Paläftina’s im 
römiſchen Reiche gerftreut lebten, jo wandte ihn die 
Brüdergemeinde auf diejenigen Glieder an, bie 
außerhalb der Gemeinden wohnten. Neuerdings 
wird aud) von evangelifcher Diafpora, vereinzelten 
—— unter katholiſcher Bevölkerung, ge: 
redet. 

Diblathaim. S. Almon Diblathaim. 

Dibon, auch Dibon-Gad, 4. Moſ. 33, 48. 45, 
auch Dimon, Jeſ. 15, 9, jetzt Diban, Stadt im 
Sand der Ammoniter, 4. Moſ. 32, 3. Bon den Gabi: 
tern wieber hergeftellt, 4. Mof. 52, 34, fam fie an 
—* — Ruben, Joſ. 13, 7; ſpäter moabitiſch, 
eſ. 15, 2. 

Dichtkunft. S. Poeſie. 

Dietatus Gregorii, Ein Gregor VII. mit 
Unrecht zugefchriebenes Werk über Kirchenregie: 
rung und Kirchenrecht. 

Diderot, Denis. Geb. zu Yangres 1713, + 1763. 
Der Hauptrepräfentant der franzöſiſchen Auftlä— 
rung und geiftreiher Polemiker gegen Glauben 
und Chriſtenthum. Zum geiftlichen Stand beftimmt 
und in einem Jejuitencollegium erzogen, wollte er 
die Rechte ftudiren, nal er ſich aber nur mit 
Literatur, Belletriftit und Mathematit. Nachdem 
er feinen Ruhm durch die Pensees philosophiques 
(Bar. 1746) und das Dictionnaire universel 
de medeecine (6 Bbde., Bar. 1746) begründet hatte, 
aab er mit d’Alembert u. U. die Encytlopädie 
(ſ. d. 9.) 1751 heraus. Zur Beurtheilung feiner 
religiöfen und philof. Anfichten wichtig die 
nad) feinem Tode herausgegebenen Memoires, cor- 
respondances et ouvrages inedits (Par. 1830— 
32). Außerdem jchrieb er Romane und philojoph. 
Abhandlungen (Veuvres, 15 Bde., Bar. 1798). 

Didymus, der Blinde. Geb. 308 in Alerandrien, 
+ 395. War troß jeiner Blindheit einer der gröf: 
ten Gelehrten feiner Zeit und 50 Jabre lang Vor: 
fteher der Katechetenſchule. Ein Gegner der Aria: 
ner, ward er wegen jeiner Begünitigung des Ori— 
genes auf dem 2. Concil von Nicäa als Keter ver: 
urtheilt. Die meiſten feiner Schriften find verloren 
gegangen. Borhanden find noch De spiritu sancto 
in der Ueberjegung des Hieronymus; 3 Bücher 
über Dreieinigfeit, ed. Mingarelli, Nom 1764; 
Contra Manichaeos, Bar. 1600; Enarratio in 
epist. canon. et in I. epist. Joannis in der Max. 
bib. Patrum Lugd. 1677. 

Didymus (Zwilling), Gabriel. Geb. 1487 zu 
Joachimsthal, 1502 Auguftiner:Eremit, 1518 Prie: 
fter, ftellte er fich aleich auf Seite der Reformation 
und predigte in Zwickau. In Wittenberg wirkte er 


Diebitahl 


für Aufhören der Privatmeflen, war auf dem Au- 
— 1521, der den Austritt aus dem 

loſter freigab, trat ſelbſt aus, verband ſich mit 
Karlſtadt und More im Geiſte der Zwickauer; die 
Pfarrſtelle zu Altenburg, wohin ihn Luther empfoh⸗ 
len hatte 1522, mußte er wegen des Widerſpruchs 
der Chorherren aufgeben. Darauf Baftor in Tor: 
gau 1523, erregte er einen Angriff auf dad Fran- 
ciscanerflofter. 1549 von Morig von Sachſen ent- 
fest, weil er das Interim anzunehmen ſich wei: 
gerte, ftarb er in Dürftigfeit 1558. 

Diebftahl. Das moſaiſche Gefek ftraft Diebftahl 

er Betrug und Unterjchlagung, 2. Moſ. 23, 4 ff., 

uch mehrfachen Erfat des geraubten Werthes je 
nad dem Gegenftande; der Zahlungsunfähige 
wurde im Lande als Sclave verkauft. Erft Herodes 
gebot den Verkauf in ausländifche Sclaverei. Dem 
reumüthigen Diebe war der 1'/sfache Erjat des 
Werthes — und geboten, ein Schuldopfer 
zu bringen. 3. Moſ. 5, 21 ff.; 4. Moſ. 5, 8. 

Diedhoff, Auguft Wilhelm. Brofeffor in Roſtock. 
©. Waldenfer. 

Dienftunfähigkeit. S. Emeritirung. 

Diepenbrod, Melchior, Freiherr von. Geb. zu 
Bocholt am 6. Jan. 1798. Als Zögling des mili- 
täriihen Eyceums zu Bonn entlafjen, machte er 
den Feldzug 1814 mit, mußte wegen eines Sub: 
ordinationsfehlers den Abſchied nehmen und lebte 
zu Bocholt, bis er 1817 mit Sailer zufammentraf. 
Bon ihm angeregt, ftubirte er zu Landshut Came: 
ralia, trat dann ins Klerifaljeminar zu Mainz, 
und ging 1821 zu Sailer nad) Regenäburg. 1823 
erhielt er bei dieſem die Priefterweihe, wurde deffen 
Hausgenoffe, 1830 Domcapitular, 1835 Capitel3: 
decan, 1842 Generalvicar, 1845 biſchof von 
Breslau, 1850 Cardinal, +1853. Ein Theologe der 
Sailerihen Schule, der Myſtik ſehr zugemeigt, er: 
warb er fi um feine Diöcefen große un 
Aus Rückſicht auf den Anſtoß der Proteftanten 
ftimmt er gegen das Dogma von der immaculata 
conceptio. Bon feinen Schriften: Geiftlicher Blu: 
menftrauß, 1826 ; Sufo 1826 und 1837 ; Predigten, 
Regenäb. 1841. Val. fein Leben von Förfter, 1859. 

dies Aixa. Wenn auf den Tag eines unbemweg: 
lien, an beftimmtem Datum zu feiernden Feites 
zum Gebächtnii eines Heiligen ftetö eine höhere 
Feier fällt, jo wird dem erfteren Fefte durch die 
mutatio ein anderer Tag angemwiefen, der dann 
dies fixa heißt. 

Dies irae, Die Sequenz des Allerjeelentages 
und der Seelenmefjen, jtammt aus dem 13, Jahr: 
hundert und ift jeit dem 14. im kirchlichen Gebraud). 
Nach ziemlich allgemeiner Annahme ift ihr Berfaffer 
der Minorit Thomas von Celano um 1230. Einige 
ichreiben fie dem Cardinal Urfinus, dem Bonaven: 
tura, dem heil. Bernhard oder Gregor dem Großen 
zu. Der Hymnus ift jehr häufig überfegt und poe— 
tiſch und metrifch bearbeitet. Vgl. Lisco, Dies 
irae, Berlin 1840; Daniel, Thesaurus hymnolo- 
gicus, II. Halle 1844. 

Diether von Jienburg. Erzbiihof von Mainz. 
©. Mainz. 

Dietrih von Apolda ober von Thüringen. Ein 
Dominicaner zu Erfurt, geb. um 1230. Schrieb 
Vita S. Dominiei und 1289 die Vita S. Eli- 
sabethae. 

zn. bon Niem oder Neheim. Secretär 
Gregors AT. zu Avignon 1378—1410, unter meh; 
teren Bäpften Abbreviatore. 1395— 99 Bifchof von 


186 


Dimissoriale 


Berden, ging er wieder nah Rom und wurde zum 
Concil nad Koſtnitz 1414 geſchickt, + 1417. Im 
Bude De schismate libri III. befpridt er jehr 
freimiüthig die Gebrechen der Kirche. Daſſelbe ift, 
obwohl auf den Inder gefegt, unter Zufügung 
eines 4. Theiled Nemus unionis unter dem Titel 
Historia sui temporis öfter gedrudt. 

Dietrich, Beit. Geb, 1506 zu Nürnberg, bezog 
er 1523 die Univerfität Wittenberg und war 1527 
—35 Lutherd Amanuenfis, den er aud) nach Co: 
burg 1529 und Augsburg 1530 begleitete. 1535 
mit Zuther zerfallen, ward er Prediger an der Se⸗ 
balbusfirche in Nürnberg. Mit feinem Collegen 
Dfiander hatte er manche Conflicte, da er die all- 
gemeine Abjolution fefthalten, die Hanbauflegung 
abſchaffen wollte und die Elevation beim Abend: 
mahl wirklich unterließ. Obgleich) er fi) gegen das 
Augsburger Interim erklärte, nahm der Rath es 
dennoch gezwungen 1549 an. D. wollte jeine Stelle 
aufgeben, ftarb aber im felben Jahre. Er hat 
mande Erklärungen Luthers zur Bibel heraus: 
gegeben, auch die Hauspoftille 1544 und die Sum: 
marien zur Bibelüberjegung. Sein „Agendbüchlein 
für die Pfarrheren auf dem Lande”, auf Beranlaj: 
jung des Raths 1543 verfaßt, blieb bis Ende bes 
vorigen Jahrhunderts in Gebrauch und ift bei der 
neuen bayriſchen Agende vielfach benukt worden. 

Dignität, gleichbedeutend mit Prälatur, ift ein 
Kirchenamt, mit welchem eine eigene Jurisbiction 
oder eine bauernde Berwaltung verbunden ift, und 
dem befondere kirchliche Ehren, auch bitrgerliche 
Vorrechte zujtehen. Dignitates pontificales haben 
VBapft und Biſchöfe, d. secundarias Cardinäle, 
Nuntien und infulirte Aebte, d. honorarias bie 
Dechanten in den Gapiteln, denen feine Jurisdic— 
tion zuiteht. 

Dilean. Stadt Juda's, Joſ. 15, 38. 

Diller, Joh. Michael. War Probſt im Barfüher: 
kloſter zu Speyer und predigte dort feit 1529 evan: 
gelifche Wahrheit, ohne fein Klofter zu verlafien, 
aber vom Rath ermuntert und gegen den Bifchoi 
geihügt. Als 1548 der Kaijer nad Speyer kam, 
entflob D. nad) der Schweiz, wo er bei Bajel eine 
Anftellung gefunden haben muß. 1552 ward er 
Hofprediger bei Otto Heinrih von Neuburg und 
reformirte mit Brenz das Fürftenthum, ging dann 
mit dem Pfalggrafen nach Heidelberg, wo er unter 
Friedrich III. an der Kirchenleitung thätigen An- 
theil nahm und mit wichtigen Aufträgen (Worms 
1557,. Boiffy 1561, Maulbronn 1564) betraut 
wurde. + 1570. 

Dillingen, an der Donau. Die 1554 durch den 
Biihof von Augsburg Dito von Waldberg geftif: 
tete Univerfität kam 1563 in die Hände der Jefui— 
ten und war lange Hauptort der Polemik gegen 
den Proteftantismus. Im vorigen Jahrhundert 
bürgerte fih aber dort eine neue Schule ein, bie, 
durch Sailer, Zimmer und Weber vertreten, fich 
an Fenelon anſchloß und in freundliche Beziehung 

um evangelischen Chriftenthum trat. Die Univer: 
re wurde 1804 in ein Lyceum verwandelt. 

Dimissoriale ift der dem Pfarrfinde von fei: 
nem Pfarrer auögeftellte Erlaubnißſchein, eine 
demjelben zuftehende Amtöhandlung von einem 
andern Geittichen verrichten zu laffen. Gegen die 
Entrichtung der Stolgebühren darf ein joldher nicht 
verweigert und daher auch von den geiftlichen 
Obern ertheilt werden. Auch Geiftliche bedürfen 
des dimissoriale, um in einer fremden Diöceje 


Dimna 


amtiren, namentlich aber um fich dort ordiniren 
Iaffen zu dürfen. Das Tridentinum bat darüber 
eingehende Beitimmungen. 

Limna. Levitenftadt in Sebulon, Joſ. 21, 35, 
jekt el-Dümün. 

Dimseriten. VBezeihnung der Npollinariften, 
weil fie von der menfhlihen Natur Ehrifti nur 
wei Dritttheile annahmen, da der Logos in ihm 
an die Stelle der menſchlichen Vernunft getreten 
Dinge, wi legten. ©. Eſchatologi 

‚ ie ⸗ * gie. 

Dinter, Guſtav Friedrich. Geb. am 29. Febr. 
1760 zu Borna. Vorgebildet auf dem Gymnaſium 
ju Grimma, bezog er 1779 die Univerfität Leip- 
sig, wurde 1787 Pfarrer in Kitjcher, 1797 Direc- 
tor des Schullehrerfeminard zu Dresden, 1807 
wieder Pfarrer zu Gornitz bei Borna. Sein Inter: 
efle war überall dem Schulweſen und der Heran- 
bildung von Lehrern nach den rineipien von Be: 
Halozzi und Lancafter zugemendet. 1816 ward er 
als Confiftorial: und Schulrath nad) Königäberg 
berufen, 1817 auch Prof. der Theolögie. + 1831. 
Seiner theologiſchen Richtung nad) Rationalift, ift 
die Methode feines Unterrichts auch vorzugsweiſe 
an den Berftand gerichtet, doch nicht ohne ernite 
fittlich«religiöfe Anforderungen. In der Methode 
begeifflicher Entwiclung nach ſokratiſcher Art ift 
Dinter lange ein Mufter geweſen, ift aber eben die: 
fer Einjeitigleit wegen wieder in Bergefienheit ge: 
rathen. Am meiften befannt geworden ift er durch 
feine Schullehrerbibel, die als rationaliftiich hef⸗ 
tige Angrifie bervorrief, das Alte Teft., 5 Bbe., 
3. Aufl. 1833— 387, das Neue Teft., 4 Bde., 4. Aufl. 
1841—43. Seine fänmtlichen Werle erichienen in 
4 Abteilungen, herausgegeben von W. Müller, 
Reuftadt a. d.D. 1841—5l. 

Diocletian, C. Aurelius Valerius. Der Sohn 
eines Freigelaffenen, ſchwang er fich im Kriegs: 
dienft empor und wurde nad) der Ermordung des 
Carus 284 vom Heere zum Kaifer erhoben. Sur 
die Ernennung bes Marimian aum Auguftus neben 
ihm, des Galerius und Conſtantius Chlorus zu Eä- 
jaren, die ihm und Marimian nad) ihrem freimilli- 
gen Rücktritt nachfolgen jollten, fuchte er die Thron: 
tolge kräftigen Händen zu fihern und das wan- 
lende Reich zu ftüßen. Ueberzeugt von feiner gött⸗ 
lichen Sendung, wollte er die Stellung des Ober: 
laiſers als mit göttlicher Vollmacht ausgerüftet, 
der daher göttliche Ehre gebühre, angejehen wiflen, 
sur Stütze der unbedingten Macht und Einheit des 
Regiments. Dieje Ideen führten die legte große 
Ehriftenverfolgung herbei 303—811. Schon 298 
hatten alle Chriften im Heere an den Opfern Theil 
nehmen jollen. Immer ſchärfere Edicte folgten von 
Jahr zu Jahr, nach feinem Rüdtritt 305 eigerten 

lerius und Marimian die entichieden graufame 
Berfolgung, führten aber eben dadurd den völli: 
gen Untergang bes Heidenthums herbei, da Con: 
Kantinus im Kampfe gegen fie die Chriften um fo 
mehr begünitigen mußte. Im Abendland beendigte 
311 das Edict des Galerius die Verfolgung, in 
Halten dauerte fie bis zur Niederlage des Maren: 
uus 312, im Oriente bis zum Frieden des Lici- 
nius mit Gonftantinus 314. Diocletian vergiftete 
ih 318 in feiner Zurücgezogenheit aus Furcht 
vor Eonftantinus und Licinius. Bol. Theod. Bern: 
hardt, Diocletian in feinem Berhältniffe zu den 
Chriften, Bonn 1862. 

. Bilhof von Tarjus. Geb. zu Antio- 


187 


Dionyfius Areopagita 


chien. In Athen klaſſiſch vorgebildet, zeichnete er 
fich alö Presbyter feiner Baterftabt in den Käm— 
pfen gegen die Arianer unter dem Biſchof Meletius 
aus und leitete die Gemeinde während defien Ber: 
bannung, bis er ſelbſt 372 fliehen mußte. 378 zum 
Biſchof von Tarfus geweiht, nahm er Theil an der 
Synode von Eonftantinopel 381. + 394. Dur 
ftrenge Askeſe und bedeutende polemijche Werte 
gewann er bie Berehrung feiner Zeitgenoffen. Bon 
feinen Gegnern wurde ihm Betheiligung an dem 
Wortbruc des Flavianus nach dem Tode des Me: 
letius vorgeworfen. Ebenfo ift durch Eyrill feine 
DOrthoborie verdächtigt. Er wurde als eigentlicher 
Urheber des Neftorianiämus bezeichnet, da er das 
Menschliche in der Berjon Jeſu zur —— 
gen und eine moraliſche, nicht ſubſtantielle Einheit 

Naturen anerkannt wiſſen wollte. Seine zahl: 
reihen Schriften find faſt nur in Auszügen ber 
Gatenen vorbanden; ihr Verzeichniß bei Aſſemani, 
Bibl. or. II, 1. Seine Schüler waren die 2 bedeu⸗ 
tendften Männer der antiochenifchen Schule, Theo: 
dor von Mopfvefte und Chryſoſtomus. 

Diverefe. S. Bisthum. — Didcefanrecht wird 
vom Recht der Jurisdiction unterfchieden, ohne daß 
die Grenze jcharf beftimmt würde. Es wird gefaßt 
als das Recht des Biſchofs, Abgaben zu erheben. 
Bol. Walter, Kirchenrecht; Richter, 8. 119; Böh- 
mer, Prim. jus can. 138. — Diöcefanftatuten 
oder »Conftitutionen, die in den einzelnen Diöcefen 
geltenden Normen und Borjchriften, jollen ei. ug 
(ih von den Diöcefanfynoden feitgeftellt werben ; 
da aber diejelben außer Uebung gekommen, erläht 
fie der Biſchof Durch Hirtenbriefe und Berorbnun: 
gen; fie bebürfen feiner päpftlihen Genehmigung. 

Diognet. Als eines der ſchönſten Denkmäler 
des hriftlichen Alterthums gilt der Brief an D., 
einen angejehenen Heiden, der Belehrung über das 
Chriftenthum gewünſcht hatte; jein chriftlicher 
Freund giebt ihm nad furzer Charatteriftit des 
Heiden: und Judenthums einen Abriß der chrift: 
lichen Lehre und Sitte. Früher wurde der Brief 
Juſtin dem Märtyrer zugefchrieben. Aus der Ber: 
Ichiebenheit der Sprache, der Auffafiung des Yu 
denthums, dem Schweigen über Grundideen des 
Juftin hat Semiſch, De Just. Martyr. I, 172, 
nach dem Vorgang von Tillemont u. A, den Jrr: 
tum nachgewieſen. Dagegen Dtto, De ep. ad 
Diogn. commentatio, Jena 1845. Verfaßt muß 
der Brief 120— 150 fein. Die beiden legten Capitel 
find unecht (Bunjen, Hippolyt). Ausgaben: Ste: 
phanus 1592; Otto in Opp. Just. ed. 2, 1849; 
Hollenberg, Berl. 1858; Hoffmann, gr. u. deutſch 
1851; Krenkel 1860. 

Dionyfianifhe Aera. S. Aera. 

Dionyfius Areopagita. Nach Apfta. 17, 34 ein 
von Paulus befehrtes Mitglied des Areopags in 
Athen, welches nach der Tradition fpäter als Bi: 
ſchof von Athen den Märtyrertod erlitten haben 
joll. Er ift berühmt, weil er einer Reihe von Schrif: 
ten den Namen geben mußte, weldye um 532 im 
Intereſſe einer philofophiichen, zu Athen haupt: 
fächlich vertretenen Schule mit der Tendenz einer 
Verſchmelzung des Chriftenthums mit dem Plato: 
niämus gefchrieben wurden und bald einen außer: 
ordentlichen Ruf erlangten. Im Anſchluſſe an die 
Fortentwidlung des Platonismus durch die Neu: 
platoniter jucht der Pjeudodionyfius den Stand 
der damaligen Kirche ald das nach den platonijchen 
Grundbegriffen a priori nothwendig Gegebene 


Dionyfius von Korinth 


bdarzuftellen. Indem er ausgeht von dem ganz ab» 
ftract gedachten Gottesbegrift des Platonismus,wel: 
er Gott als den eigenſchaftsloſen, jchlechthin trans: 
cendenten begreift, der feinem ganzen Wefen nad) 
nicht im Stande tft, fich mit der Welt in unmittel: 
bare Beziehung zu jegen, nimmt er zwifchen beiden 
und in beiden eine eigenthlimliche Ordnung von 
geiftigen Stufen an, die zufammen einen Drganis- 
mus bilden, und durch welche hindurch eine Mit- 
theilung ftattfindet vom Abjoluten bis zum Nie: 
drigften. Diefer Organismus ift nun wefentlich 
eins mit dem Firchlichen Begriff der Hierarchie. Die 
himmliſche Hierarchie bilden die drei Ordnungen: 
1) der Throne, Eherubim und Seraphim; 2) der 
Gewalten, Herrihaften und Mächte; 3) der Für: 
ftenthümer, —— und Engel. Die irdiſche bil⸗ 
den: 1) die geſetzliche Hierarchie; 2) die chriſtliche 
der Hierarchen, Prieſter und Liturgen, von denen 
drei der erſten die vollkommenſten Träger des 
göttlichen Lebens im Diesſeits ſind, die erleuchtet: 
ſten Befiser der Wahrheit. Unklar ift die Stellung, 
die Chriftus in diefem Syfteme einnimmt. Da er 
eigentlich darin feine Stelle mehr findet, fo tft auch 
die Chriftologie des Areopagiten, obgleich jie ſich 
in den Ausdrücken an die kirchliche anſchließt, be- 
beutungslos geworben. Bgl. Baur, Geſch. der Lehre 
von der Dreieinigfeit II, S. 207. Die pfeubodio: 
nyfiihen Schriften fanden bald einen ſolchen Ein» 
gang in ber orientalifhen Theologie, daß ſchon 
Marimus Confeſſor Scholien dazu jchrieb; aber 
auch im Abendland, wohin 827 das erfte Eremplar 
verjelben gelangte, wurbe die Autorität und die Echt: 
heit der Schriften bald zur vollen Geltung gebracht, 
befonders ſeitdem man den Berfafjer mit dem heil. 
Dionys des Frantenlandes verwechjelte. Der be: 
rühmte Johannes Scotus Erigena überjegte Die 
Schriften ins Lateiniſche. Seit dem 16. Jahrhun- 
dert ift jedoch Die Echtheit bezweifelt und jeitdem die 
Unechtheit zur vollen, auch katholiſcherſeits aner: 
fannten Gemwißheit erhoben. Die Schriften, die in 
Betradht fommen, find: Ilepi rns lepapyiag, ITepi 
ins Exxinowmorizis legapyiac, Ilepi Feiwr dvo- 
udärew, Iegi uvorıxns Heokoyies. 12 Briefe. Her: 
ausgegeben find die Werke von Eorderius 1644, 
Conftantini 1755, überjegt von Engelhardt 1823. 
Bal. Dallaeus, Descriptis, quae sub Ign.et Dion. 
Ar. nom. circumferuntur, 1666 ; Engelhardt, De 
Dion. Plotinizante, 1820; De origine script. 
Areop. 1822; Baumgarten:E., De Dion. A. 1823; 
Montel, Livres du Pseudo-Denys, 1848; Hipler, 
Dion. d. X. 1861. 

Dionyfiuß von Korinth, um 170. Bei Eufebius 
finden fih Inhaltsangaben und Auszüge von 8 
jogenannten katholiſchen Briefen, die er an ver: 
jchiedene Gemeinden gerichtet hatte. 

Dionyfius der Große von Alerandrien war 
233 Borftand der Katechetenichule, jeit 245 Biichof. 
Der Berfolgung unter Decius entzog er jich durch 
die Flucht 250251, unter Balerian ward er 
verbannt 257—260. + 264. Ein Schüler des Dri- 
genes, vertrat er die alerandrinische Schule in den 
tirhlichen Streitigkeiten bes Novatian und Paul 
von Samofata und jchrieb gegen den Ehiliasmus. 
Wegen eines Sendichreibens gegen die Sabellianer 
der Heterodorie bezüchtigt, trat er im Racyxoc und 
der Anokoyie der römischen Anficht bei. Er er: 
Härte fi mit Anführung kritiſcher Gründe für die 
Verichiedenheit der Berfafler des Evangeliums 
Johannis und der Offenbarung (Eufeb. Kircheng. 


188 


Diptychen 


VII, 25). Bon feinen Schriften find nur Bruch— 
ſtücke bewahrt, meift bei Eufebius, welche Gallandi, 
Bibl. vet. patr. III, 481 f. geſammelt hat. Bat. 
Förſter, De doctrina Dionysii Magni 1865. 

Dionyfins, Biſchof von Nom 259—269. Es 
werden 3 Briefe von ihm erwähnt, über die eher: 
taufe im Sinne feines Borgängers Stephanus an 
Dionyfius von Alerandrien, gegen denjelben eine 
Encyklika an die ägyptijchen Biſchöfe über die 
Trinität (ewiges Sein des Sohnes im Vater), und 
ein Troftichreiben an die Gemeinde Gäfarea in 
Kappabocien. 

Dionyfins Eriguns, d. i. der Kleine, ein Scythe, 
Abt eines Klofters in Rom, + 556, berechnete das 
Geburtsjahr Chrifti auf 754 nad) Erbauung Roms 
(aera Dionysiana), verfaßte eine —5 
lung und überjegte mehrere griechi riften. 

Dionyfius —— — auch D. Rickel oder 
D. von Leuwis. Geb. in Rickel bei Li ſtu⸗ 
dirte in Köln und trat in das Karthäuſerkloſter zu 
Roermonde 1424. 4 1471. Uebermaß der Asleſe 
und der Studien verurſachten bisweilen ekſtatiſche 
Zuftände, daher ſein Zuname Doctor ecstaticus, 
verichafften ihm aber weitgehenden Ruf und Ein: 

uß. 1451 begleitete er den Cardinal von Cuſa auf 
einer Miffionsreife und ſchrieb De munere et 
regimine legati. Er jchrieb über 100 Schriften, 
von denen De quatuor novissimis in den Inder 
fam. Das Hauptwerk ift der Commentar zum N. 
und N. T., 7 Bbe,, Köln 153036, ohne Werth. 
Sein Zeben Act. ss. II, 245, 12. März. 

Diosfur. Patriarch von Alerandrien, Nadjiol: 
aer des Cyrill 444. Berlichtigt ald Leiter der Räu: 
berignode zu Ephefus 449, welche den Eutyches 
freifprad), Flavian von Gonftantinopel, Eufebius 
von Doryläum und Leo von Rom als Anhänger 
der Zweinaturenlehre verdammte. Wegen jeiner 
Häreſie und rohen Gemwaltthätigteiten (er hatte näm: 
lich zu Ephefus Flavian jo mifjhandelt, daß derſelbe 
an den Folgen jtarb) wurde er von der Synode zu 
Chalcedon abgefegt und nad Gangrä in Baphla: 
gonien verbannt. + 454. 

Dippel, Joh. Konrad. Geb. zu Frantenftein 
1673, ftudirte er zu Giehen, ward Magifter der 
Philoſophie und hielt in Straßburg Borlefungen 
über Aſtrologie, befämpfte dort den Spenerſchen 
Pietismus und focht, tanzte und jpielte, um ſich 
als orthodor zu bewähren. 1698 durd Hochmann 
erweckt, wurde er myitiicher Separatift und trat 
in Verbindung mit Arnoldy und Merter. Seine 
Heterodorie und feine in der Eitelkeit wurzelnde 
Heftigfeit gegen jeine Gegner ließen ihn weder in 
Berlin, nod) in Holland, noch Altona eine bleibende 
Stätte finden. Nach fiebenjähriger Haft auf ber 
Infel Bornholm in Stodholm ehrenvoll aufgenom: 
men, wurde er auch von dort weaen einer hetero: 
doren Schrift verwiefen und mußte ſich in das 
Aſyl der Schwärmer nach Berleburg flüchten, wo 
er 1734 ſtarb. Hauptſchriften: Orthodoxia ortho- 
doxorum; Papismus protestantium vapulans 
1698; Wein und Del in die Wunden des geſtäup— 
ten Papſtthums 1699. Val. Hoffmann, Leben und 
Meinungen J. K. Dippel’s, 1783. Schrödh, Kgſch. 
VIII, ©. 305. 

Diptychen. Die Namensregifter der lebenden 
und verftorbenen Berfonen, welche bei der Meſſe 
der Priefter nennen fol, und die der Diakon in 
der griehifhen und armeniichen Kirche laut vor: 
lieft. In der römischen Kirche hat der Gebrauch 


Directorium 


aufgehört, uno ver Celebrant macht bei der eier 
nur eine kleine Pauſe, während welder er im 
Stillen die Perſonen nennt, denen feine Fürbitte 
gilt. 

Direetorium ift der römische Kirchenkalender ; 
die Anmweifung des Biſchofs, wie für jeden Tag 
mit Beziehung auf die einfallenden Feſte und Ge: 
>idhtniffe der Heiligen das Brevier zu beten und 
die Meſſe zu feiern jei. 

Discalceati, S. Barfüßer. 

Disciplin, kirchliche. S. Kirchenzucht. 

Diseiplina Arcani. ©. Arcan-Disciplin. 

Disciplinarvergehen jind die Amts: und Stan: 
desvergehen der Geiftlichen (excessus), entweder 
Unterlafjungen der Amtspflichten oder Ueberſchrei⸗ 
tungen der Amtögewalt ; fie unterftehen der Dis: 
ciplin der geiftlihen Obern, bei den Katholiken 
dem Ordinariat, bei den Evangelifchen den Gon- 
fitorien. Wo Synodalverfafjung herrſcht, bildet 
in der Regel das Directorium der Kreisſynode die 
erfte Inftanz. Die Strafen unterfcheidet man in 
censurae und poenae; zu diefen gehören Geld: 
buken, törperliche Züchtigungen (abgeſchafft), Ge: 
fängniß, die Suspenfion, Irregularität, Priva: 
tion, Depofition, Degradation (f. d. AA). In der 
evangelifchen Kirche find als Strafen beibehalten 
Suspenfion, Strafemeritirung, Abſetzung; die 
Strafverfegung ift außer Anwendung getommen. 
Bährend früher die Kirche jämmtliche Bergehen 
der Beiftlichen vor ihr Forum zu ziehen fich berech⸗ 
tigt hielt, hat jet faft überall der Staat die blirger: 
lihen Vergehen der Geiftlichen den ordentlichen 
Werihten übermwiejen. 

Disciplinbu der jchottiihen Kirche heißt die 
von Anor und andern Geiftlichen im Auftrage des 
Parlaments 1560 entworfene Kirchenordnung, 
welche 1561 angenommen und eingeführt wurde. 
Das zweite Disciplinbuch wurde von der Afjembly 
1578 angenommen; es geht von der völligen 
Selbftändigkeit der Kirche in Bezug auf Lehre und 
Juris diction aus. 

Difibod, der Heilige. Ein iriſcher Biſchof, der 
um 545 oder 670—W an der Nahe das nge: 
lium predigte umd ein Klofter erbaute. Es ift un: 
gewiß, ob Dies das Kloſter auf dem Difiboden: 
berg bei Kreuznach ift, oder ob 1108 ein älteres 
entvöltertes Klofter den Benedictinern übergeben 
ward, 1259 erhielten es Eiftercienfer; in der Refor: 
mation wurde es jäcularifirt. ©. Bad, die alten 
Kirchen, und Acta ss. 8. Juli. 

Dispenfation ift die Aufhebung eines kirchlichen 
Gebots oder Verbots für einen einzelnen Fall oder 
eine beftimmte Perſon; als Nachlaffung der be: 
ſtimmten Strafe gleich der Abfolution. Sie kann 
nur ftattfinden in Bezua auf Disciplinargefeße 
und ift das Borredht der hödjiten Gewalt, des 
Papftes jeit Innocenz III.; pro foro conscientiae 
wird es geübt durch die Pönitentiaria, pro foro 
externo durch die Dataria. Bifchöfe dispenfiren 
in den durch Hanones und Duinquennalfacultäten 
zugewiejenen und in Nothfällen. Die vielfach ge: 
rügten Mißbräuche des Mittelalters zu vermeiden, 
ſetzte das Tridentinum feit, dab Dispenfationen 
nur aus genügenden, gerechten Gründen und um: 
ſonſt zu erteilen jeien, wobei aber Gebühren nicht 
ausgeſchloſſen wurden. Man unterſcheidet disp. 
gratine et justitiae, legis, hominis und mixtae, 
In der evang. Kirche können Diöpenfationen 
nur vorlommen in den gemifchten Gebieten, 


189 


Dithmarjchen 


wo die Kirche Beitimmungen der Staatögejek: 
—— zu handhaben hat, alſo bei Ehe und 
ufgebot und in Bezug auf das bei Confirmation 
und Ordination geforderte Alter. Meiſt ſind ſie 
den Conſiſtorien überlaſſen, in höherer Inſtanz 
den Cultusminiſterien. 

Diſſenters. Der engliſche Geſammtname für 
Alle, die von der Landeskirche getrennt ſind; daher 
in England alle Richt:Epistopalen, in Schottland 
alle Nicht: Presbyterianer. 

Diffidenten. Gejammtbezeihnung der Nicht: 
Katholifen im Königreih Polen. Sie erhielten 
Rechte durch das Rationalconcil zu Petrikau 1555 
und die Gleichberechtigung mit den Katholiken 
durch die pax dissidentium 1573, die 1632 be: 
ſchränkt, 1660 wieder hergeftellt, 1717 und 1738 
von Neuem beſchränkt wurde. Die Verfolgung der 
Diffidenten rief die Einmiſchung Rußlands und 
Preußens herbei, die 1767 die Wiederherftellung 
ihrer Rechte erzwangen und endlich zur Theilung 
Polens ſchritten. Diefelbe Bezeichnung ift ange: 
wandt auf alle fih von den Landeötichen Tren: 
nende, jo in der Schweiz und in Breußen. 

Distributiondformel beim Abendmahl. Aus 
ver kurzen ältejten Formel: adue 2. ei 
Xgıorov norgowr Guns wurden ſpüter ausführ: 
lihere in Form des Gegend: „Der Leib Jeſu 
Chriſti bewahre deine Seele," und ähnliche. Die 
von Yuther gewählte Formel: „Das ift der Leib 
Jeſu Chrifti, der ftärke und bewahre deine Seele 
zum ewigen Xeben,“ erjchien nicht mehr ausrei— 
hend, als der Gegenſatz gegen die Reformirten 
geihärft wurde, e8 wurde das Wörtlein „wahre“ 
eingeihoben oder nur die Einſetzungsworte ge: 
braudt. Die deutfch:reformirte Kirche bediente ſich 
der Worte 1. Kor. 10, 16. Bei der Union wurde 
in Preußen der Gebraud der Einjegungsmworte 
allgemein angenommen und in ber Xandesagende 
vorgejchrieben ; die Bewegungen gegen die Union 
erzwangen mit der Freigebung von Parallelfor: 
mularen auch wieder conteffioneil unterjcheidende 
Distributionsformeln. 

Dithmar. Dietmar. Thitmar. Geb. am 25. Juli 
976, Sohn des Grafen D. zu Wallbeck. 989 Dom: 
herr des Morigitifts, 1002 Probit zu Wallbed, 
1009 Biſchof des von Heinrich LI. wieder herge: 
ein Bistyums Merfeburg. + 1. Dec. 1018. 

erühmt ift feine Chronik (ed. Yappenberg in 
Berg, Monumenta Germ. Bd. 5, deutſch von Lau— 
rent, Berl. 1845), welche die Jahre 908—1018 
umfaßt, namentlich für die Zeit Heinrichs II. be- 
deutend, und die Hauptquelle für die Geſchichte 
der ſlaviſchen Gegenden jenjeit der Elbe ift. 

Dithmarſchen, die weitlihite Landichaft Hol: 
jteins, ftand als Republit unter dem Grzbisthum 
Bremen, in kirchlicher Beziehung unter dem Dom: 
capitel Hamburg. Durch Friedrich III. 1474 als 
Lehen mit Holftein vereinigt, vertheidigten die D. 
ihre Freiheit bis 1559, machten aud) 1523 ber 
Jurisdiction des Domprobftes ein Ende. Die Re: 
formation fand bei den durch den Dominicaner- 
prior Auguftin Forneborch aufgeregten Bauern 
den heftigiten Widerſpruch; Heinrich von Zütphen, 
den der Baftor von Meldorf, Nikolaus Boje, be: 
rufen hatte, wurde 1524 graufam ermordet, aber 
eben dadurch auch ein Umſchlag vorbereitet, jo daf; 
1532 die [utherifche Lehre für die Yandesreligion 
erflärt wurde. Seitdem nimmt D. Theil an ver 

! holfteinifchen Kirche, 


Dlugoffus 


Dlugoſſus. Geb. 1415 zu Breceznica, geſt. als 
Erzbiſchof von Lemberg, vorher Pfarrer zu Klo: 
buzko, Kanonifus zu Krakau. Der Hiftoriter Po: 
lens durch die Historia Polon. usque ad a. 1480, 
Zeipzig 1711—12; neu herausgegeben von Graf 
Plater. Andere Werke nur handſchriftlich. 

Doch, Sox, bei Joſeph. Jeywr, 1. Malk. 16,15, 
fefte Burg bei Jericho, wo Simon mit jeinen Söh— 
nen getödtet wurde; an der Stelle fand Robinjon 
die Quelle Düt. 

Doctor theologiae, Der höchſte akademiſche 
Grad der theologischen Facultät, ftand in früherer 
Zeit in höhern Ehren, gab auch bürgerliche Vor: 
züge und mußte rite erworben werben. Sept wird 
er meift honoris causa für wiſſenſchaftliche Lei: 
ftungen oder hervorragende kirchliche Berdienite 
ertheilt und ift in der Regel Bedingung einer 
ordentlichen ln der Facultät. Die Promo: 
tion, d. h. die Erhebung zum Doctor, geſchieht un: 
ter hergebrachten Feierlichkeiten durch den Decan. 
Das äußere Abzeichen war das Birret. Als Ehren: 
titel führen den Titel D. die ausgezeichneten 
Scholaſtiker: D. angelicus Thomas von Aquino, 
christianissimus ®erfon, controversiarum Weſ— 
jel, ecstaticus Dionys Garthufianus, evangelicus 
Ruysbroet, fundatissimus Argidius von Rom, 
illuminatus Tauler, invincibilis Occam, irrefra- 
gabilis A. v. Hales, mellifluus Bernhard von 
Clairvaur, mirabilis Baco, perspicuus Burley, 
planus et utilis Nikol. v. Lyra, profundus Brad- 
wardein, resolutissimus Durandus, seraphicus 
Bonaventura, singularis Occam, solennis Hein: 
rich v. Gent, solidus Richard von Mibdleton, 
sublimis Albrecht der Gr., subtilis Duns Scotus. 


Doctrinarier. Zwei Congregationen zum Unter: 
richt des Volkes im Katechismus. 1) In Franf: 
reich peres de la doctrine chretienne, geftiftet 
als eine —— von Geiſtlichen durch 
Cäfar von Bus in Cavaillon 1592, beſtätigt 1597. 
Die Verbindung mit den Somastern 1616, 
welche ihr Vorſteher Bigier ins Wert gejegt 
hatte, gab Anlaß zu bleibenden NReibungen und 
wurde 1647 und 1659 wieder gelöft. 2) In Ita: 
lien, gejtiftet 1562 durch Markus de Sadis Cu: 
fano zu Rom, eine Brüderjchaft, die Laien und 
GSeiftlihe umfaßt. Bellarmin ſchrieb für fie einen 
Katechismus, und Benedict XIII. übergab ihr die 
Elementarjchulen. 

Dodanim. 1. Mof. 10, 4. Die Dardaner oder 
Trojaner find gejegt für den ganzen illyrifchen 
Stamm. Die LXX lieft ftatt DIT3 DIT die 
Rhodier, was zu den Kittim nicht übel ſtimmt. 

Doddridge, Philipp. Dr. theol. Geb. 26. Juni 
1702, der Sohn eines noncorformiftiichen Geift: 
lichen, wurde in Diſſenterſchulen erzogen, 1722 
Prediger der Difjentergemeinde zu Market Har 
borougb, 1729 zu Northampton, wohin er ein von 
ihm am eriten Orte gegründetes theologiſches Se: 
minar verlegte, welches das bedeutendfte der Inde— 
pendenten wurde. + 1751 zu Liſſabon. Rise and 
Progress of Religion in the Soul, deutſch: 
New: Hort (Bremen) 1860. Family Expositor, 
6 Bode. Eorrejpondenzen, 1829—1831. Bgl. Ben: 
net, Geſch. der Diffenter. 

Dodwell, Heinrich. Geb. zu Dublin 1641, eng: 
liſcher Philologe und Chronologe; Iegte 1691 die 
erjt 1688 übernommene Profetfur der Literatur: 
geſchichte nieder, weil er Wilhelm III. den Eid nicht 


1% 


Dogma 


leiten wollte, und lebte zu Shotterbroofte, wo er 
1711 jtarb. Hinter feinen jonftigen Zeiftungen ftehen 
die theologiihen Schriften zurüd; fie enthalten 
bei viel Gelehrjamteit paradore Anfichten fiber Un: 
fterblichkeit und Sündenvergebung. Unter andern: 
Dissertationes Cyprianicae, Lond. 1684. De 
en laicorum, 1685. De successione, 1687. 

pistolary discourse, Lond. 1706. 

Doederlein, Johann Chriftoph. Geb. 20. Jan. 
1745 zu Windsheim in Franken, 1767 ebendort 
Diakon, 1772 Profeſſor der Theologie in Altdorf, 
1782 in Jena. Geh. Kirchenrath. + 1792. Ere: 
get (Fejaias, 3. Ausg. 1789; Sprüde Salom. 
1778) und Dogmatifer (Institutio theol. christ. 
ed. 6. Nürnb. 1797), ſuchte er die Lehren der 
Orthodoxie den Zeitbebürfnifjen entſprechend und 
mit ſtrenger Eregeje der Beweisftellen zu begrün: 
ben. Bon 1780 an gab er die „Theologiſche Biblio: 
thek“ heraus. 

Ein Idumäer. Dberaufieher über die 
Heerden Sauls, 1. Sam. 9, 18, war beim Hobe: 
priefter Ahimeleh zu Nob und verflagte ihn als 
Mitverihwornen Davids. Dieſer kannte ihn, 
1. Sam. 22, 22; vgl. den 52. Pſalm. 

Doellinger, Job. Joſeph ygna- Kathol. Theo- 
loge, geb. zu Bamberg am 28. Febr. 1799. Bro: 
feljor der ren zu Münden. Auf 
Grund jeiner hiſtoriſchen Forſchungen eg er 
fich gegen die weltlihe Macht des Papftes aus, 
retractirte jedoch die angeblichen Mißdeutungen; 
den Proteſtantismus macht er verantmwortlid für 
den Berfall Deutjchlands unter fürftlihen Abſo— 
lutismus, gehört aber, wie zu den tüchtigften, fo 
zu den verhältnigmäßig freifinnigen Tatholifchen 
Gelehrten der Gegenwart. Ueber gemijchte Ehen, 
Regensburg 1838. Die Reformation, 1846—48. 
Luther, Freiburg 1851. Hippolyt und Kalliftus, 
1853. Chriſtenthum und Kirche, 1860. Kirche und 
Kirchen, 1861. Beiträge zur politiſchen, kirchlichen 
und Gulturgeihichte, Regensburg 1862. Heiden: 
thum und Judenthum als Borhalle des Chriften: 
thums, 1868. j 

Dogma, griehiih doyue, heit urjprünglich 
Meinung, wurde 4. B. aud von philofophijchen 
Meinungen (Cicero, Quaest. acad.4,9) gebraucht 
mit dem Nebenbegriff des Feſtgeſetzten und inner: 
halb eines Kreiſes Gültigen. Mit Hervortritt des 
legtern, Kol. 2, 14 und Eph. 2, 15, von den 
Satungen bes jüdiihen Geſetzes, Apftg. 16, 4 
von den Beichlüffen des Apojtelconvents; dann 
mit ausfchließlicher Geltung des genannten Mert: 
mals auch von den Verordnungen und Befehlen 
des Kaiſers. Dogma ijt aljo nicht eine Glaubens: 
wahrheit jhlehthin, jondern eine jolde mit dem 
Nebenbegriff einer innerhalb einer gewiſſen Ge— 
meinfchaft gültigen, einer wenigjtens relativ end- 
gültig formulirten und als jolde anerkannten 
und maßgebenden Zehrwahrheit. Der Begriff des 
religiöjen Dogma’s ſetzt aljo den Begriff der Kirche 
voraus als einer Lehrgemeinſchaft, in weicher ein 
gemeinjames Ölaubensbewußtjein vorherricht, wel- 

es formulirt werden kann; ferner jegt es Das 

orhandenfein einer nn Wiſſenſchaft vor: 
aus, weil diefer die Aufgabe obliegt, das gemein- 
ſame Glaubensbewußtjein auf einen wiflenihaft- 
liden Ausdrud zu bringen. Demgemäß verlief 
auch die geſchichtliche Entwicklung. In der apojto- 
liihen Zeit hat es wohl © slehren, aber 
feine Dogmen gegeben. Die biblischen Lehren find 


Dogmatik 
noch unmittelbarer Ausdrud des chriſtlichen Ber 
wußtſeins. Erft in der Nachfolgezeit begann die 
eigentlich theologiiche Arbeit, und was urjprüng: 
id nur unmittelbarer Ausdrud des chriſtlichen 
Bewußtſeins war, wurde zu theologijhen Lehr: 
jägen zugeſpitzt, welde, da die ihnen zu Grund 
liegende wiſſenſchaftliche Arbeit nicht die eines 
Einzelnen, jondern einer firhlichen Theologie war, 
alfobald auch Anjpruc erhoben sig Mer. Tuner 
Anertennung. Je unbejtimmter, in Beziehung auf 
wiſſenſchaftliche Formulirung, der erſte unmittel- 
bare Ausdruck des chriſtlichen Bewußtſeins war, 
deſto mehr rief er Gegenſätze der Lehrentwicklung 
hervor, welche die Kirche als gemeinſchaftſtörend 
vermöge eines inneren Triebes zu überwinden 
ſtrebte. Das chriſtliche Gemeinſchaftsbewußtſein 
entſchied ſich für einen beſtimmten Weg ber Lehr: 
entwidlung, woher es fam, daß die Ergebnifle der: 
jelben einen allgemein gültigen, ftatutarifchen Cha: 
takter und den entiprechenden Namen „Dogmen“ 
annahmen. Auch in der evangeliihen Kirche hat 
fih wieder neue Dogmenbildung aus der theolo: 
giſchen Arbeit ergeben; da jedoch der Begriff des 
Glaubens“ in der evangelifchen Kirche nicht wie 
in der fatholifchen einen Glauben an die unfehl: 
bare Lehre der Kirche in ſich fließt, ift in ber- 
ielben die Stellung des Einzelnen zum Dogma nie 
als eine folche betrachtet worden, von welcher Die 
Seligleit ausfchließlid) abhängt. Dadurd) iſt das 
Dogma im BProteftantismus entwicklungsfähiger 
geworden als im Katholicismus. Vgl. die Dogma: 
titen. Ausführlich: Rothe, Zur Dogmatik. 

Dogmatik ift, allgemein gefaßt, die ſyſtematiſche 
Darftellung des riftlichen Glaubens; in der be- 
itimmteren Faſſung gehen die Definitionen in jehr 
verihiedenen Richtungen aus einander. Dem Aus: 
drucke jelbft gemäß ift der Inhalt der Dogmatik das 
firhlihe Dogma; jo wird fie durchgängig gefaßt 
in der katholiſchen Kirche und von den alten luthe: 
riſchen und reformirten und einigen neuern Dog: 
matilern, indem dabei eine vollftändige Ueberein- 
ftimmung des von der Kirche aufgeftellten Dogma’s 
mit der perjönlichen Ueberzeugung des’ derer 
vorausgejegt wird. Die Dogmatik hat von diejem 
Standpunkte aus zwei Aufgaben zu erfüllen: ein: 
mal eine präcije Darftellung des kirchlichen Lehr: 
begriffö aus den anerlannten Belenntniflen, zwei: 
tens eine Begründung derjelben aus der Tradition 
oder h. Schrift, je nad) dem Lehrprincip der be: 
trefienden Kirche. Anders ift die Begrifjsbeftim: 
mung Schleiermadyers von Dogmatik, „als der 
Biffenihaft von dem Zujammenhang der in einer 
chriſtlichen Kirchengemeinſchaft zu einer gegebenen 
Zeit geltenden Lehre,“ indem damit nicht Das 
befenntnigmäßige Dogma, jondern der gerabe 
gegenwärtige Stand des kirchlichen Bewußtſeins, 
wenn auch als directe Fortſetzung des erfteren, 
zum Inhalte der Dogmatik gemacht wird. An die 
Stelle des betenntnikmäßiig firirten Zehrbegriffs 
tritt alfo hier der unbeitimmtere Begriff des gegen: 
wärtigen frommen Bewußtſeins; dagegen bleibt 
beiden Auffaffungen von der Dogmatik das Merk: 
mal gemeinjam, daß das Objective und Subjeetive 
zu feiner Scheidung gelangt, daß die Darſtellung 
demnach einen mehr beichreibenden, als fpeculativ 
entwidelnden oder kritifchen Charakter trägt, wes⸗ 

Ib auch Schleiermadjer die Dogmatik zu den ge: 
Gichtlichen Disciplinen der Theologie rechnet. 
Die Darjtellung des gegenwärtigen Standes der 


191 


Dogmatik 


Lehrentwicklung innerhalb der evangeliſchen Kirche 
ift von den meiſten neuern Dogmatikern als die 
Aufgabe der proteftantiichen Dogmatik betrachtet 
worden und dafür (von Schweizer) der Ausdrud 
„Glaubenslehre“ im Gegenjaß zu der auf der vor: 
hin angegebenen Grundlage ruhenden Dogmatif 
beliebt worden. Eine ebenfalls über das kirchliche 
Dogma hinausgreifende, aber auch ebenjomenig 
Dbjectives und Subjectives von einander jdei: 
dende Methode befolgt die bibliſche Dogmatit 
(Hofmann, Bed), welche darin bejteht, daß die 
biblifchen Lehren zu einem fyftematiichen Ganzen 
verarbeitet werden, und welde ſich dadurch von 
ber biblifhen Theologie unterjcheidet, daß eben 
nicht, wie in diefer, eine Trennung des Objectiven 
und Subjectiven volljogen wird. Endlich ijt die: 
jenige Methode zu erwähnen, welche in principieller 
Ace DObjectives und Subjectives in der Dogma: 
tif jcheidet, welde den dogmatiſchen Lehrgehalt 
geichichtlich treu darjtellt, die Dogmatik daher auch 
zur geihichtlichen Theologie rechnet ; dabei hat aber 
die Darlegung des kirchlichen Lehrbegriffs den 
Zwed, einer Kritif von Seiten des bogmatijiren- 
den Subjects unterworfen zu werden. So am 
reinften durchgeführt von Rothe, welcher eine drei: 
fache Kritik anlegt, die biblifche Lehre, die wiſſen— 
ſchaftliche Kritik und die Kritik des religiöjen Be— 
wußtſeins; auch bei vielen Neuern findet ſich dieſe 
kritische Methode aufgenommen. — 

Geihichte der Dogmatik. Ebenfowenig als 
eine der neuteftamentlihen Schriften ſchon eine 4 
ftematifche Darjtellung der —— umfaßt, 
* auch die unmittelbar nachfolgende Zeit in der 

aſchheit ihrer gährenden Entwicklung Muße ge: 
funden, ein dogmatiſches Lehrgebäude aufzurichten. 
Erſt die engere Berührung der chriſtlichen Theo— 
logie mit der platoniſchen Philoſophie hat zunächſt 
im Orient Verſuche hervorgerufen, den Chriſten— 
glauben in eine ſpeculative Faſſung zu bringen 
— — Gregor von Nyſſa), von denen das 

erf des Drigenes, Ilegi deywr, das bedeutendfte 


ift; dann bald aud) im Abendlande, jedoch hier mit 


; [einer mehr auf die praftiichen Räthſel des chrift- 


lichen Lebens, auf Sünde und Erlöfung, gerichteten 
Tendenz —* Gennadius Maſſ), in welcher 
Richtung Auguſtins Enchiridion ad Laurentium 
das hervorragendſte Erzeugniß geworden iſt. Erſt 
als die dogmatiſchen Kämpfe zur Ruhe gefommen 
waren und fi ein firchliches Lehrgebäude aus 
ihnen entwidelt hatte, fand dieſes auch jeinen theo: 
retifhen Baumeiſter in dem umfafjenden Werte 
des Johannes Damascenus: "Erdocws «xgußns 
räs ogdodösns nioreos. Auf diefem Stadium ber 
firhlihen Entwidlung konnte die Dogmatik na: 
türlich den einzigen Zwed haben, bie kirchlich aner: 
kannten Dogmen darzuftellen und verftandesmäßig 
zu begründen; daraus entwidelte ſich dann in der 
Theologie des Mittelalter die jog. Scholaftif, 
deren Hauptaufgabe eö war, mit Hülfe der arifto: 
teliſchen Philofophie die vollfommene Weberein: 
ftimmung der Bernunft mit dem kirchlichen Dogma 
darzuthun. Die kühnfte Geftaltung nahm dieje 
icholaftiiche Dogmatik in Anjelm von Canterbury 
ſ. d. 9.) an, der vom Glauben auäging, aber 
auch zuverſichtlich die Höchfte Entfaltung der Ber: 
nunft juchte, um auf ihrer höchſten Stufe die Ein: 
= mit dem Glauben zu finden. Nachdem in 

älard dies philojophifhe Denten dem Glauben 
gefährlich zu werben gedroht, kehrte in Petrus 


— 


Dogmatif 


dem Lombarden durd feine Sentenzentheologie, 
welche auf eigene Speeulation verzichtete, der ſcho— 
laſtiſche Verftand zum Gehorjam zurüd (Senten- 
tiarum libri IV). Alerander von Hales (Bumma), 
Albert der Gr. (Summa theol.), Thomas von 
Aquino (Summa theol.), Duns Scotus (Com: 
mentar über die Sentenzen), in weldhen beiden 
Letzten ſich bereits ein Unterjchied materieller Brin: 
cipien geltend machte, indem der Eine die Erkennt: 
niß, der Andere den Willen als das Brincip des 
Glaubens nahm, jehritten lediglich in den Bahnen 
des Lombarden, während in Hugo (Tractatus 
theol.) und Richard von St. Victor (De trinitate) 
dem entleerten Berftande gegenüber ſich Die Myſtit 
des religiöfen Gefühls hervorzudrängen juchte. 
Die Scholaftil_endigte mit dem Stepticismus 
eines Wilhelm Decam (Commentar über die Sen- 
tenzen).. Der Reformation gelang es endlich, 
fi von dem Zwange des katholiſchen Dogma’s zu 
befreien und dadurd die Einheit des Glaubens 
und Grlennens ſchon in der urfprünglicden Ber: 
bindung ded Gemüthes wieder zu erlangen. In 
der lutherifhen Kirche hat Melanchthon (Loci 
communes rerum theol.) dem neuen Glaubens: 
bewußtjein eine humaniftifch are und feine Dar: 
itellung verliehen, in der reformirten Calvin mit 
—— Logik den Lehrbegriff feiner Kirche ent— 
wickelt (Institutio). Als fi) aber aud) eine pro: 
teſtantiſche Kirchenlehre feitgeftaltet hatte, er: 
neuerte fich bald wieder die alte Frage nad) dem 
Berhältniffe des jubjectiven Dentens zur objecti- 
ven Kirchenlehre. Auch jetzt fand wieder eine der 
Scholaſtik ähnlihe dogmatiſche Richtung den Be: 
griff der Dogmatik darin, daß der lirchliche Yehr: 
begriff mit allen Mitteln des Berftandes darge: 
ftellt und entwidelt werde. In die eig diejer 
Dogmatiter gehört Chemnitz (Loei theol.), noch 
im ——— an die Weiſe Melanchthons, Ger— 
hard (Loci theol.), Sutter (Comp. locorum 
theol.), Calov (Systema loc. theol.), Quen- 
ſtedt (Theol. did. polem.). Die reformirte Dog: 
matif, welche derjelben ſcholaſtiſchen Richtung 
nicht entgangen war, in Aljted (Theol. didactica), 
Gisbert Voetius (Disput. rel.), hat bald gegen 
diefelbe angelämpft durch Einführung von Metho— 
den, welche der jubjectiven Arbeit einen freieren 
Spielraum gewähren jollten; jo die jog. Föderal— 
dogmatit des Goccejus (Summa doctrina de foe- 
dere et testamentis Dei), welde die Religion 
unter dem Gefichtspuntte eines Bundes mit Gott 
auffaßt und diejes Bild zur Grundlage einer 
dogmatischen Methode macht, und die ökonomiſche 
Methode Xeydeders (De oeconomia trium pers.), 
weldye den trinitarifchen Gefichtöpunft zu Grunde 
legt. Einen ähnligen Verſuch machte Calirt (Epi- 
tome theol.) in der lutheriichen Kirche mut jeiner 
fog. Final: oder analytiiden (j. d. A.) Methode, 
dem Danhbauer (Hodosophia christiana) folgte. 
Mit dem Anfange des 18. Jahrhunderts nahm die 
Dogmatif eine beveutjame Wendung vom objectiv 
Gebundenen zum jubjectiv Freien, als Reaction 
gegen die Lebertreibung der ſcholaſtiſchen Methode. 
Zunächſt brachte ver Pietismus die Subjectivität 
der Frömmigkeit zur Geltung (Spener, Ev. Glau— 
bensiehre), und wirkte mildernd auch auf die 
tarre Form der orthodoren Dogmatif (Hollaz, 
xamen theol.; Pfaff, Institut. theol.; Bud— 
deus, Instit. theol. dogm.). Zugleich begann 
an dieſem Zeitpuntt der Subjectiviömus der Auf: ' 


192 


Dogmatik 


Härung; Semler verfucht eine „freiere theologi- 
ſche Lehrart“ zu begründen (Instit. ad doctrinam 
chr. liberaliter discendam); die Vernunft ftrebt 
fih immer mehr ald die Duelle der Dogmatik 
> zu maden, indem fih auf Grundlage 
Bolfiher Philojophie der Offenbarung gegenüber 
eine „natürliche Theologie” au ftellen Puch (Wolf, 
Theol. naturalis), welche fich J. häufig mit 
Bibel und Dogma in Einklang zu ſetzen beſtrebt 
iſt (Baumgarten, Ev. Glaubenslehre; Reuſch, In- 
troductio in theol. revelatam), aber doch immer 
mehr einer Entwidlung anheimfällt, welde dem 
jubjectiven Bedürfniß folgt und ſich nad zwei 
Seiten hin jcheidet, je nahdem das Bernunit: 
oder Olaubensbedürfniß im Dogmatifirenden Sub- 
ject überwiegt. Der einen fupranaturaliftifchen 
Richtung gehören Dogmatiter an, der Aufllärung 
fi nähernd, wie Michaelis (Comp. theol. dogm.), 
Döderlein (Instit. theol. christ.), Morus (Epit. 
theol.), Gruner (Instit. theol. dogm.); in grö- 
Berer Annäherung an Bibel und Dogma, wie 
Storr (Doctr. christ. pars theol.), Reinhard 
(Borlefungen), Schwarz (Grundrif d. kirchl. prot. 
Dogm), Knapp (Borlefungen), Hahn (Xehrb. des 
chriſtl. Glaubens), Steudel (Glaubensl.). Auf Sei: 
ten des Kationalismus dagegen jtehen: Hente (Li- 
neamenta instit. fidei christ. hist. eriticarum), 
Edermann (Comp. theol. christ.), Teller (Reli: 
gion der Vollkommenen), Wegfcheider (Instit. 
theol. chr. dogm.). Eine Vermittlung beider 
Spfteme ſuchen Bretichneider (Dandb. der Dogm. 
u. j. w.), Schott (Epitome theol.), Tzſchirner 
(Borlefungen). Mehr oder weniger von der Kant: 
ſchen Kritif berührt, welche gegen den Dogmatis- 
mus anfämpft, die Unmöglichkeit bejtimmter Aus: 
jagen über die Objecte des Glaubens behauptet 
und die Dogmen als Symbole fittliher Wahrhei— 
ten auffaßt, find Tieftrunf (Genjur des riftlich- 
prot. Yehrbegrifis), Stäublin (Neligionslehre) und 
Ammon (Summa theol. christ.). Als der Katio: 
nalismus nicht mehr genügen wollte, führte der 
Einfluß der Schellingſchen und Hegelſchen Philo: 
jophie an die Stelle des in bejchränttem Ideen— 
freis ſich bewegenden, rejlectirenden Beritandes 
das rer Denten in die Dogmatik ein, zu: 
nächſt in einem dem firdliden Dogma freund: 
liden (Daub, Theologumena. Eint. in die chriftl. 
Dogmatik, Brolegomena zur D. Syſtem d. hriftl. 
D.), ja fogar entjchieden gläubigen Sinn (Mar: 
heinefe, die Grundlehren der heit. Dogmatil als 
Wiſſenſchaft. Syſtem der hriftl. Dogmatik), jpäter 
dagegen in ebenjo entſchieden feindjeligem Sinne 
(Strauß, die hriftl. Glaubensl. in ihrer geſch. 
Entw. und im Hampfe mit der mod. Wiffenjd.). 
Eine neue Epoche rief in der dogmatifchen Ent: 
widlung Schleiermader (der chriſtl. Glaube nach 
den Grundj. der ev. Kirhe im Zuſammenh. dar: 
geitellt) hervor, welcher dem Nationalismus ent 
egentrat, indem er das religiöfe Gefühl zum We 
Fentlichen der Religion erhob, aber auch der altkirch⸗ 
lihen Dogmatif, indem er das fromme Gemeinde: 
bewußtjein der Gegenwart zum dogmatiſchen Aus: 
drud bradte. Yus dem unmittelbaren jrommen 
Gefühl entwidelte Schleiermadyer auf dialektifchen 
Wege die Wahrheiten des riftliden Glaubens und 
ſuchte Dadurch ebenjofehr das philoſophiſche Bedürj: 
niß wie das Bedürfniß des Glaubens zu befriedigen. 
Die Schleiermacherſche Theologie war dadurch von 
jo weittragender Bedeutung, daß die gefammte 


Dogmengeſchichte 


nachherige Entwicklung der Dogmatik ihren Aus— 
angspunkt in ihr nahm. Einen ähnlichen Weg 
Pen neben Schleiermadjer de Wette ein, welcher, 
im Anſchluß an die Friesihe Theologie, dad Ge: 
biet der Religion ald dad Gebiet des ahnenden 
Gefühld abgrenzte gegen das Gebiet des mifjen: 
ihaftlihen Ertenneng, dagegen durch die fymboli: 
— Auffaſſung der dogmatiſchen Wahrheiten 
einer Dogmatik einen mehr äſthetiſchen Charakter 
verlieh (Lehrb. der chriſtl Dogmatik in ihrer hijt. 
Entw., 2 Th.). Mit der Nichtung zur Kirchenlehre 
bin gingen von Schleiermacher aus: Nitzſch Sy— 
ſtem ver chriftl. Lehre) und Tweſten (Borlefungen 
über d. Dogm.). Auf reformirtem Boden und im 
Geifte dieſer Kirche ſtehen: Aler. Schweizer (die 
Glaubensl. der ev. ref. Kirche. Die prot. Central: 
dogmen), auf dem Boden der Schleiermacherſchen 
Theologie in mehr kritiſchem Sinne; Schentel 
(Chrifil. Dogmatik» von dem Princip des Gewiſſens 
aus; Ebrard (Chriftl. Dogmatik) mit dem Streben 
ber Terjöhnung mit der Kirchenlchre. Auf jpecu: 
lativem Standpuntte Steht Weiße (Philoſ. Dogma- 
th, in pofitiv-firhlichem Geiſte Martenjen (die 
Hrijil. Dogmatik), Liebner (die hrifil. Dogmatif 
aus den chriſtol Principien dargeftellt), und den 
fpeculativen Standrunit mit dem Schleiermacher— 
ſchen zur Einheit bildend: Rothe (Theol. Ethit — 
die zugleich Dogmatit). Einen veredelten Katio: 
nalısmus vertreten: Rüdert (Theologie) und Haſe 
(Co, prot. Dogmatik. Auf den bibliſchen Stand: 
punlt Beben 3 gejtellt: Bed (Lehrwiſſenſchaft) 
und Hofmann (Scriftbeweis), Letzterer mit der 
Richtung zur lutheriſchen Kirchenlehre. Zu diefer 
im ftrengen Sinne zurüdgefehrt find: Thomafius 
(Chrifii Perſon und Wert) und Philippi (Kirchliche 
Glaubenslehre). — Bon katholifchen Dogmatitern 
find hervorzuheben: Bellarmin, Disputat. de 
eontroversils chr. fidei adv. hujus temp. hae- 
reticos. Brenner, freie Darfiellung der Theologie 
in der Idee des Himmelreichs, 1815 — 1818. J. 
Ihanner, Wiſſenſch. Aphorismen der fath. Dogma: 
tif, 1816. lee, Syftem der kath. Dogmatif, 1831. 
Hermes, C hrift:fath. Dogmatit,1831— 1834. Stau: 
denmaier, Chriftl. Dogmatif, 1844, Dieringer, 
Lehrbuch der kath. Dogmatik, 4. Aufl. 1808, 
Goufiet, Theol. dogm., 1850. Ecdmid, Kath. 
Dogmatik, 1855. — Darjtellungen der lutheriſchen 
Kirhenlchre wurden geliefert, außer von einer 
großen Zahl ſchon genannter Dogmatifer «bei. 
de Wette), von Augujti (Eyftem der hriftl. Dogm 
nah dem Lehrbegr. der luth. Kirche, 1809), Klein 
(Tarft. Led dogm. Syfiems der en.:prot. Kirche, 
1822), Grimm (Inst. theol. dogm. ev. hist.- 
erit. 1848), Schmidt (die Dogmatıf der ev.:luth. 
Kirche), Hafe (Hutterus redivivus, 10. Aufl. 1862). 
©. ferner Symbolif. — Ueber die Dogmatik im 
Algemeinen vgl. Reuter, Abhandlungen zur jyite: 
matifhen Theologie, 1855. Nothe, Zur Dogmatik, 
1863. — Zur Gedichte der Dogmatik vgl. Hein: 
rich, Verſuch einer Geſchichte der verjdiedenen 
Lehrarten u. ſ. w., 17:0. Schickedanz, Verſuch 
einer Geſchichte der chriſtl. Glaubenslehre, 1827. 
Herrmann, Geſch. der prot Dogmatik von Melanch⸗ 
thon bis Schleiermacher, 1842. Gaf, Geſch. der 
prot. Dogmatit, 4 Bde, 1854—1857. Müde, die 
Dogmatik des 19. Jahrhunderts, 1867. 

‚ Dogmengeidicte it diejenige theologifche Dis: 
ciplin, welche ſich Die —— der Entwicklung 
des tirchlichen Dogma's (ſ. d. A.) zur Aufgabe 


193 


Dogmengeſchichte 


ſetzt. Sie unterſcheidet ſich dadurch von der Dog: 
matik, daß ſie die Bewegung des dogmatiſchen 
Denkens in der Vergangenheit darftellt, während 
die legtere die Ergebuiffe diefer Bewegung im 
Momente ber Gegenwart zu ihrem Inhalte macht, 
daß alfo die Degmatif ihre Arbeit da einjegt, wo 
die Dogmengeihichte ausmündet. Bon der bibli« 
ſchen Theologie unterjcheidet fie ſich dagegen da: 
dur, daß ſie da anfängt, wo dieſe aufhört, d. 5. 
daß fie die Fortſetzung der letzteren bildet von der 
Grenze der Lehrentwidiung an, fomweit dieje fich 
innerhalb der fanonijhen Schriften de Neuen 
Tejtamentes bewegt. Bon der Kirchengeſchichte 
bildet fie einen Zweig, infofern diefe den Grfammt« 
umfang des chriſtlichen Lebens behandelt, neben 
der Lehre auch die äußeren Schidjale nebſt Ver: 
faffung und Cultus der priftlichen Firche; fie bes 
hauptet aber mit Recht ihre Selbftändigfeit, weil 
der Gang des chriſtlichen Denkens nicht überall 
mit dem Gange der äußern Gejhichte zuſammen— 
fällt und weil fie daher durch eine Unterordnung 
unter dieje bei der auferordentlihen Bedeutung 
ihres Stoffes mis Unrecht einen Zwang erleiden 
müßte, der ihre Bolljtändigkeit und Klarheit beein» 
trächtigen würde, Mit der Symbolik hat bie 
Dogmengefcichte einen großen Theil des Stoffes 
gemeinjam; während aber diefe das Intereſſe der 
Entwidlung des dogmatifchen Dentens als ſolcher 
zuwendet, widmet die erjtere ihr Intereſſe der 
Vergleihung der Lehrſyſteme der verſchiedenen 
Kirchen unter einander; fie faßt aljo die Lehrents 
widlung innerhalb einer Kirche in dem Punkt an, 
wo die Lehreigenthümlichkeiten derfelben am ges 
ſchloſſenſten und greifbarjten hervortreten, wäh: 
rend die Dogmengeſchichte denſelben Punlt nur 
als ein Moment der Entwidlung in ſich aufnimmt. 
Die Dogmengeſchichte teilt fi) in die allgemeine, 
welche die Charafteriftit der Entwidlung des dog» 
matijchen Dentens im Großen, die Einflüfie, von 
denen dajjelbe beherrſcht iſt, die geiftigen Erſchei— 
nungen, die dafjelbe repräfentiren, befchreibt; und 
die jpecielle, welche ſich die Gefchichte der einzelnen 
Dogmen zum Vorwurf madt. Die Dogmens 
gei@ichte ijt eine euere Wiffenichaft. Der von ihr 
earbeitete Stoff iſt in der älteren Zeit theils ohne 
ſyſtematiſche Bearbeitung geblieben, theils ans 
dern Wiljenfchaften, wie der Kirchengeſchichte und 
Dogmatit, zugefallen. In der Periode des fathos 
liſchen Dogma’s war eine objective Stellung dems 
jeiben gegenüber als einem Dbject der Geſchichts⸗ 
forſchung nicht möglih; darum tritt auch der 
älteite dogmengeſchichtliche Stoff in Form ber 
Ketzergeſchichte und Bolemit auf, in weldye Katego- 
rie Schriften wie Jrenäus, "Eieyyog xai evargonn 
ts weudwruuov vrWaews; Hippolyt, O xuru 
naouy algeaewv EAeyyog; Tertullian, De praescr. 
haereiicorum, Epiphanias, Adv. haereses, Theo» 
boret u. a, gehören, da nur feßerifhe Meinungen 
einer geſchichtlichen Betradhtung und Kritif ans 
heimfallen fonnten. Schwache Verfuche in der mit: 
telalterlıchen Zeit, Unterjchiede und Widerſprüche 
in der Gejtaltung des Dogma’s aufzudeden, wie 
die von Bobarus (PBhotius, Bib!. cod.) und Abäs 
lard, Sic et non, fonnten nur vorubergeheude 
Wagniſſe fein, fo lange die Einerleiheit und Uns 
veränderlichteit Des Dogma’s einen Glaubensſat 
bildete. Anders wurde dies mit der Neformation. 
Mit ihrer Loslöfung vom fatholifden Dogma 
war aud eine gejchichtliche TREE und 
1 


Dofeten 


Darftellung deffelben ermöglicht, obgleich auch die 
erſte Zeit der Reformation eine ruhige objective 
Geſchichtsbetrachtung nicht zuließ. Die Polemik 
oder wenigftend eine vom polemifchen Intereſſe 
beherrichte Behandlung war auch jegt der Charat: 
ter der Darftellung dogmengeſchichtlicher Stoffe; 
dahin gehören die Magdeburger Genturien auf lu— 
therijcher Seite, Dionyfius Petavius (De theologi- 
eis dogmaticis) auf katholiſcher Seite, und Sp. 
eg a Corſe (Instructiones hist. theol. de 

octrina chr., 1645) auf reformirter Seite, und 
endlich ge, nod Arnolo, Kirchen: und Ketzer— 
biftorien. ogmengejhichtlicher Stoff ift dagegen 
vielfach aud in die Dogmatiken diefer Zeit von 
—— Hutter, Menden u. A. aufgenommen. 
Als jelbjtändige Wiſſenſchaft befteht die Dogmen⸗ 
geſchichte erft Peit Semler, der in der Einleitung 
zu Baumgartens Glaubenälehre, 1759, zuerſt Har 
diejelbe in ihrem Begriffe erfaßt hat, und welchem 
Ernefti, Prol. de theologiae hist. et dogm. 
conjungendae necessitate, 1757, zur Seite zu 
ftellen ift. Eine kritifche Betrachtungsweife, die 
aber keineswegs von hiftorifchen Geſichtspunkten, 
fondern lediglich vom Standpunft der jubjectiven 
ag er | hen Meinung ausging, kam durch Semler 
in ufſchwung und wurde die Methode des Ra: 
tionalismus, zeichnete ſich aber durch — * 
leit und Oberflächlichkeit der Geſchichtsauffafſung 
aus; hierher gehören: Rößler (Lehrbegr. der 

riſtl. Kirche in den erſten drei See. 1777), 

fand (Geſch. des prot. Lehrbegriffs, 1791-1800), 

nſcher (Handbuch der chriſtl. Dogmengeſch., 
1797). Hat weniger ein eigentlich geſchichtliches, 
als ein kritiſch-⸗dogmatiſches un die ratio: 
naliftifhe Dogmengeſchichte geleitet, jo weicht bie: 
jer Geſichtspunkt allmählich dem erwachenden ge: 
ſchichtlichen Sinn einer wiſſenſchaftlicher denten: 
den Periode. Die moderne Dogmengejchichte geht 
nit mehr von einem polemifdhen oder dogmati- 
(dia Intereſſe ans, jondern von einem rein ge: 
—— Fa ee ar welches iebe 
o iſche Erſcheinung der Geſchichte aus der 
— der Entwicklung heraus auffaßt und be- 
urtheilt. Die befannteften Werke der neueren Zeit 
find folgende: Augufti, Lehrb. der priftl. Dogmen⸗ 
80 4. Aufl. 1835. Bertholdt, Handbuch der 
ogmengejd., 1822. Ruperti, Geſch. der Dogmen, 
1831. Baumgarten:Crufius, Lehrbuch der priftl. 
Dogmengeſchichte, 1832. Compendium, 1840. 
. Zeng, Geſch. der riftl. Dogmen in pragmati: 
{her Entwidlung, 1834. —— Dogmen: 
rg 1839. Hagenbach, Lehrbuch der Dogmen: 
x &., 5. Aufl. 1867. Baur, Lehrbuch der Behr 

—— 2. Aufl. 1858, Marheineke, Chriſtl. 
Dogmengeſch. 1849, ed. Matthies und Vatte. 
Noad, die hriftl. Dogmengefch., 1853. Giefeler, 
Dogmengeih. ed. Re ning, 1855. Neander, 
Epriftl. Dogmengeſch., ed. Jakobi, 1857. Schmid, 
Lehrbuch der Dogmengeſch. 1859. 

Doleten. Unter diefem Namen werben alle 
Syfteme zufammengefaßt, welche, indem fie das 
Göttlihe in Chriftus fefthalten wollten, das 
Menſchliche in ihm mehr oder minder bejchräntten 
und bis auf eine Scheingeftalt verflüchtigten. Der 
Doletismus bildet den fchroffen Gegenjag zum 
Ebionitismus, und wie er philoniſche Specula- 
tion zur Unterlage hat, geht er auch in den no: 

icismus über. ch find die Syfteme der 
imonianer, des Baſilides, Bardejanes und 


194 


Dominicus. Dontinicaner. 


Balentinian; hier ift er zugleich bedingt durch den 
Dualismus. So beftimmt auch die Kirche den 
Doketismus verworfen hat, jo gelang e8 ihr troß 
des Symbol. Athan. doch nicht vollftändig, ihn 
wirklich in der Lehrentwidlung zu überwinden ; er 
wurde nur verbedt, und trat in den mittelalter: 
lihen Secten der Paulicianer und Albigenjer 
wieber hervor. 

Doleins. Sohn eines Priefters im Mailändi: 
chen, war ng 3 Segarelli'3 Verbrennung 1300 
das Haupt der Apoftelbrüder (j. d. A.), denen er 
ſeit 1291 angehörte. Nach der Niederlage feiner 
Scaar auf Zebello bei Vericelli 1309, wurve er 
gefangen und verbrannt. In prophetiihen Schrif: 
ten hatte er feine Meinung, daß das Zeitalter des 
b. ige (die 4. Epoche der Kirche) mit den 
Apofteln gelommen, ausgeſprochen, und den Be: 
ginn defjelben auf 1308, dann 1304 gefeßt. 

Dolet. Ein franzöfifher Humanift, der wegen 
feiner antifatholifchen —— 1546 in 
Paris erwürgt wurde, den aber die Heformatoren 
als Atheiften und Lehrer der Unſittlichkeit auch 
nicht al3 den ihrigen anerkannten. 

omcapitel. S. Capitel. 

Domberr und Domitellar ſ. Kanoniter. 

Dominica, ©. Sonntag. 

Dominicum, 1) Gr. xupiaxöv deinvor, das 
Mahl deö Herren, das Abendmahl. 2) Weil D. 
fonft Beſitzthum, den Fiskus der Herrſchaft be- 
zeichnet, jo wird das Wort gebraucht für: Kirche, 
Kirchengebäude. 

Dominicus. Der Stifter der Dominicaner. Geb. 
zu Calervoga in Altkaſtilien 1170, aus guter Familie 
(aber nicht de Guzman), zeichnete er ſich früh durch 
asketiſche Frömmigkeit und theologifhe Bildung 
aus, und ald Domherr zu Osma durd) den Eifer 
der Miffionspredigt unter Muhamedanern und 
Kepern. In Begleitung des Biſchofs Diego kam 
er 1204 nad) Südfrankreich und widmete ſich dort 
dem Miffionswerk unter den Albigenjern. Dafür 
ftiftete er 1206 das Jungfrauen:Aiyl zu PBrouille 
bei Touloufe, mit dem ſich eine Predigergenoffen: 
ichaft verband. Dem Kreuzheere des Simon von 
Montfort folgte er als Prediger und betheiligte 
ſich als folder an der Inquifition. Auf dem La— 
teranconcil 1215 gelang es mit Mühe, von Inno— 
cenz III. die Beftätigung feiner Genoſſenſchaft als 
einer Geſellſchaft requlirter Kanoniker zu erlan— 
gen; erft Honorius Ill. 1216 gab ihr die Beftä- 
tigung als eines neuen Predigerordens. In Rom 
als Oberhofprediger (magister sacri palatii) feſt⸗ 
gehalten, betrieb Dominicus 1220 auf dem erjten 
Seneralcapitel die Ummwandlung in einen Bettel- 
orden nad dem Borgang des h. Franciscus. 
Nachdem auc die Berfafjung des Ordens unter 
einem General: PBrovinzialen, Definitoren und 
Prioren feftgeftellt war, ftarb Dominicus 1221 
und wurde 1233 fanonifirt. Der Dominicaner: 
Orden ſetzte fich die Ausbildung und Vertheidi- 

ng der Kirchenlehre zur Aufgabe; er eröffnete 
19 die Univerfität von Paris und zählt unter 
einen Gliedern eine Reihe der bedeutenditen 
Scholaftiter. Mit dem rivalifirenden Orden der 
Franciscaner herrichte beftändiger Lehrſtreit, der 
jich zulegt in der Frage nad) der unbefledten Em: 
pfängniß zufpigte. Die enge Verbindung mit dem 
päpftlihen Stuhl übergab ihnen die Jnquifition 
1232 und den Ablaf gleich traurigen Angeden: 
tens. Der früher jo bedeutende Orden, aus dent 


Dominicus Loricatus 


800 Biihöfe, 150 Erzbifhöfe, 60 Earbinäle, 4 
Päpfte hervorgingen, erijtirt nur nod in ber 
Schweiz, Ungarn und Amerika. In vieler Beziehung 
baben die Jefuiten feine Aufgabe mit Erfolg und 
Geigid übernommen. Die Ordenstradht der Domi- 
nicaner iſt weiß mit ſchwarzer Gapuze und fchwar- 
gem Mantel. — Dominicanerinnen find hervor: 
egangen aus dem Afyl zu Prouille und waren 
ehr verbreitet. Die Tertiarier der Dominicaner 
beiderlei Geſchlechts, oder Orden von der Buße bes 
. Dominicus, gingen hervor aus einem ritter- 
ihen Berein zur ng tb ver Ketzer. La- 
— Vie de Saint Dominique, Bruxelles 
1848. 

Dominieus Loricatus. Schüler des Büßers 
Damiani (f.d. A.). Trug ald Verfhärfung ftatt 
des härenen Bußgewandes ein eifernes auf dem 
bloßen Leib, und vervolllommnete die Geißelaskeſe 
des Damiani dadurd, daß er den Pialter dabei 
nicht mehr ausſprach, fondern nur in Gedanten 
betete, um die Diebe rafcher folgen laſſen zu 
lönnen. 

Domitian. Römifcher Kaifer, 831 — 9%. Da 
unter feiner Regierung zum Judenthum Ueberge- 
tretene der „Gottlofigfeit“ angellagt wurden, fo 
traf dies auch viele Chriften, die von den Juden 
ei nit unterjchieden wurden und deren nad 
Eujebius viele den Märtyrertod ftarben. Aus po: 
litiſcher Beforgniß ließ er die Nachtommen Davids 
aufipüren, entließ aber zwei, die ihm vorgeführt 
wurden, al3 durchaus ungefährlid). 

Dompelacrd — Untertaucher. 
Wiedertäufer in Holland. 

Domprobft. S. Capitel. 

Donaten hießen ſolche Perfonen, die ohne Ge: 
lübde fi und ihr Bermögen einem Klofter über: 
gaben, darin Wohnung nahmen und den Berfehr 
mit der Außenwelt vermittelten. Die Einrichtung 
wird auf Abt Wilhelm, den Seligen, 1069—1091, 
zurüdgeführt. 

Donatio Constantini. Nah ber römiſchen 
Sage ſoll bereitö Conftantin dem Papſte Sylvefter 
die Umgebung Roms als Anfang des Kirchenftaates 
are aben. Die angeblide Schenkungsur— 

ndeindef bei Pfeuboifidoriftein untergefchobenes 
Mahmert. Die Ungefchichtlichkeit der Sage wies 
ſchon nad) Laurentius Valla, De falso credita et 
ementita Const. donatione declamatio (herausg. 
von Ulrich von Hutten 1518). Richtig iſt nur, daß 
321 Conftantin der römifhen Gemeinde ver: 
Pre; Geſchenke und Bermädtniffe von liegen: 

en Gründen anzunehmen. Als Karl d. Gr. die 
Schenkung Pipins an den päpftlihen Stuhl be: 
ftätigte und vergrößerte, nannte ihn Hadrian 
novum christianissimum Constantinum. ©. 
et Er €. m Döllinger, 
ein, 8.52 ff. Dagegen: Die Schenkun 
€., Mainz 1866. * —— 

Donatiſten. Der donatiſtiſche Streit brachte 
der Kirche die Entſcheidung der zwei Fragen, ob 
die Kirche die Todſünden in ſich dulden dürfe und 
ob die von einem unwürdigen Prieſter vollzogene 
Weihe gültig ſei oder nicht. Es bildete ſich ein 
Gegenſatz in der Faſſung des Begriffes Kirche 
aus, oder vielmehr des Prädicates Heiligkeit, das 
ihr zufam, indem die Einen dafjelbe in ftrengerem 
Einne faßten als eine (wenigſtens relativ) wirt: 
liche Heiligkeit der Glieder ber Kirche, die Andern 
bloß in dem idealen Sinne, daß die Kirche nur 


Beiname der 


t 


195 


Donnerftag, grüner 


al3 Gemeinschaft Anfprud auf Heiligkeit mache, 
nicht aber auch auf eine ihre einzelnen Glieder 
umfaſſende heilige Befchaffenheit. Die Grundfäge 
machten fi an den einzelnen Fragen über fir: 
henzucht, Wiederaufnahme Gefallener, Berehrun 

der Eonfefjoren u. ſ. w. geltend. Es bildete je 
im Donatismus der Gegenſatz einer rigoriftifchen 
Richtung gegenüber der praftijc milden Anſchau— 
ungsweiſe der fatholifchen Kirche aus. Den erften 
Anſtoß gab das Benehmen des Biſchofs Menſu— 
rius von Karthago, der in der diocletianiſchen 
Verfolgung ftatt der heiligen Schriften nur fee: 
riſche ausgeliefert und gegen die übertriebene Ver: 
ehrung der Eonfefloren Ki ausgejprochen hatte, 
indem dieſer den Eifer der rigoriftifch Gefinnten 
bervorrief (Synode zu Cyrta 305), Menfurius 
mußte fi) in Rom verantworten und ftarb auf der 
Rüdreife 311. Seine Partei wählte den Cäcilia- 
nus, welchem Felix von Aptunga, ber ald Traditor 
verdächtigt war, die Weihe ertheilte. Die rigos 
riftiiche Partei unter Secundus von Tigifis er- 
Härte die Wahl für ungültig und wählte ben 
Majorinus, nad) deffen Tode Donatus 313. Ihre 
Klagen gegen Cäcilianus wies die Commilfton 
unter Melhiades von Rom zurüd und jegte Dos 
natus ab, Neue Verhandlungen, aud die ber 
Synode zu Arles (314), beftätigten das Urtheil, 
Die Donatiften beriefen fi nun auf Entfcheidung 
des heidnifchen Kaifers, diefe fiel gegen fie aus 
316, F jetziger Proteſt galt als Ungehorſam, die 
Biſchöfe wurden verbannt, bis fie 321 Duldung 
erlangten. Bei jhärferen Maßnahmen des Eon: 
ftans verbanden ſich die ftrengern Donatiften mit 
den ſchwärmeriſch asketiſchen Circumcellionen 
Landſtreichern); ein Aufftand derjelben wurde 345 
gedämpft, brach aber 348 um fo heftiger aus; ftren- 
gen Mafregeln (Donatus wurde verbannt, An- 
dere hingerichtet) folgte Begünftigung durch Julian 
und nun Gemwaltthätigfeiten der Donatiften gegen 
die Katholiken, denen 373 und 375 ſcharfe kaiſer⸗ 
liche Edicte entgegentraten. Die Secte fand ten 
allmählihen Untergang durch Auguftin Seine 
Reden und Schriften und fein Coge intrare rie⸗ 
fen 405—409 neue Strafedicte hervor; und ald 
auf der Collatio cum Donatistis, einer Dispu⸗ 
tation zu Karthago 411, die Donatiften überwun⸗ 
den wurden, bereiteten ihnen bie SBärften Maß⸗ 
regeln (ihre Verſammlungen wurden bei Todes⸗ 
ftrafe verboten) den Untergang. Doch beitand die 
Secte bis zur Vernichtung der Kirche in Nord⸗ 
afrifa durch Bandalen und Saracenen. Unter ben 
Donatiften zeichneten ſich aus der Biſchof Dona⸗ 
tus der Gr. von Karthago, D. von Caſae Nigrae, 
Parmenianus von Karthago und der Gramma: 
tifer Tychonius. Gegen fie jchrieb, vor Auguftin, 
Optatus von Mileve. Vgl. Dptatus Milevitanus, 
De schismate Donatistarım. Wald, Ketzerge⸗ 
ſchichte, Bd. 4. Ribbed, Donatus und Auguftin, 
1857 


Donnerlegion,. ©. Legio fulminatrix. 

Donnerflag, grüner, heißt der Donnerftag in 
der Charwodhe, der Stiftungstag des h. Abend: 
mahls. Der Name wird in zweifacher Weiſe er: 
Härt, entweder von den grünen Kräutern, welche 
jan diefem Tage gegeljen zu werben pflegten, ober, 
wie auch viele Sonntage ihre Namen von dem 
Anfangswort des dem Sonntag gewibmeten Bi: 
belabſchnittes erhielten, jo der grüne Donnerftag 
von Bf. 23, 2. m 


Donum supernaturale 


Donum supernaturale, ©. Urzuftand bes 
Menfchen. 

Donus I., Papft 676 — 678. — Donuß IL, 
974 Bapit, ſtarb nad) einigen Monaten. 

Doppelklöfler. Der Brigitten-Orden und ber 
Drden von Fontövraud verbanden je ein Dlänner: 
und ein Frauenklofter unter Einer Leitung und in 
Einer Anftelt. Das Zufammenleben der Reli: 

töfen beiderlei Geſchlechts in einem Gebäude 
Batte ſchon Nifolaus II. verboten. 

Sor. of. 17,11; Richt. 1,27; of. 12, 23; 
1. Kön. 4, 11; Sof. 11,2; Königsſtadt der Ka: 
naaniter, lag im Stamme Affer, ward aber Ma- 
naffe zugetheilt, nachdem fie erft ſpät erobert wor: 
den, Richt. 1, 17. In der Makkabäerzeit ward Dor 
belagert, 1. Maf. 15, 11; 14, 25. Von Gabinius 
zur Snfenftadt gemacht, Jofeph. Ant. XIV, 5,3. In 
der erften hriftlichen Zeit und in den Kreuzzügen 
wird der Biſchof von Dor erwähnt. Zu der von 
Pinius und Hieronymus angegebenen Lage ftimmt 
der Ort Tantura, Dandora, nördlid von Cäfarea, 

Dordredt, Synode zu. 13. Nov. 1618 bis 9. 
Mai 1619, Wurde von den holländifhen General: 
Staaten veranftaltet, um den Arminianidmus zu 
unterdrücen. Auswärtige Theologen aus Deutſch⸗ 
(and, der Schweiz und England waren eingeladen, 
und nahmen Theil, um mit ihrem die hol: 
Ländifchen Theologen zu unterjtügen. Die Remon: 
ftranten, zur Verantwortung vorgelaben, verthei⸗ 
digten durd) Episkopius eine Apologie ihrer Lehre, 
wurden aber am 14. Jan. 1619 als überwieſene 
Lügner aus der Synode gemwiefen und kirchlich 
— Die Synode ſtellte unter Viderſxruch 
der deutſchen und engliſchen Theologen die Lehre 
von der Gnadenwahl in determiniſtiſchen Formeln 
auf, nahm den Heidelberger Katechismus als Iym- 
boliſches Buch an und beſchloß eine neue Meber- 
fegung der heil. Schrift und andere innerlirchliche 
Anordnungen. Ihre Beſchlüſſe, welche in Deutſch⸗ 
fand nur anerfannt wurden, ſoweit fie den Armi: 
nianismus betrafen, bezeichnen den Anfang con: 
feffioneller Verfteifung des reformirten Proteftan: 
tiömu3. Die Acten der Synode, Dordrecht 1620, 
dagegen der remonftrantiihe Beriht Acta et 
scripta, Harderwy 1620. Vgl. Heppe, Historia 
Syn. nat. Dordracen. bei Niedner, Zeitſchr. 1853. 

Dormitorium. Der allgemeine Schlafjaal der 
Eltern Klöfter, die feine Zellen hatten. 

Dorner, Iſaak er Geb. am 20. Juni 1809 
zu Neubaufen ob Ed dei Tuttlingen in Würtem: 
berg, Cberconfiftorialrath und Profeſſor der Theo: 
logie in Berlin, vorher Repetent in Tübingen, 
Profeſſor in Kiel und Königsberg, 1847—53 in 
Bonn, dann in Göttingen, bis der Eultusminifter 
von Bet;mann-Hollweg ihn nad) Preußens Haupt: 
ftadt berief, Schrieb: Entwicklungsgeſchichte der 
Lehre von der Perfon Chrifti, Stuttgart 1339, 
2. Aufl. Berlin 1853—56; der Pietismus in Wür: 
temberg i840; das Princip unierer Kirche 1840; 
Ueber Lei fündloje Vollklommenheit 1862; Ge: 
ſchichte der prot. Theologie, Münden 1867, 

Dorothea, die Volläheilige Preußens, lebte nad) 
ihrer Verheirathung ſeit 1394 in einer Zelle zu 
Viarienwerder. Der Kanonifationspro;ep 1404 
wurde unterbrochen, weil fie gegen ven deutſchen 
Orden Vorwürfe erhoben hatte, — Die Kalender: 
heilige war eine Märtyrerin aus Kappadocien. 

Dofitheus. I) Ein rabbinifd gebilveter Jude 
am die Seit Chrifti, der durch den Gegenfaß feiner 


196 


Draconites 


—— Schriftauslegung ſich von den Pharis 
dern abwanbte und unter den Samaritanern eine 
Secte ftiftete, der er eine ftrengere Befolgung des 
Gefeges zur Pflicht machte. Von feinen Gegnern 
wurde ihm Berfälfhung des Bentateuchs zur Laft 

elegt. Verdrängt und verfolgt, joll er ineiner Höhle 
ei Serufalem durch Uebermaß des Faftens geitor: 
ben fein. Ueber ihn die Chronik des Abulfaradſch 
und Hegefipp. — 2) Derjelbe Name wird dem 
Vriefter 2. Kön. 17, 27. 28 beigelegt, den Sans 
herib nad) Samaria fandte, — 3) Ein Levit, der 
eine griehifche Bearbeitung des Buches Ejther von 
Seruialen nad) Aegypten bradte. — 4) Ein jü- 
difcher Feldherr unter Philometor. 

Dothan. 1. Mof. 37, 17; 2. Kön. 6, 13. Der 
Drt, wo Joſeph vertauft ward und Elifa die Syrer 
mit Blindheit ſchlug, lag nördlid von Samarien, 
an der Straße von Aegypten nach Gilead; jet 
Tell Dothan. 

Doyologie. Lobpreifung Gottes. Die große D., 
der Lobgejang der Engel, Luc. 2, 14, wurde früh 
in den (hurgikgen Gebraud) der Gemeinde genom: 
men, häufig in einer durch mannigfache Zufäge 
erweiterten Geftalt. Es wird zwiſchen Kyrie und 
der Bibellection an allen Sonn: und Feittagen 
gefungen. Die ug >. behielt anfangs 
den Gebzaud der lateinischen D. bei, ſpäter trat 
an ihre Stelle das Lied: Allein Gott in der Höh’ 
6 Ehr'. Die Heine D. bildete den Schluß des 

ſalmengeſangs und hatte die urſprüngliche For— 
mel: Gloria Patri et Filio et Spiritui sancto in 
saecula saeculorum, Amen, welche wegen des 
Arianismus den Zufa erhielt: sicut erat In prin- 
cipio et nunc et semper et in saecula saeculo- 
rum. Die D. am Schluß des Herrngebets ift ent: 
ſchieden unecht und aus dem liturgiſchen Gebrauch 
der Kirche hinzugeſetzt. 

Drabieius, Nikol, Ein Prediger der böhmifchen 
Brüder feit 1616. Geb. 1585 zu Strabteiß in 
Mähren, wurde er 1629 verbannt und lebte zu 
Lednig in Ungarn ald Tuhhändler. Da er feit 
1638 göttliche Offenbarungen empfangen haben 
wollte, gab Comenius feine Weiffaguugen heraus, 
Lux in tenebris 1657. Diefelben verlündeten ben 
Untergang Defterreihs 1657; deshalb ward D. 
1671 zu Preßburg als Hochverräther hingerichtet. 

Drache überſetzt Luther }?3D, womit ein großes 
Waſſerthier oder eine ar ıc. bezeichnet wird. 
In der Offenbarung ift der Drache die dichteriſche 
Schilderung des Satans, die potenzirte Schlange 
der Genefis, 

Drache zu Babel. Da die Babylonier Teinen 
Schlangencultus hatten,und fonft erwähnteSchlan- 
genbilver nur Embleme waren, jo ijt Winers Ver— 
muthung berechtigt, der Verfafjer habe das ver: 
ſiſche Symbol der Schlange, weldes den Ahriman 
bedeutete, im Sinne gehabt. 

Drachme. Luc. 15, 8.9. Die gemöhnlide grie- 
chiſche Silbermünze, war feit dem Exil in Jůdäa 
im Umlduf und ftand dem römischen Denar gleich, 
ungefähr im Werthe von 6 Gutegroſchen. Bier 
Drachmen galten einen Sedel. 

Draconiteß, Johannes, eig. Drad. Bon feinem 
Geburtsorte Johann Karlitadt genannt. Geb. 
1494, betheiligte er * an Luthers Empfang als 
Domherr und Magiſter zu Erfurt 1521, verlor 
deshalb feine Stelle und wurde nad einem Auf: 
enthalt zu Wittenberg 1523 Pfarrer zu Nilenberg, 


Draefefe 


Inden Bann een mußteer wieder wandern, war 
3 Jahre lang Pfarrer zu Waltershauſen und feit 
1534 Prediger und Brofefjor der Theologie zu Mar: 
burg. 1547 gab er auch dies Amt auf, lebte in Lübech 
und wurde 1551 Profeflor der Theologie in Roftod ; 
feine Superintendentur 1557 mußte er 1560 auf 
Andringen der orihodoren Lutheraner nieder: 
legen; auf die Bräfidentenftelle des pomeſaniſchen 
Bisthums zu Marienwerder verzichtete er gleichfalls 
und kehrte nah Wittenberg zurüd, wo er 1566 
ftarb. Sein Hauptwert ift die nur theilweife erſchie⸗ 
nene Biblia pentapla, hebräiſch, chaldäiſch, grie: 
gig, Inteinifd, deutſch, Wittenberg 1563—65. 

aneben Commentare zu der Geneſis 1537, Obadja 
1538, den Pſalmen 1543, Daniel 1544. 

Draejele, Job. Heinr. Bernh. Geb. zu Braun: 
ſchweig 1774. Stubirte zu Helmftäbt, ward 1795 
Dialonus, 1798 Lauptpaftor zu Mölln, 1804 zu 
Rapeburg, 1814 an St. Andgar zu Bremen, 1832 
Generalfuperintendent und Biſchof zu Magde: 
burg und nahm 1843 feinen Abſchied. + 1849. D. 
gehört zu den hervorragendjten geiftlihen Rebnern 
der deutfchen Kirche, deſſen Wirlſamkeit dadurd) 

efördert wurde, daß er, bemüht von jeder Partei: 
* ſich fern zu halten, den Inhalt des Evan— 
eliums in ſeiner ſittlichen Wirkung auf das Leben 
Einzelnen und der Geſammtheit hervorhob. 
Den Rationalismus des Pafto: Sintenis (f.d. A.) 
erllärte er für unguläffig in der Kirche, und wurde 
dafür, da er jelbft niht orthodor, von den Lid: 
freunden fcharf angegriffen (König, ber Biſchof 
Draefete 1840). 1845 betheiligte er fih an dem 
Rroteft der Schleiermadperianer gegen die Evan: 
gelifhe Kirchenzeitung. 

Dragonaben nennt man bie gemaltfame Beleh: 
ans der Heformirten in Frankreich unter Ludwig 
XIV,, weil ald Mittel derjelber. Dragoner benugt 
murden, bie, bei den Reformirten einquartirt, ihre 
Wirthe fo lange quälten, vis fie ein katholifches 
Glaubensbelenntniß unterzeichneten. 

Drama bei den Hebraern. Die dramatifche 

efie ift bei den Hebräern nicht ausgebildet; erit 

ojephus erwähnt einen J als Dichter von 
amen, und als Herodes in Jeruſalem ein Thea: 
ter haute (weniger für Dramenvorſtellungen als für 
Spiele), fand dies den ſchärfſten Tadel bei der 
nationalen Partei. Indeß kann das Hohelied und 
dad Buch Hiob recht wohl zur dramatiſchen Poeſie 
Ang werden, fo wenig auch namentlich das 
egtere jemals für die Darjtellung Feftimmt ge: 
> iſt. 
rama, das geiſtliche. Abgeſehen davon, daß 
chriſtliche Stoffe und Ideen vorhandener drama: 
tiſcher Kunſt ald Gegenftand dienten, 3. B. in den 
Romödien der Roswitha, entmwidelte fi aus dem 
—— Cultus ein eigentliches geiſtliches 
ama. Der römiſche Cultus iſt an ſich eine dra- 
matiſche rer bei Erlöfung. An den Feſt⸗ 
tagen wurde dieſe Änſchaulichkeit bes Cultus er: 
weitert durch —— Antiphonien, bildliche und 
endlich ſceniſche ee Ca der heil. Geſchichte 
in den Kirchen durch die Geiftlihen. Allmählich 
fam das geijtlihe Spiel in die Hände der Laien. 
Innocenz III verbot 1210 den Geiftlichen (wenig⸗ 
org in den Kirchen, denn nod im 15. Jahrhun: 
führten Geiftlihe mit ihren Schülern und 
Koftergenoffenfhaften ſolche Schaufpiele auf) die 
Theilnahme. Auch der Stoff wurde freier behan: 
beit, der Humor und der Spott über die Geift- 


197 


Dreifönigsfeft 


lihen —— feinen Eingang; die Faſtnachtsſpiele 
bilden den Uebergang zum weltlichen Drama. In 
ber Reformationäzeit verbreiteten ſich die biblifchen 
Schaufpiele, melde Schüler und Studenten auf: 
führten, und verbrängten die Nachbildungen der 
lateiniſchen und griechiſchen Komödien. Ein Ueber⸗ 
bleibjeldes früheren geiftlihen Dramas ift das alle 
10 Jahre wiederkehrende Paſſionsſpiel zu Ober: 
ammergau in Bayern. Vgl. Marriott, Col. of 
English miracle ‚lays, 1833; Monmerque et 
Michel, Theätre frangais au moyen äge, 1839; 
Du Meril, Theatri lit. quae latina superstant 
monumenta, 1849; Done, Schaufpiele des Mittel: 
alters, 1846; Hafe, Geijtlihe Schauſpiele, 1858; 
Weller, da3 alte Volkstheater der Schweiz, 1863. 

Dreicapitelftreit. Auf Untrieb des Theodorus 
Ascidas von Cäfarea, eines Drigeniften, der fi 
für eine durch den byzantinischen Patriarchen 
Mennas bewirkte Verdammung des Drigenes rä: 
den wollte, verdammte ein Edict Nuftinians J. 
544 die Schriften der Antiochener Theodor von 
Mopfveite, —— von Cyrus und des Jbı 3 
von Edefja als neftorianifch, indem es ihre Irr— 
thümer in 3 Capitel zufammenfaßte. Da diefe 
Maßregel als eine zu Gunften der Monophyfiten 
ergriffene erſchien, erhob ſich der allgemeine Uns 
wille der Katholiken und eine heftige Rolemil bes 
fonders von Seiten der Nordafrilancr Fucundus 
von Hermiane (Defensio trium capitt.), Fulgens 
tius von Ruspe (Pro tribus capp.), Yiberatus von 
Karthago (Breviarium causae Nest. et Eus.). De“ 
Biſchof Bigilius von Rom gab bald dem Kaiſer 
nad, und verdammte die 3 Capitel in dem jogen. 
Judicatum, bald widerfegte er fich, wie im fogen. 
Constitutum, und madte durd, jein Schwanten 
den Streit nur immer erbitterter, Der Kampf 
wurde erſt durch das Concil zu Conftantinopel 
553 beenbigt, welches unbeſchadet ber chalcedo: 
nenfifhen Beſchlüſſe das Edict beftätigte. Vigilius 
mwurde mit dem Bann belegt und gefänglich einge: 
zogen, was ihn bewog, die Beſchlüſſe anzuertens 
nen. Die Nordafrifaner aber (Reparatus von Hars 
tage) hoben auf lange Zeit die Gemeinſchaft mit 

om auf. Vgl. Bunker, Papſt Vigilius und ber 
Dreicapitelftreit, 1864. 

Dreieinigkeit. ©. Trinität. 

Dreieinigkeit, Congregation bon der, Eine 
Brüderfhaft, gejtiftet durh Philipp von Neri 
1548 zur Bflege hülfäbedürftiger Pilger in Rom; 
beiteht noch und befigt ein großes Hospitium mit 
einer Kirche. 

Dreieinigfeitsfeh. S. Trinitatiäfeft. 

Dreitönigsfef. Epiphanien:, Theophanienfeft. 
Urfprünglid das Feſt der Erſcheinung Chriftt, 
ward es im Orient als Geburtsfejt Chriſti begans 
gen, jpäter als das Feſt der —— ſeines 

öttlichen Weſens bei der Taufe oder in der An— 
—— der Weiſen. Seitdem auch das Morgenland 
Weihnachten mit dem Abendland feiert (4. Sabıh)), 
wurde die Feier des Epiphanien- als Dreitönigs: 
eſtes vorherrſchend. Die Sage hat nad) den Ge: 
chenlen (vgl. Bi. 72, 10) die Werfen in 3 Könige 
umgewandelt, deren Namen Caspar, Melchior, 
Balthafar, oder Ator, Sator, Peratoras und deren 
Grabftätte in Mailand und Köln fie kennt. Das 
D. ift durch mandjerlei Gebraud, Wafferweihe 
in Rußland, Spradenfeft der Propaganda, und 
Vollsfeier (Sternfänger, Bohnenkönig) ausge: 
zeichnet. 


Dreißigjähriger Krieg 


Dreißigjähriger Krieg. 1618—1648. Eigent⸗ 
lich nur ein Theil jenes großen Geifter: und 
Waffenkampfes, melden dad germanifche und 
romanifche Europa von der Mitte des 16. bis zu 
der des 17. Jahrh. geführt hat, defien Schauplatz 
befonders Stalien, Frankreich, die Niederlande, 
England und Deutſchland waren, und in weldem 
um bie af ur Güter der erwachten Menjchheit 
und deren Entwidlung gerungen murbe. Es war 
wirflih ein Religionskrieg, infofern es fich hier 
um Beftand und Rettung er Reformation gegen: 
über dem Katholicismus — und im Be— 
wußtſein des Volkes waltete dieſe Auffaſſung 
überall vor. Dies hindert aber nicht anzuerkennen, 
daß dieſe Kriege für die Cabinette zunächſt eminent 

olitiſche waren, daß e3 ſich für fie um die Macht⸗ 
Koss andelte, und die Religion ihnen erft in 
zweiter Linie ftand. Dies gilt denn auch von dem 
gm deutſchen Kriege. Auch er kann nur nad) 
iner Seite hin ald Religionäfrieg bezeichnet wer: 
den, da politiſche Motive bei allen Parteien fi in 
bebeutendem Maße einmifchten. Auf der faijerlichen 
Seite wurde zwar der Sieg jedesmal zur Unter: 
brüdung des Proteftantismus benußt, und nad) 
dem R ionsedict 1629 fämpfte der Broteftan: 
tismus unter Guſtav Adolf's Beiftand eine Zeit: 
lang um feine Ertftenz. Dagegen trat in der letz⸗ 
ten Periode 1632 — 48 das religiöfe Moment 
immer mehr zurüd, nachdem Richelieu als Bun: 
beögenofie der Broteftanten aufgetreten war. Der 
Friedensſchluß hat daher das rechtliche Verhältniß 
der Eonfefjionen gegen die Zeit vor dem Kriege, 
abgejehen von der Anerkennung der Reformirten, 
nicht weſentlich verändert, aber er trug viel 
bazu bei, die Kirche ohne felbftändiges Leben der 
Gewalt des Staatöregimentes zu überantworten. 
Die allgemeine Lähmung des geifi en Lebens, 
welche die nothwendige Folge des Tenclähkigen 
Krieges war, hat auch die Theologie ſchwer em: 
zn en. Am meiften gemonnen hat ” Schaf an 
ze und Teoftliedern, in denen fromme Ge: 
müther fich jelbft aufrichteten (Roofen, das geiftt. 
Lied im 3Ojährigen Kriege, 1865). Bol. Schiller, 
Gef. des breifigj. Kriegs, 1791; Menzel, besgl. 
1835—39; Müller, Fünt Bücher vom böhmifchen 
Krieg, 1840; Richter, des dreißigj. Kriegs Ürſachen 
und Ban 1844; Söltl, der Religionäfrieg in 
Deutſchland, 1840 ; Barthold, Geſch. Des beten 
Kriegs vom Tode Guftav Adolf's an, 1842; 
Mebold, der breigigjährige Krieg, 1840; Gfrörer, 
Guſtav Adolf und jeine Zeit, 1845. — Zum Ber: 
—— dieſes Krieges und feiner Folgen find 
nit bloß die angegebenen Monographien, jon: 
bern weit mehr die betreffenden Abſchnitte in 
Ranke's Gejhichte der Päpfte und franzöfifcher 
Geſchichte und in Droyfens Geſchichte der preu— 
iſchen Bolitit von Werih. Auch Freytags Bil: 
aus der deutſchen Vergangenheit (da auch über 
das ehrenhafte Berhalten der evangelifchen Geift: 
lichkeit). Vgl. auch den letten Band von Bene: 
dey'& deutſcher Gejchichte, ſowie eine Abhandlung 
befeibe in Sybels Hift. Ztichr. 
reichen bei den Hebräern, Das Getreide wurde 
5 der Tenne im freien Felde entweder von 
dien ausgetreten, Hof. 10,11; Mich. 4, 13; vgl. 
5.Mof. 25,4, oder durch Dreſchmaſchinen, Schlit: 
ten oder Wagen, deren Walzen und Räder mit 
Schneiden und Feilen aus Stein und Eifen befegt 
waren, auögequeticht, Jef. 41, 15. Nad) 2. Sam. 


198 


Drojte-Vifchering 


12, 31; Am. 1, 3 bediente man ſich diefer Wert: 
euge zu einer graufamen Hinrichtung gefangener 
— Seltener wurde Getreide mit Stöden 
ausgefchlagen, Ruth 2,17; Richt. 6, 11. 

Dresdener Conſenſus. Auf den Dresdener 
Conventen 1562 und 1571 ftellten die kurſäch— 
ſiſchen Theologen den Consensus Dresdensis auf 
in philippiftiihem Sinne, jedoch ohne den Gegen: 
fat gegen das Lutherthum, der bald darauf ſchroff 
wurde, zum Vorſchein treten zu laſſen. Die Ubiqui: 
tätslehre ift darın ausgeſchloſſen. 

Dreyelins, Jeremias. Geb. 1581 zu Augsburg. 
Jeſuit und —— Maximilians J. ſeit 1615, 
7 1638. Gewann beim Bolt den Namen eines 
Heiligen. Seine erbaulichen Schriften fanden auch 
bei Proteftanten Eingang. Gefammtausgaben 
Münden 1628, Köln 1715 und öfter. 

Drogo. Bifhofvon Met. FüinfterSohn Karls des 
Großen. Mit Zwang ins Klofter gebracht, wählte 
er freiwillig den geiftlichen Beruf, und wurde Erz: 
biſchof und Legat diesjeit der Alpen, als welcher 
er jih um den in Metz eingeführten gregoriani- 
—* Geſang verdient gemacht hat. Er ertrank in 

einer Abtei Zureuil 835 beim Fiſchen. 

Drofie-Bifhering, Clemens Auguft, Freiherr 
von, Erzbiſchof zu Köln, ift dur den Ausgang 
der von ihm erregten Kölner Wirren der fräftigfte 
Beförberer des Ultramontanismus in Preußen 
und Deutſchland geworden. Geb. zu Vorhelm bei 
Münfter am 22. jan. 1773, war er ald Priefter 
jeit 1797 in feelforgerifcher Thätigkeit und ein Glied 
des Galitzinſchen Rreifes, 1805 zum Generalvicar 
von Münfter erwählt, übernahm er 1807 ald Coad⸗ 
jutor die Derwaltung der Diöcefe, überließ fie aber 
1813 dem von Napoleon zum Bifchof ernannten 
Grafen Spiegel, den beider Weigerung der Beftäti- 
gung Seitens des Papftes das Münfterfche Capitel 
als zweiten Bicar beftellt hatte, um 1815 auf Befehl 
des Papſtes fie wieder in die Hand zu nehmen. Als 
Generalvicar handelte er völlig ausgehend von der 
römiſchen Anſicht der Unabhängigfeitderftirche auch 
auf den gemiſchten Gebieten, und verbotu.a.den Be: 
ſuch der Univerfität Bonn, die Einfegnung und Pro: 
clamation gemischter Ehen, wo nicht Das geforderte 
Verſprechen ertheilt würde. Seine Anſichten fprach 
er 1817 in feiner Schrift „Ueber die Religionäfrei: 
heit der Katholiken“ jehr offen aus. Conflicte mit 
den Staatöregierungen ließen ihn 1820 jein Amt 
—— 1827 weihteihn fein Bruder, der Biſchof 
Caspar Maximiliau von Münſter, zum Weihbiſchof 
ſeiner Muße intereſſirte er ſich beſonders für die 
Einführung der barmherzigen Schweſtern. 1835 
ward er zum Erzbiſchof von Köln erwählt unter 
Einwirkung der —— der er zugeſagt hatte, 
eine Convention mit den Biſchöfen und eine In— 
ſtruction über die Behandlung der gemiſchten Ehen 

u befolgen, welche in Bezug auf ein päpſtliches 
reve vom 25. März 1830 von feinem Vorgänger 
mit der Regierung geſchloſſen worden war. Sein 
Auftreten gegen die Hermefianer, deren Borlefun: 
en zu hören er verbot, und fein Rüdtritt von der 
Snftruction, da er fi nur an dad Breve halten zu 
wollen erklärte, hatte feine polizeiliche Abführun 
nad Minden 1837 am 20. Nov. zur Folge. 18 
wurde ihm gejtattet, in Münfter zu leben. Unbe- 
ründet ihm gemadte Vorwürfe nahm zwar ein 
Sabinetsfchrei en 1841 zurüd, aber er mußte fich 
dazu veritehen, den Erzbifchof von Speyer, Job. 
von Geifjel, ald Coadjutor arzunehmen, und ihm 


Druiden 


1844 madte er eine Reife nad) Rom. + 1845 


199 


Dubith 


.|war er im Auftrag der Generalftaaten mit der 


die Bermaltung feines Erzbiäthums zu überlaſſen. | Franeler, mo er am 12. Febr. 1616 hau Seit 1600 


©. Rheinwald, Acta histor. ecel. II, III. Ueber 
die Kölnische Angelegenheit v. Jrenäus ——— 
1838; 8. Haſe, die beiden Erzbiſchöfe, 1839; Per: 
fonen und Zuftände aus den fir —————— 
Wirren in Preußen, 1840. ©. d. A. Hermes und 
Gemifchte Ehen. 

Druiden. Die Priefter der Kelten in Gallien 
und Brittannien, welche die Opfer beforgten, ge: 
heime Wiſſenſchaften Fannten, Streitigkeiten ſchlich⸗ 
teten und einen großen politiſchen gr bis auf 
die Zeit der Zn Groberung be 
Gäjar, De bell. Gall. I, 31. VI, 12—16; Frid, 
De Druidis, 1744; Mone, Geſch. des Heidenthums 
im nördl. Eur., 1822. 

Drufen. Ein Vollöftamm, welcher den Libanon 
und Antilibanon zum Theil mit den Maroniten 
bewohnt; wahrſcheinlich gleich diefen von denalten 
Syrern entiproffen, nur durd) feine Religion ver: 
ſchieden, die fih äußerlich ald Muhamedanismus 
* Die Zahl der Druſen beträgt ca. 80,000. 


Ihr Hauptort iſt Deir el Kammar. her unter 
einem eigenen Großemir, ſtehen jetzt F Scheichs 
und Emire unter einem türkiſchen Gouverneur. 


Ihre Religion, die als Geheimlehre noch nicht 
völlig bekannt iſt, iſt eng verwandt dem ſchiitiſchen 
Muhamedanismus, in den heidniſche, auch jüdiſche 
und chriſtliche Ideen hineingetragen find. Durch 
allegoriſche Auslegung verſtehen ſie aber Pr Mei: 
nungen fchon im Koran zu lefen. Den fatimidi- 
hen Kalifen Hafim ——— (995 1020) ver: 
ehren fie als die perſönliche Erſcheinung der Gott: 
eit und zwar die letzte; da er von feiner Schwe: 
heimlich ermordet worden, fo gilt er als nicht 
Kom In Hamfa ben Ahmed, dem eigentlichen 
heber Der Lehre (vor ihm Mohamed Darafi, 
von dem Die Drujen wohl ihren Namen erhalten 
haben), jehen fie den erjten Mittler, die Intelli- 
genz Gottes, der allein die Wahrheit mittheilt; 
unter ihm find andere Mittler. Es ift nur Ein 
Gott, Wahrhaftigkeit und Unterwerfung führt zu 
ihm, die Seelenwanderung leitet auf höhere Stu: 
fen. Der Eultus ift einfach, wird aber geheim ge: 
balten. Unklar ift no die Bedeutung eines gol: 
denen Kalbes, welches angeblich im Heiligtum 
wird. Aus den Religionsſchriften der D. 
ilv. de Sacy Nittheilungen gemacht, Expose 
e la religion des Druses, 1828. Vgl. Bh. Wolff, 
die Drujen und ihre Vorläufer, Lpz. 1845. 
Drufilla, Apftg. 24, 24, die Gemahlin des Felir. 
war eine Tochter Herodes Agrippa 5 I. und ber 
Eypra, Da ein Verlöbniß mit Epiphanes, Sohn 
des Antiochus von Commagene, rüdgängig gewor: 
den war, weil jener nidht Jude werden wollte, 
wurde fie die Gemahlin des Königs Arirus von 
Emeja, den fie aber — verließ, um den 
Landpfleger 4 zu heirathen. 
Drufius, Johannes, eig. van den Driefche. Ge: 
lehrter Exeget und Drientalift, war geb. am 28. 
Juni 1550 zu Oudenarde in Flandern. Seinem 
Bater, der um des Glaubens willen 1564 nad 
London entflohen war, folgte er, indem er bie ka— 
tholiſch gebliebene Mutter verlieh, ftudirte in Cam: 
— (unter Chevalier Hebräifh), und warb 
1572 Brofeffor der — Sprache zu Oxford. 
1676 nach der Pacification von Gent nd er in 
fein Baterland zurüd, warb 1577 Brofeflor der 
orientalifchen Sprachen zu Leyden und 1585 zu 


aßen. Bol. |? 


Abfaffung der Anmerkungen zum Alten Teftament 
bej&äftigt, welche größtentheild nad) feinem Tode 
von Amama herausgegeben und in die Critici 
sacri, Zond. 1662, nterb, 1698, aufgenommen 
nn Ein Berzeichniß feiner Schriften bei Nicöron, 

@moires pour servir ä l'histoire des hommes 
illustres. Sein Leben ſchrieb fein Schwiegerjohn 
Abel Euriander 1616. 

Druthmar, ——— Grammaticus. Gelehrter 
en Corvey und in Stablo bei .. um840. 
Verfaßte einen Commentar über den Matthäus, 
ber vorzugäweife durch grammatifch = hiftorifche 
Eregefe ſich auszeichnet. Berühmt ift er geworden, 
weil in der Stelle über dad Abendmahl nad) der 
Ausgabe Secerö, Hagenau 1530, Proteftanten 
ihre Anficht fanden, die Katholiken aber in einer 
Handigrift eine katholiſche Variante entdeckten. 

Dualismus ift diejenige Weltanfhauung, welche 
auch im legten Grunde der Dinge zwei entgegen» 
ftehende Brincipien annimmt, 5. B. das Gute und 
Böfe, Geift und Materie, bad Ideale und Reale. 
Der D. ift weſentlich —* durchzieht aber die 
ganze Entwicklungsgeſchichte des —8 Dog⸗ 
ma's, obwohl das Chriſtenthum an ſich als Religion 
die Ueberwindung des D. iſt. Deutlich ausgeprägt 
iſt der D. der Gnoſtiker und Manichäer, verhüllter 
der des Auguſtinus und Pelagius, der in der fatho: 
liſchen Kirche fortwirkt und auch in ber evangeli- 
ihen häufig genug zu Tage tritt. Noch offener 
zeigt fi der D. der fpiritualiftifchen und anti: 
nomiftiihen Secten des Mittelalters. 

Dubost, Peter. Geb. 1623 zu Bayeur. Berühm: 
ter franzöfiiher Prediger, Beit 1646 zu Gaen. 
1685 verbannt, wurde er —337 zu Rotterdam. 
+ 1692. Seine Lebensbeſchreibung mit einer 
Sammlung Reben ed. Legendre, Rotterd. 1694, 

Dubourg, Anna (Hannas). Geb. 1521 zu Riom 
in der Auvergne, Geiftlicher Rath im Bariler Par: 
lamente, aber Proteftant, vertheidigte er daſelbſt 
ein milderes Verfahren gegen die Broteftanten, 
für die er Duldung verlangte, beleidigte aber da: 
durch Heinrid) II. und ward, als er ſich offen ald 
Proteftant befannte, am 23. Dec. 1559 gehenkt 
und verbrannt. Mömoires de Cond& 1743; Po: 
lenz, Geſch. des franz. Calvinismus. 

Sudoborzen. Eine dualiftifche, myftifche Secte 
ber ruffifchen Kirche, welche Sacramente und Prie⸗ 
fteramt verwirft. Der irdifche Leib ift ihr nur eine 
Folge des vorzeitlihen Sündenfalld der Seele, 
die Erlöfung führt zum Urbild zurüd. Katharina 
H. = fie verfolgen, als fie um 1780 auftauchten, 
aber Alerander I, gewährte ihnen Duldung. Sie 
haben ihre Colonien im Gouvernement Taurien. 

Dudith, Andreas. Geb. 1533 zu Ofen. Bifchof 
von Tinninien, Cjanad, Fünffirhen, geheimer 
Rath und Secretär bei der Hoflanzlei in Wien. 
Legte 1565 alle feine Würden nieder, um ein pol« 
niſches Hoffräulein, Regina Shaß, zu heirathen. 
Sein Bildnik wurde in Rom verbrannt, er felbft 
in den Bann gethan. Bon Marimilian und Rubolf 
zu manden politifchen Geſchäften noch verwendet, 
lebte er den Wiſſenſchaften zu Smigla und ſeit 1579 
zu Breslau. F 1589. Ald Abgeordneter nad) Trient 
bielt er dort ‘5 Reden (Halle 1743). Statt einer 
gegen das Gölibat jchrieb er eine Abhandlung De 
matrimonio. Seine andern Schriften bei, Hor- 
bengi, Memoria Hungarorum. Sein Leben von 


Duell 


Stief, Verſuch einer Gefhichte vom Leben und 
Meinung Dudiths, 1756. 

Duell, Den Zweikampf als Gotteögericht über: 
nahm die Kirche aus dem altgermanijchen Rechte, 
nicht ohne von je ſich zu bemühen, ihn abzuschaffen. 
Das Tridentinum hat das Duell mit Recht unbe: 
dingt verworfen und es ipso facto mit der Excom⸗ 
munication belegt, wovon nur der Papſt abfolviren 
kann. Evangelifhe Ethit muß es ebenfalld ver: 
werfen. Die obwaltenden ——— und 
geſellſchaftlichen Verhältniſſe können den Duellan: 
ten einigermaßen entſchuldigen, niemals aber ſein 
Thun rechtfertigen. 

Duerer, Albrecht. Einer der hervorragenbften 
Meyer deutſcher Malerei. Geb. zu Nürnberg am 
20, Mai 1471, machte er mehrere Reifen, nament: 
fih nad) Jtalien (1506) und den Niederlanden 
(1519), und wurde von Maximilian zum Hofmaler 
ernannt. + 6. April 1528. D. zeichnet fich aus 
durch reiche Farbenpracht, durch verjtändige, cha: 
rafterijtifhe Auffafjung und durch die Unerſchöpf— 
ligkeit feiner Erfinoung. Die Richtung nad) einer 
idealeren Auffaffung Te ihm nod). Seine bedeu: 
tendften Bilder finden jich meift in München und 
Wien. Bgl. Weitje, A. Dürer, 1819; Heller, Leben 
* Werte X. Dürer's, 1831; Stark, A. Dürer, 
1851, 

Dueffelthal bei Düffeldorf. In dem Gebäude des 
——— Trappiſtenkloſters begründete Graf Adal: 

ert von der Hede-Volmarftein im Jahre 1847 eine 
Rettungsanitalt für vermahrlofte Kinder, welde 
nad) der Zahl ihrer Böglinge die bedeutendjte in 
Deutſchland geworden tft. Mit derjelben iſt feit 
1859 ein Schullehrerfeminar verbunden. Zweig: 
enftalten find Overdyf und Zoppenbrüd. 

Dufreöne, Charles, seigneur du ange. * 
vorragender franzöſiſcher Geſchichtſchreiber. Geb. 
zu Amiens am 10. Dec. 1610, gab er ſein Amt 
als Finanzdirector zu Amiens auf, um ſeinen 
Studien zu leben, und ſtarb 1688 am 23. Det. zu 
Paris. Er bearbeitete die Geſchichte des Mittel: 
alter3, beſonders Frankreich und des byzantini: 
ſchen sieiches. Seine Hauptmwerfe: Glossarium al 
scriptores mediae ac infimae latinitatis, Bar. 
1678, neuefte Ausgabe von Henſchel, 7 Bde., Bar. 
1840—h0; Gloss. mediae et infiınae graecitatis 
1688; Chronicon paschale, Bar. 1685; Histoire 
de l’empire de Constantinople sous lesempereurs 


frangois, 1657, 

Duguet, Jakob Joſeph. Zanfeniftifher Schrift: 

— Geb. am 9. Dec. 1649 zu Montbriſon. Aus 

er Congregation des Oratoriums, in melde er 
1667 eingetreten war, wurde er 1686, weil er die 
Bulle Unigenitus nit unterſchreiben wollte, aus: 
gejtoßen. In bleibender Verbindung mit Quesnel 
und Arnauld, lebte er ſeitdem literarifcher Thä— 
tigfeit in Holland, Troyes und Paris. + 25. Urt. 
1133. Seine Schriften befhäftigen fi mit Moral, 
Eregefe und Kirchengeſchichte (außerdem Institu- 
tion d'un prince) und gehören zu den beiten des 
Janfenismud. Vgl. L’esprit de M. Duguet von 
Andre, Baris 1764. 

Duisburg. Dialonenanftalt feit 1844, verbun: 
ben „it einem Gonvict für Gandidaten, einer Ret: 
tungsanjtalt und einem Sranfenhaufe. Organ der 
Angtalt ift das Sonntagsbl. für innere Dihfion in 
u. und Weitphalen. — Die 1655 dort ge: 
jtittete ref. Univerfität wurde 19U4 aufgehoben. 


200 


Duldung 


menhang bed religiöfen und nationalen Lebens 
ließ weder bei Juden noch Heiden Duldung frems 
ber Religion beftehen, wenngleich das Heiden: 
thum metjt fremde Eulte, die feinem Principe night 
widerſprachen, anerkannte. Daher wurde das Chri⸗ 
ſtenthum verfolgt, und, von bemjelben Grundjat 
ausgehend, di: Annahme des Chrijtenthums er: 
zwungen, al3 Gonftantinus dafjelbe zur Staats: 
religion erklärte. Aus der Confequenz der Staats: 
religion folgte dann die Beſchränkung der Aner: 
fennung auf die orthodoxe Kirche. Auguſtins Ein: 
fluß (coge intrare) ließ die Kirche felbjt die Theo» 
rie von Jwang ber Widerftrebenden aufnehmen, 
die fie unter den Verfolgungen ſtets befümpft 
hatte, und je mehr fie jih zur Weltinacht ausbil: 
dete, um fo weniger duldſam konnte fie gegen Häs 
retifer und Ketzer jein (Inquifition). Auch Die Her 
formatoren bleiben auf weſentlich römiſchem 
Standpunft ftehen; fie nahmen Duldung für ſich 
in Anfprud, weil fie die Wahrheit bejähen (Yus 
thers freie Aeußerungen fallen in die erjte Zeit). 
Daher ward fie befhränft auf die Neligionspar: 
teien, die fi) mit gleichen Kräften gegenüber jtan: 
den. Sn dein jus reformandi ijt die Gewalt ded 
Staates aneriannt, AnderSgläubige zu zwingen. 
Der Weſtphäliſche Frieden brachte feine neuen 
Grundfäge; die Duldung, welche er gewährte, war 
nur ein Compromiß ber Parteien. Das Territo: 
rialſyſtem, welches kirchliches und ftaatliches Leben 
nod mehr verauidte, war der Duldung feiner Na« 
tur nad) ungüinftig. Wo in diejer Zeit Secten und 
Anderögläubigen freie Religionsubung geitattet 
wird, find es entweder politifhe Gründe (Däne⸗ 
marf) oder die Abneigung der Hegenten genen die 
hertſchende Kirche (Wittgenftein). In größerem 
Geiſte gewährte unter Friedrich IL. — Dul⸗ 
dung, dem dad Toleranzedict Joſephs LI. folgte. Von 
höherer Bedeutung war die confeſſionelle Miſchung 
der deutſchen Staaten ſeit 1815. Das Jahr 1848 vers 
fündigte allgemeine Keligionsfreiheit. Indeß find 
damit nur die Beihränfungen der perfönlichen 
Rechte aufgehoben und ift nur die Freiheit gewährt, 
fi mit Andern Eh privater Andacht zu verein: 
gen. Anlaß zu Klagen über mangelnde Duldung 
geben zumeijt die firhlihen Acte, mit melden 
bürgerlihe Wirkung verbunden ift. Die Geſetz— 
gebung über facultative Civilehe und Aehnliches 
find Ausfluß der fteigenden ftaatlichen Toleranz. 
(Geduldet heißt eine Heligionsgefellichaft, welche 
Coeporationsrechte erlangı hat, aber ohne die Vor: 
rechte, welche den privilegirten Kirchen zugeftanden 
find.) Während die römifche Kirche, fortwährend 
nur dem Zwang der Umjtände nachgebend, Dul: 
dung gewähren fann, fordert das Evangelium, 
daß der Staat das religiöfe Gebiet dem Gewiſſen 
völlig frei gebe, und fih darauf befchrä:te, dar: 
über zu waden, daß auch die religiöfen Gefels 
haften fi feinen Gejegen in der Sphäre bed 
bürgerlihen Lebens unterwerfen. In Nordamerifa 
errſcht völlige Religionsfreiheit, in Den europäts 
Pi Staaten F die frühere Unterurücdung der 
abweichenden Ölaubenärihtungen meift aufgehört 
(noch nit in Spanien). Beſchränkungen bejtehen 
jedoch noch mannigfadh. In Rußland gehn die Dul: 
dung nicht jo weit, einen andern Confeſſionswed⸗ 
ſel als zur griechiſchen Kirche zu gejtatten. (Vg!. 
Barität, Confeſſionswechſel, Religionsfreiheit.) Tal. 
Heinje in Daub und Creuzer, Studien, 1805; 


Duldung oder Toleranz. Der innige Zufams | Wilda, Ztſchr. fürdeutfches Recht 1847 ; Bluntjſchli, 


Duma 


201 


Du Pin 


Geſchichte des Rechts der religiöſen Belenntnißfrei: | ftandes ihm mehr als ein idealer denn als ein realer 


heit, ein Vortrag, 1867. 

Duma. Sof. 15, 52. Stabt auf dem Gebirge 
—* Jeſ. 21, 11 iſt Duma wohl in Idumäa zu 
uchen. 1.Mof. 25, 14 wird ein ifmaelitifcher Volls⸗ 
ftamm jo genannt, 

Dum acerbissimas ift der Anfang des pärft: 
lihen Breve vom 26. Sept. 1835, worin die herme: 
ſiſchen Lehren verdammt wurden, und gegen wel: 
ches die Hermefianer, dem Beifpiel der Janjeniften 
folgend, behaupteten, ed verwerfe Lehren, die Her: 
med niemals vorgetragen habe. 

Du Moulin, Peter. Bolemiker der franzöfifchen 
seformirten Kirche. Geb. 1568. Ging 1588, durch die 
Unrubender Ligue von Paris vertrieben, nad) Eng: 
land, warb 1592 Lehrer der alten Sprachen und Bro: 
feflor der Theologie in Leyden, 1599 Caplan bei der 
Herzogin Katharınav. Bar, dann Predigerzu Paris 
und ſeit 1626 Profefjor der Theologie zu Sedan. 
+10, März 1658. Seine Lebensaufgabe war die 
Lolemik gegen die katholische Kirche in öffentlichen 
Disputationen und durch Schriften, deren befann: 
tefte Anatomie dg la messe, Sedan 1636, Paris 
1851, und Defense de la religion réformée, Cher. 
1617 find. An den Lehrſtreitigleiten der ref Kirche 
nahm er Theil, angegrifien von Tilenus wegen 
feiner angeblichen Udiquitätslehre, durd feine 
Anatomie de l’arminianisme, Leyd. 1619, für 
die Dordrediter Synode beftimmt, und durch 
Säriften gegen Grotius und Amyrault. Der Hef: 
tigfeit diefer Polemik fegte die Synode von Alen- 
gon 1637 ein Ente. Bgl. Armand, Essai sur la 
vie de Du M. 1846, 

Dungal, der Pan der Schrift: Responsa 
contra perversas Claudii (von Turin) sententias, 
mar entweder ein Schotte, der zu Karls des Gr. 
** reclusus zu St. Denis war, oder mit einem 

identiſch, der 823 Lehrer zu Pavia geweſen ift. 
Bol. Bähr, Geſch. d. röm. Lit. 

Dunin, Martinvon. ErzbiichofvonGnefen:Bofen 
feit :831. Geb. am 11. Nov. 1774 zu Wal bei 
Zava in Polen. Ausgebildet im Collegium Ger- 
manicum, war er 1 Kanonikus in Gneſen, 
vorher in Wislica und Wloczlawek, auch 1824 
Schulrath in Poſen, 1829 als Weihbiſchof Ad— 
miniftrator des Bisthums. In einem Hirtenbrief 
vom 27. Febr. 1888 verbot er die bisher in Polen 
üblich geweſene milde Praxis bei gemiſchten vor 
und wurde deshalb wegen Ueberſchreitung der 
Amtögemwalt zu Amtsentjegung und Feftungshaft 
verurtheilt. Als er den ihm angemwiejenen Aufent: 
belt in Berlin verlieh und nad Poſen zurückkehrte, 
warb er in Kolberg in Feſtungshaft gehalten. 
1840 wurde er reftituirt, da er Nodificirung jei- 
ner Verordnungen verheißen hatte. F 1842, Wie 
Drofte:Bifchering hatte er, dem Schwanfen der 
Staatögewalt gegenüber, durch fein Verhalten dem 
römischen Princip in der That den Sieg verſchafft. 
Val. Pohl, M. von Dunin 1843. 

Dun, Johannes, Scotus. Doctor subtilis, Mit: 

lied des (Franciscanerordens, lehrte er in Oxford, 
Kris 1301 und Köln, wo er 1308 ftarb. Seine 
Philoſophie entwidelte er ſcharfſinnig und eindrin: 
gend im Gegenſatz gegen Thomas von Aquino 
und die Dominicaner; gegen fie verſocht er auch die 
unbefledte Empfän nie Mariä, In der Lehre von 
der Gnade und dem freien Willen behauptete Duns 
Scotus Thomas gegenüber entfchieden die Freiheit 
des Willens, wie auch die Bolllommenheit des Urzu⸗ 


uftand erfchien. Im Gegenfak gegen Thomas 
ift dad Charakteriftiiche des Dunsſchen Syftems, 
daß ed das Weſen der Religion nit wie Thomas 
echt [holaftiih in das Erkennen Gottes legt, fon» 
dern in ben Willen jet, daß nad) ihm der Glaube 
nicht fpeculativer, jondern praktiſcher Natur ift. 
Gott, der auch vorzugäweife nad) der Seite des 
Willens betrachtet wird, erjcheint daher als freie 
Willkür. Was Gott will, ift gut, was er nicht will, 
böfe, Von der Kirche, melde die Offenbarung Got: 
tes hat, hängt es daher ab, zu erflären, was Sünde 
und was gut ift. Duns’ Werke, Quaestiones in L 
IV sentt., Quaestiones quodlibetales XXI etc., 
gab heraus Wadding, Lyon 1639. Bol. Baum: 
garten:Erufius, De Theologia Scoti, 1826. 

Dunftan, der * geb. 926 bei dem Kloſter 
Glaſtonbury, deſſen Abt er wurde, führte in ſei— 
nem Kloſter die Benedictinerregel ein und gewann 
gaben Einfluß auf die Staatögefhäfte unter 

dmund (940—946) und Eadred (946—955), 
Bon Eadwig (955— 957), gegen den er die römifchen 
Ehegejege handhabte, verbannt, warb er wieder 
der Berather feines a da Biſchof von More 
cejter und London, endlich Erzbifchof von Canter« 
bury 959. In diefer Stellung ſetzte er die Reform 
der Klöfter nad) der Venedictinerregel fort, und 
führte das Cölibat ein nicht ohne Strenge, jo daß 
nad) Cadgars Tode 975 fi ein Aufftand gegen 
ihn erhob, den der Reichſtag zu Calne 977 been» 
digte. Was er für Kirche und Staat gethan, ging 
nad) feinem Tode unter ben Solgen der dänifchen 
Einfälle rafch wieder zu Orunde. Sein Gedädtniß: 
tag ift der 19. Mai. 

Dupanloup, Felix Antoine Philibert, Geb. am 
3. Jan. 1802 zu St. Felix in Savoyen. Warb 
1841 Profeffor der Sorbonne, redigirte den Ami de 
la religion, und ift jeit 1849 Biſchof von Orleans. 
Der eifrigfte und fähigfte Verfechter des Ultra— 
montanismus in Franfreich, fämnfte er für die 
ke des Unterrichts, gi den Schulzwang, 
ür die Unabhängigkeit der Kirche und den Schuß 
der weltlichen Macht des Papftes, eher eigentlich) 
immer nur im Interefje der römischen Kirche, 

Duperron, Jacques Dany. Geb. 1556 von 
reformirten Eltern, trat er als Borlefer Heinrichs 
III, aus äußeren Gründen zum Katholicismus 
über, Seine Beredfamleit und formelle Gewandt: 
heit eigneten ihn zum Polemiker und Profelyten: 
macher; als folher erwarb er großen Ruhm, da 
er den Webertritt Heinrichs IV. vermittelte. Zur 
Belohnung ward er Biſchof von Evreur, 1604 Gar: 
dinal, 1606 Großalmojenier von Frankreich und 
Erzbifchof von Sens. Er ſchrieb Traite sur l'Eu- 
charistie gegen Dupleffis:Nornay nad) der Con: 
ferenz von — 5— 1600. Ganz im römi: 
ſchen Geifte war jein Rath ald Glied der Congre- 
gatio de auxiliis über die Entfcheidung in dem 
moliniftifhen Streit, und auf dem Keichätage 
1614, wo er dad Tridentinum verfocht und die 
— Grundſätze beftritt. + 1619. Seine 

riften Beris 1620, 3 Bde. Fol. 

u Pin, Louis Ellies. Geb. zu Paris 1657. 
Verfaſſer der Bibliotheque nouvelle des auteurs 
ecclesiastiques 1686—1704, 58 Bde. Im janje: 
niſtiſchen Geifte gejchrieben, wurde dad Buch 1648 
unterdrüdt. Außerdem De autiqua ecclesiae dis- 
ceiplina, Bar. 1707. D. wurde auf Zeit nad Cha⸗ 
telleroult verbannt und verlor jeine Lehrthätigkeit. 


Dupleſſis⸗Mornay 


Später betheiligte er ſich an Unionsverſuchen der 
römischen Kirche mit der griechiſchen (1717) und 
der anglicanijhen (1719). Vollſtändiges Ber- 
zeichniß feiner Schriften bei Niceron II. 

Dupleſſis⸗Mornah, der „hugenottiſche Papſt“, 
der große Held des franzöſiſchen Proteſtantismus, 
Krieger, Staatsmann, Schriftſteller, war geb. 
1549 und trat nach dem Religionsgeſpräch zu 
Poiſſy zur reformirten Kirche über 1561, für welche 
er auch bis zum Frieden von Longjijumeau 1568 
am Kampfe theilnahm. Durch Studien und Reifen 
gebildet, begab er jih nad der Bartholomäus: 
nacht 1572 an den Hof von Navarra, wo er im 
Rathe der Reformirten eine hervorragende Stel: 
lung einnahm. Bon 1576 an war er der getreuefte 
Gefährte und Diener Heinrihs IV., der ihn zum 
Gouverneur des hugenottiſchen Sicherheitöplages 
Saumur ernannte, aus dem er erſt 1621 durch 
Treulofigleit vertrieben wurde. Nach — 
Uebertritt und mehr nach ſeinem Tode führte D. 
die Leitung der Hugenotten und ihre Verbindung 
mit den ausländiſchen Kirchen, immer bemüht, 
die proteſtantiſchen Zwecke von den politiſchen In— 
tereſſen rein zu erhalten und den Bürgerkrieg zu 
vermeiden. Von ſeinen — theol. Schriften 
Lens die bebeutendften: De l'institution, usage et 

octrine du S. sacrement de l’Eucharistie 1599, 
deren Bertheidigung gegen Duperron auf dem 
Geſpräch zu ————— mit Dupleſſis' ſchein⸗ 
barer Niederlage endigte; L'histoire de la pa- 
paut 1612; Traite de l’öglise 1579; Méditations 
chretiennes sur quatre psaumes 1591. Sein rei: 
cher literarischer “7 ift noch nicht vollftändig 
herausgegeben. Vgl. M&moires et correspondance 

our servir a l’'histoire de la R£f., 1624; Ambert, 

M., 1848; Stähelin, Brot. Monatöbl. 1854. 

Duraeus —X Dury), geb. 1596 zu Edinburg, 
ift der eifrigfte Vertreter der unionijtifchen Hi 
tung der ie Lade ri Kirche im 17. Jahrhundert, 
Der Sohn eined preöbyterianishen Geiſtlichen, 
wurde er um 1625 Brediger einer englifchen Flücht⸗ 
lingsgemeinde zu Elbing unter ſchwediſcher Herr- 
Ihaft. Seine hier aufgeftellten Unionsentwürfe 
fanden den Beifall des Erzbiſchofs Abbot von 
Canterbury, und in deſſen Auftrag machte er zwei 
Reifen nach Deutichland 1633 und 1634, nad) 
Schweden 1638, wo er ausgewiejen, nad) Däne: 
marf 1639, wo er abgewiejen wurde. Bon den 
Episfopalen,denener 1634 beigetreten war, wandte 
er fi) wieder zu den Presbyterianern und unter: 
nahm 1654—1657 eine neue Reife auf das Feft: 
land in Cromwells Auftrag; der Tod deſſelben 
machte auch diefe Bemühungen rejultatlos, jo daß 
D. England verlief, fih nad) Cafjel begab und 
fortan mit wechjelnden Plänen eine Vereinigun 
der Lutheraner und Reformirten betrieb. Er Mar 
zu Caſſel 1680. 

Durandus, Durantis, Wilhelm. Ein Rechtsleh— 
rer zu Bologna und Modena, speculator juris nad) 
jeinem Speculum judiciale 1290 genannt, erhielt 
er nach Belleivung verjchiedener Aemter das 
Bisthum Mende 1286. 7 zu Rom 1296. Seine 
Schrift Rationale divin. offc. ift für die Geſchichte 


202 


Le EEE — — —— —— — — — — 


Dwight 


der Kirchendisciplin ſchätzbar. Sein Neſſe und 
ae gab dem Papſt Clemens ein freimü- 
thiges Gutachten fiber die dem Concil zu Vienne 
1311 vorliegenden Gegenftände, 

Durandud de St. Pourcain. Doctorresolntis- 
simus. Ein Dominicaner, der zu Paris und Avignon 
Theologie und Philologie — Er war der erſte 
Nominaliſt, der, von dem Satze ausgehend, daß 
der Menſch von Natur die göttlichen Geſetze nicht 
erfennen könne, ſich unbedingt auf die Autorität 
der Kirche beziehen zu müfjen glaubte. 1318 ward 
er Bifchof von Annecy, 1326 von Meaur, mo er 
nad einigen Jahren ftarb. Gegen eine Ladung 
nad) Rom wegen einer Abhandlung über den Zu: 
ftand der Seelen nad) dem Tode, welde gegen 
Johann XXIL gerichtet war, ſchützte ihn der K- 
nig von Frankreich. Commentar zum Lombarden 
1508 und öfter. 

Durlader Gonferenzen in Baden. 1) Die älte 
ten, von dem Brälaten Ullmann angeregt und ge: 
leitet, um den Pietismus und die Vermittlung: 
theologie einander zu nähern und zu befreunben. 
2) Die jüngern, burd) die Heidelberger Schenlel, 
Zittel, Häußer u. A. erneuert, als das Concordat 
die Evangelifhen in Baden unse ben lirch⸗ 
lihen Zujtänden ihre volle Aufmerkſamleit zu 
chenken. Ihr Erfolg war die Menderung der ba: 
diſchen Kirchenpolitik. Aus den Conferenzbeſchlüſ⸗ 
fen 1863 entwickelte ſich der Proteſtantenverein 
im October 1863 zu Frankfurt (f. d. A. Baden). 

Dufis. Ein ſamaritaniſcher Sectenftifter, von 
dem die Samarit. Chronit des Abulfath berichtet. 
Wahrſcheinlich identiſch mit Dofitheus (f. d. A.). 

Dutoit, Jean Philippe. Geb. 1721 zu Moudon 
im Canton Waadt, war er 1747 Candidat, entzog 
fi) aber jeder öffentliden Anftellung und trat 
1759 in Folge eines Bruftleidens aus dem geift- 
lihen Stande. Durd die Schriften der Guyon 
geleitet, bildete er ein myſtiſches Syſtem aus, für 
welches er Anhänger gewann, die feine aufrichtige 
Frömmigkeit an ihn feffelte. + 1793. Seine Haupt: 
werfe: Philosophie divine par Keleph ben Na- 
than 1793; Philos. chrötienne, 4 Bde. 1800. 

Du Bergier, Johann de Hauranne, Abt von St. 
Cyran. Geb. 1581 zu Bayonne. Mit C. Janjen 
ſchloß er in Löwen einen innigen Freundſchafts⸗ 
bund, der Parifer Scholcftil zu widerftehen und 
auguftinifche Grundfäge zu vertheidigen. Die 
Sehuiten befämpfte er in der Somme des fautes 
1625 gegen Garaffe und unter dem Pſeudonym 
Petrus Aurelius gegen Sirmond über die Stel: 
lung der Orden und der Weltgeiftlichen, Bedeuten: 
der noch wurde fein Einfluß als Beichtvater von 
Rort:Royal 1636. Richelieu 3 ihn 1638—43 in 
Bincennes in Daft halten. Er ftarb furz nad) ſei⸗ 
ner Befreiung am 11. Oct. 1643. Sein ihm eben: 
bürtiger Schüler war Arnauld (f. d. .). 

Dwight, Timothy. Amerikaniſcher Theologe. 
Geb. in Maſſachuſſets am 14. Mai 1752, + 1817. 
Stupdirte auf dem Yale-Collegium, deſſen Vorfteher 
er jpäter wurde, nachdem er eine Zeitlang Feld 
caplan und Congregationaliftenpfarrer gemejen 
war, Seine Predigten find viel verbreitet. 


—“ 


Eadmer 203 Ebel 


E. 


Eadmer (Ebmer, u: Mönd in Canter: | Befriedigung unzüchtiger Lüfte ſuche (eben hierauf 
burg, Begleiter und Gewiſſensrath Anſelms von | bezieht ſich die Bezeichuung Muder, die von da 
6. 1120 zum N von St. Andrews in Schott: an für ſolche Tendenzen typiſch geworden ift), 
land gewählt, kehrte er bald wegen Mifhellig: | unter criminelle Anklage geftellt, und im erften 
feiten mit dem ſchottiſchen König Alerander in | Urtheil jchimpflich, im zmweiten milder, wegen 
fein Kloſter zurüd. Er iſt der beveutendfte engliſche Pflichtverlegung caffirt. (Die Anklage auf Jrr: 
Schriftſteller feiner Zeit. Historia novorum, libri | lehre bezog ſich darauf, daß Ebel ein heimlicher 
VI, £ond. 1623. Xebensbeichreibungen des An: | Anhänger und Verbreiter der bedenklihen Schwär: 
jelm, des Heil. Bregwin, des heil. Oswald, des | mereien deö Königsbergers J. H. Schönherr fei. 
heil. Odo, des h. Wilfrid. Bol. Wartons Anglia | S. den Schluß diejes Artikels.) Durd die Art, 
sacra. wie dieje Urtheile veröffentlicht wurden, mußte 
Ebal, S. Garizim. die Öffentliche Meinung in ganz Deutjchland und 
Ebbo. Erzbifchof von Rheims (816—835), geft. | weiter no, wohin die Kunde von jenen VBorgän: 
851. Uebernahm die Miffion nad) Dänemart, welche | gen, befonders von jenen unheimlichen Gerüchten 
vor ihm Ansger geführt hatte. Obwohl Mild: | gedrungen war, in dem Verdachte erhalten werden, 
bruder Ludwigs des Frommen und von ihm er: | daß es wirklich eine folche Verbindung in Königs: 
hoben, ftellte er fi) an die Spitze der Geiftlichen, | berg, und zwar zum Theil von PBerfonen aus den 
die auf rer Wunfd 833 zu Compiegne den höchſten Kreifen der Geſellſchaft, gegeben habe und 
Kaifer zur Bußjtrafe und Abfegung verurtheilten. | daß zwei namhafte Geistliche die Stifter und Leiter 
Bei der Wiedererhebung Ludwigs 835 mußte er | diefer jhmählihen Berirrungen gemefen jeien. 
widerrufen und wurde feines Bistums entfegt. | Ein Nachhall diefer Auffefjung ift auch jet noch 
Durh Lothar reftituirt und auf der Synode zu | zumeilen zu fpüren. — Ebel ift 1861 in Hohened 
—— abſolvirt 840, mußte er wieder vor bei Ludwigsburg, und Dieſtel 1854 geſtorben. — 
arl dem Kahlen flüchten. Auch von Lothar ver: Jetzt wifjen wir, daß diefe Männer edle Märtyrer 
ftoßen, ſah er ſich bis zu feinem Tode 851 auf das | der —E geweſen ſind. Ein Mann, welcher 
Bisthum Hildesheim beſchränkt. Sein Nachfolger allen dieſen Vorgängen amtlich und perſönlich nahe 
zu Rheims war Hinemar; derſelbe wollte die nad) | ſtand, Graf v. Kanitz, hat in einem mit genaueftet 
0 von Ebbo geweihten Geiftlihen nicht anerfen: | Kundeder Acten, Thatſachen und Perſonen geſchrie⸗ 
nen. In dem darüber entftandenen Streite, in wel: | benen Werte den Thatbeftand ans Licht —— 
es ſich um die Appellationen nad) Rom und die | Die Schrift: „Aufklärung nad) Actenquellen über 
efugniffe der Erung. vertan handelte, haben | den 1835—1842 zu Königsberg in Pr. geführten 
die pſeudoiſidoriſchen Decretalen ihren Urfprung. | Religionsprozeb von E. Grafen v. Kanitz, kgl. 
d Jefn, mit dem Beinamen Bar Brida, | preuß. Tribunalsrath a. D. Bajel und Ludwigs: 
Sohn des Grjegneten. Geb. auf der Tigrisinfel| burg 1862," fowie die Heinere: „Hiſtoriſcher 
Gozarta um 1285, neſtorianiſcher Biſchof von Auszug“ aus dieſem Werke, ebenda 1864, giebt 
Sindſchar, jpäter Metropolitan von Nifibis. | darüber zweifellofe und jonnenklare Leberzeugung. 
+ 1318. Hinterlieh 20 eregetiiche, dogmatifche und | — Jene Männer find nicht bloß an Allem, was 
philoſophiſche Werke, deren Verzeihni einem ges | ihnen ſchuld gegeben worden ift, völlig unſchuldig; 
teimten Katalog von 200 ſyriſchen Schriftftellern | alle böjen Gerüchte find nit allein falſch und 
angehängt — Bibl. or. 3, 1). Gedruckt nur Product der Klatſcherei und der Verleumdung 
iſt nur das Buch des Edelſteins über die Wahrheit geweſen; ſondern der geiſtliche Führer jener 
des Glaubens (lat. und fyr. ed. Mai); außerdem evangeliſchen Bewegung war ein tiefer, ſich ſelbſt 
eine Gedihtfammlung „Paradies Edens“. — Ein | verleugnender Chrift, von malellofem Leben und 
anderer Ebed Jeſu, auch nejtorianischer Patriarch, | evangeliihem Zeugniß und gefegnetiter Wirkfam: 
trat 1582 in Rom zur fatholifhen Kirche über. | keit, die Erregung, die von ihm ausging, eine der 
Ebed⸗Melech. Ein Aethiopier, Hofbeamter des | edelften Erwedungen. Orthodoxismus und ftolger 
Königs Zedekia, rettete den Jeremias, Jer. 38, 7, | Moralismus, ſowie träges Gefühlschriftenthum 
und empfing die Berheifung, Jer. 39, 15—18. |— fie, verjchärft durch perfönliche Berlegtbeiten, 
Ebel, Joh., Dr. Geb. zu Pafjenheim in Oft: | haben jene Anklagen und Gerüchte erzggugt und 
preußen, 1804 Collaborator am Gymnafium zu | verbreitet, die dann in einem rechtswidrig und 
Königäberg, 1806 Prediger zu Hermsdorf, 1810 parteiiſch geleiteten Prozeßverfahren zu jener Ber: 
Prediger und Gymnafial:Religionslehrer, fpäter | urtheilung führten. Die Unbeftimmtheit und Ver: 
(1816) Ardidialonus in Königsberg. Um ihn, dächtigkeit der B elaftungszeugnifle, die Beftimmt: 
einen ergreifenden Prediger von reinem, ftartem | heit und überzeugende Macht der — ——— 
Charakter und evangeliſchem Geiſt und Belennt: zeugniſſe, die noch dazu ſämmtlich mehr oder 
niß, ſowie fpäter Br um feinen fich ihm anfchlie: | weniger laute Ehren: und ER: 
Benden Eollegen 3. 9. Diejtel janımelte fich eine | find, ſowie die Art, mit welcher die Behörden jede 
große Zahl Solcher, denen ed um ein Chriften: | öffentliche Berichtigung hemmten, dagegen der 
thum deö Gewiffend und um den wahrhaftigen | Verbreitung von Schmähungen fein Hindernif in 
Frieden Gottes in Chrifto zu thun war. Bald den Weg legten, mit welcher ferner diejenigen Be: 
eben deswegen angefochten und verbädhtigt, wurde | jtandtheile des gerichtlichen Ausſpruchs, welche die 
endlich Ebel und mit ihm aud) Dieftel, 1835-1842, | Befhuldigten von allen übeln Gerüchten, zum 
wegen fectirerifher Wirffamfeit, jchlimmer Jrr: | Theil mit beigefügter Chrenerflärung ausbrüd: 
lebte und Störung des Familienfriedens, ſowie | Lich ——— bei der Veröffentuchung beider 
des Berdachtes, eine Vereinigung geitiftet zu ba: | Urtheile dem Rublitum verſchwiegen blieben, da: 
ben, die unter dem Deckmantel religiöfer Asleſe |gegen die jchroff gefakten Verdammungen allein 


Ebel * 


veröffentlicht wurden —: Alles dies, ſowie die 
Berichtigung der Mifverftändniffe über die angeb» 
liche Irrlehre muß man in dem Werte ſelbſt leſen, 
um den Gindrud der vollften Wahrheit zu befom: 
men, den aud Königsberger Blätter, der Würtent: 
berger Chriftenbote, Zarnde’3 Lit. Centralblatt, 
Wagenerd Staatslexikon und die Prot. 8.: Zeitung 
auf das beftimmtefte ausſprachen. — Zeugnifje 
von Ebels und Diefteld evangelifcher Verlündigun 
liegen in ihren Schriften vor, aud) jetzt noch art 
— fie hingewieſen werden: z. B. Ebel, die ge: 
deihliche Erziehung, Hamburg, bei Perthes, 1825; 
die Treue, Predigten nah dem Bebürfniß der 
Chriftengemeinde, 2. Aufl, Baſel 1863; endlich 
die ſchließliche Gefammtdarftellung in feinen leg: 
ten Lebensjahren: die Philoſophie der heiligen 
Urkunde des Chriftenthums, — —— von J. 
Ebel; I: die Berechtigung; II und III: das NRäth- 
fel der Erfenntniß. 3 Hefte. Stuttgart 1854-1856. 
— Zum Sclufje mag hier nod) die Bemerkung 
ftehen, daß auch der — gewiffenhaft gemeinte, aber 
noch unter früheren Eindrüden vor der Veröffent— 
lichung der Kanitzſchen Schrift gejchriebene — 
ausführliche Artitel von Prof. Erbiam in Herzogs 
Neal: Encyklop., Bd. 13, ©. 620—647, durc) die 
„Aufllärung”“ theils im Allgemeinen, theil3 au 3: 
drüdlich (namentlich ©. 140, 141 Anm.) wejent: 
liche Berichtigung erfährt. Wir halten es endlich 
für angemefien, das Nöthige über Schönherr und 
fein Syftem ſchon hier anzufchließen, da Beides 
vorzüglid durch diefe Königäberger Ereignifie fir: 
chengeſchichtliche Bedeutung befommen hat. 

3.9. Schönherr, geb. 1770 zu Memel, 1792- 
1794 auf verſchiebenen Univerfitäten, bejonders 
in Leipzig, von 1794 an ohne Amt und in be: 
ſchränkten Berhältnifjen feinen theoſophiſchen Spe: 
eulationen und deren Berbreitung in Königsberg 
lebend, + 1826. Früh ſchon in biblifche und kirch— 
lie Frömmigfeit eingetaucht, unbefriedigt von der 
damals herrſchenden Theologie und Philoſophie, 
Tanı er, ein tief ſuchender origineller Geiſt, in jenen 
Gedantenzug, der in unferen älteren Myftifern, 
der in Männern wie %. Böhme, Detinger, Schel: 
ling, Frz. v. Baaber feinen geſchichtlichen Ausdrud 
gefunden und der dann die ganze neuere edlere 
weliliche und religiöfe Bildung durchdrungen und 
befruchtet hat. Es war das Bedürfniß, über den 
abftracten Gotteöbegriff der Orthodoxie und des 
Deismus hinauszufommen und den lebendigen 
Gott zu finden, den die heilige Schrift überall vor: 
ausjegt, andeutet und verfündigt, in diefem Gotte 
die Duelle, die Fülle und die Einheit des reich: 
ten Xebens zu jehen, und aus der von biejem 
Gotte ausgehenden Mittheilung göttlicher Ideen 
und Kräfte, die im Kampfe der Gegenfäge, in der 
Mannigfaltigkeit der Erſcheinungen ſich ſelbſtthä— 
entfaltende Welt und Menſchheit zu begreifen. 

it dieſem Manne wurde Ebel ſchon auf der Unis 
verfität befannt und fühlte fi in feinen Gedan— 
fenfreiß hineingezogen. Er war ihm mie eine 
lebengebende Erlenchtung, ift ihm ein Hult und 
ein Segen, aber aud) ein Berhängniß geworden. 
Gerade jo wie Taujende aud) noch in unjerer Zeit, 
und größtentheils eben innerlihfte und jtre: 
bendite Chriften, in jenen Detingerfhen uud 
Baaderſchen Gedanlenkreiſen ihre legte Berftänd: 
niß-Unterlage für ihr Chriftentfum ſuchen und 
finden, hat eö Ebel mit der Schönherrigen Theo: 
vie gemacht, ebenfo frei fie ſich angeeignet, und 


204 


Ebenbild Gottes 


zugleich mit vollfter Klarheit und Entſchiedenhei 
die praktiſch bedenllichen Seiten von ſich abge 
wieſen. Aber trogdem Hat er mit dem Segen, 
der Bertiefung und der Befreiung, die ihm aus 
Schönherr zufloffen, auch die Folgen diefer Bezie- 
bung tragen müffen. Das Bublicum war geneigt 
und bereit, die Wunderlichkeiten und Tesentlic: 
feiten, die ed in dem Schönherrfchen Syftem und 
in der Berfönlichleit diefes Mannes fand, ohne 
Weiteres auch bei Ebel vorauszufegen und feine 
reine hriftliche Berfündigung durch Schönherrſche 
men zu ergänzen. So konnte venn jene 
erbädhtigung und Verleumdung, als fie fih nun 
neu erhoben, Eingang finden, und felbft bis zu 
jenen Berurtheilungen führen, wie wir fie oben 
mitgetheilt haben. — Schönherrs Theoſophie, aͤhn⸗ 
lich derjenigen, welcher wir in J. Böhme, bei Detin: 
ger, bei Schelling und bei F. v. Baader begegnen, 
auch in der Bildlichkeit und zum Theil Wunder⸗ 
lichkeit ded Ausdrucks, ift in ihrer Wirkfamteit auf 
die Kreife feiner Provinz beſchränkt geblieben und 
bat wenigftend unmittelbar nicht, wie jene, in das 
allgemeine Geiftesleben eingegriffen. Die Beben: 
fen und Verurtheilungen, die gegen diefelbe aus— 
geipruchen find, Pantheismus, Dualismus (diefer 
gerade bejonders), Verwechſelung des Naturlebens 
mit dem der Freiheit u. |. w., find auch jenen grö: 
Beren Männern, die doch betende Chriften waren, 
vorgeworfen worden. — Benaueres über Schöns 
errs Syitem f.in: Ebel und Dieftel, Zeugniß der 
ahrheit, Leipz. 1838, und: Ebel, Grundzüge der 
Erfenntniß der erg Ta Leipz. 1852. 

Ebenbild Gottes, Die riftlicye —— mit 
ihrem Hauptbegriff der Erlöſuag ſetzt einen Gegen: 
jag der fündigen Wirklichkeit zu einem Jdeale 
voraus, das einerjeits jener vorhergeht und fi 
dem Bewußtjein ald ein verlorenes Fundgiebt, ans 
dererfeitö ald das Ziel der Erlöfung der Gegenwart 
nachfolgt. Diefes ideale Bild vom Menſchen, das 
in der Sünde untergegangen, und doch wieder 
nicht jo verloren fein kann, daß ed unwiederher⸗ 
jtellbar wäre, ift zu allen Zeiten eines der Pros 
bleme gewejen, über welche das chriſtliche Denken 
ſich verbreitet hat, und zwar im Anſchluß an die 
Stelle 1. Mof. 1, 2C unter dem Ausdrude „Eben: 
bild Gottes". Was an diefer Stelle darunter ver⸗ 
ftanden ift, darüber giebt der Tert jelbft nicht dis 
recte Auskunft. Im Allgemeinen wird der Menſch 
damit als die höchſte Stufe der Schöpfung gelenn⸗ 
zeichnet, im Einzelnen die Herrſchaft über die Erde, 
ein Zuftand der Unſchuld und feliger Gemeinſchaft 
mit Gott, eine in feinen geiftigen und — 
Eigenfhaften liegende einzige Würde angedeutet 
vgl. Pſ. 8. Zwiſchen den gebraudten Ausdrüden by 
und MO befteht kein mefentliher Unterjchieb. 
Auch nad) dem Sündenfall erfcheint (vgl. 1. Mof. 
5,3;9,6)dad Ebenbild Gottes keineswegs als —* 
lich verloren. Das Neue Teſtament (Apſtg. 17, 28) 
betont ebenfalls die Göttlichkeit des urſpruͤnglichen 
Menſchenweſens, redet aber auch noch von dem Eben⸗ 
bilde Gottes im gegenwärtigen Menſchen, 1. Kor. 
11,7; Jat.3,9, und ſtellt es wieder als Ziel auf für 
den durch Chriftus —— Menſchen, Kol. 
3, 10; Eph. 4, 24. Die Ben der erften 
Zeit [hwanfen immer nod) in der Fafſung des Be: 
geifies, Während bie —— die Beſchaffenheit 

Ddams ziemlich En aßten, ſahen aud die 
firhlihen Lehrer noch feinen außergewöhnlichen 


Ebenen Paläſtina's 


Zuftand im Bilde Gottes, fie bezogen den Aus: 
drud theild auf die —— er des Leibes 
Tertullian, Irenäus), theils auf die dem Men— 
hen innewohnenden geiſtigen und ſittlichen Vor— 
züge im Allgemeinen, hauptſächlich Vernunft und 
Freiheit. Drigenes bezieht hierauf das DON, auf 
bie noch zu erringende fittlihe Vollendung dage: 
gen dad NO. Das Ebenbild galt mehr ald An, 


lage, denn als vollendeter Zuftand, weähalb auch 
von einem Verlufte deſſelben noch keine Rede ift. 
Der Gegenjat des urjprünglichen zum verlorenen 
Ebenbilde tritt in feiner Schärfe erft in der abend: 
ländiihen Theologie auf, eingeleitet dur den 
Auguftinismus. Während Pelagius dem erjten 
Menſchen feinen wejentlihen Borzug vor den an- 
dern zufchrieb, fo lag es dagegen in der Gone: 
quenz der auguftiniihen Lehre von dem tiefen 
Berderben der gefallenen Menjchheit, den Urzu: 
ftand defto höher zu heben und Adam eine Voll: 
lommenbeit zuzufchreiben, die zwar nicht Das non 
posse peccare, aber doch das posse non peccare 
in fi jchließt; auf der andern Geite aber den 
Sündenfall ald den Verluft des Ebenbildes Got: 
tes, wenn auch nicht ald einen ſchlechthin unmie: 
derherftellbaren, zu befchreiben. Dem folgend wird 
die Anficht, dad Ebenbild als vollendete Gerech— 
tigleit anzufehen, bei den Scholaftitern (Anjelm) 
gemein. Je ungenauer jedoch die Beftimmung 
über dad Verhältnif des im Menſchen zurüd: 
gebliebenen Reſtes zum urjprüngliden Ebenbilde 
noch war, defto mehr forderte dieſe Frage noch 
genauere Erörterungen heraus. Durch Thomas 
von Aquin fam deöhalb die Theorie auf, welde 
im Urzuftande ſchied die pura naturalia, die na— 
türlihen Anlagen zum Guten, welde nicht ver: 
foren wurden, und die ald donum superadditum 
göttliher Gnade Hinzugefügte volllommene Ge: 
rechtigkeit, welche durch den Fall gänzlich verloren 
= ch das Tridentinum wurde dieſe Lehre 
ehlid anerkannt. Dagegen hat die evangelische 
Lehre wieder von biefer Diftinction abaejehen 
und hat das Ebenbild in einem Zuſtande der 
Menſchennatur erblidt (naturalis), als vollfom: 
mene Heiligkeit, ohne daß jedoch diefelbe der Na: 
tur als ſolcher (essentialis) innewohne, ſondern 
als Eigenfdaft (accidentalis), melde verlierbar 
war und wirklich verloren ift., Indeß ſuchten aud) 
die altproteftantifchen Dogmatiter wieder ein noch 
erhaltenes —— Ebenbild in Bernunft 
und Gewiſſen zubehaupten, Die Socinianer fanden 
das Ebenbild einzig in der Herrſchaft des Men: 
fchen über die Erde. Neucre Dogmatifer halten 
theil3 feft an der Borftellung von der urjprüng: 
lichen Heiligkeit, theils fuchen fie dad Ebenbild in 
der urſprünglichen Unfchuld, die nur als Anlage 
um Guten, nicht ald Vollendung zu fafjen fei. Val. 
ie Dogmatifen ; die Commentare zu 1. Mof. 1, 
26 und bie bibliſchen Pindiologien von Delitzſch 
und Bed. Außerdem: Tüb. Quartalſchr. 1830; 
Stud. und Krit. 1852. Heerl, das Ebenbild Got: 
tes, 1867. 

Ebenen Paläftina’d werden in der Bibel ge: 
nannt: 1) die Ebene zer oder Esdrelon zwi: 
{hen den Gebirgen Galiläa's und Ephraims; 
2) die Ebene Saron, deren ſüdlicher Theil Sephela 
heißt, längs des Mittelmeered vom Carmel begin: 
nend; 3) die Jordansaue an beiden Seiten des Fluſ⸗ 
ſes; 4) die Ebene Ruben, 5, Mof.4, 43; of. 20, 8. 


205 


Ebioniten 


Eben⸗Ezer. Hülfsitein. Das von Samuel errich⸗ 
tete Denkmal des Sieges über die Philiſter, 1. 
Sam. 7, 12, zwijchen Migpa und Sen. Der Name 
des Orts wird proleptifch Non gebraudt 4,1; 5,1. 

Eber, 1. Mof. 11, 16. 17, faßt Bunfen nad 
Buttmann und Andern als eine geographiiche Be: 
——— Völlerzugs: der über den Fluß (den 
Tigris) Seßende; fein Cohn ift, d. h. darauf folgt, 
Den Theilung. Vgl. Fürft in Merx' Archiv 


Eber, Paul. Geb. 1511 zu Kitzingen in Franken. 
Studirtein Wittenberg 1532,murde 1536 Magiſter, 
1537 Brofeffor der Bhtlofophie und ftand mit Me: 
—* on und Luther im engſten Verkehr. 1544 
Profeſſor des Lateiniſchen, warder 1556 Schloß pre⸗ 
biget, 1557 Profeſſor der hebräifchen Sprache, 1559 
Stadtpfarrer von Wittenberg und Generalfuper: 
intendent des — 2 trat 1560 in die 
theologische Facultät und ſetzte 1561 die Predig: 
ten und Collegien Melanchthons fort. Geit der 
Zeit in die tirhlihen Verhandlungen und Strei: 
tigleiten tief verwidelt, wohnte er den Colloquien 
zu Worms 1557 und Altenburg 1568 bei und 
wandte denfelben aud) feine ſchriftſtelleriſche Thä— 
tigkeit zu. „Unterricht und Bekenntniß vom heil. 
Sacrament;“ Biblia latina; Expositio Evange- 
liorum Dominicaliam. Aud als Verfaſſer geifts 
licher Lieder ift er befannt geworden. 

Eberlin, Anton. Ein Franciscanermönd und 
Vrediger, früher zu Tübingen, 1519 in Ulm, wo- 
jelbft er Luthers Lehre vortrug, die er aus deſſen 
Schriften gewonnen Hatte, 1521 vertrieben, fand 
er Zuflucht bei Sidingen und ſchrieb Manches in 
der Weife Huttens. 1522 in Wittenberg, retrac- 
tirte er frühere Uebertreibungen: Bom Mißbrauch 
hriftlicher freiheit 1522; der Pfaffen Troft. 1624 
hielt er fid) ohne Amt in Erfurt auf, wirkte ber 
ſchwichtigend Im Bauernaufftand 1525 und ward 
1526 Prediger zu Wertheim. Er verfaßte eine 
Baftoraltheologie „Wie ſich ein Diener Gottes in 
all’ feinem Thun halten jol”, Wittenb. 1525, 


Ebioniten. Der Name bezeichnet bei Drigenes 
alle Judenchriſten, ift aber richtiger von den Nas 
zaräern (f. d. Art.) zu unterfcheiden, und zu be⸗ 
ſchränken auf die —r Judenchriſten, 
welche das jüdifche Geſetz von allen Chriſten ge 

alten wiffen wollten und in Jefus nur den Men: 
(ben, den Bay. des Joſeph und der Maria er 
blidten. Ihre Lehre und ihr Wefen in der weitern 
Entwidlung erhellt aus den Clementinen und aus 
Epiphanius. Die Anfichten der Partei jollen nad 
der Flucht nad Pella durd) einen Ebjon zuſam— 
mengefaßt und auögebildet fein, der deshalb ala 
Stifter der Secte bezeichnet wird. Dies tft aber 
höchſt wahrfcheinlich eine zur Erflärung des Nas 
mens entjtandene Sage, welder übrigend von 
WIN arm, abzuleiten ift, da die Armuth ald 
Zuſtand höherer Vollendung galt. Als ſich mit der 
Secteviele Effenerverbanben,erhieltdieebionitijche 
Lehre neue Fortbildung mit wejentlich effenifchen 
Ideen, unter welden hervorzuheben ijt die Iden— 
tität Adams mit Chriftus, die Veraditung bes 
Prophetenthums, die Geringſchätzung der Che. 
Den Uebergang zum Gnofticismus vermitteln die 
Eltefaiten (f. d. Art.). — serien mit dem 
alten Judendriftentgum bewahrte aud der ſpä— 
tere Ebionitismus die Feindſchaft gegen paulis 
niſches Heidenchriſtenthum. S. d. Art. Elementinen 


Eblend 


und die Literatur dort. Vgl. Giefeler, Tzſchir— 
nerd Archiv für Kirchengeſch. 1820; Eredner, 
Ueber Efjäer und Ebioniten, 1829; Baur, De Eb, 
— et doctrina, 1831; Ritſchl, Entſtehung der 
altfath. Kirche, Bonn 1857, ©. 204 ff.; dagegen 
Schliemann, dieGlementinen nebft den verwandten 
Schriften und der Ebionitismus, 1841, 

Eblend oder Ebland follte nad einer von 
Schröckh — an 34, 72) aufgeſtellten, aber 
jegt mwiderlegten Anfıcht der Berfafjer der Deut: 
ſchen Theologie geweſen fein. 

Ebrard, Joh. Heinr. Aug. Geb. am 18. Jan. 
1818 zu Erlangen, Profeffor der Theologie dort, 
dann 1853 Eonfiftorialrath in Speyer, wo feine 
Geichäftsleitung die Spannung zwiſchen den Or: 
thodoren und Liberalen hervorrief (Predigt am 
10. Febr. 1861 über das Maalzeichen des Thieres), 
nahm feinen Abſchied 1861 und privatifirt in Er: 
langen. Schrieb u. a.: Kritik der ev. Geſchichte, 
ek 1842, 2. Aufl. 1850; das Dogma vom 

bendmahl, 1845 46; Chriftliche Dogmatit, Kö: 
nigsb. 1851—52, 2. Aufl. 1862—63 ; Verſuch einer 
Liturgik, 1843; Handbuch der Kirchen- und Dog: 
mengeſchichte für Prediger und Studirende, 1865, 
2 Bde . 


Ebrard von Bethune. Ein Schriftfteller des 
13. Jahrhunderts, defjen gegen die Katharer ge: 
richtetes Buch Liber antihaeresis eine Quelle der 
Kenntniß für ihre Lehre iſt. In den Schulen des 
Mittelalters wurde fein Graeeismus gebraudt, ein 
Gedicht, welches Rhetorik, Logik, Syntar und 
Grammatif abhandelte. 

Ebzan. Richter Iſraels, der nad Jephta fieben 
Jahre lang regierte, aus Bethlehem (ob aus dem: 
jenigen im Stamme Sebulon oder in Juda, ift 
zweifelhaft), deſſen reicher Kinderjegen bemerkt iſt 
(Richt. 12, 8—10). 

Eece homo, d. h. Sieh, welch ein Menſch, Joh. 
19,5. Bezeichnung der Darftellungen des leiden: 
den Erlöfers. ©. Chriftusbild. 

Echellenfis, Abraham. Geb. im Dorfe Edel im 
16. — Gebildet im Colleg der Maro— 
niten zu Rom, Profeſſor des Syriſchen und Ara— 
biſchen an der Propaganda. Ein zwar fleißiger, 
aber oberflächlicher Schriftſteller. Am bedeutend⸗ 
ba ift feine Mitarbeit an Le Jai's Polyglotte in 

aris 1640— 1653, und den mit Allatius heraus: 

egebenen Concordantiae nation. christ. orient. 
in fid. cath. dogmata, Mainz 1655. 

Eeelesia Christi. Die päpftlihe Bulle vom 
13. Auguft 1801, welde das franzöfifche Goncor: 
dat publicitt. 

Eeclesias quae antiquitate. Die päpftliche 
Bulle, weldye 1823 das Concordat mit der Schweiz 
publicirte. 

Eeclesiastes. ©. Prediger Salomo. 

Ecelesiasticus. ©. Jeſus Siradı. 

Ereten (Ixdra). Heilige Tänzer. Eine aöfetifche 
Mönchsfecte im 12. Jahrhundert, deren gottjelig: 
fter Eultus die Gejtalt des Tanzes mit gleich— 
geftimmten Nonnen annahın. Sie wurden als Hä: 
—— Vgl. Ullmann, Stud. 1833, III, 

. 694. 

Echternach im Großherzogthum Luremburg ift 
befannt durch die Springprozefjion, welche dort 
jährlich in der Pfingftwoche abgehalten wird. 1777 
war fie abgejchafft, 1784 beſchränlt. Die Abtei ijt 
geftiftet vom heil. Willibrord. 

EA, Johann, eigentl. Johann Maier, Der be: 


205 


Eckart 


rüchtigtſte und bedeutendſte Gegner der luth. Re: 
formation, der ſie aber durch ſeine Angriffe am 
len befördert hat, war geb. am 13. Nov. 1486 
im ſchwäbiſchen Dorfe Ed. Schon im 12, Jahre 
bezog er die Univerfität Heidelberg, dann Tübin: 
en und ftudirte 1500 als magister phil. Theo: 
ogie in Tübingen, Köln und Freiburg. Weniger 
—— als gewandt in der Dispulirkunſt, er⸗ 
angte er Anſehen, ward zu Ingolſtadt Dr. der 
Theologie und Profeſſor, 1510 Kanonikus zu Eid; 
ftädt, Prokanzler der Univerfität und Ketzerinqui— 
fitor, fchrieb manche Bücher und hielt hie und da 
öffentlide Disputationen. Den Streit mit Luther 
begann er 1518 durch die Obelisei, gegen welde 
Karlitadt zur Bertheidigung der Wittenberger 
Rechtgläubigkeit 308 Thelen aufftellte. Die Dis- 
putation zu Yeipzig am 27. Juni 1519 zog Luthet 
in den Streit und erreichte Ecks Ziwed, dieſen als 
Keber und Gegner des Papſtes erjcheinen zu laflen, 
wurde aber faſt mehr als etwas Anderes Veran: 
laffung zu Luthers innerer Befreiung. Erbittert 
über den Spott, der in dem folgenden Schrift: 
ftreit über ihn ausgegofien wurde, betrieb er in 
Rom Luthers Verurtheilung und brachte 15% 
die Bannbulle nad) Deutfchland. In fteigender 
Erbitterung gegen die Proteftanten nahm er 
Theil an dem Regensburger Convent 1524, den 
Religionsgefprähen zu Baden 1526, Worms 1540, 
Regensburg 1541 und auf dem Reichstag zu Augs— 
burg an der Berfertigung der Gonfutation. 7 
1543. Bon feinen Schriften, wovon er felbft 1530 
—35 eine Sammlung veranftaltete, ift zu ermäb- 
nen die mißlungene ———— des A. T. in der 
Emſerſchen Bibelüberjegung und De sacrificio 
missae 1526. — Bon ihm zu unterſcheiden find 
der kurtrierſche Dfficial Johann von Ed und der 
bayeriſche Kanzler Leonhard von Ed, der auf dem 
Reihstag zu Speyer gegen eine Auögleihung 
wirkte. Vgl. Ztichr. für hiſt. Theol. 1845. 
Edart. Der tieffinnigjte deutfche Myſtiler, aus 
dem die fpätern Myſtiker und Philoſophen geſchöpft 
aben, war Dominicanermönd und Lehrer in 
— Ordens: Provinzial für Sachſen, 1307 Gr 
neralvicar für Böhmen, dann lehrte er in Straf; 
burg, Frankfurt und Köln. Die Predigt in der 
Volisſprache und die Berbindung mit den Brüdern 
des freien Geiſtes erregte den kirchlichen Argwohn, 
der gegen den ganzen Orden fid) wendete. Der 
Erzbifhof von Köln zog Edart vor das Inquiſi— 
tionsgeriht ; als dies mut jeinem bedingten Wider: 
ruf (bei Pfeiffer) am 13. Febr. 1327: si quid erro- 
rum repertum fuerit scriptum per me (feine Itt⸗ 
thümer im Allgemeinen ohne namentliche Bezeich⸗ 
nung) nicht zufrieden war, appellirte er an den 
Papſi. Eine Bulle vom 27. März 1329 tadelte ihn 
nad) jeinem Tode und verwarf und verdammte 
23 Sätze aus jeinen Predigten, welche im folgen: 
den Jahre auch als Lehre der Brüder vom freien 
Geifte verurtheilt wurden. Dennoch erhielt ſich dir 
Verehrung des Meifterd Edart; feine Schriften 
waren in ben Klöjtern verbreitet, und nicht bloß 
Heinrih Sufo, aud Nikolaus von Cufa pries ſie 
als Quellen ver Weisheit. Ein religiöfer zer, 
mus, dem alle Gegenjäge zwiſchen Gott und 
Menſch, Ehriftus und dem Ehriften in dem Al 
gefühl feiner myftifchen Frömmigteit verfchwinden, 
iſt das Bezeichnende der Lehre Edarts. Dagegen 
juchen ihn die Unterfuhungen Hambergers u. 9. 
von dem Borwurfe des Pantheismus zu befreien, 


Ecuador 


Das —— gr von gr. Pfeiffer, 
Deutiche Myftiter, Bd. 2, vu . 1857 ; in der Vor: 
rede ein Verzeichniß der Han — —— Vgl. Stud. 
Krit. 1839; Martenſen, Meiſter Eckart, 1842; 
Bach, Eckart, 1664; Ztſchft. für hiſt. Th. 1864. 
Ecuador, Republik in Südamerika, hat am 26. 
Sept. 1862 ein Concordat mit dem heil. Stuhle 
eſchloſſen, wonach demjelben die weitgehendften 
nfprüche gewährt find. Die katholiſche Kirche ift 
Staatäreligion, jede Beſchränkung der Kirche durch 
den Staat tft aufgehoben und jeder fremde Eultus 
unterjagt. 

Edda. Das mythologifche Bud) Skandinavien. 
Die ältere, von Sämund Seen auf Island 

efammelt, aus dem 7. und 8. — ent⸗ 
ält Epen aus der ſtandinaviſchen Götterſage. Die 
jüngere, von Snorri Sturlufon (13. Jahrhundert 
efammelt, giebt in Profa die altjlandinavifche 

ythologie und Poetik. Ueber den Inhalt ſ. d. A. 
Mythologie. 

Edelmann, Joh. Chrift. Geb. am 9. Juli 1698, 
Etudirte in Jena et ag fand fi aber von 
Drthodoren und Pietiſten gleich abgeftoßen, knüpfte 
eine Zeitlang mit Zinzendorf und den Herrnhutern 
an, dann mit Gichtelianern und Separatiften und 
betheiligte fid) 1735 an der Berleburger Bibelüber: 
jegung, trennte ſich aber von Haug, dem Xeiter des 
Unternehmens. Auch bei den Inſpirirten unter dem 
Propheten Rod konnte er nicht ausdauern. Unter 
mandperlei Beläftigungen, Folgen feiner maßlofen 
Angriffe auf Kirche und Bibel, die eine Fluth von 
Gegenichriften hervorriefen, lebte er dann mit 
Ihriftftellerifchen Arbeiten beſchäftigt zu Neuwied, 
Altona, Hamburg und Berlin, wo er 1767 ftarb, 
Shriften: Unſchuldige Wahrheiten, 1735; der un: 
befannte Gott Moſes mit aufgededtem Angeficht. 
Eine Auswahl feiner Schriften Bern 1847. Seine 
Selbftbiographie gab heraus Kloje, Berl. 1849. 
Vol. Pratje, Nahrichten von Ed. 1755; Elfter, 
— an Ed. 1839; Ztſchft. für hiſt. Theol. 

46 


Edelfleine waren bei den Hebräern früh befannt 
und geihägt, 2. Sam. 12,30; 2. Mof. 28, 17; fie 
erhielten fie aus Arabien und Indien, Ey. 27, 22, 
durch die Phönizier und aus Ophir, 1.Kön. 10,10. 
Auch die Kunft des Schneidens und Faflens der 
Edelfteine war befannt, 2. Mof. 35, 33. Erwähnt 


werben: DIN 2. Mof. 28, 17; 39, 10, der Sar: 
dius, Karneol; IP Ez. 28, 13; Hiob 28, 19, 
Topas; NPII Dff.4,3,der Smaragd; FD) dvdond 
2. Moſ. 39, 11; Ez. 27,16; 28, 13, Karbuntel; 
SEO 2. Mof. 24, 10; €. 28, 13, Saphir; Sm 
2. Mof. 39,11, Dnyr, zeAxndwr, Luth. Diamant : 
Dub 2. Moſ. 8, 19; 39, 12, Ayxiguov, Hyacinth 
IF 2. Moſ. 28,19, Achat; IHYMN 2.Mof.28, 19, 
Amethyſt; WIYN 2. Mof. 28, 20; 39, 13; €. 1, 
16, Chryſolith; DIV 1.Mof. 2,12; 2. Mof. 28,9; 
€. 28, 13, Beryll; MAW) 2. Moſ. 28, 20; 39,13, 
Jaspis; 1377 Ey. 27, 16; Jeſ. 54, 12, Rubin; 
MRS Jeſ. 54, 12, Granat; WOW gef. 17, 1; 
&. 3, 9, der Diamant, Außerdem der Chryfo: 


praß Dff. 21, 20; Ehalcebonier Dff. 21, 19; Sar: 
donyg Diff. 21, 20, 


— 


207 


Edeſſa 


Eden. Ju Wonne. Der Garten Eden, das Pa— 


radies, deſſen Lage 1. Moſ. 2, 10 ff. beſchrieben wird. 
Die exegetiſche und geographiſche Schwierigkeit 
der Stelle hat eine wer Erflärungsverjuche her: 
vorgerufen; vgl. Ernft Bertheau, die der Bejchrei- 
bung der Lage des Paradiejes zu Grunde lie: 
genden geographiihen Anjchauungen, Göttingen 
1848, Gänzlich abzuweifen find die allegorifchen 
Auslegungen von Philo, Ambrofius, Drigenes, 
oder ſolche, die das Paradies des Neuen Tefta: 
ments mit Eden zufammenmwarfen, wie eö die 
meiften Kirchenväter thaten; ferner die ne 
Luthers u. A., durch die Sintfluth ſei die Geſtalt 
der Erde jo verändert, daß die richtigen Angaben 
der Schrift für uns nicht mehr verftändlidy jeien. 
Hiergegen und gegen die mythiſch-geographiſche 
Anficht,welche von vielen Reuern (Gefenius, Ewald) 
vertreten wird, fpricht Die Stelle jelbit, welche nicht 
nur geographiſch er betannte Namen nennt, 
jondern ſich auch Vs. 12 auf ebenfo befannte that- 
ſächliche Umftände bezieht, fo daß man ſieht, fie will 
eine beftimmte Localität für die Zeitgenofjen deut: 
lich bezeichnen. Die geographiſche Erklärung muß 
daher von der Deutung des Piſchon auf Ganges, des 
Gihon auf Nil, Cuſch auf Aegypten ganz abjehen, 
weil fich dieje niemald mit Euphrat und Tigris 
und Chibdelel) zu einem Bilde vereinen 
lafien. Während Calvin die 4 Ströme Vs. 10 von 
Mündungen des Schat:el-Arab deutete, faſſen die 
meiften der Neuern den „Strom“ des Vs. 10 wei— 
ter als Fluß: oder Duellengebiet (Bunfen) und 
legen Eden in das Duellgebiet des Cuphrat und 
Tigris, nad) Armenien, auf weldes als Stamm: 
land des Menichengejchlechtes aud) andere Spuren 
binwiejen. Dann wird der Piſchon zum Phafis, 
Ehavila zu Kolchis, der Gihon zum Arares und 
Cuſch zum Land der Kofjäer. Intereſſant ift die 
Auslegung, welche Brefjel bei Herzog entwidelt. 
Er läßt VS. 10 gejagt jein vom Standpunkt der 
den Fluß Hinaufmwandernden. Indem er Euphrat 
und Tigris fefthält, erfennt er den Piſchon im 
Kuranfluß, den Gihon im Kerfha, die fich beide 
in den Schatsel-Arab, die Vereinigung des Euphrat 
und Tigris, ergiehen, Cuſch Curiſtan und Cha⸗ 
vila das alte Elymais, das ſpätere Suſiana; die 
fruchtbare, von der arabijchen Hochebene im Weften 
und dem —— im Oſten begrenzte Thal⸗ 
ebene des Schat⸗el⸗Arab wird ihm damit zum Gar: 
ten Eden. Eden iſt Mejopotamien in feiner Ausdeb: 
nung zwifchen dem ſyriſchen Gebirge und der ara- 
biſchen Wüfte im Weiten und dem Zagros im Dften. 
Eine Nahmeifung aller Deutungsverfude ſ. bei 
Winer, Real:ter. und bei Herzog, Bd. 20. — Ein 
anderes Eden 71%, Am. 1, 5, lag bei Damaskus, 


vielleiht das Dorf Ehden auf dem Libanon. — 
Dagegen €.2.Rön. 19,12; Jef. 37,12; €3.27,28, 
lag in Rord:Mejopotamien bei Haran; die Gegend 
Maadon. Die Söhne E. waren alſo ein alter ara: 
mätfher Stamm. 
der. Stadt im Süben — Sof. 15, 21. 

Edeſſa am Seirtus in Mejopotamien, 10 Meilen 
vom linken Ufer des Euphrat. Die Geſchichte der 
Stadt fannı nicht Über die Zeit der macedoniſchen 
Herrſchaft verfolgt werden ; von Seleucus Nikator 
gegründet, hieß fie Antiohia Mirobarbara, aud) 
Kalirrhod. Nach der Seleucidenzeit beitand ein 
unabh —— der osrhoeniſche, unter deſſen 
Königen Abgar Uchomo (ſ. d. A.) genannt wird 


Edict von Hamptoncourt 


8—45 n. Chr.), der nad) der Legende das Chris ! 
enthum einführte. 217 verwandelte Caracalla E. 
in eine römifhe Provinz. Die Araber eroberten 
e3 zwijchen 637—641. 1097 gründete Balduin in 
E. eine hriftlihe Herrſchaft, aber 1144 eroberte 
Imadeddin, 1146 zerftörte Nureddin die Stabt 
(Orfa), die heute 50,000 Einwohner zählt. Da 
das Chriftenthum früh eingeführt Dei vu bezeugt 
der Einfluß des Gnoſtikers Bardefanes am Königs: 
bofe. Eine Zeitlang herrſchten die Arianer, darnad) 
wurde E. der Hauptfig der Neftorianer bis zu 
ihrer Vertreibung aus dem oftrömifchen Reiche. 
Das jafobitifche Bısthum zu E,, welches noch im 
16. Jahrhundert erwähnt wird, beſteht nicht mehr. 
Berühmt waren die Schulen Es, die Ephräm 
der Sprer ftiftete, und die fpätere perfifche zur 
Ausbildung neſtorianiſcher Geiftlihen. 

Edict von Hamptoncourt, am 28. Zuli 1561 von 
Karl II. von England erlafjen, nimmt die fran- 

ſiſchen Refugies in England auf und bewilligt 
ihnen mehrere Privilegien. 

Edict von Mailand. Conftantin und Licinius 
gewährten durch dafjelbe 313 den Chriften freie 
Religiongübung und die Rüdgabe der eingezo: 
genen Kirchengüter. 

Editt von Nantes, 1598 durch Heinrich IV. von 


Frankreich zu Gunften der Hugenotten gegeben, | 3 


erflärte zwar die Fatholifche Kirche für die herr: 
ſchende, bewilligte aber den Reformirten die Ge: 
wiſſensfreiheit und alle bürgerlichen Nechte, die 
Eultusfreiheit unter einfchränfenden Peftimmun: 
gen; dic politifche Selbftändigfeit und die Sicher: 
en läge, melde e3 den Hugenotten gleichfalls 

elieh, entzog ihnen wieder das Edict von Nismes 
1629. Die Regierung Ludwigs XIV. hielt anfangs 
das Edict jheinbar formell aufrecht, während alle 
Mittel aufgeboten wurden, die evang. Kirche zu 
zerſtören, bis endlich 1685 das Aufhebungädecret 
erihien, welches mit Härte und Graufamteit aus: 
geführt wurde. 

Edict von Potsdam, 29. October 1685, öffnete 
den durch die Aufhebung des Edictd von Nantes 
vertriebenen Proteftanten die engen Staaten 
und gewährte ihnen bedeutende Begünftigungen. 

Edict von Versailles, November 1787, gab den 
Reformirten alte bürgerliden Rechte zurüd und 
bob alle Gewaltmaßregeln als dem wahren Geijt 
bes Chriftenthbums widerſprechend auf. 

Edict von Worms, vom 26. Mai 1521, erklärt 
nach dem Reihstage von Worms, ausgefertigt 
(che nachdem viele Stände Worms bereits ver: 
latjen hatten, und zurüddatirt auf den 6. Mai, 
verhängt über Luther und feine Anhänger die 
Reichsacht. Vgl. Wald, Kirchengeſch, Bo. XV, 
©. 2264 ff. 


Edilthryda, dic Heilige. Bewahrte in 2 
in Folge eines Gelübdes ihre jungfräuliche Keuſch— 
heit und jtiftete, als fie 671 ihren Gatten verlajjen 
durfte, auf der Infel Ely ein Doppelklofter, als 
vn Nebtiffin fie 679 ftarb, 

Ddmund, König von Oftangeln, jtarb bei dem 
Einfall der Dänen ald Märtyrer STO und wurde 
als Patron der engliſchen Könige verehrt. 

Edmund, der Heilige. Lehrte 1219—25 Philo— 
fophie in Orford und wurde 1234 Erzbifchof von 
Canterbury. Seine Constitutiones erregten den 
Unwillen Heinrichs III. jo daß er nad Frank— 
reich floh und dort am 16. November 1242 zu 
Soiſſy ſtarb. Er ward 1247 fanonifirt, 





208 


—Ö_oV,7,7,7,7,7,7,1 ee  — | [nn — — — nn — 
a 


Egbert 


Edom. Edomiter. Das Land Edom, fräter 
Idumäa, im Alten Teitamente Seir, erjiredte ſich 
von dem Nelanitifchen Meerbujen bis zum Todten 
Meere, im Norden vom Moabiterlande, im Diten 
von der fyrifhen Steppe und im Weften von der 
Arabah begrenzt, war ein Gebirgäland, deſſen 
höchfte Spite der Hor. In der jpätern Zeit wer: 
den die Städte Petra und Bozra als bedeutend 
erwähnt. Die biblifhe Ceſchichte bezeichnet Eſau, 
Edom, ald den Stammvater des Volks. Die Ber 
richte laffen erfennen, daß ein den Hebräern vers 
wandter, mit ihnen rivalifirender aber doch ver» 
bundener Stamm die Ureinwohner von Seir, Chos 
riter, 1. Mof. 23, 6, überwand und mit fich ver» 
einigte. Die Verfaffung der E. unter Stamm 
fürften ähnelt der Iſraels; früher aber gelangte 
* das Königthum zur Macht, 1. Moſ. 36, 31. 

ie erjte feindliche Berührung mit Ifrael ift unter 
Saul, 1. Sam. 14, 47. David unterjodte Edom, 
2. Sam. 8, 14, und Salomo brfaß die Hafenpläge, 
1. Kön. 9, 26. Unter Joſaphat hatte E. wieder 
eigene Bajallenfürjten, 1. Kön. 22, 48; 2. Kön. 
3, 9, die unter Joram ſich frei madten, 2, Kön. 
8, 20. Bon da an bleibender Krieg, E. gilt ald 
der Erbfeind Iſraels, der ftete Verbündete feiner 
Feinde, Joel 5, 24; Amos 1, 11; Jeſ. 11, 14; 
er. 9, 25; 1. Malt. 5, 3. 65; 2. Malt. 10, 
15; 12,32 f. Unter Johannes Hyrkanus wurden 
aber die Edomiter vollftändig unterworfen und 
ur Befchneidung gezwungen, und jo fonnte die 
idumäiſche Familie der Herodianer die Herridaft 
über Jjrael erlangen. Nach der Zerftörung Jerw 
falems verfchwindet der Rame Joumäa. Die Land⸗ 
ſchaft gehört zu Arabien. 

Edrei, LXX 'Edogeeiv. 1) Hauptſtadt des König: 
reichs Baſan, 4. Moſ. 21, 33—35, lag im gebir- 
gigen Theile, ift das jpätere Adara, Aoratum, 
— Draa. — 2) Stadt im Stamme Naphthali, 
of. 19, 37, 
Edwards, Jonathan. Amerikanischer Theologe. 
Geb, am 5. Det. 1703 zu Eaft-Windfor in Con: 
necticut, Sohn eines Predigers, ftudirteer in Yale 
College, war Baftor im Staate New-Yerk, dann 
1727 in Maſſachuſetts, 1724— 27 Lehrer am Yale 
College, Die Strenge jeiner Kirchenzucht verurs 
ſachte 1750 feine Entlafjung. 1751—58 lebte er 
als Miffionar unter den houjatonifchen India— 
nern. + 1758. Bon ihm leitet ſich eine theologiſche 
Sdule, die Neu-England: Theologie, ab, die na— 
mentlich die Freiheit des Menſchen und feine un- 
bedingte Berantwortlichfeit hervorhebt und die 
Rechtfertigung in ihrer wejentlihen Einheit mit 
der fittlihen Erneuerung zu faſſen jucht. Zu diejer 
Schule gehören fein Sohn 3. Edwards IL, t 
1801, Sam. Hopkins, + 1803, 3. Bellamy, 7 
1790, Nathaniel Emmong, Tim. Dwight, + 1317. 
Edwards hinterließ 1400 Manufcripte. Die Aus— 
aben feiner Werte, Maſſ. 1803, Nem:Yort 1862, 
And daher nicht vollſtändig. 
Eflicaciu, d. i. Wirkungsfähigkeit, ſ. Affec- 
tivnes, 
Egbert, der Heilige. Ein Friefe im 7. Jahrhun⸗ 
dert. Zufolge eines Gelübdes wollte er als Nif- 
jionar nad) Deutjchland gehen. Durch einen Sturm 
verhindert, jandte er von feinem Aufenthalt, bem 
Klojter HH, den Mönd Wilbert und darnach 12 
andere Angelſachſen nad) Friesland. + 729. 

Egbert. Ein Schüler und Freund Beda's, war 

Lehrer an der Kathedralfchule zu York, wo Alcuin 


Egede 


und Aelbert ſeine Zöglinge waren. Als Biſchof 
von York 731 erlangte er die Erhebung des Bis» 
thums zum Erzbisthum 735. Seine Gelehrjam: 
leit wurde bewundert; er hieß armarium omnium 
liberalium artium, + 767. Ihm zugejchriebene 
Bußbücher haben andere Verfaſſer. 

Egede, Hand. Der Miffionar der Eslimos. Geb. 
am 31. Jan, 1686. Seit 1707 Pfarrer zu Baagen 
im Nordland, legte er 1717 fein Amt nieder, um 
ala ee zu ben Örönländern, unter denen 
er fih Ablömmlinge der Normannen dachte, zu 
gehen. Nach reg Sara in) Sinbernifle, 
unterjtügt von Friedrich IV., landete er 1721 in 
Grönland. Unter den Eskimos arbeitete er mit 
mufterhafter Treue; aud als 1730 bie Unter: 

ng des Staates wegfiel, hielt er aus. Zwi⸗ 
igleiten mit den Herrnhutern veranlaßten feine 
Rüdtehr 1734. Er leitete dann bis 1747 das grön- 
ländifhe Miffionsinftitut, nahm feinen Abihieb 
und ftarb 1758, 

Eginhard. ©. —— 

Eglaim, Stadt im Moabiterland. LXX Ayal- 
isiu. Dies —* aber im Binnenland, während 
Jeſ. 15, & auf Die Grenze hinweiſt. 

Eglinus, auch Jconius, eigentl. Raphael-Göf. 
Geb, am 28. Dec. 1559 zu y. var im Canton 
Zurich, ftudirte er zu Züri, Genf und Bafel, 
ward Lehrer zu Sonders im Beltlin, von bort 
dur die katholiſche Geiſtlichkeit vertrieben, zu 
Binterfcheid, 1588 am Collegium zu Züri, 1592 
Brofeffor des Neuen Teftaments und Diakonus, 
1596 idialonus, 1606 Brofeflor der Theologie 
zu Marburg und 1614 Schloßprediger. T 1622. 
Die Gunft des Landgrafen Morig verdantte er 
feiner Liebhaberei für Aldhymie, der er ſchon in 
Züri allzuviel nachgegeben hatte und die ihn 
1615 der Roſenkranz⸗Brüderſchaft zuführte. Als 
oe ift er von Einfluß geweſen, die calvi⸗ 
niſche Theologie in föberafiftifiher Auffafjung in 

en einzuführen. i 
Ion. 1) Refivenz eines Amoriterkönigs dies⸗ 
feit des Jordans, Sof. 10, 8, von Jolua erobert 
und dem Stamme Juda zugetheilt, nad) Robinſon 
Alan. — 2) Der Moabiterlönig, den Chud ermor: 
dete, Richt. 3, 12—20. 

Egoismus, Selbftfucht, ift das Sich: Beziehen ded 
individuellen Lebens auf fich felbft als auf feinen 
einzigen Zwed, der rüdfichtslofe Drang nad) Da: 
fein und Wohlſein. E. tft zwar der Beginn alles 
perfönlichen Lebens; da aber ber Menſch fein 
Weſen nur in der Gemeinfhaft entfalten kann 
und damit bie Forderung geſetzt ift, fich in Ueber: 
einftimmung mit den Uebrigen zu bejtimmen, und 
das eigene opt nur in der freien re 


des Wohles ber Andern zu fuchen, fo ift die Auf: |34, 16; 5 


gabe für alles fittlide Handeln, den E, zu übermin: 
den durch fein Gegentheil, die Liebe. Daher jagt 
man mit Recht, der E. fei die Wurzel aller Sünde, 

Ehe iſt die auf Geſchlechtsliebe gegründete völ⸗ 
(ige und dauernde Lebensgemrinfchaft zweier In— 
bividuen. Auf den natürlihen Grundlagen bereits 
entwidelt fand das Chriſtenthum fie vor; es hat 
daher nichts abjolut Neues hineingebradht, aber 
indem es die volle Perjönlichkeit auch des Weibes 
anertennen lehrte, mußte die im Begriff der Ehe 
liegende Monogamie und Unlöslichkeit des Ban: 
des die allgemeinjte Geltung von jelbjt finden; 
und je höher das Evangelium die fittlihe Aufgabe 
des Menichen ftellt, um jo mehr mußte die Bedeu: 


209 


Che bei den Hebräern 


— ber Ehe als der Grundlage alles Gemein⸗ 
ſchaftslebens ber Familie und des Staates und 
ihre veligiöfe Beziehung —— ür den ſitt⸗ 
lichen und religiöſen Charalter der Ehe ſuchte die 
Kirche den höchſten Ausdrud, als fie lehrte, die Che 
ei ein Sacrament. Daneben gehtaber eine niedere 
uffafjung derfelben, die an der leiblich⸗geſchlecht⸗ 
lien Vereinigung haften bleibt und im Cöltbatd« 
gejeg ihren Ausdrud findet, welches die Che für 
des Priejterd unwürdig erllärt. Das Neue Teftas 
ment räth nur in den Yällen, wo das eheliche 
Zeben in Eonflict geräth mit der entfchiedenen Er- 
füllung der Aufgabe für dad Reich Gottes, von 
der Ehe ab (Matth.19, 12; 1.Ror. 7,1), befonders 
auch in Verbindung mit der Erwartung des nahen 
Weltendes. Sogar bei Luther wirkt die mittelalters 
liche Auffafjung der Ehe nach. Ein gefundes Gefühl 
ließ ihn gegen das Eölibat auftreten ; aberobwohl er 
den Werth der Ehe empfindet, redet er doch von ge 
als jei fie nur eine Schrante der fleifhlichen Be: 
E e. Bei ber Löfung des kirchlichen Lebens vom 
taate ift die Forderung aufgetreten, Die Eheſchlie⸗ 
Bung von dem kirchlichen Acte unabhängig zu mas 
chen — und für die Diffidenten in 
Preußen und a.D. durch Pa — ebung der faculs 
tativen Eivilehe befriedigt. Der Streit, ob dieſelbe 
obligatorifch zu ee ſchwebt nod. Da die 
Ehe ein natürlich fittlihes Verhältniß, fo fann 
ihre Anerkennung nicht an eine kirchliche Feierlich« 
feit gefnüpft werben, wenngleich jede Kirchen» 
gemeinfhaft an ihre Glieder die Forderung zu 
ttellen berechtigt ift, daß fie in der Ehe aud) eine 
religiöje Injtitution erbliden follen. Die kirchliche 
Trauung iſt baher eine innerfirchliche Angelegens 
heit; als Bedingung der bürgerlihen Gültigkeit 
der Ehe Pr und fällt fie mit dem Staatskirchen⸗ 
thum. ©. Eivilehe. 
Ehe bei den Hebräern. In Bezug auf die Ehe 
unterſcheiden ſich die Sitten des alten Iſrael nicht 
von denen der Etammverwandten. Die Poly» 
gamie befteht noch, ein Verhältniß zu Kebsweibern 
neben den frauen gilt nicht für unfittlih, Die 
Frau ift zwar nicht mehr Sclavin des Mannes, 
aber wird doch noch von den Eltern durch Ger 
fchent erfauft, 1. Mef. 31, 15; 34, 12; 1. Chr. 
18, 23; 2. Mof. 22,15 f. Die Monogamie ift nie 
geboten, dringt aber mıt dem Einfldß fteigender 
Geſittung von felbft durd. Spr. 12,4; 18, 22; 
19,14. Ein Abfall vom ifraelitihhen Weſen ift das 
her die Haremswirthſchaft der — Die Ehever⸗ 
bote der moſaiſchen Geſetzgebung, 5. Moſ. 27, 20; 
3. Mof. 18, 7; 20, 11, ſoweit fie die Verwandten⸗ 
ehe betreffen, gründen fi auf Naturgefege, im 
Uebrigen find fie national:religiöfer Art. 2. Mof. 
‚16; 5. Moſ. 7,3. Das abgefchloffene Juden» 
tum nach dem Eril verbot die Che mit Fremden 
überhaupt. Esra 9, 1 ff.; 10, 3; Neh. 13, 22; 
Mal. 2, 11. Die Leviratsehe, 5. Moj. 25, 5; 
Ruth 4, 1 f., war eine gefeglih eingeſchränkte 
alte Sitte. Eheſcheidung war noch aratt und 
wurde nur, 5. Mof. 22, 19; 24, 1 ff., formell er: 
ſchwert, Jef. 50, 1; Jer. 3, 8; Matth. 19, 7; uns 
zuläffig war Air nur bei den vom Geſetz ald ge 
geforderten Ehen. Später ift der Unterſchied zu 
beachten zwifchen Hillel, der nur fittliche —— 
und Schammai, der jede dem Manne mißfällige 
Sache als berechtigten Scheidegrund anſah. Der 
Ehebruch ward an der Frau mit dem Tode be— 
ftraft, 5. Mof. 22, 20; Joh. 8,5; va 3. Mor. 


Ehe, gemifchte 


19, 20 (f.d. X. Eiferopfer), beim Manne nur fofern 
er eine freinde Ehe verlegte. Ueber die Eheſchlie— 
ung ſ. d. A. Hochzeit. 

Ede, gemiſchte. Daß bei der innigen Lebens: 

emeinjhajt der Ehegatten der linglaube des 
Einen eine Gefahr für das religiöfe Xeben des 
Andern in fich jchließt, ift offenbar; wenn aber 
nicht Mangel an Frömmigkeit überhaupt, fondern 
nur Religionsverſchiedenheit obwaltet, jo trifjt 
jene Gefahr mehr nur die nationale und kirchliche 
Form der Frönimigkeit als diefe jelbft, und bei 
vorhandenem und voraugzufegendem gemeinjamen 
Grunde follte die gemifchte Ehe nur die Wirkung 
haben lönnen, die Bere zwiſchen ben verjchie: 
denen Neligionsgemeinden aufzuheben und den 
wahren Kern des gemeinſchaftlichen Glaubens mwei- 
ter zu entwideln, führt aber thatſächlich häufig 
genug zu Abfall, Öleihgültigkeit oder zu bittern Zer: 
würfniffen. Die gemijchte Che wird daher überall 
verboten oder gemißbilligt, wo das religiöfe Leben 
die Tendenz hat oder haben muß, in der Abgeſchloſ⸗ 
enheit feiner Form zu beharren. Died war der 
Kat im jpäteren Judenthum und in der römiſchen 
Kirche. Aus dem fanonifhen Rechte hat das 
deutiche Eherecht noch das Berbot der Ehen mit 
Ungläubigen, Türten und Juden beibehalten. Ein 
abjolutes Verbot der Ehe mit Proteftanten ift 
auch in der katholischen Kirche nicht aufrecht zu 
alten gewejen; die Bedingungen aber, weldye ke 
ir ihre Zulafjung jtellt, die in jedem Falle nö: 
thige päpftliche Dispenfation und die Erziehung 
der Kinder im katholiſchen Glauben, haben zu viel: 
achen Streitigfeiten Anlaß gegeben. Die preu: 
* Geſetzgebung hat allgemein angeordnet, daß 
alle Kinder der Confeſſion des Vaters folgen ſoll— 
ten, übrigens der andern Uebereinkunft der Eltern 
nichts im Wege ftehe. Der Verſuch, diefe Beſtim— 
mung 1825 auf die 1815 erworbenen Provinzen 
auszudehnen, ſcheiterte am Widerftand der Bis 
Höfe. Ein päpſtliches Breve von 1850 hielt die 

nihauungen Roms Ki Eine Convention der 
Regierung mit den Bilhöfen von Köln, Trier, 
Münfter und Paderborn ftellte eine milde Aus: 
legung feſt, wonad nur, wern im Brauteramen 
die Braut ſich gleichgültig zeige, die kirchliche Ein: 
fegnung zwar unterbleiben, aber Proclamation 
und Annahme der Chezujtimmung, assistentia 
passiva, gewährt werden —* 5 Folge des Wider⸗ 
ſtandes der Erzbiſchöfe v. Viſchering und Dunin 
hat jedoch ſeitdem die katholiſche Kirche immer 
das Verſprechen gefordert, ſämmtliche Kinder ka— 
tholiſch zu erziehen, und in ſchroffſter Form hat 
dieſe Forderungen Biſchof Arnoldi von Trier am 
15. März 1853 in einem Hirtenbrief ausgeſpro— 
en, der auch die ass. passiva unterjagt, wenn 
jenes eidliche Verſprechen mangele. 

Eherecht. Die katholiſche Kirche bildete ihr 
Eherecht, indem fie das römische Eherecht durch 
die altteftamentlichen Eheverbote und den Sacra— 
mentöbegriff, ſoweit als nöthig, modificirte; jo 
wurde die bürgerliche Ehegeſetzgebung zugleich eine 
firhlide und fam die Behandlung der Ehefragen 
an die geiftlichen Cerichte. Am meijten auägebil: 
det wurden die Beitimmungen über die Ehehin— 
dernifje. Die Kirche dehnte das Cheverbot aus 


bis zum 14. Grade römijcher Berechnung, behielt | 


210 


Eheſcheidung 


ſionsfälle unendlich vermehrt wurden. Durch die 
Betrachtung der Ehe als Sacrament wurde der 
ethiſche Grundſatz der Unlöslichkeit kirchengeſetzlich 
fixirt, als nothwendige Beſchränkung aber die 
Fälle der Nichtigkeit der Ehe (bei Irrthum, Be— 
trug, Bedingung und geheimen Hinderniſſen in 
foro eonscientiae) erweitert und die kirchliche 
Macht weiter ausgedehnt (Heinrich VIII. und 
Katharina). Die freie Form der Eheſchließung im 
römischen Rechte blieb auch in der Kirche gültig, 
obgleich eine kirchliche Einjegnung der geſchloſſe— 
nen Ehe und eine fürbittende — der Ge⸗ 
meinde naturgemäß ſehr alt iſt und ſich an die 
ſpütere jüdiſche Hochzeitsfeier angeſchloſſen haben 
wird. Erſt das Tridentinum verordnete, um die 
heimlichen Ehen unmöglich zu machen, daß die 
Cheeinwilligung vor dem Parochus erklärt werden 
müfje (assistentia activa und passiva), ohne 
damit eine heimliche Che für nichtig zu erflären. 
Bei dem ftrengen Verbot der Eheſcheidung mußte, 
wo die Ehe nicht für nichtig erklärt werden fonnte, 
zu dem Austunftsmittel der Trennung von Tiſch 
und Bett gegriffen werden. 

Die evangelijche Kirche bildete, ftreng genoms 
men, fein neues Eherecht, fie erklärte grundfäglich 
die Ehegejeggebung für eine Angelegenheit der 
weltlichen Obrigfeit. Da aber das kanoniſche Recht 
bürgerlic) reeipirt war, wurden in den [utherifchen 
Ländern als Chegerichte an die Stelle der biſchöf— 
lichen die Eonfijtorien eingerichtet, während in der 
reformirten die bez. Fragen von den Synoden 
erörtert wurden. Erſt allmählih ift dann die 
Chegefeggebung völlig in die bürgerliche hinein» 

ezogen. Dadurh find die Ehehinderniffe be— 
—* und durch die geſetzliche Bedingung einer 
vorgeſchriebenen Form der Eheſchließung heim— 
liche Ehen überhaupt unmöglich gemacht. In den 
deutſchen Staaten wurde durch die Geſetzgebung 
die prieſterliche Trauung als einzige Form der 
Eheſchließung hingeſtellt, während in Schottland 
und Holland die ältere Form rechtsbeſtändig ge— 
blieben iſt. Vgl. d. Art. Civilehe. 

Verſchieden von der Scheidung iſt die Annul⸗ 
lirung "iner Ehe sententia divortii, wenn diefelbe 
förmlich gefchlofjen worden ift, obgleih ihr ein 
trennendes Hindernis entgegenjtand, matrimo- 
nium putativum. Bei der Arnullirung wird aber 
die Che bis zum Urtheil in Bezug auf die Rechte 
der Gatten und der Kinder ald eine rechtmäßige 
angenommen. 

Eheicheidung. Das fatholifche Kirchenrecht fennt 
eigentlid) feine andere Scheidung der Ehe als durch 
den Tod; dagegen kann in beftimmten Fällen, wo 
ein Gatte e8 an den Borausjegungen der ehelichen 
Lebensgemeinſchaft fehlen läßt, richterlicyes Ur— 
theil das Zufammenleben aufheben: Trennung 
von Tiſch und Bett. Das evangelifhe Eherecht 
fennt die legtere nicht, wohl aber eine temporäre 
Trennung, der die Scheidung oder die Verjühnung 
folgt. Die evangelifche Kirche, nicht gebunden durch 
einen Sacramentsbegriff, hat ber bürgerlichen Ge» 
feggebung die Aufftellung von Scheidungsgründen 
überlaffen müſſen; fie fann fid) nur darauf be: 
ſchränken, die Unlöslichkeit des Chebundes als fitt: 
lie und religiöfe Forderung binzuftellen. Sie 
verjchließt jich aber nicht der Anerfennung, dag 


fi) aber das Hecht der Dispenjationen vor, wel: durch Ehebruch, — — und dem Gleich⸗ 


ches um jo nothwendiger war, als durch die Auf: | 
Gaͤtten feine Freiheit wiedergegeben wird, d. h. 


ſiellung der geiftlichen Verwandtſchaft die Colli⸗ 


jtehendes die Ehe wirtlich gelöft und dem andern 


. Ehre 


natürlich nicht nad) eigenem Exrmeflen, fondern 
durch richterliches Urtheil. In der Frage, ob Ge: 
ſchiedenen eine neue Che zu gejtatten be, ift von 
einem Standpunft, der in.der Che mehr das reli- 

iöfe und firliche, ald das natürlichefittliche In— 

itut fah, eine GStreitfrage erhoben, die durch 

achſicht gegen individuelle —— Anſicht und 
durch Ueberzeugung von den Mängeln der bürger: 
lihen Gefeggebung noch mehr vermwidelt ift, und 
in Preußen dadurch eine vorläufige Töfung erhal: 
ten hat, daß in jedem einzelnen Fall die Erlaub: 
niß der Wiederverheirathung vom Oberlirhenrath 
nachgeſucht werden ſoll. So hat es aud) in der 
evangeliſchen Kirche aus falfchen asketiſchen Grün: 
den an offenem und verdedtem Widerjprud) gegen 
die Raturfeite der Ehe niemals gefehlt (Hoch, Ar: 
nold, Zinzendorf, der Pietismus). 

Ehre ift die Anerkennung der individuellen 
Berjönlichkeit jeitend der Gemeinfhaft. Da die 
Erfüllung der moralifhen Aufgabe an und in der 
Gemeinschaft durch die Ehre bedingt wird, jo er: 
weiſt ſich dieje als ein Gut, defjen —— eine 
criſtliche Pflicht iſt. Zu unterſcheiden iſt die bür⸗ 
gerliche Ehre, die am bürgerlichen Stand und Be— 
ruf hängt. In Collifionäfällen ift dieje zu opfern, 
um die wahre Ehre zu bewahren. 

Ehud. Der Rupie Richt. 3, 12 f. Erfchlug den 
Rocbiterfürften Eglon, der Iſrael 18 Jahre tri- 
butpflichtig gemacht hatte, in feinem Balajte und 
beſegte dann die des Führers beraubten Moabiter 
u der Spike ded Stammes Ephraim. 

Eige. Die Eiche war in Paläjtina nicht felten. 
Die Eihenwälder Baſans werden erwähnt Jeſ. 
2,13, €. 27, 6; Zach. 11, 2; außerdem einzelne 
Eiden, denen bejondere Namen beigelegt waren, 
Riht. 9,6; 1. Sam. 10,3. Unter Eichen wurde 
— Hoſ. 4, 13; auch wurde Eichenholz mehr: 
ad benugt, Jeſ. 44, 14; Ey. 27,6. Die Stein: 
tihe wird genannt Je. 44, 14; ihr hartes Holz 
eignete ſich zu geſchnitzten Götzenbildern. 
Eichgrund. 1. Sam. 17,2.19; 21, 9. Ein Thal 
im Stamme Juda unweit Sodo und Nijela, be- 
ruhmt durch den Kampf Davids mit Goliath. Der 
von der Tradition bezeichnete Drt bei Beit:Hanina 
kimmt nicht zu den biblijchen Angaben ; Robinfon 
meint, jiewiejen aufdas Afazienthalbei Shuweikeh. 

Eichhorn, Johann Gottfried. Geb. am 16. Det. 
1752 zu Dörrenzimmern in Hohenlohe:Dehringen. 
Eohn eines Predigers, ftudirte er in Göttingen 
1770—74, ward Nector zu Ohrdruff, 1775 Pro: 
feffor der orientaliihen Sprachen zu Jena, 1788 
Brofefior der Philojophie in Göttingen. + 27. Juni 
1327. Außer vielen völfergefhichtlichen und !ite: 
tarbiftorischen Arbeiten wandte er fid) vorzugs: 
»ene der bibliſchen Wiſſenſchaft zu. Repertorium 
für bibliſche und morgenländifde Literatur, 18 
Öde., Leipzig 1777—&6; Allgemeine Bibliothet 
der bibliſchen Literatur, 1787—1803, und gab 
nad) manchen Borarbeitenjeine Einleitung ins Alte 
Zeftament, 1781—83, 4. Auög. 1825, heraus, ins 
Reue Teftament 1804—14, 2. Ausg. 1327. Da er 
die Bibel weniger alö Urkunde einer göttlichen 
Offenbarung, denn als eineliterarifche Schheining 
behandelt, ß ftrebt er darnad), fie aus den Ans 
hauungen und der Dentart der alten Welt zu 
erlären. Seine Refultate find von jpätern For: 
ISungen nicht immer aufrecht gehalten, aber die 
son ihm eröfinete Bahn Hat zu befjerer Erkennt: 
aiß leiten helfen, 


211 


Eid 


Eichhorn, Karl Friedrich. Sohn des Vorigen. 
Geb.am 20. Nov. 1781 zu Jena, ſtudirte er ſeit 1797 
in Göttingen Rechte und habilitirte ſich dort 1803. 
1805 o. Profeſſor zu Frankfurt, 1811 zu Berlin, 
machte er die zreiheitöfriege mit und kehrte als Ritt⸗ 
meiſter zurück. 1817 Profeſſor in Göttingen, gab 
er das Amt 1829 aus Gejundheitsrüdjichten auf, 
mar 1831—47 geh. Obertribunalärath, Mitglied 
der Gejeggebungs:Commiffion in Berlin und zog 
fi 1847 aurüd. + 1854. Seinen Ruf hat er durd) 
bahnbrechende Forſchungen auf dem Gebiete des 
Rechts: und Staatslebend gewonnen. Für die 
Theologie ift er wichtig durch fein Werf „Grunds» 
füge des Kirchenrechts der Evang. und Kath. in 
Deutſchland“, 1831—33, 

Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich. Preußi: 
ſcher Eultusminifter. Geb. zu Wertheim am 2. 
März 1779, ftudirte er in Göttingen 1795—98, 
ward 1801 Auditeur im preußifchen Dienft, 1806 
Afjeffor am Kammergericht. Offizier während der 
Befreiungsfriege, dann unter Stein Mitglied der 
Gentralregierung der eroberten Länder, ward er 
Ipäter im Ninifterium des Auswärtigen angeftellt, 
wo er wirlſam die deutjchen Snteceilen (Stiftung 
bes Zollvereins ac.) förderte, bis ihn 1840 Friedrich 
Wilhelm IV. zum Minifter berief. Die Beſtrebun— 
gen des edeln, mit Stein und Schleiermadjer enge 
verbundenen Mannes, die da3 Ziel im Auge hatten, 
die kirchliche Verwaltung aus den polizeilichen 
Banden des Staaied zu befreien und eine eigent: 
ih kirchliche Verfaſſung herzuſtellen, ſcheiterten 
indeß ſtets an der Halbheit der ergriffenen Maß— 
regeln, da das Miniſterium an wirklich liberaler 
Entſchiedenheit ſtets durch die Furcht gehindert 
war, die Kirche werde, der ſorglichen Pflege des 
chriſtlichen Staates entnommen, rettungslos einem 
antichriſtlichen Geiſte verfallen. Von allen Par— 
teien mißtrauiſch angeſehen, verlor Eichhorn 1848 
durch den Märzaufſtand ſein Miniſterium. 7 16. 
Januar 1856. 

Eichſtädt. Bisthum in Bayern. Den Grund 
und Boden des Ortes Eichſtädt erhielt Bonifacius 
zum Geſchenk von einem bayriſchen Edeln und er: 
richtete dort ein Kloſter, dem fein Neffe Willibald 
als Abt vorftand. Ihn weihte er 741 zum Biſchof 
und 745 wurde das Bisthum durd) Karlmann be= 
ftätigt. Bei erweitertem Befig wurden die Bijchöfe 
Reichsfürften. In der Reformation verlor das 
Bisthum die Hälfte feines Sprengels, der erjt 
durch die Gegenreformation von Neuburg wieder 
erweitert wurde. Der Reihsdeputationshaupt: 
ſchluß jäcularifirte das Bisthum, und wies es zur 
Hälfte dem Großherzeg von Toskana als Entſchä— 
digung zu. Die Circumjeriptionsbulle von 1821 
hat jene Grenzen ziemlidy im alten Umfange ber: 
geteilt, 

Eid. Der Eid ift eine feierliche Anrufung Got: 
tes als Zeugen der Wahrheit, bei welcher die Ge: 
meinfchaft des Schwörenden mit Gott als Bürg— 
ſchaft der Wahrheit eingefegt wird. Die gewöhn— 
lihe Formel ift: „So wahr mir Gott helfe und 
jein heilige Evangelium,“ oder bei Katholiken: 
„Durch Jeſum Ehriftum, Amen.” Dem Eide wie 
vor Alters eine Verwünſchungsformel beizufügen, 
entipricht nicht dem chriſtlichen Geifte. Die Bedin: 
gungen, unter welchen der Eid zuläfjig jei (gegen 
Diennoniten u. A.), faßt man nach Hieronymus in 
die Worte zufammen: in judicio, iu justitia, 
in veritate; nämlich die nr a a des 


Eid bei den Hebräern 


Schmwörenden, die Bedeutung und Eideswürdigkeit 
der Sache und die Wahrheit And die Borausfegun: 

en des Eides, der daher auch nur von der Obrig— 
eit gefordert werden kann. Dem Eide vorher gebt 
in der Regel die Eidesvermahnung, melde die Be: 
deutung deffelben und die Folgen des Meineides 
dem Schwörenden vorzuhalten hat. Der Eid ift 
entweder afjertorifch, durch welchen etwas ald wahr 
verfichert wird, oder promifjorifch, welcher ſich auf 
zufünftige Treue und Wahrheit bezieht, z. B. 
ber Amtseid. 

Eid bei den Hebrüern. Obmohl De in ber 
Patriarchenzeitund fpäter der Eid im Verkehr öfter 
vorlam, 1. Mof. 24, 37; Joſ. 9, 15; 2. Sam. 15, 
21; 2. Kön. 11,4; 1. Malt. 7,15; Mid. 14, 7, 
ß verordnet doch das Geſetz die Anwendung dei: 
elben in nur ſehr wenigen Fällen, 2. Moſ. 22, 6. 
11; 3. Mof. 5, 28; 4. Moſ. 5, 19 f. Bei andern 
Göttern zu ſchwören ala bei Jahoe, war natürlic) 
offenbarer Gögendienft und verboten, Jer.5,7; 12, 
16; Am.8,14. UmdieRennung und den Mißbrauch 
des Namens Gottes zu vermeiden, ſchwur man oft 
bei irgend etwas Ehrwürdigem oder Furchtbarem, 
dem Xeben deö Königs, beim Himmel oder Jeru: 
Ben 1.Sam.20,3; 25,26; Matth.5,34; 23,16, 

em Eide, namentlich dem feierlichen, fügte man 
Verwünfhungsformeln bei, die bei den jpätern 
Juden zu fhredlihen Formeln wurden. Der Eid 
wurde dem Schwörenden vorgefagt und von ihm 
mit dem Amen, 4. Mof.5,19, oder ähnlich, Datth. 
26, 63. 64, angenommen, babei pflegte man noch 
die Hände gen Himmel zu heben. Der Gebraud 
1. Mof. 24, 2; 47, 24 erflärt fich, —— von 
ber religiöfen Bedeutung der Beſchneidung, durch 
den Werth, den die Nachkommenſchaft hat, viel: 
leicht mit der Nebenbeziehung, ſich der Rache der: 
felben zu unterwerfen. Der Leichtfertigkeit der Ju: 
den beim Gebraud) des Eides gegenüber enthielten 
bie Eſſener ſich deſſelben gänzlich. 

Eideshelfer. Das altdeutt e Recht verlangte, 
daß beim gerichtlichen Eide er und Vers 
wanbte, deren Zahlmit der Bedeutung des Streit: 
an wer wuchs, injofern an dem Eide deö 

chwörenden ſich betheiligten, ald fie jchwören 
mußten, die Ueberzeugung zu haben, daß jeine 
Betheuerung ee fei. Es iſt ungemwiß, ob dieſe 
Eideöhelfer ein Reft des vordriftlihen Berichts: 
verfahreng waren, ober ob das Ghriftenthum die 
Sitte hervorgerufen hatte. 

Eifer. Wenn das Streben des Menfchen nad 
einem Ziele hin begleitet ift von einer gemüthlichen 
—— ſo entſteht der Eifer. Er iſt alſo Pa— 
thos, Leidenſchaft im guten und im ſchlimmen 
Sinne. Iſt das Streben ein gutes, ſo iſt auch der 
Eifer, welcher ſich an den Widerſtänden, die der 
Erreihung des Zieles entgegenſtehen, entzundet, 
ein fittlich gerechtfertigter, ja gebotener. Joh. 2, 
17 (Pf. 69, 10); 2. Kor. 11,2; ®f. 119, 139; 1. 
Kön. 19, 10; 20, 16; 1. Matt. 2, 24. 25. In die: 
jem Sinne wird im Alten Teftament der Eifer 
auch auf Gott übertragen, Bi. 79, 5; Jef. 9, 7; 
63, 15; Ez. 16, 38; Zeph. 1, 18. Eifer wird zum 
—— wenn er ſich blindlings auf ſein Ziel 

sſtürzt und alle anderen nicht minder berechtig« 
ten, aber die unmittelbare Erreichung jenes Zieles 
verzögernden fittlichen Pflichten unterdrüdt. J 
dagegen das Streben ein ſittlich verkehrtes, jo iſt 
auch der Eifer als Entzündung einer ſinnlichen 
oder ſelbſtſüchtigen Leidenſchaft ung verwerflich, 


212 


Eigenſchaften Gottes 


Röm. 10, 2; Gal. 4, 17; Apftg. 5,17; Phil. 8,6; 
1. Kor. 5, 3; Hiob 5, 2. 

Eiferopfer, 4. Mof. 5, 11—31, war jeinem gan: 
zen Wejen nad) ein Ordal oder Öotteäurtheil, die 
einzige Spur, die davon in der Schrift ſich findet. 
Es bildete ven Schuß des Familienlebeng, indem 
es nicht nur dem Weibe- die Strafe Gottes vor: 
> fondern auch zwifchen den Verdacht und den 

orn ded Mannes zum Schuß der Frau vor un: 
verdienter leivenfchaftliher Rache trat. Die Frau, 
welche im Verdacht des Ehebruchs ftand, wurde 
vom Manne in den Vorhof geführt und mußte 
nad) —— Opfer einen Becher Waſſer 
mit Staub der Stiftshütte trinken, welches nad) 
dem dabei geſprochenen Fluche die Wirkung haben 
ſollte, „ven Bauch ſchwellen und die Hüfte verfal 
len zu machen.“ Da naturgemäß die vorauägejeßte 
Wirkung immer feltener eintrat, fo fanden die 
Rabbinen auch Gründe, melde > aufhoben oder 
verzögerten (gieige Schuld des Mannes oder ver: 
dienftvolle Werke des Weibes). Der Gebraud 
hörte vor ber aa, Jeruſalems auf. 

Eiferſucht iſt die ſelbſtſüchtige Erregtpeit bes 
Gemüthes, die entfteht, wenn ein Anderer in Befig 
eines Gegenftanded getreten oder zu treten im 
Begriffe iſt oder auch nur fcheint, auf den wir ge: 
rechten Anjpruc erheben zu dürfen glauben. Das 
Letztere fällt beim Neide weg, wodurch diefer fidh 
von der Eiferſucht unterfcheidet. Die Eiferfucht um 
den ehelichen Befigitand, welche gewöhnlich Eifer: 
jucht ſchlechthin genannt wird, kann ein wirklich 
berechtigtes Gefühl verlegter Liebe fein, ift aber 
jelten rein von finnlidfelbitjüchtiger Erregtheit. 

Eigenihaften Gottes bezeichnen die Merkmale, 
deren Einheit den Begriff „Gott“ darftellen, Aus: 
fagen über Gott nad den verjchiedenen Seiten 
bin, welche ung von demfelben zum Bewußtfein 
treten. Die Lehre ift immer eine wichtige gemejen, 
ſowohl als ein Bebürfniß des zergliedernden Ber: 
ftande3, als auch als ein Bedürfniß praftifcher 
Frömmigkeit. Hat ſchon die Scholaſtik dieſe Lehre 
einer ſcharfſinnigen Prüfung unterworfen, ſo 
brachte die proteſtantiſche Dogmatik die Eigen: 
jhaften Gottes in ein Syitem, das durd Voll 
ftändigfeit und Ausbildung des Einzelnen fid 
auszeichnet. Ueber die begrifflihe Faſſung der 
Eigenfhaften Gottes war jhon frühe Streit. Es 
handelte ſich darum, ob diejelben als wir!liche Un: 
terjiede in der göttlihen Subſtanz zu denfen 
jeien, oder ob als bloß logische Unterfcheidungen 
einer und derfelben ununterfchiedenen Subftan;. 
Letzteres ſchien auf einen Gottesbegriff zu führen, 
dent das perjönlic Lebendige des chriſtlichen Got: 
tesbegriffes ermangelte; durch Erſteres jchien die 
fubftanzielle Einheit Gottes aufgehoben und da: 
mit der Letztere verendlicht. Die Shelaftifcen Sy: 
fteme des Thomas von Aquin und des Duns 
Scotus bildeten auch in der Frage nach der reellen 
oder bloß begrifflichen Eriftenz der Eigenfchaften 
Gottes einen principiellen Gegenſatz, indem Tho— 
mas die letztere, Scotus die erftere Anficht ver: 
trat. Thomas ſah in jeder Eigenihaft immer mie, 
der die ganze Subftanz Gottes, die Eigenschaften 
waren ihm nur verſchiedene je nach ver verjchiedenen 
| Betrachtungsweife Gotted. In der Dogmatik der 
evangeliichen Kirche entſchied man fich ebenfalls für 
die Annahme eines bloß begrifflichen Unterſchiedes 
in Gott; der Unterſchied jolite fein „realer“, aber 
| auch fein bloß „nominaler“, ſondern ein „formaler“ 





Eigenſchaften Gottes 218 Eigenſchaften Gottes 


fein, d. 5. eine Unterfheibungdform ber fubjec- geleitet find; d. 5. 1) die Allgegenmwart, melde 
tiven Erfenntni Gottes, welche jedod nicht |auöfpricht, daß von der Sübſtanz Gottes Feine 
Zäuſchung oder Willtür des Denkens ift, ſendern ng deö Raumes ausgefagt werden darf, 
Rothwendigfeit, begründet in der Subftanz Gottes | ferner daß fein Punkt des unendlichen Raumes 
felbft, fo daß ohne fie Gott überhaupt nicht richtig | von der göttlihen Thätigfeit ausgeſchloſſen fei. 
erlannt werden Tann und daß fie in Gott felbtt ‚ Abgeleitet von diefer allgemeinen Eigenſchaft find 
einen objectiv realen Grund hat. Die fubjective | die Eigenfchaften der Unfichtbarkeit, der Untheils 
Betrahtungsmeife der Eigenfhaften Gottes Hat | barkeit, der Einfachheit, welche mit Beziehung auf 
ihre Spitze in Schleiermacher erreicht, welcher die | einzelne Eigenfchaften bes Endlichen aus der „Alls 


bjectivität derjelben ſchlechthin leugnet und die 
öttlihen Eigenschaften nur betrachtet als die ver: 
Ühiebenen rten, dad religiöſe Abhängigkeits: 
gefühl auf Gott zu beziehen; die Unterjchiede lie: 
gen alfo nicht in Gott, fondern in den verſchiede⸗ 
nen Zuftänden, welde die Richtung des Abhän— 


egenwart” Folgerungen ziehen. Bal. Pi. 139, 7; 
er. 23, 23; 1. Tim. 6,16. 2) Eh Ewigkeit, 
welche ausſagt, daß von Gott keine Beſtimmtheit 
der Zeit (zu welcher z. B. die Veränderlichkeit ge— 
— daher nach Diefer Seite hin die abgeleitete 
igenjchaft der Unveränderlichkeit) gilt, ferner, daß 





\ 
i 


gigleitögefühls beftimmen. Da diefe mwefentli | Fein Moment der Zeit ausgeſchloſſen gedacht wer: 


dreierlei de folcde, in welchen fih das legtere 
nur in allgemeiner Beziehung zu Gott überhaupt, 
oder in der Beziehung ber Sünde, oder in ber ber 
Erlöfung befindet, jo haben fi auch die Eigen» 
Keen jelbft nach dieſen Geſichtspunkten claffi- 
irt. — In Betreff der Methode, auf welcher man 
zur Conftruction der Eigenfhaften gelangt, wur: 
den feit Dionyfius Nreopagita immer die drei 
Wege ber Verneinung (via negationis), der Ent- 
ſchränkung (v. eminentiae) und ber Caufalität (v. 
eausalitatis) —— Alle drei gehen vom 
Endllichen aus und ſuchen das Unendliche zu ges 
winnen, theils dadurch, daß vom Endlichen alle 
diejenigen Merkmale, welche endliche Unvollkom— 
menheit in ſich ſchließen, entfernt, theils diejenigen 
Rerlkmale, welche eine relative Volllommenheit in 
1 fließen, ins Abfolute erweitert werden, theila 
es das von Gott auägefagt wird, was zum 
Begriff einer abfoluten Ürſache alles Endlichen 
nothwendig ift. Dagegen wurde vielfach einge: 
wandt (Schleiermader, Glaubensl. I. $. 50, 3), 
daß die Negation niemals pofitive Eigenschaften 
eben könne, die via eminentiae aber in der 
That nicht8 Anderes als wiederum ug are fei, 
da fie auf einem Prozeß fortgefegter Entſchraͤn⸗ 
fung berube. Indeß wurde der lekte Weg von 
Schleiermacher als berechtigt anerfannt. — Die 
Eintheilung der Eigenfchaften Gottes ift jehr ver: 
ſchieden: 1) Eineauf logiſchem Eintheilungsgrund 
A we in: urſprüngliche und abgeleitete. 2) Eine 
fpeculativem Fundamente: immanente sder 
rubende, d. h. Eigenſchaften, welche Gott an fih 
bat, abgejehen von der Beziehung zur Welt, und 
trandcendente oder wirfende, d. h. Eigenidjaften, 
welche das Verhältnif Gottes zur Welt vermitteln. 
3) Auf pſychologiſchem Grunde: z. B. Eigenſchaf⸗ 
ten des Seins, des Wiſſens und Willens, oder 
natürliche (metaphyſiſche) und fittlihe. 4) Bon 
dem Gefichtspunft bes religiöfen Vewußtſeins, 
wie bie oben erwähnte Schleiermacherſche. — Sind 
die —— Gottes Ausſagen, welche aus 
einer Vergleichung des Unendlichen mit dem End: 


den barf von der Wirlfamfeit Gottes, Pf. 90,2F.; 
102, 27, Röm. 1, 23, Bgl. Dorner, Abhandlung 
über die eg Gottes, Jahrb. für 
deutſche Theol., Bd. I, II, II. 3) Die Alimadt, 
welche die Unabhängigkeit Gottes von jeder Urſache 
ausſpricht und Gott ald die Urſache aller Dinge, 
als die abfolute Urfache bezeichnet, 1.Mof.18, 14; 
Zuc. 1,37; Eph. 3, 20 f. Eine Frage, welde ſchon 
von den Scholaftilern beſprochen wurde, ift die, 
ob die Allmacht darin beftehe, daß Gott alles 
Mögliche vollbringen fann, auch das, was er nicht 
wirklich thut, oder ob Wirklichteit und Möglichkeit 
in Gott Eins find. Dem Lehtern, welches Abälard 
behauptete, wurde entgegnet, daß dann bie All: 
madt bejchränft werde; dem Andern, dem der 
Lombarde, Duns Scotus u. A. beiftimmten, baf 
dann die Allmadt als Willkür gefaßt werde. In 
neuerer Zeit hat auch Schleiermader wieder die 
Einheit des Wirklichen und Möglihen behauptet. 
Im entgegengejegtenSinnemwurde von benaltlirchl. 
Dogmatisern auch die Eigenſchaft der Freiheit 
aufgeführt, ald das Vermögen, etwas zu thun oder 
auch nicht zu thun. Ueber das ag ber Als 
macht zum menſchlichen Willen ſ. d. A. Determi⸗ 
nismus, Prädeftination. Bon allen den brei ges 
nannten, fie aufammenfaffend, abgeleitet find die 
Eigenfhaften ver Unendlichkeit und Unermeßlich— 
keit. Als Abftraction aus den intellectuellen Bes 
ftimmtheiten der Creatur Ye folgende Eigens 
fhaften hervor: 1) Allmifjenheit, d. 5. die 
Vedingungen bed menſchlichen Erkennens (j. B. 
Raum, Zeit) finden auf Gott feine Anwendung; 
ferner: die Thätigfeit Gottes ift als eine fchlechts 
bin geiftige zu betrachten (Schleiermader). Als 
eine ſchwierige Aufgabe wurde jhon in der erften 
Hriftlihen Zeit das Berhältniß der Allwiſſenheit 
u der freien Thätigleit des Menſchen betrachtet, 
Indem eine unbeſchränkte Allwiffenheit mit diefer 
Freiheit nicht vereinbar jdien. Schon Juſtin 
und Drigenes beftimmten das Vorauswiſſen freier 
Handlungen als ein Vorausmwiffen derjelben ala 
freier Handlungen und verwahrten fid) gegen bie 


lien, Gottes mit der Welt ſich ergeben, wie das | Sonfequenz, als müßte das Vorauswiſſen auch ein 


in bem angegebenen dreifadhen Wege angedeutet 
fit, fo wird auch der ſicherſte Theilungsgrund in 
Ser DVerfchiedenheit der Beftimmiheiten liegen, 
melde den endlihen Dingen anhaften. Daraus 
ergeben Ki} da die Welt theils die Beftimmtheiten 
des Phyſiſchen, theils die des Intellectuellen, 
theils die des Moralifchen an Bi trägt, drei Claſ⸗ 
fen göttliher Eigenſchaften. Die erfte Glafje ent: 
bält diejenigen, welde von den Beftimmtheiten 


Borausbejtimmen in ſich ſchließen. Gegen den 
Calvinismus, der die Frage zu Ungunjten ber 
menfchlichen freiheit entiheiden mußie, nahm der 
Socinianidmus umgelehrt zu Gunften der legtern 
eine Beſchränkung des göttlichen Wiſſens an. Eine 
ähnliche Annahme — ſich, wenn auch aus ganz 
anderem Grunde, jchon bei Origenes als Folge: 
rung aus dem Begriff des Bewußtſeins, welder 
als folder das Unbefhräntte ausſchließe. Die 


der phyſiſchen Welt, Raum, Zeit, Caufalität, ab: |Intherifche Kirchenlehre hat im Gegenfag zum 


Einbalfamiren 


Calvinismus unterfhieden zwiſchen einem noth: 
wendigen Wiffen, einem freien und einem mittleren, 
welches ein Wiffen des Nothwendigen, des Wirk: 
lihen und des Wöglichen bezeichnet, und die Frei: 
heit neben der Allwiſſenheit retten follte. Bf. 139, 
1f.; Matth. 6, 32; Apftg. 15, 8; 1. Kor. 2, 11. 
at. Dähne, De pracscientiae div. cum libertate 
concordia 1830. 2) Allmweisheit, d. h. die be: 
fchräntenden Bedingungen des menſchlichen Denkens 
finden auf Gott keine Anwendung, und ferner: 
die göttliche Thätigkeit in der Welt iſt die höchſte 
Vernunft, Gott erreicht die volllommenſten Ziele 
mit den einfachiten Mitteln. Röm. 11,33 f. — Als 
Nbitraction aus den Beitimmtheiten der morali: 
ihen Welt ergeben ſich als Eigenſchaften Gottes: 
1) Heiligkeit, d. h. Die Ausfage, daß die Bedin- 
gungen der moralifchen Entwidlung auf Gott nicht 
übertragen werden dürfen, ferner aber, daß bie 
göttliche Thätigkeit ausſchließlich auf die Verwirk— 
lichung des höchſten Guten gerichtet ift. Dieſe all« 
gemeine Eigenjhaft fann nun die Mobdification 
annehmen: 2) der Liebe (Güte, Barmherzigkeit 
u. a.), injofern der genannte Zmwed der göttlichen 
Thätigleit vorwiegend ins Auge gefaßt wird und 
jedes einzelne Moment derjelben cl3 aus diefem 
Zwecke geflofjen gevadyt werden muß; 3) der Ge: 
rechtigteit, infofern man die Thätigfeit ſelbſt 
betradjtet, welche dasjenige, was dem hödjiten 
Guten widerspricht, vernicytet (Strafe), was daf- 
felbe fördert, dagegen entwidelt (Lohn); 4) der 
Wahrhaftigkeit und Treue mit Veziehung 
auf Verheißung und Offenbarung und ihre Erfüls 
lung. Zwifchen den Eigenſchaften der Gerechtigkeit 
und Liebe kann eine Collifion gedadht werden ; aus 
biefer Collifion hat Anjelm von Canterbury als 
nothwendige Zöjung die Genugthuung Chriſti ver: 
langt und die kirchliche Erlöfungälehre begründet. 
Eigenjhaften wie Allvollkommenheit, Seligteit, 
Allgenügjamfeit, Majeftät bilden eine Zufammen: 
faſſung Finmtlicher Eigenschaften entweder an I, 
Allvollkommenheit), oder in ihrer Zujammenfaj- 
* im Selbſtbewußtſein Gottes (Seligkeit, Selbft: 


genügjamteit), oder in ihrer Zufammenfaffung im j 


menschlichen Bewußtſein als Totaleındrud (Maje—⸗ 
ftät). Dal. Böhme, die Lehre von den göttlichen 
Eigenſchaften, 1842; Bruch, Lehre 2c., 1842; Moll, 
De justo attributorum Dei discrimine, 1855. 
Bon Wichtigkeit für die ganze Lehre ift auch die 
oben angeführte Schrift Dorners, 

Einbalfamiren wird in der Bibel nur bei Jalob 
und Zojeph erwähnt; e8 war ägyptifche, nicht jü— 
diſche Sitte, Der Körper wurde 70 Tage in Nitrum 

elegt. Die drei verjchiedenen Weifen der Einbal: 
—— welche Herodot erwähnt, bezogen ſich 
nur auf die Art, die Eingeweide zu entfernen, und 
den Schmuck der Leiche. 

Einfalt als chriſtliche Tugend iſt die Frucht der 
habituellen Richtung des Gemüthes auf Gott, 
weldye die Verſchiedenheit der Lebensthätigkeiten 
ſich unterwirft und fih im Erkennen und Wollen 
jo fundgiebt, daß Beides unbewußt und unabfidt: 
li und unbeirrt dem Göttlicyen folgt. 

Eingebung. 9. Inſpiration. 

Einhard (Eginhard). Geb. um 755, wurde er am 
Hofe Karls des Großen erzogen und der Familie 
deſſelben nicht bloß durch die Nemter alö Auffeher 
der Bauten und Geheimfchreiber verbunden. Zub: 
wig übertrug ihm 814 die Berathung jeines zum 
Yıitregenien erhobenen Sohnes Lothar. Später 


214 Einleisung in das Alte Teftament 


trat E. als Vermittler zwifchen Vater und Sohn 
auf (Reichſtag zu Nymmegen 830). Daß feine 
Gemahlin Karls Tochter geweſen, gehört zur Sage 
Mit mehreren Pfründen begabt, zog er ſich 515 
nad Wündelheim im Odenwald zurüd, wo er dad 
Klojter Seligenftadt gründete, def en Abt er wurde. 
Er fette die Lorſcher Jahrbücher (741—88) fort 
bis 824 und fchrieb das Leben Karls des Großen 
(herausgegeben von Bert, Mon. hist. g. tom. I 
und II); ferner De translatione ss. Marcellini et 
Petri. Er leitete den Bau des Aachener Doms. 
et Gotted. S. Gott. 

Einheit der Kirche. S. Kirche. 

Einhorn überfegt Luther nad der LXX ON 
4. No). 23, 22,5. Mof. 33, 17; Pf. 92, 11 u. 3. 
Es ijt aber nit das fabelhafte Einhorn gemeint, 
fondern mit den Meiften an den Büffel zu denken. 
In der chriſtlichen Thierſymbolik ift das Einhorn 
Sinnbild der Menſchwerdung Chrifti, auch der 
jungfräulihen Keufchheit. 

— in die Bibel iſt diejenige theolo— 
giſche Wiſſenſchaft, welche ſich mit der Entftehung 
des Kanons im Einzelnen und Ganzen beſchäftigt 
und die über dieſen Gegenſtand geſammeiten Ers 
tenntniffe ſyſtematiſch ordnet. Der Name findet 
fi zuerft bei Adrianus (5. Jahrh.), dann, bei 
Gaffiodor u. ö., ftatt defjelben wird auch Iſagogik 
gebraudt. Eine andere Bezeichnung ift "deihidte 
der heiligen Schriften” (Reuß) ; eine ältere critica 
sacra. Die Wiffenfchaft theilt fi in eine allge: 
meine Einleitung, welche die Bildung des Kanons, 
die Geſchichte des Textes, die Ueberjegungen und 
andere allgemeine Borfragen behandelt, und die 
fpecielle, melde die Entftehung der einzelnen 
Schriften erörtert. Der allgemeine Theil geht 
bald voraus, bald folgt er nach, je nahdem der 
Geſichtspunlt ein mehr ſachlicher oder geſchicht⸗ 
licher ift. Die Frage, ob die Einleitung eine wirk— 
liche Wiſſenſchaft ik, welche ve Wette verneinthat, 
ift jeßt allgemein bejaht (Erebner, Reuß). Der 
Charalter ver Wiſſenſchaft iſt ein hiftorifch = Iritis 
her. Naturgemäß zerfällt fie in eine Einfeitun 
ind Alte und eine ind Neue Teftament. Bal. 
Hupfeld, Ueber Begriff und Methode der og. * 
Einl., 1844. Rudelbach, Ueber den Begriff ber 
neut. Theologie und der neut. Iſagogik, in ſ. 
Ztſchr., 1848. Baur, Theol. Jahrb., 1850. De: 
lͤtzſch, Zeitſchr. für Prot., 1854. Holtzmann, Stud. 
u. Krit., 1860, 


Einleitung in das Alte Teftament. In ber älte: 
ren Zeit findet fid) der Stoff der Wiſſenſchaft zer: 
ftreut bei Kirchenvätern wie Drigenes, Dierony> 
mus, Auguftin (De doctrina christiana), Caifio: 
dorus (Institutiones divinarum literarum), wel: 
cher Letztere für dad Mittelalter als Duelle galt. 
Grit die Reformationgzeit wedte ein größeres 
Intereffe an diefen Fragen. Ihre Behandlung 
von fatholifcher Seite, 3. B. von Santes PBagni: 
nus Zucenfis(F 1541), rief die proteftantifche Thä— 
tigkeit hervor. Neben den von den Buztorffen und 
Gappel (f. diefe Art.) behandelten tertiritiichen 
Fragen find hervorzuheben Brian Walton’s (+ 
1661) Prolegomena zu der Bolyglottenbibel, 1057, 
In diefelbe Zeit gehören die Werle von Mic. 
Walther (Officina biblica 1636), J. Heinr. 
Heidegger (Enchiridion biblicum 1681) und 5. 
Heinr. Hottinger (Thesaurus philologicus 1649). 
Die Entfiehung der Wiſſenſchäft als ſolcher datirt 


Einleitung in bas Neue Teftament 215 


ih von dem Katholiten Richard Simon, deſſen 
Histoire critique du V. Test. 1678 Bahn brad), 
tem Carpzov in einer Introductio ad libros can. 
1721 entgegentrat, defjen Kritik jedoch Semler 
auf deutichen Boden verpflangte (Abh. von freier 
Unterj. des Kanons, 1771. Apparatus ad libera- 
lem V. T. interpret. 1773). Die eigentliche 
Ausbildung der Wiffenfhaft gehört Joh. Gottfr. 
Eichhorn an, der, von Herderſchen Ideen getragen, 
ſeine Einleitung in das X. T. 1780—83 gen 
gab. Es folgten: ©. 2. Bauer, Entwurf einer 
trit. Einl. in die Schriften des A. T., 1794. 
Leonh. Bertholdt, Hift. krit. une pe fänmt: 
ide fanon. u. apokr. Schriften des A. u. NR. T., 
1812—19. De Wette, Lehrbud der hift. krit. 
Einl. in die Bibel A. und N. T., erſter Theil, die 
Einleitung in das A. T. enthaltend, 1817, 7. Aufl. 
1852; zweiter Theil, die Ein. in das N. T. ent: 
haltend, 1826, 5. Aufl. 1848, 6. Aufl. durch Me: 
ner 1860, Beiträge zur Einl. ins X. T., 2 Bbe,, 
1806, 1807. Gegen die Fritifche Richtung mit apos 
logetiiger Tendenz: Hengjtenberg, Beiträge zur 
Ein. ins A. T.,1831—1839. Hävernid, Handbud 
der hiſt. krit. Einl. 1837 ff. oe dritten ober 
legten Theil (Erlangen 1849) €. F. Keil ausarbei: 
tete, Keil, Lehrbuch der hiſt. krit. Einl., 1853. 
Aus neuefter Zeit find zu nennen: Bleet, Einl. ind 
A. T., herausg. von J. F. Bleel und N. Kamp— 
haufen 1860, 2. Aufl. 1865, — Specielle 
Eini. in die kanon. Bücher des A. T., 1862. Bon 
en Arbeiten find zu nennen: Jahn, Binl. 
in die göttl. Bücher des A. T., 1793. Scholz, 
Einl. in die heil. Schriften, 1845. Haneberg, Ber: 
ſuch einer Geſch. der bibl. Offenbarung, 1850. 
Ze Zehrb. der Einl. in das A. T., 1859. Bal. 
Tieftel, Ueber den gegenw. Stand ber Einl. ins 
A. T. in der Deutſchen Ztſchr. für griftl. Wiſſenſch. 
u, Leben, 1861. 

Einleitung in dad Neue Teſtament. Ueber die 
Geſchichte der neuteftamentlichen Einleitung val. 
dasjenige, was über die Einleitung in das x 
gejagt iſt bis auf den Beginn der kritifchen Rich: 
tung in Richard Simon, deſſen Histoire critigue 
du texte du N. Test. 1689 hierher gehört; unb 
Semler, Ueber die Textkritik ſ. d. Art. Bibeltert. 
Sender folgten auf pofitiverem Standpunlt 9. 
D. Michaelis, Einl. ins N. T. 1750, auf gleich 
kitiihem Eichhorn, Einl. ins N. T. 1504. Hier: 
auf entjtehen raſch nad) einander einige den gan: 

en iſagogiſchen Stoff umfafjende Arbeiten: von 

Sinn (Handb, der Einl. ins N. T. 1794), 

chmidt (Hiſt.⸗krit. Einl. ind N. T. 1804), dem 
Katholiten Hug (Einl. u. ſ. w. 1806), Bertholdt 
(j. d. vor. Art.). Am ausgeprägteften tritt der kri⸗ 
tiſche Zmweifel in de Wette auf (ſ. d. vor. Art.), 
gegen welchen fid) Guerifc wendet in feinen Beiträ- 

en zur hijt.sfrit. Einl;, 1828. Auf vermittelndem 
Standpunkt ſtehen Schott (Isagoge 1830), Neu: 
beder (Lehrb. 1840), Gredner (Einl. 1836. Ge: 
ſchichte des neut. Kanons 1860), von denen Legte: 
ter der wiſſenſchaftlich hervorragendfte ift. Im 
tonfervativen Intereſſe Schreibt Olshauſen feinen 
Rachweis der Echtheit ſämmtlicher Schriften des N. 
T. 1832; im Geiſte de Wette's, Reuß, die Geſchichte 
der h. Schriften N. T. 1842, 4. Ausg. 1864. Eine 
—* rg auf kritiſchem Gebiete rief die 

08: Tübinger Schule (Baur, Schwegler, Seiler, 
Köitlin, Hilgenfeld u. A.) mit ihrer jog. Tendenz: 
Iritif hervor, welde die Schriften des N. T. als 





Eiteharb 


Auaflüffe des Parteilebend der zwei erften chriſt⸗ 
lihen Jahrhunderte betrachtete, die meiften der» 
felben für unecht erllärte und ihre Abfaffung 
in jpäte Zeit herabrüdte. Der grobe literarische 
Kampf, der in Folge davon entftand, hat zwar 
feine hier zu erwähnende allgemeine ifagogifce 
Arbeit hervorgebradt, aber zahlreih find bie 
Schriften und Örgenjchriften, melde die einzelnen, 
bejonders die Evangelien betreffenden Fragen an: 
langen (f. die Artifel über die einzelnen — 
mentlichen Schriften; ferner Baur, Tübinger 
Schule, Apoftolifches —— Neuere Werke 
über die Einl. ſind: Guerile, u 
des N. T. 1854; Bleek, Einl. ind N. T. 1862. 
2. Aufl. 1866. Katholifhe: Maier, Einl, 1862; 
Reithmayr, Einl. 1852, 

Einfegnung. ©. Trauung. 

Einfiedeln. Mariae E. Benedictinerftift im 
Canton Do. Erbaut durch den Domprobft 
Eberhard von Straßburg 946, nad ber frühern 
Anfiedlung Benno’s von Straßburg. Da die Abtei 
das wunderthätige Marienbild des h. Meinrab, bei 
deſſen Zelle fie erbaut ift, bewahrte, ward E. ein ſehr 
bejuchter Wallfahrtöort, der in der Zahl der Pipe 
auf Zoretto und San ago di Compoftella folgt 
Hauptfefttag (Engelmweihe) ift, wenn der 14. Sept. 
auf einen Sonntag fällt. Daß gegenwärtig auf: 

eftellte Marienbild ift aber unecht, das echte ent: 
übrten bie Franzoſen nach Baris. Einfiedeln war 
fehr rei), und 1274 hatte der Abt die Reichs: 
fürftenwürde erhalten. Noch jegt iſt das Stift 
erempt, der Abt wird präconifirt. Zwingli war 
Leutpriefter zu E. und begann bier feine Predig- 
ten gegen den Ablaß. ©. ift der Geburtsort des 
Paracelfus. Vgl. Landolt, Urfprung und erfte Ge: 
"taltung des Stifts M. E. 1845. 

Einfiedler. Das Möndsthum, welches aus 
dem Einfieblerwejen (ſ. d. A. Anachoreten) ent: 
ftanden ift, wandte ſich wiederholt und in mander: 
lei Abftufungen behufs Verſchärfung feiner Askeſe 
u demfelben zurüd. So gab es völlige Einftedler: 

rden, oder auch innerhalb des Ordens Eremiten: 
Vereine. Häufig blieb aber nur der Name der E. 
und einige Gebräuche (Auguftiner: Eremiten), 
mandmal wurde nur zum Bau des Kloſters ein 
—— Ort erwählt. 

iſenach. Dem deutſchen Proteſtantismus iſt 
die Stadt für immer durch Luthers Aufenthalt 
auf der nahen Wartburg von Wichtigkeit geworden. 
Dieſer hiſtoriſchen Beziehung wegen ift’he neuer: 
dings der Sig der evangeliſchen Kirchenconferenz 
ſowie anderer kirchlicher eg geworden. 

Eijenmenger, Joh. Andread. Geb. 1654 zu 
Mannheim, war Regiftrator der kurfürſtlichen 
Kanzlei zu Mannheim, feit 1700 Brofeflor der 
orientalifhen Sprachen zu Heidelberg. Er ift der 
Verfaſſer des berühmten Buches: Entdedted Jus 
benthun, deſſen Herausgabe nad beendigtem 
Drude vom Kaiſer auf Betreiben der Juden 
— wurde, bis Friedrich J. eine neue 

uflage, Königsberg 1711, veranftaltete. Das 
Wert ift zwar nicht unbefangen, aber mit viel 
Gelehrjamtleit gefchrieben und ift noch immer eine 
Duelle für die Kenntniß der Verirrungen des 
mittelalterlihen Judenthums. 

Eisleben. Der Geburts: und Sterbeort Lu: 
thers. Gab dem Agricola feinen Zunamen. 

Ellchard. Diefen Namen führen 5 Mönde 
von St.Gallen. Etlehard I. + 973, Vorfteher der 


Efron 


Schule und fpäter Decan des Klofterd. Hinterließ 
Hymnen und Sequenzen, ſchrieb Vita Waltharüi 
und erwarb ſich Berdienfte um die deutſche Sage. 
— €. II, des Borigen Neffe. Gleihfalld Bor: 
Er ber Schule. War längere Zeit Lehrer und 

erather der Herzogin — von Schwaben auf 
De ea Dtto'sl.und Erzieher Dtto’s 

I. + 990 als Domprobft von Mainz. — E. II. 
ftand gleichfalls im Rufe großer Gelehrſamkeit; von 
Hohentwiel, wohin er E. IL begleitet hatte, kehrte 
er nah St. allen zurück und ftarb dort ald Decan. 
— €. IV. oder jun. Geb. 980 und in St. Gallen 
erzogen, überlam er die Leitung der Rlofterjchule 
zu Mainz. Er verbeflerte die Werte E. J., ſam— 
melte im Liber benedictionum geiftliche Gedichte 
und führte die von Ratpertus begonnene Chronik 
des Klofterd St. Gallen von 883 — 971 fort. + 
1036. (Casus 8. Galli; ®er&, Mon. hist. II.) — 
€. V. Schrieb um 1210 ein Leben bes 5. Notfer, 
welches aber ohne Werth ift. 

Efron, jegt Dorf Atir bei Jamnia. Eine Haupt: 
er der Philiſter, of. 13, 3, mit einem Orafel 

28 Baal Sebub, 2. Kön. 1, 2 f., war nur vorüber: 
gehend von den Iſraeliten erobert, Richt. 1, 18 f. 
Später jhenfte Alerander Balad die Stabt an 
Sonathan. 1. Matt. 10, 89. 

Elftafe. S. Verzüdung. 

Ein. LZuth.: Ella. Der Sohn Baëſa's, ward 
im zweiten Jahre feiner Regierung zu Thirza von 
Simri erjdlagen, der das Haus Buefa’s gänzlich 
außsrottete. 1. Kön. 16, 8—14, 

Elam ift Elymais jenſelts des Tigris, durch 
ben Fluß Eulaeus von Sufiana getrennt. Beide 
Zandidaften find einander fo nahe verbunden, 
daß nicht felten die eine unter der andern mitbe: 
griffen wird. Dan. 8,2. Eine Stedt Elymais, 

. Mafl. 6, 1. 2, gab es nicht, wahrſcheinlich Liegt 
ein Mißverſtändniß vor, da nad) den Brofan- 
ſchriftſtellern Antiochus im Lande Elymais einen 
Tempel zerftörte. Rad) Jerem. 25, 25; ef. 21, 2 
muß Elam aud) in fpäterer Zeit eine gewiſſe Selb: 
ftändigfeit behauptet haben. Bon den Afiyrern 
unterworfen, wurde ein Theil des Volkes nad 
Samarien verpfianzt, Esra 4, 9, und an deren 
Stelle Juden nad) Elam, Apftg. 2, 9, deportirt. 

Elath. 5. Moj. 2, 8; Eloth 1. Kön. 9, 26; 
2. Kön. 16, 6. Alla» Terebinthenhain. Am Aela⸗ 
nitiihen Meerbujen am ſüdlichen Ausgang der 
Arabah (El:Ghor) in der Nähe von Ezeon:Geber. 
Urjprünglid eine Stadt der Edomiter, fiel fie 
durch David an Sirael, 2. Sam. 8, 14, und wurde 
ae der indischen Handels, 1. Kön. 9, 26; 

2, 49. Nach dem Abfall der Edomiter unter 
Joram blieb die Stadt anfdeinend in der Hand 
ber Siraeliten, 2. Kön. 14, 7. 22, bis fie unter 
Ahas durch Rezin von Syrien verloren ging, 
2. Kön. 16,6. Zur Römerzeit war €. befejtigt 
und zu Paläftina gerechnet; für den Handel wid): 
tig. Es wird erwähnt als Sig eines Bifchofs. 
zer ift ein Kaſtell Alaba der einzige Ueberreſt der 

tadt. 

Elberfeld-Varmen. S. d. Art. Wupperthal. 

Elbodugus, Biſchof von Guenedotia, führte die 
römiſche Oſterfeier bei den Britten ein um 768. 

Eidad uiid Medad. Die zwei Nelteften, 4. Moſ. 
11, 26, welche im Lager weifjagten. Ein apo: 
kryphiſches Bud) Eldad und Medad wird im 


irt 
bes permas I. 2, 3, unter den heiligen Sören | 


citirt, ijt aber ſonſt nicht bekannt, 


216 


Elevation 


Eleale, Moabiterftadt, Jeſ. 15, 4; 16, 9; Ser. 
18, 34, gehörte eine Zeitlang dem Stamme Ruben, 
4. Moſ. 32, 37. Lag unmeit Hesbon und ift bad 
heutige El⸗Al. 

Eleaſa. Hier fiel Judas Makkabäus, 1. Makt. 
9,5; der Drt ift jonjt unbelannt, lag aber im 
N. von Jeruſalem. 

Eleafar. 1) Aarons dritter Sohn, 4.Mof. 3, 32; 
4, 16; 19, 3, und fein Nachfolger im Hohepriefter» 
amt, welches bei feinem Gejchlechte big auf Onias 
blieb, 1. Malk. 14, 85. — 2) Sohn bes Abinadab, 
1. Sam. 7,1, Hüter der Bundeslade in Kirjath: 
Jearim. — 3) Sohn des Dodai. Einer der drei 
Helden Davids, der 16 im Kampf $ en bie — * 
liſter auszeichnete, 2. Sam. 23, + 1. Chr. 
11, 12. — 4) Der Sohn des Mattathias, 1. Mafk. 
2,5, mit dem Beinamen Auran, defjen Helden: 
that 1. Maft. 6, 43 ff. erzählt wird. — 5) Ein 
Schriftgelehrter, der unter Antiochus Epiphanes 
den Märtyrertod erlitt, 2. Maff. 6, 18—31. Ans 
bere Männer diefed Namens 1. Chr. 24, 21. 22; 
25, 28; Matth. 1, 15 und bei Jofephus als Füh—⸗ 
ter im jübifchen Kriege. 

Elerti. S. Katehumenen, 

Element nennt die dogmatifhe Sprache ben 
—— Stoff des Sacramentes nad) zu. 

ort: „das Sacrament entjteht, wenn dad Wort 
zum Element herzutritt.” Das Element der Taufe 
ift dad Waffer, des Abendmahls Brod und Wein, 

Elendtit. S. Polemik. 

Elendsgilden. Die Geſammtbezeichnung der 
Brüderſchaften, welche ſich die Pflege der Armen 
und Fremden zur Aufgabe geſtellt hatten. 

Eleph. Stadt in Benjamin, Joſ. 18, 28. 

Elephant. Die Seleuciden bedienten fi in 
den Kämpfen mit den Juden der Glephanten, 
1. Malt. 1,17; 6, 34 ff.; 2. Mall. 11,4; 13, 2; 
15, 20; nad) der Gewohnheit, die feit Alexander 
d. Gr, von den Berjern übernommen war. Elfen: 
bein war früher befonnt, da e8 aus Ophir unb 
duch die Tyrer den Jiraeliten zugeführt wurde. 
Man benugte es zur Berzierung der, Wände (Pf. 
45, 9) und koſtbarer Mobilien und verfertinte 
Gefäße und Götenbilder daraus. Hobel, 5, 14; 
Offenb. 18, 12. 

Elephantiafid. S. Ausfag. 

Eleutjeropolis, Eine in der Schrift nicht er» 
wähnte, aber zur Zeit des Eufebius bedeutende 
Stadt in Paläftina an der Straße von Jerufalem 
nad) Gaza, deren Identität mit dem ältern Baito: 
gabra und dem heutigen Beit-Dſchibrin Robinfon 
nachgewieſen hat. El. war ein beruͤhmter Biſchofs⸗ 
ſitz, 796 ward es von den Sarazenen zerſtört; in 
den Kreuzzügen baute König Fulco 1184 dort eine 
Feſte, die den en übergeben wurde, 

Eleutherus. Bapit 177—193, früher Diakon 
de3 Anicet, ein geborner Grieche, Ihm überfand: 
ten, nach Eufebius, die Kirchen zu Vienne und 
Lyon durd) den Presbyter Jrenäus ihre Märtyrer: 
Ucten. Daß der englifche König Lucius in einem 
Briefe an E. zur Annahme des Chriftenthums iS 
bereit erflärt habe, ift eine Gage, um das römische 
Chriſtenthum in England als das ältere hinzu: 
ftellen. — E. Grenzfluß zwiſchen Phönizien und 
Syrien. 

Elevation. Der Ritus in der Mefle, nad 
welchein, wenn die Hoftie confecrirt ift, der Prie: 
iter Diefelbe erhebt, um fie dem Bolfe zu zeigen, 
welches dann mit Aniebeugung anbetet. Bei den 


Eli 


217 


Eliot 


Griechen ſchon im 8. Jahrh. üblich, follte dies ur⸗ er 1239 von Neuem abgefegt und befeitigt, 1244 


fprüngli ein Symbol der Erhöhung Chrifti fein. 

In der luth. Kirche blieb anfangs aud) die Eleva- 

tion (Luther, Ordnung der Weite von 1523) und 

wurde erft allmählich, nicht ohne Widerſpruch, ab: 
bafft durch Veit Dietrich) in Nürnberg. 

Eli. Der Richter in — 1. Sam. 4, 18, war 
Hobeprieiter an der Stiftöhütte in Silo. Er erzog 
den jungen Samuel, durch den ihm das gr 
Gericht verfündigt wurde, welches die Sünden 
feiner Söhne Hophni und Pinehas, die das Prie— 
fieramt mißbrauchten, ftrafen werde. 1. Sam. 
1, 4-38; 2, 11; 3; 4. Seinen Tod erzählt 1. 
Sam. 4, 13—18. 


Elias. Der Thiäbiter. Als Ahab (919—897) | felben bei der Einrichtun 


phöniziihen Gottesdienft nad) Iſrael verpflangte, 
erhob fih im Volke ein Widerſtand gegen bies 
fremde Religionöwefen, welches vom Hofe begin» 
figt unter den Bornehmen feinen Anhang fand, 
und die alte Sitte und den väterlichen Glauben zu 
verdrängen drohte. Diefer Widerſtand, der fi 
wugleih gegen das Königthum wendete, ging aus 
von den in Iſrael zahlreihen Propheten, in wel: 
den dad Jahvethum feinen Halt hatte. Als der 
öbefte unter ihnen tritt Elias auf. Flüchtig vor 
‚ welche die Propheten ermordete und den 
inderte, juchte er das Bolt zur Treue 
em Geſez und zum Aufftand gegen Ahab zu er: 
teen. Als eine lange Dürre wie ein Gotteögericht 
über den Abfall erſchien, gehorchte ihm das Bolt 
un ihlachtete die Baalspfaffen, womit der Sie 
des Jahvethums über phöniziihen Gögendienit 
entihieden war. In diefem Eifer für das Geſetz, 
‚den er ungebrochen in allem Kampfe bewahrt hat, 
it feine großartige Geftalt für Jfrael ein Symbol 
der Zukunft geworden, das deal des fpätern ge: 
fegedeifrigen (vgl. Mal. 3, 23; Luc. 9, 54) Ju: 
dentgumd. Die Erzählung vonder Gottesſchau 
aber zeigt, wie er —* in dieſen Kämpfen eine 
böbere Stufe ber Religiofität gewann, indem er 
elannte, daß der Gotteöfrieden nicht im Eifer, 
in der Liebe berube und daß die ſiegreiche 
Naht über Sünde und Verkehrtheit nicht die Ge: 
‚malt, fondern bie — wirkende Macht des 
Geiſtes ſei. So ift er der Vorläufer der ſpätern 
Kropheten, eines Jeſaias und Jeremias. Sein 
£eben ift durch die Legende wunderbar ausge: 
müdt; die Erzählungen befunden den Eindrud 
feiner einzigen Perſönlichkeit. Nachdem er fein 
Bert vollendet hatte, zog er fi zurüd, und über: 
gab jeinem Schüler Elifa die Fortfegung; nur hin 
und wieder trat er aus feiner Verborgenheit her: 
vor, urı Ahas das unausbleibliche Öerigt und 
Hasja jeinen Tod zu verfündigen. Daß er Ha: 
kel und Jehu als Rächer der Sünden des Ahab 
zu Aönigen gejalbt habe, ſcheint aus der Geſchichte 
Eifa’3 auf ihn übertragen zu fein. Vgl. 1. Kön. 
11-19; 2. Kön.1; 2, 

Elias von Cortona, Franciscanermönd, er: 
segte durch jein Beftreben, die Strenge der Regel 
zu mildern, heftige Streitigfeiten innerhalb des 
Ordens 1219. Bon Franz von Affifi zum General: 
car ernannt, wurde er 1220 wieder abgefett, 
weil er die Disciplin gemilbert; 1227 zum Gene: 
tal gewählt, ward er 1230 vom Bapfte wegen Ver: 
lefung der Regel abgejegt. Seine Neuwahl 1236 
wurde dennoch beftätigt, aber die jtrengere Partei 
unter Johann Parent wollte ihn als General 
nicht anerlennen. Bei dem Siege derjelben wurde 


aus dem Orden geftoßen. Ein Anhänger Friedrichs 
Li., diente er diejem ald Gefandter nad) Conftans 
tinopel, zog ſich 1250 nad) Gortona zurüd und 
ftarb dort 1253. 

Elias Levita. Ein jüdiſcher Gelehrter, geb. zu 
Neuftadt an der Aid 1472, verließ feine Vater: 
ſtadt bei einer Judenverfol ung und fanı nad 
Padua 1504, wo er bis urn erung ber Stabt 
1509 blieb. Durch einen Commentar zur Gram: 
matif des Kimchi befannt geworden, fand er jeit 
1512 Aufnahme in Rom beim Cardinal Aegidius 
von Viterbo. 1527 ging er nach Benebig, 1540 
nach Jöny zu dem Druder Paul Fagius, um dem: 

Fe Druderei und ber 
Herauögabe auge Bücher u helfen. Er ftarb 
zu Benedig 1547. Gegen den Verdacht, den fein 
Umgang und Titerarifper Verkehr mit den Chri: 
ſten erregte, als habe er feine Religion verlafjen, 
verwahrte er ſich in der Borrede Masoreth Ham- 
masoreth (über Kritifdes X. T. 1538); in derfelben 
betritt er ** das angebliche Alter der Vocal⸗ 
zeichen. Außer Anderem gab er ein rabbiniſch⸗chal⸗ 
däiſches Wörterbuch (Jany 1541) heraus. 

Eliefer (Gotthilf). 1) Aus Damaskus. 1. Mof. 


15, 2. War ber treue Knecht Abrahamd un 
ng rg der Brautwerber für Iſaak. — 2) 
Ein Sohn 


oſes von der Zippora. 3. Mof. 18, 
4; 1. Chr. 23, 15; 26, 25. — 
Eligibilitat. Die paſſive Wahlfähigkeit erfors 
dert die eg der fanonifhen Bedingungen 
zum Kirchenamt (dignus et idoneus).! Der zu Er» 
wählende muß ſittlich unbeſcholten, förperli ohne 
Gebrechen und wiffenfchaftlich "gebildet fein; darf 
unter feiner Cenſur ftehen und nicht durch ein ans 
deres kirchliches Beneficium gebunden fein. Außer: 
dent muß er den ftaatlichen Anforderungen genü— 
gen. Bon den Mängeln der Eligibilität vermag 
ein Breve de eligibilitate fogar ja on im Voraus 
zu dispenſiren; ohne ein joldes kann, wer nicht 
eligibilis ift, nur poftulirt, d. h. feine Anftellung 
erbeten werden. Auch bei den Proteftanten fteht 
dem Kirchenregimente zu, von ben geringern Er: 
fordernifjen der Wahlfähigleit, z. B. Alter, Jndis 
genat, zu dispenfiren. ME: 

Eligius, der Heilige. Geb. um 588 zu Chatelat 
bei Zimoges. Erwarb ſich durd) feine Geſchicklichkeit 
als Goldſchmied die Gunft Ehlotars II. und Dago: 
bert3 und behauptete am Hofe großen Einfluß, 
den er für die Kirche und die Armen benugte, 
Durch asketiſche Frömmigkeit beim Volle ange: 
jehen, wurde er fait wider Willen zum Bifchof von 
Noyon in Flandern gemacht 639, und wandte nun 
jeine Thätigfeit auf die Bekehrung der heidniſchen 
Flandern und die Wieverherfiellung der kirchlichen 
Suche fowie auf die Gründung neuer Kirchen und 

löiter. + 659. 

Eliot, John, ober Elliot. Der Apoftel der In⸗ 
dianer. Geb. 1603. Ging als Seelforger einer 
Independenten:Colonie Rorbury 1631 nad Neu—⸗ 
England, und begann feit 1646 neben jeinem 
Pfarrdienſt die Miffion unter den Indianern mit 
ſolchem Erfolg, daß ſich bis 1674 14 Niederlafjun- 
gen derjelben gebildet und feiner geiftlihen Pflege 
unterftellt hatten. Durch den Angriff eines unbe» 
tehrten Häuptlingd wurden biejelben zwar zers 
ftört, allein e8 gelang E., nachdem er von feinem 
Pfarramt die Enttaffung erhalten hatte, das Ber» 
lorne wieder zu gewinnen. + 1690.- 9. Brauer, 


Elipandus 


Kohn Elliot, in den Beiträgen zur Geſchichte ber 
Heidenbefehrung, 1847. 

Elipandus, Biſchof von Toledo, Iehrte den 
Adoptianismus (f. d. A.) des Felix von Urgel. 

Elifa. Der Sohn Saphats aus Abelmedola, 
der Schüler und Nachfolger des Propheten Elias, 
1. Kön. 19; 2. Kön. 2, jegte ald Führer der Pro— 
pheten den theofratifhen Kampf gegen das Hei: 
denthum und für die Geltung des Geſetzes fort. 
Beim Volle durch feine asketiſche felbfiverleug: 
nende Lebensweise angejehen, übte er einen nicht 
geringen Einfluß auf Joram aus, der von ihm Rath 
und Hülfe oft beanſpruchte, ohne von einer feind- 
feligen Erbitterung zu laffen. Da von dem Haufe 
Omri ein Wechſel J Regierungsmaximen nicht 
zu erwarten ftand, verließ E., vielleicht verfolgt, 
Samarien und ging nad) Damaskus, wo er mit 
Thränen dem Hafael feine fünftige Thronbeitei- 
gung, die für Iſrael fo verderblic wurde, ankün— 
digte, und durch einen Prophetenfchüler den Jehu 
zum Aufftand gegen Joram auffordern und Darauf 

um König jalben ließ. Sein Xeben, weldhes wahr: 
Fheintich nad) einer ältern Aufzeihnung in dem 
Bud der Könige geſchildert iſt, findet ſich noch 
mehr als das des Elias mit Wundern ausgejftattet; 
auch in ihnen ftellt ſich aber bie — * von 
Rlias heraus, bei Helm der brennende Eifer und 
di: gewaltige Kraft, bei jenem die große Milde, 
das Helfen und Heilen. 

Elifabeth. 1) Die Gattin des Hohepriefters 
Aaron. 2, Mof. 6, 23. — 2) Die Gattin des Prie: 
fterd Zadharias, die Mutter Johannis des Täu- 
fers. Luc. 1, 6. 7. 13 f. Die Verwandtſchaft mit 
der Maria, Luc. 1,36, muß von den Müttern her: 

"geleitet werden, da Elifabeth, nad Luc. 1,5, aus 
levitiſchem Geſchlecht war. 

Eliſabeth, die Heilige. Geb. 1207 zu Preßburg, 
Tochter des Königs Andreas II. von Ungarn, Ge: 
mahlin des LZandgrafen Ludwig von Thüringen, mit 
dem jieauf der Wartburg zufammen erzogen worden 
war. In ihrer unverdrofjenen und erfinderijchen 
Sorge für die Armen, der demüthigen Liebe zu 
ihrem Gemahl und der ftrengen Aalete, welcher m 
fi unter der Leitung ihres Beichtvaters Konrad 
von Marburg hingab, ftellt fie cin ſchönes Mufter 
weiblicher Frömmigkeit des Mittelalters dar. Das 
Volk ehrte ihre Wohlthätigkeit durch die Legende 
von den Rojen unter ihrem Mantel, die Kirche ihre 
Frömmigkeit durch die Kanonijation 1235 (19. 
Kov.). Nach den: Tode ihres Gemahls 1227 von 
ihrem Schwager Heinrich Naspe vertrieben, fand 
fie eine Zuflucht zu Kigingen, bis ihr das Schloß 
Marburg eingeräumt wurte. + 1231 in dem von 
ihr dort eingerichteten Hofpital. Ihr Grabmal, 
dem Philipp der Großmüthige, um dem Aberglaus 
ben zu fteuern, die Gebeine entnahm, die eben da— 
durch als Reliquien verftreut find, fteht in der 
ihönen Elifabethlirche zu Marburg, welche Kon: 
rad von Thüringen zu ihrem Gedächtniß erbaute. 
gl, Montalembert, Hist. de St. Elis. 1838. Si: 
nıon, Ludwig d. 9. und die h. Elif. 1854. Hift. 
Ztſchr. 1861, Hausraths und Henke's Schriften 
über Honred von Marburg. 

Elifabeih, Königin von England. ©. England. 

Elifabeth Albertine. Pfalzgräfin. Die ältejte 
Tochter Friedrichs V. Geb. 16. Dec. 1618. Nach 
einer durch das Mißgeſchick ihrer Eltern trübe ver: 
lebten Jugend hielt fie fih an den Höfen zu Ber: 
lin, Heidelberg 1650 und Caſſel 1662 auf, bis fie 


218 


Elohim 


1667 Aebtiſſin des reihäunmittelbaren Stiftes 
Herford wurde. Durch forgfältige Erziehung und 
den Unterricht des Carteſius auch philoſophiſch 
gebildet, hatte ſie den Ruhm, die geiſtvollſte und 
gebildetſte Fürftin ihrer Zeit zu fein. Den ver: 
triebenen Zabadiften gewährte fie den Aufenthalt 
in Herford, bis das Reichskammergericht diefelben 
1672 auswies. Durd) diefelben aber religiös tief 
angeregt, trat fie in Verbindung mit Penn und 
Barclay und eröffnete den Quäfern eine rei: 
ftatt in ihrem Gebiete, welches dadurch für län: 
gere Zeit der Herd eines tiefern religiöfen Lebens 
wurde. + 1680. ©. Göbel, Geſch. des chriſtlichen 
Lebens, Bd. II. $. 12. 

Elijabeth Barton. S. Barton. 

Elijabeth von Schönau. Bereits im zwölften 
Jahre trat fie in das Benedictinerinnen:fllo 

u Schönau im Erzbisthum Trier, —* Aebtiſſin 

ſpäter wurde. Unter körperlichen Leiden hatte 
ie Viſionen und Offenbarungen, die ihr Bruder 
Egbert, Abt des Moͤnchskloſters Schönau, 1185 
aufſchrieb. + 1165. Verſchiedene ihr zugeſchriebene 
Werke im Liber trium virorum et trium spiri- 
tualium virginum, Paris 1513. Eine Ausgabe 
ihrer Revelationen, Köln 1628 

Eliſaeus. Berühmter armenifcher Theologe und 
Hiftorifer. Als Bifhof von Amatunik wohnte er 
der Synode von 449 zu Artaſchat an, welche die 
Stellung des Chriſtenthums zu Dem drohenden 
Parfismus berieth. Sein Hauptwerk ift die Ge 
ſchichte des Wartaniſchen Religionskrieges (arme: 
niſch zu Conſtantinopel 1764, 1323; Mostau 1787, 
Venedig 1828; engliſch London 1830; franz. Pa- 
ris 1844), deſſen Begebenheiten ihm ala Secretär 
bed armenijhen Oberbefehlähabers des Mami: 
funir-Fürften Wartan genau befannt geworden 
waren. Die theologifhen Schriften, Commentare 
und Reden (Benedig 1838), haben weniger Werth. 

Elkefaiten. Eine Fraction des theofophiichen, 
zum Gnojticismus fich hinwendenden Ebionitis: 
mus, die aber feine abgefchloffene Secte gebildet 
zu haben ſcheint. Der Name führt fich zurüd auf 
das Elxai⸗Buch (dev Name des angeblichen Ber: 
faſſers wird verfchieden gedeutet; jo als verborgene 
Kraft, d. 5. heil. Geift), welches um 101 aus gött 
liher Offenbarung empfangen oder vom Himmel 
berabgefallen fein ſoll. Entftanden ift es in Bar: 
thien vor 150, aber judiſch-eſſeniſchen Urfprungs. 
Es verwirft den Apoftel Paulus, lehrt eine fort: 
laufende öftere Jncarnation Chrifti, fett Die wie 
derholbare Taufe als das höchſte Heilmittel und 
fordert, abweichend von ber efjenifchen Aäteje, die 
Ehe; verwirft aber alles Opferwejen. In den 
Glementinen ift diefe Richtung weiter ausgebildet. 
Vgl. Redepenning, Ueber den Urfprung der Ell. 
in ſ. Origenes 1841. Ritſchl, Ztſchr. für hiſt. Theol. 
1853. 

Elkoſch. Geburtsort des Propheten Nahum. 
Nah. 1,1. Der Ort ift nicht genau zu beftimmen. 
Zr Tradition mweifet auf Altuſch, 2 Meilen von 
Moſul. 

Eller, Elias. + 1750. Der Stifter ber Rons— 
dorfer Secte (ſ. d. 4.). 

Elohim. DYTDN. Hebräifher Gottesname. Ein 
Plural, dejjen Singular Cloah nur poetiſch ge: 
braucht wird. Nach Ewalds Erklärung ift das Mort 
eins und daſſelbe mit EI, d. i. der Starfe, welches 
ebenfalls von Gott gebraucht wird, und beveutet ſo 


Elohiſt 
viel als der Mächtige im Gegenſatz zum Menſchen, 


219 


Emanuel 
Emantipation. Die Befreiung aus einem Zur 


TÜR d. h. dem Schwachen. Rach einer andern Ab: | ftande der Abhängigteit. 


leitung fol dad Wort foviel ald Schauer und 
Schauer:erregender Gegenftand bedeuten Fleiſch). 
Die Pluralform wird verjchieden erklärt, entweder 
als Majeftätäplural, um gleihfam die Wahrhaf: 
tigfeit des göttlichen Wefens, die Fülle feines In— 
halls, zu bezeichnen, oder als eigentlicher Bielheit3: 
ylural, entweder, wie Aeltere meinten, um die Tri: 
nität zu bezeichnen, oder, wie Andere der Meinun 
find, weil der hebräifhe Monotheismus fid) ertt 
er dem Polytheismus herausgearbeitet 
habe. 1. Mof. 85, 7; 3, 22; 2. Mof. 22, 8. Dal. 
Ewald, Jahrb. der bibl. Wifjenfhaft X; Delitzſch, 
Comm. zur Genejis. 

Elohift. ©. Pentateud). 

Elon. Sef. 19, 43, Eine Etabt in Dan. Sof. 
19, 33 ift zu überfegen „Eiche“, 

Elon. 1) Richter in Iſrael, ein Sebulonite, be: 
graben in Ajalon, Richt. 12, 11. — 2) Ein Hethi: 
ter, 1. Mof. 26, 34, Vater einer Frau Eſau's. — 
3) Ein Sohn Sehulons, 1. Mof. 46, 14. 

— auf chriſtlichem Standpunkt. ©. Fe: 
milie. 

Eltern bei den Hebräern. Eltern: und Kindes: 
fiebe ift ein Grundzug des ifraelitiichen National: 
geifted. Das Geſetz hat ebenjomwenig eine Beftim: 
mung über den Elternmord wie über das Ausfegen 
der Kinder, Beides gilt als glei) undenkbar. Die 
Abhängigkeit der Kinder von den Eltern ift eine 
unbedingte, 2. Moſ. 21,7; 3.Mof. 15, 12; 4. Mof. 
%,6. Mifhandlung der Eltern wird mit dem 
Tode beftraft, 2.Mof. 21, 15;.3.Mof. 20, 9; Epr. 
20, 20, aber ald Verbrechen gegen göttliches Geſetz 
dur die Volksgemeinde, nicht durch die Eltern 
felbft. Kinder follen zwar nicht die Verbrechen der 
Eitern büfen, aber können für deren Schuld zu 
Leibeigenen gemacht werben, 3.Moj.25,29;,2. Kön. 
4,1, und find ihnen überhaupt die volle Dantbar: 
leit ſchuldig, Spr. 23, 20; Sir. 3,1. 

Elttefa. of. 19, 44. Levitenftadt in Dan. 

Elthekon. %01.15,59. Stadt in Jude, ſchwerlich 
nad der alegandrinifhen Tegterweiterung gleid) 
Thefoa. 

El⸗Tholad. Deffelbe wie Tholad, von Juda 
an Simeon gegeben. of. 15, 30; 19, 4. 

Elvira. Die Synode zu Elvira (Jliberis), nahe 
bei dem fpätern Granabe, wurde als die erſte ſpa— 
nie Synode gehalten um 303— 509. Der Bijchof 
Hoſus von Eordova nahm an ihr Theil. Ihre Be: 
ihlüffe dienen zur Charaiteriftrung desjtreng fitt: 
lien, aber ſchroffen und gereizten Geiftes in der 
damaligen ſpaniſchen Kirche. Sie verbieten die Ehe 
der Beiftlihhen jowie den Dienfi der Bilder und 
ordnen in vielen Fällen abjolute Ausſchließung 
aus der Kirche an. 

Elzevir. ©. Bibeltert. 

Gmanation, Ausſtrömung, bezeichnet diejenige 
Lorjielung, die die Welt aus Gott hervorgehen 
äft nicht durd) das freie Wort aus Nichts, jon: 
dern durch einen jubitanziellen Prozeß, vermöge 
einer gew.fjen phyſiſchen Nothwendigfeit. Außer 
den ——— indiſchen und perſiſchen Syſte— 
men war es beſonders der Gnoſticismus, den die 
Emanationsvorſtellung beherrſchte; dann aber 
war ſie auch in einigen älteren Vorſtellungen der 
Trinitat (Tertullian u. A., ſ. d. A. Trinität) nicht 
eusgeſchlofſen. 


Emantipatiou der Juden. Die Unterdrückung 


und Beſchränkung der Juden, welche ſich im Mittel: 
alter bis zum Verbot des Aufenthaltes in vielen 
Staoten und Städten ausdehnte, war fchon feit dem 
Anfang des vorigen Jahrhunderts überall durch Die 
Geſetzgebung gemildert, aber immer noch blieben 
die Juden von dem vollen Staatsbürgerrecht und 
den Staatsämtern ausgeſchloſſen. In der Gewäh— 
rung dieſer Rechte vollzieht fi) die Emancipation. 
Bollftändige Gleichheit der Juden mit den Ehriften 
gewährte zuerjt Amerifa 1783; darnad) die Napo— 
leoniſche Gejehgebung in Frankreich, in diefer Bes 
ziehung vorbereitet durch Xudwig XVI. 1784. In 

olland und Belgien blieben dieje Grundfäge in 

eltung, nicht join Italien; beſchränltwurden ſie in 
der Rheinprovinz. In Preußen gewährte das Edict 
von 1812 die bürgerlichen Rechte, verwehrte jedoch 
ben Eintritt in die Eivilämter. Defterreich bahnte 
1797 und 1820 die Gleichftellung der Juden zwar 
an, ließ aber die drückendſten Beläſtigungen noch 
beftehen, und im Allgemeinen war die Tendenz 
jeit 1818 überall in Deutjchland auf Befhränfung 
der Juden gerichtet. 1848 wurden freilich die ſtaats⸗ 
bürgerlihen Rechte allgemein von dem religiöfen 
Belenntniß für unabhängig erklärt, indeß iſt noch 
nicht gleichmäßig von den Hemmnifjen beim Ein: 
tritt in Staatsämter Abftand genommen. Die 
Emancipation ift nicht nur eine Forderung der Ge: 
techtigkeit, jondern aud die Vorbedinaung einer 
Hoffnung der ——— — zumChriſtenthum. 

Emancipation der ſtatholiken in England. 

Seit Heinrih VIII. waren befchräntende Geſetze 
egen den Katholicismus in England gegeben. 
Der von Glijabeth eingeführte Supremateid, ſowie 
der jpätere Abjurationseid, die durch die Prüfungs— 
acte 1673 von jedem Beamten gefordert wurden, 
ſchloſſen thatſächlich die Katholiken von allen Aem— 
tern aus. Seit der Union Irlands begann die Agi⸗ 
tation hiergegen, und ſchließlich wurde 1829 die 
Katholiken-⸗Emancipation durch Aufftellung eines 
allgemeinen Staatsbürgereides ausgeſ prochen. 

Emantipation der Schule iſt die Forderung, 
die Volksſchule von der Aufficht und Yeitung der 
Kirche oder vielmehr der Geiftlichkeit zu entbinden, 
unter welcher fie fih nad) dem hiftoriichen Gange 
ihrer Entwidelung befindet. Der €. ſtellt fich mit 
Grund der Ultramontanismus entgegen, dem das 
Biel der ge au ift, die Gemüther in Ab: 
hängigleit vom Klerus zu bringen; die evangelifche 
Kirche, weiche ihre Grundſätze als die Örundlagen 
gefunder Bildung erkennt, kann wenigftens feine 
ernftliche Gefahr darin erfennen. Böllig emanci- 
pirtift die Schule in Holland; einen Anfang hat die 
badiſche Schulgefeggebung gemacht. In Preußen 
ſteht thatſächlich die evangeliihe Schule gar nicht 
unter kirchlicher Leitung (}. die nd rl der 
rheiniſchen Synode über die Einführung der Re: 

ulative), die Pfarrer befleiden aber das Amt ber 
taatlihen Schulinipeetoren; wohingegen die fath. 
Schule unter dem wachſenden Einfluß der Kirche 
d. h. des Klerus geblieben ift. 

Emanuel oder Immanuel. ef. 7, 14; vgl. 
Matth. 1,23. Der Name des Kindes, welches 
Sfrael ein Zeichen fein follte. Daß das Kind ein 
Sohn des Propheten Jefaja geweſen, iſt im höch— 
ke Grade wahrſcheinlich. Die meſſianiſche Auf: 
afſung regtfertigt fich in jo weit, als bie religiöje 


“ 


Emben 


Grmißheit der Gottgemeinfchaft Iſraels beim Pro: 
pheten auch bie bejtimmte Zuverfiht in * trug, 
daß dieſelbe dermaleinſt zu ihrem reinſten und 
vollſten Ausdrucke kommen müſſe, was in Chriſtus 
erfüllt ift, 

Emden. Da Oſtfriesland durch große Freihei⸗ 
ten auch vor der Macht der Kirche geihüst war, 
fo konnte die Reformation hier zuerſt in Deutſch— 
land in erasmiſch⸗zwingliſcher Form durch Georg 
Aportanus 1528 eingeführt und auch Wiedertäu: 
fern 1528 und Lutheranern Religiongfreiheit zu: 
geitanden werben; die Berfuche aber, durch die lu— 
therifche Kirchen-Drdnung das reformirte Wejen 
zu verdrängen, 1536—1540, fanden heftigen Wi: 
derjtand. Die Fremdengemeinde übernahm 1540 
Lasky ald Prediger und Superintendent und or: 
gan“ fie durch jeine Kirchenordnung, die das 

eltefteninjtitut in die deutſche Kirche einführte. 
1549 legte er das Amt nieder, ald 1548 das In— 
terim angenommen war. Berühmt ift die Embener 
Synode von 1571, welde die niederländifch:beut: 
ſche reformirte Kirche organifirte nad den Be: 
ſchlüſſen der Wejeler Vorſynode von 1568. 

Emeritenanflalten find Inftitute zur Ber: 
forgung alter und durch Krankheit dienftunfähig 
er Geiftlider. Bei der Redotation der 

isthümer ift auch auf die Wiedereinrichtung diefer 
Anstalten Bedacht genommen. Zu unterſcheiden find 
die domus demeritorum, bie mit den Gorrections: 
bäujern verbunden zu fein pflegen. Beim Mangel 
der Anftalten empfängt der Emeritirte eine Pen: 
fion, die entweder aus ben Früdten der Pfarrei 

enommen wird oder aus einem Fonds, der durch 
iträge der Geiftlihen und andere ihnen über: 
wiejene Mittel, Collecten, Intercalarfrüchte ıc, 
gebildet ift. zn ber evangelifchen Kirche findet fe: 
wöhnlich dieſe legte Art der Unterhaltung der 
Emeritirten ftatt. 

Emeritirung. Der ehrenvolle motivirte Aus- 
triti aus dem Amte unterjcheidet fich von der Amts: 
niederlegung, mit weldyer fein Penſionsanſpruch 
und ber Verzicht auf die Standesrechte verbunden 
it. Letztere kann freiwillig erfolgen oder durch 
Amtöentfegung, melde durch Dienftunfähigkeit 
und Dienftunmürdigteit bedingt und gefordert ift. 
Misbräudlid wird von Strafemeritirung geredet 
und darunter eine Amtsentſetzung in milder Form 
mit Belafjung einer Benfion verjtanden. 

Eminenz. Der durch Urban VIII. 1630 ben 
Cardinälen und den geiftlichen Aurfürften verlie: 
bene, eigenthümliche Titel, der ihnen den Rang 
unmittelbar nad) den Königen anmweifet. 

Emmaus. Es giebt zwei Orte dieſes Namend: 
1) Ein Sleden, 60 Stadien von Serufalem ent: 
fernt, Luc. 24, 13, wo der Auferftandene den bei: 
den Jüngern exſchien; ebenfalls genannt bei Jo: 
ephus, 
chwerlich richtig, im jegigen Kubeibeh wiedergefun: 
den. —2) Eine Stadt in der Ebene Judäa’s, min: 
deſtens 160 Stadien von Jerufalem, 1. Matt. 9, 
50 und Joſ. 14, 11 erwähnt, fpäter Rilopolis ge: 
nannt. Beide wurden oft verwechſelt. 

Emmeram. Biihof von Poitierd. Wollte zu 
ben Avaren ald Miffionar ziehen, ward aber zu 
Radaspona vom Herzog Theodo der Bayern zum 
Bleiben bewogen, und war dort zur Befejti ung 
bes Chrifientbums thätig. Nah 3 Jahren von 
Theodor Zambert erſchlagen (6. Sept. 652), wurde 
er ein Gegenjtand der Verehrung. Das Klofter 


220 





üd. Krieg 7, 6,6; von der Tradition, d 


Emfer 


St. Emmeram in Regenäburg war anfang3 fo mit 
dem Bisthum (793) verbunden, daß der Biſchof 
ugleich Abt war. Es entſtanden indeß daraus 

freitigkeiten ſeit Wolfgang (+ 994), bis durch den 
Papſt das Kloſter egempt und ber Abt infulirt 
wurde 1325. Das Klofter wurde reichsunmittel⸗ 
bar und fiel bei der Säcularifation dem Fürjten 
Thurn und Taris zu. 

Emmerid, Anna Katharina. Die Tochter armer 
frommer Baueröleute bei Coesfeld, war geboren 
1774 und trat 1803 in das Kloſter Agnatenberg 
bei Dülmen, welches 1811 er wurde. Gie 
war von Jugend auf religiös gejinnt, dabei demü⸗ 
thig und a aber Part beftändig krank. 
Bald nah der Aufhebung des Klofterd war fie 
ftigmatifirt, d. 5. es — ſich an ihrem Leibe 
die Wundenmale Jeſu. Der große Zulauf zu dem 
Wunder rief wiederholte ärztliche Unterſuchungen 
hervor, die feinen Betrug entdeden konnten. Auf 
ihr Gebet ſchloſſen fi die Wunden 1819 und rö: 
theteh fi dann nur nod an den Freitagen. Mas 
bier auf Rechnung pfychiſch-phyſiologiſcher Geſetze, 
was auf Rechnung der Selbſttäuſchung oder Täu⸗ 
[hung zu fegen, if unllar. S. Tholud, Bermifchte 
S * I, 97—133. 

mpfängniß Mariae. Dad Dogma von ber 
unbefledten Empfängniß, weldes Pius IX. (vgl. 
Matthes’ Allgem. kirchl. Chronik 1860, S.143. 144) 
am 8. Dec, 1854 verfündigt hat, ift die Eonfequenz 
der auguſtiniſchen Lehre von der Erbfünde bei dem 
ejteigerten Mariencultus der römijhen Kirche. 

[8 theologijhe Meinung ift die Behauptung des 
Dogmas jeit dem 8. Jahrh. aufgetreten; als fie 
im 12. Jahrh. in Frankreich volfäbeliebt wurde, 
ſprach fih Bernhard von Glairvaur entichieden 
gegen die Neuerung aus; und erft die Francis 
caner, Duns Scotus folgend, madten gegen bie 
Dominicaner die Lehre zuihrem Schibboleth. Sir: 
tus IV. feet freilich das Feſt der unbefledten 
Empfängniß ein, bebrohte aber zugleich Alle mit 
Strafe, welde die entgegenftchende Anficht Ketze— 
rei zu nennen wagen würden. In demjelben Sinne 
verbot Pius V. die Verhandlung des Gegenstandes 
auf der Kanzel, ba porn dad Tridentinum fich nicht 
für eine Meinung entjhieden hatte. Die Jefuiten 
aber nahmen von Anfang die Lehre der Francis» 
caner mit Lebhaftigteit auf. Bei der päpftlichen 
Rundfrage äußerten ſich die meiften Biſchöfe im 
Sinne des Dogmas. Vgl. deutfche Zeitſch. für hr. 
Wiſſenſchaft, 1855. Preuß, die röm. Lehr: von der 
unbefledten Empfängniß, 1855. 

Empfängniß Mariae, Orden von der. Geftiftet 
1484 von Beatrir de Silva in Folge eines Keufch- 
heitögelübdes, welches fie gethan, als die Giferfucht 
der Königin Jfabella fie 3 age ohne Rahrung 
eingefchloffen gehalten hatte. 1489 beftätigt, nahm 

er Orden Kal die Regel ber Eiftercienjerinnen, 
dann der Glarijfinnen an. 

Emfer, Hieronymus. Geb. 4. Mai 1477 zu 
Um, jtudirte in Tübingen und Baſel die Rechte 
und Theologie, begleitete den Gardinal von Gurt 
als Secretär, und lehrie 1502 — 1504 in Erfurt, 
darnach in Leipzig. Im Auftrag Georgs von 
Sadjen befuchte er Rom, um die Heiligfprehung 
Benno’s von Meißen zu erwirlen, deſſen Leben er 
bejchrieb. Das früher freundliche Verhältniß au 
Luther endigte mit dem Leipziger Geſpräch, von 
dem Emſer ſchiefe Berichte in Drudgab. Luthers hef⸗ 
tige Gegenſchrift eröffnete cinen langen literariſchen 


Emſer Congreß und Punctation 221 Endor 


Streit, worin Emſer auch die übrigen Reforma- lers Institutio brevior ad liberalem eruditionem 
toren oft hämiſch und boshaft angriff; fo daß theol., Halle 1765; Nöffelts Anweiſung zur Bil: 
Luther auch feine Schriften mit der Bannbulle vers | dung angehender Theologen, 1818, und den Ency: 
brannte. Als Herzog Georg Luthers Bibelüber: | Hopädien von Wadler, Plant, Thym, Tittmann, 
fefung verdrängen wollte, gab Emfer eine neue Schmidt, Kleufer, vor allen Herders Briefe über 
heraus : das neue Teftament, Dresden 1529; es iſt das Studium der Theologie, 2. Aufl. 1785, zu er: 
aber Luthers veränderte Ueberfegung nad der mwähnen. Schleiermaher (Darftellung des theolo: 
Bulgata. + 3. Nov. 1527. giſchen Studiums, Berlin 1811, 2 Aufl. 1830) 
fer Gongreß und Punctation. Ueber bie conjtruirte in kunftvoller und fcharffinniger Weiſe 
zöpftlihen Nuntien und die geiftlihe Jurisdic | den formalen Organismus der Theologie, während 
tion, welche fie fich zueigneten, hatten die deutſchen die Werke von Bertholdt, Stäudlin, Danz mehr 
Erzbiihöfe und jelbit der Kaifer fortwährend Klage | Stöffiammlungen find als eine ftreng wifjenfhaft: 
* und es war der Gedanke angeregt, die | liche Gliederung des theologischen Stoffes. Hagen: 
deutihe katholifche Kirche von Rom zu emancis bachs Encyklopädie, 1833, 7. Aufl. 1864, hat den 
piren Febronius, De statu ecclesiae). Aufgeregs praktiſchen Zwed einer Einleitung in das theolo- 
ter wurde die Stimmung der Kirchenfürften, als | giige Studium. DenHegelfhen Standpunkt vertritt 
1783 der Bapft den Nuntius Zoglio mit großen | oſenkranz, Encyflopädie, 1831, auf ſtreng luthes 
Bollmahten nad München fandte und derjelbe in | rifchem fteht Harleß, Theol. Encyllopädie und Me: 
die Metropolitanrechte des Erzbiſchofs eingriff. | thodologie, 1837, auf rationaliftiihem Leb. Lange, 
Auf Betreiben von Mainz famen im Auguft 1786 | Anleitung zum Stud, der er: 1841, auf ver: 
Abgeordnete von Mainz, Trier, Köln und Salz: | mittelndem Belt, Theol.Encykl.,1843. Als Encyllos 
burg im Bade Ems zufammen und jchloffen am | pädien aus der fatholifhen Kirche find hervorzus 
9. Auguft die Emfer Bunctation in 23 Capiteln | heben die Werke von Oberthür 1828, Drey 1819, 
ab, welche theils die Uebergriffe der Nuntien ab: | Staudenmaier 1840, Buchner 1837. Bon der 
neilen, iheils die erzbifchöfliche Macht dem Papſte | Encyklopädie als theologifcher Disciplin zu unter: 
gegenüber erhöhen Toten. Den Gegenwirkungen | [heiden find die Realencyllopädien, melde einen 
der Nuntien Gaprara, Pacca und Zoglio gelang | rein ftofflihen Zweck und metitens die Form von 
8, den Kaiſer gleihgültiger gegen das Streben | Wörterbüchern haben. Die bedeutendften Werte 
vr erzbifchöfe zumachen, die Biſchöfe aber das | der Art find: Herzog, Realencyklopädie, 18 Bde, 
gegen einzunehmen, als jei es auf Beſchränkung 1854—64, außerdem 3 Supplementbände, 1365 
der Biihöfe durch die Erzbifchöfe abgejehen. Als | —66 und 1 Regifterband;; Aſchbach, Allg. Kirchen: 
Bayern gänzlich in das römiſche Interefle gezogen, | legiton, 1846—50; Weber und Welte, Kirchen» 
ver Kaiſer geftorben und die Erzbijhöfe gar | leriton, 1846—60 (beide legtere katholiſch). 
unter ſich uneins geworden waren, endigte die] EncyFlopädiften find die Herausgeber und Mits 
gene Sache mit einem Verweiſe Roms an bie | arbeiter des berühmten Buches Encyclopedie ou 
iſchöfe. Dictionnaire raisonne des sciences, des arts et 
fiter. Ein Stamm ber Ureinwohner Ka: | des metiers, par une société de gens de lettres, ° 
naans, dem gigantifche Größe zugefchrieben wurde. | Paris 1751—77; im weitern Sinne Alle, welde 
Sie wohnten auf dem Gebirge Juda, ihre Haupt: | die dort ausgeſprochenen Anfichten theilen. Die 
fadt mar Hebron, welches der Stammvater des | Herausgeber waren Diderot und d’Alembert, uns 
berridenden Hauſes Arba gegründet hatte. In |ter den Mitarbeitern ragen hervor Rouffeau, Mars 
drei Geſchlechter getheilt, Ahiman, Sefai, Thalmai, | montel, Condorcet, Boltaise, Haller, Bernouilli, 
weren fie, als die Firaeliten eindrangen, bereits | Sulzer u. A. Die theologischen Artikel bearbeitete 
ſeht geihmächt. 4. Mof. 13, 23; Joſ. 11, 21; |der Abbe Bergier. Das Werk ſpricht die damals 
14,15; 15, 18, 21, 11. herrſchende Anfichtömweife vollftändig und unums 
Encyflifche Briefe, Rundichreiben, pflegten fonft | wunden aus, und ift von Einfluß geweſen, diejelbe 
häufiger die Biſchöfe zu erlaffen, jegt wird die |dauernd zu befeftigen, weil vor derfelben Grund: 
bezeihnung gebraudt für die Ausjchreiben des |anjhauung ausgehend dad ganze Gebiet des 
Bapites. menſchlichen Wiſſens bearbeitet wurde. Unbegrün—⸗ 
Enchtlopãdie. Als theologische Disciplin Hat | det iſt der Vorwurf des Atheismus und Materia: 
fie die Aufgabe, den Organismus der gejammten lismus; die geoffenbarte Religion und das Chris 
ologie ın feinen äußeren und inneren Berhält: |ftentHum werden ſogar vertheidigt, aber freilich 
niffen darzuftellen. Sie hat jede einzelne theolo: | gefchieht dies von einem eubämoniftifhen Stand» 
gie Disciplin nad) ihrer Aufgabe zu unterfuchen | punkte aus, der, in feinen Confequenzen verfolgt, 
and Alles das zu behandeln, was zur Einführung | Religion und Moral geradezu aufhebt. So hat die 
in diejelbe nothwendig iſt, ferner die einzelnen | Encyflopädie die Eriheinungen der Revolution 
Disciplinen ihrer Verwandtſchaft nach zu gruppi⸗ | wejentlich mit vorbereitet. Der Sturm, welcher fich 
ten und diefelben zu einer höhern Einheit zufam: | gegen das Werk erhob und fein Erſcheinen zeit: 
menzufaffen. Die älteren Werte, welche dahin zu | mweilig hinderte, war weit mehr verurſacht durch 
sehnen find, beſchränken ſich darauf, eine Ueber: | die freilinnige und oppofitionelle Haltung in der 
fit deſſen zu geben, was der Geiftlige zu feinem | Befprehung der Berfaffung und Verwaltung der 
praftiihen Dienjte können und wiſſen müſſe. Erft | Kirche, und die unverhüllten Angriffe auf den Je: 
Erasmus deutete durch jeine Ratio s. methodus | fuitismus, als durch ausgejprochene ungläubige 
compendio perveniendi ad veram theologiam | und irreligiöfe Anfichten. 
die wiſſenſchaftliche Eonftruction der E. an; mehbr| Ende der Welt und Endgeridt ſ. Eschatologie, 
Be Melandthon, Brevis ratio disc. theol.,| Gericht, Jüngjter Tag. 
Bafel 1541. Die Facheintheilung der Theologie | Endor. Stadt im Gebiete Iſaſchar, aber Ma: 
tritt zuerft auf bei X. ©. van Ypern, Theologus, | naffe zugetheilt, Joſ. 17, 11, war zu Eujebius’ 
1572. Aus dem 18. Jahrhundert find außer Sem: | Zeiten nod ein großer Fleden, jett das Dorf 





Endura 
Endur. Der Drt ift befannt durch die Niederlage 
Siffera’s, Richt. 4, 6 f., und als Wohnort der Tod: 


tenbefchwörerin, welche dem Saul Samuels Geift 
ericheinen ließ, 1. Sam. 28,1 f. Die Erzählung 
läßt den Betrug des Weibes wohl erlennen, zeigt 
aber, daß die Wirklichkeit jolcher Erjcheinungen 
als möglich geglaubt, jedod) das Hervorrufen der: 
felben alö unfromm, 1. Sam. 28, 3. 9, verworfen 
wurde. ©. Zeitjchrift für Prot. 1851, S. 22—38. 

Endura. Sih in Endura fegen nannten die 
Katharer das Verſchmähen von Nahrung nad Em: 
pfang des consolamentum, um jo Schnell als 
möglıd) ein gutes Ende zu erlangen. 

Önergumenen. Ein anderer Name für die Be- 
feffenen, für welche die alte Kirche eine eigene 
Energumenendisciplin hatte, welde fih an bie 
Buhdisciplin anſchloß. Diejelben jtanden daher 
unter der Aufficht der Exorciſten. 

Enfantin, Barthelemy Prosper. Geb. am 8. 
Febr. 1796 zu Paris, war er 1325 Director der 
Hypothekenkaſſe, ſchloß fih an St. Simon an und 
wurde Priefter im St. Simoniftifhen Staate. Er 
ftellte aber den Grundfag der Weibergemeinſchaft 
auf und erklärte ſich zum pere supräme, fo daß 
die Beffern ſich losfagten, als die Schwärmerei in 
Liderlichleit umjchlagen wollte, und die Obrigfeit 
das Verfammlungshaus ſchloß. Eine Zeitlang er: 
regte E. durch feine Behauptungen und feine auf: 
fallende Tracht Aufjehen. Nachdem er eine Furze 
Freiheitsſtrafe überjtanden, ging er 2 Jahre nad) 
Aegypten, fehrte aber, ald er auch dort feinen An: 
Hang fand, 1839 nach Paris zurüd, ward Pojt- 
meijter bei Lyon und 1845 Eijenbahndirector. " 

Engadin. Ein Thal des Cantons Graubündten, 
wurde reformirt 1537 in Folge der Disputation 
zu Süs. Der romaniſche Katehismus ift eine 
Ueberjegung des komandriſchen von Jekob Bive: 
toni 1552, 

Engannim. 1) Joſ. 19, 21; 21,29. Eine Levi: 
tenjtadt im Stamme JIſaſchar, ift vielleicht das 
Ginaia des Joſephus, das heutige Dichenin, wo 
fi) Ueberrefte einer alten gepflajterten Straße 
finden, am Südrande der Ebene Esdrelon. — 2) 
Joſ. 15, 34. Stadt in der Ebene Juda. 

GEngedi. Stadt und Quelle am weftlichen Ufer 
des Todten Meeres, in einer gebirgigen, tlüftereis 
den Gegend, 1. Sam. 24, 1. Wird in der Bibel 
oft genannt. Salomo hatte dort jeine Balfamgär: 
ten, David verbarg ſich in den Höhlen der Gegend 
vor Saul, dort auch fielen die Moabiter und Ym- 
moniter vor Jojaphat, 2. Chr. 20. Im jüdischen 
Kriege wurde die Stadt von den Sicariern über: 
fallen und geplündert. 

Engel. Das Alte Tejtament denkt ſich Gott mit 
der Welt durch höhere Wejen vermittelt, welche es 
„Geſandte Jahve's“ nennt. In den älteren Bü: 
ern ift die Verbindung der Engel mit Gott jelbft 
eine jo innige, daß die Erfcheinungen Beider oft in 
einander überfliefen und der Sprachgebraud) Beide 
in unbefangener Weije ad por 1. Moj. 31, 11. 
13; 2. Moſ. 3, 2—7; 15, 21 vgl. mit 14, 19; 
Richt. 6,11 ff.; 15, 20. 22. Weſentlich find fie für 
dieje Vorjtellung mit Gott Eins und nur als 
concrete Erſcheinungen Gottes in der Welt dem Ye: 
teren jelbjt entgegengejegt. Uebrigens zeigt fich 
ihre Geftalt anderwärts viel beftimmter und jelb: 
ftändiger. Sie heifen „Söhne Gottes" und „Hei: 
lige“, zeichnen ſich aus durch Gerechtigleit und 
Intelligenz, 1. Sam. 29, 9; 2. Sam, 14, 17, 20; 


222 


Engel 


19, 27; fie umgeben den Thron Gottes ald Scha 
ren, 30. 5, 14; 1. Kön. 22, 19; Hiob 1,6; $i. 
103, 21; erfheinen daher zumeilen als Heer, 1. 
Moj. 32,1; fie beforgen die Befehle Gottes bei den 
Menden, Richt. 6, 12 ff.; 13, 3 ff.; 2. Sam. 4, 
16; 2. Kön. 1, 3; 19, 35; Je. 37, 36, wobei eine 
erg ar im Schutze der Auserwählten be: 
teht, 1.Mof. 22,11; 2.Mof. 14,19; 23, 20; Right. 
‚1; Bi. 34,8 u. ſ. m. Ueber ihre Erjcheinungsform 
ſ. Angelophanie. Dichteriſch ala Berfonifcatio 
nen von Naturfräften erfcheinen Engel Pf. 104, 4 
Von einem aud der Sünde zugänglichen Engel: 
geſchlechte berichtet 1. Moſ. 6, 2. Böfe Engel tre: 
ten in der älteren Zeit nur infofern zum Vorſchein, 
als Engel genannt werden, welden der Vellzug 
bes Uebels unter den Menſchen alö einer Strafe 
Gottes obliegt, 2, Mof. 12; 1. Sam. 16, 14; 2. 
Sam. 24, 16; 2. Kön. 19, 35; Jeſ. 37, 36; Pi. 
35, 5. Allein fie handeln darin als gute Diener 
Gottes. Selbftändiger ſchon, obgleich immer noch 
im Dienfte Gottes, gleichfam in der Stellung eines 
göttlihen Staatsanwaltes im Rathe Gottes, han 
delt der „Satan“ Hiob 1, und noch beftimmter 
Sad. 3, 1—3. Vgl. aud) 1. Chron. 21, 1 mit 2. 
Sam. 24,1. In der fpätern, bejonders naderilis 
chen Zeit nehmen dagegen die Engel eine immer 
concretere Geftalt in der Vorſtellung des Alten 
Teſtaments an, indem fie von Gott als Mittelper: 
fönlichleiten zwifchen diefem „und den Meniden 
Iharf getrennt gedacht, und über Gejtalt, Natur 
(1. Chron. 21, 16. 30; Dan. 10, 5; 2. Wafl. 3, 
25; 11, 8; Tob. 5, 5; 11, 14; 12, 19), Rang, 
Namen (e3 werden „Engelfürften” oder „Erzengel“ 
erwähnt; ferner die Namen Michael, Gabriel, Ra 
phael, vgl. Dan. 8, 16; 9,21; 10,13; Tob. 3, 25; 
12,15) genauere Angaben gemachtwerden. Dan. 10, 
12 ff. werden auch Schußengel einzelner Bölter er: 
wähnt. Obgleich aud) in der apofryphifchen Zeit ein 
eigentlicher böjer Engelnod nicht genau auszufger 
den iſt, jo erſcheinen Dagegen dämonijche Maͤchte in 
großer Anzahl, Tob. 6,7 ff.; Bar. 4,7 ff. Bgl. 
aud) die Art. Seraphim und Cherubim. — Im 
Neuen Tejtamente jind Engelerfcheinungen, und 
zwar mit ähnlicher Natur wie im Alten Teita: 
mente, häufig (ſ. Angelophanie). Matth. 18, 10 
werden Schußengel erwähnt. Rangordnungen un: 
ter den Engeln jind Eph. 3, 10 und Kol. 1, 16 mit 
Namen benannt. Bon einer über finnlide Schwä: 
chen erhabenen Geiftigfeit erjcheinen fie Matth. 22, 
30; 24, 36; Luc. 9,26; 20,36 u. ö., unſer zufünf: 
tiger Zuftand wird als ihnen ähnlich Matth. 22, 
30 gedacht. Ihre Verehrung wird verworfen Kol. 
2, 18; Dffenb. 19, 10; 22,8. Beſtimmter als im 
Alten Teftamente tritt der Glaube an ein ſatani— 
ſches Neich hervor, deſſen Herrſcher, der Satan 
(Teufel, Beelzebub, der „Böſe“, der „Verſu— 
cher“, der „Feind“, der „Herrſcher dieſer Welt”), 
den Kampf wider das Gottesreic führt, Mattb- 
12, 26—25; oh. 12, 31; 14, 30; 1. Joh. 3,8. 
Er ig Matth. 4, 1; Eph. 6, 10; al. 4, 7; 
die böjen Menjchen find in feiner Gewalt und 
feine Organe, Matth. 13, 38; Joh. 8, 44; er 
fann aber und muß endlich aud als Feind des 
Gotteöreiches gänzlich befiegt werden, 1. Kor. 15, 
26, Offenb. 20. Was den Urſprung der böjen Engel 
betrifft, jo weifen einzelne Andeutungen auf einen 
Fall aus einem urſprünglich volltommenen Zu: 
ftande hin, Tob. 8, 44; 2, Betr. 2,4. — Die 
chriſtliche Theologie hat an dieſer Lehre nicht⸗ 


Engel 


Beſentliches verändert. Die areopagitiſche Theofo: | 
phie hat die Lehre von einer dreifachen Engel: | 
bierarchie in die Kirche eingeführt. Auguftin ſchreibt 
den Engeln ein unmittelbares Anſchauen der Dinge | 
ohne die Bedingungen des menſchlichen erfah- 
rungämäßigen Erfennens zu. Nach den Schola: 
ſtilern (Thomas) find fie rein geiſtige Weſen, die 
nur zuweilen Körper annehmen; ihre Beichaffen: 
beit tft derart, daß fie in einem beftimmten Naume 
find, ohne dieſen zu erfüllen ; fie bewegen ſich durch 
den bloßen Willen von einem Orte zum andern; 
ſprechen mit einander, ohne durch Raum und 
eit beichränft zu fein. Die Engel wurden als 
ſchöpfe gedacht, alle urfprünalich gut, die einen, 
zweifelhaft ob durd eigene Willensentjcheidung 
oder durch einen zn ct Gottes, im uriprüng: 
lihen Zujtand verharrend, die andern durch Seibjt: 
überhebung ins Böſe verfallend. Nach 1. Kor. 10, 
20 wurden bie heidniſchen Götter als Dämonen 
vorgeftellt. — Die proteftantifche Dogmatik hatte 
zunächſt das praftifche Jnterefje reiner Frömmig— 
keit, der Engelverebrung (f. Angelolatrie), ald einer 
Schmälerung der Ehre Gottes entgegenzutreten. 
m Uebrigen jchloß fie fich an die fcholajtifchen 
Definitionen an. Den Dämonen wurden alle öffent: 
lichen und privaten Schäden, inäbefondere die Miß— 
bräuche in der Kirche, zugefchrieben. Der Nationa: 
lismus fuchte den Engelglauben im Neuen Tefta- 
mente durch Eregeje und durch Annahme von 
Accommodation zuumgehen. Inneuerer Jeitwurde 
tbeild die Eriftenz der Engel ald der Allmacht 
Gottes wiberitreitend ganz geleugnei und auf das 
poetiiche Gebiet verwiejen (Schleiermader, Haſe, 
Schenfel u. N.), theils fpeculativ neu begründet 
(Wartenjen, Rothe), theils in der Geftalt der Bibel: 
oder Kirchenlehre (Tweſten, Ebrard, Philippi u. A.) 
einfach feftgehalten. Val. die Dogmatifen. 

Engel heiten bei den Jrvingianern nad) Dffenb. 
2,1.8.12 die Bijchöfe oder Vorfteher der einzelnen 
Gemeinden; fie bilden mit den jechs Aeltejten das 
Vrieſterthum oder Hirtenamt, und mit diefen und 
den Diakonen den Kicchenvorftand. 

Engelamt. 1) Die erfte, um Mitternadht ge: 
feierte Meſſe des Weihnachtstages. — 2) Ein jeden 
Donnerſtag mit Ausfegung des Sanctissimum zu 
Ehren des Altarfacramentes gefeiertes Amt in der 
latholiſchen Kirche. 

Engelbert, der Heilige. Geb. 1185. Graf von 
Berg, Erzbifchof von Köln, 1215—1225, nachdem 
er vorher —— der Kirche zu Köln geweſen 
war. Wie als Erzbiſchof, ſo auch als Reichsregent, 
wandte er eine große Thatkraft gegen die Eingriffe 
der Fürſten in das Recht der Kirche, nicht bloß um 
das Aeußerliche, ſondern auch um die geiſtige Pflege 
feiner Diöceſe beſorgt. Er wurde aus Rache von 
dem Örafen Iſenburg ermordet. Sein Leben ſchrieb 
Cäfarius von Heifterbad). 

Engelbert. Abt des Klofterö Admont in Steyer: 
mart jeit 1297. Geb. um 1250, Bhilofoph und 
Theolog. Seine Schriften gab heraus der Bene: 
dietiner B. Per von Melt in Thesaurus anecdot. 
Dov., Augsb. 1726, und in der Bibliotheca asce- 
tica, Negenäb. 1723. 

Engelbredt. Ein Tuchmachergeſelle aus Braun: 
ſchweig, geb. 1599, der nad) langjährigen körper: 
lichen und geiftigen Leiden jeit 1622 Offenbarungen 
zu haben währte, und vorzüglich gegen die Gebre: 
Gen des geijtlichen Standes predigte. Seine Ber: 

ungen wurben verboten, er jelbit mehrfach 


223 


England. Engliſche Kirche 


vertrieben, in Hamburg jogar ind Zuchthaus ge: 
iperrt. Seine Erlebnifje und feine Offenbarungen 
ſind holländijch gedrudt 1697. + 1644. 

Engeljardt, Johann Georg Veit. Brofeffor der 
Theologie und Univerfitätsprediger zu Erlangen. 
Geb. 12. Nov. 1791, wurde er 1817 zu Erlangen 
Diafonus und Brofeffor am Gymnafium, jeit 1820 
Docent an der Univerfität, und 1822 o. Pro— 
feffor der Theologie. Ein gelehrter Kenner der 
Kirchengeſchichte, den namentlich die Erforſchung 
der Geſchichte der Myſtik interejfirte. + 1855. 

Engelsbrüder nannte man die Anhänger Gich— 
telS, weil fie ein engelgleidyes Leben führen 
wollten. 

Engelöburg. Das Grabmal Hadrians vor den 
Mauern Roms wurde mit denjelben verbunden 
und allmählich die Hauptfeftung der Stadt. Der 
Namen rührt her von einer brorzenen Statue des 
b. Michael auf der Spihe des Thurmes. Von dem 
Beſitz der Burg war die Herrichaft der Stabt ab- 
hängig. Der erjte Papft, der fie beſaß, war Jo: 
hann XIL., fpäter bemächtigten fid) ihrer die res: 
centier, und in den folgenden Zeiten diente fie oft 
den Päpſten zum Aſyl, die daher ihre Befeftigun: 
gen vermehrten. Berühmt ift ihre Belagerung 
unter Cleinens VII. dur‘ die Schaaren Bour— 
bons. Die Päpſte benugten außerdem die Engelö- 
burg häufig als Kerker für politische und kirchliche 
Verbrecher und bewahrten dort die wichtigſten 


gr 

ngland. Engliſche Kirge. Die Reformation 
wurde in England durch den Willen des Kö— 
nigs Heinrich VIII. eingeführt, den dazu nicht 
religiöjes Bedürfniß, fondern lediglid der Haß 
gegen den Papſt trieb. Die religiöfen Bewegungen 
um Volle wurden anfänglich ebenjo wie früher 
Wiclifiten und Lollharden verfolgt und unterdrückt, 
und als 1556 Tindals englifches Neues Teftas 
ment erſchien, ward die Berbreitung mit allen Mit: 
teln gehemmt. — Der Widerftand des Papftes 
gegen die Scheidung des Königs von feiner Ge: 
mahlin Katharina von Spanien 1529 führte zuerft 
den Sturz. Woljeys herbei, der die Reformation 
betämpft hatte, An feine Stelle trat Cranmer, der 
dem Könige den Weg zu unumfchräntter Herrſchaft 
in geiſtlichen und weltlichen Dingen zeigte. Er 
vermochte 1531 die Gonvocation (Vertretung des 
Klerus) zur Anerkennung, dab der König einziges 
Oberhaupt der Kirche des Landes fei; 1582 verlor 
fie das Recht, ohne königliche Genehmigung kirch— 
liche Gejege zu erlaffen. In denfelben Jahre ver: 
bot ein Reichsgeſetz alle Appellationen nad) Rom. 
Ars Erwiderung Toigte die Bannbulle 1584, der 
die Suprematöacte am 3. Nov. 1534 entgegen: 
gelegt wurde, die eine von Rom unabhängige, 
allein den Könige unterworfene katholifche Landes⸗ 
kirche begründete. Der nächſte Schritt wandte ſich 
gegen die Stützen der Hierarchie Roms im Volt. 
1536 murden die tleinern Klöjter aufgehoben, 
15537 —1539 die größern; Klöſter- und Diöcefan: 
vifitationen fanden ftatt, um das Volt und die 
Geiftlichkeit mit den Neuerungen auszuſöhnen oder 
einzufhüchtern. Um das neue ——— zu 
halten, mußte nothwendig auf die reformatoriſchen 
Ideen eingegangen werden, die ohnehin immer 
mehr Eingang im Lande gefunden hatten; 1536 
wurden die von Cranmer aufgejegten 10 Artitel 
genehmigt, melde der Lehre der Reformation 
von ber Schrift ald Grund des Glaubens, von 


England. Englifhe Kirche 


drei Sacramenten, ber Rechtfertigung durch Got: 
teö Gnade fih zumandten, aber Fatholifirend Bil: 
der ald der Andadıt förderlich, Heiligenverehrung 
und Meſſen für Verjtiorbene ohne Ablaß fejthielten. 
Die Bibelüberſetzung Coverdale's wurde zugelafien. 
Unruhen der fatholiihen Partei wurden mit Ge: 
walt unterbrüdt, nicht minder hart gegen Abwei- 
Hungen vom feitgeftellten Xehrbegriff nach ber 
andern Seite hin verfahren. (Der Zwinglianer 
Lambert wurde verbrannt.) Das „Biſchofsbuch oder 
der Unterricht eines Chriften” 1537 ſollte die 10 
Artitel befjernd ausführen; deutſche Theologen, 
die berufen waren (Mylonius, Burdhardt), gingen 
wieder zurüd, und 1539 ftellte das Parlament in 
den 6 (Blut:) Artikeln als Glaubenägefeg bie 
Brobverwandlungdlehre und die Communion un: 
ter Einer Geftalt, das Cölibat der Priejter, bie 
Unauflöslichleit des Keufchheitsgelübdes, die Bei- 
behaltung der Seelenmefjen und die Obrenbeichte 
auf. Die Widerftrebenden wurden graufam ver: 
folgt. Der Einfluß der katholiſchen Partei ftieg, 
ald Erommell, der biäherige Günftling, und mit 
Eranmer der Führer der Reformationsbejtrebun: 
gen, wegen Anna von Cleve in Ungnabe fiel, und 
am 28. Juli 1540 enthauptet wurde, Das ftärfere 
Borwiegen bed Katholicismus zeigte ſich 1542 in 
dem Geſetz, welches den Verordnungen des Königs 
in firhlichen Dingen, auch ohne Zuftimmung bes 
eig Geſetzeskraft verlieh, in der Beſchrän⸗ 

ng bes Bibellejens und der religiöjen Schriften, 
in der neuen Redaction des Biſchofsbuches 1543, 
jegt Königsbuch genannt, und dem Gebetbude 
Heinrichs (Primer) 1546. Unter Heinrichs Sohn 
und Nadjjolger Eduard VI. (1647— 1553) und 
dem Protector Somerjet erlangten die Evangeli: 
ſchen ein entſchiedenes Uebergewicht. Das Parla: 
ment 1547 führte das Abendmahl unter beiden 
Geftalten ein und ſchaffte die noch übrigen geiftlichen 
Stiftungen ab; die Fatholifchen Gebräuche verbot 
Eranmer 1548, bie Bilder wurden aus den Kirchen 
entjernt, 1549 durch die erfte Uniformitätsacte 
das von Cranmer mit den Biſchöfen Goodrich, 
Ridley u. A. entworfene Allgemeine Gebetbudy an: 
—— und das Eölibat aufgehoben; 1550 das 

rdinationsformular der engliſchen Kirche feftge: 
ftellt. In den Verordnungen der legten Regie: 
rungsjahre Eduards machte ſich der Einfluß der 
Ausländer geltend, welche theils als Früchtlinge 
Caski, Ochino), theils von Eranıner berufen (Bu: 
cer) in England wirkten und von den Rüdfehren: 
den, unter Heinrich verbannt Gewejenen, unter: 
ftügt wurden. Das Allgemeine Gebeibucy wurde 
revidirt und, von vielem allzu Katholiſchen gerei: 
nigt durch die zweite Uniformitätäacte, 1552 ein- 
geführt, Cranmer entwarf die 42 Glaubensartifel 
(die jpäteren 39), biefelben wurden zugleich mit 
einem neuen, durch Boinet verfahten Katechismus, 
der an die Stelle des biäher benugten Nürnberger 
treten jollte, durch königliche Verordnung einge: 
führt. Damit war der englifchen Kirche, die bis: 
ber eine von manden Mikftänden gereinigte ta: 
tholifche geblieben war, ein wejentlidy reformirter 
und zwar calvinifcher Typus aufgedrüdt. — Es 
folgte die Sichtungäzeit ver jungen Kirche unter 
Maria der Katholijchen (1553— 1558). Nach ihrer 
Vermählung mit Philipp II. von Spanien, betrieb 
fie eifrig und rückſichtslos die Reſtauration des 
ner enge 1554 hielt Cardinal Pole als 
päpjtlier Legat feinen Einzug in London, die 


224 


England. Englische Kirche 


Ausländer murben verbannt, die Häupter ber Evanı 
—— flohen, Andere ſtarben ſan 300) auf dem 
lutgerüft. Im Gegenſatz zu dieſem Schreckens 
regiment ſtürzte Eliſabeth ſofort das römiſche 
Kirchenweſen. Die Acte vom 1. Febr, 1559 ftellte 
die föniglihe Suprematie in ausgedehnter Weiſe 
wieder her; die neue Uniformitätsacte führte das 
revidirte Allgemeine Gebetbuch ein; eine Kirchen: 
vifitation forderte von allen Geiftlichen den Eid 
auf jene zweite Acte, und bei der Weigerung ver: 
loren alle Bifchöfe, bis auf einen, ihre Stelle und 
mußten zum Theil durch rüctehrende Flüchtlinge 
erjegt werben. 1571 beftätigte das Parlament eine 
neue Redaction der 42 Cranmerfchen Artitel, welche 
fie auf 39 reducirt hatle, und genehmigte eine neue 
Bearbeitung des Katechismus, ſowie eine verbeſ⸗ 
jerte Bibelüberjegung 1572. Damit war der Bau 
der engliihen Staatsfirche vollendet, deren Eigen: 
thümlichkeit darin befteht, daß fie die Einheit von 
Staat und Kicche vorausfegt: das Oberhaupt des 
Staates ift dad Oberhaupt (supremum caput) der 
Kirche, die Diener der Kirche find Diener des 
Staates. In der Berfafjung und dem Gottes: 
dient möglichft das Alte beibehalten, ift fie in ber 
Lehre faft völlig evangeliſch. Zwiſchen den 39 Ar 
tileln und den deutſchen Betenntnißfchriften herrſcht 
ſtellenweiſe eine faſt wörtliche Uebereinſtimmung, 
die fi aus den Verhandlungen erklärt, die Gran: 
mer mit den deutſchen Theologen zur Herbeifüh 
rung einer Kircheneinigung gepflogen hatte. Das 
Unterjdeidendfte von andern evangelifden Kirchen 
ift die Beibehaltung der Hierarchie (daher biſchöf⸗ 
lihe Kirche). Die Geiftlichkeit bildet einen bejon» 
deren Stand, die Ordination verleiht einen 
rafter indelebilis. Durch die Dialonatd» und 
Priefterweihe wird der Eintritt in die niedere, 
durd die Biſchofsweihe in die höhere Geiftlichkeit 
eröffnet. Zu der letzteren gehören bie Erzbifhöfe 
von Canterbury, der Primas des Reiches, und 
von York, ſodann die zwei irifchen Erzbiſchöfe von 
Armagh und Dublin; Erftere zugleich mit hoher 
weltlier Würde befleivet. Sie haben bie Ober: 
aufjicht über ihre Provinz, nehmen Appellation 
von den bifchöflichen Gerichten an und haben das 
Recht der Ordination der Biſchöfe. Zu den 26 
Biihöfen in England und Wales (10 in Irland), 
treten noch die Golonialbijchöfe rg bie von ben 
Erzbifhöfen ernannt werden. Sie ordiniren und 
ftellen die Geiftlihen an und führen die Aufſicht 
und Diseiplin über fie und die äußeren Angelegen: 
heiten der Kirche durch ihre Archidiakonen und 
Kanzler. Sie werben, der Form nad), durd bie 
Capitel erwählt, in der That aber durch die Krone 
frei ernannt. Die niedere Geiftlichkeit zerfällt in 
Capitel: und Pfurrgeiftlichkeit. Die erftere hat den 
Kathedraldienft zu beforgen und bildet, mo bie 
Stellen nicht blope Pfründen find, die bijhöflichen 
Gerichtähöfe und Verwaltungs-Collegien, an ihrer 
Spige fteht der Decan und der Arcidialonus. In 
der Pfarrgeiftlichteit unterfcheiden fich die Pfarrer, 
incumbents (rector, vicar, perpetual curate), bie 
Hülfsgeiftlien, curates, und Capläne, chaplains. 
Die eigentlihen Hülfsgeiftlichen, Pfarrgebülfen, 
werden auf eine widerrufliche Licenz des Biſchofs 
vom Pfarrer oder Biſchof angeftellt, der Pfar: 
rer iſt der wirkliche Snhaber der Kirche. Zur 
Seeljorge und zu einzelnen Verrichtungen befähigt 
die Diafonenweihe; eine ftändige Hülfäpfarte be: 
dingt bie Priefterorbination. Auf den Vorſchlag 


England. Englifche Kirche 


des Batrond ober der Gemeinde ertheilt der Bi: 
{hof nad) einer Prüfung des Candidaten die 
Zulaffung (admission) ‚find dann die verſchiedenen 
durch die Gejege geforderten Eide geleiftet, fo 
olgt die Ordination (institution) und bie Ein: 
hrung (introduction). Der Unterſchied unter 
den Pfarrern bezieht ſich bloß auf das Verhält— 
nik ber Kirche zum Patron und auf den Beſih 
der Pfründe. Biele Mißbräuche find durd das 
Recht der Pfarrer entjtanden, mehr als eine Stelle 
zu befigen und biejelben durch ſchlechtbeſoldete 
Bicare verwalten zu laſſen. Die Gemeinde ver: 
waltet ihre Angelegenheiten jelbjtändig durch die 
Gemeindeverfamm: er (vestry) und ihre Beam: 
ten, Rirchenvorfteher(churchwardens) und Armen: 
pfleger (overseers) ; der lebernahme dieſer Aemter 
Önnen fich ſelbſt Diſſenters nicht entziehen. Die 
Seldftverwaltung der Kirche ift dagegen völlig ge: 
fdıe.inden, jeitdem die Gonvocation, das firdyliche 
Borlament, aus Geiftlihen —— nicht mehr 
oder nur ber Form nad berufen wird. Der 
Gottesdienst ift dur das Allgemeine Gebetbud 
geordnet, dafjelbe läßt aber. dem Geiftlihen im 
Geremoniellen jo viel Freiheit, daß die Pufeyiten 
die fatholifhen Riten wieder einzuführen nicht 
—— waren. Abweichend von dem deutſchen 
irchenbrauch iſt die Confirmation ein Vorrecht der 
Biſchöfe. Die kirchliche Gerichtsbarkeit, welche auf 
Grund des kanoniſchen Rechtes und mancher 
tlamentsacten außer der kirchlichen Disciplin 
auf Ehe:, Teftaments: und Legitimitätsfragen 
tet, hat den Inftanzenzug von dem Hofe deö 
Arhidialonus an den bif‘pöftichen, von da an den 
erzbiihöflichen und zulegt an die Krone, d. h. den 
Gerihtsausihuß des Geheimen Nathes (früher 
an den Delegatenhof, bis 1832). Die Verhand— 
lungen werben ähnlich wie bei den weltlichen Ge: 
sihten geführt, das Verfahren ift aber ſchleppend 
und verwidelt und einer Reform bebürftig. 
Die Gefchichte Englands und feiner biſchöflichen 
ze hängt an der gedachten Einheit von 
irhe und Staat. Noch unter Elifabeth wurde 
1561 eine Verſchwörung der Katholiten entdedt 
und 1569 eine zweite zu Gunften der Iottifggen 
Maria; der deshalb von Neuem eingeihärfte Su: 
premateid erleichterte die fpäteren Verſuche ber 
Stuarts, den Katholicismus wieder einzuführen, 
tief aber auch den Widerftand der Buritaner und 
aller Ronconformijten hervor. Die Teſtacte von 
1673, die Jeden von öffentlihen Aemtern aus: 
ſchloß, der nicht Glied der Staatätirche war 
und jomit den vorgefchriebenen Eid nicht leiften 
fonnte, ficherte freilich den äußern Beſtand 
der Hochlirche, trieb aber um fo mehr alles 
erregtere religiöje Leben zu den Difienters, jo 
daß die Hochtitche im Befig der Macht und 
eines ‚großen Kirhenvermögend in ihren For: 
men erjtarrte.- Durch die firchlichen und relis 
töjen Bewegungen der Neuzeit haben ſich in der 
chlitche drei Parteien Pe high church, 
low church, broad church party. Die erfte, vor: 
züglih unter den Biſchöfen vertreten, hält die 
hierarchiſch⸗kirchlichen Tendenzen vor Allem feſt 
und hegt die katholiſchen Elemente, die der Angli: 
canismus in fich bewahrt hatte, aus ihrer Mitte 
find der Tractarianismus und Puſeyismus hervor: 
gegangen, die für Viele die Brüde nad) Rom bil: 


225 


Engliſche Bibelüberjegung 


id einer ftrengen Inſpirationstheorie, ift aber 
praftifh aus der kirchlichen Abgejchlofienheit her: 
ausgetreten, indem fie in Mifftonsangelegen« 
—— und verwandten Beſtrebungen in freien 

ereinen praltiſcher —— mit den Diſſenters 
ſich verbindet. Die broad church p., durch Tho— 
mas Arnold, Whateley, Hare, Maurice u. A. vers 
treten, pflegt eine freiere, der deutfchen Theologie 
verwandte Richtung. Die Angelegenheit der Es- 
says and Reviews und des Biſchoſs Colenfo von 
Natal haralterifiren die dogmatiſche Stellung der 
englifchen Kirche. Ihr Einfluß ift durch die Aufhe— 
bung der Teftacte 1828, wie Durch die Emancipation 
der Katholifen bedeutend geſchwächt, undihre Stel» 
lung in Irland, wo fie bei wenig Anhängern die 
Dotationen genießt und die Kirdhenfteuer einzieht, 
beihäftigt gegenwärtig die Geſetzgebung. Vgl. 
d. A. Buritaner, Tractarianer. Das Zahlenver: 
hältniß der Kirchen ift, daß während früher die 
große Majorität der Staatskirche angehörte, dieſe 
jest nur noh 52%, der Bevölkerung umfaßt. 
Große Fortjchritte hat die katholiſche Kirche in 
England gemadt. Der Emancipationsacte 1829 
folgten weitere ſtaatliche Zugeſtändniſſe, die Ver: 
mächtnigbill geftattete legtwillige Zuwendungen 
zu katholiſchen Kircheninftituten, ein fatholifches 
Seminar zu Monmouth wurde 1845 dotirt. 1850 
jtellte der Bapft durch eine feierlihe Bulle die 
fatholifhe Hierarchie wieder her und ernannte 
den Gardinal Wifeman zum Erzbifhof. Zwar 
verbot die Titel: Bill den Bildöten den örfent: 
(ihen Gebraud ihrer Titel, allein Nom vers 
folgte den einmal gewonnenen Sieg; und Wijes 
mand Nachfolger, ein anglicanifcher Brojelyt, 
Manning, ſchmeichelt ſich mit der goffaung. Eng: 
(end unter Roms Herrſchaft zurückzuführen. Die In⸗ 
dependenten, Baptiſten und Methodiſten und das 
rege Leben auf dem Gebiet der innern und äußern 
Miſſion laſſen einſtweilen dieſe Hoffnung noch nicht 
zu einer Furcht für den Proteſtantismus werden. 

EnglifheBibelgefellihait.S-Bibelgejellichaften. 

Engliſche Bibelüberjegung. Die erjte vollftän: 
dige Ueberjegung ift die Wicliffs (+ 1384) nad) 
der Bulgata. Ihm folgte 1526 William Tyndal mit 


| der Ueberjegung des N. T., welche in England 


zwar verboten, aber meit verbreitet wurde, und 
die Grundlage aller fpäteren geworden ift. Cover: 
dale gab 1535 das A. T. heraus, an dem zum 
Theil Tyndal mitgearbeitet hatte. Eine neue Aus: 
gabe der Tyndalſchen Bibel mit Noten und Ans 
—— ift die Matthew's-Bibel 1537. Covers 
dale gab 1539 eine revidirte Ausgabe feiner Ueber: 
ſetzung ohne Noten heraus, da er 1538 aud) das 
N.T. hatte erfcheinen laffen, Cranmers Bibel oder 
Große Bibel genannt, die unter Eouard VI. ald 
autorijirte Heberjegung galt. Die Genfer Bibel, 
1560 durd Goverdale und Wittingham heraudı 
gegeben, ſchließt fich dicke als jene an den Urtert 
an. Mit Benugung dieſer wurde durch Barker 
und mehrere Biſchöfe die Bifhofäbibel 1568 
veranftaltet, eigentlich eine Revifion der Großen 
Bibel, daher mit näherem Anſchluß an die Vul— 
gata. Endlich ließ König Jokob die Biſchofsbibel 
durch mehrere Commijfionen revidiren und durch 
das Zufammenarbeiten vieler Gelehrten feitjtellen ; 
das Rejultat, die jegt gebrauchte Ueberjegung, 
erſchien 1611 und zeichnet fi) durch Nichtigkeit 


deten. Die low church p. fteht eben fo feſt wie der Uebertragung und Schönheit der Sprade 
die vorige auf dem orthodoren Dogma, nament: | unter allen Bibelüberjegungen aus. 


15 


Englifche Fräulein 226 Enthaltung 


Engliſche Fräulein, Geftiftet von Maria Ward | Stand Ehrifii unterfchieden: den Stand ber Ent: 
zu Anfang des 17. Jahrhunderts ” Erziehung | Äußerung (dev Erniebrigung; status exinanitio- 
ber Jugend. 1630 505 Urban VIII. ben Berein | nis), in welhem Ehriftu2 jeiner göttlichen Herr: 
wieder anf, doc genehmigte ihn von Neuem Gle: | lichkeit ferne auf Erben wandelte, und den Stand 
mens XI. 1703. Der Verein hat drei Klafien, | ber Erhöhung (exaltationis), in welchem er all: 
abelige und bürgerliche Jungfrauen und dienende | Schwachheiten der irdiihen Natur abgelegt und 
Schmweftern, befaft fi «Fr aud mit Aranfen:| den Vollbefig ferner göttlichen Herrlichkeit behaup⸗ 

flege und hat weder Claufur noch bindende Ge: |tete. Ueber die Frage, wie die Entäußerung zu 

bbe. denken jei, erhob fi im Aahre 1816 ein Streit 

——— Gruß oder Ave Maria. Beſteht aus | zwiſchen den ſchwäbiſchen Theologen Dfiander, 
dem Gruße Luc. 1, 28, in durch 1,42 mit | Nicolai, Thummius und ben beffiihen Mengr 
dem Zufage (duch Urban IV.): Jefus Chriftus, | und Feuerborn. Die Erftern behaupteten, die Ent: 
Amen, und dein fpätern: Heilige Maria, Mutter | äußerung fei jo zu verftehen, daß Chriftus zwar 
Gottes, bitte für und jegt und in der Stunde un: | aud) noch ald Menſch im Gebrauch (Yefaıg) feiner 
ered Todes. Der Gebrauch biefer Gebetäformel| göttlichen Eigenihaften, 3. B. ald Weltregent ge 
ommt erft jeit P. Damiani vor, angeordnet ward | wejen fei, daß diefelben aber vor den Menſchen 
er durch Ddo von Paris 1196 und ift verbreitet | nicht zur Erfcheinung gefommen, daß fie verbor: 
er dem 13. Jahrhundert. Das Breviarium Pii} gen geblieben feien. Sie wurden daher Kryptiler 

at ihn allgemein eingeführt. Der engliſche Gruß | genannt. Die Heflen dagegen nahmen eine wirt: 
ift die Grundlage der Noſenkranz-Andacht. ©.| liche Entäußerung an, b. h. jo, daß der ernieurigte 


ngelus Domini. Ehriftus wohl im Befige, aber nicht im Gebrauche 
Engliſche Polyglotte. S. Polyglotte. feiner göttlichen Eigenſchaften war, weshalb fie 
Enhadvn, %of. 19, 21. Nach van de Velde: Ain| den Namen Kenotiter erhielten. Die ſächſiſchen 
Haud. Eufebius kennt noch ein anderes E. zwi⸗ Theologen entſchieden den Streit (Decisio und 
ſchen Eleutheropolis und Jerufalem. Apologia 1625) au Gunften der heſſiſchen Anſicht, 
Euhazor. S. Hazor. wobei fie nur zum Vortheil der Andern hervor: 


Enkratiten. Rah Irenäus u. A. eine ano«| hoben, daß zur Bollbringung der Wunder Ehri: 
ifche Partei, aber anſcheinend nicht ſowohl eine —8 allerdings ſich feiner göttlichen Allmacht be: 
artei als eine Richtung innerhalb des Gnofti: | dient habe. 

cismus, welche, von bualiftiihen Theorien aud:| Entbindung von Gelübden. S. Diäpenfation. 

5* — ben Gebrauch des Materiellen möglihft] Entblößung der Altäre gehört zu der Auszeich— 
eſchränkte. Weil die E. auch im Abendmahl nicht | nung des Charfreitags als des Trauertaged. Den 

Dein, jondern nur Wafjer gebrauden wollten, | Altären werden die Hetieidungen, die Decken und 
ießen fie aud vdponapasraraı, aquarii. Ald|der Schmud genommen und das Kreuz wird ver: 
ervorragend unter ihnen werden genannt Ta: | hüllt. 
lan, Saffıan, Severud. Der Name kommt alö]| Enterbung. Nah dem gemeinen Rechte war 

Kegername der Bogomilen im 12. Jahrh. von | der Confeſſionswechſel, d. h. der Rüdtritt von der 

Neuem vor. fatholifchen Kirche, als eine Berlegung der Pietät, 
Ennodins, Magnus Felix. Geb. 473 zu Arles ein rechtlicher nd zur Enterbung aud der 

oder Mailand. Bon armen Eltern herftammend, | Pflichterben; die jüngeren Landesgeſetzgebungen 

durch Heirat begütert, trat er in ben geiftlichen | haben diefen Grundjag aufgehoben, welder ver 

Stand und begleitete alö Dialon 494 den Bijchof | Religionsfreiheit widerſprach. 

Epiphanius von Paris auf einen Miffionszuge | Entführung war nad) römischen Rechte und 

nd Burgund. Als Biſchof von Pavia (feit 510) | geraume Zeit im Mittelalter ein abjolutes Ehe— 

machte er im Auftrage des Bapftes zwei Neifen nad) | hinderniß und wurde außerdem mit den jchärfiten 

Eonitantinopel behufs Vereinigung der Kirchen, | Kirchenftrafen belegt. Später wurde die Ehe für 

doch ohne Erfolg. + 521. Er war ein frucdhtbarer | zuläffig erfannt, wenn der Entführten vorher ihre 

Schriftſteller, deſſen Werke in einer Gefammtaus: Freiheit wiedergegeben worben. Eine Entführung 

gabe (Bafel 156%, Paris 1611) zur Geſchichte jei- | mit Einftimmung der entführten Berfon fällt nicht 

ner Zeit und ber germaniſchen Stämme wichtige | unter jenen Beſtimmungen. Die bürgerlichen 

Beiträge liefern. Er war der Erite, welcher den | Ehegefeßgebungen fordern aber meiftens unbe 

Bifhor von Rom in einem Briefe al3 papa an: dingt nicht nur die Freiheit der Nupturienten, 

redete und bamit diefe Titulatur einführte, fondern aud) die Einwilligung der Eitern. 
Enos, Der Sohn Sethö, 1. Mof. 4, 26; 5, 6.| Enthaltſamkeitsvereine. S. Mäpigleitövereine. 

Der Name bedeutet Menſch. Aus der Angabe| Enthaltung, ald Tugend Enthaltjamteit, d. b. 

4,26: damals habe man vegonnen den Namen | die Verzichtleiftung * an ſich nicht unerlaudt: 

Jahve's anzurufen, fchloffen die Rabbinen auf| Befriedigung des finnlihen Begehrens, ift info 

ben Beginn der Abgötterei. fern eine chriſtliche Tugend, als ſich in ihr die 
Enrimmon. Stadt in Juda; Neh. 11, 29; Freiheit des Geijtes und die Herrſchaft deſſelben 

Joſ. 19, 21; vgl. Rimmon. über den Leib bewährt, und wird zur chriſilichen 

nſoph. Im Syitem der Kabbala das Abfolute, | Pflicht, wenn der Gebrauch des an fich Erlaubten 

d. h. das Schranfenlofe, Unendliche. die Erfüllung der befonderen Lebensaufgaben bin; 
Entäußerung ift der aus Bhil.2,5—9 ent-|dern würde. Bol. z. B. den Apoftel Paulus 

lehnte Ausdrud (xXcyvwoic), um die Menjchwerdung | Über die Ehelofigkeit, 1. Kor. 9, 24 ff. Sie hir! 

Chriſti als einen durch freie That der Selbftver: | auf eine Tugend zu fein, fobald auf das Entha': | 

—— vollzogenen Uebergang aus dem höhern ten vom Genuſſe ſelbſt ſchon ein Werth gelegt 

Zuſtand, den er innerhalb der Trinität behaup: | und außer Acht gelaſſen wird, daß fie immer nur 

tete, in den niedern der Menſchheit zu bezeichnen. | ein Mittel fein foll, die geiftige Richtung der Serit 

Die Kirchenlehre hat demzufolge einen doppelten ! von allen Hemmungen zu befreien. Eine beſonder: | 


Enthuſiasmus 


227 


Eparchie 


Art von Enthaltung bilden die von der Kirche als dieſe aber wirlte die Verfolgung feiner Anhäns 


auferlegten Abftinenzen, welche als gute Werte 
ein Berdienft im fich fchließen. S. Faften. Vgl. 
Aöleten, Keuſchheit. 

Enthufiadmus unterjcheidet fi) von ver Be: 
eiiterung, * 5. ber gefteigertiten und erregtejten 

hingabe des Gemüthes und des ganzen Lebens 
an ein Ideal, und an deſſen Darftellung in con- 
wreter Geftaltung, dadurch, dap der E. vorzugs: 
meife nur eine Erregung des Gefühles it, ohne 
gleichzeitigen nachhaltigen Willensentſchluß. Wie 
er ſchon deshalb flüchtig und vorübergehend zu 
fein pflegt, jo faßt er aud) nur das Ziel ins Auge, 
ohne den Weg zu überjchauen, und überfnringt die 
Bedingungen, von denen die Erringung defjelben 
abhängt, daher finkt er dei erniten Hinderniſſen 
jujanmen. Während man von Begeifterung nur 
bei wirklich idealen Streben redet, jpriht man 
von einen unreinen Enthuſiasmus, wenn entwe— 
der dad Ziel fein wahrhaft fittliches und allgemei- 
nes ift, oder hinter demjelben ſich noch Nbfichten 
des Egoismus verbergen. 

Enthuſiaſten. S. Meffalianer. 

Entiagung des Amtes. S. Reſignation. 

Entweihung. Die sum gottesdienſtlichen Ge: 
brauch geweihten Kirchen und Altäre erhalten da: 
burh einen heiligen, unverlierbaren Typus, der 
auch duch Profanation nicht verloren geht, aber 
night mebr bleibt, wenn Haupttheile irgendwie 
jerftört find; 3. B. wenn die Wände der Kirche 
demolirt oder im Innern von Feuer ausgebrannt 
find. Solche Fälle fordern daher eine neue Weihe. 
Uneigentlich redet man von Entmweihung, richtiger 
von Befledung (pollutio ecel.), wenn durch gewiſſe 
beftimmt Dezeichnete Verbrechen und Vorgänge die 
innere Heiligkeit des Orts befleikt ift, wodurch eine 
som Biſchof vorzunehmende Reconciliation noth: 
wendig wird. Dies ift der Fall namentlich bei 
Nord, Unzucht und dem Begräbniß eines Ercom: 
minieieten, jobald fie öffentlich geſchehen. 

Entyditen nennt Clemens Aler. Strom. 7,17 die 
Anhänger des Kleobios, eines Schülers des Si: 
mon Nagus; wahrſcheinlich weil fie auf die Art 
und Gewalt der öffentlihen Fürbitte ein bejon: 
deres Gewicht legten. 

Eobanud, Helius, gen. Heſſus. Geb. 6. Jan. 


1483 zu Bodendorf in Kurheſſen. Einer der Dän: 


ner, welche außerhalb des Kreifes der Thrologen 
bie fräftigiten Stügen der Reformation bildeten. 

gehörte zu dem Erfurter Kreife der Humaniſten, 
mo er mit Cordus, Camerarius, Drakonites, Heß 
u, 9. befreundet war, und fi an den Briefen der 
Dunkelmünner betheiligte. An das neugeftiftete 
Oymnafium zu Nürnberg berufen, ging er fpäter 
als Brofefjor der Geſchichte uad Didtkunft nad 
Marburg, wo er 1540 jtarb. Unter feinen Gedich: 
ten ift hier Die Paraphraſe der Pjalmen zu erwäh: 
nen, zu welcher Beit Dietrich Anmerkungen ſchrieb. 
Sein Leben von Her, Berlin 1860. 

Eon oder Eudo von Stella. Ein Edelmann aus 
der Bretagne, der die Worte: per eum qui ventarus 
est judicare etc. (der lommen wird zu richten) 
auf ſich bezog, und in Shwärmer:fher Weife, ans 
geſteckt von fathariftifchen Jdeen, gegen Kirche und 
Hierarchie predigte, die Geiftestaufe durch Auf: 
legung der Hände lehrte, Auferftehung und bie 
Ehe ald Sacrament Icugnete. Gegen ihn und fei: 
nen Anhang predigte der Legat Albericus von 
Dftie 1145 und ſchrieb Hugo von Rheims. Mehr 


ger .. Truppen und die errichteten Scheiters 
haufen. Eon felbjt wurde 1148 für wahnfinnig er⸗ 
Härt ind eingejperrt. 

Epaften bedeuten ben Unterfchied der Tace 
im Vondjahre (354) und im Sonnenjahre (365), 
der im erjten Jahr: Il, im zweiten 22 u. ſ. f. be= 
trägt. Gie geben aljo das Alter des Mondes cm 
erften Jahrestage ‚an, d. h. die Anzahl der Tage, 
die jeit dem legten Neumond verfloflen find; und 
dienten früher zur Beſtimmung des Dfterfeftes. 
Man unterſcheidet die kirchlichen Spalten, die nur 
mit ganzen Tagen rechnen, von den genauen ajtros 
nomiſchen. 

Epaon. Unter dem katholiſch gewordenen König 
Sigismund von Burgund beriefen die Erzbiſchöfe 
Avıtus von Bienne und Biventiolus von Xyon 517 
eine Synode nad) Epaon, weldhe „unter göttlicher 
Inſpiration“ 40 Kanoned für die burgundiſche 
Kirche aufftellte Über Kirchendiscivlin und das 
Verhalten gegen Keger und Nrianer, Da in einem 
derjeiben gegen einen dem Könige naheftehenden 
Hofbedienten das Verbot der Ehe mit Ser Schwes 
jter der verjtorbenen Frau wiederholt war, jo vers 
pflichtete ich ein Theil der Biſchöfe in der Nach— 
ſynode zu Lyon zu gemeinfanen Maßnahmen bes 
hufs Aufrethaltung der Beichlüffe, wenn der 
König einfchreiten follte. Da das burgundiſche 
Reich bald zerfiel, hätte die Synode feine uns 
mittelbare Folgen gehabt, wenn nicht 13 ihrer 
Kanoned in die Sammlung over (47) Beſchlüſſe 
der Synode zu Agde, welde unter Cäfarius 506 
gehalten worden, jpäter aufgenommen und fo in 
Geltung getreten wären. Die Lage von Epaon, 
Be Tortilianum genannt, ift unicher, ed wird 
zwilhen Vienne und Lyon gelegen haben und im 
Dorfe Ponas zu ſuchen fein. Andere vermuthen 
die ſavoyiſche Stadt Yenne (Etanna). 

Epaphras. Aus Kolojjä gebürtig (Kol. 4, 12), 
war er dort Gemeindediafon und wahrſcheinlich 
verdient um die Gemeindegründung in den Nachs 
barjtädtın. Er befuchte den Apoitel Paulus in fess 
ner Gefangenſchaft in Rom (Sol. 1, 8), um ihm 
Nachrichten über die Gemeinden Kleinafiens zu 
bringen, und mußte eine Zeitlang deſſen Gefans 
genſchaft teilen (Bhilem. 23). Rach den Liärtyrers 
acten war er ver erſte Bischof von Kolofjä und ers 
fitt dort aud) den Märtyrertoo (19. Juli). 

Epaphrodituß. 1) Vorjteher der Gemeinde in 
Philippi (Phil. 4,18), wurde von derjelben mit Lies 
besgaben für Baulus nah Rom gejdidt und er« 
frantte dort. Paulus jandte durd) ihn feinen Brief 
an die Gemeinde zu Philippi (2, 25-0). Daß er 
und Epaphras diejelbe Perfon gewejen, ift eine 
durch nichts erwieſene Vermuthung von Grotius, 
— 2) Ein ——— Mann in Rom, Gönner des 
Joſephus, der dieſen veranlaßte, die Archäologie und 
die Geſchichte des jüdiſchen Volkes zu ſchreiben. War 
mer ein griechiſcher Freigelaffener, aın 
Hofe Nero's und Domitians von Einfluß, der cber 
von Domitian verbannt und Späte: zum Tode vers 
urtbeilt wurde. 

Eparchie. Bei den Griechen eine Provinz, Abs 
theilung einer Diöcefe. Da die kirchliche Organis 
fation A ber bürgerlien anſchloß, jo wurden die 
5 der Eparchien als Metropoliten von den 
Biſchöfen der einzelnen Orte und den Patriarchen 
der Diöcefe unterſchieden. Jetzt beze.chnet das 
Wort in der ruſſiſchen und Ben Kirche die 

ö 


Epla 


Diöcefe eines Biſchofs überhaupt, da der Unter: 
ſchied zwifchen Bifchof, Erzbifchof und Metropolit 
fließend geworden ift. 

Epha. Ein hebräiſches Hohlmaß, gleih dem 
Bath und dem zehnten Theil desChomer. Thenius 
beitimmt es auf 1014,39 Barifer Kubifzoll. 

(ephes Dammim, Der Lagerplag der Bhilifter 
mwährend des Kampfes —— David und Go— 
liath, 1.Sam. 17, 1; vgl. 1. Ehr. 12 (11), 13, wo 
der Ort Pad Dammim heißt. Beide Male über: 
ſetzt Luther anders. j 

Ephefer, Brief an die. 1) Inhalt des Brie— 
fes. Er zerfällt in einen didaktiſchen (1—3, 21) 
und einen praftifchen Haupttheil. Der erfte ent: 

ält eine Lobpreifung Gottes für den herrlichen 
eruf der Leſer als Ehriften, für ihre hriftliche 
Einfiht und Lebenäbethätigung (1, 1—23), eine 
—— ihres aus reiner Gnade hervorge⸗ 
angenen Chriſtenberufes, ihres Zuſtandes ein: 
ens und jetzt (2, 1—22) und die Bekräftigung 
biefer Beſchreibung durch die Hinmeifung auf Den, 
der ihnen das Evangelium gebradht hat und jet 
in Gefangenihaft —* (3, 1—21). Der 
zweite Theil ermahnt zur Einigkeit im Geifte, zu 
einer reinen Gefinnung und riftlihem Wandel 
4, 1—5, 20), zur Heilighaltung der häuslichen 
erbältniffe (5, 21—6,9), zum Kampf und Gebet 
(6, 10—24). — 2) Abfafjungsperhältniffe. 
Der Brief ift in der Gefangenſchaft gejchrieben 


8, 1m. f.), alfo entweder 3 Rom oder, wie ſeit J 


chulz (Stud. u. Kr. 1829) häufig angenommen 
wird, zu Cäſarea. Mit dem Kolofjerbrief (j. d.) 
a er die auffallendfte Aehnlichleit, jelbft wörtliche 

ebereinftimmung (vgl. 3.8. Eph.4, 17 — 6,9 mit 
Kol. 3). Beide werden daher gewöhnlich als glei: 
zeitig (au mit dem Philemonbrief) —* 
Eine große Streitfrage war von jeher die Adreſſe 
des Briefes. Da im Cod. Vatic. und im Sinait. 
das Wort Ev 'Eydow in der Adreffe fehlt und aud) 
Marcion und Bafilius es nicht gelefen zu haben 
feinen, fo wird jetzt vielfach der Briet als ein 
nicht an eine beftimmte Gemeinde gerichtet geme: 
ſenes Circularſchreiben aufgefaßt. Die Vermu— 
thung, daß er ber Kol. 4, 16 erwähnte Brief an 
die Laodicener fei, wird weder durd die dahin: 
gehende Anficht Marciond, nod durch die Aehn— 
lichfeit des Inhalts der beiden Briefe geftügt. 
Der Brief ift offendar an Heidendriften gerich— 
tet; er hebt, wie es in feinem andern paulinifchen 
Briefe in der Art geſchieht, die Einheit der Kirche, 
des Leibes Chrifti, ald die Einheit alles zuvor 
Getrennten hervor, und läßt auch die Ermahnun: 
gen dahin gerichtet fein. Weil die Sprache ihnen 
nicht eg Ar fein fchien, bezmeifelten zuerft 
Ufteri und de Wette die Echtheit des Briefes, die 

über unbeftritten geblieben war. Die Krititer 

er jog. Tübinger Schule haben mehr Gewicht auf 
den Inhalt gelegt und hervorgehoben, daß hier 
von einer Einheit der Kirche geredet werde, wäh: 
rend Paulus immer nur von Gemeinden ſpreche; 
es weiſe dies auf die Entwidlung einer jpätern 
Seit hin, zu welcher die ea Fri Anklänge, 
3. B. des Einganges, ſtimmten. Sie ſetzen die 
Entjtehungszeit des Briefes in das 2, Jahrhun— 
dert. Für die kritifhen Fragen vgl. die Einlei- 
tungen ind N. T. und die Einleitungen der Com: 
mentare in den Brief; ferner Zünemann, De 
ep. ad Eph. authentia, 1812; Anger, Ueber den 
Laobicenerbrief, 1843; Wiggers, BVeitr. zur Einl. 


228 


Ephefus 


in die Briefe an die Eph., Kol. u. Bhilemon ; 
Schwegler, Zellers theol. Jahrb. 1844; Klöpper, 
De origine ep. ad Eph. et Col. 1853, — Com: 
mentare außer den Geſammtwerken von be Wette, 
Lange, Diöhaufen, Meyer (Eph.4. Aufl. 1807), von 
Holzhaufen 1833, Nüdert 1834, Matthies 1834, 
— 1834, Baumgarten-Cruſius 1847, Bleet 
5 


Ephefus, am Kayftrus, unmeit des Aegkiſchen 
Meeres, eine berühmte und reihe Handelsftadt. 
Angeblid von den Amazonen gegründet, wurde 
fie von den einmandernden Joniern erweitert und 
zur Hauptſtadt Joniens gemacht. Des prachtvollen 
Tempels der Diana wird Apftg. 19, 24 fi. Er: 
wähnung gethan. Bon Kröjus erobert, ftand die 
Stadt fpäter unter perfifcher und griechiſcher Herr- 
ihaft und war unter den Römern die Hauptjtabt 
von Asia proconsularis. Paulus fam zum —— 
Mal hierhin auf der Reiſe von Korinth nach Sy— 
rien, Apftg. 18, 19 — 22, mit Aquila und Pris- 
cilla, die dort blieben und den Apollos bekehrten. 
Auf der dritten Reife hielt fid) der Apoftel 2 Jahre 
und 3 Monate dort auf, und lehrte, als ihm die 
Synagoge verwehrt war, in der Schule eines Ty— 
rannos, Er fand dort Johannesjünger vor. Durch 
den Aufftand des Demetrius vertrieben, ließ Bau: 
lus den Timotheus zurück, welchen die Tradition den 
erſten Biſchof von Epheſus nennt. In der Offen: 
barung wird die Gemeinde lobend erwähnt (1,11). 
Johannes foll nad) der Rüdlehr aus dem Eril in 
Epheſus gelebt haben und bort geftorben fein, 
ebenfo Maria, die Mutter Jefu. Synoden find in 
Ephefus gehalten: 1) Dritte öfumenifhe Synode 
gegen den Neftorius, Patriarchen von Gonftan: 
tinopel, und feine Zwei⸗Raturen-Lehre 431, aus: 

eſchrieben von den Kaifern —— U. und 

alentinian III. Päpſtliche Gejandte waren zu: 

egen, aber mit dem Auftrag, nicht ſowohl an den 

erathungen Theil zu nehmen, als über die An» 
jihten zu richten. Ehe die neftorianifch gefinnten 
antiohenifhen Biihöfe eintrafen, fältte die Ey: 
node bereits unter Zeitung des Cyrill von Alexan⸗ 
drien über Neftorius dad VBerdammungsurtheil 
und fprad) den Glauben an bie — Eini⸗ 

ung des Göttlichen mit dem Menſchlichen aus. 

ie Antiochener hielten, als fie erſchienen, eine 
Gegenfynode, und verdammten ihrerfeits Cyrill 
und Memnon von Ephefus. Es entftand daraus 
eine Spaltung zwiſchen Antiocdyenern und Nleran: 
brinern, die mehrere Jahre lang wührte, bis die 
Erfteren dem Synodalbeſchlufſſe allmählich beitraten 
in dem Vergleiche von 433. 2) Die Räuberſynode 
449. Die Xehre des Eutyches von der Einen Na: 
tur des fleifhgemordenen Gottes hatte die Sy— 
node von Gonftantinopel 448 verworfen. Die in 
ihm unterlegene alerandriniiche Partei, an deren 
Spige der Patriarch Dioskur von Alerandrien 
ftand, erlangte durch Hofintriguen das Ausſchrei— 
ben einer ölumenifhen Synode nad) Ephejus 449, 
unter dem Vorfit des Dioskur. Nach fehr tumul: 
tuariſchen Verhandlungen, bei denen ein Brief 
des Biſchofs Leo von Rom nicht zur Berlejung 
fam, Euſebius von Doryläum, der Anlläger des 
Eutyches, gar nit angehört, aber die andersden— 
enden Biſchöfe bedroht und infultirt wurden, fegte 
die Synode Eutyches in jeine Würden wieder ein 
und anathematifirte Flavian von Conftantinopel, 
Eufebiud3 von Doryläum nebft Theodoret und 
Domnus von Antiochien. Vergebens proteftirte 


Ephob 
ber römische Diakon Hilarius und appellirte Fla⸗ 
vian; Dioslur rief Soldaten und fanatifirie Bo: 
beirotten in die Verſammlung, welche die den Be: 
ihlüffen MWiderftrebenden mißhandelten. Flavian 
wurde von Dioskur jelbit jo gefchlagen, dab er an 
den Ba ftarb. Theodofius beftätigte die Be: 
ſchlüſſe mit feinem Tod, aber 450 war die Wirk: 
famteit derjelben beendigt, und das Goncil zu 
Ehalcedon 451 annullirte fie förmlich. Bol. Le: 
an fog. Räuberfynobe, Ziſchr. für hiſt. Th. 


ß bod. Das Amtskleid bed Hohepriefters. 
2. Mof. 28, 9—11; 36, 2—5. Aus Byffus ange: 
fertigt, mit Goldfäden, Hyacinth:, Burpur: und 
Coccusgarn durchwirkt, bejtand es aus zwei Stü: 
den, die den Oberleib dedten und auf der Adıfel 
durch einen Onyx zufammengehalten wurden; der 
ähnlich gearbeitete Gürtel uümſchloß ed. Auf den 
Ephod mit 2 goldenen Ketten und 2 byacinth: 
farbenen Bändern befeftigt war dad Amtsſchild, 
befegt mit 12 Evelfteinen, deren jeder einen Na: 
men der Stämme Iſraels trug. Im diefes Bruft: 
IhUd wurden die Urim und Thummim gelegt, 
aus melden ber Hohepriejter weiſſagte. Dem 
Ephod legte ber — — magiſche Wiehingen 
bei, Richt. 8, 27; 17,5. Kleidungsſtücke ähnlicher 
em fommen aud) fonft vor, 1. Sam. 2, 18; 
2,18; 2. Sam. 6, 14. 

Ephoren wurden in Sachſen die Guperinten: 
Kar der luth. Kirche genannt. Ephorus heift 

ſſeher. 

Ephraem, der Syrer. Der größte Kirchenvater 
ſeines Landes. Wahrſcheinlich von heidniſchen El: 
tern vor 300 geboren zu Niſibis in Meſopotamien, 
wurde er von dem bortigen Biſchof erzogen und 
als Lehrer an der Schule verwendet, aud) foll er 
denfelben nad) Nicäa begleitet haben. Seine theo: 
logiſche Gelehrjamieit zeichnete ihn bald aus. Als 
Rıfibis an die Perſer gefallen war, zog er fi 
längere Zeit in eine Einöde zurüd, wurde felbit 
Mönd und lebte jpäter in der Nähe von Edeſſa, 
umgeben von einem Kreife jeiner Schüler, als 
Diafon der Kirche. Ob er eine Schule zu Edeſſa 
begründet, ift ungewiß, ebenfo wie eine angebliche 
Reife zu den ägyptiſchen Einfiedlern und nad) 
Coſarea zu Bafılius. + 375 oder 378. Nicht bloß 
durch feine Commentare und dogmatifchen Schrif⸗ 
ten, fondern auch als geiftlicher Dichter und Volls— 
tebner hat er eine große Bedeutung gewonnen ; die 
ſyriſche Kirche bewahrt nod) viele Lieder und Gebete, 
die auf ihn zurüdgeführt werden. Biele feiner 
Schriften find in Berjen (Ephraemſches Versmaß) 
geihrieben, d. h. in Zeilen mit gleiher Silbenzahl 
und einem gewiſſen Rythmus. Seine Commen: 
tare haben einen bejondern Werth dadurd, daf 
fie auch auf die Ueberfegung der Peſchito Nückficht 
nehmen. Seine Schriften, —*— — ſind 
gtoßentheils nur in griechiſcher Ueberſetzung auf 
uns —— Die ger berjelben ift 
von Affemani 1732 — 1746, 3 Bände griechischen 
und 3 Bünde fyrifhen Tertes mit lateinischer 
Ueberjegung. Einzelne Hymnen und Reden find 
überjegt von Zingerle, Innsbruck 1830-58. 6 Bde. 
Dal. Zengerfe, De Ephraemo Syro S. interprete 
1828, Aisteben, Leben des h. Ephräm, 1853. 

Ephraim, der Sohn Joſephs. Die Stellung, 
welche der ihm entfprofjene Stamm in Sfrael ein: 
nahm, jpriht der Segen Jalobs 1. Mof. 48, 1-19 
aus, vgl. 49, 22 ff. Wie bei der Eroberung des 


229 


Epigraphif 


Landes der Führer Jofua ein Epyraimite war, fo 


war aud fein Stamm der wichtigſte, dem der 
Mittelpunkt des eroberten Reiches zum Wohnſitz 
angemiefen wurde, Innerhalb feines Gebietes lag 
Silo, die Stätte der Bundeslade, und Siem, 
ber Ort der Landögemeinde. In der Richterzeit 
tritt das Fräftige Selbftgefühl des Stammes her: 
vor, Richt. 8, 1.2; 12, 1—3, welches ſchon an 
Aufrihtung einer Monarchie denkt, Nicht. 9, 1 ff. 
Unter Samuel ber herrſchende Stamm, ſchloß er 
fid in alter Eiferfucht gegen Juba an Sauls Sohn 
Isboſeth, aus dem ihm eng verbundenen Stamme 
Benjamin, an und rif ſich bei erfter dargebotener 
Gelegenheit von Juda für immer los, 1. Kön. 12. 
Ephraim bildete bleibend den Hauptbeitandtheil 
des Zehnftämmereihs, dad zuerſt von einer 
ephraimitifchen Dynaftie beherricht wurde. 

Ephraim, das Gebirge, aud) Ephron Joſ. 15,9, 
Gebirge Iſrael Joſ. 17,15f.; 19,50; 20,7; Richt. 
7,24; 17,1; 1 Sam. %, 4, erftredte fid) von der 
Ebene Esdrelon bei Ginea bid gen Jerufalem und 
ftand mit den Bergen Juda's in Verbindung; reich 
an fruchtbaren Thälern, gehörte es zu den beit: 
angebauten Diftricten Palaͤſtina's. Einzelne Berge 
werden genannt: Ebal, Garizim, Zalmon, Schom: 
ron, Saas, Gilboa, Zemarim. — Ein "Wald 
Ephraim wir) erwähnt 2. Sam. 18, 6 f., vgl. Jof 
17,15, der nach Thenius und Ewald, denen An: 
dere widerfprechen, im Dftjordanland zu fuchen 
wäre. — Eine Stadt Ephraim, oh. 11, 54; 
2. Chr. 13, 19, in der Nähe der Wüjte Bethaven, 
nicht fern von Bethel. 

Ephrata. Alter Name von Bethlehem (ſ. d. A.), 
1. Mof. 35, 19; Mid. 5, 1. 

Ephron, Al3 Gebirge of. 15,9 und als Stadt 
2. Chr. 13, 19 einerlei mit Ephraim (f. d. A.). Ein 
anderes Ephron in Gilead am Einfluß des Yabof 
in den Jordan eroberte Judas Mallabäus, 1, Matt, 
5, 46. 52. 

Epigonatifon. Ein befonderer Ehrenſchmud vor: 
nehmer Priejter in der orientaliſchen Kirche, be: 
jtehend in einem vom Gürtel auf das Knie herab» 
reihenden Schilde, welches den Sieg über die 
Sünde und den Tod anzeigen fol, nad Simeon 
Metaphraftes. i j 

Epigraphif, die Lehre von den Inichriften, ift 
eine Hülfädisciplin der —38 Theologie. In— 
ſchriften aus der altchriſtlichen Zeit finden ſich an 
Cömeterien, in ben Katalomben, an alten Kirchen, 
auf Münzen; am häufigften in Jtalien (Rom, 
Verona, Mailand), in Südfrankreich (Lyon), ſel⸗ 
tener in Deutichland (Trier) und im Orient. Gie 
dienen dem Kirchenhiſtoriker nicht bloß als Hülfs: 
mittel zur Feftftellung der geſchichtlichen Begeben- 
beiten, fondern lafjen aud) einen Blid in die reli- 

iöſe Auffaffung und in den Stand des riftlichen 
Zebens ihrer Urſprungszeit thun. Auch die heid— 
niſchen Inſchriften ſind von Belang zur Feſt— 
ſtellung der Beer Mehr nod) die Inſchrif⸗ 
ten ei | den aſſyriſchen Dentmälern, die zur Klar: 
ftellung der altteftamentlien Gejhichte wichtig zu 
werden verfprechen. Die Epigraphif, namentlich als 
tirchliche, ift eine jüngere Wiſſenſchaft; denn wenn 
auch ſchon im Mittelalter und feitdem immer häu: 
figer und vollftändiger die Inſchriften einzelner 
Orte und Gegenden gefammelt und herausgegeben 
waren, fo ijt erjt in der legten Zeit Die —— 
derſelben im theologiſchen Intereffe Gegenfiand 
des wifenfchaftlihen Studiums geworden, al. 


Epituräer 


Vallarsi e Pi..demonti, Sacre antiche iscri- 
zioni, Ver. 1772. Cancellieri, Diss. sopra due 


iscıizioni delle sante martiri Simplicia e Orse, | 1738 


Roina 1519. Cardinali, Intorno un antico 
marmo cristiano, Bologna 1819. Litronne, 
Materiaux Br l'histoire du christianisme en 
Egypte, en Nubie et en Abyssinie. Par. 1833. 
Raoul Rochette, M&moires sur les antiquites 
chretiennes des catacombes, Par. 1836 — 38. 
Texier, Manuel d’epigraphie, Poitiers 1851. 
De Rossi, Inscriptiones christ. urbis Romae, 
Rom. 1857. Bol. Rettberg, Kirchengeſch. I, $ 24. 
Piper, Evang. Kalender, 1855. 

Epikuräer. Diefelben werben ala Gegner des 
Paulus Apjtg. 17, 18 erwähnt. Ihr Eudämonis: 
mus, der dem Sinnengenuß huldigte, ter Gottheit 
wenig Einfluß auf die durch Zufal entftandene 
Welt zuſchrieb, und eine Fortdauer nad) dem Tode 
L:ugnete, mußte von dem Evangelium des Paulus 
fih abgeſtoßen fühlen. 

Epiphanienfeft. Feſt der Erfcheinung Ehrifti. 
Bol. Tit. 2, 11; 3,4; ftammt aus ber orientali: 
{hen Kirhe und war urfprünglid die Feier der 
Taufe Ehrifti, durch ar eine Herrlichkeit offen: 
bar geworden fei 'pohou&). Die Geburt Chrifti 
wurde dort nicht beſonders gefeiert, und das 
Weihnachtsfeſt erft im 4. Jahrhundert eingeführt. 
ALS dagegen das Abendland das Epiphanienfeft 
annahm, troß des Wider tandes der Donatiften, 
wurde feine Bedeutung eine etwas andere. Als 
Feit der Offenbarung Chriſti bezog man es auf die 
Offenbarung an die Heiden, ald deren Nertreter 
die Weiſen aus dem Morgenlande galten (Drei: 
königsfeſt), oder dur) das erjte Wunder zu Kana 
(Bethpfania) oder die Speifung der 5000 (Phagi— 
phania). Wegen der Bezichung auf die Taufe 
Ehrifti, auf welche noch die Wafferweihe in der 
giehilgen Kirche hinweift, ward das Feſt im 

dent auch zum Tauftag, und diefe Sitte ver: 

flanzte ſich ebenfalls in die abendländifche und 
ränkiſche Kicche ohne durchzudringen. — Die Sonn: 
tage nad) dem Epiphanienfeft (6. Januar) bis zu 
Eſtomihi werden als Sonntage nad Epiphanien 
gezählt. 

Epiphanius. Geb. zu Befandus bei Eleuthero: 
polis in PBaläftina im Anfang des 4. Nahrhun: 
derts; wurde von ägyptiſchen Mönchen er:ogen, 
die feinem Leben die charakteriftifhe Richtung 

aben. Lange Zeit Vorjteher eines von ihm ge: 
Rifteten Kloſters in feiner Heimath, wurde er 367 
Riſchof von Conitantia, dem alten Salamis auf 
Cyoern. Sein Gifer für rg Wahrheit und 
Bolltommenheit, dem er nicht jelten mit wenig 
Veſonnenheit fich hingab, bewies ſich in der Pflege 
des Mönchsweſens und jeinem Haß gegen die 
Ketzer, für deren größeften er den Drigenes hielt. 
Sein Auftreten in Paläſtina gegen den Bijchof 
Johannes von Jerufalem 394 veranlafßte die ori- 
geniftiihen Streitig’c’ten. Er ftarb 403, eben 
zurüdgelehrt von Tonjtantinopel, wo cr vergeblich 
den Chryſoſtomus zu zwingen verjucht halte, der 
Terdammung des Drigenes (401) beizutreten. Das 
Hauptwerk des Epiphanius iſt fein Banarion, eine 
Aufzählung und Wiverlegung aller Häreftien von 
Anfang bis auf feine Zeit, unter denen auch die 
heidnifche Philojophie ihre Stelle findet. Das 
Buch gel;,ört zu den wichtigiten Quellenſchriften für 
die Kenntniß der altchrijtlihen Kirchengeſchichte. 
Sejammtausgabe feiner Werfe non Betau, Baris 


23) 


Episcopus in partibus 


1859—62, Gervais, 
t. Epiphane, Paris 


38, 
Epiphanius, Bifhof von Pavia. Geb. 439 aus 
vornehmer Familie, wurde mit 18 Jahren Diakon 
und —— ſich in der Amtsführung ſo aus, daß 
er mit 27 Jahren die Biſchofswahl anzunehmen 
genöthigt wurde. Das Anjehen, welches er genok, 
wurde in der unrubigen Seit, ald das weſtrömiſche 
Reid) vlamnenten, oft beugt, um unter den 
jtreitenden Fürften Frieden zu vermitteln (474 
Nepos und Eurich), oder Schi gegen Bebrüdun: 
en (Odoaler, Theoderich) für A Diöceje zu er: 
angen, wie er aud) von dem Burgunderlönig 
Gundobald die in der gefangenen Ligu⸗ 
97, 


1622, und Dindborf, Seipaig. 
L’histoire et la vie de 


tier erbitten mußte. +4 

Epiphanins Sqolaſticus. Ueberſetzte die Werke 
der griechiſchen Kirchenhiſtoriker Sokrates, Gozo: 
menus und Theodoret auf Beranlaffung des Caſ⸗ 
fiodor,, der das su. überarbeitete und heraus: 
gab. Es ift dies die Historia tripartita, das im 
Mittelalter gemöhnlihe Handbud) der Kirchenge— 
ſchichte. Ausgabe von Garet, Rouen 1679. Auch 
andere Werfe hat Epiphanius überjegt von min 
derer Bedeutung: Codex encyclicus, eine Samm- 
(ung von Synodalbriefen an Leo I. und einige 
ältere Commentare. 

Episcopind, Eig. Simon Biscop. Remonftran 
tiſcher Theologe. Geb. 1583 zu Rotterdam, ftudirte 
er jeit 1600 zu Leyden unter Arminius und Go: 
marus, ging 1609 nad) Franeker und nahm 1610 
die Pfarritelle zu Bleyswich an. Als auf der Con: 
Kr im Haag 1611 feine theologifche Bedeutung 
ic) zeigte, ward er an Gomarus Stelle nad) ey: 
den berufen. Auf der Dordrechter Synode verthei⸗ 
digte er den remonftrantifchen Lehrbegriff, wurde 
aber dur den Synodalbefchluß des Landes ver 
wiejen und lebte in Belgien, feit 1621 in Franl⸗ 
reich, bis er 1626 Prediger der Gemeinde zu Rot 
terdam wurde und endlich 1634 ala Profeſſor des 
arminianifhen Collegiumd nad) Amfterbam ging, 
wo er 1643 ftarb. Außer feinen bedeutenden eregeti- 
chen Schriften find anzuführen: Confessio s. de- 
claratio, 1622; ein Arminianifches Glaubenäbe: 
tenntniß Antidotum s. genuina declaratio sen- 
tentiae syn. Dord. 1622; Apologia pro confes- 
sione; Verus theologusremonstrans. Seine Dog: 
matif: Institutiones theologicae ift nicht ganz 
vollendet, fie wird ergänzt durd) feine Responsio 
ad quaest. theol. Gefammtausg. Durch Gurceläud 
1650 und Pölenbrugh 1651. Vgl. Limbord, His- 
toria vitae S. Episcop., Amjterd. 1701. 

Episcopus in partibus, Titularbifhof. 
Weihbiſchof. Bon den Saracenen vertriebene Bi: 
Shöfe fanden Aufnahme in Dviedo und dienten 
dem dortigen Biſchof als Gehülfen. Da man in 
der Hofinung, die verlorenen Diöcejen wieder zu 
ns thnen Nachfolger ordinirte, jo bildete 


— 


ich der Gebrauch, ſolche auf den Titel eines in der 
Gewalt der Ungläubigen (in partibns infidelium) 
gelegenen Bisthums confecrirten Biſchöfe andern 
als Gehülfen im Amte beizugeben, vice-episcopus, 
benen —— die Weihe der Kleriler und der 
Kirche übergeben wurde (Weihbiſchöfe). Sie find 
wirkliche Bilhdfe mit allen Rechten und Ehren, 
aber ohne eigene Jurisdiction, dürfen auch nur im 
Namen ihre! Drdinariuß Priefterweihe eriheilen. 
Das Tridentinum wehrte durch zahlreiche Beſtim⸗ 
mungen mandem Unfug, welcher durch die vielen 


Episkopalkirche 


Titularbiſchöfe verurſacht war. Die päpftlichen 
Runtien find ſtets Biſchöfe in partibus. 
Episkopaltirche, d. i. die anglikaniſche Hoc: 
fire. Außerhalb Englands, Irlands und ber 
engliihen Golonien befieht fie noch in Schottland 
und Norbamerifa. In Schottland (f. d. A.) hat 
fie fi aus ber et der Stuarts erhalten, ihre 
Anhänger haben jeit 1792 den vollen Genuß der 
bürgerlichen Rechte. Die höchſte Gewalt in ber: 
jelben übt die Generaljynode aus, in welcher außer 
den (8) Biſchöfen auch die Dedanten und bie 
Geiftlichkeit vertreten find. Gegen eine ſtarke Hin: 
neigung zum Bufeyismus hat innerhalb der Kirche 
jelbft eine Reaction ftattgefunden. In Norbamerila 
datirt die kiſchöfliche Kirche aus den Zeiten ber 
engliſchen Einwanderungen und zählt jegt an 1300 
er mit 1700 Geiftliche::. 
isfopaliyflem in ver römiſchen Kirche ift 
bie kirchenrechtliche Doctrin, nad) welcher die höchite 
Gewalt der Kirche bei der Gejammtheit der Bi: 
ihöfe jteht, welcher der Papſt unterworfen ift. 
Im kommen demnad zwar Rechte der Aufficht, 
der Jurisdiction, der Regierung ald wejentliche, 
essentialia, vom Primat nicht zu trennende zu, 
andere Rechte aber, accidentialia, find nur im 
Kaufe der Zeit ihm zugefallen. Es ftügt fi) das 
Syftem darauf, dab Matth. 18, 18 der Geſammt— 
heit der Apoftel gelte. Ausgebildet wurde es in 
ben Kämpfen Bonifacius’ VIII. mit Philipp Mar: 
filius (defensor pacis), mehr noch während des 
großen Schiömas, und von der Univerfität Paris 
Ally, Gerjon) verfochten. Der Gallicanigmus 
hielt die Theorie feft, ſowie die janfeniftiiche Kirche 
in den Niederlanden. Durch Juſtinus Febronius, 
De statu eccles., ward der Verſuch vorbereitet, 
den das deutſche Epiäfopat madıte, in der Emſer 
—— 1786 die Theorie in Praxis umzuſetzen. 
ie römiſche Curie hat von je zähe an dem ent: 
gegenjtehenden Papalſyſtem feftgehalten, welches, 
Papit und Kirche als Eins betrachtend, alle Gewalt 
in ihr allein von Jenem auägehen läßt, wenngleich 
fie den Umftänden immer Hüglich Rechnung getra⸗ 
n —— Seitdem in der Reſtauration die fatholi: 
(he iche dem Ultramontanismus fich hingegeben 
‚find die Vertheidiger ded E. immer mehr ver: 
tummt. Dajjelbe iſt mit der ee a anerkann⸗ 
ten Lehre von der Unfehlbarleit des Papſtes uns 
verträglich, und ebenjo mit der Behauptung von 
der Rothwendigkeit feiner mweltlihen Macht. — 
In der evangelifchen Kirche ift das Epislopal⸗ 
igften der erfte Verſuch einer theoretifchen Degrün: 
dung der Kirchengewalt des Landesherrn. Es geht 
aus von der Verjchiedenheit der Kirche wid des 
Staates. Indem es die Epislopalrechte als kirch⸗ 
liche anſieht, nimmt es an, dieſelben ſeien dem 
Lanteöheren entweder durch kaiſerliche Devolution 
im Paſſauer Vertrage (ad interim, instar depo- 
siti), oder ſeitens der Kirche felbft übertragen. Stahl, 
Kirchenverfaſſung nad) Lehre und Recht der Brote: 
ftanten, Vgl. Biſchöfliche Gewalt des Landesherrn. 
Epiflelbuch, Epistolare over Epistolarium, hieß 
ein in der alten Kirche eingeführtes gotteödienft: 
liches Buch, welches die zum Vorleſen beftimm- 
ten Abjchnitte aus den Evifteln des Neuen Tefta: 
ments enthielt. Ihm entſprach das Evangeliariumt. 
Epifteln. S. Berikopen, ferner Baulus und die 
Raınen der Gemeinden, an bie fie gerichtet find. 
Epiftelfeite des Altars oder seichfeite ift die 
techte (ſüdliche) Seite deſſelben. 


281 


Erasmus 


iſtemonarch. In der griechiſchen Kirche 
A He eines Geiftlichen, dem die a 
der Reinheit ter Lehre obliegt und der in Klofter: 
ftreitigfeiten als Schiedsrichter fungirt. 

Epistolae formatae, ©. Litterae formatae. 
Kirchliche Schreihen, in der durch die Ranones vo: 
u ee Form verfaßt. 

pistolae obscurorum virorum ift ber Tis 

tel der berühmten Satyre gegen Dominicaner und 
Mönde, als diefe in Reudlin den Humanismus 
angegeifien hatten. In geihidter Nachahmung des 
rg ge und Ser Mönchsſprache ſchildern 
diefe Briefe, die an Ortuinus Gratius in Köln, 
den Gehülfen Pfefferlorns und Führer der Finfter: 
linge, gerichtet fein wollen, das leere, unjittliche 
und unmifjende Treiben der Mönche. Der geift: 
reihe Wig der Briefe überfchritt zwar zumeilen 
die Grenzen ber Urbanität und dei Wahrheit, aber 
der Erfolg war ungeheuer und verjekte dem Mönch— 
thum einen unheilbaren Schlag. Nad dem Titel; 
blatt erjchienen die Epist., deren Drud die ſchlech— 
ten Kölner Xettern nahahmte, in Venedig bei 
Adus Manutius, in bei Wolfgang —8 
in Hagenau 1515; ein 2. Bud) 1517, dem ſpäter 
noch ein in jeder Beziehung ſchwächerer 3. Theil 
folgte. Als Verfaſſer gelten nei und Erotus us 
bianus. Der zweite Theil ift auf der Ebernburg in 
dem Sickingenſchen Kreife entjtanden. Aeltere Yuss 
aben: Frankfurt 1643, London 1710; neuere: 

totermund, Hann. 1827, Böding, Lpz. 18068. 

Eppflein, Die Herren von. ©. Mainz. 

Equitivd, Abt mehrerer Klöfter in Baleria im 
6. Jahrhundert, führte ein heiliges Leben und pre: 
digte viel in Städten und Dürjern, hatte aber nie: 
mals die Weihen empfangen. 

Eradmuß, der Heilige. Einer der 14 Nothhelfer, 
Patron ver Kolilfvanten und Fürbitter bei Vieh— 
ſeuchen, war nad) den Bollandiſten Biſchof im an: 
tiochenischen Patriarchat unter Diocletian, mußte 
zu Antiohien und Sirmium viel leiden und ftarb 
zu Formiä in Campanien. Seine Gebeine find in 
Badia und andern Städten. In Italien Heißt er 
St. Elmo. 

Erasmus, Defiderius. Geb. zu Notterdam am 
28. October 1467, die Frucht einer ungejeylichen 
Verbindung. Wurde Sei den Brübern des gemein- 
famen Lebens in Deventer unterrichtet, jpäter in 
Herzogenbuſch, trat in Gouda ins Klofter Emmaus 
1486, empfing 1492 die Prieſterweihe und ging 
nach Paris, dort ſeine Studien fortzuſetzen; von 
da 1497 nad) England und Stalien. Nach einem 
neuen Aufenthalte in England, mo an Heinrich 
VII, ehrte und ihm ſowohl eine Profeſſur in Cam: 
bridge, als eine Pfarre in Aldington übertragen 

atte, nahın er 1521 feinen Aufenthalt in Bajel, 
— literariſchen Beſtrebungen allein ſich hin» 
gebend; dort ſtarb er 1536, nachdem er ſeit 1529 
einige Jahre in Freiburg im Breisgau gelebt hatte, 
unzufrieden mıt den reformalorischen Bewegungen. 
Der Reformation jelbit hielt fig E. fern, er ER 
tete von ihr eine Schädigung der Wiffenjchaft; 
mehr noch entfreimdete ihn derjelben ein perjüns 
liher Streit mit Hutten und fpäter mit Luther. 
Aus diefem ging feine Schrift vom freien Willen, 
De libero arbitrio diatribe hervor, vgl. aud) 
Hyperaspistes diatribe adv. seryum arbitriun 
Lutheri. &o lange cr honnte, ſuchte er eine 
vernittelnde Stellung zwiſchen den Parteien eins 
zunehmen und machte daher jelbft dem Bapite 


Graftianismus 


Neformationsvorſchläge 1521. Die Verbienfte des 
Eradınud um die Reformation, mwenngleid) er zu 
ihren Gegnern gezählt werden muß, find dennod) 
nicht gering. Man verbantt ihm die erſte griechiſche 
Audgabe des Neuen Teftaments, Bafel 1516, 1519, 
1522, 1527, 1535, nad) welcher auch Quther über: 
fegte. Seine Paraphrajen des Neuen Teſtaments, 
ſowie viele Tractate find geihä t und athmen 
hriftliche Frömmigfeit. Zu bemerken ift fein Ber: 
ſuch einer theologiſchen Encgllopädie: Ratio s. 
inethodus compendio perveniendi ad veram 
theologiam, 1522, und einer Homiletit Ecclesia- 
stes. Öro find endlich feine Berdienfte um die 
Batriftik, die er fi) durch Herausgabe vieler Kir« 
henväter und beren — in elegantes 
Latein erwarb. Die älteſte Ausgabe ſeiner Werke 
Baſel 1540,9 Bde., die beſte von Clericus, Leyden 
1703—1706. Sein Leben ſchrieben Burigny, Par. 
1757 (liberjegt von Reich, Helmſt. 1782), Heß, Zü: 
rich 1790, 2 Boe., Müller, Hamb. 1828. 

Eraſtianismus. Craft Oppofition gegen cal: 
viniſche Presbyterialverfaffung und Kirchenzucht 
wurde durch eine nachgelafjene Schrift: Explicatio 
gravissimae quaestionis, utrum ercommunicatio 
mandato nitatur divino, an etc., melde Beza be: 
ftritt, in England befannt und fand vielen An: 
Hang. Daher ift E. dort die Anſicht, welche die 
Kirche der Staatdgewalt unterworfen wiſſen will. 

Eraflus, Thomas. Eigentl. Liebler oder Lieber. 
Geb. 1524 au Baden in der Schweiz, nad) Andern 
u Augen bei Badenweiler, ftudirte er in Bafel 
Eheofogie, dann in Bologna Philofophie und Me: 
bicin, ward 1558 Brofeflor der Medicin in Heidel: 
berg und Leibarzt bei Kurfürft Dito Heinrid. Als 
Mitglied des Kirchenraths unter Friedrich III. 
vertrat er die zminglifche Anficht vom Abendmahl 
und von der Kirhenzucht, ohne damit durdhzu: 
bringen. Er fiel foger der Ercommunication 
anhem wegen jeines mem mit ketzeriſchen 
Unitariern. 1560 nad Baſel ald Profefjor der 
Moral berufen, ftarb er dort 1583. 

Erbarmen ift die Gemüthäbewegung, welche 
burch den Anblid des Unglüds erregt wird und 
zur thätigen Hülfe Hindrängt. Sie wird Gott zu: 

ejchrieben 5. Moſ. 30,3; a 103, 13; Jef. 14,1; 
ds, 13; Röm. 9,15; 11, 32 u. ö. Sie ift Pflicht 
des Chriften, Kol. 3,12. Die habituelle Eigenſchaft, 
aus der fie hervorgeht, ift die ———— 

Erbauung. Der bildliche Ausdruck hat bibliſchen 
Urſprung, 1. Tim. 3, 15; 1..Betr. 2, 9; 4, 17; 1. 
Kor. 3,9; Eph. 2, 21, und bezeichnet die Förde— 
zung des chriſtlichen Lebens nad) dem voraefted: 
ten Ziele. Mit Unrecht pflegt man dabei nur ange: 
müthliche Erregung zu denten. Ein wirklicher Fort: 
Schritt ift nicht anzunehmen, wenn die Förderung 
des Gemüthslebens nicht mit einem Wachsthum 
des Verftändnifjes und einer Kräftigung der fitt: 
lihen Willenskraft verbunden ift, daher Erbauung 
nur zu finden, wo dies Alles vereint wird, Das 
Hauptmittel der E. ijt der Gottesdienft, indem er 
dad chriſtliche Leben des Einzelnen in Beziehung 
zu dem Gemeinfchaftsleben der Gemeinde * in 
melden: allein es ſich richtig und vollftändig ent: 
wideln lann. 

Erbauungsbüder. Hat auch ſchon jedes gedie: 
gene Buch, indem es eine tiefere Welt: und Gottes: 
erienntniß vermittelt, eine erbauliche Seite, jo be: 
ſchränkt fid) der obige Name doch auf die Schriften, 
die eine förderung des geiftlichen Yebens durch 


232 


Erbauungsbücher 


vorherrſchende —— des Gemüthslebens be⸗ 
zwecken. Das älteſte Erbauungsbuch iſt der Pſal—⸗ 
ter, wie das Bedürfniß der Erbauung zuerſt nach 
dem Hymnus und dem Liebe greift, und noch jetzt 
das Gefangbud das eigentlichite und verbreitetite 
Erbauungsbuch des Volkes ik. Ald Erbauungs: 
buch der chriſtl ichen Gemeinde war dann viel be: 
nußt der Hirt des Hermas. In den folgenden Zei⸗ 
ten find die verbreitetiten und ein Pr ten 
Auguftind Bekenntniffe, die myftifhen Schriften, 
wie die des Bernhard von Clairvaux und ber 
eigentlichen Myſtiker, dann in zahllofen Auflagen 
das Muftererbauungsbud, die Nachfolge Chrifti, 
von Thomas a Kempis. Mit ber Reformation be: 
gann in beiden Kirchen eine neue fruchtbare Pe: 
tiode der Erbauungsliteratur. In großartigem 
Maße erbaulic wirkten die vielfahen Schriften 
Luthers, welche das innere perfönliche Leben zu 
ihrem Gegenftand maden (vgl. Krummacher, Her: 
zensmeide aus Luthers Werten, 1835). Beſonders 
aber hat das 17. Jahrhundert, die Zeit des Arie: 
ges und bed Elendes, viel für Erbauung geleiftet, 
mie bie Schriften von Jaf. Böhme (Weg zu Chrifto, 
neu 1865), J. Arndt (Bücher vom wahren Chriften: 
thum, neu 1859, von Arummadher herausg., Bara: 
diedgärtlein, zulekt 1857 und 1859), 9. Müller 
(Himml —A Geiſtliche Erquickungsſtunden, 
1664, neu 1861) und Eh. Scriver (Geiftl. Seelen: 
ſchatz, 1737, neu 1858). An Erbaulihem reich war 
die pietiftiihe Schule: Spener (f. Schriften geſam⸗ 
melt Magdeb. i742), Frande (Gef. erbaul. Schrif: 
ten, 1702), Schmolte (Sottaeheiligte Morgen: und 
Abendandaditen, neu 1828), 3. F. Star! (Mor: 
gen: und Abendandaditen, neu 1862), Storr 
(Epriftl. Hausbud), neu 1846), Terfteegen (Geiftl. 
Brofamen, Von der wahren Gottjeligleit, Weg 
der Pocher Briefe). Aus England: Bunyan 
(des Chriften Pilgerreife), Barter (der fichere 

ührer zum Himmel) u. A. Aus der allgemeinen 

efühldgährung des 18. Jahrhunderts entſproſſen 
— Lavater Vermiſchte Schriften, 1774—81), 

ung Stilling (Theobald oder die Schwärmer, 
Sendſchr. geprüfter Chriſten, 1233) u. A. Aus 
dem Rationaliömud und dem ihn: gleichgefinnten 
Supranaturaliämus entiprang die moralifirende 
Erbauungäliteratur mit Hinneigung zur Senti« 
mentalität. Unter den —— bauungs⸗ 
ſchriften dieſer Richtung, wie diejenigen von Tob— 
ler, Sander, Rojenmüller, Zollilofer, Förſter, 
Emald, Reinhold, Hahn, Delbtüd, Sintenis, Cas⸗ 
pari, Spieler, Geßner, Rebs, Winkler, Ammon, 
Hüffell u. A, bat Zſchokke's Werk: die Stunden der 
Andacht, Aarau 1809— 15 u. ö. die größte Verbrei⸗ 
tung gefunden. Die Reaction gegen den Rationa: 
lismus im 19. Jahrhundert griff entweder wieder 
auf Xeltere zurüd, oder producirte im Geiſte der 
Aeltern Neues. Die Schriften von J. Arndt, J. 
Gerhard,H. Müller, Ch. Scriver, Storr, Schmolle, 
Stark und Andern mwurven wieder neu herausgege: 
ben; während Werke, wie Stier Reden des Herrn 
Sefu, 3. Aufl. 1866, Kapffs Gebetbud, 1839, Lan: 
en Grundzüge der urdriftlichen frohen Botichaft, 
839, Tholud8 Stunden der Andadıt, 1839, ver: 
ſchiedene Schattirungen der neueren Gläubigkeit 
haralterifiren. Aus der dem kirchlich traditionellen 
Beifte abgewandten Richtung der Theologie find 
entftanden: 9. Lang's Stunden ber Andacht, 
1863—65, als Zeitſchrift: Zitteld Sonntagabend 
(bis 1865). Von fatholijigen Andachtsbüchern find 


Crbfähigfeit der Klöfter 


hervorzuheben: Franz von Sales’ Philothea, Fe: 
nelons geiftlihe Schriften, Molino's Geiftlicher 
me er, Sailer, Vollſt. Lehr: und Gebetbud, 
1840, Darup, Unterhaltungen mit Gott, 1839, 
Nad, Gebetbuch, 1888, Brand, der Chrift, 1840, 
Hauber, Bollit. chriſt. lath. Gebetbuch, 1841, Hirs 
iger, Betrachtungen über die fonnt. Evangelien, 
1841 u. a. ©. aud) d. Art. Communionbüder. 

Erbfähigfeit der Klöſter. S. Klöfter. 

Erbguade, Erbfegen. Die Lehre von der Erb: 
gnabe, welche zuerſt Lasco aufgeftellt hat, unter den 
Reueren 3. P. Lange, ift Die richtige Ergänzung ber 
Lehre von ber Erbfünde. Wie diefe aus dem Natur: 

fammenhange jedes age er mit ber Gefammt: 
beit hervorgeht und ald Mangel an ihm offenbar 
wird, jo erſtrecken ſich aud die in den Beſitz der 
Gefammtheit ala —— Sitte, Ordnung ꝛc. 
übergegangenen Wirkungen des chriſtlichen Geiſtes 
auf den Einzelnen mit ihren helfenden und heilen: 
den Einflüffen, die ihn der gläubigen Hingabe an 
Ehriftus entgegenführen. 

Erbredt bei den Hebräern. Als die Erben tre⸗ 
ten bei den Hebräern die Söhne auf, welche den 
väterlichen Nachlaß fo theilen, daß ber Erftgeborne 
einen Doppelantheil erhält, 5. Mof. 21, 17, da er 
dad Haupt der Familie wird. Töchter erben nur, 
wenn es an Söhnen fehlt, müffen aber einen Mann 
aus ihrem Stamme heirathen, wenn fie den Erb: 
ader nicht verlieren wollen, 4. Mof. 27, 1 ff.; 36, 
1ff.; Joſ. 17,8 f.; 1. Chr. 23, 22, da dieſer zu» 
naͤchſt als Eigenthum bed Stammes angejehen 
wurde. In weiterer Folge erbten die Berwandten 
des Vaters. Darauf, daß legtwillige erg 
ftatthaft ge feien, fcheinen 2. Sam. 17, 23; 
Jeſ. 38, 1 Hinzudeuten; von Tejtamenten findet 
fih aber feine Spur. , 

Erbrecht der Kirche. Das Geſetz Conftantind 
erlaubte der Kirche, felbjt lienende Gründe als 
Lermächtniß zu empfangen, und fie war das Mit: 
telalter hindurch darin völlig unbeſchränkt. Die 
neuere Zeit machte durch Specialgejeggebung in 
jedem einzelnen Falle die Annahme von der Staats: 
exlaubniß abhängig, oder doch bei einem gemifien 
Betrage des Legates, oder fie bejchränkte den Erb: 

ng der Kirche durch Abzüge zum Beften der 

chulen und des Fislus. Das fan. Recht ſetzt die 
Kishe oder den Biihof zum Erben Alles deſſen 
ein, was aus den kirchlichen Beneficien erjpart 
und gewonnen ift; mehrfach aber entmwidelte ſich 
daraus das Gemohnheitärecht, daß die Fürften die 
98 und Aebte beerbten (jus spolii s. exuvia- 
rum). Daher wurde den Geiftlihen die Freiheit zu 
teftiren gegeben, anfänglich unter Beſchränkungen 
u Gunjten der Kirche, allmählich aber fiel das 
echt der Kirche auf den Nachlaß der Geiftlihen 
ganz hinweg. Stifter und Klöfter erben das Ber: 
en ber Religiojen, wenn diejelben nicht wäh: 
tend des Noviziates ein gültigeö Teftament errid): 
tet haben, 

Erbſünde. S. Sünbe. 

Erdbeben werden in ber Bibel erwähnt unter 
Ahas, 1. Kön. 19, 11, unter Ufia, Am.1, 1; Zad). 
14, 5 und Matth. 27, 51 ff. Die Natur des Lan- 

und Erfahrungen der neuern Zeit lafjen vor: 
aus feken, daß fie häufiger gemwejen jeien. 

Erde, Welche Anfichten die Hebräer über Geftalt 
und Beſchaffenheit der Erde hatten, ift nicht Mar, 
nur, ſcheint es, dachten auch fie fich diejelbe als 
eine Scheibe. Aus den dichteriſchen Stellen der 


233 


Erleuchtung 


Plalnten, des Hiob und der Propheten läßt fid) 
auf die eigentliche Vollsmeinung Tein Schluß ma: 
hen. Die geographifhe Kenntniß erweitert jich 
erft allmählich. 

Erech. 1. Mof. 10, 10. Aracca zwiſchen Sufiana 
und Babylon am Tigrid. Manche wollten Edeffa 
— —— deſſen Gründung aber ſpäterer Zeil 
angehört. 

rectio benefleii. S. Beneficium. 

Eremit, S. Anachoreten und Einfiebler, 

Erfurt hat in der Reſormationsgeſchichte einen 
dauernden Namen dadurch erhalten, daß Luther 
im Auguftinerflofter (1505—1 ) zu der entfchei: 
benden Wendung feines innern Lebens fam. Seine 
Lehre fand jo viel Anklang (Predigt 1521), daß 
bereitö 1525 Erfurt ganz evangelifch war tro% der 
Serrichaft bes Mainzer Erzbifchof3, und ſelbſt im 

ertrag von Hammelburg 1530 den Katholifen 
nur der Dom und zwei Kirchen wieder eingeräumt 
wurden. Borgearbeitet war durch die Humaniften 
ber Univerfität (von 1392 bis 1810), welche aud 
die Bublication der Edihen Bannbulle nicht zu⸗ 
ließen. Das Auguftinerflofter ift jept durch Rein: 
thaler zu einer Rettungsanftalt (Martinzftift) ein: 
gerichtet. 

Erfurtices Bud ift eine 1581 in Erfurt durch 
die Theologen Kirchner, Chemnig und Selneder 
auf Befehl der Fürften von ber Pfalz, Branden« 
burg und Sachſen verfaßte Apologie der Eoncor: 
dienformel, 

Ergebung. Die chriſtliche Ergebung unterſchei⸗ 
det fi von dem Fatalismus und der Refignation 
dadurch, Wei fie ſich zwar in ber Hand der Allmacht 
Gottes weiß, der fie nicht entrinnen fann, aber 
das Vertrauen zu der Weisheit und Liebe Gottes 
in fi jchließt, daß das In feiner Zeitung das 
Heil in fd faffe, und daß fie deshalb bereit ift, 
auch die Leiden bed Lebens ger zu übernehmen. 

u der Welt. S. Thätigkeiten Gottes. 
Erhard, Biſchof zu Regenäburg im 7. ober 8. 
Jahrhundert, der das Klofter Niedermünfter grün: 
dete und ald Heiliger verehrt wurde. Er joll nad 
der Legende ein Bruder des Biſchofs Hildulf von 
Trier gemwefen fein (f. d. 9.). 

Erhard, Thomas Aquinas. Katholiſcher Bibel: 
überjeger, ng 1722, 2 Bbe., 6. Aufl. 1748. 

Erhöhung Ehrifli. S. Stände Chriſti. 

Erhörung des Gebets. S. Gebet. 

Erigena. S. Scotus Erigena. 

Erlennbarleit Gottes. ©. Gott. 

Erlkenntniß. S. Glaube. 

Erklärungs-Urkunde iſt die von Wesley am 
28. Febr. 1784 beim ——— ein⸗ 
regiſtrirte Urkunde, durch welche er die Conferenz 
der Methodiſten als Corporation ſtiftete, und ihr 
das Eigenthum ber Capellen übergab. Sie ift bie 
Derfaffungsurtunde der methodiftifhen Kirche. 
S. Methodismus. 

Erlaßjahr. S. Yubeljahr. 

Erlaubt. S. Adiaphora. 

Erleuchtung (illuminatio) J nach der Dogma⸗ 
tif der Kirchenlehre einer der Grade in der fubjec- 
tiven Aneignung des Heild von Seiten bed Men: 
ichen, und bebeutet die durch den heil. Geift be: 
wirkte, vem natürlichen Menſchen nicht zulommende 
höhere Einficht in die göttliche Wahrheit. Iſt Gott 
der Urheber alles Lichtes (Jak. 1, 17), Chriftus 
das Licht der Welt (Joh. 9, 5), fo iſt der heil. Geift 
die erleuchtende Kraft, welche in alle Wahrheit 


Erlöfchen einer Pfarrei 


führt (Joh. 14; val. Eph. 1, 17; 2. Kor. 2, 12). 
Die Kirchenlehre hat eine vermittelte und eine un: 
vermittelte Erleuchtung unterjchieden, jene durch 
die heil. Schrift, diefe durch Jnfpiration, ließ aber 
die lehtere, der Inipiration ter Hierarchie in der 
latholiſchen Kirche und dem innern Licht der My: 
jtifer gegenüber, mit dem apoftolifchen Heil abge: 
Ihtoffen fein, 

Erlöſchen einer Pfarrei findet nur ftatt durch 
Pereinigung mit einer andern, wenn fie zu Kein 
oder zu arm ift. Das Concil zu Toledo beftimmte 
10 Familien als Minimum einer felbftändigen 
Parochie. Bon dem Erlöfchen durch Einverleibung 
ift zu unterfheiden die Bereinigung, bei der zwei 
ober mehrere felbftändige Pfarreien von einem 
Pfarrer bedient werben, unio per acqualitatem 
oder per subjectionem, wenn die erlojchene Pfarrei 
durd einen jtändigen Gehülfen oder als Filiale 
verwaltet wird. Das Erlöfchen der Pfarreien wird 
von der Kirchengemwalt ausgeſprochen nad Anhö: 
rung der Betheiligten, die * privaten Rechte gel: 
tend maden, und unter Zujtimmung bes Staates. 

Erlöfer. S. Jeſus Ehriftus, 

Erlöferorden. In Italien geftiftet von Vincenz 
von Mantua zur Beihüsung des latholiichen Glau⸗ 
bens, ift im 18. Jahrhundert aufgehoben. Der 
griechiſche E. ift ein welt!icher Orden. 

Erlöfung. Das Chriftentgum Tennzeichnet ſich 
— unter dem Begrifſe der Erlöſung. 
Der große ſittlich-⸗religiöſe Vorgang innerhalb der 
Menſchheit, den wir jeiner Außenjeite nad) Chri: 
ſtenthum nennen, ift feiner Innenfeite nad) eine 
Befreiung der Menfhheit von Sünde und Uebel. 
Diefe beiden Mächte des menſchlichen Lebens bilden 
den Inbegriff feiner Unfeligteit, und die Befreiung 
von ihnen ift das eigentlihe Räthſel der Menſch— 
heit. Daher finden wir ebenfofehr in der vordhrijt: 
lichen Zeit ein ftetiges Streben nad) diefer Löſung, 
als in der nachchriſtlichen Zeit ein Bemwußtfein, 
daß das große Ereigniß der Geifteswelt, nad) dem 
bie Zeiten gefucht haben, nunmehr eingetreten ift. 
I der hriflichen Theologie bildet der Besriff der 

rlöſung den Mittelpunkt; feine Entwicklung hat 
aber immer, je qrößer der Gegenftand war, defto 
mehr Schwierigleiten dargeboten, Indem die hei: 
lige Schrift vorwiegend nur die prattifchen Biel: 
reg ber Lehre ins Auge faßt, tritt das Beariff: 

iche derfelben nod) fehr in den Hintergrund. Im 
Alten Teftamente, das mit dem tiefen Gefühl der 
Sündhajtigleit und der aus der Sünde machjenden 
Schuld aud) dad Bebürfniß einer Erlöſung lebhaft 
ausjpricht, bilden Opfer und hierarchiſche Bermitt: 
fung die beiden bedeutungsvollften Einrichtungen, 
weldje eine Berföhnung des durch die Schuld von 
Bott getrennten Herzens für den Einzelnen wie 
für das ganze Volt bezweden follen. Da aber trotz— 
dem fortwährend die Gegenwart nie der Berufung 
bes auserwählten Volles entiprad), und das na: 
tionale Unglüd immer größer wurde, trat auch 
der Gedanke einer Erlöfung im Großen immer 
Harer nor das prophetiiche Auge, aber noch in 
ſchwanlende Borftelungen und in irdiſche Bilder 
gekleidet, mit erft allmählicher Deutlichkeit der 
meſſianiſchen Perfönlichkeit, durch welche die natio: 
nale Grlöfung Jiraels ſich vollzichen follte (f. d. 4. 
Meſſias). ug Sad eine Erlöjung, welche durch 
Leiden ihren Durchgang nimmt, bleibt dem alt: 
teitamentlihen Bewußtſein nicht gänzlid) fremd, 
obgleich dis Stelle Jeſ. 53 nicht direct auj den 


234 


Erlöfung 


Meſſias zu beziehen ift, ſondern auf das leidende 
wahre Srael (vgl. auch Luc. 2, 34 ff.). Im Reuen 
Teitament tritt nun die Jdee der Erlöfung in den 
Mittelpunft des Denkens als das eigentliche Wefen 
des Werkes Chrifti. Während aber Urſache und 
Ziele der Erlöfung deutlich gezeichnet werden, findet 
ſich der eigentliche Borgang, das Wieder Erlöfung, 
gemöhnlid nur im Allgemeinen und in Ausdrüden, 
von denen es ungemiß ift, wie meit fie eine be: 
ftinnmte Theorie ausfprechen und wie weit fie bild: 
lich find, bejchrieben. Als die Urjache der Erlöfung 
wird allenthalben die fich erbarmende Liebe Gottes 
betrachtet, welche in der Sendung Chrifti und ganz 
bejonders in jeinem Tode eine ihr enifprechende, 
unendlich wirkſame That vollbracht Hat (oh. 3,16; 
1. Joh. 4, 8.9; Röm. 5, 18). Ebenſo wird als das 
Ziel derjelben mit gleicher Deutlichleit die Erret: 
tung des Menjchen aus feinem Elende von Chriftus 
ſelbſt unter verjchiedenen Bildern, am liebften un: 
ter dem Bild des Wiederfindens eines Verlorenen 
(Zue. 19, 10}, bezeichnet, ferner die Bergebung der 
Sünden (Matth. 26,28) und die Herbeiführungeines 
vollfommenen BZuftandes der Einheit mit Gott, 
des Lebens (oh. 6,54), des Friedens (Nöm. 5,1), 
des Heils (Apitg. 4, 12); als das Ziel im Großen die 
— des Reiches Gottes auf Erden betrachtet. 

agegen —* ſich die Auffaſſung des erlöſenden 
Mittels als eine ſehr verfchiedenartige dar. Häufig, 
beſonders bei Johannes (8,31; 14,6 u. ö.) ift die 
von Chriftus ausgehende Wahrheit das Mittel, wel: 
ches den Menſchen frei macht und ihm Leben jchentt. 
Allein, je mehr im Tode Jeju die Bedeutung feines 
Lebens gipfelte, defto mehr concentrirte fid) aud) die 
Erlöſungslehre um dieſe Thatfache. Der Tod Jeſu 
wird betrachtet ala eine Verſühnung des jündigen 
Menſchen vor Gott, als ein Sühnopfer (Röm. 3, 
25° 1, Betr. 1,18), oder als ein Xöjegeld, mit dem 
Biele aus dem Sündenverderben losgelauft werden 
(Matth. 20, 28). Der Tod Jeſu wirkt Vergebung 
der Sünden (Matth. 26,28) und errettet den Sün: 
der vom Zorne Gottes (Röm. 5, 9; Eph. 2, 3). 
Woher dieje Wirlung fommt, darüber ift die Ant: 
wort nicht beftimmt; im Allgemeinen daher, daf 
der Tod Jeſu der höchſte Erweis göttlicher Liebe 
ift, daß er als folder die Feindſchaft des Men: 
ſchengeſchlechtes aufhebt und diejes legtere in jeine 
Gemeinihaft zieht (Röm. 5, 10; Kot. 1, 21). 
Ueberhaupt wird als das erlöfende Subject Gott 
gedacht, der die Welt mit ſich ſelbſt verjöhnt (2. 
Kor.5, 19); weniger gewöhnlich ift die Borjtellung, 
nad) welcher Chriſtus durch fein fühnendes Opfer 
die Umwandlung des Zornes Gottes in vergebende 
Liebe ermöglicht. Ber Johannes wird das Leiden 
als ein Kampf Chriſti mit der Finſterniß betrachtet, 
indem der Tod als ein Werk des Fürften dieler 
Welt, aber aud) zugleic) ald defjen Veſiegung (12, 
31) erfcheint. Der Tod ift die Verklärung Chrifti 
ın Gott und fein Eingang in die Gemeinde, mo: 
durd) dieje letztere eins ift mit Gott. Paulus vers 
tnüpft die Eriöjung mit feiner Lehre vom Geiet. 
Hat das Geſetz vermöge feines Begriffes über Die, 
die unter ihm ſtanden, ven Fluch herbeigeführt, jo 
hat Chriſtus diefen Fluch freiwillig auf fid) Fe 
nommen und ihn am Kreuze getragen (Gat. 3, 1 ). 
Es hat dadurd eine gewille Vertauſchung der 
Eigenſchaften ftattgefunden (2. Kor. 5, 15), mo: 
durd), wie Chriftus unfere Sünde, fo uns feine 
Gerechtigkeit eigenthümlich wurde. Damit jtreift 
die neuteftamentliche Dentmeife ſchon an dei 


Erlöfung 


Gedanken der Stellvertretung, obgleich das ge: 
wöhnlihe „für uns” Sterben noch ſchwankt zwi— 
fhen dieſem Begriffe und dem „zum Beften, zur 
Segnung für Andere”, Allgemein ift dann mie: 
der die Lorftellung, daß das Merk des Todes 
fortgefegt wird derch den erhöhten Chriftus, 
indem er und vertritt ald emwiger Hoheprieſter 
Ve 7,25 ff.) und für und betet (Röm. 8, 34). 
n ber nadhapoftolifhen Zeit hat die Lehre von 
der Erlöfung weniger al3 andere Lehren eine theo: 
logische Ausbildung gefunden. Indem man fich 
vorzugämeife an bie Idee ded Todes Jeſu als 
eines Kampfes zwifchen dem Logos und dem Teu⸗ 
fel anf 108, legte man die Bedeutung deſſelben 
darin, daß ber Teufel, jei es, daß er in Chrifti 
Seele eine Art Löſegeld empfing, jei es ald Ge: 
täufchter, dadurch das Anrecht auf die Menſchen 
verlor, daß er jih am Heiligen vergriff (Gregor 
von Nyffa, Auguftin, Leo, Origenes u. V.). Dod) 
febten daneben alle biblischen Ausdrucksweiſen fort, 
ohne daß fich eine auögebildete Theorie Daraus ent: 
mwidelt hütte. Bald air die Borftellung einen 
mehr myſtiſchen Charalter an, indem man ber 
Menſchwerdung überhaupt eine ſchon in ihrem Be: 
griff liegende verföhnende Kraft zufchrieb, in fpe: 
cieller Weife aber auch dem Leiden Chrifti, das man 
übrigens noch in Parallele jegte mit den Leiden 
anderer, feibft auch heionifcher Märtyrer von ähn: 
licher Wirkung; bald einen mehr moralifirenden 
Charakter durch Hervorhebung des Vorbildes und 
durch das im Tode Chrifti hervortretende Princip 
der Heiligkeit (Jrenäus, Arius u. A.). Eine abjo: 
Iute Nothwendigkeit des Opfertodes Chrifti murde 
nod nicht angenommen. Eine feſte Geftalt erhielt 
die lirchliche Erlöfungsiehre erjt durch die von 
Anjelm von Canterbury in feiner Schrift: Cur 
Deus homo? unter. aommene apriorifche Gonftruc: 
tion des Begriffes Erlöjung. Ausgehend von den 
Begriffen der Sünde und der göttlichen Gerechtig— 
leit, conftatirt Anjelm die Thatjache, daß der Menſch 
ald Sünder der Strafe der Gerechtigkeit verfallen 
fei, daß er fraft der letztern nur durch eine hinrei: 
chende Genugthuung ſich die Bergebung der Schuld 
erwerben könne. Da aher die Sünde eine unend: 
fi) große iſt und dem entſprechend die Genug: 
thuung aud) eine unendliche fein muß, kann fie der 
Menſch nicht leiften; e3 kann F überhaupt nur 
ein Weſen leiſten, das ſeiner Natur nad) uncnd: 
liche Wirkungen hervorzubringen vermag. Ein fol: 
8* Weſen iſt aber nur Gott —** und doch kann 
Gott ſelbſt die Genugthuung nicht leiſten, da es 
ja in der Natur der letztern liegt, daß ſie von Dem 
* werde, auf welchem bie Verſchuldung ruht. 
Um nun dieſen beiden Forderungen zu genügen, 
it Gott Menſch geworden; ald Menſch hat er die 
enugthuung, welche durch da3 göttliche Recht ge: 
fordert ift, geleijtet, und zwar als jelbft fündlos, 
bat er fie lediglich anftatt der Andern geleiftet; 
als Gott aber hat er die Genugthuung fo geleiftet, 
dafs fie unendlich groß ift und das Maß ber Sünde 
noch weit überfchreitet. Diefe die Erlöfung ald einen 
sein objectiven juribiihen Prozeß betrachtende 
Theorie Hat in der Scholaftit ſelbſt noch nicht zur 
vollen Anerkennung —— en können; die Theorie 
von einer durch den Tod Thriſti erweckten, beſeli— 
genden Liebe (Abälard), die alte Vorftllung vom 
Kampf mit dem Teufel (Bernhard von Clairdaux), 
die Opferidee und andere Vorftellungen beftehen 
noch zum Theil unklar neben einander Thomas 


235 


Erlöfung 


von Aquin fchliekt fi enger an Anfelm an, ob: 
wohl auch er nicht ausſchließlich an der juridiſchen 
—— feſthält und die abſolute Nothwendig: 
feit dieſes Prozeſſes leugnet. Dadurch, daß Tho— 
mas ein überfließendes Verdienſt Chriſti annahm, 
trat er in Gegenſatz mit Duns Scotus, welcher 
das letztere, ais nur vom Menſchen Chriſtus geleis 
ſtet, nur als Endliches in feiner Wirkung betrachtet, 
welches aber Gott als vollgenügend gnadenvoll 
annimmt (ſ. d. Art. Acceptatio). Das Triden— 
tinum hat (Sess. VI, 3) die Lehre von einer Ge: 
nugthuung durch Chriftus jomeit anerkannt, ala 
dadurch das Intereſſe, der Kirche ihre erlöfende 
Wirkſamkeit zu fichern, n’cht gefährdet war. Die 
Schuld der Erbfünde wird demnach als durch die 
Satisfaction Chrifti verfühnt erachtet, aber für die 
Sünden nad) der Taufe noch befondere Genug: 
thuungen nöthig gebaen, bie allerdings nurin Ber: 
bindung mit der Satisfacticn Chrifti geleiftet wers 
den können. Indem die Reformation in ihrem Ans 
fange weniger das theoretiiche al3 das praftifche 
Intereſſe betonte, war ihr in diefem Stabium auch 
nur daran gelegen, mit der vollen Energie de3 neu» 
erwachten Glaubens dad Verdienſt Chrifti gegen 
das Verdienft a Merte hervorzuheben, was 
meift im engften Anſchluß an die 2** bibliſche 
——— geſchah. Je mehr aber das dogma⸗ 
tiſche Intereſſe erwachte, deſto mehr wurde auch 
die Anſelmſche Lehre der Ausgangspunkt ihres 
dogmatiſchen Denkens. Eine weitere ve 
* dieſelbe dadurch erfahren, daß der Begriff de 
ehorſams zum Mittelpunkt der Satisſfactions⸗ 
lehre wurde, daß man einen doppelten Gehorſam 
unterſchied, einen thätigen, welcher darin befand, 
daß Chriſtus die Forderungen des Geſetzes volls 
fommen und ftellvertretend für uns erfüllte, und 
einen leidenben, durch melden Chriſtus die Ge: 
fammtheit der an der Sünde haftenden Strafe auf 
fid) genommen hat. Aus beiden leitet ſich das ein» 
zige und univerfale Berdienft Chrifti als das ſchlecht⸗ 
hin nothmwendige und unverlierbare Gut der 
Menichheit ab. Indem zu diefer Verföhnung am 
Kreuze noch die Fürbitte Chrifti (intercessio) bei 
Gott als erlöfendes Mittel — und dieſe zu⸗ 
ſammen wieder einen logiſchen Gegenſatz bilden 
zu der erlöfenden Thätigkeit Chriſti als des Offen: 
barers göttliher Geheimniffe und als des bie 
Kirche und feine Gläubigen ſchützenden und för: 
dernden MWeltregenten, hat ſich aus dieſer Dreiheit 
die ſchon bei den Hirchenvätern angedetitete, in der 
lutheriſchen Kirche ſcharf entwidelte Lehre von ben 
drei Aemtern Chrifti (f. d. Art. Amt) herausgebil: 
det: dem prophetifchen, hohepriefterlichen und kö— 
niglihen. Die reformirte Lehre ftellte feinen 
principiellen Gegenſatz gegen die lutherifche auf: 
nur hat das Prädeftinationsdogma eine univerfale 
Erlöfung nicht gerne gelten laſſen, und, indem es 
diefe auf die Ermwählten befchränlte, der erlös 
fenden Thätigkert Chrifti einen mehr den Rath: 
ſchluß Gottes vollziehenden, als ſelbſtändig urſäch— 
lichen Charakter verliehen. In der nachfolgenden 
Entwidlung der proteftantiichen Theologie wurbe 
die Lehre der Symbole vielfach abgeſchwächt, und 
vom Rationalismus des 18. Jahrhunderts auf den 
Begriff des Vorbildes oder auf eine rein allegorifche 
Bedeutung (Kant) beſchränkt. Erſt Schleiermacher 
iſt auch in dieſer Frage wieder oorerng auf⸗ 
getreten. Indem er bie Lebendigkeit des religiöſen 
Bewußtjeind als Ziel der Erlöfung betrachtete, 


Ermenricus 


war ihm bie für den Erlöfer geftellte Aufgabe die, 
daß in ihm ein religiöfes Bemwußtjein von jchledht: 
biniger Kräftigkeit in die Geſchichte eintrat. Da: 
Be daß der Chrift durch die hriftliche Gemein: 
ſchaft mit dem ſchlechthin Fräftigen religiöjen Be: 
wußtjein des Erlöfers in Gemeinjchaft tritt, wird 
jein eigenes ——— Bewußtſein in ſtets wach— 
ſendem Maße lebendig. Demgemäß hat auch der 
Tod Chrifti, welcher ein unverjchuldetes Eintreten 
Chriſti in den Zufammenhang des menjchlichen 
Uebelä bedeutet, den Zwed, die Gemeinſchaft zwi: 
ihen Erlöfer und Erlöften als eine immer leben: 
digere Herzuftellen. Die neueren Darftellungen 
find mehr oder minder mit diefer Schleiermader: 
ſchen verwandt; ie gehen meift von bem Gedanken 
aus, daß in Chriſtus ein volllommenes Menſchen⸗ 
leben in die Erſcheinung getreten ift, daß in der 
Bollendung defjelben durch Leiden und Sterben die 
Macht der Sünde principiellgebrodhen worden und 
daburd) ein neues Leben der Erlöjung ſich ange: 
bahnt hat. Theilweife find diefe Ideen aud) wieder 
der Genugthuungslehre der alten Kirche ie ge: 
führt worden, fo ift 3. B. aus diefer Vermiſchung 
bie Lehre v. Hofmann’s entjtanden, daß in dem 
Leiden Jeſu ein Kampf zu jehen fei mit der Macht 
bed Teufels, dejjen Ende die Gründung einer neuen 
Lebensgemeinſchaft geweſen, eineLehre, welche einen 
lebhaften literariſchen Streit verurſachte über die 
Frage, ob dieſelbe noch mit der Satisfactionslehre 
der luth. Kirche zu vereinbaren fei oder nicht. Val. 
Schriftbeweis ©. 115; Ertl. Ztihr. 1856; Schuß: 
ſchriften 1856 und 1857; Philippi, Vorwort zum 
Hömerbrief, 2. Aufl. 1855; Thomafius, das Be: 
lenntniß der luth. Kirche von der Berjöhnung und die 
Lehre v. Hofmann's, 1857. — Ueber die Geſchichte 
ber Verfühnungälehre vgl. Baur, die hriftl. Lehre 
von der Verjöhnung, Tub. 1838; ©. Thomafius, 
Hist. dogm. de obedientia Chr. activa, 1845. 
Zur Bibellehre: de Wette, De worte J. Chr. ex- 

iatoria, 1813; Klaiber, die neuteft. Lehre von der 

ünde und Erlöfung, 1836; Tollin, Entwidlung 
der Lehre von J. Ehr. ald dem Erlöfer aus der 
heil. Schrift, 1834; Ficker, die Bedeutung des To: 
bed %., 1836; Slienlen, De justificatione, 1839. 
—— Perioden der Lehre geſchichtlich: Bähr, 
die Lehre der Kirche vom Tode Yefu in ben erften 
3 Jahrh., 1831; Höfling, die Lehre der ältelten 
Kirche vom Dpfer, 1857; Schnedenburger, Vom 
boppelten Stande Chrifti, 1848; C. Schwarz, De 
satisfactione Chr. ab Anselmo exposita, 1841; 
Weiffe, Luther quid de consilio ınortis et res. 
J. Chr, senserit, 1845, befonders aber die jpätere 
beutijhe Bearbeitung: die Chrijtologie Luthers, 
Leipzig, 2. Aufl. 1855; Tholud, die Lehre von der 
Sünde und vom Erlöfer, 1838; Schneemann, die 
Verſöhnungslehre der prot. K. hift. und Frit., 1844. 
Auffäge: Ev. Krchztg. 1834 ; Fronmüller, Studien 
der Geijtl. Würtemb., 1846; Schöberlein, Stud. 
undfrit. 1845, und Grundlehren des Heils, 1848 ; 
Weizſäckers und Ritſchls Aufläge über die Verſöh— 
nungslehre in Dorners Yahrbb. der deutſchen 
Theologie; nad einer andern Seite hin Stier (in 
feinen Beiträgen und Eregefen) und Menken; auch 
die Haffifhe Abhandlung von U. Schweizer in 
Etub. und Krit. 1858. ©. endlich die Werte über 
Doqmatif, Dogmengeldichte, Symbolif. 

Ermenricus. Mönd von Reichenau, fpäter Bi: 
ſchof zu Paſſau (866), fchrieb eine Biographie des 
heil. Gallus, bei Perg, 1, 2, p. 31. 


236 


Erpenius 


Ermiland, Ein preußiſches Bisthum, welches 
nad) der Bulle De salute anim, unmittelbar unter 
dem Papſte ſteht; urfprünglich eines der vier Bis: 
thümer des Deutfchen Ordensgebietes. Der Biſchof 
hatte anfangs aud die weltlihe Gewalt als Zehen 
und wurde deutſcher Reichsfürſt. 1464 fam das 
Bisthum unter Polens Oberhoheit und konnte da⸗ 
ber der Reformation den Eingang vermehren. Bei 
der erften Theilung Polens fiel ed an die Krone 
Preußen. Der Biſchofsſitz ift Frauenburg, ein 
BPriefterfeminar zu Braunsberg. 

Ermoldus oder Ermanrieud, Abt von Ellman: 

en im 9. Jahrhundert, ein Schüler des Rabanus 
aurus, ijt der Berjaffer einer Biographie des, 
heil. Sola, und überarbeitete die Biographie des 
heil. Mang, des Apoftels des Allgau, welche Theo: 
dor von Kempten gejchrieben hatte. 

Ernefli, Johann Auguft. Geb. am 4. Auguft 
1707 zu Zennftädt in Thüringen, als Sohn eines 
Predigers. Er ftudirte in Wittenberg und Leipzig, 
wurde 1731 bier Conrector, 1734 Rector an der 
Thomasfchule, 1742 a. o. Brofefjor der alten Lite: 
ratur, 1756 Profeſſor der Beredfamteit, 1758 Dr. 
und Profefjor der Theologie und Domberr zu 
Meiffen. + 1781. Als ausgezeichneter Bhilologe 
jtellte er für die biblifche Eregeje den Grundfag 
auf, daß der Sinn der Worte in der heil. Schrift 
auf feine andere Weife ermittelt werden dürfe, als 
in andern menſchlichen Büchern, und wurde damit 
der Vater der grammatifch:hiftorifhen Interpre- 
tation. In den Prolusiones de theol, hist, et 
dogm. conjungendae necessitate legte er ben 
Grund zu jelbftändiger Bearbeitung der Dogmen⸗ 
geſchichte. Opuscula philol. critica 1764—77 ; In- 
stitutio interpretis N. T. 1761, 5. Aufl. dur v. 
Ammon 1809; Initia doctrinae solidioris, Leipg. 
1736; — theol. Bibliothel 1760—71; Neuefte 
1773 -79. 

Erneſtiniſche Bibel. Auch Weimariſche, Go» 
thaiſche, Jenaiſche oder —— Bibel ge⸗ 
nannt. Ein von Herzog Ernſt J. von Sachſen 
1636 unternommenes Bibelwerk, welches von 29 
—— Theologen bearbeitet, von den jenai« 
ſchen Theologen Major, Gerhard, Himmel, Dil: 
herr und Olaf revidirt wurde und, mit Anmerfuns 
gen und Kupferftihen verfehen, ein ſehr werth: 
volles, im Jahre 1640 vollendetes Werk darjtellte, 

Erneuerung. S. Wiebergeburt. 

Erniedrigung Ghrifli. ©. —— 

Ernte bei den Hebrüern. Die religiöſe Auffaſ— 
fung Iſraels, wonach ed auch den Lohn feiner Ars 
beit al$ von Gott ihm geſchenkt anerkennt, ſpricht 
fi) bei der Ernte in den gejeglichen Beitimmungen 
aus, daß diefelbe eröjfnet_wird burd die Dar: 
bringung der Erſtlingsgarbe am zweiten Tage des 
Paſſah, d. 5. am 16. Abib, Aehrenmonat, Nifan 
3. Moſ. 23, 10, und gefchloffen mit dem Feſte der 
Einfammlung, Zaubhütten, 3. Mof. 23, 15; 5. 
Moſ. 16, 1; ſowie in den Vorfchriften, daß die 
Enden der Aeder nicht geſchnitten werden und 
wie die Nachlefe den Armen gehören follten. Das 
Treiben ber Ernte ſchildert Ruth Cap. 2 und 3. 

Erntedankfeſt. S. Feſte. 

Erpenius. Thomas van Erpe. Holländiſcher 
Orientaliſt. Geb, 1584 zu Gorkum, ſtudirte er un: 
ter Scaliger zu Leyden und bildete ſich auf ausge: 
dehnten Reifen. 1613 wurde er Brofeflor der orient. 
Spradenin Leyden, 1619 des Hebräijchen. + 1624. 
Seine Verdienſte beziehen ſich auf die arabiſche 


Errichtung einer Pfründ: 


Grammatik und die Herausgabe einer arabiſchen 
Bentateuchüberjegung, Leyden 1622. Grammatica 
arab., end. 1613; Locmani fabulae, 1615; No- 
vum T. arabice, 1616, 

Erridtung einer Piründe. S. Beneficium. 

Erſchaffung. S. Schöpfung. 

Erfte Bitte. S. Eripectanzen. 

Erfigeburt. Ale männlihe Erftgeburt war 
Jahve heilig und wurde von reinen Thieren inner: 
halb eines Jahres geopfert, 4. Mof.18, 17; hatte fie 
aber einen Fehler, “ wurde diejelbe vom Eigner zu 

rivatmablzeiten verwendet, 5. Mof. 15, 21. Die 

geburt der unreinen Thiere wurde eingelöft mit 
Sulegung des fünften Theild des Werths, 4. Mof. 
18,15. Die erftgeborenen Söhne, die urjprünglich 

m Dienite des Heiligthums beftimmt gemejen 
ein mochten, wurden jeit der Abfonderung des 
Stammes Levi, 4. Mof. 3, 12, im Tempel darge: 
ftelt und losgekauft, 2. Mof. 13, 13. 

Erfilinge. Da alle Erftgeburt dem Herrn ge: 
bört, jo fielen auch die Erftlinge der Bodencultur 
* zu und wurden Eigenthum der Prieſter, 5. 

of. 18, 8; Ey. 44, 30. Wie viel aber Jeder von 
ber el ran geben wollte, blieb ihm über: 
lafjen. Die Miſchna e ıthält genaue Beftimmungen, 
die zum Theil durch die Berftreuung des Volkes 
bedingt und hervorgerufen worben waren, was 
an das HeiligthHum, was an die Priefterftabt ab: 
geliefert werben jollte, zu welcher Zeit und in 
welchem ge 

Erthal, Franz Ludwig von, Fürftbifhof von 
Bürzburg. Einer der beften und edeliten geift: 
ligen Fürften, der die Schulbildung und Aufklä— 
rung jeined Boltes fich angelegen jein ließ, die 
Grundjäge der Emfer Punctation fefthielt und 

egen Proteftanten duldſame Anerkennung bemies,. 
boren den 16. September 1730, trat er 1763 in 
das Würzburger Domcapitel und wurde 1779 zum 
gürfnifchof von Würzburg und Bamberg erwählt. 

ftarb am 14. Syebr. 1745. 

Erwählung. S. Prädeftination. 

Erweckung ift die pſychologiſche Erſcheinung, 
welche ſich bei einem bisher wenig intereſſirten 
Gemüth durch ein außerordentliches Intereſſe 
jeigt, jo daß der Vorgang einem plötzlichen Er: 
wahen aus einem Schlafe gleiht. Auf dem 
religiöfen Gebiete (Eph. 5, 14) tritt dieſe Erfchei- 
nung am bäufigjten und oft am auffallenditen 
ſowohl bei einzelnen Perſonen, als in ganzen Ge- 
meinjchaften auf. Defters erfcheint die Erweckung 
ald mächtige Reaction gegen ein fündhaftes und 
irteligiöjes Leben, indem in Folge irgend eines 
äußern oder innern Anlaffes die Gewifienstpätig: 
feit oder auch die Furcht vor dem dunkeln drohen: 
den Jenſeits mächtig wach gerufen wird. Die Er: 
medung fann auch einen gleihjam epidemifchen 
Charakter annehmen, wie in der in England durch 
Wesley und Whitefield hervorgerufenen großarti: 
gen Bewegung; in diefem Falle wird ihr freilich 
wohl immer auch viel Krankhaftes beigemijcht fein, 
und gar mande Erſchutterung fid hinterher mehr 
als eine nervöſe, denn fittliche ermweijen. 

Erwin. Berühmter Baumeifter, zu Steinbach 
in Baden geb., daher E. von Steinbad) genannt, 
baute die weitlihe Fagade ded Münfters in dem 
benachbarten Straßburg, deſſen Grundfteinlegung 
am 25. Mai 1277 jtattfand. Er erlebte die 
Vollendung des Baues nicht, fondern ftarb 
den 17. Januar 1318, Sein Sohn Johannes 


237 


Escobar y Mendoza 
ſehte ben Bau fort bis zu feinem Tode im Jahr 
1399 


Erzbifhef. Der Name dozunisxono; lommi 
zuerjt als Bezeichnung der durch das Anfehen ihres 
Bisthums bevorzugten Metropoliten vor; und ſpä— 
ter der Metropoliten, welchen Andere untergeben 
find. Im Abendlande aber wurde der Titel jedem 
Metropoliten, der andere Biſchöfe unter fich hat, 

egeben. Mit der Ausdehnung des päpftlichen 
Peimate find die erzbiſchöflichen Privatrechte ver: 
Hleinert ; außer den Ehrenrechten, dem Range und 
dem Pallium, beftehen fie in der allgemeinen Auf: 
ſicht über die Suffraganbijchöfe der Brovinz, in dem 
Rechte, Provinzialjynoden zu berufen, und in der 
höheren Gerichtöbarteit als Appellinjtanz ber bi: 
ſchöflichen Gerichte. 

Erzbrüderſchaften. S. Brüderichaft. 

Erzengel. ©. Engel. 

5332 ©. Padagogik. 

Erziehung bei Den Hebräern. In Iſrael lag 
die Erziehung der jungen Generation durchaus in 
der gejchloffenen Familie, und da fie das bewußte 
Ziel hatte, das Kind ald Glied des religidjen und 
nationalen Gemeinweſens heranzubilden, jo war 
fie durch und durch religiös, auf ihrer Eigenart 
ruht der ausgeprägte Nationaldaralter. Die hei: 
lige Gefhichte und das Gejeg wurden dem finde 
von frühfter Jugend an eingeprägt, 2. Mof. 
12, 26. 27, durch Gemwöhnung und Belehrung. 
Mit dem zwölften Jahre wurde der Knabe geſetzes⸗ 
pflitig und nahm Theil am Gottesdienft und den 
Feſtzügen. Eigentlihe Schulen gab es erft in 
jpäterer Zeit. Jeſus ben Gamala fol die erite 
Kinderfchule furz vor der Zeritörung Jeruſalems 
eingerichtet haben. Für ältere Knaben waren durch 
Simon ben Schetach in den größeren Städten Schus 
(en eingerichtet, in denen die Schrift und das Ge» 
je gelehrt wurden. 

Erzpriefler. ©. Archipresbyter. 

Grjvater. ©. Patriarch. 

Ejarhaddon. König von Afiyrien, Sohn und 
wahrſcheinlicher Nachfolger Sanheribs, 2, Kön. 
19, 37; Jef. 37, 38; Tob. 1, 21. Er ließ Eoloni: 
ften in die entvölferten Stätten Iſraels verpflan: 
zen, Eira 4, 2, 

Eſau. S. Edom. 

Eid, Johann, oder von Eſſen. Auguftinermönd 
in Antwerpen. Er und der Priefter Heinrich Voes 
wurden als erfte Blutzeugen der Reformation am 
1. Zuli 1523 zu Antwerpen verbrannt. Belannt iſt 
Luthers Lied von den zwei Märtyrern. 

Eschatologie Heißt die Lehre von den legten 
Dingen und bildet gewöhnlich den Schluftheil der 
Dogmatik. Ueber den eschatologiſchen Stoff f. die 
Art. Apokataftafis, Auferftehung, Gericht, Hölle, 
Tod, Unfterblichleit der Seele u. j. w. Ueber bie 
Lehre des Alten ——— vgl. Friſch in Eich— 

orns Allg. Bibl. IV, Ziegler in Henke's Mag. 

. V; über die des Neuen: * l, Quid doetr. 
de animorum immortalitate rel. chr. debeat; 
Meizel in Stud. u. Krit. 1836, Georgii in Zellers 
Jahrb. 1845, Zeller, ebenda 1847. Neuere dogma- 
tifche Abhandlungen ſ. unter Unfterblichkeit. 

Escobar y Mendoza, Antonio. Geb. 1589 zu 
Balladolid. + 1. Juli 1669. Als Jefuit it er be: 
rühmt geworden durch fein Liber theologicus 
moralis 1662, in meldem er vorzüglih ben 
Probabilismus entmwidelt. Ihm erſcheint die 
Verſchiedenheit der Meinungen al3 eine göttliche 


Escurial 


ar weil dadurch das Joch Chrifti jo leicht 
würde. 

Escurial. Ein Hierongmitenflofter, zu Ehren des 
heiligen Laurentius durch Bhilipp Il. von Spa: 
nien 1563 — 1584 erbaut. Herbftaufenthalt und 
Grabftätte der jpanifhen Königsfamilie. Bon Be: 
deutung ift die Bibliothek, welche durch die Ver: 
mächtniſſe des Gonzales Perez, Secretair Karls, 
Mendoza (} 1575) und des Erzbijhofs Antonius 
Auguftinus (+ 1586) einen Neihthum an Hand: 
en befist, darunter den Codex aureus. Ca- 

ogue des manuscrits Grecs de la biblio- 
thèque de l’Escurial par E. Miller 1848. 

ddrad. ©. Esra. 

Esdrelon. Jud. 1,8; 4,6. Die große Ebene 
wiihen dem Gebirge Ephraim und den galilät- 
fen Bergen, vom Kionbach durchfloffen, 8 Stun: 
den lang, 4—5 Gtunden breit, welche zur Zeit 
Siraeld gut angebaut und äußerſt fruchtbar war, 
jegt öde und wüſte ift. In der Ebene lagen 
die Städte Megiddo und Jesreel, nach denen fie 
auch genannt wird; im Mittelalter das Caſtell 
Saba, daher planum Sabae; auch heißt fie cam- 
pus legionalis von dem Drte Legio Marimiano- 
polis zur Römerzeit. Häufig war dieje Ebene zum 
Schlachtfeld gemählt: von Sideon, Richt. 6, 33; 
7,17f.; von Saul, 1. Sam. 29, 1; von Ahab, 
1. Kön. 20,26; Jojia gegen Nedho, 2. Kön. 23,29; 
2. Chr. 35, 22; von Bespafian. 

Eſean. Stadt im Gebirge Juda, Jof. 15, 52, 

Ejel. Der Ejel wird in der Bibel als ein nütz⸗ 
liches und geihägtes Hausthier, von dem ganze 
Heerden gehalten wurden, 1. Moſ. 32, 15; 1. Chr. 
28, 80, oft erwähnt. Man bediente fid) deſſelben 

um Reiten, 2. Moj. 4, 20; 4. Mof. 22, 21, zum 
afttragen, Joſ. 9, 4; 1. Sam. 16, 20; 4. Moj. 
13, 15, und zum Pflügen, 5. Mof. 22, 10. Im 
Kriege wurde er, außer in der ältejten Zeit, 1. 
Mof. 49, 11, nit benugt, Sad. 9, 9. Ber: 
fiide Truppen aber waren mit Efeln beritten ge: 
macht. ALS unreines Thier durfte der Eſel weder 
gegeflen noch geopfert werden. — Der wilde Ejel, 
onager, ber in der Wüſte heerdenweiſe lebt, tft bei 


den Propheten ein häufiges Bild unbändiger und, 


trotsiger Freiheitsliebe. 

Ejelorden. ©. Trinitarier, 

Gijelsbrüder. Beiname der Trinitarier (ſ. d. A.), 
bie anfänglich nur auf Eſeln reiten durften. 

Eſelsfeſt. Bei den dramatiſchen Darftellungen 
der bibliihen Gefhichten in den Kirchen im frü: 
er Mittelalter, die mit der Zeit mehr zur Be: 
uftigung als zur Erbauung des Volkes gefeiert 
wurden, jpielte ber Ejel eine große Rolle, jo daß 
in Rouen die Feier der Weihnacht, wegen der Auf: 
führung von Bileams —— Eſel und in 
Beauvais die Feier der Flucht nach Aegypten am 
14. Januar den Namen des Eſelsfeſtes führte, und 
das Thier wihrend der Meſſe aufgepugt in der 
Kirche ftand. In Deutichland fanden fi ähn— 
liche, aber weniger anftößig aufgepußte Gebräuche. 
Das Concil zu Bafel verbot folh Poſſenſpiel. In 
der Symbolik der mittelalterlichen Künjtler ift der 
Eſel das Bild der Dummheit und groben Sinn: 
ee aud wo er die Meſſe lieft oder die Harfe 
pielt. 

Eskol (Traubenthal). Ein Bad) Baläftina’s, 
4. Moſ. 13,23. 24; durchfloß das Thal bei Hebron 


238 


Edra, das Bud 


Esnit. Eznik. Ednag. Biſchof von Bagrewand. 
Ein ausgezeichneter armenifher Theologe, war 
geboren zu Koghb Gochp) im 5. Jahrhundert und 
war ein Schüler Sahals und Mesrops. Seine 
Kenntniß der griechiſchen Sprache machte er für 
Armenien us Sammlung und Ueberfegung der 
griechiſchen Kirchenväter fruchtbar, und ald Mit: 
arbeiter an der Bibelüberjegung. Sein Hauptmwert 
iſt aber „die Zerftörung der Jrrlehren” in 4 Thei- 
len, wovon der erite die Heiden, der zweite die Bar: 
fen, der dritte die griehifchen Philofophen, der 
vierte die Marcioniten bekämpft. Ausg. Smyrna 


1762, Benedig 1826, franz. rer, durch Le 
Vaillant de * Paris 1858, Died Wert 
ftellt duch Inhalt, Spradhe und Darftellung 


Esnik unter die armenifchen Klaſſiker. 

Espen, Zeger Bernhard van. Geb. zu Löwen 
9. Juli 1646, ftudirte er Theologie und kanoni— 
ſches Recht, ward 1673 Priejter, 1675 aber Doc: 
tor und Profeſſor des fanonifchen Rechtes. Sein 
Jus ecclesiasticum universum, Zömwen 1700, ver: 
trat das Epislopalfyfien und den Janſenismus, 
fam daher auf den Inder 1704. Die Beröffent: 
— ſeines Gutachtens, in dem er die Wahl 
und Weihe des janſeniſtiſchen Erzbiſchofs von 
Utrecht vertheidigte, nöthigte ihn, Löwen zu ver: 
laſſen; er ftarb zu Amersfort 1782. Seine Bio: 

raphie ift von Gabriel du Bac de Bellegarde. Ge 
Fermmttoußgobe der Merle, Löwen 1758 ff, Jus 
ecelesiast., Köln 1777, Mainz 1791, 

G3peroniflen. ©. Speronistae. 

Esra. Der en lebte am Hofe des 
Perſerlönigs Artarerges Longimanus, zog aber, 
mit einem Schuß: und Freibrief deſſelben ver 
fehen, an der Spike eineö neuen Zuges Jfraeliten 
nad) Serufalem, um daffelbe aus dem neuen Ber 
fall, in den Serubabeld Eolonie gerathen war, zu 
befreien. Er nahm eine fcharfe Reinigung bed 
Volkslebens nad) jtreng gejeglihen Anſchauungen 
vor, vertrieb die ie Weiber mit igren Kin 
dern und ſchied die Fremden aus der Gemeinde 
aus. Der Gottesdienft mit feinen Opfern und 
Feſten wurde eingerichtet und die Neuerung ein 
geführt, daß das Geſetz vorgeiefen und erflärt 
wurde, Neh. S, 1 ff. Er joll ven Kanon zufammen: 
gejtellt und auch die legte Bearbeitung des Benta: 
teuch® vorgenommen haben. Die Gründung des 
Synedriumd wird ihm gleichfalls zugefchrieben. 
Sein Werk ergänzte Nehemia, der Mundſchenk 
des Artarerres, der fih zum Landpfleger in Ju: 
däa ernennen ließ und mit umfichtigem Eifer den 
dur die Störungen und Intriguen der Sama: 
riter und Ammoniter gehinderten Aufbau ber 
Mauern betrieb, und damit die Wiederherſtellung 
des Voltes und eines in ſich geſchloſſenen Staats: 
lebens begründete. 

Esra, Dad Bud, gehört unter die fog. Hagio— 
graphen, und erzählt die wichtigften Begebenheiten 
aus der Gefchichte des jüdifchen Volkes jeit ber 
Rückkehr deffelben aus dem Eril unter Serubabel 
und Joſua, einfchließlich der Inſtitutionen, welde 
Esra unter dem zurüdgelehrten Volke geſchaffen 
bat. Die ſechs erften Capitel ſchildern die Rüd: 
tehr der Juden unter Cyrus, die neuen gotted: 
dienftlien Einridtungen, den Bau de3 Tempels, 
feine Fear his in bad zweite Jahr des 
Königs Darius Hyftafpis, feine Weiterführung un: 


und ergoß fich ind todte Meer. — 2) Ein Amoris | ter dem Einfluffe der Propheten Haggai und Sa: 


terfürfs, mit dem fi Abraham verbündete, 


charja, die Vollendung und Einweihung. Cap. 7 - 10 


Era, 3. Buch 


239 


Either, das Buch 


berichten das Auftreten Esra's, feinen Zug nach Jer | Ben. Die Stadt Hatte ihre Freiheit dem Stifte 


rufalem, die durch ihn bewirkte Ausſcheidung der 
‘gemben Weiber und jonftige Mafregeln zur Her: 
ftellung der theofratifchen Reinheit. Zu bemerten 
ut, daß die Abſchnitte 4, 8—6, 18 und 7, 12—26 
chaldäiſch nefchrieben jind, das Uebrige hebräiſch. 
* tücke ſind offenbar faſt unverändert vom 

aſſer aufgenommene Urkunden. Ebenfoift Cap. 
2 eine Urkunde (vgl. Neh.7, 5). Im zweiten Theile 
ft 7,26—9, 15 von Esra felbft vcrfaßt, wie der 

rauch der erften Perſon erweiſt. Dagegen ift es 

itig, ob Edra der Berfafler des Ganzen ift, da 
in den übrigen Theilen von ihm in der britten 
Berfon geredet wird und ihm ſehr ehrende Präbi- 
cate (7, 1—11) verliehen werden. Die Einheit ber 
Berfafferfhaft beider Theile (1—6 und 7—10) hat 
man wegen einzelner Verſchiedenheiten der Aus: 
drucksweiſe mit Unrecht bezweifelt. Eine ziemlich) 
allgemeine Annahme ift die Einheit der legten 
Redaction für die drei Bücher a Esra und 
Rehemia, welche (f. d. A. Chronik) nur zu der An: 
nahme ausgedehnt werden muß, daß dieſe drei 
Schriften urſprünglich ein Buch mit einander bil: 
beten (dagegen Keil). Bal. Kleinert, Beitr. zu den 
theol. Wiſſenſchaften von den Brof. d. Theol. in 
Dorpat, a 1832; ferner die eg 
über die Chronik, die Einleitungen ind U. T. bef. 
son Berthold, de Watte, Hävernif, Keil. Exegetiſch: 

Bertheau in dem furzgef. ereg. Handbud) 1854. 

&ira, 3. Bud. S. Apofryphen. Vgl. Volk: 
mar, Handb. der Einl, in die Apofryphen 1862, 

Era, 4. Bud. S. Pjeudepigraphen. 

€, van, Joh. Heinr. Leander. Der katho— 
liſche Bibelüberfeger. Das neue Teftament über: 
fegte er in Genoflenichaft mit feinem Better Karl 
van Eß 1807. Das Alte Teftament, von ihm allein 
bearbeitet, erjchien 18.2—1836; die ganze Bibel, 
von ihm und Meter beforgt, 1840. Der Bibel: 
verbreitung diente er nicht nur durch diefe Ueber: 
fegung und die Ausgaben der Bulgata 1822, der 
LXX 1824, des gr. R. T. 1827, fondern auch 
durch verjhiedene Schriften zur Empfehlung und 
Beriheidigung des Bibelleſens, ſowie ald Mit: 
= der Negenäburger und Agent ber brittifchen 

ibelgefelljchaft. Er war geboren am 15. Febr. 
1772 zu Warburg. trat in die Benedictinerabtei 
Neumänfter bei Air ward 179€ Briefter, 
1799 Pfarrer im Klofter. Nach der Aufhebura 
der Abtei ftudirte er orienialifche Sprachen, ward 
1812 als Bfarrer und a. o. Brofefior nad) Mar: 
burg berufen, legte aber 1822 feine Aemter nie: 
der, um fich allein feinen Bibelftudien zu widmen. 
+ 1847 zu Affolderbach im Odenwald, 

€, van, Karl. Geh. 1770 zu Warburg, trat 
1788 in die Benebictinerabtei Huysburg bei Hal: 
dt, deren Vrior er 1801 wurde, Bei der 
Aufhebung herfelben 1804 wurde er erſter Pfar: 
ter der Gemeinde und bifchöfliher Commiffar für 
Magdeburg. + 1824. Er betheiligte fid) an der 
Bibelüberjegung feines Vetter, trat aber, einge: 
ſchüchtert dur die Erhebung des Romanismus, 
urüd und machte 1517 durch bittere Ausfälle auj 
ie Evangelijchen in einer Geſchichte der Nefor: 
mation einiges Auffehen. 

‚Ehen. Das reihsunmittelbare adelige Vene: 
dietinerftift an der Grenze von Gleve und Mart 
wurde 577 gegründet und ftand unter der Schirm: 
Dogtei der Graſen von der Mark; kam 1803 
durch den Reichsdeputationshauptſchluß an Preu: 


gegenüber oe und führte 1561 die Refor: 
mation durch Annahme der Augsburgiſchen 
Confeifion (1563) ein, gab fih aud 1664 eine 
eigene Kirchenordnung, die i691 vermehrt wurde 
(bei Jakobſon). Das Eſſendiſche Gefangbuch 1614 
ift dad von Pfalz: Neuburg in Berg und Mart 
eingeführte. Der efjeudifche Streit wurde herbei: 
eführt durch den pietiftiihen Separatiömus des 
N redigers Merker (1659-—1728). 

Eſſener. Ein jüdifcher religiöfer Orden, ber 
um 150 v. Ehr. zuerjt auftritt und nad Philo 
und Kofephus zu Ehrifti Zeit, an 4000 Glieder 
—* am Todten Meere in feſtgeſchloſſenen Gemein⸗ 
haften in Enthaltſamkeit und Arbeitfamieit und 
ftrenger Unterwerfung unter ihre Obern lebte. Nur 
nad) längerem Noviztat wurde der Eintritt in Die 
Gemeinſchaft gejtattet. Sie enthielten fi) ber 
een Vergnügungen und mieben die Che. 

u ihrem Eultus gehörten Wafhungen und ſym⸗ 
bol:jhe Opfermahlzeiten, den eigentlichen Opfern 
und dem jüdiſchen Tempeldienjt waren fie feind. 
Ihre Lehre war Geheimlehre. Die praftifch:cäte: 
tiihe:contemplative Richtung überwog jevenfalld 
das LZehrintereffe. Der Efjäismus fteht in Ver: 
bindung mit den ägyptiſchen Therapeuten; der 
jüdiſche Grundgedanke von levitifcher Heiligung 
des Lebens ift durch alerandrinifche Ideen weſent⸗ 
lich modificirt. Andere haben in den Eſſenern die 
Ausläufer der Chafidäer gejehen, fo daß fie dem 
Vharifäismus nehe ftänden, während Andere fie 
mit dem Prophetenthum und perfifcher Magie in 
Verbindung bringen; noch Andere (Bauru, Zeller) 
finden in ihnen die Aufnahme der heidnifchen 
Philofophie in das Judenthum und die Grund: 
lage des Chriftenthums. Ein anderer Zuſammen— 
hang der Ehafidäer mit dem Ehriftenthum ift aber 
nit nachzuweiſen, als daß der Ebionit:ämus 
eſſeniſche Anfichten in fih aufnahm, als die Refte 
der Efjener nad dem —— bes jüdijchen 
Volles fih an die hriftlihe Gemeinde angeſchloſ⸗ 
fen Hatten, Bol. Beer, Gefchichte, Lehren und 
Dleinungen aller rel. Secten der Juden, 1322, 

Eifig wurde, mit Del vermischt, alö erfrifchen: 
bes Getränf von geringen Leuten (Ruth 2, 14) 
getrunken. Mit bitteren Stoffen (Galle) vermiſcht, 
wurde er Chriſtus am Kreuz gereicht, um ihn zu 
betäuben. 

Ethanol, Aftaol, Stadt in der Ebene Juda's, 
Joſ. 15,33, von der keine Spin mehr zu fin: 
den ift. 

Eſthemo. 30f.15,50; 21,14. Eine Priejterftabt 
im Gebirge Juda, vielleicht dad Hrutige Semua. 

Eder, das Buch, erzählt, wie durch die Huge 
Vermittlung der Ejther, einer jüdifchen Jungfrau, 
welche wegen ihrer Schönheit zur königlichen Ge: 
mahlin des Xerged erheben ward, ein Anfchlag 
auf das Leben der Juden glücklich abgewender und 
denſelben vielmehr Gelegenheit zur Nache und zur 
Vergeltung an ihren Feinden geworden fei. Die 
Erzählung Hat ben Zived, die Feier des weniger 
——— als volksthümlichen erg an welches 
bei der Abfaſſung des Vuches ſchon länger beftan- 
den haben muß, zu begrinden. Das Bud In 
allen Büchern des Kanon in Bezug auf religiöfe 
Lebensauffaſſung nad) ; der Name Gottes kommt 
gar nicht vor; zwar ſpricht fi das Nationalgefühl 
aus, aber als racjgieriger Fremdenhaß. Das Bud 
hat mehrjacge Bearbeitungen erfahren, auch Zuſätze 


Eithland 


erhalten, die Luther als Stüde in Efther wieder 
ausgeichieden hat. Die griehifhe Bearbeitung 
eines gewiſſen Lyſimachus brachte der Levit Doſi⸗ 
theos und jein Sohn Ptolemäus nad Aegypten. 

Eſthland. ©. Liefland. 

Eftomihi. ©. Feite. 

Etam, Aitam. Eine Stadt in Juba, von Re: 
habeam befeftigt, 2. Chr. 11, 6; von dort führt: 
eine Wafferleitung, deren Ueberrefte ſich noch fin- 
den, nad) Jerufalem. 

Ethan. Einer der drei Sangmeifter Davibs, 
1. Chr. 15, 17. 19; 1. Kön. 5, 11; vgl. jedoch 
1. Chr. 25, 1; 2. Chr. 35, 15 und Ewald, Boet. 
BB. J1, 213. Dem Ethan wird durch die Ueber- 
jchrift der 89. Pſalm zugetheilt, eine Fürbitte für 
das herabgefommene Gejchleht Davids. 

Eihbaal. König von Sidon und Tyrus, der 
Schwiegervater des Ahab von Jfrael; regierte 32 
Sahre und ftarb 68 Jahre alt. 

Ether. Stadt im Stamme Juba, %of. 15, 42. 
Später zu Simeon gehörig. 

Ethik, Sittenlehre. Moral. Alle drei Namen 
bezeichnen die Lehre vom fittlichen Leben, der erjte 
dem griechiſchen 7905, Gewohnheit, Sitte, Charat: 
ter, der dritte dem lateinijchen mores, Sitten, Cha: 
rakter, ben Begriff entnehmend ; das deutſche „fitt: 
lich“ deutet wie der griechiſche Ausdrud zugleich an, 
daß es fich dabei um einen Zuftand des Menſchen 
handelt, defjen Entjtehung nur in der Gemeinſchaft 
möglich ift. Die Ethit (Moral ift häufig der popu⸗ 
lärere Ausdrud für Tugend: und —— 
jet das geſammte fittlihe Leben nad) feinen Zie— 

en, wie nad) den dahin führenden Wegen, die ewi: 
gen Gejete des innern Lebens, wie die daraus fol: 
genden Eonfequenzen für bie Geftaltung des äußern, 
u ergründen und darzuftellen. Da nun aber zum 
* Leben, und zwar als ſein nothwendigſtes 

undament, das religiöſe gehört, der Glaube alſo 
auch in das Gebiet der Ethik zu ziehen iſt, jo find 
feit fange die Örenzftreitigleiten mit der Dogmatif 
unvermeidlich gewejen. Jedenfalls ift die Unter: 
ſcheidung unrichtig, welche die Ethik als praktiſche 
Disciplin betrachtet im Gegenjat zur theoretischen, 
der Dogmatik, und fie ſogar in den Kreis der praf: 
tijch-theologischen Disciplinen verweist, und welde 
nur aus der falſchen Anficht entipringen konnte, 
daß die Ethik nichts mehr fei, ald eine Sammlung 
praktiſcher Borjchriften. Aber ebenfo muß eine 
Einverleibung des einen von Seiten des andern 
eine Verkürzung des einen oder des andern Theils 
mit fi führen: ſowohl die in der älteren Zeit bis 
Calixt übliche Methode, die Sittenlehre ala ein 
Anhängjel der Dogmatik zu behandeln, ald das 
Streben be3 Nationalismus, den dogmatifchen 
Stoff möglichſt in die Moral aufgehen zu lajjen, 
mußte die volle Entfaltung des ethiſch⸗ dogmatiſchen 
Stoffes hindern. Beide Disciplinen gehen immer: 

in von zwei verjchiedenen Geſichtspunkten aus, 
indem die Dogmatik das Verhältniß des Menjchen 
zu Gott ald den grundlegenden Gejichtöpunft auf: 
— die Ethik dagegen das Verhältniß des Men— 
hen zur Außenwelt, als der wollenden und han: 
delnden, in Betracht zieht, und dürfen auf dieſe Ge— 
ſichtspunkte ihr Recht der Selbſtändigkeit gründen. 
Aber ebenſo deutlich wird es auch ſein, daß man 
niemals das religiöſe Verhältniß des Menſchen 
betrachten kann ohne die nothwendige Ausgeſtal— 
tung —— im Leben, und ebenſo wenig das 
ſittliche Leben ohne ſeinen Grund im religiöſen 


240 


Ethik 


Verhältniß, daß ſomit beide Disciplinen ſich er— 
gänzen müſſen und auch ſtofflich ſich wenigſtens 
im Großen und Ganzen deden. Trotzdem aber 
werden beide Durch die verſchiedenen Geſichtspunkte 
bie Stoffe ganz verjdieden gruppiren, die eine 
wird als Hauptfache behandeln, was die andere 
als Nebenjache behandelt und umgefehrt. Dem mag 
auch —* die Begriffsbeſtimmung Schleier: 
machers entiprechen, die Dogmatik beſchreibe das 
chriſtliche GSelbjtbemußtjein in feiner relativen 
Ruhe, die Ethik dafjelbe in feiner relativen Bewe: 
gung. Bon der philoſophiſchen Ethik ift die chriſt⸗ 
liche (theologijche) dadurch unterſchieden, daß die 
legtere die in der von Chrijtus ausgehenden Ge: 
meinſchaft liegenden fittlihen Grundjäge zur Dar: 
ftelung bringt, die erftere dagegen davon abfieht 
und lediglid auf dem Wege des philofophifchen 
Dentens ihre Grundſätze conjtruirt. Beide Glen 
in ihren Ergebnifjen nicht auscinandergehen, gleich: 
wohl bringt eö die Entwidlung mit fi, daß fie 
nk in Widerjpruch getreten find. Cine voll: 
tändige Trennung der Ausgangspunkte beider ift 
wenigſtens in neuerer Zeit ebenſowenig möglid 
al3 wünſchenswerth. Vgl. de Wette in der theol. 
Ztihr. von Schleiermader, de Wette und Lüde 
1819 u. 20; Scöberlein in den Stud. u, Krit. 
1851; Dorner in ergogs Realencyllopädie; Gel: 
zers Monatöbl. XXIII; außerdem die Encyklo: 
päbien und Ethilen. — Was den Inhalt ber Ethik 
betrifft, jo wird er gewöhnlich in einen allgemei: 
nen Theil, welcher den Begriff des Sittlichen über: 
haupt, ein oberjtes Moralprincip unterfucht, und 
einen jpeciellen, welcher daraus die Folgerungen 
für die einzelnen Erſcheinungen des fittlichen Le— 
bens zieht, vertheilt. Beftimmter ift Die Ausdrucks⸗ 
mweife der Eintheilung in die 3 Theile: 1) Güter: 
lehre, 2) Tugendlehre, 3) Pflichtenlehre, melde 
von Schleiermacher eingeführt, von Nothe in ftreng 
igftematifcher Form durchgeführt worden ift. Die 
Asketik, d. 5. die Lehre von denjenigen Mitteln, 
welche der Menſch am fich jelbft anzumenden hat, 
um ji zur Tugend zu erziehen, ift feine befondere 
Wiſſenſchaft mehr, jondern iſt ftofflich von der 
Ethit abjorbirt. Ebenjo hört die Gafuiftit (f.d. A) 
u der Grundlage der neueren Moral auf, eine 
bejondere Disciplin zu fein. — Geſchichte ber 
Ethik. Als ſyſtematiſch ausgebildete Wiſfenſchaft 
beſtand die Ethik im Alterthum nicht. Ethiſche 
Lehrausführungen finden ſich zerſtreut in den all: 
gemeinen und dogmatiſchen Schriften der Kirchen: 
väter, Clemens von Alerandrien behandelt in 
feinen Stromata und feinem Paedagogus ethiſche 
Fragen jehr eingehend, und Tertullian hat eine 
große Anzahl ethifher Monographien verfaßt. Wie 
bei ihm, jo ge t auch bei Aınbrofius (De ofü- 
ciis), Auquftin (De moribus ecclesise), Gregor 
d. Gr. (Moralia) das asletiſche Bedürfniß vor. 
Die Scholaftit betrachtet auch hier das Spitema: 
tifiren nach ariftotelifhen Kategorien als ihre 
Hauptaufgabe; zu den vier arıjtoteliihen Car: 
dinaltugenden (Gerechtigkeit, Tapferkeit, Mäßig 
feit, Weisheit) fügt der Lombarde noch die drei 
theologiihen (Glaube, Liebe, Hoffnung). Neben 
einer myitifchen Richtung (die Bictoriner, Bern: 
hard v. Clairvaug, Thomas a Kempis), welche 
das innere Leben befchrieb, ging in Verbindung 
mit dem Pönitentialmejen die Cafuiftif her, deren 
nor san Raimund a Pennaforte (Summa 
'de poenitentia) ift, Die Neformation nut ihrem 


Ethnarch 


Georg Calixt (Epitome theol. moralis 1654), 
dem ſeine Schüler Dürr, Meyer, Rixner, Schomer 
folgten. Einerſeits die verinnerlichende Richtung 
des Pietismus, andererſeits das Erwachen bes 
philoſophiſchen Triebes brachten im 18. Jahrhun⸗ 
dert die Ethik zu einer reicheren wiſſenſchaftlichen 
Entfaltung; die Vertreter einer dogmatiſch freie: 
ten, evangelifchen Sittenlehre find: Bubdeus (In- 
stit. theol. moralis 1711), 3. 2. Mosheim (Sit: 
tenlehre 1735—53, 9 Bde), ©. 3. Baumgarten 
(1764), Chr. A. Erufius (1772) u. A. Dem durd) 
die Wolfihe Schule einziehenden Eubämonismus 
in der Ethik tritt Kant entgegen, indem er in dem 
tategorifhen Imperativ des fittlihen Bewußtſeins 
der Ethik eine feite Bafis, zugleich aber aud) durch 
den Rigorismus ſeines Princips eine gemiffe 
Härte und Einfeitigkeit verlieh. Auf feinen Bah— 
nen folgten auf dem Boden des Nationalismus 
Schmid (Theol. Moral 1793), des Supranatura: 
lismus Stäubdlin (Neues Lehrb. d. Moral 1813), 
Am:non (die hriftl. Sittenlehre 1823) ; einen mehr 
praltiſch⸗ empiriſchen Weg geht Reinhard (Syſtem 
d. hriftl. Moral 1788 44 Auf bibliſch⸗ſuprana⸗ 
turaliſtiſchem Standpunkt ſtehen: Schwarz (Ev. 
har Ethik 1821) und Flatt (Vorlej. 1813). Dem 
igorißmus der Kantſchen Moral gegenüber ver: 
ſchafft die Friesfche Richtung dem fittlihen Lujt: 
gefühl wieder eine Berechtigung und haucht der Ethik 
wieder religiöfe Wärme ein durd de Wette, chrift: 
lihe Sittenlehre, (4 Bde. 1819—23), und Baum: 
ee ehrbuch der chriſtl. Sittenlehre 
826. Schöpferiſch ift auch in der Ethif Schleier: 
macher (Grundlinien einer Kritik ber bish. Sitten: 
jofteme 1803, Philoj. Ethik 1835, die chriſtl. 
Sitte 1843 ed. Jonas) aufgetreten, indem er nicht 
nur der Ethik ihre architektoniſche Form verlieh, 
fondern auch den Begriff des Sittlihen in Haffi: 
ſcher Weife neu entwidelte. Auf Hegelihem Stand: 
punkt ſtehen Marheinele (Syitem ber theol. Moral 
1847) und Merz (das Syftem der riftl. Sitten: 
lehrte 1841). Eine Entwidlung über Schleiermader 
und Hegel hinaus bezeichnen: Rothe (Theol. Ethik, 
Wittenb. 1845, 2. Aufl. 1867), und vom philofophi: 
ſchen Standpunft: Chalybäus (Syftem der jpecu: 
lativen Ethik 1850). Eine ftreng kirchliche Richtung 
vertreten: Sartoriu (die Lehre von der heil, Liebe 
1840), Harleß (Chriftl.Ethit 1842,1860) und Wuttfe 
(Handb. der hriftl. Sittenlehre 1861). Einen mehr 
praftiihen Charakter trägt das Bud von Balmer 
(die Moral des Chriſtenthums 1863). Zur Geſchichte 
dgl. Feuerlein, die Sittenlehre des Chriftenthums 
in ihren gefchichtlichen Hauptformen, 1855. 
thnarch, Luther überfegt: Landpfleger, Statt: 
halter; den Titel führte der Hoheprieiter Simon 
als fgrifcher Bafall, ebenfo Archelaus d. Gr., der 
Sohn Herodis. Denfelben Titel trugen die Bor: 
fteher der judiſchen Diſtricte in der Diaſpora. 


241 


Eudorius 


Etſchege. Der Vorfteher der abeſſyniſchen Klo⸗ 
ftergeiftlichleit. Prior des Klofterd Debra Libanos 
in Schoa. Er folgt im Range unmittelbar auf 
den Abuna. 

Eudariflie. Urſprünglich das Dank» und Lobs 
gebet bei der feier des h. Abendmahls, dann die 

ange Feier jeldft. In der katholiſchen Kirche da» 
ber weiter die Monſtranz mit der Hoftie. ©. 
—— 

Eucharius. Nach der Legende Biſchof von Trier, 
der zu den 70 Jüngern gehört haben und von 
Petrus mit feinen Gefährten Valerius und Mar 
ternu3 an den Rhein gefandt worden fein jo, um 
dort das Evangelium zu verfündigen. 

Euchelaon. Gebetäölung, welche in der griechi⸗ 
ſchen Kirche, nad) Jaf. 5, 14, den Kranken ertheilt 
wird und in fiebenmaliger Salbung an Stirn, 
Bruft, Händen und Füßen beſteht. 

Euderiuß, der Heilige. Biſchof von Lyon. Trat 
in reiferem Alter 422 in das Klofter Lerinum und 
wurde, da er mehrere Jahre ald Einfiedler auf der 
Inſel Zero gelebt hatte, 434 zum Bischof ermählt. 
7 450. Er gehörte zu den beften Kirchenſchrift⸗ 
——— des 5. Eh Seine Schriften: 

nstitutionum II., Liber form. spirit. intelligen- 
tiae u. a. adfetiihen Inhalts find herausgegeben 
von Braffianus, Bafel 1531, und in der Bibl. 
Maxim. Patr. t. VI, p. 822 ff. £ 

Euditen. Ein Nebenname ber enthuſiaſtiſchen 

Meflalianer. 
ologium ift bei den Griechen das Ritual» 
oder Kirchenbuch; umfaßt gewöhnlich die Meß— 
liturgien des Chryfoftomus und Bafilius, das 
Mekformular ber Faftenfonntage zur Einjegnung 
der Abendmahldelemente, Formulare der übrigen 
Sacramente und Gebete. Bgl. Daniel, Codex 
liturg. ecel. orientalis 1853. Eine Ausgabe von 
Goar, Paris 1647. 
Eudoemonismud. Die Theorie, nad welcher 


die Glückſeligkeit im Genuß, fei ed dem finnlihen, fei 


es bem geiftigen, das legte Ziel des menſchlichen 
Strebens fein joll. Der Eudämonismuß liegt den 
philofophiihen Syitemen des Arijtipp und Epikur 
und dem Materialismus und Encyflopädismus 
des vorigen Jahrhunderts zu Grunde; ihm ſetzte 
Kant entgegen, daß das Gute um fein jelbft willen 
gethan werben müfje, und die chriftliche EtHit lehrt 
in ber Liebe zu Gott den Antrieb zu allem Guten 
und die Seligkeit ion finden. 

Eudiften. Miffionsprieiter, geftiftet von os 
bannes Eubes, geb. 1601 zu Mezeray, feit 1623 
Dratorianer ; 1639 Vorfteher des Haufes zu Caen. 
Er ftiftete feine Congregation 1644 zur Miſſion 
unter den Geiftlichen und zur Erziehung von Geiſt⸗ 
lichen. 1826 ift der Orden rejtaurirt, ohne einige 
Bedeutung zu gelangen. 

Eudo, ©. Eon. 

Eudoyius. Ein arianifcher Bifchof, der zwiſchen 
Semiarianern und firengen Arianern auf bevenks 
lie Weife ſchwankte. 841 Biſchof von Germa- 
nicia in Syrien, riß er 357 das erledigte Bisthum 
von Antiochien en ſich und verband fich mit Aötius 
und Eunomius; auf Betreiben der Synode von 
Ancyra 353 verbannt, durfte er bald E36 lie 
Die jemiarianishe Synode von Seleucia 359 jegte 
ihn wiederum ab; aber der Kaifer ſchützte ihn 
egen den Beſchluß, als er von Aetius fich los⸗ 
Ari Bei dem Giege des ftrenaen Arianismus 
auf der Synode zu Eonftantinope — er den 

6 


Eugendus 


Patriarchenſtuhl zu Conſtantinopel 360. Er taufte 
und unterrichtete den Kaiſer Valens im Arianis— 
mus. 

Eugendus, auch Augendus. Abt des Kloſters 
Condat im Jura gegen Ende des 4. Jahrhunderts. 
Es wird feine Einfachheit gerühmt und ſeine Klo: 
fterzucht, Durch welche er die Stiftung der Brüder 
Roman und Yupicin (430) nad der Regel des 
Pachomius förderte. Er empfing nie die Priefter: 
weihe und ftarb zwiſchen 510 und 517. ©. fein Les 
ben bei d.n Bollandiften. 

Eugenia, die Heilige. Sie foll unter Valerian 
258 in Rom gelitten haben. Ihr Gedenktag ift der 
25. December, in ber griedhifchen Kirche der 21. 
December. 

Eugenius. Derfelbe wurde 480 Biſchof von Kar: 
thago, nachdem der Biſchofsſitz 24 Jahre erledigt 
geblieben war. Bon dem arianiihen VBandalen: 
fönig Hunnerich wurde er 484 wegen feines Feſt— 
haltens an ber fatholifchen Lehre verbannt, von 
Gundamund zurüchberufen, aber 498 von Neuem 
erilirt. + 505 zu Albi. 

Eugenius I, Papjt. Ward an die Stelle be3 
vom Kaifer entfegten Martin. ermählt 654. Aus 
feiner kurzen Regierungszeit ift der eigenthümliche 
Verſuch zu einer Vereinigung des byotheletifchen 
Rom mit dem monotheletiihen Conftantinopel 
durch die formel: Unam super duas, alfo die 
Annahme von drei Willen — + 657. 

— 11. 824—827. Im Bilderftreite verfammelte 
er das Eoncil zu Paris 825, welches fi im Sinne 
der Frankfurter Synode gegen die Bilder aus: 
a Ein Eoneil zu Rom 826 erließ gute Be: 

—— über Kirchendisciplin. 

— III. Ein Ciſtercienſer-Mönch, gebürtig aus 
Piſa. Schon vor feiner Weihe durch die auf: 
rübrerifchen Römer vertrieben, jo daß er im Klo: 
fter Farfa die Weihe empfing, gelang es ihm zwar 
durch einen Vertrag mit ihnen Tine weltliche Herr: 
ſchaft anerkannt zu jehen, doch mußte er bald wie: 
der vor Arnold von Brescia weichen. Mit Bern: 
hard von Clairvaux durchzog er 1147 Deutjchland 
und Frankreich und hielt mannigfache Synoden, 
auf denen vor Allem der Kreuzzug (nach dem Fall 
Edeſſa's 1146) betrieben wurde. Für eine kurze 
Zeit ergwang er 1149 durch Roger von Sicilien 
wieder den Gehorjam der Römer, mußte aber 1150 
die Stadt zum andbernmal verlafjen, bis 1152 ein 
neuer Vertrag gefchlofien wurde. + 1153. 

IV. 1431—1447, Berief bei feinem Regie: 
rungsantritt das Vaſeler Concil, weldjes ihn ſpä— 
ter abſetzte und deſſen Beſchlüſſe er anerlennen 
mußte (ſ. d. A.), obgleich er ihm das Concil zu 
ara, Florenz (j. d. A.), entgegengeſetzt hatte. 
hden mit den Colonnas und eine Empörung der 
ömer nöthigten ihn 1443 feinen Aufenthalt in 
Florenz zu nehmen. Eine trügeriſche Freude ge: 
währte ihm die Bereinigung mit der griechiſchen 
Kirche, weldye in Ferrara bemerkftelligt wurde. 
Auf dem Todbette erklärte er durch die Bulle 
Salvatoria, daß er durd) die in Folge des Bajeler 
Coneils den Deutichen gemachten Augeftändniffe 
dem römischen Stuhle nichts habe vergeben wollen. 

Eugenind, Erzbifhof von Toledo (647—658). 
As Mönd, gegen jeinen Willen durd) den König 
Ehindafmwinth erhoben, befeftigte er die Disciplin, 
und war als Schriftfteller thätig, indem er im 
Auftrag des Königs das Gedicht des Dracontius 
von den 6 Schöpfungstagen überarbeitete und ein 


242 


Eunomius 


Werk über die Dreieinigkeit ſchrieb. Herausg. von 
Sirmondi, Paris 1619. 

Eugippius oder Eugypius. Schüler und Bio: 
raph des 5. Severin, war bei deſſen Tode im 
lofter Denn 482 — v.nd begleitete 

feine Gebeine nad) Jtalien, wo über ihnen ım Ga: 
ſtrum Lucullanum ein Klofter gebaut wurde, defien 
Abt fpäter nad) des eriten, des Martian Tode, 
Eugippius geworben jein fol. Bon ihm ging eine 
Mönchsregel aus, welche eine Zeitlang der des 
Benedict zur Seite ftand. Außer dem Heben Se: 
verins jchrieb er den Thesaurus, welcher, der Jung: 
Verlage zu Ron gewidmet, den Auguftinismus 
ehrte. 

Eulalia, die Heilige, von Merida. In der bio: 
cletianiſchen Chriftenverfolgung ſuchte und fand fie 
den Märtyrertod, als fie freimillig fich Dem Geridit 
ftellte und ein Götterbild dort anjpie. Die heilige 
Eulalia von Barcellona jcheint dieſelbe Perjon 


zu fein. 

Eulalius. Bischof, wurde 418 nad) dem Tode 
des Bofimus von einer Bartei, an deren Spitze ber 
römische Stadtpräfeet Symmachus ftand, zum 
Papft erwählt gegen Bonifacius 1. Da er fid den 
vorläufigen Beſtimmungen des Honorius, der ald 
Schiedsrichter angerufen war, nicht fügen wollte, 
ward er ald Eindringling aus der Stadt vermie- 
fen. Er ftarb als Bild von Nepe. 

Eulenfpiegel. „Der Barfüßermönche Eulenipie: 
gel und Alkoran“ ift der Titel des von Erasmus 
Aber 1553 herausgegebenen Buches, zu dem Lu: 
ther die Vorrede gerieben bat. Es ift ein Aus: 
zug aus dem Liber conformitatum des Bartho: 
lomäus von Pifa (Albizzi) 1401, in welchem die 
abergläubijche Verehrung des h. Franciscus unter 
Zuftimmung des Ordenscapitels den höchſten Aus: 
drud gefunden hr 

Eulogia. Urjprünglich der Segen, die Lobprei: 
jung, daher der kirchliche Segen, den der Pres— 
buter oder der Bischof über die Gemeinde oder 
auch über Einzelne ausfpridt. Nah 1. Kor. 
10, 16 wurde der Ausdruck gleihbedeutend mit 
euvyapıoria, Abendmahl, aber beſchränkt auf das 
zur Oblation dargebrachte Brod, von welchem die 
Hoftie genommen war, und welches den nicht Comt: 
municirenden am Schluß der Mefje ald Surrogat 
audgetheilt wurde. Ein Gebraud, der in der la: 
teiniſchen Kirche noch hie und da üblich, in der 
giechiſchen —— iſt, aurıdwgor, Die frühere 
Sitte, daß die Biſchöfe Culogien, geſegnetes Brod, 
an die Tochterlirchen oder an andere Biſchöfe als 
Zeichen der Gemeinſchaft fendeten, wurde von der 
Synode zu Laodicea unterfagt. Die Eulogien 
wurden auch Solchen gereicht, die an der Commu— 
nion ſelbſt noch nicht Theil nehmen durften. 

Eulogius I. Presbyter und 581—608 Patri: 
arch von Alerandrien; Gregor I. rühmt ihn als 
einen gelehrten Bertheidiger der Kirchenlehre. 

Eulogius von Gorduba, Erzbifchof von Toledo, 
wurde von den Mauren 859 hingerichtet. Bon 
jeinen Schriften in Schotts Hispania illustrata 
t. IV., ift die bedeutendfte das Memoriale 
Sanctorum. 

Eunomiud. Neben und nad) Netius das Haupt 
der ftrengen Arianer, war in Dacora in Kappa: 
bocien geboren, wurde Schüler und Gehülfe des 
Astius in Alegandrien, dann Biſchof in Eyeicum. 
360 feiner Lehre wegen verbannt, nahm er unter 
Julian feinen Aufenthalt in Conjtantinopel nis 


Euphemia 


243 


Eufebius von Nifomedien 


ber Führer der NAötianer. Wiederum verbannt |ein Gegner des Homoouſion und darum ein 
und wieder aurüdberufen unter Balens, verbannte | Gegner der ftrengen Nicäner, ohne Arianer zu 


. Theodofius 383 von Neuen bei der völligen 
iederlage des Arianismus; ftarb 396 in feiner 
Heimath. Seine Apologien 365 und 379 find aus 
den Gegenfhriften des Baſilius uub Gregor be: 
lannt geworden, ebenfo feine ExJeais rs niorewg. 
Seine Anhänger, vom 2. öfumenifchen Concil ala 
Reger verdammt, trennten fi von der Kirchen: 
gemeinichaft; fie tauften auf den Tod Ehrifti, 
nicht auf die Dreieinigfeit. 

Euphemia, die Heilige, erlitt den Märtyrertod 
305 zu Chalcedon unter Diocletian. In der ihr 
geweihten Kirche zu Chalcedon wurde das Concil 
—— Paulinus von Nola und V. Fortunatus 

eſangen ſie. 

Euphemiten. S. Meſſalianer. 

Euphrat. Entipringt auf den armeniſchen Ge: 
birgen aus zwei Quellen, fein Zauf bildet dann 
die Grenze Mejopotamiend gegen Syrien, bis er 
fih mit dem Tigris vereinigt und als Schat:el: 
Arab in den perſiſchen Meerbujen ergießt. Sein 
Rebenfluß ift der Ehaboras. Unter David bildete 
der Euphrat die Grenze der jüdiſchen Herrichaft. 
* berühmtefte Stadt an feinem Ufer iſt Ba: 

on. 

Eupbrofyna, eine Heilige im 5. Jahrhundert. 
Um einer verhaßten Heirath zu entgehen, legte fie 
Männerkleidung an und trat unter dem Namen 
Smaragda® in ein Klofter. 

Eufebins, der Bapit, jeit 310. Nach dem Ins 
balt eines Epitaphiums, deffen Bezug auf ihn aber 
——— hatten ſich unter ihm die Händel 

das Verfahren gegen die lapsi erneut und 
Naxentius deshalb ihn nad) Sicilien verbannt. 
Er wird zu den Märtyrern gezählt, weil er im 
Eril geſtorben ift. 

Enfebiud, mit dem Beinamen Bruno. Seit 
1047 Bifchof von Anjou, + 1081. Er war der haupt: 
ſächlichſte Gönner und Vertheidiger des Berengar 
von Tours im Epiäfopate bis 1062. Später ent: 
zog er demfelben feinen Schuß, vielleicht einge: 
ſchüchtert durch den Widerſpruch der ganzen Kirche 
oder gereizt durch Berengars Verhalten. Seine 
Anfiht, welche er in einem Briefe an B. (1068 — 
1066) entmwidelte, ging endlich dahin, daß er ver: 
langte, man jolle ohne Grübeln über das Wie 
nah den Einfegungsmworten einfad) das Abend: 
mabl für Leib und Blut Ehrifti annehmen. ©. 
Leſſing, Berengar von Tours. 

Eufebius von Alerandrien. Den -Namen tra: 
gen eine Anzahl (21) Homilien aus dem 5. oder 
b. Jahrhundert, weldhe von Thilo und von Mai 
herausgegeben find. In einigen derjelben wechjelt 
der Bortrag mit Antworten an Einzelne (öfters 
an einen Alerander). Die Biographie des Autors 
bei Mai ift ein Fabelwerk. Thilo läßt die Wahl 
zwiſchen einem ber langen Brüder (ſ. d. A.) und 
einem Presbyter und Hofgeiftlihen Juftinians I. 

Euſebius von Caeſarea. Geb. 260-270 in 
Paläftina. Er bildete fich in Jerufalem, Antiodien 
und Cäjarea in Studiengemeinfhaft mit dem 

resbyter Pamphilus (daher Pamppili) an den 

riften des Drigenes. In der diocletianifchen 
Verfolgung flüchtete er nad) Tyrus und Aegypten 
und wurde Confejjor. Als Biſchof von Cäfaren 
vor 315 nahm er am arianiſchen Streite Theil. 
Dem nicänifhen Glaubensbekenntniß liegt ein von 
ihm eingereichter Entwurf zu Grunde. Er blieb 


jein. Das ihm angebotene Patriardat von An— 
tiochien ſchlug er 331 aus. Seine bleibende Be: 
deutung liegt in feinen ſchriftſtelleriſchen Werten: 
1) Die Weltgeſchichte: Xgorızwr xavorw» mavro- 
denn korogie, eine alumfaffende Chronik, zu der 
ald Vorarbeit die Chronik des Julius Africanus 
benutzt ift. Das Driginal ift verloren, die lateini⸗ 
ſche Ueberjegung des Hieronymus ed. Scaliger 
1605. 2) Zehn Bücher der Kirchengeichichte, um: 
fafjend die Zeit bis 314. Die einzige Duelle der 
älteften Kirchengeſchichte, unfhägbar durch Die 
reichlich mitgetheulten Urkunden. Hauptausgaben 
von du Balo!s, Paris 1659; —— 1827 
— 1840, Handausgabe von Schwegler, Tübingen 
1852, 3) Das Leben Eonftantins, herausg. von Hei: 
—* 1830. 4) Die Lobrede auf Conſtantin, 86. 
5) Ueber die a Paläſtina's. 6) Ueber die 
Chriſtusbilder. 7) Die Apologie für Origenes. Von 
ihren 6 Büchern ift nur das erſte übrig. 8) Die beiden 
apologetijchen Werke: Hosnapaaxeun edayyekızı 
in 15 Büchern und Anödedıs evdayyekırn in 20 
Büchern, von denen 10 erhalten jind. 9) "Exkoyal 
nreopnrixad, und 10) eine apologetijche Abhand- 
lung gegen Sierofles. 11) Kar« Mapx&ikov legte 
den Sabellianismus des M. dar. Ieoi rijg Exrie- 
aaorızjs Beokoyias entwicelt die Trinitätslehre 
gegen Marcellus. 12) Das Onomasticon (ed. Ele: 
ricus, Amft. 1707; Larſow und Parthey, Berlin 
1862). 13) Die zehn evang. flanoned. Harmoni— 
ftiiche Tafeln. 14) Zurnuare zai Avasıs, in Frag⸗ 
menten erhalten. Bon feinen eregetijchen Werten 
ift nur der Gommentar zu den Pjalmen und zum 
Sefaias (10 Bücher) volljtändig. In den Catenen 
aber find viele Fragmente derjelben gerettet. Vgl. 
Jachmann, Ztſchr. Hr it. Theol. 1839. 

Eufebius von Doryläum. S. Eutyches. 

Eunjebius von Emeſa. Gegen Ende des 3. Jahr: 
hunderts zu Edeſſa geboren, trieb feine Studien 
unter Eujebius von Cäſarea und Patrovhilus von 
Seythopolis, dann in Alexandrien und Antiochien. 
Das ihm nad) der Verbannung des —— 
angebotene Patriarchat zu Aexandrien ſchlug er 
aus und ward Biſchof von Emeſa. Als Günſtling 
des Kaiſers Conſtantius begleitete er denſelben 
auch auf Kriegszügen uud ſtarb 359. Bon feinen 
zahlreichen, vielgerühmten Schriften find außer 
drei Neden nur Bruchftüde in den Catenen auf 
uns gelommen. Er war Semiarianer. Der ori: 
geniftiihen allegoriihen Erklärung trat er als 
Ereget entgegen und lenkte in die hiſtoriſche Er— 
Hörungsweije der jpätern antiocheniſchen Schule 
ein. 

Euſebius, Biſchof von Laoditea in Syrien. Schon 
als Dialon in Alexandrien hat er ſich durch große 
Liebesthätigleit und Selbſtaufopferung während 
der Valerianiſchen Verfolgung (257), während der 
unter Gallus ausgebrochenen Seude und in dem 
Bürgerfriege, der 263 Alerandrien heimfuchte, aus: 
gezeichnet. 264 vertrat er jeinen Bifchof Dionyiius 
auf der Synode zu Antiochien. Der mächtige Ein: 
drud ſeiner Perſönlichkeit daſelbſt bewirkte, daß 
man ihn zum Biſchof von Laodicea berief, wo er 
269 ſtarb. 

Eufebins von Nilomedien. Aus vornehmen 
Geſchlecht und in der Gunſt des faiferlihen Hofes, 
erreichte er das Ziel jeines Ehrgeizes, den Biſchofs— 
fig von Berytus mit dem von — und 


Eufebius von Santofata 


bem von Conftantinopel zu vertaufchen. Ein In—⸗ 
gendfreund des Arius, theilte er deſſen Anfichten 
und verfocht fie aufs eifrigfte. Zu Nicka, wo man 
das von ihm eingereichte Glaubensbelenntniß zer: 
riß, unterjchrieb er zwar die Formel des Concils, 
aber ohne die Verdammung des Arius. Bald da: 
nad) verbannt, aber nad) einigen Monaten wieder 
ge wandte er alle Kraft auf den Sieg 

ed Arianismus. Er betrieb den Sturz des Atha: 
Sehen die Wiedereinjegung des Arius und die 
Feitftellung de Semiarianismus auf der Synobe 
zu Antiochien 341. Nach feinem Tode verjuchte 
der vertriebene orthodoxe Biſchof Paulus fich des 
Stuhles von Conſtantinopel zu bemächtigen, bie 
Eufebianer aber jegten mit Gewalt und Blutver: 
gieken den Macedonius ein 341. 

Eufebiuß. Biſchof von Samofata am Euphrat. 
* Den Gewaltmaßregeln der arianiſch ge: 
innten Kaifer Eonftantius und Valens ftellte er 
unerjhütterlihen Muth als wei der ortho: 
doxen Kirche entgegen. Verkleidet als Soldat durch⸗ 
zog er Syrien, um rechtgläubige Geiſtliche zu wei— 
m Er bemühte fich für die Wahl des Bafılius zu 

jarea und betheiligte fi) 372 und 373 lebhaft 
an bem Verſuch, durch die Hülfe des Abendlandes 
dem Nicänismus im Orient den Sieg zu verfchaffen. 
373—378 mußte er in der Verbannung leben. Bom 
Concil zu Antiodhien 378 beauftragt, die Diöcejen 
Syriens zu reorganifiren, jtarber am 21. Juni deſſ. 
J. zu Doliche durch den Steinwurf eines wüthen: 
den arianiſchen Weibes. 

Euſebius. Erzbischof von Theffalcnih um 600. 
Belämpfte die Irrlehre der Monophyfiten in ſei— 
ner Diöcefe und ſchrieb 10 Bücher gegen den Jrr: 
a — Aphthartodoleten, die Photius rühmend 


hut. 

Euſebius, Biſchof von Vercelli. Nach der Le: 
ende wurde er in Sardinien geboren und vom 
Say Eugenius 311 getauft. Als Lector in Rom, 
wählte man ihn zum Bifchof von Bercelli. Mit 
Zucifer von Cagliari wandte er ſich auf Antrieb 
beö Liberius von Rom an Conftantius um Bei: 
legung der arianiſchen Streitigkeiten; fo konnte er 
fih nicht weigern, an der Synode von Mailand 
355 Theil zu nehmen. Da er den Beſchlüſſen nicht 
beitrat, ward er nach Scythopolis in die Verban- 
nung geihidt und anfänglidy mild, fpäter ſehr 
art behandelt. Durch Julian befreit, begab er 
ch nad) Alerandrien zum Athanafius, Seine Ab: 
ht, in der antiocheniſchen Kirche die meletiani- 
he Spaltung beizulegen, ward durch den unbe: 
onnenen Eifer des Zucifer vereitelt. In fein Bis: 
thum zurüdgelehrt, wirkte er fort gegen ben 
Arianismus, bis ihm kaiſerliche Befehle Schran- 
ten jegten. Er führte als der Erfte unter den 
Prieftern dad Cönobitenleben ein, und gilt daher 
neben — als Gründer der regulirten Chor: 
herren. Die Ueberrefte feiner Schriften, die theils 
vom Arianismus, theild von feinen erfahrenen 
Zeiden handeln, bei Galland. Ein Evangelien: 
coder im Dom von Bercelli ſoll von ihm gejchrie: 
ben jein. Die Sage läßt ihn als Märtyrer von 

Arianern getödiet werden. (16. Der.) 
Euflahiuß, der Heilige. Einer der 14 Noth: 
—— hieß vor ſeiner Taufe Placidus. Nach der 
egende verlor er, ein römiſcher Feldhert und 
durch eine Wundererſcheinung befehrt, feine Frau 
und feine Kinder, fand fie jpäter auf wunderbare | 


244 
nad) der Verlegung ber Taiferlichen Refidenz mit, Weife wieder und 


Eutharius 


= unter Habrian den Mär: 
tyrertod (26. Sept.), weil er beim Siegesfeit den 
Göttern nicht opfern wollte. 

Euſtaſius, Abt von Lureuil, und Virgil ober 
Agil, Schüler des 5. Columban, werden als Wii: 
fionäre Bayerns genannt. Die ihnen zugeſchrie⸗ 
benen kirchlichen Einrichtungen find aber ungmei: 
felhaft jpäteren Urfprungs. 

Euftathius, Biſchof von Antiochia 323, früher 
Biſchof von Beröa, ein eifriger Nicäner, wurde 
auf der Synode von Antiochien 331 des Sabellia: 
nismus angellagt, entjegt und nad) Thracien ver: 
wiejen. Seine Anhänger widerſetzten fih den 
arianifhen Bifhöfen und bildeten bis ins 5. Jahr: 
hundert eine eigene Kirchengemeinfcaft. 

Euſtathius, Bijhof von Sebafte in Armenien 
feit 350, + 380, ein Kappabocier. Er ſuchte in 
feiner Diöcefe, wo er dad Mönchthum einführte, 
das chriftliche Leben liberhaupt nach der Mönchs 
askeſe zu geftalten. Seine hierarchiſche Richt 
ließ ihn mit feinem früheren Freunde Aörius (}. 
d. U.) zerfallen. In den arianiſchen Streitigkeiten 
fe er wegen feines Schwankens übel beleumundet. 

uftathianer beißen feine Anhänger, die in Heinen 
Gemeinſchaften feine asletiſchen Grundſätze aus: 
bildeten. 

Euflathius von Theffalonih. Er trat, geboren 
in Gonftantinopelim Anfang des 12. Jahrhunderts, 
ins Klofter St. Florus, und ftieg, durch Gelehr: 
ſamkeit ausgezeichnet, zu höheren kirchlichen und 
ftaatlihen Würden. 1174 zum Bifchof von Mora 
in Lycien gewählt, ernannte ihn der Kaijer zum 
Biihof von Theſſalonich. Bei dem Einfall der 
Rormannen 1185 unter Wilhelm von Eicilien 
verwandte er fich mit Erfolg bei dem Feinde für 
die Stadt. Als Biſchof wahrte er die Würde des 
Amtes gegen Manuel 1180, der bie übliche, gegen 
die Muhamedaner (es öAoapupos) gerichtete 
Abihwörungsformel ändern wollte, und durch fein 
Auftreten gegen das verderbte Mönchsweſen. Er 
ſchrieb gegen die Heugyelei (Mepi Urroxglaews) und 
Betrachtungen über den Mönchsſtand ("Enioxeuws 
Biov uovayıxod). Wie er ald ausgezeichnete fitt: 
liche Berjönlichkeit hetvortritt, fo find feine Werl: 
eine Hauptquelle für die Kenntniß ber kirchlichen 
und politifchen Gejchichte der Comnenenzeit. Als 
GCommentator deö Homer war er längjt berühmt, 
bis Tafel durch Herausgabe eined Theils feiner 
Schriften 1832—39 feine theologiſche Bedeutung 
aufdedte. 

Euſtochium. Die Tochter der 5. Paula und 
eines vornehmen Römers. Mit ihrer Mutter be: 
leitete fie Hieronymus, der in Rom in ihrem 
Banie gewohnt hatte, nad) Paläjtina und Aegypten, 
und beide fiedelten ſich mit ihm in Bethlehem an, 
wo Paula aus ihrem Bermögen 4 Klöfter jtiftete, 
denen die beiden Frauen vorftanden. E. 7 419. 
Bei der Zerftörung des Klofterd durch die Pela- 
gianer war fie faum dem Tode entgangen. In 
den Briefen des Hieronymus wird ihrer meðrfach 
rühmende Srwähnung gethan. 

uthalius, Biſchof don Sulca um 450. Er theilte 
die paulinifhen Briefe und die Apoſtelgeſchichte 
in er und fegte Die Accente bei (j. Stihome: 
trie). Seine Stideintheilung findet fich im Cod. 
von Clairmont. j 

Eutharius ober Eutherius. Ein fonft unbe 
kannter Biihof von Laureacum um 286, ber in 
Fabiana (Wien) das Evangelium verkündigt 


Cuthymius 


haben ſoll. Ein anderer Eutharius aus Pannonien 
war auf der Synode von Sardica 347 anweſend. 
Noch ein anderer E. war kaiſerlicher Kämmerer 
und wird als Erzieher Julians genannt. 

Euthymius, der Heilige. Der Lehrer des hei— 

en Sabas. Er baute im 5. Jahrhundert die erfte 
Einfiedelei bei Jerufalem. 

Euthymius. Einer der vier langen Brüber. 
©. Brüder, die langen. 

Euthymius Zigadenuß (oder Zigabenus). War 
Mönd in einem Klofter bei Conftantinopel. Im 
ur, a Tee Pre 
Navonkia doyuarızn tig ögdodöfou niarews, in 
welhem er von Simon Magus an bis auf bie 


Muhamedaner alle Ketzereien aufführt und aus den | fi 


Rirhenvätern in le oborer Weiſe 
widerlegt. Eine nicht volljtändige Ausgabe 1711 
—— in der Wallachei. Bedeutender iſt der 
mmentar zu den vier Evangelien, herausgegeben 
von Matthäi 1792, von weniger Werth der Pſal⸗ 
mencommentar, da er ben Urtert außer Acht läßt, 
berauögegeben in der Lyoner Ausgabe des Theo: 
phylait, IV.,1763. Anderes ift noch ungedrudt. 
Bgl. den betr. Abſchu. in Ullmann’ Werk: Nik. von 
Methone, a Big. und Nic. Choniates. 

Eutyches. Ein Presbyter und Arhimandrit 
eines Klofterö bei Conftantinopel, ber unter den 
Mönden großes Anfehen genoß. Lehrte, gegen die 
—— Schule gewendet, die Eine Natur 
des fleiſchgewordenen Gottes und ſtellte die Weſens⸗ 
leichheit des Leibes Chriſti mit dem anderer Men: 
* in Abrede. Ihn verklagte Euſebius von 
Doryläum, und die Synode zu Conſtantinopel 
unter dem Vorſitz des Patriarchen Flavian excom⸗ 
municirte ihn. Seine hochgeſtellten Gönner und 
bie aleranbrinifche Partei erlangten eine Revifion 
bes Prozeſſes auf der Räuberſynode zu Epheſus 
449, deren Bejchlüffe der Kaifer Theodofius auf: 
seht hielt. Nach deſſen Tode wurde das 4. öfu: 
meniſche Eoneil zu Chalcedon 451 berufen nd 
verwarf ben Eutychianismus. Auf Grund des 
Lehrſchreibens des Bischofs Leo von Rom an Fla: 
vian ftellte es die Einheit der beiden Naturen in 
Ehrifto feft. Eutyches wurde verbannt, feine An: 
bänger ſeit 452 durch Strafgejege verfolgt. 

utychianus. 1) Der Heilige. Römiſcher Bifchof 
274— 283; ſtarb ald Märtyrer oder Confefjor. 
* ihm zugeſchriebene Decretalen find unecht. — 
) Ein novattanisher Mönd, von welhem Wunder 
berichtet werden. 

Eutychius, ze. von Alerandrien (Said 
Ibn Batrif). b. 876 zu Foftat in —— 
93 Patriarch der Melchiten, geft. 940. Schrieb 
in arabifcher Sprache eine Chronik von Erfhaffung 
der Welt, 937. Herauägegeben von Pococke 1658, 
ein Auszug von Gelben, London 1642. 

Eva. Vol. Adam. - 

Evagrius Ponticus, aus Iberis am Schwarzen 
Meere; war Archidiakonus zu Conftantinopel unter 
Gregor von Nazianz, den er 385 nad Sjerufalem 
begleitete. Bon dort begab er ſich in die Einfam: 
feit der nitrijchen Wüfte. Da er ein Anhänger bes 
Drigene3 war, fo fanden jeine Schriften nur ge: 
theilte ehe N te find gefammelt in Gal- 
lands Bibl. Patr. VII. 551—581. 

Evagrius Scholafticus, der Kirchenhiftorifer. 
Geb. 537 zu Epiphania. Als Rechtägelehrter zu 
Antiohien war er dem Biſchof Gregorius nahe 
verbunden, ben er zu Conſtantinopel verthe'digte. 


245 


Evariftus 


Seine Fan au 431—594, ift die Haupt: 
quelle über dieje Periode und mit hiftorifcher Sorg⸗ 
falt geſchrieben. Sein Urtheil über die Ketzer ift 
bei aller Strenge feiner Rechtgläubigkeit billig und 
milde. Unbejangen nimmt er aber aud alle 
Mönchswunder ald unbezweifelte Wirklichkeit auf. 
Herausgegeben von Robert Stephan, Paris 1544, 
von Vateftus 1659%—73, lat. von Musculus 1557. 

Evangeliariam und Evangelifiarium heißt 
das Kirchenbuch, welches die zum öffentlichen Bor: 
leſen bejtimmten Abſchnitte der Evangelien (Beri: 
fopen) enthält. In ber griechiſchen Kirche ift 
Evangeliftarium das Verzeichniß diefer Abſchnitte, 
dem die nöthigen liturgiſchen Notizen beigefügt 

n 


ind. 
Evangelien, apokryphiſche. S. Pieudepigra: 
en 


phen. 

Evangelien, kanoniſche. S. Synoptifer und 
bie einzelnen Namen derjelben. 

—————— S. Harmonie der Evan⸗ 

elien. 

Evangeliſche Allianz. S. Allianz, evang. 

3 —— S. Conferenz. 

Evangeliſche Kirche. ©. Proteſtantismus und 
Reformation. 

Evangeliſche Räthe. ©. Consilia evangelica. 

Evangeliften werden als bejondere Gemeinde: 
beamte erwähnt Apftg. 8, 12; 21,8; Eph. 4, Il; 
2. Tim. 4, 5; es find diejenigen, welche die Ver: 
kündigung zu den Heiden bringen. Die Jroingianer 

aben dies Gemeindeamt in ihrer Weije erneuert: 
ewöhnlich werden aber unter dem Worte die Ver: 
fafier unferer vier Evangelien verftanden. 

Evangeliftenbilder. In der früheften Zeit wer: 
den die Evangeliften vorgeftellt durch vier Schrift: 
rollen, in deren Mitte Chriftus, oder ald vier 
Ströme, die von einem Hügel auögehen, welcher 
mit dem Monogramme Chrifti bezeichnet ift. Spä- 
ter wurden mit Beziehung auf Off. 4, 7; E; 1, 
5 f. die vier Thiergeftalten des Cherub als ihre 
Symbole gewählt. Die Vertheilung unter ihnen 
ſchwankte. Die jegige Sitte folgt dem Hieronymus 
und giebt Matthäus den Menſchen (Beginn mit 
der — ie), Marcus den Löwen (Stimme in 
der Müfte), Lucas den Stier (Opfer) und Johan: 
nes den Adler. 

Evangelium Abdaeetc, S. Pjeubepigraphen. 

Evangelium aeternum, emiges Evang,, tft die 
Lehre des Abtes Joachim von Floris, weldye fich die 
ſchwärmeriſchen Franciscaner aneigneten, daß die 
Delonomie des Neuen Bundes mit der bed Alten 
eine Reihe von drei Perioden bilde, der bed Baters 
im Alten Bunde, bes Sohnes im Neuen und bed 
—— Geiſtes, welche mit dem Jahre 1260 an⸗ 

echen werde. An die Stelle des Petrus und 
Paulus trete Johannes, an die Stelle des Buch— 
ftaben das geiftige Verſtändniß, an bie Stelle 
der Priefter die Religiofen als Diener des Geiftes. 
Auszüge aus Joahims Schriften durch den Franz 
eiscaner Gerhard erfchienen ald Liber introducto- 
rius in Evangelium aeternum, 1254. Obglei 
oaffelbe durch eine päpftlihe Commiffion 12 
verdammt und ber Berfaffer beftraft wurbe, fo 
erhielten fi doch nicht nur Fragmente, fondern 
auch die Ideen jelbft noch lange Zeit. 

Evariftuß, der Heilige, aus Antiochien. Biſchof 
von Rom, nad) Eufebius 101—109, nach Baronius 
112—121. Er wird ald Märtyrer verehrt, obwohl 
von feinem Leben und feinem Tode nichts Näheres 


Evilmerodad 


befannt ift. Er foll ein Grieche, Sohn eines Juden 
ewejen fein und Rom in Parochien (?) eingetheilt 
En Pieudaifidor Schreibt ihm zwei Briefe zu. 

Evilmerodad, Sohn und Nachfolger Nebutad: 
nezars, wurde nad) zwei Jahren feiner Regierung 
von feinem Schwager Nerigliffar ermordet. Den 
——— König Jojachin befreite er aus dem 

erker und zog ihn an feinen Hof, 2. Kön. 25, 27 
— 30; Jerem. 52, 31—34. 

Ewald. Zwei Brüder aus England, genannt 
ber Weihe und der Schwarze, welche unter den 
Weſtphalen ald Miſſionare wirkten, dort erfchlagen 
wurden und ald Landespatrone verehrt werden, 
ie Gebeine liegen in Köln in der Euniberts: 
fire. 

Ewald, Georg Heinrich Auguft. Als Drientalift 
und Bibelforfcher einer der bedeutendften Männer 
unferer Zeit, Geb. am 16. Nov. 1803 zu Göttin: 
gen, ſeit 1831 ord. Profeſſor der Bhilofophie. 1837 
mit 6 Collegen vertrieben, ging er nad Tübingen, 
bis er 1848 nad) Göttingen zurüdtehrte. Bahn: 
bredend war jeine frit. Grammatif ber hebr. 
Sprade, 1827; kürzer ald Grammatik der hebr. 
Sprade, 7. Aufl. 1863; für Anfänger, 3. Aufl. 
1862; ebenfo für das Studium des Nrabifchen 
wichtig ijt feine Grammatica critica linguae Ara- 
bicae, 1831. 33, und fein De metris carminum 
Arabicorum, 1825. Für die Eregefe des Alien 
Teitamentes bedeutend find: „das Hohelied Salo- 
mo's,“ Gött. 1826, die „Poetifchen Bücher des 
Alten Bundes” ,4 Bde., Gött. 1835—37, neu bear: 
beitet als „die Dichter des A. B.“, 1866. 67; „die 
Propheten des U. B., 2 Boe., 1840. Ein großes 
Werk bildet die Gejchichte des Volkes Iſräel bis 
Bar-⸗Kochba, 7 Bde., oder mit den dazu gehörigen 
Alterthümern des Bolles Zirael 8 Bde., 1843— 
47, neue Aufl. 1851—68. Sein Commentar zur 
Apofalypfe, 1828, und „bie 3 erften Evangelien”, 
1850; „Die Sendichreiben des Apoftels Paulus,“ 
1856, ferner viele Aufjäße in den+zwölf „Jahr: 
büchern der bibliſchen Wiſſenſchaft“ (Gött. 1849 
ff.) haben auch für das Neue Teitament Bedeu: 
tendes geleistet. 

Ewiger Jude, S. Ahasverus, 

Ewiges Leben, ©. Leben. 

Gwiges Lit. Nach der Berorbnung ber Con- 
gregatio rituum vom 12, Auguſt 1699 foll vor 
dem Tabernafel Tag und Nacht ein Licht brennen. 
Die Sitte ift aber viel älter. 

Ewigkeit Gottes. S. Eigenschaften Gottes, 

Ewigkeit der Höllenfirafen. S. Auferjtehung. 

Eractionen find außerordentliche Steuern und 
Abgaben, die, an ſich nicht erlaubt, nad) dem Concil 
zu Toledo 659 zu gewiflen kirchlichen Zwecken, alfo 
bei triftigem Grunde und bei Beſchränkung auf 
das Nothiwendigfte dennoch erhoben werden dürfen, 
gegenwärtig nur mit Genehmigung der Staats: 
tegierung. 

Gramen. Bon je haben die Bifchöfe die Pflicht 
gehabt, jid) vor der Anjtellung der Geiftlihen zu 
überzeugen, daß fie die nöthigen Kenntnifje bejä- 
ben, und eine Dispenjation war beim defeetus 
scientiae unftatthaft. Die Reformation ftellte ſtren⸗ 

ere Anforderungen an die Bilvung bes Klerus. 
Die Vifitatoren hatten ihr Augenmerk auf eine 
Unterfuchung derielben zu richten, und ein beſtan— 
denes Eramen ward VBorbedingung der Anftellung 
im geiftlichen Amte. »Daſſelbe wurde entweder vor 
ben Gonfijtorien gehalten oder bei den Univerfi- 


246 


Eremption 


täten oder durch die Klaffen und Synoden. Zuerft 
in der reformirten Kirche wurde ein boppeltes 
Examen eingeführt, ex. praeparatorium, welches 
bie allgemeine Zulafjung zur Kanzel bedingte und 
dad ex. peremptorium oder pro ministerio, wel: 
ches, nad) der Wahl oder Ernennung gehalten, der 
Ordination vorherging und jegt allgemein die Bor: 
ausfegung der Wahl: oder Anjtellungsfähigteit 
bildet. Da der Staat gleich interejfirt ift bei der 
Bildung des geiftlichen Standes, jo nehmen feine 
—— auch da Antheil an dem Examen, 
wo daſſelbe gänzlich bei kirchlichen Organen ſteht. 
Dagegen proteſtirt freilih der Ultramontanismus 
in Baden. In Kirchen mit ſynodalen Inftitutionen 
betheiligt fich ftet3 auch die Synode an dem Examen 
der Candidaten. — Eramen der Biſchöfe. 
Nad) dem Pontificale Romanum hat der ermählte 
Biſchof vor der Conſecration 18 Fragen zu beant» 
worten, bie ſich Sr auf die päpftliche Autorität, 
(6—9) auf die fittlichen Bedingungen bes Amtes, 
(10—18) auf den Glauben und die Irrlehren be: 
ziehen, auf welche er mit volo und credo zu ant⸗ 
mworten hat. 

Erarden hießen die Biſchöfe, melde in ben 
Hauptitädten der Provinzen ihren Sit hatten und 
eine Jurisbiction über die Metropoliten unter den 
Patriarchen ſich erwarben. = bem Concil von 
Chalcedon blieb der Name bloß Ehrentitel. 

Eraubi. ©. Feſte. r 

Exrteſſe der Geiftlichen find die Verlegungen ber 
eigentlichen Amtspflichten, die vom Biete e oder 
den geiftlichen Obern zu beftrafen find. Bei man: 
chen Exceſſen ftellen auch die Kanones die Strafen 
der Suöpenfion, Depofition und bes Kerkers feft. 
Die evangelische Kirche kennt außer der Rüge keine 
andern Strafen als die Amtsentlaffung. 

Erelufiva ift das objervanzmäßige Necht des 
Kaiſers und der Könige von Spanien und Frank— 
reih, von dem Cardinalcollegium zu verlangen, 
daß es keine mißliebige Berjönlichkeit zum Papfte 
wähle. Es widerjpricht dies Herkommen ben ge: 
ſchriebenen Rirchengejegen, aud) hat e8 feinen un- 
mittelbaren Zufammenhang mit dem frühern Rechte 
der Kaifer, die Bapftwahl zu beftätigen. Es kann 
das jus excelusivae nur al$ bie Folge der politis 
ſchen Intereſſen angejehen werben, welche bei der 
Papſtwahl berüdfichtigt fein wollen, und im Colle: 

ium felbft durch die verjchiedene Nationalität der 
Sardinäte vertreten find. Daſſelbe Recht der Er: 
clufiva üben die Landesherren bei der Wahl der 
Domcapitel und der Bifhöfe; ausdrücklich beftätigt 
in den Concordaten mit Frankreich und mit Bayern; 
auch für Breußen in einem Breve von 1821, 

Ercommmunication. S. Bann und Anathema. 

@Erecration. ©. Gntweihung. 

Erecution päpflliger Erlafle wirh den Bifchd: 
fen und Generalvicaren entweder fraft ihres Am: 
tes oder perjönlic aufgetragen. Da diejelben zu- 
weilen erſt die materielle Borausjegung des durch 
motivirte Eingaben hervorgerufenen Reſcripts zu 
prüfen haben, jo unterfheivet ınan exec. qualifi- 
cata, pura und mixta. 

Eredra. Eigentlich ein außen angebraditer Sig; 
daher die Kanzel und der Biſchofsſtuhl. Der Blu: 
ralis bezeichnet Die Nebengebäude größerer Kirchen. 

Exegeſe. S. Auslegung. 

Eremption iſt die Befreiung einer Verſon oder 

| eines Inſtitutes von der Jurisdiction des ordent⸗ 
‚lichen Pirchenobern und bie directe Unterordnung 


Erequien 


unter einen höhern Obern. Es find alfo Ausnah: 
men von der Regel und Privilegien. Solche Eremp: 
tion erlangten zuerjt einzelne Klöfter und ganze 
Drden, wie die Gluniacenjer von der biſchöflichen 
Aufficht, jo daß die Ordensobern direct unter dem 
Bapft jtanden, die freie Wahl des Abtes und die 
jelbftändige Bermögendverwaltung inne hatten. 
Beichränft wurden diefe Eremptionen zu Conftanz 
1418 und auf dem Eoncil zu Trient. Die meiften 
erempten Klöfter find fäcularifirt. Auch für ein: 
eine Bischöfe, z. B. von Breslau, Ermland, beftehen 
emptionen, infofern fie feinem Erzbiäthum zu: 
getheilt find. Ebenfo ift alles Militär von der or: 
dentlichen Pfarrgeiftlichteit eximirt. Seitdem allge: 
mein die Barochtalverbindlichkeit zwiſchen den ver: 
ſchiedenen Eonfeffionen el wa hat, fennt das 
evangelifche Kirchenrecht Die Eremption richt mehr, 
mit der Auänahme, daß das preußiiche Landrecht 
alle Beamte vom Pfarrverbande erimirt und ihnen 
freiftellt, fich jeder beliebigen Kirchenanftalt zu be: 
dienen. Ein Ausfluß des reinften Territorial: 
ſyſtems, iſt ſolche Eremption mit jeder auf der Ge: 
meindeorganifation ruhenden Kirchenverfaffung 
unverträglid. 
Exequien find die Ceremonien, welche das lirch⸗ 
lihe Begräbniß 1) d. A.) bilden. Als das Wejent: 
liche derſelben erſcheint die Bejprengung der Leiche 
mit dem Meihmwafjer, die Einfegnung des Grabes, 
Beiprengung und Beräuderung des Sarges und 
bes Grabes, das Fürbittegebet Hr den Verſtorbe⸗ 
nen und bie Seelenmeſſe, welche am 3., 7., 40. und 
365. Tage wiederholt zu werben pflegt. 
Eprercitien find die namentlich durch Jgnatius 
von Yoyola in ein Syitem gebraten asketiſchen 
Uebungen, welche in Klöftern oder Ordenshäuſern 
ehalten werden und in Meditationen, Confidera: 
onen, Zojungen, Gebeten, Gewiſſenserforſchungen 
und dem Genuß der Sacramente beftehen. Nament: 
ic) vor dem Empfang der Weihen find jolde Erer: 
eitien jet vorgejchrieben. 
Eril, babylonifges. S. Babyloniſche Gefan: 


* 


genſchaft. 
Eril, Der Bäpfe, babylonifhed. S. Avignon. 
Erodus. S. Bentateud. 


Erofatacoelen. Am Hofe des griechiſchen Pa⸗ 
triarchen die Inhaber der höchſten geiſtlichen Wür: 
den, nämlich: 1) der Großölonom (6 ueyas olxo- 
vouos); 2) der Auffeher über die Mönchsklöſter 
(6 ueyag aaxeAkigıos); 3) der Auffeher über die 
Kirhengeräthe (6 ueyas oxevopviaf);, 4) der 
Großlan zler (6 ueyas yapropviaf); 5) der Auf: 
jeher über die Kirchen und Frauenklöſter (0 aaxeA- 
kor). Sie ftanden im Range vor den Biſchöfen. 

Eroreismus. Die Macht, welche Matth. 10, 8; 
Zuc. 9, 1; 10, 17. 19 den Jüngern verliehen 
wurbe, Dämonen auözutreiben, galt anfangs für 
ein Charisma, welches an ſich jeder gläubige Chriſt 
befige; ed wurde aber danach diefe Vollmacht als 
dem Klerus se angejehen. Die römiſche Kirche 
bewahrt in der Groreiftenmeibe noch den früheren 
Gebraud und hat ein befonderes Ritual für die 
Austreibung des Teufeld. Da der Teufel als der 
Fürſt diefer Welt Gemalt über Jeden haben mußte, 
der Chriſtus nicht alö Herrn angehört, fo ſchien der 
E. bei Allen nöthig, die aus der Melt in die Ge: 
meinde eintraten, und aud) bei den Kindern, ehe fie 
getauft werden fonnten. Der E., die Ausireibung 
des Teufels durch Beſchwörung defielben, wurde 
ein Theil des Taufritus, zuerft in der nordafrifa: 


247 


Ezechiel 


niſchen Kirche im 8. —— der jedoch im 
Drient feine allgemeine Verbreitung erlangte. Der 
Ritus ift gebildet nah Marc. 7, 33, Anhauchen 
und Berühren mit Speidjel, oder Erde mit Spei— 

I. In Verbindung damit fieht die Abrenuntia: 
tion, welche bei der Kindertaufe ftellvertretend die 
Pathen ausſprechen. Dem E. wurde nicht bloß eine 
ſymboliſche, fondern eine effective Bedeutung zu: 
geichrieben. Die Reformirten verwarfen ben €. 
von Anfang an, während Luther zuerft im Tauf: 
büchlein das ganze römijche Formular beibehielt, 
jpäter dafjelbe nur abkürzte und zufammenzng. 
Der. wurbe dann ben Ealviniften gegenüber zum 
Schibboleth (in den kryptocalviniſtiſchen Bewegun— 
gen und öfter), jo daß er feitgehalten und mit 

ifer —— wurde, obgleich man ihm nur eine 
ſymboliſche Bedeutung zuſchrieb. In der Folgezeit 
iſt der E. überall abgelommen, nur die Äbrenun— 
tiation iſt hie und da —— 

Erpofitur ift eine ſolche Kirche, welche, urforüng: 
lich nur Tochterkirche, allmählich die Rechte einer 
Kirchengemeinde erlangt hat, ohne jedoch ihrem 
Geiitlichen die volle Congrua eines Pfarrers geben 
zu können. Ein folder Geiftliher, expositus, hat 
die vollen Nechte des Pfarrerd. Expositi heißen 
auch die Hülfägeiftlichen zur Bedienung einer Filial: 
firche, weldhe am Filialorte ihren Wohnfig haben. 

Erſpectanzen. S. Anwartſchaften. 

Erſuperius. Ein Biſchof von Toulouſe, den Hie— 
ronymus feiner Wohlthätigkeit wegen rühmt und 
dem er feinen Commentar über den Sadarja 
widmete. 

Ertradition des ſtirchenvermögens. ©. Refti: 
tutionsedict. 

Extravagante. S. Kanoniſches Rechtsbuch. 

Exukontianer. Beiname der ſtrengen Arianer 
wegen des Satzes, ber Sohn ſei geſchaffen aus 
Nichts (EE oux Övrwr). 

Eylert, Ruhlemann Friedrich. Geb. amd. April 
1770 zu Hamm. 1794 Nachfolger feines Vaters 
ald Prediger dort, 1806 Hof: und Garnifonpre- 
diger zu Seisten, der Bertraute und geiſtliche 
Berather Friedrich Wilhelm's III. pei ei lirch⸗ 
lichen Reformen, der Unions- und Agendenſache, 
zu deren Vertheidigung er „Ueber den Werth u. f. mw. 
der Liturgie”, 1830, und „das gute Werk der 
Union“, 1846, fchrieb. Außer andern eignen Pre— 
digtfammlungen gab er mit Dräjele das Magazin 
von Feſt⸗ und Gelegenheitäpredigten heraus, 1816 
— 1820. + 1852, 

Eymeritus, Nifolaus. Geb. zu Gironna in Eu: 
talonien. 1320 Dominicaner, warb er 1856 Gene: 
ralinquifitor ded Königreichs Arragonien. + 1399. 
Schrieb außer vielen andern Schriften Directo- 
rium inquisitorum, eine ausführlihe Anweiſung 
der Inquifitoren zu ihrem Geſchäfte, Barcelona 
1503, Rom 1578. Begna jchrieb dazu einen Com— 
mentar, Benedig 1607. 

Ezechias. S. Hiskias. 

Ejechiel, der Prophet. Aus prieſterlichem Ge: 
ſchlechte, war er mit König Jojachin in die Gefan- 
genſchaft geführt.und hatte feinen Wohnfig am 
Chaboras angemwiejen befommen. Um ihn fammel: 
ten fich dort die Frommen zur Andacht und Biele 
te bei ihm Troft und Rath. Seine prophetijche 

irkſamken begann er im 5. Jahre ber Gefangen: 
ſchaft und fie läßt fich bis in ihr 27. verfolgen. Im 
Unterfhiede von den ‚früheren Propheten ift er 
nicht jowohl ein begeifterter Vollsredner ald ein 


Eziongeber 


Schriftfteller, deſſen Werke Stubium und Schrift: 
gelehrſamleit verrathen. Auch darin offenbart ſich 


248 


Faber 


gen gegen bie fremben Bölfer, bie ebenfalls 
die Ehefdäer zu Grunde gehen würben, den * 


eine Verſchiedenheit, daß er bei allem Drängen auf gang von Tyrus und Aegypten. Der dritte Theil 


wahrhafte Herzensbelehrung dennod) großen Werth 
auf das levitifche Gefeg, auf Opfer und Tempeldienſt 
legt, jo daß ſich auf mehrfache Weife die ſpätere 
Periode des Esraismus in ihm anfündigt. Das 
Bud) ift, wie ed vorliegt, unzweifelhaft von ihm 
elbft zufammengejftellt und abgejchlofjen. Es zer: 
ällt in 3 Theile. Cap. 1—24, vor der Zerftörung 
Jeruſalems geſchrieben, verlündigt der Prophet, 
warnend vor Denen, welche durch täufchende Reben 
die Erulanten zu verführen fuchten, den bevorfte: 
enden völligen Untergang des jüdifchen Reiches, 
£ jedoch, daß ein Reis hervorgehen und zu einem 
herrlichen Baume emporwadjen werde, unter wel: 
chem die Gerechten in Frieden leben würden. Der 
weite Theil, Gap. 25—32, umfaßt die Weiſſagun⸗ 


ang Cap. 33—48, enthält die Weiffagung von 
der Auferftehung Iſraels und dem neuen Heide 
nad) dem Untergange Gogs und Magog3 und bie 
Beichreibung des neuen 13. Bol. Umbreit, 
Prakt. Commentar, 1843; Hävernid, Gommentar, 
1843 ; Hitzig, Kurzgef. er. Hendbuch, 1847. 
Eziongeber (121 T’yY Mannes Rüdgrat). 4 
Mof. 33, 35; 5. Mof. 2, 8. Eine Station der 
Jiraeliten in der Wüſte, in der Nähe von Elath 
am Aelanitiſchen Meerbufen, mar ein Sr von 
dem aus Salomo’3 Schiffe nad) Ophir fuhren, 1. 
Kön. 3, 26; 2. Chr. 8, 17, und wo Sofaphats 
Schiffe, 1. Kön. 22, 48, fcheiterten. Nach Ewalds 
Bermuthung einerlei mit Alabah (Rüden). 


®. 


Babel, Fabeln, d. 5. kurze aus dem Naturichen 
genommene Erzählungen zur Veranſchaulichung 
einer moralifchen Regel, dadurch unterſchieden von 
der Parabel oder dem Gleichniß, daf in der Fabel 
das poetiſche Bedürfniß dramatiſcher Ausführung 
das die Darſtellung beherrſchende Moment iſt, ſo 
daß z. B. Thiere und lebloſe Gegenſtände als ſpre⸗ 
chende Perſonen eingeführt werden, was im Gleich: 
niß nit vorlommt, finden fid) zwei in der heil. 
Schrift, Richt. 9, 8—10 und 2. Kön. 14,9. 10; 
vgl. 2. Chr. 25, 18. 19, von denen die erjtere bie 
ältefte aller befannten Fabeln ift. 

Faber, Baſilius. Lutheriſcher Theologe und 
Schulmann. Geb. 1520 zu Sorau, war er Rector 
der Schule in Norbhaufen 1550—55, Tennftäbt 
und Quedlinburg 1563—70. Als Antiphilippift 
abgefegt, ging er als Rector nad) Erfurt, wo er 
1575 ftarb. Er betheiligte fid) an den Magdeburger 
Genturien und ſchrieb außer einigen Heinern Wer: 
ten den Thesaurus eruditionis scholasticae, Leip⸗ 
zig 1571, lekte Ausgabe 1749, 

aber, Felig, auch Fabri. Ein Dominicaner. 
Geb. 1441—42 zu Zürich, Lector und Prediger 
im Klojter zu Ulm. + 1502. Er machte zwei Reiſen 
nad) Jeruſalem 1540, und nad dem Sinai und 
Aegypten 1543—44, die er deutſch und lateiniſch 
beichrieb. Fel. Fabri Evagatorium in terrae 
Sanctae, Arabiae et Aegypti peregrinationem, 
Stuttgart 1843—49. 

Faber, Guido (eure de la Boberie). Geb. zu 
Boderie 1541. Gecretär des Herzogs von Alengon. 
+ 1598. Ein bedeutender Spradfenner, war er 
Mitarbeiter an der Antwerpener Polyglotte, und 
verfaßte eine chaldäiſche und eine ſyriſche Gram: 
matıf, fomwie ein ſyro⸗chaldäiſches Wörterbuch. 

aber, Jacques de. Großvicar des Erzbistums 
von Bourges. + 1716. erg mehrerer Streit: 
Hriften gegen Proteftanten, Janfeniften und Se: 

uiten. 

aber, Jakob. Stapulensis (Leſevre d'Etaples). 
Geb. 1460 zu Etaples. Als Lehrer am Collegium 
Lemoine zu Paris war er durch Kenntniſſe, Talent 
und Frömmigkeit angeſehen. Als ihm W. Brigon: 
net eine Wohnung in der Benedictinerabtei St. 
Germain eingeräumt hatte, begann er in der dor: 


tigen Bibliothek feine Bibelftubien, die ihn für die 
Grundfäge der Reformation völlig gewannen, denen 
er aud treu blieb, ohne jemald aus der latholi⸗ 
ſchen Kirche audzutreten. Als Biſchof von Meaur 
berief ihn Brigonnet zum Generalvicar 1523 und 
veranlaßte ihn zu der Meberfegung des Neuen Te: 
ftament3, welche 1523 erfchien, und zu dem Coms 
mentar von 1525. Vor der Commiffion, melde bie 
Ketzereien im Bisthum Meaur unterſuchen jollte, 
—— er nach Straßburg. Franz J. rief ihn zu⸗ 
rück und machte ihn zum zu Blois, 
wo er das Alte Teſtament überſetzie 1528. Seine 
legten Lebensjahre verbrachte er bei Margaretha von 
NavarrazuNerac. + 1536. Außer dem Angeführten: 
Psalterium quintuplex 1508; Commentar zu den 
pauliniichen Briefen 1512, zu den Evangelien 1522, 
zu den katholiſchen Briefen 1525. 3* 

Faber, Johannes, von Heilbronn. Domini 
caner. Geb. 1504 zu Heilbronn. Mönd zu Wim 
pfen, feit 1534 Domprediger zu Augäburg. + 1557. 
Ein Gegner der Reformation, die er in vielen po: 
lemiſchen Schriften befämpfte: „Was bie evang. 
Mefje ſei.“ Fructus quibus dignoscuntur haere- 
tiei, Ingolſt. 1551. 

Faber, Johannes, Bifchof von Wien. Eigentl. 
Heigerlin. Geb. zu Leutkirch 1478, ftieg er raſch 
dur Talent und Kenntniffe, und war 1518 Ge: 
neralvicar zu Conſtanz und päpftlicder Brotonotar. 
Als Humanift begünltigte er anfangs die Refor: 
mation, mit deren Häuptern er ſogar in näherem 
und freundſchaftlichem Verlehre ftard, bis eine Reife 
nad) Rom 1521 einen Umſchwung in ihm bewirte 
und ihn zum unermübdlidien Gegner der Kirchen: 
verbefierung machte. Schon in Rom 1522 erjdien 
feine öfter aufgelegte Schrift gegen Zuther: Mal- 
leus haereticorum, und 1523 nahm er als 
—X Gegner Theil an der Disputation zu 
Zürich. Als Nath und Beichtvater Ferdinands war 
er 1526 und 1529 auf den Reichstagen zu Speyer 
und 1530 zu Augsburg anmwefend, einer der Theo: 
(ogen, welchen die Confutation der Eonfefjion über: 
tragen wurde. Bei den Verfolgungen der Evan: 
geitihen in Oeſterreich ſehr thätig, 1528 als Coad⸗ 
jutor von Neuſtadt, Probſt von Ofen 1529, Bi: 
{hof von Wien feit 1530 und Mominiftrator von 


\ 


Faber 


Neuſtadt 1531— 38, fuchte er dem Umfichgreifen ber 
Reformation auch durch Anftellung non beſſern 
Seelforgern und Predigern zu wehren, zu welchem 
Imede er ein theologiiches Eonvict in Wien be: 
ründete. Daneben war er reich an liftigen und 
chlauen Borfchlägen an den Papſt und an ben 
Kaiſer zur Zurüdführung der Lutheraner und Wie: 
dervereinigung der Kirche. + 21. Mai 1561. Eine 
Sammlung feiner polemiſchen Schriften, Leipzig 
1537 ; eine Gefammtauäg. der homiletiſchen, Köln 
1537 —41. 


aber, Johannes Auguftanus. Zu unterfheiden 
von den beiden Borigen, war Dominicanerprior 
in Augsburg, aus Freiburg gebürtig, 1516 Lehrer 
in Bologna, Hofprediger und Beichtvater Mari: 
miliand I. und Karls V. Er war anfänglid 
mit Eradmus befreundet und machte in befien 
Sinne Bermittlungsvorfhläge in Luthers Sadıe, 
trat aber — gänzlich auf Seite der Curie. 

Faber, Nikolaus. Geb. 1644 in Paris. Lehrer 
des Prinzen Condoͤ und Erzieher ra XIIL, 
lieferte Beiträge zur Kirchengeſchichte des Baronius. 

aber (Favre), Peter. Geb. 1506 zu Villarette 
in Savoyen. War ber erfte Genofje des Jgnatius 
von Zoyola, den er 1537 nad) Rom begleitete. Im 
Intereſſe des Ordens in Deutjchland und Portu⸗ 
gal thätig, war er zum Eoneil von Trient bejohlen, 
als er 1546 ftarb. 

aber, Peter Joſeph. Geb. im Anfang bes 18. 

abrhunderts zu St. Barthelemi im Canton 

t. Briefter zu Laudun, begleitete er Franz be 

la Baume, Biihof, von Halicarnaß, auf feiner 

nipectionsreife nad Codindina, Die er in den 

edifiantes, Biel 1746, befhrieb. Die In: 

triguen der Jefuiten, welche den eigentlichen Zweck 

der Reife vereitelt hatten, deckte er aud) in Rom 

auf. Sein obengenanntes Werk wurde in Freiburg 

vom Scharfrichter verbrannt, von den Jeſuiten 
aufgefauft und vernichtet. 

Faber, Bitus. Geb. 1528 zu Touloufe. Parla: 
mentsrath und franzöfifher Abgeordneter zum 
Concil von Trient, ift er durch eine Apologie der 
Parifer Bluthochzeit berlihtigt geworben. + 1584. 

Fabian, Papft 236—250. Die Nahrichten über 
kin Leben find ungewiß, unter Decius ſoll er ala 

Rärtyrer geftorben fein. Ihm wird zugejchrieben 
die Beftellung von 7 Dialonen zur Armenpflege 
und von 7 Subdialonen zur Abjaffung der Mär: 
tyreracten. 

Fabrica ecclesiae, Kirchenfabrik, Kirchen: 
ärar, ift das gerne im engern Sinne, 
welches für die Bedürfniſſe des Eultus und bie 
Unterhaltung der kirchlichen Gebäude beftimmt ift. 
©. Kirchenvermögen und Baulaft. 

Fabricius, Johann. Geb. am 11. Februar 1644 
m Altorf aus einem alten Theologengeſchlechte, 
ftudirte er in Heimftädt und bildete fich auf Reifen 
durch Deutfchland und Stalien 1670—77, war 
Brediger einer evangelifhen Gemeinde in Venedig, 
danag rg he in Altorf und in Helmftädt 
1697:— 1709. Aus feiner ireniſchen Gefinnung ging 
beroor Consideratio variarım controversiarum 
ete., ein Verſuch einer — Symbolik. 
Größeren Anſtoß als dies Wert gab fein Gutach⸗ 
ten 1704 fiber den Mebertritt der Prinzeſſin Eli: 
ſabeth Chriſtine zur katholiſchen Kirche bei ihrer 
Deirath mit Starl VI. von Spanien, „da ſolche 
Vermählung nicht allein dem Herzogthum, fondern 
auf der proteftantiichen Religion und dem hoch⸗ 


249 


Fälle, vorbehaltene 


gewünſchten Kirchenfrieden zuträglich fein könne.“ 
Auf Betreiben des an Helmftädt mit betheiligten 
Hofes wurde er beöhalb 1709 ala Profeſſor eme: 
ritirt, murbe aber Generalinfpector der Schulen 
und lebte in literarifher Muße bis 1729. 

Fabricius, Johann Albert. Geb. zu Leipzig am 
11. Nov. 1668, ftubirte er zu ——— ogie 
und Theologie, auch Philoſophie und Geſchichte. + 
1736 zu Hamburg als Profefjor der Beredſamkeit. 
Für bie —— Literaturgeſchichte wichtig 
durch die Bibliotheca ecclesiastica, Hamb. 1718. 
Außerdem: Codex — N. T., 1703 - 19; 
Codex —— . T., 1713; 8. Phi- 
liastri episcopi Brixensis de haeresibus, 1721. 
Bol. Reimarus. 

Fabricius, Johann Jalob. Geb. 1620 zu Lens 
nep. Er predigte, ald Student in Roftod ermedt, in 
feiner Gemeinde Schwelm Arndtihe Myſtik und 

egen äußere lirhliche Frömmigkeit. Wegen einer 
Shrift: „das jegigeabtrünnige Maulchriſtenthum“, 
1650, in der man Weigelianifhe Irrthumer ents 
bedite, mußte er feine einde verlaffen, warb 
Pfarrer zu Zwolle und 1660 Stabtprebiger in 
Sulzbach, mußte aber auch auf biefer Stelle trog 
des guten Zeugnifjes des Magiftrats und der Ges 
meinde vor den Angriffen der Orthoborie weichen 
1667 und lebte dann Ir Amſterdam bei Gichtel, + 
ee Bol. Göbel, Geſchichte des riftlihen Les 
ens 11. 

Fabricius, Theodor. Geb. am 2. Febr. 1501 zu 
Anhalt, ftudirte er zu Wittenberg und wurbe ber 
Reformation — In Köln hielt er ſeit 1526 
vielbefuchte Vorlefungen. Wegen feines eifrigen 
Wirkens für die neue Lehre und für Klarenbach 
und Klopreiß wurde er gleichjall3 eine Zeitlang 
gefänglich eingezogen, aber wieder freigelafjen. Geft. 
al3 Superintendent zu Zerbft. Institutionesgram- 
maticae in linguam sanctam, Köln 1531; Ar- 
tieuli pro evangelica doctrina, 1531. 

Herr ©. Univerfität. 

acultäten find Vollmachten, wodurch bee Kir⸗ 
chenobere Gerechtfame, die ihm allein zuftehen, auf 
Andere überträgt. Die wichtigften find die Quin⸗ 
quennalfacultäten ber Bijchöfe, feit dem 17. Jahr: 
hundert ne wodurch benjelben eine Anzahl 
päpftlicher Rejervatrechte in Bezug auf Dispenfa- 
tionen übertragen werben. Urjprünglich ertheilt, 
um die Bifchöfe vor den Eingriffen der Nuntien in 
ihre Zurisdiction zu Shügen, werden dieje Facul⸗ 
täten immer nur auf 5 Jahre gewährt. Auch der 
Biſchof überträgt einen Theil jeiner biſchöflichen 
. im Intereffe der Auffiht und des Eultus 
an Dechanten und an den Generalvicar. Da bie 
Prieſterweihe nur die Fähigkeit —— giebt, 
die Sacramente zu verwalten, die facultas (Befug⸗ 
niß) aber erft durch die biſchöfliche Approbation 
eintritt, jo bedarf der Geiftliche ver Beichtfacultät, 
welche ebenfalls nur auf 5 Jahre ertheilt zu wers 
den pflegt. 

Facundus, Bifchof von Hermiane in Nordafrila, 
hielt fi in Conſtantinopel auf und fchrieb im 
Dreicapitelftreit Pro defensione trium capitulo- 
rum. Bei aller Orthodoxie tabelt er entfchieden das 
dogmatiſche Streiten feiner Zeitgenoffen. Außer 
der genannten fchrieb er noch folgende zwei Schrif: 
ten: Liber contra Mucianum scholasticum und 
—— fidei catholicae, Vgl. Gallandi, Bibi. 


2 


p. 665. 
Fülle, vorbehaltene, S. Casus reservati. 


Fälſchung der päpftlichen Bullen 


Fülſchung der N ſtlichen Bullen und Decrete 
war fo häufig, daß Innocenz III. in einem Breve 
1198 neun verjchiedene Arten berjelben anzeigte. 
Die Kirche ftrafte die Urkundenfälfhung mit der 
excommunicatio ipso facto. 

Fagius, Paul. Geb. zu Rheinzabern, ftubirte er 
zu Heidelberg und feit 1522 in Straßburg, wo er 
Knabenlehrer war, unter Capito die hebräiſche 
Spracde. 1527 Rector in Isny, ftubirte er 1535 
—37 in Straßburg Theologie, wurde Pfarrer 
in Jöny 1537—43. An Gapito'3 Stelle nad 
Straßburg berufen, ordnete er erft das Kirchen: 
wejen in Conftanz, 1546 aud) in Heidelberg. Nach 
der Einführung des Interims ging er mit Bucer 
auf Cranmers Einladung nad) England und ftarb 
1549 al3 Brofeffor in Cambridge. Seine Schriften 
beihäftigen ſich mit hebräifhen Studien und Er- 
Härungen des Alten Teitaments. 

Fagnani, Prosper. Ein bedeutender Kanonift. 
Geb. 1598, war er in Rom Advocat und Secretär 
ber Congr. Conc. Trid. interp., zulegt Brofeffor 
bes kanoniſchen Rechtes. Schon erblindet, verfaßte 
er jeinen Gommentar über die Decretalen, Rom 
1691, 3 Bbe., Köln. 1696. 

‚Bahnen, die der katholische Eultus Broceffionen 
und Leichenzugen vorantragen läßt, dürfen nicht 
mie Kriegäfahnen an die Fahnenftange angenagelt 
fein, fondern müfjenvon einem Querbalfen flattern. 
Aud die Juden auf dem Zuge dur die Wüfte 
hatten Fahnen, 4. Mof. 1, 52; 2, 2; 10, 14, und 
zwar je brei Stämme eine. Auf den ahnen ber 
Mallabäer fanden fi die Anfangsbuchſtaben der 
Worte 2. Mof. 15, 11 geftidt. 

un gen Für diefelbe Hat das römifche 
Bontificale ein eigenes Ritual. Evangeliſch wird 
ſich der traditionell fejtgehaltene Gotteödienft bei 
—* rein militäriſchen Feier kaum rechtfertigen 
laſſen. 

Falckenſtein, Joh. Heinr. von, Convertit und 

iftorifer. Geb. 1682 in Schleſien, ſtudirte er in 

utſchland und Holland. 1715 Prodirector der 
Erlanger Ritterafademie, trat er in Neuburg an 
ber Donau zum Katholicismus über. Er jtand 
dann in Dienjten des Biſchofs von Eichſtädt, da— 
nad) des Markgrafen von Brandenburg, als defjen 
Refident er in Erfurt lebte. + 1760 zu Schwabad. 
Bon feinen hiftorischen Schriften find zu bemerfen: 
Antiquitates Noidgavienses, 1733; Thüringifche 
Shronif, 1737—39; Geſchichte des Herzogthums 
und —*— en Königreichs Bayern, 1768. 

Faldiſtorium. Ein einfacher Tragſeſſel, der ſich 
zuſammenlegen läßt und deſſen ſich der Biſchof be— 
dient, wenn er ſich nicht auf dem Throne der 
Kathedra im Gottesdienſte niederlaſſen will. 

Falk, Johannes Daniel. Legationsrath. Geb. 
zu Danzig am 28. October 1763 und mit Unter: 
jtügung des Rathes jeiner Baterjtabt erzogen, lebte 
er jeit 1793 in Weimar als Privatgelehrter, und 

ehörte auch ald Dichter zu dem um Göthe und 
Schiller u. ſ. m. fi) jcharenden Kreiſe. 1813 ftif: 
tete er, tief ergriffen von der Roth und Verlafien: 

eit der vielen in Folge der Kriegäverwüftung in 
achſen verwaiiten Kinder, eine Rettungsanitalt 
für verwahrlojte Knaben, die fpäter in ein öffent: 
liches Inſtitut verwandelt wurde. Falk hat die 
Gründung der Rettungsanſtalten in Deutſchland 
durch feinen Vorgang eröffnet. 
alle, S. Weihe. 
all der Engel. S. Engel, 


250 


Familiften 


Fall der Mengen. S. Sündenfall. 

k'amiliares in den Klöftern find die Handwer⸗ 
fer und das Geſinde. Manche Klöfter, z. B. Eluguy, 
durften feine familiares halten. 

Familiaritas. S. Commensalitium. 

Familie ift die Gemeinſchaft der Eltern und der 
von ihnen erzeugten Kinder, die Entfaltung be3 in 
ber angelegten natürlichen Berhältnifies. Die 
ihr geitellte Aufgabe ift einerjeitö als Bervolltomm: 
nung ber ehelihen Gemeinjchaft, die Geſchlechts⸗ 
liebe durch dad Hinzutreten der elterlichen Liebe 


immer mehr von jedem jinnlichen Elemente zu be» 


freien und in rein perjönliche Liebe zu verwandeln, 
andererſeits vermittelft ber elterlichen und finds 
lichen Liebe die Kinder und die Eltern gegenfeitig zu 
erziehen. Die Aufgabe derjelben gehört daher zu den 
—— ſittlichen, und kann in gewiſſer Bollftändig: 
eit nur erreicht werden auf dem Grunde der Fröm⸗ 
migkeit. Da ferner alles Gemeinſchaftsleben durch 

die Verbindung der Familien unter einander, durch 

Verwandtſchaft entſteht, ſo iſt die Familie die Grund⸗ 

lage für alles Gemeinſchaftsleben und das Gebiet, 

auf welchem die in jenem wirffamen moraliſchen 
Kräfte fich zuerft entwideln und bewähren. Das 

Familienleben hat zu jeiner Borausfegung die Ans 

erkennung ber vollen Berfönlichkeit des Weibes und 

damit bie Monogamie; ed konnte daher erft im 

Chriſtenthum feinen vollen ethifchen Inhalt ent: 

falten. Indeß zeichnet ſchon das Judenthum fich 

vor allen Völkern Durch die Würdigung ber Bedeus 

tung der Familie aus. Vgl. Rothe, ar (2. Ausg.), 

II, N 305—329; ferner (1. Ausg.) III, ©. 605 ff.; 

er Spies Predigten über den hriftl. Hauss 

tand. 

Familiengräber waren ſchon im Urſprung des 
jüdiſchen Volles üblich, 1. Mof. 23, 17—20; 50, 
13, und ftanden in hohen Ehren, 1.Kön. 3, 13.22. 
Da die römifche Sitte fie begünftigte, jo wurden 
ſie auch bei den chriſtlichen germanifchen Bölfern 
häufig, entweder in den Kirchen felbft oder auf 
dem allgemeinen Gottesader oder auf eigenen 
Grundftüden. Kirchenrechtlich erlifcht da3 Eigen: 
tum an dem Familiengrabe, wenn die Familie 
ausftirbt oder den Drt für immer verläßt; eö gebt 
in ſolchem Falle bei einem Grabe auf dem Kirch— 
En an bie Kirche, bei einen auf andern Grund: 
tüden an den jedesmaligen Eigner über. 

Familiſten. Die Anhänger des Heinrih Niklas, 
eine Secte des 16. Jahrhunderts in Holland und 
England, auch Haus der Liebe genannt. Heinrich 
Niklas war 1501 oder 1502 in Münfter geboren, 
und lebte jpäter in Amfterdbam und Emden. Der 
Reformation abgeneigt, aber angeregt von ana» 
baptiftifhen und anomiſtiſchen Ideen, verbreitete 
er jeit feinem 39. Jahrein zahlveihen Schriften feine 
moftifch=chiliaftifche Lehre von der Vergötterung 
des Menſchen und der Aufrichtung des neuer Got: 
teöreicheS der Gerechten. Er jelbit war der Brophet 
diejes Reiches, der durch mannigfache Offenbarun 
gen und Viſionen in ein inniges Verhältnik zu 

ott und Chriftus geſetzt ſei. Die Organtifation 
des Haujes der Liebe umfahte eine priejterliche 
Hierarchie und regelte auch die irdiichen Berhälts 
niffe bis ins Kleinfte. Die Secte verpflanzte füch 
nach England, wo fie unter Maria und Elifabeth 
aud) Berfolgungen erlitt; in Holland tft fie mit 
dem 17. Jahrhundert verfhwunden. Innere Strei— 
tigfeiten hatten ſchon unter Niklas und feinen 
eriter, Anhängern begonnen. Vgl. Nippold, Ztſch. 


Fanatismus 
für hiſt. Theol., 1862, 3, 4. Prot. Monatsbl. 
1864, 1 


Fauatismus (fanum, Dffenbarungsftätte) ift 
das leidenjhaftlich erregte Gefühl der Frömmig- 
keit, welche, haftenb an einer äußern, vereingelten 
Dffenbarungsthatfahe und dieſelbe phantaſtiſch 
ausbilbend, gegen gemwiflenhafte Befinnung und 
Prüfun elihen, und gegen andere Auffaf- 
fungen Feind elig und verfolgungsfüchtig fi ver: 
hält. Die Kirchen: und Religionsgeſchichte bietet 
zu jeder Zeit Beifpiele bed Fanatismus, ſowohl 
in ber herrſchenden Kirche als namentlich bei ver: 

ten Secten. 

annius, aus Faenza, der erfte Märtyrer ber 
italienijchen Reformation, wurde 1550 zu Ferrara 
nad) zwerjähriger harter Gefangenſchaft im Kerler 
der Inquifition erdroffelt. 

Farben. Die Farben der Stiftshütte, welche 
auch an der jüdiſchen Briefterkleivung wiederkeh⸗ 
ten, find: Weiß, Dunkelblau, Burpurrotd, Blut: 
zoth. Bähr und Andere haben in benjelben ſymbo⸗ 
liſche Bedeutungen geſucht, ohne Beitimmtes mit 
fihern Gründen ftügen zu können. Die römiſche 
Kirche hat für die firhlichen Gewänder fünf Far: 
ben, deren Gebrauch nad) der Bedeutung der Feier 
fi richtet: Weiß, die allgemeine Farbe, als Sym: 
bol der Heiligkeit und Freude, an den Fettagen; 
Roth, die Freude des Sieges, an Pfingiten und 
beim Gedächtniß des Leidens des Herrn und der 
Märtyrer; Grün, Farbe der Hoffnung; Violett, 
der Trauer und der Buße; Schwarz, der höchſten 
Trauer. 

Farel, Wilhelm. Geb. 1489 zu Gap in ber Dau— 
pbins, ſtudirte er in Paris und ward jeiner evan⸗ 

eliiyen Anfichten wegen von Brigonnet nad 
berufen. Die ausbrechende Berfolgung trieb 

ihn nad) Bajel zu Vefolampad, wo er 13 Thejen 
anfhlug, über welche 1524 am 15. Februar eine 
öffentliche Disputation ftattfand, welche die Refor: 
mation förberte. Nad) einem Aufenthalte in Straß: 
burg diente er der evangelischen Gemeinde in Möm— 
ard ald Prediger. 1525 vertrieben, erhielt er 

1526 von Bern eine Anftellung in Aigle als Pre: 
diger und den Auftrag, in den Untergebieten das 
Evangelium zu verfündigen ; jo fam er nad) Neuen: 
burg zu den Waldenfjern und nad Genf. Unter 
vielen Angriffen und Gefahren gelang es feiner 
Thätigleit, das Religionsgejpräh vom 26. Jan. 
1534 durchzufegen und das Neligionsedict vom 
27. Auguft 1535 zu erlangen, welchem die allge: 
meine Einrichtung des evangelifchen Gottesdienſtes 
folgte. Zu dieſer Zeit fefjelte er Calvin in Genf 
und überließ ihm die Führerfchaft des Reforma: 
tionswerles. Zugleid mit demjelben aus Anlaß der 
Kirchenzucht 1538 verwiejen, wandte er fid) wieder 
nad Neuenburg und hielt dort troß libertinijcher 
Anfeindungen und troß der Peit aus. Bon dort 
aus befuchte er wiederholt Genf, um an ber Be: 
gründung der reformirten Kirche ſich zu betheiligen, 
wangelifirte Metz und griff überhaupt als eines 
Häupter der Reformation in die Zeitung und 
ründung der jungen Kirche Fräftig ein. Weniger 
als Schriftiteller thätig, lag die Bedeutung feiner 
Wirkſamkeit vor Allem in dem — oft fat leiden: 
chaftlichen — Feuereifer, der ihn bejeelte, und dem 
unerjhütterlichen Muthe, den er allen Angriffen 
entgegenfegte. Dogmatiſch mild und unioniſtiſch 
gefinnt, forderte er die ftrengfte Sittengucht inner: 
halb der Gemeinde. Er jtarb auf einer Bejuchsreife 


251 


Faften in der chriftlichen Kirche 


nah Me am 13. Sept. 1565. Bol. Kirchhofer, 
Leben W. Farel's, 1831; Schmidt, Etudes sur 
Farel, 1834; Cheneviere, Farel, Froment, Viret, 
1835; Schmidt, Farel und Viret, 1860. 

Farfa. Ein am Fluffe gleichen Namens im Sa: 
binerlande gelegenes Klofter, früher mit Monte: 
cajfino und Ronantula das —— in Italien. 
Schon früh gegründet und beim Longobarden— 
Einfall zerſtört, ward e8 681 durch den Priefter 
Thomas — ——— und erlangte hohes An- 
jehen mit großer Macht und anfehnlihem Reich: 
thum. Gegen die Saracenen konnte es fi 7 Jahre 
lang — Es folgte dann eine Periode des 
innern Verfalles, bis Odilo von Clugny die Re— 
form von Clugny einführte. Unter abwechſelnden 
Schickſalen hat ſich das Kloſter bis heute erhalten. 


Farnovius —— Farnowäli). Farneſius. 

Das Haupt einer arianifirenden Secte der pol: 
nifhen Unitarier, die ſich fpäter unter die Sci: 
nianer verloren hat. Er war ein Schüler des Go: 
neſius, hatte zu Heidelberg ftubirt und ftarb 1614 
in feiner Gemeinde Sandelk. 

en S. Dänemarf. 

affionen der Pfründen find fpecificirte Ver: 
zeichniffe der Einfünfte und Laften eines Kirchen: 
amtes, 

Faſten bei den Hebräern (DIS auch WDJ 3y 
feine Seele demüthigen) fommt ald Zeichen der 
Trauer und bes ſehnſüchtigen Gebetes nicht felten 
vor, theil3 ald freiwillig übernommenes, 4. Mof. 
30, 14, theils als öffentlich) angeorbnetes bei gro⸗ 
Ben Landesunfällen, Richt. 20, 26; 1. Sam. 7, 6; 
31, 13; 2. Sam. 1, 12; Joel 1, 14 ff. Das Geſetz 
verordnet nur Einen Fafttag am Verjöhnungstage, 
4.Mof.29,7, fpätere Sitte ordnete mehrere, Zach. 
8, 19. Als man das Falten an fi), trotz des Wis 
derſpruchs der Propheten, Zach. 7, 5; ef. 58, 4, 
für verdienftlich anjah, wurde es in der nachkano⸗ 
nifhen Zeit von den Phariſäern ſyſtematiſch aus: 

ebildet; e8 beziehen fich hierauf mehrfache Aus⸗ 
Porliche des Herren, vgl. Matth. 9, 14; Luc. 18, 12. 
Der Talmud geht in die 556 Specialitäten 
ein. Das häufige und durchgeführte Faſten der 
Eſſener ging aus ihrer Grundrichtung hervor. Da 
während des Faſtens die ſchwarzen Trauerkleider 
den heutigen Juden vorgeſchrieben ſind, am Ver— 
ſöhnungstage aber die weißen Sterbehemden ge— 
tragen werben, jo erklären ſich die Ausdrücke ſchwar⸗ 
zes und weißes Faſten. 

Faſten bei den Muhamedanern. S. Ramadan. 

Faſten in der chriſtlichen ſtirche. Durch ſeinen 
naturgemäßen Zuſammenhang mit der Stimmung 
des Schmerzes und der Buße behielt das Faſten 
auch in der chriſtlichen Gemeinde ſeine Bedeutung. 
Durch die Einflüſſe des Montanismus und des 
Kloſterlebens überſchätzt, galt es bald als beſon— 
ders geeignetes Mittel, göttliche Vergebung zu er: 
langen. Die römische Kirche nahm es als ſolches 
auf und ordnete es gejeglih. Man unterjcheidet 
jejunium naturale, die gänzliche Nüchternheit, 
welche bei der Vorbereitung auf die Sacramente 
und aljo von dem Meſſe telenden Prieſter gefor: 
dert wird, und jejunium eccl>siasticum, die tirch⸗ 
lic) gebotene Beſchränkung im Speifegenufie, ab- 
stinentia a cibis. Diefe ift entweder jej. perfec- 
tum, weldes bejtimmte Speijen ausjwließt und 
nur Eine volle Mahlzeit am Tage geitattet, oder 
jej. particulare, semijejunium, wo bei Einer 


Faften-Gottesbienfte und Predigten 252 


Mahlzeit am TageFleiſchſpeiſen genofjenwerden und 
nur eine collatio vespertina dazu genommen wird, 
oder man ſich der Fletfchipeifen enthält (Abftinenz). 
Als vollkommenes Falten iſt vorgejhrieben das 
Duadragefimalfaften vom Aſchermittwoch bis Chor: 
famftag und an den Vigilien der hohen Feſte, die 
Abftinenz an allen Mittmwoden (oder Samſtagen) 
und Freitagen. Die Dispenfation vom Saften: 
gebot iſt ein Recht der Jurisdiction, fie Tann er- 
theilt werden in den Fällen der Unmöglichkeit, der 
Noth, der Arbeit und der geiftlihen Wohlthätig- 
teit. Die neuere Zeit hat in den jährlichen Faften: 
ausſchreiben bie Strenge des Gebotes derart ge: 
mildert, daß jelbjt dad Duabragefimalfaften 1 
laum über die —— erhebt. Die griechiſche 
Kirche hat abweichende Beſtimmungen, hält aber 
ihr Faſten mit großer Strenge, an den Mittwochen 
und fFreitagen, und an ben vier großen Zeiten, 
d. 5. 40 Tage vor Ditern und vor Weihnachten, 
vom 1.—15. Auguft (Marienfaften) und 14—40 
Tage nad) Pfingjten (Apoftelfaften), Apftg. 13, 3. 
Die evangelifhe Kirche hat kein Faften- Gebot, 
Die reformirte Kirche pflegte früher mit den Bet: 
tagen bei Zandescalamitäten aud) ein allgemeines 
Faften anzuordnen. Val. Augufti, Denkwürdigkei⸗ 
ten ; Binterim, die vorzüglichiten Denfwüzdigleiten 
ber chriſtkath. Kirche; Alt, der chriſtliche Cultus, 
©. 518 ff. 


ff 

Faflen-Gottesdienfte und »Predigten. In ber 
römischen Kirche werden in der Faſtenzeit neben 
den gewöhnliden Gotteädienften befondere Pre: 
bigtdienfte gehalten, um die Gläubigen zur Buße 
anzuregen. Wo ed möglid) ift, werben dazu befon: 
dere und begabte Brediger angejtellt. Die evangel. 
Kirche pflegt ebenfalls in der Zeit vor Dftern be» 
fondere Wochen-Gottesdienſte zu halten, welche 
ber Betrachtung des Leidens Chriſti gewidmet find. 

Faflen- Mandate oder «Patente. Auf Grund der 
Duinquennalfacultäten erlafjen die Bilchöfe jähr: 
lich vor dem Quadrageſimalfaſten ein öffentliches 
Ausfchreiben, in weldem die Milderungen bes 
volltommenen Faltengebotes ausgeſprochen find, 
welche fie den Gläubigen geftatten wollen. - 

Faflidius, Priscus. Ein altbrittifcher Biſchof, 
vielleicht von London, im 5. Jahrhundert. Unter 
den Werken Auguſtins findet fih von ihm eine 
Schrift: Ad Fatalem devita christiana et vidui- 
tate colenda, mit Hinneigung zum Belagianis- 
mus. Herausgegeben 1663 von 2. Holjten. 

Fafinacht. Faſching. Carneval. Eigentlich die 
drei Tage vor Aſchermittwoch. Die Bezeichnung 
wird aber ausgedehnt auf die Zeit vom 8. Februar 
bis Aſchermittwoch. Um fih im Boraus für die 
Entbehrung der Faftenzeit ſchadlos zu halten, pflegte 
man dieſe Tage mit finnlichen Ergögungen aus: 
gr die nicht ſelten das Ma Übericritten. 

ie Bedeutung jcheint im Worte Garneval (caro 
vale, eis lebe wohl) hervorzutreten, obgleid) fie 
etymologijh nicht darin begründet ijt. Carneval 
kommt vielmehr wohl ficher von car navale (Schiffs: 
— * das als altgermaniſches Heiligthum am 
Niederrhein zu Zeiten umhergefahren wurde. Die 
römiſche Kirche hat die Faſtnachtsluſtbarkeiten wohl 
nie ausdrücklich gebilligt, aber ſie ſtets geduldet. 

Gere; Faflenipeifen. ©. Fajten. 

atalien jind die Nothfriften im Firchlichen 

Prozeß, bei welchen das Gejeg den Nadhtheil, wel: 
en die Berjäumniß mit ſich führt, beftimmt. 

Fatalismus (fatum; die Moipa ſchon bei Ho: 


Fegfeuer 


mer als die noch über den Göttern waltende Nacht 
des unabänderlichen Schickſals). Der Glaube an 
das unwiderrufliche Verhängniß, wie ihn vor Al⸗ 
ters die Stoifer, jetzt die Muhamedaner feſthalten. 
Von dem Determinismus der Deiſten und dem 
Raturgeſetz der Materialiſten unterſcheidet er ſich 
durch die Annahme einer über Allem ſtehenden 
bewußtloſen blinden Allmacht, des Schickſals. Von 
der chriſtlichen Lehre trennt ihn vor Allem der 
mangelnde Glaube an die ſittliche Weltordnun 
und an die Liebe eines perſönlichen Gottes. Auf 
dem Gebiete des chriſtlichen Denkens ftreift aber 
die ſchrofſe Prädeftinationstheorie an ben Fataliss 
mus an. ©. Determiniämus, 

Fatima, die Tochter Muhamebs, bie Gattin 
Ali's, die Mutter des Huffein und Hafen, wird 
bei den Schiiten befonders hoch verehrt. 

atum. Das Schidjal, S. Fatalismus. 
'atuorum festum. ©. Narrenfeft. 
Faulfiſch. S. Hieronymus von Prag. 
Fauſtinus. Ein Presbyter zu Rom, ber nad 
Liberius’ Tode (352—366) ſich an die Partei des 
Urfieinus anfhloß und ihr Schickſal theilte. Bon 
—* find 3 Schriften vorhanden: 1) eine ber Flac— 
cilla, der Gattin des Theodofius, gemidmete Schrift 
gegen die Arianer, zuerjt gedruckt Baſel 1555, frü⸗ 
er bein Gregorius Baticus zugefchrieben ; 2) ein 
laubensbekenntniß Fides, und zur Bertheidigung 
bes Lucifer von Eagliari,dem er ſich angeſchloſſen; 
3) Libellus precum, eine von Erfolg begleitete 
Bittſchrift um Einhalt der Berfolgungen. 

Foufluß, der Manichäer. Geb. zu Mileve in Nu: 
midien, Auguftin fuchte in feiner manichäijchen 
Jugendperiode bei ihm Belehrung, wurde aber 
durch deſſen Oberflählichteit dem Manichäismus 
ſo gründlich entfremdet, daß er ihn ſpäter in der 
Schrift Contra Faustum betämpfte. 

Fauſtus, Biſchof von Rhegium (Reji, Rhiez, daher 
Rejensis), jeit 454. Vorher Abt im Kloſter Lerinum 
jeit 434. +493. Bon ſeinen verſchiedenen Schriften 
wider Monophyfiten und Arianer und über dog: 
matijche Fragen ift am berühmteften geworben bie 
Epistola ad Lucidum, in welcher er diefen An: 
zer der auguftinifchen Präbeftinationslehre ald 

mipelagianer überwand, aber eben daburd) die 
Angriffe der ſeythiſchen Mönche hervorrief, welde 
die Berdbammung des Semipelagianiämus auf den 
Synoden zu Drange und Valence erwirkten. 

Faufluß Sorini. ©. Socini. 

Feder, Johann Michael. Ein fruchtbarer katho— 
licher Schriftfteller, defien Werke im Thesaurus 
libr. rei cath., Würzburg 1848, ©. 332 ff., vers 
— find. Geb. 1753 zu Oellingen, 1777 

icent. theol. und Briejter, 1784 Brojefjor zu 
Würzburg, 1794 Präjes der marianiſchen Soda 
lität, 1798 geiftlicher zen 1304 Oberbibliothefar 
der Univerfität, 1811 penjionirt, ftarb 1824. 

Fegfeuer, purgatorium. Nach der fathol. Lehre 
der Ort der Reinigung, an welchem die abgejdie: 
dene aber gläubige Seele zur sig Ten ihrer auf 
Erden nicht hinreichend gebüßten Sünden Qualen 
erbuldet, welche durch die Gebete und guten Werte 
der Ueberlebenden verkürzt werden Lönnen. Die 
Lehre jucht = biblische Begründung 2. Malt. 12, 
40 ff. Die Reinigung wird vorgeftellt als durch 
Feuer geſchehend, im neuern Katholicismus aber 
vergeiftigt aufgefaßt. DieengeVerbindung derLehre 
vom mit den Inſtituten der Seelenmeſſen 
und des Ablafjes rich Die Reformatoren gegen fie 


Feierkleider 


auf. Indem aber das Fegfeuer verworfen ward, 
wurde augleih eine fortjchreitende und ſich ent- 
widelnde Reinigung und Heiligung ber Seele über: 
haupt beftritten und ein unmittelbares Eingehen 
entweder zur Seligleit oder zur Verdammniß ge 
lehrt. Die — der römiſchen Lehre finden ſich 
erſt bei Auguſtin (Enchir. c. 68) und Gregor dem 
Großen (Dial. IV, 39 ff.), melde bie Möglichkeit 
jenfeitiger zeitlicher Strafen annahmen; kirchlich 
janctionirt wurde fie zu Florenz 1439 und Trient 
(Sess. XXV). Die griehijche Kirche hat fich meiſt 
gegen das Dogma vom Fegfeuer verwahrt und an 
der einfacheren Borftellung vom Hades feftgehal- 
ten (Conf. orthod. 1, 64). Bgl. Quenjtebt, De 
Eecl. or. et lat. in dogmate de purgat. dis- 
sensu, 1671; Calirtus, De igne purgatorio, 1643; 
Bellarmin, De igne purgatorio ; Zoch, dad Dogma 
der griechifchen Kirche vom Purgatorium, 1842. 

Feierkleider. Pracht: oder Wechſellleider, die bei 
feftlihen Gelegenheiten getragen wurden, dienten 
oft zu Gefchenten, 1. Mof. 45, 22; Richt. 14, 12. 
19; 1. Sam. 18, 4; 1. Kön. 10, 25. 

iertage. ©. Feite. 
indesliebe. ©. Liebe. z 

Feine. So bezeihnet man in ben teformirten 
Gegenden Diejenigen, welche lutheriſcherſeits Pie: 
tiften genannt werben. 

Feldtapellen haben die Beftimmung, der Pri⸗ 
vatandacht der Borübergehenden zu bienen, fie find 
nicht benedicirt und es wird Daher fein Gottesbienft 
in ihnen gehalten; jobald dies aber der Fal iſt, 
nehmen fie die volle Eigenfchaft der Nebenkirchen an. 

Feldkreuze ald Erinnerung zur Andacht an ben 
Degen aufzurichten, ift eine romiſch-kirchliche Sitte, 
am häufigjten an den Stätten eines bedeutenden 
Unglüds. Solche Kreuze werden meift geweiht. 

ldprediger, Feldcaplan, Feldpater, ift ber 
Titel der Geiftlihen, welche das Heer ins Feld be: 
gleiten, um namentlid den Berwundeten auf bem 
Schlachtfelde und in den Lazarethen mit geiftlichem 
Teofte beizuftehen. Da die fatholiichen F. ihre ya: 
eultäten vom Bapfte oder vom Biſchof der Diöcefe 
de3 jebesmaligen Aufenthalts haben mußten, fo 
hat man entweder einen Feldbiſchof, oder das Heer 
einer bejtimmten Diöcefe gleichjam incorporirt. Die 
—— F. ſtehen in Preußen unter dem Feld⸗ 
probſte. 

Felgenhauer, Paul. Ein Theoſoph, Myſtiker 
und Chiliaſt. Geb. zu Puſchwitz in Böhmen, wandte 
er ſich exilirt nach Amſterdam und verbreitete von 
dort jeine myſtiſch⸗ alchymiſtiſchen Schriften, in de⸗ 
nen er auch gegen die ge Kirche und 
Geiftlicpkeit eiferte. Mehrfach verfolgt, ausgewieſen 
(Bremen), gefangen rm (Syle in Hannover), 
Ihrieb er in Hamburg feine legten Werte und ftarb 
nach 1660. Verzeichniß feiner Schriften bei Adelung, 
Geſch. d. menjchl. Narrheit, Bd. IV, S. 400. 

licianer. S. Adoptianiämus, 

Feliciffimus, Schisma des. F. war gegen ben 
Willen Cyprians von dem Presbyter Novatus zum 
Diakonus in Karthago ernanntund befolgtediemil: 
dere Praxis gegen die lapsi, er widerfegte ſich den 
—— Anordnungen einer von Cyprian 
aus ſeinem Aſyl geſendeten Commiſſion, und wurde 
mit den Presbytern, die ſich an ihn angeſchloſſen, 
don der Synode zu Karthago 251 unter Cyprians 
Borfig ercommunicirt. Die Partei, verftärft durch 
einige afritanische Biſchöfe, wählte dann ben For: 
tunatus zum Biſchof. Ueber den Ausgang des 


253 


Felix von Aptunga 


Schisma's fehlen die Nachrichten. — Ein F. erlitt 
unter Decius zu Rom ben —— 
Selictitas. 1) Eine römische Wittwe, welche mit 
ihren fieben Söhnen unter Antonin 150 (oder Narc 
Aurel 170) als Märtyrerin hingerichtet wurde (23. 
November). — 2) Eine Dienerin zu Rarthago, 
welche mit Berpetua den Märtyrertod erlitt. Si 
wurde, faum entbunden, einer wilden Kuh vorge: 
worfen. 

Selig, der LZandpfleger. Ein Freigelaffener des 
Kaiſers Claudius, war er eine Zeitlang Verwalter 
von Samarien und an Cumanus’ Stelle Procurator 
von Gefammtpaläftine. Mit eiferner Strenge 
ſchlug er die Sicarier nieder, welche ſich gegen die 
Römer und die gemäßigten Juden erhoben Gatten, 
und die Anhänger ber faljhen Propheten. Bor ihm 
und jeiner Gemahlin Drufilfa, früher Frau des 
Königs Aziz von Emeja,.hatte ſich der Apoftel Pau⸗ 
[us zu verantworten, Apftg. 23, 24.25. Nach feinem 
Abgange verklagten ihn die Juden bei Nero, doc) 
blieb er ftraflos. Sein Charakter erſcheint in der 
—— auch, abgeſehen von ſeiner Härte, in 
üblem Lichte. 

Selig, der Nanichäer. Ein Zeitgenoſſe Auguftins, 
fam nad Hippo, um dort die manichäiſche Lehre 
zu verbreiten. In einer öffentlichen Disputation, 
welche zwei Tage währte, überwand ihn Auguftin 
derart, daß F. fich feierlich von Mani und feinen 
Irrlehren losſagte. 

Felix, der Maͤrtyrer, und ſeine Gefährtin Regula 
wurden als Verkündiger des Evangeliums in Ste: 
rus und am Züricherjee durch Decius hingerichtet 
(11. September). Sie find mit Erjuperantius die 
Schugpatrone von Züri. Ihre Gefchichte ift von 
der Legende jehr geſchmückt und mit der thebaifchen 
Legion in Verbindung gebradt. 

Selir I. Bifchof von Rom 269— 274. Während 
der Berfolgungen unter Aurelian erlitt auch er den 
Märtyrertod (30. September). Ein ihm zugefchries, 
benes Gejeg über Die Weihe der Kirchen und ihm in 
der pfeuboifiborifhen Sammlung zugeſchriebene 
Briefe find unecht. 

— U. Wurde ohne Zuthun des Klerus zum 
apft erhoben, als Liberius 355 vom Kaifer Con⸗ 
antin verbannt mar. Bei deſſen Rücklehr mußte er 

weichen 358; feine fpäteren Schidfale find unbe: 
fannt. Zwar jegen ihn die Acta martyr. unter die 
Blutzeugen und es ift deshalb fein Name nicht un: 
ter den Päpften gelöfcht, aber diefe Angaben find 
mehr als unzuverläfftg. 

— III. 483—492. Sein Widerfprud gegen das 
Henotiton des Kaijerd Zeno und die Ercommuni: 
cetion des Patriarchen Acacius von Conſtantinopel 
waren bie Urſache des erjten 34jährigen Schisma's. 

— IV., der Heilige, 526—530, war vom Dft: 
gothen Theoborich dem Großen, dem Arianer, ein: 
gejegt. Bon ihm findet ſich ein Brief De laicis ad 
sacerdotium ante probationem non promovendis 
an Cäfarius von Arles. 

— V. Sonannte fid) Amabeusvon Savoyen, den 
1439 das Eoneil zu Bajel zum Papſte wählte. Er 
hatte 1430 die Einftedelei zu Ripaille geftiftet und 
dort bereitö mehrere Jahre in religiöfen Uebungen 
gelebt. Ebendahin zog er ſich auch mit der Würde 
eines Eordinallegaten und Generalvicars von Sa: 
voyen zurüd, als er 1449, um das Schiöma zu 
beendigen, zu Gunften Rifolaus’ V., des Nachfol⸗ 
gers von Eugen 1V., abbanfte, 

Felix von Aptunga. S. Donatiften, 


Felir von Gantaliciv 


Selig von Gantalicio. Geb. 1518 im Kirchen: | 
ftaat, früher Hirt, wurde er 1545 Capuciner⸗Laien⸗ | 
bruder und genoß die Freundſchaft des h. Philippus 
Neri. Wegen feiner mönchiſchen Tugenden ward er 
1612 fanonijirt. 

Selig von Nola, Als Presbyter und Freund des 
Biſchofs Marimus hatte er in der deciſchen Ber: 
folgung Vieles zu leiden, was die Legende wunder: 
bar ausfhmüdt. Später lebte er, verzichtend auf 
die Biihofswürde, vom Ertrage jeines Gärtchens. 
Sein Grab ward frühe ein Wallfahrtsort. 

Se von lirgel. S. Adoptianismus. 

eller, Franz Xaver. Ein äußerſt fruchtbarer 
datholiſcher Schriftfteller. Geb. zu Brüfjel am 18. 
Auguft 1735, trat er in den Jejuitenorden. Nach 
einem längeren Aufenthalte in Ungarn ward er 
1771 geiftlicher Redner der Jefuiten in Nivelle und 
1772 in Züttich. Nach der Aufhebung des Ordens 
lebte er auf Reifen, ri literariihen Thätig- 
teit, da er gegen die Reformen Jojephs II. und 
die Emjer Bunctationen ſchrieb. Seit 1796 am bi: 
ſchöflichen Hofe zu Freifing, ftarb er zu Regens: 
burg 1802. Dictionnaire historique und Journal 
historique et litt&rare, 1774—94, 60 Bde. Manche 
— erſchienen unter dem Pſeudonym Flexier de 

eval. 

Fellows find die im Cölibat lebenden Mitglie⸗ 
der der englifhen UniverfitätssCollegien, welche 
die inneren und äußeren Angelegenheitenvermwalten. 

Foͤnelon, Franz von Salignac de la Motte. 
Geb. amb. Auguft 1651 auf Fenelon, ward er 1675 
Prieſter und Vorjteher einer Anitalt zur fathol. Er: 
ziehung protejtantiicher Mädchen, —— Ca- 
tholiques, und übernahm eine Miffion unter den 
‚Reformirten in Poitou. Ludwig XIV. übertrug 
ihm 1689 die Erziehung feiner Entel und ertheilte 
ihm 1694 da3 Erzbistyum Gambray. Wichtig wurde 
der Streit mit dem ihm früher befreundeten Boſ⸗ 

‚ fuet, als F. die Anfichten der Guyon nit unbedingt 
verwerfen wollte und in ber Schrift Les maximes 
des saints einem Quietismus fich zumeigte, ber 
ihn aber nit an der tiefiten einſichtsvollſten 
Theilnahme und pflichttreueften Hingabe für das 
politiiche Wohl feines Volles und für fein Amt 
binderte. In diefem Streite zog er ſich die kdönig— 
lie Ungnade zu, worauf er ganz den Pflichten 
feines Amtes in feiner Diöceje lebte, und als 
nah längerem Schriftjtreit zwiſchen ihm und 
Bofjuet 1699 vom Papſte feine Schrift verdammt 
wurde, durch die eigene Verkündigung des Breve 
ein Beijpiel demüthiger ——— gab. Sein 
edler Charakter trat in ſeinem Verhalten zu den 


Protejtanten und Janſeniſten hervor und fein|+ 


Wirlen in feinem Sprengel während bes jpa- 
niſchen Grbfolgelrieges erwarb ihm allgemeine 
Verehrung. Les Aventures de Tel&maque, welche 
ex für jeinen früheren Zögling, den Herzog von 
Burgund, jchrieb und melde ohne fein Zuthun 
burd Untreue gedrudt wurden, erregten ihm zwar 
den Zorn des Königs, begründeten aber feinen 
dauernden Ruhm. Auch von jeinen übrigen Schrif: 
ten find mehrere lediglih zum Gebraud feines 
Zöglings gejchrieben und erjt jpäter befannt ge- 
worden. Selbjt Meifter der Darftellung und aus: 
gexei neter Redner, jchrieb er die werthvollen 

riften über Beredfamteit: Dialogue sur l'clo- 

uence und Lettre à l'Académie frangaise. Seine 

erfe gab kn einer Biographie) unvolljtändig 
heraus Baujjet, Paris 1511. F. ftarb tief und all» | 


254 


Ferdinand der Standhafte 


emein betrauert am 7. Jan. 1715. Bal. Ra 
Yie de Fönelon, 1725; de Bauſſet, Reg 
F., 1808; E. Gandar, F. et son temps, 1864; de 
Zamartine, F., 1864. 

Senfter waren bei den Juden nur durch beweg 
liche Gitter oder Jaloufien, nicht durch Glasſchel 
ben gejchlofjen. Die im Talmud erwähnten tyri- 
ſchen Fenſter jcheinen bis aufden Fußboden gereicht 
zu haben, während die gewöhnlichen die ägyptiſchen 
genannt wurden. 

Ferdinand 1. Römiſch-deutſcher Kaifer, 1556- 
1564. Geb. 1503 zu Alcala in Spanien. Zu ben 
— — Erblanden erwarb er Böhmen und 
Ungarn. — fein Bruder Karl V. vorherr⸗ 
ihend bie Reformation aus politiſchen Gründen 
befämpfte, waltete bei Ferdinand, einem nicht 
minder entichiedenen Gegner, ein religiöfes Inter: 
ejie ob, welches auf Beflerung der eigenen Kirche 
drang. Daher begünftigte er das Concil zu Trient, 
Mild und tolerant gegen feine evangelifchen Unter: 

anen, regte er aber 1524 den eriten Yund ber 
fatholifchen Fürften zu Regensburg an, den erjten 
Anfang der politiihen Gegenreformation, ohne 
welche ganz Deutjchland dem Evangelium wahr: 
ſcheinlich zugefallen jein würde. 

Ferdinand II. Römiſch-deutſcher Kaifer, 1619- 
1637. Geb. 4. Juli 1573. Sohn des Erzherzogs 
Karl von Steiermark und Kärnthen. 1617 König 
von Böhmen, 1618 von lingarn, 1619 Kaifer. 
Ein gösling der Jejuiten zu Ingolftabt, hatte er 
die Vernichtung des Proteftantismus in feinen 
Zanden gelobt; und als der Ausgang des böhmi- 
ſchen Krieges ihm die Macht gewährte, fuchte er 
durch das Neftitutignsedict fein Gelübde zur Aus: 
führung zu bringen, woran ihn nur das Einfchrei- 
ten Gujtau Adolf's hinderte. 

Ferdinand Der Heilige. König von Leon und 

Gajtilien. Sohn Alfons’ IX. Geb. 1198. Die 
Ehe jeiner Eltern wurde wegen zu naher Ber: 
wandtjchaft getrennt, jo fiel auf ihn 1217 von jei- 
ner Wutter die Krone von Caſtilien. Als er da: 
mit 1230 aud das Erbe des Vaters vereinigt, 
wandte er fich gegen die Mauren, bie er nad) ber 
Groberung Sevilla’s 1248 tributpflichtig machte. 
Milde gegen Juden und Moslim, um fie zu ge: 
winnen, verjolgte er die Keger. Rom treu ergeben, 
bedurfte er auch deſſen Unterftügung bei —— 
Kämpfen. Für das Innere ſeines Reiches erwarb 
er ſich Verdienfte durch das Geſetzbuch Codex de 
las Partidas und die Ueberjegung des mauriſchen 
Geſetzbuchs von Cordova. Der pradtvolle Dom 
von Toledo war das Dankopfer für feine Siege. 
1252, wurde 1671 Tanonifirt. 
Ferdinand der ſtatholiſche, von Spanien. Geb. 
1452. Als König von Aragonien vereinigte er 
damit das Erbland feiner Gemahlin Yjabella von 
Caſtilien nad) deren Tode 1504 und als ihre Tod> 
ter Johanna irrfinnig geworben war. Er vertrieb 
den legten Maurenfönig Boabdil 1492 aus Spa: 
nien. Seinem politiihen Ziele eines ftarfen Kö— 
nigthums war jeine kirchliche Stellung dienjtbar; 
die Inquifition, die er vom Papite erſchlich, ‚diente 
politiihen Zweden; er verbot die Beröffent- 
lihung der dagegen gerichteten päpſtlichen Breven. 
Den größten Einfluß unter ihm übte der Primas 
von Toledo, Cardinal Zimenes. , 

Ferdinand der Standhajte, von Portugal. Ein 
Sohn Johann I. Geb. 1402. Cr hat ſich feinen Bel: 
namen und die Heiligſprechung durch die ſtandhaſte 


Fergujon 


Frömmigkeit erworben, mit welder er die Mar: 
tern der Gefangenjchaft bei den Mauren von 
Fez ertrug, denen er als Geijel für die Uebergabe 
Ceuta's, welche jeitens der Spanier dennoch nicht 
erfolgte, übergeben war 1437. Er ftarb in ber 
Gefangenichaft 1443. 

Ferguſon, Adam. Geb. 1724 zu Logierait in 
Perth, + 1816. War 1764—1784 Brofeffor ber 
Moralphilofopbie zu Edinburg. Wie er die Er: 
fenntniß auf die — —— der Thatſachen und 
die Auffindung der ihnen zu Grunde liegenden Ge⸗ 
ſetze beſchränkte, jo zeigte ſich ſein Senſualismus 
auch darin, daß er als Moralprincip den allge: 
meinen Trieb nad Glüdjeligkeit auftellte. 

Feriae, Ruhetag, Feſttag. Dies feriati, Tage, 
an welchen Gottesdienſt gehalten wird. Daher 
dient F. im römifhen Kalender zur Bezeichnung 
der Wochentage, f. secunda Montag u. j. w. Vgl. 

te 


ialmefie. ©. Mefie. 
ermentarii nannten die Zateiner die Grie: 
hen, welche ſich des gejäuerten Brodes beim Abend» 
mahl bedienten. 

Ferrara. Die Hauptjtadt des früheren Herzog: 
thums und Refidenz der Efte, ift Sit eines Erz: 
biſchofs. Im der Reformationsgeidichte ift F. 
befannt durch den Kreis evangelifch Gefinnter, der 
fih um Renata von Ejte jammelte und in dem 
auch Calvin fi einige Monate aufhielt. 

rrara » Florenz, Synode von. Eugen IV. 
verlegte gegen den Beſchluß der Majorität das 
Concil von Bajel nad) Ferrara (18. Sept. 1437), 
um mit den Griechen über die Glaubengeinigung 
verhandeln zu können. Bebrängt von den Türken, 
hatte Johannes Paläologus ſich an den Papſt ge: 
wendet. Es verfammelten ſich in F. der bem 
Bapfte anhängende Theil der Bajeler Berfamm: 
lung, eine rohe Anzahl griechiſcher Geiftlichen mit 
dem Kaifer jelbft und der ruſſiſche Metropolit Iſi⸗ 
dor, in beſchränkter Vollmacht des Großfürften. 
Die erfte Sigung wurde gehalten am 8. October 
1438. Nach den eriten Verhandlungen verlegte 
aber der Vapft die Synode nad) Florenz, troß des 
Unwillens der Griechen, und vom 26. Februar big 
8. Juni wurde denn die bogmatifche Bereinigung 
über den biäherigen trennenden Sat des Bekennt⸗ 
nifles: filioque, geichloffen, unter befonderer Be: 
theitigung des Dominicaners Schwarzenberg und 
der Griechen Beſſarion und Marcus. Auch in Be: 
jiehung auf Sacramente, Fegfeuer und Primat 
des Papſtes fam die Einigung zu Stande in ber 
Art, das die Griechen die römische Lehre in zwei: 
deutigen Formeln und unter allerlei Vorbehalten 
anerfannten. Die Einigungsurfunde wurde am 
6. Juli 1439 von allen Synodalgliedern, bis auf 
Marcus von Ephejus, unterzeichnet. Der Erfolg 
der Synode täujhte die Erwartungen. Iſidor 
wurde vom Großfürften feiner Metropolitanwürde 
entjegt und ins Klofter gejperrt; als er entflob, 
gab ihm der Papft die Titel des Patriarchen von 
Conjtantinopel und die Cardinalswürde. In Grie: 
cheniand gewann die Partei des Marcus die Ober: 

nd, und als ber Kaijer mit dem Patriarchen 
—3 gegen ſie einſchreiten wollte, ſetzten 
die anderen Vatriarchen die latiniſirenden Geiſt— 
lichen ab. Der politiſche Zweck, die Rettung des 
Reiches vor den Türken, wurde vollends nicht er— 
reicht. Auch mit den Armeniern und Jalobiten 


255 


Feßler 


einigung geſchloſſen. Die Synode währte nach 
dem Abzug der Griechen noch 6 Jahre und hielt 
darin 7 Sitzungen, die beiden letzten in Rom ſeit 
1442. Die Acten ſind * iſch und lateiniſch ge⸗ 
ſammelt. Vgl. Squropulos, Vera historia unionis 
non verae inter Gr. et Lat. ed. Creyghton 1660, 
Popoff, Hist. of the council of Flor., Lond. 1861. 

Ferrer, Vincentius. Geb. 23. Jan. 1357 zu 
Balencia von hriftlihen Eltern, trat in den Do: 
minicanerorden zu Valencia 1374, bejudte bie 
Univerfitäten zu Barcelona und Lerida, und er: 
warb fi durch mehrere Schriften die Würde eines 
Dr. theol. Benedict XIII. (Beter von Luna) be: 
rief ihn 1395 nad Avignon, nachdem er Beicdht- 
vater der Königin Yolanda gewejen war, und bot 
ihm das Cardinalat an. Bis jeht ausgezeichnet 
durch den Eifer feiner Frömmigkeit und jeine phi⸗ 
loſophiſchen und theologiſchen Werke, gab ſich F., 
trotz der Gegenrede ſeiner Gönner, der Idee hin, 
die Welt als Apoſtel der Buße zu durchwandern. 
Ausgerüftet mit der Gewalt eines Speciallegaten, 
führte er diejen nt von 1397 bis an —— 
Tod 1419 aus. Bald ſammelte ſich um ihn eine 
Menge, die ihn begleitete, und welche ſich durch 
beſtimmte Einrichtungen und Bußübungen orga— 
5* und vielleicht den Anſtoß gab zu den Buß⸗ 
fahrten der Geißler in Jtalien, 1397-1400. Seine 
frei gehaltenen Reden, deren große Wirkung ge: 
rühmt wird, find nachgeſchrieben und herausgege: 
ben. Im Leben wie ein Heiliger gehalten, wurde 
er nach feinem Tode von Calixt III. fanonifirt 
1455. Bol. Heller, Vince. Ferrer, Berlin 1830. 

Ferto oder fertum pro autore. Die Ab: 

abe, weldye der Kleriker dem Biſchofe von feinem 
Nachlaſſe hinterlaffen mußte; der Net des alten 
Spolienrechtes. 

Serula, »igdne. Die ſchmale Borhalle der 

griechiſchen Kuppellirchen. 

rus. ©. Wild. 

eſch. Der Sohn eines ſchweizeriſchen Conver⸗ 
titen, Stiefonfel Napoleons J. Geb. 1763 zu Ajae⸗ 
cio. Aus dem geiftlihen Seminar trat er beim 
Ausbrud der Revolution in Kriegädienite, wurde 
aber nad) dem Eoncordate wieder u. und 
bald zum rn en 2yon 1802 und Cardinal 
erhoben. Bis 1806 war er dann Gejandter in 
Rom; ald Großalmofenier von Frankreich fegnete 
er die Ehe Napoleons ein und affiftirte bei ber 
Krönung. Seine Ernennung zum Primas von 
Deutſchland, ald Eoadjutor Dalbergs, nahm er 
nit an 1806 (fie wurde 1809 widerrufen), lehnte 
aud das Erzbiäthum von Paris ab. Da er die 
Interefjen der Kirche in feinen Stellungen mehr 
wahrte, als Napoleons Herricherideen zuließen, 
und jogar ald Präfident des National-Eonciliums 
1810 die Oppoſition leitete, jo fiel er in völlige 
Ungnade und zog ſich nach Lyon zurüd. 1814 floh 
er nach Rom, wo er aud) feinen bleibenden Auf: 
enthalt nahm, als er vor den Bourbonen fein Erz: 
bisthum meiden mußte. 7 1839. 

Fehler, Ignaz Aurelius. Geb. 18. Mai 1756 
zu Ezörendorf in Ungarn. Als Jefuitenzögling trat 
er in den Orden; im ei zu Mödling wurde 
ihm durch die Erfenntniß der Sittenverderbniß 
und das Studium der ——— das Ge⸗ 
lübde unerträglich; Joſeph IL. verſetzte ihn, frei 
vom Kloſterzwang, an die Univerſität Lemberg 
als Profeſſor der orientaliſchen Sprachen und der 


wurde auf der Synode eine ebenſo vergebliche Ber: ' Eregefe. Ein fiskaliſcher Prozeß, veranlaßt durch 


Feſte, veligiöfe 


fein Trauerfpiel „Sidney“, nöthigte ihn zur Flucht 
nah Schlefien, wo er lutherifch wurde, und mit 
der Brüdergemeine in Verbindung trat. 1809 war 
er Profefjor der orientalifhen Spraden zu Gt. 
Petersburg. Bon dort aber verdrängt, lebte er 
in Sarepta, wurde dann Superintendent in Sa- 
ratow, 1819 Biſchof von Neufinnland. + 1839. 
Zange Zeit entjchiedener Kantianer, hatte er ſich 
alödann einer jpeculativen Myſtik zugeneigt, bie 
jpäter einer Belehrung zur befenntnißmäßigen 
Anihauung wid. (Sein Glaubenöbelenntnik in 
Kar Selbitbiographie.) Seine meiften Schriften 
ind vergeflen. Bon Werth ift.nur feine Geſchichte 
Ungarns, 10 Bde. Außerdem hat er eine Reihe 
von Werken über die verjchiedenen Gebiete der 
Theologie, beſonders aber viele belletriftiiche Schrif: 
ten (Romane wie: Abälard und Heloije, Marc 
Aurel, Alonſo u. ſ. w.) verfaßt. Seine „Rüdblide auf 
eine fiebenzigjährige Pilgerreife” enthalten feine 
Selbitbiographie. 


Sehe, religiöfe, find folde Tage, an welchen 
das Bolf ſich feiner Abhängigkeit von Gott in er- 
hebender Weife bewußt wird und biefer Stimmun 
einen entiprehenden Ausdrud giebt. Bunägft 
Inüpfen fie fih an die Erfahrungen des Natur: 
lebens, dann an geſchichtliche Erfahrungen der 
göttlichen Leitung, gewöhnlich erhalten aber all: 
mählich auch die natürlichen Feſte eine Beziehung 
auf die religiöjen Geſchichtsſhatſachen. Rein ber 
erjten Art gehören an bie Feſte der Neumonde 
und Pfingften, als Erndtefeit; die Vermiſchung 
eigt ſich im Sabbath als göttliher Jnftitution, 
Daffa und Laubhütten. Das Verjöhnungsfeft 
feiert die Durch Die Offenbarungsgefchichte beftimmte 
religiöfe Stellung des Volks zu Gott. Die drei 
Feſte des bag a der Wochen oder Pfingften und der 
Zaubhütten find Mallfahrtöfefte, weil an ihnen die 

anze Gemeinde ſich ums Heiligthum verfammeln 
ol. Da von den Neumonden der bes 7. Monates 
ald der Anfang des neuen Jahres, Tag des Po: 
aunenhallg, blonden ausgezeichnet war, während 
ie Feier der übrigen zurücktrat; da ferner Pafſah 
und Laubhütten ſieben Tage gefeiert wurden, an 
bad Laubhüttenfeft ji) der Tag der Feftverfamm: 
lung MSV anfdloß und bei dieſen Feſten ber 
erfte und legte Tag befonderd heilig gehalten 
wurde, jo kehrt auch im Fyeftcyllus des Moſes die 
eilige Siebenzahl wieder: 1) der 1. Tag bes 
fiah * Niſan); 2) der 7. (21. Nifan); 3) das 
Wochenfeſt oder Pfingjten, fieben Woden nad) 
dem Paſſah; 4) der Neumondjabbath ; 5) der Ber: 
föhnungstag; 6) der erite Tag der Laubhütten; 
7) der Tag der Feltverfammlung. Die Feſtfeier 
beftand in der Enthaltung von der Arbeit, am 
erg wg wie am Sabbath von aller 
Arbeit (3. Moſ. 23, 2. 31), an den andern von der 
Dienftarbeit (3. Mof.23,7. 8; vgl. 4. Mof. 28, 18), 
und in bejondern Opfern und Feftgaben. Da die 
Beitbeftimmung der Feier von der Berechnung des 
Neumondes abhing, jo erklärt ſich aus der Unficher: 
heit der Berechnung die Sitte der jpätern Juden, 
um nicht fehlzugreifen, die betreffenden Tage dop— 
pelt zu feiern. Aus den hiſtoriſchen Büchern des 
Alten Teitaments läßt fich Die ununterbrochene Feier 
aller diejer Feſie weder bemeifen noch bejtreiten, 
ba fie nur hie und da erwähnt werden. Im Ban 
ftänmereih verlegte Jerobeam das Hüttenfeſt 
(1. Kün. 12, 52); auch da wird eine Mehrzahl der 


256 


Feſte, religiöſe 


Feſte erwähnt. Aus dem Umſtand, daß von Jo: 
jua bis Rehabeam ſich fein Zeitpunkt findet, in 
den bie Einführung eines ber nur gelegt 
werden könnte, erweift fi) das hohe Alter des 
er — Sin der fpäteren Zeit wurde der 
tebente Neumond zum Neujahröfeft, es ift unge: 
wiß warn dies gejchehen. Zu den Fefttagen tıa- 
ten dann hinzu die Trauer» Gebenttage: 1) beö 
Eindringens der Chaldäer in Jerufalem am 9. des 
4, Monats, 2. Kön. 25, 3; Ser. 52, 6.7; 2) der 
Zerſtörung Jerujalems, Jer. 52, 12; vgl. 2. Kön. 
25,8; 8) ber —— Gedalja's, 2. Kön. 
25, 25, im 7. Monat; 4) bes Beginns der Bes 
lagerung von Jerufalem, 2. Kön. 25, 1, am 10. 
Tage des 10. Monats. Mit den Gevenktagen der 
Berjtörung Jerufalemd verband ſich fpäter die 
Erinnerung an die Eroberung und Verbrennung 
des Tempels durch die Römer, weldye in diejelben 
Monate gefallen war. Stiftungen der jpätern 
Zeit find das Burimfeft, Efther 9, 24. 26 ; 2. Mall. 
15, 36, defjen Beranlaffung dad Bud Ejther er: 
zählt; das Feſt der Tempelweihe, Enlänien, von 
Judas Maktabäus angeordnet, als er 164 v. Chr. 
den Tempel dem Sn wieder gewonnen 
hatte (ſ. d. A.). Außer diefen werden nod er: 
wähnt: bie Erinnerungsfeier an den Sieg des 
Nilanor, 1. Maft. 7, 49; 2. Malt, 15, 36; an 
die Reinigung der Burg durd Simon, 1. Walt. 
13, 52; an die Ermordung des Holofernes durch 
Judith (nur in der Bulgata, Zub. 16, 81). Das 

olzfeft, Neh. 10, 35, wird von Joſephus und dad 

orbfeft, 5. Moſ. 26,1 ff., nur von Philo erwähnt. 
Unbelannt ift die Zeit der Einführung des Feſtes 
ber Gejegeöfreude am 9. Tage ber Yaubhütten; 
e3 hängt zufammen mit der Einführung der Pa: 
rajhen, deren Jahresvorlefung an bem Tage ge 
ſchloſſen wird. Die heutigen Juden feiern im Do: 
nat Rijan den Sabbath vor dem Paſſah, und das 
Paſſah den 14. — 22, Am 18. Jjar oder am Lag 
b'omer endigt bie Trauerzeit vom 16. Nijan bis 
17. Jjar zur Erinnerung an die Epidemie unter den 
Schülern Rabbi Atiba’s. Am 6. und 7. Sivan Pfing- 
ften. Am 17. Thammus die Eroberung Jerufa- 
leınd, an ben fid) die Trauerzeit ſchließt bis zum 9. 
Ab, Tag der Zerftörung Jerufalems. 1.und2.Tijri 
Neujahrsfeit, 3. Falten Gedalja, 10. Verfühnungs: 
feſt, 15.—22. Laubhüttenfeft, 23. Gejegesfreude, 
25. Kislev Tempelweihe, 10. Tebeth Belagerung 
Serufalems durch die Chaldäer, 13. Adar Faſten 
Eſther, 14. und 15. Burim. 

Die hriftlihe Gemeinde, welche nur die Ent: 
wiclelungsmomente in der Heilögejchichte und im 
Leben Chrifti feiern konnte, behielt eben deshalb 
aus dem jüdifchen Feſtcyklus nur die beiden Tage 
des Paſcha und der Pfingften bei, gab ihnen aber 
einen andern Inhalt. Hierzu trat das Felt der 
Erſcheinung Eprifti und jeirfer Himmelfahrt, fpä 
ter Weihnachten, nachdem das Paſcha ſchon in das 
NEOyYa GTaVpWTEwWS Und dvastisewg, Charfreitag 
und Dftern, zerfallen war. Indem nun die Haupt: 
fefttage in der Octave eine Nachfeier und Weib: 
nacht und Dftern eine mehrwöchentliche Vorberei 
tungszeit erhielten, bildeten ſich die Feſtlreiſe der 
Weihnadhts:, Dfter: und Pfingitzeit; die Octaven 
wurden als Feſt der Beihneivung oder Neujahr 
und ald Dreifaltigkeitöfeft jelbftändige Feiern, die 
Adventd: und Faltenjonntage hoben fi aus an: 
deren hervor und namentlich gipfelten die Fajten in 
der Feier der großen (Dfter:) Woche. Die römiſche 


Feftungen bei den Hebräern 257 Feuer 
wie bie evangelifche laſſen ald Vorbereitung; daß eigentliche Feftungen entftanden ſchon durch 
— — en te Sonntage: ee Salomo, meh nod nach dem Dide Mauern 
mihi (nad) Pf. 31, 2), Invocavit (Pf. 91, 18), | (2. Chr. 32,5; Ser. 51, 58), welche mit Binnen 
minifcere (Bj. 25, 6), Dculi (Pf. 25, 15), Zätare | (2. Chr. 26, 15), Brufimehren (Je. 54, 12) und 
(Jef.54,1), Judica (Bi. 43,1), Palmarum (Matth. | Thürmen (2. Chr. 14, 7) verjehen waren, umgas 
21), und folgen bie Sonntage: Dominica in albis | ben die Stabt; über den mit Eifen befchlagenen 


(Bi. 98, 1), Rogate (Jeſ. 48, 20), Eraudi (Bi. 
27, 7), welhen das Himmelfahrtöfeft, Pfingiten 
und Trinitatis folgen. Dagegen jchlic 5t die römische 
Kirche ben cytlus, und bamit bad semestre 
Domini nicht mit Trinitatis, fonbern mit demFrohn⸗ 
leihnamfeft am — er ler 
ieſen ging aus dem Gedächtniß der Märtyrer 
und ber heiligen Perſonen noch eine große Anzahl 
verein e hervor : die Marien, Johan: 
niös, Apoftel:, Evangeliftens und Märtyrertage, 
Michaelis und Aller a Sa nad ber 
ſchauung der Kirche fol je m (feria) ein Feſt⸗ 
tag fein, der durch dad Gedächtniß eines Heiligen 
geziert wird. Die ie Unmoͤglichleit hat Die 
Unterfhiede hervorgerufen zwiſchen festa chori 
und fori, d. 5. welde nur ber Klerus im Gottes» 
dienft und melde aud das Voll feiert. Ganze 
und halbe Feſte (ferise integrae et intercisae), 
je nahdem nur Vormittags: oder auch Nachmit- 
gottesdienft ift, und festa simplicia, du- 
plieia und semiduplicia ee ber Solenni⸗ 


en 
figentage, doch b in der luth —X 
e, l n e irche 

Tage der Maria, bed Johannes u. a., mi 


der firchlichen Feſte 
rch den Staat macht dieſe zu öffentlichen, deren 
* durch Enthaltung von der Arbeit vom Geſetze 
— wird. Vgl. Auguſti, Denlwürdigkeiten. 
gen bei den Hebräern. Jede Stadt war 
in der Regel einigermaßen befeſtigt; die Nothwen⸗ 
gleit der Friegerifchen Zeiten gebot aber die 


- —— der Nachfolger des 


(Jeſ. 45, 2) feften Thoren erhoben fih Wacht⸗ 
tbürme (2. Sam. 13, 34), außerdem war ein Gras» 
ben mit Wall gezogen. Bei der Belagerung wurbe 


bie Stadt war dur einen Wall eingeichloffen 
(2. Sam. 20, 15), man ſuchte dann durch Anwen⸗ 
dung von Velagerungsmajchinen (1. Maft.11,20; 


Ez. 4, 2) oder Miniren eine Brefche zu gewin⸗ 
nen, oder (Richt. 9, 49) durch angezündete Holz 
ftöße den Play zu zerftören. Wie die Belage- 
rungskunſt fi ausbildete, erwuchſen auch neue 
Mittel des Widerftandes; in Jerujalem entjtans 
den hinter den erftürmten Werfen neue Mauern 
und Wälle. Siebendes Del auf die Stürmend:n 
zu gießen, war eine häufigere Vertheidigung, auch 
Steine und Balken zu jhleubern. Da die Pılas 
gerungen oft jehr lange währten, fonnte der Feind 
auf bie entftehende Hungerdnoth rechnen. Die Ber 
banblung ber mit Sturm genommenen Stäbte 
war graufam, fie wurden zerftört und bie Ein» 
mohner erſchlagen ober in bie Sklaverei verfauft. 
Die ftärkfte Feitung in PBaläftina war Jeruſalem, 
an befien Be efigung fhon David arbeitete; 
außerdem Machärus, Maſada. Die Burg Antonia 
ftellt die Citadelle Jerufalems vor. 

ſtus, M. Porcius, Als Procuratnr von Pas 


I Gegen die Sicarier hatte er, wie Felix, zu 
fämpfen. 
Fetiſchismus. Diejenige niebrigfte Form ber 
Religion, welche in der Anbetung eines „Fetish“ 
teht, d. 5. irgend eines durch Kunft oder Natur 
i —— — Gegenſtandes, dem man Zau⸗ 
erkraft beilegt und abgöltiſche Verehrung widmet. 
Er entſteht auf der Culturſtufe, auf welcher der gei⸗ 
ſtige Horizont noch nicht über die Einzelheiten der 
unmittelbar umgebenden Sinnenwelt hinausreiht; 
da3 angeborene Gottesbewußtſein kann Daher noch 
nicht zum Gedanken des Ueberfinnlichen oder Ab: 
foluten gelangen, jonbern bleibt gleichſam von der 
Sinnenmwelt in ber Art gefeflelt, daß der Menſch 
in gewiſſen Theilen der Sinnenwelt den Gegen: 
ſtand feiner Gottesahnung zu erfennen glaubt und 
dieje verehrt. Diejen hölgernen und fteinernen es 
tiſchen (Bögen), die gewöhnlich fich durch Häßlich 
feit auszeichnen, werden Zauberfräfte zugefchries 
ben, ganz in ber Art, wie ber Aberglaube über: 


paupt gewiflen irdifhen Dingen Zauberkräfte 
eilegt, nur daß der getif ismus barin die Relis 
gion aufgehen läßt. Die des Natür: 


cheidun 

lichen und Uebernatürlichen iſt aber to wenig llar, 
daß derjelbe Menſch, der den Fetifch anbetet, dens 
jelben um getäuſchter Erwartungen willen auch 
itrafen Tann. 

Feuer darf am Sabbath nicht engezüindet wer: 
ben, 2. Mof. 35,3, muß aber auf dem Brand: 
opferaltar ohne Unterlaß brennen, 3. Moj. 6, 13. 
Den Schaden, welden ein auf dem Felde unvor: 


dte und Grenzörter beſſer zu-fichern, fo'fichtig.bemachtes Feuer anrichtet muß — Anſtifter 
7 


Feuerbach 


erfegen. 2. Moj. 22, 5. Durch Yeuerfignale wurde 
der Eintritt ded Neumondes im Lande befannt 
gemacht. 

Feuerbach, Ludwig Audreas. Ein durch ſeinen 
Radicalismus belannter Religionsphiloſoph, Enkel 
des berühmten Eriminaliften Paul Anſelm F. und 
Sohn von Friedrich Heinrich F., einem Philologen, 
wurde geb. den 28. Juli 1804 zu Ansbad. Seit 
1828 Privatdocent in Erlangen, zog er fi 
bald ins Privatleben zurüd, indem er fih aus: 
Frage der Schriftjtellerei widmete, Feuerbach 
übhrte den mit Strauß „Leben Jeſu“ und „Olau: 
denslehre” begonnenen zerjegenden Prozeß bes phi⸗ 
Iofophijchen Dentens auf feiner Bahn zum Nihilis⸗ 
mus meiter. Wie Strauß, jo a auch F. an die 
Hegelſche ne an. Die Religion beftimmte 
er ald „das Verhalten des Menſchen zu fich felbft, 
oder zu feinem Wefen, aber ald zu einem andern 
Weſen,“ d. 5. als eine aus der Phantafie und aus 
der jelbfijüchtigen Sehnſucht nad) einem Lohn im 
Jenſeits entfprungene Selbfitäufhung. Als bie 
ga Aufgabe feiner Zeit betrachtet F. daher bie 

efreiung von der Knechtſchaft diefer Selbfitäu: 
fung und bie riesige Da Idee Gottes 
auf ihre rein pinotogifche deutung, als ein 
Berhältniß des einzelnen Menſchen zum Menfchen 
als Gattung. Seine Hauptigriften find: Geſchichte 
ber neuern Philoſophie von Bacon bis Spinoza, 
1833. Darftellung, Entwidlung und Kritif ber 
Leibnitzſchen Philoſophie, 1837. Pierre Bayle, 1838. 

ad Wejen des Chriftentbums, 2. Aufl, 1843. 
Grundfäge der Philofophie der Zufunft, 1843. 
Gedanken über Tod und Unfterblichteit, 1847. Das 
Weſen der Religion, 2. Aufl. 1849. Theogonie 
nad ben Quellen des Haffifchen, hebräiſchen und 
chriſtlichen Alterthums, 1857. Sämmtliche Werte, 
Y Boe., Leip ro 1546-1857, 

Feuerpfuhl (Adusn roö nrupös) ift nad) Dffenb. 
19, 2) der Ort, wohin beim Gerichte das Thier 
und die fatichen Propheten verftoßen werden. 

Feuerprobe. S. Ordalien. 

Feuertauſe. S. Märtyrer. 

Feuertod war die von einem firchlichen Ge: 
richte verhängte Todesitrafe und wurde durd) Ver: 
brennen auögeführt nad) dem Grundſatz: ecclesia 
non sitit sanguinem. 

Feuer: und Wolkenſäule. Den Sfraeliten ging 
auf dem Zuge in der Wüfte bei Tag eine Wolten:, 
bei Nacht eine Feuerjäule vorher, 2. Moſ. 13, 21; 
40, 34—37; 4. Mof. 9, 15—23; diente auch dem 
Bolke zum Schuß, 2. Mof. 14, 20. 24. Wäre die 
Angabe wörtlich aufzufaffen, fo bliebe 4. Mo. 
10, 249—32 unerklärbar. Ebenfomenig hat man 
nur an bad Karawanenfeuer zu denken; die Erzäh: 
lung ift die mythiſche Einkleidung der religiöfen 
Erfahrung, dab der Wüſtenzug von göttlicher Vor: 
feyung fo geleitet gewejen ıjt, daß er der religid: 
yen ae Jiraeld diente, und daß Iſrael die 
stvaft feiner Ausdauer in feinen Glauben an die 
göttliche Leitung gefunden habe. 

‚ Senillanten. Cine Congregation der Gifter: 
<tenjer in der Abtei von Feuillans bei Touloufe. 
Wejtiftet von dem Abte Jean de la Barriere (geb. 
1544), welcher die Abtei als Commende erhalten 
hatte, als 1562 der Abt Erafjol zum Protejtantis: 
muß übergetreien war. Seine Neform begann 
1674 unter großem Widerſpruch feines Drdens, 
dod) bejtütigte der Papſt diefeibe 1586 und 1587, 
und Clemens VIIL gib der Gongregation die 


205 


Fichte 
Rechte eines eigenen Drbend. Als 1595 bie ftren- 
gen Regeln etwas gemildert waren, wuchs bie 
vr ihrer Klöfter noch mehr, jo daß Urban VIII. 
te in zwei Congregationen, die franzöſiſche und 
die italienifche, jede mit eigenem Generale, theilte. 
Auch Schweitern ſchloſſen fih den Feuillanten an, 
diefe hatten Klöfter zu Montesquiou, Touloufe 

und Paris, 
epre. ©. Faber Stapulenſis 

ichte, Johann Sottlieb. Berühmter Bhilofoph, 
eb. den 15. Mai 1762 zu Rammenau in ber 
berlaufig, ſtudirte feit 1780 zu Jena Theologie, 
bie er jedoch bald mit der Philoſophie vertaufchte, 
friftete dann feine ginge vers Hauslebrer in Sad: 
jen, in der Schweiz, in Warſchau, in Königsberg, 
wo er Kant kennen lernte und jeine Schrift „Kritik 
aller Offenbarung“ veröffentlichte, in welcher er bie 
Möglichkeit einer Offenbarung als Forderung der 
praftiihen Vernunft nachwies. In Folge diefer 
Schrift erhielt ee 1794 einen Ruf als Profeffor nad 
Sena, mo er feine Philoſophie weiter durchbildete 
und bereit8 über Kant, von dem er ausgegangen 
war, binausfchritt. In die Jenaer Zeit fallen feine 
„Wiſſenſchaftslehre“ 1794, jein „NRaturrecht” 1796, 
feine „Sittenlehre" 1798. Eine ald Atheismus ınip- 
verftandene Erörterung liber Gott in einem Auf 
fa „Ueber den Grund unferes Glaubens an eine 
öttliche Weltregierung” in feinem „Philoſophiſchen 
Souenaf“ 308 —* Unlerſuchungen zu, die ihn ver: 
anlaften, von Jena mwegzugehen, worauf er fi 
Ku 9— Berlin wandte. Nachdem er mehrere 
ahre in Berlin privatifirt hatte, wurde er 1805 
Brofefjor in (dem damals noch preußifchen) Erlan⸗ 
en, von wo aus er übrigens häufig noch Vorträge 
in Berlin hielt, befonders 1807 die berühmten „Re: 
den an die beutfche Nation“. 1809 an bie neu er: 
öffnete Univerfität Berlin berufen, wirkte er da— 
ſelbſt bis an fein Lebensende, 28. Jan. 1814. 
Fichte’? philofophifches Syftem war ein confequent 
durchgeführter Idealismus. Indem Kants Kritik 
den Sag aufftellte, daß der Menfch dad Ding immer 
nur unter den im Menfchen felbjt liegenden Er: 
fenntnigformen von Raum und Zeit erkennen 
fünne (transcendentaler Jdealismus), ließ Fichte 
da3 „Ding an fich” überhaupt fallen und faßie die 
Außenwelt als ein Erzeugniß des Ich auf, welches 
nicht bloß die allgemeinen Kategorien von Raum 
und Zeit in ſich ſelbſt trägt, fondern aud die ein: 
zelnen Gegenftände der —— durch eine ge⸗ 
wiſſe nothwendige Selbſtbeſchränkung aus ſich er- 
zeugt. Für und fommt hier beſonders feine ſittliche 
und religiöfe Stellung in Betracht. H. Ritter hat 
ihn mit Recht „den großen Ethiter“ unter den Phi- 
lojophen genannt, das Religiöje war ihm immer 
damit enge verbunden, wurde aber fjpater völlig 
der Mittelpunkt auch der fittlihen Betrachtung. 
Nod) immer werden feine mehr populären Schrif: 
ten jittlich ftärfend und heiligend auf die empfäng: 
lihen Gemüther wirken. Nicht genug fann dafür 
z. B. feine „Bejtimmung des Menſchen,“ die zu: 
gleich in feine Weltbetrachtung einleitet, empfohlen 
werden; ebenjo feine „Anweiſung zum feligen 
Leben.“ Zu leichterer Drientirung wird Trendelen: 
burgs Rede über Fichte 1862 (ſowie die von Schel⸗ 
fenberg 1862 und Weiffe 1862 und viele andere 
deſſ. Jahres) befonderd dienen. Ebenfo: J. ©. 
ini Lichtftrahlen aus feinen Werfen und Brie- 
en nebft einem Lebensabriß, Leipz. 1863, und J. 
G. Fichte's Leben von jeinem Sohne, LZeipz., 2 


Fichte 


Boe., 2. Aufl. Leipz. 1862. Die fümmtlichen Werte 
fomwie jpäter fein Nachlaß find von feinem Sohne 
—— 

Fichte, Immanuel Herme.ın. Sohn des Vori⸗ 
gen, geb. 18. Juli 1797 zu Jena, ſeit 1842 Pro⸗ 
feſſor der Philoſophie in Tübingen, jetzt in Pen- 
ſionsſtand. Einer derjenigen beutfchen Bhilofophen, 
die am meiften dazu beigetragen Specu⸗ 
lation und echtes Chriſtenthum einander näher 
zu führen. Von ſeinen Schriften ſind zu nennen: 
Beitrag zur Charakteriſtik der neuern Philoſophie, 
2. Aufl. 1841. Das Erkennen als Selbſterlennen, 
1839, Die Ontologie, 1836. Die fpeculative a 
logie, 1846. Syftem der Ethik, 1850-1853. Ans 
thropologie, 1858. Die Idee der Perfönlichkeit, 
3 


; 2. 1867. 
icinus, Marfiliuß. Geb. ben 19. Dct. 1433 
zu Florenz. 18 Jahre alt fam er in bad Haus des 
Tosmus von Medici, defjen Söhne jeine Zög- 
linge wurden. Nach mehrjährigem Stubium ber 
Platoniſchen Philojophie trat er als deren öffent: 
licher Lehrer zu Florenz auf, um den fich bald eine 
Menge begeifterter Schüler fammelte. Er erhielt 
die Priefterweihe, wurde Kanonikus und Delle 
mit vielem Beifall. 71499. Er ſuchte Philoſo⸗ 
bie und Religion zu durchdringen und bejtrebte 
ich, die Vereinbarkeit der Platonifhen und Neu: 
platonifchen Philoſophie, die er nicht unterſchied, 
mitſdem Chriftentyume zu zeigen. Seine Haupt: 
f&riften find: Institutiones ad Platonicam dis- 
eiplinam, Theologia Platonica und De relig. 
christiana, nebft vielen Ueberjegungen und Com: 
mentaren platoniſcher Schriftei. Seine Geſammt⸗ 
— erſchienen: Venedig 1516, Baſel 1561, Paris 

41. 


idelis non Sigmaringen (Marcus Roy). Geb. | und 


1577, ftudirte er Jura, trat aber, um nicht gehins 
dert zu fein, Gott zu dienen, in den Gapuciner: 
orben 1612, ftudirte dann Theologie und ward 
Guardian zu Feldkirch in Vorarlberg, wo er ſich 
durch Treue ber Seelforge auszeichnete. Als Defter: 
rei 1621 Engadin und Prättigau erobert hatte 
und gewaltfam zum Katholicismus zurüdführen 
wollte, ward F. als Miffionäprediger dorthin ge: 
jandt 1621 und 1622, wurde aber am 24. April 
1622 mit den ihm zum Schuß beigegebenen Solda⸗ 
ten von ben aufftändifchen Prättigauern erfchlagen. 

Fid2les compagnes de J6sus, treue Gefähr: 
tinnen Jeju, En eine noch beſtehende Frauencon⸗ 
— in Frankreich. 

idelissimus rox. ©. Allergläubigfter König. 

Flojſchi · Inſeln. Unter ben wilden, dem Ganni: 
balismus ergebenen — haben die Metho⸗ 
diſtenmiſſionen ſeit 1822 ſolchen Erfolg gehabt, daß 
das —— allgemein angenommen iſt. 

igural Belang, Ruf ef 
gural-Gefang, » . S. Gefäng, Muſil. 
igurata. ©. Bibeliberjefungen. 

Filiale (Tochterkicche) bebeutet eine ſolche Kirche, 
welche, von einer andern Pfarrei "ubhängig, von 
dort aus, fer ed durch Excurſionen bes * 
ſei es durch ——* iche, ehen wird. Die 
Filialiſten gelten als Glieder der Parochie und tra⸗ 

en nach katholiſchem Kirchenrechte zu den Bau: 
often der Muttergemeinde bei. Filialparochien im 
eigentlichen Sinne find nicht annehmbac. 

Filioque. ©. Zrinität. 

_ Findelhäufer, worin Findel, d. h. ausgeſetzte 
Sinder, aufgenommen und erzogen werben, find 


259 








Firmung 


unterfchieben von den Waifenhäufern, bie frei- 
lid mandmal demjelben Zwede dienen müljen. 
Schon in einem Gejege Jujtiniand werden eigent- 
lihe 5. erwähnt, body blieben fie jelten. Das groß: 
artige F. zu Venedig wurde 1426 geftiftet. Grohe 
Berdienfte um die Gründung folder Anftalten er: 
warb fi) Bincenz von Paula, der feinc erfte in 
Marfeille erbaute und den Orden der soeurs de la 
charit& et de l’asile des enfants trouv6s ftiftete. 
5: find eine fprechende Anklage gegen die Sittlich- 
eit des Volles, aber ein redendes Zeugniß von 
dem barmherzigen Geifte bed Chriſtenthums. — 
indelfinder werden getauft, wenn nidt ein be— 
—— Beweis der bereits geſchehenen Taufe 
vorliegt. 
— S. Ringe. 
innen. Ansgars Wasthauigkeit hatte Finn⸗ 
land nicht erreicht, und die fpätere Miſſionsarbeit 
ber Deutſchen gs nicht über Efthland und Finn: 
land hinaus. Wie lb follte die Eroberung bed 
Landes durch die Chriftianifirung befeftigt und be⸗ 
ſchützt werden. König Erid) IX. von Schweden un- 
ternahm, begleitet von dem kriegeriſchen Bischof 
Heinrich, einen erften *3 — Finnen, 
ließ nad) einem Siem Blutbade die Mebriggeblie: 
benen durch den Bifchof taufen (bei Zupifala) und 
ründete den Bifchofsfig zu Rendamedi, der fpäter 
360 —* Abo verlegt wurde. Heinrich wurde von 
einem beleidigten Edelmanne erſchlagen 1158; hei⸗ 
lig geſprochen, wird er ald Schutzpatron Finnlands 
verehrt. Die wirkliche Belehrung des Volles ging 
jehr langfam, auch troß der ruſſiſchen Niederlaftung 
in F. um 1174, und fand hartnädigen Wiberjtand 
namentlich bei den Huren und Tamaften. 1249 
machte Jarl Birger gegen bieje einen -Kriegözug 
g die Annahme des Chriftenthums, 
jedoch wurde eine dritte Unternehmung noth⸗ 
wenbig, zu welcher der Papſt den Beiftand der 
Kreuzzugsprivilegien gab und melde der Reichs⸗ 
marjhall Torkel ausführte. Das —— og 
ſich in den höchſten Norden zurück. Mehrere — 
wurden erbaut, das Capitei und bie Domſchule zu 
Abo gelangten zu großem Anfehen. Die Reforma- 
tion fam von Schweden nad) Finnland. Die Kirche 
ift lutheriſch und fteht unter den Bischöfen zu Abo, 
* und Kuopio. 
uſterniß. S. Erdbeben, Sonnenfinfterniß. 
intan. Stifter des*Klofters Rheinau. Aus 
Schottland ftammend, wurde er.von Normannen 
efangen, aber auf wunderbare Weife befreit. Auf 
feinen Reifen fam er auf die Rheininfel, auf wel⸗ 
her eben der Welfe Wolfen dad Kloſter baute, 
deffen Seele er nun wurde. In ftrengjter Askeſe 
lebte er hier ald Klaufner von 856—878 und wurde 
noch lebend als Heiliger * 
Firmilian, Biſchof von Cäſarea in Kappadocien, 
war ein Freund des Origenes und ſtand in gro: 
Bem Anfehen bei den Zeitaenofien. Es ift in den 
Werfen Cyprians ein Brie) vor. ihm in lateinifcher 
| Ueberjegung erhalten, in welchem er fich gegen die 
Gültigkeit der Kegertaufe und gegen die römifche 
* und Anmaßung ausſpricht. F. ſtarb 269 zu 
arſus. 
Firmung iſt dad Sacrament der katholiſchen 


| Rice, in welchem ben Getauften der heil. Geift 


—X* wird. Die Spendung geſchieht durch 
den Biſchoſ mit dem Ritus der Handaufleguug, der 
Salbung mit —— und eines leichten Backen⸗ 
ſtreiches. Ob die Materie des — in der 


Fiſch 
Handauflegung, oder in den: geweihten Del, ober 
in beidem beſtehe, ift zweifelhaft. Begrlindet wird 
die F. auf Apftg. 8, 14—17; 19, 1—6; 2. Kor. 1, 
21. Ay dei lmernge Daß fie yon Chriſtus 
eingefegt jet, wird banad) ald gewiß angenommen. 
In der griechiſchen Kirche tft die Handauflegun 
der F., die durch den Prieſter gefchieht, unmittel: 
bar mit ber Taufe verbunden. Die evang. Kirche 
verwirft die Firmung. Nach der ihr in Beziehung 
auf die Kindertaufe innewohnenden Bedeutung 
wird fie durch die Eonfirmation erfegt. — Aud) bei 
ber Firmung finden zwei Pathen Anwendung und 
dies Verhäliniß begründet geiftlihe Verwandt: 
ſchaft. S. Compaternität. 

Fiſch. Der Fiſch war eine en Speife, 
fhon in Aegypten, 4. Mof. 11, 5; Matth. 7, 10; 
14, 17. Das et verbot nur die Fiſche ohne 
Schuppen und Floßfebern, 8. Mof. 11,9—12, zum 
Opfer wurden fie aber nicht verwendet. Bei den 

iliftern erfcheinen in den Gottheiten Dagon, 

erceto, Atergatis Fifchgeftalten. Den Yuben 
werden Theile des Filches zu Zaubermitteln, Tob. 
6, 6. 175 8,2; 11, 11—13. Fiſcchreich war der See 
Genezareth, dagegen hat das Tobte Meer nur an 
ber Jordanmündung File. Zum „Selen, be: 


diente man fi ber Netze, Reufen, Hafen’ und 
a Jefus die Apoftel Menſchenfiſcher 
nennt, ift ber Fiſch das Symbol ber Chriften ge: 
worden, auch Chrifti felbit, da die Buch des 
iechiſchen Wortes dysus die Jnitialen zu ber 
ormel ’Insoös Xpıorög HEod vlog awrne, Jejus 
hriſtus Sohn Gottes Erlöfer, geben. 
iſcherring. S. Annulus piscatorius. 
ifher, Johann. Biſchof von Rocheſter. Geb. zu 
ey in Berti 1455 oder 1459, ward er 
Kanzler der Univerfität Cambridge, Beichtvater 
der Mutter — VII., Bilhof von Rocheſter, 
und ſtand Heinrich VIII. der ihn ſehr ſchätzie, bei 
ber Abfaſſung des Buches De septem sacramentis 
bei. Da er aber die Scheibiing des Königs von 
Katharina nicht billigte, fiel er in Ungnade. Der 
Berbindung mit der angebliden 2 een Eliſa⸗ 
beth Barton, die den König durch Weiſſagungen 
von ſeinem Vorhaben abzubringen ſuchte, und des 
Hochverraths angeklagt, wurde er eingelerkert. In 
ne Ernennung zum Gardinal fand Heinrich 
III. ven Beweis, daß er bie geiftliche Oberherr: 
haft des Königs nicht anerfenne, ließ ihm den 
rozeß machen und ihn enthaupten 1535. Er ftarb 
mit chriſtlichem Heldenmuth. Seine Schriften ge- 
gen die Reformation find 1597 zu Würzburg ber: 
u Bol. Kerker, J. Fiſher, Tüb. 1860. 

Fiflula. Die Saugröhre, deren ſich die römische 
Kirche vor der Keldyent * bei der Commu— 
nion bediente, um ein Verſchütten des geſegneten 
Weines zu verhüten. 

Flachs wurde nicht bloß in Aegypten, ſondern 
auch in Paläſtina (of. 2,6; Hof. 2, 7) gebaut, 
und von den Weibern zu Kleidern * Sam 6, 14; 
Ez. 44, 17), Seilen (Richt. 15, 13) und Dochten 
(Jeſ. 42, 3) verarbeitet. Das feinfte Leinen bezog 
man aus Aegypten (Byffus) ; Arme trugen Kleider 
aus ungeröftetem Flachs (Sir. 40, 4). 

Flacıus, Matthias, Jlyricus. Der befannte un: 
ermüdliche, aber leidenfchaftliche Eiferer für reine 
evangeliihe Wahrheit, die er in Luthers Lehre 
fand, welche er gegen Dfiander, Major, Striegel 
und Schwentjeld mit bemjelben Eifer vertheidigte, 
mit dem er Melanchthon und das Interim be: 


Harpunen. 


260 


Flatt 


kämpft hatte. Seine Behauptung, in der erL 

Lehre von der Erbfünde auf die Spike trieb, daß 
bieje nicht etwas Mecidentielles, ſondern etwas 
Subftantielles im Dienfchen fei, ließ ihn das Leid 
ats daß er, der Vorkämpfer der Orthodogie, 
felbft als manichäifcher Ketzer angefeindet und fo: 
gar von früheren nben gemieben wurbe. Geb. 
zu Albona in Illyrien 1620, wollte er aus Liebe 
zur Religion und zur heil. Schrift in ein Klofter 


faldifchen Kriege begann die Unruhe feines fpätern 
Lebend. Bon der Flucht nach Braunfchweig 1547 
nad Wittenberg mit den andern Lehrern zurüd 
gelehrt, verließ er jeine Stellung wegen bed Leip: 
ziger Interims und ermahnte in —— zum 
treuen Aushalten gegen den Kurfürſten 
1557 Profeſſor in Jena, ward er 1561 entfegt, w 
er fih der Beichränfung der alabemifchen Freihei 
durch die Genfur eined Conſiſtoriums widerjete. 
Seine übrigen Jahre brachte er in Regens 
Amfterdam, Frankfurt und Straßburg zu, gequ 
von immer drüdenderen häuslihen Sorgen. Er 
ftarb, von Allem entblößt, 1575 zu Fra im 
Hofpital. Sein Hauptverdienft ift die Herausgabe 
der erg nd Eenturien. Zuerwähneniftaußer 
feinen vielen Streitjchriften die Clavis scripturae 
sacrae, wo in einer beigegebenen Abhandlung 
er Lehre von der Erbfünde entwidelt wird. Biel: 
ad) verfannt, ift F. richtig gewürdigt von Twe⸗ 
jten, „M. Flacius Illyricus,“ eine Borlefung, 
Berlin 1844. 

©. Tanne. 


laddernholz. 
Siaehante, ©. Geißler. 


laminius, M. Antonius. Geb. 1536 zu Bo: 
logna. Ein Geiftlicher, angefehener Gelehrter und 
lateinifher Dichter feiner Seit, lebte er zu Viterbo 
und Ferrara. Er gehörte zu dem Kreife der evan: 
geliich Gefinnten am Hofe zu Ferrara und bewahrte 
diefe Gefinnungen, ſchlug bie ihm angebotene 
Stelle eines Secretärd beim Concil von Trient 
aus, und vermieb in feinem Glaubenäbefenntnik 
aufdem Sterbebette das Wort transsubstantiatio. 
Auf Anregen des Cardinald Polus Hatte er die 
Palmen frei ins a gap 
Slatt, Joh. Friedrih, Dr. Geb. am 20. Fehr. 
1759 in Tübingen, ward er 1785 Profeſſor der 
Philoſophie dafelbft, 1792 der Theologie. + am 
24. Nov. 1821. Ein Schüler Storrs, gehört er der 
fupranaturaliftifhen Richtung an, welche eklektiſch 
die Refultate der Philoſophie mit dem pofitiven 
Glauben zu vermitteln ſuchte. Als Profeſſor der 
Philofoph.e führte er die Kantſche Philoſophie in 
Tübingen ein. Sein jpäteres Hauptfach war bie 
riftliche Sittenlehre. Seine —— über dies 
jelbe gab heraus Steubel 1823. — Karl Chri— 
ftian $., der Bruder des Vorigen, geb. 1772 in 
Stuttgart, war gleichfalls Profeſſor der Theologie 
in Tübingen und Anhänger Storts, deſſen doc- 
trina christ. ev überfegte und herausgab. Wurde 
1812 Stiftöprebiger und Oberconfiftorialrath, 1829 
Director des Oberftudienrathes und Generalfuper: 
intendent von Ulm. + 1843. 


Flattich 
ZFilattich, M. Joh. Friedr. Geb. am 3. October 
Be nen en 1742 Garnifonprediger 
auf An, 1747 Pfarrer zu Metterzimmern, 
1 ündhingen. 7 1797. In feiner Perjön: 
hat fic) der Würtemberger Pietismus nad) 
praftiichen Seite in origineller Weije abge: 
Ueber Flattih3 püdagogijche zu 

vgl. Schmidt, Encyflopädie II, 382; ar 
Lebderhofe, Leben und Schriften des M. J. x 

‚ Heidelberg 1856, 3. Aufl. 
avianus, Clemens, consularis, war ein Bru: 
ohn Bespafians,‘der, mit feiner Gemahlin 
dem Chriſtenthum zugeneigt, unter der 
Anklage der Gottlofigkeit von Domitian hingerich⸗ 
tef wurbe 96. Seinen Tod rächte durch Ermor: 
dung des Domitian Stephanus; ein Freigelaffener 
und Güterverwalter der Domitilla. 

Flavianus, Patriard) von — Ein Geg⸗ 
ner der Arianer, wurde er 881 der Nachfolger des 
Biſchofs Meletius, den er auf das Concil nach 
Conſtantinopel begleitet hatte. Da dieſe Wahl der 
———— zwiſchen den Euſtathianern und 
Meletianern widerſprach, nach welcher der Biſchof 
der Erſteren, Paulinus, hätte allgemein anerlannt 
werden müſſen, ſo widerſetzten dieſelben ſich, un— 
von den abendländiſchen Biſchöfen. F., 
für den ſich die Drientalen zu Conftantinopel 382 
erflärten, wußte fich zu behaupten und erlangte 
dem Tode des Evagrius 392, des Nachfolgers 
bes Baulinus (4 388), die Anerlennung 398. Mit 
Strenge verfolgte er die Mefjalianer ober re 
nachdem er duch Berftellung ihrem Vorjteher 
Adelphius das Geſtändniß ihrer Lehren entlodt 
Flavianus. Patriarch von Conftantinopel 447. 
Da unter feinem Vorſitz auf ter Synode zu Con: 
flantinopel 448 Eutyches wegen feiner Irrlehre 
riet wurde, und fomwohl der Hof als auch Leo 
von Rom fich jenem geneigt zeigten, jo entwidelte 


ex biefem feine Zweinaturenlehre 449, welche der: 
in dem Schreiben von 449 billigte. Troß die: 
Buftimmung des römijchen Bilhofs fegte die 
ynode von Ephejus auf Betreiben Dios: 
Zurs von ANlerandrien %. als Unrubejtifter ab und 
zeftituirte.den Eutyches. F. wurde, als er gegen 
den Beſchluß er Hr von Dioskur derart miß: 
ft, daß er an den Folgen farb. 
Flaviniacum, Flavigny. Eine Benedictiner⸗ 
abtei bei der gleichnamigen Stadt, hervorgegan- 


aus der Vereinigung ziveier Klöfter des h. 
und bes h. Widrad 722. Der Abt Hugo 
cenfis, ein Neffe Otto's III. (1098), ift der 


aſſer des Chronicon Virdunense; er ward 
von ri Mönden vertrieben. 

Flechier, Göprit. Geb. zu Pernes in Avignon am 

10. Juni 1632 von armen Eltern, Er verließ den 
efuitenorden, widmete ſich in Paris der Dicht: 
ft, war dann Lehrer, trat al3 Kanzelredner auf 
und erwarb ſich als foldyer befonders durch feine 
Trauerreden großen Ruhm. Ludwig XIV. machte 
nps Biſchof von Lavaur 1685, von Nismes 
1687. + 1710 zu Montpellier, wegen jeiner Fröm: 
migleit nd Herzensgüte felbft von Protejtanten 
betrauert. Eine vollftändige Ausgabe jeiner Reden 
1760, Augsburg. 

Fleetamusgenua,b. 5. Laßtuns die Kniee beu: 
Der feierliche Zurufdes Celebranten an einigen 
en im 7* vor dem Aufruf zum Gebete, wo: 

bei er das Knie beugt, bis der Miniftrant mit dem 


261 


Fleiſch 
Worte levate ihn auffordert, ſich wieder zu er« 
heben. 


Fledermaus, S. Schwalbe. 
Sleetheirathen find Heirathen, welche von dem 
im Sculdgefängniffe Fleet befindlihen Geift: 
lichen volljogen wurden. Nach dem älteren fanoni: 
Then Rechte wird nur die Publicität der Ehe, ihre 
Schließung vor dem Geiftlihen gefordert. Die 
Fleetheira de umgingen das Aufgebot und damit 
den Widerfprud von Eltern und Vormündern. 
Der Mißbrauch rief die Hartwidesacte von 1753 
hervor, welde für England und Wales die Form 
der Eheſchließung regulirte. 

Fleiſch, YY, ek, bezeichnet im biblifchen 
Sprachgebrauch die finnlihe Natur des an en 
und Thieres im Allgemeinen, indem die weichen 
Beitandtheile des Leibes, welche im eigentlichen 
Sinne im Gegenfat gegen Haut (Hiob 10, 11) und 
Knochen (1. Moſ. 2, 21) Fleisch genannt werden, 
ga die organisch finnlide Natur des Ge: 

höpfes ausmachen. Die verfchiedenen Beziehun: 
gen, in die nun die finnlice Natur eintritt, geben 
aud dem Begriffe „Bei verschiedene Bedeu⸗ 
tungen im Einzelnen. Da das Sinnlidhe im Men» 
hen zugleich auch dad Schwache, Hinfällige, Sterb⸗ 
liche ift, jo bedeutet F. den jterbliden, vergäng: 
lihen Menſchen (1. Mof. 6,3; Jef.40, 6; 1. Betr. 
1, 24), der ohnmächtig ift und auf den man ſich 
nicht verlaffen follte (Ser. 17,5; Pf. 56, 5). Da 
die finnlihe Natur das Erzeugniß des finnlichen 
Lebens ift, jo “ F auch foviel ald Leben („im 
— ſein“). Da der Zuſammenhang der 
he und age weſentlich durch bie Ben: 
liche Natur bedingt ift, jo wird häufig gleich 
jam ald dad Princip dieſes Zufammenhangs, a 
dad Gemeinjame in Ehe und Berwandtichaft, 
das F. genannt (J. Moſ. 2, 24; 37,27; ef. 58,7), 
fo aud) von Christus, der „nad dem Fleiſche“ Da 
vids Sohn ift (Röm. 1,3). Als das allen Men: 
ſchen Gemeinfame erhält 5. ferner die Bedeutung 
ded Menfchen überhaupt (gemerell gemeint), des 
Menſchengeſchlechts (Je. 66,16; Jer.25, 31; Jof. 
17, 2), der Menjchen (Bj. 65, 3; 145, 21; Joel 2, 
28; Luc. 8, 6); infufern jchließt ed naturgemäß 
auch den Gegenſatz zu Gott und dem Göttlichen 
ein, fo namentlich, wenn von dem „Fleiſchwerden“ 
Chriſti die Nede ıft (Joh. 1, 14; 1. Tim. 3, 16; 1. 
Joh. 4, 2. 3). In feinem naturgemüfeften Gegen: 
ja gegen den Geift nimmt %. den Begriff des 
Körperlichen, Leibligen an (Luc. 24, 39; fig, 5; 
26. 31); dann in weiterer Beziehung des Aeußer⸗ 
lihen, bloß $ormalen, Ntebentädlichen, worauf ed 
nicht anfommt (1. Kor. 1, 26, 2. Kor. 11, 18; 
Phil. 3, 4; Joh. 6, 63; 8, 15). Die größte Wide 
tigteit hat der Begriff F. in ethifcher Beziehung. 
Das F. ift die Urlache der Sünde (Sir. 17, 307. 
es vertritt das Element fittliher Schwachheit in 
uns (Matth. 26, 41), ift das Princip der Sinnlich⸗ 
feit und Selbſtſucht (Matth. 16, 17; Gal. 1, 16; 
1. Joh. 2, 16; 1. Betr. 2, 10), aus welchem ſelbſt⸗ 
jüchtige Gedanten, weltliche Rückſichten, Erwägun: 
gen unbeiliger Klugheit entipringen. Bei Johan: 
nes bildet das F. ein durch bie u. fi hin⸗ 
ern. Brincip, wonad) fi die aus dem 
5. geborenen Menſchen in ftrengen Gegenfaß ftellen 
zu aus dem Geift geborenen (Job. 3, 6). Am 
entwideltiten findet ſich die Lehre vom Gegenjat 
des Geiſſtes und Fleiſches bei Paulus. Im $. oder 


Fleiſchgenuß der Hebräer 


eb Blbet eine Dad im Benfgen, be feinen Wi gegation deö heil. Maurus an. Sie find zu unter: 


es bildet eine Macht im Menſchen, die feinen Wil: 
len leitet und die Werke der Sünde hervorbringt 
(Sal. 5, 16 ff.; „nad) dem ie leben," Röm. 
8, 12; Eph. 2, 3; „auf Fleiih ſäen,“ Gal. 6, 8), 
dem gegenüber aber die Macht des Geiftes oder 
ber Vernunft (vous) Reit, fo daß im Bewußtſein 
fi ein Kampf entipinnt, der den Menſchen inner: 
lich gerreißt, elend und erlöfungsbedürftig macht 
(Röm. 7,4 ff.; Cal. 5, 17). Die Erlöfung befteht 
eben darin, daß die Macht des Fleifches principiell 
überwunden ift (Röm. 8, 1 ff.) und die Macht bes 


Geiftes den Menſchen unbedingt beherrſcht, wes⸗ 
halb es bie Pflicht des Erlöften ift, auch im Ein: 
zelnen bie Werte des Fleiſches zu unterlaffen 


(Gal. 3, 3; Röm. 13, 10). Eine „fleiſchliche“ 
Gefinnung führt zum Tode, während umgefehrt 
ber Geift das Princip des Lebens ift (Röm. 8, 
6). Je nahdem das eine ober andere Prin— 
cip im Menjchen herrſcht, ift er ein „geiftlicher" 
(nvevuarıxög), oder ein „fleifchlicher” (aupxıxos), 
ober „feeliicher" (Wuyıxds) Menfch (1. Kor. 3, 1; 
Röm. 8, 5). Bol. Tholud, Theol. Stud. und Arit., 
1855; die Lehrbücher der biblifchen Theologie und 
Seelenlehre; Müller, Lehre von der Sünde, Bd. 
1 und Rothe, Ethik, Bd. II. 

Fleiſchgenuß Der Hebräer. Fleiſch bildete bei 
ben Hebräern ein Hauptnahrungsmittel, ed unterlag 
aber der .. gewiſſen Beichränfungen durd) das 
Geſetz. Verboten waren alle unreinen Thiere, 3. 
Mof. 11, 1—31, alles Aas und erſtickte Fleiſch, 2. 
—* 22, 30; 3. Moſ. 17, 15, ſowie Blut und Fett, 
8. Mof. 3, 14—17; 7, 25. 26; ferner’alles heid⸗ 
niſche Opferfleifh, 2. Sof. 34, 15. Wegen 1. Mof. 
82, 33 eflen die Juden nicht von der Hüfte, und 
wegen 2. Mof. 23, 19 meiden fie den gleichzeitigen 
Genuß von Nilh und Fleiſch. 

letuß. Der erfte Bußgrad (noocxdccuoic). ©. 
Bu — 

Fleury, Claude. Geb. am 6. Dec. 1640 zu Ba: 
rid, war er mit 18 Jahren Parlament3advocat, 
trat 1667 in den geiftlichen Stand, ward 1672 Er: 

ieher des Prinzen Conti, danach des Grafen 

ermandois, Abt von Locdieu und sous-pröcepteur 
ber Enkel Ludwigs XIV. Die Stelle als Beicht: 
vater Ludwigs XV. legte er 1722 nieder und ftarb 
1723. Gelehrt, wahr und demüthig, war er weoer 
Molinift, noch Janſeniſt, noch Ultramontaner, ver: 
trat aber die echte der Kirche und der Biſchöfe 
auch gegen die Anjprüche der Päpſte. Sein Haupt: 
wert iſt die Histoire ecelösiastique, 1691—1720, 
melche bis 1414 yortgeführt iftund freie Anſchauun⸗ 
gen enthält. Die Fortjegungen von Claude und la 

roir haben wenig Werth. 

Fleury. Stabt und Aftei im Bisthum Orleans. 
Diejelbe ift geftiftet um 640 vom Abt Leodebod und 
erlangte durch den Befit der Reliquien des heil. 
Benedict —* Anſehen, welches durch ein hos- 

itale nobilium und pauperum vermehrt wurde. 

ie Normannen verbrannten 865 bie Abtei, 878 
wurden fie von den Mönchen zurüdgejhlagen und 
ein drittes Mal ſchreckte ihren Herzog eine when 
nung bes h. Benebict. In dem —— all 
ſank aud die Zucht in Fleury, bis Ddo von Eluany 
durch feine Unerjchrodenheit die anfangs wider: 
jtrebenden Mönde überwand und das Kloſter re: | 
formirte, Seitvem hob fich befonders die Schule, | 
die gegen 5000 Schüler zählte, Die reihe Biblio: | 
thef ging in den Hugenottenkrieaen unter. Die ' 


262 


Florentius 
Fleurenſer fchloffen ſich an die Benedictiner⸗Con⸗ 


cheiden von den Floriacenſern, den Anhängern 
des Abtes Joachim von Floris. 
liedner, Theodor. Geb. am 21. Jan. 1800 zu 
Epftein, wo jein Bater Pfarrer war, ftubirte er in 
Sieben 1817 und im Seminar zu Herborn, wurbe 
1820 Haußlehrer in Köln und 1821 Pfarrer zu 
Kaiſerswerth a. Rh. Eine Collectenreije nad) Hol: 
land und England für feine arme und Heine Ge: 
meinde machte ihn zuerft befannt. Die Anregun⸗ 
en, bie fie ihm vor Allem in England gegeben 
hatte (€. u. f. mw.) hatten feine für Nuge 
iebesthätigleit fo wunderbar angelegte Seele ent⸗ 
zündet. Bald entfaltete er eine außerordentliche, 
aber ftetä befonnene, fich felbft opfernde Thätigkeit, 
bie gläubige Frauenwelt zur unmittelbaren Arbeit 
an den Armen und Elenden u gewinnen. Den 
Anfang machte ein Aſyl für Magdalenen. 1836 
ndete er das In unermuͤdlicher 
hätigkeit dehnte er dieſe Anftalt aus, indem er 
mit ihr Krankenhaus, Waifenhaus und Lehrer: 
feminar verband und in Deutfchland, Amerika und 
dem Driente Töchteranftalten gründete, bie mit: 
telbar oder unmittelbar von ihm geleitet iwurden. 
Auch die Diafonenanftalt in Duisburg ift von ihm 
geftiftet. +4. Dct. 1864. ©. fein Lesen im Raifers: 
mweriher Kalender 1866. 
gl * Aegypten und Egal giebt es 
jehr Täjtige Fliegen, moher e8 ſich erflärt, daß die 
PVhiliftereinen Fliegengott, Baal:Sebub, — 
Flodoard. Geb. in Sparnäum (Epernay) 894. 
Ein Benedictiner. Wegen feiner Anhänglicteit an 
den Erzbiſchof Artold verlor er feine Pfarrftelle 
durch Hugo von Vermandois, der feinen Sohn 
Hugo zum —** erhoben hatte. Ebenſo ver: 
wehrte ihm Ludwig IV. die Bisthümer Noyon und 
Zournay, zu denen er berufen war. Er ift einer 
der bedeutendften — Seine Papſtgeſchichte 
in Verſen geht bis 936. Seine Chronik: Aunales 
s. chronicon geht von 817— 966. Außerbem ſchrieb 
er eine Geſchichte von Rheims. 
löte. S. Mufil. 
loh. 1. Sam. 24,15; 26, 10; als etwas ganz 
Geringes in einer Bergleihung genannt, 
Florentius. Den Namen führen mehrere Mär: 
tyrer und Heilige. 1) Ein Biſchof von Bienne, + 
3. Jan. 258. — 2).Ein‘Nümibier, + 30. April 
259. — 3) Der, Heilige von’Perügia, +.1. Juni. 
— 4) Der Heilige von Sevilla, + 23.\Febr. 485. 
— 5) Ein afrifanifher Bifhof, den als Gegner 
der Arianer Hunnerich nad) Corfica verbannte. — 
6) Ein Biſchof —— 633—675, Rachfol⸗ 
ger des heil. Arbogaft. — 7) Ein engliſcher Abt, 
der das Leben des Märtyrers Jodocus; schrieb. — 
8) Ein Preöbpter zu Aofta, jchrieb das Leben der 


heil. Rufticula, hr 632. 
Florentius, Mönd zu een in England, 
gen. Bavonius, + 1118, ift durch feine Ehronit, in 
welche er die Univerfalhronit des Marianus Sco⸗ 
tus, Theile von Afferd Biographie Alfreds und 
andere wichtige Urkunden aufnahm und die er bis 
1118 fortführte, nach Beda die bedeutendfte Duelle 
ber älteren Geſchichte Englands. Sein Wert führt 
auch den Namen: Chronicon Mariani. Weiter: 
geführt bis 1141 ift es von einem Mönche beffelben 

loſters. 

Florentins, Radewin. S. Brüder vom gemein: 
ſamen Leben. 


Florenz, Kirchenverfammlung zu 


orenz, ſtirchenberſammlung zu. ©. Ferrara. 
lorez, Henriquez. Ein — ſpaniſcher 
Prieſter und Auguftiner, geb. zu Valladolid 1701, 
7 1773, ift der Berfafjer von Espana sagrada, 


einer gefhichtlich-ftatiftifchen Darftellung der ſpa⸗ | Barteien 


263 


Fontevraud, Orden von 


feine tiefe Srömmigfeit und fein weifer Rath ihm 

verichafften, benugte er in ben Händeln ber Eid⸗ 

enoſſenſchaft zu mander Vermittlung, zuletzt auf 

er Kegfipung zu Stang, wo er bie ftreitenben 
urd feinen Rath und feinen Einflu 


niſchen Bisthlmer mit angehängten Deiailunters plötzlich verföhnte. Er jtarb 1485 und wurbe 16% 


fuhungen. 


Slorincenfer. Die Congregation ber F. ift ges | Kalender 1851. Bufinger, 


heilig gefproden. Pal. . in 


iperö Evang. 
ruber di 8 


aus und fein 


— vom Abt Joachim von Celico (von Floris). Zeitalter, 1827. Ming, Der ſelige N. v. d. F., 


b. 1111, + 1202. Er legte das Priorat | 


Gijtereienferlofterd Corazzo nieder und [lebte ein: 
fiedlerifch in einer Einöde, bis fich einige Schüler 
an ihn anſchloſſen, mit denen er das Klofter Flora 
in Calabrien gründete, Seine Satzungen beft ligte 
Göleftin III. 1196. Der Orden hob ſich, ſank aber 
feit 1470 unter weltlichen Aebten d& daß die unter: | 
gebenen Klöſter ſich wieder den Giftercienfern an: 
cloſſen. Joachim rühmte fih fr erhaltener 
Dffenbarungen, jedod wurde eine feiner Schriften 
1215 von der Kirchenverfanmlung verdammt. Auf 
feinem Grabe aber gefhahen angeblid) Wunder. 

Blorian, der Heilige. Ein römiſcher Sols 
bat, weicher in ber diocletianifchen Berfolgung 
ih ſelbſt als Chriften angab und in der Enn 
ertränft wurde (4. Mai), Un feinem Grabe 
erftand ein Klofier, welches zu einem Stifte der 

ulirten Ehorherren wurde. 

lorinus. 1) Cin Schüler des Polylarp, warb 
Balentinianer. Gegen ihn i rieb Srenäuß be 
Dctonario. — 2) Ein Heinri rinus gab eine 
finnifche Neberjegung der Bibel heraus 1685. 

lorus, Drepanius, Ein Dialon zu Lyon im 
9. Jahrhundert, fchrieb gegen die Brodverwand— 
lungslehre des Paſchaſius und für bie Prädefti- 
nationdlchre des Gottichaft 852. Aus Auguflinus 
comnilirte er fein größtes Wert, Comm. in omnes 
ep. Paul., welches ge dem Beda zugefchrie: 
ben wurde, Seine anderen Schriften in ber 
Bibl. univ. XV. 

Flut. Das Gegentheil von Segen, ift bie 
beberiweifung einer Perfon oder Sade an bie 
Mächte des Böfen und des VBerberbend. Wird im 
LT. als eine Handlung Gottes bezeichnet, mit 
welder ex ber Sünde ihren Er Lohn zu 
Theil werben läßt (5. Mof. 28,15; Jer. 24, 9; 
25,18; 26,6.10; Zach. 8, 18; Sprüchw. 3,33). 
Da der Fluch die ſchrecklichſte Seite in der Wir: 
fung der Sünde berührt, das Losfein von Gott 
und dad Preiögegebenfein an bie widergöttlichen 
Kräfte, jo wird der Ausdrud beſonders aud von 
der Wirkung der Sünde in der Menfchheit im 
Allgemeinen gebraudt. Das Fluchen von Seiten 
der Menſchen ift Mißbrauch des Namens Gottes, 
ein Mittel der Selbftfucht, und beruht auf dem 
bemußten oder unbemußten Aberglauben, daß den 
Fludformeln eine ang wre innewohne, 
welche das Verberben des Verfluchten herbeiführe | 
(1, Noſ. 27, 29; 2. Moſ. 21, 17; 4. Moſ. 23,8; 
}eisp. 1, 11; Röm. 12, 14). | 

Sing, firhliger. S. Anathema. 

Iue, Nikolaus von der. Berühmter Einftedler. 
Geb. 21. März 1417 in Flüeli in Unterwalben. 
Nachdem er als Soldat und in blirgerlihen Aems 











1861. Deux visites ä Nic. de Flue. Relations 
de Waldheim et do Bonstetten 1864. 

Blügelaltäre. Klappen:, Wandelaltäre, Bezeich ⸗ 
nung der den Altären in der Fatholifchen Kirche 
feit dem 14. Jahrhundert —* efügten Altarauf⸗ 
fäge. Sie ſtehen auf dem Altarliſche und beſtehen 
aus einem Unterfage (Petrella) und dem auf die: 
ſem auffigenden Kaften mit ylügelthüren, welche 
beſonders burd die Gothif oft mit prädtigem 
Schnitzwerk verziert und fpäter bemalt wurben und 
beren None allerlei Heiligenfiguren enthält. 

füfle. S. die betr, einzelnen Art. 
odrum. Die Geldabgube der Geiftlihen an 

ben — . Die Abfindung ihrer Verpflichtung, 
ihn bei Vifitationsrei’en zu bewirthen. 

Höderalismus, Föderal heologie, heißt bie 
von Coccejus (f. d. 9.) aufgebrachte Richtung, 
welche das Heil nit in offenvarten Lehren, fon: 
dern in geſchichtlichen Thaten Gottes ſieht und, 
ausgehend vom Begriff des Bundes, den Entwid» 
Tungögang bed Reiches Gotteß zu erkennen ber 
ginnt, 


öhre. ©. Xcacie., 
ob. Der chineſiſche Name für Bubbha (f.d. I). 
ter oder Tortur ift dad Mittel, durch Er⸗ 

regen fürperliher Dual ein Geftänpniß zu ers 
mwingen. Das Gerichtsverfahren ber Juden fannte 

e nicht. Aus Italien ging fie in bie Praxis der 
geiftlichen Gerichte, darnach der bürgerlichen über; 
ihre größte Anwendung fand fie im Berfahren der 
Inquifition und bei den Hexenprozeſſen. Obglei 
Ihon Geiler und fpäter die wre en ſ. 
gegen bie Folter ala unſiltlich ausſprachen, * 

i8 in bie neueſte Zeit gedauert, ehe ihre legten 
Refte verſchwunden find. 

Fonſeca, Peter von. Geb. 1528 in Cortizada. 
Der portugiefiihe Ariftoteles. Mitglied des Je— 
fuitenorbens 1548, ftudirte zu Evora 1561, unb 
erlangte bald bie höchſten Ordenswürden. Er ift 
der Erfinder der Theorie der fog. scientia media 
Dei, der Kenntniß des —— welche ſpäter 
Molina ausbildete. Er ſchrieb außer Anderm: De 
concordantia providentiae, Lifiabon 1558, un 
Institutiones dialecticae, 1564. 

Fontainebleau, Geſpräch zu. S. Dupleffis 
Mornay. 

Fontanella. Bonebictinerabtei bei Rouen, ger 
gründet 648 vom h. Wando. Berühmt war die 
mit ihr verbundene Schule. Unter ihren Aebten 
find zu nennen: Wulfram, der Apoftel der Frie⸗ 
fer Eginhard und Anjegid. Bon den Rormannen 

erjtört, ward bie Abter 950 neu begründet und 
—** ſich ſpäter an die Mauriner an. 
Fonteuraud, Orden von, ober bie Armen 


tern feinem Baterlande gedient, und fich als treues Ehrifti. Der Stifter ift Robert von Arbriffel, 
Haupt einer Familie von 10 Kindern bemiefen | geb. 1047, + 1125. Als Coadjutor des Biſchofs 
hatte, nahm er, 50 Jahre alt, von den Seinigen | von Rennes bemühte er fi, den Laftern der Zeit 
Abſchied, und zog ſich auf eine einſame Alp zu: | entgegenzuwirklen. Nach dem Tode des Biſchofs 
rüd, auf welcher er 21 Jahre zubrachte, nichts ge: lehrte er zu Angers Theologie und lebte danad) 
aiekend ala das Abendmahl. Den Einfluß, den als Einfiebler im Wald von Eraon, Beine 


Foreiro 
Bußprebiagten feffelten Viele an ihn, namentlich 
Frauen; für diefe baute er mehrere Klöfter, das 


hauptſächlichſte gu Ebralbäbrunnen, fons Ebraldi, 
Fonteyraux. Es war ein Doppelflofter mit einem 
Magdalenum; jede Annäherung der Geſchlechter 
mar ftreng verpönt. An der Spige ftand die Aeb⸗ 
tiffin, die fichtbare Stellvertreterin der 5. ⸗ 
au, unter deren 334* Orden ſich ſtellte. 
ie Diſciplin war äu ftreng, dad Sch 
Yurfte nicht gebrochen werben. Weftätigt warb 
Orden 1100 und 1113, verbreitete ſich aber außer» 
alb Frankreich wenig; gerieth auch fpäter in tie 
en Verfall, Die legte Hebtiffin ftarb 1799 in gro⸗ 
ee F— — 
oreiro (Forer), Franz. Ein gele portus 
Ee Dominicaner, dert 1540 Hofprebiger und 
enfor. Vom König Johann zum Concil von 


Trient beorbert, wurde er in die Commiſſion zur |! 
Abfaffung des Katehismus gewählt und Secre: | T 1556, 


tär der Commiſſion des Inder. 1566 Prior und 
Provinzial feined Ordens, Iebte er jeit 1571 in 
literariſcher Zurüdgezogenheit, + 1581. Bon fei: 
nen Werfen ift Isaiae proph. vetus et nova ex 
hebr. versio, Venet. 1563, gebrudt; ungebrudt 
blieben ein hebräiſchecs Lexikon, Commentar zu 
den Propheten und Lucubrationes in evangelia. 
Forenfen find Perſonen, welche Grundftüde in 
—— befigen, ohne ſelbſt darin ig 
Die Beitragdpflichtigkeit derjelben zu den Paro: 
ya —* ſie nicht lediglich Reallaſten ſind, 
nach den Particulargeſetzgebungen geregelt. 
Forerius, Petrus; Fourier. Geb. zu Mirecour 
1565, war Pfarrer von Matincour und r ber 
Stifter der Eongregation der armen Schulſchwe⸗ 
ftern U. 2. Fr, welche aus einer Vereinigung 
von Sungfrauen in feiner zn entftand. Die 
een gab Baul V. 1615 und 1616. 
ormelbüder find Sammlungen von Urkun⸗ 
denmuftern. Sie find von Snterefe, weil fie einen 
Einblid in die Verhältnifje ihrer Zeit gewähren. 
Das ältefte F. ift: 1) Das Formelbuch des Mar: 
culf um 660. Dann folgen 2) die Formulae An- 
Jegarenses aud dem An ig ei 8. Jahrhunderts, 
—— Theil älter. 3) Die Formulae Alsaticae; 
tziegen fih nur auf geiftlihes Geſchäftsweſen, 
aus dem 9. Jahrh. Baluz, Bignon und Goldaft 
haben aus Handfdriften Formeln gefammelt und 
zulammengelragen. 
F.rmojuß, Bapfl, Selber Bischof von Porto, 
und als Miffionär zu den Bulgaren geſchickt. Er 
ift der erfte, der ald Biſchof den päpftlihen Stuhl 
erhielt 891. Vielfach verwidelt in die Parteiungen 
ber Zeit, war er von Johann VIII. excommuni: 
eirt, von Marinus (882—884) reftituirt geweſen. 
Als Gegenpapft ftand ihn Sergius gegenüber. 
Genöthigt Larıberi, den Sohn Guido's von Spo— 
leto2c., zum Mitregenten feines Vaters zu Irbnen, 
rief er mit Berengar von Friaul Arnulph von 
Kärnthen gisen Jene zu Hülfe und krönte ihn 986. 
Stephan VL (VIL.) ließ über die Leiche des Frı: 


264 


Foscarari 


Forſter, Bartholomäus, Geb. 12, Aug. 1788. 
Er wurde al Priefter in Altendttingen ein hefti: 
—— des an ae Er ſchrieb: Ent: 

ter Aberglauben bei Reliquien, München 1803; 
Bom | e ber Curie an Abläfien, 
1803, und wurbe in Landshut Profeflor der Rhe: 
torif und griechiſchen Literatur. 

Forſter, Johann. Luthers Gehülfe bei ber Bi: 
belüberjegung. Geb. 1495 zu Augsburg. 
ber — nee bergen x zu Swidau, 1585 Pfarrer 
in Augsburg, verlor dieſe Stelle 1538 und eine 


in Tübi 1541 —— 
kei ingtif ‚gefinnten Pferresn, führte die Re: 
formation in Regendburg und .— ein, 
und warb Eruciger8 Nachfolger ittenberg. 
—— —— 
eiten. Er ſchrieb ein hebräiſches Fan 
ier, Geb. 1576 1 
N re nk 
Er ſchrieb Systema problemat. theol 
nn — Geb. zu Hirf 


Forſter, Joha 
den 6. Febr. 1759. SProfeffor und Regens an 
Seminarien zu Regendburg 1787, Pfa fen 


1801, * als icher wirklicher Geh. 
und Pfarrer zu Oberhauſen bei Landau. Er gab 
„die Pflichten des Seelſorgers“ heraus. 
Forſter, Valentin. Geb. 1530 zu Wittenberg. 
Schüler Luthers und Eber3; warb feflor ber 
Rechte zu Heidelberg, verließ aber die Stadt me; 
en ber Begünftigung ber Reformirten, 1595 Pro: 
* Juris zu Helmſtädt. + ben 28. Oct. 1608. 
Fortunatus, Venantius. Honorius Clementia⸗ 
nu3. Geb. in Ceneda bei Trevifo, erwarb ſich als 
Rebner und Dichter den Beinamen Scholasticissi- 
mus. In Frankreid; gewann er die Gunſt Königs 
Sigbertö von Aufttafien und ber frommen Köni⸗ 
gin Radegunda in Poitiers, deren Beichtiger et 
wurde; jet 599 Biſchof au Poitierd, ftarb er am 
14, Dec. 609. Seine Werke (elf Bücher Poeſien, 
darunter Hymnen, ein Epos über den h. Martin, 
on Lebensbeſchreibungen u. a.) find heraus: 
gest en von Bromer, Fulda 1603, von Lufdi, 
om 1785. Mehrere Hymnen find mit Berände 
rungen in Das Brevier aufgenommen, 
ortunatus. Patriarch zu Grado in Sftrien. 
Da er für Karl den Ör., dem fein Sprengel unter: 
than war, Partei ergriffen gegen bie Griechen, 
denen Venedig ** ſo brachte er den größten 
Theil des Lebens bei Karl zu. Später bei * 
dem Fr. verdächtigt 821, floh er zu Michael; 
ward er nad) feiner Rückkehr von Ludwig zur 
Unterfuhung dem Papſte zugeſchickt, und ftarb 
nicht lange danach. 
Forum Appii. Ein Ort in ben pontiniſ 
Sümpfen, von Appius Claudius 
Drt war übel berücdhtigt (Horaz, Sat. I, 5, 4) und 
man übernachtete lieber in den tres tabernae. Hier 
wurde Paulus von ben Gläubigen Romd em: 


mofus von einer Synode ein Gericht halten, die: | pfangen. 


felbe verſtümmelt in die Tiber werfen und erklärte | 
alle von ihm volljogenen Weihen für ee 1 


weil er unrechtmßig Papft geweſen wäre. 


Foscarari. Geb. 27. Jan. 1512 zu Bologna 
Seit 1550 Bifchof von Modena, wurde er zum 
Tridentiner Eoncil geſchickt 1651 —1552, Unter 


erfolgte aber durch Johann IX, eine feierliche | Paul IV, wegen Jrrgläubigfeit verbädhtigt, 22 


Ehrenrettung des F.; die Acten jener Synode |ihn die Inquifition 


wurden verbrannt. 


Monate gefangen. 
feiner Freifprehung 1560 fandte ihn Pius IV. 


Formrla consensus Klelvetica. S. Helve: ;von Neuem nad Trient, wo ihm bie Rebaction 


tiſche Eonfeffion. 


| der Kanone übertragen wurde. Er ftimmte bort 


Fossarii 
für Gewährung bed Kelches und für Berminde: 
rung der Baht ber Geiftlihen. 1568 trat er in die 


Commiffion zur Abfaffung des Katehismus und 
bed Brevierd. +15 

Fossarii, Eopiaten. 

Fonrnet, Andreas Huber Viggeri. Geb. am 6. 
Dec. 1752 zu Maille in Boitou, früher Jurift, 
warb er Geiftliher und Pfarrer daſelbſt. Da er 
ben Eonftitutionseib verweigerte, mußte er nad) 
Spanien auöwandern, Tehrte aber nad) Robes— 
pierre’3 Tod zurlid und ftand feiner Gemeinde vor, 
obgleich ein Preis auf feinen Kopf geſetzt war. 
1806 ftiftete er die Gongregation der Töchter vom 
b. Kreuze, zur Unterftügung der Armen und zum 
Unterricht der Kinder. 

or. ©. Quäter. 

ragepflicht des Beichtvaters. Da der Beicht: 
vater eine riditende Gewalt im Namen ber Kirche 
ausübt und die unvolljtändige Beichte feine gül: 
tige Abfolution erlangt, jo ijt es die Pflicht des 
Beichtvaterd, durch Fragen auf die Vervollftän: 
digung der Beichte pen und ſich die Kennt: 
ni 35 zur Beurtheilung nöthigen Momente zu 

affen. 

Fragmente, Wolfenbüttler, ſind die Abhand— 
lungen eines Ungenannten, ber ſpäter als der Pro: 
feffor Hermann Samuel Reimerus (+ 1768) in 
Hamburg ſich herausftellte, welche Leſſing 1774 und 
1778 veröffentlichte. Sie entwideln den Gedan: 
fen, daß ber vernünftige Kern des — 7 
von dem Stifter ſelbſt und den Apoſteln myſtiſch 
umkleidet ſei und aus den Myſterien und Formen 
des Glaubens wieder herausgeſchält werden müſſe. 
Durch Die Bewegung, welche fie hervorriefen, find 
fie biftorifch wichtig geworden; fte bilden den Aus: 

angspunft einer noch nicht ganz abgeſchloſſenen 
Entroisttung. Ihre nächte Folge war der Streit 
Leſſings mit dem Hamburger — — Göge. 
den von Leſſing herausgegebenen Fragmen⸗ 

ten ift ein großer Theil der „Apologie oder Schuß: 
— a die vernünftigen Verehrer Gottes" 
dur . Klofe in der Btfehr. für Hift. Theologie 
1850 gebrudt. Vgl. D. Strauß, Reimarus, 1862. 

Francisca Romana, ®eb. zu Rom 1384, + 

1440. Die Stifterin der Oblaten, einer Eongre: 
ation von rauen, die nad) ber Regel der Olive: 
ner:Mönde leben, aber iein Gelübde ablegen, 
fondern nur das Verſprechen, ber Präfidentin zu 
—— (Oblation). Die Mitglieder behalten 
öhalb auch ihr Vermögen und find nicht an 


Klaufen — Die Bollandiſten erzählen 
von den Viſionen der F. und ihrem Verkehr mit 
den Engeln. 


Fraude, Auguft Hermann. Geb. am 23. März 
1663 in Zübed „ ſtudirte feit 1679 in Erfurt, Kiel 
und Leipzig hebräifche und griehifhe Sprade 
und Theologie. Während feines Aufenthalts bei 
dem Superintendenten Sandhagen in Lüneburg 
erwedt, hatte er in Hamburg 1688 eine Schule, 
und er 1689—90 theologische Borlefungen in 
Lei it, wo er bejonderö die bei feinem erjten 
Aufenthalt begründeten Collegia philobiblica 
fortfegte, für deren Befucher der Name „Pietiften“ 
auffam. Seine Borlefungen 
1690—91 Diafonus in Eu 


ieffor der griechiſchen und orientalifchen Sprachen 


265 


Frank 


an die neugeſtiftete Univerfität Halle berufen, 
fand er 1691 den Schauplag mweitgehender Wirt: 
famteit. In Verbindung mit ber ———— 
Gliedern der Facultät Anton Breithaupt, ichae⸗ 
lis Lange und Herrenſchmidt, wirkte er hier im 
Geiſte Speners, bemüht, die Studirenden, ftatt 
ihnen die orthodoxe Schuldogmatik einzuimpfen, 
zu einer wahrhaft —— ommen Auffa ung 
des Chriftenthums und praftifcher Frömmigkeit an: 
zuleiten. Dazu dienten ihm feine Lectiones pa- 
raeneticae (erfte Sammlung 1726), die Vorträge 
über die Methodus studii theologiei. Die Stre 
tigleiten, welde die orthobore Geiſtlichkeit gegen 
ihn erhob, endigte eine kurfürſtliche —— 
und ſeine Ernennung zum Pfarrer von St. Ulrich 
1715. Aus ſeiner Sorge für die Gemeinde ging 
fein Waiſenhaus hervor, fiber deſſen Gründun 
er in ſeiner Schrift „Segensvolle Fußftapfen d 
noch lebenden und waltenden Gottes“ 1709 berich⸗ 
tete. Aus einer Sammlung zur Beftreitung bes 
Schulgeldes für arme Kinder, entmwidelte ſich eine 
Armenſchule, ein Waifenhaus, ein Freitiih für 
Studirende und ein Lehrerfeminar, und nad) und 
nach jeit 1698 bie fämmtlichen Gebäude ber Gtif: 
tung, die eine 860° lange Straße bilden. Die 
Mittel gewährte ihm, ohne einen Staatszufhuß, 
die Sriftfice Liebe. Unterftügt wurde fein Wert 
durch Die Einrichtung der Buchhandlung, an melde 
fih die Canſteinſche Bibelanftalt anſchloß, und 
der Apotheke, zu welcher eine Sammlung von 
Arcanrecepten, bie F. von einem Kranken erhielt, 
den Anlaß gab. Nach feinem Tode (8. Juni 1727) 
übernahm jein Sohn Gotthelf F. und fein Schwies 
gerjohn Freylinghaufen die Leitung der Stiftungen, 
melche jegt 9 Schulen und die Waifenanftalt ums 
faffen und 3380 Kinder unterrichten. Bgl. die 
Biographien von Niemeyer 1794, von Guerike 
1827, von Kramer 1861, von Edftein 1863, „die 
Stiftungen A. H. Francke's“ 1863. 

Franto. 973—985 als Bonifacius’ VII. Gegen: 
papft. Ermordete wahrſcheinlich feinen Vorgänger 
Benedict VI. (974), wie auch ie Nachfolger 
Johann XIV. (984), wurde aber jelbft 985 grau: 
fam getötet. 

Franeler. Univerfität in niederländifch Fries⸗ 
land, gegründet 1533, aufgelöft 1811. Berühmte 
reformirte Theologen, wie Amefius, Amama, Eoc: 
cejus, wirkten hier, 

Fran, Sebaftian. Ein greigeift ber Reforma⸗ 
tionszeit, um 1500 zu Donaumerth geboren. 
Lebte in verſchiedenen Städten Süddeutſchlands, 
Nürnberg, Straßburg, Eßlingen, Um, Bafel, bald 
als Schriftfteller, bald, wenn ihm die Berhältniffe 
das aujerlegten, als Geifenfieber und Buchdruder; 
feiner Anfihten wegen felten lange geduldet, bis 
er 1545 zu Bafel ſtarb. Anfänglih mit Luther 
verbunden, trennte ihn fein Jdealismus und Pan⸗ 
theismus von der Reformation. Seine Lehre vom 
innern Licht machte ihn gleichgliltig gegen äußere 
Kirche und Sacrament, auch gegen ben —— 
Chriſtus, da er lehrte, es Tönne einer das leben⸗ 
dige Mort Gottes haben, felbft wenn er die Schrift 
nicht befige. Er ift ald Gefchichtichreiber von 


wurden unterjagt. intereſſanter Darftellung und in beutfcher Sprache 
tt, entjegte ihn ein | (Chronika, Zeitbud und Geſchichtsbibel bis 1531; 
furfürftliches Reſeript, auf Betreiben feiner Colle: | üb 
en und der Katholiten, als Stifter einer neuen | der Türkei, aus der Hand eines 22 Jahre in tür— 
Secte. Als Prediger der Vorjtadt Glaucha und Pro⸗ 


erjegt von ihm: Ehronifa und Beihreibung 


tiſcher Gefangenſchaft geweſenen Siebenbürgers) 
hervorragend, Seine philoſophiſchen Anſichten 


Franken 266 Frankreich 


Der legte Senior war Dr. Hufnagel, + 182, 
1857 ift eine neue Gemeindeordnung durch Se— 
natsbejchluß eingeführt, die den Gemeinden eine 
Vertretung im »Preöbyterium und Confiftorium 
ewährt. — Die Synode zu Frankfurt 794 er: 
ärte fi) gegen den Adoptianismus und die 
Bilderverehrung. Die von 1007 beſchloß die Er: 
richtung des Bisthums Bamberg. — Frankfurter 
Concordat oder Fürftenconcordat ift die Verein; 
barung des Kurfürften mit dem päpſtlichen —* 
ten auf dem Convente am 5. Oct. 1446 über die 
Reformdecrete des Bafeler Eoncils, 

Sranffurt an Der Oder. Die Univerfität warb 
gegründet 1506 und wiberfegte ſich unter Wim: 
pinas Leitung nad) Kräften der Reformation, janl 
aber eben dadurch auch, und zu ihrer Hebung mußte 
Joachim die Einkünfte des eingezogenen Karthaͤu⸗ 
jerflofterd verwenden. Zu rechter Bedeutung ift 
F. nie wieder gelommen, im 3Ojährigen Kriege 
war die theologijche Facultät nur mit einem Pro- 
feffor beſetzt. 1816 wurde die Univerfität mit 
Breslau vereinigt. 

Frankfurter Receß ift die Uebereinkunft der Aur: 
fürjten von Sachſen, Brandenburg und der Pfalz, 
des Herzogs von Würtemberg, der Yandgrafen von 
Hefien, der Pfalzgrafen von Zweibrüden und 
Simmern und des Markgrafen von Baden zur 
Herftellung einer Einigfeit in der deutſchen evan- 
geliichen Kirche vom 18. März 1558. Es werden 
in demjelben die früheren Beftimmungen in ben 
ofiandriftifchen, majoriftifhen, adiaphoriſtiſchen 
und Abendmahlöftreitigleiten wiederholt, und feft- 
geftellt, daß neue Streitfragen von den Gonfifto: 
rien unterfucht, theologifche Bücher einer Genfur 
unterworfen werden follen. Durch den Wider: 
ſpruch, der ſich namentlich von Andreä und ben 
niederſächſiſchen Theologen erhob, erreichte ber 
Receß feinen Zweck nicht, 

Sranfreig. Reformation. Als die Wiege 
der Reformation in Frankreich ift Meaug anzu: 
fehen, und der Kreis, den Brigonnet (ſ. d. & 
dort um fi fammelte, auch die Verfolgung, 
welche die junge Kirche & reichlich erfahren mußte, 
fand dort ihre erften Dpfer. Die Brüder Leclerc 
ae und 1546), Pavannes (1525), Wolmar, 

oufjel und Lefebre waren die erjten Träger ber 
Bewegung, der Calvin und Beza noch ſtaͤrleren 
Anfloh gaben. Die Strafgefege ae . fanden 
während der Verbindung Heinrichs II. mit den 
deutſchen Proteftanten Milderung, aber durch den 
Einfluß der Guifen, welde den proteftantiihen 
Bourbons von Navarra fich entgegenftellten, ward 
das Ketzeredict von 1655 erwirkt, dem bie cham- 
bres ardentes folgten. Der Widerftand gegen die 
Guifen rief die Verſchwörung von Amboife 1560 

ervor; die verftärkte Verfolgung milderte das 

dict von Romorantin (Mai 1560), und das von 
den Guifen gefchlofjene Triumvirat nöthigte Ka— 
tharine von Medici zur Nachgiebigleit gegen die 
immer zahlreicheren Hugenotten; das Geipräd zu 
Poiſſy (Sept. 1561), obgleidy refultatlos, hatte 
dieſelben zu größerer Kühnheit ermutbigt, und das 


find befonder in feinen Paradoxa 1535 nie: 
dergelegt. Zu erwähnen find nod feine „Sprüd: 
wörter”, 1541. Bgl. Hagen, Geift der Reforma- 
tion, 2. Bd. 1844. Wald, de vita Franci, 1793. 
K. am Ende, Nachlefe zu d. unvollit. Nachrichten 
von ©. F. 1796. Keim, Ref. der Reichsſtadt Ulm, 
1851. Biſchof, ©. F. und die deutſche Geſchicht⸗ 
ſchreibung, 1857. 
her ©. Chlodwi 
ranfenberg, Johann Geintic), Graf von. Geb. 
am 18. Sept. 1726 zu Groß-Glogau, vollendete 
feine theologifhen Studien im deutſch⸗ungariſchen 
Collegium zu Rom, ward Coadjutor von Görz 
1749, Erzbifhof von Mecheln 1759 und Cardinal 
1778. Er wiberjegte fi der Aufhebung ber bi: 
[höflihen Seminare und der Errichtung eines 
unter Staatdauffiht ftehenden Generalfeminars 
u Löwen, welde Jofeph Il. befohlen Hatte. Die 
Agitation gab Anlaß zur belgifhen Revolution. 
Als Belgien mit Frankreich vereinigt war, wurde 
8. 1797 vom National:Eonvent zur Deportation 
verurtbeilt und ftarb zu Breda 1802, 
ranfiurt am Main. Der Reformation war 
in F. durch den Humanismus vorgearbeitet. Unter 
den angejehenften Männern der Stadt hatte ſich 
ein Kreis gebildet, in dem Luther 1521 auf feiner 
Durchreiſe ep, begrüßt wurde, und deſſen 
Einfluß ſchon 1522 dem erften ev. Prediger Hart: 
mann Ibach die Kirche des Katharinenklofters 
öffnete. Konnte ſich diefer fo wenig wie Dr. Gar: 
torius halten, fo vertrieben doc) die Bürger 1524 
den Fatholifchen Pfarrer und erzwangen 1525 die 
Zulaffung der Prädicanten. Nicht ohne Spuren der 
Leidenſchaft —— air der Mugen Zurüdhal: 
tung des er ie Fortſchritte der evangelifchen 
Kirche; auf Verlangen der Zünfte wurde 1533 der 
fatholifche Gottesdienſt eingeftellt (1535 wieder 
freigegeben), und die Stabt trat 1536 in ben 
‚hmalkaldifhen Bund. Während die Frankfurter 
Keformation urfprüngli dem oberbeutfhen und 
zwingliſchen Charakter zuneigte, gewann das Lu: 
therthbum durch die Prediger Beyer (1545) und 
%eftphal (1552) Eingang und befeftigte fi durch 
ben Gegenjag gegen die Fremdengemeinde. Aus 
England vertriebene calviniftiihe Wallonen fan: 
den 1553 mit dem Prediger Balerianus Polanus 
Aufnahme und erhielten eine Kirche überwiejen, 
in der franzöfifcher Gotteödienft gehalten wurde; 
ihnen folgten Engländer unter Bilingham und 
nor; $lamänder 1555 unter Dalhen und Lasky. 
Unter diejen Fremden herrfchten bleibende Ber: 
würfniſſe über die Einführung der Genfer ober 
ber englifchen Liturgie, während die Prädicanten 
ihnen die Augsburgifche Confeffion aufbringen 
wollten. 1561 wanderte ein großer Theil Ser 
Fremden wieder aus, auch die Wallonen mußten 
1596 ihren Gotteödienft einftellen; die Flamän— 
der, denen Gomarus predigte, hatte das Verbot 
1594 getroffen. Beide Gemeinden verlegten ihren 
Gottesdienft in das nahe Bodenheim; erft 1786 
wurbe ihnen als deutſcher und frangöfifcher refor: 
mirter Gemeinde der Bau zweier Bethäufer be: . 
willigt und 1816 durch die Conjtitutionsacte mei: | Januaredict (17. Jan. nel gab ihnen Gemii: 
tere Rechte gewährt. Eine franzöfijd; : utherifche | ſensfreiheit und dem Adel auf feinen Gütern freie 
Gemeinde bildete ſich durd die Flüchtlinge aus | Neligionsübung. Die Wuth der Guifen zeigte ſich 
Antwerpen 1576. Zu erwähnen als Frantfurter im Blutbad von Vaſſy (1. März 1562), weldes 
Eigenthümlichkeit ift das Seniorat, der Borfig den erften Religionskrieg eröffnete, den der Friede 
im Predigerminifterium, welches ftet3 durch Aus: | von Amboife beendigte am 19. rn 1563 
wärtige befegt wurde. Spener bekleidete das Amt, (Schlacht bei Dreug den 19. Dec. 1562.) Die 











Frankreich 
Befhränkungen der gewährten Freiheiten durch das 


Edici von Rouſſillon 1564 und das drohende Bünd⸗d 


niß mit Spanien zwangen Condé und Coligny 
zum zweiten Kriege 1567—68, Der Frieden von 
Longjumeau (27. März 1568) beftätigte den Ber: 
trag von Amboife. Der dritte Krieg 156970 
(Säladit beiNarnac am 13. März und bei Lugon), 
nurde mit deutfhen und engliichen Hülfstruppen 
unter Eoligny'8 Leitung geführt und gewann 
den Broteftanten Amneftie, freie Religionsübung 
ae Paris und Sicherheitäpläge, organi: 
firte ſie aber eben dadurch als politiſche Partei 
und Staat im Staate, worin ber verberblice 
Keim des Untergangs lag. Im —— —* 
lampfe, nad) der Bluthochzeit, retteten die Refor: 
mirten Gemiffensfreigeit und die Religionsübung 
in den Gicherheitöplägen. Der fünfte Krieg ward 
im Verein mit ber Partei der Politifer gegen die 
Buifen geführt (Frieden zu Beaulieu den 8. Mai 
1576). Der ſechſte gegen die inzwiſchen geſchloſ⸗ 
jene Ligue (Frieden zu Bergerac 1577) und ber 
fiebente (Frieden zu ler den 12. Sept. 1580 
gewannen die alten Gerechtſame zurüd, die no 
tinmal nad) dem achten Kriege Heinrich IV. durd) 
dad Edict von Nantes betätigte (15. April 1598). 
Der Fall von La Rochelie 1628 im neunten Reli: 
> e, 1620— 1628, den die gewaltfame Be- 
hrung Bearns hervorgerufen hatte, zerftörte die 
yolitiihe Partei der Hugenotten, allein der Zus 
fand, den das Gnadenedict von Nismes 1629 
—— ab die Freiheit, daß das innere Leben 
franzöftjch:reformirten Kirche ſich um jo mehr 
ausgeftalten fonnte, und die Blüthezeit der fran- 
— —* Theologie, der Akademien zu 
Saumur und Montauban fällt in a Periode. Der 
Abſolutismus und die Bigotterie Ludwigs XIV, 
iheute endlich fein Mittel, den Proteftantismus 
ausjurotten. Den Belehrungen folgten die Dra: 
gonaden, endlic die Aufhebung des Edicts von 
Rantes 1685 und die Maffenauswanderung der 
Refugies. Der Cevennen: oder Camiſardenkrieg, 
1702—1706, zwang wenigftend zu einer jtill: 
Imeigenden Duldung der übrig gebliebenen Ne: 
formirten. — 

Die lutherifche Kirche hatte in Frankreich nie 
Eingang gefunden, auch die Unionsverfuche waren 
vergeblich geblieben und die Unterzeihnung der 
—— — Confeſſion zu Boifjy entſchieden 
verweigert. Den Lutheranern, die mit dem Elſaß 


unter franzöſiſche Herrſchaft kamen, wurde die im 
sähe ieden garantirte Religionsfrei: 
heit gelafien. 


Die Verfaffung der franzöftifhen Kirche war 
auf der erften Nationalfynode 1559 zu Paris feft- 
geitellt, Discipline eccl&siastique, zugleich mit 
dem Glaubensbelenntniß (1571 zu 2a Rocdelle 
betätigt). Sie hat nicht das theolratiſche Element 
der Genfer. Die Gemeinde verwaltet fid dur 
ihr consistoire, welches durch Cooptation fich felb 
ergänzt. In weiterm Aufbau der Eolloquien (clas- 
ses), Provinzial: und Nationalfynoden organifirt 

h das gefanımte Kirchenwefen, welches durch die 
Kirhenzuht auch innerlich zufammengehalten 
wurde, In der Berfaffung der franzöfifch: refor: 
mirten Gemeinden in Preußen jcheint diefe Dis- 
eipline ecclösiastique fehr deutlich durch, und die 
organischen Artite a d. 9.) gründen fid nicht 
minder darauf. Dieje waren die Folge des Ge: 
ſetes von 1795, welches die volle Religionsfrei- 


267 


Frankreich 


heit feſtſetzte. Ihre Beftimmungen find mobificirt 
urch das Döcret portant reorganisation des 
eglises protestantes vom 13. Märg 1851, welches 
ber reformirten Kirche, welche der Synoden nod) 
immer entbehrt, ein conseil central einfegte und 
die ei des lutheriſchen Oberconfiftoriums 
und des Directoriums erweiterte. Zunädjft Mr 
Einmirken von außen (engliſcher Methodiften) i 
feit der Julirevolution das innere Leben ber Kirche 
mannigfad geweckt, babei macht ſich aber vielfach 
das Streben ber Trennung der Kirche vom Staat 
gen In diefem Sinne wirkte feit 1833 die 
ociet& Evange&lique (ihre Zeitſchrift Le Semeur); 
„mit, ohne und wider” bie Confiftorien, hat fie 
Ermwedungen unter Ratholifen und Proteftanten 
im Auge. Ihr ähnlich war 1842—48 die Société 
des inter&ts gensraux du protestantisme fran- 
ais, F. Monod begründete 1848 in Paris bie 
nion des öglises &vangeliques en France, 
welche ſich 1849 conftituirte und die meiften, durch 
die evangelifche Gefellichaft hernorgerufenen Difji- 
bentengemeinden vereinigte. Bibel-, Tractat» und 
Miſſionsgeſellſchaften, die Geſellſchaften zur Evan: 
elifirung u. a. treiben mit Eifer und Erfolg das 
re ber innern Miffion. Seit den letzten zwei 
er ehnten ift in der reformirten Kirche ein ſehr 
leb * Kampf ausgebrochen. Eine wiſſenſchaft⸗ 
liche Richtung, die aus der Tübinger Schule her: 
vorgegangen ift, und zu der Männer wie Goquerel 
Y üngere), Reville, Poͤcaut gehören, hat die 
Harfe Oppofition der gegnerifchen rg 
vorgerufen, an deren Spige Guizot fteht. Dadurch 
ift in die innere Einheit ein tiefer Riß gebracht 
worden, in befien Folge jo ernfte Ereigniffe ein- 
traten, wie bie Abjegung des ey Coquerel ala 
Gehülfen des greifen Pfarrers Martin Paſchoud 
zu Paris und und endlich dieſes felbft (1867), 
die —— die ſich daran inüpften, bie 
Trennung ber beiden Parteien in der ——— 
conferenz zu Paris 1867 und noch manches An: 
dere. — Vgl. Browning, Hist. of the Hugue- 
nots, 1829. Capefigue, H. de la réformation 
8. ed. 1843. ©. de felice, H. des protestants 
en Fr. 1851. Hist. des synodes nat. 1864. Sol: 
dan, Geſch. des Prot. in Fr. bis Karl IX. 1855. 
Drion, H. chronol. de l'&giise prot. de Fr. 1855. 
G. von Bolenz, Geſch. des franz. Calvinismus, 
1864. Midelet, Hist. de France au XVI.s. 1864. 
Buaur, Hist. de la réf. frang. 1864, Rante, 
Franz. Gefhichte im 16. und 17. Jahrhundert, 
1852—56. Für die [utherifche Kirche vgl. Röhrich, 
Mittheilungen aus ber Geſch. der ev. Kirche bes 
Eifafjes 1855. Für die fpätere Zeit: (Mäder), die 
prot. Kirche Frankreichs von 1737—1846, herausg. 
von Giefeler. Reudlin, das Chriſtenthum in fyr., 
1837. Brud), Zuftände der prot. Kirche, Stud. und 
Krit. 1344. 

Katholiſche Kirche. Nach ihrer Auflöfung 
durch die Revolution wurde fie durd die organi⸗ 
fhen Artikel und. das Concordat reorganifirt. 
Das Eharakteriftiiche der Drganifation iſt die Ab: 
bängigfeit vom Staate, bie jedoch nicht jo mweit 
geht, die Kirche unfrei zu machen und vom Bapfte 
zu löfen, und bie größere Unabhängigkeit der 
Bifhöfe von dem Papfte. Alle Bijchöfe werben 
vom Staate dem Papfte vorgejchlagen, und wie 
alle Geiftlihen auch beſoldet. Der Biſchof fteht 
monarchiſch in feiner Diöcefe und fann die Pfar: 
ver verjeßen, die Deffervanten jogar abjegen oder 


Franz I. 


ifnen bie Facultäten nehmen. Die Biſchöfe neh: 
men fo eine ſehr freie Stellung zwifchen ber, Curie 
und bem Staate ein.” Ihr Auftreten mechfelt da: 
& mit den Interefien, die fie zu vertreten orten 
ie:15 Erzbifchöfet haben über die. 69 Bifchöfe 
teine anbere Gewalt, als daß von ihnen bie 
noden berufen werben. Seit der Reftauration des 
SJefuitenorbend'1814 .ift auch die Zahl der Orden 
egen: Dominicaner, Benebictiner und ‚Trap: 
piften find wieder ins —— 
große Anzahl weiblicher Orden, die faſt alle einem 
prattiſchen wohlthätigen Zwecke der Erziehung, 
oder der Armen⸗ und Krankenpflege dienen. Der 
Schulunterricht liegt faft ganz in den Händen des 
Klerus, und das Beftreben des Staats, den Volfö- 
unterricht zu organifiren, bildet einen Differenz: 
punkt der Gegenwart mit ber Geiftlichteit. Unbe⸗ 
dingt a dr der Bifchof die Bildung der Theo: 
logen in den Seminaren, die yacultäten in Paris, 
Rouen,‘ Borbeaug, Lyon find wenig beſucht. Der 
dem Gallicanismus abgewenbete Geift des Klerus, 
obwohl derjelbe noch feine Vertreter hat, zeigt ſich 
— — allgemeinen Einführung der römischen 
egie. » ß : i 
Der Miffion widmet die franzöſiſche Kirche 
zoßen Eifer. Die Prötres de la mission, das 
S6minairo des missions 6trangeres, die Congre: 
ee nn und 


Franz I. König von — Durch das 
Concordat mit dem Bapie von 1516 —— 
er auf die pragmatiſche Sanction Karls IX. Dem 


Papſte wurden die Annaten zugeſtanden, aber das 
Berbot der Refervationen und Anwartſchaften 
aufrecht gehalten. Dagegen erhielt der König das 
Recht, ſaͤmmtliche Erzbisthlimer, Bisthümer und 
Abteien zu befegen. Das Parlament und bie 
Univerfität nahmen dad Eoncordat nur in Folge 
von Drohungen an. Das Verhalten des Königs 
binfichtlih" der Reformation war lediglich durch 
politijche Erwägungen beftimmt ; daher begünjtigte 
er bie Proteftanten in Deutfchland, die er in 
Frankreich unterdrüdte. 

Franz von Aififi und bie Francißcaner, Fran: 
cedco Bernarbone, geb. zu Aififi 1182, begann 
nad aufrichtiger Beleyrung aus einem luftigen 
weltlichen ; Treiben ein möndifhes, nur dem 
Dienfte Gottes gemweihtes Leben, mit dem Stre— 
ben‘ durch bie Predigt der Buße der Verberbtheit 
ber>Beitgenofjen, zu fteuern. Seinen Gefährten, 
die zu biefem Zwede ſich ihm *5— gab er 
a. e Lebensvorſchriften; im Gegenſatz zu ber 

ppigfeit, bie in den Klöſtern eingerifjen war, 
machte er die unbebingtefte Armuth ihnen zur 
Pflicht; ald>Zeichen der Demuth, die Alle durd: 
dringen follte, nannte er fie Minoriten" (fratres 
minores). Innocenz ILL, vem er feine Gedanken 
entwidelte, genehmigte 1212 mündlich die Stif: 
tung,ebenfo Die Lateranfynode 1215. Honorius III. 

ab dem Orden bie feierliche —— 1223. 

IE TE LeN mit reißender Schnelle. 
Franz machte eine Wallfahrt nach Paläftina, juchte, 
gefangen, den Sultan zu bekehren, und wurde 
freigelaſſen. Er ftarb 1224 in ber Portiuncula⸗ 
kirche zu Affifi, in welcher er einft feine Belehrum 
gefunden, und welche jpäter mit reihem Abla 
außgeftattet wurde. Vor feinem Tode foll er wäh: 
ven eined AOtägigen Faſtens die Stigmatifirung 
(Wundenmale Ehrifti) empfangen haben. Schon 


268 


y: |t 


erufen und’eine | für 


Franz von Paris 


1228 wurde er feierlich fanonifirt und feine Ber: 
ehrung wuchs derart, daf ein Verbot des Amber 
das Uebermaß der Wunderjage einfchränten mußte. 
Schon um 1212 hatte fic) Clara von “in an 
Franz angeſchloſſen und den von Ir ifte: 
en Orden der Clariffinnen oder Damianijtinnen 
(f. d. 9.) ihm,unterftellt, welchem er eine eigene 
Regel gab 1224. beutenderen Einfluß hatte 
bie Stiftung ber Tertiarier, einer Drbenällafie 
Weltliche 1221. Bon den frühern Orden 
unterfhieden fih die Franciscaner nicht blok 
durch die Armuth (Bettelmönde) und ihre nicht 
auf das Kloſter befchräntte, vielmehr auf die Welt 
gerichtete Wirffamteit, jondern auch durch die de: 
mokratiſche Verfaſſung. Der Guardian, ber Bor: 
fteher eines Haufes, wird durch die Provinzial 
verjammlung auf.nur 2 Jahre gewählt, der Pro: 
vinzial durch die Vorjteher, an der Spige fteht der 
| General. Rach der förmlihen Beftätigung des 
Ordens 1228 erweiterten päpftliche Begünſti gungen 
die Borredhte defielben immer mehr, und erlaubten 
feinen Gliedern überall, .felbft ohne Zuftimmung 
der Pfarrer und Bifchöfe, zu predigen und Beichte 
zu hören; fo daß dem Volke gegenüber die Bedeu⸗ 
tung ber Pfarrgeiftlichleit gegen die der Mönde 
ſank. Die fernere Geſchichte des Ordens zeigt ben 
bleibenden Kampf einer ftrengern Richtung und 
einer mildern, der jchon zu Lebzeiten bed jranz 
durd) ‘den eriten General Elias feinen Anfang 
nahm, ben: fi) Antonius von Padua widerſette. 
63 handelte ſich um die frage, ob bie Francis: 
caner Häufer und liegende, Gründe erwerben und 
befigen und prächtige Kirchen erbauen dürften. 
Der Streit fpigte fich fpäter zu der Streitfrage, 
ob Ehriftus und die Apojtel etwas —9* Seien 
hätten, welden Sa der Bapft 1322 für ketzeriſch 
ertlärte. Die Spannung im Orden Löfte ſich aber 
nur durch die Bildung von" Eongregationen und 
die Scheidung in Objervanten und Conventualen. 
Jene, urfprünglich eine Eongregation bed Paolucci 
von Foligno 1368, vereinigte jpäter in ſich alle 
Strengeren. Der Name Conventualen gehörte 
urfprünglich allen in Gemeinfchaft lebenden Fran: 
eidcanern im Unterſchied von Eremiten; ald 1517 
jede Fraction des Ordens einen eigenen General 
erhielt, wurde er der Gefammtname der mildern 
Richtung. Eine vom Stifter nicht beabfigtiate 
Wirkfamkeit gewann der Orden burch Beſetzung 
ber theologifhen Lehrftühle; er mußte aber dies 
Recht in einem längeren Streite mit ber Univer: 
ität Paris feit 1244 Schritt vor Schritt, unter: 
tügt von den Päpften, fih erfämpfen. Eine bes 
ondere Pflege hat im Orden die Myſtik ei 
deren Entwicllung in den Fratricelien in Oppofi- 
tion —— ervortritt. Auf dem Ge 
biete der Miffion find fie durch die Jeſuiten er 
löſt. Bol. Thomas de Celand, Vita 8. F. 1229. 
Luc. Wadding, Annales minorum, 1625; Fort]. 
von J. de Luca. Vogt, d. h. Franz v. Afj. 1840. 
Morin, St. Fr. 1853, Hafe, Fr. von Aſſ. 1856. 
Demore, Leben der h. Clara, 1857. J. Görres, d. 
h. Franz von Aff., ein Troubabour 1828. 
ranz bon Paris. Ein Janfenift und Appel: 
lant, der in Folge feiner Asiefe ftarb 1727, die 
Appellation in der Hand. uf feinem Grabe 
kamen Berzüdungen unter den Janſeniſten vor. 
©. Janfenismus. Dal. Vie de M. Frangois de 
Paris, 1729. Recueil des miracles sur le tom- 
beau de Fr. de Paris, 1734. 





Franz von Paula 


$ranz von Paula, Geb. 1416 zu Paula in 
Als Eremit lebte er feit dem 20. Jahre 
in einer Grotte in ftrengfter Askeſe. Es wurde 
ein Rlofter —— und die Corporation erhielt den 
Ramen ber Minimen (noch geringer als bie Gerin⸗ 
Rinoriten) des 5. n3; fie follte eine 
igerung ber Franciscanerſtrenge fein. Der 
Genuß aller thieriſchen Speife und der Gebraud) 
des Linnenzeugs war ihr unterfagt. Den Orden 
beftätigte Sixtus IV. 1474. 
Klofter Bleifis des Tours in Frankreich, welches 
Karl VI. für ihn erbaut hatte. Ludwig XI. 
hatte ihn in Gefahr des Todes ald Wunderthäter 
y Aug, gerufen. Vgl. Acta Sanct. Apr. 


Franz von Sales. Geb. 21. Aug. 1567 bei 
Annecy in Savoyen. Er wurde Domprobft von 
Genf, 1590 Weihbiſchof und Eoadjutor. Perjön: 
liche Liebenswürdigkeit, Bildung und Klugheit 
eigneten ihn zur Thätigkeit für die Rüdgeminnung 
der tanten. 1594 begann er dieſe Arbeit in 

i8 am Genfer See, wobei er gegen bie 

ber Reformation —— und 
anrieth und ben Widerruf des Edicts 
won Ryon irtte. Seinen Faftenpredigten in 
Paris und Lyon rühmte man 72000 Belehrungen 
nd. 1602 zum Biſchof erhoben, drang er mit 
Elrenge auf wifſenſ ag ber Geift: 
Seine au ige Frömmigkeit befunbete 

im Ber iß zu Bort:Royal. Auf feine Ein: 
{ iftete Francisca von Chantal den Orden 


der anerinnen. Er ftarb am 28. Dec. 1622 


1818, * Tüb. 
Stan; Xavier. aus vornehmer Sa: 
milie bei Bampelona. In Paris ein Stubien- 
des Ignatius von Loyola, gehörte er zu 
dem Bunde der 6 Freunde, aus dem der Jeſuiten⸗ 
orben erwuchd. In Benebig beftand er im Hoſpi⸗ 
tal der Unheilbaren die Probe der jelbftverleug: 
nenden Hingabe. Nach Eonftituirung des Ordens 
ward er mit zwei Drdenöbrübern nad) Dftindien 
— Seine — erftredte ſich auf die 
ng ber gelen und die Miffton unter 
Heiden, Zuben und Muhamedanern. Der große 
we da ganze;Dörfer fich befehrten, war Wir⸗ 
tung jeiner Bertönfichteit Das Werk zu befefti: 
5 überjegte er einen Katechismus und ftellte 
er an ; leider hielt er auch ——— für 
ig. 1547 machte er eine Miſſionsreiſe 
Japan und von da, troß des Berbotes, nad) 
Sina. Auf der Infel Santhian ward er ergriffen 
amd getöbtet, 2. Dec. 1552, und 1622 heilig ge: 
rohen. Bgl. Turfelini, De vita Xav. Rom 
1594, Briefe des h. Fr. von Zav., überſetzt und 
llärt von Burg, 1836. 

Franzaſiſche Bibelüberfegung. Die älteſte aus 
ser Reformationäzeit ift die jogen. Antwerpener 
von Faber Stapulenfis, welche durch Löwenſche 

en revidirt und von den Katholiten be: 
nugt wurde. Im kirchlichen Gebrauch der Pro: 
sitanten ift die Genfer Bibel, die Ueberſehung 
3 Dfivetan, 1535 zu Serriöred auf Koſten der 
Daldenſer gedruckt, und 1588 von der Genfer 
beiſtlichleit durchgearbeitet; fie ift veraltet und 


269 


nz ftarb 1507 im| G 


Freiburg 


ungenügend. Eine Ueberarbeitung berfelben nahm 
1744 Oftermald, Prediger in Neufchatel, vor, und 
dieje verbreiten meift die Bibelgejellichaften. Eine 
neue, auf ben Ergebnifien der neuern Wiſſenſchaft 
ruhende Meberjegung ift eben durch eine Geſell⸗ 
ſchaft von meift reformirten Theologen zu ent⸗ 
rain Begriffe. Vgl. aud) Romanische Bibel⸗ 
etzung. 

ronzöfifäes Glaubensbelenntnig. Confessio 
'allicana, confession de la Rochelle, im calvis 
niſchen Geifte, ift wahrſcheinlich von Chandieu 
verfaßt, von ber erften Generalſynode 1559 geneh⸗ 
migt, und zu La Rocelle 1571 unterfchrieben; 
vorher ſchon war eö Heinrich IL und zu Poifiy 
Karl IX. übergeben gemwefen. 

Sraterhänfer find die Häufer der Brüder vom 

emeinfamen Zeben; weil die letztern auch Frater: 

ana hießen. 

Sratricellen. Gingen aus den ftrengen Fran⸗ 
eiscanern (Spiritualen) unter Führung des Peter 
von Dliva hervor, denen Eöleftin V. die Bildung 
einer beſonderen Con en geftattet hatte, 
welche Erlaubnif Sonitaz III. zurüdnabm. Sie 
wiberfegten fich, vertrieben ſogar mit Gemalt 
———— aus ihren Klöſtern. 1317 wurde die 

nquifition gegen fie aufgeboten und erbittert 

aben fie fi apofalyptiihen Weiffagungen In 
fo daß fie mit den Begharden fich berührten. Die 
Berfolgung währte von 1318— 1352, jeitdem ver- 
ſchwanden fie. 

Srauen bei den Hebräern. Die Unterorbnung 
der Frauen tritt hervor im Erbrecht und in der 
Ehejheidung ; wie begrenzt dieſelbe aber geweſen, 
eigen Mirjam, Debora und Athalja. Lebten die 

auen auch in abgefonderten Zelten (1. Mof. 
24, 67; 31, 33) beſchäftigt mit häuslichen Arb 
ten, Spinnen, Weben, Baden, aud) betheiligt an 
der Wartung ber Heerben (1. Mof. 29, 9; 2. Mof. 
2,16), jo waren fie doch von ber en 
mit Männern (1. Sam. 9, 11; Richt. 4, 17) felbft 
bei Gaftmählern (Joh. 2, 3) nicht ausgeſchloſſen, 
und erjchienen fogar bei Feften öffentlich im Rei: 
gen (1. Sam. 18, 6). Einen Harem zu halten, ift 
ausländifche übernommene Sitte. Die Achtung 
vor Frauenmürde Spr. 11,16; 14,1; 12, 4. 

Frauenvereine. Die weiblihen Kräfte in den 

elferdienft der innern Miſſion (im weiteſten 

inne) zu ziehen, bieten ſich in der katholiſchen 
Kirche die Frauenklöfter und Eongregationen dar, 
in der evangelischen, außer den Dialoniffenanftal« 
ten, die Frauenvereine. Ihrer Natur nad) ift ihr 
Wirkungskreis unmittelbare Pflege in der eigenen 
Gemeinde; durch Anfertigung von Handarbeiten, 
Bazare und Sammlungen dienen viele ber Mifs 
fion und dem Guftav:-Abolf-Berein, 

Frayffinous, Denis, Graf von. Geb. 9. Mai 
1765 zu Euvieres in der —— fath. Prieſter 
unter Napoleon, Kanonikus an Notre Dame. 1815 
Mitglied der Commiffion für den öffentlichen Un 
terricht, ein Vorkämpfer der kirchlichen Reftaura- 
tion im Sinne des Jeſuitismus, Pair und Minis 
fter der geiftlichen Angelegenheiten 1824—28. Er 
—— Louis Philippe den Eid, leitete bei 
Karl X. die Erziehung des Herzogs von Bourbon, 
+1841. Schriften : Les vrais principes de l’&glise 
gallicane und Defense du christianisme. 

Freechurch. ©. Schottland. 

Freiburg. Das Erzbisthum ift 1821 durch die 
Bulle Provida sollersque für die oberrheinifche 


Freidenker 


Kirchenprovinz (Rottenburg, Mainz, Fulda, Lim: 
burg) errichtet. Der Diöcefanfprengel ift gebildet 
aus Theilen der Bisthümer Eonftanz, Straßburg, 
Speyer, Wormö, Würzburg, Bafel und Regens: 
burg. Die Dotalion ijt vom (badifhen) Staate 
ewährt, der dad Recht hat, bei der Wahl des Erz: 
Bifhofa personas minus gratas von der Wahllifte 
zu ſtreichen. — Die Univerfität zu F. ift geftiftet 
1456 vom Erzherzog Albrecht VI. von Defterreidh. 
reidenter. ©. Deiömus und Rationalismus. 
reie Gemeinden nennen fi die von der 
Staatskirche fich getrennt haltenden —— 
in Waadt, Frankreich und Schottland, die den kirch⸗ 
lihen LZehrbegriff feithalten. In Deutſchland be: 
deutet freie Gemeinden zugleich den Gegenſatz 
egen jede Gebundenheit durch Symbol und 
ogma. Bgl. Lichtfreunde. 
Freiheit. Bon der Freiheit giebt es eine bop: 
elte Begriffsbeftimmung. Einmal kann fie bie 
öglichteit fein, in einem gegebenen Fall jo oder 
anders zu handeln ; fie bildet demnach ven Gegenſatz 
zu dem phyfiihen Zwang, welchen die Raturgejege 
in der materiellen Welt ausüben, und ftellt die 
Grundlage des Willensvermögens vor; fie wird in 
diefen Sinne beffer Wahlfreiheit genannt und ift 
ihrem Weſen nad) Willfür. Im Gegenſatz zu bie: 
fer formalen Freiheit fteht die reale. Sie ift nicht 
Urfprung des Willens, fondern das Ergebniß der 
ſittlichen Entwidlung des legtern, d. 5. derjenige 
Moment der fittlihen —— wo das Ich 
rein aus ſich ſelbſt heraus, ſich ſelbſt beſtimmend 
ig wo nicht mehr die Zufälligkeit finnlicher 
riebe im Menfchen die beftimmende Macht bildet, 
fondern die zwedfegende, dentende Vernunft. In 
biefem Sinne wird die Freiheit Eins mit Bingen 
Nothwendigkeit, die — des göttlichen 
wie des vollendet menſchlichen Willens, womit 
aud der bibliſche Sprachgebrauch übereinftimmt ; 
vgl. Joh. 8, 32. 36; Röm. 6, 18; 8, 2; 2. Kor. 
8, 17. — Bol. die Abhandlungen von Scel« 
ling, Ueber bie menſchliche Freiheit; Bocks— 
hammer, die Freiheit des menſchlichen Willens, 
1821; J. Müller, Lehre von der Sünde II; Rothe, 
Ethik, 2. Aufl. $. 86 und 200. Batle, die menſch— 
liche Freiheit in ihrem —— zur Sünde und 
zur göttlichen Gnade wiſſenſchaftlich dargeſtellt, 
1841. Ferner ſ. Determinismus und Prädeſtina⸗ 
tion und die Literatur dazu. — Chriſtliche 
ze beit, ift die freiheit von der Herrſchaft des 
Geſetzes. Der ethifhe Grundſatz des Chriftenthums 
ift der, daß der Menſch fi von innen entwickle, 
und daß von außen gebietend eintretende Mächte 
eine wahre Sittlichfeit wohl vermitteln helfen, nicht 
aber erzeugen können; jenes Recht nun, feine res 
figiöfe und Fe Entmwidlung aus fidy ſelbſt zu 
ge alten, aljo bie Kehrſeite der hriftlihen Inner: 
feit, heißt hriftlihe Freiheit. Sie kann ſich 
auch verirren und ber Herrfchaft finnlicher Inter: 
eſſen den Namen leihen, d. h. zum Libertinismus 
werben, wie die Geſchichte zu allen Zeiten lehrt. 
Bgl. 1. Kor. 10, 29; 2. Kor, 3, 17; Gal. 5, 1 und 
1. Kor. 8, 9. Gal. 5, 13; 1. Petr. 2, 16. — 
Evangelifche ober proteſtantiſche Frei: 
heit if die Erneuerung der chriſtlichen Freiheit 
mit dem bejondern Gegenſatz gegen die Autorität 
einer gewifjenbeftimmenden — — Macht. 
— ————— Freiheit ſ. Religionsfreiheit. 
ee töfirafen, S. Gefängnif; und Demeriten: 
ufer. 


270 


Freimaurer 


reijahr. S. Sabbathjahr. 
reimaurer. Eine geheime Geſellſchaft, deren 
Zweck Erziehung zur Sumanität und deren Ber: 
breitung tft. Inſofern diefer Grundfag ein von 
allen durch bie —— gezogenen poſitiven 
nationalen, religiöſen, geſellſchaftlichen Schranten 
abſehender, rein menſchlicher Grundſatz ift, gehört 
der Freimaurerorden als ſolcher keinem dieſer 
Kreiſe, keiner vorhandenen Religion oder Nation 
oder keinem beſtimmten Stande an, —— ſucht, 
obgleich er keine ſofortige Aufhebung bieſer Schran: 
fen verlangt und jedem Mitgliede die Zugehörig: 
feit zu denjelben beläßt, doch in bewußter cite 
einen über denfelben erhabenen Standpunft zu 
betreten und bie ſonſt durch diefe Grenzen von 
einander getrennten Menſchen ald Brüder in 
—— menſchlichen Sinne zu vereinigen. Die: 
er Zweck wird durch einen Bund erjtrebt, welcher, 
um ungeftört wirfen zu können, möglichſt abge: 
ſchloſſen und geheim bleibt, und welcher bieten 
geheimen Charakter durch eine geheimnißvolle, 
das Myſtiſche ftreifende, gewöhnlich dem Maurer: 
—— entnommene Symbolik und Mythologie 
efördert. — Ihren Urſprung führt die Mytho— 
logie der Freimaurer zurüd bis in die graueſte 
Vorzeit in den fabelhafteften Verbindungen mit 
den ägyptiichen und griechiſchen Myfterien, bem 
Baumeifter Salomo’3, den Kuldeern u. ſ. w. Da: 
gegen findet fich der erfte geſchichtliche Antni- 
pfungspunft in den mittelalterlichen Gilden der 
Steinmegen, denen die großartige kirchliche Bau 
funft der Zeit eine große Bedeutung und ein ho: 
bes Bewußtſein der Selbjtändigkeit verlieh. Die 
ältefte der vorhandenen Steinmehenordnungen, die 
Straßburger, datirt vom Jahr 1459 und be: 
gründete einen geheimen Bund mit eigener Geſetz⸗ 
gebung und Gerichtsbarkeit, deffen Hütten zu 
traßburg, Wien, Bern und Köln an der Spige 
ftanden. In religiöfer Beziehung bilden bie Gil: 
den grundjäglich keineswegs einen Gegenfat dr 
der Kirche, obgleich fi allerdings ein gewiſſer 
freierer Geift auch in ihnen hie und da entfaltet 
haben mag. Wie in Deutfchland thaten fid au 
in England die Steinmegen in Verbindung mit 
ähnlihen Handwerken zu einem Bereine zuſam⸗ 
men, defien Zweck hauptfächlich materielle Ber 
befferung ihrer Lage war. Sie nannten fi fre— 
masons (Freimefler) im —— zu den nie 
drigeren Handwerfen und führten ihre Conftitw 
tionen bereit3 zurüd auf Edwin von York 926, 
welcher den Bund zur Den der noachiſchen 
Gebote, Gehorſam gegen die Obrigkeit und Men- 
fchenliebe ohne Anfehen der Religion verpflichtet 
haben fol. Ihre ältefte Conftitution ift aus ber 
gu zwifchen 1429—1445. Nach einem langen 
erfalle im Reformationsjahrhundert hat das 17. 
und 18. Jahrhundert die alte Bereinigung wieder 
—— ſedoch jetzt allmählich als eine freie Ver⸗ 
rüderung nicht mehr einer Handwerlsgilde, fon: 
bern von Menſchen aus allen Ständen, welde 
durd das Band der Nächſtenliebe und derjenigen 
Religion, welde allen Renſchen gemeinjam tft, 
zufammengehalten wird, Die alten Statuten aber 
blieben fortbeftehen. Am Johannistage 1717 con: 
ftituirte fi) die große Loge zu London, melde 
bald das Haupt einer großen Verbindung von 
Menſchen von den niedrigiten bis zu den hoͤchſten 
Ständen wurde. Bon England breitete fid bie 
Gemeinschaft aus über Frankreich, wo 1725 bie 


Freitag 


erfte große Loge eröffnet wurde, in Irland 
1731, in Schottland und Schweden 1736. In 
Frankreich fuchte man die geſchichtliche Berbin- 
dung mit dem Johanniter: und Templerorden ber: 
uftellen, wodurch dem Bereine der Stempel eines 
dens aufgeprägt wurde. 1773 wurbe der Grand 
Orient de France gegründet und von der Zeit an 
erieth der Drden immer mehr im den wunder: 
ihften Myfticismus. In Deutichland wurde bie 
erite Loge 1733 zu Hamburg, 1738 in Braunfchmweig, 
1739 in Dresden, 1740 in Berlin die große könig⸗ 
fihe Mutterloge zu den drei Weltkugeln, — 
durch Friedrich d. Gr. gehoben wurde, 1742 die 
Loge zu Frankfurt u. a. m. gegründet. Das fran: 
oſiſche Ordensſyſtem fand durch Freiheren von 
undt u. 9. aud in Deutfchland Einfluß (Maurer 
von ftrieter Obfervanz) und zwar mit feinem ganzen 
myftifhen Unweſen, und brachte durch das Eindrin- 
en vieler Betrüger mehrfache Unordnung in das 
een Dazu entftanden eine Reihe 
neuer Orben, wie die aſiatiſchen Brüder, die Roſen⸗ 
kreuzer, bie Kreuzbrüder, welche ſich zum Theil feind⸗ 
ih befämpften. Reformen verfudhten die „große 
Landesloge von Deutſchland“ (1770) in Berlin 
und der „elleftiihe Bund“ (1783), welcher legtere 
immer mehr das Princip der reinen Qumanität 
im Bunde zur ausſchließlichen Geltung zu bringen 
ſuchte und endlich aud durch Aufnahme von Ju: 
den bie Schranfen der Religion durchbrach. Als 
politifch und religiös gefährlic wurde der Orden 
öfterd verfolgt; fo in Frankreih 1737, in 
Schweden 1738, in Spanien und Portugal durch 
die Inquifition. 1738 belegte Clemens XI. den 
Drden mit dem Bann; 1865 erneuerte Pius IX. 
die Verdammung. Aud Deren Wings 
—— für die Geiſtlichen ein bot der 
Theilnahme („die Freimaurerei und das evange⸗ 
liſche Pfarramt“ 1851). Der Orden hat eine ziem: 
id weite Verbreitung. Man zählt über 3000 
Logen, die hauptſächlich auf Deutfchland, Frank: 
reih, England und Rordamerifa vertheilt find. 
Vgl. Leffing, Ernſt und Fall, 1778. Kraufe, die 
drei ältejten Urkunden der Freimaurerbrüderjchaft, 
1810 u. ö. Kloß, die Freimaurerei in ihrer wah— 
ten Bedeutung, 1845. Gefchichte der Fr. in Eng: 
land, Irland und Schottland, 1847. Gedichte 
der Fr. in Frankreich, 1852—53. Allg. Handbud) 
der Freimaurerei, 1863—67. Beſonders aud) der 
Artikel „Freimaurer“ von Steig in ber Herzog: 
Iden Realencyklopäbdie. 
greifädte,. S. Aſyl. 

reitag. ©. Falten. Er ift der geheiligte Tag 

der Muhamedaner (Dſchuma). 


271 


Friebe 


1742 wieder in Gießen, 'jeit 1743 bg ae 1743 
Senior in Frankfurt. In praktiſcher Rechtgläu- 
bigleit widerftand er dennoch den Herrnhutern 
und Reformirten. Sein Beidht: und Communion: 
buch wird noch gebraudt. Vgl. Zappenberg, Re: 
liquien, 1847. 

reunde. ©. Quäker. 

reundſchaft ift die von aller Beimifchung der 
geſchlechtlichen freie, perfönliche Liebe, welde in 
natürlicher Gemüthäverwandtidhaft oder in zur 
Gemeinichaft führenden jocialen Berbättniffen 
murzelt. Ihr nähert 19 bie auf natürlicher Bafis 
ruhenbe Liebe, Geſchlechts- und Berwandtenliebe, 
um fo mehr, je mehr fie ſich heiligt und vollendet. 

Freundſchaftsinſeln. Die Miſſion wurde dort 
1797 von der Londoner Geſellſchaft begonnen, 
aber 1799 aufgegeben. Seit 1822 wirken auf 
Tonga mit Erfolg die Methopiften. 

Freya. In der nordiſchen Mythologie die Göt: 
tin der Liebe, oft verwedhjelt, auch in den Mythen 
wird damit bie Gemahlin Odins, Frigg, die Göt- 
tin der Ehe. 

Freylinghaufen, Johann Anaftafius. Einer der 
bedeutenditen Närner aus der Barden Schule, 
wurde geb. am 2. Dec. 1760 in Gan —— im 
Wolfenbüttelſchen, als Sohn eines Kaufmanns. 
Ein Beſuch bei Francke in Erfurt von Jena aus, 
wo er ſtudirte, beſtimmte ihn, ſich dem Letzteren 
anzuſchließen und mit ihm 1691 nad Halle über: 
ir Er trat mit yrande in die innigfte Ver- 
bindung, zuerft als Schüler, dann als Mitarbeiter 
und jeit 1715 ald Schwiegerfohn, wurde nad) deffen 
Tode (1727) fein Nachfolger im Pfarramte zu Et. 
Ulrich und ftarb als Director der Francke'ſchen An- 
ftalten am 12, Febr. 1739, Seine Hervorragendite 
Begabung war fein Dichtertalent; eine Menge 
Lieder von ihm, wie „Wer ift wohl wie du“, „Je: 

ah ift mein Hirt und Hüter,” find in die Gefang: 
licher ee ge Außer ben eigenen Liedern 
P er auch 1704 und 1713 das Haller Gejang: 
ch heraus, verbunden mit einem mufitalifchen 
Theile, von dem Fr. felbft Manches bearbeitet 
hatte. In der „Srundlegung der Theologie“ 1703 
hat Fr. das erſte Lehrbuch für höhere Lehranftal: 
ten geihaffen (kürzer ald: Kurzer Begriff der 
anzen chriftlihen Lehre”). Außerdem find nod 
ußpredigten (1734) und Cajualreden von ihm 
erjhienen. Bol. Freylinghaufens Ehrengedächtniß 
1740; Wetel, Lebensbejchr. der berühmteften Lie: 
derdichter, II; Koch, Gejhichte des Kirchenliedes. 

Fridolin, der Heilige, aus Schottland, kam un⸗ 
ter Chlodwig nad) Gallien und nad) der Schweiz 
und gründete auf einer Rheininjel dad dem heil. 


Fremde, die unter den Jiraeliten ſich aufgiel: | Hilarius gewidmete Klofter Sädingen. Sein Leben 


ten, wurden als der Hülfe bebürftig angejehen, 


| föprieb nach älteren Quellen ein Mönd Walter 


2, u 22, 21; 3. Moj. 19, 10. 33; er. 7,6; /um 1000. Nettberg hält bie —— ältere 


5. Mo}. 14, 28; fie hatten vor Gericht gleiches 
Recht, 2. Mof. 12, 49; 4. Mof. 35, 15, —— 


dagegen auch feinen Anſtoß geben, 3. Moſ. 17, 15 


und 5. Moſ. 14, 21. Zins von ihnen zu nehmen, 
war erlaubt. Ließen fie fich beſchneiden, jo konn: 
ten ihre Nachkommen das Bürgerrecht befommen, 
5. Mof. 23, 1. 7. Der Fremdenhaß ift Refultat 
der jpäteren Gejchichte, 

Srefenins, der Oberhofprediger in den „Be: 
tenntniffen einer jhönen Seele“, war geb. 22. Oct. 
1705 zu Obermwiejen bei Kreuznach, wurde dort 
1717 Nachfolger feines Vaters, 1784 Yurapre: 
diger in Gießen, 1736 Hofdiafonus in Darmitadt, 





Quelle für Erdichtung; dagegen ift Gerbert, Hist. 
Silvae nigrae, und Hefele, Geſchichte der Einfüh: 
rung des Chriſtenthums im ſüdweſtlichen Deutſch⸗ 
fand, 1837. 

Friede iſt ver Zuftand der Einheit mit fich ſelbſt. 
Da die Urſache des Unfriedens die Nichtüberein: 
ftimmung des Lebens mit dem fittlihen Bewußt⸗ 
jein, deö von der Sinnlichkeit regierten Handelns 
mit dem Gewiſſen, d. h. die Sünde, ift, jo entfteht 
der Friede nur aus dem Bewußtſein eines fittlich 
volllommenen Lebens (aus der „Gerechtigfeit“). 
Da diejes leptere aber für und Menjchen erfah: 
rungsmäßigeinunerreichbares Ziel bleibt, jo ſcheint 


Friedensluß 


auch der Friede ein unerreichbarer Zuſtand. Die 

Löoſung der Frage, wie der Friede zu erringen ſei, 

ift eigentlich das Räthjel, welches zu Löfen die Auf: | CH 

dar aller Religionen und Bhilofophien war. Das | an 
riftentHum hat diefe Frage gelöft vom Berhält: 
e des Menjchen zu Gott aud. Dadurch, daß der 

Menfch mit — = wird, fteht er zugleich auch 

in Ueberei mit ſich ſelbſt. Denn ein 

lebendiges —* zu Gott, ſofern dieſes ein 

richtiges ift, ift zugleich ein Mebergreifen bes fit: 
lichen Bewußtjeins über den gefammten Umkreis 
der menſchlichen Lebenäthätigteit, und wenn dieſe 
auch noch nit in allen Einzelheiten fittlih voll: 
ft, ſo iſt ſie w grundſätzlich bereits 
in Uebereinſtimmung mit jenem, und wird ſich, je 
inniger das Verhältniß zu Gott wird, defto mehr 
auch wirklich vollziehen. Jeber Moment der Ein 
bei mit Gott ift ein Moment der Einheit mit fi | dä 
elbft, ein Moment ber inneren Befriedigung. 

—* nun aber die Einheit mit Gott — iu 
deſto volllommener wird auch der Friede fein. 
aber eine wirkliche a nur durch bie Bermitt- 

Fr Chriſti vollzieht, ift der Friede auch ein Werk| des 

Ehrifti. Bon diefem —3 — aus erflären 

ch bie Stellen bed Neuen Teſtaments über ben 


L. 2uc. 2, 11; num. 61.3; 3a: | Det 


14, 27; 5 Mare. 5, 34; 

Friedenstuß. Als Zei * 4 en Liebe 
und ber volllommenen wurde er bei 
ber —— im m Dein v o * im Abendlande 


nad ber Eon eilt, auch bei anbern 
ficchlichen en. Seitdem 13. * rhundert 
iſt er nur noch bei 


ae Sen el. In 
Eonventiteln hat er mit und ohne Grund zu ben- 
felben Vorwürfen Anlaß gegeben wie in ber Urzeit 
der — airch 

ch 


Shake 
IL Tender von Heffen:Kafiel 1760 
— a. 1720 er fürftlihen Convertiten 
* Sc hunderts. Seinen Uebertritt 1749 
ahre vor ſeinem Vater und 

te u. es ie von bemfelben erri 
—— — die Religionsverfafſun 

Landes ſicherte. Seine Gemahlin trennte 

— in Folg 


e der nei sera ern 
Er ift bekannt durch feinen Solbatenhandel mit 

land zum norbamerifanijchen Kriege. 
4 IIL, der Weiſe. Kurfürft von Sadjen | w 
u 169. Geb. 1463, machte er 1493 eine Wall: 
fahrt nad) Baläftina, führte 1496 das Reichävica- 
riat, 1500 bad ran wg und lehnte nach 
Maximilians I, Tode bie Aa Fe up eab. Er 
befhügte Luther anfangs nicht dus ger Ueber: 
‚ Jonbern aus Politik, aus Rüd — 

tät, dann aus Gerechtigkeit un 
furdht vor der heil. Schrift. = an nicht ein 
geneigt, ließ er ” gefchehen. Vor ſeinem Tode aber 
anpfing er noch das Abendmahl unter beiberlei 
riedrich III. Geb. 1515. Pfalzgraf von Sim⸗ 
mern 1557, Kurfürft von ber Pfalz 1559—1576. 
—— erzogen, erklärte er ſich 1537 für bie 
Evangeliichen, trat 1560 nad) dem Religions: 
geipräd) zu Heidelberg der reformirten Kirche (nad) 
dem Gutachten Melandithons) bei. Durch Dievia- 
nus und Urfinus ließ er zur Befeftigung feiner 
Reformen den Heibelberger Katechismus ausarbei: 
ten und vertheidigte — auf dem Geſpräch 
zu Maulbronn 1564 und auf dem Reichstage zu 


272 


Friesland 


Augsburg 1566. Den Hugenotten fanbte er 1567 
feinen Sohn ons Caftmir, den Rieberländern 
b(+1 Ife. + 26. Dct. 1576, ein 
annt frommer a Sein Sohn und Rad: 
fol — —X war lutherifch geblieben. 
Au uf, ehe von Sachſen 1694 
— trat 1697 bei ſeinem Vetter, Bi⸗ 
ſchof Chriſtoph von Raab, zur ra Ar 
‚um König von Bolen zu werben (A 
1697 und 1699 garantirte er den Sachſen bie * 
rechthaltung der lutheriſchen Religion. Der Kur⸗ 
— ms, enge ——— —— zu Bo⸗ 
a um heimlichen 
ber 1717 veröffentlicht murbe. en 
ries, Jakob Friedrich. Pens. Geb. am 23. 
Auguft 1778 zu Barby, Profefior zu Jena, mo er 
or der philoſophiſchen Brofeffur, weil politiſch ver⸗ 
Hin, — wurde, dann in Heidelberg an sie: 
* 10 843. Er hat die Be de der art 
mit Das * * bie ce F Bm 
e giond ophie eine e 
ewonnen. Das ni e Her Gegenftand 
iffens, das Weberimnfihe -. bed 
Glaubens, die Ahnung ift das Organ es 
mit dem er bad Ueberfinnliche erlennt. — * 
e * die Friesſchen Ideen für die theologiſche 
atik verwerthet. Von ſeinen Schriften 
mg nennen: Philoſ. Rechtslehre, 1803; Neue oder 
ropol. Kritif der Bernunft, 1807; Syftem der 
hyfit, 1824 ; Geſchichte der Hilofophie, 1837 
—40. ulär find: ulius und Evagoras oder , 
bie Schönheit ber Seele; die Lehren der Liebe, des 
Glaubens und der Hoffnung, 1823. Bgl. Hente, 
Jak. Fr. Fries, 1867, eine Diogenpiir, bie das 
reiche edle Geiftesleben und bie große Wirkſamkeit 
bes ka wor in anregendfter Weife zur An: 


—— 

and. Die Belehrun a F.s ging Hand in 
F mit der Eroberung des Landes durch die 
anken. Den erſten Fränfifchen Mifftonären Aman: 
dus 626 und Eligius Wul 641 folgten bie 
elſachſen Wilfrid 677, —— Willibrord (7 
7 eftigt wurden die kirchlichen Einrichtun: 
gen durch Gregor von eg ne dh und Liud⸗ 
der. Die freie bi erlihe Berfaffung Außerte auch 
ihren —* auf das kirchliche Leben; Cölibat 
air: Be nten find niemals in durchgeführt “ 
en reformatorijchen Bew Er ind 
— ließ Graf Edzard freien La Php 
Brun prebigte zu Aurich, Joh. Stevens zu Norden, 
Jörgen von der Düre zu Emden; erft Enno ſchritt 
gen den ftand ber Katholiten thätlich ein. 
Dia auch Karlſtadt ſich nach F. gewendet hatte, 
Wiedertaͤufer, Zwinglianer und Lutheraner neben 
«| und gegen einander ftanden, fuchte er 1529 durch 
eine Meßensrbnung, welche die Bremer Prediger 
Tilemann und Belt nad) den Marburger Artifeln 
verfaßt hatten, die Einigkeit ber Kirche herzu ellen, 
und die zeitweilige Unterordnung unter ben Herzog 
von Geldern —* * —— * 5 der her 

bur n Confeſſion und dem Lut um feitz 
ob reformirte unterbrüdie —2 
erhob ſich um ſo mehr, als Joh. a Laſco 1540 vonder 
Gräfin Anna zum General uperintendenteiernannt 
wurde und feine Kirchenordnung einführte. Auch 
defien Verbannung und das D tiriefifche Interim 
fonnten um fo weniger den Aufjchwung bes refor: 
mirten Weſens hindern, als dafjelbe an ben eng: 
lichen und franzöfifhen Flüchtlingen immer neue 


Frith 
Stützen fand. Die Synode 1571 iſt für die refor- 
mirte Kirche Deutjchlands entjcheidend gemejen. 

Frith, Johann. Der Mitarbeiter Tyndals an 
der englifchen Bibelüberfegung, mar er ald Mit: 

ied des Chrift:Churd):Eollege jeiner evangelijchen 

finnung wegen gefangen gehalten, hatte ſich 
darauf nad Antwerpen zu Tyndal begeben, wurde 
bei feiner Rücklehr verhaftet und 1533 in London 
verbrannt. 

Sritigern (Fridigern). Der König ber Gothen, 
unter welchen dDiefelbendenArianismusannahınen. 

Sritigild. Eine Königin der Marfomannen, 
welche auf ihre Bitten von Ambrofius einen für fie 
le Katechismus erhielt. 

Fritzlar. Kloſter und Schule (Abt Sturm) grün: 
dete Bonifacius 732. Das Bisthum Buraburg 
murde 786 hierher verlegt und Abts⸗ und Biſchofs⸗ 
würde verbunden. Nach der Gründung von Pa: 
berborn wurbe der Sprengel von F. mit Mainz 
vereinigt. 

Fritzſche, D. Chriftian. Geb. 1776 zu Nauen: 
dorf. 1799 Pfarrer in Steinbach, 1809 Super: 
intendent in Halle, 1827 Brofefjor der Theologie, 
emeritirt 1848. + 1850. 

Fritzſche, Karl Friedrich Auguft, Sohn des 
Borigen. Geb. am 16. December 1801 zu Stein: 
habilitirte ſich 1823 in Leipzig. Vespertiner: 
pr iger und a. o. Brofeffor dajelbft jeit 1825, ging 
er 1826 al3 o. Profefjor der Theologie nad) Rojtod 
und in Folge von Zerwürfniffen in der Facultät 
1841 nad) Gießen. 1846. Da er feiner Richtung 
nad) Rationalift war, fo forderte feine Eregeje als 
Grundlage der Auslegung die Anerkennung ber 
Grammatik und förberten feine Commentare 
beionders das ſprachliche Berftändniß: Er fchrieb 
GCommentare über Matthäus, Marcud und den 
Römerbrief (gegen Tholud), außerdem viele Streit: 
Ihriften und Programme. 

Frömmigkeit. Die im Menfchen ald Anlage lie⸗ 
gende Religion (im fubjectiven Sinne), zur Tugend 
entwickelt, ift Frömmigkeit. Religiös im weiteften 
Einne ift jeder Menſch, infofern als die Religion ald 
Anlage angeboren ift; wennnun aber dieſe Anlage 
— einer gewiſſen Feſtigkeit ausgebildet wird, 

ß fie zu einem habituellen, lebendigen Zuſtand 
wird, und alle Lebensäußerungen des Menſchen 
die Beftimmtheit dieſes Zuftandes an ſich tragen, 
ſo ift daraus die Frömmigkeit geworben. Sie ver: 
hält fi) zum religiöfen Bemwußtjein wie etwa bie 
Tugend der Gerechtigkeit zum Rechtsbewußtſein. 
Sie ift nicht ausſchließliche Angelegenheit deö Ge: 
fühl3 oder des Verftandes oder der äußerlichen 
Angewöhnung, vielmehr ift, wenn eine derartige 
Ausfchließlichleitauftritt, eine krankhafte Verirrung 
der Frömmigleit eingetreten. Im erſten Falle ent: 
ſteht ein myſtiſch⸗quietiſtiſcher Zuſtand, im zweiten 
die Abirrung jenes Orthodorismus, deſſen Religion 
in dogmatiſchen Formeln aufgeht, und im dritten 
iene äußerlihe Frömmigkeit, weldhe mit frommen 
Uebungen die nit vorhandene fromme Gefinnung 
tu erfegen glaubt. Die Frömmigkeit ift vielmehr 
ein Zuftand des gefammten inneren Lebens und 
erhält nur in einem richtigen Gleichgewicht ber 
Kräfte ihren wahrhaft gefunden Zuftand. Webri- 
gend wird fie immer eine individuelle Geftaltung 
annehmen, da fie ein Werd der Perſönlichkeit ift, 

e wird nicht nur durch Nationalität, Gejchlecht, 

ter, Bildung verfchieden aefärbt fein, fondern 
auch durch die indivivuelle Art jedes Einzelnen. 


213 


Fructuoſus 


Beſonders hat auch jede Religion ihre eigene Fröm⸗ 
migleit; ſie iſt verſchieden theils durch den Grad 
der Intenſität, theils durch die Qualität. Die 
reinſte und zugleich lebendigſte Frömmigkeit hat 
das Chriſtenthum erzeugt, obgleich auch hier eine 
unendlihe Verſchiedenheit in der Geſchichte zu 
Tage getreten ift. Die priftliche Frömmigkeit hat 
zu ihrem wejentlihen Gehalte die Beziehung zu 
ChHriftus. In der luth. Vibelüberfegung kommt 
der Ausdrud in einem weiteren Sinne vor, als in 
unferem heutigen Sprachgebrauch. Das Wort 
En dort milde, gütig, gerecht, aufrichtig und wirb 
ogar auch von Gott — (1. Moſ. 4, 7; 
Hiob 8, 20; Pf. 82, 11; 36, 11; Sprchw. 2, 7; 
Matth. 9, 13; 23, 28; 28, 21; Job. 7,1; 5. Mof. 
32,4; Pj.92,16. Die Ueberfegung von II OH 
dixauog u.a.) Das Wort evocdea (1. Tim. 2, 2; 
en , en Tim. 3, 12; 11, 10) überjegt Luther Gott: 
eligfeit. 

Fropnaltar. Der Hauptaltar der Katholischen 
Kirchen, weil in ihm der Leib des Herrn, Frohn⸗ 
leihnam, aufbewahrt wird, 

Frohnfaſten. ©. Angariae. 

Frohnleichnamsfeſt (Frohn = Herr; Leichnam 
— Leib) wird am Donnerftag nad) Trinitatis be: 
gangen als das glänzendjte Feſt der Fatholifchen 
Rirde. Das Feitritual ift pomphaft und rührt von 
Thomas von Aquino her. Zur Feier gehört eine 
ir ya außerhalb der Kirche mit dem Benerabile. 

ies wird an vier Stationen auf einem Altartifch 
niedergefegt, die Anfangsworte der vier Evangelien 
und Gebete gelefen und ber Segen ertheilt. Das 
Feſt ift —— durch die Bulle Urbans IV. 
1264, von Tlemens V. zu Vienne 1311 beſtätigt. 
Es gründet ſich auf die Brodverwandlungslehre 
und ward zuerſt in der Lütticher Diöceſe durch den 
Biſchof Robert und den Legaten Hugo 1247 ge— 
—— Eine Viſion der Priorin Juliana ſoll den 

nlaß gegeben haben. 

Fromm, Andreas. Brobft zu St. Petri in Ber: 
(in, wurde er in den ſymboliſchen Streitigkeiten 
wegen eined Ausfalls gegen die Regierung ent: 
lafjen 1616 und trat zur fatholifchen Kirche über. 
Er foll die Lehninſchen Weifjagungen verfaßt 
haben. + 1655. 

Fromment, Anton, Geb. 1509 oder 10 bei Gre⸗ 
noble, war er der Gefährte Farels bei deffen Evan: 

elifationszügen in der Schweiz. In Genf 1532 
ehrte er das Evangelium duch eine franzöſiſche 
Schule und mußte nad) einem öffentlichen Auftre: 
ten fliehen. Nach ber Flucht des Biſchofs zurüds 
efehrt und noch einmal —— er dauernd 
eine Predigten unter dem Schute der Berner 
Sefandtfchaft 1534 und wurde Pfarrer zu St. 
Gervais 1535. Er legte feine Stelle nieder, half 
Boniward an feiner Chronik, wurde 1552 Notar 
und Mitglied des Raths. 1562 wegen a ua ab» 
gejegt, erhielt er 1574 nad) langjährigem Wander: 
leben feine Stelle wieder. Sein Hauptwert ift die 
on der Reformationsjahre 1532—36 (jehr 
elten). 

Sronton Te Due (Ducacus). Ein gelehrter Je: 
ſuit. Geb. zu Bordeaux 1558. Lehrer der Theolo: 
gie und Bibliothelar zu Paris, Hinterließ er brei 

ände Gontroverfen gegen Dupleffis über das 
Abendmahl. + 1624, 

Fructuofus. Bifhof von Tarragona, wurbe 
(21. Jan.) 259 unter Valerianus und Gallinus 

18 


Fructuoſus 


= Märtyrer mit feinen beiden Diafonen ver: 
rannt. 

Fructuoſus. Erzbifchof von Braga um 647, ift 
ber Stifter einer ſehr ſtrengen Mönchsregel, welche 
ſich durch die unbebingtefte Unterwerfung unter 
ben Willen der Obern und ftrengite Yatele aus: 
zeichnet, 

rühmeßner. Die an manchen Orten übliche 
Bezeichnung für Caplan, weil er die der Haupt: oder 
Plarrmeffe vorhergehende Meſſe zu leſen hat. 
rumentius, ©. Aedeſius. 
ty, Elijabeth. Geb. am 21. Mai 1780. + 1865. 
Tochter des Gutäbefigerd John Gurney, eines 
Duäfers, und verheirathet mit dem Kaufmanne 
3D 1810, Ihre werlthätige Armenliebe und ihre 
egabung verſchaffte ihr in der Quäfergemeinde die 
Stelle ald „Zeuge ded Worts“ und dies gab den 
Anlaß zu fpäterm öftern öffentlichen Auftreten 
mit Anfprade und Gebet. Als ein Beſuch 1816 
im Gefängniß zu Nemgate fie die fchredliche Lage 
ber weiblihen Gefangenen hatte erkennen laffen, 
wandte fie ſich ganz der Befferung des Gefängniß: 
weſens zu, indem fie auf —— Reiſen ſich 
an einflußreiche Perſonen und Fürſten wandte, 
durch öffentliche Anſprachen Gefängnißvereine 
ri dafür Sorge trug, daß die Gefangenen 
redigt und Bibel nicht entbehrten und durch Be: 
uche in den Gefängniffen unmittelbar auf die 
müther zu wirfen Nude Ihre Wirkfamteit er: 
—— ſich aber nicht minder auf andere Claſſen 
es armen und verwahrloſten Volks. Ihre ſegens⸗ 
reiche Thätigkeit, die für Viele ein mächtiger An— 
trieb geweſen iſt, ſchildert, Leben und Denkwürdig⸗ 
keiten der Eliſabeth Fry“, Hamb., 2. Ausg. 1851. 

Füchſe waren in Paläſtina häufig und werden 
ald Verderber der Weinberge genannt Hobel. 2, 
15, Als Bild der verfchlagenen liftigen Menfchen 
erwähnt fie Luc. 9, 58, 

Fünfmeilenacte (1665) war gegen die noncon: 
formijtifchen Geiftlichen gerichtet und verbot denen, 
welche nicht die nk unterzeichneten, 
ſich ihrer früheren Pfarrei oder irgend einer Stadt 
auf fünf Meilen zu nahen. 

ürbitte, Da in derjelben die reinfte Frömmig- 
feit des Glaubens die wahre Liebe zu dem Nädı- 
ften aufnimmt, jo ift fie die vollendetfte Darftel: 
fung des innern Lebens und die Krone des Gebe: 
tes. Ihr höchſtes Beispiel findet fie im hohepriefter: 
lihen Gebet Joh. 17. Die Mahnung zur F. durch: 
zieht das Baterınfer; fie ift Die Vorausfegung des 
chriſtlichen Gemeinſchaftslebens und wejentliches 
Moment eines jeden Gemeindegottesdienftes. Die 
tatholiihe Lehre von der Fürbitte der Heiligen 
und für die Scelen im Fegfeuer wird wegen ihres 
Yufammenhanges mit der Lehre vom Ablaß und 
deshalb wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der 
Nechtſertigungslehre verworfen, 

Fürſibiſchof. Ein Ehrenrang, den einige Bifchöfe 
(Breslau, Sedau, Gurf, Lavant, Laibach, Brixen 
und Trient) haben, Im deutſchen Reiche hatie jeder 
Biſchof Fürjtenrang. 

Bürflenberg, Wilhelm Egon. Biſchof von Straß: 
burg, befannt wegen jeiner franzöſiſchen Gejin: 
nung. Zum Goabjutor und hierauf zum Er;bifchof 
von Köln erwählt, jtarb ex, noch che er das Amt 
antrat, 1688. 

Fürflenberg, Theodor von, Biſchof von Pader: 
Lorn 1585— 1618. Durch feine jeſuitiſchen Bemü— 
ungen in der Zeit der Gegenreformation belannt. 


274 


Fulgentius von Rufpe 


Füßli, Johann Konrad. Kirchenhiſtoriker. Geb, 
1707 zu Züri, Pfarrer in Veltheim, Canton Zü: 
rich. + in Winterthur 1775. Er — Neue un: 
parieliihe Kirchen: und Kegerhiftorie (11. bis 13. 
Jahrh.), 1770; Beiträge zur Kirchenreformations: 
geihichte der Schweiz, 1741, 

Sulbert von Ghartred, „Der Sofrates der 
Franken.“ Ein berühmter Lehrer an der von ihm 
990 geftifteten Schule von Chartres, der er aud 
als Biſchof 1007 feine Lehrthätigkeit nicht ent: 
zog. Er ftarb 1029 und ift heilig gefproden, 
Einer feiner Schüler war Berengar von Tours, 
Ihm wird das Gebet: Sancta Maria succurre 
miseris zugeſchrieben. Seine Werke, Predigten, 
Hymnen, Briefe, Barid 1565. Die Ausgabe von 
1608 ift nicht immer zuverläffig. 

Fulcher von Chartred, Caplan bei Balduin von 
Jeruſalem, ſchrieb er eine Geſchichte der Kreuzzüge 
bis 1127, 

Fulto. Einer der ausgezeichnetſten geiftfigen 
Volksredner des Mittelalters, Caplan zu Neuilly, 
2 er in reiferem Alter früher Verfäumtes 
nachholen, indem er den gelehrten Borlefungen in 
Baris beimohnte. Als 1192 feine Rednergabe durch 
die Wirkung einer Predigt in Paris ſich bewährt 
hatte, durchzog er zwei Jahre ald Voll3: und Buß: 
prediger Frantreich. 1198 übernahm er den Auf: 
trag von Innocenz III, das Kreuz zu prebigen, 
und bewog nad) feiner eigenen Angabe 200,000 
Menſchen, unter ihnen die Grafen Montfort und 
Balduin von Flandern, das Kreuz zu nehmen. 
Nah Neuilly zurückgekehrt, ftarb er 1202, 

Fulda. Das Klojter wurde von Bonifarius durch 
feinen Schüler Sturm geftiftet 744, der auch zuerft 
die Abtswürde bekleidete (+ 779). Den Grund und 
Boden hat Karlmann geſchenlt, Schenkungen fei: 
ner Nachfolger vermehrten den Befig. Der Papft 
erimirte 1751 die Abtei. F. wurde der Ausgangs: 
punft der Gultur für das mittlere Deutſchland, 
aud) der wiffenfchaftlihen Bildung durch die Klo⸗ 
ſterſchule, welche ihre größte Blüthe unter Rhaba— 
nus Maurus hatte. Die Abtei bewahrte ihren 
Reihthum und blieb ftark genug, 1331 einen Ans 
griff der Bürger von Fulda gg ln ie 1513 
wurde Hersfeld mit F. vereinigt. Die Reformation 
bedrängte 1542 den Abt Johannes, aber defio 
energijcher trat eine Gegenreformation auf unter 
Balthafar 1573. Im dreißigjährigen Kriege hatte 
Hefjen eine Zeitlang 5 als ſchwediſches Lehen. 
1732 erhub Benedict XIV, die Abtei zum Bisthum; 
als ſolches gehört es jet zur oberrheinifchen Kir: 
denprovinz. Der weltliche Befig fiel 1803 an den 
Prinzen von Oranien, 1809 an Frankfurt, 1815 
an Helfen und mit diefem 1566 an Preußen. 

Fulgentius Ferrandus, Ein Diakonus zu Kar: 
thago, der, mit Fulgentius von Ruſpe verbannt, 
in Cagliari im Kloſter des heil. Saturninus lebte, 
bis er 523 nad) Karthago zurüdtehrte, Im Drei: 
capiteljtreit ſprach er fi) in einem Gutachten 546 
jehr entfchieden gegen die Annahme des Zaiferlichen 
Erictes aus, Außerdem ift feine Breviatio canon. 
eccles., eine Bufanmenftelung von Synodal: 
beſchlüfſen, wichtig und eine ethiſche Schrift: De 
septem innocentiae regulis. 5 

Fulgentius von Ruſpe. Geb, 478 zu Telepte. 
Ein berühmter firhliger Scriftfteller des b. Jalt- 
hunderts und u des Augufiinismus, 
Schrieb De veritate praedestinationis gegen Jan 
ituß und verfaßte andere meift nur in Ftagmenteß 


Fullo 275 Gabler 


erhaltene Schriften gegen Sentipelagianer und |ner 1555, lud auch troß eines MWiderrujs früherer 
Arianer. In den Stürmen der damaligen nords | Zehrmeife den Vorwurf des Philippismus auf ſich. 
afrikaniſchen Kirche unter den Vandalen brachte er | Zum herzoglichen Rath und Schagmeifter der Her: 
den größten Theil feines Lebens auf Reifen und | zogin neben feinem Pfarramt erhoben, wurde er 
in der Verbannung zu. Auf Sardinien gründete | 1566 bei einer polniſch-oberlehnsherrlichen Com: 
er nach Auguftins fe el ein Klofter. Seit 504 | miffion des Landesverrathes und der Ketzerei ans 
Bifchof von Rufpe, Fern yet im bortigen Klojter 533. | geflagt, zum Tode verurtheilt und enthauptet, 
ullo, Petrus. Der Walter (fullo) von feinem * Gottes. S. Gottesfurcht. 

Gewerbe im Kloſter genannt. Ein Anhänger des urſeus, aus Irland, ſtiftete dort ein Kloſter, 
Eutyches, als Unruheſtifter aus mehreren Klöftern | danach in Oſtangeln die Abtei Knobbersburg um 
verbannt, ſchwang er fid) durch die Gunft Zeno's, 630, die er feinem Bruder überließ, um ſich in bie 
bes Schwiegerjohnes des Kaiferd Leo, auf den | Einöde zurüdzuziehen. Während der Berfolgungen 
Batriarpenftul zu Alerandrien 471. Er erffärte | Penda's, des Königs von Mercien, 109 er 
fih für den Monophyjitismus und führte das Frankreich und gründete das Klofter Lagny. 
Schibboleth deſſelben: Beds 6 araupweis di’ yuäg, | 6hv oder 54. Don ihm werden Bifionen bei ben 
„Gott für uns gekreuzigt,“ in die Liturgie ein. | Bollandiften erzählt. 


Bon einer Synode abgejegt und verbannt, wurde | Fußluß. Eine vom Papfte in Anſpruch genom: 
mene Ehrenbezeugung, welde als Adoration bei 


der Huldigungsfeier von den Cardinälen dreimal 
wiederholt wird und fonft bei feierlihen Audienzen 
ftattfindet. Das auf dem Pantoffel eingeftidte 
Kreuz am rechten Fuße des figenden Papſtes wirb 
gefüßt ald Zeichen der Unterwürfigkeit. Die ver: 
änderte Zeit hat die Forderung diejer Ehrenbezeu: 
— durch ſouveräne Fürſten hinfällig 
gemacht. 

Fußringe aus Metall und Horn trugen die He⸗ 
bräerinnen als Schmud, zuweilen mit Kettchen 
verbunden, Jeſ. 3, 18. 19. Beim Gehen mußien 
ſie ein Geklingel erregen. 

Fußwaſchen gehört bei dem Gebrauch der San: 
balen zur nothiwendigen Reinlichfeit und war daher 
erſte Bu der Gajtlichleit, Luc. 7, 44. 

Fußwaſcher. Eine Partei der Mennoniten, welche 
die Fußwaſchung, Joh. 13, 14; 1. Tim. 5, 10, 
als ein von Chriſtus befohlene® Sacrament bei: 
behielten. 

Fußwaſchung am grünen Donnerflag. Bon ber 
buchjtäblihen Anwendung des Gebotes Joh. 18, 
14 in der alten Kirche finden fich deutliche Spuren 
bei Auguftin und der Synode von Toledo 694, 
In ber römischen und griehifchen Kirche, mo die 
F. früher als Sacrament galt, findet fih am Hofe 
des Papſtes, einiger Fürften und Bifhöfe und in 
den griechiſchen Klöftern die Sitte, dag am grünen 
Donnerftag der Popſt, der Fürſt oder der Abt zwölf 
armen Greifen unter beitimmtem Geremoniel die 
Füße wäſcht. Bei den Herrnhutern ift die F. als 
„teine Taufe“ ein nicht gebotener Gebraud). 


er nad) den Schwankungen am Kaiferhofe zurüd: 
berufen, wieder verbannt und ftarb 486 im Bejig 
des Patriarchats. 
Yundamentalartifel des Glaubens find biejeni- 
en Süße der chriſtlichen Lehre, durch deren Feſt— 
an oder Leugnen das Ergreifen bes Heiles be: 
dingt ift; weiter in Beziehung auf andere Religio: 
nen und Gonfeffionen die wejentlihen Unterſchei— 
dungslehren des Chriſtenthums oder der Confeſſion, 
welche, wenn fie nicht als zur Seligkeit nöthig er: 
ſchienen, feine Trennung verurſacht haben würden. 
An der Leugnung bes Sundamentaien entſcheidet 
fih das Häretiſche. Der Begriff ift im polemiſchen 
Interefje von Hunnius im die Theologie eingeführt 
und von Duenftäbt ausgebildet. In der neuern 
eit ift er lebhaft erörtert in Beranlaffung der 
liner Generalfynode und beö von derjelben 
vorgefhlagenen Drdinationdformulared. An ber 
Deftitellung beffen, was für fundamental zu achten, 
—— die Erledigung aller unſerer kirchlichen Zeit: 
agen über Union und Lehrfreiheit. Die Einigung 
ift aber noch nicht bis zu dem allgemeinen Zuge: 
ftändnifje vorgefhritten, daß fundamentale und 
u fundamentale Glaubensartifel zu unterfcheis 
eien. 
Fundatio beneſflell. Gründung eines Bene⸗ 
ficiums (f. d. A.). 
gun, Johann. Der Schwiegerfohn Oftanders, 
war wegen des Interims in Nürnberg entlaffen 
und Hofprediger bei Albrecht von Preußen gewor⸗ 
den. Als das Haupt der Oſiandriſten betrieb er bei 
dem Herzogdie Gewaltthätigfeit gegen die Luthera⸗ 


6. 


Se S. übrigens Geiftesgabe und Ebenbild 
ottes. 
Gabinius. NRömifcher Feldherr unter Pompejus, 


Goa, Berg in Paläftina unmeit Thimnath: 
u 0. 24, 30; Richt. 2, 9; vgl. 2. Sam. 


Gabaa. S. Gibea. * nach der Eroberung Jeruſalems als Bros 
Gabaon, ©. Gibeon. eurator Paläftina verwaltete, die neue politiiche 
Gabathon. S. Gibbethon. Eintheilung des Landes einridtete, 53 Alerander, 
Gabe, übernatürlidye, (donum)ift nad) der fa: | den Sohn des Ariſtobulus, am Tabor bejiegte 
tholiſchen Dogmatif die Auszeihnung, welcher fich | und die Städte Samaria (Gabiniopolis) und Asdod 
Adam vor dem Falle erfreute und wodurd) er ſich wieder erbaute, 
von andern Menſchen unterjcheidet, da er nam-⸗ Gabler, Johann Philipp. Bebeutender Gelehrs 
lich volllommen Gott wohlgefällig, in die Theil | ter — Richtung. Ebe. am 4. Juni 
nahme an ber göttlichen Natur verſetzt war. In | 1753 zu Frankfurt a. Vi., ftudirte er in Jena un: 
diejer Auffaffung begründet fi der tiefgehende | ter Griesbach. 1785 Profeffor der Theologie au 
Unterſchied der protejtantijhen und fatholifchen | Altdorf, vorher zu Frankfurt a. * 1778, in 


Gabriel 


Göttingen 1780, am Gymnafium zu Dortmund 
1783, 1804 nah Jena berufen, + 1826. Er 
bearbeitete Eihhorns Urgeſchichte, gab nadeinan: 
ber mehrere Zeitichriften heraus: „Neueites theol. 
Journal,” 1798—1800; „Journal für theol, Lite: 
ratur,“ 1801—1804; „Zournal für auserlejene 
theol. Literatur,” 1805—1811, deren Inhalt na= 
mentlih die exegetiſche und Fritifhe Theologie 
betrifft. Eine Ausmahl — Abhandlungen iſt zu 
Ulm 1831 erſchienen. Vgl. Schröter, Erinnerun⸗ 
gen an Gabler, 1827. 

Gabriel, der Erzengel ð&r — Mann Got: 
tes). Nach Dan. 8, 16; 9, 21 legt er dem Daniel 
das Gefiht vom Widder aus und theilt ihrı die 
MWeiffagung von den 70 Wochen mit. Luc. 1, 19 
verfündigt er die Geburt Jeſu. Sn der ausgebil- 
betern Engellehre der Rabbinen und Apofryphen 
nimmt er ftetS unter den Engeln eine hervor: 
ragende Stelle ein. Vgl. ©. 2. Hahn, Theol. des 
N. T., Leipzig 1854, I, ©. 286 ff. 

Gad. 1) Stamm Iſraels, der —— ea erg ei 
den ten Sohn Jalob3 von der Silpah (1. Mof 
30, 9 ff.) zurüdführte und, als ftreitbar gerühmt, 
fi unter Jephtha gegen Ammoniter und Ephrai- 
miter, jpäter auch gegen andere Nachbarn be: 
See Nach 1. Mo). 46, 16 zerfiel er in fieben 
Geſchlechter, während 1. Chron. 5, 11 deren vier 
und zwar unter ganz verfchiedenem Namen auf: 

eführt werden. Sein Wohnfig war längs des 
ordan an deſſen Dftfeite. Unter Phul wurden 
die Gaditer nad) Aſſyrien geführt, 2. Kön. 15, 29. 
— 2) Ein Prophet zur Zeit Davids, 1. Sam. 22, 
5; 2. Sam. 24,11. — 3) Eine haldäifche Gott: 
Kir — identiſch mit dem Planeten Jupiter, 
e 11 


Gadara. Hauptſtadt von Peräa ſüdlich vom 
Hieromaz, an der Strafe nad) Damaskus, gehörte 
zur Delapolis. Bon PBonipejus wiederhergeftellt, 
von Auguftus dem Herodes gejhentt, am fie nad) 
deſſen Tode zu Syrien. Später war es ein dhrift: 
licher — Die Lesart bei Mare. 5, 1; Zur. 
8, 26; Diatth. 8, 23 ift nicht ficher. 

Gadda. ©. Hazar:Gabba. 

Gärten waren bei den Sraeliten fehr beliebt 
und wurden auch von Bürgern bei ihren Häufern 
angelegt; innerhalb Jerufalems waren fie fpäter 
unterfagt und fanden ſich nur vor den Thoren. 
Erwähnt werden Parke und große Luftgärten mit 
Balfins — Baden Suſ. 15, mit Familiengrüf—⸗ 
ten 2. Kön. 21, 18; Matth. 27, 60, auch mit 
Stätten heidniſchen Cultus Jeſ. 1, 29; 57,5. 

Gajaner, Julianiſten, apdaprodoräjrea, eine 
monophyſitiſche Partei, lehrten die Unvergänglich— 
keit des Leibes Chriſti vor der Auferſtehung. 

Gajus. S. Cajus. 

Galaterbrief. Wahrſcheinlich von dem längern 
Aufenthalte des Apoſtels Paulus zu Epheſus aus, 
etwa 56, an die galatiſchen Gemeinden (ſ. d. folg. 
Art.)gejchrieben. Judaiſtiſcherehrerwaren nach dem 
erjten Weggange des Apoſtels in die galatifchen Ge: 
meinden eingedrungen ; fielehrten die Nothwendig: 
feit der Beichneidung (Cap.5—6, 12 ff.) und rich⸗ 
teten ihre Angriffe namentlid) gegen die apoftolifcye 
Autorität des Paulus (Cap. 1). Dies veranlafte 
P. zu dem Briefe, defjen Inhalt in zwei Theile 
zerfällt: 1) den dogmatifchen, die Vertheidigung 
jeiner apoftolifhen Autorität (1 und 2), die Lehre 
von der riftlichen Freiheit, von dem Geſetze, na: 


276 


| Balens in Galatia prima und secunda ge 


Salilei 


mentlich aber von der Befhneidung, und 2) den 
ermahnenden, der zur Bewahrung der hriftlichen 
Freiheit ermuntert und vor ihrem Mißbrauche 
warnt (5), dann einige allgemeine Ermahnungen 
beifügt und ſchließlich noch einmal die perſönliche 
Angelegenheit berührt (6). Der Schriftbeweis für 
feine Lehre ift zum Theil nach rabbinijcher Theologie 
geformt. Die Bereinbarkeit der geſchichtlichen Roti- 
zen aus jeinem Leben mit denen der Apoftelgefchichte 
e ein noch nicht einftimmig gelöftes Problem. Die 
chtheit des Briefes ſelbſt ift unbejtritten. Bal. 
bie Commentare ym N.T., ferner die befonderen 
von Winer, ed. IV 1859, Flatt (mit dem Epheſer⸗ 
brief) 1828, Ufteri 1833, Matthiad 1833, Rüdert 
1833, Schott 1834, Hilgenfeld 1851, Müller 1853, 
Jatho 1856, Wiejeler 1859. 
alatien. Eine Landſchaft des mittleren Klein: 
afiens, welche von einem eingemanderten germa: 
niſchen Stamme bewohnt war, der fogar jeine 
eigene Sprache lange beibehalten hatte (Gallo- 
gräci). Nach bem Tode des legten Fürften wurde 
die Landigaft römifhe Provinz (26) und = 
Paulus * ſich hier zweimal aufgehalten, Apſtg. 
16, 6; 18, 23, und die Gemeinden geſtiftet, welche 
vorherrſchend heidenchriſtlichen Charakter trugen. 

Galba, Servius Sulpicius, Römiſcher Kaijer 

vom Juni 68 bis Januar 69 n. Chr. ©. Apola- 
lypſe. 
Vewanum, 2. Moſ. 30, 34; Sir. 24, 11, iſt 
das Harz einer in Arabien und Syrien wadjen: 
den Staude, welches durch Einfchnitte in die Rinde 
erlangt wurde. Mit Balfam, Myrrhengummi und 
Weihrauch gemifcht, bildete es das hochheilige 
Rauchwerk der Stiftshütte. 

Galea. S. Kleider. 

Galerius. Mitregent und Schwiegerjohn des 
Diocletian. Haupturheber der Chriftenverfolgung 
303, nöthigte er ſchon 298 die chriftlichen Soldaten 
jeines Heeres zum Opfern, vermochte den Kaifer 
bei einer Zufammentunft zu Nitomedien 303 zum 
blutigen Einjgreiten und foll nad) Zactant, De 
mortibus persecutorum, an derjelben Krankheit 
wie Antiochus Epiphanes und Herodes Agrippa 
I. 311 geftorben jein. 

Galfried von Monmouth war 1152 Bijchof zu 
Ajaph. Als er bürgerlicher Unruhen wegen Wales 
verlaffen und bei Heinrich II. Aufnahme gefunden 
hatte, mußte er auf fein Bisthum verzichten 1175. 
Er fhrieb eine Geſchichte der Britten, mehrer: 
dogmatifche, eregetifche Schriften, Gedichte u. ſ. w 

Galgala. S. Gilgal. j 

Galıläa. In vorerilifher Zeit Heißt jo nur ein 
Diftrict in Norbpaläjtina, 1. Kön. 9, 11, fpäter 
ganz Nordpaläftina diesfeit des Jordan. Es war 
getheilt in Ober: und Untergaliläa; jenes wurde 
zum Theil von Heiden bewohnt. Die Provinz war 
überall gut angebaut und ſtark bevölfert. Ihre 
Einwohner wurden aber bei den übrigen Juden 
als weniger rein und orthodor veradhtet, Job. 1, 
46; 7,52. Galiläa ift vorherrſchend der Schauplaf 
des Lebens Jefu. Da die Galiläer freier von 
dem jüdischen Satzungsweſen und alfo unbefan- 
Eee waren, lonnte er bei ihnen leichtern Zugang 

nden. 

Galilei. Geb. am 18. Febr. 1564 zu Piſa. 1589 
— 91 Profeffor der Mathematik, dann bis 1609 
zu Padua und wieder in Pifa, Wegen feiner Ber: 
theidigung des kopernilanijchen Syſiems: Dialogo 


Galigin 


sopra i due massimi si:tcmi del monde Ptole- 

maico e Copernicano, 1632 wurde er von der In⸗ 

quifition verklagt und mußte unter Urban VIII 

—— daß die Erbe ſtille ſtehe (E pur si muove). 
4 


Galitzin, Fürſtin (Amalie von Schmettau). 
Geb. 1748. Verheirathete ſich mit dem ruſſiſchen 
Geſandten Fürften G. im Haag 1768. Um ſich 
ganz der Erziehung ihrer Kinder und der dazu 
nöthigen Selbftbildung widmen zu Tönnen, lebte 
k getrennt von ihrem Gemahl feit 1779 in Müns 

er. Eine Schülerin Diverots und Hemfterhuys’, 
wurde fie von Fürſtenberg ber Kirche wieder ge: 
wonnen, durch Hamann Schriften völlig umge: 
wandelt und war feitdem der Mittelpunlt eines 
fein gebildeten, tief hriftlichen Kreifes in Münfter, 
von welchem mannigfache Anregung ausgegangen 
ift. + 27. April 1806. 

Gall, Nikolaus, eigentl. Hahn. Geb. in Köthen 
1516. Prediger in Mansfeld und Regensburg, 
verwaltete er nach dem fchmalfaldifchen Kriege 
Crucigers Amt in Wittenberg, trat da im Streite 

egen das Interim auf die Seite des Flacius und 
leitete ihn nad) Magdeburg, wo er Prediger 
1550 und Superintendent 1552 wurde. Danad) 
wieder a in Regenäburg, bewährte er ſich in 
den ofiandrifhen und majoriftiichen Händeln 
und auf dem Convent zu Frankfurt 1557 als un: 
ermüblicher lutheranifder Streittheologe. + 1570. 

Gallandi, Andreas. Abt der Congregation bes 
Dratoriums in Venedig. + 1779. De vetustis ca- 
nonum collectionibussyllage, 1778; Bibliotheca 
vett. patrum antiquorum que scriptorum eccl, 
1765—88. 

Gallen, Sanct. Die Stiftung des heil, Gallus 
(f. d. A.) erhob fich unter den Nachfolgern des 
erften Abtes Othmar (720— 760) zu großer Blüthe 
und zu einem bedeutenden Site der Wiſſenſchaf— 
ten. Die Klofterfchule, an der hervorragende Lehrer 
wirkten, war viel beſucht und die Klofterbibliothel 
fanmelte reiche literarifhe Schäge. Mit dem 11. 
Jahrhundert beginnt eine Reihe ftreitbarer, immer 
mehr verweltliter Nebte, namentlid) feit der Er: 
bebung des Stiftö zur Fürftabtei 1204; es verfiel 
nicht Bob das innere Leben, fondern aud) die 
äußere Madıt. Das Anwachſen der Stadt St. 
Gallen, welche, ſeit 1413 Reichsſtadt, der Eidge: 
nofjenfchaft fid, zumandte und 1468 Toggenburg 
erwarb, hatte für die Abtei fchwere Folgen. In der 
Reformationgzeittraten viele Conventsbrüder aus, 
die Treugebliebenen begaben fi) nad Einfiedeln 
und erhielten nad) der Schlacht bei Cappel 1531 
Klofter und Regierung zurüd. Schon Abt Ulrich 
Röſch (+ 1491) hatte die Schule und die Studien 
wieder gepfirgt; mehr geſchah dies noch unter 
Diethelm Blaarer (+ 1564), Pius Reber (7 1654) 
und Göleftin (+ 1696). Aus dem Verhältniß der 
reformirten Unterthanen (Toggenburger) zu der 
datholiſchen geiftlichen Herrfchait entwidelte ſich 
die Toggenburger Fehde, welche mit dem Siege 
Berns und Zürichs, d. h. der Toggenburger, en: 
digte. In der Revolutionszeit — der letzte Abt 
Pancraz Vorſter das Stift trotz feiner Proteſte 
und daſſelbe wurde gemäß eines Geſetzes vom 17. 
September 1798 aufgehoben. 1823 wurde Et. 
Gallen al8 eigenes Bisthum mit Chur vereinigt, 
Diefe Verbindung löſte aber 1833 die Regierung, 
der Papſt ftimmte zu und 1847 fam die Reorga: 
nifation des Bisthums als eines jelbftändigen zu 


277 


Gallus 


Stande, deſſen erfter Bijchof der biöherige apoft. 
Vicar J. P. Mirer ward, 

Gallitaniſche Liturgie iſt die in der alten frän⸗ 
liſchen Kirche üblicd) gewefene Liturgie, welche ſchon 
unter den Karolingern durch die römifche verdrängt 
morben ift. Auf de machte zuerft wieder M. la: 
eins aufmerlfam. Sie ift verwandt mit der moza⸗ 
rabiſchen, wahrſcheinlich einerlei mit dev altbritti- 
hen, und foll von Hilarius von Pictavium redigirt 
worben fin. 

Gallicanismus nennt man das in ber franzd« 
Fran Kirche geltende Syftem von Grundfägen 
in Bezug aufBerfaffung und das Berhältniß zum 
Site Es hat ſich geihicptfig unter Karl dem 
Großen und feinen Nachſolgern entwidelt, die in 
dem einigen Reiche die Hierarchie nicht ſolche Ans 
ſprüche wie in Deutfchland erheben ließen. Aus: 
gejproipen in ber pragmatifchen Sanction Ludwigs 

1269 und der von Bourges 1438, wenig ge: 
mildert Durch das Concordat Franz' I. 1616, find 
feine Säße in den vier Propofitionen des franzö— 
ſiſchen Klerus 1682 zu Reichsgeſetzen erhoben. 

1) Der Papſt hat in weltlihen Dingen fein Recht 
über Fürften und Könige ; 2) er ift den Befcplüffen 
eined allgemeinen Concils unterworfen; 3) feine 
Macht wird beftimmt durch die in Frankreich gel: 
tenden Satzungen und Gejege; 4) aud im Glau—⸗ 
ben ift fein Urtheil nicht unabänderlich. Die orga: 
nischen Artikel halten den G. aufrecht, und nad) 
dem Eoncordate von 1817 forderte die Regierung 
vom Klerus und von den Bifchöfen die Anerken— 
nung der Propofitionen von 1682, Unter den lite: 
rariſchen Bertheidigern des G. ragen hervor Boſſuet 
und Pithou, unter den Belämpfern die Jeſuiten 
und Bellarmin. Bol. Franz. fath. Kirche. 

Gallien. Blühende Gemeinden in Lyon (Zug: 
dunum) und Bienne, die mit Kleinafien in regem 
177 ftanden, find durch die Verfolgung von 
177 (Srenäus) befannt geworden. Unbekannt ift 
der fernere Verlauf der Chriftianifirung ; nad) der 
Legende bei Gregor von Tours gründeten um 250 
fieben Miffionare fieben Bisthümer (Dionyfius 
zu Paris). Die einwandernden germaniſchen Volts: 
ftämme wurden durch die chriftlichen Bewohner 
gewonnen, fo die Burgunder im 5. Jahrhundert, 
welche aber durch die arianischen Weitgothen dem 
Arianismus zufielen, bis fie unter Sigismund den 
Katholicismus annahmen und venfeiien durd) 
Chlodwig auf die Franken übertrugen, welde 
am längſten dem Chriftenthum mwiderftanden 
hatten. 

Gallienus, Sohn und Nachfolger des Balerian, 
259— 268 römifcher Kaifer, ift durch fein Toleranz: 
edict 261 von Wichtigkeit, welches den driftlicden 
Gemeinden nicht nur freie Religionsübung, fon: 
dern auch den Befik von Immobilien zugeftand 
und damit dad Chriftensgum als religio licita 
anerfannte, 

Gallim (Quellen oder Nuinen). 1. Sam. 25, 
44 ; Jeſ. 10, 30. Ein Ort auf der Straße nad) Je: 
rujalem im Stamme Benjamin. Nach Eufebius 
lag ein gleichnamiger Ort bei Efron. 

Gallion, Jun. Annäus, Apftg. 18, 12, Pro: 
conful von Ahaja53—54, wurde auf Befehl Nero’s 
wie jein Bruder Seneca hingerichtet. 

Gallionismus. Gleihgültigleit gegen die Lehre 
von göttlichen Dingen. 

Gallus. Römiſcher Kaifer 251—53. Der Volks: 
wuth bei einer Belt zu genligen, ließ er die Christen 


Gallus 


verfolgen, welche von einem angeſagten Opfer ſich 
zurüchielten. 

Gallus, Gallun oder Gilian. Geb. um 560 aus 
vornehmer iriſcher Familie. Er fam mit Columban 
aus dem Kloſter Bangor nad) Frankreich 590 und 
Alemannien 610. Als Columban 613 nad) Italien 

ing, blieb ©, in Helvetien zurüd und gründete 
dort das Klofter St. Gallen. + 655 (16. October). 
Sein Leben ift mit Wunderjagen geſchmückt. Da 
ihm Golumban verboten er jo lange er felbjt 
lebe, eine Meffe zu lefen, jo joll er das ihm ange: 
botene Bisthum Conſtanz ausgeſchlagen haben. 

Gamaliel, Ein Pharifäer und Mitglied des ho: 
hen Hathes, der Lehrer des Apoftels Baulus, ai 
22,3. Bon feiner Milde und Weisheit zeugt Apitg. 
5, 34—39. Nad dem Talmud war er der Entel 
Hillels, ein —* Geſetzeslehrer („Herr⸗ 
lichteit des Geſetzes“), der den Borfig im Syne: 
drium führte und der Partei der Zeloten wider: 
ftand. + 88. — Der jüngere, Entel des Borigen, 
wurde durch Jochanan ben Zacchai, einen Schü: 
ler Hillels, nach der Zerftörung Jerufalems an die 
Spite des in Jamnia neugebildeten Synedriums 

ejtellt und nahm den Titel Naji an. Er wurde 
11 feiner Würde entjegt. Durch ihn erlangte das 
Synedrialftatut jeine Ausbildung, wie er aud) 
das eigentliche Rabbinentyum begründete. — ©. 
Il, Sohn % uda’s, Naji, verlegte das Syne: 
drium nad Tiberias. — G. V. wurde 425 von 
Theodofius entjegt wegen Ueberſchreitung feiner 
Amtsbefugniffe. Er war der legte Nafi( Patriarch), 
weil ein kaiſerliches Edict 429 die Würde aufhod. 

Gambacorti, Peter, oder Petrus de Pisis, grün: 
dete 1377 in einer Einöde bei Montebello den 
Orden der Eremiten des Leil. Hieronymus. 

Gandersheim, Berühmtes Nonnentlofter in 
Braunſchweig, vom Herzog Ludolf von Sadjen 
856 gejtiftet. ©. Roswitha. 

Ganganelli. S. Clemens XIV, 

Ganges. S. Even. 

Bangra. Die frühere Hauptftabt von Paphla— 
gonien. Die Synode zu ©., weidye zwischen 362— 
370 gehalten wurde, verwarf in 20 Kanones die 
übertrieben astetiihen Grund ätze des Euftathius 
von Sebafte, und Iprad ſich überhaupt gıgen die 
Verachtung der Ehe und andere Ausſchreitungen 
au 


8. 

Garaſſe, Franz. Geb. zu Angouldme. Ein Je: 
fuitenprediger, welcher durch die Perjönlichleisen 
und Injurien in feinen Predigten und Schriften 
übel berüchtigt ift. In die Provinz verjegt, jtarb 
er 1631 zu Poitiers an einer anſteckenden Kranl: 
beit, die er fi durch aufopfernde Pflege während 
einer Epidemie zugezogen hatte, 

Garcia de Ronyja. General der Dominicaner, 
Beichtvater und Kath Karls V., wurde er durch 
2 zum Biſchof von Osma 1524, Cardinal 1530, 

rzbiſchof von Seguenga, von Sevilla und Gene: 
ralcommiffar der Inquifition befördert. Seine 
Briefe an Karl V., für die Reformationsgejhichte 
wichtig, find herausgegeben Verlin 1848. 
ardiner. Geb. 1483. Mit bedeutenden Kennt: 
nifjen außgeftattet, ward er Secretär beim Gardi: 
nal Woljey, erwarb die Gunft Heinrichs VIII. 
durch jeinen Eifer für die Eheſcheidung des Königs, 
wurde Mitglied des Staatsraths 1529 und Biſchof 
von Windefter 1533. Obwohl er die königliche 
Euprematie eifrigft vertheidigte, ſuchte er doch den 
rejormatorifhen Neuerungen überall zu wider⸗ 


278 


Gaßner 


ftehen, dem Anſchein nad) weniger aus Meberzeu: 
er ald aus Herrſchſucht und Intrigue. Schon 
einrich VIIL. entfremdet, wurde er unter Eduard 
abgejegt und verhaftet 1551. Unter Maria erhielt 
er Tein Bisthum wieder und betrieb eifrig die Ver⸗ 
Tolgung der Proteftanten. + 1555. 
arel. 1) Ser. 31, 39. Der Hügel bei Jeruſa⸗ 
lem, auf dem die Ausfägigen ihre Wohnung nehe 
men nn — 2) Einer der Helden Davids, 2, 
Sam. 25, 38, 

Garizim, Der höchſte Gipfel des Gebirges 
Ephraim (2398 % durch das Thal von Sihem vom 
Ebal getrennt. Auf diefen beiven Bergen wurde 
der Segen und der Fluch des Gejekes ausgefpro: 
hen, 5. Mof. 27, 11—13; of. 8, 33 ff. Auf dem 
Garizim erbauten die Samaritaner ihren Tempel, 
den Hyrlanus 129 v. Chr. zerftörte. Der Berg, 
welcher die Ueberrefte der Tempelruinen noch zeigt, 
ift ihnen ein heiliger Ort der Anbetung geblieben. 

Garnier, Johann. Geb. zu Baris 1612, Gelehr: 
ter Jeſuit, der mehrere dogmenhiſtoriſche Werte 
lieferte. Am bedeutendften find feine Unterfudguns 
gen über den Pelagianismus in feiner Ausgabe 
des Marius Mercator. Außerdem gab er herauß: 
Liberatus, Breviarium s, historia controversia- 
rum Nestorianae et Eutychianae, 

Garnier, Julien. Geb. 1670. Vom Orden ber 
Mauriner, ven er jeit 1691 angehörte, wurde ihm 
die Herausgabe der Werke des Bafilius übertras 

en; er fonnte jedoch nur den 2, Band vollenden. 
5 1725. Den 3. Band beforgte Prudent Maran. 

Garve, Karl Bernhard. Geb. am 4. Jan. 1763 
bei Hannover, erzogen bei den Herrnhutern zu 
Zeyft und Neuwied, war er Lehrer am Seminar 
zu Niesky, bekeidete dann mehrere Predigerftellen 
in der Brüdergemeinde,von 1810— 1816 in Bers 
lin, 1816—1835 in Neufal a. d. D., emeritirt, 
geft. 1841 zu Herrnhut. ©. ift einer der hervors 
ragendſten und fruchtbarften geiftlichen Liederdichs 
ter der neueren Zeit. In Knapps Liederſchatz fins 
den fich 51 Lieder vonihm, Erſchienen * Chriſt⸗ 
liche Geſänge, Görlig 1825; Brüdergeſänge, Gna⸗ 
dau 1827. 

Gaß, Joachim Cqriſtian. Geb. am 26. Mai 
1766 in Anklam in Pommern. 1795 Regiments: 
prediger in Stettin, 1808 Diakonus in Berlin, 
1810 Profeffor der Theologie in Breslau. + 19. 
Febr. 1831. Schrieb: Beiträge zur ——— 
eines religiöſen Sinnes in Predigten, 2. Au 
1804; Ueber den chriſtl. Cultus, 1815; An meine 
ev. Mitbürger (für Union), 1823; Ueber den Relis 
gionsunterridt in den Öymnafien, 1828; Ueber 
ven Reichstag zu Speyer, 1829. Intereſſant ift: 
Schleiermachers ——— mit Gaß, 1852. 

Gaß, Wilhelm. Deſſen Sohn, Profeſſor der 
Theologie in Gießen, ſeit 1868 in Heidelberg. 
Schrieb: De utroque Jesu Christi nomine in N. 
T. obvio Dei filii et hominis, 1840; Gennadius 
und Pletho, Ariftoteliamus und Platonismus in 
der griech. Kirche, 1844; die Myftit des Nikolaus 
Gabafilas vom Leben in Chrifto, 1849; Geo 
Galirt, 1846; Geſchichte der prot. Dogmatif, 
Boe., 1854—b7. 

Gaßner, Johann Joſeph. Geb. am 20. Auguft 
1727 im Dorfe Branz bei Bludenz. 1758 Pfarrer 
zu Klöſterle in Char, trat er 1773 als Teufeläban: 
ner und Wunderthäter auf. Bom Fürſtbiſchof nad) 
Regensburg berufen, erregte er eine Zeitlang viel 
Aufichen, bis ihm ein kaiſerlicher Befehl die Stadt 


Gaftfreiheit 


verbot und alles Erorcifiren unterfagte. Als De: 
chant in Bonndorf geft. 1779. vn zwei Schriften 
hat er feine Theorie, den Teufel zu bekämpfen, 
eingehend entwidelt, , 

Gaflfreiheit. Die nationale Tugend des Orients, 
Die —— ward bei den Hebräern hoch ge: 

ten. Der Fremdling wurde ind Belt geladen, 

afler zum Fußwaſchen gebracht, Luc. 7, 44, und 
eine Mahlzeit angerichtet. Auch auf die Diener und 
das ——— erſtreckte ſich die Sorge, 1. Moſ. 18, 

‚19, 1; 24, 25. Auch Rabbinen und Eſſener 
empfehlen die Gaftfreundichaft und nicht minder 
dringend dad Neue Teftament, Matth. 25, 25; 
Hebr. 13, 2. Die gebotene Gajtfreiheit fällt unter 
den Begriff der Barnıherzigleit im —— Sinne. 
Handels: und Vergnügungsreiſende haben darauf 
feinen Anfpruch, und ihre Zunahme mußte - 
öffentliche ——* hervorrufen. Daß aber 
auch die edle Tugend der Gaſtfreiheit nicht in der 
Chriſtenheit — zeigen die immer wiederkeh⸗ 
renden ir Bern. bei größeren kirchlichen und 
nationalen Berfammlungen und Feſten. 

Gaftmähler bei den Hebräern wurden meift des 
Abends een Schilderungen des Sergange 1. 
Sam. 25, 36; 2. Saın. 13, 28; Efth. 1,7.8;1. 
Matt. 16, 16; Dan. 5, 1; Jeſ. 5, 12. 22, Amos 
6,6. Den Gäften wurden Haupt und Kleider mit 
wohlriechendem Dele gefalbt, Pf. 23, 5; Amos 6, 
6, auch Kränze überreicht, Die Anordnung über: 
wachte der Speifemeifter (architriclinus, Joh. 
2,8), meift ein Freund des Hauſes. Die Pläge 
wurden genau nad) dem Rang vertheilt, Doppelte 
und fün face Portionen galten als Ehrenbezeu: 
gung. Häufig behnten die Schmaufereien ſich über 
mehrere Tage aus, Richt. 14, 12; Tob. 8, 19. 
en waren von der Theilnahme nicht ausge: 

loffen, Luc. 12,3; dagegen Ejth.1, 9. Die Röm. 
13,13; Gal.5, 21; 1. Betr. 4, 3 erwähnten xwuoı 
waren Zufammenlünfte junger Leute nad) römi: 
her Sitte, die oft in Völlerei und Unfug aus: 
arteten. , 

Gafton. S. Antoniuäorben. 

Gaih. 1) Eine der fünf Phitifterftäbte, Heimath 
bes Goliath, 1. Sam. 17, 4, und Refidenz des 
Achis, 1. Sam. 21, 10—15, Bon David erobert, 
1. Chron. 18, 1, ging fie an die Syrer verloren, 
2. Kön. 12, 17, denen jie Joas wieder entrif, 2. 
Kön. 13, 25. Bon den Bhilijtern, welche fie wieder 
gem hatten, gewann Uſia die Stadt von 

teuem und riß ihre Mauern nieder, 2. Chr. 26, 2. 
Geſucht werden muß ed nad) 1. Sam. 5, 8—10 
zwiſchen Asdod und der jüdifchen Grenze. — 2) 
Gath⸗Rimmon. Nad) Joſ. 21,25 eine Levitenftabt 
in Manaſſe, vielleicht aber ift ein Schreibfehler im 
Text. Die LXX lefen Bus av. — 3) Gath-Rimmon. 
Levitenftadt im Stamme Dan, Joſ. 21,4, zwifchen 
Antipatris und Jamnia. — 4) Gath:Chepher. Joſ. 
19, 13. Eine Grenzjtadt ded Stanımes Sehulon, 
Geburtäort des Propheten Jona. 

Gaudentius von Brescia Brixia) war der Nach: 
folger des Biſchofs Philaftrius, deſſen Leben er 
beihrieben hat. Ein Freund des Ambrofius, gin 
er mit andern Bifchöfen 404 nad) Eonftantinopel, 
um für Chryfojtomus Fürbitte einzulegen. + 427. 
Es jind von ihm zehn Reden erhalten, über welche 
der neuefte Herausgeber Galeardi, Brir. 1738, 
weniger eringferätig urtheilte als früher Dupin, 

Gaudiorum Mariae festum. Feſt der Freus 
den Maria. Ehemals gefeiert am 24, Sept. 


279 


Gebet 


Gaulonitis. Der norbweftlichite Theil des alten 
Baſan, hat jeinen Namen von der Stadt Gaulon, 
%of. 20, 8; 21, 27. 

‚Gauffen, Ludwig. Geb. am 25. Auguſt 1790, 
Pfarrer in Satigny bei Genf 1816—31. Ein Ber: 
treter der ftrengiten altproteftantifchen Dogmatik, 
welcher an ber zweiten helvetifchen Pr Hl feſt⸗ 

ielt, gerieth er mit der Genfer Geiſtlichkeit in 

treit, wurde vom Consistoire abgeſetzt, ſtiftete 
mit Merle d'Aubignoͤ die eangeide Geſellſchaft 
und bie theologiſche Schule zu Genf zur Aufrechi⸗ 
haltung der alten Lehre. An dieſer Schule feit 
1834 ſelbſt thätig, ſchrieb er Mehreres über feine 
Lieblingslehren, „die Theopneuſtie, Gottheit 
Ehrijti" und die „Weiffa ungen,” welche Werte 
ae und Franlreid viel Anklang fanden. 


Gauzbert. Der Neffe des Ebbo von Nheims, 
murde von Anägar nad) Schweden geſchickt, um 
die begonnene reger: fortzufegen, aber 
840 aus feinen Bisthum wieder vertrieben, Er 
wurde Bifhof von Dsnabrüd und fol noch 858 
durch Abordnung eined Presbyters biſchöfliche 
Rechte in Schweden neben Ansgar ausgeübt Haben. 

aza. Eine Stadt im Philifterlande, 1. Mof. 
10, 19; 5. Mof. 2, 3, melde zwar dem Stamme 
Juda zugemwiefen war, aber in den Händen der 
Philiſter blieb, Richt. 16, 1—3. 21-1, bis Hiö« 
fia 728 e8 unterwarf, 2. Kön. 18, 8. Bon Pharao 
Necho erobert, ya ed nad) ber zen bei 
Carchemiſch Nebufadnezar, Jer. 25, 20. Wieder 
eroberte es Alerander der Große 322. Dana) 
ſchwanlte ber Beſitz zwifchen Aegypten und Syrien, 
bis es 200 dauernd durch Antiohus an Syrien 
fam. In der Malfabärrzeit ward ed von Jonathan 
belagert, 1. Matt. 11,60, und von Alexander Jan: 
näus zerjtört. 58 v. Chr. baute Gabinius es wie: 
der auf, nicht ganz an der Stelle der alten Ruinen, 
vgl. Apftg. 8, 26. Diefe Stadt wurde im großen 
jüdifhen Kriege von den Juden zerftört, doch hob 
te fid) wieder ald Handelsjtadt und wurde von den 
uhamedanern erobert, Die Kreuzfahrer errich- 
teten hier 1152 eine Feſtung, die Saladin 1170 
zerjtörte, Der erfte Biſchof iſt nach der Sage Phi: 
lemon gewejen. Hiſtoriſch ift ein B:fchof Silvanus, 
1285. Im Hafenorte gründete um 540 Gonftantin 
einen neuen Bifhoffig. Bei Gaza errichtet: Hila— 
rion die erſte Einfiedelet, 

Gazelle. Luth.: Reh. Das zierliche Thier ift ein 
Bild ver Anmuth,Hohel.2,7.9; 3,5. Sein Fleiſch 
ift wohlſchmeckend und war beliebt, 1. Kön. 4, 23, 

Geba. Das heutige Djeba. Nach Joſ. 21, 17 
eine Zevitenftadt im Stamme Benjamin, nahe bei 
Rama, war die nördlichſte Grenzftabt des Neiches 
Yuda, 2. Kön. 23, 8, welche Aſa befejtigen ließ, 
1. Kön. 15, 22. Sieg Davids über die Philifter 
bei Geba, 2. Sam. 5, 25. 

Gebäude, kirchliche. S. Baulaft. 

Gebal, 1) Eine Landſchaft in Arabia Peträa, 
2. Kön. 14, 7; 2. Ehron. 25, 11. — 2) Eine phö: 
niziſche Seeftabt, Byblos (f. d. Art), * 

Gebet. Das Gebet, die allgemeinfte und noth: 
wendigfte Form aller Frömmigkeit, ift ein Gefpräd 
des Herzens mit Gott, welches hervorgeht aus dem 
Triebe nach religiöfer Gemeinſchaft mit Gott und 
mit dem Ziele, daß das er innere Leben durch 
Gott heilig beſtimmt werde. Die Vorausſetzung 
des Gebetes iſt der Glaube an die Erhörbarkeit, 
ohne welche es zu einem Reden des Menſchen mit 


Gebei bei den Hebräern 


280 


Gebhard II. 


ſich felbft würde, daher ein lebendiger Gotteöbegriff. vier die perfönlihen menſchlichen Bebürfniffe in 


Sofern das Gebet felbit, wenn eö ein auf be 
ftimmte Dinge gerichtete Begehren ausſpricht, 
zugleich die Bereitwilligkeit in ſich trägt, den eige⸗ 
nen Willen Gott unterzuordnen, ift es der tiefite 


Ausdrud der Selbftüberwindung und der Erge: | f 


bung in den göttlihen Willen. Erforberniß des 
Gebete ift die Andacht. Die an dafjelbe geftellte 
Bedingung a Joh. 14, 13, 16, 26 aus: „im 
Ramen Jefu.” Die praltiihe Auslegung bier: 
von ift: dad Gebet fol jo beſchaffen fein, wie es 
Jeſus unter den zufälligen Beftimmtheiten bes 
betenden Individuums ausfprehenmürbe ; ed wird 
nad) Job. 16, 23 auch erfüllt im Namen Jefu, 
weil jede göttliche Gebetserhörung fein anderes 
Biel hat, ald die Durchdringung des Menſchlichen 
vom Göttlichen, die in der Perfon und dem Werte 
Ehrifti offenbar geworden ift. Der thatjächliche 
Ausdrud des Gebetes ift das Opfer (f. d. Art). 
Aus dem Begriffe des Gebetes folgt, daß es nur 
an Gott gerichtet ſein kann; mit Nothwendigkeit 
mußte daher die latholiſche Kirche den theoretiſchen, 
—— kaum feſtzuhaltenden Unterſchied zwiſchen 
dem Gebete und der Anrufung der Heiligen auf— 
ſtellen. Vgl. Cramer, Lehre vom ©., 1786; Stäub: 
lin, Gef&hichte der Borft. vom G., 1824; Tauberth, 
die chriftl. Lehre vom ©., 1655; ferner die ge: 
Sammten dogmatifhen Werte, 

Gebet bei den ä 
das Gebet ein freier Wi: 
migfeit. Der Pharifäismus 
Satungen und verfnöcherte ed, was die Straf: 
reden Jeſu rügen. Der Jude betet nicht ohne den 
Gebetömantel und die Gebetöriemen (f. d. 4.), 
dreimal täglid, um Sonnenaufgang, zur Zeit des 
Abendopfers 5 Uhr und des uf angs der Sterne 
oder von 9—12 Uhr. Das Gebet Tor eigentlid) 
jedeömal in der Synagoge & alten werben und 
He aus einer Reihe von Öebeten und Pjalmen, 
die theild von Allen gelefen, theild mit dem Amen 
bejcloffen werben. Das Ritual beftimmt genau 
die Stellung und Haltung des Körpers bis ins 
Kleinfte. Ebenjo genau geordnet ift dad häusliche 
Tiihgebet und das eigentliche Nachtgebet. Die 
vorgeltpriebene Sprade des Gebets ift die hebräi- 
jche, verboten ift mit Ausnahme Eines Gebetes 
um Pfingften und Dftern die chaldäiſche und fy: 
riſche Sprache. Die neuere Zeit hat das Gebet in 
der Mutterſprache als erlaubt hingeſtellt. 

Gebetbüder. S. Erbauungsbücher. 

Gebet des Herrn, Vaterunjer, ift die Gebets— 


indivibueller Fröm— 


Betracht ziehen. Nach der, wenigſtens wahrſchein 
lich urjprünglichen ee bei Zucas (11,24) 
würde Dagegen das „unjer in dem Himmel” in 
“ Anrede, die dritte und die fiebente Bitte weg: 
allen, 

Gebetöformel,. S. Brevier und Liturgie, 

Gebetsimantel der Juden. Der Heine G. (Arba 
Kanphot) ift ein vierediges, jegt weißes, fonft 
blaues, Mäntelden von Tuch oder Seide, an den 
Eden mit Franſen, Zizis, von weißer Wolle, deffen 
beide Hälften auf den Achſeln zufammengebunden 
ind. Es wird beim Gebet über das Oberlleid ge: 
+% fonft verborgen getragen. Die Sitte beruft 
fid) auf 4. Moſ. 15, 397—41; 5. Mof. 22, 12. Der 

roße ©. oder Schulmantel ift ein vieredigeö wei: 
ben Tud von Lammwolle mit Franfen an den vier 
Eden, mit welhem der Jude in der Synagoge 
Stirn und Hinterhaupt verhüllt, 

Gebetöriemen, Thephillim, entftanden aus der 
Ermahnung 5. Mof. 6, 6—8; 11, 18. Beim Gebet 
ummidelt der Jude beide Arme mit einem Riemen, 
beögleihen die Stirn. Dieſe Riemen find nad) be: 
fonderer Vorſchrift aus Kalbleder angefertigt. Die 
Armthephilim enthalten vier Zettel mit den Sprü—⸗ 
hen 5. Moſ. 6, 4—9; 11, 13— 21; 2. Mof. 13, 
1—10. 11—16, auf beiden Sagen die Bud: 
ftaben des Wortes uw. Die Thephillim gel: 


ebräern. Bis zum Exil bleibt |ten für heilig, fie werden nur von den (reinen) 


Männern getragen, und wer fie einmal angelegt 


tellte e8 unter genaue | hat, darf unter feiner Bedingung fein Gebet un: 


terbrechen. 
Gebetverhör. Eine Einrichtung ber lutheriſ 
Kirche in Dftpreußen, Schweden und den 4J ee: 
rovinzen, wonad) der Pfarrer die einzelnen Dör: 
Ir der ausgedehnten Kirchipiele alle Bierteljahre 
est einmal jährlih) beſuchen, alle Werfonen 
derjelben über ihre Kenntniß der Gebete und des 
Katechismus befragen (vgl. Jacobfon, Urkunden, 
Allgem. Kirchenblatt 1853) und die Unmiffenden 
vom Abendmahl ausschließen fol. Eine verwandte 
Einrichtung der en Kirche find die vier: 
teljährlihen Hausbefuche, die ſich aber dadurch 
unterjcheiden, daß bei ihnen das eigentliche Inter: 
effe in der kirchlichen Zucht, bei jenen in der Un: 
terweifung oder der Lehre liegt. 
Gebhard, der Heilige. Silhof von Conſtanz, 
erbaute Beteröhaufen bei Conifanz, + 995, wurde 
1134 fanonifirt und wird von gebärenden Frauen 


angerufen. 
— U. Truchſeß von Waldburg, Erzbiſchof 


formel, welche Jeſus ſeinen Jüngern auf ihre Bitte und Kurfürſt von Köln. Geb. am 10. November 


ab, um ihnen im 


eigen. Es iſt ebenſo wenig eine Alles erſetzende 


genſatz gegen phariſäiſche 1647, war er 1562 Domherr zu Augsburg, 1567 
ortmacherei die Art eines wahrhaften Gebets zu | zu Straßburg, 1570 zu Köln, 1576 


; Domprobft zu 
Augsburg und wurde 1577 in Köln zum Erz: 


ormel als ein bloßes Schema. Die Dorologie am | bifhof gewählt gegen den Willen der ſpaniſchen 
Schluſſe ift entihieden unecht und aus dem litur- | Partei, welche Ent von Bayern wünſchte. Frü— 


giſchen Gebrauche (jeit dem 3. Jahrhundert) in die 
Codd, übergegangen. Beranntlich haben fid iin 
lirchlichen ebrauche der deutſchen Lutheriſchen 
und Reformirten die feſten Verſchiedenheiten ge— 
bildet, daß jene ſprechen „Vater unſer“ und „vom 
Uebel”, diefe „Unfer Bater” und „vom Böfen”. Val. 
Tholud, Commentar zur Bergpredigt, 4. Aufl. 
1856 ; namentlih: Kamphaufen, das Gebet des 
ge 1867. Eine praktische wer enthält 

ertsbuſch' Baterunjer, 1861. Nah Matthäus 
(6, 9—13) begreift dafjelbe fieben Bitten nebſt ber 
Anrede, von denen drei die Verherrlichung Gottes, 


ere Hinneigung zum Broteftantismus und die 

iebe zu Agnes von Mansfeld, mit der er ſich 
1583 öffentlich vermäblte, beftimmten feinen ileber: 
tritt 1582, dem Bemühungen zur Verbreitung der 
evangelifchen Kirche im Erzftifte folgten. Kraft des 
Reititutionsedictes wurde G. vom Domcapitelund 
Kaifer feiner Würde für verluftig erflärt, 1555 
Herzog Ernft zu feinem Nachfolger gewählt und 
er, von ben evangeliichen Ständen wenig oder gar 
nicht unterftügt, mit Waffengewalt aus dem Beſitz 
gejegt. ©. floh 1584 nad) Holland, verſuchte 1559 
noch einmal englische Hülfe zu erlangen und ftarb 


Gebim 


1601 zu Straßburg, wo er als Domdechant die 
legten Jahre zugebracht Hatte. 
Gebim. Zei. 10,31. Drt in Paläftina unweit 
Jerufalem, jüdlid von Rama. 
Gebirge Paläftina’d, Paläftina ift größten: 
theild Gebirgsland, das auf engem Raume Hoc: 
gebirge, welliges Hügelland, —— und Tief⸗ 
ebene umfaßt. Durch das bis tief unter den Mee— 
reöfpiegel ſich herabjentende Jordanthal, das 
hör, wird es in zwei natürliche Hälften getheilt, 
die in der weitgedbehnten Gebirgäfette des Libanon 
zuſammenſchließen. Diefe, aus dem Libanon, dem 
Antilibanon und Hermon bejtehend, bildet die ge: 
ſchützte Nordgrenze des Landes; ihre Schneehöhen 
peifen den nie verfiegenden Jordan und find die 
ade der Fruchtbarkeit im Lande. Der Hermon 
ift ein füdliher Ausläufer des Antilibanon, von 
bedeutendem Umfange, einer Höhe von etwa 7000‘ 
und beftändig von Schnee bededt. Jetzt heißt er 
Dſchebel⸗es⸗Scheilh oder Dic.et:Teltih (Schnee: 
berg). Südöſtlich entjendet er einen niedrigeren 
Höhenzug, den Dichebel:Heiih, der bis an das 
Rordufer des Sees Genezareth fich hinzieht und 
bier fteil gegen den See abfällt. Da, wo der Her: 
mon im N. mit dem Antilibanon zufammenhängt, 
hebt ein ebenfalld niedrigeres Gebirge an, die 
rechte Thalwand der weftlihen Jordanquelle (das 
Quellthal heißt Wabizet:Teim) und die linke Wand 
des Leonteöthales. Bon der Biegung des Leontes 
gegen W. an ſenkt fich diefer Gebirgszug und brei- 
tet fi bis nach Nordgaliläa hinein aus, jegt ſich 
dann in ben höheren Bergen (3000°) von Napb: 
thali (Dſch⸗Safed) fort, um, in der gleichen Linie 
mit dem Sübdufer des Sees Genezareth, die jchrofi 
abfallende Nordwand der Ebene Jesreel zu bilden. 
Hier erhebt fi), beinahe allein jtehend, der kegel⸗ 
förmige Berg Tabor. (Südlich von diefem verlegt 
man herlömmlicherweile den jogenannten Heinen 
Hermon, aus Mifverftändniß von Pi. 133; 42,7; 
89, 13.) Einige Stunden weiter jüdlich erheben 
fih die Berge Gilboa, die öftliche Grenze der 
‚großen Ebene“, Das galiläifche Bergland ijt jehr 
fruchtbar und lieblid. Yhm gegenüber, im 5. der 
Ebene, von S.:D. nah N.:W. läuft, gegen das 
Meer anfteigend, der Gebirgszug, deffen nordweft: 
lihe Enden Carmel heißen, und mit dem Vor: 
gebirge gleihen Namens faft jenfrecht in das Meer 
abfallen. Diefer einft ſehr frudtbare Höhenzug 
begrenzt im R. die gehängt Südmwärts 
von Bethiean, beim Flecken Ginea (Engannim?), 
die ganze Breite zwiſchen Jordan und der Ebene 
Saron ausffillend, zieht das Gebirge Ephraim; 
anfangs in mäßiger Höhe (bis 2400), fruchtbar 
und lieblih (Stadt Samaria, Berge Ebal und 
Garizim), gewinnt eö gegen Jerujalem hin einen 
wilderen Charakter, der den Uebergang zum Ge: 
birge Juda bezeichnet. Diejes reicht von der phi: 
tiftäifhen Grenze bis Jericho und füdlich bis He: 
bron und bildet im D. die wilde, höhlen- und 
Müftereihe Wüfte Juda, die in fchroffem Abhange 


zum Todten Meere hinabjteigt. Bejonders im | Furcht, Nebufadnezar werde den Mord 


W. und S.:W, endet es in äußerſt ſchroffem Ab— 


281 


Geddes 


Kar und langgeftredten Bergrüden, in feiner Ge: 
alt vielfach dem Jura ähnlid. Südöſtlich endet 
es mit dem Amoritergebirge und fällt hier 
fteil in die Arabah ab. Die Gebirgäzüge des Djt: 
jordanlandes nehmen am Südende des Todten 
Meeres mit dem Gebirge Abarim ihren Anfang, 
jegen fih (Jericho gegenüber) im Pisgagebirge 
mit dem ge Nebo und bem Die -Nofchlun) 
ort und enden ald Did. Dichelaad (Gebirge Gi: 
lead im engern Sinne; im mweitern Sinne heißen 
die —— e von Hesbon bis an den Hieromar 
Gebirge Gilead) am Jarmuf oder Hieromar, ſüd— 
lid vom Galilätjhen Meere. Die Höhe dieſer Berge 
beträgt etwa 2500°; die Thalmand des Ghör, die 
von zerrifjenen wilden Felöthälern durchbrochen 
ift, erhebt ſich fteil und ſchroff biß zu der Höhe von 
2000°. Jenſeit der weitlih vom Dſch.Heiſch, 
füdlih von den Bergen Gileads begrenzten Hod): 
ebene Bafan dehnt fich das Gebirge Hauran aus, 
das bis zu der Höhe von 6000 anfteigt. Das Ge: 
ftein der paläftinenfifchen Berge ift meift Kalt, 
nur im N.:D, findet ſich ein breites Bajaltlager. 
* find arm an Metallen und brauchbaren Bau: 
teinen. 

Gebote, die gehn. ©. gang 

Gebote Der Kirde, Die fünf. Die aus der Pra— 
xis der katholiſchen Kirche im Laufe der Zeit her: 
vorgegangenen Satzungen, welche fie den göttlichen 
Geboten gleichftellt, werden feit dem Katechismus 
bes Jeſuiten Ganifius als ein Fünfgebot formu: 
lirt: 1) du follft die gebotenen Feiertage halten; 
2) du jollft an Sonn: und Feiertagen die Meſſe 
hören; 3) du jollft die gebotenen Fajttage und den 
Unterſchied der Speijen halten; 4) du Toll jähr: 
lid) wenigjtens einmal um Dftern deinem verord> 
neten Priefter deine Sünden beichten; 5) du follft 
das Sacrament des Altars wenigſtens jährlich 
einmal um die öfterliche Zeit halten. Manche zie- 
ben das 4. und 5. in eins zufammen und fügen 
hinzu: du ſollſt zu verbotener Zeit feine Hochzeit 
halten. Bellarmin hat ald 6. das Gebot über den 
Zehnten. Der Katehismus Romanus thut einer 
jolden Formulirung ebenfo wenig als das Triden: 
tinum Erwähnung. Die Begründung diefer Gebote 
aus der Schlüfjelgewalt der Kirche widerſteht den 
evangeliichen Principien. 

Gebräude. S. Ceremonien. 

Geburt Chriſti. S. Jeſus. 

Geburtstage der Heiligen. S. Acta marty- 


rum. 

Gedächtnißmahl. S. Abendmahl. 

Gedalja. Der Sohn Ahitams (2. Kön. 22, 12), 
wurde von Nebufadnezar als Statthalter über den 
Ueberrejt der Juden in Baläftina nach der Wegfüh— 
rung Zedekia's gejegt. Mit einer haldäifchen Be: 
fayungrefidirte er zu Mizpa bei Jerufalem. Jeremia 
begab ſich zu ihm. Auf Anftiften des Ammoniter- 
königs Baalis erſchlug ihn eine Schaar fanatifir- 
ter Suden unter Anführung des Ismael mit jei: 
ner chaloäifhen Umgebung beim Mahle. Ans 
edalja’s 
an ihnen rächen, wanderte der Reft der Juden 


falle und bildet eine natürliche Feitung. Weiter nach Aegypten aus. Daher ift der Todestag Ge: 
im R. eröffnet das judäiſche Hügelland leich- dalja’s, der die Verbannung vollftändig madte, 
tere Eingänge gegen Jerufalem. Im 5. geht es ein Trauergedenttag geworden. Vgl. Jer. 39—41. 
in die breigeitufte Abdahung von Südjudäa | Geddes, Alerander. Ein katholifcher ſchottiſcher 
und Nordidumäa über. Die Oberfläche des Ge: | Briefter. Geb. 1737 zu Arradowl. Seiner freiern 
birges Juda (did 3000° 900) erſcheint als ein | Anfichten wegen gab er feine Pfarrſtelle auf 1779 
Wechfel von flach gewölbten Ebenen, fteilen Kup: und lebte in London feinen literarischen Arbeiten, 


Geber 


— als Hausprediger des kaiſerlichen Geſandten, 
ann privatiſirend. Bon ihm erſchien 1792—97 
eine Bibelüberjegung, bei weldher er Eichhorn, 
Michaelis und Baulus folgte, und in-deren Vor: 
vede er die Inſpiration leugnet. 

Geber. Inf. 12,13. Gedera, Jof. 15, 86; 1. Chr. 
12, 4, jegt Ghederah, zwifchen Namleh und Gaza. 

Gederoth, Sof. 15, 41, wurde unter Ahas von 
den Philiſtern erobert, 2. Chr. 28, 20. 

Gebor, Stadt im Stamine Juda, Joſ. 15, 58; 
1. Chron. 4, 39; 12, 7, heute Dichedur. 

Geduld. Wenn fih die Lebensthätigleit des 
Menſchen gehemmt fühlt, und diefe Hemmung fid) 
nicht entfernen laffen will, fo entjteht in dem na- 
türlihen Menſchen eine Reaction in Form von 
hejtigen Gefühlen, d. h. die Ungeduld. Die fittliche 

ufgabe in diejem alle ift daher die Geduld, d. 5. 
durch Selbjtverläugnung das Gleichgewicht des in: 
nern Lebens zu bemahren. Sie fann erreicht werden 
entweder durch die Erkenntniß der Fructlofig: 
feit jeder Reaction gegen die eiferne Gewalt 
des Schickſals und durch Erreidjung eines apathi: 
hen Zuftandes, wie im Stoicismus, in welchem 
Falle wir aber — nicht den Ausdruck Ge: 
duld, ſondern eſignation gebrauchen, oder durch 
die Auffaſſung des Schickſals als des Werkes eines 
allweiſen und allgütigen Gottes und durch die auf 
dieſer Erkenntniß beruhende Ergebung, in wel⸗ 

em Falle die Geduld im chriſtlichen Sinne gefaßt 
iſt. Dieſelbe iſt alſo ohne Religion nicht denk: 
bar, ſie iſt am leichteſten möglich da, wo die klarſte 
und —32 Vorſtellung von Gott und das leben⸗ 
digſte Gotteögefühlvorhanden ift. In diefem Sinne 
fennt ſchon das Alte Teſtament die Geduld (val. be: 
— die Geſtalt Hiobs), Jeſ. 30, 15; Hiob2, 10; 

ſ. 94, 13; aber erſt im Neuen Bunde konnte fie 
zu ihrem vollen Begriffe gelangen, ja hier ift fie 
zu einem Hauptbegriff im ethischen Gedankenſyſtem 
geworden. Der leidende Chrijlus ift das ewig mu: 
jtergültige Bild wahrer Geduld, Difenb. 1,9; 3, 
10; 1, Betr. 2,21; 2. Theſſ. 3,5; Hebr. 12, 2, und 
die leidende Chriftengemeinde fennt als ſolche keine 
höhere Tugend, Röm. 5, 3; 2, Kor. 1,6; 6,4; 

al. 5, 22; Eph. 4, 2; Hebr. 6, 12; 10, 36; 12, 
1; Jac. 1, 3; Offenb. 13, 10. Auf diefer Höhe ift 
Geduld foviel als ein aeläuterter und geprüfter 
Hriftlicher Charalter. Bon diefer Geduld ift zu un: 
terjcheiden die Geduld, welche eine befondere Seite 
der Nächitenliebe darjtellt. Wenn die Ausübung 
der Liebe durch fortgeſetzte Verlegung derfelben 
von der Seite, der die Liebe gewidmet wird, er: 
ichwert wird, fo iſt die ſchwierige fittlihe Aufgabe 

egeben, die Liebe trotzdem zu bewahren und ihre 
Brlicten unangejehen des Widerftandes, den fie 
—— zu erfüllen. Dieſer ethiſche Zuſtand hat 

ehnlichkeit mit dem oben beſchriebenen und wird 
daher mit demſelben Namen bezeichnet, Eph. 4, 2; 
Kol. 3, 12; 1. Tim. 6, 11; Tit. 2,2, In dieſer Be: 
deutung wird die Geduld aud) als Eigenſchaft von 
Gott ausgejagt, Dan. 4, 24; Sir. 18, 9; Luc. 18, 
7; Röm, 2, 4; 9,22; 15,5. 

Geführde⸗Eid ift im kanoniſchen Prozeß das 
Verſprechen der Parteien, in ihren Ausfagen ohne 
u und Betrug die Wahrheit feftzuhalten. 

fängniß. Freiheitöftrafen kennt das Moſaiſche 
Geſetz nicht; 3. Moſ. 24,12; 4. Mof. 15, 34; 2. Chr. 
18,26 werbennurvorläufigeBerhaftungen erwähnt. 
Unter den Königen jedody wurde Gefängniß als 


282 


Gefühl 


hängt, 4. B. gegen Propheten, 2. Chr. 16, 10; Jer. 
32, 2 F 33, 1; 37,15. Schuldhaft kann nicht 
felten gemefen fein, Matth. 18, 30; Quc. 12,58, 
bei Aegyptern, 1. Mof. 39, 19; 40, 3; 2. Mof. 12, 
29, ebenjo bei den Römern. Der Apoftel Paulus 
erfuhr die custodia militaris, d. h. an einen Sol: 
daten gefeffelt, hatte er im Uebrigen die Freiheit 
ber Bewegung und feiner Handlungen. Als Ge: 
fäneniffe ienten Eijternen, 1. Mof. 37, 20; Jer. 

‚6, die Wohnungen der Hofbeamten, Ser. 37, 
15, die Thore ded Tempeld und Wachthöfe der 
Paläfte, oder es waren unterirdijche Kerker, Jer. 
17,16. Die Gefangenen wurden gefefielt, Richt. 
16,21, auch mit Armen und Beinen in einen Blod 

eipannt, wie es noch jeßt bei den Aradern und 
* eit auch bei uns Gebrauch war. 

Gefängnißaufſicht Der Kirche. Ein Geſetz des 
Honorius übergiebt den * die Wachſamkeit 
darüber, daß die Richter ſich die Gefangenen wö— 
chentlich vorführen laſſen. Juſtinians Geſetz von 
529 befiehlt geradezu den Biſchöfen eine Mitauf— 
ſicht über die Gefängniſſe und die Behandlung ber 
Sefangenen. Zur zei ift in der römischen wie in 
ber evangelifchen Kirche der religiöfen Pflege der 
Ge — *— große Thätigleit zugewendet. 

efungnißſtrafe, kirchliche, wird jetzt nur noch 
nach den kanoniſchen Beſtimmungen gegen Kleri⸗ 
fer in Anwendung gebracht. Früher wurde fie in 
Klöftern verbüßt, jegt in Demeritenhäufern. 

Gefäße, Heilige, werden diejenigen Behältniffe 
genannt, welche bei ver Spendung der Sacramente 
und zur Aufbewahrung ber Elemente gebraudt 
und in ber fatholiihen Kirche benedicirt werden. 
In der römischen Kirche find jett üblich: der Kelch 
‚nit Batene, Löffelhen, Kännchen, das Ciborium, 
die Vyris (ein doppeltes Gefäh, in welchem fid 
oben die Euchariſtie, unten das Krankenoͤl befin: 
det), Monftranz, Rauchfaß, Salarien oder Saly 
gefäße und der Weihwaſſerkeſſel. Frühere Zeiten 
gebrauchten auperdem das Röhrchen, fistula, beim 
Rehmen des Kelches, die capsa, in welcher dad 
unconfecrirte Brod zum Altar, die arca, in det 
das Uebrige der Communion nad) Haufe er 
wurde, Berifterien zum Bewahren der Euchariſtie, 
Baftophorien zum Bewahren des Webriggebliebe: 
nen und Ohme (amae), int denen der Wein bewahrt 
wurde. Die Monftranz endlich ift feit Einführung 
des Frohnleihnamöfeftes üblich. Die Proteftanten 
zählen zu den heiligen Gefäßen die Abendmahl: 
becher und Kanne mit Patene oder Schüffel für 
Oblaten oder Brod, Taufbeden und Tauffanne. 
Entwendung oder Mißbrauch der Heiligen Gefäße 
iſt Sacrilegium. 

—E S. d. A. Lapsi und Magdalenum. 

Geſangeuſchaſt, aſſyriſche. S. Aſſyrien. 

Gefangenjchaft, babyloniſche. S. Vabyloniſche 
Gefangenſchaft und Avignon. 

Gefilde Mond. Eine Ebene jenſeit des Jordan 
in der Nähe des Nebo, zwiihen dem Wabi Mod: 
ſcheb und dem Wadi Male. Früher von den Moa- 
bitern beſeſſen, hatten die Amoriter fie inne, 4. 
Mof. 21, ais die Iſraeliten auf dem Zuge nad) 
Kanaan fic) ihrer bemächtigten, 4.Mof. 22,1, und 
dort längere Raft hielten. Sie wurde zwiſchen 
Ruben und Gad getheilt, Jof. 13, 32. 

Gefühl bezeichnet das unmittelbare Iebhafte 
Innewerden eines gewöhnlich durch von außen 
fommende Ginflüffe hervorgerufenen feelifhen 


willkürliche Strafe und Sicherheitömaßregel ver: Zuftandes. Iſt der Zujtand einer Förderung des 


Gefühl 


perfönlichen Lebens gleich, jo ift das Gefühl Luft; 


im entgegengefegten Falle Unluft. Das religiöfe 
Gefühl ift das unmitteldare Innewerden in 
Gemeinfhaftsverhältuiffes zu Gott; es ift daher 
die urfprünglichfte Form des religiöfen Lebens, 
welche weder reflectirt über die Gegenftände der 
Religion, noch ſich auf die Verpflihtungen befinnt, 
welche das religiöfe Berhältnig nad) fid) zieht, ſon⸗ 
beri; fih unmittelbar an den Ge de der bie 
Seele berührt hat, (Gott) Hingiebt. Da aber das 
Gefühl nur die erfte Thätigkeitsform des piydi: 
Ihen Lebens ift und noch nicht feine Gefammtheit 
umfaßt, jo würde aud) eine — als Ge⸗ 
fühl auftretende Religicjität einen einſeitigen Cha— 
ralter an fich tragen, eö würden bie Abarten des 
Duietismus, Myſticismus, Pietismus u. Aehnl. 
entftehen, ebenſo wie eine einfeitig im Denken ein: 
geſchloſſene Neligiofität — der religiöfe Intellec: 
tualismus, Orthodoxismus, Jlluminatismus —, 
oder eine ausſchließlich im fittlihen Wollen fid) 
darftellende NReligiofität — Moralismus —, un: 
vollfoinmene, wenn auch geſchichtlich zumeilen zu 
rechtfertigende Geſtaltungen des religiöjen Lebens 
bilden. Nur eine das ganze geiftige Leben umfaj: 
ſende ng in welcher die einzelnen piy: 
chologiſchen Richtungen einander durchdringen, 
ergänzen, corrigiren, Tann dem Begriffe der Res 
figion genügen. Ein befonderes Hevvortreten des 

efühls bezeichnet in der Entwidlung der rift: 
lien Theologie zuerft namentlid der Myjfticis: 
mus des Mittelalters, wie ja der Myfticismus ald 
pladolsgiiche Erjheinung eine Einheit des relis 
Die efuͤhls und der Phantafie und ein über: 
chwengliches —— dieſer geiſtigen Rich— 
tung darſtellt (f. Edart, Tauler, Böhme u. A.); in 
der Zeit nach der Reformation dann wieder der 
Vietismus, welcher eine Reaction des religiöſen 
Gefühls gegen das überwiegende Verſtandesinter— 
elle des ethoborismus bildete, weniger in feiner 
eriten Periode als in feiner jpätern (f. Spener, 
Stande, Freylinghaufen, Zinzendorf n. A.). In 
einer neuen Form trat dag religiöfe Gefühl durch 
die Kantſche Philofophie in die Theologie ein. 
Schon der von Kant berinflußte Nationalismus 
hatte die ... auf dad Gefühl zurüdgeführt 
Wegſcheider, Gabler). Es war aber hauptſächlich 
die Friesſche Vhilofophie, welche das äſthetiſche 
Gefühl, d. H. ein ahnungsmäßiges Erkennen der 
Bernunftideen in der Erſcheinungswelt, zur Orund: 
lage der Religion machte. Ebenſo nannte fpäter 
Yacobi nad) Fries das Organ feines unmitte!baren 
Ertennens Gefühl. In die Theologie wurde die 
Friesſche Anſchauung durch de Wette eingeführt, 
Indem ihm die Gegenftände des Glaubens als 
äfthetifhe Sinnbilder der ewigen Ideen Wahrheit 
und Bedeutung befamen. Die ſcharfſinnigſte Ent» 
wiflung des Gefühlsftandpunttes iſt die Glau— 
benslehte Schleiermachers. Indem diefer die Reli— 
sion als Gefühl, beſtimmter als Abhängigleits— 
Koh auffaßte, beftand feine Dogmatik wefzut: 
id) in einer dialektiſchen Entwidlung des Inhaltes 
des religiöfen Gefühles, wie ed als Gemeinſchafts- 
ya in der hriftlichen Kirche lebt. Bon ihm aus 
at die Entwidlung der Dogmatik allmählich auf 
die richtige Stellung des Gefühls innerhalb der 
Religion hingeleitet. Vgl. Nigih, Syſtem der 
Hriftl. Lehre, Ellmert, das Wefen der Religion, in 
der Tüb. Ztjch. 1835; Stod, ebenda 1840; Reich, 
das Schleiermacnerjche Religionsgefühl, Stud. und 


283 


Gehorfam 


Krit. 1840; Lechler, Zum Begriff der rel. . 
Fragen, Stud. und Arit. 1851. u vr 
Gegenrejormation. Unter diefem Worte verfteht 
man die im Großen angejtellten und mit viel Er: 
| folg gefrönten Bemühungen, den Vroteſtantismus 
aud) da wieder auszurotten, wo er bereits eine fefte 
Stätte im Volke gefunden er Die Gegenrefor: 
mation ging aus von den Fürften, die Werkzeuge 
und Triebfedern waren die Jefuiten. Das Het 
‚der Fürften wurde aus dem von den Proteftanten 
durdgefegten und im Speyerſchen Religionsfries 
den 1555 anertannten jus reforınandi hergeleitet, 
| wonach die einzelnen Reichsſtände die Gewalt hat⸗ 
ten, die —*— zu beſtimmen, welche in ihren 
Territorien Geltung haben ſolle. Die Mittel der 
G. waren allerdings auch Predigt und Lehre (Franz 
von Sales), aber weit mehr Gewaltthätigkeit und 
Zwang jeder Art. So ward bie Gegenreformation 





1570— 71 in Niederbayern, 1584—87 im Würz⸗ 
Burgifchen, 1588 im Salzburgiſchen und den an: 
dern geiftlihen Yürftentgümern, feit 1578 in 
Defterreih, nad) 1618 in Böhmen und Schleſien 
ind Werf geſetzt. In England und Schweden miß: 
langen gleid,e Verſuche, um in Polen im 17, Jahr: 
undert dejto mehr zu erringen. Der Weftphälifche 
Seleben 1648 und die deutſche Bundesacte 1815 
haben durch die Anerkennung der Religionsfreiheit 
ewaltjamer Gegenzeformation ein Ende gemacht. 
eberall, wo fie ihr Ziel erreicht hat, läßt ber in: 
tellectuelle und fittlihe Zuftand des Landes erlen: 
nen, daß fie ohne eine gewaltjame Hemmung einer 
ſchon begonnenen Eulturentwidelung «nicht mög: 
lich iſt. 
genwart Chrifti im Abendmahl. S. die Art. 
vom Abendmahl, 

Geheimlehre. ©. Arcan:Disciplin. 

Gehenna,. Der neuteftamentliche Ausdrus für 
Hölle ift entjtanden aus 537 4 g& hinnom. Im 
Thale Hinnom (f.d. Art.) hatte das Molochbild ge: 
ftanden, das erftere war dadurch den ſpätern Ju: 
den ein Gegenftand des Abſcheus geworden und 
fein Name der Rame der Hölle. 

Gehorſam ift die Unterorbnung des eigenen 
Willens unter eine entgegenftehende Autorität, 
Er findet feine natürlide Stelle im Verhältniß 
des Kindes zu den Eltern, wo der noch nicht ent: 
widelten Individualität des Kindes in dem erzie: 
henden Vater eine entiwidelte Berjönlichkeit gegen: 
überjteht. Mangelt dem Gehorfam das Element 
der Ehrfurcht, welches hier Durch die natürliche 
Bafis gegeben wird, fo finkt er zum inechtifchen 
herab, während, jobald der freie Wille mit Be: 
wußtjein fi) den fittlihen Inhalt der gegenüber: 
ftehenden Autorität aneignet, der Gehorjam fich 
in die Hingebung der Liebe verwandelt. Der evan: 
gelifhe Gehorfam des Ehriften gilt aljo niemals 
dem Individuum, jondern nur dem fittlichen Ge: 

alte, welchen dafielbe vertritt. Daher ift Gehor: 
* unſtatthaft, wo das Gebot vom göttlichen 
Willen ſich entſernt. Dem Geſetz des Staates 
ſchuldet der Chriſt Gehorſam, nicht bloß als Rechts⸗ 
pflicht, ſondern weil daſſelbe ein Ausdruck der big: 
herigen Entwickelung der dem Staatsleben zu 
Grunde liegenden fittlihen Idee iſt. Den h es 
nannten freiwilligen Gehorfam der katholiſchen 
Ethik (ber a 2c.), weil er ein Aufgebeñ 
Fe Freiheit, d. i. eines der wichtigſten fittlichen 
Güter ift, verwirft bie evangeliſche Kirche, 


Gehorjam Chriſti 


Gehorfam Ehrifti. S. Gendgthuung. 

Gehorjam, neuer, wird von der Augsburger 
Eonjeifion das legte Stabium der Belehrung ges 
nannt, nachdem diefe durch Neue und Glauben 
bindurchgegangen ift. 

Geibel, Johann. Paftor der reformirten Ge: 
meinde in Lübeck feit 1797. Geb. zu Hanau am 1. 
April 1776, ift er in weitern Kreifen befannt ge: 
worden als Bertheidiger der Rechtgläubigkeit gegen 
Neologie und Rationalismus und durch feine Lite: 
rariſche Betheiligung an dem Streite feines Soh— 
nes, des Paſtors EC. Geibel zu Braunſchweig, feit 
1830, mit feiner rationaliftifchen Gemeinde und 
ber niederfähfiih:reformirten Synode 1832 zu 
Braunſchweig, welcher damit endigte, daß ein her: 
zogliches —2* Geibel jun. mit Beibehaltung 
feines Gehaltes aus dem Dienfte entließ. + 1853, 
— — Schriften zu Lübeck 1832 und 


Geier wird im Alten Teftamente unter dem 
allgemeinen Namen des Adlers (f. d. Art.) inbe: 
griffen. 3. Mof. 11, 14; 5. Mof. 14, 13; Jef. 34, 
15 wird aber ber gemeine eier, vultur cinereus, 
fpeciell erwähnt. 

Geiger, Franz Tiburtius. Geb. 1755 zu Har: 
ting bei Regensburg. Erzogen von ben Sefuiten 
und Benedictinern, trat er 1772 in den Francis— 
canerorden, ftudirte dann in Würzburg und ver: 
fah Profeffuren an mehreren Schulen jeines Dr: 
dene, bis er 1792 eine theologische Profeſſur in 
Luzern erhielt und theologus nuntiaturae wurde. 
In diefer Stellung arbeitete er mit Erfolg für die 
Belebung des Ultramontanismus, auch durch viele 
populäre Gontroversichriften gegen den Broteftan: 
tismus, den er nicht einmal wiſſenſchaftlich ver: 
ftand. + 1843. 

Geiler von Kaiferdberg. Berühmter Prediger 
und Volksredner. Geb. 1445 zu Scafihaufen, 
wurde er erzogen zu Kaijeröberg bei jeinem Groß— 
vater, bezog 1460 die Univerfität Freiburg, ward 
bort 1463 doctor artium und hielt Vorlefungen 
(1469 decanus facultatis artium). 1471 wandte 
er fid) in Bafel zum Studium der Theologie und 
ward bafelbft 1476 Dr. und Brofeffor der Theo: 
logie. Einen Ruf als Prediger nad) Würzburg 
ſchlug er aus, um die durch Peter Schott begrün: 
dete ——— am Münſter zu Straßburg an: 
zunehmen. + 1510. In feinen Predigten, die er in 
deutſcher Sprade und echt voltsthümliher Weiſe 
hielt, ſpricht ſich ein ernfter kirchlicher Sinn aus, 
der zur Myſtik wohl hinneigt, doch von der Schola- 
ftit noch völlig eingenommen ift, wohl das einge: 
riffene Berderben in der Kirche beffern möchte, 
aber weit entfernt iſt von reformatoriichen Gedan: 
fen. Seine Predigten find nicht immer über bibli: 
iche Texte, ſondern mehrfach Auslegungen profa= 
ner und neuerer Schriften, 3. B. die Predigten 
über Sebaftian Brand's Narrenfhiff (Weltfpiegel, 
db. i. Predigten über Seb. Brand's Narrenſchiff, 
1574) und über Gerfond De monte contempla- 
tionis. Ausgewählte Schriften I. Heft herausgege: 
ben von Braun, Trier 1858; Seelenparadies, her: 
ausgegeben von Biejenthal, 2 Bde., 1842. Bal. 
Ammon, ©. v. K., Leben, Lehren und Predigten, 
1826. 

Geiffel, Johann von. Bi of von Speyer, 1841 
Coadjutor des Erzbifchofs Drofte:Bijchering, 1845 
ee von Köln, als des letztern Nachfolger. | 

1064. 


284 


Geiſt 


—8 S. Leibesſtrafen. 
Geißelung war zuerſt eine Disciplinarſtrafe in 
den Klöſtern, wurde dann in Nachahmung dei 
Leidens Chrifti für uns ein Bußwerk und hurd 
Damianus Hauptbeftandtheil der Mönchsaskeſe 
ber auch Laien fi unterwarfen. 

Geißler, Geißelbrüber, Kreuzbrüder, Loißlen 
Brüder, weiße Flagellanten. Die Geißlerfahrten 
des Mittelalters, organifirte Gefelfchaften, die 
von Ort zu Ort jagen und unter dem Gefange geift: 
licher Lieder in Kirchen und auf öffentlichen Plägen 
eine wechjelfeitige Geißelung ihrer Glieder veran. 
—— find eine Ausgeburt des ſchwärmeriſchen 

ufeifers, der durch einzelne Bußprediger, Anto: 
nius von Padua, Vincent Ferrer u. U. entzünbet, 
gemehrt durch die Noth der Zeit oder die Erwar: 
tung deö nahen Weltendes, cpidemienartig daö 
ganze Bolt ergriff und nur durch ernfte Maftegeln 
der Kirche und des Staates in feine Grenzen zu: 
rüdgewiefen werden konnte. Die bedeutenditen 
diejer Geiflerfahrten, die ſich auch auf ausorüd: 
liche Befehle und Viſionen beriefen, waren 1261 
zu Perugia und in Süddeutſchland, 1398—99 im 
genueſiſchen Küftengebiete (Bianchi von den lan: 
gen weißen Gewändern). Die bebeutendften aber 
traten nad) der großen Peſt 1317—49 in Deutid; 
land auf, zuerft in Magdeburg und im Elſaß, bis 
ige fie verbot und der Papft durd eine 

ulle fie unterbrüdte, fo daß fie allmählich ver: 
ſchwanden; doch tauchten immer neue Spuren auf. 
Nach 1454 murden zu Sangerhaufen mehrer: 
Geißler verbranntund die legten 1481 vor Gericht 
Hr ©. Förftsmann, die Hriftlihen Geifler: 
gejellichaften, Halle 1828; Mohnike, Ueber Geif: 
lergeſellſchaften, Ziſchr. für Hift. Theol., 1835; 
Heller, Vincent Ferreri, 1830; Schmidt, Lied und 
Predigt der Geiler, Stud, und Krit., 1837. 

Geift im biblifhen Sinne bedeutet das innere 
Lebensprincip des Menfchen im weiteften Sinne, 
das, was in uns denft (Ey. 11,5; Jeſ. 29, 24), 
aljo was wir im engern Sinne Geift, Verſtand 
nennen, was in uns fühlt, trauert, ſich freut, 
zürnt, begehrt, was wir Gemüth, Herz nennen (1. 
Mof. 41, 8; 45, 27; Pi. 51, 19; 142, 4; ef. 66, 
6; Zuc. 1,47; 10,21; 11, 33), ferner mas gut, 
Ichlecht, ftolz, demüthig u. ſ. w. ift, d. 5. der Sit 
des Moraliihen, des Charakters (Bf. 32, 2; Jet. 
25,4; Eʒ. 3,14; Pf. 143, 7; 2. Mof. 6, 9; Spr. 
16, 18; ef. 57, 15; Eʒ. 20, 32; Hagg. 7, 14), 
felbft da3 finnliche Leben ift davon nicht ausge 
Ihloffen, jo daf der „Geiſt“ auch Thieren zuge 
Ihrieben wird (1. Mof. 6,7; 7, 15). Alles dad: 
jenige gehärt im weiteften Sinne zum Geift, mas 
die Subſtanz des Lebens ausmacht, was übrig 
bleibt, wenn man das bloß Materielle, den körper: 
lichen Stoff vom Begriffe des Menſchen abaieht, 
Der Geift fteht alfo im Gegenfat zum Körper, 
d.h. genau genommen, nicht zum befeelten Körper, 
fondern zum nicht bejeelt gedachten. Wenn der 
Geift entweicht, ift der Menfch todt (Zac. 2, 26). 
Der Tod ift derjenige Prozeß, durch melden der 
Geift den Körper verläßt, wodurch diefer wieder 
zur Erde wird, aus der er genommen ift (Pf. 3], 
6; 146, 4; Pred. 12, 7; Luc. 23,46; Apjtg.7, 59). 
Der Geift ift eine jelbftändige Einheit, ſowie der 
Körper ein materielle Conglomerat für fid bil: 
det, das freilich zerfällt, wenn der Geift datau⸗ 
entflieht; er exiftirt auch ohne den Leib und lebt 


| fort nach dem Tode (Luc. 8, 55; 24, 37; 1. Bett. 


Geiſt 


8,19; Hebr. 12, 28). Den Urſprung des Geiſtes 
leitet 1, Moſ. 2, 7 von Gott ſelbſt ab, und zwar 
ald eine Selbjtmittheilung Gottes, jo daß ber 
Menden: und Gotteögeift Ein Wejen mit einan- 
der bilden (Apftg. 17,28), jedoch immerhin fo, daß 
ber Menfegeng-if als verjelbftändigte Eriftenz zu 
nehmen ift, die ſich zu Gott jo oder ander3 zu jtel- 
len vermag. Der Pantheismus ift von der bibli⸗ 
ſchen —e— gänzlich ausgeſchloſſen. Das 
Verhältniß des Begrifſes Geiſt zu dem der Seele 


(W9J way) beſtimmt ſich fo, daß Geiſt die Tota⸗ 


lität de3 innern Lebens, namentlich die höhern 
Lebenäfunctionen des Denkens, Ahnens, Fühlens, 
Wollens umfaßt, Seele dagegen das Princip des 
an Lebens, das Snhtem der finnlihen 
findungen und Triebe in fich begreift. Da die 
Grenze zwiſchen den niedern und höhern Functio— 
nen bed Lebens erfahrungömäßig eine di: ſchwan⸗ 
lende iſt, ſo iſt auch der vollsthümliche Ausdruck 
ein ſehr wechſelnder, weshalb im Sprachgebrauche 
die Begriffe oft in einander überfließen. S. übri— 
—— darüber d. Art. Seele. Eine Dreitheilun 
Menſchen in Geiſt, Seele, Leib tritt klar erſt 
beim Apoftel Paulus auf, namentlich 1. Theſſ. 5, 
23, vgl. aud Hebr. 4, 12. Die Unterjheidung 
yroiichen Geift und Seele ift dabei biefelbe, wie fie 
eben bezeichnet worden ift, die Unterfcheidung ber 
böhern vernünftigen Functionen (voös) von den 
niedrigeren finnliden. Daher lommt es, daf ber 
Hpoftel die wuzıxod (feeliichen Menſchen) ben 
avevuarıxoi (geijtigen) gegenüberjtellen und die 
erfteren mit ben sapxıxoi (fleifchlichen) auf dieſelbe 
Linie ftellen kann (}. d. Art. Fleifh). In der pau: 
liniſchen Anthropologie erhält nun auch der Be: 
griff nweuue eine noch fpeciellere Bedeutung. Da- 
durch, daß von I ein neues Geiſtleben aus: 
ging, daß ein chriſtliches Gemeindeleben entjtand, 
defien erfüllendes Element der heil. Geift it mußte 
auch für das einzelne Chriftenleben der ‚Geiſt“ ein 
neues bedeutungsvolles Princip werden. Der Apo⸗ 
ftel redet darum von dem Gegenfab der Princi: 
pien des Geifteö und des Fleiſches; er meint mit 
dem erjten ein Princip der Heiligung im Men: 
ichen, welches die ganze Natur des Menſchen durch: 
dringen muß und jo in ihm eine neue „pneumas 
tiſche“ Natur ſchafft, weldhes einen Kampf führt 
gegen die Mächte des Fleiſches, defjen Sieg aber 
in Chriſtus verbürgt ift, Röm.8,1 ff.; 1. Kor. 15, 
41—46; Gal. 5, 17 ff. In diefem Sinne ift Geift 
nicht ganz gleihbebeutend mit Dem oben entwidel: 
ten Begriffe, welcher leßtere übrigens auch bei 
Paulus (= voog) nicht — er iſt eigentlich der 
heilige Geiſt, der in der Gemeinde lebt, und nun 
auch ins Perſonenleben übergeht und hier eine 
perſönliche Macht bildet. Allerdings iſt der Sitz 
diefes Princips mweuue, der menſchliche Geiſt, 
ohne daß beide mit einander im Sprachgebrauche 
verwechſelt werden können; aber ſtreng genommen 
iſt der Geiſt im pauliniſchen Sinne eine objective 
Macht, die über die menſchliche Einzelperſon hin— 
ausgeht. — Der modernen Wiſſenſchaft iſt na: 
mentlid) dad Weſen des Beiftes zu beſtimmen ein 


wichtiges Problem. Wir heben unter den Verſuchen Gott oder auch nur eine 
namentlich den am ſchärfſten entwidelten von | 
Note (Ethit J, $. 29) hervor, welcher den Geift | 


285 


Geift Gottes 


Begriffsbeftimmung definirt den Geift ala Selbſt⸗ 
bewußtfein, als die Jchheit. Dal. die biblischen 
Seelenlehren von Bed und Delitzſch und die Lehr⸗ 
bücher der biblifchen Theologie. Adermann, Stud. 
a Or 

eiſt, Orden des heiligen. Ein franzöſiſcher 
Drden, von Heinrich) ira gie 31. Der. ul 
ftiftet zur Erinnerung an feine Thronbefteigung 
zu Afingften (feinem Geburtätage) des Jahrs. 
Die Ritter waren zum —— Beſuch der Meſſe, 
zu jährlich zweimaliger Communion verpflichtet 
und genofjen große Vorrehte. Der König war 
Großmeifter, fämmtlihe Prinzen Mitglieder. Die 
Revolution hob den Orden auf. Aehnliche welt: 
lihe Orden in Neapel Gag und Spanien (1360) 
find ebenfalls aufgehoben. — Die NMiffionspriefter 
des heil. Geiftes jtiftete 1701 der Abbe Desplaces 
für die pain Mr Indien, China und 
Afrika. Sie erhielten 1805 die ſtaatliche er 
von Neuem, auch 1818—30 einen Staatszuſchu 
zu ihren Zweden. — Die Kanoniler des heil. Gei- 
jtes find eine 1588 beftätigte Congregation für 
den Unterricht, bie zu Höfterlichen Uebungen ver: 
pflichtet ift. — Der Orden des heil. Geiltes von 
di Sajfia (von dem Hauptfige jeit 1204 eines Ho: 
fpitald in Rom fo genannt), ijt urjprünglid ein 
Hofpitalsiden, deffen Brüder nad) manden Ber: 
änderungen 1700 Clemens XI. in regulirte Chor: 
Der ummanbelte. — Den weiblihen Orden bie: 
er Hofpitaliter bilden die zahlreihen „weißen 
Schweſtern“, die fi) mit Armenpflege und Kin— 
dererziehung beſchäftigen. Ein Zweig von ihnen 
find die 1244 geftifteten Schweftern des Heil. Gei— 
ſtes zu Poligny. 

Geiſter. S. Engel, Dämonen. 

Geifleögabe, Charisma, nennt das Neue Te: 
tament die natürliche Anlage und Begabung, fo: 
ern fie, vom Geifte Chrifti geheiligt und entmwidelt, 
im Dienite des Reiches Gottes und der Gemeinde 
er wirkſam ermeift, 1. Kor. 12,4 ff. Das Auf: 
allende und Wunderbare, worin das Charisma 
fid) in den erjten Gemeinden oftmals äußerte, ge: 
hört nicht zu feinem Weſen, jondern ift durd die 
Verhältnifje der Urfprungszeit bedingt. Indem 
dies überfehen wurde, fonnte man von einem Auf: 
hören der ©. reden. In der fich erft begründenden 
Gemeinde erringen ji) die offenbar werdenden G. 
die Anerlennung und den Raum für ihre Wirk: 
famteit, welche in der geordneten Gemeinde dem 

Amte überwiejen wird. Die Vorausjegung der 
Amtsübertragung aber ift jedesmal das für die 
Führung des Amtes erforderliche Charisma. 

Geiflestaufe. Nach der Eintheilung des Tho— 

mas von Aquin gibt es eine dreifache Taufe: die 
Wafjertaufe, Bluttaufe und Geiftestaufe, welche 
beibe legteren die erftere erjegen önnen. Die Geis 
ftestaufe (baptismus flaminus) ijt die innere Re: 

ung des Gewifjens, welche in Folge der Einwir— 
kan des heil. Geistes entfteht. 

ei otted. Im Alten Tejtamente wird vom 

„Geiste Gottes“ in einer Weife geredet, dab der: 
jelbe deutlich getrennt erjcheint vom Begriffe Bott 
jelöft, ohne daß damit ein zweites Weſen neben 

Fe im trinitarifchen 
Sinne bezeichnet werden ſoll. Wie im Menſchen, 
jo kann auch hier der Begriff des Geiftes nit an: 


definirt als die Einheit des Ideellen und Nealen, | ders gefaßt werden, denn als das Princip aller 


als den Gedanken, der zuglei $ 
Daſein, das zugleich Gedante ift. Die gewöhnliche 


und als das | Lebensthätigkeit. Indem das abjolute Weſen Got: 


ted an ſich als die unendliche Ruhe der Majeftät 


Geiſt, Heil, 


ebacht wird, erfheint die geſammte Lebendigkeit 

ottes ald etwas von dem Wefen Gottes an fi 
unterfchiedenes, ald etwas aus Gott als jelbftän- 
diges Princip wirlendes Herausgetretenes, und 
da diejelbe Lebendigkeit im Menſchen den Begriff 
des Geifted ausmacht, jo hat das Neue Teftament, 
wie aud) das Alte Tejtament, wo noch nicht der 
Begriff des heiligen Geiftes aufgetreten ift, dafür 
die Bezeichnung „Geift Gottes“, Derfelbe ift die 
ſchaffende Kraft der Schöpfung, 1. Mof. 1,2; Bi. 
38, 6; > 33, 4, der höchſte Verftand und die 
höchſte Kraft, Jeſ. 11, 2, die erleuchtende Kraft 
der Propheten, Se]. 32, 15; 44, 3; 48, 16; Joel 
8, 1.2; nad) 1. Kor. 2, 11 gleichſam das Selbft: 
bewußtjein Gottes. Ein neuer Begriff ift derjenige 
bes heil. Geiftes; ſ. darüber d. Art. Trinität. Bal. 
Kleinert, Zuraltt.Lehrevom Geiſte Öottes, Japrdb. 
für d. Theol., 1867. 
X heil. S. Geiſt Gottes und Trinität. 
Geiſtliche. Das Wort, welches die Reformatoren 
vermieden, ift allmählid in die evangelifhe K.r: 
—— aus der katholiſchen herübergenommen 
und bezeichnet diejenigen, welche der Kirche unmit- 
telbar am Wort und 
katholiſchen Kirche bildete fich früh, theild durch 
Einwirkungen altteftamentliher und jübifcher 
Ideen, theild durch die Auffaſſung der Kicche ala 
eines Jnftitutes, der Begriff eines vom Bolt ge: 


acramente dienen. In der 


trennten priefterlichen Klerus (ſ. d. Art.) aus, der 
eigentlich allein die Kirche repräfentirte und deſſen 
itglieder durch die Weihe einen unauslöſchlichen 
Charakter empfingen. Die Reformation verwarf 
die beiden Begriffe, welche den Klerus conftituiren, 
Weihe und Jurisdiction, und ging einfach auf den 
Begriff des Amtes zurüd, Es tam aber nicht zu 
einer dogmatifchen Begründung des Amtes, da die 
Reformatoren die Stellung des Geiftlichen immer 
nur negativ erörterten, d. 5. im Hinblid auf die 
gegnerijchen Behauptungen, und jo jehen mir in 
den evangeliichen Gemeinſchaften ein Schwanken 
von dem völligen Verwerfen eines geiftlihen Am: 
tes kei Wiedertäufern, Quälern und Darbyften 
bis zu dem faft Fatholifchen Amtäbegriff der Jr: 
vingianer und Neulutheraner. Kirchenrechtlich hat 
ſich for ohl in der lutherifchen als der reformirten 
Kirche in den Geiftlihen ein Lehrjtand gebildet, 
in den man durch die Ordination eintritt. Sah 
man urjprünglid in demjelben den berufenen 
Wächter (lutheriſch) über die Lehre, (reformirt) 
über das Leben und die Sitte der Gemeinde, fo 
gab es aud) eine Zeit, die in demfelben nur eine 
rt höherer Polizeibeamten oder Volkölehrer er: 
blidte. Das geiftlihe Amt beruht zuerft auf allge: 
meinen —— Geſetzen, wonach jede Gemein: 
ſchaft beſtimmter Organe bedarf, durch welche und 
in welchen fie wirft (Gemeindeamt); einen gött: 
lihen Grund hat aber das Amt, ohne ſich auf eine 
bejtimmte Einfegung Chrifti beziehen zu müffen, 
darin, daß Gott die Gemeinde und ihren Zweck 
und damit das unentbehrlihe Amt gewollt hat. 
Wie aber jede Gemeinſchaft in ihren Organen zu: 
leid die lebendigen Träger der fie bejeelenden 
dee, diefe gegen verkörpert erbliden will, fo 
auch hier. Der Geiftliche ift aljo, jeinem Begriffe 
nad), die möglichft vollendete nad) aufen hin wir: 
ende religiöje Perfönlichteit, jo zu jagen, ein mög: 
lichft getreues Abbild Chrifti im Nahmen feiner 
Zeit. Gefordert wird daher von ihm außer der 


Gelafius IL 


feit, Vgl. aber d. Art, Srregularität. Damit begrüns 
den ſich die ftrengern Anforderungen, welche in fitt: 
licher Beziehung an den Geiftlichen gemacht werden. 
ALS der Träger der religiöfen dee ift er der Leis 
ter und Führer des gottesdienftlichen Lebens; aber 
es ift lediglid) eine Durch die Verhältniſſe bedingte 
Frage der Zmedmäßigleit, ob er auch in den an: 
dern Beziehungen des Gemeinfchaftslebens, der 
Verwaltung und der Verfaffung des Gemeinde: 
febens, das einzige oder auch nur das leitende 
Drgan fein ſolle. Die gen re Vorrechte deö 
geiftlicen Standes, welche, auf dem kanoniſchen 
Rechte beruhend, auch in den evangelifchen Län— 
dern vom Herlommen bewahrt waren, find mit 
Recht in der Neuzeit bis auf einen Heinen Reft 
geſchwunden. 

Geiſtliche Dramen. An den mittelalterlichen 
Gottesdienſt reihen ſich zur Zeit der hohen Feſte, 
Weihnachten und Oſtern, ſceniſche Darſtellungen 
der heiligen Geſchichte Ber Das er mi- 
steres aus ministerium), Der Kreis der Darftel: 
lungen erweiterte fid) durch die Legende, der Dri 
derjelben blieb nicht die Kirche; jo kam aud) die 
Aufführung ſelbſt in die Hände der Laien. Wie 
die Kunſtform fich entwidelte, wurde auch die Be: 
handlung des Sioffes freier, der Vollshumor dringt 
ein und gewinnt in den Faſtnachtsſpielen (sotties, 
entremets, interludes) ein eigenthümliches Ter: 
rain, während die Moralitäten, d. 5. Stüde, die 
einen mehr allegorifch lehrhaften Charakter an ſich 
tragen, die urfprüngliche religiös-didaktiſche Ten: 
denz beibehielten, der Geift der Zeit aber aud in 
diejer Art feine Kritik an der verfallenen Kirche 
übte. Wie aus diefen geijtlihen Dramen ſich das 
hiſtoriſche Schauspiel und unjere ganze dramatiſche 
Literatur entwidelt hat, zu zeigen, gehört meiter 
nicht hieher; nur joll der Reſt des eigentligen 
geiftlihen Dramas erwähnt werben, ber fid in 
den Paſſionsſpielen des Oberammergau (jeit 1634) 
erhalten hat. ©. d. Art. Drama. , 

Geiſtliche Sachen. Alles, was unter die geift- 
liche Gerichtsbarkeit fällt; im engern und eigent: 
lihen Sinne, was fid) bezieht auf Glauben, Lehre, 
Sacramente und Guitus, 

Geifllige Verwandtſchaft. S. Verwandtſchaft, 
Compaternität, 

Gelafius I. Bapft 492—496. Der Heilige (18. 
Rov.). Er erweiterte die päpftlihe Macht, indem 
er in Briefen an Fauftus und an die Bijhöfe von 
Dardanien dem Papfte dad Hecht der oberjten 
Entſcheidung in religiöfen Dingen, und ohne an 
die Autorität der Synoden gebunden zu fein, zu: 
jchrieb. Das Schisma mit der morgenländijchen 
Kirche konnte er durd) die Synode 495 nicht been» 
digen. Er ſchrieb: De duabus in Christo naturis 
adv. Eutychen et Nestorium. Dagegen ift das 
Decretum de libris recipiendis et non recipiendis 
einer fpätern Zeit angehörig. Daffelbe zählt die 
——— Schriften des Alien und Neuen Tefta: 
ments und die orthoboren Kirhenväter auf, ſowie 
die, welche diefen Ruhm nicht rein bewahrt hatten. 
Il. 1118-19. Mönd von Montecaffino 
(Johann von Gaöta), neben Paſchalis Cardinal 
und Kanzler, wurde er von ber Heinrich V. feind: 
lichen Partei gewählt. Mit Mühe wurde er der 
Gefangenschaft dur Clemens Frangipani von 
den Römern entriffen; er floh nad Gaëta, wo er 
confecrirt wurde, Heinrich ließ Gregor VIII. als 


— 


ſpeciellen Berufsbegabung die chriſtliche Perſönlich⸗ Gegenpapſt wählen. Gelafius ſprach zwar den 


Geld 


Bann über ven Kaifer aus, mußte aber nach Frank⸗ 
reich flüchten, wo er in Clugny ftarb. 

Id. Daß ſchon fehr früh Metall ald Taufch: 
mittel benugt worden und daſſelbe nicht bloß ge: 
wogen wurde, fondern mit irgend einem eihen 
des Werthes verjehen war, zeigt 1. Mof. 23, 16. 
Die Einheit des fpätern Münzſyſtems ift der Sefel 
(f. d. Art.). 100 Setel gaben 1 Mine, 30 Minen 
= 1 Talent = 3000 Selel. Der Setel des Hei: 
ligthums hat den doppelten Werth des gemeinen 
Seleld. Die älteften uns erhaltenen Münzen find 
bie der Maffabäer mit althebräifchen ——— 
die unterdemlegtenHadmonäer mit griechiſchen ver⸗ 
taufcht wurden (Antigonus-Münzen). DieSiflos: 
Münzen, mit der Bezeichnung der Jahre nad) der 
Erlöfung Zions pyu nbnsb, werden in die Jahre 
nad den zwei großen römischen Kriegen verlegt. 
Enblid) rühren die Simon: Münzen, den vorigen 
ähnlidh, von Simon bar Kochba her. Natürlich 
galten neben den nationalen Münzen der Juden 
aud die ihrer jeweiligen Herren. So werben 1. 
Ehr. 29,7 die perſiſchen Darifen erwähnt. Geit 
der Malfabäerzeit rechnete man mit griechiſchem 
Gelde. Dramen = 6 Dbolen, 4 Dradimen = 2 
Doppeldrahmen = 1 Stater = 1 Selel. Bon 
römiſchen Münzen kommen vor: der Denar — 1 
Drachme, Matth. 22, 19; das As — "/uo—!/ıs 
Denar, Matth. 10, 29; Luc. 12,6; der Quadrans 
= !/s U8, Matth. 5, 26; Marc, 12, 42. Endlich ift 
der Zepton, Marc. 12, 42; Luc. 12, 59; 21, 2, die 
Heinfte aller Münzen, gleid) dem halben Duadrans. 
Der Werth des Geldes war natürlich wechſelnd. 
Anhalt zur Werthbeftimmung geben 1. Mof. 25, 
15. 16; 33, 19; 2. Mof. 21, 32; 3. Mof. 5, 15; 
2. Chr. 1,17; 2. Saın. 24, 24, 

Gellert, Chriftian Fürchtegott. Geb. 1715 zu 
Haynichen, ftudirte er in Leipzig 1734 Theologie, 
enthielt fi aus Aengftlichleit der Bewerbung um 
ein geiftliche® Amt, bezog als Erzieher 1741 die 
Univerfität noch einmal, habilitirte ſich ald Docent 
1744, ward 1751 a. o. Profeſſor der Dichtkunſt 
und Beredfamteit und hielt Borlejungen über 
Moral. + 1769. In diefer Stellung hat er als Leh⸗ 
zer und Schrijtiteller eine außerordentlich ſegens⸗ 
reihe und meitgreifende Wirlfamleit entfaltet; 
feine -aufrichtige Frömmigkeit, feine Anſpruchs— 
lofigfeit, feine Güte und Einfiht machten ihn 
—— zu einem Beichtvater in den weiteſten 
reiſen. Seine geiſtlichen Lieder (wie auch ſeine 
Fabeln) find Eigenthum des Volkes geworden. 
Ausgabe feiner Werle Leipzig, Weidmannſche 
Buchh., 1839. Vgl. Gellertbuch von Ferd. Nau: 
mann, Dresden 1854. Seine Gedichte Berlin 
1859, geiftl. Oden 1859, Miniaturausg. 1861. 

Gelobt fei Jefus Chriſtus ift der in vielen Ge: 
genden übliche fatholijhe Gruß, dem die Antwort 
wird: in Emigfeit. Sirtus V. verlieh jeder Anwen: 
dung befjelben einen fünfzigtägigen Ablaß. Aehn: 
lich ıft die Formel bei Auguftin: Christo laudes. 

Gelübde ift ein Gott abgelegtes Verſprechen, 
wodurch man ſich (nad tömiicher Lehre) zu einem 
——— Gute verpflichtet. Die Lehre von 
ben Geluͤbden ruht auf der Vorausſetzung der 
fogen. evangelifchen Rathſchläge (f. consilia ev.) 
und ift daher der Tatholiihen Sittenlehre eigen: 
thümlich. Die Scholaftifer und das Decretalenrecht 
haben fie bis ind Einzelne ausgebildet. Die Bedin: 
gungen der Gültigteit eines Gelübdes find diefelben 


287 


Gemeinde 


wie beim Eid, judicium in vovente, veritas in 
mente, justitia in re; es erlijcht durch Gefjation, 
wenn der Grund und die Bedingung hinmwegjällt, 
durch Irritation, Nichtigkeitserllärung, zu welcher 
Derjenige berechtigt iſt, von weldyem der Gelobende 
abhängt, durch Gommutation, d. 5. Umwandlung, 
und durch Dispenfation, welche bei größern Ges 
lübden nur vom Bapfte ausgehen fann. Bon den 
Unterfheidungen der Gelübde find hervorzuheben 
die Theilung in lebenälänglide und zeitweilige, 
in einfache und feierliche, d. h. folche, welche eine 
firchliche ——— erhalten haben. Durch die 
letzteren wird eine dawider laufende Handlung auch 

ro foro externo rechtöungültig und ſtraſbar, was 

ei den andern nicht der Fall iſt. Als die höchften 
Gelübde gelten die Kloftergelübde des Gehörſams, 
der Armuth, der Keuſchheit. Die A il 
kennt feine Gott geleiſteten Gelübde, weil es für fie 
feine Gott wohlgefälligen Handlungen giebt, zu 
denen der Menſch nicht ohnehin verpflichtet wäre, 
nur uneigentlid) redet man vom Taufgelübde; fie 
fann nur inſoweit ſich mit dem Gelübde beſchaͤſti⸗ 
gen, al darin Berbindlichleitengegen Andere über: 
nommen find, deren Unterlaffung einen Treubrud) 
bildet. Freiwillige Uebernahme von Beruföpflich: 
ten, 3. ®. bei Diafonifjen, darf mit Gelübden nicht 
verwechjelt werden, wenngleich fie in feierlicher 
Form gejchähe. 

Gelubde bei den Hebräern. Da fie nur vor: 
fommen als Berjprehungen für den Fall, daf 
SJehova ein Gebet erhöre (1. Mof. 25, 20 f.; 
1. Sam. 1,11; 2. Sam. 15, 8 :c.), fo fallen fie 
ganz in die Kategorie der Dankopfer. Als pofitive 
Gelübde war ihr Gegenftand die Darbringung 
einer Gabe (f. Schelamim); alö negative der Ent: 
haltung waren es Uebernahmen von Faften oder 
des Nafiräats (ſ. d. A.). Das Gelobte mußte er: 
füllt werden, aber Jephta's That (Richt. 11, 30f.) 
ijt nicht im Geifte des Mofaismus. Auch das Ge: 
je fennt Beſchränkungen der Gültigkeit der Ges 
lübde (4. Moſ. 30,4 ff.). Das fpätere Judentgum 
hat caſuiſtiſch mit feinen Diftinctionen aud die 
Gelübde behandelt (vgl. Matth. 15,5; Marc, 7,11). 
Das Nafiräatögelübde des Apoſtels Baulus ſteht 
im R.T. einzig da; es trägt den Schein einer Zn: 
eonjequenz, Die, ftatt der gehofiten guten, nur 
übele Folgen gehabt habe; meift aber wird es ge: 
jaßt als ein Eriweis der apoſtoliſchen Weilherzig: 
feit, mit welcher er den Juden ein Jude wurde, 

Gemara. Die eine Terthälfte des Talmud, 
der Commentar der Nijchna (j. d. A. Talmud). 

Gemblourt, Eine Benedictinerabtei bei Namur, 
gejtiftet durch den 5. Guibert oder Wichert, 
welche durch Pflege der Wiſſenſchaft ſich auszeich⸗ 
nete. Ihre Chronik jchrieb Sigebert i030— 1112, 
fortgejegt wurde fie von feinem Schüler Anjel: 
mus; fie ift Geſchichtsquelle für die Zeit Hein- 
richs IV. 

Gemeinde bezeichnet im weiteren Sinne bie 
Gemeinſchaft aller Derer, die Chriftum als ıhren 
Herren anrufen; im engeren und firchenred,tlichen 
Sinne die locale organifirte Gemeinihajt als 
Glied der Kirche. Standen in der Urzeit die Ge: 
meinden jelbftändig neben einander, nur durch das 
Band der Yiebe verbunden, fid) jeibjt verwaltend 
und regierend, jo ging die Regierung derjelben 
und ihre höhere Einheit immer mehr in die Hände 
der wachſenden Hierarchie über, weldhe im römi— 
jhen Sinne nur alö die vom Papfte durch dein 


Gemeinschaft, fittliche 288 Generalſynode 


Kirche. Die Alles umfaſſende Gemeinſchaft, welche 
zugleich den höchſten ſittlichen Zwed in ſich ſchließt, 
it = Reich Gottes. Vgl. Rothe, Ethik, 2. Aufl., 

Gemeinſchaft der Heiligen wird ald Glaubens: 
ſatz im dritten Artikel des apoftolifhen Symbols 
aufgeführt und von Manchen als Erläuterung des 
Wortes Kirche gefaßt. Jedenfalls enthält der Aus— 
drud das, mo8 Tonft unter unfichtbarer Kirche ver: 
ftanden wird. Zu einer ſcharfen und reinlidhen 
Scheidung der Begriffe Kirche und Gemeinſchaft 
ber Heiligen hat es aber weder Tatholijche noch 
protejtantifche Dogmatif gebracht. 

Gemifhte Ehe. S. Che. 

Genehmigung, landesherrlide. ©. Placet. 

General, ©. Orden. 

Generalabfolution ift die Spendung eines 
volltommenen Ablafjes, welden der Prieiter den 
in Todesgefahr Befindlichen ertheilt, entweder nach 
dem Empfang der Sterbefacramente, oder, wenn 
dies nicht möyfid war, wenn das vorherige Leben 
das Begehren danach wahrſcheinlich macht. 

Generalbeichte umfaßt die Sünden des gan— 

en vergangenen Lebens. Da die unvollſtändige 

ichte die Abſolution unwirkſam macht, fo wie: 
derholen ſorgſame Gemüther von Zeit zu Zeit 
eine Generalbeichte, um etwa früher Ausgelaffe- 
nes nicht länger zu verjchmweigen. 

Generalcapitel. Ein Mönchsorden beftand ge- 
wöhnlich aus einer geordneten Gliederung von 
größeren und Heineren Kreifen. Der Orden jelbft, 
defien Haupt der Drdensgeneral ift, umfaßt das 
Ganze; ihm gliedern fich ein die Eongregationen 
oder die —— Ordensprovinzen, die unter 
einem Provinzial ſtanden; dieſen gliedern ſich wie⸗ 
der die Definitionen ein, an deren Spitze die De: 
finitoren ftanden, und diefen wieder die Klöfter, 
an deren Spike die Aebte ftanden. Die Defini: 
toren und Provinziale traten zur Wahl von Bor: 
ftänden oder zu Abänderungen in den Ordensregeln 
regelmäßig zufammen, und eine folde Verſamm⸗ 
[ung wurde Generalcapitel genannt. 

eneralconfiflorium, Eine Gentralbehörbe der 
lutheriſchen Kirche Frankreichs nad den organi: 
chen Artikeln, welche über den Inſpectionen jteht, 
und aus geiftlichen und weltlichen Mitgliedern zu: 
fammengejegt ift, welche die Regierung ernennt, 
zu welchen aus jeder Inſpection ein lebensläng- 
lich gewählter weltliher Deputirter hinzutritt. Die 
neue Organifation nennt das Generalconfiftorium 
Dberconjiftorium und hat den Einfluß der Ne: 
gierung noch mehr erhöht. 

Generalfeminarien. Um die in den bifchöf: 
lichen Seminarien vernadjläffigte wiffenfchaftliche 

Bildung derjelben zu fördern, hob Joſeph II. jene 

jämmtlid) auf und errichtete 4 Generaljeminarien 

timmte Normen, nach welchen fid) der Gemein: | als Staatsinjtitute zu Wien, Peſth, Pavia, Löwen. 
ajtöverfehr vollzieht. An diefelbe werden zweier: | Der allgemeine Widerftand des Klerus gegen die 
lei Anforderungen erhoben: 1) daß die Indivi— Reformen traf am meiften die Generalfeminarien 


Biſchof und den Klerus regierte Heerde erfcheint. 
Die evangelifche Kirche fprad im Grundſatz das 
Gemeindeprincip aus, d. 5. daß die Gemeinde als 
ſolche jelbitändig verfaßt im organifchen Verbande 
dem Ganzen ſich einordne und die Kirchengewalt als 
in ber Gemeinde beruhend erfannt werde. Allein 
in ber Ausführung wirkte das frühere Syftem 
nad) als Gonfiftorials und Territorialfyftem, die 
Gemeinde wurde verwaltet durch Beamte der 
Kirchengewalt. Nur in ber reformirten Kirche fam 
ed zu einer Preöbpterialverfafjung, zur Organi: 
wor. ber Gemeinde. In den kirchlichen Berfaf- 
ungsfragen der Gegenwart madt fi ein Drän⸗ 
gen auf conjequente Ausbildung des Gemeinde: 
princips beutlich erfennbar, mit Vermeidung des 
inbepenbentiftifhen Extrems, bei welchem bie 
organijhe Verbindung ber Gemeinden unter fi) 
— ber Selbſtändigkeit der Einzelnen geopfert 
wird. 
Gemeinihaft, fittlige. Das wichtigſte Mittel 
- ge bes fittlihen Zweckes unter der 
enjchheit it ie Gemeinſchaft. Den Gegenjaß zu 
berjelben bildet das Individuum. Die Individua— 
lität, d. 5. die eigenthümliche Ausprägung PH 
ähigleiten bei dem Einzelnen, hat zwar für ſich 
chon bie mr und Aufgabe einer gemijlen Er: 
llung des fittlihen Zweckes, allein dieje Erfüllung 
wird nur eine einfeitige und beſchränkte fein kön: 
nen, ba der Einzelne immer nur mit einzelnen 
fittlihen Fähigkeiten und mit diefen verhältniß: 
mäßig nur ſchwach begabt ift. Abgeſehen davon, 
daß die Individualität ſelbſt fich für fih allein 
nit einmal zu entfalten im Stande wäre, daß 
Kon hiezu Gemeinfhaft nothwendig wird, ift der 
ittlihe Aided ein fo unendlicher, dah er auch nur 
von einer unendlichen Zahl von Individuen in 
unendliher Annäherung erfüllt werden kann. 
Darum müffen die Zndividuen ihre Jndividuali- 
täten zufammentragen, jo daß daraus eine einheit: 
lich arbeitende fittlihe Gefammtperfon entfteht. Sie 
find dazu von der Natur ſchon befonderd angelegt 
und bejtimmt, und die aus dieſem Zufammentragen 
der Individualitäten entftandene Einheit ift die 
fittlihe Gemeinſchaft. Der Organismus derjelben 
wird jo beſchaffen fein müffen, daß Mittheilen der 
Kae Begabungen und Empfangen in unge: 




























törter harmonifcher Wechſelwirkung zu einander 

eben; jeder Einzelne wird feine Individualität 
mittheilen und alle Andern werden fi empfan- 
gend verhalten, wie jeder Einzelne aud) Alles mit: 
empfängt, mas von den Andern allen an fittlichen 
Gütern producirt wird. Je mehr Einzelne für den 
Zweck der Gemeinfchaft begabt find, deito mehr 
werden fie fi auch ini Verhältniß zu den Andern 
mittheilend verhalten. In jeder Gemeinſchaft ift 
eine Gemeinfhaftsordnung von Nöthen, d. h. be: 


duen ſich jchledterdings dem Gemeinfhaftszwed | (f. Franfenberg). Nach Joſephs Tode wurden fie 
unterordnen ; 2) daß die Gemeinfchaft die Indivi⸗ 1790 wieder aufgehoben und die Diöcefanfemina: 
dualitäten nicht unterdrüdt, fondern fie bewahrt | rien wieber hergeitellt. 

und fördert. Beides wird in einer richtigen Ge:| Generalflaaten, S. Holland. 

Generalfynode ift im Organismus ber refor: 


meinſchaft durch einander bedingt fein. Die wich: 
nirten Kirche die ſynodale Verſammlung, welche 


tigjten fittlihen Gemeinſchaften find folgende: 1) 
Che und Familie; 2) Freundſchaft und gefelliges | aus den Provinzialjynoden hervorgeht und über 
Leben; 3) funft: und pt an eig Leben; 4) | denjelben ſteht. Ber ihr und ihrem Ausſchuſſe 
die Gemeinſchaft des öffentlichen Lebens (indu: | ftand das eigentliche Kirchenregiment. — Die preu: 
itrielles Berfehrsleben u. f. w.); 5) Staat; 6)! ßiſche Generaljygnode von 1946 war eine von 


Generalvicar 


Friedrich Wilhelm IV. berufene Berfammlung von 
bochgeitellten Kirchenbeamten und Bertrauens:» 
männern zur Berathung über bie kirchlichen Ber: 
faffungsfragen der Zeit. Das von ihr proponirte 

rdinationsformular rief eine Menge von Streit: 
ſchriften hervor; aber ihre Beſchlüſſe, die nad 
feiner Seite hin befriedigten, blieben ohne eigent: 
liches Refultat. 

Generalvicar. Die Generalvicare find an bie 
Stelle der früheren Archidiakonen (f. d. A.) getre: 
ten, zur Wahrnehmung der Rechte und Pflichten 
der bifchöflihen YJurisdiction, ſoweit diefelben 
nicht durch Delegation oder fonft an die Perſon 
des Bifchofs gefnüpft find. Der Generalvicar 
wird vom Bifchof beftellt, im Unterlafjungsfalle 
vom Papſte als apoftolifcher Bicar; feine Amts: 


thätigfeit erlifcht zugleich mit der des Biſchofs, 


von welhem er jein Mandat befommen. Seine 
Jurisdiction ift aber eine jelbftändiae, jo daß von 
jeinem Urtheil nicht an den Bifchof, fondern nur 
an die höhere Stelle appellirt werden kann. 

Generatianismud oder Traducianismus ift die 
Lehre, daß die Seele wie der Leib durch die Zeu: 
gung von ben Eltern ftamme. Das Entgegengejegte 
behauptet der Ereatianismus, der für jedes Andi: 
viduum eine Neufchöpfung Gottes jtatuirt. Beide 
Anfichten finden ſich unter den Kirchenlehrern ver: 
treten, Tertullianund Auguftin erflärten fich zuerft 
deutlich für den Generatianismus. 

Genefis. ©. Pentateud). 

Geneſius. Nach der Legende ein Schaufpieler, 
der ſich plötzlich und wahrhaft betehrte, alö er in 
einem Bofjenfpiel auf der Bühne die Taufe em: 
fing, und wegen feines Belenntnifjes 290 von 
Diocletian hingerichtet wurde. Die chronologiſchen 
Angaben der Legende find mit der Geſchichte un: 
vereinbar. 

Genezareih, Ser. Dies ift der gewöhnliche 
Name, Xuc. 5, 1u.ö.; 1. Malt. 11, 67 das Waj: 
fer Gennefar. Jm A. T. jam Hinnereth, 4. Mof. 
34, 11; 5. Mof. 3, 17; Joſ. 18, 27, oder jam Kin: 
neroth, Joſ. 12, 3; Hei. 8, 23 das Meer. Meer 
von Tiberiad Joh. 21, 1; Galilätfches Meer, 
Matth. 15, 29; Marc. 7,31; Job. 6, 1, jekt Bahr 
Zabarijeh. Der See, ein Reinigungsbeden des 
Jordan, ift nur eine tiefere Einfenfung der Erd: 
ipalte, welche von Hasbeya bis an das Todte Meer 
In gerader ſüdlicher Richtung hinabreicht, un, 
wie die heißen Quellen im Welten, die vielen Erd— 
beben, das häufig vorkommende vulfaniihe Ge: 
kein, Die zahlreichen Grottenbildungen und Die 
Erpharzlager im Norden andeuten, wahrjcheinlic) 
auf plutonischem Wege entjtanden. Er führt fü: 
bes, Mares, gejundes und kühles Wafjer und ift 
ungemein fiſchreich. Seine Geſtalt ift ein etwa 6 
Stunden langes und 3 Stunden breites, beinahe 
ovales Beten. Rings ift er von hohen Ufern um: 
tahmt, die im Weiten 4—500‘, im Dften 800— 
1000° vom Wafferjpiegel auffteigen. Diejer jelbft 
liegt 201, nad) And. 307, nad) And. gegen 800 ‘ 
unter dem Mittelländifchen Meere. Die Wafler: 
tiefe beträgt 120— 156°. Die durd die Thalöff: 
nung einftrömende fältere Gebirgsluft erreat oft 
plögliche, jehr heftige Stürme, Matth. 8, 23 ff.; 
Marc. 4, 35 ff. ; Luc. 8, 22 fi. — Die Temperatur 
iſt jehr mild und gefund. Die Ufer, die einft von 
volireihen Orten (Tarihäa, Tiberias, Magdala, 
Cherazin, Rapernaum, Bethjaida und Bethjaida 
Julias) überdedt und jorgjältig bebaut waren, 


289 


Genovefaer Chorherren 


find jegt fandig und faft kahl, indeffen immer noch 
fruchtbar. Bon der landſchaftlichen Schönheit, 
welche Joſephus rühmt, ift wenig mehr zu ſehen; 
die fteilen, von einzelnen Schludyten Durchbroche: 
nen Uferränder jind jegt mit jpärlihem Gras: 
wuchje überzogen, und an der Stelle ber alten 
Glanzſtädte fieht man nur elende Dörfer mit einer 
indolenten, trägen Bevölferung. Die Fifcherei, die 
zu Jeſu Zeiten ſchwunghaft betrieben ward, hat 
faft ganz aufgehört. Man fieht heute fein einziges 
Segel mehr auf dem See, auf welchem Veöpafian 
den Bewohnern von Tiberias eine Seeſchlacht 
lieferte, 

Genf. Eine alte Stadt, von Cäfar als die letzte 
der Allobroger erwähnt, fam nad) der Römerzeit 
in die Gewalt der Burgunder, 1032 mit Arelate 
an das deutjche Rei. Das Chriſtenthum jcheint 
im 2. Jahrhundert von Lyon dorthin verpflangt 
zu fein; ald erſter Bifchof wird Diogenes 381 an- 

egeben. Dem Bisthum übergab 1124 Graf 

ymon von Genf feine Rechte über die Stadt, 
die von Alterö her bejondere Municipalfreiheiten 
bewahrt hatte. Die Herzöge von Savoyen, weldye 
feit 1288 die Bicedomei des Bisthums errungen 
hatten, trachteten nach der völligen Herrſchaft und 
erlangten fie unter dem legten Biſchof Peter de 
la Yaume (ſeit 1523); fich jeiner zu erwehren, 
ſchloß fit Genf an Bern an, wodurd die Refor— 
mation ihren Eingang gewann. Der Bijchof floh 
1534 und ſchlug feinen Sit zu Ger, dann zu 
Annecy auf, Gegenwärtig ftehen die fehr zahl: 
reichen Katholiten Genfs unter dem Bisthum Frei: 
burg. ©. aud) Calvin. 

Genfer Eonfenfus. S. Consensus, 

Gennadius. Gin Presbyter zu Marfeilte, ſchrieb 
eine Fortjegung des Werkes des Hieronymus, 
De viris illustribus, bis auf feine Zeit (heraus: 
gegeben Bafel 1529, Hamburg 1718); von feinen 
anderen Schriften ıft nur eine Epistola de fide 
erhalten. 7 495. 

Gennadins. Patriarch von Conftantinopel, 
eigentlich Georgius Scholarius, ein bedeutender 
und fruchtbarer theologifcer Schriftiteller der 
griechiſchen Kirche. As Abgefandter zur Synode 
von Florenz-Ferrara ſprach er für die Union der 
beiden Kirchen gegen jeinen wifjenichaftlidhen Geg— 
ner Georgius Gemiſtus Pletho. Nach feiner Rück⸗ 
fehr nach Gonftantinopel bekämpfte er, Durch die 
allgemeine Ungunſt bewogen, die Union, wurde 
Mönd und 1463 Patriarh. Dem Sultan über: 
reichte er ein (oft gedrudtes) Glaubensbelenntnih 
und jchrieb außerdem mehrere dogmatifhe Ab: 
bandlungen, welche von Gaß herausgegeben find. 
Val. Gap, Gennadius und Pletho, 1844. 

Genoflenihaften. S. Brüderſchaften. 

Genovefa, die Heilige von Paris, geb. 424 zu 
Nanterre bei Paris. Durch ein ftrenges asketiſches 
Leben, große Wohlthätigfeit, weifen Rath und 
Vifionen erwarb fie fi, trog mancher Verleum: 
dung, den Ruf der Heiligkeit, den die Legende 
durch viele Wundererzählungen begrlindet hat. 
Sie ıft die Schußpatronin von Paris. 

Genovefaer Chorherren. In der alten Abtei 
St. Genovefa führten 1148 zwölf Chorherren aus 
St. Victor eine Reform dur. Der durch Franl: 
reich verbreitete Orden wurde dann wieder 1614 
durch Carl Faure reformirt. Dem Orden, der 
fih mit Unterriht und Krankenpflege beſchäf— 
tigte, jtand ein General vor. In gr evolution 


Genobefan erinnen 
war bie Kirche de Ordens der Sit des Jacobiner⸗ 
clubs. 


Genovbefanerinnen oder Miramionen. Die Stif⸗ 
tung einer Frau Bloſſet 1636 vereinigte ſich 1663 
mit einer ähnlichen ver Miramion von 1630 und 
bezog 1670 ein eigenes Klofter. Der Orben legt 
die einfahen Gelubde ab und ift Werten der Die: 
nenden Liebe gewidmet. 

Genſerich oder Geiſerich, 428 König der Van: 
dalen, eroberte 429-439 Nordafrita und zerjtörte 
mit fanatifcher Wuth dort die katholiſche Kirche, 
die er ald Arianer haßte. Alser Rom 455 eroberte, 
fonnte Leo I. nur erlangen, daß er die Stadt nicht 
zerſtöre; die 14tägige Plünderung vermochte er 
— + 477. 

ntile, Joh. Valentin. Ein Antitrinitarier 
aus Cofenza. Als Mitglied deritalienifchen Flücht: 
lingögemeinde in Genf unterjchrieb er 1558 das 
Glaubensbelenntniß, welches den Antitrinitaris- 
mus verwarf, fprad) ji aber trogdem auf ber 
Synode zu Pinczow in Polen im Sinne des letz 
tern aus. In Genf deshalb verhaftet, widerrief 
er, entflob, und wurde in Bern 1566 wegen Wort: 
brüdigfeit und wegen feiner Angriffe auf die 
Trinität enthauptet. 

Gentilineum. Gentiliy bei Paris, feit 878 
Eigenthum des Bisthums Paris, war der Ort der 
Reihäverfamminng 767, welche mit griechiſchen 
und päpftlichen Gefandten über die Fundirung 
des Kirchenſtaates in Italien und bie Borenthal: 
tung ber Batrimonien, den Bilderfturm und das 
Bekenntniß der arianijchen Lehre von der Trini: 
tät verhandelte, 

Gentillet, Innocenz. Ein franzöfijcher refor- 
mirter Rechtägelehrter aus Vienne, der bis 1585 
PVräfident des Parlaments von Grenoble war, 
ſchrieb Apologia pro christianis Galiis religionis 
evangelicae 1578 und Le bureau du concile de 
Trente 1586, eine gründlihe Widerlegung des 
Concils. 

Genügſamleit ift die chriſtliche Tugend Deſſen, 
welcher im Glauben an die Liebe der göttlichen 
Vorſehung und im Hinblick auf das geiſtige Ziel 
des Lebens mit den äußern Berältniffen, wie fie 
ihm zugetheilt find, zufrieden ift und nicht Befleres 

ehrt 


hrt. 

Genugthuung Chriſti, die ftellvertretende. Die 
Grundlage der firdhlicyen Erlöfungslehre (j. d. U.) 
ift die Lehre von der Genugthuung Chrifti (satis- 
factio vicaria). Darnach Defteht das Wefentliche 
der Erlöfung darin, daß der durch die Sünde verleg: 
ten Gerechtigkeit Gottes durch das ftellvertretende 
Strafleiden Ehrifti vollfommene Genugthuung ge: 
fchehen iſt. Schon das Alte Teftament hat Jeſ. 53 
die Idee eines ftellvertretenden Leidens ausgeſpro— 
hen, beſtimmter gefchieht dies mit Beziehung auf 
das Leiden Chrifti in neuteftamentlichen Stellen, 
wie 2. Kor. 5,24; Röm.8,3; 1. Tim. 2,6; 1. Betr, 
1,18, In der Theologie der erften Jahrhunderte 
tritt die Lehre immer noch in den Hintergrund, 
verborgen in den Ausdrüden Opfer, Hohepriefter 
und Löjegeld (an den Satan), welde häufig zur 
Erläuterung der Erlöfung dienen, bis endlich im 
Mittelalter Anſelm von Canterbury die Lehre von 
der ftellvertretenden Genugthuung ſcharf und fpe: 
eulativentiwidelte (ſ. Erlöfung). Nad) einem Streite 
darüber, ob dad Verdienft Chrifti an ſich ſchon 
eine überfließende Genugthuung(satist. abundans: 
Anjelm, Thomas) begründet habe oder nicht und 


290 


Gcögraphie, bibliſche 


nur von Gott als ſolche angenommen werde (Duns 
Seotus; j. Acceptatio), wurde die Anſelmſche 
Theorie allgemeine Lehre der Kirche. Nur hat die 
fatholifde Kirche in ihrem Intereſſe das ge 
nugthuende Verdienſt Chrijti dadurch beichräntt, 
daß jie eö nur als ein auf die Erbfünde ſich bezie: 
hendes betrachtete (Trid. XIV.), dagegen für die 
wirflihen Sünden noch eine eigene Genugthuung 
für nöthig fand. Die evangelifche Kirchenlehre 
hatte den kirchlichen Satisfactionen des Katho— 
licismus gegenüber wieder das alleinige Der: 
dienst Chrijti zu behaupten, indem fie ſich im All: 
gemeinen an die Anſelmſche Theorie anſchloß. 
Ein neues Moment fügte derjelben die Eoncordien: 
formel hinzu. Indem fie nämlich das Berdienft 
Chriſti erſtens wie biäher auf feinen leidenden Ge— 
horſam (obedientia passiva), d. 5. ein jtellver: 
tretendes Abbüßen der Schuld dur Chriftus, 
gründete, fügte fie dem noch als zweiten Grund 
den thätigen Gehorfam (ob. activa) hinzu, d. h. 
die vollftändige Erfüllung des Geſetzes durd Chri— 
ftuß, welche ebenfalls ftellvertretend für und ge: 
leiftet worden ift. Letztere Lehre, weldye jchon von 
Töllner (der thätige Gehorfam, 1768) angegrifien 
wurde, bat in Philippi (derf. Titel, 1841) einen 
Bertheidiger gefunden. Bgl. außer den allgemei- 
nen dogmatiſchen Werfen und den Schriften Über 
Erlöfung und Berjöhnung: Neid, Ueber die 
satisf. vicaria. Stud. u. Krıt.,1844. Fronmüler, 
Stud. der Geiftl. Würtembergs, 1845. Ebrard, 
die Zehre von der jtellvertretenden Genugthuung 
in der h. Schrift begründet, 1857. 

Genugthuung Des Menden. Nach der Tate: 
(schen Berjöhnungstheorie hat Chriſtus zwar die 
ewigen Strafen der Sünde für die Seinigen ge: 
tragen, aber nicht die zeitlichen, für welche der ım 
Snadenftend befindlihe Menſch ſelbſt Genug: 
thuung zu leilten hat. Dieje befteht nad) dem 
Tridentinum in der geduldigen Ertragung der 
von Gott verhängten Leiden, in freimilligen Bub: 
übungen und in Züchtigungen und Strafen, welde 
die Kirche ihm auflegt. (Bol. Buße und Ablaf.) 
Je tiefer die — — Lehre von der Buße und 
der Verſöhnung begriffen wird, daß dieſe ausgeht 
von der Liebe Gottes und jene ſich im Selbſtge— 
richt und dem Abfterben des alten Menſchen vol: 
zieht, um fo mehr muß erfannt werden, daß der 
aus dem menſchlichen Rechtsverhältniß entnom: 
mene Begriff der Genugthuung auf das Berhält: 
niß des Menſchen zu Gott unanwendbar ift. 

Geographie, bibliihe. Sie hat zum Gegei: 
ftande alle diejenigen Xänder, welche ın der Bibel 
und für das Verſtändniß derſelben in Betraät 
fommen; zunächſt Baläftina, dann aber aud Me: 
jopotamien mit den alten Reichen von Babylon 
und Aiiyrien, ferner Berfien, Syrien, Arabien, 
Aegypten, die griechiſchen Jnjeln; ferner (Reued 
Teitament) Kleinafien, Griehenland, Stalien. 
Vgl. Rojenmüller, Bibl. Erd: u. Länderlunde. 
Nitter, Erdkunde, 15 Th. Klöden, Landeskunde 
von Baläftina, 1817. Karlv. Raumer, Paläftina, 
1835, 4. Aufl. 1860. Ruſſel, Baläftina. Aus dem 
Engliſchen von Rüder, 1837. Arnold, Baläjtina, 
1545. Knobel, die Böltertafel der Genejis, 1850, 
Völter, das heilige Yand und das Land der ifrar- 
litifhen Wanderung, 1855. Bräm, Iſraels Wan: 
derung von Gojen bis zum Sinat, 1859. Unruh, 
Zug der Iſraeliten von Aegypten nach Kanaan, 
1860. Siarten in den Atlanten von Berghaus, 


Geographie, kirchliche 


d'Anville und Reichardt, einzelne namentlid von 
Kievert, herausg. von Nitter 1842. Zımmermann 
(15 Karten), 1850. Rieß 1861. Altmüller, Aegyp- 
ten, Sinai, Baläftina, 1861. Adermann u. Wei: 
land, Bibelatlas, 1832, 3. Aufl, 1855. SKiepert, 
Bibelatlas, 3. Aufl. 1857, 1859. Kitto, Scripture 
Lands, 1850. Hughes, Bible maps or a hist. 
and descript. Atlas of Ser. geography, 1841. 
an de Belde, Map of the holy Land, 1858, 
©. ferner Baläftina. 

Geographie, kirchliche. Iſt eine vom Stand: 
—— eines kirchlichen Intereſſes aus gemachte 

eſchreibung der geographiſchen Verhältniſſe, alſo 
eine Geographie, welche ftatt der politiſchen die 
Grenzen des Chriftlihen und Ni en der 
Confeſſionen, der Patriarchate, Diöcelen, Spren: 
gel zieht, welche kirchengeſchichtlich wichtige Orte 
hervorhebt u. Aehnl. al. den Atlas antiquus 
sacer, ecclesiasticus et profanus, coll. in tab. 
geogr. Nic. Samsonis. Emend. Clericus 1705. 
Möller, —— oder topographiſch⸗ſynchro⸗ 
niſtiſche Darftellung der Kircheng. in Landkarten, 
1822—23. Wittig, Atlas sacer s. ecclesiasti- 
cus, 1843, 

Georg, Sanct. Der Patron der Ritter und Eng: 
lands, joll nach der Legende ein vornehmer Kap: 
pabocier gewefen fein und höherer Dffizier im 
römiſchen re der bei der Berfolgung unter 
Diocletian jeine Stelle niederlegte und als Chrift 
den Märtyrertod ftarb 303. Seine Berehrung ift 
{ehr alt, ſchon Gonftantin beförderte fie. Da die 

eten feines Lebens falſch find, die hiſtoriſche 
Perſon Georgs überhaupt unficher und feiı Sinn: 
bild der Drache ift, den er erfticht, fo hat die Ver: 
muthung viel für fi, St. Georg fei die Chriſtia— 
nifirung des perfifchen Mithras, des erften Licht: 

eiftes des Ormuzd, welcher den Draden der 
Finfternig tödtete. 

Georg der Bärtige, Herzog zu Sachſen. Der 
Gegner Luthers. Geb. 1471, tam er 1500 zur Re: 
gierung und veranjtaltete 1519 die Disputation zu 
Leipzig zwischen Ed und Luther, woher fein Wider: 
mwille gegen dieſen datirte, der durd) die heftige bei: 
berjeitige —— nur gefteigert wurde. In Finem 
Lande verfolgte er die Evangelifchen, tröjtete aber 
feinen Sohn und fid) jelbit auf dem Sterbebette 
mit dem alleinigen Verdienste Chrifti. 

Georg der Befenner, oder der Fromme, Mark: 
graf von Brandenburg, Ansbach, Sohn Friedrichs 
des Alten. Geb. 4. März 1484 zu Duoljbadh, res 
gierte 1525— 27 gemeinschaftlich mit feinem Bru— 


der Fafimir, dann allein, + 17. Dec. 1545, Be: | 
reits 1524 erklärte er fi für die Reformation, | 
welche er durch die Vifitationsartifel von 1528, | 
die der Brandenburgiichen Kirchenordnung zu 


Grunde liegen, in feinem Lande durdführte, auf 
Grund der jchon 1526 von feinem Bruder erlafie: 


291 


Gerbert 


u und wurde lutheriſch. Nach ver Tode 
des Biſchofs von Merfeburg 1544 übertrug ihm 
Morig von Sachſen das Amt des geiftlichen Coad» 
jutors, 1545 die Biſchofswürde de Stifts, von 
der jedoch das weltliche und obrigkeitliche Amt ge: 
trennt war. Die Mühlberger Schlacht verbrängte 
ihn; Bischof Michael Helding nahın das Bisthum 
an fi. Georg nahm an den Eonferenzen wegen 
des Interims Theil, befürwortete das Leipziger In: 
terim und ftarb zu Deffau 1553. Sein Leben fchrieb 
Camerarius, neu herausg. von Schubert 1854. 
Seine lateiniſchen Schriften gab ebenfalls Came: 
rarius 1555 heraus, die dentſchen Melanchthon, 
7. Aufl. 1741. 

Georg von Polenz. Der erfte evangelifche Bi- 
ſchof. Geb. 1478, war er Geheimfchreiber Zus 
(ius’ II. gewejen, trat dann in den deutfchen Orden 
und wurde 1518 Bifchof von Samland. 1523 ent- 
ſchied er fi für die Reformation, berief den früs 
hern Franciscaner Briimann nad Königäbere, 
machte ihn zu feinem Gchülfen, ordnete 1524 die 
Predigt in der Landesiprache in allen Kirchen an 


und empfahl Luthers Vibelüberfegung ; trat dann 
1525 dem Herzog Albrecht die weltliche errſchaft 


des Bisthums ab und widmete ji mit Brißmann 
bloß der geiftlihen Thätigkeit feines Amts, Ber: 
beirathete jih auch und farb nach gejegneter 
Wirkffamfeit 1550. 

Georg von Trapezunt. Geb. 1396 in Greta, 
fam 1420 nad) Italien und gerieth ald Anhänger 
der ariftoteliihen Philofophie in einen leiden: 
ſchaftlichen Streit mit Beflarion und Bletho, durch 
welchen er auch die Gunft des Papftes Nikolaus 
verlor. + 1486. Bei großer Gelehrfamteit ver: 
tathen feine Arbeiten, namentlich die Ueberjegun: 
gen, wenig a aa buche und Treue. 

Georgiuß von Laodicea. Ein Kleriker zu Ale: 
randrien, wurde als Arianer vom Biſchof Aleran: 
der ercommunieirt; denn von feiner Bartei zum 
Biſchof von Laodicea gemadt, Tonnte er deren 
Conjequenzen nicht folgen und begründete mit 
Baſilius von Ancyra vie Partei der Homoiou: 
fiaften oder Semiarianer. Er gewann den Kaiſer 
Eonftantius für die Befchlüffe der femiarianiichen 
Synode von Ancyra 358, welde auf der 3, femia- 
rianijchen beitätigt wurden. 

Gerar. Die frühere Hauptftadt eines phönizt: 
[hen Königreiches (1. Moſ. 20, 2; 26, 1. 26), lag 
an der Südgrenze Kanaans in der Nähe eines 
bewäfferten Thales (1. Moj. 26, 17), ift das heu- 
tige Hirbet:el-Öerar. Bis dahin verfolgte Aſa 
die Negypter (2, Chr. 14, 12). 

Gerafa. S. Gadara. 

Gerberon, Dom. Sabriel. Geb. 1628 zu Et. 
Galais in Maine. Trat 1649 in die Mauriner 
Congregation, als deren gelehrtes Mitglied er ſich 
auszeichnete und ſeit 1675 zu Gorbie lebte. Als 


nen Kirchenordnung. Er war 1529 zu Speyer, ; Vertheidiger der päpftlihen Rechte in dem Streite 


1530 zu Augsburg unter den erjten evangeliſchen \ 
Fürſten, und durch Rath und That bei dev Ein: durch die Flucht entziehen. In 


über die Negalien mußte er fid der —— 


rüſſel 1690 ga 


führung der Reformation in Brandenburg feinen : er die Werke des Bajus und eine Geſchichte des 
Bettern, wie in Preußen feinem Bruder behülflich. | Janfenismus heraus, wie er früher ſchon 1676 
Georg von Anhalt, der Gottjelige. Geb. 13. im janjeniftifd,en Geifte über Brädeftination und 
Aug. 1507. Schon 1518 zum Kanonitus in Merfe: | Gnade geichrieben hatte. 1703 verhaftet, wegen 
burg ernarnt, bezog er 1519 die Univerfität Leip-⸗ feiner Schriften ercommunicirt, blieb er biß 1710 
ig, ward 1524 Prieſter, 1526 Domprobft in im Gefängnis. Die ihm abgejwungenen Erflä: 
agdeburg. Sein Scriftitudium, um ſich gegen | rungen widerrief er noch auf dem Todbette. 
die neue Lehre zu rüften, hatte unerwarteten Er: | + 1711. 
folg; er folgte dem Beifpiel feines Vetters Wolf: !  Gerbert, Bapft, ©. d. Art. — I, 


ı 


Gerbert 


Gerbert, Martin. Geb. 17.0 zu Horb, trat 
1736 in den Benedictinerorden, wurde 1764 ge: 
fürfteter Abt zu St. Blafien. + 1793. Ein viel: 
feitig gebilveter Gelehrter, erwarb er fich einen 
Namen durd feine Verle über Geſchichte und 
Kirchenmuſik. Unter ihm wurde nad) dem Brande 
1768 das Klofter prachtvoll wieder aufgebaut. 
Historia nigrae silvae ordinis S. Benedicti, 
1783. Codex epistolaris Rudolphi de cantu 
‚et musica sacra, 1774. 

Gerdes, Daniel. Ein gelehrter reformirter Theo: 
loge. Geb. 19. April 1698 zu Bremen, 1724 
Paftor zu Wageningen, 1726 Profeſſor der Theo: 
logie in Duisburg, 1735 in Gröningen, + 1765. 
Berühmt ift feine Historia reformationis, Grön. 
1744. Specimen Italiae reformatae, Zeyd. 1765. 
Origines evang. inter Salzburgenses, 1733. 

Gerechtigkeit (dıxausvrn) ift zunächſt die Tu⸗ 
gend, welche Tediglih nad) objectivem Maßftabe 
urtheilt, ganz abjehend von fubjectiven, der Selbjt: 
ſucht angehörenden Triebfedern. Es ift die Tu— 

end des Richters, und darum auch eine Eigen: 
Schaft des göttlichen Richters (f. Eigenſch. Gottes). 
2. Sam. 8, 15; Bj. 33,5; 119, 121; Se. 56,1; 
Sprüchw. 16, 12; von Gott: Bi. 7, 13; 31,2; 
86, 23. 23; 50,6; 71,2; 89,15; Sef. 41, 10; 
45,19; Jer. 9, 24; Apſtg. 17,31; Röm. 2,6 ff. 
In weiterer Bedeutung heißt aber Gerechtigkeit 
nicht nur dad Beurtheilen, fondern aud) das eigene 
Sichrichten nad) objectivem Maßſtabe, ein geſetz— 
liches Verhalten, welches unterläßt und erfüllt, 
mas das Geſetz verbietet oder will. Da in der 
Theofratie das Gejeg feinem Charakter nad) gött: 
liches Geſetz iſt, fo bezeichnet Gerechtigkeit zugleich 
ein Verhältnik zu Gott, ein Halten feiner Gebote 
aus Goͤttesfurcht und Gewiſſenhaftigkeit. Im 
A. T. iſt aber dieſes Verhalten die höchſte geſtellte 
Aufgabe, weshalb die Gerechtigkeit, der Bedeu: 
tung nad) von Gottesfurcht und Frömmigkeit nicht 
weit gefdieden, die Cardinaltugend des U. T.'s 
ift, fie ift durchaus fein Lediglich moralijches, fon: 
bern ein bejtimmt ausgeprägtes religiöſes Ber: 
* 5. Moſ. 6,25; 24, 13; 1. Sam. 26, 23; 

iob 29, 14; Pſ. 7,9; 11,7; 85, 11; Sprchw 
2,9; 16, 8.81; Zeph. 2,3. Einen neuen Inhalt 
erhält der Begriff der Gerechtigkeit in den Sprü: 
chen Jeſu, namentlich in der Bergpredigt, wo fie 
ben dem Reiche Gottes entſprechenden fittlichen 
Zuftand bezeicnet. Sie fteht in ſcharfem Gegen: 
ja zu der jüdischen Geſetzesgerechtigkeit (Maith. 
5,20). Während diefe eine rein formale Gered- 
tigleit, die auch gefhichtlich immer formaler wurde, 
und darum eine lediglich äußerliche Geſetzescorrect— 
heit war, verftand Jeſu dagegen unter der Gerech— 
tigfeit eine volllommene ——— eine Geſin— 
nung ber Liebe, Herzensreinheit u. ſ. w., Die aus 
dem Innern organic fich entfaltet, die ſich vom 
Gebot als ſolchem losjagt, und doch die wahre 
des Geſetzes iſt. Matth. 5,6. 10; 6,33; 
5, 48. An diefen Begriff flieht ſich der paulini« 
Ihe an, deſſen Hauptinterefje dahin geht, die Ge: 
rechtigkeit auß dem Glauben der aus Werken (dem 
Gejege) gegenüberzuftellen. Dem Apoftel ift die 
Geregtigleit das Biel aller religiöjen und fitt: 
lien Entwidlung; fie erjheint bei ihm vorzugS- 
weiſe ald derjenige Zuftand, welchen Gott ver: 
langt und welder den Menſchen vor feinen For: 
derungen „rechtfertigt“, alfo in er juridiſchem 
Sinne. Daher kann die Gerechtigleit von Gott 


292 


Gerhard 


auch „angerechnet werden; d. 5. es Tann ein Zu: 
itand, der, wenn auch noch nicht in voller Wirk 
lichkeit, Dod) wenigſtens im Princip Gerechtigkeit 
ift, als volle Gerechtigkeit von Gott angeſchaut 
werden. Diefer Zuftand ift der Glaube, alfo ein 
Verhältni zu Chriftus und durch —— u Gott, 
und wird von dem Apoſtel „Gerechtigkeit Gottes“ 
genannt, bei welchem Ausdrud es zweifelhaft fein 
lann, ob der Genitiv Subject3- oder Objectögenitiv 
ift, ein Verhältniß zu Gott oder den Urjprung von 
Gott ausſpricht, weldhen aber Luther dem Sinne 
nach gewiß nicht unrichtig als Gerechtigkeit, die 
„vor Gott gilt“, überjegt Bat. Ueber den Inhalt 
diefer Gerechtigkeit ſ. d. Art. Glauben. Rim. 1,17; 
3,21ff.; 4,3.5.25; 10,3; 2. Kor.5,21; BHil.3,9. 

Gerestigkeit, urfprünglide (justitia origina- 
lis). Ein integrirender Beftandtheil des Begriffes 
„Ebenbild Gottes" (f.d.Q.). Die Scholaftit ftellte 
die Lehre auf, daß der Menſch in puris naturali- 
bus, d. 5. mit natürlichen Anlagen zum Guten 
erſchaffen, daß aber zu denſelben noch als fiber: 
natürlide Gabe (f.d. A. Gabe) Gottes die voll: 
iommene Gerechtigkeit Hinzugetreten fei, daß durch 
den Sündenfall die legtere gänzlich verloren, die 
erfteren geſchwächt feien. Dagegen F die evan: 
gelifche Kirchenlehre die urjprüngliche Geredtig: 
feit als eine natürliche, een Eigenföat 
des erften Menſchen bejchrieben, welche durd den 
——— änzlich verloren ſei. 

Gerechtigkeit Chriſti. S. Rechtfertigung. 

Gerechtigkeit Gottes. ©. Sigrnfpotien Gottes, 
Vgl. aber namentlich hierüber Weiße, die Chrifto: 
logie Zuthers, 1852, Anm. c,d,p, S. 111 ff., und 
jonft; beſonders: Weiße, pilot, Dogmatit, 8). 
1, ©.65) und 9». III; Dieftel, Abhandlung in 
Dornersd Zahrblihern, 1869, Bd. V, ©. 173 ff. 
Gerechtigkeit Gottes ift nit = Strafgeredhtigkeit, 
nit = Justitia distributiva, jondern überall im 
Alten und Neuen Teitamente — Gnade, Güte, 
und Gnade nicht in dem bloßen Sinne der unver: 
dienten Vergebung, jondern als göttliche Kraft, 
als ziehender und tragender Strom göttlichen 
Lebens, 

Gergefa. S. Gadara. 

Gerhard, der Heilige. Stammte aus einem 
edlen Gejchlechte in der Diöcefe Namur. In Folge 
eined Traumgeſichts erbaute er 918 das Kiofter 
Brogne, trat danad) ald Mönd zu St. Denis in 
Paris ein und führte 928 aud) in Brogne die Be: 
nedictinerregel ein. Er reformirte viele Kiöjter 
nach diefer Hegel. 7957, und ward von Inno— 
cenz II, fanonifirt. 

Gerhard, Johann. Geb. 1582 zu Quedlinburg, 
erzogen unter dem Einfluffe Arndt, bejog er 
1599 die Univerfität Wittenberg, ftudirte anfäng: 
lich Medicin, dann Theologie in Jena und War: 
burg. 24 Jahre alt ward er Dr. theol. in Jena 
und Sunerintendent in Heloburg, von wo er 1615 
als Brofeffor der Theologie nach Jena zurüdfehrte. 
Unter den damaligen Theologen nimmt er durch 
feine Frömmigkeit und Gelehrſamkeit ben eriten 
Rang ein, uns im Beſitz des unbedingteften Ber: 
trauens der ſächſiſchen Fürjten, hatte er auf 
feine geringe Wirkjamteit auf kirchenpolitiſchem 
Gebiete, 3. B. als Präfident der Zufammen: 
fünfte der fächjischen Theologen. + 1637. Er bil: 
det den Mebergang der Arndtfhen Frömmigkeit 
zur Orthodoxie in der schola pietatis, und indem 
er das Zeugnik des 5. Geiſtes lediglich auf die 


Gerhard 
Erlenntniß bezieht, da die Schrift Wahrheit jei, 


fo daß er die 5. Schrift als einzige Erkenntnißs | 


quelle Hinzufiellen beginnt. Seine Hauptwerte 
ind: Loci communes theologici, 1609 —1629. 


293 


Gerichtsbarkeit, geiftliche 


Sam. 22,16. 17,2.Sam. 4, 12; 1. Kön. 22, 26 
jf. Gellagt wird häufig über parteiifche Nechts- 
pflege und Beſtechlichteit der Richter, Der Rechts: 
gang tft einfach; das Verfahren münolich, da beide 


octrina catholica et evangelica, 1634. Me- | Barteien vor ven Richter erfcheinen, 5. Mof. 1,16; 
thodus stud. theol. 1620 und Comment. in!25,8; der Beweis wird durch zwei Zeugen, 5. Mof. 


Harmoniam hist. ev. de passione et resurrect. 
Ch. 1617. 

Gerhard, Paul. Geb. 1606 oder 1607 in Grä- 
fenhainichen, 1651 Baftor in Mittenwalbe, 1657 
Dialonus an St. Nilolai in Berlin, wurde 1667 ent: 
laffen, weil er fih nicht entjchließen konnte zu ver: 
ſprechen, in den Eontroveräpredigten gegen Nefor: 
mirte bie fcheltende Polemik zu vermeiden, da er 
in diefem Berlangen einen verwerfliden Synkre— 
tismus fah. 1669 wurde er als Archidialonus nad) 
Lübben berufen. +7. Yan. 1675. Seine Lieder, 
voll Tieffinn und Ernft, voll Heiterkeit und Hoff: 
nung, voll Raturfinn und Glauben, find in ale 
Gefangbücder übergegangen, oft fehr verftünmelt 
und verändert. Eine Gelammtausgabe veranftal: 
tete 3. ©. Ebeling 1667; Wadernagel, Stuttg. 
1843, 49, 55. 

Gerhard Groot. S. Groot. 

ä er ardianer. S. Brüder vom gemeinfamen 
eben. 

Gerhod oder Gerod von Reicheräberg. Ein 
gelehrter Theologe, Gegner Abälards und ber 
Scholaftif. DerHildebrandtichen Bartei zugethan, 
war e3 fein Hauptanliegen, den Klerus nad) den 
Blänen derjelben ;u reformiren und beſonders die 
unter dem capitulare Ludwigs d. Fr. verweltlich— 
ten u Bei feinem Rigorismus lebte er 
daher in fortwährendem Streite und in häufigem 
weile der Stellung. Geb. 1093 zu Bolling bei 
Weilheim, ward er nach einem Aufenthalt in Hil: 
desheim als Domberr und Scholaſtikus nad 
Augsburg berufen, zog ſich in das Klofter der 
tegulirten Chorherren nad Raitenbud) (Roten: 
buch) zurüd. War dann Gehülfe des Biſchofs 
Kuno von Regenöburg 1126—1132, in welchem 
Jahre ihn Konrad I. zum Probft von Reichers— 
vers am Inn machte. + 1169. 

ericht, göttliches. S. Auferftehung. 

Gerigt und Gerihtsverwaltung bei den He 
bräern, In der älterten Zeit verwaltete auch in 
Iſrael das Richteramt der Hausvater und Stam: 
mesältefte. Bei der theofratifchen Einrichtung des 
Volls ging das Gericht aufden in Namen Gottes 
leitenden Bropheten Mofes, dann auf Joſua über, 
danach auf die Richter und Könige. Schon Moſes 
fegte, aber nad) Jethro's Nath, Richter über die 
einzelnen (militärijchen) Voltöabtheilungen, 2. Mof. 
18, 25 ff.; 5. Mof. 1,5. Diefen fcheinen die Scho: 
terim (Schreiber, Auffeher), 5. Mof. 20,5 — 9; 
4. Mof. 11,16, zugefellt gewefen zu fein, urfprüng: 
ih in Aegypten als Vögte und Aufieher über das 
Volt beftellt. In der fpäteren Zeit werden, 5. Moſ. 
16, 18, beſondere Richter eingejekt, die aus den 
Aelteften genommen find, 5. Mo}. 21, 19; 22, 15; 
25, 8, oder unter Zugiehung von Leviten. Nicht 
als Obergericht, fondern als dad Tribunal für 
jGwierigere Fälle tritt das Gericht zu Jerufalem 
ein, dad aus Laien und Brieftern beftand, indem 
an der Spike der einen Abtheilung ein weltlicher 
Oberrichter war, während bie Briefter unter dem 
Vorfig des Hohepriefters ftanden, 5. Mof. 17,9. 
12, Die Könige ſprachen daneben in eigener Per: 
jon Necht, wobei Kabinetsjuftiz geübt wurde, 1. 


- 


19, 15, geführt. Die Vollſtreclung des Urtheils 
folgt dem Spruche unmittelbar. Beiſpiele des Ver— 
ig bietet die Gejhichte Naboth3 und der Su: 
anna, Vgl. über die fpätere Zeit d. Art. Synedrium. 
‚ Gericptöbarkeit, geiſtliche. Jurisdietio eccle- 
siastica, Diefelbe iſt bervorgegangen Aus dem 
Schiedögeriht der Gemeinde, 1. 7 af 6,1—7, 
welches bald der Biſchof verwaltete. Diefem Ge: 
richt fid) zu unterwerfen, war anfänglih Sache 
der Freimilligkeit, wurde für die Kleriker bald 
Pflicht und aud für die Laien bei Klagen gegen 
die Klerifer. Den Klerikern gleichgeftellt wurden 
die personae miserabiles, Wittwen, Waifen, Arme. 
Weiter wurde bie Gerichtöbarkeit ausgedehnt mit 
der wachſenden Macht der Kirche auf die fogen, 
fir ae Saden, Ehe, Teftamente, Eidesſachen, 
kirchliche Vermögensrechte u. Aehnl. und endlid) 
durch die denunciatio evangelica: die Klage, daß 
eine Sünde bes —— vorliege, das Gebiet der 
lirchlichen Gerichtsbarleit ind Schranlenloſe er: 
weitert. Gegen dieſe Eingriffe in die Rechtsſphäre 
des Staates erhob ſich eine Reaction zuerſt in 
Franfreich unter Philipp dem Schönen, danach 
in Deutjchland, und zur Zeit ift diefer Gerichts: 
ftand der Geiftlihen und die dinglihe Gericht3- 
barkeit allenthalben bis auf die Enticheidung in 
Eheſachen aufgehoben. Die evangelifhe Klrche 
hat fie nie übernommen, nur die Ehefachen über: 
gab fie den Eonfiftorien ald Ehegerichten. Auch 
auf dem Gebiete der Strafgerichtsbarkeit machte 
die Kirche ihre Macht geltend; anfangs beurtheilte 
der Staat die blirgerlihen Vergehen ber Geift: 
lien, dann gewährte er Die nt beö Bi: 
ſchofs, endlich riß die Kirche au m das alleinige 
Urtheil an fi, nicht ohne ftarfen Widerfprud und 
ohne daß es ihr gelungen wäre, allenthalben durch- 
zubringen. Gegen Laien befchränfte ſich die Straf: 
gerichtsbarkeit aufdieeigentlihlichlichen Vergehen 
der Häreſie, Apoftafie, Schisma, Blasphemie, 
Zauberei, Fleiſchesverbrechen u. a., die der Staat 
theild gar nicht, theils inanderer Weife beftraft. Die 

erichtäbarkeit wird geiibt vom Biſchof, der einen 
Vicar (Official) damit beauftragen, aud) Delegate 
als niebere Inſtanz — fann; die Appella⸗ 
tion vom biſchöſlichen Gericht geht an den Papſt. 
Den Beſchwerden wegen der Privilegien ber päpit: 
lichen Appellationen half das Tridentinum durch 
die Aufftellung ter Brofynodalrichter ald päpftlicher 
Delegaten in jeder Diöcefe ab. Die kirchlichen 
Strafen, welche Laien und Geiftliche treffen konn: 
ten, communes, waren Ercommunication, Inter: 
diet, Suspenfion, Gelbftrafen, Züchtigungen und 
Gefängniß, dod wurden die legten drei erſt jpäter 
egen Kleriker angewendet; die diefen allein be: 
timmten find Suspenfion, Irregularität, Depo: 
ition, Degrabation. In der evangelifhen Kirche 
verliert fi) die Strafgerichtsbarkeit in die Kirchen— 
sucht, und hört daher, gegen Laien gewendet, gänz: 
lich auf. Die Disciplin über die Geiſtlichen fteht bei 
den Conſiſtorien; wo Synodalverfaffung herrfcht, 
in eriter Inftanz bei der Synode. Die vorlommen: 
den Strafen find Verweis, Ordnungsſtrafen, Su3: 
penfion, Amtsentlaffung mit und ohne Benfton, 


Gerichtshof, geijtlicher 
Gerichtshof, 


palis u, d. vor. 

Gerlad, Dito von. Geb. 1801 in Berlin, ftu: 
dirte er zuerft Jura, 1820 Theologie, habilitirte 
fi) 1828 als Privatdocent in Berlin, nahm 1834 
das Baftorat an Elifabeth an, wurde Eonfiftorial: 
vath, 1847 Hof: und Domprebiger, + 1849. Aus: 
ezeichnet als praftifher Geiftliher und durch 
Peine Bemühungen auf dem Gebiete der Armen: 
pflege und.der Seelforge, wozu ihn eine Reife 
nad) England 1842 noch mehr anfeuerte, auf wels 
der er —— Einrichtungen kennen iernte, iſt 
er durch Stellung und Richtung auf die Entwide: 
fung der a pie Kirche nicht minder von Ein: 
fluß geweſen. Er gab durch feine Weigerung, Ge: 
ſchiedene wieder zu trauen, den Anftoß zu einer 
nod) nicht abgeſchloſſenen Bewegung, und vertheir 
digte damit praktiſch den aefährliden Sat, die 

rivatüberzeugung des Geiftlihen jtehe über dem 

eſetz. Er gab heraus Ueberjegungen von Bazter; 
Auswahl aus Luthers Schriften und: die h. Schrift 
mik Einleitungen und erllärenden Anmerkungen. 

Germainsen-Laye, Saint, Der Friede vom 8. 
Auguft 1570 beemdigte den dritten franzöſiſchen 
Religionäkrieg. Er allem den Reformirten 
außer Amnejtie und Gewiſſensfreiheit das Recht 
des Gottesdienftes in allen Orten, wo fie es am 
1. Auguſt befaßen, auf den Schlöffern deö Adels 
und in zwei Städten eines jeden Souvernements; 
außerdem auf zwei Jahre die Sicherheitäpläte 
La Rochelle, Montauban, Cognac, La Charite. 
Nach zwei Jahren folgte dem ewigen Frieden die 
Bluthochzeit. 

Germanuß oon Auyerre, Geb. 380, war rö⸗ 
mijcher Kriegsoberſter und wurde, obwohl verhei: 
rathet, durd) Ueberrafhung vom Biſchof Amator 
zum Briefter geweiht und zu jeinem Nachfolger 
beftimmt; er trat fein Amt 418 an. Nach Eng: 
land Yale überwand er die dortigen Pelcgia- 


geifliger, ©. Audientia episco- 
rt. 


ner, Zwiſchen den wegen des Steuerbruds auf: 
tändiſchen Acmorilern und Kaiſer Balentinian 
uchte er, freilich vergebens, Frieden zu ftifien, 
aber jein Verhalten dabei, jowie feine ftrenge As— 
fefe, erwarben ihm den Namen des Heiligen. F zu 
Ravenna 448. 

rmanus bon Paris. Geb. 4°6 bei Autun, 
war Abt dafelbft und Bifchof von Paris. Erbaute 
die nad) ihm genannte Kirche St. Germain des 
Proͤs, dem h. Vincentius zu Ehren. Die Nefte 
des Heidenthums fuchte er durd) eigenes Vorbild 
ftrenger Sittenzucht und durd) Die Synode zu Paris 
657 auszurotten. In dem Streit der Königinnen 
Brunhilde und Fredegunde hatte er einen harten 
Stand, jo unerjhroden er aud gegen König Cha: | 
— die Kirchenzucht ausgeübt hatte. + 23. Mai 

76. 

Gernler, Lucas, Geb. 1625 zu Baſel, 1649 
dort Gemeinhelfer, 1653 zweiter, 1656 erfter 
Pfarrer und Antifies; Dr. theol. und Profeſſor. 

treng orthoboy reformirt, ſchrieb er mit Buxtorff 
und Wettjtein den Syllabus controversiarum als 
Handbuch für Studirende, und verfahte den erjten 
Entwurf zu der helvetiſchen Conſenſusformel 1671. 
+ 1675. 

Gerod. S. Gerhoch. 

Gerrener. 2. Matt. 13, 24. Ihren Wohnort 
ſuchte man in Tepga am perſiſchen Meerbuſen. 
Srotius und Winer haben r« Tepga zwiſchen Be: 
luſium und Rhinocolura ald gemeint nachgewieſen. 


| 


| 


294 


— en — — — ———— — — — 





Gertrud 


Gerſchom ben Jehudah. Ein berüühmter Rab: 
biner des 11. Jahrhunderts, + 1028 oder 1050, 
Erflärte die Leviratsehe für unverträglicy mit der 
Monogamie, fo daß fıe völlig abgeſchafft wurde, 
Eeine Bearbeitungen des Talmub find verloren. 

‚ Gerfon, Doctor christianissimus, Jean Char: 
lier. Geb. zu Gerfon im Departement der Ar: 
dennen am 14. December 1363. Daß ältefte von 
12 lindern feiner Neltern. Bezog 1377 die Unis 
verfität Paris; 1381 Licentiat der Künfte, ſtu— 
birte er unter d'Ailly Theologie und begleitete 
1387 die Geſandtſchaft der Univerfität an den 
päpſtlichen Hof zu Avignon, wo ihm ein Einblid 
indie Zuftände der Kirche wurde. 1392 Dr. theol,, 
ward er nad) d'Ailly's Entlaffung Kanzler der Ba: 
rifer Univerfität und Kirche, und Decan von 
Brügge, 1408 Pfarrer zu St. Jean en Greve. 
Gerſons Tirhenpolitifche Thätigfeit wurde durch 
das Schisma und die Coneilien zu Pifa 1409 und 
zu Baſel 1413 wadgerufen. In Schriften und 
Reden unterwarf er die Gebrechen der Kirche, die 
lg Mängel des Klerus, die Laſter der Bäpite 
einer Kritit und begründete feine Sätze von der 
Vertretung der Kirche durch das Concil, der Unter: 
ordnung des Papftes unter daffelbe und ber Noth: 
wendigkeit, dem Schigma ein Ende zu machen, in: 
dem man beide Päpfte abfege. Seinen ftrengen 
Katholicismus bewies feine Verurtheilung des 
Huß, aber im Intereffe der Frömmigkeit verthei: 
digte er die Brüder des gemeinfamen Lebens und 
belümpfte die falfche Religiofität der Mönche wie 
ber Flagellanten. Der Erfolg des Concils fonnte 
ihn wenig befriedigen. Da ihm die Feindichaft 
des Herzogs von Burgund die Rückkehr nad 
Frankreich unmöglid machte, fo hielt er ſich Bis zu 
deſſen Tod: 1414 in — auf, und zog ſich 
dann in das Cöleſtinerkloſter zu Lyon zurüd, dej- 
fen Brior fein Bruder war; häufig Heine finder 
im Chriftenthum unterrichtend, + 1429, Ms 
Theologe folgte Gerfon einer myftifchen Richtung, 
bie aber fireng alles Be Be der deutſchen 
Myſtik vernied, und das Weſen der Religion in 
die duch Beihaulichleit genährte Liebe jeßte, 
welche den Willen des Menfchen mit Gott vereine. 
Bon a NE Örundlare des Nominaliämus 
ausgehend, ijt die Behandlung feiner myſtiſchen 
Theologie eine durchaus fcholaftifche. Unter feinen 
zahlreihen Werken finden ſich viele erbaulicher 
Ratur. In Franlreih jchreibt man ihm aud bie 
Autorjchaft der Ei Chrifti zu. gl. Jeep, 
Gerson, Wiclefus, Hussus inter se comp., 1857, 

Gerjoniter. Eins der drei Gefchlechter der Le: 
viten, 1. Mof. 46, 11; 2. Mof. 6, 16. Sie hatten 
die Teppiche, Deden und Umhänge des Heilig: 
thums auf dem Zuge zu tragen. 

Gerfle wurde in Paläftına viel gebaut und 
diente der geringern und ärmeren Boltstlaffe ftatt 
des Weizens; als Dpfer durfte fie außer beim 
Eiferopfer (4. Mof. 5, 15 ff.) nicht verwandt wer: 
den. Nach rabbinijchen Andeutungen foll von den 
alten Hebräern aud ein beraujchendes Getränk 
(j.d. Art. —— aus Gerſte bereitet worden fein. 
Geſäet wurde die Gerfte entweder im Monat Var: 
chejoan (November) odererjt im Schebat und Adar, 
aljo bis in den Februar. Die Erndte fiel in den 
Abib oder Nijan, als die erjte von den Feldfrüchten. 

Gertrud, die Heilive. Geb. 626. Tochter Pi: 
pins von Landen; trat in dad Klofter Nyvel, 


deſſen Aebtiſſin fie wurde. + 659. 


Gertrubis 


Gertrudis, die Heilige. 1222—1292. Geb. zu 
Eiäleben. Schweiter der h. Mectildis, war 1294 
Yebtiffin zu Rodalsdorf und zu Helvelfudt. Den 
Ruf befonderer Heiligkeit erlangte fie durch efitati: 
ſche Bifionen, welde der Karthäujer Lanspergius 
(t 1559) berausgab. 

Gervafinus und Protafius nennt Ambrofius, 
der ihre Öebeine auffand 356, die erften Märtyrer 
Mailands. Ihre Geſchichte ift nicht befannt und 
ihr Tod in Nero’3 oder Diocletians Zeit zu ſetzen. 

Gervafins. Von Geburt ein Engländer, Abt zu 
Beauvais 1195, ward 1206 Prämonftratenjer: 
— f 1228. Verfaßte Commentare über bie 

einen Propheten und die Pſalmen. 

Geſalbter. S. d. Art. Meſſias. 

Geſang, kirchlicher. War im alten jüdiſchen 
Gottesdienſte das Pſalmſingen ein weſentlicher 
Beſtandtheil, fo konnte auch in den erſten Anfän—⸗ 
gen des chriſtlichen Gottesdienſtes dieſes wichtige 
Element nicht fehlen (Eph. 5, 19). Die Pſalmodie 
fonnte aber noch nicht als eigentlicher Gefang be: 
trachtet werben, da fie ohne Zweifel den Charakter 
eines melodielofen, eintönigen Recitirend an fid) 
trug. Almähli mußte fi) das Bedürfniß nad) 
wirklichen kirchlichen Meiodien regen, um fo mehr 
als die Ketzer damit fehr wirtfam aufgetreten wa: 
sen. Hatte der von Antiohien ausgehende Wed): 
felgefang (Antiphonien), an meldem fid) aud) bie 
Gemeinde betheiligte, ſchon etwas Lebendigeres, 
fo war es im Abendlande namentlich Ambrofius, 
welcher diefem Gefange eine beweglichere, melo: 
diöjere Öeftalt gab. Dagegen trat aber bald im 
hierarchiſchen Bemwußtfein der Zeit eine Reaction 
auf, welche ſich ſchon in Hieronymus zeigt, in Gre: 
gor d. Gr. aber den Sieg Davonträgt, welche den mes 
lodifchen, voltäthümlichen Ambroyianifchen Gefang 
als unkirchlich empfand, das Singen dem Prieſter 
altein ald Recht zuerfannte und dazu das alte 
Pſalmodiren, weldjed außer am Anfang und am 
Schlufſe feine Hebungen und Senfungen, ebenfo: 
mwenig einen feſten mathematifchen Talt fannte, 
als allein würdig auserwähle. Der Gregorianifde 
Gejang (Cantus Romanus, Choralgefang) wurde 
ber PBrieftergefang der römischen Kirche. Für bie 
Ausbildung des Gejanges wurde viel gethan; 
Gregor errichtete eine Gefangichule in Rom, und 
erfand eine Art Noten, die jog. Neumen, zur fchrift: 
lihen Firirung der Gefänge. Aber der Gregoria- 
niſche Geſang fonnte feine monotone Einfachheit 
nicht fange —— Von ſelbſt nahm er einen 
belebteren Charalter an, indem ſich an den Grund: 
ton (cantus firmus) weitere Töne wie Berzierun: 
gen (figurae; daher figurirter Gefang) anlegten; 


indem ferner an gemwifien Schlußftellen, wie beim ſprliche der Bibel kamen auf; in Anbr. 


295 


Geſang, kirchlicher 


tüchtige Meiſter gefunden. Hervorragende Com⸗ 
poniſten des 16. Jahrhunderts find die Rieder: 
länder Wilhelm Dufay, Joh. Ockenheim, der Fran: 
oje Josquin des Pr&s und der Deutfche Adam von 
Fulda. Bon großer Bedeutung ift die Entftehung 
des tirchlichen Vollsgeſangs. Aufden Prozefjionen 
uchte fich die Sangluft des Volkes durch die häu⸗— 

ge Wiederholung des ihm als Refponjorium zu: 
fommenden Kyrie eleyson, dann durch zu diefem 
befondern Zweck gedichtete Reime, deren regelmä- 
Biger Schluß das eleyson (daher Leifen genannt) 
war, zu befriedigen. Die Leifen, deren Melodien 
meift Uebertragungen meltliher Volksmelodien 
waren, bilden den Anfang des deutſchen Kirchen: 
liedes und finden ihre Fortjegung und Ausbildung 
im lutheriſchen Kirchenliede. Mit diefem tritt der 
Gemeindegefang zum erften Mal in feine volle 
Blüthe ein, indem fi) aud) auf dieſem Gebiete das 
Princip der Reformation geltend machte. Die 
Grundftimme, welche von der Gemeinde gefungen 
wurde, war der Tenor, welchem fich alsdann 
bie übrigen Stimmen des mehritimmigen Chores 
anlegten. Obwohl ein Gegenjag zu dem ern 
Choralgejang, behielt der neue Kirchengeſang troß: 
dem diefen Namen bei. Ausgezeichnete Tonfeger 
für das Iutherifhe Lied waren: Georg Rhaw 
(Cantor in Leipzig), Hans Walther (Kapellmeifter 
in Wittenberg), Ludwig Senfel, Martin Agricola, 
Sirt. Dieterih, Joh. Kugelmann, Nik. Hermann, 
Hans Leo Hafler, in der zweiten Hälfte bed 16, 
Jahrhunderts Jalob und Hieronymus Peätorius, 
David Scheidemann, Joahim Deder (alle vier in 
Hamburg, gaben 1604 ein M:lodienbuch her 
aus), Johann Edart (Kapellmeijter in Berlin, + 
1611), welcher die Grundftimme in den Sopran 
verlegte, der bedeutendſte Joachim von Burgk 
—— in Mühlhaufen, + 1596); ferner im An: 
chluß an diefe im 17. Jahrhundert: Melch. Buls 
pius (in Weimar, + 1616), Michael Prätorius 
tg Kapellmeiiter, + 1621), Joh. Sto: 
bäus (in Königäberg); ferner Dichter und Com: 
voniften zugleich: Nitolaus Sclneder (1592) und 
Pilipp Nikolai (+ 1608); mit ſchon fließenderen 
Formen: Joh. Crüger (Cantor an der Nikolais 
fiche in Berlin, + 1662), der bedeutendfte im 17, 
Jahrhundert; Jak. Hintze (in Berlin, + 1695), 
Joh. Ebeling (in Berlin, Gomponift der Gerhardt: 
ſchen Lieder), Joh. Schop (in Hamburg, + 1660). 
Eine weltlic moderne Art dringt in der Mitte des 
17. Jahrhunderts in die Kirchenmuſik ein ; geifts 
liche Eoncerte (Heinrih Schüg, Symphoniae sa- 
crae, 1629),am vollendetiten bei Job. Nojenmüller 
in Wolfenbüttel + 1686), über einzelne Aus- 
mmer: 


Halleluja in der Meſſe, die freibildende Phantafie ſchmidt (in Zittau + 1675) fucht fich eine Renction 
zu erfegen fuchte, was der eintönige Choralaefang | vom kirchlichen Standpunkte dagegen geltend zu 


entbehren ließ. Anfangs nur melodiſches Aus: 
fingen der Schlußiyibe, hatte Notter Balbulus 
durch Einführung eigener Terte dieſes Ausfingen 
zu einer befonderen Geſangesart ausgebildet (Se: 
quenzen, Proſen). Zugleich hatte die theoretiſche 
Fortbildung in dem flandrifhen Mönche Huchald 
(t 80), welcher den jog. Gontrapunft, d. h. das 
harmonische Zujammenklingen zweier oder auch 
noch mehrerer Töne zu einem Accord, erfunden 
haben fol, in den Cluniacenſer Odo und dem 
italieniſchen Mönche Guido von Arezzo, dem Er: 


finder des gegenwärtigen Noteniyftems, und |der Pietismus und namentlich 


'maden. Die beliebte Gejtalt des Kirchenliedes 


wird jet der Arienftyl aus der italienifhen Oper, 
deſſen Einführung dem Dresdener Organijten 
Heinrich Albert (F 1668) und deffen Ausbildung 
Rud. Ahle (Bürgermeiiterin — 7 1678), 
Peter Sohr (Lehrer in Elbing) u. X. zu;uerlennen 
ift, Der Charakter der Arie (für eine Stimme) 
ging bald aud wieder in den Gemeindegejang 
über, aber die Blüthe des eigentlihen Kirchen: 
gefanges war vorüber. Die moderne Opernſing⸗ 
weiſe drang immer mehr aud) in die Kirche ein, 
Herrnhutismus 


Franco von Köln, dem Erfinder des Taltmaßes, (Freylinghauſen, Geſangbuch 1704, „Halleſche 


Gejangbücher 


Melodien") fand feinen Gefhmad an tanzartigen, 
tändelnden Melodien. Die beiten dieſer Richtung 
find außer Freylinghaufen Anorr von Rofenroth, 
Adam Dreje, Chr. Fr. Richter, Georg Reuß, Hille 
u. A. Die rationaliftische Periode mit ihrer Sen: 
timentalität einerfeits und poefielojen Aufklärung 
anderjeit3 trug nicht dazu bei, die Kraft und den 
rhythmiſchen Schwung des alten Kirchenliedes zu 
erhalten. Dagegen erreichte der Kunftgefang in 
Sohann Sebaftian Bad) und Georg Friedrich Hän— 
dei (f. diefe Art.) in der Mitte des 18. Jahrhuns 
dertö eine in der evangelifchen Kirche unerreichte 
Höhe. — In der latholiſchen Kirche hatte ſchon in 
der Reformationäperiode die Kunfimufil aus * 
ber Verderbniß, gegen welche das Tridentiner Con— 
cil lebhaft anfämpfte, durch Palefirina (F 1594) 
eine großartige, durch einfadhe Würde ausgezeich: 
nete Richtung angenommen, vepräjentirt außer 
dem Gründer durch den Italiener Gregor Allegri 
(+ 1652; ausgezeichnet durch fein Miserere) und 
den Niederländer Drlandus Lafjus (+ 1594). Der 
Opernſtyl aber, der bald darauf in die Kirchen: 
— eindrang, verweichlichte im 18. Jahrhundert 
dieſe mehr und mehr. Als neue großartigſte Schö— 
pfung auf dem Gebiete der Kunſtmuſik find jedoch 
zu nennen die Werfederan der Schwelle des vorigen 
und in der erjten Hälfte unferes Jahrhunderts jte: 
nden Meifter Mozart (+ 1791 ; Requiem) ; Haydn 

1809; fieben Worte; Schöpfung); Beethoven 

1827); Mendelsjohn (+ 1847; Baulus, Elias). 
Sr beiden Kirchen iſt in neuerer Zeit der Sinn 
für die alten Schöpfungen kirchlicher Tontunft 
wieder erwacht; und man ift mit Wiedereinfüh: 
rung bed Alten nur vieljad) zumweit gegangen. In 
der evangelifchen Kirche wurde in den legten Jahr: 
zehnten lebhaft über die Wiedereinführung der 
früheren rhythmiſchen Singweije geftritten. Vgl. 

orkel, Allg. Geſchichte ver Muſik, 1790. Kraußold, 

andbud zum Kirchen- und Choralgejang, 

rl. 1855. Häufer, Geſch. des chriſtlichen Kirchen: 
gejangs, Quedlinb. 1834. C. von Winterfeld, der 
ev. Kirchengefang, 3 Boe., 1847. Zur Geſchichte 
heil. Tontunft, 1850. Armlnecht, die heil. Pal: 
mobdie, 1855. 

Geſangbücher. S. Kirchenlied. 

Geſchenke jind nach allgemeiner morgenländi— 
ſcher Sitte Beweiſe der Unterwürfigleit gegen 
Höhere und beſtanden in Geld, Waflen, Kleidern, 
Schmuck und Nahrungsmitteln. Ebenſo dienten 
fie als Ehrenerweilungen gegen rap 95° 1, Mof. 
45, 22, Efih. 8, 15. Gegenfeitige Geſchenle auf 
Beranlaffung allgemeiner freude werden erwähnt 
Eſth. 9, 19.22. Daß aber mit Gefchenlen aud 
auf den Urtheilöfpruc der Richter eingewirtt 
wurde, zeigen 2, Mof. 23,6; Bi. 15, 5; Jeſ. 
1, 23; 5, 23; 33, 15. 

Geſchichte, bibliſche. Von zufanmenhängenden 
Bearbeitungen des hiftorifchen Stoffes der bibli: 
ſchen Bücher ift die ältefte Jofephus, Antiquitates 
Judaicae, Die neuteftamentliche Geſchichte bearbei: 
teten zuerjt die Evangelienharmonien des Tatian 
und Ammonius von Aleraudria, und poetifch der 
Dichter Juvencus (De hist. evang. lib. ILL). Aus 
dem Mittelalter jind zu nennen die Historia scho- 
lastica des Petrus Comeſtor (+ 1198), und Gerſons 
Monotessaron, daneben Difrieds Evangelienhar: 
monie und der Heliand; endlich das Leben Chrifli 
von Ludolph de Saronia. Seit der Reſormation 
erſchien manche biblische Gejchichte, die meiiten jür 


296 


Geſellſchaftsinſeln 


asletiſche Zwecke oder für die Schuljugend be— 
ſtimmt. Wiſſenſchaftliche oder doch gelehrte Dar— 
ſtellungen der bibliſchen Geſchichte in der Neuzeit 
find: Ewald, Geſchichte des Bolfes Iſrael (f. d. 
Art. Ewald), Kurz, Geſchichte d. A. B., Berlin 
1853. 1855 (unvollendet), M. Dunder, Geſch. des 
Alterthums, Bd. I, Weber und Holgmann, Ges 
ſchichte des Volkes Iſrael, 1867. 

Geſchlechtsregiſter. Die politifche und recht: 
lihe Berfafjung Iſraels ruht auf der Stammes: 
und Familiengliederung; deshalb und weil das 
religiöje und nationale Xeben enge zufammenbhing, 
erhielten die Gejchlechtöregifter eine große Bedeu: 
tung. Sie bildeten den feiten Halt für die —— 
fienfige und die geſchichtliche Tradition (die Bücher 
ber ©. Toledot), wie auf der anderen Seite die 
Ueberlieferung geichichtlicher Erinnerungen fi in 
die Form von Gefchlechtäregiftern Heidete. Dies 
gilt namentlih von den Gejchlechtäregiftern der 
vorgeihichtlichen Zeit, der Bölfertafel, dem Ge: 
ſchlechtsregiſter der Rachlommen Adams, und dem 
des Abraham. Im N. T. geben Matthäus und 
Lucas ein Geſchlechtsregiſter Jeſu, der Eine nad) 
der Sieben: und Dreizahl die Gefchlechter ordnend 
und bis auf Abraham zurüdgehend, der Andere in 
paulinifchem Sinne das Regijter bis auf Adam 
zurüdführend. Die Bemühungen, diejelben mit 
einander in Uebereinſtimmung zu bringen, feinen 
vergeblih. Die Annahme, Matthäus gebe das 
Geſchlechtsregiſter Joſephs, Lucas das der Maria, 
widerjpriht dem Wortlaute. Bol. Wiefeler, 
Stud. u. Krit., 1845. Riggenbach, ebenda 1856. 
Köftlin, Urfpr. d. fon. Ev., ©. 30. Hilgenfeld, 
Evang., ©. 46. 

Geidloffene Zeit. S. Tempus clausum. 

Gejellenvereine. Das Latholiihe Abbild ber 
evangeliichen Jünglingsvereine. Sie wurden ins 
Leben gerufen durch den Kaplan Kolping 1846. 
Val. Bojen, Kolpings Gefellenverein in feiner jo: 
cialen Bedeutung, Frankf. 1866. 

Geſellſchaft Des heiligen Herzens Jen. Eine 

ortjegung der Jeſuiten, geftiftet 1794 durch 

bbe Charles de Broglie und Abbe Tournelly, 
der zuerit als Oberer an die Spige trat, Bon 
Löwen ging die Geſellſchaft in Folge der poli: 
tiihen Ereignifje nad) Augsburg, dann nad) 
Wien, und vereinigte fi 1799 mit den Paccana: 
riſten, einer anderen Fortſetzung des Sefuiten: 
ordens. Die Synode von len erllärte ſich 
gegen fie. Eine weibliche Genoſſenſchaft deſſelben 
Namens ftiftete 1800 zu Paris die Denwijelte 
Barat. Leo XII. beftätigte fie 1826. Die Gejel- 
ſchaft befaßt fi mit der Erziehung der Jugend 
und hat ihre Anjtalten in allen europäiſchen Staa: 
ten, in Afrila und Amerila. 

Geſellſchaftsinſeln. Die Milfion auf venjelben 
ift von England geleitet und 1791 begonnen. Ab: 
geihredt von den Schwierigkeiten, verließen die 
meiſten Miffionare den Poſten wieder. Als Notts 
Beharrlichleit anfing Erfolge zu gewinnen, wurde 
er mit dem König Pomare IL. in einem Aufftand 
nad) Eimeo vertrieben, bald aber zurüdberufen. 
In einer Erwedung erhielt das Chriſtenthum Zus 
wachs, und nad einem Siege deö Königs über 
eine Verſchwörung der heidniſchen Gegner 1815 
war der Beftand der chriſtlichen Kirche gefichert. 
1836 begannen die Fatholifchen Miffionare ihre 
Thätigfeit auf Tahiti; Wegweifung derjelben von 
der Inſel rief die franzöfiihe Einmiſchung hervor. 


Gejellfhaitsrecht der Kirche 


Obgleich die Königin ſich unter dad Protectorat 
Franfreichö jtellen und den katholiſchen Mijfiona: 
ren * ung gewähren mußte, iſt das Werk der 
engliſchen evangeliſchen Geſellſchaft unverſehrt ges 
blieben. 
Geſellſchaftsrecht der Ktirche. 
ſyſtem und Conſtitutionalismus. 
Geſenius, Juſtus. Geb. 6. Juli 1601 zu Esbeck 
im Kalenbergifchen, ftubirte 1618—1626 zu Helm: 
ſtädt; 1628 war er Hofmeifter zweier Studenten 
in Sena; 1629—1636 Paſtor in Braunjcdweig ; 
1636 zweiter Hofprediger und Confiftorialafjefior 
u Hildesheim, 1640 Generalfuperintendent zu 
ee, + 1673. Bleibende Bedeutung hat ©. 
ewonnen nicht bloß als geiftliher Liederbichter, 
ondern vorzüglich durch feine „Kleine Katehismuss 
ſchule“ 1631; audunter dem Titel „Kleine Kinder: 
lehre oder Katechismusfragen” 1655. Diejer Ka: 
techismus wurde in den meiften proteftantifchen 
Ländern des nördlichen Deutjchlands eingeführt 
und blieb bis auf unfere Zeit in Öebraud), Aus 
den Angrifien des Paſtor Statius Buſcher gegen 
denfelben, wegen angeblihen Kryptopapismus, 
entmwidelte fi ein langwieriger Streit zwifchen 
den Univerfitäten Helmftädt und Wittenberg. Als 
Herzog Johann Friedrich zur Fatholifhen Kirche 
übertrat, ſchrieb ©. unter dem Pjeudonym Timo: 
theus Hymer „Warum mwihft du nicht römiſch⸗ 


S, Eollegial: 


latholiſch werden?“ 

efenins, Wilhelm. Geb. zu Nordhaufen den 
3. Febr. 1785. Studirte zu Helmftäbt und Göt: 
tingen Theologie und Philologie, Habilitirte ſich 
in Göttingen al3 Privatdocent, warb Repetent, 
danach 1809 Profeſſor am Gymnaſium zu Nord: 
haufen, 1810 der Theologie zu Halle, erhielt 1827 
den Titel als Sonttftorlatentb: + 1842. Da er 
nebft Wegſcheider ald das Haupt des Nationalis: 
mus auf der Univerfität Halle galt, ward er das 
Ziel des von der Evang. Kirhenzeitung 1830 ge: 
leiteten Angriffs. Geſenius Berdienfte um bie 
Theologie liegen zumeift auf dem Gebiet der he: 
bräifchen Sprachforſchung. Sein Wörterbud) er: 
ihien zuerft 1810—1812, in 5. Auflage 1857; 
bafjelbe lateinijch 1833 und 1847; der Thesau- 
rus, beendigt von Rüdiger, 1829—1858; die 
Grammatif 1813; 20. Auflage 1866, beforgt von 
Hödiger; das Lehrgebäude der hebr. Spracde, 
1817; der Prophet Jeſaias, 1820. 21. 

Gefeß ift im Allgemeinen der normirende 
Ausdrud defien, was geihehen ſoll. Abgeſehen 
vom Naturgeſetz, wo das Wort nur die allgemeine, 
ſich ſtets gleichbleibende Wirkung von Naturfräf: 
ten unter gleichen Bedingungen bezeichnet, unter: 
jheidet man Rechts- und Sittengefeß. Jenes iſt 
der Ausdruf deſſen, was nach den Forderungen 
des Staates und den Grundſätzen des Nechts ge: 
ſchehen ſoll und muß; diefes das im Gewiſſen ſich 
fundgebende Bewußtjein von dem unferem Weſen 
und unjerer Beftimmung angemeffenen Wollen und 
Handeln. Im mojaischen Gejege bejteht, nach dem 
theofratiihen Grundgedanken, der Unterjchied 
jwifhen Rechts- und ip AH grundſätzlich 
nicht. — Die eigentlichen und * ten Forderun⸗ 
gen des Sittengeſetzes ſind erſt im Evangelium 
offenbar und lebenslräftig geworden. Auf der 
Identificirung des Eultus: oder Ceremonialgeſetzes 
und des Gittengejeges beruht der Pharifäismus 
und die fatholifche Frömmigkeit, und ebenjo der 
Antinomismus, wie ihn zuletzt Agricola vertrat, 


297 


Geſpenſt 


als er ſich gegen die Predigt des Geſetzes für die 
Wiedergeborenen erklärte. Die bleibende Bedeu: 
tung des Geſetzes als des Ausdrucks der fittlichen 
Forderungen, und damit der 10 Gebote als der 
fürzejten und präcijeften Faſſung, fprachen die alts 
firhlihen Dogmatifer in der Lehrevon dem dreifa: , 
den Gebraud) des Geſetzes, civilis, paedagogicus, 
normativus, al3 Norm der bürgerlihen Hecht: 
Ihaffenheit und Wohlanftändigkeit, al3 Mittel der 
Erziehung Izur Sittlichleit, als bleibende Norm 
derjelben. Im jüdiſchen Kanon bezeichnet Gefey 
die 5 Bücher Mofis, nad) ihrem Hauptinhalte fo 
—— im Unterſchied von den Propheien und 

chriften. In der Redeweiſe der ſpätern Juden 
erhält „Geſetz“ einen noch weitern Sinn, indem 
es die zur Auslegung und zum Verſtändniß des 
Gejeges nöthigen Kenntniſſe mitbegreift, fo in den 
nn „Geſetzeslundiger,“ „Unterweifung im 

eſetz. 

eſetz, lirchliches. S. Kanon. 

* et moſaiſches. S.die Art. Mofes und Ben- 
ateuch. 

Geſetzebſeſt. In der Synagoge wird feit un: 
denklichen Zeiten Pfingften als Feſt der Gefe: 
gebung gefeiert; das N. T. enthält aber nichts 
davon, wenn man nicht etwa die 2. Chr. 15, LO ff. 
erwähnte Feier al3 foldje annehmen will. 

Gefeheöfreude. Der 9. Tag des Laubhütten: 
feftes; Die Feier ni ift fpäteren Urſprungs, 
da der Schluß der jährlihen fynagogalen Berle: 
fung der 54 Paraſchen feftlich begangen wird. 

Geſetzgebungsrecht Der Kirche (potestas juris- 
dietionis). Die römiſche Kirche gründet daſſelbe, 
als Ausflug des königlichen Amtes Chrifti, auf 
Matth. 16, 18. 19. Es umfaßt das Recht der Ge: 
feggebung im engern Sinne, die Feftftellung 
der Lehre, die Gewalt des Gerichts und der Stra: 
fen. Die Unbefchränttheit der richterlihen und 
Strafgewalt hat die Kirche bei der Ausbildun 
des Staatslebens nicht aufrecht halten können ne 
fie auf das rein geiftliche Gebiet beſchränken müſ— 
jen; ebenfo wie fie in ihrer Gefeggebung, da wo 
fie ſich auch auf bürgerliche Verhältniffe bezieht, 
auf Uebereintommen mit dem Staate angewiejen 
ſieht. Die evangelifche Kirche erkennt ein Geſetz— 
gebungsrecht in der Lehre nicht an; den Anjas 
dazu, ein jolches geltend zu machen, 3. B. in der 
Symbolbildung, bef. der Eoncordienformel, im jus 
reformandi, hat fte hiftorify überwunden, Sie 
nimmt fein a Geſetzgebungsrecht in An: 
Iprud, als im Wefen der Geſellſchaft begründet 
liegt. Das Subject derjelben ift immer die Ges 
meinde ſelbſt; der Kandesherr wird, wenn er das 
Kichenregiment ausübt, als Organ der (idealen) 
Gemeinde gedacht. 

Geipenfl. Nah dem Vollsglauben die Seele 
eines Verſtorbenen, melde in der Geftalt ihres 
re Leibes oder in einer anderen, Schred und 

urcht erregenden Weife, wiedererfcheint. 1. Sam. 
28,5. Moj. 18, 11. Die h. Schrift erwähnt den 
Gejpenfterglauben als Voltsglauven, ohne ihn zu 
beurtheilen, Matt). 14,26 (jedoch 5. Moſ. 18,11); 
Jeſ. 13,20; 34,14, Tob.8, 3; das fpätere Juden: 
thum bildete ihn jehr aus. Die Kirche hat den Ge: 
ipenfterglauben als Ölauben an dämoniſche Gewal: 
ten ebenjomwenig als den Ölauben an Beiftererfchei: 
nungenüberhaupt weder beitritten noch ausprüdlic) 
gebilligt, thatfähli aber durch Beihmwörungen 
und Erorcismen ſich oftmals zu ihm bekannt. 


Geffius 


Geſſius, Florus. Römiſcher Landpfleger in 
ee (61—66), der Nachfolger des Albinus. 
dach Joſephus' Charalteriftif ein Henter, der in 
einer Graufamteit roh, in feinen Schandthaten 
chamlos, injeinen Plünderungen erfinderifch war. 

[8 ihn die Juden bei dem Statthalter Ceſtius 
Gallus verklagt hatten, erforderte feine eigene 
Sicherftellung, eine Empörung berjelben hervor: 
zurufen, um eine Unterſuchung feiner Verwaltung 
zu verhindern. Ein Straßentampf zwifhen Ju: 
den und Griechen in Cäfarea, dem ein Tumult in 
Serufalem folgte, gab ihm Anlaß zu einem An: 
riff auf die Stadt, wobei 3600 Menfchen fielen. 

inem neuen Blutbad trat bewaffneter Wider: 
ftand entgegen, vor dem Florus wid. Während 
die Friedensfreunde mit Agrippa unterfcheiden 
wollten zwifchen Florus, dem man fi wider: 
fegen, und den Römern, denen man gehorden 
müffe, erregte die Revolutionspartei den Volks— 
unwillen, fo dab die Steuern zurüdbehalten, die 
Opfer für den Kaifer eingeftellt wurden, und ber 
legte Krieg ausbrach. 

Geffur. Drei Landfhaften in Paläſtina. 1) Zof. 
18, 2; 1. Sam. 27,8. Im Süden Philiſtäa's ge: 
fegen. — 2) 5. Mof. 3, 14; Joſ. 13, 11. Iſt Oft: 
jordanland, unter den Römern Iſuräa, heute 
Digedur. — 3) Ein Königreid in Syrien,2. Sam. 
3,3; 13, 87; 15, 8. 

Geflalt. Unter beiderlei Geftalt, sub utraque, 
ift die folenne Formel für die Abendmahläfeier 
dur Genuß des Brodes und des Kelches. 

Geflirnfunde. ©. Sternkunde. 

Gether. Eine fonft unbelannte Völlerſchaft 
Arams, 1. Mof. 10, 23. Nah Knobel (Böltertafel, 
&. 235) leiten die Araber davon die Theimuditen 
in Hedſchas und die Dihadifiten in Jemama ab. 


Gethfemane (Deitelter). Eine Meierei am Del: 

berg jenjeit des Kidron, befannt aus der Leidens: 

eihichte —5* Als die Stätte wird ein umzäun: 
ed Yand mit r alten Delbäumen gezeigt. 

Getränke, Außer Wafler und Wein wird der 
Eſſig als Getränk der Geringen und Arbeiter 
erwähnt, 4. Moj.6, 3; Ruth2, ı4; Matth. 27, 34, 
Das oft genannte beraufhende Getränt IIW ift 
nicht bloß fünftlicher Wein, fondern auch ein dem 
Bier ähnlicher, aus Gerſte bereiteterSaft. AlsTrint: 
gefäße benugte man Keldye, Krüge und Schalen. 

Getreide. S. Aderbeu. 

Geufen. Der im fpanifhen Unabhängigkeits: 
frieg aufgelommene Namen der proteftantiichen 
Vartei (eigentlich Bettler). Noch heute am Nieder: 
rhein Die Bezeichnung der Evangelifchen im Munde 
des latholiſchen Volkes. 


298 


Gewiſſenserforſchung 


lichkeit des Subjects fein richtende3 Urtheil ans: 
fpticht. Seine Grundlage bildet das Sittengeieh, 
das von und al3 das innerjte Lebensgeſetz, aber 
auch als der abfolut —— Gotteswille ge⸗ 
ir wird, Nitzſch jagt daher furz: „Das Gemil; 
en ift die Offenbarung ber göttlichen Gerechtig— 
feit im menſchlichen Gemüthe“ (Syſtem, 1839, 
$. 97). Nur in diefer religiöfen Geftalt, als der 
im Gemüth fich offenbarende Gottesgedanfe und 
Gottesmwille, ald die Aeußerung des der Seele 
immanenten Lebenätriebes aus Gott und zu Gott 
— nur ald religiöfes Gewiſſen ift es wahrhaft 
verftändlid) und te ein —— — Nicht bloß 
die formellen Wahrheiten der Logik und der Ma— 
thematik ſind dem Menſchen angeboren; ſondern 
auch die inhaltsvolle Idee des ſiltlich Guten, aber 
freilich nur als unentwickelte jedoch zur Entwidlung 
treibende Anlage. Abhängig iſt dieſe Entwicklung 
theils von der Bildung und Sitte um uns ber, 
theils von der Energie der Selbftbeftimmung, von 
der Anftrengung, womit wir das jedeömalige Nat 
von Wahrheitä:, Gerechtigfeits: und Liebesgejühl, 
das wir beyigen, auch wirklich zu ah en ftre: 
ben. In Ach Maße wächſt mit unſerer ſittlichen 
Kraft auch die ſittliche Einſicht, und mit diefer — 
denn ed ift beides — unfer Gewiſſen, das ohne 
jene vollfte Energie des Willens fonft dazu Tom: 
men fann, und of genug gelommen ift ſowohl ald 
Einzelgewifien wie al3 Boltögewiffen, fittlic Der: 
werfliches zu billigen. Es bedarf fortwährender 
Läuterung und Schärfuna, nicht etwa bloß um wahr 
zu bleiben, ſondern auch um es immer mehr gang ju 
werden. Nicht Alles, was Gewiſſen genannt wird, 
verdient diefen Namen ganz. Ye mehr das Urtheil 
über unjere Handlungen als bloße Angft vor der 
göttlichen Strafe erfcyeint, je mehr es ſich blos 
auf die Äußere Handlung, je weniger es fich auf die 
innere Regung, je mehr es fich immer nur auf Dit 
Einzelhandlung und Einzelregung und je wenige 
es fich auf die allen einzelnen Urtheifen, Regungen 
und Aeuferungen zu Grunde liegende Gefinnung® 
und Auffafjungsmweife bezieht, je weniger ed als 
Abſcheu und Schreden über die Sünde als jold 
auftritt: defto weniger ift es wirklich Gewiſſen 
defto mehr ijt die Gottesmahnung noch eingehült 
in eine Schafe von Sinnlichkeit und Selbitfudt. 
Bol. Baflavant, dad Gewiflen, Frantf. 1851. 
Weiße, philof. Dogmatik, I. S. 444 ff. Außerdem 
jede Ethik und jeve Dogmatik. Die von Schenkel 
will ausdrüdlih vom Gewiſſen ihren Ausgang 
nehmen. Rothe, Ethik, IL ©. 20 ff. 
Gewiffener, conscientiarii. S. Anutjen. 
Gewijensehe ift die durch bloßen gegenfeitigen 
Conſens ohne kirdlihe und bürgerlihe Rechts— 


Geweihte der Jungfrau Maria nennt fich eine | jörmlichkeiten geſchloſſene Ehe, wie fie vor dem 
Mifjionsgenoffenschaft, melde 1815 in Marfeie | Triventinum gültig war. Bom Concubinate, dem 
von dem Coadjutor, fpäteren Biſchof, Eugen v. | fie vor dem Geſetz gleich fteht, unterjcheidet fie ſich 
Mazenod geftiftet, 1823 betätigt ift und in Fran: durch dad Verſprechen und die Abficht der lebens 
rei, England und Cenada eine auögebreitete | fänglihen Dauer. Sie kommt als gewiſſermaßen 


Thöligkeit entfaltet hat. Ein gleicher Verein ward | 


anerkannt da vor, wo formelle Rechtsbeſtimmungen 


1816 in Turin geftiftet und brachte e8 zur Errich: | Die gejegliche Che unmöglich maden, B. bei fa: 
tung dreier Häufer in Jtalien und einer Miffton tholiſchen Prieſtern und zuweilen bei üriten. 


Birma. 

Geweihte Sachen. ©. Benedictionen. 
Gewichte. S. Maße und Gewichte. 

Gewiflen: das fittliche Selbjtbemußtjein des 
Menſchen, injofern es über den Werth oder die 
Unwürdigkeit, ſowohl der einzelnen Handlung als 
auch ver Öefinnung und jelbft der eigenen Perſön⸗ 


in 





Gewiſſenserforſchung der katholiſchen Asletil 


unterſcheidet ſich von der evangeliſchen Selbfteri: 


fung dadurch, daß dieſe den geſammten Seelen: 
suftand in feinem Verhältni zu Gott ind Auge 


faßt, jene aber vorzugsweiſe die einzelnen Aeube 
rungen der Sünde betufs der folgenden Beichte 
ſich zu vergegenwärtigen ſtrebt. 


u 


Gewiffengireiheit 299 Siegen 


Gewiffensfreigeit ift die Berechtigung, in den | Theologie, dann nad dem Willen feiner Vormun⸗ 
individuellen, religiöfen und fittlidyen Grundjägen | der Jura und wurde Advocat in Speyer und 1664 
von ben — — Anderer unabhängig zu in Regensburg. Von Jugend auf religiös ange— 
fein und dieſelben in der Sphäre des individuellen | regt, führte ihn das Studium Böhme's und der 
Lebens bethätigen zu dürfen. Die einer Gemein: | Verkehr mit Bredling zu einer myſüſch- ſchwärme⸗ 
ihaft gewährte Gewiffensfreiheit wird Glaubens: riſchen Theofophie, nad) welcher er das „Gott in 
freiheit, wel he noch nicht das Recht des gemein: | uns" über alle Schrift und geichichtlihe Offenba— 
ſamen Gottesdienstes in fich fließt. S. Religions: | rung ſetzte. Sein religiöfer Eifer verwideite ihn 
freiheit, Toleranz. in Streitigfeiten mit der Geiftlichkeit in Nürnberg 

ohnheitsrecht ift die ältefte Form des Kir: | und Regenäburg, in Folge deren er gefangen ge: 
Henrechts, und man verfteht darunter die Redjtö- | halten, des Landes verwiefen und fein Vermögen 
aorm, weldje fic) in der Sitte und dem langjäh: confiscirt wurde 1665. Mehrere ihm zu dieſer Seit 
rigen Herfommen offenbart. Zu Grunde liegt dems | angebotene glänzende Stellungen flug er aus, 
jelben der in der Gemeinfchaft ruhende unbemußte | wie er 19 aud) vielen Heicathsanträgen zu entzie⸗ 
Trieb und Wille, die ihrem Weſen entfprechende | ben wußte; in ſelbſtgewählter Armut) ging er nad 
äußere Geftalt und Organifation zu gewinnen. | Zwoll in Holland zu Bredling 1667. Etie Bertheis 
Da aber auch, dem Weſen der Gemein chaft nad), | Digung befjelben in einem Streite mit feiner Ge: 
fremde Einflüffe längere oder kürzere Zeit auf die | meinde brachte ihm eine Berurtheilung zum Pran: 
Zitte einwirlen können, jo bebarf es für die Gel: | ger. In Amſterdam fchloffen ſich feit 1674 mande 
tung des Gemwohnheitärechtes wieder beftimmter | Anhänger (Engelöbrüder) an ihn an, die nad) feiner 
schtliher Normen. Auch das kanoniſche Recht | Weife leben wollten, aber Zwietradht unter ihnen 
ertennt in manchen Fällen die Geltung einer con- | entfrembdete fie ihm wieder. Die letzien Jahre ver: 
suetulo contra legem an. Vgl. Puchta, Gewohn⸗ | brachte er einfam, mit Wenigen verkehrend. + 1710, 
kitöregt, in v. Scheurl's und Dove’s Zeitſchrift Gichtels myftisches Syſtem gipfelt in der Lehre von 
für Kirchenrecht 1862 und 1863. der Bermählung mit der göttlihen Sophia (Weis: 

Gejer, Gazer, Gefer. Jof. 16, 10. Ein Heines | heit) und dem Melchiſedekſchen Prieſterthum, einer 
Immsanitifches Königreich im Südweſten des Stam: | erlöjenden app der Gläubigen durch eigene 
mi Ephraim, 1. Chr. 7, 28, welches eine gemiffe ze unter die Sündenfchuld Anderer. Seine 
Schtändigfeit behauptete, 1. Sam. 27,8. Salomo | Schriften Theosophia practica, 83. Aufl. 1722, 
hielt die Stadt ald Morgengabe jeiner ägypti: | Bgl. Harleß, Ev. Kirdenztg., 1831; Weinbed, 
dm Gemahlin, 1. Kön. 9, 16, deren Bater fie | Nahriht von Gichteld Lebenslauf und Lehren, 
gehert hatte, und ließ fie ſtark befeitigen. Berlin 1732; Lipfius in der Hal. Encyllopädie, 

Girörer, Auguft Friebrih. Geb. am 5. März | Gideon. Nicht. 6 ff. Der Sohn des Joas auß 
1908 Calv in Wirtemberg. Als Profeffor | dem Geſchlechte Manaffe. Zum Kampfe gegen die 
umd dißtiothefar an der Landesbibliothek zu | Midianiter trieb ihn neben dem Schmurz über die 
Stuttgart ſchrieb er: Gefchichte des Urchriften: | Noth feines Voltes die Pflicht der Blutrache, da 
!tums, 1838; Guftad Adolf, 3. Aufl, 1852, und feine älteren Brüder von den Midianitern ermor: 
die Allgemeine Kirhengeichichte, 1841—46, be: | dei waren, Richt. 8, 18 ff. Indem er zuerft den 
freundete ſich vei der Ausarbeitung diejer Werke | Altar des Baal zerjtört (erubbaal), wert er die 
mit dern Katholicismus, convertirte und ward |national:religiöje Jdee im Volle wieder auf; feis 
Brofeffor der Theologie zu Freiburg, wo er das | nem Aufgebot folgen dann die nördlichen Stämme, 
Bert: Gregor VII. und fein Beitalter, 8 Bde., | Mit geringer, aber auserlejener Mannſchaft über: 
Sat 1859—64, herausgab. + 1861. fällt er fiegreic) die Midianiter in der Ebene Jess 

Ghibellinen. ©. Welien. tel, verfolgt einen Theil derfelben über den Jordan 

Gibbethon. Eine Stadt in Dan, deu Philiftern | und vernichtet ihn, während der andere von dent ins 
duch, die Könige Yfraels entriffen. Joſ. 19, 44. zwiſchen Herbeigeeilten Stanıme Ephraim diesfeit 
1. Län. 15, 27; 16, 15. . des Jordan aufgerieben wird. Die ihm angebotene 

Gibea. Stadt in Benjamin, wurde von ben Jfrae: | Königäfrone lehnte er ab. Sein Baſtardſohn Abi: 
(ten zur Rache einer Oreuelthat eingeäfchert, Richt. | melech gewann fie durch den Mord feiner Brüder 
19. Gibea Sauls, der Stammort defjelben, hatte in | zu Sichem, fiel aber nad) 3 Jahren in einem Aufs 
keiner Nähe eine heilige Höhe, 2. Sam. 21, 6.9. |jtand. Das — welches G. verfertigen ließ und 

Gibeon. Eine Stadt der Heviter, Joſ. 9, 7, er: in feinem Haufe aufitellte, war ohne Zweifel ein 
Iangte mit Lift die Verſchonung der Sfraeliten bei | Symbol des Jahveh, deffen rung aber nad) 
det Eroberung Kanaans unter allerdings demüthi: | feinem Tode wieder in Baalddienjt ausartete. 
genden Bedingungen, Joſ. 9; 10. In dem Kriege, | Gieſeler, —— Karl Ludwig. Geb. am 8. 
delchen Joſua zu Gibeons Vertheidigung gegen | März 1793 in Petershagen bei Minden. Im Wai— 
den Rachezug der Amoriterlönige —— ſenhauſe zu Halle erzogen und dort Lehrer, machte 
mußte, fand die berühmie Entiheidungsfchlacht, | er die Freiheitöfriege mit, ward 1817 Conrector 
Joſ. Iu, ftatt. Saul wollte die Gibeoniten aus: |am Gymnafium zu Minden, 1818 Director zu 
totten, dafür freuzigten fie nad) feinem Falle fieben | Cleve, 1819 Dr. theol. re uBonn und 
kiner Söhne, 2. Sam. 21, 1 ff. Endlſch fand bei , 1831 zu Göttingen. + 1854. Durch feine firdens 
6. die Schlacht 2 den Heeren Davids und | biftorifchen Unterfuhungen, bejonders fein Lehr: 
Pboſeths ftatt. Bei G., auch Giben, war eine heis | buch der Kirhengefhichte, Bonn 1834—53, Bd. 
ige Höhe, das heilige Zelt ftand lange dort, 1.| V und VI herausgegeben 1855—57 von Redepen: 
#öin. 3, 4, Der Ort ıft von Robinfon in dem Dorfe | ning, und die reihen Mittheilungen aus den Duel: 
el Djib wiedergefunden, weldes auf einem Hügel | Ten in demfelben hat er fich bedeutende Vervienite 
3 Stunden von erufalem liegt. um die Wiffenfchaft euworben. 

Gigtel, Johann Georg. Geb. am 14. März! Giehen. Die Univerfität, 1607 von Landgraf 
1538 zu Regensburg, ftudirte er in Straßburg | Ludmwiggeftiftet, 1625 vorübergehend nad) Marburg 


Gifttheil 


verlegt, vertrat entgegen dem reformirten Mar: 
burg das reine Lutherthum und wurde in ber 
Geſchichte der lutheriſchen Theologie von Wichtig: 
leit durch den langen Streit der Giehener und 
Tübinger Theologen über die Perſon Chrifti und 
die Kenofis. Die —3** Facultät verödete 
gänzlich, als der Biſchof Ketteler 1851 das theolo⸗ 
giſche Seminar in Mainz wieder eröffnete. 

Gifttheil, Ludwig Friedrich. Ein Schwabe, der, 
ein — recklings, gegen die Staats: 
kirche in feparatiftiihem Sinne eiferte. Er fhr.eb 
mehrere Ermahnungsfdreiben an Fürften und 
Völker wegen des vielen Kriegen und Blutver: 
gießens. T 1661. 
ihon. 1) Der Bad mit dem Thale im Weften 
von Jeruſalem, deſſen füdliher Theil Hinnom 
heißt, 1. Kön. 1, 83. 38; 2. Chr. 32,30. 2) Einer 
der Baradiefeöftröme. ©. Even. 

Gilbert. S. Guilbert. ’ 

Gilbert, de la Rorree, Porretanus. Lehrer ber 
Philoſophie und Theologie zu Chartres, Paris 
und Poitiers, Bifchof zu Poitiers 1142, + 1154. 
Um jedem Anklang an Sabellianismus zu ent: 
gehen, unterjchied er die Subftanz der Gottheit 
von den perjönlihen Eigenſchaften, durch melde 
die einzelnen Perſonen Gott De Sein Gegner, 
Dernhard von Clairvaug, beihuldigte ihn bes 
Tritheismus, ohne mit der Anklage arg in 
zu können. Bapıt Eugen begnügte fi mit der 
Entjheidung, dab Natur und Perſon, Gott und 
Gottheit nit zu trennen fei. 

Gilboa. Das Gebirge ift eine Hligelfette, welche 
bie Fortſetzung des —— bildet und ſich 
nach S.O. bis zum Ghor erſtreckt. Hier behaupte: 
ten fih die Kanaaniter, Richt. 1,27; Joſ. 17, 11ff.; 
hierhin zogen ſich die Jiraeliten zurüd, 1. Sam. 
31, 1; bier fiel Saul, 2. Sam. 1, 6. 21; 21, 12. 

Gildas Kormar. Ein Mönd zu Bangor, geb. 
516. Seine Historia de excidio Britanniae und 
eine Epijtel über den Verfall des Landes, in wel: 
her er die Verwüſtung durch die Angelſachſen ala 
— Strafgericht betrachtet, ſind die einzigen 

uellen für die Geſchichte der Zeit. 

Gilead. Gebirgskeite jenſeit des Jordans. 
1. Moſ. 31, 21. 25; 5. Moſ. 3, 12; Hohel. 4, 1; 
6, 4; Jer. 50, 19. S. d. N. Gebirge. 

Gilgel. Zwiſchen Jericho und dem Jordan, 
war das erſte Hauptquartier der Iſraeliten in 
Kancan; dort richtete Jofua die Tentjteine auf, 
und lange Zeit blieb dort die Gtiftöhütte. Der 
Ort galt als ein heiliger, Richt. 2,1; 3, 19, an 
welchem geopfert wurde, 1. Sant. 10, 8; 11, 14; 
15, 21, uns Gericht gehalten, 1. Sam. 7, 16. — 
2) Das als Stätte des Kälberdienftes im Zehn: 
jtämmereich erwähnte Oilgal, Hof. 4, 15; 9, 15; 
12, 12; Amos 4, 4; 5, 5, halten Ewald und Wi: 
ner für einerlei mit jenem, während die 2, Kön. 
2,2 angebeutete geographiihe Lage auf ein 
zweites 7 bei Bethlehem hindeutet. 

Giloh, Geburts: und Todesort des Ahitophel, 
2. Sam. 15, 12; 17, 23; lag im Stamme Juda. 

Gimfo (Dſchimzu). In der Nachbarſchaft von 


300 


Glaube 


Giraldus, Silvefter von Cambrien. Geb. 1146 
bei Bembrod, ftudirte in Paris bis 1172 und 
ward 1175 erzbifchöflicher Legat für Wales, Bi: 
ſchof von Brediene. 1184 Hof eiftlicher bei Hein- 
vich II, ward er Leiter und Rath des Prinzen 

ohann. In Wales prebigte er das Kreuz, ließ 
ich jelbft aber vom Gelübde entbinden und wurde 
dem Reichskanzler als Gehülfe zur Seite geitellt. 
Wiederholt zum Bischof von Denevia geil, er: 
langte er niemals die königliche Beftätigung. 
Seine zahlreihen Schriften beleuchten theils die 
Zuftände Irlands, theils bekämpfen fie die Lafter 
der Mönde ober find kirchenrechtlichen Inhalts. 

@irgafiter (LXX Trepyssaicı). Ein fanaaniti- 
iher Stamm, 1. Mof. 10, 16; 15, 21; Joſ. 3, 10, 
defien Ueberrefte die Gergefener oder Gadarener 
des N. T. fein follen. 

Girfiter. Ein nur 1. Sam. 27, 8 erwähnter 
Stamm, den David belämpfte. 

Gislemar. Mönd in Corvey und_Begleiter 
Ansgars auf der nordiſchen Miffion, Er blieb in 
Dänemark zurüd, als Ansgar nach Schweben 


ging. 

Vitha ⸗ Debher überſetzt Luther Joſ. 19, 13 falſch 
für „nach Gath Hepher,“ Geburtsort des Prophe— 
ten Jonas, 

Githaim oder Gethaim. Stadt in Benjamin, 
die nach dem Eril wieder bewohnt wurde, 2. Sam. 
4,3; Neh. 11, 38. 

Glareanud, Heinrih Loriti. Geb. 1488 zu 
Moilis in Glarus. Gehört zu den Humaniften, 
die, wie Erasmus, anfangs der Reformation mit 
Theilnabme folgten, aber weil fie ihr religiöfes 
Intereſſe nicht theilten, fich ihr entfrembeten, und 
a: feindlid) gegen biefelbe ſich verhielten. 
Mit Zwingli, Myconius und Delolampad früher 
befreundet, 30g er fi vor dem Gieg ber Refor: 
mation in afet nad) Freiburg zurüd. Auch mit 
Erasmus entzweite er ſich öfter. Nach Vollendung 
feiner Studien zu Köln und Bafel, und ald Did: 
ter gefrönt, hielt er in Paris ein Penfionat für 
Studirende, denen er die Alten erflärte. In Ba: 
jel lebte er ebenſo 1522—29 und ftcrb in Frei— 
burg 1563, nachdem er 1560 dem äffentlichen 
Lehramte entjagt hatte. 

Glarus. Die Reformation wurde im Jahre 
1529 dafelbft eingeführt, fo zwar, daf; jeder Ge: 
meinde überlaffen wurde, die reformirte oder fatho: 
liſche Confeſſion als ihr Belenntniß zu wählen. 
Gegenwärtig f bie Zahl der Reformirten (30,000) 
bedeutend größer als die der Katholiten (4000). 
S. Schweiz. 

Glaffius, Salomo. Geb. 1593 in Sonderöhau: 
fen, jtudirte er 1612—19 in Jena und Wittenberg, 
ward in Jena Adjunct der philofophiihen Facul⸗ 
tät, Brofejlor des Hebräifchen, 1625 Dr. theol. und 
Superintendent in Sondershaufen, 1638 40 St: 
nior in Jena, dann Generalfuperintendent in 


| Gotha. + 1656. In diefer Stellung war er der 


Gehülfe de3 frommen Herzogs Ernft bei befien 
Berbefferungen in Kirche und Schule. Seine he 
bräifhe Sprachkenntniß legte er in der Philologia 


Thimna, gerieth in die Gewalt der Philifter, |sacra, 1625, nieder, welche bis in die neucre Zeit 


2. Chr. 28, 18, 

Binfter (Wacholder). Ein Strauch), der in den 
arabiſchen Wüften häufig in Thälern wächſt und 
jur Feuerung benugt wurde, Bf. 120,4. Nur in 


der üufßerjten Noth Tann die Wurzel als Speife | 


gegefjen werden. 


Anerkennung fand. Neueſte Ausgabe 1735. 
Glaube, Im ethiſchen Sinne ift Glaube dad 
—— Bewußtſein von dem unbedingten 
zerth und ber unbedingten Nacht ſittlicher Ideen. 
In dieſer Hinſicht ſpricht man von einem Glau— 
ben an die Wahrheit, an das Recht, an bie 


Glaube 


Tugend u. 


301 


Glaube 


w. Dieſer Glaube iſt die Grund: | Gnade aus, welche in Chriſtus ein Werk ver Ver: 


I1ge jeder —* Perſönlichkeit und Gemein: | ſöhnung vollbracht hat. Diefer Gnade gegenüber 


haft. Inſofern Perfonen und Gemeinſchaften 
die Träger ſittlicher Ideen find, pflegt man aud) 
vom Glauben an einzelne Berfonen, an ſich jelbit, 
an das Baterland u. ſ. w. zu reden. Auf der: 
ſelben ethiſchen Grundlage ruht auch der Glaube 
an Gott, welcher daher nicht ein Ueberzeugtſein, 
daß Gott exiſtire, ſondern ein perſönliches Erfüllt: 
ſein von der Macht Gottes in der Welt bedeutet, 
in dieſem Sinne nahe dem Begriffe des Vertrauens 
auf Gott und deſſen Weltregierung, obgleich das 
Vertrauen erſt eine Folge des Glaubens iſt und 
diejenige Art des Denkens und Handelns bezeich— 
net, welche aus dem Glauben an Gott hervorgeht. 
— Davon verjhieden ift der fogenannte religiöfe 
Glaube, weldyer eine beftimmte Seite der fubjec- 
tiven Religion ausdrüdt. Da jede Religion ſich ein 
e.genthümliches religiöjes Denken und Borftellen 
ſhafft und fi in einem beſtimmten Kreis von re: 
I giöfen Borftellungen äußert, jo wird dieje intellec: 
tuelle Seite der fubjectiven Religion mit dem be: 
jonderen Namen „Glauben“ bezeichnet. Derjelbe 
ift nad) den verjhiedenen Religionen und dann 
wieder in diefen nach den Individuen verjchieden. 
Der Borftellungäfreis ift dann entweder ein un: 
geprüft ins Bewußtjein aufgenommener, oder ein 
auf dem Wege eigenen —— ſelbſtgeſchaffe⸗ 
ner, in — legterem Falle Glaube ſoviel iſt als 
religiöſe Ueberzeugung. In dieſem Sinne ſpricht 
man vom Glauben der Muhamedaner, Juden 
u. ſ. w, oder eined Einzelnen. — Eine ganz neue 
Bedeutung hat ber Begriff des Glaubens im Chri- 
ftenthum erhalten, da daſſelbe weſentlich auf der 
Grundlage des oben entwidelten ethiichen lau: 
bend ruht. Die Begriffsbeftimmung wird daher 
aud an den legteren anzulnüpfen haben. In den 
Evangelien bedeutet Glaube, wo der Ausdrud in 
—— auf Gott gebraucht wird, eine unbedingte 
ri ud zu Öottes heiligem väterlichen Willen und 
Grantenlofer Kraft, jo daß es einen Berge verjegen: 
den Glauben (Matth. 17, 20) gibt, daß wunderbare 
Heilungen nur durch Glauben, aber dadurch gewiß 
volljogen werden (Marc. 9, 19), daß ſchon die 
Furcht vor dem Meeresjturme Kleinglaube genannt 
wird (Matth. 8, 26). Namentlich ift der Glaube 
die unbebingte Zuverfiht des Handelns, melde 
mit feiner andern Zahl redjnet, ald der Madıt 
Gottes, des Gottes der ee der Gerechtigkeit, 
ber Liebe, auch wenn noch jo unüberwindlich —* 
nende Hinderniſſe entgegentreten. In derſelben 
Bedeutung iſt der Ausdruck auch mit Beziehung 
auf Chriſtus gebraucht, als die ſchrankenloſe Zu— 
verſicht auf ſein Vermögen zu helfen, namentlich 
in den Fällen von Kranfenheilungen (Marc. 9, 
23; Matth. 8, 10; 9, 22; 15, 28). Die ſpecifiſche 
Begriffsbeftimmung, melde dem Begriffe jeine 
Bedeutung in der chriſtlichen Dogmatik gegeben 
bat, ift in der paulinifchen Theologie entjtanden, 
und zwar im Gegenjak des Chriſtenthums, defjen 


fünnen gejegliche, auf juridifche Anerkennung An: 


ſpruch erhebende Werke nicht mehr ald Nechtfer: 


tigungsmittel gelten; es fann vielmehr lediglich 
eine Anerkennung der Erlöfungsthatjache und eine 
ſchlechthinige Selbjthingabe an die Perjon des Er: 
löjers den einzigen Weg zur Rechtfertigung bilden. 
D.efe leßtere, das der Gnade entiprechende Corre: 
lat, ift nun der Glaube im paulinifchen Sinne, ein 
völliges Bertrauen auf die Gnade Gottes in Chri: 
ſtus, namentlid in feinem Erlöſungstode, Röm. 
3, 22; 3,26; 5,1; 10, 9; 14, 1. 22 fj.; 1. Kor. 
15, 14; Gal. 1,23; 2, 16 ff.; 3, 22. Bei Johan: 
nes hat der Glaube, wenn aud) ferne von dem 
pauliniihen Gegenfage zum jüdischen Gefehesmwert, 
bie ähnliche Bedeutung der Zugehörigkeit zu Chri- 
Ike deö innern geiftigen Zujammenhangs mit 
einer Berjon, der Liebe zu ihm, oh. 6, 28. Der 
Hebräerbrief dagegen nähert fich dem Begriffe ber 
Hoffnung, wenn er den Glauben als die gewiſſe 
Zuverſicht auf das Unſichtbare, als die feite Uefer: 
jeugung von feiner Eriftenz definirt, obgleid man 
ed nod) nicht empirisch erkennt, 11,1. Jakobus (1, 
22 fj., 2, 14 ff.) betont einer mißverftändlichen 
Auffaffung der Glaubenägerechtigfeit gegenüber, 
die auch Paulus von fi) abweiſt, Röm. 3, 31; 6, 
1 ff., die Nothwendigkeit der Werke und die In: 
brauchbarteit eines todten Glaubens. Paulus hatte 
nicht Die Ueberflüffigkeit der fittlihen Werte be: 
hauptet, fondern nur den Mangel an jedem Ber: 
dienst, der ihnen als ſolchen zukommt, und hatte 
den Glauben vielmehr als das eigentlich fittliche, 
Gerechtigkeit erzeugende oder in fich fließende 
Princip betrachtet, Nachdem die katholiſche Kirche 
den guten Werlen wiederein Berdienftzugejchrieben 
hatte, erneuerte die evangelijche Kirche Die npofto: 
liſche Lehre vom ſeligmachenden Glauben. Indem 
fie von der Sündhaftigleit des Menſchen und feiner 
Unfähigkeit zum Guten ausging, verlangte fie den 
Glauben als die Bedingung des Heils, die ohne 
jeden Anſpruch auf Verdienſt gefchehende demuths⸗ 
volle Hingabe an die Gnade Gottes in Chrüto, 
die vergebende und belebende, aus mwelder frei: 
ih mit innerer Nothwendigkeit die Werte her: 
vorgehen. Im Widerfprud mit dem eigentlichen 
Sinne der evangeliihen Lehre ſtand die Amsdorf— 
* Uebertreibung, daß die guten Werle zum Heile 
ogar ſchädlich ſeien. In der katholiſchen Kirche 
fehlt dieſer Begriff des Glaubens ganz, ausgeſchloſ⸗ 
ſen durch ihre Theorie vom Verdienſte und nur auf 
die bloß intellectuelle Seite beſchränkt. Dagegen 
hat der Glaube jelbft die Bedeutung eines guten 
Werles angenommen, indem darunter lediglich die 
Ueberzeugtheit von der Nichtigleit des katholiſchen 
Dogma’s, die gehorſame bemußte oder unbewußte 
(implieita) Unterordnung des Denkens unter bie 
Autorität des legteren verftanden wird. Die evan- 
eliſche Lehre hat dieſen Begriff von ſich ausge— 
hlofien, indem fie den ſeligmachenden Glc "sen 


Garakteriftifches Merkmal der Glaube it, zum ausdrücklich unterjchieden hat von dem allgemeinen 


Judenthum. Während beide die Gerechtigkeit fich 
als Ziel gefegt Hatten, hatte das Judenthum bie 
Gefegeögerechtigkeit, das Chriftenthum die Glau: 
bensgerechtigleit im Auge ; d. h. während das Ju: 
denthum vom äußerlichen Begriffe der Geredtig: 
leit Gottes ausgehend durch die Werle des Geſetzes 
die Rechtfertigung vor Gott zu erlangen juchte, 
geht das Shriftentgum dagegen vom Begriffe der 





(generalis), der Ueberzeugtheit von der Richtig— 
feit der chriftlihen Religion und von dem hiſto— 
rischen, d. h. der Annahme Hiftorifcher Thatjachen, 
welche ſich auch gottlofe Menſchen aneignen lönnen, 
obgleich auch diejer eine gewifje allgemeine Grund: 
lage für den erften bildet. Der techniſche Ausprud 
für die Unterjcheidung ift fides quae (objectiver 


Ofaubensinhalt) und fides qua creditur. Dennoch 


Glaubensartikel 302 Gloſſen 
bat jene katholiſche Auffaſſung (als Annahme der | piftie) eine weſentliche Eigenſchaft der heil. Schrift, 


eltenden kirchlichen Lehre) auch in der evangeli- welche der fides humana (de3 menſchlichen Glaus 
* Kirchlichkeit pralliſch ſtets einen weiten Bo- bens) wegen durch Beweiſe conftatirt wird, die 


den gefunden. Die Geiſter ſind zu träge, um ſich 
im Ganzen und Großen zur Aneignung eines 
innern Glaubenslebens dauernd aufſchwingen zu 
können und dieſes in fortwährender ſittlicher und 
religiöſer, betender und treuer Anſtrengung auf: 
zecht zu erhalten. Daher wird ed auch in der evan: 
geliſchen Kirche immer eine latholiſche Maſſe geben, 
unter Geiſtlichen nicht weniger als unter Laien, 
unter Orthodogen nicht weniger als unter lirchlich 


Zaren. 

Glaubendartilel, Der objective Inhalt des 
Glaubens ift, da er aus einem innern Brincip her: 
aus fich geftaltet, ein organifches Ganze, welches 
eine Öliederung des Stoffes erlaubt und fordert. 
Ein ſolches Glied aus dem Lehrorganiämus der 
Kirche wird Artikel des Glaubens genannt. Da 
der feligmahende Glaube für die evangelijche 
Dogmatık den Mittelpuntt bildet, fo wird aud) er 
als der wichtigfte für den fubjectiven Glauben zu 
betrachten jein, und jeder, der am unmittelbariten 
aus dieſem abgeleitet ift, wird von verhältnikmä- 
Big größerer Heildbedeutung fein. Man hat daher, 
reg jet Hunnius (Auoxewıs de fund. 
dissensu 


zufolge ihres infpirirten Charakters an fich eigent— 
lid) nicht nöthig find. Die nguere Wiſſenſchaft hat 
an das Intereſſe der Glaubwürdigleit angefnüpft 
—— die hiſtoriſche Kritik der Bibel aus— 
gebildet. 

Gleichniß. Wie der Morgenländer überhaupt 
die bilderreiche Sprache liebt, ſo bedient ſich Jeſus 
mit Vorliebe der Gleichniſſe in feinen Lehrvor: 
trögen. Diefelben wollen ein allgemeines Geſetz 
des geiftigen Lebens, weldyes alfo auch in der Ent: 
widlung des Reiches Gottes gültig ift, dadurch 
zum Bemwußtfein bringen, daf fie es als thatfächlich 
wirfend in einer nievern Sphäre vorführen, wo 
es von Jedem unmittelbar angejchautund begriffen 
werden kann. Vorzugsweiſe haben Matthäus und 
Zucas die Gleichniſſe gefammelt und zufammen: 
gejtellt, während bei Johannes das Gleichniß in 
die Bildrede übergeht. 

Gloden. Wenngleich ſchon bei Römern, Juden 
und Aegyptern fi Spuren des gottesdienjtlichen 
Gebraudes von Schellen finden, fo find dennoch 
die Gloden eine Erfindung der chriſtlichen Kirche. 
Daß der Biſchof Paulinus von Nola in Campa— 


octr. Lutheranae et Calvin., 1663) und | nien fie in den firhlihen Gebrauch zuerjt einge: 


im Gegenſatz gegen die Calviniften, die Ölaubens: | führt habe, bemeift ſich wenigftens nicht durch jeine 
artikel eingetheilt in fiındamentale und nicht fun: | Schriften, die ihrer bei Beichreibung der Kirchen 
damentale, indem man unter jenen diejenigen | feine Erwähnung thun. Im 7. Jahrhundert wer- 


begriff, welche nicht geleugnet werden können, ohne 
daß das Blaubensfundanıent beſchädigt wird. Man 
theilte auch die fundamentalen wieder ein in pris 
märe und jecundäre, und erjtere wieder in confti: 
tutive (dad Fundament des Glaubens conftitui- 
rende) und conjervative (notwendige Folgerungen 
ober Vorausfegungen aus jenen). Seit Semler 
wurde meijtentheils diefe dem evangeliichen Glau⸗ 
bensbegriff fremde Eintheilung verworfen. Eine 
andere Unterſcheidung, welche Auen der Scholaftit 
angehört, ijt die in articuli puri (reine) und ınixti 
(gemiſchte), indem man unter jenen die eigentlich 
geojjenbarten, unter diefen die aud) aus der Ver: 
nunjt entwidelten Glaubenslehren verſtand. Bal. 
Tholud, die luth. Lehre von den Fundamental: 
Tg (deutjhe Zeitſchrift für rift. Wiſſenſch. 


Glanbendbelenntnig. S. Symbol. 

Glaubenseid. Nad) einem Beſchluſſe des Tri: 
bentinums haben Alle, welche ein höheres Kirchen: 
amt oder ein Euratbeneficium antreten wollen, ein 
Belenntniß der Nechtgläubigkeit und eidliches Ver: 


den Gloden zu Kom und Orleans erwähnt. Ber: 
breitet wurde ihr Gebrauch befonders durch Karl 
den Großen. Während früher Gloden nur aus 
einer Miihung von Kupfer und Zinn gegofjen 
wurden, hat die neuejte Zeit die Erfindung der 
billigeren Gußftahlgloden gemadt. Die Gloden 
im Glockenſtuhle auf dem Glodenthurme, der ent: 
weder mit der Kirche verbunden ift oder frei ſteht, 
werden nad) römifcher Sitte, Die in der evangeli- 
ſchen Hirdje nachwirlt, vor dem Gebrauche geweiht, 
nad) dem römiſchen Ritual mit Waffer abgema: 
chen, mit Del un» Ehrifam gejalbt und gejegnet. 
Der Nitus heißt Glodentaufe. 

Glödner. Der niedere Kirchenbediente, dem die 
Aufjicht und der Dienſt des Geläutedanvertraut ifi. 
‚ bloria in excelsis patri. ©. Dorologie. 

Glojiatoren des römischen und kanoniſchen 
Rechtes. Ebenſo wie bie Bibel und die Klaſſiker 
wurde auch das römische Recht durch Marginal: 
und Interlineargloſſen interpretirt, und auf die— 
jelbe Art erläuterten Gratians Schüler zu Bologna 
das Decretum (1. Theil des Corpus juris canon.). 


een lirchlichen Gehorſams abzulegen. Hier: | Eine Sichtung und BZufammenftellung ſolcher 
ür veröffentlichte Pius IV. 1564 eine Eidesformel, | Stoffen unternahm 1212 Johannes Teutonicus, 
welche jenes Velenntniß in ſich flieht und das (4 1240 als Probſt zu Halberjtadt). Sein Wert, 
Tridentiniſche Slaubensbelenntniß genannt wird, | verbefjert 12356 von Bartholomäus von Breäcia, 
Es enthält die Eidesjormel des Nıcaniich:conjtan: | wurde als Glossa ordinaria allgemein bekannt. 
tinoy olitanishen Symbols, hierauf das Gelöbnif, | Auch zu jedem der übrigen Theile des Corpus juris 
die apojtoliihen Traditionen und die Berordnun: ‚canon. giebt es eine Glossa ordinaria; zur Decre: 
gen der Kirche zu halten, endlid) die feierliche Anz | talenſammlung Gregors IX, die von Bernhard de 
nahme der dogmatischen Beftimmungen des Tri:  Botono (+ 1266), zum Liber sextus und zu den 
dentiner Concils. Ueberlretenden Broteftantenwird | Elementinen die des Johannes Andrei (+ 1548). 
ein ähnlicher Eid abgenommen. Gloſſen find kurze exegetifhe Bemerlungen, oft 

Glaubensjreiheit. S Duldung, Toleranz. nur einzelne erflärende oder lberjegende Wörter, 

Glaubensregel, ©. Kegula fidei. melde auf ven Hand der heil. Schrift gejchrieben 

Glaubensjag. S. Doama. wurden, Häufig auch verunitaltend in den Tert 

Glaubwürdigkeit der heil. Schrift. Neben ber | einorangen. Aud) die Sammlungen folder Srläus 
Authentie und Integrität bildet nad) der Lehre |terungen erhielten den Namen, 5. D. die Glossa 
ber alten Dogmatiter die Glaubwürdigkeit (Azio: |ordinarai des Walafried von Reichenau, Die 


Glüchſeligkeit 


fürzeren Erklärungen, die nur einzelnen Wörtern 
galten, wurden zwiſchen die Zeilen geichrieben, 
rg interlineares, 3. B. des Anjelm von Xaon. 
ie Gloſſen waren nicht bloß ſprachlicher, jondern 
auch hiftorifcher und dogmatifcher Art. Nod) fpäter 
wurde in die Bibelhandjchriften die Glofje in der 
Art aufgenommen, daß auf je einen Abjchnitt des 
Textes die Gloſſe folgte. Bei den Grammatifern 
ift glossa ein dunkles ungewöhnliches Wort, wel: 
des durd) ein glossema ertlärt wird. Gloſſarien 
find feritographiihe Sammlungen von Erklärun: 
Ken folder Worte in einem oder mehreren Schrift⸗ 
ellern. 

Glückſeligkeit. Das Bewußtſein, im Beſitze alles 
allen (abfolute), oder wenigjtens eines Theiles 
dejjelben (relative) zu jein, was zur volllommenen 
Eriftenz gehört. Der®egenftand dieſes Bewußtſeins, 
d. h. dasjenige, was das Bedürfniß der Grijtenz 
ausfüllt, heißt Glück, und die Glückſeligkeit ift alfo 
das fubjective Innewerden deöjenigen objectiven 
Zuftandes, welchen man Glüd nennt. Das Glüd 
lann ein äußeres oder ein inneres, ein wirkliches 
ober ein fcheinbares fein; die Glüdjeligfeit ift dem: 
gemäß eine jehr verichiedene, eine niedrige oder 
eine hohe, eine Gtüdfeligteit der Selbſtſucht und 
Sinnlichkeit oder der Tugend, eine vorübergehende 
oder eine bleibende. Iſt die Glückſeligkeit aus Sinn: 
lichleit oder Selbftfucht entjprungen, fo hat fie den 
Charafter der Selbfttäufhung und ſchlägt bald in 
Unfeligfeit um. Die wahre Glüdjeligkeit iſt bie: 
jenige, welche dem Wejen des Menſchen entjpricht, 
dad Bewußtjein, im dr des jenigen zu fein, 
was wirklich nach den Gejehen des entalten 
Weſens zu feiner Vollkommenheit gehört, d. h. die 
teligiöfe und fittlihe Vollendung. Die Glüdjelig: 
keit iſt gleichfam nur bie Kehrfeite diejer legtern. 
In der von der Wolffhen Schule ausgehenden 
tationaliftiihen Richtung im 18. Jahrhundert 
wurde die Glückjeligkeit zum Ausgangspunkt ber 
Ethik, indem die fittlihen Forderungen auf das 
natürliche Streben nah Glüdfeligkeit als ihre 
Grundlage gejtellt wurden ( Eudämonismus, ſ. d. 
Art). Dem gegenüber hat Kant die Selbſtändig— 
feit der fittlihen Pflicht geltend gemadt. Von 
Seligfeit unterſcheidet ſich Glückſeligkeit dadurch, 
daß jene ausſchließlich das Verhältniß des Men— 
ſchen zu Gott im Auge hat und das Bewußtſein 
der hoͤchſten Einheit mit Gott ausdrücken will, 
während Glüdfeligteit in dem oben angegebenen 
allgemeinen Sinne zu nehmen iſt. 

Gnade, TON, zagıs, heißt die Gewährung einer 
Vergünſtigung, die nad dem Maße des ftrengen 
Rechtes eigentlich nicht gewährt zu werden brauchte. 
Sie fann in der Aufhebung einer Strafe oder in| 
der Darreichung eines Lohnes bejtehen, der eigent: | 
fi nicht verdient ift. Wie zunächſt dieſe fo gear: 
tete Handlung, fo heißt auch die Gejinnung Gnade, 
aus welcher jolhe Handlungen hervorgehen. Sie 
ift die Eigenfchaft des Mächtigern in feinem Ber: 
hältniß zum Untergeordneten, wenn die Handlun— 
gen des Erjteren dem Letzteren gegenüber nicht ledig: 
id vom bioßen Madıtgefühl, fondern von der 
Liebe geleiter find. Sie gründet ſich dann auf die! 
Demuth. Die Gnade kann mit der Gereghtigfeit in | 
VWiderfpruch treten, wenn fie in der Belohnung | 
eines Unwürdigen oder in der Richtbeftrafung eines | 
der Strafe Würdigen bejteht. Dann beruht jie auf | 
Schwäche des Willens umd ift nicht zu rechtfer: 


— — — — — — 


303 


Gnadenbild 


tigen. Die wahre Gnade bildet aber keinen Gegen⸗ 
ſatz gegen die Gerechtigleit, ſondern gegen die ab: 
jolute Nacht. Sie ift Selbftentäußerung der abfo- 
Iuten Macht. In diefem Sinne tft aud) die Gnade 
ald Handlungsnorm Gottes aufzufafjen. Vermöge 
jeiner abjoluten Macht ijt Gott nicht verpflichtet, 
dem Menſchen Wohlthaten zu erweijen, da an Gott 
als den Abjoluten feine Rechtsanſprüche erhoben 
werben dürfen (Matth. 20, 15); alle Wohlthaten, 
dem Menden durch die Fügung Gottes zulom: 
mend, jind darum als Gnade zu betrachten (gra- 
tia Dei in universum), 2. Not 34,6. 7; Bj. 51, 
20; 89, 2; 15, 42; 106, 4; 108, 5; 119, 41; 130, 
7, 9er. 16,5 u.ö. Sowie die Gerechtigfeit (vgl. 
d. Art. Gerechtigleit Gottes) der Heiligen Schrift 
eine andere ijt ald die des dogmatiſchen Syſteins 
und unjerer juridiſchen Anſchauung, jo ift ao aud) 
die Gnade der heiligen Schrift nicht ganz biejelbe, 
wie fie (dem Begriffe des deutſchen Wortes ent: 
ſprechend) von uns gewöhnlich gefaßt wird. Die 
Schrift fennt die Gnade nicht ſowohl als Straf: 
erlaß im Gegenjag zur Gerechtigkeit, als vielmehr 
im Öegenjag gegen den Rechtsanſpruch, als ſchöpfe⸗ 
riſche, ſich mittheilende Lebenskraft aus Bott. Den 
Charalter der Gnade trägt namentlich, was von 
Gott geſchieht, den Menſchen zur Seligkeit zuführen, 
alle Heilsanftalten Gottes, welche die Rettung van 
Sünde und Verderben bezweden (gratia saluta- 
ris), weil darauf um der Sünde wıllen am aller: 
wenigſten ein Rechtsanſpruch erhoben werden 
dürfte, Joh. 1, 14. 16; Apſtg. 15, 11; Röm. 3, 
24; 5,15. 20; 11,6; 2. Kor. 8, 4; Eph. 1,6. 7; 
2,5u.ö. Die Erſcheinung Chriſti ijt lediglich ein 
Werk der Gnade. Aber auch die jubjective Aıreig- 
nung dieſes objectiven Heiles (der Gnadenſtand) 
tft, weil ohne Gott unmöglich, ein Werk der Gnade, 
1. Kor. 12, 11; Röm. 9, 16; Phil. 2, 13. An dies 
ſen Puntte erhebt fi der Streit über die Frage, 
in welhem Verhältniß ber freie Wille des Mens 
ſchen zur Wirlſamkeit der Gnade ftehe, worüber 
übrigens der Art. Präpeftination nachzuſehen ift. 
Hier möge eine furze Angabe der Bertimmungen 
der lutheriſchen Kirchenlehre genügen. Diejeibe 
unterjgeidet nad) den Mitteln, welche Gott ans 
wendet, eine natürliche und eine übernatürliche 
Gnade, welche legtere nothwendig gemacht wird 
durch den Verluſt jeder ſittlichen Kraft; fie unter: 
ſcheidet ferner eine gerichtliche und eine heilende 
Gnade, indem fie unter der erjteren die rechtfer— 
tigende Gnade des richtenden Gottes, unter der 
legteren die ftetige Einwirfung des heil. Geijtes 
auf das Menjchenherz verjteht. Soldier Gnaden- 
—— werden vier unterſchieden: 1) das Straf⸗ 
amt (officiuin eleneticum); 2) das Lehramt (0. 
didascalicum); 3) das Buß: und Beſſerungsamt 
(0. paedeuticum); 4) das Troftamt (o. paracleti- 
cum). Eine weitere Unterjcheidung ijt: 1) die vor- 
ausgehende; 2) die wirkende; 5) die mitwirtende 
(erhaltende) Gnade, gemäß der Zeit vor, während 
oder nad) der Belehrung. Endlich wird eine uni— 
verjelle Gnade (d. h. die allen Menſchen das Heil 
anbietende) von der mwiderjtehlihen und veriier- 
baren unterjchieden, 

Gnadenbild. WunderthHätiges Bild in der katho— 
lichen Kirche. Ein Heiligenbild, mit deſſen Anblid 
Gott in Rüdfiht auf die Fürbitte des Heiligen be: 
jondere Gnaden und Gaben für die Gläubigen 
verbunden hat, z. B. Heilungen,. In der Anſchauun 
des latholiſchen Volles gehen die Wirkungen Freilich 


Gnadenbriefe 


auf magische Art von dem Bilde felbft aus und 
die Praxis der Kirche fcheint oft jelbit von biefer 
Anfhauung gebunden zu ſein. 

Gnadenbriefe find Rejeripte des Papſtes auf 
eingegangene Bittgeſuche, in welchen aus reiner 
Freigebigfeit eine Pfründe, ein Privilegium u. dgl. 
ertheilt wird. Ueber die Gültigkeit folder Gnaden: 
briefe hat das kirchliche Hecht genaue — 

en getroffen. Gnadenbrieſe mit Verheißung auf 
ie Autunft, d. h. Anwartſchaften (f. d. Art.), Er: 
fpectangen, find durch das Tridentinum verboten. 

Gnadenbund. ©. Coccejus. 

Gnadenfeld. Eine Herrnhutercolonie in Ober: 
ſchleſien, geitiftet 1781, wohin jeit 1818 das theo- 
iogiſche Seminar verlegt worden ift, welches frü: 
ber zu Barby (1754) beitand. 

Gundengaben. ©. Geiftesgaben. 

Gnadenjahr. ©. Arinus deservitus. 

Gnadenmittel find die kirchlichen Organe, durch 
welche Gott feine Gnade an den Menſchen vermit: 
telt. Es werden von der evangelifchen Kirche hierzu 
gezählt: Wort Gottes und die Sacramente. Durd) 
die Lehre von den Gnadenmitteln wird das Heil, 
entgegen der Borftellung, daß die Aneignung des 
Heild aller objectiven Bedingungen entbehre, an 
die Objectivität der Kirche gebunden und dadurch 
vie Nothmwendigleit der legteren zum Heile begrün: 
det. ©. d. einzelnen Gnadenmittel. 

Gnadenfland. S. Gnade. 

Gnadenfluhl. ©. Bundeslade. 

Gnadenwahl, ©. et 

Gnaphäus (de Volder). Geb. 1493 im Haag. 
1522 Rector der dortigen Schule. Wegen feines 
evangelijhen Glaubens zweimal eingeferkert, über: 
nahm er 1536—43 das Rectorat zu Elbing. Bon 
dort berief ihn Herzog Albrecht nach Königsberg 
als Nector des Püdagogiums. Obwohl nit Tpeo: 
loge, wurde er doch von dem orthodoren Eiferer 
Staphylus jo lange verfolgt, bis er 1547 als 
Irrlehrer ercommunicirt und des Amtes entjett 
wurde. Er ging nad) Friesland und ftarb zu Nor: 
ten 1568. 

Gnefen. Die ältefte Stabt Polens. Seinen 
firhlihen Ruhm erlangte es zuerjt als Grabftätte 
bes heil. Adalbert 987. Bei der Wallfahrt des Kai: 
ſers Otto 1000 ward Gnefen zum Erzbisthum er: 
ai bis dahin ftand e3 unter Magdeburg. Als 

rzbifchof Heinrich um 1200 das Cölibat durch— 
führte, ward er mit feinen Nachfolgern zum lega- 
tus natus erhoben. Nikolaus erlangte 1416 die 
Mürde des Primas, mit welcher im jpäteren Wahl: 
reich Polen das Amt des Reichöverwefers verbun: 
den war. Das Erzbisthum zerfiel durch die Thei- 
lung Polens. Durch die Bulle De salute anim. 
wurde Gnejen mit Poſen verbunden, behielt aber 
ein eigenes Capitel mit einem Weihbifchof. 

Gnofiß. Gnoflicismus. Schon in der vordrift: 
lichen Zeit hatte ſich durd die Vermiſchung des 
Griechiſchen und Drientalifchen ein eigenthümlicher 
Drang der gebildeten Welt bemächtigt nad) reli: 
gionsphilofophifchen Speculationen. Die aleran- 
drinifche Religionsphilofophie und jpäter die neu: 
platonifhe Philojophie war ein Product dieſer 
Richtung. Aud) das EhriftentHum empfand bald 
diejen Zug, indem feine praftifche Richtung dem 
fpeculirenden Bedürfniß nicht genligte und daher 
von diefem umgewandelt murbe. Seibft innerhalb 
der Kirche gewohnte man fich bald daran (aleran: 
driniſche Schule), an die Stelle des Glaubens, 


304 





Gnofis. Gnoſticismus 


welcher vorzugsweiſe der großen Maffe zulommt, 
ein volllommeneres Organ zur Aneignung de 
Unendlihen zu fegen in dem Wiſſen (yrüazs), 
Aber im Gegenfaß zu der die praftifchen Ziele mie 
aus dem Auge verlierenden Kirche mwucherte im 
ganzen Drient eine religionsphiloſophiſche Ric: 
tung fectenbildend empor, den Anfang jhon in 
ber apoftoliihen Zeit nehmend, aber jeit dem 2, 
Jahrhundert zu einer ungeheuern Macht ſich ent: 
faltend. Die Grundibeen, fo verjchiedenartig jonft 
auch die Syfteme der Gnoftifer fein mögen, find 
in den legteren überall diefelben. Die praktifchen 
Sragen der Sünde und Erlöfung bilden das Thema 
der Speculationen; aber fie find nicht als pral: 
tifche Fragen behandelt, fondern als philoſophiſche 
über metaphyfiiche Prozeſſe innerhalb des Welt: 
ganzen. Allen Syitemen liegt die Frage zu Örunde: 
wie ift die Sünde und das Uebel in der Welt zu 
erklären? Gie gehen dabei von einem dualiſtiſchen 
Gefihtäpunfte aus: Gott ift der ſchlechthin jen: 
feitige, in fich gefchloffene, die Welt von Ewigleit 
ber eine un, wenn nicht widergöttliche Mafe. 
Zwiſchen diefe beiden Gegenſätze, die ſich ſchlechthin 
nicht unmittelbar berühren können, tritt nun ein 
das ganze Weltdrama von Verwicklung und Ent- 
widlung, Sünde und Erlöjung — 
Drittes, der Demiurg (Weltſchöpfer). Vermoge 
einer inneren ac. tritt nämlich aus Gott 
heraus eine Selbftobjectivirung, eine Emanatıon, 
und zwar in einer fich immer mehr der Volllom 
menheit entäußernden GStufenfolge nad unien 
(Aeonen). Auf der unterjten Stufe diefer Emane- 
tionsreihe fteht derjenige Neon, welder, von 
Selbftüberhebung geblendet, die Welt bildet, aber 
wegen eigener Unvolllommenheit ein Werk aus 
guten und ſchlechten Elementen gemijcht ins Daſein 
ruft. Dreierlei Eiemente find alto in der Welt ver 
treten: ein pneumatijches, ein pſychiſches und ein 
materielle3 (hyliſches), nach welchen ſich aud dir 
Menſchen theilen und von denen das mittlere das 
eigentliche Gebiet des Demiurgen ift (der vielfach 
als der Bott der Juden betrachtet wird). Hat der 
Demiurg die Harmonie des Ganzen (daS rAnpwue) 
geftört, jo hat dagegen der Aeon Ehriftus die Auf: 
gabe, die in der Welt verjtridten göttlichen Eile 
mente aus ihrer Gebanntheit wieder zu erlöfen und 
an ihren Ort zurüdzuführen. Dies geſchieht durch 
die Bereinigung defjelben mit dem Menfchen Jeſus 
und die Mittheilung des göttlihen Bewußtſeins, 
d. h. der Gnofis. Eingetheilt werden die gnoftt 
ſchen Syfteme jehr verichieden. Giefeler theilt fie 
in alerandrinifche mit vorherrſchendem Platonis 
mus und forifche mit vorherrſchendem Parfismus 
(Dualismus). Neander theilt fie in judaifirende 
(Gerinth, Bafilives, Valentin, VBardefanes) und 
antijüdifche; letztere wieder in ſolche, welche zum 
Heidenthum hinneigen (Ophiten, Pſeudobaſilidia 
ner, Rainiten, Sethiten, Rarpofrates 2c.) und jolde, 
welche fpecififch chriſtlichen Charakter tragen (Sa⸗ 
turnin, Tatian, Enkratiten, Marcion). Baur theilt 
fie 1) in folche, welche das Chriſtenthum mil dem 
——— und Judenthum zuſammenfaſſen (Be 
filives, Valentinian u. Al); 2) jolche, welche jenes 
den legteren entgegenjegen (Marcion u. 4); 3) 
ſolche, weldde Chriſtenthum und Judenthum iden: 
tificiren und dem Heibenthun: entgegenehen (Gle 
mentinen). Bol. Neander, Gen. Entwidiung der 
gnoft. Syfteme, 1818; Matter, Histoire erũ. du 
gnostic,, 1843; Baur, die Hriftl., Gnofis, IS; 


Goar 


6, des Gnoſticismus Weſen, Urſprung, Ent: 
widlung, 1860; Möller, Geſchichte der Kosmologie 
in der griechifchen Kirche, 1860 ; Möller, Ueber den 
Uriprung des Gnoft., 1831. Außerdem bie kirchen⸗ 

elhichtlihen Werke und Ritter, Geſch. der hriftl. 
Böilofophie, 1841. 

Gar, Jacques. Ein gelehrter Dominicaner. 
Geb. 1601 zu Paris. Nach feinem Eintritte in den 
Orden 1619 ftubirte er Theologie und wurde Leh⸗ 
rer der Bhilojophie zu Toul. Als Prior der Domi⸗ 
nicaner 1631 nad) Chios geſchickt, gewann er ge: 
naue Bekanntſchaft mit der griehifchen Kirche, aus 
der fein berühmtes EdyoAöyıor, sive rituale Grae- 
corum hervorging. 1640 fam er ald Prior nad) 
Rom, nahm dann feinen Aufenthalt in Paris und 
ftarb 1653 als Generalvicar feines Ordens. 

Goar, Sautt. Nach der aus dem 9. Jahrhun⸗ 
bert ftammenden Legende lebte St. Goar unter 

bert I. ald Eremit am Rhein, den Heiden 
predigend, de gaftlich beherbergend. Beim 
Biſchof Rufticus in Trier — reinigte er ſich 

un aten und kehrte in feine Zelle zu: 
rüd. Sein Grab ift in der Arypta der Stiftälirche. 
Das Klofter St. Goar ſchenkte Karl der Große der 
Abtei Prüm. In der Stadt St. Goar führte Adam 
Kraft 1527 die Reformation und reformirten Got: 
teödienft ein; 1629-—31 war fie durch die Spanier 
unterbrüdt, bis Guſtav Adolf die Stabt befreite. 
Bol. NRettberg, Kirchengeſch. $. 84; Grebel, St. 
—* 3 hann P Geb. zu G 
‚eig ohann Pupper. Geb. zu Go 
im Anfang des 15. Jahrhunderts, war er Ron 
in Mecheln und feit 1451 Rector und Beichtvater 
eined von ihm geftifteten Diakoni ufeö der 
auen zu Tabor. + 1475. Durch fein Wirken und 
ine Schriften (De quatuor erroribus und De 
ibertate christiana) in ae a 
— *— er dem herrſchenden römiſchen Ka⸗ 
ismus entgegen, und zählt zu ben Reforma⸗ 
toren vor ber Reformation. S. Ullmann, Refor: 
matoren vor der Nef., I, 17—174, 

Godeau, Anton. Geb. 1605 zu Dreux. Seine 
Begengeiipent Higelinns ls Die Deberfegung deb 
eng eliew’3 für eberjegung 

—*— omnia dad Bisthum Grafſe. 
ine —— der Pſalmen, ſeine Kirchen⸗ 
chichte und Aehnl. in Verſen haben wenig Werth; 
er ift die Histoire de Véglise durch gewandte 

Darftellung und gute Auswahl des Stoffes. Er 
ftarb ala Bifchof von Vence 1672. 

Godehard, ver Deinen Geb. um 960 zu Reiten: 
bach in ern in der Nähe beö Klofters Rieder: 
altaich, in welchem er Mönd und Abt wurde. Bon 
Heinrich IL. berufen, reformirte er bie Klöfter Hers⸗ 
feld, Tegernfee und Kremsmünſter und wurde 
Nachfolger des Biſchofs Bernwarb von Hildesheim 
( d. Art.), defien Werk und Arbeit er in gleichem 

nne fortjegte. + 1038. Da fchon bei feinen Leb⸗ 
zeiten Wunder von ihm berichtet wurden, tft er 
1132 heilig gefprochen. 

Gosl ift der Biuträcher, Goblspflicht die Pflicht 
ber ng AU d, Art.). 

Görres, nn Joſeph. Geb. zu Koblenz am 
25. Januar 1776, war er in ber erften Periode 

Lebens ber begeifterte Borlämpfer deutſcher 


it, in ber zweiten ber bebeutenbfte und 
Bertreter bed mobernen Katholicismus. 
en von den been ber franzöfifchen Re: 


‚gab er 1796 die Zeitfchrift „das rothe 


305 


Goffine 


Blatt“ heraus bis 1799, wo eine politifche Sen- 
Perg Ser Paris ihn deutlicher erfennen ließ, was 
für Deutſchland von dorther zu erwarten ei. Als 
er 1803 eine Zehrerftelle in Koblenz erhalten hatte, 
lebte er —— dort und in Heidelberg philo⸗ 
ſophiſchen und naturwiſſenſchaftlichen Studien. 
1814—16 redigirte er das pri Ai 
Blatt „der Rheinifche Merkur“, defien Herausga 
mit einem Preßprozeß —* und ihm die Sielle 
als Director des öffentlichen Unterricht (feit 1814) 
koſtete. Wegen der Schrift „Deutfchland und bie 
Revolution“ (1820) mußte er nad) Straßburg flie: 
en. Studien über die katholifche Myſtik (4 Bde., 
836—42), den Kölner Dom und Aehnliches wen: 
deten ihn der mittelalterlih:romantifchen Reaction 
des Katholicismus zu, durch welche er auch feine 
politifhen Ideale ler unter Defterreich 
zu verwirklichen hoffte. 1827 von Ludwig I. na 
Münden berufen ald Profeſſor der Geſchichte, 
ſchrieb er in den tirlichen Zeitfragen den „Atha: 
nafius” (1837), „die Trtarier Leo, NMarheinele und 
Bruno Bauer“ (1838), und — die Hiſtoriſch⸗ 
politiſchen Blätter, deren Redaction ſein Sohn 
Guido Görres (+ 1852) übernahm, welche durch 
viele Auffäge von feiner Hand feine Geſchichtsauf⸗ 
bie befunden. Er ftarb, als die Abelihe Ka: 
tajtrophe in Münden feine Hoffnungen zertrüm: 
merte und die Revolution von 1848 fi anfündigte, 
am 27. Januar deflelben Jahres. 

Göſchel, Karl Friedrich. Geb. 1784 zu Langen: 
alza, ftudirte er Jura zu Leipzig 1810 und machte 
ich ald Richter zu Langenſalza durch feine Chronik 

er Stabt 1818 belannt. Dann Oberlandesgerichts⸗ 
rath zu Naumburg, ward er 1844 im Juſtizmini⸗ 
ftertum ald geheimer Oberregierungsrath angeftellt, 
1845—48 Confiftorialprä t in Magdeburg, 
privatifirte in Naumburg und ftarb am 22. Sept. 
1862. Ex fuchte anfangs (Aphoriämen über Nicht: 
wiſſen und abfolute8 Wiffen, 1829) die Ueberein: 
ftimmung ber —— Philoſophie mit dem 
Chriſtenihum darzuftellen, auch Strauß von die⸗ 
em Standpunkt aus zu widerlegen (Beiträge zur 
pecul. Bhilofophie, 1838), trat aber immer mehr 
auf die confejfionell:firchliche Seite. Er leitete das 
Berfahren gegen Wislicenus, Uhlich und die Licht: 
freunde und mußte 1848 vor ber Erbitterung des 
Volkes Magdeburg verlaffen, nachdem er um feinen 
Abſchied eingelommen war, ald ber freien Gemeinde 
eine Kirche zum Mitgebraud) eingeräumt worden. 
Mehrere Arbeiten tiber Dante find von Intereffe. 
Öttingen. Ueber die Reformation ſ. Calen: 
berg. Die Univerfität ift gejtiftet 1733 und am 
17. Sept. 1757 eingeweiht. 
‚ Johann Meldior. Geb. 16. Det. 1717 
u Halberftabt, ftudirte in Jena und e, war 
Oltföprediger in Aſchersleben, Pfarrer in Dagde: 
nut, feit 1755 an St. Katharinen in Hamburg. 
Er ift am befannteften durch feinen Streit mit 
Leſſing, nah Herausgabe ber MWolfenbütteler 
Fragmente durch benfelben, und dur befien 
„Antigöge”. Ericheint er gleich da nur als Vertreter 
einer jtarren Orthodorie, jo hat er fi anderwärts 
als — gr Er a Gelehrten und Theo: 
logen erwiejen. + 1786. 

Götzendienſt. S. Abgötterei, 

Gojfine, Leonard. Geb. 1648 zu Köln, + 1719. 
Prämonftratenfer zu Steinfeld, ift ala Berfafier 
eines oft auffelegten „Ehriftlatholifchen Unter: 
richts· und auungsbuches er Auslegung 


Gog und Magog 306 Goßner 
ber Perlkopen, Gebeten und Erflärung der Cere- Bolen. In ber Hoffnung, an ihm, ber 1550 ben 
monten belannt. unfatholifchen Lehren bed Franz Stancaru wider; 


Gog und Magog. Magog, ein japhetiſcher ſprach, ein rechtes Werkzeug zu geminnen, fanbte 
Stamm, 1. Moj. 10, 2 (Scothen), wird Ey. 58 u. | Ihn der Klerus zur Ausbildung nad) Deutſchland 
59 unter feinem König Gog als der legte ferne | und der Schweiz. Er kehrte aber als entſchiebener 
Feind des h. Volles gefchildert, den Gott über: | Antitrinitarier in Servetfcher Richtung zurüd und 
wınten werde. Die Offenbarung nimmt in diefem ſchloß fih den Reformirten an. Er wollte Ghri- 
Sinne die beiden Namen wieder auf 20, 8, ver: | ftus, den er auch Gott nannte, geriau vom Logos 


wandelt aber aud den Namen Gog in einen 
Volldnamen, um die Mehrheit oder die Gefammt: 
heit der fernen Heiden zu bezeichnen. 

Goldene Bulle. S. Bulle, die goldene. 

Goldenes Ralb. ©. Kalb, 

Goldene Zahl. ©. Zahl. 

Golgatha. Schädelftätte. Der Pla, wo Jefus 
gefreujigt wurde und der feinen Namen entweder 
von den Schädeln ber Hingerichteten oder von 
feiner Geſtalt belommen bat (Matth. 27, 33; 
Marc. 15, 22; Joh. 19, 17; Hebr. 18, 12), ©. 
Grab, das heilige. 

Goliath. Iſt der Name bes philiftäifchen Nies 
fen, weichen David (ſ. d. U.) Überwand und ba: 
mit den Sieg Iſraels entihied. Die Stelle 
2. Sam. 21, 19, mo die Erlegung Goliath3 dem 
Elhanan zugefhrieben wird, bringen Mande 
(Bıscator und die englifche Ueberfegung) nad) 
1. Chr. 20, 5 durch Einfchiebung des Wortes „den 
Sahmi, den Bruder“ mit dem erften Bericht, 
1. Sam. 17, in Uebereinftimmung. 

Golius. Geb. 1596 in Haag, war —* der 
griechiſchen Sprache zu La Rochelle, 1624 Profeſſor 
ber arabiſchen Sprache, 1629 auch der Mathematik 
zu Leyden; + 1664. Auf zwei Reifen in den Orient 
ai wer und durchforſchte er dortige Biblio: 
theten. Bon feinen Werten ift das berühmtejte das 
Lexicon arabico-latinum, 1653, und die vermehrte 
Ausgabe von Erpenius’ arabifcher Grammatik, 

Gomarus, Franz. Geb. den 30. Jan, 1563 zu 
Brügge. Da die Eltern ihren ae in ber 
Balz nahmen, ftudirie er in Straßburg unter 
Sturn, in Neuſtadt und in Heidelberg unter 
Urfinus, Zanchi und Toffanus. War dann Baftor 
der niederdeutſchen Gemeinde in Frankfurt a, M. 
1587 — 114; wurde Profeffor in Leyden 1611; 
legte die Stelle nieder, ging 1614 ald Profeffor 
der Theologie nad) Saumur, 1618 nad) Grönin: 
gen; + 1641. Er ijt berühmt ald das hervor: 
ragendite Glied der Dordrechter Synode 1618 
und als der Örgner de3 Arminius, gegen welchen 
er die reformirte Lehre über Brädeftination und 
Nechtfertigung vertrat. Seine gefammelten Werte, 
Amſterdam 1645 und 1664, 

Comer. 1. Moſ. 10,2 3; Ez. 38,6. Iſt nad) 
ber. Böltertafel der erſte Urſtamm der Japhetiden, 
welcher jich in die Stämme Aslenas, Niphath und 
Thogarma verzweigt, ©. wird allgemein auf die 
Kimmerier bezogen, welde am Pontus Eurinus in 
der Krim wohnten, und von da aus fich in ver: 
ſchiedenen Zügen verbreiteten. Van will in ihnen 
das Stammpolf der Cimbern, Gothen und Ger: 
manen ertennen. Astenas, Ser. 51, 27, wird auf 
dad Schwarze Meer, Niphath auf die Karpathen, 
Thogarma auf Nordarmenien bezogen. 

Gomorrha, veifen Untergang 1 Mof. 18, 20; 
19, 21 erzähit wird, war eine Stadt im Thal 
Siddim, deren [bon zu Abrams Zeit Erwähnung 
gethan wird, ald Kedor-Laomer fie erobert hatte, 
l. Moſ. 13, 10. * 


Goueſiub, Peirus. Geb. 1525 zu Goniabz in’ 





unterfhieden wiſſen. Die Synode von Secemin 
1556 fandte ihn an Melandthon, um deſſen Ur: 
theil einzuholen. Als diejer feine Lehre als blad: 
phemifch verwarf, ſchloß ihn eine zweite Synode 
zu Secemin 1656 und zu Brezesk 1568 aus der 
Gemeinigaft aus. Als Prediger zu Wengrom 
ſchloß er fi der unitarifhen Kirche in Polen an, 
erfiel aber auch mit ihr, theils weil er ihren Con⸗ 
equenzen nicht folgen wollte, theild wegen priva: 
ter, den wiebertäuferifchen verwandter Anſichten. 
Sein ſpäteres Leben iſt unbelannt. 

Gonzaga. S. Aloyfius von Gonzaga. 

Gonzalo von Berceo, Ein ſpaniſcher Weltprie: 
fter zu B., 1198—1268, von welchem neun did: 
terifche Werke, über das DMefopfer, das jüngfte 
Gericht, die Jungfrau Maria und das Leben dei 
b. Dominicus, des h. Yemilian und ber h Aurea 
auf ung gelommen find. Nach Clarus iſt er ald 
Dichter nicht unbedeutend, in feinen Werlen ver: 
lautbaren die erſten Regungen bes Geifted, wel: 
2 nachher die ſpaniſche Poefie zur Porfie des 

atholicismus erhob. 

Gorgias. War Unterfeldherr des Lyſias im 
Kriege gegen Judas Maktabäus. Seinem Plan 
des nächtlichen Ueberfalls bei Emmaus kam Ju 
das zuvor und vernichtete das feindliche Heer, 
1. Matt. 3, 38 ff. Als Oberfelogerr [tus er ſpã⸗ 
ter die Juden bei Jabun und Narchä, 1. Mall. 
5, 67 und 2. Maik. 12, 86 5. 

Goriun. Ein Zeitgenofje Ecnils (f. d. A.) und 
mit ihm Schüler des h. Mesrop, welcher Biſchof 
in Georgien war. Er gehörte zu den Gelehrten, 
die zum Erwerb und zur Ueberſetzung griechiſchet 
Schriften ins Armenithe nad Gonftantinopel ger 
fendet wurden. Die einzige ihm felbft angehörige 
Schrift ift die — — des h. Mesrop. 
Bol. de Wette, Goriuns Lebensbeſchreibung des 
h. Mesrop, Tüb. 1841. 

Gorkum, Märtyrer von. 19 Mönche und Prie— 
fter aus Dordredt, die nad) Gorkum ſich geflüchtet 
hatten, dort bei der Eroberung durd) die Geufen 
unter Wilhelm von der Mark 1572 gefangen ge: 
nommen und gehängt wurden. Wegen der Wun⸗ 
der, welche geihahen, geſtattete Clemens X. 1674 
ihre Verehrung als Selige für ganz Holland. 

Goriyna auf Greta. Eine alte Stadt, nad 
Gnofjus die bedeutendjte der Inſel. Hauptfig des 
Eultus der Europa, wird erwähnt 1. Malt. 15, 28. 

Gojan. 2. Kön. 17,6; 19, 12; Je. 37, 12. 
Eine Landfchaft in Mejopotamien, welde ber 
Chaboras duchftrömt, wohl das Favcuritis dei 
Ptolemäus, 

Gofen. Die ägyptifhe Provinz, welche den 
Jiraeliten zum Wohnſitz angewieſen war. Nah 
ven Andeutungen 1. Mof. 45, 18. 20; 47,6. 11; 
2. Mof. 13,20; 14, 1 ff. muß Gofen an Arabien 
gegrenzt und bis ins Nildelta ſich erſtreckt haben, 
was auf die Provinz es⸗Scharkijeh pajje:: würde, 
die Robinfon für Goſen erklärt. 

Gofner, Johannes Evangelifta. Geb. zu Hau: 


* 


jen bei Augsburg, ſtudirte zu Dillingen unter 


Sothaifches Bündniß 


307 


Gothen 


immer, trat in das Collegium zu | er Verwüſtung ber heidniſchen Hunnen bewahrt 


Sailer und 8 
Ingoljtabt 1793 und wurde nad dem Austritt 
1796 aus bemjelben 1797 Hülfscaplar. Eine tie 
pe Rihtung, der er fhon früher gefolgt, wurde 
ch Briefe von M. Boos und perjün X Be: 
gegnen mit bemfelben befeftigt und aud durch 
jefuitifche Berfolgungen nicht gebrochen. 1804 be: 
fam er die Pfarre zu Dirlewang, die er 1811 
nieberlegte, um in Münden auf einer Heinen 
Pfründe durch Predigt und Schriftftellerei zu 
wirken. 1817 wegen feiner Glaubendüberzeugung 
ejeyt, war er 1819 Religiondlehrer am Gym: 
na u Düffeldorf. 1820—24 an der Peters⸗ 
burger einde angeftellt, lebte er feitdem in 
Zeipzig, wo er 1826 zur evangelifchen Kirche übers 
trat, 1827 wurde er Prediger der Bethlehems: 
firde in Berlin. } 20. März 1858. Seine Wirk: 
famfeit ging durch die von ihm geleitete Heiden: 
miffion, bie 140 Miffionare ausſandte, durch bie 
Stiftung von Männer: und Frauenvereinen, wie 
duch feine erbaulihen Schriften (Schagkäftlein 
1824 ; Golblörner 1859 u. a.), weit über bie Gren⸗ 
zen feiner Gemeinde hinaus. 
othaiſches Bündniß. Gegenüber bem Regens⸗ 
burger Bundniß ſchloſſen die evangeliſchen Für: 

n, der Kurfürſt von Sachſen und ber Landgraf 

bilipp von en, zu Gotha 1526 ein Schuß: 
bünbuiß, weldes in demjelben Jahre zu Torgau 
bejtätigt wurde und dem die meijten evangelifchen 
Stände beitraten. 

Gothen. Ein germanifher Stamm, der im 3. 
Jahrhundert nah Chr., an der untern Donau 
auftritt, wo biöher die Geten — hatten. 
Wahrſcheinlich find die beiden Namen identiſch. 
Sie drangen gegen das römijche Reid) vor; 251 
fiel Decius im Kampfe gegen fie, und ihren Raub: 
und Plünderungsdzügen, die ſich bis nad Klein: 
afien ausdehnten, jegte erſt Conftantin d. Er. ein 
Biel, der nad hartem Kampfe dauernden Frieden 
mit ihnen ſchloß. Gefangene Klerifer verbreiteten 
unter ven Gothen das Chrifientfum; es entftan- 
den Gemeinden, fo dat 325 zu Nicda ein gothis 
ſcher Bischof anmwejend fein fonnte. Größeren Auf: 

wung nahm die Sade aber erjt durch Ulfilas 
(j. d. % und ald Eutyches aus Auppaborien und 
der verbannte Biſchof Audius unter den Gothen 
ihre Wirtjamteit begannen; zugleid aber erwachte 
ber Widerftand deö Heidenthums, jo daß Ulfilas 
355 mit einer chriſtlichen Schaar ſich im römiſchen 
Reiche anfiedelte; in einer neuen Berfolgung 370 
durd) Athanarid) farben Viele als Märtyrer. Als 
aber yrithijer, der Gegner Athanarichs, zum 
Chriſtenthum übertrat, folgte ihm der größere 
Theil des Volts. Durch ihn und Ulfilas gewann 
aber die arianifche Form des Glaubens das all: 
gemeine Uebergewidt. Gebrängt von den Djtgo- 
then, die den Hunnen wichen, juchten die Weit: 
gothen auf dem römischen Gebiete Zuflucht; nad) 
dem Siege über Balens 378 überflutheten fie das 
Reich, bis fie ald Bundeögenofien aufgenommen 
wurden und Möfien und Thracien behielten. Ihr 
glängender Kriegs: und Beutezug unter Mari 
durd den Peloponnes, Jlyrien nah Rom und 
Unteritalien diente dazu, dem Heidenthum bes 
Landes den legten Stoß zu geben durch die Zer— 
itörung der Tempel und Gögenbilder. Alarichs 
Nachfolger, Athaulf und Wallia, gründeten dann 
das weſigothiſche Reich in Gallien, das durch ben 
Sieg (451) den Catalauniſchen Gefilden vor 


wurde und unter Eurich (466—484) feine größte 
Blüthe erlangte. Die fatholifhen Unterthanen, 
bie das Reich —— hatte, beförderten feinen 
Untergang. Eurich hatte den politiſchen Ueber 
griffen der Bifchöfe gewehrt, fein ſchwaͤcherer Sohn 
Alarich (434507) gewährte ihnen Freiheit und 
in firhlihen Dingen Selbftändigfeit, trogdem 
waren ihre Augen auf das fatholij —— 
gerichtet. —— benutzte dieſe Sympathien, 
und die Schlacht bei Vouglo 507 machte dem 
weſtgothiſchen Reih in Gallien ein Ende. win 
den Reit des galliihen Reiches, den Theoderi 
db. Gr. noch beſchränkt hatte, verlor Amalarich au 
Ehildebert 531 und Theudes verlegte den Sig 
ber Regierung nad Spanien. Auch jetzt ging die 
Schwächung bes —— von der Begünftis 
gung ber katholiſchen Biſchöfe aus, durch welche 
die Fatholifhen und romanifhen Unterthanen 
gewonnen werben follten. Daher verfuchte Leovi⸗ 
id, gegen ben fein katholifher Sohn ſich erhoben 
Batte, nach deſſen Defiegung und Hinrihtung durch 
gewaltfame Unterbrüdung die Einheit der Kirche 
und die Stärke des Reiches wieder zu gewinnen. 
Den entgegengefegten Weg wählte fein Sohn 
Reccared (+ 601), der Sohn einer katholiſchen 
Butter. Er berief 507 ein ze. Concil nad) 
Toledo und erflärte ſich für die fatholifche Kirche; 
feinem Beifpiel folgten die meiften arianifchen 
Biſchöfe und bald das ganze Voll, Auf dem 2, 
Concil von Toledo 589 murbe ein katholiſches 
Glaubensbelenntniß mit dem Zufag filioque ans 
genommen. Damit fiel auch das frühere Verbot 
des Connubiums zwifhen Gothen und Romanen, 
und um die Scheidung noch mehr zu verwilchen, 
vereinigte Reccared in feinem Geſetzbuche das gos 
thiſche Recht mit dem romanischen, welches Alarich 
im Codex Theodosianus oder Breviarium Alari- 
cianum hatte zufammenfaflen laffen. Da das 
Reich ein Wahlreich geworden und von innern 
Unruhen fortwährend erjchüttert wurde, wuchs 
die Macht des Klerus immer mehr. Das 4. Con« 
cil zu Toledo (zugleich Reichdverfammlung) über: 
trug den Bifhöfen und dem Adel die Königs⸗ 
wayl. Wegen des politiihen Einfluſſes bemach⸗ 
tigte fih der un le Adel der Bifchofsfige. 
Vergeblich waren Reccajuintds Bemühungen um 
Hebung der Kirchenzudt ; jein Nachfolger Wamba 
verlor den Thron durd eine den Biſchöfen mißs 
liebige Maßregel; der Ufurpator Erwich gewährte 
dankbar neue Privilegien, Als daher Witiza die 
Rechte der Biſchöfe einjchräntte, einen Theil bes 
Kirchengutes einzog, die Judenverfolgung (feit 
694 janctionirt) verbot, wiegelte der Klerus das 
Bolt auf; es entftand ein Bürgerkrieg, in dem 
Witiza's Söhne den arabifhen Kalifen Mufa zu 
Hülfe riefen, deffen Feldherr Tarit bei Terez de 
la Frontera das —— Heer ſchlug und dem 
rer Reiche ein Ende madte. Dal. Aſchbach, 
efhichte der Weftgothen, 1827. Heliferich, der 
weſtgothiſche Arianismus, 1860. — Die Oft: 
gothen — das Chriſtenthum als Arianis⸗ 
mus von den Weſtgothen und Vandalen empfan⸗ 
gen; nur unter den in ber Krim zurüdgebliebes 
nen Stämmen richtete eine, durch Chryſoſtomus 
geftftete Miffion ein Latholifches Bistum auf. 
er Hauptftamm der Oſtgothen ſchloß ſich an die 
Hunnen an und blieb nad) Aitila’8 Tode in Ban 
nonien; wo fie unter ben Königen Walamir, 


Gothiſche Bibelüberfegung 


eodemir und Widimit Häufige Einfälle in das 
treich machten, bis Theoderich b. Or. 475 unter 
ber —— Oberherrlichkeit des Kaiſers Zeno 
Odoakers Reich in Italien zerſtörte und das oſt⸗ 
othiſche Reich aufrichtete. Seine Tochter Amala— 
—* (526—534) wurde nad dem Tode ihres 
Sohnes von Theodat ermordet. Diefem folgte 
Vitiged, den Belifar 540 gefangen nahm; au 
ben legten gothifchen König Totilas befiegte Nar: 
ed 556. Auch der rafche Untergang des oftgothi: 
hen Reiched war durch den Arianidmus herbei: 
geführt. Derſelbe Hinderte die von Theodoſius 
angeftrebte Bermifchung der Gothen mit den fa: 
tholifchen Römern, und machte diefe gu Verbin: 
dungen mit Gonftantinopel —* heodoſius 
mußte fein anfänglich fchonendes Verhalten gegen 
die fatholifche Kirche Ändern, ala unter Juſtin I. 
das oftrömijche Ehriftenthum fi mit Rom aus: 
geföhnt hatte und die Arianer von Neuem angriff; 
er entzog aber damit feinem Reiche die Unter: 
ie es römifchen Klerus, 
otbiige Bibel — Der Biſchof der 
Weſtgothen Ulfilas (+ 383) überfehte um's Jahr 
870 die griedhifche Bibel ind Gothifche mit eigener 
Erfindung eines gothifchen Alphabetes. Mit Aus: 
nahme der Bücher der Könige, die ihm zu kriege⸗ 
riſch für feine Gothen ſchienen, überfegte er die 
ganze Bibel. Das Werk mar gänzlich verloren, 
als im 17. Jahrhundert der fog. Codex argenteus, 


= 


308 


Gott 


geglieberten, Leicht zum Himmel fpringenden Bau⸗ 
maffe hervorruft. Im ie eye 
Stile ift im gothifchen der Drud der Gewölbe auf 
Strebepfeiler abgeleitet, welche die maffive Dide 
ber Mauern überflüffig machen und das Heußere 
der Kirche harmonisch —— wodurch, ebenſo 
wie durch die reichere Öltederung ber Säulen zu 
Säulenbünbeln im Innern der Eindrud bes 
Schweren ſich völlig umwandelt in ben des Empor: 
wachſenden und Freien. Die Gewölbe mit ben 
Strebepfeilern,, die Portale und Fenſter bilden fo 
jufammen einen gewaltigen, einheitlichen, ftreng 
egliederten Organismus auf Grund des Spig- 
ogen 3 2) Der Abjhluß des gefammten 
Spik — — wird durch außerordentlich 
hohe und ſchlanke Thürme gebildet, welche gemö 
lich al8 Bierede aus dem Boben u und o 
in einer achtedigen burchbrochenen, luftigen Pyra» 
mide abſchließen. 3) Diefen großen Verhältnifſen 
entjpricht ebenfo reiche, mannig a. und Iuftige 
Verzierung in allen einzelnen en. Es gi 
nirgends eine leere, durch Teine Gliederung belebte 
läche. Fenfter und Portale beleben die Innen⸗ 
* ihres Spitzbogens durch ein reiches, luftiges 
aßwerk. Die F ſind mt gewöhnlich 
bemalt. Auf allen Seiten bilden 08: Phialen, 
feine, ſchlanke Thürmchen, die Abſchluſſe der von 
unten aufftrebenden Pfeiler. Ueber den Bortalen 
fteigen häufig fog. „Wimperge" in bie Höhe, ben 


bie Evangelien enthaltend, entdedt und von ben | Spigbogen gleichſam ſchützend. Ueber bem Haupt: 


Schweden aus Prag nach Upfala verbracht wurde. 
Bom Römerbriefe wurden in Wolfenbüttel von 
Anittel Bruchftüde entdedt und 1763 Deore 
ben. Die übrigen Fragmente wurden in Mailand 
von Mai und Gaftiglione in Balimpfeften entdeckt 
und veröffentlicht von 1819— 39. Erhalten ift 
dadurch vom N. T. nur Meniges (Pf. 53, 2.3; 
Eith. 2, 842; Neh 5—7 Tüdenhaft), vom N. T. 
die Evangelien und bie paulinifchen Briefe. Ausg. 
von Gabelentz und Löbe, 1836 ff.; Mafınann, 
gothiſch, griechiſch, deutſch, 1864. 

Gothiſcher Stil. Eine ſelbſtändige Abzweigung 
des romanischen Stils in großartiger Entfaltung. 
Der Name, ald Spottname bei den Stalienern ent: 
ftanden, entſpricht geihichtlicher Wahrheit durch⸗ 
aus nicht. Mit den Gothen 2 ber Stil nicht3 zu 
ſchaffen, weßhalb er auch den Namen „germanifcher 
Stil” trägt. Obgleich von arabifhen Formen be: 
einflußt und in Busch früheften Erzeugniffen na» 
mentlid in Nordfrankreich vertreten, gehört doch 
die eigentliche conjequente Ausbildung zum Stile 
dem germanifchen Geifte an. Der Grunddaralter 
des Stiles ift dad Princip des Spigbogens, mel: 


ortale jteht die „Rofe“,d. h. ein en nd» 
enter. Sämmtlihe Phialen und Thürme find 
mit „Krabben” (kleineren Steinblumen, Knollen) 
verfehen, welche die Linien beleben und gleihfam 
mit der Luft zerfließen laflen. Die em ber 
Thürme bilden die „Kreuzblumen”, 4) Die Grund» 
form ift im Ganzen biefelbe wie im romaniſchen 
Stil, d. h. die Kreuzform der alten Bafilica. Die 
Krypta unter dem Chore ift übrigens meift weg— 
efallen. Die älteften Dentmale des gothifchen 
tiles in Deutſchland find die Liebfrauenkirche zu 
Trier (1227—1244) und die Eliſabethenkirche A 
Marburg (1235 begonnen). Die bedeutenditen 
zeugniffe des Stils find die Dome zu Köln, von 
Konrad von Yo Di 1218 begonnen, und von 
Straßburg, durch Ermin von Steinbad) 1275 ent: 
mworfen. Ueber Sieilien, Frantreih, England, 
Spanien hat fi) die Bauart verbreitet. Im 15. 
Jahrhundert fängt fie an zu ſchwinden. Vgl. Kreu: 
fer, der riftliche Kirchenbau, 1851. Springer, die 
— des chriſtl. Mittelalters, 1854. Lützow, 
die Meiſterwerke der Kirchenbaukunſt, 1864. 
Gott. Von allen Trieben, Ahnungen und 


ches, im Gegenſatz zum romaniſchen Aa | Sehnjuchten, die Menſchen und Völter bewegen, 


der ganzen Bauart den Charakter de3 Auf 


tre: iſt von jeher ber religiöfe Trieb bei weitem ber 


benden und Schlanten im Gegenfag zu dem des |tieffte und mächtigfte geweſen. Jedem geiftigen 
; J mehr als Ahnu gr 


Maijiven und Schweren verleihen mußie, indem | Triebe aber (mag er 


damit bie Kunſt gefunden war, die colofjaliten 
Maſſen in leichtefter und freiefter Weife 
Höhe wachien zu lafjen. Die Hauptmerkmale des 
gothiſchen Stiled find folgende: 1) indem ber 
romanische Stil nur eine beichränfte Höhe zuließ 
und biefe Höhe nur mit den mafjioften Mauern zu 
—— im Stande war, war dagegen dem Spitz— 


in bie | Tiefe und 


n 

als sg äußern), der fi (durch — 
llgemeinheit) als dem Menſchenweſen 
weſentlich bewährt, muß (ebenſo wie im Gebiete 
des Naturlebens dem Naturtriebe) ein wirkliches 
Sein erfüllend entſprechen. Was iſt denn nun 
das Wefentliche in jenem eg wie Bedürfniß und 
Triebe? Deuten wir died Bedürfniß recht, fo 


ogen die Ichlanfe Höhe ermöglicht, fo daß der |haben wir damit auch bad Weſen der Gottesidee 


Spigbogen zu einem völligen organisch ausgebilde: 
ten Syſſem mit entiprehenden Gewölben, Strebe: 
pfeilern, Säulen, Fenftern, Thürmen u. |. m. ent: 
faltet, den Eindrug einer ungemein kunſtreich 


| 


verftanden. Denn wer Gott jagt, der meint eben 
dasjenige Seiende, das feinen religiöjen Trieb, 
feine Ahnung und feine Sehnſucht befriebigt, mit 
dem ex jich in Gemeinſchaft jegen möchte. Lieben 


Gott 


unb verehren können: bad ift ber Inhalt bed reli⸗ 
gidfen Lebendtriebes. So aber lieben und vers 
ehren zu können, daß biefe Liebe und Verehrung 
zur Anbetung wird: das ift der Lebenstrieb, der 
ju Gott führt: zu einem Sein und Wefen, auf das 
ich mich, ald auf die allmächtige, Alles umfafjende 
Liebe, Gerechtigkeit und Wahrheit ftügen, getroft 
und freudig verlafien Tann, zu einer bie ganze 
mit mir durchwaltenden fhöpferifhen Güte 
und Weisheit. Anbeten Tann ich eben nur bie: 
jenige ethiſch· volllommene Güte, bie zugleich das 
Urfein und das Urleben, bie Zugrei ſchö⸗ 
pferiſche Träger und der ſelbſtbewußte Geſtalter 
und Regierer des geſammten endlichen Daſeins 
iſt. Aber auch: nicht die bloße Allmacht, nicht das 
bloße Urſein und Allleben, nicht den ewigen 
Lebensquell, nicht das Abſolute und Unbedingte, 
oder unter welchem Namen es ſich darſtellen mag, 
lann ich lieben und rn ; und wenn ed ange: 
betet werden follte, fo könnte died nur dadurch 
efchehen, daß in biefe Subſtanz ober in biefen 
ebenäquell die fittlihe Volllommenheit mit hin: 
eingedacht würde. Denn Anbetung ift ber ſpeci⸗ 
— religiöſe Act, und religiös iſt nur die anbes 
tende Verehrung, die der weſentlich fittlihen Ma: 
jeftät der Gottheit gegollt wird. 
Nur in der Goltesidee, die burch Mofed im 
hebräifchen Volle Erfenntniß und Geſchichte wird, 
in heiligen Weihen und Ordnungen bad Leben 
durchdringt, und bie dann in Chrifto vertieft, zur 
Religion der Menſchheit — und kirchen⸗ 
bildende, lebenerzeugende Macht gewonnen hat, in 
dieſer iſt der ganze Kern der Gottesidee erſchienen. 
Es iſt nichts Neues, es iſt nur die Entfaltung 
deſſen, was die Offenbarung in Chriſto gebracht, 
nur die anfangende Entfaltung deſſen, was aus 
feinem Angeſichte als Gottes Weſen herausleuch⸗ 
tet und aus feinem Worte herausſpricht, was er 
ald Sein Gottes in fi trug und wie er den Ba: 


ter kannte, wenn man ed gerabe jet wieder ftärfer | nich 


betont (Dorner, Weiße): daß ber Kern des Gottes⸗ 
bemußtjeind nicht die Allmacht, fondern bie fitt: 
liche Güte ift, und Gott überal nur in dem Maße 
richtig und lebendig erfannt wird, ald man ihn 
als den Heiligen fennt, den Duell und das Leben 
und bie Allmacht ber Liebe. Nur von Gott felbft 
lann diefe Gottesidee in bie Menſchheit hinein: 
gepflanzt und — ———— ſein. Hinein⸗ 
oepflanzt als Anlage, als Trieb, als Ahnung und 
Sehnfucht; hineinerzogen durch das, was man 
Dffenbarung nennt: Offenbarung im meiteren 
Sinne, in dem er ſich, fein Weſen nirgend ganz 
verhüllt, gang unbezeugt gelafjen hat, am wenig: 
ften den fuchenben Seiftern unter ben Gulturvöl: 
fern auch ber alten Welt, aber auch in den ges 
ſchichtlichen und perfönlichen Führungen, bie dem 
eigentlichen Volle der Offenbarung, den Ifraeli⸗ 
ten, die feine Spur am tiefften und reiniten er—⸗ 
tannten, ald Enthüllung ſeines innerftien Weſens 
u Theil geworden find, damit fie die Träger der 
Künftigen ee mürben. 

Ein fo ftark, jo deutlich, fo die Geſchichte und 
bie Einzelherzen in ber Tiefe bewegender Lebens⸗ 
trieb trägt die Bürgichaft ſchon in fih, dab ihm 
ein Reales, das ihn befriedigen fünne, entipreche, 
daß „Gott“, der wahrhaftige Gott nicht bloß in 
der menſchlichen Borftellung, fondern daß er in 
Wirklichkeit eriftire, ja daß er gewiſſer und wahr: 
bafter fei ald alled übrige Dafein. Und fo hat 


309 


Gott 


er fi benn auch der Menfchheit, die ihm ſucht, 
ben nad) ihm fragenden Geiftern zu A 
— „Du haft und zu Dir geſchaffen, und 
unjer Herz ift voll Unruhe bis es in Dir ruht”, 
in biefem ——— ber Erfahrung eines Augu⸗ 
ftinus, in den Musrufen der Palmen: „Wie ein 
Hirſch ſchreit na friſchem Waſſer, ſo — ſo bren⸗ 
nend, ſo durſtig, ſo heiß und tief — ſchreit meine 
Seele nach Dir”, „meine Seele duͤrſtet nach Gott, 
33 dem lebendigen Gott”, und „wenn ichen 
Di ‚habe, p age ich nichtö nach Himmel un 
Erde” —: in le eftändniffen und Ergüfien 
ber Seele, in folden Erfahrungen, die ein Leben 
vol Kampf und Betrachtung Hinter fid) haben und 
in fih fliegen, ſpricht fi die tieffte Ueberzeu⸗ 
ung aus, bie ein menfchliches Herz nur erfüllen 
ann. Aber nur auf Grund eines Lebens in 
Gott, einer gewiffenhaften treuen Arbeit ber 
Liebe, der Wahrheit, der Gerechtigkeit vor Gottes 
Augen und in ihm, kann dieſe eh in fo ftart 
werden. — Als Beweife für das Dafein Gottes 
führt bie nr rg gewöhnlich a een auf. 
1) den — chen, von Anſelm von Canterbury 
entwidelt, welcher fo lautet: Die Idee des voll, 
fommenften Weſens ift und angeboren. Da nur 
vom Begriffe des Volllommenften dad Merkmal 
ber Realität ſchlechthin untrennbar ift, fo Liegt in 
ber Idee Gottes die Realität zugleich eingeſchloſ⸗ 
en, 2) ben moralifChen, melder von ber Thats 
ade bed fittlihen Bewußtfeins, d. h. bed Bemußt- 
eind eines Geſetzes von abfoluter Autorität und 
von ber Eriftenz biefed auf die Eriftenz eines ab» 
foluten Grundes dieſes Geſetzes zurlichſſchließt. 
3) den kosmologiſchen, welcher den Begriff der 
Eaufalität zu Grunde legt. Da jede Erfcheinung 
in ber Welt nur ald Wirkung einer vorausgehens 
ben Urſache egiftirt, und innerhalb der Ericeis 
nungswelt jede Urſache immer wieder die Wir— 
tn einer Pokern Urfache ift, fo muß, wenn man 
eine ind Unendliche gehende, für und undenk⸗ 
bare Caufalitätsreihe annehmen will, eine höchſte 
Urſache, welche nit mehr Wirkung ift, nothwen⸗ 
dig gedacht werben. 4) den phyfico:theologijchen 
oder teleologifchen, welcher vom Begrifte des Zwe⸗ 
des, ber innerhalb der Welt ber Erfcheinung:n 
überall unverfennbar ift, auf einen höchſten Zweck⸗ 
feger ——— läßt, da ein Zweck nur als ein 
frei Geſetztes von Seiten eines ſetzenden vers 
nünftigen Wejens begriffen werben fann. 5) den 
geſchichtlichen Beweis aus der Mebereinftimmung 
aller Zeiten und Völker, welder fein zufälliger 
fein kann (consensus gentium). Dieje Bemeife 
nz lange Zeit als vollftändig ausreihend. das 
aſein eined perfönlichen Gottes zu begründen, uld 
Kant (Kritik der reinen Vernunft) in einer ſchar⸗ 
oe Kritik darthat, daf der Schluß, auf dein fie 
ruhen, fein Logifch nothmendiger ſei. Niemand 
wird ihnen jegt noch die beweifende Kraft zutrauen, 
die Kraft religiöfe Ueberzeugung zu bewirken, bie 
man früher ihnen beilegte. Glauben an Gott Täfii 
fi nicht andemonftriren, und er fann nicht, wie 
etma mathematifche oder phyſilkaliſche Wahrheiten, 
unabhängig von der Gefinnungäweife durch ein 
Schlußverfahren ee werden, Dennod find 
jene Bemeife werthvoll. Ihre Bedeutung liegt 
barin, daß fie zeigen, wie fich Welt und Selhichte 
nur unter Vorausſetzung eines lebendigen, perfön: 
lihen Gottes veiftehen laſſen. 
Die theiftifche Speculation ſucht den Gott des 


Gott 


Evangeliums, Sie befteht darauf, daß bie beiben 
Seiten, aus denen die Gotteöidee zuſammen 
mwädjlt, und bie einander —— ſcheinen, 
nämlich) bie Forderung eines abſoluten und unbe⸗ 
dingten Urſeins, eines Alllebens, das die Welt 
trägt und durchwaltet, und die einer ſelbſtbewuß⸗ 
ten Perjönlichkeit, die man verehren, lieben und 
anbeten kann: daß diefe beiden Dafeinsmeifen in 
Ein Subject fallen müfjen, wenn wir die Gottheit 
ben wollen —* Mitrotosmus IIL ©. 558 ff.). 
ad höchſte, volllommene Sein fann eben 
nur Geiftigleit, Selbftbewußtfein, Perjönlichkeit 
fein: ja in Gott fann d A ir ein, 
während die menſchliche nur abbildlih und un: 
volllommen * Und iſt denn jene nicht ohne dieſe 
menſchliche Beſchränktheit zu denken? Eben weil 
manche fromme Denker dieſe Veſchränltheiten für 
weſentlich hielten, haben fie die göttliche Perſön⸗ 
lichkeit irriger oder mißverſtändlicher Weiſe nicht 
gelten laſſen wollen. Ihr Gott war ihnen zu 
oß dazu. So bei Fichte, bei Schelling, bei 
Eopleiermadher. _ ftrengere PBantheismus 
aber darf meift kaum noch als eine ——— 
lehre angeſehen werden. Nur mißbräuchlich und 
ſich anbequemend nennt er den unbewußten, orga- 
nisch fih entfaltenden Urgrund der Dinge oder 
bie Subftang, bei ber er ftchen bleibt, Gott. 
— Eine völlige Unertennbarfeit Gottes ift viel: 
fach, aud in der chriſtlichen Zeit, gelehrt wor: 
den. Der verborgene Gott, der allein wahre in 
dem Sinne diejer Betrachtung, in feiner ewig * 
leichen ſeligen Lebensfülle, die durch fein menſch⸗ 
iches Prädicat beſtimmt iſt, wird dadurch ſogar 
Lu aus aller Beziehung zur Welt —— 
o in der myſtiſchen Speculation des Areopa— 
giten, ſo in dem Gnoſticismus, der eben deßwegen 
u feiner Mythologie mittelgöttlicher Evolutionen 
am, damit er darin eine Brüde zur Erfchaffung 
ber Welt und zur Erflärung dieler Welt fände, 
Und jo auch — aus bemtiefen Eindrud von unfag: 
barer — Macht und Herrlichkeit — bei Zu: 
ther (de servoarbitrio). Anders wieder bei ſchotti⸗ 
ſchen und englifchen Philofsphen, wo die Behaup: 
tung, wir fönnten nur erlennen Daß Gott fei, aber 
nicht, wa& er fei (wodurch eigentlich Doch auch das 
daß unmöglic wird), die Nothmwendigleit einer 
erg: übernatürlihen Offenbarung begründen 
ollte. (Bgl. Dorner, Jahrb. f. Theol., Bo. VI. 
1661, und Fürft von Solms-Lich, Grundzlige 
Kriftl. Dogmatik für Reform, Gießen 1854). Iſt 
auch das Licht der Erkenntniß — jo ungefähr fagt 
Trendelenburg — über Gott und aus Gott, das uns 
zufließt, dadurch ein gefärbtes, daß es in unfern 
Erfenntniginedien menſchlich gebrochen erfcheint : fo 
beutet doch die Erfcheinung ſelbſt nicht bloß auf 
dad Daf, fondern aud) auf dad Wie und Was 
des Erſcheinungsgrundes, auf das Weſen hin, 
das diefe Erfcheinung bewirkt, und Alles was wir 
in biefer Welt und unferm Geifte als urjprünglich 
und wefentlich eingepflanzt erfennen, was darin 
als nothwendig geltend und als feinen Werth be: 
ftimmend auftritt, daS muß von dem Seßer und 
Geber, dem Grunde des Dafeins, ſelbſt fo gemollt 
und gejeßt fein, muß alfo feine Intelligenz abfpie: 
geln, feinen Willen ausdrüden. So die logischen 
und mathematifchen Geſetze, fo die Idee des fitt: 
lid) Guten, der Wahrheit und der Schönheit, jo 


310 


Gottesfriede 


Weiter als Trendelenburg und H. Ritter u. X 
geben I. 9. Fichte —— Theol.), Chr. Weiße, 

ie in ber Ebenbildlichkeit des menschlichen Weſens 
eine noch tiefer in das innere Wejen der Gottheit 
führende Spur erbliden, namentlich der legtere 
et Dogım., Leipz. 1855, J.), welcher dem Ins 
alte der h. Schrift, Yuguftinus und Luthers An« 
deutungen tiefer und reicher, als fonft Einer, ge: 
recht zu werben fucht. Vgl. Weiße, die Idee der 
Gottheit, 1833. Ritter, über die Erkenntniß Gottes 
in der Welt, 1836. Sengler, die Idee Gottes, 
1848—1852. th, Gott und die Welt, 1867. 
—5* allgemeineren Werken namentlich Rothe, 
ottesader. ©. Kirchhof. 

Gottesdieuſt. Der Gottesbienft iſt die aus dem 
innern Triebe hervorgehende Selbftbarftellung des 
religiöjen Xebens der Gemeinde, d. h. bie Feier 
ihrer Gemeinſchaft mit Gott, welche fich theils in 
fymbolifher Handlung vollzicht. n man ben 
Gotteödienft bingeftellt hat als ein Wert um Gott 
zu Dienen, oder eine Einrichtung, ſich . zu 
ermuntern und zu belehren, oder als eine Veran⸗ 
ng, um von Gott Gaben zu empfangen, fo 
find dieſes nur Momente, die mit der feiernden 
Darftellung ald Wirkung berjelben von felbft ver: 
bunden find. Das Grundelement dieſer Feier ift 
dad gemeinfame Gebet; Hinzu tritt im Chriften: 
thum als nothwendig das perfönliche Wort, die 
Homilie; in welcher der eher ng bed Ge: 
meindebewußtfeins, die Gemeinjhaft mit Gott 
fi ausſpricht als perjönliches Leben; zugleich ald 
DObjectivirung bed fubjectiven Zebens der Einzel: 
nen. Diejelbe Verbindung des Subjectiven und 
Objectiven, * des menſchlichen Empfangens und 
des ge ze arbietenä, findet fich bei den ſym⸗ 
boliihen Cultushandlungen, wenn das Symbol, 
mie dies bei ben Sacramenten ber iſt, die 
ganze Thatſache des Heild dem ungetprilten Em: 
pfinden des Gemüthes nahe bringt. Gebet, Pre: 
digt und Sacrament find Daher die drei Theile bed 
wahren riftlihen Gottesdienſtes. Er dieſer 
Theile kann ſich aber nach den 
Schönheit, —— und Gemeinſamleit in Frei⸗ 
heit weiter entfalten; in welcher Art, entwidelt 
die Liturgif (f. d. Art.). j 

Gotteöfreunde. Der Name eines religiöjen 
Bundes im 14. Jahrhundert, den Nilolaus von 
Bafel ftiftete. Der Sohn eines Kaufmanns, führte 
er zuerſt ein weltförmiges 2eben, bis ihn Bifionen 
zur Entfagung bewogen, und er fi nur dem 
myftiihen Verlangen nad; Gemeinſchaft mit Gott 
hingab. Mit der inierlihen Selbjtentäußerung 
verband er aber ben Trieb, zur Verbreitung bet 

ömmigfeit zu wirlen. Er gewann leitenden 

influß auf Tauler und Andere. Mit vier Genof: 
fen lebte er anfangs in Baſel, dann auf einem 
Berge in der Schweiz, von wo aus Nikolaus 1377 
Gregor XI. in Rom Borftellungen über die Lage 
und die Gebrechen der Kirche machte. Nach 1383 
— die Spuren der Geſellſchaft verihwunden. 

itolaus ift in Vienne von der Inquiſition als 
Begharde verbrannt, fein Genofje Martin von 
Mainz 1393 als Ketzer zu Köln. Bol. Röhrid, 
Ztſchr. für hiſt. Theologie, 1840. Bähring, Taus 
ler und bie Gottesfreunde, 1053, 

Gottesfriede. Treuga Dei. Um die Berheerungen 


bie Idee Gottes felbit. Vgl. Trendelenburg, durch die Heinen Fehden, welche das ältere deutſche 
log. Unterjudp., Leipz. 1862. Die legten Abſchnitie. Recht bis zum Yanofrieven (1495) geftattete, 


Gottesfurcht 


mõglichſt einzufhränten, verorbnete bie Kirche, 
auerft die Bifchöfe in Aquitanien, denen bald die 
—— folgten und die Synoden zu Narbonne 
1054, Troyes 1093, Clermont 1045, Rouen 1096, 
Nordhaufen 1105, Rheims 1136, im Lateran 1139 
und 1179 zuftimmten, daß von Mittmoch Abend 
bis Montag Moraen, bei Strafe des Bannes, jede 
Fehde unterfagt jei und auch an den übrigen Ta: 
gen Geiftlihe und Laienbrüder, Bilger, Kaufleute 
und Landleute unbeläftigt bleiben müßten. Bgl. 
Kluckhohn, Geſchichte des Gottesfriedens, 1857. 
Gottesſurcht. Die altteſtamentliche Bezeichnung 
ber Frömmigkeit (MAI MEY), dem A. T. da: 
ralteriſtiſch, welches Gott überwiegend als ben 
heiligen Gejeggeber, den Gerechten und Gemalti: 
en 6 Peg — die 
eu, die Ehrfurdt ta3 entſprechen l. 
Der Begriff der Furcht im ſirengen Sinne iſt 


darin nicht zu ſuchen. 1. Moſ. 20, 11; Hiob 4, 6; | des 


Bf. 145, 19; Spr. 1,7. Im N. T., wo der Be: 
griff ber Berjöhnung vorherrfcht, tritt der Aus: 
. zurück. Apſtg. 9, 31; 2. Kor. 5, 11; Eph. 
Gotteögebärerin. Der Ausbrud von Maria 
(j. d. A.) gebraudt, wurbe von Neftoriuß getabelt 
8 Ir nlaß zum neftorianifhen Streit und 
F 
Gottesgericht. S. d. Art. Gottesurtheile. 
Gotteslãſterung wird in Iſrael, entſprechend 
dem theofratifchen Princip der teen ‚ mit 
dem Tode beitraft, 3. Mof. 24, 10 fi.; 1. Kön. 
21,13; an 6, 18; die Strafe war Steinigung, 
nad) 2. Mafi. 13, 6 wurden Gottesläjterer un 
ſchwere Verbrecher gerädert. Wirkliche Gottes: 
läfterung, db. 5. mit Bewußtſein Gott zu etmas 
Böſem, zu einem Gegenftand des Hafjes machen, 
iſt der Ausbruch der entfchiedenen und verftodten 
Herzensbosheit und fällt unter die Sünde wider 
den Kern Geift. Die nähere Beftimmung, ob 
eine Rede oder Handlung ald Sottesläfterung auf: 
zufafien fei, hängt von dem herrſchenden Gottes: 
begriff ab. Wenn Chriſtus und die Apoftel den 
Bormwurf der Gotteläfterung erfahren, jo bahnt 
ſich darin ſchon die Auffaffung an, welche heute in 
unfern bürgerlichen Gejegen gilt, monad) des Ber: 
bredens ver Gottesläfterung jchuldig ift, wer den 
Gegenjtand der Verehrung einer anerkannten Re: 
ligion dem Spott und ber Verachtung preiögiebt 
und damit dem religiöfen Sinne ein Aergerniß 


R 
ottebleugnuug. S. Atheismus. 
Gottesſsraub. ©. Sacrilegium. 
Gottesurtheile. Ordalien. Da wo dem menſch⸗ 
lichen Erkennen zur Feſtſtellung der Schuld die 
gewöhnlichen Bemeismittel nicht ausreichten, juchte 
man eine unmittelbare Entſcheidung Gottes herbei: 
zuführen. So in Iſrael im Eiferopfer (f. d. 9.). 
Ausgebildet wurde die Theorie im Mittelalter, 
altgermanifcd) heidniſche Sitten pflanzten fich da: 
rin gemifdert und beſchränkt durch die Kirche fort. 
Als Gottesurtheil galt die Entjcheidung deö 200: 
ſes und des gerichtlichen Zzweikampfes; zum 
Beweis der Unſchuld diente die Feuerprobe, 
die Unverfehrtheit beim Gehen - Feuer oder 
beim Auflegen glühender Kohlen. Die Waffer: 
probe, de3 gewöhnliche Ordal bei der Zauberei 
beſchuldigten Weibern, deren Unterfinten als Zei: 
en der Unſchuld galt. Die Probe bes geweihten 


311 


Gottſchalk 


Biſſens, und bes h. Abendmahls, wo aus dem 
Ausbleiben leiblicher ſchädlicher Folgen auf den 
Mangel der Schuld geſchloſſen wurde. Das Bahr⸗ 
recht beruhte auf dem Glauben, daß die Leiche 
eines Ermordeten beim Hinzutreten des Mörders 
ein Zeichen geben werde. J Majer, Geſchichte 
der Ordalien, 1795. Dahn, Studien zur Geſchichte 
bes germ. Gottedurtheild, 1957. 

Gotteöverehrung. S. Gottesdienſt. 

Gottfried von Bouillon. Geb. 1061. Der Neffe 
und Grbe (1076) des Herzogs Gottfried von 
Lothringen, erhielt dad Herzogthum Bouillon von 
Heinri IV. zur Belohnung feiner treuen Dienſie 
in ber Schlacht an der Unftrut 1080 und auf dem 
Zuge nah Rom. Zum Führer des erften Kreuzs 
heeres gewählt, erlangte er von Alexius den Durdı 
ug durch das griechifche Reich, eroberte Nicäa 1041, 

egte bei Doryläum, gewann Antinhien 1098 
und endlih 1009 Jerufalem. Zum Schirmjeren 
h. Grabes erwählt, gemann er durch die 
Schlacht bei Aslalon den Beſitz des ganzen gelob» 
ten Landes. Tief ergeben der Kirche, überließ er 
bie weltliche Herrfchaft Jerufalems dem Batriars 
den als feinem Lehnäherren, und ftarb während 
der erften Organifationsarbeiten bed neuen Staa: 
tes am 18. Juli 1100, 

Gottlofigkeit. Aoegeua. Das Gegentheil von 
Frömmigkeit. Bezeichnet den völligen Mangel 
eines innern Zuſammengangs mit Gott. Wie ſich 
Frömmigleit unterfceidet von Sittlichkeit, jo Gott» 
lofigkeit von Unfittlichkeit. Es ift eine Rechtſchaf⸗ 
fenheit denlbar verbunden mit Gottlofigteit, wie 
eine Lafterhaftigkeit verbunden mit einer gemiffen 
Frömmigleit. Die Oottlofigkeit äußert ſich in Mer 
ligienslofigfeit, eg: ae oder Feindfhaft 
gegen das Heilige, Beratung der Gemwiljend: 
ſtimme ober in frivolem Sichüberlaffen an bie 
Slinde. Röm. 1, 18; Tit. 2, 12; 2. Tim. 2, 16. 

Gottmenſch. Bezeihnung Chriſti als des fleiſch⸗ 
gewordenen Worte. S. darüber Chriſtologie 
und Jeſus. 

Gottſchalk. Stammte aus dem Geſchlecht der 
Grafen Benno. Er war Mönd) in Fulda, welches 
Klofter er 329 mit Orbais bei Soifions vertaufchen 
durfte. Er führte die auguftinifche Xehre von der 
Prüdejtination zu ihrer legten Conſequenz fort, 
indem er eine Borherbeftimmung nit nur zur 
Seligkeit, fondern aud zur Berdammniß lehrte 
(pracdestinatio duplex). Bon Rabanus Maurus 
vor der Synode zu Mainz angellagt 848 und vers 
urtheilt, wurde er feinem Erzbifhof Hincmar von 
Rheims übergeben, mit welchem er bereits wegen 
ber Lehre von der Trinität zerfallen war. Die 
Synode zu Chierſy vermarf 849 ebenfalld Gotts 
—E Sätze und Hincmar ließ ihn nad) graus 
amer Geikelung in ein Gefängniß merfen, in 
welchem er nad) 21 Jahren ftarb. Vgl. Mauguin, 
Vett. auct. qui s. IX de praed. scripserunt, 
opp. 1650. Wiferius, Gotteschalei et praed. 
controv. hist., 1662. Wiggers, Zeitfchr. f. hit. 
Theol., 1855. Weizfäder, Jahrb. für deutſche 
Theol., 1859. 

Gottihalt, der Wendenfürf. Ein Enlel 
Miſtewoi's, der unter Dito II. dad Wendenreich 
wieder aufrichteie 983, fpäter aber das Chrijten« 
thum annahm. Im Kloſter zu Lüneburg erzogen, 
jtellte ſich Gottichalt nach der Ermordung jeines 
Baters Ute 1032 an die Spige feined Volles ge— 
gen die Deutſchen. Veſiegt durch Bernhard ven 


Gottjeligfeit 


Niederfachfen, gewann er in ber Gefangenſchaft das 
Chriftenthum lieb, und bemühte fih, ald er 1043 
—— ich wieder erhielt, eifrig, —3*— unter den 
enden auszubreiten. Er predigte ſelbſt und über: 
jegte chriſtliche Schriften. In einem Aufftand der 
iden 1066 wurde er ermordet. Es folgte eine 
neue Zeit der Verwirrung und der Chriſtenverfol⸗ 
gung, bis Gottſchalls Sohn Heinrich (1105-1127) 
R - obotritifche Reich feines Baterd wieder ber: 
ellte. 

Gottſeligkeit. Nach gen | foviel als „an 
Gott reich”, bezeichnet den ftillen, genußreihen 
Befig Gottes im Gemüthe, die Frömmigkeit aljo 
nach einer Seite hin. Luther überfegt edodge« 

mit diefem Worte. 


und Heoad ewöhnlich 
Apſtg. 10, x ; 35, 12; Joh. 9, 81; namentlid | LXX 


in den Baftoralbriefen 1. Tim. 2, 2; 2,10; 3,16; 
4,8, 6,11; 2. —im. 3, 12 u. ö. ift ber Gebraud 


häufig. 
ndimel, Claude. Berlihmt als ber Compo: 
nift der frangöfifchen Pfalmenmelodien, die auch 
für die deutſchen Pfalmgefänge angewendet wur: 
den und von denen einige in ganz Deutſchland 
eingeführt find. Er ftarb zu Lyon 1572, ein 
Ople ber Bartholomäusnadt. 

ulart, Simon. ®eb. 1543. Flüchtete nad 
Genf, wo er Pjarrer wurde, und von wo aus er 
mehrmuls franzöfifhe Gemeinden bediente. Er 
iſt für die —— wichtig als Sammler 
von Acten und Heinen Schriften über die franzö⸗ 
fifchen Religionskriege und durch feine Fortfegung 
der Histoire des martyrs des Johann Crespin. 

Grab. ©. Bezräbnip. 

Grab, das heilige. .27,60; Marc. 15,46; 
Luc. 23, 58; Joh. 19, 41. Die Stätte der Kreu— 
zigung, Golgatha, und das Grab Jeſu lagen in 
unmittelbarer Nähe. Obgleich die Stätte für die 
er eine heilige Bedeutung haben mußte, 
wird fie doch in ben erſten Jahrhunderten gar 
nicht erwähnt. Erft Eonftantin (nad dem Beige 
des Eufebius) oder nad) fpäteren Berichten feine 
Mutter Helena wollten die Stätte, die in Bergej: 
fenheit gerathen war, dur göttlihe Anzeichen 
wieder gefunden haben und ehrten fie im SE 
836 dur die Errichtung einer Kirche daſelbſt, 
melde aus zwei mit einander verbundenen Tem: 

ein über dem Grabe und ber Kreugesftätte de 
tand. 614 wurde diefer Bau durch die Perſer 
zerftört, jedoch in den folgenden Jahren wieder 
bergeftellt. Im 10. Jahrhundert wurde er von 
den Muhamedanern, und namentlid 1010 vom 
ägyptiihen Kalifen Halim Biamrillah gänzlich 
er Bald darauf wieder aufgebaut, wurde 
ie Kicche, namentlih im 12. Jahrhundert, von 
den Abendländern erweitert und vollendet. Troß 
mancher Bermwüftungen blieb diefer Bau in feinen 
Hauptbeftandtheilen bis in unfer Jahrhundert und 


wurde 1810 von den Griehen zu einem Neubau | 


tenovirt, ber bis heute noch bejteht. Weber die 


u fuchen 
hit deſſelben. Allein je nachdem die jog. Mauer 


312 





Gräl 


Tobler, Golgatha, 1851. Raumer, Paläftina, 
1838. Ritter, — XVI. Schaffter, die echte 
Rage bes h. Grabes, 1849. 
rabe, Johann Ernft. Geb. 10. Juli 1666 

— 1711. In ber Ueberzeugung, I 
ber Kirche eine ununterbrochene Folge des Prie⸗ 

erthums ftattfinden müffe, wollte ex in Wien zur 

tholifchen Kirche übertreten, Als er aber durd 
Speners Widerlegung feiner Schrift, melde er 
zur ——— ſeines or dem Conſiſto⸗ 
rium zu Samland eingereicht hatte, auf bie apo⸗ 
oliſche Succeffion der englifchen Kirche hingewie⸗ 
en war, trat er zu biefer ilber und lebte in Eng: 
land ſchriftſtelleriſchen Arbeiten, von melden außer 
den firchenbiftorifchen befonders feine Ausgabe 
nad) dem Cod. Alex. (Orford 1707—2%0) bes 
“er — Als Theil 

abreben. Als il chriſtlicher Begräbniß⸗ 

eier find fie erſt rg Urfprungs; in ber 
atholiſchen Kirche find fie wieder verſchwunden, 
von den evangelifhen Kirchenorbnnungen aber als 
——— Faßt man ſie bloß als öffent⸗ 
liches Belenntniß des Auferſtehungsglaubens als 
öffentliches Zeichen der Liebe und ein ernſtliches 
memento mori (Würt. K.⸗O. 1536), fo verliert 
bie Grabrede das Cafuelle, und da ber allgemeine 
Inhalt jo e wieberlehrt, jo werben die Grab» 
reden für eiftlihen und die Hörer ermübenb 
und unerbaulih. Da die Grabrede einer cafuellen 

eier der Gemeinde dient, jo erwächſt ihr die oft 
—— Aufgabe, in dem Leben des Entſchlafe⸗ 
nen Ewige, Gottgewirkte zu zeigen; den 
Kern des idealen chriſtlichen Lebens, den er oft 
unter harter Schale verborgen in ſich trug. Wo 
ein folder Lebensgehalt gar nicht zu finden wäre, 
ER auch eine hrijtliche Feier feine Stelle, Bol. 

almer, Evang. Cafualreden, Stuttgart 1843 ff. 
3. Aufl. 1854—55. 

Grade, alademifde, Sind wahrſcheinlich in 
13. Jahrhundert entftanden. In der Theologie 
beftehen drei: Baccalaureat, Licentiatur und Doc: 
torat. ©. darüber die Art. Baccalaureus u. f. w. 

Graduale. In der Mefje ift es eine kürzere 
eig welche während der =T zwiſchen 

angelium und Epiſtel, wenn der Diakon die 
Stufen des Altars hinauf fteigt, vom Chor und 
Vorſänger gejungen wird. Früher hieß der Ge 
fang ſchlechthin Intiphonie. Während der Faften 
tritt der Tractus an die Stelle deffelben. 

Gradualpjalmen. S. Stufenpfalmen. 

Graeber, Franz Friedrich. Geb. 1784 zu Wer: 
therbruch, ftudirte 1802 in Duisburg, danach in 

alle, wurde 1808 Pfarrer in Düffel, 1816 zu 

aerl, 1820 zu Gemarle. Als Berfechter der 
preöbyterialen Eigenthümlichfeiten ber rheinifchen 
Kirche, bie er nad) Dben mit kluger Weisheit zu 
vertreten wußte, wählte ihn die Synobe der Pros 
vinz zu ihrem Präſes. Das Vertrauen des Königs 
berief ihn 1816 zur —— nach Berlin 


laſtina, II, Halle 1341. Deſſelben neue Unterſu⸗ geiommen, von Jeſus und ben Jüngern beim le: 
Hungen über die Topographie Jerufalems, Halle |ten Oſtermahl, und fpäter von —8 von Ari⸗ 
1847. Krafft, die Topographie Jeruſalems, 1846. mathia gebraucht wurde, um darin das Waſſer 


Gran 


313 


Oregoire 


und Blut (Joh. 19, 14) aufzufangen. Es wurbe! Verluft des Amtes und zur —— ver⸗ 


auf dem Berge Mont Salvas durch die Templeiſen 
bewahrt. In der Sage, welche im Mittelalter ſo 
vielfach, in Deutſchland von Wolfram von Eſchen⸗ 
bach poetiſch bearbeitet wurde, liegt als Inhalt 
das Geheimniß des Abendmahls und der Kirche. 
Bat. Goͤſchel, die Sage von Parcival und vom 
Gral, nad Wolfram von Eſchenbach, Berl. 1855. 
Gran. Erzbisthum in Ungarn, ift geftiftet vom 
—— 1000 und umfaßt jegt 8 Suffragan: 
. —— pr eftergbildef AR 5 * ae hen 
itus. erzbiſcho rimas von Ungarn. 
Granak ©. Edelfteine. 
Granatbaum. Der jhön geformte Baum wächſt 
in Baläftina wild und wird aud in den Gärten 
ezogen. Seine Frucht, von der Größe einer 
ange, ift von ſchön röthliher Farbe, und ihr 
Saft eine angenehme Erquidung. Die Frucht tft 
wegen ihrer vielen Kerne ein Bild der Fruchtbar⸗ 
keit, Die Anäufe an den Säulen des Tempels 
hatten die Form der Granatäpfel. j 
Grandmont oder Grammont, Stephan von Ti: 
— (1078 — 1083), Diafon oder Archidiakon 
3 Biſchofs Milo von Benevent, der * erzogen 
hatte, erhielt von Gregor VII. die Erlaubniß, 
einen Orden nach den Gebräuchen der calabriſchen 
Mönde ſtiften bürfen. In einer Einöde bei 
Limoges fammelten fid Einige unter jeiner Lei: 
tung. + 1124. Seine Stiftung und den Namen 
Grandmontenfer nahmen bie Auguftiner von 
Ambazoc Muret an, denn der Orden breitete ſich 
nun aus, Geine rg bis zur franzöſiſchen 
Revolution bietet nichts Denkwürdiges dar. 
Granvella, Niklas Perrenot. Geb. 1486 zu 
Ornans in Burgund, war dort Advocat, 1518 
wer zu Dole, trat 1519 in bie Dienfte 
arls V., wurde 1530 nad} Gattinara's Tod deſſen 
Minifter, ber die faiferlichen und katholiſchen In: 
terefien auf dem Religionägefpräd) zu Worms und 
dem Reichstag zuRegendburg1541 vertrat und das 
von ihm verfaßte Interim den Ständen vorlegte. 
Nachdem er der Eröffnung des Tridentiner Con: 
cils beigemohnt, ftarb er auf dem Reichsſstag zu 
Augsburg 1550. 
ranvella, Anton PBerrenot. Sohn des Bori- 
gen, geb. den 20. Aug. 1517 zu Ornans, wurde 
1540 Biſchof von Arrad. Gelehrt und gebildet, 
ftolz und ehrgeizig, wurde er von feinem Bater in 
die diplomatiſchen Geſchäfte eingeführt und er: 
warb ſich das volle Vertrauen Karlö V., ber ihn 
nad feined Baterd Tode zum Staatärath und 
Reichäfiegelbemahrer erhob. Nad) Karla Abdankung 
trat er in die Dienfte Philipps IL. und wurde Mar: 
aretha von Parma als Minifter beigegeben. Hier 
eitete er die Mafregeln zur Unterbrüdung der 
Evangelifchen und der Lehre deö Bajus; bemühte 
ſich für die Wiedereröffnung des Concils zu Tri: 
ent und wurde Gardinal. Dennoch wurde er 
1564 entlaffen. Nach einer literarischen Muße, 
ſandte ihn Philipp 1570 als ginn ber Nea: 
pel, und berief ihn 1575 als Präfidenten des 
Staatärath3 nad) Madrid. + 1586 zu Madrid, 
Grapheus, Gornelius. Geb. zu Aelft in lan: 
dern 1482, war Secretär dei Stadt Antwerpen, 
und gab 1520 eine Ueberjegung der Schrift des 
od, De libertate christiana heraus mit einer 
heftigen Polemit gegen den Zuftand der Fatholi: 
ſchen Kirche als Vorrede; deshalb gefänglid ein: 
gezogen 1521, mußte er widerrufen und wurde zu 


urtheilt, Seitdem lebte er in Antwerpen jeiner 
literariſchen Thätigleit. + 1558. S. Ullmann, 
Reformatoren. 

ratian, S. Ranonenfammlung. 

Gratian, der Kaiſer, 375 — 383. Mit feinem 
Gehülfen und Bruder Balentinianus II. richtete er 
jeine Thätigleit auf die Wiederherſtellung bes 
römifchen Reiches, erhob daher auch Theodoſius 
zum Yuguftus, und vermittelte die 2. ölumenifche 
Synode zu Conftantinopel. Vornehmlich aber 
ſuchte er die Rejte des Heidenthums zu —— 
und ließ, wie er den Titel pontifex ablegte, 
Altar der Victoria aus der Curie des Senats ent: 
fernen. Dem Biſchof von Rom ertheilte er bei 
einer Kirchenſpaltung in Rom bie Befugniß ber 
legten Entſcheidung 

Graubündten. S. Chur. 

Graul, Karl, Dr. theol. Geb, 6. Febr. 1814 
zu Wörlig in Deflau, wurde 1842 Director des 
Miffionsinftitutes in Dresden, welches die Mif: 
fion unter den Heiden alö Sade der lutheriſchen 
Kirche zu behandeln die Tendenz hatte. In dieſer 
Stellung führte er die Orundfäge durch, daß nicht 
nach ber iſe ber pietiftiichen ——— 
Einzelbelehrungen, fondern vielmehr auf Volks— 
befehrung hinzuwirken ſei; daß der Miffionar 
en eine genaue —— mit der Ge ag 
und ber Literatur in dem Geifte des Bolfes be: 
dürfe, und Deshalb unter Eulturvöllern nur wifjen: 
Ihaftlih durchgebildete Männer zu wirlen ver: 
mödten. —— verlegte er den Sitz des 
Inſtituts nach Leipzig 1848, um die Verbindun 
mit der Univerfität zu gewinnen, und machte ſelbſt 
eine Reife nad Indien und Tamulien, dem Ar: 
beitögebiet der Ver Den wiſſenſchaftlichen 
Ertrag diejer Reife veröffentlichte er in dem Reiſe— 
werte 1853—55 und den Schriften über Vedanta⸗ 
Philoſophie und tamulifhe Sprade und Gram: 
matif. Durch eine Krankheit geſchwächt, gab er 
1860 feine Stelle auf und fiedelte nad Erlangen 
über. Hier ftarb er 1864. 

Grabamina der deutſchen Nation. Die Ueber: 
griffe der päpftlichen und Herifalen Macht im Ge: 
biete des rein kirchlichen und bes bürgerlichen Le: 
bens hatten immer mehr fteigende Unzufriedenheit 
hervorgerufen, melde durch die Concilien zu Bajel 
und Koftnig nicht gehoben wurbe. Sie fanden 
unter Marimilian Ihren officiellen Ausbrud in 
den hundert Beſchwerden der deutſchen Nation, 
deren Abftelung auch in der Mabhlcapitulation 
Karla V. begehrt wurde, und auf dem Reichstag 
zu Speyer von Neuem Grundlage für einen Theil 
der Verhandlungen wurbe. Die Reformation, die 
Entwidlung des ftaatlihen Lebens und das Tri: 
dentinum Re allmählich die Beſchwerden er: 


ledigt. 

Örögnire, Henri. Bifhof von Blois. Geb. am 
4. Dec. 1750 zu Veho bei Zuneville, wurde von 
den Jefuiten zu Nancy erzogen. Seine Schrift 
über die Wiederherftellung der Juben, 1788, 
verſchaffte ihm eine Wahl in die Stän amm: 
fung 1789. Als Jatobiner war er für bie Eonfti: 
tution ber Geiftlihen thätig, auf die er, als der 
Erfte, den Eid ablegte 1791. Als Biſchof von Blois 
vertheidigte er ebenfo entſchieden Religion und 
Kirche, ftellte feine biſchöfliche Thätigkeit nicht ein, 
hielt am 21. Dec. 1794 jeine berühmte Rebe über 
die Freiheit des Gottesdienſtes und präfidirte 


Gregor I. 


1797 dem erften Nationalconcil zur Wiederher⸗ 
felung ber Kirche. Seine Reformideen, die auf 
Janjenismus und ben alten gallicanijchen 
Freiheiten berubten, fuchte er auf dem 2. Concil | 
ind Leben zu rufen. Das Concordat nahm ihm | 
jeinen Biſchofsſitz; er wurde Graf und Senator. | 
5 leih er für Napoleons Abjegung geftimmt 
ge e, ftellte ihn die Reftauration nicht wieder an. | 
x ftarb 1831, ohne dem Berlangen der Kirche 
nachzugeben, feinen Eid von 1791 zu widerrufen. | 
gor I., der Große. Geb. zu Rom 540, war | 
praetor urbanus in Rom, ging dann, einem reli: | 
giöfen Zuge folgend, in ein von ihm ſelbſt geftif-, 
tetes Klofter, warb wider feinen Willen Diakon 
in Rom und Apofrifierius 578 und troß feines 
Sträubens 590, ald Nachfolger des Prlagius, Bi: 
ſchof von Rom. Unter den pwietigften Umftän: 
den, bem innern und äußern Verfall der Kerche 
(Arianer, Donatiften), gelang es ihm, durch ge: 
wandte politiide Berhandlungen mit dem Railer 
und ben Longobarden, einen, wenngleich oft ge: 
jtörten Frieden herbeizuführen und das römische 
Gebiet zu fihern. Seine Kirhenverwaltu zeigt 
das Fünftige Bapftthum im Keime; fiegreich führte 
er das MWiderftreben gegen den vom conftantino- 
politanifhen Bifhof angenommenen Titel epi- 
scopus universalis dur, behauptete im Streit 
ded Batriarhen Johannes mit dem Preöbyter 
Johannes zu Chalcedon das Aufſichtsrecht Roms, 
erzwang die Unterwerfung des Erzbiihofs Mari: 
mus in Salona, der gegen jein Verbot gewählt 
war. Erfannte er dabei unummunden feine Unter: 
werfung unter den Kaiſer an, fo diente dieſe zur 
Förderung ber firdlihen Macht. In Afrika fa: 
men ihm die fatholifchen Biſchöfe entgegen, um 
den Donatismus durch feine Hülfe zu erftiden, 
und ebenfo in Spanien, um den Arianismus aus: 
urotten. Durch Berbindung mit Gallien und die 
iffion in England, welche die altbrittifche freie 
Kirche untergrub, und die Ausdehnung der päpft: 
lihen Macht über Deutfhland dur Bonifactus 
einleitete, erwarb er das in der Zukunft der Bapft: 
macht wichtigjte Terrain. Dem Heidenthum gegen: 
über nahm er auch die Zwangsmittel einer Staats: 
gewalt in Anfprud. Nicht minder bedeutend war 
jeine Thätigkeit auf dem innern Gebiet der Kirche. 
Das Klofterleben beförberte er auf jede Weife, 
ebenfo die Wahl der Mönche zu Klerikern und das 
möndifche Leben ber Geiftliden; das Eölibat der 
Priefter führte er, wo er es vermochte, durch. Um 
die ceremonielle Ausbildung des Gottesdienftes 
erwarb er ſich gleihe Berdierfte, obwohl aud) 
mandes Spätere ihm zugejchrieben wird. Von 
ihm 2 ber Canon missae 1 eine Sammlung 
der Antiphonien und die Einführung des cantus 
firmus (gregorianifher Kirchengefang). Ebenfo 
be förderte er die Lehre vom Abendmahl, als einem 
wieberholten Opfer Chrifti, damit die Lehre von 
der Transfubftantiation, vom Fegefeuer und den 
evangeliihen Rathſchlägen. Nimmt man hierzu 
feinen Wunder: ud Reliquienglauben, fo liegen 
in ihm, bei aller perfönlichen ernften Griftlichen | 
Gefinnung, bie Irrwege der römiſchen Kirde in 
deutlihen Anfängen vor. Seine Schriften find 
jolgende: Expositio in Jobum s. Moralium ! 
1. XXXV. —— zu den Evangelien und zu 
Ezechiel. Liber pastoralis. De vita et miraculis 
patrum Italicorum et de aeternitate animi. 
Registri epistolarum libri XIV. Auch Hymnen 





314 


Gregor VII. 


find von ihm vorhanden. Die befte Auögabe der 
Werke Gregors tft die ber Benedictiner 1705. 
Tal. Maimbourg, Hist. de St. Gr&g., 1686. Lau, 
Greg. d. Gr. nad) Leben u. Lehren, 1845. Pfah: 
ler, Greg. d. Gr. und feine ar 1853, 

— II. Römifher Biſchof (715 — 731). Ein 
Benebictiner, Sergius von Monte Eaffino. Im 
Bilderftreite widerſetzte er ſich nicht ohne Zelotis⸗ 
mus den Befehlen Leo's des Iſauriers, und wußte 
durch ſtaatskluge Vermittlung das Bündniß der 
Exarchen mit den Longobarden zu trennen und 
deren König Liutprand noch an ber Tiber zur Um⸗ 
fchr zu bemegen, zugleich aber mit ben Franken 
Verbindungen zum Schuß gegen ihn anzufnüpfen. 
Er gewann durch Bonifacius die junge deutiche 
Kirche und unterwarf Irland der Suprematie 
feines Stuhles. 

— II. (73i— 741). In dem Bilberftreite lieh 
er durch das Concil von 732 die Gewohnheit der 
abendländifchen Kirche betätigen. In Bezug auf 
das Frankenreich und die beutfche Kirche ſetzte er 
die Bolitif feines Vorgängers fort. Er führte das 
Allerheiligenfeft ein. 

— IV. (827—844). Im Kriege Ludwigs des 
Fr. mit feinen Söhnen nahm er für die Letzteren 
Partei; feine Reife 833, um den Streit zu jchlidh: 
ten, bradte ihm wenig Ehre und beeinträdtigte 
das päpftliche Anſehen. Er errichtete durch Ans: 
gar das Erzbistum Hamburg. 

— V. 996-999 (Dress von Kärnthen). Als 
Berwandter Otto's III. von diefem zur päpftlichen 
Würde erhoben, fonnte er nur mit defien Hülfe 
den Gegenpapft Johann und den Crescentius be: 
fiegen. In feiner kurzen Regierung hielt er drei 
Concile, auf welchen er — in ber Eheſache Roberts 
von Frankreich mit Bertha, der Wittwe Odo's, 
Gifelherd von Magdeburg u. A. — den Klerus 
die papktige Macht fühlen lief. Er ftarb an Gift. 

— (VI) Gegenpapft 1012 gegen Benedict VILI., 
legte freiwillig fein Amt nieder. 

— VI. 1044— 46. Der Ardipresbyter Johaun 
Gratian, faufte die päpftlihe Würde von Benedict 
IX. Gegen ihn rief der römifche Adel Heinrich III. 
auf. Die Synode zu Sutri jegte Gregor auf das 
Geſtändniß der Simonie ab, Seinrid nahm ihn 
gefangen mit nad) Deutfchland und jegte Clemens 

I. ein. Gregor ftarb zu Köln 1048. 

— VI. 1073—85. Hildebrand. Eines Zimme:: 
mannes Sohn aus Siena. Geb. 1020, begleitete 
er al3 Caplan Gregor VI. in die Verbannung nach 
Köln; dann Mönd zu Clugny, ward er unter Leo 
IX. Subdialonus in Nom und bald Gardinal, als 
folder ſchon 1058 die Seele des Kirchenregiments. 
Er bewirkte die Wahl Nitolaus’ II. und durd ihn 
das Geſetz für die Bapftwahl 1059, welches die: 
jelbe den Cardinälen übergab und bei der Wahl 
Aleranders II. zuerjt zur Anwendung kam. Nach 
des Legteren Tode wurde Öregor auf den päpftlichen 
Stuhlerhoben. Sein Ziel war die Freiheit der Kirche 
und ihre Herrichaft Über die Welt. Die weltlichen 
Zürften follten wie Robert Guiscard ihre Herrfchaft 
vom Papſte zu Lehen nehmen. Als Mittel führte er 
uerft das Cölibat der Priefterdurdh, indem er den 
ber zu Hülfe rief durch das Berbot, bei verhei« 
ratheten Geiftlichen die Meffe zu hören. Das Ber: 
bot der Laieninveftitur 1075 wurde ein Moment 
in dem Kampfe mit Heinrid) IV., in welchem Gre: 

ors jräteres Leben aufgeht. Den Anlaß zu dem: 
elben gab die Einfetung des Erzbiſchofs Tebald 


Gregor (VIIL) 


315 


Gregor von Heimburg 


in Mailand durch ben König und die Klcge ber] feierte die Bartholomäusnacht mit Glodenläuten 


Sachſen über Heinrich beim Papſte. Den Brief 
—552* vom 8. Dec. 1075 beantwortete Heinrich 
1076 durch das Abfegungsbecret Gregors, und ſah 
fi) darauf genöthigt, dur die Buße in Canoſſa 
1077 die Abfolution vom Banne zu erfaufen. Als 
aber Gregor 1080 Heinrich nad) feinem Siege über 
Rudolph von Schwaben von Neuem in den Bann 

at, ließ ihn diefer von Neuem für abgejegt er: 

ären und ernannte an feiner Stelle Clemens III. 

um Papſte, zog auch 1081 mit dem Heere nad) 

om, welches er 1084 eroberte. Gregor, von Ro: 
bert Guiscard befreit, ging nad) Salerno und ftarb 
dafelbft 1085, nachdem er vergebens alle Gläubigen 
zu feiner Hülfe — hatte. Vgl. Gſrörer, 
Gregor und fein Zeitalter, 1859—64 ; Helfenftein, 
Gr.'8 Beitrebungen, 1856; Lipſius in der Ziſchr. 
für hift. Theologie, 1859. 

Gregor (VIIL) Mauritius Burdinus. Als 
Gegenpapft gegen Paſchalis II. von Heinrich V. 
1118 eingefegt, wurde er von Ecligt II. entjegt 
und ftarb 1125 im Kerfer. 

— VII. Albero aus Benevent. 21. October bis 
17. December 1187. Er hatte nur Zeit, die Bor: 
— zu einem Kreuzzug anzuordnen. 

— IX. 1227- 41. Ugolino da Segni. Der 
Gegner Friedrichs II. den er bannte, weil er ven 
—— nicht unternahm und wiederum, als er 
ihn 1228 mit Glück wirklich unternahm. Der Dee 
den von San Germano 1230 gewährte hurze Ruhe. 
Da das päpftliche Intereffe durch die Unterdrückung 
ber Zongpbarden und die Erhebung Enzio's zum 
König von Sardinien ſchwer bedroht wurde, fo 
fprad) er den Bann von Neuem aus 1239. Das 
auf Dftern 1241 berufene allgemeine Concil wurde 
._. Enzio und die Gefangennahme der Bifchöfe 
bei Meloria verhindert und Gregor in Rom einge: 
ſchlofſſen. + 1241. Während feiner Regierung Lie 
er durch Richard von Bennaforte die Decretalen: 
fammlung veranftalten und Fanonifirte die heil. 
Elifabeth, Dominicus, Franciscus und Antonius 
von Padua. 

— X. 1271—76. Tebalbo de’ Viöconti, wurde 
nad breijähriger Sedisvacanz gewählt. Auf dem 
Eoncil zu Zyon 1274 betrieb er eine Union mit der 

riechiſchen Kirche und bemühte ſich um eine Ver: 
— der ſtreitenden politiſchen Parteien in 
Italien und Deutſchland. 

— XI. Pierre Roger aus Maumont. 1370— 
78. Gewählt zu Avignon, hielt ex 1377 feinen Eins 
zug in Rom. Gegen Wichif trat er mit Heftigfeit 


auf. 

— XI. Angelo be’ Corraro. 1406—17. Tapft 
zu Rom gegen Benebict XIII. zu Avignon. Das 
Eoneil zu Pifa ſprach gegen ihn und Fetbft die eige: 
nen Gardinäle verließen ihn. Dennoch hielt er mit 
Schlauheit die Würde feit, bis er 1415 auf dem 
Eoncil zu Koftnig entfaate. 

— XIII. 1572—85. Ugo Buoncompagne. Geb. 
1502 zu Bologna. Lehrer des römiſchen Rechts 
dafelsft bis 1539, befleidete er dann höhere kirch— 
lie Würden, nahm Theil am Concil zu Trient, 
feit 1564 Carbinal und Legat in Spanien. Er 
vollendete die Berbefferung des Kalenders (Örego: 
rianiſcher Kalender), ließ Die neue verbefferte Aus 
gabe des Decretum Gratiani und des Juris ca- 
noniei erſcheinen 1582 und beförberte überhaupt 
die Wiffenfchaften. Ein erbitterter Gegner des 
Broteflantismus, begfinftigte er den Jefuitenorden, 


und Tebeum und fprad) den Bann aus über Geb: 
Hard von Köln. Die innere Verwaltung des fir: 
= er war berart, daß daſelbſt Räuber: und 
nditenbanden fi am meiften heimiſch fühlten. 
— XIV. 1590—91. Nicolo Sfondreto. Eine 
„jungfräulide unſchuldige Seele”, unterftügte die 
Hariter egen den von ihm aufd Neue egcommu: 
nisrten Seineig IV. 
— XV, 1621—23, Aleffandro Ludoviſi. Selbft 
——— und altersſchwach, überließ er das 
egiment —— energiſchen Neffen, dem Cardinal 
Ludoviſi, eine kräftige Thätigkeit entfaltete, 
und wie er die Gegenreformation in Deutſchland 
und Böhmen leitete, in Frankreich die Unter—⸗ 
brüdung der Hugenotten förderte, in England das 
Be des Katholicismus betrieb und 
durch bie Miffionen und bie Stiftung ber Congre- 
gatio de propaganda fide für die Ausbreitung 
des Chriſtenthums und der päpftlihen Macht aud 
in ber Ferne Sorge trug. Aus Dankbarkeit jchentte 
ihm der Kurfürft Marımilian von Bayern die Hei: 
delberger Bibliothef, deren Heberführung Leo Alla: 


tius ie 

— XVI. 1830—46. Bartolomeo Alberto Ca: 
pellari, mit dem Klofternamen Mauro. Geb. am 
18. Sept. 1765 zu Belluno in der Republif Benebig, 
trat er in den Gamaldulenferorden 1783. 1801 
wurde er Abt, 1823 General des Ordens und 1826 
Cardinal und Präfecet der Propaganda. Seine 
Regierung des Kirchenftaates ift erfüllt von ver: 
m Aufftandsverfugen, die weltliche Herr: 
haft der Curie abzufchüitteln, Bologna 1831—32, 
Rimini 1845, welde, nur durch franzöfifche und 
öſterreichiſche Intervention gerämpft, vom Bapfte 
mit graufamer Härte beftraft wurden, bie innern 
und Finanzzuſtände des Kirchenſtaates aber heil: 
(08 verwirrten. Die Brincipien feiner Kirchenregie⸗ 
rung ſprach die Encyllita von 1832 aus, die den 
modernen Ideen den Krieg ankündigte. Die Ener: 
gie aber, welche bie Curie unter a bed Car: 
dinal:Secretärd Lambruschini entmidelte, ver: 
ſchaffte ihr die großen Erfolge in Deutfchland im 
Hermeftanifchen Streite, den Kölner Wirren, ben 
Angelegenheiten des Deutfchlatholicismus und 
ber —— Ehen; gleicherweiſe wurden in 
Frankreich, Spanien und Portugal die politiſchen 
Verhältniſſe klug benutzt, in England die Wieder: 
aufrichtung der —— vorbereitet, und nur in 
Rußland ſcheitertle Alles an dem feſten Syſteme 
Nikolaus’ I. Vgl. über ihn und feine Regierung 
Gaetano Moront, Dizionario di erudizione eccle- 
siast., Bd. 32; D. Mejer, die Propaganda. 

Gregor Der Erleuchter. Der Begründer ber 
armeniihen Kirche, Patriarch zu Cälaren. Geb. 
207, der Sohn eined parthifhen Fürften. Zu Cä⸗ 
faren als Chriſt erzogen, gewann er durch fein 
ftandhaftes Bekenntniß den gr Tiridated von 
Armenien mit feinem ganzen Volke dem Chriften: 
tum und organifirte die armenifche Kirche. Zur 
Synode von Nicäa fandte er alö Stellvertreter 
* Sohn Ariſtax, dem er nach ſeiner Rückkehr 
ein Amt übergab und ſich in eine Höhle in der 
Provinz Daranalia verbarg, wo er ſtarb. Vorhan⸗ 
den ſind von ihm ee — von 
den Mechitariſten, Venedig 1848. 

Gregur von Heimburg. Ein deutſcher Rechts: 
gelehrter, der ald unermüdlicher Belämpfer der 
päpitliden Anmaßung fi einen Namen gemadt 


Gregor von Nazianz 


bat. Auf dem Eoncil zu Bafel war er Secretär 
des Aeneas Sylvius (Pius II), von dem ihn 
päter die Wendung deffelben zum römischen Sy: 
em trennte. Als Stadtſyndicus von Nürnberg 
and er an der Spitze der Geſandtſchaft der deut: 
hen Kurfürften an Eugen IV. 1446, welcher ber 
Fürftenconvent u Frankfurt folgte und ihm Ber: 
anlaffung zur Schrift Admonitio de injustis 
usurpationibus paparum gab. Im Dienfte Si: 
iömunds von Defterreich wirkte er auf dem Für: 
—— zu Mantua gegen Pius II., appellirte 
n dem Streite Sigidmunds mit Eufanus an ein 
allgemeines Concil, fam felbft in den Bann und 
mußte fid, als die Fürften und Herren, denen er 
gedient hatte, fich mit bem Papfte ausföhnten, zu 
Georg Podiebrad von Böhmen zurüdziehen. Nach 
defien Tode lebte er in Dresden und ftarb, von 
Sixtus IV. 1472 abfolvirt, in demfelben Jahre. 
Seine Schriften unter dem Titel Scripta ner- 
vosa justitiaeque plena, Franff. 1608. Bgl. Brod: 
haus, Gregor von —— eipzig 1861. 
Gregor von Nazianz. Geb. 330 zu Nazianz, 
wo fein Bater Bidet war, feine Mutter bie fromme 
Nonna. Seine Studien vollendete er zu Gäfarea, 
Alerandrien und Athen mit feinem Freunde Bafl: 
lius, mit welchem er banad) in tus einige 
Jahre religiöfer Zurüdgezogenheit und theologi: 
ſchen Studiums verbradte. 361 Bresbyter, mußte 
er dad Bistum von Sofima annehmen und bis 
zum Tode jeines Vaters 374 Nayianz verwalten. 
Nachdem er wieder einige Jahre in der Einfamteit 
gelebt, wurde er ald Stuͤtze der nicänijchen Bartei 
nah Gonftantinopel berufen, wo feine glänzenden 
Heden großen Erfolg errangen. 381 dur Mele: 
tius zum Biſchof von Conftantinopel geweiht, legte 
er das Amt nieder, 3 fi in feine Einfamleit 
zurüd und ftarb 390. Bon feinen Reden find am 
berühmteften die fünf über die Trinität, in wel: 
den er den nicänifchen Lehrbegriff erörterte, Unter 
feinen Werten (herausgegeben von Morell, 2 Bde,, 
Bar. 1630; von Elemencet, Bar. 1748; Auswahl 
von Goldhorn, —* 1854) findet fich ein Drama 
Xpiorös ndayov (ed.Eliffen, Zeipz. 1855), welches 
bejtimmt nicht von ihm berrührt. Vgl. Ullmann, 
Gregor von Nazianz, 1825. 
tegor von Ayfia, Geb. 331, der Sohn des 
Rhetors Bafilius und der Emmelia, Bruder Ba: 
filius’ des Großen und Freund Gregord von Na: 
zianz. Seine Jugendgefchichte ift unbelannt. Dem 
firhlichen Amte des Anagnoftes entfagte er, um 
Rhetor zu werben, lieb fich jedoch durch die Vor: 
ftellungen jeines Freundes zur Umkehr bewegen 
und ward 371 Bilhof von Nyffa. Als Anhänger 


des Nicänismus wurde er unter Balend von dem! + 


Statthalter Demetrius erilirt bis zum Tode bes 
Valens 378. Seine kirchliche Bedeutung erlangte er 
euf der Synode zu Eonftantinopel 381, wo er als 
der bedeutendite VBertheidiger der nicänifchen Lehre 
fi geltend machte und die Auszeichnung * 
zu den vorſtehenden Biſchöfen der pontiſchen 
Diöceſe gerechnet und mit der Ordnung der kirch— 
lichen Berhbältniffe in Jerufalem betraut zu werben, 
+ nad) 394. Seine dogmatifhen Schriften ent: 
wideln vor Allem die Trinitätölehre gegen Aria: 
nismus und Apollinarismus; die Hauptfchriften 
find 12 Büder gegen Eunomius und die große 
Ratecheie (od. Krabinger, München 1838). Neu: 
entdedtes gegen Arianer ed. Maji, Ser. vett. 
eol)., 1834. Vgl. Dehler, Ausg. 1865. Da Gregor 


316 


Gremiale 


unter Den Rebnern der Kirche eine ——— 
Stelle einnimmt, ſo ſind auch viele ſeiner Reden 
erhalten. Eine ältere Geſammtausgabe erſchien 
1615 zu Paris. Vol. über ihn Rupp, Öregors, des 
Biſchofs von Nyfia, Leben, Leipz. 1834; Heyns, 
De Gr. Nys., 1835; Möller, Gregorii Ha de 
trinam illustravit, Halis 1854. 

Gregor der Thaumaturge (Wunderthäter), 
eigentlich Theodorus, war von heidniſchen Eftern 
in Reocäſarea in Pontus geboren und wurde 
14jährig nad) dem Tode des Vaters Chrift. Auf 
einer Reife 231 lernte er in Cäſarea den Drigene 
lennen und begleitete ihn bis 239 als fein Seiler. 
Dem —* in Pontus ein Einſiedlerleben zu 
führen, wurde er 244 durch — Wahl zum Biſchof 
von Reocäfarea entzogen. Das Heidenthum jener 
Gegend wurde durd jeine Wirkfamteit —— 
nichtet. Ueber die vielen ihm zugeſchriebenen Wun- 
derthaten berichtet legendenartig Die Lebensbeſchrei⸗ 
bung des Gregor von Nyfſa (Opp. c. vita, ed. 
Vossius 1604). Das unter feinen Schriften befind- 
lie Glaubenäbefenntniß will Die Aufzeichnung ber 
riftlichen Lehre fein, wie fie ihm in einer Bifion 
dur den Apoftel Johannes offenbart ſei. Anſchei⸗ 
nend ift bie Schrift fpäter durch Zuſätze —— 

Gregor, Biſchof von Tours, eigentlich Georg 
ze Geb. 540 zu Arverna in Auvergne. 

ach dem frübgeitigen Tobe des Vaters von feinem 
Dntel Gallus, Bifhof in Elermont, erzogen, be: 
ftimmten die wunderbare Errettung aus ſchwerer 
Krankheit und die Genefung am Grabe bes heil. 
Martin in Tours feine Wahl des geiftliden Stan: 
des und feine Rihtung. Bon Sigibert 573 zum 
Biſchof von Tours eingefegt, bewährte er ihm und 
feinem Haufe die Treue, —— —— 
in dem langen Zwiſte der Brunhilde und Frede⸗ 
gunde. + 17. November 594. Sein Hauptwerk ſind 
die 10 Bücher fränkiſcher Geſchichte, Die als Duelle 
uverläffig find, deutjh von Gieſebrecht, 1851. 
ußerdem fchrieb er die Wunder des heil. Martin 
und ähnliche Heiligengefhichten. Vgl. Löbell, Gre— 
gor von Tours, Leipz. 1839. 

Gregor von Utrecht. Geb. um 707. Schüler 
des Bonifacius, den er ſchon ald Knabe begleitete, 
nachdem er ihn im Klofter Pfalzel bei Trier, deſſen 
Nebtiffin feine Großmutter Modula war, kennen 

elernt und lieb gewonnen hatte. Er leitete nach 
obans Tode, ohne die bifhöfliche Weihe gu em: 
piengen, dad Bisthum Utrecht und bie feige 
iffion. Am bedeutendften aber war feine ⸗ 
ſamkeit an der in Utrecht geſtifteten Schule, welche 
Bildungsanſtalt für die Geiſtlichen und Miffionen 
unter den riefen, Sachſen und Angeln wurbe. 


781. 
— — Geſang. S. Geſang und Gre⸗ 
0 


eL 

Gregoriusf-fl. Ein Schulfeft, welches in Deutſch⸗ 
land um die Dfterzeit gefeiert wurbe und das Anz 
denten an Gregor I. bewahren follte. Die Knaben 
wählten aus ihrer Mitte einen Bifchof, der auch 
in der Kirche das Amt traveftirte. Verkleidet und 
fingend durchzogen die Schüler mit ven 2 1 
die Straßen und fammelten Gaben zu ihrer Belu« 
rc t allmählich nad} der Reformation ver- 
chwand bad i 

Gremiale, Ein jeibenes Tuch, welches dem func: 
tionirenden Biſchofe, wenn er auf dem Falbifto: 
rium figt, auf den Schooß gelegt wird, urfprüng: 
lich zum Schuge der Kleidung, jegt zum Schmude. 


Gretier 


Gretfer, ig Geb. 1650 zu Markdorf bei 
—— uit ſeit 1577, war er Lehrer der Theo: 


logie zu Jngolftadt. + 1625. Einer der gelehrteften | Entwidlung des 


Männer feiner Zeit, der 150 Werte über Bhilolo: 
ie und Theologie verfaßt haben foll, erntete er 
En Hauptruhm ald Belämpfer des Proteftan: 
tismus und wurbe beshalb ge nad) Regenöburg 
um Religionsgeſpräch 1601 gejendet. Aufrichtige 
Erömmigteit und Demuth zeichneten ihn aus. 
Gribalds, Matteo. Ein Piemontefe und Rechts: 
gelehrter in Badua. In der italienischen Gemeinde 
u Genf bejtritt er 1554 die Trinität und hob durch 
nahme eined MWefensunterihiedes die Einheit 
von Bater und Sohn auf. In Folge deffen von 
Padua vertrieben, erhielt er in Tübingen eine Leh⸗ 
terftelle, mußte von bort ns und in Bern 
widerrufen, um firengerer Strafe zu entgehen. 
Griegenland, Eiias, Graecia, hieß urjprüng: 
lih und im engern Sinne das Land jüdlid vom 
Bindus; im weiteren Sinne und ſpäter ift damit 
bie ganze Halbinfel ſüdlich vom Ballan gemeint, 
Macedonien und Illyrien alfo eingefchloffen, Apſtg. 
10,2. Während der Blüthezeit Griechenlands wird 
ed im Alten Teftamente nicht erwähnt; es findet 
zwiſchen ihm und Jirael gar feine Berührung ftatt 
und feine Beziehung der griechiſchen Naturreligion 


zum jüdiſchen Monotheismus. Aleranders Erobe: | & 


rungszüge unterwarfen aud) Baläftina griechiſch⸗ 
macedoniſcher Herrihaft und ftellten es unter den 
Einfluß griehijcher Eultur, dem auch bas religiöfe 
Leben des Boltes ii nie wieder ganz entziehen 
fonnte. Diefer Einfluß zeigt fi dann nicht bloß in 
dem jpäteren und dem alegandrinijdhen Juben: 
tum, fondern ebenjo und noch mehr in der Auf: 
faffung und Ausbildung des auf jüdiſchem Boden 
geborenen Chriſtenthums, welches als Ausgleihung 
des jübijch-orientalifchen und des griechiſch⸗occi⸗ 
dentalen Geiſtes gefaßt werden lann. In ihrer 
vorherrichenden Richtung auf das Menſchlich⸗Sitt⸗ 
liche bildete die griedife Philoſophie die Ergän: 
ung zu ber einfeitigsreligiöjen ded Jubenthums ; 
beide Richtungen fanden im Hellenismus (ſ. d. A.) 
Berührung und Vermiſchung, im Chriftenthum 
ihre höhere Einheit und Bermittelung. Das Chri: 
ftentyum wurde Weltreligion, als es von ber grie: 
Hilden Bildung aufgenommen wurde. Die grie: 
chiſche Sprade wurde das Mittel der Ausbreitung. 
Griechiſch find die gefhichtlichen Urkunden des 
EhriftentHums im Neuen Tejtamente geſchrieben 
und bie theologiichen Lehrſchriften der erften Na 
hunderte. Weithin laffen fich die directen Einwir⸗ 
kungen der griehifchen Philoſophie verfolgen. Wie 
die jüdiſche und chriftlihe Schriftertlärung dem 
Wege folgt, welchen die allegorifche Deutung der 
Bollampihen durch die Stoifer gewiejen hatte und 
die mittelalterliche Scholaftil unter dem directen 
Einfluß der ariftotelifchen Philofophie ftand, fo 
hat der ideale Dualismus Plato's tie Geftaltung 
der mittelalterlihen Kirche und ihres religiöfen 
Lebens bejtimmt. Der Reformation ging die er: 
neute wiſſenſchaftliche Beihäftigung mit den grie⸗ 
Silsen Klaſſikern vorauf. Bol. Tholud, Weſen 

fittl. Einfluß des Heidenthums (Neanders 
Dentwürd.); Jakobs, Verm. Schriften, Th. III 
und VI; Garove, Vorhalle des Ghriftenthums, 
1851; Rägelsbach, die nachhomeriſche Theologie, 
1857; Döllinger, Heidenthum und Judenthum, 
1857 ; Baur, das Ehriftliche im Platonismus, 1837 ; 
Adermann, Weber das Ehriftliche in Plato, 1835; 


317 


Griechiſche Kirche 


Stein, Berh. des Platonismus zum Maff. Alter: 
thum und zum Chriſtenthum, 1864; Seller, die 
onotheismus bei den Griechen; 
der —— Staat (Borträge und Abhandlun: 
gen, h 

Griechiſche Kirche, oder orthodore, hat ihr Ge: 
biet im Osmanischen Reiche, in Rußland, Griechen: 
land, den Joniſchen Inſeln und Illyrien. Die 
Trennung von der abendländifchen Kirche ift zwar 
auch durch ftaatlihe und politifche Gründe, ſowie 
durch die Verfchiedenheit der Nationalitäten, Ger: 
manen, Romanen und Slaven, bedingt, beruht aber 
in ber That allein auf dem päpftlihen Primat und 
hat i nn in der Errichtung des Bisthums 
von nz 307. Schon unter dem Patriarchen 
Acarius 457—89 trat eine Zeitlang eine Tren: 
nung zwiſchen Eonftantinopel und Rom ein, unter 
Bhotius 857—91 fiegte zwar Rom, aber dad zwie⸗ 
fache 8. allgemeine Eoncil von Eonftantinopel 869 
und 879 öffnete den Ri, den bie römiſche Ercom: 
municationsurfunde, welche unter Gärulariud am 
24. Juli 1054 von dem römiſchen Legaten in ber 
Sophienlirche verlefen wurde, nur offenkundig und 
unbeilbar erflärte. Die Berfchiedenheiten bes 
Dogma’s, der Disciplin und des Eultus find eben 
fo ſehr Folgen ald Urſachen des Schisma's. Die 

riehen werfen ben Lateinern vor: den So 
filioque im Symbol (die Lehre, daß der heil. Gei 
auch vom Sohne ausgehe wie vom Bater), den 
Gebraud) des Ungefäuerten, die Communion un: 
ter Einer Geftalt, dad Verbot ber Priefterehe, die 
Berkürzung der 4Otägigen Faften, das Faften am 
Sonnabend, das einmalige Untertauchen bei ber 
Taufe, das Firmungsvorrecht der Bilchöfe, vers 
kehrtes Kreuzichlagen u. f. f. Das lateiniſche Kai: 
ſerthum 1204—61 und biedamit —— Union 
mit Rom machte den Zwieſpalt durch Erbitterung 
nur größer. Un Unionsverſuchen hat es nicht ge: 
fehlt: Petrus Chryſolanus 1110—12, Concil zu 
Eonftantinopel 1168, Eoncil zu Lyon 1274, zu 
Florenz: Ferrara 1488. Unionserflärungen und 
Bereinbarungen der Theologen find erlangt, aber 
nie eine Einigung ber Kirchen. Nur die wenigen 
Gemeinden der unirten Griechen haben fich unter 
Beibehaltung der Priefterehe und der Communion 
sub utraque Rom dauernd angeichloffen. Ebenjo 
vergeblich ift das Beſtreben geblieben, auf prote: 
ftantifcher Seite eine Vereinigung mit der grie: 
chiſchen Kirche zu erlangen: Melandithon 1559, 
Andrei und die Tübinger 1578 und endlich Eyrill 
Lukaris 1621. Gemeinfam ift beiden Kirchen nur 
der Gegenſatz gegen Rom. Da bie griechifche Kir 
von jeher das Sittliche und Intellectuelle nic 
ſcharf auseinander zu halten im Stande war, 
tonnte fie das — Prineip der Gerech⸗ 
tigkeit aus dem Glauben allein als kirchenbilden⸗ 
des Princip nicht verſtehen, um jo weniger, alB 
ihr zum Verſtändniß der Mißbrauch des Ablafſes 
fehlte. Die Kirche legt viel Werth auf Faften und 
Astefe (Mönchsweſen, zweite Che) als die natür: 
lihen Neußerungen der Frümmigfeit, die dem 
Irdiſchen entgegengefegt ift. Der Gotteädienft ift 
nicht weniger veräußerlicht als in der römiſchen 
Kirche, durch VBilderdienft und ceremonielled Ge: 
pränge, an mweldem die Gemeinde feinen Theil 
nimmt, aber der Eultus enthält Formen, bie bis 
in bie älteften Zeiten binaufreichen. Die Predigt 
tritt ganz zurüd. Cine zahlreiche Geiftlichteit 
iſt hierarchiſch complicirt abgejtuft, bie niebere 


Griechiſche Sprache 


Geiftlichleit muß verheirathet fein, die höhere aber 
ehelo8 und ergänzt id) deshalb aus den Klöſtern. 
Das wiſſenſchaftliche Leben ift jeit Johannes Da: 
mascenus 730 immer mehr gejunfen ; zu nennen 
find Delumenius (um 1000), Theophylatt (} 1107), 
Euthymius Zigabenus (F 1118), Nicetad Cho- 
niates (+ 1216), Nikolaus von Methone, Eyrillus 
Lukaris und Petrus Mogilad, Metropolit von 
Kiew 1642, deſſen Bekenntnißſchrift Yesodokos 
Suokoyia ſymboliſches Anfehen in der ganzen 
Kirche erlangt hat. Die Unterordnung unter den 
Staat oder vielmehr unter die Perfon des Fürften 
(Byzantinismus), welche zu den charakteriftiichen 
geſchichtlichen Bejonderheitender griechiſchen Kirche 
gehört, ift auch die Urſache der gegenwärtigen 
Sonderung in die griechifche Kirche der Türkei, die 
Kirche von Hellas und die ruffisch:griechifche Kirche 
geworden. Nach der Eroberung durch die Türken 
ging ein Theil der bürgerlichen Rechtspflege und 
der Berssaltung auf den Klerus über, deshalb 
wurde dem Batriarchen ald dem Haupte und We: 
präfentanten der Kirche eine ftehende Synode bei: 
eis wozu die Elemente in der frühern arifto: 
atiſchen Berfaffung lagen. Die Stellen waren 
aber häufig genug von Beitehung und Willfür 
rg Daher löfte die Kirche im neugriechi— 
fhen Reihe nad der Unabhängigkeitäerklärung 
1827 den Berband mit dem ölumenifchen Batriar: 
—— zu Conſtantinopel 1833 und übertrug bie 
irchengemwalt einer permanenten Synode, deren 
Mitglieder jährlih vom König ernannt werden. 
Sie folgte Dabei dem Vorbilde der ruſſiſchen Kirche, 
in welder Beter der Große das Patriarchat (feit 
1588) 1702 nicht wieder bejegte und die Kirchen: 
verwaltung in die Hände der heiligen Synode 
(patriarhalifhen) gegeben hatte, wodurch in der 
That aber die Kirhengewalt völlig an den Fürften 
er und ber Cäjareopapismus in ausge: 
ehnter Weiſe gr ift. In der griechifchen 
Kirche beftehen unter dem Patriarchen von Eon: 
—— ie alten Patriarchate von Jeruſalem, 
exandria und Antiochia, denen ſich die Erz— 
biſchöfe und Biſchöfe unterordnen. Seit den chri— 
ſtologiſchen no. haben ji, nur abge: 
net die unirten Griechen, Secten von der grie: 
chiſchen Kirche nicht abgetrennt; nur in Rußland 
haben liturgifche und firchenregimentliche Satzun⸗ 
gen bie Secien ber Raskolniken oder Staromwerzen, 
welche bad Prieft verwerfen, der Strigol⸗ 
niten, Duchoborzen, Bomoranen und Sapitonier 
hervorgerufen. Die Unmifjenheit des Bolfes in 
geiftlihen Dingen wird durch die Beibehaltung der 
lavoniſchen Kirchenſprache, in welcher allein 
die Bibel verbreitet werden darf, nur vermehrt. 
Die Bildung der niebern, jehr armen und gefefjel: 
ten Geiftlichkeit ift über alle Vorftellung gering, 
aud im Bolte gelten die Briefter nur als heilige 
Magier, und im Stillen verbreitet ſich durch die 
doch hineinwirkenden Ideen der modernen Welt 
ein befto ſchlimmerer a ren unter den ftre: 
benderen Klerikern und Laien. Bgl. Pichler, Ges 
ſchichte der kirchl. Trennung zwiſchen dem Drient 
und Deeibent, Münden 1864; Schmitt, Kritifche 
Geſchichte der neu ae und —— Kirche, 
1840 ; Kloſe, die —* en in der Türkei, in Nied⸗ 
ners Zeitſchr. 1860; Strahl, Geſchichte der ruſſi⸗ 
ſchen Kirche, 1830 ; Wimmer, die griechiſche Kirche 
in Rußland, 1848; Preußiſche Jahrbücher, 1867. 
Griechiſche Sprache. S. Helleniftifches Idiom. 


318 


Gropper 


Griesbach, Johann Jakob. Geb. am 4. Yan. 
1745 in Butzbach in Hefien, befuchte er die Schulen 
in Frankfurt a.M., wohin fein Vater als Prediger 
verjegt war, ftudirte Theologie in Tübingen, Leip⸗ 
ig und Halle, habilitirte fich hier 1771, wurde 
1773 Brofefior und 1775 nad) Jena berufen, mo 
er als Kirchenrath am 24. März 1812 ftarb. Ein 
vieljeitig begabter und gebildeter, weithin thätiger 
Mann, ein verehrter Charakter; auch mit Schiller 
3. B. nahe verbunden. Durch Semler angeregt, 
widmete er ſich vorzugämeife der Tertkritit. Die 

ht feiner Studien und wiſſenſchaftlichen Reifen 
ift feine Ausgabe (feit 1774) des Neuen Tefte: 
menteö mit dem von ihm hergeftellten Tezte, 
Hauptausgaben Halle 1796, 1806, Leipzig 1803 
—1807, 1805, 1825 und von Schulz 1827. Unter 
den andern kritiſchen Schriften Griesbachs find zu 
bemerten : Symbolae criticae, 1793; Commenta- 
rius eriticus, 1794. ©. Bibeltert des R. T. 

Gröninger Säule. S. Holland. 

Grönland. Die erſte Entdedung fällt ins 9. 
Jahrhundert, aber erft um 985 fiedelten fid von 
Island aus unter der Führun 18 des Rothen 
Ehriften im Lande an und Diaf Trygvafon ſandte 
Erits Sohn Leif als —— unter Beglei⸗ 
tung von Prieſtern zur Belehrung der Eslimo's. 
Ein eigenes Bistum wurde 1122 errichtet. Al 
mählich hörte aber die Berbindung mit Norwegen 
auf, wodurd das Chriftentfum daſelbſt verlam. 
1721 unternahm Hans Egede, ein Norweger, die 
Miffionirung des von eilig tiefgefuntenen Es⸗ 
timo's bewohnten Landes, welcher fich ſeitdem 
namentlih herenhutifhe Miffionsbemühungen 
angefchlofjen haben, fo daß jekt auch diefes Ci: 
—— beſcheidene chriſtliche Cultur beſiht. 

Egede. 

Groot, Gerhard. Geb. zu Deventer 1340. A 
Lehrer in Köln und Kanonifus zu Utrecht und 
Aachen führte er ein meltliches üppiges Leben, 

ing aber in fi und trat nad) dreijähriger Mö 
terlicher — — als Prediger unterdem 
Volke auf. In diefer Thätigkeit gehemmt, lernte 
er Ruysbroof und deſſen Myſtik Tennen und ftif: 
tete in Berbindung mit feinem Freunde Florentius 
Radewin den Berein der Brüder vom gemeine: 
men 2eben. Dem erſten Brüberhaufe au Deventer 
itand er jelbft vor bis an feinen Tod 1384. 

Gropper, Johann. Grb. 1502 zu Soeft. Dr. 
theol. und Kanonikus zu Köln, dann Probft mu 
Bonn und Köln. + 1559. Als gelehrter und an 
ſcheinend freifinniger Theologe unterftügte er die 
Neformationspläne Hermanns von Wied und 
führte in Verbindung mit Ed und Pflug die Ber: 
einigungäverhandlungen mit Bucer und Piftorius 
1541 zu Regensburg, für welche er den Entwurf 
des Regensburger Snterims verfaßte. Obſchon et 
felbft Bucers Berufung nad Bonn veranlaßt hatte 
1541, griff er denfelben bald entfchieden im Anti- 
didagma an 1544, als er die Hoffnung aufgeben 
mußte, die Evangelifchen wieder für die Kirche gu 

ewinnen. Bon jet an war er der en 
acer der PBroteftanten, verflagte 1545 den Ery 
bifhof Hermann, führte 1548 die Gegentefor: 
mation in Soeſt nad dem Interim 1548 ein, 
nahm Theil am Triventiner Concil und ſchrieb 
1550 feinen großen Katechismus. Seine Erhebung 
zum Gardinal ald Lohn feiner Verdienſte um bie 
Kirche ſchlug er aus und ftarb unerwartet auf einet 
Geſchäftsreiſe in Rom, 


Großalmojenier 


Großalmojenier hieß bis zur Revolution am 
franzöſiſchen Hofe der erſte — deſſen 
Einfluß durch die von ihm ausgehende Vergebung 
ber Bisthümer und Beneficien ſehr bedeutend war. 
©. Almojenier. 

; Gropaeliennlen, S. England, Irland, Schott: 


and. 

Großtomthur war im Deutſchen Orden ber 
Nächſte nach dem Hochmeifter und dejjen Stellver: 
treter in Abweſenheit. 

Großmann, Chriftian Gottlob Leberecht. Dom: 

‚ Dr. Geb. am 9. November 1789 zu Prießnitz 
im Altenburgifchen. Seit 1629 Superintendent 
und Profeſſor der Theologie zu zeipaig, früher 
Generalfuperintendent und Überhofprediger in 
Altenburg, ift er am meiften befannt gemorden als 
ber Stifter und langjährige Leiter der Guftav: 
Adolj:Stiftung. Er ſchrieb über Philo und bie 
alegandrinifch-jüdifche Religionäphilofophie. Quae- 
stiones Philoniae, Leipz. 1830; Philonis anec- 
dota, Leipzig 1856, + 1857. Seine Lebenäftisge, 
Leipzig 1857. 

roßmeifter ift der Titel, ben bie erften Beam: 
ten des Dominicaner:, des Johanniter: ſowie des 
Zemplerorbens führten. 

Grotius (Hugo de Groot). Geb. 1583 zu Delft. 
Seine eminente Begabung, die er als 16jähriger 
Jüngling durch die Herauögabe des Marcianus 
Capella und anderer Werte bethätigte, verſchaffte 
ihm frühe wichtige Staatsämter. Seit 1613 Raths⸗ 
penfionär von Holland, wurde er 1618 als Armi: 
nianer und Republicaner in den Sturz Difbenbar: 
nevelds verwidelt und zu lebenslãnglichem Gefäng⸗ 
niß verurtheilt. Durch Lift feiner Gattin befreit 
1621, floh er nad Frankreich, ging dann, von der 
reformirten Orthodogie fortwährend verfolgt, nad) 
Schweden 1634 und kehrte als Geſandter dieſer 
Macht bis 1645 nad Frankreich zurüd. Er ftarb 
1645 zu NRoftod, wohin ihn auf der Rüdreife von 
Stodholm in die Heimath ein Sturm verſchlagen 
hatte. Ein ebenjo gründlicher und gelehrter Theo: 
loge ald Jurift (als Begründer des Natur: und 
Boͤllerrechts), Hiftorider (Geſchichte der Gothen, 
Vandalen, Zongobarden, Belgiſche Geſchichte) und 
Staatsmann, hat er in ſeinen Annotationes (1641) 
auf dem Gebiete der grammatiſch-hiſtoriſchen Ere: 
geje Bedeutendes geleiftet, durch die Schrift De 
veritate religionis christianae (1627) die Apolo: 
getif eingeleitet. In den Schriften Defensio fidei 
catholicae, De satisfactione Christi adv. So- 
einum, 1617 giebt er intereffante Beiträge zur 
Lehre von der Rechtfertigung. Auch für das evan: 

elifhe Kirchenrecht hat er Werthuolles geleiftet. 

Seine Opp. theol. gejammelt Amft. 1679. Bat. 
Luden, 9. Grotius nad jeinen Scidfalen und 
Schriften, 1806. 

Grubenhagen. Das Fürftenthum wurde durd) 
Bhilipp I. lutherijch ſeit 1532. Die Reformations: 
ordnung von 1545 überwand den langjährigen 
Widerftand der Stifter, und die Kirchenorbnung 
von 1551 (bei Richter, II, 452) organifirte die Iu: 
therifche Kirche. Als nach dem Tode Philipps II. 
da3 Land an Braunichweig:Züneburg fam, wurde 
diefe Kirchenordnung durd) die Lüneburger erſetzt. 

Örnbenheiner, Jamnici. Ein Beiname der böh— 


miſchen Brüder, als fie, durch Rofyczana verfolgt, | war der Erfte, welcher in den 


319 


Gualbert 


Wilhelm von Grumbach mit dem Bisthum Würz 
burg führte über das Erbe ſeines Onkels, des Bi⸗ 
ſchofs Konrad von Bibra, 1544. Als er, der Reichs 
acht verfallen und feiner Güter beraubt, den Bifchof 
Hobel hatte ermorden lafien, und nad anfangs 
ng Erfolge, geftügt auf feinen Anhang un: 

er ber Reichsritterſchaft und feine Verbindung 
mit Herzog Johann Friedrich dem Mittleren von 
Sadjen, hochfliegende Pläne verfolgte, wurde er in 
Gotha belagert, vom Volke ausgeliefert und gevier: 
theilt, Herzog Friedrich aber verlor fein Land und 
fam in lebenslängliche Gefangenſchaft des Kaiſers 
1567 (+ 1595). 

Gruß bei den Hebräern war entweder eine Er: 
fundigung nad) dem Befinden (arayb EN? nad) 
dem Befinden fragen — grüßen), Richt. 18, 15; 
1. Sam. 10, 4, oder ein Segenswunfd in verſchie⸗ 
denen Formen, den ber VBegrüßte zurüdgab. Dazu 
famen aber ſehr umftänblihe Begrüßungsformein, 
fo daß —* Boten unterſagt wurde, Jemanden 
= dent Wege zu grüßen, 2. Kön. 4,29. Freunde 
und Gleichftehende umarmen und füffen ſich, 2. 
Mof. 4,27; 2. Sam.20,9, Bor dem Höheren ver: 
beugte man fi, 1. Mof. 23,7; 1. Sam. 20, 41; 
2. Sam. 9, 8, fiel auf die Knie, 2. Kön. 1, 18, warf 
fi) * Erde, 1. Moſ. 19, 1, ſtieg vom Reitthier 
ab, 1. Mof. 24, 64; 1. Sam. 25, 23 und küßte die 
Hand und die Füße, Pf. 2,12; Sir. 29, 5. Bun: 
begrüßte man mit bem Wunfche langen Xebens, 1. 
Kön. 1,31; Dan. 2,4; 3,9; 5, 10. Aehnlich ift 
der Wunſch 1. Sam. 25, 6 als Begrüßung eines 
Bornehmen. 

Gruß, engliſcher. S. Engliiher Gruß. 

Grynans, Simon (Öryner). Geb. zu Behringen 
in Schwaben 1493. Eine Stelle ald Nector zu 
Dfen verließ cr wegen feiner evangelifchen Ueber: 
zeugungen, ging nad) Wittenberg zu Melandthon, 
wurde dann Profeſſor der griechiſchen und latei: 
niſchen Spracde zu Heidelberg 1524—29, danach 
in Bajel, auch Dr. und Brofeffor der Theologie. 
r 1541. Durch feine Gelehrfamteit und ausgebrei: 
tete Thätigkeit nimmt er unter den Neformatoren 
feine geringe Stelle ein. Er vermittelte die Gut: 
achten der deutſchen Theologen in der Eheſchei— 
dungsjache Heinrichs VILL., reformirte 1534 die 
Univerjität Tübingen, nahm Antheil an der Ab- 
faffung der helvetiihen Confefjicn und am Reli: 
gionsgejpräd zu Worms 1540, 


Grynäus, Johann Jakob. Geb. zu Bern 1540, 
ftubirte in Bafel und Tübingen. Vicar und Pfar: 
rer zu Rötelen bis 1575, wurde er Profeflor ber 
Theologie an ber Univerfität zu Bafel, jpäter 1586 
Antiftes der Kirche. Da er feine frühere Iutherifche 
Anficht vom Abendmahl aufgab und ſich der Con 
cordienformel widerſetzte, bediente fih 1534—86 
Johann Cafimir feiner zur Reftauration der Uni— 
verjität Heidelberg und zur Einführung bes refor: 
mirten Dogma’s. 1582 erblindet, fuhr er dennoch 
in feinen Borlefungen und Predigten fort. + 1587. 

Gnalbert, Johannes, Stifter des Ordens von 
Ballombrofa, lebte im 11. Jahrhundert. Erwar Herr 
von Piſtoja, trat in das Klofter St. Miniate, ver: 
ließ es aber und gründete 1088 feine neue Genoſ⸗ 
ſenſchaft nad) der firengen Regel Benedictd. Er 
den Laienbrüder 


ih in Wäldern und Gebirgen verbergen mußten. | (fratres conversi) aufnahm, welche diefelben Ge: 


Gründonnerftag. S. Donnerftag, grüner. 
Grumbagidge Händel heißen die 


(übde, aber weniger ftrenge Askeſe ald die Mönche 


hden, welche ! beobachteten und zur Bejorgung ber weltlichen 


Guardian 


Gefhäfte vermenbet wurden. Der Drben hat ſich 
bis jegt erhalten. Di: Ordenskleidung, —— 
dann braun, iſt ſeit der Vereinigung mit den Syl⸗ 
veſtrinern ſchwarz. Die Stifterin der Frauenklöſter 
des Ordens ift die heilige Humilitas (F 1310). 
Gualbert ftarb 1093 und wurde 1193 Tanonifirt. 

Guardian ift bei den Franciscanern und Ka: 
puzinern ber Borfteher eines Kloſters. Er wird 
von den Definitoren der Eonvente auf 3 Jahre 
gewählt. In England führt biefen Titel der Ber: 
malter ber geijtlichen Gerichtsbarkeit während der 
Erledigung eines Bifchofäfiges. 

Guaftalinerinnen heißen nad ihrer Stifterin, 
der Gräfin von Guaftalla, die Mitglieder des An: 
gelilenorbens. 

Guatemala. S. Centralamerifa. 
Günther, Anton. Katholiicher Theologe und 

ilofopb. Geb. 1785 zu Lindenau in Böhmen, 

irte er in Prag und zu Raab in Ungarn, wurbe 
1820 Briefter, danach Profeffor in Wien und ftarb 
1863. Er jete fi die Gründung einer hriftlichen 
ilofophie zur Aufgabe, welche er in einer my: 
iſchen Speculation fand, beren höchſtes Refultat‘ 
er in dem katholiſchen Dogma ausgeſprochen glaubte. 
Seine dualiftifhe Entgegenſetzung von Geiſt und 
Ratur, feine Behauptung, daß gerabe die Bernunft 
um katholiſchen —— gelangen müſſe, machten 
feine Drthodorie verdbädtig. Am 8. Januar 1857 
wurden Glintherd Schriften von ber Indexcom⸗ 
miffton verboten, und am 15. Juni erfchien ein 
Breve bed Papftes, welches ihm Härefien in ben 
Zehren von der Trinität, der Chriftologie und An: 
thropologie und eine Ueberfhäßung der Bernunft 
vorwarf. Günther unterwarf fi am 20. Februar 
1857 und die meiften feiner Anhänger mit ihm. 
Bon feinen Schriften find hervorzuheben: Bor: 
ſchule un fpeculativen Theologie, 1828—46 ; Süd: 
und Norblichter, 1831; der letzte Symboliker, 
1834; Thomas a Scrupulis, 1835. Seit 1848 
a der philoſophiſchen Zeitichrift „2y: 
dia.” Bol. Clemens, bie jpeculative Theologie 
Günthers, Cöln 1858. 

Gürtel ift bei der morgenlänbifchen Tracht ein 
unentbehrlicher Theil der Kleidung, um das meite 
Untergewand zufammenzuhalten ober aufzuneh: 
men, damit es die Bewegungen nicht —— (da: 
her fi gürten = ſich rüften, zur Arbeit, zum 
Krieg). bie:ıte fo ald Tafche, Matth. 10, 9; 2. 
Sam. 20, 8; Ez. 9, 2. Der Stoff des Gürtels 
mar nad Stand und Vermögen verfchieden, von 
Leder, Leinen, Byfjus; namentlich der Frauengür: 
tel oft Gegenftand eines großen Luxus, Jef.3, 24; 
49, 18; Dan. 10,5. Der Brieftergürtel wurde vorn 

ugelnöpft, feine Enden Gingen bis auf die Füße 
tab 


Güte Gotted. ©. Eigenihaften Gottes. 

Gütergemeinihajt. S. Communismus. 
Güslafi, Karl. Geb. 1803 zu Pyritz in Pom— 
mern, bildete er fich in Berlin unter Jänele zum 
Miſſionar aus, wurde von der Rotterdamer Mif: 
fionsgejellihaft 1826 nad Batavia gejendet und 
ing dann nad China, deſſen Ehriftianifirung er 
Hi zur Lebensaufgabe machte. Er befolgte den 
——— belehrte Chineſen ihren Landsleu⸗ 
ten das ngelium zu veriündbigen und ſtiftete 
deßhalb ben Ehinefifhen Berein. Seine Stellung 
ald Dolmetjcher der englifhen Behörden und als 
Secretär des Gouverneurs von Hongkong benugte 
er im Interefje feiner Hauptaufgabe. 1850 machte 


320 


Guizot 


er eine Reiſe durch Deutſchland, um allenthalben 
die Theilnahme für feine Miſſionsarbeit zu er: 
weden. Auf der Rüdreife ftarb er 1851 zu Victoria. 
Seine Arbeit ift nicht in gleicher Weife fortge: 
brt, da ſich heraußftellte, daß er vielen feiner 
ehrten zu viel vertraut habe und ihr Chriften: 
thum ein allzu oberflächliches geweſen fei. — 
bleibt er eine der bedeutenderen Erſcheinungen au 
dem Miſſionsgebiete. 

Guibert von Ravenna. S. Clemens III. 

Guido von Arezzo, ein Benedictinermönd; im 
Klofter zu Pompoſa, ift berühmt geworden als 
Lehrer des Firchlichen Gefanged und ala Erfinder 
ber noch jet üblichen Notation und der Noten: 
fchlüffel. + 1050. 

Guido de Breß,der Begründer der belgifchenevan- 
geliichen Kirche, ift geboren 1540 zu Mond. Er war 
erſt Glasmaler, dann Geiftlicher. Wegen feinerevan- 
geliſchen Anfichten vertrieben, befeftigte er dieſelben 
in ber Londoner Fremdengemeinde und durch einen 
fpätern Aufenthalt zu Laufanne und Genf. Als 
Reijeprediger und Evangelift durchzog er fein Ba: 
terland, überall Gemeinden gründend, bis er nad) 
der Eroberung von Balenciennes 1567 auf der 
Flut ergriffen und durch den Strang hingerichtet 
wurde. Glaubensbelenntnif hatte er 1562 
Philipp II. eingereicht. Daffelbe wurde fpäter von 
der Embener und Dortrechter Synode angenommen 
und ift als belgifche Eonfeffion befannt. 

Gnido von Joinville, Stifter eines Spitals zu 
Chälond, übergab dafjelbe einer neuen religiö 
Genoſſenſchaft, welche nach dem Erwerb einesHaufes 
in Paris 1294 von Bonifacius VIII. beſtätigt 
wurde 1300 und ben Namen ber Hofpitaliter, jo: 
wie die Regel des heil. Auguftin annahm. 

Guilbert, der Heilige, ift geboren 1083. Er war 
ein englifcher Geiftlicher, dann der Stifter des Guil: 
bertinerordens, welder in Doppelllöftern, aber un: 
ter ftrengeräußerlicher Trennung, Ronnen nad) ber 
ftrengen Regel Benedicts und Chorherren nad) der 
Regel Auguftind vereinigt. + 1189, canonifirt 1202. 
Sein Orden ift auf England beichränft geblieben. 

Guizot, Frangois Pierre Guillaume, berühmter 
Staatsmann Frankreichs, deſſen Einfluß auch wer 
ſentlich in bie proteftantiichen Kirchenverhältniſſe 
eingreift. Geb. am 4. Det. 1787 zu Niöutes, wurde 
er nad) ber Reftauration 1814 eraljecretär im 
Minifterium bed Innern und fpäter Staatärath. 
1819 warb er unter Decazes Director der Depar: 
tementöverwaltung, verlor aber 1820 feine Stelle 
und trat in die Oppofition gegen bie Regierung 
ein. 1832—37 ward er Mintfter des Unterrichts, 
in welcher Eigenfchaft er vieles für die Hebung der 
Schule that. 1840 ging er ald Gefandter nad 
London, wurde aber in bemjelben Jahre nod Wi: 
nifter des Auswärtigen und 1347 Chef des Mini: 
rer Seit der Februarrevolution wandte er 

ich auf kurze Zeit nad) England und lebte hierauf 
als Privatmann in Paris. In dieſer legten Zeit 
at er fi) mit großem Eifer aud der kirchlichen 
agen bemächtigt;; er ift das Haupt der altkird: 
lihen Partei, welche das Feithalten des „Surna- 
turel‘ ald die weientliche Bedingung der Erijtenz 
der Kirche anfieht, hatte als Mitglied des Barijer 
Confiftoriums an der Abjegung Coquerels und 
Martin Paſchouds mefentlihen Antheil und hat 
eine religiöfen Ideen niedergelegt in der Schrift 
editations sur l’essence de la religion chre- 
tienne, 1864 (überj. v. Ostar Wendel, Leipz. 1864). 


Gundulf 


Guubdulf, Stifter einer häretiſchen Secte, welche 
bie äußere Kirche, den Klerus und die Sacrantente 


vermaif, nur nach dem Gefeg Chrifti leben wollte | det hatte, und den die Berliner General 


und bie Ehe für verderblich hielt. Gundulf foll in 
Nordfrantreich gelebt Haben; mehr ift von ihm 
nit befannt. Den eindringlihen Gründen des 
Biſchofs Gerhard, welcher auf einer Synode 1025 
mit ihnen verhandelte, gaben übrigens die verhaf: 
teten Ketzer folge. 
Gur, eine Anhöhe bei Jiblaam. 2. Kön. 9, 27. 
Dajelbit wurde Ahasja von Jehu gefchlagen. 
Gurk. Ein Bisthum in Kärnthen, wurbe 1070 
von dem Erzbisthum Salzburg geftiftet, welches fich 
bie Ernennung des Biſchofs vorbehielt, fpäter aber 
1535 immer zwei Ernennungen nacheinander dem 
Haufe Defterreich überlaffen mußte, während e3 
nur immer die dritte für fich behielt. Der Fürft: 
tig reſidirt zu Klagenfurt. 
Rad Adolf, König von Schweden 1611—82. 
Geb. 1594. Glüdliche Friedensſchlüfſe Hatten frü⸗ 
here Kriege mit den Dänen und Ruffen beendigt und 
mit Bolen war ein Waffenftillftand geſchloſſen, 20. 
Sept. 1629, als ©. A. ſich gegen die habsburgiſche 
Kaiſermacht und die Ligue zur Unterftügung der 
in Deutfhland ſchwer bebrängten Proteftanten 
manbte, denen er ſchon vorher (Stralfund 1628) 
Beiftand geleiftet hatte. Nur mit Mühe und Dro: 
dungen ließen rg Brandenburg und Sadjen zu 
einem Bündnifje bewegen. —— ging wäh: 
rend der Unterhandlungen verloren. Die Schlacht 
bei Leipzig 1631, die Eroberung Frankens und 
Baiernd und die — am Lech 1632 brachen 
die Uebermacht des Kaiſers, welche durch Wallen: 
De den Schlachten bei Nördlingen und Zügen, 
Nov. 1632, nicht wieberhergeftellt werden konnte. 
Nach Guſtav Adolfs Tode bei Lügen führten fein 
Kanzler Orenftierna und feine Feldherrn mit fran: 
zöſiſchen Subfidien mehr feine politischen Pläne, 
als jeine firhlihen und religiöfen Abfichten aus. 
Der deutſche Proteſtantismus erkennt in G. A. den 
Retter feiner kirchlichen Eriftenz und der Glaubens: 
freipeit. Vgl. Rango, Guft. Ab. der Gr., 1824; 
Flathe, Guſt. Ad. und der dreißigj. Krieg, 1840; 
Sfrörer, Guft. Ab., 3. Aufl. 1852; Geijers ſchwe⸗ 
diſche Geihichte, 3. Bd, 1836; gell, Geſch. 
— A.'s, 1852. Vgl. d. Art. Dreißigjähriger 
rieg. 
uſtab⸗Adolf⸗Etiftung. Bei der Säcularfeier 
bes Todestages Guſtav Adolfs (6. Nov. 1832) bil: 
bete ſich in Leipzig und Dresden ein Berein zur 
Unterjtütung bedrängter Glaubenägenofjen, an 
defien Spiße der — Dr. Großmann in Leip⸗ 
zig trat. Mit dieſem vereinigte Ni 10 Jahre fpäter 
ein anderer, den ein Aufruf des Dr. Zimmermann 
in Darmftabt, welcher auf die Noth jo vieler evan⸗ 
geltihen Gemeinden hinwies und zur Hülfe auf: 
rief, veranlaßt hatte, Die Vereinigung fand im 
tember 1842 in Leipzig Statt und 1843 wurden 
auf ber Berjammlung zu Frankfurt a. M. die Sta- 
tuten des Vereins angenommen und als Sit des 
Eentralvorftanded Leipzig beftimmt. Der Berein 
gliedert fi) in die Hauptvereine (im jeder Provinz) 
und die in biefem vertretenen Zweigvereine. Wan: 
dernde Hauptverfammlungen regeln die gemeinfame 
Thätigkeit. Der Verein entwidelte fid) nicht ohne 
Schwierigkeiten. Preußen wollte anfangs einen 
eigenen Gentralverein. Bayern und Oeſterreich ver: 
ſchloſſen ihm lange ihre Grenzen und die Ruppſche 
Angelegenheit (der Streit über bie Frage, ob Predi⸗ 


321 


Gymnafien 


ger Rupp von Königäberg, ber aus ber Landeskirche 
ausgetreten war und eine „freie Gemeinde“ gebil: 
verfamm: 
lung deßhalb ausſchloß, nocd Mitglied fein könne 
oder nicht) brachte die Gefahr des Zerfalled aus 
innerem Zmwiefpalt; aber alle Hemmnifje wurden 
glücklich überwunden, und die Vereinsjahe hat 
einen immer erfreulicheren Aufſchwung genommen 
Auf der Hauptverfammlung 1867 konnte berichtet 
werden, daß ber Verein 1117 Zmweigvereine nebſt 
270 Frauen: und 10 Studentenvereinen umfaffe; 
800 Gemeinden wurden mit 149,930 Thalern uns 
terftügt. Der Guſtav⸗Adolf⸗Verein bildet zur Zeit 
die einzige wirkliche Einigung der beutfchen Kirche; 
in ihm bethätigt fich ihre erbarmende Liebe ohne 
Unterfchieb der ara Färbung. Bgl. die 
Berichte ded Vereins; die Mittheilungen der Gu: 
ſtav⸗Adolf⸗Kalender; dad Jahrbuch des Bereing, 
Elberfeld. 

Gut, das höchſte, ift dad objective Ziel bes fitt- 
lihen Handelns, bie volllommene Realifirung des 
fittlihen Zweckes. Der Begriff befjelben ift ala 
Princip der Ethik zuerft von Plato rufgeftellt, der 
das höchſte Gut imabfoluten Staate fand. Schleier: 
macher führte ihn zuerft in bie chriftliche Theologie 
ein, welche ald das höchſte Gut das Reich Gottes 
bezeichnet. 

Guyon, Frau von la Mothe⸗Guyon, geborne 
Jeanne Marie Bouvidre, Geb. am 13. April 1643 
zu Montargis in Drleand. Durch ihre Erziehung 
bei den Urjulinerinnen und burd) die S eiften bes 
Franz von Sales erhielt fie früh eine g reli⸗ 
giös⸗aſtetiſche Richtung, welche, durch eine unglürt: 
liche Ehe geiteigert, fie der Myſtik entgegenführte. 
Nah dem Tode ihres Gatten 1676 ergab fie fich 
ber Seelenführung der Aebtiffin Granger, danach 
des Myſtikers Bertot, bis fie nad) deffen Tode in 
eine innige Seelengemeinfchaft mit dem Barna- 
biten:Superior Lacombe in Thonon trat, welchem 
als Seelenführer fie der Bifchof von Genf zumies. 
Im Klofter Ger bei Genf wurde ihr der Aufent- 
halt unmöglid, worauf fie, durch Ihwärmerifche 
Dffenbarungen aufgeregt, 5 Jahre ein Wander: 
leben te, um einem unruhigen Miffionstrieb 
zu genügen, während befjen ſich ibre miyſtiſche Rich⸗ 
tung des Entſagens und Erſterbens zu einer völ⸗ 
ligen Ruhe in Gott immer mehr audbildete. Als 
187 die quietiftiiche Lehre des. Molinos, der bie 
ihrige nahe verwandt war, verdammt worden, 
murde auch fie zur Unterjuchung gezogen und ein 
Jahr lang in einem Klofter eingejperrt gehalten. 
Da fie in Berbindung mit Fenelon ſtand, ward fie 
während des Streites defjelben mit Bofjuet von 
neuem zur Unterfuchung gezogen, mußte ihre Lehre 

| widerrufen und 10 Jahre lang Haft in der Baftille 
ertragen 1695—1705; ur ihrer Befreiung wurde 
enad) Bloisverbannt, wo fieam 9. Juni 1717 ftarb. 
hre Schriften (in deutſch. Ueberſ. 1727) haben ihr 
nicht nur in Frankreich viele Anhänger gefammelt, 
fondern durch Arnold, Terfteegen und die Berle: 
burger Bibel einen weittragenden Einjluß aud in 
der deutſchen reformirten Kirche verſchafft, der fich 
in mancherlei Erſcheinungen des myſtiſchen Sepa: 
ratismus äußerte. Vgl. ihre Gelbftbiographie, 
1720; Berlin 1826 ; Hermes, Züge aus dem Leben 
der Frau von G., Magdeb. 1845. 

Gymnaſien, die Schulen der Jugend für leib- 
liche Uebungen oder die Turnpläge ber Griechen, 
ſuchte der gräcifirende Hoheprieſter Salon, 2. Matt. 


Syrovagi 322 Hadrach 


4,12.20, auch in Jeruſalem einzuführen. Herodes und vagabundirend bei den einzelnen Mönchsnie⸗ 
erbaute mehrere in den —— Städten für —5 — umberzogen. den Babirg ⸗ 
deren griechiſche Bevölkerung. den Unfuge ſuchten die Beſchlüſſe der Synoden zu 

Gyrovagi (Sircumcellionen) find Mönche, welche ſteuern; es — dies aber erſt durch die völlige 
fi dem Chnobitenleben nicht anſchließen wollten | Einführung el bes heil. Benedikt. 


9. 


Soagleitnerianer oder Manhartianer (f. d. X.) | den Calvinismus, mehr aber gegen den Katholi⸗ 
waren Die Anhänger des Briefters Haagleitner im | cidmus und deſſen bamals von vielem Ct beglei⸗ 
Salzburgiſchen. teten Converſionsbemuͤhungen, gegen welche meh⸗ 

Haagſche apologetiſche Geſellſchaft. Eine 1685 rere feiner Schriften gerichtet find. + 1676. 
gejtiftete wiſſenſchaftliche Geſellſchaft in Holland, abert, Jiaaf, Kanonikus zu Paris 1645 und 
melde den Zwed hat, wiſſenſchaftliche Arbeiten zur IR von Babres. + 1668. Er war der Erfte, 
Pa ng des Chriſtenthums hervorzurufen. | welcher gegen Janjenius ſchrieb Seine Anfcyul» 
Sie ſchreibt für die befte Arbeit alljährlich einen | digungen zu widerlegen, ſchrieb Arnaufd eine Äpo⸗ 
Preis von 400 fl. aus. logie fir die Janfeniften. 

Haar. Volles reiched Haar galt natürlich au abeih. S. Abefiynien. 
bei den Juben für eine Lierde männlicher un zuhe (Luth. : Sperber) gehört zu den unreinen 
weiblicher Schönheit, doch hielt man langes Haar | Thieren. Die Angale Hiob 39, 26 bezeichnet ihn 
= — für * —— — 1. | als Zugvogel. j 

or.11, agegen2, Sam. 14,26); nur in Folge i ännli 
—— 
18; Ficht. 12, 5. Frauen ſchmückten und friſirten zu verftehen ift. — Derſelbe tommt auch als ver⸗ 
das Haar, el. 3, 24; Zub. 10, 2; e8 wurde mit, —— vor: des Sohnes Ismaels, 1. Chr. 1, 
woblriehendem Del gejalbt, durch Einftreuen von | 30, zweier Könige in Edom, 1. Mof. 36, 85; 1. 
Goldftaub glänzend gemacht, Jofeph. Ant. 8,7.3, Chr. 1, 46, und des Edomiters, welder nad) Da: 
aud font gefärbt, Hohel. 7, 5. In der Trauer dids Tode von Aegypten aus als Widerfacher Sa⸗ 
mwurbe dad Haupt Bien Als Ritus der Reinig: | (omo’3 aufitand, 1. Ran 11, 4—22. 
feit8erflärung fonımt das Scheren des Haupthaars Hadad⸗Eſer, König von Zoba in Syrien, vers 
vor bei den Ausfäpigen und bei der Weihe der Les | piindete fi) mit den Ammonitern gegen Dapid, 
viten, 3. Mof. 14, 8. 9; 4. Mof. 8, 7. und wurde zuerjt von Joab, dann von David bei 

abafuf,derBrophet. Bon den Lebensumftänden Helam geichlagen, 2. Sam. 10, 6—19. 

dieſes Sehers giebt es nur apolryphiſche Nachrichten ° Havad-Rinımon ift die Stätte einer in [ 
in der Geſchichte vom Draden zu Babel und im) perühmten, uns aber unbefannten Tobtenflage, 
Pleubo-Epiphanius. Das Bud Habakufs verkündet | Sach. 12, 11. Auch die Lage des Ortes ift ungemiß. 
das bevorftehende Gericht Gottes, den Untergang Hadafa oder Adafa, ein Flecken im Stamme 
durch die Chaldaer (Cap. 1), ftellt aber darauf in | Yuda, wo Judas den Rikanor ſchlug, Jof. 15, 87 ; 
fünffachen Tehe den Sturz diefer übermüthigen, | 1. Makf. 7, 40. 45. 
gögendienerifchen Feinde in Ausficht (Gap. 2), wor: Hadderffen, Johann, Baftor zu RHammelwarden, 
auf ein Gebet des Propheten (Cap. 3) folgt, welches übertrug 1523—33 Luthers’ Bibelüberfegung ins 
an bie wunderbaren Fügungen Gottes erinnert, die | Niederbeutiche. 
an feinen Volle fihtbar gemorden find. Aus feiner —— iſt das Waſſer, welches Moſes auf 
Schrift ſelbſt rechtfertigt ſich die Annahme der) göttlichen Befehl dem hadernden Volle in der Wüfte 
Ss —— ber — ng daß er | aus dem Felſen gab. Val. 4. Mof. 20,1 ff. 
un ojalim gelebt habe; Delik tihn unter . . @j : 
Joſias. An dichteriſchem Werthe  ehöct feine Weiſ⸗ dades, oidr⸗ Euth· Hölle), ift daB Im Alten 
fagung zu dem Schöniten der hebräifchen Poeſie. Teſtamente noch räumlich —— ZTodtenreich. 
Dal. dibig, die Heinen Rropheten, im furzgef. ereg. | Die Vorſtellung iſt noch unklar. Der Zuſtand ber 
—5 Aufl. 1863; Ewald, die Propheten, Scheolsbewohner ift traumhaftes oder bemußtlofes 
867 ff.; Keil, die 12 Heinen Propheten, 1866. Shattenleben; e ne önliner Hupe eine 
Dann fpecielle Schriften von Bäumlein, 1840; , ahnungsvolle Hoffnung perjönliger Unfterblicteit. 
Delitzſch, 1843. Ebenfo wenig ift das Wort im Neuen Tejtamente 

Haberim fol nach 2. Sam. 20,14 ein Diſtriet in in einem dögmatiſch ſchärfer zu bejtimmenden 
Raläftina „lin; da fich ein folder fonft nirgend er- —— —— — * os u 

„ 1) i N . ° ‚ D 
un et, nimmt man einen fehler des Ter als „den Schoop Abrahanıd;" 8 it al 2. ‘ 

Haberim, war ein Bund ber ftrengeren Juben, eig Ausdrud für den Zufland nad dem Tode. 
welcher durch die Brüder Jofe ben Joezer und ben | gl. d. Art. Unfterblichleit. 

Jochanan im 2. Jahrhundert v. Chr. geniftet wor) Hadoram, ein Sohn Joltans, von welchem ein 
den ift und eine ae Erfüllung der Speife:, | arabifher Stamm in Hadramaut abgeleitet wird. 
Reinigungs: u. f. w. Gebote anjtrebte. (1. Mof. 10, 27.) 

Haberforn, Peter, geb, 1604 zu Butzbach. Seit| KHadrach, ein Rame, welcher entweder fürbeneiner 
1632 Brofeffor in Marburg und 1650 an der neu: | aramäifchen Gottheit oder eines Königs Ben 

eftifteten UniverſitätGießen, warereinerder legten | wird, den Vaihinger zwiſchen Benhadad und 

olemiler der alten lutheriſchen Orthodogie gegen | Rezin, zur Zeit Jerobeams II. jegt. (Sad. 9, 1.) 


Hadrian - 


— römiſcher Kaiſer (117—138). Seine 
auf Befeſtigung des Reichs und Ausgleichung der 
eg innere Politik beftimmte 
fein Ber n gegen Juden und Chriften. Jenen 
verbot er bie Beſchneidung und erbaute auf den 
Trümmern Jeruſalems die römifche Colonie Ae- 
lia Capitolina, um ihre abgeſchloſſene Rationali: 
tät — Der Aufſtand unter Bar Cochba 
wurde mit Strenge niedergeſchlagen. Die Ber: 
folgungen der Chriften befchräntte Ki Decret in 
der Art, dad nur Anlagen in gejeglicher Form 
angenommen werben burften. 
adrian L, Bapft (772—795). Er rief gen 
bie gegen 3 der Zongobarben Karl d. Gr. zu 
ülfe und erhielt von biefem die Beftätigung ber 
chenkungen er Die von Karl ausgeübten 
oberherrlihen Rechte über die Kirche erkannte er 
an und betätigte die Beſchlüſſe der Synode 
von Frankfurt über den Adoptianismus und Bil: 


berftreit, obmohl fie feinen Wünſchen eben nicht 
entipraden. 
— II. (867—872). Seinen Berfuchen, den 


pfeuboifidorifhen Grundfägen in den Kriegen 
Karla des Kahlen mit Lothar II, und mit feinem 
Sohne Karlmann Geltung zu verichaffen, jegte 
ener, eds von Hincma: von Rheims, durch⸗ 
chlagende Entſchiedenheit en In ſeine Re⸗ 
gierungszeit fällt der Bruch mit Conſtantinopel 
und dem Patriarchen Photius (f. d. Art.) und der 
Beihluß der * von Worms 868, daß den 
Geiſtlichen die Ehe verboten ſein ſolle. 

— 884886). Derſelbe hatte den Kampf 
mit Conftantinopel und dem Patriarchen ar 
ortzufegen. Er ftarb auf der Reife nach Deutſch⸗ 
nd, wohin ihn Karl der Dide beichieden hatte. 

— IV. (1154—1159). Als ein Betteltnabe aus 
England, begann er feine Laufbahn, dann Klofter: 
knecht zu St. Rufus bei Avignon, wurbe Abt, Car: 
binal, Zegat für Norwegen und endlich Bapft. Mit 
— —— —— Barbaroſſa's kämpfte er 
gegen Arnold von Brescia und Wilhelm von Si: 
cilien. Als er aber mit diefem einfeitigen Frieden 

chloß, ihm Sicilien ald Lehen gab, und nun gr 

ie päpftlichen ** erhob, daß der Kaiſer ſi 
als päpftliher Lehensträger anzuſehen hätte, ent: 
ündete er den Streit der Hohenſtaufen mit den 
Bäpften. Als er eben ben Bann über Friedrich 
ausfprechen wollte, ftarb er (zu Anagni erftidt). 

— V. (12. Juli bis 18. Auguft 1276). Er war 
ein mn — IV. aus der Familie Fiesco. 

— VI. (1522—1523). Er war der Sohn eines 
Hanbmerlers in Utrecht, wurde Profeffor in Löwen 
und 1507 Zebrer bed Kaifer Karl. 1517 Garbinal, 
1519 Biſchof von — Die Reformation för: 
derte er wider Willen durch die Art, wie er fie 
belämpfte, und burch dad Auftreten feines Legaten 
Ehieregati auf dem Reichätag zu Nürnber 1528, 
wo er auf bie Ausführung des Wormſer —** 
rn ließ. Seinen guten Willen, die äußeren 
Schäden der Kirche abzuftellen, durchkreuzten die 
Garbdinäle, denen fein Tod willlommen war. 

Händel, nr Kaiser berühmter Gomponift, 
geb. am 24. r 1685 zu Halle a. ©,, 
war Schüler Attilio'3 in Berlin, Mufikdirector in 
Hamburg und trat jhon im 15. Lebensjahre als 
Dperncomponift auf. Nach einem Aufenthalt in 
Italien wurbe er —— in Hannover, 
ging dann (1710) nach England, wo er bald Di— 
rector ber Königl. Alademie ber Muſik wurde, Die 


323 


Härefie 


engen Seite feines ſchöpferiſchen Genius bil: 
eten die Dratorien Meſſias, Samfon, Iſrael in 
Yegypten, u. a., namentlich das erftere. ftarb 
am 14. Auguft 1759 und liegt in der Weftminiter- 
abtei begraben. Vgl. Chryfander, ©. F. Händel, 
Leipzig 1858. 
ändewafhen. In ber Mefje ift die Hand⸗ 
waſchung der Priefter (Lavabo) ein Symbol ber 
Reinheit von der Sünde, Sie e ihre Stelle nad 
ber Oblation und wird Pſalm 25, 6—12 babei re: 
eitirt, im mailändiſchen Ritus nad) der Conjecra- 
tion. In der griechiſchen Kirche ift fie ein Theil ber 
Besen und folgt auf bad Anziehen der heil. 
eiber. 
Händewafden vor dem Eſſen und bem Tiſch⸗ 
gebet, jowie nach dem —— vor dem Morgen⸗ 
ebet gehört den religiöſen Obſervanzen der 
— (Joh. 2,6; Marc. 7,2), auf welche ber 
Talmud den’gröhten Werth legt und melde er in 
einem eigenen Tractate ausführlich behandelte, 
Härefie ift die von ber Gejammtheit 
Kirche abweichende Auffafjung einer en. 
Glaubenslehre, weldhe den Anſpruch erhebt, als 
wahr und alleingültig allgemein anerlannt zu 
werben. Sie unterfcheidet von der Lehrmei⸗ 
nung dadurd, daß fie fi) auf den Glaubensinhalt 
bezieht, —— dieſe nur die begriffliche Vermitt⸗ 
lung deſſelben zum Gegeuftand hat, und daher 
eo des rien denden Triebes entbehrt, 
welcher der Häreſie niemals fehlt. In der katho⸗ 
liſchen Kirche iſt aber derjenige ein Ketzer oder 
Häretiler, der ein von ber Kirche ſtillſchweigend 
oder ausbrüdli ge Dogma wifjentlih 
verwirft und belämpft. Da die evangelifche Kirche 
nicht wie die katholiſche eine unfehlbare Lehrauto⸗ 
sität behauptet, die der Härefie aber eine unan⸗ 
tajtbare beit als ihr Gegentbeil zur Voraus⸗ 
ſetzung hat, jo hat Schleiermader den wiſſenſchaft⸗ 
lihen Begriff der Härefle dahin beftimmt, daß es 
eine ſolche Auffaffung der Kriftlichen Lehre fei, 
welche zwar ben Schein bes Chriftlihen bewahren 
wolle, aber dennoch feinem Grunbtypus wider⸗ 
ſpreche. Die Grundformen der Härefie find daher 
Doketismus und Ebjonitismus, Manichäismus 
und Pelagianismus. Die wirflihe und fi) er 
conſequente Härefie hebt daher aud) die Glaubens⸗ 
gemeinihaft auf und F ir freimilligen 
oder unfreimilligen Bruch mit ber Kirche zur 
Bei: Darin liegt auch der per vom 
chisma, d. 5. einer Aufhebung der Kirchenge⸗ 
meinſchaft aus äußern Gründen, ber Liturgie, der 
Verfafjung ꝛc., womit feine Auflöfung der Glau⸗ 
bens Ag verbunden tft. Da ber chrift: 
liche Lehrinhalt ſich rg aus ber Leber: 
windung ber natürlichen Härefien erſt heraus: 
arbeiten mußte, jo war die alte Kirche in ber 
Beurtheilung derjelben milde, in ben chriſtologi⸗ 
ſchen Streitigfeiten wurde nicht ſowohl die Häre⸗ 
ſie als die Renitenz gegen die Autorität verfolgt 
und geſtraft; erſt in den — *518— Streitig⸗ 
keiten tritt der Grundſatz auf, daß Häretiker durch 
weltliche Gewalt zur Ruckkehr in die Kirche gend» 
thigt werben follten, den die römische Kirche bis 
heute nicht aufgegeben hat und melden das bür: 
ne. Recht erit in Folge der Reformation ver: 
ieß. Da bie evan 36 Kirche nie a — 
darf, daß die theologiſche Lehrentwicklung ſich 
nicht anders vollziehen kann, als durch die Aus— 
ſcheidung der in den dogmatiſchen — 


Häufer bei den Hebräern 324 Haggai 


zurlicgebliebenen Refte der natürlihen Härefien, | Wohnfigen verbrängt (1. Chr. 5, 10. 19. 20; Pf 
und daß bei diefer Arbeit durch den Gegenſatz 83, 7), fpäter den Iſraeliten feindlich gefinnt er- 
immer der dem Belämpften g enäßerfiehenbe | (deint; derjelbe ift in den Bebuinen am perfifchen: 
Irrthum befräftigt erfdeiren muß, jo kann auf | Meerbufen wiedergefunden worden. 
ihrem Gebiete nicht eher von wirklichen Härefien | Hagen, Johann von, Abt von Bursfeld (1439- 
erebet werden, als bis fie fich als foldhe durch 1469), entjagte unter dem Einfluß des Yohann 
dung einer Gemeinfhaft und Abfonderung | von Buſch dem weltlichen Leben, richtete in fei: 
von der biäherigen erwieſen haben. Biele in der | nem Kloſter die ftrengere Benedictinerregel wieder 
Kirhengefhichte erwähnte Härefien find nichts 38* ſtiftete die Bursfelder Congregation (f. 
. Art 


anderes, ald das Fefthalten einer von der Gejammts | b .). 
heit bererts überwundenen Entwidlungsftufe. Hagenau, Religionsgefpräh zu (12. Juni bis 
16. Juli 1540), wurde vom Kaifer in Folge ber 


dãuſer bei den Hebräern. Diefelben waren nad 
der Meife des ganzen Altertfums und des Drients | Frankfurter Verhandlungen von 1539 berufen, 
o gebaut, daß fie einen vieredigen Hof 58 um eine Vereinigung zwiſchen den Evangeliſchen 
er, aus dem man in bie Zimmer trat. Auf dem | und Katholiſchen zu verſuchen. Urſprünglich nad 
achen Dache befand fich daß Obergemad), von dem | Worms beftimmt, wurbe es wegen einer bori 
umeilen eine befondese Treppe auf die Straße —— Epidemie nach Hagenau verlegt. Da 
man Luther zu ſchicken ohne beſonderes Geleite 
nicht gewagt hatte, Melanchthon auf der Reife er: 
frantte, fo waren die Evangelifchen durch Brenz, 
Dfiander, Capito, Eruciger und Mylonius vertre- 
ten; auf katholiſcher Seite ftanden Ed, Faber und 
Eochläud. Das Refultat war aber nur ein Receß, 


übrte, und welches ber Verwendung für auferge: 

wöhnliche Zwecke vorbehalten blieb. Im hintern 

Theil des Haufes befanden ſich bie Frauengemächer. 

rt nr hatten Gitter und bie Thlren waren 

mit Riegeln verſchloſſen. Das Baumaterial waren 

Lehmziegel oder Brucjfteine, auch Quadern und 

Marmor. Zum Bindemittel diente Kalk, Gips daß demmächft in Worms Bertreter beider Bars 

und Asphalt. 1. Mof. 11, 3, zu Bauholz die |teien von ben bezeichneten Ständen in = 

Sylomore, die Geber, der Delbaum. Der Häufer: | Anzahl gewählt zufammentommen und über die 

ausjah, 3. Mof. 14, 83—57, ift ein Salpeterfraß iferenpun e eine Einigung verfuchen follten. 

an Kalt und Steinen, ber nicht nur das Gebäude agenbad, Chriftoph Rudolph, geb. ben 4. 

ee ‚ fondern auch der Gefundheit ſchädlich iſt. März 1801 zu Bafel, Profeflor — Er ſchrieb 
äuſerweihe iſt die katholiſche Sitte, am Epi: | eine Encyklopädie und Methodologie der theologi: 

phanientage geſegnetes Waſſer unter beſonderen ſchen Wiſſenſchaften, 1853, 7. Aufl. 1866; Vorle⸗ 

Gebeten und mit beſonderen Gebräuchen in den ſungen über Weſen und Geſchichte der Reforma— 

Häufern auszuſprengen, um fie vor Gott als ge: | tion, 6 Theile, 18834 1857; Predigten, 4 Samm: 

weist und feines Segens würdig darzuftellen. lungen, 1830-1856 ; Lehrbuch der Dogmengeſchichte, 

Hävernick, Heinrich Andreas Ehriftoph. Früher | 1840, 5. Aufl. 1867; Leitfaben — chriſtl. Reli⸗ 
außerordentlicher Profeſſor zu Roftod, ſeit 1841 | gionsunterricht, 3. Aufl. 1861; Die chriſtl. Kirche 

ber brei erften Seh Vorl., 1853; Borlefungen 
über die Kirchengeſch. des Mittelalter, 1860. 
Leben und ausgewählte Schriften der Väter und 
Begründer der ref. Kirhe: Defolampad, Mylo- 
nius u. A. Hagenbach giebt das jekt im 24. Jahr: 
ang erſcheinende Kirchenblatt für die refomirte 
634 heraus, welches in mildem Sinne die Ber: 
mittlungstheologie würdig vertritt. 

Haggada (Gefate) ift im Talmub und bei den 
Nabbinen alles Ueberfommene, was zur Aus. 
legung und Erklärung deö Geſetzes gehört, ſowohl 
Krosiige und andere Erläuterungen, als aud) die 

ünjte der —— durch Allegorien, Metabo⸗ 
lien, Wogtipiele zc. Vielfach bezieht ſich die Hag⸗ 
gada auf die Halacha (den Wandel oder das T Er 
das mündliche Ge — Tradition, kurze Süße 
durch Die Autorität des Synedriumd feitgefteltt, 
in denen das Geſetz auögelegt, anf beftimmte Fälle 
angewendet war, bezeichnet als „die Auffäge der 
Alten.” 

Haggai, ber Prophet. Seine Lebensumftände 
find unbefannt. Die Sage läßt ihn als Jüngling 
aus Babylon nad Ferufalem fommen, und madt 
ihn im Talmud zum ——— der großen Syna⸗ 
goge. Er trat zur Zeit Serubab:ls und Joſua's 
Ismael verjtohen (1. Mof. 21,9 ff.); in der Wüfte | in: zweiten Jahre ded Darius Hyftaspis auf. 
verirrt, in der höchſten Gefahr nebft dein Anaben | Seinevier Reden ftrafendieein ——— 
zu verſchmachten, fand ſie mit Hülfe des Engels beim —— (Cap. 1), tröften bie Berzagtheit 
einen Duell und erhielt die Berheißung ber Zukunft | mit der Verheißung, daß der neue Tempel bie 
Ismaels. Nach arabifhen Sagen liegt Hagar in | Herrlichkeit des alten übertreffen werde (2, 1—9), 
Mekka ald Abrahams Gattin begraben. rügen die Weußerlichleit der Frömmigfeit des 

Hagariter, ein arabifher Stamm, welcher | Volks (2, 10—19) und verheißen Serubabel Ber: 
von den Dftjordanftämmen unter Saul aus feinen | herrlichung (2, 20—23). Die Zeit ver Abfaffung 


ordentlicher in Königsberg. + 1845. Er ſchrieb 
ein Handbuch der hiftorifch-kritiichen Einleitung im 
das Alte Teftament, 1836-1839; 2. Aufl. verbeffert 
von Keil, 1849— 54; einen Commentar zum Buch 
Daniel, 1532; Neue kritiſche Unterfuhung über 
dad Buch Daniel, 1838; Commentar zum Buche 
Ezechiel; die Theologie des U. T., Vorlefungen, 
heraudg. von Hahn, 1848; 2. Aufl. von Schulz 
umgearbeitet 1863. 
afenreffer, Matthäus, geb. 24. Juni 1561 
zu Kloſter Lord. Er jtubirte in Tübingen, warb 
15% Confiftorialrath und Hofprediger in Stutt: 
gart. + 1617. Auf den Wunſch deö Herzogs 
ren, fchrieb er zum Gebrauch des Prinzen 
ohann Friedrich die loci theol., als theologiſches 
Lehrbuch, welches in Württemberg faft ſymboliſche 
Autorität erlangte und fogar auf den ſchwediſchen 
Zehranftalten eingeführt wurbe. 

Hagada. ©. Haggada. 

Hagar. Die ägyptiſche Magd ber Sara, welche 
von diefer dem Abraham ald Kebsweib gegeben 
wurde, da.ın, von der Eiferfucht derfelben gequält, 
entfloh, und durch die Vifion am Brunnen Beer: 
Lachai⸗Roi zur Nüdkehr bewogen wurde (1. Mof. 
16, 1 ff.). Später wurde fie mit ihrem Sohne 


Hagiographen 


„ Bei den LXX werben ihm meh» 
zugejchrieben. Vgl. die Commentare 
pheten nnd die jpectellen von Scheibel 
Köhler (1860). 


Na 
8 Alte 


“ en tichlichen Rormen und der Symbole, 
er denn 1845 in al die Ordinations⸗ 
—— auf die Auguſtana wieder einführte 
und den Reolutheranismus vorbereiten half. Sein 
Berhalten zu den Altlutheranern, wo er jeine Ber: 
mittlerrolle dem Militair überließ, mar eine * 
conſequenz im Gehorſam gegen lköniglichen Be: 
f n — iſt: Lehrbuch des cheiſtlichen 
G is, 1. Aufl. 1828, 2. Aufl. 1857, und die 
Ausgabe des N. T. 1840 u. 1861. 
eine. Aug. Der Sohn des VBorigen, 
eb. zu 5 — 1821; war 1845 Privatdocent 
fr Breslau, 1845 in Königäbera, 1851 a. o. Bro: 
or ber sy in Greifäömald, 1860 o. Bro: 
or. + 1861. Er ſchrieb Commentare über Hiob, 
Soheleth und Pfeudo:Jefaiad im Sinne der tra- 
ditionellen Exegeſe. 

Hahn, Phil. Matthäus. Geb. den 25. Novem- 
ber 1739 zu Scharnhaufen in Württemberg. Pfar: 
zer zu Onftmettingen 1764, Kornevöſtheim 1770, 

terdingen 1781. Sein feltenes —— 
und mathematiſches Genie hat er von Kind an, 
als Student und als Geiftlicher in der Anfertigung 
aftronomijcher Uhren und mathematijcher Werte 
betätigt. Seine theologifhen Schriften zeigen ihn 
als Geifteönerwandten von Bengel und Detinger. 


2. — 


zu Altdorf bei Böblingen, der Sohn 
eines Bauern. 


Bon Kind auf religtöjen Eindrü- 


ogenheit mit dem Studium bei h. Schrift, mit 
Siome, Detinger. Durch die Erleuchtungen, 
deren er fi rühmte, und ald Spreder in den 
Berfammlungen hatte er großen Zulauf, mußte 
fih vor dem Confijtorium wegen feiner Lehre 
mehrfach verantwor.en, lebte aber zuletzt TER 
auf einem Gute der Herzogin Francisca von Wür: 
temberg. + 1819. Sein jpeculativstheojophifches 
Syftem jpigt fih im —— zu Orthodoxie und 
elismus In der Lehre vom Chriſtug in und und 
ver Lebenögerechtigleit zu. Seine zahlreichen An: 


325 


I 


aus. Die Reformation drang auch 


Michael, der Theoſoph. Geb. den 
Bbalhul. 

jetzt Ruine 

den ſehr zugänglich, —— er ſich in Zurüd: | von Hebron. 


Ruinen von 'Alia beim 





0 


Halle 


hänger bilden, ohne, ſich von der Kirche getrennt 
zu haben, die organifirte und weitverzweigte Ber: 
bindung der Michelianer. 
aim, S. Haymo, 
ine. Auch bei den Hebräern, mie bei allen 
Gulturvöftern, ift bie ältefte Stelle des Gottes: 
dienftes die Stille des Waides unter hohen Bäu— 
men, heilige Haine, 1. Moſ. 18, 18; * 13; 25,27. 
Bei der Yusbildung des Cultus wurde die Früf, 
* allmählich nid un ttiih an: 
12,2; 2. Zön, 14, 23; 2, Chr 





27, 7.10 durch die Hoheprieftei von ben 30 Sil⸗ 
berlingen des er grau, 
e 


und nad) dem Tode des katholiſchen Biſchofs 1566 
wurde der 
von Braur 

ie Katholifchen Geremonien 

rieden Branden: 
burg auge 


Leopold de in, Befit genommen. Das Stijt 
Fire noch ald eins der preußischen evangelijchen 
ifter. 

Hales, John. Geb. 1584 zu Bath, zeichnete ſich 
'feüh durch feine gelehrten Kenntnifje aus, war 
‚ Mitarbeiter an Wardend Ausgabe des Chryſoſto— 
mus 1612 und Lehrer der griehifhen Sprache 
‚und Fellow zu Gton. Als Begleiter des engliſchen 
| GSefandten zur Dortrechter Synode, faßte er Hin: 
neigung zur arianiſchen Lehre; und ſprach ſich in 
feiner Schrift über Die Schismen 1636 gegen das 
| biichöfliche Regiment aus. Da er aber diefe An: 
ſichten, von Laud überwunden, aufgab, und deffen 

getreuer Anhänger blieb, verlor er 1642 bei dem 
Sturze deſſelben dur) die Puritaner alle feine 
\ Bräbenden, wei‘ er den Engagementseib nicht lei 
‚ften wollte. Hartnädig verweigerte er die An: 
‚nahme jeder Unterjtügung von feinen Gegnern 
und ftarb in Dürftigkeit 1656. Seine Schriften 
find 1659 und 1673 durch Bearfon herausgegeben. 
of. 15, 58. Stadt im Gebirge Juba, 
alhul anderthalb Stunden nördlig 


ftabt von Aſſer, in den 
orfe M'alia im N.:D. 
von Alla. 


Halitgar. Biihof von Cambray (817830). 
Berjaffer eines Pönitentialbuches bei Perg I 
'p. 416. Er begleitete den Erzbiſchof Ebo von 
Rheims auf deſſen Miſſionsreiſe nach Dänemark. 
‘Halle, die Univerfität, wurde durch den König 
Friedrich I. von Preußen geftiftet und 1694 ein: 

eweiht. Den durch lutheriſche Unduldfamfeit ver⸗ 
—— Leipzigern, dem Juriſten Thomaſius und 





dali. Joſ. 19, 25. Gren 


Hallelujah 


den ala Bietiften befannten Aug. Herm. Frande, 
Paul Anton und Joh. Kasp. Schade bot Halle, 
das fie mitgrünben halfen, ein Aſyl dar und nahm 
dadurch eine bebeutende Stellung in der kirch⸗ 
lichen Entwicklung ein. nur 18. Jahıb- wurde 
Halle der Hauptſitz des Rationalismus. Chr. Wolf 
hatte, obgleich eine Zeit lang vertrieben, der Unis 
verfität eine —— Richtung jegeben. Gem: 
ler wirlte feit 1761, neben ihm Niemeyer, Weg: 
cheider ſeit 1810. 1817 ward die frühere Univer: 
ha Wittenberg mit Halle vereinigt.” Seit 1826, 
olud3 dahin, hat die Richtung 
ber theologiſchen Facultät eine Wendung genom⸗ 
men zur neueren Gläubigfeit. 

Hallelujah (Lobet den Herrn), ein in den Pal: 
men häufig fing Ausdrud, der —* in 
bie chriſtiiche Kirche uͤbergegangen ift. Namenilich 
iſt in den Pſalmen 113-118 das Hallelujah beſtän⸗ 
dig wiederlehrend, weßhalb dieſelben, die bei. der 
Paſſahfeier geſungen wurden, das große Halle: 
lujah — wurden. S. auch Meſſe. 

Haller, Albrecht von. Geb. 1708 zu Bern, ſeit 
1736 Brofeflor der Staturmiffenfhaften in Göt: 
tingen, begründete er-bie bortige reformirie Ges 
meinde und fchrieb 1772 Briele als Apologetit 
über bie wichtigſten Wahrheiten der Offenbarung 
vom Stand des Raturforjcherd und Phyſio⸗ 
logen. Seine Dichtungen bezeugen Ban feine 
Hrijtliche Frömmigkeit. Er war ein Mann von 
außerordentlihem Einflufje auf feine Zeitgenoffen. 

Haller, Karl Lubwig von. Der Enfel des Bori: 
gen. Geb. den 7. Aug. 1768 zu Bern. Sein polis 
tifches Syftem, weldes er in der „Reftauration 
des Staatslebend“ 1816—1820 darlegte und wel⸗ 
ches fih ihm, dem Berner Patricier, durch den 
innerjten Abſcheu vor den auch zerftörenden Fol: 

en berrevolutionären Zeitftrömung gebildet hatte, 
führte ihn, weil er bort die Unterwerfung unter 
die Autorität ala nothmwendig erkannte, züm Ka— 
tholicismus. Er trat heimlich über 1820, um feinem 
Buche das Gewicht eines proteftantifchen Urfprungs 
nicht u nehmen. Da er durch feine Tree 
jeine Yemter verlor, lebte er in Paris und fchrie 
nod) 1836 die Geſchichte der kirchlichen Revolution 
des Cantond Bern. + 1854. Bl. Tzſchirner, der 
Uebertritt deö Hrn. von Haller. ; 

Haller, Berthold. Der Reformator Bernd. 
Geb. 1492 zu Aldingen bei Rottweil, machte er feine 
Studien unterRubellus zu Rottweil und in Köln, 
ging auf Empfehlung und an Stelle feines Leh— 
rers Rubellus an die Schule zu Bern 1513, wurde 
Caplan und Helfer des Wyttenbach, bei deffen Ab: 

ang 1520 Chorherr und Leutpriefter. Durch 
Sy nius mit Zwingli befannt gemorden, pre: 
digte er jeitbem in deſſen Geifte und fammelte 
einen Kreis bedeutender Anhänger, bie ihn gegen 
offene und heinliche Nachſtellungen — 
liſchen Gegner ſchützten. Auf dem Badener Ge: 
prä 1526 erfocht er zwar feinen Sieg, behielt 
aber jein Predigtamt, in welchem er an F. Kolb 
eine fräftige a gm Are Die Ein 
von Außen und bad ftille Wachſsthum des Evan: 
—— im Innern veranlaßten den Rath zur 

erufung ber Berner Disputation 1527, mit 
welcher die Reformation entichieden war; an dem 
Reformationdedict 1528 hatte Haller den größten | 
per Weniger glüdlihen Erfolg hatte Haller 
mit feinen ug rn die Wiederläufer zu ge: 
winnen und ben Bürgerkrieg der Schweiz zu ver: | 


er Berufun 


326 


riffe B 


Hamath 


hüten. Den Bucerſchen Unionsverſuchen 
51, Sam, anti ni a 
g ichhofer, 8. er, 1828. 

lozzi, Bäter ber ref. Al 9, Theil. 

ler, Johann, einer ber Reformatoren in 
Bern, Er war aus Wyl in Thurgau und Pfarrer 
in Ambolbungen bei Thun. Bol. Kuhn, die Res 
formatoren Bernd, 1828. 


Halleig, vn eb. zu Lüttih 1572. Gelehr⸗ 
ter Sn eſſen Seien! Iaetriam eccles. 
orient. script. II tom., Donay 1633. Sein Ori- 
genes defensus, 1648, wurbe vom Garbinal Noris 
angegriffen. + 30. Juli 1656. 
alsfetten, aus Metall, Perlen, Edelfteinen und 
mit mannigfahem Zierath verjehen, waren auch 
bei ben beliebter ud für Frauen, Ez. 
16,11; 90f. 2,13, und für Dlänner, Spr.1,9; 3,3. 
Bei Berjern, Dan. 5,7; 16, 29; Ejth.3,6, und bei 
Yegyptern, 1. Mof. 41, 42 war die Halskette ein 
Zeichen des Ranges und ber Macht. } 
Haldkraufe (weißer Kragen) tragen bie lutheri⸗ 
ſchen Beiftlichen in einigen Gegenden Deutſchlands 
— lſtein, Hamburg ꝛc.) als Amtstracht. 
am. S. Cham. 
aman. S. Eſther. 
amann, Johann Georg, der Magus des Nor⸗ 
dens. Geb. am 27. Ku 1730 zu —— 
ſtudirte er 1746—51 > fophie und Literatur 
war danach in verfchiedenen Häufern Hauslehrer. 
Auf einer ihm übertragenen Geſchäftsreiſe nach 
London geriet er in große Noth, ‚geil zur Bibel 
und wurde von der Originalität und Tiefe berſel⸗ 
ben, für deren Verftändniß er vielleicht mehr. als 
einer _ eitgenofien dad volle Drgan ’ 
n. Es begann in ihm „die Höllen= 


lebenbig 
fahrt der ſterlenntniß.“ (ze 1759, 
eröffnete er = fchriftftellerifche TH Rt 


sine 


1759, 
erwarb ſich jeinen Unterhalt ala K ift bei ber 
Kriegätammer, endlich 1777 ala Badhofävermalter. 
1763 ſchloß er eine Gewiſſensehe mit der Magd 
— Vaters. Durch ſeinen Freund und Adoptiv⸗ 
ohn Buchholz kam er 1787 nach Münfter in den 
Galiginfhen Kreis, wo er am 20. Juni 1788 
ftarb. Seine gefammelten Schriften erſchienen in 
8 Bon. Berlin 1821—43; außerdem Auszüge 
Leipzig 1819, Münfter 1826. Die Tiefe feiner Ge⸗ 
danken und jein enormes Wiſſen en bei man 
gelnder Schulung feine Sprache oft bunfel-unb 
—— Eine tiefſinnige Myſtik ſucht das We⸗ 
fen ber Religion, die Gegenwart Gottes in ber 
Gedichte und die Einheit von Humanität und 
Chriſtenthum, auszuſprechen, oft mit gewaltiger 
Kritik der Orthodoxie und des empirifhen Ratios 
nalismus. „Er hat Poeſie, Religion, Bhilofophie, 
Geichjichte, Geift in innigfter Einheit, aber nur in 
unmittelbarem geiftigen Schauen, ohne die Kraft 
ufammenbängender gegliederter Darftellung dei: 
en, was Hr bewegt.” (Dorner.) * H.s Leben 
und Schriften von Gildemeiſter, Gotha 1857, 4 
Bbe.; Herbft, Bibliothek hriftlicher Denker, 1830, 
gi 
Kenn ant. ©. Burinfeft. 

amath, Hauptitadt eines fyrifhen Staates, 
Amos 6, 2; Sad). 9, 2, follte eigentlid, 4. Mof. 
13, 22, die nörbliche Grenze Jfraels fein. Unter 
David Zirael befreundet, 2, Sam. 8, 9, unter 
Saloıno theilmeife unterworfen, wurde fie nad 
dem Zerfall der aſſyriſchen Macht unter fyrifcher 
Oberherrſchaft wieder jelbitändig und hieß bei den 


Hamburg 


Griedhen ’Erıgaveia am Dronted. — Zu unter: 
riad im Stamm: Raphthali. 
Hamburg. Der Plan Karla des Großen, in 
Ham ein Bisthum zu gründen, kam erſt 831 
durch Ludwig den Frommen zur Ausführung und 
ar wurde 833 zu —— geweiht. Weil 
aber die Stadt 887 und von den Normannen 
Bes und re war, vereinigte man 847 
ie Bisthlümer Bremen und Hamburg. Unter dem 
Erzbifchofe Adalbert (+ 1072) ftieg das Anjehen 
am höchſten; derfelbe beabfichtigte ein Patriar: 
hat des Nordens in Hamburg zu begründen. 
Nach feinem Sturze verlegten Feine Nachfolger 
den Sitz bed Erzbisthums bleibend nad Bre: 
men, in Hamburg verblieb nur ein Domcapitel. 
Die Reformation drang, beſchützt durch die freie 
Berfaffung der Stabt, ungehindert ein; ber erfte 
—— Prediger war der Paſtor der Katha: 
rinentirche, Dtto Stimmel. Die Gegenbeftrebungen 
der fatholifchen Partei gegen die zunehmende Rei» 
gung der Bürgerichaft zur Reformation hatten nur 
einen Rathsbeſchluß zur Folge, ber die evangelifche 
Predigt förmlich geftattete. Nah 2 Religions: 
ejprächen wurde troß bes Einfpruchs bed Reichs» 
ammergerichts die Reformation entſchieden ange: 
nommen und Bugenhagen berufen, um 1527 ber 
Stabt eine Kirchenordnung zu geben. 1536 trat 
fie dem ſchmallaldiſchen Bunde bei und ficherte ſich 
damit gegen jede neue Einführung bed Katholicis⸗ 
mus, der 1531 ben legten Gottesdienſt gefeiert 
hatte. Auf Grundlage der alten Kirchenordnung 
ift die kirchliche ‚Seriailung mit der bürgerlichen 
aufs engſte verbunden geblieben; die kirchlichen 
Eoflegien find zugleich un Verwaltungs: 
organe der Kirchfpiele, und bie bürgerlichen Die 
höheren Inſta der kirchlichen. Reformirte, 
Katholifen und haben erſt in neuerer zei 
Duldung und Gleihberehtigung erlangt. Vgl. 
— Historia ecclesiae Hamb. diploma- 
tica, d. i. Hamburgische Kirchengeſchichte, 1725. 

Hamel, Johann, ein Jefuit und Lehrer zu Lö⸗ 
wen, leugnete 1571 im Streite gegen Bajus in 
Bemeinfhaft mit Leß bie — der heil. 
Schrift. 34 Sätze aus ihren Schriften wurden als 
legerifch verworfen. 

Hamelmann, Hermann. Lic.theol., der Refor: 
mator Weftphalens. Geb. zu Dänabrüd 1525. In 
der fatholifhen Lehre erzogen, ve er heftig 

egen Zuther, wurde aber durch Muſſäus aus 
el umgeftimmt, fchrieb 1550 gegen den Cölibat 
und prebigte in Camen 1552 ——— 
verjagt, in Bielefeld angeftellt, wurde er wie: 
derum abgejegt, wirkte bann als Baftor in Lemgo 
für die Reformation und alö Generalfuperinten: 
dent zu Ganberöheim 1568—72 und Didenburg 
1673—95 für die Durchführung der Eoncordien- 
formel und der luth. Oldenburgiſchen Kirchenord⸗ 
nung von 1573. Außer verſchiedenen Streitſchrif⸗ 
ten hinterließ er mehrere er die Kirchengeſchichte 
Weſiphalens wichtigen Arbeiten. Geft.am 26. Juni 
1595 in Oldenburg. 
merfen. ©. Thomas a Kempis. 
ilten, PBatrid. Geb. 1503 aus vorne/mem 
Geſchlechte, ftudirte er zu St. Andrews Theologie, 
ging nad Wittenberg, um Luther zu hören, und 
nad; Marburg zu Lambert. Zurüdgelehrt, um in 
Schottland die Wahrheit zu verfündigen, murbe 


327 


Handel 
eiftlihes Gericht nad; St. Andrews gelodt, ala 


ech 
ſcheiden iſt Hammath, Joſ. 19, 35, am See Tibe: | Häretifer verurtheilt und verbrannt 1528, 


ammon. Grenzſtadt von Affer und Naphthali, 
Joſ. 19, 28; 1. Chr. 7, 76; jegt Hamul. 

Hamon, der Arzt. Einfiedler zu BorisRoyal feit 
1648 und während der Abfperrung ber einzige 
Genofje der Nonnen. 

Sempismtenet, Gonfereuz zu (1504), wurbe 
von akob berufen, um die Differenz zwischen ber 
Staatäfirhe und den Puritanern zu erledigen, 
blieb aber bei der Abneigung des Königs gegen bie 
Letztern ohne allen Erfolg. Nur die Anregung zu 
ber Revifion ber Bifchofebibel ging von Ihr aus. 
Das Edict von Hamptoncourt 1681 bietet den 
hugenottiſchen Flüchtlingen aus Frankreich ein 
Alyl in England an. 

anani, Ein unter König Affa, welcher 
ben König um des Bünbdnifjes mit Syrien willen 
tabelt, 2. Chr. 16, 7 ff. 

Hananja. Der falſche Prophet, welcher ber 
Deisfagung des Jeremias die Verheißung der Rüd: 
lehr Jechonja's, die Befreiung ven Babel entgegen: 
ſetzte, Jerem. 28,1 ff. 

Hand, todte, heißen Kirchen und geiftliche Stif- 
tungen in Bezug auf ihren Beſitz, weil berſelbe 
bem —— und dem Wechſel des Eigen— 
—— —— iſt. Die Geſetzgebungen haben dem 

werb der todten Hand, namentlich an Grund» 
befig, mannigfadhe Schranken geſetzt. 

Handanflegung. Da die Hand dad Drgan ber 
leiblichen Wirkjamfeit ift, fo wird fie ebendamit 
zum natürlichen Symbol perjönlicher geiftiger Ein: 
wirkung. Rituell fommt die Handauflegung im 
Alten Tejtamente vor, bei Segnungen und Weihen 
und bei den Opfern, wo fie verſchieden von be: 
Auslegern gedeutet wird, entweder als Uebertra: 
gung der menſchlichen Schulb * bad Opferthier, 
oder als „Hingebung des Eigenften.” Natürlich⸗ 
ſymboliſch iſt die Handauflegung bei den Heilungen 
der Propheten (2. Kön. 4, 34) und Jeſu. An bie 
Handauflegung der Vriefterweihe fließt fich die 
neutejtamentliche bei der Taufe und ber Auswahl 
sum Dienft ald das Symbol der Geiftesmitthet: 
lung, welche in ber Gemeinfchaft der Gemeinde er» 
langt wird (Apftg. 8, 17; 9, 17; 13, 3; 1. Tim. 
4, 14). Bon da tft fie in ben rituellen Gebraud 
ber Kirche übergegangen bei aden Gelegenheiten, 
wo dir Gabe des heil. Geiftes beſonders erjleht 
oder angemänjcht wird, bei der Taufe, Firmung 
und Prieſterweihe; in der evang. Kirche bei Con« 
firmation und Ordination. Die evang. Kirche be: 
trachtet die Handauflegung lediglih ald Symbol, 
darum nicht als wejentlihen Theil der Handlung, 
beffen Mangel diejelbe nichtig macht; die fathol. 
Kirche aber faht fie dynamisch, als wejentlichen 
Theil des Sacramentes. Aud) neuere lutheranifche 
Theologen (Böhmer) ſuchen der Handauflegung 
eine ſolche dynamiſche Wirkung zu vindiciren, ohne 
diefe von einer magischen unterfiheiden zu können. 

andaußgaben Der Bibel. S. Bibelausgaben. 

andel, Des moſaiſche Gejeg iſt nach jeiner 
anzen Tendenz, welche dahin geht, aus Iſrael ein 
— aftes Volk mit feſter, in ſich abgeſchloſſener 
Nationalität zu entwickeln, dem Handel abgeneigt, 
der eine lebhafte Berührung mit ausländiſchem 
Weſen unvermeidlich macht. Die Verbote, Zins zu 
nehmen, Sabbath und Jubeljahr, widerſprechen 
den Vorausſezungen einer Entwicklung bed Han: 


er unter dem Vorwand einer Diöputation vor ein | beld, Der geringe Handelöverlehr (Tauſchhandel) 


Handfaß 328 Hannover 


blieb deßhalb in den Händen der Phönicier. Auch ment, Regensb. 1845 ; Verſuch einer Gefchichte der 
ber Verſuch Salomo's, Seehandel hervorzurufen, | biblifchen —— Regensb. 1852. 
geſchah nicht ohne — Einwirkung und blieb | Hanes. Stadt in Mittelägypten, Jeſ. 80, 4, das 
ohne dauernden Erfolg. Selbſt unter den Matta: |Avvoıs des Herobot, das heutige Hnés, auf einer 
bäern und Hadmonäern Üüberließen die Jfraeliten | Inſel gelegen. 
den aufblühenden Handel meist den unter ihnen | Hanna. 1) Die Mutter Samuels, Gattin bes 
u Griehen. Die Ausfuhrproducte wa: | Eltana, 1. Sam. 1 ff. Der ihr in den Mund ge: 
ren Weizen, Lalfam, Honig und Del, Ez. 27, 17. |egte Lobgeſang paßt nicht auf die Umftände und 
—555* und Märkte für die täglichen Bedürf-⸗ ſcheint ein hier verwendetes altes Loblied bei 
niſſe hatten ſich mit der Zeit gebildet, Neh. 18,16; einem Siege über Feinde zu fein. — 2) Die 
ob. 2, 14; Matth. 21, 12. Echt ber Drud in ber | bed Tobias aus dem Stamme Naphthali, Tob. 1, 
erftreuung, das Verbot des Grunbbefiged und |9;2,1.11; 11,5. Die in der Bulgata und nad 
der Handwerke wedte in den Juden den Handels: ihr von Luther 7, 2. 8. 14. 16; 8, 12 esenfalls 
geift, der jegt ihren Stamm auszeichnet. Hanna genannte Frau des Reguel heißt im grie⸗ 
Handfah. Zum Gebrauch der Priefter bei den chiſchen Terte Edna. — 3) Die Brophetin —— 
vorgeſchriebenen Waſchungen ſtand im Vorhof das Stamme Aſſer, Luc. 2, 36, welche in dem Jeſus 
a Handfaß auf kupfernem Geftell, 2. Mof. | find den Heiland erfannte. — 4) Nach der Legend: 
80, 17—21. 28, verfertigt aus den ba E. ege: age dm ie Mutter der Maria Hanna oder Anna. 
benen Spiegeln ber Weiber, 2. Mof. 88,8. Nad) nne, J. W., Brofeffor der Theologie zu Greifs 
Bähr diente da3 fogenannte Geftell als Waſch- wald. Geb. am 29. December 1813 in dem Lüne: 
efäß, das Becken zum Refervoir. Nach der Tra: | burgihen Dorfe Harber, erhielt cr feine wiflen 
ition war es mit zwei Hähnen am Boden verjehen. | fhaftlihe Ausbildung an den Gymnafien zu Hi 
Im Salomonifchen Tempel vertrat feine Stelle das | deöheim und Braunfchweig, ſowie an den Univer: 
eherne Meer, welches von jehn Beden Sr ri zu Göttingen, Halle und Berlin. In Folg: 
Ben auf Geftellen) umgeben war. Dieje en |jeiner Schrift „ber moderne Nihilismus" wurde 
ließ Ahas wegnehmen, 2. Kön. 16, 17. Die Chal: H. 1842 nad) Göttingen und 1843 nad Tübinaeı 
bäer führten die Geftelle fort, 2. Kön. 25, 16; | auf den philofophifchen Lehrſtuhl berufen, ift abe: 
Ser. 52, 17. Im zweiten Tempel war nur ein | beide Male dem Rufe nicht gefolgt. 1844 vom Her: 
zog von Braunfchweig zum Hof: und Domprebiger 
auserjehen, nahm H. nachdem die bündigſten Ber: 
iprehungen unerfüllt blieben, 1851 bie Pfarre im 
Hildesheimſchen Dorfe Betheln, 1854 eine jolde 
in Salahemmenborf an, folgte von bort aus zu 
Michaelis 1861 dem Rufe als Profefjor der Theo: 
logie und Prediger zu St. Jacobi nad) Greifäwalb. 
Erſtes Werk: Nationalismus und fpeculative 
Theologie, Braunfchweig 1838. Unter den barauf 
folgenden Schriften find die wichtigsten: Schleier: 
macher als religiöfer Genius Deutſchlands, 1840; 
der moderne Nihilismus und die Straußſche Glau: 
benslehre, 1842; der ideale Proteftantiämug, 1845; 
Antiorthobor, 1846 ; der freie Glaube und die theo: 
logiſchen Halbheiten unferer Tage, 1846 ; Vorhöfe 
um Glauben, 1850—51; Belenntniffe ober drei 


Handfaß. 

Handpfründe (beneficium manuale) iſt das 
einem Geiftlihen vorübergehend und auf Wider: 
ruf ertheilte Nutzungstecht einer Pfründe, welches 
auf feinem Titel beruht. 

ben en ©. — chriften. 

udwerke und mechaniſche Kuͤnſte hatten die 
Iſraeliten in Aegypten hinlänglich kennen zu ler⸗ 
nen Gelegenheit; der allgemeine Verfall der Rich: 
terzeit hinderte auch ihre Ausbildung. Als Hand- 
wert betrieben die Männer nur die Selhäfte, welche 
eine größere Kraftanftrengung oder mehr Ausbil: 
dung verlangten; die leichteren, 3. B. Anfertigung 
ber Gewebe und Kleidungsſtücke, beforgten die 
Frauen. Erwähnt werden: Gold: und Siiberarbei- 
ter, Richt. 17,4; er. 10, 14; Steinſchneider, 2. 
Mof. 28, 11; Salbenbereiter (Zuth.: Apotheler), | Bücher vom Glauben, 1860, 2. Aufl. 1863; bie 
2. Mof. 30, 35 ; Steinmeten, 2. Kön. 12,13; Töp: Idee der abfoluten Berjönlichkeit, 1. Bd. 1861, 2. 
fer, Jet. 29, 16; Schloffer, Jer. 29, 2; Walter, | Bd. 1362,2. Aufl. 1864 ; Geijt des Chriftenthums, 
Gerber, Apftg. 9, 43; Zelttuchmacher, Apftg. 18,3. | 1867; die driftliche Kirche und ihre Stellung im 
Käſemacher und Barbiere erwähnt Jojephus, der | Reiche der Sittlichkeit, 1868. 
Talmud aud) die andern Handwerke. Spätere Sitte| Hanno IL, der Heilige. Er, —*p von Köln 
war e3, daß auch Gelehrte ein Handwerk erlernten | 1056— 75. Unter den Kölner iſchöfen bie be: 
und es übten, 3. B. Paulus. Der Unterfchied der | deutendfte Berjönlichkeit. Reichskanzler unter Hein: 
Werthſchätzung der einzelnen Handwerke beftand; | rich III. Reichsverweſer während der Minderjäh 
Weber, Barbiere, Walter, Salbenmadher u. U. | rigfeit Heinrichs IV. bis diefen Adalbert von Bre 
fonnten nicht Hohepriefter werben. Manche Hand: | men ihm entführte, dann wieder 1066 vorwiegend 
werler feinen, nad tem Namen von Straßen im Rathe defjelben, bis er 1073 ſich zurückzog. Im 
und Plägen zu —— ihre Werkſtätten oder | Hildebrandſchen Geiſte eifernd gegen Cölibat und 
Berfaufslocale an bejonderen Stellen vereinigt | Simorie, ſtand er an ber me ber Gegner bes 
gehabt zu haben. Gegenpapfte Honorius II. Das Kölner ur 

Haneberg, Daniel. Geb. zu Lenyfrieb bei Kemp: | thum verdankt ihm bedeutenden Zuwachs an Macht 
ten 1516, murde er 1844 Profefio. der althebräi- | und einen höheren Aufſchwung. Er wurde 1185 
chen Exegeſe zu Münden, trat 1851 in den Be: | fanonifirt. Sein Gedenktag ift der 4. December. 
nedictinerorden, warb 1854 Abt in Münden und | Hannover. Der größere Theil der jegigen preu⸗ 
lehnte 1856 vie Mahl als Biſchof von Trier ab. | Bifchen Provinz Hannover gehörte zu dem alten 
Er gehurt zu den Fatholiihen Theologen, welche | Sachſenlande und empfing dus Chriſtenthum durch 
fatholijch aber nicht ultramontan, mehr den res | die Unterwerfung unter Karl den Großen. Die 
ligiössjittlichen Gehalt des Chriftenthums hervor: | Bisthümer Bremen, Hamburg, Münfter, Osna 
zuheben fuchen, als deſſen kirchliche an brück, Paderborn, Hildesheim, Verden, Mindei 
Geltung. Schriften: Einleitung ins Alte Teſta- | entftanden fämmtli im 8. und 9. Jahrhunder! 


Hanfeltabt 


unb gelangten durch die Bürgerkriege unter Hein- 
rich IV, und Heinrich dem Löwen zu Macht und 
Selbftändigfeit. Das kirchliche Leben theilte die 
Geſchicke des übrigen Deutſchlands, aber nad) ber 
Eigenart des Vollscharakters finden Secten weni: 

er Eingang, mehr die praftiihen Verſuche einer 


329 


Hardenberg 


Bände, enthaltend die Geſchichte der Kirche von 
Lorch und der Bisthümer Paflau, er 
Regenöburg. Da ihn feine darin geübte Kritik 
in mande Verdrießlichkeiten vermwidelte, zog er 
fih 1754 von ber Fortfegung des Werkes zurüd, 
die er den Mönden von St. Blafien überließ. 


Lofterreformation, wie durch die Bursfelber Eon: | F 1766 


gregation. Die Reformation wurde in Lüneburg 
durch Herzog Ernft ſchon 1527 eingeführt, und die 
neuen Zuftände burch den Generaljuperintenden- 
ten Urbanus Rhegius 1530—41 geordnet, im Ca: 
lenbergiſchen mn die Herzogin Eliſabeth 1540 
und Corvinus. Ebenfo drang im Stifte Bremen: 
Verden tro der Feindichaft des Biſchofs Chriſtoph 
die R ation durch, nicht minder nad) ſchweren 


Kämpfen bis 1552 im Stifte Dsnabrüd. Die wies | A 


dertäuferifche Lehre fand allenthalben Anklang und 
lonnte nur mit Mühe unterbrüdt werden. Die 
allmähliche Bildung des Königreich Hannover ver: 
einigte lutherifche, reformirte und katholif 
zirke. Für die legteren wurde dad Bisthum Osna⸗ 
brüd wieder aufgerichtet, aber nur mit einem ihre 
— beſetzt als ſelbſtändiger Theil der Diöceſe 
Münfter, ed 1857 mit einem Bifchof befegt 
wurbe. Die reformirten Gemeinden, welche im 
Hannöverifchen zerftreut fich finden, gehören zum 
Theil zu der reformirten Gonföberation in Nord: 
beutfchland; im Bentheimfchen hatten fie ihre Ber: 
fafjung behalten und in Dftfriesland waren fie mit 
einem eigenen Generalfuperintendenten dem Gonfi: 
ftorium zu rg erg Der confeifionelle 
und orthodore Geift des Kirchenregiments, wel: 
er ſchon dur die Einführung eines Katechis— 
mus und Schulgefangbuhs im Osnabrückſchen 
Anftoß gegeben hatte, verſuchte dann die Einfüh: 
rung einer hyperorthodoren Bearbeitung bed vom 
Generalfuperintendenten Walter von Celle (1642 
—62) einft verfaßten Katechismus, welche an die 
Stelle deö Landeskatechismus von 1790 treten 
follte. Der allgemeinen Unzufriedenheit gab eine 
Berfammlung zu Celle am 6. October 1862 (Baftor 
Baurfhmidt zu Lüchow, + 1865) Ausdrud. Die 
umfichgreifende Bewegung veranlafte einen Wed): 
fel des Miniſteriums, und durch königl. Verord⸗ 
——— 29. April 1863 wurde eine aus gemiſch⸗ 
ten Wahlen bervorgegangene Borfynobe berufen 
zur Berathung über den Entwurfeines Kirchenvor⸗ 
ftandes und einer Synodalordnung. Das Nejultat 
diefer VBerfammlung (6. Oct. bis 14. Dec.) war die 
einftimmige Annahme des mobdificirten Entmurfs, 
der die Verfaflung der hannöverſchen Kirche in 
Uebereinftiimmung mit den Prineipien der jonft in 
Deutichland geltenden Spnodalverfafjungen re: 
gelte. Diefelbe ift zwar er aber in folge ber 
preußifchen Bejitergreifung ift es noch nicht zur 
Berufung der Landesſynode gelommen. Einftwei- 
len macht fich die Furcht vor Einführung der Union 
eltend. Die —— Conſiſtorien zu Hannover, 
Stade, Diterndorf, Dänabrüd und Aurich beftehen 
noch fort. Vgl. Schlegel, Kirchen: und Reforma:- 
tionsgefhichte von Norddeutſchland und den han 
növerihen Staaten, 1828, 3 Bde. ; Nettberg, in 
Illgens Ztichr. 1835. 
anſeſtadt. S. die Art. Bremen, Hamburg, 


Hanfiz, Marcus, geb. 1683 zu Völtermarkt in 


Be: | Gef 


———— — —— ee — — — — 


Hantwill, Johannes von, aus der Normandie, 
jol Lehrer an der Univerfität zu Paris geweſen 
und im Anfang bes 18, Ren geftorben 
fein. Er iſt der Berfafjer des Joh. Archithrenii opus 
(Parid 1517), mweldyes das Elend des Menſchen⸗ 

eſchlechts in allen Klafjen der Geſellſchaft in für 
eine Zeit eleganten Berjen ſchildert. 
Hapharaim. Jof. 19, 19, Stadt in Iſaſchar. 
Ypalu, Affarea, 6 Meilen von Legio. 
, Saphiharen find die für die kirchliche Vorlefung 
in den Synagogen auögehobenen Lefeftüde aus 
den ig rg entfpeedienb ben Paraſchen bes 
eged. Die Sitte der Vorlefung- auch aus den 
topheten jtammt auß ber malfabäifchen Zeit. Die 
Aufftellung der Haphtharen felbft ift viel jünger, 
und ad 5 — die Verzeichniſſe der Leſeſtücke in 
den verſchiedenen Gegenden nicht überein. 
ndidhaft in 


‚Sara. 1. Chr. 5, 26. Eine af: 

rien, wohin Phul die Iſraeliten verſetzte. Nach Ro: 

enmüller und Gejenius wäre das Gebirgdland 
at in Perfien zu verftehen. 

Sarar.. 1.Moj.11,31.32;12,5;27;48. 1) Eine 
alte Stabt in Mefopotamien in einer weiten Ebene 
ander Straße nad) Kanaan, Stammfik bed Na: 
hor, vorüberge Aufenthaltsort Abrahams, 
war zur Zeit Hiskia's nod) ein bedeutender Dri, 
2. Kön. 19, 12, und blieb es bis zur arabifchen 
Herrſchaft. — 2) Ein anderes Haran ift Ez 27,23, 
welches al3 eine mit Tyrus in Verbindung ſtehende 
Handelsftadt in Südarabien zu fuchen it. 

Hardenberg, Dr. Albert, eigentlich Rizäus, geb. 
1510 zu Hardenberg in Oberyſſel. —* im dio. 
fter Adumert, zog er ſich dahin zurüd, als feine 
feeifinnigen Anfichten, die er als Lehrer zu Löwen 
ausſprach, ihm eine Klage auf Ketzerei bei ber Re: 
gierung zu Brüffel 1540 zugezogen hatte, vor der 
nur die Barteinahme der Bürger und Studenten 
ihn ſchützte. Auf Andringen feines Freundes Laffi 
fagte er fi 1543 von der römijchen Kirche völlig 
108, ging nad) Wittenberg und wurde von Meland): 
thon 1544 dem Erzbifhof Hermann von Wied 
empfohlen, ber ihn ala — und als Paſtor 
zu Kempen verwendete. Nach deſſen Vertreibung 
mußte aud) 9. weichen. Es ift ungemiß, ob er eine 
Zeitlang das Predigtamt in Einbeck verwaltet hat, 
aber 1547 begleitete er Ehriftoph von Oldenburg 
als Feldpretiger in die Schlacht von Dradenburg 
(23. Mai 1547), lam mit ihm nad Bremen und 
wurde nad) einer Bredigt zum Prediger am Dom er: 
nannt. Den Dadinationeneines Tilemann Heßhus 
und jeiner Bartei, welche ihn feit 1557 verfolgten, 
weilerihrerlifiquitätslehre nicht beitretenund einer 
zwifchen Luther und Zwingli vermittelnden Theo: 
rie nicht entfagen wollte, gelang es, 1561 einen 
Beihluß der niederſächſiſchen Kreisftände zu er: 
wirken, wodurd 9. zur Verhütung innerer Zmie: 
trat und Empörung feine Dienſtes entlaffen 
wurde. Sein Freund Graf Chriftoph von Olden⸗ 
burg beherbergte ihn mit feiner Familie 4 Jahre im 


Kärnthen. Mitglied des Ordens Jeju und Lehrer | Klo ya wa 1565 ward er Prediger zu Seng: 


der Bhilofophie zu Gras, begann er die Darftellung | warden in 


er Herrichaft Anyphaufer, 1567 Baftor 


einer Germania sacra durch die Bollenbung breier | und Superintendent zu Emden. + 1574. Durch 


Harbenbergicher Streit 330 Harmonie der Evangelien 


den Einfluß feines Freundes, des Bürgermeifters | mit Thomas Arnold und Bunfen machten ihn zu 
von Büzen, gewann feine Partei in ber Bürger: | einerı Kenner der deutſchen Wiſſenſchaft, die er 
ſchaft ** wieder die Oberhand, die Gegner | nach England verpflanzen half. Er war das Haupt 
unter den Baftoren und im Rathe mußten die Stadt der ältern, breit-kirchlichen“ Richtung, welde zwi: 
verlaffen ; daher verweigerte Bremen fpäter die Un: | ſchen den PBufeyiten und den m. zu ver: 
terfchrift der Concordienformel und ging vollftän: | mitteln fuchte und zugleich den Uebergrifien des 
big zum reformirten Belenntniß über. Romanismus Fräftig entgegenzuarbeiten ſuchte. 
Hardenbergiger Streit. Vgl. d. Art. Harden: | Harem oder Horem. of. 19, 38. Eine Stadt 
berg. in Rap erg nad) vander Belde die Ruine Hurah 
Barbing, Stephan, Abt von Eiteaur 1109—34. | nordw an Safed. 
Ein Engländer aus vornehmem Gejchlehte, der | Harfe. Das beliebtefte Saiteninftrument ber 
vorher Kriegädienfte geleifiet, eine Wallfahrt nad) | Hebräer, auf welchem Davib ein Meifter war, 
Rom gemadt und ann ald Mönch durch ftrenge | wurbe entweder mit der Hand ober mit dem Plec; 
Askeſe auögezeichnet hatte. Als der Orden von | trum gefpielt. Die Form und die Anzahl der Sai- 
Giteaug durch den Eintritt Bernhards von Elair: | ten (8-13) waren verſchieden; entweber waren bie: 
vaur feinen Aufſchwung genommen hatte, gab er —— zwiſchen einen halbkreisförmigen Bogen ge: 
ihm durd) die Charta charitatis die Organijation | jpannnt, ober zwifchen zwei im Winkel zu einander 
und fehrieb ihm die ftrenge Regel Benedictö ohne | befeftigteri Hölgern, oder es ähnelte dad Inſtrument 
irgend eine Abweichung vor. ber 266 * 
Hardouin, Jean, geb. 1646 zu Quimper in der | Harklenfiſche Bibelüberſetzung. S. Bibelüber: 
Bretagne. Ein frangöfiicher Jefuit. Außer der Her: | fegungen. 
auögabe einiger alten Autoren verfaßte er in’12 yes de Ghanvalon, Franz. Geb. 1625, er: 
Bänden die Conciliorum collectio regia maxima;| hielt er 1650 das Erzbisthum von Rouen durch 
die Geſchichte aller Eoncilien von 34 bis 1714. Er —* ſeines Onkels, 1670 das Erzbis 
ging aber dabei ſo wenig —— zu Werke, daß thum Paris und zeichnete ſich als das Haupt ber 
ein Barlamentöbefhluß das Merk jo lange unter: | Partei aus, welche die föniglihen Rechte gegen den 
jonte, bis durch Gartons eine Menge weggelafjener | Papft vertheidigte. Durch die Gunſt Ludwigs XIV. 
eichlüffe ergänzt waren. Wie er alle vor dem | erhielt er die Leitung des Regularklerus und war 
Tridentinum ftattgefundenen Concilien, obwohl er | Vorfigender der Synoben. Dieje Stellung benufte 
ihre Geſchichte ſchrieb, als nicht wirklich geichehen | er, um —— und Jeſuiten gleichermaßen im 
betrachtete, jo jtellte er auch 1693 die fonberbare | Zaume zu halten. Er verbefierte das biäher gt: 
Behauptung alles Ernfteö auf, die Elaffiter jeien | bräuchliche Varifer Brevier 1680—84. Sein fitt: 
fämmtlid) erft im 13. Jahrhundert von Mönchen | liches Leben tadelte Fönelon fcharf. + 1695. 
—5—— Chriſtus und die Apoſtel Hätten nur) Harleß, Gottlieb Thriſtoph Adolf von, geb. zu 
ateinifch geprebigt u. dgl. Nürnberg am 21. Nov. 1806. 1833 a. o. Profeflor 
Hardt, Hermann von ber. Geb. am 15. Nov. der Theologie, 1836 o. Profeſſor in Erlangen, jeht 
1660 zu Melle m Dänabrüd, ftudirte er Theologie | Dberhofprediger und Oberconiiftorialrath in Mür- 
und orientalifche Sprachen in Jena, dann bei Esra g- Er ſchrieb: Chriftliche Ethik, Stuttg. 1847,5. 
— in Hamburg, habilitirie ſich 1681 in Jena, | Aufl. 1866; Theol. Encyflopädie, 1837; Commen: 
1686 in Leipzig, wo er ſich der pietiftifchen Schule | tar zum Briefe an die Ephefer, 1834, 2. Abdrud 
anſchloß und danach mit Spener und Sandhagen | 1858; die Eheſcheidungsfrage, 1861; Etliche Ge 
in2üneburg in ein näheres Berhältniß trat. Durch | wiffensfragen binfichtlih der Lehre von Kirche, 
Rudolf Auguft von Braunſchweig wurde er als | Kirchenamt und Kircdhenregiment, 1862. Außerdem 
Bibliothelfar und Profeflor in Helmſtädt ange: | Gegenichriften in der Aniebeugungsfrage gegen 
ftellt, fpäter Probft des Klofterd Marienburg. + | Döllinger (1834), in der Leben Jefu: e gegen 
1746. Er hat über 300 Schriften grammatijchen, | Strauß (1836) und Predigten. 
exegetiſchen und hiftoriihen Inhalts gefchrieben. Harmonia praestabilita ift die von Leibnit 
Unter den legteren haben viele durch fleikige | und Wolff aufgeftellte Theorie zur Erklärung der 
Duellenfammlung bleibenden Werth, z. B. Magnum | Gemeinjchaft des Leibes und der Seele, nad) wel: 
oecumenicum Constantiense concilium, Francf. | her jedes von beiden individuell ſich entmidelt, 
et Lips. 1697—1700,:6.®be. Fol.; Historia lite- | diefe Entwidlung aber von Gott jo geordnet ift, 
raria reformationis, 1717, In feinen eregetifchen | daß fie parallel mit einander gehen und in jebem 
Schriften äußerte er fo rückſichtslos feine von den | Augenblic en 
hergebrachten abweichenden Meinungen, durch die armonie der Evangelien. Die Thatfache, dat 
er au vom Pietismus gi völlig losſagte, daß | die vier Evangelien, namentlich die drei erften, 
ihm 1713 bie egegetüichen orlefungen unterfagt | vielfach; wörtlich übereinftimmen, die legteren auch 
wurden und er 1727 aller alademiſchen Verpflich: | im Allgemeinen benfe Gang der Erzählung 
—— ohne Ausſcheiden aus dem Amte enthoben | befolgen, gleichwohl im Einzelnen aber mannigfad 
wurde. Als er wegen ber Schrift Aenigmata | von einander abweichen, andere Reihenfolgen beob: 
prisci orbis in eine Geldftrafe von 100 Thalern | er Gefhichten und Reden auälafien und hin: 
verurtheilt war, ſandte er mit der Summe die Aſche zufügen, hat ſchon frühe das Bedürfniß gemedt, 
von 8 noch ungebrudten Foliobänden feiner biblis | die Evangelien zu einem Evangelium zufammen: 
ſchen Erklärungen ein. zuftellen oder fie wenigftens auf ber Grundlage 
Hare, Charled Julius. Geb. 1795 zu Herftmon: | eines einheitlihen Planes zufammenzugliedern. 
ceur, ftubirte er jeit 1812 zu Cambridge, ward Es handelte ji dabei hauptfächlich um die Auf: 
1818 Fellow und Hülfslehrer es Collegiums, 1834 gebe, eine Neihenfolge (die Atoluthie) der Bear 
Rector in feinem Geburtsorte, Archidiakon zu Le: | benheiten herzuftellen und mit diefer die Erzählun 
wis und Gaplan ber Königin. + 1855. Vielfache gen fämmtlicher Evangelien in Harmonie zu fegen. 
Reifen auf dem Eontinente und vertrauter Umgang | Die ältefte Diefer Evangelieuharmonien ift Tatiand 





— Harmoniſten 


331 


Hartmuth von Kronberg 


(2. Jahrh. —— eine freie Zufammenftel: | und gr folgte. Rapp ftarb 1817, feine Eolonie er: 
e 


lung des Evangı 
was zum Ganzen nicht pafjend erſchien. 
von irren Geſichtspunkte geht „das ähnliche 
Werl des Ammoniusvon Nlerandrienimd. Jahrh. 
(r6 did resodipwr Edayyekıor) aus, weldes den 
Matthäus zu Örunde legte, die Evangelien in über 
1000 Abſchnitte eintheilte und die entiprechenden 
—— der andern Evangelien dem Matthäus 
beijegte. Eine lateiniſche Evangelienharmonie 
ftammt aus dem 6. Jahrh., deren Handſchrift zu 
Fulda ſich befindet und von der die St. Galler Har⸗ 
monie eine Abſchrift iſt. Eine poetiſche Bearbei⸗ 
t ift bie erg et —* des 

enburger Mönches, in deutſcher Sprache um 
865 bearbeitet, natürlich mit gu ter poetifcher 
— Chriftus als den himmliſchen König dar⸗ 
tellend, meiſt nach Johannes („Kri au 


eniger 


elienharmo 
— ſich bemüht, Grundſätze aufzu⸗ 
uchen eine richtige Zuſammenſtellun 
— In der ältern Kirche weniger. Augu⸗ 
ftin, L. IV, De consensn evangelistarum und 
Gerjon, * evangelistarum — — 
saron ge ierher. Namentlich ſeit der Re: 
——— man nach beſtimmten Grund: 
ägen. Calvin (Harmonia ex Matthaeo, Marco 
et Luca), Chemnig (Harmoniae erang.) ſuchen 
eine Kette von Begebenheiten herzuftellen und in 
dieſe die Abſchnitte der. Evangelien einzugliedern, 
ohne fi) an die Chronologie eines einzelnen Evan: 
geliums gebunden zu On Dfiander (Harmon. 
evang.) und Bengel (Richtige Auff. der Evange: 
fien) gehen von einem zu fteifen Inſpirations⸗ 
begriffe aus, ald daß fie im Stande wären, eine 
lebendige Einheit der Evangelien zu jhaffen. Nas 
mentlidy der erftere hält feſt an der Unfehlbarkeit 
ber Chronologie jedes einzelnen Evangeliften ; wenn 
dieſelbe Geſchichte bei drei Evangeliften an verſchie⸗ 
denen Orten berichtet: ift, dann iſt nad) Dfiander 
die Geſchichte drei Mal gejchehen, wie z. B. die 
—— der Schwiegermutter, Petri. Dadurch iſt 
niſtil von wiſſenſchaftlichem Standpunkte 
aus vieifach ik Nißeredi gerathen An ihre Stelle 
iſt in neuerer Zeit die —— Unterſu⸗ 
dung der Evangelien getreten, welche zu prüfen 
hat, in weldem Berhältriiß die Evangelien zu ein: 
anber ftehen, woher die Veränderungen fommen, 
wo bie ficherfte Grundlage zu finden ift für die 
Beihiäse Ich u. f. w. Darüber ſ. d. Art. Synop⸗ 


Harmonie der Evangelien ıft die + 


Schrift für Schule und Laien: Sevin, bie drei 
älteften Evangelien in Eins gearbeitet, 1867. 
Sarmoniften. Die Anhänger des württember- 
Sri Bauern Gans a (geb, Bad =. 
riftenthum in feiner Reinheit wieberherzu » 
berjelbe eine Gemeinde mit Gütergemein- 


ae dieſelbe nad) Rorbamerifa 1804, 
wo fie bei Pittsburg die Eolonie Harmonie grün: 
dete, ver Rapp ald Patriarch, Hohepriefter und 


Dberhaupt vorftand. Die Colonie wurde fpäter 
verfauft und 1811 eine neue Economy geftiftet. 
Dur ben Sectirer Müller, der als Prophet fo 
zu ihnen — 1832, trat eine Sp er 
Geſellſcha 


nftöffes mit Wegla „| hielt 
nftöffes m * ——— hielt ſi 


Harmoniflik iſt das theologiſche Bemühen, zwi⸗ 
ſchen den vier Evangelien und ihren abweichenden 
Berichten dennoch eine völlige Uebereinſtimmung 
herbeizuführen. S. Harmonie der Evangelien. 

rmonius. Sohn des Gnoſtilers Bardeſanes, 
verſchaffte den Lehren ſeines Vaters durch ſeine 
Lieder und Gedichte Gingang beim Bolte. 

Harms, Klaus. Geb. 1778 zu Fahrftebt in Hol- 
ftein. Der Sohn eines Müllers, betrieb er bis zum 
19. Jahre das Gejchäft feines Vaters, bezog nad 

en Tode 1797 die Schule in Meldorf, 1799 die 
Univerfität Kiel, warb 1806 Diakonus in Zunden, 
nachdem er burch feine Boftillen und die Predigt 
1314 „der Krieg nad dem Kriege” in weitern 
Kreifen belannt geworden war, 1316 Archidiako⸗ 
nus in Kiel, lehnte 1819 einen Ruf nad Rusland 
als Bifchof der lutheriſchen Kirche, 1834 nad) Ber: 
lin als Prediger an Schleiermachers Stelle ab, 
* als Dr. theol. das Recht zu theolo⸗ 
i ‚warb 1835 


iſchen Borlefungen an der Univer 
Sauptpaftor und Probſt, 1841 Oberconfiftorial- 


nieder. + 1. ‚Febr. 1855. Den größten Einfluß hat 
er gehabt auf die kirchliche Entwicklung durch feine 
95 Thejen, die er als —* zu Luthers The⸗ 
fen 1817 zum Reformationsjubiläum herausgab; 
e griffen den Rationaliamus an, „eine bittere 

rznei gegen die Glaubensſchwäche der Zeit,” und 
blieben durch die fich anlnüpfenden literarischen 
—— en, ben Theſenſtreit, nicht ohne nach⸗ 
baltige Wirkung. Aus den Borträgen über PBafto: 
saltheologie, welche er in feinem Haufe vor Stu: 
birenden- hielt, erwuchs feine Pajtoraltheologie, 
Kiel 1830—34. Vgl. Harms Selbftbiographie, 
1851; ®. Baumgarten, Denkmal für Kl. Harms, 
Braunſchw. 1855. 

Harms, Ludwig Detlef Theodor. Geb. am 8. 
Mai 1808 zu Walesrode in der Lüneburger Haibe, 
mwurbe er 1844 feinem inzwiſchen nad) Hermanns» 
burg verjegten Bater abjungirt, folgte ihm 1848 
im Amte, errichtete 1849 in 9. eine Miſſionsan⸗ 
ftalt, die fich in ber Folge erweiterte und mit ber 
ein —* fuͤr verlommene Männer verbunden wurde. 
Ein eigenes Miſſionsſchiff vermittelte feit 1853 den 
Verkehr zwifchen der Anftalt und den Stationen 
unter ben Baffutos. H. befolgte den Plan, nicht 
Miffionäre allein, fondern Miffiondcolonien auss 
zufenden. Eine originale und —— Perſön⸗ 
lichkeit, hat er feinem Werlke bald einen großen 
Aufſchwung —— und das Leben feiner Ge: 
meinde nad) “ nem Typus umgeftaltet, ſich aber 
I J gehalten von confejfioneller Einfeitigkeit. 

1 


Harod. Quelle und Drt, mo Gibeon lagerte, 
Richt. 7,152. Sam. 23, 25, unweit des Berges 
Gilboa und der Stadt Jesreel. 

Hartmuth von Kronberg, ein fränkiſcher Rit- 
ter, Verwandter Sidingend und Erbtruchſeß von 
Mainz, erflärte fi 1521 für Luther in feiner PR 
lihen Bermahnung an bie Bettelorden und in 
—— Zuſchriften an den Kaiſer, den er für die 
Reformation zu gewinnen ſuchte. Da er ſich 1622 
an der Sickingenſchen Fehde gegen Mainz bethei⸗ 
ligte, verlor er feine Burg, mußte nad) ber Schweiz 
f ten, ſchloß fih dann an illrih von Würitem ⸗ 

erg an und ftarb 1549, nachdem ihm 1541 feine 


rath und N, faft erblindet 1848 feine Aemter 


ein, da Müllers Anhang ausſchied Güter reftituirt waren. 


Hafael 


Safael, Feldherr und Kämmerer des Königs 
Benhadad von Syrien, ermordete biejen, ald ihm 
ag MWeiffagung, 2. Kön. 8, 12 ff., den Thron 
in Ausficht geitellt hatte. Auf mehreren Kriegs: 
zügen demüthigte er Iſrael, 2. Kön. 9, 24 ff.; 10, 
32.33; 13, 3.7. 22, und Juba, 2. Kön. 12, 17 
fo daß nur eine Geldſumme Jerufalem vor ihm 
Ihügen konnte. 

Haſe wird im Geſetze, 3. Mof. 11, 6; 5. Mof. 
14, 7, nad) dem ſcheinbaren Wiederfauen als Wie: 
derfäuer ohne gefpaltene Klauen zu den unreinen 
Thieren gerechnet. 

fe, Karl Auguft, geb. am 25. Auguft 1800 
zu Steinbad in Sachſen. Während der Studenten: 
zeit wegen Theilnahme an burjchenfchaftlichen Ber: 
bindungen eine Zeitlang gefangen gejegt, wurde er 
1829 Brofeffor der Philoſophie in Leipzig und in 
demfelben Jahre Profeſſor der Theologie in Jena, 
wo er bis jet thätig ift. Unter feinen Schriften 
find hervorzuheben: Evang. Dogmatik, 1825, .5. 
Aufl. 1830; Gnofis, oder evang. Glaubenslehre 
für die Gebilbeten, 3 Bde., 1828_28; Hutterus 
relivivus, 1827,10. Aufl. 1862; Leben Jefu, 1829, 
5. Aufl. 1866; Kirchengejchichte, 1834, 9. Aufl. 
1867 ; Theologifche Streitſchriften, 1834—37 ; Die 
beiben te ‚ 1839; Neue Propheten, drei 
Hiftorifch-politiiche Kirchenbilder, 1861; das Reich 
der Wievertäufer, 2. Aufl. 1860; die Tübinger 
Schule, 1855; Franz von Aſſiſi, 1856; das geift- 
lihe Schaufpiel, 1858; die evang. Kirche bes deut: 
chen Reiches, 1848, 2 Aufl. 1852; Handbud) ber 
prot. Polemik gegen die röm.:fath. Kirche, 1862. 

—— S. Mandelbaum. 

alenfamp, Johann Gerhard. Geb. zu Wechte 
im Kirchipiel Lengerich am 12. Juli 1736, ſtudirte 
er 1753—56 auf der Akademie zu Lingen, wurde 
als Candidat wegen Jrrlehrefuspendirt, 1763 durch 
her img (or, und 1766 Rector am Gym: 
nafium zu Duisburg. + 1777. Er ftand in enger 
Berbindung mit den niederrheinifchen Separatiften 
und mit Gollenbuich, —* Syſtem er adoptirte, 
demzufolge er ſtatt der Genugthuungslehre in fei: 
nen Schriften die Lehre von der Heiligung und 
dem Reiche Gottes betrieb. Wegen ſeiner —— 
den Uebereinſtimmung mit der Verſöhnungslehre 
des Heidelberger Katechismus ſuspendirte ihn 1771 
die Clever Provincialſynode noch einmal, bis dies 
Urtheil von der Regierung wieder a on 
‘ wurde. — Gleicher theologiichreligiöfer Richtung 
waren feine Brüder: Friedrich Arnold (geb. 
1747, + 1795), der fein Nachfolger im Rectorate 
war und feine Wittwe heirathete, um ihre Kinder 
zu verforgen. In feinen gahlreihen Schriften be: 
tämpfte er die Nenlogie und die Aufflärung. Er 
war ein Freund Mentend. — Johann Heinrich 
ge 1750, + 1814), war Paſtor zu Dahle ir ber 
rafſchaft Mark, vorher 1776—79 Rector in Ein: 
merih. Seine „Chriftlihen Schriften,” 2 Boe., 
find nach feinem Tode herausgegeben. 

Haserensis anonymus. Der unbelannte Ver: 

iaffer eines Brudftüds aus einem großen —— 
iſtoriſchen Werte, De episcopis Eichstetensibus 
bei Berk), muß um 1075 gelebt haben und Kano: 
nikus zu Eichftädt geweſen fein. 

Hasmonder. Der per ber Mafla: 
väer, ſoll nad) Joſephus fich von dem Stammvater 
Ajamonäus herleiten. Unter den Bebrüdungen 
des Antiohus Epiphanes floh 167 ein Prieſter 
Mattathias nach feiner Vaterſtadt Modin und er: 


* 


332 


Hasmonäer 


regte dort den Aufſtand der Chaſidäer, ber ftren: 
gen religiöfen und nationalen Bartei. Bei feinem 
Tode 166 übernahm fein Sohn Judas (Matlabi, 


2P2, ber Hammer, von feinen fiegreihen Feldzu⸗ 


gen genannt) bie Führung des Guerillakrieges, er⸗ 
oberte Jerujalem, nachdem er Gorgiad und Niklas 
nor bei Mizpa 165, Lyſias bei Bethzur 164 ger 
Ihlagen hatte und weihte ben Tempel von neuem 
(jährliches Fet). Zwar ging Jerufalem und Betz: 
zur wieder verloren, aber ald Antiochus V. Eupa⸗ 
tor von Demetriuß überwunden war, ſchlug Judas 
deſſen Feldherrn Nilanor bei Kapharjalem. Die 
erbetene Hülfe der Römer war noch nicht einge» 
teoffen, ald er 160 bei Eleafa fiel. Sein Bruder 
Jonathan Ken mit Bachides einen Vertrag, der 
ihm Rube e, benugte baum Hug den Streit 
der beiden Kronprätenbenten, des Demetrius und 
Alerander Balas, von benen der eine ihn zum 
Hohepriefter, ver andere zum Herru von Jerufalem 
machte. Dem Alerander Balas treu, ftand er ihm 
bis zu befjen Niederlage gegen Demetriuß bei, 
wandte ſich dann auf Seite des Tryphon, der für 
Antiohus Deus jenen belämpfte, eroberte, bei 
Aſor — amaslus, fiel aber dann, ein 
Opfer des Verrathes des Tryphon. Ihm folgte 
fein Bruder Simon 14} als jelbftändiger Fürft 
(Naft) und Hohepriefter; diefer Er im Innern 
die ſyriſche Partei, ei die Grenzen jeines 
Staates und ftellte jeine Unabhängigkeit unter 
den Schuß der Römer 140. Er ftarb dur Meu: 
helmord des Ptolemäus in -Jeriho 135. Ihm 
folgte fein Sohn Johannes, feit feinem Siege bei 
Jamnia über den Hyrlanier Kendebäus mit bem 
Beinamen Hyrlanus. Mit Antiohus Sideted mußte 
er freilich einen bemüthigenden Frieden ſchließen, 
Ban aber den Berfall des —— Reiches ſo 
gut, daß er nicht nur die Unabhängigkelt wieder 
gewann, ſondern auch Ituräa und Samaria er: 
oberte, und faſt das davidiſch-ſalomoniſche Reich 
wieder herſtellte, auch den Königstitel annehmen 
tonnte. + 107. Sein Sohn Judas Ariſtobulus 
tödtete feine Mutter und feinen Bruder und Mit: 
regenten Antigonus. Gr jelbft ftarb, nachdem er 
fih den Königstitel beigelegt, ſchon 106. Seine 
Wittwe heirathete den jüngern Schwager Alerander 
Jannäus, der in Folge deſſen den Thron beitieg. 
Die Entfremdung des Königthums von ber ftren: 
gen religiöfen Partei rief einen langjährigen Bür— 
gerfrieg hervor, in dem Al. mit Mühe ſiegte (Rieder: 
lage bei Sihem, Sturm von Betgome). In vielen 
ausländischen Kriegen meift unglüdlid, hinterließ 
er bennoch 79 feiner Wittwe Alerandra (7 70) das 
Reid um Gaulonitis vergrößert. Bon deren beiden 
Söhnen Hyrkan und Ariftobulus II. bemä ne 
fich der letere der Herrichaft ala König und Hohe: 
priefter; auf den Rath Antipaters, des Vaters des 
Herobes, erhob ſich Hyrlan und beide Brüder rie: 
en das Schiebögeriht der Römer an. Als nun 

riftobul fich bei dem Zögern des Bompejus zum 
Kampfe rüftete, eroberte biefer nad) Dreimonatlicher 
Belagerung Jerufalem und ſchaffte das Königthum 
ab, Ariftobul und feine Kinder wurden gefangen 
nach Rom geführt. Für kurze Zeit erlangte Anti: 
gonus, ein Sohn des Ariftobul, Die Herrſchaft wies 
der, die im Namen des Hyrlan unter dem Schuße 
des Cäfar Herodes geführt hatte, aber 77 erober: 
ten die Römer von neuem Jerufalem. Antigonus 
wurde enthauptet, Heroded erlangte den Thron, 


Haß 


Hyrlan wurde wegen einer angeblichen Verſchwö⸗ 
rung hingerichtet und der lehte Hasmonäer Ari: 
ftobul, ein Enkel Ariftobuls, — Mariamne Hero: 
des' Schwager, ermordet 34 v. Cha Die Geſchichte 
der Hasmonäer bis auf Simon erzählen die 2 
Bücher der Makkabäer, ausführlicher Joſephus. 

Haß. Das leidenſchaftliche Gefühl demjenigen 
Nebenmenjchen gegenüber, welcher die Befriedigung 
unſeres Selbft wirklich oder ſcheinbar ftört. Der 
Inhalt des Gefühles ift die Richtung der Empfin: 
dung und bes Triebes auf Vernichtung bes gehaß⸗ 
ten Gegenftandes. Haß unterfcheidet fih vom Zorn 
Dabure, da fie, während diefer eine momentane 
Aufregung ıft, eine habituelle Richtung der Seele 
wird. Sie ift der Gegenjah der Liebe, 

Haſſe, Dr. Friedri dolf. Geb. zu Dresden 
am 29. Juni 1808, ſtudirte er zu Leipzig und Ber: 
fin, wo er fi 1834 habilitirte, wurde 1836 a. o. 
Profefſor der Kirchengefchichte zu Greifswald, 1841 
zu Bonn. + 1862. 
geapbie tiber Anfelm von Canterbury 1843 und 

852, welche eine neue Behandlung der Scholaftif 
eröffnete. Seine kirchengeſchichtlichen Vorlefungen 
bat Köhler 1864 herausgegeben. 

Hatto, Haito, Biſchof von Bafel und Abt von 


Reichenau feit 806. Geb. 763 und in der Kloſter⸗ den 


ſchule zu Reichenau erzogen. Seine Schriften De 
Visione Wettini bei Mabilfon, Acta s. Bened. 
IV, I, p. 273, und 25 Capita, bei Berg, III, 439, 
find für die Kirchen: und Sittengefchichte feiner Zeit 
interefjant. Eine Beichreibung ſeiner Geſandtſchafts⸗ 
reife nach Conftantinopel ift verloren egangen. 
Hatte I. Erzbiſchof von Mainz und jeit Abt 
von Reichenau, zeichnete ſich unter Arnulf, Ludwig 
dem Kinde und Konrad als Staatsmann aus, der 
ſich um die Einigting des beutfchen Reiches große 
Berbienfte erwarb, wenngleich fein Verhalten, 
3. B. in der Babenberger f 
war. Auch die Metropolitanrehte der Biſchöfe 
mußte er zu vermehren. Zu Tribur 895 entjchieb 
er in dem Streite zwiſchen Bremen und Köln gegen 
Adalgar von Bremen (f. d. Art.). F 915. 
Hatto II. In Fulda gebildet, Abt dafelbft 942, 
begleitete 961 DttoL. auf dem Zuge nach Rom. 968 
Erzbiſchof von Mainz, trat er an das neuerrichtete 
Graftift Magdeburg Havelberg und Brandenburg 
ab. Nach der Sage foll er, ein harter und graufa- 
mer Mann, von den Mäujen gefreflen fein (Mäuſe⸗ 
thurm, Mauththurm bei Bingen). 
Hauge und die Haugianer. Hans Nieljen 9., 
eb. den 3. April 1771 zu Hauge im Kirchſpiel 
hund in Rorwegen, trat 1795 als prophetiſcher 
Prediger, 1796 aud) ald Schriftfteller auf. Ohne 
von der Lehre der Kirche fi zu trennen, gerieth 
er durch die Gonventilel, die er veranlaßte, durch 
die Beftreitung des Rechtes der Geiftlichkeit und 
der Ordination und feine Ideen vom Reiche in 
Eonflicte mit dem Kirchenregimente. Seine Bud): 
druderei in Chriftianfund wurde 1804 geichloffen, 
er jelbft gefänglich eingezogen und nad) zehnjähri: 

er Unterfuchung zu einer Geldftrafe verurtheilt. 
Seitdem lebte er auf feinem Bauernhofe Breddwill 
bei Chriftiania. + 1824. Seine Anhänger, die 
„Leſer“, bildeten innerhalb der Kirche eine Ge: 
meinfchaft, in welcher bie Lehre vom Glauben und 
der Wiedergeburt in ber Weife des Pietismus be: 
tont wurde. 

Haurau. Ein Landftrih im NO. von Palä: 
ftina, füdlich von Damaskus, begrenzt von Tra⸗ 


333 


hde nicht gewi is: unbedenklich beibehalten. 


Hauspifitation 


chonitis und Batanäa, welche heute unter dem 
Namen mit —— werden. Ez. 47, 16. 18. 
—— Hausviſitation. 
ausgottesdienſt. Die Privatandacht der Fa— 
milie iſt die erſte und urſprünglichſte Geftaltun 
der Gemeinſchaft des Gebetes. Weil in ihm fi 
da3 in der Familie vollendete religiöfe Leben aus- 
Ipricht, ſchmiegt er fich in feinen —— eng an 
die Verhältniſſe und die Geſtaltung des Familien: 
lebens an. Er entfernt ſich von —— urſprüng⸗ 
lichen Begriff, je mehr er eine Nachbildung des 
öffentlichen Gottesdienſtes fein will. Mit Abſicht 
und Bewußtſein wird er dies aber da, wo die 
öffentliche Gottesverehrung durch ſtaatliches Gebot 
gehindert iſt und Freunde und Gleichgeſinnte an 
ihm Theil nehmen. Zum Hausgottesdienſt rechnet 
man nicht, wenn einzelne Acte des öffentlichen 
Gottesdienſtes, heilige Handlungen ftatt vor ver- 
fammelter Gemeinde innerhalb der Familie 





Cm. 
ein Hauptwerk ift die Mono: | gen werden, ald Taufen, —— und ⸗ 


munion. Die katholiſche Kirche verbietet eigentlich 
Haustoufen, abgeſehen von den Taufen der Für— 
ften und den Fällen der Noth, u aber in man: 
hen Diöcejen ſehr nachſichtige Verordnungen er: 
lafjen. Ebenjo bindet fie die Eheeinjegnung an 
Drt der Kirche, mogegen bie Ghe hliehung 
(assistentia passiva) an jedem Orte jtattfinden 
lann. Die lutheriſche Kerche hat Haustaufen und 
Haustrauungen von je freigelaflen, nur der Staat 
Sn ben legtern zuweilen Bedingungen geftellt, im 

nterefie der Notorietät der Ehe. Die Hauscom: 
munion blieb alö Reft der älteften Sitte, welche 
auch den Abweſenden die Euchariftie zufandte, im: 
mer in ber Kirche üblich; die Ausbildung zum 
Sacrament der Sünbdenvergebung und des Opfers 
rief die Krantencommunion und legte Wegzehrung 
hervor. Und die lutheriiche Kirche Hat die Sitte 
ie reformirte Kirche ift 
der Hauscommunion weniger günftig, nicht bloß 
um den Fatholifirenden Borftellungen feinen Bor: 
ſchub zu leiften, fondern weil fie Die Idee der Ge— 
meinfchaft dev Empfangenben alö mwejentlich feft: 
hält. Wenn fie daher auch den Kranken das Abend: 
mahl nicht verjagt, fo findet fie doch eine richtige 
Feier nurda, wo mit dem Kranken zugleich Freunde 
und Familiengenofjen das Abendmahl genieken. 

Hausmann, Nikolaus. Geb. in Freiberg, Pre: 
biger in Schneeberg, dann 1521-1532 in Zmidau, 
wo er den Schwärmern und Propheten widerftand. 
In Deffau führte er 1532 die Reformation ein 
und ftarb 1538, nad) Freiberg ald Superintendent 
berufen, während ber erften Predigt. Er war einer 
ber älteften und liebften Freunde Luthers, der jei: 
nen Tod tief beflagte. 

Haußverhör in — entſpricht dem Gebets⸗ 
verhör der preußiſchen Kirche. 

Hausviſitation iſt bie Einrichtung der refor⸗ 
mirten Kirche, daß jedesmal vor Ausſpendung des 
heiligen Abendmahls ber Prediger mit einem Ael⸗ 
teften die Gemeinde gr für Haus befudhe, um 
ſich zu überzeugen, dab alle Glieder geeignet und 
bereit jeien zur bevorftehenden Communion. Die 
von den Synoben erlafjenen Inftructionen zeigen, 
daß fie nicht ein feelforgerifcher, fondern ein dis» 
eiplinarifher Act war. Die Sitte ift meift abge: 
lommen oder praftiich unbedeutend geworden. Die 
altherfömmlichen Hausbefuche in ber nieberrheini: 
ſchen und weitphälifchen Kirche Haben ben discipli⸗ 
nariſchen Charakter aufgegeben und haben nur den 


Havila 


feelforgerifchen Verkehr des Pfarrerö mit ber Ge: 
meinde im Auge. 
—— ©. Chavila. 
aydn, Joſef, — Componiſt, geb. am 
ärz 1732 zu Rohrau in Defterreih. Zuerft 
Drganift in Wien, bann Dirigent der Hauscapelle 
bed bazy. + 31. Mai 1809. Mit Mo: 
zart und Beethoven einer ber drei berühmten Wie: 
ner Meifter in der Inftrumentalmufit, er ſich 
namentlich durch feine Dratorien „Sieben Worte 
am Kreuze” und „Schöpfung“ einen unfterblichen 
Namen inder Geſchichte firhlicher Muſik erworben. 
Haymo, Haimo, Aymo, Aimo. Geb. um 778, 
Freund und Stubiengenoffe bes Rabanus Maurus, 
war er Rector ber Schulen zu Fulda und Hirſchfeld, 
endlich Bifchof von Halberſtadt. + 853. Er wirkte 
nicht bloß ala Kirchenfürſt, ſondern auch durch liter 
rariſche Thätigleit und burd feine Predigten, 
melde 1531 in Köln durch Hittorp herausgegeben 
find. Zwar find feine Commentare von geringe: 
rer Bebeutung, aber fein Auszug aus der Weber: 
fegung des Eufebius durch Rufinus Ne eine An: 
gung und ein Hülfsmittel zum Stubium ber 
chengeſchichte. 


Hazar:Mbdar. 4. Moſ. 84, 4; Joſ. 15,3. Stadt 
im Stamme Juda an der Südgrerize Paläſtina's. 
— d.:Enon. 4. Mof. 34,9. 10; €. 47, 17. Stabt 
an der Nordgrenze. — H.Gadda. Yof. 15, 27. 
Stadt in Juda. — H.Schual. of. 15, 28; St 
11,27. Stabt im Stamme Juda. — H.⸗Suſa. Jo]. 
19,5; 1.Chron.4,31. Stadt im Stamme Simeon. 

Hazarmabeth. 1. Mof. 10, 26. Die Landſchaft 

abramaut am arabijhen Meere, deren Haupts 

t —— war, bekannt als das Vaterland des 
ihrauchs. 

Hazor. Namen mehrerer Städte. 1) Stabt am 
— ER 19, 36; 1.Rön. 9,15; 2. Kön. 15, 

azor, Joſ. 19, 36. 37. — 8) Stadt im Stamme 
jamin, Neh. 11,33, — 4) Eine Landſchaft in 
Arabien, Ser. 49, 28. 

Heben und Weben gehört zum Ritus bes jüdi: 
fen Opfers. Es ift darunter zu verftehen ein Aufs 
und Ab⸗, Vorwärtd: und Rüdmwärtöbewegen des 
ne En, ha Tan 
an Jahveh. Bal.2. Mof. 29,24; 3.Mof.7,30; 14, 
var 4. Mof. 5, 25 u. d. 

Heber, Reginald, geb. 1783. Als Rector zu 

obeet in Schropfhire und Univerfitätsprediger 

orb wurbe er 1822 zum Biſchof bes 1816 ge: 
Are Bistums Calcutta berufen. Wiffen: 
chaftlich durchgebildet und voll brennenden kirch⸗ 
lichen Eifers nuthte er die Zeit feiner kurzen Wirk: 
famteit nicht bloß, um die kirchlichen Inſtitute 
überall aufzurichten, fondern bemühte fich auch, 
die Miffiondarbeit in eine nähere Verbindung mit 
ber Kirche zu bringen. Die anglicanifchen Grund» 
fäge, welche er im Hinbli auf die fgrifchen Chri⸗ 
ften, mit denen er in Indien in Berührung kam, 
um fo fefter hielt, nöthigten ihn, die Ordination 
der lutheriſchen deutſchen Miffionäre durch feine 
biſchöfliche zu ergänzen. Er ftarb plötzlich 1826. 
Bol. über ihn Bajeler Magazin, 1829, 30, 43; be: 
onders aber Krohn, R. Heberö Leben, 2 Bbde., 


erlin 1831. 
bräer. ©. us 
brüer, Brief an Die. Zweck und Inhalt def: 
felben iſt, durch typologifche bes jübifchen 


Gottesdienſtes den Nachweis zu liefern, daß aller 


334 


tabt im Stamme Juba, ebenfo Neu: | He 


Hebräifche Poefie 


reale Inhalt des ger ey in ber chriftlichen, 


und zwar paulinifch gefaßten Lehre enthalten fei, 
um Durch ſolche Darlegung einen Rü auf den 
ie Auffaf: 


ung und Jbeenentwidlung verräth einen alegan- 
riniſch gebildeten Verfaſſer. So nahe er ſich mit 
den paulinifhen Gedanken berührt, fo ift fein Be: 
gif bes Glaubens dennoch ein anderer und ber 
ern feiner — iſt Chriſtus als 


fing un Standpunft zu verhüten. 


bimmlifcher Hohepriefter gefaßt, fo daß das Haupt: 
gewicht nicht auf den Tod, jondern auf die Auf: 
erftehung fällt. Der Brief jert eine judenchriſtliche 
Gemeinde voraus, in welcher die paulinifchen Ideen 
einen noch nicht unbeftrittenen Eingang gefunden 
haben. Ob biefe Gemeinde in Jerujalem, Alexan⸗ 
drien ober Rom zu fuchen fei, wird Bermuthung 
bleiben, gegen melde man vielleicht, für melde 
man nicht leicht beftimmenbe Gründe wird aufftellen 
fönnen. Die erfte Schrift, welche Anklänge an den 
Hebräerbrief enthält, ift der Clemenäbrief. Die 
Bezugnahme im Briefe auf den Tempelbienft und 
ei Timotheus machen bie Abfafjung 64—66 un: 
zweifelhaft. Erft eine fpätere Periode fchrieb ihn 
dem Paulus — Sprache und Darſtellung 
widerſprechen dem entſchieden. Da nun der Ber: 
fafler einem dem Paulus näher ftehenden Kreife 
angehört haben muß, jo ſchwanken bie un: 
gen befonders zwiſchen Barnabas und Apollo, 

die Commentare von Bleel, 2 Abth., Berlin 182 
—40; de Wette, 1844—47 ; Ebrard im Olshauſen⸗ 
ſchen Bibelcommentar, 1850; Stier in 36 Betrach⸗ 
Fe 1842; Lünemann, 1855, 8. Aufl. 1867; 
Deligih, 1857; Mol im Lange' ſchen Bibelwerl, 


1865; Wiefeler, Unterfu ung über ben ⸗ 

brief, 1861; Holtzmann, Stud. und ‚ 1859 

und in Hilgenfelds ige 1867. Den Vorrang 

—* ben Commentaren behauptet noch immer 
ef. 

Hebräers-Evangelium wird von Clemens von 
Alerandrien und Drigenes erwähnt, von Eufebius 
unter ben unechten Schriften aufgeführt als das 
Evangelium der Ebioniten. Hieronymus 
ed und vermuthete in ihm den urfprünglich ber 
bräiſch gefchriebenen Matthäus. — es nur 
aus den dieſer —— e zeigen 
aber an vielen Stellen ſo bedeut Abweichun⸗ 
gen vom Matthäus, daß auch Diejenigen, welche, 
wie Baur, die Hypotheſe ded Hieronymus 
ten, biejelbe fallen gelaffen haben. Fran ( tud. 
u. Krit. 1848) fuchte zu zeigen, daß das Hebräer: 
Evangelium zumeift aus Matthäus, aber auch Lu: 
cas entftanden jei und immer mehr einen apolry⸗ 
phiigen Charakter angenommen habe. ee 

ald (Yahrb. der bibl. Wiſſenſch, 1854), 
Einl., II), Boltmar u. A. Eine Ueb 
ragmente f. bei —*— Zeitſchr. 1863; Bun⸗ 
en, Bibelurkunden, 4. Th. 

Hebräifche Poefie. Wie bei allen femitifchen Vol⸗ 
fern, fo ift auch bei ven Hebräern jan nur bie ly⸗ 
riſche Poeſie ausgebildet; die poetijchen Theile ded 
Alten Teftaments Haben und nur die religiöfe £y: 
rik aufbewahrt, und nur durch einzelne Eitate aus 
weltlichen Liedern oder Hinweifungen auf jolde, 
Sef. 23, 12, gezeigt, daß auch die weltliche Lyril 


- 


t ber 


Böller diefelbe Sprache, reden. 


Hebraiſche Sprache 


nicht äffigt war. Als Proben derſelben 
fönnen das Hohelied und Pjalm 45 gelten, welde, 
urfprünglich Hochzeitägedichte, nur durch frühe alle: 
he Deutung die Stelle im Kanon gefunden 
Im Allgemeinen wird unterjdieden zwiſchen 
VB und Iyipr Lied und Lehrgedicht; zu den letz⸗ 
teren gehören Hiob, die, Sprüche: Koheleth; die 
a. ift nicht. — urchzuführen, da 
z. B. die Pjalmen des, didaltiſchen Elementes kei— 
neswegs ganz entbehren. Fir, Bezug auf: die äu⸗ 
Bere der hebräiſchen Poefie ifties vergeblic) 
geweſen, nad) einem metrifchen: Vers⸗ und, Stro: 
phenbaue zu fuchen; die Angabe des Joſephuͤs, da 
ein folder vorhanden fei, hat fi als Irrthum 
uögeftellt. Die —— Dichtkunſt begnügt 
ch mit dem rythmiſchen Parallelismus des Ge: 
ntens, der, mehr oder weniger fünftlid ver: 
ſchlungen, in zwei oder drei Gliedern bald als ge: 
tader Baralleliamus, bald als Entgegenjegung 
immer wiederfehrt. Der Reim fehlt gänzlich, Alli- 
teration und Diffonanzen finden fi nur verein: 
ee ift häufiger ein Strophenbau, deffen 
ungsgeſetz aber noch nicht Mar vorliegt, am 
deutlichjten da erkennbar, wo gleichbleibende Vers: 
2 jede Strophe abfehlieken, oder wo beim 
ang der Chor einfällt. Eine künſtlichere Form 
ift die alphabetifche Anordnung der Verje Bi. 111. 
112; Spr. 31; Klagl. 1—4. Vgl. Herder, € eift der 
br. Poefie, 1782; Meier, die Form der hebr. 
Roche, 1853; derf., Geſchichte der poet. National: 
Itteratur der Hebräer, 1856 , Saalſchütz, Form und 
Sie der hebräiichen Poefie, 1853; Ewald, die 
Fin des Alten Bundes, erfter Theil, 2. Aufl. 
1 


Hebrũiſche Sprache, jüdiſche Sprade, Sprade 
Kanaanıs, iſt ein Zweig des ſemitiſchen Sprach— 
ftammes, * ebiet das ganze Vorderaſien 
zwiſchen dem Tigris und dem Mittelmeere, Armie— 
nien urıd dem Arabiſchen Meere iſt. Die Benennung 
ſemitiſch iſt ungenau, da die — — 

r Zuſammen⸗ 

iſt noch unaufgellärt, ob die ſemitiſchen Ein: 
wanderer die Sprade des Landes! angenommen 
en, oder ob chamitiſche Einwanderer früher 
emitiſche Stämme verdrängten und ge 
annahmen. Die hebräifhe Sprade jteht in ber 
Sprachfamilie zwiſchen der aramätjchen als ber 
ärınften und unauögebildetiten und der reihern 
arabijchen in der Mitte, Sie * das allgemein 
aralteriſtiſche der ſemitiſchen Sprachen, die Wur: 
ildung aus drei feſten Lauten und in der Satz⸗ 
ildung das loſe Aneinanderfügen mit, ſeltenem 
Gebrauch von Partikeln. Die Sprache der alt: 
hebräifchen Bücher ift durchgehends dieſelbe, die 
älteren Bücher haben nur jehr unfidere Spuren 
von eigenen Wort: und yormbildungen; der Unter: 
ſchied der Sprache zwiſchen den einzelnen Büchern 
erklärt fich theilwerfe durd) Inhalt und Art der 


335 


Hedwig 


der jüngeren Bücher, alfo unter dem Einfluß des 
| Aramãiſchen; dagegen = das Hebräifch der Rab: 
| binen aus dem Aramäifchen und andern Sprachen 
‚feinen Sprachſchatz vervollftändigt. Das Verbienit, 
dem Studium des Hebräifchen neue Bahn gebrochen 
zu haben, gebührt Reuchlin, der die erſie hebräiiche 
Grammatik ſchrieb. Bal. Gefenius, Gejhichte der 
hebr. Sprache und Schrift, 1815; Ewald, Kritifche 
Grammatik der hebr. Sprade, 1827, und befjel: 
ben ausführliches — 7. Ausg. 1863. Die 
—— behandeln Ölshauſen (1861) und 
u. (herauägeg. von Mühlau 1866 ff.). 
Hebron. Eine der älteften, 4. Mof. 13, 22, und 
berühmteften Städte Kanaans an der Südgrenze 
des Landes auf'dem — aber in fruchtbarer 
waſſerreicher Gegend. Zu Abrahams Zeit in dem 
Beſitz der Amoriter, entriſſen die Iſraeliten fie den 
Enalitern, Joſ. 14, 13; 15, 13, die ihr den Namen 
Kirjath⸗ Arba gegeben hatten; fie wurde, obwohl 
zu Terre dei ieftern als Freiftadt 
zugetheilt.‘ David refidirte 7 Jahre lang zu Hebron, 
2. Sam. 2,1; 3, 1—5, und Abjaloın machte die 
Stadt zum Sig feiner Empörung, 2. Sam. 15,7. 
Seit Rehabeam befeftigt, 2. Chr. 11, 20, fam die 
Stadt in den Befig der Edomiter und mußte von 
Judas Maklkabäus erobert werden, 1. Malk. 5, 65. 
Auch, von den Römern wurde fie erobert. Die 
Kreusfahrer befeftigten eö von neuem, ba jte. die 
Straße von Jerujalem nad Berjaba beherrſcht. 
Ein altes Bauwerk, das Haram, gilt ald Grab⸗ 
mal des Patriarchen und wird von den Muham⸗ 
re gehalten. 

Hedio, Kaspar, der Neformator. Geb. 1494 zu 
Ettlingen im Badiſchen, ftudirte er in Freiburg 
und Bafel, wo ihn Capito der Reformation zu: 
führte. 1520 fam er als Hofprediger und geiftfier 
Vicar nad) Mainz, ging aber, da er dort nicht 
durchdringen fonnte, 1523 zu Capito nad) Straß: 
burg, wo er, feit 1529 Profeſſor der Theologie und 
Prediger am Müniter, * ernſtlich am R a⸗ 
tionswerfe und der Abfaſſung der Confessio tetra- 
pölitana — 1541 wurde er von Gebhardt 
von Köln mit Bucer nach Bonn berufen, kehrte 
aber nach dem Mißlingen des Unternehmens 1543 
nad) Straßburg zurüd. + 1552. Seine Werte ha: 
ben feinen een Werth mehr. 

Hedſchra ist die Fluht Muhammeds von Meta 
nah Medina am 15. Juli 622 und der Ausgangs: 
punkt der muhammedaniſchen Zeitrechnung. da 
diefe nah Mondjahren rechnet, welche mit den 
aftronomifchen nicht übereinftimmen und häufige 
Schalttage nöthig maden, jo ift Die Reduction der 
Jahre der Hedſchra in die der chriftlichen Zeitrech— 
nung etwasumftändlih. Zum Gebraude empfiehlt 

die Vergleihungstabelle der muhammedanis 

den und hriftlichen eisen ra ba dem en 

Tuge jedes muhammedaniſchen Monats von Dr. 
| Ferdinand Wüftenfeld, Leipzig 1854. 

Hedwig, die Heilige. Tochter des Markgrafen 





Darftellung. Seit der afiyrifchen Zeit gewann aber | von Meran, Berthold von Andechs, wurde fie in 


das Aramaͤiſche Einfluß, welches allmählich Volks— 
ſprache wurde und auch. in der Schriftſprache, 3. 
» einigen Palmen und N fich deutlich be: 
merlbar machte, obgleich jeit der Rücklehr aus der 
Gefangenichaft über die Reinhaltung der alten 

igen gottesbieiftlihen Sprache ſorgſam gewacht 
wurde, was um jo leichter war, als fie im täglichen 
Verkehr zurüdtrat. Das fpätere Hebräifch der 
Miſchna iſt eine ſelbſtändige Fortbildung der Sprache 


ihrem zwölften Jahre an Heinrich den Bärtigen 
von Liegnitz verheirathet. Ihre tiefe — 
die in ſtrengſter Aſteſe und ungemeſſener Wohls 
thätigfeit ſich nach außen bin seigte erwarb ihr 
die Heiligfprehung durch Clemens V. 1267. hre 
Stiftung des Ciſtercienſer⸗ Nonnenkloſters Trebnitz 
1205—19 wurde eine Miſſionsſtätte deutſcher Cul⸗ 
tur, In dieſem Kloſter, deſſen Aebtiſſin ihre Toch: 
ter wurde, lebte ſie ſeit dem Tode ihres Gemahls 


Heerbrand 


1238. hr Sohn Heinrich fiel 1241 bei Wahlſtatt 
egen die Mongolen; die Todesnachricht empfing 
te mit Ergebung und Dank gegen Gott, daß er 
ihr fold einen =" gegeben habe. + 1243. 
beerbrand, Jakob, geb. am 12. Auguſt 1521 
zu Giengen, der Sohn eines Weberd. Nach Voll: 
endbung feiner Studien zu Wittenberg warb er 
Diakonus zu Tübingen, danach, wegen des Inte: 
rims entlaffen, als Superintendent zu Herrenberg 
von Herzog Ehriftoph angeftellt, der ihn auch als 
Gefundten 1551 nad) Trient ſchickte. In Gemein: 
ſchaft mit Anbreä in Pforzheim bei der Einführung 
der Reformation thätig, erhielt er den Ruf als 
Profeſſor der Theologie nah Tübingen. 1590 
Probſt, Kanzler und berzoglicher Rath, legte er 
1598 feine er nieber. . Mai 1600. Bon 
feinen Werten ift das bebeutenbfte bad Compen- 
dium theologiae, Züb. 1573, eine wiſſenſchaftliche 
Darftellung ber Intherifchen Lehre im genauen Ans 
ſchluß an die Eoncordienformel, welche weite Ver: 
breitung fand und bei den Unionäverfuhen An: 
breä’3 mit der griechifchen Kirche von Martin Eru: 
ſius ins Griechiſche Üüberfet murbe. 
Heermann, Johannes, geb. am 11. Det. 1585 
u Rauten in Schlefien. Belannter Liederbichter, 
erfafjer der Lieder „OD Gott, du frommer Gott," 
„„elu, deine tiefen Wunden” u. a., ber als Dichter 
1608 zu Bri — wurde, war 1611 Prediger 
zu Köben, * e aber- 1624 —* Amt krankheits⸗ 
alber niederlegen und ſtarb, literariſch vielfach be⸗ 
die 1647 zu 3— In ſeinen zahlreichen (400) 
edern ſpricht ſich ſein ungebrochener Glaubens⸗ 
muth bei nie unterbrochener Trübſal kräftig ans. 
Seine en Lieber gab Wadernagel heraus, 


Stuttg. ; 
fe, Karl Joſeph, feit 1837 Profeſſor ber 
fathol. Theologie in Tübingen. Er = die apo⸗ 
rg Se Väter 1839 heraus, Das dſchreiben 
es Barnabas unterſuchte er 1840. Geſchichte der 
ih des Chriftenthums im ſüdweſtlichen 
Deutfchland 1837. Kritiſche Beleuchtung der J. 9. 
von Weflenbergihen Schrift über bie ben 
Kirchenverſammlungen bes 15. und 16. Sahehun: 
derts, 1841. Der Cardinal Zimenes und die kirch⸗ 
lihen Zuftände Spaniend am Ende bed 15. und 
Anfang des 16. Jahrhunderts, 1851. Eoncilien: 
geichichte, 1855—1860. 
Hegariter, ©. Hagariter. 
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, einer ber 
größten Philoſophen. Geb. am 27. Aug. 1770 zu 
tuttgart, ward er 1805 a. o. Profeſſor der Phi: 
Lofophie in Jena, 1808 Rector am Gymnaſium zu 
Nürnberg, 1815 Brofeffor in Heidelberg und 1818 
Profeſſor in Berlin. + 14.Nov. 1831. Der Grund: 
gedante feiner Philofophie ift die Einheit (Identi⸗ 
tät) bes Denkens und Seins, des Subjectiven und 
Dbjectiven, fein Syftem ift der Gegenſatz gegen 
jeden Dualiämus, gegen jede Norftellung, welche 
das Sein ald ein Gegenüber des Selbftbemußt: 
feind auffaßt, Unendliches und Endliches, Gott 
und Welt, Geift und Natur von einander fcheidet. 
Seine Philofophie ift vielmehr die Darftellung 
alles Seins als des ewigen Proceſſes der Verwirk⸗ 
lihung der abfoluten Idee. Welt, Natur, Menic: 
er ind ihm nur Momente im Selbftvermirt: 
ihungsproceffe der abfoluten Idee. Das eigen: 
ſchaftsloſe Abjolute, die reine Idee an fich jcheint 
ihm etwas noch Unmirkliches, welches erft aus ſich 
felbft heraustreten muß zur „Natur,” um im 


336 


Heidanus 
„Geiſte“ fich felbft wieder zu finden. So ifti 
namentlich die Gefchichte der Grenfchheit eine . 


verwirklichung bes Abfoluten zum abjoluten Geifte, 
concret außgedrüdt: eine Menſchwerdung Gottes, 
Religion ift daher das Bemußtjein von der abjo- 
Iuten Idee in der Wirklichkeit, von dem Unendlichen 
im Endlichen. Für die Theologie find dieſe Gedan⸗ 
fen von großer Bedeutung geworden, weil fie na: 
mentlih im Gegenfage gegen die flache Denkweiſe 
bes R ionalismus eine unftreitige Vertiefung in 
bie theologische Auffafiung braten. Sie haben bie 
fpeculative Dentweife, die Methode des Conſtrui⸗ 
rens ber Begriffe a priori in die Theologie ein- 
geführt, aud eine Menge tieferer Ideen in bad 
— iſche Denken verpflanzt. Beſonders hat der 
34 der ſtetigen Menſchwerdung Gottes in der 
Dogmatik eine —— tellung einge⸗ 
nommen, da derſelbe vielfach die Sruntlage für 
die Auffaffung der Erlöfung und des Chriſten⸗ 
thums geworben ifi. Diejer Begei wurde, über: 
tregen auf bie Berjon Chriſti und das Weſen Chriſti, 
als die höchſte Selbfterfaffung des Abjoluten er: 
Härt. Bon da aus wurden viele Begriffe der kirch⸗ 
lihen Dogmatik neu conftruirt, wie der Begri 
der Trinität, der Stellvertretung, fogar ber ber 
— Denn —— an — = 
egelihe Begrifisfyftem auch ebenfo geeignet, die 
irchliche Begriffswelt gän is zu zerftören, weil 
es eben von der Wirklichkeit zu ſehr abjtrahirte und 
fi) zu ſehr in allgemeinen logiſchen Kategorien 
bewegte. Dr lam es, baß zwei völlig * 
geſetzle Schulen aus ihm hervorgingen, ei 
eine Firchlich pofitive, repräfentirt von Daub, Mar: 
heinele, Heinrichs, Göſchel, Conradi, Rojenkranz, 
andererſeits eine negative, wie fie in Strauß, 
Bauer, Feuerbad u. A. ſich darftellte. Bon Hegels 
Schriften find Hervorzuheben: Phänomenologie 
des Geiftes, 1807 ; Encyflopäbie ber philofophifhen 
Wiſſenſchaften, 1817; ——— der Religion, 
1832. Vol. Rofenkranz, egelö Leben, 1844, Haym, 
Hegel und feine Zeit, 1857. j 
egeſippus. Der erſte chriſtliche Kirchenhiſto⸗ 
riler, war erim Anfang des 2. Jahrhunderts wahr⸗ 
ſcheinlich in Paläſtina geboren. Auf einer Reiſe 
nad Rom beſuchte er mehrere Gemeinden, barun: 
ter aud) Korinth. Seine Beobachtungen und Erfah 
rungen fchrieb er in 5 Büchern: ae tue rör 
exxinaaorıxor ngayudrov. Das Werk war jedoch 
wahrſcheinlich kein eigentlich hiſtoriſches ſondernein 
apologetiſches mitthatfächlicher Beweisführung. Es 
iſt nur in Bruchſtücken erhalten, die Eufebius auf⸗ 
genommen F as bedeutendfte derſelben enthält 
die Ucherlieferung vom Jacobus, der: Bruder des 
Herrn. Er bezeugt eine allgemeine Nebereinftim- 
mung der chriſtlichen Welt in der Glaubensüber: 
jeugung und befämpft die Gnoſis, welche die Ein: 
eit ftöre. Mit Unrecht hat man ihn ald Beweis 
für die allgemeine Verbreitung des Ebionitismus 
aufgeftellt. S. dagegen Ritſchl, Altkath. Kirche und 
Dorner, Chriſtologie. { 
Hegius, Nlerander, geb. im Dorfe Hed im 
Muͤnſierſchen. + 27. Sept. 1498. Er mar Borfteber 
der Schule und Presbyter zu Deventer und bat 
eine Bedeutung durch die von ihm ausgegangene 
derung der humaniftifhen Studien und als 
ehrer des Erasmus, Hermann v. dem Buſche, 
Mutianus u. N. ’ : 
danus, Abraham. Derfelbe verlor feine theo: 





| 


logiſche Profeffur zu Leyden 1675, weil er bie 


Heibegger 


der orthodoren teformirten Theologen das 
Guratorium der Iniverfität den Vortrag der Carte: 
iſchen Philofophie und ihre Anwendung auf bie 
gie (21 Säge) verbot. Sein Pfarramt (feit 
hielt er —* an Bl a * 
r, Johann Heinrich, reformirter ⸗ 
9 r ae ber Conſenſusformel. Geb. zu 
Järentjchweil im Canton Zürich am 1. Juli 1633, 
ee er in Marburg unter Crocius, lehrte in 
Iberg und 1659 an der Afademie zu Stein: 

— ae deren Auflöfung 1665 wurde er Pro: 

or der Moral, 1667 ber Theologie zu Züri. 
Die Eonjenfusformel 1673, deren Entwurf ihm 
agen murbe, gab Anlaß zu jahrelangen 
Verationen durch jeinen zelotifhen Collegen Mül: 
ler, weil Heidegger nur die Lehren Amyraut?, 
nicht aber die in Holland verpönten mie bed Coc: 






cejus und Gartefius ausgeſchloſſen wiſſen mollte, 
denen er jelbft zumeigte. Seine Duldjamleit be: 
wies auch jein Berhalten gegen die Iutherifche Kirche 
den Unioniften Duräus, ſowie die Schrift 
tratio de augustanae conf. cum fide Ref, 
consensu, 1644. Eine eifrige Polemik führte er da: 
a egen bie römische Kirche, welche damals auf 
Quntten eifiv verfuhr, Anatome Conc. 
rident, 1672; Historia papatus unter dem Pjeu: 
donym Nicander a Hohenegg. Der Flüchtlinge urd 
ten Ölaubensbrüder und der ungarifchen 
i zu Neapel nahm er fid) kräftigſt an. 

+ 18. Jan. 1698. 
Heidelberg. Die Univerfität wurde 1386 von 
recht I. von der Pfalz gegründet und 
i8 in bie Zeit des dreißigjährigen Krieges. 
wurde fie von Karl Friedrich neu begründet 
‚trägt daher den Ramen Ruperto-Carolina. 
ber berühmten Bibliotet wurde im Jahr 1622 
von Mazimiltan von Bayern der größte ge nad) 
Rom gebracht, wo er jegt noch zum Theil der va: 
ficanifa ibliothef angehört. Yon Heibelberg 
ingen int 16. Jahrhundert bedeutende reforma: 
Kräfte hervor. Bucer und Brenz ftudirten 
bier, Billican war bier Baccalaureus, alle drei 
wurden durch die Disputation Luthers im Augu: 
fter 1518 für die Reformation gewonnen. 
5 ſtudirte hier 1610, Boquin war hier 
1657 74 Profeſſor ber Theologie, Grynäus 1524 
—29 Profeſſor der griehifhen Sprache. Heßhus 
(1557—59), der belannte Streittheolog, Dlevia: 
nus und Urfinus, die Berfafler des Heidelberger 
Katehismus, im 17. Jahrhundert die beiden J. 
9. Keen Adam Alting, Scultetus, der Drien: 
tafift Eifenmenger gehören zu den Berühmtheiten 
ber Univerfität. In neuerer Zeit wirkten hier der 
—— Paulus, die ſpeculativen Theologen 
Daub,“* Marheinele; ferner Ullmann, Ümbreit, 


Rothe u. A. 
Heidelberger Katechismus. Die zum Range 
einer ſymboliſchen erhobene Belenntnißfchrift der 
en reformirten Kirche, ift auf Veranlaſſung 
richs III, von ver Pialz 1563 nad dem latei: 


nifhen Entwurf des Urfinus von diefem und Die: | Jah 


vionus bearbeitet (den Schluß der 80. Frage ſetzte 
in ber dritten Ausgabe der Kurfürft felbit hinzu). 

dem bad Buch von einer Synode gebilligt war, 
Berti — * — ar efü = Trotz ber 

en iffe der lutheriſchen Theologen, gegen 
welche ber En ihn Durch Urfinus und Dlevia- 
nus und perſönlich auf dem Reichätage zu Augs: 


337 
— Lehrfreiheit verteidigte, als auf burg 1566 vertheidigte, na 


Heidenthum 


jm ihn bie deutſche re: 
—— Kirche (Weſel 1568, Emden 1571), Hol: 
and und die Schweiz fofort an, ebenfo Ungarn 
und nad) dem Urtheil der Dortrechter Synode er: 
langte er auch in Franfreih und England das 
höchſte Anfehen. In der beutichen Kirche wurde er 
in ben —— nicht bloß verleſen, ſon⸗ 
bern auch über i —— In drei Theilen: 
von des Menſchen Elend, von der Erlöſung, von 
der Dankbarkeit und in 130 Fragen behandelt er 
bie ganze Glaubenälehre in populärer form mit 
Uebergehung der theologifchen Fragen der Präde: 
ftination und der Art der Gegenwart im Abend» 
mahl. Die fchroffe Polemik der Fragen 30 und 80 
egen den Katholicismus boten wiederholt bie 
Sandhabe, feine Unterdrüdung im Intereſſe des 
öffentlichen Friedens zu verlangen, Die in neuerer 
gr ventilirte Streitfrage, ob ber Lehrbegriff des 
atehiämus calvinifh oder melanchthoniſch fei, 
wird durch das hHiftorifche Urtheil der außerdeut⸗ 
ſchen calviniſchen Kirchen entſchieden. Val. S. von 
Alpen, Gefhichte des Heidelberger Katechismus, 
1800; Beckhaus, Lehrbegriff 8 itſchrift für hiſt. 
Theol., 1838); Ullmann, Stud. u. Hiit., 1863; 
Subhoff, Olevian und Urfinus, 1857. Eine tert: 
fritifh genaue Ausgabe lieferte A. Wolters in 
Bonn, 1 
Heidenchriſtenthum. Der Genenfat deſſelben ge: 
en dad Judenchriſtenthum beruht darauf, daß 
iejes einen unzerreißbaren Zufammenhang und 
eine völlige Uebereinftimmung des Evangeliums 
mit dem Geſetz behauptete, daher aud) die Theil: 
nahme am Gottesreih an die dauernde Beobad): 
tung befjelben gebunden eradjtete, während jenes 
den geihichtlihen Zufammenhang zwar feft hielt, 
aber dem Apoftel Paulus folgend, das jüdifche 
Geſetz als nur eingejhoben Ss deſſen fernere 
Beobachtung feine Bedeutung mehr habe. Der 
Kampf des Judenchriſtenthumẽ gegen das Heiden: 
chriſtenthum ift die Entfiehung der Alten Kirche, 
welche ihre Formen aus jenem entnahm, von bie: 
ſem aber die geiftige Auffafiung, welche das Chri« 
ftenthum zur Weitreligion machte. Vgl. Apojto: 
liſches Zeitalter. 
'denmilfion, ©. d. Art. Miffion. 
eidenthum (Paganismus), urjprünglich foviel 
als „Bauernreligion” (Baganiämus), ala der Po: 
lytheismus dem Chriſtenthum im römijchen Reiche 
wich. Daher der lateinische und der deutiche Name. 
Dann überhaupt Polytheismus und Fetiſchismus 
als Volksreligion, wenn aud) vielleicht mit tieferer 
Unterlage (Indien); befonderd die Religion aller 
Böller, die nicht Chriften, Juden oder Muhammeda⸗ 
ner find. Im Alten Teftamente werden die außer: 
ifraelitifchen Voller“ oder die Heiden (DIN) ala 
bie Feinde des auserwählten Volkes betrachtet (Pi. 
2,1; 33, 10); daher auch ald Feinde Gottes, ala 
Gottlofe und Frevler (Pi. 9, 6), welche von Gott 
gerichtet werben (Joel 3,7; 16, 15; Pf. 72,15), 
welche aber aud) einft lommen werden, um jich vor 
veh zu beugen und der Herrlichkeit Iſraels fich 
unterzuordnien (Je. 60,12). Im Neuen Teftamente 
fteht der doppelte Gegenſatz des ungläubigen Ju: 
denthums und Heidenthums dem Chriftenthum 
gegenüber; beide bezeichnen das Reid) der Finſter— 
niß und der Gottlofigfeit, der VBerblendung und 
des göttlichen Zorned. Das Heidenthum als fol: 
des ift jedoch ebenſo des Heils räbig wie das 


Heil 


;b leichſtell 8 , dem ſie das 
Judenihum; dieſe Gleichſtellung au re mar fie 


dem Neuen Teftamente vorbehalten. au 
der Heiden Gott (Röm. 8, 29), und obgleich ti 
gefunten, behielten fie doch die Sehnſucht nach dem 
wahren Gott (Apftg. 17) und die Stimme bed Ges 
aifen in fih (Köm. 9, 30). In der weitern Ent» 
widlung bes Chriſtenthums, namentlich in ber Zeit 
ber Berfolgung, mußte naturgemäß die Borftellung 
vom Heidentgum immer mehr einer Berurtheilung 
gleihlommen. Selbft zu Tugenden find die Heiden 
unfähig, ihre Tugenden ſindnach Auguftinnurglän: 
zende —*8* Dieſe Anſicht blieb durch das Mittel⸗ 
alter beſtehen. Unter den Reformatoren hat wingli 
bie Seligfeit ausgezeichneter —— mit Bejtimmt: 
heit nt mogegen die lutheriſche Lehre über 
diefen Bunte, feftyaltend an ber alleinſeligmachen⸗ 
ben Kraft des Glauben, immer ſchwankend blieb. 

1% —— den Zweck des ——— 
d. 5. tie Befreiung von Sünde und Uebel. Inſo⸗ 
fern die Macht der Sünde und bes ums die 
Menfchheit beherrichte, über fie einen Zuftand ſitt⸗ 
lihen Elendes verhängte, und biefelbe nicht im 
Stande mar, ſich aus fich feldft zu helfen, ift da- 
gegen das Wert Chrifti, welches dieſe Macht gebro: 

en ber ein Werl der Errettung, d. h. des Seiten 

hriſtus ift daher der Heiland, die de e Veran: 
ftaltung Gottes, welche dem Werke Chrijti voran: 
ging, daſſelbe bervorrief und demfelben nadhfolgte, 
eine Heildölonomieoder Heildanftalt, die Geſammt⸗ 
heit der Mittel objectiver und fubjectiver Art, 
melde den Zweck des Chriftenthums erftreben, 
Heildmittel oder Heilsweg; oder ba fie in fi eine 
— eg ar ellen,die Heildorbnung. 

ie Heilälehre (soteriologia) bildet naturgemä 
ben Mittelpunft der 5% lichen — F 
umfaßt gewöhnlich: die Lehre vom göttlichen Heils— 
rathſchluß, vom Vollzug deſſelben | ben Hei: 
land, von der Heildaneignung und bie Heils: 
Gnaden⸗) Mittel, 

Kl: ©. Jeſus Chriftus, 

ilige ift im Neuen Teftamente ber Titel, mit 

bem in den apoftolifchen Briefen die Glieder ber 
chriſtlichen Gemeinden angerebet werden; es ift 
darunter nicht eine volllommene fittlihe Heiligkeit 
des Einzelnen zu verſtehen, ſondern als Gemeinſchaft 
tragen fie den Charalter ber Heiligkeit, und nur 
ala Theilnehmende an diefer heiligen Gemeinschaft 
werden aud) fie Heifige betitelt. Anders ift die Bes 
beutung des Wortes in ber fpätern Zeit. Der Hei: 
ligendienft ift hervorgegangen aus bem liebevollen 
und ehrenden Gebädtnig der ausgezeichneten 
Glieder der Gemeinde, welches vorzugämeife an 
bem Orte ihres Tobes ober ihres Grades und am 
Tage ihres Tobes sep wg ie wurde. Vergegenwär: 
tigte man ſich dabei die durch den Tod ununter: 


brochene Gemeinfhaft unter den Gliebern der tet 


Kirche, fo lag ed nahe genug, bie von ben Kirchen: 
ftrafen —* ende ber Fürbitte ber Märty⸗ 
rer und Bekenner bei der irdiſchen Gemeinde auf 


338 


Heiligkeit Gottes 
t der Beatification und Ranoni: 
fation dem Papfte vorbehielt (ber rite fano: 
nifirte (973) Heilige ift Ulrich von burg (t 


%3), und ben Unterfchieb zwifchen 

topheten, Apofteln, Märtyrern, Belennern und 
eiligen Weibern aufftellte. Die Zuftimmung ber 

irhe zum Gebraud der Bilder mußte bei der 
eng * Volles — — - 
mehren. Den biergegen geri en 
——— — das Tribentinum mit is 
benem Ausbrud aus, und die Th en fuchen 
ihnen zu nn wor durch den Unterſchied zwiſchen 
Anbetung adoratio, die Gott und Chriſto und 
invocatio, Anrufung, Verehrung, die den Heiligen 
gebühre, den aber das Volt nicht macht und nicht 
machen lann. ©. Acta sanctorum. 

Fair Daß. ©. Tempel. 

eilige der legten Tage. Der Name, mit mel: 
em die Normonen (f.d. Art.) fich ſelbſt bezeichnen. 

Heiligenfdein oder Glorie ift in der hriftlichen 
ve —— mit —— De aan at 

er heiligen Figuren umgeben. Der Heili in 

at bei Gott Later die Geftait des an 

hriftuß die des Kreiſes mit eingegeichnetem Kreuz, 
bei den Heiligen einen Halbfreis ; bloß Seliggefpro: 
chene erhalten ihn nicht. Umgiebt der un bie 
ganze Figur, fo heißt er aureola, nur das Haupt, 
nimbus, Ob bie Ölorie entftanden g aus bem 
Strahlenktrange um das reg der Götter: und 
Heroenfiatuen, oder aus dem Siegeskranze, mit 
dem — zuerſt die Märtyrer gemalt wurden, 
bleibt ungemiß. 

Heiliger Bund ift die am 10. Juni 1538 zu 
Nürnberg geſchloſſene Bereini des Raijers 
Karl mit Ferdinand und ben tatbolif en Ständen, 
ben Erzbiihöfen von Mainz und Salzburg, den 
Herzögen von Bayern, Braunſchweig und 
von Sachſen zum Schuß gegen etwaige Angriffe 
feitend des Schmalfaldiihen Bundes. Die Bor: 
bereitungen waren durch den Kanzler Held mit ben 
Abgeoroneten ber Stänbebereitd am 2,—12, Mär; 
1538 zu Speier getroffen geweſen. 

Heiliger Grabesorden. Ein Orben irter 
Kanoniter nad der Regel Auguftins, geftiftet zu 
Serufalem entweder von Gotfied von Bouillon 
1099 oder vom Patriarchen fd 1114. Die 
Güter des Männerordens überwies ſchon Inno⸗ 
cenz VIII. den Bethlehemiten. Der weibliche Dr: 
den hat fi erhalten und befchäftigt fich bei ſeht 
strenger Claufur mit Mäbchenerziehung. Die Dr: 
denstradt ift ein ſchwarzes Oberfleid mit gl ichem 
Schleier und Mantel, auf der Bruſt ein rothes 
Kreuz. — Ein Ritterorben vom or ie Grabe 
geftiftet 1174, ging im 16. Jahrhundert unter; 
ebenſo ein anderer, 1496 von Alexander VL geftif: 

‚in bem * Jahr hundert. Eine Erneue⸗ 
rung deſſelben 1814 durch Ludwig XVIII. hatte 


keinen Beftand. 
Heiligkeit tft der conventionelle Ehrentitel dei 


das Unfihtbare und Himmtlifche zu übertragen, fo | Papft 


daß ihrer Fürbitte bei Gott bauernd eine Wirkung 
zugeſchrieben wurbe. So findet elligen: 


ch der 
glaube ſchon bei Hieronymus, — — uguſtin —— des Guten iſt. Namentlich 
ausgebildet, der übertriebenen Verehrung und dem 


Wunderglauben müſſen fie ſchon entgegentreten. 
3 der Ausbildung bes Heiligencultus (Capell:n, 

eliquien, Wallfasrten, under) haben fi Er: 
innerungen aus b i unleugbar ein: 


em Heid 
gemifcht. Die Kirche ſetzte mäßige Schranken, in: 


| infofern e8 das Gegentheil jeder Sun 





es. 

Beiligteit Gottes bezeichnet das Wejen Gotted, 
und bet 
das Alte Te: 
tament betont diefe Eigenfchaft (Jeſ. 6, 3), fie ift 

r bie Sunde verzehrendes i 
von unreinen Lippen muß in ihrem Anblide fter- 
ben. Die altkirchliche Dogmatik beftimmt die Hei⸗ 
ligkeit weſentlich negativ ald bad fFreifein von 


er und ein Menſch 


jedem ſitilichen Mangel. Später hat man bie 


Heiligkeit der Kirche 


volllommene Webereinftiimmung bi3 
delns mit dem Sittengejeg unter Heiligkeit 
fien. Schleiermacher hat definirt: „Diejenige 
öttfiche Urfächlichkeit, kraft deren in jebem er 
en Gefammtleben mit dem Zuftande der Erlö: 

f —— — das Gewiſſen geſetzt iſt.“ 
S. wen en Gottes, 
e 


Brügte 


auch 
erfolgt; 2) bie —— von dem 


ewirkte 
Des Heils, welde in ber apoftoliihen Zeit in der 
Infpiration, jegt namentlih in der Erleuchtung 
durch das Wort Gottes Pr 8) bie Belehrung 
(conversio), bie innere factiſche Abwendung von 
der Sünde und Hinwendung zu Chriſtus. Sie be: 
pebt daher aus dem doppelten, ber Buße und Ser: 
irſchung einerfeits, dem lebendigen Glauben an: 
berjeitö ; 4) die Jelligung, bie ——— des 
—— das mit dem Glauben in den Menſchen 
geient das natürlich auf Erden nie zur ganzen 
Nendung fommen wird, das aber fon als 
neip bie volle Anerkennung Gottes findet. Die 
i (sanctificatio) bildet Die Ergänzung der 
ert —A— welche ſich ge jener 
t, wie das Ideale zum Nealen. Während 
der —— re bie Rechtfertigung ein le: 
biglih formaler Act ift, eine Gerechterklärung 
des Gläubigen von Seiten Gottes, ift dagegen 
bie Seiligung bie reale Zunahme an göttlihem 
Leben, die unmittelbare Folge ber erjtern; 5) bie 
ke Einheit (unio mystica), die höchſte 
—— e Vollendung, die Einwohnung Gottes in 


aihmilfion. S. Innere Miffion. 
imburg. S. Gregor von Heimburg. 
imjuhung Maria ift das Feſt, welches zum 
Andenten ihres Bejuches bei Elifabeth in der abend⸗ 
ländifchen Kirche 1247 sg von den Francis: 
tanern 1263 als Ordensfeſt angenommen und 
vom Bajeler Goncil 1441 als allgemeines fanc: 
tionirt wurde. 

Benzin son Gent, *5* Gothals. Doctor 
solennis. Geb. 1222bei Gent. Ein Schüler Alberts 
des Großen und Gegner bed Duns Scotus, war 
Lehrer der Scholaftil an der Sorbonne. + 1293 
ald Arhidiafon zu Tournay. Summa theologiae 
und Quodlibeta theologica. 

Heinrih von Gorkum lebte um 1450 ald Vice: 
fanzler der Univerfität zu Köln. Er commentirte 
den Ariftoteled und den Lombarbus und ſchrieb 
u. 9. tractatum de superstitiosis quibusdam 
tasibus seu caeremoniis ecclesiasticis. ®gl. Du 
Pin nocy. XII, 101, Cave app. p. 118, 

Heinrich vom Heffen, der Jüngere. Karthäuſer⸗ 
mönd und Prior des Marientlofters in Geldern 
und 1400 Rector ber Univerfität Heibelberg, der 
als fruchtbarer exegetiſcher Schriftfteller ſich bes 


339 


Helding 


lannt gemacht bat. + 1427. Vgl. Iſelin, Lex. von 
Kettenbach. 

Heinrich von Hutingdon. Archidiaklon in H. 
um bie Mitte des 12. Jahrhunderts, iſt ter Ders 
fafier einer Historia Anglorum, welche von Julius 
Cäjar bis 1154 geht. Wenngleich feine Chronolos 
gie oft vermorren ift, fo ift fein Werk dennoch we: 
gen ber von ihm benugten Quellen wichtig und 
von Spätern oft egcerpirt. 

Heinrich von Langenflein in Überheſſen war 
1363 Magifter der Philofophie in Paris, 1375 
Lehrer ber Theologie und Bicelanzler der Univers 
fität und lehrte dann, von — II. berufen, 
an der —— Univerfität Wien feit 1390 
Theologie, Ajtronomie und Mathematik. + 1397. 
Bei ausgebreiteter Gelehrfamteit wird namentlich 
fein Berdienft um Maihematik und Aftronomie 
gerühmt, Contra astrologos, 1368. Sein theolo« 
giſch wichtigſtes Werk iſt Consilium pacis de 
unione ac reformatione eccles. in coneil. univ. 
quaerenda,1381. €3 enthält eineSchilberung des 
ittlihen Verderbens ber Klöfter und des Klerus, 
beine orſchläge begegnen benen Gerſons. Da er 
aud Heinrich von Beffen heißt, jo iſt er als der 
Aeltere zu unterfheiden von Heinrich von Hefien 
dem Jüngeren. 

‚Heinrih von Laufanne und die Henricianer, 
Ein Eluniacenfermönd, trat er aus dem Kloſter 
aus, um im Bußgewand als Vollsprediger umher⸗ 
zuziehen, 1116—1148, Anfangs nahm ihn aud) die 
Geiſtlichteit gern auf, jo Biſchof Hildebert zu Mans, 
aber al3 9. immer entfchiedener gegen den Klerus 
unb die Hierardie und im Zufammenhang damit 

egen das Berdienft der äußern Werke und bie 

pfertheorie des Abenbmahles fih ausſprach, fo 
daß das Bolf nur durch die Macht der Obrigkeit 
gehindert wurde gegen die Briefter fich zu erheben, 
mußte 9. die Döceſe verlaflen. Als er fi) nun 
enger an Beter von Bruis anfchloß und in der Bros 
vence feine Lehren auöbreitele, wurde ex zu Arelate 
gefangen genommen; das Goncil zu Pifa verur—⸗ 
heilte ihn 1154 zu Gefängnißhaft; doch erlangte 
er feine Freiheit wieder und erneuerte mit Erfolg 
feine Thätigleit. Gegen ihn wirkten ber h. Bern: 
hard und Sup von Kouen, und —— ſandte 
den Legaten Alberich zur Unterdrückung der Ketze— 
rei. Heinrich wurde gefangen genommen und ſtarb 
im Gewahrſam des Biſchofs von Toulouſe. 
Ks bon Sütphen. ©. Moller. 
tirath. ©. d. Art. Ehe. 

Kelam. 2. Chr. 10, 17. Cine Stadt, die öſtlich 
vom Jordan gelegen haben muß, nad) Ewald Ala⸗ 
matha am Euphrat. 

Helbon. Ey. 27, 18 erwähnt ben Wein von H. 
Der Ort ift von Robinfon in dem gleihnamigen 
Dorfe bei Damascus wiedergefunden. 

Helding, Michael, genannt Sidonius. Ein in 
ber Reformationdgejhichte vieigenannter katholi⸗ 
ſcher Theolog. Geboren von armen Eltern zu 
Eslingen oder Zangendenzlingen 1506, ftubirte er 
in Tübin en, war in Mainz Rector der Domſchule 
und Priefter und murde 1538 ala Biſchof in par- 
tibus von Sidon Suffragan be3 Erzbiſchofs. Die 
Gunſt des Kaiſers erhob ihn — taiſerlichen Fo 
und gegen ben Willen des GCapitels zum Biſcho 
von Merjeburg 1550, endlicd zum Kammerrichter 
in Speier, + 1561. Da er die römijche Lehre feit- 
hielt, Catechismus Mogontinus 3. institutie 
ad christianam pietatem, und I der 


Helena 340 Hellenismus 


Verträ lichteit zu bewahren wußte, bediente Karl fich Maus und Bifhof zu Altino, An ihn Gut ie 
einer bei den Verhandlungen mit den Proteftan: —*. des Hieronymus de amore soli ‘ge: 
n, fo 1547 zu Dim, 1548 beim Au —I Ins | ti 

terim, 1556 zu Regensburg und 1557 beim Collo⸗ —— Ein Prieſter in Antidchien, der 
quium zu Worms, wo jedoch feine Forderung, die | um 400 gegen die Manichäer De natüris refum 

— eKirche als Schiedsrichterin in ber Erklä⸗ exordialium rieb. 

rung hmieriger Bibelftellen — * ben! Heliogabal. Römiſcher Kai — ki 

BerJandlungen ein Ziel fehte. Don proteſtan⸗ eigentlich Darius Avitus Bafftanus, der Sohn eines 

tiſcher Seite ift er öfter und namentlich Re dla: | römifehen Senators, war 1 ge alt en 

cius hart angegri In. Wibderiegung 2. 1650. priefter des Sonnengottes zu —— gen 
Helena, die Heilige, Gemahlin bes Conftantius wurde von der dortigen Legion zum N „ers 
lorus. Ihre Ser unft und Heimath find unge: Kom führte die u der Schlag t bei mm nad) 
wiß, da fle nach Einigen aus England, nad Andern führte —2 Sonnencultus in 
aber aus Bithynien ſtammen ſoll. Nach ſeiner Er- Rom ein ge Fası te die alten ie in 
hebung zum Kaifer verftieß fie ©. ; dann lebte fie | den neuen Tempel. Wenn dadurch die 

ig in Trier bis nad dem Siege Son ‚religion gebrochen war, fiel unter ſeiner R 
antin d. Gr. über Magentius. Sie ließ fi tau: eine Veranlaffting der Chriftenverfol: ng 
en, erbaute Kirchen und Klöfter und machte die Helkath. Joſ. 19, 25; 21,31. Stadt in Affer, 
allfahrt nad dem gelobten Lande, wo fie melde ven Zeviten anheimfiel. 

das Kreuz auffanb und Kirchen auf den heitigen | Hellaih-Hazurim. Ader der fteinernen Mei: 

Orten baute. + 327, Ihre Reliquien behauptet |fer, jo genannt von dem 2. Sam. 2, 16 

Rom zu en, und die Abtei Hautvillier bei Vorgang, daß die Wettfämpfer wiſchen 

Rheims will fie ſeit 849 von dort entführt Gaben. | und — Heer I) gegenfeitig erfählugen. 

Ebenfo haben die Venetianer diefelben aus dem elenismus. de enifen heißen Apftg. Ra 6, 1;9, 

Grabe zu Conftantinopel erlangt. Gebächtniftag: J riechiſch redenden Juden im ahe zu 

18. Auguſt. aläjtina geborenen, den Hebriern, 
Helena, die Heilige, eigentlich Olga, wer bie sr e das Hebräifche, d. h. Aramätfche, war 

Mittwe des Großfürften For und ließ fih 955 D ötfmenbigteit es täglichen Lebeng "Hatte 

zu Conjtantinopel taufen, 'd ie Juden der Diafpora gezwungen, die 
Helena bon Stöfde in Schweden, wurbe 1160 verbreitete * Vollsſprache anz 

ermordet, als fie von einer Wallfahrt nach Rom | einen Dialekt, der auf Grundlage der xown 
zurüdgelchrt. 1164 wurde fie von Alexander III. | Alerander dem Großen allgemeinen Sch 
big gefprien, Ihre Verehrung beſchrünkt ſich hr — Beſtandtheile und 








chweden und Seeland. iffe der Dialekte und Ptovinzen m 
eleph. Joſ. 19, 33. Stadt an der — Er Dieſe Sprache erlitt neue Berän 
von Naphthalt, als fie im Munde der Juden jübifcher'Anfd 


Heliand, oder die altſächſiſche Evangelienhar- —* und jüdiſchen Gedanken ange —* 
monie. Es iſt ber Name einer poetiſchen Bears den mußte. Die Ueberſetzung der L 

beitung der evangeliſchen — in altfächfifcher | bleibend ein. Sie übertru nt nur — 
Space aus der Zeit Ludwig Jeſus erfeint | Redewendung und Sapbil ‚ Sondern‘ 

in ben anmuthenden, treuherzig edeln allitteriten: | aus dem in der Vollsſprache Gochanbehen 

den Verſen alö ber Voltstönig, feine Singer find rath beftimmte Worte für nur dem Juden’ geläu: 
feine Mannen u. |. w. Herausg nen ift der He: | fige religiöfe Begriffe. Jm mweitern Maße war 
liand von Schmeller 1830— 1840, Die befte * dies der Sal, al3 für die neuen chriſtlichen 

a a von Simrock, Elberfeld, 2. | der Ausdrud gefunden werden muhte, wo 


nicht weniger der Einfluß der in Paläftina' einge: 
eliodorus, Der Schatzmeiſter des Seleucus III. 


bürgerten aramäifchen Vollsſprache geltendbmadite. 

Philopator, EG Serbien geſchickt wurde, | So entjtand das helleniſtiſche Idiom, in melden 
um ben Tempeljcha‘ rt an fih zu nehmen. |ein Theil der Apolryphen des A. T. und 
Berge ebend vom Hohepriefter Onias gewarnt, | liche Bücher des N. T. geichrieben ‚und mel: 
wurde er bei ‚dem Verſuche auf wunderbare Weife di ſich — Hu A Srammatife von F 
geſchlagen, 2. Malk. 3, 6 ff., fo daß er davon chiſchen Schriftſprache nicht wenig unt 
Abftand nahm. Er vergiftete den König, ben (os! (. Winer, Gr. Einl.). Die —** 
Thron aber beſtieg Antiohus E a ge neswegs gleichmäßig, 3 Ks 

eliodoruß aus Emefa. Bilde von Thricca —— und ber allgemeinen 
in Theſſalien, lebte zu Ende N 4. Jahrhunderts. faſſer ſchwankt fie fen großer näher; 
No Heide hat er dem älteften ung au eidahrten an die ſtark hebrä —2 S 
riechiſchen Roman Aethiopica geſchrieben, deſſen in der Apolaiypſe, und —* —— 
Niger Charakter ſchon eine nähere Bekannt: wandteren ——— Au a bes  Hebräcr- 
Haft mit dem Chriftenthum zeigt. Daß eine Pro: | | briefes, Das € 
vincialfgnode bie Abfaffung des Buches ihm 98 | land ift affo, —— 5 seat er 
ter zum Bormwurf gemacht und defhalb zur Nie eber« — den Sprachformen dienſtbar geme 
legung feines Amtes genöthigt habe, if eine nicht | Über ber griechiſche Geift —— au 
4. wahrſcheinliche Angabe des —S Bon, Theil das —2 Weſen, in 
Heliodorus wird berichtet, da er zuerſt von den ‚geiedigen Philofophie auf enommen = 
WEHREN Prieftern Enthaktfamteit gefordert , er Fa ran arg die) gen 
abe. | tung und Auslegung in d 
Heliodorus. Ein Geführte des Hieronymus | hineingelegt wurden. Auch, — 
auf ſeiner Reife in den Orient, fpäter Priefter in | elufivität gehrochen durch den een ge * 











Hellfehen 341 


Berlehr. Noch mehr wurde dies vermittelt durch 
die fog. Proſeiyten des Thord und der Gerechtig- 
teit, welche in die religiöfe Gemeinſchaft griechiſche 
Sinnesweiſe hineintrugen und ein Verſtändniß 
verielben eröffneten. Da dieſe Helleniften duch 
—— von Jeruſalem das Opfer und den 
lebiliſchen Gollesdienſt entbehren lernten und auf 
die Predigt der Synagoge angewieſen waren, 
ſich nothwendig zwiſchen ihmen und bem 
Pharifäertfum ein Unterjchied heraus: 
bilden, ber zur —— wurde. Indem aber 
der Hellenismus Die engen Schranlen der jüdiſchen 
Rationalität durchbrach und ben religiöjen Gehalt 
der griechischen Joeen wigbigen lernte, war er ber 
Boben, auf dem der Gedanle des Chriſtenthuris 
ald Weltreligion Wurzel faſſen onnte. (Ugl. Dia: 
fpora, Griechenland.) 
ift dad Wahrnehmen von nach Raum 
und Zeit entfernten Dingen, welche mit den natürs 
lichen Organen nad) den und befannten Geſetzen 
nicht wahrgenommen werden können. Es wird 
ein ſolches erg beim Somnambuliämus 
und in efftatiihen Zuftänden behauptet und vor: 
4 x Erflärung und Begründung mancher 
(den Thatſachen verwendet, obgleid) bie Sache 
jelbft und ihr innerer Zufammenhang nod gänz: 
lich —— iſt. 

Helmbold, Ludwig. Geb. zu Mühlhauſen ben 
4. Jan. 1532, ftudirte er zu Erfurt und eipain, 
war 1654 zu Erfurt Magifter und Profeſſor. 
an der neuerrichteten © — ort angeftellt, 
—* er 1570 jeine Aemter nieber, wurde dann 
1571 Diafonus, 1586 Superintendent zu Erfurt. 
+1593. Ein fruchibarer Dichter, den Mazimilian 
1566 au Augsburg krönte. Manche feiner deut: 
ſchen Lieber („Bon Gott will ich nicht lafjen“ zc.) find 
in die Gefangbücher aufgenommen. Meift aber 

ichtete er Lateinische Oden. 
mold. Er war Perle zu Blikow im Lür 
den, «in Schiller des Biſchofs Wicelius von 
Divenburg (} 1158). Er Legleitete den Biſchof 
Gerold von Lübeck (1158 — 1162) auf feiner Be: 
ngäreife zu den Slaven und ſchrieb Die Chro: 
der Steven mit ſchätzbaren hiſtoriſchen Nach— 
richten, umfaſſend die Zeit von Karl d. Gr. bis 
1170, Eine ——— lieferte der Benedictiner⸗ 
abt Arnold in Lübeck 1209. Erſte Ausgabe des 
con franc. 1656 von S. Schordel mit einer 

Borrede von Melanditbon. 

Helmflädt. Die Univerfität wurde 1575 von 
vr von Braunſchweig geitiftet, der hierhin 
ein 1569 zu Gandersheim errichteted höheres Pä— 
dagogium verlegte und zur Univerfität umgeftal: 
tete. Im Gegenfate zu ittenber ift Hier imme* 
eine humaniftiiche und freie wiſſenſchaftliche Rich: 
tung gepflegt worben, die namentlich durch den 
Ginftah der Galirte dem Confeſſionalismus fremd 
blieb, wodurch die Univerfität zeitweife in hohem 
Anſehen ftand, zeitweife in Mifcrebit gerieth. 
Hieronymus, König von Weftphalen, 8 e 1809 
auf. Unter den theologifchen Lehrern find zu nen: 
nen Chyträus, Garpzov, Ealirt, Sebbufius, Mar: 
tinius, Mosheim, Selneccer, Hente. 

fe. ©. Abälard. 
vetiihe Gonfeifionen. Um ein Gejammt: 
befenntni Schweiz zu gemin.ıen ald Ausbrud 
ihrer Einheit, ſowohl gegen bie Lutheraner als für 
das in Ausficht geitellte allgemeine Concil, wurde 
von Bern eine Zujammenfunft aller ſchweizeriſchen 


Helvetifhe Eonfensformel 


| Rieden vorgeſchlagen, die den 30. Januar 1536 
in Bafel zu Stande fam. Eine von Bucer, Gry- 
näus und Judä entworfene formel wurde bei 
Seite gelegt, weil fie aufs neue eine Vermittlung 
mit ben Lutheranern im Auge hatten. Die For: 
mel wurde neu verfaßt von Bullinger, Leo Judae, 
Ken: Mylonius und Grnnäus und in 27 
Willeln (die lateinifche Ausgabe in 28) aufgejent. 
Das lateinische Original überfegte Leo Judä und 
diefe Recenfion wurde approbirt, der lateinische 
Tert danad) wieder emendirt und beide auf einer 
neuen Berfammlung am 26. März 1556 im Na- 
men aller Kirchen endgültig fejtgeftellt. — Die 

weite helnetifche Gonteffion ift urfprüng’id) eine 

rivatarbeit Bullingerd aus dem Jahre 1564, 
welche derfelbe Friedrich III. überließ, alö diefer 
für den Reichätag 1566 eine Darlegung des Glau— 
bend zum Gebraud bei feiner VBertheidigung 
wünjchte. Der Beifall, den die Schrift fand, be 
ftimmte Zürich, fie den Übrigen Schweizerfirchen 
als den erneuten Ausdruck der Glaubenseinheit 
vorzufchlagen. Alle ſtimmten zu, zulegt Neuſcha— 
tel 1568 und Bajel; und aud die übrigen refor- 
mirten Kirchen erfannten dieſe Confeſſion ala 
ihrem Belenntniß entfprehend an, Scholtland 
1566 und 1584, Ungarn 1567, Frankreich 1571, 
Polen 1571 und 1578. Nuägaben: Niemeyer, 
Collectio confessionum, 1840. Bödel, die Be: 
fenntnißjchriften der reformirten Kirche mit Ein- 
leitungen, 1847. 

Helvetiihe Eoniensformel, Bon allen Belennt: 
nifjen der reformirten Kirche verleugnet dieſelbe 
am meiften das Wefen eines tirdlichen Ge: 
meinbebelenntnifjed und ift faft noch mehr als 
die lutheriſche Goncorbienformel eine theologiſche 
Lehrnorm. Sie ift hervorgegangen aus dem Be: 
mühen der Genfer und ber DBafeler Theologen, 
der Lehrweife der Schule von Saumur, dem 
Amyrautſchen Univerſalismus und der freiern 
Auflaffung ber Schriſt in der Schweiz den Ein: 
gang zu vermehren. Das Begehren, aud dem 
Ecken ein Birwerfungsurtheil entgegen: 
zujegen, drang nicht durch. Nachdem bie Theolo: 
gen mündlich und jchriftlih 1609—1674 den Ge: 
| danken einer neuen Eintrahtsformel erflärt hats 
ten, gab 1674 die Eonferenz ber vier StäNte ihre 
Zuftimmung. Heidegger in ai (j.d. 9.) er: 
Lielt den Auftrag, den Entwurf anzufertigen, und 
als diefer von den Minifterien der Städte revidirt 
und emenbirt, wurde bie Formel 1675 ratificirt 
und zum Symbol erhoben. Ihre 26 Canc ned brin: 
nun die controverd gewordenen Punkte von 

er Infpiration der Bocale, der Gnadenwahl, dem 
Are Gehorſam Ehrifti, der Berufung zum Heil 
und dem zmwiefachen Bunde mit Marer Abmeifung 
der Saumurjchen —* zum Ausdruck, j>doch unter 
Anerkennung des reformirten und chri * Cha: 
rakters derjelben. Die unbedingte eg a des 
Conſenſus, die man anfangs von allen Theolygen 
forderte, eng bald der laxen Deutung ein*3 Qua- 
tenus oder der Auslegung non aliter docebo, 
beſonders als die franzöftfihen Refugies in ber 
Schweiz Aufnahme fanden und ald der große 
Kurfürft ſich für die Aufhebung bes Berlangens 
ber Unterjchrift verwendete. Als aber die Afade: 
mie von Laufanne die Zulafjung von Reftrictionen 
1716 als gejeglich verlangte, kam e8 zu ernſtem 
wieſpalt mit Bern, in welchem dieſes bie Unter: 
hrift ohne Rejernat und Erläuterung durchfegte, 


Helvetius 


aber doch zugeſtand, daß fie nur einer Lehrnorm 
gelte, gegen die man weder öffentlich noch privatim 


lehren und predigen dürſe. Dennoch iſt binnen | 


342 


Hengſtenberg J* 


Bon feinen Schriften gıb Seb. Branbt einen Theil 
es Bafel 1497, Fragmente und frühere Bear: 
eitungen durch Reber. Diefelben ftehen auf dem 


furzem die Conjendformel in Bergefienheit geras | Inder. 


then. Die formel, officiell nie im Drud erfchienen, 
findet fich bei Niemeyer, Collect. conf. P 729. 

Helvetius, Claude Adrian, geb. 1715, + 1771. 
Er erhielt ſchon mit 23 Jahren die Stelle eines 
Dberzolleinnehmerd. Vorzüglih als Philofoph. 
Vurch feine Werte De l’esprit und De I'homme 
erregte er das größte Auffehen. Friedrich IL. berief 
ihn 1765 an feinen Hof und zeichnete ihn fehr aus. 
Sein philojophifhes Syſtem ift ein eudämoniſtiſch⸗ 
materaf’ftifches: ihm ift ber Egoismus das berech⸗ 
tinte Brincip alled menſchlichen Handelns, ber Zu: 
faul regiert die Welt, aber Menjchenliebe und all: 
yerreine Wohlfagrt tönnen dennoch und follen bie 
höchſten Ziele fein. 

Helvicus, Chriftoph. Geb. ben 26. Dec. 1581 
zu Sprendlingen in Heffendarmftabt, war er ſchon 
1605 Xehrer der hebräiſchen und griechiſchen 
Sprade zu Gieken, 1610 Brofefior der Theologie, 
Als gründlihem Kenner des Hebräiſchen, das er 
fließend gefprochen haben ſoll, wurde ihm die Uns 
terjuhung der Bücherfammlungen ber aus Frank⸗ 
furt vertriebenen Juden übertragen. Außer ram: 
matifen und Wörterbüdern von orientalifchen 
Sprachen, gab er heraus die viel gebrauchten 
chronologiſchen Xabellen Theatrum historic. et 
chronolog. s. Chronologiae systema novum 1609 
und 1666. 

Helvidius. Ein Antidifomarianit. Cin Schli⸗ 
ler des Arianerd Augentius, lebte er zu Rom, 
ein Beitgenofje des Hieronymus, welch Ichterer 
x enihn m. ad Helvidium, als jener in einer 

hit die rg vertheidigt hatte, Maria 
habe in der Ehe noch Kinder geboren; er wollte 
damit der übermäßigen Werthihägung des ajfeti: 
ſchen Lebens entgegentreten. 

Helyot, Pierre, mit dem Kloſternamen Hippo» 
lyt. Franciscanermönch zu Peipus bei Paris. 

eb. 1660 Fe Paris, +5. Jan. 1716, ift er der Ber: 
fafier der Histoire des ordres monastiques reli- 
gieur et militaires, Paris 1714-1719. Leipzig 
1753, (Deutſch) 8 Be. in 4. 

Heman. Unter den Dichtern und Sängern zur 
Zeit Salomo's wird 1. Kön. 4, 31 u. 1. Chr. 6,33 
ein Heman genannt, an der erjten Stelle in Ber: 
bindung mit Gthan, dem Gsrahiten. Bol. Pi. 39 
während Pf. 33 einem Esrahiten Heman zuges 
ſchrieben wird. Da H. aus der Familie Serah zum 
Stamme Juda gehörte (1. Chr. 2, 6), mährend 
Heman (1. Chr. 6, 33) zu den Leviten gezählt wird, 
fo ftreitet man darüber, ob beide Male diejelbe 
Perſon zu verftehen fei. 

Hemmerlin, Felix (Malleoluß), geb. zu Zürich 
1389, Shorherr am Broßmünfter 1412 und Brobft 
zu Solothurn 1421. Er nahm Theil am Goncil 
mu Conſtanz und wurde in Bologna zum Doctor 

es lanoniſchen Rechtes promovirt. Seine Schrif: 
ten laſſen die kirchlichen Zuftände der Zeit er: 
lennen, er belämpfte nd) allen Seiten, ohne je 
auf die Schäden des Dogmas einzugehen, ben 
Berfall der Difciplin, die verweltlihien Chor: 
— jo gut wie das Pöbelvolk der Beitelmönche. 

da er im Kriege Oeſterreichs mit den Eidgenofien 
dieſe empfindlich beleidigt hatte, überfielen ihn 
diejelben und hielten ihm zu Conftanz, dann zu 


* 


Hemming, Nilolaus, praeceptor Daniao. Geb, 
1513 zu Zaaland, bezog er, gut vorgebildet, bie 
Univerfität Wittenberg, war dann Hauslehrer, 
wurde Prediger an ber 5. Geiſtkirche in Kopen⸗ 
Zoom, rofeſſor der griechiſchen hebraiſchen 

prache; 1517 Proſeſſor der Theologie und Vice⸗ 
lanzler ber Univerfität, dann feiner Aemter ent 
Iafien, —————— Han Le 

. Seine zahlreichen theolog chriften, 
welche unverdient vergeffen ſind, umfaſſen außer 
der nt ne alle Fächer ber logie. 
Da er dem Melandthonifchen Geifte treu blieb 
und durch feinen Rath die Einführung ber Con⸗ 
eordienformel verhinderte, war er der Orthobogie 
verbächtig, deren Ubiquitätälehre er im „Syns 
tagma“ entfchieven beftritten hatte. Ein heraus: 
gegebenes Glaubenäbelenntniß 1576, in welchem 
er etwaige Srrthlimer widorrief, wurde ald krypto⸗ 
calvinifh von Andreä in Marburg gedeutet und 
der Berfaffer in Folge deß, auf Andrängen bed 
Kurfürften Auguft von Sadjfen, bed Schwager: 
le 58 — —— 
uys, Franz. Der Sohn des berühmten 
— ——— war geb. 1720 in Gröningen und erſter 
mmis bei der Staatskanzlei der Vereinigten 
Staatenvon Holland. Injeinen religidßsphilofopi- 
en Schriften: Aristse ou de la divinite, 1779, 
ettres de Diocles ä Diotime sur l’atheisme, 
1785, fteht er zwar im Locke'ſchen Senfualiämus 
und vermwirft alle pofitiven Religionen, ringt aber, 
ein edler Geift, Verehrer F s und Freund J. 

.Jacobi's, über jenen Naturalismus hinaus. 

elannt ift fein —* Verkehr mit der Furſtin 
Galitzin, deren Studien er geleitet hatte. de 
feiner Schriften find aus Unterrebungen mit ihr 

ervorgegangen. Seine Schriften gab heraus 
anfen 1792, Sylvain van de Weyer, Zömen 


engfienberg, Ernſt Wilhelm. Geb. zu Fed 

ngflenberg, Ern i . zu Frön 
BA in der Erafihaft Mark den 20. October 
1802. Stubirte feit 1819 in Bonn und Bafel. 
1824 PBrivatdocent der Theologie in Berlin, 1826 
a. o. ®rof., 1828 0. Prof., 1829 Dr. theol. Seit 
1827 Herauögeber der Evangeliſchen Kirchenzei⸗ 
tung. Seine theol. Hauptwerte find: 2. 
des A. T.,2. Aufl., . 1854 — 1857. Beiträge 
zur Einl. ins A. T., 3 Bde, Berl. 1831—1839. 
Commentar über die Pfalmen, 2. Aufl., 1849 — 
1851, über die Offenbarung, 2. Aufl., 1862. Das 
Evangelium Johannis, 1861. Seine Gelehrſam⸗ 
feit ift anerkannt, ſehr beftritten aber feine J 
tiſche Oemiffenhaftigteit; da auch Die wiſſenſchaft⸗ 
lichen Arbeiten vollſtändig in den Dienft der ein 
mal erwählten Richtung geftellt find, deren Führer 
9. ift, und welche ein auf orthodoxer Lehre ruhen: 


des Kirchengebäude erftrebt, dem der Staat dienſt⸗ 


bar fein jol. Den Kampf um die Erreichung bie: 
jes Bieles eröfnete die Denunciation gegen bie 
Halie ſchen Rationaliften, und berfelbe wird in 
mandjerlei Wendungen mit ftetö fchlagfertiger, 
Be ſchonender Bolemit bis zur Stunde fortge- 
ührt. Von Haufe aus reformirt, ward Hengſten⸗ 
berg fpäter ein Borkämpfer des orthodoren Luther: 
Fr wie er denn auch in feiner Stellung zum 


Luzern im Klojter bis an feinen Tod gefangen. | Pietiömus und zur Union ftarfe Wandlungen 





Henhöfer 


erlebt Hat. Nachdem «8 * bis in bie neueſte Zeit 
e 


war, als angeſehener Parteiführer gro⸗ 


—— ———— hat ihn jüngft dad Miß⸗ 


fien, bei ftrengen Qutheranern nicht 
ohne Grund in den Verdacht der Jrrglüubigkeit zu 
gerathen. 

Wier, Dr. theol.Aloys. Geb. in Vollersbach 
bei. Karlöruhe den 11. Juli 1789. Der Sohn von 
Bauersleuten, trat er 1302 indie Schule der Piari: 
fien zu Raftatt, dann ind Lyceum, bezog 1311 die 

i — und empfing 1817 bie Prie— 
fterweibhe. Als Pfarrer zu Muͤhlhauſen felbft er: 
medt und zur Schrift getäßt, erregte feine Wirt: 
—** den Verdacht der geiſtlichen Behörde; er 

in Bruchſal in Haft und wurde wegen ſeines 
Chriſtlichen Glaubensbelenntniſſes“ aus der Ta: 
tholiſchen Kirche ausgefchloffen. Seine Gemeinde 
trat, mie er jelbft, zuc evangeliichen Kirche über, 
unb er wurbe 1823 Pfarrer zu Graben, 1827 zu 
an mi und Stafforth. Er ftarb nad) langer und 
egneter Wirkjamfeit 1862. Seine Schriften ha: 
— größtentheils nur Bezug auf beftimmte Bor: 
e in der fatholiihen und evangelifchen Kirche 
Landes. Viele feiner Predigten erjhienen in 


der von ihm redigirten Zeitſchrift „Chriftliche 


Mittheilungen.” 
te, Heinrich Philipp Konrad. Geb. zu Hehlen 
a. d. Wejer den 3. Juli 1752, wurde in Braun: 
en, trat vor dem Abgang zur Univer: 
ehrer ber 2. Clafje am Martineum ein. 
Er ftudirte dann zu en ward 1776 — 
und 1778 a. o. Profeſſor der Philologie, 1780 o. 


ofefior der Theologie, 1786 Abt des Kloſters 
Iftein, 180 Re rd har von 
ingen, 1804 Bicepräfibent des Gonfifto: 
riumd. + 2. Mai 1809. Henfe war Rationalift, 
aber feine „Allgemeine ande Fr der chriftlichen 
Kirche nach ber Zeitfolge”, 4. Aufl. 1800—1806 
zu ben vorzügliditen Werlen ber lirchen⸗ 
Literatur, wenngleich er die geſchicht⸗ 
heinungen nicht mit dem Maße ihrer 

fondern nad) feiner Auffafiung des Chrift: 

en zu mefien per der Kirchenge⸗ 
he, e gab er heraus: Lineamenta institutionum 
Chr. histor. — criticarum, Helmftädt 1793. 

fe, Ernſt Ludwig Theodor, der Sohn, bis 

1 zes und a. o. Profeflor in Jena, 
dann Directow des Predigerfeminard in Wolfen: 
büttel, jeit 1839 Profeflor der Theologie in Mar: 
burg. Hauptichriften: Theologorum Saronicorum 
consensus repetitus, 1846; Consensus repetitus 
fidei vere Lutheranae MDCLV, 1847 ; Georg 


 Galigtus und feine Zeit, 2 Bde., Halle 1853, 1856, 


1860; Konrad von Marburg, 1861; Jalob Fried: 
zich Fried, 1863. 

. 1. Mof. 5, 18. 12. Der Sohn Jareds 
und Bater Methufalahs, der lebendig zu Gott ent: 
rückt ift. In der jüdiihen Sage wird er alö Er: 
finder der Buchſtabenſchrift und der Ajtronomie 
verherrlicht. Seinen Namen trägt ein merkmür: 
diges apoirpphifches Bud, welches Jud. 15 citirt 
ift und zu den Apolalypſen gehört, in Bifionen die 

heimniſſe ber Natur und des göttlichen Wefens | 
offenbart und in ſymboliſchen Zügen die Geſchichte 
8 bis zur erwarteten mefftanifchen Vollen: 
dung ſchildert. In dad Buch eingefchaltet von 
einem jüngern Berfaffer jcheint der Abichnitt Cap. 
87. 70, welcher in drei Barabeln vom zulünftigen 
Heil der Gerechten und dem melfianifhen End: 


343 


Heracleon 


erichte redet. Diefelbe Schrift ift wahrſcheinlich 
Bebräife geichrieben, ind Griechiſche est und 
herausgegeben in der äthiopiſchen Ueberfegung, 
welhe 1773 nad Europa fam. Sie wurde ins 
Deutſche überjegt von Dr. Hoffmann in Jena 1833 
und i von Dillmann in Tübingen 1856. 
Die Abfaffungszeit fegt Emald ins 2, — 
vor Chr., Vollmar um 162 nad Chr. S. Lüde, 
Einleitung in die Offenb. Joh. — Den Namen 
Henoch (bei Luther: Hanoch) führen in der Schrift 
außerdem ber en Kains, 1. Mof. 4, 17; der 
Sohn Rubens, 1. Mof. 46, O und ein Sohn Mi» 
diand, 1. Mof. 25, 4. 

Henotifon ift das TYaiferlihe Edict Zeno’s 
von 482, welches durch die kaiſerliche Autorität 
die Glaubensſtreiligleiten beenden follte, das 
Nicänifhe Symbol mit den Zufägen von Conſtan⸗ 
tinopel 381 als allein suläffig erflärte, den Nefto: 
rianismus zwar ebenjo wie den Eutychianismus 
verdammte, aber auf das Chalcebonifche Concil 
wenig Gewicht legte und den Brief Leo's an Fla: 
vian völlig mit Stillfhmeigen überging. Als Papft 
Felix 484 den Urheber des Henotilond, Acacius, 
excommunicirte, entitand zwiſchen ber abendlän: 
difchen und eng Sean ie Kirche ein Schisma, 
welches biö zur ie uftinus I. 518 
währte, welcher die Autorität der Synode von 
Chalcedon wieder herftellte. 

enricianer. ©. Heinrich von Lauſanne. 

enſchen, Gottjried. Geb. zu Venrad bei Gel: 
bern den 21. Jan. 1600. Er wurde im Jefuiten» 
collegium zu Herzogenbufd erzogen, trat in den 
Orden und wurbe, nachdem er an mehreren Stellen 
als Lehrer gewirkt hatte, Bollandus als Gehülfe 
beigegeben. Er ermeiterte den Plan des Bollan: 
diſchen Werkes (ſ. Acta 5.) und übernahm bie 
Bearbeitung der griechiſchen, franzöfiihen und 
italienifhen Heiligen, womit er bid an feinen Tob 
1681 ſich er 7 eifrigfte beichäftigte. 

her. Stadt in Südpaläftira; früher Sig 

eines fanaanitiihen Königs, Joſ. 12, 27, war fie 
fpäter Sit eines falomonıjhen Küchenamtes. 

Heppe, Heinrich Ludwig Julius, Profeffor in 
Marburg. Hauptiriften: Geſchichte ber elliigen 
— — 1 2, 1847; Hift. Unterju- 
chung über den Kaffeler Katehismus 1539, 1847; 
die Einführung der Verbeſſerungspunkte in —2 
1849; die Reſtauration des Katholicismus in Fulda, 
- dem ar und in Würzburg, 1850; Ger 
ſchichte des an Proteſtantismus 1555—81, 


1852—57; bie enntnißſchriften der altprot. 
Kirche Deutichlands, edirt 1855; Dogmatik des 
deutſchen Proteftantismus im 16. Jahrh., 1857; 


der Text der Bergifchen Eoncordienformel, 1860 ; 
Philipp Melandthon, 1860; Schriften zur refor⸗ 
mirten Theologie, 18360, 1861; „Theodor Beza” 
in dem „Leben der Bäter und Begründer der ref. 
Kirche” ; Schulmeien des Mittelalters, BbO; Ge: 
ſchichte der evangel. Kirche Rheinlands und Weit: 
phalens, 1867. 

Heraclas wurde mit feinem Bruber, dem Mär» 
tyrer Blutarch, im Heidenthum erzogen, lam burd) 
die Neuplatonifche PBhilofophie zum Chriſtenthum 
und wurde von Origenes als Katechet in Alexan⸗ 
— verwandt; 232 zum Biſchof daſelbſt erwählt. 
+ 274. 

Heracleon, ein Gnoftifer in der erſten Hälfte 
des 2. Jahrhunderts. Schüler und Anhänger des 


Valentinus, welcher wahrſcheinlich in Negypten ſich 


* 


Seraclius 


aufbielt. Er Bet Balentinus’ Syftem mit mehr 
Bejonnenheit behandelt. Er jchrieb einen Commen⸗ 
tar zum Johannes, aus dem Drigenes Bruchſtücke 
aufbewahrt hat. 9. legte jein Syftem in den Jo— 
hannes — ie Fragmente des H. ſtellte 
— zuſammen: Specileg. patr. et haeretic. IL 


P- * 

Heraclius. Dftrömifher Kaifer (610 — 641). 
Der Sohn eines Statthalterd in Afrika, erlangte 
er den Thron durch eine Empörung gegen Pholas. 
Bedrängt von den Abaren, die 618 Conftantinopel 
belagerten, und den Perjern, die 614 Jerufalem 
erobert hatten, fand er fich mit den erfteren durch 
Geld ab, und erzwang 628 mitdenandern den Frie: 
den und die Herausgabe des Holzes vom Kreuze 
Chrifti. (Das Felt der NKreugeserhöhung, 14. 
Sept.) Das „Faften des Heraclius“ beim Klerus 
von Jerufalem wird darauf bezogen, daß berjelbe 
mit dem Patriarchen die Verantwortlichkeit dafür 
übernommen, daß 9. bei der Eroberung Jerufa- 
lemö gegen jeinen Eid alle Juden habe nieder: 
hauen lafjen. Sein Bemühen, den Kirchenfrieden 
wieder herzuftellen, fachte den monotheletiſchen 
Streit an, in welchem e3 ſich um die vom Patri— 
archen Sergius vorgeſchlagene und vom 
Honorius gebilligte Sera uia Eariv 7) Evepyeıa 
tod Xgıorod har.delie, welche das von H. 638 pu⸗ 
blicirte Edict, die Ex9enıs rjs niorewg beftätigen 
folite (f. Monotheliten). 9. ftarb 641 an der Wafr 
EN: Seine Nachkommen behielten den Thron 
bis 711, 

Herard, Erzbifhof von Tours (85° — 871). 
Ein — Einfluß und Gelehrſamkeit hervor: 
ragender Mann. Seine Capitula episcopalia von 
858 enthalten eine Inftrucion für feinen Klerus, 
—* er predigen und wie er Schulen errichten 
olle. 

Serbart, Johann Friedrih. Geb. den 4. Mai 
1776 zu Oldenburg, f-udirte er 1794 in Jena, war 
1797 — 1802 Crzieher, habilitirte fih dann in 
Göttingen, ging 1809 nad Königsberg, kehrte 
1835 nad Götiingen zurüd. + als — der 

hiloſophie 1841. Sehr bedeutender philoſophiſcher 

orſcher von eigenthümlicher Richtung, die jetzt 
nod) in hervorragenden Denkern als eigene Schule 
fortbefteht, und die aud) theologifh — bejonders 
im Öegenjaß gegen bie Schellingiſch-⸗Hegelſche Spe: 
eulation, auf dem Gebiete der Religionsphilofophie, 
ber Ethif, der Pigihologie, der Pädagogit — beach: 
tenswerthe Werle hervorgebracht hat. Drobiſch, 
Hartenftein, Strümpell, Taute, Thilo, Allihn u. X. 
find hier beſonders zu nennen. Seine Schriften 
gab heraus Hartenftein, 12 Boe., Leipzig 1850— 
52. Vgl. Hendewerf, Herbart und die Bibel, 1858; 
Weiße, Brot. Kztg., 1860, 

Herbergen bei Den Hebräern. Wie es Gafthöfe 
in unferm Sinne im Altertfum überhaupt nit 
geb fo waren auch die Karawanſereien und Menfils, 

ue. 10, 34; Ser. 41,47, in der fpäteren Zeit nur 
in der Wüfte und für nicht jüdische —— 
beſtimmt. Man herbergte bei Gaſtfreunden (auch 
Luc. 2, 7) oder unter Zelten, in Höhlen und ähn— 


fihen Stätten, 1. Mof. 42, 27; 2. Mof. 4, 24; 2. 


Kön. 19, 23. 

Herberger, Valerius. Der Verfaffer des Liedes 
„Valet will id Dir geben“ ıc, Er iſt geboren zu 
Frauftabt in Groß:Polen, ben 21. April 1562, war 


vort 1584 Schulmeifter, 1590 Diafonus, 1568 | 
Baftor. +18. Mai 1627. Als feine Gemeinde den | 1744 zu Mohrungen in Dftpreußen, 


344 


apfte | 9 


Herber 


Katholiken die Kirche zurückgeben mußte, er 
1603 die Kirche —* Pe — 
Predigten und Betrachtungen, die J und 
Paſſionszeiger, geiſtliche Trauerlieder find von 
Bachmann in Berlin und von Ledberhofe neu 
erausgegeben. Biographie von Lebberhofe 1851, 


onntagsbibliothef von Specht, Frauftabt 1855, 
Herbert, Lord Edward derer Stu, Ein 
Deift, geb, 1581 zu Montgom 


in Wales 
zeigte früh große te auf 


egabung und bildete 
großen Reifen. 1616 war er Gefanbter in Frank: 


reih, um ben Proteftanten Erleich en zu 

haffen, ftand dann im Bürgerkri Sei: 
ten des Parlaments, welches ihn für die Zerſtö— 
rung feines Schlofjes entihädigte. +1 Er 


iſt der Erſte, welcher den Deismus fyftematif 
darſtellte, indem er alle Rel nt 
Grundwahrheiten zurüdführte. 1) Es ift ein Gott. 
2) Dem man dienen muß. 3) Tugend und Fröm⸗ 
migfeit ift die eigentlihe Gottesvere 9 
Sünde muß man bereuen und meiden. 5) Es 
= Belohrungen für das Gute, Strafen für das 

dfe. Das Chriſtenthum erſcheint ihm ug als 
bie befte, aber nicht al$ die reine Religion. 
auptwerfe find: De veritate, 1624, und Dere- 
lıgione Gentilium, 1615. 

Herborn. Die Univerfität ftiftete 1584 Graf 
Johann der Aeltere von Naffau- Dill: unter 
Beirath und Hülfe des Olevianus, der ald Pfarrer 
nad 9. berufen war, Die Mittel —— theils 
die Agnaten, theils die Städte und Stände am 
Niederrhein. Neben Dlevianus Iehrten Piscator 
und fpäter Martinius. Die Univerfität 
bald hohen Ruhm dur Piscators W 
und als zeitweilig die einzige reformirte, welde 
den Dortredter Le bet fefthielt und ben 
Coccejanismus ausſchied. Im 3Ojährigen 
1629 war fie eine Zeitlang verlaſſen, und 
ihre frühere Bedeutung nie wieder, Napoleon 
Sc Er nn — en 

zur Begründung des naffauifhen Prediger 
jeminars verwendet. Das Her —* —— 
iſt Die Ucherfegung Piscators. Herb. 1602—1608. 

uiöb. 1684. 

Herbornihes Bibelwert. S. Herborn. 

Herbornſche Kirdenorduung. Diefelbe ift von 
Dlevianus verfaßt, ähnlich der niederländiſchen 
und wurde auf der Synode 1586 angenommen 

erbft, Joh. Georg. Geb. den 13. Jan. 1787 

zu Rottweil, trat er in den Benedictinerorben 1805, 
bezog nach Aufhebung deffelben 1806 die Univer: 
fität Freiburg und ftubirte Phil, und Theolögie; 
1812 Repetent am Priefterfeminar zu 
und Profeſſor der dortigen Univerfität, wurde er 
mit derfelben 1817 nad Tübingen verjegt. Er be; 

tündete mit Drey und — die er 

uartalſchrift und ſchrieb bie — 
Einleitung ind X. T., nad) ſeinem Tode (} 1836) 
von Welte in mehr kirchlichem Sinne ergänzt und 
herausgegeben, freiburg 1841. 

Hercules wird 2. Maft. 4, 19 ala Gott der Ty- 
tier erwähnt, welchem Jafon ein Opfer 
laffen wollte. Es iſt der Melicarthos, 
fich derfe'be mit dem Baal, dem Sonnengott, den 
die Griehen und Römer Hercules Tyrius nann- 
ten, wegen mander Nehnlichfeit des Göttermy⸗ 
wi nn = — e Be 

rder, Joh. Gottfried. . ben 25. Auguſt 
ber Sohn 


Heresbad 


eines Eantord, ftubirte zu Königäberg, warb Leh⸗ 
ver am höcollegium, 1764 Eollaborator an 
der Domjchule zu Riga, 1767 Rachmitta biger. 
R wegen literarifcher Berbriehlichkeiten feinen 
Abſchied, ging als a. eined Prinzen nad 
Paris und Straßburg (Göthe, Stilling), wurde 
1770 Hofprediger und Confiftorialrath zu Bücke⸗ 
burg, 1776 Hofprebiger, Generaljuperintendent 
und Oberconfiftorialrath zu Weimar. + 18. Dec. 
1803, Das Eigenthümliche feines Wejens, in wel: 
chem Poeſie und Religion aufs innigfte verbunden, 
unb beibe durchzogen waten von ber ihn beſeelen⸗ 
den Idee ber Humanität, hat auch auf dem Ges 
biete ber gan höchſt anregend gewirkt und 
namentlich da3 Verſtändniß für die prophetifchen 
und poetiſchen Stüde bed Alten Teftamentes mehr 
erſchloſſen. Durch feine Briefe über das Stubium 
der Theologie hat er bie ideale Seite des geiftlichen 
Berufes hervorgehoben und durch feine Ideen zur 
Philoſophie der Geſchichte ber —— neuen 
—— Auffaſſungen vorgearbeitet. Bol. 

Der im Herderalbum, 1845. Derjelbe, Ausg. 
von Herberd Werlen. Erdmann, Herder als Reli: 
esbbach, Konrad von. Ein Humanift. Geb. 


—— 1866. 
1496 zu Heresbach im Bergifchen, ftubirteer in Köln, 
Parıs, Bologna, ward in Ferrara Doctor der Rechte 
und lebte 1523—1525 bei Erasmus in Baſel, 
1525 warb er Erzieher des Erbprinzen Wilhelm 
und Gleviicher Geheimrath, zog fi dann 1566 
nach Wefel zurüd, wo er 1576 ftarb. Inter fei- 
nem Ein u und wahrſcheinlich von ihm ſelbſt ift 
die Glevijche Refornıationsordnung von 1562 ver: 
faßt, welde erasmiſch vermittelnd ben Gotteö- 
dienſt —— Neuerungen verbot, aber die Pre⸗ 
digt bed Glaubens einführen wollte (bös teutſch, 
evangelifch). H. blieb ſelbſt nicht dabei ftehen, 
er chrieb ald Gefandter die Augsburgiſche 
Gonfeffion und arbeitete den neuen Reformation: 
entwurf von 1567 aus, ber nicht zur Ausführung 
rer ift. Vgl. Albrecht Wolters, K.v. H. und 
—* u ſeiner Zeit, nach neuen Quellen 
geſchildert, E ereld 1867. 
erford, Die erfte Stabt Weftphalens, welche 
1524 die Reformation durch den Auguftiner- Prior 
Dreier in der Augöburgifchen Confeſſion annahm 
und darauf 1532 die Braunfchweigifche Kirchenord⸗ 
nung. a en rund: 
fäge in dem großen Brüberhaufe dgr Brüber vom 
emeinfamen Leben und ber damit verbundenen 
Eule eingeführt. Die Benebictiner = Nonnen: 
Abtei (geft. 789) blieb ala evangelifches Fräulein: 
ME ku Mr ae 
in Herforb vorüberge ie erfte Labadiften: 
Gemeinde gegründet, 


er. Abt von Lobbed. Seine Herkunft ift 
zur Vorder Scholafticuß bes Kloſters, warb 
er t befielben. +1007. Wir haben von ihm 
verſchiedene Schriften, deren bebeutendfte: Gesta 


345 


| über die Gefchide 


Hermann von Salja 


euenter und 
wurde Magifter 


ule 
fchrieb fein berüb eö Bud: Vallum humani- 
tatis. Bgl. Herm. det Salem, De H. Buschi 

Hermann, Contractus. bed Grafen Wol- 
ferat von Beringen. Geb. 1013. Er wurde wegen 
einer Gebrechlichleit im 7. Jahre dem Klo 

ichenau zur Ergiehung Üibengeben, in welchem ev 
er x zn ee 1054 et Als — 

r war er berühmter 
Philoſoph, Philolog, Aſtronom, Dichter, Muſicus 
und Mechanicus. Die wichtigſte uns erhaltene 
Schrift ift die Chronik, welche biö 1054 geht und 
Späteren ald Duelle diente. wäget ben 1529, 
Bafel, von Sihard. Perg, monum, V. 67—133. 
Eine Geſchichte Konrads 11. und Heinrichs ILL. ift 
verloren gegangen. 

Hermann von Friglar. Ein Myftiler um 1340, 
Bon feinen Lebensumftänden ift nur befannt, daß 
er größere Reifen dur Deutfchland, Italien und 
Spanien unternommen babe. Wahrſcheinlich war 
er ein Laie, der ſich von der Welt dog und 
mit bem Stubium theologiſcher e beichäftigte. 
Wir haben von ihm eine Schrift (Heiligenleben, 
bei Pfeiffer I), ein Sammelwerk aus allerlei geift: 
lichen Schriften, jedoch nicht ohne felbftändige 
Bearbeitung. Mit der Legende find fpeculative 
Erörterungen verbunden, die für bie geſchichtliche 
Entwidlung der 22 von Wichtigkeit find. Ein 
von ihm erwähntes Werk, die Blume ber Scyauung, 
ift verloren, 

Hermank von Lehnin fol um 1300 Abt des 
Klofterö Lehnin im Regierungäbezirte Potsdam 
— ſein. Unter ſeinem Namen erſchien im 

nfang des 18. —— eine Weiſſagung 

randenburgs und Lehnins von 
einem nicht mit Sicherheit bekannten Verfaſſer. 
Dieſelbe wird auch für den Ultramontanismus, 
ber feine Soffnungen an fie lehnte, feit vem Tage 
von Königägräg Ihre Bedeutung verloren haben. 
Bol. Giefeler, die Lehninſche Weiffagung, 1849; 

einhold, das vaticinium Lehn., überfegt, 1849; 
Hefiter, die Gejchichte des Klofters Lehnin, 1851; 
Hift.:pol. Blätter, 1855, Heft 8. 

Hermann von Salza. Hochmeiſter des beut: 
Bis Ordens (1210— 1239). Seine Jugendge: 

ichte ift unbelannt. Als Ordenshochmeiſter 
nahm er Theil am Sturm von Damictte 1219, 
vermittelte 1229 den Frieden mit dem Sultan. 
1228 ſandte er auf Einladung Konrads von Ma: 


episcoporum Tungrensium, 979, bei Berg. VIL | fovien, den Heermeifter Balk mit einem Theil der 


134. 
boald. Mit Fragen der Mathematik und 


Hugonem monachum. Enblid eine Schrift de 
corpore et sanguine domini, früher bem anony- 
mus Cellotianus zugeſchrieben, welcher die Lehre 
bes Paſchaſius Radbertus beſpricht und vertheibdigt. 

Hermann von Dem Bulde. Cin Oumanif. 
Geb. 1468 aus einem alten weitphälifchen Adels: 


a8 Leben bes 5. Ursmar und des 2 Lanz. 
h 








dendritter nach Preußen, vereinigte 1285 die 


; { rono: | Schwertbrüder mit dem Orden und vollzog 1236 
logie bejchäftigt fi) die epistola ad quemdam |auf dem Gonvent 


* Marburg die Beſitznahme 
rden mit dem Rechte eines 

eihsfürftentgums. Bei dem Kaiſer wie beim 
Papite in hohem Anfehen, war er wiederholt der 
ac ihnen erwählte Schiedsrichter, 1225 zu 
Germano und beim Frieden von Germain 1230, 
Ebenfo vermittelte er die Ausſöhnung zwiſchen 


reußens für den 


Hermann von Wieb 


—— und feinem Sohne Heinrich 1234. Bol. 
hannes Boigt, Geſchichte Tem, Bd. II; v. 
Raumer, Hohenſtaufen, Bd. III. 

Hermann bon Wied. Kurfürſt von Köln. Der 
Sohn —— J. von Wied, geb. den 14. Jan. 
1477, wurde Domberr zu Köln 1492 und 1515 
Erzbiſchof. Anfangsein Gegnerder Reformation, — 
denn er verbot 1523 Luthers Schriften, ließ 1529 
Klarenbach verbrennen, ftimmte 1530 zu Augs: 
burg gegen die Broteftanten und unterbrüdte 1532 
ala Abminiftrator von Paderborn und von Mün— 

er die Neuerungen mit Härte, — buldigte er 

eit dem Brovinctalconcil 1586 der freien Rich— 
tung. Durch Mettmann trat er in Verbindung 
mit Melanchthon, Iud auf dem Geſpräch zu Hage: 
nau Bucer zu fi und verfammelte diefen mit 
Piftorius, Hedio, Sarcerius und Melandthon um 
fi 1548 und ließ den Reformationsentwurf aus: 
arbeiten. Die Stände willigten ein, das Capitel 
—— ſich. Die Ankunft des Kaiferd wegen 
des geldriſchen Kriege ermunterte das Dom: 
capitel, Diefesappellirtean Papſt und Raifer ; Her: 
mann an ein Nationalconcil, und unterließ einer 
Borladung nah Romzufolgen. Bom Papſt juspen: 
birtben8. Jan. 1546, wurde er am 18, April ercom: 


municirt. Durch den ſchmallaldiſchen ir, ohne | aber 
a 


—— legte er auf Betrieb des Kaiſers 
1547 ſeine Würde nieder und zog ſich ins Privat: 
leben zurüd, + 1552. Stein Gelehrter, aber ein 
icher „ den fein Bolt liebte, der Kaiſer 
achtete und nur der Klerus haßte. 
ann, Nikolaus. Cantor zu Joachimsthal 
in Böhmen. +5. Mai 1561. Als Componift und 
eiftliher Liederdichter befannt. Er übertrug häu- 
f5 die Predigten jeines Pfarrers und Freundes 


atthefius in die Form von Gefängen. 


a8. Hirt des Hermas, eine apolalyp: | 


Herm 
tiſche Schrift des 2. Jahrhundertö, welche län: 
gene Zeit auch im Gottesdienft gelefen und mit 
en Büchern des R. T. vereinigt wurde Ihre Ten: 
denz Ay die Chriftenheit zur Buße zu ermahnen 
Angeſichts der bevorftehenden Vollendung der 
Kirche. Der Standpunkt ift ein äußerlich gefeg- 
licher, welcher ſchon der Verdienftlichleit der guten 
Werle nahe fteht, aljo der des fpätern abge: 
ſchwächten Judenchriſtenthums. In einen Roman 
— find Viſionen und vifionäre Engel: 
erſcheinungen; die Gedantenentwidlung geht duͤrch 
dieſe Bifionen, unmittelbare Vorſchriffen und jo: 


346 


Hermes 


ie er 1537, * a — — 
rbeide Teſtamente) 1709, Meyer , Ernefti, 
ed. V. 1809, Bretjchneider 1806, Keil 1810, Gries; 
bad; 1815, find namentlich noch zu bemerfen: 
Lüde, Grundriß der neuteft. Hermeneutif und 
ihrer Geſchichte, 1817. Germar, die panharmonis 
de Interpretation der h. Schrift, 1821. DIE 

en, ein Wort über tiefern Schriftfinn, 1 
Schleiermader, Hermeneutif und Kritik, 

von Lücke, 1838, Elaufen, eutit des N.T., 
aus dem Dänifchen von Schmidt, 1841. Wille, 
die Hermeneutif des N. T., 1844. 9.2.28 
— herausg. von A. Lutz, 1849, 1861. 

Au 


Hermes. eflanismuß, — F 
den 22. April zu Dreyerwalde im 
ſtudirte zu Münſter, wurde 1798 Lehrer am Gym: 
naftum dort, 1799 BPriefter, 1807 Brofeflor der 
Theologie zu Münfter, 1820 zu Bonn, . Mai 
1831. In feiner Einleitung in bie —E— 
Theologie, Münſter 1819, und in der Dogmatil, 
herauäg. von Achterfeldt, Bonn 1834, — 
von Kant'ſchen Principien ausgehend, die 
einbarkeit der en und Figte’fen Philo⸗ 
ſophie mit dem Chri — zu erweiſen, zugleich 
bemühte er ſich, auf rationale Weiſe den ka; 
tholifhen Glauben zu begründen und die Ueber: 
—— deſſelben mit der Vernunft 
weiſen. Sein Streben fand zuerſt Anerlennung 
und der Hermeſianismus fand auf faft allen Uni- 
verfitäten Eingang; wurde aber ebenjo, nament: 
lid von den Süddeutſchen in der Ajchaffenburger 
Kirhenzeitung angegriffen. Ais der Streit nad 
Rom getragen war 1833, verdammte ein liches 
Breve vom 25. Sept. 1835 den Her mus, 
weil er von dem Wege der kirchlichen Tradition ab» 
weiche und einen Weg einichlage, 
thum führe, indem er den pofitiven Zweifel zum 
Ausgangspunft der — Unterſu 
mache und die Vernunft als zes und 
ges Mittel zur Erlangung der Erkenntniß überna⸗ 
türlicher Wahrheiten bezeichne. Vergebens reiften 
die Hermeftaner Braun und Elvenich nad) Rom, um 
eine Abänderung des Urtheils zu erlangen, da fie 
bi haupteten, man habe Hermes falſch interpretirt. 
Der dem Hermefianidmus von je abhold ene 
Erzbiſchof von Droſte⸗Viſchering Schritt auf Grund 
des päpftlichen Breves ein, und der Ausgang ber 


| Kölner Wirren entſchied für das völlige Unter» 


er Gleihniffe. Dorner und Ritſchl halten | liegen ber —. Die treuſten Vertreter, Braun 


ie Schrift für aus dem Montanismus hervor: und Achterfeld, 


7* ‚ während Andere eine Bekämpfung def: 
elben darin erfannten. Der ———— 
zuerſt von Faber Stapulenfis 1513 heraus ege 
ben, der griechische ift erit in neuerer Zeit, her 
in Leipzig, theilö in der Sinaihandſchrift aufge: 
funden und edirt von Anger und Dindorf 1856, 
Tiſchendorf 1856, 
1 1866. Bgl. Lipfius in der Hilgenf. Zeitfchrift, 





ifgenfeld, Nov. Test. extra 


für Rptofoph "un tote Zee ie 

Zeitichrift für Philoſophie und Fatholifche 

ie na mit feinem anderen se — daß 
iusIX. 1847 die Anti⸗Hermeſian 2. 


ultat 
s if —** 
[8 des Breved von 1835 für correct el 


| Verdammungsurtheil beftätigte. Ygl. €. @. Nied- 
ner, Philosophiae Hermesii explicatio et existi- 


matio, 1838. Berrone, zur Gejch. des Hermeſia⸗ 
nismus, 1839. 
Hermes, Joh. Auguft. Geb. ben 24. Aug. 1736, 


Hermeneutit. Schleiermadher jagt: „Das volle ftudirte in Halle, ward 1760 Paftor 


u 

Berjtehen einer Rede oder Schrift J eine Kunſt⸗ | dorf, 1765 —*5 Frage in an 
iftun iefe Technik | Früher der pietiftiichen 

wird in ber Hermeneutif gegeben. Sie foll uns tr fich fpäter einer entf 


leiftung und erheifcht eine Technik.“ 


tung zu n, 
leben rationaifiihen 


anleiten, ein Schriftwerf aus dem Geifte des Ber: | Auffaffung zu. Der Dienftentlaffung eines 
h a 


fafiers heraus, aus feinem Gedankenkreiſe, aus | in dieſem Sinne nefchriebenen eg in 
Beiträgen zur Beförderung wahrer 


jeiner Tendenz, aus den auf ıhn dabei einwirken: 


oft 


den Eindrüden und Abfichten heraus zu verftehen. | „ob Chriftus für die zeitlichen Strafen der 
Zu den Schriften über Hermeneutil gehört fchon: genug —— eniging er durch eine 


zu jedem Jer- - 


— 


Hermes Triömegiftus 


alß Pred und Inſpector zu Jerichow 1777. 
Danach —— in Dittfurth, in Quedlinbur 
und 1780 Conſiſtorialrath daſelbſt, 1800 Oberhof: 
rg und erfter Rath des Stiftcollegiums, in 

iefer Eigenihaft nad) der Auflöjung des Stifts 
penfionirt, blieb er Superintendent. + 1822. 
Sein Handbuch ber Religion 1779, 4. Aufl. 1791, 
überjekte —— Eliſabeth von Preußen ins 
Sranzöfifche 1784. 

Hermes Trisſsmegiſtus. Dergriehifche Name bed 
hot, einer mythologifchen Figur ber Aegypter, in 
welcher —— —— —— und ſym⸗ 
bolifirt war, als die agree ham Nenſchlichen 
mit dem Göttlihen und ber nr ge aller Kunft 
und Weisheit. Wie ihm die Erfindung der Hieros 
—A rift zuge rieben wurbe, überha 

e Künfte und Wif 78 * ſo wurden auch 
alle Geheimlehren auf ihn zurückgeführt, welche 
von ihm durch eine Reihe weiſer Männer (Herme⸗ 
tiſche Kette) auf die Nachwelt überliefert worden. 
Die hermetiſchen Schriften enthalten die Lehren 
em ie, Alchemie und Theofophie. Was 
ehren der Mag ie und Theofophie. 
von denfelben nod vorhanden, Poemander sive 
de potestate ac sapientia divina; Aesculapii 
definitiones; Horoscopica, ift gefammelt in bes 
— Nova de universis philosophia. Ven. 


Hermiab, ein griechiſcher Philoſoph. Verfaſſer 
einer nicht bebeutenden apologetiſchen ey ai 
diasvpuös röv Ein Yılooopwr, gegen bie heid⸗ 
nifche Philoſophie; früher ins 2. oder 3. Jahr: 

ert gefeht, verweilen bie Neueren, Niebner, 
enzel, biejelbe ind 5. Jahrhundert. Weltefte 
Ausgabe von Seiler, Bafel 1553. Reuefte von 
Menzel, Leyden 1840. 
ad Sozomenus. S. Sozomenus. 
ned. Ein Mann des apoftolifchen Zeit: 
alt ers, 2. Tim. 1, 15, von dem fonft nichts be: 


lannt ift. 
ened. Ein afrikaniſcher Irrlehrer, ein 
Deren e Tertulliand, der gegen * ſchrieb. 
n ſeinen Lebensumſtänden if nur befannt, daß 
er Maler geweſen. Er lehrte bie Emigfeit ber 
Materie, auf welche Gott nach dem Brincip der 
Schönheit und Harmonie gleichſam plaſtiſch ein- 
wirft. Die biefer göttlichen Bildung wiberftreben: 
den materiellen Elemente bilden das Böfe, welches 
aber iR überwunden wird. Da Ang 
über ihn bei Philaftrius und Auguftin zu denen 


bed Tertullians nicht völlig ftimmen, Haben Manche 


wohl mit Unrecht noch einen zweiten 9. ange: 
nommen. 


Hermon ift ber ganze füdliche Ausläufer bes 
Antilibanon, des Djebel⸗eſch⸗Scharki, eine Berg: 
fette mit mehreren Gipfeln, Pſ. 42, 7, bis zur 
Höhe von 9500 Fuß, die zum Theil mit ewigem 
Schnee bebedt fein follen. Nach unrichtiger Deu: 
tung von Pf. 89, 13; 133, 3 nennt man einen 
dem Tabor gegenüber liegenden Berg den „Heinen 

n”, Der 9. bildete die nördliche Grenze 
des Oſtjordanlandes. 

Herodes, ber Große. Der Sohn des Idumäers 
Antipater, des Statthalter und Alterego Hyr: 
lans II. Mit 25 Jahren Statthalter von Galiläa, 
bänbigte er die Räuberbanden, entging aber der 

ung wegen eigenmächtiger Hinrichtung 
vornehmer Juden, nur durch die Schwäche Hyr 


and unb burch die Flucht, Nach feined Vaters 


347 


—— über dieſe Geheim: | äu 
e, 


Herodes Agrippa J. 


Tode 43 und durch die erkaufte Gunſt bed Cafftus, 
Prätor von Syrien, erhielt er von Antonius die 
Verwaltung Jubäas 41; mußte aber vor Antigos 
nu3, dem mächtigen Hohenpriefter, fliehen 40 ». 
Chr., wurde in Rom zum König von Judäa ers 
nannt und eroberte mit römiſcher Hülfe Jubäa 
(Schlacht bei Jericho), Jerufalem und den Tems 
pel, Juni. 37. Durch feine Gemahlin Mariamne 
war er der Erbe der Hadmonäer. Nach Antigo- 
nus Enthauptung zu Antiochien war er unbeſtrit⸗ 
ten König in a, beffen Reich bie Gunft ber 
Römer biß über die alten Grenzen ausbehnte. 
Seinen Schwager Ariftobulus, den er zum Hohen» 
— ernannt 7 ließ er aus Eiferſucht auf 
ein wachſendes Anſehen hinrichten, führte wäh— 


upt rend bed Bürgerkrieges zwiſchen Antonius und 


Detavian einen Krieg mit den Arabern und ſchloß 
ch nad) ber Schlacht bei Actium eng an Dctaviarı 
—* an, der ihm ſeine Gunſt bis zuletzt be⸗ 
wahrte und ſein Gebiet durch Paneas und Tracho⸗ 
nitis vergrößerte. Je glücklicher er aber in ſeiner 
Bern Politik war, um fo mehr erbitterte er daß 
judiſche Voll durch das offenkundige Beftreben, 
daffelbe zu romanifiren; der Bau von Öymnaften, 
Tempeln beö Auguftus, Theatern u. dgl. erregte 
ben patriotifchen Haß, ben feine zeitwerli de 
gebigfeit ber — Ausbau 
pels 20—12, ber feine Eh t vor dem jübifchen 
Gottesdienft beweifen follte, nicht zu mildern vers 
mochte. Die Hinterlift und die Oraufamteit feines 
Charakters offenbarten fih am jchlimmften im 
eigenen Haufe; feine Gattin Mariamne, die er ſich 
burd den Morb ihred Bruders und durch eigene 
Lebensbedrohung entfrembdet hatte, ließ er tönten 
m und bie legten Glieder des baamonälfchen 
aufes. Die Eiferfucht unter feinen Söhnen Antis 
unb ben beidenvon der Mariamne geborenen, 
ander und Ariftobul, vermochte ihn mit ſolchem 
vr. mg A — = Eee beiden 
vor römi rätor a u . 
ließ, dann 5 Zage vor feinem Tode auch den Ans 
tipater. Er ftarb an jchredlicher Krankheit 4 v. 
Chr. ; fein letzter = fennzeichnender B:fehl, bie in 
der Rennbahn zu Jericho verJammelten angeſehen⸗ 
ften Juden nieberzuhauen, damit jein Sterbetag 
nicht unbeweint jei, blieb unausgeführt. Seine 
Herrſchaft hatte bem beabfichtigten Zweite 
entgegengejegten Erfolg, daß daß in feinem Na⸗ 
tionalgefühl verlegte Bolt ſich noch mehr ald vor: 
her in demfelben abſchloß und eifrig und arg: 
wöhnifc feine religiöfen Heiligthümer bewachte. 
des, Antipas. Der Sohn Herodes d. Gr., 
erbte nach des Vaters Teftament die Tetrardhie 
von Galiläa und Peräa. Da er feine Gemahlin, 
die Tochter des arabifchen Königs Aretas verftieß, 


um die Herodiad zu fich zu nehmen, überzog ihn 
diefer mit Krieg und brachte ihm eine empfindliche 
Niederlage bei. Ant. ift der Herodes ber Evange: 


lien, weldher Johannes enthaupten ließ unb vor 
melden Jejus geführt wurde. Er erregte ben 
Verdacht des Kaijers Caligula und wurde nad 
Lyon verbannt 42 n. Chr. 

Herodes Agrippal.; ein Enkel Herodes L, Sohn 
des Ariftobulus und der Berenice. In Rom erzo⸗ 
gen, wurde er von Tiberins verwiejen und [lebte 
eine Zeitlang von der Gnade feined Schwagers 
Herodes Antipas und hatte ein Amt als Marft- 
auffeher in Tiberiad. Er wandte fi von 
neuem nad Rom und erwarb ſich die Gunft des 


Herodes Agrippa IL 


Thronerben Caligula, eben deßhalb aber ließ ihn 
ber argwöhnifche Tiberius in Ketten werfen. Nach 
beffen Tode ſchenlte ihm Galigula als König bie 
Tetrardjie des Philippus, zu welcher er fpäter das 
Land bed Antipas, und durch Claudius Jubäa und 
— ng rung ig San 
den Unterhändler zwifchen ihm und bem Senat 
0 Erlangung des Kaiſerthums gemacht hatte. 

ie Gunft der Juben gewann er burdh feine Ver: 
wendung bei Caligula, da es ihm gelang, ben Befehl, 
des Kaiſers Bild im Tempel aufzuftellen, rüdgän: 
gig zu machen, unb durch ein emſiges Beglinftigen 

er Pharifäer, denen zu Lieb’ er (Apftg. 12,1 

Jacobus hinrichten, Petrus gefangen nehmen ließ 
und fi in Jerufalem ber Strenge des moſaiſchen 
Geſetzes unterwarf, obgleich er in Cäfarea Fechter⸗ 
fpiele und Aehnliches —— Er ſtarb 44 n. Chr. 
im 54. Jahre Rage ebens zu Tiberias. en 
12, 20. 24. Bol. Hausrath, H. A., in Gelzers 
Monatöblättern, 1865. 

Herodes Agrippa II. Sohn des Vorigen. Da 
politifche Rüchhten geboten, Zubäa zur römischen 
Provinz zu machen, erhielt er zuerft von Clau— 


348 


Herrnhuter 


dem die Gemeinſchaft zum erſtenmal onbert 
in Berthelöborf das Abendmahl feierte, Noch blich 
bie Gemeinde innerhalb der lutherifchen Landes⸗ 
lirche und der früheren Parochie und hielt we 
engeren Berfammlungen im eigenen Haufe, bis 
fie 1731 das Abendmahl abgejondert feierte und 
ihre befonderen Riten des Liebesmahles und des 
Barmen Gent abgeſchafft) einrichtete. Das 

edürfnig ber Miffion führte dazu, von dem 


ofprebiger Jablonsky zu Berlin, Biichof ber mäh⸗ 
Se Kr he Dee Sr Fe 
mann ald Bifchof zu erbitten; 1787 3 
in⸗ 


)jauf den Rath des Königs von Preußen auch 


zendorf, deſſen —— chaft der Gemeinde 
eine neue —— Als *ð neue Gemeinden 
gegründet wurden in ber Wetterau (1736), 
in Schlefien und ber Laufig und bie preußifche 
Generalconceffion bie iſchen Bräber von 
den landeslirchlichen Gonftftorien egimirte, fo 
war dies ein neuer Schritt zur Bildung einer 
eigenen Brüberliche anftatt des früher beab⸗ 
fiptigten chriſtlichen Genieinſchaftslebens in ber 
Kirche. Die Berfaffung derjelben bildete fi all- 


bius das Erbe des Königs Herodes von Chalcis | mählid) 


und die Aufficht über den Tempel zu Yerufalem, 
fpäter den Königätitel mit der ehemaligen Tetrar: 
chie des Lyſanias und Philippus und Theilen von 
Peräa und Galiläa. Er war ein gefügiges Wert: 
eug ber Römer, jtet3 bemüht, jeden Ausbruch des 
up hen Bollsingrimmes zu verhliten. Beim Aus⸗ 
bruch des legten Krieges ging er gerabezu zu ben 
Nömern fiber und begleitete den Titus. Mit feiner 
— Berenice lebte er in Blutſchande (Apſtg. 


Herodianer. Matth. 22, 16; Marc.3,6; 12, 18. 
Es ſind Anhänger und Diener des Herodes, die 
durch römiſche Sympathien im Gegenſatz zu den 
Pharifäern ſtanden. Mit Unrecht machten Tertul: 
lian und Epiphanius daraus eine religiöſe Secte, 
die in Herodes den Meſſias erblickt hätte. 

Herodias. Tochter des Ariſtobulus, Enkelin 
Herodes J., Schweſter Agrippas. Sie war ver: 
mählt mit einem Sohne des Herodes, Herodes 
Philippus, der als Privatmann lebte. Ihre Tod): 
ter Salome war die Gemahlin des Tetrarchen 
Philippus. Die evangeliſche Geſchichte verwechjelt 
biefe Berhältniffe. H. verlief ihren Mann, um 
Herodes Antipas zu folgen, verjchuldete ben ara; 
bifchen Krieg, die Hinrichtung ded Täuferd und 
—— ihren eiferſüchtigen Ehrgeiz die Reiſe 
nach Rom, deren Reſultat die Verbannung des 
Antipas war. Dieſem folgte ſie und ſtarb mit 
ihm in Spanien. 

Herrnhuter. Brüdergemeinde, Brüderunität. 
wii wage ber religiöfen Gemeinfchaft, welche 
unter der Zeitung des Grafen Zinzendorf und 
unter dem Einfluß des Pietismus aus den Reften 
der mährifhen Brüder ſich bildete und ihren 
erften Sit in dem Flecken Herrnhut in der Lauſitz 

atte, der durch fie erbaut wurde. Seit 1722 
ammelten ſich in Herenhut einige mähriſche Eru: 
lanten —— David 1722) und Erweckte aus 
anderen Gegenden, welche mit dem —— 
ſchen Kreiſe in Berthelsdorf und ſeinen dortigen 
Anſtalten in Verbindung traten und am 12. Mai 
1727 als eine religiöſe Ortsgemeinde ſich conſti⸗ 
tuirten und die Grundzüge einer Gemeindeordnun 
(Aelteſtenrath, Zinzendorf ae 


—— der Schrift mit 


lichſt einfach, das Abendmahl wird monatli 


| 


lic) nad) den Formen ber altmährifchen * 
ALS Zinzendorf 1741 und 2. Dober dad Biſcho 
und Vorſteheramt —— ging das Regi⸗ 
ment 1741 auf die, Generaiconferenz über („dem 
Heiland wurde das, Nelteftenamt übertragen"), 
ohne daß jedoch Zinzendorf thatſächlich auf fein 
Directorium verzichtete, welches er mit der Pilger: 
gemeinde ausgelibt hatte; und welches 1744 von 
neuem anerlannt wurde, Die Synoden zu Ma: 
rienborn 1741, 1764, 1769, zu Barby 1775, zu 
Herrnhut 1857, den wechſelnden Bebürfniffen der 
Zeit nachgebend, haben beftimmt, daß die Dber: 
leitung deö Ganzen bei der Unität:Neiteften-Gon: 
ferenz (12 Mitglieder) liegt; die 3 Proninzen, 
Amerika, Britannien, europäifches Fejtland leitet 
unter ihnen die Provincial: Nelteften : Eonferenz, 
neben beiden fteht die Brovincial: und die General: 
ſynode (9 Abgeorbnete aus jeder Provinz). Die 
Einzelgemeinen werben geleitet durch die Nelteften: 
Gonferenz (Gemeinhelfer, Prediger, Dialonen: 
Chorpfleger), den Gemeinrath und das Aufſeher⸗ 
Collegium. Die Gemeinde ift behufs der Ser 
pipe und beö Gemeinfhaftälebens in Chöre (der 
Eheleute, der Ledigen, Brüder, Schweftern, Mäb: 
hen, Knaben) getheilt. Von Wichtigkeit für bie 
Ausbiluung der Berfafiung wurden die Befigver: 
hältniſſe. Das Gemeinvermögen, beftimmt zu den 
allgemeinen Unternehmungen ‚ver Miffion ıc. iſt 
Eigenthum der Eingelgemeinden und der Brovin: 
cialgemeinde geworden. In der Lehre hat die Brü: 
bergemeinde feine Beſonderheiten, da fie in fich den 
brei Tropen, ber Lutheraner, der Reformirten, 
der mäbrifchen Brüder Raum laffen will; Span- 
enbergs idea fratrum 1778 iſt die anerkannte Lehr⸗ 
rift. (Bol. Katechismus von Lieberkühn. 2. Aufl. 
28, 8. Aufl. 1860). Nach der Gefühlsweiſe des 
Zinzendorf'ſchen Pietismus wird der Hauptton 
auf die Erlöſung durch das Leiden Chriſti gelegt 
(Blut: und Wundentheologie); die Frömmigkeit 
liebt den weichlichen, ins Sinnliche fpieleuden 
Ausdrud, Der Ritus des Goitesdienftes ift mög: 


ge 
feiert, ipm geht das Liebesmahl (Thee mit Bi 
werk) vorauf, tägliche Abendandadten zur Zefung 


ejang und Gebet find Regel. Die 


As Stiftungstag gilt der 18. Auguſt 1727, an Loſungen und Lehrterte bilden eine Verbindung 


& 


Hersfeld 


der täglichen Andacht der Einzelnen. Groß ift die 
Thätigteit der Gemeinde auf dem Gebiete ber 
denmiſſion, ſchon 1733 wurde die Miſſion in 
nland begonnen, danad) auf St. Thomas, und 
hier namentlich das Syftem der Nationalgehülfen 
ausgebildet; außerdem hat die Gemeinde ihre Sta: 
tionen auf Labrador, in Weftindien, in Oftindien, 
an der Mosquitoküfte, in Surinam und in Süd: 
ifa, 82 Stationen mit 171 — und 
000 Eingebornen. Ein anderes Verdienſt bat 
ſich die Unität auf dem Gebiete der Erziehung er: 
worben. Erziehungsanftalten, namentlich für den 
Adel, waren die nfänge ber Gründungen, und 
n e 
Iten, in welchen aud Kinder von Nichtmit— 
arg aufgenommen werden. Ein 
feit 1750 zu Henneräborf), ſeit 1 
und ein Seminarium zu Gnadenfeld find für die 
eologiſche Ausbildung der Gemeindetheologen be: 
— mmt, Einen Einfluß auf die evangelifche Kirche 
a 


t die Brüdergemeinde in directer Meife — | 
e gene 


durch ihr Diafpora:Werk, indem fie durch 
Diafporaarbeiter nit ſowohl Profelgten für ihre 
Gemeinfchaft zu machen, als vielmehr unter den 
Ermwedten, mo fie diefelben fand, Gemeinſchaften 
in freierer 
Städten, Königäberg, Breslau, Bafel, St 
u.a, find fog. Socletäten begründet, Gemein: 
ſchaften bie nicht aus ihrer Landeskirche austreten, 
denen aber ein von der Unität angeftellter Predi⸗ 
ger Gotteßdienfte in brüderiſcher Form in befon: 
derem Betfaale hält. Größer noch tft der indireete 
Einfluß ber Gemeinde durch vom ihr ausgegangene 
Lieder und aſtetiſche Schriften geweſen, jo daß 
ee Are ei ir ar einen 
herrnhutiſchen gewonnen hat. Der gegen⸗ 
— der Gemeinde ohne das Miſſions⸗ 
gebiet iſt auf dem europäiſchen Feſtland 20 Ge: 
meinden mit 7000 Seelen, in Britannien 36 ®e: 
meinden mit 5000 Seelen, in Amerita 33 Gemein: 
‘den mit 8500 Seelen. Hervorragende Glieder der 
Brübergemeinde find’ gewefen: Chriftian David, 
"David und Yohann Nitthmann, Zinzendorf, 
‚Spangenberg, ini; unter ben Böglingen ihrer 
»Erztehungsinftitute ift der berühmtelte we 
macher. Val. Schulze, Entftehung und Einrich: 
tung der Brüdergemeinde, 1822. »Litiz, Blicke in 
"bie Bergangenheit und Gegenwart der Brüder: 
lirche, 1546. 
Hersfeld in Heffen, wurde zuerft von Sturm 
als Einfiedelei bewohnt, ehe er vor den wieder: 
Hotten Einfällen der Sa fih Fulda auser: 
mählte. Lullus von Mainz gründete dann das 
'Rtofter, dem er die Reliquien des h. Wigbertus 
von Fritzlar ſchenkte, wodurch es zum Wallfahrts⸗ 
‘orte wurde. Heinrich IV. hielt ſich oft dort auf; 
‘feine Gemahlin gebar hier während des Krieges 
‘mit den Sahfen ihren Sohn Konrad, den Die 
Mönche aus der Taufe hoben. 1114 Sunmits 
telbar und erempt, konnte die Abtei zur Reforma: 
tionszeit ihre Selbftändigkeit nicht mehr behaupten 
und wurde Fulda einverleibt und ihr ein Mönd) 
von dort als Decan vorgefegt. Von dem Verfall 
der Difeiplin und der Studien macht Trithemius 
traurige Schilderungen. m als lg Frie: 
den fiel ber Befig ſäculariſirt an Heffen:Cafjel. 
Heruler. Ein germanifher Stamm, der zuerſt 
am fchwarzen Meere feinen Sig hatte und in Ver: 
bindung mit den Gothen auftritt. Danach ſchloſ⸗ 


349 


STE b 





orm llen fuchte; in einzelnen | me 
Form herzuſtellen fuchte; in ein Sm | xücklehrt, ift in der biblifcen Sprache zugleich eine 


Hesbon 


en fie fi den Hunnen an und gründeten nad) 
Kilos —* ein Reich an der Donau; zogen mit 
Odoacer nad) Italien, wurden dann 495 von den 
ihnen früher unterworfen geweſenen Longobarden 
beftegt und ließen fich zum Theil unter Anaftafius II. 
im oftrömifchen Reihe an der Donau nieder. 
Unter Juftinian haben fie das Chriftentfum anye: 
nommen und verfchwinden jeitdem aus der Ge: 
ſchichte. Das Volt wird als roh und räuberifc 
— welches zähe an feinem Götzendienſt 
ing, welchem Bienfärkopier nicht fremd waren. 
Herväus Natalis, genannt Brito. Ein berühm: 
ter Dominicancr aus der Bretagne, ftudirte zu 
Paris, war 1307—1309 Brofeffor, 1309 Ordens: 
rovincial, 1318 Ordensgeneral, + 1323 zu Nar: 
nne. Ein eifriger Thomift, ſchrieb er Commen- 
tarien über die 4 Bücher der Sentenzen des Lom— 
barden 1503. Tractatus de potestate eccles. et 
apali, Par. 1500. — 2) $.von Bourg-Dieu. 
Era. Benedictiner: Prior bafelbft. Commen- 
tariorum in Jesaiam prophetam libri 8. Augs⸗ 
burg 1721. 


Herz. 52 Kagdie. Dasjenige Organ, weldes 


ben Mittelpunkt des leiblichen Lebens bildet, aus 
m das Blut ausgeht und zu welchem eö zu: 


Bezeichnung geworden für den Mittelpuntt des 
geiftigen Lebend. Das Herz bilbet das geiftige 

rgan, in welchem fich alle Eindrüde aus der 
Außenwelt vereinigen, und von welchem alle Aeu⸗ 
Berungen deö Lebens auägehen. Es ie daher der 
Sitz der Gefühle der Freude (Pf. 13, 6; Apitg. 
2, 26) und der Trauer (ef. 1,5; 61,1; er. 
17, 9), der Furcht w 51, 12; Bi. 77, 4) und der 
Hoffnung (Pi. 28, 7), der Liebe (5. Mof. 6, 5; 
Richt. 16,15; Marc. 12,30; Apftg. 4,32), des Ge: 
horſams (1.Rön. 3,9), des-Bertrauens (Spridw. 
3,5). Im Herzen bildet fi die Gefinnung des 
Menſchen, aus der alle Gedanken und Beftrebun: 
gen hervorgehen; in ihm hat die Frömmigkeit ihren 
Sig (5. Mof. 6, 5; Pf. 119,7; Apftg. 15,9; Phil. 
4, 7, 2. Theſſ. 3, 5), die NRechtichaffenheit und 
Tugend (1. Kön. 15, 3; Bf. 52, 12; Matth. 5, 8), 
aber auch die Sünde (1. Mof. 6, 5; 8, 21; Mattı). 
6, 21,9, 4; 15, 19; Apftg. 5, 3). Das Herz bildet 
fomit den Inbegriff des gefammten inneren Le: 
bens, welches ben Menſchen — bleibt, aber 
Gott nicht (1. Sam. 16,7; Bf. M, 22; Apſtg. 
1,24). Unfere Begriffe „Gemüth“ und „Charat: 
ter” ei beide in dem Begriffe Herz mit einge: 
ſchloſſen; aud das „Gewiſſen“ ift nicht felten 
darunter begriffen (Röm. 2,15; 1. Kön. 2, 44; 
Hiob 27,6; Pred. 7, 22). 

Herz Jeſu, Fe, iſt von den Jeſuiten einge: 
führt und von Clemens XIII. geftattet. Nicht nur 
viele Theologen, auch die Synode von Piſtoja er: 


Härte ſich en dasjelbe und den Eultus der 
Menfchheit ‚ bis Bius VL in der Bulle Au- 
etorum fidei fi) dafür ausſprach. Jedoch ift das 


Feſt nicht ar Auch Es wird nad) der Dc- 
tave des Frohnleichnam gefeiert. 

Herz Jeſu, Orden von. S. Geſellſchaft des 
Herzens Jeſu und Verein v. H. J. 

Hesbon. Eine Stadt der Moabiter — 
dem Jabok und dem Arnon, welche die Amoriter 
erobert, um fie wieder an die Iſraeliten zu 
verlieren (4. Mof. 21,24 ff.); das Triumphlied 
des Sieges ijt 4. Mof. 21,27—30 bewahrt. Hesbon 


Hejefiel 


Ruben gerechnet wurde. Nach dem Untergang bes 
Königreichs Jrael gewannen die Moabiter die 
Stadt wieder. Später wird fie von Joſephus ald 
von Juden bewohnt, von Eufebiuß als chriſtliche 
Biſchofsſtadt erwähnt. Heute find nur Ruinen 
vorhanden. Die Umgegend zeichnet fih durch 
Fruchtbarkeit aus. 
efiel, ©. rn 
Eobanus. ©. Eobanus. , 
Johann. Geb. 1490 zu Nürnberg, ftubirte 
= i ————— warb 1513 Secretär des 
igele o von Breslau, vollendete 1517 feine 
Studien zu Prag und trat auf Reifen in Verbin: 
dung mit den bedeutendften Humanijten, 1519 auch 
u Wittenberg mit Melanchthon und Luther. Als 
anonifus in Neiße und Breslau wirkte er im 
teformatorifchen Sinn bis er Tobe Turzo'3 1520, 
wurde dann Hofprediger des Derioge von Dels, 
bis ihn 1523 der Magiftrat von Breslau an die 
Moria: Magdalena:Kirhe berief, um das reine 
Gotteswort zu predigen. Heß, und nad) feinem 
Borgang alle Prediger, befeitigten ben Meblanon, 


onen ac. ohne ſich ber Sdiction bed 
iſchofs zu entziehen. Er madte fih um das 
Schulweſen und eine evangelifde Ordnung des 


Armenweſens ber Stabt verdient. 1525 trat er 
in ben Eheftand. + 1547. 

Seh, Johann Jakob. Geb. den 21. Det. 1741 
zu Zürid. Der Sohn eines achers; 1760 
—— * * bis 1766 ren eines ale Bee 

interthur, le 8 Pr 
elehrter — riftftellerifchen Arbeiten, bis er 
777 Dialon am Frauenmu u Zürich wurbe, 
1795 Antiftes der Kirche. In diejer Stellung ver: 
aßte er die Prädicanten:, Synodal: und Still: 
nb3-Orbnungen 1803, und war in bebrohten 
— bie Stüße ber Zuricher Kirche. Beſonders 
egensreich hat er durch ſeine Schriften gewirkt 
Gefammtausgade in 23 Bänden 1826). Ge: 
ichte der brei legten Lebensjahre Jeju, 1767. 
ugendgeichichte Jeſu, 1773. Kern der Lehre vom 
Gottes, 1819. Geſchichte der Jfraeliten, 12 
Bbe., 1788, u. a. Huch mehrere Sammlungen von 
Predigten. Bei der Säcularfeier der Reformation 
wurbe er Dr. theol. zu Tübingen, Jena und Ko: 
—— Seit feiner Krankheit 1819 trat er als 
Dre iger nicht mehr auf. + 1828. 
Seffel, Leonhard. Er war Profeffor der Theo: 
logie zu Löwen, wurde 1551 zum Concil nad 
Trient geſchickt und ftarb dort. Ihn vertrat wäh: 
rend feiner Abwejenheit Bajus. 

18, Johann. Geb. 1522 zu Löwen ober 
Arras, war Profeſſor der Theologie in ber Prä- 
monftratenfer » Abtei du Parc bei Löwen, danach 

Löwen. Er war Anhänger des Bajus und ver: 
Ist mit ihm feine Anfihten; wurde auch mit 

m 1563 zum Concil nad) Trient gejandt. Zu: 
rüdgelehrt nad) Löwen ftarb er ſchon 1566. Seine 
meiften Schriften find —— — Am 
bedeutendſten iſt der Katechismus der Glaubens⸗ 
lehren, Löwen 1571 u. 72. In dem Abſchnitt über 
bie Sacramente wird nur Taufe, Firmung und 
Abendmahl behandelt; ungemiß ift, ob ihn der Tod 
an ber Vollendung des Werkes gehindert hat. 

ſſen. Der Reformation hielt fi) der Land: 
graf Philipp der Großmüthige — bis 1524, 
als er verfügte, alle Prediger follten das Volt im 
Evangelium rein und lauter unterrichten. 1525 


350 
wurde Levitenftabt, die bald zu Gab, bald zu | erflä 


Heflen-Darmftabt 


rte er ſich beftimmt für die Reformation, 
[6toß 1526 das Bundniß gu Torgau zu ihrer Ber: 
heidigung und fegte auf bem Reichätag zu Speier 
bie Elaufel der iondfreiheit der Süctten durch. 
1626 berief er La von Avignon, und als die⸗ 
er auf ber Synode zu Homberg den 26. Det. 1526 
eine Thejen vertheidigt hatte, wurde auf derſelben 
Synode fofort eine — chloſ⸗ 
fen (Homberger Kirchenordnung), bie aber wegen 
ihres unpraktifchen Charakters niemals völlig zur 
Geltung gelommen ift. Obwohl Philipp bie 
burgifche Eonfeffion unterfhrieb 1530, neigte er 
doch von je zu Zwingli's Lehre, führte 1536 bie 
Straßburger Concordie ein, hielt ſich feit 1540 an 
die Bariata und bewahrte in den Kirchenor 
1539 u. 1566 nebft dem damit verbundenen 
techismus eine Stellung, die der Concordie ent 
ſprach. Unter Philipps Enkel, dem Landgrafen 
Morig wurde die heffifche Kirche durch bie fog. 
Der Spunfte rajch eine entfchieden ⸗ 
mirie (1605), von welcher die Synode Dortrecht 
beſchickt ward und welche neben dem heſſiſchen Ka⸗ 
techismus von 1607 den Heidelberger Katechismus 
einführte. In neuerer Zeit —* innerhalb der 
heſſiſchen Kirche verſchiedene le Bewegungen 
entſtanden. Als 1888 eine fe ere Stellung 
Geiftlihen zu den Belenntniffen gewährt werben 
ollte, erhob bagegen eine Bewegung von con: 
effioneller Seite (Biel), ber geg ebenfo 
entſchieden von anderer Seite R enkel) Lehrfrei⸗ 
— 
gefa it, ob die irche lut 
ober reformirt ſei — oder melanchthoniſch (Heppe 
— ift nad utachten Richterö und der Mar: 
burger Facultät für das Recht reformirter Kirchen: 
orbnung entſchieden. Die lutherifchen Gemeinden 
in Heſſen ftammen zumeift aus der * ber befien: 
darmftäbtifhen Herrſchaft. Die Kir 
tung wird geführt von ben brei Gonfiftorien zu 
Cafjel, Marburg und Hanau, unter 
duch Superintendenten und Infpectoren, unter 
welchen die Glaffen —— — ſeit der politi⸗ 
ſchen Veränderung von 1 ft eine neue Organi⸗ 
jation zu erwarten. I. Münfcder, Geſch. der 
heſſiſchen ref. Kirche, 1850. Ebert, die Geſch. ber 
ev. Kirche in Kurheflen, 1860. 
‚ Selen» Darmfladt, welches durch ge 
einer jüngeren Linie durch ben j 
Philipps d. Großm. Georg I. entftand, hielt ſich 
im —— Gegenſatz gegen Cafſel der luthe⸗ 
riſchen Kirche und der Concordienformel zugewen⸗ 
det. 1607 ſtiftete Ludwig V. gegenüber den refor⸗ 
mirten Beſtrebungen des —— Morig die 
—— e Univerfität Gießen. Der , 
welchen Zand im Anfange unferes Jahrhun⸗ 
derts an Gebiet erhielt, brachte auch reformirte 
und latholifche Elentente in das Land. Seit 1832 
ift Die gefammte evangeliſche fire Hefjens unter 
eine gemeinſames Kirchenregiment t. Die 
Union befteht nur in einzelnen Gemeinden, nament: 
lich Rheinheffens. Die Landeskirche ift in brei 
Superintendenturen eingetheilt: ng Starten: 
burg, Oberheſſen, Rheinhefjen. Vgl. Hoffmeifter, 
Philipp des Großm. Nachfolger, 1856. — Die 
Katholifche Kirche in Heſſen mit dem Bisthum in 
Mainz ift feit Biſchofs Ketteler Amtdantritt (1860) 
von großem Einfluß auf bie ftaatlihen Verhält⸗ 
niffe des Großherzogtfums. Eine Gonvention, ab: 
geſchloſſen am 23. . 1854, hat der Hierarchie 


Heßhuſen 351 Heumann 
eine überwiegende Macht in bie Hände gegeben, | Heterodoxie iſt die Abweichung vom kirchlich 
an welcher das Land noch heute zu leiden F anerkannten Lehrbegriff. Das Wort drückt alſo 


Heßhuſen, Tilemann. Der lutheriſche Streit: 
theolog, welcher jeden Widerſpruch gegen feine 
uffaffung der Lehre ald grundftürzenden Irr⸗ 
den anfah, und aud wo er berechtigt gegen 
äben und Sünden ftritt, feinem Eifer fein 
Ma F fegen wußte. Begabt und * hat er 
viele bedeutende Aemter geführt, aber in keinem 
längere Ruhe finden können. Geb. zu Wejel im 
Cleveſchen den 3. Nov. 1527, war er bereitö mit 
25 Jahren Dr. theol., Superintendent und Baftor 
——5 zu Goslar, wurde abgeſetzt 1556, weil 
eine er gegen bie Sitten ded Bürgermei: 
ers das Volk aufwiegelten. 1557 wurde er ald 
rofeſſor der Theologte zu Roftod wegen feiner 
wderungen bez. der Kirchenzucht abgelegt. Als 
rofeſſor zu Heidelberg 1557—1559 madte er 
ch — durch ſein ſächſiſches Lutherthum 
und den Abenbmahläftreit mit dem Dialonus 
Klebitz. 1559 — 1560 wirkte er ald Tiemans Nach⸗ 
folger in Bremen gegen Hardenberg. Bon Magde: 
burg (feit 1560) vertrieb ihn der Rath, da er feine 
Gontroveräpredigten nicht laflen wollte, 1562. 
Aus Weſel mußte er weihen wegen einer Schrift 
egen bie Bapiften. Die Hofpredigerftelle zu Neu: 
g, 1565—1569, vertauſchte er mit einer Pro: 
fefiur zu Jena, und befämpfte bie ſächſiſchen Theo: 
logen, bafür von Kurfürften ft 1573 vertrieben, 
wurde er Bifhofvon Sameland zu Rönigäberg, wo 
ihn Wigand ald Irrlehrer (communicatio idio- 
—* —* 1577. In —— en e⸗ 
Ut, kämpfte er gegen Chemnitz u. X. wacker bis 
an feinen Tod 1588. Bon feinen Schriften ift die 
bedeutendſte: examen theologicum, ein dogmati⸗ 
9 eiyhahen. Die mufifge Partei der gitos 
y . Die iſche Partei 08: 
Mönde im 15. Jahrhundert, welche behauptete, 
daß dem von ber Welt abgezogenen Menſchen 
bei rechter Berjentung in ſich Peibit und bei rechter 
Körperhaltung (daher jpottweifeOmphalopsychoi, 
d. h. Nabelfeelen genannt) das himmlische Licht 
ber Verklärun auge und finnlid wahrnehmbar 
fei. Dies Licht ſei ein göttliches, aber nicht ala 
öttliches Weſen, fondern als deſſen Wirfjamteit. 
hnen widerſetzte fih Barlaam (ſ. d. A) und Gre⸗ 
gorius Acindynus, indeß unter dem Einfluß der 
ppolitiſchen Verhältniffe wurde die Lehre der 9. 
auf den 4 Synoben zu Eonftantinopel 1341 — 51 
für rehtgläubig befunden. Vgl. Engelhardt, die 
Arjenianer und en in Illgen's Zeitihr., 
VII. S. 48, und Gaß, bie Myſtik des Nikolaus 
gr .n Eufebius und Hi 
vchius. e und Hieronymus er⸗ 
wähnen einen 3. ald Bearbeiter des Terted ber 
LXX unb bed R. T., deſſen Recenfton in Aegyp⸗ 
ten gebraucht wurde. 2) Ein Presbyter zu Jeru: 
falem um 433, von dem mehrere exegetiſche und 
homiletiſche Ale herrühren; von biefen wer: 
den *xx* chrieben einem 3) H., um 600 Pres⸗ 
byter, dann Biſchof und Patriarch von Jeruſalem, 
an welchen Gregori M. lib. IX. cap. 4 gerichtet 
ift. 4) Der Lerifograph gegen Ende des 4. Jahr: 
hunderts zu Alerandrien. Sein Lexilon gab her: 
aus M. Schmidtsen. 1854—1862. 5) Der Chro: 
nift mit dem Beinamen Jluftris. Nach Suidas 
ri einer Chronik, von welder ein Stüd 
. * e Alterthumer von Conſtantinopel vorhan⸗ 
en i 


nur ein Verhäliniß zu dieſem aus und enthält 
fein Urtheil über die Richtigkeit der —* 
Hethiter. Ein Volksſtamm ber Kanaganiter 
1.Moj. 10,15), welcher zu Abrahams Zeiten um 
ebron wohnte; von ben Iſraeliten nicht ausge⸗ 
zottet (Richt. 3, 5), fondern nur frohnpflichtig ge» 
macht wurde (1. Kön. 9,20). Der Name fteht aüch 
im weitern Sinne zur Bezeichnung der Fanaaniti 
Ihen Bölterjchaften aupt (Sof, 1, 4), na: 
mentli derer im nördliden Paläftina (1. Kön. 
ar ; 2. Rön.7,6). Bgl. Bertheau zu 2. Ehron. 


Geber, Ludwig. Geb. zu Bifhofszell, war er 
Caplan in Wädenſchwyl am Züricher See, flug 
fi auf Dogs eite, indem er namentlich den 
Bilderdient befämpfte (das Büchlein: Vom Ur: 
theil Gottes, 1523), ing 1524 nad Augsburg, 
bis er 1525 als Unrubeftifter wegen feiner Beläm⸗ 
pfung der Abenbmahlälehre des Urbanus —* 
weichen mußte. In Baſel bei Dekolampadius 
überjegte er deſſen Schwabenſchrift und lebte da: 
nad (1526) in Zürich. In Straßburg verband er 
sich mit Denk zur Meberfegung der Propheten, 
bildete dabei feine rabicalen m tiſchen und ſpiri⸗ 
tualiſtiſchen Anſichten von der Schrift, dem Geſetz 
und der Leugnung der Gottheit Chriſti aus, die 
er dann in der Pfalz ausbreitete, bis er beſiegt in 
einer Disputation in Worms mit allen evangell⸗ 
Ichen Predigern ausgewieſen wurde. 1528 fam er 
nad Eonitan;. Hier famen feine fittlihen Ber: 
irrungen in ben Kreijen feiner Anhänger zur Ent: 
dedung, er wurde zum Tode verurtheilt und ent: 
hauptet; fein Tod war erbaulicher als fein Leben. 

Heubner, Heinrich Leonhard. Director des Pre⸗ 
bigerjeminars zu Wittenberg, war geb. 1780 zu 
Zauterbad) im Erzgebirge, erzogen zu Schulpforte 
1793, ftudirte in Wittenberg 1799, wurde 1805 
Docent, 1808 Diafonus und 1811 a. o. Profeſſor. 
Bei ber Gründung des Prebigerfeminard 1817 als 
dritter Director angeftellt, folgte er 1832 dem älte: 
ven Nitzſch als eriter. Er gab die Büchnerjche Hand- 
Concordanz neu heraus. + 1858. _ feinem 
Tode erihien: Praktiihe Erklärung des NR. T. 

Heuchelei ift das Streben durch das äußerliche 
Gebahren die mit Bewußtjein und Willen fejtge: 
— arge Geſinnung zu verbergen oder wenig⸗ 

ens um menſchlicher Rüdfichten willen das als 
gut Ertannte äußerlich zu verläugnen (fo Gal. 2, 
13). Die Pharifäismus genannte Heuchelei meint 
auch im fittlihen Gerichte den innern Mangel mit 
dem äußern Werk zu verhüllen. 

mann, Chriftoph Auguſt „geh. zu Alftäbt 
in Thüringen den 3. Aug. 1681. Nach einer müh⸗ 
feligen Jugend, da er Bater und Mutter früh ver: 
lor, bezog er jehr gut vorgebildet 1699 bie Univer: 
fität Jena, wurde 1702 Privatdocent, machte eine 
litterarifche Reife, lad dann über Philoſophie und 
Theologie, bis er 1709 Inſpector des Seminars 
und Gollaborator am Gymnafium zu Eijenad, 
1717 Rector der Gelehrtenfhule zu Göttingen 
murbe. Bei der Errichtung der Univerfität über: 
fam er die Profeſſur ber Literaturgefchichte zus 

— als a. o. Profeſſor der Theologie, 1745 0. 
Bro eſſor ber Theolog!e, legte er feine Stelle 1758 
nieder, weil er der reformirten Abendmahlslehre 
* zugewandt hatte. + 1768, iflen: Ueber: 

egung des R. T., Hannover 1748. Erklärung 


Heuſchrecken 


des N. T. 1750—63. Erweis, daß bie Lehre ber 
en Kirche vom Abendmahl die rechte ſei, Eis⸗ 
leben 1764. 

Heuſchreden. Obgleich in dem A. T. verſchie⸗ 
dene Namen dieſes Inſectes vorlommen, ſo iſt 
doch durchgehends die große Strich: ober Zug· Heu⸗ 
—— gemeint, welche noch jetzt eine Landplage des 

ients iſt. Bekannt iſt die poetiſche Schilderung 
einer Heuſchreckenverheerung im Propheten Joel. 
Die die Heujchrede ald Speiſe Matth. 3,4 er: 
wähnt wird, dient fie auch noch jegt in Fällen 
der Noth und in verjchiedener Zubereitung zur 
Nahrung. 

viter. Ein fanaanitifher Bolläftamm, ber 
zu ZJakobs Zeiten um Siem mohnte (1. Moſ. 
34, 2), Gibeon — Zeit der jüdiſchen Einwande⸗ 


liche Theil des Vollsſtammes ging 
(2. Sam. 21, 1), der nördliche erhielt ſich länger. 

Heraemeron. Sechs-Tagewerk. Die biblijche 
Schöpfungsgeſchichte. 

apla. Das große Bibelwerk des Drigenes, 

in welchem er ben hebräifchen Tert des A. T. mit 
hebräiſchen und griechiſchen Buchſtaben, die LAX 
und bie Ueberjegungen bed Aquila, Symmachos 
und Theobotion In ſechs Columnen neben einander 
tellte, aud) zueingelnen Büchern noch andere Leber: 
esungen zufügte. Die nicht im hebräifhden Grund: 
texte, wohl aber in ben LXX befindlichen Stellen 
bezeichnete er mit dem Dbelos <>, die wohl im 
Hebräifhen aber nicht in ben LXX gefundenen, 
melde er hier aus Theobotion ergänzte, mit dem 

teristos-: |:-Die Bedeutung feiner jonftigen kri⸗ 
tiſchen Zei ber Zemniöfen —* und Hypolem⸗ 
nisfen — ift nicht Har. Hieronymus fannte das 
Driginal auf der Bibliothek zu Cäfarea. Vorhan⸗ 
ben find nur Bruchſtücke, welche gefammelt find: 
Drusius Veterum int. graec. in totum V.T. 
fragmenta, Arnheim 1622. B. de Montfaucon 
Hexaplorum Or. quae supersunt, 2 T., Par. 1714. 
Neue Ausg. v. Bahrdt, Leipz. 1769, 70. Vgl. Frid. 
Field, Otium Norvicense, Orford 1864. 


n und x erg Der Wahn, daß e3 
dem Menjchen moͤglich wäre, übernatürliche Kräfte 
und untergeordnete Geifter fich zu irdifchen Zwecken 
bienftbar zu machen, rerbunden mit ber mittel: 
alterlihen Ausbildung ber Lehre vom Teufel, 
firirte fich in dem Glauben an Heren und bezog 
die Refte heidniſcher Sitten und Gebräude auf 
deren Gemeinſchaft und Dienft des Teufels. Da 
5.Mof.18, 10 Zaubereials Abgöttereiverbotenwar, 
zog die Kirche die Beltrafung der Hexen in ihre 
Gerichtöbarteit, um fo mehr, als der Libertinis: 
mus und Antinomisnus myſtiſcher und fpiritua: 
liftifcher Seeten, die als Häretifer verfolgt wurden, 
dem Gedanlen einer Gemeinjchaft mit einem böſen 
vr Unfittlichleit verleitenden Geifte Nahrung gab. 

ie Inquifition erftredte fi) daher von Anfang an 
mit auf Zauberei (directorium inguisitorum des 
Nilol. Eymericus). Die Bulle Jnnocenz VILL., 
Summis desiderantes affectibus, übergab das 
Recht fürmlih der Jnauifition; Sprenger und 
—— verfaßten den malleus maleficarum 1487. 

ie bürgerliche Geſetzgebung, 3. B. die ſächſiſche 
Eriminalordnung 1572, nahm dieſen Grundjag auf, 
und bie Anwendung der Folter, um das Geſtändniß 
äuerprefien. In Deutjchland wurden Taufende von 


352 


Hierardie 


Heren verbrannt. en biefe Hexenproceſſe ſchrie⸗ 
ben: Johann u t des di 8 
au Gleve, de praestigiis daemonum, 1668. Sit 
mehr Erfolg die Jefuiten Tanner und Friedrich 
von Spee, Cautio criminalis seu de processibus 
contra sagas Rinteln, 1631. Balthafar Beder, 
red. in Amfterdam, Bezauberte Welt, 1691, End: 
lid Thomafius, Theses de crimine magiae, 1701, 
welche den Bann ber Geſetzgebung braden, ber 
auch den wibermilligen Jurijten zur Berurtheilung 
ber Hexen und zur Anwendung ber Folter gezwun⸗ 
gen hatte. Die legten Heren, welche verurtheilt 
wurden, waren 1749 bie Oberin des Kloſters zu 
Unterzell, 1750 eine rau zu Dueblinburg, 1783 
ein Mädchen zu Glarus. 

Heynlin, Johannes de Lapide. Geb. in Bafel 
um 1434, war er Lehrer in Bafel und Paris, Doc: 
tor ber Sorbonne, und fiebelte 1474 mit vielen 
Studenten nad) Bafel über, wo fein Auftreten 
einen heftigen Streit de3 Nominalismus mit bem 
von ihm vertretenen ariftoteliihen Realismus 
entzünbete. 1477 warb 2% or und Stifts⸗ 
prediger in Tübingen, 1 ector des Chor: 
berrnitiftö in Baben-Baben, 1484 Dombherr und 
Prediger am Münſter zu Bafel, trat dann 1487 
als Mönd in die Karthaufe, + 1496. Er ſchrieb 
einen Commentar zu den logischen Schriften des 
Ariftoteles und vertheidigte Die unbefledte Em: 
plängniß der Maria. 

iddelel, ©. Tigris. 

iemanten, d. 5. Ueberminterer, ift eine Be 
eichnuug für die dem erften Bußgrade Unterwor: 
enen, ſonſt Weinende genannt, welche außerhalb 
der Kirchthüre ftehen bleiben mußten. 

Hierafas oder Hieray. Ein vielje elehrter 
Aegypter, der gegen Ende bes 5. Ja Bundertö 
in Xeontopolis lebte. Nicht nur in vielen Scrif: 
ten, fondern auch durch Bildung eines Aſleten⸗ 
vereind —5 te er ſeine Auffaſſ ung bes Chriſten⸗ 
thums, deſſen Unterfhied vom A. T. er im Verbot 
der Ehe fand. Seine Lehre f fpäter von Epi: 
phanius und Arius ber Härefie befhuldigt und 
auf Nanihäismus zurüdgeführt; näher ſcheint er 
aber der origeniftifchene Lehrweiſe zu ftehen. Hiera⸗ 
fiten find die Mönche, welche 9 ihm anſchloſſen, 
aber von ber Strenge dur Aſkeſe ſpäler abwichen. 

Hierapolis. Stadt ib Groß⸗Phrygien, bekannt 
durch den Dienſt der Cyele. Berlihmt durch Bäder 
und das Blutonium, eine Höhle, welcher ein Dider, 
fhwarzer, tödtlicher Dampf entftieg. Epaphras 
gründete bier die Gemeinde (Kol. 4, 13), unter 
Para Biihöfen Papias und Apollinaris befannt 
ind. 
Hierarchie, Heiligherrichaft, bezeichnet die Amts⸗ 
gewalt und Herrfhaft des Priejterftandes, jomie 
diejen jelbft ald eine in Eiufen geordnete Kör⸗ 
perjchaft, welche mit Vorrechten und Gaben aus: 

eftattet, vermittelnd zwiſchen Gott und dem 

olte fteht, indem fie dieſes beherricht. Die Theo: 
kratie Iſraels hat fich in der nacheriliſchen Zeit zu 
einer Hierarchie auögebilbet. Der Idee des ie 
ftentgums ift fie fremb, aber natürliche hiſtoriſche 
und ya Berhältniffe Irgten den Grund zu 
ihr in den Anfangszeiten des Chriftenthums und 
die Gonfequenz baute das ftaunensmerthe Gebäude 
ber römischen Hierarchie aus. Die Hierarchie bes 
Morgenlandes ift nicht minder gegliedert als bie 
— aber die Uebermacht der Staatsgewalt 
hinderie Die monarchiſche Einheit und eine gleiche 


Hierofles 


Entwicklung wie im Abendlande. Man unterſchei⸗ 
bet eine Hierarchia juris divini, H. jurisdictio- 
nis, H. juris ecclesiastici. Die erfte umfaßt die 
8 Stufen des Bifchofs, des Presbyters, des Dia: 
Ionen, mit verſchiedener Weihe unb danach mit 
—— eiſtlicher Machibefähigung. Das 
Diafonat hat fi nach dem jus. eccles. in 6 Stu: 
en ber Dftiarien, Zectoren, Atoluthen, Erorciften, 
ialonen, Dialonen geftaltet, ben fen 

zum eigentlihen Presbyler, Priefter. Die H. 
urisdietionis umfaßt bie große Menge ber 
lichen Verwaltungs⸗Aemter und der Gerichts⸗ 
barteit, die Rangorbnung ber Earbinäle, Prälaten, 
Erzbifhöfe, Archidiakonen ꝛc, mit dem Bapft 
an ber ’ nad dem Curial: oder Epis⸗ 
lopalſyſtem wirb ft als Inhaber des gan: 
rchenregiments jo gedacht, daß eigentlich von 

{6m alle Macht und Befugniß ausgehe und im 
legten Grund in ihm berube; ober ed wird nad 
bem Epislopalſyſtem der Biſchof ala der eigentliche 
Inhaber der priefterlihen Gewalt A t, fo daß 
der Bapft fie ausübe in Gemeinjchaft der Bi: 
joofr, die auf einer Kirchenverſammlung den Aus: 
den kann. Die Hierarchie ift die katholi⸗ 

je Kirche; die dogmatiſche ng zeigt, wie 
i ran, be Kirche die Ausbildung 
ber zes dingt gewefen ift. Daher erträgt 
bie Kirche wohl Abweichungen in Lehre und Eultug, 
aber feinen Wiberftand gegen bie Hierarchie. Das 
Princip des Proteftantiömus ift der ſchrofffte Ge: 


Be gr alle Hierarchie Sprit man auf pro: | ft 


hem Boden von Hierarchie, fo ift damit 
nur bie Art der H. jurisdictionis, eine Abftufung 
für die Verwaltung größerer oder Heinerer kirch⸗ 
lichen Diftricte gemeint, die aber eine Handhabe zur 
Entfaltung bes hierarchiſchen Weſens geben lann. 
kleb. Ein Gegner des Chriftenthums, war 
Statthalter in Bithynien, Ben 802 die Dios 
eletianifche Chriftenverfolgung. Philoſophiſch ge 
bildet, ſchrieb er gegen das —* den Aöyos 
gQilclndns, welder durch die Gegenjchrift des Lac: 
tantius befannt geworben ift.— Ein anderer 9. ver: 
mer im 5. Jahrhundert zu Alerandrien philo: 
eräiide Gärten. 
ymiten. Einfiebler bed h. Hieronymus, 
.. nad ber Regel Auguſtins lebten, entitan: 
den in verfchiebenen Zweigen; in Epanien durch 
die Tertiarier Vasco und he ung 1870. Der 
Drben berjelben widmete fi) den Wifjenfchaften, 
gelangte zu großem Anfehen (Kiofter St. Juftus 
u Ejtremebura), ift aber verfallen. Die Ordens: 
eidung war ein weißer Leibrod mit lohbraunem 
Scapulier, ſchwarzem Mantel. Die Schweitern die: 
ſes Ordens, geftiftet durch Maria iad von 
Toledo im Klofter St. Paul 1375, legen kein feier: 
liches Gelübde ab. In Jtalien verbreitete fich die 
Eongregation bed b. Hieronymus, 1424 durch 
Zupus Dlivetus (2ope von Dimeba). Bon Mar: 
tin V. beftätigt, vertaufchte diefer Zweig feine 
—5* Regel bald mit der des h. Auguſtin. 
—— bat die Congregation Berbrei: 
sung gefunden, welche Peter Gambacorti 1380 in 
Italien ftiftete. Auch dieſe Congregation milderte 
1444 ihre Regel, nahm die Auguftinifche an und 
befteht noch in wenigen Klöftern. Die Eongrega: 
tion von Fiefole, g durch Karl von Monte 
Granelli 1406, ift aufgehoben. 
ymus, Sopbronius Eufebius. Diefer 
Kirchenvater ift geboren zu Stribon in Bannonien 


353 


Hilarion 


331. Er ftubirte in Rom römische Literatur und 
griehiiche Vhilofophie; machte mehrere Reifen 
und hatte auf einer derjelben in Antiodien ein 
Traumgeficht, welches ihn bewog, alle weltlichen 
Schriften wegzulegen und fich der ftrengften Aötefe 
Mu ergeben. In Antiochien zum Presbyter geweiht, 
ebte er in Rom in engem Verkehr mit dem an 
Damafus und einem Kreife frommer Frauen. Bon 
biefen begleitete ihn die h. Baula und ihre Tochter 
Euftohium auf einer Wallfahrt nad dem Drient. 
. 308 fi in eine Einfiedelei bei Bethlehem zu: 
rüd, wo er 420 ftarb. Um dieſelbe erhob fich ein 
Frauenflofter (Paula) und ein Möndätlofter. So 
wenig er jelbftändig neue Ideen entwidelt hat, fo 
fehr tft er doch durch feine gelehrte Thätigkeit von 
größtem Einfluß auf die Kirche geweſen, und feine 
aſtetiſche Richtung hat dadurch auch auf fpätere 
Zeiten gewirkt. Ueber Alles hoch hielt er den Ruf 
der eigenen Orthodoxie. Bon feinen vielen Werten 
ift das wichtigſte feine Vibelüberfegung (N. T. 
nad) dem Cod. Amiatinus —— v. Tiſchendorf 
1854, nach dem Cod. Fuldensis von E. Ranke 
1868), aus welder in Verbindung mit ber alt⸗ 
lateiniſchen Bibelüberfegung (Itala) die Bulgata 
rg ift. Seine Eommentare über dad 

Ite und Neue Teftament ftellen ein reichhaltiges 
und jhägbared Material zufammen. Er bat den 
Grund gelegt zu biblifcher Archäologie und Patri⸗ 
ftit. In anderen Schriften ift er der eifrige Ver: 
theibiger der Jungfernſchaft der Maria, des Fa: 
end, ber Märtyrer: und ————————— 
daß Luther ſehr I ee über ihn urteilt. Der 
gehäffige Streit, durch feine Preiögebung 
des Früher von ihm hochverehrten Drigenes mit 
Rufin entftand, war nicht im Stande der Nachwelt 
ein reines Bild von feinem Charakter zu überlie: 
fern. Seine Werle gaben heraus: Erasmus, Ba: 
jel 1516 — 1620. Marianus Bictorius, Nom 
1566. Adam Tribbechovius, Frantf. 1684. Dor 
minicus Ballarfi und Scipio Maffei 1734—1740. 
Bol. Zödler, Hieronymus, Gotha 1865. 

Hieronymus von Prag, eigentl. v. Faulfifch, 
war zu Prag aus edlem Geſchlecht zwiſchen 1360- 
1370 geboren. Nachdem er in Prag, Heidelber 
Köln, Bari und Orford ftudirt hatte, verbrei 
er in feiner Heimath die Lehren und Schriften 
Wiclef3. Seiner Gelehrfamteit wegen berief man 
ihn zur Organifirung der Univerfität Krakau 1410 
und nad Ungarn; Bier entging er nur mit Mühe 
der Berfolgung der Geiftlichleit. In —— 
er ſich eng an u an, und er gab feiner Dppoſi⸗ 
tion gegen Rom jehr kräftigen und augenfälligen 
Ausdrud. Er begleitete Huß nad Coſtnitz; ver: 
ließ es aber nad) deſſen Verurtheilung; wurde in 
Hirſchau gefangen, verftand ſich nach harter Haft 
zum Widerruf den 23. Sept. 1415. Bon neuem 
angellagt, nahm er biefen Widerruf zurüd, be: 
zeugte fräftig vor dem Eoncil die Wahrheit, wurde 
verurtheilt den 30. Mai 1416 und erduldete ſtand⸗ 
haft den Tod. 

Higden, Ralph. Benebictinermönd zu St. Wer 
berg in Chefter. + 19363. Er ift Verfaſſer des 
Geſchichtswerkes Polychroniei libri 7, weldes 
bis 1357 n. Chr. geht; es wird oft benugt und ift 
von Carton 1482 ——— 

Hilarion, der Heilige. Geb. um 288 zu Tabathe 
bei Gaza (21. DOct.). Ein Schüler des 5. Antos 
nius, übte er die ftrengfte Aſteſe in der Wüfte 
Majuma bei Gaza und erlengte ie großer 


be) 


Hinnom 


356 


Hiramı 


Dntel und Metropoliten und bem König Karl dem von Manchen (Ewald, Deligich :c.), weil fie im 
Kahlen. In denfelben wurden zuerjt die Echtheit Zufammenhang feing pafjende Stelle einnehmen, 


und Gültigkeit der pſeudoiſidoriſchen Decretalen 
behauptet und bejtritten und die Beranlaffung dazu 
(ag in dem eigenmädhtigen Verfahren H., der ſich 
der Aufficht des —— ofs und der Gewalt des 
Königs zu entziehen juchte, und als der König 
feine Einkünfte mit Beſchlag belegte, das Inter: 
diet über feine Diöcefe ausſprach Hincmar von 
Rheims fügte ihm gegen den König mit dem 
Sage, daß nur die Provincialfynode einen Biſchof 
richten dürfe. Ebenfo entjchieden trat H.v.R. gegen 
Hinc. von Zaon auf, ala derjelbe fi dem Spruch 
der Synode zu Verberie 369 und dem Abſetzungs⸗ 
urtheil derjenigen zu Duziacum 871 durch eine 
Appellation an den Papſt entziehen und diefe durch 
pſeudoiſidoriſche Decretalen üben mollte, welde 
die Rechte der Mettopoliten und Synoden beſchränk⸗ 
ten. Karl der Kahle ließ H., um ihn an der Reife 
nad Rom zu Bindern, einterfern und ihm die Augen 
auöftehen. Der Papft mußte 876 die Abjegung 
—— ihm aber 878 die Erlaubniß, Neffen 
zu leſen. Die Zeit feines Todes ift ungewiß. 

Hinnom, Das Thal im S.:M. von Jerufalem 
vor dem Ziegelthor, in welchem der Molochädienft 
gefeiert ward, und welches deßhalb bei den Juben 
ein Gegenſtand bed Abſcheus, ein Gegenftüd ber 
Hölle wurde. Jof. 15, 8; Matth. 5, 22, 

—— bei den Hebrüern. S. Lebens: 
irafen. 

Dinterlage, Beim Mangel von Berfhreibungen 
und Schuldjcheinen wurde bei den Hebräern das 
Darlehen durd) Hinterlage gefichert. Beftand das: 
—* in einem Stück Viet, jo haftete ber vo. 

t Diebitahl, aber nicht für gewaltthätigen Raub 
durch Menſchen oder wilde Thiere (2. Mof. 
22, 10 ff.); bei beweglichen Gegenſtänden haftete 
er aber auch nidjt für Diebftahl, Die betrefjende 
Berfiherung fonnte durch einen Eid befräftigt 
werden. 

Hiob. Das Bud Hiob ift ein Lehrgebicht, 
welches das Räthſel zu löfen ſucht, wie es uns 
beſchadet der Gerechtigkeit Gottes geſchehen bönne, 
daß auch der Fromme von Leiden und Trüb— 
fal heimgeſucht werde. Das Bud begründet die 
Anſchauung, daß das Uebel zwar den Scdul: 
digen wie den Unjchuldigen treffe, daß aber 
Gott dennoch über demfelben walte, eö be: 
ſchränke und den Guten nicht untergehen laſſe, 
fondern ihn, wenn er ſich bewähre, ſiegreich aus 
allcın Kampf hervorgehen laffe, jo daß der unſchul⸗ 
dig Yeidende fi dem unergründlichen Rathſchluß 
Gottes demüthig und vertrauend ergeben müſſe. 
Dieſer Lehrinhalt wird an der Geſchichte des Hiob 
als thatfählich vorgeführt und in Wechjelreden 
Hiobs und feiner Freunde, über welche eine Rede 
Jehoda's das indirecte erg fällt, erörtert. 
Ueber die Zeit und den Ort der 
fen noch die Meinungen. Der Dichter verlegt 
zwar die Fabel ſeines Gedichtes in die fernfte Ba- 
triarchenzeit, aber die religiöfe und fittliche Auf: 
feffung, die Abhängigkeit von den Propheten Je: 
jaja und Jeremia und ähnliche Erfcheinungen mwei- 
fen auf eine jpätere Zeit, nad) Umbreit u. X. auf 
die Zeit des Babyloniſchen Exils. erg ber. 
iegen e3 freilich in die Salomonifhe Zeit. Daß 
es in Aegypten gefchrieben jei, wird aus der pracht⸗ 
vollen Bejhreibung des Nilpferdes ꝛc. geſchloſſen. 
Viel verhandelt ift über die Reden Elihus, welche 


bjaffung jhmwan: | i 


ür interpolirt, von Andern aber (Stidel, Schott: 
mann, zum Theil auch Riehm in Rudelbach's Iu: 
theriſcher —— 1866, ©. 807—309) als echt 
vertheidigt werden. Das Verſtändniß bed zn 
wurde durch bie mangelhafte Ueberſ berL 
und ber Jtala ben envätern verſchloſſen; die 
reformatorifche Zeit fagte den Sinn des Ganzen 
beſſer, aber nicht das Einzelne. Verbienft um das 
Berftändniß erwarben fi durch ihre Commen⸗ 
tare: Umbreit 1824; Ewald 1851, 2. Aufl. 1854; 
Dirzel 1839, 2. Aufl. von Dishaufen 1852; Stidel 
1842; Hahn 1850; Schlottmann 1851; —* 


1864. Auf die Strophenform machte Köſter 
—5 — in kirchlicher Schriftfteller des 8 
‚ein fir e 
Jahrhunderts, der Bifchof zu bei Rom, 


wenn nit in Rom felbjt gemejen und ald Mär: 
tyrer geftorben ift. Da er der Novatianiſchen 
rtei ae, bie Kirche aber fein Gedächtniß 
eht (22, uft), fo wird dies fo vermittelt, 
da man annimmt, er habe ſich vor feinem Tode 
ber Kirche wieder zugewendet. Eufebiuß und Hiero- 
mus erwähnen feine Schriften, deren wa 
niß Dom —— een = feiner Mär: 

rcapelle ge en hat, und welches A 
Hi oriiche, exegetiſche und — —— 
aßt. Die vorhandenen Fragmente gab Fabricius 
1716-1718 in Hamburg heraus. Nach Euſebius ift 
das Alter dieſer Statue nach dem 16jährigen Paſſah⸗ 
cytlus berechnet. Dem Hippolyt wird nun noch eine 
Schrift, Widerlegung der Härefie, zugefchrieben: 
xara nacoy alpeaswv Eleyyog, weldye 1842 auf 
dem Berge Athos gefunden, und von bem erften 
Herauägeber, Miller, dem Drigenes zugeichrieben 
worden ift. In derjelben giebt er zuerft einen 
Abriß der heidnifchen Bbilolo bien und ſchildert 
dann die Härefie, welche er, belonbers die Gnoſti⸗ 
fer, auf diefelben zurüdführen zu müffen glaubt. 
Die Behandlung des Patripaffianismus, der ihm 
noch entgegenftand, ift am wichtigſten für uns 
durch die Schilderung der Zuftände und Vorgänge 
in ber römischen Gemeinde und durch die Bolem 
gegen ben Biſchof Kalliſt, den H. nad feinem 
eigenen Standpuntte des Suborbinatianidmus 
und Novatianismus, worin fih der Schüler des 

tenäus zu erfennen giebt, befämpfte. Vgl. Bun: 
en, Hippolyt und feine Zeit, 1852, Döllinger, 
Hippolytus und Kalliftus, 1863, 

Hippolyt, der Heilige, fol in ber Decianiſchen 
Verfolgung den Märtyrertod erlitten haben. Sein 
Gedächtnißtag ift der 13. Auguft. 

Hippolytuß, des Heiligen, Brüder ber drift: 
lichen Liebe. Aus einem freien Berein, den 1586 
Bernhard Alvarez mit einem bem h. Hippolyt ge: 
meihten Hospital für Armen: und Krankenpflege 
in Merito gründete, bildete ſich eine ation, 
die Sixtus V. beftätigte und deren Glieder bie 
Gelübde der Yrmuth und der chriſtlichen Liebe, 
ber 1700 auch das der Keufchheit ablegen. Die 

rdenstracht ijt ein braunes Gewand. 

Hiram oder Huram, König von rn Er 
folgte feinem Vater Abibaal und regierte 34.5 
Er war Zeitgenofje und Freund Davids und Sa⸗ 
lomo's, falls nicht der Hiram, der dem Davib bei 
feinem Hausbau half, von dem fpäteren gleichna⸗ 
migen Könige, der Salomo's Bauten unterftüßte, 
unterfhieden werden muß. Nad) 2. Ghron. 2,2 


Hirſch 


freilich Tieferte derfelbe Huram beiden ifraelitifchen 
Königen Material und Werkmeiſter zu ihren 
Bradtbauten, dem eg Davids (2. Sam.5,11) 
und dem Tempel (1. Kön. 5, 15 ff.), wogegen 
er außer einer jährlihen Lieferung Weizen, Del 
und Mein, 20 Städte Galiläad als Entſchädi— 
gung erwarb. Salomo verband fich mit ihm, 
um durch bie Ophirfahrten in Jirael Handelöver: 
kehr zu haben. Eine Tochter H. heirathete Salomo 
in fpäteren Jahren und richtete ihr den Aftartes 
dienft ein (1. Kön. 11,1. 5). — Ein König ge 
chen Namens, der aber in der Bibel nicht erwähnt 
wird, regierte 551 v. Chr. — Hiram hieß auch 
der Künſtler, welcher, vom König 9. gefandt, 
das eherne Meer und bie beiden Säulen u. N. 


bildete. 

irſch. Einheimifh in Paläftina und Borber: 
often der Gbelhurig (al, Wialah) und ber 
Damhirſch (Jahmur, WEM). Er gehört zu 
ben reinen Thieren und war ald Wilbpret beliebt 
(1. Kön. 4, 28). Den Dichtern dient der Hirſch 
ala Bild ber zierlihen, beweglichen Anmuth (Hoh. 
a een me) 

en (Pf. 22), auch auf ſein . 42), 
ec Sorge für bie Jungen (Jer. 14, 5) wird an» 
geipiett as 5. mr 14, 5 erwähnte Thier foll 

Bockhirſch fein. Rehe finden fih nit in Pa: 
läftina, und wenn Luther dieſes Wort gebraudt, 
muß bie Gazelle verftanden werben. 


Hirſchau, Benebictiner- Abtei in Württemberg. 
Das Klofter ift geftiftet um 830 durch den Grafen 
Erlafried von Calm und Biſchof Notting von Ber: 
celli. Das Mutterklofter war Fulda. Die Mönde 
wurden um 1000 durch eine Peſt hingerafft. Das 
Calwer Grafenhaus zog die reichen ergangen 
an fih, das Klofter jtand leer, bis Adalbert II, 
non Calw von feinem Onkel, dem Papſte Leo IX. 
1049 zur Wiederhecftellung bes Stift angehalten 
wurbe und bie verfallenen Gebäude nelı aufrich 
tete 1059. Unter dem Abte Wilhelm dem Seligen 
1069—1091 ftieg der Ruhm und ber Reichthum 
des year aufs höchſte. Wilhelm verfaßte auf 
Grund der Eluniacenfer Beftimmungen die Con- 
stitutiones Hirsaugienses, — nicht bloß 
eine ſtrenge Obſervanz und die Beſchäftigung der 
Mönche mit den Wiſſenſchaften geſichert wurde, 
ſondern auch, um dies zu ermöglichen, die Laien» 
Brüder und bie Oblaten eingeführt wurden. Diefe 
Eonftitutionen wurden von den meiſten Klöftern 
Deutihlandd angenommen. Dem Berfall bes 
Klofterlebens im 12. Jahrhundert fuchte man durch 
die Bursfelder Weije 1457 entgegenzuarbeiten und 
es folgte eine neue Zeit der Blüthe,; aus dem 15. 
Jahrhundert ftammen die Öladgemälde des Kreuz: 

am, und der Kirche, und at Soden veranlaßte 

en Abt Trittenheim zur Abfafjung der Annales 
Hirsangienses. Herzog Ulrich führte die Refor: 
mation ein und jandte den Th. Reysmann ala 
evangelifhen LZehrmeifter 1535. Das Interim 
gab das Stift den Katholifen und Mönchen zurüc, 
aber die Klojterordnung Chriſtophs 1556 verman: 


evangelifher Geiftliher. Im 3Ojährigen Kriege 
waren einige Jahre die Katholiten wieder im Be: 
fig defjelben. 1692 zerftörten die Franzoſen die 
Gebäude, und jo murde die —— nach Den⸗ 
lendorf verlegt. Bis 1815 gab es noch Titular⸗ 
äbte von Hirſchau. 


357 


Hirten 


Hirſcher, Joh. Baptift von, katholiſcher Theos 
log. Geb. den 20. Juni 1788 zu Alt: Ergarten in 
Württemberg, ftudirte er zu Freiburg, wurde 1810 
zum Briefter geweißt, 1817 Brofeflor ver Moral in 
Tübingen und folgte 1837 einem Auf nach Freiburg, 
wo er zum geiftlihen Rathe, Domcapitular und 
Decan des Domcapiteld ernannt wurde, + 1865. 
Ein ehrmürbiger Zeuge wahrhaft chriſtlicher Fröm⸗ 
migfeit in ber Tat len Kirche, der auch in der 
evangeliihen Kirche als Kämpfer gegen kirchliche 
Scholaftif Beachtung verdient. Wichtig find noch 
immer: „Ueber das Berhältniß bed Evangeliums 

u ber theologiſchen Scholaftif ber neuern Zeit“, 
übingen 1823 und fein Hauptwerk: Chriftliche 

Moral, 4. Aufl. Tüib. 1850. Außerdem: Katechetif 
4. Aufl, Tüb. 1840) ; Betrachtungen über jämmt: 
iche Evangelien ber Fafien (7. Aufl., Tüb. 1843); 
Geſchichte Je Chriſti (2. Aufl., Tüb. 1840); Die 
katholiſche Lehre vom Ablaß (6. Aufl., Tüb. 1855), 
und viele eingreifende Abhandlungen in der Tüb. 
fath. Quartaljchrift, namentlich: „Ueber die Pflicht 
der Geiftlihen, Glauben zu predigen”, und (1820) 

ide erzwungene Eheloſigkeit der fatholifchen Geiſt⸗ 
ichen“ 

Hirt. Nach ber Bildrede Joh. 10,2; 11, 12 iſt 
Dirt zu einer ſtehenden Bezeichnung des Amtes der 
geiftlichen Pflege ber Gemeinde gemorden und 
geradezu auf den Biſchof und Presbyter übertra: 
gen (1. Betr. 5, 2; Apitg. 20, 8; Eph. 4, 11) und 
das lateiniſche Wort pastor aud in ben 
deutſchen Firhlihen Spraudgebrauh übernom: 
men. Der Unterjchied der gleichmähig dad Amt 
bezeichnenden Worte Paftor und Pfarrer, deren 
Gebrauch jegt nur nah Ortsſitte mechjelt, jenes 
mehr in Norden, dieſes im Süden Deutſchlands 
üblich, ift, daß das erite fih urfprüngli auf die 
Verpflichtung der Cura animarum (Seelenpflege) 

| bezieht, das zweite aber nad) der Ableitung von 

| parochus ben Borfteher der Kirchgemeinde bes 
zeichnet. 

irt Des Hermaß, ©. Hermaä. 

irten. Die Hebräer find urfprüng'h ein 

Hirtenvolt; ein getreues Bild ihres Lebens geben 
noch heute die nomadifirenden arabifchen Beduinen. 
Abraham ift ein Scheit oder Hirtenfürft, der mit 
feinen Knechten jelbft Heine Fürſten beiehden 
tonnte, Die Heerben beftanden aus Schafen, Zie— 
en und Rindvieh, Kameelen und Ejeln. Auch die 
Söhne und Töchter der Eigenthümer hüteten die 
Heerden, unter ihnen ftanden die Knechte. Die 
Berantwortlichfeit trug der Oberfnecht, wie Jalob 
bei Zaban (1. Mof. 31, 38). Der Lohn beftand in 
einem Antheil an der Heerde. Der Hirt trug den 

Krummftab (3. Mof. 27, 32), um ein Thier zu faſ— 

fen, die Taſche und die Schleuder (1. Sam. 17,40); 

zum Schuß und zur Bewachung der Heerde be: 

dienten jie fid) der Hunde und führten wohl aud) 

Waffen gegen Räuber und wilde Thiere, Seit dem 

Aufenthalt in Aegypten werben Heerden von Ka— 
meelen und Gjeln feltener erwähnt, der Ader: 

bau wurde die Hauptbeſchäftigung. Jedoch blieb 


tiojie n nicht nur in Ruben und Gad, ſondern auch auf 
delte es in eine Kloſterſchule zur Heranbildung 


dem Gebirge Juda, in der Ebene Saron und ſonſt 
die Viehzucht ein wichtiger Erwerb und der Hirtens 
—* geachtet. Das Leben der Hirten, wie ſie bei 

acht Wache halten, die Heerde zählen, verirrte 





Stücke ſuchen, ihre Mühen und Entbehrungen 
werben oft geſchildert und als Bild für die Thätig⸗ 


| feit der Könige und Prieiter verwendet, 


r 


Hirtenbriefe 


358 


Hochaltar 


| Hirtenbriefe (f. d. Art. Paftoralbriefe) find bie ; fhen, ober erbaulichen Zwecken. Gie lann ſich 
brieflichen to und Belehrungen eines | entweder enge an den Text der biblifchen Erzäh: 


Seelſorgers an jeine Gemeinde. Solche Hirten: 


lung anſchließen, wie fie jeit der Reformation be: 


briefe erlafien die Biſchöfe regelmäßig zur Bert der | arbeitet zu werben pflegt, ober in freier, jelbft 
Fajten an den Klerus und die Gemeinde und fonft | bichtender und poetifcher Form benjelben weiter 


bei wichtigen eintretenden Umftänden. 

Hirtenflab ift der Krummftab, den bie ifraeliti- 
{hen Hirten führten, um ein Stüd ber Heerde das 
mit zu ergreifen, er dient ald Symbol des Hirten: 
amts und gehört daher zu den Infignien bed Bis 
fhofamtes; bei der Weihe wird er dem Bifchof 
feierlich übergeben. 

Histias, König von Juda (725 — 696), Sohn 
und Nachfolger des Ahas, war einer ber frömms 
ften und dem Jahvehdienſt am aufrichtigſten erge: 
benen Könige. Gleich im Anfang feiner Regies 
rung ließ er ben Tempel reinigen, bie eherne 
Schlange zertrümmern (2. Kön. 18, 4) fammt allen 
Sögenaltären und durch ein feierlich begangenes 
Dfterfeft den Jahvehcultus wieder einrichten. Die 
tiefe fittliche Zerrüttung des Vollslebens war freis 
lich fo raſch nicht zu heben. Auf das Betreiben der 
ariftofratiihen, am Hofe mächtigen Partei, ver: 
weigerte er den Tribut an Afiyrien, welchen Ahas 

ezahlt hatte, und Inüpfte gegen den Rath und 
roß der Warnungen des Jefaja Unterhandluns 
en mit Aegypten an zum gemeinfamen Wider: 
tand gegen Sanherib. Dieler mwanbte fi 711 
egen Aegypten; auf dem Zuge dahin brad) er in 
uda ein und H., in ber Unmöglichkeit Wider; 


ftand zu leiften, mußte den Frieden mit einer) A 


Eumme von 30 Talenten Silber und 10 Talenten 
Gold erfaufen. Sanherib brad) aber deu Vertrag 
und ließ in der ausgeſprochenen Abſicht, das Kö— 


bearbeiten, wie bie Dichtungen Caedmons, wie 
* — — Er (og! 
or ologie, S. Theologie. 

ir Yuan Ruig. Geb. im Anfang bed 14. 
Jahrhunderts, + 1350. Er war Briefterundverfaßte 
während einer über ihn durch den Erzbifchof ver: 
bängten Haft feine allegoriihen Dichtungen, in 
benen er einen Spiegel der Künfte und Fallftride 
ber weltlichen Liebe aufftellen wollte, um vor dem 
Böen abzufhreden. Er verweilt aber nicht felten 
mit —— bei dem, wovor er warnen will, 
und fein Scherz und feine Ironie verfallen mit: 
unter in rohe Ausgelafjenheit. ©. Clarus, fpan. 
Literatur, Mainz 1846, I. 398—427. 

Hitzig, Ferdinand, Theolog des Alten Tefte- 
mentes und Kritiker, geb. den 28. Juni 1807 in 
Hauingen im badifhen Oberland, Brivatdocent 
in Heidelberg, Profeſſor in Zürich, feit 1861 Pro: 
fefior in Heidelberg. Er jchrieb: Begriff der Kritit, 
1831; bes Propheten Jonas Drakel über Moab 
ef. 15. 16), 1831. Der Prophet Zejaja über: 
eht und eig t, 1833. Die Pſalmen, 2 Bbe, 
1835. 36, 2. uf 1863. 65. Oſtern und Pfingften. 
Zur Zeitbeftimmung im A. und N. T. 1837, Im 
furzgef. ereg. Handbuch: KL. Propheten, 1838, 2. 

uf 1852, 3. Aufl. 1863. Jeremia 1841,83, Aufl. 
1861. Prediger Salomo 1847. Ezechiel 1847. De: 
niel 1850. Hoheslied 1855. Ueber Johannes Wat: 
cus 1843. Zur älteften Völker⸗ und Myiben- 


nigreich zu zerftören und wie Iſrael zu behandeln, | gefchichte (Urgeſchichte der Philiftäer) 1845. Die 


feinen Feldherrn Tartan Jeruſalem belagern. 
Die Geſahr wedte alle Kräfte der Bertheidigung, 
aud Jeſaja ermunterte jet das Volk zum mus 
thigen Ausharren, jo daß Tariand Verfuch, durch 
lodende Worte den Abfall des Volkes hervorzu: 
rufen, mißlang. Eine plöglid ausbrechende Peſt 
im Lager Sanheribs (nad) der biblifhen Dar: 
ftelung der Engel deö Herm, nad) Herodot 11, 
Gap. 141ein Schwarm Feldmäufe,meldedie Bogen 
und Köder zernagten), in Verbindung mit der 
Nahriht von einem Aufftand der Meder, nöthigte 
Sanherib, jtatt den Aegyptern entgegenzugeben, 
zu ſchleuniger Umtehr. Bald darauf erfrantte 9. 
und war dem Tode nahe; Jefaja heilte ihn, 
indem er zerbrüdte Feigen auf die Beftbeulen 
legte, und verhieß ihm noch 15 Jahre Leben. Diefe 
15 Jahre Frieden gehören zu den fchönften, bie 
bad Reid) gehabt hat, da der König dem Einfluß 
der Propheten, beſonders des Jeſaja, offen ftand 
und ıhm im Volle Bahn brach. Nach Spr. 25, 1 
wurde wohl in diefer Zeit von Hiäfia Yo eine 
Sammlung von Sprüchen veranftaltet. Die Gejah: 
ren, bie nad) jeinem Tode feinem Bolt bevorftanden, 
hatte ihm Jeſaja verkündigt, als H Willens war, ſich 
mit Merodach-⸗Baladan, dem König von Babylon, 
gegen Afjyrien zu verbinden, und die Gefandten 
dejielben, um feine Macht zu zeigen, in feine 
Schatzlammern geführt hatte. Aber fein Mund, 
„ed möge nur Ruhe und Frieden bleiben, fo lange 
ich lebe”, blieb erfüllt. Vgl. 2. Kön. 18—20; Zei. 
35—39; 2. Chr. 29—82., 

Hispalis, d. h. Sevilla. ©. d. Art. Yfidor. 

Liflorienbibel ift eine Zufammenftelung bibli— 
her Geſchichten zu bejtimmten, meift pädagogi: 


prophet. Bücher des U. T. überjegt 1854. Die 
Sprüde Salomos 1858, 
Hoba oder Choba. 1. Mof. 14, 15; Judith 
4,4; 15,4. Ein Ort nörblid von Damascus, 
bid wohin Abraham den Kebor:Laomer verfolgte. 
Sn der riftlihen Zeit wird dort eine Ebionilen⸗ 
gemeinde erwähnt, welche die jüdifchen Religions 
gebräuche feithielt. 
obbes, Thomas, geboren ben 5. April 1588 
zu Malmesbury in England, ftubirte 1603-1608 
in Oxford —— Logik und Bänfit, machte 
darauf als Erzieher größere Reifen und trat 
mit ben wifienfhafttihen Größen der Zeit in 
Verbindung. In fein Vaterland zurüdgelehtt, 
mußte er ald Royalift fliehen und wurde in Paris 
Erzieher des nachmaligen Karl II. In Ungnade 
gefallen, floher wieder nad) England. Er erhielt von 
arl II. eine Penſion. + 1679. Die Philoſophie, 
als die durch richtiges Denken erworbene Kennt: 
niß der Urſachen und Wirkungen, theilt er in eine 
natürlihe und politifche. Als das Grundprincdp 
des Weltiebens betrachtet er den Krieg Aller gegen 
Alle; der Staat ift die freiwillig gewählte Anflalt, 
den Frieden unter ben Menfen zu erhalten; 
deßhalb ift eine unumſchränkt höchſte Gewalt nö: 
thig. So treten bei ihm die fittlihen Gedanlen 
jehr zurüd; und da er auch Gott einen Körper 
nennt, weil er Körperlofes ſich nicht denfen Tann, 
fo ift er öfter des Atheismus beſchuldigt. Seine 
———— Elementorum philos., 1642—1655; 
e natura humana et corpore politico, 1650; 
Leviathan, 1651; Quaestiones de libertate, 


1656, 
Hodaltar. S. Altar. 


Hochamt 


iſt die Meſſe, welche mit Geſang, 
—— Vornahme der Ceremonien und unter 
ſſiſtenz der Levilen und Kleriler begangen wird. 
chtirche. S. England. 
ochmann, Ernſt Chriſtoph von Hochenau, ein 
Separatiſt, geb. 1670 zu Lauenburg aus gemiſch⸗ 
ter Ehe von einer fatholifhen Mutter. Erzogen 
in Nürnberg, wohin feine Eltern verjegt waren, 
dirte er in Halle und wurde dort 1698 feines 
ietismus wegen arretirt. Er trat in Verbin: 
dung mit Arnold und Dilthey und bemühte fi 
längere Zeit um Jubenbefehrung. Einer Berfol: 
ung bed Pietiömud zu entgehen, lieh er fi) im 
ittgenſteinſchen nieder unter dem Schutz der 
Gräfin Hedwig Sophie zu Berleburg. Aber von 
ihrem Bruber, bem en zur Lippe, unter Miß⸗ 
—— vertrieben, begann er ein Wander⸗ 
eben mit vornehmen und gleichgeſinnten Freun⸗ 
ben, um bur ammlungen und Anfpraden 
Ermedungen hervorzurufen; hatte aber in Det: 
molb 1702, in Hannover 1703, in Nürnberg 
1708-1709, in Halle 1711 Gefängnißftrafen aus: 
Imre und als er am Niederrhein feine Wirk: 
mfeir begann, traten ihm allerorten bie Pred: 
byterien und Synoden mit Hülfe der Magiftrate 
entgegen. Endlich fand er eine bleibende Zuflucht 
wieder in Schwarzenau, wo er in feiner Friedens: 
hütte ein eingezogenes Leben führte, mit den er: 
wedten Kreilen durch Reifen und Briefe in fort: 
bauernber Berbindung, biß er 1721 ſtarb. Ter: 
fteegen Kau ihm eine Grabſchrift. Seine Lehre 
ergiebt fi) auß einem Glaubendbelenntniß, wel: 
ches er 1712 dem Grafen zu Lippe:Detmold über: 
ne Darin ſpricht er ſich ald Separatift gegen 
inbertaufe und äuferes Kirchenweſen aus, ver: 
langt volllommene Heiligung und will das Abend» 
mahl nur für die Kinder Gottes zulaffen. Eigen» 
mlich ift feine, ber Gichtelſchen vermanbte 
etheorie ihren fünf Graben. In fpäteren 
Sahren, als unter feinen Anhängern fi wieder: 
täuferifche Anfıchten ausbildeten, wurde er gegen 
das ge zeige milder, ohne jedoch fich felbft 
irgend einer Kirche anzufchliefen. Seine Geg- 
ner nannten ihn einen verrüdien Bietiften, feine 
J einen herrlichtn Mann. Bol. Göbel, 
Geſch. 
ochmeiſter. S. Deutſchorden. 
ſchulen. S. d. Art. Univerfitäten. 
R* S. Stift. 
qſtraten. S. Hoogſtraten. 
ochwart, Laurentius (Tursenreutanus). Geb. 
Tirſchenreut in der Pfalz 1498, ſtudirte er zu 
eipzig, war Borfteher einer Schule in 03 
15283—1526, hörte in Ingolſtadt 15 15 
theologiſche Borlefungen, war banad) 1528 an 
verjchiedenen Orten, zufeßt in Regenäburg Pre: 
biger, 1531 Domprebiger in Eihftädt, 1536 Dom: 
zu Regenäburg und 1546 zu Paffau; ala 
bes Biihofs von Regendburg nahm er 
Theil am Tridentiner Goncil. + 1570. Bon feis 
nen Predigten und hiſtoriſchen Schriften ift das 
Meifte ungebrudt geblieben. Defele gab in 
Script. rer. boic. feinen Catalogus ratisponen- 
sium episcop. heraus, 

Hohmwürdigfled Gut heiken bei den Katho— 
liken die conjecrirten Elemente des Abendmahls. 
Nach der Transfubftantiationdlehre gebührt den: 
felben die Anbetung, Cultus latriae. Der Gipfel 
dieſes Eultus ift die feierliche Ausftellung bes 








359 


608 von Hoänegg 


Allerheiligften und bie theophorifhe Proceffion 
bed Frohnleichnam. 

Hochzeit bei Den Juden. Der Bräutigam führte 
mit feinen Begleitern (Richt. 14,11; Matth. 9, 15) 
die Braut von ihren Gefpielinnen begleitet (Hohl. 
3, 6 ff. ; Matth. 25, 6) Abends im feitlichen uge 
in fein Haus. Hochzeitsfeierlichkeiten, Schmaus, 
Tanz und Gefang ſchloſſen fih 7 Tage lang daran 
an. Eine eig größere Feier fund nicht Statt, 
ein Segenswunſch über da3 Brautpaar (Nuth 
4,11; 205.7, 15) ift natürlicher Ausdruck ber 
(religiöfen) Empfindung. Nach 5. Mof. 22, 18 
gehörte die Unterjuhung bes Brautbetted nad 
der Brautnacht “ den Nothwendialeiten der Ho 

eitfeier. Bei den heutigen Juden ift auch die 
Race nicht mehr bloß Familienact. Ueber die 
rautleute wird in ber ee ber — — der 
Gebetsmantel gebreitet, es folgt der Verlobungs⸗ 
egen, die Segnung des Brautringes, ein Becher 
ein, von dem bie Neuvermählten gemeinſam 
gr und das Gebot der 7 Hochzeitfenen, 
piel und Tanz (Gebotätany) werden ald religiöfe 
Pflicht zur Erheiterung der Brautleute angejehen. 

Hochzeit in der chriſtlichen Kirde, Die außer 
firdliden Gebräuche find überall verſchieden 
und — in ihrem Urſprung bis in die heid— 
nifche Zeit zurüd. Bon den kirchlichen Gebräuchen 
ift zu erwähnen: Annahme des Chegelübdes 
unb bie Einfegnung, ferner der Wechfel der Ringe, 
das velamen nuptiale, mit welchem die Braut: 
leute während der Fürbitte verhüllt wurden. 
Die — des Brautpaars wurden während 
der Trauung mit einem Ende der prieſter—⸗ 
lien Stola ummunben, oder es wurden bie Sleus 
vermählten mit einer weißrothen Binde (vitta 
nuptialis), um die ungertrennlihe Verbindung, 
die Reinheit des Lebens und bie Fruchtbarkeit bes 
Blutes anzubeuten, zufammengebunden. Auf die 
Einfegnung folgt die Mefle und ein Opfer. Der 
— iſt nicht mehr Sitte. Die frühere 

ommunion ebenfalls abgekommen, haufig ift 
aber aud) in brr evangelifd,en Kirche Sitte, daß 
die Brautleute kurz vor der Hochzeit am Abends 
ern theilnehmen. Beim Ausgang aus der Kirche 
wird an vielen Stellen dem Brautpaar Brod und 
Wein, oder eine gebrodyene Hoftie zum Genuß 
dargeboten. Die Einfegnung des Ehebettes, die 
fonft am Brautabend ftattfand, ift außer Uebung 
ober geloieht am Morgen des Trauungdtages, 
Roh iſt zu erwähnen, daß in früherer Beit ber 
Brautführer ald in einem ähnlichen Berhältniß 
u den Eheleuten wie der Pathe zu dem Täufling 
Hehenb betradjtet wurde. In der evangelijchen 

irche finden fich als Ortsſitten von diefem Allem 
einzelne Ueberreſte, gehören aber nirgends zum 
Ritus, Der Brauthimmel, der Erfa des vela- 
men nuptiale ift jedod in Schweden feftftehende 
Sitte. 

Hodadfaſten ift das große Mtägige Faften in 
ber abyffiniichen Kirche, 

908 von Hoönegg, Mathias, ſächſiſcher Ober: 
none: Aus einem altabligen Geſchlechte 

580 in Wien geboren, ftudirte er zu Wittenberg 
1597-1602, wurde 1602 Hofprediger des KHurfürs 
en Ehriftian II., dann Superintendent von 
lauen, Director der evangeliichen Stände des 
önigreich Böhmend und 1612 Oberhofprediger 
in Dresden. Leidenjchaftliher Hab gegen den 
Calvinismus, hat ihn feinen großen Einfluß beim 


Höfling 


360 


Hölenfahrt 


Kurfürften dazu anmenben Laffen, fi ber Sache reich an Höhlen, die als Zufluchtöftätten häufig 


Friedrichs III. von Böhmen u anzuſchließen, 
erſt die höchſte Noth nach dem Reſtitutionsedict 
1629 und die Landung Guſtav Adolfs konnten ihn 
bewegen 1681 fogar in feinem Haufe die Unions⸗ 
beiprechung —— Reformirten und Lutheranern 
u halten. ſtimmt nicht zu dem Haſſe gegen 

eſuiten und Papismus, den evangel (des 

andbüchlein mider dad per um 1618 unb 
eine Apologia contra Bellarminum zur Schau 

agen, daß er als politiicher Rathgeber feines 


ürften immer das Intereffe des katholifchen | ber 


eſterreichs vertrat, und der Berdadt, er ſei der 
Beitehung nicht un ugänglic geweſen, findet vie 
fen Anha Sedenla 8 ift er auf das Geſchick 
Deutiälands im 3Ojährigen Kriege von großem 
Einfluß geweſen. Außer feinen Streitihriften 
verfaßte er einen Commentar zur —— 
öfling, Joh. Wilhelm Friedrich. Geb. 1802 
in roßenfeb bei Baireutb, erhielt er feine Bildung 
auf dem Gymnafium zu Bair und zu Erlan: 
en, ward 1823 Stabtoicar in Würzburg, 1837 
farrer zu St. Jobft bei Nürnberg, 1833 o. Pro: 
jefjor ber Theologie zu Erlangen und Ephorus 
es theologiſchen Studiums 1833 — 1848, 1852 
DOberconfiftorialrath in Münden. + 1853. Das 
betanntefte Wert 9.3 ift: Grundſätze evangeliſch⸗ 
futherifher Kirchenverfaffung, in welchem er die 
Theorien des geijtlichen Amtes im Gegenfaß gegen 
bie fatholifirende Richtung entwidelte. Außerdem: 
Das Sactament der Taufe, 1846 — 1848. De 
symbolorum natura, 1841. Bon der Gompofition 
des hriftlichen Gemeinde:Gotteädienftes, 1847. 
Höhen. Bon den älteften Zeiten an find bie 
Höhen Stätten des Gotteödienftes, jo opferte 
Abraham au, Moriah;; feierliche Opfer wurden auf 
Höhen dargebracht, Horeb, Sinai, Ebal, 5. Moj. 
‚4; J 8,33. In der Richterzeit finden ſich 
mehrfach Altäre an heiligen Stellen, nicht bloß als 
Privat: und Familienaltäre (Richt. 2, 5; 6, 11. 
24; 1.Sam.24,18; 1. Chr. 21, 26), fondern auch 
Samuel (1. Sam. 9, 12), Saul (1. Sam. 15, 12), 
Salomo (1.Kön.3,3 ff.) opfern noch auf Altären, 
welche auf Höhen errichtet find. Diefe ältere Cul⸗ 
tusfitte mid) erft allmählich nad} der Aufrichtung 
des Tempel3, und als das Bolt ftaatlich und religiös 
Fri centralifirt worden war. Aſa fchaffte die 
Höhen noch nicht ab, ebenjowenig Jofaphat 1. Kön. 
15, 12. 14; 22, 44), Joas und Jotham (2. Kön. 
15, 35), erjt von Hiäfia wird gejagt, daß er (2. 
Kön. 18, 22) die Höhen und Altäre Jehovahs ab: 
eichafft Habe. Neben diefem Dienft Jahveh's auf 
en —— fand aber am meiſten der heidniſche 
Gbtzendienſt feinen Ort, von welchem das Geſetz 
die Iſraeliten nicht ftreng genug abhalten konnte. 
Dieſer Gögencultus band fid nit nur an bie 
natürlihen Höhen, fcndern errichtete Fünftliche, 
ftellte auf biefen Altäre, Säulen oder Zelte auf 
Ez. 16, 16; 2. Kön. 23, 7), jo daß Bamah ge: 
rabezu nicht nur Höhe, fondern Gögenaltar heißt 
(2. Chr. 14,2 ff.; 17,6). Diefer heidnifche Höfen: 
dienft fchlich fi) unter Salomo wieder ein (1. Kön. 
11,7); unter Rehabeam * Kön. 14, 23), Abia 
1. Kön. 15, 3), Joram(2. Kön. 8,18) und Manaſſe 
2. Kön. 21, 3). Im Reiche Jfrael dauerte er bis 
n bie fpätefte Zeit, da er an dem Dienft ber 
—— Kälber auf den Höhen von Dan und 
ethel einen vermittelnden Uebergang hatte. 
Böhlen. Die Kallſteingebirge Baläftinas find 


erwähnt werben (Richt. 6, 3; 1. Sam. 13, 6), fo 
bei Lot (1. Mof. 19, 30), die Höhle Mafkeda (Jof. 
10, 10—29), in ber 1 bie 5 Kanaanitertönige 
verbargen; bie Höhle Adullam, in welcher David 
eine Zuflucht vor Saul fand (1. Sam. 22, 1 ff.); 
bie Höhle in ber Wüfte Engebbi, in ber ſich Da- 
vid verftedte (1. Sam. 24, 4 ff); bie Höhle des 
Obadia, in der er den Propheten ver (1. Kön, 
8,4); bie Höhle des Elias am b (1. Kon. 
19,8. 9); die Höhle des Berges Nebo(2.Makt.2,5),in 
Jeremia die Bundeslade verftedt haben fol. 
Wie Abraham die Doppelhöhle Makphela zu He: 
bron zum Erbbegräbniß laufte (1. Moſ. 23, 9), fo 
dienten die Höhlen überhaupt ald Grabftätten. 
Hölle. Der Name kommt von der Hel, ber 
Göttin der Unterwelt der deutfchen Mythologie. 
In der Bihelüberfegung Aut bient er var Be: 
zeihnung von Hades und eol, melde nit 
ganz gleichbedeutend find mit unſerem Begriffe 
„Hölle”, da biefer den Drt ber ewigen Berbamm: 
niß, jene nur ben Drt eines Fach eng re be 
zeichnen. Aehnlicher ift die Bezeihnung Gehenna. 
S. b. Art. Habes, Gehenna. 
Höllenfahrt. (Descensus ad inferos.) Aus uns 
beftimmten Angaben der h. Schrift von einem 
inabfteigen Chriſti (Röm. 10, 7; Apftg. 2, 31; 
b. 4, 8—10; 1. Betr. 3, 19) hat fi allmählich 
die im 4. Jahrhundert entjtandbene Lehre von 
Hinabfteigen Chrifti in die Welt der Tobten zwi: 
hen jeinem Tode und feiner Auferftehung ent: 
wiclelt. Uebrigens ift an ber erften und zweiten 
Stelle nit von einer Habeöfahrt, jonbern nur 
vom Tode überhaupt, an der zweiten höchſt wahr: 
fheinlich vom Herabfteigen Jeſu auf Erden, und 
nur an ber letzten von einer Predigt Chrifli 
an „bie Geifter im Gefängniß” die Rebe. Im 
Symbolum erfheint die Lehre vereinzelt (in der 
Aquilejenfifhen Formel) im 4. Jahrhundert, erſt 
im 7. allgemein. Man verftand den Borgang 
meift nur von der Seele Jefu und mis dem 
einer Erlöfung guter Juden und Heiden. Diefe 
Vorftellung hat fih auch ſpäter die ges 
Kirchenlehre angeeignet er orthod. I. 49). 
Nach der Entwidlung der ſcholaſtiſchen Lehre von 
dem Fegfeuer und dem limbus patrum, fam in 
der römischen Kirche die Borftellung von einer 
Fahrt des ganzen Chriftus in jene unteren Räume 
auf, in welcher er bie frommen Bäter von ber 
Macht des Teufels befreite. In der reformirten 
Kirche wurde bie Höllenfahrt nur ald Bezeichnung 
des Todes überhaupt, namentlich in Verbindung 
mit den Nengften und Schreden des Todeslam⸗ 
fes betrachtet (Heidelb. Kat. 44). Dagegen if 
e ber lutheriſchen Kirche zu einem Act ber Er- 
böyung Chrifti geworden, in welchem Chriftus ſich 
ben Berbammten als glorreihen Richter darftellt, 
entgegen ber arme bersig bie Höllenfahrt 
fei ein ftellvertretenbes Leiden der Höllenftrafen 
gemwejen und geböre zum Stande ber Erniebrir 
gung. (Vgl. die Concordienf. darüber.) Die Ra- 
ionaliften faßten den Ausdruck bildlich in ver: 
ſchiedener, gewöhnlich willfürlicher Weife. Schleier: 
macher nahm die Erzählung als Mythus, Andere 
fanden darin bie Idee ber ag a er ber Er: 
löfung, wieder Andere ſuchen biblifhen Kern 
der dogmatifch vielgejtalteten Lehre. Vgl. Dietel⸗ 
meier, Hist. dogmatis de desc. Ch. literaris, 
1741; König, die Lehre von Chriſti Höllenfahrt, 


Höllenitrafen 


361 


Hoffmann 


1842; Güber, bie Lehre von der Erſcheinung Jefu | mit Amsdorf in einen Streit, ber bitterer wurbe, 


ChHrifti unter den Todten, 1853. 
ſchieden ift die yrage durch A. Schweizer: Hinab⸗ 


gefahren zur Hölle als Mythus ohne biblifche Be: Ä 


ndung durch Auslegung ber Stelle 1. Betr. 8, 
7—22, Zürich 1868, 
öllenftrajen werben im Neuen Teftamente (vgl. 
Jei.66, 24) ——— 
meift bildlich: ein Verſtoßenwerden in die äußerſte 
Finfterniß (Matth. 22, 13; 2, Betr. 2, 17), ein 
ewiges Feuer (Matth. 7, 23; 25, 41; Difenb. 
19, 10. 11; 20, 15), ein Wurm, der nicht ftirbt 
(Matth. 9, 46), oder we „Berbammnif;”, 
„Bein“, „Berderben" (2. Set. 3,7; 2. Thefl. 
1,8. 9; Röm. 2,9). Die Berftoßung in biefen 
Zuftand gefchieht beim Gericht (Matth. 13, 42), 
aber au ſchon gleich nad) dem Tode (Luc. 16, 
22, 28). Die Emwigfeit der Höllenftrafen ift im 
NR. T. nicht gerade behauptet, da ber Ausdruchk 
alsivıog (ewig) nicht immer fireng. zu nehmen ift, 
aber ebenfomwenig ift die Idee einer MWieberbrin: 
gung klar aus dem bildlichen Ausdrud zu erken⸗ 
nen. ©. au u Bol. Erblam, Stud, 
u. Krit,, 1838; Georgi, Zeller Jahrb. 1845; 
Seller, ebenda 1847. 
Hofader, Ludwig. Geb. ben 15. April 1798 zu 
Wildbad, erhielt er feine Bildung auf den Semina: 
rien zu Raulbronn und Schönthalund 1816 aufber 
Univerfität Tübingen, war dann Bicar zu Stet- 
ten, Blieningen und Stuttgart und 1826 Pfarrer 
zu Rielingöhaufen, + 1 Seine Predigten (1. 
ui 1827) find in Taufenden von Exemplaren 
verbreitet. Durch fie hat er mehr als vielleicht ir: 
genbein Anderer ber neueren Zeit auf Verbreitung 
einer ernfä:pietiftifchen, bie fühnende Genugthuun 
Ehrifti zum Mittelpunkt machenden Gläubigteit 
in weiten Kreifen hingewirkt. — Wilhelm, ber 
Bruber des Borigen, geb. 1805, war 1828 Vicar 
feines Bruders, danach Repetent in —— 
1836 Diaconus in Stuttgart, + 1848. Bed ⸗ 
ber Prediger. 
fcaplan, Urjprünglid; Benennung für Haus: 
gi liche des Bifhofs. Da diefelben öfters mit 
ägen bes Bilchofs Bea wurben, ihn auf 
Synoden vertraten, erlangte ihr Amt Wichtigkeit, 
bie es jegt wieder verloren hat. Hofcapläne, welche 
unter ber Juriöbiction bes oberften Hofcapları 
den, waren aud an ben Hauptlirchen ber Diöcefe 
—** —— en Hofſtaat des Papſtes 
finden ſich noch 3 Tlaſſen von Hofcaplänen, von 
denen eine nur titular ift, die zweite die bei 
Bontificationen wirklich Affiftirenden, die britte 
aber bie geheimen $- umfaßt, welche zu Aufträgen 
benugt werben. D ftlihen an ber fürſtlichen 
erg führen benjelben Titel, anibrer Spige 
der Ardicapellanus, Erzcaplan, Groß : 
—— welches letztere Amt in Frankreich bedeu⸗ 


war. 

Hoffman, Melhior. Geb. zu Hall in Schwa⸗ 
ben, feines Standes ein Kürſchner, wurde cr in Liv: 
land, als bort die Reformation geprebigt wurde, 
vom Evangelium begeiftert und prebigte bie neue 
Lehre jelbft ; von Dorpat und Wolmar vertrieben, 
weil fein Anhang gewaltthätig g 
Eultuß vorging, ging er nah Wi 
war dann „der Kranken Diener” in Reval und 
Prediger in Stodholm. Weil er ald nichtftudirter 
Prediger das Predigtamt verrichtete und fig 
apolalyptiihen Erwartungen hingab, gerieth er 


den alten 
g 1525, 


ähnt. Der Ausdrud iftaber | 8 


: 

Ö 

m 
———— 
Bon | ber 
— 

* 


egetiſch ent- als H. auch bie lutheriſche Abendmahlslehre an: 


riff und um fie zu widerlegen, eine ber Schwent: 
ldſchen ähnliche Meinung von ber Fleiſchwer— 
ung des Wort annahm. Er war Prediger für 
olftein in Kiel geworden; nad einer Disputa- 
Kon 1529, wurde er aber bes 
anbes verwiejen und fam über Straßburg nad 
Emden, wo er ſich zu dem Wiedertäufer Rind ge: 
fellte. Auch hier vertrieben, wandte er fich wieder 
nad Straßburg 1530, verbreitete von bort durch 
Schriften wie auf Neifen feine Lehre und feine 
ſchwärmeriſch gefteigerten apofalyptifchen Erwar⸗ 
tungen, in denen er fi end eb für ben 
Propheten Elias hielt, bis feine Angriffe auf das 
Predigtamt ihm neue Haft zugogen, aus ber er 
nicht befreit zu fein fcheint. en feine Lehre 
—— den —— ee eine — gehalten, 
auf der er ſeine vertheidigen ohne 
Georg, Eine Berbindung mit den Bünferiden 
Wiedertäufern ift ihm nie nachgewiefen. Er muß 
um 1542 gejtorben fein, 

Hoffmann, Andreas. Geb. ven 18, April 1796 
u Welböleben in Mansfeld, machte er 1818 ben 

eldzug nad) Frankreich mit, ftudirte in Halle, 
De fid) Dort 1822 und wurde a. o. Profef: 
or der Theologie in Jena, 1826 ord., dann Geh. 
Kirhenrath und Senior der Facultät, + 16. 
März . Bon feiner umfafjenden gelehrten 
Kenntniß der orientalifchen —— — ſeine 
ga twerle: Grammatica Syriaca, 1827; das 
Henod mit Commentar, 1833; Pr 
mit einem unvollenbeten Commentar zu 


tion mit Bugen 


der. 
euter, 
XXXIII., 1822. 43; die Ausgabe von Gefenius’ 
— — Lexikon, 1846, ſowie bes 
i Be bebräifchen Aiterthümer von Warne- 
ro8, 1832, 


—— ber Ethik und D 
167 


Ein 
aunſchweig; 
hilippi u 

Caſelius in Hel 


er den 


täbt a 
eiferte er in einer ſolchen ee 
ber Bhilofophie, ald dem 


n ſchädlich, daß 
ihn die phi 
Uni 


ſophiſche Facultät nach längerem 
ezänt beim Herzog verklagte, und es 
erwirkte, daß er vom Amte entfernt wurbe 1601. 
Zwar wurde er 1603 rehabilitirt, fonnte fi aber 
nicht mehr behaupten und ftarb in Wolfenbüttel 
—— ern * — Tassen Ka —* 
fan es zwi einer orthodoxen, mi 
ER — ömmigkeit und dem wiſſen⸗ 
chaftlichen —— — 

offmann, Gottlieb Wilhelm, der Gründer von 
Ko l. Geboren zu Ofielsheim bei Calw ben 
19. Dec. 1771. Er wibmete fi der Beamtens 
laufbahn und wurde kaiſerli Rotar und 
Amtöbürgermeifter in Leonberg ; mehrfach es 
orbneter zum württembergifchen Landtag. In ſei⸗ 
ner Sugent pietiftifh erwedt (fein Seonberger 
Brüderbüchlein 1801), —2 ſeine Sympa⸗ 
thie mit den Pietiſten⸗Familien, die ſich zur Aus⸗ 
wanderung nad) Rußland entſchloffen hatten, vom 


Hoffmann ' 362 Hoheittrechte 


Staate bie Erlaubniß zur Begründung religiös: 23, 6; 26, 6; Röm. 5, 12; 8, 24; Kol. 1,5; Tit. 
jelbftändigen Gemeinweſens zu erbitten. Er grün: | 1,2; 2, 13; 1. Betr. 1, 3). 
dete dann Kornthal (f. d. 9.) 1819 und lebte] Hofmann, Johann Chriftian Konrad von. Geb. 
bort, indem er Töniglihe und Gemeinbeämter be: | am 21. Dec. 1810 zu Nürnberg, habilitirte er fi 
Hleidete, ald Borfteher und Seele bes Ganzen. |in Erlangen, wurde 1842 Profeſſor der Theologie 
1846. in Roftod, 1845 in Erlangen. Mit Thomaſius 
Hoffmann, age | gel Wilhelm, ber und Höfling redigirt er feit 1846 die „Zeitichrift 
Sohn des Borigen. Geb. den 6. Dct. 1806 zu | für Proteftantismus und Kirche“. Seine Haupt: 
Leonberg, Diakonus in Winnenden, feit 1839 Ins ſchriften find: die fiebenzig Jahre des Jeremia 
fpector der Miffionsanftalt zu Bafel, ſeit 1843 zu: | und die fiebenzig Jahrwochen des Daniel, 1836; 
gleich Brofefjor der Theologie an der Univerfität | Weiffagung und Erfüllung, 2 Hälften 1844; ber 
dafelbft, danach 1850 — 52 Ephorus des theologi: | Schriftbemeis, 2. Aufl. 1857. 59; Schutzſchri 
ſchen Stifts zu Tübingen, ſeit 1852 Hof: und für eine neue Weife alte Wahrheit zu lehren, 1 
Domprediger zu Berlin, Oberconfiftorialrath und | —59; bie heil. Schrift d. N. T. zufammenhängend 
Mitglied des evangelifchen Oberkirchenrathes, Ge: | unterfucht, 1862—64. 
neralfuperintendent der Kurmarf, Ephorus des Hofmeifter, Sebaftian, eigentl, Seb. Bagner, 
Domcandidatenftiftd. Seine Schriften beſchäftigen genannt Doctor Baſchion. Geboren zu Scaff- 
fi hauptſächlich mit der Miſſion. Seine Predigt: | haufen 1476, trat er in den Barfüßer-Orden und 
jammlungen zeigen den geiftreihen und gewand: kam als Lefemeifter nad Züri, wo er fi an 
ten Redner. Seiner theologischen Richtung nad) | Zwingli anſchloß. In Schafihaufen wirkte er 
gehört er zur äußerſten Rechten der fog. Bermitt: | dann für die Reformation, bejonderd nad ben 
lungstheoiogie, die bei ihm in den Dienft einer ———— von Zurich 1523; bei wach⸗ 
fi enpolititchen Tendenz geftellt ift, welche ſich jendem Erfolge wurde er ald Rubeftörer von ben 
in feinen Predigten faft bis zum Gäfareopapismuß | Gegnern vertrieben und nad) den Religiondge: 
verirrt hat. Er iſt ein Hauptbegrünber und Patron | fprächen zu Jlanz 1526 und Bern 1528 in Bofin: 
ber Neuen Evang. Kirchenzeitung. gen ald Prediger amgeitgilt Seine Thätigfeit 
Hoffmann, Chriftoph, der Bruder de3 Vorigen. |wurbe häufig bei ben Disputationen und Maß: 
Betannt als ber Biſchof der Jerufalemäfreunde, | regeln gegen Wiebertäufer verwendet. Geftorben 
e die altteftamentlihe Weiffagung Ez. 40 | 1533 am Schlagfluß. 
buchſtäblich erfüllt fehen und das Volk Gottes in| Hoheitsrechte des Staats über die Kirche find 
yerufalem gefammelt wiffen wollen. Sein Organ | diejenigen Rechte, welche der Staat nad) jeinem 
ift bie ſüddeutſche Warte. — als die allgemeine gefeplig geordnete fitt: 
Hofmann, Wilhelm. Geboren 1670, + 1746. | liche Gemeinfhaft, „gegend er den religiöfen Ge: 
Der Candidat. Er war durch Hochmann erwedt | meinfhaften in Aniprud nehmen muß; be 
und in eine myſtiſche und pietiftifche Richtung züglich deren er alſo feinen Unterſchied zwiſchen 
—— die er durch Verſammiungen aus: | den einzelnen Kirchen machen kann. Der Um: 
eitete. Die Clever Synode fuchte vergebens | fang derſelben ift geſchichtiich nicht immer ber 
dem „träumerifchen“ Weſen entgegenzumirten. Es gleiche geweſen; das Mittelalter wollte bem 
beftanden die Berfammlungen 1714—1750 unge: | Staate gar feine zugeftehen, das Territorialfgftem 
hindert fort und wurden von Hoffmanns nd |verfannte alle jelbitändigen Rechte der Kirche. 
und Schüler Zerfteegen erneuert. Seine Haupt: | Die Hoheitsrechte erftreden ſich nicht auf den In⸗ 
ſchriften find: Kurze eig, Be Heine pr ber Lehre ober die Art des Eultus, ſondern 
Kindlein, letzte Ausg. 1816, und: feidende | beziehen ſich auf die Kirchengemeinſchaft als eine 
sur — Bol. Göbel, Geſch. d. chriſtlichen mit Rechten verſehene Corporation. Die Kirchen⸗ 


‚9. 80, lehre kann nur infofern in Betracht fommen, als 

‚Soffuung (die Kriftliche). Das Vertrauen auf | deren praltiſche Ausführung den fittlihen Grund: 

bie —— welches Zufälliges im Gange des —— des Staates widerfpräde, wo ber 
menſchlichen Schidfals ausſchließt und jedes Ein: 


h Staat befugt wäre, eine ſolche Gemeinſchaft von 
eine ald Glied einer fittlihen Weltorbnung an: | feinen Grenzen ——— Das Recht der 
ht, muß die Gewißheit in ſich ſchließen, ah ein 


bie F Hoheit des Staates iſt zu unterfcheiden von dem 
ortdauerndes Elend oder eine Vernichtung bes | Kirchenregimente und ber Kirchenaufſicht, welde 
mmen unmöglich ſei; diefes Hinaudgreifen des 


legtere in evangelifchen Ländern häufig burch 
eiftes Über die unvolllommene Gegenwart in ei do 


aatsbehörden noch geübt werben. Die Hoheits- 
eine volllommenere Zukunft ijt die Hoffnung. Sie | rechte des Staates gegen die katholiſche Kirche 
beruht alſo auf dem angeborenen Trieb nad) Boll: | find in ben Concordaten und Verträgen beicrie: 
lommenheit; wird aber erft durch die Frömmtig- (Placet regum). Die Reformation bradite 
feit lebendig und erhält erft burch den chriftlichen | ald Ausdrud des Hoheitrecht3 das jus reformandi 
Ölauben wahre Kraft und Bedeutung. Während | und das jus reprobationis, bi der Reichstag zu 
bie Hoffnung im A. T. weſentlich die Zuverficht | Augsburg und der Weftphälifche Frieden dem- 
auf bie Hülfe Gottes im Leiden bezeichnet (Hiob | felben eine vorläufige Umgrenzung gab. Die 
19, 10; ®f. 9, 19; 40, 5; 62, 6; 119, 116; 2. | Grenzen, innerhalb deren bie Hoheit des Staates 
Kön. 5, 4), hat fie dagegen imN.T. die beftimmte ſich bewegt und größere und geringere Rechte be: 
Beziehung auf bie Erlöjung erhalten, deren Voll: | anfprucht, find die Gemiffensfreiheit des Einzel: 
endung im Großen und im Einzelnen Gegenftand nen und die Sicherung des abfoluten Staats: 
der Hoffnung ift (vgl. 1. Kor. 13,13). Die zu: zwecks, ihre Meberfchreitung Gäfareopapismus und 
künftige Herrlichleit fomohl in der Entwidlung | Utramontanismus. Als einzelne Hoheitsrechte 
des Reiches Gottes als die für ben Einzelnen be: | jura in sacra gelten: 1) das jus inspectionis oder 
immte ift Gegenftand der Hoffnung in einem jus cavendi, das Recht der Verwahrung und Bor: 
peciellen eschatologijhen Sinne (Apfig. 2, 26; | ficht, daß die Kirche nicht in die Rechtsſphäre bes 








Bm — — 4 1 — — m — — — — — — —— — — — a an mm — m —— — — — — 


Hohenburg 


Staates —— um in ausgedehntem Maße 
dies Recht zu Üben, diente der Vorbehalt des Pla- 
cet, daß die Bullen und Breven des Papſtes nicht 
A fanbeöherrlihe Genehmigung gültig wurden. 
2) Der recursus ab abusu, das Recht eines Kir⸗ 
henangehörigen wegen Mißbrauch der geiftlichen 
Amtsgewalt an die Staatöbehörde Recurs zu 
reifen; welches am — in Frank⸗ 
rei ift, f. Mißbrauch. 3) Das Beitätigungsrecht 
etung geiftliher Stellen, namentlich 
der hohen Kirchenämter, welches auf eine Zuftim: 
mung zur Br m in Preußen befchräntt ift. 
4) Das Amortijationsrecht, d. h. das Recht, den 
nwachs der Kirchengüter zu beichränten. Dem 
heitsrecht parallel geht das Schutzrecht des 
t3, jus advocatiae. Im Grunde find diefe 


bei ber 


Rechte und Pflichten nicht verjchieden von denen, | 


welche gegen jede Corporation dem Staate zuftehen 


und obliegen. 

Hohenburg ober Odilienberg, Nonnenftift im 
a ae von Ethico I. und feiner Tochter 
Odil 720. Dieſe erbaute —— des Ber⸗ 
ges, auf dem das Stift liegt, das Kloſter Nieder: 
münfter. Friedrich I. berief Nelindis, Aebtiffin 
von Berg, 1140 dahin, um die verfallene Zucht 
—— Sie führte die Regel Augu— 

s ein, und unter ihren Nachfolgerinnen ſtand 

Kloſter im Rufe 5 wiſſenſchaftlicher Bil⸗ 
ee year er Aebtiſſin Herrad1167). 
1249 wurden die Aebtiſſinnen in ben Reichsfür— 
ftenftand erhoben. Seit dem 16. Jahrhundert 
aber find die Klöfter verfallen. 

SHohenlohe-Waldenburg Schillingsfürft, Ale: 
xander Leopold Franz; Emmerid) Prinz von. Ge: 
boren zu Rupferzell in Württemberg den 17, Aug. 
1794, war er von Geburt an für den Kirchendien 
beftimmt und auf verfchiedenen geiftlihen Semi: 
narien gebildet, 1816 Run Priefter geweiht, trat 
er auf einer Reife in Rom in die Herz: Jeju:So: 
dalität der Jejuiten und machte fi) nad feiner 


363 


Hoherprieiter 


gr 1158. In der eier. des bereiten 
annes wurde er durch den Tod verhindert (1159). 
‚ Aber die von dem Kaijer nun aufgeftellten 
———— ſtarben raſch nach einander, und er 
ſelbſt erlitt eine ——— bei Legnano (1176), 
was Te 3 nöthigte, den von den Feinden 
teilten Papſt Alerander III. anzuertennen. 


aufg 
— ſtarb auf dem Kreuzzuge 1190. Sein 
ohn Heinrich VI. (119097) be Siciliens, 


pflanzte die Tradition feines Vaters fort. Seine 
tellung war dem alten Cöleſtin ILI. (1191—98) 
— eine günſtige, allein er ſtarb zu frühe 
1197. Friedrich II. ſein Sjähriger Sohn, wurde 
unter der Vormundſchaft des gewaltigen Inno— 
cenz III. erzogen. In dem während der Minder: 
| jährigteit entitandenen Prätendentenftreit zwis 
jhen dem Welfen Dtto IV. und Philipp von 
Schwaben, ftellte ſich Innocenz auf die Seite des 
erjteren. Als diefer aber feine kaiſerlichen An: 
fprüche auf Italien erhob, traf ihn der Bapft mit 
dem Banne und frönte Friedrich II. (1215—50 
um Kaifer. Nah Innocenz' Tode jhritt 
Öriheig U. energiſch an die eg. der 
aiferlihen Oberherrlichleit, mas einen ee 
Kampf mit Gregor IX. hervorrief. ebannt 
unternahm Friedrich einen verfprochenen Kreuz: 
ug 1228, welder eine fiheinbare sw. 
(1350) herbeiführte. Aber während des Kampfe 
mit den lombardifchen Städten fuchte ſich der 
| Bapft dafür zu rächen, daß Friedrich jeinen Sohn 
zio zum König von Sardinien ernannt — 
und that ihn zum zweiten Mal in den Bann 1239, 
ihn der ottesläfterung anllagend. Dafür eroberte 
der Kaiſer den ur Theil des Kirchenjtaates. 
Nach Gregor IX. Tode (1241) lieh Friedrich Cö⸗ 
leſtin I. und nad) defien baldigem Tode feinen 
| bißherigen Freund Innocenz IV. (1243—54) zum 
Papſte wählen. Aber der Freund wurde zum bit 
terjten Feinde und entfloh nad) Lyon, wo er durch 
ein Goneil (1245) den Kaifer als Gotteäläfterer 





Rüdtehr durch katholiſchen Eifer in our und | und Kirchenräuber in den Bann —* was einen 
Schriften bemerklich. Als geiſtlicher Rath in Kampf hervorrief bis zu des Kaiſers Tode 1250, 
Bamberg ahmte er 1821 dem Bauern Michel nach, Urban IV. erfocht den legten Sieg über das uns 
burc Gebet Wundercuren zu vollbringen ; die ge: | glüdlihe Geſchlecht der Hohenftaufen. Er rief 
wünjdte Anerfennung des Papftes blieb aber | Karl von Anjou aus Frankreich zur Eroberung 
aus, da die Erfolge zweifelhaft waren. 1825 Siciliens. Friedrichs Sohn, Manfred, fiel in der 
ward er Domherr in Großmwardein, 1829 Groß: | Schlacht bei Benevent 1266 und fein Entel, Kon— 
get, 1844 Biſchof von Sarbica in partibus. | radin, wurde nad der Schlaht von Tagliacozzo 
cch die Revolution wurde er aus Ungarn ver: | 1268 enthauptet. 
trieben. Gejtorben zu Baden 1849. Bon feinen) Hoherprieſter. Auch der Priefter ſchlechthin 
Schriften find zu nennen: Der im Geift der la: | der große Prieſter (bei den LXX und im N. £.), 
tholifchen Kirche betende Chrift, 1819. Des katho⸗ | der erfte Priefter, der gejalbte (3. Mof. 4, 8.5. 16) 
u“ Priefters Beruf, 1821. genannt. Wie der Priefterftand das ganze Bolf 
Goheuſtaufen. Berühmtes ——— vertritt, fo repräfentirt der Hoheprieſter, ber an 
im Kampfe mit dem Papitthum. ir ver: | deffen ** ſteht, die Prieſterſchaft und iſt der 
weiſen auf die Artikel unter den Namen ber | eigentliche Mittler zwiſchen Gott und dem Boll. 
betreffenden Päpfte; bier nur die Hauptanga: Die Bedeutung feiner Stellung tritt in den beiden 
ben. Der Kampf begann ge Friedrich I. ihm eigenthümlichen Amtöfunctionen, der Dar: 
(1152 — 1190) und Habrian IV. Die Idee |bringung des Opfers am Berjöhnungstage und 
vom alten Karolingiſchen Kaiſerthum, melde | dem Orakel aus den Urim und Thummim her: 


Friedrich zu verwirklichen ftrebte, ermedte den 
—— Neid. Obgleich Friedrich auf ſeinem 
erſten Römerzug Arnold von Brescia dem Papſte 
ausgeliefert hatte und er dafür vom letztern ge: 
frönt worden war (1155), war gleichwohl die 
—— feine — Der Papſft ſuchte das 

üindniß der feindlichen lombardiſchen Städte, 
und wurde mit den letztern auf dem Reichstage 
auf den roncaliſchen Feldern in feine Schranten 


vor (f. die Art.). Die an den Priefter, als Gott 
—— geſtellten Anforderungen ſind daher 

ei ihm aufs höchſte Maß geſteigert. Nicht bloß 
bie leibliche Beſchaffenheit (jo daß jedes, auch 
tleinſte körperliche Gebrechen vom Amte ausſchließt), 
auch in den perſönlichen Veziehungen zu Andern, 
den Beſchränkungen bei der Wahl der Gattin 
(8. Mof. 21, 10—15) wird feibft die levitiſche Rei⸗ 
nigteit gefichert duch das Verbot einer jeden 


Hohes Lied 


Gemeinſcha 
Durch die Amtsweihe (2. Moſ. 29) erſcheint er 
als der von Gott ſelbſt zu feinem Amte auser⸗ 
wählte, dor durch Waſchungen und Opfer entfühnt, 
durch die Salbung und die Amtsfleidung mit ber 
göttlichen Vollmacht ausgerüftet ift. — Nach der 
urfprünglihen Stiftung jollte das Amt von Ya- 
ron, dem es zuerjt übertragen ift, in ber Linie 
feined Sohnes Gleafar ſich vererben; trogdem be: 
innt mit Eli eine Reihe von Hoheprieftern aus ber 
inie Jthamar, und erft unter David gelangt mit 
Zadok die ältere Linie wieder in das Amt; zuerft 
indem Abjathar zu Jeruſalem, Babof bei ber 
Stiftähütte zu Gibeon fungirt. Es iſt nicht her- 
audzuftellen, ob in ber Richterzeit zwei Hoheprie: 
fter aus beiden Linien neben einander und an 
verfhiedenen Heiligthümern fungirt haben, oder 
ob David fich zu der Aenderung entſchloß. Seit 
dem blieb das Amt bei Eleajard Nachkommen; 
das Verzeichniß der Hohepriefter ift aber nicht 
volllommen en 6 In ber ſyriſchen Periode 
hörte die regelmäßige Succeifion auf und 160— 
153 war das Hohepriefterthum ganz unterbrochen, 
bid Jonathan, der Hasmonäer, ebenfalld aus 
dem Geſchlecht Eleafard, es an fi riß. Mit feis 
nem Hauje endigt aber Die regelmäßige Folge, ba 
—— und die Römer in der Beſetzung des 
mtes ganz willkürlich verfuhren. — Die Amts⸗ 
Heidung des Hoheprieſters beſtand außer den 
ieſterlichen Unterkleidern in dem purpurblauen 
—— welches am Saum mit baumwolle⸗ 
nen Öranatäpfeln und goldenen Glöckchen verziert 
war,. dem Sculterkleide (Ephod), an dem mit 
er Ketten das Bruſtſchild (Choſchen) mit 
12 Edelſteinen und der Taſche der Urim und 
Thummim befeſtigt war; der Mitra mit dem gol⸗ 
denen Stirnblatt, auf dem die Worte: Geheiligt 


dem Herrn (mimb un) ftanden. Am Berföh: 
nungstage aber war die Amtstracht durchaus 
weiß. Unnöthig hat man (Bähr) in jedem einzel: 
nen Theile der Kleidung ſymboliſche Bedeutung 
gelußt, in ihrer Pracht drüdt fie die Würde des 
mtes aus, In jpäterer Zeit wurde die Amts: 
tracht auf der Burg Antonia aufbewahrt und nur 
an ben ri efttagen herausgegeben. Mit den 
—— chen Functionen war die Oberaufſicht 
er den Gottesdienſt und den Tempelſchatz ver⸗ 
bunden und eine Theilnahme an der Rechtspflege 
4. Mof. 15, 83; 27, 2; 5. Mof. 17, 9. 12), er e 
ig und Stimme im Synebrium. Ihm zur Seite 
ftand ber „zweite Prieſter“ (2. Kön. 25, 18), wel: 
her dad Amt des Nagid, des Tempelaufjehers, 
verwaltete, im Talmud wird dann nod) der Se: 
gan erwähnt, von dem es ungewiß ift, ob er mit 
dem Nagid zufammenfällt. Die im Gefet vorge: 
fhriebene Salbung de3 Hohenpriefters ift nad) der 
Tradition feit Joſia nicht mehr vollzogen, weil 
das Heilige Salböl abhandengelommen war. 


Hohes Lied. Diefe Dichtung, dem Salomo zu: 
eſchrieben und wahrſcheinlich aus der erw eit 
Sfraelö (etwa 800) ſtammend, enthält eine iby ie 
Lebesgeſchichte, bie in Iyrifcher und dramatifirender 
Art ausgeführt ſchildert, wie Sulamith von einem 


364 
ft des Todes und ber äußern Trauer, | fie wieber mit ihrem Geliebten vereint, Das Hohe: 


. Holland 


lied ift die Blüthe der hebräifchen Poefie, freilih 
einer weltlichen Boefie, die aber von dem fittlichen 
Geifte des hebräifchen Volles ganz *25 
if; und in ihrer Harmonie die leidenſchaftlichſte 
innlichteit mit der reinften Sittlichkeit vereinigt. 
Seine Aufnahme in den Kanon verbanlt e3 nur 
der allegoriſchen Deutung, welche darin eine finn- 
bildlihe Meiffagung auf die endliche Erlöfung 
Iſraels fand. Biete Auslegung, welche die Rab- 
binen feithalten, geht auch in bie chriftliche Kirche 
über unter verjhiedenen Mobificationen, indem 
das Bud auf die Kirche bezogen entweder pro 
phetiſch gefaßt wird (Drigenes), oder ald Schil⸗ 
—— gegenwärtigen Gemeinſchaft mit Chri⸗ 
ftus ( n.). Die Myftit bezog es dann nicht 
mehr auf die Kirche, fondern auf bie einzelne 
— ——— 
as Hohelied die irrungen 
ſen 8 2* Bei Jo 36. 


Auch 
—— 


r en Ki 

ige , j 
Auslegung b — erh de an 
jus, H ‚Keil, Hävernid, Gerlach, Hahn, 
Deligich.- Der erfte, wel 


irdiſches Liebeslied fand, ift 
fochtene Theodor von Mopäveftia geweſen. Unter 
den Protejtanten hatte Grotius die natürlide 
Aus * er en. 2 A BE 
bezog ben Inhalt geradezu auf bie Ehe, ? 
ber entwidelte die hohe Schönheit bes Liebes (bie 
Lieber der Liebe, die ältejten und | aus 
dem Morgenlande, 1778). Seitdem hat fi bie 
äfthetifche Auslegung immer allgemeinere Aner: 
fennung erworben, und den Zuſammenhang bed 
Ganzen verftehen gelehrt. Während Bertholdt, 
de Wette u. A. nur eine Sammlung erotifder 
Lieder darin finden, unterfheibet man jegt mehr: 
fach einzelne Bilder oder Abjchnitte, in denen ſich 
der Fortgang der Erzählung vollzieht. Bgl. Heng: 
ftenberg, das Hohelied Sal., außgelegt 1851; 
Higig (in dem ereg. Handbuch) 1855 ; Umbreit, 2. 
— 1828; Ewald 1826, 2. Aufl. im 2. Theil 
der Dichter ded A. B. 1867; Deliyich 1851; Hahn 
‚1852; Meier 1854; Weißbach 1858. 
Holbach, Paul Friedrich, Freiherr von, ber 
Atheift. Geb. 1723 zu Heidesheim in der Pfalz, 
eft. den 21. Jan. 1789. In feinem Haufe zu 
ris verfammelten fi) die Häupter des damals 
herrſchenden atheiftiihen Materialismus und viele 
ihrer Schriften wurden auf feine Koſten gebrudt 
und verbreitet, von denen die berüchtigtfte ift das 
unter Mirabeau's Namen herausgegebene Systeme 
de la nature ou des lois du monde physie et 
moral. Holbad) felbft war Mitarbeiter der Ency: 
Hopädie und ſchrieb: Le christianisme developp®. 
Histoire critique de Jösus Christ, 1770. 
Holland. Die Reformation fand in Holland, 
wo die Brüder des gemeinfamen Lebens, die 
Begharden und andere religiöfe Genoſſenſchaften 
geblüht hatten, einen empfänglichen Boden. War 
e3 doch damals, ſowie das vlaͤmiſche Belgien, mit 
ganz Nicderbeutichland auf das engfte verbunden, 





Hirten getrennt, den fie liebt, dem Salomo begegnet |nur ein Theil von Niederbeutfchland. Luthers 
und von biefem, den ihre Schönheit entzüdt, nad) | Schriften —— daſelbſt frühzeitig Eingang, 


i uſthauſe mitgenommen wird. Sie widerſteht 
einen Liebesbewerbungen, ſelbſt dem Anerbieten, 
fie zur Königin gu machen. Endlich entlafſen, wird 





und die erften Märtyrer der Reformation maren 
die beiden holländifhen Auguftinermönde Hein: 
rih Voes und Johann Eid, welche 1523 zu 


Holland 


Antwerpen verbrannt wurden. Die lutherifchen 
Einflüffe wurden bald noch ü durch die 
reformirten, welche ſich namentlih von dem an 
Frankreich — Süden über das Land 
verbreiteten. Kaiſer Karl VI., unter deſſen Scep⸗ 
ter bie niederländifchen Provinzen vereinigt wa⸗ 
ren, führte jedoch hier mit rückſichtsloſer Strenge 
das Wormſer Edict durd. Geradezu furdtbar 
wurbe ber religiöfe und politiiche Drud, der auf 
dem Lande laftete, unter Philipp II. jeit 1555. 
Die Reformirten, welche 1562 durch Guido de Bres 
ein calviniftiiched Bekenntniß ———— 
ſion) aufſtellten und daſſelbe durch die Antwerpe⸗ 
ner Synode 1566 als niederländiſches Symbol 
anerkannten, fchlofjen 1566 durch ihren Abel einen 
Bund gegen die jpanifche Unterbrüdung, das fog. 
Compromiß. Als hierauf die Statthalterin, Mar: 
garethe von Parma, die von den Geufen — jo 
wurden bie Verbündeten genannt — ehende 
Bewegung nicht mehr zu jügeln im Stande war, 
mwurbe Herzog Alba mit einem Heere zur Unter: 
brüdung bes Aufftandes nad den Niederlanden 
BIS um mit einer entfegliden Graufaniteit 
fegerifhen Glauben gründlid zu vertilgen 
(1567). Nachdem ifm aber die Unterbrüdung 
vorläufig geglüdt war, verbanden fi die fieben 
nörblien Provinzen in der Utrechter Union 1579 
und errangen nad) furdtbaren Kämpfen unter 
Wilhelm und nad) deffen Ermordung (1584) un: 
ter Morig von Oranien ihre politiihe und reli: 
giöfe Unabhängigteit, während bie ſüdlichen Staa- 
Spanien und bem Katholicismus verblieben. 
In diefer unter dem Drude aufgewachſenen Kirche 
entfaltete fi) bald ein Träftiges geiftiges Leben. 
Eine Reihe von Kämpfen um ihre ey ide Selb: 
ftändigteit, welche die Reformirten mit der Staats: 
gemalt führten (erfte Rationaljynobe zu Dortrecht 
1578) auf Grund ihrer preöbyterialen und ſynoda⸗ 
fen Berfafiung, auch dogmatiſche Kämpfe, nament- 
lich die zwifchen den Arminanern und Gomariften 
8 übrten, riefen eine mächtige geiftige, nament: 
ih auch wiſſenſchaftliche Bewegung Bear, Die 
Synode von Dortreht 1618—1619 begründete 
unter dem Schuß Morikend von Dranien den 
Sieg des ftrengen Calvinismus in Holland durch 
Anertennung der calviniftiihen Prädeftinations: 
lehre über die Remonftranten, welche verdammt 
erft nach dem Tode Morig’ 1630 Duldung in 
Holland erhielten. Unter den holländijchen Ge: 
lehrten, welche auf den Univerfitäten zu Leyden, 
Franeler, Gröningen, den Alademien zu Utrecht 
1636) und Hardermyf (1648), den Athenäen zu 
eventer (1680) und Amfterdam (1632), wirkten, 
zeichneten ſich namentlih als Bibelforjder aus 
Gomarus, Arminius, Grotius, Rivetus, Drufius, 
Amama,Amefius,ald Dogmatiler Episcopus, Lim⸗ 
borch, Mareſius, Malofius, Amevius, Alting, und 
namentlich Coccejus und Bo&tius, Unter den ſpäte⸗ 
ren waren Witfius, Burmann, van Til, Bitringe, 
Leidecker Männer von größerer Bedeutung. Aud in 
unferem Jahrhundert hat Hollanbeine nicht geringe 
wiffenichaftlihe Bedeutung für die Entwidlung 
der Theologie. Nahdem das ftreng calviniftiiche 
Weſen im 18. Jahrhundert langjam immer mehr 
der Abſchwächung entgegenging, trat, wie in 
Deutichland, eine Doppelheit der Richtung, bie 
biblifch » jupranaturalijtiihde mit Männern, wie 
van der Balm, Heringa, van der Höven, und die 
rationaliſtiſche mit Vertretern, wie van der Vils 


365 


Holon 


ligen, Donter Eurtius u. 9. an feine 
[ber aud) hier, wie anderwärtd 
biefen ee ein anderer 
—— es Jahrhunderts erwachte eine ſehr 
energi orthodoxe Reſtaurationsbewegung, an 
rer Spitze der Dichter Wilhelm Bilderdyk in 
erbindung mit ben beiden convertirten Juden 
Da Eofta und Gapabofe und dem Prediger t 
Molenaar, welche, da die Regi ihrem Wi 
nicht folgte, und als einer der hrer, be God, 
abgejegt wurde, fogar zu einem Austritt aus ber 
Staatsfirhe 1834 führte. Diefer ions⸗ 
Par: 


partei gegenüber ftanden nun bie liberalen 

teien, worunter namentlich die von Hofftebe de 
Groot gegründete und durch au und van Dorbt 
tüchtig vertretene ſog. Gröninger Schule ſich her⸗ 
Innermbe Theologie, und Dusch große praktife 
inn eologie un große e 
Liebeöthätigkeit, Auch die Leydener Schule, ob⸗ 
glei möglichſt feſthaltend an den Principien des 
teformirten Dogmas, hat ber . Dr: 
thodorie nit volllommen entfprodhen. Der be: 


beutendfte holländiſche Theolog, Scholten, defien 
Dogmatik viele Aehnlichkeit mit * Schweizer 
zeigt, der altteftamentliche Theolog Kuenen find 


uorragende Vertreter berjelben. In ng 
eit hat aber das Eindringen ber Ergebniffe 
übinger Schule und namentlich der franzöfiſchen 
Einflüffe (Reville in Rotterdam) auch diefe theo⸗ 
logiſche Parteigruppirungen zerftört. Die moberne 
liberale Richtung, der id jegt auch Scholten an- 
geſchloſſen hat, hat die größte Nehnlichleit mit der⸗ 
jenigen in ber Schweiz und in amade durch 
ihre determiniſtiſchen und. antiſupranaturaliſti⸗ 
ſchen Neigungen, befördert von der —— 
Philoſophenſchule Opzoomers in Uetrecht. er 
den 1,7500,000 Rejormirten befinden ſich in Hol⸗ 
(and nod) etwa 200,000 Angehörige anderer Ge- 
meinſchaften; etwa 60,000 Zutheraner, 5000 Re: 
monftranten, 40,000 Taufgefinnte u. U. a 
Köhler, Die Niederl. Kirche, 1856; Rippoib, Prot 
öhfer, die Niederl. Kirche, . k 
Monatsbl., 1861. ai 
Holländiſche Bibelüberjegung wurde von ber 
Dortrechter Synode angeordnet und konnte 1637 
erſcheinen. Siegehört zu ben beften Heberjegungen. 
Hollay, David, geb. 1684 zu Wulkow bei Star: 
gard, ftudirte in Wirtenberg, war 1670 Prediger 
in Pützerlin bei Stargard, 1686 Eonrector in 
Stargard, Rector und Prediger in Colberg, 
—— und Paſtor zu Jalobshagen, + 1713. Sein 
zamen theologicum acroamaticum universamm 
theologiam thetico-polemicam complectens, 
1707, und öfteraufgelegt, hat ihm durch die Klarheit 
der Daritellung und die überſichtliche Anordnung 
eine bleibende hervorragende Stelle unter den lu⸗ 
theriſchen Dogmatilern verſchafft. Er ift ftreng 
rechtgläubig, aber nicht ohne religiöfe Innigkeit 
und Ziefe. — 2) Sein Sohn, Paſtor zu Gunthers⸗ 
berg in Pommern, ge mehrere erbaufiche 
Schriften, von denen die „Anmweifung zum rechten 
Gebet” 1855 in Stuttgart neu aufgelegt ift. 
Holofernes ist der fingirte Name des mediſchen 
Feldherrn im Bude Judith, melden Judith er: 
morbete. Ein Feldherr dieſes Namens war unter 
Demetrius L berühmt und gefürchtet gewejen. 
Holon. Gine der Lenitenftäbte im Gebirge 
> (Joſ. 15, 51; 21, 15). Gine Stadt gleichen 
amens in Moab erwähnt Jerem. 48, 21. 


——— — —————————————— EEE ——— — 


Holfte 


Holſte oder Holfteninß, Lucas. Geb. in Ham: 
burg 1596, erwarb er re feine pbilologifche und 
philoſophiſche Bildung in Zegden 1617, ging 1622 
nad England, 1624 nad) Bari und trat da zur 
fatholifchen Kirche über, nad) feiner Angabe ohne 
um bie Differenzen der Belenntniffe - zu lüm⸗ 
mern, weil er fi in ben Geift ber Kirchenväter, 
fie ftudirend, hineingelebt hatte. Bon Urban VILI. 
und deffen Neffen, dem Cardinal Barberini, be: 
günftigt, lebte er feit 1627 in Rom, wurde Biblio- 
thefar der Baticanifhhen Bibliothek, Auditor Ro: 
tae und Mitglieb der Eongregation des Inder. 
Obgleich mehrfach bei der Belehrung bedeutender 
Gonvertiten benußt, behielt er Milde des UrtHeils 
und Weite des firhlichen Blicks bei, was er in 
den Verhandlungen mit Leo Allatius und im 
Janſeniſtiſchen Streite bethätigte. Von feinen 
—— Schriften, in denen er ſeine ſeltene 

elehrſamkeit niedergelegt hat, ſind die bedeutend⸗ 
ften:Codex regularum monasticarum, Rom 1662; 
un veterum critic. monumentorum, Rom 

Holtzmann, Heinrich Julius. Geb. am 17. Mai 
1832 in Karlörube, Sohn des Prälaten Holgmann. 
Seit 1858 Privatdocent, 1865 o. Profefjor der 
Theologie in —— Er gab heraus: Kanon 
und Tradition, ein Beitrag zur neuern Dog— 
mengeſchichte und Symbolit, 1859; die ſynop⸗ 
tiſchen Evangelien, 1863; Predigten, 1865; Ge: 
Igigte bed Volles Iſrael (mit Weber), II. Theil, 


Solzfeft. Ein fpäteres jüdifches Feſt, welches am 
3. Elul begangen wurde. Jofephus jagt, an bem 
Zage fei das Holz zur Unterhaltung des immer: 
mwährenden Aitarfeuerd in den Tempel gebragt. | 
‚ Bolzhanfer, Bartholomäus. Geb. in Langenau 
in ————— ward er Kanonikus in Salz: 
burg und 1 Generalvicar des Dt von 
Ehiemjee in Bayern. + 1658 ald Pfarrer und 
Decan zu Bingen. Er ftiftete als Kanonilus die 
Eongregation der Bartholomiten zur Heranbildung 
guter Priefter. 

Homberger Synode, war die am 21. Dctober 
1526 von Philipp dem Großmüthigen berufene Ber: 
ſammlung der gelftlidhen und meltlihen Stände 
zur Berathung über die Kirchenreform. Lambert 
von Avignon legte feine 158 Thefen vor und ver» 
—— ſie gegen den Franciscaner-Guardian 

ikolaus Ferber. Als die Zuftimmung der Ver: 
jammlung die Reformation beſchloſſen hatte, ver: 
faßte ein Ausfchuß die Reformatio ecclesiarum 
Hessiae, die Homberger Kirchenordnung, welche 
in fühner Weiſe bie Kirchenverfaffung auf die frei: 
willige Gemeinde baute, Breöbyterien und Syno- 
den anordnete und den Eultus in er 
Weife vereinfachte. Diefe Ordnung, welche Luther 
bedenklich aufnahm, ift niemals publicirt und der 
befftichen Kircheneinrichtung auch nicht zu Grunde 
gelegt worden, hat aber das Weſen proteftontichen 
Semeindelebend tief * I. Credner, Philipp 
des Srofmlüthigen heffiiche Kirchenreformations: 
Drdnung. 

Homeriten oder Himjariten. Ald Nachkommen 
beö Hamjar, eines Entels des 1. Mof. 10, 25 ge: 
nannten Soltan ober Kachtan, betrachtet fich ein 
arabifher Stamm, der in Yemen an der Süd—⸗ 
küfte ein Königreich ftiftete, welches 800 Jahre be- 
ftand. In demfelben lagen die Städte Dhafar 


366 


Homilie 


nahm ber König die jüdifche Religion an, und 
unter Kaiſer Conftantius gewann Theophilus von 
Din den König für das (Arianifche) Chriſtenthum. 
Als um 600 der König Dunaan wieder dem Ju: 
denthum anhing und die Ehriften verfolgte, be: 
friegte ihn Elesbaan von Abefignien und ſetzte 
wieder einen chriftlihen Fürften ein. In —* 
Periode gewann der Monophyſitismus Eingang, 
nachdem der Arianidmud 12 ſchon früher verio: 
ren hatte. 629 wurde der Slam angenommen. 
Jetzt giebt ed dort keine eingeborenen Chriften 
mehr, mohl aber an 5000 jüdifie Familien. 
Homiletik, Die Wiſſenſchaft von der Predigt, ge: 
hört unter die Difciplinen der praktiſchen Theolo: 
gie, Als die Predigt im 4. Jahrhundert zur Kunſt 
wurde, begann man auch, ſich mit ber Theorie der 
Beredfamteit zu befchäftigen. Die damaligen heid- 
nifhen Rhetorenſchulen (Libanius, Themiftius) 
bildeten auch die hriftlihen Prediger, und bie 
og des Auguſtin (De doctrina christiana 
1. IV), Alanus ab insulis (Summa de arte prae- 
dicatoria) und Humbert de Rumanis (De erudi- 
tione concionatorum 1. II) ftügten fich weſentlich 
auf bie rhetorifchen Regeln der Griechen und Rö: 
mer, namentlich Eicero'8, Eine größere Aufmerf: 
famfeit wurde dem Gegenftand jeit der Reforma: 
tion gewidmet. Hat Luther nur zerftreute praftifche 
Winte gegeben (gef. bei Wald, Sammlung Meiner 
Schriften von der gottgefälligen Art zu prebigen, 


1746), r gab dagegen Melanchthon 1519 eine 
Rhetorik heraus nebit der Schrift De officio con- 
cionatorum, 1535, Erasmus ſchrieb zu demfelben 


Zweck feinen Ecclesiastes, herausgegeben 1820 
von Klein. Eine Menge Bearbeitungen ber Pre: 
digttheorie folgten in ber er en wie refor: 
mirten Kirche. Hatte Spener in feinen Piis desi- 
deriis den pratifch erbaulichen Charalter der Pre: 
digt wieber hervorgehoben, dadurch aber auch be: 
wirkt, daß feine Nachfolger vielfach die Homiletit 
in eine Kunft, erbaulich zu fein, ummandelten, jo 
hatte die orthodoxe Gegnerſchaft auch auf diejen 
zn ihre er gerichtet (Röfcher 1720 gegen 
ange 1707). Die Wolfiſche Schule brachte au 
in bie Predigt einen minutiöfen Formalismus, 
eine Dispofitiond: und Definitionsſucht, melde 
lange Zeit die Homiletif, namentlich die rationa- 
liſtiſche, beherrſchte (Rambach 1726, Baumgarten 
1752, Zeller 1763, Mosheim 1771, Bahrdt 1773, 
Marezoll 1794, Schott, Theorie der Beredfamteit, 
2. Aufl. 1823—47, welches leßtere eines der be: 
beutendften Werte diefer Periode ift). Eine tiefer 
auf den Fdeengehalt der Predigt eingehende Me: 
thode bahnte Theremin an (die Beredfamtelt eine 
Tugend, 1814, 1837). Neuere Werte über bie 
miletif find: mer 1842, 4. Aufl. 1857, 
Schweizer 1848, Guft. Baur 1848, Binet, deutſch 
von Schmid, 1857, Beyer 1861, Hagenbach 1863; 
Katholiſche Homiletik: Luk, Handbud) der fathol. 
Kanzelberedfamteit, 1851. ©. die Art. Beredſam⸗ 
keit, Predigt. , j 
Homiliarinm ift eine zum Vorleſen — 
Sammlung von Predigten aus älteren Kirchen⸗ 
vätern für dad ganze Jahr. Das berüßmtefte ift 
das auf Befehl Karls des Großen durch Alcuin 
und Paulus Diafonus angefertigte, welches noch 
dadurch von Bedeutung geworden ift, daß durch 
dafjelbe die Perilopenordnung ſich feftftellte. 
milie, Die ältefte Bezeichnung der riftlichen 


(fonft Saphar), Aden, Hormuz. Um 100 v. Ehr. | Predigt, durch weldye ihre Ein fachheit nad Form 


Homilien, Elementinijche 


und Inhalt im Gegenſatz zu den Reben (Aoyos) 
der Rhetoriler angezeigt wurde. Man pflegt jetzt 
damit —— — zu bezeichnen, welche 
nicht ſowohl ein aus dem Text entnommenes 
Thema, weiches an die Spitze geſtellt worden, er: 
örtern und begründen, ſondern welche den Text 
auslegen und, ſich eng an en anſchließend, feinen 
geiftigen Inhalt zum Bemußtjein Lringen. Meifter 
der Homilien ift Menten. Ungerecht ift das Urtheil 
von Harms, bie Homilie mache voll, aber nicht fatt, 
denn auch fie will die Einheit des Gedankens und 
jeine — Darſtellung nicht entbehren. 

ien, Clementiniſche. S. Clementinen. 

logumena ſind bei Euſebius diejenigen 
Bücher der heil. Schrift, deren Kanonicität in der 
Kirche unbezweifelt geblieben war. 

Homoonfioner ‚und Homoisufianer find die 
Benennungen der rehtgläubigen und ber vermit- 
telnden Semiarianifhen Partei im Arianifchen 
Streite, weil jene lehrten, der Sohn ift von glei- 
chem, dieſe aber, von ãähnlichem Weſen wie ber Vater. 

ig gehört zu den vielgerühmten Producten 
Kanaans, 2, Moſ. 3, 8; 13, 5; 4. Moſ. 20, 24; 
neben dem Bienenhonig wird Ez. 27, 17; 1. Mof. 
43, 11 ber Traubenhonig, d. 5. eingelochter Trau⸗ 
benfaft, erwähnt und 1. Sam. 14, 25; Matth. 3, 
4 wilder Honig, Waldhonig, wahrſcheinlich nicht 
der Honig von wilden Bienen, fondern eine füße 
Seuchtigkeit, die au Bäumen und Gewächſen 
quilt. So beliebt der Honig ald Nahrungsmittel 
war, jo durfte er doch nicht zu Speisopfern ver: 
wendet werden, 3. Mof. 2, 11, wegen jeiner gäh— 
renden Kraft; die Erftlingäopfer des Honig wur: 
den aber für die Priefter dargebracht, 2. Chr. 31, 
5. Benutzt wurde der Honig auch zur Bereitung 
eines geiftigen Getränkes. 

Honorins von Auguflodunum (Autun), aud 
der Einfiedler (solitarius oder inclusus) genannt, 
ift ein fruchtbarer und —— —— um 
1145, der zu den bedeutendſten Männern feiner Zeit 

ehört. In feinem Werte über die Kirchenlichter 
Part 9. jelbft 22 von ihm verfaßte Werte an, un: 
ter benen er eine Erklärung bes Hoheliedes alle 
früheren verbunfelnd nennt. Dies Berzeihnif 
umfaßt aber noch nicht alles ihm Zugefchriebene. 
Seine Werte gab zuerjt Schottus heraus. Bon den 
Lebendumftänden des Mannes ift nichts befannt, 
als daß er Priefter und Scholafticus zu Autun 
mar; eine Bermuthung madt ihn zum Lehrer zu 
Angſt bei Bafel. | 

Soneriub, der Kaifer, 395—423. Geb. 384, 
Sohn Theodofius’ des Großen, regierte er anfäng: | 
lich unter der Bormundichaft Stilihos. Den dro: | 
henden Abfall der Provinzen in den Unruhen der 


367 


Honter 


Honorind I. Papſt 625—638. Aus einem vor: 
nehmen Geſchlechte Campaniend. Sergius, ber 
Patriarch von Eonftantinopel, wandte I an ihn, 
als Sophronius von Alerandrien den Wiberftand 

egen bie monotheletifche Lehre erneuerte, und er: 
angte in einem Briefe feine Zuftimmung zu den 
von Heracliuß in der "Exdeoig tijc niorews (638) 
danach fejtgeitellten Lehrbeitimmungen. Daher 
wurde H. von dem Concil zu ge 680 
mit Sergiusals Ketzer verdammt und Leo II. beftä- 
tigte ausdrüdlich diefen Beſchluß. Diefer Umſtand, 
welcher mit ber Unfehlbarleit des Papſtes ſchlecht 
zu reimen iſt, hat katholiſche Theologen zu man⸗ 
cherlei Ausflüchten gendthigt. 9. führte 623 das 
Feſt der Kreuzeserhöhung ein und übte ſich 
um die Miffion in England. 

— (II) Gegenpapit Alexanders IL, 1061—64. 
Als Peter Cadolaus, Biſchof von Parma, wurde er 
aufeinem Eoncil zu Bafelvon der Partei Heinrich 
IV. ermählt; nachdem aber die deutſchen Bifchöfe 
1062 zu Alexander übergegangen waren, zu 
Mantua 1064 für abgejegt erflärt, behauptete er 
jedoch —*— Anſprüche bis zu ſeinem Tode 1072. 

— II. 1124—30. Lambert von Fagnano, Bi⸗ 
ſchof von Belletri und Dftia, wurde durch den Ein⸗ 
8 Robert Frangipanis von einer ion zum 

ft erwählt; fein Gegenpapſt Göleftin III. legte 
aber die Würde nieder. Indem er fid) auf Lothars 
I. Seite gegen die Hohenftaufen ftellte, erlangte 
er einige günftige Aenderungen des Wormjer Eon- 
cordates. Roger von Sicilien jedoch, der daß Erbe 
Wilhelms von Apulien, auf weldes H. Anſpruch 
erhob, in Befig nahm, zwang Fe zu verzichten. 
9. beftätigte den Orden der Prämonftratenjer 

26 


1126. 

— III. 1216—27. Als Gencio Savelli Car: 
dinal von St. Johann. Ein mildes und ver: 
föhnliches Benehmen beobachtete er in den Ber- 
handlungen mit Friebrih IL, dem er nachgab, 
als derjelbe feinen Sohn Heinrih, König von 
Sicilien, zum römiſchen Saifer wählen ließ 
1220, auch 1226, als feine Vermittlung zwiſchen 
dem Lombardenbund und dem Kaifer in Anſpruch 
genommen wurde. Sein Hauptziel war, Friedrich 
zur Erfüllung feines Gelübdes und zur Ausfüh: 
rung des Kreuzzuges zu bewegen ; auf der Zufam: 
mentunft zu Beroli 1222 fand eine Einigung über 
alle Streitpuntte Statt, und zu St. Germain 1225 
verpflichtete Friedrich fich eidlich, binnen zwei Jah: 
ren den Kreuzzug anzutreten bei Strafe des Ban: 
nes. 9. forderte Ludwig VIII. zum Kreuzzug ge: 

en Raymund VI. von Touloufe auf, übergab 
reußen dem beutiden Orden, bejtätigte 1216 die 

ominicaner, 1223 die Francidcaner und 1221 


Böllerwanderung verhinderte zwar fein Feldherr die Tertiarier. Er verfaßte ein Leben Cöleſtins 


und Mitregent Eonftantius (} 421); aber ala 


LI. Liber censualis eccL R.; Ceremoniale ro- 


Alarich Jtalien und Rom eroberte, mußte H. dem | manum und Epistolae decretales. 


Weſtgothen Ataulf Gallien überlaffen, und in 
Spanien fiegten die Bandalen. Für die Geſchichte 
des Chriftenthums ift dad Verbot der heidnifchen 
Tempel 399 und das Edict von 416, welches die 
Heiden von den Nemtern ausjchloß, wichtig. Gegen 
die Donatiften erließ er ftrenge Gejege 405 und 
411, ald auf dem Eoneil zu Karthago gegen bie: 
jelben entſchieden war. Auch in die Belantanifchen 
Streitigkeiten mengte er ſich mit laiſerlichen Edie⸗ 
ten ein und ſchuf ſo die nordafrifanifchen Zuftände, 
welche bie Eroberung durch die Bandalen vorbe- 
reiteten. 


— IV. 1285—87. Als Jatob Savelli Kanonilus 
u Chalons, Gardinal feit 1281. Die aragonijdh: 
Kcilianifchen Händel bejäftigten ihn am meiften, 
da die Brüder Alphons und Jalob von Arago: 
nien, die Söhne Peters, ſich durch viermaligen 
Bannjpruc nit fchreden ließen, Sicilien an den 
von 9. begünftigten Karl von Sicilien zurüdzus 
eben. 9. ließ den Orden der Apoftelbrüder ver: 
olgen. 
onter, Johann, der Evangelift Siebenbür: 
ens. Geb. 1498 zu Kronftadt, ftudirte er in Kra: 
Kan, Bajel und Wittenberg. Die Reformation 


Hontheim 


hatte in Siebenbürgen a 1521 Eingang gefun- 
den und in Hermannftadt waren ſchon 1529 die 
Katholiken vertrieben worden. 9. —* nun 1533 
in Kronftabt eine Druderei an, Üüberjegte und ver: 
breitete Luthers Schriften. 1542 wurde in Kron⸗ 
— wo er Prediger war, die Meſſe abgeſchafft. 
er ————— die — er mg des 
Biſchofs Martinuzzi von Großwardein auf dem 
Landtage zu Klauſenburg; die meiſten Sachſen⸗ 
Städte wurden Penn und nahmen auf ber 
Synode zu Mediaſch die Augsburger Confeifion 
an. H.'s vielfeitige — erwarben ihm die 
Achtung auch der Katholiken. Er — das 
Gymnaſium und bie Bibliothek zu Kronftabt und 
—— u. a.: Sententiae Augustini excerptae; 
tentiae Nilimonachi ; Formulareformationis 
eccl. Coroneusis; Rudimenta Cosmographica. 

Hontheim, Johann Nikolaus von. Geb. zu 
Trier am 27. Jan. 1701. Bei den Jefuiten eryo: 
gen, wibmete er ſich dem geiftlihen Stande, ſtu⸗ 
dirte zu Löwen kanoniſches Recht, wurde 1728 
55 en des geiftlihen Gericht3 in Trier, 1732— 
38 Brofeffor zu Trier, Dfficial in Coblenz und 
Weihbiſchof von Trier. Unter dem Namen Jujtinus 

bronius ließ er 1763 in Frankfurt die berühmte 

chrift De stat. ecclesiae erjcheinen, welche das 
—— römiſche Curialſyſtem bekämpfte und das 
piftopalfgftem 
mit dem Grundfaße: bie bifhöfliche Gewalt ift von 
Gott. Der Papft ift primus inter pares, er fteht 
De über dem einzelnen Bifchofe, aber unter deren 
ejammtheit, ift an die Ganones gebunden und 
muß au deren —— enöthigt werben. Eine 
ſche Folge diefer ft war bie Biſchofs⸗ 
verjammlung zu Coblenz 1769 und die Emjer 
Punctation. Der Papſt Hatte bie Schrift zwar 
1764 ſchon verworfen, aud waren Gegenſchriften 
erihienen (Zaccaria und Bellerini), welde H. in 
einer kurzen Bearbeitung 1774 berüdfichtigte, aber 
1778 gelang e8 den Bemühungen ber Eurie 
bei bem —— Trier, Hontheim zu einer 
retractirenden Erflärung zu veranlaffen, welcher 
ein Commentarius Febronii Just. in suam re- 
tractationem folgte. 

Hoogfiraten, Jakob van, der Gegner Reud: 
lins. Geb. 1454 im Dorfe Hoogftraten in Flan⸗ 
dern, ftubirte er in Köln und wurde Dominicaner: 
Be und Inquifitor in Löwen. Im zelotiſchen 

denseifer griff er die Humaniften an und citirte 
Reuchlin wegen feined Angriffs auf den Juden 
Dfefferlorn vor fein Inquifitiondgeridt. Da er 
biezu formell nicht berechtigt war, ordnete Leo X. 
eine neue Unterfuhung durch den Biſchof Georg 
von Speyer an, ber 1514 9. verurtheilte. Als die: 
— hievon an den Papſt appellirte, erließ Leo, be⸗ 

ängt von den Dominicanern und geneigt ben 
Sumaniften, ein Mandatum de supersedendo, 
woburd bie Entſcheidung vertagt wurde. Durch 
er unwiſſende Anmaßung wurde 9. bei allen 
ebildeten ber Zeit ebenmäßig verhaßt; ihn traf 
yirorum. Seine Sihriften, Be ihm Garakterifieen 
rum. Seine a n dar en, 
find 1526 zu Cöln erfchienen. 

Hoofer, Richard, englifcher Theolog. Geb. 1553 
m Exeter, ftarb er als Pfarrer von Bishopsbourne 
n Kent 1600. Er ſchrieb: The laws of ecclesia- 
stical polity, 1594. 

Hooper, Lohr, Geb. in Somerjetjhire, ftubirte 


er in Oxford, wandte fi ber Reformation zu, 


368 


Horb 


mußte 1539 nad) Erlaß der VI Artikel Heinrihs 
vi fliehen und lebte in der Sgec im Ber: 
fehre mit Bullinger u. A. 1549 nad) England zu: 
rüdgefehrt, erhielt er als bedeutender und belieb— 
ter Prediger dad Bisthum Glocefter; aber erft 
eine kurze Haft tonnte ihn bewegen, bie biſchöfliche 
Kleidung —— und den Eid mit 
Weglaſſung der 
leiften. Unter ber bl 
vom iger Gerichte in London verurtheilt und 
in feinem Bis verbrannt. 
oorubeet, Johannes, geb. zu Harlem 1617. 

1644 warb er Profeſſor der ie und Geiſt 
licher in Utrecht, feit 1654 in Leyden. + 1666. 
Ichrieb gegen den Socinianismus (Socinianismus 
confutatus, 1650; Com um Soc. conf., 1669), 
— ein Compendium der reformirten Polemil 

raus und ſchrieb über damalige Zeitfragen 
außerdem Institutio studii theologici, , 
ar —— practica cum irenica. Kt 

a, König von Yegypten. Mit 

gebetle ein Bündniß bei feinem Abfall = Rebu: 
fabnezar, Ey. 17, 15, ohne von ihm eine weſent 
lie Hülfe zu erlangen, Jer. 37, 3 ff. Er wurde 
von feinem Feldherrn Amafis, der mit ben auf: 
ftändigen Einwohnern von Eyrene ſich verben), 
vom Throne geftoßen und getödtet. Vgl. Jer. 


Hopkins, Samuel, einer ber Führer der New 
England: Theologie (f. d. Art. Edwards), ift gebo: 
ren 1721 in Water in Connecticut, 

atono 


(den Febronianismus) aufftellte, | 44, 30 


im Yale:College und ward 1743 bei 
in MNaffachufetts Prediger. Wegen Mitt eit 
ber Gemeinde entlaffen 1769, nahm er einen Be 
zuf in Newport:Rhode:Jsland an. + 1803. Sein: 
Werke gab das GCongregationaliftensGomitd in 
gr = 1852 neu heraus. 
. Der Sen. auf welchem Aaron ftarb, 4 

Moj. 33, 38; 20, 22, auf der Grenze Edoms und 
Paläftina’3, ber Dicpebel-Nabi:Harun an der Süb: 
jpige des Todten Meeres. Aarons Grab zeigt mar 
auf der öftlihen Spige des Sr ipfels 
— Ein anderer Hor wish . Mof. 34, 7.8 
im N.:D. Baläftina’8 erwähnt und ift auf dem 
Ausläufer des Libanon zu fuchen. 

Horae canonicae ober regulares find bie 
Stunden, in wel die Kanonifer und Kloſter⸗ 
eiftlichen die im Brevier enthaltenen Gebete nad 
een rdnung zu beten, rejp. gemeinfchaftlic zu 

ingen verpflichtet find. Solder Stunden find 7 
oder 8. Die Matutin mit den laudes wird früh: 
morgens um 3 Uhr gebetet; es folgen bie Prim, 
6 Ur, 9, Sept 12, None 3 u, danach die 
Beöper, 6 Uhr, dad Completorium vor dem Säle 
k ehen und endlid das —— oder die 

igilie um Mitternacht. Dieſe cht wird aber 
gewöhnlich) mit der Matutin verbunden. Diefe An 
dachten ſelbſt heißen auch Horen;; fie beginnen mil 
pater noster und Ave Maria, enthalten einen 
er eine Dration und fließen mit der Für⸗ 

itte für die Verftorbenen und der Marianiſchen 
Antiphonie. 

‚Sorb, Joh. 2., geboren 1645 zu Colmar, bildete 
fih aufden Univerfitäten Strakburg, Jena, Bi: 
tenberg, Helmftädt, Kiel und auf weitern Reifen, 
wurbe 1671 Paftor und 1673 Confiftorialrath pu 
Trarbadh. Die Richtung feines Schwagers Spenet 
nahm er mit Eifer auf (fein Bedenken über die 
Pia desideria, 1675), mußte aber zum Theil 


Horch 


deßhalb ſeine Stelle aufgeben, ward 1678 Pfarrer 
und Superintendent zu Windsheim in Franken 
und 1685 Paſtor zu St. Nikolai in Hamburg. Als 
er bier Spenerſche Eonventifel einrichtete, erregte 
der orthodoxe Paſtor Mayer (fpäter in Greifd- 
wald) einen langjährigen erbitterten Streit, der 
durch Horbs beutiche Ausgabe der Vrais principes 
de l'&ducation chrötienne von Poiret noch ge= 
ſchärft wurde, H. mußte 1693 weichen und wurbe 
1694 — entſetzt. } 1695 zu Steinbed bei 
t 


mburg. 
Horch, ein Separatift. Geb. —** 1652, 
ftudirte er Theologie und Medicin in Marburg 
und Bremen, wo Untereyk Einfluß auf ihn ges 
warn, wurde bann 1683 Diafonus in —— 
1685 Hofprediger in Kreuznach, Dr. theol. in Hei⸗ 
7 1687 Pfarrer dort, 1689 zu Frankfurt, 
16% Pfarrer und Peofeffor ber Theologie in Her: 
born. Weil er fi) ben feparatiftifchen Beſtrebun⸗ 
Kae Zeit im Wittgenfteinifhen durch Arnold, 
fer u. X. anfchloß, wurde er 1698 feiner Aem⸗ 
ter enthoben und führte gehn Jahre lang ein uns 
tes Leben, feine feparatiftiihen Anſichten pre: 
igend. 1699 verfiel er in Wahnfinn und lebte 
nad feiner Genefung 1700, Literarifch befchäftigt, 
von einer Benfion zu Marburg. + 1724 zu Kirch: 
beim bei Marburg. Sein widtigftes Wert ift die 
Es und Prophetifche Bibel, 1712. 
oreb Hält man einen Vorberg des Sinai, 
2. Moſ. 3, 1; 1. Kön. 19, 8. Im Deuteronomium 
wird dad Wort für den Sinai felbft ald Berg ber 
en gebraudt. 
ter, ein in Edom anfäffiger Urftamm, ber 
zur femitiihen Bölferfamilie gehörte. Bon den 
Ebomitern unterjocht, 30g der Reſt des Volkes fich 
auf das Gebirge Seir zurüd, in deſſen Höhlen fie 
ihren MWohnfig gründeten (Horiter = Höhlenbe- 
mohner), 5. Moj.2,12. 22. Die Lage der 9. unter 
ihren ebomitifchen Herren ſchildert Hiob 24, 5; 
30, 1 ff. Die geographifhe Beftimmung ihres 
Wohnſitzes ergiebt fih aus 1. Mof. 36, 20, wo 
unter den Söhnen Seirs Ortſchaften zu verftehen 
find, die ſämmtlich auf Edom und das peträi,che 
Arabien weijen. 

Horma, eine Ranaaniterftabt im Süden Balä- 
ftina’s, welche früher Zephath Dh Richt. 1, 17. 
Hier wurden die Iſraeliten geſchlagen, 4. Moſ. 
14, 5, fiegten aber, 4. Mof. 21, 3, ohne damals 
die Stadt zu gewinnen. Bom Stamme Simeon 

ewonnen, ericheint H. fpäter im Befige Juda’s, 
. Sam. 30, 30. 

Hormisdas, Papft 514—23. Die Bemühungen 
ber oftrömifchen Kaiſer Anaftafius und Zuftin, die 
Kirchenjpaltung beizulegen, die dur) das Heno⸗ 
tifon entjtanden war, ſcheiterten an ber ſtarrſinni 


369 


Hoſea 


Braunſchweig, ſtudirte ſeit 1608 in Helmſtädt, 
wurde 1619 Profeſſor der Logik und Ethik und 
1625 der Theologie. Weil er auf die Nothwendig⸗ 
keit ernften fittlihen Streben? drang, wurde aud) 
er wie Galigt von den Leipziger und Jenaer Theo» 
logen heftig angegriffen. ’ 1649. Bon feinen 
Schriften zu nennen: Compendium dialec- 
ticae suceinctum, 1623—33, in 12 Aufl.; Com- 
pendium theol., 1655. 

Soronaim, wahrſcheinlich der Geburtsort des 
perſiſchen Statthalters Sanballat, Neh. 2, 10. 19, 
lag im Moabiterlande an einem Bergabhange, 
Ser. 48, 3; Jef. 15, 5; nad) Eufebius 3 Stun- 
den von Areopolis. 

Horror naturalis ift ber in ber phyſiſchen 
und fomatifchen Beſchaffenheit des Menſchen bes 
gründete Abjcheu, der 3.8. die gefchlechtliche Ver: 
miſchung naher Blutsverwandten verbietet. Nur 
in entfernter Weiſe können aus ihm die Beftim- 
mungen ber levitifchen Gefete hergeleitet werden. 

Horſtius, Johann Merlo, katholifcher —— 
Geb. zu Horſt bei Roermonde im Anfang des 17. 
Jahrhunderts, ward er Pfarrer zu Lyskirchen in 
Cöln und ift der Verfaſſer mehrerer aftetiihen 
Schriften. Sein Paradisus animae christianae 
wurde von —— ins Franzöſiſche überſetzt, 
Heures chrötiennes. Außerdem beſorgte er bie 
Herausgabe ber Werke bes heil. Bernhard und des 
Thomas a Kempis, 

Sofa, Grenzitadt zwiſchen Tor (Tyrus) unb 
Afieb, Joſ. 19, 27. 

—— S. Hoſianna. 

oſea, der Prophet, der Sohn Beeris. Seine 
Lebensumftände find unbelannt; nad der hrifts 
lichen Sage foll er zu Belemoth in NP gebo⸗ 
ren und geſtorben fein, nad) der jüdischen ſtarb er 
zu Babylon. Seine Weiffagungen weifen in die 
Zeit Jerobeamd IL, und gehen jedenfalls bis 
auf Menahem herunter, Mit hohem bichterifchen 
Schwunge ſchildert er das Elend des Landes und 
kämpft gegen den Bilderdienft, in dem er die Wur—⸗ 
zel alles Uebel3 fieht. Daher mahnt er aud) ab 
von ben Bündniflen mit Aegypten und Affyrien. 
Den Götzendienſt ftellt er dar unter dem Bilde des 
Chebruchs, daher auch die Symbolik in der Ge: 
burt feiner Söhne. Seine Weifjagung bezieht ſich 
auf das nördliche Reich, jedoch nicht ohne Seiten» 
blide auf Juda, „für welches die Ernte beftellt ift.“ 
Das Buch zerfällt in bie zwei Theile Cap. 1—3 
und 4—14, ſcheint zwar nicht aus einem Guſſe 
gearbeitet zu fein, wohl aber in feiner —— 
üchkeit erhalten. Vgl. die Commentare zu den EI. 
Propheten von Ewald, 1840, 2. Ausg. 1867 ; von 
Hitzig, 3. Aufl. 1863; von Keil 1866; zu Hoſea 
von Bödel 1807; Stud 1828; Simfon 1851; 


feftgehaltenen Forderung des H., daß über bie Yuguft Wünſche, 1868. Vgl. de Wette in Stud. 


Häupter der monophyſiliſchen Partei und über | 
Hcacius von Conftantinopel dad Anathema aus: 
—— würde, 517 wurde ſein Legat auf krän⸗ 
ende Weiſe heimgeſchickt und 519 kamen die Ver— 
handlungen nicht zum Schluß. Weiſe unterſchied 
er aber in dem Streit der ſyriſchen Mönche über 
a wa von Rhegium zwiſchen den Lehren der 
irchenväter und den aelehrten Meinungen Ein: | 
zelner (Brief an Boffefior). Eine an fi wider: | 
ſpruchsvolle Sage läßt Chlodwig ( 511) ihm eine | 
goldene Krone jchiden. In Rom jol H. Manichäer 
aufgefunden und verfolgt haben. T 523. 
orney, Hornejus, Konrad, geb. 1590 zu, 





und Krit, 1832; Kurg, die Ehe des Propheten 
Hofea, 1859, - 

Hoſea, König von Iſrael 727—19, beftieg den 
Thron nad) der Ermordung Pekahs und vermwei: 
— im Vertrauen auf die ägyptiſche Hülfe den 

isher Aſſyrien gezahlten Tribut. Salmanafjar 
rüdte gegen ihn, forderte 9. zur Verantwortung 
vor ſich und legte ihn ins Gefängniß. Als ſich hier: 
auf das Land erhob, fiel Samaria nad) dreijäh: 
tiger Belagerung und die Bevölferung wurde von 
dem durch den — en Widerſtand erbitterten 
Feinde in die Gefangenſchaft geführt. Die Chro- 
nologie der Regierung 9.3 i Rss weil bie 


Hoftanıa 


Stellen 2. Kön. 17,1; 15, 30. 27 nicht überein» 
""Pofianne, „Bieb doc Seil" if aus Pe 
ofianna, „Gieb doch Heil,“ ift au alm 
118, 25 genommen und aus ber Geſchichte des 
Einzugs in Jerufalem das Urloblied des Chriſten⸗ 
thums geworden. { 

Hofius von Corduba (Cordova) in Spanien 
war um 260 in Spanien geboren und hatte unter 
Maximinian den Ruhm des Confefjors erworben. 
Sein Einfluß am Hofe Conftantins trat in ben 
Arinnifchen Streitigleiten hervor. Er überbrachte 
ben Brief bes Raifers an Arius und Alerander 
nah Alerandrien, trat dann — der ihm auf: 
getragenen Bermittlerrolle partetiih gegen Arius 
auf, nahrı zu Nicäa eine Finflußteige Stellung 
ein und präfidirte der rm von Sarbica 347. 
Den Athanafius vertheidigte er fortwährend un: 
erichroden, auch ala ihn Gonftantius II. an feinen 
Hof nad Meiland berief; ald er aber eine er- 
neuerte Zumuthung, mit den Arianern anzuknüp⸗ 
fen, zurüdwies 355, wurbe er nad; Sirmium ver: 
bannt. Hier ließ er fi auf der Synade 357 zur 
Unterſchrift der Arianifirenden Beichlüffe bewegen, 
Fe dann auf feinen Biſchofſitz zurücklehren und 
tarb 359. 

Hoſius, Stanidlaus. Geb. am 8. April 1504 zu 
Kraleu aus einem eingewanderten ſchwäbiſchen 
Geſchlechte, empfing erfeine Bildungzu Wilna, Kra⸗ 
fau, Padua und Bologna, trat dann in die Kanz⸗ 
lei des Königs und, ald er wider Willen ein Ca—⸗ 
nonicat zur Belohnung feiner außerordentlichen 
Leiftungen erhalten hatte, 1588 auch in den geift: 
lihen Stand. Als Biſchof von Kulm gr 1549 
wandte er nicht bloß alle Energie auf die Beſchrän⸗ 
fung der Proteftanten, die er bitter haßte, und bie 
Neitauration des Katholicismus (Synode zu Per 
trifau 1561), mehr nod) wurde er zu diplomatiſch⸗ 
lirchlichen Aufträgen verwendet. Als päpftlicher 
Legat (1559) und Gardinal (1561) wirkte er am 
Hofe in Wien für die Wiedereröffnung des Triden⸗ 
tiner Concild und nahm auch auf demfelben cine 
bedeutende Stelle ein, bis er e3, unzufrieden mit 
dem Beichluß der geheimen Ehen, verließ. Die 
Beſchlüſſe des Eoncils führte er in den Diöreſen 
Kulm und Ermeland eifrig durch, übergab das neu: 
geftiftete Collegium zu Braunäberg den Jefuiten 
und beyriindete die gegenwärtige Stellung des 
Katholiciömus im Polnifchen. 1569 wurde er als 
Großpönitentiar nach Rom berufen. + 1579. In 
ter Heftigkeit feiner Polemik hat I 9. ald Theo: 
log — Blöße gegeben, ie feine Oegner be: 
nugten. Von feinen Werfen, welche in Köln 1584 
herausgegeben find, ift die Confessio catholicas 
fidei christ. alö Belenntniß der Synode zu Petri: 
fau zu nennen. 

Hofpinian, Rud. Geb, gu Altorf bei Züriham 7. 
Nov. 1547, jtudirte er in Marburg und Heidelberg, 
wurde Pjarrer bei Zürich, Nector des Carolinums 
in der Stadt, 1588 Archidiakon und 1594 Pfarrer 
an ber Abteilirche. In den letzten Lebensjahren 
erblindet und kinoifch geworden, ftarb er 1626. 
Seine gelehrten ürchenhiſtoriſchen Werte hatten 
einen gegen Rom gerichteten polemifchen Zweck 
und enthalten hiftorifchsfritiiche Unterfuchungen 
über den Cultus und die Verfaſſung der Kirche ; die 
Reihe derjelben begann er mit De origine et pro- 
gressu rituum, 1585, und wurde geſchloſſen durch 
die Historia jesuitica, Berühmt ih bie et 
Geſchichte der Concordienformel, Concordia di 


370 


Hospitaliter 


cors, 1617 und De origine et progressu contro- 
versiae sacramentariae, 1598—1602, Diefe ers 
tegten ben gften Zorr der Lutheraner; Huttes 
ruß fegte ihm die Concordia concors entgegen, 
—— . um des Friedens willen zu beantworten 
unterli 
Hospital, Michael de P, Kanzler von Frank 
reich. Er mar geboren 1506 zu Wigueperje in 
Auvergne, karz mit feinem Bater, einem Arzte, 
nad) Stalien, —— in Pavia und wurde in Rom 
Auditor der Rota. Nah feiner Rücklehr nad 
Frankreich ftieg er durch mehrere Aemter 1560 
ra nzler auf. In dieſer Stellung beftrebte er 
ih zwiſchen Katholiken und Hugenotten eine 
gegenfeitige Dulbung herbeizuführen, damit in 
dem innern Kriege der Staat nit ee 
biefem Sinne leitete er dad Gejpräd zu Poiſſy, 
wiberrieth er 1564 die Annahme der Tridentiner 
Beihlüffe und ſchloß den Frieden zu Longjus 
meau 1568, Die Katholiten verbäcdhtigten ihn das 
her als Atheiften und bei der Bartholomäusna 
foll auch fein Tod beſchloſſen geweſen fein. 
gab fein Amt auf, als ber Hof den Frieden von 
!ongjuneau brach 1586 und lebte auf feinem 
Zandgute Bignay bei Etampes. + 1573, 
Hoßpitaliter und Hospitaliterinnen find relis 
giöje Genoffenfhaften mit dem Zwede der Armen: 
und —— welche keine eigentlich klöſter⸗ 
lichen Gelübde ablegen, meiſt nach der Regel des 
h. Auguſtin ober der dritten Regel des h. Fran⸗ 
ciscus leben, zum Theil auch mit Orden, wie mit 
ben geiftlihen Ritterorden in näherer Berbins 
bung ftanden. Größere Verbrüberungen ftehen 
unter einem General, in ber Regel aber find fie 
ber Aufficht des Bifchof3 unterworfen. Bon ben 
—— find außer ben Hospitalbrüdern des 
obanniter: und des beutfchen Drbend zu erwäh⸗ 
nen, bie 9. des Ordens vom 5. Geifte (Kreuz: 
Pe durh Guido von Montpellier 1178, die 
. beö Guido von Joinville zu Boucheraumont 
unb zu Paris 1294, die H. des Johann von Gott 
ober Brüder ber Liebe, bie Hospitaliter von 
Borrged und A. Don den weiblichen Genofiens 
fchaften ift die bedeutendſte die der Elifabethine: 
rinnen, beren Urfprung auf bie h. Elifabeth von 
Tliringen (+ ve zurüdgeführt wird. Dieſe 
Eongregation hat aber durch Angelina von Cor⸗ 
baro (1377—1435) einen ganz Höfterlichen Cha⸗ 
rakter angenommen nach der dritten Regel des 
— Ordenstracht iſt ein graues Kleid. 
n Frankreich haben ſich viele Congregationen 
der Hospitaliterinnen gebildet, die Deubeietten 
durch Stephan Haudry, Geheimſchreiber Ludwig 
bes Heiligen, bie H. von ber driftlihen Liebe 
u.2. F. dur) Francidca vom Kreuz 1629. Die 
9. U. 2. F. von der Zuflucht, zu Nancy geftiftet 
1639 durch Elifabeth vom Kreuz, befhäftigen ſich 
mit der Rettung Gefallener. Die H. zu Loches, 
geftiftet dur; Pasquier Bouray, und die H. von 
der Barmherzigkeit Jefu, 1630, befolgten die 
Regel des h. Auguftin. Die 9. des h. Joſeph, 
dur Maria de lEſtang 1638 zur Erziehung von 
Waiſen ee ie 9. des h. Joſeph, durch 
Maria de la Ferre zuLafläche 1638 geftiftet. Die 
9. des h. Joſeph zu Bourg beftehen noch mit 90 
Anftalten. Die H. der Gongregation bes 5. 
Thomas zu Qilleneuve, gejtiftet durch Angeluß 
le Prouft und Ludwig Chaboiſſeau 1660 zu Lam⸗ 
balle nad) der Regel Auguftind. Die H. vom h. 


Hoßbach 


Auguſtin U. L. F. der chriſtlichen Liebe zu Greno⸗ 
ble 1679. Die H. von Beſançon 1689. Die 9. 
der h. Martha von Pontarlier 1681 u. a. In 
dieſem Jahrhundert neu entftanden ift die Eon» 

egation von der Borfehung 1820, welde in 
Srantreich weit verbreitel ift. 

Hoßbach, Peter Wilhelm, Dr. theol., geb. ben 
20. Febr. 1784 in Wufterhaufen, der Sohn eine 
Lehrers, auf dem Gymnafium zu Neuruppin vor: 
gran, ftubirte er zu Halle und Rn a. O. 

ge = ya und Naturwifjenichaft. Nach⸗ 
bem er 1806 — 1808 Haudlehrer geweſen mar, 
wurde er Gonrector zu Prenzlau, dann Pfarrer zu 
Plänitz a. d. Dofje, und Cadettenprediger in Ber: 
lin; gab diefe Stelle, in die Angelegenheit feines 
Freundes de Wette verwidelt, auf und murbe 
Brediger an der NeusSerufalem: Kirche 1821. 


12 Berliner Brediger in dem Agendenftreit 1825 
und ald Mitunterzeichner des Proteſtes von 1845 


widelung. Als Theolog von Schleiermader an: 
geregt und innig mit ihm befreundet (Gedächtniß⸗ 
predigt 1834), hielt er fi in den kirchlichen Be: 
mwegungen in der Mitte zwifchen der erwachenden 
DOrthodorie und dem —— Liberalismus. 
Seine bedeutendſten Werte find: Das Leben Joh. 
Bal. Andreä, 1819, Spener und feine Zeit, 1828, 
2. Aufl. 1853, und jeine Predigten, 8 Bde. 
Hoflien. Oblaten nennt man das in der Tatho- 
lichen und Iutherifchen Kirche üblihe Abend: 
mahlöbrod aus ungefäuertem Teige von Mehl 
und Waſſer. Der Name Dblate ftammt aus ber 
älteften Gemeinde, wo die Gaben an Brod und 
Mein (Oblationes) zur Communion von den Dia: 
fonen in Empfang genommen wurden. Der Name 
Hostia (Opfer) iſt erft mit der Transfubftantias 
tionälehre aufgelommen und gehört der conſecrir⸗ 
ten Oblate. Den Gebraud des ungefäuerten B:o- 
des führt die römische Kirche ins 2. Jahrhundert 
zurüd, aber e3 finden fich feine Spuren vor dem 
9. Jahrhundert. Im 11. Nr Pla macht bie 
griechische Kirche der Lateinischen den Gebrauch 
des Ungefäuerten zum Vorwurf (Michael Cärula: 
rind). Die Einigungsformel von Florenz 1439 
ab den Gebrauch des Gefäuerten wie bed Unge: 
äuerten frei. Die Reformirten haben durchgaͤn—⸗ 
gs die Hoſtie fallen laſſen, weil fie fein eigents 
iches Brod fei. Zur Elevation und zum Umper: 
tragen ber er dient die Monftranz. 
Gotinge, ohann Heinrich, geb. den 10. März 
1620, ftubirte in feiner Naterftabt Zürich und 
danad) in Gröningen und Leyden, befuchte Frank: 
reich und England und wurde 1642 nah Zürich 
berufen als Brofeffor der Kirchengefchichte, 1643 
auch der Katechetil und der hebräifchen Sprade. 
1655—61 lehrte er in Heidelberg und kehrte dann 
nach Zürich zurüd. 1667 nach Leyden berufen, | 
ertranf er durch einen Zufall in ber Limmat den | 
5. Juni 1647. Bon feinen zahlreichen Schriften | 
gab er feldft zwei Berzeichniffe heraus. Er — 
u. A. eine hebräiſche und eine chaldäifche Gram⸗ 
matif, den Thesaurus philologicus; Lexicon 
harmonicum re und die Historia 
ecclesiastica N. T. 1651—57. 
ottinger, Johann Jakob, geb. zu Zürich den 
1. Dec. 1652, der Sohn des Vorigen, ftubirte in | 
Zürih, Baſel, Marburg und Genf und wurde | 


371 





betheiligte er ſich an ber landeskirchlichen 3 


Huber 


1676 Prediger, 1680 zu Stalliton bei Zürich, 
1686 Dialon am großen Münfter, 1698 Profeflor 
ber — So ſtreng er an der orthodoxen 
Lehre des Consensus Tig. feſthielt, fo ſuchte er 
dennoch eine Union der reformatorifchen Kirchen 
u erreichen (1721 Dissertatio irenica de veri- 
—* et charitatis in ecclesia Protestantium 
eonnubio). Dagegen erhob er ſich in mehreren 
Säriften gegen ben Pielismus, der aud) in gü: 
rich bei Einzelnen Anklang gefunden Batte, und 
führtein feiner helvetifchen Kirchengeſchichte (1698- 
1707) eine heftige Bolemit gegen die Katholiten. 
Er ſtacb 1755. Fünf Jahre vorher (1729) hatte 
ihn ein Schlagfluß getroffen, doc hatte er feine 
Vorlefungen fortjegen können. 

Honbigant, Karl Franz. Geb. zu Parid 1686, 


| trat er 1704 in die Eongregation des Oratoriums, 
1830 Dr. theol., Superintendent und Eonfiftorial: | 
rath, + 1846. Als Sp ae der Vorftellung der 


war Oberer im Convent von Benböme und 1722 
wurben ihm bie Conferenzen von Magloire über: 
eben. Böllig taub geworden, lebte er nur jeinen 

tterarifchen Arbeiten. Sein Hauptwerk ift bie 
Bibelausgabe, Paris 1753; neben dem Urtert, in 
dem e: vom text. rec. ſich losfagt, aber gemagten 
—— folgt, ſteht die lateiniſche Webers 
etzung. 

Hoher, Anna, die Tochter des Johann Owen, 
geboren 1584 zu Coldenbüttel im Eiderſtädtſchen, 
verheirathete fih 1599 mit Hermann Hoyer. Nach 
dem Tode ihre Mannes ergab fie ſich einer 
myftifhen Richtung, fie verband fih mit dem 
Alchymiſten Teting und machte ihr Haus zum 
Sammelplag der Sectirer, Ausgeprägt ift ihr 
Haß gegen die Geiftlichkeit und äuferes Kirchen: 
wejen. Ihre Gedanken vom innern Wort entlehnte 
te aus andern Myſtikern ohne eigene Ideen. Als 
ie 1632 verarmt nach Schweden ging, ſchenlte ihr 
* — — ein Gütchen, wo fie 1656 

arb. 
rabanus. S. Rabanus. 
roswitha. S. Roswitha. 
ubald. S. Hucbald. 
uber, Maria, geb. 1694 zu Genf, + 1759 zu 
Lyon. Verfaſſerin der Lettres de la religion 
essentielle à !’homme, distingude de ce qui n’en 
est que l’accessoire. In denſelben betrachtet fie 
ale Difuberaug nur al3 Mittel, die natürliche 
Religion zur Entwidelung zu bringen und-Dogmen 
und Außere Gebräuche als unweſentlich. Diefe 
Anſicht vertheidigte fie in mehreren Schriften 
gegen ben reformirten Theologen Rüchat. Ihr 
eismus, ben man ihr bien f nicht der des 
Berftandes, fondern wurzelt im religiöfen Gefühl. 
uber, Samuel. Geb. 1547 zu Bern, fiudirte er 
in Deutichland und wurde Pfarrer und Kämme: 
rer in Burgoorf. Abgeftoßen von der reformirten 
Prädeftination und ber [utherifchen Abendmahls— 
lehre zugewandt, widerfegte er fi) mit Erfolg zu: 
erit der beſchloſſenen Abſchaffung der Oblaten 
beim Abendmahl, und fhrieb nad dem Mömpel: 
oo Geſpräch (20. März 1586) aegen Beza's 
hre von ber Gnadenwahl. Als er defhalb vor 
bem Oberchorgericht zur Rede geftellt, nach einem 
Religionsgefpräh auf dem Ratähaufe 1588 nicht 
chwieg, wurde er bed Lande? verwieſen, trat 
—— ben Lutheranern über und ward Pfar: 
ter zu —— bei Tübingen. Vann als Pro: 
feſſor nach Wittenberg berufen, lehrte er einen 
weitgehenden Univerfaliämus, der die Iutherifchen 
Theologen Leyſer und Hunnius fo — daß 
7 


Quberin 37 


fie ihn verflagten und er nad) einer Haft aber: | 
mals deö Landes verwiejen wurde. Ebenjo erging 
es ihm 1595 in Tübingen. Unter vergeblidhen | 
Verſuchen eine Revifion jeined Proceſſes in Dres: 
den zu erlangen, lebte er zu Ofterwid unmweit Gos⸗ 
far bei feinem Schwiegerfohne. + 1624. 

Huberin (Huber) Kaspar, war Mönd) in einem 
bayriſchen Klofter, wurde 1527 Pfarrer in Augs- 
burg, wo er ſchon 1525 das Evangelium geprebigt 
hatte. 1528 nahm er Theil an ber Berner Di 
putation und reifte in ben Abenbmahläftreitig- 
feiten der Stabt 1535 nad) —— zu Luther. 
Nachdem er bei der Einführung der Reformation 
in der Pfalz und im Hohenloheſchen thätig, auch 
ſeit 1544 Superintendent zu Dehringen geweſen 
mar, verwaltete er wieder 1551 ein Nartamt in 
Augsburg. Da er ald der einzige Prediger das 

nterim angenommen hatte, mußte er 1552 bie 

tabt verlaflen und ftarb voll Kummer zu Deb: 
zingen 1553. Man hat von ihm mehrere Predig- 
ten und Schriften, die 1552 zu Nürnberg heraus⸗ 


gegeben fin. 

Hubertiner Chroniſt. Der unbekannte ſcharf⸗ 
finnige und gelehrte Verfaſſer der Chronik des 
Klofterd St. Hubertus in Arbuenna hat in ber 
Mitte des 11. Jahrhunderts gelebt. Die Chronik 
ati heraus Bethmann und Mattendah bei Ber, 


ript. VIII, 

Hubertus, Sohn bed Peine Bertrand von, 
Ouienne, war ** Hofmeiſier des fränkiſchen 
Königs Theoderich. Er trat nach dem Tode feiner 
Gemahlin in den geiftliden Stand und folgte ſei⸗ 
nem Lchrer Lamprecht ald Biihof von Lüttich. 
Er gilt ald der Erbauer der dortigen Kathedrale. 
Nach der Legende hatte ihn die €) einung eines 
Hirfches mit dem Crucifig zwijhen den Geweihen 
von feiner leidenſchaftlichen Jagdliebe zur Umkehr 
—— Er gilt daher, 827 Heilig —— als 

er Patron der Jäger (3. Nov.). Auch ſoll ihm 
Petrus feinen Schlüffel zur Heilung Befeflener | 
und von tollen Hunden Gebiſſener geliehen haben. 
(Hubertusfhlüfiel). — Hubertus⸗Orden ift geftif- 
tet von Gerhard V. von Jülich zum Andenten an 
ben Sieg am 3. Nov. 1444 über Arnold von Gel: 
dern. Der Orden ging durch Pfalz: Neuburg nad) 
Baiern über, wurde 1709 und 1808 erneuert. | 
Das Ordenszeichen ift ein goldenes Kreuz, auf! 
dem Mittelihild das Bild bes Hubertus, getragen 
an goldener Kette. 


| 





} 


ucariud, ein englifher Dialon, verfertigte 


1040 einen Auszug aus dem Bönitentiarbude 
* —— Egbert von York aus dem 8. Jahr⸗ 
undert. 

Hutbald, Hugbald, Ubald wurde von feinem 
Oheim, dem Abte Milo im Kloſter St. 
dus in — erzogen und folgte demſelben 
871 in feiner Würde und als Lehrer. Borzüg: 
liches Leiftete er in der Muſik, da er zuerft die Ge: 
fege ber Harmonie erforſchte. Seine hiſtoriſchen 
* en, Heiligenbiographien, find durch die ein: 
geflochtenen eng ber Voltözuftände 


win: +9 
übmaier, Balthafar, geb. 1480 zu Friedberg 
bei Augsburg, ftudirte ——— unter Eck und 


u 
folgte dieſem 1512 ala rich und Profeffor nad 
Ingolftadt und wurde 1516 Pfarrer zu Regens: 
burg. Hier veranlaßte er 1519 die Vertreibung der 
Juden, wurde wegen reformatorifher Anfihten | 
genöthigt bie Stadt zu verlaffen, und fam 1522 ala 


mans | 


2 Huetius 


Pfarrer nah Waldshut, nahm 1523 Antheil am 
Religiondgeipräd zu Zürich. Als durch ihn veran⸗ 
laßt die Bürgerfchaft die Annahme der evanvelis 
[den Lehre pi floh er vor ber Berfolgung 

efterreih8 nad Züri und Lehrte erft mit ber 
Zuricher Freiſchaar zurüd. Offen trat er nun mit 
jeinen Anfichten über Taufe und Abendmahl her⸗ 
vor, in denen er unter dem Einfluß von er 
und Wilhelm Röubli ftand, ließ ſich ſelbſt ** 
und ſchrieb ſein Büchlein: Von der chriſtlichen 
Taufe der Gläubigen. Inzwiſchen hatte Defter: 
reih Waldshut wiedergemwonnen. 9. floh nad 
Züri, mweldes ihn zwar nicht außlieferte, aber 
durch ftrenge Haft einen Widerruf der täuferifchen 
Anfihten erzwang. 9. ging nad Nitoldburg in 
Mähren und begründete dort eine täuferifche Ges 
meinde, bis 1527 Mähren an Defterreich fiel. Als 
Keger und Hochverräther wurde H. in Wien vor 


ı Gericht geftellt und verbrannt, fomwie fein Weib 


ertränkt (10. März 1528). Den extremen Aus: 
ige bes anabaptiſtiſchen Weſens hat 9. ſich 
etö wiberjegt, bei ihm handelte es fi darum, 
bie biblifhen Anordnungen feftzuhalten und allem 
Katholiſiren im Begriff der Kirche zu entgehen. 
Zwingli, mit ihm einft befreundet, wurde jein 
beftigiter Gegner, weil 9. die Einheit —*—*— 
dem vollsthumlichen und lirchlich religiöſen Leben 
zu zerſtören ſchien. H.'s Schriften ſind zum Theil 
u in Schelhorns’ Archiv, , 
üffel, Joh. Jakob Ludwig, geb. den 6. Mai 
1784 zu Glabenbad) im Großherzogthbum ie 
1817 Prediger in Friedberg, 1825 Director 
tebiger-Seminars in Herborn, feit 1829 badi- 
her Prälat, Minifteralrath und Oberfirhenrath 
in Karlärube, gejt. den 26. Juli 1856. Außer 
Predigten gab er heraus: Wefen und Beruf des 
evangelifchen Geiftlihen, Gießen 1821, 4. Aufl. 
1843; Stunden riftlicher Andacht, Gießen 1844 ; 
Briefe über die Unjterblichkeit, 2. Aufl. Karls: 
ruhe 1832, 

Hühner werden im A. T. nicht erwähnt; im 
N. T. nur Matth. 23, 37; 26, 84 und an ben 
Parallelftellen. Die talmudifhe Sage, es hätten 
die Einwohner von Jeruſalem keine Hühner hal» 
ten bürfen, hat der beftimmten Angabe der Evan: 
gelien gegenüber fein Gewicht. 

Hülſemann, Johann. Profeffor zu Wittenberg 
feit 1629, nahm er Theil am eipsiger Convent 
1630 und am Thorner Geſpräch 1645, ging dann 
‚nad; Zeipzig 1646, + 1661. In enger Berbindung 
mit feinem Schwiegerfjohn Calov wirkte er hier 
für lutheriſche Orthodorie. Ein heftiger Bolemiler, 


\ aber ein tiefer, ſcholaſtiſch gefchulter Geift unter: 


ſchied er bei feinen An ie auf den inis⸗ 
mus (Calv. irreconciliabilis, 1646) die Funda⸗ 
mentalartifel und die Voraudfegungen von den 
möglichen Folgerungen. Sein berühmteftes Wert 
ift: Breviarium theolog. exhibens praecipuas 

dei controversias 1640, in erweiterter Form: 
Extensio breviarii theologici, 1655. 

Huetius, Bijchof von Avranches, Pierre Daniel 
9. Der Sohn eines vom Calvinismus abgefalle: 
nen Patricierd, wurde er geb. den 8. Febr. 1630 
zu Gaen und von den Jejuiten erzogen. Als er 
auf einer Reiſe in Stodholm 1652 eine Handſchrift 
des Drigene® gejunden hatte, lebte er nur mit der 
Ueberfegung und Herausgabe der Commentarien 
von Drigened bejhäjtigt zu Caen. Als das Wert 
1668 erjhienen war, wurde ex mit Boffuet 


Hug 


Erzieher des Dauphin, 1674 Mitglied der Afabemie, 
empfing 1676 bie Weihe und wurde Abt von 


Auray. 1685 zum Bifcof von Soiflons ernannt, | 


vertaufchte er 1689 das Bisthum mit bem Spren: 
—— vranches, legte aber 1699 das Amt nie⸗ 
und ſtarb als Abt von Fontenay im Profeß⸗ 
s der Jeſuiten in Paris 1721. Außer feiner 
usgabe des Drigened und der Einleitung dazu, 
ift bemerlenswerth feine Demonstratio evange- 
lica, in der er nicht nur die volle Geſchichtlichkeit der 
b. Schrift beweift, jondern aud das Alte Tefta: 
ment ala Quelle aller heidnifchen Religionen nad): 
zumeifen fucht. Die Carteſianſche Philofophie bes 
fämpfte er: Censura philos. Cartesianae, 1690. 
Lateiniſche und griechiſche Gedichte fowie Abhand⸗ 
lungen über manderlei Gegenftände befunden 
Seit, Witz und Anmuth. 

Hug, Johann Leonhard, katholiſcher Theolog. 
Geb. 1765 zu Eonftanz, bezog er 1783 das General: 
feminar zu Freiburg, wurde 1787 Studienpräfect 
in demfelben, weil er noch nicht das kanoniſche 
Alter zur Erlangung einer Profeffur hatte; 1791 
wurde er aber Brofeffor der orientaliihen Spras 
hen, 1793 der bibliſchen Exegeſe, 1827 Eapitular, 
1843 Decan des Metropolitancapitels, jeit 1833 
Ephorus des Lyceums, + 1846. Mehrfache Boca: 
tionen nad) Breslau, Rom und Tübingen hatte er 
abgelehnt. Seine Hauptarbeiten be — * ſich auf 
bibliſche Kritik und Einleitungswiften haft. In: 
bem er dieſe mit hiſtoriſch⸗ kritiſchem Sinne behan— 
delte, befolgte er doch dabei eine apologetiſche 
Tendenz gegen bie von Paulus und Strauß ver: 
tretenen Richtungen. Seine Einleitung in die 
Schriften des Neuen Teftaments, 1808, 1821, 
1826, 1847, früher eines ber vielgebraudhteften 
theologifchen Bücher, hat auch Heute noch mannig⸗ 
adhen Werth, obgleich e8 durch die neueren kriti⸗ 

Gen Forſchungen natürlich überholt ift. 

Hugenotten ift der Name ber Reformirten in 
Frantreich, wohin er von Genf gebracht ift. 9. ift 
wohl corrumpirt aus Ti Fer (Eidgenofjen) und 
bezeichnete in Genf bie ge dem Bifchof 
gegenüberftehende politiihe Partei, die nachher 
der Reformation ſich hingab. Die Geſchichte der 
franzöſiſchen Hugenotten |. Frankreich. 

Hugo von St.Cher, de Sancto Caro, geb. zu St. 
Eher, einer Vorſtadt von Bienne in der Dauphino. 
Er ftudirte zu Paris Theologie und fanonijches 
Recht, trat 1224 in dad Dominicanerklofter St. 

tob, wurde 1245 Gardinal, + 1263. Seine 

ehrſamkeit wurde mehrfach zur Wiberlegung 
der Heteroborie, 3. B. bed Wilhelm St. Amour 
und des Joahim von Florus verwendet. Das 
Hauptwerk ift die Eorrection der Vulgata, Cor- 
rectorium Bibliae Sorbonicum. Durch feine Sa- 
erorum bibliorum eoncordantiae oder Concor- 
dantiae St. Jacobi (die erfte Concorbanz) wurde 
die Capiteleintheilung der Bibel allgemein. 

Hugo von Flabigny, der Verfaſſer eines 
Chronicon Virdunense, in zwei Büchern die Zeit 
von Chrifti Geburt bis 1102 umfaſſend (Perg, 
Script. VIII, 280). Er war geb. 1065 au Berbun 
unb im Klofter des 5. Bitonius erzogen, begleitete 
den Abt Rodulph nad) Dijon und den Abt Ja— 
renton auf mehrere kirchliche Gefchäftsreifen nad) 
Stalien. Zum Abt von Flavigny gewählt 1096, 
mußte er vor feinen Mönden das Klofter ver: 
lafien 1099. Seine fpäteren Scidjale find 
unbelannt. Wie es ſcheint, ift er zur faijer: 


373 


Humbert 
lichen Partei übergegangen und Abt in Dijon ge 
‚worden. 

Hugo von St. Victor. Seine —— iſt un⸗ 
gewiß ; nad Einigen ſoll er ein Graf von Blan- 
enburg, nah Andern in Dpern 1097 von 
eringem Stande geweſen fein. Seine Erzie: 

En erhielt er durch feinen Onkel Hugo, Ardhi: 
‚biafonus von Halberftabt, im Klofter Hamers: 
‚leben, und begleitete jenen nad) Paris, trat auch 
mit ihm in das Auguftinerflofter in Paris, in 
welchem er als Lehrer der Klofterfchule 1141 
ftarb. 9. war Myſtiker, der diefelbe mit der Scho: 
ne zu vereinigen, beide gegenfeitig zu durch: 
Wwingen fuchte. Seine Hauptwerfe find: Auditio 
didascalica, eine Encyflopädie ber empirischen 
Wiffenfhaften mit Einleitung in die 5. Schrift, 
und: De sacramentis fidei christianae, eine 
fyftematifche Darlegung der Glaubenälehre, in 
der er fi an Auguftin anſchließt. Den Sacras 
mentöbegriff bildete er weiter aus, daß das Zei: 
hen ald Gefäß und Träger der Gnade erfcheint; 
auch ftellte er die Siebenzahl der Sacramente auf. 
Das Büchlein De laude caritatis enthält die ethi: 
* Grundgedanken ſeiner myſtiſchen Theologie. 
gl. Liebner, Hugo von St. Victor und die theo: 
logifhen Richtungen feiner Zeit, Leipzig 1832. 
Hulda, die Prophetin (2. Kön. 22, 11), ift 
außer Mirjam und Debora die einzige wahre (vgl. 
ıNoadja Neh. 6, 14) Prophetin, welche im Alten 
Teftamente ermähnt wird. Rad) Ezechiel 18,17 ff. 
‚hatte das falfche Prophetenthum feine häufigen 
Vertreter unter den Weibern. x 

Humanismus, Humaniften, Humanität. Hu⸗ 
man ift dad den fittlichen und intellectuellen Ans 
lagen bed Menſchen Entſprechende, Humanität 
der Befit und die Heußerung einer harmoniſchen 
Entwidelung diefer Anlagen mit vormaltender 
Rückſicht auf die intellectuellen Eigenfchaften (Bil⸗ 
dung) oder auf die ethifchen (Menſchlichkeit). ALS 
man um Anhalt und Mufter der Bildung zu ges 
winnen, zu den griechifchen und lateinifchen Claſ⸗ 
fitern zurüdtehrte und ihre Gedanken aufnahm, 
befand ſich diefe Bildung im ——— der ſcho⸗ 
laſtiſchen, welche auf der göttlichen Autorität der 
Kirche und der Schrift ruhen wollte und erhielt 
den Namen einer humanen. Die Bedingung, fie 
zu erlangen, war bie Kenntniß der alten Spra: 
hen, daher hießen Humaniftın die Männer, melde 
das Studium berjelben betrieben, um aus ben 
Alten den Bildungsſto E gewinnen; die ganze 
Richtung, melde bur euchlin und Erasmus 

'repräjentirt wird, heißt Humanismus. Aud in 
der modernen Sprache wird Humanität oder Hu⸗ 
maritarismus in Beziehung auf ſolche Beſtrebun⸗ 
gen ſittlicher Art gebraucht, welche nicht ausdrück⸗ 
lich auf ein religi re Element ſich ftügen, bie und 
da auch wohl im bemußten Gegenſatz gegen das» 
jelbe fi) verhalten. Sogehen z.B. die Arbeiten ber 
innern Miffion und die aus Humanität entipruns 

enen bei den Beftrebungen zur Hebung unſerer 
| Bollözuftände neben einander, Der Unterjchied ift 
aber ein fließender, der zum Theil auf der Ber: 
wechſelung des religiöjen und kirchlichen beruht, 
oder in welchem, ba alle wahrhaft fittlihen Ideen 
im Chriſtenihum ihre Ausbildung und Anregung 
gefunden haben, das „unbemußte Chriſtenthum“ 
der Zeitgenoffen verfannt wird, 

Humbert, der Carbinal, ftammt aus Burgund 

und empfing feine Bildung unter dem Abte 











Humerale 


Bruno (Leo IX.) im Benebictinerklofter gu Moiens | 
Montier bei Tours; er begleitete Bruno 1049 nad) 
Italien und wurde Bifhof von Silva Candida 
1051 und Gardinal; unter mehreren Päpften ala 
Kanzler der römischen Kirche von meitreichendem 
Einfluß. Er war Gefandter Roms in Eonftan: 
tinopel, als das Schisma auäbrad und legte die 
Bannbulle in der Sophienkirche nieder, und ebenfo 
ftand er an ber —* der Gegner Berengars und 
nẽ thigte dieſem auf ber Synode zu Rom 1059 fein 
Olaubenäbelenntniß auf. + 1061 ober 1073, 
Seine Schriften bei A. Migne, Bd. 143 (1853) p. 
929—1278, in denfelben der Bericht der Conſtan⸗ 
tinopolitanifchen Reiſe. 

Humerale iſt ein Theil der römiſchen Prieſter⸗ 
Hcidung, die Nachbildung bes altteſtamentlichen 
Ephod, bedeckt den Hals und die Schultern, ur« 
fprünglich aud) das Haupt. 

Humiliatenorden. Italieniſche Adlige, bie in 
Deutichland gefangen geweien waren, ftifteten 
eine Genoſſenſchaft zu Bußübungen im 12. Jahr: 
hundert; nahmen dann die Benebictinerregel an 
und verbreiteten ſich nach der —— durch 
Innocenz III. in Oberitalien. Pius V. löſte 
den Orden auf 1671, als ſich in demſelben eine 
Verſe wörung gegen die Reformverſuche des Car: 
dinals Borromeo gebildet hatte, Der weibliche 
Drben ber H., ober nad) ber Stifterin, ber Non: 
nen von Blaffoni, befteht noch jetzt. 

Hund. Derſelbe gehörte bei den Juden fo 
wenig wie bei den heutigen Drientalen zu den 
Hauäthieren, ſondern lebte dort eben wie heute 

erdenweiſe auf den Straßen und Feldern in 
Keit Er wurbe ald unrein angejehen und als 

ild alles Gemeinen und Niedrigen. Kur zur Be- 
wachung der Heerden wurde er benugt. Erft in 
der fpätern Zeit (Tob. 5, 16; Metth. 15, 27) ift| 
aud) der Hund Hausthier geworden. f N 

Hunnius, Yegidius, aus Winnenden im Mürs | 
tembergijchen, geb. 1550, ftudirte 1565— 1574 zu 
Tübingen, wurde dort Diafonus 1574, und 1576 
als Profeſſor der Theologie nad) Marburg berus 
fen, 1592 nad) Wittenberg, + 1605. Wie er in | 
Marburg fir die Concordienformel und bie Ubi: 
quitätälehre gewirkt und die Spaltung ber heſſi— 
fchen Kirche vorbereitet hatte, jo war es feine Auf: 
gabe, in Wittenberg den Reft des Kryptocalvinis: 
mus und die Bariata zu belämpfen. Sein College 
Samuel Huber unterlag feiner orthodoxen Ber: 
folgung wegen der Lehre von der Önadenmwahl. 
Bon feinen Söhnen wurde der zweite Helfrich 
Ulrich (geb. 1583, Profeſſor der Rechte feit 1613 | 
in Marburg, 1623 Bicelanzler) im Jahr 1630 fa: 
tholiſch und ftarb als kurtrieriſcher Kanzleidirec- 
tor 1636. 

Hunnius, Nilolaus, der Sohn des Aegibius, | 
geb. zu Marburg 1585, ftubirte zu Wittenberg 
und begann feine philofophifchen und theologiſchen 
Borlefungen 1609. Schon 1612 zum Superinten: 
denten in Eilenburg berufen, Tehrte er 1617 nad) 
Wittenberg zurüd und übernahm die durch 2. Hut: 
ters Tod erlcdigte Profeffur controversiarum, 
bis er 1623 als Hauptpaftor und Superintendbent 
(1624) nad Lüber ging. Seine eigene rebliche | 

ömmigfeit zeigte fie in feinem praftifchen Wir: | 

en für den nächften Kreis feines Amtes; feine 
orthodoxe Starrheit im Literarifchen gegen 
die ser... oder Schwärmer, die Neformir: 
ten und Katholifen. Geyen bie erften war ber | 








374 


Hus 


Eonvent zu Mölln — dem H. 1638 praãſi⸗ 
dirte und ber den Möllnſchen Abſchied erließ. Zur 
— der reinen Lehre hatte er den 
Plan einen beſtändigen theologiſchen Senat 
(Collegium irenicum) aufzurichten entwickelt in 
der Consultatio 1632. Bon feinen vielen Schrif- 
ten ift das Epitome credendorum 1625 und ber 
Auszug daraus 1637, feine Katehiämus:Erflä- 


| rung 1627 und fein Plattdeutfches „Nedderſächſiſch 


Handtboed lange in Gebraud) geblieben. 

Hupjeld, Hermann, hervorrcgender Bibelfor: 
her und Ortentalift, geb. den 81. zug ae zu 

tarburg, wurde 1823 Profeffor in Marburg, 
1843 in Halle, wo er am 25. April 1866 ftarb. 
Er jchrieb: Ausführl. hebr. Grammatik (nur wer 
nige Bogen ber erften Lieferung), Eafiel 1841; 
Ueber den Beil und die Methode der fog. bibl. 
Einleitung, ; Commentatio de ant. accen- 
tuum scriptoribus, 1816. 47; Comm. de primi- 
tiva et vera festorum apud Hebraeos ratione, 
1851. 52. 58. 65; Quaest. in Jobeidos locos, 
1853; die Quellen der Genefis, 1853; die Pfal- 
men, 4 Bde, 1855—1862; bie heutige fo: 
phifche und mythologiſche Theologie, 1861. Bol. 
9.5 Biographie von Riehm, Halle 1867. 

Sur, 2. Mof. 17, 10, 12; 24,14; war mit 
Aaron der hervorragende Führer des Volls. Seine 
Herkunft ift unbelannt. — 2) Ein Sohn Kalebs. 

Qurerei. Gegenüber den fyrifchen und phöni⸗ 
ciſchen —— enden Culten, verbot das jüdifche 
Gejey um fo ftrenger die Hurerei (3. Mof. 23, 17; 
4. Moſ. 19, = und verhütete namentlich jede Bes 
Ihönigungderjelben durch Opfer und Weihgefchente. 
Die Söhne von Hurern hatten weber Erbrecht an 
die Väter, noch lonnten de das Bürg t erlan⸗ 

en. Dennod gab es zu allen Seiten ö —— 
irnen und bie Gräuel des Nitartendienftes grif⸗ 
fen in Ephraim weit um: ſich (Hoſea 4, 14; 1.Kön. 
14, 24; 15,12). Noch ſchlimmer ftano es unter 
Griechen und Römern, und die Larheit der fitt- 
lihen Begriffe nöthigte die Apoftel zu fortdauern⸗ 
den Warnungen vor der Hurerei, weil die Ver— 
fuhung die jungen Gemeinden überall umgab. 

Hurter, Friedrich, geb. 1786 zu Schaffhau⸗ 
fen, ftudirte Theologie zu Göttingen 1804. Seit 
1825 ug und Decan zu Schaffhaufen, er- 
regte er Aufjehen durch feine Geſchichte Inno— 
cerʒ III. 1834— 1842, in welcher ihn fein Autos 
ritäts» und Stabilitätöprincip zu einer Rechtfer- 
gung der Hierarchie und einer Verherrlihung 
bes Miüttelalterö getrieben hatte. Er trat in im: 
mer nähere Beziehungen zu den Führern des 
Ultramontaniömus, und obwohl er fich gegen die 
Borwürfe des Kryptokatholicismus längere Zeit 
mit Leidenfchaft vertheidigte (AntiftesHurter und 
feine Amtsbrüder), fo legte er doch 1840 feine 


' Stelle nieder und trat 1844 zum Katholicis mus 


über, Er rechtfertigte diefen Schritt in einer 
Schrift: Gebi:rt und Wiebergebur:, 1845, Zum 
faiferlihen Hiftoriographen in Wien ernannt, 
ſchrieb er die Geſchichte Ferdinands II. + 1865. 
Hus, Johannes. Geb. zu Hufinec im Pradiner: 
kreis in Böhmen 1369, ftudirte er zu Prag, wurde 
1393 Baccala.ıreus, 1396 Magifter, 1598 Profefs 
for der Univerfität, 1401 Decan der phil. Facul: 
tät, 1402 Prediger an der Bethlehemscapelle und 
Beidhtvater der Königin. Dur feinen Leh— 
rer Stanislaus von — und die Schriften 
bed Matthias von Janow, zu denen ſpäter bie 


Huſchke 


375 


Huffiten 


Diclefs lamen, wer H. zu einer freifinnigeren | 1817 und habitilirte fich bort 1821 als Privat- 


geführt 

— —* als eine Reform der Sitten des 
Bolles und des Klerus im Auge hatte und ſich 
mit dem nationalen Streben verband, ſich bed 
Uebergewichtes der Deutichen an ber Univerjität 
entledigen. Der durch feine — erregte 
des Klerus machte ſich zuerſt Luft in der 
Berdammung von 45 Wiclef'ſchen Sägen 1403, 
von denen 9. behauptete, fie jeien fo nicht in W.'s 
Schriften enthalten. Trogbem behielt er dad Ber: 
trauen bes Erzbiſchofs Zbynel (Sbynko), in deſſen 
Auftrag er den Betrug des Wilsnacker Wunders 
aufdedte, und der noch 1405 auch in Bezug auf 
. bie Erflärung abgab, in feiner Diöcefe fer Tein 
Als aber Wenzel nicht ohne Einmwirkun 

des 9. das Stimmenverhältniß der Nationen au 
ber Univerfität zu Gunften der Böhmen änderte, 
bie Ausländer auswanderten und bie Reformpar: 
tei dadurch im Lande mächtiger wurde, trat ber 
Erzbiſchof gegen 9. auf. | gegemfeitige Klagen 
beim päpftlicden Stuhl erließ Alexander V. 1409 
eine Bulle, die alle Wiclef'ihen Bücher verbot 
und verdammte, über H. wurde vom —*** der 
Bann geſprochen; er appellirte an Johann } 
ber dies Urtheil des Erzbifchofs beftätigte und 9. 

nad Bologna zur Verantwortung citirte, und a 
er, von Wenzel gehindert, nicht erſchien, durch den 
Garbinal Eolonna von neuem ercommuniciren 
und ben Drt feines Aufenthalt3 mit bem Inter⸗ 
diet belegen ließ. Wenzel aber fuchte den Frieden 
vermitteln. 9. legte ein Glaubensbekenntniß 
eb, und Zbynel follte ein Zeugniß feiner Recht: 
gläubigleit nach Rom ſenden, ftarb aber, ehe dies 
gisah. Ein neuer Conflict brach aus, als bie 
euz: und Bannbulle gegen Ladislaus von Nea⸗ 
pel publicirt wurde, und 9. gegen dieſelbe ala 
ottlos predigte. Die Aufregung im Volle gegen 
Bapft unb Klerus wuchs, um jo mehr alä der Gar: 
binal Angelo dad Interdict über Prag ausfprad 
und demjelben von ben meiften Pfarrern Folge 
geleiftet wurde. 9. zog fih 1412 in bie eg 
beit zurüd. Kaijer Sigismund wünſchte die An: 
gelegenheit auf dem Eoftniger Concil zu beendi⸗ 
+ und bot H. freies Geleit dahin an. Auf der 
je in Begleitung dreier Edelleute, prebigte 
—* allen Orten und erbot ſich zu öffentlicher 
putation. In Coſtnitz wurde ihm, unter dem 
Borwande, er habe einen Fluchtverſuch gemacht, 
das freie Geleit entzogen, er wurde in Haft g*: 
nommen, in einen fchweren Kerker gebracht und 
em 5., 7. und 8. Juni 1415 vor der Congregation 
des Concils verhört. Es handelte ſich nicht um 
dogmatifche Beftimmungen, da H. jede Abwei— 
dung in der Abendmahlslehre leugnete, fondern 
um die Tirchenredjtlihen der Yurisdiction bes 
Bapftes und ber 


‚, bie aber weniger eine dogma⸗ | bocent des römifchen Rechts. 1824 ward er Pro⸗ 


fefjor der Rechte zu Roſtock, 1827 zu Breslau Geh. 
—— und Senior des Spruchcollegiums. 
eirchlich bedeutend wurde er, als bei der Einfüh— 
rung der Union in Breslau ſich die Qutheraner 
um Scheibel fammelten und 9. unter ihre Reprä- 
fentanten erwählten. Seitdem verfolgte er als 
Biel, feine Idee von der Eonftituirung einer von 
dem Staate völlig unabhängigen lutherischen Kirche 
durchzuführen. Die „Synode“ zu Breölau ber 
feparirten Antiunirten ging auf diefen Gevanten 
ein. Die Boligeimaßregeln in Hönigern, mit denen 
eine Gchuineluntertudung egen 9. in Berbin« 
bung ftard, beftärkten den Eifer und ließen alle 
Bermittlungsverjuhe feitend bed Staated ab: 
weiſen. Unter 9. Leitung vonftituirte bie Synode 
von 1841 fi) zu einer jelbftändigen Lutherifchen 
Kirhe, die vom Staate ganz unabhängia von 
einem Oberlirhencollegium und einer alle 4 Jahre 
zufammentretenden Synode geleitet wird. An die 
Spige bed Oberlirchencollegiums trat 9. als 
Director. Geine Berfaffungsideen, denen bie 
bogmatifchsconfejjionelleu untergeordnet find, ha⸗ 
ben ihn feit 1858 in einen Kamp) mit einem Theil 
feiner früheren Anhänger verwidelt, welche bie 
von ihm als göttlich berechtigt in Anfpruch genom: 
mene Amtsautorität des Oberkirchencollegiums 
—— anzuerlennen ſich weigerten, fo daß bie von 
m reg altlutherifche Kirche 1864 durch 
n formliches Schisma in zwei Theile fich fpaltete, 
Huifiten, Die von Hus und feinen Freunden 
—— Bewegung ſtand mit ſeinem Tode nicht 
ſtill, ſondern belam aus der Erbitterung über den 
an ihm begangenen Treubruch neuen Zuwachs. 
Der böhmiſche Landtag erließ am 2. Dec. 1415 
ein brohendes Schreiben an das Eoncil, und der 
Biſchof von Leitomiäl, der ald Legat nah Böhs 
men gefendet worden, burfte fich faum fehen laſ⸗ 
fen. Das unterfceidende Sciboleth war die 
Communion sub utraque, bie Goimmunion unter 
beiderlei Geftalt geworden, welche Hus felbft 
ebilligt, aber noch nicht eingeführ: hatte. Es 
Pieden fi aber die Huffiten bald in zwei Par: 
teien; bie einen, die Galirtiner, die gemäßigteren, 
rer fih an die Univerfität, die anderen, die ' 
oriten, verfolgten die Conſequenzen der huf: 
fitifchen Lehre. Der Streit blieb zuerft zwiſchen 
dem Eoncil und der Univerfität, welche am 28. 
Sept. 1418 auf einer Synode die Örundzlige ihrer 
Lehre aufftellte. Al3 in Erwiderung darauf das 
Concil, welches ſchon vorher das Interdict über 
das Land ausgeſprochen hatte, der Univerfität die 
Privilegien nehmen und die Wiedereinfetung der 
vertriebenen katholiſchen Geiftlihen durchſetzen 
wollte, begann durch den Zug der Taborit:n unter 


ierardhie. Am 6. Juli wurde Ziska nad) Prag 1419 der Bürgeririeg, in bem 


ein Urtheil gefprochen und er dem Scheiterhaufen | die Klöfter zerftört, Die Priefter und Mönche ge: 


geben. Seine Predigten find fiberfegt von 
Rowotny. Eine Sammlung feiner Schriften: 
Historia et monumenta J. Hus et Hieronymus, 
erihien 1558 zu Nürnberg. Bol. Helfert, Hus u. 
Hieronymus, 1858; Friedrich, Joh. Hus, 1864; 


töbtet und mißhandelt wurden. Taboriten und 
Galirtiner einigten fi zum Widerftan) gegen die 
drei Kreuszüge, welche das Concil gegen fe ver: 


| anlabte und trugen den Krieg in deutiche Länder 


hinüber. Der Landtag in Ezadlau 1421, der nad 


Krummel, Geſch. dev böhm. Reformation, 1866. | Wenzeld Tod Sigismund die Anerkennung ver« 


Katholifch: Höfler, Geſchichtſchreiber der Huffiten: 
Bewegung, —— * * 

— Georg Philipp Ednard, 
Nunden den 26. Juni 1801, beſuchte die Gymna⸗ 
fien zu Gotha und Jlefeld, ftudirte zu Göttingen 


weigerte, nahm die Prager Artifel als Lande: 
ejey an und die Kirchenverſammlung zu Bra 


ift geboren zu Beftätigte fie. Nach dem Siege der Böhmen be 


Tauß am 14. Auguft 1431 mußte das Concil 
nachgeben; Gejarint vermittelte, daß Procop nad) 


Hutten 


Baſel kam, und die Compactaten wurden abge: 
ſchloſſen, in welchen den Böhmen bad Recht der Com⸗ 
munion unter beiderlei Geſtalt, der freien Predigt 
durch angeſtellte Geiſtliche, das Recht der Obrig⸗ 
keit, die Sünden zu ftrafen, und bie —2 
des Klerus —— wurden. Dieſen Com: 
pactaten mußten auch die Taboriten ſich unter⸗ 
werfen, als fie von den Calixtinern bei Böhmiſch⸗ 
brod 1434 gejchlagen waren. Nach Ziska's Tode 
chon hatte ſich von ihnen bie eigentlih huſſitiſche 
rtei (die Waifen) getrennt, welche die Trans: 
fubftantiation und die Verehrung der Heiligen 
fefthalten wollte. Weder Sigismund, der jet 
als König von Böhmen anerfannt war, nod) fein 
Nachfolger Albreht und Ladislaus hielten bie 
Eompactaten indeſſen aufrichtig, und ald Podie— 
brad, obwohl Huffit, fi von ——— 
fen hatte krönen laſſen, glaubte Pius II. die Com⸗ 
pactaten 1462 förmlich annulliren uud ben König, 
ber feinen Legaten einferfern ließ, mit Hülfe eines 
Kreuzzuges abjegen zu können. Aber Podiebrad 
behauptete fih und fein Nachfolger Wladislam 
ſchioß 1471 den Religionsfrieden zu Kuttenberg, 
in dem die Compactaten aufrecht erhalten und 
Katholiken und Ealirtinern gegenjeitig gleiche Dul⸗ 
dung ausbedungen wurde. Tie Galirtiner erhiel- 
ten —* 1497 das Recht, als ihr geiſtliches Ober: 
haupt einen Adminiftrator des Erzitifts Prag zu 
wählen. Als die Reformation begann, fand jo: 
wohl der deutſche als der ſchweizeriſche Typus bei 
den Galirtinern freudigen Anklang, wenngleid) 
der Beſchluß von 1524, der über die Compactaten 
—— nicht aufrecht gehalten werden konnte. 
ie Taboriten hatten nach dem vergeblichen Ber: 
ſuch des Erzbiſchofs Rodyczana, fie mit den Galir: 
tinern zu einigen, fit) von neuem erhoben, wur: 
ben aber von Georg Podiebrad bei ihrer Stabt 
Tabor total gefchlagen, fo daß fie aus der Ge: 
ſchichte verſchwinden. Aus ihren Ueberbleibfeln 
entmwidelten ſich die böhmilchen Brüder. 

Hutten, Ulrich von, ein Borlämpfer der Refor: 
mation, ijt geboren den 22. April 1488 zu Stadel: 
berg in Kurheffen. Er entfloh aus dem Klofter 

a, dem er zur Erziehung übergeben war, jtu: 
dirte dann in Erfurt, Köln und Frankfurt a/D. 
Nah manchen Wanderungen hatte er in Greifs: 
wald einen Streit mit dem Bürgermeifter Lög, 
deſſen ſchmachvolles Verhalten gegen ihn er in 
einem Gedichte an den Pranger —8 1510 hielt 
er ſich in Wittenberg auf und ſtudirte nach dem 
Wunſche ſeines Vaters in Pavia und Bologna 
römiſches Recht, ohne ihm Geſchmack abzugewin⸗ 
nen. Obgleich er durch ſeine ſatiriſchen Gedichte 
ſchon Ruhm erlangt hatte, mußte er, von allerlei 
Mißgeſchick verfolgt, im Heere des Kaiſers als ge: 
meiner Soldat Dienfte nehmen. 1517 kehrte er 
nad Deutſchland zurüd und ließ eine Reihe von 
Schmäh: und Spottſchriften gegen Ulrih von 
Würtemberg erfcheinen, der den Bruder Huttens 
hatte ermorden lafjen. Zugleich nahm er fich Reuch⸗ 
lins an in deſſen Streit gegen die Kölner und bes 
theiligte fi an den Briefen der Dunfelmänner 
(Eristolae virorum obscurorum). Seine natios 
nalen und antipäpftlichen Bejtrebungen fanden 
Ausdrud in Reden vor dem Reichstag und in 
Schriften, die von feiner Burg Stadelberg aus: 

ingen, und weil er bei dem Kaiſer und ben 
Suchen feinen Anklang fand, fo jchloß er fih an 


idingen an, und verfaßte den poetiichen Auf: | 


376 


ijchd» | Fr 


Hyle 


ruf an die freien Städte, um ſie zum Kampfe auf⸗ 
ufordern. In der Schweiz, mo er Bundesgenoſ⸗ 
en ſuchte, nach Sickingens Untergang all 
zurückgewieſen, ſtarb er am gebrochenen Herzen 
ben 29, Auguft 1523. Seine . und lateiniſch 
geihriebenen Werke gab heraus Ed. Böding 1859 
— 1862, Bgl. über ihn Strauß, Ulrich von 
Leipzig 1858. 

Qutter, Elias. Geb. zu Görlig 1554, ftubirte er 
zu Jena orientalifche Sprachen, lehrte danach in 
Zeipzig und gab in Hamburg 1596 den hebrätfchen 
Text des Alten Teſtaments mit breifacher Ueber: 
fegung heraus. Ein größeres Unternehmen, das 
AT. in acht, dad N. T. in zwölf 
herauszugeben, konnte er wegen Mangel an Ri 
teln * durchführen. + 1605 in Augsburg oder 

* 


a 
Hutter, Leonharb. Geb. im Jan. 1563 zu Rel: 
fingen bei Ulm, bejuchte er die Schule zu Ulm, ſtu⸗ 
dirte feit 1581 in Straßburg Philologie und 
Theologie,danneit 1591 au in Leipji 
und Jena, wo er promovirt wurde 1594 und Bor: 
lefungen eröffnete, 1596 nad) Wittenberg berufen, 
trat er als der Orthodoxeſte in die dortige Reibe 
der orthodoxen Qutheraner ein. Sein dogmati: 
ſches Hauptwerk, welches ſich durch eine einf 
und klare Darlegung des orthodoxen Lehrbegri 
der Eoncordienformel audzeichnet und die anrüdig 
gewordenen Loci Melanchthons zuerjegen beftimmt 
war, find feine: Loci communes theologici, nad 
feinem Tode —— 1619; es iſt die Aus: 
führung de Compendium locorum tieol., wel 
des er 1610 unter der Genfur der Facultäten 
von Wittenberg und Leipzig im Auftrage Chri⸗ 
ftians Il. von Sadjen hatte erſcheinen laſſen, und 
welches als officielles Lehrbuch in Sachſen einge 
führt wurde. Als Polemiker bekämpfte er den 
Unionsgedanken des Reformirten Pareus und 
deſſen Irenicum, tadelte bitter den Confeſſions 
wechſel des Kurfürſten Sigismund und verthei⸗ 
digte die Concordia concors 1614, ſeine geliebte 
Concordienformel, gegen die Concordia —2 
des Hofpinian. 
Hydroparaflaten, Spottiname ber Entratiten, 
melde in ihrer aftetifchen Enthaltfamteit auf 
beim Abendmahl fi) den Genuß des Weins nicht 
meinten verfatten zu bürfen. , 
Oyginus, Papſt (187—141). Die Chronologie 
fowie jeine Zebensumftände find unficher, er joll 
ein Athenienfer von Geburt gemejen fein. Von 
feiner Regierung ift nichts weiter befannt, alä die 
Worte des Lib. pontif.: Clerum composuit et 
distribuit gradus. Ihm zugeſchriebene Gefege find 
Machwerk der faljchen Decretalen. Als fein Todes 
tag wird der 10. oder 11. Januar 142 angegeben. 
Hykſos, ein kriegerifches Hirtenvolk jemiti 
Abkunft, welches vielleicht um 2100 v.Chr. aus 
bien in Aegypten einbrad, Unterägypten eroberte, 
die Einwohner zum Theil vertrieb, theils tribut: 
pflihtig machte und in Memphis feine Hauptjtadt 
gründete. Erft nad) fünf Jahrhunderten gelang 
es von Oberägypten aus das od} der —* ab⸗ 
zuſchütteln. Nach ber —— von Memphis 
ewährte ihnen Thutmoſis III. freien 5 
Welder ſemitiſche Stamm, ob Philiſter oder | 
andere, unter den Hyljos zu verftehen, ift unge 
wiß. Mit den Juden jie zu verwechſeln, mar eine 
biftorifche Befangenheit. 
Hyle. ©. Materie. 


Hylozoismus 37 


lozoismus ift ſprachgebräuchlich das reli⸗ 
— — er welches Gott ald die 
eltjeele, als das die Welt belebende Princip jegt, 
fo daß alle Lebensthätigleit der Weltbeftandtheile 
Zebenäthätigfeit Gottes iſt. , 
Oymenäuß, der mit Alexander und Philetus 
(1. Zim. 1, 20; 2, 17) als warnendes Beifpiel des 
Abfalls dem Timotheus bingeftellte Jrrlehrer, der 
die nftige Auferftehung leugnete. 
ymno ©. Kirchenlieder. 
ia, Die Tochter des Mathematilers Theon 
“ anbrien, lebte im Anfang des 5. Jahrhun⸗ 
Sie hatte in Athen ftubirt und hielt in 
ihrer Baterftabt öffentliche Borlefungen über Blato 
und Nriftoteled. Den Tod fand fie als Gegnerin 
des Biſchofs Cyrill dur den chriſtlichen Pöbel, 
ſei es, daß derſelbe von Cyrill ſelbſt aus Eiferſucht 
gegen den Ruhm der Hypatia angeſtachelt geweſen 
(Suidas), oder daß Hypatia für die Urſache des 
unverjöhnlihen Zorns des ker er Dreftes 
gegen den Bischof gehalten wurde (Sofrates). 

8, Andreas Gerhard von Dpern. Geb. 
den 16. Mai 1511, bezog er 1528 die Univerfität 
Baris, ftubirte dort Philofophie bis 1532 und bis 
1535 Theologie, indem er fih an Sturm anſchloß, 
bildete fi dann meiter auf Reifen in Frankreich, 
Italien und Deutſchland und ſchloß ſich der Re: 
formation an, Nad) einem kurzen Aufenthalt in 
England, warb er auf der Durchreiſe nad) Straß» 
burg in Marburg 1541 feftgehalten und ihm eine 
theologifche Brot ur übertragen, bie er bis an 

inen Tod 1564 befleibete. Durch die Schrift: 
recte formando theol. studio, die erjte Metho⸗ 
dologie, begründete er eine neue wiſſenſchaftliche 
Theologie, deren Syftem er in dem unvollende 
ten Methodi Theol. lib. III meiter begründete. 
Ebenſo gab er die erfte wiſſenſchaftliche Homiletif: 
De formandis concionibus heraus. Der Augsbur⸗ 
ſchen Confeſſion zugethan, ſtand er doch in vielen 
iehungen den Reformirten vermittelnd nahe. 
ppoflafe. ©. d. Art. Trinität. 
filarier, eine religiöfe Secte, welcher ber 
Bater des Gregor von Nazianz vor feinem Ueber: 
tritt zum Shritentgum angehörte und welche nur 
aus den Angaben der beiden Gregore befannt ift. 
Nach denjelben ſcheint ihre Lehre aus einer Ber: 
mifhung des Judenthums mit dem Heidenthum 
hervorgegangen zu jein. 


- 


7 Jablonsky 

Hyrlan, Johannes, der Sohn des Hadmonäers 
Simon, nahm nad) dem a = über den Öyrlanier 
Kendebäus bei Jamnia 137 den Ehrennamen 
Hyrfanus an. Nach der Ermordung feines Ba: 
ters durch Ptolemäus 135 belagerte er biefen 
ohne Erfolg, mußte fih dann in Jernſalem gegen 
Intiohus Sibetes vertheibigen, erlangte aber in 
einem brüdenden Frieden gegen Sablung eines 
Zributes die Anerkennung durch denfelben. Er 
benugte dann die Thronftreitigfeiten im fyrifchen 
Reihe zur Ausdehnung feiner Macht, befiegte 
Edom, zwang die J er zur Beſchneidung, zer⸗ 
ftörte Samarien und gewann bie Daoiden 
Grenzen Jfraeld wieder. Um ber bemofratiichen 

— der —— je Pi und jeine 

naſtie zu jihern, gab er bie wichti Aemter 
an Sadducäer. + 106. Ben 

Oyrlan IL, der Sohn und Nachfolger Aleran» 
bras, der Wittwe Alexanders, welche nad) deſſen 
Tod die Zügel der Regierung ergriff. Er war der 
legte Hasmonãiſche Hoheprieiter. — 
bei Jericho 69 mußte er ſeinem Bruder Ariſtobul 
die Königswürde überlaſſen, und erlangte, als er 
ich gegen denſelben an die Araber und dann an 

ompejus wandte, auch nur, daß er als Ethnarch 
unter römiſche Oberhoheit gerieth 61. Sein Günſt⸗ 
ling und nn war ber Jbumäer Antipater, 
ber Bater es d. Gr., der allmählich die ganze 
Macht an fi zog. Bon Antigonus wurbe er bei 
deſſen Verſuch fi) des Landes wieder zu bemäch⸗ 

en 40 gefangen genommen, nad Parthien ges 
ſchleppt und ihm, damit er zum Hohenpri 
entweiht jei, die Ohren abgeſchnitten. Nach dem 
Siege des Herodes ließ dieſer ihn, ber der Groß: 
vater der Mariamne war, wieder nad Jerufalem 
fommen, mo er aud) ftarb, 

Hyfladped. Der Name eined alten Weisfages 
Buches, welches (äfnlih den Sibylliniſchen Büchern) 
BWeisfagungen auf Ehriftus enthalten haben foll 
und von den Chriften jeit dem 2, Jahrhundert 
vielfadh den Heiden gegenüber gebraudt worden 
ift. 9. fol nad Lactanz ein uralter alien 
König geweſen fein, welcher die Gabe der Weisfa- 
gung bejaß. Wir kennen den Namen des Buches 
aus Citaten bei Juftin (Apol.1,20.44); Clemens 


Alex. er: 6, OR Lactanz (inst. div. 7,15. 18). 
2 lJ. 9* De Hystaspe in ven Comm. Societ. 


tt, 1779. 


J. 


Jabal, 1. Mof. 4, 20 ff. als der Sohn Lamechs 
angeführt und Stammopater der Nomaden, joll 
— in der Rainitiihen Menſchheit — die Entite: 
bung eined Nährftandes neben den Anfängen 
eines Lehr: und Wehrftandes andeuten. 

Jabbot, Nahr Amman und Waby Zerla. Der 
* ti erg er auf — —— 

aſan pringt und die Grenze zwiſchen den 
Ammonitern und Siraeliten bildete. An feine 
Furt wird der Kampf Jalob3 verlegt (1. Moſ. 


82, 23. 

zen Stadt in Gilead (Nicht. 21, 8. 10; 
1. Sam. 11, 6. 3), wo Sauls Leichnam verbrannt 
wurde. 
Jabin, der Name zweier kanaanitiſchen Könige 


u Hazor, deren erſter (Joſ. 11, 1 ff.) am See 
erom mit feinen —— eſchlagen wurde, 
der andere (Richt. 4, 2) eine Zeit lang eine Ober⸗ 
herrlihteit über Jirael ausübte, bis Debora ihn 
und feinen z- Siſſera befiegte. 
Jablonsky, auch Figulus, Daniel Ernft, geb. 
den 26. Nov. 1660 zu ae rege bei Danzig. 
Sein Bater, Prediger in Danzig, aus Jablunka 
ebürtig, hatte ald Bifchof der böhmischen Brüder 
Miehen müfjen. 3. wurde nad Beendi feiner 
Studien in Frankfurt 1677—80 und in Holland 
und England 1683 .. der reformirten Ges 
meinde in Magdeburg, 1686 Rector ber Schule in 
Liffa, 1690 Hofprediger in Königsberg, 1693 in 
Berlin, 1718 Eonfiftorial- und 1729 Kirchenrath, 


Jablonsky 


1733 Präſident ber Alabemie. + 1741. Seine 
Weihe zum Bifhof der böhmiſchen Brüber 1698 
hatte Feine andere Bedeutung, als die Möglichkeit 
der bifhöflihen Succeffion zu fihern. Bon ihm 
empfingen die Herrnhuter Bifchöfe die Weihe. 
Seine Bemühungen, durch Leihnig und andere 
Theologen eine Union der Reformirten und Lu: 
theraner zu erlangen, fcheiterten ebenfo wie fein 
lan, bie englifche Liturgie und —— Ver⸗ 
faſſung nach Preußen zu verpflanzen. gab 
exaus: Historia consensus Sendomir. 1731 und: 
esideria oppressorum in Polonia; 
außerdem eine Ausgabe der hebräiſchen Bibel, 
und veranlaßte bie Herauägabe des Talmud 1715- 
1721, fowie bie von Eifenmengers entdedtem Ju: 
u th, Paul Ernft, Sohn bes V 
ablonsfy, Paul Ernft, Sohn bes Borigen, 
eb, zu Berlin 1693, Er war 1720 Brebiger zu 
iebenberg, 1721—26 zu Frankfurt und Profefjor 
daſelbſt. F 1757. Die Frucht einer gelehrten 
Reife 1714—17, auf der er bie foptifchen Hand: 
ſchriften in Deutſchland, Frankreich und England 
unterfuchte, ift bie Exercitatio hist. theol. de 
Nestorianismo; außerdem Pantheon Aegyptio- 
rum und Anderes. 

Er abneel (%of. 15, 11), Jamnia (LXX 
Joſ. 15, 46), heute Jebna, lag zwiſchen Joppe 
und Asdod unmeit des Meeres, hatte aber einen 
Hafen. Es wurde zu Dan gerechnet, aber erft von 
Ufia erobert, gehörte auch in der jpäteren Zeit nur 
unter den Malfabäern zu Iſrael. Nach der Ber: 
—— Jeruſalems war die Stadt der Sitz des 

ynedriums und einer jüdiſchen Alademie. In der 
chriſtlichen Zeit war es ein Biſchofsſitz und danach 
ein muhammedaniſcher Wallfahrtsort, in denKreuz⸗ 
zügen aber eine Feſtung (Ibelin). 

achin und Boas, find die zwei Erzſäulen, über 
welche die Vorhalle des Tempels conſtruirt war. 
Auf dem Schaſte trugen fie Capitäler 'n Form der 
Lilien, verziert mit einem Netzwerk und einem 
Kranz von 200 Granatäpfeln. Ueber die Erflä- 
rung ber Tertftellen 1. Kön. 7, 15—22; Ser. 52, 
21; — 3, 15. 17 mit Hinzunahme des Textes 
der LXX von 1. Kön. 7, 19—22 f. Ewald, Geſch. 
Iſraels, 2. Ausg. III. 301 ff. 

Jacobi, Friedrich Heinrich, ber Bhilofoph, wurde 
ben 25. San. 1743 zu Düffelborf geboren. An: 
fangs zum Handelsftand beitimmt, trieb ihn ein 
lebhajtes Intereffe zur Philofophie. Er ftudirte 
in Genf, war dann Kaufmann in feiner Heimath, 
dann ren Hoffammerrath und Zoll: 
commifjär, endlid Geheimer Rath zu Diüfjelvorf. 
1804 war er an die Afademie nah Münden 
berufen, wurbe 1807 ihr Bräfident, und ftarb den 
10. März 1819. Seine 


378 


g 
N 
p 


lemik war namentlich | befreite ihn. Ein Theil der Lieder bes J. iſt gegen 


Saenide 


des Gefühls, bie und nicht erlaubt, das Gegen: 
theil feiner Ausfage anzunehinen. Zacobi ift darin 
mit Kant einverftanden, daß der Verſtand für die 
Erfenntniß ber überfinnliden Dinge nicht aus 
reiche, allein er ift darin von dem legtern verſchie⸗ 
den, daß er der theoretif Bernunft die ent: 
fchiedene Fähigkeit zufchreibt, von der Realität 
ihres Gegenftandeß überzeugt zu fein. Jacobi hat 
fein einheitliches Syftem aufgeftellt, fondern feine 
philoſophiſchen Gedanken in zeritreuten Belegen: 
heitsſchriften niedergelegt, ohne zu verfuchen ihren 
innern Bufammenhang zu conjiruiren. Geine 
Werte Ale in 6 Bänden 1812—24 heraudgegeben. 
Sein Briefwechfel, 2 Bbe., 1825 — 27 von Roth 

erausg. Bol. ichtegroll, Weiller u. Thierſch, 

. 9. Jacobi nad) feinem Leben, Lehre und Wir: 

en 1819; Zirngibl, F. 9. Jacobi’8 Leben, Did: 
ten und Denten, Wien 1867. 

Jacobfon, Heinrich Friedrich. Geb. ben 8. Juni 
1804 in Marienwerder, ftubirte er 1823—28 zu 
Königäber ‚ Berlin und Göttingen, habilitirte ſich 

u Königäberg und wurde 1831 a. o., 1836 0. Pro: 
2* der Rechte. + 1868. Für die wiſſenſchaft⸗ 
lihe Bearbeitung des Kirchenrecht3 find bedeutend 
feine: Kirchenrechtlichen Verſuche, Königsb. 1831- 
33; Die Geſchichte der Quellen des Kirchenrechts, 
Königsb. 183744; Ev. Kirchenrecht des Preuß. 
Staates, Halle 1864. An den kirchlichen Zeit: 
fragen hat er durch Schriften und Gutachten fid 
vielfach betheiligt; er war ein Anhänger des ſoge⸗ 
nannten confiftorialspresbyterialen Syſtems, wel: 
ches eine freiere Verfaſſung unter Leitung bes 
Staates wünfdt. 
acopo, Paffavanti, ein Dominicaner zu Flo 
renz, geit. 1357, der als Prediger und Schrift: 
fteller gefeiert ift. Seine berühmtefte Schrift: 
specchio di vera penitenzia, verfaßte er zuerft 
lateinij und überjegte fie jelbft in elegantes Ita⸗ 
lienifh. Neuefte Ausgabe der Akademie della 
Crusca, Florenz 1681. 

Jatoponi da Todi, Jakob Benebetti, ber geift: 
liche Liederdichter, war Rechtögelehrter zu Todi. 
Er wurde durd) den plößlihen Tod feiner Gattin 
1368 fo erfchüttert, daß er der Welt entfagte und 
in fehr bucdhftäblicher Auslegung von 1. Kor. 3,19 
ſich abfichtlich zum Spott madte. Den Eintritt 
unter den fatres minores des Franciscanerflofterd 
erlangte er erft, al3 er zum Staunen ber Münde 
durch zwei Hymnen Beweiſe feines Verſtandes 
und feines Genies gegeben hatte. In die Geſchichte 
der Kirche wurde er verwidelt, da er zu den Gar: 
dinälen ftand, welche die Wahl Bonifaz VIII. an 
fochten; daher ließ ihn dieſer einkerfern und erft 
die Gefangennahme des Bapftes am 7. Sept. 1303 


gerichtet gegen diejenige Philoſophie, welche Alles, | Bonifaz gerichtet und rügt in kräftiger Weije dad 


auch dad Meberfinnlide, mit Verſtandesbeweiſen Gebrechen ber Kirche; andere find voll ho 


bemonjtriren zu fönnen glaubt; diefe Art des lo: 
giſchen — & (4. B. der Spinozismus) kommt, 
weil ſie immer nur im Reiche des Bedingten blei— 
ben kann, nothwendig, wie er meint, zum Atheis: 
mus und Nihilismus. Gr betrachtete daher als 
bad Drgan unmittelbarer, unbemweisbarer, eviden: 
ter Erfenntniß bad unmittelbare Gefühl cder den 
Glauben oder, wie er ed nad) Kant jpäter auch 
nennt, bie Bernunft im Gegenfaß zum Berftande, 
ber immer nur mittelbare und —— Erkennt⸗ 
niß ſchaffe. Dieſer Glaube iſt aber nicht etwa ein 


Gluth 
ber Gottes: und Jeſusliebe gewidmet. 2. Schlu— 
ter u. Stord, Ausgewählte Gedichte Jacoponis ba 
Tobi, Münfter 1864. 

Jael, das Weib Heberd des Keniters, melde 
den Siffera erſchlug und im Liede der Deborah 
hoch gepriejen wird. Das Lied betrachtet die That 
nad) ihrem Erfolg für das Wohl des Volkes, nicht 
nad) ihrem ſittlichen Werthe. 

Jaenide, Prediger an der Gemeinde ber böh⸗ 
milden Brüder (der Bethlehemskirche) in Berlin, 
begründete 1800 jeine Miſſionsſchule, in welder 


Autoritätöglaube, fondern die innere Nöthigung | er in freier Weije junge Leute zum Miffionsdienft 


Sjasjer 


vorbereitete, die dann meift in ben Dienft eng: 
liſcher eh si traten. Nac feinem Tode 
1827 machte fie dem Berliner Miffionsverein Platz. 
aöfer. 1. Mof. 5,8 Tatije. Stabt in Gilead 
zwiſchen Hedbon und Kabbath-Immon, Das Meer 
von J. (Jer. 48, 32) lan nur ein größerer Teich, 
tein Landſee gemejen fein. Bgl. gel. 16, 8. 

fa = Jaffa. ©. d. Art. Joppe. 

agd wurde aud) bei den Hebräern von je ge: 
übt (1. Moj. 25, 28; 27, 8; 3.Mof. 17, 13; Spr. 
12, 37), theils zur Zuft und aus Bebürfniß des 
Wildprets, theild zur Bertilgung ber Raubthiere, 
Man bediente in nicht bloß des Bogens und 
Wurffpießes (1. Mof. 27,3; Pf. 57, 5), fondern 
gebrauchte aud Netze (Ey. 12, 13), Schlingen 
und Fallgruben. Jagbhunde werben erſt bei Jo— 
fephus erwähnt, und ob man Jagdfalfen gelannt, 
En ungemwiß. Rad) dem Exil wurde bie Jagd eine 

eluftigung der Vornehmen. 

Yagello, Großfürſt von Litthauen, erwarb 
Die Krone Polens durch feine Heirat} mit Königin 
Hedwig 1386 unter der Bedingung, daß er und 
fein Bolt zum Chriftentfum übertrete. So ge: 
waltſam er feine Unterthanen zur Taufe trieb, fo 
forgte er doch mit Önliher Betheiligung für 
ihren Unterricht. Auch Samogitien wurde durch 
ihn Kriftianifirt. Die ihm von den Huffiten an- 

ebotene Krone Böhmens ſchlug er aus, aber 
ies ihnen ſchon aus politiſchen Rückſichten 
ſtets günftig und bemühte ſich für eine Aus: 

— wwiſchen ihnen und dem Concil zu Baſel. 

1434. 

w, Matthias von, Biſchof von Branden: 
burg jeit 1527. Den evangelifchen been geneigt, 
führte er ſchonend und mild biefelben ein, indem er 
das Lejen der Bibel beförderte, allerlei Mißſtände 
befeitigte und für beffere Bildung des Klerus 
forgte. 1589 trat er, ald der erfte Biſchof, zur 
—— Kirche über, indem er in Spandau 
das Abendmahl unter beiderlei Geftalt feierte. 
Die weltlichen Rechte des Bißthums überließ er 
dem en n 

—— .d. Art. Jahza. 

. Die Juden rechneten, wie noch jekt, 
nad Mondenjahren von 12 Monaten (dagegen 
Erebner und Seyffarth), und [ hoben, um bie Ueber: 
einftimmung mit dem Sonnenjahr zu gewinnen, 
je im dritten Jahre einen breigehnten Monat (der 
andere zmölfte) ein. Das Jahr begann mit dem 
Nifen, der Jahresanfang mit dem Tisri rührt viel: 
feiht aus der Zeit nad dem Eril und ftimmt ziemlich 
mit der Rechnung der feleucidifchen Aera. Eine 
beftimmte Jahreszählung kannten die alten Iſrae⸗ 
liten —* ſie zählten nach irgend einem bedeu⸗ 
tenden, Allen bekannten Ereigniß, dem Auszug 
aus Aegypten, dem Regierungsantritt des Königs 
u. dgl., unter der ſyriſchen Herrſchaft richteten fie 
fih nad ber feleucidifchen era. Inter den 
Mallabäern wurde von der Befreiung des Volks 
von der —** Herrſchaft (143 v. Chr.) an 
rechnet. Die heutige Zählung der Jahre von 
ſchaffung der Welt an, ift jüngeren Datums. 

* chriſtliches. ©. d. Art. Kirchenjahr. 
Jahveh. ©. d. Art. Jehovah. 


379 


& 


Jakob Baradäus 


ct Argob in Baſan mit 60 erg Stäb- 
en, welche bie ge (Joſ. 18, 30) genannt 
wurben; um bieje Zahl zu — (1.Chr.2,21), 
wurde ber Diftrict Kenath (4. Mof. 32,42) Hi 
erechnet. Schwer vereinbar iſt aber damit bie 
ngabe von den 30 Dörfern des Richters Jair 
Inne 10, 3—5). S. Winer, Hengftenberg, ker 
I. 227 und Bertheau’8 Commentare zu bem Buche 
ber Richter und zur Chronif. 

Jakob, der Patriarch, der Sohn Iſaals. Im 
ber bibliſchen Darftellung feines Lebens erfcheint 
er volljtändig ald Prototyp feines Volles. Durd) 
göttlihe Gnadenwahl berufen, fichert er ſich dies 
Erbe dur Lift und Huge Berechnung (gegen 

faa?, Efau, Laban), bewahrt aber dab n 

lauben an eine leitende Borfehung und einen 
heiligen Willen Gottes (Traum ;u Bethel; Kampf 
am Jabbok). Mit feinen zwölf Söhnen bewohnte 
er den Süden Baläftinas, bis er durd die Hun: 
geränoth veranlaßt wurde, ber gg Does 
zu folgen und mit feinem Haufe nad Aegypten 
überzufiedeln. Auch in der engern Familien⸗ 
eihichte, dem Zwieſpalt unter den Brüdern ıc., 
piegelt fi die Gejchichte der einzelnen Stämme 
Iſraels ab. Nicht ohne Grund hat man in feiner 
Lebensgefhichte die Erinnerung an eine allmäh⸗ 
lihe Einwanderung bes ſemitiſchen Stammes in 
Kanaan, die Kämpfe mit ben Ureinwohnern, bie 
Abtrennung einzelner Zweige und die Conſoli— 
dirung des —* efunden; ohne daß bei 
dieſer Auffaſſung die der Perſon 
des Patriarchen aufzugeben wäre. In der Dar: 
ftelung find verſchiedene Weberlieferungen ver: 
einigt (vgl. 1. Mof. 28, 18—22 und 35, 6—8; 
32, 7—9 und 35, 9—10, Die Nenderung bed 
Namens Jakob in Jirael mag wohl eine der Ent: 
widlungäftufen andeuten, in welchen die femiti- 
2. inwanderer fich freimadhen vom älteren 

aturdienft (Lähmung der Hüfte) und im bewuß: 
3 —— Gegenſatz zu den Kanganitern ſich 
befinden. 

Jalob, Meiſter. Ein Ciſtercienſer aus Ungarn, 
and an der Spitze ber Paſtorellen (f. d. A.) und 
el 1251 bei Bourges. 

rg Barabäus oder Zanzaluß und die Jas 
tobiten. Jalob (+ 578) war Mönd und Pres— 
byter im Klofter Phafilta bei ei und feit 541 
Bifchof von Edeffa. Als die Verfolgung durch Zus 
ftinI. die Gefahr der Auflöfung der monophyſitiſchen 
Kirche nahe brachte, erwählten ihn die in Conſtan— 
tinopel gefangen gehaltenen monophyfitiihen Bi: 
ſchöfe zum ökumeniſchen, an feinen beftimmten 
Ort gebundenen Patriarchen. In ärmlicher Klei— 
dung durchwanderte er nun Vorderaſien und rich: 
| tete in angeftrengter eg er feit die Gemeinden 

wieder auf, jo daß diefer jyrijche Zweig der mono: 
phyſitiſchen Kirche von ihm den Namen Jakobiten 
angenommen hat. Mißbräuchlich wird dieſe Be: 
nennung aud) *. auf den abeſſyniſchen, dopti⸗ 
ſchen und äthiopiſchen Zyeig angewendet, weil 
dieſe mit der Zugabe von Salz und Del beim 
Abendmahlsbrod in — und Cultus mit jenen 
Fe ig Die Yalobiten Halten an den 
Beihlüffen der Räuberſynooe von Ephejus feft 


— — — — — — a — — 


Jahza oder Jahaz, Stadt jenſeit des Jordan und an der Formel von Einer Natur in Chriſto 


auf der Grenze des amoritiſchen und moabitiſchen 
Gebiets. 
Jair, ein Urenkel Manaſſes (4. Mof. 32, 41) 


(ex duabus naturıs non in duabus). Mit der 
griechiſchen Kirche haben fie den Bilder: und 
Heiligendienft und den Gebrauch des Gefäuerten 


und Jubas (1. Chr. 2, 21—23), eroberte den Dis | gemein. Das Kreuz ſchlagen fie mit einem Finger. 


Jakob von Edeſſa 


An der Spitze ber Jakobiten ſteht der Patriarch | die Einſetzung sub —— 3 
von Antiodhien, der feinen Sit 5 Garamit d. i. | Kelchentziehung ig se iefen 


Amid (Diarbefr) Hat. Ihm zur Seite fteht ber 
Maphrian, das nächſte Oberhaupt für die Jako: 
biten jenjeit des Tigris. Verheirathete dürfen zu 
Geiftlihen genommen werben, aber geweihte Seife 
liche fönnen nicht in die Ehe treten. Die zahl: 
reihen Mönche gehören nicht zum Klerus. Ihre 
Liturgien * enaubot, liturg. orient., 1716 
irren = Die Anzahl der Jalobiten in 

yrien, Mefopotamien und Babylon wird auf 
60,000 angegeben. In Syrien und auf dem Li: 
banon haben ſich einige Gemeinden und Klöfter 
an Rom angeſchloſſen. Die Schriftiteller diejer 
Kirchen, unter denen Johannes von Afta, Jakob 
von Edefja, Johannes von Dara, Gregorius 
Abulfarag, führt Affemani in der Bibl. Orient. an. 

Jakob von Edefla. Der „Auslegrr der Bücher,“ 
ein ſyriſcher Gelehrter und Bibelforfcher. Geboren 
im Dorfe Indäbä bei Antiohien, wurde er Mönd) 


380 





und betrieb als folder feine griehijchen und fyri« 
fen Spradjtubien. Zum Biſchof von Edeſſa 651 
ewählt, legte er das Amt 655 wieder nieder im 
nmillen über die Nichtachtung der Canones. 
Zebte dann 20 Jahre in Klöftern zu Eufebona und 
Teleda und ftarb 708, ald er zum zweiten Mal 
m Biſchof von Edeſſa gewählt war. Er über: 
It viele griechiſche Schriften ins Syriſche, 
chrieb Commentare und Scholien und bearbeitete 
eine Kritif der ſyriſchen Bibelüberfegungen, von 
welchem Werte —* tüde aufbewahrt find. 
Yalob von Jüterbod, ein Vorlämpfer der Re: 
formation. Geb. um 1383, trat er in das Eifter: 
eienjer:Hlofter de Paradiso in Polen, ftubirte da: 
nad) in Kralau und ward Doctor der Theologie 


und Abt feines Kloſters. Weil fein aftetifcher | in 


Drang im Drden feine Befriedigung fand, ging 
er zu den Karthäufern in Erfurt über, ward Leh— 
rer an deren Schule und ftarb 1465 als Prior. 
Durch feine Schriften gehört er zu den Borläu: 
fern ber Reformation, da er den Grund des 
firhlihen Berberbens in der abfoluten Herrſchaft 
des Bapftes und der Bermweltlihung des Klerus 
findet, und die dringende Nothwendigkeit einer 
a Reformation aufweijet. 

R — ein Franciscaner, predigte 

zu Oſtern 1462 zu Brescia, daß das Blut Chriſti, 
‚ welches bei der Kreuzigung zur Erde fiel, bis zur 
Auferftehung nicht mit der Gottheit vereinigt und 
daher nicht anzubeten fei. Darüber entſpann ſich 
ein Streit der Franciscaner mit den Dominica: 
nern burd) ben Öroßinquifitor Jalob von Brescia, 
welcher auch durch eine feierlihe Disputation vor 
ius II. Weihnachten 1463 nicht gefchlichtet wurde. 

er Bapft vertagte die Entſcheidung. 

Jalob von Mies. Geb. zu Miſa in Böhmenin der 
zweiten Hälfte des 14. Jahrh., ftubirte er mit Huf 
in Brag und wurde Prediger zu Trina, dann an 
der Bethlehemslirche zu —* s Huß bereits in 
Coſtnitz war, begann er die Kelchentziehung zu be: 
—— und die Abendmahlsfeier mit Brod und 

ein einzuführen. Huß ſprach ſich von Conſtanz 
aus für ihn aus. Sein Anhang mehrte ſich, da 
feine Demonstratio communicationem calicis in 
plebe christiana esse necessariam nicht widerlegt 
werien lonnte. In natürlicher Folge mußte auch 
bie Zransjubftantiation beftritten werden, und fo | 
mwanbte das cil fein Decretum contra com- | 


munjonem sub utraque gegen ihn, in weldyer es 


Jakob I. 


eftand, aber bie 

chluß vertheis 
digte Gerfon gegen Jakobs Schrift Apologia pro 
communione plebis sub utraque specie. 1429, 

88 von Rifibis, der Große, war Biſchof I 
Riſibis und genoß in ber Kirche ein ſolches Anſe⸗ 
ben, daß es viele Wunderfagen von ihmgiebt. Seine 
aſtetiſche Frömmigkeit (in der Jugend hatte er in 
der Wüfte — und ſeine —— werden 

erühmt. nahm Theil am Concil zu Nicäa. 

ein Schüler war —— der Syrer. Erhalten 
find 18 Reden und 1 Brief in aramäiſcher Sprache. 
Eine lateinische Ausgabe Venedig 1756. 

Jakob von Sarüg, mitdem EhrennamenDoctor 
(for. Malpäna) Tibe ita{oecumenlens),eud „Biäte 
des heil. Geiftes“, „Cither der gläubigen Kirche“, 
war geboren in Aurtam am so. 452, wurde 
Presbyter 503 und Bifchof von än im Gebiet 
von Sarüg519. Ein berühmter Lehrerund Schrift: 

eller der fyrifchen Kirche, wird er auch von ben 
lobiten zu ihren Lehrern und Heiligen gezählt, 
wiewohl feine Lehre die orthodore ift. Die 763 
Homilien, welde ihm zugefchrieben werben, find 
in einem eigenthümlichen —2 — nad i 
jafobitifch genannten, Versmaße gehalten. Die: 
ſelben werden in ber ſyriſchen Rice noch jet be⸗ 
nutzt und im Gottesdien — 
akob von Vitry, Presbyter zu Argenteuil bei 
ris, wurde Auguftinerchorherr zu Ognies und bes 
chrieb das Leben der heil. Maria von Ognies. Der 
apft verwandte ihn ald Kreugprebiger gegen bie 
Albigenfer und Saracenen und * ihn zum 
Biſchof von Ptolemais. Nach dem Verluſte von 
Damiette 1225 kehrte er zurüd, warb Cardinal 
und Biſchof von Frascate, jomie päpftlicher Legat 
ntreid. Er lieferte in der Historia orien- 
talis nit nur eine Bejchreibung und Ge —3*— 
des gelobten Landes, ſondern auch eine Geſchichte 
der Orden und des Oecidentes. Auch ſeine Briefe 
ſind für die —* wichtig. 
alob de Voragine. Geb. zu Biraggio bei 
Genua 1230, trat er 1244 in den Predigerorben, 
wurde 1267 Provincial der Lombardei und 1292 
Erzbifhof von Genua. + 1298. Er ift der Ber: 
fafler der Legenda aurea, einer Sammlung von 
Zegenden, die er theils aus Büchern, theild aus 
dem Boltömunde ohne Auswahl und Kritik zuſam⸗ 
mentrug und in ber befhalb auch dad Abenteuer: 
lihfte und Abgeſchmackteſte aufgenommen: ift. 
Sie ift als beliebte Volfslectüre oft gebrudt und 
überjegt. 

Yatob I., König von Großbritannien unb Jr: 
land feit 1603, König von Schottland jeit 1567. 
Er war geb. den 19. Juni 1566. Theologifches 
Wiſſen, worauf er ftoly war und womit er 
Anſicht von der Nothwendigleit und göttlichen 
Aleinberechtigung einer ern eins 
—— Nationalkirche ftügte, ſowie ſeine übers 

pannten Begriffe vonder Machtvolllommenheit ber 
Majeftät reisten ihn zu den Eingriffen in bie ſchot⸗ 
tische Kirche, deren Folgen die Jahre lang dauern⸗ 
den Unruhen und der Untergang fein enen 
Haufes waren. Die Bejorgnig, daß der König ſich 
durch feine Öünftlinge und die Schmeicheleien des 
Papites zu einer Begünftigung des Katholicismus 
bewegen laflen möge, rief 1581 ben n Gove: 
nant (bed Königs Glaubenäbelenntniß) hervor, 
weldem mit Jatob3 Zuftimmung die Einrichtung 
der Bresbyterien folgte. Da gleichwohl der Hof 


Jakob II. 


die Bisthümer nicht aufgeben mollte, folgte durch 
bie Ernennung Montgomerys zum Erzbiſchof 
ber Zufammenjtoß mit der Kirche, den die Ge: 
fangennahme des Königs durch das Attentat von 
Authwen beendigte. Nach feiner Befreiung nah: 
men die ſchwarzen Beſchiüſſe (1584) des Parla: 
ments ber presbpterianifchen Kirche zwar ihre 
Breiheiten, aber unter veränderten Zeitumftänden 
wurden ihr diefelben durch die Ratificationd:Acte 
von 1592 zurüdgegeben Die magna charta ber 
Kirche von Schottland). Die Nachſicht gegen ben 
Tatholifhen Adel bei feinen wieberholten Empö: 
rungen, fein Wort: „Wo fein Biſchof, da ift 
aud) fein König“ und ebenfo die immer erneuer: 


ten Beſchränkungen der Vorrechte der preöbyte: | eine 
rianiſchen Kirche, zeigten, wohin des Königs Herz | fehlbare Ausficht. 


381 


Jakobus 


Tode den Thron. Sofort trat der katholiſche Cul⸗ 
tus öffentlich auf, und um bie engliſche Kirche = 
ſchwächen, wurden alle Diffenters beglinftigt, in 
Schottland aber nicht nur die Verfolgungen ber 
Eovenanterd fortgefegt, jondern auch Fatholifche 
Kirhen eröffnet und den Katholiken Aemter 
verliehen. 1687 erfchien die Jndulgenzacte, melde 
allen — und Diſſenters freie Religions⸗ 
Übung gab und alle bürgerlichen Beſchränkungen 
aufhob, die Anhänger der anglicaniſchen Kirche 
und die Schotten aber aufs tieffte verlegte. An 
bie zweite Indulgenzerflärung 1688 ſchloß ſich der 
Proceß der Bifchöfe, welcher die allgemeine Auf: 
regung erhöhte. Die Geburt eines Prinzen ftellte 
dauernde Herrichaft des Papſtihums in uns 
em zu entgehen, vereinigten 


neige. Als König von Großbritannien wandte er | fid) die bisher getrennten —— Parte 


alle Mittel an, wie in England (Religionsgeſpräch 
u Hamptoncourt 1605), fo auch in Schottland 
ie bifhöfliche Kirche einzuführen. Die Synobe 
iu Zinlitbgom 1606 mwiberjegte fi den bahin gie: 
enden Parlamentöbefchlüffen ; die Einfegung des 
Gerichtshofs der High:Commilfion bereitete aber 
die Olasgomwer Berfammlung (den 5. Juni 1610) 
vor, welche die prälatifhen Mafregeln annahm, 


ohne daß ber entſchiedene Widerſtand der —* 1 


lien und Gemeinden aufhörte. Die fünf Artikel 
von Perth 1617, welche verhaßte liturgifche Ein: 
richtungen feftfegten, vollendeten die Unterdrückung 
der presbyterianiſchen Kirche. Auch die Katholiken 
mußten nad der Bulververjchwörung 1605 feine 
Gemaltthätigfeit empfinden; durd den Königseid 
fuchte er fie vom Papſte zu löfen und feine firdh: 
pe Oberherrſchaft aud über fie auszudehnen: 

fpäter wurde Privatandadht — 
Trotz der nahen verwandtſchaftlichen Beziehun⸗ 
gen und vielfachen Aufforderungen feiner Unter: 
thanen, hielt er fi von jeder Unterftügung ber 
beutfchen Proteftanten fern, dagegen betheiligte er 
fi) nad) feiner theologischen Sicbhaberei nicht nur 
am gelehrten dogmaliſchen Streit, fondern be: 
chickte auch die Dortrechter Synode, ohne jedoch 

e Beichlüffe einzuführen. + 1625. Seine Scrif: 
ten (Jacobi opera) find 1619 zu London bur 
Biſchof Montacuti herausgegeben. Vgl. Rubloff, 
Geſch. der Ref. in Schottland, Bd. 1; befonders 
aber 2. Ranke, Geſch. Englands. 

Jalob II. König von Großbritannien, geb. 
1633, der Sohn Karl I. und der Henriette von 
Franfreih. Erzogen am franzöfifchen Hofe, wohin 
er aus ber Selangenfaft der Aufftändifchen-ge: 
flohen war 1648, nahm er bie —— zum 
Katholicismus in ſich auf. Er machte die Kriegs: 
güge unter Turenne in Spanien mit und kehrte 
als Herzog von Dort 1670 mit feinem Bruder 
Karl II. nad) u. urüd, Schon 1670 trat 
er wieder in bie fatholiiche Kirche, erklärte dieß 
1671 öffentlic) und legte in Folge der Teftacte 1673 
feine fänmtlihen Aemter (Großabmiral ſeit 1663) 
nieber, Vor bem Unmillen des Volles, welches 
bie Wieberherftellung des Katholicismus fürchtete 
und ihn vergeblich durd das Parlament von ber 
Thronfolge auszuſchließen verfuchte, wich er in 
eine Verbannung —— 1679. Nach ſeiner 
Rücklehr 1680 zum Statthalter von Schottland 
ernannt, hen er mit Härte die Presbyteria- 
ner, fiherte ſich aber bort bie Thronfolge. Trotz 
ber Teftacte an den Hof zurüdberufen und Mit: 
glieb des Staatärathö, bei 


tieg er 1685 nad) Karls 


riefen den Schwiegerfohn Jalobs, elm von 
Oranien, von Holland herbei, der am 6. Nov. 1688 
landete, Jakob gefangen nahm und nad feiner 
lucht den für erledigt erflärten Thron den 13. 

ebr. 1689 beftieg. Jalob lebte den Reft feines 

ebens am Hofe von Berfailles, getheilt zwifchen 
Andahtsühungen und Verſuchen, feinen verlores 
wieberzuerlangen. F 16. September 


Jalobiner = Dominicaner in Frankreich, nad 
ihrem Klofter in der Straße St. Jaques zu Paris, 
Ebenfo erhielt von diefem Klofter, wo fie ihre Club⸗ 
verfjammlungen hielt, eine politifche Partei der 
—— Revolutionszeit ihren Namen. 
Jatobsbrunnen. Joh. 4, 6. 8. 11. 12. Ein Brun- 
nen nahe bei Nablus, dem alten Sichem, wird 
als derjenige angegeben, den Jakob habe graben 
laſſen; jedenfalls derſelbe ſehr alt, liefert aber 
nicht mehr zu allen Zeiten Waſſer. 
aloböorden, ein anderer Name bed Ritter: 
ordens von Compoftella, 
ge Das Apoſtelverzeichniß erwähnt zwei 
dieſes Namens, 1) Jalobus, den Sohn bes Zebe⸗ 
bäus, den Bruder des Johannes. Er wirb in den 
Evangelien ftetö nur mitdiefem zufammengenannt, 
gr gleich ihm zu dem engften Jüngerkreife, den 
ertrauten Jeſu und erfcheint auch nach Geift und 
Charakter dvemjelben ähnlih. Später ftand er an 
ber Spite der Gemeinde zu Jerujalem und wurde 
unter Herodes Agrippa ald Märtyrer 44 enthaup: 
tet, Apftg. 12, 2. — 2) Jalobus, minor, der Jün⸗ 
exe, zur Unterfheidung von bem Zebebaiben 
(major) — der Sohn des Alphäus und der 
aria, Marc, 15,47. Nach Ricephorus ſoll er zuerſt 
im ſüdweſtlichen Paläſtina, dann in Aegypten ge: 
predigt haben und zulegt zu Oftracine in Unter: 
ägypten gelreuzigt worden fein. Gebädtnißtag 1. 
Pe Vielfach wird er fürden Bruder des Herrn ge: 
(ten, Gal.1, 19, der nad) Hegefipp und Eufebius 
orjtand der Gemeinde zu Jeruſalem war, den 
Beinamen des Gerechten führte (meilervon Jugend 
auf im Nafiräat gelebt) und deſſen Frömmigleit 
aud von den Juden anerlannt wurde, den aber f 
vor der Zerjtörung Jeruſalems das Volt den 
gefteinigt hatte, und ber auch ald der Berfafler 
des Briefed Jalobi gilt. Für die Unterfcheibun 
fpricht aber, daß Judas Alphäi (Klopas) nur * 
Grund der Stelle Joh. 19, 25 für einen Verwand⸗ 
ten des Herrn (Geichmwifterfind, aber nicht Bruder, 
wehhalb dann dieſer Ausorud im meitern Sinne 
enommen werben müßte) gehalten wird; daß 
atth. 13, 55; Mare. 6, 3 ein Bruder des Herrn 


Jakobusbrief 


Ramens Jakobus erwähnt wird, der noch nicht an 
ihn glaubte, und auch Apftg.1,13.14 Brüder des 
eren von den Apofteln unterjchieden find. Die 
ngrünbe, Daß Luk. in ber Apoftelgeihichte F 

nit einführe, 15, 13; 21, 16, alfo nur ben 
en Alphäiden verftehen laſſe, und ber 
des Herrn nicht Apoftel geweſen fei, wäh: 
send er doch Gal. 1, 19 mit den Apofteln zuſam⸗ 
mengeftellt wird, find nicht entjcheivend, ba aud) 
Apollos z. B. 1, Kor. 4, 6. 9 im weitern Sinne 
Apoſtel genannt wird, und fogar Gal. 1, 19 eine 
nterjheidung von den Apofteln offen läßt. Dies 
fer Bruder des Herrn fteht nad dem Tode bed 
älteren Jalobus an der Spike der Jeruſalemiſchen 
Gemeinde. Der Hohepriejter Feſtus fol ihn um 
61 wegen Gefegeäverlegung haben hinrichten 
lafien. Nach Yeaefipp ift er am Dfterfefte durch 
das Bolf von ber pelzinne herabgejtürzt und 

von einem Waller erjchlagen worden. 

Jakobusbrief. Derjelbe ift von Jakobus, dem 
Bruder bes Herrn (f. d. A. Jakobus), „an bie 
zwölf Stämme, bie in ber Berjtreuung find“, wo: 
mit bie Chriftenheit außerhalb Paläftinas, das 
Sirael im höhern Sinne, gemeint ift. Der Inhalt 
läßt ſich nicht nad) einem —— Plane gliedern, 
die Ermahnung zu einem praftifch:thätigen Chris 
ze. bildet die Hauptſache; außerdem enthält 
Brief Ermahnungen zur Webuld in ben ſchwe⸗ 
ren Leiden ber Zeit, Warnung vor Parteilichkeit, 
vor ber Ueberfhägung bed Glaubens gegenüber 
ben Werten, vor dem Mißbrauch der Zunge, Rüge 
egen die Reichen. Der Standpunkt des Berfaj: 
ber ift der eines Chriften, welcher fi aus dem 
Jubenthum heraus ruhig entwidelt hat, ohne, wie 
das bei us der Fall war, des ſcharfen Gegen: 
atzes der neuen ———— gegen die 


n ber Polemik gegen 
in ber Stelle 5, 12 ftreift * 


—— 
erder, Briefe zweier Brüder Jeſu, 1734, Schar: 
I zum SJalobusbriefe 1841. Ei 


382 


Sanfen 


fie ald Jamnes und Jochabel. Sie find ber Typus 
einer finftern geheimen Wunderfraft. 

Janoha. Zwei verfhiedene Städte dieſes Na: 
mens werben angeführt. Die eine, Jof. 16, 6, als 
Grenzftabt Ephraims, jegt Janum; die andere, 2. 
Kön. 15, 29, welche nördlich von Kedes lag, von 
Tiglath Pilefar erobert. 

Janow, Mathias von, ber Vorläufer der Buff: 
tiihen Reformation, hatte in Prag ftudirt, wurde 
auf päpftlihe Empfehlung Kanonifus in Prag 
1381 und Beidtvater an der Domkirche. Aus dem 
bein eriihen Verkehre mit dem Volke gingen 
eine Ueberzeugungen hervor, welche die Aeußer: 
lichkeit der lirchlichen Anftalt und Werfe und ber 
kirchlichen Einheit unter die ——————— 
mit Chriſtus ſtellten. Da er auf die tägliche Com: 
munion ber Laien brang und das Abendmahl sub 
utraque reichte, mußte er 1389 öffentlich wider: 
rufen, ald die Prager Provincialſynode 1388 be: 
ſchloſſen hatte, daß man höchſtens einmal monat: 
li communiciren dürfe. Sein Gehorfam gegen 
bie Obern, dem feine Ueberzeugung widerſpräch, 
ließ ihn endlich eine Reformation der Kirche nur 
für möglid) halten als eine Erneuerung nad) der 
Zerſtörung durch den Antichrift. Seine Scrif: 
ten De regulis veteris et novi testamenti, 5 
Bücher, Unterfuhungen über das Weſentliche de3 
Chriſtenthums, find nur in Bruchſtücken vorhanden. 
Janſen, Janjenismus. Cornelius Janfen war 
eboren am 283. October 1585 im Dorfe Atoi bei 
eerdam. Er ftudirte zu Löwen, lehrte dort auch 
als Borftand des sein rg rer Theologie, 
wurde 1630 Profeffor der heil. Schrift und 1636 
Biſchof von Ypern. Fortgefehtes Studium der heil. 
Schrift, viel mehr vg des Aupuftinus hatten ihn 
und feinen Freund Sean de Berger (befannter 
unter dem Namen Abt von St. Euren) immer 
mehr zum Gegner ber jefuitifchen Lehren gemadt, 
überzeugt, dap deren Semipelagianismus Augus 
ftind Lehre völlig verlaffen habe und beide mit 
einer Begeijterung für die Auguftinifchen Lehren 
von Gnade und freiem Willen erfüllt, die ihr fol: 
gendes Leben beitimmte. Erft nach Janfens Tode 
(1638) erfhien 1640 fein Hauptwerk Augustinus 
seu doctrina St. Augustini de humanae natu- 
rae sanitate, aegritudine et medicina adversus 
Pelagianos et Massilienses: „bedeutend, nicht 
allein weil es fi den Jefuiten in ihren dogma— 
tiſch unmoraliſchen Tendenzen fo kühn entgegen: 
ftellte, fondern weil eö dies dadurch that, daß es 
bie herlömmlichen Formeln von Gnade, Sünde 
und Vergebung aufs neue zu lebendigen Gebanfen 
durchbildete” (Hanke). Auf Betreiben der Jefuiten 
wurde dad Buch ald eine Wiederholung der Lehre 
des Bajus von Urban VIII. durch die Bulle In 
eminenti verboten. Inzwiſchen aber hatteder Jan: 
ſenismus, namentlich in Frankreich durd St. Eyran 
viele Anhänger gefunden, und die Barijer Univer: 
ität legte fieben Säte aus Janfens Schriften dem 
fte fagend vor, welcher 1653 durch die Bulle 
Cum occasione diefelben, auf 5 reducirt, ala fee: 
rifh verdammte. Die Anhänger Yanfens, unter 
welchen die Gelehrten Arnauld, Pascal, P. Nicole, 
Berrault und die Nonnen zu Bortroyal hervorrag⸗ 
ten, hielten entgegen, daß die Säge, deren Unrid: 
tigkeit fie anerkannten, nur durch Mifverjtändniß 
in Janjens Schriften gefunden würden. Als da 
egen der Papft die Verdammung der Süpe ald 
ehre Janfens forderte und die Unterjchrift der 


Januarius 


Bulle mit Strenge verlangt wurde, erſchienen Ar⸗ 
naulds Brief an eine Perſon vom Stande und die 
Lettres à un provincialvon Pascal, und die Dppo⸗ 
ition fammelte fih um Portroyal (f. d. Art.). Die 
bjichtigte gewaltfame Unterdrüdung bes Jans 
ſenismus dur ——— wurde gehindert, als 
auch 4 Biſchöfe durch die Unterſcheidung zwiſchen 
dem fait und droit und das bioße Verſprechen 
eines respectueux silence auf feine Seite traten, 
0 daß dur bie fogenannte Paix de Clement 
X. 1668 ein zweibeutiger Bergleih unter Ber: 
mittlung bed Königs gefchloffen wurde. Der Streit 
ruhte um fo mehr, ald Arnauld und die janfenis 
ſtiſchen Biſchöſe danach in den Regalitreitigkeiten 
das Recht des Papſtes vertheidigten und damit 
die Gunft beffelben gewannen, aber vor dem Un: 
willen Ludwigs XIV. Frankreich verlafien hatten. 
al aber, deſſen Nonnen die Bulle Vineam 
omini nicht unterjchreiben wollten (1705), worin 
die Berwerjung der fünf Säge ald ber Lehre Jans 
ſens ohne alle Rejtrictionen gefordert war, wurde 
von Ludwig XIV. aufgehoben und zerftört. Einen 
neuen Aufſchwung nahm der Janjenismus und 
ber Streit über ihn durch das von Quesnel unter 
dem Schuße des nachmaligen Erzbiſchofs von Pa: 
ris, Noailles, herauägegebene Neue Teftament mit 
Anmerkungen. Dies Erbauungsbuch fa:ıd bald in 
ben meitejten Streifen eine warme Aufnahme. 
Die Bulle Unigenitus von 1713 verdammte nun 
101 Säge aus diefem Teftamente als janfeniftifch 
und ketzeriſch; darunter nicht wenige, die mit der 
Ze Schrift, mit Auguftin und ſelbſt dem Triden- 
inum faft wörtlich zufammenftimmten, aber jeſui⸗ 
tiſcher Doctrin wi —— —— weigerte ſich 
ein großer Theil des franzöſiſchen Klerus, die Bulle 
oder Eonftitution anzunehmen, obwohl ber König 
e ald Reichsgeſetg hatte regiftriren lafjen; fie vers 
ngten eine Prüfung ber Bulle durch ein Ratio» 
nalconcil, und als dies durch den Widerftand der 
Gegner, ber Eonftitutioniften, nicht zu Stande 
fam, appellirten fie an ein fünftiges allgemeines 
Concil. So ſchied ſich die —*— Geiſtlichkeit 
durch die Bulle in Acceptanten und Appellanten. 
Mit allen Mitteln der weltlichen und lirchlichen 
Gewalt wurde gegen bie — eingeſchritten. 
Viele ließen ſich zum Widerruf bewegen, wie Noailles 
elbſt 1728; Andere wurden abgeſetzt, verbannt, 
s Gefängniß geworfen, oder ihnen ſeitens der 
Kirhe die Sacramente verweigert. Biele flohen 
nad) den Niederlanden, wo der Janſenismus ſich 
ruhiger hatte ausbilden können. Dort fagte 
das en Utrecht mit den nung rigen Dar: 
lem und Deventer vom Papfte los, der durch die 
Bulle Unigenitus die Kirchenlehre verlegt habe, 
und bifbeten feit 1723 eine eigene Kirche, die ſich 
zwar zu der römifchen Kirche noch immer rechnet, 
aber dem Papfte nicht unterordnet und folgerichtig 
mit ihren Gliedern ercommunicirt ift. te eit 
umfaßt dieje Kirche 27 Gemeinden mit ca. 6000 
Seelen. Zeybeder, Hist. Jansenismi, 1695; 
Gerberon, H. generale du J., 1700; Reudlin, 
Geſchichte von Bortroyal, 183944. 
annarius, der Heilige. Bon den 14 Heiligen 
dieſes Namens, deren Gedächtniß die Kirche feiert, 
iſt der Bornehmite der einftmalige Bifchof von Be: 
nevent, der unter Diocletian den Märtyrertod er: 
litt 305. Gedächtnißtag 19, September. Da er 
den Göttern zu opfern ſich weigerte, warb er ver: 
geblich erft in einen glühenden Ofen, dann wilden 


383 


Jarrow und Wearmouth 


Thieren vorgeworfen und endlich enthauptet. Das 
vergoffene Blut foll von einer Frau au wur en 
fein und wird in 2 Phiolen mit dem Haupt 
Heiligen in einer Gapelle der Kathebrale von Neas 
pel bewahrt. Wenn das Haupt bem Blute genähert 
wird, fo fängt dies wieder frifh zu fließen an. 
Das Wunder gefchieht regelmäßig am Gedächtnis 
tag bed Toded. In dem fchnelleren oder ftoden- 
den Flüffigmerben erblidt man ein Dralel für 
fommenbes Glück oder Unglüd, 

Japan. Unter Franz Xaver etablirten die Je— 
fuiten 1549 auf der Intel Kiufiu ihre Miffton, die 
olhen Fortgang hatte, daß mehrere Daimios- 

ürften dem Chriftenthum zutraten, die Zahl der 

efehrten fih um 1 auf 200,000 berechnete 
und eine japanejifche Geſandtſchaft 1580 Gregor 
XIM.begrüßte. 1587 aber begann der Kaiſer Tai⸗ 
tofama, aufgeregt durch die japaneſiſchen Bonzen 
und in mander Beziehung durch baß Chriftenthum 
feiner Unterthanen gehindert und argmöhnifch ger 
macht, die Berfolgung damit, daß er Kirchen ein: 
reißen ließ und den Miffionären das Reich zu ver: 
laffen gebot. Als diefe Berbote nur die Umwand⸗ 
lung des öffentlichen Gottesdienſtes in Privatan: 
— zur Folge hatten, erregten Mißhelligkeiten 
mit den Portugiefen den Sturm ber Besfolgung 
von 1596 und 1597, in dem bie 26 japanefiidhen 
Märtyrer (fanonifirt 1862) fielen. Taitofama’s 
Sohn war riftenfreundlic erzogen und duldete 
die Miffionen bis 1613. Die von den Holländern 
* eingeflößte Furcht, die Portugieſen beabſich—⸗ 
tigten ihn ſeines Reiches zu berauben, ſoll den⸗ 
rer zu ben Berfolgungen bewogen haben, die er 
eit 1614 eintreten ließ. Die Kirchen wurden nie 
bergeriffen, die japaneſiſchen Ehriften follten vers 
brannt, alle Miffionäre verbannt werden und 
ebenfo für immer alle Portugiefen. Mit großer 
Unmenfchlichleit wurde das Edict audgeführt und 
unter Taitojama II. (1631—58) der Reſt ter letz⸗ 
ten Chriftengemeinde, ber ſich verzweifelnd hart⸗ 
nädig vertheidigte, zu Nangaſaki mit holländiſcher 
Hülfe vernichtet. 1644 war das Chriſtenthum aus⸗ 
gerottet, und die Abſperrung des Landes gegen 
allen fremden Verkehr feit 1638 vermehrte eine 
Erneuerung der Miffionen, gegen welche das ftaats 
liche Gebot ded „Jeju:mi‘ (Gebot, ein Erucifig mit 

üßen zu treten) eine neue Sicherung gab. Die 

nung ber Häfen feit 1854 hat auch fatholifche 

und evangelifhe Miffionen zu neuen Verſuchen 
gelodt, indeß bis jegt ohne nennenömwerthen en 

Japhet, der Sohn Noah, 1.Mof. 5, 32; 6, 10, 
der Stammpater der iranifhen und turanifchen 
Völler. Das harakteriftiiche Merkmal der Unter: 
ſcheidung feiner Nahfommen von den Semiten 
zeigte fih darin, dat die Japhetiten ein reges 
Eulturftreben an fi} trugen und darum aud von 
den Grenzen ihrer Stammgebiete ſich nicht Halten 
ließen; fie gewannen Wohnfige ber Semiten. 

aphia, Grenzſtadt Sebulons, of. 19, 12, nad) 

Jo * lap«, das heutige, eine halbe Stunde 
von Nazareth liegende, Dorf Jafa. 

Jargi. S. Raſchi. 

Jarmuth, eine kanaanitiſche Königftadt in ber 
Niederung Juda's, im Nord: Weften von Jerufa: 
lem, of. 12, 11; wahrſcheinlich das heutige Jar: 


muf. 

—— und Wearmouth, zwei eng miteinander 
verbundene und unter einen Abt gejtellte Klöfter 
in Northumbrien, weiche ber Angelfachfe Bennet 


Jaſon 


Leitung trefflicher 
R iete geboren, ihr Schüler, ſpäter Lehrer, eine 


lem zu erobern. Nach vielem Blutvergießen konnte 
er ſich nicht halten, mußte zurücklehren und, bei 
Aretas verklagt, nad) Aegypten flüchten und end» 
fi nad) Sparta, wo er im Elend ftarb, 2. Maff. 
5,5 ff. — 3) Der Sohn Eleazars, einer von ben 
Gefandten des Judas Maklabäus nad Rom. 
atba oder Jotba, 2. Kön. 21, 19. Geburtäort 

ber — —— der Mutter des Königs Amon 
von 

— war eine Prieſterſtadt im Stamme Juda 
auf dem Gebirge gelegen, Joſ. 21, 14; 15, 48. 
Eujebius nennt fie Jathire und jagt, fie fei ganz 
von Ib, bewohnt gemejen. 


“ 


Was, Presbyter und feit 435 Bifchof von Ebeffa. 
Weil er die Schriften des Theodor von Mopſueſtia 
überjegte, wurde er von einigen Mönchen und Kle⸗ 
rilern beim Patriarchen Proclus von Antiochien 
und dem Kaifer Theodofius II. des Neftorianismus 
— aber freigeſprochen. Zwar entſetzte ihn 
die Räuberſynode zu Epheſus, doch wurde er zu 
Chalcedon 451 wieder rejtituirt, nachdem er ben 
Neftorianismus anathemafirt hatte. Berühmt ges 
worden als eines der drei Enpitel im Dreicapitels 
ftreite ift fein Brief an den perfiihen Bifchof Mari, 
in welchem er, ohne Neftorius beizuftimmen, 
Eyrill heftig tadelt. Die griechiſche Ueberſetzung 


bei Manfi, VII, p. 241. Derfelbe wurde von Zus | die 


inian und der 5. ölumeniſchen Synode zu Con: 
ntinopel verdammt. 

berier bewohnten das heutige Georgien und 
Grufien. Sie erhielten dad Chriſtenthum durch 
eine friegögefangene Nonne. ig Gebet hatte ein 
kranles Kind und die Königin gefund nr 
D rief der König in einer großen Noth auf 
der Jagd den Ehriftengott um Hülfe an ; zum Dant 
für bie Erhörung ließ er fi und fein Bolt von 
jener Nonne im Chriftentfum unterrichten und 
berief Geiftlihe und Lehrer aus dem römiſchen 
Reihe um 320 oder nad) andern Berichten aus 


Armenien. 
Idacius, Biſcho 


384 


Idumäa 


Berlkeley, Kant, welcher wohl ein objectiv Reales 
annahm, allein als nicht fo eriftirend, wie es und 
erſcheint, fondern ald nur nad) den im Geifte lies 
enden Kategorien ertennbar (tranfcendentaler 
dealiömus) und in confequentefter Ausführung 
ze, welcher die Außenmelt lediglich ald das 
piegelbilb bed eigenen Ich betrachtete, 

Idee ift in der Sprache der Bhilofophie ein Ge: 
bante, aber nit infofern derjelbe in einem den: 
tenden Wefen als Vorftellung durch ein von außen 
ei Gegebenes ſich bildet, nicht infofern derſelbe 
(als Begriff) durch Abftraction aus Borftellungen, 
bie jelbft wieder Bilder bed Gegebenen find, erzeugt 
wird, alfo nicht der gleichſam bloß abbilbliche Ge: 
danke, jondern ber Gedante als urbildlicher oder 
als zugleich ſchaffender, — —* ern er 
alſo dem Werdenden zu Grunde liegt un ſel⸗ 
ben vorhergeht. Als ſolcher kann er ſeine geſtal⸗ 
tende Macht dadurch haben, daß er dem werdenden 
und ſich entfaltenden Daſein als geiſtiger Keim 
immanent innewohnt, daß er — unbewußt oder 
bewußt, naturnothwendig oder frei — die Geſtal⸗ 
tung und Entfaltung, die Verwirklichung ober Ber: 
leiblihung deflelben beherrſcht und den Stoff, ven 
er für feine äußere Verwirklichung bedarf und er: 
greift, von innen aus in dieſe beftimmten Formen 
jwingt: aljo das, was man im Bereiche des "m 
nifhen XZebens auch Typus genannt o 
ſpricht man von der Idee der Roſe, der Pflanze, 
des Thieres, der Menſchheit, des Staates, der Fa⸗ 
milie, des Rechtes u. ſ. w. So ſpricht z. B. die 
Hegelſche Philoſophie von der abſoluten Idee, 
d. * von der geiſtig⸗geſtaltenden, die Geſa m int⸗ 
de t Des Daleine, ie Weltentfaltung beherr⸗ 
enden Macht des Weltgrundes, und dent dieſen 
Urgrund alles Dajeins und diefe geftaltende Macht 
aller Entwidlung, alles Werdens entweber — 
wie wahrſcheinlich Hegel jelbft, und nad) ihm we 
— die —— rechte Seite ſeiner — 
Goͤſchel, Roſenkranz, Conradi, Erdmann u. A. — 
als bewußte Macht, als Subject, oder — wie 
bie linke Seite, in der durchſichtigſten Fafſung bei 
Strauß u. A. — ald unbemwußte, blind wir 
ende, aber ſich sriekmäßig, verwinftig entfaltende, 

erſt in den einzelnen Subjecten, im Menſchen 
um Bemußtjein erblüht. Ein folder beherr: 
chende, geitaltende Gedanke kann aber aud von 
außen ber dem Stoffe aufgeprägt oder eingebil⸗ 
det werben, fo daß er aljo nicht die von innen aus 
ihn bildende Macht ift. So kann die Jdee in ber 
Seele bed Künftlers, des Staatömannes, des Feld⸗ 
herrn (die in diefem Falle Künitler find) leben und 
fi in der Statue, im Drama, in der Mafdine 
ausbrüden. Das Kunftwert wird dann um fo voll: 
lommener fein, ald es ben Schein eines Lebens 
von isınen aus an ſich trägt. Idee im Sinne 
jener immanenten Gedanlenmadt fest eine idea: 
liftifche oder eine organijche —— 


von Emerida, trat in fanati⸗ ſung voraus, eine ſolche, welche den Zweckegri 


ſcher Weiſe gegen Priscillian auf und rief in Ver- in die Mitte ſtellt. Ein tieferes Verſtändniß des 


bindung mit Ji 
Gratian wider jenen auf. 


Idealibmus heißt entweder ein philofophifches 


Spitem, wie dad Platonifche, welches den Ideen 


us von Sofjuba 380 den Kaiſer Chriftentyums in feinem Wejen und feiner Ge— 


ſchichte ift nicht möglid, wenn man ſich nicht des 
Verjtändniffes der Idee bemächtigt, wenn man 
aljo einer antiidealiftifchen oder einer antıorga: 


objective Eriftenz zufpricht, oder im modernen niſchen Weltauffafjung folgt. 


Sinn diejenige philofophiihe Richtung, melde die | 
Außenmelt, wie fie und erſcheint, mehr ober weni⸗ 


Idiomata. S. Communicatio idiomatum. 
Idololatrie, abgöttiſcher Bilderdienſt, von Idol 


ger nicht als objectiv real exiſtirend anjieht, fon: = Bild. 


bern als ein Product des menschlichen Geiftes. So 


IJoumän, S. Edom. 


Sebleam 385 Sephtha 


it | Amt ald Nafi, Vorfteher und Richter der gefamm: 
abo. u EL 3 Rn — Behter bes Orfelrd ge 
von Megiddo, wo Ahasja fiel, 2. Kön. me eich er Js 8 jeinen Vorträgen find die Bareitha 
of. 17, 11 gehörte er zu denen, welde im Beſitze unb Xhofepbtän bes Tafmnık herporgegangen. 
der Ranaaniter geblieben waren. 2 10. |veranflaltete F— erfte Sammlung der bisherigen 
rl 7 — mel, —* in Lehrtradition über das — die Miſchna. Sn 
28; 11,5 ſt⸗ ⸗ ten 17 ines Lebens er 
und um Jeruſalem (Jebus). Von deln beſiegt, eng — ns ANA zu 
ielten fie ſich in ihrer Stadt, bis David die Bur Sevphoris. Seine Würde beiteibeten aud) fein 
ion eher a ee 3.1. 
nod erw ra 9,1. II, der Heilige, war als Nachfolger 
ce 
fol auch der Rame eines namentlich über die Thiere feine Gefehrfemteis und eh Anfehen beim Kaifer 
gebietenden Dämons gemefen ae r ‚hob er daS Anfehen feiner Gerichtöbarfeit, die 
ren det. —— —S— der auch von allen Juden anerfannt wurde. —* 
ah. So wir , bi vo 
Punctation des Wortes Adonaider Name des Einen —5 Ben F = Sit ie 
Gottes MN gelefen. Die richtige Ausſprache P "Sammlung der bisherigen m. Pr 
eh oder . Der Name bedeutet nad) 2. | Gefey (f. Mifchna). In den leisten ahren ei: 
ur 14 Sugar Seienden. Wenn diefe Be: | es ebens an mußte er io nad) Sepphoris 
uns Gotteö auch vielleicht älter ift, fo 62 — be i ve 1547 
e doch erft mit Mofes, 2. Mof. 3, 13—15; 6, Jena. Die Univerfität wurde im Se h 
—8, ala licher unterfheibender Gottes name yon dem Kurfürften Johann Friedrich geftiftet 
auf, in welchem fich die Bejonderheit des jüdischen | und 1558 eröffnet. Als Gegenfag zu dem Philippi: 
Lottesglaubens und feine Geiftigfeit im Untere | ft; | eat 5 
Khieb von ben umgebenden heidniſchen Völtern | ie Flacius, Amsdorf, Wigand, sie Der 
ausjpricht. Der Name Jehovas verdrängt — ſtarren Lutherthums, aus welcher milder N 2* 
mehr die früheren El Schaddai, Elohim und wird | pie Strigel und Schnepf, verdrängt in + 
häufig in den Zufammenjegungen der Eigennamen. nad) einigen Jahren trat wieder, durch d e ſichtliche 
R und Elofift. S. Bentateud. Beröbun ber Sacuftät in Jele bb Berelgenben 
Jehn | Hanani's, ein Bropfet, |lutherifcen Fanatimus, eine tolerantere Strö- 
Der in Zube Ice nl ae Dale Tr a een Denallund, ine | Hilippiftifeh ge: 
weicher in \juda lebte und dem vadſa Mi ® | finnte Seineder berufen Wurde. Aber 1 7 
— Ve; 0. Barack — 8 —2** erfolgte unter dem Herzog Johann Wi wieder 
2.3; nad) 2. ie 20, 34 jehrieb er die Annalen. | ein Umfchlag zum Luthertbum und Männer, wie 
ee eg Göttin Wigand, HehhuS, heberrihten Dir Unorr 
Te A fität. Aus dem 17. Jahefunbert ind al8 berühmte 
ven ara a Eee a Rio t eologifche Lehrer erhard, Mufäus, aus dem 18. 
— Man #: 1.Rön 16 16, und zum | Buddeus, Danovius, Danz, Döderlein, Eichhorn, 
Yuffland ara Jam aufgeforkent. De bie el | Bauluß, Batch zu nennen, Berüguie Poitofop > 
w Fi 4 i in 4 
Ben —— * 2 ee —— * ule der Philo⸗ 
zufielen, ſuchte er Joram zu —— 9 bot ;fophie. Gaöler, Griesdach, Baumgarten-Crufius, 
peln und ln ihn auf bem Benfeltet el| Rüdert, €, Schwarz, Hafe find die bebeutenderen 
aufweist Cru sum aka Se an Yen aA aan A 
— m fie Derthaft m Ka ep ee 
fämmtlihen Nachlommen und Verwandten Ahabs | Jena, ichttichen Entwidtung, 1858. 
tödten, verfammelte unter dem Vorwande eines | ihrer geſch ei S — * vibel 
Opfers die Baalsprieſter, um auch ſie auf einmal er ng rg soetifche Mdbrud für — 
——— und ver hier heiten. = enfeits, Daß, 2 
Hierbei wurde er jedenfalld von de “ : Richt. 11. 12. Als der 
Pd ni ‚inter; luft abe no | Sohn einer Quhferin vom Orbihe jeine® Baters 
erobeamd nicht abſchaffte, da ihm Athalja’s Re: — 85 — 
iment die Unterwerfung Juba’3unm lich machte. Tob a fi durch Tapferkeit einen Ramen. 
o wird er bei ben ichroff heruortzetenden en her Bebr iß durch die Ammoniter wand: 
fen und fittlichen Mängeln dargeftellt aus ‚dem | I i * Feuer made ie 
Gefihtäpuntt, daf er das Werkzeug des —— = g zu ihrem Oberhaupt und ſchlugen den 
Gerichtes gewefen fei. Im —— be: | Feind am Arnon. Vor der Schlacht hatte Jephtha, 
ee ⏑— ax der Dfe| Denn Air rn erde er 
feite des Jordan 43 an en Söng Hajael von | aus der 1 — eines Hauſes entgegentrete, Jeho: 





ei der Rückkehr ihn ſeine 

Syrien verloren. Jehu ſtarb 855. vah geweiht. i Den 
ter mit einem feftlihen Reigen und g N 

* en OL —— Fe Gelübde, —*6 er ſie, nachdem Fa mit 


i Geſpielinnen nod 2 Monate Freiheit gehabt 

(.d Sy ——— Bei, ei den Bergen ihre er ag zu — 
Fehudah, R., der ifige, Nafi (220—40) zu | weinen. Man hat — wenig — — 

Tiberias. Wichtiger und bedeutender als durch ſein hieraus zu ſchließen, daß überhaup = op 


Jephtha⸗El 


bei den 
buchſtäblichen Sinne abzugehen und die Tödtung 
des Mädchens zu bezweifeln. Es iſt das Ge— 
—* dem ſich Jephtha nicht entziehen zu dürfen 
meinte. 

Iepbtba-@il ift bad Thal Jotapata, das heutige 
Dadi:Abilln. 

Jeremia, der Prophet. Der Sohn des Prieſters 
Hiltia zu Anathoth im Lande Benjamin, trat er 
unter Yofias ald Prophet auf mit Strafreden ge 

en Die, welche das Gejeg nicht beachten wollten. 

n der trüben Zeit nach Joſias' Tode, ald unter 
deſſen Nachfolger fich heidniſches Weſen wieder 
ungefcheut geltend machte, ftand er „wie eine Mauer 
von Erz und eine Säule von Eifen“ den Lügenpro: 
pheten entgegen, aber zeigte, wie das Verderben un⸗ 
ausbleiblid fommen müfle. Dem Bündnig mit 
Aegypten, deinnicht nuralle heidnifch Geſinnten 9 
—— widerſprach er ſtets, da er erlannte, da 

egypten Paläſtina wohl als eine Vormauer gegen 
die Chaldäer zu behandeln wünfche,aber niemals im 
Stande fein werde, daffelbe u 5* Gegen die 
kecke Zuverſicht, welche, auf die Weiſſagungen ber 
älteren Propheten geſtüht, ein Unterliegen Jeru: 
yalecıs ſich nicht denken konnte, machte er mit Ernft 
geltend, daß Rettung nur aus jittliher Erneue- 
tung fommen könne und ohne dieſe eine Hoffnung 


auf wunderbare göttliche Hülfe nichtig fei. Erbit: | Cap 


tert über feine Weiffagung, die ihnen als anti: 
national erfdeinen mußte, Tote er von dem durch 
die Pricjter der Gegenpartei erbitterten Volle ge: 
tödtet werden; nur die Berufung auf Micha von 
Varefa, der zu Hiskias' Zeiten ebenfalls ungeftraft 
görtlihes Gericht verfündigt habe, rettete ihn, doch 
wurde er der Rache Jojalims, der den Propheten 
Uria aus gleicher Urſache tödten ließ, nur durch 
die Sorge des Ahikam, der ihn verbarg, entzogen. 
Nach der Eroberung Ninive's und Necho's Nieder: 
lage bei Karchemiſch ſchien die Zeit günftiger, die 
Semüther für feine Reden empfänglich zu machen. 
Daher lich er feine früher gehaltenen Reden d 
Barud aufſchreiben und diefelben, vermehrt dur 
eine Weisfagung über die Chaldäer, im Tempel 
während einer größeren Foſtenʒeit vorleſen. Die 
Reichsräthe brachten die Schrift zum Könige, wel: 
her, nachdem er einige Seiten angehört, zornig 
das Bud) zerſchnitt und Jeremia und Barud), die 
fih aber verborgen hielten, zu ergreifen befahl. 
Der neuen Abjhrift fügte Jecemia eine neue Drop: 
rede gegen Jerujulem zu. Seine warnenden Vor: 
ausjagungen trafen bald ein, als Yojafim fich bei 
dem neu ausbrechenden Kriege zwiſchen Aegyptern 
und Ghaldäern wieder zu den en je te, Das 
Sand erohert wurde, Jojakim fiel, fein Nachfolger 
Jojachin ſich den Chaldäern ergeben mußte und 
mit allen Bornehmen nad) Babel abgeführt wurde. 
Als der von Nebufadnezar eingejegte Zedelia ſich 
ebenfalls der ägyptiſchen Partei zuneigte, die dem 
druckenden Jod ſich zu entziehen fuchte, ftatt eö, 
ıo\e Jeremia wollte, als ein Geriht aus Gottes 
Hand demuthig hinzunehmen, und ein Bündniß 
der ſyriſchen Völter gegen die Chaldäer ſich vorbe: 
veitete, von dem man eine völlige Befiegung bes 
Feindes erboffte, trat Jeremia (Cap. 28)demLügen: 
Tropheten Hananja entgegen, mit dem Zeichen des 
eiſernen Joches und der (erfüllten) Drohung feines 
baidigen Todes, Seine —“ an die Ber: 
baunten, fich geduldig in die neuen Berhältniffe zu 


jüugen und von jedem Nufjtandverfuche abzulaffen, | Dikig, 


386 
fiten vorgelommen feien, ald von bem | murbe mit aleirhem Hohne wie zu —A 
it, die er 


Jeremia 


gewieſen. Bei aller entſchie denen Gewißhe 
läubig feſthielt, daß auch für Iſtael eine neue 
dei des Glanzes wiederlehren und das heilige 
olk der Jehovahdiener nicht untergehen werde, 
beharrte er auch da bei feinen ren und 
Drohungen, als Jerufalem fich bei Nebul 
neuem Kriegszug mit begeiiterter Tapferkeit hielt 
und das Anrüden der Negypter die Chaldäer zur 
Aufhebung der Belagerung nöthigte. Als Berräs 
* verdachtigt und eingekerkeri, befreite ihm erſt 
ebuladnezar nach der Eroberung der Stadi Das 
Anerbieten befjelben, ihn nad) Babel 
durfte er ablehnen; er blieb im Lande, bis 
der Ermordung Gedalja's er den Auswanderern 
pr te, welche vor der zu erwartenden Rache Ne= 
uladnezars nad pten flohen. Er fort 
u mahnen und zu ftrafen und end zu Taphnä von 
teini 


einen Landsleuten 


eremia, das B Da enthält ſowohl 
— als *53 iche Nachrichten. Man 
unterſcheidẽt wer Theile: 1) Einheimische Weisja- 
gungen und Geſchichte (1—45) und zwar ſolche vor 
(bis 39) und nad) der Zerftörung. Gap. 1 
die Berufung des Propheten. Die folgenden Cap. 


ae —— den * —— 
ntergang Juda's durch bie & Macht, 
. 40—45 Geſchichtliches über die —S 
Jeremia's unter dem nach ber Zerſtörung Jeru⸗ 
ſalems zurüdgebliebenen Bolte und über die Flu 
nach Aegypten, Der zweite il ift gegen 
J— ſraels: Aegypten (46), — (47), 

N) ), Ammon, Edom, Damascus, Kedar 
und Hazor, Clam (49), Babel (50 und 35 
tet und ah mit einem geſchichtlichen An 
über die Ze — Jeruſalems Nr Die Zu 
menftellung der Weisfagungen iſt nicht chronolo⸗ 
ich, jondern nad dem PBrincip äußerer Äehnlich⸗ 
eit släehen, fo daß ſich die Kritif vielfach 
der Bu ammenftellung des Zujammengehörigen 
und Ausſcheidung des Fremdartigen ya 
Zunädjt wird die Integrität des Buches von Mans 
hen bejtsitten; nicht nur einzelne Ueberjchriften, 
fondern auch größere Stüde werden alö interpolirt 
betrachtet. So werben von Einzelnen bie 84 
1—16. 30. 31. 33. 50, 39—46. 51, 15—1 
unecht angejehen und der auffallend ähnlichen 
Schreibweife wegen dem zweiten Jefaia zugeipro- 
hen. Interpolationen werben ferner gefu in 
den Cap. 25.27.23. 29. Cap. 52jei aus 2, Rön, 24, 
18 ff.; 25, 1 ff. entlehnt. Die Sammlung 
Weisjagungen muß in verfchiedenen Zeiten geſche 
gen jein; die 36, 4 ff. erwähnte Sammlung des 

hilers Baruch ſcheint nicht in der unfrigen ent⸗ 
halten zu fein. Eine Sammlu — — 
Theile unſeres Buches ſoll Moverd von 
bem —— der Bucher vn i 

agelieder veranftaltet jein; e 
Bemia. Andere (Emald, Hävernid, deu) ) 
die Sammlung noch durch Jeremia 
einen Schüler U vo 

ierüiber ehr, 
majorethifchen und alegandrinifchen 
des Buches finden merklich 
Anordnung und in Hinzufügun ober 
von einzelnen Theilen Statt. ‚ Zur 
Eregefe des Buches außer den allgemeine 
leitungen: Umbreit, pralt. Commentar, : 

1841, 2. Aufl. 1866; Neumann, 5 





Seremia 


befonberd Graf, 1862; Nägelsbach, ber Prophet 

Ser., eine egegetifch-kritifche Abhandlung, 1850. 
gJeremia, Rlageliever. Darunter werben fünf 

Rieder verjtanden, welde mit bem Titel MI’N 


echiſch Fpävor, bezeichnet werben und in elegi: 
chem Tone die Zerftörung Jerufalemd und das 
ser des Dichters (3) beweinen. Die Form ber 
Lieder ift ſehr fünftlih, Inden: jedes 22 Strophen 
enthält und die vier erjten alphabetifch find. Eine 
alte Trabition (vgl. LXX zu Klagel. 1, 1) nennt 
Seremia ald Berfaffer, womit mande Kritiker 
übereinftimmen, während Emald, Nägeldbad) (in 
Lange's Bibelmerf, 1868) u. A. an einen Schüler 
des Seremia denen. Vgl. zur Eregeje Heel, 1854; 
Thenius, 1855; Emald, die Palmen und bie Kla— 
gelieder, 3. Ausg., ©. 321 ff. 
— Brief des. S. Apokryphen. 
eremias II, Patriarch von Conſtantinopel. 
Geb. 1636, wurde er nach der Abdankung bed Me: 
trophaned 1572 zum Patriarchen ermählt, aber 
von jeinem Vorgänger, der gegen den eingegande 
nen Vertrag zurüdichrte, geftürzt 1579. Nach Me: 
trophanes Tode erhielt er dann feine Würde wie: 
ber 1580, wurde aber, beim Sultan verleumbet, 
wieder berfelben beraubt und nad Rhodus vers 
bannt 1584. An feine Stelle ernannte der Sultan 
den Pachomius und nad) deffen Sturz ben Theo: 
liptus. Bei feiner Rückkehr fand fich Jeremias mit 
feinen beiden Prätendenten dur Geld ab und 
machte, weil das Kirchenvermögen total erfchöpft 
war, 1589 eine Reife durch die Moldau nach Ruß: 
land, um Unterftügung zu erbitten. Bei dieſer Ge: 
fegenheit gab er dem Großfürften Boris Godunow 
nad und übertrug dem Metropoliten von Kiew 
bleibend das Patriarchat Über bie ruffifche Kirche, 
wodurch er factifch die Trennung derfelben von der 
— ausſprach. Bekannt iſt der Verſuch der 
übinger Theologen Cruſius, Andreä, durch Briefe 
und Ueberjegungen der Augsburgiſchen Confeſſion 
und des dogmatifhen Compendiums von Heer: 
brand eine Verbindung mit der griehifchen Kirche 
anzufnüpfen. Zwar nahm Jeremias den Vermitt: 
ler, Geſandtſchaftsprediger Gerlach, freundlich auf, 
antwortete auch 1574 freundlich ; aber nachdem er 
die Augsburgiſche Eonfeffion in der 1576 nad) 
Tübingen gefandten Censura orientalis ecclesiae 
in ihrer Abweichung vom griehifchen Dogma kri⸗ 
—— verbat er ſich die weitern Zufgriften. 


io, Stadt, von Jerufalem 150 Stadien 
entfernt und dur eine mwüfte, unheimliche Land: 
ag getrennt, von Schöner Lage und gutem Alina. 
ie ift ſchon vor der Einwanderung der Hebräer 
erbaut Sr 6, 1; 12,9), wurde von dicken zer: 
ört (Joſ. 6, 26), ſpäter wieder aufgebaut, gelangte 
ann zu hoher Blüthe, wurde hei befeitigt 
(1. Kön. 16, 34; 1. Malt. 9,50) und von Herodes 
mit einem Palafie geziert. Jegt ift an ihrer Stelle 
ein elende3 Dorf Erika. 

Jerobeam, der Sohn des Nebat und ber Ze: 
zuga, ein Ephraimit. Er war von Salomo zum 
Auficher über die Frohnarbeiter beim Bau der 
Feſte Millo beſtellt, 1. Kön. 16, 11 ff. Ihm verhief 
der Prophet Achia das Königreich über 1O Stämme, 
Er veranlaßte einen Aufitand, mußte aber, be: 
fiegt von Salomo, nad) Aegypten fliehen. Als 
die nördlichen Stämme fi) gegen Rehabeam * 
ben, wurde er herbei gerufen und zum König über 


387 


Serufalem 


Ifrael gemadt. Sein Erjtes war, bie alten Volls⸗ 
heiligthümer wieder zu Ehren zu bringen und bie 
Eentralifation des Gottesdienftes zu Jerufalem, 
mit melden das Davidifche Königthum jo eng zus 
Jammenbing, 1% zerbrechen. Daher der Bilderdienft 

u Dan und Bethel, aber aud) die bleibende Unzus 
Triedenpeit bes Brophetenthuns in Iſrael; zugleich 
war bamit ber Keim einer ſchnellen fittlihen und 
religiöfen Entartung gegeben. Jerobeam regierte 
22 Jahre. Zwar gewann er Moab wieder und 
ſicherte das jüdliche Oftjordanland durch die Anles 
gung der Feſtung Pnuel, aber den Rorden verlor 
er an Damascus, in welchem der beftändige Gegner 
Iſraels heranwuchs. + 957. 

Jerobeam II.,822— 761, Sohn und Nachfolger 
bes Joas (538— 822). Ein tapferer und Huger Kös 
nig bed Zehnftämmereiches, der erfolgreich gegen 
die Syrer fämpfte und im Norden und Diten die 
Grenzen Davids wiedereroberte. Auch im Innern 
belebte er durch zweckmäßige Einrichtungen den 
Wohlſtand des Landes. Dem Prophetentyum war 
er ungünftig gefinnt, was Amos, 7, 10. 13, und 
golen, 9, 7, erfahren mußten. Damit riß aber ein 

ittenverfall ein, buch welchen das Reich, inners 
lich geſchwächt, bald nah ihm zufammenbreden 


mußte. 

Jernel, die Wüfte, 2. Chr. 20, 16, ein Theil der 
Müfte Juda. — 

Jerufalem, bie Stadt, hebr. Jeruschalem, Je- 
ruschalajim, griech. IegovanAnu,‘leposckvuua, (at, 
Hierosolyma, dichterifch Salem, Bi. 76, 3; Jeſ. 
29,1, 8, Ariel (Feuerherd Gottes); früher Jebus, 
%of. 15, 63; Richt. 19, 10. 11, Stabt Gottes, heis 
lige Stadt, Neh. 11,1. 18; Matth. 4, 5; 2. Chron. 
25, 28, Stadt Juda's, liegt wejtlih vom 53,8, 
L., unter 310 45 N. B, 8 deutſche Meilen vom 
Mittelländiſchen Meere, 5 vom Jordan entfernt, 
auf einer vorfpringenden Erdzunge des judäiſchen 
Gebirges, mit dem fie nur im R.:W. zufammens 
hängt, und die im D., ©. und W. in tiefe Thäler 
abjällt. Bom N.:W. der Stadt an zieht fi, ans 
fangd nur eine mäßig tiefe Einſenkung, dann 
immer tiefer werdend und die R.:D.: und D.:Seite 
der Stadt umſchließend, das Kidronthal, das bis 
zum Brunnen Rogel, wo es mit dem Gihonthale 
zufammentrifft, gemöhnlih das Thal Gojaphat, 
0el4,2;2.Chron. 20, 16—26, heit. Das Gihons 
thal beginnt imN.:W., umfpannt die weſtliche und 
füpliche Stadt und trägt im Süden den Namen 
Sehinnom (gö bens Hinnom), %0].15,8; 2. Kön. 
23, 10; Ier. 7, 32. Anfangs umfaßte die Stabt 
nur den Berg Zion und beftand aus ber jehr feften 
Burg, welche von den Jebufitern bejegt war, und 
der um fie gebauten eigentlichen Stadt, in welcher 
aud Benjaminiten und Judäer ſich anfiedelten; 
bei der Bertheilung war fie dem Stamme Benjas 
min —— Joſ. 10, 1. 23; 15, 63; 18, 28; 
15, 8; Richt. 1, 21. Erft David eroberte die Burg 
und machte die Stadt zu feiner Refidenz, 2. Samt. 
5,5 ff.; daher der Name Stadt Davids, Er baute 
das Gaftell Millo, 2. Sam, 5, 9; Salomo ließ 
einen foftbaren Balaft auf Zion bauen, 1. Kön. 3, 
1; 9, 15, auf Moriah errichtete er den Tempel, 1. 
Kön.6, Die Stadt wurde nad) und nad) bedeutend 
erweitert und befeitigt, * die eben cit. Stellen; 
Uſias, Jotham, Histia, Manaſſe verſtärlten die 
———— 2. Chron, 26, 9; 27, 3; 32, 5; 33, 
14. Ueber ihre Bauart wiffen wir wenig; ficher iſt 
aber, daß ſchon frühe Der Hügel Arc (; u.) bebaut 

25 


Serufalem 


war unb e8 alfo eine Unterſtadt gab, 2. Kön. 22, | 
14 ; Sep. 1, 10; Jer. 39, 3. Die Mauer war mit 
Thürmen und Zinnen verjehen, 2. Chron. 26, 9. 
15 ; 32, 5. Ser. 31, 38 wird der Thurm Hananael, 
2. Sam. 5,9; 1. Kön.9,15. 24; 11,27; 2.Chron. 
82, 5 das Caſtell Millo und 2. Chron. 27, 3; 33, 
14 der füdliche Vorfprung des Moriah, Ophel, ge: 
nannt. Die Thore find 2. Chron. 26, 9; 32, 6; 
83, 14; 2. Kön. 14, 18; Bad. 14, 10; Ser. 37, 
13; 31, 40; 19, 2; 39, 8 das Fiſchthor, das erfte, 
das Roßthor im D., das Edthor im N.:W., das 
Benjamind: (Ephraimds:) Thor im R., das Thal: 
thor gegen das Thal Gihon, Töpfer: oder Ziegel: 
thor gegen das Thal Hinnom, das Mittelthor zwis 
ſchen Ober: und Unterftabt. Das Oberthor war 
ein Tempelthor. In der Stabt gab es einen großen 
——— 2. Chron. 32,6, eine Bäckerſtraße, Jer. 
37,21. Außerhalb der Stabt lagen der obere und 
ber untere Teich, im R.:W. und W. Obwohl die 
Stadt fehr feft war, wurde fie dennoch öfters ein= 
enommen, von Sifal, 1. Kön. 14, 25. 26, unter 
ehabeam, von Philiftäern und Arabern unter 
Joram, 2. Chron. 21, 16. 17, unter Amazia von 
%oas, 2. Kön. 14, 13. 14, unter Hiöfia von San 
berib belagert, 2. Kön. 18; 2. Chron. 52,1; Jef. 
36 ; Nebufabnezar erftürmte und zerjtörte Stadt 
und Tempelim Jahre 588. Nach der Rüdlehr aus 
der Gefangenfchaft wurde die Stadt, wahrjchein: 
lich auf den alten Grundlagen, fammi dem Tem: 
> wieder aufgebaut (von 536 an), Esra 5,6; 
eh. 3. 4; 6. 7. Bon Thoren werden außer den 
obigen genannt: bad Brunnenthor und Wafler: 
thor, jenes im S.:D., nahe der Duelle Siloah, 
diejes im D., füdlich vom Scyafthor. Bon Thürmen 
fommen 4zur Ermähnung: der genannte Hananael, 
Neh. 3, 1; Mech, zwiſchen dem Fiſch- und Schaf: 
thore; der Ofenthurm, Neh. 12,38 und Neh. 3, 27 
ber große Thurm im D. 320 v. Chr. murbe die 
Stadt von Ptolomäus Lagi von Aegypten befekt; 
469 v. Chr. nahm Antiohus Epiphanes die Stabt 
ein und richtete ein großes Blutbad an, 1. Makk. 
1; Bompejus eroberte fie im Jahre 62; 380. Chr. 
fam fie in den Befik Herobes des Großen, ber fie 
verjhönerte (3. Tempel). Joſephus giebt im Bell. 
Jud. ein rn Mares Bild der bamaligen Stabt. 
Sie ſchloß 4 Hügel, auf denen fie gebaut war, ein, 
ben Zion im &.:W., Afra nördlich von diefem, im 
D. Moriah, im N. den Hügel der Neuftadt (Bes 
Kr). Danad) gab es drei Stabttheile; die Ober: 
tadt auf Zion, die Unterftabt auf Ara, die Neus 
ſtadt. Die Oberſtadt mar vermöge ihrer natürlichen 
Zage, deren Stärke durch eine hohe, mit gemalti- 
gen Thürmen verfehene Mauer erhöht wurde, der 
teftefte Theil der Stadt. Die ftärkften der 60 
Thürme diefer Mauer waren Hippicus, Phafaslus 
und Mariamne im R. Im S.:D. führte das Töp: 
ferthor (gegenüber der Blutader, Hateldama) ins 
Dinnomthal hinab; im S.:W., etwa dem „unteren 
Teiche” F enüber, lag das Miſtthor, weiter nörd⸗ 
lich das —* or und nahe am Thurme Hippicus 
das Eckthor. Vom Hippicus nicht weit öſtlich war 
das Thor Gennath (Gartenthor), mo die zweite 
Stadtmauer, welche die Unterſtadt umfchloß, ihren 
Anfang nahm. Auf Zion ftand ehemals Davids 
Burg, 2. Sam. 5, 9; nad 1. Kön. 7, 1 ff.; 10, 17 
erbaute Salomo bier ein prächtiges „Haus.” Im 
NM. fand der von Herodes erbaute glänzende 
Palaft; oftwärts von dieſem lag der Plak Zyftus, 
neben ihm die Fefte Milo, von wo aus eine Brücke 


388 


Serufalem 


nad) bem Tempel führte; tr ee Zyſtus Bat: 
ten die Hasmonäer einen Palaft gebaut, der von 
Herodes — IL erweitert wurde. Im ©. li 
das Grab Davids. An der Nordfeite der Oberſte 
lief, etwa beim heutigen — (im B.) an: 
fangend, oftwärt3 das Käſemacherthal (Tyro- 
eum; nad) Anderen weiter nördlich anfangend), 
as die Wafferabflüffe aus den höher en 
Stabttheilen aufnahm, jegt aber ganz verſchüttet 
ift. Am Moriah vereinigte es ſich mit einer Ein: 
fenfung, die vom heutigen Damascusthore füb- 
wärts, zwifhen Ara, Zion und Moriah ih — 
og. Die nördliche Wand des Tyropdums bildete 
er Hügel Akra mit der Unterftabt. Sie war burd) 
eine bogenförmige Mauer, in beren Mitte das 
„Thor der Mitte” war, HI pr Diefe Mauer be: 
gann öftlich vom Hippicus, ſchloß das Heutige heis 
lige Grab ein und endigte an ber norbmeitlihen 
Ede des —— Sie hatte 14 Thürme. Im O. 
der Unterſtadt lag die Burg der Syrer (Akra Sy- 
rorum), welche Antiohus Epiphanes zur Ueber: 
wachung des Tempels hatte errichten laffen. Simon 
der Maklabäer gewann fie, 1. Matt. 13, 49 ff, 
ließ fie fhleifen, die Höhe, auf der fie ftand, abtra- 
gen und das Thal zujhlitten, jo daß nur ber Tem: 
elberg über Afra hinausragte und bie Berbindung 
er Stadt mit dem Tempel vervollftändigt war. 
Die Neuftabt (Bezetha) legte fich ———— an 
bie Unterſtadt an; fie war durch bie dritte Stadt— 
mauer, eo Herodes Agrippa I. im Jahre 41 
n. Chr. aufgeführt hatte und auf welcher 30 Thürme 
ftanden, bejeftigt, l’ef bi8 zum Thurme Pſephinus 
nörblich, 309 fih dann nordoſtwärts, of id am 
Eckthurm nad S. und ſchloß beim Schafthore an 
die Feite Antonia an. Unter den Thoren find zu 
bemerfen das der „Frauenthürme” und das des 
eroded. Mit Unrecht verlegt man in den D. der 
euftabt das Walferfeld, ager Fullonis, Jel. 7, 
3; es lag im W. der Stadt, wo noch der alte „obere 
Teich” fich findet. Bon hier aus leitete Hislia das 
Waffer in die untere Stadt, 2. Kön. 20. Den öft: 
lihen und füböftlihen Theil des Stabtgebietes 
nahm der Moriah ein. Im N. ftand die Feſtung 
Antonia (die von den Hadmondern angelegte Ba 
ris, fpäter von Herodes dem Großen erweitert und 
Antonius zu Ehren benannt), deren norbmeftlider 
Theil im engern Sinne Antonia heißt und bie mit 
bem Tempel in unmittelbarer Verbindung ftand 
(Bohpfiafter). Hier befand fi wahrſcheinlich das 
ihthaus, Joh. 13, 28. Die füdliche Spige dei 
Tempelbergd (mo wahrſcheinlich der Salome % 
oder Königsteich ſich findet) ift das — * Chron. 
27, 8; 838, 14; Neh. 5, 26. 27, 11, 21. Salomo 
ließ im D., S. und W. bes Moriah drei aus unbe 
auenen Werkſteinen gefügte Strebemauern auf 
hren, die Spike des ug = abnehmen unb die 
Zwiſchenräume zwifhen Mauern und Berg mit 
dem Abraum ausfüllen. In der Mitte des jo — 
neten Berges erhob ſich der von Hallen und Sau⸗ 
lengängen umgebene Tempel(f.d. Art.). Im Jen 
70n.Chr. wurde die Stabt von Titus erobert und 
völlig zerftört; von Habrian 136 wieder aufge: 
baut, wurde fie zur Militärcolonie und erhielt dem 
Jupiter zu Ehren den Namen Aelia Capitolina. 
637 fiel fie in die Hände der Araber, nad ber 
Mitte des 11. Jahrhunderts in die der Seldſchulen 
1099 von den Kreuzfahrern erobert, konnte E nicht 
gehalten werden. In ihrer Blüthezeit ſoll fie über 
120,000 Einwohner gezählt haben ; jegt ift jie von 


Serufalem 
öchſtens 17,000 Menſchen bewohnt. Die heutige 
tadt, von den Arabern El⸗Kuds genannt, ift eirte 
bt; bie vielen Zerftörungen haben an 
einzelnen Orten den Schutt bis zu 40° aufgehäuft. 
Sie ift von einer etwa 40’ hohen Mauer umgeben. 
Auf der Weftfeite ift das Bethlehemä: oder Yöfa: 
thor, von bem eine Straße nad) D. führt und die 
anfangs Davids: dann Tempelitraße heißt. Diefe 
Straße wird von ber vom Damascusthor (Thor 
Ephraim) anfangenden, von R. nad) S. laufenden 
Damascusd: (im unteren Theile Ziond:) Straße 
durchſchnitten. So entjtehen vier Stabtviertel, das 
—— mit der Grabkirche (wie es ſcheint unecht) 
im N.⸗W., das armeniſche mit der Jakobskirche, 
einem großen Kloſter und den Königsgräbern im 
S.⸗W., das Judenquartier im S. D. und das mu— 
mmedaniſche im R. und N.O. Auf dem Moriah 
eht die Mofchee Omars, von der Terrafje Haram- 
eſch⸗Scherif Auf der Südſeite der Haram⸗ 
Area liegt die Moſchee el Alfa, urſprünglich eine 
Darientirhe Yuftinians I. aus dem Jahre 530. 
Bol. J. Bp. Villalpandi, Apparatus urbis är 
templi Hierosol., Th. von H. Pradi et Vil- 
lalp., In Ezech. explanat., Rom 1 Fol.; 
Brocardi, Descriptio Terrae Sanctae ( nson, 
Geogr. Sacra od. le Clere, Amft. 1711, Fol.); 
Bh. Lamy, De tabernac. foederis, de sanctä ci- 
vitate Jerus. et de templo, libri VII, Bar. 1720 
er IV); Witsii, Miscell. sacr.; II, Exarc. X— 
; Reland, Paläftina, p. 832 ff,; Offerhaus, 
Descriptio vet. Hieros., Deventer 1714; aber, 
Ardhäol., I, 273 ff.; Hamelsveld, II, 2 f; Nie 
.„ 21, 202 ff. ; Erome, Hall. Encyll., 
2 Sect. XV, 273 ff.; Robinfon, Baläft., I, ©. 
1 ff.; G. Williams, The holy city etc., Zondon 
1845; Dr. E. ©. Schulg, Jeruſ. Berlin 1845; 
Lord Nugent, Lands classical and sacred., Lon: 
don 1845; E. Tifchenborf, Reife in den Orient, 
Bd. II, Leipzig 1846; Tobler, 2 Bücher ——— 
phie von — und feinen Umgebungen, 1. Bd., 
1853; Grundriß von Jeruf., 1853; Liebetrut, Je: 
rufalem, 1854; Unrub, das alte Jerufalem und 
feine Baumerfe, 1861; Sepp, Jeruſalem und das 
heil. Land, 1863; Braun, Jerufalem, 1866 ; Theod. 
Mente, Bibelatlad, Gotha 1868, 
JIerufalem, das Bisihum, wurde auf Anre⸗ 
ung Friedrich Wilhelms IV. von Preußen gemein: 
u. von England und Preußen 1841 gegründet. 


Die Dotation des Bistums von 30,000 Pfd. | 


St. übernahmen beide Mächte, ebenfo fol der Bi: 
ſchof von beiden abwechſelnd ernannt werben. 
Uebrigens ift der Bifchof der anglicanifchen Zan- 
deöfirche eingegliedert und verfährt ganz nad) den 
Gejegen feiner Kirche. Ohne Genehmigung des 
Primad von *8 iſt ſeine Ernennung nicht 
möglich. Der erſte Biſchof war Mid. Salomo 
Alerander, ein convertirter Jude, ber zweite iſt 
Samuel Gobat. 

Jeruſalem, Dad neue, Nach ben Ausdrücken der 
Stellen Apotal. 3, 12u..; Gal. 4, 25. 26; Hebr. 
12, 22 wählten Smebenborg und anbere myjtijche 
Secten dieje Bezeihnung fü 
hofite Vollendung der irbifchen Kirche. 

Jeruſalem, Das Patriarchat. Als die erſten Bi: 
ihöfe von Jerufalem werden Jakobus und Simeon, 
Brüder des Herrn, angeführt. Unter ihren Nach⸗ 
jolgern tritt fein bedeutender Name hervor, wie bie 
Gemeinde jelbft ihren Einfluß auf die Kirche bald 
verlor. Die frühere j riſtliche Gemeinde ver: 


389 


r bie von ihnen er: | Wer 


Jeſaja 


Tagan mit ber Auswanderung nad Pella. In 
er wieberhergeftellten Aelia ift der erſte heiden⸗ 
Hriftliche Biſchof Marcus. Metropolis war von je 
das politifch bedeutendere Cäfarea. Erft zu Nicäa 
wurde wegen ber geihichtlihen Bedeutung der 
Gemeinde dem Bifchof von Jerufalem der Ehren: 
vorzug eines Patriarchen zugeftanden und zu 
eebon Abi ein wirkliches Patriarchat neben dem 
von Antiochien begründet. Eine deuiung hat 
bied Batriarchat niemals erlangt. Zwar betheiligte 
es ſich an den Unionsverfuchen zu Florenz 1438, 
trat aber mit Alerandbrien und Antiochien ſchon 
1443 allen derartigen Beftrebungen entgegen und 
befeftigte ſich ſeitdem in der Richtung, alle abend» 
ländifchen il abzumweifen (Synobe 1672). 
Zange Zeit haben die Batriarchen in Eonftantinos 
pel gewohnt und erſt jeit 1845 wieder ihren Sitz 
in Jerufalem genommen. Während der Kreuzzüge 
beftand ein Fateinifches rchat 1099— 1187, 
welches nad) kurzen Berjuchen, ſich ſelbſtändig zu 
m ‚Rom unterworfen blieb. Nach dem Verluſt 
der Stadt an Salabin und bem Untergang ber la: 
teinifchen Kirche wurde der Titel des Patriarchen 
noch eine Zeitlang fortgeführt (1316 Patriarch 
von Teruſalem in Paris als päpftlicher 


at). i 
Terufalem Spynoden zu. Außer dem Apoftel: 
convente, ftg. 15, unb ber Synobe von 1672, 
welche die proteftantifhen Beftrebungen von Cy⸗ 
rillus Lucaris zurückwies, hat von den kirchlichen 
Berfammlungen zu Jerufalem keine einen weiter: 
gehenden Einflug auf die Kirche wusgeüibt. Er: 
wähnt weiben aber im Arianiſchen Streite die Sy: 
noben von 835 und 349, im Pelagianiſchen die von 
415, gegen bie Severianer 536, über ben Dyothe: 
letismus 634, gegen die Bilderftürmer 730. 
nialemäferuube. Eine ſchwärmeriſche Secte 
in Würtemberg, melde bie einzige R.ttung ber 
geit in der Miedererrichtung des Jerufalemifhen 
empel3 zur Sammlung bes Gottesvolled nad) 
Ez. 40 ff. fieht. 

Jeruſalem, ee Friedrich Wilhelm, geb. zu 
Dönabrüd am 22. November 1709. Der Sohn des 
dortigen Superintendenten, ftubirte er zu Leipzig 
unter Gottjhed Philofopfie und dort wie in Ley: 
den Theologie. Nach einer kurzen Wirffamteit als 
an im Saas ging er als Hofmeifter zweier 
Edelleute nah Göttingen, wurde danach 1742 
Hofprediger des — von Braunſchweig, Er⸗ 

Fieher bes Prinzen Wilhelm Ferdinand, 1743 
Probſt der Klöſter St. Crucis und Aegidi, 1749 
Abt von Marienthal und Riddagshauſen und 1771 
Bicepräfident des Eonfiftoriums. In weitern Kreis 
fen wirkte er durch feine Betradhtungen über die 
vornehmften Wa Hi der Religion, die ebenſo⸗ 
wohl dem irreligiöjen Unglauben entgegentreten, 
als für eine finnige Auffaffung bes —52*8* 
im Chriſtenthum wirlen ſollten. Seine Predigten 
zeichnen ſich durch einen edlen und gebildeten Styl 
aus. Die mit dem Tode ſeines Sohnes in Wetzlar 
verbundenen Umſtände benutzte Göthe zu ſeinem 


ther. 

— der Prophet, der Sohn des Amoz. Er 
wirkte ald Prophet unter den Königen Uſia, Jo— 
tham, Ahas und Hiskia, deſſen Sohn Manaſſe ihn 
nach nicht gem rg er Tradition gerjä- 
gen ließ. Er gilt mit Recht als der größle der Pro: 

' pheten ; dem innern Reihthum der Gedanten, der 

‚ majeftätifchen Ruhe und der ſichern Beherrihung 


Sefajas Himmelfahrt 


eines Gegenſtandes entſpricht die Schönheit ber 

ebe und ein Reichthum poetiſcher Anſchauung, die 
dennoch niemald aufhört vollsmäßig, allgemein 
treffend und verftänblich zu fein. Unter bem elen- 
den König Ahas, ald das Verberben bes Hofes 
daB ganze Volf zügellod gemacht hatte, und Ahas 
bebrängt von Pelah und Rezin fih an Aſſyrien 
um Hülfe wendete, zu Damasdcus feinem Retter 
als Unterthan fih unterwarf und defien Bögen: 
bienft nach Jerufalem verpflangte, verkündigte 
Sejaja bie unvermeibliche und gerechte Strafe; aber 
er tröftete auch wieder, indem er auch Affyriend 


ankündigte und auf baldige Rettung hinmies, | 


nter Hiäfia, ber ein Gegenbild feines Vaters, 
den Gögendienft mit Strenge ausrottete, trat J. 
an den Wendepunkten ber innern Geſchichte mit 
feinem prophetifchen Worte auf. So warnend, als 
Histia, um von ber brüdenden haft der Afiy: 
zer ſich zu befreien, an ein Bündniß mit ben 
Aegyptern dachte; ald rafch gefchlagen, Juda vor 
dem Heere Sanherib3 in Jerufalem ſich vertheis 
bigen mußte und burd ben plöglichen Aufbruch 
Sanheribs eine unerwartete Nettung fand; als 
bie eriten Spuren einer beabfichtigten engern Ber: 
Bindung mit Babel ſich — Je weniger er 
aber ſich mit dem Gange ber Regierungsweife His⸗ 
lias einverſtanden erklären konnte, und je mehr 
Spott und Hohn ihn verfolgte, um fo mehr ver: 


ftummte aud) feine Rede. Ein engeres Verhältniß 


zu Hiskia blieb aber immer beitehen, wie dies die 
Geſchichte von Hiskias Krankheit und Genefung 
zeigt. — Das Bud Jefaja umfaht vier Abſchnitte. 
Eine Sammlung früherer fich meift - Juda be: 
siehender Weiffagungen (Cap. — ine gleiche 
von Weiſſagungen gegen fremde Völler 13—23, 
ferner 24—35 mit dem biftorishen Anhange 36 — 
89, und endlich 40—66, Die Stüde Cap. 18 und 
14; 21, 1-10; 24—27; 34—36 werden von ben 
meiftes Kritifeen nicht Jeſaja felbft, fondern jün: 
geren Propheten oder dem Sammler der Weiffa: 


gungen Jeſaja's zugeicrieben. Auch der vierte 


heil ift unbebingt das Werk eines jüngern; ber 
Horigont des Ganzen ijt die Zeit der erften Regie: 
ug bed Tyrus, von welchem der Prophet 
die Rückſendung der Jfraeliten in ihre Heimath 
mit Sicherheit ermartete, In dem Knechte Gottes, 
ber concreten PRerfonification des theofratifchen 
Kerned des Volkes, hat fich die meſſianiſche Er: 
wartung ethiſch gewendet und vertieft. Val. zur 
— und Kritit: Geſenius, 1820. 1621; Higig, 

33; Anobel, 3. Aufl. 1861; Hendewerk, 1843; 
Drechsler, 1844 — 57; Umbreit, praft. Comm. 
1841, 2. Aufl. 1846; Ewald, die Propheten des 
A. B., 1840, 2. Aug. 1867; Meier, 1850; Mayer, 
1860. Kritiſch: Kleinert, über vie Echtheit ſämmt 
licher in Jej. enthaltenen Weiffagungen, 1829; 
Safpari, Beitr., 1848; Meier, 1850; Stier, Jeſ. 
14—66, fetner die Einleitungen. 

Irſajas Himmelfahrt. Cine apokryphiſche 
Schrift des 3. Jahrhunderts erzählt eine Viſion 
des Jeſajas, in welcher er die erſte Menfchwerbung 
Eprifti ſchaute und das Hinabfahren beffelben 
durch bie fieben Himmel. Das Bud) enthält gno: 
ftifhe und bofetifche on an ie und wurde 


nad Epiphanius von den Archonti 


390 


ern und Hiera: | Barcelona, Alcala und 


Sefuiten 


mit Tateinifcher und Te: Ueberfekung her 
audgegeben von Laurence 1819. 

Jebreel, eine Stadt im Stamme Jſaſchar (of. 
17, 16), wurde wegen ihrer ganfügen Lage von 
Ahab zur Nefidenzitadt ermählt. Bon ihr führt 
den Namen (Jesreel, Esdrelom, Stradela) die 
große fruchtbare Ebene, melde vom Karmel nad) 
dem Jordan hin fich erftredte, im Norden von ben 
galiläifchen Gebirgen mit dem Thabor, im Süden 
vom Gebirge Ephraim begrenzt wurde. Diefe bil: 
dete die natürliche Grenze zwiſchen Samarien und 

Galiläa. Auf ihr find viele Entſcheidungsſchlach⸗ 
ten geſchlagen: Barak gegen Sifſera (Richt. 4, 
7. 18); ®ideon gegen die Midianiler (Richt. 6, 33; 
7,12); eh gi die Philifter (1. Sam. 29, 1); 


ı Ahab gegen enhadad (1. Kön. 20, 26); Joſia 
gegen Necho (2.Rön.23,29). — 2) Stadt im Ges 
iete 


ae (1. Sam. 25, 43). 
Zelle oder Jfai. Das erjte bem er 
das zweite dem Hebräifchen —— iſt der 
Name des Vaters Davids, des Enkels des Boas 
‚und der Ruth (Richt. 4, 17; 1. Sam. 16, 1.4. 
11—183). 5 führt Chriftus die Bezeichnung: 
Wurzel, d. 5. Sprößling Jeſſes. 
Jeſuaten, eine —— — zu religiö⸗ 
ſem Leben und Pflege der Armen und Kranten, 
welche durch die Edelleute Johann von Colombini 
‚und Franz Mino zu Siena —— wurde. Ur⸗ 
ban V beftätigte fie 1367, gab ihnen die modificitte 
Regel Benedictö, welche fpäter mit der des Auguftin 
‚vertaufcht wurde, und befahl, ftatt durch das 
Land zu fchweifen, fefte Niederlaflungen zu grüns 
‚ben. Obgleich feit 1606 auch Priefter aufgenoms 
‚men werden durften, verfiel der Orden dennod 
raſch und wurde 1668 aufgehoben. Die Jeſuaten 
führten auch den Namen der apoftolifhen Kleriter 
oder Gongregation bes N Hieronymus. 
Jeſuiten oder Geſellſchaft Jet, ber berüßmte 
Orden, welcher ven Kampf gegen die Reformation 
des 16. Jahrhunderts mit den fühnften Mitteln 
und mit jtaunenöwerthen Iyen aufgenommen, 
in der eigenen Kirche aber eine folhe Macht ent: 
faltet hat, daß feitvem das Gefchid der römischen 
Kirche mit dem Drben felbft fat unlöslich ver: 
| bunden ift. Sein Stifter war Ignatius Lopez be 
Recalde von Loyola, ein fpanifcher Ritter, gb. 
1491 in ber fpanifchen Provinz Guipuzcoa. Am 
Hofe Ferdinands II. erzogen, ein Edelmann nach 
den Begriffen der Seit, wurde er bei der tapfern 
| Bertheidigung von Bampelona 1521 am Fuße ver: 
| wundet. Die Xectüre des Lebens Jefu md der Heis 
'ligen entzündeten auf dem SKranfenbette feine 
ı Phantafie: ein an Ritterthum, welches ſei⸗ 
Inen Ruhm in der Belehrung der Ungläubigen 
fände und das dem himmliſchen Könige, kämpfend 
und entfagend in geijtiger und leibliher Armuth, 
dienen wolle, wurde daß Ziel feines Streben. Ein 
treng aftetifcheö Leben im Klofter Montferrat und 
in ber Höhle bei Manrefa beftärkte diefe Richtung 
durch Bifionen und eg Zuftände, welde 
daraus hervorgingen. Eine Pilgerreife nad Pas 
läftina, mo ihm längerer Aufenthalt verfagt wurde, 
zeigte ihm zu feinem Zwecke gelchrte Bildung ala 


| unumgänglich nothwendig Er ftudirte 1524 zu 
alamanca. An diefen 

















fiten benußt. Derjelbe Stoff ift in fehr verwandter | Orten megen feiner geiftlihen Wirkſamkeit von ter 
Weife behandelt in der ascensio et visio Jesajae, | Ynquifition beunruhigt, zog er nad Paris 1528, 
und die Sage feiner Hinrichtung beigefügt. Die | wo er von Almofen lebte, bis er in das Eollöge der 
Schrift ift in älhiopifher Sprache vorhanden und | b. Barbara aufgenommen wurde. Hier gewann 


EEE EEE. BE 


Sefuiten 


er ſechs Freunde, Peter Faber aus Savoyen und 
bie 8* Franz —— Alfons Salmeron, 
ob Lainez und Nikolaus Bobadilla und den 
rtugieſen Simon Rodriguez, welche mit ihm am 

5. Auquft 1534 dad Gelübde der Keuſchheit 
und Armuth ablegten und gelobten, nach Vollen⸗ 
bung der Studien ſich der Krankenpflege unb ber 
Miſſion zu Jerufalem zu widmen, oder jeben an: 
deren Auftrag des Papſtes zu erfüllen. 1537 tra» 
fen die Verbündeten in Benedig zufammen, arbei 
teten dort in den Hospitälern, erhielten die Prie⸗ 
ſterweihe, durchwanderten die Umgegend ald Boll: 


prediger, biß fie, geführt von Loyola, der durch geg 


ben Stifter des Thratiner:Ördens, Garaffa, eine 
Anregung erhalten hatte, nad Rom zogen 1538, 
wo Paul III. 1540 die 
ben beftätigte, anfänglich mit der 1543 aufgehobe- 
nen Beichräntung auf 60 Mitglieder. Ignatius 
wurde zum erjten General gewählt und 26 ent: 
midelte ſich nun nicht bloß die Gonftitution des 
Ordens, ſondern audy feine bedeutende Thätigleit 
nad Innen und Außen. Die Satzungen des Dr: 
dens find bahin gerichtet, aus jedem Mitglied ein 
in eigener Begeifterung unbedingt ergebenes Wert: 
yeug für die legten Ordenszwecke zu machen. Da: 
bin zielt nicht bloß das von ihnen abgelegte vierte 
Gelübde des unbedingten Gehorſams gegen bie 
Drvensobern und den Papft, jondern aud bie 
von Ignatius erjonnenen und eingerichteten Exer⸗ 
eitien. Es find dieß planmäßig und ftufenmeid 
itete Meditationen, verbunden mit aftetifchen 
ftlafteiungen, durch melde religiöfes Gefühl 
und Phantaſie derart —— ſollen, daß der 
Bitte ſich der Autorität in ihrer Glorie er 
iheinenden Kirche vollftändig übergebe. Dem 
Eintritt in ben Orden geht ein ynoeijähriges Novis 
ciat voraus, nad demjelben tritt der Zögling, 
Scholaſticus, in ein Collegium ein und beendigt 
in 6—8 Jahren ein wiederum methodifh genau 
vorgezeichneted Studium der Philofophie und 
Theologie; nad) einem neuen Probejahr empfängt 
er die Weihen und ift nun volles Ordensmitglied, 
Coadjutor spiritualis. Aus diefen Ordendbrübern 
gehen die Profeffen hervor, die Glieder der Gene: 
talcongregation, der Kern des Ordens. Außer 
diefen vier Glaffen giebt es noch Coadjutores 
temporales, Zaienbrüder für Handarbeiten und 
niebere Verrichtungen. An der Spite ded Gars 
zen fteht der auf Lebenszeit gewählte General, 
nur befhränft von den Eonftitutionen ind durch 
bie Möglichkeit, von der General » Congregation 
entjegt zu werben. Unter ihm die Borfteher 
ber Provinzen, die Oberen ber Profehhäufer, 
die Rectoren der Gollegien, die Superioren ber 
Refidenzen, db. h. Filial » Collegien, ‚Alle diefe 
—— drei Jahre gewählt. Zur Ueberwachung 


391 





Geſellſchaft Jefu als Or⸗ 


Jeſuiten 


obwohl Frankreich und Deutſchland Ihn kaum 
aufgenommen hatten. Durch Franz Tavier, der 
n ohann von Portugal gejendet werden, war 
ie indifche Miffion begonnen. Unter jeinen Nach: 
folgern entwidelte ſich die Geſellſchaft Jeſu immer 
glänyenber; zwar nicht ohne Widerſpruch und zeits 
mweilige Nieberlagen. Die Republit Benedig ſchloß 
ſchon 1606 bie Jefuiten für immer von ihren 
Grenzen aus. In Frankreich miderfegte ſich lange 
Univerfität und Parlament, wenrgleih das Bolt 
fih * zuwandte; erſt als bie Politik Heins 
richs IV. fie begünſtigte, um die Stütze Roms 
en Spanien zu gewinnen, begann ihr mächtiger 
verberbliherEinfluß. In —— öffneteitinen 
rm. IT, 1550 ein Collegium in Wien, 1556 
ejesten fie Köln und Ingolftadt, 1559 Münden, 
und unter dem ——— ber weltlichen Gewalt 
elang ihnen bie Gegenreformation in Nievers 
ayern, auf dem Eichäfelte, in Baden, Mürzburg, 
Salzburg und in Driterreih und Steiermark, Der 
SOjährige Krieg gab Böhmen und Schleſien ihrer 
Thätigkeit preis. Ebenſo gewannen fie Belgien 
und Bolen, wo mit offenen Gemaltthaten bie pros 
teftantifche Kirche bekämpft wurde. Nur Schwes 
den wehrte die Anfänge jefuitiiher Wirtfamteit 
lüdlid ab und —— ihnen, wie der römiſchen 
fir 2, 1593 feine Örenze. I England verſuch⸗ 
ten fchon unter Elifabeth die Fefuiten Eingang zu 
— bis 1585 ſaͤmmtliche Ordensglieder ver» 
annt wurden. Der Grund war auch hier ein po» 
fitifcher. Um die Suprematie der Krone über die 
Kirche zu brechen, verbreiteten die Jejuiten das 
Dogma von der Bolföfouveränetät, um ebenjo wie 
1848 durch bie Souveränetät des Volfes die Allein⸗ 
errichaft ber Kirche im Staate zugeminnen. Un: 
er deu Stuarts feierten fie eine furze Beriode der 
Macht, um in dem Sturz des Königshaufes alles 
Gemwonnene deſto ſchneller wieder zu verlieren. So 
menig der Orden in feiner gegenreformatorifchen 
Arbeit die Gemaltmafregeln fcheute, fo legte er 
nicht weniger Gewicht auf die geiftigen Mittel. 
Die Zejuitenihulen, befegt mit gebilveten und 
elehrten Männern, bemächtigten ſich der Erzie: 
ng ber Jugend, geleitet nach einer Methode, 
er formale Bildung raſch entwidelte, aber bie 
Willenskraft ſchlummern macte oder blindlings 
an die Autorität band und Wahrheits- wie Ge: 
rechtigfeitägefühl, gemwifienhafte Beſinnung und 
Freiheit der Seele gleich tief begrub, rivalijirten in 
iyren studia inferiora und superiora alücklich mit 
den evangelifhen Gymnaften und Univerjitäten. 
Jeſuitiſcher Diplomatie und höfiſcher Gewandtheit 
gelangen zahlreiche Converſionen fürſtlicher und 
vornehmer Perfonen. Der große Erjolg äußerte 
auch feine Rüdwirkung auf den Orden. Kraftvolle 
und herrſchſüchtige Generale, wie ein Claudius 


neben jedent von. biefen, auch neben dem | Aquaviva, fonnten fid) nicht begnügen, mit dem 


Generale, Gonfultatoren und ein Admonitor | Orden dem Papſte zu dienen, jondern trachtiten 
mit der Verpflichtung, Abweihungen von den | umgelehrt danad), den päpftlihen Stuhl von dem 
Drdenägrundfägen zur Anzeige zu bringen. | Orden abhängiger zu machen; der Orden trieb jeine 

ie Forderung bed unbedingten Gehorfams, | eigene — die manchmoe! die Gegner des Pap⸗ 
mit welchem jede individuelle Willensentwidelung | fteS zu feinen Berblindeten machte. Die arogen 
unvereinbar ift, nebft vem.offenen Pelagianiömus, | Reichthlimer, welche der Orden gewann und durch 
welcher dem ganzen Syſtem zu Grunde lisgt, | eigene Handelögefchäfte und Factoreien vermehrte, 
mußte nothwendig zu der berüchtigten Jeſuiten⸗ | verweltlichten ihn, die laxe Moral und der Proba— 
moral führen, welche bad Swedmä ie und das biliömus dienten nicht mehr bloß den Ordens— 
Bute verwechfelt und den legten ſchlimmen Fol: zwecken, fondern den Sünden der Einzelnen. Den 
erungen die Thur Öffnet. — Als Jgnatıus 1556 erſten Stoß in der öffentlihen Meinunggaben ihnen 
ar zählte ber Orden bereit? 13 Provinzen, anßer dem Streit mit dem Janfenismus, dieſer 








Sefuiten 


Selbftbefinnung bed Kalholicismus a Te Au: 


uftiniiche Grundlage, die lettres d’un Provincial 
Bafcal. Diefer Angriff drang in die Gebilde: 

ten und in das Bolf, während ein früherer nur 
eine Streitfrage zwiſchen Jejuiten und Domini- 
canern geblieben war, — ald nämlich der Yefuit 
Mariana in einer nad feinem Tode herauögege: 
benen Schrift die Mängel des Inſtituts und ben 
wilffürlihen Drud der Obern geſchildert hatte, 
Die Eiferfuht der Kapuciner und Franciscaner 
deckte beim päpftlihen Hofe die Gemiffenlofigkeit 
der Accomodation ihrer Miſſionspraxis auf, wo: 
nad) fie das Heidenthum mit dem Firniß ri 
fiher Riten befleibet, J ungehin beſtehen 
ließen; verderblich wurde ihnen aber erſt ber Con⸗ 
fliet mit den Regierungen. 1750 begann der 
Streit mit Portugal, als die Jeſuiten ſich weiger: 
ten —* Herrſchaft in dem von Spanien an Por: 
tugal abgetretenen Paraguay den Portugieſen zu 
überlaffen. Der Minifter Poribal erwirkte 1758 
ein Decret Benedicts XIV., daß der Orden vifitirt 
und reformirt werben folle. Als aber der Ber: 
dacht der ch an einem Mordverſuch gegen 
den König Joſeph I. auf die I fiel, wurden 
ergend Mitglieder du Schiffe nad) dem Kirchen: 
aat abgeführt und bie Güter vom Staate einge: 
zogen. In Frankreich gab ein Procek über eine 
Handeisſchuld gegen den Ordensprocurator Lava: 
fette auf Martinique dem Parlamente Beranlaf: 
fung, die Statuten und Eonjtitutiofien des Ordens 
u prüfen und diefelben für unvereinbar mit der 
Kkanzöftichen Stantögefeggebung zu erllären 1762, 
o daß ein Parlamentsiprud und ein Lönigliches 
dict 1764 den Orden für Frankreich aufhob. In 
Spanien wurde ihnen die Schuld an einem Bolls: 
aufftande gegen den wg Aranda zur Laſt ge: 
legt und in einer Nacht ſämmtliche Jeſuiten im 
ganzen Lande arretirt und nah Rom geſchafft; 
die Rückkehr bei Todesſtrafe verboten. Aehnliches 
geſchah in Neapel und Sicilien. Vergeblich hatte 
man ben General Ricci um eine Neformirung des 
jo anftößig gewordenen Ordens gebeten; sint ut 
sunt aut noi: sint, fie follen fein wie e ind oder 
ar nicht fein, war die Antwort geweſen; vergeb: 
ich hatte Clemens XIII. 1765 in:der Bulle Apo- 
stolicum den Drben gegen bie et Bor: 
würfe vertheidigt und von neuem bejtätigt. Durch 
die Unt ung faft jämmtliher europäiſchen 
Staaten fiegte in dem Eonclave nad) Clemens . 
Tode 1769 die jefuitenfeindliche Partei und Cle— 
men® XIV. beſchränkte alsbald ihre Freiheiten 
und ſchloß die Collegien; endlich den 19. Auguft 
1773 erging die Bulle Dominus ac redemptor 
noster, welde den Orden aufhob und die Glieder 
ihres Ord nsgelübdes entband, F ſämmtlichen 
fatholifhen Staaten wurde dieſe Bulle raſch 
publicirt und ausgeführt, nur Rußland achtete ſie 
nich: und ließ den Orden beſtehen, der dort ſogar 
1801 einen neuen Drdenägenerai wählen durfte, 
Friedrich II. ließ den Sejuiten ihre Freiheit und 
ihre Collegien in Schlejien, um die Yrovinz ber 
Unterrihtsanftalten nicht zu berauben. Dagegen 
war Rußland auch das 77 Land, welches wegen 
ihrer Einmiſchung in die Politif und ihrer Profes 
Igtenmacherei den Orden nad) feiner Wiederher: 
ftellung befchräntte und 1820 für ewige Zeiten 
aus dem Reiche verbannte. Gänzlich aufgehört 
zn dennoch ber Orden nicht troß der päpſtlichen 
ufbebungsbulle; in den fatholiihen Ländern be: 


392 


ft» | regten 


Sejuiten 
‚Stand er unter anderen Namen und Formen, der 
Andacht zum — Jeſu, der Liguorianer 1759, 
ber Väter bes Glaubens 1792, ber i 


in nothwendiger Beſchränkung fort, und Gon 
4604 hatte ein Breve Pius’ PL. die Bitte Fer- 
binands IV. von Neapel, die Wiederherſt 
des Ordens flir Sicilien, gewährt. Den 7. A 
1814 verfündigte Pius durch Die Bulle Sollicitudo 
omnium bie Wiederaufrichtung des Ordens. Die 
firhlihe und politifhe Reftauration glaubte ſich 
feiner bedienen zu müffen, um die durch die fran: 
zöſiſche Revolution und bie Freiheitskriege tief er: 
Völker wieder beruhigen und beherrihen 
8 lönnen. Die folgenden Päpſte begünſtigten den 
rden nicht minder, deſſen General 1820 nach 
dem Tode des Brzozowsky, der Rußland nicht 
hatte verlaſſen dürfen, ſeinen Sitz wieder in Rom 
— ad Collegium Romanum 1824 und 
andere en, bie Propaganda 1826, wurben 
von neuem den Jeſuiten zur Leitung fibergeben, 
und ihr Einfluß auf die Eurie ift feitdem fo geftie: 
en, daß der Orden und jeine ge die eigent: 
ihe Seele und die Triebkraft der römiſchen 
Kirchenpolitik geworden ift. In Italien gewannen 
IF aud in Sarhinien und den Heinen Fürften: 
ümern bald den größten Einfluß durd die Be: 
günftigung Victor Emanuels L. bis die politifche 
Ummälzung jeit 1859 auch diejes Verhältniß än⸗ 
derte. erwehrte ſich ihrer vollftändig; 
als ſie unter Dom Miguel ſich einſchlichen, un 
ten fie mit ihm us wieder weichen. Dagegen 
nahm Ferdinand VII. fie fofort in Spanien anf; 
die Revolution von 1820 ftürzte fie freilich, aber 
bie nachfolgenden Begebenheiten ließen ihre Nadt 
befto ftärfer werben. In Belgien waren fie nie: 
mals ganz auägeftorben, hier gewannen fie ihren 
auptſächlichſten Sig, und bie politischen Schid: 
ale des Landes find nicht am menigjten dur 
jefuitiichen. Einfluß beftimmt gewefen. Die dun⸗ 
feln Seiten ihres Wirkens find auch hier in Ge 
richtshöfen und Kammerverhandlungen ans Lit 
gezogen. Wie fie in Belgien faft daS ganze Unter: 
richts⸗ und Erziehungsweſen an fich geriffen ha 
ben, ſo öffnete ihnen dieDrbonnang Ludwig XVIL. 
1814 denſelben Weg in Fraukreich; denn dieſe 
entzog die klleineren Seminare der Ueberwachung 
der Univerſität und ließ den Biſchöfen die 
heit, ſie den Jeſuiten zu übergeben. ke 
durch eine neue Ordonnanz von 1816, traten bieje 
offener auf, aber als fie durch viele Gongrega: 
tionen unter allen Ständen ſich verzweigten und 
in gefahrbrohender Weife Reichthümer anhäuften, 
beſchränlten königliche Orbonnanzen in Folge der 
wachjenden Unzufriedenheit und einer Anklage 
des Grafen Montlofier die errungenen Freiheiten, 
die Julirevolution aber vertrieb fie völlig. Den- 
noch ſchlichen fie ſich wieder ein. Dem Andrängen 
der Kammer, die Uebertretung bes nicht 
zu dulden, folgten Unterhandlungen mit und 
einige —— zu gleicher Zeit aber bie 
Begünftigung der Jeſuiten in ien und ber 
Schweiz. So hat fih in Frankreich trotz der Ne 
volution von 1348 der Jeſuitismus immer mehr 
befeftigt, von Oben — wider Willen und mit 
Willen — begünftigt, beherrjcht er immer mehr 
u ng und Bolt. In der Schweiz gelangte der 
Orden zuerft zu einem feften Site in Fr 
erhielt dann die Berufung nad) Luzern; die wa 
fende Erbitterung rief den Somberbund ber 


Sefuitinnen 393 Seins Chriftus 


Urcantone, diefer die Freiſchaarenzüge und ben | liche, als das allein Not —— mit überzeugen» 
Sonderbundöfrieg hervor, defien Ende die ewige | der Kraft hingeſtellt was nur Er als der 
Verbannung der Jefuiten aus der Schweiz war. | Sohn Gottes und des Menfchen Sohn vermochte 
In Defterreih erlangten fie 1820 ihr erftes — — als das allein und immer Si —* in das 
zu Tarnopol in Galizien; daS Jahr 1848 vertrieb | Leben und Weben der Menſchheit eingeführt hat, 
fie aud) hier zeitweilig, die verwandten Orden ber | jo daß wir im Glauben an die Kräfte des ewigen 
Redemptoriften erfegen fie. In Bayern hatte noch | Zebens auch in ausſichtslos verwirrter, verlom: 
* Ludwig J. fie abgewieſen, erſt 1837 wurden mender, —— ſich abmühender Zeit mit 


fie zugelaffen, und ebenfo war ihre Wirkſamleit demüthigem und ergebenem Vertrauen, ja mit 


im 
öffentlich unbebeutende, bis die firchliche 


en Deutſchland und in Preußen eine | freudig 


em e für den unausbleiblichen Sieg 


Muthe 
e Freiheit | dieſes Reiches wirken Können. Auch ein Denter, 


ne auch für die Sefuiten Bahn jchaffte. Seit: | wie deael, F von Jeſus Chriſtus das Belennt- 


dem find viele Collegien und Häuſer der Jeſuiten, niß 


namentlich in Bayern, der Pfalz, 
der Rheinprovinz entitanden, die Mifjionen find 
eingeführt und Iehren regelmäßig wieder und de | 
ben die Autorität des Ordens bei dem Volke, der | 
durd die Leitung von er ge eg ſich 
den dauernden Einfluß auf die Gemüther immer 
fefter zu ſichern fucht, hergeſtellt. Die Zahl der 
re wird angegeben Auf? 7966 Mitglieder, zu 
ih 3389 Briefter, 1837 Novizenund 2325 beigeord 
nete Brüder. Bei = Aufhebung zählte er 92,589 
ar —— ortüm, Entſte hun es Fe. 
3 as, H. 4 the J., 181 
en 
ur, Ba ei d 
Ueber ichte un 
dena, 1817; 2. Ranke, röm. 
Jeſuuinnen. FJjabeua von — in Barce⸗ 
iona, Hm die Loyola in —— * gewirkt hatte, 
erlangte ein Decret 1., weldyes fie mit 
einigen Matronen, die Fr ir angeſchlofſen ie 
ten, unter * gr Pflege —8 Loyola ſte 
dech wußte dieſer ſich ihrer zu entledigen und 
dutch eine Bulle, Licet ebitum 1549, daß Pri⸗ 
Dilegium zu bewirken, daß jein Orden nie mit ber 
Leitung von Ronnen behelligt werben folle. Dem 
Jefuiten- Orden wirklich naheftehend find nur die 
nn. vom en sm —— Verbin⸗ 
dung von Frauen in den den Jeſuiten — 
deten Formen löſte Urban = 
ſend für das aiblihe Geſchlecht 
Jeſus Chriſtus und das C 
leine leere Form, daß wir nach Jahren der Geburt 
des Heilands rechnen. Denn es beſagt, daß das Gere 
€ im als Religion und als ſittliche Lebens⸗ 
beſtimmtheit zur —— der Menſchheit, zur inner⸗ 
lich treibenden gskraft der Geſchichte ge⸗ 
worden iſt. Die — Völker find unſtreitig 
die Träger der Bildung und ziehen die übrigen in 
un Lebenäftrom hinein. Was ift der innerfte | m 
Kern defielben? Wie hat ſich derjelbe von feiner 
——— Geſtalt an entfaltet zu einer rei⸗ 
Gen Fülle jeweiliger Erſcheinungsformen? Wie 
verhält ſich das Chriſtenthum zu den niederen Reli⸗ 
— Wie iſt es als ve vollendete Darftel: 
aller menſchlichen Religion in die Wit als eine 
j ildende Macht —* etreten? Mit welchen 


aeuen Gedanken und Antrie Den hateöbieGemüther 
erobert und durch en? Wer war der Eine, der 
dieje neue Leben afjung, dieje Gefühle und 


en in die Herzen jo übermälti: 

ine non —— — allmächtig hineinpflanzen 
laube, der ſeinen einigen Troſt im 

Leben und im * belennen will, nennt allein 

Jeſum Chriſtum, den großen Zeugen ber fiber: 
finnlihen Welt, der das Himmelreih, das Reich 
des Bis ber heiligen Liebe als das allein Wirt: 


—X Es iſt verflochten 


t: „von ihm und zu ihm ſtrömt die 


halen und Weltge * te.” Und jo mag man wohl die Ge: 


ſchichte vor ihm, die Beitumgebung während ſei⸗ 
nes Lebens, die geſchichtliche —— nach ihm 
— darauf anjehen, in welcher Bezie edung fie zu 

dm ftehen. Aber mit höherem Intereſſe is das 
Auge immer an der Berfon des Heilands felbft 
rem dem Mittelpunkt der Zeiten, auf defien Er: 
—— alle Geſchichte des Heidenthums und des 

erwählten Volles, wie von innen s und von 
oben herab, durch göttliche ag na e und Führun⸗ 
en, vorbereitet hat, der chliche J voller 
und —— das 330 des unſicht⸗ 
en heiliges Geiſtesleben 
itt | nad, jeinem Tode a Auferftehen ſich in breitem 
tiefen Strome immer reiner und mächtiger durch 
die ganze .. heit bin ergofien hat, tro aller 
—*** und Rückſchläge, die noch bis auf den 
"a Tag entgegenftehen. 

Was K. J. Nitzſch in einem feiner tieffinnigen 
ke die Religion als bewegende und ord⸗ 
nende Macht der Weltgefhichte, Berlin 1855) be⸗ 
PP doß zwiſchen der leibentlichen und leiden» 

ftlihen Reli igion bed Naturbienfted und ber 
activen wiebergeborenen . n Scharf zu ſcheiden 
ift, wird aud von ſolchen Religionsphilojophen 
wie Schelling und Zoe anerlannt: jener nennt 
die heibnifchen Religionen die gerri 
dieſer rühmt den Hebräern nad, daß fie ſich nicht 
in ben Taumel eines ewigen Naturfreislaufes, 
ſondern in den ae Dee ne ber Geſchichte hinein 
ß fie dem einen großen 

—* der i —— Welt, dem der Sünde und der 
tigfeit vor Gott nahhängend, jenen Grund: 

ihrer Boltsthümlichteit, ven Bund, den 

—* mit == Vätern geſchloſſen, das Bewu t⸗ 
ſein einer weltgeſchichtlichen Beſtimmung und die 
Hoffnung auf in — nie vergaßen, fon: 
dern nad manden anfänglihen Schwankungen 

mehr und mehr in ſich b beat haben. Es hat 
einige — wenn man, um die orientaliſchen 
——— kurz zu charalteriſiren, mit Brefjenje 

istoire des trois premiers siecles de l’eglise 
—— Paris 1858, I, p. 78) nach den An: 
—— von dem höchften Uebel und dem höch— 
ut jucht: dem Phönicier war jenes ber 


Bann dem Aegypter die Unfruchtbarkeit und 
die 3 Ei dem Perſer die Finſterniß, dem 
a die Welt, die Schöpfung überhaupt, und fo 


geftaltete fi aud) das höchſte Gut; Das Loſungs⸗ 
wort des Phönicierd heißt „Genuß“, das des 
Aegypters „Ausharren”, das deö Perſers „Käm: 
pfen und Leben", das des Anders „Sterben, Sid: 
vernichten”. Die claſſiſchen voiter die —— 
und Römer, haben in ihrer Art das Räth F elöſt, 
das die Sphinx aufgab: der endliche it bie 
Geftalt des Menſchen wurde ihnen zum Gott. Bon 


Jeſus Chriftus 
ben Göttern, jo jagten die Griechen, haben mir 
das Sein; —— erwählte bten zu 


dem Gott der Götter empor. In der ewigen Roma, 
rabe als ber gebildete Weltkreis gefeflelt zu den 
üßen bed Cinen Auguſtus lag umd goldner Frie: 
denstage fi freute, kamen alle Bee en 
im Pantheon zufammen. „In der That beweifen“ 
— fo wird man Nitzſch zugeftehen müflen — „bie 
vom Urfig ausgewanderten Geheimnifie ber attis 
hen Ceres, der ägyptiſchen Iſis, der phrygiſchen 
Cybele oder des perſiſchen Mithras und ihre Ein⸗ 
wanderung in Rom, ihr Proſelytenmachen unter 
ben Gebildeten, daß weder die öffentlichen Religio⸗ 
nen der Städte, noch auch die religionslofe Welt: 
weisheit den tieferen Bedürfniflen der Römer und 
Griechen auf die Dauer genügten. Zange noch bis 
in die chriftliche Zeit herein wiederholen ſich ver: 
geblihe Wiederbefebungsverfuche der Götterver: 
ehrung ; man impft ihnen etwas von Naturphilo: 
ſophie ein, aber jene Geheimnifie halten ven Wett: 
ftreit mit den zwar blutig verfolgten Geheimnifien 
und Offenbarungen Ehrifti nit aus. Diefe find 
allerdings auch ausgewandert aus dem 
Schooße eines Culturvolts, aber haben 
welch eine andere Zukunft und wie ganz andere 
Urfprünge in der Bergangenheit. Denn das Bolt 
Jfrael ift Alles, mas es weltgeſchichtlich ift, nicht 
durch Wiſſenſchaft, nit durch Kunft, nicht durch 
Handel oder Ariegd- und Groberungsglüd, fon: 
bernallein burd bie Religion.” Es ift hier 
auf andere Artikel (f. Iſrael, Meffias) zu vermei: 
en, die das Weſen dieſes erwählten Bolles als des 
olkes der Religion, des Bekenntniſſes zu einem 
übernatürlichen, bildlos verehrten Gott der Heili: 
gung darlegen, den weltgeſchichtlichen Gegenfag 
wiſchen Heiden und Juden zeichnen, ber feit den 
Tagen der Berftreuung ſich nod) ganz anders als 
der zwifchen Hellenen und Scythen herausgebildet 
tte. In der maltabäifchen Zeit war das Bewußt⸗ 
ein vor allem lebendig, daß jenes Auseinander: 
allen des Menſchengeſchlechtes in Nationen und 
Spraden auch wieder einmal folle ausgeglichen 
werden, ed werben bie —— in ihrer Folge 
vorgeführt, bis daß eine große Wendung mit dem 
Erſcheinen des Himmelreiches eintritt. Bon jeher 
mar das als eine That Gotied, des Herrn und 
Ertöferd der Welt, geſchildert, feine Herrlichkeit 
follte erfcheinen. Daneben aber war aud) von Sei⸗ 
ten der Propheten die menſchliche, perfönliche 
Spite dieſes Himmelreiches als der „andere Da: 
vid“, als der „Sproß Jahveh's“ bezeichnet. Es ift 
freilich ſchwer zu entſcheiden, wie viel von den Hoff: 
nungen, die fich an die Herftellung der vollendeten 
Theofratie Inüpften, zu der Zeit, als der eherne Fuß 
der Römer das jüdische Land zertrat, im Bolte 
lebte. Aber mindeftens dem Schriftgelehrten oder 
wer fonft in den Urfunden des Älten Bundes 
forſchte, mußte fih die Meffiasidee auf das leb— 
gene einprägen. Und zugleich mußte auch der 
nterſchied in der Färbung derfelben fich darſtellen. 
In den Vordergrund trat vor alleın die apofa: 
Igptifde —* die ſich vom Buche Daniel her 
durch die PPalmen Salomo's, die Weisſa— 
gungen der Sibylle, dad Bud Henoch, das 
. Bud Edra bis auf die jüngft aufgefundene 
Assumtio Mosis erftredte. Daneben lief auch 
feit älteren Zeiten der jpeculative Gedante 
von ber „Weisheit“ und von dem „Worte 
Gottes" ald Symbolen für dad ganze Wefen ber 


394 


Jeſus Chriftus 


Gottheit (Halb. NADYH, bei Philo Asyos). Unb 
eine politifche Fafjung tauchte auf, feit im Jahre 
6 nad Aer. De Judas von Gamala au hin 
Banner die Worte fhrieb: „Reine Römerfteuer! 
Gott allein fei Herr!" Zofephus fornte mit feiner 
Berechnung dieſe Meifiad:Borftellung auf den 
Cäfar der Welt anwenden. 

Man würde nun fehr in bie Irre gehen, mollte 
man mit ben angegebenen Elementen das fündlid 
große Geheimniß des Glaubens, wie Jeſus ald der 
Chriſtus Gottes ſich bezeichnen Tonnte und mußte, 
zu enträthfeln verfuchen. Jeſu Gewißheit, derjenige 
Pr fein, auf ben bie Bölfer harren, ber Welt Hei 
and, hat andere Urfprünge, als eiwa der logiſche 
Schluß wäre, daß er die Kennzeichen bes „Davids» 
Sohnes” an ſich trage, und fo hr er am Alten 
Zeftamente ſich gebildet hat, fo fehr er dem hebräi- 
ſchen Vollsthum angehörte, fein Gedante von ſei⸗ 
nem Mittlecamt auf Erden und im Htmmel reicht 
weit über ben altteftamentlihen Umkreis hinaus 
und als ber Bertreter und Anfänger ber neuen 
miebergebornen Menfchheit fteht er einzigartig in 
ber Weltgefhichte da, feiner Zeit, keiner Nation 
IF fi —— ſondern für alle Zeiten und 
ür alle Nationen der Urheber eines neuen geiſt⸗ 
lichen Lebens. Das ift er in Kraft des heiligen 
Geiſtes, der in ihm wohnte ohne Maß; das ifter 
laut der erften Selbftausfage, die er ald zmölfjäh 
tiger Knabe that: „Muß ich nicht fein in dem, was 
meines Baters ift?“ Hier ift ber rag ref 
Boden ber Dfienbarung bes lebendigen Gottes, 
ber fein Herz dem Menſchenherzen aufſchließt; hier ' 
zeicht alled Menſchenweſen zurüd mit feinen ge: 

eimnißvollften Lebenswurzeln in die Tiefen der 
ottheit, und ber Beritand mit feinen endlichen 
Kategorien muß ſich befcheiden, das Emige zu fafien 
und zu ergreifen. Iſt auch das „Wie“ verhoblen, 
wie bei allen jhöpferifchen Acten, das „Daß“ jtebt 
nichtsdeſtoweniger unverrüdbar feft. Es ijt das 
Chriftenthum eine originale, aus dem Weſen Got: 
tes gefloffene Religionsftiftung, in hiſtoriſchen 
Zeiten durch Jefum von Nazareth, für den das 
eigene Sein in Gott auch ein wirkliches Sein Got: 
tes in ihm war, auf alle Zeiten und für alle Böller 
E Erlöfung und —— der Welt gegründet 
ithin iſt es ſehr verlehrt, wenn man das Weſen 
Chriſti als des religiöfen Genius der Menſchheit 
entweder wie Voltaire von den Eſſenern, oder wie 
Geiger von den Phariſäern, oder wie Etrauf von 
einer eigenthümlichen Dilsung des griechiſchen 
Schönheitsſinnes und des hebräifchen Religions⸗ 
geiſtes, die angeblich in Galiläa ſich vollzog, abzu⸗ 
leiten verſucht hat. 

Die geſchichtliche Aunde vom Leben Jefu 
ift nit von geftern her, fondern fo alt als bir 
Chriftenheit. Paulus vergegenwärtigt und ald ber 
ältefte Zeuge, der nach fritifchen Grundfägen voran: 

uftellen ift, bie ucchriftliche Predigt, in feinen Brie: 
fen offenbar . lehrhaft, als in der münbliden 
Rebe, welche die Thaten und Schidfale Jeſu Chrifti, 
auf welche er an zahlreichen Stellen hinbeutet 
(Gat. 3,1; Röm. 1,2; 9,5; Gal.4, 4; 2, Kor. 8, 
9; 5,21; Phil. 2, 8; 1. Thefl. 4, 15; 1. Kor. 7, 
10; 9,14; 11, 28; 2, 6. 8; 15, 1), ausftihrlicher 
vor Augen geftellt haben wird. Die „Evangeliften” 
der apoftolifchen Zeit werden ähnlich geprebigt 
haben. Auf Grund des Beugniffes von Papias 
man dem Apoftel Matthäus und dem Dolmetjder 


Jeſus Chriftus 


des Petrus, Marcus, zwei Evangelienfchriften zu 


danlen, deren Berhältniß gu dem erften und zwei⸗ | 
ten Evangelium im Neuen Tejtamente ſchwer zu 
beftimmen ift: nur vermag man ſchwerlich den Er: | 
weis zu bringen, daß die im Kanon befindliche | 


Recenfion eben die von Papias gemeintejei. Lufas, 
der pusleid) die Apoſtelgeſchichte ſchrieb, bezeichnet 
ja eben „Biele” ala feine Vorgänger in dem Un: 
ternehmen, die Gefchichte des Heilands zu ſchreiben. 
Und das ift auch entſchieden bei dem vierten Evan: 
iften die Abficht geweſen, ſolche Stüde aus dem 
ben des Sohnes Gottes der 8 äubigen Mit» und 
Nachwelt zu erzählen, aus welchen feine Herrlich: 
keit unmittelbar hervorftrahlt. Die geichichtliche 
Erinnerung vom Leben Jeſu mit dein Auge bes 
Glaubens feftzubalten, ift der Zweck aller vier ka⸗ 
nonifhen Evangelien. Wer den Wunderglanz der: 
felben nicht vertragen kann, ber muß eins jo gut 
wie dad andere als unglaubwürdig durch und durch 
preiögeben. In diefem Stüde herrſcht gar fein 
weſentlicher Unterſchied zwiſchen Marcus und etwa 
Sohannes. Wer andererjeitd Harmonie bis auf den 
legten Bu eniaden bettas beabſichtigt, wer es 
nicht als Nebenſachen betrachten kann, daß ein 
Mal zwei Blinde, ein ander Mal nur einer er: 
icheine, Daß es nicht auszugleichende Differenzen in 
der —— giebt, der muß zu den verkehrte⸗ 
en tmaßregeln ſeine Zuflucht nehmen und 
itet nicht für die Wahrheit, ſondern wider die 
xheit. Denen, welche die Wunderthätigkeit 
Chriſti leugnen, iſt das beſtimmte Bewußtſein 
Bauli und der apoſtoliſchen Kirche (1. Kor. 12, 9. 
10) entgegen zu halten. Nur in ber Bereinzelung 
der Wunder gelingt es leicht, fie zu zerpflüden: 
man nehme aber den ganzen feitgefchlofjenen Kranz 
alö einen Beweis, wi; der Gott der Erlöfung von 
dem Gebiete des Geiſtes aus aud Macht über die 
Ratur verleiht. Die Bergleihung der Quellen: 
erzählungen im Einzelnen hat aber über den that: 
fählihen Kern bes Erzählten au entfcheiden. Hin⸗ 
wiederum gilt gegen Solche, die ſich an die Ab: 
weichungen und Widerſpruͤche in äugeren Daten 
hängen, bie auf allen hiftorifhen Feldern begeg: 
nende Erfahrung, daß, wo zwei oder drei von bem: 
feiben Factum Bericht erftatten, faft niemals eine 
volltommene Uebereinftimmung in unmefentli 
Zügen anzutreffen ift. Unabfichtlich ſchleichen fich 
ngen des wirllichen Ereigniffes in die Er: 
innerung ein, und gerade im Gegentheil, wo Alles 
und Jedes zufammenftimmt, läßt ſich auf ein ver: 
abredetes, täufchendes Spiel leicht ſchließen. Nicht 
der Rede werth find neben unferen Evangelien zer⸗ 
fireut erhaltene Worte Ehrifti, Die apofryphifchen 
Evangelien, die Nachrichten des Joſephus aus 
dem Sabre c. 96 oder bes Tacitus und Sueton 
aus noch fpäterer Zeit. Celſus ſchon zeigt in der 
bei von dem Soldaten Pantheras den ganzen 
8, defien dad Judenthum gegen den Nazaräer 


fähig mar, , ne 
an wird ed mit Schleiermadjer als eine noch 
nit genug anerfannte göttliche Zeitung zu be: 
zeichnen haben, daß uns von der äußern Perſon 
Ghrifti weder eine fichere Meberlieferung noch ein 
authentifches Bild zugelommen ift; ja aud, daß 
und eine genaue eig feiner Zebenöweije 
und eine zufammenbängende —————— Be⸗ 
—— fehlt, gehört eben dahin. Das Provi— 
ielle liegt offenbar darin, daß nun recht eigent: 
ih die centrale Bedeutung ber Perfon Eprifti, 


395 





Jeſus Ehriftus 


fein inneres, gottmenjchliches Weſen, bie Ueber⸗ 
lieferung feines Wortes und Geiftes an ba relis 
gidß erregte Gemüth in der Mitte der Schrift: 
forfhung jteht und die Entwidlung in feinem Sinn 
und Seilt ungehemmt durch enge Schranten Ei 
fälliger Art fih vollziehen kann. So verzweifelt 
fteht es indeß nicht grade, daß man gar kein Leben 
8 u nach modernen Grundſätzen zu ſchreiben im 
tande wäre. Man faffe nur bie mo Ges 
ſchichtsſchreibung nicht jo, daß fie alles Wunder: 
bare ald Widernatürlihes aus dem: Kreife ber 
Urſachen und Wirkungen ausſchließe, ſondern wie 
nach L. Gieſebrecht (dad Wunder in der deutſchen 
Geſchichtſchreibung unferer Zeit, Stettin 1868) zu 
behaupten ift, in dem Geift, daß alle Geſchichte 
auch Knotenpunkte hat, an denen ber fFinger bed 
lebendigen Gottes deutlicher zu fpüren ift, ald an⸗ 
beröno. Was ©, — in Bezug auf Luther 
ſagt, daß jedes große Menſchenleben wie die Tras 
gödie breigetheilt erjcheine, wenn e# dem Helden 
vergönnt war, fi) auszuleben, darf auch auf 
Chriſti Lebensgeſchichte, ob er fich gleich darin nicht 
an hat, angewandt werben. Die beiden bes 
amen Wendepunkte liegen in jenem Bor: 
ang im Tempel, ald der Knabe im Bewußtſein 
einer Zugehörigkeit zu dem großen Haushalt ſei⸗ 
ned himmlif Baterd von dem Elternhaus 
ſcheidet, und in feinem Hervortreten ungefähr im 
30. Lebensjahre, ald er ſich feinem Volke, ja ber 
ganzen Melt zum Heiland anhot, Bis zu dieſem 
weiten Wendepunft wird man, jo wenig unjere 
Berichterftatter auch davon fagen, von einer Ent: 
widlung im Innern Jefu reden dürfen, von einem 
ortichreiten von einer eit zur anderen über 
einen Beruf, von jenen brei lan wie Keim 
fie formulirt hat, dem Meffiasentichluß, der Ge: 
jegeöreform und der Gemwißheit, den Weg der Leis 
den gehen zu müflen, um durch bie —** 
als der Gottesſohn — zu werden. 
feinem Auftreten giebt es aber feine ſolche Wendun⸗ 
en im Bemwußtfein Jefu mehr, fondern er legt und 
ebt das für Anderedar, was ihm innerlich felienfeft 
—* die unmittelbare Einheit des Sohnes mit dem 
ater, verftändlich für Die, welchen er es offenba⸗ 
ren will, unverftändlic für die Judenwelt und 
Alle, die das wahrhaftige Licht haſſen. Stufenmweife 
(ohne daß aber von einem Lehrplan zu reden wäre, 
es war ja eine Sache des Lebend und Erfahrens) 
entfaltet er feine innere Herrlichkeit, im Berlehr 
mit feinen Jüngern und Freunden, mit feinem 
Bolt und feinen Yeinden: und es treten zwei 
5 epunkte ver Entmwidlung leicht hervor, das 
elenntniß Petri, das ihm nicht Fleiſch und Blut 
geoffenbart hat, und der Einzug in Jerufa: 
lem, jener als Abſchluß für die Ältere galiläifche 
Zeit, diefer als Anfang der 2eidend: und Auf: 
eritehungsgefhichte. Somit vollendet fi), wenn 
man will, da ber dritte Abfchnitt auch dreigetheilt 
ift, diefe Tragödie der Tragddien in fünf Acten, 
und man mag jenes vielfinnige Wort des Pilatus: 
Ecce homo, oder jenes andere: Ecce Deus als 
Titel dazufügen, immer bleibt der rothe Faden, 
der Alles durchzieht, dad In⸗ und Miteinander 
des wahrhaft Böttlichen und des wahrhaft Menſch⸗ 
lichen in der Perſon des Heilanbs. 
legen der geheimnißvollen Bezüge, die zwiſchen 
Mutter und Sohn, Familie und Familiengüed 
allezeit obmwalten, hat ſchon die ältefte Tradition 
der Mutter gedaht und den Stammbaum bes 


Jeſus Chriſtus 


Geſchlechtes entworfen. Paulus hat (Gal. 4, 4) die 
Geburt vom Weibe, die Stellung unter das mo: 
ſaiſche Gejeg betont. Die Berfündigung der Geburt 
von ber Jungfrau ift ein heiliges Geheimnik des 
Herzens der Maria : die leibliche Organifation, aus 
welcher fich das geiftige Leben des Genius entfaltet, 
ift allenthalben ein Gebilde der Hände Gottes; 
ſchöpferiſche Anfänge, wie offenbar bei Entftehung 
des Menſchengeſchlechts vorliegen, können auch 
während des Beſtehens deſſelben wiederfehren. 
Allerdings von den Geſchlechtsregiſtern, die bei 
Matthäus 1,1 ff. und Lukas 3,23 ff. mit wichtigen 
para or auftreten, gilt, daß ſie in Joſeph aus: 
laufen und überRaria’3 Zugehörigfeit zumStamme 
Davids grabe br a mit Abſicht hat aud) 
der erfte Evangelijt von Abraham, der dritte von 
Adam, dem Sohne Gottes, angehoben, jener durch 
bie —— Linie des Salomon, dieſer Durch den 
Nathan Stammbaum herabgeführt. Deutli 
iſt auch, wie bei Lukas der Kindheitsgeſchichte des 
Täufers, fo den Anfängen deö Lebens Jeſu bei 
Matthäus und Marcus das ſymboliſche und poe: 
tifche Element beigemifcht. Aber wenn auch bie 
Lobgeſänge Maria's und des greifen Simeon fid) 
wie Hymnen ber Hebräer gliebern, jo folgt daraus 
noch nicht, daß fie gang und gar das Wert fpäterer 
Dichtung feien und nit in wirklichen Erlebniffen 
ihren Anhalt Haben fönnen. Bethlehem wird gleich: 
mäßig bei Natth.2,1 und Luk. 2,1 als Geburts: 
ort Jeſu genannt; die Hirten find die Erftlinge 
aus den Juden, die Magier die Erftlinge aus ben 
Heiden, welde dem erjehnten Meſſias huldigen. 
Schwierigkeiten liegen in den Fragen, ob Jojeph 
und Maria ſchon zuvor in Bethlehem oder im Ga⸗ 
liläiſchen Nazareth wohnten und wie die aftrofo- 
giſche — mit dem Sterne (einem Kometen? oder 
einer Gonftellation?) zurecht kam; defgleichen ob 
Quirinius ſchon diefen Genus des Auguftus als 
Statthalter Syriend sr alten hat. ebenfalls 
ift das Geburtsjahr Jeſu anders zu berechnen, 
als durch den Abt Dionyfius Eriguus geſchehen 
4 ftatt des Jahres 754 von Erbauung Ro 
i —— das range a des Herodes (Bafla 
70 = 4 vor Aer, Dion.) anzufegen. Daß 
Heroded' Land dem Cenſus unterworfen murbe, 
begreift fich leicht aus der Thatſache, daß er für 
fi und für den Cäſar Roms das Boll in Pflicht 
und Eid nahm und damals 6000 Bharifäer ji 
wider ihn empörten. Seine blutbefledte Bahn zeigt 
fi nad) Joſephus' Erzählung noch kurz vor jei- 
nem Sterben, ala er eine Maffe von ern 
der Stäbte zum Tode beftimmte, damit man doch 
bei feinem Abjcheiten im Lande trauere, und es 
verträgt fi) damit auch ganz der Rindermord 
in Bethlehem, in weldem das Motiv pen 
yeh nad Aegypten lag. Als dann das jüdiſ 
önigreich in Stüde ging und der revolutionäre 
Kampf wider Barus, den Proconful Syriens, ver: 
raucht war, ald Jubas von Gamala die nahe bei 
Nazareth gelegene Stadt Sepphoris, die Reſidenz 
des Herodes Antipas ftürmte, Waffen im Zeug: 
haus und Geld in den Schaglammern fand (6 p. 
Aer. Dion.): da wird die heilige Familie ſchon in 
Nazareth wieder anfällig — ſein. Jeſus als 
der Erſtgeborene ſtand im Kreiſe von 4 Brüdern 
und einigen Schweſtern, die als leibliche Geſchwi⸗ 
fter anzufehen kein jpäter gemachtes dogmatijches 
Bedenken hindern darf (ihre Namen Watth. 13, 
55; Marc. 6, 3). Der Evangelifi hat auch nicht 


EEE 


396 


ch | und gefeglihen Stimmen des Alten 


ms anı 


Jeſus Chriftus 


' Anftand genommen, den Heiland ald den Zimmer: 
mannsfohn zu bezeichnen und ihn felbft das Hand» 
‚ werk üben zu lafjen. Während in Jubäa das Re: 
iment des Archelaus, des älteften Sohnes von 
erodes dem Großen, mit deſſen Tode im Jahre 
6 n. Chr. fein Ende erreichte und das Land in die 
| Verwaltung des römischen Procuratord Coponius 
überging, wird Jeſus mit den Eltern nad) der Ges 
wöhnung derjelben jene für ihn entſcheidende Feſt⸗ 
reife angetreten haben. Im Morgenlande bejagt 
das 12. etwas Anderes, als im Abendlande. 
Dan kann für die innere Hergensentwidlung ben 
Einfiuß der Mutter, bie ganze Zeitumgebung, das 
Trachten ber Bharifäer nad) Gerechtigkeit, die Lod« 
fagung der Sabbucäer von fpäterem —— 
weſen, das heilige Gemeinfcaftäleben der Eſſener 
ingen; man fann bie Majeftät und 
rmwelt, man fann die prophetifchen 
amentes 
I auf ben jungen Geift wirtend denken: das Ge- 
heimniß feines innerften perſönlichen Lebens, ſei⸗ 
‚ned Berhältniffed ald bed eingeborenen Sohnes 
vom Bater ift damit nur in den äußerften Spigen 
erklärt, es bligt in ihm auf, urjprünglich mit ur⸗ 
‚eigner Kraft aus reinſtem en, wie eö allein 
fähig if: Gott zu ſchauen und deſſen fich bemußt zu 
werben, baß es im Schooße des Vaters ruht und 
‚die Fülle —— Kräfte vom Himmel auf die 
Erde herniederbringt. Seines Herzens innerſte 
Tiefen, die Tiefen der Gottheit, in welche ber ver: 
wandte, aus dem Geift ald Licht vom Licht aus: 
' geftrömte Geift zurüdftrebte, die waren wie auf: 
ge gen Bücher, in denen er in ftiller Andacht 
bei Tag und Nacht lefen tonnte, forſchend und fin: 
nend über dieſe Offenbarungen aus den Urjprün. 
gen alles Lebens, mehr noch als über Himmel und 
Erbe, fiber Gefeg und Propheten, eine unbefledte, 
unentweihte Knaben: und —— die von 
feinem Hauch des Böſen verunreinigend 5 
wird, ſo Gertan fie auch alles Arge in Gedan⸗ 
fen und Worten und Werfen diefer Welt erkennt. 
Dies fein Sohnesbewußtſein ift das Urfprünglice, 
woran er fich immer wieber orientirt, wenn er jein 
eignes Innenleben an dem Meinen und Treiben 
der Welt mißt, wenn er jeines Bolt Gedanten 
von der Gottesherrſchaft und deſſen Hoffnungen 
auf ben Meffiad aus Iſai's Stamme fich aneignet. 
So wird er ſchon ahnungsvoll ergriffen in Davids 
Burg, in bie fetlich bewegte, große Hauptftabt 
feines Boltes eingezogen und ſich der unendlichen 
Biebeögemeinfdhaft mit dem Vater im Himmel be 
mußt geworden fein. Zufas 2, 41 ff. erzählt und 
von diefem Wendepunkt in aller Einfalt ohne jeben 
wunderbaren gast 
Jeſu zweiter Le er von bier an bis 
zum 30. Jahre, in der Wirklichkeit: ficher mit be 
deutjamen Ereigniffen bes inneren Lebens auge: 
füllt, ift für ung wie ein leeres Blatt, wenn wir 
nicht deö Regierungswechfeld gedenlen, der ſich in 
Rom durch den Antritt des Tiberius, in Jerufclem 
durch den Wechjel der Statthalter vollyog. Man 
könnte auch fragen nad) dem äußeren Bilde Jeſu, 
wie es der fpäteren Tradition in Worten oder in 
ber bildenden Kumft gezeichnet ward; ed wäre auch 
Raum für eine Schilderung von Jeju Tempera: 
ment und Charakter mofür Keims Vorträge 
treffliches Materia: bieten ; feine Jrrt hum s⸗ und 
Sündlofigfeit wäre mit Ullmann, Dorner, 
Längin (Jefu fittlicde Entwicklung, Elberfeld 1866), 





in Anſatz 
' Schöne ver N 


Jeſus Chriſtus 


397 


Jeſus Chriſtus 


Niemann (Hannover 1866) in das rechte Licht zu kam, bei ihrer mehr gruppirenden Darſtellung die 
ellen. Ueberall ſteht er — in den Spuren | of Koränte Wirkſamkeit auf ein ei ein: 


eines Volles, deö Volles ber Religion; überall 
kündet fi in ihm an, daß das Alte vergangen ler 
und ein Neues mit ihm angehoben hat. Das i 
auch an dem Auftreten des Täufers Johan: 
nes zu erhärten. Man mag nun die Chronologie 
nen wie Wiefeler, daß dies Auftreten zwiſchen 
Auguft 779 und Sommer 780 gejhah, oder wie 
Aſchendorf für Herbft 780 oder wie Ewald Is 
781 (= 28 n. Chr.) ftimmen, immer bewährt 
Jeſu Wort iiber das innere Wefen deffelben, 
— Größte der Propheten doch Heiner iſt als die | a 
Kinder des Himmelreichs. Zwar giebt es eine Ein: 
ee Harmonie zwiihen dem Alten und bem 
Bunde, aber aud) einen Gegenſatz und eine 
ſcharfe Grenglinie: jene Harmonie befundet Die 
Thatjache, daß Jeſus ſich aud der Taufe Jo: 
annis — ‚ diefen Gegenſatz überwand der 
Bellen in ber — ee e, aus 
der er als Sieger über alle falſchen asideale 
ſocialiſtiſcher, politifcher und hierarchiſcher Art her: 
vorging. Das Bild, welches der vierte Evangelift | S 
von dem Täufer entwirft, greift tiefer, als das der 
Synoptifer, fteht aber, wie auch Strauß aner- 
tennt, ber Wir ichfeit näher, als Joſephus' für 
* philoſophiſch rn Griechen und Römer 
urechtgemachte Schilderung — Ant. XVIII, 


Das öffentliche Leben Jefu als des 
Weltheilandes beginnt mit ber Predigt: „ 4 
Buße und glaubet dem Gvangelio, denn das H 
melteich ift herbeigelommen.“ Solche Predigt 2 
eg Zuf. 3, 1 im 15. Jahre des Tiberius, 

us Pilatus Procurator über Jubäa war. 
Man wird dafjelbe kaum von Tiberius’ Annahme 
ald College des Auguftus berechnen dürfen (dann 
liefe es vom Januar 780 bis Januar 781 der 
en wer — —— Mar als 

Ibjtherrf lief das 15. Regierungs vom 
Auguft 781 bis Auguft 782. Die weitere Zeitrech⸗ 
nung hat indeß noch eine Schwierigfeit zu über: 
— welche durch die Differenz unſerer einzigen 
entſteht. Die drei Synoptifer nämlich 
fen} Jeſu —— zu Anfang ganz auf Ga: 
ränft jein und erzählen nur von einem 
von dem legten, an welchem Jeſus die 
— tee und dann bem Todes: 
eich —* die Feind * der Oberſten ſeines 
—* Dagegen das 4. Evangelium, das 
auch nach Ewald und Weizfäder mit I Rück⸗ 
weis auf den Augenzeugen, den Jünger, den Jeſus 
lieb hatte (19, 35), in gutem Rechte iſt, weiß min: 
— von 3 Paſſafeſten (2,13; 6, 4; 13, 1), die 
jo daß man auf einen Zeitraum von drei a ven 
zu jchließen hat. Es ift allerdings wahr, da die] 
alten Rehnungen im 2. Jahrhundert bei 
tifern und Katholifen gern von der einjährigen 
Wirkſamkeit reden; fie thun das aber mit Berus 
fung auf die tophetenftelle (Je. 61, = von dem 
angenehmen Jahre des Herrn, und unter den Sy: 


fern läßt namentlich Lufas in feinem großen | drang, und — bet Tate a 
febericht 9, 51 — 18, 30 ihn ſchon nahe bis | barmen, um die Mühſeligen und 


Jerufalem tommen, in Bethanien vertraut verleh⸗ 
ren, und dad Wort Jeſu — 23, 87; Luk. 13, 
34): „Yerufalem, wie oft 

f n wollen,“ fpricht entich 


& während feines öffentlichen Wirkens erlebte, — ſo oft get 


äre:| ‚10, 87 f. 


eich deine Kinder | U ade (und man hat fein R 
ieden dafür, daß es weiſen außer bei einem der heiligen S 
auch den drei erjten — nicht in den Sinn | 


—X* Feſt, dem die nähere 
—* bie Ausleger jedes der jüdiichen 
egen verſuchten, Paſſa, Pfingften, 
—8 Einer der bedeutendſten — 


nziges Jahr 
— Unſicherheit entſteht noch durch das 
— —————— zu (Jo. hr ı) 
e ein: 


punfte zwiſchen den Synoptitern und Johannes 
aber bei jenem Pafja zu fuchen, an welches fi 
Beten Joh. 6, 1 die Speijung der Taufende und das 
tniß Petri anfchlofien, (ungen, bie 
au Matth. 14, 18 ff.; Luk. 9, 10 ff.; 6, 


denswoche, innerhalb deſſen J hütten: 
ER am 15. Tiöri (October) * das Enkaenien⸗ 
am 25. Kisley (December) in Jeruſalem —— 


rl ‚te Bemanin © a ae eine 


zu gewinnen, ifi 
reine U ber Tob ER —* des 
* Keim Hätte ihn u 


—— 
— 34 Aer. — —*3 

bee: denn ein e Fl = Ne: 

muß anerlennen, ba * e über die Auf 

folge und das Ineina eifen ber Wirffamteit 
Täufers und der Wirkſamkeit Jeſu ein unlös- 

bares od vorliegt. Matth. 4, 12, 17; Marc. 

1, 14 lafjen Johannes et eterfert fein (aud) Luf. 

4, 13, —— —— us nach der von 
ilenen Taufe aid — igt * eils in 
. Dagegen wirkten nad) Joh. 3, 24 

eide noch einige Bei neben einander, und man 

234 % = en —— rg — 

un eßlich die tung Johannis 

Heiland macht. Da hilft onen nicht, fo wenig wie 

bei der — ‚Johannes bei bei 


dem erften Ba 
Ausgang Sr eg * de 
ern wie fo häufig 
eben Si 


mittlungen en = 

dem Gebiete ber rofangefehichte entſch 

den muß, nur dem einen der entge gengefe 
Berichte ift zu folgen. Man braucht nicht e zu 
verzichten, eine genaue e der — 
auch für die erſten Amtsja des Erlöſers auch 
in einzelnen Wochen und Tagen herzuſtellen; fehr 
Anerlennenswerthes ift durch eler, Tiſchen⸗ 
dorf, Lichtenſtein, Bunſen für bi Partie gelei: 
ftet: aber ae in der Natur der Sache, daß 


— 


bald dieſer, Geſichtspunkt den Aus 
get un un (m hiedene ————— se 


Es en fich mehr — die ältere — * 
ſamkeit des 5 wie ja in modernen — 
t, nad) beſtimmten G 
|darzuftelfen. 2 in Wirlen von dem bes 
fers ſpecifiſch unterſchied, war (Job. 10, 41; Apg. 
fein Wohlthun an Rranten 
ee, ——— * 
ruf, der a m vi ungenen nth des 
vspflöen und pigdifhen Glen, bed 


und oc — 


ladenen an 
nes wahrhaſt gefunden Le: 
t man en —— — 

ie 


das helle Tageslicht 
bens zu führen. 


den Begriff vom Wunder und von der ar 


Jeſus Chriftus 398 Jeſus Chriftus 


fiegt die Antwort in ber Obmacht ber Heiligen | und Zöllner angenommen und die Betrübten und 
Gottedorbnung des Geiftes über die Natur, der | Traurigen mit lindem Worte getröftet. Es ift ein 
fittlihen Weltordnung über alle Zerrüttung der | unendlider Stoff, der am wenigften hier in dieſem 
phyſiſchen Welt. Jeſus wirkte in der Klarheit fei: | Artikel zu erſchöpfen ift. 

nes Gottesbewußtſeins; Schwärmerei, Uberglau: | Aber wenn man die Tempelreinigung mit Jo: 


ben, Unglauben wies er ausdrücklich ab, für der: 
era giebt er fein „Zeichen“. Gebetsmacht und 
eifteöfraft, Mitwirkung des Glaubens der Kran: 
ten, geheimnißvolle Gejege höherer Natur werden 
ſammengewirkt haben zu den jo eigenartigen 
Shatfachen, deren Mannigfaltigkeit und Reid: 
thum, wie fehr auch an einzelnen die Hand ſpäte⸗ 
ser Erzähler und Ueberſeher zu gemahren ift, 
erade für die Geſchichtlichleit die mwejentlichite 
ürgſchaft leiftet. Man wird leicht die Einthei⸗ 


in vier Öruppen als zutreffend erfennen, je 

1) leibliche Krankheit aller Art ober 

iten ber Seele bei den Bejefjenen ge: 

ch ober 3) dem Berweiungsproceh bed 


boten oder 4) den elementaren Ge: 
walten atur Gehorfam auferlegt wird. Die 
eigentlich religiöfe und fittlide Verbindungslinie 
zwiſchen dem Willen Jeſu und dem Willen des 
lebentigen Gottes entzieht ſich jelbftverftändlid 
jeder Betrachtu sneie die nicht religiös und 
ittlich ift. Es entſprach ganz der Anſchauung, die 
enan von einem Thaumaturgen bat, dab ein 
Wunder wie ein phyſikaliſches Experiment etwa 
wiederholt werden jollte, um von einer na— 
kuemienipertiihen Eommilfion begutachtet zu 
werben, 

Unbebentlih hätte man unter ben Begriff des 
Wunders die andere große Hälfte der Heilands: 
tpätigfeit ftellen können: feine prophetiſche Wirt: 
— als ein Lehrer der Armen, ſeine Predigt 

es Evangeliums, die Offenbarung ſeiner 
ſelbſt als des Friedefürſten, jein Wort ift es ja, 
mwodurd) er die unteinen Geifter bannt, Vergebung 
der Sünden fchentt, die wilden Kräfte der Natur 
bändigt. Und jo reiſt und predigt er aud, in der 
Geftalt eines Rabbi und doc nicht wie die gg 

lehrten, mit wunderbarer Anziehungäfraft. Er 
ritt in den Schulen und Synagogen auf, auf ber 
Bergeähöhe, am Geſtade des Meeres, in einfamer 
Wüſte. Das Wefentlihe feiner Predigt ift das 
erg bas einfache grobe Princip der Liebe 

otteö, des himmlischen Vaters, der Gegenſatz 

wiſchen bem Reich des Lichtes und dem Reich der 
Bine, das Borhandenjein des Menden: 
ohnes, in weldem Gott den Erdkreis zu retten, 
u heilen, zu richten beſchloſſen hat: er ftellt ſich 

(gefegt auch, daß die Bergpredigt bei Mattyäus 
nicht ıwie ein ftenographijcher Bericht jeiner Neben 
anzujehen ift, jondern nur der gruppirenden Kunft 
bed Evangeliſten ihren Urſprung verdantt, wie 
aud die Bufomnsenfellung von Sleichniffen) ala 
den Weltrichter, ald den theofratifchen König hin, 
in welchem Geſetz und Propheten ihre Erfüllung 
finden. Er weiß die Seelen jeiner Jünger fo zu 
leiten, daß feine Gottesfohnfchaft ihnen aus der 
en Erfahrung und Hingabe als eine 
Dfienburung jeined Vaters im Himmel aufgeht, 
nicht etma durch Fleiſch und Blut ihnen offenbar 
wird, Mit ſcharfem —— Blick für alle Reiche 
der Natur, mit aufmerkſamer, durchdringender 
Beobachtung des Treibens der Menſchen hat er die 
himmliſchen Wahrheiten in Gleichniffen und Bil: 
dern * er hat das Otterngezücht geſcholten 
und die Geißel geſchwungen, aber auch die Sünder 


hannes an den Anfang der Wirkjamfeit zu fegen 
uten Grund hat, wenn man das Sammeln des 
üngerfreijes in allmählichem Fortſchritt von zwei 
zu vier, zu amöl, zu fiebzig bejchreibt, jene Geſpräche 
; mit dem furdtiamen Halbglauben des Nilodemus 
und dem aufrichtigen Sehnen der Samariterin be: 
trachtet, die epodyemachende ————— Naza⸗ 
reth (Luk. 4, 16ff.)und den feſten Sit in Rapernaum 
ebührend hervorhebt: dann ſteht man eiwa an 
* Höhepunkt, bei dem die vier Evangeliften 
ich wieder bie Hand reichen, bei jenem Speſſungs⸗ 
wunder unb dem Belenntniß Petri: das letzte Jahr 
der Wirlfamteit Jeju beginnt. Die Sommerzeit 
bis zum Laubhüttenfeft verbringt er feltner im füd- 
‚lien Galiläa, fondern lieber im Norden, an den 
Ders Phöniciens, in der Delapolis am Dit: 
‚ufer des Sees. Bei Cäſarea Philippi (Banias), 
‚an ben Quellen des Jordan legt Petrus jein Be: 
‚ Tenntniß ab, dann folgt, 6—8 Tage ſpäter, Die Ver⸗ 
‚ Härung auf dem Berge, den die jpätere Tradition 
als Thabor bezeichnet hat, am nüchſten Tage die 
— des epileptiſchen Knaben, woran ſich die 
ünger vergebens verſucht hatten. on mweifjagt 
er den —— bei der Reife durch Galiläa von 
ſeinem Ausgang. So zog er zum Detober auf das 
‚Zaubhüttenfeft (Joh. 7, 1) nach Zerufalem (im 
Jahre 751 nad) Bunfen, 782 nad) Wiefeler). Wil 
\tobendem Aufruhr entzog er fi noch auf einige 
\ gi ohne freilich Judäa zu verlaffen. Zum 
nlänien:Feit (25. Kislev = Ende December) war 

ex aber wieder in Jerujalem, um noch einmal alle 

| Hauptgebanten feines Berufes auszuf (Job. 
10, 23 ff.). Dann ging er wieder nach Peräa, an 
ben alten Schauplaf ber Taufe Johannis, wo er 
auch noch Anknüpfungspunkte Haben mochte. Hier 
teifft ihn, — es ift nicht gefagt, wie lange vor dem 
Paffa — die Nahriht von dem Tode des Laza⸗ 
zus, beffen Aufermedung in Bethanien dann nad 
dem vierten Evangelium zu der großen Kataſtro⸗ 
be führt. Die Feindſchaft der Pharifäer regte 
ic gewaltig. Noch einmal ging er in bie Stadt 
hraim (etwa acht römiſche Meilen nordwärts 
von Zerufalem). Daran jchließt fich die legte Reife 
nad) Jeruſalem. So ftellt es gen Johan⸗ 
nes dar. Die Synoptifer fnüpfen (Matt. 19,1; 
Marc. 10, 1; Luk. 17, 11) diefe Reife an ben 
Durchzug durch Peräa. Hervorragt die Blinden 
beilung bei Jeriho; Marc. 10, 46 nennt nur 
einen, den Battimäus, Matth. 20, 29 nennt zwei, 
beide laſſen Jejum ſchon durch die Stadt gezogen 
fein, nad) Luk. 18, 35 gefhah dad Wunder vor 
dem Einzug. Bedeutjam find im Gegenfag zu den 
wechjelnden Stimmungen der Jünger (Matth. 19, 
10. 13. 25; 20, 17. 20. 24), im Gegenfag zu ber 
Steigerung, die in der Feindſchaft der Widerſacher 
und in der Unzuverläſſigkeit der halben Freunde 
wahrzunehmen ift (Matth. 19, 3. 16; 20, 18. 25), 
die Ruhe und die Klarheit des Gottesbemußtjeind 
Jeſu, der die gewaltigen Entfcheidungen, die ihm 
bevorjtehen, in feiner Seele ze. atth. 19,20; 
20, 23) und, damit e3 zu der Wiedergeburt der 
Welt, zur Herftellung feines Reiches (19, 28; 20, 
21) fomme, fich mit freieftem Willen dem bangen 
Augendlid des Todeskelches und der Todestaufe 








Jeius Chriftns 


(Matth. 20, 23) näherte. Er ift ſich deſſen Mar, 
daß er fein Leben zum „Löfegeld” für die Melt 
bingeben muß, bamit die neue era ori feines 
———— als ein Widerſpiel der irdiſchen 
Weltreiche hergeſtellt werde (Matth. 20, 25 ff.). 
Der letzie Act des Lebens Jeſu, die große 
Leidenswoche und bie Auferjtehungszeit, 
ungmeifelhaft in ben Predigten der apoftoliichen 
Zeit am haufigſten mitgetheilt, hat im Großen 
und Ganzen die größte Lebereinftimmung in den 
Berichten über die einzelnen Scenen aufzumeifen. 
eder ber Evangeliften bat freilich Eigenthüm: 
liches, worüber die Entiheidung dem Forſcher 
nicht leicht wird. Gemeinjam ift Allen, daß ber 
Todestag Jeſu ein Freitag war und die Aufer⸗ 
Rehund am dritten Tage Danach, am erſten Wochen⸗ 
ag, wie bie Juben datiren, erfolgte: den Sabbath 
über 2 eſu Leichnam im Grabe gelegen. Ein 
auptunterjchieb beruht jedoch darın, daß die 
Ymoptifer am Donnerftag Abend das Paſſa— 
lamm von fämmlihem Volt und aud) von Jeſu 
geiehe tet und gegefien werben laffen und daran 
ie Einjekung des Abenbmahls anknüpfen, jo daß 
die Nacht in Gethſemane ſchon zum Freitag, dem 
15. Nifan nad jüdifher Rechnuͤng, gepört, An: 
ders dagegen Sobannes, Er erzählt von einem 
legten Dahl am Donnerftag Abend, ſchweigt vom 
Abendmahl und berichtet dafür von der Fuß: 
waſchung, den Hindeutungen auf den Verrath bed 
Judas und die Verleugnung Petri und den Ab: 
Ichiedöreden bis zum hohenprieſterlichen Gebet: die 
Juden weigern jich nad) der Nacht des Verrathed 
in das Prätorium des Heiden Pilatus einzutreten, 
damit fie fich nicht befledten, fondern das Paſſa⸗ 
lamm effen dürften (ob. 18, 28), Da erjcheint 
alfo jener Tobesfreitag als der 14. Nijan, an 
welchem Jeſus alö das wahrhaftige Paſſalamm 
fi) am Kreuz opferte (19, 86). Dieſe Differenz läßt 
fi nicht anders heben, als damit, daß man ent- 
weber dem einen oder dem anderen Bericht als dem 
— — folgt. Auch die vorangehenden 
age, der Tag pn. bie Salbung in Betha— 
nien, der für ben Einzug in Jerufalem 
—5* verſchiedene Berehnungzu, Die Nachtpflegte 
% us außerhalb der Stadt auzubringen, der lehte 
ienötag mar noch einer der bewegteften Tage, als 
er zum legten Dlale, foviel wir wiſſen, im Tempel 
vermeilte, und in heftige Streitreden mit den Pha⸗ 
rijäern verwidelt wurde (Matth. 21, 18—26, 5; 
Marc. 11,20—14, 2; Luk. 20, 1—21, 38), Große 
Uebereinftimmung herrſcht dann von der Nacht 
des Verrathes an: für Die Worte am Kreuz fteuern 
Matthäus und Marcus das eine yon ber Gottver: 
jelenpeit bei, Zufas drei andere, Johannes eben 
jo viele, Alle find einig über den Antheil, den die 
Natur und die überfinnlihe Welt an den letzten 
Stunden Jeſu nahmen, ſowie danach an ber Aufer⸗ 
ſtehung. Pauli Zeugniſſe über die Einſetzungs⸗ 
worie bei dem legten Mahle und über die Reihen⸗ 
folge ber Auferftehungsfcenen find von großem 
Gewicht, um bie evungelifhen Berichte zu würs 
digen. Man wird mit der Untwort Baurs, daß 
ber Glaube an die Auferjtehung eine Thatjache 
geweſen fei, nicht im Stande jein Die weitere Frage 
su erledigen, welches die äußere Thatſache, an 
welcher der Glaube ſich entzündete, geweſen ei. 
Dab Jeius in perfönlidem —— mit ver⸗ 
tlarter Leiblichleit aus dem Grabe hervorgegangen 
iſt, derſelbe wie ehedem, und doch in anderer Ge⸗ 


399 


Jeſus Chriſtus 


ſtalt, unter anderen Bedingungen und ohne die 
alten Schranken der Materie, iſt auf Grund des 
apoſtoliſchen Zeugniſſes als die durch die Schöpfer⸗ 
macht Gottes gewirkte Wunderthat anzuerlennen. 
Sehr natürlich mußte auch das Scheiden von der 
Erde einen beſtimmten Abſchluß erhalten, wie der⸗ 
ſelbe mit der Himmelfahrt eintrat. Die neue Ge: 
meinde au gründen, alle Bölfer der Welt in die 
Jüngerichaft Jeſu einzumeihen durch das Wort 
beö Lebens, Taufe und Speife zum ewigen Leben 
barzureichen, war der Beruf ber von Gott zuvor 
en Beugen, die ſeit dem Pfingſtfeſt aus der 
Beit Zernens und Empfangens in das ord⸗ 
nungsmäßige Lehren und en übertraten. 
Das Chriſtenthum ald eine gemeinfhaft: 
bildende Macht hebt damit an: die Ehriftenheit 
geht daraus hervor, von den Apoftelm mit tiefjin- 
nigem Wort als der Leib Ghrifti bezeichnet, zu 
dem Er dad „ bie belebende Seele ift. Wie 
fie in Chriſto lebten, wie Chriſtus in ihnen lebte, 
wie er in feinem geſchichtiichen Erdendaſein in 
ihrer Erinnerung mit Worten und Thaten haftete 
und als der u ne Herr von der Rechten Gottes 
ber bei jeiner Gemeinde ſtand und fie durch den 
Geift, der in alle Wahrheit leitet, regierte: daß 
war der Grundgedanke, ber bie ganze apoftolifche 
Zeit in voller Reinheit durchdrang, nach welchem 
Zufas und bie Geſchichte der beiden Hauptapoftel 
Tetrus und Paulus, die Entwidlung bed Gottes» 
reiches von Jerufalem und Antiodyia bis Rom er: 
zählt hat. Auf den. Wegen, welche dur das 
römiſche Univerſalreich, durch Die ——— Wiſ⸗ 
ſenſchaft und Sprache gebahnt und vorgezeichnet 
waren, geht die Miſſion des Chriſtenthums und 
als die volllommene Religion wirkt es ſich in einer 
ößeren Mannigfaltigleit von Nationen und Gei- 
tern, die nad) Wahrheit fuchen, mehr und mehr 
aus. Das —— die Geſtalt des Erlö- 
ſers, fein Chriſtenthum, jeineStellung als Anfänger 
und Vollender des Glaubens hat aber ſtets als Maß 
und Richtſchnur des perſönlichen Chriſtenthums 
gegolten, auch in ſolchen Fällen, mo es die verſchie⸗ 
denſten Färbungen je nad) bem Eulturftand ber 
Böller und der Kirchen annehmen mußte. Ohne 
Chriſtus, den eingeborenen Sohn Gottes, der in 
einer Würde ohne Gleichen Über allen Geſchlech— 
tern. fteht, der aber doch ganz und voll Menſch 
war, giebt #8 fein Chriftenthum. Hätte und wlhte 
Chriſtus Gott und das Göttliche nur fo in ſich, 
mie es auch bie beften und tiefiten und frömmſten 
unter feinen Jüngern nod jegt haben können, 
ginge er mit der Urſprünglichteit jeines Glaubens 
und Liebend und Wirkens nit über den Chor 
menſchlicher Genien in Kunſt und Wiſſenſchaft 
hinaus, fehlte die unmittelbare Bezeugung von 
oben her, das Zeugniß bes Geifted Gottes für den 
Geiſt in yo einem Zeitalter oder Geſchlecht, jo 
ins ae —— —— 
8 er gejorgt, daß tie me bes 
Bfingf eiſtes nicht verfiegen. Ein beredtes Zeug: 
niß dafür bildete in der apoftolifchen Zeit Bau: 
lus, der Apoftelder Heiden, der die wejent: 
lichſten Dienfte für bie Junge iftengemeinde 
aeleiftet hat. Sein Ehriftuäbild ftimmt in allen 
Hauptzügen mitdem eined Jalobus und Betrus 
überein; Niemand wirb aber ber verjchiebene 
Ausgang? punkt ihrer Ausfagen entgehen und Nie- 
mand wird in feiner Empfinuung bie Differenz 
verleugnen, wenn er bie Worte des Meifterd übe: 


Jeſus Chrijtus 


fein Wefen, über feine Einheit mit dem Bater und 
mit den Seinen, ober wenn er bie Worte feiner 
Jlinger vernimmt. Die Evangeliften haben 
unzweifelhaft beftimmte Anfchauungen in den und 
erhaltenen Schriften durchgeführt: für den erften 
ift der Erfüller des Gefeges gekommen, ber lehrt 
und Wunder thut, Marcus bei räntt ſich mehr 
auf die Thaten und Schidfale, Lukas hat fchon 
einen weiteren Ausblid auf die ganze adamitiſche 
Menſchheit genommen, Johannes weiß die Geban- 
ten ber Blatonifch-jübifchen Speculation mit einem 

anz neuen Inhalt zu erfüllen und ſondert doch fo 
hatt bie Ausf Jefu von den eigenen been, 
daß er nirgend Jeſu das Wort: „ich bin ber Lo: 
908” in ben Mund legt. 

Eine geſchichtli nde vom Leben Jeſu — wir 
wiederholen das obige Wort — hat eö immer in ber 
Ehriftenheit gegeben, ſchon Darum, weil bie Bilder 
ber Evangelien vom zweiten Jahrhundert an fort 
unb fort von einem Gejchleht zum andern über⸗ 
liefert wurden. Der Gegenſatz von JZubendri: 
ften und ee en trug fich aber gan 
natu auch —— Anſ ng von bem 
—— Weſen und Chriſti und der Apoſtel 
über, Männer, bie von ber Philoſophie hergelom⸗ 
men waren, wie ber römiſche Clemens, Juftin, 
ber Mleranbrinifhe Glemens, Drigenes fahen 
in bem „großen Lehrer ber Weisheit” zugleich ben 
—— Mittler zwiſchen Gott und ber ’ 
unb fie leifteten mit ihren Gebanfen von dem Lo⸗ 
908, als * ger je are * 
geringen Vo welche das geſchichtliche, wahr⸗ 
haft menſchliche Beben Ckri ti t. Nach: 
dem die PBhantafien der Gnoftiler burd bie 
Bildung der altlatholifhen Kirche überwunden 
waren, nachdem bie ht, Chriftum weder ala 
bloßen Menſchen, wie die Ebioniten, nod als 
reinen Gott, wie die Doketen, zu verehrten, von 
ber Kirche kund gegeben war, nachdem ein Ire— 
näus am meiften nocd in apoſtoliſchem Sinne 
von Jeſus ald dem anderen Adam, dem fichtbaren 


Ebenbilde des unſichtbaren Gottes, geredet hatte, | N 


tauchte zu Ende bes zweiten und im Laufe bes 
britten Jahrhunderts immer wieder von neuem 
die Frage auf, wie das Göttliche und Menjd: 
liche in Chriſto is zueinander verhielten, welches 
Verhältniß das Göttliche in Chrifto zu dem einen 
Gott en * geb Hebel Gehen 
man bie er, die fi von ent etzten 
Standpunlten aus an ve Löſung ———— 
men und den Monotheismus gegen alle Biel: 
göt i zu verwa trachteten. Die einen, wie 
beiden Theobotus, Paulus von Samo— 
fatau. A. ließen den Menſchen Jeſus nur mit 
öttlichen Kräften, mit Göttlichkeit ausgerüſtet 
Fin, jo daß ber eine Gott bemfelben nur dyna⸗ 
m iſch zu Hülfe gelommen wäre, die anderen, wie 
Noet, Sabellius u. A. baten fi, daß das 
Weſen ber Gottheit, ihre —— ſich fort⸗ 
bewege und eine andere Form der Gottheit, ein 
anderer Modus des göttlichen Seins ſich im Sohne 
ergebe. Jedoch dieſer Gegenſatz von dynamiſchen 
und hypoſtatiſchen Monarchianern ward von den 
Lehrern der ge Kirche gleihmäßig zurück⸗ 
gewiefen; bie erweitersen bie Kluft zwiſchen 
dem er und Sohne über bie Maßen, bei den 
anderen war das Jneinanderfallen von Pater und 
Sohn zu men. Im Anſchluß an die Tauf: 
formel (Matth.28) bildete ſich das trinitarifche 


400 


Jeſus Chriftus 


Dogma der Kirchenlehre aus, um ein reales Sein 
Gottes in Chrifto mit Unterfcheibung ber verfchie: 
denen Subjecte zu denken, denn offenbar mußte 
das Göttliche in Ehrifto ein Perfönliches fein. 
Rothe (vier Borträge, Elberfeld 1866). 
Während man das fchmwierige og y g 
Arius’ Verſuch zu verwahren hatte, als fei das 
Göttliche in Ehrifto nur die vornehmfte, vor der 
Welt und zum Zweck der Weltſchöp chaffene 
Creatur geweſen, während der durch Neftorius 
angefachte Zweinaturenftreit und danach ber Streit, 
ob ein Wille und eine Wirkſamkeit ober zmei 
Willen und zwei Wirkfamfeiten oder aud mehr 
in ge anzufegen ſeien (Monotheleten: 
ftreit), die Geifter in der morgenlänbifchen Kirche 
lebendig erhielten, — doch manche Theologen, 
wie Euſebius, der Vater der Kirchengeſchichte, und 
ſchon vor ihm Clemens von Alexandrien und Dri- 
enes, nad) ihm H us —— eſchichtliche 
Erfheinung wieder beftimmter ind e gefaßt, 
bie einzelnen Daten aus bem Leben C il, jein 
Geburtsjahrund Geburtätag, fernen Todedtag und 
Todesjahr zu figiren geſucht: namentlich) Eufebius 
arbeitete eine Zufammenftellung ber parallelen 
eg in den Evangelien aus. Das 
Bild Chrifti in feiner vollen Menfchlichkeit und 
chichtlichkeit lebte in den Gemeinden, melde 
ellenden Züge auch durch die apokryphi— 
ſchen Evangelien mithineingetragen wurben, 
wie ſehr auch der Streit der Theologen, Biſchöfe 
und Mönche das Auge von ber vollen Lebens: 
geftalt abzog. Es konnten ja die Prediger, wie 
. B. Chryjoftomus in den Auslegungen der 
Goangein ar nicht anders ge gehen, als 
daß fie mit Hintenanftellung abjtracten Lehr: 
ormeln die Tugenden Jeſu Ehrifti, feine Liebe, 
eine Menfchenfreunblichkeit, —* Hingebung in 
Tod mit eindringlichen Worten ſchilderten. 
Lyrik und Drama verſuchten ſich ſchon an der 
Wiedergabe der wahrhaft menſchlichen Geſchichte 
Chriſti (Clemens von Alexandrien, Gregor von 
azianz). Und das gilt noch vielmehr von dem 
abenbländifchen Chriſtenthum, das von Anbeginn 
an die praktiſchen, religiöſen Motive in den Vorder⸗ 
nd ftellte. Ein großartiges Geſammtbild von 
Ir gottmenfhlihen Herruchleit des Erlöſers, 
durch bie er alle Gemüther auf der Erbe in feine 
heiligen Kreife zieht, geht auch durch bie 
der großen Lehrer des abendlãndiſchen Mittelalters 
indurch, ja beftimmt die ganze Bildung ber Böl: 
erfamilie Europas. Man braugt nur an die Völler⸗ 
wanderung und bie Annahme bes Arianiſchen 
Chriſtenthums, an den Sieg der —— 
römiſchen Form bei den Franken und den Angel: 
jesien, an die Wirffamteit des Bonifacius und 
nstkats im Herzen und im Norden Europa’s, an 
das Eindringen griechifcher Senblinge bei den 
Slaven und ben ganzen großen Siegeözug ber 
Mifftion an den Ufern der Oſtſee zu erinnern, an 
den on mare Riefentampf, den Papft und Kaiſer 
um bie Vorherrfchaft über d.e Welt, Chri it 
und Islam um ben Befig ber Ken tätten 
tämpften, und man erlennt ſogleich, wie bie Völler⸗ 
und Staatengeſchichte von den Ideen des Chriſten⸗ 
thums beherrſcht und geleitet war, Die Kirche 
ab den Ton an, als die Berwalterin aller Ona- 
In im — und 33* * 
und ihre Heiligen zwi e 
und % einzelne Seele des Gläubigen. Das ift. 





Jeſus Chriftus 401 Jeſus Chriftus 


unleugbar die Urfache entfeglihen Aberglaubens 
und Unglaubens gewejen (Dorner, Geſch. der prot. 
Theol., Nünden 1867). Indeß es gab doch immer 
Geifter, wie fie namentlid die germaniſche 
Myſtit erzog, die fi den unmittelbaren Berkehr 
und Umgang mit dem Heiland nicht rauben lafjen 
wollten, und wenn fie das Bild Chrifti in ſich ein: 
uprägen verfuchten, nicht ſowohl auf dem Wege 
einer Gottheit, fondern mehr noch auf dem Wege 
feiner Menjchheit, feines armen Lebens ihm nad): 
wandelten. Die Paifionsfpiele führten das auch 
dem Bolle in jeiner Sprade vor. Konnten große 
fittliche Aufgaben des Chriſtenthums bei ſolchem 
moftiichen Sichinſichſelbſtverſenlen zu kurz kom: 
men, war überhaupt das Mittelalter nicht gerade 
bloß — aus, das natürliche Leben durch die 
Geifteöherrichaft zu weihen und zu verflären; jo 
ift Doch jelbft im weltflüchtigen Mönchthum ein 
fittliher Heroismus und ein wiſſenſchaftlicher Geift 
entwidelt, der Staunen erregt, und der Francis— 
caner Bonaventura u. A. haben in dem „Leben 
Chrifti“ manche tief klingende Seite angeſchlagen. 
Der auch myſtiſch angewehte Gerſon ſuchte nach 
einer Concordanz zwiſchen den abweichenden Be: 
richten der Evangelien. Man ftellte fich zumeilen 
freier zu dem Buchſtaben der Schrift, weil man 
innerhalb der damaligen Bildungsitufe eine Fort: 
entwiclung des urjprünglicden Chriſtenthums in 
dem Sinne behauptete, daß die heilige Mutter, die 
Kirche, in ihren Ueberlieferungen aud) geoffenbarte 
Wahtheiten bewahre uud darbiete. E3 gab daneben 
eine Kunſt des Dentens in der Scholaſtik, die 
nicht mehr wie die griechifche und römiſche Philo— 
jophie an der Natur und am fittlihden Menſchen⸗ 
wejenund am Staat ſich verſuchte, jondern jelbit die 
öchſten Geheimnifje des Glaubens, Gottheit und 

enſchheit, ihre Einheit und ihre Differenz mit 
ihren Begriffen wafjerhell und klar darzujtellen 
wußte, dabei aud) öfters fich zur gehorfamen Magd 
für die Rechefertigung aller kirchlichen Sacra— 
ments: und Heiligenherrlichleit bergab. — Da 
nun bedurfte es eines kühnen Schnittes in das 
faule Fleiſch der alten Kirchenentwidlung. Mit 
einem aus den Duellen urfriſch emporgetauchten 
Ehriftusbild im Herzen konnten Luther und die 
anderen Reformatoren die längft erjehnte und 
durch die Nationen und Fürften angebahnte neue 
Stufe des Chriftenthums hervorrufen. Aus dem 
allerperjönlichiten Berhältniß zu Chrifto ift dieje 
neue Bewegung geboren, deren religiöfe Natur 
und Energie noch keineswegs erfchöpft if. Der 
Broteftantismus hat Deutichland in Nord und 
Süd regenerirt, die Generaljtaaten mit ihrer 
Seemacht gegründet, die Pilgerväter haben durch 
ihren Glauben in Nordamerifa für neue Ent: 
wicllungen freien kirchlichen Lebens den Grund 
gelegt, Guſtav Adolph, der große Kurfürft, die 
m die Weite greifende Miffion der Erin Tor 
das neuerwadte Bewußtjein, daß das driftliche 
Kreuz auf dem ganzen Erdboden triumphiren ſoll, 
die Union Friedrich Wilhelms ILL, find doch 
wohl Beweiſe, dab das Evangelium aud in der 
Reuzeit eine gefhichtbildende, fittigende Kraft aus: 
übt. Gerade der Rüdgang zu den Quellen ber 
evangelifhen Geſchichte ift Vet Luthers Zeiten jo 
kräftig unternommen, daß nad) dem Grunbjag: 
„Alles iſt euer, ihr aber jeid Chrifti”, auch bie fen 


Kirche und ſocialer Gejellichaft immer wieder ge: 
hoben werden fann, wo nur die Schuld beider 
Seiten nafe a und gebefiert, wo nur das 

































naturgemäße göttliche Hecht jeder Partei einge: 
räumt wird. ES war auch unleugbar nicht Im 
Sinne Zuthers, daß feine Glaubenägenoffen in ber 
Folgezeit bei der Zufammenftellung der Evange: 
lien jo ängftlic zu Werte gingen, daß 3.8. Ofian- 
der in ber Evangelienharmonie (1537) nicht weni— 

er als neun Ser Petri herausbrachte. 

ährend Scaliger (1583) und Kepler (1606), 
Petavius (1627) und Uſſer (1654) ſich eifrigſt 
um die richtige Chronologie des Lebens Jeſu = 
mühten, forjchten Andere, wie Calirt und Gro: 
tius, nad) dem richtigen Berftändniß der einzel⸗ 
nen Thatjachen. it dem Pietismus ermadhte 
nad) ber lutheriſchen Scholaftif wieder ein wärmes 
ces Intereſſe an ber eriten Liebe der apoftolifchen 
Chriſtenheit. Zu gleicher Zeit ——— der 
nackteſte Unglaube der engliſchen Freethinker und 
der frangöfiiigen Encyllopädiften bis zu dem Wols 
fenbüttler Sragmentiften Reimarus hin jo weit, 
die heilige Gejhichte als ein Werk des gröbften 
Betruges und Ihmählicher Unmwiffenheit zu brand: 
marfen. Klopftods hoher Kothurn, Lefjings ſchar⸗ 
fes Mefjer, Kants kategorifcher Jmperativ began— 
nen die Sache in befiere Bahnen zu leiten. Heß, 
Hamann, Zavater, Herderführtennod tiefer hinein. 

Die Rationaliften waren mit Baulus, 
Röhr u. A. bei der „Accommodation Ehrifti” und 
„der natürlichen Erklärung feiner Wunder“ ange: 
langt. Da gab Schleiermader, der große 
Zeuge für die Urſprünglichkeit des religiöfen Sin: 
nes, in feiner Schrift über Lukas (1817) und in 
feinen Vorlefungen über das Leben Jeju (heraus⸗ 
gegeben Berlin 1864) Andeutungen, daß es doch 
eine gejunde Mitte zwijchen der Hyperkritik und 
ber Unkritik, zwijchen dem Nationalismus und 
bem einjeitigen Supranaturalismus ber Ortho- 
borie geben müfje. Das von Bretichneider’s Pro: 
babilien fonderlich angegriffene Evangelium So: 
—* nahm er beſonders in Schutz, wie ſeine 

reunde Lücke und de Wette. In der Meinung, 
wie Wolf den Homer, jo die Evangelien mit „vor: 
ausjegungslojer Kritik” zerfegen zu können, jchrieb 
der Tübinger Repetent David Strauß fein Les 
ben Jeju (1835), verhoffend, aus den mythifchen 
Gebilden der urchriſtlichen Phantafie wenigitens 
„die Idee“ retten zu können. Drei Hefte „Streit: 
ſchriften“, „friedliche Blätter“, „das Leben Jeſu 
für das deutſche Bolt” (ohne Anlehen bei dem 
————— 1864, „der Chriſtus des Glau⸗ 
bens und der Jeſus der Geſchichte“ (gegen Schleier: 
macder), „die Halben und die Ganzen” (gegen 
Scentel und Hengftenberg) find die mehr oder 
minder bedeutenden Schriftjtüde, in welchen der 
dem Glauben abgewandte Sinn einiger deutfcher 
Philoſophen ſich ſpiegelt. K. Haſe, das Leben 
Jeſu (Leipzig 1829, 5. Aufl. 1865), orientirt am 
beiten iiber die Literaturfluth, die fich jeit einem 
Menjdenalter über den Gegenftand verbreitet hat. 
Was Neander, Bleek, Ullmann, Weiße, 
Ebrard, Zange ſchon ehedem gegen den mythi— 
ſchen Radicalismus aufitellten, hat theilweife feine 
—— behalten, auch ſeitdem durch Baur's 
Literarkritil über Johannes (1844) das Auge von 
den Thatſachen, die Anſtoß erregten, wieder auf 
die Quellenberichte gelenkt iſt. Dak über biejer 


weiſe Berfeindung zwiſchen Religion und Wiſſen⸗ 
regelrechten Behandlung, die ja a vor dem 


ſchaft, zwiſchen Goltesdienſt und Kunft, zwiſchen 


Jeſus⸗Chriſtus⸗Orden 


ae der Kritik keineswegs Stand haltenben 
gebniffe Baur's — verdienſtvoll zu 
nennen war, die letzte * wirklich künſtleri⸗ 
Kin Darftellung und der Berwerthung alles ein: 
lagenden area fü Materiald nicht vergeffen 
werden bürfe, ift Ewald (1855) und Renan 
eg zum Lobe nachzuſagen. Sonft freilid) liegt 
ei jenem hinter glängendem Schmud man weiß 
nicht welche Aufklärung über die wirflihen Bor: 
änge, diefer aber jpricht, jo edel er den Helden 
Feines Romans darzuftellen jucht, jchließlich Doch 
nadt aus, daß man im Drient das Lügen nidt 
lafien kann und Chrifti Yeben mit dem letzten 
Seufzer zu Ende ift. Schentel (1864) proteftirte 
baher aud) kn gegen die Zujanımenftellung 
mit dem franzöſiſchen Katholiken; er war ſich viel: 
mehr bewußt, auf Holgmann’s Kritif der fy: 
noptijchen Evangelien (1863) fein Gebäude errich: 
tet zu haben. gl. Zeitichr. für Brot. und Kirche, 
Erlangen 1864, Aug. b- 81 ff. (Hofmann über 
Renan, Strauß, Schenkel). J. J. Dofterzee, 
das Bild Chrijti nad) der Schrift, Hamburg 1864; 
Bunjen, Jeſus von Nazareth (im Bibelwerf); 
Steinmeyer, die Wunderthaten des Herrn 
(1866), die Leidensgejhicdhte (1867); E. Weiz: 
äder, Trier m über die evangeliſche Ge: 
chichte (1864), Keim, der eihichtlide Ehriftus 
(1865); Jeſus von Nazara (Zürich 1867). Ed. de 
Pressense, Jesus- Christ, son temps, sa 
vie, son oeuvre (1865); Eccehomo, a sur- 
vey of the life and work of Jesus Christ, 
Lond. 1865; Ecce Deus, Essays on the life 
and doctrine of Jesus Christ. With contro- 
versial notes on Ecce homo, Edinburgh 1867. 
Evangelische Alliantie. Tweede gedeelte. Dr. 
erzog, der kritifche Geift in der —— Rev. 
irf3, Skepticism and Theology. Dr. Rig: 
enbad, Ueberblid ber Peng jeogen das Leben 
Sefu betreffend. Dr. Binte, Waarop steunt het 
gezag van geloofsregel, dat aan de Schriften 
es N, T. voor altijd toekomt, in de Christe- 
lijke kerk? Dr. Keeve, die menjchlich-fittliche 
Entwidlung Jeſu Chrifti, Rotterdam 1867. 

Jeſus⸗Chriſtus⸗Orden. Derjelbe wurde von 
Dionys von — in Uebereinſtimmung mit 
Papſt Johann XXII. 1317 geſtiftet aus den Rit- 
tern bes aufgehobenen Templerordens und aud 
mit deſſen Gütern botirt; er empfing die Regel 
der Benedictiner, vermehrt durch ——* 
Satzungen. Seit 1789 iſt der Orden ſäculariſirt 
und ward von Portugal in drei, vom Papſte in 
einer Claſſe vergeben. — 2) Ein in Spanien 1216 
durch Dominicus geſtifteter geiſtlicher Ritterorden, 
der ſpäter mit der Congregation des h. Petrus, 
des Märtyrers, verſchmolzen iſt. 

Jeſus⸗Kind, Congregation der Töchter vom. 
So heißt eine Möfterlihe Genoſſenſchaft, welde 
1673 von Anna Moroni aus Lucca in Rom be: 
gründet wurde. Die Schweitern befhäftigen ſich 
mit dem unentgeltlichen Unterrihte armer Mäd» 
Shen. Ordenskleidung ift ein braunes Kleid mit 
weißer Be 

Jeſus⸗Maxria⸗Orden. Die Mijfionäprieiter der 
Congregation Jefus und Maria (Eubiften, ſ. d. A.), 
wurden 1643 von Jean Eubes geftiftet zur Erzie⸗ 
—* von Geiſtlichen und zur Abhaltung von 

i 


ionen. 
ns Sirach, eine Sammlung von Sprüchen 
in der Art ber falomonifchen, voll geſunder Lebens» 


402 


Iglauer Compactaten 


anfichten, bie in einer faßlichen und leichtverftänd« 
lien, auf die Jugend berechneten Weije ausge⸗ 
—— ſind. Die Ermahnung zur Gottesfurcht 
und Weisheit bilden den Inhalt des Buches. Der 
Verfaſſer war ein Jude in Jeruſalem, der fein 
Buch hebräiſch ſchrieb; fein gleichnamiger Entel 
überſetzte es in Aegypten ins Griechiſche und gab 
es heraus um 235 v. Chr. Bgl. Frigiche, die Weid« 
heit Jejus Sirachs, 1860. 
la. Stadt in Dan. Joſ. 49, 42. 
ethro. Jeter, 2. Mof. 4, 18; Jithro, ber prie: 
fterlide Nomabenfürft (Emir), bei dem Mofes Zu: 
flucht fand; und von dem er jpäter (2. Moj. 18) 
mit gutem Rathe unterftügt wurde. Da als 
Schwiegervater des Mojes (2. Mof. 2, 18) Requel 
enannt wird (3, 1), aber a (und Chobab 4. 
of. 10, 29) als Schwager auftritt, fo ift vieleicht 
auch Jethro der Sohn Reguels, der Bruder Cho: 
babs oder wie Manche meinen, eine Berjon mit 
ihm und Schwager Mofis geweſen. Er ericheint 
als eine bebeutende und einflußreiche Perfönlid: 
feit. Nach ihm führt eine Bergſchlucht des Sinai 
nod den Namen bes Jethrothales. 
tur, ein Sohn Ismaels (1. Mof. 25, 15; 
1, Chr. 1, 31), der Stammvater ber Jturäer. 

Jetzer, Johann, ein Schneidergejelle aus Zur: 

—— Laienbruder im Dominicanerkloſter in 

Seine Leichtgläubigkeit wollten feine Dr- 
densoberen benugen, um in dem Streite mit den 
Franciscanern über die Empfängnik der Maris 
einen Triumph zu gewinnen (1507). Sie erfchienen 
ihm bald als Maria, bald als Heilige und eröffneten 
ihm, daß Maria in der Erbjüinde empfangen fei. 
Als ihm aber die Wundenmaale eingedrüdt wur: 
den, um damit die Wirklichleit der Viſionen vor 
dem Volke zu beglaubigen, verrieth er in Einfalt 
ben B an die Obrigfeit. Der Vorfall diente 
dazu, dad Mönchsweſen noch mehr um die Achtung 
zu bringen. 

Jewel, John, Biſchof von Salt@bury. Geb. 
ben 28. Mai 1522 zu Buden in Devonfhire, er 
warb er fi 1585—44 in Drforb eine ausgebrei- 
tete Gelehrſamkeit. Die Resten deen, 
welche er aus Luthers Schriften aufgenommen, 
befeitigten fih duch die Borlefungen des Peter 
Martyr jeit 1549. Nach mehrfachen Wechſel fer 
ner kirchlichen Gefinnung und nad) einem Aufent: 
halt in Frankfurt, Straßburg, Zürich eilte er 1568 
nah England zurüd und wurde, als Elijabeth die 
te Ordnung Eduards wiederheritellte, zum 
Biihof von Salisbury ernannt 1560. Seine an: 
fänglihen Bedenken gegen Chorherren und Ritus 
gingen allmählich in beftimmte Woriiebe über. 

eine Liebe zur Reformation ruhte auf der Ueber: 
zeugung, ei diefelbe nur die Rücklehr zu der 
alten Kirche, die katholiſche eine Neuerung 
deßhalb unberechtigt. Diefen Gedanten hat er in 
feinen Streitſchriften mit den Katholiken Cole und 
Harding immer —*7 und in feinem be 
rühmten Hauptwerfe Apologia eccl. anglicana® 
ausführlid erörtert, + 1571. 

us ©. Iſebel. 

gel. Diefes Thier ift in Paläſtina häufig. Da 
es öde und wüjte Gegenden liebt, jo ift Die Angabe 
ser Borlommens eine Beftätigung der Bermis 
tung, Jeſ. 34, 11. 

Itzlauer Compattaten werben auch die Bajeler 
E. genannt, fofern fie für Mähren ebenfalls gül- 
tig in Iglau proclamirt wurden, als durch 


fei und 


Ignatius 


Iglauer Vergleich 1436 Kaiſer Sigismund König 
wurde. 

Ignatius, Biſchof von Antiochien. Die ver: 
ſchiedenen Sagen und Märtyreracten theilen 
über ihn mit, daß er unter Trajan Biſchof zu 
Antiochien in Syrien geweſen und als Chriſt zum 
Tode durch wilde Thiere verurtheilt, nach Rom 

eſchafft und dort im Circus zerriſſen worden 
Auf der Reiſe dahin ſollen ſeine Briefe ge— 
chrieben ſein. Von den 15 Briefen unter ſei— 
nem Namen find die 3 nur lateiniſch vorhandenen 
fowie 5 andere, die aud) in griechiicher und arme: 
niſcher Ueberjegung vorliegen, als unecht allge: 
mein anerfannt. Ueber die anderen 7 ad Magne- 
sios, ad Trallianos, ad Philadelphenses, ad 
Smyrnacos, ad Ephesios, ad Rumanos, ad Poly- 
carpum ſchweben noch die Berhandlungen. zur 
Briefe find vorhanden in einer längeren griedi: 
hen Recenfion, welche jet als unecht und inter: 
polirt gilt (Rothe, Anfänge ıc. gegen Meier), in 
einer kurzen griechiſchen und einer noch abgefürz: 
teren fyrifchen Ueber hung (juerft herausgegeben 
von Cureton 1845—47); alle 8 Recenfionen ver: 
leihend Bunfen (die Briefe des Jgnatius, 1847). 

ie legtere hält Lipſius, die erftere Uhlhorn für 
bie urjprüngliche. Die Frage nad) ihrer Authen: 
tieitfit ift von Belang für Die Entwicklungsgeſchichte 
ber alten Kirche, weil in ihnen der Biſchof ſchon 
als Haupt der Gemeinde und Stellvertreter Chrifti 
unterſchieden von den Preöbytern erfcheint, zwar 
noch >. in einer Art wie jpäter bei Jrenäus, 
aber body jo, daß ſich deſſen Stellung wejentlich 
von ber im Hermas und Clemens Romanus ge: 
zeichneten unterſcheidet. Baur, Hilgenfeld u. x. 
melde auch in dogmatiſcher Beziehung Anklänge 
an ben Gnofticiömus entdedten, wollen daher die 
Abfafſungszeit in eine jpätere Periode legen, wäh: 
rend Andere aus der Polemik der Briefe umge: 
tehrt ſchließen, daß fie älter fein müßten, als die 
Entwidlung des Gnofticiömus und daher wohl 
um 108 hi chrieben fein könnten. 

Ignatius, Patriarch von Conſtantinopel. Geb. 
790 oder 7%. Leo der Armenier ließ ihn, da er 
der Sohn bes Kaiferd Michael war, entmannen 
und ins Klofter jperren. Er ftieg durch die geift: 
yore Grade bis zur Würde des Patriarchen 847, 
erbitterte aber durch offenen Tadel der Lafters 
baftigfeit des Hofes Michael III. und wurde fei- 
ner Stelle beraubt und Photius 858 an feine 
Stelle gefegt. Weil hierdurch in Conjtantinopel 
ein Schisma entjtand, ging Michael den Pavft 
Nilolaus I. um feine Vermittlung an. Obgleich 
861 die päpftlichen Legaten fich für Photius er: 
Härt hatten, ſprach ſich Nikolaus auf dem Coneil 
u Rom 863 für %. aus und drohte mit bem 

anne. Daher das Schisma (j. Photius). Nach 
der Ermordung Michaels durch Baſilius Macedo 
und der Abjegung des Photius erhielt I. das 
zn wieder. In Bezug auf Rom und bie 

nfprücde auf die YBulgarei, befolgte er die 
Grundfäge des Photius und gerieth deßhalb eben: 
ig * einen lebhaften Streit mit Hadrian II. 


Ipnatius von Loyola. S. d. A. Jefuiten. Bol. 
Genelli, Leben des h. Jgnatius v. £., 1847. 

Ignis purgatorius, ©. Fegfeuer. 

Innorantind, Ignorantenbrüder. Diefe Con: 
regation der priftlichen Schulen ftiftete 1724 ber 
—* Baptiſte de la Salle zum unentgeltlichen 


403 


Nlatio 


Unterricht der Jugend in einer ftreng katholiſch⸗ 
firhlihen Richtung. Die Stiftung ift ihrem Geifte 
nad dem Sefuitenorden verwandt, von bemjelben 
auch ſtets begünftigt und vertrat ihn nad) der Ver; 
treibung desjelben 1764 aus Frankreich. Die 
— Revolution unterbrach die ausgedehnte 
Wirkſamkeit der J. in Frankreich, fie begaben fi 
nad) Italien, bis Napoleon 1806 fie zurückberief. 
Seitdem haben mande Begünftigungen der Res 
gierungen den Orden in zen mwieber zur 
Blüthe gebradht. Auch in Deutichland hat er hie 
und da an Schulen Verwendung gefudt. 

Igumen ift der Titel des Vorftehers, des Abts, 

riechiſchen Mönchsklöſtern. 

isſsta (1. Moſ. 11, 29) wird von den Rabbinen 
für Sarai gehalten, entgegen 1. Moſ. 20, 12; —* 
wird man glauben, daß ſie Lots Weib geweſen ſei. 

Jiar, der zweite auf den Nifan folgende Monat 
des ijraelitifchen Jahres, entiprechend dem Mai. 

Ilonium, eine volkreiche Stadt in Kieinafien 
am Fuße des Taurus, Die hriftlihe Gemeinde 
wurde von Paulus jelbft begründet (Apftg. 14, 
1.19; 16, 2; 2. Tim. 3, 11). Nach ber Legende 
war %. ber Geburtäort der h. Thefla, die bort von 
dem Apoſtel befehrt wurde. Berühmt ift 3. in 
den Kreuzzügen ald Sig des Sultans der Geld» 
ſchuken geworden. Es zählt jet 30,000 Einw. 
Yonoflaflen Bilderftürmer. S. Bilder: 
treit. 

fonoftad = Bilderwand (f. d. A.). 

lanz, eine der rhätifche:r Bundesſtädte. Der 
auf dem Tage zu %. 1524 erlaffene Artifelbrief 
ſchaffte die ärgften firchlichen Uebelftände ab und 
bereitete bie Reformation vor. Auf dem Religions» 
ee zu Slan; 1526 vertheidigte Komander 
mit Erfolg ſich gegen die Antlagen des Biſchofs 
von Chur durch den Abt Schlegel und errang bie 
Freiheit der —X Predigt. 

Ildefonſus, Erzbiſchof von Toledo, wurde dort 
607 aus vornehmem Geſchlecht geboren, ward 
Mönd im Kloſter Agli, Abt daſelbſt und 658 zum 
Bischof gewählt. Die Nachrichten über ihn gab 
fein Nachfolger mg (680—90) ber: 
aus, der vita Ildefonsi Toletani ſchrieb, als Fort: 
fegung einer Schrift bes I. de viris illustribus. 
Bon J. vielen Schriften, die nicht alle vollendet 
wurben, find übrig — außer ber erwahn⸗ 
ten: De illibata b. Virg. virginitate; de cugni- 
tione baptismi und Briefe. Die Adoptianer 
beriefen * öfter auf ihn als Vertreter ihrer 
Anſicht. 

Ilgen, Karl David, geb. im Dorfe Sehna bei 
—— 1763, der Sohn eines Lehrers. Er 
bezog 1783 die Univerfität Leipzig und ftubirte 
Theologie und Philologie, bejonderd auch orien: 
talifche Sprachen. 1759 —94 Rector zu Naum: 
burg, ward er als a. o. Profeſſor der orientalis 
ſchen Spraden (1799 Brofefior der Theol.) nad 
Jena berufen, welches er 1801 verließ, um das 
Rectorat zu Schulpforta zu übernehmen, 1831 

enfionirt. + 1834. Abgefehen von den großen 

Der ienjten Jlgens als Schulmann, ift feine 
Schrift über die Urkunden des jerufalemijchen 
Tempelardivs 1789 für die — —— über 
das U. T. von Bedeutung geweſen. Außerdem 
ift zu nennen: Jobi antiquissimi carminis Hebr. 
natura atque virtutes, 1789. 

Dllatio, ift in der Mefje na alten Ritualen 
der Ausdrud für praefatio., — 


in 


— 
— 


Illgen 404 Impostoribus, de tribus 


Algen, Ehriftian Friedrich. Geb. den 16. Sept. | liche Verſicherung des Glaubens an bie unbefledte 
1786 zu Ehemnig, ſtudirte er zu Xeipzig, ward | Empfängniß der Jungfrau Maria. In dem heitigen 
dort 1818 a. o. Prof, der Phil. 1825 o. Brof. der | Streit der Dominicaner und Franciscaner, zu be: 
Theologie, gründete 1817 die hiftorifch = theologi- | nen ſich nachmals die’ Jejuiten ftellten, über die 
ſche Geſellſchaft und redigirte ſeit 1822 die Zeit: | Lehre von dev unbejledten Empfängnik Mariae, 
ſchrift für —— Theologie. + 1844. forderte die Sorbonne von allen ihren Gliedern, 

Yunminaten, Erleuchtete. Diejen Geheimorden | und als Bedingung der Zulaffung zu einem alade— 
ftiftete 1761 der Profefjor Adam Weishaupt zu | mifhen Grade die eidliche Berficherung, die Lehre 
Ingolſtadt. Der ihm zu Grunde liegende Gedante | feithalten und nad Kräften vertheidigen zu wollen. 
war, die Ergebniffe der religiöjen und politifhen | Die Jefuiten dehnten diejen Eid noch weiter aus. 
Aufklärung in Leben umzufegen. Die Art und) Immanenz Gottes ift die philoſophiſche An: 
Weife, wie dies gefchehen follte, entlehnte W. von | ſchauung, daß Gott nicht außerhalb der Welt ald 
den Jejuiten, welchen er früher angehört hatte, | freies perjönliches Wejen derjelben gegenüber (ald 
und von den Freimaurern, von deren Tendenzen | tranfcendent) eriftire, fondern als gleihjam in der 
er fi) berührt fühlte. Das Ziel der Jlluminaten | Welt fetend, weil ohne die Welt nicht denkbar, 
war demnad) eine Religion der Vernunft, und eine | als die höchfte Einheit der Welt jelbit. 
republicanifhe Verfaſſung. Dies jollte erreiht| Immaterialität ift eine Eigenſchaft Gottes und 
werben Durch den perjönlichen Einfluß auf die Xen: | der menſchlichen Seele. Die Jmmaterialität Got» 
ter der Staatdangelegenheiten; Daher ging das |tes bedeutet jo viel als: Gott bildet den abjoluten 
Streben wie beim Jejuitenorden dahin, jede ein: | Gegenjag zur Materie, er ift einfach, nicht zuſam⸗ 
flußreiche Stelle in Kirche und Staat mit Verbin: | mengejegt wie diefe, er ift frei von den Bejtimmt: 
dungägliedern zu bejegen, welche durch das Gelübde | heiten ber Materie, d. 5. von den Schranten bes 
des ſtrengſten Öehorjams an die Drdensobern ge: | Raumes und der Zeit. Sie ift Die Grundlage ber 
bunden und um jo fügfamere Werkzeuge waren, | Eigenfhaften der Emigfeit, Allgegenwart und 
als jie die legten Ziele des Ordens nicht fannten. | Unveränderlichkeit. Ebenſo jhließt die Imma— 
Sin der Enthüllung derjelben war der Orden jehr | terialität der Seele ihre jchlehthinige Einfachheit 
vorfichtig und lieh fie nur unter manderlei Bor: |ein; fie fordert darum zwar nicht die abfolute Er: 
fihtsmaßregeln ftattfinden. An der Spike ftand | habenheit der Seele über Raum und Zeit, weil 
neben Weishaupt der Freiherr von Knigge, unter | die Seele den Leib ald nothiwendiges Organ ihres 
feinen Mitgliedern fanden fich berühmte Namen. | Lebens braucht, fie ſchließt aud nicht ihre Ent— 
Den größten Umfang gewann der Bereinin Bayern. wicklungsfähigkeit aus, allein fie ſchließt ihre Un: 
Innere Zwiſtigkeiten ließen bie republicanijchen, |gerftörbarfeit ein und bient daher zum Beweiſe 
auf den Umſturz bed Beſtehenden gerichteten Ten: | ihrer Unfterblichkeit. 
dengen verlautbaren. Das Miftrauen wurde mah,]| Immunität tft die freiheit ber Geiftlihen und 
und 1784 hob Karl Theodor den Orden für Bayern | Kirchendiener von Abgaben gegen den Staat und 
auf, und als die Drdenspapiere entdeckt wurden, |von perjönlichen Yeiftungen. Diefe Immunität, 
ſchritt man mit bürgerlihen Strafen, Gefängniß | welche in Rom die heidnijchen Prieſter bejaßen, 
und Verbannung gegen die Mitglieder ein. Auf | wurde durch das römische Reich auf die chriſtlichen 
Weishaupt Kopf wurde ein Preis gejegt. E: |übertragen, uud während des Mittelalters jehr 
floh nad Gotha unter den Schuß des Herzogs. | auögedehnt. Die Neuzeit hat die Steuerbefreiung 
7 1830. Ein verjchärftes bayerifhes Edict von | fast überall aufgehoben und nur die Freiheit von 
1785 beftätigte die bleibende Auflöjung des Or: | manden perfönlihen Leiſtungen, Gemeindedien- 
dens. Denjelben Namen führt die myſtiſch ſchwär- |ften, Vorſpann, Einquartierung ꝛc. beibehalten. 
merifhe Partei der Mumbrados in Spanien | Die römiſche Kirche behandelt grundſätzlich die 
1575, welde ſich göttlider Erleuchtung rühmte Beſchränkung der Jmmunität ber Geiftlihen noch 
und eine jolde Vereinigung des Menjhen mit | immer als Frevel, wo nicht die Macht fie zur Nach— 
Gott lehrte, dab die menjhlihen Handlungen giebigkeit gezwungen hat. 
geradezu göttliche würben. Bon der ira Impanatio heißt die Doctrin von der Gegen: 
bart verfolgt, flohen fie nad Frankreich. wart Ghrifti im Abendmahl, welche lehrt, das 

Illuminatio. ©. Erleuchtung. Wort werde dur die Gonfecration ebenfo mit 

Illyrium, urjprünglich das Küftenland öftlich | dem Brod und Wein verbunden, wie bei ber 
vom Adriatiichen Meere, war eine römijche Pro: | Menſchwerdung mit Fleiſch und Blut (incarnatio). 
vinz und wurde in Liburnia, Japydia und Dal: | Zuerjt lehrte jo Rupreht von Deug (1115) und 
matia eingetheilt. Später ift eö der Gefammt: Alger von Lüttich (1131), au Johann von Paris 
name ber öftlihen Länder des römijchen Reiches. |(+ 1306) zeigte fich ihr geneigt. Da fie aber die 
Der Name verjhwand in der Völferwanderung, | SchmierigteitenberZranslubftantiationslehee nicht 
als das Land von Hunnen, Gothen, Longobarden | vermindert und weniger einfach ift, hat fie feinen 
und Avaren nad einander bejegt wurde. Im | Boden gewonnen. Katholiten wie Bellarmin u. A. 
N.T. wird es als die Grenze der Pauliniſchen | jchrieben irriger Weife die Lehre der Jmpanation 
Miffionsreifen (Röm. 15, 19) genannt. Zuther ji 

Imam it der Vorjteher und Vorbeter der mu: | Impluvium heißt öfters der Kirchhof, ald ber 
bammedanifchen Gemeinde, aud ein berühmter | das Kirchengebäude umſchließende Pla. 
were Lehrer. Das Jmamat oder Chaliphat | Impostoribus, de tribus, von den drei Be— 
ift die Vorſteherſchaft über die ganze Gemeinſchaft, |trügern, ijt der Titel eines Wertes, weldes die 
welches bei einigen Secten re eine Gemeinjchaft |Neligionäftifter Moſes, Chriftus, Muhammed, 
mit göttlihem Weſen begründet wird, als erblich |alS drei Betrüger der Menſchheit gefchildert hat. 
bei der Familie Muhammeds. Erſchienen im Mittelalter, wurde die Autorſchaft 

Immaeulata conceptio. ©. ——— desſelben den verſchiedenſten Perſonen, die nit 

Immactulateneid iſt bei den Katholiten die eide päpſtlich gefinnt geweſen, zugeſchrieben, ohne daß 


Impotenz 


Jemand die Schrift gefehen hatte, noch ihren 
Inhalt näher fannte. Es wurde daher dieje my: 
thiſche Schrift mit anderen unter ähnlichem Titel, 
aber ganz jremden Inhalts, verwechſelt. Aud) 
machte ein Jnduftrieritter den Verſuch, die Schrift 
l’esprit de Spinoza unter diejem Titel zu verbrei: 
ten. Endlich hat fid) doch gezeigt, daß 1598 eine 
Schrift gedruckt ift, die älteren Urſprungs jein 
muß. Bon den zwei vorhandenen handſchriftlichen 
Recenfionen iſt die kürzere die ältere. Dies Buch 
fucht die ſog. natürliche Religion zu erörtern. 
Gott ift ihm ein undefinirbares und unbeftimm: 
bares Weſen, eine eigentliche Gottesverehrung jei 
ein Widerjprud, Offenbarung eine Unmöglichkeit, 
der Glaube an biejelbe berube auf der Glaubmwür: 
digfeit der Zeugen. Die Neligionsftifter hatten 
einen nuglojen Wahn als Wahrheit vorgetragen 
und feien daher Betrüger. Val. Rojentranz, der 
Zweifel am Glauben, 1830. 

Impotenz, die körperliche Unfähigkeit zur Er: 
füllung der ehelihen Pilicht, ift nach katholiſchem 
Kirchenrecht ein Ehehinderniß. 

mputation. ©. Zurechnung. 

ncantatio ift die Anrufung böſer Geiſter, um 
durch deren Hülfe etwas zu bewirfen; eine Art 
von Zauberei. 

—— iſt die Unfähigleit zu einem geiſt— 
lichen Amte ordinirt werden zu können; ſie iſt 
unbedingt bei Ungetauften und Frauen, im übri— 
gen aber durch die firchliche Geſetzgebung beſchrie— 
ben, welche die Vorjchriften des A. T. dabei vor 
Augen gehabt hat. 

Incarnatio, Menjhwerbung. ©. Jeſus Chri- 
ftus. 

Incenfation heift das Anzünden des Weih— 
rauchs und das Beräuchern mit bemjelben, wel: 
ches das römische Ritual bei feierlichen Meſſen, 
bei Broceifionen, Weihen u. j. w. vorjchreibt. Der 
Urfprung der Sitte verliert ſich in die apoſtoli— 
fchen Gonftitutionen, bat aber in der abendländi— 
{chen Kirche dennoch erſt im 9. Jahrhundert Ein: 
gang gefunden. 

Incest, d. h. Blutſchande (j. d. 2.). 

Inchofer, Melchior. In Ungarn 1584 geboren, 
trat er in den Nejuitenorden 1607 zu Rom und 
lehrte in Mejjina Theologie und Bhilofophie, 
ward 1636 nad Rom berufen, 1646 in das Col: 
legium zu Macerata verfegt. + 1648. Außer den 
Schriften B. M. V. epistolae und historia sacra 
latinitatis, die feine Leichtgläubigfeit beweifen, 
fchrieb er zur Bertheidigung des Jeſuitenordens 
gegen den Eonvertiten Schopp (Scioppius). Be: 
lannt ift jein Name aber dadurch geworden, daß 
er flir den —— einer gegen den Jeſuitenorden 
gerichteten Satyre: Lucii Comelii Europaei 
monarchia Solipsorum ad virum clarissimum 
Leonem Allatium, Venedig 1645, gehalten wurde, 
Jedoch hat Dudin bei Niceron nachgewieſen, daß 
biefelbe von dem Grafen Scotti aus Piacenza 
verfaßt tft, der 1616 in den Orden getreten war 
und unzufrieden denfelben 1645 wieder verlieh. 

In eoena domini, S. Nachtmahlsbulle. 

Incompatibilität der Beneficien ift der Grund: 
fa des Kirchenrechts, daß zwei oder mehrere Be: 
neficien in einer Hand nicht vereinigt jein dürfen. 
Die Jncompatibilität ift primi generis, d. b. mit 
der Annahme eines zweiten Beneficium ift das 
erſte jelbft verloren, 3. B. beim Pfarramt; ober 
secundi generis ratione retentionis, nad ber 


405 


Index librorum prohibitorum 


Annahme des zweiten bleibt die Möglichkeit auf 
dasfelbe zu verzichten, um das erfte zu behalten. 
Daß von diefem Grundſatze abgewichen ward, ift 
eine der Urſachen des Berjalls der Kirche und 
Grund vieler Befchwerden. 

Incorporation, Cinverleibung von Kirchen» 
pfründen. Um die Einkünfte der Kiöfter oder Stif- 
tungen zu vermehren, wurde ihnen häufig eine 
Pfründe in der Art dauernd übertragen, daf fie 
die Einkünfte derjelben bezogen und die damit 
verbundenen geiftlichen Verpflichtungen entweder 
durch ihre Mitglieder oder durch einen ftündigen 
Vicar verjehen ließen, I. quoad spiritualia et 
temporalia, oder es gingen nur die Revenüen auf 
die Corporation über, quoad temporalia, nad 
Abzug eines beſtimmten Antheils für den Amts: 
vicar, der dem Bifchof untergeordnet blieb. Das 
Tridentinum bat die Incorporation der Benefits 
cien verboten. 

Independenten oderCongregationaliſten. Durch 
Robert Bromne (ſ. d. Art.) und Robinſon bildete 
ſich unter den engliſchen Flüchtlingen in Holland 
die Ueberzeugung aus, daß jede einzelne Gemeinde, 
weil fie für ſich die Kirche Chrifti im Kleinen dar: 
jtelle, in ihren Neligionsangelegenheiten völlig un: 
abhängig fein müfje, nicht bloß vom Staate, fon: 
dern auch von den übrigen Gemeinden, d. h. der 
Kirche. Deßhalb habe fie das unbedingte Recht über 
Aufnahme und Ausfchliefung der Glieder und 
über die Beſetzung der Aemter. Die Verbindung 
mit andern Gemeinden jei eine durchaus freiwil⸗ 
lige, freundfchaftliche, aus der aber keinerlei Glau—⸗ 
benszwang abgeleitet werden dürfe. Da dieſe 
Grundſätze dem engliſchen Epiſtopalſyſtem und 
der königlichen Suprematie jo unbedingt wider: 
ſprachen, jo wurde die Congregation, ald man fie, 
welche 1616 durd) Henry Jacob nad) London ver: 
pflanzt war, 1640 en.bedte, vor Gericht pam 
doch nicht weiter verfolgt. In dem Kampfe 
gegen das Parlament und Karl I. gewann fie 
immer mehr Gunft und durch Grommell aud) 
Einfluß und Bedeutung (die ultrademokratiſche 
Partei der Levellers jchied fi von ihnen aus), 
jo daß dad Bedürfniß einer Verbindung der Ge: 
meinden fich geltend machte und die Parc 
lung in der Savoy 1658 eine Kirchenordnung und 
ein Glaubensbekenntniß entwarf für alle Gemein: 
den, ohne jedoch die Annahme zur Vflicht und zur 
Bedingung zu machen. Nach der Rejtauration der 
Stuart3 wurde auch gegen die Jndependenten bie 
Uniformitätsacte 1662 erwirkt und die Conven— 
tifelacte verbot ihre Zuſammenkünfte. Damals 
wanderten Biele nad) Amerifa aus und begrüns 
deten dort ein freies Kirchenweſen. Seit der Tole: 
ranzacte Wilhelms von Oranien 1689 hat ihre 
Zahl immer mehr zugenommen. Bei den kirchli— 
hen und chriftlihen Beitrebungen (innere und 
äußere Miffion ꝛc.) zeigen die Independentenge: 
meinden den regjten und nachhaltigſten Eifer. Der 
Independentismus ift ſchnurſtracks entgegengejegt 
jeder Hierarchie und jeder Theorie einer Staats: 
oder Landeskirche. 

Index librorum prohibitorum iſt das Ber: 
zeichniß verbotener Schriften der römischen Kirche. 
Sobald die Uebereinftimmung mit der Kirchenlehre 
für nothwendig zum Heile gehalten wurde, mußte 
es als Pflicht ericheinen, der Verbreitung ketzeri⸗ 
{her Meinung mitallen Mitteln entgegenzutreten, 
und das anwachjende Hierardenthum konnte nur 


Andictionen 


mit allem Eifer auf aleiche Weiſe fein Intereſſe 
wahruehmen. So verbot die Synode zu Karthago 
400 das Leſen heidnifher Bücher, die Synobe zu 
Elvira 813 bebrohte mit dem Anathema die Ber: 
breiter verrufener Bücher, und im Arianiſchen 
Streite ei man ſchon zu bem burcdhgreifenberen 
Mittel, die gegnerifhen Schriften einzufammeln 
und zu verbrennen. Es gehörte zu den Übliegen: 
_ der Inauifition, die [hädlihen und verbo: 
Bücher zu überwachen. Die immer ftärteren 
Angriffe auf das Papſtthum nöthigten zu größerer 
Sorge; die Erfindung ber Buchbruderfunft machte 
es faft unmöglich, ketzeriſche Schriften zu vertilgen. 
Das Lateranconcil 1515 ch vergebens bie 
Beitimmung, es bürfe bei Strafe der Ercommu: 
nication fein Buch ohne vorherige Approbation 
des Biſchofs gebrudt werden. Das erfte Berzeich- 
niß fegerifcher und gefährlicher Bücher ftellte die 
Univerfität Löwen auf Befehl Karla V. 1546 auf. 
Raul IV. ließ ein zweites 1557 durch eine beſon⸗ 
bere —— anfertigen. Auch das Triden⸗ 
tiner Concil befchäftigte ſich mit einem ſolchen Ber: 
zeichniß; da es aber zu feinem einflimmigen Ur: 
theil fam, fo überließ es die Sache der päpftlichen 
Autorität und ein neuer Index (Index Triden- 
tinus) wurde 1564 durd) die Bulle Dominici gregis 
eustodiae erlaffen. Durch Sirtus V, wurde dann 
eine bejondere Eongregation angeorbnet, welche 
nad den von Paul und dem Tridentinum aufge 
ftellten Regeln den Inder fortführen follte. Ein 
neues Berzeihnif geb 1648 Antonio a Sotomajor 
heraus. Seit 1819 erfcheint der römiſche Inder 
wieder fortlaufend. Derjelbe unterfcheidet die Bü: 
her, bie überhaupt verboten find und diejenigen, 
welche nad) Tilgung anftößiger Stellen noch ge» 
lejen werden bürfen, index librorum prohibito- 
rum und expurgandorum. 
ndietionen, Römerzinäzahl. ©. Aera. 
ndien. S. Miffion, 
ndifferentismus ift Gleichgüiltigteit gegen bie 
religiöfen, firchlichen, confeffionelleun Unterjchiede, 
infofern fie aus Mangel an religiöfem Intereſſe 
überhaupt fommt. Zu unterfcheiden ift der Indif⸗ 
ferentiömus, ober wenigftens der Indifferentis⸗ 
mus als fittlicher Fehler, von jener religiöfen Ge: 
vo welche gewiſſe kirchliche, confelfionelle u. 
. m. Schranken für unmwefentlich anfieht gerade 
vom wahrhaft religiöfen Standpunkte aus und 
nun jene aufzuheben trachtet. Man hat unter: 
fhieben zwiſchen univerfalem und particularem 
nbifferentismus und unter jenem bie religiöje 
leichgültigkeit überhaupt verftanden, unter dieſem 
bie Nichtachtung der confeffionellen Unterſchiede. 
Auch zwifchen theoretifchem und dogmatiſchem In⸗ 
bifferentiömus wurde unterjchieden, indem man 
unter biejem die Gleihgültigteit gegen Dogmen, 
unter jenem bie Nichtachtung religiöfer Uebungen 
verfteht. Vgl. aud) die verwandten Begriffe Gallio: 
nismus und Synfretismus. 
ndipipnalität. S. Gemeinichaft. 
—— S. Ablaß. 
nduli iſt die —— des Papſtes, daß 
etwas gegen die beſtehenden Kirchengeſetze vorge⸗ 
nommen werben bürfe, z. B. Vergebung ber Bene: 


ficien. 

Infallibilität, Unfehlbarfeit, des Papſtes wird 
daraus hergeleitet, daß in ihm das Epiſtopat ſich 
gipfele, er alö der Stellvertreter Ehrifti die Kirche 
tepräfentire und daher, wenn er im Amte oder e 


406 


Innocenz I. 


cathedra fpreche, die Wahrheit erkennen und reben 
müſſe. Doc ift der Grundfag der Infallibilität, 
ber fich auf die Pſeudoiſidoriſchen Decretalen ſtützt, 
nie allgemein anerlannt; die Concilien haben ftet3 
beansprucht, mit ihrer Entſcheidung über dem Papft 
zu ftehen. Selbft die entſchiedenſten Verfechter der 
Unfehlbarfeit machen übrigens das Zugeftändniß, 
daß die Unfehlbarkeit fid) nur auf die Lehre, gr 
ei die Kenntnif des Thatjählichen beziehe, jo 
daß die Appellation a Pontifice male instructo 
ad P. melius informandum von jeher ald zuläffig 
galt (vgl. übrigens Janfenismus und H ta: 
nismus, den Unterſchied du fait und du droit). In 
ber Gegenwart fcheint die Jnfallibilität des Pap- 
ftes fid) immer mehr zum wirklichen Dogma her: 
ausbilden zu follen. 

Informationsproceh bei der Biſchofswahl ift die 
Borunterfuhung durch einen Delegirten über das 
Vorhandenfein der kanoniſchen Bedingungen. 

Infralapfarier und Supralapfarier heißen bie 
Anhänger der beiden verfchiedenen Lehrweiſen über 
die Gnadenwahl, welche einig find in der Annahme 
eines unbebingten göttlihen Rathichluffes über 
bie Errettung und die Berbammung der Einzelnen. 
Der Unterſchied beruht darin, daß bie Erſten den 
Rathſchluß der Ermählung erft eintreten laflen 
nad dem lapsus oder Slndenfall (und nur von 
der Auswahl zur Seligteit, nicht aber auch aus⸗ 
drücklich von einer Auswahl zur Berbammnik 
reden), die Supralapfarier aber die Bräbeftination 
zur Seligfeit oder Unſeligkeit als den Alles, aud) 
den Sündenfall jelbft (als göttlih gewollt und 
— beherrſchenden Rathſchluß ten. 

ie Synode von Dortrecht und bie meiſten refor⸗ 
mirten Lehrer zogen den Jnfralapfaridmus vor, 
- — klingt, ſachlich aber kaum verſchie— 

en ift. 

Inful, Die Biſchofsmütze, ift feit dem 11. Jahr: 
hundert mit 2 Hörnern, die nad) der Deutung die 
Kenntniß beider Teftamente, duo cornua sunt duo 
testamenta, verfinnbildlichen ſollen. 

Ingolfladt, Stadt und Feſtung in Oberbayern. 
Die Univerfität wurde von Ludwig dem Reichen 
1472 geftiftet, 1800 nach Landshut und 1826 nach 
Münden verlegt. Unter den deutſchen Hochſchulen 
galt Ingolſtadt ald Hauptfig mittelalterliher Scho⸗ 
laftif und der Bertheidigung päpftlicher Jnterefien ; 
von bier veröffentlichte als Brofanzler der 
Univerfität feine Schmähſchriften gegen Luther. 
1549 wurde die theologische Facultät den Jeſuiten 
übergeben (Canifius, Öretjer), um feimenden bu: 
mantftiihen und reformatoriſchen Richtungen er: 
folgreid zu widerftehen. Unter den Ditgliedern 
der Univerfität finden ſich Reuchlin, Aventinus, 
Urb. Rhegius und die gefrönten Dichter Konrad 
Celtes und Jak. Locher. Auch die Stiftung bes 
Illuminatenordens ging durch den Profefior Weis: 
haupt von Ingolſtadt aus. 

Ingulf, der Verfaſſer der Geſchichte des Kloſters 
Eroyland. Er war in London um 1030 geboren, 
wurde Geheimjchreiber bei Wilhelm von der Nor: 
mandie, machte eine Pilgerfahrt nach Jerufalem, 
trat dann ins Klofter Fontanelle ein und erhielt 
von Wilhelm die Abtei Eroyland, beren Geſchichte 
er ſchrieb; Beter von Blois jegte diefelbe fort. 

nnere Rilfion. S. Miffion, innere. 

nnocenz 1., der Sohn eines uns unbelannten 
Innocentius, wurde vom Klerus und Boll 402 
in Rom zum Papfte ermählt. Eine kraftvolle 


Sfnnocenz TI. 


Berfönlichkeit, machte er das Vorrecht des römi: 
[hen Stuhles überall geltend. Dem Erzbifchof 
von Antiohien erklärte er die Würde feiner 
Biſchofsſtadt aus der Wirkſamkeit des Petrus in 
Antiohien, Daher fei er Rom untergeorbnet, wo 
der Apoftel fein Werk vollendet. Den macedoni: 
ſchen Bifchöfen jprad) er 414 feine Berwunderung 
aus, daß fie in Zweifel ziehen konnten, was in 
Rom einmal entſchieden jei. Jm Streit der Nord⸗ 
afritaner gegen Pelagius fprad er das Urtheil 
417. Sein Decretalenbriefan Victricius von Rouen, 
fowie ein ähnlider an Eruperius von ZTouloufe 
405 enthalten Beitimmungen über Kirchendiſci⸗ 
plin, Briefterehe, Bifhofsamt und Appellationen 
nach Rom. Er vertrat bei Arcadius die Sache des 
Chryfoftomus. Während feines Bontificats wurde 
Rom zweimal von Alarich zeritört; bei der erften 
Belagerung foll J. den Senatoren heimlihe An- 
rufungen und Opfer der Götter geftattet haben. 
+ 417. Er ift fanonifirt. 

rear De 1150—43, wurde gewählt, um die 
Wahl des Carbinald Leonis zu hintertreiben, der 
dennoch als fein Gegenpapft (Anaclet IL.) die päpft: 
liche Würde in Anfprud) nahm. Innocenz eilte nach 
Franfreih und duch Bernhard von Glairvaur 
und Beter von Cluny — es, Ludwig VI. und 
—— UI. zu feiner Anerkennung zu vermögen. 
Er fonnte Lothar 1132 in Rom frönen. Die &. 
node zu Piſa 1134 erfannte ihn an; doch dauerte 
das Schisma bis zu Anacletö Il. Tode, deſſen 
Nachfolger fi) unterwarf. Das 10. öfumenifche 
Sateranconcil 1139 befeftigte den Kirchenfrieden 
und anathematifirte die Petrobrufianer, Arnold von 
Brescia und Roger, König von Sicilien. Auf einem 
Zuge gegen ben Legtern gefangen, mußte J. einen 
— en Vergleich eingehen. Auch mit Ludwig 

. jerfiel er wegen ber Wahl eines Erzbiſchofs 
von Bourges und belegte ihn mit dem Interbict 
1143. et verweigerten ihm auch die Römer 
den Gehorjam und ftellten ihren Senat wieder her. 
Ehe noch Kaifer Konrad ihm zu Hilfe kommen 
tonnte, ftarb 3. 1143. 

— (IIL) Gegenpapft Aleranders III. Landus, 
aus der Familie Frangipani, mußte befiegt ins 
Klofter Cava gehen. 

— III. Lothar, Sohn des Grafen Trafimund, 
geb. 1160 zu Anagni, wurde als Gardinaldiaton 
nad Göfeftin® III. Tode am 8. Januar 1198 zum 
Bapft erwählt. Er führte die Grundfäge Gregors 
VII. wie fein anderer Papjt mit Erfolg durch, und 
feine Herrſchaft ift die Glanzperiode des päpftlichen 
Stuhles. Die päpitlihe Oberherrſchaft in Rom 
führte er fofort durch, indem er dem kaiſerlichen 
Präfecten die Belehnung gab, ebenſo den Sohn 
Heinrichs VI. mit Sieilien belehnte und nad) dem 
Tode der Conftantia die Vormundſchaft über ihn 
führte. In den Angelegenheiten des deutſchen Rei: 
ches machte er das Recht jeiner Entjcheidung gel: 
tend. Von Philipp befreite ihn 1208 deſſen Er: 
mordung. Dtio IV, wurde von ihm gefrönt, nad): 
dem er die päpftlichen Forderungen zugeitanden, 
und als er danad) in Stalien Fine faiferlichen 
Rechte dennoch beanfprudte und Apulien unter: 
warf, durch Bann, Abjegung und die Aufftellung 
Friedrichs II. als Gegenkönig bezwungen. Ebenjo 
trat J. als Oberherr auf gegen England, wo Jo— 
hann ohne Land fein Reih von ihm zu Zehen 
nehmen mußte. Freilicd war der Widerjprud des 
Bapftes gegen die Magna charta von 1215 auch 


407 


Innocenz VII. 


vergeblich. Ebenfo mußte Peter von rg fein 
Land vom Papfte zu Lehen nehmen 1204, Mit dem 
Interdicte wurde Philipp von Frankreich befiegt 
1200, als er feine Gemahlin Jngeburgis verftoßen 
er Nur gegen Alfons IX. von Leon vermochte 
. nicht durchzudringen, aber in Schweden, Nor: 
wegen, Dänemark und Schottland mußte man ſei— 
nen Anordnungen folgen. Eine neue Ausdehnun 
der päpftlichen Macht brachte der Kreuzzug 1 
durch die Eroberung EConftantinopels, die Aufrich: 
tung des lateiniſchen Kaiſerthums 1204 und eines 
lateiniſchen Patriarchates. Gegen die Albigenfer 
befahl er den Kreuzzug und nahm die Mittel der 
Fon Gewalt in Anfprud. Die Einfegung der 
Inquifition in Touloufe ift ein neuer Fortfchritt 
in ber unbebingten Madtvolllommenheit der 
Kirche. Seine Wirkfamteit ſchloß J. durch das 
Concil von 1215, welches die Grundfähe, melde 
er durchfochten, als bleibende Kirchengeſetze in 70 
Canones feſtſtellte und durch die —— der 
te 


Dominicaner und Franciöcaner dem Pa erk⸗ 
zeuge zu ihrer Aufrechthaltung in die Hand gab. 
+ 1216. Bat. Hurter, Innocenz II. und feine Zeit: 


genofien, Hamb. 1834—42, 4 Bde. 

— IV. (1243—1254), nad) einer 1’/sjährigen 
Bacanz, nach dem Tode Eöleftins IV. auf Betrei: 
ben des Kaifers Friedrich II. gewählt, entzog er 
fi durch die Flucht nad) 2. 1244 den Friedens: 
verhandlungen mit demfelben und ſprach auf bem 
Eoneil zu Lyon Bann und \nterdict gegen ihn 
aus. Bergeblich erregte J. Aufruhr in Steilien und 
ftellte die Gegentönige Heinrich Raspe und Wil: 
beim von Holland auf. Nur der Tod Frie— 
drichs II. 1250 geftattete ihm die Rückkehr nad 
Rom 1251. Unter ihm wurde die Belehrung ber 
Preußen durch den deutihen Orden vollendet und 
der Ordensſtaat eingerichtet. 

— V. (1276). Pierre de Champagni war Domi: 
nicaner, feit 1271 Erzbiſchof von yon und Groß: 
pönitentiar. Ermwählt im Januar 1276, ftarb er 
ſchon den 22. Juni deffelben Jahres. Er hat zahl: 
reiche firchenrechtlihe Schriften verfaßt, aus Denen 
jedod) jpäter 100 Sätze als unrichtig herauägeho: 
ben wurden, deren Bertheibigung Thomas von 
Aquin übernahm. 

— VI. (1352—1362). Gleich nad) feiner Wahl 
wiberrief er ben Eid, welchen er mit allen andern 
Gardinälen in dem Sonclave geleiitet hatte, den 
Gardinälen einen Antheil an der päpftliden 
Macht zu —— Er bemühte ſich, dem großen 
Aufwand der Geiſtlichen und dem Unweſen der 
Commenden zu fteuern, entging aber bei Sitten: 
trenge und Reinheit des Charakterd nit dem 

orwurf des Nepotismus, Bei feinen Bemu— 
bungen, den Kirchenftaat felbft wieder zu unter: 
werfen, widerjtand ihm V. Visconti von Mailand. 
Avignon ließ er befeftigen zum Schuß gegen Die 
Söldnerſchaaren, die in Südfrankreich plündernd 
umberzogen und ihn vor der Vollendung der Werte 
zwangen, fich mit großen Geldjummen loszukau— 
fen. Auf Bitten Karls IV. ordnete er das Feſt 
bes h. — auf den zweiten Freitag nach Oſtern 
an. 7 1362 

— VII (1404—1406). Cosmas Megliorati. 
In den römischen Unruhen der Colonna und Dr: 
— welche durch Ladislaus von Neapel neu ange: 
acht wurden, mußte J. fliehen, als fein Repot 
Ludwig Megliorati angejehene Römer hatte er: 
morden lafjen (1405), und er wurde erft nach dem 


Innocenz VII. 


Beweis feiner Unſchuld qurüdgefüget. Sein Gegen: 
papft war Benedict XIII. Eine von diefem in 
beuchlerifcher Abficht angefponnene Verhandlung 
zwiſchen beiden Päpften ergab nur die bitterften 
und jhmählichiten gegenfeitigen Vorwürfe. Ge: 
rügt wird an J. jein übermäßiger Nepotismus, 

nnocenz VIII. (1484-1492), Giovanni Battifta 
Eibo aus Genua. Bemerkenswerth Durch Die Menge 
feiner Kinder, die ihm den Spottnamen Vater des 
Baterlandes eintrugen, ſowie durch feine Geldgier, 
bie ihn eine Steuer zum Kriege gegen die Türlen 
erheben ließ, während er vom Sultan Bajazet II. 
eine jährlide Summe erhob dafür, daß er deſſen 
Bruder Zizim in Haft hielt. Mit Neapel führte 
er zwei Kriege bis 1492. Er beförderte mit Eifer 
die Herenproceffe in der Bulle summis desideran- 
tes affectibus 1484, und benugte feine Stelle vor: 
zliglich zum Gelderwerb. 

— IX, (1591 30. Oct. — 30. Dec.). Antonio 
Facchinetti, geb. 1519, vorher päpftlicher Abge— 
ordneter nad Trient, Nuncius zu Venedig und 
Bräfident der Jnauifition. Er hatte in den zwei 
rg feiner Regierung nur Zeit zu guten Bor: 
ätzen. 

— X. (1644 — 1665). Giambatiſta Pamfili, 
geb. 1572, Er ftand ganz unter dem Einfluß fei- 
ner Maitrefje und Schwägerin Donna Dlimpia 
Maidaldina. Seine Habfucht rief durch die Ver: 
folgung der Familie Barberini einen Conflict mit 
Frankreich hervor. Aemterverkauf und Beſtech— 
lichleit nahmen überhand, es wurden ſogar 2000 
Klöſter aufgehoben und ihre Einkünfte eingezogen, 
das Land durch dad Monopol des Kornhandels 
ruinirt, J. machte nach außen die alten päpft: 
lihen Anfprüche im vollen — geltend. Er ver: 
bammte fünf Säße aus dem Werke Janjens und 
proteftirte gegen den Weftphälifchen Frieden 1648 
und 1651 jedoch ohne Erfolg, indem der Kaiſer 
Ferdinand III. die in Wien durch den Nuncius 
—— Bulle abreißen und nach Rom zu— 
rückſenden ließ. 

— XI. (1676—1689). Benedict Odeschalchi, 
geb. den 16. Mai 1611 zu Como, vorher Rechts: 
gelebrter, päpftlicher Beamter und Cardinal. Ob: 
gleich ſelbſt ein Zögling der Jeſuiten, verdammte 
er durch eine Bulle von 1679 die Jeſuitenmoral, 
und ſuchte mit Ernft und Eifer lirchliche 8* 
und Sitte wiederherzuſtellen. Mit Louis XIV. 
lebte er in ununterbrochenem Conflict wegen der 
Quartierfreiheit und des Regalrechts. Die bezüg⸗ 
lichen Beſchlüſſe des franzöfifhen Klerus 1681 
(die vier gallicanifhen Grundfäge) ließ et vom 
Scarfrichter verbrennen. Die Aufhebung des 
Edictö von Nantes feierte er durch ein Tedeum. 
Geine Heiligſprechung ift durch die Jeſuiten hinter: 
trieben worden. 

— XII (1691 — 1700). Antonio Bignatelli, 
eb. 1615. Sorge für die Armen, Wicderher: 
Rellung der Kirchenzucht und Bejeitigung des 
Nepotismus zeichnen ihn vortheilhaft aus. Er 
beendigte die Streitigkeiten mit Frankreich und 
heigte fih auch ſonſt nachgiebig und verſöhnlich. 

18 Schiedsrichter zwiſchen Boſſuet und Feͤnélon 
entſchied er für erſtern. 

— XII. (1721 — 1724). Michael Angelus 
Conti. Er ertheilte gegen den Lehnszins Karl VI. 
bie Belehnung mit Neapel und protejtirte vergeb: 
fih gegen die Verleihung von Barma und Pia: 
cenza an den Infanten Garlos von Spanien. 


408 









Inquiſition 


Dem Herzog Grillo entriß er das Caſtell Palo 
an der Kuͤſte des Mittelmeers. Gegen Frankreich 
nachaiebig, unterftügte er den Rronprätendenten 
Yatob III., hielt die Bulle Unigenitus aufrecht 
und ernannte den Minifter Dubois fchlimmen 
Angedentens zum Carbinal. . 
Innovatio benefleii ift jede an einem Bene 
ficium vorzunehmenbe Veränderung, fie mag das 
Amt felbft oder nur die Pfründe betreffen. 
In partibus infldelium, Im Gebiete der Un, 
Läubigen werben bie frühern verlorenen Biſchofs⸗ 
(te nominell immer wieder bejeßt, theils um den 
nfpruch aufrecht zu halten, theild um bie Roth 
wendigkeit, biſchöflich orbinirte Gehlilfen der Bis 
ſchöfe zu haben, mit der Vorſchrift auszugleichen, 
daf ein Bifchof für eine beftimmte Diöceje ordi- 
nirt fein muß. 
Inguifition. Mit der Auffaflung der Kirche ald 
einer von Gott oder von Chrifto unmittelbar in 
diefer beftimmten Rechtsform geftifteten, ber 
Menichheit aus Gnaden zu ihrer Rettung oetrogir: 
ten Anftalt ging die Ausdehnung der firchligen 
Serichtöbarkeit auch über efallene und Heper 
Hand in Hand, und das hriftliche Kaiſerthum un: 
terftüßte diefe Richtung nad) jeiner im übrigen ein: 
gehaltenen kirchlichen Stellung der Art, daß Ther- 
dofius gegen die manichäifche Ketzerei die Todes 
ftrafe fette und Hieronymus diefelbe bibliſch zu 
begründen fuchte. Indeß blieb die Sorge für Auf 
ſpuͤrung und Beftrafung der Ketzer immer Sache 
der biſchöflichen Gerichte, bis die aus den Albigen⸗ 
ferunruhen der Hierarchie erwachſenden Gefahren 
Innocenz III. veranlaßten, durch das Concil von 
Touloufe 1229 förmliche und eigene Kekergerichte 
mit auögebehnten Vollmachten zu beftellen, nad: 
dem ſchon das Lateranconcil den Bifchöfen bie 
Ueberwachung der Ketzereien als vornehm dr 
eingefchärft hatte. Gregor IX. entzog im Intereſe 
einer firengern und einheitlichern Zeitung den Bir 
ſchöfen die Inquifition völlig und übergab ihre 
Handhabung den Dominicanern. Das Verfahren, 
welches fich allmählich herausgebildet hatte und 
den Angeklagten faft gänzlich ſchutzlos der Willkür 
feiner geiftlichen Richter preißgab, indem es dei 
Inquifitionsproceh einführte, Zeugen und Antlä 
ger verfchwieg und zur Erpreffung des Geitänd: 
nie die Folter erlaubte, wurde durch Innocen 
IV. 1252 und 1254 erweitert, und ben melt: 
lichen Obrigkeiten zur unbedingten Pflicht gemacht. 
die Urtheile der Inquifition, des heiligen Off 
ciums, zu vollftreden. Zu ihrer volltommenften 
Ausbildung gelangte die Inquifition in Spanien 
durch die eigenthüimliche Verknüpfung der abjolut 
töniglien und bierardifchen Intereſſen, welge 
beide in den heimlichen Juden und Mauren die 
gefährlicften Feinde erblidten und gleichmäßig 
durch die Auöficht gereigt wurden, an dem Bermö- 
gen der Verurtheilten fich zu bereichern. Bon Ara: 
gonien,wo Nikolaus Eymericus (+ 1399) als Grob: 
inquifitor fungirt hatte, wurde das Inſtitut auf 
nach Gaftilien übertragen als ein —— Ge 
richt, dem felbft die Bifhöfe unterworfen waren. 
Die Schreden der Inquifition unter Torquemada 
1483—98, Diego Deza 1499— 1506 und Zimened 
de Giöneros 1507—17 find allgemein befannt 
und faft unglaublich erſcheint es uns jet, daß 
die Autodafes (Handlungen des Glaubens), Die 
öffentliche Beftrafung und Hinrichtung der * 
brecher, faſt zu Volls ſeſten wurden. Unter Karl V. 


J. N. R. J. 409 Inſpiration der heil. Schrift 


und Philipp II. erhielten die Inquifitionstribu: | Weisſagungen ausdrücklich auf Gott zurück (Jeſ. 
nale zu Sevilla und Balladolid neue Er. in 5, 1; Ser. 36, 2), jedoch ohne daß die jelbftändige 
der Unterbrüdung des Proteftantismus. Den Be: | Thätigkeit der Propheten ausgeichloffen gedacht 
mühungen der Corteö und felbjt der Päpfte, die | werden dürfte (val. Jeſ. 6; das Buch Jonas; 1. 
Allgewalt des Tribunals zu beſchtänken, widerjeg: | Kön. 22, 11 ff.). Kon einer Eingebung ber nieder: 
ten ſich die Könige. Erjt im 18. Jahrhundert trat geſchriebenen Weisfagungen im Einzelnen, von 
Milderung ein, und am Schluffe des vorigen |ereinpelten Befehlen zum Niederfchreiben, ift wohl 
Jahrhunderts wurde die Vollmacht des Gerichts | feine Rede. Erjt als die Zeit prophetifcher Produc⸗ 
beſchränkt, bis Joſeph Napoleon 1808 es aufhob. | tivität vorüber war und die heil. Schriften als 
Die Berjuche der Wiedereinführung 1814—20 find | Zeugniffe einer der Vergangenheit angehörigen 
burd das Bolf vereitelt, welches 1820 den Inqui: | Dffenbarungszeit betrachtet wurden, entjtand bie 
fitionspalaft zerftörte. In Portugal fand eine gang | Lehre von der nfpirirtheit des hebräiſchen und 
ähnliche Entwidelung Statt. Pombal konnte das | jpäter aud des NAlegandrinifchen Tertes. Dazu 
Berfahren der Inquifition beſchränken, der Will: | hattenamentlich der Einfluß der Platonifchen Lehre 
für einen Zügel anlegen, aber erft Johann VI |von der göttlihen uari« (dem göttlichen Wahn: 
1818—26 fie gänzlich aufheben. Dagegen in Frank⸗ a beigetragen, wilde Philo auf die Schrift: 
reich lehnten ſich bald in gleicher Art Volt, Parla- | fteller des Alten Teftamentes übertrug, ohne fie 
jebod auf diefe zu beſchränken. Die uari« bedeu⸗ 
tete ein Untergehen des menſchlichen Bewußtſeins 
im göttlichen. Im Neuen Teftamente wird das Alte 
Teltament theils im Allgemeinen ala göttlich (2. 
Tim. 3, 16), theils werden einzelne Stellen ald 
Decrete beihränften die Inquifition, Boltsauf: | foldye bezeichnet (Matth. 22, 43; Hebr. 3, 7; 1. 
ftände verjagten und bedrohten die Jnquifitoren | Betr. 1, 11 f.; 2. Petr. 1,19 ff.). Wenn dieſen 
und zu einer rechten Wirkfamfeit konnten diefelben | Stellen im Allgemeinen die damalige jüdifche Lehre 
troß der Abneigung der Regenten gegen die Hus | zu Grunde liegt, fo tritt diefe im Neuen Teitamente 
genotten nicht >> gelangen. Auch in Deutjch« | Überhaupt im Ganzen zurüd dur das Bewußt: 
land beenbigte ein Vollsaufſtand, in welhem Kon: | jein des gegenwärtig lebendigen, das Alte Tejta: 
rad von Marburg erfchlagen wurde, die erfte Pe: | ment weit Überholenden, von Chriftus ausgegan- 
riode ihrer Einführung dur diefen und Konrad | genen Kr Geiftes, Bei den neutejtamentlichen 
Drofo. Erft bei dem Auftreten der Begharden be, Schriftſtellern jelbft tritt das Bewußtſein ſelbſt— 
ftimmte Gregor IX. mit Zuftimmung Karls IV. |thätiger Arbeit beim Niederfchreiben ihrer Schrif: 
5 Inquifitoren für Deutfchland 1369. Der Heren: |ten ſcharf hervor. Lukas beruft ſich (1, 1 ff.) auf 
hammer von Heinrih Krämer und Jakob Sprens | Duellenftudium. Paulus unterſcheidet zwiſchen 
ger bot ihrer Thätigleit dann ein neues fyeld, da | dem, was er von Chriftus habe und jeinem per: 
er ber Inquifition dad Berfahren gegen Zauberei | ſönlichen Eigenthum (1. Kor. 7, 10 ff.; 2. Kor. 11, 
und Hegenwejen übergab. Der Hauptfig der deut» | 17; 12, 11). Nichts defto weniger jchreiben Die 
ſchen Inquiſition war Köln. Vergeblid) haben im | heil. Schriftfteller aus der Ueberzeugung, im Be— 
breißigjährigen Kriege Jefuiten die Wiederbele: fi der göttlichen Wahrheit zu fein (Gal. 1, 12). 
bung derjelben verſucht. In den Niederlanden ge: | Die nachapoſtoliſche Zeit ſchwankte unklar in der 
warn die Inquifition den ſpaniſchen Charakter | Vorftellung der Inſpiration; indem fie ji an die 
ala königliches Gericht gegen Ketzer aus politifchen | Philoniſche Anſicht anſchloß und zum Theil eine 
Gründen. In Folge der Graufamteit diefes Ber: | ganz mechaniſche Inſpiration (nach dem Bilde einer 
fahren® bildete fi dad Compromiß von Breda, | gefpielten Leier, Clemens) behauptete, beſchränkte 
dem der Frieden von Gent und der Abfall der ſie jedoch die Inſpiration nicht auf die heilige 
Niederlande folgten. In den nordiſchen Reichen Schrift und behnte fie ſogar auf die Gegenwart 
ift die Inquifition immer beſchränkt geblieben. Jn | (Tertullian) und auf Heiden aus (Clemens). In 
Stafien wurde durch diejelbe unter Carafja der |der Folgezeit ift die Inſpiration allgemein aner- 
Proteftantismus völlig ausgerottet. Sirtus V. lannt, aber ohne dab eine folgerihtige Theorie 
fegte 1587 die Gongregation der nquifition durchgeführt würde, Drigenes und Augujtin wider: 
ein, zu beren Competenz alle Fälle der Härefie und | jprehen fich zuweilen, indem jie bald eine Einge: 
Magie gehören. Zur Zeit ift mit Ausnahme des | bung his aufs Einzelne, bald Menſchlichkeiten und 
Kirchenſtaates Die z.. überall geſetzlich Widerfprüche in der Bibel offen anneymen. Dieje 
Senf und der Örundfag der Glaubens: und ! Unbeftimmtheit zieht fi) durch das ganze Mittel: 


ment und Königsgewalt gegen die Inquiſition 
auf; jelbft das Concil zu Narbonne 1249 erklärte 
ſich — vergeblih — gegen die Marimen des Ge: 
richts, das Vermögen des Angejchuldigten (für 
den Domtinicanerorden) einzuziehen. Königliche 


Gewifjensfreiheit, welcher überall (auch in Spa: | alter hindurch und wurde durch das Triventinum 
nien) fi Anerkennung verſchafft, macht eine Wie: | in feiner Weife befeitigt, weßhalb in der fatholis 
bererneuerung unmöglid. Bgl. Spittler, Entw. ſchen Kirche die Borftellung der buchſtäblichen In— 
der Geſchichte der ſpaniſchen Inquiſition, 1788; | fpiration und die einer bloßen Sicherftellung des 
Sammlung der Jnftructionen der ſpaniſchen In⸗ Lehrgehaltes durch den Einfluß des heil. Geiftes 
quifttionsgerichte von Reuß, 1788; Llorente, Hist. bis heute neben einander rc Daß auch Zu: 
erit. de linquis. d’Espagne, 1817; Hefele, der ther zwiſchen einer ſehr ſtrengen Faſſung des In— 
Cardinal Aimenes. | fpirationäbegriffes und zwischen jehr freien Urthei⸗ 

J. N. R. d. = Jesus Nazarenus Rex Judaeo- |len über einzelne Theile der Schrift (Apotalypie, 
rum. | Jatobusbrie) ſchwankte, ift befannt; aber wie er 

Infpiration der heil. Schrift. Die Vorſtellung immer mehr die Sicherheit der heil. Schrift in 
einer Inſpiration, einer Eingebung göttlicher Ges | jedem Einzelnen als die nothwendige Grundlage 
danten in menſchliche Seelen, war dem jüdifchen | jeines Werfes anjah, jo noch viel mehr die nad) 
und heidniſchen Alterthume gemeinjam. Die Pros | folgende Theologie. Bei den Dogmatifern Calov, 
pheten des Alten Tejtaments führen einzelne ihrer Quenſtedt, Hollaz finden wir die wiſſenſchaftliche 


Inſpirirte 


Ausführung der Theorie. Namentlich aber hat die 
reformirte Kirche das Dogma gepflegt. Hat Calvin 
noch freie Aeußerungen ſich erlaubt, Bullinger 


Gedächtnißfehler in den heil. Schriften zugeftan: ; 


den, fo hat Voötius dagegen jene ftrengite Lehre, 
welcher aud jedes Wort von Gott eingegeben ift, 
behauptet und Heidegger ausführli begründet, 
haben bie Burtorffe die Jnfpiration ber hebräifchen 
Bocale behauptet, und ift diefe Lehre jogar zum 
fgmbolifhen Anjehen (1675) gekommen. In der 
Vorſtellung des 17. Jahrhunderts find bie bibli: 
ſchen Schriftiteller lediglich Schreibwerkzeuge des 
heil. Geiftes. Allein ſchon Ealirt befchräntt die Sn: 
fpiration auf die mwefentlihen Wahrheiten des 
EhriftentHums und nimmt im übrigen nur eine 
gewiſſe Affiftenz des heil. Geiftes an zur Vermei: 
dung von —— und Unpaſſendem; noch freier 
urtheilen Epiſcopius, Hugo Grotius, Clericus, 
welche z. B. die geſchichtlichen Mittheilungen der 
Bibel rein menſchlichen Erkenntnißquellen anheim: 
—— Das Erwachen der bibliſchen Kritik (Sem: 
er) richtete ſich namentlich gegen die altkirchliche 
Fafſung der Inſpiration, der neu entſtehende Su: 
pranaturaliämus hielt feit Pfaff 1716 nicht ſowohl 
eine wörtlihe Eingebung, als vielmehr eine Inſpi⸗ 
rirtheit des eigentlich Religiöfen feit und ſonſt eine 
allgemeine Direction des Schreibenden von Sei: 
ten bes heil. Geiftes; der Nationalismus benannte 
die erhöhte religiöfe Befähigung der Apoftel mit 
dem alten Namen. Nah den Boritellungen der 
neueren Dogmatiter wird die ge ir der Schrift: 
fteller meift betont; die Begriffe einer tieferen re: 
ligiöfen Ahnung (de Wette), einer Wirkſamkeit des 
heil. Gemeingeiftes (Schleiermacher) *reten an die 
Stelle der altfirhlihen Theorien. Mit möglichfter 
Rüdkehr zum altproteftantiihen Dogma werden 
bie Begriffe einer „Gottmenfchlichkeit” der Bibel 
(Marheinele u. A.) in verfchiedenen Faflungen, 
einer „Wortinfpiration” im Gegenſatz zur „Wör: 
terinfpiration” (Philippi) u. a. m. zur Erflärun 
der Injpirationsthatfahe angewandt. Aber au 
von dieſen Dogmatifern wird eine organifche Auf: 
nahme des göttlichen in dem menfchlichen Geifte, 
eine freie Vermittlung des Göttlichen durch bie 
Verfönlichteit des Schriftftellers allgemein aner: 
fannt. Bol. Rothe, zur Dogmatit, Gotha 1863. 
Inſpirirte und Inipirationsgemeinden. Von 
den Flüchtlingen der Camijarden ging der Glaube 
an die Nothwendigkeit und die Bedeutung der 
efftatiichen Zuftänbe, der Bifionen und Weiffagun: 
gen auch in die Nachbarländer über und fand, da 
die beftehenden Kirchen, wie in England und Hol: 
larıd, fi dem mwiderjegten, Aufnahme bei Secten 
und Separatiften. Dies war namentlich der Fall 
bei den Separatiften in der Wetterau, wohin die 
Gebrüder Bott aus Halle den Glauben an die In— 
Ipiration übertrugen, den fie in Halle von franzö— 
ſiſchen Infpirirten übernommen hatten. Die Gabe 
der Inſpiration zeigte fih an den „Werkzeugen“ 
in ähnlicher Art wie bei den Camiſarden oder wie 
bie und da bei den amerifanifchen Erweckungen 
unjerer Tage und diente dazu, das erjchlaffende 
Gemeingefühl der Separatiften neu zu beleben. 
Unter den ——— ragte hervor der Wittgen: 
—— Hoffattler Rod. Es bildeten fich förmliche 
nipirationsgemeinden, welche ser Dana au ug 
Miffionsreifen für ihre Ausbreitung Sorge trugen. 
Zu neuer Anfpannung der Begeifterung, die na: 
‚türlid) bald nachlaſſen mußte, dienten von 1714-16 


410 


Interdict 


fünf Liebes: oder Streitermahle, zu denen vor: 
hergehende wochenlange aftetifche Webungen bie 
törperlihe Dispofition der geiftigen Affecte vorbe: 
reiteten. Die größte Zahl der Infpirirten wanderte 
ihon damals mit den Werkzeugen Gruber, Gleim 
und Madinet nah Pennſylvanien aus und die 
Gemeinden vegetirten nur im Stillen. In den 
Jahren 1816—21 reorganifirten fich aber die Refte, 
angefeuert durd den Schneider Michael Kraufert 
aus Straßburg und nad) ihm durch Ehriftian Met 
(geb. 1792 in Neumied) und weil fie von der Obrig: 
feit gehindert wurden, wanderten fie, 800 Seelen 
ftarf, 1841 nad) Buffalo aus. Dort haben fie eine 
auf Gütergemeinfchaft bafırte Colonie errichtet, 
deren Gedeihen Filialen in Canada und Jama 
veranlaßte. Bol. Göbel, Geſchichte der Injpire: 
tionsgemeinden in Niedners Zeitichr. 18545. 

Inftallation ift die —— in ein geift: 

. ont und die Einfegung in den Genuß ber 
nde. 

—— S. Calvin. 

nstrumentum pacis. Bei dem pax tecum 
in der feierlichen Meſſe giebt der Gelebrant dem 
Diakon den Friedenstuß, diefer ertheilt ihn dem 
Subdiakon und durch diefen den Übrigen anmefen: 
ben Klerifern. Seit Innocenz III. find dazu Bil: 
ber des Sefreuzigten üblich, welche als Zeichen der 
gegenfeitigen Liebe zum Küſſen gereicht werben 
(von Laien und den Fürften bei der Krönung); 
diefe heißen instrumentum pacis, d. h. Friedens: 
inftrument. 

Integritätder heil. Schrift bezeichnet die Eigen: 
fchaft derfelben, daß ihre Schriften fo wie fie vom 
heil. Schriftiteller verfaßt worden, unverändert 
auf uns gefommen find. Die lutheriſche Kirchen: 
lehre hat darauf, wie auf die Authentie und Ario: 
piftie, die „fides humana,“ den menschlichen Glau: 
ben an die Schrift gegründet. Die biblifche Kritit 
hat in neuerer Zeit gezeigt, daß diefe Integrität 
bei manden Schriften des Alten und Neuen Tefta: 
ments nicht au ftreng zu nehmen ift, daß mander: 
lei Tertveränderungen, Interpolationen, Ueber: 
arbeitungen nachzuweiſen find, welche die Kritil 
herausfordern, der Autorität der Schrift als eines 
Ganzen aber keinen Eintrag thun. } 

Intellectualismus ift diejenige einfeitige Rich⸗ 
tung, welche die Religion faft ausfchließlic in das 
Denten legt und Gefühl und Wollen für diefelbe 
geringfchäst. So fann der Orthodoxismus Intel: 
lectualismus genannt werben, weil er alle Religion 
in der kirchlichen Lehre und dem Glauben an fie 
aufgehen läßt. Ebenjo der Gnoſticismus, welcher 
Religion und Philoſophie verwechſelt hat. 

Intercalarfrüdte find die Revenüen eines kirch⸗ 
lien Beneficiums mährend der Bacanz. Das 
Eigenthum derjelben gehört der juriftifchen Berion 
des Anftituts; fie wachſen deßhalb in der Regel 
dem Capitalfonds zu. Bisweilen haben Wittwen: 
caffen oder allgemeine kirchliche Zwecke, wie Eme: 
ritenenftalten, oder die Religiondfonds (in Defter: 
reich) ftatutarifch einen Anfprud). 

Interdict ift das kirchliche Verbot der Bermal: 
tung der Sacramente, des öffentlichen ed: 
dienftes und bes kirchlichen Begräbniffes. Das 
9. ift entweder nur auf eine Perſon gerichtet, jo 
daf dieſelbe am Gottesdienft nicht Theil nehmen, 
diejer nicht in —— Gegenwart gefeiert werden 
darf, oder es bezieht ſich auf einen Ort, fo daß an 
demjelben keine Feier Statt finden darf, ober es 


Interim 
ift gemifcht, fo daß es fich auf eine Gegend und 
alle Bewohner berjelben bezieht. In diejer Weife 
wurde es bie furchtbare Waffe der Päpfte im 
11.— 13. Jahrhundert im Kampfe mit den Für: 
ften. Die Nothmwendigfeit gebot aber die Strenge 
des J. felbft zu mildern, und fo wurden einzelne 
und wöchentliche Gottesbienfte, die Spendung ber 
Sacramente in Todeönoth und Aehnliches geſtat— 
tet, immer aber mit Bermeibung aller äußeren 

ier, auch des Glodenläutens. Zum legten Male 
iſt 1606 von Paul V. das %. über die Republit 
Venedig verhängt, und 1839 — 40 bei ber Weg: 
führung des Erzbiſchofs Dunin von Gneſen der 
Gebraud der Orgel, der Gloden und die äußere 
Feier eingeftellt gewejen. Das perfönliche J. tritt 
von jelbft ein bei Klerilern und Laien, bei Unge: 
horſam gegen die Kirche; fonft kann es ſchon vom 
Biſchof verhängt und, jo weit es perjönlich ift, von 
jedem Beichtiger aufgehoben werden. 

Interim heißen drei Berträge oder Verſuche 
bis zur völligen Austragung der Differenzen zwi: 
ſchen der Reformation und der alten Kirche, und 
aus Herftellung eines Kirchenfriedens die kirch— 
ihen Zuſtände fo zu ordnen, daß e8 jeder Partei 
möglich werde fich zu fügen. Das Negenöburger 

im war eine von Bucer, Gropper und von 
Pflud verfaßte Schrift, melde dem Einigungäge: 
fpräd zu Regensburg den 27. April bis 22. Mai 
1541 zu runde gelegt wurde. Die Vereinbarung 
blieb ohne alles Rejultat, Das Augäburgifche 
Interim 1547 war faum etwas Anderes, als bie 
in zweibeutigen Neußerungen gefaßte Forderung 
ber Unterwerfung unter Rom, welches Priefter: 
ehe und Communion unter beider Gejtalt dulden 
werde. Das Leipziger Interim (Celle'ſches In: 
terim) durch Morig von Sachen 1548 veranlaßt, 
hielt die evangelifche Grundlage fefter, nahm aber 
die fatholifchen Eultusformen auf. Jedes Interim 
fand bei Niemand als jeinen Urhebern Anklang, 
und dauerte daher nur jo lange, als die Macht es 
aufrecht hielt. 

Interpretation, ©. Auslegung und Herme— 


neutif. 

Interrogationes Mariae. Ein Apofryph. 

©. Pfeubepigraphen. 

Interfitien werden die kanoniſch beftimmten 

Zeiträume genannt, melde zwijchen jeder Weihe 
und der nächſt höheren verfließen jollen, ehe fie 
ertheilt werde. Ihr Zweck war, dem Kleriker Ge: 
—— zur Bewährung ſeiner Tüchtigkeit zu 
geben. Nach dem Tridentinum ſoll, da die vier 
niederen Weihen an einem Tage ertheilt werden, 
wiſchen ihnen und der Subdiakonatsweihe ein 
Jahr verfließen. 

Interventor oder Interceffor wurde der Biſchof 
enannt, welcher ein anderes Bistum während 
er Erledigung verwaltete (Bisthums : Admini: 

ftrator). Um zu verbüten, daß der Int. feine Zeit 
benuge, dad Bisthum für fich zu gewinnen, jegte 
das Concil zu Karthago die Dauer der Verwal: 
tung auf höchſtens ein Jahr feit, nad) deffen Ab: 

ein neuer 9, ernannt werden müſſe. Ber: 
weigere das Boll die Wahl, jo folle es fich felbft 
ohne Biſchof überlaffen bleiben. 

Inthroniſation ift bie ze Amtseinfüh: 

rung der Päpfte und Bifchöfe. 

— . ©. Duldung. 

ntrobu ift Die Amtseinführu 
veititur. In der evangelifchen Kirche 4 


oder In⸗ 
ſie mei⸗ 


411 





Joab 


ſtens beim erſten Amte mit ber Ordination ver: 
bunden, und befteht fonft in der Vorftellung des 
neuen Pfarrer vor ber Gemeinde im Gottes: 
dienft, der Abnahme der Verpflichtung und in der 
Uebergabe des Pfarrhaufes und der Pfarracten. 

Introitus der Mefie beiteht aus einer für 
die verſchiedenen Sonntage beftimmten biblifchen 
Antiphonie, der ein Pſalmvers und die Meine 
Dorologie angefügt wird. Damit begann früher 
die Mefle, das —“ Ritual läßt aber 
das Confiteor, das Sundenbekenntniß des Prie— 
ſters und der Gemeinde voraufgehen. 

Intruſion ift die ungefegliche Aneignung eines 
Beneficiums ohne Mitwirkung des zur Berleihung 
Berechtigten. 

YJupeflitur ift die Handlung, durch welche dem 
Biſchof oder Abt das Amt und feine Rechte über: 
geben werden, indem er die Inſignien des Amtes 
als Symbol defjelben empfängt. Im Inveftitur: 
ftreite handelte e8 fi) um das Rechtäverhältnik 
der Kirche zum Staate. Da die Kirchengüter als 
Zehensgüter galten, jo war im fränfifchen Reiche 
die Inveſtitur (fpäter mit Ring und Stab, den 
firhligen Symbolen) von jeher Recht der Könige. 
Dadurch waren die Biſchöfe vom Könige abhän: 

ig, die von Gregor erjtrebte Selbftändigfeit der 
irhe forderte die Aenderung. Den Vorwand 
gab ihm der mit Recht gerügte Uebelftand, daß 
häufig mehr das Lehen ald das Kirchenamt ins 
Auge gefaßt und die Bisthümer nach Gunft ver: 
geben oder verfauft worden waren. In England 
und Frankreich war bie u me Macht zu ſtark, 
in Deutſchland errang die Kirche ihr Ziel durch 
die Umſtände und weiſe ei zu eines abge: 
drungenen Vergleihd. Die Conftitution re: 
gors VII. auf der Synode zu Rom 1075, daß 
fein weltliher Fürft zu einem — Amte 
inveſtiren dürfe, nahm Urban II. zu Clermont 
1095 wieder auf und verfuchte Heinrich IV. durch 
die Aufwiegelung jeiner Söhne zur Nachgiebigkeit 
zu zwingen. Paſchalis hielt zwar auf den Syno: 
den zu Benevent 1108 und im Zateran 1110 die: 
fen Grundfaß feft, wurde aber durd Heinrich V. 
gezwungen im Bertrage von I111, die Inveftitur 
mit Ring und Stab dem Kaifer zuzugeftehen. Den 
Bruch diefes Vertrags 1112 auf der Synode zu 
Rom und den über Heinrih ausgeiprochenen 
Bann büßte er mit der Vertreibung von Rom. 
Erft unter Calirt II. fam e3 zum Concordat von 
Worms 1122, welches die Wahl der Biſchöfe durch 
den Klerus unter die Aufficht des Kaiſers ftellte und 
dieſem die Belehnung mit den weltlichen Gütern 
dur das Scepter zugeftand; die Inveftitur mit 
den kirchlichen Injignien des Ringes uno des 
Stabes fiel dem Papſte zu. Da ſchon Lothar III. 
die Weihe vor der faijerlihen Jnveftitur 1125 zu: 
eitand, jo ging ſehr bald aller Einfluß auf die 
iſchofswahl verloren. 

* der Feldhauptmann Davids und ſein 
Nette von feiner Schweſter Zeruja (1. Chr. 2, 16; 
2. Sam. 17, 25), muß ſich früh an David an: 
geichlofien haben und rechtfertigte durch Geſchich 
und Kühnbeit (2. Sam. 10,7; 11, 1; 12, 26; 
18, 14; 20, 13) das Vertrauen, welches David 
auf ihn fegte. Rüdfichtslos und graufam jcheut 
er aber aud) vor feinem Mord zurüd, um jeine 
öffentlihen oder privaten Bmede zu fördern 

2. Sam. 18, 14; 20, 10). David fonnte fi auf 
Joabs bewährte Anhänglichleit verlafjen, er war 


Joachim 412 Jobeljahr 


ihm Dank ſchuldig und durch den Vorfall mit —— durch ihre Heftigleit mißfiel. Als feine 
Uria an ihn gebunden; er trug daher auch Gemahlin heimlich das Abendmahl unter beiden 
Joabs Verbrechen ohne fie zu ftrafen, am wenig: | Geftalten 1528 empfangen hatte, mußte fie fih 
ften hatte er ihm wohl den Mord des Abfalom | feinen Mißhandlungen durd) die Flucht entziehen, 
vergeben. Seinem Erben Salomo aber empfahl | Auf dem Sterbebette forderte er von jeinen Söh: 
er die Rache an Joab, auch aus der politischen Er: | nen das Verſprechen, die alte Kirche mit allen 
wägung, daß der mädtige Einfluß des Joab, der | Kräften zu jchligen. + 1535. 
dem Königshaufe jo nahe jtand, dem unbefeftigten) Joachim II. (1535—1571). Durch eigene Be: 
Throne Salomos gar leicht gefährlich werden | fanntichaft mit Luther 1519 und durch die Mutter 
fonnte, feine Hinrichtung aber die dur oab | troß des Vaters für die Reformation gewonnen, 
verlegten Familien an Salomo band. führte er diefelbe nad) feinem Regierungsantritt 
Joachim, nad dem Proterangelium Jalobi der | in behutfamer Weife im Kurftaate ein. Das erite 
Gemahl der h. Anna, Vater der Jungfrau Maria, | öffentlihe und feierlihe Abendmahl fand 1539 
die den Eltern nad) langer finderlojer Ehe durch | Statt. In demfelben Jahr erfchien der Entwurf 
einen Engel angekündigt wurde. Julius II. be: | der Kirchenordnung, welde 1542 proclamirt wurde. 
ftinnmte jeinen eittag auf den 10. März, Pius V.| Joahas, König von Yirael (855 — 838). Der 
hob denfelben auf, Gregor XV. aber nahm ihn von | Sohn Jehu's führte eine unglüdlihe Regierung, 
neuem ins Brevier. da er an Syrien das ganze Land jenjeit des or: 
Joachim, Abt von Floris in Calabrien, geb. | dans verlor und feine Macht äuferft beichräntt 
1130 zu Celico bei Coſenza. Er entjagte dem welt: | wurde. Durch fein Mißgeſchick gebeflert und unter 
lien Leben am Hofe Rogers von Sicilien, wurde | dem Einfluß des Propheten Elifa wandte er fih 
nad einer Wallfahrt ins gelobte Yand Mönd und | zum Jehovahdienft, ohne den Kälberdienft abzu: 
Abt des Eiftercienjerflofters Corace. Er erhielt Iafien. Der Heiland, welden Jehovah nad) 2. 
die Erlaubnif, um feiner Studien willen fein | Kön. 13, 5 Iſrael gab, ift in Jerobeam II. zu er» 
Amt niederjulegen, und zog fich in die Einjamteit | fennen, der zu diefer Zeit geboren fein muß. 
von Floris zurüd. Aus den Schülern, die ſich um oahas oder Sallum wurde nad) feines Baterd 
ihn ſammelten, entftand die ftrenge Congregation | Joftas Tod vom Volke zum Könige gemacht mit 
der Floriacenſer, welche außer Floris mehrere | Umgehung des ältern Bruders Eljafin 607. Pha: 
Klöfter gründeten. Joahim wird gejchildert ald| rao Necho lodte ihn ar feinen Hof nad) Ribla im 
ein fittlich reiner, für die Religion begeijterter | Lande Hamath und ließ ihn in Ketten nach Aegyp⸗ 
Mann, der die Gabe der Weisfagung befeffen babe. | ten führen. An feine Stelle ſetzte er den Eljakim. 
Auf feine Auslegung der Propheten und Pjalmen | Val. Jer. 22, 10—12; Ezech. 19, 3. 
gründete er die Erwartung, daf eine Zeit der) Joas, König von Juda. Als Athalja die Nach— 
Kirche nahe fei, in welder das Priefteramt der | kommenſchaft ihres Sohnes Ahasja ermorden lieh, 
verweltlichten Geiftlihen aufhören und im Geifte | rettete ihn feines Vaters Schweiter Joſeba (2. Kön. 
erneuert jein werde. Dieje Lehre wurde von den 11,2), die Gemahlin des Hohepriefters Yojada 
ftrengen Franciscanern und den Fratricellen auf: | und ließ ihn heimlich im Heiligtum erziehen. 
gegriffen und als „Ewiges Evangelium“ (ſ. d. A.| Nach 6 Jahren wurde Athalja in einer Verſchwö— 
Evangelium aeternum) weiter behandelt (intro- | rung getödtet und ber junge König gekrönt 878. 
ductorius in evang. aetern. des Franciscaner | Mit Bhöniciern und Philiſtern führte er unglüdlid 
Gerhard), von der Kirche als ketzeriſch verfolgt. | Krieg und die Syrer unter Haſael ließen nur durch 
Joachim felbft und feine Schriften find aber als | Geld ihren Abzug erlaufen. So lange Yojada 
lirchlich orthodor anerkannt geblieben, daeine Bulle | lebte, förderte Joas eifrig den Jehovahcultus, nad 
Honorius III. das Berwerfungsurtheil der Yate: | deſſen Tode wurde der Göhendienft wieder einge: 
ranfynode 1215 über feine Trinitätslehre rectifi- führt, Jojada’s Sohn Zacharia ward im Tempel: 
eirte. Von feinen Schriften find gebrudt: Liber] hof ermordet. In den darauf folgenden Partei: 
concordiae N. et V. Test. Ven. 1519; Expo-|unruben wurde Joas durch Verſchworene in fer: 
sitio Apocalypsis in Psalterum decem chorda- | nem Haufe zu Millo 838 ermordet (2. Kön. 12, 
rum. Comm. in Jeremiam, 1525, in Jesaiam | 17—21; 2. Chr. 24, 23 ff.). j 
V. 1517. Bgl. Engelhardt, kirchengeſchichtl. Ab- ons, der Sohn des Joachas, König von Iſrael 
handlungen, 1832, (838— 522). Ein kraftvoller Regent, der an Elija 
Joachim 1., Kurfürft von Brandenburg 1499— | und die nationale Partei ſich anjchlof, die Sper 
1535. Bon den Mißſtänden in derfatholiichen Kirche | bei Aphek ſchlug uno die verlorenen Provinzen 
überzeugt, war er dennoch, weiler deren Abjtellung | wiedergewann, auch Amazia von Juda auf defien 
nur durd) das Kirchenregiment wollte, ein abgefag: | kecke Herausforderung bei Bethſemes befiegte, 2. 
ter Feind Luthers. Seine Erbitterung wuchs durd | Kön. 13, 10 ff. ; 2. Chron. 25, 17—24. _ 
unvorfihtige Aeußerungen desfelben und durch die) Joaſaph oder Jofeph, Patriarch von Conſtan— 
NMindwigihe Fehde und den Bürgeraufitand zu | tinopel, nahın in der Bedrängniß durch die an: 
Stendal, deren Urſachen auf die Reformation zu: | rüdenden Türken mit Johann Paläologus Theil 
rüdgeführt wurden. Seine neugeftiftete Univer: | an dem Unionsconcil zu Ferrara: ylovenz 1439, 
jität Frankfurt mußte die Wittenberger wifjen: | um eine Union mit der griechiſchen und lateini— 
ſchaftlich belämpfen, während jeine Verbote die ſchen Kirche zu bewertjtelligen und Schug von dem 
Berbreitiing der neuen Lehre hinderten. Auf den | Abendland zu erlangen. 
Reichätagen zu Worms, als Glied der zur Unter:| Jobeljahr, Halljahr. Der Name rührt ber von 
ſuchung der Streitfache niedergefegten Gommiffion, | dem Hall des Horns, mit welchem das Jahr am 
und zu Augsburg 1530 wirkte er für die den Pro: | Verföhnungstage angekündigt werden follte. Rach 
tejtanten feindlichen Beſchlüſſe in einer Art, daß | fieben Sabbathiahren beſtimmt das Geſetz (3. Mol. 
feine Rebe zu Augsburg, in der er die Bejchlüffe | 25,8—10)al8 Schluß der Jahredfabbathperiode ein 
verfündigte, felbjt vem Kaifer und den katholiſchen weiteres Ruhejahr, welches die Bejtimmung batie, 


Joch 


alle Abweichungen von den urſpruünglichen theo⸗ 
kratiſchen Anordnungen im bürgerlichen Leben des 
Volkes, die unvermeidlich waren, wieder auszu— 
gleichen. Es ſollte ‘jeder zurüdtehren zu feinem 
Befig und feinem Erbe, Der Xeibeigene wurde 
wieder frei, der veräußerte Beſitz fiel an die Ya: 
milie zurüd. Daß der Aderbau ruhte, war con: 
fequente Uebereinftimmung des Grundgedankens. 
Zur wirflihen Ausführung jcheint das Jobeljahr 
ſchwerlich gelommen zu fein, die Spuren vor dem 
Eril find ſchwach (ef. 37, 30; Ey. 7, 13); nad dem 
Eril ward das Geſetz jedenfalls nicht durchgeführt. 

Jod, Dr. Johann Georg, geb. 1685 zu Roten: 
burg an der Tauber, ftudirte feit 1700 in Jena, 
war dort Privatdocent und 1709 Superintendent 
und Gymnafialrath zu Dortmund. Weil er in 
Sena dem Pietismus gewonnen, hier bie pietifti- 
ſchen Brivaterbauungen einführte, gerieth er in 
heftigen Streit mit feinen orthodoxen Collegen. 
Später fam er ald Senior des Minifteriums nad) 
Erfurt und 1726 als Profeifor der Theologie nad) 
Wittenberg, wo er durch eine Disputation „von 
der heilfamen Berzweiflung“ einen zweiten lang: 
wierigen Theologenftreit hervorrief. 

Joel, der Sohn Betuels, einer der ältejten 
Propheten. Er ſchildert eine furdtbare Heufchreden: 
plage, welche das Land verwüjte, jchließt daran 
die Mahnung zu einem allgemeinen Faſt- und 
Bettage und verfündigt im zweiten Theil feiner 
Nede die zukünftige reiche Gabe Gottes an geifti: 
— Segen. Die Zeit des Joel iſt nicht angege— 

en; Hilgenjeld in feiner Zeitihrift (1866, Heft 
4) jet das Buch ins perfiiche Zeitalter, kurz vor 
Ankunft des Esra. "Da die Syrer und Aſſyrer 
noch nicht erwähnt werben, aud) die inneren Zu: 
ftände noch leidlich find, jo jegen es die Meijten 
unter Joas; Bunjen gar unter Rehabeam und 
bezieht feine Worte auf Die Eroberung Jerufalems 
durch Siſak von Aegypten (2. Kön. 14, 25), Dal. 
Ewald, Propheten, 1540, 2. Aug. 1867; Hitzig, 
Kleine Propheten, 3. Aufl. 1863; Crebner 1831; 
Meier 1341. 

Jürgen, v. d. Düre, Magister Aportanus, ber 
Reformator Oftfrieslands. Erzogen von den Brü: 
dern bed gemeinfamen Lebens zu Zmwolle, wurde 
er vom Grafen Edzard nad Aurich an die Schule 
berufen. Bei dem Widerftande der Geiftlichen, als 
er die lutherifche Lehre verbreitete, predigte er auf 
freiem Felde, bis ihm das Voll unter dem Schuß 
bes Grafen die große Kirche öffnete. 

Johann der Befländige, Kurfürft von Sachſen 
1525—32. Geb. 1468 in Meiflen. Nach dem Maße 
der Zeit wohl unterrichtet, zog er nad) dem Tode 
feines Vaters an den Hof — 11I. und 
kämpfte im öfterreichifchen Heere gegen Wladislaus 
von Polen. Zweimal verheirathet, verlor er beide 
Gemahlinnen früh und behielt von ihnen 2 Söhne 
und 2 Töchter. Seinen Beinamen hat er ſich er: 
worben durch jein perſönlich beftändiges Bekennt⸗ 
niß zu ber Reformation auf den Reichstagen zu 
Epeyer 1526, 1529 und Augsburg 1530. Seine 
Abhängigkeit von Luther und den Wittenberger 
Theologen auch da, wo es jein politiiches Verhal: 
ten galt und feine daher rührende Abneigung ge: 

en jede Verbindung mit den Schweizgern und Re— 
ten bemmten den thatfräftigen YZandgrafen 
von Heſſen und ließen es zu feinem energiſchen Auf: 
treten der evangelifhen Stände fommen. Mit 
Mühe gelang es, ihn zum Abſchluß des Torgaui- 


413 


Johann III. 


ſchen Bündniſſes 1526 zu bereden; in den Pad: 
ſchen Händeln bewahrte er eine rejervirte Haltung 
und erft die Drohungen Des Kaijers zu Augsburg 
bewogen ihn, den Abjchluß des Schmaltaldener 
Bündniffes zu betreiben und ſich in VBerhandlun: 
gen mit u. und ren einzulafien, welche 
durch den Convent zu Schweinfurt und den Nürn- 
berger Religionäfrieden 1532 auf eine ihm mwillfom- 
mene Weiſe erledigt wurden. Durch die Anord: 
nung ber Kirchenvifitation von 1528—29 begrlin: 
dete er die evangeliſche Kirche in feinem Kurfür: 
ſtenthum dauernd, Er ftarb 1532 zu Schweinig 
auf der Jagd. 

Johann Friedrih I., der Großmüthige, Kur: 
fürjt von Sachſen 1532—47, der Sohn des Vori: 
gen. Geb.1503. Bon Spalatin erzogen, gab er fich 
mit Begeifteruug den Ideen der Reformation hin 
und nahm als Kurprinz den lebendigjten Antheil 
an den firhlihen und politiihen Verhandlungen. 
&o war er anmwejend auf dem Tage zu — 
1525, den Reichstagen zu Speyer 1529, Augsburg 
1530, dem Eonvent zu Schweinfurt 1532 und zu 
Nürnberg. Ungeachtet feiner Treuegegen das Evans 
gelium und der Abneigung gegen Rom, die ihn 
da3 Eoneil zu Mantua jo unbedingt abweiſen hieß, 
fuchte er durch ein vermittelndes und entgegen: 
tommenbes Berhalten dem Kaiſer gegenüber die 
Begünſtigung der Evangelifchen zu erlangen, wobei 
aber feine ehrliche Politik der fpanifchen gegenüber 
ſich nicht gewachſen zeigte. Der Mangel an Scharf: 
blid machte ihn auch öfters gegen feine Berbünde: 
teu argwöhniſch und mißtranike, Eine Fehde mit 
Morig von Sachſen 1542, der Flabenfrieg, wurde 
burch Vergleich beendigt, mit Hülfe des ſchmaltal⸗ 
diſchen Bundes 1543 Heinrich von Braunſchweig 
befiegt, aber der richtige Augenblid, durch Unter: 
ftügung der Kölner Reformation und nad dem 
Reichstag 1543, die Angelegenheit der Evangeli: 
{chen zu Adern, verabjäumt, jo daß ihn die Kriegs⸗ 
erflärung des Kaiſers unvorbereitet überrafchte. 
Die Schlacht bei . 1547 führte ihn in die 
Gefangenſchaft; unerjchroden hörte er das Todes: 
urtheil an und wiberftand der Verfuhung, durch 
Annahme bes Jnterims eine befjere Behandlung 
zu erfaufen. Erjt als Morig fih Innsbruck nä« 
herte, entließ ihn Karl, nicht ohne Nebenabfichten, 
doch mußte er feinem Better bie Kurwürde abtre: 
ten. 7 1554. Auf feinen Wunſch noch während fei: 
ner Haft hatten jeine Söhne die Univerfität Jena 
1552 geftiftet. 

ohann I., Bapft 523—26. Im Auftrage Theo: 
borihs mußte er als deffen Gefandter nad) Con: 
ftantinopel gehen, um die Rüdnahme des Edicts 
von 524 gegen die Arianer zu betreiben, monad 
diejelben ihre Kirchen verlieren follten. Nach feiner 
Rückkehr büßte er im Kerfer die Unzufriedenheit 
Theodorichs mit dem Erfolg der Reije. 

— II. 532—35. Ein Römer, mit dem Beinamen 
Mercurius. Dem Kaijer Juftinian nachgebend, 
feinem Borgänger Hormisdas widerſprechend, bil: 
ligte er den Sa „Einer aus der Dreieinigkeit hat 
gelitten” und verwarf die Aloimeten. Yon Wich— 
tigfeit ift jeine diſciplinariſche Entſcheidung gegen 
den Biel von Kiez 534. 

— 1. 560—73. Wichtiger als feine Negenten: 
— iſt der Umſtand, daß er den päpſtlichen 

tuhl erſt 4 Monate nach der Wahl einnehmen 
fonnte, weil Juftinian jo lange mit der Beſtäti— 
gung zögerte, 


Johann IV. 


Johann IV. 640— 42. Ein Dalmatier. Die 
Eithejis des Heraclius ließ er, ungeachtet jein | mo 
Vorgänger Honorius 1. ſich ——— von 
einer Synode verwerfen 641 und bemühte ſich 
nun, den Patriarchen Pyrrhus zu Conſtantinopel 
zur Unterwerfung zu bringen. 

— V. 685—86, brachte ſein Pontificat im Bette 
zu. 


— VI. 701—05. Gegen den Exarchen, der ihn 
abjegen Aa gr Sig ihn die Römer. 

— VII.7 7, fühlte ſich jo abhängig auf 
feinem Stuhle, — er nicht wagte, eine Entjchei: 
dung zu geben, als Juſtinian Il. ihm durch Ge: 
ſandte die Canones des Trullanifcen Eoneils vor: 
legen eh 

VIU. 872—82. Seine ehrgeizigen Pläne 
hatten einigen Erfolg bei der Krönung Karls des |t 
Kahlen 876 ; aber weder konnte er die neuftrijchen 
Biſchöfe überwinden, auf ihre Metropolitanrechte 
zu verzichten, noch jeine jonftigen —— Ehe 
durchführen. Er jprad den Bann aus über Pho: 
tius von Conftantinopel, den er vorher anerkannt 
hatte. Von ihm find 330 Briefe vorhanden. 

— IX. 898— 900, hielt 2 Synoden, auf denen 
er das Gedächtniß des Papftes Formoſus wieder 

Ehren brachte und Lambert von Spoleto gegen 

Kenulpp als Kaifer anerkannte. 
X. 914—28, war der Buble ber Theobora, 
durch diejelbe Erzbiichof von Bologna, von Ra: 
venna und endlich Bapft. Er blieb ein Werkzeug 
derjelben und der Marozia, bis ihn dieje, da er 
a ae zu werben, erbrofjeln ließ. 

— 6, ein Sohn der Marozia und 
des Papites Sergius III., wurde von feiner Mut: 
ter auf den päpftliden Stupl gejegt und von jei: 
nem Halbbruder Alberich entthront. 

— XII. 955—964. Gegen den Longobarden 
Berengar rief er Dtto I. zu Hülfe und krönte dieſen 
zum Kaifer 962. Als diejer jelbft zu Pavia eine 
Synode abbielt, brad) er feinen Schwur und knüpfte 
neue Berbindungen mit Berengar an. Dtto eroberte 
Nom 963 und ließ die Römer ſchwören, nie ohne 
feine Zuftimmung einen Papit zu wählen. Auf 
einer Synode in der Peterskirche 963 wurde Jo: 
hann ber Ihamlojejten ? Verbrechen an — und 
abgeſetzt, und an ſeine Stelle Leo VIII, ein Laie, 
erwählt. Nach dem Abzug des Kaiſers bemächtigte 
Ne hann fi) von neuem Noms und caffirte die Be: 

Ihlüffe der Kaiſerſynode. Während Dtto ihn zu 
ftrafen heranrüdte, ftarb Johann im Augenblid 
des Ehebruchs, vom Schlage (nad) der Legende 
vom Teufel) getroffen. Die Urkunden, durch welche 
Dito ihm bie Schenkungen Karls des Großen be- 
ftätigte und Unterwerfung verhieß, find unecht. 

— XII. 965—72. BonDttol. eingejegt, wurde 
er in einer Empörung der Römer faft ein Jahr in 
Capua gefangen gehalten und erſt vom Kaijer 
wieder befreit. Auf dem Concil 967 zu Ravenna 
erhielt er das ganze Gebiet, welches die Päpſte je- 
mals mit Recht bejefien, zurüd. Mit dem Kaiſer in 
bleibendem Einvernehmen, frönte er Otto II. und 
auch defien Gemahlin Theophania 972. Die Pläne 
des Kaiſers zur Belehrung der Slaven förderte er 
— * Kräften und gründete das Erzſtift Magde— 

urg. 

— XIV. 98384. Früher Biſchof Peter von 
Pavia und Erztanzler Otto's Il., ward er unter 
befien 5 gewählt, nad) deffen Tode aber 


(7. —— 


414 


Johann XXII. 
u zurücklehrte, gefangen und er: 


RV. ) Nad) Bonifacius VII. ſoll ein Sohn 
des Römers Ropertus unter biejem Namen 4 Mo- 
nate das Pontificat geführt haben ; doch findet ſich 
der Name nicht in allen Vergeichniffen und die 
a > ift faum REN 

V. 98598. Da Rom von dem Patricius 
— beherrjcht wurde, jo war die Macht 
dieſes Pap — — — beſchränkte. Es wird ihm 
Geiz und —— In dem Streit 
über die Be ae 3 des isthums 2.00 durch 
Hugo Capet verwarf er durch ſeinen Legaten Leo 
die Beſchlüſſe der Synode von Rheims 991 und bie 
Wahl Gerberts, der ihn barüber ſcharf angriff, 
— Eee als Papft derſelben Entſcheidung bei⸗ 


— XVI 998—99. Gegenpapft Gregors V., 
eigentlih Johann Philagathos, ein Grieche aus 
Rofjano in Calabrien, Biſchof von Piacenza. Durch 
Grescentius eingeſe t, mußte er vor dem —* 
wurde er en — verſtümmelt ER 

impft in einem Klofter gefangen gehalten. + 999. 

VII. (X VIII.) 1003. "Sicco mit Beinamen, 
regierte nur 7 Monate. Mit ihm beginnt eine 
Berwirrung in der Zählung der Johann heiken: 
ben Päpfte, veranlaßt durch Johann XXL, wel: 
cher ſich, obgleid) eigentlich der ywongiafie, als den 
einundzwanzi a zählte, vielleicht dürch Mitzäh- 
fung ber ren — (. d. Art.). 

003—09. Faſanus. Er un: 
terftügte ben Blon "Heinrich ‚ das Bisthum 
Bamberg zu errichten, und machte den Apoſtel der 
Preußen Bruno von Querfurt zum Erzbifchof. Es 
It ine daß er, vom Sohne des Grescentius abge 
ed, in Xu ne geftorben iſt. 

XX.) Romanus, der Bruber Bene: 
dicts vol, * nad) deſſen Tode 1024 das Pon⸗ 
tificat an fi. Seine Geldgier erregte viel Unwil⸗ 
fen, namentlich als er im riff ſtand, dem Pa: 
triarchen von Gonftentimopet fü ür Geld den Supre: 
mat über den Drient zuzuerfennen. Er krönte 
Konrab IL. 1027 und berief Guido von Arezzo 
nad Rom. + 1038. 

— XXI 1276—77. Borher Petrus Juliani, 
Gardinal: Bifchof von Tusculum, aus Liffabon ge: 
bürtig. Ein gelehrter Mann, der aber als unfähig 
und darakterlos gejchildert wird. Ob er wirklich 
ber Verfafſer der unter dem Namen Petri His- 

ni erſchienenen medicinifhen und philoſophiſchen 
Eepriften, ift nicht auögemadt. Die Beftimmun: 
gen Gregors X. über Das Conclave hob er wieber 
auf. Er wurde durch den Einfturz einer Dede in 
feinem neuerbauten Pallaſt zu Biterbo erfchlagen. 

XXIL 1316— 34. Vorher Cardinal Jakob 
von Dfja aus Eahors, ber Sohneines Weinfhenten, 
früher Kanzler des Robert von Sicilien, wurde er 
nad) zweijähriger Sedisvacanz von der franzöſi⸗ 
ſchen Partei zu Avignon gewählt. Im franzöſiſchen 
Intereſſe trat er gegen Ludwig den Bayer 
unterftügte deſſen Gegner, die Gibellinen, in 
Italien und that —— wiederholt in den Bann. 
Ludwig ließ ſich in Rom von dem durch ihn einge⸗ 
ſetzten Gegenpapſte Nikolaus V. (dem Minoriten 
Petrus de Corberia) krönen, konnte dieſen aber bei 
feinem Rückzug nach Deutſchland nicht ſchittzen, 
jo daß er fi) vor Johann beugen mußte. In 
diefem Streite wurde die weltlihe Macht des 


983) von Bonifacius VIL, der aus Papſtes und der Hierarchie mehrfach von Gelehrten 


Johann XXIII. 


befämpft. Johann lieh die Spiritualen ber Fran» 
ciscaner und die Fratricellen als Ketzer verfolgen. 
Durch feine Anfiht von dem Zuftand der Seelen 
nad Tode, die mit der Anrufung der Heiligen 
unvereinbar, et er jelbft in den Verdacht der 
Kegerei und mußte förmlich widerrufen. 
‚Jeden XXI. 1410-15. Vorher Cardinal Bal: 
thaſar Cofja. Ein begabter, aber ſittlich verwahr⸗ 
lofter Mann, erzwang er jeine Wahl nad) Alexan— 
ders V. Tode (den er vergiftet haben ſoll) dur 
Drohungen und Beitehungen. Die Noth, in welche 
ihn der Friedensbruch und Ueberfall durch Ladis— 
laus von Neapel verjegte, zwang ihn, Sigismund 
um Schuß anzugehen und in das Goncil zu Con: 
ftanz zu willigen. Als dasjelbe jeine Abdication 
verlangte und ihn fchwerer Laſter und Vergehun— 
gen beſchuldigte, entfloh er, wurde aber abgejett 
(27. Mai 1415), bei der Niederlage feines Schügers 
here von Oeſterreich gefangen und im Schlofie 
ottlieben, danach in Heidelberg bewacht, Er ent: 
floh 1419 und warf ſich Martin V. u ben, der 
zum Cardinalbiſchof von Tusculum ernannte. 
r ftarb im December desjelben Jahres. 

Johann von Paris, + 1306, jeines Scharfjinnd 
wegen mit dem Beinamen pungens-asinum, war 
Dominicaner und Profefior der Theologie in Pa— 
ris. Im Streite Philipps des Schönen mit Boni: 
facius ſprach er ſich für den König aus. Da er die 
Doctrin von der impanatio mit eigner unverfenn: 
barer Borliebe entwidelte, zog ihn der Bapft def: 
halb zur Verantwortung. Sein Tod fam dem Ur: 
theil zuvor. 

ann bon Weſel. S. Weiel. 
obann von Weſſel. S. Weſſel. 
ohanna, PBäpftin. Die Sage von der Päpftin 
5. galt vom 11.—16. Jahrhundert als hiſtoriſche 
Wahrheit. Die Tochter eines engliihen Miffio: 
nars, hatte fie ein Liebeöverhältnig mit einem 
Mönd zu Fulda, legte Männerkleidung an, lieb 
fi) in das Klofter Fulda aufnehmen, entfloh mit 
ihrem Buhlen, jtudirte zu Athen griechijche Litera⸗ 
tur, eröffnete zu Rom eine Schule, wurde zum 
Bapft erwählt und ftarb 854, als fie während 
einer Proceſſion entbunden wurde. Daß dies nur 
eine Sage iſt, ergiebt ſich mit nen aus ber 
Unmöglichkeit, ihre Perfon in die Reihenfolge der 
Päpſte einzuschalten. Ungewiß ift, ob es nur eine 
enhafte Ertlärung ber sella stercoraria jein 
oll oder eine Satire auf das unzüchtige Leben 
vieler Bäpfte und das MWeiberregiment in Rom. 

Johanna d' Albret, Königin von Navarra, die 
Tochter Heinrich II. von R. und der Margarethe 
von Valois, geb. 1531, wurde von ihrer Mut: 
ter in den Grundfägen der Reformation erzogen. 
Eine Verlobung mit dem Herzog zu Eleve 1540 
wurde wieder aufgehoben und fie 1545 mit Anton 
von Bourbon, Herzog von Vendöme, verheirathet. 
Der ſchwächliche und harakterloje Sinn ihres Ge: 
mahls war zu einer entſcheidenden Betheiligung 
an den Angelegenheiten der franzöfiihen Refor: 
mation nicht zu bewegen, ließ er fi Doch gar 1562 
furz vor feinem Tode zum Webertritt zur fatholi- 
ſchen Kirche verleiten, aber Johanna benugte deſto 
eifriger jede Gelegenheit während der Bürger: 
kriege die Hugenotten zu fördern. Eine Verſchwö— 
rung ihrer fatholijhen Unterthanen nöthigte fie 
zur Flucht nad la Rochelle 1566 und zu einem 

eren Bündnik mit den Hugenotten. Nach dem 
Frieden von St. Germain willigte fie in die Ber: 


415 


Johannes 


heirathung ihres Sohnes Heinrich von Bearn mit 
des Königs Schweſter Margarethe von Valois als 
Pfand des Friedens. Auf einer Reiſe an den fran⸗ 
zöſiſchen Hof ſtarb fie plötzlich 1572, nach der 
allgemeinen Meinung durch ein Paar Handſchuhe 
vergiftet. 

Johanna »’Arc. S. Jungfrau von Orleans. 

Johannes, der Apoftel (Iwerwwns, JM) etwa: 
Gotthold), war der Sohn des Zebedäus und ber 
Salome, Bruder des Jakobus, früher Fiſcher am 
See Genezareth (Marc. 1,19). Es war der Jün— 
ger, „den ber Herr lieb hatte“ (oh. 13, 23; 
19,16), übrigens nicht der janfte, als weldyen man 
—* lange gewohnt war zu betrachten, ſondern von 
Natur leidenſchaftlich, glühend in Liebe und Zorn 
(vgl. Luk. 9, 54; Marc. 3, 17; 10, 35). Als Apoſtel 
wirkte er zuerjt in Jeruſalem Apftg. 1,13; 3,1; 
4,19), jpäter in Epheſus. Unter Domitian auf 
bie Inſel Batmos verbannt, fol er unter Trajan 
ng geftorben fein. In neuerer Zeit hat 

eim den Aufenthalt des Johannes in Epheſus 
gänzlich beftritten (Jejus von Naz., I, ©. 160 ff.; 
vgl. dagegen Steig in den Studien und Kritilen, 
1868), als eine erjt jeit Jrenäus (190) durch Miß⸗ 
verjtändniß oder Verwechslung mit dem Presbyter 
Johannes entjtandene Sage. 


Das Evangelium des Johannes hat den Zwed, 
bie übernatürliche Herrlichkeit Jefu, feinen Kampf 
und Sieg in der Welt zur anfhauliden Dar: 
rer. zu bringen. Der Zweck ift fein rein ge: 
hichtlicher, ſondern ein chriftlich philoſophiſcher. 
Hätte dad Evangelium lediglich den Zweck, die 
drei erften Evangelien zu ergänzen, jo wäre nicht 
zu erflären, warum einzelne Geſchichten, wie die 
Speifung, die Tempelreinigung, das Wandeln auf 
dem Meere, wiederholt find, während z. B. das 

. Abendmahl —— übergangen iſt. Die 

uswahl erflärt fi vielmehr durch die *2 
daß ein höherer theoſophiſcher Gedanke für dieſelbe 
maßgebend geweſen ſei, ſo daß nur ſolche Geſchich⸗ 
ten und Reben theils aus der ſynoptiſchen Tradi— 
tion, theils aus felbftändiger Duelle aufgenommen 
wurden, welche zur — — und Darle⸗ 
gung jener Idee zweckmäßig waren. Dieſe Idee iſt 
im Eingange des Evangeliums dargelegt: die Idee 
des — ewordenen Logos. Ein neues, göttliches 
Princip iſt in dieſe Welt eingetreten, „ein Licht 
ſcheint in die Finſterniß“, und diefes fleiſchgewor⸗ 
bene Wort Gottes ift Chriftus. Die Er —5* 
wie die Reden, ſind nur unter dem tspuntt 
von Selbſtoffenbarungen der göttlichen Herrlich- 
feit Chrifti aufzufaflen, diefelben werden ſtufen⸗ 
weiſe deutlicher und größer, aber je mehr fie ber: 
vortreten, defto ftärfer wird aud) der Widerjtand 
der Elemente der Finfterniß, namentlich unter 
dem herzenäharten jüdifchen Volle. Es kommt 
endlich zu einer Krifis, welche mit dem Auftreten 
Jeſu in Jerufalem zufammenfällt; die Krifis führt 
zur Katajtrophe des Todes, zur ſcheinbaren Rieder» 
lage, melde in der That aber Berflärung ift und 
in der fiegreihen Auferftehung ee 
findet. Demgemäß zerfällt das elium in 
folgende Theile. 1) 1— 6 die erjte Reihe von 
Selbftoffenbarungen Jeju theild zu Jerufalem, 
theils zu Galiläa. 2) 7—12 der Conflict, welcher 
durch eine Reihe von immer wunderbarer werden: 
den Selbftoffenbarungen entfteht und wächſt und 
in ber Salbung, dem Einzug, der Berherrlihung 


Johannes 


durch die Griechen und die Verklärung (12) den 
Abſchluß findet. 3) Die Kataſtrophe, die Vorbe—⸗ 
reitung im ftilen Kreife der Jünger durch Fuß: 
wafhung und die Abſchiedsreden (13—17), Lei: 
den und Tod (18 und 19) und Auferftehung (20). 
Als mit Unreht in das Evangelium eingeſchobe— 
nes Bruchftüd wird die fynoptifch klingende Er: 
zählung von ber Ehebrecherin (Cap. 8) ziemlich 
allgemein betrachtet. Das legte Cap. (21) ift 
jedenfalls erſt fpäter gefchrieben, aber wahrjchein: 
lich, was feit Grotius Manche bezweifelt haben, 
mit Ausnahme von V. 24 und 25, von berjelben 
Hand, von weldher das Evangelium gefchrieben 
ift. Differenzen von den ſynoptiſchen Berichten 
finden fi) in den einzelnen Erzählungen, wie in 
der Grundauffaffung der Perſon Jeſu im Ganzen ; 
die wichtigften Differenzen betreffen die drei Feſt⸗ 
reifen Jeſu (Job. 2, 1355, 1; 7, 10), von weichen 
die Synoptifer nichts zu wiffen jheinen und das 
b. Abendmahl, worüber man den Art. Abendmahl 
an — Das Evangelium bildet den ſchwie— 
rigen Gegenftand eines langwierigen kritiſchen 
Streites. Nahdem Jahrhunderte lang dasfelbe 
nicht nur unangefodhten geblieben war, fondern 
meift ein bejonderes Anfehen unter den biblifchen 
Büchern genofjen als „das einige, zarte, rechte 
Hauptevangelium” (Luther), wurden zuerjt im 
17. Jahrhundert von engliſchen Deiften und bar: 
auf namentlih von Evanjon Zweifel gegen feine 
Echtheit geäußert. Ihnen folgten die deutſchen 
Zweifler Horft, Cludius, Wegicheider u. A., deren 
Bedenken jedod noch ziemlich unwirkſam blieben. 
Da trat Bretjchneider mit feinen »Probabilia de 
ev. et epp. Joannis ap, indole et origine 1820« 
auf, in welchen er den tiefgehenden Gegenſatz des 
Johannes und der Synoptifer betont, den Unter: 
ſchied zwiſchen vem Chrijtus und namentlich ben 
Reden Jeju hier und dort, welcher der Art jet, daß 
nur bie eine von beiden Darftellungen bie echte 
fein könne und die durch die Angriffe auf die Gott: 
beit Chriſti hervorgerufene Entitehung des Evan: 
geliums in das 2, Jahrhundert jegt. Zahlreichen 
Gegenſchriften, vorzüglich den Commentaren von 
Lücke und Tholud, gegenüber vermochte fich jedoch 
die Bretſchneiderſche Hypotheſe nicht zu halten, 
und ihr Schöpfer widerrief endlich jelbjt. Durch 
die Theologie leiermaders, die mit dem Jo— 
hanneiſchen Denken manche, namentlich chriftolo: 
giihe Berührungspunfte darbot, fam das Evan: 
gelium wieder in gr Geltung. Während 
Credner (Einl.) die Echtheit unbedingt feſthält, 
dagegen den Einfluß helleniſcher Philofophie an: 
ertennt, bewegt ſich de Wette in Zweifeln, welde 
nicht ftark genug waren gegenüber dem apoftolis 
ſchen Totaleindrud des Evangeliums und doc 
wleder jtarf genug, um die unbedingte Anerken⸗ 
nung der Echtheit zu erfchüttern. Ein erneuter 
Angriff gegen das Evangelium wurde von ber 
fog. Tübinger Kritif ausgeführt. Nachdem Strauß 
über jeinen eigenen Zweifeln wieder bedenllich ge: 
worden war, traten dagegen Schwegler (Monta: 
nismus, 1541, Nadapojft. Zeitalter, 1846), Bel: 
ler (Theol. Jahrb., 1845 ff.), Baur (Theol. Jahrb., 
1844, Krit. Unter. über die fanon. Evangelien) 
in wiederholten Arbeiten gegen die Echtheit auf. 
Während Zeller die äußeren Zeugnifje in viel 
fpätere Zeit herabrüdte, unterſuchte namentlid 
Baur den gen des Evangeliums und fuchte die 
Compofition desjelben zu erllären als eine freie 


416 


Johannes 


religiöſe Dichtung zum Zwecke der Darſtellung 
einer philoſophiſchen Idee. Letztere ſei ausge: 
prochen in dem Eingange des Evangeliums, es 
ei feine andere als die Logosidee, welche der etwa 
um 170 jchreibende, und von den gährenden 
Geifteselementen der Zeit lebhaft bewegte Ber: 
fafier alö den entſprechendſten Ausdrud des We: 
ens Chrifti betrachtete, und melde er in einer 
eien Bearbeitung der Geſchichte Jeſu zur an: 
chaulichen Darjtellung zu bringen verjucte. 
Hilgenfeld (Das Evangelium und die Briefe Jos 
hannes) mobdificirte hierauf diefe Anficht dahin, 
daß er das Evangelium mit der Balentinianischen 
Gnofis in Zufammenhang brachte und jeine Ent: 
ftehung ungefähr in das Jahr 130 ſetzie. —* 
die Echtheit ſprachen ſich unter Andern in neue 
a“ in einem den Tübinger Refultaten ur 
inne aus: Scolten (Het evangelie naar Jo- 
hannes, 1864) und Keim (Jeſus von Razara, 
1868). Ein vermittelnder Verſuch, die Frage zu 
löfen, befteht darin, einzelne Theile aus dem 
Evangelium ald unecht auszufcheiden. So hat 
Weiße (Ev. : Gejhichte, 1838; Evangelienfrage, 
1856) jog. „Johanneiſche Studien” angenommen, 
welde ein Schüler nad) feinem Tode zum Evan: 
gelium verarbeitet hat; Schweizer hat diejenigen 
Stüde, welche die rer Wirtfamteit betreffen, 
ausgejhieden und ein nur die aufergalilätjche 
Wirkfamleit umfafjendes Johanneijches Evange- 
lium angenommen (dad Ev. Johannes, 1841); 
Weizfäder unterjcheidet zwifchen idealen und hiſto⸗ 
riſchen Elementen im Evangelium, deren Miſchung 
bis ins Einzelne aufzulöfen ber Kritik vorbehalten 
fei (Unterf. über die ev. Gefchichte, 1864); ähnlich 
erflärt ſich Renan in der neu bearbeiteten Aus: 
gabe jeines Lebens Jeſu. Dagegen ift eine aus: 
gedehnte Literatur entitanden, welche die Echtheit 
und geihichtlihe Glaubwürdigkeit im Allgemei: 
nen und im Einzelnen fefthält. Zu ben eriteren 
find 3. B. Reuß (Geſch. der h. Schriften, 4. Aufl. 
1864), welcher wenigjtens die Möglichkeit der Echt: 
—— anerkennt, Ewald (Joh. Schriften, 1861) und 

ittichen (geſch. Char. des Ev. Joh., Elb. 1869) 

zu reinen; zu den legteren Tholud (Commentar 
u Johannes, 7. Ausg. 1857), Baumgarten-Eru: 
tus (Joh. Schriften, 1814), Ebrard (das Ev. Joh. 
ertay Gueride (Einf. 1843), Bleek (Beiträge zur 
Evangelien:Hritif, 1846), Hengſtenberg (das Ev. 
bes h. Johannes 1845) u. v. X. Die Schriften zur 
Kritik des Evangeliums find zahllos. Die haupt: 
jädhlichiten [. oben. Zur Exegeſe: Lüde, 2 Bde. 
1851—52; Tholud, 7. Aufl. 1857. Außerdem die 
das N. T. umfafjenden exegetiſchen Werte von de 
Wette, Meyer u. 9. 

Die Briefe. Der erfte der drei zu den „fatho» 
lichen Briefen“ gerechneten Johannesbriefe ijt eine 
in denſelben been, wie das Evangelium ſich be 
wegende Darlegung einiger Johanneifcher Haupt: 
gedanten. Als Fa Gegenjäge jtehen ſich gegen: 
über das Reich Derer, die an den Sohn glauben, 
und die Welt, dad Reich der Finſterniß und des 
Satand. Das Merkmal der erjten ift das Wan: 
dein im Lichte, weil Gott Licht ift, und die Liebe 
zu Gott, welde ſich im Halten feiner Gebote und 
in ber Liebe zu den Brüdern bekundet. Verwerf⸗ 
lic) ift die Gleichgültigkeit, welche fich dieſes a. 
fages nicht bewußt tft; falihe Propheten, ⸗ 
chriſti, ſuchen die ſchwachen Gläubigen zu bethören; 
ihre Macht iſt noch ſtark. Aber der Glaube iſt der 


Johannes 


Sieg, der bie Welt überwindet. Chriſtus wird er: 
jcheinen und mit ihm der Sieg der Seinigen. Diefe 
Gedanten find, ohne daß eine beftimmte Dispo— 
fition und Gedantenordnung herauszufinden wäre, 
an —— — rt. 1,14 
ift Eingang. Dann folgt eine mehr oder weniger 
in ſich abgeichlojjene Gedantenreihe von 1,5 — 
2, 2 vom Lichtfein Gottes, mas auch von den 
Gläubigen fordert, daß fie Licht jeien und nit 
fündigen. Hierauf 2, 3—17: Die Gottesliebe er- 
weift ji) im Halten der Gebote, in der Liebe zu 
den Brüdern und in ber Abwendung von der Welt. 
Weiter 2, 18—28: Warnung vor dem Antichrift 
und Ermahnung zum ten an dem Chriäma, 
welches die —* empfangen hätten. 2,29 — 
3, 10: Gott ift gerecht, darum auch feine Kinder; 
bie Hoffnung, ihm einjt gleich zu fein, ſoll als An- 
trieb dienen, heilig zu fein wie Ehriftus, und einen 
jcharfen Gegenſatz zu bilden zu den lindern des 
Teufels, welche fündigen. 3, 10—24: Die Bru- 
derliebe ift der Beweis, daß Gott in uns und wir 
in Gott find. 4,1—6: Warnung vor faljchen 
Geiftern. 4, 7 — 5, 4: Nochmalige Mahnung zur 
Liebe. 5, 5 bis Ende: vom göttlichen Zeugniß, 
daß Jejus Gottes Sohn ift, von der weltüberwin: 
denben Airaft des Glaubens an Jefus. — Die ver: 
fchiedenften Verſuche, den Brief zu biöponiren, 
find mißlungen. Sinnreich war die Eintheilung 
nah trinitariſchem Gefichtäpuntt von Bengel. 
Die obige Gruppirung ift nad) Yüde. De Wette 
will drei Themata unterjcheiden: Gott ift Licht 
(1, 5), Gott ift gerecht (2, 28) und Gott ift die 
Liebe (4, 8). — Ueber die Abjafjungäverhältnifie 
geht aus dem Briefe jelbft wenig hervor. Ge: 
wöhnlich dentt man ſich Epheſus als Abfafjungs: 
ort; die jpäte Lebenszeit des Apoſtels ala Abfaj: 
ſungszeit, bald nad) oder kurz vor dem Gvange: 
fium. Eine alte Ueberſchrift »ad Parthos« tft 
Mifverftändnig (vielleicht des eos nap#Efrous 
an die Jungfrauen, jungfräulihen Gemeinden). — 
Die Echtheit des Briefes wurde jeit Joh. Scaliger, 
namentlih von der Tübinger Schule befämpft 
(Baur, in den theol. Ri in 1848; Hilgenfeld, 
das Ev. und die Briefe Johannis 1849 und Tb. 
theol. Jahrb. 1855). Baur betrachtete die Briefe 
als ein Erzeugnif des Montanismus, auf welden 
der Ideenkreis der letzteren hinweiſe. Auch die 
Verſchiedenheit der Verfaſſer des Evangeliums 
und der Briefe wurde von der Tübinger Kritik 
be ‚weil die eschatologischen Borftellungen 
und die Stellung zum jübiihen Geſetze in beiden 
eine verjchiedene jei. Vgl. dagegen Xüde, Com: 
mentar, 3. Aufl. 1856. Der zweite und dritte 
Brief nennen als Briefihreiber „den Presbyter.“ 
Sie find beide ganz furz, der erftere an eine zupla 
(Herrin) gerichtet, unter welcher wahrſcheinlich die 
Kirche oder eine Gemeinde, ſchwerlich eine einzelne 
Berjon zu verftehen ift, er enthält Warnungen vor 
dem iommenden Wiberdriften. Der dritte ift an 
einen gemwifjen Cajus gerichtet, den er namentlich 
feiner Gajtfreundihaft gegen fremde Brüder 
wegen lobt; hierauf folgt eine Klage über das 
Benehmen des Diotrephes, der einen von bem 
Berfaffer an die Gemeinde geichriebenen Brief 
vorenthalte und überhaupt widerjeglich fei, na: 
mentlich empfohlene Brüder nicht aufnehme. — 
Ob der „Presbyter” der Apoftel iſt (entweder als 
Titel oder joviel ald „ber Alte”) oder der von Ba- 


417 


Sohannes Damascenus 


noch ftreitige Frage. Die Mehrzahl der Kritiker 
bat ſich für das Erjtere ausgejprochen (Lüde, 
de Wette, Brüdner, Ewald, er; dagegen: 
Ebrard). Baur hält die Briefe wie den erften für 
montaniſtiſch; die ExAexen (auserwählte) u u 
den montaniftiihen Begriff einer heiligen Kirche; 
der zweite Brief jei nah Rom gejchrieben, wobei 
Diotrephes den Namen des den Montaniften 
feindfeligen römischen Biſchofs andeute. Hilgen- 
feld ſieht im zweiten Briefe ein Ercommunications- 
ihreiben gegen die Gnoftifer, den dritten Brief 
für eine jog. &meroAn ovorerızı (Empfehlungs: 
ſchreiben) an. Vgl. Lücke, Commentar, 3. Aufl. 
1856; Paulus 1829; Neander 1851; Huther, 
3. Aufl. 1868. ©. oben zum Ev, 

Johannes von Avila, geboren zwiſchen 1494 
und 1500 zu Almodovar del Campo im Erzbis— 
thum von Toledo. 7 1569. Er ftudirte zuerit zu 
Salamanca die Rechte, konnte aber dem Studium 
feinen Gejhmad abgewinnen und wandte ſich zur 
Theologie unter Dominicus a Soto zu Alcala. 
Die Abſicht als Mijfionar nad) Indien zu gehen, 
wurde durch den Befehl des Erzbijchofs vereitelt, 
als Prediger im Vaterland zu bleiben. Als Wan: 
derprediger entfaltete er eine große Thätigkeit 
und erwarb fid) hohen Ruhm, was ihm aud eine 
rg der Im gr zuzog. Alle angebo- 
tenen Beförderungen jchlug er aus. Durch eine 
swanzigjährige Krantheit an Montella gefejielt, 
fammelte er einen Kreis von Schülern um ſich 
und jchrieb feine 2 Bände Briefe, welche Schirmer 
(Regensburg 1856) überfegt hat. 

Johannes Buridanus. S. Buridanus. 

Johannes v. Gapifiran. S. Gapijtranus. 

obannes Chryſoſtomus. S. Chryjoitomus. 

obannes Damascenus, Xovaogpoas. Seine 
Lebensgejchichte ift durd Sagen ungewiß gewoc- 
ben. Als der Sohn eines Staatsbeamten Sergius 
unter ſaraceniſcher Herrſchaft, joll aud) er dur 
einen italieniſchen Mönch Kojmas in allen Wiſſen⸗ 
Ichaften ausgebildet, gleichfalls ein hohes Amt be— 
Heidet haben, aber verdächtigt durch eine Intrigue 
Leo's des Jfauriers in Ungnade gefallen jein. Er 
habe nämlid) den Zorn desſelben durch eine Schrift 
für die Bilderverehrung gereizt. Gewiß iſt, daß 
er Mönd) wurde im Klofter des 3. Sabas bei Je: 
ruſalem, ſich den theologiihen Studien widmete, 
und zum Presbyter geweiht in Baläftina und Sy: 
rien bis nad Gonjtantinopel für die Bilderver: 
—* wirkte. Er ſtarb zwiſchen 754 und 787. 
Berühmt geworden ift es als der Dogmatiler der 
griechiſchen Kirche durch jeine drei zu einem Gan: 
zen (my yroacwns) verbundenen Schriften: 
xerpahaue pikooogıxa (dialectica), repi alpdoeww 
£v ovvrovig (de haeresibus) und Exdoois dxgı- 
Bus uns iaren; (de fide orthodoxa). Das erjte 
Werk enthält in 68 Gapiteln die philojophiichen 
Begrifföbeitimmungen im Anſchluß au Plato und 
Ariftoteles; das zweite in 103 Artikeln die Dar: 
ftellung der Häreſie, in den erften 80 faft wörtlich 
nach Epiphanius; das dritte die Darjtellung der 
orthodoxen Zehre in 100 Hauptjtüden nad den 
Concilienbeſchlüſſen und den alten Kirchenlehrern. 
Die —— iſt in der Weiſe der Scholaſtik 
und mit Vorliebe für die ſpeculativen Lehren von 
Gott, der Trinität und der Natur Chriſti behan— 
delt. Außerdem jchrieb er gegen die alobiten, 
die Manichäer, gegen die Earacenen, die Nefto: 


pias erwähnte „Presbyter Johannes”, ift eine ı rianer und Die Monotheleten; a a über 


Johannes von Dara 


die Trinität, die Falten, die Hauptjünden; aud 
Hymnen und Oben. In feinen Commentaren giebt 
er wenig mehr als Auszüge aus Chryſoſtomus 
und allegorifhe Anwendungen. Genannt muß 
noch werden jein chriftliher Roman Barlaam und 
Joſaphat, die Geſchichte der Bekehrung eines in: 
diihen Königs durch den Eremiten Barlaam. 
Seine Werke gab auf Veranlaffung der franzö- 
ſiſchen Geiftlicpteit heraus le Quien unter Mit: 
wirfung von Leo Allatius, Paris 1712, 

Johannes von Dara, jalobitiſcher Biſchof von 
D. (bei Rifibis), lebte in der erften Hälfte des 9. 
Jahrhunderts. Bon ihm find vorhanden drei Bü: 
cher: de resurrectione animarum, de hierarchia 
coelesti et ecclesiastica, de sacerdotio. Er: 
u“ wird noch ein Buch: de anima, 

ohanned Diakonus, ein Mönd zu Gaffinum 
ım 9. Jahrhundert, jchrieb eine Xebenäbejchrei: 
bung Gregors I. 

Johannes Eleemofinarius, ein Patriarch von 
GConftantinopel, von deſſen Wohlthätigkeit die 
Bollandiften erzählen. Er ftarb auf der Flucht 
vor den Berjern auf der Inſel Eypern 616. 

Johannes von Epheſus, monophyfitiicher Bi: 
if, geb. zu Amid, lebte im 6. Jahrhundert am 
laijerlihen Hofe zu Conftantinopel bei Juftinian 


in —— Anſehen. Auf einer im Auftrag des 
Kaiſers unternommenen Bekehrungsreiſe gewann 


er von den Heiden in Aſien 90,000 zum Chriſten⸗ 
thum und baute 96 neue chriftlihe Kirchen. Da: 
ber führt er den Namen Zertrümmerer der Götzen⸗ 
bilder. Er verfaßte ein Geſchichtswerk in 3 Thei: 
len, defien dritten Theil Cureton 1843 aus ſyri⸗ 
ſchen Handicriften herausgab. Dafjelbe umfaft 
die Jahre 571 — 585 und enthält jpecielle Anga: 
ben des Augenzeugen. 

Johannes (Ben Levi) bon Gischala. Als ſich der 
legte römifche Krieg vorbereitete, Jammelte Johan: 
nes als Freiihaarenführer eine Bande fühner und 
entſchloſſener Batrioten um ſich und warf fich in 


feine Vaterſtadt, welche er jtarf befejtigte, miß: | ih 


trauifh gegen Jojephus, dem er ſich zu unter: 
werjen weigerte. Bon dort führte er den einen 
Krieg gegen die Römer. Als aber Titus ſelbſt die 
Stadt belagerte, floh er mit feinem Anhang nad) 
Jerufalem und verband ſich dort mit den Zeloten. 
An ihrer Spike bemächtigte er jich der Herrſchaft 
in der Stadt. Gegen ihn erhoben fic die Jeruſa— 
femiten unter Eleazar und Simon von Öeraja, der 
mit den Jdumäern in Jerujalem eingezogen war. 
Johannes befiegte den Elcafar und ſchloß, als die 
Hömer die Belagerung ernitlicher begannen, mit 
Simon Frieden. Bei der Eroberung ber oberen 
Stadt wurde er gefangen, bei dem Triumphzug 
des Titus in Rom aufgeführt und ftarb im Kerfer. 
Yojephus ſchildert ihn als den fchlauejten und fal- 
ſcheſten unter den Angejehenen und den bösartigiten 
Mann des ganzen Bolies. In ihm als dem Führer 
verkörpert ſich allerdings der Fanatismus des aufs 
äußerjte erregten Volkes, weldes nur nod von 
einem Gedanken erfüllt ift, und fein anderes Mit: 
tel alö das Schwert hat, 2 durchzuführen. 
—— bon God. S. God). 

ohann von Gorz u. Johann von St. Arnulph. 
Johann von Gorz geb. Er Bendiere bei Pont & 
Mouſſon, wurde durd Berner, Diakon zu Toul, 
zum Studium der heiligen Schriften — Da 
er in allen Klöſtern die ſtrenge Beobachtung der 
Diſciplin vermißte und auch bei den Recluſen nicht 


418 


Johannes vom Kreuz 


fand, was er ſuchte, ſo verband er ſich mit einigen 
Freunden zum heiligen Leben. Ihnen räumte 


Biſchof Adalbert von Mainz das verfallene Klo: 


fter Gorz ein, defien Johann neben 
feinem Freunde dem Abt Einald übernahm. Gegen 
das Ende feines Lebens jandte ihn Otto d. Gr. 
als Gefandten zu Abderrahman III. nad Cor: 


dova. Seine Biographie, durd) feinen Freund und 
Zeitgenofien Johann von St. Arnulph (+ 984) 


verfaßt, iſt ein wichtiges biftorijches Denkmal aus 
dem 10. Jahrhundert (bei Berg monum. IV. 335). 
Johann von Gott. Eigentlich mit Namen Jo: 
hann Ciudad, geb. zu Montemor bei Evora in Bor: 
tugal 1495, führte ald Hirt, Soldat und Diener 
ein abenteuerlihes Wanderleben, bis ihn in jeinem 
46. Jahre, als Haufirer mit aſtetiſchen Schriften, 
eine Predigt des Johann von Nvila e und 
erjütterte. Für wahnfinnig gehalten und ins 
Spital gebracht, wandte er fie bier auf die Pflege 
ber Kranken und wurde der Stifter des Ordens 
der — — Brüder 1540. Noch bei Lebzeiten 
—— rennamen di Dio. + 1550. Heilig 
geſprochen 1690, 
hannes, der Sohepriefter, Entel des Eliafib, 
Neh. 12, 22, tödtete feinen Bruder Jeſus im Tem= 
pel, weil der perſiſche Feldherr Bagojes demſelben 
die hohepriefterliche Würde verjprochen hatte. Ba- 
gofes drang in den Tempel und legte zur Sühne 
den Juden eine Steuer auf (Jos. Arch. 11, 7,1). 
Es ift dies das erfte Beifpiel des Familienzwiftes 
wegen bes Hoheprieſterthums und einer Bewer: 
bung um dafjelbe bei den freinden gg Ri 
Johannes Jejunator (Nnorsvens, der Fafter) 
aus Kappadocien von niederer Herkunft, wurde 
wegen jeiner ajtetifchen rg ze — 2 
von Conſtantinopel 582 — 595. Den Ehrentitel 
ölumenifcher Patriarch, welchen einzelne jeiner 
Vorgänger geführt hatten, legte er ſich als wirt: 
liches Präbdicat zu und erregte dadurch den Zorn 
des Papſtes Gregor, der vergeblih Alles aufbot, 
ihn zur Ablegung bes Titels zu bewegen, der 
einen Eingriff in die beanjpruchte Oberherrſchaft 
des Papjtes enthielt. Gregor verbädtigte aud) Die 
Aufrichtigkeit feiner Frömmigkeit. Ob die dem 
Jejunator zugefchriebene Beichtordnung und bie 
Inftruction für Beichtväter, welche ſich unter den 
älteften —— Ponitentialbüchern finden, von 
ihm herrübren, ift mindeftens ungewiß. 
Johannes vom ſtreuz, der Stifter des Ordens 
der unbeihuhten Karmeliter. Eigentlich mit Na: 
men Johann be Depes, geb. zu Ontiveros bei Avila 
in Gaftilien 1542, trat er als Johann von St. 
Mathias mit 21 Jahren in das Karmeliterklofter 
zu Medina dei Campo. Bing Tun nach größerer 
Aſteſe, nahın er mit Eifer die Anregungen ver b. 
Thereje zu einer Ordensreforn auf. Die neue 
Congregation bildete fi) 1564 und verlegte ihr 
Klojter 1570 nad) Manzera. Johannes unter dem 
Namen vom Kreuz wurde Prior. Die Erbitterung 
ver Karmeliter gegen ihn, da der neue Orden bald 
anjehnlic wuchs, zog ihm längeres Gefängniß zu, 
und nach dem Tode der h. Therefe (1532) neue 
Mißhandlungen jelbft von feinen eigenen Ordens: 
enofjen, die jeine Strenge drüdte. Er legte feine 
ürde nieder und zog ſich in das Klofter Ubeda 
zurüd, wo er duch Mißhandlungen 1591 jtarb. 
Seine Schriften (2 Bde., Sulsbady 1830) vereini: 
en die innige Gluth der Myſtik mit der Härte des 
Berften Fanatismus. 


Johann von Leyden 


bon Leyden. S. Bodhold. 

ohanned Mars. S. Maroniten. 

ohanned de Monte Corvino, ver Miffionär 
der Mongolen. Durch Marco Polo eröffnete der 
Groß-Khan Koblaik oder Kubilai dem Papſte fei: 
nen Wunſch nad Miffionaren. Zwei Domini: 
caner, welche Gregor X. abjandte, erreichten eben: 
fomenig wie einige Rinoriten ihren Veftimmungs: 
ort und erft 1295 traf Johannes de Monte Eorvino 
in China ein. Diefer ein Franciöcaner aus Apu⸗ 
lien, war Gejandter des Michael Paläologus an 
Gregor X. geweſen und hatte ſchon eine Miſſions⸗ 
seife in das mongoliſche Reich gemacht. Er reijte 
durch Perſien und Dftindien nah Cambalu (Be: 
ing), erbaute dort bald eine Kirche und richtete 
mit erlauften und getauften Kindern einen katho⸗ 
lifchen Gotteödienft ein. Zuwachs empfing feine 
Arbeit, als die Intriguen uud Verleumdungen ber 
Reftorianer gegen ihn enthüllt waren. Auf feinen 
Bericht fandte Elemens V. mehrere Franciscaner 
und ernannte ihn zum Erzbiſchof. Es entitanden 
mehrere Klöfter und Gemeinden, die auch nad) 
Johannes Tode (} 1328) fortbeftanden, bis fie 
zugleih mit bem Ende der Mongolenherrihaft 
völlig zerſtört wurden 1370. 

Johannes von Repomuf, der 2 e. Nach der 
Kanonifationsbulle von 1725 joll derjelbe ala 
Domberr zu Prag und Almojenier bei König Wen: 
el, demjelben beharrlich verweigert haben, die 
Beichte feiner Gemahlin Johanna zn verrathen, 
und befhalb von diefem 1385 in der Moldau er: 
träntt fein. Die Legende hat dann nicht unter: 
lafien, jein Leben auszujhmüden und von Wun- 
dern auf feinem Grabe zu berichten. Die Angaben 
ftimmen aber nicht mit der Gejchichte, welche nur 
von einem ohannes von Pomuk weiß, ber 
1372 päpftlicder Notar, 1880 Pfarrer in Bra 
wurde, danach Secretär und Notar und enbli 
Generalvicar des Erzbiſchofs Johann von Jen: 
ftein. In diejer Stellung durchkreuzte er durch die 
Beidhleunigung der Wahl des Hlabrauer : Abtes 
die Abficht des König Wenzels, die Pfründe einem 
Günſiling zu verleihen. Der König, welcher den 
Erzbiſchof ſchonen mußte, ließ jeine Wuth an dem 
Generalvicar aus, ließ ihn foltern, wobei er jelbft 
Hand anlegte, und in der Moldau ertränten. Die 
frühere allgemeine Meinung, dab der Märtyrer 
ee ” —— zwei verſchiedene Perſonen 

ien, ſuchte, um den Folg en zu entgehen, 
G. Dobner (vindiciae — N. 1784) jo mit 
der Geſchichte zu vereinigen, daß er die Wahl des 
Kladrauer:Abtes als den oftenfiblen Grund der 
Ermordung betrachtete, während Wenzels eigent: 
fiher die Bewahrung des Beichtgeheimnifjes ge: 
weſen wäre. Dem jtehen aber gewichtige Gründe 
entgegen und Dr. Abel hat 1855 wahrſcheinlich 

emacht, daß die Nepomukjage ein jpäterer Mythus 
ei, um nad der Unterdrüdung der Reformation 
die Beichte zu heben, daß aber dieſe Sage die im 
Volke nod) —— Kunde von Huß aufgenom⸗ 
men habe. Bgl. Abel, die Legende vom h. Nepo: 
muf, 1855. 

Zohanned Parvus oder Jean Petit, ein Fran: 
eiscanermönd aus der Rormandie. Dr. und Zeh: 
rer der Theologie zu Paris, rechtfertigte er in einer 
Rede den Mord des Herzogs von Orleans durch 
den Herzog von Burgund, mweil es ehrenvoll und 
verdienftlich jei für Jeden, einen Berräther und 
Tyrannen zu töbten. Das Concil zu Gonftanz 


419 


Johannes von Salisbury 
(1415, Sess. 15.) verwarf diefe Rede als hä⸗—⸗ 
veti 


Johannes X., Patriarch von Conſtantinopel. Als 
Gegner der auf dem Eoncil zu 2yon 1274 verfud: 
ten Union mit der römischen Kirche wurbe er von 
Michael Baläologus gefangen gehalten, als er aber 
feine Anficht änderte, 1275 zum Patriarchen erho: 
ben. Bor dem Haß der Drthodoren legte er jeine 
Stelle nieder und ging in ein Klofter. + 1298 in 
der Verbannung in Bithynien. 

Yohannes, Patriarch von Thefjalonich, verthei: 
digte zu Anfang des 8. Jahrhunderts die Bilder 
verehrung in einer Schrift, welche zu Nicäa 787 
anerfannt wurde. 

Johannes Philoponus, aud Alexandrinus 
Grammaticus, lebte nad) jeiner eigenen Angabe 
um 529 und war ein Schüler des Ammonius. Als 
Urheber des Tritheismus (der Philoponiaci) gilt 
er durch jeine in Ercerpten noch vorhandene Schrift 
Arurneng ı) nepi Evooewg, in welder er behaup- 
tet, daß Natur und Hypoſtaſe dafjelbe jei. Apolo: 
getijch find die beiden Merfe de aeternitate mundi 
und comm. in Mosaicam mundi creationem. In 
der Schrift de resurrectione meint er, da die 
Körper nah Materie und Form ganz untergingen, 
müßten völlig neue geſchafſen werden. Außer 
einer disputatio de paschate, welche ausführt, 
daß Ehriftus am 13. Nifan ein myftiiches Paſſah 
gefeiert, find noch —— Schriften vorhan⸗ 
den. Eine Geſammtausgabe ſeiner Werte fehlt nod). 

‚ der Presbyter. Papias erwähnt um 
150 einen Johannes, Presbyter zu Ephefus, ald 
feinen Gewährömann, der nod) ein perjönlicher 
Schüler Jeſu gewejen jei. Das Verhältniß diejes 
u dem ebenfalld in Epheſus lebenden Apojtel 
ohannes ift ein jehr jchwieriges. Keim (Jeſus 
von Nazara, 1868) hat die Anficht ausgeiprochen, 
der Aufenthalt des Apoftels Johannes in Ephefus 
fei eine durch Berwechfelung der beiden Johannes 
von Seiten des Irenäus und Polykrates feit 190 
entitandene Sage. 


hanneß, der Pri önig. Vom 12. bis 16. 
Jahrhundert ging der Glaube, daß im fernen Ajien 
ein mächtiges Chrijtenreich bejtehe unter einem 


Priefterlönig Johannes. Sowohl die Kreuzfahrer 
als fpäter die Bortugiejen bei ihren Entdeckungs⸗ 
reifen festen große Ho ngen auf das Auffinden 
diejes chriſtlichen Reiches. Es haben fi niemals 
Spuren davon entdeden lafjen, und muß ber Ur: 
ſprung deſſelben darauf zurüdgeführt werben, daß 
Neftorianer unter dem mongoliihen Stamme der 
Keraiten Einzelne befehrten, vielleicht auch einige 
Fürften ſich günstig ftimmten, und diejen Umſtand 
ausihmüdten, um ihre Kirche den Abendländern 
in hellerem Lichte erfcheinen zu laſſen. 

Johannes von Salisbury, geb. 1110 zu Salis- 
bury, ftudirte jeit 1136 in Frantreich und lebte 
dort noch einige Jahre im Klojter Moutier (a Celle. 
Als Caplan des Erzbifchofs Theobald von Canter⸗ 
bury angeftellt, ging er 1156 als Geſandter Hein» 
richs nach Rom, jtellte fi) dann als Vertreter der 
—— der Kirche ſeinem Freunde Becket zur 

eite, wurde auch bei deſſen Ermordung verwun— 
det und 1176 zum ag von Chartres — 
1281. Außer einer Lebensbeſchreibung des Becket 
und des Anſelmus, ſowie vielen Briefen, ſind von 
ihm erhalten: Policraticus s. de nugis curialium, 
eine philojophifchtheologifche Staatälehre; Meta- 
logicus, eine Darjtellung der und wahren 

‘ 


Johannes Scholafticus 


Wiſſenſchaft; Entheticus de dogmate philoso- 
phorum (1843 von Beterjen herausgegeben), eine 
furze poetiſche Darjtellung der alten Philoſophen 
und jeines eignen Syjtems. Val. Reuter, Joh. von 
Salisbury, Berlin 1842; Schaarſchmidt, Joh. Sa- 
riöberienfis nad) Leben und Studien, Schriften und 
Phloſophie, “ans 1862, 

Johannes Scholaflicus oder Climacus, j. Si- 
naita, Abt eines Klofters am Sinai, Verfaſſer der 
aſtetiſch⸗myſtiſchen Schrift Kliuaf rod nagadsi- 
vov, Scala paradisi, 

Johannes Scholaflicus, der Patriarch. Geboren 
au Sirimis bei Antiochien. Aporrifiarius in Con— 
jtantinopel, vorher Advocat und Presbyter in An: 
tiodhien, wurde er 564 Batriarh an Stelle des 
Eutyches, den Juftinian abjegen ließ, weil er die 
Apbthartodofeten nicht anerkennen wollte. Gegen 
J. der eine theologische Rede über die Trinität 
jhrieb, trat Johannes Philoponus auf. In An: 
tiochien hat er die erfte größere Kanonenfammlung 
veranftaltet, + 577. 

Johannes Scotus, Biſchof der Wenden, ein 
Schotte, welcher durch Adalbert von Bremen dem 
Wendenfürften Gottſchalk zur Unterftügung bei 
der Belehrung feines Volkes zugefendet, zum Bi: 
ſchof von Magnopolis (Medlenburg) geweiht wurde 
und in dem Aufſtand gegen das Chriſtenthum 
1066 den Märtyrertod erlitt. 

Johannes Der Täufer, der Sohn des Prieſters 
Zacharias und der Elijabeth, Luk. 1, 3; Matth. 3, 
lebte als ein Nafträer und aſtetiſcher Einſiedler in 
der Wüfte, ähnlich wie der Lehrer des Joſephus 
Banus und manche Andere. trat dann ala 
Prophet öffentlich auf, indem er die Nähe des auf 
das Weltende folgenden, mit dem Gerichte gleid): 
zeitig verbundenen Gottesreiches verfündigte und 
zur Buße aufjorderte, ald deren Zeichen und Sym: 
bol, mit welchem nad) Jojephus das Gelübde wah: 
ver und aufrichtiger Gerechtigkeit verbunden war, 
er die Taufe einführte. Eine unübertreffliche Cha: 
rafteriftit feiner Berjönlichkeit giebt Matth. 11,7 ff. 
Sein Wirken bildete den unmittelbaren Antnüp: 
fungspunft für das Auftreten Jefu, der ſich eben⸗ 
falls von ihm hatte taufen laſſen. Wenngleich Jo— 
hannes in Jeſus den Größeren neidlos anerkannte, 
ſo v te er doch nicht, ſich in deſſen Wirken 
völlig zu finden nach ſeiner ganzen, der bisherigen 
jüdiſchen entſprechenden Auffaſſung des Gottesrei⸗ 
ches. Als ſeine reg Seen} bie im Volle neu: 
belebten meſſianiſchen arlungen den Argwohn 
des Herodes erregte, ließ ihn berjelbe auf der 
Mahärus in Gewahrjam bringen und opferte den 
Bußprebiger ber Rache feiner beleidigten Gattin 
Herodiad. Lukas giebt als das Jahr des Auftre- 
tens des Johannes das 15. des Tiberius an, 28 
n. Chr. Seinen Tod aber berechnet Keim nad an: 
dern zuverläffigen Daten ald gegen Ende des 
Jahres 34 geichehen, in defien Anfang jeine Ge: 
fangennehmung fiel. Danady würde aber aud) jein 
erftes Auftreten unzweifelhaft fpäter zu ſetzen fein. 
Die Jünger ded Johannes traten entweder in die 
chriſtliche Gemeinde, oder fie bildeten eine eigene 
Secte (Apftg. i4, 15; 19, 1 ff.), welche chriftliche 
und rn Ideen aufnahm, den Täufer für 
den Meſſias oder für einen incarnirten Engel biel: 
ten und in den Mandäern oder Babiern, welche 
im 17. — in Perſien mit einem gno= 
ftifch = dualiftifchen Syfteme gefunden murden, 
wahrſcheinlich noch fortbefteht. Vgl. Petermann, 


420 


Johanniter 


die Mandäer (deutſche Zeitſchr. für chriſtl. Wiſſen⸗ 
ſchaft 1856) und Reiſen im Orient, 1861, Bo, II, 

ohannes Teutouitus. Diejen Namen führen 
2 Dominicanermönde, deren erjter durch jeine 
Kanzelberediamteit und Sprachgewandtheit Bis 
ihof von Prefburg wurde, aber aus Liebe zur 
Contemplation refignirte, in den Orden zurüdtrat 
und als deflen General 1254 ftarb. Der andere, 
mit dem Beinamen Xector, jchrieb die Summa 
confessorum, eine Sammlung von Gewifjensfäl- 
len und ihrer Entideidung. 7 1314. 

Johannes von Turreeremata (Torguemada). 
Geb. zu Valladolid oder zu Turreeremata, ftudirte 
er zu Paris Theologie und trat in den Dominica: 
nerorden. Mit mehreren Prioraten begabt, wurde 
er von Eugen IV. nach Rom berufen und ald Ge- 
jandter zum Bajeler Eoncil gejandt. Als *— 
ger ber päpſtlichen Partei ging er mit nad) Fer: 
rara und befämpfte von hier wie in Baſel den 
Coftniger Sat, daß ein Concil über dem Papfte 
ftehe. 1439 zum Cardinal ernannt, zeichnete er ſich 
durch reines Leben aus. + 1468 zu Rom. Er ftif- 
tete die Societas Annunciatae, welde jährlich am 
25. März eine Anzahl Jungfrauen ausfteuert. 

Johauneschriſten, Zohannesjünger. S. Jo: 
bannes der Täufer. . z 

Zohannisbrodbaum, Ceratonia siliqua. Die 
Schoten diefes in Paläftina häufig vorfommenden 
Baumes werden getrodnet und ohne den Kern von 
den Armen — meiſt aber nur für das Vieh 
benutzt, Luk. 15, 16. Der Bohnen bediente man 
fi) früher als des Heinften Gewichtes, INA, Gerah 

Johannisfener. Am Abend des Johannistages 

24. Juni) werden in vielen Gegenden Feuer im 
Freien angezündet, um melde die jungen Xeute 
tanzen und über welche fie zu jpringen pflegen. 
Obwohl man dieſe Sitte durch manche bibliſche 
Stelle, z. B. Job. 1, 8, als chriſtlich-ſymboliſch zu 
erflären gejucht hat, jo ift es offenbar ein aus dem 
Heidenthum übernommener Brauch (Sonnenwend- 
feuer), deſſen Urſprung und Bedeutung durch den 
Namen des Heiligen verbedt ift. Gleiche Bewandt- 
niß hat es mit den Zweigen, weldye in andern Ge⸗ 
genden am Johannistage an der Hausthür und 
am Herd befeftigt werden. — Johannisjegen heißt 
der Wein, der anderwärts am Tage Johannes des 
Evangeliften geweiht und zum Andenten des heil 
Johannes getrunten wird. Die Sitte wird bezogen 
auf eine Sage, dab Johannes einen Becher ver: 
gifteten Weines ohne Schaden getrunfen habe, um 
einen Heiden von der Göttlichteit feines Evange: 
liums zu überzeugen. 

Johanniten find die Anhänger des Johannes 
Chryſoſtomus, weldye, da er mit Unrecht abgejegt 
fei, feinen Nachfolger auf dem Patriarchenſtuhl 
nicht anertennen wollten und von der Kirche ſich 
getrennt hielten. Bon Rom unterftügt, fanden fie 
manchen Schuß, und es entitanden aus der Spal⸗ 
tung blutige Unruhen, bis fie dadurch beſchwich⸗ 
tigt wurden, daß Attius den Ramen bes Chry- 
—* ins Kirchengebet aufnahm und Theodo⸗ 
ius II. die Gebeine deſſelben nad Conſtantinopel 
überführen und feierlich beifegen ließ. 

Johanniter, Rhodiſer, Maltejer. Kaufleute 
zu Amalfi begründeten 1048 in Jeruſalem ein Klo: 
ſter mit einem Hospital zum Schuß der Wallfab- 
rer; 1099 nad) der Eroberung Jerufalemö befam 
diefe Stiftung durch Paſchal LI. unter dem 


Jojachin 
Vorfleher Gerhard Tonque eine beſondere Ordens: 
verfaſſung, welche Raymund du Puy 1118 ſo 
ummandelte, daß ein geiſtlicher Ritterorden mit 
3 Claſſen, den Rittern, Geiſtlichen und dienen: 
den Brüdern, daraus hervorging, deffen Aufgabe 
die Befämpfung der Ungläubigen war. Bald ge: 
langte der Orden zu großem Reichthum, gerieth 
aber auch in allerhand Streitigkeiten mit dem ver: 
wandten Templerorden, deſſen Reſte 1311 mit ihm 
vereinigt wurden. Nach dem Berlufte von Jerufalem 
wurde der Ordensſitz nad) Ptolemais 1187 verlegt, 
von dort 1291 nad) Eypern, bis 1309 die Inſel 
Rhodus erobert wurde, in deren Beſitz der Orden, 
troß wiederholter Angriffe der Türken blieb, bis 
1522 Soliman II. durd) Berrath des Ordenskanz⸗ 
lers Andread von Amaral ſich derjelben bemäd: 
tigte. 1530 wies Karl V. dem Drben die Inſel 
Malta an, unter der Verpflichtung, einen bleiben: 
ben Krieg mit den Türken zu führen. Der Orben 
theilte ſich in 7 (8) Zungen, d. h. Provinzen, welche 
von einem Orbensbeamten mit verjchiedenem Titel 
regiert wurden; die Zungen zerfielen in Prioreien, 
Balleien und Komtbureien; an der Spite ftandb 
der Großmeifter, erwählt von dem Capitel, mel: 
ches die Abgeordneten der Provinzen bildeten. Die 
Ordenstracht war ein rother Waffenrock (im Frie— 
den ſchwarzer Mantel) mit weißem adıtedigen 
Kreuz. Seit dem Berluft von Rhodus und dem 
Eintritt der neuen Zeit ſchwand die Bedeutung 
des Ordens, wenngleich er den Krieg mit den Tür: 
en und den Seeräuberftaaten fortjeßte. In Eng: 
land hob ihn Schon Heinrich VIIL auf. Als Napo: 
leon 1798 Malta eroberte, verzichtete der Groß: 
meister von Hompeſch auf feine Würde, die auf 
den Kaifer von Rußland überging. In den einzel: 
nen Ländern wurde er aufgehoben und feine Gü: 
ter — obgleich noch im Frieden zu Amiens 
die Ruͤckgabe von Malta ſtipulirt war. Nur in 
Rußland und Sicilien beſtand der Orden fort; 
Oeſterreich erneuerte ihn als Ehrenorden. Ebenſo 
hatte Preußen 1810 eine für den Adel beſtimmte 
Ordensdecoration, den Johanniterorden, geſtiftet, 
welcher ſeit 1853 dem urſprünglichen Gedanken da: 
durch wieder genähert ift, daß der Ordensverband 
als ſolcher fe an der Errichtung und Pflege von 
eg Erg betheiligt. Bol. (Niet: 
hammer, Geſch. deö Malteferordend nad) Vertot 
mit Vorrede von Schiller, 1792; Fallenftein, Geſch. 
a 1833; 9. von Oſtenburg, 


Jojachin oder Jehonja, der Sohn des Joja— 
fim und der Nehuftha (Fer. 26, 22) übernahm 
597 die Regierung von Juda. Als Nebufabnezar 
von ſeinem Zuge nad) Aegypten ſiegreich zurüd: 
lehrte, mußte 3. fi ihm ergeben (2. Chr. 36, 9) 
und wurde mit feiner Mutter, feinen Meibern und 
17,000 der Bornehmften und Waffenfähigften in 
die pol nad) Babel geführt, wo ihm 
erft nad 37 Jahren Evilmerodach die Freiheit 
wieder gab (2. Kön. 25, 27). Der Hoffnung auf 
feine Rückkehr (er. 28, 4) widerfpradh der Pro: 
phet Jeremia beftimmt (Ser. 22, 26. 27). 

Yojada, der Hohepriefter,, ver Mann der Yoja: 
beath, der Schwager des Königs Ahasja, errettete 
ben Joas vor feiner unnatürlihen Großmutter 
Atalja und gab diefem nad) 6 Jahren durch eine 
wohl organifirte Verſchwörung, in welder Atalja 


421 


Jonas 


Jehovah⸗ und Tempelcultus wieder her (2. Chr. 
23,1 ff.). So lange er lebte (er wurde 130 Jahr 
alt, 2. Chr. 24, 15) folgte Joas feinem Einflufie. 

Yojakim oder Eljakim. Als Joſias bei Me: 
giddo gefallen war, erhob die ftrenggläubige 
Bartei den jüngeren Sohn Joahas oder Sallum 
auf den Thron, Nebulabnezgar aber ſchiche diefen 
gefefjelt nad) Aegypten und jegte Jojakim ala 
tributpflichtigen Vafallenfürften ein (607). Die 
ſchwere Contribution und bed Königs Prachtliebe 
und Bauluft bebrücten das Volt mit ſchweren Ab: 
gaben, dazu gab er fi ganz in die Hände ber 
heidenfreundlichen Partei, geftattete nicht nur den 
Götendienft, fondern führte jelbft ägyptifchen Eul: 
tu3 in unterirdiſchen Tempelgemächern ein (Ezech. 
8, 7). Bergebend eiferten die Propheten: Jeremia 
mußte fich verbergen, Uria wurde erichlagen, das 
Buch des Jeremia zerriffen und verbrannt, welches 
die nahe Zukunft Far vorausfagte. ui Necho 
wurde bei Karchemiſch geſchlagen; Nebukadnezar 
durch den Tod ſeines Vaters während der Bela— 
gerung von Gaza zur Nüdkehr gezwungen, mußte 
diesmal noch Iſrael verfchonen, aber auf dem 
zweiten Zuge gegen Aegypten drang er gegen Je: 
rufalem vor, zwang Jerufalem zur Unterwerfung 
und ließ eine chaldäiſche Befatung im Lande (2. Kön. 
24,1ff.). Als aber nachs Jahren der Herrihaft Ne: 
bufabnezar’3 Aegypter von neuem gegen bie Chal: 
däer zogen, fiel Jojalim zu ihnen ab und vermei: 
gerte den Tribut. Rebukadnezar fandte ein Heer 

egen ihn (Jer. 49, 34 — 39), während er ſelbſt 

fd gegen bie Aegypter wandte; Jerufalem wurde 
belagert und Jojakim durch Lift zu einer Unter: 
handlung in das feindliche Lager gelodt und er: 
mordet (Ser. 22, 18. 19). Sein Leichnam blieb 
eine Zeitlang unbeerbigt liegen (597). 

Yoltan (1. Mof. 10, 25), der Stammvater der 
Araber. Die Joktaniden der Bibel find bie 
Kachtaniden der Araber, mit ihnen verbanden ſich 
fpäter die Nömaeliten und nahmen au iger 
Sprade an. Die Joktaniden hatten die Kuſchiten 
verdrängt und wohnten im nörblidhen Jemen. 

on . 1) Der Stammvater der Rechabiter 
(f. d. Art.). — 2) Ein Bruderfohn Davids, welcher 
in der Gefchichte Ammons und Abfaloms eine zwei: 
deutige Rolle put 

Jonas, Bifhof von Orleans 821, ein auöge: 
zeichneter Kirchenfürft. In dem Bilderftreit fehrieb 
er auf Befehl Ludwigs des Frommen de cultu 
imaginum gegen den Bilderfreund Claudius von 
Turin. Außerdem fchrieb er libri tres de insti- 
tutione laicali, in welcher er der äußern Werkhei: 
ligleit entgegentritt. Eine andere Schrift, mit dem 
fpäteren Titel de institutione regia, in Form 
eines Briefed an Pipin von Aquitanien gerichtet, 
enthält einen Regentenfpiegel mit ben Borjchriften, 
die unter Jonas’ Einfluß in die Acten des Cencils 
von Paris 829 aufgenommen wurben. + 844. 

nas, Juſtus (Jodocus), einer ber eifrigften 
Mitarbeiter und Freunde Luthers, war geboren zu 
Nordhaufen am 5. Juni 1493, ftudirte in Erfurt 
und ging als Dr. jur. utr. 1517 zum Stubium ber 
Theologie über. Er ſchloß fih nun eng an Luther 
an, war fein Begleiter nach Worms und al Propft 
zu Wittenberg und Profeffor der Theologie einer 
jeiner eifrigften Mitarbeiter. Er nahm Theil an 
der Bibelüberjegung, der Abfafjung der Katechiö: 


ermordet wurde, den Thron wieder und fhaffte | men, berieth bie Kirchenordnungen und war mit 


damit den Baaldienft in Juda ab und ftellte den 


zu Marburg ; vor allem aber überfegte er Luthers 


Jonas 


422 


Joram 


Schriften und förderte dadurch ihre Verbreitung. | Haus unterwarf, 1. Sam. 28, 16—18. Seine Nach⸗ 


1541 ald Superintenbent nad Halle berufen, von 
dort durch den ſchmalkaldiſchen Krieg vertrieben, 
gi er 1551 als Hofprediger nad Coburg und 
Karb 1555 als Superintenbent (feit 1553) zu Eis: 
feld. Sein gleihnamiger Sohn wurde in bie Grum⸗ 
bachſchen Händel vermwidelt und 1557 zu Kopen⸗ 
hagen —— Vgl. Preſſel, Leben und auss 
emählte Schriften ber Väter und Begrlinder der 
. . Kirche, 8. Theil, 1862. 
a8, Ludwig, Dr. theol., einer der bedeutend: 
ften und ireuejten Schüler Schleiermacherd. Geb. 
am 11. * 1797 in Neuſtadt a. d. D., fam er 
1812 zu feiner Ausbildung auf das —— 
ſche Gymnafium, nahm als patriotiſcher Jüngli 
an den Napoleoniſchen Kriegen —— Antheil, 
wurde dann, nachdem er kurze Zeit Cadettengou⸗ 
verneur geweſen, Pfarrer von Schwerinäburg bei 
Anclam, einen Batronat des Grafen Schwerin, 
deſſen Tochter er heirathete. 1834 fam Jonas nad 
Berlin und nahm dort bald eine hoch angejehene 
Stellungein. Ergab die hinterlaffenen Manufjcripte 
Schleiermachers heraus, feine philoſophiſchen Re: 
den und Abhandlungen 1835, feine Dialektik 1839 
und Sittenlehre 1843, feine Briefe 1858. 1840 
gründete er mit Andern die Monatsfchrift für die 
unirte Kirche, alö das damalige Organ der libera: 
lien firdlihen Elemente in * en, an deren 
Stelle ſpäter die Prot. Kirchenzeitung trat. Als 
Prediger und Religionslehrer beſaß J. einen ho: 
en Ruf; als Charatter ftellt er eine der edelſten 

eftalten vor. Er ftarb am 19. September 1859. 
©. den Netrolog von H. Kraufe, Prot. K.-Zeitung 
1859, Nr. 52. 

Jonas, der Prophet. Ueber den geſchichtlichen 
Propheten Jonas, wohl einen Zeitgenofien Zero: 
beams II., vgl. 2. Kön. 14, 25. Nach dem unter 
die Kleinen Bropheten aufgenommenen Buche dieſes 
Namens erhielt J. den Auftrag, in Ninive Buße zu 
prebigen; im Zmeifelübereinen glüdlihen Ausgang 
feiner Sendung und aus Furcht verjuchte er zu 
Schiffe zu entfliehen. Ein Sturm ließ die u er 
ihn, ald vondem Zorn Gottes Verfolgten, ind Meer 
werfen. Bon einem Meerungeheuer verſchlungen, 
wurde er wunderbar gerettet und führte feinen 
Auftrag aus. Sein Unmille darüber, daß feine 
Drohung bes fommenden Untergangs unerfüllt 
geblieben, wurde durch eine belehrende Offenba- 
rung über die Barmherzigfeit Gottes befchämt. 
Dies Bud) ift auf die verfchiedenfte Weife gedeu— 
tet; als Mythus (ähnlid die Sage von der He: 
fione und Hercules, Diod. Sic. IV, 42) und ala 
Allegorie (eine Art Apologie gegen den Vorwurf, 
daß nicht alle Prophetien in Erfüllung geben); 
wahrſcheinlicher aber liegt dieſer althebräiſchen 
Prophetenſage ein hiſtoriſcher Kern zu Grunde, 
der poetiſch ausgebildet und ausgeſchmückt iſt. 
Wenn von mancher Seite für die Thatſächlichkeit 
der einzelnen Umftände die Stelle Matth. 12, 40 
angeführt wird, jo ift unverkennbar Matth. 16, 4 
das urſprüngliche Herrnwort, weldes in der 
Varallelftelle frei nach nahliegender Deutung er: 
meitert worden. Vgl. Hitzig, Kl. Propheten, 3. Aufl. 
1863; Krahmer, 1839; Jäger, 1840. 

rg: rn der Sohn Sauls, das deal ifrae: 
litiſcher Ritterlichteit durch feine oft bewährte Ta: 

ferkeit, 1. Sam. 13, 2—4. 14 f., feine treue 
Freundfchaft zu David und feine Frömmigkeit, mit 
welcher er ſich dem aöttlihen Rathſchluß über fein 


fommen durch Mephiboſeth blieben ein angefehe: 
nes Geſchlecht, 1. Chron. 9, 34. Auf feinen Tod 
dichtete David das Lied 2. Sam. 1,17 ff. Den: 
felben Namen führen: der Sohn Gerſons, der 
erſte Priefter u an, Richt. 18, 30; der Sohn 
bes Priefterd Abjathar, 2. Sam. 15, 27; 1. Kön. 
1, 42; ein tapferer Neffe Davids, 2. Sam. 21,21, 
und der Staatöfchreiber, in defien Haufe Jeremia 
bewacht wurde, Jer. 87, 15; 38, 26. 


Jonathan Apphus, der Maltabäer. S. Has 


monäer. 
Yonien, das aftatifche Küftenland am Agäiſchen 
Meere. Die dort anfälfigen Griechen, ein betrieb- 


fames Handelävolf, wu ben Juden zuerft be: 
tannt; jo ging der Name Javan auf alle Griechen 
über. Später waren in Jonien viele Juden ans 
ſäſſig, Durch weldje dem Chriftenthum der Zugang 
zu ben Bewohnern geöffnet wurbe. 

Joppe (D), dpa, Anhöhe), eine uralte Stabt 
am Mitteländifhen Meere, auf einem Abhange 
am N.:W.:Ende der Ebene Saron erbaut. Dein 
Stamme Dan zugetheilt, blieb fie in der Gewalt 
der Phönicier, welche von dort ihren Handel mit 
era trieben, 2. Chr. 2, 15; Esra 3, 7. 

rſt der Mallabäer Jonathan eroberte Joppe und 
vereinigte e8 mit Paläftina, womit ed unter den 
Herodianern verbunden blieb. Die a de 
als Hafenftadt war Urſache häufiger ung 
und Zerftörung; aber auch immer neues Aufblü:= 

en begünftigte fie. Jım Neuen Teftamente hält 

etrus ſich zu Joppe auf, erwedt dort die Tabitha 
und empfängt die Bifion, welche ihn zu den Hei: 
den ſendet. Seit 1850 befteht dort eine Heine evan: 
geliiche Gemeinde, welche von Jerufalem aus ber 
bient wird. 

Joram, Jehoram, König von Jirael 895—83, 
der Sohn des Ahab und der Iſebel. Ein Kriegs: 
ug egen Mo.ıb blieb durch die Entſchloſſenheit 

es Königs Mefa ohne * g 2. Kön. 3, 4—27. 
Bor den Syrern, die ihn in Samaria belagerten, 
rettete ihn nur ein unerwartetes Ereigniß, welches 
ben Feind erjchredte, 2, Kön. 6, 13—23. —— 
er den Ermahnungen des Eliſa zuweilen folgte, ſo 
ſchaffte er doch weder den Kälberdienſt, noch den 
Baalsdienſt völlig ab. Unbekannte Umſtände müſ— 
ſen dann eine größere Spannung zwiſchen ihm und 
dem Propheten —— haben, 2. Kön. 6, 
831; 9, 1—10, jo daß Elija d nad) Damascus 
begab und den Aufftand des Jehu erregte, in wel: 
dem Joram, der von einer bei ber agerung 
Ramoths empfangenen Wunde noch nicht genejen 
war, getödtet wurde. 

Joram, König von Juda 893—85. Nach 2. 
Kön. 8, 16; 1, 17 muß ihn fein Vater Joſaphat 
ſchon früher ald Mitregenten angenommen haben. 
Durch jeine Gemahlin Athalja, die Tochter Ayabs, 
ließ er fich zu phöniciſcher Abgötterei verleiten. 
Auch nah Außen war jeine Regierung unglüdlid) ; 
der Zug gegen Moab, mit Iſrael in Verbindung, 
hatte Rachezüge der Moabiter zur Folge; die Edo— 
miter fielen, er rege Kae ihm befriegt, 2. 
Kön. 8, 22, gänzlih ab. Da er auch feine eignen 
Brüder ermordete, fo erſchien ſein qualvoller Tod 
als gerechtes göttlihes Strafgericht, angebroht 
von dem Brief des Elias, 2. Chr. 21,1 ff. 

ram, der Sohn des Königs von Hamath, wird 
2. Sam. 8, 10 als Gejandter an David ermähnt. 


Jordan 428 Joſeph 


Jordan, der Hauptfluß Paläſtina's, nimmt feis | feld und Caſtellio. Erſt nach ſeinem Tode 1556 
nen Urſprung aus zwei Bächen, bie, vom Südab⸗kam durch den Verrath eines Dieners und das 
e des Libanon und vom Hermon kommend, Geſtändniß feines ihm längft entfremdeten Schwie— 
i Bänjas (Cäjarea Philippi) und Tell:el:Kädhi Een Blesdyf das Geheimnif an den Tag. 
(Dan) entjpringen, mit welchen fich noch ein drit: | Der in der Leonhardtskirche feierlich beigefegte 
ter, in der Bibel und von Yofephus nicht erwähn: | Leichnam des angejehenen Mannes wurde ausge: 
ter, verbindet, der Mojet Häsbejah. Bald nad) der Den und als der des Erzketzers ſchimpflich ver- 
Berein:gung bildet der Jordan den See Merom | brannt 1559. Bon den 250 Büchern und 1000 
(Huleh), bei Jof. Zeunywviris, und 3 Stunden | Briefen, die er Hinterlaffen, ift dad Hauptwerk das 
meiter fübli den See Genezaretb oder Tiberie3. | Wunderbuch, 1540—44. Bgl. über ihn Nippofd 
Nach einem ferneren Laufe von ca. 30 Stunden | in Niedners (Kahnis) Ztſchft. 1863, I; 1864, IV 
fällt er ins Todte Meer. Bei dem ftarlen Gefälle| und 1868, IV und Gelzer's Monatsbl. 1864, 3. 
vom Merom bis zum Tobten Meer, auf 33 Stun:| Jornandes, ein Gothe aus dem 6. Jahrhundert. 
den 1300°, ftrömt der Fluß mit reißender Schnel: | Früher Schreiber oder Notar am Manifchen Hofe, 
— in ſehr ungleicher Breite (60—300°) und | ging er in ein Kloſter und ſoll Abt und Biſchof 
Ziefe (3—15°), doch fann er an einzelnen Stellen | von Ravenna geworben fein. 7 um 555. Bon ihm 
in Furten überjchritten werben. Auf dem ganzen | find 2 Werte vorhanden: de origine actuque 
Zaufe liegt dad Bett unterhalb des Niveaus des | Getarum und de regnorum et temporum suc- 
Mittelländifhen Meeres. Es durchzieht ein eine | cessione, beided mehr Compilationen aus ältern 
Viertelftunde breites Thal, welches am obern Laufe | römifhen und gothifhen Werken und von noch 
mit Bäumen, am untern nur mit Rohrgebüfch be: | beftrittenem Werthe als Gejhichtsquelle. Seine 
wachſen ift. Diejes Thal durchfchneidet die Yor: | Tendenz zeigt ſich als dem Arianismus feindlich 
dansau (dad Ghor), eine Ebene 40—60° über dem | und auf eine Verfühnung und Verſchmelzung der 
Jordan, 2—4 Stunden breit, an beiden Seiten | Römer mit den Gothen gerichtet. 
von \ en und öben Gebirgen umgeben. Die:| Joſaphat, König von Juda 918-893, der Sohn 
ſelbe i e wüfte Einöde, nur unterbrochen, wie | Aſa's. Er verwehrt, nicht nur allen Götzendienſt, 
bei Jericho, von-einzelnen bewäfjerten und üppig | jondern ordnete auch an, daß durch geeignete 
feuchtbaren Dajen. Männer das Volk in allen Städten im Geſeßbuch 
Joris, Johann David, „der Erzketzer“, wurde | unterrichtet wurde, ebenfo machte er ſich Durch die 
1501 oder 1502 in Flandern. Da fein | Einrichtung eines oberjten Gerichtshofes um die 
als Mitglied der Rederyleräfamer ein Wan: | Rechtöpflege verdient, 2. Chr. 17,7 ff.; 19, 5 ff. 
Die verbündeten Moabiter, Edomiter und Ammo: 
niter wurden unter fi) jelhft uneins und verſchaff ⸗ 
ten Juda einen qlängenden leichten Sieg, 2. Chr. 
20 1 ff. Er ſchloh ein enges Freundſchaftsbündniß 
mit dem Königreich Iſrael, verheirathete feinen 
Sohn an Ahabs Tochter Athalja, machte mit Ahab 
den unglüdlien Zug gegen die Syrer, auf wel- 
chem biejer fiel und mit Joram gegen den Moabi: 
terfönig Meja, 2. Kön. 3, 1 ff. Auch verſuchte er, 
nad) Befiegung der Ebomiter, auf dem Aelaniti— 
ſchen Meerbufen eine Flotte zu begründen mit 
Hülfe des Ahasja, aber Unglüdsfälle verleideten 
den Plan, fo daß er ein neues Anerbieten Ahas- 
ja's zurückwies, 2. Chr. 20, 35; 1. Kön. 22, 50. 
Joſaphat, Das Thal. Dasjelbe ift das Bett des 
Kidron, welches von N.:W. bis S.:D. im Halbfreis 
die Stadt umgiebt und vom Delberg trennt. An: 
fänglich breit, wird es zu einer Schlucht zwijchen 




















berieben führte, war auch feine Jugend unftät und 
von wechjelnden Eindrüden erfüllt. Er ergriff den 
Beruf eineö Glasmalers, heirathete 1524 und lief; 
ſich in Delft nieder. Mit ungeftümem Eifer nahm 
er für die Reformation Partei und wurde wegen 
Beihimpfung einer Proceffion 1528 öffentlich ge: 
geißelt und verbannt. Im hohen Grade ſchwärme—⸗ 
riſch entflammt, jchloß er ſich an die Wiedertäufer 
an und erlangte unter ihnen großen Einfluß. Seit 
1536 trat er ald Sectenhaupt auf und rühmte ſich 
feiner Bifionen, in welchen ſchwärmeriſcher Fana: 
tismus, unleufhe Phantafie und Hochmuth ſich 
verrathen; zahlloſe Schriften verlangten ſeitdem 
die unbedingte Hingabe an feine Perſon als den 
von den Propheten verheißenen Emanuel, und 
verbreiteten feine anabaptiftiich-myftifchen und an- 
titrinitarifchen Anſichten, welche namentlich dur) 
feine antinomiftifchen Lehren von der Ehe und der 
Austreibung der Scham unter feinen Anhängern | hohen Bergen, bi es beim Zufammentreffen mit 
zu den traurigften fittlichen Verirrungen führten. | dem Thal Hinnom fich wieder erweitert, Dann zwi⸗ 
Auf das heftigfte und graufamfte verfolgt, ver: | jhen den Bergen des Aergernifies und des böjen 
breitete ſich die Secte der Joriſten tiber Holland, | Rathes durchgeht und in jüdöftliher Richtung als 
Friedland und Holftein, Joris jelbft entging allen ſchluchtähnliche Einfentung nad) dem. Jordan fih 
Rahforihungen. In offener und verdedterer Weife, | erſtreckt Hier wurden die heidniſchen Eultusgeräthe, 
durch vertraute Boten und Briefe, wandte er ſich welche aus dem Tempel herausgeſchafft waren, 
ar alle evangeliihen Autoritäten, jelbft an Las?o, | verbrannt, 1. Kön. 15, 13, 2. Kön. 23,4. 6. 12, 
Inther und den LZandgrafen von Heffen, wurde | und hierher verlegt die Sage der Juden, Muham— 
aber non Näherftehenden, wie Menno Simons, | mebaner und Katholifen den Drt des jüngfien 
immer entf&iedener zurüdgemwiejen. Bon 1528— | Gerichtes. 

41 hatte Joris unter beftändigen Berfolgungen| Joſeph, der Sohn Jakobs von feiner Lieblings: 
ein unftätes, entbehrunnäreiches Leben führen | gattin Rahel. Die Ueberlieferung von ihm trägt in 
müfjen. Bereichert Durch die Gaben feiner Anhän: | der Darftellung der geſchichtlichen Verhältniſſe und 
ger, ließ er fi 1544 unter dem Namen Johann | der Verknüpfung der Begebenheiten ein reales ge: 
von Brügge in Bafel nieder, verband ſich durch ſchichtliches Gepräge; die veligtös-fittlihen Ele— 
Heirathen mit den erften Familien der Stadt, und | mente, welche fie durchziehen, enihüllen den tiefern 
unterhielt, felbft feinen Anhängern unbelannt, | Grund, auf welchem die ijraelitifche Volksgeſchichte 
durch Briefe und Schriften die Berbindung mit | fi aufbaut. Die Bevorzugung von Seiten des Va 
ihnen und mit andern Schwärmern wie Schwent: | terö und eigenes Selbftgefühl, welches ſich in gern 


Joſeph 


ggfs gang Ti gen 
Brüder; er wurde als Sklave nad) —— ver⸗ 
fauft, bewährte ſich dort unter manchen Verſuchum⸗ 
gen und kam durch die Gabe der Traumdeutung an 
Pharao's Hof. Weiſe Verwaltungsmaßregeln be: 
wahrten —— nicht bloß vor den Folgen eines 
7jährigen Mißwachſes, ſondern ſchafften auch feſte 
politiſche Verhältniſſe. Seine Brüder erkennen ihn 
nicht in dem allgewaltigen Miniſter, bei dem ſie 
um Ueberlaſſung von Korn bitten müſſen. Wie er 
ſich überzeugt, daß bei ihnen ein reumüthiger 
Wechſel der Geſinnung eingetreten, giebt er ſich 
en zu erfennen und verichafft ihnen mit feinem 

ater Jakob die neue Heimath in dem Diftricte 
Gofen. Seine Nahlommen rechnen ſich zu dem von 
den Aegyptern getrennt bleibenden Bolte und bil: 


den als die Stämme Ephraim und Manaffe einen | t 
hervorragenden Theil des Volkes. So unbezweifelt | J 


die Geſchichtlichkeit der Perſon des Joſeph, jo be: 
ftritten ift feine Zeit. Diejenigen, welche in den 
fraeliten mit Jofephus, Eujebius u. A. die Hyk— 
ſos finden, jegen Joſeph unter Aphophis I. um 
2000 v. Chr. Bon denen, welche die Siraeliten vor 
den Hykſos einwandern laſſen, weijet Bunjen Jo: 
ſeyh ins Jahr 2755 v. Ehr., und Lepfius, welcher 


die Sfraeliten erft nad) der Vertreibung der Hyffos! P 


einwandern läßt, glaub: ihm am Hofe des Sejo: 
ſtris 1494— 1445 v. Chr. feine Stelle anweiſen zu 
müffen. Die fihere Aufllärung wird erft Durch Die 
Beitimmung der ägyptiſchen Chronologie zu ge: 
winnen fein. 

Joſeph, der Mann der Maria. Sein Zeben, ge: 
fchichtlih ganz unbelannt, ift von der Legende 
ausgefhmüdt und von Gerfon in der Josephina 
in 12 Gefängen beichrieben. Sein Kirchenfeft wird 
am 19. März gefeiert und ift durch die Bemühun- 
gen Gerſons, der heil. Thereje und des Franz von 
Sales 1624 von Urban VIII, fejtgejegt. Seine 
Gebeine werden nirgends gezeigt, aber Perugia 
befist als koſtbare Reliquie —* Trauring. 

Joſeph von Arimathia, d. i. gebürtig von Ra—⸗ 
mathaim, 1. Sam. 1,1 oder Rama 1. Sam. 1, 
19, dem Geburtsort Samuels, nad Luk. 21, 50 
vgl. mit 1. Makk. 11,34, und nicht von dem Rama 
in Benjamin. Er war Mitglied des hohen Rathes 
und in Jerufalem anfäffig, Matth. 27, 60. Nach 
der Zegente war er einer der 70 Jünger und joll 
in England das Evangelium verfündigt haben. 

83 Barſabas. S. Barſabas. 
oſeph II. Beherrſcher von Oeſterreich, römiſch⸗ 
deutſcher Kaiſer ſeit 1764. Ein edler Charakter, der 
aufrichtig das Wohl feines Volkes ſuchte. Geboren 
1741 und gebildet nach den Grundſätzen der fran: 
zöſiſchen Vhilofophie, gegen den Klerus durd) die 
Erfahrungen am Hofe jeiner Mutter fehr einge: 
nommen, nahm er nad) Maria Therefia’s Tode 
mit rajher Hand feine Reformen vor, welde in 
feinem Volke Aufklärung und Religiofität beför- 
dern, die Macht der Hierarchie brechen jollten. 
Daher machte er das Kirchenreginient zu einem 
Theil der Staatsverwaltung, führte das Placet 
ein, verbot die Appellationen nad) Rom, hob 
700 Klöster auf, deren Einkünfte er zu Unter: 
richtszwecken anwies, ftellte die Mönchsorden uns 
ter die Aufficht der Biſchöfe und richtete ftatt der 
bifhöflihen Seminare Generaljeminare zur Bil: 
dung der Klerifer unter Staatsauffit ein. Am 
30. Juni 1781 erſchien das Toleranzedict, welches 
unter geringen Beſchränkungen den Evangelifchen 


424 


Joſephus Flavius 


wie ben Juden freie Religionsübung und bie vol⸗ 
len bürgerlichen Rechte gewährte. Die päpſtlichen 
Breven, welche dieſen Aenderungen fich wiberjegten, 
wurden entjchieden zurüdgemwiejen und ber Beſuch 
Pins’ VI. in Wien 1782 mit glatter Höflichkeit 
aufgenonmen. Da aber feine Reformen aud) den 
Adel verlegten und in die bürgerlichen garantirten 
Rechte der Provinzen eingriffen, fo erhob fi ein 
Aufftand in Ungarn und in Belgien mit Unter: 
ft.igung des Klerus, fo daß der Kaifer fid) gend» 
thigt ſah, 1790 in ag fpäter in ben Rieber: 
landen, Böhmen und Tyrol feine Reformverorb- 


chichte Joſephs, 1835; Meynert, 
Joſeph II., 186) ‚ Maria Therefia und 


ien. — Auch die Schulbrüber oder Brüder des 
ei * h in ee führen diefen Namen. 


* unen. 
ſiſche —* 
durch Maria 


ern des heil. Joſeph zu Le Puy, geſtiftet durch 
Sen Medaille 1650 zur Krantenpflege; 
3) der Berein der Schweitern des heil. Joſeph zu 
Elugny, 1819 dur die Matrone Javouhcy für 
Krankenpflege und Unterricht, der hauptſächlich in 
DOberguinea wirkt; 4) die Schweftern des heil. o: 
ſeph zu Lyon, 1821 durch Chatillon zur Pflege 
weiblicher Gefangener ; 5) die —*** 
zu Albi, —— Vialar 1833 für Zugendunter⸗ 
richt und Krankenpflege. Bol. Henrion-⸗Fehr, 
Möndydorben, IL 
Joſephbehe ift eine Ehe, in welcher die Gatten 
mit beiderjeitiger Uebereinftimmung, ohne die Le⸗ 
benägemeinjhaft aufzugeben, der Gejchlechtäge: 
meinſchaft entjagt haben. , 
Joſephus Flavins, jüdiſcher Gefchichtichreiber. 
Aus priefterlihem Gefchlechte, durch die Wut: 
ter den Hasmonäern verwandt, war er geboren 
37 n. Chr. Erft Pharijäer, dann Sabducäet, 
Efiener und Genoffe des Einfiedlers Banus, wandte 
er ſich ſchließlich der pharijätfchen Partei wieder 
u Auf einer Reife nad) Rom gewann er die Gunft 
er Kaiſerin Poppäa. Bei dem legten jüdiſchen 
Aufftand ward er jüdischer Befehlshaber in Gali: 
läa und behauptete ſich troß der Anftrengungen 
der mit ihm höchlich unzufriedenen Zeloten unter 
Johannes von Gischala, bald durch Gewalt, bald 
durch Ränte und Beitechungen, ohne die Römer zu 
—— ihr Heer zum entſcheidenden Schlage zu 
ammeln. Bei der Erſtürmung von Jotapata rel; 
tete er fein Leben durch Lift vom den Juden und 
durch die Weisfaqung künftiger Orkße des Be% 
pafian, ber ihn fortan ald Günftling bei ſich im 
Zager behielt und mit nah Nom nahm, wo er nad 


Joſes 
ift. Joſephus iſt kein edler und gro⸗ 


103 — 

ber — Obwohl er ſeiner Nation und ſei⸗ 
nein treu geblieben ift, leitet ihn dennoch 
überall ein kluger Egoismus und feine Darftellun: 
aen zeigen perjönliche Gitelteit. Seine —— 
Auffafjung ermangelt aller Tiefe und lenkt in e 
feihten Rationalismus ein. Durch feine beiden 
Bücher über den jüdiſchen Krieg und die Archäo— 
logie ift er eine unſchätzbare Duelle der jübdijchen 
Geſchichte geworben; er ſchrieb fie im apologetı: 
ſchen Intereſſe, um die Römer zur größeren Ad: 
tung des jübifchen Volkes zu bewegen. Weniger 


bebeutend ift feine Selbftbiographie und das Buch | B 


Contra Apionem, ſowie dad von Einigen ihm zu: 
eg 4. Bud) der Makkabäer. Eine berühmte 

telle über Chriftus in dem A. XVIII, 3, 3 ift 
jedenfalls von chriftlicher Hand interpolirt. Bal. 
Ewald, Geſch. Chriſtus, S. 198 ff. Der Titel fei- 
ner Bücher lautet: Iepi roũ loudıuxo® tes 
in 7 Büchern (deutſch von Gfrörer, 1885); 
daixn Apyaokoyia (deuti von Martin, 2 Vbe. 
1852 58); Bios (Selbftbiographie) ; Tlegi doya- 
öentos lovdeiow; Kara "Aniavog. Ausgaben von 
Haverfamp 1726; Oberthür 1752-85; Richter, 
6 Bbe., 1825 5-27. 

Yoies. 1) Einer ber Brüder I65 Matth. 18, 
55; 27,26; Marc. 6, 3; viele Cod. leſen Jofeph. 
— * Ein Bruder Jakobus des Jüngeren, Marc. 
15, 40. — 3) Joſes (Jofepb) Barnabas, der be: 
fannte elift, Apftg. 4, 36. 

Yofiad, König von Suda 638-608, der Sohn 
Amons, war bei jeines Baterd Tode 8 Jahr alt. 
Unter der Bormund Beichechgeh feiner Mutter und dem 
Einfluß ber Beicher) erzogen, wandte er fich 
mit — ieden nei are. Jehovahdienfte zu. 
Das wichtigfte niß feiner Regierung tft die 
ray! ebuches im Tempel, 2. Chr. 
34,8 ff.; 2. Kön. 23, 3 ff. (wahrſcheinlich des 
—— Kin welches aufeiner großen Volks⸗ 
verjamnilung verlejen und angenommen wurde, 
fo daß Jofias den Baals⸗ und jeden Gökendienft 
mit aller Strenge verfolgen und ausrotten und 
mit einem feierlihen Paſſah den neuen Bund des 
Volkes mit Gott befiegeln fonnte. Die daraus fol: 
genbe innere Kräftigung des Staates machte er 
nad außen — In die erſten Jahre ſeiner 
Regierung fällt der in der Bibel nicht erwähnte 
Einfall der Scythen; die dadurch vermehrte 
Schwäche Samariens benußte Jofias zur Unter: 
werfung diejes Landes, wo gleichfalls der Götzen⸗ 
dienft vertilgt wurde. Als er aber gezwungen war, 
fi dem Pharao Necho entgegenzuitellen, der durch 
Nordpaläjtina fid) den Weg nad) Afiyrien bahnte, 
fiel er in der Schlacht bei Megiddo, als der letzte 
glüdlihe und — König Juda's, 2. Chr. 
35, 24; Je 12, 

Joſt, Jiaat — ein bedeutender jüdiſcher 
Gelehrter, der Sohn eines dürftigen und blinden 
jüdiſchen Händlers, war geboren am 22. Februar 
1793 zu Bernburg. Da er feinem blinden Vater 
ald Führer dienen mußte, blieb ug Erziehung 
vernadläjfigt, bis ihn 1808 fein Großvater zu 
Wolfenbüttel in der Samſonſchen jüdiſchen Erzie- 
bungsanftalt unterbradhte. Bon dort bezog er die 
Gelehrtenichule zu Braunſchweig 1809 und unter: 
ſtützt durch Stipendien 1813 die Univerfität Göts 
tingen, folgte 1814 der Familie ſeines Gönners 
Jacobſon nach Berlin, wo er in den Kreiſen D. 
Friedländers und Mendelsiohns Aufnahme und 


425 


Jotham 


Anregung geiftiger Entwickelung fand. 1816 über: 
nahm ei Direction einer höhern jüdiſchen Vri⸗ 
vatbürgerfhhule und folgte 1835 einem Auf an bie 
ifraelitifche Realfchule zu Frankfurt a. M., wo er 
am 25. November 1860 ftarb. Seine Erforfejna 
und Darftellung der Gejchichte des jüdifhen Vol: 
les und des Judenthums, wodurd ihm viele und 
wichtige Auffchlüffe verdankt wurden, begründeten 
feinen Ruf der Gelehrjamteit. Die Geſchichte der 
Siraeliten erjchien — während feines Aufent— 
halts in Berlin 1820—29; es folgte 1832 Die all: 
gemeine Geſchichte des "ihreefiit en Volkes iı 2 
dr. und die neuere Gefchichte der Iſraeliten, 3 
Thle., Berl. 1846—47;, endlich das bedeutendite 
Wert: die Geſchichte des Judenthums und feiner 
Secten, Leipzig 1857-59, befonders wichtig durd) 
die Darftellung der Secte der Karäer. 

Yofua, der Sohn Run’s, erhielt nad) dem Willen 
Mojes’ die Führung Sfraels nach deflen Tode, da er 
fi) als muthig und fraftvoll und dem theofratifcher: 
Gedanken unbedingt ergeben mehrfach ermiejen 
hatte, 4. Mof. 11, 28; 14, 6—9; 27,18. m ra: 
ſchen Eroberungs zuge wurbe von Gilgal aus der 
Jordan fiberfchritten, Yeriho nemonnen, Ai zer: 
jtört, Gibeon unterworfen und bei Njalon die Ent- 
ſcheidungsſchlacht geichlagen, welche Iſrael ben 
Beſitz des Landes ſicherte, jo daß die Vertheilung 
deſſelben unter die einzelnen Stämme in der Bor: 
ausjegung ftattfinden konnte, daß jeder im Stande 
fein werde, das ihm zugewieſene Gebiet vollends 
zu erobern und zu behaupten. Bis ans Ende jei- 
nes Lebens behielt er die ihm libertragene Dicta: 
tur, und das Vertrauen auf feine Berfönlichkeit, 
feine Gottesfurdt und Geſetzestreue waren das 
Band, welches die Stämme zufammenhielt. Mit 
feinem Tode Löfte fich ſchnell die ganze politische 
und religiöfe Bundesverfaffung Jfraels. Das Bud) 
Yofua — aus 2 Theilen, von denen der * 

(Gap. 1—12) die Geſchichte der ——— 
zweite (Gap. 12—24) die Vertheilung und Beſitz⸗ 
nahme beö Landes erzählt. Das Buch zeigt ver: 
ſchiedene Beftandtheile aus verfchiedenen Zeiten, 
und die meiften Kritiker erkennen diejelben Be: 
ftandtheile im Pentateuch wieder, die Berichte des 
Elobiften, Jehoviften und Deuteronomiften, von 
welch letzterem es redigirt ſei, wie ed denn auch 
mit dem Pentateuch ein zuſammenhängendes Gan⸗ 
zes bildet. Aiderfprüche der Erzählung wurden 
entbedt 3. B. 13, 4 vgl. mit 10, 40, 11, 16; 10, 
36 vgl. 11, 21; 14, 12; 15,14; 10, 38 nal. 11, 
21; 15, 15-17: 12, 10 ff. vg 1. 5, 69 u. ſ. w. Weber 
die kritifchen Beitandtheile Des Buches f. d. Art. 
Bentateuch. Commentare : von Maurer 1831; Keil 
1847 und 1868 ; Knobel ſkurzgef. exeg. Handbuch) 
1861. Bal. König, Altteft. Studien, 1836. 

Joſua, Bud der Enmaritaner. Diefes jama: 
ritaniſche Geſchichtsbuch eriftirt unter dem Namen 
„Bud Joſua“, welches die Geſchichte Joſuas, oft 
wörtlich übereinftimmend mit dem kanoniſchen 
Buche, aber auch wieder mit vielen Veränderungen 
und Zufägen, erzählt und daran eine Fortjegung 
bis in die Zeit des Alerander Severus_ Tnüpft. 
Daffelbe ift offenbar eine ſamaritaniſche Bearbei: 
tung unferes Jofua. Eine arabifche Ueberſetzung 
befindet nd —— der Leydener Bibliothek; ed. Yol,. 
YJuynboll 1 

Selbe, Mi König von Juda 757— 741. Er hatte 
ichon während der Krankheit feines Waters Uſia 
das Reich nah deflen Grundjägen verwaltet, 


Jovianus 


2. Chr, 26, 21. Er liberwand die Ammoniter, die 
einen Abfall verfucht hatten, und legte ihnen einen 
ſchweren Tribut auf. Jerufalem und den Tempel 
befeftigte und verjönerte er durch mehrere Baus 
ten, legte auch auf dem Gebirge Städte und Wadıt: 
thürme zur Sicherung der Grenzen an, 2. Chr. 27,4. 

Jovianus, Flavius Claudius, römischer Kai: 
fer. Rad) Juliand Tode vom Heere erwählt, ret: 
tete er dafjelbe aus bevrängter Lage durch den 
nit eben ruhmvollen Frieden mit dem Perſer 
Sapor. Als Christ hob er ſämmtliche Julianifche 
Beichräntungen der Kirche auf, duldete aber das 
Heidenthum; in den firdlichen Streitigkeiten beob: 
achtete er nad) allen Seiten Milde und Duldung. 
Er ftarb bereits nad) Smonatlicher Regierung, 

Jovinianus, ein Mönd in Rom, von Geburt 
ein Mailänder. a vor 400, Ausgehend davon, dab 
das Leber. ded Wiedergebornen eine Gemeinſchaft 
mit Gott jei, verwarf er die Verdienftlichfeit der 
Werte, namentlid der Chelofigkeit, und die über: 
triebene Werthſchätzung des Martyriums. Auf 
einer Synode in Rom 390 durd Siricius ver: 
dammt, floh er nah) Mailand, wurde aber aud) 
dort ercommunicirt und vertrieben. Gegen ihn 
ſchrieben Hieronymus, Auguftin und Ambrofius, 
nicht immer gerecht und leidenjchaftslos. 

Jovius, Paulus, geb. 1483 zu Como. Er jtudirte 
zu Pavia Medicin, fam an den päpitlichen Sof 
unter Leo X., wurde Kanonifus zu Como und Bi: 
ſchof von Noiera. 7 1552. Er ſchrieb eine Geſchichte 
feiner Zeit, die Geſchichte der Visconti und eine 
Geſchichte der Türkei. Die Unparteilichkeit des Ge: 
ihichtöforjchers geht ihm aber ab. Gefammtaus: 
gabe Bajel 1578. 

Zrenäus, Bifhof von Lyon feit 170. Geb. um 
140 zu Emyrna, war er durch unbelannte Im: 
ftände nad) Lyon gelommen und zur Zeit der gro: 
Ben — resbyter daſelbſt. Als ſolcher 
ſandte ” ie Gemeinde in den Montaniftifchen 
Streitigteiten an den Bifchof Eleutherus nad) Rom. 
Er joll ald Märtyrer in der Verfolgung des Se: 
verus am 28. Juli 202 geftorben fein, Dem Orient 
wie dem Decident angehörig, vermittelte er mit 
Erfolg bei dem Biſchof Victor im Ofterftreite und 
erlangte DiegleihmäßigeDuldung der orientalischen 
Gewohnheit. Seine lirchenhiſtoriſche Bebeutung 
liegt in feiner Schrift gegen die Gnoſtiker, urfprüing- 
lich griehifh ("EAeyyos zei dvargonn ang weu- 
dawvuuov yrwarws)gejichrieben, aber nurin lateinis 
ſcher Ueberjegung vorhanden (herausgegeben von 
Stieren, Leipz. 1851—53). Diejelbe ift namentlich 
gegen die Gnoſtiker gerichtet, fteilt ihre irrige Lehre 
bin und entwidelt im Gegenſatz dazu die rechte 
Lehre. Den apofalyptiihen Erwartungen jchließt 
er ji in maßvoller Weife an. In der Theologie 
des Jrenäus liegen zwar viele Elemente, aus de: 
nen die katholiſche Kirche ihre Syftem zufammen: 
gejegt, aber mit gleihem Rechte haben die ent: 
gegenftehenden Richtungen ſich auf ihn bezogen. 
Eine Darftellung feiner Lehre giebt Dunder, des 
heil. Jrenäus Chriftologie, 1843. Vgl. Böhringer, 
eg Sn gang in Biographien, Bd. I.; Graul, 
bie Kirche an der Schwelle des Irenäiſchen Zeit: 
alters, 1860. — 2) Ein Biſchof von Syrien, der 
unter Diocletian ald Märtyrer ſtarb. Gedächtniß— 
taq 25. März. 

Irenäus, Chrijtopb, der Flacianer. Baftor zu 
«Eisleben feit 1566, vorher 


426 


iakonus zu Aſchers⸗ 
leben und zweiter Hofprediger zu Weimar, berief 


Irland 
ihn Herzog Wilhelm als Hofprediger nad) Weimar 
1566, verjegte ihn aber wegen feiner heftigen Fla⸗ 
cianiſchen 


olemil auf Betreiben Friedrichs von 
der Pfalz nad Neuftadt an der Drla, Als —3* 
ner 1572 abgeſetzt und des Landes verwieſen, 
wurde er zu Horn in Oeſterreich senior und ſetzte 
auch dort durch die Schrift vom Bilde Gottes die 
Polemik ald der ſcharfſinnigſte Verfechter des Fla 
ie fort. * * * 
rene, griechiſche Kaiſerin, aus Athen gebürtig. 
Ihren Gemahl, den Kaiſer Leo IV. ehe 8 
und übernahm für fi und ihren Sohn Gonitan- 
tin VI. die Herrihaft. 790 von ihrem Sohne ver: 
drängt, bemächtigte fie fi 797 des Thrones wie: 
der und ließ jenen blenden. 802 wurbe fie von 
Nicephorus, der zum Kaifer erwählt worden, nad 
Lesbos verbannt und ftarb daſelbſt im Elend. Sie 
begünftigte die Bilderfreunde, lieh nach fehlgeſchla⸗ 
genen Berfuhen und troß des Widerſpruchs des 
Abendlandes 787 zu Nicäa die Beichlüffe von 754 
wieberaufheben und verbannte alle Bilderfeindr. 

Irenif, Parallele und zugleich Gegenſatz der 
Rolemil, unterjucht die legten Gründe der confeffio: 
nellen Differenzen, um das bleibend Gemeinjame 
zu finden, auf defien Anerkennung der Frieden 
unter den Confeſſionen beruht. Nach Lange gehört 
die Irenik zur angewandten Dogmatif. 

Irland. Das Chriftentbum ift vieleicht ſchon 
im 2. Jahrhundert nad) Irland gebracht und zwar 
aus dem Morgenlande (bereits im 4. Jahrhundert 
beftanden Schulen und Klöfter, bie Miffionäre aus: 
jendeten), allein die Ausbreitung des Ghriften: 
thums über die ganze Inſel ift das Werk des heil. 
Batrif 432. Die * K bewahrte in Verfaſ⸗ 
ſung und Cultus ihre Eigenthümlichteiten ſelbſt 
während der däniſchen Herrſchaft feit dem 9. Jahr: 
hundert und untermwarf fich erft auf der Synode 
zu Drogheda 1152 der römiſ Difeiplin. Be: 
fannt ift der Miffionseifer der iriſchen Mönche auf 
dem Eontinent(Schottenkläfter). Neben St. Batril 
gilt die heil. Brigitta als Schuhheilige (f. d. Art.). 

adrian IV. ſchenkte die Infel an Heinrich IL. von 

ngland, der 1175 bie Pc vu be: 
= Die Reformation Heinrichs VIII. fand trof 

er Bemühungen des Erzbiſchofs Georg Bromn 
wenig Eingang, weil Heinr'h, SAch mehr Eduard 
VI. und Elifabeth, mit der engliſchen Liturgie aud 
die engliſche Spradhe im Gottesdienfte einführen 
wollten. Fortwährende Aufitände wurden, von 
Rom und den Jefuiten unterftügt, von den Englän: 
dern mit immer fteigender Härte niedergefhlagen. 
Auf die Convention von 1634, welche die 39 Ar: 
titel annahm, folgte der große Aufitand von 1641, 
in welchem 40,000 Proteftanten ermordet jein 
jollen, den aber Crommell 1649 niederjchlug. Als 
Irland für Jakob II. Partei nahm, verloren die 
Katholiken 1727 auch die bürgerlichen Rechte und 
die Orangegefellfchaften arbeiteten offen auf die 
völlige Ausrottung der katholiſchen Kirche hin. Wil: 
derungen ber ftrengen Gejeggebungen begannen 
1778; mit der größeren Freiheit der Verfaſſung 
erhielten auch die Katholiken wieder mehr bürger: 
liche Rechte, 3. B. Grundbefit zu erwerben. Rod) 
mehr erlangte der Bund der vereinigten rländer, 
der 1791 völlige Rechtägleichheit der Katholiken 
forderte; 1795 wurde das fatholifche Seminar zu 
Maynooth errichtet. Bei der vollftändigen Union 
Irlands mit England 1800 wurde auch die bifchöf- 
liche Kirche von England und Irland vereinigt. 


Irregularitãt 


Da aber die Emancipation der Katholilen nicht 
bewilligt worden, jo bildete fich 1802 die große 
latholiſche Bereinigung zur Erlangung diefes erft 
1829 erreichten Zieles. Die biſchöfliche Kirche hat 
unter 2 Erzbifchöfen zu —— und Dublin 8 
Bilhöfe, die römische unter 4 Erzbisthümern 24 
Bisthlimer; da die bei weitem größere Zahl der 
Iren dieſer angehört (6,500,000), fo ift die Haupt: 
Mage, dat bie Staatäfirche den ganzen Zehnten 
und bie aben bezieht. Erſt in neuefter Zeit 
hat das engliihe Parlament Hanb angelegt, dies 
unnatürliche Berhältniß der Staatäfirche zur Be: 
völferung zu ändern. Vgl. Beaumont, Jrland in 
focialer, politiſcher und religiöfer Beziehung, 1840 ; 
Collier, Staats: und Kirchengefchichte Irlands, 
1845; Pauli, in den Prot. Monatsbl,, 1866. 
rität ift der Mangel einer Eigenſchaft, 
welche von den Kirchengefegen als zur Erlangung 
einer Weihe erforderlich bezeichnet ih. Man unter: 
ſcheidet die irregularitas ex defectu und ex de- 
licto (die Jrregularität, welde aus einem Mangel 
und welde aus einem Bergeben herrührt). Zu der 
erften gehören: 1) defectus aetatis, der Mangel 
bes fanonifchen Alters; 2) def. corporis, körper: 
lihe Gebrechen; 3) def. scientiae, Mangel der nö: 
thigen Kenntniffe; 4) def. fidei, Mangel des Glau— 
bens bei Reubefehrten und Gonvertiten, 5) def. 
libertatis, Mangel der freien Selbftbeftimmung 
unb Unabhängigfeit; 6) def, lenitatis, der Man: 
gelber Milde ſchließt Jeden aus, der Blut vergofjen 
t; 7) def. sacramenti, jchließt den in zweiter 
e Lebenden aus; 8) def. natalium, der Mangel 
ehelicher Geburt; 9) def. famae, der Mangel bes 
guten Rufe. — Jrreqularität ex delicto tritt bei 
allen öffentlich befannten Verbrechen ein und bei 
ben verborgenen, die gegen die Kirche und den 
Glauben gerichtet find. Bon allen Jrregularitäten 
Tann der PBapft, von einigen der Bifchof dispen: 
firen. Die Vorſchriften find allmählich aus den 
Berhältniffen hervorgegangen. Die griechische ftirche 
hat die Grundbjäge der Alten Kirche feftgehalten, 
Die fih auf 1. Tim. 3, 1 f.; 5, 22; Tit. 1,6 ff. 
tünden. Die evangelifche Kirche ftellt ihre Vor: 
—— zum geiſtlichen Amte, ohne den Be: 
griff Irregularität bejonder3 ausgebildet zu 
haben. Die irrey' 'aritas ex defectu erledigt ſich 
von ſelbſt bei der jreien Wahl der Gemeinden. 
Jrreligiofität ift der Zuftand eines Menſchen, 
in weldem dieſer die Religion als maßgebende 
Autorität nicht mehr anerfennt, jei es aus Atheis⸗ 
mus, fei ed aus fittliher Trägheit. Sein Denten, 
Reben unb Handeln ift der Art, daß in allem ein 
mehr oder weniger bewußtes Ablehnen der For: 
derungen des religiöjen Bewußtjeins zu Tage tritt. 
rrthum ift da vorhanden, wo das Denten 
nicht Übereinftimmt mit der Wirklichkeit. Er jet 
feine Abfiht voraus, die Wahrheit nicht zu 
wollen, führt daher als ſolcher feine fittliche Ver: 
antmortlicpfeit mit fi. Der Jrrthum bat aber 
für das fittliche Yeben dadurch einen fehr großen 
Einfluß, daß dem Denken immer auch das Han: 
dein entipricht, und fo aus einem irethlimlichen 
Denken ein verlehrted Handeln nothmendig ent: 
fpringen muß. Im Zuftande des Irrthums kann 
der Menſch jeine fittliche Aufgabe nicht erfüllen, | 
weil ein jittlihes Handeln die Wahrheit zur Bor: | 
ausfegung hat (Eph. 4, 22; Jak. 5, 20). Die Er: | 
Löfung der Menſchheit wird en inmer zugleich, ! 
wie eine Erlöfung von der Sünde, jo auch als eine 


427 


Iſabelle von Eaitilien 


Erlöfung vom Irrthum betrachtet werden müffen. 
Iſt der Irrthum im einzelnen Falle unverfchuldet, 
fo ift eö dagegen fittlih unverantwortlih, nicht 
alle Mittel aufzumenden, den Irrthum zu über 
winden. Die demüthige Einficht in bie eigene Irr— 
thumsfähigfeit, die Selbjtverleugnung, welche ſich 
nicht jhämt, Irrthümer zuzugeftehen und das reb- 
lihe Streben, welches nicht ſich felkft, fondern die 
Wahrheit fucht, bilden den Weg zur Ueberwindung 


des ale re Die Selbftverblendung, welche der 
eigenen Unfeblbarkeit fi bemußt ig führt zur 
Berftodtheit. 


Irving, Edward, geb. am 15. Auguft 1792 zu 
Annan in der Srafihaft Dumfries, ward 1819 
Chalmers Gehülfe zu Glasgow, dann Prediger 
einer ſchottiſchen Gemeinde, feit 1822 in London. 
Durch lebendige und eindringliche Predigtweife 
errang er Beifall und Aufſehen, verbreitete auch 
in Schriften feine apokalyptiſchen Lieblingsmei: 
nungen und feine Erwartung einer bevorftehenben 
und nothwendigen neuen Geiftesaudgießung. Als 
1830 verlautete, in Schottland ſei die Gabe bes 
nngenredend und der Weifagung wieder erwacht, 
zeigte fich diefelbe bald ei in feiner Gemeinde, 
bejonders bei Weibern, durch efjtatifche mit Kräm- 
pfen verbundene Zuftände;; in ben einzelnen Tönen 
und abgebrochenen Wörtern erfannte Y. das Zun- 
genreden und die Weisfagung. In Folge der Un: 
orbnungen in der Gemeinde wurde er von ber ſchot⸗ 
tischen Kirche juspendirt, gründete aber fofort in 
einer eigenen Eapelle eineneue Gemeinschaft, in wel: 
cher nun auch die Nothwendigkeit der Wieberauf: 
richtung der evangelifchen Yemter, ber Engel, Pro: 
pheten, Apojtel, Evangeliften und Lehrer verfündigt 
wurde. J. ftarb 1834, aber feine Gemeinde baute ſich 
aus und vereinigte ihren Glauben an Geiftesaus: 

ießung mit einer neuen ftreng hierarchiſchen Ver: 
re In London bildeten fich 7 Gemeinden und 
die Senbboten gingen in alle Welt, Die Verbin: 
bung von Autorität und Schmärmerei fam ben 
religiöfen Zuftänden Deutfchlands entgegen, und 
b bildeten ſich nicht nur in ze: Polen, Schle⸗ 
ien, Sachſen und in der Schweiz Jrvingianijche 
Gemeinden, es traten auch namhafte Männer, wie 
Thierfch, zu ihnen über. Einen Augenblid ſchien 
es, als follte ihr u bedeutender werben, 
jedoch ihre Blüthezeit ift jchon längſt verftrichen. 
Bal. Hohl, Bruchſtücke aus dem Leben und Schrif— 
ten Jroings, 1839; Jacobi, die Lehre Irvings, 
1853. Dann: Thierſch, die Kirche im apoft. Zeit: 
alter, 1852; Böhm, Schatten und Licht im gegen: 
mwärtigen Zuftande der Kirche, 1855. 

aa, der Patriarch, tritt perfönlich weit rue: 
niger hervor, ald Abraham oder Jakob. Weichen, 
fanften und ruhigen Wejens, bewahrt er das Ueber: 
tommene, auch den Glauben an bie göttliche Bor: 
fehung, ohne zu eigenen großen Thaten fih zu 
erheben. Seine Lebensgejchichte enthält Einzelnes, 
was mit dem bei Abraham Erzählten jo zujam- 
menftimmt (1. Mof. 26,8 und 20, 2; 26,26 f. und 
21, 22 f.), daß man nur eine Bermifhung der 
Ueberlieferung annehmen kann. Die Geſchichte fei: 
ner Perjönlichleit alö des angegebenen Stamm: 
vaters der Edomiter und ber Nroeliten bewahrt 
das Bewußtfein der urfprünglihen Stammesein: 
heit der gr oft jo verfeindeten Völker. 

ale „der Große. S. Sahak. 

abelle von Gaftilien, geb. 1451. Durch ihre 
Heirath (1469) mit Ferdinand dem Katholiſchen 


Hai 


vereinigte fie Caftilıen mit Aragonien und war 
als Regentin die Seele der beiden erfolgreichiten 
Unternehmungen der gnemeinfamen Regierung, 
‘ nämlich) der Vertreibung der Mauren und der Ent: 
deckung von Amerika. Leider führte fie aus Politik 
und im Glaubenseifer auch die Inquiſition ein. 
Bei ihrem Tode 1504 Hagte man, habe Spanien 
virtutis speculum, bonorum refugium, malorum 
gladium verloren. 

fai, der Vater Davids. ©. Jeſſe. 

ſaſchar (mit K'ri perpetuum geichrieben 
ur), der 5. Sohn Jakobs geboren von der Lea, 


1.M0j. 30,16. Der von ihm ſich ableitende Stamm 
ift nad) Juda der zahlreichite, 4. Mof. 1, 39; 26, 
23, und erhielt das Gebiet um den Hermon bis an 
den Tabor und den Karmel mit der Ebene Esdre— 
Ion. Einzelne Waffenthaten des Stammes werden 
zwar berichtet, 1. Chr. 12, 32; Richt. 10,1; 5, 15, 
aber der Segen Mofes zeigt, daß der Stamm da> 
durd), daß er den Phöniciern, deren Karamanen: 
jtraße durch fein Gebiet ging, fich zu ——— 
gen hingab und auf fruchtbarem Boden ein behä- 
biges Leben führte, im Anfehen bei den übrigen 
gejunfen war. 

Isboſeth, der Sohn Sauls, welhen nad) des 
Vaters Tode 11 Stämme als König anerkannten, 
Auch David zu befriegen, gelang feinem Feldherrn 
Abner nit, und als diejer, beleidigt von J., zu 
jenem überging, glaubten 2 Oberiten, feine Herr: 
Ichaft jei nicht zu halten und ermordeten ihn, um 
Davids Gunft zu erlangen. Die biblifche Darftel: 
lung läßt 3. nur ald ganz unbedeutende Perſön— 
lichkeit erſcheinen. 

Yiebel, die Königin von Iſrael, war die Tochter 
des Tyrifchen Königs Ethbaal, eines früheren 
gen der Aitarte. Als Gemahlin des Königs 
Ahab, über den fie einen beherrſchenden Einfluß 
ausübte, führte fie den phöniciſchen Götzendienſt 
in Jfrael ein (der Baaldtempel in Samarien, 1. 
Kön. 16, 32, der Drafelhain bei Jesreel, 1. Kön. 
16, 33; 18, 19). Nidt bloß ihrem Götzendienſt, 
aud der Willkür, 1. Kön. 21, 1—13, und Herrſch⸗ 
jucht ftellten die Propheten, an ihrer Spitze Elias, 
ſich entgegen und wurden defihalb aufs äuferfte 
verfolgt. Jhren Untergang fand J. in dem von 
(Elias und) Elifa hervorgerufenen Aufitand des 
Jehu, 2. Kön. 9, 38 ff. 

Yienbiehl, Johann Laurenz, geb. 1744 auf dem 
Eichsfeld. Als Profeſſor der morgenländifchen 
Spraden zu Mainz eröffnete er jeine Borlefungen 
mit ber Erörterung, daß Jeſ. 7, 14 der Immanuel 
nicht vom Meſſias zu verftehen fei. Deßhalb ent: 
jegt und im Seminar gefangen gehalten, begrün: 
dete er jeine Anficht in einer Abhandlung, die 1773 
erſchien, nachdem er als Profeſſor der ariechijchen 
Sprade wieder angeftellt war. Bon neuem zur 
Unterſuchung gezogen, auf der Flucht ergriffen und 
vom Papfte verdammt, mußte er 1779 feine un: 
lirchliche Auslegung widerrufen. + 1818. Außer: 
dem jchrieb er Über die diatritifhen Punkte und 
Corpus decisionum dogmaticarum. 

Isidor mercator oder peccator ift der Pſeu— 
donym bes Verfafjerd der Borrede zu den Afibo: 
riſchen Decretalen. 

Midor von Pelufium, ein Aegypter und Schi: 
ler des Chryſoſtomus, lebte ald Mönch und Abt 
eine3 Klofters in Peluſium unter Throdofius dem 
Jüngern 431 in hohem Anfehen duch Frömmig— 


428 


Island 


keit, Ernſt und Schriftkunde. Es find von ihm über 
2000 Briefe vorhanden, welche er an verſchiedene 
Perſonen als geiftliher Seelforger und Rathaeber 
oder ald Fürfprecher gerichtet hat. Diefelben laſſen 
die hohe Meinung hervortreten, die er vom Mönchs 
ftande hegte, enthalten aber bündige Abhandlun 
gen mit guter Schrifterflärung. Obgleich er felbft 
von der allegorifchen Auslegung fleißigen Gebrauch 
macht, fo warnt er doch davor, den hiftorifchen 
Sinn zu unterbrüden. 

Midor von Sevilla war geboren nad) 550 zu 
Karthagena, folgte feinem Bruder als Biſchof von 
Sevilla 600 und führte ala ſolcher auf den Syne: 
den von Sevilla 619 und Toledo den Vorfik. Er 
ift der aelehrtefte theologiſche Schriftfteller Spa: 
niens feiner Zeit, und feine Werte find von blei- 
bendem Werthe troß der begründeten Ansftellun: 
aen, welche eine fpätere Zeit daran gemacht hat. 
Seine Hauptwerke find: de ecclesiasticis offi- 
ciis; Sententiarum libri III, Auszilge aus Gre: 
gor und Auguftin über Dogmatik und Moral; 
Historia de regibus Gethorum ; Originum seu 
etymologiarum libri XX, eine Art Encnflopädie. 
Gefammtausgabe von Fauftin Arevali, Rom 1797. 

Ifidoriſche Sammlung. S. Kanonenfammluma. 

Slam. S. Muhammed. 

land. Nach der Entdedung der Inſel 04 
70) ftedelten fi dort Norweger an, welche unter 
Harald Harfager unzufrieden die Heimath verlal: 
fen ee und richteten ein ariftofratifchrepubli: 
caniſches Staatsweſen auf. Den erften Berjud, 
das Chriftentfum einzuführen, machte Thorvaldt 
Kodransſon Vidförli (der Weitgereifte), welcher n 
Rormwegen befehrt war, 981 ; Olaf Trygavafon en 
Norwegen (995—1000) fandte danadı mehr 
Miffionäre und 1000 wurde durch einen Compro: 
miß der Vornehmen das Chriftentyum Staats: 
religion, das Bolt lieh ſich taufen und die anfäng: 
lihen Vorbehalte zu Gunften des Heibenthums 
wurden 1016—20 aufgehoben. Erft 1055 wurde 
das Bisthum Stalaholt gegründet, 1106 das zu 
Holar. Einer Entwidlung der Hierarchie ftand die 
Batronatöverfaffung nah dem alten Landrechte 
(jus ecclesiasticum vetus s. Thorlaco Ketillia- 
num, herauögegeben von Thorkelin, 1776) entge: 
gen, auch das Eölibat und die geiftliche Gerichts: 

arfeit konnten nicht durchgeführt werden. Als ſeit 
1152 die Infel, die früher zum Erzbiäthum Bre 
men-Hamburg, dann zu Lund (1103) gehörte, dem 
norwegiſchen Erzitifte Nidaros unterjtellt wurde, 
begann der Kampf der Kirche um ihre Ungabhän— 
gigkeit. Die norwegischen Könige, denen ſich 12% 
—64 die Infel unterworfen hatte, begünftigten 
anfangs die Kirche, nahmen dann aber ſelbſt bie 
Geſetzgebung in weltlichen Dingen ber Kirche in 
Anipruch; erft 1297 wurde der Streit zwiſchen dem 
Könige und der Hierarchie gefchlichtet und das 
vom Biſchof Arni Thorlaksſon 1269 entworfene 
neue Kirchenrecht 1356 durd Magnus Eirilſon 
förmlich anerfannt (jus ecelesiasticum novum >. 
Arnaeanum, herauägegeben von Joh. Thortelin, 
1777). Durch die Galmarifhe Union 1397 mat 
auch Island mit Dänemark vereinigt; fo erhielt 
auch der Reichätagäbefhluß von 1596, der die 
evangeliſche zur Staatäreligion erklärte, für 5° 
land feine Gültigkeit. Bifchof Degmund Balsion 
von Stalaholt trat, alt, erblindet und eines Mor: 
des verdächtig, fein Bistum an Gizur Einareſon 
(+ 1548) ab, der in Wittenberg ftudirt und der 


Ismael 


Reformation ſich zugewendet hatte. Deſſen Nach— 
folger Martin Einarsſon fand einen erbitterten 
Gegner an dem katholiſchen Biſchof Jon von Ho— 
lat, der ihn ſogar gefangen nahm und Gizurs Ge: 
beine ausgraben und an ungeweihtem Orte ver: 
ſcharren ließ; aber nachdem derjelbe als Hochver: 
räther gerichtet war 1550, fand aud) die Einfüh— 

der dänischen Kirchenordnung und der Ripe⸗ 
ner Artifel fein Hinderniß mehr 1551. Die Bibel: 
überjegung des Biſchofs Thorlaksſon erſchien 1554 
(die erjte war von Oddr Gottichaltsjon 1540), ge: 
lehrte Schulen wurden bei den beiden Kathebralen 
eingerichtet, um dem anfänglichen Mangel und der 
Unmiffenheit der Geijtlihen abzubelfen, jo daß all: 
mahlich die aufgegwungene Reformation aud) in 
das Bolt drang. Das Bisthum Holar wurde da= 
nah aufgehoben und das von Stalaholt nad 
Reykjavik verlegt. Unter dem Bijchofe ftehen jegt 
19 Pröpite und 299 Kirchen ; die Geiftlichen wer: 
den von der Gemeinde unter dem Borfit des 
Propftes erwählt. Bal. Leo, Einiges über das Leben 
und die Lebensbedingungen von Jsland zur Zeit 
des Heidenthums, bei v. Raumer, 1535; Finnus 
Johannaeus, Historia ecclesiastica Islandiae, 
1772—78, fortgejegt von Petur Petursson, Hav- 
niae 1841. 

Ismael, der Sohn Abrahams von der Hagar, 
1. Moſ. 16, 16; 17, 23. Mit feiner Mutter wurde 
er veritoßen, 1. Moj. 21, 9 ff., und ein Bewohner 
der Wüſte. Mit einer Aegypterin verheirathet, 
ward er Bater von 12 Söhnen und durch dieje der 
Stammmoater der jemitifchen Araber. Es wird aber 
der Name der Jömaeliten auch, 3. B. 1. Mof. 37, 
25. 28; Richt. 7, 25; 8, 24. 26, von Joktaniſchen 
Stämmen gebraudt. 

Yirael, der Zuname Jakobs nad) jeinem Glau: 
benstampf am jabof, der Name des von ihm ab: 
ftammenden Volles, inäbejondere aber des Reiches 
der 10 Stämme. Als theofratiicher Ehrenname 
blieb derjelbe auch nach dem Eril bei den Juden 
im Gebraud). 

Arael. Die Urjprünge des Boltes hat die Leber: 
lieferung in der Form einer Familiengejchichte be: 
mwahrt. Ein jemitifcher Stamm aus den armeni- 
ſchen Gebirgen ift nah Südweſten allmählich vor: 
gebrungen, hat jeinen neuen Wohnfig in Kanaan 
gewonnen, ſich dort ausgedehnt und mehrfach ge: 
Ipalten, biß der Hauptftamm zu dem welthijtori: 
ſchen Volke ſich entwidelte. Die Patriarchen, un: 
bezweifelt —— Perſonen, ſind aufzufaſſen 
als Stammfürften. Die Iſraeliten (oder Hebräer, 
d. h. Jenſeitige) brachten bereits ein ausgebildetes 
Stammesgefuhl und eine von der vorderafiatifchen 
verichiedene religiöje Anſchauung mit. Ein y 
heil des eingewanderten Hirtenvolfes (Lot), 
ſich in dem fruchtbaren Oftjordanland niederließ, 
wurde von der bort vorgefundenen üppigen und 
fittlich entarteten Eultur überwunden, vermijchte 
ſich mit den Ureinwohnern und wurde, jo wenig 
das Bewuhtjein der Stammeseinheit verloren 
ging, als ein abgejhiedenes entfremdetes Glied 
(Moabiter, Ammoniter) behandelt. Deßgleichen 
ſchildert die Gejchichte von Ismael und von den 
Söhnen der Ketura, wie Theile des eingewander: 
ten Stammes fich mit den Ureinwohnern näher 
befreunden und verbinden, ihre Sitten und ihre 
Religion annehmen, jelbft zwar zu bedeutenden 
Stämmen heranwachſen, aber das verleugnen, 
worauf aller Werth gelegt wurde, die völlige na— 


429 


Iſrael 


tionale Geſchiedenheit von den Kanganitern, die 
fi auj das Selbftgefühl gründete, ein bevorzugtes 
und höher jtehendes Volk zu fein, und auf den un: 
teriheidenden Gotteöglauben. Der von Abraham 
durch Verträge und kriegerijchen Beiftand erwor: 
bene Befig im Lande blieb unangefochten. In feinem 
Leben jchildern die Züge anjpruchslojer Güte und 
beharrlicher Treue, die ihren Lohn in der Bewah: 
rung und Bermebrung der überlommenen Güter 
findet, eine zweite Periode des friedlichen Wohnens 
im Lande. Wieder aber tritt eine nicht gang jried- 
fertige Scheidung ein; der größere und mächtigere 
Theil des Stammes (Ejau) fällt von feiner Tradi- 
tion ab, der Reft (Jakob) weicht, tehrt aber, verftärft 
durch neuen Zuwachs aus den verwandten 
Stämmen der älteren Heimath in Mefopotamien, 
wieder, und beide Volfötheile führen ihr Leben ne: 
beneinander, aber jo, dat der ältere in arabifches 
Beduinenleben geräth, der jüngere im Hirtenleben 
die Reinheit des Blutesund des Glaubens bewahrt. 
Die Einwanderung nad) Aegypten, wo einer ihrer 
Stammesgenofjen an Pharao’s Hofe zu Macht 
gelangt war, knüpft die bibliihe Erzählung an 
einen Mißwachs in Paläjtina. Hinzugetreten als 
Motiv wird aber auch das geänderte Berhältnik 
zu den Kanaanitern gewejen fein; zwiſchen dieſen 
und dem ſtärker gewordenen, in feiner Abgejchloj- 
jenheit verharrenden, Stamme kam es zu erniten 
Reibungen (Ermordung der Männer in Sichem). 
Die anfänglich fo begünftigte Lage in Aegypten, 
wo fie zugleich eine Art von Grenzhut gegen Ein: 
fälle von Arabien her (der vertriebenen (?) Hytſos?) 
gebildet haben mögen, änderte jich, als die mächti— 
gen Könige Sethos und Ramſes das Reich befeftigt 
hatten und die großen Bauten begannen: die 
Siraeliten wurden wie ein überwundenes Heloten: 
volt behandelt. Die abgejonderten Wohnfige in 
Goſen und der ägyptijche, ihrem Wefen ganz wider: 
jtrebende Thierdienjt hatten dazu gedient, alle ihre 
Beionderheiten zu bewahren. Unter dem Drud er: 
wadt ein nationales Bewußtſein, die Sehnjucht 
nad Befreiung. Mojes wird das Werkzeug, das 
Volk für den Gedanken in durdaus religiöjer Ge: 
ftaltung zu begeiftern. Aus der alten Tradition 
von Abraham entwidelt ſich ein religiöfer Rechts: 
anſpruch auf Kanaan, als das Land der Verhei: 
Bung, den die Noth der Gegenwart, die Unmög: 
lichkeit, in Aegypten zu bleiben, ohne als Volt un: 
terzugehen, als Glaubensſatz fejtzuhalten zwingt. 
Nach langem Hader mit den Aegyptern kommt e8 
zum Auszug. Den Zug durd) die Wüſte benugte 
Mojes’ ſchöpferiſches und organijatoriihes Genie, 
welches bei ihm vollftändig im Dienite jeiner reli- 
iöfen und nationalen Begeifterung ſtand, das im 
Selotenbienft fittlih verfommene Volk in ftraffe 
Zucht aufanmenzufaflen, die von Alters her feit: 
— religiöſen Gedanken concreter auszu⸗ 
ilden und durch weiſe Geſetzgebung die Grund: 
linien eines Staatälebens zu ziehen. Auch die krie⸗ 
geriiche Ausbildung wurde geübt und nad) einem 
jährigen Wander: und Kriegsleben war das 
Oſtjordanland im Befise des Volkes, welches nun 
nad) Mofes’ Tode unter Jojua’s Führung den 
Jordan überjchritt und in raſchem Siegealauf ganz 
Kanaan gewann. Dauernde Einrichtungen ordne⸗ 
ten das bürgerliche und religiöfe Leben, nad: 
dem das Land unter bie eingelnen Stämme ver: 
theilt worden. Schwerer aber war es, das raid) 
orbene zu fihern und zu behaupten. Die 


Iſrael 


430 


Iſrael, das Reich 


Ranaaniter, an vielen Stellen nicht gänzlich ver-| bevorzugte Priefterfafte. Nur der Stamm Juda 


trieben und ausgerottet, fammelten ſich wieder, 
und waren, an Kriegöfunft überlegen, oft fiegreich. 
" Bon Joſua's Anordnungen war Manches nicht zur 
Ausführung gelommen; die Einheit der Führung 
fehlte, die einzelnen Stämme führten ein oft jehr 
getrenntes Leben, bis die Noth zu neuer Einigung 

ang oder ein prophetifcher Held die nationale 

geifterung wieder zu weden verftand. So bietet 
die Richterzeit manches Mal ein Bild des tiefften 
Verfalls und dann wieder der glorreidhiten Erbe: 
bung. Auch der Jehovahglauben hat oft Mühe, fid) 
im Zande zu behaupten, um nicht dem Tanaaniti: 
ſchen Götzendienſte Pla zu machen; jedoch ift er 
tief genug gemurzelt, daß Eli und Samuel um das 
RationalbeiligthHum immer wieder das ganze Bolt 
verjammeln können, und alle Stummeseiferfucht 
ſich vor der Autorität des Hohenprieiters und ber 
Propheten beugt. Die Unfälle in dem ig gesen 
die Bhilifter zwingen dem Volke aber die Erkennt: 
niß auf, Daß die loſe Verfaſſung des Staates, die 
immer nod) mehr dem Bedürfnik eines wandern: 
den Nomadenheeres, als dem eines anfäffigen, von 
Feinden umgebenen Boltes angemefjen war, 
Untergang des Reiches verfhulden werbe. Durch 
den Beichluß der Boltögemeinde, dem Samuel ſich 
unterwerfen mußte, wurde das ng are aufge: 
richtet und Saul erwählt. Tapfere Thaten gegen 
die Philifter begründeten fein Anjehen und eine 
demüthige fromme Unterordnung unter Samuel 
machte aud) diejem die Einbuße, die das prophe: 
tiſche Anjeben erlitten, weniger fühlbar. Aber die 
Entzweiung zwifchen dieſer geiftlihen Macht und 
dem Königthum trat bald hervor, als Saul die 
vollen Königsrechte auszuüben anfing und Sa: 
muels Borrang nicht mehr anzuertennen jchien ; in 
David verfolgte Saul einen vom Prophetenthum 
aufgejtellten Kronprätendenten. Nach Sauls Tode 
war Isboſeth auf das linke Jorbanufer beichränft, 
das ganze Kanaan in Händen der Philifter und 
nur in Juda hatte David das Königthum erlangt 
als philiftäifcher Lehensfürſt. Nicht ganz willig, 
aber bei Abners Abfall und bei der Nothwendig: 
keit, einen fräftigen König an ber Spite zu haben, 
ſchloß ſich Das ganze Iſrael an ihn an. Während 
David durch glückliche Kriege feine Herrichaft 
ſicherte und ausbreitete, befeitigte er eö nad) innen 
durd) Die Aufrichtung der Stiftshütte zu Jeruſa⸗ 
lem und die Organifation des Prieſterthums. Auch 
die Propheten waren in ihren bebeutenditen Ver: 
tretern dem Königthum verbunden. Das theofra: 
tiſche Königthum fam in der erften Regierungs: 
pertode Salomo’3 zu voller Entfaltung. Ueber: 
mächtig aber bebrüdt der jhärfer hervortretende 
Defipotismus das Volk. Die ſchweren Abgaben er: 
bitterten gegen Salomo, der ſchlie lich aud) an dem 
beidnifchen Eultus feines Harems Theil nahın ; jo 
wandten ſich die ftrengen ajtetifc‘ on Jehovahdiener 
unter den Propheten unwillig von ihm und verban: 
den fich mit den Patrioten, welchen nur ein König: 
thum in der Weife, wie Saul es geführt hatte, 
erträglich ſchien. Salomo konnte die Unruhen nod) 
bemeijtern ; alö aber Rehabeam den Thron beitieg, 
fam e8 von neuem zu einer bleibenden Spaltung. 
Der größere Theil des Volkes wollte der Entwid: 
lung, die das ftaatliche und religiöfe Zeben in Juda 
genommen hatte, nicht folgen, —— aber 
nicht Tempeldienſt, Königthum, aber nicht Theo: 
fratie, Propheten ald Leiter des Voltes, aber keine 


hielt treu zu Rehabeam und dem vom Haufe Da: 
vids bisher Begründeten, und wurbe fortan immer 
mehr und vorzugsmeije der Träger der ferneren 
Entwidlung des altifraelitiihen Glaubens, das 
wahre Jirael, obwohl auf den Namen einftweilen 
Verzicht pr iftet werden mußte. 

Arael, das Neid. Die alte Stammeseiferfucht 
Ephraims gegen Juda, welches dur das Davi- 
diſche Königthum, den Befig Jerufalems und des 
Tempels jo jehr den Vorrang gewonnen hatte, 
war ſchon in ben letzten Regierungsjahren Salo- 
mo's in einem Aufitand unter Jerobeams Füh: 
rung ausgebrochen. Auch die Propheten ſahen mit 
Sorge und Furcht auf Die beginnende i 
des abjoluten unabhängigen Königthums und die 
Eentralifirung eines glänzenden Pri ö, 
ALS daher Rehabeam im Geifte feines Vaters das 
Regiment —— verſuchte, 10 Stämme 
von ihm ab und wählten Jerobeam zu ihrem Ab— 
nige. Die Politik des Reiches blieb, den Jehovab: 
eultus in altnationaler Weife zu bewahren; es 
blieb nicht nur das Opfern auf den Höhen, fondern 


den | in Dan und Bethel wurden aud die Stierbilder, 


dad Symbol des göttlihen Weſens, aufgeftellt. 
Bei dem Zurüdtreten des Priefter-Einfluffes ge- 
wann das Anfehen der Bropheten, namentlich als 


fie wie Elias und Elifa mit Kraft und Würde den 
alten veligiöfen Volksgeiſt und die Vollsfreiheit 
gegen bie dem Fremden ergebenen Könige zu ver: 
—— hatten. Die Hauptſtadt des Reiches war 
erſt Sichem, dann Thirza, Jisreel und Samaria. 
Nach Jerobeams Tode folgten unruhige Zeiten. 
Der Mangel einer legitimen Erbfolge gab das Reid 
häufig in die Hände fühner Verſchwörer, die einen 
Königsmord nicht ſcheuten. Der fortdauernde Krieg 
mit Juda, da beide Reiche die Wieberunterwer: 
fung je des andern erzwingen wollten, führte zu 
den Kämpfen mit Syrien, deſſen Bundesgenofien- 
haft Juda erworben hatte. Erſt als Omri's Haus 
in ;reundfchaftlihen Verlehr mit den Königen 
Juda's trat, begann eine Zeit der Blüthe in el 
unter Ahab, die aber die Wurzel alleö fünftigen 
Verderbens in fich trug, weil die Berbindung mit 
Phönicien den heidniſchen Baalsdienft nach Iſrael 
brachte. Zwar v te Elias noch das Volk zu 
einer blutigen Reaction gegen die religiöfen Neue: 
rungen Ahabs aufzuregen, aber da ſeitdem das 
Prophetenthum dem Königthum und deſſen poli: 
tifcher Richtung fich naturgemäß mehr entfremden 
mußte und mit feiner Neigung fi Juda zumanbte, 
jo verlor ed immer mehr den Einfluß im Bolte 
und vermochte dem Anbringen bes Heidenthums 
feinen abwehrenden Damm mehr entgegenzufeßen. 
Auch Jehu's Haus, welches durch eine von ben 
Propheten angeftiftete und geleitete Empörung den 
Thron erlangte, entſprach nicht den Hoffnungen. 
Wohl wurde der Baalädienjt energiih und doch 
nur vorübergehend ausgerottet, aber mit den Bro- 
pheten wurden aud ihre Mahnungen zu ernfter 
und wahrer Religiofität bei Seite gefchoben, und 
mit dem zunehmenden Wohlſtand des Landes in 
den friedlicheren Zeiten unter Joas und Jerobeam 
II. jant der fittlihe Zuftand des Volles immer 
tiefer. Nah Jerobeams II. Tode fam das Reid 
raſch an den Rand bes Berberbens ; der ſchnelle 
Thronwechſel, alö nacheinander Saharja und 
Sallum ermordet wurden, fpaltete das Volk in 
Parteien; die Syrer erneuten ihre Angriffe im 


Itala 


Norden, bie Bhilifter vom Süden, jo daß Menachem 
fi) nur durch fremde Hülfe halten konnte. Um es 
mit feiner der beiden damals aufitrebenden Welt: 
mächte au verderben und von beiden gejtügt zu 
werben, zahlte er an Aſſyrien einen Tribut und 
" gab an Aegypten Geichente, begann aber damit 
die Schaufelpolitif, die dem Reiche den Unter: 
gang brachte. Als Pekah Menachems Sohn ver: 
drängt hatte und nun im Bunde mit Syrien ſich 
egen Afiyrien unabhängig ftellte, aber Ahas von 
Selbe mit Krieg lberzog, wurbe er von Ziglath: 
Bilefar, den jener um Beiftand — hatte, 
geſchlagen, verlor die Hälfte ſeines Reiches, indem 
die Einwohner von Gilead und Naphthali nach 
Refopotamien und Aſſyrien geführt wurden, und 
behielt den Heft nur als tributpflichtiger Vaſall. 
Hofea, der durch Pekahs — — Thron 
gewann, ſuchte durch ein Bündniß mit Aegypten ſich 
gegen Aſſyrien zu ſchützen, fiel aber, ſchlecht von 
dem ſelbſtſüchtigen Bundesgenoſſen unterſtützt, der 
e Salmanaſſars anheim. Er wurde gefangen 
genommen; als das Land ſich erhob und Sama⸗ 
ria nad) tapferem Widerſtand gefallen war, führte 
der Sieger die ganze Bevölterung in die Verban⸗ 
nung nad Medien und bejegte bad Land mit neuen 
Anfiedlern aus Mejopotamien. Damit hat die Ger 
ſchichte des Volles der 10 Stämme ihr völliges 
Ende erreicht. Sie find in ihre Heimath nie wieder 
zurüdgefehrt. Als Cyrus die Erlaubniß zur Rüd: 
tehr gab, machten von derjelben wohl nur Wenige 
Gebraud. Man hat manchmal gemeint, Spuren 
der 10 Stämme aufgefunden zu haben, aber jtetö 
die Wahrſcheinlichkeit einräumen müſſen, durd) 
igen Schein getäufcht zu fein. Vgl. die im 
. Juden angegebene Ziteratur. 

Itala, die ältejte lateinische Bibelüberjegung 
(f. d. Art. Lateiniſche Bibelüberjegung). 

Italien. Wie die Gründung der hriftlihen Ges 
meinde in Rom, fo liegt die Chriſtianiſirung des 
übrigen Jtaliens völlig im Dunfeln, fie muß von der 
Hauptftabt außgegangen fein, und yet e Ueber: 
gewicht des römischen Biſchofs war entſcheidend für 
die ganze Geftaltung der Kirche. Die Stürme ber 
Bölterwanderung trafen Italien härter als irgend 
ein anderes Land. Sicherung ber kirchlichen Ber: 
bältnifje trat erft wieder ein mit der Gründung 
des Longobardenreiches. Die Politik der Karolins 
ger gründete dann, um eine Stüße gegen die Yon: 
— zu haben, den Kirchenftaat. Die welt: 
ihe Macht des Papſtes verjtrichte aber dann hier 
mehr als irgendwo den Klerus in die politiichen 
Iniereſſen; die kirchlichen Aemter bis zum päpit: 
lihen Stuhl wurden Mittel zu fremden Zweden. 
So jant die Sittlichleit des Klerus und das relis 
giöfe Leben immer mehr. Ein glänzender Eultus 
verbirgt noch heute oft jehr unzureichend den craj: 
feften Aberglauben und devote Kirdlichkeit den 
Mangel an Kriftlihem Gewifjen. Die Reforma: 
tion hat Jtalien nur vorübergehend berührt. Auch 
bier waren die tiefen Schäden der Kirde den 
bejjern Männern nicht verborgen geblieben und 
der Bund unter Leo X. zur Erneuerung und Ret: 
tung der Kirche von 80 Männern, die jpäter de 
entgegengejegte Wege gingen, wie Gajetan, Caraffa 
und Contarini, zeigte, daß eö auch für eine refor⸗ 
matorijhe Bewegung an Anhaltöpunften nicht 
mangelte. Ein ähnlicher Kreis hatte ſich in Benedig 
gebildet, in welhem Reginald Poole und M. Fla: 
minio hervorragten. Luthers Auftreten fonnte nicht 


431 


Stalien 


verfehlen, aud) in Italien Aufiehenzuerregen ; feine 
und der anderen Reformatoren Schri wurden 
eifrig verbreitet und viel geieten, jpäter,alöder Arg⸗ 
wohn der Geiftlichfeit erwedt war, unter frembem 
Namen überjegt, jo Melandythons Loci, Luthers 
Katehismus, Zwingli's und Bucers Schriften und 
Calvins Ynftitutio. Bon den ähnlichen reforma: 
toriſchen Schriften der Italiener ift die befann: 
tefte jene des Aonio PBaleario: Bon der Wohlthat 
Ehrijti. An den einzelnen Orten, wo fi ein Mann 
—— dem die neue Lehre Herzens⸗ und Gewiffens: 
ache geworden war, bildeten —— oder klei⸗ 
nere evangeliſche Kreiſe, ſo in Venedig um Lupe⸗ 
tino, Flacius und Altieri, in Ferrara um die Her: 
zogin Renata, in Modena um Paolo Ricci, in Bo: 
logna um Giovanni Mollio und den ——— 
Geſandten von Planitz, in Neapel um Juan Valdez, 
Vermigli und Occhino, und in Iſtrien arbeitete 
ber fromme Biſchof Paolo Vergerio an der Evan— 
eliſirung ſeiner Diöceſe. Aber dieſer italieniſche 
— war nicht ſtark genug, den An: 
griffen gu widerſtehen, die ſich bald erheben muß» 
ten. Nicht allein, daß ihm überall der Schuß der 
Obrigkeit gleichmäßig abging, daß er weniger un: 
ter dem Bolte, ald unter den feiner und wifien: 
ſchaftlich Gebildeten Raum gewann, die Zehripal: 
tungen der lutheriichen und ſchweizeriſchen Abend: 
mablölehre ſchwächten nicht bloß die innere Ein: 
eit, fondern auc die Gemeinſchaft mit der deut: 
chen Reformation, die obenein gegen die Jtaliener 
mißtrauifch wurde, als ihre hervorragendſten Füh: 
rer ſich immer mehr zu unitarifchen Ideen befann: 
ten. Einen Augenblid hatte Bau! ILL. geihwantt, 
ob nicht zur Vermeidung größeren Schadens der 
Kirche den Forderungen der Zeit in etwas nad): 
gegeben werden folle, als jein Legat wurde Con— 
tarini zum Reli *6 nach Regensburg 
abgeordnet, aber Caraffa's Einfluß überwog bald. 
Als es ſich zeigte, daß die erſte Forderung eine 
Beſchränkung der Macht der Curie ſei, beſchloß 
man ſtatt deſſen, mit allen Mitteln den Brote: 
ftantiömud niederzujhlagen. 1542 wurde das 
Inquifitionstribunal in Rom mit unumfchränt: 
ter Gewalt niedergejegt, 1543 erjhien das erite 
Verzeichniß der verbotenen Schriften. Unter Ca: 
raffa’s Zeitung entfaltete die Inquifition in allen 
italienifhen Staaten ihre Wirkſamkeit, jelbjt Re: 
nata zu ara (j. d. Art.) fonnte ihre Freunde 
nicht jhügen, und aud) der Senat von Bened 
mußte ſich fügen. Viele entflohen, viele jtarben a 
dem —** oder im Gefängniß, nicht We: 
nige retteten jich durch Abſchwören ihrer Irrthü— 
mer. Noch ernfter wurden die Berfolgungen der 
Inquifition, ald GCaraffa ag ben —— 
Stuhl beſtieg 1555, und unter ſeinen Nadfolgern 
Pius IV, 1560 und Pius V. 1566, jo daß bie 
Eurie in rn langer Zeit die Freude hatte, Jta- 
lien vom Gift der Ketzerei gründlich gereinigt zu 
jehen. Der Geift der Unduldſamkeit und des Haſſes 
gegen evangelijches Wejen prägte fid) in der bür: 
gerlihen Gejetgebung der italienifhen Staaten 
aus. Noch in diefem Jahrhundert fand die Berfol: - 
ungder Walbenjer in Piemont Statt, und die Ber: 
ger des Ehepaares Mabiai erregte noch 1352 
die ganze proteftantiihe Welt. Die politifchen 
Ummwälzungen in Jtalien haben darin eine mäch— 
tige Aenderung hervorgerufen ; nicht bloß daf der 
Grundja der Toleranz —— ausgeſprochen, 
und die Einweihung der Waldenſerkirche zu Turin 


Italieniſche Bibelüberſetzungen 


als ein freudiges Ereigniß öffentlich gefeiert wurde, 
die tief aufregende Frage nad) der weltlichen Macht 
des Bapftes rief bei Paſſaglia und Andern. Ge: 
danken an eine Umgejtaltung der Kirche wach; die 
Waldenfer begannen mit aller Energie ihre miſſio⸗ 
nirende Thätigfeit durd ganz Italien; neben fie 
haben fich die italienischen Brüder geftellt, an ihrer 
Spige de Sanctis, Mazarella, Guicciarbini, 
welde, ohne ſich an eine der bejtehenden evange- 
liſchen Kirchen anzuſchließen, deren Cultus und 
Verfafjung fie den Jtalienern nicht für entipre- 
chend halten, in bejonderem Gegenſatz gegen den 
latholiſchen Priefterbegriff die Gründung einer 
italienifchen Kirche auf rein bibliſcher Grundlage 
im Auge haben. I rg haben fajt alle engli: 
ihen und franzöftiihen Denominationen ihre 
Emifjäre nad) Italien gejendet. Vgl. Zeopold, Ur: 
jachen der Reformation und deren Verfall in Ita— 
lien (Zeitichr. f. hift. Theol., 1843), Erdmann, die 
Reformation und ihre Märtyrer in Jtalien, 1855; 
Witte, das Evangelium in Jtalien, 1861; Ritzſch, 
die evangeliihen Bewegungen in Jtalien, 1863. 

Italieniſche Bibelüberfegungen. Die jet ge: 
bräudliche und von den Bibelgejellichaften ver: 
breitete Ueberjegung ift die des Profeſſors der 
Theologie in Genf Job, Diodati von Lucca; fie 
bat die früheren gänlig verdrängt, nämlich Die 
des Florentiners Antonio Bruccioli (1530 zu Be: 
nedig) und bie Ueberſetzung des Neuen Teitaments 
von Maffimo Teofilo, weldye mit der des Alten 
Teitaments des Bruccioli verbunden zu werden 
pflegte. Eine ältere Ueberjegung (Venedig 1471) 
ift die des Camaldulenſerabtes Nicolo di Malermi, 
der ſich auf ältere Ueberfegungen bezieht, mit deren 
Hülfe er die Bulgata genau übertragen haben will. 

Ithatius, Biihof von Sofjuba. Bon der Sy- 
node zu Saragofja mit der Ausführung ihrer Be: 
ſchlüſſe gegen Briscilian beauftragt, n er bie 
faiferlihe Hülfe und ihre Strafmittel in Anſpruch. 
Er war Urſache, daß Priscillian von Maximus 
als Ketzer hingerichtet wurde, nachdem die Synode 


zu Bordeaur 384 ihn EELE und verdammt hatte. | da 


Der erite Borgang der jpätern Jnauifition. 

Ithamar, der Sohn Aarons, 4. Mof. 3, 2; 1. 
Chr. 24,2. Obgleich jein älterer Bruder Eleaſar 
nad Nadabs und Abihu's Tode, 2. Mof. 28, 1, 
das Prieſterthum erbte, jo beginnt doch mit Eli 
eine Reihe von Hoheprieitern aus Ithamars Ge: 
ſchlecht, welche mit Abjathar (Abimelech) unter 
David endigt, worauf mit Zadol die ältere Linie 
wieder beginnt. Eine Beranlaffung des Wechiels 
ift nirgend angedeutet. 

Iturän, die nordweitlichite Landſchaft von Ba: 
jan (jet Dſchedur) am Abhang des Libanon, ein 
rauhes Gebirgäland, defien Bewohner räuberifche 
Bebuinen waren. Ariftobul (100 v. Chr.) befiegte 
fie und zwang fie zur Beſchneidung. Das Land 
gehörte zur Tetrarchie des Philippus und fam un: 
ter Claudius zur Provinz Syrien. Bei den Claſſi⸗ 
fern wirb es zu Gölefyrien gerechnet. 

*53— S. Jobeljahr. 

ubel} r, Jubiläum in der katholischen Kirche. 
Durd ein Gerücht beftimmt, daß in Rom alle 100 
Jahre ein großer Ablaf ftattgefunden habe, ſprach 
Bonifacius VIII. am 12. Febr. 1300 dieſen Ablaß 
wirflih aus für Alle, welche in diefem Jahre bie 
Kirchen des heil. Petrus und Paulus 15, reſp. 30 
Mal befuchten. Clemens VI. ſetzte das Jubeljahr 
auf das je 50. Jahr, Urban 


432 


Yuba 


Baul 11. 1470 auf das 25. Jahr. 
führte dabei 1500 den Braud der De 
Schließung der heil. Pforte ein. Der 
Zudrang der Pilger und die damit verbundene 
Vereiherung des päpftlihen Schatzes war die Ur- 
fache, die Jubelperiode zu verkürzen. In dem au 
das Jubeljahr folgenden Jahre pflegt dasſelbe au 
bie ganze Kirche ausgedehnt zu werden. Das legte 
Jubeljahr ift 1850 mit geringerer Betheiligung 
gefeiert worden. 

Jubiläen, dad Bud der, ober die Apokalypſe 
bes Mojes, ift eine Darftellung der Geſchichte von 
der Schöpfung bis Moſes, eine Erweiterung und 
Ausführung des in der Genefis Enthaltenen, dem 
in hronologifher Anordnung die 50 Jubelperio: 
den von 50 Jahren zu Grunde gelegt find. Als 
altes Schriftventmal und durch die Menge des 
Sagenſtoffes ift das Bud von — Die 
Bygantiner kannten es noch, jetzt iſt es nur in 
äthiopiſcher Ueberſetzung wieder aufgefunden. Bal. 
Emald, Jahrb. der bibl. Wiſſenſchaft, 1849—51. 

Juda, der Sohn Jakobs, der 4. Sohn der Lea, 
In der Schilderung des Verhältnifies der Brüder 
unter einander und zu ihrem Vater, 1. Mof. 37, 
26. 27; 48, 8—11; 44, 16—84; 49, 8—12, wo 
ihm eine bervortagendere Stellung angemwiejen 
wird, fpiegelt ſich das fpätere Verhältniß feines 
Stammes vorbildlich ab. 

Juda, Stamm. Als der volfreichite und krie⸗ 
geriſchſte ftand er früh in Anjehen; er bildete die 
Borhut auf dem Zuge durch die Wüfte (2. Mof. 
13, 18) und nahm fein Gebiet nicht in Befis, 
als bis alle Stämme das ihrige erlangt hatten 
(Ridht. 1,4). Ihm war die Süpgrenze angewie: 
jen bis zur Nordipihe bes Todten Meeres; es ge: 
lang ihm aber nicht, der Bhilifter Herr zu werben 
(Richt. 1, 19) und bis zum Mittelmeer vorzubrin: 
gen. Der Stamm Simeon wurde in fein Stamm: 

ebiet aufgenommen. Schon in der Richterzeit 
cheint der Stamm ein von den übrigen abgejon- 
dertes, in fich geſchloſſenes Leben geführt zu haben, 
er an den Kämpfen Barats, Gideons und 
Jephtha's keinen Antheil nimmt. Er bielt fich 
ſchon zu Sauls Lebzeiten an Davib und aner- 
fannte denfelben als König. Nad dem Anſchluß 
der übrigen Stämme wuchs Juda's Bedeutung 
durch die Eroberung Jerufalems und die Aufrich- 
tung des Nationalbeiligtbums. Nach der Tren- 
nung gewann das Heinere Reih vor dem größe: 
ren an nationaler Kraft und längerem tand, 
nicht bloß durch die abgejchlofjenere Lage, jondern 
vor allem durch die religiöje Einheit, die Bildung 
und Organijation des Briefter: und Zevitenftan: 
des, die Entwidelung einer religiös » nationalen 
Literatur und damit —— eines Pro: 
phetenftandes, was Alles nur dadurd ermöglicht 
wurde, daß das Königthum an die Erbfolge im 
Haufe Davids gebunden blieb und feine Revolu: 
tionen, wie in Samarien, einen grundſtürzenden 
Wechſel der PBrincipien des Bolls: und Staats: 
lebens herbeiführten. Die Gejdichte des Staates 
hängt in der eriten Periode des re Reiches 
an jeinem Berhältniß zu Iſrael. Die Kö: 
nige fonnten den vergeblihen Berfuchen nicht ent- 
en, die zehn Stämme wieder zu gewinnen, bis 
Alla und Joſaphat in ein engeres Bündniß mit 
dem Haufe Omri traten. Amasja, der die frübe- 
ren Verjuche erneuern wollte, büßte feinen friegeri- 


anber VI. 
ung und 
e 


— 


. 1889 auf das 38., fen Ehrgeiz durch die erſte Eroberung Jerufalems. 


Juda 


Der Erfolg reiste Iſrael, den Berfall unter 
Ahas zu benugen, um mit jgrifcher Hülfe das 
Land zu erobern. Seine Herrichaft zu retten, 
unterwarf fih Ahas als tributpflihtiger Bajall 
dem Königreich Afiyrien. Von nun an ift die Po: 
litit des Staates nur darauf gerichtet, die Unab: 
hängigkeit und Selbftändigfeit wieder zu gewin— 
nen, und bie Parteien ftreiten, nachdem Joſias bei 
Megiddo gefallen, darüber, ob der Anſchluß an 
Aegypten oder an Afiyrien der zum Biele führende 
Weg ſei. Troß aller Warnungen der Propheten 
neigten die Könige, geleitet von einer arijtofrati: 
ſchen Partei, fi immer zu den Aegyptern. Der 
mit jeder neuen Unterwerfung gefteigerte Drud 
ber Chalbäer reiste den Vollsha gegen diejelben 
zu fanatiſcher Erbitterung und forderte immer 
härtere Maßregeln der Sieger heraus, bis endlid) 
mit den Hönigen Jojafim und Zedelia das Reid) 
zu Grunde ging und auch der Reſt des Bolfes in 
bie Gefangenſchaft geführt wurde. Dem äußeren 
Verfall zur Seite geht immer der innere des Got: 
tesdienftes und der Sitte Der Tempeldienft 
unterdrüdte zwar allmählich die alten Eultusfor: 
men der Anbetung auf den Höhen; aber immer 
von neuem drang fanaanitischer und phönicifcher 
Gögendienft ein, dem das Prophetentyum zu 
begegnen nicht ftarf genug war. Es fehlte an 
einem bleibenden Unterricht des Bolfes im Geſetze 
und den Lehren feiner Offenbarung; Joſaphats 
Einrihtung war nur vorübergehend. Ahas führte 
in Abhängigkeit von den Aſſyrern den Geftirn- 
dienſt derjelben ein und jogar ägyptiſcher ge 
dienjt fand Aufnahme. Dabei entwerfen die Pro: 
pheten die traurigiten Bilder von den fittlichen 
Zuftänden. Die Neformationen der einzelnen 
frommen Könige, jelbft die jchriftlihe Abfaffung 
des Geſetzes unter Jofias konnten wenig helfen. 
Die Zeit der Berbannung ift die große Yäuterungs: 
zeit des Volkes. Das levitiſche Geſetz erhielt einen 
Werth ald das von den Heiden trennende und un: 
terjcheidende, und die Hoffnung auf eine nationale 
Wiederherftellung, welche von den Propheten wach 
gehalten wurde, fand nur einen Halt am Jehovah⸗ 
Glauben. Der kleine Brudhtheil des Voltes, wel: 
chen Serubabel und der Hohenpriefter Jofua un: 
ter Eyrus zurüdfüßrten, erbaute unter viel Drang: 
ſal den neuen Tempel, der 516 v. Chr. eingeweiht 
wurde, und empfing dann durch Esra und Nehe: 
mia eine feftere Organijation, die es nicht bloß 
vor der Willfür des perſiſchen Statthalters mehr 
ſchützte, ſondern vor allem dem neuen Berfall des 
religiöfen Lebens durch ihre Einrithtungen ent: 
gegenarbeitete. Die Sammlung der heiligen 
Schriften, das fid) bildende Schriftgelehrtenthum, 
die damit verbundene Aenderung des Briejter: 
thums, der aus dem Eril mit — ———— 
und jetzt ſich ausbildende Synagogendienſt 

ſtimmten die fernere Entwickelung des Juden: 
thums mit ſeinem levitiſch⸗geſetzlichen Weſen, wel: 
ches mit unüberwindlicher Zähigkeit den aus einer 
langen und trüben Gejhichte geretteten Gedanken 
fefthielt, daß das Volk eine Gotteögemeinde jei 
und werden ſolle, daß es hinfort nur Durch jeine 
Religion und für feine Religion leben könne. Die: 
fer Grundzug des Vollkslebens bildete fich weiter 
aus in den religiöjen Parteirichtungen der Phari: 
fäer und Sadburäer, den Therapeuten und 
Efjäern, er rief die Hierarchie hervor ‚und führte 
einen neuen glanzvollen Auſſchwung mit einer 


433 


Juda 


furzen Selbſtändigkeit bes Volkes herbei, und bes 
reitete ihm endlich, ausgeartet in einen finftern 
Fanatismus, einen tragischen Untergang. — Als 
eine perfifche Provinz nahm Baläftına nad) dem 
Berlujt der Selbjtändigkeit Antheil an dem Ge: 
ſchicke Vorderafiend. Noch einmal rief die alte 
Neigung an Aegypten fich anzuſchließen, zum 
Schuß gegen den Drud des Dftens, einen Rader 
zug der Perfer und eine neue Deportation eines 
bedeutenden Theiles des Volles nach Hyrfanien 
— Bei Alexanders Zuge gegen Aegypten 
uchten die Juden ſich durch Berufung auf den den 
Perſern geleiſteten Eid neutral zu halten und er: 
langten (durch den Aufzug des Hohenpriefters und 
ber Priefter) von ihm Schuß und mande Begün- 
ftigung. Nach feinem Tode bildete Zuda den Sant: 
apfel zwijchen Aegypten und Syrien. Ptolemäus 
eroberte Jeruſalem 320, mufite es aber 314 Anti: 
onus wieder überlaffen, bis nad) der Schlacht bei 
fus 301 dad Land dauernd zu Aegypten ge: 
ſchlagen wurde, womit es an 100 Jahre verbun- 
ben blieb. Antiochus III. von Syrien mußte zwar 
von dem erjten Berfuche, ſich des beanspruchten 
Landes zu bemäcdhtigen, bei Raphia von Ptole: 
mäus Bhilopator — * abſtehen (217), er⸗ 
neuerte ihn aber mit Erfolg gegen Ptolemäus IV. 
Epiphanes, und von ſeinem Siege über Skopas 
bei den Jordanquellen datirt die Herrſchaft der 
Seleuciden über das jüdiſche Land. Hatten bie 
Ptolemäer die Juden in ihren religiöfen An: 
gelegenheiten unbehelligt gelaffen und ſich mit 
der Zahlung des Tributs begnügt, fo daß felbft 
der gemwaltthätige Philopator den Tempel, durd 
irgend melde Beranlafjung bewogen, geichont 
hatte, jo gingen dagegen die Seleuciden auf eine 
Verſchmelzung dieſer Grenzprovin; mit ihrem 
Reihe aus, Es bildete ſich in Jerufalem eine qrie: 
chiſche Partei, an ihrer Spite der Hohepriefter 
Menelaus, welcher feine Würde von Antiodus er: 
fauft und den nicht würdigern Jaſon verdrängt 
hatte. In dem Kampfe biefer beiden ſah Antiochus 
einen Aufſtandsverſuch, eilte aus dem zweiten 
ägyptifchen Feldzug herbei, eroberte Jerufalem, 
plünderte den Tempel und verfuchte nun den jübdi- 
ſchen Gottesdienft mit Gewalt und Graufamteit 
auszurotten. Der entjeglide religiöfe Drud rief 
den Aufitand des Mattathias und feiner Helden: 
fühne hervor (j. Hasmonäer). Sein Sohn Simon 
tonnte als Fürft und Hoherpriejter jeit 142 Iſrael 
als von Heiden wieder befreit anfehen. Der rafche 
Berfall des hasmonäiſchen Haujes rief die Ein: 
mifhung der Römer herbei, deren Schuß früher 
gegen die Syrer gefucht worden war; Pompejus 
eroberte die Stadt und ſetzte den letzten Hasmo— 
näer Hyrlan als Hohenpriefter ein, gab ihm aber 
den Idumäer Antipater zur Seite, womit das 
Köni —* der Herodianer ſich einleitete. Nach 
der Abſetzung des Archelaus (6 v. Chr.), wurden 
Judäa und Samaria mit der römischen Provinz 
Syrien vereinigt. Die unmittelbare Zeitung über: 
fam ein Procurator, der mit einer Legion feinen 
Sitz zu Cäſarea hatte. Die Einleitung der römis 
fchen Befigergreifung und die Schäßung des Qui— 
rinus rief den Aufitand des Judas von Gauloni— 
tis hervor (das erjte Auftreten der fpäteren Zelo— 
ten), nad} deſſen Unterbrüdung noch 30 ruhige und 
friedlihde Jahre folgten. Die Procuratoren be: 
gnügten ſich, möglichſt das Land auözubeuten, fie 
vergaben die hohepriefterliche Würde . Willkür, 


Juda 434 Judas 


aber fie ſchonten die religiöſe Eigenthümlichteit. T Bde., Ausg. 2, 1851—59, einzelne Bände in 3. 
Unter Bontius Pilatus fam es zu den erften Eon: | Ausgabe; Kurk, Geſchichte des alien Bundes, 2. 
flieten, als die laiferlichen Feldzeihen im Wider: | Aufl. 1853 u. 1858; Ad. Menzel, Geſchichte ber 
jpruch mit Dem biäherigen [honenden Herlommen Königreiche Jirael und Juda, 1863; Dunder, 
in Serufalem aufgepflanzt werden jollten; wie Pi- Geſchichte des Alterthums, Bd. I. 3. Ausg. 1863. 
latus hier nadhgab, jo verhütete der fyriiche Statt: | Judae Leo, der Sohn eines Priejters, geb. zu 
Bu: Petronius größeres Unheil, als Caligula die | Rappoldsweil 1482, Früher nannte er ſich Keller, 
ufſtellung feines Bildes im Tempel verlangt hatte. | ftudirte zu Schlettjtadt unter Erato und zu Baſel 
Die Gunft, welhe Agrippa I. bei Claudius genof, | unter Wyttenbach. Nachdem er Diakonus zu Baſel 
der ihm das Neid) feines Großvaters Herodes zu: und Pfarrer in St. Pilt im Elſaß gewejen war, 
rüdgab, kam aud den Juden zu gute. Als aber trat er an die Stelle feines Freundes Zwingli 
Judäa von neuem den Procuratoren unterjtellt |zu Einfiedeln 1518 und wurde 1523 Pfarrer an 
wurde, rief die Willfür derfelben, der fid ein | St. Beter in Züri. Als treuer Gehülfe Zwingli's 
immer entichloffeneres Auftreten der Zeloten und |unterftügte er denjelben bei der Einführung und 
Sicarier entgegenftellte, unterftügt von dem Auf: | Fortführung der Reformation, für welche er ſchon 
treten falicher wer immer größere Unruhen | vorher aud) durd Luthers und Erasmus’ Schrif: 
im Lande hervor, bie Gejfius Florus abfichtlich das | ten gewonnen war. Er verheirathete ſich 1523 mit 
Volk zur Verzweiflung trieb undden legten Aufitand | einer früheren Nonne. Ton eigenen Werfen ift 
hervorrief (Unruhen in Cäjarca, Begrüßung der das bedeutendite fein Katechismus, 1534 deutſch 
eldzeichen in Serufalem). Nach dem Blutbad in |und lateinifch herausgegeben. Sonſt überjegte er 
Jeruſalem bemädhtigten ſich tie Pe des | Zwingli's und Luthers Schriften ind Deutjche, bes. 
Tempelberges, eroberten die Feſtung Majada und |ins Lateinifche. Bekannt ift feine lateinifche Bibel: 
verweigerten das Opfer für den Kaiſer. Das Blut: | überjegung, die jog. Frojchauerbibel, 1524—1529, 
bad von Cäſarea verbreitete den Aufitand durch welche jein Freund Bibliander vollendete. F 1542. 
das ganze Land. Ceſtius Gallus bei Gibeon ge: | Judas, der ſüdliche Theil Paläftina’s, be- 
ſchlagen, hob nad) einem vergeblihen Sturm die | grenzt im ©. von Idumäa, im D. vom Jordan, 
Velagerung von Jerufalem auf und verlor fait jein |im N. von Samaria. ©. Baläftina. 
Heer im Engpaß von Bethoron. Die Bejonnenen | Judaismus bezeichnet diejenige Richtung inner: 
im Bolfe und die Chriftengemeinde verliehen Jeru: | halb des Chriftenthbums, welche Principien zur 
falem, während die Zeloten fiegestrunfen den | Geltung bringen will, welche ihrem Weſen nad 
Kampf fortzuführen ſich rüfteten. Bejpafian ero: | nicht dem Chriftenthum, fondern dem Judenthum 
berte 67 Galiläa, wo Joſephus und Yohannes | angehören. Ueber den Streit der judaifirenden 
von Gijcala ſich gegenfeitig befämpft hatten, jtatt | Brincipien mit den paulinifch-heidencpriftlichen in 
das Land in Vertheidigungszujtand zu bringen. | den erjten Jahrhunderten vgl. den Art. Juden: 
In Jerufalem ftritten Johannes von Gijcala, | hriftentyum. In der Form diejes legtern wurde 
Simon und Eleazar um die Dberherrichaft, nur | der Judaismus von der Kirche überwunden. Da: 
einig im Kampf gegen die Römer. Um die Ofterzeit | gegen ift derfelbe nur um fo tiefer eingedrungen 
des Jahres 70 umſchloß Titus die Stadt, im Auguft | in die innere Ausgeftaltung des Chriſtenthums zu 
wurde der Tempel erobert, drei Wochen jpäter der | einer riftlichen Kirche. Hat das Chriftenthum der 
Reit der Stadt. Eine Million Juden war im Kampfe jüdiſchen Yeußerlichkeit des religiöfen Lebens das 
durch Hunger und Srantheit — 97,000 | Brineip der Innerlichkeit gegenübergeſtellt, jo war 
Gefangene wurden fortgeführt. Die Ländereien | die Beräußerlihung des Chriftentbums in der fi) 
Judas wurden verkauft und die Selbitändigfeit | bildenden katholiſchen Kirche ein weſentlich judai- 
ber Provinz aufgehoben. Dennoch verjuchte der | ftiihes Princip. Die katholiſche Kirche baute ſich 
Reit des Volkes ein nationales Leben in beichränt: | auf nad) den Typen der jüdischen Theofratie ; ftatt 
ter Weiſe fortzuführen und dejien Kern, die relis | des chriſtlichen allgemeinen Prieſterthums verfiel 
giöfe Einheit, zu retten. In Jamnia bildete ſich fie dem jüdiſch-hierarchiſchen Princip; ftatt des 
das Synedrium, an feiner Spige der Nafi (der | vom Chriftenthum verlangten inneren Glaubens: 
erite war Gamaliel, der Entel-Hillels), als neues | lebens wählte fie die jüdische Beräußerlichung einer 
Oberhaupt aller Juden. Römiſcher Drud rief unter | glänzenden Eultus-Gerenioniens und Opferreli— 
Trajan den Aufitand der Juden in Aegypten und | gion. Der Kampf gegen die herrſchende Kirche im 
Eyrene hervor. Die Gewaltmaßregeln zu feiner | ganzen Mittelalter und dann namentlich die Re: 
Unterdrückung, das Verbot der Sabbathfeier, der | jormation waren hauptjählic gegen den Judais- 
Beſchneidung, veranlaßten die Empörung, welche | mus in der Kirche gerichtet. Derjelbe tritt immer 
durch das Auftreten des von Rabbi Afiba begünftig: | wieder in irgend einer Form im Chriftentdum 
ten Bar⸗Cochba nod einmal zu einem Berzweif: | zum Borjchein. Die Ueberwindung desjelben ift 
lungsfampfe wurde. Bar-Cochba eroberte Jerus | Die Aufgabe einer naturgemäßen Entwidelung der 
falem, zog jih nad deſſen Berluft nad Bethar | Kirche. 
zurück, bis auch dieies 135 erobert wurde. Ha:| Judak, der Bruder des Heren. ©. Jakobus. 
drian ließ nun Judäa mit Heiden bevöltern, an; Judas Barſabas. S. Barſabas. 
Jeruſalems Stelle entitand Aelia Gapitolina, wo | Judas Brief. linter dem Namen des Judas 
fein Jude wohnen durfte; heidniſche Symbole | „des Bruders des Jakobus“ enthält das Neue 
verunteinigten bie heiligen Derter. — Das Syne: | Teftament einen kurzen, an alle Chriften gerichte: 
drium hatte Jamnia aufgegeben und ſich in Tibe: ten Brief. Die Ueberlieferung erfannte in dem 
rias niedergelafien, wo es fortbejtand bis ein | Berfaffer den Luk. 6, 16 genannten Apoftel Judas 
Edict von 429 das Patriardhat für erlojhen er: | Jakobi (d. h. des Jakobus Sohn). Dagegen ift 
NMärte und die Neuwahl eines Naft verbot. Da: | wahrfcheinlich Judas, der Bruder des in Jerufa- 
mit war der legte Reit einer jüdiſchen Voltseinheit | lem fo angefehenen Jakobus, des „Bruders des 
gerfiört. Vgl. Ewalt, Geſchichte des Voltes Iſräel, Herrn“ zu veritehen, alſo ebenfalls ein Bruder 





Judas 


435 
Jefu, was mit Marc. 6, 3 ftimmt. Der Brief po: | 


Juden 
Judenſchaft zu Antiochia in Syrien und in Klein» 


lemifirt gegen Verirrungen, mehr moraliſcher als aſien auf,deren Anfänge dorthin von Antiochus III. 


dogmatiſcher Art, in heftiger Sprade. Seltjam 
find die Citate deö Briefes aus dem apofryphiichen 
Bude Henoch (B. 14 u. 15) und aus einer apo— 
trophifhen Geſchichte des Todes Moſes (B. 9). 
Ueber das Berhältniß zum zweiten Petrusbrief 
ſ. d. A. Betrusbrief. Ueber die Jrrlehren des Brie: 
fes vgl. Ritſchl, Studien u. Krit., 1861; Commen: 
tare von Scharling 1841; Rampf 1854; Huther, 
2. Aufl. 1859; Wiefinger 1862; Schott 1863. 
Judas, der Galiläer (Apitg. 5, 37), auch der 
Gaulonite,aus Gamala, erregte in Verbindung mit 
einem Priefter Sabduf einen Aufitand, ald Augu: 
ſtus die Schägung (census) ausſchreiben ließ, weil 
dieſe das Zeichen der Vernichtung und der Knecht— 
ſchaft Iſraels ſei. Der Aufftand wurde zwar bald 
unterdrüdt, ift aber als das erfte Auftreten der Ge— 
fepedeiferer oder Zeloten von Bedeutung gemejen. 
Nach Joſephus ftarben zwei Söhne des Judas den 
Kreuzestod unter Tiberius 46, Der dritte, Menas 
dem, warf ji als Meſſias auf 66 und wurde hin: 
ichtet 


Judas Iſcharioth, Simons Sohn, der Ver: 
räther, aus dem Orte Karioth in Juda. Weber 
die Beweggründe jeines Verrathes j. die Literatur 
bei Haſe, Leben Jeju, 4. Aufl. $. 105. Ebenfo ift 
viel über die Frage verhandelt, ob Judas bei ber 
Einjegung des Abendmahls zugegen gemejen jei. 
Ueber feinen Charalter giebt Joh. 12, 6 eine 
Andeutung. Ueber jein Ende und den Ankauf des 
Töpferaders mit dert Lohn des Verraths hat die 
evangelijche Ueberlieferung zwei nicht ganz über: 
— Berichte (Matth. 27, 3f. Apſtg. 1, 
18 f.). 
Judas Lebbäus oder Thaddäus (2b Herz, 
N Bruft). Einer der zwölf Apoftel (Matth. 10,3; 
Marc. 3, 18; Apftg. 1, 13), von dem nichts weiter 
befannt ift. Er ijt von dem Bruder des Jakobus 
reſp. Chrifti, dem Verfaſſer des Sendichreibens zu 
unterjcheiden. 
Iudas Mallabäus. S. Hasmonäer. 
Jude, der ewige, ift nach der morgenländi- 
jchen Sage der Pfürtner Cartaphilus, welcher Je: 
jum geidhlagen und verjpottet, nad) der abend: 
landen Ahasverus, ein Schuſter in Jeruſalem, 
der Jeju die Ruhe auf dem Kreuzeöweg an jeiner 
Thür verweigerte (j. Ahasverus). 
Juden. Das jüdische Volk hat eine noch nicht 
änzlich abgejchlofjene Gejchichte außerhalb Palä- 
inas. Die Gefammtheit aller außerhalb Pa- 
läftinas lebenden Juden theilte ſich in zwei große 
ander von denen die eine nach Joh. 7, 35 die 

iajpora der Griechen genannt wird, die andere 
die der Babylonier, welche aus dem aſſyriſchen 
und Babyloniſchen Eril datirt, Bon den Anjied: 
lungen der Juden im Abendland war die ältejte 
und berühmtefte in Aegypten, wo unter dem 
Schute der Ptolemäer fi ein jüdiſches Gemein: 
wejen auäbildete, welches jein nationales Recht 
bewahrte, jogar einen eigenen Tempel zu Zeonto: 
polis erhielt, welder dem Tempel zu Jeruſalem 

egenüber die legitime Nachfolge jeiner Hohenprie- 
fer hervorheben konnte. Die freundliche Berüh: 
zung, in welde hier das Jubenthum mit der 


+ 


aus Mejopotamien und Babylon verpflanzt waren, 
um eine treuergebene Einwohnerfchaft unter un: 
ruhigen Stämmen zu befigen. Bon dort aus wurden 
bie Infein und Küftenftädte des Mitteländifchen 
Meeres befegt. Die Judengemeinde in Nom führt 
den Ye auf die durch Pompejus Gefangenen 
zurüd, Die enge Berbindung diefer jüdischen Colo— 
nien mit Jerufalem, bez. Jamnia und Tiberias, 
ift nie unterbiochen gewejen, der Synagogen: 
eultus hielt die religiöje Gemeinſchaft lebendig 
und die bürgerliche Verfaſſung ‘war überall ber 
alerandrinifhen ähnlih. So lange der jüdifche 
Staat nod) bejtand, war die Lage diefer Juden: 
ſchaften ſtets mehr oder weniger bedingt durch 
das Verhältniß ibrer Machthaber zu Jerufalem ; 
an Unterdrüdung und blutiger Verfolgung hat es 
ſelbſt in Negypten nie gefehlt (Btolemäus Philopa⸗ 
tor, Btolemäus Physlon, der Aufitand in Eyrene). 
In Rom wiederholten fie fich jeit der erften, 19 nach 
Chr. Die Furcht vor der anwachjenden Menge 
rief Die Verbannungsdecrete und andere Dad: 
regeln hervor, um die Zahl der Juden zu vermin- 
dern. Die Kluft, weldhe das Gefek zwiſchen den 
„Juden und Heiden befeftigt hatte, mußte nothwen: 
dig bei dieſen Mißtrauen, Haß und Verachtung 
end sielibi In enger Beziehung zu Alerandrien 
tand die jüdische Anfiedelung zu Cyrene, wohin Pto⸗ 
lemäus Soter nach der Eroberung Jerufalemö viele 
Taufende von Juden verpflanzt hatte, deren Zahl 
dur Einwanderung aus Aegypten vermehrt ward, 
Weniger an Alerandrien ald an Jerujalem ſich an: 
ſchließend, wo fie eine eigene Synagoge beſaßen, bil: 
beten dieje nordafrikaniſchen Juden den compacten 
Kern des Volks nad) der legten Zerftörung Jeru: 
jalems, von wo der Aufitand ausging, der Aegyp— 
ten mitergriff und mit Bar-Cochba's Niederlage 
endigte. Trog mancher Berfolgungen durch Willfür 
der Kaijer, oder der Brocuratoren, oder auch durch 
bie Leidenſchaft des Pöbels hervorgerufen, bewies 
ſich Doch die römiſche Geſetzgebung ftets auch gegendie 
„Juden billig; wie allen Anderen wurde aud) ihnen 
die Möglichkeit eröffnet, das römische Bürgerrecht 
zu gewinnen, und alö Garacalla den Unterichied 
jwiichen peregrinus und eivis aufhob, fam dies in 
vollitem Maße auch den Juden zu Statten, fie wa: 
zen vollberechtigte Bürger und in ihren religiöjen 
Beziehungen unbehindert, nur daß fie die alte 
Tempeljteuer an das Capitolinum zu Rom leijten 
mußten; eine Beſchränkung blieb dem Chriften: 
tum der Kaijer vorbehalten. Conftantinus ver: 
bot den Juden ihre Hriftlichen Skiaven zu beſchnei— 
den. Conjtantius hob die Ehe zwiſchen Chrijten 
und Juden auf und beftrafte den Ayfall zum Ju: 
denthum mit dem Verluft des Vermögens. Theo- 
doſius II. (439) nahm ihnen die Defäbigung öffent: 
liche Aemter zu belleiden, und Leo VI, (886— 911) 
verhängte die Strafen der Abtrünnigen über die 
zum Judenthum Zurüdtehrenden, und Juſtinian 
erneuerte dieſe Beitimmungen und — ſie ins 
tanoniſche Recht auf... Die natürliche Verbindung 
der gedrückten Juden mit den unterliegenden Par— 
teien der Arianer und der Ikonoklaſten, ſowie mit 
den heranrüdenden Berfern und Muhammedanern 

atte neben dem orthodogen Staatsintereffe die 


echiſchen Eultur trat (Hellenismus), wirkte nad) | öffentliche Stimmung ihnen immer mehr entfrem- 
Beiden Seiten fördernd unb auf das Chriſtenthum 
vorbereitend. Nicht minder bedeutend tritt bie 


bet. Dennod), behielten fie ihre organifirten Ge: 
meinden, nur in Gonjtantinopel * ihnen ein 


Juden 


beſonderes Viertel außerhalb der Stadt angewie⸗ 
fen. Weit günſtiger blieb die Stellung im weft: 
römischen Reiche, zwar blieben die älteren einmal 
ins römische Recht aufgenommenen Beftimmungen 
in Geltung, aber abgejehen von den Begünftigun: 
gen der Ehriften als Stlaven der Juden, hielten 
die Haifer und die Päpſte fich fern von jedem Ver: 


fuch, durch Gewalt einen Uebertritt der Juden zu | 


erzwingen. Dagegen gelang e3 bald den Bemii- 
hungen einer bigotten Geijtlichkeit im Franken: 
reich, die frühere vollftändige Gleichberechtigung 
der Juden und den Verkehr berjelben mit den 
Chriſten zu zerftören. Die Synode zu Banned 
465 verbot den Geiftlihen, die von Epaon 517 
auch den Laien bei Juden zu fpeifen; das Goncil 
zu Orleans 533 unterfagte die Ehe zwifchen Ju: 
den und Chriften, das zu Macon 581 verbot den 
Juden ridhterlihe Aemter; der bigotte Eifer der 
Geiftlihen hatte ſchon mehrfach den Pöbel gegen 
die Juden erregt (Blutbad zu Elermont 576) und 
erreichte fein Ziel in dem Befehl Dagoberts 629, 
daß alle Juden das Reich verlaffen oder ſich tau: 
fen lafjen ſollten. — Die Begünftigungen, welde 
Karl d. Gr. und Ludwig d. Fr. den Juden ange: 
beihen ließen, indem fte deren höhere Bildung 
und ihren Handel zum Beften des Rei zu be: 
nugen ſuchten, vermochten, wie das Beijpjel Ago- 
bards des Heiligen von Zyon 827 zeigte, Aur mit 
Mühe dem bigotten Eifer des Klerus zu wider: 
ftehen, und das bejondere Schufverhältniß, in 
welches fich diefe Fürften zu den Juden festen, nad 
defjen jpäterer Ausbilbung die Juden als Eigen: 
thum des Königs galten, ging bei der Entwide: 
lung des Lehnsweſens und der Baronien auf dieſe 
zugleich über und gab den Baronen, wie den Kö: 
nigen, gleiches Recht und gleihe Veranlaffung zu 
neuen wiederholten Bedrüdungen und Erprefiun: 
gen. Das erneute Verbot, Aemter zu beffeiden, 
Grundbefit zu erwerben, die tiefften Herabwür— 
digungen, öffentliche Beſchimpfungen an chrift: 
lien Feiten, Abzeichen an der Kleidung und ab» 
gejonderte Wohnpläte in den Städten wurden 
herkömmliches öffentliches Recht. Der Neichthum, 
den bei alldem die Juden erwarben, reizte bie 
Habſucht. Philipp Auguft gab 1182 das erfte Bei: 
fpiel einer Plünderung der Juden, welches jeine 
er Ludwig VIII. und IX., Philipp III. 
und IV, durch die Edicte über die Judenſchulden 
nadhzuahmen verftanden. Mehrmals wurden 
fämmtliche Juden verbannt, dann wieder unter 
Zufage von Privilegien und Erlegung großer 

ummen zugelaffen. Für jeden Juden mußte 
durch ihren Vertreter ein Leibzoll an den fönig- 
lihen Schaß nad) der Verordnung Karls V. 1361 
gezahlt werden, dafür wurden fie unter einen 
eigenen Gardien et juge, fpäter den Propſt von 
Paris geftellt. Zuletzt nody vertrieb Karl VIII. 
die Juden aus feinem Gebiete, fie fanden Auf: 
nahme in Deutichland und in Avignon. Obgleich 
die Zahl der Juden in Frankreich immer noch be: 
beutend blieb, fo wurden ihre Privilegien feitbem 
im Allgemeinen aufrecht gehalten und felbft 
Louis XIV. achtete diefelben, jo daß fein Beleh: 
rungseifer fie verfchonte. Louis XVI. aber hob 
1784 jogar den Leibzoll auf, Die franzöfifhe Re: 
volution emancipirte mit einem Schlage die u: 
den und gab ihnen die vollen Rechte des franzöfi- 
{chen Bürgers, und als 1806 die Berfammlung der 
jüdiſchen Notabeln die Uebereinftimmung des jüs 





436 





Juden 


diſchen Geſetzes mit den Grundſätzen des moder⸗ 
nen Rechtes erklärte, beſtätigte Napoleon die 
Rechte der Juden und gab auch ihnen 1807 eine 
kirchliche Gemeindeverfaffung, die Eonfiftoires über 
je 2000 Juden unter dem Gentralconfiftorium zu 
Paris. Die Reftauration jo wenig als die Juli 
revolution hat diefe Örundfäge anzutaften gewagt, 
und wir fehen in Frankreich und den Niederlan- 
den, welche der franzöfiihen Gefeßgebung folgten, 
die Befähigung der Juden zu allen öffentlichen 
Aemtern und die volle bürgerlihe Gleichjtellung 
auch thatjählic anerkannt. 

In England herrfchten die franzöſiſchen Grund⸗ 
fäge. Eduard der Belenner erflärte 1041 die Ju— 
den feines Reiches für Eigentum des Königs. 
Daher begünftigten eines Theild die Könige die 
Anfehtune und den Wucher der Juden, beihügten 
fie auch gegen die Verfolgungen des Klerus und 
in gegen fe gerichteten Bollsaufftänden, aber 
waren andern Theils deſto rüdfichtälofer in ihren 
Erprefiungen. Richard Löwenherz und Johann er: 
ließen mehrere Verordnungen zu ihrem Schuß, 

aben ihnen Vertreter und fogar ein gingen 

berhaupt; ebenfo verordnete Heinrih III. eine 
Vertretung der Juden zu ihrem Schuße in jeder 
Stadt, Eduard gab 1275 ein neues Judenregle—⸗ 
ment, aber troß dem hatten gerade dieje Fürtten 
bei ſtetem Geldbebürfniffe immer ungeſcheuter die 
Juden beraubt und mit Gefängnis und Folter 
ihre Erpreffungen burchgefegt. 1290 verbannte 

uard ohne befondere Beranlaffung die Juden 
aus dem Reiche. Erft unter Cromwell ward ftill« 
ſchweigend ihnen der Aufenthalt wieder geftattet. 
1723 erlaubte das Parlament ihnen den Erwerb 
von Grundeigenthum; aber erjt jehr allmählich 
(1858) konnte durchgeſetzt werben, daß durch eine 
Aenderung des vorgefchriebenen riftlihen Eides 
ihnen der Zugang zu allen öffentlichen Aemtern, 
aud) ins Parlament, geöffnet wurde. 

In Deutſchland, wo die Sage die erjten Ans 
fiedelungen ber Juden in den Rheinftädten mit der 
Beritörung Jerujalems in Verbindung bringt, war 
ihre Stellung als des „Reiches Kammerknechte“ 
eine im Ganzen geſetzlich geregelte und bis zu den 
Kreuzzügen eine nicht zu unglinftige. Als unmit- 
telbare Schütlinge des Reiches zahlten fie ein 
Schutzgeld, aber jede Beeinträchtigung ihrer Rechte 
war ein Bergehen gegen das Reid. In ihren 
inneren Gemeindeangelegenheiten völlig ſelbſtän⸗ 
dig, waren fie den in das geltende Recht aufge: 
nommenen bürgerlihen Beſchränkungen des oſt⸗ 
römiſchen Raiferreich3 zwar unterworfen, im Ber: 
tehre aber nicht gehemmt; für den Schutz auf 
ihren Reifen zahlten fie Geleitögeld. Die einzel: 
nen Stände, Fürften, Ritter und Städte erwarben 
dad Recht, Juden zu halten und zu ſchützen, oft 
als befonderes werthvolles Lehen. Dieje günftige 
Lage änderten die Kreuzzüge. Der erregte Heli: 

ionsfanatismus wandte fid) gegen die wehrlofen 
den; beim erjten Kreuzzuge die Horde Gott: 
jchalt's in Trier, die Emico's am Main; beim zwei⸗ 
ten Kreuzzug der Mönd Rudolf; der Reichthum, 
welchen die Kreuzzüge in die Hände der Juden 
bradten, vermehrte nur die zen fort: 
während neue Gerüchte von Gräueln Juden 
erzeugte und neue locale Berfolgungen hervorrief. 
Der kaiferlihe Schu war zu ſchwach und viele 
Juden wanderten nad Schlefien und Polen aus. 
Das Mittelalter bis zur Reformation und den 


Juden 


Angriffen Pfeſferkorn's bietet eine lange Kette von 
Mikhandlungen der Juden in Böbelaufftänden. 
Daß aber die Juden in Deutichland mehr ein 
Gegenftand der Verachtung ald des Hafjes wur: 
den, lag nicht zum geringften in dem niedrigen 
Bildungsgrade derfelben, und weil fie in Folge 
der Berhältniffe immer mehr nur dem Wucher 
und Schadher fi} ergaben; defto sorniger entlud 
fich der Volkshaß, wenn er auf einen Hofjuden wie 
Zippold in Berlin, oder Süß in Würtemberg, die 
Berantwortlicleit für den Drud der Fürjten wer: 
fen konnte, und dann büßte das Volt die vermeint: 
fie ober wirkliche Schuld des Einzelnen. Seit 
dem großen Kurfürften, der die aus Defterreich 
vertriebenen Juden in Berlin aufnahm, begün: 
ftigten die preußifchen Könige, troß der oft abjon: 
berlihen Pladereien Friedrih Wilhelm's J., die 
Juden durch Freiheiten und Privilegien im Jnter: 
effe ihrer Induftrie. Faſt gleichzeitig bereitete das 
öfterreichiiche Toleranzedict und die Verordnung 
von 1790 in Preußen eine völlige Gleichftellung 
mit den Chriften vor, der Leibzoll wurde aufge: 
ben, bie Gewalt der Rabbinen befhräntt, Schu: 
ejtiftet und der Zutritt zu manchen Aemtern 
geöffnet. Die bedeutende Stellung, welde ein: 
zelne Juden in Wiſſenſchaft und Kunft einnahmen, 
verfehlte nicht, im gejelligen Leben die bisherigen 
Schranten fallen zu machen. Das Judenedict von 
1812 verlieh ihnen endlich die vollen bürgerlichen 
Rechte, mit Vorbehalt jedoch der Bulaffung zu 
Staatsämtern. Dem Beifpiele Preußens waren 
die Heinen deutichen Länder gefolgt und hatten es 
theilweife überholt; Baden hatte 1808, Württem: 
berg 1810, Bayern, Deffau u. a. ein begrenztes 
Bürgerreht gewährt. Auch w dieſem Gebiet 
machte fich die Reaction geltend, Preußen weigerte 
1822 die Zulaffung zu Staatsämtern, Lübeck ver: 
jagte 1818 feine Juden, Hamburg nahm ihnen die 
Freiheiten, Frankfurt beftritt das Bürgerrecht, 
in Braunſchweig und Heſſen verloren ſie die Rechte, 
die ihnen das rg np Weſtphalen gegeben hatte. 
Aber während fo die politifchen Rechte mehr be: 
engt wurden, machte fich die Incongruenz immer 
fühlbarer mit der einflußreihen Stellung, welche 
inzwiſchen bie Juden durch eine Anzahl bedeuten: 
ber Männer nicht nur als Kaufleute und Ban: 
rohe fondern auf dem Gebiet der Kunit, der 
iteratur und der Wiffenfchaft fich erworben hat: 
ten. Die Grundrechte des deutfchen Parlaments 
von 1848 jollten aud) diejen Widerſpruch aufheben, 
aber außer Württemberg (1861) hat noch kein deut: 
fher Staat den letzten Schritt gethan und bie 
völlige Gleihberehtigung der Juden ausgeipro: 
hen. In Preußen gilt noch das Judengejeg von 
1846, und die alten Bejtimmungen werden noch 
ehandhabt, daß Ehen zwiſchen Juden und Chris | 
hen ſtaatlich unzuläffig feien, unebelihe Kinder 
einer Jüdin und eines hriftlichen Baters als Ehri: 
ften erzogen werden müßten. Der Einfluß der 
günftigeren äußeren Berhältniffe auf das veligiöfe 
Leben tft nicht ausgeblieben ; nicht bloß der Bau 
prachtvoller Synagogen bezeugt ein lebendigeres 
religiöfes Gemeindeleben, eine jüdiſche Theologie 
macht ſich in bedeutenden Vertretern geltend, und 
der innere Kampf ber jog. Reformjuden gegen die 
Anhänger des Alten, ift nicht ein Kampf des Un: 
glaubens, ſondern eines neu erwachten religiöfen 
Bebürfniffes, welches von den Satzungen des Tal: 
mud und des Nabbinismus fi gebunden und 


437 


Juden 


—— fühlt und Befreiung und Befriedigung 
ordert. 

In Rußland hatte Peter der Große zuerſt die 
Juden zugelaſſen. Eliſabeth verbannte ſie wieder 
1745. Alexander I. aber verlieh 1805 und 1809 
ben in der Stille Zurüdgelehrten ausgedehnte 
Gewerbefreiheiten. Nikolaus I. hat diejelben zum 
Theil wieder befchräntt, In Polen find die Juden 
ſeit mehr ald 1000 Jahren ——* als Flücht: 
linge aus Jtalien und Deutjchland, aber unter 
dem bejtändigen Drud ift der Zuftand derfelben 
ein äußert gefunfener geworden; als die Inhaber 
der Branntweinjchenten auf dem Lande, die Ver: 
mittler alles Berfehrs der Landleute verfanten fie 
in Wucder und Schacher und duldeten Erpreffun: 
gen ihrer Herren nur, bamit ihnen gejtattet fei, 
von deren Unterthanen das Doppelte wieder zu 
ſuchen. Die ruſſiſche Herrichaft jucht auch hier die 

uftände zu beffern. In den nordiihen Reichen 
it den wenigen Juben die bürgerliche Gleichſtel— 
lung gewährt. 

In Italien galten die älteren Concilienbeſchlüfſe; 
der Bapft nahm Hier die Stellung ein, wie in 
Deutſchland der Kaifer, und Alles hing daher von 
feiner perſönlichen Gefinnung ab. Die Grundfäße 
Gregor’3 J., der allen Gewaltmaßregeln abhold 
war, wirkten bei feinen Nachfolgern nad. Gün— 
ftiger noch als in Rom war die Stellung in den 
italieniſchen Handelsſtaaten. Im 16.und 17. Jahr: 
hundert aber unterlagen fie vielfad den Verfol: 
gungen der Inquiſition. Nach der kurzen Geltung 
der franzöfiichen Geſetze, wurden in Ober⸗Italien 
und im flicchenftaate die alten kanoniſchen Gejege 
wieder in Kraft erklärt, bis das Jahr 1848 auch 
hier Beflerung fchaffte. Der Ghetto in Rom wurbe 

eöffnet. Toscana ſprach die Emancipation eben: 
alls aus. 

Am wechjelvollften war die Geſchichte der Juden 
in Spanien. Die Anfiedelungen dajelbft find jehr 
alt, und ihre Zahl war bedeutend ; fie genofjen voll: 
fommene Religionsfreiheit und bürgerliche Gleich» 
berechtigung. Jedoch verboten ſchon die Synoden 
zu Eliberis 305 und 320 die Ehen zwiſchen Chri: 
ften und Juden und das Speifen bei jüdijchen Feſt— 
mablen. Der Arianismus der bald danad) Spa: 
nien überziehenden Bölfer war, wie überall jo 
auch hier, tolerant gegen die Juden. Als aber 
Reccared zum Katholicismus übertrat und ber 
Einfluß der Geiftlichkeit mächtig wurde, begannen 
die Mafregelungen durch Synodalbeſchlüſſe, die 
zu Reichsgejegen erhoben wurden. Die Ehe mit 
Chriften, die Belleivung öffentlicher Aemter wur: 
den verboten, defgleihen das Halten von Skla— 
ven, wodurd ihnen nad) den Berhältniffen ber 
Zeit der Landbau verwehrt wurde, Kinder aus 
gemifchten Ehen mußten getauft werden (Concil 
zu Toledo 589). Die Bedrüdung ſchritt jomeit, 
dab man ihnen nur die Wege ließ, ſich taufen zu 
lajjen oder auszumandern. Wurde die Strenge 
ber Beftimmungen nit aufrecht gehalten, jo war 
deſto härter die Bag 9 der Zwanggetaufs 
ten, die weder mit Juden Gemeinjhaft haben 
durften, noch als vollberechtigte Chriſten anges 
fehen wurden. Gebote der Taufe oder der Aus— 
wanberung (633, 655, 681) wechjelten zwar mit 
größerer Nachficht, aber ftetig blieb der Drud, bis 
Egica mit dem Concil zu Toledo (693) den Juden 
fogar den Befig aller unbeweglichen Habe entzog, 
ben Geſchäftsbetrieb mit Chriſten verbot und bie 


Juden 


Qualereijen der Zwanggetauften noch verfchürfte. 
Viele Juden waren nad) dem von den Mauren be: 
egten Afrika geflohen, wo fie alle Freiheit genof- 
en; fo wurden die fpanifchen Juden die treueften 
Verbündeten der Mauren, als diefelben die Herr: 
fchaft der Weftgothen ftürgten. Es ift die Zeit der 
Maurenberrichaft die Glangperiode der jpäteren 
jüdifhen Geſchichte. Nicht nur, daß ihnen die volle 
politische Gleichberechtigung verliehen wurde und 
Juden die höchſten Ghrentellen beffeideten ; bie 
arabiihe Bildung, welche fie fich aneiqneten, übte 
mädtigen Einfluß. Es entjtanden die Schulen zu 
Eordova, fpäter Granada und Lucena, auf denen 
das Studium des Geſetzes und des Talmud betrie: 
ben wurde; aud) in den Wiffenfchaften der Mathe: 
niatif, Ajtronomie und Arzneifunde zeichneten die 
ſpaniſchen Juden fi aus, ihnen gehören die be: 
rühmteften jüdiſchen Gelehrten des Mittelalters 
an. Diefe glüdliche Zeit dauerte zwar in dem 
Maße nicht fort, als die fanatifhen Almoraviden 
und Almoyaden die Herrfhaft erlangten, denn 
diefe erzwangen den ſcheinbaren Uebertritt aller 
Juden zum Islam, aber mit ihrem Sturze 1212 
frat im Königreihe Granada auch die frühere 
Freiheit wieder ein, biS mit dem Untergang der 
Maurenherrſchaft und dem Siege des chriſtlichen 
Eaftiliens Juden und Mauren gleihmäßig von der 
In quiſition verfolgt wurden. Für die —— in 
den chriſtlichen Königreichen Spaniens hatte die 
Zeit der Verfolgung durch Geiſtlichkeit und Pö— 
bel mit dem 14. Jahrhundert, veranlaßt durch die 
Paſtorellen, begonnen; zu Navarra 1328, Toledo 
1350, Burgos und Valladolid 1380, fo daß viele 
auöwanderten oder zum Ehrijtenthum übertraten. 
Der erregte Fanatismus der Zeit wandte fich 
Dann gegen die Neuchriſten (Maranos), weil aud) 
Mauren zum Schein fich taufen liefen, und unter 
Ferdinand dem Katholischen begann die Inquiſi— 
tion den Vernichtungskrieg. Nach der Eroberung 
Granadas erging der Befehl, daß alle Juden 
binnen drei Monaten das Land zu verlafien hät: 
ten; 300,000 wauderten aus. Portugal folgte 
dem Beijpiel Spaniens; die dort Bertriebenen 
fanden zum Theil in den Niederlanden und in den 
neuentdedten überfeeifchen Ländern eine Heimath. 
* Oſtrömiſchen Reiche blieben die ſtrengen 
Geſetze Juſtinians, der den Juden die bürgerliche 
Ehre genommen hatte, in Geltung. Die feindſelige 
Abneigung wurde vermehrt durch die Kriege mit 
den Perſern, in deren Heere viele Juden dienten 
und Verbindungen mit den byzantiniſchen Glau— 
bensgenoſſen unterhielten; durch die Bilderſtrei— 
tigfeiten, weil die Juden ſtets auf Seiten ber 
Bilderfeinde ftanden, und endlich durch die Ber: 
bindung der Juden mit Arabern und Muhamme: 
danern. Troß der wachſenden Bedrüdung haben 
aber die Jaden im byzantinijchen Reiche nie ähn: 
liche Mißhandlungen und Berfolgungen wie im 
Abendlande zu ertragen gehabt; in organifirten 
Gemeinden blieben fe in ihren Erwerbszweigen 
ungehindert. 
ie Diaſpora des Morgenlandıs ſchreibt ſich 
ber vom Babylonifchen Erile, und die zahlreichen 
Juden in Arabien werden von Cinwanderungen 
ſchon zu Nebufadnezars Zeiten hergeleitet. Bon 
Aſſyrien und Medien, den älteften Verbannungs: 
orten aus, verbreiteten fie fich zahlreich nach Ar: 
menien und von dort nad) Syrien und Vorder: 
afien; aber auch nach Dften bis nah China, 


438 


Judenchriſtenthum 


Japan und Oſtindien. Der Kern der jüdiſchen 
Verbannung war Babylonien. Bis ins 4. Jahr⸗ 
hundert n. Chr. lebten die Juden bier überall 
unter den günftigften Bedingungen, bürgerlich 
gleichberechtigt mit den übrigen Unterthanen bes 
perfiihen und parthifchen Reiches, eher noch be: 
vorzugt durch mande Begünftigungen und durch 
eine nationale Berfafjung. Abgeſehen von ber 
religiöfen Verbindung, in welcher fie mit Jerufa: 
lem blieben, welche mit der Ausbildung des Syna: 
gogencultus nur enger wurde und bei der Ber: 
legung des Patriarhats nad) Jamnia und Tibe: 
rias —— hatten ſie am Reſch-Glutha 
(Haupt der Auswanderung) ein eigenes weltliches 
—— das urjprünglich die Steuereinzahlung 
zu beforgen hatte, aber aud) eine eigene unabhän: 
gige Gerichtäbarfeit überfam. Durch die Grün- 
dung der rabbinifhen Afademien zu Naharden 
durch S. Ariody, zu Sura dur Abba Aricha und 
zu Bumbeditha am Euphrat dur Jehudah ben 
Jeheskiel nahm das Judenthum in Babylon einen 
ſolchen Aufihmwung, daß Babylon das wahre J: 
rael genannt wurde. Es machte fi) von dem Pa: 
triarchat zu Tiberiad vollftändig unabhängig ver 
in Bezug auf kirchliche Zucht und Bann, und dur 
den Babylonifhen Talmıd —— ber hier aus: 
gebildete Rabbinismus den beftimmenden Einfluß 
auf alle Juden, von dem nur das große Schiäma 
der Karäer (ſ. d. A.) ſich losfagte. Diefe Autori: 
—— Babylons überdauerte auch die große 
Ta e Berfolgung unter Jezdeicherd II., melde 
alle — zerſtörte. Ir der Mitte des 6. Jahr: 
hundertö wurden die Schulen wieder eröffnet und 
die Häupter derjelben (Geonim) mit dem Neid: 
Glutha blieben die anerfannten Mittelpuntte der 
orientalifchen Diafpora bi8 der muhammedaniſche 
—— der ſchon früher die Schulen zu 
ura und Pumbeditha zerftört hatte, um 1040 
auch hier das Letzte gerftörte. Der Muhammeba: 
niömus geftattet den Juden fo wenig wie ande: 
ren Rihtmuhammedanern die vollen bürgerlichen 
Rechte, ihr Gotteödienft ift gleichfalld beſchränkt 
und demüthigende Abzeichen an der Kleidung fol: 
len die Unterworfenen überall kenntlich bezeichnen. 
Doc ift einestheild der Muhammedanismus den 
Juden nod freundlicher gefinnt als den Chriften, 
anderntheild ließ die perfönlice Gefinnung der 
Herrſcher und die Bedeutjamfeit der Yudenge: 
meinden nicht immer und überall die ganze Strenge 
der Beftimmungen —— Das geiſtige Le: 
ben der Gemeinde wurde aber durch die Tyrannei 
der Sultane in Aſien, wie in Aegypten, zeritört, 
uud wenn fpäter die Türken eine mildere Behand: 
lung wieder eintreten ließen, fo blieb die Stellung 
der Juden bis zum heutigen Tage eine gedrüdte, 
unter welcher das religiöfe und fittliche Leben viel: 
fach leiden mußte, Val, Yoft, Neuere Geichichte 
ber Iſraeliten, 3 Theile, Berl. 1846 — 47; Dep- 
ping, les juifs dans le moyen äge, deutſch, Stutt: 
art 1854; Geiger, Judenthum und feine Ge: 
Phichte, 2 Bde., 1864 u, 65; Grätz, uf? der 
Juden vom Untergang bes jüdiſchen Staats bis 
zum Abfchluß des Talmud, 4 Bde. 1854, 2. Aufl. 
1863, 5. uno 6. Bd. 1860, 7. Bd. 1863. j 
udenchriſtenthum ift Hiftorifch zunächſt die 
Auffaffung des Chriftenthums, welche die volle 
Uebereinftimmung und den Zufammenhang desjel: 
ben mit dem altteftamentlichen Geſetz behauptete 
und die Berheifung lediglih an das geſetzliche 


Auder Matthäus 


Berhalten des Menfhen gebunden erachtete. Dem 
Judendriftentfum gegenüber fteht das Heiden: 
chriſtenihum am entjchiedenften durch Paulus ver: 
treten, welches zwar den Zulammenhang des 
Evangeliums mit dem Alten Tejtamente aner: 
fennt, aber das Geſetz als etwas „Dazmwifcheneins 
gelommenes“ und für die Folge nicht Verbindl:: 
ches eradhtet. Das Chriſtenthum der Altern Apo: 
ftel und Gemeinden war Judenchriſtenthum, 
langfam erſt konnte die heidenchriſtliche Richtung 
fih Anerkennung und Gleihberechtigung feit dem 
Apoſtelconvent erfämpfen, bis das Judenchriſten— 
thum der Entwidlung der criftlihen Idee nicht 
mehr zu folgen vermochte, — namentlich ſeitdem Je— 
rufalem und damit der theokratiſche Staat gefallen 
mar und die jüdiichen Kriege des 2. Jahrhunderts 
den legten Reit der jüdiſchen Hoffnungen zerfüör: 
ten, — und endlich ald Secte der Ebioniten, Na: 
zaräer aus der fich bildenden katholiſchen Kirche 
ausfchied. Legte das Judendriftenthum anfangs 
das Hauptgewicht auf die Geltung des jüdiſchen 
Geſetzes, namentlich der Beſchneidung, eig ſich 
um dieſe Geſetzesfrage der Kampf, welcher ſich in 
den Schriften des Neuen Teſtaments, namentlich 
im Galaterbrief, abſpiegelt, ſo finden wir dagegen 
im 2. Jahrhundert den Ebionitismus, welcher 
dem Drange der et np weniger 
noch die Forderungen des Geſetzes aufftellt, da: 
gegen einen mehr dogmatijchen Charakter an: 
nimmt, namntlid in der ausſchließlich menſchli— 
chen Auffaffung der Perſon Chrifti einen Gegen: 
fa bildet gegen die allgemeine Kirche. Dadurch 
wurde der Eblonitismeis immer mehr zur entfchie: 
denen Secte. Außerdem findet fid) aber eine ftarf 
vertretene judencriftliche Richtung in diefer Zeit 
mit theofophifchem Charakter. Diefelbe tritt in 
einer Reihe religiöfer Parteien, wie der Elfefaiten, 
Sampfäer, Offener zum Vorfchein, und hat dann 
in den Glementinen (f. d. U.) eine der legten be: 
deutenden literarifchen Erjcheinungen hervorgeru: 
m est Holgmann, Gejchichte des Volkes Iſrael, 
‚©. 566 


Juder Matthäns, geb. 1528 zu Dippoldswalde 
im Bezirk Meifen. Ebenf:Il3 Prediger an ber Ul— 
richskirche zu Magdeburg, war er Mitarbeiter des 
Flacius an den Centurien. 

Judien heift der dem Palmſonntag voraufge: 
bende Sonntag nad) dem Introitus Pſalm 43,1. 

Judith, ein altteftamentliches apokryphiſches 
Bud, welches den Kriegözug des Holofernes, des 
Feldheren des Königs Nebufadnezar von Affyrien, 
die Belagerung der Stadt Bethulia, die Rettung 
durch die muthige That der ſchönen a welche 
Holofernes par en berichtet. Das Bud ift 
offenbar nicht Geichichte, fondern ein allegorijcher 
Roman, mit der Tendenz, Iſrael in einer fchlim: 
mengeit zur muthigen That zu entflammen. Diefe 
Zeit jelbft ift Schwer zu beftimmen. Viele (Hilgen: 
feld, Yipfius) beziehen die Schilderung auf die 
Zeit der Maffabäer, jo daß unter Nebukadnezar 
Antiohus d. Gr., unter Holofernes Nilanor zu 
verstehen, und die Abfaffung etwa 144 v. Chr. zu 
ſetzen wäre. Andere (Hikig, Volkmar) ſetzen die 
Entftehung erft etwa 118 n. Chr. und erkennen 
Trajan und ben Feldheren Lufius Duintus unter 
den gezeichneten Figuren. Judith ift die ſymbo— 
liche Geftalt des echten Judenthums. Die Schrift 
ift urſprünglich hebräiſch geſchrieben, muß aber 
bald ins Griechiſche überjegt worden fein. Das 


439 


Jülich⸗Cleve⸗Berg 


Original iſt früh verloren. Vgl. Fritſche, Com— 
mentar 1853. 
ae Literatur. S. Rabbinismus, 

ülich⸗ Gleves Berg und Mark. Dieje Länder, 
welche jet mit Ausnahme der mweitphälifch ge: 
wordenen Mark zur preußiihen Rheinprevinz 
gehören, vereinigte Johann III. von Eleve 1521 
zu einem Herzogtum. Wie in keinem anderen 
deutſchen Lande entwidelte fich hier die Reforma— 
tion ohne, zum Theil gegen den Landesherrn, 
und die kirchlichen Verhältniſſe gewannen ba: 
durch einen eigenthümlichen Charafter. Erleich— 
tert wurde dies gerade dadurd, daf die Herzöge 
oft in Fehde mit den Erzbiſchöfen von Köln, die 
Epiflopalgewalt fo befhränft hatten, daf fie fo: 
gar einma! im Stande waren vorübergehend ein 
eigenes Landesbisthum in Calcar aufzurichten. 
Der Erasmiſch gefinnte, humaniſtiſch fein gebildete 
Johann III. begünftigte die Rformation nicht, 
erließ aber beim Ueberhandnehmen der Wiedertäu: 
fer 1532 eine vermittelnde (durch Heresbad) und 
Erasmus) Heformationsordnung, die, obwohl ge: 
feglich eingeführt, bei Niemand Anklang fend. 
Sein Sohn Wilhelm IV. trat für feine Perfon 
1541 der Augsburgiſchen Conjeffion bei, mußte 
aber im Vertrag von Benlo 1543 auf jede Aen— 
derung in Neligionsjachen verzichten. In den 
Städten und unter dem Adel gewann das Evan: 
gelium immer mehr Anhang (Wefel 1540) und 
aus den benachbarten Niederlanden, jpäter aus 
England, fuchten und fanden die reformirten 
Flüchtlinge eine Zuflucht (Frembdlingsgemeinden), 
deren Einfluß die lutheriſchen Gemeinfchaften in 
reformirte Gemeinden umwandelte, welche fich auf 
den Synoden zu Wejel 1568 und Emden 1571 
eonftituirten, ihre Claſſen und Synoden einrich: 
teten; und troß des fteigenden Drudes während 
der Regierung des blödfinnigen Johann Wilhelm 
(1592—1609) und der Spanier, die einen Theil 
des Landes bejept hielten, fihweiterausbauten. Die 
erfte Generaliynode konnte jedoch erit 1610 gehal: 
ten werden, ald Brandenburg und Pfalz:Neuburg 
die Regierung übernommen hatten. Der Religions: 
wechjel der beiden Landesherren und der Erbfolge: 
jtreit, welchen ſpaniſche und holländische Truppen 
ausfochten, brachte namentlich in Jülich und Berg 
den Reformirten manche Bedrlidung, bis der Frie 
den und der Religionsreceh zu Rheinberg 1673 
denselben Freiheit gewährte, die freilich in Jülich 
und Berg nie völlig gehalten und nur. durch das 
Brandenburg vorbehaltene Schuß: und Retorfions: 
recht einigermaßen beſchirmt wurde. Die Kirchen: 
ordnung von 1662 hatte der preöbyterial und 
ſynodal verfarten Kirche volle Selbftändigteit ge: 
geben. Sie ftand unter dem Schuge, aber nicht 
unter Leitung des Staates. Zeit der Mitte des 
18. Jahrhunderts haben aber die Synoden ein: 
zelne Eingriffe zu belämpft gehabt, und nach 1770 
erlangte der Staat das Beſtätigungsrecht der Pre: 
diger. Die Stiftung der Untveriität Duisburg 
machte die Kirche unabhängig von außen; enge 
Verbindung wurde aber mit Holland gepflogen, 
obwohl die Öeneraliynode die Dortrechter Befchlüffe 
nie anerfannte. -DasreligiöjeYeben der Gemeinden 
wurde durch den Labadismus und andere ähnliche 
Erſcheinungen immer neu angeregt, ftarre Ortho: 
doxie hat ſich nur feiten und vorübergehend gel: 
tend machen können. Da die lutherifche Kirchenver: 
faffung von 1677 und 1687 der reformirten fehr 


Syünger 


verwandt war (doch erjchienen auf den Synoden 
feine Nelteften), fo traten jhon am Ende des 
vorigen Jahrhunderts wre auf, 
die bis zur gegenfeitigen Beichidung der Synoden 
führten. Längft hatte die Miſchung der Confej: 
fionen die gegenfeitige Theilnahme am Gottes: 
dienft nothwendig gemadt. Die gr In: 
vaſion trennte die bisher einige Kirche. Auf dem 
linten Rheinufer wurde für beide Gonfeffionen 
die franzöfiihe Confiftorialverfafjung eingeführt, 
welche Nie: nur die Claffical: und Synodal⸗Ord⸗ 
nung mobdificirte, die Berfaffung der Gemeinden 
aber gar nicht berührte. Auf dem rechten Ufer 
verbanden fich die Reſte der Claffen Weſel und 
Gleve zu einer Cleve-Weſel'ſchen Claſſis und wur: 
den die Provincialiynoden bis 1813 regelmäßig 
gehalten. Nach der preußifchen aa ae 
leitete die Errichtung der Eonftftorien zu Cöln un 

Gobleny eine Modificirung der Berfaffung ein. 
Beharrlih kämpften die Provincialfynoden zu 
Duisburg und Elberfeld für die Bewahrung der 
alten kirchlichen Rechte und erlangten endlich 1835 
bie Kirchenordnung für Rheinland und Weit: 
phalen, welche in den Gemeinden die Presbyterien 
beftätigte, bez. einführte, die Kirchenauffiht und 
die lirchliche Gefeggebung den Kreis: und Provin: 
cialfgnoden zumies, aber über das Verhältniß zum 
Staate und die Competenz feiner Behörden fid) 
gar nicht ausſprach. Val. Göbel, Geſchichte des 
Kriftlihen Lebens, Coblenz 1849; Heppe, Ge: 
—— der evangeliſchen Kirche Rheinlands und 

eſtphalens, 1867. 

Jünger. ©. Apoſtel. 

Jüngſter Tag, der Tag bes letzten Gerichts. 
©. Auferftehung. 

Jürgenshäuſer, St., find Pflegeanftalten bes 
Mittelalters für Ausfägige und Beittrante. 

Jüterbogk ift in der erg Ar be: 
fannt geworden als Hauptquartier Tekels, von 
wo aus er feinen Angriff gegen Luther richtete, 
ben derjelbe mit den 95 Süßen erwiderte. Hier 
wurde 1548 ein Gonvent des Herzogs Morik und 
bes Kurfürften Joahim gehalten wegen des In: 
terims und 1579 ein zweiter Gonvent, um den 
Kurfürjten von der Pfalz zur Annahme der Con: 
cordienformel zu bewegen. 

Jul F der nordiſche Name des Weihnachtsfeſtes, 
eigentlich des altſlandinaviſchen Feſtes der Winter: 
gr deſſen Gebräuche in die Weihnachts: 
eier theilweife übergegangen find. 

Julia Rammän, die Mutter des Kaifers Se: 
verus (195— 211). Sie hatte in Antiodien den 
Unterricht des Drigenes genofjen, und obgleich fie 
alle Hohadtung vor dem ChriftenthHum bewahrt 
und ſelbſt als gottfelig und fromm geſchildert wird, 
trat jie doch nicht wirklich zum Chriftenthum über. 

Julian, der Heilige, aud) Pomerius genannt, 
Erzbiſchof von Toledo (630— 690). Unter feinem 
Borfig beftätigte die 14. und 15. Synode von 
Toledo die Satzungen des Concild von Eonitan: 
tinopel (680— 681). Eine von ihm aufgefegte 
Schutzſchrift des katholiſchen Glaubens änderte J. 
auf Begehren des Bapftes in orthodorer Weife ab. 
Schriften von ihm, die auf uns gelommen find; 
1) De orig. mortis, de fut. saeculo et fut. vi- 
tae contemplatione. 2) Vita St. Ildefonsi Tole- 
tani, 3) Libri III de demonstratione sextae 
actatis s. Christi adventu. 4) Hist. rer. gest. 
regis Wambae. 


440 


Julianus Cäfarini 


Juliana, eine Klofterfrau du Lüttich, empfing 
1261 in einem Gefichte die Offenbarung, welde 
das Frohnleichnamsfeſt hervorrief. 

Juliana, die Märtyrerin, ift geboren in Niko: 
medien und wurbe enthauptet, da fie in die Ber: 
bindung mit ihrem Bräutigam, dem Prätor Efeu: 
fius, nicht willigen wollte, wenn er nicht Chrift 
würde. Viele Städte rühmen ſich des Beſitzes 
ihrer Reliquien. Gedächtnißtag, der 16. Febr. 

ulianiflen. S. Julian von Halicarnak. 
uliannd Apostata (Flavius Claudius), geb. 
331, der Sohn des Julius Conftantius, Neffe des 
Kaifers Conftantin. Er erhielt nad) dem Tode fei= 
nes Vaters jeine Erziehung fern vom kaiſerlichen 
Hofe, zuerst in Nilomedien, dann in Kappadocien 
(345—51) durch chriſtliche Lehrer. Sein religiöfer 
Eifer erwarb ihm das Amt eines Vorlefers in der 
Gemeinde, Mit Eifer ergab er ſich danad) in Ni— 
fomedien und Hellas dem Studium ber Philo— 
fophie und der Claſſiker, wodurch er dem Heiden 
thum fo gewonnen wurde, daß er ſich in die Eleu- 
finifhen Geheimniffe einweihen ließ. Bermäblt 
mit des Kaiſers Schwefter, wurde er zur Armee 
nad) Gallien gefandt (351), zum Cäfar ernannt, 
und durch die Ergebenheit der Soldaten, die er 
durch feine Tugend und Tapferkeit gewann, als 
Auguftus ausgerufen (361). Bald darauf ftarb 
Conftantius auf dem Zuge gegen die Berjer. Als 
Alleinherrſcher traf er jofort eine Menge guter 
Anordnungen, um Mißbräuche abzuſchaffen und 
da3 geſunkene Reid) wieder zu heben; befannte ſich 
aber auch jofort offen zum Heidenthbum und funs 
—— mit Oſtentation als pontifex maximus. 
urch die von der Kirche entlehnten Einrichtungen 
der Vorleſungen, bes öffentlichen Almoſens ıc., 
ſuchte er das Heidenthum auch innerlich zu ſtärken. 
Die Chriſten wurden immer mehr zurückgeſetzt 
und bebrängt; vorzüglid aber richtete er feine 
Angriffe auf das Innere der Kirche; die Rückbe— 
rufung aller verbannten Bijchöfe follte den innern 
Kirchenftreit erneuern und die Gemeinden zer: 
Iprengen ; das Verbot der Theilnahme an dem Un— 
terrichte der Rhetoren und Grammatifer follte die 
Chriften der Bildung entfremden;; der Berjud, den 
Tempel zu Jerufalem wieder aufzubauen, den 
Glauben an die Bibel auflöjen. 3. ſchrieb ſelbſt 
außer zwei Satiren eine Schrift gegen die Chri— 
ften (das davon Vorhandene ift — von 
d'Argens, Berlin 1764), worauf Cyrill von Ale⸗ 
xandrien eine Vertheidigungsſchrift gegen Julian 
richtete. Ehe ſein Unmuth gegen die Chriſten, welche 
Reibungen in Antiochien 362 noch geſteigert hat⸗ 
ten, ſich in ſchärferen Edicten äußern konnte, fiel 
er im Kampfe mit den Perſern 363, nach der 
Sage mit dem Rufe ſterbend: „Galiläer, du haft 
gefiegt!" Bal. Strauß, der Romantifer auf dem 
Throne, 1847; Semiſch, Jul. der Ap., 1562; 
Mangold, Jul. der Ap., 1862; Auer, Jul. im 
Kampfe mit den Kirchenvätern, 1855. 

Yulianus Gäfarini, geb. 1398 zu Nom, war 
Profeſſor der Rechte zu Padua, wurde päpftlicher 
Protonotar, Auditor der Rota und Cardinal. Als 
folden ſandte ihn der Papft nad Deutjchland, 
um den Kreuzzug gegen die Hufliten zu leiten 
rag | zu Nürnberg 1431, Schladht bei Zen 
und den Vorfig auf dem Concil zu Bafel zu füh— 
ren. In diefer Stellung widerſetzte er ſich mit 
Erfolg ber Verlegung des Concils nad Bologna 
und verhandelte vergeblih mit den huſſitiſchen 


Julianus von Eclanum 


Geſandten. Später trat J. auf dem Concil zur 
päpſtlichen Partei über und ging mit nach Fer— 
rara. Er ftarb als päpſtlicher Legat in Ungarn 
in oder nad) der Schlacht bei Barna, in welcher 
der Sieg der Türken den Eid: und Friedensbruch 
des Königs beitrafte, zu welchem denfelben Cäſa— 
rini verleitet hatte, 

Julianus, Biihof von Eclanum in Apulien, 
ein jcharffinniger, fenntnißreiher Mann. In früs 
heren Jahren von Augujtinus, einem Freunde 
feines Vaters, wegen feiner Kenntniſſe jehr ge: 
ihägt, wurde er Scholafticus, danach Biſchof. Er 
war Pelagianer und der bedeutendfte wiffenichaft: 
lihe Vertreter der Härefie. Bon feinen Streit: 
ſchriften gegen Auguftin find die Bruchftüde in 
Auguftins en vorhanden. Nach dem kaiſer⸗ 
lihen Edict von 409, welches die Belagianer ver: 
bannte, begab er fih nad dem Orient, ohne des 
Theodorus von Mopfueitia und anderer Bilchöfe 
age zu feiner Lehre erlangen zu können. 

ad) einer Angabe foll er vergeblich feinen Irr— 
thum revocirt und um Reftitution feines Bis: 
thums gebeten haben. + nad) 439. 

Julianus, Biſchof von Halicarnaß, der Stimm: 
führer der nad) ihm Julianiften benannten Fraction 
der Monophyfiten, welche lehrten, das Fleiſch Ehrifti 
fei aud vor der Auferjtehung göttliher Natur 
und darum unverweslih geweſen. Sie wurden 
dpsaprodoxzra genannt, Die ftrengeren unter 
ihnen, die Aftifteten, verlangten fogar die An: 
nahme, daß das Fleisch Chrifi unerſchaffen fei. 
Ihre Gegner waren die Severianer (PFeproia- 
row). Julian mußte 519, als die monophyfitifchen 
Biſchöfe entſetzt wurden, nad Alerandrien fliehen. 

Julin, auf der pommerſchen Inſel Wollin, war 
Das erite von Dito von Bamberg im 12. Jahr: 


Hundert gerne pommerfche Bisthum. 
Julius Africanus, ein Libyer, der zu Emmaus 


(ipäter Nikopolis) in Paläftina feinen Wohnfit 
hatte. Ein Zeitgenofje des Drigenes, an den er 
einen Brief über die Unechtheit des Buches von der 
Sufanna richtete. Bon feinem Leben ift fonft nichts 
betannt. Er ift der Berfaffer der erjten chriſtlichen 
Weltgeſchichte (Chronographia), welche Eufebius 
viel benußt und gerühmt hat. Die vorhandenen 
56 Bruchſtücke hat Gallandi bibliotheca II. gefam: 
melt. In einem Briefe an Ariftides ftellt J. die 
Hypotheje von der Zeviraths:Ehe zur Bereinigung 
der Gejchledhtäregifter bei Lulas und Matthäus 
auf. Andere Schriften, die ihm zugeichrieben wer: 
ben, xccoi, de trinitate, de circumcisione, haben 
verſchiedene Berfaffer. 

Julius Ehter von Mefpelbrunn, Fürftbiichof 
von Würzburg, geboren zu Mejpelbrunn im Hoch— 
ftift Mainz. Als der Sohn des furfürftlichen 
Rathes und Dberamtmanns Paul Echter, ftudirte 
er auf den hohen Schulen zu Mainz, Köln, Löwen, 
Duai, Paris und Bavia, ward Dr. juris und Dom: 
herr 1569, wurde Domdechant 1570 in Würzburg 
und 1573 nad) dem Tode des Fürſtbiſchofs von 
Würzburg an deffen Stelle gewählt. Mit uner: 
een Eifer forgte er in jeder Beziehung für 
bie Beflerung der fehr verfommenen Zuftände des 
Bisthums. Zwar miflang fein Bornehmen, die 
Abtei Fulda mit dem Bisthum zu vereinigen, und 
faum entging er babei dem Banne; aber fonft 
fiherte er durch vortheilhafte Verträge mit den 
Nachbarn feine Grenzen, Die Wiederherftellun 
einer ftrengen Sittenzucht im Klerus lieh er fi 


441 


Jumpers 


ernſtlich angelegen ſein; das religiöſe Leben des 
Volkes wurde durch Kirchenviſitationen und Miſ— 
— angeregt; die Proteſtanten aber wurden 

urch harte Maßregeln, Entfernung aus den Aem— 
tern und Vertreibung ihrer Prediger, zum Ueber— 
tritt oder zur Auswanderung genöthigt. Die ſchon 
1406 errichtet geweſene, aber 1411 wieder einge: 
gangene Univerfität au Würzburg ftiftete er von 
neuem 1582, errichtete dabei das Kilianscollegium, 
urfprünglich drei verfchiedene Seminare und Alum⸗ 
nate für Studirende und begründete 1576 das 
Julius: Hofpital zu Würzburg. Zu diefen Stif: 
tungen und dem Bau und der Wiederherftellung 
vieler Kirchen benugte er die Einkünfte verlaffener 
Klöfter und erbat Beiträge von anderen. Die Uni: 
verjität übergab er den Jeſuiten, welche ſchon fein 
Vorgänger berufen hatte, die aber an ihm die kräf— 
tigfte Unterftügung für alle ihre Zwecke fanden. 
Julius war der Haupturheber der Ligue 1609, an 
deren Spige Marimilian von Bayern, fein genauer 
Freund, trat. Gejt. 1617. 

Julius, Herzog von Braunfchweig, geb. 1529. 
Der jüngjte Sohn des Herzog Heinrich, urfprüng- 
lich dem geiftlichen Stand beftimmt, folgte er feinem 
Bater 1568 und führte fofort die Reformation ein, 
Er erlich die von Chemnig und Andreä ausgear: 
beitete Kirhenordnung von 1569 und ftiftete 1576 
bie — Helmſtedt. 

Julius J. Papſt (337 352). Er nahm ſich des 
von der orientaliſchen Kirche entſetzten Athana— 
ſius an und berief eine Synode nad) Rom 343, 
welche den Athanafius rechtfertigte. Die Drien- 
talen waren aber auf diefer Synode nicht erſchie⸗ 
nen. Durd) feine Legaten nahm Julius Theil an 
der Synpde von Sardica 347; die Drientalen 
aber, welche diefelbe verließen und fid) zu Philip: 

opolis verfammelten, ercommunicirten ihn. Er 
Rarb 352, fein erg © der 12. April. 

— U, Bapft, geboren zu Albezzola bei Savona. 
Ein Neffe des Bapftes Sirtus IV., wurde er 1503 
zum Papfte erwählt. Ein tapferer Kriegsmann und 
Huger Regent, wußte er auch die geiftlichen Wafe 
fen des Papftes (Bann und Interdict) den ſtaats— 
Hugen Zweden bienftbar zu machen. Um Italien 
von den Fremden zu befreien, trat er der Ligue 
von Cambray 1508 gegen Venedig bei, verband 
ſich jpäter mit Venedig gegen die iS ue und be: 
nutzte jogar ein türkiſches Hülfsheer. Der Verſuch 
Ludwigs XII. ihm ein Eoncil zu Pifa 1512, dann 

u Ati und Lyon ——— mißlang. Er 
tarb, als er kaum das Lateranconcil 1512 eröffnet 
hatte. Außer ſeinem Kriegsruhm hat ihm die Ver: 

rößerung der bibliotheca Julia und die Grund: 
teinlegung der neuen Peteröfirhe einen Namen 
gemadt. 

— 111. 1550—55. Vorher Cardinal mit bem 
Namen Johann Maria Giocci, hatte er fih auf 
dem Tridentinifchen Goncil als päpftlicher Legat 
ausgezeichnet. Als Papft führte er ein unthätiges, 
— Leben und ernannte einmal einen 
14jährigen Affenwärter zum Cardinal. Das Con: 
cil von Trient führte er 1551 auf Drängen des 
on —X sm 

Julius v. Pflug. ©. Pflug. 

bed oder Epringer, eine Secte der Quä⸗— 
fer, welche in Anwendung von 2. Sam, 6, 16 ihre 
Andahtsübungen mit lebhaften Geberden und 
Springen begleiten und fi dadurch in einen Zus 
ftand der Efftafe zu verjegen ſuchen. Geftiftet find 


Jungfernkranz 


fie durch Harris Rowland und William Williams 
um 1760. Ihr —— Wales. 
ungfernkranz. ©. Brautkranz. 
ungfrau, die Heilige. S. Maria. 
ungfrau von Orleans. Jeanne d’Arc, "geb. 
1410 zu Dom Remy an der Macs auf der Grenze 
der Champagne und Lothringens. Sie glaubte ſich 
durch Bifionen und Dffenbarungen, welche fie jeit 
ihrem 13. Jahre gehabt hatte, berufen in dem 
Kriege zwifchen Frankreich und England das be: 
lagerte Orleans zu befreien und den Dauphin zur 
Krönung nad Rheims zu führen. Nach Ueber: 
mwindung mander Schwierigkeiten gelangte fie 
zum Heere und vermochte in verſchiedenen Prü— 
fungen, die fie beftand, den Glauben an ihre gött: 
lihe Sendung zuerweden. Sieerreichte Orleans am 
22. April 1429 und bejiegte die Engländer, führte 
dann wirklich den König nad) Rheims den 17. Juli 
1429, lieb ſich aber, anftatt ihrem Vorſatz nad) 
Haufe zurüdzufehren zu folgen, dazu bewrgen, 
aud ferner das Heer zu begleiten. Beim Sturm 
auf Paris wurbe fie verwundet und fiel bei Com: 
piegne in bie Hände der Burgunder, welche fie an 
die Engländer audlieferten. In Rouen wurde fie 
als eine Zauberin vor ein geiftliches Gericht ge: 
ftellt, durch Lift gezwungen, von neuem Männer: 
kleidung anzulegen und als vüdfällig zum Feuer: 
tod verurtheilt, den fie am 30. Mai 1431 erlitt. 
Ihr Proceß wurde auf Veranlaffung Karl VL. 
repidirt und ihre Unfchuld feierlich anerkannt. (Bal. 
Jules Guicherat, P’roc&s de condamnation et de 
r&hab. de Jeanne d’Arc, 1841—49). Sie bietet 
ein eigenthümliches Beifpiel dar von weiblicher 
prophetiſcher Begeifterung, und fann nad) diejer 
Seite mit der Deborah des N. T. wohl verglihen 
werden. Die genen fie erhobenen Anklagen und ihr 
Tod find eine bleibende Schmach für ihre Richter. 
Dal. Hafe, Neue Propheten, 1851; Straß, Jeanne 
d’Arc, 1862; Eyjell, oh. d'Arc, 1864. 
Jungfrauen, 11,000. ©. Urjula. 
Surf Stilling. ©. Etilling. 
unilius aus Afrika, den Cafftodor im 6. Jahr: 
hundert unter den von ihm benugten introducto- 
res sacrac scripturae nennt, widmete einem Bi: 
Ihof Primafius eine Schrift, de partibus divinae 
legis, eine Art von Einleitung in die h. Schrift. 
Nicht nur im zweiten Theil derfelben, einem Ueber: 
bfid über den Gefammtinhalt der Bibel, aud in 
anderen Angaben verräth fi ein Zufammenbang 
mit der orientalifchen Kirche. Bemerkenswerth iſt, 
daß er im Neuen Teftamente Antilegomena an: 
nimmt, die er beftimmt von den kanoniſchen Schrif: 
ten unterſcheidet, und daß er aud) die Bücher der 
Chronik, Esra und Nehemia, Hiob, Judith, Eſther 
undder Makkabäer nicht unter die kanoniſchen zählt. 
Junius Franeiseus(DuJon),teformirter Theo: 
log. Geb. 1545 zu Bourges aus adliger Famtlie, 
ftudirte er zuerjt Jura und wandte fi dann, ſei— 
nem Bater folgend, in Genf der Theologie zu. 1565 
Paſtor an der walloniſchen Gemeinde zu Antwer: 
pen, ging er in Folge des Bilderjturms von dort 
nad) Limburg und nad Deutjchland, wurde Pfarrer 
zu Schönau In der Pfalz, danach 1565—1573 Feld: 
prediger des Prinzen von Dranien, 1573 berief 
ihn Friedrich III. nad) Heidelberg, um mit Tre: 
mellius an der Neberfegung des Alten Teftaments 
u arbeiten. Nach Friedrihs Tode wirkte er als 
Baftor zu Neuftadt an der Harbt, bis ihn Caſi— 
mir I. als Profeſſor nach Heidelberg rief; danadı ı 


442 


Jura stolae 


ing er 1592 mit dem Herzog von Bouillon nad 
—— um das Kirchenweſen in Sedan zu or: 
ganifiren, und folgte bei der Rückkehr einem Ruf 
rad) Zeyden, wo er 1602 an der Peſt ftarb. Seine 
Werle erichienen in zwei Foliobänden, denen feine 
Selbftbiographie voraufgent. 

Jupiter, Antiochus Epiphanes, welcher bereits 
zu Athen dem Zeus oder Jupiter einen Tempel 
gegründet hatte, 2. Makt. 6, 2, lieh die Tempel 
zu Jerufalem und auf dem Garizim gleichfells zu 
diefem Cultus einrichten. Im Neuen Teftamente 
wird ar Jupiterdienſt zu Lyſtra erwähnt, Apſtg. 
14, 18. 

Jura circa sacra, iſt der Schulausdruck für 
die landeäherrlichen Kirchenhoheitsrechte, die ſog. 
Majeitätörechte. Der Umfang derjelben ift nicht 
gleihmäßig bejtimmt. Als eigentliche Majeftäts: 
rechte können nur ſolche Rechte angejehen werden, 
welde aus dem Begriff der Staatsgemwalt an ſich 
fließen, welche daher bei jeder Regierungdform 
und gegen jede Kirchengeſellſchaft gleichmäßig in 
Anipruc genommen werden müſſen. Diele find: 
das jus inspectionis, dad Necht Kenntnif zu neh: 
men von dem Leben der Kirche; das jus cavendi, 
das Recht des Verbots, jobald die Kirche ihre 
Rechtsiphäre überſchreitet und in die des Staates 
übergreift, daher drittens die Geftattung desrecur- 
sus ab abusu, d. h. der Vorbehalt nicht nur den 
Mißbrauch der geiftlihen Amtsgewalt überhaupt 
zu rügen, ſondern auch Klagen der Mitglieder der 
Kirche gegen die —— Obern wegen Verletzung 
der kirchlichen Rechte und der Verfaſſung anzu— 
nehmen und zu beurtheilen. Dieſen gegenüber 
ſteht das jus advocatiae, dad Schutzrecht dei 
Staates. Die Neuzeit hat der katholiſchen Kirche 
gegenüber faft alle weiteren Rechte des Staates, 
welche er fonft in Anſpruch genommen hatte, 4.8. 
das Placet, bis auf geringe Refte fallen lafien, 
während in der evangelifchen Kirche in Deutſch— 
land der Staat faft überall durch jeine Behörden 
noch Rechte ausübt, welche ihrem Weſen und Ur: 
ſprung nach kirchliche Gemeinde: und Geſellſchafts— 
rechte find. Den oben angeführten Rechten würde 
der Staat aud) beieiner völligen Trennung zwifchen 
Kirche und Staat eig entjagen fünnen. Da die 
in der ———— irche noch obwaltende Ver: 
miſchung von Kirche und Staat principiell nicht 
zu begründen iſt, ſondern nur als die Frucht zu: 
fälliger geſchichtlicher Verhältniffe hingenommen 
werden fann, jo ift auch der san der jura 
circa sacra nirgend theoretiih zu bejchreiben, 
jondern es ift das Herkommen entjcheidend, wel: 
es nur durch Compromifje zwifchen der Staats: 
gemalt und der Bertretung der Kirche geändert 
werben kann, wobei die Macht der Notwendigkeit 
nachgiebt. Das juscirca sacra begreift das eigent: 
liche Kirchenregiment in fi, welches die evange: 
lichen Landesherren fih nad) dem Epiffopal: oder 
Zerritorialfyften vindiciren. Hierzu fommt das 
in Deutſchland rechtlich anerkannt gemefene, ander: 
wärts thatſächlich ausgeübte jus reformandi, Re: 
formationsredht (j. d. A.), d. h. das Recht über 
die Zufäffigkeit religiöfer Genoffenjhaften und 
über die Bedingung ihrer Eriftenz zu ertennen. 

Jura stolae, Stolgebühren, d. h. feiteefekte 
Gaben, welde der Vfarrer für die Verrichtung 
einzelner Amtöhandlungen (bei welchen die Stola, 
die Amtskleidung, angelegt wird) von den Par: 
chianen zu erheben hat (j. Stolgebühren). 


Juraten 443 Juſtinus 


Juraien, Geſchworene, heißen an manchen Or⸗durch den Tod erledigte beſſere Stellen des Stif- 
ten die aus der Gemeinde hervorgegangenen Ver⸗ tes aufrücken zu dürfen. 
walter des Kirchenvermögens. Jus postliminii ift ein anderer Ausdruck für 

nurien, Pierre, reformirter Theolog. Geb. 1637 | Devolutionsredht. 
zu Mer bei Blois, ftudirte er in Saumur und Se-| Jus primarum precum, S. Anmwartidaf: 
dan und wurde Pfarrer in feinem Geburtsorte. | ten, 
1674 als Brofeffor der hebräifhen Sprade und | Jus reformandi. ©. Neformationdredt. 
der eg zu Sedan angeftellt, machte er fih | Jus regaliae ift das Recht, welches die fran— 
in weiten Kreifen durd) ig Schriften gegen Ar: | zöfiihen Könige in Anfprucd nahmen, ein vacant 
naud,-Bofjuet und Claude Pajon bekannt. Nach | gewordenes Bisthum wieder zu bejegen, bis dahin 
der Unterdrüdung der Afa>emie ging er nad) |die Früchte zu ziehen und die Rechte des Inha— 
Rotterdam, wohin er ſchon zweimal einen Ruf ab: |berö auszuüben, und wurde ald Ausfluß der 
elehnt hatte und wurde dort Prediger und Pro: | Staats: refp. Lehnähoheit angejehen. Bgl. den 
Feffor. Großen Eifer verwandte er fortwährend | Art. Regalia, Regalienftreit. 
nad) der Aufhebung des Edictd von Nantes, den| Jusspolil. ©. Spolienredt. 
Vertriebenen Schu in Holland, Brandenburg | Juſtina, Gemahlin des Kaifers Balentinian. 
und Deutichland zu verfchaffen. Seine Theologie | Nach defien Tode und der Ermordung ihres älte- 
vermwidelte ihn in beftändige literarifhe Fehden, |ren Sohnes Gratianus ga fie die Vormund⸗ 
aud mit Bayle und Saurin; denn fo fehr ihm ſchaft über Valentinian IL, und wollte ihre Macht 
eine Union mit der Iutherifchen Kirche am Herzen | benugen, dem Arianismus zum Siege zu verhel: 
lag, fo intolerant war er gegen jede Heterodorie |fen. Sie gebot dem Ambrofius, demfelben eine 
innerhalb ber reformirten Kirche. Seine Lehre von | Kirche in Mailand zu übergeben (386); bei dem 
der Taufe, von welch legterer er meint, fie jei zwar | Widerftand des Volles vergebens. 387 mußte fie 
nicht unerläßlih zur Seligfeit, jollte aber doch vor dem Gegentaifer Marimus fliegen. + 338, 
namentlich in Todesgefahr an jedem Orte und zu) Juſtinian, byzantiniſcher Kaiſer (527—565). 
jeder Zeit ertheilt werden, wurde mehrfad von | Mit der für die Folgezeit bedeutendften Handlung 
feinen Gegnern angegriffen. + 1713. Das Ber: gr Regierung, der Sammlung des römiſchen 
zeichniß feiner Schriften bei de Chauffepie Nou- | Rechtes in den Wandetten und Jnftitutionen (529- 
veau Dictionnaire hist. et crit. 533); ftimmt wenig die defpotifche Wilffür feiner 

uriödiction. S. Gerichtäbarkeit. Regierung. Um die innere Einheit des von ihm 

us ad rem, jus in re find Ausdrüde zur | ausgedehnten Reiches zu befeftigen, verbot er das 
Bezeihnung des —— in welches | Heidenthum und hob 529 die Philoſophenſchu⸗ 
der für ein Kirhenamt Defignirte zu der damit |len zu Athen auf. Den Häretifern wurde bei 
verbundenen Pfründe tritt. Durch die Wahl und | Strafe geboten, zur Kirche zurüdzutreten. Um 
Annahıne derjelben erhält er das jus ad rem, d.h. |aber die Monophyfiten zu verjöhnen, ließ er bie 
ein Prioritätsrecht, welches ihm nicht mehr durch | Häupter der Antiohenifhen Schule durch ein Edict 
neue Wahl oder Präfentation entzogen werden — capitula) 544 verdammen (Dreicapitelſtreit). 
fann. Das jus in re, d. h. die Berechtigung zur Davor daß er die Lehre der Aphthartodoketen zur 
Ausübung aller Nugungs: und Verwaltungsrechte, Kirchenlehre erhoben, ſchützte die Kirche nur fein 
erhält der Berufene durdy die Betätigung und | Tod. Die anfänglicen Erfolge feiner Regierung 
Inveftitur. durch die Siege Über Perjer und Dftgothen ver: 

Jus canonieum, ©. Kirchenrecht. ſchwanden vor dem inneren Zerfall, in welchem er 

Jus envendi. S. d. Art. Jura circa sacra. das Reich feinem Nachfolger überlich. 

Jus deportuum ift das Recht des Biſchofs, Juſtiniani Laurentius, der Heilige, ein Vene: 
die Einkünfte des erften Jahres von einer neu bes |tianer, geb. 1381. Mitglied, Prior und General 
fegten Pfründe einzuziehen. der Auguftiner-Congregation zu St. Georg auf der 

Jus devolutionis, das Devolutionsrecht, iſt Injel Alga bei Benedig. Er zeichnete ſich als Bi: 
die Befugnik, die Jemand — Berechti⸗ ſchof von Venedig jeit 1433 durch Frömmigkeit 

ung an der Beſetzung einer Kirchenſtelle, für den und kirchliches Regiment ſo aus, daß 1451 die 
Fall ber Berfäumniß an feiner Statt auszuüben. |; Patriardienwürde von Grado auf Venedig ihm 

Jus dioecesanum, Diöcefanredt, iftdasNecht | Übertragen wurde, Geft. 1455. Clemens VII. 
des Biſchofs, innerhalb feiner Diöcefe Abgaben zu ſprach ihn 1562 jelig, Alerander VIIL. 1690 heilig. 
erheben. Yuftinus, der Gnoftiter. Hippolyt ſchildert in den 

Jus exuviaru:ı ift das Recht deö Anſpruchs Philofophumenen das Syſtem eines Juſtinus, 
auf den Nachlaß der Klerifer, oder das Spolien: | welches dem ophitifchen verwandt ift. Bon der 
redt. ©. d. Art, Perſon des Urhebers iſt jonft nichts befannt. 

us gistii vel metatus ift da3 von den Für: | Juſtinus, der Märtyrer oder der Philofoph, 
ſten beanjpruchte Recht, von den Biihöfen frei | war von heibnifchen griechiſchen Eltern zu Flavia 
bewirthet zu werden und ein Gaftgejchent zu em: | Neapolis (daö heutige Nablus, das alte Sichem) 
pfangen. — gegen 100n.Chr.geboren. Wahrheit ſuchend, duͤrch⸗ 

Jusinspeetionis, ©. d. Art. jura circa sacra. | wanderte er die berühmteften Philoſophenſchulen, 
‚ Jus optandi, das Options-Recht, war eigent: bis er zu Ephefus (?) auf die Bibel gewiefen und 
lid) die Befugniß, unter mehreren incompatibeln | durch diefe zum Chriftenthum geführt wurde (133 
Pfründen fih die zufagendfte auswählen zu dür: | —137). Im Philofophenmantel durchwanderte er 
fer. Es ift hinfällig geworden, feitdem der Grund: | nunalsCvangelift und Apologet das römiſche Reich; 
jag allgemein anerkannt ift, daß die Annahme |in Rom, wo er zweimal war, foll er eine Schule 
eines neuen Kirchenamts den Verziht auf das — ——— als ſeinen Schüler gewonnen 
bisherige in ſich ſchließe. Man verſteht heute un: | haben. Er ſtarb als Märtyrer zwiſchen 161-168; 
ter Optionsrecht dad Recht der Kanoniker, in Gedächtnißtag, der 13. April, in der griechiſchen 


Yuftus, St. 


Kirche der 1. Juni. Erhalten find von ihm brei 
Werke: 1) Die Apologie an Antoninus Pius 
138. 2) Die Heine Apologie an den römiſchen 
Senat. 3) Der Dialog mit Tryphon. Jrrig ihm 
zugeichrieben find: 1) Der Brief an Diognet. 
2) Die Rede an die Griechen. 3) Die Ermahnung 
an die Griechen. 4) Ueber die Einheit Gottes, 
5) Neber die Auferftehung. Juſtin ift der ältefte 
Kichhenvater; der erſte, welder den Glaubens: 
inhaft philofophifch zu behandeln verſuchte. In: 
dem er alö Apologet das Chriſtenthum vorherr: 
ſchend alö Lehre betrachtet, erjcheint ihm Chriftus 
als neuer fittliher Gefetgeber; fo lenkt er in die 
Entwidlung der fatholifhen Kirche ein. Val. Se: 
miſch, Zuftinus der Märtyrer, 1840, 2 Bde. ; Voll: 
mar und Dtto in ber Zeitfchrift für hiſt. Theol., 
1855. 

Zufius, Et. Als Heilige mit diefem Namen 
werben angeführt: Ein Knabe zu Complutum (bei 
Toledo), der unter Diocletian ald Märtyrer ftarb. 
Ein Bischof von Straßburg und ein Biſchof von 
Lyon im vierten Jahrh. ; endlich ein Römer, welcher 
Nachfolger des h. Auguftin in der Miffion nad 
England, als Srybifor von Canterbury 627 ftarb. 
Berühmt geworden ift das Klofter St. Yuft int 
Eftremadara durch den Aufenthalt Karl V. In 
der Bibel lommen drei Männer des Namens Jus 
ftus vor: 1) Juftus Barnabas, Apftg. 1,23. 2) 
Ein Proſelyt zu Korinth, Apftg. 18, 7. 3) Ein 
Judenchriſt zu Kolofjä, Kol. 4, 11. 

Juta, die Prieſterſtadt, Joſ. 15, 65, ift wahr: 
ſcheinlich einerlei mit der Stadt Juda, Luk. 1, 39. 

Juventus, Gajus Vettius Aquilinus, ein 
Presbyter in jeinem Baterlande Spanien gegen 


444 


Kabbala 


330. Als einer der erften rijtlihen Dichter bear: 
beitete er die evangeliſche Gejchichte, treu dem 
Terte beſonders dem des Matthäus folgend, in 
lateinifhen Herametern. Er verfaßte die historia 
evangelica, zuerft gedrudt in Deventer 1490. Aehn⸗ 
lich ift: Liber in genesin, herausgegeben von Bitra, 
Paris 1852. Hier finden fid) auch Fragmente von 
anderen alttejtamentlihen Stüden. Bol. Bähr, 
röm. Ziteraturg., Suppl. 1. 

Ivo, Bio! von Chartres (Garnotenfis), der 
Sohn Hugo's von Autevil, geb. um 1040, war ein 
Schüler Yanfrancs zu Bec, wurde Kanonikus Ai 
Nesle, Abt zu St. Quentin und durch Urban II. 
1092 Biſchof von Chartres, als fein Vorgänger 
abgeſetzt war. Im Inveſtiturſtreit nad) beiden 
Seiten mäßig und bejonnen, behauptete er ebenfo 
ftandhaft gegen Philipp I. in feiner Eheſcheidungs⸗ 
frage das Recht der Kirche, ohne fi) der Gewalt 
zu widerfegen. Geft. 1115. Er wurde 1570 heilig 
gefprochen, Gedächtnißtag, der 20. Mai. Am be: 
fannteften ift er durch eine doppelte Kanonen: 
Sammlung, daö Decretum in 17 Büchern, her: 
ausgegeben von Molinäus, Löwen 1561 und bie 
Pannormia in 8 Büchern, berauägegeben von Seb. 
Brandt, Bafel 1439 und Melch. a Vosmediano, 
Lov. 1557. Das Decretum ift vielfad dem Ivo 
abgeſprochen. Jvos ſämmtliche Werke erſchienen 
in der Patrologia ed. Migne, Paris 1855. 

Jvo, der Heilige. Gedächtnißtag 19. Mai. Ivo 
Helora, geb. 1253, war Priefter und Dfficial im 
Bisthum Trequier in der Bretagne. Er führte 
Proceffe für Wittwen und Waifen und gründete 
ein Spital zu Loſannei, wo er zulegt Priefter war. 
+ 1303. Er ift der Batron ber Juriften, 


8. 


Kaaba, ein altes Nationalheiligthum der Ara: 
ber in ver Moſchee zu Mekla, welches feinen Namen 
(Würfel) von feiner äußeren Form erhalten. Es 
ift ein Gebäude 34‘ body, 27° breit. Die arabifche 
Sage läßt ſchon Adam zur Kaaba wallfahren. Zu 
Abrahams Zeit fam der ſchwarze Stein vom Dim: 
mel, der Hadſchar⸗el⸗Aswad, welcher ebendajelbft 
eingemauert ift. Muhammed bewahrte die alte 
Heiligkeit des Drts und gebot jedem feiner An: 
hänger einmal im Leben dort zu beten. 

Kabafilas, der Jüngere, Nikolaus, Metropolit 
von Theſſalonich ſeit 1354. Von feinem Leben ift 
wenig befannt. Wahrjcheinlich ift er Mönch gewe: 
fen. du Heſychaſtenſtreite nahm er Partei fuͤr die 
Mönche. Sein Hauptwerk: Sieben Bücher vom 
Leben in Ehrifto (herausgegeben von Gaß 1849), 
wird als das befte Product der fpäteren byzanti: 
nifhen Myſtik angefehen. Val. Ga, die Myſtik 
bes Nikolaus Kabaſilas vom Leben in Chrijto, 
1849. — K. der ältere, Nilus, der Dheim des 
u far war ebenfalls Erzbifchof von Theſſalonich 
un 
primatu papae, ed. Matth. Flacius Illyr. 1555. 

Rabbala (Mleberliefertes), bezeichnet die Geheim: 
wiſſenſchaft der Juden, Metaphyfit und Theojo: 
phie, deren Anfänge und Spuren bis hinter Bhilo 
binaufreihen und wovon fi) Andeutungen im 
Talmud finden. In gleicher Weiſe wie der Unter: 
sicht im Geſetz, wurden auch biefe Speculationen nur 


chrieb gegen bie —— Anſpruche: de 


| mündlich fortgepflanzt und waren als Eigenthum 
\ Weniger um foleichter zu einer eigentlichen Geheim: 
| lehre geworben, Ein Zufammenhang mit den Jdeen 
des Neuplatonismus und des Gnofticismus, ent: 
| fernter auch mit chriſtlichen theoſophiſchen Gedanken, 
iſt unverkennbar. Die älteſten literariſchen Quellen 
ſind die beiden Bücher Jezirah und Sohar. Von 
dieſen wird das erſte dem N. Akiba (+ 120) zuge: 
ſchrioben, das andere feinem Zeitgenoffen, dem R. 
Simeon ben Jochai. Bekannt ift diejes aber erft 
im 13. Jahrhundert geworden. Neuere Kritif hält 
bafür, daß, wenn die Lehre felbft auch ältern Ur: 
fprungS wäre, das Bud dod) nicht, ſchon wegen 
der (jüngern talmudifhen) Sprade, vor dem 8. 
Jahrhundert gefchrieben fein könne. Das Bud 
Jezirah entwidelt feine theofophiihen Ideen in 
einer Betrachtung der Zahlen und der 22 Bud): 
ftaben des Alphabets, wobei die alten heiligen 
Zahlen 3, 7, 12 immer wieder hervortreten. Das 
befanntere Buch Sohar (Glanz) geht aus von der 
org der Gottheit, des Yntopp, bes Unend⸗ 
lihen in den 10 Sephiroth, deren Geſammtheit 
der Adam Kadmon, der Urmenſch, das ideale Ge— 
—— der Gottheit iſt. Die Schriftauslegung der 

abbala iſt eine durchaus myſtiſche und ſtützt ſich 
auf exegetiſche Künſteleien, indem z. B., um den 
geheimen Sinn der Stelle zu treffen, der Zahlen: 
werth der Buchſtaben betradjtet wird, anderer weit 
fünftliherer und thörichter Spielereien nicht zu 


Kabzeel 


edenlen. Die ſpätern kabbaliſtiſchen Schriftſteller 
Biideten die Lehre weniger aus, als daß fie dieſelbe 
commentirten und die oft duntle und durch über: 

äufte Bildrede unverftändliche gr der rund: 
—* auszulegen ſuchten. Es ſchloß ſich hieran, 
da die Kabbala die Unterſuchung über die Schö— 
pfung und die wirkenden Kräfte in ſich faht, die 
Ausartung in Magie und Alchymie, welche in den 
fpätern Zeiten mit der Kabbala verbunden war. 
Seit Raymundus Lullus wurde die Aufmerkſam— 
leit aud) der chriſtlichen Philofophen der Kabbala 
zugewendet; Giordano Bruno, Joh. Picus Miran: 
dula fuchten das Chriftenthum dadurd) jpeculativ 
zu begründen, Reuchlin verpflangte ihr Stubium 
nad) Deutſchland und durch Paracelſus und Jal. 
Böhme haben die theoſophiſchen Ideen Einfluß 
auf die chriſtliche Philoſophie gewonnen, welcher 
eben durch Böhme ein bis auf unſere Zeit reichen: 
ber geworden ijt. Vgl. Molitor, kaitbfopdie ber 
Geſchichte, 1827; A. Frank, la Kabbale ou la 

hilosophie religieuse des hebreux, 1848, über: 
le t von Jellinek; Lutterbed im 1. Band bes neu: 
tejtamentlichen Zehrbegriffs. 

Kabzeel, eine Stadt im Stamme Juda, Jof. 
15, 21; Neb. 11, 25, Baterjtadt des Benaja, 2. 
Sam. 23, 30, 

ſtades oder Habeöbarnen, 4. Mof. 20, 14 vgl. 
32, 8; of. 14, 7, hieß früher Born:Mifpat, 1. 
Moj. 14,7, wie es fcheint, ein von Alters her hei: 
liger Ort. Hier lagerten die Iſraeliten längere 
Beit, 4. Moj. 13—20, als die Furcht des Voltes 
über den Bericht der Kundſchafter den Einmarſch 
in Baläftina unthunlich machte, und wandten ſich 
von da zum Angriff von der Ditjeite des Jordan. 
Da der Ort jpäter nicht mehr genannt wird, ift 
die Lage unficher, auf der Grenze der Wüſten Pa— 
ran und Zin im Antheil des Stammes Juda. 

Kadmoniter, 1. Mof. 15, 19, ein unbeftimmter 
Ausdrud, gleihbedeutend mit Morgenländer ; ge: 
meint find arabifche, nach dem Euphrat hin woh: 
nende Stämme. 

Käfer re Soel 1, 4; 2, 25, wo ri): 
tiger Heuſchrecken veritanden werben. 

Kärnten und rain. Im Slavenreiche der 
Karantanen machten jchon der heil. Ruprecht und 
Amandus Berfuche der Evangelifirung, welche aber 
erſt Erfolg hatten, als durch Karl den Großen das 
Land zum Frankenreich geichlagen war und bie 
geiftlihen Beftrebungen mit weltlichen Mitteln 
unterftügt wurden. Als Apoftel von Kärnthen gilt 
Modeſtus, weldhen der Biſchof Pirgilius von Salz⸗ 
burg mit mehreren Kleritern dem Fürften Chetti- 
mar gejendet hatte. Feiten Grund gewann die 
Kirche, als das Her — unter Arnulf an Bay⸗ 
ern fam, und durch die Stiftung der Bisthümer 
Gurk 1072 und Zavant 1228, Streitig war lange 
dad Metropolitanrecht zwifhen Salzburg und 
Aquileja, denn fhon Karl der Große hatte einen 
Theil von Kärnthen Aquileja — Krain 
war von Aquileja aus chriſtianiſirt; als fein Apo⸗ 
ſtel gilt Fortunatus, ein Diakon des Biſchofs Her: 
magora3 von Aquileja. Auch bier mwiderjegten 
ſich die Slaven lange. Das erfte Klofter wurde 
1156 geitiftet, und die Firdhliche Verwaltung lag in 
den Händen eines italienifchen Vicars, bis 1461 
das Bisthum Laibach deftiftet wurde. An Defter: 
teich fiel Kärnthen 1335, Krain 1232, Die Refor- 
mation predigte zuerft Primus Truber (f. d. Art.), 
Domherr zu Laibach. 1555 war bei weitem ber 


445 


Kalande, Kalandsbrüder 


ößte Theil des Volles evangelifh und erhielt 
572 die freie Religionsübung zugeftanden. Aber 
den energifchen —— er Katholiken durch 
den Fürſibiſchof Thomas Chrön und Ferdinand II. 
feit 1598, der alle Evangelifchen vertrieb, gelang 
es ſchon 1601, diefe Kirche —— auszurotten, 
welche durch die vielfachen eng age 
und den Mangel einer Berfaffung innerlich bereits 
eſchwächt war. Seit der Stiftung der Guftan- 
dolf-Gemeinde in Laibad) zählen Kärnthen und 
Krain 17 Gemeinden. 

Käfe, 1. Sam. 17, 18; 2. Sam. 17, 24; Hiob 
10, 10. Daß den Juden der Käfe nicht unbelannt 
war, läßt fi aus den Gewohnheiten der Bebui- 
nen ſchließen, wird aber durch das Käſemacherthal 
bei Jerufalem beftimmt angezeigt. 

ſtahath, der Sohn Levis (1.Mof. 46, 11), durch 
Amram der Stammvater des Moſes (2. Mof. 
6, 20). Die Kahathiter hatten als das vornehmfte 
Geſchlecht der Leviten die Beforgung des Allerhei: 
ligften beim Zuge (4. Mof. 4, 4 ff.). 

ſtahnis, Karl Friedrih Auguft, geb. den 22, 
December 1814 in Greiz, ftudirte in Halle und 
habilitirte fih 1842 in Berlin ald Privatdocent 
der Theologie; 1844 erhielt er eine Profeſſur in 
Breslau; 1848 trat er zu den Altlutheranern über, 
erregte aber, da er fi) den Symbolen gegenüber 
freier bewegte, bei den [utherifchen Orthodoren 
um fo größeren Anſtoß durch feine jpäteren Schrif: 
ten, die er (jeit 1850 Profeſſor in Leipzig) heraus: 
gab. Die Lehre vom heiligen Geift 1847; die 
Lehre vom heiligen Abendmahl 1851; der innere 
Gang des deutichen Proteftantismus 1860; die 
lutherifche Glaubendlehre 1861—64. 

in, Stadt in Juda (of. 15, 57). Nach 
van ber Velde das heutige Yelin im S.:D. von 
Hebron, 

Kain, Wie fi in Kain die Sünde zuerft weis 
ter entwidelt und er ihren Fluch erfährt, jo wird 
er mit feinen Nahfommen als der Träger des 
weltlihen Gulturlebens geſchildert, aber zugleid) 
als der Gegenfag wilder unbändiger Stämme ge: 
gen die friedlichen Sethiten. Das Zuſammenſtim— 
men der Namen in den Gefchlechtsregiftern Seths 
und Kains hat verfchiedene Erklärungen hervor: 


gerufen. 

Kainiten hieß eine Secte der Ophiten, welche 
den Haß gegen das Judentum darin ausſprachen, 
daß fie Kain vom Demiurgen verfolgt, von der 
Sophia aber beſchützt fein ließen und ſich feine 
Anverwandten nannten. 

ſtaiphas hieß nad) Jofephus Jofeph und wurde 
unter dem Landpfleger Valerius Gratus (15—27 
n.Chr.), der ſchon früher den Annas, den Schwie: 
gervater des Kaiphas, abgeſetzt hatte, Hoherprieſter 
und behauptete fi in dem Amte bis zum Jahre 
37. Er erſcheint als ein energifcher Charalter, der 
das Mittel nicht fcheut, um den Zwed zu erreichen 
(Job. 11, 49). 

ſtaiſerswerth ift Die Rheinau, welche dem hei: 
ligen Suidbert von Pipin eingeräumt wurde, wo 
er jeine Klöſter erbaute, Weit bekannter ijt das 
an jener Stelle — die aber nicht mehr Rheininjel 
ift — liegende Städtchen jeit 1836 durd lied: 
ners Diafonifjenanftalt und die damit zufammen- 


hängenden Inſtitute (f. mens), 
Kalande, Kalandsbrüder. Bon dem lateinifchen 
ten Tag des Monats 


Worte Calendae, dem 
abgeleitet, bezeichnet das Wort Genofjenjhaften 


Kalb, goldenes 


des Mittelalterö zu gemeinfanen Andachtsübun— 

en und gegenjeitiger Unterjtügung, bejonders bei 
Eterbefällen, weldhe ihre Zufammentünfte am 
erften Tage jeded Monats zu halten pflegten. Ob: 
gleich durchaus nicht Höfterlicher Art, ftanden fie 
doch unter Aufficht des Biſchofs. Bei zunehmen: 
dem Vermögen arteten die Genoſſenſchaften in 
überall aus und wurden in der Reformation auf: 
gehoben. 

Ralb, goldenes (richtiger Stier). Aaron jo we: 
nig als die fpäteren i raelitiichen Könige dachten 
bei der Aufrichtung des Stierbildes daran, von 
den Jehovahcultus abzufallen und etwa zum 
ägyptiſchen Thierdienft — ſondern es 
ſoll in dem Stier nur Jehovah ſymboliſirt wer: 
den. Daher können auch die Könige, welche vor 

ehu den Götzendienſt ausrotten, den Dienſt des 

tierbildes beftehen laffen. Es ift nidyt unwahr: 
ſcheinlich, daß die Semiten, ähnlich wie andere 
Völker, in dem Stiere ein Sinnbild der jchaffen: 
den Urkraft der Natur ai haben, jo daß das 
Bild ihnen die Gottheit vorjtellen fonnte. Da das 
Stierbild in der Wüfte verbrannt und zu Staub 
zermalmt wurde, jo ift an ein hölzernes Geftell 
mit gegofienem Gold befleidet zu denken. Die 
Stierbilder im Reihe Jirael jollten nationale 
Heiligthümer fein und das Volk von der Berüh— 
rung mit dem Tempel fern halten. Es jcheint, 
daß auch unter den Bildern der Nidhterzeit joldhe 
Stierbilder zu verftehen find (Richt. 17, 3; 18, 
14. 17. 30; 8, 27. 

Kalderon (richtiger Calderon), spanischer Dich⸗ 
ter. Geb. 1601 aus altadligem Geſchlechte, jtudirte 
er zu Salamanca und zeigte ſchon da jeine did): 
teriiche Begabung, trat in Kriegsdienſte in Mai: 
land und Flandern, wurde 1630 Ritter von St. 
Jago, zog als jolcher nody einmal 1633 ins Felo und 
trat dann 1651 in den Priefterftand. Wie er als 
Soldat der Beihäftigung mit feiner dramatiſchen 
Muſe nicht entjagt hatte, eben jo wenig als Prie: 
fter. Die Gunft des Königs, der ihn an jeinem 
Hofe mit Pfründen überhäufte und die Bewun— 
derung feiner Zeitgenofjen verlieh ihn nicht. Die 
Zahl Pie Komödien beläuft fih auf 121. Für 
die Gejchichte der Religion und der Kirche ift K. 
dadurch bemertenswertb, daß fich in jeinen „Komö: 
dien“, und nicht nur in den geiftlihen Schaufpie: 
(en, der religiöfe und fittlihe Charakter jeiner 

eit und jeines Volles, welches damals im Zenith 
eines Ruhmes ftand, jo vollftändig ausfpricht. Er 
—— den Katholicismus mit aller Roman: 
tif, wo der Mangel wahrhaft fittlider Gedanten 
unter dem Glanz der Formen und der Sagungen 
verborgen ift. Vgl. Schmidt, Schaujpiele Calde— 
rons, Elberfeld 1857, 

Kaleb, ver Sohn des Jephunne. Er war einer 
der von Mofes abgejendeten Kundſchafter und er- 
munterte das Volk, den Angriff auf Kanaan zu 
wagen (4. Mof. 13, 6. 30; 14, 24). Er erhielt als 
Belohnung die Umgegend von Hebron zum An: 
theil, wo er aber erft die Enafäfinder noch vertrei⸗ 
ben mußte. Daß er ein Keniffiter (4. Mof. 32,12; 
of. 14, 6) genannt wird und Sohn des Kenas, 
erflärt Ewald jo, daß Kaleb fich mit den im füd- 
lien Baläjtina anſäſſigen Keniffitern verbündet 

abe und von ihnen als ihr Stammgenoſſe, ja 

tammeshaupt anerkannt fei, jo daß 1. Chr. 4, 
15 deßhalb Stenas auch Kalebs Enkel genannt 
werben konnte, 


446 


Kallirrhoẽ 


Kalender. Der jetzt gebräuchliche Kalender hat 
ſich aus dem römischen entwidelt. Man unterſcheidet 
demnach zwiſchen dem Julianiſchen und Gregoria- 
niſchen. JuliusCäſar theilte nämlich, die altrömiſche 
Weiſe abändernd, das Jahr in 12 Monate oder 
365 Tage, jo daß alle 4 Jahre ein Schalttag ein: 
geihoben wurde, weil das eigentliche Sonnenjahr 
365"/4 Tage umfaßte. Da das Sonnenjahr etwas 
fürzer ift, al3 angenor.imen worden, fo entitand 
alle 154 Jahre eine Differenz von einem Tage; ein 
Mißſtand, weicher im 15. Jahrhundert bei der Be- 
rechnung der Dfterfeier jchon jehr fühlbar wurde 
und die Goncilien zu Coftnig 1414 und Baſel de: 
ſchäftigte. Gregor III. Heite durch die Bullevom 
24. Februar 1582 das richtige Berhältnig wieder 
ber, indem er auf den 4. October des Jahres den 
15, fallen ließ und anordnete, daß von den Schluß⸗ 
jahren die Jahrhunderte (aljo 3. B. 1700, 1800, 
1900) allemal drei fein, dagegen immer das vierte 
ein Scaltjahr jein jolle. Diefer verbefferte Ka— 
lender wurde von den evangeliihen Ständen 
———— verweigert, weil Fr Annahme alö 
Anerkennung der päpftlihen Autorität hätte ge: 
deutet werden fünnen; fie nahmen einen dritten 
verbefferten Kalender an, in welchem gleichfalls 
im Jahr 1700 durch den Ausfall von 11 Tagen 
die Fruhlings-Tag⸗ und Nechtgleiche auf den 21. 
März gebradht wurde, der wahre Dftervollmond 
aber jedes Mal aitronomijch berechnet werben 
follte. Hierdurch entjtand 1724, 1744 und 1788 
eine Differenz der Dfterfeier um 8 Tage, welche 
in ben Ländern gemijchter Confeffionen die größ—⸗ 
ten ———— eiten hervorrief, ſo daß das Cor- 
pus Evangelicorum auf Antrag Friedrid) d. Et 
1775 den Gregorianiſchen Kalender annahm. Aut 
die Rufjen folgen noch dem Julianiſchen, oder 
zählen ihre Sabre nad dem alten Stil. — Die 
gegenwärtige Form der Kalender ift jüngeren Da: 
tums. Zwar hatten ſchon die Römer ihre Galen- 
darien mit Angabe bürgerliher und religiöler 
Feierlichkeiten. Erft jeit dem 4. Jahrhundert fin 
det fid aber ein Kalender mit Andeutung der 
Woceneintheilung, bis ins 8. Jahrhundert fennt 
man dann nur Kalender in allgemeiner für ale 
Jahre gültiger Faſſung mit Hülfsmitteln durch 
die Buchſtaben der Wochentage A—G, und die 
Jahre des Mondeyflus 1—19, das Dfterfeit und 
die einzelnen Wocdentage zu berechnen (immer: 
währender Julianifcher Kalender). And hierin 
wurden denn die Feſtverzeichniſſe jeder ag er 
Gemeinde, ihre Märtyrertage eingetragen. Durd 
bie Zufammenjtellung derjelben mit dem reid: 
haltigjten der römischen Gemeinde, wurden denn 
alle Tage mit Heiligennamen bejegt. Erſt nad 
dem 15. Jahrhundert fommen Kalender für ein be: 
ſtimmtes Jahr mit demjelben angepaster Woden: 
und Feitordnung zum allgemeinen Gebraud. Die 
evangeliihe Kirche hat den Gregorianifhen Ka: 
lender übernommen, wie er vorlag, mit allen ſei— 
nen Heiligennamen, die ald Bezeichnung der Ter 
mine volfsthümlid; geworden waren. In den 
legten Jahrzehnden ſucht man (Piperd Evangel. 
Kalender) den Gedanten auszuführen, für das 
evangeliiche Volt den einzelnen Jahrestagen den 
Namen von Perjonen zu geben, deren Gedächtniß 
auch be evangeliſchen Kirche lieb und theuer fein 
önnte. 

Kallirrhoö, ein Ort mit warmen mineralifhen 
Bädern unweit des todten Meeres, welcher aber 


Kalmus 


nicht in der heiligen Schrift, ſondern erſt bei Jo— 
ſephus erwähnt wird. 

Kalmus (calamus odoratus). Aus der Wurzel 
diefer Pflanze wurde Salböl und Räucherwerk be: 
reitet, vgl. 2. Moj. 30, 23. Die Pflanze wächſt 
aud in Paläftina wild, doch wurde der indiſche 
und arabijche K. höher geichägt. 

Kaltern iſt eine Stadt im ſüdlichen Tyrol. Die 
——— von Kaltern iſt die Maria von Mörl 
9. d. A.). 

ſtameel. Dasſelbe war als Laſt- und Reitthier 
auch den Iſraeliten unentbehrlich, namentlich 
in der Zeit des Nomadenlebens. Noch David 
hatte Heerden von Kameelen (1. Chr. 23, 30). Er: 
—— werden beide bekannte Arten, die zwei— 
höckerigen Kameele (Jeſ. 30, 6) und der einhöcke— 
rige Dromedar (Jeſ. 66, 20). Die Behandlung 
und Fütterung wird geſchildert 1. Moſ. 24, 14. 
19—22. 31. 32. Als im Kriege benußt werden 
Kameele angeführt 1. Sam. 30, 17; Jeſ. 21, 7. 


Im N. T. geſchieht des Kameels nur Erwähnung 
in der priowörtiihen Redensart (Matth. 19, 24; 


Luft. 18, 15) und der Kameelshaare als des Stof: 
es ;u geringer Kleidung (Matth. 3, 4). Als Wie: 
erfauer ohne gejpaltenen Huf war das Kameel 

unrein; bei arabijhen Völkerſtämmen wird fein 

Fleiſch gern gegeſſen. — 

Kammer, u > oliſche, iſt das päpftliche Finanz: 
bepartement. S. GEurie. 
Kamon, Stadt in Gilead, Manajje gehörig. 


Kamphanfen, Adolf Herm. Heint., Dr. theol. | 


Geb. den 10. Sept. 1829 zu Solingen, jtudirte er 
1849 — 55 zu Bonn, jiedelte dann, von Bunjen 
berufen, als PBrivatdocent nad) Heidelberg über, 
rehabilitirte fi 1859 in Bonn, wo er 1863 a. o. 
Profeſſor und 1868 o. Profeſſor der Theologie 
ward. An der Ueberjegung und kurzen Erflärung 
des N. T. in Bunjens Bibelwerk ftärfer betheiligt 
als Bunjen und defjen übrige Mitarbeiter zuſam— 
men, jchrieb er außerdem exegetiſch⸗kritiſche Mono: 
graphien über „Das Lied Moſes“, 5. Moj. 32, 


1—43 (Leipzig 1862) und „Das Gebet des deren“ | 


(Elberfeld 1566). 

Rang, Stadt in Galiläa (Joh. 4, 46). Nad) 
der Ktlojterlegende das Dorf Kenna bei Nazareth, 
nad) Robinſons Beftimmung aber und der älteren 
Tradition das Häna el Dicelil, drei Stunden von 
Nazareth. — 2) Eine Stadi in Aſſer, jetzt ein 
Dorf gleichen Namens zwiſchen Tyrus und Sa: 
fed. — 3) Ein Bach, welcher die Grenze zwiſchen 
Manaſſe und Ephraim bildete (of. 16,8; 17, 9). 


Der Rohrfluß, welcher zwiſchen Cäſarea und | 


Apollonia ins Meer fällt. 


Kanaan und die Kanaaniter. Kanaan bedeutet | 


nad) der Etymologie ein Niederland; daher kann 
urfjprünglich Die Bezeichnung nur auf die Niederung 
am Jordan und die phöniciihen Ebenen am Meere 
Bezug gehabt haben und wurde jpäterhin auf das 
ganze Gebirgsland diefjeit des Jordan ausgedehnt, 
welches jest Paläftina genannt wird. — Die Ka⸗ 


naaniter, welche die Sfraeliten im Lande antrafen, | 


waren nicht die Ureinwohner, jondern vom per 
ſiſchen Meerbufen her eingewandert, hatten fie bie 


447 





Kanon 


| bend. Zur Zeit der Einwanderung aus Yegy,ten 
hat ſich dies geändert, das Land ift dicht bevölkert, 


mit Städten bejegt, die unter Königen ftehen, 
oder aud) in den Suffeten, Richtern, wie bei den 
Phöniciern, Spuren älterer republicaniicher Ein- 
| richtungen zeigen. Die Jiraeliten vermochten nicht 
| die eigentliche Abſicht auszuführen, die fanaaniti: 
ſchen Stämme gänzlich auszurotten und aus dem 
Lande zu verbrängen; fie mußten ſich begnügen 
fie zu unterwerfen und in ein Hörigfeitäverhält- 
niß zu bringen. Eine Vermiſchung mit denjelben 
wurde durch das Gejek jorgiältig verhütet. Erſt 
in der Königszeit gelang es, die legten fanaanitt: 
ſchen Städte zu erobern, Die Religion der K. 
war urfprünglid Naturdienft, der vereinzelt ſich 
um Monotheismus erhob (Meldifedef); in der 
iteren Periode hat diefer Naturdienjt fi zum 
ultus des Baal und der Aitarte entwidelt unter 
dem Einfluß der phöniciſchen Cultur und drang 
von dort in Iſrael ein. Biel bejproden iſt das 
Verhältniß der Sprache. Weil nämlich die Kanaa- 
niter entſchieden zu den Hamiten gezählt werden, 
ihre Sprache aber, wie das Phönicifche bezeugt, 
gleihen Stammes mit dem Hebräifchen ift (Jef. 
19, 18), jo blieb nur die Wahl zwiſchen der Ans» 
nahme, daß entweder die Iſraeliten ihre Sprache 
den überwundenen Kanaanitern aufgedrängt, oder 
jelbjt die Sprache des Landes angenommen hät- 
ten. Zu der legtern Anficht befennt fi) die Mehr: 
zahl der gegenwärtigen Forſcher. 

Kandace ist der allgemeine Titel der äthiopifchen 
Königinnen, weldhe zu Napata im Norden von 
Meroe herrichten. Apftg. 8, 27 wird ein Eunuch 
einer Königin erwähnt. Die Tradition legt dem: 
jelben den Namen Indich bei und madt ihn zum 
Apojtel ver Aethiopen, obgleich das Evangelium 
dort erjt weit jpäter verbreitet ift. 

Kanon heißt bei den Glaffifern Meßrohr, dann 
Regel, Norm. Im N. T. Gal. 6, 16; Phil. 3, 16 
ſoviel als Richtſchnur, Grundfag, 2. Kor. 10, 13 
‚ joviel als Wirkungskreis. In der kirchlichen Zeit 
(Drigenes, Chryfoftomus u. N.) die dogmatiſche 
Richtſchnur in der h. Schrift und der Weberliefe: 
rung; daher ZıBkia xavorızd, Bücher, welche dieſe 
Regel enthalten; endlich das Verzeichniß folder 
Bücher, daher Fukia zuvorızöueva, deren Zahl 
begrenzt und abgeſchloſſen iſt. — Kanon des 
Alten Tejtaments. Schon früh gab es einzelne 
Heine Sammlungen von Geſchichten oder Liedern, 
wie einzelne Citate deö A. T. zeigen (of. 10, 13; 
4. Moſ. 21, 14). Zu Hisfias Zeit entitand eine 
Sammlung Salomonijher Sprüde (Spr. 25, 1). 
Der Bentateud) findet in Jofias Zeit feinen Ab- 
ſchluß. Eine eigentlih anerfannte Sammlung be: 
jtand aber vor dem Eril nicht, erft mit diefem er: 
wachte bas Bedürfniß zu erhalten und zu ſammeln. 
| Die Sage läßt Esra und die große rg bie 
Sammlung der altteftamentlihen Bücher zum 
Kanon vornehmen, was aber keine fichere geichicht: 
lie Stütze hat. 2. Matt. 2, 13 wird aud) Nehe— 
mia eine ähnliche Thätigkeit zugefchrieben. Dan, 
9,2 ift die Sammlung der Propheten als voll: 

ogen vorausgejegt. Die Palmen find in ver: 








Urftämme der Rephaiter, Sufiter, Emiter, Ena- | ——— Sammlungen zuſammengefaßt worden; 


fiter und Horiter überwunden und verdrängt. Ein | wenn es nad Annahme Einiger wirklich etliche 
abgejonderter nicht mit ihnen verwandter Stamm malkabäiſche Pjalmen giebt, jo können diefe erſt 
find die Philifter. Zur Batriarchenzeit treffen wir | nachträgli in den fertigen Rahmen der fünf 
Ranaan nod) dünn bevölkert und die Einwohner | Bücher eingejchoben fein. Die ältefte Anführung 
in wenigen Städten meiſt noch ald Nomaden le: einer das ganze A. T. umfafjenden Sammlung 


Kanon 


findet fich im Prologe des Jeſus Sirach (130 v. 
Ehr.). Aus dem Neuen Teftamente find Stellen 
wie Luk. 24, 44; Matth. 23, 35 zu erwähnen, 
welchen übrigens nichts Beſtimmtes über die ein- 
zelnen Bücher zu entnehmen ift. Joſephus zählt 
22 Schriften des A. T. auf und läßt diejes unter 
Artarerres Longimanus zum Abſchluß gelommen 
fein. Die zulegt gefammelte Abtheilung bilden die 
Hagiographen, die frühefte das Geſetz, während 
die Propheten nach Maleachi abgefchloffen wurden. 
Die Aufnahme in den Kanon war bedingt durch 
ben echt religiöfen und vaterländifchen Geift, der 
die Schriften durchwehte und der namentlich in 
der Perfon einzelner Berfaffer eine Bürgſchaft 
fand. Wann der Zeitpunft eintrat, in weldyem die 
Juden das Bewußtſein von dem Aufhören des ka— 
nonifchen Geiftes empfingen, ift nicht genau an: 
ugeben; die Juden jegen ihn gewöhnlih nad) 
aleadhi, er ift aber jpäter zu fegen. Ohne Zweifel 
waren etwa um bie Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. 
ſchon ſämmtliche Beſtandtheile des altteftament- 
lichen Kanons beiſammen, wenngleich der förmliche 
officielle Abſchluß desſelben erſt nach Jeruſalems 
Zerſtörung erfolgte. — Kanon des Neuen 
Teſtaments. Vor der Mitte des 2. Jahrh. findet 
fit) noch feine Andeutung einer Sammlung von 
Schriften bes N. T. Für das dogmatiſche Be— 
bürfniß ber Zeit reichte die mündliche Tradition 
noch aus. In den Berfammlungen der Chriften 
wurden Stüde des A. T. gelefen. Eitate neutefta: 
mentlider Schriften, wenigftens mit dem Gebraud) 
derjelben als Autorität fommen in diefer Zeit noch 
wenig vor. Erft als die Apofryphen Literatur 
immer mehr zunahm und namentlich die gnofti» 
ie Häretifer fih für ihre Zwede der apoftoli» 
hen Schriften bemäcdhtigten, begann man der Ab: 
fonderung der lekteren von den eingejchlichenen 
rößere Aufmerfjamleit zuzumenden. Die erite 
Sammlung von Schriften findet ſich bei dem Gno: 
ftifer Marcion, enthaltend das Evangelium Chrifti 
(10 edeyyekıor) und 10 Briefe Pauli (6 drrocrodog) 
in folgender Ordnung: Galater, Korinther, Nö: 
mer, Thefjalonider, Laodicäer, Kolofjer, Phile: 
mon, Philipper. Gegen Ende des zweiten Jahr: 
ndert3 war das Bemußtfein von der dem Alten 
eſtament gleichftehenden, der Autorität mind: 
licher Ueberlieferung gleichberechtigten und mit ihr 
völlig übereinftimmenden Autorität der Neutefta- 
mentlihen Schriften ſchon vollftändig vorhanden. 
Irenäus, Tertullian und Clemens Al. find die 
Vertreter dieſes Bewußtſeins; fie find einig in ber 
Anerlennung der vier Evangelien, der Apojtel: 
Ar ge dreizehn Pauliniſcher Briefe, eines Petri: 
nifhen und eines Johanneiſchen und endlich der 
Apotalypfe. Die Eintheilung „das Evangelium” 
und „der Apoftel” ift in diefer Zeit gemöhnlid. 
Die Ordnung der Schriften noch ſchwankend, rich: 
tete ſich nad ——— Alter (Evangelien), 
Rang der Verfaſſer (daher die katholiſchen Briefe 
vor den Pauliniſchen), Bedeutung der Adreſſaten (jo 
bei den Bauliniichen Briefen). Die Ausdrüde „Al 
tes und Neues Teftament”, „Schriften“ (für beide 
ZTeftamente) fommen erfterer bei Drigenes und 
Zertullian, leßterer bei Theophilus vor. Bald 
finden wir Erweiterungen ber genannten Samm: 
lungen. Die ſyriſche Ueberfegung Peſchito (Anf. 
bes 3. Jahrh.) enthält au den Yalobus: und 
Hebräerbrief ; Dagegen fehlt in ihr die Apofalypie, 
2. Petri⸗, 2. und 3. Johannis: und ber Judäbrief. 


448 


Kanonenfammlungen 


Der Muratorifche Kanon (2. Jahrh.) enthält die 
Briefe Jakobi, Betri und an die Hebräer nicht, da— 
gegen den Hirten bes Hermas und die Apofalypfe 
des Betrus,aber ohne die legtere den andern Schrif: 
ten gleid zu ftellen. Drigenes unterſchied ſchon 
zwiſchen echten (yrrjmoı), unechten (»o90r, 3. B. 
Hermas) und gemifchten wuxroi (3. B. 2. Petrus⸗, 
2, und 3. Johannesbrief). In der Folgezeit famen 
bie katholischen Briefe und der Hebräerbrief immer 
mehr zu Ehren, während die Apofalypje an An: 
fehen verlor (nit im Abendlande). In biefer 
nod immer ſchwankenden Haltung finden wir die 
Sammlung des Kanons bei nr ius in der be: 
rühmten Stelle Kirchengefch. III. 3, 25. 31. 39, 
Im Ganzen mit Drigenes übereinftimmend theilt 
erin folgender Weife ein: 1) ouoAoyovusre (allge: 
mein anerlannte Schriften): Evangelien, Acta, 
13 Pauliniſche Briefe (der Hebräerbrief einmal, 
ein andermal unter, den widerfprochenen), 1. Jo: 
bannes:, 1. Petrusbrief u. Apokalypſe. 2) dvrıde- 
yousva (widerjprodhene): Jakobus, Judas, 2. Pe⸗ 
trus:, 2. und 3, Sohannesbrief. 3) »69« (un: 
echte): ber ” Apofalypje des Petrus, Barna- 
baöbrief u. ſ. w. Uebrigens ift der Unterſchied 
zwifchen den beiden legten Kategorien bei Euſe— 
bius fein feftbegrenzter. Jetzt kam auch der Aus: 
brud „kanoniſche“ Schriften für die erſte Claſſe 
auf. Daneben ftanden aber in praftifch-tirchlicher 
Geltung noch eine Anzahl von Schriften, welche 
nach der eracten Unterjcheidung der Gelehrten 
feinen dogmatiſchen Werth rn Bi wie die alt- 
teftamentlihen Apofryphen, die widerſprochenen 
neuteftamentlihen Schriften, Barnabas u. f. w. 
Als apofryphiihe Schriften wurde eine dritte 
Gattung bezeichnet, welche keinen kirchlichen Wert 
befiten follte. Als hierauf die Mittelclafje fi 
allmählich in die beiden andern verlor, war Die 
Zeit gelommen zur kirchlichen Firirung des neu: 
teftamentlichen Kanons. Die Synode zu Yaodicea 
(um 360) zählt jämmtliche fanonifhe Schriften 
(wobei übrigens die Apofalypfe nod fehlt) auf 
und verbietet die öffentlihe Vorlefung aller an: 
bern. Im Abendlande jegten nad) den Autori» 
täten Hieronymus und Auguftin die Verfamm: 
[ungen zu Hippo (393) und Karthago (397) den: 
felben Kanon (mit der Apofalypfe) feit und wurden 
einige on nachher beftätigt von Rom durch 
Biſchof Innocentius und das fogenannte decretum 
Gelasii (um 495). Vgl. die Einleitungen ins Alte 
und Neue Teftament. Crebner, zur Geſchichte 
bes Kanons, 1847; Baur, über die Bedeutung 
des Wortes xavuv in Hilgenfelds Ztichr., 1858; 
Credner, Geſchichte des neuteftam. Kanon, her: 
ausg. von Bollmar 1860, 

Kanonen: und Decretalienfammlungen. Da 
die apoftolifhen Conftitutionen und Canones 
entſchieden unecht find, jo findet fich die ältefte 
fihere Erwähnung einer Kanonenfammlung auf 
dem Eoneil zu Chalcedon; diefelbe umfahte die 
Beichlüfie der Synoden von Nicäa (325) und von 
Antiohia (332), wahrfcheinlih aud von Ancyra 
(314), Neucäjarea (814) und Gangra (365). 
Den Inhalt derfelben, vermehrt aus den apofto: 
liſchen Gonftitutionen und anderen Quellen, be- 
arbeitete Johannes Scholafticus in der Collectio 
canonum in 50 Titeln; aus demjelben Berl ent: 
tand der Nomocanon, demjelben Berfafjer zuge: 
chrieben, welder die einjchlägigen bürgerliden 
Geſetze aus den Pandelten und Novellen beifügte. 


Kanonenfammlungen 


Als das Concilium quinisextum (692) die Urkun⸗ 
den des geltenden Kirchenrechtes genauer bezeich— 
net hatte, veranjtaltete der Patriarch Photius 883 
eine Sammlung derjelben, welche in der griechi— 
hen Kirche im Gebrauch geblieben und von Bal: 
amon 1170 commentirt und mit Scholien verjehen 
it, Ein alphabetifch geordnetes Syntagma, bei dem 
wieder die bürgerlichen Geſetze angezogen find, ver: 
fertigte um 1335 Matthäus Blajtares. Eine 
Sammlung aus .diejen und anderen Quellen und 
Gommentarien hat der Mönd Theodoricus vom 
Berge Athos 1800 in Leipzig druden lafjen. — Im 
Abendlande wurden zunächſt die griechiſchen Con: 
eilienbeſchlüſſe überjegt und gefammelt. Die ältefte 
biejer gg ift die jpanifche oder Iſido⸗ 
rifhe vor 439. Dann in Jtalien die translatio 
prisca (ed. Justeau in der bibl. jur. can. 1660), 
endblid die Sammlungen des Dionysius exiguus 
in Rom gegen Ende bes 5. Jahrh., deren erjte den 
befannten griehifhen Stüden die 50 Conftitu: 
tionen der Apoftel und die Bejchlüffe des Goncils 
von Karthago voranjtellte; die andere aber eine 
Anzahl von Deeretalen der Päpſte Siricius bis 
Anaftafius II. enthielt. Dieſe Sammlung wurde 
noch vermehrt und als von Hadrian 774 an Karl 
den Gr. ein folhes Eremplar geſchenkt war, als 

odex canonum recipirt und ben Gapitularien zu 
Grunde gelegt (Ausgaben diefes Codex Dionyso- 
Hadrianeus bei Richter, Kirchenr. ©. 119). Die 
Ganones ber ehe Kirche fammelte 547 
Aulgentius Ferrandus, Diakon zu Karthago unter 
Beifligung eines Exemplars aus der Iſidoriſchen 
Sammlung (breviatio canonum), und Grefconius 
orbnete 690 die ganze Dionyſiſche Sammlung 
nah Materien unter 300 Ziteln (Concordia 
canonum). In England bearbeitete Egbert von 
Dort die vorhandenen Duellen und Hucarius 
machte 1040 daraus einen Auszug. Eigentlich 
angelſächſiſche Kanonenſammlungen find nicht er: 
halten. Bon Wichtigkeit ift bie ange Samm: 
lung, welche mit Unrecht dem Iſidor von Sevilla 
zugeichrieben und mit welcher jpäter die Pſeudoiſi⸗ 
dorischen Decretalen verbunden worden find, 
Diele Sammlung, weldye allmählich vermehrt und 
——— iſt, enthält in dem erſten Theile 
Collectio canonum ecel. Hisp. (Matrit. 1808), 
die griechiſchen Canones, die von 7 afrifanijchen, 
16 galliihen, 36 ſpaniſchen Synoden, im zweiten 
Theile Epistolae decretales ac rescripta Rom. 
Pont. (Matrit 1821) 103 Decretalen der Bäpfte 
von Damafus bis Gregor I, — Bei den ferneren 
Bearbeitungen wurden im Frankenreiche aud) an- 
dere Quellen wie Bußbücher und Kirchenväter be: 
nugt, fo in der Colleetio Acheriana aus dem 9, 
Jahrhundert und der PoenitentialisS Halitgars 
von Cambray. Die auf das Kirchenrecht bezüglihen 
Gapitularien jammelte Anjegifus von Yureuil 
(}. d. A.), und Benedict Levita, Diakon in Mainz, 
bearbeitetedanad jeinegufammenftellung,inwelde 
er, als der erjte, die Pſeudoiſidoriſchen Decretalen 
aufnahm (3IO—4T). Aus der Folgezeit bis auf 
Gratian find noch an 40 verfchiedene Zufammen: 
tellungen bewahrt; die wichtigften find: 1) Col- 
ectio Anselmo dedicata, wahrſcheinlich in Ita— 
lien zwifchen 888 und 897 verfaßt; benutzt Die 
Juſtinianiſchen Rechtsbücher und iſt theilweije in 
das decretum Gratiani übergegangen. 2) Regino 
von. Prüm (+ 915), Libri duo de causis synoda- 
libı ia (herausgegeben von Waflerfchleben 1840), 


449 


Kanonenfammlungen 


eigentlid ein Führer für den Bifchof bei der 
Kirdenvifitation. 3) Das Decretum des Biſchofs 
Burdard von Worms (1012—1023). In 20 Bil: 
hern umfaßt es die ganze Hirdlide Difciplin 
(herausgegeben Paris 1549, 1853), benutzt ftart 
den Regino und die Collectio Anselmo ded. Häu: 
fig jegt er den Beihlüffen und Decreten den Na: 
men älterer Bäpfte vor, um größere Autorität zu 
erlangen. 4) Die Sammlung Anjelms von Yucca, 
7 1086, in 13 Bd. noch ungedrudt. 5) Eine eben: 
falls ungebrudte Sammlung des Gardinald Deus: 
dedit (1086 — 1087) in 4 Büchern. 6) u. 7) Das 
Decretum und die Pannormia bes Biſchofs Jvo 
von Ehartres (f. d. A.). 8) Die Collectio trium 
partium. Die beiden erften Theile enthalten chro- 
nologijch geordnet Decretalen und Concilienbe: 
ſchlüſſe; der dritte Theil ftofflich geordnet die Ca— 
nones nad) Ivo's Decretum. 9) Der Polycarpus 
des Cardinals Gregorius (1124). 10) Das Werk 
des Algerus von Lüttich (1121-1128), de miseri- 
cordia et justitia, obgleich es eigentlid) nur eine 
Darftellung der kirchlichen Bußdiſciplin ift. — 
Einen Abſchluß diefer Arbeiten macht das Decre- 
tum Gratiani oder die discordantium canonum 
concordia des Gratian, eines Gamaldulenjer: oder 
Benedictinermönds zu St. Felix in Bologna um 
1150 (1127—1161). Das Werk zerfällt in drei 
Theile: der 1. Tractatus ordinandorum behan: 
beit nach der Einleitung die firdlichen Perjonen 
in 101 Disftinctionen, deren jede in canones zer: 
fällt. Der 2. Theil zerfällt in 36 Causae, die durch 
qnaestiones und canones erörtert werben und be= 
handelt bie geiftlihe Gerichtsbarkeit und bas Che: 
recht. Der 3. Theil umfaht in fünf Diftinctionen 
die Sacramente, Die dieta Gratiani find die 
jelbftändigen Erörterungen bes Berfafjers zu den 
einzelnen Lehren, welche durch die Canones belegt 
werden. Obgleich das Decretum von feiner Auto: 
rität jemals bejtätigt oder fürmlid anerkannt 
wurde, jo erlangte es doch bald allgemeine Gel: 
tung, als zu Bologna dasjelbe erörtert und erklärt 
(zuerft durch Gratian jelbft) und wie das Corpus 
jur. von den Glofjatoren bearbeitet wurde. In 
verſchiedenen Sammlungen wurden jegt die De: 
eretalen der folgenden Bäpfte gefammelt,undeinige 
von diejen, die ſich in der Zeitfolge ergänzen, von 
der Schule zu Bologna anerlannt, Ir bilden bie 
fogenannte Compilatio I—V. Berfafjer der er: 
jten, des Breviarium extravagantium, als Circa 
eitirt ift Bernardus, Propft und Biſchof in Pavia, 
+ 1213. Dasfelbe enthält die Decretalen der 

äpfte in fünf Gapiteln, Judex, Judicium, Clerus, 

/onnubia, Crimen, die folgenden Sammlungen be: 
halten die Anordnung bei. 2) Joh. Gallenſis ftellte 
die Decrete der Päpſte Alerander III. (1181), Eö- 
leftin(1198)aufammen. 3)Betrus Collivacinus jam: 
melteim Auftrag von Innocenz III. deſſen ſeit 1195- 
1210 erlaffene Decretalen. 4) Die Uanones des 
Lateranconcils (1215). 5) Eine Sammlung Hono— 
rius III, welde er 1220 nad Bologna jdidte. 
Alle diefe Sammlungen ließ Gregor IX. durch 
Raymund von Bennaforte bearbeiten und publicirte 
durch eine Bulle 1234 die jo entftandene Decreta- 
lium Gregorii IX. compilatio. Bonifacius VIII. 
ließ dann wieder die Nachgregorianiſchen Decre: 
talenfammlungen fichten und publicirte 1298 dieje 
Sammlung als liber sextus. Ein liber septimus 
murde unter Clemens V. (15056— 1314) begonnen 
und unter Johann XXIL (1517) vollendet und 


29 


Kanonik 450 Kant 


erhielt die Bezeichnung constitutiones Clementi- noniſation beſteht darin, daß bei der erſten bie 
nae. Bon den in diefen Sammlungen nicht aufge: | Anrufung und Verehrung geftattet und einzelnen 
nommenen Decretalen, Extravaganten, find noch Gegenden erlaubt wird, bie Kanoniſation aber die: 
zwei Sammlungen veranitaltet, die ald Theile des | felbe der gefammten Kirche vorfchreibt, 
Corpus juris can. Bedeutung erhalten haben, die! Kanonif Rehtöbud. Titel, mit welchem 
extravagantes Joannis XXII. und die extrava- man das Decretum Gratiani, die Decretalen: 
gantes communes, d.h. 74 Decrete von Urban IV. | fammlung Gregors IX., den liber sextus, die Gle: 
(1261— 1264) — Sirtus IV. (1471—1484). mentinen und die beiden Ertravagantenfammlun: 
ſtanonik ift die Wifienfhaft vom Kanon oder | gen umfahte, als vollftändige Duelle deö Kirchen: 
der Sammlung ber heiligen Schriften ; fie hat zu | rechts. Da jedoch die Ertravaganten niemals fir: 
ermitteln, welche Bücher zur Bibel gehören; fie henrechtlich anerkannt find, jo wird der Unter: 
fteht daher im engeren Zufammenhang mit der ſchied des Corpus juris clausum gemacht, d. h. bie 
bibliſchen Kritik. Uebrigens gehört die nähere Be: | Übrigen Theile ohne die Ertravaganten. S. d. Art. 
griffsbeſtimmung dieſer erft im Werden begriffe: | Corpus juris can. 
nen Difeiplin noch der Zukunft an. Rononiften find die Lehrer und Bearbeiter des 
Ranoniker. Zur Wiederherftellung der im geift: | Kirchenrechts, welche dasjelbe nad) der Weife der 
lihen Stande verfommenen Zudt führte Chrode: Segitten glojfirten und commentirten. 
gang von Mek 760 unter jeinen Klerifern ein nt, Jmmanuel, der große Philofoph. Geb. 
gemeinſames Leben in Hehnlichkeit der Höfterlichen | am 22, April 1724 zu Königsberg, Sohn eines 
Regel (canon) ein, verpflichtete fie zu den Höfter: | Sattlermeifters, ftubirte er 1740 Bhilofophie, Ma— 
lihen Gelübden ſowie zu den kanoniſchen gemein: | thematif und Phyfik, als Fachwiſſenſchaft Theolo: 
famen Andachten, und legte dem Bifchof die Sorge | gie, wurde 1755 Brivatdocent der Bhilofopbie, 
für den Unterhalt auf. Karl d. Gr. beftätigte dieje | 1770 ord. Profeffor der Logik und Metaphyſil und 
Regel zu Aachen 789. Die Regel fand Anwendung | ftarb, ohne je über Königsberg hinausgelommen 
bei den Kathedralen und größern Pfarrkirchen. zu fein, am 12, Februar 1804. Seine erfte Schrift 
Dieſe Gemeinjgaften der Kleriter entwidelten ji) | „Gedanken von der wahren Schägung der leben: 
in den nädjten Jahrhunderten in unbeabfichtigter | digen Kräfte” erſchien 1747. In einer großen An: 
Weiſe, ed wurden mächtige Gorporationen, die mit | zahl hierauf folgender Heinerer Schriften treten 
den Biihöfen um Antheil an der Kirchengewalt ve die Gedanken auf, welche er in epochemachen 
ftritten (}. Capitel); dann des geiftlihen Berufes | der Weife in feinem Hauptwerke entwidelte „Ari: 
immer mehr vergaßen und fich zu Pfründen und | tif der reinen Vernunft,“ 1781, 2. Aufl. 1787. 
BVerjorgungen des Adels ausbildeten, zu welchen | Hierauf folgten: Prolegomena zu einer jeden fünf: 
Glieder der berechtigten Familien die Erfpectanzen | tigen Metaphyfif, 1783, Grundlegung der Met 
erlaufen mußten (Domicellaren). Bon dem kano⸗ | phyfit der Sitten, 1785; Metaphufifche Anfang 
niſchen Leben ijt bald, da die kirchlichen Berpflich: | aründe der Naturwiſſenſchaft, 1786; Kritit du 
tungen durch ftellvertretende Vicare ausgelibt wur: | praftifhen Vernunft, 1788; Kritik der Urtheils: 
den, nichts übrig geblieben als die Verpflichtung | kraft, 1790; die Religion innerhalb der Grenzen der 
der Refidenz zu gewiſſen Zeiten. Man unterfchied | bloßen Vernunft, 1793; Metaphyfiihe Anfang“ 
daher canoniei regulares und saeculares, diefe | gründe der Tugendlehre und Rechtsiehre, 1197; 
legteren genofjen entweder die volle Bräbende ca- Anthropologie in pragmatiſcher Hinficht, 179. — 
ronici in floribus et fructibus oder die Hälfte, | Das Chaos von Gegenfäten in der geiftigen 
semipraebendati. Hatten ſie zwar Sig und Stimme | des 17. Jahrhunderts, der Dogmatismus, welder 
aber nod) feine Praͤbende, fo hießen fie c. in her- | ebenjofehr in dem Alles mathematifch bemonftriren 
bis, Auch gab es jolche, die nur Ehrendomherren | wollenden Wolffihen Rationalismus wie in dem 
waren, c. honorarii. Ihroffen kirchlichen Orthodoxismus vertreten war, 
Kanonifation ift die feierliche Erklärung des | der völlige Stepticismus, wie ihn Hume vertrat, 
Bapftes, daß ein verftorbener Chrift als ein Hei: | und wie er im englifchen Deismus zur philofopbt: 
liger anzufehen und von der ganzen Kirche zu vers | [hen Richtung wurde, der materialiftiihe Senfuc: 
ehren fei. Die alleinige Berechtigung des Papſtes lismus, wie er namentlich in Frankreich damals 
zur Heiligſprechung iſt von Alerander III. 1181 | mehr und mehr zunahm, führte Kant auf ben 
ausgeiprochen, und durch jpätere Verordnungen | einen aller diefer Dentweifen ftehenden kri⸗ 
ven Biihöfen auch die früher geübte Befugniß ge: | tif hen Standpunft. Er machte ſich zur Aufgabe, 
nommen, für den Bereich ihrer Diöcefen Heilig: | die Grenzen fejtzuftellen, innerhalb mwelder eine 
ſprechungen vorzunehmen. Das Verfahren ift aufs | fihere Erkenntniß für den menſchlichen Geift mög: 
genauejte geordnet und vorgejchrieben. Vorher li, und über welche hinaus jede Speculation 
geht die Seligiprehung, Beatification, die nach | grundlos und ihre Säße lediglich beweisloſe Aus 
breifacher Prüfung vor der Congregatio rituum, | jprüche find. Dieje Unterjuhung rag ihn zu dem 
den Gardinälen und dem Papſte jtattfindet. Als Ergebniß, daß Überhaupt nur auf dem Wege finn 
Bedingung der Heiligiprehung gelten durch den | licher Erfahrung eine ſichere Erkenntniß möglich 
Seligen verrichtete oder auf fein Anrufen gefche: | ift. Die Bedingungen jeder menſchlichen Erkennt: 
hene Wunder. Sind diefe, jowie die völlige Rein: | niß find Raum und Zeit; denn Diele beiden legten 
heit des Glaubens und Lebens in einem fürmlichen | find nicht Dinge außer uns, jondern in uns, ſie 
erneuten Proceßverfahren feftgeftellt, jo findet die | find die Jubjectiven Erfenntnihformen, ohne welche 
Verkündigung der Heiligipredhung, d. h. daß der |irgend ein Ding zu erkennen für uns unmöglig 
Name des Seligen in das Berzeichnif (canon) der | ift. Wir werden darum auch niemals jagen können, 
Heiligen eingetragen und jein Name in der Meffe daß wir ein Ding an ſich erkennen, ſondern immer 
genannt werden SOLL, in Öffentlicher Feier in der | nur wie es ſich unfern Erfenntnißformea darbietr! 
aticanfirche mit großem Gepränge Statt. Der | (tranfcendentaler Jdealismus). Die Kategarien 
Anterjchied zwifchen ber Beatification und der Ka- | des Berftandes find zwar fchlechthin ficherik m 





Kant 


auverläffig, allein fie haben nur einen Sinn in 


Anwendung auf die Welt der Sinnlichkeit, weil 
unjer Denken nie über die ihm innewohnenden | 


Formen hinauslommt. Die Anwendung berfelben 
auf überfinnliche Dinge beruht rein auf Selbit: 
täufhung, e8 iſt und unmöglich, über nit finn- 
liche Dinge Sätze aufzuftellen, weil fie jenfeit der 
Grenze unjered Erkenntnißvermögens liegen. Da: 
ber fommt es, baß, jo oft man überſinnliche Dinge 
mit dem Berjtande conjtruiren wollte, man fich in 
zahllofe Widerjprüche verwidelte ; man kann weder 
bie Exiſtenz ber Seelenod die Gottes beweifen, noch 
über die Welt als Gefammtheit eine Ausfage mas 
den. Kann man nun aber aud die überfinnlichen 
Dinge, beren Ideen in der Vernunft enthalten 
find, nicht beweifen, jo find fie gleichwohl Gegen» 
tand unjerer moralifchen Ueberzeugung, und haben 

r das praktifche Leben die größte Autorität und 

edeutung ; nach diejer Seite hin unterſcheidet fich 
bie praftifche von der reinen Vernunft, Bon bie: 
fem Gefihtspunft aus entwidelt nun Kant die 
moraliſchen und religiöfen Begriffe. Der widhtigfte 
Inhalt der praftiihen Vernunft ift das Sitten: 
geſetz, welches uns gebietet als objective Macht 
und doch wieder von und ſelbſt ausgeht, alſo Noth⸗ 
mwendigleit und Freiheit gleichzeitig in fich fchließt. 
Diejes Geſetz fteht über dem finnlihen Begehren 
der Menſchennatur, deffen höchftes Ziel finnliche 
Glüchſeligkeit ift, und fteht ſogar mit diefem im 
Widerjprud, jo daß nad Kants Auffafjung die 
aus purer Achtung vor demſelben hervorgehende 
Erfüllung des Sittengejeges immer mit Wider: 
en geſchieht und ler ganze wahrhaft erha: 
ene Sittenlehre zu einem gewifjen Rigorismus 
führt. Kant lann daher Tugend und Glüdjelig: 
feit nicht als nothwendig zufammengehörig be: 
traten, wie das die früheren Moraliften zu thun 
pflegen; beide ftehen ſich factifch gegenüber als 
ger ger Gegenfäte. Da aber das pöchite 
Gut doch nicht denkbar ift ohne Glüdjeligkeit, fo 
hält Kant zum Zmwede der Berföhnung von Tu: 
gend und Glüdjeligkeit zwei Dinge für nothmwen: 
dig: Unfterblichleit der Seele und Dafein Gottes, 
injofern eine vollendete Heiligkeit nur unter der 
Bedingung der eriteren und eine Nuögleichung der: 
jelben mit der Glüdfeligkeit nur unter der Bebin- 
gung der Eriftenz des legteren als denkbar erjcheint. 
So ergiebt fich auf dem Boden der praktiichen Ber: 
nunft das als Wahrheit, was auf demjenigen ber 
theoretifchen Vernunft unbeweisbar war. Die Re: 


ligionsanfihten Kants ſchließen ſich enge an biefe | 


Säge an. Religion ift ihm weſentlich Moral, die 
Kirche ift ihm die Gemeinichaft, melde fich die 
Verwirklichung der moraliſchen Zmede zur Aufgabe 
fegt. Die unfichtbare Kirche ift Die ideelle Gemein: 
I der Gerechten; die fichtbare fnüpft an ge: 
chichtliche Thatſachen an ; je mehr fie ſich dem rei- 
nen Vernunftglauben nähert, deſto volllommener 
ift fie. Die Dogmen und geſchichtlichen Thatfachen 
haben nur Werth als jymboliihe Hüllen mora: 
licher Ideen. Einer ne wu bebarf 
daher namentlich auch die Bibel. — Auf die Ent: 
widlung der Theologie hat Kant mächtig einge: 


451 


Kapelle 


ı bildeten daS Gewebe für die rationaliftifch:fupra- 
naturalijtifchen Ausbildungen der chriſtlichen Lehre 
in ber Folgezeit. Tieftrunf, Stäudlin, Ammon 
u. N, find die Hauptvertreter biefer Richtung. Was 
aber bis heute von bleibendem Werthe an der 
Kantiſchen Philoſophie ift, das ift die Oppofition 
gegen einen unfritiichen Dogmatisnus, welche, 
aud) dem durch die Hegelfche Philoſophie neu aufs 
taudenden Dogmatißmus gegenüber, in neuerer 
Zeit fein Recht immer nocd behauptet hat. — 
Kantö Werke wurden edirt von Hartenftein (10 
Bde., 1838—44), Roſenkranz und Schubert (12 
Bde. 1838—44). —* Borowsky, Darftellung des 
Lebens und Charakters Kants, 1805; Schubert, 
mm. Kants Biographie, und Roſenkranz, Ge: 
ſchichte der Kantiſchen Philofophie, in den herausg. 
Werten; 8. Fiiher, Imm. Kant, 2 Bde, 1860; 
berfelbe, Kants Leben und die Grundlagen feiner 
Zehre, 1860. Dann die allgemeineren Werke von 
Michelet, Chalybäus, Nitter, Ueberweg, Erdmann. 

Kanzel (von cancelli, Gitter, im Dittelalter 
cancelley für das mit Schranten eingefaßte Chor 
in der Kirche; ein eingehegter Bla), nad Luther 
Predigtſtuhl. Urjprünglid redete der Biſchof von 
feinem Stuble aus, der am Ende des Gebäudes 
auf dem Chore ftand. Später trat der Prediger 
(Auguftin, Chryjoftomus) auf den Ambon, als die 
Gemeinden und Kirchen größer wurden, errichtete 
man nod vor dem Gitter des Chors eine bejon» 
dere Bühne. Erſt im 13. Jahrhundert brachte man 
bie Kanzel an einem Pfeiler des Mittelichiffes an. 
Die neuere (lutheranische) Theorie des Kirchen: 
baues bezeichnet den Abjchlußpfeiler des Chors ge: 
gen das Schiff als den Ort der Kanzel, während 
man aud, namentlich in der reformirten Kirche, 
bie urſprüngliche Stelle am Ende des Chores hin: 
ter bem Communiontifch feſthält. Entſcheidend 
muß die Rüdjicht auf die Aluſtik bleiben. 

anzelberedjamfeit. S. Beredſamleit. 

Ranzelredner. ©. — 

Kanzlei, päpſtliche. ©. Curie, 

Ranzleiregeln, päpſtliche, find die Injtructio: 
nen über den Geigjäftsgang, welche die Päpſte bei 
ihrem Amtsantritt erlaffen, vornehmlich die Be: 
ftimmungen über die Rejervatrechte, welche zuerft 
Johann XXII. bei feiner Kanzlei protofolliren 
lieb. Da dieſe Rechte aber durch die ftaatliche Ge: 
jeggebung, Verträge und Concordate beſchränkt 
und beitimmt find, jo haben diefe Kanzleiregeln 
viel von ihrer einftigen Bedeutung verloren. 

Kapelle (Gapelle,von cappa, die Dede für die Re: 


| liquien). 1) Ein Heineres Gotteshaus zum Behuf 


der Privatandacht oder der Erbauung an von der 


| Pfarrkirche entfernten Orten, Die Kapellen haben 


daher feinen Biarriprengel, in der Regel aud) feinen 
eigenen Geiftlihen, jondern werden durch einen 
Dialonen der Pfarrkirche verfehen;; eö werden keine 
Taufen darin vollzogen und an den hohen Feier: 
tagen keine Mefjen gelefen, um den Verband mit 
der Pfarrkirche aufrecht zu erhalten. Aus den Ka: 
pellen wurden häufig beim Anwachſen der Bevöl: 


fprung haben die biſchöflichen und fürjtlihen Haus: 


wirkt. Indem er den alten Wolfffhen Rationalis: | fapellen. Schon Conjtantin erbaute in feinem 


mus in feinem ſcholaſtiſchen Dogmatiömus zer: 


ftörte, ift er zugleich der eigentliche Vater des jpä: 
tern Nationalismus geworden. Der Vernunft: 
glaube Kants wurde ‘zur Grundlage ber rationa- 
iſtiſchen Theologie, Kants Kategorien und Begriffe 


= —— Pfarrlirchen. Etwas andern Ur: 


Balafte eine Brivatlapelle, da der Fürft dem Pfarr: 
‚zwang nicht unterworfen fein konnte. Diefe fürjt: 
lihen Kapellen gelangten zu großer Bedeutung. 
Auch die Klöfter gewannen ſehr bald allgemein 
bejondere Kapellen und für Bm ausgedehnte 





4 


Rechte. Laien durften mit bejonderer Bemilligung 
und unter gewiffen Beſchränkungen ſolche Hapellen 
in ihren Häufern einrichten. Als Privatoratorien 
oder zu beftimmten Andachten wurden auch mit 
den Kirchen Kapellen verbunden (Krypten, Kreu 
gänge). — 2) Das gejammte Berjonal zur Yun 
führung ber Kirchenmuſik an Kathedralfichen. — 
3) Die gefammte für feierliche Anläffe beftimmte 
Kleidung der Priefter und Miniftranten, die nad) 
Stoff und Farbe ein Ganzes bildet. 

Kapernaum (Nahum's Dorf), eine Stadt in 
Galiläa, nicht weit vom Einfluß des Jordan in ben 
See Tiberias, der jpätere Wohnort Jeſu, Mare. 
1, 21; = 17, 24, war durch die Yage an der 
Verkehrsſtraße ein geeigneter Drt für feine Wirk: 
famfeit. Der Ort wird weder im Alten Teftamente 
noch in den Apofryphen erwähnt, jo daß man an: 
nimmt, er fei erft in dem legten Jahrhundert ent= 
ftanden. Die Stelle glaubt man in den Ruinen 
von Tell:Hum gefunden zu haben. . 

ſtapff, Sixt. Karl von, Dr. ver Philofophie und 
Theologie, Brälat, Dberconfiftorialrathund Stifts: 
prediger in Stuttgart jeit 1851. Zehn Jahre vor: 
. mar er Pfarrer in Hornthal und acht Jahre 

ecan (Superintendent) in Münfingen und Her: 
tenberg. Geb. 1805 in Güglingen (Württemberg). 
Derfelbe ift ein hervorragender Vertreter der prak⸗ 
tifchen Richtung in der württembergifchen Geiftlich- 
feit, und in größern Kreifen —— Vor⸗ 
träge über verſchiedene ſittliche Schäden der Ge— 
genwart bekannt geworden. Unter jeinen viel ver: 
breiteten und beliebten Erbauungsjgriften und 
übrigen Werten heben wir folgende hervor : Gebet: 
bud, Stuttg. 1835, 16. Aufl. 1868; Communion: 
buch, ebd. 1840, 15. Aufl. 1866; Kleines Commu: 


Kapernaum 


z 


z 


nionbuch, ebd., 16. und 17. Aufl. 1865—67 ; Baf: | 12 


ſions⸗, Dfter- und Buhtags:Predigten, ebd., 5. 
Aufl. 1860 ; die Revolution, ihre Urſachen ꝛc., Samb. 
1851; die mwürttembergijchen Brüdergemeinden 
Kornthal und Wilhelmsdorf ıc., Stuttg. 1839; 
der religiöje Zuftand des evang. Deutichlands nad) 
Licht und Schatten ıc., ebd. 1856. 
—— S. Caphtor. 

eo ©. —— ſiſhen a 

pitonier, eine Secte ber ruſſi irche. 
ſtaplan. S. Caplan. * 
ſtapland. Weder die holländiſchen Boers, welche 


52 Karäer 
grenzt im Weſten von Lycaonien, im Süben von 

 Eilicien, im Oſten von Armenien und im Norden 

| von Bontus. In früherer Zeit, als Pontus (Cappa- 

| docia ad pontum) noch Dazu gerechnet, wurde es ald 

 Cappadocia propris ober ad Taurum oder major 
unterjchieden. Früher unter eigenen Fürſten den 
Medern und Berjern unterworfen, war K. nad 
Aleranders bes Großen Tode und der Ermordung 
bes Eumtenes wieder ein jelbjtändiges Königreid, 
1. Matt, 15, 22, bis es von den Römern unter: 
worfen und 17 n. Chr. in eine römiſche Provinz 
verwandelt wurde, Chriftliche Gemeinden in K. 
werden ſchon 1. Betr. 1, 1 erwähnt (Juden Apſtg. 
2,9). K. ift die Heimath der berühmten Kirchen: 
väter Gregor von Nazianz, Bafilius von Cäſarea 
und feines Bruders Gregor von Nyſſa, außerdem 
bes Apollonius von Tyana. Obgleich die Kappa: 
bocier von den Griechen Syrer, ober zum Unter: 
ſchied Leufofyrer genannt wurden, fo fteht durd 
die Sprachreſte fett, daß fie nicht zu ben Semiten, 
fondern = den ndogermanen gehörten; es fommt 
dies in Betracht, da man die Heimath der Phili: 
fter, Caphtor (j. d. Art.), in K. finden wollte. 

Kappel, ein Dorf im Canton Zürich, ift in der 
get chichte der Schweiz bekannt gewor: 
den durch die beiden Friedensſchlüſſe zwiſchen den 
Zürihern und den Tatholifhen Gantonen, 16. 
Nov. 1529 und 22. Nov. 1531, von denen ber 
zweite auf die unglüdliche Schlacht bei Kappel (11. 
Dct. 1531) folgte, in welcher Zwingli fiel; dem: 
felben ift 1588 dort ein Denkmal errichtet. 
Kappern, die Blüthen eines in Aften und Süd: 

europa wild ——— Strauches (capparis spi- 
nosa), welche eßbar find und nicht nur den App: 

tit, MEER auch zur Wolluft reizen follen, Pred. 


ſtapporeth, Gnadenſtuhl, Auarıjpuor, der Dedel 
der Bundeslade, aus feinem Gold gefertigt, auf 
befien beiden Enden die Cherubsgeftalten ftanden, 
zwifchen denen man die Schechina Jehovahs ſich 
gegenwärtig dachte. Gegen diefen Dedel wurd 
am Berfühnungstage das Dpferblut geiprengt. 
Dal. 3. Mof. 16, 14 f.; 2. Mof. 25, 22; 30, 6; 
Moſ. 7, 89; Röm. 3, 25; Hebr. 4, 16. j 

\_ Karüer, eine jüdiſche Secte im füdmeftlihen 
| Rußland, Galizien, der Türkei und Berfien, die 

| fid) duch die vollftändige VBerwerfung der rabbi: 


feit 1600, noch die franzöfifchen Refugies, die fich | ni chen Tradition von den andern Juden unter: 
ier anfiedelten, bemühten fich ernftlic um die ſcheidet. Sie beziehen fich lediglich auf die Schrift, 
iffion unter den Eingeborenen, vielmehr verhin: | und vindiciren Leder s Recht, dieſelbe, ohne ſich 
derten ſie die Rücklehr des erſten MiſſionarsſSchmidt durch fremdes Anſehen binden zu laſſen, nad 
von der Brlidergemeinde 1737, als derſelbe 1744 | beiten Kräften auszulegen. In ihren Gottesdien— 
zu einem Befuche in die Heimath gereift war. Erft | ften nimmt daher die Predigt eine bedeutende 
1792 tonnte die Brüdergemeinde ihre Arbeit wie: | Stelle ein. Die Zahl der Karäer ift durch mande 
ber aufnehmen; ihr folgten 1798 die Londoner Urſachen fehr geſchmolzen, es follen nicht mehr als 
Geſellſchaft, die Methodtiten ſeit 1820 und endlich | 7000 fein, die unter fich enge zufanmenhangen, 
die Berliner Geſellſchaft 1834. Bejonders thätig | jede Gemeinde unter ihrem CThacham, und wegen 
ift aber dort die Rheiniſche Gejellfchaft geworden, | ihrer Sittenreinheit nad aufen einen guten Ruf 
welche 1829 F erſten Miſſionare hin ſandte und genießen. Ihre Glaubensanſichten find jedoch dürf⸗ 
es jetzt daſelbſt zu einem ziemlich organifirten Kir: | tig; das Glaubensbelenntniß, welches bei jeder 
chenweſen gebracht hat. An die Miffton unter den | feierlichen Gelegenheit gefprochen wird, beiennt 
Hottentotten hat fich die Arbeit unter den Namaz | den Blauben an einen Soft, der die Welt geſchaf⸗ 
quas, Dvahereros und Kaffern angeiotoflen, an| fen, und durch feinen Knecht Mojes ein vollfom: 
welcher fich, nachdem die Londoner Geſellſchaft fie | menes Gejet gegeben habe, welches man verftehen 
aufgab, die Rheinische Gefelfchaft und die Metho: | müfje. Gottes Geiſt malte auch in den übrigen 
diften betheiligten, nicht ohne viele Schwierigfeis | Propheten. Es giebt eine Auferftehung und eine 
ten und harte Unfälle vornehmlich durch die Feind⸗ göttlige Vergeltung im Gericht. Gott hat fein 
[haft des Häuptlings Jonker. olf “> verftoßen, man muß den Meifiaö er: 
Rappadorien, eine Landichaft Kleinaſiens, be: ie Stiftung der Secte wird einem Anan 





warten, 


Karantanen 


— welcher um 570 n. Chr. ſich von den 
rabbinifchen Juden in Babylon losſagte und in 
Baläflina als Naſi oder Chaham herrichte, wie 
die Rabbinen angeben aus Groll, weil er bei der 
Wahl zum Reich Galuth (Oberhaupt der babylo- 
nifhen Juden) übergangen worden fei; nach der 
Karäifhen Ueberlieferung wäre fein Rival und 
Bruder Ananus durd die Rabbinen gewählt wor: 
den, um die Karäer vollends zu unterdrüden, das 
Bolt aber habe den Anan eingejegt, um fi und 
das Geſetz zu retten. Quellen zur Geſchichte der 
Karäer find: die Gejhichte der Karäer von Jephet 
Hallevi um 1140; der Ejchlol Haftopher des Je: 
hudah ben Eliah Hadaffi Habel; das ling. Wert 
Wibchar des Aaron ben Joſeph (Conftant. 1690). 
Bol. außer den Schriften von ©. Pinsker (Wien 
1860) und 53. Fürft (Leipzig 1862) zur Geſchichte 
des Karäismus und jeiner Literatur auch nod) 
Wolf, notitia Karäorum, hausta ex tract. Mar- 
dochai, 1721; ®et. Beer, Geſchichte der jüdiſchen 
Secten, 1822; Joft, Geſchichte der Jfraeliten, Bo. 
IIL, VI, VIII und IX. 

Karantanen. S. Kärnthen. 

Kardinal. S. Cardinal. 

Karena (Duadragena), ein 4Otägiges ſtrenges 
Faften, welches als Buße vom Biſchof oder Klo: 
ftervorjtand gröberen Sündern auferlegt wird. 
Aud der Ablaf von diejer Buße heißt Karena. 
€3 wurden bisweilen 10—100 Karenen auferlegt. 

Rare, Georg, geboren 1512 zu Heroldingen in 
Graublindten, Prediger in Dettingen 1539 und 
Schwabach 1553, Baltor und Generaljuperinten: 
dent zu Ansbach. + 1576. In Thejen, welde er 
1563 aufftellte, bejtritt er die Zurechnung des 
activen Gehorjams Chrifti, nahm aber 1570 die: 
felben zurüd, als durch Kelzmanns Angriff 1569 
darüber ein großer Streit entbrannt war. In 
Folge davon wurde die Jmputationslehre in der 
Eoncordienformel genauer ausgeprägt. 

Karien, die gebirgige aber fruchtbare Landſchaft 
im Südmeften von Kleinafien, begrenzt vom Agät: 
ihen und dem Mittelmeer, in welder bie Städte 
Halicarnaf und Milet lagen. Um 130 v. Chr. 


wurde Karien eine römische Provinz, kurz vorher, 


1. Malt. 15, 23, erjcheint es noch unabhängig. 
Mande haben in den Karim, 2. Kön. 11,4. 19, 
Rarier erfennen wollen, aber das Wort ift appel: 
lativiſch zu nehmen. 
Karlan, Stadt im Stamme Juda, Jo. 15, 3. 
Karlaphenfiihe Bibelüberfegung (Recensio 
karkaphensis), deren Affemani ihnung thut 
und melche bei den Jalobiten im Diſtrict Segara 
in Mefopotamien im Gebraud) war, tft nach Wije: 
mans Unterfuhungen jalobitiijhen Urſprungs 
und nur eine Recenfion der Peſchito mit abwei— 
hender (griechiſcher) Schreibart der Eigennamen. 
Der Name wird erflärt Karkaphitarum: hoc est 
orum in montanis habitantium. 
KKarkemiſch erg Ihr Kamoſch), eine von den 
Afiyrern eroberte Stadt in Mejopotamien, wo 
arao Necho von Rebufabnezar geſchlagen wurde, 
er. 46, 2—12; 2. Chr. 35, 20; ef. 10, 9; die 
bei den Glaffifern Circefium genannte Stadt am 
Einfluß des Chaboras in den Euphrat. 


Karkor, ein Drt jenfeit des Jordans, Richt. 8, 


10; nad) Eufebius das Caſtell Carcaria. 
Karl der Große, fräntiicher König 768, römis 


453 


Karl V. 


durch feine Regierung die fpätere politiihe Ges 
ſchichte der drei Länder Frankreich, Deutichland 
und Italien beſtimmt tft, jo war fie aud) von ent: 
ſcheidendem Einfluß auf die Geftaltung und Ent: 
wiclung der Kirche. hr Gebiet dehnte er aus 
durch den 3Ojährigen Krieg gegen die Sachſen, in 
welhem er ebenmäßig Unterwerfung und An: 
nahme des Chriftenthums verlangte, durch den 
ı Sieg über die Avaren und die Gründung der Dit: 
Ara und ficherte fie durch den Zug nad) Spa: 
Inien gegen eine neue Meberfluthung durch die 
Mauren. Die Gründung zahlreicher Bisthümer 
in den neugemonnenen Gebieten jollte da3 äußer: 
lich ee — Chriſtenthum auch innerlich 
begründen und befeſtigen; aus den Schulen, welche 
er mit den Klöſtern verbunden wiſſen wollte, gin— 
nen tüchtige und gebildete Geiftliche hervor. Sein 
ug gegen bie Longobarden, obwohl aus perjön: 
licher Feindichaft gegen ben König Defiderius m 
vorgegangen, rettete Rom vor der Gefahr, den 
Longobarden unterworfen zu werden und hielt da: 
durch die Möglichkeit eines Papſtthums offen, dem 
feine Erneuerungder Schenkung Pipinsdie Grund: 
‚lage einer unabhängigen weltlihen Macht gab; 
ſeine Kaiſerkrönung endlich verknüpfte auf eine fo 
eigenthümliche Weite das politifche Intereſſe feiner 
Nachfolger mit dem des päpftlihen Stuhles, daß 
die Entwidlung der Kirche ſich in der Löſung der 
aus diefem Berhältniffe entjtehenden Gonflicte 
vollzieht. Bei aller Chrerbietung, welche Karl dem 
Papſte erwies, die ihren Grund in feiner eigenen 
tiefen Religiofität hatte, bewahrte er demielben 
egenüber jtets das Recht und die Würde des Herr: 
ders; der Neichätag regierte wie dad Land fo 
auch die Kirche, fo daß die Capitularien eine blei: 
bende Duelle des firhlihen Rechtes geworben find. 
Die unter jeinem Schuß gehaltenen Synodalver: 
bandlungen zu Regensburg 792, Frankfurt 794, 
| Aachen 799 entſchieden in würdiger und felbftäns 
diger Weife im Adoptianiſchen und Bilderjtreite, 
\ führten eine ftrengere Zucht im Leben der Geift: 
lichen ein (Regel des Chrodegang) und nahmen 
die Bemühungen Karls um Du une der äußern 
Eultusfeier auf (Orgel, Kirhengejang). Nicht un: 
verdient hat Paſchalis III. durch die Heiligjpres 
hung fein Gedächtniß auch Tirchlich geehrt. Die 
Quellen für fein Zeben bei Berg, Mon. Germ., I. 
und II. Bol. Hegewiſch, Gedichte der Regierung 
Karls d. Gr., 1791; Dippoldt, Leben Karls d. Gr., 
1810; Ideler, Leben und Wandel Karls d. Gr., 
1839 ; Bredomw, K. Karl, 1814; Capefigue, Charle 
| magne, 1842; Döllinger, das Kaiſerthum Karls 
‚d. Gr. (Münchn. hiſt. Jahrb., 1865). 
\ Karl V., deuticher Kaiſer 1520—56. Geb. 1500 
zu Gent, Sohn Philipps des Schönen von Deiter: 
reich und Johanna's von Spanien, wurde er uns 
ter der Vormundfhaft Marimiliand I. in den 
ı Niederlanden erzogen und hatte zum Lehrer Adrian 
von Utrecht, nahmaligen Papft Adrian VI. Kaum 
| 16 Jahre alt, trat er nad dem Tobe Ferdinands 
‚des Katholifhen die Regierung in Spanien und 
‚Neapel an, bewarb ſich um die deutſche Königs: 
frone und wurde am 23. Dctober 1520 gu Aachen 
gefrönt, nachdem er bie erfte Wahlcapitulation 
‚unterfchrieben hatte, Obwohl ber Reformation, 
für welche er fein Berftänbniß hatte, perjönlid 
abgeneigt, war fein Verhalten gegen biefelbe zwar 




















ſcher Kaiſer 800— 814. Geb. am 2. April 742, ein auch durch religiöfe und kirchliche Anſchauun⸗ 
Sohn Pipins des Kleinen und der Bertrada. Wie gen begründet, aber mehr noch durch politiſche 


Karl V. 


Rüdfihten beftimmt. In faft —— 
Kriegen mit Frankreich und der Türkei, ſuchte 
er den Gegenſatz der päpftlihen und evangeli: 
fchen Partei in Deutfchland jo zu lenken, daß 
berjelbe fein Ziel, die Gründung einer Weltmon- 
archie für feine Dynaftie, zu fördern geeignet fei, 
indem er dem Miderftand von ber einen Seite die 
Beglinftigung der andern — Obgleich 
feine Wahlcapitulation die Abhülfe der 100 Be: 
fchwerben der deutſchen Nation verheißen hatte, 
fo trat er 1521 auf dem Wormſer Reichstag ald 
unbedingter Gönner des päpftlihen Regimentes 
auf. Karls längere Abmejenheit von Deutfchland 
ließ das Wormſer Edict (26. April 1521) nicht 
zur Ausführung kommen. Der Bauernaufftand 
und bie Unruhen der Wiedertäufer erheifchten dop⸗ 
pelte Borfiht. Nach dem Neihätag zu Nürnberg 
1524 und dem Regenäburger Convent, welcher den 
Torgauifhen Bund 1526 nad) ſich 30g, wurde jedes 
Einiöreiten genen die gr, ger gehemmt, als 
ber Papſt ein Bündniß mit Frankreich abſchloß. 
Der Reichätag zu Speyer 1526 drückt das Abwar— 
tende der Politik aus. Dagegen ftand der Beſchluß 
bed Reichätages von 1529, gegen melden bie Evans 
gelifchen ihre „Proteftation” einlegten, wieder in 
engem Zufammenbang mit dem inzwiſchen a 
fenen Frieden zu Cambray. Unter dem Einflu 
der Carbinäle Campeggio und Granvella erſcheint 
ber Raifer auf dem Reichstag zu Augsburg; die 
Türfengefahr nöthigte zwar zur Schonung ber 
Evangelifchen, aber da biefelben der Wahl eines 
Bruders Ferdinand zum römifchen Könige ent: 
egenftanden, konnte diefelbe nur durch um fo ent: 


1531. Da der Schmalfaldener Bund mit Frank— 
reich in Verbindung trat und bie Türfen unter 
Soliman andrängten, mußte Karl in den Nürns 
berger Religionsfrieden willigen. Erft nad dem 
4. franzöfifhen Kriege (1542—44), alö ein neues 
Bündniß mit dem Bapfte (1546) ihn fiherte und 
feine politifhen Pläne die Einigung des Reiches, 
daher die Beilegung der reliaiöjen Streitigkeiten 
durch ein von allen Seiten beſchicktes Concil noth: 
wendig erforberten, die Evangelifchen aber negen 
die heimlichen Eaiferlichen Rüftungen die bewaffnete 
Vertheidigung verabredeten, ſprach er die Reichsacht 
gegen dieſelben aus. Der glückliche Feldzug von 
1546 und 1547 brachte ihn auf den Gipfel ſeiner 
Macht in Deutfchland, zeigte aber auch in der Aus: 
legung der Wittenberger Capitulation die fpanifche 
Arglift. Mit Mäbigung dagegen benußte er auf 
dem firdlichen Gebiete feinen Sieg, da er ber 
Evangeliſchen bedurfte, wenn fein Plan, feinem 
Sohne Philipp die Nachfolge in Deutfchland zu 
fihern, gelingen follte. Das Interim war ber 
Ausflug einer faiferlichen Politik, die weder Ka: 
tholifen noch Proteftanten zufagen fonnte. Die 
Ausdehnung der Faiferlihen Gemalt, die Unter: 
brüdung der Evangelifhen, die Untreue gegen die 
gefangenen Fürſten waren bie Gründe, — 
Moritz von Sachſen rin Bündniß mit Heinrich LI. 
von Frankreich eingehen ließen; der UÜeberfall in 
Innöbrud nöthigte dem Kaiſer den Bafjauer Ber: 
trag 1552 ab. Diefer und der miflungene Berfuch, 
Mey wiederzuerobern, fiberjeugten ihn, daß jeine | 
Entwürfe gefcheitert jeien. Er verließ Deutjchland 
mißmutbig und legte 1555 die Regierung von 


Spanien, 1556 aud von Deutfchland nieder und 


454 


und durch den päpftlihen Einfluß erlangt werden | zu 


Karlitabt 


zog fi in das Hierongmitenflofter St. Zuft in 
Eitremadbura zurüd, mo er 1558 ftarb, durch recht⸗ 
zeitigen Tod vor der bittern Erfahrung bewahrt, 
daß fein eigener Beichtvater Cazalla fi d. Art.) 
al3 Anhänger der Reformation im Autobafs ver: 
brannt wurde. 

Karl I., König von England (1625—49). Sein 
befpotifches Weſen, die Verbindung mit Frankreich, 
bie immer wiederholte Treulofigfeit, mit welcher er 
bie Zufagen brach, gaben dem Barlamente, deffen 
Gewalt er nad) der Schlacht bei Nafeby 1645 von 
ben Schotten überantwortet wurde 1647, die ge: 
wiffe Ueberzeugung, daß England vor Defpotis: 
mu3 und Bapidmus nur durch feinen Tod bewahrt 
bleiben könne. So wurde er des Bar fhuldig 
erflärt und 1649 hingerichtet. Die Geſchichte feiner 
Nachfolger zeigt, daß allerdings der Geift ihres 
Haufes in einem unverjöhnlihen Gegenfa ftand 
zu bem durch die Reformation gewedten englif 
Volkögeifte und nicht von dem Verſuche laſſen 
konnte, denfelben durch die Mittel der Lüge, des 
Verraths und der Künſte der Verführung zu übers, 
mwinden. 

Rarl IX., König von Frankreich, hat durch die 
Ermordung der Hugenotten bei der Hochzeitfeier 
feiner Schwefter mit Heinrih von Navarra (24. 
Auguft 1572) ſich in der Gefhichte der franzöſi— 
ſchen Kirche ein unvergeßliches jchlimmes Gedaͤcht⸗ 
niß erworben (vgl. Frankreich). 

ſtarlſtadt, Andreas Rudolph Bodenftein aus 
Karlſtadt in Franken. Ein Mann von großer Ge: 
lehrſamkeit, mannigfadher Begabung und nicht ohne 
Tiefe des Gemüthes, aber ohne feiten Charakter, 


Fhledeneres Anfclieken an die atholifhen Stände | ehegeisig und leidenfchaftlic, den der MWiderfprud 


onfequenzen treiben konnte, die ihm bennod 
innerlich fremd waren, ift er in der Reformations: 
geisiäte mehr zu bleibender Bedeutung gelangt 
urch das, was gegen ihn, als durch das, was durch 
ihn gefchehen ift. Mit Luther auf demfelben Grunde 
ftehend, ihm wiederholt nahe verbunden, vertrat 
er eine Seite der Entwidlung der reformatorifchen 
Principien, melde die fähfifheReformation, gerade 
durch fein Auftreten mit veranlaft, immer mehr 
vernadhläffigte und mißtrauifch anfah. Sein unftä: 
tes viel bemegteö Leben fand daher erſt Ruhe, ala 
er in der Schweiz einen Aufenthalt gewann, mo 
die Reformation einen feinen Jdeen verwandten 
Gang eingefhlagen hatte. Sein Geburtsjahr ift 
ungewiß. 1504 finden wir ihn ald Baccalaureus 
zu Wittenberg, nachdem er bereits in Rom kano⸗ 
nifhes Recht und Scholaſtik ftubirt Hatte, Als 
— 5— ber Theologie ſeit 1513 fand ſeine Ge: 
lehrjamteit in weitern Kreifen Anerkennung. An: 
änglih im ſcholaſtiſchen Intereſſe ein egner 
uthers, folgte er doc bald dem auf der Univer: 
fität herrſchenden Geifte und ging zum Studium 
ber heil. Schrift, Auguftind und der myſtiſch 
Theologie über. Hiedurch in den Streit mit ca 
vermwidelt, der durch die Leipziger Disputation 
1519 entſchieden werden follte, und bald danach 
mit dem Barfüßermönde Franciscus Seyler megen 
des Ablafles, griff er in den beiben Schriften de 
canonicis scripturis und „Von päpftlicher Heilig: 
keit“ die katholiſche Kirche, melde ſchon über ihn 
und Luther den Bann ausgefprocden hatte, direct 
und entſchieden an, in der erften zugleich Luther, 
beffen freie Aeußerungen über den Jakobusbrief 
feinem ftreng formalen Schriftprincip wider⸗ 
ſprachen. Nach einem durch ben Umſchwung ber 


Karlſtadt Karoliniſche Bücher 


Verhältniſſe ſehr abgekürzten Aufenthalt in Däne- | der Prophet Elias geweſen, und hätte der Orden 
mark nahm er, während Luther auf der Wartburg ſich durch Eſſener und Eremiten fortgepflanzt. Erſt 
weilte, bie Führung in Wittenberg in bie Hand; | Papebroch (Acta sanct.,1668) wies nad), daß die 
Gelübde, Heiligencultus und Meſſe wurden a | Eremitengejellichaft von einem Berthold im 12. 
digten und Schriften immer ernftliher angegriffen. | Jahrhundert geftiftet jei und unter deſſen Nach— 
Das Andrängen der Auguftinermönde, bie Unent: | folger Brocard von dem Jerufalemitaniihen Pa: 
fchloffenbeit der Univerfität und das Zurüdhalten | triarchen Albrecht 1209 ihre Regel erhalten habe. 
des Kurfürften reizten ihn zum thatfächlihen Bor: Beengt durch die Eroberungen ber Saracenen, 
angehen. Am Weihnachtsfeſte 1521 theilte er das | wanderte die Genoſſenſchaft 1238 aus und fiedelte 
Abendmahl ohne Elevation und vorhergehende | fich in einer Einöde auf Cypern, danad) in Eici: 
Beichte unter beiderlei Geftalt aus, traute einige | lien, Frantreih und Italien an; Innocenz ver: 


Tage danach einen Pfarrer mit feiner Köchin und 
verheirathete fich jelbit am 20. Januar 1522, ent: 
warf aud; die Gemeindeordnung, ee Zwar 
am 24. Jan. vom Rath und der Univerfität ge: 
billigt, dennoch nicht zur Ausführung gekommen 
ift, aber den jpätern Ordnungen Luthers als Bor: 
bild gedient hat. Seine Schrift „Bom Abthun der 
Bilder” und feine excentriſchen Aeußerungen gegen 
iftliches Amt und gegen ie Wiflenfchaft fanati⸗ 
firten das Bolt derart, daß nur Luthers Erjcheinen 
die geftörte Ruhe wieder herftellen konnte. Die 
Berbindung mit ben Zwidauer Propheten und 
Thomas Münzer hatten ihn tiefer in eine myftifch: | 
aftetifche Richtung bineingeführt. 1523 verließ er‘ 
fein Lehramt in Wittenberg und übernahm Ende 
des Jahres das Pfarramt in Orlamünde, welches 
ihm als Arhidiafonus im Wittenberger Stifte 
—— Hier führte er ſeine Gedanken über die 
mgeftaltung des Gottesdienſtes durch, die er in 
mehreren Schriften immer rückſichtsloſer forderte. 
Mit Luther, der an diefem Allem und an K.'s Ver: 
bindung mit Münzer (an defjen politiihen Plänen 
er jedoch feinen Antheil hatte) den größten Anſtoß 
nahm, zerfiel er völlig durch ſeine Angriffe auf die 
lutheriſche Abendmahlslehre, „Ob man mit der 
Schrift erweiſen möge, daß Chriſtus mit Leib, 
Blut und Seele im Abendmahl ſei“, „Auslegung 
dieſer Worte Chriſti: das iſt mein Leib“, „Von 
dem widerchriſtlichen Mißbrauch des Herrn Brod 
und Kelch“, welchen dann mehrere heftige Streit: 
fchriften gegen Luther folgten, derihn in der Schrift 
„Wider die himmlischen Bropheten” ſcharf ange: 
griffen hatte. Schon vorher hatte er Orlamlinde 
verlaffen müffen. Durch den Bauernaufftand in 
große Bedrängnif gebracht, erlangte er durch eine 
„Erklärung“ über Feine Abendmahlslehre und die 
Verantwortung über feine Verbindung mit den 
Bauern zwar die Erlaubniß der Rüdfehr nad) 
Sadjen, aber ohne Reftitution in feine Brofefjur 
und unter der Bedingung, feine Schrift herauszu⸗ 
geben. Zuerit in der Nähe von Wittenberg, dann 
in Kemberg führte er ein fümmerliches Leben von | 
einem Heinen Handel. Bitterlich fich über die Feind: | 
ſchaft Luthers beflagend, der ihn verfolge und uns 
terbrüde, wandte er ſich 1528 nad) Holjtein und 
fand dann bis 1530 Aufnahme in Ditfrieäland; 
auch von dort auf Betreiben der Wittenberger 1530 
verbannt, fam er über Straßburg durch Bucers 
Vermittlung nad) der Schweiz, mo ihm die Pfarre 
Altftätten anvertraut wurde. Bon dort durch ben 
Kappeler Krieg vertrieben, erhielt er eine Pfarr: 
ftelle in Zürich 1532 und 1534 eine Profeſſur in 
Bajel, wo er angefehen und geachtet 1541 an ber 
Peit ftarb, Val. Jäger, U. B. von Karljtabt, 1856. | 
Karlftadt, Johannes. S. Draconites. 
Karmel. ©. Carmel. 
Karmeliter. Nach der ftren 
Drbensjage wäre ber eigentliche 








feitgehaltenen | 
tifter derjelben 


mwanbelte durch eine neue Regel 1247 die Cremiten 
in den Orden der Brüder der heil. Jungfrau vom 
Berge Karmel, Die ältern ftrengen Vorſchriften 
über Falten, Schweigen, Handarbeiten wurden 
beibehalten. Der Vorſteher Simon Stod bradte 
den Drden bald zu hoher Blüthe. Befonderes An: 
fehen gewann er durch das von ihm eingeführte 
Scapulier; die Scapulierbrüderfchaften affiliirten 
dem Drben eine Menge Laien. Während des päpfi: 
lihen Schiömas 1378— 1428 war auch der Orden 
unter zwei Generale geteilt und uneinig. Der Ber: 
fall der urſprünglichen Strenge rief auch hier Re— 
formverjuche hervor; während die Conventualen 
dur Eugen III. 1431 die mildern Gewohnheiten 
fi beftätigen ließen, ftiftete Thomas Gonnecte 
(7 auf dem Sceiterhaufen 1433) in Rom unter 
ben Obfervanten die Congregation von Mantua, 
welche erempt und einem eigenen General unter: 
ftellt wurde. Sixtus IV. ftiftete 1476 die Tertia: 
trier des Drdens. Der General Soreth, welcher 
wegen feiner Reformen 1471 vergiftet wurbe, ſtif— 
tete 1452 den weiblichen Drden der Karmeliterin: 
nen. Aus diefen gingen durd die heil. Therefa 
1563 die unbeichuhten Karmeliterinnen hervor, in 
benen ein Fanatismus der Afteje dem Orden neuen 
Glanz verlieh und die Reform durch Johann vom 
Kreuz nad) ſich zog. Schon 1593 erhielten die Kar— 
meliter:Barfüßer einen eigenen General und ſpal⸗ 
teten ſich in zwei jelbftändige Congregationen von 
Spanien und von Italien, ” daß nun vier Zweige 
des Ordens nebeneinander ftanden. Die düjftere 
Aſkeſe des Ordens, nantentlich der Barfüherinnen, 
ließen feine Klöfter häufig von Denen zur Zu: 
fluchtftätte erwählen, welche in den frühern fittlich 
verwahrloften Jahrhunderten eine wüſte Vergan⸗ 
genheit vor dent eigenen Gewiſſen zu vertilgen 
ſuchten. 

Karolinifhe Bücher. Die Beſchlüſſe des 2. Ni: 
cäniſchen Concils von 787 jandte Habdrian I. in 
einer lateinischen Ueberſetzung an Karl den Großen 
in der Hoffnung, daf die fränfifche Kirche denſel— 
ben beitreten werde. Karl lieh diejelben durch un: 
genannte Theologen begutachten, und ſowohl die 
angellähfiihe als die fränfiiche Kirche traten auf 
ber Synode zu Frankfurt dem mifbilligenden Ur: 
theil dieſes Gutachtens bei. Dasſelbe bildet mit 
den Gapitularien ber Frankfurter Synode die ſoge⸗ 
nannten Karolingifchen Bücher, welde zuerit Jo— 
bannes Tilius, nahmals Biſchof von Mende, 
berauägegeben hat. Die Echtheit derjelben ift da: 
durch ermwiejen, daß Hincmar von Rheims das: 
felbe erwähnt und ein Gapitel wörtlich anführt. 
Die Nicänifchen Beſchlüſſe werben in ſcharfer, oft 
leidenſchaftlicher Weije kritifirt, ihr Widerſpruch 
mit der Bibel und der lleberlieferung aufgededt, 
der übermüthige, aber gegen den Kaifer jerpile 
Geiſt der Kirche getadelt und jede Verehrung der 
Bilder, die inihnen mehr ald Mittelder Erinnerung 


Karpofrates 


456 


Katakomben 


ſehe, ſcharf zurückgewieſen. Das Buch erhält ein Regeln milderte. Das hohe Anſehen des Ordens 
beſonderes Intereſſe, weil die Begründung bie: | bat viele feiner Glieder auf kirchliche Ehrenſtellen 


fer Urtheile den damaligen theologischen Stand 
der fräntifchen Kirche und der herrſchenden Scho: 
laſtik offenlegt. Es find die erhobenen Vorwürfe 
allerdings theilweife unbegründet, weil die Leber: 
fegung der Nicäniſchen Befchlüffe nad) den Eita- 
ten fehr mangelhaft geweſen fein muß, und da— 
durh den Nicänern Behauptungen zugeſchrieben 
werden, die ihnen völlig fern lagen. Die Wirkung 
des Buches ift befanntlich nur eine vorübergehende 
geweien, da auch die fränfiiche Kirche trotz ber 
Frankfurter Synode bald die Bilderverehrung auf: 
nahm, weldhe an Hadrian gegen das Opus Caro- 
linum und das Capitulare durch feine ausführ: 
lihe Widerlegung derjelben, Epistola Adriani, 
einen eifrigen und mächtigen Beſchützer gefunden 
atte. 
’ Karpofrateß, ein Gnoftifer, lebte zu Alexan⸗ 


drien unter Hadrian, Sein Syftem gehört zu den | 


antinomiftiifhen. Das Ziel ift das Streben nad 
der höchſten Einheit, von der alles Daſein ausge— 
angen. Alle Unterſchiede und Beſchränkungen der 
Gemeinichaft, alfo namentlich das jüdische Geſetz, 
find das Werk der Dämonen (dyysdoı xoauo- 
root), welche in der Materie ein eigenes Reid) 
aufzurihten trachten; das von ihnen aufgeftellte 
Gefet ift die Urfache der Sünde. Das Aeußerliche 
bat daher gar feine fittlihe Bedeutung, es qilt, 
fi von ihm frei zu machen. Jeſus, ſowie Pytha— 
goras, Plato ſchwangen fi) durch Reminiscenz 
an das frühere Dafein zur Betrachtung der höch— 
ften Einheit empor und machten ſich von den be— 
fchränfenden Geſetzen frei. Daher verwarfen die 
Anhänger des K. das Privateigenthum und die 
Ehe als Bejhränfung der Gemeinschaft, in der die 
Einheit gefunden wird. Der Sohn des K., Epi: 
phanes, welcher ſchon in feinem 17. Jahre ftarb, 
verbreitete die Grundfäße mit großer Berebfam- 
keit; ihm wurde ein Tempel auf Cephalonia er: 
richtet und göttliche Verehrung erwiefen. Die Kar: 
pofratianer jollen ein Chriftusbild, das angeblich 
von Pilatus herrührte, verehrt haben und fo die 
erften Chriften gewejen fein, bei deren Cultus 
Bilder gebraucht wurden. 

Karpns, 2. Tim. 4, 13, ſoll nad) Hippolyt Bi: 
ſchof zu Berytus in Thracien geworben fein. 

Kartha, Stadt in Sebulon, Sof. 21, 34. 

Karthäuferorden. Der Stifter desſelben ift der 
beil. Bruno (f. d. Art.) 1084. Er ſuchte das Ana: 
choreten⸗ mit dem Cönobitenleben zu vereinigen 
dadurch, daß jeder Mönd von den andern getrennt 
in feiner Zelle lebt, und das Gebot des Schwei— 
gens und der Arbeit zu der jonftigen ftrengern 
Afteje hinzutrat. Erft der 5. Prior der Karthaufe 
Guigo (+ 1137) zeichnete die Ordensvorſchriften 
auf und 1170 gab ihnen Alerander III. die Beftä: 
tigung. Die Gejeggebung leitet das Generalcapi: 
tel, der Prior der Karthauſe wurde als Oberprior 
ſämmilicher Klöfter anerfannt. Die Laienbrüder 
waren nad dem durchgehenden Syitem der Ab: 
ſchließung von den Mönden ftreng geichieden; zu 
den nötbigen Arbeiten außerhalb des Kloſters 
wurde 1232 die Einrichtung von Oblaten beftätigt. 
dur Zeit des Schismas ftanden aud hier zwei 

rdensgenerale nebeneinander, bis ſämmtliche 
Provinzen Martin V. anerkannten. Eine Refor: 
mation ift im Orden nie nöthig geworben, nur 
eine Fraction hat ſich von ihm getrennt, welche die 


erhoben. Karthäuferinnen (Diakoniffen) gab es 
nur in fünf Klöftern; ein Beſchluß des General: 
capiteld wehrte einer größern Ausdehnung. Sie 
haben noch ein Haus bei Grenoble. Dasfelbe wurde 
in der Revolution zerftört, aber 1816 von neuem 
bezogen. Es beftehen Klöfter in Frankreich, Sta: 
lien und der Schweiz. Ordenstracht ift ein Tuch: 
rod mit Ledergürtel, Scapulier und Kapuze von 
weißer — 

ſtarthago wird als chriſtlicher Biſchofsſitz erft 
202 erwähnt, wo Optatus Biſchof war. Mit dem 
Bisthum war nad) der Verfaſſung der nordafrika⸗ 
nifhen Kirche der Primat über die Biſchöfe der 
Provinz verbunden. Seit ber Eroberung durch die 
Bandalen beitand neben dem katholiſchen aud ein 
Arianijches Bisthum. Synoden find häufig in tar: 
thago gehalten. Die Beſchlüſſe der älteren find 

röptentheils 419 wiederholt und von Dionyfius 
xiguus im Codex eccl. afric. zufammengeftellt. 
Bisthum und Chriftenthum gingen mit der Zer- 
ftörung der Stadt durch die Mauren 698 unter, 
ſtaffia, eine aromatiſche Rinde, welche als In: 
grebienz ben wohlriechenden Salben beigemifcht 
wurde. Man glaubt, daß der Baum, von dem fie 
genommen, Cinnamon Tamel oder Albiflorum ge: 
wejen jei. Bf. 45, 9; 2. Mof. 30, 34; Ey. 27, 19. 

Kaflen, Kirchentaiten, ift die allgemeine Be: 
zeihnung bes kirchlichen Gemeindevermögens, 
welches zum Theil aus den Einlagen in die Gottes: 
Armenkaſten erwuds, die in den Kirchen aufge: 
ftellt waren. — Kaftenvogt, Kaftenherren, find die 
aus der Gemeinde zur Verwaltung des Kirchen- 
gutes aufgeftellten Männer, die in diefem Amte 
der Auffiht des Pfarrers unterftellt find. Die 
Kirchenordnungen geben überall Vorſchriften zur 
Verwaltung und Sicherung der Kaften. 

Ratafalf, tumba, castrum doloris, ift das 
Tobdtengerüft, welches bei der kirchlichen Todten: 
feier in der Kirche aufgeftellt wird, nachdem Die 
Leihen nicht mehr in diefelbe hineingetragen wer- 
den. Derfelbe ift mit den Emblemen bes Todes 
und ben Infignien bes Standes des Veritorbenen 
verjehen, oft foftbar geſchmückt und mit Lichten, 
den Symbolen des ewigen Zebens, umgeben. Ans 
ftatt der Zeihe wird er mit Weihwaſſer befprengt 
und mit Weihrauch beräudert. 

Katakomben (catacumbae) heißen die unter: 
irdifhen Gänge unter dem alten Rom, aus welchen 
Sand und Puzzolanerde ausgegraben war und 
welde vor Alters zum Begraben der Stlaven dien: 
ten. Da man in dieſen —— und ſchwer zu⸗ 

änglichen Orten die Leihen ber Märtyrer beizu⸗ 
een pflegte, jo wurden allmählich die Katalomben 
zum allgemeinen Begräbnißplag der chriſtlichen 
Gemeinde. Damit verband fi, daß diefelben zu 
gotteödienftlihen VBerfammlungen, zur Stätte der 
Eommunion und ald Zufludtsorte in Zeiten ber 
Bedrängniß benugt wurden. Zu dem Zwecke wur: 
ben einzelne ber Gruben vergrößert und verziert. 
So ließ Ealirt die Katakombe unter der Bafilica 
St. Sebaftiani anlegen, das coemeterium Calixti. 
Im firhlihen Gebraud blieben die Katalomben 
bis ins 7. Jahrhundert. Schon Papſt Leo ber 
Große (7 462) wurde als der erjte der Bäpfte nicht 
mehr in einer Katakombe beigejegt. Auch waren 
über benjelben an ber Stelle, wo Märtyrer begra- 
ben lagen, Kirchen und Gapellen erbaut, die mit 


Katechetenſchule 


457 


Katechismus 


ben unterirdiſchen in Verbindung ſtanden, jo da | Aoyos zarnynrıxös 6 ueyas, Auguſtins de cate- 
jelbft die Gedächtnißfeier der Märtyrer ftatt in den | chizandis rudibus. Als die Neueintritte in bie 
KRatalomben in den Eapellen gefeiert werden konnte. Kirche aufhörten, trat der Jugendunterricht in ben 


Die K. find Gänge in Manneshöhe bis zu 4 Fuß 
Breite. In die Wände find die Begräbnißftellen 
eingehauen als wagerechte Nifchen, die repofito: 
rienmäßig neben und über:, zumeilen auch hin— 
tereinander liegen. Jede Nifche ift mit einer Tafel 
von Marmor oder gebrannter Erde geſchloſſen; 
auf berjelben ift der Name eingegraben oder auf: 
getragen, häufig das Monogramm Ehrifti oder ein 
anderes Sinnbild und ein kurzes Wort wie In 
Pace oder Dormit. Aus jpäterer Zeit find die 
marmornen Sarlophage, deren eine Anzahl erhal: 
ten ift (vgl. Kinkel, Geſch. der bildenden Künſte), 
fowie die Gemälde, mit welden die Wände und 
Gewölbe mander K. geichmüdt find. Die Krüge 
und Fäſchchen, welche außerhalb der Gräber fi 
in großer Anzahl finden, hält man wegen bes ro: 
then Niederjchlages gern für Behälter des Mär: 
tgrerblutes und fie gelten daher noch jebt als 
fiheres Zeichen für ein Märtyrergrab, wahrſchein⸗ 
ih aber rühren fie her von den Abendmahls— 
feiern ; die hemifche Unterfuhung findet in dem 
rothen Niederichlage keine Blutipur. Die Ausgra- 
bungen in den K. welche für die hriftliche Kirchen: 
und Kunftgefhichte viel Bedeutendes ergeben ha: 
ben, — auch dadurch, daf fie die völlige Abmwejen- 
beit des Mariencultus in jenen Zeiten augenicein: 
lich bezeugen — ftehen unter Aufficht der Congre: 
gation der Indulgenzen und Reliquien, welde aus 
diefem unerfhöpflihen Schage neugebaute oder 
isrer Reliquien beraubte Kirchen mit echten Reli: 
auien von Märtyrern befchentt. Aehnliche K. finden 
fih an mehreren Drten Jtaliens, die Fre nad 
den römifchen in Neapel, dann in Brescia, Flo: 
renz, Zucca, Spoleto, Chiufi, Caftellamare, Rola, 
Canofſa nnd an andern Orten. Auch bei Paris 
führen die Steinbrüche den Namen, welche 1786 
die Bebeine aufnahmen, die von den aufgchobenen 
Kirhhöfen entfernt wurden und die Leichen der 
1792 Gemordeten. Val. über die Katafomben 
Bellermann, über die älteften hriftlichen Begräb: 
nigftätten, Hamburg 1839; Perret, Catacombes 
de Rome, 1851 ff.; de Rossi, Roma soterranea, 
1864, und die Kunſtgeſchichten. 

atechetenſchule. Die ebertritte gebilbeter Hei: 
den madıten in Alerandrien e8 zur Nothwendig ⸗ 
keit, den Unterricht derfelben im Chriftenthume 
wiffenfchaftlich gebildeten Männern zu übergeben, 
welche die Bedenken löfen und die Zmeifel über: 
winden fonnten. So entitand die berühmte Alexan⸗ 
driniſche Katechetenſchule (ſ. d. Art.), welche all 
mahlich eine gelehrte Bildungsanſtalt wurde. Ori⸗ 
genes, ihr berühmter Vorſteher, gründete nad) ſei⸗ 
ner Bertreibung von Alerandrien eine gleiche in 
Eäfarea. Außerdem blühten neben Alerandrien die 
Schule von Antiochien unter Dorotheus 290 und 
Lucian (+ 310) und die Schule zu Edeffa. 

Katechetik ift die Wiffenfchaft von der Einfüh: 
rung der Jugend oder unbelehrter Erwachfener in 
die Öriftfühe Lehre. Sie gehört in die Reihe ber 
praltiih:theologifhen Difciplinen. In der alten 
Kirche war bie Katecheſe wejentlid ein Unterricht 
betehrter Erwachſener, wobei das apoftolifche Sym⸗ 
bolum naturgemäß bald den Mittelpuntt bes Un: 
terrichtö bildete. Abhandlungen, welche dieſen älte⸗ 


ften Unterricht betreffen, find: Eyrills von Jeru⸗ V 


falem myftagogifhe Reben, Gregor von Nyſſa 


Vordergrund. Karl der Große ließ außer dem 
Symbol noch die zehn Gebote und das Baterunfer 
lernen. Die erften Katehiämen fchrieben Dtfrieb 
von Meifenburg, Hero und Notter Labeo. Dem 
im Allgemeinen jehr vernadläffigten Unterricht 
im Mittelalter gegenüber verwandten die Waldens 
jer und Huffiten großen Fleiß und Sorgfalt auf 
denſelben (vgl. Gefften, Bilderlatehismus, 1855). 
Aus der römischen Kirche ift Charlier Gerfon und 
beffen Schrift de parvulis ad Christum trahen- 
dis zu erwähnen. Die beiden Lutherifhen Kater 
hiämen brachen neue Bahn für den Religions: 
unterricht ; deßgleichen die Katechiämen ber refor: 
mirten Theologen (f. u. Art. Katechismus). Die 
Theorie der Katecheje, ald Syftem, wurde weniger 
gepflegt: Hyperius (de catechesi, 1570), Alfted 
(Theol. catechetica, 1612), Dietrich (Institutio- 
nes cat., 1613) u. X. Bon Bedeutung war aud) 
in ber Theorie der Katecheje Spener, deſſen epoche⸗ 
machende Wirkſamkeit auf praktiſch⸗katechetiſchem 
Gebiete anerkannt iſt (katechetiſche Tabellen, 1683 ; 
Gedanten von der Katehismusreformation, 1815). 
Einen großen Umſchwung in der Katecheje rief 
das Auftreten der philanthropifhen Schule (Baſe⸗ 
dow, Salzmann u. A.) hervor. An die Stelle des 
orthodoren Dogmas trat der Vernunftglaube, und 
in ber ſokratiſchen Methode glaubte man das 
eigentliche Geheimniß der Kalecheſe entdedt zu 
haben; die ganze Wahrheit liegt —— im 
Menſchen verborgen, es bedarf nur der künſtlichen 
Entwicklung: das war der Grundgedanke dieſer 
Katecheſe. Salzmann (über die wirkſamſten Mit: 
tel, Kindern Religion beizubringen), Miller (An: 
weiſung zur Katechifirtunft, 1778), Rojenmüller 
(Anweiſung zum Katedifiren, 1783), namentlich 
aber Gräffe (Lehrbuch der alla. Katechetil nach Kan: 
tiſchen Grundfägen, 1795— 98 ; Grundriß der allg. 
Katechetik. 1796); in origineller Weife Dinter 
(Regeln der Katechetif, 1801). Diefem, der religtö: 
ſen Wärme nur zu oft entbehrenden Formalismus 
gegenüber, trachteten Daub (Lehrbud, 1801) und 
Schwarz (Katechetik, 1318) in der Katecheſe nad) 
der Erweckung eines innernreligiöfen Lebens. Auch 
die Schleiermacherſche Theologie er ihre Wege 
in den Unterricht: Rütenik, ber che Glaube, 
1829. Als neue Aufl. : die hriftl. Glaubens: und 
Sittenlehre, 1834, 3 Bbe.; Al. Schweizer, Leit: 
faben zum Unterridt in der chriftl. Glaubenslehre, 
1840, Neuere Katechetiten: Kraußold, 1843; Pal⸗ 
mer, 1844, 4. Aufl. 1856; Zezſchwitz, 1863 u. A. 
Zur Literatur: Stud. und Krit., 1831. 
Katechismus ift ein in Fragen und Antworten 
abgefaßtes Lehrbuch der chriſtlichen Religion für 
dad Volt und den Jugendunterridht. Einzelne 
Theile der chriftlihen Lehre find fchon früh der: 
artig in Deutfchland behandelt und von Luther 
benugt. Den eriten Katechismus findet man bei 
den böhmifchen Brüdern; er ift aber nur in ber 
Umarbeitung von 1523 vorhanden. Demjelben 
nachgebildet ift ber Waldenſer Katehismus. Die 
deutſche Reformation zeigte ihren Charakter durch 
die rafhe Folge mehrerer Katechismen. Der erfte 
ift ber des Pfarrers Bader „Geſprächbüchlein vom 
Anfang des driftlihen Lebens mit dem jungen 
olf zu Landbau”, 1526; ihm folgte Brenz 1527, 
„Fragſtütke des hriftlihen Glaubens, enthaltend 


Katechismus 


den Glauben, bie Gebote, dad Baterunfer und das 
Nachtmahl“. 1529 folgte dann Luther mit feinen 
beiden Katechismen, durch welche er aud) den Ges 
brauch des Namens Katehismus für diefe Lehr: 
bücher feftftellte ; voraufgegangen war 1520 feine 
„kurze Form, den Glauben und die zehn Gebote 
zu betrachten und das Baterunfer zu beten“. In 
der Schweizer Kirche erfchien 1533 in Zürich der 
Katehigmus von Leo Judä; Calvin eriter, 1536 
franzöſiſch, 1538 lateinisch erſchienen, ift noch ohne 
dialogifche Form, welche aber der von 1545 (Gen: 
fer Katechismus) ebenfalls angenommen hat. Beide 
überragte und verbrängte ber Heidelberger Kate: 
chismus 1563 (f. d.), welcher als Lehrbuch in der 
teformirten Kirche einen faft ebenfo unbeftrittenen 
Blog einnahm, als der lutherifche in ber lutherischen 
Kirche. Diefe Katehismen haben durchgehends 
mebr ben Zwed, dem Bolte einen „kurzen Inbe: 
griff des Wortes Gottes“ zu geben, den e3 in kur: 
zen behaltbaren Sätzen dem Gedächtniß einprägen 
könne, ald dem eigentlichen katechetiſchen Jugend» 
unterricht zu dienen, an ben auch noch wenig ge: 
dacht wurde. Daher wurben die Katehismen mehr 
angeſehen als populäre Ueberjegungen ber theolo: 
giſchen Bekenntnißſchriften und in Folge beſſen 
nicht nur immer confeffioneller, fondern auch von 
den Landesherren und dem Kirchenregimente ver: 
anlaßt und eingeführt. So wurde ſchon 1537 
ber —— Katechismus durch Bucer auf 
Veranlaſſung des Rathes zu Bern überarbeitet. 
Es jest ſich dieſelbe Richtung in verſchiedener 
Weiſe in dem Heſſiſchen Katechismus 1566, dem 
Zweibrüder 1586, dem Wittenberger 1571 und den 
gehäffigen Streitigkeiten, welche durch diefen her: 
vorgerufen wurden. Ganz in Hebereinftimmung 
damit fteht die Tendenz der katholiſchen Katechis⸗ 
men, welde in biejer Zeit erfchienen, des Cate- 
chismus Romanus, 1566, der Katechismen des 
Canifius 1554 und 1566 und Bellarmin 1608. 
Aus der Anregung, welde Spener der Katechetil 
gegeben bat, gingen zahlloje Katechismen hervor, 
welche eigentliche Lehrbücher für den Religions: 
unterricht der Jugend fein wollten und in welchen 
ſich daher ſowohl der Wechjel und Fortjchritt der 
Methode ald auch die religiöfe und theologische 
Stellung der Verfaſſer jehr deutlich abfpiegelten ; 
mit demjelben Recht und Unrecht wie von einer 
Geſangbuchs wurde auch von einer Katechis⸗ 
musnoth geredet und geſchrieben. Neuen Anlaß 
zur Außgabe eines Kalechismus unter kirchlicher 
Sanction als Lehr⸗ und Belenntnißbuch gab zuerſt 
die Union; Unionskatechismen ſind der badiſche 
von 1836 und der rhein⸗pfälziſche. Aus der Rich: 
tung der legten Decennien, den Lehrinhalt ber 
unirten Kirche mehr in der theilmeifen wörtlichen 
Mebereinftimmung (bem Consensus) oder in dem 
Nebeneinanderbeitehen der verfchiedenen confeffio: 
nellen Zehrausprägungen, ald in dem Zurücdgehen 
auf bie Principien zu Anden, entftanben bie neuen 
Unionsfatehismen der babifchen Kirche 1855 und 
defien Leberarbeitung durch Die Rheinifche Synode 
1859. An den Verſuch, durch bie Einführung eines 
neubearbeiteten ältern Katechismus aus der Zeit 
der {hrofiften Orthodoxie Iutheranifche . 
bigteit in Hannover zu verbreiten 1862, Inüpfte 

bie in ihrem Berlauf jo intereffante Reaction 
des evangeliichen Gemeindebewußtjeind. Die An: 
forberung, welchen die tatechetifche Wiſſenſchaft an 
den Katechismus ftellt, daß er ein Tert der öffent: 


458 
| lihen Lehre und bes —— Belenntniſſes ſei, 


Katechumenenunterricht 


welchen die Kirchengemeinſchaft anerkennt, eine 
Begründung des gemeinen Wiſſens vom Chriften: 
tum (Nitzſch), wurde zum Theil jo ausgedeutet, 
daß der Katechismus ein ſymboliſches Buch ber 
Kirche fein müſſe und daß er „gebetet” werden 
fönne, db. 5. mit andern Worten, daß nur Luthers 
Meiner Katechismus als wirfliher Katechismus 
anaufehen fei. Vielmehr ift bei der Form und Dar: 
ftellung in die erfte Zinie die Rüdficht zu ftellen, 
daf der Katechismus ein Lehrbuch ıft, welcher den 
Kindern das Verſtändniß des Chriftenthums er: 
ſchließen foll; es ift in einer georbneten und ver: 
faßten Kirche aber ebenfo ſelbſtverſtändlich, daß 
fein Katechismus im Jugendunterricht gebraudt 
werde, ben nicht bie competente tirhlice Stelle 
enehmigt hat, wie dies z. B. auch die Rheiniſche 
irchenordnung $.106 vorjchreibt. Aus der neuern 
Theologie hervorgegangen ift: Grundriß der chriſt 
lichen Lehre von E. Schwarz, 2. Aufl. Gotha 1867. 
Natechumenen hieken in der alten Kirche bie 
Yuden und Heiden, welche fih an die Gemeinde 
angeſchloſſen hatten, aber noch nicht durd die 
Taufe in diefelbe aufgenommen waren und ftd im 
BZuftand der Vorbereitung auf diejelbe befanden. 
Sie galten ald Chriften, denen noch bie rechte Reife 
und Erprobung mangele. Das Wefentlihe des 
Katechumenates war daher nicht ſowohl eine Unter: 
weifungin dem noch ſehr beſchränkten Zehrinhalt als 
eine Erlorichung der Gefinnung und die Erziehung 
zu chriſtlicher Sittlichleit. Anfänglich waren fie 
von der Theilnahme an den gotteödienftlichen Ber: 
fammlungen völlig ausgejhloffen; jpäter durften 
fie dem Gebete und den Lehrvorträgen beimohnen, 
aber nicht der Abendmahläfeier (ſ. Arcan:Dife: 
plin). Seit dem 4. Jahrhundert unterfchied man 
daher im Katechumenat die Stufen der audientes, 
welche bei der Predigt und Schriftvorlefung an: 
weſend waren, bergenuflectentes, welche am Gebet: 
Theil nehmen mochten und der competentes, welde 
würdig befunden waren, am nächſten Termine die 
Taufe zu empfangen und liturgiſch darauf vorbe: 
reitet wurden. Bal. Scerutinien. Die Aufnahme in 
dad Katehumenat geihah durch Dandauflegung 
und Gebete und Mittheilung des Salzes ; bis dahin 
rg die zur Aufnahme ſich Meldenden rudes. 
ie Trennung der Katechumenen hat aber frühzei⸗ 
tig aufgehört. Das Inſtitut der Katechumenen 
nahm jein natürliches Ende, als das Chriftenthum 
die Religion des Volles und die Kindertaufe 
allgemeine kirchliche Sitte geworben war. wi 
neuerer Zeit nennt man Katehumenen bie chriſt 
lien Kinder, welche durch den pfarramtlichen Re: 
ligiondunterricht zur Confirmation und zur Theil: 
nahme am heiligen Abendmahl vorbereitet werben. 
Katehumenenmefle heißt der erfte vorbereitende 
Theil der Meſſe, nach deſſen weg, bie Ka: 
tehumenen entlaffen wurden, da bie Oblation, 
Eonfecration und Communion zur disciplina ar- 
cani — Anfänglich beſtand die Katechume⸗ 
nenmeſſe nur in Pſalmengeſang und Schriftver: 
lefung, fpäter lamen weitere Gebete und bie Pre 
digt hinzu. Als die Verfolgungen nicht mehr mu 
befürchten waren, wurbe die Theilnahme an der 
Katehumenenmefje wie allen Büfenden, jo auch 
—— und Heiden geſtattet. 
techumenenuunterrichi. Obgleich das Inſtitut 
ber Katechumenen nach der Natur ber Sache uralt 
ift und in die Zeit der Apoftel hinaufreichen mag, 


Katerkamp 


fo findet ſich doch keine Angabe über einen beſonde⸗ 
ren ihnen ertheilten Unterricht. Es blieb die Mit: 


459 


Katharer 


Ja re 1153), 1819 834, welche auch bei proteſtan⸗ 
tifchen Gelehrten große Anerkennung fand; Denk: 


theilung der Glaubendmwahrbeit, ſeitdem die öffent: | würdigkeiten der Fürſtin Galitzin, 1828. 


lihe Verkündigung der apoftolifchen Zeit gehin- 
dert war, ber Privatforge der Einzelnen üüberlafien, 
die Katechumenen waren im übrigen auf die heil. 
Schriften und die Auslegung derfelben in den 
Berfammlungen angemwiefen. &rft die Katecheten⸗ 
fhule in Alerandrien ging aus dem Gefühl deö 
Bebürfniffes nad) einem elementaren driftlichen 
Unterricht hervor, veränderte fih aber bald durch 
die nothwendigen Umftände in eine wifjenfdaft: 
liche Zehranftalt. Yon einem Unterricht der Jugend 
findet fidh feine Spur, derielbe fcheint wie bei den 
Juden der Familie Überlaffen geweſen zu fein. 
Ebenjo wenig hat im Mittelalter eine kirchliche 
Untermweifung ber Jugend ftattgefunden ; was ein: 
zelne Biſchöfe thaten, ſowie Klöfter und Domſchu— 
len, war nur für die vornehmere oder zu höhern 
Studien beſtimmte Jugend. Die Kirche legte den 
Pathen die Pflicht auf, die Kinder den Glauben, 
die Gebote, das Vaterunſer und die Gebete zu Ichs 
ren und verwies fie im übrigen auf die Belehrung, 
die fie im Gotteödienfte und im Beichtftuhl em: 
pfangen fonnten. Nur von den Waldenjern wird 
bezeugt, daß fie ihre Kinder mit den chriftlichen 
Wahrheiten forgfältig befannt gemadt hätten. 
Beranlaßt durch die deutfche Reformation, machte 
dad Tridentinum den Seelforgern zur Pflicht, 
durch einen heilſamen Bortrag an allen Sonn: 
und Feiertagen das ihnen anvertraute Volk in 
Allem zu unterridten, was zu wiffen Allen zur 
Seligkeit — Die Reformation, welche 
eine Haupturſache des eingeriſſenen kirchlichen 
Verderbens in der Unwiſſenheit des Volles ſah, 
ließ ſich den Jugendunterricht ſehr angelegen ſein, 
allein man ging im großen Ganzen nicht über die 
Vorſchrift des Tridentinums hinaus; die zahlrei⸗ 
chen Katechismen waren zwar darauf berechnet, 
von der Jugend gelernt zu werben, aber nur in 
den Katechismuspredigten wurden diefelben aus: 
gelegt. Es ift das Berdienft des Spenerichen Pie: 
ttämus, die Nothwendigkeit eines eingehenderen 
Religiondunterrichts der Jugend zum Bewußtſein 
ebracht und den Anftoß zur Ausbildung wiſſen⸗ 
haftlich begrünbeter Katechetik gegeben zu haben. 
Der Katehumenenunterriht muß fih nad) Form 
und Inhalt von dem elementaren Religionsunter: 
richte unterfcheiden, welchen die Schule zu erthei« 
len nicht laffen kann; die Grenze zwiſchen beiden 
beftimmt und Far zu ziehen, ift indek noch nicht 


gelungen. 

Ruierlamp, Dr. Yen Theodor Hermann, 
Domdechant und Profefior der fatholifhen Theo: 
logie zu Münfter. Geb. am 17. Jan. 1764 zu Och» 
trup, bezog er bie Gymnaſien zu Rheine und Mün— 
fter und ftubdirte hier Philofophie und Theologie. 
1787 zum Prieſter geweiht, ward er Hauslehrer 
ber Söhne des Neichsfreiheren Drofte-Bifchering, 
Clemens Auguft (des Erzbifchofs) und Franz Otto. 
Nachdem biete Thätigleit mit einer längern Reife, 
auf welcher Katerfamp mit Lavater und andern 
Berühmtheiten zufammengetroffenwar, 1797 ihren 
Abſchluß gefunden, wurde er Hausgenoffe der Für: 
ftin Galigin. Nach deren Tode übernahm er die 
— der Kirchengeſchichte proviſoriſch. 1819 
o. Profeſſor, ward er 1823 zum Domcapitular 
und 1831 zum Domdechanten ernannt. + 1834. 
Sein Hauptwerk ift die Kirchengeſchichte (bid zum 





Ratharer (x«Iapor) ift der Geſammtname einer 
in vielen Fractionen auftretenden chriſtlichen 
Secte, welche im Mittelalter dad Abendland erfüllte 
und nad Ihren Grundgedanken mit dem Gno— 
ftieiömus und Manihäismus verwandt ift. Das 
Gemeinfame der verfchiedenen —— 2 ein 
Dualismus, welcher die Materie vom böfen Geifte 

eichaffen fein läßt; durch die Berbindung mit ihr 
And die urjprünglich von Gott ftammenden und 
auf ihn gerichteten Seelen böfe. Der Gott des 
Alten amentes, Jehovah, ift der böfe Geift, 
welcher durch das Geſetz die Menſchen täufchte, nur 
in den Propheten und den Pſalmen ſpricht ein 
öttlicher Geiſt. Jeſus iſt gekommen, geſendet von 
ott, dieſen Betrug des böſen Geiſtes zu zerftören, 
ſein irdiſches Leben iſt, da er mit nichts Böſem, 
Materiellem behaftet fein konnte, nur ſcheinbar 
geweſen; auch Marias Leiblichkeit war nur Schein 
des Lichtkörpers. Da die Sünde in der Luft am 
Geſchaffenen befteht, fo ift ed das Weſen der chriſt⸗ 
lihen Bolltommenheit, ſich davon völlig frei zu 
machen, daher ftrenafte Aſteſe und Ehelofigtelt. 
Die Vergebung der Sünden ift gefnüpft an bie 
Geiftestaufe (consolamentum) in der Handauf: 
legung, die Waffertaufe ward verworfen. Jede 
Slinde nad) ber Taufe macht des Geiftes verluftig, 
fo daß Mande, um in der Endura zu bleiben, den 
Gnadenftand nicht zu verlieren, nad) Empfang des 
consolamentum durch Berfagen der Nahrung ſich 
den Tod gaben. Zurmwahren Gemeinde der Reinen, 
cathari oder perfecti, gehören nur —— 
welche nach dem Empfang des consolamentum 
dieſer ſtrengen Afteje leben. Um der Schwachheit 
willen wurde den Gläubigen, credentes, nachge— 
geben, in der Ehe zu leben, Güter zu befigen ıc., 
unter ber ——— ung, daß ſie noch vor dem 
Tode durch Empfang des consolamentum die Boll: 
fommenbeit ergreifen würden. Die kirchliche Orga⸗ 
nifation ahmte durch Eintheilung in Didcefen, an 
deren Spite der Bijchof mit zwei Gehülfen ftand, 
die fatholifche nach, aber ohne —— ter⸗ 
erg Bifchöfe unter ein gemeinjames Ober⸗ 
haupt. Der Gottesdienft war einfach, meift Schrift= 
auslegung, Gebet und Segen, an Stelle des Abend: 
mahls das Brodbrechen durch bie Bolllommenen 
und ftatt ber Beichte dad appareillamentum, ein 
— Sündenbekenniniß. Eine Differenz 
er einzelnen Fractionen lag in dem jhärfern oder 
mildern Dualismus, da die Einen das Böſe auf 
ein urfprünglich böfes Princip zurüdführten, die 
Andern es durch den Abfall des älteften Sohnes 
Gottes erflärten, oder in der Verſchiedenheit der 
Lehre von der Seelenwanberung, deren Annahme 
fie bedurften, um eine völlige Erlöfung der Seelen 
bei der augenſcheinlichen Seltenheit fathariftifcher 
Vollkommenheit fich zu erflären. Der Urſprung 
der Secte liegt im Dunleln ; anſcheinend ift er un» 
ter den Slaven der Bulgarei ſchon im 10. Sy ri 
hundert zu fuchen. Ueber Jtalien verbreiteten 
die Katharer im Anfang des 11. Jahrhunderts 
nad Südfrankreich, wo fie ald Albigenjer um 1200 
ftärfer waren als bie Tatholifche Kirche, 1167 au 
Touloufe fogar eine große Synode gehalten haben, 
auf welcher auch der Fathariiche Biſchof von Eon» 
tantinopel, Nicetas, erfchienen ift. Ihre Unter: 
dung durch Innocenz (die Kreuzzlige gegen bie 


Katharina 


460 


Katharinus 


Albigenfer ſ. d. Art.) forderte bie Anfpannung | Herzog von Orleans, dem fpätern Heinrich II, von 
aller kirchlichen und weltlichen Kräfte. Zu gleicher | Frankreich, vermählt, wußte ſich durch Fluges Be; 


eit wandte fich die Inquifition in Stalien und 
- eutihland (Konrad von Marburg) gegen fie. Erſt 
im 14, Jahrhundert verfchwinden die letten Spu⸗ 
ren ber Secte; die Erben vieler ihrer Ideen waren 
bie Brüder des freien Geiftes. Vgi. Schmidt, 
histoire et doctrines de la secte des Cathares, 
2 vol., Paris 1849; Hahn, Geſchichte der Ketzer im 
Mittelalter, 1348 50; Schmibt, in der Zeitſchr. 
für bift. Theol., 1847, 

ſtatharina. Die katholiſche Kirche zählt viele 
Heiligen diefes Namens, fo eine hriftlihe Jung⸗ 
frau, die au) Acızadapiva hieß, d. h. die immer 
Reine. Eufebius berichtet von ihr, daß fie ber Ver: 
führung Marimins wiberftanden babe und def: 
halb ihrer Güter beraubt und verbannt worden fei. 
Nach den Acta sanct. ſoll fie Redner und Philo— 
fophen überwunden und zum Chriftenthum belehrt 
haben und deßhalb 307 enthauptet fein, da das 
eigentlich zu ihrer Hinrichtung beftimmte Folter: 
werfjeug zerbrach. Ihre Gebeine follen im 8. Jahr: 
hundert nad) dem Sinai gebracht fein. Die philos 


ſophiſche Facultät der Univerfität Paris verehrt in 
ER bie Patronin. Gedächtnißtag 22. November. 
gl. Buttler, Leben der Väter, 


Ratharina von Aragonien, Tochter Ferdinands 
II. von Aragonienundder Jjabella, Tante Karls V., 
geb. 1483, wurde 1501 mit dem Bringen Arthur 
von Wales verheirathet, und als diefer vor Boll: 
zug der Ehejtarb, mit deffen Bruder Heinrich (VIII.) 
von England, der damals 12 Jahre alt war. Die 
Liebe zu Anna Boleyn ließ den König erkennen, 
daß dieſe Ehe mit der Schwägerin eine verbotene 
und nichtige ſei 1527; als der Bapft aus Rüdficht 
auf den Kaifer fich weigerte, auf dieſe Gewiſſens⸗ 
bedenken einzugehen und die Ehe der 50jährigen 
Königin mit dem 4djährigen Könige nad) einem 
Beitande von 31 Jahren zu trennen, jo ſprach 
Heinrich 1533 felbft die Eheſcheidung aus, ſagte 
ſich aber damit zugleich von der römiſchen Kirche 
los und begründete die anglicaniſche Kirchenrefor⸗ 
mation. Katharina lebte zurückgezogen zu Kins— 
bolden in England. Ihre Tochter, die blutige Ma: 
ria, rädhte die Mutter durch ihre Broteftantenver: 
baue und ließ die anglicanifche Kirche die 
Schmad) ihres Urfprungs mit dem Märtyrerblut 
ihrer Belenner abwaſchen. 

Katharina von Bononien, geb. in Bononien 
oder zu Ferrara, trat in eine Gemeinde bes 3. 
Ordens des heil. Franciscus und wurde bei deren 
Umgeftaltung in den Drden ber heil. Clara Bor: 
fteherin eines Klofters in Bologna. + 1463. Das 
ihr fälſchlich zugeichriebene Buch Revelationes 
Cath. Bononiensi factae, Venedig 1583, enthält 
abgeihmadte Dichtungen; von ihr geſchrieben tft 
das Bud von den 7 geiftlihen Waflen. Gedädt: 
nißtag 9. März. 

Raiharina von Senna, geb. 1447, Tochter des 
Vicelönigs von Neapel, Yalobus von Fieschi. 
Mider ihren Willen mußte fie einen Edelmann 
heirathen, der durch üppiges Leben verarmte, aber 
vor feinem Tode dur hie noch belehrt wurde. Gie 
mwibmete fih danad der Krankenpflege in Spital 
zu Genua, und erwarb ſich durd) ihr Faften und 
durch Wunder den Ruf der Gottfeligleit. + 1510. 
Glemens XII. ſprach % —— 1737, 

Katharina von Medieiß, geb. 1519 zu Florenz, 
Tochter Lorenzo's von Medicid, wurde mit dem 


nehmen Anerkennung zu verihaffen und übernahm 


nach dem Tode ihres Sohnes Franz II. 1560 die 
Regentichaft. Selbft ohne alle Religiofität, fitten- 
[08 und ohne Grundſätze, verfolgte fie Feinen an- 
dern Zwed, alö ihren momentanen Intereſſen zu 
bienen und bie königliche Gewalt ungefchmälert zu 
erhalten. Daher befolgte fie zwifchen den Guiſen 
und den Hugenotten ein fortwährendes Schaufel: 
foftem, die eine Partei immer dann begünftigend, 
wenn die andere ihr mächtig zu werben fdien. 
Ihrer zeitweifen Nachgiebigleit gegen den Brote: 
ftantismuö lagen immer nur politifche Motive zu 
Grunde; daher konnte fie jelbft dem Papſte zu Re: 
formen rathen und das Golloquium von Voiſſy 
berufen. Sobald aber die Furcht vor den Guiſen 
geſchwunden war und fie hoffen fonnte, die Huge: 
notten zu bemältigen, wurden Edicte und Frie 
densihlüffe gebrohen. Die Furt vor Coligny 
rief endlich, al3 ihr Mordverſuch auf ihn mißlun 

en war, den Entſchluß zur Bartholomäusnadt 
ee Sie ftarb 1589, noch mitten unter den 
Derwirrungen, in welche fie Frankreich geftürzt 
hatte. 

Ratharina von Ricei, geb. 1522 zu Florenz aus 
einer der vornehmiten Familien. Nach dem Tode 
ihrer Mutter von ihrer Tante im Klofter erzogen, 
bat fie, da fie erwachhfen war um die Erlaubnif, 
den Schleier nehmen zu dürfen und trat zu den 
Dominicanerinnen au Prato, deren beftändiat 
Priorin fie wurde. Durch ihre Frömmigkeit und 
Geſchäftsgewandtheit fam fie in vielfache Berüb- 
rung mit Bifhöfen und Fürften; mit dem heil, 
Philipp von Neri ftand fie in lebhaftem Brief: 
wechjel. 71589. Sie tft durch Benedict XIV. heilig 
geſprochen und erhielt sum Gedächtnißtag den 13. 
Februar. 

Katharina von Schweden, die Tochter der heil. 
Brigitta und des Fürften von Nericien, lebte mit 
ihrem Gemahl in einer Joſephsehe, begleitete ihr: 
Mutter auf deren Wallfahrten nad) Paläſtina und 
Rom und lebte nad) deren Tode als Nebtiffin eines 
Klofters zu Waftein im Bisthum Lincopen in 
Schweden. + 1381. 1474 wurde fie fanonifirt. 
Gedächtnißtag 22. März. 

Katharina von Siena, geb. 1347, die Tochter 
eines frommen Tünders Benincafa. Schon als Kind 
lebte fie der Einfamleit und dem Gebet und gelobtt 
frühzeitig bleibende Keufchheit. Glücklich vermied fie 
bie ihr gejtellten Schlingen und lebte, als fie in den 
Tertiarierorden der Dominicaner hatte eintreten 
bürfen, nur der ftrengften Aſteſe. Dabei zeichnete 
fie fich aber durch Wohlthätigkeit und aufopfernd 
Krankenpflege während der Peſt 1374 aus. Hervor: 
gehoben wird ihre Gelafjenheit und Demuth, ob: 
wohl fie fi) rühmte, daß Chriftus ihr Herz mit 
dem feinigen vertaufcht habe. Durch ihr Anſehen 
lonnie fie in die firdlichen Angelegenheiten ihrer 
Beit eingreifen. 1376 verjöhnte fie Die ylorentiner 
mit Gregor XI., bemühte fi um die Rücklehr des 
Papſtes nach Rom 1377 und ftarb 1380 im Kum: 
mer über die neue Spaltung zwiſchen Gregor und 
den Florentinern. Sie wurde 1461 heilig geſpro 
hen. Gedädtniftag 16. April. Die Dominicaner 
zu Siena bewahren ihre Hirnſchale. 

Ratharinus, Ambrofius, urfprünglich Lancello- 
tus Politus, geb. 1487 zu Siena, war Dr. und 
Brofeffor der Rechte in feiner Baterftabt, 1513 


Kathebra 


Confiftorialabvocat und begleitete Leo X. zu der 
Zufammentunft von —— 1516. Nach jeiner 
Rückkehr trat er, des Hoflebend müde, in den Do: 
minicanerorden und entfaltete bald eine jeltene 
Fruchtbarkeit als theologiiher Schriftfteller. Zu: 
nächſt richtete fich jeine Polemik gegen Luther und 
Ochino; Apologia pro veritate cath. et apost. 
fidei ae doctrinae adv. impia ac valde fera 
M. Lutheri dogmata, Flor. 1520; Excusatio 
disput. contra Lutherum, 1521 »Speculum hae- 
reticorum contra B. Ochinum. Während eines 
Aufenthaltes in Frankreich erfchienen außerandern 
Streitihriften Claves duae ad aperiendas intelli- 
gendasve s,scripturas perquamnecessariae, 1543, 
und die Angriffe gegen Sajeton, Adnotationes 
in excerpta quaedam de commentariis Cajetani. 
Auf dem Tridentiner Concil, wohin er feinen frü: 
beren Schüler, den Cardinallegaten Johann Ma: 
ria de Monte (Julius III.) begleitete, verwidelte 
ihn fein Auguftinismus in der Lehre von der Önade 
und der Brädeftination in mehrfache Streitigkeiten 
mit Caranza und Dominicus Sotus; obwohl feine 
bezüglihen Schriften Defensio catholicoram pro 
possibili certitudine gratiae u. a. heftige Wider: 
reden bervorriefen, wurde er zum Biſchof von Mi: 
nori ernannt 1546 und nahm als jolder an den 
fernern Berhandlungen des Concils zu Trient und 
Bologna Theil. Nah der Vertagung besfelben 
zog er fich in fein Bistum zurüd, welches er 1552 
mit dem Erzbisthum Conza im Königreiche Neapel 
vertaufchte. Seine ſchriftſtelleriſche Thätigkeit blieb 
ungemindert, ba er feinen Augujtinismus auch 
gegen Bellarmin zu vertheibigen hatte. Die Hef: 
tigteit feiner Polemik foll er nachher jelbjt bereut 
haben. Bon feinen jpätern Schriften iſt nennens: 
werth Discorsi contre la dottrina e le profetie 
di Fra Gir. Savonarola, Er ftarb am 8. Novem: 
ber 1553 auf der Reife nad) Rom, wo er wahr: 
ſcheinlich von Julius III. den Gardinalähut em: 
pfangen jollte. 
Kathedra (xu9Edg«) hieß der erhöhte biſchöf⸗ 
lie Sit hinter dem Altar in der Baſilica. Daher 
dient das Wort zur Bezeichnung des Amtes, be: 
ſonders des oberiten Bifchofs, jo daß e cathedra 
ſprechen von ſolchen päpftlichen Ausſprüchen gehe 
wird, bei weichen er ſich auf die Vollmacht jeiner 
Stellung bezieht; ſoichen Ausſprüchen wird die 
Infallibulität zugefchrieben. Dann heißt Kathedra 
der Tag, an weldem ber bifhöfliche Sit gegrün: 
det worden und ber deßhalb gefeiert wird. Die 
eathedra Petri ift am 18. Januar (f. Stuhlfeier). 
Kathedrale ift die Hauptlirche der Diöceje, in 
welher der Biſchof jeine Bontificalfandlungen 
feiert. Zur Unterhaltung derjelben wird in man» 
chen Didcejen von den Eingepfarrten eine Hathe: 
zalfteuer erhoben, wie in der preußiichen Rhein: 
provinz. Früher verftand man darunter eine Ab: 
gabe der ale an den Biſchof. 
Katholicismus. Nach der urfprünglichen und 
etgmologijchen Bedeutung wird damit das That: 
fählihe der räumlichen Ausdehnung der Kirche 
bezeichnet und ihre Tendenz, alle Länder und Böls 
ter zu umfafien. Dur den Gegenjaß aber zu den 
Häretitern, Schismatitern und Heterodoren wurde 
die Borausfegung, daß der geſammte Glaubens⸗ 
inhalt der Kirche der wahrhaft chriſtliche jei, in den 
Bordergrundgerüdt ; das Allen Anzubietende wan⸗ 
delte fi in das allein Berechtigte, das Allgemeine 
in das alles andere Ausfchließende, die Fatholiiche 


461 





Katholicismus 


Kirche in die alleinfeligmadhende. Zum erften Male 
erjcheint der Ausdrud Exxinsia« zadolıxn in dem 
Sendihreiben der Gemeinde von Smyrna bei 
Euf. Kirchengeſch. 4, 15. 

‚Das Weſen des Katholicismus in feiner Hiftos 
rifhen Erſcheinung fpricht fich in den vier Wör: 
tern aus: Sacrament, Priefter, Tradition, Kirche. 
Das diejen aber gemeinfam zu Grunde Liegende 
ift das Zurüdtreten des religiößsethifchen hinter 
dem bloß religiöfen und religiös-firdlichen, das 
Verwechſeln der zeitlichen Erjcheinung mit * 
idealen Weſen, der Gemeinde in ihrer irdiſchen 
Gegenwart mit dem Reiche Gottes, welches ſich in 
der —— Durchdringung alles Menſchlichen 
mit dem Geiſte Gottes offenbart. Durch Ein⸗ 
fluß noch nicht überwundener heidniſcher Vorſtel⸗ 
lungen über das Verhältniß des Geiſtigen zum 
Irdiſchen bei der Auffaffung und Verwendung der 

riftlihen Gedanken, wurden die Sacramente aus 

nabenmitteln zu Heilömitteln ex opere operato ; 
bamit fchied fi) gugleich der Klerus von der Ge: 
meinde als ber Bermittler der Gnabe vermöge 
einer bejonderen göttlichen Ausrüftung, welche ihm 
in ber Weihe zu Theil wurde. Es traten fomit an 
bie Stelle der wirkenden ethiſchen Berfönlichkeiten 
und Kräfte die Signatur des Heiligen und bie 
magische Wirkung. Beides führte zur Anwendung 
altteftamentlider Formen, durch welche wieder die 
eingeſchlichene Auffafjung fich befeftigte. Sacra: 
ment und Briefter fordern mit Nothwendigkeit die 
Ausbildung des Gedankens ber Kirche als der von 
Gott mit ben Heiläfräften begabten Anftalt, welche 
die Macht hat, Priefter zu weihen und durch fie 
dad Sacrament hervorzurufen. Diefelbe kann ſich 
nur wieder vor ſich Tetbft und gegenüber den 
Hüretifern und Gemeindegliedern legitimiren 
durch ihren Zufammenhang mit Chriftus, und dies 
fen wiederum findet fie — ganz äußerlich geſchicht⸗ 
lich — in der ununterbrochenen Folge der bifchöf: 
lihen Weihe urkundlich erwiefen und dargeſtellt. 
Daher tritt den Schriftauslegungen der Häre— 
tifer, ihren bogmatifchen Behauptungen im legten 
Grunde nur die Berufung auf den ununterbro: 
—— Zuſammenhang des Epiſtopats entgegen. 

ie durch dieſen Zuſammenhang geſicherte Tra— 
dition ſtellt ſich neben die Schrift; die Beſchlüſſe 
der Concilien beruhen J— der Vorausſetzung, 
daß die verſammelten Biſchöfe nur der alten 
ſtets belannten Wahrheit den Ausdruck gäben. 
Dieſe Grundzüge tragen ihre unausbleiblichen uns 
abwendbaren Gonfequenzen in fi. Die Zahl der 
Sacramente muß fi vergrößern, um in alle Le: 
bensverhältnifie das Heil übertragen zu lönnen; 
ber Klerus muß fich gliedern in der Hierarchie nad) 
bem Grabe der facramentalen Befähigung; das 
Epiflopat findet eine einheitliche Spite im Bapfte. 
Iſt der Befit des Heils lediglich bei der Kirche, jo 
ift auch der Ölaubensinhalt nur bei ihr, d. 5. beim 
Klerus zu finden. Die Tradition, welche der Klerus 
bewahrt, wird für die Kirchenglieder zur bindenden 
und verpflichtenden Autorität, anftatt eine Duelle 
ber eigenen Erkenntniß zu fein. 

In weit höherem Grade noch als beim Klerus 
tritt daher beim Laien die Forderung der ſittlichen 
Perſönlichkeit zurüd hinter der ihm durch die Sa: 
eramente der Taufe und der Buße aufgedrüdten 
Signatur eines Geheiligten, an melden keine 
andere Forderung geftellt wird ala der Gehor: 
fam, ber bie Zugehörigleit zur Kirche dDocumentirt, 


Katholicismus 


462 


Kebsweib 


Die regula fidei wird zum verpflichtenden lau: | Macht Über die Welt, aber der Verſuch iſt gemacht 
benögebot. Was kirchlich ift, iſt chriftlih, was | mit noch unzulänglichen Kräften, jein Rejultat ift 
hriftlich ift, iſt kirchlich. Außerhalb der Kirche ift | ein welthiftorifcher Irrthum. Cine Reform des 


kein Heil, das ift der alles beftimmende Grund: 
gedante. Da treten denn an die Stelle der Buße 
und der Sinnesänderung die Sclüffelgewalt 
des Klerus und der Ablaf, an die Stelle des 
neuen heiligen Lebens die kirchlichen religiöfen 
(guten) Werte. Schon am Ende des 4. Jahrhun: 
derts fteht die katholiſche Kirche ziemlich vollendet | 
da; die durch äußere Umſtände begünjtigte Ent: 
widlung des Papſtthums zu einer weltlich unab: 
hängigen Macht ift nur die nothwendige Entwid: 
ung der Hierardhie, wenn fie der Gefahr des Cä— 
fareopdpismus entgangen iſt (morgenländijche 
Kirche), die Form der reinen Theokratie; der Bapft 
ift der Statthalter Chrifti. Der Dualismus, wel: 
cher als Ueberreft der paganiftiihen Denkweiſe 
dem Katholicismus zu Grunde liegt, erzeugt das 
Mönchsweſen und diefem nachgebildet die Geftal: 
tung des Priefterlebens mit dem Cölibat, wodurch 
wiederum der römijche Katholicismus ſich jtärft 
‚und befeftigt, indem ber Klerus zu einer einigen 

eichloffenen, von der Gemeinde völlig gelöften 
Nagıt wird. Ebenfo aber zeigt fidh jener Dualis⸗ 
mus ſelbſt in ber katholischen —— ſogar da, 
wo ſie —— kirchlich zu bleiben. Aus ihm 
geht die Menſchenvergötterung im Heiligendienſt 
und Mariencultus hervor, in welchem ber duali: 
ftifhe Mangel der Chriftologie jeine nothwendige 
Ergänzung judt. Der Gottesdienft aber wird rein 
dramatiſch und fymbolifch, er gewöhnt fi), das 
Wort der Lehre und die Predigt zu entbehren, felbft 
die Anwejenheit der Gemeinde wird unnöthig. 
Unausgejett bewahrt aber der Hatholicismus den 
—— Grundzug, allgemein und allumfaſſend 
zu * jenes, indem er mit unermüdlicher Thä— 
tigfeit das Gebiet der Kirche räumlich auszubehnen 
fucht, diefes, indem er jedes menſchliche Lebens: 
— fs zu unterwerfen, mit der veligiöfen 
tirhlihen Signatur zu verjehen fucht. Daher das 
bleibende Ringen mit dem Staate um die Ober: 
herrſchaft, weil es fich nicht um die Durchdringung 
desjelben mit ben fittlihen Jdeen des Chrijten: 
thums handelt, fondern um die Leitung desfelben 
nad kirchlichen Geſichtspunkten. Je mehr fid) aber 
im Gebiet des Staates ein felbftändiges Geiftes: 
leben entwidelt, umjomehr muß ſich der Autori: 
tätsanſpruch der Kirche fteigern; die Mittel der 
tirhlihen Zudt, Bann und Cenfur, beherrſchen 
die Entwidlung der wiſſenſchaftlichen Forſchung. 
Die Auslegung der Tradition durch das Epiſtopat 
wird immer eigenmächtiger, gewaltjamer, die Un: 
fehlbarteit des mit dem Epiflopat verbundenen 
Papſtes wird zum kirchlichen Ariom. So wandelt 
fich die hierardhifche Leitung der Gemeinde in den 
ausgeſprochenen hierarchiſchen Abfolutismus und 
wird zur Geiſtes knechtung und Gewiſſensbedrückung 
(f. Ultramontanismus). Der Katholicismus in der 
gang ri Erſcheinung der fatholifchen Kirche 
ft ein bewundernswerther Bau des menſchlichen 
Geiftes, in ſcharfer Confequenz in allen Theilen 
ausgebildet, wobei mit Klugheit jedes thatſächliche 
Verhältnig berüdfichtigt und in das Ganze einge: 
fügt iſt; aber der Bau ift errichtet auf faljcher 
Grundlage und jede Ausbilbung läßt den Grund: 
fehler immer fchärfer hervortreten. Der Katholi: 
cismus ift der erfte Verſuch, das Chriſtenthum als 
Weltreligion zu erfaffen und als die fiegreiche 


Katholicismus ift unmöglich, weil jein Princip 
falſch ift, aber die katholiſche Kirche iſt die Schule 
für die Welt gemefen; in welcher fie vorbereitet ift, 
dad Evangelium vom Reiche Gottes in jeiner 
Wahrheit zu verftehen und auf fich wirken zu laffen. 
Bal. zur Literatur den Art. Symbolik. 

Ratholicität: S. Katholicismus und Kirche. 

Katholikin (} bınp) hießen die Befehlshaber 
über den gungen 2 in der nachexiliſchen Zeit. 

ſtatholitkos ift der Titel des Patriarchen der 
armeniſchen Kirche, welder im Klofter Etihmiazin 
bei Eriwan refidirt. Er wird vom ruffiihen Kai: 
fer auf Vorjchlag der Erzbifchöfe ernannt und hat 
das Vorrecht, das Salböl zu weihen. 

Katholische Briefe heißen feit dem 4. Jahrhun- 
dert fieben Briefe, mei des Petrus, drei des Jo— 
—— einer des Jakobus und der des Judas. Der 

usdrud wird verſchieden erflärt: 1) ſoviel ald ei 
Aoınai Ermorolei xasoAov, bie Übrigen (nicht 
Paulinifhen) Briefe überhaupt ; 2) Briefe, welche 
bie katholiſche Lehre enthalten; 3) Briefe, welche 
nicht an eine beftimmte Gemeinde, fondern an bie 
Shrijtenheit überhaupt gerichtet find (noch allge: 
meiner als encykliſch). Letztere Erllärung ift ohne 
Zweifel die richtige. Die Bezeichnung betraf ur: 
ſprünglich Hauptfächlich den 1. Petruss, den 1. Jo: 
hannes⸗ und den Judasbrief. Allmählich wurde 
der Ausbrud von ſelbſt eine Bezeichnung der Kate: 
— von Briefen, welche nicht Pauliniſch waren. 

aſſiodor — auch den Ausdruck kanoniſch 
für dieſe Briefe. Zur Exegeſe und Kritik ſ. die 
Namen der einzelnen Briefe. 

werden in ber Bibel nur erwähnt Bar. 
6,21. 

Raus, Jatob, aus Bodenheim, war jeit 1524 
re an ber jungen und Heinen evangelijchen 

emeinde zu Worms, ausgezeichnet durch jeltene 
Rednergabe. Durch Dent und Hetzer, welde, flüch— 
tig aus Straßburg, in Worms ihren Aufenthalt 
nahmen, den wiebertäuferijchen Ideen gewonnen, 
vertrat er bdiefelben in heftiger tumultuirender 
Weife und ftellte 1527 fieben Thefen auf, melde 
den geringen Werth des äußern Wortes, des Pre: 
digtamtes und der äußern Vorgänge im Leben 
Chriſti behaupteten und die [utherifche Lehre von 
ber Kindertaufe und der Gegenwart Chrifti im 
Abendmahl beitritten. Durch das Einfchreiten bes 
Kurfürften Ludwig kam es nicht zu der beabfid): 
tigten öffentlihen Disputation; die evangelifchen 
Prediger wurden aus der Stadt verbannt. Flüch- 
tig unter fteter Verfolgung, wirkte Kauf dann in 
Augsburg, Rothenburg und andern Orten, bis er 
1525 nad) Straßburg fam. Bucer und Eapito, 
anfangs ihm Sehelat Tania fi) nad) einer Unter: 
redung 1528 von ihm los. Wegen ber yecg ftif: 
tenden Predigten auf der Gafje zugleich mit jeinem 
Sefinnungsgenofjen Reublin verhajtet, wurbefaut 
1529 nad fruchtloſen Verhandlungen, ihn umzu⸗ 
ftimmen, aus der Stabt verbannt. 1532 ſuchte er 
vergeblih um Wiederzulafiung nad. Bon feinen 
mweitern Schidjalen ift nichts befannt. 

ſtebsweib, Beifcläferin. Neben recht⸗ 
mäßigen Frauen durfte der Hebräer ſich VBeifchlä: 
ferinnen halten, welde aus den Stlavinnen ge: 
nommen wurden, 1. Moj. 16, 2; 22, 24; 30, 2; 


Keckermann 


Richt. 8, 31. Die zu. hielten ſich volljtändige 
Harems. Das Geſetz ſchirmte auch die Kebsweiber 
vor der rohen Willkür ihrer Herren, 2. Moſ. 21, 
736. Moſ. 21, 10 ff. Ihre Kinder wurden zwar in 
ben Geſchlechtsregiſtern als echte Söhne aufgeführt, 
aber ſie hatten kein Erbrecht und wurden wohl mit 
Geſchenken abgefunden, 1. Moſ. 21, 10; 25, 6. 
Gab ein Bater dem rg eine Sklavin zur Eon: 
eubine, fo erlangte diefe dadurch Familienrechte, 
2. Moſ. 21,9. 

Redermann, Bartholomäus, reformirter Theo: 
log. Geb. zu Danzig 1571, ftudirte er zu Witten: 
berg, Leipzig und Heidelberg, wo ihm 1592 eine 
Lehrerftelle am Bädagogium, dem collegium sa- 
pientiae und die Profeſſur der hebräifchen Sprache 
übertragen wurde. 1602 nahm er das Rectorat 
des Gymnafiums zu Danzig an. + 1609. Von 
feinen zahlreichen theologiſchen und philofophifchen 
Schriften wurden das Systema theologiae und 
die Rhetorica ecclesiastica viel gebraudht. Ein 
Gegner des Syſtems des Betrug Ramus, beur: 
theilte er dasſelbe er in cognitorum phi- 
losophicorum libr. II. In dem Systema ethices 
verlangt er die Trennung ber Ethif als einer philo: 
ſophiſ Wiſſenſchaft von der Theologie; dieſe 
—— bei dem innern religiöſen Leben ſtehen zu blei⸗ 

‚ jene aber habe es mit dem bonum civile zu 
thun. 
ſtedar, Kedarener, ein arabiſcher Beduinen⸗ 
ſtamm, ber von Ismaels Sohne Kedar ſich herlei— 
tete, 1. Mof. 25, 13; Jer. 2, 10; 49, 28; Jeſ. 21, 
16; fie trieben Handel, waren aber auch auäge: 
zeichnete Bogenjhügen. Ihr Wohnfig wird von 
Einigen in das glüdliche Arabien, von Andern in 
die Wüfte gegen Babylon verlegt, jedenfalls wohn: 
ten fie von Baläftina entfernter. In fpäterer Zeit 
ift ihr Name Gefammtname für alle Araber. 

Keded, Kebeih(LXX Kades), eine Freiſtadt, Jof. 
20, 7, und 2evitenftadt, Joſ. 19, 37, im Stamme 
Raphthali, vorher fanaanitifche Königsſtadt, Jo). 
12, z2, die Heimath Baraks, Richt. 4, 6. 9. 10. 
Sie wird ferner erwähnt 1, Malt. 11, 63. 73 und 
für das Kedes der Tyrier bei Jofephus und das 
Kedes Naphthali gehalten. Man hat eö wiederge: 
eg im Dorfe Kedes im Nord: Weften vom See 

uleh. 

ſtedor⸗Laomer, ein König in Elam zu Abra: 
hams Zeit, dem Kanaan tributpflichtig war. Diefer 
befiegte ihn, als er in Kanaan eingefallen war 
—— Lot gefangen genommen hatte, 1. Moſ. 


Keil, Karl Auguſt Gottlieb, geb. 1754 zu Oro: 
benbayn bei Dresden, wurde nad dem frühen 
Tode jeiner Eltern bei feinem Onkel in Leipzig 
erzogen. Er ftubirte dort, wurde 1781 Magiiter, 
ftieg allmählich bis zur zweiten Profefjur der theo« 
logiſchen Facultät,wurdeEonfiftorialaffeflor, Dom: 
herr und Präſes mehrerer gelehrten Gollegien. 
05 Einen Namen erwarb er fi auf dem 

biete der Hermeneutif ald Vertreter grammazs 
tiſch⸗ hiſtoriſcher Interpretation. Er fchrieb: Ele- 
ments Hermeneutices, Xeipg. 1811; Opuseul. 
acad., 1821. 

Keil, Karl Friedrich, geb. 1807, Profeſſor in 
Dorpat, jetzt ald Emeritus in Leipzig mit der Aus: 
erbeitung eines „bibliihen Commentars über 
das Alte Teftament beichäftigt, den er zufammen 
mit Deligich berausgiebt. Er ſchrieb: Apologeti- 


463 


— — — — — — —— — — — — — — — — — — — — — —— a — ————— 


Keim 


Integrität des Buches Esſsra, 1833; der Tempel 
Salomo’3, 1839; Commentare über die Bücher 
der Könige, 1846 ; Jofua, 1847 ; bibl, Gommentar 
über den Bentateud), 1861—62, iiber Jofua, Rich: 
ter und Ruth, 1863, über die Bücher Samuel, 
1864, die Bücher der Könige, 1865, Die zwölf Klei⸗ 
nen Propheten, 1866 u. |. w. Ferner: Handbud) 
der Einleitung in die Schriften des Alten Tefta: 
ments, 1853, 2, Aufl, 1859; Handbuch der bibli: 
ſchen Ardäologie, 1858 und 1859, 

Keilad, bei Joſephus Killa, Stadt im Stamme 
Juda nad) der TEE bin, Jof. 15, 44; 
1. Sam. 23, 1. Nach der Sage war in diefer Stabt 
das Grab des Propheten Habakut. 

ſteilſchrift ift eine uralte orientaliſche Schrift: 
art, deren Zeichen Keile und Winfelhaten find, die 
bald größer, bald Heiner, bald liegend, bald ftehend 
die Lautzeichen abgeben. Die Keilſchrift ift theils 
Silben: theild Buchſtabenſchrift. Man unterfcheidet 
brei Hauptgattungen derjelben, welche aber neben: 
einander auf ben Denfmälern zu Perjepolis vor: 
fommen. Die erfte Gattung ift die achämenidiſche, 
deren Sprache das ae ift; vgl. Fr. Spie: 
gel die altperfiihen Keiljchriften, Leipzig 1862. 

ie Sprache ber zweiten Keilſchriftgattung ift eine 
noch unbekannte turanifche oder indogermanifce. 
Die dritte verwideltfte Schriftweife, h tſächlich 
auf den Ruinen Ninives, zeigt —— 
Sprache. Die Entzifferung der Keilſchrift begann 
an ben Eigennamen mit Hülfe der srichliäen 
Schriftfteller durch Grotefend um 1800; Burnouf 
und Laſſen gingen 1836 von feinen Refultaten aus 
und beftimmten die Bedeutung der einzelnen Zei: 
hen; gegenwärtig ift die Entzifferung der achäme: 
nidiſchen Schriften durch Ramlinfon, Oppert, Bens 
fey und Spiegel fihergeftellt. Die ——— 
zu Ninive haben dh bie Kenntni afiyri« 
ſchen ſoweit gefördert, daß auch dort viele nigrifs 
ten ſchon mit mehr oder weniger großer Sicherheit 
gelejen werden können. Das Gebiet der Keiiſchrif⸗ 
ten ift das Land zwifchen dem Euphrat und der 
perfiihen Wüfte und geht vom Süden der mejo: 
potamijchen Ebene bis in den Norden Armeniens. 
Berenzelt finden ſich derartige Infchriften aber 
aud in Arabien, Aegypten und Phönicien. Erfun: 
den jcheint die Schrift nicht von einem jemitifchen, 
fondern von einem Bolte türkijch:tartarifcher Race 
zu fein, wovon fie auf Semiten und Indogerma— 
nen überging; vgl. Julius Oppert, dechiffrement 
des inscriptions cun@iformes, Paris 1859. Man 
bediente ſich ihrer keinenfalls ſpäter ald zur Zeit 
Alexanders des Großen, denn es ift feine Inſchrift 
aufgefunden, die jünger wäre als fein Eroberung: 
zug. Die ifraelitiiche Gefchichte, ſoweit fie mit der 
afiyriihen und babylonifchen zufammenhängt, wird 
—— aus dieſen Quellen noch —* Auf⸗ 
lärung und — ——— erhalten, wenngleich die 
Ihe Ausbeute biöher noch weit hinter den an: 
änglich gehegien Hoffnungen zurüdgeblieben ift. 

im, C. Th., Dr. und Profeffor der Theologie 
in Zürich feit 1860. Derfelbe war Repetent am 
Tübinger Stift 1851—55, Dialon in Ehlingen 
1857, Ardidiafon ebb. 1859. Geb, 1825 in Stutt« 
gart. Durch folgende Schriften hat R. ug herr 
namhaften Ruferworben : Reformation der Reichs⸗ 
Ber Um, Stuttg. 1851; Schwäbiſche Reforma= 
ionsgeſchichte, Tüb. 1855; Freundesworte zur 


Gemeinde, 2 Bde., Stuttg. 1857—60; Ambroſius 


ſcher Verſuch über die Bücher der Chronik und die | Blarer, Stuttg. 1860; der Uebertritt Conſtantins 


Keith 


des Großen, Zür. 1862; die menſchliche Entwid: 
lung Jefu Chrifti, ebd. 1860; die geicichtlice 
Würde Jefu, ebd. 1864 ; der geſchichtliche Chriſtus, 


ebd. 1865, 3. Aufl. 1866; Geſch. Jeſu v. Nazara, | 5 


1. Bb., ebd. 1867. 
Keith, George, ein Schotte. Zuerjt Prediger ber 
erging Kirche, wandte er fich zu den 
uälkern, die von feiner Gelehrſamkeit und Bered⸗ 
ſamkeit gegen Baptiften und Anglicaner gern Ge: 
brauch machten. Als er aberineiner Bertheidigung 
der Quäler der heil. Schrift eine größere objective 
Autorität zufchrieb, warf man ihm vor, dab er das 
innere Licht beeinträchtige. Sein Hauptgegner war 
Stoddell. Zurückgekehrt von einer Reife nad) Ame⸗ 
rifa, auf welder der Zwiefpalt recht offenbar ge: 
worden, hatte er fi) 1694 und 1695 auf allgemei: 
nen Berfammlungen zu rechtfertigen ; er fand aber 
feine Zuftimmung und verlor die Erlaubniß, in 
ber Gemeinde zu reden. Seine bisherigen Anhän: 
ger verließen ihn; er trat zur biſchöflichen Kirche 
über 1700 und befämpfte fortan eifrig feine frü: 
heren Ölaubensgenoffen in ihrer von ihm am bejten 
ertannten Einfeitigfeit. ' 
Keld (von calix, althochdeutſch chelih) ift ber 
—— firchliche Ausdruck für das beim heil. 
endmahl gebrauchte Trinlgeſchirr (wie es in äl- 
tern zeformirten — u ? beißt) ftatt des 
weltlicher Hingenden „Becher“. Schon früh finden 
fih Spuren davon, daß man benjelben aus Foft: 
baren Stoffen arbeitete; fpäter ıft es als Kegel 
vorgejchrieben, baß mindeftens bie cuppa (der obere 
Theil, weldher auf dem Fuße ruht, Die Höhlung) 
von Silber und inwendig vergoldet jein jolle. Die 
Reformation hat dies beibehalten ; in Zürich aber 
bediente man ſich der hölzernen Kelche. Auch aſke⸗ 
tiſche Mönchsorden, wie die Eiftercienjer, hatten 
I des Gebrauchs Zoftbarer Kelche enthalten. Die 
atholiſche Kirche hatte Kleinere Kelche für die Coms 
munion ber Priefter, größere für die Laiencom- 
munion; mit dem Wegfall derjelben famen auch 
dieje außer Gebrauch. Damit nicht etwa ein Trop: 
fen des geweihten Weines, namentlich bei der Kin- 
dercommunion, verjchüttet würde, wandte man 
feit dem Enbe bes 8, Jahrhunderts die Saugröh— 
ren an.. Die griechiſche Kirche reicht dad in den 
Kelch getauchte Brod mit dem Löffel (Außidior). 
Kelgentziehung. ALS anfänglich fromme Scheu 
fich den Keld) verfagte, um nicht etwa einen Tropfen 
zu verſchütten, eiferte die Kirche dagegen; aber 
feitdem die Transjubftantiationslehre auftrat, 
wurde auch die Kelchentziehung von Manchen em: 
pfohlen aus dem angegebenen Grunde, oder um 
die wefentlihe Verwandlung des Brodes defto an- 
Ihaulicher zu begründen. Sie wurde allmählich 
freiwillige Sitte jeit dem 12. Jahrhundert, Syno: 
den aus dem 13. —— Dunelm 1220, 
Exeter 1287) ſetzen den Laienkelch aber noch vor— 
aus, Zuerſt beſchränkten die Ciftercienjer 1261 den 
Keld förmlich auf die Prieftercommunion, und 
fhon 1281 wurde auf dem Concil zu Zambeth für 
die Laien der Spüllelh (ungeweihter Wein, um 
die Hoftie herunterzufpülen) angeoronet. Doch be: 
ftätigte zuerft das Concil zu Eoftnig 1414 bie Kelch⸗ 
entziehung der Laien, welche das Tribentinum 
billigte. Die Bajeler Synode mußte zwar das Zus 
geftändniß machen, 3— den Laien der Kelch aus 
zureichenden Gründen verſtattet werden könne, 
und Huſſiten, unirten Griechen und Fürften gegen⸗ 
über, ſowie im Augsburger Interim, hat die rö⸗ 


464 


Kelten 


mifche Kirche fich zu der Bewilligung ſtets bereit 
gezeigt, fonft aber in dem durch die Reformation 
gegen Gegenjag die alte Objervanz beibe- 
al 


en. 
Keldlöffel. Die griechiſche Kirche bedient ſich 
eines Löffelchens, um damit die in den gejegneten 
Bein getaudten —2— aus dem Kelche zu neh: 
men. In der römifchen —— wird ein kleiner 
Löffel gebraucht, um aus dem Waſſerlännchen das 
Waſſer in den Wein zu ſchöpfen. 

Kelchtüchlein heißt das Tuch, mit welchem ber 
Kelch verhüut ijt, wenn er zum Altar getragen 
und während der Katechumenenmefle oder nach der 
Communion auf den Altar niedergejegt wird. Es 
ift von Seide und von ber fyarbe der Caſula. Die 
Zeit der Einführung ift ungemif. 

ſtelchweihe. Es it nad) römiſch⸗lirchlicher Vor: 
ſchrift verboten, ſich eines nicht conjecrirten Kel: 
ches zu bedienen. Ueber die Fälle, wenn ein con= 
fecrirter Kelch für entweiht zu achten, gelten die 
gewöhnliden Negeln. Die Weihe geſchieht durch 
den Biſchof unter vorgefchriebenen Gebeten dur 
Saldung mit Chriöma und Beiprengung mit 
Weihwaſſer. 

Keller, Jakob, namhafter Jeſuit, geb. zu Säckin⸗ 
gen in Schwaben 1568, trat 1688 in den Jeſui⸗ 
tenorden und wurde Profeſſor der Philofophie und 
Theologie. Nach der Ermordung Heinrihs IV, 
juchte er den Drden vom Vorwurf des „Tyrannen: 
mordes“ zu reinigen. Nad) dem Geſpräch mit Hail- 
brunner 1615, auf welchem er Nevande für die 
Niederlage zu Regensburg 1601 zu nehmen gejudt 
hatte, ward er Rector zu Jngolftadt und Münden 
und wirkte alö Beichtvater des Herzogs nad) allem 
Seiten im Haß gegen die ——— Seine 
Mysteria politica wurden in Frankreich öffentlich 
verbrannt, 

Keller: und Küdenmeifler in den Klöſtern oder 
Kanonitaten ift der Hlofterbeamte aus den Geift: 
lien der Eongregation, welchem die urjprünglich 
dem Abt zuftehende Verwaltung der Temporalien, 
bes Bermögens, übertragen wurde. Er gehört zum 
Kloftervorjtand, gilt aber nur als Stellvertreter 
des Abtes, dem er volljtändig untergeordnet ift. 
Das Amt jpaltete fid bei Zunahme des Reich— 
thums und des Luxus in mehrere Zweige. 

Kellner, Martin. S. Cellarius. 

Kellner, Paſtor in Hönigern (Sclefien), iſt da— 
durch befannt geworben, daß er wegen jeines Wir 
berjtrebens gegen die Union vom Amte juspenbirt 
und mehrere Jahre gefangen gehalten wurde. Als 
die Gemeinde jeinem Nachfolger die Kirche nicht 
öffnen wollte und fi unter Gejang und Gebet 
vor bie Thür lagerte, wurde durch Militär der 
Eintritt in die Kirche dem Generaljuperintenden- 
ten Hahn und dem neuen Prediger geöffnet 1834. 

Kelten. Die keltiſche Kirche iſt von der altbriti- 
fen, alſo ohne Zufammenhang mit Rom, gegrüns 
bet (PBatricius 432 in Irland, GColumba 463 in 
Schottland) und hat ihre bejonderen Eigenthlim- 
lihfeiten lange bewahrt. In der Lehre zeigt ſich 
fein wefentliher Unterjchied, fie ftellten aber den 
Coneilien die heil. Schrift gegenüber. Bedeutender 
ift die Verſchiedenheit des Gultus, der Liturgie 
und Difciplin. Das Abendmahl wurde fonntäglic 
gefeiert, bei der Taufe weder geweihtes Del nod 
Eroreidmus angewendet, die Biſchoſsweihe war 
einfach, Priefterehe gejtattet, die Kirche biſchöflich, 
aber nicht —* verfaßt, Am deutlichſten trat 


Kelter 


verbreitet; die großen Klöfter Bangor in Wales, 
Bangor und Dearmad) in Jrland, Hii und Lindis— 
farne in Schottland blieben Mittelpunfte des kirch⸗ 
lichen Lebens. Nach der ftrengen Regel Columbas 
blieb die Zeit in den Klöftern getheilt zwiſchen 
Gebet, Studium und Arbeit; aus ihnen gingen 
bie unermüdlichen Miffionäre Schottlands und 
Deutjchlands hervor. Die keltifche Kirche beftand 
bis ins 12. Jahrhundert fort, nachdem fie jeit 
Jahrhunderten immer mehr Boden an die fatho: 
liſche Kirche verloren hatte. In Wales und Eng: 
land ging fie unter durd) die Eroberung der An: 
gelſachſen, als dieje fich der katholiſchen Kirche an- 
ichloffen ; nur auf den Inſeln hielten ſich die alten 
Mönchsinſtitute. Irland nahm zwar ſchon die 
römische Dfterberechnung an, widerjtand aber allen 
Berlodungen zu einer Unterwerfung unter Rom. 
Die Einfälle der Dänen feit dem 9. —— 
ſchwächten jedoch die k. Kirche. Gregor VII, erneute 
bie päpftlihen Bemühungen, bie Suprematie gel: 
tend zu maden; erft der Abfall eines keltischen 
Erabithofs, Malachias, der dann als päpftlicher 
Legat wirkte, hatte größern Erfolg als vorher die 
Bemühungen. Zanfrancs und Anfelms. Das befte 
Mittel, Jrland an Rom zu binden, ergriff Adrian 
W., als er Heinri II. die Eroberung Jrlands 
geitattete ; als erjter Urheber der Leiden, welde 
die jpäter jo ultramontan gewordenen Irländer 
von der engliihen Herrſchaft zu erbulben hatten, 
ift aljo der päpftlihe Stuhl ſelbſt zu bezeichnen. 
Mit der Einführung des engliihen Regimentes 
mwurben aud) die römischen Diöcejen geordnet. In 
Schottland wurde das Kirchenweſen jeit Malcolm 
111. (1057) durch die Herrfcher allmählich römifch 
gemodelt, zugleid) mit der Einführung des Lehens: 
weſens. ir re Biihoffige wurden katholiſchen 
ſengliſchen) Biſchöfen übergeben, katholiſche Orden 
eingeführt und David J. —— vertrieb die 
Culdeer, die bisher neben den römiſchen Mönchen 
immer noch geduldet waren. Im 14. Jahrhundert 
wurden dieſe altnationalen Mönche als Häretiker 
olgt. 

Iter ift eine Borrihtung meift in den Wein: 
gärten jelbft und beſtand aus einem gemauerten 
oder in Stein auögehauenen großen Troge, in wel: 
chem die Trauben oder die Dliven von Menſchen 
ausgetreten wurden. Der Moſt floß durch eine Deff: 
nung in eine tiefer in der Erde liegende ebenfalls 

emauerte Kufe, aus welcher er zur Gährung in 
irdene Gefäße oder gleich in die Schläuche gefaßt 
wurde. Das Keltertreten als Symbol des vernid: 
tenden Gerichtes bei Joel 3, 18; Jef. 63,1 ff.; 
Dffenb. 19, 13; 14, 19. 
ſtempe, Stephan, der Reformator Hamburgs. 
Geb. zu Hamburg, hatte er zu 2 ſtudirt und 
war dort in das Franciscanerkloſter eingetreten. 
1523 durch Joachim Slüter dem Evangelium ge: 
mwonnen, predigte er 1526 auf einer Reife in Or: 
bensangelegenheiten in Hamburg und wurde dort 
als Prediger an der Franciscanerllofterlicdhe an: 


geftellt. Seit 1527 Pfarrer an der Hatharinenfirche, 


wirkte er mit jeinem Gollegen Zegenhagen bald 
mit Unterftügung Bugenhagens (f. Hamburg). 
1529 wohnte Kempe dem Colloquium zu Flens— 


burg bei und richtete 1530 zu Yüneburg das neue 


465 


das Getrenntjein von Rom in der Verfchiedenheit | 
der Dfterfeier hervor. Mönchsweſen (Euldeer) war | 





Kepler 


ſtempis. S. Thomas a Kempis, 

Kempten, gefürjtete Abtei. Obwohl Theodor, 
ber Schüler des heil. Gallus, Begründer der Abtei 
gewejen fein fol, wird 752 Andogarius als der 
erſte Abt und Gründer genannt. Bon Ludwig dem 
Frommen beſchenkt und begünftigt, wurde die Ab: 
tei bei den Einfällen der Ungarn wiederholt vers 
wüſtet. Nach der Neubegründung durch Dtto I. 
zog Ernjt von Schwaben die Stiftägliter ein und 
erlaubte erft nad Jahren den Mönden die Rück— 
fehr in ihr Klofter. Seit der Zeit hob jid) das Stift 
immer mehr und wurde 1348 gefürjtete Abtei, Die 
Reformation in der Stadt Kempten, durch Waibel, 
Hafting u. a. begründet, wurde durch die Gegen: 
reformation der Aebte Sebajtian von Breitenjtein 
1523—835 und et 1537 wieder vernichtet. 
Die Schweden hauften 1632 arg im Stifte; erft 
1674 konnte ber Neubau bezogen werben. Das 
Stift war eine Verforgungsanftalt der ſchwäbi— 
ſchen Ritterihaft, es forderte 4 Ahnen. Bei der 
Säuularijation 1802 fam es an Bayern. Sein 
Gebiet umfaßte damals 13 Duadratmeilen mit 7 
Fleden und der Stadt Kempten. - 

ſtenath, aud Nobach, Richt. 8, 11, Stadt in 
Gilead, 4. Moj. 32, 42, Eufebius rechnet fie zu 
Arabien (Tradonitis). 

Kendreä, die Hafenftadt Korinths am Saroni: 
jhen Dieerbufen. Eine chriftliche Gemeinde dort 


wird Röm. 16, 1 erwähnt; als ya erſter Biſchof, 


den Paulus ſelbſt eingeſetzt haben 
genannt, Conat. apost. 7, 46. 

Kendebäus, Feldherr des ſyriſchen Königs An— 
tiochus Sidetes, befejtigte die Grenzftabt Kedron 
oder Gedor (Bulg.), 1. Maft. 15, 39, und wurde 
von den Maklabäern gejchlagen, 1. Matt. 16, 1 ff. 

Reniffiter, eine nur 1. Moj. 15, 19 erwähnte fa: 
naanitiſche Völkerſchaft (ſ. Kaleb). 

ſteniter, ein kleiner arabiſcher Stamm, der zu 
den Amalekitern gehört hat. Moſis Schwager 
Hobab war aus — Stamme, Richt. 1, 16. Die 
Keniter blieben den Jiraeliten immer befreundet 
und wurden von Saul und David als Freunde 
und Bunbesgenofjen behandelt, 1. Sam. 15, 6; 
27, 10; 30,29. Sie wohnten zu diefer Zeit im 
Süden Paläſtinas, in Städten angejiedelt. Ein 
Theil hatte fich (ald Nomaden) im Norden Kanaans 
niedergelaflen, wie Heber, der Dann Jaels, Richt, 
4,11.17. Ein anderer Theil der Keniter aber hielt 
ſich fortwährend in Verbindung mit den Amale— 
fitern; ihnen galt der. Sprudy Bileams, 4. Moſ. 
24, 21. 

Kennicott, Benjamin, Brofeffor in Orford. + 
1783. Kennicott verglid) jelbjt und mit Hülfe An- 
derer über 600 hebräiſche Handſchriften, deren 
Varianten er in feiner Ausgabe des Alten Tejta: 
ments (Orford 1776 und 1780), joweit fie jich auf 
die Conjonanten beziehen, zur Veröffentlichung 
brachte. 

Kenotifer und ſeryptiker. S. Entäußerung. 

Kent, Dad Mädchen von. S. Barton. 

Kephas. ©. Petrus. 

Kepler, Johann, der berühmte Ajtronom, geb. 
am 27. December 1571 zu Weil in Württemberg, 
mußte Gray in Steiermarf, wo er jeit 1593 Bro: 
fefior der Mathematif war, 1548 verlafjen, weil 
er in der Damaligen Broteftantenverfolgung einen 
Troftbrief an feine Glaubensgenofjen geſchrieben 


ol, wird Lucius 


Kirchenweſen ein. Er hatte nad) Luthers Vorgang | hatte. Als Ajtronom diente er der Theologie, in: 


eine Nonne geehelicht. + 1540, 


dem er zuerjt zur Beftimmung bes Geburtsjahres 
30 


Keri 


Chriſti auf die Conjunction ded Jupiter und Sa: 
turn im Jahr 747 nadı Roms Erdauung aufmert: 


am machte. Als Theofoph ftand er in genauein | 
loſophiſchen Facultät zu Wittenberg und kam 162% 
‚als Profejior der Logik nad Coburg, wo er ald 


erfehr mit Andrei. + 1630 zu Regensburg, 

Reri, d. i. das Örlefene, heißt bei den Maſo— 
reten die am Rande bemerkte, aber im Texte zu 
lefende Lesart im Gegenſatz zu der in dem Terte 


466 





Rettenbach 


Kebler, Andreas, geboren am 17. Juli 1595 in 
Coburg. Der Sohn eines Schneiders, ſtudirte er zu 
Jena, wurde 16514 Magiſter und Adjunct der phi— 


Generaljuperintendent (1635 —43) jtarb, nachdem 
ec inzwiichen als Suprerintendent und Schuldirec: 


— —— (Khetib). Man unterſcheidet dreierlei tor zu Eisfeld 1625 und Schweinfurt 1633 gemirtt 


eri, entweber daß man las, was nicht im Tert 


hatte. Nach einem Gebete auf der Kanzel um Er: 


geſchrieben ftand, oder nicht las, was geichrieben | rettung aus den Deutſchland bedrohenden Gefah: 
war, oder ftatt des geichriebenen Wortes ein ans | ren wurde er von einem Schlaganfak 1642 ge 
dered beim Lefen ausſprach. Das Khetib erhält | troffen. 


die Bunctation des Keri. 


fehler (Chesselius, Ahenarius), Johann Jakob, 


Kerioth oder Karioth. 1) Stadt im Stamme | aus St, Gallen. Geb. 1502, ftudirte er in Bafel 
Juda, Joſ. 15, 25, wahrſcheinlich die Geburtöftabt | Theologie und ging 1522, um Yuther zu hören, 


des Berrätherd Judas Iſcharioth. — 2) Eine 
Stabt der Moabiter, Jer. 48, 41; Am. 2,2, 

Kernlieder nennt man diejenigen unter der 
Menge der deutichen Kirchenlieder, welche nad 
dem durch die Vorliebe der Gemeinde beftätigten 
Urtheil der Hymnologie den allgemeinen Gefegen 
des Kirchenliedes in jolcher Weiſe entiprechen, daß 
ihre Anertennung für alle Zeiten gefichert ericheint 
und fie durch die tunen innewohnende objective 
Schönheit unter allen Berhältnifien jedem em: 
pfänglichen Gemüthe zur Erbauung dienen müfjen. 
Eine Sammlung joldyer (150) Kernlieder, die den 
Kern eines jeden deutſchen Geſangbuches bilden 
und ein gemeinfames deutfhes Geſangbuch dar: 
ftellen follten, iſt das Eiſenacher Geſangbuch. Das 
archaiſtiſche Intereſſe, welches antiquirte Formen 

r untrennbar von wahrer Schönheit hielt, hat 

ch namentlih an dieſe Kernlieder gefnüpft und 
dadurch deren beabfichtigten Zwed vereitelt. 

Kero, Mönd von St. Ballen um 750. Nach ber 
Klofterüberlieferung wird ihm zugeichrieben: 1) 
die Gloſſirung der Benedictinerregel (Hattemer, 
Dentmale des Mittelalters, I), 2) das auch Glos- 
sarium Keronis genannte Wörterbuch (Hattemer, 
a.a.D. 131-218). Außerdem gilt er als Berfafler 
und —— mehrerer Hymnen ins Deutſche 
(Alemanniſche) und Bearbeiter des Pater noster 
und Credo. 

ſKeryltik, d. h. Predigtkunft, ift der von Stier 
(Reryttit, 1830, 1846) rt Ausdrud für Ho» 
miletif, mit dem er das biblische Element derjelben 
mehr hervorheben und fie freier vom Beariff des 
Eultus darftellen wollte. 

Kerzen und Lite beim Gottesdienft zu ver: 
wenden, iſt ſchon im 4. Jahrhundert ein beim chrift: 
lihen Eultus allgemein verbreiteter Gebraud) ; er 
murde an das Vorbild des Leuchters im Tempel 
und bie Symbolifirung des Lichts in der Schrift 
angelnüpft. Nad der Vorjchrift müfjen bei der 
Meffe mindeftens zwei Kerzen brennen; dieſelben 
dürfen nur aus Wachs angefertigt jein und wer: 
den am Lichtmehtage nad) beftimmtem Ritus ge: 
weiht. Außerdem werden Kerzen vor Reliquien und 

eiligenbildern angezündet und bei verichiedenen 

ultuöhandlungen (Broceffionen, Trauungen zc.) 
brennend getragen. Auch gemweihte Kerzen darzu— 
bringen, ift vielfah Braud. In der evangeliichen 
Kirche hat die lutherifche die brennenden Kerzen 
bei der Abendmahlöfeier beibehalten; auch unirte 
Gemeinden finden in diefer Erinnerung an die 
Einfegungszeit des Sarramentes eine ſchöne Sitte. 

Kefita, 1. Moſ. 33, 19; Joſ. 24, 32; Hiob 42, 
11, eine hebräiſche, jonjt unbelannte, Münze, de: 
gen Werth Geſenius zu 4 Seleln berechnete. 


nadı Wittenberg. Sein Zufammentreffen mit dem 


‚von der Wartburg zurüdkehrenden Luther im 


ſchwarzen Bär zu Jena iſt von ihm. jelbit erzählt. 
Nach St. Wallen zurüdgeleyrt 1523, wollte er 
nicht Briefter werden, jondern wurde Sattler, hielt 
aber privatim feit 1524 evangelifche Vorträge, feit 
1525 nad) kurzer gebotener Unterbrehung auch in 
der Pfarrkirche. Nachdem er 1535 Brediger zu St. 
Margarethen im Rheinthal, 1537 Schulmeiiter in 
St. Gallen gewejen war, ward er 1542 Pfarrer 
an St. Lorenz und 1571 Antiftes, + 1574. Er 
jchrieb eine Reformationschronit von St. Gallen 
unter dem Titel Sabbatha. 

Ketteler, Gotthard von, trat ala legter Heer: 
meijter bes deutſchen Ordens in Kurland 1559 zum 
Proteftantismus über und nahm 1561 im Vertrag 
von Wilna Kurland und Semgallen als Herzog: 
thum von Polen zu Lehen. 

Ketteler, Wilhelm, II, Bifhof von Müniter 
1553—57. Bropit an der Hauptlirche zu Münſter, 
aber nicht Priefter, wurde er auf den Nath des 
Herzogs von Gleve zum Bifchof erwählt. Der Re: 


‚ Tormation zugethan, war er bemüht, durch Caſſan⸗ 


ber (f. d. Art.) eine vermittelnde Richtung zu fin: 
den. Er ſuchte beim Papfte Durch eine eigene Ge— 
jandtihaft um die Erlaubniß nad, ohne biſchöf⸗ 
liche Weihe regieren zu dürfen und rejignirte nad) 
dem abſchlägigen Beſcheid. 

ſtetteler, Wilhelm Emanuel, Freiherr von, Bi: 
ſchof von Mainz. Geb. am 25. December 1811 zu 
Herkotten in Weſtphalen, ſtand er erft im preußi: 
ihen Staatädienit, ftubirte jeit 1839 Theologie 
und wurde 1844 sum Priefter geweiht. 1346 Pfar: 
ver zu Hörter in Weitphalen, 1848 Mitglied ber 
Nationalverjammlung, 1849 Bropft in Berlin und 
1850 als Biſchof in Mainz conjecrirt, ift er jeit- 
dem einer der hervorragendjten Heißſporne bes 
Ultramontanismus in Deutichland und ein Haupt: 
beſchirmer der Jejuiten, 

Kettenbad, Heinrich von, reformatorischer Volks: 
ſchriftſteller. Als Franciscanermönd predigte er 
1521 zu Ulm den neuen Glauben, mit immer rüd: 
fihtslojerer Dffenheit, jeitvem ihm der Domini: 
caner Peter Neftler als Vertheidiger des Alten ſich 
entgegenitellte, die Schäden der Kirche bloßlegend. 
Durch edle Bopularität, Wis, Kenntnijje und Be: 
geifterung feſſelten feine (vielfach gedrudten) Heden 
das Bolt. Aus Furt vor einem Mordanjchlag 
feiner Feinde verließ er Um Ende 1521 und durch⸗ 
zog predigend Schwaben, bis er nad Wittenberg 
zu Luther fam, für den er 1523 aud mit jeiner 
——— und Verantwortung Martin Luthers 
wider der Papiſten Mordgeſchrei auftrat. Borber 
ſchon hatte er in der Vergleichung des Papftes und 


Ketura 


des Herrn Jeſu Abel und Städte gegen die Hier—⸗ 
archie aufzuregen und für Sickingens Freiheits— 
kampf zu begeiſtern geſucht. Nach deſſen Untergang 
ab er zu ſeiner Ehrenrettung die Vermahnung 

ranz von Sickingens an ſein Heer heraus. In 
den Jahren 1628 und 1624 wurde er noch viel 
verfolgt, von da an hören die Spuren von ihm 
auf, wahrfcheinlich ift er im Bauernfriege umge 
tommen. 

Retura, das Kebsweib Abraham, 1. Mof. 25, 
1; 1. Chr. 1, 32. Die Söhne derfelben find bie 
Stammoväter arabifher Völkerſchaften geworben, 
1, Mof. 25, 2—4. 

ſtetzer, der deutſche Name für Häretifer (f. d. 
Art.), von „KRatharer” (j. d. Art.) abzuleiten. 

Re dt. S. Jnauifition. 

Kekertaufe und Streit darüber. Die ältere 
Kirche hielt die Anficht feft, weldhe aus der Confe: 

enz des Gedanlkens der Kirche als der alleinigen 

ermittlerin des Heil und der nur in ihr bewahr⸗ 
ten Wahrheit mit Nothwendigkeit folgt, fie ver: 
warf die Hegertaufe ala ungültig und taufte Jeden, 
der aus einer häretifhen Gemeinſchaft zu ihr 
übertrat. So ſprachen fich nicht nur die einzelnen 
Kirchenväter Elemend von Alerandrien, Tertullian, 
Athanafius, Gregor von Nazianz, Bafilius, Eyrill, 
fondern aud die Firhlihen Berfammlungen zu 
Karthago um 200, zu Ilonium und Synnada 235 
in ungmeifelhafter Weije aus, wie auch die Const. 
apost. damit übereinftimmen. Nur in Rom ging 
man von einem andern meitherzigeren Standpunfte 
aus. Da man in allen Häretifern Chriften, aber 
abgefallene, ſah und ein allgemeines Belenntniß 
um Chriſtenthum in der überall gebrauchten Tauf- 
— erblickte, ſo erachtete man auch die Ketzer⸗ 
taufe für eine gültige Taufe, nahm daher die aus 
ber Häreſie zur Kirche rückkehrenden nur durch 
die Handauflegung auf. In diefer Ceremonie 
einigte fi) die Handauflegung der Gefallenen (in 
oenitentiam) und die bei der Taufe übliche Gei: 
esmittheilung (ad accip. sp. s.), weil*bie häre: 
tiſche Gemeinthaft den heil. Geift nicht mitzus 
theilen vermochte, den fie ſelbſt nicht befaß. Diefe 
Anfhauung machte der römische Biihof Stephan 
egenüber der orientalifhen und nordafrifanifchen 
irche geltend; ihm miderjegte ſich namentlich 
Eyprian, der den Sat aufrecht erhielt, außerhalb 
der Kirche fein Heil, die Taufe ſei bedingt durch die 
Kirche und den priefterlichen Charakter des Erthei: 
lenden, und könne daher auch nicht nur theilweiſe 
al3 bei Häretifern vorhanden anerkannt werben. 
Durd) das hochfahrende Benehmen des Stephanus 
kam es 256 zur Aufhebung der Kirchengemeinihaft 
zwifchen ihm und Eyprian, obgleich dieſer in der 
abmweihenden Anficht feinen Grund der Trennung 
nden wollte. Im Oriente milderte ſich trog der 
engern Anfiht der Kirchenväter die Praxis, jo 
daß auf verjdiedenen Synoden des 4. Jahrhun: 
derts die Taufe einzelner häretifcher Secten aner: 
kannt wurde, die anderer hingegen nicht, ohne daß 
ein Brincip der Unterfcheidung zu erfennen wäre. 
Auch fiel hier bei der Aufnahme die Handaufle: 
gung weg und trat ftatt defjen die Salbung mit 
dem Chridma ein. Als die Donatiften das kirch⸗ 
liche Herfommen in ihrem Intereſſe auöbeuteten, | 
gab das Concil von Karthago 348 die —— 
Beurtheilung der Ketzertaufe auf, und Auguſtinus 
bildete in dieſem Sinne die jetzt noch herrſchende 
Theorie aus. Unter der Vorausſetzung, daß die 


467 


Ketzertaufe 


weſentliche Form der kirchlichen Taufe, auf den 
Namen ber Dreieinigkeit, bewahrt geblieben, bie 
Intestion, eine chriftliche Taufe zu ertheilen, ala 
vorhanden angenommen werden fünne, ift bie ob: 
jective Kraft des Sacramentes unabhängig von 
ber Würbdigfeit des Ertheilenden und ertheilt eo 
ipso einen unauslöſchlichen Charakter. Die Wir: 
fung wird nur —— durch die Unwürdigkeit 
des Empfangenden; ſobald dieſer ſich bekehrt, tritt 
fie ein. Die Taufe kann daher nicht wiederholt 
werben, fo wenig als fie bei Scheinchriſten wieder» 
bolt wird. In Folge deſſen gründete die Kirche ſo⸗ 
gar auf die Kegertaufe ihren Rechtsanſpruch an 
die Häretiler, als abgefallene ungehorfame Glie— 
ber, denn durch die Taufe jeien fie unwiderruflich 
in die Kirche Chrifti, d.h. die römische, aufgenom: 
men. Dennod trug aud die römijche Kirche zur 
Reformationszeit Bedenken, die Taufe der Prote- 
ftanten anzuerfennen, weil fie fühlte, daß darin 
die Anerfennung liege, daß diefelben gleichfalls 
eine * Kirchengemeinſchaft bilden. Sie ent⸗ 
ging dem Dilemma anfangs durch eine bedin— 
gungsweiſe Wiederholung der Taufe, welche aber 
zu Evreux 1576 fallen gelaſſen wurde. Das Tri: 
dentinum erkannte die Kegertaufe unbedingt an, 
jedod als eine Uebernahme der Verpflichtung 
feitenö des Täuflings, ſich allen Geboten ber 
Kirche zu unterwerfen. Den Widerſpruch, ber 
darin liegt, daß wohl das Sacrament der Taufe, 
aber weder Abendmahl noch Ehe ıc. bei den Ketzern 
anerfannt wird, hat bie Kirche ſtillſchweigend über: 
gangen. Bei der Taufe dient die MWeitherzigfeit 
dem Anjprud auf —— der Kirche, bei 
den andern Sacramenten würde fie denfelben gers 
ftören. In der neueften Zeit, wo es geeignet ſchien, 
dem Bolte zweifelhaft zu machen, ob Proteitanten 
überhaupt noch den EChriftennamen verdienten, 
haben einzelne Fatholifche Eiferer bei dem Ueber: 
tritt von Broteftanten dennoch die Taufe zu wie: 
derholen Fein Bedenken getragen. Luther blieb, 
unterjchieden von den Wiedertäufern, im weſent⸗ 
lihen bei Auguftins Theorie ftehen, und die Ans 
ficht von der Nothwendigkeit der Taufe, die For: 
derung der Nothtaufe, welde auch Weiber und 
Nichtgetaufte gültig ertheilen können, bedingt in 
fi jelbft die Anerkennung auch der Ketzertaufe; 
eben darum verhielt aber die reformirte Kirche fi 
immer fpröder und widerrieth mindeftend, die 
Taufe durch Katholifen ertheilen zu laffen, wozu Lu⸗ 
theraner beim Diangel eines Predigers immer un: 
bedenklich ſchritten. Joh. Gerhard jomohlaldneuere 
reformirte und lutherifhe Dogmatiker ftellen bie 
Forderung, daß die religiöfe Gemeinfcaft, deren 
Zaufe anerfannt werden foll, auf der Örundlage 
des trinitarifhen Belenntniffes jtehe (richtiger: 
eine Kirche Chrifti fein wolle) ; die firchenregiment» 
lie Praxis in der Gegenwart folgt dem, jedoch 
nicht ohne Schwanten, indem die Anerlennung ber 
Taufe bald von der richtigen Form, der ausdrück⸗ 
lihen Nennung des Vaters, des Sohnes, des heil. 
Geijtes, bald von der Gejammtitellung der Ge: 
meinſchaften zu dem driftlichen Bekenntniß ab- 
hängig gemacht wird. Da der Sat Cypriand auch 
im proteftantifhen Sinne richtig ift, „wo feine 
Kirche, da feine Taufe”, jo ſchließt die Anerlen: 
nung der Taufe aud die Anerfennung der be: 
treffenden Gemeinschaft ald eines Gliedes ber 
Geſammtlirche in fih. Eins lann nidt ohne das 
Andere fein, a0 


Keuſchheit 


ſteuſchheit, die chriſtliche Tugend, iſt die Nein: 
heit des Sinnes und Lebens namentlich in Bezie: 
bung auf die Befledungen des Geſchlechtstriebes. 
Eie bejteht in einer normalen Dergeiftigung des 
Geſchlechtstriebes, in der ftetigen Unterordnung 


468 


| 


beöjelben unter den vernünftigen Lebenäzwed, in | 


der Ueberwindung des natürlichen Triebes infos 
weit, daß er nicht bejtinnmend auf den Menſchen 
einwirle und biejer nicht Handlungen begehe in 
Merken, Worten oder Gedanken, welche lediglich 
den Zwed der Befriedigung des Geſchlechtstriebes 
haben. Die Neberwindung des Geſchlechtstriebes 
kann nun in der Unterdrückung desjelben bejtehen, 
d. h. fie kann lediglich ajletiih genommen werben: 
dies ift die gewöhnliche einfeitige katholiſche Auf: 
fafjung, welde unter Keufchheit im jpeciellen Sinne 
Entbaltung von der Ehe oder wenigjtens vom ehe: 
lihen Gefchlechtsverfehre verfteht. Daraus find 
der Cölibat und fittlihe Berirrungen, wie bie 
Selbftentmannung eines Drigenes, hervorgegan: 
gen. Die wahrhaft ethiſche, d. h. die auf den Ge: 
jegen der Menfchennatur, wie fie vom Schöprer 
angelegt ift, auferbaute Theorie will dagegen nicht 
Unterdrüdung des Naturtriebes, fondern fitt: 
lihe Veredelung, Hineinbildung desjelben in den 
fittlihden Lebenszwed. Die fittlihe Einrichtung, 
welche den legtern in ſich aufgenommen hat 


und welche daher die fittlide Veredelung des Ge: | 


fchlechtstriebes in normaljter Form darftellt, ift 
die Ehe (j. d. Art.). — Keufchheit im weitern 
Sinne wird aud) die Tugend eines Menjden ge: 
nannt, welcher mit den jittlihen Gütern nicht zu 


unlautern Zmweden Mikbraud treibt, indem er 


ie in libermäßiger Weije bloßſtellt und zu felbit: 
üchtigen Zweden ausbeutet, wie etwa ein Redner 
durch ein foreirtes fittlihes Pathos, fondern da: 
mit Haus hält, fie als Heiligtümer feines innern 
Lebens bewahrt, und jie mit Derzenseinfalt nur 
zu dem Zwede gebraucht, der in ihnen ſelbſt ent: 
halten iſt. 

Khlejl, Kleſel, Melchior, der Sohn eines Iuthe: 
rischen Bäders zu Wien, geb. 1553, trat mit 16 
Jahren, durch einen Jeſuiten gewonnen, zur fa: 
tholiſchen Kirche über. Im Jefuitenconvict zu Wien 

ebildet, ohne je in den Orden einzutreten, war er 
Fihon 1579 Domprobft in Wien, Kanzler der Uni: 
verjität, 1581 onen Rath und Generalvicar 
des Biſchofs von Paſſau, 1583 Biſchof von Neu: 
tadt und 1598 von Wien, Mit dem Eifer deö 
roſelyten betrieb er in allen diejen Stellungen 
die Gegenreformation ; obgleich er jonftige Gewalt: 
thätigleiten mißbilligte, zwang eralle Evangelifchen 
in Neustadt, die nicht übertreten wollten, zur Aus: 
mwanderung. In jpäterer Zeit ließ ihn Staatsklug— 
heit die Gewaltthätigfeiten Ferdinands in Steier: 
marf widerrathen und jelbit ven Borfihlag machen, 
den geiftlihen Borbehalt aufzuheben, aber nod) 
1596 ließ er alle frühern Edicte gegen die Brote: 
ftanten beftätigen und wiberrieth den Majeftäts- 
brief 1609. Seine Ergebenheit gegen Matthias, 
ber ihn zum Director des geheimen Rathes ir 
derte und ihm 1616 die Cardinalswürde verſchaffte, 








Kimchi 


nicht mehr wie früher zu Regierungsgeſchäften 
verwendet. + 1630. 

Kidron, der Bach bei Jerufalem, 2. Sam. 15, 
23; Job. 18, 1. Nur in der Winterszeit hat er 
Waffer, wenn e8 lange und ſtarl geregnet hat. 
Sein Bett, das Thal Kidron, ift ein enges tiejes 
Thal zwifchen der Stadt und dem Delberg; es be: 

innt bei dem Grabe der Richter, zieht fich erft in 
üblicher, dann öftliher und endlich füdöftlicher 
Richtung in manden Windungen durch das Ge- 
birge bis zum Todten Meere, in welches es bei 
bem —— e Rãs⸗el⸗Feſchkah mündet, 

Kiel. Die Univerfität ift gegründet 1665 für 
bie Herzogthümer Schleswig und Holftein. Zuibrer 
Hebung erihien 1776 die Indigenatsordnung, 
welde Fir bie Anftellung in einem geiftlihen Amte 
als Bedingung die einheimifhe Geburt und ein 
zweijähriges Studium in Kiel aufftellte. An der 
Univerfität wirkten Harms, Tweften, Dorner, 
Baumgarten u. U. 

Kijun, Am. 5, 26. Die LXX überjegt bier 
Raiphan, d. h. wohl der Stern Saturn. So wird 
das Wort aud) von Neuern gedeutet, welche ver: 
— daß der arabiſche Namen des Saturn 

aiwan iſt. Danach wäre Saturn gedacht als der 
Ordner, par mag Richtiger wird aber das Wort 
genommen als „das Geftell (eurer Bilder)”. 

Kilian, Kyllena, ein Nönd aus Jrland, der in 
Thüringen das Evangelium predigte und den Her: 
zog Gozbert von Würzburg befehrt haben joll. 
Nach der Sage hätte ihn deffen Gemahlin Gailane 
mit feinen Begleitern in Abmwejenheit ihres Man: 
nes lebendig verſcharren laffen, aus Rache dafür, 
daß Kilian nad den römiihen Ehegeſetzen die 
Trennung ihrer Ehe durchgefegt hatte. Gozberts 
Haus ſei danach untergegangen ; jein Sohn Hedan 
II. blieb aber in ruhigem Befik des Herzogthums 
und mit den Miffionären in fteter Verbindung. 
Wahrſcheinlicher ih daher eine andere Angabe, daß 
Kilian von Gozbert jelbjt ermordet jei. 

Kimdi, Nabbi David, nad) den Anfangsbud: 
ftaben RDRK au Radak genannt, geb. zu Nar: 
bonne 1190, wo er 1240 ftarb, war einer der be: 
rühmteften jüdifhen Gelehrten des Mittelalters. 
Bon feinem Leben ift nody wenig befannt, als da 
er das größte Anfehen genofjen und fidy für die 
freiere antitalmudijhe Richtung des Maimonides 
entichieden habe. Sein Hauptwerk iſt das Bud 
Michlol, welches eine Grammatik und ein Lerilon 
umfaßt und durch Reudlin die Grundlage des 
Studiums der hebräifchen Sprade unter uns ge— 
worden ift. Da beide Bücher öfter getrennt im 
Drud erichienen, wird der Titel ..r auf die 
Grammatik beſchränkt und das Lexikon Liber ra- 
dieum genannt. Außerdem jchrieb er Commentare 
über die heil. Schrift. Er ſucht den buchſtäblichen 
Sinn feftzuftellen und giebt wenig auf rabbiniſche 
Deuteleien. Seine Vorgänger find von ihm fleißig 
benugt. Seine Polemik gegen das Chriftenthum 
ift gemäßigt. 

Kimdi, Joſeph, der Vater des Vorigen, lebte 
um das Jahr 1160 als angefehener jüdischer 


machte ihm bei Ferdinand von Steiermark um fo | Schriftfteller und verpflanzte mit feinen Söhnen 
verhaßter. Da ein Mordanfchlag mißlang, wurde | die fpanifhe Gelehrjamteit nach der Provence. 


er 1618 von den Erzherzögen gefangen genommen 
und blieb Jahre lang in enger Haft. 1622 auf die 


Engelsburg nad) Rom gebracht, erlangte er feine 1710, gedrudt, die andern find na ur 
Freiheit dort wieder, erhielt auch die Reftitution | handen oder aus Citaten feines Sohnes 


Von feinen eregetiihen und polemifchen Scrif: 
ten ift nur das Sefer Habrith, Conftantinopel 


avid 


in jeine Würden und feinen Befit, wurde aber | befannt. 


Kimchi 


ſimchi, Moſes, älterer Bruder des David, eben: 
falls ein berühmter jüdiſcher Gelehrter. Sein 
Hauptwerk war eine Grammatik Incessus Semi- 
tarum scientiae (Mehalach Schebila hadaat), 
herausg. Pefaro 1208, zu Bafel 1531 von Seb. 
Münfter unter dem Titel Diktuk. Gedrudt ift 
noch ein Gommentar zu Esra in der rabbinifchen 
Bibel von D. Bomberg, 1545—49. 

Kinder. Das Gebot der Kindertaufe (f. d. Art. 
Taufe) hat bezüglich der Findlinge und der unge: 
borenen Kinder Beitimmungen hervorgerufen. 
Auguftin wie Luther bleiben bei dem Kanon: Wie: 
dergeboren werben fann nur was geboren ift. Sy: 
noden von Köln und Bamberg wollten aber bei 
Todeögefahr die Taufe vornehmen, wenn bei der 
Geburt das Haupt oder ein anderes Glied hervor: 
tritt. Findlinge follen, wenn fie erft wenige Tage 
alt find, getauft werden, ältere Kinder, wenn fein 
Beweis der Taufe vorliegt, bedingungsmweije. 

Kinder bei Den Hebräern. Kinderſegen galt ala 
hohes Glüd, Pred. 6, 3; Bf. 128, 3.6; 1. Sam. 
4, 20, Unfruchtbarkeit als Schmad und hartes 
Schickſal, Hiob 24, 21; 1. Mof. 16, 2. Die männ: 
lihen erftgeborenen Kinder, die am 8. Tage nad) 
der Geburt bejchnitten waren und den Namen 
empfangen hatten, Luk. 2, 31, wurden am 33. 
Tage, wenn die Mutter das Reinigungsopfer im 
Tempel darbrachte, dem Herrn dargeftellt, 4, Mo]. 
18, 15 ff. Die Entwöhnung, welche oft erjt im 
3. Jahre, 2. Makk. 7, 28, Aattfand, wurde fejt: 
lich gefeiert, 1. Sam. 1, 24; 1. Malt. 21, 8. 
Während der erften Lebensjahre wurden die 
Kinder von den Müttern im Harem erzogen, bie 
weitere Erziehung der Knaben * der Vater. 
Von dem Unterricht iſt nichts bekannt, als daß 
ihnen das Geſetz und die Hauptthatjachen der re: 
ligiöſen Vollksgeſchichte eingeprägt wurden, 5. Moſ. 
6, 2025. Die elterliche Gewalt war eine ausge: 
dehnte, gegen einen ungehorfamen Sohn jprad) auf 
die Klage des Vaters die Voltögemeinde das Todes: 
urtheil. Für die Schulden der Eltern konnten die 
Kinder leibeigen gemacht werden. Die Tochter aber 
mochte der Vater ohne Beſchränkung verkaufen, 2. 
Mo. 21,7, Die Zucht war, wie jo mandje Stellen 
in den Sprüchen und im Bude Sirad) zeigen, 
eine ftrenge. Die Söhne Bornehmer erhielten wohl 
einen befonderen Erzieher aus den Sklaven, Se: 
lomo wurde vom Propheten Nathan ergogen. 

’ —— unſchuldige. S. Unſchuldiges Kinder: 
eit. 

Kindercommunion. Im 3. Jahrhundert findet 
fih die Theilnahme der Heinen Kinder an der 
Communion als ältere Sitte; fie blieb firchliche 
Gewohnheit bis ins 9, Jahrhundert, durch mande 
Smodalbejchlüffe anerfannt nnd betätigt. Augu— 
ftin begründete fie burd) Hinmweifung auf ob. 6, 
53 und die Berbindung der Taufe mit dem Abend: 
mahl. Erſt Paſchaſius Radbertus beftritt die Noth— 
wendigkeit der Kindercommunion, allmählich kam 
ſie außer Gewohnheit, in Folge der Ausbildung 
der Lehre vom Abendmahl und der Verbindung 
desſelben mit der Beichte, und das Tridentinum 
verdammte die Lehre von der Nothwendigkeit der 
Kindercommunion. Die morgenländiſche Kirche 
hat ſie bis auf dieſen Tag feſtgehalten. Die erſte 
Communion ſoll nach den Beſtimmungen des Kö— 
nigs Kanut 1032 erfolgen, wenn die Kinder Pater 
noster und Credo auswendig wiſſen; jett ift in 
der römischen Kirche das 12. oder 13, Lebensjahr 


469 


Kirche 


das gewöhnliche. In Lebensgefahr darf fie ihnen 
früher gereicht werden. 

Kinderlehre. S. Katechismus. 

Kindertanie. ©. Taufe. 

Kindheit, Verein der heiligen, ift in der Fatho- 
liſchen Kirche gebildet zu dem Zwecke, Kinder in 
China zu retten, die gemäß der dortigen Unſitte 
fonft würden nad) der Geburt getödtet werden. 

Kindfhait Gottes ift ein dem Vaternamen 
Gottes entjprechender biloliherAusdruddesNteuen 
Teftaments zur Beſtimmung des Berhältnifles des 
Erlöften zu Gott. In den Sprücden Jefu in den 
ſynoptiſchen Evangelien tritt im Verhältniß zum 
Baternamen der Ausdrud feltener auf; eine ent: 
ſprechende bildliche Darftellung hat der Begriff im 
Gleichniß vom verlorenen Sohne gefunden. Wo 
der Ausdruck auftritt, da ift er im Anfchluß an 
den Begriff der Söhne Gottes im Alten Teftament 
(d. 5. der Engel) in einem eminenten Sinne zu 
nehmen in der Bedeutung eines zufünftigen herr: 
lihen Zuftandes, des Yohnes für Liebe und Fried: 
fertigteit (Matth. 5, 9; Luk. 6, 35), wenn er nicht 
den allgemeinen Sinn der Gottverwandtjchaft der 
menſchlichen Natur mit Gott (Matth. 5, 45) in fi 
fließt. Häufiger ift der Ausdrud bei Johannes, 
wo er ſchon Gegenftand einer theofophiichen Spe: 
eulation geworden ift. Joh. 1, 12 und 13 beitim: 
men den Begriff nad Analogie des finnlichen 
Kindichaftäverhältniffes als ein reales Erzeugtjein 
aus Gott, Die Aufnahme des Logos ruft im Gläu⸗ 
bigen eine geiftige Geburt „von oben“ (3, 3 ff.) 
— einen Proceß, welcher denſelben in eine 
ubſtantielle Einheit mit Gott fett, jo daß dieſe 
Kinder Gottes einen wejentlichen Gegenſatz bilden 
gegen die Kinder der Welt und ihr Wejen in lauter 
Werfen der Gerechtigkeit und Liebe offenbaren 
(1. Joh. 3,9. 10). Paulus faht den Begriff der 
Kindichaft als Gegenſatz zu demjenigen der Knecht⸗ 
ihaft. Durch den Glauben an Chriftus hat der 
Chriſt den freien Zugang zum Bater, während der 
frühere Zuftand unter dem Geſetze nur ein Knechts— 
verhältnik zu Gott zulieh, im Bewußtfein des über: 
tretenen Gebotes ein Knechtſchaftsbewußtſein er: 
hielt; indem nun das wedue, das Priucip des 
Geiſtes (f. d. Art.) den Gläubigen erfüllt, find alle 
jene Schranfen gefallen, er fteht im innigften Ber: 
hältniß der Verjöhnung mit Gott, er fteht Gott 
frei gegenüber, aber von ihm unzertrennlich. Dies 
ift ein „Kindichaftsverhältniß”, und diefer Wir: 
fung gemäß die Erlöfung eine Annahme zur Kind: 
ſchaft (vio9esie). Vgl. Röm. 8, 1I—17 ; Gal. 5, 
26; 4,4—7. 

Kir, Amos 1,5; 9,7 als urfprünglicher Wohn: 
fig der Aramäer bezeichnet, wohin die Syrer wie: 
der in die Verbannung geführt werden follen, 2. 
Kön. 16, 9. Gemeinhin verjteht man jegt Darunter 
das Land Kur in Georgien; Andere dachten an 
die Stadt Kovpnve im füdlichen Medien. 

Kirche. Der Ausdruck, abgeleitetvon roxvpiaxör 
ober 7 xvpiaxn, das Haus, weldes dem Herrn ge: 
weiht ift, hat urſprünglich die Bedeutung einer 
Localität, dann neben dieſer die weitere Bedeutung 
der kirchlichen Gemeinſchaft. Andere leiten den 
Ausdrud von curia (fo Jacobfon), oder von dem 
feltiihen Cyrch (Mittelpunkt, jo Leo), oder von 
fieren (kieſen) oder eircus u. |. w. ab (vgl. Wader: 
nagel, Altd. Wörterbuch; Grävell, die Kirche, 
1856). Jeſus ſelbſt hat den Begriff der Kirche 
nicht aufgeftellt, da zu feinen Lebzeiten noch nicht 


Kirche 


bie Zeit zum Drganifiren ber religiöfen Gemein: 
{haft gefommen war und bie — noth⸗ 
wendig in ihrem Begriffe liegt. Das „Reich Got: 
tes”, welcher Begriff die Lebendaufgabe Jefu aus: 
fprad), ift die Verwirklichung der religiös-fittlihen 
bee unter der Menjhheit, weßhalb es ſowohl 
chon ba iſt als erft lommen wird, die um Chriftus 
bildende, darum nod fließende Gemeinſchaft 
atth. 4, 17; 6, 10; 12, 28; vgl. Matth. 13; 
Luk. 17, 20 ff.). Das Wort Exxinaie fommt bei 
Ehriftus nur Matth. 16, 18; 18, 17 vor und deu⸗ 
tet die zufünftige DOrganifation von Einzelgemein: 
den an. Dagegen ift die „Gemeinde“ im Paulinis 
ſchen Lehrſyſtem ein Hauptbegriff geworden. Eine 
ibeafe Organiſation von geiftigen Kräften wird 
unter dem Bilde eines Leibes veranfchaulicht, deffen 
Haupt Chriftus, deffen Glieder die Gläubigen find, 
und befien innere Ordnung ber Art ift, daß Chri—⸗ 
ſtus den Mittelpunkt bildet, um welchen fich jämmt: 
liche Kräfte gliedern, dieje unter ſich wieder durch 
ihre eigentbümlichen Begabungen einander ergän: 
zen, und daß fo das Ganze Kb zur höhern Ein- 
& zufammenfügt (Röm. 12,5; 1. Kor. 12, 4 ff.; 
h. 1,22 f.; 2, 19—22; 4,11; 5, 390—32). Bon 
ber Heiligkeit ber Gemeinschaft fließt der Charak⸗ 
ter der Heiligkeit auch auf die einzelnen Glieder 
über, weßhalb Paulus die Gemeindeglieder ge: 
wöhnlich „Heilige“ anrebet. Die noch auf Ueber: 
zeugung rubende Zugehörigkeit der Einzelnen 
jur Gemeinde machte dieſe ideale Auffafjung 
möglich ; die Gemeinde war übrigens noch ala Ein: 
zelgemeinde zu denfen, der Begriff der Gefammt: 
gemeinde egiftirte noch nicht. Dies ift auch noch 
in den Ignatianifhen Briefen und bei Irenäus 
ber Fall, welche in der Entwidlung des Kirchen: 
begriffs eine epochemachende Stellung einnehmen. 
Aber die mehr ideale Drganifation der Baulinifchen 
Faſſung hatte fih inzwifhen mehr und mehr in 
eine äußere umgewandelt. An die Stelle der idea: 
fen Einheit des Hauptes Chrifti und des Glaubens 
ber Glieder hatte ſich die äußere Einheit der bi: 
fhöflihen Hierardie und des Gehorſams der Kir: 
chenangehörigen gejegt. Damit hatte ſich der Grund: 
fag verfnüpft, daß die äußere Sugehörigteit zur 
Kirche die Theilnahme an dem in Chriftus gege: 
benen Heile bedinge. „Wo die Kirche ift, da ift der 
Geift, und wo der Geift ift, da ift auch die Kirche” 
Kae Adv. haer. 3, 3). Die Kirche wird als die 
nftalt betrachtet, welche allein die apoſtoliſche 
Trabition — die Succeſſion der Biſchöfe rein 
erhalten hat und darum die ausſchließliche Träge: 
sin ber Wahrheit und des Heils ift. Damit war 
ber große Fehler begangen, bie ideale Gemein: 
haft. zu verwechſeln mit der äußerlichen hierar: 
chiſchen Kirche. Die Eonfequenzen des neuen Be: 
griffes zog Cyprian in feinem Bude de unitate 
ecclesiae. Schon alle die Merkmale, melde den 
fpätern katholischen Kirchenbegriff zufammenfeten, 
bie Einheit, Heiligfeit, Katholicität und Apoftoli: 
eität, finden ſich bei Eyprian, deſſen Sa „extra 
ecclesiam nulla salus‘ (außer ber Kirche fein Hei) 
den Grundgedanken feiner und aller nachfolgenden 
Erörterungen über die Kirche bildet... Wie ed nur 
einen Öottund einen Chriftus giebt, fo giebt es 
nur eine Kirche, und bieje eine Kirche findet ihre 
Einheit wiederum in dem Epiflopat, Die Kirche 


470 


Kirche 
tianiſchen Briefe, ſondern von ber Geſammtkirche 
Schon weiſt er als auf die Vollendung des Ge— 
bäudes hin auf den Primat des römifchen Biſchofs, 
ſowenig er jelbft auch thatfächlich die Berechtigung 
diefed Brimates anerkannte. Auguftin führte diefe 
Gedanken noch weiter, Bekanntlich war er es, wel: 
her den Cyprianiſchen Sa „extra ecelesiam nulla 
salus“ zu der befannten Anwendung des biblifhen 
compelle intrare (Luf. 14, 23) auf die Nothwen⸗ 
digkeit von ſtaatlichen Zwangsmaßregeln gegen 
die Ketzer erweiterte. Der ſchwierige Punkt des 
fatholiihen Kirchenbegriffs, nämlich das Verhält⸗ 
niß der idealen Kirche zur wirklichen äußern, deren 
Einerleiheit jener feitzuhalten in feinem Interefle 
liegen ſah, oder mit andern Worten die Faſſung 
bes Merkmals der Heiligkeit rief einen lebhaften 
Streit in der Kirche hervor. Die —*55 
Novatianer, Donatiſten nahmen den Begriff der 
Heiligkeit in dem Sinne, daß ereinen thatſaͤchlichen 
Zuſtand der Kirchenglieder bezeichnete und yogen 
daraus die Bolgerung für die Nothwendigleit einer 
—— ſichtenden Kirchenzucht, während die Aa 
tholifen, melde mit dieſer Erklärung ber Heilig: 
feit die Katholicität aufgehoben fahen, an der Hei: 
ligfeit der beftehenden Kirche —— aber un⸗ 
Har die Heiligkeit auf einen Zuſtand der Zukunft 
oder auf die heiligende Kraft der Kirche bezogen. 
Dagegen gaben die Legtern in der Unterjcheidung 
einer ecclesia triumphans (der Gemeinſchaft der 
Bolllommenen und Seligen) und einer ecclesis 
pressa (der noch mit Welt und Satan kämpfen⸗ 
den) in der Beſchafſenheit der der Kirche angehö: 
rigen Glieder einen Unterſchied zwiſchen Jdeal und 
Wirklichkeit zu. In der Folgezeit vollzog die Ge 
ſchichte die Vollendung des ſchon fo confequent zer: 
gliederten Kirchenbegriffes; die Einheit und Madt 
der Kirche verlörperte rg im römiſchen Bijcof. 
Die Pſeudoiſidoriſchen Decretalen ziehen diefe 
legten Linien des Syſtems; Alles, was der Kirche 
zufommt, fommt natürlich dem Papſte zu, er iſt 
der Ordner und Richter der Welt, unendlich erha- 
ben über das weltliche Regiment; die Macht der 
Biihöfe ift in ihm concentrirt, Synoden haben 
nur duch ihn ihre Autorität. Wenn auch lange 
neben dem PBapaliyitem dad Synodalſyſtem in ber 
Theologie der fatholifchen Kirche beſtand, fo hat 
doch das erjtere immer entfchiedener als das con: 
fequentere gefiegt. Dem gegenüber mußte fih nun 
in nothwendigem —— reformatoriſche 
Kirchenbegriff entwickeln. Faſt alle ſectireriſchen 
Bewegungen in der vorreformatoriſchen Zeit wa⸗ 
ren gegen den katholiſchen Kirchenbegriff und na: 
mentlid gegen die in demfelben vorhandene Ber: 
miſchung von Jdee und äußerer Kirche gerichtet, 
in welcher I Reich Gottes und Hierarchie endlich 
bedten und die Zugehörigleit zum hierarchiſchen 
ag zur Bedingung der Seligfeit gemacht mar. 
er Grundgedanle des Wertes eines Peter von 
Bruys, Wiclef, Hus u, A. war die Losreißung 
der idealen Gemeinfhaft der Gläubigen von ber 
geihichtlich gewordenen römischen Rirce. Dagegen 
war die praktiſche Aufgabe auf Grund diefer Tren⸗ 
nung ber fihtbaren von der unfichtbaren Kirche, 
wie die Ausdrucksweiſe der Reformation lautete, 
eine ſchwierige und erft von den Hauptreformato: 


ren gelöfte. Wollte man nicht, wie die Wiebertäu: 


ih in bem Bifchof; und wer nicht mit dem Bifchof | fer, den Verſuch machen, die ideale Gemeinfhaft 


der ift nicht in der Kirche. Cyprian redet alfo 
nicht mehr von ber Einzelgemeinbe, wie bie Igna⸗ 


ber Wiedergeborenen wirklich zu machen, fo mußte 
bod) das 


erhältniß der neuen fichtbaren Kirche 


Kirche 


zur unſichtbaren beftimmt werben. Die unfichtbare 
galt allein als die wahre, ala die eine, fatholifche, 
apoftolifche, heilige Kirche, allein fie hat doch ihre 
Erſcheinung in der fihtbaren Kirche, mit welcher 
fie zwar nicht zufammenfällt, aber doch einen noth: 
mwendigen Zufammenhang hat. Neines Wort und 
wahre Sacramentsverwaltung bilden gleichſam die 
ins Sichtbare herüberragenden formen der un: 
fihtbaren Kirche, und wo diefe ſich finden, da ift 
anzunehmen, daß aud) eine Gemeinjchaft von Wie: 
dergeborenen ſich gebildet hat, die zwar mit dem 
Umkreis der äußern Kirchengemeinde nicht zuſam⸗ 
menfällt, aber in demfelben Mittelpuntt, in wels 
chem dieſer leitere zufammengefaßt ift, in Wort 
und Sacrament aud) ihren Mittelpunft findet. Es 
folgt daraus, daß immer diejenige Kirche am ge— 
naueften mit der wahren zujammenfällt, welche 
die verhältnißmäßig reinfte Darftellung des Wor- 
teö Gottes und Verwaltung der Sacramente befigt. 
Die reformirte Kirche ftimmt in allem Weſentlichen 
mit dem lutherifchen Kirchenbegriffe überein. Nur 
ift das Streben nah fihtbarer Darftellung der 
unſichtbaren Kirche bei den Reformirten ein leb: 
hafteres geworden; indem bie reformirte Kirche 
weniger als die lutherifche fich mit der objectiven 
Macht von Wort und Sacrament berubigte, trat 
in ihr die Kirhenzucht ald das Mittel zu immer 
reinerer Darjtellung ber wahren Kirche in ben 
Vordergrund. Mehr als im Begriffe unterſchieden 
fich die beiden Kirchen in der äußern Organtjation. 
Nachdem Luther ausgegangen war von der apojto: 
lichen Lehre bes allgemeinen Prieſterthums, haben 
es die Zeitymftände geboten, das Kirhenregiment 
in die Hände der Yüriten und ber in ihrem Namen 
regierenden geiftlichen Obrigkeit zu legen (Conſiſto⸗ 
rialverfafjung). Die reformirte Kirche, ihrem res 
publicaniſchen Urjprung entſprechend, hat den Bau 
der Berfafjung von unten begonnen, dagegen mit 
dem jehr weſentlichen Unterſchied, daß die Zwingli': 
ihe Reformation die vorhandene politiſche Ord— 
nung als berechtigtes Organ aud) des kirchlichen 
Lebens anerlannte, die Calvin'ſche aber eine vom 
Staate verſchiedene firdliche Gewalt in der Pres- 
byterialverfafiung ſchuf. In der Folgezeit hat der 
Kirchenbegriff eine weitere Ausbildung nit er: 
halten. Erſt Schleiermacher hat wieder einen neuen 
bedeutenden Reconftructionsverjud gemadt. Je 
größer die Bedeutung der Gemeinfchaft im bog: 
matifhen Syſteme Schleiermachers ift, defto jorg: 
fältiger mußte aud) die Entwidlung des Begriffes 
—* werden. Iſt ihm die Kirche die aus innerem 
Gemeinſchaftstriebe entſtandene und in ſtetiger 
Wechſelwirkung derſelben auf einander ſich bethä— 
tigende Gemeinſchaft der Wiedergeborenen, jo bie: 
tet ſich ihm doch auch von dieſem Geſichtspunkte 
aus ein Unterſchied dar zwiſchen der unſichtbaren 
und der ſichtbaren Kirche. Die unſichtbare Kirche 
iſt ihm die Geſammtheit aller Wirkungen des Geis 
ſtes in ihrem Zuſammenhang. Inſofern aber dieſe 
Wirkungen in Wirllichkeit immer nur in Vermi— 
ſchung mit Elementen der Weltund der allgemeinen 
Sündhaftigkeit erfolgen, fo ergiebt ſich daraus die 
aus gemijchten Elementen bejtehende Gefammtheit 
von Geifteswirkungen, welde Schleiermader die 


471 


Kirche als Gebäube 


gehend zu dem Sat gelangt, daß das Auseinan⸗ 
derfein von Kirche und Staat, ber religiöfen und 
der fittlihen Gemeinschaft, ein abnormes und vor: 
übergehendeö Verhältniß darftelle, und daß bie 
enbliche Entwidlung zu ihrem Ineinanderſein füh: 
ren müffe, oder mit andern Worten zu der Auf: 
Löfung der Kirche im Staate (von verfchiedenen 
Geſichtspunkten aus: Marheinele, Strauß, — *2 
Anderſeits hat eine lutheriſch-confeſſionaliſtiſche 
Richtung das Objective im reformatoriſchen Kir: 
chenbegriff noch mehr hervorgehoben, und hat die 
eigentliche Subſtanz der Kirche nicht ſowohl in der 
Geſammtheit der einzelnen Glieder der Gemein: 
ſchaft, als in der über ber legtern ftehenden objecs 
tiven Inſtitution, beftehend aus dem Worte Got: 
tes, den Belenntniffen, ben Sacramenten, dem 
gottgeorbneten Kirchenregimente, den geiftlichen 
Yentern u. ſ. w. zu finden geglaubt (Stahl, Heng: 
ftenberg, Zöhe u. A.) Im Allgemeinen fommt aber 
innerhalb ber proteftantifchen Theologie derjenige 
Kirhenbegriff immer mehr zur wiſſenſchaftli 
und praktischen Geltung, welcher fi in der Union 
eine entfprechende Eriheinungsform gefucht hat, 
beren Zwed ift die Förderung des criftlichsreli: 
giöjen und fittlichen Lebens. Sie wird aufbauen 
auf den geihichtlihen Grundlagen, auf welchen 
die Gemeinfhaft erwachſen ift, aber mit dem 
iharfen Bemußtfein des Unterjchiedes der ſicht⸗ 
baren und ber unfihtbaren Kirche, diefes Merk: 
mals des reformatoriihen Kirchenbegriffes, und 
darum der Nothwendigleit einer ftetigen Entwid: 
lung in Lehre, Berfaffung und Eultus. Val. außer 
ben allgemeinen Werten über Dogmatit, 8 men⸗ 
— Symbolik: Jacobſon, Kirchenrechtliche 

erſuche, Bo. J. 1881; Rothe, Anfänge ber chriſil. 
Kirche, 1837; Kiſt, die chriſtl. Kirche auf Erben, 
1838; Peterſen, die Idee der chriſtl Kirche, 1839 
—44; Bunſen, die Verfaſſung der Kirche der Zu⸗ 
funft, 1845; Schentel, Wejen des Proteftantis- 
mus, 2. Aufl, 1862; Deligich, vier Bücher von der 
Kirche, 1847; Köftlin, Luthers Lehre von ber 
Kirche, 1853 ; Kliefoth, acht Bücher von der ra 
1854; Mündmeyer, das Dogma von der fichtba- 
ren und unfichtbaren Kirche, 1854 ; Albr. Ritſchl, 
über das Verhältnis des Belenntnifjes zur Kirche. 
Ein Votum gegen die neulutherifhen Doctrinen, 
Bonn 1854; Rüdert, das Büchlein von der Kirche, 
1857; Wendt, zwei Bücher von der Kirche, 1859; 
Chr. Weiße, philof. Dogmatik, Bd. II. 

Kirde, freie, nennen ſich die evangelijchen Kir: 
hengemeinfchaften, melde fi von der Landes— 
lirche getrennt haben, um in den kirchlichen ug 
legenheiten von jedem Einfluffe des Staaied be 
freit zu fein. In Frankreich Inüpft ſich die Ent: 
ftehung der freien Kirche der Diſſidenz an die 
Wirkſamkeit der evangeliſchen Gejellihaft, im 
Waadtland an die Revolution von 1845, in Schott: 
land an das Patronatärecht 1847, 

Rirde old Gebäude. Die vorzüglichften Theile 
bes Kirchengebäubdes jind: 1) das Schiff der Kirche, 
ber für Die Öemeinde beftimmte Raum vom Haupt: 
eingang bis zum Presbyterium; 2) das Presby— 
terium, der für die Prieſter beftimmte Raum un— 
mittelbar vor dem Hochaltar, gewöhnlich um einige 


fihtbare Kirche nennt. In neuerer Zeit haben fid) die | Stufen über das Schiff erhöht und durch Schran» 


Anſchauungen von der Kirche nad) zwei entgegen: 
gejegten Richtungen hin geſpalten. Einerjeits ijt 


| 


ten abgeichloffen. Innerhalb des Presbyteriums 
ift das Chor vor dem Altar oder rechts und links 


die Hegelihe Philofophie von dem weſentlichen von demfelben, der Ort, wo in Capitellirchen ſich 
Sjneinanderfein von Religion und Sittlichleit aud- die Chorherren verfammeln, um bie kanoniſchen 


Kirche unter dem Kreuz 


Stunden zu feiern und die Condja, die Stelle, wo 
im Halbkreiſe die Stühle der Priefterfhaft ange: 
bradt find; 3) das Diafonium und Sacriftei, der 
Drt, wo die heiligen Gefäße aufbewahrt werben und 
die Priefter die Baramente anlegen; 4) die Em: 
poren, die an den innern Seitenwänden angebrad): 
ten Gallerien zur Vermehrung bes Kirchenraumes. 
Die Empore dem Presbytertum gegenüber ift in 
ber Regel dad Mufitchor, wo die Orgel ihren Platz 
hat. Eine äußere Auszeihnung des Kirchengebäu— 
des ift der Thurm. In den evangelifhen Kirchen 
ift das alte Preöbyterium entweder ganz wegge— 
fallen, oder es ift die Stelle für den Communion» 
tifch und die Sitze des Kirchenvorftandes. Die Kan: 
sel hat ihren Ort im Gebäube mehrfach gewechſelt 
und ift in den größern Kirchen meift in das Schiff 
felbit verlegt. Die neuere Theorie, welche der Kan: 
sel ihre nothwendige Stelle an einen Pfeiler des 
Chorbogens (mo Chor und Schiff zufammenftoßen) 
anweift, findet, objchon durch die Eifenadher Con: 
ferenz fanctionirt, entjchiedenen und begründeten 
Widerſpruch. 

Kirche unter dem Kreuz heißt bie reformirte 
Kirche in Holland und am Niederrhein, welche un: 
ter dem Drude der fpanifhen und Fatholifchen 
Landesregierung ſich bildete und ohne Verbindung 
mit dem Staate organifirte. 

Kirche und Staat. Die hriftlihe Kirche ent: 
widelte unb organifirte fi nicht in völliger Un: 
abhängigkeit vom Staate, vielmehr unter deſſen 
Drud und Verfolgung. Ihre Anerkennung durch 
Conftantin hatte die Folge, daß fie zum Staats: 
inftitut, der Kaiſer ihr Haupt wurde. In der ruf: 
fifchen Kirche ift dies Verhältniß, conjequent aus: 
gebildet, geblieben, in der griechiſchen und türfifchen 
um Einiges abgeſchwächt. Im Abendland begün: 
ftigten die politifchen Berhältniffe eine freiere 
Stellung der Kirche zum Staate; die Politik der 
fräntifhen Könige bedurfte eines Bundesgenoſſen 
am römischen Bifchofe, und fobald das Haupt der 
Kirche jelbftändig und unabhängig geworden, be- 
ginnt der Kampf zwifchen Kirche und Staat um 
die Herrichaft, ber, hervorgerufen durch die Aus: 
ftattung der Kirche mit Lehendgütern, in dem In— 
veftiturjtreite Gregors VII. mit Heinrich IV. ſei— 
nen ersten Abſchluß findet. Bon Gregor bis Anno: 
cenz III. wandelte fich die erftrittene Unabhängig: 
feit der Kirche in eine Oberherrſchaft derfelben über 
den Staat, der Papſt betrachtete fich ald oberften 
Lehensheren aller Fürſten. Die hieraus ſich ent: 
fpinnenden Kämpfe in Sicilien und Italien und 
die bleibende Verwickelung in Kriege und Partei: 
weſen ſchwächten —— die Papſtmacht fo, 
daß, ald Bonifacius VIII. die Anſprüche in un: 
ummunbdenfter Form gegen Bhilipp IV. von Franf: 
reich geltend zu machen verjuchte, der Umfchlag 
folgte und in der Avignoner Periode das Papft: 
thum einedrüdendbe Abhängigkeitempfinden mußte. 
Mit den Eoncilien des 15. Jahrhunderts, welche 
bie Schwäche des Papſtthums offenbaren, beginnt 
eine neue Periode. Die Kirche muß, ohne ihren 
principiellen Anſpruch aufzugeben, das thatſäch— 
liche Recht und die Macht der Staaten anerfennen, 
und, ftatt ihnen Gefege vorzufchreiben, Verträge, 
Concordate mit ihnen fließen. Die Reformation 


y- die frühere Vorausfegung der Einheit von 


iche und Staat vollftändig auf, indem nichtla: 
tholtiche und gemifchte Staaten entjtehen. Die 


Kirche mit ihren Anſprüchen tritt dem Staate als | 


412 


Kirche und Staat 


eine frembe Macht gegenliber (der Ultramontanis- 
mus), fie behält zwar ihre Freiheit und Unabhän- 
gigleit, aber der Staat wahrt fih vor ihr durd 
placetum regium undEinfluß aufdie Biſchofswahl. 
Der Gallicanismus macht innerhalb der Kirche 
das ftaatlihe Necht geltend und die Emfer Bunc: 
tation machte Miene, denjelben Weg unter andern 
politifhen Berhältniffen zu betreten. Joſeph II. 
und Napoleon I. nahmen in ausgebehntem Maße 
das Recht des Staates circa sacra in Anfprud. 
Ein vollftändiger Umſchwung findet Statt in der 
Reftauration des PBapftthums feit 1814 ; mit lang⸗ 
famen aber fihern Schritten näherte ſich die Curie 
ihrem Ziele, nicht nur die abfolute Freiheit der 
Kirche vom Staate, fondern auch ihre Oberherr- 
lichkeit in weltlihen Dingen wieder geltend zu 
machen, die günſtigen Concordate in der erften 
Hälfte des Jahrhunderts gaben ihr die Stelluna, 
von der aus fie die Bewegungen bes Jahres 1848 
benugen konnte. Die Würzburger Befchlüffe 1848, 
das öfterreichiiche Eoncordat 1855, die Vorgänge 
im Erzbiäthum Freiburg und im Bistum Mainz, 
die Zugeftändniffe in Preußen gaben ber Kirche 
dem Staate gegenüber eine fo freie Stellung, wie 
ie diefelbe faum je feit dem Bafeler Concil be: 
en hatte, ohne ihren Anfprichen zu genligen. 
Ganz anders geftaltete ſich das Verhältniß ber 
evangelifchen Kirche zum Staate. Einzigartig ftebt 
bier die anglicanifche Hochkirche, durch deren Ber: 
faffung fi ald Grundſatz hindurchzieht, daß fie 
ein Staatäinftitut fei. Die Anomalie erflärt ſich 
nur rein biftorifh aus der englifhen Reforma: 
tionsgeſchichte und erleidet in ber Gegenwart von 
innen und außen bie fchärfften Angriffe. Gonflicte 
swifchen Staat und Kirche wie auf dem Gebiete 
der Fatholifchen Kirche find in der evangelifchen 
nicht möglich, weil fie principiell den Staat ala 
eine fittliche Gemeinfchaft nad) göttlihem Rechte 
anerkennt, deren Zwede zufammenfallen mit den: 
jenigen der Kirche. Das Berhältnif der Kirche zum 
Staate hat fi aber verſchieden geftaltet. Die 
fchweizerifche Reformation ging von der Gemeinde 
aus und darum konnte in Saridı bürgerliche und 
firhliche Gemeinde in einer Art zufammengefaßt 
werden, daß das Regiment der Obrigkeit faft ein 
theofratifches wurde. Obgleih auch Calvin von 
ber Vorausfegung ausging, daß die kirchliche mit 
ber bürgerlihen Gemeinde zufammenfalle, fo er: 
forderte doch die Gemeindezucht der Calviniſchen 
Kirche eine ſolche Organifation, daf die reformirte 
Kirche fich überall unabhängig vom Staate, felbit 
als eine verfolgte, fräftig entwideln konnte, immer 
aber nur mit dem Berlangen, auf dem Gebiete 
des religiöfen rein firhlichen Lebens frei und un 
gehindert zu bleiben. Die reinfte Entfaltung diejes 
Verhaltens zum Staate zeigt die Gefchichte ber 
ſchottiſchen Kirche. In der Iutherifhen Kirche da- 
aegen übernahmen die Landesherren die biſchöf— 
lihe Gewalt, die Anfähe zur Gemeindebildung 
verfümmerten, die Kirche wurde ein Staatsinfti: 
tut, Die wachſende Souberänität der Landeäherren 
machte fich geltend in den Landeskirchen, fie wurde 
als Territoriaiismus oder Collegialidmus theore⸗ 
tifch begründet und gewann aud Einfluß auf die 
reformirten Kirchen, namentlich in Deutichland. 
Das landeöherrlihe Kirhenregiment wurde als 


jus circa sacra direct, ald jus in sacra inbirect, 


aber ebenfo unbefchränft ausgeübt. Ein Auswuchs 
der Macht des Staates war dad Reformationsrecht, 


Kirche der Wüſte 


jus reformandi, mit feinem Correlat, dem Re: 
probationdredht. Jenes die Befugniß, die Ne: 
formation einzuführen, die Religionsübung der 
Unterthanen zu verändern, dieſes das Recht, die 
Ausübung einer Religion zu verbieten oder an 
Läftige Bedingungen zu knüpfen. Nur in den In— 
dependentengemeinden Englands und Amerikas 
und den gebuldeten Secten Europas zeigte ſich die 
Fähigleit der evangeliihen Kirche, in völligiter 
Stichtgebundenheit an den Staat, fid) entwideln zu 
tönnen. Das rechte Verhältnik zum Staate zu 
gewinnen, ift in der Gegenwart der Kampf der 
Kirche. Die katholiſche Kirche hat Im Höhepunft 
anſcheinend erreicht gehabt. Wo fie ſich nicht be: 
grüate, in Unabhängigkeit vom Staate, wie in 

elgien, ihren Einfluß herrſchend zu maden, fon: 
dern Rechte der Macht auf äußern Lebensgebie— 
ten in Anfprud nahm, ift der nn: be: 
reits eingetreten, in Stalien macht der Staat fein 
Recht geltend, Defterreic hat das Concordat fac: 
tifh aufgehoben, ebenfo Baden aud rechtlich. Der 
—— Kirche iſt es bis jetzt noch nicht ge: 
lungen, in Deutfchland die Ausführung der Ge: 
jegesgrundfäge zu erlangen, welche ihr die Frei: 
heit vom landesherrlihen Kirchenregimente auf 
dem innerkirchlichen Gebiete verheißen. Die innere 
Berechtigung des Staatsfirchenregiments, welches 
heute noch bedeutende Vertheidiger findet, lag der 
fatholifchen Kirche gegenüber in der äufßerlichen 
Richtung derjelben und der hierarchifchen Organi: 
fation ihres Klerus, wodurch fie das Beftreben in 
ſich trägt, einen Staat im Staate zu bilden. In 
der evangelifhen Kirche aber vertrat der Staat 
die Gemeinde und fein iment bildete das Ge: 
gengewicht gegen das einfeitig theologijch:religiöfe 

ntereffe der Geiftlihen, dem bei dem Man: 
gel einer Gemeindeverfaflung feine begrenzende 
Schranke gegenüberitand. Bei einer wahrhaft evan: 
gelifch «liberalen Gemeindeorganifation fällt mit 
dem dominirenden Einfluß der Geiftlichen die 
Nothwendigkeit des Staatskirhenregiments um fo 
mehr hinweg, als die \nterefien der Geſammt— 
gemeinde mit dem des Staates nidht collidiren 
fönnen, fo daß jene die gemifchten Gebiete dem 
Staate überlafien fann, auf welden dieſer die 
volle Freiheit beanfpruchen muß. Die confefjionelle 
Miſchung der Bölter macht ein Staatsfirchenregis 
ment von Tag zu Tag widerſpruchsvoller und uns: 
haltbarer. Troß aller Hemmnifie geht daher der 
firliche Zug der Gegenwart auf die freie Kirche 
im freien Staate. 

Kirde der Wüſte nannte ſich die reformirte 
Kirche Frankreichs, als nad) der Aufhebung des 
Edicts von Nantes der Gotteödienft nur heimlich 
aehalten werden Fonnte. Bol. d. Art. Gamijarden. 

Sirhenagende. ©. Agende. 

Kirdenamt, officium, bezeichnet das Recht und 
die Pflicht eines Geiftlichen, in einem beſtimmten 
Verhältniſſe und Umfang und vermöge einer dazu 
ertheilten fejten Anftellung nad fatholifcher Auf: 
faffung die Kirchengewalt, nad proteſtantiſcher 
den Dienft der Lehre und der Seelforge auszuüben. 
Das mit dem Amte verbundene Einfommen ift 
das Beneficium (f. d. Art.). Die nad) fatholifcher 
Anficht mit dem Amte verbundene Gewalt, majo- 
ritas, fordert den kirchlichen Gehorfam der Inter: 
gebenen. Die auf die Berwaltung der Sacramente 
bezüglichen Aemter (officia sacra) unterfcheiden 


fi, je nachdem fie mit Seelforge verbunden find | 


473 


Kirchenbuße 


(off. curatum und non curatum, simplex) und 
nach den Weihen, die erforderlich find (off. sacra 
und communia). Die mit Jurisdiction verbunde- 
nen Aemter find PBrälaturen oder Dignitäten ; tft 
die Jurisdiction nur übertragen, jo find es officia 
minora. Vgl. d. Art, Geiftliche. 

—— S. Bann. 

ſtirchenbeſuch. Die katholiſche Kirche verlangt 
von ihren Gläubigen, daß fie an Sonn: und Seil: 
tagen die Mefie hören und zwar foll dies in der 
Pfarrkirche geſchehen. Die Synode zu Elvira 343 
beichloß, daß, wer drei Sonntage nad) einander 
nicht in der Kirche erfchienen wäre, ausgefchloffen 
werben folle. 

Kirdenbüder. Die älteften und erften Anfänge 
unjerer Kirchenbücher mag man in den Diptychen 
und den Märtprerverzeichniffen finden. Daß Na: 
mensöverzeichniffe der Gemeindeglieder geführt 
wurden, ift natürlich und erflärlich. Im 15. Jahr: 
hundert beginnen Taufregifter der Pfarrer und 
Todtenregifter, in Florenz um 1450. Franz I. be: 
fahl 1539 das Halten der Geburtsliften. Sie find 
alfo aus einem ftaatlichen und nicht firchlihen In— 
terefie hervorgegangen. Das Tridentinum ordnete 
Tauf- und Gheregifter an. Die Wichtigkeit folder 
Regifter für viele bürgerliche Verhältniſſe hat den 
Staat veranlaft, forgfältige Vorfchriften zu geben. 
Die von Geiftlihen anerfannter Eonfeffionen ge» 
führten Regifter haben öffentlichen Glauben, fie 
müffen in beftimmter vollftändiger Meife abgefaft 
fein, meiftens ein beglaubigtes Duplicat elben 
der Staatöbehördelibergebenwerden. Sojehrfeiner 
2 es begrünbet war, in den Geiftlichen die ficher: 
tenundauverläffigiten Beurkunder des Civilſtandes 
zu ſehen, ſo haben die Verhältniſſe der Neuzeit, die 
Vielheit der Confeſſionen und andere Gründe darin 
eine große Aenderung zu Wege gebracht, wie es 
außerdem nicht zu leugnen iſt, daß der Geiſtliche 
dadurch mit einer Menge feinem Amte jehr fern 
liegender Arbeiten belaftet wird. Daher ift die 
Einrihtung der Führung der Eiviljtandöregifter 
durch weltlihe Beamte in Frankreich, der bayeri: 
Ihen Pfalz, Amerifa aud eine das Intereſſe der 
Kirche fördernde. 

Kirhenbuße nennt man die öffentlichen Reuebe: 
jeugungen und Genugthuungen, durch welche die 
Ercommunicirten die Wiederaufnahme in die fir: 
chengemeinſchaft erlangten. Durch die Bußdiſciplin 
ber alten Rirche waren die Formen dieſer Buße genau 
geordnet (f. Bußgrade). Nach Conſtantin wendete 
man dieſe Bußordnung vornehmlich auch auf Ketzer 
und Schismatiker an. Beſonders ſorgfältig wurde 
das Bußweſen in der vecidentaliſchen Kirche aus— 
gebildet (vgl. Waſſerſchleben, die Bußordnungen 
der abendlaͤndiſchen Kirche, 1851). Der urfpring: 
lihe Gebante, daß es fich bei foldher Rirchenbuße 
um Wieberherftellung des Berhältnifies zur Kirche, 
nicht zum Reiche Gottes, für den Sünder handle, 
trat immer mehr zurüd, da Kirche und Reich Got: 
tes länaft identificirt waren. Die früher gegebene 
Möglichkeit, die verlangten Satisfactionen mit 
andern vertaufchen, durch Geld ablöfen oder durch 
Stellvertreter ausführen zu dürfen, wurde ber 
Urfprung der Ablaßtheorie und des ſchmachvollen 
Ablafhandels, bei dem das Weſen der Kirchen: 
buße verloren ging. Walfahrten, Faften, beftimmte 
Gebete und Opfer an Geld für kirchliche Zwede 
find die jegt noch vorfommenden Formen der Kir- 
henbuße. Die evangelifhe Kirche erneuerte in 


Kirchenconfereng 


ihrem Sinne bie Kirchenbuße, indem fie bei Siin- 
bern, bie öffentliches Nergernif gegeben, vor der 
Sulaffun zum heiligen Abendmahl ein Sünden» 
enntniß forderte entweder vor dem Presbyte⸗ 
rium oder fnieend in der Kirche vor verfammelter 
Gemeinde. Theild durch den Verfall der Kirchen: 
zul überhaupt, theild weil diefe Kirhenbußen in 
er lutherischen Kirche von gemischten bürgerlichen 
ae ausgeſprochen wurden und fidh nur auf 
fleiſchliche Vergehen beſchränkten, auch bald in 
Geldftrafen ſich wandelten, find fie gänzlich abge: 
lommen (f. Kirchenzucht). 
in ink . Eonferens. 
‚Kirdenconvent. In der württembergiſchen 
Kirche führte Herzog Chriftoph 1644 auf Betrei: 
ben Andreä's dies Gemeinde-Inftitut ein. E3 mar 
ein Collegium, beftehend aus den Geiftlichen, welt: 
lihen Beamten und zwei Raths⸗ und Gerichtäper: 
fonen, welches die Vergehen gegen die erfte Tafel 
bed Geſetzes, alfo die religiöfen, rügen follte. Nach 
dem Edict von 1824 ift der Convent ein ftehender 
Ausſchuß des Stiftungsrathes, der die laufenden 
Gejhäfte ber Kirchenvermaltung, Kirchenpolizei 
und ber Armenpflege zu beforaen bat. 
Kirchendiener, niedere. Die Bejoraung jelbit der 
äußerlichen Gefchäfte, welche der Gottesdienſt mit 
ch bringt, verfahen in der alten Kirche Klerifer. 
est find biefelben Laien, wie in der evangelifchen 
ieche, übertragen. Man verfteht unter Kirchen: 
bienern alfo Küfter, Meßner, Läuter, Drganiften, 
Balgtreter, Todtengräber. Sie werden aus den 
Gemeindemitteln bejoldet und von dem Gemeinde: 


angeftellt. . 

Kir fabrit (fabrica ecclesiae) ift eigentlich 
jebeö Öffentliche Gebäude, daher jede Kirche, dann 
ber zu ihrer Unterhaltung beitimmte Fonds und 
überhaupt das Kirchenvermögen im Unterſchied 
von dem Pfarrvermögen. Der Ausdrud ift unter 
bem franzöfifhen Rechte die gefegliche Bezeichnung 
ber das Kirhenvermögen verwaltenden Behörde, 
Corporation, beitehend aus mehreren Gemeinde: 
van ben Kirchmeiftern und dem Pfarrer, welche 

ie Rechte einer juriftifchen Perſon hat und unter» 
ſchieden ift von der (Civil-) Gemeinde, welcher dad 
enthum bes firdlichen Gutes zufteht. Vgl. das 
kaiferlich franzöſiſche Fabrilendectet vom 30. De: 
cember 1809 


Kirenfreiheiten, gallicanifde, nennt man bad 
lirchliche Recht der gallicanifhen Kirche in feinem 
Unterſchiede von ben Sagungen bes Tridentinums 
und den Anfprücden der Bäpite. Pithou ftellte das» 
felbe 1639 (Libertes de l'öglise gallicane) in 83 
Artikeln auf, Ludwig XIV. 1675 in 4 Grundfägen. 
Sie ftehen auf den Orundfägen, daß der König un» 
abhängig, die bifchöfliche Gewalt unmittelbar von 
Gott ih und die Eoncilien über dem Papſte jtehen 
(vgl. Gallicanismus). 


Rirdengefüße. S. Gefäße, heilige. 
—* S. — 
ſti chichte, ein Theil der hiſtoriſchen Theo⸗ 


logie, ein Abſchnitt der Religionsgeſchichte, iſt bie 
Darſtellung der Kirche in ihrer allſeitigen Entwick⸗ 


474 


Kirchengeſchichte 


der Benutzung conſtatirt werden muß. Die Quellen 
ind entweder unmittelbare oder mittelbare. Zu 
n erſtern gehören Urkunden und Denkmale, de: 
ren Entftehung mit den Thatjachen ſelbſt verfnüpft 
ift, Berichte von Augenzeugen. Weniger unmittel: 
bar find ſchon diejenigen von Zeitgenoffen, mittel: 
bardie Gefchichtsbücher, welche verlorene Geſchichts 
quellen verarbeitet haben. Die Hülfswiffenfchaften, 
welche eine richtige Benugung der Quellen bebin: 
gen, find: Firchliche Philologie, Diplomatif, Geo- 
grapbie, Statiftif und Chronologie, felbftverftänd: 
ich: der ganze Umkreis gefhichtliher Wiſſenſchaf⸗ 
ten überhaupt. Der auf diefe Weiſe gemonnene 
Stoff erfordert nun eine organische Verarbeitung 
nah beftimmten Gefichtöpuntten. Letztere find 
theils ſachlicher, theild hronologifher Natur. Die 
fahlihen Kategorien, unter welden der firchen: 
eſchichtliche Stoff gewöhnlich untergebradht wird, 
And die vier: äußere Ausbreitung, Berfaffung, 
Lehre, Eultus und Sitte, wobei aber je nach dem 
Geiſt einer Zeit bald das Eine, bald dad Andere 
mehr hervorzuheben und voranzuftellen ift. Zur 
eiteintheilung dienen die fogenannten Perioden. 
eitdem die alte Eintheilung nad) Jahrhunderten 
(Senturien) durch Mosheim aufgegeben ift, bilben 
diejenigen Zeitpunfte, in melden die Entwidlung 
der firhlihen Verhältniſſe und bes kirchlichen 
Geiſtes eine ſcharf marlirte Wendung nimmt (Epo» 
chen), den Anfang der Berioben. Die beiden Haupt: 
epochen find: der Uebergang bes Chriftentbums 
aus ber orientalifchen in die germanifche Welt und 
bie Reformation; fie theilen die Kirchengeſchichte 
in drei Perioden, innerhalb deren wieder neue 
Epochen bilden: der Uebertritt Conftantins (313), 
der Höhepunkt der päpftlihen Madt (1216), ber 
weftphälifche Friede (1648). Die geſchichtliche Dar: 
ftellung fann eine doppelte jein: eine hroniftifche, 
welche die Thatfadhen einfach aufzähblt, oder cine 
pragmatijche, welche überall den Zufammenhana 
von Urſache und Wirkung nahmeift. Die Urfachen 
können wieder theild äußere zufällige, theils innere, 
in geſchichtlichen Perſönlichkeiten Tiegende, pfycho⸗ 
logiſche oder die Welt bewegende religiöſe und fitt: 
lihe Jdeen fein. Nach beiden Seiten bin find Ber- 
irrungen möglid, ſowohl daburd, daß der Be: 
Ichreiber Alles aus Heinen Yeußerlichleiten ableiten 
will, ald auch dadurch, daß er die Geſchichte in 
einen bie Freiheit der menfchlihen Handlung ver 
leugnenden chemiſchen Naturprocek ummanbelt. 
ie ältejte Darjtellung der Kirchengefhichte ift 
biejenige des Eufebius (bid 324), da die von ibn 
benugten Dentwürdigfeiten des Hegeſippus (Mitte 
bes 2. Jahrhunderts) nicht wohl erg deren 
genannt werden bürfen. Rufinus bat Eujebius 
überjegt und bis 395 erg Griechiſche Fort: 
feger waren: Sokrates Scholafticus (306—439), 
Hermias —— (323 428), Theodoret (32 
—427), die Arianer Philoſtorgius (in Auszügen 
bei Photius 300—425), Theodorus (Fortſetzung 
des Solkrates bis 518) und Evagrius (431 - 594). 
Theophanes Eonfeflor hat eine ältere Chronik bis 
813 Fortgeführt, Nicepborus Kallifti (14. Jahr⸗ 


lung nad ihrem äußern Berhältniß zur Welt, nad | Hundert) hat eine umfafjende Kirhengeihichte be- 
Sitte und Eultus, Lehre und Verfaſſung durch gonnen, von ber 18 Bücher bis ins Jahr 610 
Zufammenftellung derjenigen —— welche in der Ausführung vorhanden find. Im Abend 
die Entwidiung 78 eichnen. Die Kennt: lande ſchrieb Sulpicius Severus eine kurze Histo- 
niß und Sicherheit der tſachen ruht auf den ria sacra von Anfang der Welt bis 400. Im 6. 
Duellen, welche, verſchieden an Werth, Tritifch zu Jahrhundert ließ Caſſiodorus in feiner Historia 
unterſuchen find und deren Glaubwürdigkeit vor. tripartita einen Auszug aus ben griechifchen 


Kirchengeſchichte 


ehern des Euſebius machen. Für bie Kirchen⸗ 
geſchichte ber Franken ift Gregor von Tours bis 
591) und für die der Angelfachfen Beda der Chr: 
würdige N 731), für die Geſchichte der Päpfte 
der römische Bibliothefar Anaftafius (f 891) in 
feinem Liber pontificalis, für die nordifhe Kir» 
Hengeihichte Adam von Bremen (bi3 1076) von 
ober Wichtigkeit. — Eine neue Epoche für das 
tubium der Kircchengefhichte erwachte mit der 
Reformation. Das Bedürfniß gefhichtlicher Recht: 
fertigung ag was geihehen war, rief die pro⸗ 
teftantifche Kirchengeſchichte, das entgegengeiegte 
Bedürfniß die fatholifche hervor. Dem gründlichen 
Verke des Matthias Flacius Illyricus in Magde: 
burg, den ſogenannten Magdeburger Centurien, 
welche in 13 Foliobänden Jahrhundert für Jahr: 


hundert mit großer eig ag Di und Aus: | d 
t 


führlichleit behandelten, ftelte Gäfar Baronius 
—— Annalen (bis 1198) entgegen, ein durch reiche 
ellenarbeit und ſorgfältige Darſtellung bedeu: 
tendes Werk in katholiſcher Tendenz. Das Werk 
des Baronius fand weniger bedeutende Fortſetzer 
NRaynaldus, Laderchi, Theiner). In freierem Geiſte 
waren die franzöſiſchen kirchengeſchichtlichen Ar: 
beiten gejchrieben: der gelehrte ——— Na⸗ 
talis nder, der fromme Janſeniſt Seb. le 
Nain de Tillemont, der religiös warme Glaube 
Fleury und der rhetorifch gewandte Boffuet find 
die verfchieden gearteten Vertreter der gallicani: 
hen Kirche. In der reformirten Kirche boten Hot: 
—— Spanheim, bie beiden Basnage ihre Kräfte 
„dem Werke des Baronius — Arbeiten 
ihrer Kirche entgegenzufegen. Nachdem in ber lu⸗ 
hen Kirche nad) den Genturien lange Zeit die 
geſchichtlichen Studien in den Hintergrund 
—— waren, erwachten ſie wieder durch Calixts 
— und ſeitdem Gottfr. Arnolds „Unpars 
teiiſche Kirchen⸗ und Ketzerhiſtorie“, welche die 
Vahrheit überall bei den Kehern, aber nicht in ben 
Kirchen fand, dem ———— wieder einen 
neuen Sporn gegeben hat. Weismann in Tübin: 
bie beiden ch (Georg in Jena und Franz 

m Göttingen) und namentlih Mosheim in Göt: 
ingen, ber Meifter der Gefhichtichreibung im 18. 
undert, find bie Erfcheinungen eines neuen 
hiſtoriſchen Triebes. Semler hat auch auf 

em Gebiete tief und kühn, aber planlos gear: 
beitet. Schröcdh hat fein ftofflich zuverläffiges, weit: 
ſchichtiges gelehrtes Rieſenwerk in 45 Theilen ge: 
‚mozu in formell ſchroffem Gegenjage bie 

mit weltmänniihem Gefhmad geiftreich hingewor⸗ 
fene pda range Stisze des Minifterd von 
Spittler die mit energifcher Kritik gejchriebene 
eine Gefhichte der Kirche von —— eine 

ichte menſchlicher Thorheit, ſteht. Während 
Pland der charakteriftifche Vertreter der manierir⸗ 
teften pragmatiſchen Geſchichtſchreibung ift, führen 
Schmidt, Engelbarbt, Dan; und namentlich Gie— 
feler diefelbe wieder zurüd auf ein grünbliches, 
gelehrted Duellenftubium und eine gemifienhafte, 
objective Darlegung des Sachverhalts. Mit mar: 
mer Schleiermadpericher Gefühldfrömmigteit hatin 
derjelben Methode Neander feine Kirchengeſchichte 
—— als „einen ſprechenden Erweis von 
gõttlichen Kraft des Chriſtenthums, als eine 
Schule et Erbauung, ber Lehre und ber 
Barnung für Alle, welde hören wollen“, indeß 
Scleiermader ſelbſt nur einen fragmentariſchen 
Plan ber ichte Hinterlaffen hat. In 


475 


— —— — — — — — — — —— — — — — — — — — — — — —— — —— — 


Kirchengut 
Sit Beta Bd ter Be 


aber mit umfaffender 
wandelte Niebner; maßvoll und gründlich, im 
Sinne Neanders, aber mit mehr Berüdfihtigung 
der ftaatlihen und Eultur-Berhältniffe hat Hagen⸗ 
bad) (1868 in’neuer Durdarbeitung) feine „fir 
—5* Vorleſungen“ geſchrieben; fromm und 
im Allgemeinen gründlich, aber ſtreng lutheriſch 
eonfeffionell ift Guerike’3, ftreng lutherifch, zum 
Theil in friiher anregender Sprade, aber ohne 
Haſe's Gründlichkeit, iſt die Kirhengefhichte von 
Kurk. Hafe ift ald Gefchichtfchreiber von genauer 
Forſchung, alljeitigem Blid, feiner treffender Zeich⸗ 
nung, fünftlerifhem Gefhmad und geiftreiher 
Ironie befannt. Baur hat in großartigen Zügen 
mit philofophifchem Geifte den Entwidlungdproceß 
er Jdeen zur Darftellung gebradt. Einzelne Pe: 
rioden und Abfchnitte find von Nichttheologen mei: 
jterhaft behandelt worden. Eo 3. B. die Zeit bes 
eriten Areuzzuges von 9. v. Sybel, die Reforma= 
tionöperiode von 2. Ranfe und 2. Häußer. — In 
der latholiſchen Kirche hat die —* Zeit 
auch eine kirchengeſchichtliche Oppoſition gegen die 
Hierarchie hervorgerufen (Roylo, Dannenmayr, 
Wolf), Aus Tatholifcher Begeiſterung find bie 
Werle von Stolberg und Katerlamp ge en. Be: 
beutender aber ift die durch Möhler an egte 
wiſſenſchaftliche Thätigkeit, melde burg dort g, 
Döllinger, Alzog u. A. vertreten tft. Ueber die be⸗ 
deutenderen Werke der genannten Gefhichtichrei« 
ber vgl. die Artikel unter den Namen berjelben. 
Rirengewalt ift nach Fatholifher Auffafiung 
bie der Kirche, d. 5. dem Epiflopat und Klerus 
zuſtehende Macht, welche nach ihren beiden Seiten 
ald die potestas ordinis und jurisdictionis be: 
ſchrieben wird. Die erfte bezieht fich auf die Dar⸗ 
bringung des Berjöhnungsopfers in der Meſſe, die 
andere auf die Vorbereitung des Volles zum 
Empfang ded Sacramentd und Ertheilung ber 
firhliden Gnadenſchätze. Die potestas ordinis 
wird von ber Kirche durch die Prieftermeihe er⸗ 
theilt, bie potestas Jurisdietionis vom biſchöflichen 
Amte nur übertragen. Nach evangelifcher Auffaf- 
fung ift die Kirchengemwalt die Beftellung des Bre- 
digtamtes und bie Handhabung der Zucht. Subject 
derjelben ift nicht der Klerus, fondern die Ge: 
meinbe, Die Beftimmung ber Lehre gehört bei beis 
den Kirchen nur der Gejammilirche ald dem Dr: 
— des heil. Geiſtes, welcher nach katholiſcher 
ffaſſung durch Concilien und Bapft ſpricht; nad 
ber evangelifchen ergmingt die in frommer Geis: 
ftesarbeit erfannte objective Wahrheit von felbft 
die Zuftim und Anerfennung der Gemeinde. 
rchengut ift im Allgemeinen Alles, was bie 
Kirche oder eine Gemeinde an nutzbarem Eigen: 
thum befigt. Entftanden tft ed aus den Oblationen 
der Gläubigen, bie urfprängli die Bedürfnifſe 
der Liebeömahle, der Armen und der Geiftlihen 
deden follten. Trotz des Verbotes der römifchen 
Gejeggebung muß aber ſchon früh die Kirche Grund: 
eigenthum erhalten haben, da Diocletian 302 das: 
felbe einzog. Das Edict des Licinius 313, welches 
die Rüdgabe verordnete, ſprach die Crwerbsfähig⸗ 
feit der Kirche aus; Conftantin bewilligte 321 die 
Erbfähigkeit, und die —— römiſche Geſetzge⸗ 
bung gewährte weitere Vorrechte und Begünfti 
ungen in einer Weife, daß Balentinian ſchon 
hränfungen des Erwerbed durch Teſtamente 
eintreten laſſen mußte, welche erſt die ſpätere 


Kirchengut 


tirhlihe Macht wieder aufhob. Neue Quellen für 
den Zuwachs des —— that die fränkiſche 
Geſetzgebung auf, welche dem Stifter einer Kirche 
die Verpflichtung auflegte, dieſelbe mit liegenden 
Gründen zu dotiren, die allgemeine Zehentpflicht 
zum Geſetz erhob und endlich durch ihr Lehnsrecht 
auch der Kirche einen unbeſchränkten Beſitz eröff: 
nete. Dazu famen viele durch die frühere Geſetz— 
aebung verliehene IJmmunitäten. Die beanspruchte 
Steuerfreiheit des Kirchengutes gab nach der Be: 
endigung des Inveftiturftreites den erften Anlaf 
au neuem Hader. Die Lateranconcilien 1179 und 
1215 bemilligten endlich in dringenden Fällen, 
über deren Borhandenfein aber der Papft zu ent: 
fcheiden habe, die Befteuerung. Das Amortifa: 
tionsrecht (f. d. A.), welches in biefer Zeit einge: 
führt wurde, ſetzte nicht minder dem Uebermaß 
des Kirchenvermögens eine Örenze und führte den 
Grunbfaß dur, daß Befik und Erwerbsfähigkeit 
auch der Kirche nad) den einzelnen Landesgeſetz— 

ebungen beurtheilt werden müffen. Daß zu allen 
Beiten Mächtige und Fürften der Verſuchung nicht 
wiberftanden, unter irgend einem quten ober 
ſchlechten Vorwande einzelne Kirchengüter an ſich 
zu bringen, ift natürlich; die Kirche fuchte fich da— 
gegen dur die Androhung des Kirchenbannes 
und ben Grundſatz der Unveräußerlichteit des 
Kirchengutes zu fehlten. Empfindlihe Nachtheile 
brachte die Reformation. Indem hier der Staat 
die Güter der verlafjenen Klöfter und aufgehobe: 
nen Stifter einzog, wurde der Grundſatz von ber 
Unverleglichkeit des Kirchenqutes erſchüttert, und 
dem entgegen das höhere Recht des Staates gel: 
tend gemadt. In Fatholifchen Ländern — zuerſt 
in Bayern, dann in Defterreih — war indeß unter 
Beiftimmung Roms der Anfang damit gemacht 
worden. Die Yofephinifche Geſetzgebung in Defter: 
reich und die Einziehung des ſämmtlichen Kirchen: 
autesin Frankreich, die Säcularifationen durch den 
Neichddeputationshauptfhluß,die Einziehung der 
dicke Güter in Spanien und in Jtalien find die 
wichtigſten folgen des damals eingeführten Brin: 
cips. Die Verwaltung des Kirchenqutes ftand ur: 
fprünglid) den Bifchöfen zu mit den Presbyterien; 
das Concil von Chalcedon 451 beftimmte, daß 
tiberall ein befonderer Deconomus unter dem Bi: 
ichofe die Vermögensadminiftration führen folle, 
und dies ift Grundſatz geblieben. In den Stiftsfir: 
hen fiel dies Amt dem Propfte zu. Die Verwendung 
des Kirchengutes geſchah in der Art, daß die Ein: 
fünfte zwiſchen dem Biſchof, dem Klerus, der Kirchen: 
fabrik und den Armen getheilt wurden. Bald aber 
trat eine feſte Sonderung ein, da durch die Bene: 
ficien und firchlichen Abgaben für den Bifchof und 
ben Klerus geforgt wurde. Die ältere Anſchauung, 
daf das Kirchengut der Gemeinde (der Kitche, dem 
—— gehöre, wirkte längere Zeit nach, indem die 

rſparniſſe der Geiſtlichen aus den Erträgen ihrer 
Beneficien nicht an ihre Erben, fondern an die 
Kirche, resp. an den Klerus, zurüdfielen; erft im 
14. Jahrhundert erhielten die Kleriker das Recht, 
auch über ihr Amtövermögen (peculium clericäle) 
gültig zu teftiten. Hiermit, wie mit dem Dur 
verhältnif, hing das Spolienredt, die Regalien, 
die Annaten und Servitien (j. die Art.) eng gu: 
fammen. Die katholiſche Kirche ftellt noch immer 
den Grundjak auf, daß das Kirchengut der Ge: 
fammtfirche gehöre (früher fante man, es gehöre 
den Armen), obwohl weder das römische Necht 


476 


Kirchenjahr 


noch auch das kanoniſche dieſe Anſicht ausſprach. 
Es muß vielmehr jede Gemeinde, resp. jedes Stift, 
ald abgefondertes Eigenthumsfubject angefehen 
werben, fo daß beim Erlöfchen beöfelben das Eigen: 
thum des herrenlos gewordenen Gutes an den 
Staat übergeht. Die meiften neuen Gefeggebun: 
gen haben aber ausgeſprochen, daß in ſolchen Fäl: 
en basfelbe zu andern kirchlichen Zweden verwen: 
det werden folle. Als der Gefammtlirche angehörig 
fönnen nur die Fonds angefehen werden, welche 
wirklich und ausdrüdlich zu allgemeinen Sweden 
beftimmt find. Die evangelifhe Kirche ift in 
Deutfchland an ſolchem Gute ſehr arm, da in ber 
Reformation das zur Führung der Kirchenverwal⸗ 
tung beftimmte Vermögen der Bisthlimer einge: 
zogen und mit dem Staatsgute vermijcht wurde, 
welches denn auch die Verwaltungskoſten der Kirche 
als eines Staatsinftitutes trug. Solche gemein» 
famen Fonds find die aus Erjparniffen in Vacan— 
zen gewonnenen Intercalarfonds ıc. In Preußen 
bat der Staat die Verpflichtung übernommen, bie 
Bisthümer auch zu den allgemeinen Zmweden zu 
botiren. In Frankreich ift alles Kirchengut ber 
Gemeinden Eigenthum der Civilgemeinden, wel: 
ches nur zu Firchlichen Sweden verwandt wer: 
den darf und unter gewe Verwaltung fteht. 
Die Verwaltung des Kirchengutes führt der Pfar: 
rer mit dem Hirchenrath unter der Aufficht des 
Biſchofs und einer in der neueften Zeit in Deut: 
land beſchränkten Oberauffict des Staates. Aud 
bie evangelische Kirche folgt diefem Grundſatz, wie 
fie überhaupt die Grundfäte des kanoniſchen Rechts 
über das Kirchenverinögen aus Zweckmäßigkeits 
gründen feftgehalten hat; doch ind u na: 
mentlich in Preußen noch, die geiftlihen Dbern 
durch ftaatliche GCollegien und Beamte erjekt. 
Im befondern regeln überall genau Berwaltung®: 
vorfchriften das Einzelne, um eine Verringerung 
des Vermögens und eine Entfremdung zu anderen 
Sweden zu verhüten. Die neueſten Berfaffungs: 
urkunden garantiren den Kirchengemeinſchaften 
den Befik und die Verwaltung ihres Bermö: 
eng, 

Kirheninventar ift das Verzeichniß der ber 
Kirche zugehörigen Eigenthumsftüde, weldes die 
Verwalter des Kirchenqutes zu führen haben, nad 
den verſchiedenen Fonds für die Kirche, Die Armen, 
ben Klerus. Schon das Concil zu Vienne 1311 
erließ hierüber Beitimmungen, welche das Triden: 
tinum wiederholte. Die evangeliſchen Kirchenorb: 
nungen folgen dem und fchreiben eine Prüfıma 
des Inventars bei den Hirchenvifitationen vor. 

Kirhenjahr. Da die Gemeinde aud die ae: 
f&hichtlichen grundlegenden Momente in dem Ent: 
widlungsgange der Offenbarung durd Chriftum 
in ihren Gotteödienften feierte, und dieje Feiern 
1 allmählid an beftimmte Tage gebunden haben, 
o bildet der Eyfius diefer hiftorifch «»Dogmatifchen 
Feiern das Kirhenjahr. Während bie erſten juden⸗ 
chriſtlichen Gemeinden fich noch ganz an ben jüdi— 
ſchen Feitcyflus an Snellen, fonnten die Heiden: 
Hriften nur an der Dfterfeier fich betheiligen, weil 
fie mit dem Gedächtniß der Auferstehung zuſam— 
menfiel. An die Dfterzeit ſchloß ſich dann bie 
Pfingftzeit an, und ihr vorauf ging eine Betrach— 
tung des Leidens, welche in ber Charfreitagäfeier 
ihren Abfchluß fand, Das Weihnachtsfeſt mit der 
vorbereitenden Adventszeit kam erft jpäter hin. 
Während die Tatholifhe Kirche die geſchichtliche 


Kirchenkaſten 


Entfaltung des Heils innerhalb der Kirche durch 
die Gedächtnißtage der Heiligen mit dem Aller: 
beiligenfeite feiert und ben fortdauernden Heilds 
befig im pp end hat die evangelifche 
Kirche nur das Reformationäfejt als die Feier des 
hiſtoriſchen Wendepunktes in ihren Feſtkreis auf: 
—— Indem der Cultus durch die Idee des 
irchenjahres ſich zu einem Ganzen abrundet, und 
in allen ſeinen Theilen ſich der jedesmaligen Feier 
anſchließt, wird ber Gemeinde der ganze Inhalt 
der Dffenbarung als Gegenftand der Andacht und 
Duelle der Erbauung vorgeführt. Den älteren Peri— 
open liegt offenbar der Gedanke des Kirchenjahrs 
um Grunde, ohne im einzelnen durchgeführt zu 
ein. Den Anfang des Kirchenjahres jegten zuerft 
die Nejtorianer auf den 1. Sonntag des Advents; 
die Kirche 8 lange gezögert dieſem Vorgange von 
Kegern R olgen. Man blieb dabei, mit dem Dfter: 
fejte zu beginnen; die mannigfachen Unbequemlich— 
feiten, die aus dem ae Termin folgten 
und die Ausbildung des Weihnadhtscyklus nöthig: 
ten davon abzugeben. Man jehte dann als Be: 
ginn Mariä Berfündigung (25. März), fo noch in 
England, dann Weihnachten (25. December). Die 
griehijhe Kirche beginnt das Kirchenjahr am 
1, September. Der Anſchluß des Kirchenjahres 
an das natürliche Jahr, welches den kirchlichen 
Feiten durchgehends eine ſymboliſche Unterlage 
bietet, ift eine Folge der Bedeutung, welche das 
jüdiiche Dfterfeft in der Kirche gewonnen hatte, 
und der Verlegung des Buch rg aeg auf die 
Zeit des heidniſchen Naturfeites der Saturnalien 
des Jul der Winterfonnenwende. Der refor: 
mirten Kirche lag eben, wie der älteften Gemeinde, 
die Beobachtung eines Kirchenjahres fern, fie feierte 
bloß den Sonntag. Je mehr aber im Bewußtſein 
der Gemeinſchaft das Wefen der Offenbarung als 
einer geſchichtlichen Entwidelung aufgeht, defto 
lebendiger wird auch das Bedürfniß hervortreten, 
im Cultus in regelmäßig wiederfehrender Feier 
dies Thatjächliche der Gejhichte zu begehen. Bol. 
E. Rante, das firdliche Beritosenfohtem, 1847; 
Lisco, das Kriftlihe Kirchenjahr, ein homileti: 
ſches Hülfsbud u. j. w. 4. Aufl. 2 Bde. 1852. 
Strauß, das evangel. Kirchenjahr in feinem Zu: 
fammenhange dargejtellt, 1850. Bobertag, das 
evangel. Kirchenjahr zur Begründung eines unbe: 
Ihränften Schriftgebraudhs in jämmtlichen Peri— 
kopen bes N. T. dargejtellt, 1853. 
Kirhenkaflen, Kirhenlade. ©. Rajten. 
ſtirchenlehen. Gleichwie die Kirche einen Theil 
ihres Beſitzes als ein Lehen empfing, deffen Eigen: 
tbumsrecht bei dem Lehnäheren blieb, welchem der 
Kirhenprälat als Lehensmann durd) die Inveſti⸗ 
tur verpflichtet wurde, ebenjo gab die Kirche auch 
ihrerjeits ihre Güter als Lehen aus. Häufig ge: 
ſchah dies, um dadurch den Schuß des mächtigen 
Zehnämannes zu erlangen; auch übergeben Andere 
ihr Eigenthum ber Kirche, nehmen es ala er 
zurüd, um die Sicherheit und die Vortheile des 
Kirhengutes ſich dadurch zu verfchaffen. So ift 
aus dem Kirchenlehen das Patronatslehen gewor⸗ 
den. Da die Hauptverpflichtung des Lehnämannes 
war, ben Kriegsdienſt zu leiften, jo ift auch für die 
Kirche die Bedeutung des Lehens weggefallen und 
iſt dasſelbe, wo nicht ganz aufgehoben, dod in 
Erbzinsgüter verwandelt und der Ablöfung unter: 
worfen. Da die Belehnung eine Entäußerung 
war, fo fonnte fie nur unter gleichen Bedingungen 


477 


Kirchenlied 


wie ein Verkauf, bei offenbarem Gewinn und un: 
ter Zuftimmung ber Obern jtatthaben. 
rchenlehre ift dev Inhalt des riftlichen Ge: 
meinbebewußtjeins, wie dasfelbe im Unterfchied 
von Heidenthum und Judentum, oder anderen 
chriſtlichen Gemeinfchaften, die Wahrheiten der 
Offenbarung erfaßt und ſich vermittelt hat. Die 
römiſche Kirche, welche die irdiſche und endliche 
Kirhe mit der unfihtbaren und vollendeten Ges 
meinde verwechjelt, erklärt für Kirchenlehre jeden 
bogmatifchen "Ausjprud der mit dem Bapit zu 
einem Concil verfammelten Bijchöfe, resp. des e 
cathedra jprechenden Papftes; und da fie demſel⸗ 
ben Infallibilität zufchreibt, jo erhält ihre Kirchen 
lehre den Anſpruch, der unbedingt richtige Aus— 
brud der chriftlihen Wahrheit zu fein, ber wohl 
nod) bereichert, aber in feinem Stüde geändert wer: 
den fünnte. In ber evangelifhen Kirche will ein 
Theil in den Belenntnißfchriften der Reforma- 
tionszeit auf ähnliche Weiſe den vollen und blei- 
benden Ausdrud der Kirchenlehre finden, während 
Andere in benjelben nur das Gemeindebewußtjein 
einer bejtimmten Periode erfennen, von welcher 
bie religiöfe Entwidelung der Gegenwart ausge⸗ 
sangen ift, 
rhenlehrer. S. Kirchenväter. 
ſKirchenlied. (5. den Art. Gefang.) Das Mit: 
telalter weist eine jehr reihe Blüthenlefe der la- 
teiniſchen Hymnendichtung auf. So find im 7.— 


9. Jahrhundert Beda der Ehrmürdige, Baul War: 
nefried, Theodulf von Orleans, Altuin, Rhabanus 
Maurus als Hymnendichter zu nennen. Die Ent: 


ftehung ber jog. Sequenzen in der Mefje gab diejer 
lateiniihen Dichtung eine praktiſch-kirchliche Be: 
deutung. Notfer Balbulus, fpäter Odo von Clugny, 
Robert, Königvon Frankreich, Petrus Damiani, der 
h. Bernhard, Bonaventura, Thomas von Aquino, 
Thomas von Gelano (dies irae), Jakob de Bene: 
dictis oder Jacoponus (stabat mater) find unter 
Vielen hervorzuheben. Daneben aber entftand das 
eigentliche religiöfe Volkslied aus dem hierarchiſch 
verdrängten Singbebürfniß des Volkes Kon, Der 
bei Proceffionen dem Volle überlafjene Refrain 
Kyrie eleijon erweiterte fich zu gereimten Verjen, 
in welchen dieſes Stihwort nur noch den wieder: 
fehrenden Schluß bildete. Dieje vollsthümlichen 
„Leifen” bilden den Anfang des Volks: Kirchen: 
liedes. (Val. das Dfterlied „Chriftus ift erftan- 
den”, das —— „Ru bitten wir den heil'gen 
Geiſt“). Häretifer, Minnefänger (Fra Pacifico), 
Gelehrte (Bonaventura) nahmen an feiner Aus: 
bildung Theil. Namentlid haben die Francis: 
caner diefe Dichtung gepflegt; Franciscus felbft, 
Giacomo da Berona, Thomas da Celano, der viel: 
verfolgte Giacopone da Todi (+ 1306) jangen aus 
glühender Liebe zur Mutter Gottes und zum Er- 
löfer. Die Geißler auf ihren Zügen mit ihren 
flagenden Weijen trugen zur Berbreitung des 
Boitsliedes bei. Die Huffiten führten den Volks— 
gejang in bie Kirche ein. Biſchof Lukas fammelte 
1504 einige hundert Lieder zum Drude; in der: 
felben Richtung hin war Petrus von Dresden 
35* in Zwickau 1420) thätig. Außer ben deut: 
hen Driginalvoltsliedern gab es noch Ueberſetzun⸗ 
gen —— Hymnen (Ueberſetzer: Johannes, 
Mönd in Salzburg; eine Sammlung erſchien 
1494); ferner Uebertragungen mweltlicher Lieder in 
einen geiftlihen Inhalt (jo im 15. Jahrh. durch 
Heinrich von Zaufenberg in Freiburg) ; endlich eine 


Kirchenlied 


höchſt feltfame Battungvon Liedern: eine Nifhung 
von deutſ 
dulei jubilo, Nun finget und feid froh u. ſ. m.). 
Erft in der Reformation ift das Kirchenlied zu 
einer bedeutenden geiftigen Macht gelangt und dba: 
mit aud zur vollen Entfaltung feiner Blüthe. 
Das Glaubenäbemwußtfein der proteitantifchen Ge: 
meinde verförperte ſich im Liede. Der Inhalt des 
reformatorifhen Glaubens ift daher auch der In: 
alt diefer reformatorifchen Lieder. Luther felbit 
eht mit 37 kräftigen Gefängen — meilt Ueber: 
ig von Pſalmen und älteren Liedern — 
an der Spike. Ihm jchloffen ſich Dichter wie La: 
arus Spengler (7 1534), Baul Speratus (7 1554), 
ul Eber (+ 1564), Nikolaus Decius, Hans 
chs (+ 1576), Johann Graumann (+ 1541), Jo: 
ann Matthefius (F 1565), Nilolaus Hermann 
+ 1561), Erasmus Alberus (F 1555), Nikolaus 
Selneder (+ 1592), Martin Scalling (+ 1608), 
Bartholomäus Ringmwaldt (F 1597), Philipp Ni: 
tolai (+ 1608) u. A. an. Die reformirte Kirche hat 
eine ähnlide Literatur nicht hervorgerufen, die 
Plalmenbearbeitungen von Marot und Lobmafler 
bildeten den ſchwachen Erfaß, die Lieder eines 
wid und Blaurer fonnten in bie Kirche feinen 
ingang finden. Im 17. Sahrhundert hat der 
drei jährige Krieg das geijtliche Lied von neuem 
eweckt und hat ihm zugleich die Richtung auf das 
nere und Subjective gegeben ; an die Stelle der 
Glaubenälieder treten die Lieder über Kreuz und 
Zeiden, Bertrauen und Troft. Die Form wird 
leich geſchmeidiger. In dieſe Zeit gehören: 
St ann Heermann iu 1647), Paul Flemming (} 
1640), Martin Rindarbt (+ 1649), Tobias Claus: 
niger (} 1648), Johann Rift (+ 1667), Simon 
Dad) (t 1658). Der bedeutendfte Dichter ift: Paul 
Gerhardt (+ 1677). An ihn reihen ſich an: Georg 
Neumarkt (+ 1681), Johann Franck (+ 1677), 
Ehriftian Keymann (F 1663), Joahim Neander 
(+ 1680), Ernft Chriftophb Homburg (} 1681), 
Georg Albinus (+ 1657), Michael Schirmer (+ 
1673). Einen myftiich-gefühlsmäßigen Ton, der 
fich die Liebe zu Ehriftus zum Lieblingöthema er: 
wählt, verfolgen: Sigmund von Birken, Betulius 
genannt (F 1668), Michael Frand (+ 1667), An— 
gelus Silefius (+ 1677), Zudämilie Elifabeth, 
Gräfin zu Schwarzburg-Ruboljtadt (+ 1672), Luiſe 
Henriette, Kurfürjtin von Brandenburg (} 1677); 
im Geifte und aus der Schule des Pietismus dich: 
teten: 9. Jac. Schü (F 1690), Sam. Rodigaſt 
(+ 1708), Aug. Herm. Francke (+ 1727), Johann 
Anaftafius lingbaufen (+ 1739), Emilie 
Juliane, Gräfin von Schwarzburg:Rupdolftadt (F 
1706), Johann Jakob Rambach (+ 1735), Benja- 
min Schmold (+ 1734), ©. Terfteegen (+ 1769), 
Graf Ludw. von Zinzendorf (+ 1760), Phil. Fries 
drich Hiller (+ 1769), Salomo Frand (+ 1725), 
Andr. Rothe (7 1758) u. A. In der Aufflärungs: 
* trat meiſt bie lehrmäßige Behandlung der 
oral an die Stelle der früheren Glaubens: und 
Liebesdichtungen; Chr. Fürchtegott Gellert ift der 
ebelfte Repräfentant einer chriftlich-moralifirenden 
Lehrdichtung. Alte Lieder werden modernifirt, oft 
geihmadlos verborben. Klopftod und Lavater wir: 


fen mit ihren Liedern auf das Gefühl. Balthafar 
Münter (+ 1793), Sal, Diterih (+ 1797), Joh. Ad. : 


Schlegel (+ 1793) gehören der Aufflärungsperiode 
an. Novalid verbindet Tıeffinn und Innigkeit 
mit muſilaliſchem Wohllaut. Neuere geiftliche 


478 


und lateinifchen Berfen (3. B.: In S 


Kirchenordnungen 


Dichter find: Alb. Knapp, C. U. Döring, Ph. 
pitta, 8.B. Garve u. A. — Vgl. Koh, Geſchichte 
des Kirchenlieds und des Kirchengeſangs, 2. Aufl. 
1852—1853, 4 Bde.; Wadernagel, das deutſche 
Kirchenlied von Luther bis Hermann und Blaurer. 
1841: das deutſche Kirchenlied von der ältejten 
jet bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts, 1862 ff. 

ammlungen find: Rambach, Anthologie, 1816— 
1822, 4 Bde.; Knapp, ev. Liederihag, 2. Aufl. 
1850; Tucer, Schaf desen. Kirchengeſangs, 1845, 
2 Bde.; Mütel, geiftliche Lieder der ev. Kirche im 
16. Jahrhundert, 1855 ; Schid8, geiftlihe Sänger, 
1854— 1857; Daniel, thesaurus hymnologicus, 
1841—1856;; Mone, fat. Hymnen des Mittelalters, 
1853— 1854. Bgl. ferner E. M. Arndt, 1818; 8. 
Stier, die Geſangbuchsnoth, 1838. 

Kirdenmufll, In der älteren hriftlihen Kirche 
war der Gebrauch der Inſtrumentalmuſik nos 
ausgeſchloſſen. Erjt die Erfindung der Orgel in 
ber Zeit Karl's d. Gr. führte das inftrumentale 
Element in die Liturgie ein, allein die rohe und 
unbeholfene Art ihrer EConftruction bewirkte, daß 
der Gebraud noch ein fehr befchräntter blieb, meiit 
nur für den Zmed der Jntonation, noch nicht der 
Begleitung des Gefangd. Die reformirte Kirche 
verwarf die Orgel ganz; und erft im 17. Jahr: 
hundert hat der Iutherifche Gemeindegefang das 
Drgelfpiel zu feinen Bmeden gefordert und aus 
gebildet. 1650 erfchien das erfte Choralbuch für 
die Orgel. Im 16. und 17. Jahrhundert entfaltet 
fi dem Gemeindegefang gegenüber die Firchliche 
Kunſtmuſik; die fog. ag Eoncerte, beftehend 
aus Chören, Recitativen, Arien bilden eine Ueber: 
jegung der mweltiihen Oper ins Kirchliche, ohne 
häufig den Fehler der Vermeltlihung des Kirch 
lichen zu vermeiden. Eine weitere Entwicklung ber 
geiftlichen Eoncerte find die dem Gottesdienfte ent: 
iprechenderen fürzeren Cantaten (f. Bach). In der 
fatholifchen Kirche hat die Inftrumentalmufit auf 
einen jelbftändigen Platz erobert, ohne zur Beglei- 
tung des Gefanges zu dienen. Große Weltlichkeit 
des Mufilftils ift dabei in Stalien 
—X eworden. Näheres ſ. im Art. Gefana. 

l. Thibaut, fiber Reinheit der Tonkunft, 1845; 
4. Ausg. 1861; Nägeli, Borlef. über Mufil, 1826; 
Rodhlig, für Freunde der Tonkunſt, 1824 - 1832; 
Winterfeld, der ev. Kirchengefang und fein Ber: 
an zur Kunft des Tonſatzes, 1843 — 1847; 

räutigam, der mufitaliiche Theil des prot. Got: 
teödienites, 1854; Tucher, Schaf bes ev. Kirchen: 
gejangs im 1. Jahrh. der Reformation, 1848 (Lie: 
der und Melodien). Unter der mufitaliihen Di: 
rection von Riegel gab Schöberlein den „Schaf 
des liturgifchen Chor: und Gemeinde-Gefanges“ 
(Göttingen 1864) heraus. 

Kirdenordnungen find die mit Gefegeäfraft er: 
laſſenen ftatutarıshen Beitimmungen, melde das 
kirchliche Leben und die Verwaltung der kirchlichen 
Angelegenheiten regeln. Sie erjegen in der evan: 
liihen Kirche die aus den Eoncilienbefchlüffen, 
päpftlihen Decreten und der Landesgefeggebung 
heroorgegangenen Normen. Da die evangelische 
Kiche nicht als eine einige fich bildete, fo iſt die 
Anzahl der Kirchenordnungen ſehr groß. Der Un: 
terſchied der deutichen und ber fchweizerifchen Re: 
formation macht fich auch hier geltend und ebenso 
roß wie die Berjchiedenheit ver Nationalitäten und 

olfsftämme war die Verſchiedenheit der s 
niffe,unter benen bie evangelifche Kirche fich bildete 


Kirchenpatron 


da alle dieſe Umſtände auf die Gejtaltung des Cul: 
tus und der Berfaflung einmwirkten. Die wichtigſten 
deutichen Kirchenordnungen, welche die Quellen 


der anderen bilden, find: die Kirchenordnnung für | 


Braunjchweig von Bugenhagen 1528, welcher der 


479 





Kirchenſprache 


Gliedern (inneres R.) und zum Staate (äußeres 
R.). Aus der Einheit und Berfchiedenheit der 
Kirchen folgt, daß es ein allgemeines und bejon» 
deres K. giebt. Das K. iſt nur pofitiv, da ein 
natürliches K. fih nicht von einem allgemeinen 


Unterricht an die Kirchenvifitatoren von Luther | natürlichen Geſellſchaftsrechte unterfcheiden würde. 


und Melandthon zu Grunde liegt; die Ansbachi⸗— 
ſche Kirchenordnung von 1533 und ihre Grundlage, 
die Bifitationsordnung des Markgrafen Georg 
1523; die Kirchenordnung des Lasko in London 
1550; die Pfälzifhe von 1563; die Ordnungen 
der Synoden zu Wejel 1568 und Emden 1571, 
aus weldhen die niederrheinifchen hervorgegangen 
find, Alle diefe Ordnungen find, obwohl nidyt ab: 
geſchafft, durch jpätere Geſetzgebungen und allmäb: 
liche Gewohnheit in,jehr weſentlichen Punlten ab: 
geändert und nicht mehr Normen des gegenwär— 
tigen Rechtes. In der neuiten Zeit find bei der 
Regulirung der kirchlichen Angelegenheiten neue 
Kirchenordnungen — Fuͤr Rheinland und 
Weſtphalen 1835, für Baden 1861, für Oldenburg 
1853, für Hannover 1864. Bol. Dove, Samm: 
gr done Kirhenordnnungen, 1867. 
rchenpatron ift der Engel oder Heilige, deſſen 

eo. eine Kirche anvertraut ift. In der Regel 
find Reliquien des Patrons im Altar der Kirche 
aufbewahrt und bie betreffende Kirche ift verbuns 
den, das Gedächtniß des Heiligen fejtlich zu begehen. 
Als kirchliche Obſervanz wurde das Kirchenpatro: 
nat von der Synode zu Mainz 813 fejtgeftellt ; 
eine unbedingte Nothwendigleit ift es nicht, die 
Kirche kann auch auf einen jog. titulus ecclesiae 
gebaut ſein, z. B.den derheiligen Dreifaltigteit. Die 
dogmatiihe Begründung des Kirchenpatronats 
durch die Rt Hr des Heiligen an ber Herr: 
fichfeit Ehrifti, und die communio sanctorum wi: 
derlegt nicht die frühere Bermuthung, daß das 
Kirchenpatronat eine Anbequemung an den heid- 
nifhen Lareneultus jet. 

Rirhenpfleger. S. Kirchenrath. 

Kirdenpfrunde. S. Beneficium. 
—— ©. Kirchenzucht. 
ſtirchenrath iſt im engeren Sinne der Vorſtand 
einer Einzelgemeinde. Wie die katholifche Kirche 
zur Berwaltung des Kirchenvermögens dem Pfar: 
rer Zaien bei: und untergeordnet hat unter dem 
Namen der Heiligenpfleger, Kirchendiakone, Deko: 
nomen, Proviforen, Pröpfte, Bögte u. dgl.: fo ift 
died auch da in die evangelifche Kirche übergegan: 
gen, wo feine Preäbpterialverfaflung und Ge: 
meinbevertretung zur Ausführung famen. Die Be: 
fugnifie des K. find darum nad) den verjchiedenen 
Landesgeſetzgebungen jehr verſchieden. Die neuere 
Doctrin will im K. die Vertretung der ji) ſelbſt 
verwaltenden Gemeinde anetlannt Ichen, ©. Pres⸗ 
byterialverfaflung, Eonftitutionalismus. 

Kirhenraub ik der Diebftahl heiliger Gegen: 
ftände oder ungemeihter Dinge am geweihten Orte. 


Da die Römer denfelben als sacrilegium rich 
o 


teten und mit den härteſten Strafen belegten, 


Da das K. ſowohl durch das Dogma der Kirche 
als die Verhältniſſe des Staates bedingt wird, 
ſo hat jede Kirche ihr eigenes Kirchenrecht, und 
es beſtehen weſentliche Unterſchiede zwiſchen fa: 
tholiſchem und evangeliſchem Kirchenrechte; und 
in dieſen zwiſchen dem particularen Rechte der 
Kirche in den einzelnen Ländern. Die Quellen 
des Kirchenrechts ſind für das Allgemeine und 
Gemeinſchaftliche folgende: außer der Bibel und 
den Landesgeſetzen das Corpus juris canoniei 
in eiriles; zu dieſen traten für die Tg 
Kirche die Tradition, die Eoncilienbefchlüffe, die 
Berordnungen der Päpſte und die Goncorbate; 
für die evangeliihe Kirche die Kirchenordnungen 
und Belkenntnißſchriften, die Iandeäherrlichen Ver: 
ordnungen und das Gewohnheitsrecht (ſ. d. A.). 
Bearbeitungen des Kirchenrechts von Gonzalez 
Tellez, Zeyd. 1713, und Anaft. Reiffenftuel, Ben. 
1704; Schmalsgrüber 1726; J. H. Böhmer, jus 
eccles. Protestantium, Hal. 1714; van Espen, 
jus eccles. univ,. Col. Agripp., 1702, Reuere 
Bearbeitungen von Katholiten: F. Walter, Lehr: 
buch des Kirchenrechts aller chriftlichen Confejte 
nen, Bonn 1828, 13. Aufl. 1861; Philipps, Kir: 
a (nur das katholiſche), Regensburg 1845 
.; Scults, kath. Kirchenrecht, Gießen 1856. Bon 
Proteftanten: Eichhorn, Grundfäge des Kirchen: 
rechts der kathol. und evang. Religionspartei in 
Deutfhland, Göttingen 1831; A. £. Richter, Lehr: 
buch des evang. und fathol. Kirchenrechts, Leipzig, 
6. Aufl. 1867, hrsg. v. Dove. Die Geſchichte des 
Kirchenrechts von Bidell ift unvollendet geblieben ; 
die Geſchichte der Quellen des Kirchenrechts für 
Preußen begann Jacobjon. Die neueften Bearbei- 
tungen des preußifchen Kirchenrechts von Boigt, 
Breslau 1856, und das evangelifhe Kirchenrecht 
von Jacobjon, 1864. Zeitichrift für Kirchenrecht 
von Richard Dove feit 1861. 
en ©. Kirchenverfaffung. 
ſtirchenſachen, res ecclesiasticae, find die Ge: 
enftände, welche eine Beziehung zur Kirche haben ; 
ie werden eıngetheilt in spirituales und tem- 
porales. Die legteren find das eigentlihe Kirchen: 
vermögen. Zu erjteren rechnet man die Sacra— 
mente und Sacramentalien und bie zum Gottes: 
bienft benugten und geweihten Dinge, als heilige 
Geräthe, Gloden, Baramente u. dgl., auf welche 
die der Kirche geichenkten Vorrechte Anwendung 
finden. Zu den Kirchenſachen werden ferner gerech⸗ 
net im meiteren Sinne aud die Dinge, welche 
nicht zu einem unmittelbar gottesdienftlihen, aber 
zu einem frommen Zmede (pia causa) gehören (res 
religiosae), welche die Kirche als ihrer Aufficht und 
Mitwirfung unterftehend betrachtet, als milde 


ging dies in das kirchliche und bürgerliche Recht | Stiftungen, Wohlthätigkeitsanftalten. Die Ber: 


ber, und die Strafen wurden um fo härter, je, 
mehr die Kirche Urſache hatte, die Zunahme des 
Berbrechens zu bellagen. Die neuere Strafgeſetz— 


ebung det die älteren Härten fallen laflen, ver: 
härft aber doch beim Kirchenraub die Strafe des 
Diebftahls. 

Nirchenrecht ift der Inbegriff der Normen für 


die Ordnung des Berhältnifie der Kirche zu ihren 


bindung derjelben mit der Kirche ift aber innerhalb 

der evangelifhen Kirche immer lofer geworben. 
Kirhenfagung. S. Kanonenfammlungen. 
Kirchenſchatz. S. Kirchengut. 
Kirchenſchriftſteller. 5. Kirchenväter. 


& —* * —— 
enipra a idiom, d 
fi die Rirhe Gotteöblenf Bormaktune 8 


Kirchenſtaat 


Regierun 
die Kirche (Lateiniſch), die ruſſiſch— 
riechiſche (Altſlavoniſch), die griechiſche, die 
weg die armeniſche. Die evangelifche Kirche 
bedient ji überall der Zandesipradhe. Im weis 
teren Sinne ijt 8. der befondere Stil, in welchem 
die kirchlichen Anſprachen gehalten find, welcher 
aus der biblifhen Ausdrucksweiſe hervorgegangen 
ift und in der deutjchen Kirche fih an Luthers 
Bibelüberfegung eng anſchließt. Beſondere Ab: 
arten der K. in diefem Sinne find die liturgiſche 
Sprade und ber Eurialjtil ſowohl in der römi: 
ſchen als in der evangelifchen Kirche. Eine ſolche 
Kirchenſprache hat ihre innere Nothwendigkeit, aber 
es droht ihr bie Gefahr der Ausartung in Phra- 
ſenweſen und des Mißbrauchs im Dientt religiöfer 
Leere und der Heuchelei. Andere Ausartungen 
der K. find die geſucht bibliichen Ausprudsmeijen 
einzelner Secten und Genoſſenſchaften, 3. B. der 
Herrnhuter, Bietiften, Puritaner (Sprade Ka: 
naans). Eine — mit älteren Formen 
und Ausdrudsmeilen, die durch Bibelüberjegung 
und Geſangbuchslieder firirt find, wird es wohl 
immer geben, aber auch fie muß der Entwidlung 
der Voltsjpracdhe folgen, will jie nicht, wie bei DR 
ten und Ruſſen, zu einem dem Volle unverjtänd: 
lihen Idiom werden. 

Kirdenftaat, Stato della Chiesa, Stato Pon- 
tificio, Stato Romano. Es ift das Gebiet, wel: 
ches der Papjt als weltliher Herrſcher bejigt, 
urjprünglid) als reichen Grumdbefig (patrimonium 
Petri), wobei von fouveränen Rechten feine Nede 
war, erworben durch Schenkungen und Erbſchaften 
feit 321. Durch die Berlegung des Kaiferfiges nad) 
Byzanz, jpäter des Exarchats nad) Ravenna hat: 
ten die Bäpfte auch in den weltlihen Händeln 
ber Zeit als Vermittler zwischen dem Kaijer und 
der Stadt Rom und anderjeitö durd die Be: 
rührung mit den Yongobarden jhon um 700 

roßen weltlichen Einfluß gewonnen, obwohl 
j immer unter ber tel des Kaijers 
tanden. Das erite m. eſitzthum der Stadt 
Petri erhielt Gregor II. 728 von dem Longobar: 
dentönig Zuitprand, wozu unter Zacharias II. 
noch die vier Städte Amelia, Orta, Bomarzo und 
Dieda lfamen. Pipin der Kleine übergab dem Papſte 
dann 755 das den Longobarden abgenommene 
Exarchat mit den fünf Städten Rimini, Peſaro, 
Fano, Sinigaglia, Ancona, und Karl der Große 
beftätigte dieſe Schenkung 774. Unter den Karo: 
lingern befeftigte ſich die päpftlihe Madt, und 
Dtto I. beftätigte von neuem den Befig, den die 
italienifchen Kaifer mehrfach angegriffen hatten. 
Vermehrt wurde der K. durch das Reichs: Vicariat 
über Benevent 1052 und die Mathilde’jhen Guü— 
ter 1201; inzwiſchen war die Yehnshoheit über 
Sicilien erlangt, Benaifjin (1273) und Avignon 
(1348) wurden hinzu erworben. Was während 
des Scismas verloren ging, gewann die Bolitif 
ber folgenden Päpfte wieder, und Julius II., der 
ee Papſt, gewann 1512 Bologna, Cle: 
mens VII. 1532 Ancona, Paul III. Camerino 
1545, Clemens VIII. Ferrara 1598, Urban VIII. 
Urbino 1636, Innocenz X. Caftro und Roncag: 
lione 1649, Pius VI. mußte dagegen 1797 auf 
die franzöſiſchen Vefigungen verzichten, Ferrara 


480 
bedient; jo haben eine Kirchenjprache | fen; 1800 gewann Bius VII. zwar durch öjter- 





Kirchenſtaat 


reichiſche Hülfe die Stadt wieder, mußte aber 1807 
mehrere Provinzen an Frankreich abtreten; 1808 
murde Rom von den Franzofen bejegt und durch 
Decret vom 17. Mai 1809 der Kirchenſtaat in 
Frankreich einverleibt. Die Wiener Schlußacte 
1815 ftellte den Kirchenftaat jo wieder ber, wie er 
vor 1797 beftanden hatte, mit Ausnahme von 
Avignon und Benaiffin und einigen Landftrihen 
dieffeit des Bo, jo daß er 752 D Meilen umfaste. 
Die politifche Unzufriedenheit Jtaliens, entitan- 
ben aus ber allgemeinen Miregierung und dem 
Streben nad) Einheit und Unabhängigkeit, hatte 
einen Hauptherd in Rom und rief die geheime 
Geſellſchaft der Carbonari hervor. Die Julirevo 
lution veranlaßte einen Aufftand in Bologna (Fe: 
bruar 1831), wo fich eine proviſoriſche Regierung 
bildete, welche die weltliche Herrſchaft des Bapftes 
für beendigt erklärte, Dejterreihifhde Truppen 
dämpften ben Aufitand. Der Brud) des Amneſtie— 
verſprechens und eine ben Erwartungen gar nicht 
entiprehende Reform der — rief 
den neuen Aufftand 1852 hervor; wieder rüdten 
Defterreiher in Bologna und jegt auch Franzoſen 
in Ancona ein, um die Herrihaft des Papſtes zu 
ftügen und'erſt 1833 räumten beide Theile das 
Land. Bereinzelte Ausbrüche der jpäteren Jahre 
wurden von Öre or XVI. unterdrüdt. Die Re: 
formen in den * Regierungsjahren Pius IX. 
erweckten bie lang unterdrückten Hoffnungen, welche 
in den Ereigniffen des Jahres 1848 zum Aus 
brud famen. Pius mußte eine conjtitutionelle 
Verfafjung verfündigen. Als er aber inne ward, 
daß er auf eine Bahn geriffen werde, die von ſei— 
nen Neformgedanten weit ablag und zu Unver: 
träglicpleiten mit dem geiftlihen Regimente über: 
haupt führte, als fein Minifter Roffi ermordet 
und er ſelbſt in feinem Palaſt bevrängt wurde, 
entfloh er nad Gaäta. Die proviſoriſche Regie: 
rung wurde durch öfterreichifche, neapolitaniſche 
und franzöfifhe Truppen befämpft und Rom am 
2. Juli 1849 von den Franzofen erobert. Unter 
dem Schuße derjelben fehrte der Papſt 1850 zu- 
rüd, und er begann die Neftauration und die Be: 
feitigung der neuen Einrichtungen. Die nationale 
Bewegung, welche ſich nad) dem Siege über Defter- 
rei 1859 in Jtalien erhob und die italienifchen 
Monardien zu Gunjten eines —* Italien 
ſtürzte, verſetzte auch dem Hlirchenftaate einen bar: 
ten Stoß. Eine Volksabſtimmung entſchied, daß 
ber Hirchenftaat 1860 die Marken nebſt Umbrien 
an das neue Königreich Jtalien abgeben mußte. 
Zwar hat die September » Convention (5. Sept. 
1364) zwiſchen Frankreich und Jtalien Kom eine 
einjtweilige Sicherheit vor dem Angriff Jtaliens 
gegeben ; allein der Verſuch Garibaldi'3 zeigte, wie 
unabläjjig feine Partei das Ziel im Auge hat, dei: 
fen Erreihung ganz Jtalien nur aufgefhoben zu 
haben jcheint, auch den Reſt der päpftlihen Staa: 
ten mit dem Königreiche zu vereinigen. Indeſſen 
fämpft die Curie mit allen ihren Waffen für ihre 
weltliche Herrſchaft und trägt fi mit dem Ge: 
banken, die bisherige Behauptung von der Noth 
wendigfeit berjelben zu einem Olaubensjag auf 
dem für Ende 1869 bevorftehenden Concil erheben 
zu laffen. Die Verfafiung bes Kirchenftaates, wie 


und Bologna der cisalpinischen Republik überlaf: | fie durch das motu proprio von 1850 neu geord: 


nad der Einnahme der Stadt durch die Franzo— 


fen. 1798 wurde in Rom die Republit proclamirt | net ift, beruht auf hierarchiſchen Grundfägen, Die 


weltliche Verwaltung wird von Prälaten geführt. 


Kirchenftrafen 


Der Minifterrath fowohl wie der Staatörath fte: | 
ben unter dein Borfige des Cardinal:Staatsjecre: 


481 


Kirchenverfaffung 


mehr, namhafte Mitglieder hielten fic fern. In 
Stuttgart 1857 kam es zu einem ernften Conflicte 


tairs, unter diejem fteht auch die Verwaltung der | zwiſchen der Mehrheit und den Confeffionellen 


Provinzen. Den einzelnen Provinzen * die Le: 
aten vorgejegt, weldhe auch aus dem Laienſtande 
ein können. Vgl. Sugenheim, Geſchichte der Ent: 
tehung und Ausbildung des Kirchenſtaats, 1851; 

euchlin, Geſchichte Jtaliens, 1859; Münd, rö: 
miſche Zuftände und Kirchenfragen der neuejten 

Zeit, 1335; Reuchlin, Bilder md Skizzen aus 

om, 1846. 

ſtirchenſtrafen. Außer den Zuchtmitteln, welche 
um Zwede der Beflerung gegen Sllerifer und 
!aien angewendet wurden £ ußgrade, Bann, 

Interdict), verhängte die Kirche bei Ausdehnung 

ihrer Gerichtöbarfeit auch förmliche Strafen. Als 

ſolche lommen vor: Ausweiſung aus dem Pfarr: 
bezirf, —— Geißelung, Geldſtrafen, Ver— 
ſagung des Begräbniſſes. Außer den Diſciplinar— 
ſtrafen gegen Geiſtliche kann heut zu Tage von 

Kirchenſtrafen nicht mehr die Rede fein. 

Kirdenftühle find die Sitzbänke in den Kirchen, 
welche der fatholiihen Kirche zugleich als Bet: 
ſchemel dienten. Nach alter Sitte follen die Sige 
der Männer von denen der Weiber gejchieden fein. 

Die Grundfäge über Anlegung, Vertheilung und 

Benugung der Kirchenftühle beruhen auf particu: 

laren Bejtimmungen und befonderen Reglements, 

Im Allgemeinen find fie da, wo fie als Privat: 

befig bejeffen werden können, dem freien Verkehr 

entzogen; doc) fehlt eö nur felten in einer Kirche 
ganz an jogenaunten fFreibänfen. 

ſtirchentag, der deutſche evangelifche, ift eine freie 

Derfammlung von evangeliihen Geiftlihen und 

Laien zur Berathung und Beiprehung innerer 

lirchlicher — welche in der Regel ein 

Mal jährlich an einem Orte Deutſchlands zuſam— 

mentritt. Bei der drohenden Auflöſung der bis— 
erigen kirchlichen Ordnung und — wie es ſcheinen 
onnte — auch der religiöſen und ſittlichen Unter: 

lagen des Volkslebens im Jahre 1848, regten den 

Gedanken ſolcher Vereinigung verſchiedene Män— 

ner an, z. B. v. Bethmann⸗Hollweg und Dr. Ph. 

Wackernagel. Eine Confereyz, die ſich im Sandhof 

bei Frankfurt a. M. verjammelte, ließ den Aufruf 

ergeben, auf welchen hin der erfte Kirchentag den 

21.—23. Sept. in Wittenberg zufammentrat Die 

Abfiht war, in demielben eine Conföderation 

fämmtlicher deutfchen Kirchen und eine Vertretung 

derjelben gegenüber dem KHatholicismus und dem 
linglauben, ein wiedererwecktes corpus evangeli- 
corum zu bilden. Auf Wichern’3 Anregung wurde 
befchloften, mit dem jedesmaligen Kirchentage einen 
Eongreß für innere Miffion zu verbinden. Da das 
landesherrliheflichenregiment ſich widerErwarten 
behauptete, ſich jogar befejtigte und in der Eiſena— 
her Kirchenconjerenz eine Einigung anbahnte, jo 
wurde der eine Theil des Programms hinfällig ; 
der Kirchentag bezeichnete ſich fortan als großen 

KHeifeprediger zur Wiederbelebung der Kirche. Nach 

der anregenden Friſche der erſten Verſammlun— 


gen, zu Wittenberg 1849, Stuttgart 1850, Elberfeld | 


1851, traten in Bremen 1852 ſchon Verfuche her: 
vor, durch den Kirchentag beſtimmte firchenpoliti: 


fhe Tendenzen zu fördern. Auf dem betretenen | 
\lands, Englands ac. 


Wege ging man in Berlin 1855 weiter, wo die 
ra et fi einftimmig zur unveränderten 
Augujtana befannte. Bon da an verloren die Der: 
fammlungen (Frankfurt 1854, Lübed 1856) immer 








unter Stahl, da die Zeitftrömung der Union wies 
der günjtiger war. Stahl und Hengitenberg tra» 
ten aus dem Comite aus. Der Kirchentag zu Bar: 
men 1560, zu Brandenburg 1862 gab Gelegenheit 
zu einem „am rechten Drt und zu rechter Zeit 
gegebenen Zeugniß chriftliher Glaubenskraft“ in 
einer Adreſſe gegen die antichriftlichen Tendenzen 
in Bezug auf Eheſchließung, Kirchenverfaffung 
und Schule. In Altenburg 1864 wurde troß der 
Heterodorieeinesder Hauptreferenten die orthodoxe 
Richtung, in welche der Kirchentag fich geſetzt hatte, 
noch mehr offenbar, und in Kiel 1367 drohte die 
Unionäfrage eine völlige Auflöfung der Bereini: 
ung zu bewirken. Die Brotofolle der Berhand: 
find bei W, Herz in Berlin erfchienen, 

Kirdentrauer ijt eine Einrichtung der neueren 
Zeit. Um der Gemeinde zum Bewußtfein zu brins 
gen, daß der Kirche irgendwie von irdifcher Gewalt 
eine Unbill angethan fei, und um ihre Mißſtim— 
mung zu ervegen, wird das Ölodengeläute unter: 
laſſen und der Gottesdienst ſowie Die Kirche alles 
Schmuckes entlleidet. Ein Beifpiel folder Kirchen— 
trauer gab das Metropolitancapitel de in 
Bolen bei der Wegführung des Erzbiſchofs Dunin 
durch die preußiſche Regierung. 

Kirdenväter nennt man die ausgezeichneten 
Männer unter den Lehrern und Echriftitellern der 
chriſtlichen Kirche in den erjten 6 Jahrhunderten 
ihres Beftehens (die Katholiken dehnen die Periode 
der Kirchenväter bis ins 13. Jahrhundert aus). Im 
Unterſchied von bloßen Kirchenſchriftſtellern (-Ieh: 
tern) wird der Name nur Denen gegeben, welche 
einen wahrnehmbaren bejtimmenden Einfluß auf 
die Entwidlung der Kirche geübt haben, wozu bei 
den Katholiken nod die unbezweifelte Rechtgläus 
bigfeit fommen muß. So redinen Ai z. B. Ters 
tullian und Origenes nicht zu den Kirchenvätern. 
Im eminenten Sinne heißen Slirchenväter vier 
Lehrer der morgenländiſchen und vier der abend: 
ländiſchen Kirche: Athanafius, Bafilius, Chryſo— 
ftomus, Oregor v. Nazianz; Ambrofius, Auguftis 
nus, Hieronymus, Gregor I. d. Gr. Mit dem Stus 
dium der Kirchenväter befhäftigt fi) die Patriſtik 
oder die Patrologie. 

Kirdenverjafiung. Da das Beftimmende der K. 
in der Stellung des geiftlichen Amtes und der lirch— 
lichen Gewalten liegt, erſt in zweiter Linie das Ber: 
halten zum Staate ſteht, jo zerfallen alle Kirchen 
in die drei Gruppen: a) die hierarchiſche, mo die 
firchliche Gewait in einem von der Gemeinde durch 
facramentliche Weihe gefchiedenen und mit priefter: 
licher Macht ausgerüfteten Klerus liegt, der in ſich 
jelbft nad) Graden der Weihen fi) abjtuft; dahin 
gehört die römiſche, griechiſche, anglicaniſche; b) 
die beamtliche, welche regiert wird durch eine wer 
der aus der Kirche hervorgegangene, noch mit ihr 
organifch verbundene Gewalt (den — 
von welcher auch die Beſetzung des Lehramtes a 
rag die deutſchen Landeskirchen; c) Die gemeind⸗ 

iche, welche die firhlihen Organe aus der Wahl 
der Gemeinde hervorgehen läßt: die Calviniſchen 
und die Bresbyterialticchen der Schweiz, Deutjch- 
He drei Formen können 
die engfte Verbindung mit dem Staate eingehen, 
wie bie a. iishe in dem Cüfareopapismus 
der ruſſiſchen Kirche und “in ber — 


* 


Kirchenvermögen 


Staatäfirche; die Beamtenkirche nicht nur in dem 
ſeit 1851 General-Kirchenviſitationen eingeführt, 


deutſchen und ſtandinaviſchen Staatskirchenthum, 
ſondern auch in den Kirchenverfaſſungen der freien 
Reichsſtädte; die gemeindliche in den urjprüng: 
lihen Formen bei Zmwingli und Galoin. Die 
Hierarchie hat die Tendenz, den Staat zu beherr: 
ſchen, und muß ſich ihm, wenn das nicht gelingt, 
völlig unterwerfen, Tann aber jchwer neben ihm 
oder unabhängig in ihm bejtehen; die gemeindlich 
regierte Kirche erträgt jedes Verhältniß zum 
Staate, jogar ein landesherrlihes Regiment, fie 
erjtrebt aber eine Selbitändigfeit bei freiwilliger 
Unterordnung unter den Staat. Vgl. Rettig, die 
freie protejtantifche Kirche, 1832; Stahl, die Kir: 
henverfajjung nad Lehre und Recht der Prote: 
ftanten, 1840 und 1862; Bunjen, die Verfaſſung 
der Kirche der Zulunft, 1845; Hundeshagen, der 
deutſche Protejtantismus, 1848, 3. Aufl. 1850; 
Höfling, Grundfäge ev.-Iutherifcher Kirchenver— 
fafiung, 3. Aufl, 1853; Lechler, Gejchichte der 
Bresbyterial: und Synodalverfaffung feit der Ne: 
formation, 1854; Brandes, Geſchichte der Kirchen: 
verfallung, 1866; Heppe, die Presbyterial: und 
Spynodalverfaflung der ev. Kirche in Norddeutſch— 
land, 1868; 8. 3. Nitzſch, die evangel. Kirchen: 
ordnung, Bonn 1867. ©. die Art. Hierardie, 
Epiſtopalſyſtem, Conftitutionalismus, Presbyte: 
tialficche. 
' Kirdenvermögen. S. Kirhengut und Kirchen: 
abrif. 

Kirdenverfammlung. S. Synode. 

Kirdenvifitation iſt die von kirchlichen Obern 
oder Abgejandten an Ort und Stelle vorgenom: 
mene Unterfuchung des Zustandes einer Gemeinde, 
Sie erftredt jich daher auf die Amtsführung und 
Perjönlichkeit der Geiſtlichen, Lehrer und jonjtigen 
Kircyenbeamten, auf den fittlihen und religiöjen 
Zuitand der Gemeinde jelbft und etwaige Hemm— 
nıjfe, endlich auf den Zuitand und die Verwaltung 
des Vermögens und der kirchlichen Sadyen. Soldye 
K. find jehr alt; ſpaniſche Synoden dringen im 
6. Jahrhundert darauf, daß der Biſchof felbit fie 
‚vornehmen jolle, dennoch wurden fie faſt ganz den 
Arhidiatonen überlaffen. Nah dem Trivdentinum 
ſoll der Bischof perfönlich oder durch den General: 
vicar feine Diöcefe vifitiren. Das Recht der Erz: 
biſchöfe dagegen, die Kirchenprovinz zu vifitiren, 
bat es durch die Bedingung der vorherigen Zu: 
ftimmung der Provincialjynode beſchränkt, um 
eine mögliche Steigerung der Metropolitangemalt 
zu verhüten. Die Keformation legte großen Werth 
auf die K. Diejelben wurden ihr zur Handhabe, 
die kirchlichen Berhältnifje der einzelnen Territo: 
rien überhaupt zu ordnen, die unwiffenden Pfarrer 
mit den Wahrheiten der Yehre befannt zu machen, 
ihnen Anmweijungen zur Predigt und Amtsführung 
zu geben ꝛc. Daher wurde in allen evangelifchen 
Kirchen eine wiederkehrende K. alle zwei Jahre feite 
Regel. Die freien Kirchen, welche weder bijchöf: 
liche noch confistoriale Behörden hatten, verbanden 
mit der K. alle Gejchäfte der Aufficht, 3. B. Revi— 
fion der Rechnungen. Je geordneter durch die 
Kirchenbehörden der Gang der kirchlichen Bermal: 
tung und Auffichtführung wurde, defto büreaufra: 
tiſch formeller wurden die K. und bejchräntten fich 
am Ende auf die Beantwortung einer Reihe feit: 
ftehend vorgejchriebener Fragen, bei deren Auf: 
ſtellung häuſig unverkennbar der Kirche ganz fremde 
Intereſſen, z. B. das ſtatiſtiſche, von Einfluß gewe— 


482 


Kirchenzucht 
ſen ſind. In der preußiſchen Landeskirche wurden 


welche der Generalſuperintendent unterftügt durch 
eine Commiſſion von Beiftlihen unter Zuziehung 
der Patrone in den einzelnen Gemeinden einer 
Diöcefe abhalten follte. Den Berhandlungen der 
Rheinischen Provincial-Synode von 1862 zufolge 
Im diejelben jelten erbaulich, noch jeltener er: 
prießlich geweſen. 

Kirdenpifitation, Die ſächſiſche. Mit dem Ein: 
tritt der Reformation in die ſächſiſchen Länder 
entitand durch die Löjung der alten gt Hrn 
eine große Verwirrung, die durch tie Unfähigkeit 
und das Widerjtreben vieler Geijtlihen noch ver: 
mebrt wurde. Diefen Zuftand zu befeitigen, wurde 
auf Luthers Betreiben die Bifitation von 1527 — 
29 angeordnet und durch ihn und Melandthon 
geleitet. Eine Jnftruction für die Vifitatoren ging 
ihr vorauf. Dann erſchien das Bifitationsbüchlein 
Melanchthons 1528, „Unterricht der Bifitatoren an 
die Pjarrherren im Kurfürſtenthum Sachſen“, mit 
Vorwort von Luther (herausgegeben von Weber 
Schlüchtern 1844). Dasjelbe entyält eine Xehrord: 
nung und die Beftimmungen über gotteödienftliche 
Einrichtungen und Kirdenverwaltung. Eine Frucht 
der Bifitation war aud Luthers großer'und klei— 
ner Katechismus. 

Kirdenvogt, Kloſtervogt, Kaflenvogt. S. Ad- 
vocatus ecclesiae. 

Kirdenwürde. S. Dignitäten. 

ſtirchenzucht beruht auf dem natürlichen Rechte 
jeder Gemeinſchaft, fich der Verlegung ihrer Grund: 
fäge durch eines ihrer Glieder zu widerjegen. Sir 
unterfcheidet fi) von der Strafe dadurch, daß fie 
fein anderes Ziel hat, ald den Sünder zur Selbit- 
befinnung zu bringen und die eigene Würde und 
Heiligkeit der Gemeinde, welche fie zur Erfüllung 
ihrer Aufgabe bedarf, aufrecht zu erhalten. In der 
katholiſchen Kirche verſchwand der Unterfchied zwi: 
ſchen Kirchenzucht und Kirchenftrafe, da fie fich als 
Rechtsinſtitut ausbildete und eine Gerichtäbarteit 
des Klerus wurde. Auch die reformirte Kirchenzucht 
in Genf trug mehr den Charakter einer Strafe, 
weil firchliche und büngerliche Gemeinde nicht un: 
terfhieden und auch der legteren ein religiöjer 
Charakter aufgeprägt war. Wirkliche Kirhenzudt 
trat erft ein bei ven vom Staate unabhängigen re: 
formirten Kirchen. Die Mittel derfelben waren die 
verſchiedenen Stufen der Ermahnung nad) Mattb. 
18, die Ausfhliefung vom Abendmahl, vom 
Umgang und Verkehr mit den Gemeindegenofien. 
Die Kirchenzucht ift in der reformirten Kirche 
ebenfo in Abgang gelommen, wie die geringen 
Anfänge in der lutherifchen. Da fie in dieler nıcht 
wie bei den Reformirten in den Händen des Ge: 
meindevoritandes, des Presbyteriums, rejp. ber 
Synoden lag, fondern von den Geiftlihen und 
—— Beamten geübt wurde, konnte ſie um— 
oweniger dem entgehen, daß F als bürgerliche 
Strafe oder als clericale Anmaßung erſchien. Sie 
trug den Widerſpruch in ſich. Denn die Kirchen⸗ 
zucht, auch wenn der Begriff der Strafe ganz fern 
gehalten wird, fegt immer einen Rechtsanfprud 
der Kirche an das Individuum voraus, der Tauf: 
zwang mwiderfpricht aber demſelben und ebenjo der 
nothwendigen Gonjequenz der Kirchenzudt, ber 
Ausichliegung, d. h. dem Bann. Auch wurde die 
Kirchenzucht mit der Ausbildung des bürgerlichen 
Strafrechtes entbehrliher, da fie vorher dazu 


Kirchhof 


gedient hatte, den Conflict auszugleichen zwiichen 
dem fittlihen Gefühl der Kirche und dem Mangel 
des pofitiven Rechtes, welches Vergehen und Ber: 
brechen nicht zu ftrafen vermochte. In neuejter 
Zeit ift über Kirchenzucht viel verhandelt. Zu 
Recht befteht fie in der rheiniſch-weſtphäliſchen 
Kirche, ohne aber wohl irgendwo oft thatſächlich 
zur Anwendung zu kommen. Gegenstand derjelben 
fönnen nur öffentliche grobe ttlicpe Vergehen 
fein, melde das Gemeindegefühl verlegen, ein 
Öffentliches Aergerniß geben. Daher fann die Kir: 
chenzucht nur geübt werden von einer Stelle, in 
welcher das Gemeindegefühl einen fihern unge: 
färbten Ausdrud findet, d. h. von einem aus der 
Wahl der Gemeinde hervorgegangenen Presbyte: 
rium ; fomit ift fie unmöglich in jeder Kirche, welche 
eine freie Gemeindeverfafiung entbehrt. Die Mit: 
tel der Kirchenzucht dürfen nur ſolche fein, melde 
völlig in der Rechtsſphäre der religiöſen Gemein: 
haft liegen, aljo Ermahnung in den verjchiede: 
nen Stufen, Berjagung der kirchlichen Ehrenrechte, 
d. h. activer und paffiver Wählbarkeit, Ausſchlie— 
bung vom Abendmahl als der communio (nicht 
von der Privatcommunion). Unbedingt auge: 
ſchloſſen muß alles bleiben, was nur den Charaf: 
ter einer Bejhimpfung trüge oder den Bejud des 
öffentlihen Gottespdienftes hinderte. Wird die 
Kirchenzucht richtig als Selbjtbewahrımg der Ge: 
meinde aufgefaßt, die den Unmürdigen von fi 
ausfondern darf, jo ergiebt fi, daß der von den 
öhern Graden der Kirchenzucht Betroffene feinen 
nſpruch mehr hat auf die Fürforge der Gemeinde 
und ihres Amtes, die Gemeinde aber die Pflicht 
der Liebe behält, auf feine Rettung hinzumirten. 
Innerhalb der berechtigten Grenzen der Kirchen: 
zucht liegt darum die Verſagung einer Unter: 
ftügung aus kirchlichen Wohlthätigkeitsfonds, fo: 
bald zwiſchen diefen und den bürgerlichen eine 
Trennung beitebt. Val, Fabri, über Kirchenzucht 
im Sinne und Geifte des Evangeliums, 1854; 
Dtto, Verſuch einer Verftändigung über Kirchen: 
zucht, 1854. 
irchhof heißt der die Kirche umgebende Raum, 
welcher nad kanoniſcher Vorſchrift durd eine 
Dauer oder einen Zaun von der Straße abgegrenzt 
fein fol. Da früher in Uebereinftimmung mit dem 
römischen Geje die Leihen außerhalb der Städte 
beerdigt wurden, namentlich bei den Märtyrer: 
aräbern, jo wurde, als auf diejen die Kirchen und 
Gapellen errichtet waren, deren Kirchhof zum Be: 
gräbnikplag und dieſe Sitte auf alle Kirchen über: 
tragen, und erjhien bald als eine Forderung des 
Gedantens der communio in sacris zwifchen den 
Lebenden und den Abgejhiedenen. Als Zubehör 
der Kirche ift der Kirchhof ein gemeihter Ort, eine 
Befledung der Kirche macht eine neue Weihe er: 
forderlih. Die bürgerlihe Geſetzgebung hat die 
Anlage von Begräbnißftätten außerhalb der Ort— 
ſchaften meiftens durchgefegt; auf dieſe find die 
tanonischen Beitimmungen über die Kirchhöfe über: 
gegangen. Die Anordnung jedoch, daß auf jedem 
Kirhhofe ein unbegrenzter ungemeihter Ort für 
ohne Taufe verftorbene Kinder fein folle, ift von 
der Staatögefeggebung aufgehoben. Aufdem katho⸗ 
liſchen Kirchhofe muß in der Mitte ein Kreuz von 
Holz oder Stein aufgerichtet ftehen, wenn nicht eine 
befondere Gapelle auf demjelben erbaut ift. Die 
evangelifchen Kirchenordnungen begnügen ſich, Bor: 
lehrungen zu treffen, daß der Kirchhof als die Ruhe: 


483 


Kirjath 


ftätte der Tobten mit Pietät behandelt und nicht 
verunehrt werde. Ein dogmatiſches Intereffe, Leis 
hen fremder EConfeffionsverwandten eine Stelle 
auf ihren Kirhhöfen zu verweigern, wie die katho⸗ 
liche Kirche, hat die evangelifche nicht. Ueber die 
Benutzung des Kicchhofs, fofern er mit Gras bes 
wachſen oder mit Bäumen bepflanzt ift, durch die 
Pfarrer oder Küfter, enthalten Di Particulargeſetz⸗ 
gebungen abweichende — gr 

Kirhhofer, Melchior, Dr. theol. und Pfarrer 
zu Stein am Rhein jeit 1308, war geboren 1775 
in Schaffhauſen und ftubirte in Marburg 1794 - 
97. Durch werthoolle Monographien über D. Mys 
fonius (1813), Werner Steiner (1818), Bertholb 
Haller (1828), Wilhelm Farel (1831) und durch 
die von ihm bejorgte Fortſetzung der Hottinger- 
ſchen helvetiſchen —— hat er ſich einen 
geachteten Namen erworben. Geſt. 1853. 

ſtirchmeiſter ift nach der rheinifch:evangelifchen 
Kirhenordnung und den katholiſchen articles or- 
—— der Amtstitel desjenigen Gliedes des 

irchenvorſtandes, dem die Sorge für die Unter⸗ 
haltung der kirchlichen Gebäude obliegt und wel⸗ 
cher in Rechtsgeſchäften den Kirchenvorftand nad) 
Außen vertritt. 

Kirchſpiel, joviel als Pfarrei. ©. d. Art. 

ſtirchweihe ift der liturgifche Act, wodurd eine 
neu erbaute Kirche zum gottesdienftlichen Gebrauche 
ren und übergeben wird. Nah katholiſcher 

atzung fann weder an einem ungemweihten 
Altar noch in ungeweihter Kirche eine Mefle ge: 
feiert werden. Die Weihe fann nur vom Bischof 
vollaogen werben; im Nothfalle aber darf ſchon 
vorher eine Benediction durch einen Priefter Statt 
finden. Der Mittelpuntt der Eonfecrationgfeier ijt 
die Uebertragung der Reliquien. Der Ritus nad 
dem römifchen Bontificale ift jehr reichhaltig. Die 
Wände und der Fußboden werden wiederholt mit 
Weihwaſſer befprengt und mit einer Mifhulig von 
Salz, Waſſer, Aſche und Wein bekreuzt. Eine voll: 
ftändig zufammenhängende Deutung der Ceremo» 
nien iſt noch nicht gelungen. Die Einweihung 
evangelifcher Kirchen geſchieht durch einen feier 
lihen Gottesdienſt und ein Weihegebet des Gene⸗ 
raljuperintendenten. Die Eiſenacher Eonferenz hat 
eine liturgifche Form derjelben berathen und an» 
erfannt, daß jede Fatholifirende Annäherung an 
einen Weiheact vermieden werden müſſe. Das 
Jahresgedächtniß der Kirchweihe gehört zu den 
Hauptfeften der Kirche und ift (ald Kirchweihfeſt, 
Kirmes) zum mweltlihen Bolksfeft und Jahrmarkt 
geworben. Luther überjegt Joh. 10, 22 das Feſt 
der Tempelreinigung zum Andenken an die neue 
Weihung desfelben unter Judas dem Malkabäer, 
1. Matt. 4, 52—59, voltsthümlich mit Kirchweihe. 
Dies Feſt wurde am 25. Kislew 8 Tage lang durch 
— —— der Häuſer gefeiert, Joſephus, ant. 
12, 7. 7. 

ſKir⸗Hareſeth. ©. Kir, 

Kirjath, joviel als Stadt. Als Name einer Stabt 
in Benjamin, 50. 18,28, jonft oft in Zufammen» 
fegungen. 8.:Arba, der alte Name von Hebron. 
8.:Baal oder Baalah, Joſ. 15, 9. 10. 60, der alte 
Name von K.-Jearim. K.:Chuzoth im Gefilde 
Moab, 4. Moſ. 22,39. R.:Jearim, früher Stadt 
der Gibeoniten, of. 9, 17, dann dem Stamme 
Juda zugetheilt, die VBaterftabt des Propheten 
Uria, Jer. 26, 20.' Dort ftand die Bundeslade 20 
Jahre, ehe David fie nad) — brachte, 1. 


Kirjathaim 


Sam. 6, 21; 7, 1.2. Nach Robinſon ift es das 
heutige Karjath:el:Enab, 3 Stadien nordweſtlich 
von Sernfalem. 8.:Sanna, Joſ. 15, 49, oder K. 
Sepher, of. 15, 16; Richt. 1, 12, die alte fanaa: 
nitiiche Königſtadt Debir, welche Dthniel eroberte. 

Rirjathaim, im Dftjordanland, 1. Mof. 14, 5; 
5, Moj. 2, 10. Der Stamm Ruben verlor die Stadt 
wieder an die Moabiter, Jer. 48, 1. 23. Nach Eu: 
febius ift e8 der Flecken Kapıade, nad) neueren For: 
ſchungen heißt der Ort et:Taim. Gleichen Namen 
führt eine Levitenftadt in Naphthali, 1. Chron. 
6, 76. 

Kirmoab, Jeſ. 15, 1, das heutige Keraf, war 
eine fejte Stadt in Moab, 2. Malt. 12, 17 yaonf 

enannt. Zur riftlichen Zeit hieß es als Biſchofſitz 

baratmoab und wurde während der Kreuzzüge 
als ftarfe Feſtung befannt, welche die Karamanen: 
ftraße nad) Arabien beherrſchte. 

ſtiſon iit der Bach, weldher, am Tabor entiprin: 

end, die Ebene Esdrelon durdjfließt und bei Atfo 
ins Meer fällt. Er bildete die Grenze zwifchen Jia: 
{har und Sebulon. Am Kijon ſchlug Barak den 
Siffera, Richt. 4, 7. 13, und ſchlachtete Elias die 
Baalspfaflen. 

Kiftemaler, Johann Hyacinth, der Verfaſſer 
einer fatholijchen, biſchöflich approbirten Weber: 
fegung des Neuen Tejtaments, Münſter 1825 u. ö. 
Er war geb. zu Nordhorn in der Grafſchaft Bent: 
beim am 15. Augujt 1754, ftudirte zu Münfter, 
wurde 1775 Brieiter, 1780 Xehrer am Gymnafium 
zu Münfter, Director, 1786 Brofeflor und Dr. der 
Theologie, 1815 Kanonikus und Conſiſtorialrath. 
Er gehörte zu dem Kreije Overbergs und der Für: 
ftin Galigin. + 1834. Ein geihägter Philolog, 
hinterließ er außer feiner Bibelüberjegung viele 
grammatifaliiche und lerifaliiche Werte. 

Kittim, Cittim find die Bewohner der Inſel 
Cypern (f. d. Art.). 

Klagelieder. ©. Jeremia. 

Klageweiber. S. Trauer. 

ſtlaiber, Ch. Benj., geb. am 15. September 
1795, ward 1823 a. o. Profeſſor der Theologie in 
Tübingen, dann Pfarrer zu Stetten im Rems— 
that. + 1836. Er gab die Studien der württem: 
beraiichen Geiftlichfeit heraus, 

Klarenbad), Adolph und Peter Flufteden. K. war 
geboren auf dem Bujcherhof im jegigen Kirchfpiel 
Lüttringhaufen (mo ihm feit 1829 ein Denkmal 
errichtet ft) und hatte während feiner Studien zu 
Köln fic mit der evangelifhen Lehre befreundet, 
die er dann als Conrector zu Münſter jeit 1520 
und an der Stadtjchule zu Wejel 1523 unter feinen 
Schülern und in weitern Kreijen verbreitete. Hier 
trat er in enge Verbindung mit dem gleichfalls 
evangelifch gefinnten Johann Klopreiß zu Büderich. 
Obgleich die Berbannung aus der Stadt, welde 
der Herzog von Cleve auf Betreiben des erzbifchöf: 
lichen Fiscals ſchon ausgeſprochen hatte, zurüd: 

enommen wurde, jo wandte fich K. doch bald von 

zeſel nach Dönabrüd und erflärte dort 1527 einem 
Kreife von Schülern die neutejtamentlihen Schrif: 
ten. Vom Bilchof verbannt, begab er ji, ehe er 
einem Rufe ald Dialonus nach Meldorp im Dith: 
marjchen folgte, in jeine Heimath und wirkte dort 
eifrig für die neue Xehre, jo daß fein Zeben mehr: 
fad) bedroht wurde. 1523 wurde Klopreiß in Köln 
verhajtet; K. begab ſich dorthin, um zu feiner Be: 
freiung zu wirken, wurde aber nun jelbjt gefan: 
gen genommen und nach langwierigen Prozeß: 


484 


Kleider bei den Hebräern 


verhandlungen, gegen welche er, da er nicht Geift: 
licher jei, protejtirte, durch das geiſtliche Gericht 
zum Feuertod verurtheilt. Diejelbe Verurtheilung 
erlitt mit ihm Beter Flyſteden aus Bergheim im 
Jülichſchen, welcher im reformatorifhen Eifer, um 
gigen den Aberglauben der Mefje zu zeugen, im 
om während des Gottesdienjtes mit bedecktem 
Haupte gejtanden hatte. Kes Verurtheilung und 
Tod jind bald nach dem Ereigniß anjchaulich ge« 
fhilvdert in „Alle Afta Adolphi Clarenbach.“ 

Klee, Heinrich, geboren am 20, April 1300 zu 
Münftermaifeld, kam 1809 in das bifchöfliche 
Knabenjeminar in Mainz, 1817 in das große Se: 
minar, ward fchon 1819 Brofeffor am Knaben: 
jeminar, 1923 Briefter und 1825 Profeffor und Dr. 
der Theologie. 1830 nahm er den Ruf nah Bonn 
an, wo er der Hermeſianiſchen Theologie das Ge: 
gengewidht zu halten beitimmt war. Unter dem 
Erzbifhof von Drofte-Vifchering erfreute er ſich 
großer Anerkennung. Nah deſſen Entfernung 
folgte er 1839 einer Berufung nah Münden an 
Möbhlers Stelle, wo er 1841 als der gefeiertite 
Vertreter des katholiſchen firhlihen Syitems jtarb. 
In feinen zahlreidhen Schriften fteht er a dein 
pofitiviftiihen Standpuntte, e3 fei die vorhandene 
kirchliche Lehre nur als die nothwendige und ver: 
nünftige zu begreifen. Schriften: über Die Beichte, 
1827 ; Gommentar zum Johannes, 1829 ; Römer: 
brief, 1350; Hebräer, 1833; Dogmatif, 1835; 
Encyklopädie, 1833; Dogmengeihichte, 1835 —37; 
Srundriß der Moral, herausgegeben von Himioben 
1843, 

Kleider bei den Hebräern. Die Abbildungen 
auf den Dentmälern des Morgenlandes geftatten 
den Schluß, daf die Kleidung der Hebräer der noch 
jegt im Orient üblichen weiten und faltenreihen 
Gewandung fehr ähnlich gewefen fei. Der Unter: 
ſchied der männlidien und weiblichen Kleidung war 
nicht bedeutend, aber doch vorhanden, weil 5. Moſ. 
22, 5 den Männern Weiberfleivdung anzulegen ver: 
boten wird und umgekehrt. Der Stoff war Leinen, 
Wolle und Baummolle; Seide wird nur erwähnt 
Dff. 18, 12, Ez. 16,10. Aus Wolle und Leinen 
gemiſchte Zeuge waren verboten, 3. Mof. 19, 19; 
5. Mof. 22, 11. Als Prachtgewänder waren bunte 
und gejtidte beliebt, ihnen gleich ftanden die wei— 
ben von Byffus. KHleiderlurus wird in der Schrift 
oftmals gerügt, auch die Nahahmung ausländi: 
ſcher Moden, Zeph. 1, 8; Jeſ. 3, 16 ff. Die Anfer 
tiqung der Kleider war Sache der Weiber. Beide 
Geichlechter trugen das im Ganzen gewebte Unter: 
fleid mit und ohne Aermel, welches bei den Män: 
nern bis zum Knie reichte, bei den Weibern länger 
war, darüber mandmal nod) ein zweites längeres 
und feineres, 1. Sam. 15, 21; Hiob 1, 20; Jeſ. 
3, 23, Matth. 10, 10. Das Unterfleid bielt über 
den Lenden der Gürtel zufammen, welcher bei der 
Arbeit und im Felde enger angelegt wurde. Das 
Dberkleid, der Mantel, war ein vierediges Stüd 
Tuch, welches in verjchiedener Weije um die Schul: 
tern gejhlungen, auch wohl mit Spangen befeftigt 
wurde. Es diente zugleicd) ald Dede. Ohne dasſelbe 
ging man nicht aus; wer bloß mit dem Unterfleid 
angethan war, galt als nadend. Hofen trugen nur 
die Briefter. Der Mantel war von verfchiedenem, 
oft fojtbarem Stoff und wurde auch mit Pelz be: 
jet und verbrämt. Die Weiber trugen ftatt des 
Gürtels einen Bufengürtel und außerdem mehrere 
Schleier. Die heutige Sitte des Morgenlandes, 


Kleidung und Infignien 


485 


Kleidung, die geiftliche 


daß die Weiber fi) nur verfchleiert zeigen, beftand | fterlichen Tracht gehörte keine Fußbelleidung, da 


bei den Hebräern nicht. Als Kopfbededung trugen | fi 


beide Geſchlechter eine Art Turban, der bei den 
Hohenprieftern, Königen und Soldaten ausgezeich— 
nete Form mit Schmud zeigte. Statt der Schuhe 
trug man Sandalen, welde am Fuße feitgebun: 
ben, aber beim Betreten ber Zimmer und ber hei: 
ligen Derter abgelegt wurden Da häufiger Wed): 
fel der Kleidung beliebt, bei levitifher Unreinig: 
keit vorgefchrieben war, fo befaken Reichere nicht 
nur ihre Wechjelkleider, fondern einen Borrath 
von Prachtgewändern, die häufig als Gefchente 
dienten, 1. Mof. 45, 22; Eftb. 4,4; 2. Kön. 5, 5. 
In der Trauer wählte man Stoffe gröberer Art, 
die aud) von Aſketen und Propheten getragen wur: 
den, ef. 20, 2; Matth. 3, 4. AS Lurus und 
bei Feiten parfümirte man die Kleider, Bj. 45, 9; 
Hohel. 4, 11. — Ad Gefhmeide und Schmud 
trugen beide Gejhlehter Armbänder und Arms 
fpangen von Gold, Silber oder Elfenbein, mit 
Perlen und Edeljteinen verziert, Ohrringe und 
Naſenringe, 1. Moi. 24, 22. 47, Fingerringe und 
Siegelringe, Halöbänder, 1. Mof. 41, 42; Ey. 16, 
11,aneinandergereihte Goldfügelchen oder Schnüre 
von Perlen, Edelfteinen und Korallen. An deniel: 
ben J— man allerlei Zierath. Die Weiber legten 
endlich die Fußfeſſeln und Schrittkettchen an, Jeſ. 
3,20. Als beſonderer Schmuck der Frömmigkeit find 
endlich zu erwähnen die Duaften oder Troddeln 
am Oberfleid, 4. Mof. 15, 37, die bei den Phari: 
fäern befonder3 arof getragen wurden. Bon grie: 
chiſchen und römischen Kleidungsitüden werden er: 
wähnt die yArwvs, der weite Mantel der Reiter, 
2. Matt, 12,35, der Reife: oder Negenmantel, 2. 
Tim. 4, 13, endlich der rothe Scharladhmantel der 
Eoldaten, Matth. 27, 23, und ihrer Dificiere. Val. 
Hartmann, Hebräerin am Putztiſch, Amit. 1809; 
Saalſchütz, Archäologie; Winer, Reallerifon. 
Kleidung und Infignien der ifraclitifhen Prie⸗ 
fler. Als Amtskleidung der gemeinen Briefter wird 
2. Mof. 28, 40—43 angegeben der Xeibrod, der 
Gürtel, die Kopfbededung, das Hüftkleid. Die drei 
erften Stüde entſprachen der gewöhnlichen Klei: 
dung, unterſchieden fi) aber in Schnitt und Stoff. 
Der Leibrod,aus feinitem weißem Byffus in einem 
Stüde ohne Nath gewebt, ging, an den Leib eng 
anſchließend, bis auf die Füße herab und feine Aer— 
mel bis an die Hände, In den Stoff waren fleine 
Duadrate piqueartig eingewirkt. Der Gürtel war 
ebenfalls von weißem Byſſus, aber von purpur: 
blauen, purpurrothen und carmoifinrothen Fäden 
durchzogen, jo daß er in denfelben den Farben des 
Heiligtbums entfprad). Weit länger als der gemöhn: 
liche, wurde er nicht wie diefer um die Zenden, ſon⸗ 
dern unter der Bruft gebunden, feine Enden hingen 
dann bis zur Erde herab und wurden bei den Opfer: 
bejchäftinungen über die Achſel zurüdgefchlagen. 
Die Kopfbededung, ebenfalls ein Turban in nicht 
bejtimmter Form, wurde wie eine Haube fejtge: 
bunden. Während nad) 3. Moſ. 10, 6; 21, 10 der 
Prieſter nie ohne —* Kopfbinde erſcheinen durfte, 
ſoll nad) der rabbiniſchen, nicht unwahrſcheinlichen 
Tradition der Gürtel nur zu den amtlichen Ver— 
richtungen angelegt ſein, wie man auch ſonſt zur 
Arbeit „ſich gürtete”. Das Hüftkleid, 2, Mof. 28, 
42, ging von der Bruft bis zu den Anieen und 
wurde oben mit Bändern um den Leib feſtgebun— 


fie am heiligen Orte eine Verunreinigung beäfel: 
ben gemwejen wäre. Die Symbolik der Priefter: 
Heidung liegt nur in der Farbe, welche die Heilig: 
feit und die Zugehörigleit zum Heiligtbum aus: 
drüdt. — Der Hohepriefter trug die gewöhnliche 
Briefterfleidung, nur die Kopfbinde war verſchie— 
den, nad) Joſephus eine purpurblaue über die ger 
wöhnliche gemunden. Außerdem aber bezeichneten 
andere 4 Stüde feine Würde: an der Kopfbinde 
ein goldenes Stirnblatt mit den eingravirten Mors 
ten mb wrıp (heilig dem Heren), ein Obertleib, 
beftehend in einem purpurblauen gewebten Ober; 
leid ohne Aermel aus Baummolle, welches am 
untern Saume mit baummollenen Granatäpfeln 
und goldenen Glöckchen verſehen war, über dem: 
felben das Sculterlleid, das Ephod (f. d. Art.), 
aus Byffus, mit Fäden in den heiligen Tempel: 
farben durchwirkt, und daran das Bruftfchildlein 
mit den 12 Edeljteinen der Stämme Yiraeld und 
dem Urim und Thummim. Dieſe Amtstracht trug 
der Hohepriefter bei allen Amtsverrichtungen, nur 
am Verföhnungstage wurde das Oberkleid mit dem 
Ephod und dem Bruftichild nicht angelegt und er 
erfhien mit Kopfbund, Hüftkleid, Leibrod und 
Gürtel von weißem Byſſus. — Die Prieſterklei— 
dungen wurden im Tempel bewahrt, die hohepries 
fterliche Amtstracht fpäter von den Herodianern 
in der Burg Antonia und nur zum Gebraud) her: 
ausgegeben. Nach Joſephus ftiftete Salomo 1000 
hoheprieſterliche, 10,000 priejterlihe Teidungen. 
Aus den abgetragenen Kleidern wurden Dochte 
für den heiligen Leuchter und die Tempellanpen 
gemacht. 


Kleidung, Die geiſtliche. Daf die Priefter auch 
im täglichen Zeben eine von der allgemeinen Volks: 
tracht fi) unterfcheidende Kleidung anlegten, ift erſt 
die Folge eines ausgebildeten Prieſterbegriffs. Die 
ältere Kirche tadelte es entſchieden, als die Priefter 
von den Aſteten den Vhilofophenmantel anzuneh: 
men begannen, Erſt als in die Volkstracht das en: 
gere Sagum (urjprünglich nur Kriegsgewand) ftatt 
der Tunica eindrang, ſchien die Annahme desjelben 
für den friedlichen Charakter des geiftlichen Stan: 
des unpaffend. Das Coneil zu Agde 506 ſprach 
fhon von einem Unterjchied der geiftlihen und 
meltlihen Kleidung, und als dem Priefter gezie: 
mend wurde dann in jpäteren Satungen die Ga: 
fula bezeichnet, ein weder zu langes ai zu kurzes, 
vorn geichloffenes DObergewand. Farbige Gewän: 
der unterjagfe das Yateranconcil 1216, und das 
Tridentinum beftätigte died nun ſchon geſetzliche 
Herkommen, indem es aud die Strafbejtimmuns 

en gegen die Uebertretung, weldje daS Concil zu 

ienne 1311 aufgejtellt hatte, erneute, zugleich 
auch allen Geiftlihen, welche das geiftliche Kleid 
nicht anlegten, die Standesprivilegien entzog. 
Sirtus V. 1589 erflärte von neuem das lange 
ſchwarze ———— Gewand für die entſprechende 
Tracht. Milderungen der geſetzlichen Beſtimmun— 
gen ſind den Biſchöfen anheimgeſtellt, ebenſo wie 
die nähern Vorſchriften über Kopf-, Hals- und 
Fußbekleidung. Es iſt daher zwiſchen den Diöceſen 
zuweilen Verſchiedenheit zu bemerfen. Die evans 
gelifche Kirche kennt feine gefeglihen Vorſchriften 
über die bürgerliche Tracht der Geiftlihen. Die 


den. Um die priefterliche Heiligleit auch darin an: | Sitte hat ihnen den Gebrauch der ſchwarzen 


zuſtreben, trugen es aud) die Phariſäer. Zur prie: 


und dunleln Farben vorgejchrieben. Bloß im 


Kleidung, geiftliche 


Großherzogthum Hefien hat befondere Liebhaberei 
des Kirchenregiments feine Fürſorge auf ben 
Schnitt der Röde und die Form und Zahl der 
Knöpfe erftredt. . 

Kleidung, geiftlie, bei den Funttionen. gr 
die Gultuäfleivung der Geiftlihen unterfchied fi 
in den erften Jahrhunderten nicht von der Volks— 
trat; aber das Vorbild des altteftamentlichen 
Gottesdienftes, dem man in der Ausbildung des 
liturgiſchen Theiles folgte und aus weldem das 
Latholiiche Prieftertfum hervorging, wirkte auf 
die priefterlihe Kleidung ein, welche in eine 
Uebereinftimmung mit der fonftigen Pracht des 
Cultus gebradt werden mußte. An Aenderung 
und Wechſel hat es auch hier nicht gefehlt. Die ge: 

enmwärtig im römischen Miffale Teftgeftelte Amts: 
leidung beim Gottesdienſt mag etwa ſeit 800 Jah: 
ten üblich fein. Nach dem Miffale hat der Priefter, 
welcher ſich zur feier der Meffe anſchickt, in vor: 
efchriebener Weije und unter beftimmten Gebeten 
(igende Gemwänder anzulegen: den amictus ober 
as Humerale, über die Schultern gelegt und durd) 
Schnüre, die unter den Achſeln durdgehen und 
auf der Bruft verſchlungen werden, befeitigt. Das: 
felbe wurbe jeit dem 8. Jahrh. gebräuchlich, diente 
urfprünglich um das Haupt zu verhüllen und wurde 
im Mittelalter auch Ephod (?) genannt; die alba, 
der lange weiße Talar mit Aermeln, wird mit dem 
Gürtel (cingulum) umgürtet, fo daß fie faltig 
- berabfällt; der manipulus, eigentlih Schweißtuch, 
wird über dem linken Arm getragen und war Ir: 
wie die Alba von Linnen, jegt von foftbarem Sto 
wie dad Meßgewand; die stola, das urfprüngliche 
Prieſterkleid, welches über die Schultern gelegt, 
vorn und rüdmwärts bis zu den Füßen herunter: 
ing. Von weißer Farbe, war es an den äußern 
Thelien mit einem Streifen von anderer Farbe 
beiegt. Fett ift von demjelben nur der Streifen 
ald eine Binde übrig geblieben, welche der Diakon 
über die linfe Schulter, der Presbyter über beide 
trägt, und über der Bruft in Kreuzesform verbun: 
ben ift; dad Meßgewand, die casula planeta, ift 
ein langes Gewand, welches, urjprünglih nur mit 
einer ——— für den Kopf verſehen, die ganze 
Geſtalt umgab; jetzt iſt ſie an den Seiten unter 
den Armen offen, hinten und vorn mit einem ge: 
ftidten Kreuz verfehen. Hierzu tritt noch das Birett 
ober bie galea, eine mit 3 oder 4 Kanten verjehene 
Kopfbededung von der Farbe des Talars, mit wel: 
her der Priefter zum Altare geht. Bei Proceffio: 
nen und feierlihen Acten wird dann noch das 
luviale getragen, früher ein Regenmantel zum 

Hut gegen die Witterung, jegt ein Prachtmantel 
ohne Aermel, der vorn offen ift und fonft den Leib 
bededt, von foitbarem Stoff und rei verziert. 
Die beiden legten Stüde trägt der Diakon nicht, 
. jondern ftatt ihrer die dalmatica, dem Mefge: 

wand ähnlich, aber mit Aermeln; wenig von ihr 
verſchieden iſt die tunicella des Subdiakons. Bei 
Eultusacten außerhalb der Mefie ur der Priefter 
den Chorrod (rochettum superpelliceum), ent: 
ftanden aus der Verkürzung der alba und ber 


stola. Der Biſchof, wenn er die Meffe lieſt, trägt | hab 


Denn er figt, wird über jeinem Schooß vom Dia: 
fon das gremiale, ein feidened Tuch, gebreitet. 
ALS befondere Theile feiner Amtskleidung trägt er 
Sandalen, Handjhuhe und Mitre, dazu als In— 
fignien der Würde das Bruftkreuz, den Ring und 


alle diefe Gewänder ( se um das pluviale). 


486 





Klerus 


ben Krummftab. — Beſondere Vorſchriften über 
die Farben der Meßgewänder find im Rituale ge: 
eben. Da nad der kirchlichen Farbenſymbolil 
eiß bie Farbe der Freude und der Reinheit, Roth 
ber freude, Grün der Hoffnung, Blau der Buße 
und Trauer, Schwarz der tiefen Trauer ift, fo for: 
dert der Ritus die Uebereinftimmung der Farben 
fämmtlicher Baramente mit dem Gegenftand der 
en refp. mit dem Charalter der 
Kirchenzeit; Blau im Advent und Faſten, Grün 
nad) Epiphanias und Pfingften, Roth an den bo: 
ben Feiertagen. Dabei gilt Gelb für Weiß, Him: 
melblau für Duntelblau ; Gold ſowohl wie Weiß in 
gemiſchter Stiderei vertritt alle lichten Farben. 

Die Kleidung der griechifchen Geiftlichen ent: 
fpricht in ihren Theilen bei aller Berfchiedenkeit 
bennod der abendländijchen und weift auf den ge: 
meinfamen Urfprung. Der alba entfpricht das 
oroydpıov, welches ſchon der Lector erhält, der 
stola das Wepdpio» der Diakonen und das Enırga- 
xijuov der Briefter, dem manipulus die &nweri- 
xzıe, dem cingulum die Zwwn, der casula dad 
gyelwrıor. Eigenthümlich iſt ald Auszeichnung der 
vornehmen Priefter das Epigonatilon, ein vom 
Gürtel auf die Kniee herabreichendes Sci. Die 
Bischöfe der Griechen tragen den auxxog, ein Br: 
wand ohne Aermel mit Glödlein, das uogögor 
als pallium und den Hirtenftab; nur der Patriard 
von Alerandrien trägt eine Art Mitra. 

Die evangelifche Kirche behauptete auch hinſicht 
li der Kleidung der Geiftlichen ihre Selbitände- 
feit ; die Mefigewänder wurden überall abgeideft, 
der weiße Chorrod (rochettum) jedoch vielfad ir: 
behalten, in Brandenburg bis in diejes Jahthen 
dert; in Schweden ift jogar außer dem meh 
Meßhemd über dem langen Briefterrod nod en 
——— von ſchwarzem Sammet, mit Silbe 
geftidt ohne Aermel, namentlich bei der Bermal 
tung des Abendmahls üblich. Auch in England 
trägt der Priefter über der Alba ein rothſeidenes 
Schulterkleid. In der lutherifchen deutſchen Kirdt 
behauptet ſich der ſchwarze Chorrod (Kutte) Zu 
thers, mit Bäfihen oder Halskrauſe. Die rei: 
mirte Kirche hatte eigentlidy gar keine Amtätradt, 
der frühere Mantel wurde aber beibehalten un) 
verkleinerte fi in einen jchmalen Streifen Tus, 
der auf den Rüden vom Naden herabhing. In de 
preußifchen Kirche wurde der ſchwarze Talar mit 
Bäfichen durch Verordnung von 1817 allgemein ein: 

eführt und wird aud) in andern Kirchen, ſelbſt In 
——— und der Schweiz, gebraucht. Da bei get 
tesdienſtlichen Functionen unter den proteſtanti 
hen Geiſtlichen fein Unterfchied ift, jo ift aud de 

mtötracht diefelbe, nur hatten die preußiſchen 
Titularbiichöfe dad Vorrechi, einen jeidenen Talet 
und ein goldenes Bruftkreuz zu tragen. 

Kleophaß, der eine der Emmaus: Jünger. Red 
Theophylalt wird er zu den 70 Sein 
Begleiter heißt in der Tradition bald Nathanat 
bald Lulas, bald Simon. Kleophas ift nicht zu 
vermechjeln mit dem Namen Klopas Joh. 12, 15, 
obgleich manche kirchliche Schriftiteller dies getbat 


en. 
ſlerus. Das Wort bezeichnet eigentlich ſodie! 
wie Rang, Rangftufe, ordo. Im Neuen Teitamentt 
fommt es nur Apftg. 1, 17. 25 in ber — 
lichen Bedeutung „L2oos" vor. In der em 
ſprache bezeichnet e8, den Laien und dem Volle 

entgegengejegt, die Gefammtheit der Geiftligen, 

‚ 


Klefel 


487 
welche durch die Weihe einen befondern „unaus: | theologifchen Zeitichriften. 3. 


Klofter 


3. von Flatt's Vor: 


Löfchlichen” Charakter und eine beftimmte Macht: | lefungen über die Paltoralbriefe gab er 1831 her: 


volltommenheit erhalten haben. Der Klerus jtellt , 
dad eigentlihe Volt Gottes, die Kirche, dar. 
Innerhalb des Klerus find Abjtufungen der Weihe 
bis zum Presbyteriat, an welches fich das Epiffo: 
pat, der Metropolit und Papſt ald Spike an: 
fchließt. Durch den Eölibat wurde die Scheidung 
zwifchen dem Klerus und dem Volle auf das 
ſchärfſte gezogen und die höhere Würde durch 
mancherlei äußerlihe Bevorzugungen dem Bolte 
zum Bemußtjein gebradt. Da der Klerus aud 
bloß ald Rang und unterjchiedene Claſſe gefaßt 
murbe, unabhängig von dem Amt, fo gab es im 
Mittelalter Cleriei vagantes, Geiftliche ohne Amt, 
in der Gegenwart, wo der Tifchtitel Bedingung der 
Weihe ift, nur infofern, als Geiftlihe ein nicht 
eigentlich geiftliche3 Amt, z. B. an Schulen und 
Univerjitäten befleiden. Die evangelifche Kirche 
hat den Begriff des Klerus in der Theorie völlig 
verworfen, ohne ihn in der Praris ganz überwun⸗ 
den zu haben. 

ſKleſel. S. Khlest. 

Kleufer, Johann Friedrich, proteftantifcher 
Theolog. Geb. am 24. October 1749 zu Dfterode 
am Harz, ftubirte er zu Göttingen und wurde als 
Hauslehrer 1773 zu Büdeburg mit Herder befreun: 
det, durch den er zum Prorector am Gymnafium 
au Lemgo befördert wurde. Seit 1778 Rector zu 
Dönabrüd, 1791 Dr. theol., wurde er 1798 ala 
Profeſſor der Theologie nach Kiel berufen, wo er 
über Eregefe, Kirchengejhichte, Apologetif und 
Symbolit lad. + 1827. Außer feinen frühern 
Schriften über die Zend-Aveſta, 1777—89, die afia: 
tifchen Religionen und die Kabbala gab er 1800 
einen Grundriß der theologijhen Encyklopädie 
heraus. Ein frommer Mann, von myftifch-theo: 
fophifcher Richtung. 

Kliefoth, Theodor Friedrich Dethloff, Dr. der 
Theologie, Superintendent und Oberlirchenrath in 
Schwerin jeit 1850. Geb. 1810 in Körchow (Med: 
lenburg), Sohn eines Pfarrers, ftudirte er 1829 
—32 in Berlin und Roftod, wurde 1833 Jnftruc: 
tor des Erbherzogs Friedrich Franz, welde Stel: 
lung er 1840 verließ, um in Ludwigsluſt ein Pfarr: 
- amt zu übernehmen; 1844 als Superintendent 
nad Schwerin berufen. Er ift ein Hauptvertreter 
der lirchlich⸗ lutheriſchen Orthodoxie, die er ald Kir: 
chenfürſt rüdfichtölos zur Geltung zu bringen fudht. 
Seine Hauptichriften Find : Einleitung in die Dog: 
mengeſchichte, Parch. 1839; Theorie des Cultus 
der evang. Kirchen, ebd. 1844; die urfprüngliche 
Gottesdienftordnung in d. dtſch. Kirchen luth. Be: 
tenntnifjes, Roftod 1847; Acht Bücher von der 
Kirche, Bd. 1, Schwerin 1854; Liturg. Abhand: 
lungen, 8 Bde, Schwerin 1854—61. Weniger 
wichtig find feine eregetifhen Arbeiten: der Pro: 
phet Sadaarjah, Schwerin 1862; das Bud) Eze: 
chiels, 2 Abth., 1864—65; das Bud Daniels, 
Scmerin 1868. 

Kling, Chriftian Friedrich, geb. am 4. Novem: 
ber 1500 zu Altdorf in Württemberg, ftudirte in 
Tübingen, wurde dort 1824 Repetent, 1326 Dia: 
fonus zu Waiblingen, 1832 Brofeffor der Theolo: 
gie zu Marburg, 1840 zu Bonn, legte 1847 feine 
Profeſſur nieder und wurde Pfarrer zu Ebersbach 
in Württemberg, dann Decan zu Marbach. + 1861. 
Seine rege foriftftelleriiche Thätigleit wandte er 
hauptſächlich auf die Mitarbeit an verſchiedenen 


aus; ein felbftändiges größeres Werk von Kling 
ift der Commentar zu den Korintherbriefen in 
Lange's Bibelwerk. Seinem theologischen Stand: 
punft nad) gehört er zu der Bermittlungstheologie 
der pofitiven Union. 

Klopftod, Friedrich Gottlieb, geb. am 2. Juli 
1724 zu Quedlinburg, ftudirte in Jena Theologie, 
ging aber nad) dem erſten Semefter nad) Leipzig, 
um fi bloß der Poefie zu widmen und ſchloß ſich 
dem dortigen Dichterbunde an. 1748 nad} der Her: 
ausgabe der eriten Geſänge des Meſſias ward er 
Hauslehrer in Yangenfalza, lebte dann 1750—51 
in Zürich bei Bobmer, danad) in Kopenhagen ala 
dänifcher Legationsrath (jeit 1763) und ſeit 1773 
in Hamburg. 1774 berief ihn der Markgraf von 
Baden nad Karlsruhe, doch durfte er mit Beibe: 
haltung feines Titeld als Hofrath und mit einem 
lebenslänglichen Gehalt nah Hamburg 1775 zurüd: 
fchren ; dort jtarb er am 14. März 1803 und wurde 
auf dem Kirchhof zu Ditenfen begraben. Als reli: 
giäfer Dichter ift Klopftod von großer bleibender 

edeutung aud bei den Schwächen, die feinem 
Hauptwerfe, dem Meſſias, antleben. Zu diejem 
faßte er ven Plan bereits in Schulpforta, es erichien 
in Abtheilungen von 1748—73, zum erften Mal 
vollitändig 1780. Die Begeifterung, mitwelcher das 
Wert aufgenommen wurde, galt aud dem tiefen 
Gefühl, mit weldem die religiöfen Wahrheiten des 
Chriſtenthums vorgetragen und die geiltige Schön: 
heit deöjelben als Gegengewicht in der Zeit der 
Aufklärung dargeftellt waren. In ſeinen chriſt— 
lihen Oden betrat Klopftod ein bis dahin in der 
deutjchen evangelifchen Kirche noch ganz unange: 
bautes Gebiet der chriftlichen Poeſie. Bon feinen 
Liedern werben einzelne, wie das belannte „Auf: 
erftehn, ja Auferitehn” aus unfern Gefanabücern 
nicht mehr verfchwinden. Val. Gelzer, die deutjche 
poetifche Literatur feit Klopſtock. Nach ihren ethi: 
ſchen und religiöfen Geſichtspunkten, 1841. 

Klofter (claustrum, verfchlofjener Ort) ift das 
Gebäude, in welchem Mönde oder Nonnen nad) 
beitimmten Regeln gemeinjam leben. Seine Ent: 
ftehung bezeichnet den Zeitpunft, wo das Eremi: 
tenleben in das Mönchsweſen überging. Die älteite 
Form ift die der Laura, d. h. Dor!, Die einzelnen 
Alfeten nämlich bauten ihre Hütten nahe zufam: 
men um die Zelle eines Vorftehers. Die engere 
Gemeinſchaft forderte ein gemeinfames Gebäude, 
Die Einrihtung der Klöfter ift nach Zeit und 
Orden verjchieden. Aeltere Klöfter hatten nur ge: 
meinjame Räume, auch den gemeinjamen Schlaf: 
faal, dormitorium, wo des Abies Bett in der 
Mitte ftand, umgeben von den Lagerftätten der 
Mönche. Danad) wurde jedem der Möndhe feine 
Belle gegeben, um die Einfamfeit des Aijteten mit 
der Gemeinfchaft zu verbinden, oder es entitanden 
um das Kloſter wieder einzelne Zellen für Eremi: 
ten, die-mit demjelben in Verbindung blieben. 
Auch Doppelftöfter entitanden, ein Mönds: und 
ein Nonnenklofter, zwar getrennt, aber dennoch 
räumlich verbunden und unter dem gemeinſamen 
Regimente desjelben Abtes und al Ara Hegel. 
Am meiften haben fich die ältern Formen des Klo: 
fterlebens in der morgenländifchen Kirche erhalten, 
z. B. auf dem Berg Athos, auf dem Sinai, zu Etſch— 
miadzin in Armenien. Jm Abendland traten die 
Klöfterimmernurals einheitliheund abgejchlofjene 


Klofter 


Gebäude auf. Bei aller VBerfchievenheitder Baur: 
art findet ſich durchgehends außer der Kirche mit 
dem Chor, d. h. dem durch den Hodaltar oder 
fonjt von dem Schiff getrennter Raum für die 
Ordensglieder zur Verrichtung des Dfficiums, der 
Kreuzgang, meist die Begräbnißftätte, wenn nicht 
die Kirche dazu benußt wurde, das Nefectorium, der 
gemeinfame Speifefaat, der Capitelſaal, die Zellen 
oder das Dormitorium. Außerdem Kranfenzimmer, 
Beichtzimmer, Sprechzimmer in Ronnenklöftern. 
Bei größern und reihern Klöftern find inner: 
halb der den Klofterraum umſchließenden Mauern 
auch die Wohnungen des Klofterperjonald und die 
durch den weltlichen Befit erforderten Räumlich— 
feiten. Urſprünglich bildete jedes Klofter eine Welt 
für fih; unter der unmittelbaren Leitung feines 
Abtes oder Prior unterjtand es in firhlicher Be: 
ziehung der Aufficht des Biſchofs. Einzelnen be: 
beutenderen Klöftern gelang es, durch päpſtliche 
Privilegien und Eremptionen fi Befreiungen von 
diefem bifhöflihen Auffiht3: und DOrdinations: 
rechte zu verichaffen. Die ——— änder⸗ 
ten dies Verhaͤltniß. Jedes Kloſter wurde Glied 
einer Congregation ; obwohl es in Bezug auf Ber: 
mögen und Aehnliches jelbftändig blieb, wurde es 
in die Gemeinfchaft der Ordensinterefjen hinein: 

ezogen, und dieje gingen auf Unabhängigkeit von 

en Bifchöfen, die durch unmittelbare Unterwer— 
fung unter den Papft gewonnen wurde. So ver: 
loren die Biſchöfe während des Mittelalters immer 
mehr von ihren Rechten, die Klöfter wurden in 
dem ftillen Ringen der biſchöflichen und päpftlichen 
Gewalt die treueften Schildfnappen der letzteren 
und dafür mit immer reicheren  eivitegien bevor: 
zugt. Durch den Ordensverband gewannen fie auch 
einen Schub gegen die Eingriffe der weltlichen 
Mächte, welche durch das Inſtitut der Advocatie 
oder Kloftervogtei eine Handhabe gewannen, auch 
wohl wie Karl Martell verſuchten, Günitlinge 
mit den Kloftereintünften, glei wie mit andern 
tirchlichen Beneficien zu begaben. Die Anzahl der 
Klöfter ftieg inzwifchen ins Ungeheure, längjt hat: 
ten fie die Einöden verlaffen und waren in Mitten 
der Städte errichtet. Die Abgeſchloſſenheit und 
die Vorrechte begünftigten den Verfall der Sit: 
ten und ber Zudt, und viele Klöfter wurden die 
Stellen der ausgelaſſenſten Zügellofigkeit, um jo 
mehr, al3 häufig Schon die Stellen der reichern 
Klöfter zu einem Belig der ummohnenden Adels: 
familien für ihre jüngern, mit Erbqut nicht bedach⸗ 
ten Glieder wurden. Mit der Reformation fchien 
die Geſchichte der Klöfter abgeſchloſſen, allgemein 
wurden fie ald eine Einrichtung betrachtet, Die ſich 
überlebt habe. Der Jefuitenorden wählte für ſich 
feine Klöfter mehr. Es war weder nöthig, Behufs 
der Gründung und Ausbreitung des Ghriftenthums 
im heidnifchen Lande in den Klöftern fefte Punkte 
u befigen, von denen aus mit —— irdi— 
cher Zwecke geſammelte Kräfte das Evangelium 
verkündigten, noch in bewegter Zeit ſtillern und in 
ſich gewendeten Gemüthern Ruhe und Muße des 
Studiums und der Erbauung zu gewähren, denn 
dieſe beiden Gründe ſind es, welche die Klöſter zu 
ſegensreichen Inſtituten ihrer Zeit machten. Auch 
bedurfte die Herrſchaft Roms jetzt anderer und 
beſſerer Vorkämpfer, als bisher die Klöſter der 
Bettelmönche geſtellt hatten. Daher wurden nicht 
bloß in den evangeliſchen Ländern die Klöſter 
ſäculariſirt und eingezogen, fo daß die Gebäude, 


488 


Kloftergelübbe 


ſoweit fie nicht zu andern Zmeden dienten, in Aui= 
en zerfielen, auch in fatholifhen Ländern wurde 
manches Kloſter verlaffen, weil die bisherigen Ein: 
nahmen verfümmurten oder e8 an Novizgen man: 
Son Viele Klöfter wurden in den Religionsfriegen 

eutfchlands, Englands und Frankreichs zerftört. 
Die Joſephiniſche Reform in Deſterreich hob 800 
Klöfter auf. Den vernichtenden Schlag führte die 
franzöfifche Revolution, weldye alles Kloftergut 
zum Staatögut machte. Selbit in Spanien, wo 
ſchon während des franzöfifchen Krieges die Klöſter 
an Zahl und Bermögen viel eingebüßt hatten, wur: 
den (1835) 900 geile Häufer eingezogen, weil 
fie nicht mehr 12 Mitglieder hatten. Nur den barm: 
herzigen Schweitern geftattete Napoleon I. 1807 
wieder die Freiheit des Höfterlihen Lebens. Die 
firhliche Reaction feit 1814 hat dann auch mit 
vielem Eifer auf Wiederaufrihtung von Klöftern 
hingemirtt und ed gelang ihr, in Spanien und 
Portugal eine Erftattung des Kloftergutes zu er: 
langen. In Frankreich und in Belgien blühten fie 
neu wieder empor. In Deutſchland ift Bayern das 
mit Klöftern wieder am meiſten geſegnete Land, auch 
am Rhein und in Weftphalen find in den letzten 2U 
Jahren jäyrlich neue Klöfter entitanden. Mit den 
Frauenklöſtern find meiftens Erziehungsanitalten 
oder Krantenhäufer verbunden. Die vom Triden: 
tinum getroffene Beitimmung, durch welche den 
Klagen der Biſchöfe begegnet werden follte, daß 
alfe Klöfter, obwohl fie unter päpftliher Oberbo: 
heit ftehen, dem Aufſichtsrecht der Biſchöfe unter: 
geben fein jollen, ift bis jegt aufrecht erhalten ; es 
tft in der Gegenwart aud das Intereſſe der Bi: 
ſchöfe und des Papſtes jo eng mit einander ver: 
bunden, daß weder diefer noch jene ein entgegen: 

ejegtes Intereſſe an den Klöftern haben könnten. 
Val. Helyot, Geſchichte aller Klöjter unt Ritter: 
orden, 1753; Muſſon, pragm. Gefchichte der vor: 
nehmiten Mönchsorden, 1774; Döring, Geſchichte 
der Mönchsorden, 2 Boe., 1828; Fuhr, Gejchichte 
der Mönchsorden, 1845; Möhler, Geſchichte des 
Möndthums in der Zeit feiner Entjtehung. Gei. 
Schriften, II; Mangold, de monachatus origine 
et causis, 1852. 

Klofterbruder, conversi, waren die2aien, welche, 
ohne die vollen Ktloftergelübde abzulegen, an das 
Klofter fich anfchloffen. Ihnen wurden in der Re: 
gel die äußern Gejchäfte übertragen, und manches 
weltliche Klofteramt konnte nur von ihnen befiei: 
det werben. 

Kloftergeiftlier. Nach; der Regel des Baſilius 
follte jedes Klofter unter feinen Gliedern einige 
geweihte Priefter haben, während früher dieje von 
dem Cönobitenleben ausgejchlofjen waren. Später 
wurde es Regel, daß die meiften Mönche Prie: 
fter waren, Zwar verbot noch Calirt II. 1122 den 
Mönchen, Beichte zu hören und öffentlih Meſſe zu 
lejen, aber bald gejtatteten päpſtliche Privilegien 
nicht nur, daß die vom Klojter abhängigen Stellen 
mit Kloftergeiftlichen befegt, jondern daß auch an: 
dere geiftlihe Aemter auf diefe übertragen wur: 
den. Der Kloftergeiftliche fteht unter einem befon: 
deren geiltlichen Dbern und ift an die Regel des 
Drdens in feiner Lebensweiſe gebunden. 

Kloftergelübde ift das — Verſprechen, 
welches als Bedingung der Zulaſſung beim Ein- 
tritt in das Kloſter abgelegt wird. Es ift die nöl- 
lige Unterwerfung unter die Regel des Klofters. 
Alle Hloftergelübde enthalten diedreider Keufchheit, 


Klofterhof 


der Armuth, des Gehorfamd. Das Klofterge- 
lübde will damit die völlige Darbringung der eige: 
nen Perſon an Gott, die Verzichtleiitung auf feine 
Rerjönlichkeit, die unbedingtejte Selbjtverleugnung 
fein. Nach kirchlichem Rechte ift das einmal gelei: 
ftete Kloftergelübde lebenslänglich und unauflös: 
lich und ftärter, ald jede andere menſchliche Ver: 
pflichtung. So löſet z. B. das Kloftergelübde eines 
Ehegatten für ihn die Che auf. Nur der Papit 
tann davon dispenfiren. Nerere Staatsgeſetzge— 
bunaen haben das lebenslängliche Gelübde jür un: 
zuläſſig ertlärt und bejtimmen feine Dauer auf 3 
oder 5 Jahre, nad) deren Ablauf es erneuert wer: 
ben muß. 

Ktloflerhof (grangia) iſt der Defonomichof des 
Klofters, weldyer die zur Führung der Landwirth— 
ſchaft nöthigen Gebäulichteiten umfaßt. Er durfte 
nicht unmittelbar mit dem Klojter verbunden fein. 
Bei großer Entfernung war für die dort beſchäf— 
tigten Mönche und Laienbrüder ein eigenes Ora— 
torium errichtet. Die Privilegien des Klofters 
(Steuerfreiheit 2c.) erjtredten Ni nicht auf den 
Klofterhof. 

Ktloflerregeln. S. Möndäregeln. 
Klofterſchulen. Bei der Organijation des Klo— 
fteriebens durch Pachomius und Bafilius war ſchon 
Rüdfiht auf Unterricht und Erziehung genommen, 
nicht bloß der Klojtergenofien, jondern auch der 
dem Kloſter anvertrauten jungen Leute. Noch mehr 
geihah dies in der Kegel des heil. Benedict. So 
verbanden ſich mit allen bedeutenden Klöftern 
Schulen, zunächſt mit der Beſtimmung zur Aus: 
bildung von Klerilern. Berühmte Schulen des 6. 
und 7, Jahrhunderts find die der Klöſter Lerinum, 
Tours und Boitierd und das Klojter Bangor in 
Irland. Karl der Große verlangte durch die Con- 
stitutio de scholis instituendis 787, daß bei allen 
Domitiftern und Abteien Schulen errichtet werden 
—— Bu dem bisherigen trivium, Grammatik, 
hetorif, Dialektit, fam nun das quadrivium, 
Mujit, Geometrie, Arithmetif, Aftronomie, hinzu. 
Es jollten auch dieſe Schulen nicht mehr bloß auf 
die Bildung der Geiftlihen gerichtet fein. Daher 
theilten fie fich feit 817 in schola» interiores, die 
von Kindern befudyt wurden welche dem Klofter: 
leben geweiht waren, und scholae exteriores für 
Zöglinge des weltlichen Standes. Auch mit den 
Nonnentlöftern wurden Schulen verbunden, in 
welden neben dem credo und pater noster weib: 
liche Arbeiten und ſelbſt Xatein gelehrt wurde. 
Durchgängig waren diefe Schulen aber nur den 
Kindern höherer Stände geöffnet. Befondern Ruhm 
behielten die Schulen der Benedictiner, welche ihren 
fähigften Gliedern das Amt des Scholafters, des 
Voritehers der Schule, Üübergaben, das aber jelbit 
die Aebte oft fortführten. Die Klofterjchulen ver: 
foren ihr Anjehen mit dem Verfall des Kiofter: 
lebens überhaupt und dem Aufblühen des Huma— 
nismus, der Afademien und Univerfitäten; die 
Jeſuitenſchulen drängten fie vollends in den Hin: 
tergrund. Zur Zeit find nur noch mit einigen 
Frauentlöftern Erziehungs: und Unterrichtsanftal: 
ten verbunden, — Der Name Kloſterſchulen hat 
ſich in einigen evangeliſchen höhern Schulen erhal: 
ten, welche in den Gebäuden früherer Klöſter er: 
richtet und mit deren Gütern ausgeftattet find. 
Berühmte Kloſterſchulen des Mittelalters waren 
Bec, Clugny, Corvey, Fulda, Friklar, St. Gallen, 
Hirſchau, Lobbes, Monte-Caſſino, Reichenau u. U. 


489 


Knabenfeminar 


Klofterverweifung (detrusio in monasterium). 
Seit dem 5. Jahrhundert pflegte man die verbres 
cheriſchen und häretiihen Kleriker, welchen ihre 
Standesvorrechte entzogen wurden, in ein Kloſter 
zu verjtoßen, um nicht durch ein Hinausfegen un: 
ter die Laien die Würde des Standes zu gefährden. 
Als Zucht: und Strafmittel angewendet, konnte 
die Klofterverweifung auf beftimmte Jahre oder 
lebenslänglicdh ausgeiprochen werden. 

Kloſtervogt. S. Kirchenvogt. 

Kloſterweſen. S. Mönchthum. 

ſtlüpfel, Engelbert, eigentlich Johann Andreas, 
latholiſcher Theolog. Geb. am 18. Januar 1783 
zu Wipfelda, einem Dorfe in Franken, ſtudirte 
er zuerſt in Würzburg, trat 1750 in den Orden der 
Auguſtiner-Eremiten und ſetzte dann ſeine Stu— 
dien in Freiburg und Erfurt fort. 1756 zum Prie— 
fter geweiht, ward er 1758 als Lehrer an das 
Gymnafium zu Männerftadt gefhidt, 1763 nad) 
Oberndorf und nad beendigtem philofopbiichen 
Lehramtscurfus als Lehrer der Theologie zu Mainz 
und Conjtanz verwendet. Eine Difjertation ver: 
Ichaffte ihm die Profeffur der Dogmatik zu Frei: 
burg 1767, die er bis 1805, wo er um feine Ent» 
laffung einfam, verwaltete, indem er andere ihm 
angebotene Stellen ausfhlug. Der Joſephiniſchen 
Richtung zugethen, hatte er fi anfangs der An: 
feindung der Jeſuiten zu erwehren, aud wegen 
einer Schrift über den Ablaß mande Verunglim— 
pflng zu erdulden, wurde aber von Maria Therefia 
und Joſeph 11. mit vieler Auszeichnung bedacht. 
Gegen die protejtantifche Aufllärung (wie Semlers 
Institutio) wandte cr ſich in einer Aufjehen er: 
regenden Necenfion in der von ihm herauägegebe: 
nen Nova bibliotheca ecclesiastica (ſeit 1775). 
Geft. 1811. Sein Hauptwerk ijt die Dogmatif: 
Institutiones theol. dogm., Vindob. 1789, Das 
Verzeihniß feiner Schriften in den Lebenäbeichrei: 
bungen von Hug, 1811 und Kasp. Ruef, 1827. 

Klugheit (prudentia) ermeift jich in der Wahlder 
echten Nittel zum beabjidhtigten Zwed. Sie ijt da: 
ber eine dem Ehriften zur Erreichung feines höchften 
Lebenszieles unentbehrlihe Tugend. Gepaart mit 
der Weisheit, die den wahren höchſten Zmed er: 
fennt, wird fie durd) die Yiebe zu Gott und dem 
Nächten davor geihügt, zu ſittlich verwerflichen, 
aber anjheinend fürdernden Mitteln zu greifen. 
Gewöhnlich wird indeh das Wort Klugheit eben 
im Unterfhiede — wenn aud) nicht als Gegenſatz 
— von Weisheit, und nur in Bezug auf Zwecke 
gebraucht, die im Gebiete des bürgerlich-weltlichen 
Lebens liegen. 

—— Nach der Verordnung des Tri⸗ 
dentinums ſollen in jeder Diöceſe Erziehungsan— 
ſtalten errichtet werden, in welche Diejenigen, die 
ſich dem geiſtlichen Stande widmen wollen, ſchon 
in frühefer Jugend eintreten können, zur Vorbe— 
reitung auf die bifhöfliden Priejterjeminare. 
Einige Anabenjeminare, welche in Conitanz, Frei: 
fingen, Paſſau u. a. D. errichtet wurden, gingen 
im 18. Jahrhundert wieder unter und nu uf: 
hebung des Jejuitenordens wurden in Deutjchland 
durchgängig die Aipiranten der Theologie auf den 
öffentlichen Gymnafien und Lyceen aebildet. Die 
Nothwendigfeit aber, zur Pflege und Ermedung 
eines vollftändig kirchlichen Sinnes die Gentüther 
der Jugend früh in eine beftimmte Richtung zu 
—— und ſie den Einflüſſen der freien Wiſſen— 

ſchaft unzugänglich zu machen, hat in den letzten 


Knak 


Jahrzehenden mehrere folder clericalen Knaben: 
feminare hervorgerufen. 

Knaf, Guſtad, Prediger an der Bethlehems: 
kirche in Berlin, geistlicher Liederdichter (Simon 
Johanna, haft du mid) lieb? 1829; Zionsharfe, 
1843). Früher ſchon durch Theilnahme oder Ber: 
anlafjung politiſcher Adreffen befannt geworden, 
bat er ſich 1868 durch fein offenes Bekenntniß zu 
der Weltanfhauung der Bibel, auch wo diefe mit 
unzweifelbaften Erfahrungen und dem Copernica: 
nischen Syftem in Widerſpruch fteht, das Verdienſt 
erworben, die Eonfequenzen einer einfeitigen Rid): 
tung offen an den Tag zu bringen. 

Knapp, Albert, geb. zu Tübingen am 25. Juli 
1798, machte feine Studien auf den Seminaren 
zu Maulbronn 1814, Tübingen 1816 und der Uni: 
verfität dafelbft, wurde 1820 Vicar zu Feuerbach, 
danach zu Gaisburg, 1825 Diafonus zu Sulz am 
Nedar, 1831 zu Kirchheim unter Ted und 1836 
zu Stuttgart. + 1864. Seine religiöje Richtung 
war durch den ihm eng befreundeten L. Hofader 
bejtimmt. Knapp ift einer der beveutendften geift: 
lihen Dichter der Gegenwart. Von 1833—53 gab 
er die Chriftoterpe heraus, einen Almanach mit 
Auffägen, Gedichten u. dgl. religiöfen Inhalts, 
namentlich manche von ihm gejchriebene werthvolle 
Biographien enthaltend. Außer verſchiedenen 
Sammlungen eigener Gedichte erfhien von ihm 
der evangelifche Liederſchatz für Kirche und Haus, 
Stuttg., 2. Aufl. 1860. Vgl. die von feinem Sohne 
herausgegebene Biographie. 

Knapp, Georg Chrijtian, geb. zu Halle 1755, 
bejuchte die Schulen und die Univerfität zu Halle, 
bezog dann Göttingen und erhielt jeit 1775 Ma: 
giſter der Bhilofophie, 1777 eine außerordentliche, 
1787 eine ordentlihe Profefjur der Theologie zu 
Halle. 1785 wurde er neben Niemeyer Director 
der Franke'ſchen Stiftungen und beflefbete dieje 
Aemter bis an feinen Tod (14. October 1825). 
Seine Ausgabe des griehifchen Neuen Teftaments 
erſchien in 3. Aufl. 1824; auch feine Ueberjegung 
ber Pfalmen mit Anmerkungen (Halle 1776, 3. 
Aufl. 1789) hat mit Necht Beifall gefunden. Seine 
Vorlefungen über Glaubenälehre gab nad) feinem 
Tode Thilo heraus. Aus der alten pietiftifchen 
Schule hervorgegangen, aber ein Schüler von 
Semler und Gruner, war Knapp Vertreter einer 
nicht kirchlichen, aber ftreng bibliſch-oſſenbarungs⸗ 
gläubigen Theologie. — Der Bater desjelben, Jo: 
hann Georg Knapp, Profeſſor in Halle und Direc: 
tor der Halle'ſchen Stiftungen, + 1771, ift einer 
der bedeutenderen Vertreter des ftrengen Pietis: 
mus, 

Knecht bei den Hebräern. S. Sklave. 

Kniebeugung war als Zeichen der höchſten De: 
müthigung in der alten Een Kirche nur den 
Bühenden —— (ſ. Bußgrade), da man 
früher ſtehend beteie. Erſt allmählich iſt fie allge: 
meine Gultusfitte geworden, welche von der römi: 
ihen Kirche beim Empfang des Abendmahl und 
als Begrüßung des Hochwuͤrdigſten vorgeſchrieben 
ift. Die evangelifhe Kirche hat die Aniebeugung 
beim Abendmahlsgenuß ald Sitte in verjchtede: 
nen Gegenden feftgehalten, als Eultusfitte kommt 
fie in manchen Orten bei der Gonfirmation und 
Ordination während der Handauflequng vor. Nur 
eine Berirrung des proteftantiihen Geiftes hat 
das, Fehlen der Aniebeugung als einen verderbli: 
hen Schaden der Kirche bezeichnen können. 


4% 


Knor 


Rniebengungsftreit. Das Minifterium Abel in 
Bayern erließ 1838 eine Drdre, wonach bei Frohn⸗ 
leihnamsproceffionen und auf Wachen, wenn das 
Hochwürdigſte vorbeigetragen werde, auch die evan- 

elifchen Soldaten niederfnien follten. Diejer 

efehl erregte unter den Proteftanten keine ge: 
ringe Bewegung. Obgleich felbft der Landtag die 
Aufhebung desfelben begehrte (dev Reichstag 
ftimmte dem Beſchluß nicht bei), hob doch erft 1844 
ein königliches Edict denfelben wieder auf. 

Knipperdölling, Bernhard, ein Bürger in Mün— 
ber, hatte auf der Wanderſchaft die Lehre der 

iedertäufer angenommen. Er nahm die Hollän: 
der Joh. Matthys und Joh. Bodhold bei jih auf 
und war mit Rottmann der Führer der Partei, 
Durd) feinen Anhang zum Bürgermeifter gewählt 
1534, vertrieb er alle Anderögläubigen aus der 
Stadt und bot die Hand zur Einführung ber theo: 
fratifhen Pöbelherrihaft. Nah der Erhebung 
Bodholds zum theokratiſchen König begnügte er 
fih mit der Würde des erſten Statthalters. Als 
Haupt der Wiedertäufer wurde er nad) ber Erobe 
rung Münfterd 1535 am 23. Januar 1536 mit 
glühenden Zangen zu Tode gezwidt und feine Zeihe 
in einem eifernen Gitterkorb am Lamberts:Thurm 
aufgehängt. Vgl. Conr. Heresbachii hist. fac- 
tionis Monasteriensis, ed. Boutermwel, Elberfeld 
1866. ‚ 

Knipftro, Johann, der Reformator Pommern. 
Geb. am 1. Mai 1497 zu Sandom in der Altmarl, 
trat er früh in den Franciscanerorden und ftudirte 

u Frankfurt a. d. O. Weiler hier bei der Tegel: 
fun Disputation 1518 die Thefen desfelben in 
Luthers Geift angriff, ward er in das Klofter Pr: 
rig in Hinterpommern gejchidt. Hier gemann et 
aber die Mönche und die Stadt für die Reforma— 
tion, mußte vor dem Biſchof fliehen und predigte 
in Stettin 1523 (wo er ſich verheirathete), Star: 
gard ald Diakon und in Stralfund als Baftor und 

uperintendent. Er organifirte das Neforme: 
tionswerk zu Greifswald und Eldena und murde 
dann Generalfuperintendent zu Wolgaft. In Gr: 
meinjchaft mit dem Superintendenten B. v. Rhoda 
verfaßte er eine Agende 1544, aud gilt er alö 
Verfaſſer des 6. Hauptftüds in Luthers Katedis 
mus, Mild und gemäßigt, bewahrte er jeine Kirdt 
vor Fehlgriffen und Verwirrungen. + 1556. 

Knobel, Dr. Karl Auguft, geb. am 7. Auguit 
1807 zu Tſchecheln bei Sorau in der Lauſit ald 
der Sohn eines Landwirths, machte feine Studien 
auf dem Gymnafium zu Sorau und der Univer: 
fität Breslau und trat dort 1831 als Privatdocent 
auf. 1835 ward er a. o. Profeffor, 1838 Dr. theol. 
und Brofeffor zu Gießen. + 1863. Ein durd Ge— 
lehrſamkeit und nüchterne Bejonnenheit auge 

eichneter altteftamentlicher Exeget auf rationalt: 
hilchem Standpunfte. Hauptwerte: Commentar 
über Roheleth, 1836; Prophetismus der Hebräkr, 
1837; Böllertafel der Genefts, 1850; mehren 
Commentare in dem kurzgefaßten eregetiichen 
Handbuch zum Alten Teftament: Genefis, 182, 
2. Aufl. 1860; Exodus und Leviticus, 1857; Ru: 
meri, Deuteron. und Jofua, 1861; Jejaia, 1843, 
2. Aufl. 1854, 3. Aufl. 1861. . 

ſtnox, John, der Gründer der ſchottiſchen Kirche. 
Geboren 1505 zu Gifford bei Habdington In 


Schottland, hatte er zu Glasgow und St. Andrew! 


Theolonie und Philofophie ftudirt, war dann 
Priefter geworden und als Lehrer zu St. Andremd 


Knutfen 


491 


Köln, das Erzftift 


aufgetreten. Alser fich, feit 1535 an der fatholifchen ı bort in Tractaten eine atheiftiiche Lehre, welche 


Kirche irre geworden, von derjelben 1542 losgefagt 
batte, hielt er fi in Südſchottland auf unter dem 
Schutze einiger Adeligen als Lehrer ihrer Kinder. 
Nach der Ermordung des Cardinald Beatoun, die 
er gebilligt hatte, wurde er Prediger der Befagung 
von St. Andrews 1546, mit derjelben von den 
de gefangen und auf die Galeeren gebradit. 

urd den ‚Frieden zwifchen England und Schott: 
land befreit, ging er nad) England, diente 2 Jahre 
der ‚Gemeinde Berwick ald Prediger, ward dann 
Gaplan Edwards VI, und Mitarbeiter bei der Ab: 
faſſung deö Common prayer book, ohne die in 
demjelben ausgeſprochene Beibehaltung der Gere: 
monien zu billigen. Nach der Thronbejteigung Ma: 
ria's 1553 floh er 1554 nad) Genf, trat dort in 
enge Verbindung mit Calvin, ward Prediger an 
der Gemeinde daſelbſt und befchäftig*te ſich mit der 
Ueberjegung der Bibel, war inzwiichen auch 1554 
eine furze Zeit ald Prediger der englifchen rem: 
bengemeinde in Frankfurt a. M. thätig, bißer dem 
—— über die engliſche Liturgie durch ſeine 

ntfernung auswich. Die Verbindung mit der 
Heimath hatte er durch Briefe, Schriften und Be: 
ſuche aufrecht erhalten; der Aufforderung zur Rüd: 
kehr folgte er 1559, als der Adel nach feinem Sinne 
den Bund „der Gemeinde Ehrifti” geichlofien hatte 
und der Krieg gegen die Regentin ausbrach. Pre: 
digend und reformirend, entmwidelte er nun eine 
ausgedehnte Thätigkeit, vermittelte aud) die Ver: 
bindung der Schotten mit Elifabeth von England 
und wurde, ald die Franzoſen abzogen und nach dem 
Bertrage vom 8. Juli 1560 das Parlament zufam: 
mentrat, welches den Fatholifchen Cultus ablhaffte 
und durd die Annahme des von Knor verfaßten 
Glaubenäbelenutniffes und des Difciplinbuches 
die presbyterianiihe Kirche Schottlands einrich: 
tete, zum erften Prediger Schottlands an St. Gi: 
les in Edinburg beftellt. Als die Königin Maria 
Stuart 1561 nad Schottland zurüdfehrte, begann 
“ für ihn ein neuer Kampf gegen ihren Katholicis- 
mus und die frivole Liederlichkeit des Hofes. In 
feinem Auftreten gegen Maria zeigt er fich ebenſo 
wie jonft von der theofratischen Idee geleitet, nach 
welcher er fi) au) in feiner Rüdfichtslofigteit die 
altteftamentlihen Propheten zum Borbild nahın. 
Ein gegen ihn 1563 angejtrengter Hochverraths: 
proceß endigte mit feiner Freifprehung. VBergeb: 
lid) fuchte er die Heirath der Königin 1565 mit 
dem fatholifhen Darnley zu hindern. Die Ermor: 
dung Rizzio's 1566, Darnley's 1567, die Heirath 
Maria’s mit —— ihre Flucht und Gefangen: 
nahme und die Regentidaft des Grafen Murray 
brachten den Umſchwung und die ang Beitä: 
tigung der preöbyterianiihen Kirche. Knox gab 
feine Sulimmung zur einjtweiligen Beibehaltung 
der biſchöflichen Aemter. Ein Schlaganfall traf 
ibn 1570, er ftarb 1572. Er war zweimal verhei: 
rathet geweſen. Er fchrieb die Geſchichte der fchot: 
tifchen Reformation bis 1564, 1. —* 1586 ; 
Glasg. 1831 durh Mac. Gavin. Bal. Mac Crie, 
Life of J. Knox, 3. Aufl. 1814, über). von Bland 
1817; Weber, die alatholiſchen Kirchen und Sec: 
ten von Großbritannien, Bd. I. und II. und Stup, 
und Krit., 1842; Arummadher, Knox und Maria, 
1857; Brandes, J. Knox, 1862. 

Knutien, Matthias von, auch Knutzen, geb. zu 


Dldensworth in Schleswig, fam 1774 als Candi: | ftift umaebenden Gebieten feften 


jede Offenbarung und den Glauben an Unfterb» 
lichfeit leugneie und das eigene Gewiſſen als all: 
einige Norm des Handelns hinftellte. Dabei ver: 
— er die Ehe, welche mit Hurerei auf gleiche 
Stufe Ang wurde. Da er fich eines großen An: 
hangs der „Gewiſſener“ rühmte, jo widerlegte ber 
alademiſche Senat dieje Behauptung in einer eiges 
nen Dentihrift, worauf Knutſen Jena verlief 
und verichollen ift. Vgl. Rofjel, Stud. und Frit., 
1844 ; Lipfius, Hall. Encyllopädie, Bd. LXVI. 
Köln, das Erzſtift. Die Sagen über die kirch— 
lihe Vorzeit Kölns find alle unermweislih. Nach 
denjelben foll der heil. Maternus (der Yüngling 
von Nain), ein Schüler des Apofteld Petrus, der 
erſte Biſchof geweſen fein, auch die heil. Helena die 
Kirche zu Et. Gereon gegründet haben; der erſte 
Biſchof von Köln, welcher erwähnt wird, ift Ma- 
ternus unter Gonftantin 313. Derfelbe war einer 
der Richter in den Donatiſtiſchen Streitigleiten 
und unterjchrieb die Acten des Concils von Arles 
314. Daß in der alten Ubierftabt, welche als rö— 
mijche Colonie (Col. Agrippinae) und dann auch 
als Hauptſtadt der ripuarifchen Franken eine große 
Bedeutung erhalten hatte, das Chriftenthum früh 
gepflanzt gemefen fei, darauf weiſt auch die Sage 
von der heil. Urjula und Anderes hin; zu einer 
ungeftörten Entwidlung des Chriſtenthums kam e3 
jedoch nicht vor dem Uebertritt Chlodwigs und der 
Einverleibung der Stadt in das Frankenteich. Zunt 
Erzbisthum war Köln bereits von Bonifacius be: 
ftimmt, der danad) Mainz lie Unter Karl 
dem Großen aber wurde das Erzitift dauernd ein: 
gerichtet und ihm die Bisthümer zu Tungern (Lüt: 
tich), Utrecht, Dänabrüd, Minden, Münfter und 
Bremen als Suffragane untergeben (Bremen und 
Utreht wurden jpäter eigene Erzbisthümer und 
Minden ging in der Reformation verloren). Die 
Diöcefe umfaßte das linfe Rheinufer zwifchen 
Trier und Utrecht und das Herzogthum Weſtpha— 
len. Die Reihe der politijch bedeutenden — 
eröffnete Bruno (453—65), der Bruder Otto's I. 
Von da an wuchs durd) päpftliche und Faijerliche 
Beglinftigungen die Macht und dad Anfehen der 
Kölner Erzbiſchöfe immer mehr. Die furfürftliche 
Würde bejaßen fie jhon im 11. Jahrhundert ; fie 
waren Kanzler des —— Stuhles (1052) und 
Erzkanzler des römiſchen Reiches. Mit dem Stifte, 
welches feine Beſitzungen durch Erbſchaft und Kauf 
bedeutend ausgedehnt hatte, wurde das Herzog: 
thum Weftphalen dauernd verbunden 1180, wo: 
durch ſich die Gewalt des Erzbifchofs auch über die 
Diöceſe Paderborn ausdehnte. Es umfafte vor 
der Reformation 120 Duadratmeilen mit ca. 
230,000 Einwohnern. Da aber das Gebiet von 
den Ländern vieler anderer Herren durchſchnitten 
war, wie Cleve, Jülich, Geldern, Mörs, Mark, jo 
verwidelte dies die Erzbifchöfe in zahllofe Fehden, 
zu denen noch die bleibenden Streitigkeiten mit 
der freien Reichsftadt Köln famen, dur welde 
Kurfürft Engelbert II.(1261— 74) genöthigt wurde, 
feine Refidenz nad) Bonn zu verlegen. Die Stifte: 
lande litten unter dieſen Fehden oh unfägli und 
die kirchlichen Berhältnifte geriethen in die trau: 
rigjte Verfafjung (vgl. Acten der Brov.:Synode 
von 1260 bei Darkheim, Concil. German., ILL, 
583). Die Reformation, welche in den das * 
gefaßt 


Fu 
dat der Theologie nad) Jena und verbreitete von ! hatte, drang in dafjelbe ein, die Stadt Yan war 


Köln, das Erzftift 


ebenfomohl ein Sit bed Humanismus als des 
Obſcurantismus (Hoogftraten und Pfefferkorn) 


mann von Wied und Gebhard von Wildburg mi: 
langen aber gänzlid und hatten die vollftärdige 
Reaction der Kurfürſten aus dem bayerischen Haufe 
zur folge. Berühmte Erzbiſchöfe aus der Zeit vor 
der Reformation find außer dem heil. Severin 
(F 408) und Kunibert (632—63), weldyer unter 
Dagobert und Siegbert fajt Regent von Auftra: 
* war, der oben erwähnte Bruno J. dann 

nno II. (1056-75), der Heilige, der Erzieher Hein: 
richs IV. und Reichsverweſer; ferner Reginald von 
Daſſel (1159—67), welcher von Friedrich I. große, 
fpäter wieder verlorene, Befigungen in Stalien er: 
hielt und die Köpfe der heil. drei Könige von Mai: 
land, fowie die Gebeine der Märtyrer Felix, Nabor 
und Apollinaris nah Köln brachte; Engelbert von 
Berg (1216—25), der Heilige, Reichsverweſer un: 
ter Friedrich IL., ermordet durch den Grafen von 
Sienburg 1225; Konrad von Hochſtaden 11237 — 
61), einer der größten Erzbifchöfe als Krieger und 
Staatömann, unter welchem aber der kirchliche 
Verfall immer mehr zunahm. Er legte den Grund 
zu dem Dome 1248. Siegfried von Wejterburg 
(1275—97), wurde in der Schlacht bei Worringen 
gefangen genommen. Dietrich IL. von Mörs (1414 
—63), lebte in faft fortwährender Fehde mit den 
Herjögen von Eleve, denen er die kirchliche Juris: 
diction 1444 und die Bogtei über Soeſt abtreten 
mußte. Unter ibm wurde die Erblandövereini: 
gung 1463 gefdlofien, welhe als Wahlcapitula: 
tion von den Nachfolgern beijchworen wurde und 
dem Lande eine Verfaſſung gab. Sein Nachfolger 
Pialzgraf Robert (1463—&0) wurde dburd eine 
Empörung vertrieben und ihm, als er Karl den 
Kühnen von Burgund zur Hülfe rief, Hermann 
von Heſſen zum Adminiftrator gejeht, weldyer ſich 
ald Hermann IV. (1480—1508), wie aud fein 
Nachfolger Philipp II. (1508—15) ald tüchtiger 
Erzbifchof auszeichnete. Unter Hermann V. von 
Wied (1515—16) drang die Neformation in das 
Zand ein, und Hermann wurde, ald er fich ihr 
günftig zeigte, durch Adolf III. von Schauenburg 
1546-56) erjett, welcher, wie fein Bruder An: 
ton (1556—58), den Katholicismus wiederherzu: 
ftellen fuchte. Indeß verblieben die weltlichen Ge: 
biete Jülich, Berg, Cleve, Mark, Mörs, Havens: 
berg, Sayn, Homburg, Soeft, Dortmund meift 
dem Protejtantismus. Der Umfang des Erzbis: 
thums ſchmolz in diefer Zeit immer mehr zujam: 
men, die Nachfolger, unter denen Gebhard II. den 
Proteſtantismus vergeblid wieder einzuführen 
ſuchte, vermochten das Sinten des Staates nicht 
aufzuhalten. Ferdinand von Bayern (1612—50) 
war eine Hauptſtütze der katholifchen Liga. Mari: 
milian Heinrid) von Boyern (+ 1688) erließ das 
kölniſche Landrecht 1663; mit feinem Koadjutor 
Egon von Fürftenberg war er gänzlid) der fran— 
söhifehen Politik ergeben, von welder ſich aud 
zum großen Schaden des Landes wie des Reiches 
jeine Nachfolger nicht losreißen fonnten. Joſeph 
Clemens (1658— 1723) verfiel deßhalb im ſpa— 
nifhen Erbfolgefrieg der Reichsacht und lebte 
1706 bis zu feiner Keftitution im Friedensſchluſſe 
zu Utreht 1715 in der Verbannung. Clemens 
Auguft (1723—61), zugleih Bifdo; von Mün- 
jter, Paderborn, Osnabrück und Hildesheim und 
Deutjchmeifter, ein reicher und pradtliebender 


492 


ı Fürft, baute die Schlöffer zu Bonn, Poppelsdorf 
und Brühl. Unter Marimilian Friedrih (1761— 
gewejen. Die Reformverfuche der Kurfürften Her: 


Könige, bie heil. drei 


84) wurde die Univerfität Münfter 1773 und bie 
Akademie zu Bonn 1777 geftiftet, welche 1786 in 
eine Univerfität umgewandelt wurde. Marimilian 
Franz, Erzherzog von Defterreih, Bruder Jos 
ephs II. (1784—1801), trat der Emfer Puncta⸗ 
tion bei und mußte 1797 vor den Franzoſen fliehen. 
Obgleich in Anton Victor 1801 ihm noch ein Nach 
folger gewählt mar, wurde das Stift 1803 jäcula= 
rifirt. Der linksrheiniſche Theil der Länder fiel an 
Frankreich, die oftrheinifchen an verfchiedene Her— 
ren. In kirchlicher Beziehung wurde der franzöfifche 
Antheil zum Bisthum Aachen geichlagen, für das 
übrige Land trat Sediävacanz ein, und es wurde 
vom Domcapitel, welches nad Arnsberg verlegt 
war, durch Generalvicare verwaltet. Durch Die 
Bulle de salute animarum ward dann 1821 das 
Erzbisthum mwiederhergeftellt mit den Suffragan— 
biäthümern Münfter, Baderborn, Trier, zu denen 
1861 Dsnabrüd hinzutrat. 1824 wurde der Erz: 
biſchof Friedrih Auguft von Spiegel ermäbhlt, wel: 
cher das Stift in 44 Decanate theilte und das Dom: 
capitel regenerirte. Ihm folgte Clemens Auguſt II. 
von Drofte:Vifchering 1835 —42, welcher durch den 
Streit über die gemifchten Ehen und gegen ben 
Hermeſianismus ald Vorkämpfer des Ultramon: 
tanismus auftrat. Nach feiner Entfernung nahm 
der fpätere Cardinal Johann von Geiffel den erz- 
biihöflihen Stuhl ein, dem 1867 Erzbifhof Pau: 
(us, vorher Biihof von Dänabrüd, folgte. Erft 
aus der franzöfiihen Herrfchaft rühren die An- 
fänge der evangelifchen Gemeinden zu Köln und 
Bonn her. Bon 1817—25 war Köln der Sit des 
Eonfiftoriums für Cleve:-Jülih:Berg, welches da⸗ 
nach mit dem zu Coblenz vereinigt wurde. 

König, Geora, geb. 1590 zu Amberg in ber 
Pfalz, ſtarb als Brofeffor zu Altdorf 1654. Er 
fchrieb die Casus conscientiae. 

König, Johann Friedrich, Iutheriicher Dogma: 
tifer. Geb. am 16. October 1619 zu Dresden, ftu: 
dirte er zu Leipzig und Wittenberg, ward ſchwedi— 
ſcher Hofprediger, 1651 Profeſſor der Theologie zu 
Greifswald, 1656 Superintendent zu Medlenburg 
und Ratzeburg und 1659 Brofefjor der Theologie 
zu Roftod. + 1664. Sein Hauptwerk: Theolog. 
positiva acroamatica, Roft. 1664, wurde viel ge: 
braucht und bildet die Grundlage zu dem berühm: 
ten Buche des J. Andr. Quenftedt. 

König, Samuel, geb. 1670 zu Gergenfee im 
Canton Bern, ftudirte er zu Bern und Züri und 
wurde auf einer wifjenfchaftlichen Reife der begei— 
fterte Anhänger des Chiliasmus von Beterfen 
(f d. Art.). Als Spitalprediger in Bern ſchloß er 
fich den Bietiften an und wurde deßhalb von der 
Neligiond:Commiffton, da er den Afjoriationseid 
nicht leiften wollte, ded Amtes entjegt und des 
Landes verwiejen. An Herborn von Profeſſor Horch, 
in Halle von den Pietiften und in Niederdodeleben 
bei Magdeburg von feinem Freunde Beterjen gut 
aufgenommen, ward erendlic 1712 Hofprediger zu 
Büdingen. Nad) Bern durfte er 1730 zurüdfchren 
und wurde Brofeffor der orientalifchen Sprachen 
und der Mathematif. Er unterhielt hier ſowohl die 
Verbindung mit feinen alten Freunden, wie er 
auch durch Reifepredigten die Ausbreitung feiner 
Anfichten zu fördern fuchte. + 1750. Vgl. Trechfel 
über ihn im Berner Tajhenbud 1852. 

Könige, Die heil, drei. S. Dreilönigäfeft. 


Könige, Bücher der 


Könige, Bücher der. Die Eintheilung diejes im 
bebräifhen Tert urjprüngli nur einen Buches 


493 


! 


| 


Königthum in Sfrael 


einftellen ließ. 1523 predigten im Dome 2 Dom: 
herren, Georg Schmidt und Urban Sommer (+ 


in zwei Bücher ift der Septuaginta entnommen. 1543), dad Evangelium und feit 1523 wirkten 


Es beſchreibt die Gejchichte des Volkes Iſrael von 
Davids Ende an bis zum Untergange des Neiches 
Juda oder bis zum Babyloniichen Ertl und läßt ſich 
etwa in 3 Abfchnitte teilen: 1) die Geſchichte Sa— 
fomo’3 (1. Kön. 1— 11); 2) die Gejdichte der ge: 
trennten Reiche (1. Kön. 12 — 2. Kön. 17); 3) die 
Geſchichte Juda's nach Iſraels Untergang (18— 25). 
Die Darſtellung iſt eine pragmatiſche, von dem 
Geſichtspunkt aus, daß jede Verſchuldung zurſStrafe 
führt und jedes Verderben feine Urſache in der 
Sünde habe (1. Kön. 13, 34 f.; 15, 4 f.; 29; 16, 
7; 2. Kön. 24, 3 f. u. öft.). Namentlid) tritt ein 
—— Geſichtspunkt in Auffaſſung, Art der 

arſtellung und Tendenz bemerklich hervor (1. Kön. 
13, 14. 17—22; 2. Kön. 1—9; 13; 18—20). Be: 
nugte Quellen werden ausdrüdlih ceitirt: eine 
Geſchichte Salomo's (1. Kön. 11, 41), eine Ge: 
fchichte der Könige Juda's (1. Kön. 14, 24; 15, 
1.23; 22, 46; 2. Kön. 8, 23; 10, 20 u. ö.), eine 
Geſchichte der Könige Iſraels (1. Kön. 14, 19; 
15, 31; 16, 5 u. 5.), worunter Brivatichriften, 
ſchwerlich aber amtlich verfaßte Reichsannalen zu 
verstehen find, weil dazu ſchon die ganze Auffaſſung 
der Könige nicht paßt. Die Quellen, welche theil: 
weife noch hervortreten (bis auf diejen Tag mit 
verihiedenem Datum, 1. Kön. 8,8; 9,13; 21; 
10,12; 12, 19; 2. Kön. 8, 22; 10,27 u. ſ. w.), find 
von dem Verfaſſer im Ganzen einheitlich verar: 
beitet, fo daß das Ganze von einem Geifte und 
einer Auffaffung beherrſcht ift (vgl. 1. Kön. 11, 
43; 14, 20. 31; 15,8. 24; 20,51; 2. Kön. 8, 24; 
13, 9; 14,29; 15,7. 38, Die Charafteriftif der 
Könige, 1. Kön. 15, 3. 11; 22, 43; 2. Kön. 12, 
3; 14,3; 15,3. 34; 18, 3; 22, 2; 2. Kön. 3,3; 
11,29—51; 13,2—11; 14,24; 15,9.18u.ö. Die 
Ausdrüde von Erwählung der Stadt, 1. Kön. 8, 
16. 24; 9, 3; 11,36; 14, 2; 2. Kön. 21, 4—7; 
22, 27). Einzelne Widerſprüche und Wiederholun: 
gen find bemerkt worden (Thenius): 1. Kön. 9, 
22 und 11, 8; 1. Kön. 21, 19 und 2. Fön. 9, 26; 
1. Kön. 9, 27. 28 und 10, 22; 2. Kön. 9, 14 und 
16 vgl. 8, 28. 29 und 13, 12; 13. Eine Erzählung 
von eigenthümlicher Färbung ift die über Elias 
und Eliſa und ift ohne Zweifel der Bolfstradition 
entnommen. Die Chronologie des Buches ift jehr 
forgfältig (1.Rön.2,11;6,1;11,42u.j.m.). Die 
Zeit der Abfafjung beſtimmt ſich nad) 2. Kön. 2,5, 
25 lange nad) Sofa, nad 1. Kön. 8, 34. 47; 9, 
7;2. Kön. 20, 17; 25, 24 in der zweiten Hälfte 
des Exils. — Bol. Keil, Commentar über die 
Bücher der Könige, 1845, Jane Keil's neue Bear: 
beitung in dem mit Deligich herausgegebenen bi: 
bliihen Gommentar, Leipzig 1865; Thenius, die 
Bücher der Könige, 1849. 

Königlihes Amt Chriſti. S. Amt und Erlö: 


ung. 

Königöberg. Die 1256 nad der Eroberung 
Samlands durd) ein Kreuzheer unter Ottokar von 
Böhmen gegründete Stadt war von 1457—1525 
Refidenz der Hochmeiſter des in ei Drdend 
und zugleich Biſchofsſitz. Der * palt zwiſchen 
Orden und Geiſtlichkeit, der Zerfall des erſten und 
die Sittenlofigkeit der legtern bereiteten dem Ein: 

ang der Reformation im Volke einen günjtigen 
den. Befördert wurde diejelbe 1519 durch den 
Biſchof Georg von Polenz, ber die Procefjtonen 


Johann Briesmann aus Cottbus und en 
Amandus (F 1530 zu Goälar), denen Paul Spes 
ratus und Poliander fich anſchloſſen. Schon 1524 
jtellte ver Raih eine evangeliihe Armenordnung 
auf. Die Univerfität ftiftete Markgraf Albrecht 
1544. Es lehrten dort die Theologen Dfiander, 
Stancarus, Önapheus, in neuerer Zeit Olshau— 
fen, Dorner, Hävernid. Der große Philofoph Kant 
nennt Königsberg feine Baterjtadt. K. ift der Sitz 
des Confiftoriums für die Brovinz Preußen. 

Königögejeß nennt man 5. Mof. 17, 14—20, 
weldye Stelle für die Frage in Betracht gezogen 
wird, ob das Deuteronomium von Moje herrührt 
oder ob es die Königszeit vorausjegt. 

ſtönigsrecht. S. Königägejeg. Die Stelle 1. 
Sam. 8, 11 ff. enthält nicht ſowohl ein gejegliches 
Recht, als vielmehr die Schilderung der thatſäch— 
lich fich bildenden Verhältniſſe, wie he in den mor⸗ 
genländifchen Defpotien vor Augen lagen. 

Königsthal, 1. Moſ. 14, 17, ein Thal in der 
Nähe Jerufalems, wo Meldijedef mit Abraham 
zufammentraf. 

Königthum in Iſrael. In der Mofaifchen Ge: 
ſetzgebung ift das Königthum in feiner Weife vor: 
gejehen oder beabfichtigt gewejen ; der Gedanke 
an eine zufünftige Nothwendigteit deöjelben lag 
Moſes um jo ferner, als fie in der That gar nicht 
vorhanden war, wenn nah Mojed Plan und Befehl 
Iſrael das ganze gelobte Yand in Befig nahm. 
Denn alsdann hätte das Volk ein Gebiet inne ges 
habt, welches, rings von der Wüſte umgeben, e3 
von dem Berfehr mit andern Völkern abgefchnit: 
ter und ibm erlaubt hätte, in freier Stammes: 
verfaſſung feinen religiöjen Volksgeiſt auszubilden. 
Eine Einigung des Volkes, jo daß die Stämme 
nit auseinanderfallen mödten, lag immer in 
dem Nationalheiligthgum und dem Prieſterſtande 
mit dem Hohenpriejter. Führer des Volks, jei es 
in der Entwidelung feines Volkslebens, jei es im 
Vertheidigungsfriege gegen feindliche Angriffe, 
follten aus der prophetijchen Begeifterung geboren 
werden und eben darum millige und allgemeine 
Anerkennung finden. Mit Recht fahen daher jo: 
wohl Gideon, Richt. 8, 22. 23, als Samuel, I. Sam. 
8, 7,in dem Verlangen des Voltes nad) Aufrich— 
tung eines Königthums eine Gefährdung der theos 
fratiihen Grundſätze der ganzen Berfaflung, 
worin ihnen der Erfolg troß des Sceines bed 
Gegentheils auch nicht Unrecht gegeben hat. Denn 
wenn die Theokratie auch unter dem Königthum 
beitehen fann und die Handhabung des religiöfen 
Staatögejeges durch den König gefräftigt er 
ſcheint, fo tft dies doch nur möglid, wenn ders 
* an der Spitze einer organiſirten Briejter: 
haft jteht, die eben dadurch aber in Gefahr ge: 
räth, ein Werkzeug des abjoluten Königswillens 
zu werden. Die Stellung der Propheten aber wurde 
im Königthum nothwendig eine noch viel mehr 
gefährdete. Die Noth der Zeit überwand jedoch 
alle Bedenken, denn auch die auf ihre Unabhäns 
gigkeit eiferfüchtigen Stämme würden ohnedied 
ſich nicht leicht einem Könige unterworfen haben; 
aber Eli hatte gezeigt, daf dem Hohenpriefter, und 
Samuel, daß dem Propheten die Führerjchaft in 
kriegeriſchen Zeiten nicht verbleiben Lönne, und 
daß noch weniger die auf individueller Begabung “ 


Königthum in Iſrael 


494 


Köftlin 


ruhende Kraft auf die Söhne übergehe. So fommt | Ganz abweichend bavon iſt aber Salomos Erbe: 
es freilich zur —— des Königthums in! bung. Dieſelbe, verglichen mit der Thronbeſteigung 


Saul, aber dasjel 
felbftändig zu bewegen anfängt, in ausgeſproche— 
nem Zwiejpalt mit Samuel; dem eriten Könige 
jegt der Prophet den Gegenlönig in David ent: 
gegen. Ein der Moſaiſchen Gejeggebung entſpre— 
hendes Königthbum tritt nun unter David und 
Salomo auf. Königthum, Prieſterthum und Pro: 
phetenthum ericheinen in völligem Einklang, das 
nationale Königthum bat fih die Erfüllung des 
religiöfen Gejeges volljtändig als Zweck gejegt, 
aber die Propheten find an den Hof gefettet und 
eine mögliche Dppofition des Prieſterthums ift 
bejeitigt. Die Theokratie neigt zur unumſchränk— 
ten Dejpotie in Salomo und Rehabeam. In 
dem Reihe Ephraim jtreifte das Königthum den 
theofratiichen Charakter immer mehr ab, die Pro: 
pheten, welde ſich meiftens aus Juda dorthin 
wandten als die Vertreter des freien religiöjen 
Elementes, traten zu den Königen in immer ſchär— 
ere Oppoſition, und dieje, hineingezogen in die 

erwidlungen des vorderafiatiihen Staatöle: 
bens, verlernten immer mehr die Religion als 
Staatszweck zu erfennen. Der fortwährende Wed: 
fel der Dynajtien trug nur dazu bei, das König— 
thum zu verweltlihen. In Juda hatte die furze 
Zeit unter David und Salomo durd) ihren Glanz 
und ihren Ruhm nicht nur hingereicht, dem Staate 
ein unverlierbares Gepräge aufzubrüden, ſondern 
auch ihm eine gejchichtlihe Erinnerung zu geben, 
an der das Nationalbewußtjein erjtarfen fonnte 
und welde allen Hoffnungen desjelben eine be: 
ftimmte Form darbot. Die Reihshoffnung Judas, 
das Meſſianiſche Königthum, iſt das von feinen 
Maleln entkleidete und idealifirte Davidijche Kö— 
nigreih. So hat auch der Glaube Davids, daß er 
den Thron durch göttliche Schidung erlangt habe, 
in Verbindung mıt der Erinnerung an feine Be: 
günftigung dur Samuel und die Propheten und 
mit der Erfenntni von der Förderung, welche das 
“ ftaatlihe und religiöfe Leben durch ihn empfan: 
gen, die Auffaffung des Königs als des Gejalbten 
Gottes hervorgerufen. Der theofratifhe Gedante 
beichräntt aber auch den König. Priejter und Pro: 
pheten, jeine natürlichen Verbündeten, treten ihm 
in einer Weife entgegen, die fajt die Ehrerbietung 
vermifien läßt. Die Abhängigkeit der fpätern jü— 
diſchen und iſraelitiſchen Könige von Afjyrern und 
Babyloniern hatte feinen Einfluß auf ihre Stel: 
lung nad) innen, da fie nur zu Tribut und Hee— 
resfolge verpflichtet waren. — Das Königthum 
der Hasmonäer tft ein rein tyeofratifches, aud) der 
Form nach ausgebildeter, ald das Davidiſche, indem 
das —— —* und Königthum auch wirk⸗ 
lich in einer Perſon vereinigt find, in den Augen 
der Pharifäer illegitim, weil das Haus Davids 
allein berechtigt jei; die hasmonäiſche Dynaftie 
rief die Feindſchaft derjelben hervor, als ihre Glie— 
ber politiſchen und nicht bloß national-religiöfen 
Intereſſen fich zumendeten. Das Königthum der 
Herodianer ijt ein rein politifches, welches die re: 
ligiöfen Intereffen nur zum Vorwand der poli: 
—** benutzte. — Daß Weiber an der Spitze des 
Staates geſtanden, iſt im ganzen Laufe der jüdi— 
ſchen Geſchichte nur, Ad a von der Richterin 
Debora, bei Athalja (384— 378) und bei Alexan⸗ 
dra (79—70), der Wittme des Jannäus, vorge: 
!ommen. Sonſt galt das Recht der Erftgeburt. 


e entwicdelt ſich, ſobald er fich | Rehabeams, zeigt, daß das Recht der Königswahl 


noch nicht gänzlich in Vergeffenheit gelommen war. 
Bal. 2. Chr. 11, 12; 2, Kan. 23, 30. Da das Kö: 
nigthum aus der Führerjchaft im Kriege erwuchs 
und ſich erjt Anerkennung erringen mußte, To 
drangen die morgenländijhen Herricherfitten erit 
allmählich ein. Zuerit der Harem, 1. Kön. 11, 3, 
und dann die Menge anderer orientalijchen Ge: 
wohnheiten. Ein ausgedehnter Hofftaat wird er: 
wähnt. Der Oberhofmeifter, Nagid al habajit, 
1. Kön. 4, 6; 18, 3; der Rentmeifter, 2, Sam. 
20, 24; der Hleidermeifter, 2. Kön. 10, 22; der 
Schatzmeiſter, 1. Chr. 27, 25; der Mundjchent, 1. 
Kön. 10, 5; auch die Leibwache der Krethi und 
Plethi. Die Einkünfte der Könige floffen aus den 
Domänen, dem Tribut der zinspflichtigen Yänder, 
aus dem Antheil an der Kriegsbeute, Hreimiligen 
Geſchenken, Naturalabgaben und Frohndienften. 
Eine Bermögensfteuer wird nur ald Ausnahme 
erwähnt 2. Kön. 23, 35. Als Infignien des Kö— 
nigthums werden genannt dad Diadem, 2. Sam. 
1, 10; die Krone, 2. Sam. 12, 30; das Scepter, 
Eſth. 4, 11, und der Thron; fpäter unter den 
Hasmonäern der Burpurmantel, 1. Makk. 6, 15. 
Man begrüßte fie, indem man niederfiel, 1. Sam. 
24, 9. Bei der Thronbefteigung jcheint die Sal: 
bung nicht immer erfolgt zu * nur bei Begrün⸗ 
dung einer neuen Dynaſtie oder in zweifelhaften 
Fällen als Zeichen der göttlichen Wahl. Die Hul— 
bigung wird bejcdhrieben 1. Kön. 1, 33—40; 2. 
Kön. 9, 13. 
Köftlin, Julius, Profeffor und Dr. der Theolo= 
ie, Mitglied des Brovincial:Confiftoriums zu 
Breslau Heit 1867. Geboren 1826 zu Stuttgart, 
beffeidete er nad) vollendeten Studien das Amt 
eines Nepetenten am evangelijhen Seminar zu 
Tübingen 1850 — 55, wurde außerordentlicher 
Brofeftor und zweiter Univerfitätöprediger in Göt: 
tingen 1855—60 und folgte dann einem ehrenvollen 
Kuf nad) Breslau, Schriften: die ſchottiſche Kirche, 
ihr inneres Leben und ihr Berhältniß zum Staate, 
1852; Luthers Lehre von der Kirche, 1853; das 
Wejen der Kirche nach Lehre und Geſchichte des 
Neuen Teftaments, 1854; der Glaube, fein Weſen, 
Grund und Gegenftand, feine Bedeutung für Er: 
tennen, Zeben und Kirche, Gotha 1859; Luthers 
Theologie, 2 Bde., Stuttg. 1563. 

Köflin, Karl Reinhold, Profeffor und Dr. der 
Bhilojophie. Geboren den 20, September 1819 zu 
Urach in Württemberg, docirte er nad) vollendeten 
Studien 1846 als Repetent am evangelifch-theolo: 
giſchen Stift, jeit 1849 als Privatdocent theolo- 

iſche und philofophifche Fächer an der Univerfität 
Füfingen, wurde 1857 zum außerordentlihen und 
1863 zum ordentlichen Profeflor in der philoſophi⸗ 
ſchen Facultät ernannt und zwar für Aeſthetik und 
Kunſtgeſchichte. Diefen Fächern hatte er ſich in den 
5Ver Jahren mehr und mehr zugewandt, und zwar 
um fo entjdiedener, als die Baur'ſche hiſtoriſch⸗ 
fritifche Behandlung der Theologie, welche auch die 
feinige ift, mehr und mehr Hemmung in dem Das 
maligen Tübingen fand. Theologiſche Schriften: 
der Lehrbegriff des Evangeliums und der Briefe 
Johannis und die verwandten neuteftamentlichen 
Xehrbegriffe, Berlin 1843; der Urjprung und die 
Compoſition der ſynoptiſchen Evangelien, Stutt: 
gart 1853; das gnoſtiſche Syitem des Buches 


Koheleth 


Pistis-Sophia in Zellers theol. Jahrblichern, 1854. 
Neuefte Schriften: Göthe's Fauft und feine Aus: 
leger, Tüb. 1860; Aejthetif, Tüb. 1363—68. 
Koheketh. S. Salomo oder Prediger. 
Kohlbrügge, 9. F., Dr. theol., Baftor der nie: 
derländifch: reformirten Gemeinde zu Elberfeld, 
die fi unter feiner Führung von der unirten 


495 


Kolofjerbrief 


tet, von ber der Gnoftifer Marcus behauptet, daß 
er von ihr feine Weisheit mitgetheilt erhalten babe. 
Kollenbufd (Collenbuſch), Dr. Samuel, geboren 
am 1. September 1724 zu Wichlinghauſen bei 
Eiberfeld, ftudirte 1745 in Duisburg, 1747 in 
ı Straßburg Medicin und wirkte 1754—84 als Arzt 
in Duisburg, in defjen Nähe er eine Schmelze ein: 


Sandesfirche Preußeus getrennt hat. Geboren am | Tihtete und ſich mit aldymiftiihen Verſuchen be: 


15. Auguſt 1803 zu Amijterdam von einem deut: 
fchen, Iutherifchen Bater und einer wejtfriefifchen, 
reformirten Mutter, jtudirte er auf dem Amiter: 
damer Athenäum. 1827 Hülfsprediger an der „Her- 
stelde Luther'sche Gemeente“ zu Amfterdam, 
führte eine von ihm ausgehende Beichwerde gegen 
einen rationaliftifchen Prediger derjelben Gemeinde 
feine eigene, tumultuarifche Abjegung herbei. K. 
wurde 1824 in Utrecht auf Grund einer Abhand: 
lung über Pſalm 45 promovirt und wendete fich 
als Privatgelehrter immer mehr Calvins Lehre 
„von der alleinigen Rechtfertigung durch den Glau—⸗ 
ben” und „der Gnadenwahl“ zu. Seine beantragte 
Aufnahme in die reformirte Kirche der Nieder: 
lande wurde troß aller Bemühungen des Gultus: 
minifterö abgelehnt, und feine Berufung als Pro: 
feffor der morgenländifhen Spraden zu Leyden 
bintertrieben. Die reformirten Kanzeln Hollands 
ftehen K. erft ſeit dem eg 1863 offen. 
Seit 1846 tft er Prediger in Elberfeld. Hauptigrif: 
ten find: Commentarius in psalmum 45, Amst, 
1829; eine neue Ausgabe des Hugo Grotius pa- 
pizans auctore Laurentio, Amst. 1830; das 7. 
Gapitel des Römerbriefes in ausführlicher Um: 
fhreibung, Elberfeld 1852; Wozu das Alte Tefta: 
ment ? Elberfeld 1853 ; Sermons of thefirst epistle 
of Peter, London 1855; zwanzig Predigten, Halle 
1857. Außerdem find viele einzelne Predigten, 
meift eregetiihen Inhalts, vorhanden. Den jtreng 
orthodoren altreformirten Lehrbegriff, untermijcht 
mit Eigenthümlidjfeiten von K., enthält der von 
ihm ausgearbeitete und in fat alle europäiſchen 
Sprachen überjegte Katechismus. 

Kohler, Shriftian und Hieronymus aus Brügg: 
len im Ganton Bern, der Erjtere ein Tagelöhner, 
der Andere ein Wagner, melde jhon ald Knaben 
zum Wahrjagen von ihrem Vater benugt, in ber 
Erwedlungsperiode von 1745 als Propheten und 
Seher aujtraten. Sie nannten ſich die zwei Zeus 
gen der Offenbarung, verhießen die Geburt des 
Beltheilandes von einer nicht gut beleumundeten 
Berion, der Elifabeth Kißling, und die Nähe des 
Gerihtd. Unzucht und Eigennug wurden mit 
Scriftworten gutgeheißen und Viele verführt. 
1750 wurden Beide auf 6 Jahre verbannt. Da fie 
ist Unweſen weiter trieben und arge Dinge zu 
Tage famen, ward ein Preis auf ihre Köpfe geient, 
Hieronymus 1752 verhaftet und nad) dem Urtheil 
deö großen Rathes hingerichtet, feine Leiche ver: 
brannt. Sein Bruder faß eine Zeit lang in Neuen: 
burg in Haft und ift dann verichollen. Katholi: 
ſcherſeits * man von H. Kohler den Beweis für 
eine proteſtantiſche Inquiſition geführt. S. Weter 
und Welte. 

ſtolarbaſus, ein Gnoſtiker von mythiſchem Cha⸗ 
rakter, deſſen Exiſtenz das Mißverſtändniß einer 
Stelle bei Irenaͤus (J, 14, 1) veranlaßt hat. Volk— 
mar hat (Niedners Ztichft. für hiſt. Theol., 1858) 
gezeigt, daß jenes Wort YIIN 53, d.h. alle vier, 
die myftifche Vierzahl der oberjten Aeonen bedeu⸗ 


Ihäftigte. In feinen 18. Jahre al3 Confirmand 
erwedt, bildete er jeit 1760, angeregt durch den 
Württemberger Frider und das Studium der 
Schriften ker der Detingers und Böhme's, fein 
men ibliiches Syftem aus, defien Mit: 
telpunft der Ehriftus in und und die eigene Hei: 
ligung ift und in realer buchftäblicher Auffeflung 
der Schrift, in der Lehre vom 1000jährigen Reid) 
gipfelt. Als Arzt in Barmen lebend, in den legten 
Xebensjahren erblindet, gewann er feiner Auffafs 
fung viele Anhänger und war Mitbegründer des 
Barmer Mifjionsweiens. + 1803. Er ftand in 
engem Berfehr mit den Brüdern Hafenfamp, Ter: 
fteegen, Jung Stilling u. U. Menten bildete jeine 
Lehre reinigend weiter aus. Noch gegenwärtig find 
feine Anhänger im Wupperthal verbreitet. Pal. 
Göbel, Geh. des hriftlichen Lebens, Vorrede; 
Krug, krit. Geſch. der proteft.:relig. Schwärmerei 
und Sectirerei im Großh. Berg, Elberfeld 1851. 
ſtol⸗Ridre. S. Col:Nidre. 

Kolofierbrief. Der Inhalt dieſes Sendſchrei— 
benszerfällt in zwei lee: einentheoretifhen (Gap. 
1 und 2) und praftiichen (3 und 4). Der eritere 
enthält nad) der Adreſſe, der ed für die 
den Lejern im Chriftenthbum zu Theil gewordene 
Hoffnung eine Bitte zu Gott, daß legtere deö Herrn 
würdig wandeln möchten, mit Hinweifung auf die 
Herrlichkeit Defjen, welcher fie erlöft hat und über 
deſſen Weſen und Bedeutung ſich nun eine weitere 
Ausführung anliegt, und mit Hinmeijung auf 
den leidenden Apoftel, welcher die Leiden Chrifti 
für die Gemeinde ergänzt (1). Hierauf folgt eine 
Ermahnung, amüberlieferten Glauben durch faljche 
Weisheit ſich nicht irre machen zu laffen ; indem 
fie bedenken follen, daß fie mit Chriftus durch 
feine Erlöfung zu einer innigen Lebendgemein: 
ſchaft verbunden find, been die angedeuteten 
Irrlehrer näher geſchildert werden (2). 
Theil enthält Ermahnungen zur Ablegung alles 
beidnijchen Weſens und Annahme des — 
(3, 1—17), zur chriſtlichen Durchbildung der 
häuslichen Verhältniffe (3, 18—4, 1), zu Gebet 
und Weisheit (4, 2—6), woran ſich perjönliche 
Bemerlungen anſchließen. — Veranlafjung des 
Schreibens: Kolofjä (oder Kolaflä), eine Stadt 
Großphrygiens, am Lykus gelegen, war in der 
Hriftlihen Zeit zu einer unbedeutenden Stadt 
herabgeſunken (heute ein Dorf Chonus). Obgleich 
nun der Apoftel die Landſchaft Phrygien zweimal 
(Apftg. 16, 6 und 18, 23) miffionirend durchreifte, 
verlangt doch die Stelle Kol. 2, 1 die Annahme, 
daß er ſelbſt Koloſſä, wie auch das bedeutendere 
Laodicea nicht bejucht hat. Vielleicht war Epaphras, 
ein Koloffer und Schüler des Apoftels, der Grün: 
der der Gemeinde (1,7; 4, 12 und 13). Die Ans 
funft diefes Mannes bei dem gefangenen Apoſtel 
veranlaßte die Abjendung dieſes Schreibens, wel- 
ches Tychicus übermittelte, — Als Zwed des Brie: 
fes tritt zunächſt der praftijche hervor, die Koloſſer 
zu einem ihres chriftliden Berufes würdigen 
Wandel zu ermahnen; allein allenthalben finden 


er zweite 


Koloſſerbrief 


—* im Briefe noch Anſpielungen und polemiſche 
eziehungen auf gewiſſe Irrlehrer, welche das 
Gemeindeleben beunruhigten. Welche Religions: 
partei darunter gemeint, iſt immer noc) eine ftrei- 
tige Frage. Als veraltet erſcheinen wohl die An: 
fihten, welche in ihnen Juden mit theojophiicher 
Richtung (Junker, Schnetenburger) oder eine grie: 
chiſche oder orientaliſche — heidniſchen 
Urſprungs (Hug) zu entdecken glauben. Für die 
Anſicht, welche chriſtliche Eſſäer in den Angegrif— 
fenen ſieht (Credner, Thierſch), ſpricht die beiden 
emeinſame Verehrung der Engel und die aſteti— 
che Richtung, wogegen jedoch die abgeſchloſſene 
Lebensweiſe der Eſſäerſecte eine Ausbreitung der: 
felben nad) Kleinafien nicht leicht annehmbar 
madt. Es hat fi daher die Mehrzahl der Aus: 
leger dafür entſchieden, daß darunter bereits gno— 
ſtiſche Erfcheinungen zu erbliden feien und zwar 
foldye, weldye jehr ſtark von jüdischen Elementen 
durchdrungen gewejen find, womit folgende im 
KRolojierbriefe angegriffene Lehren übereinftim: 
men: 1) wurde Chrijtus als ein den übrigen Ge: 
ihöpfen gleichftehendes Wejen gedacht (1, 15; 2, 
9); 2) wurden Engel verehrt, nach gnoſtiſchem 
Sprachgebrauch „Aeonen“, vor welchen Chriitus 
aurüdtreten mußte (1, 16; 2, 10 ff.); 3) deutet 
vielleiht die Betonung der Schöpfung „in Chri: 
ſtus“ auf eine durd) den jogenannten Demiurgen 
vollzogen gedachte Weltihöpfung hin (1, 16 und 
17); 4) war ajfetijhe Seibftverleugnung und 
„Richtverfhonung des Leibes“, Falten und Frenge 
Beobachtung von Fafttagen (2, 21 ff.) die prafti: 
ſche Seite dieſer ketzeriſchen Richtung. Dieſe Lehre 
hat Aehnlichkeit mit der Lehre des Gnoſtikers Ce: 
rinth, jo daß fie entweder als ein Uebergang zur 
Cerinth'ſchen Lehre (Meyer) oder als dieſe ſelbſt 
(Meyerhoji) oder als eine jpätere ähnliche Rich— 
tung, wie die gnoftiichen Ebionit’n (Baur) betradh: 
tet wurde. — Die häufig? oft wörtliche Ueberein: 
ſtimmung unjeres Briefes mit dem Ephejerbriefe 
hat die Br hervorgerufen, weldyer von bei: 
den der ältere ei, eine Frage, die aber immer 
noch nicht zur Entſcheidung gelommen ift. Die 
Abhängigkeit unferes Briefes und in Folge deſſen 
jeine Unechtbeit hat namentlich Meyerhoff (1833) 
aus ſprachlichen und fahlihen Gründen zu be: 
weiſen gejucht, während die Mehrzahl der Aus: 
leger an der Originalität des fürzeren, gedrunge: 
neren, geordneteren Kolofjierbriefes feithalten (de 
Wette zum Nachtheil der Echtheit des Ephejerbrie: 
fes). Die Unechtheit wurde nach Meyerhoff dann 


496 





rail 


Konrad von Marburg 


frühern 3. ®. Bleek annimmt, zu verlegen fei. 
Vol. zur Kritik: Meyerhoff, der Brief an die Kol, 
mit Berüdfichtigung der Bajtoralbriefe, 1838; 
Klöpper, de origine ep. ad Ephesios et Colossen- 
ses a critieis Tabingensibuse gnosi Valentiniana 
deducta, 1553, Zur Kritit und Eregefe: die Com: 
mentare von Junker, 1823; Bähr, 1833; Böhmer, 
1835; Steiger, 1535; Huther, 18411; de Wette, 2. 
Ausg. 1847, Meyer, 3. Ausg. 1865; Schleier: 
machers Predigten über den Brief, Bd. 6 ſ. ſ. W.; 
Ewald, Sendjhreiben des Ap. Paulus, 1857; 
Dalmer, 1858; Scenfel (Lange'3 Bibelmerf), 
1862; Bleek, 1865. 

Komander, Johann (Dorfmann), war fatbo: 
licher Pfarrer zu Igis in Graubündten, 1523 
Meßvrieſter in Chur und wurde 1525 auf Grund 
des Artifelbriefes von 1524 als Pfarrer an der 
Hauptlirche angeftellt. Im Hampfe mit den Ka: 
tholifen und den Wiedertäufern lehrte er hier das 
Evangelium. Gegen die Anklage der Ketzerei ver: 
theidigte er fich fiegreih auf der Disputation zu 
Ilanz durch feine 18 Thejen, feierte danach 1526 
das Abendmahl unter beiderlei Geftalt und ers 
langte die „Reformationsartitel“, welche den Ge: 
meinden das Recht der Wahl und der Entlaffung 
ihrer Geiftlihen gaben. Mit Zwingli und Bullin: 
ger in fortwährender Verbindung, hatte K. den 
größten Antheil an der völligen Organifirung der 
evangeliihen Kirche in Graubündten. Ihm fiel 
die Leitung der 1537. eingerichteten Synode zu. 
Er bemühte fi mit endlihem Erfolg um bie 
Gründung eines Gymnafiums in Chur, war ber 
Plain A der Confessio Rhaetica 1552 und 
ſchrieb feinen Katehismus, welchen 1552 Jalob 
Biveroni ind Romanische überjegte. Biel hatte K. 
mit den italienischen Antitrinitariern zu verhan: 
dein, welche in dem italienischen Theile Grau: 
bündtens ſich einfanden. 1550 von der Peſt er 
griffen, fränfelte er ſeitdem und ftarb 1556. 

Konarsfi, Adam, Biſchof von Bojen 1562 — 74, 
geboren 1500, Er jpielte unter Sigisinund Auquit 
als Diplomat eine hervorragende Rolle und ſtand 
an der Spite der Gejandtichaf’, welche Heinrich 
von Frankreich feine Wahl zum Könige von Polen 
anfündigte, die er aufs eifrigfte betrieben hatte. 
Neben dem Biſchof Hofius der Führer der Hatho: 
lifen, verweigerte er jeine Unterfchrift dem San: 
domirfchen Vergleiche (pax dissidentium) und bes 
rief die Jeſuiten nad Bofen, deren Eolleg er mit 
biſchöflichen Jnfulgütern dotirte. 

Konon, Papit 656—637. Während feines Ron» 


wieder behauptet von Baur (Paulus), welcher bes | tificats ging der heil, Kilian mit päpftliher Er: 
fonders die jahlihe Begründung erweitert hat. | laubniß als Miſſionär nad Thüringen. 


Mehrmals wiederkehrende Ausdrüde, die ſonſt bei 
Paulus nicht vorlommen (E9eAotpnazeia, auduvo- 
Joyie), das Richtvorlommen von jonft bei Paulus 


Kononiten hießen die Anhänger des Konon, 
eines Biſchofs von Tarfus in Cilicien im 6. Jahr: 
hundert, welcher fich der Lehre des Johannes Phi— 


häufigen Wörtern (dıxauavrn, swrngie u. |. w.), loponus angeſchloſſen hatte und wie diefer dem 


die dogmatiſchen, namentlich chriſtoidgiſchen Vor: | 


ftellungen, die gnoftiihen Gegner ſchienen gegen 
die Echtheit zu ſprechen. Bon den neuern Ausler 

ern find diefe Gründe nicht für ausreichend be: 
—— worden, die Echtheit aufzugeben, welche 
von den älteſten Zeiten bis auf Meyerhoff unan— 
gezweifelt geblieben war. Der Zeit nach gehört 
kieſer Brief mit dem Epheſer- und Philemonbrief 
innig zuſammen; die Anſichten gehen darüber 
auseinander, ob ſie in die Gefangenſchaft zu Cä— 
ſarea, wie ſeit Dav. Schulz (1829) mancher neuere 
Ausleger vermuthet, oder zu Rom, wie mit den 





Vorwurf des Tritheismus unterlag. 

Konrad von Marburg, ein Dominicaner. Als 
„glühenden Eiferer für den katholiſchen Glauben“ 
beauftragte ihn Gregor IX. mit mancherlei diſci— 
plinariichen Gefhäften, wie Kloſterviſitationen 
und den Mafregeln gegen die im Concubinat le: 
benden Prieiter. Nach Hente'3 Urtheil ein jehr be: 
deutender nicht unedler Mann, bewies er als 
Beichtvater der frommen Elijabeth von Thürin: 
gen, welche er durch feine Mißhandlungen einem 
frübzeitigen Tode überlieferte und danach heilig 
ſprechen ließ, aud große leidenſchaftliche Härte. 


Konftantinopel 


497 


Korinth 


Mehr noch machte er feinen Namen verhaßt, als Eiferſucht gegen deſſen prophetiihe und Aarons 
ihn der Papſt zum General:Inquifitor in Deutfchs | priefterliche Herrichaft. Ein Gottesurtheil entfchieb 


land gegen die an vielen Orten auftretenden Pa— 
tarener ernannte, Mit einigen Helfeshelfern (un: 
ter ihnen „ber vollendete Schurke” Yohannes) 
mwurben auf bloße Anzeihen hin jehr viele Men: 
{hen verbrannt. Selbjt der Klerus erjchraf vor 
den Beginnen und eine Provincialſynode erklärte 
fi) auf eine Beſchwerde des Adelö gegen ihn. Als 
Konrad aber fich nicht fchreden ließ, in Mainz das 
Br en die Edelleute predigte und felbit gegen 
ben ie von Sayn einen Ketzerproceß begann, 
warb er von diefem und Andern erjchlagen 1233, 
Nach feinem Tode verwunderte ſich jelbft der Bapft, 
daß das deutſche Volk fein Treiben fo * gedul⸗ 
dig ertragen hatte. Vgl. Hausrath, 8.0. M., 1861; 
Hente, 8. v. M., 1861. 


Konflantinopel. ©. Conjtantinopel. 
Konflanz. S. Conjtanz. 
KRoolhans, Kaspar, geboren 1536 zu Cöln, ftus 


dirte in Düfjeldorf, trat 1566 zur reformirten 
Eonfejfion über und ward Pfarrer in Nafjau und 
weibrüden. 1574 an die neubegründete Univer: 
tät Leyden berufen, gab er feine Stelle wieder 
auf, als er 1577 durch 
stiani magistratus circa disciplinam et regimen 
ecclesiae mit der Synode in Streit gerieth und 
trotz feiner Proteftation 1582 ercommunieirt wurde. 
+ 1615 zu Leyden. Im mwejentlihen vertrat er 
die Grundfäge bes jpätern Arminianidmus, 

Kopenhagen. Die Univerfität wurde 1478 ge 
ftiftet; ihre evangelifhe Reform erfuhr fie 15 
durch Bugenhagen. Die U. wurde 1788 erneuert. 
©. Dänemark. 

Koppe, Johann Benjamin, geb. am 17. Auguft 
1750 zu Danzig, ftubirte 1769 in Leipzig unter 
Gellert und Ernefti, 1773 in Göttingen unter 
Ben, ward bort Repetent und, nachdem er eine 

rze Zeit Profefjor der griechiſchen Sprade in 
Mitau geweien war, 1776 Profeſſor der Theolo: 

ie, Univerfitätäprediger und Borjteher des homi— 
—* en Seminars, Als Exeget folgte er der gram: 
matiſch⸗hiſtoriſchen Interpretation und begann 
die Ausgabe des Neuen Teftaments (N. T. gr. 

erpet. annot. illust., 1778), welche nad) feinem 
Kode von Tychfen und Ammon fortgefegt wurde. 
1784 ging er al3 Generalfuperintendent und Ober: 
eonjiftorialrath nad Gotha und 1788 als Eonfi: 
Be und Hofprediger nad) Hannover, wo er 
ich durch die Ausarbeitung und Einführung des 

annöverihen Landesfatehismus und durch die 

mgeftaltung der Schullehrer:Seminare verdient 
madte. + 1791. 

Kopten (im Lande felbft Kibti, pl. Kibt ge: 
nannt, verjtümmelt aus Aegyptius, Alyunrıos) 
‚jind die etwa 200,00 chriſtlich⸗ jakobitiſchen Nach⸗ 
kommen der alten Aegypter, die unter dem Metro⸗ 
politen von Kairo und 12 Biſchöfen ſtehen. Ein 
Heiner Theil iſt römijch: oder griechiſch- unirt. Die 
zahlreiche Literatur ift in der nicht mehr geipro 
chenen koptiſchen Sprade mit griechiſchen Lettern 
(nebſt 6 hieratifh:ägyptifchen Seicpen) geſchrieben 


und beſteht aus der Bibel, Legenden, Homilien 


und einigen gnoſtiſchen Werken. S. auch Aegypten. 

Korad, IP (Korab). 1) Ein Levit, 2. Mof. 6, 
21. 24; 4. Moſ. 16, 1—55, welcher mit den Au: 
beniten Dathan und Abiram und den 250 Stamm: 


fürften einen Auffiand gegen Moſes erregte aus 


eine Schrift de jure Chri- | S 


über fie. Der geſchichtliche Vorgang läßt fi) nicht 
mehr ermitteln. 4. Mof. 17, 1—13 zeigt, daß die 
demokratiſche Partei einen großen Anbang hatte, 
Das Gericht traf aber nicht die Kinder des Korach, 
melde 4. Mof. 26, 58 erwähnt werben und zu 
Davids Zeiten ald die Sängerfamilie, 1. Chr. 
10, 19. 31. — 2) Ein Sohn Ejau’3 von der Dho: 
libama, 1. Mof. 36, 5, 14 vgl. 18. — 3) Ein Sohn 
Hebrons, 1. Chr. 2, 43, 

Koran oder mit dem Artikel Alloran, d. 5. 
Leſung, Schrift, ift das in arabifher Sprache ge: 
ſchriebene Religionsbuch der ammedaner und 
enthält in 114 Abſchnitten oder Suren die dem 
Muhammed zu Theil gewordenen Offenbarungen. 
Der K. gilt als wörtlich injpirirt, eigentlich als das 
ungeſchaffene Wort Gottes. Die in ihm befindlichen 
Widerſprüche werden daher weginterpretirt. Der: 
felbe ift fein zufammenhängend gejchriebenes Wert; 
erft der Khalif Omar 4. durch Zaid, den Sohn 
Thabits, die einzelnen in mündlicher Tradition 
oder in ſchriftlicher Aufzeichnung noch vorhande⸗ 
nen Ausſprüche Muhammeds ſammeln. Dieſe 
ammlung überkam Hafſa, die Tochter Omars, 

die Wittwe des Propheten. Nach zehn a. ließ 
der Khalif Dihmän dur Zaid und Andere alle 
Eremplare, deren man habhaft werben konnte, in 
welchen fi dur die mündliche Ueberlieferung 
große Verſchiedenheiten eingefchlihen hatten, uns 
‚ter fi und mit dem Exemplar Hafja’3 vergleichen 
und daraus eine neue allein gültige Recenfton her: 
ftellen, nad) deren Vollendung alle andern Erem: 
lare verbrannt wurden. Die vorhandenen ver: 
hiedenen Lesarten find fpäter durch die Vocali: 
jation und die mehrfache Bedeutung der ältern 
Schriftzeichen entftanden. Der Inhalt des K. ift 
fehr marmigfach. Gebete, Ermahnungen, gejchicht: 
lihe Schilderungen, Legenden, Gebote und Bor: 
ſchriften wechjeln mit einander. Ebenfo verfchieden 
ift bie Sprache. Der ganze K. ift freilich in gereim» 
ter (vhetortfcher) Bohn verfaßt, aber während ein: 
zelne Stüde von poetiſcher Schönheit und aus lei: 
denfchaftlicher Begeifterung gefloffen find, ift der 
Ton in vielen andern projaifh und ruhig. Die 
Zahl der orientalifhen Commentare zum K. be: 
läuft fi in die Taufende; die hervorragenditen 
find die von Azzamachſchari und von Beidhäwi, 
deutſch von Seihcher, Leipz. 1844, Ein Hülfsmittel 
zum Verſtändniß ift Flügels Concordanz, Leipz. 
1842. Von Ueberfegungen ift die des Crefelder 
Rabbiner Ullmann, 4. Aufl. 1857, fehr mangels: 
haft ; daneben ift die englifche von Ropwell, Lon⸗ 
don und Edinb. 1861, zu nennen. Vgl. Weil, hi: 
ftorifche Einleitung in den K., Bielefeld 1844; be: 
ſonders aber Sprengers Leben von Muhammed, 
und Theod. Nöldele, Geſchichte des K., Gött. 1860. 

Korban, d. h. Darbringung, Opfer, iit das 
eigentliche Gelübdewort der Juden in der Bedeu: 
tung: „es jei irgend eine Sache als Darbringung 
Gott geweiht”, Marc. 7, 11; Matth. 15, 5. 

Korbieft bei den Juden erwähnt Philo; es ift 
jedoch) kein eigenes jtehendes Feſt, jondern die feier: 
‚liche Darbringung der Erftlingsfrüchte zum Tem: 
pel nad) Jerufalem. 

Korinth, die berühmte griechiſche Stadt, welche 
auf der Landenge Iſthmus gelegen, zwei Meere 
—— durch Handel und — 
eine Weltſtadt, durch Kunſt und Gelehrſamkeit ein 

32 





Korinth 
Centralpunlt griechiſcher Bildung, aber aud) eine 


dem Venusdienſt geweihte Stätte ver Unfittlichkeit, | 


war nad) der Zerjtörung durd) den römischen Eon: 
jul Mummius (146 v. Chr.) von Cäjar (46 v. Ehr.) 
wieder auferbaut, zu neuer Blüthe gelangt und der 
Sig des römischen Proconjulats geworden. Dahin 
lam der Apoftel Baulus auf feiner zweiten Miſſions⸗ 
reife und nahm dort, aufgenommen im Haufe jei- 
ner Handwerlsgenofjen Aquila und defien Gattin 
Priscilla, in Anjehung der Wichtigkeit des Platzes 
einen anderthalbjährigen Aufenthalt (pi, 18). 
Die Oppofition der Juden veranlaßte eine Schei: 
dung von der Synagoge, worauf der Projelyt 
Yuftus dem Apoftel fein neben der Synagoge ge: 
—— Haus anbot, womit auch die Wendung der 
Miſſionsthätigkeit von den Juden, deren Syna: 
gogenvorſteher Crispus übrigens übergetreten war, 
zu den Heiden entſchieden wurde. Eine Anklage 
der Glaubensboten von Seiten der Juden bei dem 
Proconſul Gallio wurde von dieſem als innerjüdi⸗ 
ſche Angelegenheit abgewieſen. Nach des Apoſtels 
Abreiſe von Korinth trat ein von Aquila und 
Priscilla unterrichteter Alexandriner, der beredte 
Apollos, in den Wirkungskreis des Paulus ein 
und machte ſich den Korinthern namentlich durch 
eine von der Pauliniſchen Weiſe abweichende, kunſt— 
vollere Form der Darjtellung bemerklich. Da dieje 
BVredigtweije bei vielen Korinthern Anklang fand, 
bildete fich bald eine, von dogmatiſchen Geſichts— 
punkten natürlich abjehende, —— aus zwi⸗ 
ſchen u bes Paulus und denen beö 
Apollos. ‚Zu diefer trat bald auch noch eine weitere 
Spaltung, welche ebenfalls einen mehr perfönlichen 
Charakter trug, aber auf den tieferen Differenzen 
des Juden: und Heidendrijtenthums berubte, in: 
dem Viele die Autorität des Apoftels Paulus zu: 
rüdjegten und fich auf die Urapojtel, namentlich 
Petrus beriefen,. Allen dieſen gegenüber glaubte 
endlich eine vierte Partei von allen menſchlichen 
Autoritäten abjehen und unmittelbar auf Chriftus 
ſelbſt zurüdtgehen zu müffen. War fo die Gemeinde 
durd) Parteiungen vielfach zerriffen, fo blieben 
auch fittlihe Schäden nicht aus, welche das junge 
Gemeindeleben zu zerrütten drohten. Namentlich 
war die Zügellofigkeit des geſchlechtlichen Lebens 
unter den Korinthern jo jehr zur Sitte geworden, 
daß auch die Mitglieder der Chriftengemeinde zu 


498 


Korinther, Briefe an die 


ſtorinther, Briefe an die. Ein Brief, der den 
beiden uns noch erhaltenen vorausging und auf 
‚ welchen in unjerm erjten Briefe Bezug genommen 
ift (1. Kor. 5, 9), ist verloren gegangen; ohne 
Zweifel waren darin die fittlichen Berhältniffe der 
Gemeinde einer jharfen Kritik unterzogen. Aber 
biejer Brief hat, wie es jcheint, nicht die gemünfchte 
Wirkung gethan. Wirkliche und vorgeihügte Miß— 
verftändniffe, wie die von dem „Alles ift mir er: 
laubt“, hatten den Zuftand theilmeife noch jchlim: 
mer gemacht, al3 er zuvor war. Der erfte unjerer 
erhaltenen Briefe iit veranlaft duch mündliche 
(Leute der Chloö) und Schriftliche Nachrichten, welche 
Paulus über Korinth zugingen. Letztere beitanden 
in einem Sendſchreiben der Gemeinde an ihn (1 
Kor. 16,17), worin auf die Unmöglichkeit der voll: 
ftändigen Durdführung einer ftrengen Zucht bin: 
ewiejen fein mußte, und worin eine Reihe von 
Fragen an den Apojtel gejtellt waren. Darunter 
waren Fragen, das eheliche Leben betreffend. Hatte 
der Apoftel dem ehelojen Leben entſchieden den 
Vorzug gegeben, jo gab es in Korinth Biele, 
welche das Princip des Cölibats aufitellten und 
rüdfihtälos in der Ausführung überjpannten, 
Andere aber, welche ſolchen Rigorismus mißbillig- 
ten und mehr oder weniger ben Apoſtel dafür ver: 
antwortlih machten. Eine andere frage betraf 
die vielfahen Eonflicte, in welche die fortwährende 
Berührung mit dem Heidenthum, die Nothwendig- 
feit der Theilnahme an Opfermablzeiten u. Aebnl. 
führte und in Betreff welcher Kernel fid 
zwei Parteien gegenüber ftanden, eine frei ſich über 
diefe Scrupel hinwegjegende und eine Partei „der 
Schwachen“, welche beiderfeits die rechte gegenjei: 
tige Behandlung nicht zu finden vermodten, Dazu 
famen noch die gottesdienftlihen Verhältnifie, die 
eine gründliche Neform herausforderten, weil in 
ihnen Unordnung berrichte, namentlich das alles 
Andere überwuhernde jogenannte Zungenreben, 
| bie Emancipirtheit der Frauen u. dgl. Endlich 
I Scheint auch eine Anfrage in Beziehung auf den 
ERREGER an Baulus gelommen zu 
fein, indem einige ber Korinther dieje den Heiden 
Anftoß erregende Lehre bejeitigt wijjen wollten. 
Auf diefe Nachrichten antwortet nun der Apoſtel 
in unferem erjten Korintherbrief. Derjelbe ent: 
hält nah dem üblihen Eingang (1, 1—9) eine 





einem jchärferen jittlihen Bewußtfein in der Be: | ausführliche Rechtfertigung des Apoftels in Bezie 
ziehung noch nicht gelangen fonnten, und daß ein | hung auf feine Lehrweile und die verſchiedenen 
elbft bei Heiden Aufjehen erregendes Nergerniß, | innerhalb der Gemeinde entftandenen Parteien 
daß nämlich ein Chrift mit feiner eigenen Stief: | (1, 10 — 4, 21), dann die von ihm gewünfchten 
mutter bei Lebzeiten deö Vaters in verbotenem | Mafregeln der vorhandenen Unzucht gegenüber 
— —— lebte, nicht einmal ein ſcharfes Ein | (5), eine Rüge wegen des Proceſſirens vor heib- 
ſchreiten vbn Seiten der Gemeinde hervorrief. niſchen Gerichten (6), eine Behandlung der s 
Sole Zuftände, mit denen fi) im einzelnen na= | fragen (7), der Frage wegen der Theilnahme an 
türlid eine Menge von Unordnungen in gottess» | Opfermahlgeiten (8), nebjt einer Hinmweifung auf 
dienstlichen, geſellſchaftlichen, häuslichen Berhält- | die uneigennütige Berufserfüllung von Seiten des 
niffen verbanden, hatten den Apoftel fehr bejorgt | Apoftels (9), dann eine Beiprechung der gottes- 
gemacht um dieje Gemeinde und die bedeutende | dienftlihen Wirren, der Geifteögaben (10—14), 
Torreſpondenz hervoraerufen, melde wir zum der Auferftehungsfrage (15), endlid Grüße u. 
Theil noch befigen in den beiden Briefen an die Aehnl. (16). Das Schreiben, welchem Timotheus 
Korinther. Fort. j. folg. Art. Ueber die Barteien | zur perfönlihen Ordnung der Berhältniffe folgen 
vgl. Baur, Tüb. Jahrbücher 1845. 50, Schentel, | jollte, ijt in Korinth nicht ohne tiefen Eindrud ge 
de ecclesia cor. factionibus turbata, 1838; Gold: ; blieben, hat aber andererjeitö wieder neue 8. 
horn, die Chriftuspartei, 1840; Dähne, ebenfo, ſchwerden, hauptjählid, gegen den Apoſtel felbit 





1841; Beder, die Barteiungen in Korinth, 1842; 
Räbiger, kritiſche Unterſ. über die Briefe P. an die 
Kor., 1847; Beiſchlag, de ecel. cor. fract. chri- 
stiana, 1861, 





hervorgerufen. Gegen dieſe vertheibigt er fih nun 
im zweiten Korintherbriefe. Indem er felbit 
bald nad) Korinth zu fommen hoffte, jollte der 
Brief feine Ankunft und die dazu nothwendige 


% 


Kornthal 499 Krabbe 


Gemüthsſtimmung vorbereiten. Derjelbe zerfällt der religiöfen Gemeinſchaften, welde den Verfaj- 
in 3 Theile: im erjten erweift Paulus feinen apo: | jungsentwurf mitberathen, gebildet, und ergänzt 
ſtoliſchen Charakter in Verbindung mit verfchiedes | fich bei Todesfällen durch Cooptation. Die Mög- 
nen perjönlichen Beziehungen (1—7); im zweiten lichleit, die beabſichtigte Durchdringung des bür: 
redet er von ber Gollecte, weldhe in Korinth be: | gerlihen und kirchlichen Lebens zu erhalten, ift 


gonnen, aber wieder ind Stoden gerathen war (8 
—9); im dritten fommt er nod) einmal in großer 
perjönlicher Erregtheit auf feine apoftolifche Auto: 
rität zu jprechen (9—13). Ueber den Erfolg dieſes 
Schreibens find wir nicht unterrichtet, bald darauf 


bat der Apojtel einen drei Monate langen Aufent: | 


halt in Korinth genommen, wohl den dritten Auf: 


enthalt dajelbit, da unjere Briefe einen zweimalt= | 


gen Aufenthalt vor ihrer Abfafiung ſchon voraus: 
jegen (2. Kor. 12, 14; 13,1). Der erfte Brief ift 
nach 16, 8. 19 in Epheſus geſchrieben und jwar 
am Ende des fait dreijährigen Aufenthaltes des 
Apoftels, als er im Begriffe war, abzureifen. Der 
zweite iſt jhon nad) der Abreife (1,8) in Mace: 
donien (2,13; 7,5; 8,1; 9,2) geſchrieben; beide 
aber wohl noch in demjelben Jahre. Val. zur Ere: 
geje und Kritit die Gommentare von Guſt. "ill 
roth, 1833; Hüdert, 1836 ; Jäger, 1835; Qſian⸗ 
der, 1847 und 1858; Neander, 1869 (herausgene: 
ben von Beyichlag); Meyer (4. Aufl. 1861). Ueber 
den erſten Briejbejonders: Heidenreich, 1825 ; über 
den zweiten: Scharling, 1840; Burger, 1860. Zur 
Kritit ogl. Ziegler, Einleit. in die Briefe an die 
Kor., Abh. Th. II.; Rüdert, ereg. Magazin, ©. 
132; Baur, Paulus, ©. 259 ff. und Tüb. Jahrb., 
1850, Außerdem bie Einleit. ind Neue Teitament. 
— Ueber die Gemeinde zu Korinth vgl. Holgmann 
in ge prot. Monatsbl., 1865 und im 8. Bande 
von Bunjens Bibelwerf, wo weitere Literatur 
nachgewiejen ift. 

Kornthal iit eine Gemeinde in Witrttemberg, 
welche bürgerlich und kirchlich mit eigenthümlicher 
und jreier Verfaſſung privilegirt, aljo abge: 
trennt von der Yanbestirche, eine jociale Theo: 
tratie bildet. Ihre Gründung wurde veranlaft 
durch die Einführung eines neuen Geſangbuches 
1791 und die Menberung in der Liturgie 1801, 
woran der mwürttembergifche Pietismus ſowohl 
als die Anhänger des Michael Hahn ſolchen Ans« 
ſtoß nahmen, daß Taujende nad Rußland aus: 


wanderten. Auf den Vorfchlag des Amtsbürger: 


meiſters Hoffmann zu Leonberg aenehmigte der 
König die Gründung einer von dem Eonfiftorium 
in jeder Beziehung unabhängigen Gemeinde, welche 
das biblische und ſymboliſche lutherifche Chriften: 


durch die Kirchenzucht gewahrt, welche das Aelte— 
ftencollegium ausübt. Der äuferfie Grad berfel: 
ı ben, die Ausſchließung, ift zugleich die Ausjchlie: 
| Bung vom bürgerlihen Berband mit der bett 
' gung, den Drt zu verlaffen und den Grundbeſitz 
der Gemeinde zurüdzugeben. Bon Kornthal aus 
ift die Gemeinde Wilhelmsdorf auf dem Lengen— 
meiler Ried gegründet, welche aber in die Landes: 
‚ fire eingetreten iſt. 

Kortholt, Chriftian, berühmter lutheriſcher Kir: 
henhiftorifer. Geb. am 15. Januar 1632 zu Burg 
auf Fehmern, war er Profeſſor der Theologie und 
| Brofanzler zu Kiel 1666, vorher Profeſſor der 
een prache zu Noftod. + 1. April 1694. 

r fchrieb: de persecutionibus ecel. primitivae 
sub En ersterikon ethnicis. Paganus obtrecta- 
tor; gegen Varonius: disquisitiones Antibaro- 
| nianae, 1700. Seine Kirchengefchichte fam erft nad) 
| feinem Tode heraus, hist. ecel. N, T., Lips. 1697. 
| Korvei. ©. Corvey. 

ſtosri (liber Cosri, Cosari) ift der Titel einer 
berühmten Schrift des R. Jehuda Hallevi um 1400, 
welches die Herrlichkeit der jübijch = rabbinifchen 
gegenüLer der muhammedaniſchen und chriftlihen 
Religion und der taraitiihen Verwerfung des 
Talmud ind Licht zu fegen fih bemüht. —* 
kleidet iſt der Inhalt in ein Geſpräch des Kö— 
nigs Koſar mit einem Philoſophen, Rabbinen, 
Chriſten, Muhammedaner und Karäer. Es iſt nach 
Form und Inhalt ein claſſiſches Werk rabbiniſcher 
Theologie. Urſprünglich arabiſch geſchrieben, iſt 
es ins Hebräiſche überfegt und von Baxtorf 1660 
herausgegeben. Dieje Ausgabe enthält aud den 
Briefmechfel des R.Chasdai Ebn Sprot, Miniſters 
Abd:er:Hahmans III., mit Joſeph, dem König der 
Ehazaren (f. d. Q.), welden 1577 Iſaal Akriſch 
als „Stimme des Heiläboten“ (Ayran 5, p) heraus: 
gegeben hatte. Der Briefwechſel enthält die Schil: 
derung der jüdiſchen Zuftände in Spanien und im 
Chazarenreih. Joſt hat dargethan, daß mindeſtens 
‚die Antwort des Königs Joſeph unecht jein müſſe. 
' Kodmogonie, ©. Thätigfeiten Gottes. 

'  Kodmotheologiider Beweis. ©. Gott. 
Keoſtnitz. ©. Conſtanz. 














thum nach ihrer Weiſe bewahren wollte. Nad) lan: | Krabbe, Otto Carſten, Dr. und Profeſſor der 
gen Verhandlungen zwiſchen Hoffmann, Hahn und Theologie, Conſiſtorialrath zu Noitod, ein Haupt: 
den Häuptern der verjchiedenen reliniöjen Gemein: | gegner feines früheren Collegen Michael Baum: 
haften fam 1819 der Entwurf der Gemeindever: | garten. Geboren 1805 zu Hamburg, ftudirte er in 


fafjung zu Stande, welcher die häuslichen, bürger: 
lien, berujlihen Verhältnijie eben wie die got= 
teödienftlichen mit dem Ehriftenthbum zu durchdrin⸗ 
gen jucht. Der Grund und Boden der Gemeinde 
iſt von berjelben angelauft und ihr Eigenthum; 
die Gemeindeglieder befigen ihre Grundjtüde, de: 
sen Werth fie bezahlt haben, nur fo lange fie oder 


onn, Berlin und Göttingen, wurde 1833 Pro: 
feffor der bibliſchen Philologie am akademiſchen 
Gymnaſium zu Hamburg, 1540 0. Brofefior der 
Theologie und Univerfitätsprediger in Roſtock. 
| Unter jeinen Werfen heben wir hervor: De co- 
dice canonum, qui apostoloram nomine cir- 
cumferuntur, Gött. 1829; Quaestiones de Ho- 





die Erben Glieder find und müſſen fie im Fall des | seae vaticiniis, Hamb. 1836; die Lehre von ‚der 
Austrittö gegen den Kaufpreis zurüdgeben. Die | Sünde und vom Tode, Hamb. 1836; Vorlefungen 
Gemeinde bejigt außerdem Rettungs: und Erzie: | über das Leben Jeju, Samb. 1839; Ecclesiae 
hungs-Anjialten. Sie verwaltet jid) durch den von | evang. Hamburgi instaur. hist., Hamb. 1840; 
ihr gewählten Gemeinderath und das Xelteiten: | de temp. ex nihilo creatione, Rost. 1841; ber 
collegium, welche in jchweren Fällen an den Rath | die Stellung der Apologetik zur h. Schrirt, Hamb. 
des auswärtigen Brüdercollegiums gebunden find. | 1842; die evana. Landedlirche Preußens, Berl. 
Dasfelbe wurde urjprünglid aus jenen Häuptern 1849, Auguſt Pieander, Hamburg 1852, Die 
32* 


⸗ 


Kränze 


Univerfität Roftod im 15. und 16. Jabrh., 2 Thle., 
Roft. 1854; Savonarola, Berl. 1862; Heinrich 
Müller und jeine Zeit, Roft. 1860. 

ſtränze werden als feſtlicher Schmud bei freu: 
digen Anläffen im Alten und Neuen Teitament 
öfterd erwähnt. Man befränzte auch Häufer, Tem: 
pel, Gößenbilder (1. Matt. 4, 57) und Opfer: 
thiere (Apftg. 14, 13). Daher häufig die bildliche 
Anwendung ald Symbol jeder Ehre (Judith 3,8) 
und ald Siegespreis der Treue mit Beziehung auf 
die Sitte der helleniſchen Wetttämpfe (1. Kor. 
9, 24. 25). 

Rrafit, Johann Chriftian Gottlob Ludwig. Geb. 
den 12. December 1754 zu Duisburg, jtudirte er 
bort Theologie, und wurde nad) Sjährigem Wirken 
als Hauslehrer in Frankfurt 1805 Pfarrer zu 
Weeze bei Cleve. Er wurde 1817 von dort nad 
Erlangen berufen und 1818 zum außerord. Brofefior 
der Theologie ernannt. + 1845. „Ohne befondere 
geijtige Gaben und wiſſenſchaftliche Auszeichnung, 
aber von großer Stärfe und Energie des Willens 
und ſchlichtem Glauben an das Wort Gottes“ ift 
er der Begründer des neuen kirchlichen Lebens in 
Baiern geworden, welches feines reformirten Aus: 
ganges doc bald vergeflen hat. K. errichtete ſchon 
1824 ein Rettungshaus bei Erlangen, und hielt, 
als der erſte, Borlefungen über Miſſionsgeſchichte. 
Bon Schriften hat er nur einige Predigten hinter: 
lafien. Nach feinem Tode ift erſchienen: Chrono: 
logie und Harmonie der vier Evangelien, heraus: 
gegeben von Dr. Burger, Erl. 1848. — Ein Bru: 
ver des Erlanger Theologen war der Gölner Eon: 
fütorialrath Krafft; der jüngere Sohn diefes ver: 
dienten Getftlichen ift der Confiftorialrathb Wil: 
helm Krafft, Dr. und ordentlicher Profeſſor der 
Theologie in Bonn, deſſen Hauptſchriften find: 
vie Topographie Jerujalems (Bonn 1846) und die 
noch unvollendete Kirchengeſchichte der germani- 
ſchen Völker (Berlin 1854). 

Krain, Andreas, Erzbijchof von. S. Andreas. 

Krakau. Das Bistum wurde um das Jahr 
1000 geftiftet und dem Erzbisthum Gneſen unter: 
geordnet. Die Tradition, daß es bereitö von Her: 
zog Mieczislam eingerichtet worden, mwiberfpricht 
den geſchichtlichen Thatſachen. Unter den Biſchö— 
fen ragt Stanislaus hervor (f. d. A.), den Boles— 
lav II. ermorden ließ. An Bedeutung gewann das 
Bisthum, als K. Hauptitadt der Könige von Po: 
len wurde (1320— 1609). Die Reformation fand 
namentlih durch Berbindung mit der Schweiz 
Eingang. Schon 1524 ließ der Bifchof gegen Lu⸗ 
ther predigen. Die Gemeinde ſchloß ſich in Folge 
der Synode von Kozminek 1555 an die böhmiſchen 
Brüder an; bebrängt durch die zahlreichen Ana— 
baptijten aber, nahm fie 1560 die Schweizer Con: 
jejfion und Kirchenordnung an. Val. Bolen. In 
der Reformationsgeſchichte wichtig ift der Frie— 
ven zu K. 1525, in welchem Albrecht das Her: 
zogthum Preußen als mweltlihes Lehen von Polen 
3— Die Jagelloniſche Univerſität iſt 1649 ge— 
ſtiftet. 

ſtrankheiten. Das Klima Paläſtina's iſt im 
Allgemeinen der Geſundheit zuträglich und Epibe: 
mien nicht leicht ausgefegt, melde daher, wenn 
fie auftraten, auf befondere Zornwirkungen Got: 
tes zurüdgeführt wurden; jo die noch jegt im 
Drient nicht jeltene Peſt (2. Mof. 9,3; Jer. 44, 3; 
2. Sam. 24, 13.15; 2. Kön. 19,35; Amos 4, 10). 
Epidemijch find im Sommer Ruhrkrankheiten 


500 


Krell 


(2. Ehron. 21, 18), im Herbfte Fieber unter 
breierlei Benennung (5. Mof. 28, 22). Berbreitet 
und häufig vortommend waren Hautkrankheiten: 
Ausjag (3. Moſ. 13,59), Flechten (3.Moj. 21, 
20), Grind (3. Moſ. 14, 54), und Kräge (6. 
Moſ. 28, 27); geſchlechtliche Krankheiten (3. Moſ. 
15, 3; 1. Sam. 5; 1.Mof.20,17; 3. Re 15,25; 
4.Moj.5,2), ud Shwindfudt (5. Moj.28,22). 
Als Urſache eines plöglichen Todes werden Son: 
nenftic (2. Kön. 4, 19; Jub. 8,3; Pf. 121, 6) 
und Schlagflüjje erwähnt (l. Sam. 25, 37; 
1. Matt. 9, 55). Lähmungen manderlei Art 
(Gichtbrüdige), Epileptifche (Zah. 11, 7), 
Wahnſinnige (5. Mof. 28, 28; 2. Kön. 9, 10; 
1. Sam. 21, 14; Bf. 34, 1; über den Dan. 4, 13 
erwähnten Wahnfinn Rebuladnezar’3 vergl. aud 
Casper's Viſch. f. ger. Med. 1855, S. 153) und 
Geijtestrante (Bejeflene) (Matth. 4, 24) kom: 
men wiederholt im Alten und Neuen Teftament 
vor. Auch Podagra (2. Chron. 10, 12) und eine 
auffallende Wurmkrankheit (2, Matt. 9, 9 — 12), 
an der Antiohus Epiphanes ftarb, werben er: 
wähnt. Ueber die Ratur ber dort gejchilderten 
Krankheiten herriht immer noch Unficherbeit. 
Ueber einzelne bei bejtimmten onen berichtete 
Krantheitsformen f. die betr. Art. Vgl. Truſen, 
Darftellung der bibliſchen Krankheiten, 1843. 
Krang, Albert, wurde um die Mitte des 15. Jahr: 
hunderts zu Hamburg aus einer angejehenen Fe: 
milie geboren. Nach Bollendung feiner Studien auf 
mehreren Univerfitäten, begab er fih auf Reiien, 
ward dann Profeffor zu Roftod, 1482 Prorecter, 
1490 Doctor der ie und ber Rechte. Al 
Kanonikus der Stiftsfiche nah Hamburg zurüd 
gelehrt, verwaltete er dad Syndicat der Stadt und 
übernahm mehrfache Geſandtſchaften und Diplo 
matifche Aufträge. Als Dechant fuchte er Durd 
ftrenge — — (1508 und 1514) die 
Eitten des Klerus zu verbefjern. Der Erfolg der: 
felben gab ihm fo weni * nu 
lichkeit einer Kirchenverbefjerung, daß er beim Leſen 
ber 95 Thejen Luthers jagte: Vera quidem dieis, 
bone frater, sed nihil efficies. Vade igitur in cel- 
lam tuam et die miserere mei Deus (Guter Bruder, 
Du haft wohl Recht, aber wirft nichts ausrichten. 
Geh’ daher in Deine Zelle und ſprich: Gott erbarme 
Dich meiner). Bezeichnend läßt das Kirchenleriton 
von Weger und Welte die eriten Worte des „ge: 
achteten, für Reformation ber Kirche begeifterten 
Mannes“ weg. K. hatte jeine Stellung zur Samm: 
lung von Duellen für die Gefhichte Norbd 
lands benußt, und aus denfelben verſchiedene Ge 
chichtswerke bearbeitet, welche erft nach feinem 
de (1517) erſchienen. Sie find, weil fie bir 
Schäden der Kirche ſchildern, auf den ine 45* 
db: Metro- 


donec expurgentur. Die —— 

—— s. hist, eccl. Saxoniae, die Geſchichte der 
isthlimer Bremen, Magdeburg, Münfter, Bader: 

born, Dsnabrüd, Berden, Minden, Halberftabt, 

zu eim, Schwerin, Rateburg, Aldenbu: 


23 
. Historia Saxoniae libri . vo 
Bafilius ‚ Zeipy. 1563. Chronicon 
rum aquilonarium, deutid von Heinr. v. Eppen: 
dorf, Straßburg 1545. Wandalia s. de Wanda- 
lorum origine, deut von A. Stephanus We: 
cropus rg per ug hen 
autwald, Valentin, ber nd Schmenl: 
felbts. ©. dieſen i 
Krell. S. Crell. 


auf eine Mög: 


Kreta 501 Kreuzherren 
Kreta (au Candia, neugr. Kriti), eine befannte]| Kreuzbrüder. S. Geißler. 
Infel im Mittelländifhen Meere, ift das Kapbtor | - Krenzbulle (Uruzada) ift der Name einer Bulle, 


des A. T., die Heimath der Philifter. Daß zwi: 
{hen Kreta und Phönicien viele Verbindungen 
beftanden, wird auch fonft bezeugt; auf der Infel 
begegneten fich griehifche und ſyrophöniciſche Eul: 
tur. Gerühmt werden die Kretenfer ala gute Bo- 
genjhügen; die Schilderung ihres Charakters Tit. 
1, 12 mit den Worten bes Epimenibes ftimmt mit 
Angaben anderer Brofanfchriftfteller liberein. Bon 
Drten der Inſel werben in der Bibel erwähnt 
zeloi Auueves, d. h. Schönhafen oder Gutfurt 
(Apftg. 27, 8), Gortyna (1. Makk. 15, 28), Laſaea 
(Apftg. 27, 8); Phönig (Apftg. 27, 12). Daß bie 
Gemeinden auf Kreta von Baulus begründet jeien, 
bat nichts Widerfprechendes in fi, wenn gleich die 
Apoftelgeihichte davon fchweigt ; auch eine Begrü- 
fung des Apofteld durch diefelben auf der Depor: 
tationsreife brauchte nicht unbedingt nothmendig 
erwähnt zu werden. Die Annahme, daf die Grün: 
dung zwiſchen die erjte und zweite Gefangenfchaft 
falle, Hat die Borausfekung einer zweiten Gefan- 
senichaft des Apoftels zur Grundlage. Belannt: 
lich ift es noch immer eine Streitfrage, ob der 
Brief an Titus echt jei. Aber auch wenn dies nicht 
der Fall, würde die Tradition, daß Titus Biſchof 
der erften kretiſchen Gemeinden geweſen, an dem 
Briefe eine fichere —— haben. 
Krethi und Plethi. S. Creihi. 
Als Erinnerung an den Tod Sefu fin: 
det fih das Bild des Kreuzes ſchon früh ala 
und Zierde im Gebrauch und wurde 
dann das eigentlich kirchliche Zeichen, welches an 
Kirhen und heiligen Geräthen ebenjo wenig ent: 
behrt werben konnte, wie bei irgend einer heiligen 
Handlung oder an einem geweihten Orte. Die 
verfchiedenen Formen des Kreuzes find: X crux 
decussata, dad Burgunder oder Andreas : Kreuz; 
T erux commissa, Antoniudfreuz (biefe Form 
war die den Römern für dad Marterwertzeug ge: 
wöhnlicdhe); } crux immissa, das Paffiondfre, 
die Form des Kreuzes Chrifti; + das griechifche 
Kreuz; + dad Petrusfreug; + das Doppellreuz 


und das F dreifache Kreuz. Die abenbländifge 

Kirde hat die crux immissa, die ruffiiche Kirche 

das dreifahe Kreuz angenommen. Die fpätere 

zeit mwanbelte, wo es anging, das Kreuz in das 
ifix, crux exemplata. 

Rrenzanffindung. Die Sage von der Kr. durch 
Helena, die Mutter Eonftantins, erzählt zuerft ber 
b. Baulinus, Eufebius von Eäfarea fennt nur bie 
Entbedung des h. Grabes. Val. Gildemeifter, der 
h. Rod. An der dur Julian und feinen Götzen⸗ 
tempel entweihten Stelle joll bei Nahgrabungen 
das b. Grab und dabei drei Kreuze gefunden fein, 
non melden das eine durch Wundermirlung an 
einer franten Matrone, ald das Kreuz Chriftt fich 
beglaubigte. Der größere Theil des jegt in Silber 

en Kreuzes blieb in der neuerbauten Gras 
tirche, der andere Theil wurde in Reliquien ver» 
theilt. Splitter vom h. Kreuze galten als bie 
höchſten Reliquien und wurden ald Amulette ge 
tragen. Das Feſt der Kreuzesfindung (3. Mai) 
foll zwar ſchon von ber h. Helena gefeiert fein, es 
lommt aber im Abendland nicht vor dem 6. Jahr: 
hundert vor; förmlich feftgeftellt ift es erft 1376 
durch XI 


Krembild. S. Erucifir. 


durch weiche Calixt III. 1457 allen Denjenigen 
Ablaß eilte, welche gegen die Mauren fochten 
oder dem Könige Heinrich von Caſtilien einen Bei: 
trag zu den Kriegskoſten leiſtan würden. Die Kö: 
nige von Spanien verlauften diefen Ablaß und 
gewannen dadurch eine anfehnliche Finanzquelle, 
welche auf Jahrhunderte erhalien blieb, da immer 
wieder um bie Erneuerung der Bulle nachgeſucht 
wurde. Erſt 1753 unterblieb dies, womit der Ab: 
laß endlich aufhörte. 

Krenzerhebung, festum exaltationis crucis (14. 
Sept.). Bei der Eroberung Jeruſalems durch die 
Perſer 614 war auch der Patriarch Zacharias ge: 
fangen genommen und mit ihm das Kreuz, welches 
er in einer Lade getragen hatte, nach Perſien ge: 
ſchleppt worden. Der Kaifer Heraclius erlangte 
durd) feinen Sieg 628 die Rüdgabe desſelben und 
brachte es unter großen Feierlichkeiten jelbft wie: 
der an feinen Ort. Zur Erinnerung führte Papſt 
Honorius I, das Feit auch im Abendlande ein. 
Nah Andern foll aber das Feſt jchon früher ge: 
feiert fein in Beziehung auf die Einweihung der 
Grabkirche, oder auf das Kreuzzeichen, welches 
Conſtantin fah. Die Iutherifche Kirche behielt das 
Feſt anfänglid) bei. 

Rreuzedzeihen. Der Gebrauch des Kreuzzeichens 
bei den liturgifchen Gultusacten, ſowie auch bei 
ber Selbitfegnung, geht in frühe Jahrhunderte 
zurüd. Die Griechen unterfcheiden fich beim Kreuz⸗ 
maden von den Lateinern dadurch, daf fie den 
Querbalten von der Rechten zur Linken ziehen, 
diefe von der Linken zur Rechten. Außerdem 
unterfcheidet man das deutfche Kreuz, wobei mit 
dem Daumen Stim, Mund und Bruft berührt 
wird, während die rechte Hand auf der Bruft liegt, 
von dem lateinifchen oder großen Kreuze, welches 
da3 gewöhnliche geworden iſt. Bei diefem wird 
mit der flachen Hand zuerſt die Stirn, dann bie 
Bruft, die linke und die rechte Schulter berührt. 
Das —— vertritt das Ausſprechen des 
Namens Jeſu. Wie viel Aberglauben ſich damit 
verbunden hat, iſt belannt. Luther im Katechis— 
mus behielt die Sitte bei, aber die lutheriſche Kirche 

at ſie, mit geringen Ausnahmen, fallen laſſen. 

en Reformirten erſchien ſie von Anfang an als 
Aberglauben. — In der Bibel: und —— 
iſt Kreuz die Bezeichnung der Bedrängniß, mit 
der Nebenbedeutung des nicht verſchuldeten aber 
von Gott auferlegten Leidens. 

Krenzfahrer. S. Kreuzzüge. 

ſereuzgang. 1) In den Klöſtern und Stiftern 
pflegt das von der Kirche und den Kloftergebäuden 
umſchloſſene Biere (der Friedhof des Kloſters) 
von einem offenen Bogengang wine zu fein, 
auf welchen die Pforten der Klofterräume ſich öff: 
neten. Derjelbe diente bei ungünftiger Witterung 
zur Abhaltung der Proceffionen, aud) zur körper: 
lihen egung und zu anderen Sweden. Weil 
ben Proceffionen und Bittgängen ein Kreuz voran: 
getragen zu werden pflegt, nennt man fie Kreuz: 
gänge. Viele diefer Kreuzgänge zeichnen ſich durch 
hohe architektoniſche Schönheit aus. 

N oder Kreuzritter werben auch bie 
Deutſch⸗Ordensherren genannt von dem ſchwarzen 
Kreuze, welches fie ald Ordenszeichen auf weißem 
Mantel trugen. — Die K. mit dem rothen Stern 
find eine Congregation, welche ihren Sitz in 


Krenzigung 502 Kreuzzüge 


Böhmen hat und der Hospitalität und Seelſorge ſich 1) die Verurtheilung Jeſu durch Pilatus; 2) die 
widmet. Schon 1234 ſtiftete ihnen Agnes von Uebernahme des Kreuzes durch Jeſus ; 3) fein erftes 
Böhmen ein Hospital, und Innocenz IV. beftätigte | Sinken unter bem Kreuze ; 4) die Begegnung mit 
die Stiftung und gab ihnen ald Ordenszeichen | der Waria; 5) die Unterftügung Jeſu durch Simon 
zum Kreuz den rothen Stern. Ob die Conarega: | von Cyrene; 6) die Darreichung des Schweißtüch⸗ 
tion zufammenhängt mit dem geiftlihen Ritter: | leind durd) die heil, Beronica; 7) das zweite Sin: 
orden der Bethlehemiten, der während der Kreuz: | fen unter dem Kreuze; 8) die Anrede an die Frauen 
züge in Baläftina geitiftet und bis zur Zeritörung | von Na Pre 9) das dritte Sinten unter dem 
de3 Königreichs Jerujalem dort feinen Sit hatte, | Kreuze; 10) die Entkleidung vor der Kreuzigung; 
ift ungewiß. — Cine andere Congregation der K. 11) die Kreuzigung; 12) der Tod am Kreuze; 13) 
jtiftete 1211 Theodor von Gelles (+ 1246) bei Lüt- | die Abnahme des Leichnams; 14) Die Grablegung 
tih. Sie verbanden ſich mit den Dominicanern | 15) die Auffindung des Kreuzes. Seit Innocem 
zur Wirkſamkeit gegen bie Bas erhielten | XI. 1686 bewilliaten bie Bäpfte den Franciscanern 
aber jpäter wieder einen eigenen General in frank: | für die von ihnen oder einem aus ihrer Genoffen- 
reich. Sie führten auch den Namen Hospitaliter. ſchaft aufgeftellten Kreuzwege denſelben Ablaß, der 
Kreuzigung. Die Kreuzesftrafe war bei den Ju: | mit dem Bejuch ber betreffenden heiligen Orte 
den nicht gebräuchlich, wohl aber bei Phöniciern, | früher verbunden war, jo daf eine Kreuzwegsan 
Griechen, Indern, Scythen und Römern, bei die: | dacht eine Pilgerfahrt nach Jerufalem erjegte, und 
fen aber nur fiir gemeine Berbrecher, Sklaven, | natürlid) die Anh jolcher Kreuzwege fich bedeuten» 
Feinde und Aufrührer. Der Kreuzigung bei den | vermehrte. 
Römern ging die Geißelung regelmähig vorauf. a heißen zunächſt die Heerfahrten der 
Auch mußte der Verurtheilte jein Kreuz felbft zur | abendländiichen Ehriftenheit zur Eroberung Jeru 
Kichtjtätte tragen. Die Geftalt des Kreuzes war | falemd und ber heiligen Stätten, die vom Endr 
verschieden, ebenfo gewöhnlich war die Crux com- | des 11. bis zum Ausgang des 13. Jahrhunderts 
missa ald immissa. Nach der übereinftimmenden | unternommen wurden. Der Name ftammt von 
Tradition ift bei Ehriftus die letere Form ange: | dem Zeichen des Kreuzes, welches Jeder, der fi 
wendet worden. Der Berurtheilte wurde entllei- | zur Theilnahme an einem folden Zuge verband, 
det, an das nicht ſehr hohe Kreuz erhoben, auf den | an feine Kleidung befeftigte. E3 ift dann die Be: 
in der Mitte befindlichen Pflod (sedile) gejegt und | zeihnung angewendet auf Feldzüge, die aus reli 
Arme und Füße feftgebunden, dann Hände und giöfen Motiven zur Ausbreitung oder Sicherftel 
Fübe mit ftarfen Nägeln an das Holz genagelt.| lung der Kirche gegen Ungläubise, Heiden um 
an hat dies Letzte lange beftritten, indeß find | Keger unternommen wurden. So wurden Krew 
die Zeugniffe dafür überwiegend. Val. Winer, züge veranftaltet gegen die Preußen (123083 
Neallericon, und Hug in der Freiburger Zeitjchrift. | die Aldigenfer (1209—29), die Huffiten (14192 
Die bei der Kreuzigung Jefu erwähnten Umftände, | ff.), die Mauren u. ſ. w. Der eigentlichen Kreu; 
das Vertheilen der Kleider unter die bei der Freu: auge im engern Sinne zählt man gewöhnlich füni. 
zigung beicäftigten Soldaten und die Tafel mit | Den eriten eröffnete Peter von Amiens (j. d. Art) 
ber Todesurjache am Kopfende des Kreuzes, find | ald Führer eines ungeorbneten tumultuarifcen 
dem römifchen Gebrauche gemäß; dagegen mar | Haufeng, der 1094 aufbrach, aber nur bis Kein 
das Darreichen eined betäubenden Tranfes nicht | afien gelangte, mo er aufgerieben wurde. Das 
römifche, fondern jüdische Sitte. Die Kreuzes: | eigentliche Heer, beftehend aus einer Reihe ange 
ftrafe war die martervollite; der Tod erfolgte in | jehener Ritter, wie Graf Raymund von Toulome 
Folge der unnatürlihen Spannung ber Musteln | Robert von der Normandie, Robert von Flar- 
nur langfam unter qualvollen Schmerzen, in ein: | dern, Boemund von Tarent, Tantred u. A. ımı 
zelnen glaubwürdig berichteten Fällen erft am | einer immer mehr anfchwellenden Mafje von Men 
dritten Tage. Die Leichname ließen die Römer am | hen unter Führung des Gottfried von Borurillen 
Kreuze bangen, den Bögeln und der Verwejung brach 1096 auf, erreichte nad unjägliben Be 
zur Beute. Jüdiſches Gefeg erlaubte nicht, die | ſchwerden Conitantinopel und Kleinafien, ſiegt 
Leichname der Gehängten über Nacht hangen zu | 1097 bei Nicäa, gewann nad langer Belagerun: 
lafien (ed wurben aber bei den Juben nur bereits | Antiochia 1008 und erftürmte am 15. Jult 10% 
durch Steinigung oder ſonſt Getödtete an einen | Jerufalem. Das Gemwonnene zu bewahren, wurd 
Pfahl gebunden nder geipieht). Das Zerbrechen | das Königreich Jeruſalem geitiftet und durch ein 
der Bebeine, welches die Juden von Pilatus erba- müth ge ahl Gottfried von Bouillon übertraaer. 
ten, um die Leihname der Hingerichteten abneh: | Päpstlichen Bemühungen durch den Legaten Daiır- 
men gu dürfen, mar fonft eine befondere Strafe, | bert von Pija gelang es fehr bald, das Zugeftäns 
crucifragium. niß zu erlangen, daß das neue Königreich nur ei 
Kreuzprobe war eine von den veridiedenen | Zehen des Papftes und der Fürft zur Vertteid 
Arten, um das Gottesurtheil zu finden. Der Ange: A der Kirche und des Patriarchen verpflichtet 
ſchuldigte mußte mit freuzweis auögebreiteten Ar-| jei. Nach fränkiſcher Gewohnheit wurde das Fer 
men den Pfalter herfagen; ſanken ihm die Arme | dal: und Lehensſyſtem in bem neuen Staate durd- 
zu früh ermüdet nieder, fo galt er für fchuldig. gerührt assises et bons usages du royaume d+ 
Ludwig d. fr. veroot die Kreuzprobe. er.) und mit ihm bie Lehnsftaaten von Ebdefic 
Krenzträger murden auch die Geifsler, Geißel- | unter Balduin, Tiberias unter Tanfred vom Apr 
brüder genannt (f. d. Art.). ‚lien, Yaodicea unter Raymund von Touloufe ver 
ſtreuzweg beißt die Darftellung der (14—15) | bunden, und Antiodhia und Edefja in eine weiter 
Hauptmomente aus dem Leiden Chrifti in Bildern | Beziehung geſetzt. In der folgenden Periode wur 
oder Statuen an den Wänden der Kirchen oder an | auch die Meereöfüfte erobert, zum Theil mit Hüf 
den Wegen, die zu einer hochgelegenen Kirche ober nachrückender Kreusfahrer. Gottfried von Bonillo- 
Feldcapelle führen. Der gewöhnliche Inhalt ift: | ftarb ſchon 1100, ihm folgte fein Bruder Balduin 


— — — — —— 


— re— — — — — — 


Kreuzzüge 503 Krieg bei den Hebräern 
Der Verluſt Edefjad 1144 bedrohte das ganze Kr wegen Krankheit bald wieder um. Trotz des auf 
nigreich mit Jerufalem. Bapft Eugen III, forderte | ihn gelegten Bannes zog er 1223 von neuem 


zu einem neuen Kreuzzug auf; der Berehfamkeit 
Bernhards von Clairvaug gelang es, die m. 
Konrad IIL von Deutihland und Ludwig VII. 
von Frankreich zu gewirmen. Mit 10,000 Mann 
brach der Erftere 1147 auf. Griechische Verrätherei, 
die mit den Seldſchulen ein heimliches Bündniß 
gegen die Kreuzfahrer eingegangen war, verur: 
fachte dem Heere in Kleinaſien die empfindlichiten 
Verluſte; nur den größten Anftrengungen gelang 
es, fi mit den nadhrüdenden Franzojen, denen 
es nicht beſſer ergangen war, zu vereinigen und 
Syrien zu gewinnen. Die Belagerung von Da: 
mascus mißlang aber ebenfalls in Folge von Zwis 
ftigfeiten und durch die Verrätherei der Pullanen 
(Ablömmlinge der eingewanderten abenbländi: 
jhen Chriſten in Baläjtina), jo daß die Fürften 
mit dem tleinen Reſte ihres Heeres entmuthigt 
umkehrten. Nur durch die Streitigleiten der mu 
hammedaniſchen Fürjten untereinander friftete 
das Königreid) Jeruſalem jein Dafein, bis Salad: 
bin fi Aegypten unterworfen hatte. Rach der 
Schlacht bei Tiberiad aber 1187 mußte ſich i 
Zerufalem ergeben. Diefe Nachricht bewog bie 
abendländifchen Herricher zu einer großen Bereini: 
gung und zum dritten Kreuzzuge. Friedrich Bar: 
barofia erzwang von den Griechen die Meberfahrt 
nad) Afien und gelangte nad) Ikonium, weldyes ſich 
ergeben mußte. Als er aber im Fluffe Kalykadnus 
(Seleph) bei Seleucia ertrunfen war, trafen fein 
Heer jo viel Unfälle, daß nur ein geringer Theil 
unter Friedrich von Schwaben nad) Acre (Ptolo⸗ 
mais) gelangte und ſich mit den Englänbern und 
Franzoſen vereinigen fonnte, welche unter Richard 
Löwenherz und Philipp Auguft gerade damals 
vor Ptolemais landeten. Zwar wurde nun dieſe 
Stadt mit Sturm erobert 1191, aber die Zwie— 
tracht zwiſchen Richard von England und den ans 
dern Fürſten veranlafte dieſe zur Umfehr, und 
jener vermodte nur nad) langem Kampfe mit Sa— 
fabdin in einem Waffenftillftand die Küfte Palä— 
ftinas und ben freien Zutritt nach Jeruſalem ben 
Chriſten zu retten. Dem leiten Könige Guido von 
Lufignan überließ Richard das von ihm eroberte 
ern. Einen neuen Kreuzzug bradhte Innocenz 
DI. zu Wege. An ihm betbeiligten fich fait nur 
Franzofen und Jtaliener. Um die Koften der Ueber: 
fahrt den Venetianern zu vergüten, eroberten fie 
diejen zuerit Zara in Dalmatien und ließen fich 
dann zu einem Unternehmen gegen das Kaifers 
thum in Byzanz bewegen, deſſen Erfolg die Grün: 
dung bes lateiniihen Kaiſerthums (1204—61) 
war. Der nädjite vierte Kreuzzug 1217 fand Statt 
unter Führung Wilhelms von Holland; an ihm 
beiheiligten fic) viele deutſche Fü 
dreas von Ungarn. Doch kehrte dieſer bald 
wieder um, abgeſchreckt durch bie Schwierigkeiten 
des Unternehmens, Der andere Theil landete aber 
mit einer Flotte in Aegypten und eroberte Da: 
miette 1219, gerieth jedoch bei weiterem Vorbrin: 
gen in folche Roth, daß er 1221 mit bem Sultan 
Kamel eine Capitulation abfhließen und Aegypten 
wieber räumen mußte. Friedrich LI. von Deutſch⸗ 
land, ber durch feine Gemahlin Jolanthe Anfprüce 
Serufalem bejaß, hatte trog feines Gelübdes 
(1215) an dieſem Zuge keinen Antheil genommen. 
Vom Papſte genöthigt, ſchiffte er 4 1227 zu 
Brindiſi zu einem Kreuzzuge ein, kehrte aber 


ten und Ans 


gegen Baläftina und erlangte 1229 von dem Sul» 
tan Kamel einen Waflenftillftand auf zehn Jahre, 
‚ber —* erlaubte, ſich in Jeruſalem die Krone 
| aufzufegen. Als 1247 die Chawareämier in Ber: 
bindung mit dem ägnptifchen Sultan Syrien, 
Serufalem, Tiberiad, Gaza und Askalon erober: 
ten und bie Ehriften alfo aus dem legten Reſt der 
Befigungen zu verdrängen drohten, unternahm 
Ludwig der Heilige den legten Kreuzzug. Er ero: 
berte zwar Damiette und Manſura in Negypten, 
wurde aber bei weiterem Vorbringen geichlagen 
und mußte fih gefangen geben; feine Freiheit er: 
faufte er durch die Räumung Aegyptens. In Bar 
läftina führten den Kampf die Ritterorden noch 
fort, bis Antiohien 1268, Tripolis 1288 und zu: 
legt auch Acre 1292 verloren gingen. Zwifchen die 
erwähnten Züge fallen noch verfchiedene andere 
Heine Unternehmungen, zum Theil mit Häglichem 
Ausgang. Bemerfenswerth ift der Kinderkreuzzug 
1212. So wenig dauernden Erfolg diefe Kreuzzüge 
binfichtlich —— nächſten Zieles hatten, von fo ber 
beutendem Einfluffe waren fie auf die Geftaltung 
der bürgerliden und kirchlichen Verhältnifie des 
Abendlandes. Sie befeftigten den Sieg der geift: 
lihen Macht über die weltliche, da die Päpſte als 
die Leiter der Unternehmungen erfchienen; fie be: 
reiherten die Kirche, ber Viele theild zur Ermög: 
lichung der Theilnahme, theils zur Zöfung übernom: 
mener Verpflichtungen ihre Güter übergaben;; fie 
bahnten der Kirche den Weg, die weltliche Kriegs: 
macht auch fonft für ihre Zwecke zu gebrauchen. 
Die geiftlihen Ritterorbden, welche durch bie Kreuz: 
züge hervorgerufen wurden, verfchafften der Rirde 
neuen weittragenden Einfluß unter dem Abel. Die 
religiöfe Erregung aber, welche durch diefe Züge 
in das Volk geworfen wurde, die Anregung ber 
religiöjen Phantaſie, die Begeifterung für eine Hin» 
gabe an religiöfe Intereffen war wieder bie Vor: 
ausfegung für die Bildung der vielen Möndd: 
orden, an denen gerade dieje Periode jo fruchtbar 
ift. Das fittliche Leben der Völfer wurde zwar nicht 
gefördert, aber die Berührung mit dem Driente 
erweckte doch eine geiftige Bewegung, in welder 
fi die Keime zu dem entmwidelten, woran fpäter 
die ſo gehobene Macht der eng wicder zerfallen 
follte. Vgl. Tyrus, Gef. der keunsüge, überfegt 
von E. und R. Kaubler, 1840; Michaud, histoire 
des croisades, überſetzt von Ungemitter, 1828; 
Wilken, Geſch. der Kreuzzlige, 7 Bde. 1807—82; 
Sybel, Geſch. des erften Kreuzzuges, 1841; Deri., 
aus der Geſchichte der Kreuzzüge, 1858; Heeren, 
Verſuch einer Entwidlung der Folgen der Kreuz⸗ 
| züge für Europa, 1808. 
u bei den Hebräern. Das jüdiſche Bolt 
war u u. fein friegerifches; auch zu dem 
theolratiſchen Angriffskriege gegen Baläftina mußte 
es erit auf langer Wanderung geübt und erzogen 
| werden. Die ertheidigungäfriege während ber 
Bu der Nichter find meiften® nur einzelne Ge: 
fechte und Ueberfälle. Wirklihe Kriegführung bes 
‚ ginnt unter Saul und David jeit bem Eintritt der 
ebräer in das vorderaſiatiſche Staatäleben. 
Nach dem Eril macht fich die griechifche und römi— 
‚sche Weife geltend. Im Alterthum wurde der Krieg 
| nad dem Ausfpruc) eines Propheten, 1. 
ı Kön. 22, 6, oder der Urim und Thummim, Richt. 
20, 27 f.; !. Sam. 14,37. Bor der Eröffnung der 


— — — — — — — VER 








Krieg bei den Ehriften 


504 


Kritit, bibliſche 


Feindſeligkeiten pflegte man das Opfer barzubrins | einzelnen Falle ſittlich erlaubt und berechtigt er⸗ 
gen, 1. Sam. 7,9; 13, 9; auch wurde das Heilig: | Mären. 


thum ber Bunbeslabe mit ind Feld genommen, 1. 
Sam. 4,4, was erft feit ben Tagen Eli's unter: 
blieb. Das Gefecht beſchränkte fich zumeilen auf 
ben Zweikampf einzelner Helden, 1. Sam. 17 f.; 
2. Sam. 2, 14 ff.; aud) fonft ging der Kampf 
Mann gegen Mann. Die Aufftellung ded Heeres 
geſchah in einer Linie oder in brei Haufen, Richt. 
7, 16, benen nad) dem Eril, 2. Makk. 8, 22, aud) 
wohl ein vierter ald Referve folgte. Beliebte Tattif 
war das Legen eines Hinterhaltes, 2 8,2.12; 
Richt. 20, 36; 1. Sam. 15, 5, ebenſo das Umge⸗ 
hen, 2. Sam. 5, 23. Während der Schlacht blieb 
eine —— zur Bewachung des Lagers zurück, 
1. Sam. 30, 24. Ueber bie Einrichtung desſelben 
ehlen die Nachrichten. Die Behandlung der Be: 
iegten war auch bei den Juden, wie fajt überall 
im Driente, graufam. Fürften und Anführer wur: 
den meiſtens getöbtet, Jof. 10, 26; Richt. 7, 25, 
bie Gefangenen in der Regel ald Sklaven verfauft, 
nicht jelten aber aud unter Martern hingerichtet, 
2. Sam. 12, 31. Weiber und Kinder galten als 
Kriegäbeute, zuweilen wurden aud) fie getöbtet, 
wie dies in dem Eroberungskrieg gegen Baläftina 
Gebot und Vorſchrift war. Eroberte Städte zer: 
ftörte und verbrannte man. Der Sieg wurde mit 
öffentlichem Jubel gefeiert, 1. Sam. 18, 6; 2. 
Sam. 22,2 ff. Zur Erinnerung wurden Dentzei: 

en aufgeridhtet, 1. Sam. 15, 12; 2. Sam. 3, 13, 

inzelne Trophäen wurden im Heiligthum nieder: 
gelent, 2. Sam. 11, 10; 1. Chr. 10, 10; 1. Sam. 

1,9. Im übrigen wurde das Gejek aud im 
Felde in dem Maße beobachtet, daß ein Angriff am 
Sabbath nicht Statt fand. 

Krieg bei Den Chriſten. Die Abneigung ber er: 
ften Chriften gegen den Kriegsdienſt beruhte we: 
niger auf einzelnen dahin gedeuteten Ausfprüchen 
Eprifti oder auf der Verbindung heibnijcher Gere: 
monien mit dem Solbatendienft, ald vielmehr dar: 
auf, daf fie in der noch einfeitig religiöjfen Rich: 
tung das Recht bes Staatälebens nicht anerkann⸗ 
ten und ben weltlichen Jnterefien liberhaupt fremd 
gegenüberftanden. Der legte bedeutende Repräſen⸗ 
tant diefer Richtung ift Tertullian, de idololatria 
und de corona militis. Trotzdem lag es in ber 
Natur der Sade, daß ſchon früh viele Chriften 
im Deere dienten (legio sacra). ftinus aber 
verfiht ſchon vollftändig das Recht und die Pflicht 
bes Chriften, im 
den Krieg zu ziehen. Seitbem haben aud nur 
ſolche Secten fi) dagegen geäußert, wie Quäker 
und Mennoniten, welche durch eine falfche Auf: 
fafjung des Begriffes „Welt“ gleich den erſten 
Ehri gehindest werden, fih am Staatäleben 
zu betheiligen. Wo dieſe Secten durch ihre reli⸗ 
giöfen Bebentenfan der Erfüllung einer allgemei⸗ 
nen bürgerlihen Pflicht gehindert wurden, geſtat⸗ 
tete ihnen die Nachficht der Regierung in der Res 
gel eine Ablöfung derfelben durch Geld. Die neuefte 
beutfche Geſetzgebung aber hat auch dieſe Befrei: 
ung aufgehoben. Die Kriegäpflicht des Einzelnen 
ift durch jeine Angehörigkeit an den Staat, ald an 
eine gottgewollte fittliche Ordnung, gegeben. Die 
chriſtliche Ethik muß den Krieg als ſol verab⸗ 
eg und ner gen als Ideal fefthalten, 
allein ſo lange elbe noch als ein unumgäng ⸗ 
lies Mittel für den Beſtand der Staatögemein- 


ſchaft betrachtet werden muß, benfelben für im | 


ehorjam gegen die Obrigkeit in. 


Kriege Jehobahs, daß Bud der, iſt eine ver» 
loren are poetifche, im Alten Teftamente 
4, Not 1, 14 ein Mal erwähnte, Schrift. 

Kriegsbienfl der Geiſtlichen. Da die katholiſche 
Kirche in den Geiftlichen die ideale Gemeinde fieht, 
welche von ben Intereſſen der Welt und des Welt⸗ 
reiches nicht mehr berührt wird, jo konnte fie den 
Kriegsdienft der Geiftlihen nicht gutheißen. Be: 
ftimmte Kicchengejege verboten ihn, belegten ihn 
mit Strafen und folgerten fogar aus demfelben 
eine Jrr rität (defectus perfectae lenitatis), 
welde Je vom geiftlihen Stande ausjchloß, 
ber Blut vergoflen habe. —— haben ſich in der 

anzen Zeit des Mittelalters Biſchöfe und ſelbſt 
Bäpfte (Julius IL.) durch friegerifhe Thaten aus: 
— Die Verbindung der Lehen mit dem 

irchenamt gab die äußere nlaffung. Wo bie 
Kirche wegen ihrer religiöjen Zwede den Krieg 
betrieb, fand die ritterlihe Neigung der hohen 
Geiftlichleit um fo mehr Anlaß, fich perjönlich zu 
betheiligen. Die evangelijhe Kirche hat niemals 
einen Grund gehabt, den Geiftlichen feiner bürger⸗ 
lihen Verpflich zu entziehen. Daß man ge 
genmwärtig die Theologie Studirenden vom Mili- 
tärbienfte meift befreit fein läßt, ift eine Bergünfti- 


gung aus äußern Rüdfichten, melde dem geijtlichen 


Stande ſelbſt wie dem Heere ein wejentlihes Bil: 
dungdelement entzieht. Wo man in der evange 
liſchen Kirche diefe Befreiung verlangt, weil der 
Militärdienit mit dem geiftlihen Berufe unverein- 
bar fei, beruht das Verlangen wiederum auf dem 
aus dem Pietismus haftengebliebenen jaljchen 
8* zwiſchen Kirche und Welt. 

tb, ein Bach in Paläſtina, 1. Kön. 17, 3—T, 
an dem ſich Elias verbarg. Nad der Tradition 
wäre eö ber Duell von Phujaelis oder Ain- Fafail 
Die Neuern ſchwanken zwischen dem Wady: Adzlau 
im Dften und dem Wadi⸗Kett im Weiten des For: 


dan. 

Kritik, bibliſche. Die biblische Kritik dat haupt: 
fächlich eine doppelte Aufgabe: 1) die Authentie 
(Echtheit) der biblischen Schriften, 2) die en 
(Unverfehrtheit) derfelben nad) einer wiſſenſchaft⸗ 
lihen Methode zu unterfuden. Was das Erſte be- 
trifft, jo hat fie ſich die Frage zu ftellen: Jit eine 
Schrift von dem Berfafler, in der Zeit, an dem 
Drte, unter den Umſtänden verfaßt worden, welche 
die Ueberlieferung für diefelbe angiebt? Sie fann 
dieſe Frage auf doppeltem Wege beantworten, ent: 
weder auf Grund geihichtliher Anhaltspunite, 
welche außerhalb der bibliſchen Schrift gegeben 
find, oder auf Grundlage der Form und des In: 
—— der Schrift ſelbſt. Unter den erſteren ſind 

eugniſſe zu verſtehen von ſolchen Schriftftellern, 
welche der Zeit der Abfaſſung der bibliſchen Schrift 
nicht zu fern ſtehen; Citate aus einer ſolchen be 
weiſen nicht nur ihre Exiſtenz, fondern auch ibr 
autoritatives Anfehen zur Zeit des betreffenden 
Schriftftellers;; es ift dabei noch die Frage in Be 
rüdfihtigung zu vr ob in diefen Zeugniflen 
ausdrüdlich gejagt tft, daß das Citat von dem 
oder jenem biblifchen Berfaffer herrührt, oder ob 
das Gitat ohne diefe Bemerkung in den Text ver- 
flochten ift. Letzteres beweiſt natürlich nicht gegen 
die Unechtheit, erfordert aber eine nod) genauere 
Unterfuhung der Umftände. So iſt es z. B. eine 
wichtige Streitfrage, ob Juftin das Evangelium 


Kritik, biblifche 


Johannes als Wert des Apofteld gefannt hat, 
oder nit. Was die Kritik aus der zu prüf 
Schrift jelbft heraus betrifft, jo können bier 
ungefähr folgende Punkte in Betracht fommen. 
1) Sprade und Stil, aus welden Schlüffe ge 
macht werden können auf Abfafjungszeit und Ber: 
fafler. So kann 3. B. aus gewifjen Eigenthüm- 
lihleiten der hebräifhen Sprache auf größeres 
oder geringeres Alter geſchloſſen werden, jo wurde 
aus der Sprade des Hebräerbriefes aeichlofien, 
daß der Berfafler nicht derfelbe fein könne mit 
demjenigen der Bauliniichen Briefe. 2) Dogma: 
tiſche und ethische Vorftellungen laſſen auf Perſon, 
Zeit und Ort der Abfaffung Schlüffe machen; fo 
waren 3. B. die in einigen Baulinifhen Briefen 
erwähnten Jrrlehrer Gegenftand vielfacher Erör: 
terung zu kritiſchen Zweden. 3) Berhältniffe, Zu: 
ftände, welche eine Schrift oder einzelne Stellen 
oorausfegen, können verglichen werden mit ander: 
meitigen biftorifhen Anhaltspunkten, um daraus 
ein Urtheil über die Entftehungäverhältniffe der: 
jelben zu gewinnen. So legen 3. B. im Deutero: 
nomium einzelne Geſetze nabe, daß fie, jpätere 
Berhältnifje vorausfegend (u. A. das Königs: 
eſetz), nit von Moſes jelbit ſchon verfaßt find. 
8 die Unterfuhung der Integrität betrifit, jo 
geht fie von der Möglichkeit aus, daß der Text der 
bibliihen Schriften uns nicht in jeder Beziehung 
enau fo überliefert worden ift, wie er aus der 
des Schriftftellerd hervorging. Die Mög: 
lichkeiten, die hier in Betracht fommen, find 
folgende: 1) Der Tert kann durch Abjchreiben der 
Handſchriften verborben (corrumpirt) worden fein. 
2) Es können auf demjelben Wege Worte und 
Stellen gänzlich verloren gegangen (defect) fein. 
Beide Male kann der urfprüngliche Sinn der Stelle 
verloren oder verändert jein. 3) Es können fi 
unmwilllürlih Worte und Süße in den Tert 
ſchlichen haben, welche nicht hineingehören, 3. V. 
Randbemerfungen (Glofjeme). 4) Es können ein: 
selne Theile eines Ganzen verrüdt worben fein, 
entweder unmillfürlich oder um eine gewifle Ord⸗ 
nung berzuftellen (3. B. Phil. 1, 16 und 17; die Peri⸗ 
fope von der Ehebredherin, oh. 8, 1—11). 5) Es 
können abſichtliche Einfügungen (Interpolationen) 
emacht worden jein, um gemifien Lehren durch 
Namen eines heiligen Schriftftellers Sanction 
verichaffen. (.1. 305. 5,7—8. Die Prü- 
biejer Berhältniffe kann nun angeftellt wer: 
den, entweder auf dem Wege der jog. äußern oder 
niedern Kritik, d. 5. durch einfache Vergleichung 
verichiedener Lesarten (Varianten), der Hand: 
ſchriften, Meberjegungeu und Citate, wobei es 
Aufgabe diefer jog. Tertkritif ift, beftimmte Re: 
geln feftzuftellen, nad) denen methodisch —— 
wird (f. d. Art. Bibeltert). Oder fie kann den Weg 
der innern oder höhern Kritik einfchlagen und auß 
dem Terte jelbft die Unrichtigfeit oder Correctheit 
einer Stelle zu bemeifen fuhen. Da —8* die An⸗ 
haltspunkte zuweilen nicht ganz ſicher ſind, fo tritt, 
namentlihim A. T. die jog. Conjectur hülfeleiftend 
ein; d. h. es wird ein gewiſſer Zuftand des Tertes 
vermithet, was er gelungen ift, je Harer 
bie übrigen Beftandtheile des Tertes damit über: 
einftimmen. Der Weg ber Gonjectur erheiſcht 
übrigens jeines jubjectiven Charalters wegen die 
e Borfiht. Mit diefen Unterjuhungen über 
tie und Integrität verbindet fich leicht auch 
eine andere, welche namentlich in der Zeit, als 


505 


aritit, geſchichtliche 


der Kanon noch nicht feinen fertigen Abſchluß ge 
funden hatte, eine gewöhnliche war, nämlich dies 
jenige der Ranonicttät eines Buches. Die Frage 
nad) der Kanonicität fteht in Zufammenhang mit 
den Fragen nad Authentie und Integrität, ift 
aber nicht durch biefelbe bedingt, da 3. B. eine 
Schrift recht — omg oder unpaulinifch 
fein kann, ohne deßwegen unlanonifch zu werben. 
Das Hauptinterefje dieſer Frage ift ein dogmati⸗ 
ſches. Die Kritit im Allgemeinen theilt man ein 
in eine höhere und niedere, indem man unter 
jener die Kritik biblifcher Bücher nad Form und 
Inhalt, unter diefer die Kritik des Textes verfteht. 
Eine andere Eintheilung ift die in äußere und 
innere, wobei man unter jener die en äußere An: 
haltöpuntte (Beugniffe, Handſchriften) fi grün« 
dende, unter der andern die mit innern nden 
operirende Kritik begreift. Eine britte ift endlich 
die Eintheilung in negative und pofitive Kritik, 
indem das Ergebniß ber Unterfuchung in Betracht 
gezogen wird, weldyes ein boppeltes jein fan: 1) 
daß ein Buch oder eine Stelle nicht unter den 
Umftänden entftanden ift, wie die Ueberlieferung 
meldet; 2) daß die richtigen Berhältniffe pofitio jo 
und jo find. Die leßtere Kritik ift die ſchwierigere 
und gefährlichere, jofern man fich in ihrer Aus: 
übung gar oft über die Tragweite der wirklich vor: 
handenen wiſſenſchaftlichen Mittel täufht. — Die 
grage endlich nad) der Berechtigung der biblifchen 
ritit überhaupt, ob diejelbe übereinftimme mit 
der dem heiligen Bude —— Ehrfurcht, beant⸗ 
worten wir mit den Worten Rothe's: „Wahrlich, 
es giebt nicht bloß eine aus der Skepſis lommende 
bibliſche Kritik, ſondern auch eine der Plerophorie 
des Glaubens entſtammende, und dieſe iſt der 
chriſtlichen Frömmigkeit, wenigſtens als evange⸗ 
ale: eingeboren. So bequem hat Gott uns das 
Geſchäft freilich nicht — und nicht machen 
wollen. Er giebt uns Menſchen nun einmal nichts 
fertig; alle Fine Gaben theilt er uns io zu, daß 
wir nod) vollauf daran zu thun haben; dafür find 
wir eben Menſchen. So ift es denn auch mit der 
h. Schrift; und wenn wir uns nun der von Gott 
und aufgegebenen Arbeit an ihr unterziehen, und 
fie ber ori Kritit unterwerfen, fo heißt 
dies nicht, da wir und über fie ftellen und fie 
meiftern, ſondern daß wir und aufrichtig bemühen, 
fie richtig verftehen zu lernen.” (Zur Dogmatit, 
S. 310). S. aud) den Art. Einleitung. Bgl. Hitig, 
Begriff der Kritik, 1831; Drechsler, die üumi) 
ſenſchaftlichteit im Gebiete der Kritik, 1837; Hauff, 
Dffenbarungsglanbe und Kritik der bibliſchen Ge: 
ſchichtsbücher, am Beifpiele des Buches Joſua zc., 
1843; Hahn, über den gegenwärtigen Stand der 
neutejtamentlichen Kritit, 1843; Hilgenfeld, der 
Kanon und die Kritik des N. T. in ihrer geſchicht— 
lihen Ausbildung, 1863. ; 
Kritik, geſchichtliche. Unter geſchichtlicher Kritik 
verfteht man die egacte Feititellung der geſchicht⸗ 
lichen ee duch genaue Unterjuhung der 
Quellen. Diejelbe erfordert Folgendes: 1) Eine 
Prüfung der Duellen jelbft ; eö muß conftatirt wer: 
den, wie weit die Quellen für Die Heritellung bes 
Thatbeftandes brauchbar find oder nicht; wie weit 
fie die Wahrheit berichten lönnen und wollen ; wie 
weit fie von Tendenzen, falſchen Borausfegungen, 
Mißverſtändniſſen, von Mythifhem und Sagen» 
haftem beherrfcht jind, oder nicht, 2) Eine Prüfung 
der Geſchichte aus den Duellen, welche unterfucht, 


Kroatien 


Seiten der vorausgehen 
eine mit dem Ergebniß der kritiſchen Duellen: 
unterfugung übereinftimmende fei oder nicht. 
re fann feine wirkliche Geſchichtsdarſtellung 

i 
Unterſchied, ob diefelbe bloß in Einzelheiten ange: 
wandt wird, ohne daf die Gefammtauffaflung da: 


ftört würde; ober ob fie auch bie lehtere 


506 


ob die Darftellung geichichtlicher Thatiachen von 
Geſchichtſchreibung 


ſtoriſchen Kritik entbehren; allein es iſt ein 


Krüdener 


jedoch nahmen fie von den Bulgaren die ſlaviſche 
Liturgie ded Methodiud an und ſchwankten län: 
gere Zeit zwiſchen Rom und Gonitantinopel, bis 
1085 das griechische Glaubensbetenntniß verbrängt 
murbe. Zänger noch erhielt fich die ſlaviſche Litnr⸗ 
gie. Die älteften Bisthümer waren: Dumno, 
Siſel und Skradin; dazu famen Belgrad und ſtnin, 
und endlich ftiftete Ladislaus das jet nod allein 
beftehende Bistum Agram, In der Gegenwart 


dur 
jeldft zum Gegenftand ihrer Unterfuchung macht. | finden fih außer den Katholiten unirte Grie- 
n dieſem Falle tritt die geſchichtliche Kritik als | hen unter dem Bifchof von Kreuz im Metropolitan: 


ein wiſſenſchaftliches Princip von der weitreichend: 
ften Bedeutung, und in fo fern auch die Tradition 
eine Maht von großem Einfluß ift, zuerit als 
principieller Gegenfag im Kampfe gegen die Tra: 
dition auf. In einer Kirche, wie der fatholifchen, 
welche die Tradition ald unfehlbar fanctionirt, ift 
daher eine geſchichtliche Kritik im größeren Maß: 
ftabe nicht möglich; dagegen hat die evangeliſche 
Kirche, deren Entftehung auf einer geſchichtlichen 
Kritil beruhte und deren Brincip für die Gefchichts: 
forſchung Melanchthon in feiner Antrittörede zu 
Wittenderg in feiner Ermahnung „Zu den Quel: 
len“ trefflich charakterifirte, feinen Grund fich der 
—* Kritik zu verſchließen. Sie kann das: 
—— als unberechtigt ee ni aus def: 
fen Boden fie felber entjprungen ift. Das Haupt: 
interefie der evangelifchen Theologie kann nur die 

heit fin, deren immer genauere Erforichung 
die Aufgabe der Kritif ift; mögen auch bei den 
erften Fritifchen Anläufen die heiligen Gegenftände 
des Glaubens durch die Kritik oft entweiht erſchei⸗ 
nen, auf die Dauer lönnen fie doch nur gewinnen, 
je mehr fie bis ins Einzelne vom Lichte der Wahr: 
heit beleuchtet werden, und je mehr fie aus blaf: 
fen, todten, wenn auch geheimnifvollen Umrifien 
zu lebendigen, farbenreihen Bildern ſich ummwan: 
dein. Wenn aber auch die gejchichtliche Kritik ſchon 
im Princip der evangelifchen Kirche lag, fo war es 
doch erft Die neuere Zeit, welche diefelbe in vollem 
Umfang ala eng erg Princip vollzog. Wie 
auf dem meltlichen Gebiete, auf dem Gebiete ber 
Philologie Fr. Aug. Wolf, auf dem der Geſchichte 
Riebuhr, Mommfen, Droyfen u. A. die gefhicht: 
fie Kritik in die Wiffenfchaft einführten, jo hat 
namentlich ber Kampf, welcher durch das Leben 
Jeſu von Strauf 1885 und die fogenannte Tü: 
ai ii Kritik der eriten hriftlihen Jahrhunderte 
entitanden ift, in der Theologie eine lebhafte Be: 
megung auf dem Gebiete gefhichtlicher Kritik her: 
vorgerufen. So wenig ſicher aud) noch auf jo vie: 
len Gebieten, wie namentlich dem Gebiete des 
Lebens Jeſu, die Refultate find, hat doch die bifto: 
riſche Kritik das Berdienft, binnen furger Zeit viele 
bedeutende Errungenſchaften der Wiſſenſchaft für 
alle Zukunft gebracht zu haben. 

Kroatien wurde um 640 den Avaren von dem 
ſlaviſchen Stamme der € aten entrifien und 
von diefen unter griechifcher Oberhoheit bejeffen. 
Später den Franken unterworfen, erlämpften die 
Chrowaten ihre Unabhängigkeit 830 und ftifteten 
ein eigenes Reich, bis 1091 Ladislaus I. von Un: 
garn dasſelbe eroberte und mit der Arone Ungarn 
vereinigte. Das Chriftenthum fand vorlibergehende 
Aufnahme durch die Bemühungen des griechiſchen 
Raifers Heraclius, Erft nach der Gründung des 
felbftändigen Reiches nahmen fie dad Chriftenthum 
an und hielten fich, um einen Anbalt nenen die 

zu haben, an den Papft in Rom; 8653 


verbande von Lemberg, und orthodoxe Griechen, 
welche zum Bistum Karlftabt im Sprengel des 
Metropoliten von Karlomik gehören. Die Refor: 
mation fand allerdings —* ihr berühm: 
teſter Vertreter war Michael — ch, Pfarrer 
zu Muraloz; indeß gelang es den Biſchöfen 
1607—1610 das Evangelium wieder auszurotten, 
fo daß nicht Hundert Evangelifche mehr im Lande 
zu finden find. 

Krönung. Eine Krönung ber Könige Yiraels 
mit dem königlihen Diadem und in Verbindung 
mit der Salbung wird erzählt 2. Kön. 11, 12. 
Diefem nachgebildet ift der Ritus der Krönung 
der fpäteren riftlihen Könige, namentlich der 
deutſchen Kaijer, welcher immer mehr zum ſym⸗ 
boliſchen Ausdrud des Gedantens wurde, dab die 
Kirche mit ihrem Briefterhaupte über der weltlichen 
Macht ftehe. Daher denn die proteftantiichen Kö— 
nige die Weife annahmen, fi die Krone ſelbſt 
aufzufegen, zum Zeichen, daß fie dieſelbe nur von 
Bott und nicht von irgend einem Menſchen em: 
pfangen hätten. Die Krönung des Bapites mit der 
dreifahen Krone fand Statt an dem erften auf 
feine Wahl folgenden Sonn: oder Feittage burd 
den älteften Gardinaldiaton nach den im Ceremo- 
niale Romanum vorgejhriebenen Formen, und 
mit den Worten: Accipe tiaram tribus coronis 
ornatam et scias te esse Patrem Prineipum et 
regum Rectorem orbis, in terra Vicarium Sal- 
vatoris nostri Jesu Christi. Cui est honor et 
gloria in saecula saeculorum. Amen. 

Krokodil. Das Ungeheuer des Nils wird Hiob 
40, 20—25 poetiſch in feiner Furchtbarkeit ge 
ſchildert, bei Eyechiel 29, 3 ff. wird es ald Sym⸗ 
bol Aegyptens betrachtet. 

Krommell. S. Cromwell. 

Krüdener, Juliane Barbara Freifrau von, geb. 
von Wietinghoff. Sie war aus einem alten abligen 
Geſchlechte zu Riga, 11. Nov. 1766, geboren, und 
erhielt ihre Erziehung in Paris, wo im Haufe ihres 
Baterd die Häupter der Encyllopädiften verkehr: 
ten. In ihrem 14. Jahre wurde fie gegen ibre 
Neigung an den viel Älteren Baron von Kr., ruf: 
fifchen Sefandten in Venedig, verheiratet. Nach 
einigen Jahren wurde die Ehe, der ein Sohn und 
eine Tochter entprungen waren, wieder getrennt. 
Die junge Frau lebte ihrem Bergnügen in Riga, 
Petersburg und Paris und madte fi literarıfh 
durch ihren Roman Balerie (Baris 1804) befannt. 
Nach dem Tode ihres Gemahls in die Heimath zurüd- 
gekehrt, wandte ſie ſich einem ſchwärmeriſchen Pie 
tismus zu, als deſſen Prophetin ſie nun auftrat. Sie 
beſuchte Stilling und Oberlin, bereifte vie Schweiz 
und Baden und — dort einigen Ei auf 
Alerander von Rußland, ber in Heibelberg und 
Paris häufig an den Bibelftunden in ihrem Hauir 
Theil nahm. In der Schweis, wo fie am Genfer 
Paftor Einpaytaz einen begeifierten Anhänger fand 


Krug 


verfolgte fie der . der Behörden, der durch 
das Zuftrömen der Armen zu ihr, Durch ihre Prophe⸗ 
eiungen und ihr ſchwärmeriſches Weſen nur ge 
heigert wurde. Nachdem fie aus Bafel und Bern 
ausgemwiefen, in Hörnlein an der badischen Grenze 
ein Aſyl gefunden, wurde fie 1818 durch die Poli⸗ 
zei von ihren Freunden getrennt und förmlichit 
nach Dresden und in ihre Heimath escortirt. In 
Veteröburg trat fie noch einmal als begeifterte 
Griechenfreundin auf, ohne bei dem Kaifer wieder 
Zutritt zu gewinnen. Im Begriff einen lang ge: 
hegten Gedanten, die Gründung einer Colonie 
ihrer Anhänger in Sübrufland, zur Ausführung 
au bringen, ftarb fie auf der Reife nach der Krim, 
den 13. Dec. 1824, zu Karafubafar an der Schwind: 
ſucht. eg Eynard, Vie de Madame de Krüdener, 
Par. 1849; Biethe, Jul. v. Krüdener, 1864. Bres- 
cius u. Seiler, Beiträge einer Char. der Fr. v. K. 
Berlin 1818. 

Krug, Wilh. Traugott, geb. den 22. Juni 1770 
zu Radis bei Gräfenhainichen, geit. den 13. Jan. 
1842, ald Brofeflor der Philoſophie zu Leipzig feit 
1809, Er hatte alö reitender Jäger am Befreiungs: 
friege 1813 Theil genommen und wurde 1834 
emeritirt. Schriften von ihm: Gefchichte der Phi— 
loſophie alter Zeit, Leipz. 1825, 2. Aufl. 1826; 
Handbuch der Philoſophie, 2 Bre. 1820; Allge: 
meines Handmwörterbud der philofophifhen Wij: 
fenfhaften, 5 Bde., Leipz. 1827—34. Gejfammelte 
Schriften, 6 Bde, Braunfhweig 1830-1834 
Bol. feine Selbftbiographie „Meine Lebensreiſe“ 
2 6 Stationen, von Urceus, Lpz. 1826, 2. Aufl. 
1842. 


Krummader, Friedr. Adolf. Geboren den 13. 
Juli 1767 zu Tedienburg in Weftphalen, nun 
er bie lateiniiche Schule oki Baterftadt und be: 
409 1786 die Univerjität Lingen, ftubirte hier und 
feit 1787 in Halle unter Knapp Theologie. Nach— 
dem er 1789 eine Hauslehrerftelle in Bremen be: 
Heidet hatte, ward er 1790 Eonrector am Gym: 
naftum zu Hamm, 1793 Rector der Stadiſchule 
u Mörs. 1800 überfam er eine theologische Bro: 
—* su Duisburg, die er 1806 aufgab und mit 
dem Pfarramt zu Kettwig vertaufchte. Ton dort 
wurde er 1812 als Generalfuperintendent nad 
Bernburg berufen. Zulegt nahm er die Wahl zum 
— prim. von St. Ansgar in Bremen an. 
ort ftarb er 1845. Sein bedeutendſtes theolo- 
gifches Wert ift: Meber den Geift und die Form 
der evangelifchen Geſchichte, Leipzig 1305. Blei: 
benden Werth hat jeine Schrift über den Bund 
der Bolläfchule mit der Kirche, 1823. Bibelfate: 
chismus 1810, 13. Aufl. 1854. Als Theolog und 
als Redner ohne befondere Bedeutung, wird er 
als chriſtlich frommer, gemüthlicher Dichter und 
Jugendſchriftſteller länger fortleben. Wenigftens 
in mehreren Liedern, zum Theil in feinen verbrei- 
tetften und gefeierteften Dichtungen, den Bara: 
bein, 1805, 8. Aufl. 1850, deren Sinnigfeit und 
Lieblichkeit hie und da aud) Tiefe und Ernſt ver: 
räth, die aber zum Theil auch dem männlicher ge: 
worbenen Geijt der Gegenwart dur frankhafte 
und ſchwächliche Kindlichkeit nicht mehr genießbar 
—* Das Feſtbüchlein, 1809; das Wörtlein 
Ind, eine Geburtstagöfeier u. |. m. Möller, F. N. 
Krummacher und feine Freunde, 2 Bde., 1849. 
Rrumma 
Borigen, geb. ben 1. April 1774 in Tedlenburg. 
Er ſtudirte in Duisburg und lebte dann als 3 


507 


—⸗ 


Krummſtab 


vatlehrer bei feinem Bruder in Hamm und Mörs, 
bis er 1798 zum Pfarrer in Baerl bei Mörs ge- 
wählt wurde. Eine energiiche originale Natur — 
viel mehr als fein berühmterer Bruder — wurde 
er bier durch den Verkehr mit calviniftifch from: 
men Gliedern jeiner Gemeinde und ber Grafihaft 
Mörs zu einer lebendigen Frömmigleit angeregt, 
welche dann auf dem Grunde reformirter Eocceja- 
niſch⸗ Lampiſcher Theologie bei ihm eine ſehr indi⸗ 
viduelle Geftaltung gewann. Eine bedeutende und 
einflußreiche Wirkfamteit erlangte er als Prediger 
zu Elberfeld feit 1316 (vorher jeit 18071 in Wülf⸗ 
rath). Ein fchroffer Prädeftinationismus —— 
ſich in ihm mit einem ſehr ſubjectiven Gefühls⸗ 
chriſtenthum, welches ſich durch die willlürlichſte 
allegoriſche Schriftauslegung zu begründen ſuchte, 
aber eben dadurch Viele anzog, an⸗ und au e, 
förderte und verwirrte. Unordnungen, welche der 
hriftlihe Webermuth feines Anhangs erregte, 
brachte ihn in Eonflicte mit dem Kirchenregimente, 
dem er fi nad langem Sträuben durch feine 
Rechtfertigungspredigt über Röm. 6, 1 (Erefeld 
1820) unterwarf. Er blieb aber ein ftarrer Gegner 
der Union und der Agende. Die ganze Art jeined 
Weſens prägte ſich für längere Zeit in feiner Ger 
meinde und den gläubigen reformirten Rreifen des 
Wupperthals ſowohl in ihrer ernften Frömmig- 
feit als aud) in ihren Abfonderlichleiten und Ver⸗ 
fehrtheiten ab. + 30. Januar 1837. Seine Haupt: 
ihriften find: Jakobs Kampf und —* 11 Pre⸗ 
digten, Elberf. 1829, 4. Aufl. Ebf. 1857; Iſraels 
Wanderungen durch die Wüſte, Elberf. 1828; 
Die hoheprieſterliche Segensformel, 1883; Wahr: 
heit zur Gottfeligteit, 1835; Der Philipperbrief, 
Fan 1836, Bgl. Sein Leben von Emil Wilb. 
Kr., Eiberf. 1838, 

Krummader, Friedrich Wilhelm, Sohn von Fr. 
Adolf, geb. zu Mörs den 28. Yan. 1797, war Hul 
prebiger zu Sant R ge Prediger in Rubrort, 
Gemarte und Elberfeld, wurde 1847 Prediger an 
der Dreifaltigkeitöfirche gu Berlin, zulegt Sof: und 
Sarnifonprediger in Potsdam, wo er den 9. Der. 
1863 ftarb. Durch natürliche Gabe der Beredſam⸗ 
keit, die aber mehr in einer gewiſſen originalen 
Phantafiethätigkeit als im ethifhen Gebiete ſich 

eltend machte, war er einer ber hervorragendften 
Rrebiger Deutihlands, In Elberfeld trat er in 
die Fußftapfen feines Ontels, ala einer 
prononeirt reformirten Frömmigfeit, die fi von 
Zelotismus nicht völlig frei halten fonnte, Bon 
jeinen homiletiſchen Schriften find die befannte- 
ften: Elias der Thisbiter, Elberf. 1828, 5. Aufl. 
Eibf. 1860, und Salomo und Sulamith, send 
ten aus dem Liebe ber Lieder, 5. Aufl. 1830, 7. 
Aufl. Elbf. 1855. — Sein Bruder Emil Wilhelm, 
rebiger in Langenberg und Duisburg, madıte 
ch in weiteren Kreifen durch zelotiſches Auftreten 
gegen Bunjen bei der Berfammlung der evange: 
ſchen Alliance zu Berlin bekannt. 
tummftab, virga pastoralis, cambutta, po- 
dum episcopale, dızarizıor. Derfelbe gehört zu 
ben Amtsinftgnien der Bifchöfe, und ift ein langer, 
oben gekrümmter metallner Stab, oft loftbar ver: 
ziert. Er ſtellt ben —— vor und bildet zu⸗ 
leich den Reiſeſtab Apoſtel und Pilger nach. 
ie lirchliche Sage führt die Uebergabe des Hir- 


ger, Sottfrieb Daniel, der Bruder des | tenftabes ala Zeihen des Amts auf den h. Petrus 


zurüd. Gewiß aber tft die Sitte fehr alt, da ihn 
das Eoneil von Toledo 683 zu den biſchöflichen 


Arummftabslehen 


Infignien rechnet. Den Rrummftab führen auch 
Aebte und Nebtiffinnen, die nicht infulirten jedoch 
tragen ihn zum Zeichen der Unterwürfigfeit unter 
bifchöfliche Jurisdiction mit einem Schweißtuch 
ummundben. Da der Krummitab dad Symbol der 
Jurisdiction ift, fo darf ihn aud der Biſchof in 
einer fremden Diöcefe nicht ohne Erlaubnik des 
Ordinarius tragen. Bei ben Erzbifhöfen der 
griechiſchen ag. iſt der Hirtenſtab gerade, mit 
einem Kreuze verziert, bei den Patriarchen mit 
einem Doppellreuze. 

Rrummfabsiehen bedeuten foviel wie Kirchen: 
leben, weil die Belehnung mit dem Hirtenftabe zu 
erfolgen pflegte. 

Krypten (xovrres) find unterirdifche Capellen 
unter dem Chore ber älteren Kirchen. Sie find eine 
Nachbildung der unterirdifchen Grotten, in melden 
die Zeiber ber Märtyrer beigeſetzt waren und in de: 
nen fid) Die Gemeinde zur Feier der Communion ver: 
fanmelte (daher aud) die Namen Confessio, Te- 
stimonium, Memoria) unb über welden nachher 
die Kirchen erbaut wurben. Bei anderen Kirchen 
gründete man unter dem Hauptaltar ein Märtyrer: 
grab für Die Reliquien des Heiligen, dem die Kirche 
geweiht wurde, und dies erweiterte ſich zur Ga: 
pelle, in welcher zu befonderen Zeiten der Gottes: 
dienft gefeiert wurde. Bei der gothiichen Bauart 
verſchwanden die Krypten. Berühmte Arypten find 
F St. Sebaſtian in Rom, in den Domen zu Mer: 
eburg, Naumburg, Zeit, Bamberg, Baderborn, 
Speier, Trier, Bajel, Dueblinburg, Ellmangen. 

fer. ©. Entäußerung. 

Kryptocalvinismms. Derftedter Calvinismus 
wurde den Anhängern Melanchthons von ihren 
Gegnern vorgeworfen, und aus Anlaß dieſer Be: 
fhuldigung wurde gegen fie in einer Weife einge: 
ſchritten, daß auf längere Zeit jene Richtung völlig 
unterbrüdt war. Nah Melanchthons Tode ftan: 
ben in ber beutichen evangelifchen Kirche drei Rich: 
tungen neben einander. Die Flacianer, welde 
bejonderö die Iutheriihen Lehren über Erbjünde 
und Abendmahl in fchroffer Conſequenz weiter 
entwidelt hatten, und deren Hauptitügen die Uni: 
verfität Jena und Herzog Johann Friedrich von 
Sadjen waren ; die Württemberger unter der Füh—⸗ 
tung von Brenz und dem Schutze des Herzogs 
Chriſtoph, welche vorzugsweiſe Die Ubiquitätälehre 

r Begründung der leiblihen Gegenwart Chrifti 
m Abendmahl vertheidigten und die Melandı: 
thonianer oder Philippiften, welche zwar die Grund: 
gedanken ber deutichen Reformation fefthielten, 
aber mild und unioniftifch gefinnt, die Härten 
auszugleihen und eine Berftändigung ber ftrei: 
tenden Parteien, auch mit den Schweizern, herbei⸗ 
ums fi) bemühten. Daß die Verſchiedenheit 

Anfichten fich in den verjchiedenen Ausgaben 

ber Augöburger Eonfeffion von 1530 und 1540, 
welche beide als förmliche Belenntnißfchriften über: 
eben und unterfchrieben waren, ausſpreche, war 

o lange unbeacdhtet geblieben, bis der Jeſuit Ca: 
nifius beim Wormjer Geſpräch 1557 darauf auf: 
merkſam machte, um eine Spaltung der Pro: 
tejtanten herbeizuführen. Der theologifche Zwie⸗ 
fpalt fchärfte fih an dem Umſtande von neuem, 
Die politifchen Verhältniſſe nöthigten die Fürſten 
immer neue Einigungöverfuche zu machen, es ent: 
ftand der Frankfurter Receß 1558 und ber Ab- 
ſchied des Naumburger Fürftentags 1561, in bei- 
den hatte bie philippiftifche Richtung obaefient ; 


508 


Kryptocaloinismus 


aber in ben meiften Territorien waren die Prediger 
und das vonihnen bearbeitete Volk ftreng lutheriſch 
und nöthigten die Fürften wieder, ihnen nachzu⸗ 
eben. So war durch das ſächſiſche Eonfutations- 
& von 1558 und das eg Synodal- 
befenntniß von 1559 die innere Spaltung nur 
zum fchärferen Ausſpruch gelommen und die phi—⸗ 
lippiftiiche Union des Naumburger Tages wurde, 
um Johann Fyriedrih von Sachen und die luthe⸗ 
rifchen Eiferer zufrieden zu ftellen, durch die nach⸗ 
folgende Erklärung in ber dmahlslehre wie: 
der lutheriſch umgebeutet. Nur in der Pfalz hatte 
Friedrich III. den Frankfurter Receß aufrechterhal⸗ 
ten, die Iutherijchen Eiferer vertrieben und 1563 
den Heidelberger Katechismus eingeführt. Die 
vereinfamte Stellung, die er dadurch einnahm, 
und die ihn eine Zeitlang der Gefahr, vom Reli- 
gionsfrieden ausgefchloffen zu werben, ausjekte, 
nöthigte ihn, eine größere Annäherung an bie 
Schmeizer zu fuchen und den Eultus dem eher 
entiprechend zu vereinfachen. Die alte lutheriſche 
Furdt vor Zwinglianismus und Sacramentirerei 
—— dadurch neue Nahrung. Das Herzogthum 
achſen wandte ſich noch entſchiedener dem Luther⸗ 
thum zu. Nah Johann Friedrichs Abſetzung wur: 
den die 1559 vertriebenen Flacianer von Johann 
Wilhelm 1568 zurüdberufen und die Philippiften 
verjagt. Diefe fanden in Kurſachſen eine freundliche 
Aufnahme; es wirkte dazu nicht wenig mit bie 
ſchwer verhaltene Abneigung, welche noch immer 
zwiichen dem herzoglichen und bem Kurhauſe 
herrſchte. Das Altenburger Geſpräch 1569 hatte 
feinen Erfolg; der „endliche Bericht” 1570 hielt 
die Confeſſion von 1540, Melanchthons loci und 
das corpus doctrinae feft und wies den Flacia⸗ 
nismus zurüd, der ingwifchen in Preußen und, 
mit Ausnahme Bremens, in ganz Norddeutichland 
fiegte, während in Württemberg Andreae immer 
entichiedener alles Gewicht auf Die Ubiquitätslehre 
legte. Die Vereinzelung, in welder fih dadurch 
die philippiftifchen Theologen in Kurſachſen fan- 
den, nöthigte fie zu einer Annäherung an bie 
Pfälzer und Reformirten. Der Kurfürjt begün: 
ftigte fie aber weniger aud innerer Ueberzeug 
ald nad dem Herlommen feines Haufed und aus 
Abneigung gegen bie herzoglichen Flacianer. Noch 
1571, als über das Wittenberger Religionsbuch 
für die gelehrten Schulen die Ubtquitiften als über 
ein calvinifches Machwerk herfielen, hatte er von 
feinen Theologen ein gut lutheriſch Zeugniß ver: 
lanat,den consensus dresdensis. Es war eine Roth- 
wendigkeit, ihn unvermerkt für bie Aufrichtung des 
deutfch:reformirten Kirchenthums zu gewinnen, in 
weldem nad der Aufregung, die das Teftament 
des Brenz in Württemberg ſowie Anbreae, Sel- 
neder, Musculus und Heshufius hervorgerufen 
hatten, die einzige Möglichkeit zu finden war, bie 
Melanchthoniſchen Gedanten feftzuhalten. Da lieh 
der Buhdruder Bögelin in Leipzig die exegesis 
perspicua et ferme integra controversiae de 
sacra coena mit Typen bruden, die dem Buche 
den Anſchein geben jollten, als jei es in Genf er- 
hienen. Verfaſſer war der bereits verftorbene 
jchlefifche Arzt Joachim Curäus. Die Schrift ver- 
langte Anerkennung der Calviniften, eine Concor⸗ 
die der deutichen Proteftanten und ordnete Quther 
in ber Lehre der Autorität Melanchthons unter. 
Die Verbreitung diefer Schrift unter den Stubt- 
renden in Wittenberg wurbe von auswärts benußt, 


— 


Kryptofatholicismus 


um dem Aurfürften den Kryptocalvinismus ei: 
ner —— zu zeigen. Als zu gleicher Zeit auf: 
Ag wer iefe die Confpiration des Dr. Cra— 
com, des Hofprediger® Schüß, des Beichtvaters 
des Kurfürjten Stöffel und der Leibärzte Peucer 
und Hermann ergaben, um ihn dem Einfluß feiner 
ultralutherifhen Mutter Anna zu entziehen und 
dem reformirten Kirchenwejen zu gewinnen, ge: 
rieth er über ben Vertrauensbruch in heftigen Zorn 
und ließ gegen die Berbündeten Eriminalunter: 
fuhung einleiten. Auf der Synode zu Torgau 
wurde 1574 durch den Hofprediger Mirus ein 
neues Ölaubensbelenntniß vorgelegt, und die Wit- 
—— Theologen Wiedebram, Cruciger, Pezel 
und Möller, weil fie es nur mit Vorbehalt unter: 
fchreiben wollten, ihrer Aemter entjegt und ver: 
bannt. Der Philippismus war damit in Sachſen 
und in ber [utheriihen Kirche Deutſchlands befiegt 
und vernichtet. Val. Heppe, Geichichte des deut: 
BVroteftantismus in den Jahren 1505 —81, 
arb. 1853. Ebrard, Dogma vom h. Abendmahl 
u. ſ. Geſchichte, Frkf. 1845/46. Gaß, Geſch. d. 
proteſt. matit, Berlin 1854. Henke's Heine 
theol. Schriften, Marburg 1861. 
Kryptofatholicismus, verborgener Katholis 
cismus. Diefer wurde dem —— vorgeworfen 
(Cryptopapismus novae theol. Helmstadiensis, 
1640), weil er das Chriftlihe des Katholicismus 
auch zur Anerfennung bei den proteftantijchen 
Theologen bringen wollte. Mit mehr Recht wird 
in unferen Tagen von einem Kryptokatholicismus 
in der hodhlirhlihen Partei der anglicaniichen 
Kirche und einem Theil der Ultralutheraner gere: 
det, welche den katholiſchen Begriffen von Sacra: 
ment, Kirche und Hierarchie in bedenklicher Weife 
Huldigen. 
Küffen des Altars. Nach der römischen Litur: 
te tüßt in der Mefje der celebrivende Briejter den 
tar —— erſten Stufengebet und ſo oft er 
ich zum Volke wendet. Nach dem dabei vorge— 
chriebenen Gebete gilt der Kuß nicht bloß dem 
Altar, als dem Opfertiſche, ſondern auch den von 
ihm umſchloſſenen Reliquien. Das Miſſale wird 
nach der Verleſung des Evangeliums geküßt und 
dann dem etwa anweſenden Prälaten oder Für— 


ften gleichfalls dargereicht, früher dem gefammten 
Klerus 


ſeüſter (Custos), Mefner, Sacriftan, Sigrift 
ii der Kirchendiener, dem die Beforgung der Rein: 
ichteit und Ordnung der Kirche, der h. Gefäße 
und Baramente, jowie die amtliche Bedienung des 
Pfarrers obliegt. In der Reformationszeit wurde 
ihm auf dem Lande außerdem ber Unterricht der 
Jugend in den fünf Hauptftüden und den Elemen: 
tarfähern en, jo daß leider noch jet viel: 
fach der Schuldienit an die Küfterftelle gebunden 
ift. Wo nicht durch dieſe Verbindung Aenderungen 
eingetreten find, wird der Küfter vom Gemeinde: 
vorjtand er It und angeftelt. An den Be: 
freiungen eiftlihen von manden bürgerlichen 
Zaften hatte ver Küfter gleichfalls Antheil. Manche 
Kirhenordnungen betradten die Küjterftelle als 
Borftufe zum Pfarramt, den Küfter alö den Ge: 
bülfen des Pfarrers, und deßhalb wurden jelbit 
Theologen zu Küftern und Schulmeiftern genom: 
men. Seit gilt der Küſter allgemein als ein nie: 
derer Kirchendiener. Verſchieden ift der Custos 
an den Domftiftern. Urjprünglich war einem le: 
riter die Sorge für die Kirche und die h. Geräthe 


509 


Sumanen 


anvertraut, dad Amt wurde eine —— und 
damit die Seelſorge über die zum Stifte gehöri- 
gen —— und Hausſtande verbunden. 

Kugelherren iſt der Name der Brüder vom ge: 
meinjamen Leben; beim Bolfe hergenommen von 
der grauen Kappe (Kogel), welche he trugen. 

Kuh, die rothe. S. Sprengwaſſer. 

Kuhlmann, Duirinus. Ein religiöjer Phantaft, 
war geb. den 25. Febr. 1651 zu Breslau und ftus 
birte zu Jena Rechtswiſſenſchaft. Schon als Anabe 
bat er egcentriihen Träumereien nacdhgegeben und 
als Sengling Viſionen gehabt. In Holland ftudirte 
er Jak. Böhme's Schriften, verband ſich mit einem 
gewiffen Johann Rothe und vertiefte ſich in ben 
Gedanten, daß er berufen jei, die fünfte Nonardie 
aufzurichten, Rom und. Babylon zu ftürgen. Bon 
Leyden verjagt, Durchwanderte er England, Franlk⸗ 
rei und Italien und forderte alle Monarchen zur 
Unterjtügung auf. Nachdem er von 1678 an aud) 
das Morgenland durhwandert hatte, fam er 1689 
nad Rußland, wo er am 4. October zu Moslau 
wegen feiner Schwärmerei mit einem Genofien, 
Konrad Nordermann, lebendig verbrannt wurde, 
Bol. —— Geſchichte der menſchl. Narrheit, 
8.5; Dagen ad), Borlef. über Geſch. d. Proteſtan⸗ 
tismus, ©. 316 ff.; Kuhlmanns Schriften, ber 

eifterte Böhme, Prodromus quinquennii 
mirabilis; David redivivus; Christus mysticus, 
find jehr jelten geworben, die in ihnen enthaltene 
Bemweisführung einer ſchwärmeriſchen Säge ftreift 
oft an 3 eit. 

Kuinöl, Chriftian, Profefjor der Theologie zu 
Gießen, war geb. 1768 zu Leipzig. Schon bei ſei— 
nem llebergang zur —— 1786 gab er Deme- 
trii Cydonii opusculum de morte contemnenda 
heraus, wurde 1787 promovirt und habilitirte ſich 
1788 als Brivatdocent der Bhilofophie und Philolo⸗ 
gie, lad aber aud) über Altes und Neues Teftament, 
und begründete 1794—98 die theologiihe Zeit: 
ſchrift Commentationes theol. 1799 als Profeſſor 
der Eloquenz nach Gießen berufen, trat er 1 
in die theologische Facultät, ward 1818 Kirchen: 
rath, 1836 Senior der Facultät, 1840 emeritirt. 
r 1841. Außer vielen philologiſchen Schriften gab 
er glatt gejchriebene, aber ungründlide Commen⸗ 
tare (jet veraltete) zu den hiſtoriſchen Büchern des 
N. T. und zum Hebräerbrief heraus, welche troß 
der Verſchwommenheit des eregetiihen Urtheiles 
zu ihrer Zeit viel Beifall fanden. 

Kumanen oder Runen, ein aſiatiſches Steppen: 
volf, welches feit dem 11. Jahrhundert verheerende 
Einfälle in Ungarn machte. Yadislaus der Heilige 
(1077—1093) ſchlug fie in wiederholten Siegen 
und fiedelte 1059 einen Theil deö Volks, der ſich 
zur Annahme des Chriftentyums willig zeigte, im 
heutigen Jazygien an. Eine zweite Cinwanbe: 
rung gejtattete 1239 Bela IV., als die K. von den 
Mongolen geſchlagen und bevrängt waren. Die 
Belehrung derjelben war vom —— Gran 
aus begonnen; Papſt Nikolaus III. übertrug die 
Miſſion den Minoriten und ihre Leitung dem 
Biſchof Philipp von Fermo 1278 als päpſtli⸗ 
chem Legaten. Dieſem gelang es, Ladislaus IV. 
(t 1290), welcher biäher die K. jehr begünjtigt 
hatte, zu ernften und durchgreifenden Beſchlüſſen 
gegen ihre wilden und heibnifchen Sitten zu vers 
mögen; aber jo ſchwer hielt es diejelben durchzu— 
führen, daß Papft Nikolaus IV. einen freilich ver: 
geblihen Verſuch machte, das Kreuz gegen die K. 


Kunigunde 


prebigen zu lafjen; und nody im 14. Jahrhundert 
mußte der Eifer ber ungarifchen Minoriten zu ihrer 
Belehrung angefeuert werden. Erſt als die K. 
durch Verjhmelzung mit den Magyaren ihre Na: 
tionalität verloren hatten, gelang e8, das Heiden: 
thum völlig unter ihnen auszurotten. 
Kunigunde, d. Heilige, bie Gemahlin Heinrich II. 
des Heiligen (1002—1024), war die Tochter des 
Grafen Siegfried von Luremburg. Vor der Hoch— 
zeit 2 fie mit Zuftimmung ihres Bräutigams 
das bde der bleibenden —— abge⸗ 
legt; als ihr Gemahl, um einen Scheidungsgrund 
zu gewinnen, ſie des Ehebruchs mit Geiſtlichen 
a te, reinigte fie fi) Durch ein Gottesurtheil, 
inbem fiebarfuß über glühende Pflugſcharen ſchritt. 
Nach Heinrichs Tode trat fie 1025 in das Klojter 
zu Kauffungen. Gie ftarb den 3. März 1040 und 
wurde im Dome zu Bamberg begraben. Ihre 
Seligiprehun pelaah durch Innocenz III. 1200, 
Kunft, ri he. Nicht nur der Barallelismus 
zwifchen der Gejchichte der Kunft und ber Reli: 
ionsgeichichte, ſondern noch mehr, daß überall und 
Bei allen Völkern die Kunft ihren Ausgang vom 
religiöfen Leben genommen hat, indem fie zuerft 
als ein Theil des Cultus oder als der Eultus jelbit 
zeigt die nahe Verwandtſchaft der Kunft 
und ber Religion. Diefelbe beruht num aber dar: 
auf, daß wie die Religion im Gefühle ihren näch— 
ften Drt hat, auf deſſen Grunde fie das gejamınte 
Denten und Wollen des Menſchen umfaht, ebenfo 
die Aunft aus dem Gefühle hervorgeht, defjen Em: 
pfindungen fie in Anſchauungen der Phantafie 
uafpricht und darftellt; und ihr gleihfals ein 
Ahnen und Anfchauen des Göttlihen zu Grunde 
liegt. Denn das Kunſtwerk, welches in jeiner 
Schönheit, d. i. in der vollfommenen Harmonie 
jeiner Theile und des Ganzen das idealifirte Bild 
der Sinnenweit daritellt, verſinnlicht eben damit 
das dem Irdiſchen zu Grunde liegende Weſen, Das 
Abfolute, d. i. das Göttliche. Es wird zu einem 
Ausdrud des Unendlichen, in welchem Sinnliches 
und Unfinnliches, Srdiiches und Himmliſches in 
eins verſchmiizt. Die Auffaffung des Göttlichen 
wirft daher —— überall beſtimmend ein 
auf alles Bilden der Kunſt. Deutlich zeigt dies 
die vorchriſtliche unſt. Im Morgenlande iſt die: 
ſelbe ihrem Weſen nach Architeltur; in ihren koloſ⸗ 
ſalen Werken ſpricht ſich aus, daß Gott —— 
weiſe erkannt wird als die Schöpfermacht in 
Natur. Die anthropomorphiſche Gottesidee der 
Griechen dagegen, welche Seele und Leib, Geiſt 
und Natur, Idee und Erſcheinung als eins auf— 
faßte, forderte die Plaſtik, welche nicht nur in den 
Geitalten ber Götter und Heroen ihre höchſte Voll: 
enbung gefunden hat, jondern auch die übrigen 
Künfte in dem Maße beherrichte, daß fie ihnen 
allen ein plaftifches Gepräge aufbrüdte. Der zwar 
eiftige aber ſtarre Gottesbegriff der Juden läßt 
aum eine andere Kunſtform als die der veligiöjen 
Lyrilk zu. Der Tempelbau zeigt die Verwandtſchaft 
mit dem Orient. Die driftliche Gottesidee und 
ihre Einwirkung aber werden ſofort erfannt in bem, 
was man als das Interjcheidende in dem Cha: 
takter der neueren von ber antifen Kunſt hervor: 
zuheben pflegt, und worin ſich der eigentliche tiefe 
Gegenjag, hier Bergeiftigung des Leiblichen, dort 
Berleiblihung des Geiftigen ausbrüdt, nämlid) in 
dem Bhantajtiihen, dem Pittoreslen und dem 
Yumoriftiihen. Denn das Erfte ift eine Erhebung 


510 


Kunſt, chriſtliche 


über die Natur in die Sphäre rein ideeller Thä: 
tigfeit, welche aus dem Bemußtjein von der Er: 
habenheit und Selbftändigleit des Geiſtes hervor: 
HR dem die Natur nur der dienende, von ihm 
geichaftene Stoff ift. Das Pittoreäte, defien Schön: 
heit darin befteht, daß verfchiedene jelbitändige 
Theile und Geftalten zu einem, von einem Gedan 
fen rare Tec Ganzen harmonijch verbunden 
find, jegt das Bewußtſein von einer fittlichen Welt: 
ordnung voraus, welcher die Jndividualität in 
Freiheit unterworfen ift. Das Humoriftijche end: 
lich, welches nicht nur das Niedrige, Böſe und 
Gemeine, jondern auch das irdiſch anſcheinend 
Große, Hohe und Edle jpielend an der Bolltom: 
menheit des Ideales mißt und in feiner Nichtigkeit 
und Unbebeutendheit erjcheinen läßt, rubt in je 
nem legten Grunde auf der Idee des Reiches Got: 
tes und der Verſöhnung. Erit auf dem Boden des 
Ehriitenthums, wo man in allem Kampf und 
Streit dennoch den Sieg des Göttlihen ahnt und 
anſchaut, fonnte die Kunſt dahin gelangen, mit 
Vorliebe das bewegte Menfchenleben zu ihrem 
Vorwurfe zu wählen, erſt bier fommt es daber zu 
der höchſten Fünftlerifchen Leiftung, dem hiſtori— 
ihen Drama. Die Perioden ber Kunſtgejſchichte 
fallen jeitdem mit denen der, Entwidelung bes 
chriſtlichen Gottesbemußtfeins, d. b. der Kirchen: 
geſchichte zuſammen. In der eriten Veriode, ber 
bes altkirhlihen Stild vom 3.—10. Jahrhundert 
fommt es noch nicht zu eigenen und neuen Kunft: 
formen ; man muß ſich begnügen, bie antike, heid 
nijche Lieberlieferung der Technit und Formgebung 
den Bebürfnifien des Gottespienftes, mit weldem 
die Kunſt nod) eng verbunden ijt, anzupafien, Bir 
man allmählich das Ungureichende der alten Ferm 
empfindet, jucht man davon frei zu werben indem 
man jie vernadläjfigt, verliert aber eben dam: 
auch die Fähigkeit, den ideellen Gedanten fünitie: 
rijc wiederzugeben. Die Periode endigt mit gäny: 
lihem Verfall, Vorherrſchend iit in ıhr Arditel: 
tur; Die Sculptur dagegen tritt faſt ganz zurüd, 
und die Malerei geht je länger je mehr in byzan⸗ 
tinifcher Moſaik auf. Sie ift die Zeit der eriten 
firdlihen Dogmenbildung, der Verbindung des 
Chriſtenthums mit dem altwömifchen Staatämelen, 
der Entwidelung der griechiſchen und römilhen 
Kirche und war nicht im Stande, ein neues Aunft; 
leben ins Daſein zu rufen; dazu bedurfte ed des 
Uebergangs des Chriſtenthums zu den germanifden 
Völkern. Im Mittelalter, in weldhem man die Epo- 
chen des romanijchen und des jogenannten gothi 
hen Stus unterſcheidet, ift Die Kunſt noch vol; 
ftändig beherrſcht von der Idee der Kirche, es giebt 
feine andere als firhliche Kunft; am meiften blübt 
die Architektur, ihr höchſtes Kunſtwerk ift der go: 
thiſche Dom, die Verlörperung des tranicendenten 
Idealismus, der die ganze Periode tennzeichnet, 

ie Reminifcenzen aus den antifen Kunſtbildun 
en, welche der romanische Styl noch bewahrt hatte, 
ind bier verihwunden und neue Formen gemon 
nen. Die Sculptur erwacht eben wieder aus-tau- 
fendjährigem Sclafe, und die Malerei nimmt 
gleichzeitig in den Niederlanden und in Jtalien 
einen ungeahnten Aufſchwung. In ver dritten 
Periode (15. und 16. Jahrhundert) beginnt Die 
Emancipation des Aunjtlebens von der Kirche; die 
einzelnen Künfte gelangen zu felbftändiger Ent 
wietlung. Es ift die Blüthezeit der Malerei umd 
Seulptur. Größere Würdigung der Natus fuhrt 


Kunft, chriftliche 


zur Ausprägung ber Individualitäten und des 
&harakteriftiihen, da man aufhört die chriftliche 
Idee bloß im Großen und Ganzen ſymboliſch dar: 
zuftellen, jonbern ſie erfaßt, wie fie in dem Einzel⸗ 
nen erfcheint. Daher das Streben nad) künſtleri⸗ 
iher Schönheit. Die Kirchengeſchichte zeigt das 
Auftreten der Nationalitäten gegen bie erbrüdende 
Obmacht der Kirche, den reformatorifchen Verſuch 
uffens, den Einfluß der wiederauflebenden claj- 
ri Bildung und deö Humanismus, die Refor: 
matoren vor der Reformation, bis dieje in ber 
Bredigt vom Glauben das Gewifjen des Einzelnen 
frei - und die Berjönlichkeit des Individuums 
rettet. Die vierte Periode endigt in der Zopf: und 
Rococozeit des 17. und 18. Jahrhundertd. Die 
bildenden Künfte verflachen fich, je mehr fie ſich 
über alle Richtungen des Weltlebens verbreiten, 
aber zugleid damit nur die Natur und die Wirk: 
lichkeit darjtellen ; zwar vollendeter in der Technik, 
aber nirgends getragen und erfüllt von der dee. 
Die proteftantifhe Innerlichkeit befruchtet nur 
Ditkunft und Mufif. Auf eine Einwirkung auf 
die Welt und ihre fittlihe Durchdringung haben 
Orthodorie und Pietismus gleihmähig verzichtet, 
und ber Nationalismus hat die religiöje dee ſelbſt 
verflacht. Als der Charakter der Gegenwart endli 
läßt fich im Allgemeinen angeben, daß die Kunjt 
weltlich geworben ift, d. h. frei von den Schranfen 
des Kirchlichen die ganze Welt als eine Dffenba: 
vn. des Göttlihen zu ergreifen trachtet und die 
Schönheit nur als die Berleiblihung der Sittlidh: 
feit. Dies zugleich der Ausfluß einer echt prote- 
—— Auffaffung von Religion und Kunſt. 
as ſpeciell das Verhältniß der evangelifchen 
Kirche zur Kunſt betrifft, jo hat fie ſich vielfach 
mißtrauiſch und abmwehrend gegen diejelbe verhal- 
ten wegen ber Verbindung, in welcher dieje mit 
dem veräußerlichten Gottesdienfte der katholiſchen 
Kirche gejtanden hatte, Aber der evangelijche Got: 
teödienit kann ebenjowenig mie irgend ein Eultus 
das künftlerifche Element ganz entbehren, weil die 
Gemeinjchaft der Andacht, d. h. des ſich unbedingt 
ingebens an die religiöſe Empfindung, als der 
uelle für die Neubelebung des religiöfen Den: 
kens und Wollens, ſich nur bilden kann durd) die 
Gegenfeitigfeit in ber Darftellung der Empfindung 
vermittelit der Kunft. Nach ihrem innerlichen We: 
fen bedarf aber die evangelijche Frömmigteit we 
fentlih der Künſte, welde unabhängig find vom 
Stoffe, der Dichtkunft und der Mufil; Architektur, 
Plaſtik und Malerei werden immer hinter jene zu: 
rüdtreten. Um jo leichter aber fann die evangelische 
Frömmigfeit im Gottesdienfte auf dieſe Seiten des 
Kunitlebens verzichten, als fie ihnen auf dem Ge: 
biete des weltlihen Lebens die volle Freiheit läßt 
ſich zu entfalten; als fie nicht ein Kirchengebäude, 
fondern die Welt ald das Haus Gottes betrachtet, 
zu defien Schmud die Kunft da ift, während fie 
andererjeits volllommen anerfennt, daß alle Kunſt 
in ihrer Darftellung des Schönen, bewußt oder 
unbemußt, der Offenbarung göttliher Botenzen in 
Natur und Geſchichte nachgehe. Es war dies nicht 
möglich, jo lange wie der Zwieſpalt zwiſchen der 
Kirche ald dem Reich Gottes und ber aufer ihr 
ftehenden Welt als ein unvermittelter und unlös— 
licher betrachtet wurde, jo daß auch die Kunſt, da: 
mit fie ald hriftlich fich legitimire und auch ber 
Chriſt geniefend und producirend an ihre Theil 
nehmen könne, die Signatur des Heiligen durch 


511 





Kurland 


die unmittelbare Verbindung mit Kirche und Got⸗ 
tesdienft bedurfte. Ueber das Verhältniß der Con⸗ 
feffionen zur Kunft vgl. die feinen Bemerkungen 
Haſe's in der Polemit, 2. Aufl. S. 5652—572. Fer⸗ 
ner: D. Schnaaſe, Geſchichte der bildenden Künſte; 
Fr. Kugler, Handbuch der Kunſtgeſchichte, 2. Aufl. 
1848; €. Förfter, Geſchichte der deutihen Kumft. 

Kunft bei den n. Zu einem eigenen 
jelbftändigen Kunftleben it es bei den Hebräern 
nur in ber Boefte —— und auch hier iſt nur 
die Lyrik ausgebildeter; doc) fehlt ed nicht an be: 
deutenden epiſchen und dramatiſchen (Hohes Lied, 
Hiob) Anfägen. (Vgl. Poeſie.) Die Muſik, aud) die 
oft erwähnte Tempelmufif, erhob fich nicht über Die 
Begleitung des Gefanges und ber feitlichen Tänze. 
In der Architektur waren die Iſraeliten abhängig 
von den Rachbarvölfern, befonders den Phöni: 
ciern, deren Hunftformen ben hebräiſchen Ideen 
angepaßt wurden. Die Bedeutung des Tempel: 
gebüudes als des Heiligthums und des Haufes Got: 
tes ift nicht ſowohl architektoniſch durch Maß und 
Formen, als durd die Art und Kojtbarkeit des 
Materials bezeichnet. Die Entwidelung der bilden: 
den Künfte ward ſchon durch das — gehemmt, 
welches das göttliche Weſen im Bilde darzuſtellen 
unterſagte, während alle Kunſt nur von der Dar: 
ftellung des Göttlihen ihren Ausgang nimmt; es 
fam daher zu nichts. Weiterem als zu geringem 
Anfange der Symbolifirung in den Gyeruhsgeftal 
ten. Wo jonft Werke bildender Kunſt erwähnt wer- 
den, ift eö in Verbindung mit dem Götzendienſt 
und ein Hineinragen fremden Eulturlebens. 

Kunwald, Mathias von, Bifchof der böhmischen 
Brüder, Nach dem Tode des Öregorius, durch das 
2008 ermwählt (früher ein einfacher Landmann), 
fuchte er zuerft die jtrengere Richtung den Gemä- 
Bigten gegenüber zu jtärfen, fügte ſich aber der 
fiegreihen gemäßigten Partei auf der Synode zu 
Reichenau 1494. 

Kurland. Dasjelbe wurde dem Chriſtenthum 
durch den Orden der Schwertritter um die Mitte 
des 13. Jahrhunderts gemonnen. In dem hart: 
nädigen Rampfe um ihre Unabhängigfeit ging die 
Urbevölterung der Kuren unter, an deren Stelle 
Eithen und Xetten traten; die herrſchende Bevöl: 
ferung waren bie eingewanderten beutjchen Ritter, 
Das Kirhenregiment ftand bei dem Bisthum 
Riga. Die Reformation verbreitete fich von Riga 
aus, geihügt durch den liefländiichen Herren: 
meijter Walther v. Plettenberg. Deſſen Nachfolger 
Gotthard Kettler erlangte im VBertrage zu Bilne 
1561 Kurland und Scmgallen als erbliched Hers 
zogthum unter polnifcher Yehnähoheit. Gr befeftigte 
die Reformation, welche feit 1556 allgemein einge: 
führt war durd) die von dem Superintendenten 
Einhorn verfaßte Kirchenorbnung von 1570. Erft 
gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde den 
Katholilen und Reformirten freie Religionsübung 
zugejtanden. Die firhlichen Zuftände blieben trau: 
tig. Die Geiftlichkeit verftand felten die Sprade 
des Bolts und dieſes nicht den Geiftlichen, Io daß 
die deutſchen Predigten durch eigene Angeſtellte 
verdolmetſcht oder lettiſche Predigten von den 
Pfarrern vorgeleſen werden mußten. Unter der 
ruſſiſchen Herrſchaft ſeit 1795 iſt die lutheriſche 
Kirche gegen das Andringen ber griechiſchen Dr: 
thodorie und ihre Bemühungen, die Bevdfterung 
zum Abfall zur griechiſchen Kirche zu bewegen, in 
K. mehr verſchont geblieben, ald in den anderen 


Kurk 


Dftfeeprovinzen. Jedoch erſt 1865 ift für die Dit: 
feeprovinzen bad Geſetz außer Kraft geſetzt, daß 
in den gemifchten Ehen alle Kinder der griedi- 
{chen Kirche zufallen. Der Einfluß der Herrnhuter 
ift hier geringer gemwejen als in Lievland, dage: 
gen haben in neuerer Zeit die Baptiften Boden 
gewonnen. In der lutheriihen Kirche herrſcht 
eine orthodog = confejfionelle Richtung. Unter den 
500,000 Einwohnern find 400,000 Zutheraner, 
50,000 Katholiken, 400 Reformirte. 

Kurs, Joh. Heinr., geb.13. Dec. 1809 zu Mont: 
joie in Rheinpreußen. Anfangs für den Kaufmanns: 
ftand beftimmt, ftudirte er zu Halle und Bonn (1830- 
1833) Theologie, ward Hauslehrer in Kurland, 
1835 —— der Religion am Gymnaſium zu 
Mitau und iſt ſeit 1850 Prof. der Kirchengeſchichte 
und Staatsrath zu Dorpat. Stets ein Anhänger 
der orthodo Bibelbetrachtung, verwickelte er 
ſich, obwohl ſeine Theologie einen immer beſtimm⸗ 
teren kirchlich-⸗lutheriſchen Charakter angenommen 
bat, in einen heftigen Streit mit feinem Dorpater 


Collegen Keil. Hauptgegenitand feiner Arbeiten ift 
das Alte Teftament und die Kirchengeſchichte. 
Schriften: dad mofaifhe Opfer, Mitau 1842; 


Bibel und Aftronomie, Berlin 1842, 5. Aufl. 1865; 
Einheit der Genefis, 1846; Symbolik der Stifts- 

ütte, 1851; Geichichte des Alten Bundes, Bo. I, 

erlin 1848, 3. . 1864; Anhang zum I. Bd. 
Berlin 1857 u. d. T. die Ehen der —— Gottes, 
Bd. II, Berlin 1855, 2. Aufl. 1858; Anhang zum 
2, Bande Mitau 1862; Xehrbud der Kirchen: 
geisihte, 1849, 5. Aufl. Mitau 1863; Handbuch 

er allgemeinen Kirhengefhichte, 1853, 3. Aufl. 
1859; Lehrbuch der . Geſchichte, Königsberg 
1843, 11. Aufl. 1868; Chriſtliche Religionslehre, 
1844, 9. Aufl. 1868; Biblifhe Geſchichte, Berlin 
1847, 3. Aufl. 1865. 


Ruß bei den Hebräern. Bon Gejhwiftern und | (314-335) foll den Gebrauch der ——— 


Liebenden abgeſehen, galt der Kuß bei den Hebräern 
als ein übliches Zeichen der Freundſchaft beim 
Begegnen und beim Abſchied (Tob. 9, 8; Zuf. 
7,45; 15, 20; Ruth 1, 14; Tob. 10, 13; 2. Sam. 
20, 9) und der Ehrerbietung gegen Vornehme 
(Zuf. 7, 38), Fürften (Jeſ. 49,28; 1. Sam. 10,1) 
und Götterbilder (1. Kön. 19, 18; Hof. 13, 2). 
Man fühte den Mund, den Bart, die Hände, die 


Füße. 

bu bei den erfien Chriſten war der Bruderkuß 
(Plinua &yıov, Röm. 16, 16; 1. Kor. 16, 20) als 
das Zeichen der innigen heiligen Gemeinjchaft ein: 
eführt; die Erinnerung daran ift bewahrt in dem 
Sie enskuß, welchen nad) dem Agnus dei (in der 
riehifhen Liturgie vor dem Offertorium) ber 
Klerus unter einander austaujcht. Noch heute ift 


512 


Labadie 


es Brauch in Rußland, daß am 1. Oſtertage Be- 
fannte und Unbekannte beiderlei Geſchlechts auf 
den Gruß: „Chriſt iſt erſtanden“, ſich küſſen. Als 
Erſatz für die Gemeinde diente im Mittelalter der 
Gebrauch, ein umhergereichtes Kreuzbild oder eine 
Reliquie (osculatorium) zu küſſen. Als natür- 
licher Ausdrud einer ſinnlichen Verehrung findet 
fi) nod immer das Küſſen von Reliquien und 
Heiligenbildern. Bal. Küffen des Altars. 

Kuthaeer. 2. Kön. 17, 30. Ein elamitiſches 
Volt, weldes nad) Iſrael verpflanzt wurde; daher 
nannten die Juden mit dieſem Namen das ausihrer 
Vermiſchung mit den übriggebliebenen Jfraeliten 
entitandene Volk der Samariter. 

Rutte. Diefe Möndätradt ift ein weites, lan- 
ges, geſchloſſenes Gewand mit weiten Aermeln und 
einer Kapuze; — ein weiter in eine Ka⸗ 
puze endigender Kragen. Form und Farbe der K. 
iſt bei den einzelnen Orden und Congregationen 
verſchieden. Auch das weiße Amtskleid der niederen 
Kleriker, das — wird Kutte — 

ſKutte (Kutna-hora), Stadt in men. 
Belannt burd den bort 1485 von König Wratislam 
en — — ae —— gran 

iten und Caligtiner fi) gegenjeitige Duldung 
Anerkennung gelobten. Eräter gründeten die Je: 
fuiten dort ein Collegium. 

Kypros nannte Herodes zu Ehren feiner Mut: 
ter Aypros die von ihm neuerbaute Fefte zu 
Jericho. Auch die Tochter des 9. hieß Kypros. 

Kyrie eleison, d. h. Herr erbarme Di. Diefe 
in ber Liturgie der Kirche ftehend gewordene For: 
mel ift genommen aus Stellen wie Matth. 20, 30; 
Marc. 10, 47; vgl. Pſalm 51,3; 123,3. Schon 
in der alten griehifchen Kirche wurde fie bie feit- 


——— Antwort der Gemeinde auf jede einzelne 


itte des Geiſtlichen in der Litanei. —— J. 
orte 


r 
in die lateiniſche Liturgie eingeführt haben. In 
dreifacher — Kyrie Christe Kyrie: 
mit Bezug auf die Trinität, fand die Formel eine 
felbftändige Stelle nad dem Introitus in ber 
Meffe; durch Gregor d. Gr. wurde eine breimalige 
Wiederholung jedes Anruf —— Auch Lu⸗ 
ther und viele evangeliſche Liturgen haben das 
yrie eleison gear, Weil eö der einzige 
ber Gemeinde überlaffene Gebetsausdruck im Got: 
teödienft war, wurde e3 oft unzähligemal als Ju: 
bel und Klage ade we bald aber auch mit 
beutihen Worten umgeben und auögeführt, jo da 
jene Formel den ftehenden Refrain bildete und 
biefen Gefängen den Namen ber Lei ſen gaben. 
Aus ihnen entwidelte ſich das deutſche religiöfe 
Volkslied (f. Gefang). 


8 


Labadie, Jean de, wurde am 18. Febr. 1610 zu 
Bourg in Guyenne geboren. Erzogen in ben Schul⸗ 
an der Jeſuiten, ſchloß er ſich gegen den 
Willen ſeiner Eltern denſelben an und ſtudirte 

ie, beſonders die myſtiſchen Kirchenväter 
Auguſtin und Bernhard. Durch ſeinen ſittlichen 
Ernſt den Jeſuiten bald entfremdet, ſagie er ſich 
von ihnen los 1689 und trat mit den Vätern des 
Dratoriums und den Janjenijten in Verbindung. 


Seit 1640 Kanonikus in Amiens, begann er 1644 
ben Grundgedanken feines Lebens, eine heilige 
Gemeinde zu bilden, zur Ausführung zu bringen, 
indem er eine Anzahl wahrer Chriften zu einer 
Brüderjchaft vereinigte. Diefe Gemeinfchaft gab 
Anftoß; 2. wurde nach Guyenne verfegt und von 
den Zejuiten mit manderlei Nachftellung verfolat. 
Verzweifelnd an der römischen Kirche, trat er 1650 
zu Montauban zu den Neformirten über. Durch 


Pabadie 


jeine Begabung und jeinen jeelforgeriichen Eifer | 
gelangte er bald zur Anerkennung, jo daß er Pre: | 
diger und Profeffor zu Montauban, ſogar Rector 
der Univerfität wurde; 1657 mußte er jebod) in 
einem Streite mit dem Biſchof Montauban vers 
laffen und wurde Prediger zu Drange. Auch dieje | 
Stelle mußte er aufgeben, da Ludwig XIV. die 
Stadt bebrängte. nahm eine Bredigerftelle 
in Genf 1659 an, bis er 1666 an die wallo: 
niſche Gemeinde nad) Middelburg berufen wurde. 

Wie er ſchon in Genf ald Vrediger und Profeſſor 
in dem Sinne gewirkt hatte, in einem Meinen Kreife 
„wahres Chriſtenthum“, in Abjonderung von ber 
Welt, zu pflegen, und zu gleichem Zwecke auf einer 
Reife mit jeinen freunden Yvon, Dulignon und 
Menuret einen Bund geſchloſſen hatte, jo juchte er 
in Middelburg durd) jtrenge Kirchenzucht und bie 








513 


Babrador 


nehmften Frauen. Die Gütergemeinſchaft mußte 
bald wieder aufgehoben werden, damit verlieh aber 
die Mehrzahl Wiemert 1703, und ald Moon 1707 
geftorben war, Lifte ſich die Gemeinde immer 
mebr auf, bis 1732 nr legter Sprecher, Kon: 
rad Bosmann, diefen Ort verlief. Die Labadi: 


ſtiſchen Grundfäge haben aber in der holländischen 


und niederrheinifhen Kirche bis auf unfere Tage 


nachgewirkt Die Conventikel, die Abendmahldent- 


— — die Verdammung von weltlichen Ge— 
räuchen ſchreiben ſich daher, aber auch eine Ver— 
tiefung und Stärkung des chriſtlichen Lebens in 
der ſehr verfallenen Kirche. Spener empfing 
die erſte Anregung zu ſeiner Wirtſamkeit in der 
lutheriſchen Kirche von L. Selbſt die erſte Miſ— 
ſionsthätigkeit in der reformirten Kirche ging von 
der Gemeinde zu Wiewert aus, indem fie 16° 0— 


Einrihtung bejonderer Verſammlungen für die | 88 einen freilich mißlungenen Verſuch madte, in 
Wiedergeborenen (zu diejem Zwecke jeine Schrift | Surinam unter den dortigen Heiden eine Eolonie 
„über die Brophezetung”, 1668) die reine Gemeinde | zu begründen. Beſſern Erfolg hatte eine Nieder: 
zu gewinnen. Streitigleiten mit der Synode über | lafjung der Labadiften am Hubionfluffe in Nord⸗ 
die Unterjchrift der Einigfeitäformel und eine ra: | amerika; indeß wurde hier die urfprüngliche Abficht 
timaliftifhe Schrift feines Eollegen Wolzogen, | der Mijfionsarbeit über der Nothwendigkeit des 
weiche er als anftößig verdammt wiflen wollte, Handels und des Erwerbes bald vergefien. Vgl. 
führten jeine Suäpenfion und danad) feine Ab: Göbel, Geſchichte des hriftlichen Lebens, Bd. 2. 
jegung rg 1663. Nun bildete 2. feine freie | 2.8 berühmtefte Schrift ift Manuel de piet£, über- 
evangelijche Gemeinde, die aus lauter Öläubigen | jet von Terfteegen, „Handbüchlein der Gottjelig: 
beitehen jollte. Aus Middelburg vertrieben, ſam⸗ keit.“ 
melte fie jich in Bere; auch dort auögewiejen, in Laban, der Sohn Bethuels, Entel Nahorz, 
Anfterdam 1669, bis die Erbitterung gegen die | der Oheim und Schwiegervater Jakobs, erjcheint 
Separatiften, welche „Die beiten Chriften und gott: | in der bibliſchen Geſchichte als eine liftige und 
erzen gewännen“, auch dort den Auf: habſüchtige Natur, deſſen Lift aber durch Jatobs 
entbalt unmöglid machte. L. ließ fih mit dem noch größere Lift überboten wird (1. Moſ. 27-531). 
Kern jeiner Anhänger in Herford unter dem Schug Bon einer Gemaltthat gegen den Entjlobenen hält 
der Pfalzgräfin Efifabeth nieder. Sie bildeten bier | ihn die Stimme feines Gottes, das Bewußtſein 
eine einzige religiöfe Familie, die den Grundſatz des eigenen Unrechts, zurück; es findet eine Ver— 
der Abfonderung von der Welt völlig durchführte, jöhnung Statt; und ein Bündnif, in weldhem das 
aber auch von ſchwärmeriſchen Verirrungen fih | Gebirge Gilead als Scheidegrenze bezeichnet wird, 
nicht fern hielt. Seine frühere Lehre, welche noch  endigt den Hader. 2. erjcheint hier als der Füh— 
die Verwandtſchaft mit fatholifcher Ajteje verräth, ver größerer Horden, ähnlid wie Abraham; der 
aber immer von neuem bei jpäsern Separatiften, Zug Jakobs von dort nad) Kanaan deutet wohl 
weiche auf £. ſich ftügen, auftaucht, daß die Ehe | eine neue Einwanderung aus der alten Heimath 
fündhaft jei, mußte £. zurüdnchmen, als er fih mit an. Die Gößenbilber, welche Rahel entführt, wei: 
einer der Schweitern von Sommelsdyt aus feiner ſen ebenfalld auf eine urfprüngliche Einheit des 
Gemeinschaft, und Yvon mit einer andern verhei⸗ religiöjen Glaubens hin; diejelben Götzen finden 
tathete und jet Die Ehe bei Gottestindern für er« ſich noch 1. Sanı. 19, 13. 16 erwähnt. Bei den 
laubt erflären. Eine falihe Anklage beim Reichd: Iſraeliten hat der Monotheismus fie befiegt und 
fammergericht vertrieb X. auch von Herford, trot  unterdrüdt, bei den Nahoriten aber hat der Roly- 
der Fürſprache der Prinzeſſin Elifabeth. Die Ge: theismus obgeſiegt und fie unter die ſie umgeben: 
meinde fand 1674 eine Freiftätte in Aitona, wo den Bölkerftämme aufgehen und vergeffen laffen. 
fie trog des Widerſtandes der Geiftlichleit durch Labarum. Eigentlich das ſpätröniiſche Feld— 
ihren gottjeligen Wandel Anertennung fand und zeichen, im engeren Sinne die Durch Conftanıin in 
aufblühte. 2. ftarb am 18. Februar 1675. Bald ‚Folge feines Traumgefichts mit Dem Kreuze und bem 
nad feinem Tode verlegten die Zabadiften ihren Monogramm Chriftı verjehene Reichsfahne; deren 
Sit nad) dem Schlofie Waltha bei Wiewert in der | Form in den heutigen Kirchenfahnen erhalten ift. 
Nähe von Leuwarden, wo jie, obwohl von der | Tas an dem Querbalfen befeftigte ſeidene Fahnen- 
weitfeiefiichen Synode heftig angefeindet, von den tuch trug entweder das Bruftbild Conitantins 
Ständen Duldung und gleiche Rechte mit der res | und jeiner Söhne, oder (nach Prudentius) das 
formirten Kirche erlangten, und ſich durch Zuwachs Bild Chriſti. Unter Julian wurden Kreuz und 
aus dem Cleveſchen und Bergiſchen bis auf die Monogramm wieder entfernt und das Bild des 
hl von 500 Gliedern vermehrten. Die Form ber Kaiſers mit den des Mars und des Mercur dar: 
einſchaft war das Leben einer Familie, Güter: geftellt. Durch Verwechſelung und Uebertragung 
gemeinſchaft war völlig durchgeführt; Bedingung | wird labarum aud) allgemein für Kirhenfahne 
der Aufnahme mwahre —— und als deren gebraucht. 
Zeichen willenloſer Gehorſam. Die Kinderlaufe, Labrador. Die Miſſion unter den Esfimos auf 
nicht geboten, war dem Willen des Einzelnen über: | L. wird ſeit 1769 von der Brüdergemeinde betrie- 
lafien, das Abendmahl wurde jelten gefeiert. An | ben, welcher die englifche Regierung zur Errichtung 
der Spige der Gemeinde ftand die Neltejtenver: einer Miffton ein Stüd Yand in 2. bemilligte. Zur 
jammlung der ſprechenden Brüder und der vor- | Zeit beftehen vier Stationen: Hoffenthal 1782, 
35 


Lachaiſe 


Nain 1771, Dfat 1776, Hebron 1830. 1160 Esti⸗ 
mos jtehen unter der Pflege der Miffionäre und | 
Nationalgehülfen. Für den Unterhalt der Miffio: | 
näre und theilweife der Gemeinde lorgt das La: 
braborfchiff, welches feit 1769 jährlich ein Mal die | 
Stationen beſucht und die Gaben aus Europa 


bringt. 
Lachaiſe rg d'Aix de), der Beichtvater 
Ludwigs XIV. Geb, 1624 auf dem Schloſſe Air 


im Departement Loire aus einer angefehenen Fa: 
milie, trat er in den Jeſuitenorden und war Bro: 
vincia! desſelben, als ihn 1675 Ludwig XIV. berief. 
Mit Klugheitwußte er fid) in die Suntt des Königs 
zu ſetzen und feinen Einfluß auf ihn bis an feinen 
Tod 1709 zu erhalten. Obgleich jtet3 im Dienfte 
und Interefje feined Ordens, nahm er in den 
Streitigfeiten der Zeit über den Janfenismus und 
die gallicanischen Freiheiten eine vermittelnde 
Stelle ein. Stark betheiligt war er aber bei der 
Aufhebung des Edictd von Nantes und dem In— 
quifitionsproceß gegen Molinos. Wiſſenſchaftlich 
ohne Bedeutung, liebte er doch die wiſſenſchaftliche 
Beihäftigung und den Umgang mit Gelehrten. 
Seine Schriften find vergefjen. Seinen Namen 
bewahrt der große Kirchhof von Paris Pere:La- 
chaiſe, in den (1804) die Gärten eines Landgutes 
verwandelt find, weldes ihm Ludwig XIV. ge: 
fchentt hatte. 

Lachis, eine Stadt in der füdlicden Niederung 

äftinas, deren oft Erwähnung im Als 
anaanitiiche Königsſtadt ward fie von Joſua ero: 
bert, Joſ. 10 und 12, und dem Stamme Juda zu: 
Be %of. 15, 39. Bon Rehabeam befeftigt, 2. 
hr. 11, 9, ward fie von Sanherib, 2. Kön. 14 
und 19, und Nebufadnezar, Ser. 34, 7, erobert. 
Nach dem Eril bejegten fie die rückkehrenden Ju: 
ben, Neb. 11, 25. 30. Der gewöhnlichen Annahme, 
daß der Ort in Um:Lafis an der Straße von Gaza 
nad Beit Jibrim und Hebron mwiederzufinden fei, 
widerſpricht nur die von Eufebius angegebene Ent: 
fernung von letzterer Stadt. 

Lahmann, Karl, berühmter Kritifer und Philo: 
log. Geboren am 4, März 1793 zu Braunfchweig, 
ftudirte er in Leipzig und Göttingen 1811, wo er 
Bunſens Studiengenofje war, und habilitirte ſich 
dort 1815. Den Feldzug von 1815 machte er als 
freiwilliger Jäger mit, ward dann Gollaborator 
am Werderſchen Gymnafium zu Berlin, 1816 
Dberlehrer zu Königäberg, 1818 a. 0. Profeſſor an 
der dortigen Univerjität, 1825 zu Berlin, 1827 o. 
Profeſſor und 1330 Mitglied der Afabemie. + 13. 
März 1851. Einerder hervorragendften Bhilologen, 
hat er fich um die Theologie durch feine Ausgaben 
des Neuen Tejtamented und feine Textkritik in 
viel —— Grade, als gemeinhin anerkannt wird, 
verdient gemacht. Die kleinere (Stereotyp⸗) Ausgabe 
erſchien 1831, 3. Aufl. 1846; fie enthält nur den 
Tert mit den Varianten des Textus receptus. Die | 
größere, mit welder eine kritiſche Ausgabe der 
Ueberjegung des Hieronymus verbunden war, er: 
chien 1846 — 1850 und enthält auch den kriti⸗ 
chen Zeugenbeweis. 2.8 Princip war, nicht den 
urjprünglichen Tert, was er für unmöglich hielt, 
jondern den relativ älteften, den Text des Orients 
(bis zum 4. Jahrhundert) herzuftellen, wobei er 
namentlich die Handfchriften ABC verglich, ferner 
eine Anzahl Handihriften für einzelne Theile, 
theils aus dem Morgen:, theils aus dem Abend: 
lande, deren Zufammenftimmen ihm maßgebend 


514 


Racorbaire 


erſchien. Die Geltung des Textus receptus wurbe 
durch feine Arbeit gründlich erſchüttert; der von 
ihm gewonnene Text hat aber jpätern Forſchungen, 
nit nur denjenigen Tifchendorf3, noch Arbeit 
enug übrig gelafien. Am heftigften wurde 2. und 
Feine Methode von Frigiche angegriffen. Her, 
Carl Lahmann. Berlin 1851. 
Latombe, Pater, Barnabitenmönd, aus Sa: 
voyen gebürtig, Geiftesverwandter und Beichtvater 
der Frau von Guyon. Diefelbe hatte ihn, der nad 
den Grundfägen Molinod und des Franz von 
Sales lebte, on 1671 tennen gelernt und mit 
hm correfpondirt. Als jie mit im 1681 au Ger 
ald Superior und Borfteher der Anjtalt für Neu: 
befehrte wieder zujammentraf, erbat fie ihn ſich 
vom Biſchof zum Beichtvater und Seelenführer, 
da fie beide auf eine wunderbare Weiſe ſich sei 
verbunden fühlten. Died Berhältnik änderte fi 
jedoch, jo daß aus der geiftlihen Tochter ein Bor: 
bild und eine „Onabenmutter“- wurde und durch 
übergroße Innigkeit großen Anſtoß erregte. Bon 
L., der fie häufig auch auf ihren Neijen —— 
empfing die G. den erſten Anſtoß zu ihrer Schrift: 
ftellerei. Als 1687 der Duietismus des Molinos 
verurtheilt war und die Verfolgung ber ©. be 
* erließ der Erzbiſchof von Paris auch gegen 
Pater Lacombe einen Haftbefehl. Rachdem 
er in verſchiedenen Gefängniſſen auf der Juſel 
Oleron, zu Lourdes in den Pyrenäen und in Bin 
cennes geſeſſen hatte, jtarb er, feit 1698 wahn⸗ 
finnig, im J. 1699 im Irrenhauſe zu Charenton. 
Seinen durch die harte Behandlung herabgedrüd: 
ten Gemüthszuſtand benugte man, um d: 
niffe zu erlangen, welche die gegen ihn und die 
Guyon erhobenen Anlagen zu bejtätigen ſchienen 
— Lacombe’s Schrift: Analyse de l'oraison men- 
tale wurde 1688 verboten. S. d. A. Guyon. 
Kacordaire, Jean Baptifte Henri, berühm: 
ter franzöſiſcher Kangelredner. Geboren am 12. 
März 1802 zu Recey-jur-Durce im Departement 
Cöte d'or, trat er, als Advocat in Baris lebend, 
angeregt durch Lamennais, in den geijtlichen Stand 
1824. Fri er Boltairianer, erfaßte er mit |hmär 
meriſcher Romantik defjen Jdeen von der freiheit 
der Kirche und des Volkes. Als Almojenier am 
College von Zailly eröffnete er mit Montalembert 
nad) der Julirevolution ohne Genehmi er des 
Staates eine Schule und verfocht in Der dei chrift 
Lavenir die Trennung der Kirche vom Staate. Die 
Schule wurde geſchloſſen und die Zeitſchrift vom 
Papfte verdammt 1832. 2. unterwarf ſich und trug 
nun 1834 mit glängender Beredfamteit ſeine litchlid 
ultramontanen, ftaatlih radicalen Ideen auf der 
Kanzel von Notres-Dame vor. Auf einer zweiten 
Reife nad Rom 1838 trat er in den Dominicaner" 
orden, den er in Frankreich wieder einzuführen 
hoffte, 1848 in die Nationalverfammlung gemäblt, 
ab er das Mandat wieder auf, weil feine Dbern 
Fein tepublicanijches Belenntnik tabelten; ebemio 
eine neu begründete Zeitſchrift, Nere nouvelle. Ein 
Jahr lang befleidete er die Würde des Ordenspro⸗ 
vincial3 und begann dann wieder feine Wirlſam 
feit als Prediger, bei jevem Auftreten gleiherma: 
ben von dem ängftlichen Niftrauen der politiſchen 
wie der a 9 Gewalten begleitet. Seit 185 
beſchränlte er fich auf die Zeitung feiner = zu 
Sorrege. + am 21. November 1861. Sein Bette 
ben, die Kirche mit der Bildung und der Boll: 
freiheit zu verföhnen, hat der Kirche zuerſt neue 


Ractantius 


Achtung in der öffentlichen Meinung in Frankreich 
gewonnen. Bon jeinen Schriften fm die bedeu: 
tendjten: Vie de St. Dominique, Paris, 3. Aufl. 
1844 (legenbenhaft); Conferences de Notre-Dame 
de Paris, 1335—50 ; Considerations philosophi- 
— sur le systöme de Mr. Lamennais, Paris 
1834. 

Lattantius, Lucius Coelius Firmianus, ber 
chriſtliche Cicero. Bon heidniſchen Eitern in Jta: 
len oder Afrifa geboren, trat er erſt fpät u. 
Chriſtenthum über. Diocletian hatte ihn aus An- 
laß eines religiöfen Gedichte Sympojion als Zeh: 
rer ber Beredfamteit nad) Nikomedien berufen ; der 
Mangel an Schülern nöthigte ihn zu literariſcher 
Thätigkeit. Im Hohen Alter lebte er als Erzieher 
des Crispus, des Sohnes Eonjtantins, in Gallien. 
on Weitere Nachrichten über fein Leben fehlen. 


eine vielgelefenen und oft herausgegebenen 
Schriften zeichnen ſich durch die ang bes Stils 
und der Darftellung aus, Er ift welentlich Apolo: 


get. In feiner Hauptſchrift Divinarum institutio- 
num libri VII (davon er ſelbſt einen Auszug Epi- 
tome institut. ad Pentadium verfertigte) ſuchte 
er die heidniſchen Philofophen zu widerlegen, in: 
dem er ben innern Widerſpruch der mythologifchen 
Götterlehren aufdedte und durch eine Entwid: 
lungsgeſchichte des Heidenthums zu erweifen fuchte, 
daß e3 zu Feiner wahren Weisheit habe gelangen 
fönnen, welche im Chriftenthum aber offenbar ge: 
worden, denn im Grunde jeien Religion und Phi: 
loſophie eins. Ein —X zu dieſer Schrift iſt 
De ira Dei. Gegen die, Epikureer ift das Buch De 
opificio Dei vel de formatione hominis geridjtet. 
Angezweifelt ift feine Autorfchaft von De mortibus 

rsecutorum ad Donatum confessorem, einer 

childerung der Chriftenverfolgungen unter Nero, 
Domitian, Balerian, Diocletian, Galerius und 
Mariminus von hiftorifcher Bedeutung. Entfpre: 
hend feinem Zwecke und jeinem Bildungsgange 
ist in feinen Schriften eine ethifche Auffaffung des 

‚hriftenthbums und der Perſon Chrifti vorherr: 
fhend; jeine dogmatiſchen Entwidelungen find 
nicht immer glüdlih und häufig von dem ortho- 
doren Lehrbegriff abweichend, jo daß ihn Hierony: 
mus ig = b befämpfte und das Decretum Ge- 
lasii jeine Werle für apoerypha erflärte. Ausga— 
ben: Buenemann, Zeipz. 1739; le Brun et Lenglet 
du Fresnoy, Paris 1748; Fritzsche (Gersdorf, 
bibl. patr. lat.), Lips. 1842. 

Lactieinia (Milchipeifen) find nad kirchlichem 
Spradigebraud alle von Säugethieren gewonne: 
neu Nahrungsmittel, deren Vermeidung an den 
Abftinenztagen bejonders in der großen Faſtenzeit 
früh in der Kirche allgemeine Sitte wurde. 


515 


® 





Zagarde 


bejonderen Jnftrumenten vor Sonnenaufgang. 
a3 Baterland des Strauches ift Syrien, Arabien, 
Paläſtina. Luther, der mit den alten Heberfegern 
das Wort nicht verjtand, Überjegt Myrrhen. 

Ladinos werden in Gentral:Amerifa die chriſt⸗ 
—* Indianer und Miſchlinge genannt. 

ado, altruſſiſche Venus, der die Unverheira— 
theten opferten. 

Lämmermann, auch Lamormain, der Beicht— 
vater des Kaiſers Ferdinand II. war geboren um 
1560 bei Luxemburg und trat in den Jejuitenorden. 

am 22. Febr. 1648. Als Beichtvater Ferdinands 

. war er der Haupturheber der Bedrüdungen ge: 
gen die proteftantifchen Böhmen ; auf feinen Rath 
wurde das Reftitutiongedict erlaflen, fo daß er an 
dem Ausbruch und dem Gang des dreißigjährigen 
Krieges eine Hauptſchuld trägt. Mit befonderer 
Vorliebe betrieb er die Sonnerkion der Protejtan- 
ten, deren er fiber 100,000 in den Schoof der fa- 
tholiſchen Kirche zurlickgebracht haben foll. 

Räfäre (Lejer d. i. der Bibel) ijt der Name, un: 
ter welhem in Schweden, ähnlich wie in Deutſch— 
land unter Pietismus, verſchiedene religiöfe Er: 
Iheinungen und Richtungen zufammengefaßt wer: 
den, welche zum Theil * Herrnhutianismus oder 
Haugianismus ſich zurüdführen laſſen. Das Ge: 
meinſame iſt ein fittlich:religiöjer Ernſt, der zu 

äufiger und ernfter Bibelbetracdhtung führt und 
—* an der kirchlichen Amtswirkſamkeit nicht genü— 
gen läßt, zuweilen zum Separatismus in ſchroffe⸗ 
ren Parteien hinneigt. Die Zajerei, anfänglich von 
der Kirche verfolgt, ift jet mit ihrer Bedeutung 
zurüdgetreten, feitdem auch in Schweden eine Neu: 
belebung des kirchlichen Sinnes Statt fand. Das 
legte der früheren Staatögejege gegen die Laferei 
ift jeßt durch den Beſchluß der Reichsſynode 1868 
gefallen, welche religiöfe Verfammlungen jelbft 
während der Stunden des Gottesdienftes in der 
Staatäfirche frei gab. 

Läplihe Sünde. Die katholifche Dogmatik un- 
terfcheidet —— Todſünde und läßlicher Sünde. 
Nach der —— des Thomas Aqu. ift jene 
contra, dieje praeter legem, d. h. die Todfünde be- 
fteht in einer Abfehr von Gott und der Liebe zu 
ihm, in der on bethätigt ſich die bleibende 
Liebe nicht wie fie jo. Daher hebt jene beit Stand 
der Gnade auf, diefe dagegen ſchwächt nur die 
Gnade und madt einer zeitlichen Strafe fällig. 

Lätare. Der vierte Sonntag in den Faften führt 
diefen Namen von dem Jntroitus der Meſſe des 
Tages (laetare Jerusalem Jef. 66, 10. 11). Die 
Feier des Tages hat etwas Freudiges, die Strenge 
der Bußzeit Milderndes, Ferner hat er die Namen: 


ie | Rofenfonntag, weil an demfelben der Papſt die 


riechiſche Kirche beobachtet noch fortwährend die | goldene Rofe wir. Brodfonntag, Mitfaften, Tod: 


trengen Beſchlüſſe des Concild von Laodicea 367 | tenfonntag oder 


und der Trullanifchen Synode 692. Im Decidente 


chwarzer Sonntag. 
Lagarde, Paul Anton de, Dr. der Bhil. und 


blieb aber von jeher eine größere Freiheit; wenn | Theol., einer der ausgezeichnetſten Gelehrten der 
auch die Enthaltung der Lacticinien in den Qua: | Gegenwart. Früher unter dem Namen Vortticher 
dragefimalfajten ald Regel beftehen blieb, jo wur: | Brivatdocent in Halle, jegt Gymnaſialprofeſſor in 


den doc mit Rüdfiht auf Hertommen und Hima: | Berlin, hat er fi 


durch ee Spradfeint: 


tifche Verhältniffe Ausnahmen gejtattet durch die | niffeund tertkritifche Meifterfchaft große Berdienfte 


fogenannten Butterbriefe. Jegt werden durdy die | um die Theologie erworben. 


Seine Audgabe der 


jährlihen bifhöflihen Faftenmandate die Gren: | »Genesis« (Lipsiae 1868) ift Epode madend 


zen des Grlaubten firdlid genau beftimmt. 


für die Kritik der LXX. Ferner gab Lagarde zu 


Ladänum, 1. Moj. 37, 25; 43, 11, das wohl: | Xeipzig heraus: Gejammelte Abhandlungen (dar: 
riechende Harz der Ciſtusroſe, welches als Räucher: | unter: de novo testamento ad versionum orien- 
mittel, Salbe und Arznei gebraucht wurde. Man |talium fidem edendo 1866 ; Didascalia aposto- 
fammelte es von den Blättern des Strauches mit | lorum syriace 1854 ; Beliquiae iuris ecclesinstici 

33 


Lager 


antiquissimae syriace et graece 1856 ; Hippolyti 
romani quas feruntur omnia graece 1858; Ana- 
lecta syriaca 1858; Titi bostreni contra Mani: 
chaeos libri quatuoi syriace 1859; Geoponicon 
in sermonem syriacum versorum quae supersunt 
1860 ; Libri veteris testamenti apocryphisyriace 
1861; Clementis recognitiones syriace 1861; 
Constitutiones apostolorum graece 1862; An- 
merfungen zur griechifchen Ueberjegung der Pro: 
verbien 1863; die vier Evangelien arabiſch aus 
ber Wiener Handfchrift 1864; Clementina (die 
Homilien des Clemens von Rom) 1865; Der 
Bentateuch koptiſch 1867; Materialien zur Kritik 
und Gejchichte des Pentateuchs 1867 ; Hieronymi 
quaestiones hebraicae in libroGeneseos 1868. 
Lager. Auf dem Zuge durch die Wüfte wurde 
eine feite Lagerordnung beobadjtet, 4. Mof. 2. Tin 
ber Mitte ded Lagers ftand die Stiftähütte, im 
Norden, Süden und Weften umgeben von den drei 
Geſchlechtern der Leviten, an der Dftfeite ftanden 
bie Zelte der — — und Moſis. Dann lagerten 
an jeder der vier Seiten je drei Stämme, der vor: 
nehmite, der das gemeinjame Feldzeichen bewahrte, 
in der Mitte, Im Dften Juda mit Iſaſchar und 
Sebulon, im Süden Ruben mit Simeon und Gab, 
im Weiten Ephraim mit Manaffe und Benjamin, 
im Norden Dan mit Afjer und Naphthali. Diefelbe 
Ordnung wurde beim Zuge beobachtet, jo daß Juda 
die Spipe führte und das Heiligthum in die Mıtte 
enommen wurde. Ob in der Foigezeit eine ähn: 
iche Lagerordnung beobachtet wurde, ift ungemiß, 
jedenfalls ward nad) dem Unfall 1. Sam. 4, 4 die 
Lade nicht mehr mit zu Felde genommen. Ueber 
die — des Lagers beſtanden ſtrenge Ge: 
ſetze, die mit den Worten ſchließen: Denn der 
Ewige, dein Gott, wandelt in deiner Mitte, und 
bein Lager ſei heilig, 5. Moſ. 23, 2—14. 
Ragerftätten. Das Verzeihniß der Lagerftätten 
4. Mof. 33 ift zwar uralt, aber überarbeitet und 
mit Einſchiebungen verjehen. Die durch Jahrtau: 
fende bewahrte Gleichheit einzelner Orisnamen 
macht e8 nicht unmöglid), danach den Zug zu ver 
Ben Durd) genaue Vergleihung der Angaben 
ft ed Baihinger (bei Herzog)und Bunfen (im Bibel: 
wert, Bd. 5) gelungen, im Allgemeinen die Richtung 
des Zuges fo zu beftimmen, daß der Anſchein eines 
planlofen Umherirrens verfhmwindet. Danad) wäre, 
als die Muthlofigteit des Volkes den zuerjt beab— 
fihtigten Einfall in Kanaan von Kades aus un: 


möglih madte, ſchon im 3. oder 4. Jahre der | 


Aufbruch von dort erfolgt und der Reft der vierzig 
Jahre auf die Eroberung des Dftjorbanlandes 
verwandt, für melde die gewöhnliche Auffaffung 
nur wenige Monate oder Wochen zu — — weiß. 

— (ital. Lubiana, flaw. Ljubljana, das 


alte Amona), Hauptftadt von Krain, Sig eines | reductio in communionem laicam für 


Biſchofs. Das Bisthum ift geftiftet 1461 vom Kai: 
fer Friedrich III. aus Theilen des ErzbisthHums 
Aquileja; nad) 1788 war es eine Zeit lang zum 
Erzbistyum erhoben. Der Biſchof hat jegt noch 
Rang und Würde eines öfterreihiihen Fürſten 
wie früher den eines Reichsfürſten. — Die evan: 
eliſche Kirche zu Laibach ift mit Hülfe des 
Guftav: Kolf.Vereins erbaut und 1852 eingeweiht 
worden. 

Raien (Aaös, Bolt) heißen in der katholiſchen 
Kirche alle nicht zum Klerus, den Geiftlichen, Ge: 
börenden. Das Trennende und Unterjcheidende ift 


die Weihe. Früher rechnete man aud die Mönche 


516 





vaienkelch 


zu den Laien, welche jetzt dem Klerus —** 
werden. Die Laien bilden das vom Klerus be; 
herrſchte Volk, ohne Antheil am Kirchenregiment, 
dem auch nur paflive Betheiligung am Gottesdienft 
gelaffen ift; im Laufe der Zeit in der Unterſchied 
dur die Kelchentziehung noch mehr im Gottes: 
dienfte hervorgetreten. Die evangeliſche Kirche an- 
| erkennt ne feinen andern Unterjchied zwi: 
ſchen Geiftlihen und Laien, als den Beruf jener, 
* predigen und die Sacramente zu verwalten; es 
ehlt freilich noch viel daran, ae biefer Grundſat 
auch im Leben der Kirche in Gotteädienft und Ge: 
meinbeverwaltung durchgeführt wäre, Die befjern 
Anfänge ber Neformationözeit find durch Tatholis 
Ihe Reminifcenzen und Analogien unterdrüdt, und 
ein moderner Amtäbegriff trachtet unverlennbar 
| neue Schranfen aufzurichten. 
'  Raienäbte nannte man die Aebte, welche wohl 
Mönche, aber nicht Priefter waren. 

Raienaltar. In größern Kirchen, wo durch den 
Zettner (eine erhöhte reg der Blid auf 
den Hochaltar für den Blid der Gemeinde vom 
Schiff aus abgejperrt ift, führt den Ramen „Laien: 
altar“ (altare laicorum) der unter dem Scheibe: 

| bogen zwiſchen Chor und Schiff errichtete, dem 
| —* Kreuze geweihte Altar. In den Stifts- und 
| Klofterlichen wurde an bemfelben die Mefie für 
das Volt gelefen. 
Laienbeichte. Die Beichte, welche ein Nichtaeift: 
iher annimmt, wird von der Fatholifchen Kirche 
felbft im Nothfalle entſchieden gemißbilligt, wäh: 
rend die Iutherifhe Kirche in diefem Falle dem 
Laien die Macht, die Abfolution zu ertheilen, nicht 
abſpricht. 

Laienbrüder und Laienſchweſtern (fratres con- 
| versi, sorores conversae) heißen in den Klöftern 
‚ die Genoſſen, welche nicht die Ordensgelübde ab: 

gelegt, ſondern ſich nur zum Gehorfam verpflichtet 
haben, und zur Bedienung im Klofter und zur 
Verrichtung auswärtiger Geſchäfte benußt werben. 
Raiencommunion, Diereductio ad communio- 
nem laicam, die Verjegung in den Stand ber 
Laien, die Yaifirung, ift die Folge der Degrada 
tion, die kirchliche Strafe, wodurch der abgefegte 
Geiftlihe nebft Amt und Pfründe auch alle Stan: 
besvorrechte verliert, und daher nur als Laie 
außerhalb der Altarjchranfen die Communion em: 
pfangen darf. Die Laifirung eines Klerikers der 
höhern Weihen bis zum Diafon fan, ausgenom: 
men den Fall der Sirafe, nur in feltenen Fällen 
durch päpftliche Dispenfation ftattfinden. Seitdem 
die Kirche den Grundſah vom character indelebi- 
lis der Priefterweihe angenommen hat (conc. Trid.: 
‚si quis dixerit eum qui sacerdos semel fuerit lai- 
cum rursus fieri posse anathema sit.), fann eine 
Preöbyter 
und Biſchöfe nicht mehr erfolgen; fie können wohl 
wie Laien behandelt, aber nicht wirklich unter die: 
| jelben verjegi werden, daher auch der yerbreceri: 
Ihe oder häretijhe Priefter nad der Depofition 
in einem Klofter gefangen gehalten wird. 

Laienkelch. Die Objervanz der fatholifchen Kirche 
entzieht den Laien den Kelch beim Abendmahl und 
macht nur unter bejonderen Umftänden davon eine 
Ausnahme. Der zumeilen, befonders bei Kranlen⸗ 
communionen, bargebotene Kelch enthält nicht ge: 
weihten Wein und hat nur die Beftimmu 
* binunterzufpülen (Spülkelch). ©. Reiddent: 
ziehung. 











Zaienpräbenden 


Laienprübenden waren die Pirlinden, welche 
Mönchen, die nicht Priefter waren, zugewieſen 
mwurben. 

Raienpriefter, Zeutpriefter heißen die Fatholi- 
[pe® Weltgeiftlihen im Unterſchiede von ben 

rdensgeiſtlichen. 

Laienzehnten, d. h. Zehnten, welche ſich im Be— 
* von Laien befinden. Die Kirche erklärte den 

efig von geraten auf Seiten der Laten für un- 
zuläſſig und verbrederifch und bedrohte die In: 
baber mit Berfagung bes kirchlichen Begräbniffes. 
Da die Umftände aber viele Zehnten :ı die Hände 
von Laien gebracht hatten, ſollten diefe zwar bleiben, 
aber nad) 1179 Feine neuen Uebertragungen Statt 
finden. Diefer Beſchluß des Lateranconcild 1179 
blieb unausführbar. Die dem kirchlichen Zehnten 
auferlegten Berpflichtungen blieben aber auch von 
dem Laieninhaber zu tragen. 

Lainez (Laynez), Jakob, einer der erften Genofjen 
des Loyola und zweiter Ordenägeneral. Geb. zu 
Almancario in Eaftilien 1512, ſchloß er ſich 1534 
in Bari an Loyola an, begleitete denjelben 1537 
nad Jtalien, übernahm eine Zeit lang den Lehr: 
ftuhl der Sg an der Sapienza, wirkte dann 
aber in den Städten Ober-taliend im Intereſſe 
des —— Ordens, predigend und Collegien be— 
gründend. Ein angebotenes Bisthum und die Car: 
dinalswürde ſchlug er aus. Beredfamleit und 
er geng verichafften ihm —— auf dem 
Concil zu Trient, wo er den päpſtlichen Abſolutis⸗ 
mus verfocht. Auch in Augsburg war er 1555 an: 


517 


Lambert von Maftricht 


ren Thatſachen gelangen konnte und fie unparteis 
| iſch darftellen wollte, daß er aber auch fremde Bes 
richte ohne Kritif aufgenommen, und vor allem, 
daß er die Begebenheiten nur mit dem Auge des 
Mönchs angefehen, der Gregor verehrte und das 
Recht des Kaijerß nicht begriff. A. Holtzmann hält 
unfern Lambrecht für identisch mit dem Pfaffen 
Lamprecht, dem Berfaffer des NAleranderliedes, 
©. monumenta Germaniae historica, III und 
V Han. 1843, deutſch von Hefie, Berlin 1855. 
Lambert, Franz, bon Avignon, geboren 1497, 
Aus angejehener Familie, begabt und unterrichtet, 
trat er 1502 in das Francißcanerflofter zu Avig: 
non. Als Prediger besfelben (1517) erregte feine 
Bekiebtheit den Neid und die Verfolgung der 
Mönde, der zu entgehen er zu den Sarthäufern 
überzutreten gedachte. Bibelftudium und Luthers 
ı Schriften, die man zu fpät bei ihm entdedte, be: 
| ftimmten ihn 1522, eine Gelegenheit zu benugen 
und das Klofter zu verlaffen. Er begab fich über 
Bern nad Zürich und erflärte fich nad einer öffent: 
lihen Disputation über die ee Amar mit 
Zwingli für überwunden. Pfeudonym als Joh. 
Serranus begab er fih nad) Eiſenach 1522, pre: 
digte dort, veröffentlichte 139 Thefen gegen Cöli— 
| bat, Beichte und Ablaß, fam durch ——— 
Spalatins nad Wittenberg, lernte Luther fennen 
und hielt Borlefungen über Hofe. Bon hier 
\ wurbe er, der erſte ——— franzöſiſche Mönch, 
1524 nad) Met berufen, konnte aber die Erlaub— 
niß, zu predigen, nicht erlangen und begab fid) vor 





weſend. Nad) dem Tode des Jgnatius verwaltete | den Nachſtellungen feiner Feinde nad Straßburg, 
er zuerft das Bicariat und wurde 1558 zum Gene: ‚ wo er fi) eben 5 fümmerlich wie biöher durch [i: 
ral gewählt. Als folder vollendete und befejtigte terariſche Arbeiten ernährte. Sturm empfahl ihn 
er bie Organifation des Ordens, und proclamirte | 1526 dem Landgrafen von Heffen. Auf der Synode 
die (von ihm redigirten) Eonftitutionen und De: | zu Homberg vertheidigte er fiegreich, aber nicht 
clarationen. F 1565. Sein Leben bejhrieb Riba- | ohne Heftigkeit, feine 158 reformatorifchen Thefen 


beneira. ü ‚(paradoxa) und verfaßte dann im Auftrag der 
Raifirung. S. Laiencommunion. ynode die Homberger Kirchenordnung (f d. Art.). 
Lama. 5. Buddha. ı Diefelbe beruht auf den richtigen reformatorifchen 


Lambert von Aſchaffenburg (Lambertus Schaf- | Grundgedanken, war aber für die damalige Zeit zu 
naburgensis) oder von Hersfeld, Benedictiner, ideal und unpraktiſch; als die erfte deutfche Kicchen« 
Geſchichtſchreiber des 11. Jahrhunderts. Ueber ordnung brachte jie das allgemeine Brieftertgum in 
Baterland, Familie und Geburtsjahr weiß man | der Theilnahme der Gemeinde an der Kirchenver: 
nichts Gewiſſes, nur daß er am 15. März 1058 | waltung zur Geltung. 2. wurde 1527 zum Pro: 
vom Abte Meginher zu Hersfeld ald Mönch ein: | feffor an ber neu errichteten Univerfität Marburg 

efleivet wurde und im Herbſte die Priefterweihe | ernannt und wohnte dajelbit dem Geſpräche Lu— 
in Aſchaffenburg empfing (aus diefer Notiz ift fein | therö und Zwingli’S bei, in Folge deſſen er feine 
Beiname geflofien). In demjelben Jahre unter: | lutherifhe Abendmahlsiehre mit der zwinglijchen 
nahm er eine Pilgerfahrt nach Jerufalem. Seine | vertaujchte. Er ftarb 1530 am engliihen Schweiße 
literarische Thätigkeit begann er mit einer in Ber: | zu Frankenberg an der Eder, wohin die Univerfität 
fen verfaßten Schilderung der Kämpfe zwiſchen | wegen biejer Seuche verlegt war. Bei großer Ent: 
Heinrih IV. und aber Ba feit 1071; die Schrift ſchiedenheit und Offenheit hat er durch ungebul: 
we. Ebenſo ifteine zweite, Die Gefchichtedes | digen Eifer und Eitelfeit manchen Anjtoß erregt 
loſters Heräfeld, nur im Auszug und in Bruch: | und ſich un keinem Orte wohlbefunden;; feine vies 
ftüden erhalten. Sein berühmtes Wert Chroni- | 2 find weniger tief als Har und anre: 
con historicum apud Germanos ift die Gejchichte gend. Seine dauernde Bedeutung liegt in den Ge: 
Deutihlands Bis zur Wahl des Gegentaijers | danken, melde er in feiner Kirhenordnung nieder: 
Rudolf 1084. Es beginnt mit Adam und enthält | legte. Vgl. Baum, Lambert von Avignon, Straß: 
bis 703 nur Namendverzeichniffe. In dem Zeit: | burg 1840; Haffencamp, Franciscus Lambert von 
raum bis 1040 find Notizen zugefügt aus ältern | Avignon, Elberfeld 1860, 
rg Der zweite Theil feit 1040 ift jelb: |; Lambert, der Heilige, Bifhof von Maſtricht. 
ndige Arbeit, in welcher er die Zeitgefhichte Seinem Lehrer und Vorgänger Theodard folgte er 
aus eigener Kenntniß in —— Ordnung 668 auf dem Biſchofſtuhl, mußte ſich aber 674 vor 
erzählt. Das unbedingte Vertrauen, welches man | dem gewalttätigen major domus Ebroin in das 
fonft auf ihn ald Geſchichtsquelle jegte, hat Ranke | Klofter Stablo zurüdzichen, bis ihn Pipin von 
auf das rechte Maß zurüdgeführt. Er hat gezeigt, | Herijtal 681 wieder einfegte. Er wirkte dann für 
daß Lambert allerdings durch die Lage und die | die Chriftianifirung Zeelands und fol auch mit 
Berbinbung bes Klofters zur Kenntniß der äuße- | Willibrord zufammengetroffen fein. Seinen Tod 





‚len S 


Lambethanifche Artikel 


(am Gedächtnißtage 17. September 708) ſchildern 
die ältern Biographien ald die Privatrache eines 


518 


Lamettrie 


‚lehrte am Seminar zu St. Malo Mathematik, ward 
'1816 Briefter, ſchlug 1823 ein ihm angebotenes 


fränkiſchen Großen Dodo; die jpätern machen die- Bistum und die Gardinaldwürde aus, ſaß 1848 


ſen zum Bruder der Alpais (Alpheide), der Con⸗ 
cubine des Pipin und Mutter des Karl Martell, 
und geben ald Grund an, daß 2. ihr ehebrecheri: 
ſches Verhältniß öffentlich gerügt habe. 
Lambethaniſche Artikel heißen die 9 Artikel, 
welche dem Erzbiſchof John Whitgift in ſeinem 
Palaſt zu Lambeth (Kirchſpiel zu London) 1598 
von dem Profefior Whitaker übergeben und, von 
ihm gebi igt, der Univerfität Cambridge zugeftellt 
wurden. Sie enthalten die Präbdeftinationälehre 
in ftreng fupralapfariftiiher Form, find aber zu 
feiner öffentlichen Geltung gelommen, da die Kö» 
nigin Elifabeth befahl, fie zurüdzuziehen. Ein ſpä⸗ 
terer Verſuch 1604, diefelben den 39 Artikeln zus 
zufügen, jheiterte am Widerftand der Epiflopalen. 
Nur die Buritaner find ihnen getreu geblieben. 
Lambruschini, Luigi, Cardinal. Geboren am 7. 
Mai 1776 zu Gerua, trat er in den Orden ber 
Barnabiten, ftieg darin zu höhern Würden, begleis 
tete den Cardinal Conſalvi zum Wiener Congreß 
und warb 1819 Erzbifchofvon Genua. Zu boritit er 
Bedeutung gelangte er 1823 ald Nuncius in Ba: 
ris; fein Einfluß beftärfte die abſolutiſtiſchen Nei- 
ungen Karl's X. und rief die Juli»Orbonnanzen 
Error. Gregor XVT, ernannte ihn zum Cardinal, 
1836 zum Staatöfecretär. In diejer Stellung ver: 
trater mit Geſchick und m. politiſch und kirchlich 
die Ideen des päpſtlichen Abſolutismus. Er wider: 
ftrebte den Reformen im Kirchenftaate, unterdrückte 
die Hermefianifche Theologie und erfocht in Sachen 
der gemifchten Ehen und des Erzbiſchofs von Köln 
durch meilterhafte Staatsfhriften den Sieg Über 
bie preußiſche Regierung. Nach Gregor’s XVL 
Tode unterlag er in der Papftmahl gegen Maftai 
(Bio IX.). Damit endigte feine öffentlide Wirt: 
famteit. Den beginnenden Reformen hielt er * 
fern. In der Revolution 1848 traf ihn der Ha 
des Boltes, fo daß er verfleidet nach Gaöta fliehen 
mußte. F am 12. Mai 1854 zu Nom als Haus: 
Gardinal des Papftes. Auch als theologifcher 
Schriftſteller ift er aufgetreten. Seine Werte er: 
ichienen in Rom 1836, 1838, 1839, — Sein Bru: 
der Jean Baptifte (+ 1826) war Bifchof von 
Orvieto 1807, ne Generalvicar von Genua. 
Er gewährte den Jeſuiten ein Aſyl, verweigerte 
Napoleon den Eid und wurde nad) Frankreich de: 
portirt, Er ift der Berfafjer eines geſchätzten An: 
dachtsbuches. 
amech kommt in den beiden Genealogien der 
bibliſchen Urgeſchichte vor. Er bezeichnet in beiden 
die Grenze der erſten our male mo bie 
Grundrichtung derjelben den vollen Ausbrud fin: 
det, bei bem einen in dem Liebe 1. Mof. 4, 23, bei 
demanbern in der Hoffnung 1.Mof.5,28— 29. Das 
Auseinandergehen der Stämme, weldes in ber 
einen Reihe bei den Söhnen eintritt, hat in der 
andern noch eine Vermittlung durch den Träger 
einer neuen Öottesoffenbarung Noah. Lamech be: 
zeichnet aljo diejelbe Entwidlungsperiode, das 
eine Mal nad) der weltlihen Eulturentwidlung, 
das andere Mal nad der religiöfen angejehen 
(Hainite — Sethite). 
Lamennaid, Hugues FFelicite Robert, bedeuten: 
ber religiöfer und politifcher Schriftfteler Fran: 
reihs. Geboren am 19. Juni 1782 zu St. Malo 
in der Bretagne, empfing er die Tonfur 1811, 


in der franzöſiſchen Nationalverfammlung, 308 fih 
nad dem Staatäftreiche zurück und ftarb 1854 auf 
feiner Befigung in Lachesnaye bei Dinan in ber 
Bretagne. In fortwährenden Conflicten mit ben 
bürgerlichen und —— Gewalten entwickelten 
ſich ſeine Ideen über Kirche und Staat, bie er 
länzend durch Stil und Beredſamkeit in feinen 
hriften darlegte, jo daß er anfänglih ein Ber: 
fehter der päpftlihen Autorität, dann, ihre welt» 
liche Gewalt betämpfend, als ein Gegner der Kirche 
ftarb. Der Grundgedante, welcher durch diefe Ent- 
widlungsphafen hindurchgeht, ift: „allein die Re— 
ligion fann die Grundlage der menſchlichen Geſell⸗ 
ſchaft fein; fie muß beruhen auf Autorität, welde 
er nur aus der allgemeinen Zuftimmung fi 
ergiebt und in einem beftimmten Organe ſich aus: 
ſpricht.“ Ob dies Drgan der Papſt * beantwor⸗ 
tet er in ben verſchiedenen Perioden verſchieden. 
Als — des päpitlihen Katholicis mus 
trat er auf in den Reflexions sur l'éktat de l'ẽglise 
en France, Paris 1808; Tradition de l'église sur 
l’institution des evöques, Paris 1814, und in dem 
Werk, welches feinen Ruf feft begründete, Essai 
sur l'indifförence en matiere de religion, Paris 
1817—23. Nachdem 1829 der Progres de la re- 
volution erſchienen und durch die Julirevolution 
die politifchen Verhältniffe geändert waren, ftritt 
er in der Zeitſchrift l’Avenir 1830—32 mit Zacor: 
baire und Montalembert für die Trennung der 
Kirche vom Staate. Troß feiner perfönlihen Be: 
mühungen verdammte der Bapft feine Grundfäge ; 
einen Augenblid unterwarf er fi), bis die Paro- 
les d'un croyant, Paris 1834, die Affaires de 
Rome, Paris 1836, den Bruch mit Rom ausfpra: 
en. Die Exquisse d’une philosophie, Paris 1841 
—44, entwidelte fein ee Syitem, und 
feine ſocial⸗-chriſtlichen Anfichten auf rein demo: 
kratiſcher Grundlage die Discussions critiques de 
la religion, Paris 1841, und die Beitfchriften le 
Monde, le Peuple coustituant, 1848, la Reforme. 
Seine Oeuvres complötes, 20 vol. erjchienen Pa- 
ris 1844-47; Oeuvres posth. par Forgues, Pa- 
— * fe 

ametirie, Julien Offray de, atheiftifcher Phi: 
loſoph, geb. 23. Dec. 1709 zu ale, war ein 
Schüler bes Janjeniften Abbe Corbier und ftubirte 
Medicin. Bon dem Herzog von Gramont als Arzt 
in deſſen Regiment angejtellt, erlrankte er bei der 
Belagerung von Freiburg. Hier madte er Beob- 
achtungen über dad Schwinden der geiftigen Kraft 
mit dem Hinfiechen deö Körpers. In Folge davon 
—— ſeinen ſenſualiſtiſchen Materialismus zuerft 
in »Histoire naturelle de l’äme« aus, Haag 1745, 
und ſchrieb dann 1746 eine Satire gegen jeinen 
Lehrer Boerhave und die Aerzte überhaupt. Beide 
Schriften wurden wegen ihres atheiſtiſchen Inhalts 
verbrannt. X. mußte —3 verlaſſen und begab 
ſich nach Holland. Auch hier wurde er verfolgt, als 
feine Schrift »l’Homme machine« erſchienen war. 
Eine zuftugt bot ihm durch Maupertuis Frie⸗ 
drid II. an. In Berlin wurbe er Borlefer bes 
Königs, Mitglied der Akademie und gebörte zu 
dem engeren RKreife der Gelehrten, mit denen 
Friedrich jih umgab. Er ftarb 11. Nov. 1751 an 
den Folgen einer Indigeſtion, die er jelbft verkehrt 
behandelte. Seine medicinifhen Werte find ohne 


Zammiften 


allen Werth. In feinen ü 
er ungeſcheut die vollen Gonfequenzen feines ma: 
terialiftifhen Grundprincips aus, mwonad der 
Menſch nur ein Naturmehanismus ift, und alfo 
unbedingt abhängig von den finnlihen Einmir: 
fungen. Der höchſte Zwed des Dafeins ift ihm der 
finnlihe Genuß. Seine wichtigsten Schriften find: 
Histoire naturelle de l äme, 1745; 1!Homme ma- 
chine, 1748; 1’'Homme plante, 1748 

Lammiflen (fo genannt nad) der Kirche „das 
Lamm“ in Amfterdam), eine Partei der hollänbi: 
ihen Mennoniten, weldher die Sonniften (nad 
ihrem Verſammlungshauſe „die Sonne”) entge: 

enftanden ; jene hießen aud) die Groben, diefe die 
inen. Sie folgten einer liberaleren Richtung 
und erkannten fein Glaubenäbelenntniß an. Füh⸗ 
rer und Gründer war der Amjterdamer Prediger 
Dr. Galenus Abraham de Haan. 1801 vereinigten 
die getrennten Fractionen ſich wieder. 

Lampe, Friedrih Adolph, Dr. theol. Geboren 
am 19, Febr, 1683 zu Detmold, der Sohn eines 
Predigers, wurde er zu Bremen erzogen, ftudirte 
dort und zu Franeker 1698—1702 und zu Utrecht, 
ward 1703 Prediger der Gemeinde Weeze bei Eleve, 
1706 zu Duisburg und 1709—20 an St. Stephani 
zu Bremen. 1720 als Brofeffor der Theologie nad) 
Utrecht berufen, kehrte er 1727 als Paſtor zu St. 
Andgar nach Bremen zurück und ftarb 1729 dafelbft. 
£. ift der bedeutendfte veformirte Theolog Deutſch⸗ 
lands, der die Coecejaniſche Richtung in Die deulſche 
Theologie und in beitimmten Grenzen die Grund» 
fäge des Lababismus in die Kirche einführte, nach⸗ 
dem er in dem Detry'ſchen Streite in Bremen 
1713—16 eigenen fepnratiftiihen Steigungen ent: 
jagt hatte. Seine Dogmatik ift enthalten im „Ge: 
heimniß des Gnadenbundes“, Bremen 1712, 7. 
Aufl. 1751, Viel verbreitet war jein Katechismus 
„Milch der Wahrheit.” Auch als geiftlicher Lieder: 
ne. ift er bedeutend. Andere Schriften find: 
Delineatio theol. activae, 1728; Comment. ana- 
lytic. exeg. evang. sec. Joh., Amst, 1724—26; 

ynopsis historiae sacrae et ecclesiasticae, 1726. | 
Bal. Böbel, Gefchichte, II. 
Lampen. 


519 
za Schriften ſpricht | der hriftlihen Religion mit Gründen der Philo- 
onfe 


In den katholifhen Kirchen brennt | fach vor. 


Landelin 


ſophie gegen Spinoza und gegen jeſuitiſche Be— 
hauptungen. 
Lanceae et clavorum festum. Das Feſt der 
eil. Lanze wurde auf Anſuchen Karla IV. für 
eutfchland und Pöhmen und zwar auf den Frei— 
tag nad) dem erften Faftenfonntag feftgefegt. Die 
—— Könige rühmten ſich des Veſitzes der 
heil. Lanze (jetzt in Prag), mit welcher die Seite 
Chriſti durchſtochen, während fie nad) den Bol: 
landiften nur die des Eonftantin befaßen, an wel: 
cher ein Theil der Kreuznägel befeftigt fei. Bon 
ber echten heil. Zange, welche die heil. Helena ent: 
deckt hatte und welche im I. Kreuzzuge in Antios 
chia wieder aufgefunden wurde, fol die Spitze aus 
Conftantinopel durch Balduin II. nad Benebig 
verpfändet, von da nad Paris, der Schaft aber 
fpäter als Gefchen? nad Rom —— ſein. 
Lantelot, Dom. Claude, geboren 1615 zu Pa: 
ris, war Vorfteher ber berühmten Schule zu Port: 
royal 1640—60. Nach Aufhebung derjelben war 
er Erzieher des — Conti, lebte dann im Klo⸗ 
fter St. Cyran bis zu deſſen 2 Fear ek und 
gin in die Berbannung. F 1695 zu Duimperle. 
—J ſeinen vielgebrauchten lateiniſchen, griechi⸗ 
chen, ſpaniſchen und italieniſchen Grammatiken 
= ring er hiftorifche Bemerkungen zur Bibel des 
itre. 


Rancelotti, Giovanni Baolo, berühmter Recht3: 

elehrter zu Berugia. Geb. 1511. Geft. 1591. Er 
chrieb auf Befehl des Papſtes Paul IV. Insti- 
tutiones juris can., Perugia 1563 und öfter, in 
Nahahmung der Juftinianifhen Inftitutionen. 
Das Berk ift wegen mander Widerfprüche mit dem 
Tridentinum nicht approbirt; man erfennt aus 
ihm das Recht und die Praxis der früheren Beit. 
Die Herausgeber haben die Differenzen mit dem 
neueren Rechte angemerft. 

Landbiſchof. Als Borfteher einer Mehrheit von 
Landgemeinden, mit einzelnen biſchöflichen Rechten 
ausgeftattet, aber von den eigentlichen Bifchöfen 
unterjchieden und ihnen untergeorbnet, fommen 
Landbiſchöfe im Drient im 4. Jahrhundert mehr: 
Das Coneil von Laodicea um 360 


— 


vor dem Tabernakel oder zu deſſen Seite ununter: | verbot ihre Anſtellung. Im Abendland waren fie 


brochen eine Lampe (ewiges Licht). Der Gebraud | 
rührt her aus der urfprünglich thatfählihen Noth⸗ 
wendigfeit in der vorconſtantiniſchen Zeit und bil: 
dete ſich aus durch die Bezugnahme auf den Mos 
faifhen Eultus, Mitunter werden aud die Bilder 
der Heiligen fo geehrt. Koftbares Del, jowie Ker: 
gen werben von den Gläubigen geopfert. Am Char: 
pe. werden alle Zampen gelöjcht, mit frifchem 
el gefüllt und wieder angezündet. 

Lampetianer wurden nad) einem ihrer Häupter 
aud die Meffalianer (f. d. Art.) genannt. 

Lamp, Bernhard, Oratianer. Geboren 1644, 
lehrte er Philojophie und Theologie in den Dr: 
denshäufern zu Saumur, Grenoble und Rouen. 
+ 1715. Er ſchrieb: Appar. bibl., 1656 (archäolo⸗ 
giſchen Inhalts); eine Harmoniftit der Evange: 
lien, 1689 und 1699; eine Bejchreibung des Tem: 
pels, 1715. 

Lomy, 


Provinz Perche, diente ald Soldat unter Richelieu 


und trat 1658 in die Maurinerabtei St. Remy in | als Prediger des Evan 


Rheims. Sein berüihmteftes Wert ift la connais- 
sance de soi-m&me, Par. 1694. Außer mehreren 


anz, geboren 1636 in ber franzöſiſchen Red 


| 


| 


im 7. und 8. Jahrhundert häufig als Gehülfen der 
Biſchöfe. Die Pſeudoiſidoriſchen Decretalen ver: 
warfen das Inſtitut. 

Landdecane waren urjprünglich die Archipres: 
byter (ſ. d. Art.) auf dem Lande und anfänglich 
die eigentlihen Pfarrer, denen allein das Recht 
der Taufe zujtand. Bei der Ausbildung der Pfar: 
reien wurden daraus Auffeher zur Vertretung 
des Biſchofs und zur Vermittlung des Ber: 
fehrö zwifchen diefem und den Geiltlihen. Sie 
werden entweder vom Biſchof ernannt aus der 
Zahl der Geiftlichen des betreffenden Sprengels 
ee oder von diefen erwählt und vom Bi: 
hof beftätigt. Es fteht ihmen der Vorſitz in den 
Verjammlungen der Geiftlichen, die Aufjicht über 
diefelben, die Sittenaufficht über die Gemeinden 
und die Bermögensverwaltung zu. Sie berichten 
an den Bifchof, haben aber hie und da eigene 

te 


Landelin und Randoald, die Heiligen, werben 
gast in Belgien im 7. 
eiert. Der Erfte, wahrſcheinlich 


rhundert 
J ſoll Gehülfe des Amandus ge— 


gel 
ein Angelfachje, 


ajtetiihen Schriften vertheidigte er die Wahrheit | wejen fein und war nah den Bollandijten ein 


Landesherr 


520 


Landeskirche 


Schüler Audeberts von Cambray, der demſelben Proteſtanten allerdings Statt. Seine gewöhnliche 
entlief, Näuber wurde, aber fich beichrte, die Klö- Stelle findet das Gebet für den Landesherrn im 


fter Lobbes und Erepin ftiftete und 636 ala Büher 
ſtarb. 

Landesherr. Weil es in der Reformation zu keiner 
rechten Ausbildung der Gemeinde kam und das 
vorwiegende Intereſſe der individuellen Gewiſſens⸗ 
befreiung ſich in Deutſchland gleichgültiger gegen die 
Berfaffung der religiöfen Gemeinschaft verhielt, jo 
übernahmen die Fürften die bisher von den Bi: 
ſchöfen geübte Jurisdiction und das Kirchenregi« 
ment. Es bildete ſich thatjächlich ein Territo:ial: 
ſyſtem als herrſchendes Recht. Das proteftantifche 
Bewußtſein hat aber dennoch Staat und Kirde 
als von einander verfchieden feitgehalten und als 
deſſen Confequenz die Trennung ber Kirche vom 
Staate. So lange diejeibe bei der gefchichtlich gewor⸗ 
denen Berfihlingung der Berhältniffe nicht durch— 
zuführen war, wurde die thatjächlihe landesberr: 
lide Macht mit dem Grundfage durch bie Theorie 
vermittelt, daß die biſchöfliche Macht dem Landes: 
herenvon der Kirche übertragen oder daß fie auf ihn 
devolvirt fei (Epiſtopal⸗ und Gollegialfyitem). In 
der neueften Zeit, wo die Scheidung der Staats: 
und der Kirchenverwaltung noch dringenderes Be: 
bürfniß geworben ift, ohne daß die Staatögemwalten 
ſich leicht zur Freigebung der Kirche entichließen 
könnten, ift die andere Theorie aufgetreten, daß aus 
der Zahl der landeäherrlihen Rechte das jus circa 
sacra zwar von der Staatägewait geübt werde, 
das jus in sacra aber ein persönliches Recht des 
Landesherrn ſei, welches er zwar durch Behörden 
ausübe, die aber dadurch nit Staatsbehörden 
würden, fondern kirchliche blieben. Dies Necht ge: 
bühre ihm al8 dem summmus episcopus oder dem 
membrum praecipuum (dem hervorragenden 
Gliede der Kirche). Auf diefer Theorie beruht auch 
die Einjegung des preußiſchen Oberkirchenrathes. 
Wie es der Theorie an bibliſcher und biftorifcher 
Begründung febl:, jo widerſpricht ihr der Umſtand, 
dab in der Berfafjung der evangeliichen Kirchen 
fein wejentlicher Unterſchied befteht zwiſchen den 
ändern, wo der Zandesherr evangelifh und wo 
er katholiſch ift (vgl. Kirche und Staat). — Das 
Sebet für ven Landesheren findet feine Stelle im 
Cultus aller hriftlihen Confeſſionen; es gilt dem 
Oberhaupte deö Staates, abgefehen von feiner 
Beziehung zur Kirche und gründet ſich nicht nur auf 
1. Tim, 2, 1—3, jondern aud) auf Jer. 29,7 und 
Gira 6, 10. Die Sitte aus der vorconſtantiniſchen 
Zeit bezeugen ſchon Polyfarp, Juftin, Tertullian 
u, X. Seit GConftantin wurden die Namen der 
chriſtlichen Herricher in die Diptychen eingetragen 
wie die der Bilchofe, und abgelefen. Spätere Sy: 
noden (Mainz 838) verorbneten ein tägliches Ge— 
bet für den König und die fpanifchen, mozarabi: 


allgemeinen Kirchengebete. 

Landeskirche. Der Beariff hat fid) erft nach und 
mit der Reformation gebildet. Bei der Zertrüm: 
merung ber hierarchiſchen Drganifation ber fatho: 
(ifhen Kirche übernahm der Staat die Aufgabe, 
das proteftantifche Kirchenweſen zu conftruiren, 
und ließ fi dabei naturgemäß von dem Bejtreben 
leiten, die Vollseinheit mit der Kirheneinheit zu 
verbinden. Die Religionsangelegenheiten wurden 
Sache der Staatsgewalt (dad Territorialiyitem 
mit dem jus reformandi), wobei die äußerfte Con: 
fequenz die war, daß die Zugehörigteit zu einem 
beitimmter Belenntniffe bürgerlihe Pflicht und 
Bedingung der Staatdangehörigkeit war. In bie: 
ſem Sinne war bis vor wenigen Jahren die luthe 
riſche Kirche die Yandesfirhe Schwedens. Als der 
mweitphälifhe Frieden dad jus reformandi der 
Fürjten befhränfte und Lutheranern, Reformirten 
und Katholiten gleiche Rechte gab, mußte dieje 
Einheit zwiſchen Kirche und Staat einigermaßen 
gelodert werden ; man verftand nun unter Landes 
firden (nad dem Collegialfyftem) die in einem 
Lande bejtehenden Gemeinſchaften der drei aner- 
fannten Gonfeffionen, deren Gliedern die vollen 
ftaatäbürgerlihen Rechte zugeftanden find, welchen 
der Staat Corporationsrechte und deren Acten er 
eine ftantlihe Bedeutung zuerfannte, auf deren 
Eigenthümlichkeiten er bei jeiner m und 
Geſetzgebung Rüdfiht nimmt, in deren Aomini: 
ftration er gewiffe Rechte ausübt, die er aber auch 
wenigftens theilweife aus feinen Mitteln erhält. 
Bon ihnen unierfcheidet man Diffidenztirchen, wohl 
concejjionirte, aber nicht privilegirte Kirchengeſel 
ihaften, welde jene Rechte nur in beichränttem 
Maße genieken (in Preußen 5. B. Altlutheraner, 
Niederländiih:Reformirte, Herrnhuter), und gedul: 
dete Secten, denen die Corporationsrechte fehlen, 
deren Prediger nicht zur Führung von Kirchen: 
büchern mit öffentlihem Glauben berechtigt find, 
und denen nur Privatgottesdienft geftattet ik 
(Mennoniten, Baptiften). Eine modificirte Bedeu 
tung hat das Wort in neuerer Zeit in Bezug aui 
die Kirche in Preußen befommen, wo die evange: 
liſche Kirche, in den verjdhiedenen Gebieten des 
Staates verjchieden verfaßt, erft allmählich unter 
die gemeinfame Leitung eines Minifteriumä zu: 
fammengefaßt wurde, ohne daß die Verſchieden 
artigfeit der einzelnen Diftricte aufgehoben wor: 
den wäre, Bei den Bejtrebungen jeit 1817, ver 
Geſammtheit der Evangelijchen ded Landes (Union: 
eine dem Weſen der evangelifchen Kirche entjpre 
ı hende Derfafjung zu geben, ohne aber die Einbeit 
mit dem Staate aufzuheben und ohne an die ge— 
ſchichtlich gewordenen landeäherrlihen Rechte zu 


nn nn — — — — — — — 
— 





ſchen, galliſchen, ambroſianiſchen und römiſchen taſten, und bei dem Widerſtand, der ſich hiergegen 
Litargien enthalten ausdrückliche Gebete für den mehrfach gezeigt, verſteht man hier unter Landes 
Landesherrn. Im Miffale Pius’ V. fehlt das et kirche die Zufammenfafiung der evangeliſchen Ge— 


pro rege, ift aber in den meilten Ländern dennoch 
aufgenommen. Die Geburtstage und den Regie: 
rungsantritt feiert die Kirche jeit dem 4. Jahr: 
hundert. Während fid in den Liturgien noch be: 
ftimmte Gebete für den Nenenten bei bejondern 
Gelegenheiten finden, hat ein, Rundfchreiben Be: 
nedictö XIV. vom 23. März 1743 eingeihärft, 
daß foldje Gebete nit von der weltlihen Gewalt 
ausgeben dürfen. Durch die Vermiſchung des 
Staats: und Kicchenregiments findet dies bei den 


meinden und Confiftorialbezirke, welche unter bem 
gemeinfamen landesperrlihen, dDurd den DObertir: 
chenrath verwalteten, Kirchenvegimente ftehen, und 
für welche eine gemeinfame Kirchenverfaffung ge: 
were werden jol, — Die —— Kirche be 
treitet die Anwendbarkeit des Begriffs der Lan- 
deslirche als auf dem ihr —— Staaislir: 
chenthum beruhend; ihr bedeutet Landestirche „ein 
von der Staatögewalt bedrüdtes und aus ber 
organifshen Verbindung mit dem Dberhaupte 


Landoald 


abgetrenntes Glied der Kirche” (Wetzer und Welte). 
Es finden ſich aber in ihr Anſätze zur Bildung von 


521 


Zange 


Beförderung des wiſſenſchaftlichen Studiungs fei« 
nem weitverbreiteten Anfehen entſprechend ver: 


Rationallichen, unbefchadet ver Einheit des päpft: | dient. Dem Papfte gegenüber bewahrte er feine 


lichen Regiments, in der gallicanifhen Kirche, dem 
Berein der deutfchen Kurfürften und den Baſeler 
Compactaten. 

Bandeald. S. Lanbelin. 

Landpfleger heißen nad Luther3 Ueberſetzung 
bie den Satrapen untergeordneten Statthalter im 
perfüihen Reiche, Eära 5, 3. 14; Dan. 3, 2 (an- 
derwärtd Jeſ. 36, 9 Hauptmann; er. 51, 57 
Herr; Ez. 23, 6. 23 Fürft). Einer derfelben, der 
Zandpfleger diesſeit des Waflers, verwaltete Pa- 
+ läftina unb das Land bis zum Euphrat. Auch die 
biefem untergeorbneten Unterftatthalter, wie Se: 
rubabel, nennt Zuther (der Juden) Landpfleger, 
Esra 5, 14; 6, 7. Im Reuen Teftamente giebt 
Luther diefen Titel den Procuratoren (jreumr), 
melde, ald Unterftatthalter dem Statthalter (pro- 
eonsul) von Syrien unterneorbnet, Judäa ver: 
walteten. Sie wurden angeftellt, ald Judda nach 
der Berweijung des Archelaus, Matth. 2, 22, mit 
Syrien vereinigt worden war und refidirten zu 
Cäfaren. Ihre Reibenfolge ift: Coponius umter 
QDuirinus in Syrien nc 
Archelaus im Jahre 7 n. Chr., Marcus Ambivius, 
Annius Rufus, VBalerius Gratus 15—26, Bontins 
Bilatus 26— 37, Marcellus, Marullus, bis 41 Ju: 


Unabhängigkeit, ohne in dem Streite zwifchen ihm 
und Heinrich IV. eine beftimmte Partei au ergreis 
fen. Am bebeutendften für die Kirchengeſchichte ift 
et durh fein Verhältniß zu Berengar von Tours 
geworben, deffen Brief an ihn über bie Abend» 
mahlslehre des Pafhafius Radbertus Beranlaf: 
fung zum Ausbruch des bekannten Abendmahls-⸗ 
ſtreites wurde. Noch in Caen ſchrieb L. gegen ihn 
de corpore et sanguine dom. J. Ch. adv. Bereng.., 
welche Schrift im Kern die jetzige Tatholifche Lehre 
von der Trandfubftantiation enthält. Da in ihm 
große Gelehriamkeit mit wenig Scharffinn und 
Selbftändigfeit, aber viel mönchiſcher Klugheit und 
Leidenfchaft'ichkeit hervortrat, hat Leſſing in ihm 
nur ben beſchränkten Seloten gefehen. L. ftarb 
1059. Bon feinen Schriften find feine Briefe für 
die Zeitaefchichte wichtig, Lanfr. opera, Par. 1568. 
Pal. Möbler, gef. Schriften, 1. Vd.; Haffe, An: 
felm, 1. Bd. j 

Lang, Heinrich, evangelischer Pfarrer in Meilen 
am Süricher See. Geb. den 14. November 1826 


ber Verbannung des | in Frommern (Württemberg), vollendete er feine 
| theologischen Studienaufden Seminarenzu Schön: 
| 


thal und in Tübingen. 1848 wurde er Pfarrer zu 
Rartau im St. Gallifchen Rheinthal, von wo er 


däa an Aarippa II. kam. Nach deſſen Tode 44 folgte | 1863 nad) Meilen überſiedelte. Seit 1859 rebigirt 


Euspius Fabus, Tiberius Alerander 45—48, Ben: 
tidius Gumanus 48—52, Felir 52—60, Feftus 
60-62, Albinus 62—64, Geifius Florus, unter 
welchem der Krieg auäbradh. — 2. Kor. 11, 32 
—— Landpfleger (griech. EIvdezns) ein Volls: 


t. 

Landrecht, allgemeines preußiſches. Das preu: 
Biihe bürgerliche Geſetzbuch ift zugleich die Quelle 
für das preußiiche Kirchenrecht, da feine Urheber 
nah dem Territsrial- und Eollegialfyftem die 
Kirche als ſelbſtändig nicht anerfannten und die 
Verweltung der Kirche nur ungefchieden von der 
des Staates betrachteten. Das Kirchenrecht ift ent: 
halten im 11. Titel des I. Theils, das Eherecht im 
1, Titel des II. Theits. Wo es nicht ausdrücklich 
dad Gegentheil beftimmt, hat es nur die Geltung 
des fubfiviiren Rechtes, welchem die Provincial: 
rechte und ältere Kirchenordnungen vorgehen. Val. 
Boat, Kirchen: und Eherecht; Jacobſon, das preu: 
Bifche Kirchenrecht, 1864; Boche, der preufifche 
legale Pfarrer, heraudg. von Altmann; Bluhme, 
Codex, Elberfeld 1869. 

Landuogt ift bei Luther die Bezeichnung jür 
den Broconful Syriens; außerdem 1. Kön. 20, 14 
nd 19 für die Oberften der Landſchaften. 

Lanfranc, der Sohn eines Rechtsgelehrten in 
Pavia, ftudirte zu Bologna und gab zucrftin Pavia 
neben feiner juriſtiſchen Praxis, danach in Anrans 
hes in Frankreich Unterricht in den freien Wifien: 
Ihaften. Er entſagte aber diejer Laufbahn und 
trat in daß Benedictinerlofter Bec unter dem 
Abte Herluin, auf deffen Antrieb er den wiſſen— 
ſchaftlichen Unterricht dort organifirte und ala 
Borgänger der Scholaftil zu hoher Blüthe brachte. 
Gleihe Wirkſamkeit jegte er als Abt im Klofter 
Caän feit 1063 fort. Das Erzbisthum Rouen lehnte 
er ab, folgte aber 1070 einem Rufe Wilhelms des 
Grobererö. als Erzbiſchof von Canterbury und 
mochte jih auch unter Wilhelms Nachfolger um 
die Erbauung von Kicchen und Klöſtern und die 








ve. die freifinnigen „Zeitftimmen aus ber tefor: 
mirten Schmweis.“ Seine Hauptfchriften find: PBre- 
digten, St. Gallen 1852; Verſuch einer chriftlichen 
Dogmatik, Berlin 1858, 2. Aufl. 1868; ein Gang 


| durch die chriftliche Welt, Berlin 1859, Stunden 
der Andacht, 2 Bde, Winterth. 1862—65 ; rr!i: 


giöfe Charaktere, 1. Bd., Minterth. 1862. 

Lang, Matth., Erzbifhof von Salzburg. Geb. 
‚1469 zu Augsburg. Als Secretär Friedrichs III. 
und vertrauter Rath Marimiltand ward er Dom: 
| probft von Augsburg und Gonftanz, 1505 Biſchof 
von Gurk. 1511 ernannte ihn Julius II. zum Eat: 
dinal, um ihn zu gewinnen, damit er Marimilian 
vom Eoncil zu Piſa abwende. Auf dem Lateran: 
coneil 1514 zum Coadjutor von Salzburg ernennt, 
nahm er 1518 Theil am Reichötag zu Augsburg. 
Anfänach den Ideen einer Kirchenverbefferung 
nicht abgeneiat, berief er Staupit nad Salzburg, 
trat dann ala Verfolger des Evangeliums dafelbft 
auf (Paul Speratus), unterdrüdte den Aufftand 
1525, ſchloß fi) 1524 der Liga an, ebenjo dem 
Bund gegen den Bauernaufftand 1525 und arbei: 
tete auch 1580 zu Augsburg als erffärter Gegner 
Luthers. + 1540. 

Range, Joachim, Iutherifcher Theolog. Geboren 
zu Gardelegen am 26, Detober 1670, befuchte er 
die Schulen zu Oſterwick, Quedlinburg 1687, 
Magdeburg 1689 und die Univerfität Leipzig 1689, 
wo ihn Aug. Herm. Frande bei ſich aufnahm. Er 
folgte diefem nad Erfurt 1640 und nad Halle 
1691. 1698 war er Hauslehrer in Berlin, wurde 
von neuem durch Spener angerrat, aing 1696 ala 
Eonrector nah Eöslin, wurde 1697 Rector des 
Friedrichwerderſchen Gymnaſiums in Berlin, Ba: 
ftor in der Friebrichsſtadt und 1709 Profeffor 
der Theologie in Halle. + am 7. Mai 1744. 8. 
gehört zu ben Häuptern der pietiftifchen Schufe, 
an deren Streit mit den Wittenbergern er fi 
mehrfach betheifiate(Orthodoxia vapulans, 1701; 
Antibarbarus orthodoxiae, 1710). Mehr noch 


Lange 


wandte jich feine Polemik gegen die Wolf'ſche Phi- 
lofophie (der philoſ. Religionsfpötter in dem 
Wertheimer Bibelwerf verlappt, 1735 ; Darftellung 
der Grundſätze der Wolf'ihen Philofophie, 1736). 
Sonſt hat er noch viele eregetifche Werke: Mojai: 
ſches Lit und Recht, 1732; Evangelifches Licht 
u. Recht, 1735, u. ſ. w., einige kirchengeſchichtliche 
Arbeiten und endlich eine dogmatiihe Schrift 
(Oeconomia salutis ev., 1730) verfaßt. 

Zange, Johann Peter, Profefior und Gonfifto- 
rialrath in Bonn, Geboren den 10. April 1802 zu 
Sonnborn bei Elberfeld, Sohn eines Fuhrmanns, 
ftudirte er 1822 zu Bonn Theologie mit befonde: 
rer Hinneigung zu Nigih und Lüde. Nach voll: 
endeten Studien wurde er Hülfsprediger bei Krum⸗ 
macher zu Zangenberg, 1826 Baftor zu Wald, zu 
Langenberg (1828), zu Duisburg (1832). 1841 
murde er ald Profefjor der Kirhengejhichte und 
zz. nad Züri berufen, wo er bis 1854 
blieb, um dann eine Profeffur in Bonn anzuneh- 
men. Seine Hauptjchriften find: das Leben Jefu, 
8 Bbe., Heidelb 1844 47; chriſtl. Dogmatit, 
3 Bde. Heidelb. 1849—52; das apoſtoliſche Zeit⸗ 
alter, 2 Bde., Braunſchw. 18538—54. Außerdem 
ermiſchte Schriften,” 7 Bde., und eine große 
Anzahl kleinerer Schriften. Das von ihm redigirte 
Pr na Bibelwerk (Bielefeld) ent: 

ft von feiner Bearbeitung die Genefis, bie 

elien Matthäus, Marcus und Johannes 
und ben Römerbrief. 
uben, ber, heißt bie 


Range Tag der ) 
polläthümliche Bezeihnung des jüdischen Ber: 
jöhnungötages, an bem ein ftrenges Faften gebo: 


i 

Langmuth (uaxgosvwia) iſt eine fittliche Eigen» 
ſchaft, welche aus der Liebe im Allgemeinen fließt 
(1. Kor. 13, 4), und befteht in dem Zurüdhalten 
bes Zornes und der Strafe, welche die Sünde her: 
ausfordert, Sie gründet fi auf den Glauben an 
bie Befferungsfähigteit ded Sünders, wegen deren 
fie den Moment der Strafe jo weit hinausſchiebt, 
als eine Möglichkeit der Befjerung vorhanden ift. 
Sie ift eine Eigenſchaft Gottes, welche fid) nament: 
lich da erweift, wo Sünden in Unmwiffenheit gethan 
worden find, wie in der ganzen Entwidelung des 
Heidenthums, welche alle Mittel zur Eeweckung 
ber Buße erfchöpft, bevor fie das Gericht über die 
Sünde eintreten läßt, und welche jeden —— 
in dem bie Buße beginnt, bereit ift zur Verf nung. 
Bol. 1. Mof. 19, 24 ff.; Jonas; Röm. 2,4. Sie 
Ph aber auch eine Eigenfchaft wahrer chriftlicher 

ejinnung (Kol. 1, 11; 2, Kor. 6, 4.6) allen den: 
jenigen Mitmenſchen gegenüber, von denen ber 
Ehrift ungerechte Leiden zu tragen hat. 

Rangred, Synode von (859). Ihre canones find 
ben Acten deö Coneilium Tullense vom Jahre 859 
eingereiht. Sie findtheils firdenregimentliher und 
——— Natur, darauf gerichtet, das Epiſtopat 

eier gegen ben Fürſten zu ſtellen und bie Difci- 
plin zu befeftigen, theil3 dogmatifher Art, und 
halten bie prädeftinatianifhen Beichlüffe der Sy: 
node von Valence feft, ohne inconjequenter Beile 
ben Gegenſatz gegen die Synode von Kierſy und 
Hincmar von Rheims zu betonen. 

Langthon (Langton), Stephan, Cardinal und 
Erzbiſchof von Ganterbury. Als Lehrer und Kanzler 
der —— Paris berief ihn ſein Studienfreund 
Innocenz III. nach Rom, erhob ihn zum Ga:dinal 
und lenkte auf ihn, ven Sprößling eines englifchen 


622 


Laodicea 
Geſchlechts, die Wahl bei der Ben Neubejegung 
des Erzbisthums Canterbury 1207. Der Wider: 


ſtand des Königs Johann ohne Land, den laum 
das Anterdict brechen fonnte, nöthigte ihn, bis zur 
Ausjohnung deöfelben mit dem Papfte 1213, ſich 
im Klofter Bontimac bei Autun aufzuhalten. 1215 
ftand er auf Seiten der Barone in Streite 
gegen den König und legte diefem die Magna 
charta zur Unterſchrift vor. Weil er fich weigerte, 
gegen die Barone den Bann zu verfünbigen, ward 
er fuspendirt, doch wohnte er ſchon in demfelben 
Jahre der Leteranfynode 1215 bei. + 1228. & 
ſoll zuerft die Bibel in die jet beftehenden Capitel 
eingetheilt haben. Gefchrieben hat er mehrere Com⸗ 
mentare zur heil. rg 

Languet, — er wahrſcheinliche Verfaſſer 
ber Schrift: Vindiciae contra tyrannos sive de 

rincipis in populum — ue in prinei 
egitima potestate Stephano Junio Bruto Celta 
auctore, Edinburg 1579, war geboren 1518 zu 
Titeaur in Burgund und ftubirte zu Poitiers 
Rechtswiſſenſchaft, zugleich Gefchichte, Politik und 
Theologie. Weil er fih dem Proteftantiämus zu: 
wandte, floh er nach Deutfchland 1542, blieb bis 
zum ſchmalkaldiſchen Kriege in Leipzig, beſuchte 
dann Padua und Bologna, bis er 1549 zu De 
lanchthon nad) Wittenberg fam. Auf befien Em: 
vfehlung gewann ihn der fächfifche Hof als diplo: 
matifchen Agenten. Als folder lebte er bis zur 
Bartholomäusnaht bald in Paris, bald in Wien, 
Prag und den Niederlanden; von 1573—77 am 
faiferlichen Hofe und nad) dem Tode Marimiliond 
II. meift in der Umgebung Oraniend. 2. ftarb 
zu Antwerpen den 30, September 1581. Ermar 
itet3 bemüht, die Verbreitung und Bejchütung 
des Proteftantismus zu fördern. Seine Briee, 
Arcana seculi XVI epistolae Huberti Langueti, 
Hal. 1699, find eine beachtenswerthe Geſchichts— 
auelle. Die oben angegebene Schrift, melde auf 
Beza, Dupleffis Mornay u. A zugefchrieben wor: 
den ift (f. Polenz, franz. Calvinismus, III, 63), 
unterjucht die Frage, oE und unter welchen Bebin: 
gungen das Volk einem gottlofen, die Kirche ver; 
müftenden oder tyrannifhen Könige Wiberftand 
(eiften dürfe, und rechtfertigt in feinen Schlußfol⸗ 
erungen das Verhalten des franzöſiſchen Prote: 
—— 

Lanze, heilige. 1) Vgl. Lanceae festum. — 2) 
In der griehifhen Kirche ein lanzenförmiges 
Meſſer, zur Erinnerung an den Speer, mit dem 
die Seite Chrifti durhbohrt worden. Mit demfel: 
ben rigt und durchſticht der Priefter bei der Com: 
munionfeier eins der Abenbmahlsbrobe von beiden 
Seiten, während die entfprechenden Schriftftellen 
recitirt werben. 

Laodicea. Bon den fünf Städten dieſes Ramens 
im Alterthum ift kirchlich wichtig nur 2. m € 
Avxo am Fluß Lycus, welche bald zu Phragia 
Pacatania, bald zu Lybien oder Karien gerehnel 
wurde, an deren Grenze es lag. Ihr alter Name 
mar Diospolis, dann Rhoas, bis Antiohus I.» 
den Namen nad) dem feiner Gattin Laodice än: 
derte. In der fpätern Zeit war 2. be pi Stadt 
Phrygiens und Hauptort eines Gerichtsbezitles 
Bon Juden bewohnt, bildete fi dort bald eine 
Gemeinde, Dffenb. 1, 11; 3, 14, an bie 
ein Schreiben richtete, Kol. 4, 16, welches von 
Manden im Epheferbriefe (f. d. Art.) gefunben 
wird. — Es find un die wichtigen Canones einer 


Lapide 


Synode zu L. erhalten, welche nad) ben gewöhnli⸗ 
hen Annahmen zwiſchen 36070 Statt gefunden 
haben ſoll. Diefelben beziehen ſich auf die Kirchen» 
difeiplin, beftimmen das Verhältniß zu den Kegern, 
den Unterſchied unter den Klerikern, deren Difei- 
plin, verbieten die Anjtellung von Presbytern u. 
dgl. Am bedeutendften find Canones 59 und 60. 
Jener verbietet, in ber Kirche WWwwrixovg wakuovg, 
d. 5. felbftgedichtete, nicht biblische Lieder zu fingen. 
Dieſer enthält die ältefte fynodale Berhandlung 
über den Kanon und zählt jämmtliche biblifche 
Bücher auf. In dem Berzeichniffe fehlen im Alten 
Zeftamente die Bücher Judith, Tobias, Weisheit, 
Jeſus Sirach, Malkabäer, im Neuen Teftamente 
die —— Die Echtheit des Kanons iſt zwar 
von Spittler 1777, Herbſt 1823 beſtritten, wird 
aber von den meiſten Neuern anerkannt. 
apide. S. Cornelius, 

La Place, Joſua. S. Placäus. 

Lappland, Sameland, der äußerſte Norden 
Europas, zu Rußland, Schweden und eng 
gehörig, if von einem finnischen Stamme, den 
n ober Samen, bewohnt, unter welchen das 

denthum fich bis in unfere Tage erhalten hat, 
da der rauhe nordifche Landftric und das noma⸗ 
diftrende Leben der Bewohner deren Ehriftianifi- 
rung jehr erjchwerten. Die Religion diefer Lappen 
it ein Fetifch- und Naturdienft ohne Priefter, da 
jeder Hausvater das Dpfer bringt; zahlreich aber 
find Zauberer und Wahrfager. Das Bolf ift, wie 
an Zahl, jo auch —— Branntwein und 
Unzucht in Folge des kehrs mit Kaufleuten 
und Coloniſten, ſehr herabgekommen. Die Ein— 
wohnerzahl wird für Norwegen auf 13000, Schwe⸗ 
den auf 5000, Rußland auf 10000 angegeben. Die 
letzteren werden jetzt ſämmtlich der äußeren Form 
nach zu re Meran Chriſten gemacht fein. 
Von gr Ag Intereſſe ift die Miffion unter den 
norwegijchen und ſchwediſchen Lappen. Ihren An: 
fang nahm diefelbe unter Guftav Waja (1524), 
—2 frühere Verſuche reſultatlos geblieben 
waren. Obgleich nun Kirchen gebaut, auch Schulen 
begründet wurden und Strafgeſetze gegen das Hei: 
denthum ergingen, fo fonnte bei dem Mangel an 
Bredigern, die nur einigemal im Jahre zu den 
Imtshandlungen erfhienen, nur ein aͤußerliches 
formelles Chriſtenthum erreicht werden, neben dem 
da3 Heidenthum mit allem Aberglauben fortbe: 
ftand, jo daß die Taufe abgewafchen und das Abend: 
mahl nad erbetener Erlaubniß der heidniſchen 
Bötter genofjen wurde. Erft der Bifchof Bredahl 
von Drontheim begann, von den Schweden nad) 
dem Nordland vertrieben, eine ernftere Miffions: 
thätigkeit ald Bicar zu Tronäs 1658—61. Ihm 


folgte 1703— 17 der Schullehrer Olfenzu Waranger | 
in den nördlichen Finnmarken. Friedrich IV. von 
Dänemark (1699—1730) wies das von ihm geftif: | 


tete Collegium de promovendo cursu evangelii 
1714 an, fin Augenmerk auf Lappland zu richten. 
Dasjelbe ftellte an die Spige der Miffion Thomas 
von Weiten (f. d. Art.), Lector des Capitels zu 
Drontheim. ee) drei längeren Miffionsreifen rich: 
tete dieſer Schulen und Kirchen ein, ftellte tüchtige 
Mitarbeiter ald Prediger und Katecheten an, ge: 
warn das Vertrauen der Finnen und ihrer Biele 
für Das Evangelium. Eine heidnif finnische Co: 
lonie bei Chriftiania verſchloß ihm der Neid des 
Biſchofs Krog. Bei Weſtens Tode (+ 1728) ge 
man in Finnmarken 376 Familien mit 1725 See: 


523 


La Rochelle 


len, in Norbland 18 Schulen auf 5028 Seelen unb 
in Drontheim 3 Schulen auf 428 Lappen unter 
14 Miffionären und 26 Schulmeiftern. Der Mifs 
fiondeifer erfchlaffte aber wieder, bis 1825 
Stodfleth den Ruf nad Vadſöe im höchſten Nor: 
den annahm und 1828—31 die Lappen auf ihren 
Nomadenzlüigen begleitete. Er überiegte ihnen bis 
1840 den Katehismus und das Neue Teitament. 
Den ſchwediſchen Lappen, deren Sprache die Nor: 
mweger nicht verftehen, hatte das Kirhenbud von 
1648 unter anderm die Evangelien und Epifteln, 
die Pjalmen, Sprihmörter und den Prediger ge: 

eben ; 1755 war das ganze Neue Tejtament über: 
—* Außer den Paſtoraten find im Gebirge Bet: 
häufer eingerichtet, die zuweilen von den Geiſtlichen 
befucht werden. Die ſchwediſche — 
ſchaft zu Stockholm hat die Evangeliſirung 
des ſchwediſchen Nordlands in die Hand ge— 
nommen nach den olgen der Reiſepredigt des 
freiwilligen Evangeliſten Tellſtröm 1836—46 
und feiner Gehülfen und Freunde. Eine katho— 
liſche Miffion unter den normwegif Lappen, 
welche zugleih die Polarländer ins Auge gefaßt 
bat, wurde 1855 in Altengaard (70? N. Br.) bes 
gonnen. 

Lapsi, im weitern Sinne die „Gefallenen,“ bie 
wegen einer Todflinde aus ber Gemeinde Auge: 
—— Gewöhnlich aber verſtand man darun⸗ 
ter Die, welche ſich in den Verfolgungen einer 
Verleugnung des Glaubens ſchuldig gemacht hat⸗ 
ten und ſo aus der Gemeinde ausgetreten waren. 
Ueber die Frage, ob und unter welchen Bedingun: 
gen Dieje wieder aufgenommen werben dürften, 
entftand in der norbafrifanifchen Kirche wieder: 
holter Streit. Die ftrenge Praxis, welche die Wie: 
deraufnahme weigerte, wurde anfangs von Cy— 
prianus vertheidigt, aber im Streite gegen Feli: 
ciffimus nahm die Synode von Karthago 251 jehr 
gemäßigte Grundſätze an, welche auch in Rom ge: 

ilfigt wurden. Näher beſtinamte die Synode von 
Ancyra 314 in 7 Canones die Bußdiſciplin gegen 


| die Abgefallenen, mit genauer Unterfheibung des 


Grades der Verſchuldung. Nur theilmeife auf der 
Verſchiedenheit des Verhaltens gegen die Abge— 
fallenen beruhen die eletianifhe Spaltung in 
| Aegypten und die Donatiftiihe in Afrika. Im 
Driente hatte ſtets die mildete Praxis geherridt. 
| 2arbner, Rataniel, Dr. theol. Geboren 1684 
zu Hawkhurſt in Kentfhire, ftubirte er in London, 
Utreht und Leyden bis 1703, bereifte ald Erzie— 
| der 1713—21 mit feinem Zögling Frankreich, Bel: 
gien und Holland und lebte darn in London 
Dei wiflenfhaftliden Arbeiten. Eine Hülfs- 
predigerftelle in einer Diffentercapelle in Lon— 
don, welche er 1729 erhielt, mußte er wegen Taub: 
heit 1751 niederlegen. + 1768. Sein — 
iſt „Ueber die Glaubwürdigkeit der heil. Schrift,“ 
17 Bbe., 1727—57, eine Art von Hiftorifch-friti- 
fer Einleitung, in welder er aus den Zeugniffen 
der Kirchenväter und dem frühen Gebraud) die 
Echtheit der neuteftamentlihen Schriften begrün: 
det. In andern apologetifhen Schriften ſucht er 
die Vernunftgemäßheit des religiöfen Inhalts bes 
Chriftenthums zu erweijen, wobei er ſich gegen die 
hergebrachte Dogmatik, beſonders in Bezug auf 
die Berjon Chriftt, Fritifirend und negirend verhält. 

La Rochelle, Hauptjtabt de3 jegigen Departes 
ments Niedercharente in Franfreih am Atlantis 
[hen Meere, iſt eine ber Feftungen, welde ben 








Larue 524 Laſter 


Hugenotten im Frieden von St. Germain 1570 thete, nach Oſtfriesland, um dem evangeliſchen 
als Sicherheitsplätze eingeräumt wurden. Mit der | Bekenntniß ohne Amt zu leben. Den Bitten der 
Uebergabe der Feſtung an Richelieu 1628, nad) | Regentin Gräfin von Oldenburg weichend, üißer: 
langer tapferer Vertheidigung, ging das legte Boll: | nahm er 1542—46 die Superintendentur und das 
werk deö Calvinismus und die politifche Selbftän: | Pfarramt zu Emden, weldes er bis zur Einfüh— 
bigfeit der Hugenotten verloren. Synoden der | rung des Interims 1549 beffeibete, und begann 
franzöfifchen In Dame Kirche find zu la Rochelle | die Organifation der Kirche. Dogmatiſch mild, 
gehalten 1571 und 1607. Auf der erften wurde | legte er das Hauptgewicht auf Gemeindeverfaflung 
das jchon 1559 zu Paris entworfene und 1561 zu | und Kirchenzucht, und führte in der Kirchenord⸗ 
Poiſſy dem Könige übergebene Glaubenäbelennt: | nung von 1544 die Presbyterien ein, fomie die 
niß von neuem DT daher Confession de la | coetus, wöchentliche Berfammlungen der Prediger, 
Rochelle. Jet ift la Rochelle der Sit eines ka: | aus denen die jpätern Synoden der deutjch:refor: 
tholifhen Biſchofs. mirten Kirchen bervorgingen. Im Gotteödienft 
Larne, Charles, Zejuit und Prediger am fran: | wurden alle abergläubifhen Geremonien abgt: 
zöſiſchen Hofe, geb. zu Paris 1643, geft. 1725, ift ſchafft. Mehr noch konnte er diefe Grundfäge gel: 
durch feine »Oraisons fun&bres« befannt geworden, |tend machen in feinem Gutachten bei der Cölner 
Laſa, der öftliche Grenzort der Kanaaniter, ift | Reformation, dann als er 1550—53 die Super: 
nad) Hieronymus ei mo Herodes im Bade | intendentur der freiwilligen Fremdengemeinde in 
Heilung ſuchte. Es find die heißen Schwefelquellen | London übertommen hatte, für welche er die Son: 
am Mädi Zerka⸗Main. doner Kirchenordnung verfaßte. Durch die Königin 
Las Caſas, Bartholomäus. S. Caſas. Maria vertrieben, fuchte Lasky mit ſeiner Ge: 
Lafius, Chriftoph, ein Melandthonianifcher | meinde Lange vergeblich in Roftod, Wismar, Lü: 
Theolog und heftiger Gegner der Flacianer, daher | bet und Hamburg Aufnahme, die wegen der Abend: 
viel verfolgt. In Straßburg geboren, wurde er | mahläfehre und des Abendmahlsritus von den 
1537 Rector in Görlig und 1543 Pfarrer zu | Lutheranern verweigert wurde, bis er 1555 Ju: 
Greußen im Schwarzburgifgen. Dort abgefegt, laſſung in Frankfurt am Main erhielt, As in 
wurde er Pfarrer in Spandau, vertrieben, dann | Bolen 1556 den Neformirten freie Brivatreligion® 
Superintendent in Lauingen. Wieder abgefett, | Übung aeftattet wurde, kehrte er in fen Vaterland 
erhielt cr nad) längerem Aufenthalte in Augsburg | zurüd und ward 1557, mit neuer Verbannung 
bie Superintendentur in Cottbus, hatte aber zug | bedroht, Vorfteher der prot. Gemeinden in Klein: 
bort nit Ruhe und ftarb 1572 zu Senftenberg. | polen. + 1560. Durch feine Kirchenordnungen, 
Seine Schriften enthalten bittere Schilderungen | deren Grundſätze in die Synodalbefchlüfie zu Em 
vom Zuftand der lutherifchen Kirche, —* 1571 und in die fpäteren Kirchenordmunger 
Lasfy, Johannes von (Jan a Lasko), Erzbifchof | aufgenommen Jia" ſowie durch feinen Embener 
von Gnefen und Primas von Polen. Aus einer | Katechismus, eine der Grundlagen des Heibelber: 
abeligen Familie 1466 geboren, war er Propft zu | ger, iſt Lasky ein Hauptbegründer ber deutſchen 
Stalbimierz, Stiftspropft zu dofen, Kanzler des | reformirten Kirche geworden, deren Unionsharel: 
Reiches, dann Coadjutor zu Gneſen, Erztanzler | ter auc) in feinem Wefen vorgebildet liegt. Lg. 
des Königreichs und 1510 Erzbifchof und Brimas. | Göbel, Geſch. des chriſtl. Lebens in der rhein.: 
Ein thatkräftiger Charakter, bot er Alles auf, um weſtphäliſchen Kirche 1849, Bd. J. Fiſcher, Verſut 
dem Eindringen ter Reformation Einhalt zu thun. | einer Geſchichte der Reformation in Polen 1856. 
(Sein Bruder Jaroflam beförderte die Reforma- | Schwertendiet, Joh. Lasty 1847. Bartels, Joh 
tion in Bolen.) Er erwirkte das Verbot der Schrif: | von Lasko 1860. Knyper, Joh. a Lasco opera 
ten Luthers 1520 und des Befuhs der Witten: | rec. (mit Biographie) 1866. 
berger Univerfität 1534. Wiederholte Rrovincial: | Laſter bezeichnet die Gewohnheit in einer be 
fynoden befeftigten die Difciplin im Klerus, Die | ftimmten Gattung des fündigen Handelns. Jede 
reumüthigen Mönche, welche das — ab: | einzelne Thatfünde iſt wie das Ergebniß und dir 
ſchworen, verfette er unter die MWeltgeiftlichen. Offenbarung einer innern fündigen Neigung, fo 
Auf dem Latsranconcil 1513, wo er zur Türken: auch, wenn nicht andere Einflüffe entgegengelet! 
bülfe auffordern follte, erhielt er für das Erzbis- | wirten, eine Reizung zur Berftärkung derielben; 
thum die Würde des legatus natus sedis aposto- | je ftärfer nun aber die Neigung wird, defto zahl; 
licae. + 153i. Wichtig ift die von ihm heraus: | reicher werben die vollendeten ndigen Handlun: 
gegebene Sammlung der polnischen Gefege: Com- | gen und tefto mehr wirken diefe wieder auf die 
mune inclyti Poloniae regni privilegium con- Vermehrung berinneren Berderbtheitzurüd, Durd 
stitutionum et indultuum. diefe gegenjeitige Steigerung der fündigen Luft 
Lasky, Johannes von (Jan a Lasko), der Be: | und des fündigen Handelns wird die Sünde all 
gründer der teformirten Kirche in Dftfriesland | mählich zu einer Gewohnheitsmacht, melde da? 
und am Rhein. Geboren 1499, der Neffe des Erz: | Willensvermögen nad) diefer Seite hin gänzlid 
biſchofs von Gnefen (f. obigen Art.), erwarb At ſchwächt und in ber Erzeugung einer großen Reihe 
fi) eine ausgezeichnete humaniftifche —— auf ſündiger Handlungen ihren Triumph über die 
Reifen und tm Verkehr mit Hermann von Cöln, menſchliche Schwachheit feiert. Somie eine „Au 
Erasmus, Zwingli, Bullinger, Hardenberg u. N. | gend“ die Gewohnheit ift, in irgend einer Rd 
In die Heimath zurüdberufen 1526, überkam er tung hin gut zu handeln, eine gewiſſe Fertigtei 
mehrere Pfründen und erftrebte eine allmähliche | diefes Handelns bezeichnet, fo if das Lafter eine 
Erasmiſche Reformation der Kirche. Nach 10 Jah: | Gewohnheit des entgegengejegten Handelns. — 
ren erkannte er die Unmöglichkeit, mit feinen Plä: | Laſterhaftigkeit bezeichnet den jeeliihen Zu— 
nen durchzudringen, en’ fagte dem Erzbisthum von | ftand eines —* der ſowohl ald 
Kujavien aus, legte alle jeine Würden nieder und | Ergebniß wie als Urſache feiner Safter zu betrach⸗ 
begab fich 1539 Über Löten, wo er ſich verheira: | ten ifi. 








Lateinische Bibelüberjegung 
Lateiniſche Bibelüberfegung. Das Borhanden: 


925 


Lateiniſche Bihelüberjegung 


nothwendig, von der Grundlage der LXX abzu— 


jein einer lateiniſchen Bibelüberjegung jhon im | gehen und aus dem hebräifchen Örundter* zu über: 
zweiten Jahrhundert — ſich aus den Citaten ſetzen. Vollendet war ſein Werk 405; es iſt dies 


der Kirchenväter, wie Tertullian und Cyprian. 
Es treten aber in denſelben bei einzelnen Verſen 
und Wörtern ſolche Verſchiedenheiten auf, daß es 
zweifelhaft wurde, ob eine oder mehrere Ueber— 
ſetzungen beſtanden hätten. Hieronymus ſpricht 
beſtimmt nur von einer, während Auguſtinus ſich 
äußert, als hätte eö deren viele gegeben. Nach dem 
Rejultate der neueften Forjhungen hat man fid 
für dieAnnahme nur ein er im kirchlichen Gebraud 
eweſenen Ueberjegung zu entideiden, welche als 
tala bezeichnet wird. Diefelbe war aber nicht das 
er eines Berfaflers, jondern es find in ihr die 
Ueberfegungen der verjchiedenen Bücher von Ver: 
ſchiedenen zufammengefaßt. Diefe Ueberjegungen 
find von Andern corrigirt, interpretirt, interpolirt 
und emendirt, fo daß ım 4. Jahrhundert der Text 
fo verderbt war, daß fi Hieronymus zur Anfer: 
tigung einer neuen Weberjegung, der Vulgata, 
entihloß. Das Baterland der Jtala Scheint Nord: 
afrila zu fein, wo auch zuerjt das Bedürfniß einer 
ſolchen entjtehen mußte. In Italien genügte län: 
ger der griechiiche Text, weil in den Gegenden ber 
Gemeinden und in den Kreiſen ihrer Mitglieder 
die herrſchende Umgangsſprache meiftens das Grie⸗ 
chiſche war. Die Sprache tft die Yatinität des zmei- 
ten Jahrhunderts, untermiſcht mit Provincialis: 
men und Solöcismen, Latinifirung von griedi- 
ſchen Wörtern und Anbequemung griehijcher For: 
men. Die ungelente Unbeholfenyeit der Sprache 
rührt ber von dem Streben, möglichjt getreu zu 
überjegen. Der Ueberſetzung des Alten Teſtaments 
liegt die LXX zu Grunde, Die Verderbtheit des 
Tertes erklärt fih mit aus diefem Umftande, weil 
der Tert der LXX ſehr verichieden ſich geitaltet 
hatte und jeder Verbefjerer der lateinifchen Ueber— 
tragung nach feiner Recenfion des Urtextes arbei- 
tete. Daß dieje alte Leberjegung ihrer Zeit zu kei— 
nem jehr hoben Anjehen gelangte, geht aus der 
Art des Eitirens hervor, apul Latinos, inLatino, 
Latinus interpres, großen Werth aber hat fie * 
die bibliſche Kritit. —— iſt von ihr außer 
den ohne weiteres in die Vulgata — 
Büchern Weisheit, Jeſus Sirach, 1. und 2. Mat: 
labäer, Baruch, Gebet des Manaſſe und 4. Buch 
Esra die Ueberſetzung der Pſalmen, des Buches 
Eſther, des 3. Buches Esra, Tobias, Judith und 
die Zujäße zu Daniel nebſt Fragmenten der übri— 
en ———— Bücher, dazu das ganze Neue 
eſtament. Nachdem Flaminius Nobilius die Ci— 
tate in den Kirchenvätern zuſammengetragen hatte 
und ſpäter einzelne Bücher aus Handſchriften her: 
ausgegeben waren, erſchien die Ausgabe von 
Petrus Sabatier, Bibliorum s. latinae versiones 
antiquae s. vetus italica et caeterae quaecumque 
in cod. manusc. et antiquorum libris reperiri 
potuerunt, op. et st. P. Sabatier O. s. Bened. e 
tongr.8. Mauri, Remis 1739—49 und Paris 1751. 
Als fi gegen Ende des 4. Jahrhunderts das 
Bebürfnig eined neuen lateiniichen WBibeltertes 
Immer fühlbarer madte, veraniaßte Papſt Dama— 
ſus I. (F 384) den Gelehrtejten und Geeignetiten 
feiner Zeitgenofien, Hieronymus, die Arbeit einer 
neuen Ueberjegung zu übernehmen, Jm Neuen 
Zeitamente ſchloß er f möglichſt an den gewohn⸗ 
ten Test an und verbefjerte nur, wo eö unbedingt 
nötbig war. Im Alien Teitamente fand er eö aber 


im wejentlihen, d. h. abgejehen vom Pfalter 
und einigen Apofryphen (j. oben), die Qul- 
gata, melde vom Goncilium zu Trient für 
authentijch erklärt wurde. Den kirchlichen Allein 
—— erlangte ſie aber erſt im 9. Jahrhundert, 

is dahin erhielt ſich die alte Ueberſetzung neben 
ihr im Gebrauch. Da dies ohne Schaden in ber 
römifhen Kirche möglich geweſen ift, jo könnte 
auch in der deutjchen evangelifchen Kirche der kirch⸗ 
lihe Gebraud anderer Weberjegungen ald ber 
Luthers ohne Bedenten gejtattet werden, Weber 
die Gefhichte und die Ausgaben der Bulgata ſ. d. 
Art. Die Mängel der Yulgata traten hervor, ala 
man ji wieder mehr mit den claffifchen Studien 
und mit dem Hebräiſchen beſchäftigte. Da das 
Lateiniſche noch Jahrhunderte lang die Sprade 
der Kirche und der Gelehrten blieb, wurden neue 
Ueberjegungen hervorgerufen. Die älteſte derjelben 
war die des Alten Tejtaments mit Ausfchluß ber 
Pſalmen durch den engliichen Biſchof und Eardi: 
nal Adam Eafton (+ 1397). Sie ift verloren, wie 
die durch Nikolaus V. (1447—55) veranlafte 
Ueberjegung der Pfalmen und des Neuen ⸗ 
ments von Gianozzo Manetti (} 1469). Mit dem 
Reformationgzeitalter erſt beginnteine lange Reihe 
derartiger Arbeiten, und zwar ſowohl eva.ıgelifcher 
als katholiſcher Verfaſſer. Den Reigen führte Defi- 
derius Erasmus mit feiner Heberfegung des Neuen 
Teitaments nad dem von ihm herausgegebenen 

riechiſchen Grundtexte, mit welchem fie auch zu: 
st eridien 1516 zum eriten Mal, 5 
Ausgaben bei Lebzeiten des Erasmus, jpäter noch 
an 200; auch ift fie von Andern, 5. B. Flacius 
Illyricus, überarbeitet und verbeſſert. Die Ueber: 
— in fließendem und gewandtem Ausdruck 
chließt ſich dennoch dem Charakter des Driginals 
an. Am meiſten gebraucht nächſt Erasmus wurde 
die Ueberſetzung von Beza, die ſich möglichſt eng an 
die Vulgata anzuſchließen ſuchte. Vorgeworfen iſt 
ihr, daß fie manche Beeinfluſſung durch die dog⸗ 
matiſche Auffaſſung zulaſſe. Erſte Ausgabe 1556, 
in den ſpäteren iſt vieles geändert. Lateiniſche 
Ueberjegungen einzelner Bücher erſchienen im 16. 
Jahrhundert vielfach als Frucht der Auslegungs⸗ 
arbeit der Bibelforjdher, von Melanchthon, Luther, 
Brentius, Defolampadius, Calvin u, A. Die ganze 
Bibel neu aus dem Örundtert übertragen, aber 
im Anſchluß an die Vulgata, ließ zuerft Sanctes 
Pagninus, ein Dominicaner aus Lucca (+ 1541 in 
Lyon) 1528 erjcheinen. Möglichſt wörslich, ift die 
Ueberfegung nicht immer. beutlich, hat auch man- 
hen Irrthum und ſchlechtes Latein. Eine Ausgabe 
berjelben mit Anmerkungen und vielen Aenderun: 
gen durch Servetus (Mich, Billanovanus) fam auf 
den Inder. In Gebrauch fam die Ausgabe des Rob, 
Stephanus, der aber das Neue Tejtanıent mit der 
Arbeit Bezas vertaufchte, Biblia utr. test., ed. 
R. Steph. 1557. Bon wenig Werth, wörtlich, aber 
unbeholfen, ift die Ueberjegung, welche ver Kardinal 
de Vio Gajetanus (F 1534) anfertigen ließ 1530 
—62, Dagegen ift ein jorgfältiges und bedeutendes 
Werl die Jüricher lateinijche Bibel 1543, bearbeitet 
von Leo Jud (+ 1542) und nad) deſſen Tode voll: 
endet von Bibliander und Pellican. Das Neue 
Zeitament wird gegeben in der Ueberjegung des 
Erasmus, revidirt durch Gualther, Die Apolryphen 


Lateinische Bibelüberfegung 


526 


Lateiniſche Sprache 


in der Bearbeitung von Cholinus. Mehr auf den nach Latinität und macht erflärende (geiperrt 


Sinn als auf Wörtlichkeit jehend, hat fie auch die 
Zatinität beachtet, Die enge ie daher zuweilen 
freier gehalten. Auch dieſe Meberfegung ' 
drudt und war namentlih in Spanien viel ver: 
breitet. 1615 griff der Jefuit Gretjer diefe Bibel 
an (admonitio ad exteros de Bibliis tigurinis), 
ihn widerlegte 3. 3. Huldricus. Viel freier ftellte 
Gaftellio. Er wollte den Gebildeten der Zeit 
die Schrift nahe bringen und ihnen den Genuß 
derjelben vermitteln durch eine treue und deutliche 
Ueberjegung im Eiceronianijchen Yatein. Er ſchließt 
fih den hebräifchen Worten nur jo eng an, als es 
ein fließendes qutes Latein verftattet. Sogar die 
hergebrachte Terminologie der Kirche beadhtete er 
nicht mehr, fondern wählte * Ausdrücke, 
3. B. ftatt ecclesia: respublica, jedoch gab er dies 


wurde heftig angegriffen, namentlich von Beza 
1556 und 1563; aber die weite Verbreitung zeigte, 
daß er einem Bebürfnifje der geit entgegengelom: 
men war. Die Arbeit war begonnen 1542, die 
erite Ausgabe erſchien zu Bajel 1551, einzelne 
Stüde waren voraufgegangen. Bon dem gr ent: 
gegengejegten Princip ging der ſpaniſche Domini- 
caner Thomas Malvenda (+ 1628) aus bei feiner 
unvollendet gebliebenen —— Commen- 
tarii in sc. s., una cum nova ex Hebraeo transl. 
variisque lectionibus, Lugd. 1650, der legte, 
—* Band geht bis Ezechiel, Cap. 15. Er über⸗ 
jo wörtlich, daß er wieder fein eigenes Latein 
durch beigefügte Glofjen erläutern muß, weil er 
nn hebräifche Eonftruction und Verbindung 
beibehalten zu müfjen meint. Weit verbreitet wurde 
bie von Friedrich III. von der Pialz veranlafte 
Ueberjefung des Alten Teftaments des Heidelber⸗ 
ger Profefiord Immanuel Tremellius (eines ge: 
enen Juden Tremellio aus Ferrara), 1575— 
79. Sie gehört zu den wörtlichen, jo daß aud) die 
Eigennamen m Anſchluß an die hebräiſche Form 
einen; wo der hebräifhe Ausdrud im La— 


teiniſchen hart und unverftändlich würde, ift er 
doch auf dem Rande (in margine) wörtlid) wieder: | 
gegeben. Das Neue Tejtament wurde in einer Lon⸗ 


boner — ——— nach einer Ueberſetzung 
des Tremellius aus Syriſchen beigefügt, in 
einer ſpätern nach dieſer und Bejas Ausgabe. Das 
Wert deö Tremellius gab nad) feinem Tode (7 1580 


in Sedan) fein Schwiegerjohn Franc. Junius 


(du Jon), der die Apofryphen bearbeitet hat, neu 


—— mit vielen Aenderungen, ſowohl in den 


nmerfungen als in den Ueberjegungen. Die befte 


Ausgabe nach der tertia cura von 1596 erſchien 


zu Hanau 1624. Diefelbe Ueberſetzung ließ Pisca⸗ 
tor jeinen Gommentarien zum Alten Teftament 
vorbruden, indem er Daneben feine Berbeflerungen 
ftellte, Herborn 1601—16, 1643—45, 1646. In 
ber reformirten Kirche folgte dann Joh. Coccejus, 
berebenfalld feinen Gommentaren eine eberjegung 
möglichjt wörtlich beifügte. Die Bearbeitung um: 
faßt das Neue Teftament mit Auänahme der Syn: 
optifer und ber SpoReigeihnake, vom Alten Ter 
ftament Hiob, Palmen, Sprüche, Hoheslied, Bro: 
pheten und Klagelieder; von den übrigen Büchern 
Geneſis 1—19, Deuter. 29—34, Jud. 5, 1. Sam. 
2, 1—10. freier bewegte ſich nad) feinen Grund: 
fägen der remonftrantijche Theolog Jean le Clere; 
er behält zwar die Hebraiämen, welche einmal zu 

efter Rebe geworden waren, bei, jtrebt aber jonft 


| Zheolog 
in ben jpäteren Auflagen wieder auf. Caftellio | 





| Deudtte) Zufäge. Das Merk erſchien allmäbtie; 


1693—1731 und umfaßt das Alte Teftament. Für 


t oft ge: | das Neue Teftament übertrug er aus dem Engli- 


[hen und begleitete mit Anmerkungen die Para: 
phrafe des englifhen Hofprediger® Hammond 
1714, gab dann aud) eine eigene Ueberfegung, Alt: 
dorf 1700. Aus der lutherischen Kirche entitand 
die eg 1 des Straßburger Theologen 
Seb. Schmid 16%. Von Katholiken lieferte noch der 
Priefter des Dratoriumsd Charles Francois Houbi: 
gant eine jelbftändige Ueberſetzung des —*— Teſta⸗ 
mentszu feiner unpunctirten Ausgabe des hebräi- 
ſchen Textes, Paris 1753. Er will die Mitte halten 
zwiſchen einer zu freien und zu wörtlichen Leber: 
fegung. Gleihen Mittelmeg ſchlug der Leipziger 
I. A. Dathe in feiner Ausgabe des Alten 
Teitaments ein, Ex recensione text. hebr. et vers. 
antiq. latine vers. notisque phil. et crit. ill., Hal. 
im Waifenhauje 1773—89 ; im Interefie der Deut: 
lichkeit wurden einzelne anftößige oder unverftänd: 
lihe Tropen aufgelöft, eine Baraphrafe des Tertes 
aber vermieden; das Latein ift fließend. Unvoll⸗ 
endet geblieben ift das Werk von H. A. Schott in 
Jena und J. F. Winzer in Xeipzig (Vol. I. Pen- 
tateuchus) 1816, Altona und Leipzig, bad neben 
der Treue des Sinnes auch die hebräiſche Sprach⸗ 
weiſe in der Ueberjegung zum usdruck bringen 
wollte,jo daß dennoch das Lateiniſche nicht barba- 
rifh würde. Die Ueberfegung des Neuen Tefta: ' 
ments von Schott erjchien zuerft Leipz. 1805, 
die vierte Auflage überarbeitete und nike 1839 
Baumgarten:Crufius. Das Wörtliche ift theils auf 
dem Rande beigefügt, theils find in Klammern er- 
Härende Zufäße gegeben. Da das Bedürfniß einer 
Iateinifchen Ueberſetzung um jo weniger vorwaltet, 
je mehr das Lateinifche aufgehört hat, die Sprade 
der wiſſenſchaftlichen Bildung zu fein, fo ift auch dad 
Interetje an der Bervolltommnung derjelben und 
der Fortſetzung früherer Arbeiten erlojchen, umd 
der Fleiß wird richtiger und fruchtbringender auf 
deutjche Ueberjegungen verwendet. 

Lateiniſche Sprache. In der römifch-fatholifchen 
Kirche werden alle officiellen Aete des Cultus wie 
des Kirchenregiments in lateiniſcher Sprache vor: 
genommen. Der allgemeine Gebrauch derfelben 
ald Kirchenſprache erflärt fi aus den geſchicht⸗ 
‚lichen Berhältniffen, weil im ganzen Gebiete der 
abendländtichen Kirche das Lateinische Die Sprade 
deö allgemeinen Verkehrs war; es blieb die Sprade 
des Cultus, aud; da es als Volksſprache auäftarb, 
nah der Macht der Gewohnheit. Möglich war 
die Beibehaltung felbft dann, ald das Chriften- 
thum zu den germanifhen Böltern gebradt 
wurde, weil bereitö der Cultus zur Meſſe fich ge: 
ftaltet hatte, woran die Gemeinde keinen jelbitthä- 
tigen Anlaß nehmen konnte, die Miffionäre aber 
anfänglich ihren Gottesdienſt allein und unter ſich 
feiern mußten und erft allmählich bie Getauften 
an ihm Theil nahmen. Principiell hat die Kirche 
‚früher nie den Alleingebraud der lateiniſchen 
Sprache gefordert, und wenn die Umftände es 
räthlich machten, 3. B. den Slaven und unirten 
| Griechen, auch ſtets bereitwillig ben Gebraud ber 

Boltöjpradhe zugeftanden. Erft das fpätere bierar- 
chiſche — hat die Forderung der einheitlichen 
Kirchenſprache aufgeftellt. Die darir beigebrachten 
' Gründe: 1) ohne diefelbe würde bei der Verſchie 
| denheit der Sprachen und deren Veränderlichteit 








Lateran 527 Lateranſynoden 


die Gleichheit des Sinnes und die Einheit der zerne Altar, an welchem ſämmtliche Päpſte bis auf 
Kirche gefährdet, 2) könnte die Mehrzahl der Prie- Sylveſter (4F 335) die Meſſe geleſen haben ſollen. 
fter die Meſſe nicht außerhalb ihres Landes leſen Ganz in der Nähe liegt das ebenfalld von Con- 
und 3) bei der Unfähigteit des Volkes, das Geheim: | ftantin zu Ehren Johannes’ erbaute Baptisterium 
nigvolle zu begreifen, fei Gefahr, daß das Heilige | St. Johannis in Fonte. In der Mitte des acht: 
profanirt würde, verdeden den eigentlichen Grund, | edigen Gebäudes fteht in einer Vertiefung, ums 
daß es nur durch die Beibehaltung der lateinifchen | kränzt von Porphyrſäulen, ald Taufftein eine an: 
Kirchenſprache möglich blieb, italienischen Prieftern | tife Badewanne aus grünem Bajalt. An das Bap- 
und päpftlichen Greaturen in allen Ländern Pirlin: | tifterium angebaut find von Hllarius 452—468 
den und Würden zu ertheilen und durch fie die | zwei Gapellen zu Ehren St. Johannes des Täu- 
Kirche im Gehorjam zu erhalten. Die Volksſprache Vers und des Evangeliften. Noch gehört zum Late: 
wurde nur im gottesdienftlihen Verkehr mit dem | ran die Lorenzcapelle, zu welcher von dent Plage 
Volke, wo fie durhaus unentbehrlich war, bei Der | der Kirche fünf überbaute Treppen hinaufführen, 
Eheſchließung, der Beichte und in der Predigt ge: | deren mittelfte, scala santa (heilige Treppe), aus 
braudt. Die vielen vorhandenen lateinischen Pre: | dem Haufe des Pilatus zu Jerufalem herrühren 
digten find entweder nur vor Geiftlichen gehalten in | foll. Sie wird nur betend auf den Knieen erftiegen, 
Capiteln und Klöftern, oder es find vorhergehende | was als bejonderes Verdienſt gilt. Auf dem 
lateinifche Ausarbeitungen, die Deutfch vorgetragen | freien Plage vor der Kirche ließ Sirtus V. den 
wurden, welchen Gebrauch aud die lutheriſchen einen der beiden Obelisken von Heliopolis aufrid): 
Prediger längere Zeit beibehielten. Zuther und mit | ten, den Eonftantin nad Rom gebracht hatte. 
ihm die Iutherifche Kirche hat den liturgifchen Ge: | KLuteranfynoden. Die in der Lateranlirdhe ge: 
braud einiger lateinifcher Formen, die allgemein | haltenen Synoden und Concilien führen danad) 
befannt geworden waren, 3. B. gloria, vgl. aud) | den Namen. Die erfte hielt Martin L 649 gegen 
xügie EAEnoov, beibehalten, Doch ijt die Anwendung | die Ex9eoıs des Heraclius und den Typus des 
immer feltener geworben, bis in der Neuzeit aud) | Kaiſers Conftantius im monotheletifchen Streite, 
dafür ftärfere Vorliebe erwachte. Das Kirchenlatein | über welche dad Anathema ausgeſprochen wurbe, 
ift entftanden aus der verberbten Zatinität ber | 653 wurde Martin in Folge deffen in der Lateran- 
jpätern Jahrhunderte, vermifcht mit vielen Pro: | firche gefangen genommen und nad Eonftantino: 
vincialiämen, ſowie Graecidmen und Hebraismen | pel geführt. Die Synode von 1125 unter Galizt II. 
nicht bloß im Wörtervorrath, jondern auch in For: | zählt als neuntes ötumeniſches Concil, obwohl es 
men und Wendungen. In der Unmifjenheit des | wie alle jpäteren nur vom Abendlande. beichidt 
erften Mittelalters ift es barbarijch genug gemor: | worden, und heißt die erfte Lateranfynode. Auf 
ben; feine normative Duelle ift die Vulgata, die | berjelben wurde das Wormfer Concordat zur Be: 
Ausartung das Mönchslatein, wie es die Epist. | endigung bed Jnveititurftreites genehmigt. An- 
obscurorum virorum wiedergaben. Die protejtans | wejenb waren 1000 Prälaten. Eben jo viel wohn: 
tifhe Theologie behielt daS Lateinijhe ald die | ten der zweiten Lateranfynode 1189 unter Inno— 
Sprache ber Wiſſenſchaft bis ins vorige Jahrhun- | cenz II. bei, auf welcher das durch die Wahl des 
dert bei, bis in die neuere 3 wurden auch die | Gegenpapftes Anacletus orgerufene Schiäma 
Gandidatenprüfungen in derjelben gehalten, was | beendigt, deſſen Beſchützer Roger von Sicilieninden 
zum Theil noch der Fall ift. Bann re und Arnold von Brescia verdammt 
Zateran, Laterankirche. Der Lateranpalaft, | wurde. Diedritte Lateranfynode 1179 hielt Aleran- 
Eigentbum einer alten römischen Familie, domus | der III. nad) Beendigung des Streites mit Frie: 
Lateranorum, gehörte zu den prädtigjten Ge: | drih J. Sie erließ 27 Canones über Kirchenzucht und 
bäuden bes alten Roms. Nero confiäcirte —* Diſciplin der Geiſtlichen und erforderte zur Gül— 
als der Beſitzer in eine Verſchwörung verwickelt tigkeit einer Papſtwahl eine Zweidrittelmajorität. 
war, und häufig bewohnten ihn die Kaijer, bis ihn | Sie war beſucht von 300 Biſchöfen. Die vierte 
Gonftantin dem Bapfte Syivefter jchenkte. Er | Lateranſynode 1215 unter Innocenz III. bezeich- 
wurde dann die Refidenz ber Päpfte bis zum | net den Gipfel der päpftlichen Macht, 71 Prima: 
Avignoner Eril. Nach der Rückkehr bezogen fie den | ten, 412 Biihöfe, 800 Aebte und Prälaten und 
Batican, und ber Lateranpalaft wurde den Kunft: | viele Gefandte von Fürften und Herren waren an: 
fammlungen eingeräumt. Die an den Palaft an: | wejend. Die Decrete wurden im Namen deö Pap⸗ 
gebaute Kirche ift Die eigentliche ee Roms | jtes erlafjen unter der Formel: sacra universali 
und bed Bapftes und trägt am Giebel Die Inſchrift synodo approbante sancimus. Sie betrafen in 
Sacrosancta Lateranensis ecclesia omnium urbis | 7U canones die Dijciplin der Kirche, da3 Dogma 
et orbis ecclesiarum mater et caput. Baid nad) | von der Ohrenbeichte, von der Wandlung, bie Ber: 
feiner Krönung fommt jeder neu ermwählte Bapft, | dammung der Albigenjer, des Amalrich von Bena, 
um in feierlihem Aufauge von der Kirche Bejig zu | des Abts Joahim von Florus, das Gebot eines 
nehmen. Am Himmelfahrtätage wird von hier der | Gottesfriedens auf 4 Jahre und die Einleitung 
Segen ertheilt. Die Kirche ift eine urjprünglich | eines neuen Kreuzzugs. Auch die Einrichtung der 
von Conftantin erbaute, in fünf Schiffe durch vier | Inquiſition datirt von ihr. Die fünfte allgemeine 
Säulenreihen getheilte Bafilica (Basilica Constan- | Zateranfynode eröffnete Julius II. 1512, welcher fie 
tiniana ecclesia Salvatoris), ift aber von Jnnocenz | dem Bijanerconecil entgegen berufen hatte, deſſen 
X. inder Mitte des 17. Jahrhunderts reftaurirt; fie | Beſchlüſſe er annulliren ließ. Faft nur von den 
ift außgezeichnet durch manche Denkmäler des Alter: | italienifchen Biſchöfen befucht, dauerte die Synode 
thums. Unter den vorgeblichen Reliquien, die hier | biß 1517 unter Xeo X. Unter Benedict XII. fand 
aufbewahrt werden, find die vornehmiten die Köpfe | 1725 wieder eine Lateranjynode ftatt, welche die 
der Apojtel Betrus und Paulus und die Tiſchplatte, Conftitution Unigenitus anerfannte. Eine fiebente 
an welcher das Abendmahl von Chriftus gefeiert | allgemeine Lateranfynode hat Pius IX. auf den 
wurde. In den Hochaltar eingeſchloſſen ift der höl- | December 1869 ausgeſchrieben. 

















Latimer 


528 


Laubhüttenfeſt 


Latimer, Hugh, geboren 1480 zu Thirceſſen in einem großen Theile der Geiſtlichkeit und ſelbſt 


Leiceſterſhire. Anfaͤnglich ein heftiger Gegner der 
Reformation, wurde er bald, durch Bilney erweckt 
und gewonnen, durch ſeine gewaltigen volksthüm— 
lichen Predigten einer ihrer wirkſamſten Beförde— 
ter. Gegen die Verfolgungen der Papiſten ſchützte 
ihn die Öunjt des Königs, der ihn 1529 zum Pfar- 
ver in Weftlingfton in Wiltjhire und 1535 zum 
Biſchof von Worcefter madte. 2. gehörte zu der 
gemäßigten Partei Cranmerd und Crommells, 
welche nur die Mißbräuche der alten Kirche enter: 
nen wollten, allen Gewaltmaßregeln abhold und 
der Suprematie des Königs unterworfen waren. 
Daher legte er nach dem Erjcheınen der 6 Blut: 
artitel (28. Juni 1539) fein Anıt nieder und wurde 
wegen feines Widerjtandes eingeferfert. Nach 
Eduards Thronbefteigung blieb er bei Granmer 
und wirkte anfangs ohne beftimmtes Amt, dann 
als Hofcaplan Eduards durch jeine Predigten, in 
benen er fi) . und fittenftreng, rauh und bef: 
tig zeigte, ein Eiferer gegen das Papſtthum; im 
Vortrag derb populär, mitunter burlest. Nach 
Marias Thronbefteigung wurde er ald ein Führer 


der Evangeliſchen 1553 verhaftet, mit Ridley zum 
Tode verurtheilt und am 16. October 1555 ver: 
brannt. 


Latimer, Wiliam, ein Humanift. Geb. 1489, | 








unter den Bifchöfen. 

Latomud, Jakob (Jaques Mafion), ein fatho- 
eiſcher Theolog und Domherr zu Löwen, gegen 
welchen Xuther von der Wartburg aus Rationis 
Latomianae confutatio richtete, da er fi) an der 
Geniur der Löwener Theologen über Luther bethei- 
ligt und das Gutachten vertheidigt hatte. Er war 
zu Cambron im Hennegau geboren und jeit 1500 in 
Löwen anfällig. + 1544. Seine Schriften gab ein 
gleichnamiger Better, gleichfalls Domher zu Löwen 
(+ 1596), heraus. Sie rechtfertigen wenig das gün⸗ 
jtige Urtheil, welches fatholifche Zeitgenofjen über 
x. auögejproden hatten. — Ein dritter Jakob 2., 
ein Jurift, wird ald Zeitgenofje Luthers erwähnt. 
Er joll wider befjeres Wiffen um Gewinnes mil: 
len von der evangelifchen Lehre wieder abgefallen 
und zu Löwen in Verzweiflung geftorben jein. — 
L., Bartholomäus,geboren 1485 zu Arlon, war 


Lehrer der lateiniſchen Sprache zu Trier, fpäter 


Profefior der Rhetorik zu Göln, dann Profefior in 
aris, zulegt kurtrierſcher Rathin Goblenz. + 1566. 
ſchrieb einige theologifch-polemifche Abhand⸗ 
lungen gegen Bucer und Andreä. 
Laubhüttenfefl, 2. Moſ. 23, 16; 3. Mof. 28, 
34 ff.; 5. Moj. 16, 13 ff. vgl. mit 1. Kön. 8,2 f.; 
Neh. 8, 14 fi.; Sad. 14, 16; Ey. 45, 25; Joh. 


war er Fellow in DOrford, ſtudirte in Babua Grie: | 7,2, das letzte der brei jährlichen Hauptfefte, welche 
chiſch und ward der Gehülfe des Erasmus bei ſei⸗ alle männlichen Iſraeliten anwejend beim Heilig: 


ner zweiten Ausgabe des Neuen Teitaments. 


ihum feiern follten. Es war dem Anbenten an 


Ratitubinarier ift der Name einer vermitteln: | ven Zug durch die Wüfte geweiht und zugleich 


den Richtung in den Parteitämpfen ber englijchen | daS zweite (Herbit:) Erntefeit (Zeit der Einfamm: 
Kirche im 17. Jahrhundert zwiichen Epijtopalen | lung). Gefetert wurde es fieben Tage im 7. Monat 
und Buritanern. Sie hielten die Berfafjung und | Tisri, ein adhter Tag ſchließt ſich der * an, 
die Liturgie der Epiftopaltirche feſt, widerjtrebten | dem jpäter noch ein neunter folgte. i das 
aber den tatholifirenden hochtirchlichen Tendenzen. | Feit von Joſua's bis auf Rehemia's Zeiten nicht 
Indem fie alled Gewicht auf wirkliche Frömınig: | mehr begangen worden, ift nah 2. Chr. 7,8 
teit legten, verlangten fie Anerkennung der Wiſſen- —10 und Esra 5, 4 nicht richtig, folgt aber auf 
ſchaft und Duldung abweichender Heberzeugung | aus Neh. 8, 17 durchaus nicht, val. 2. Chron. 
und zerfielen mit der dogmatijchen Einfeitinter 35, 18. Die eier wurde zur Zeit des zweiten 
der Preöbyterianer und Independenten. Der Tempels mit Feitlichfeiten und Gebräuden über: 
Name bezeichnet die Weite ihre Gefinnung. Zu laden; von derjelben handelt im Talmud ein 
—— zählten Männer wie Cudworth, Whichcot, eigener Tractat. Der doppelten Feſtbedeutung 

orthington, Wilkins, Burnet, Tillotſon, Spen: | entſprach die Art der Feier, die Opfergaben 


cer. 
wurbe, bie an ben religiöfen Kämpfen nicht ent: 


ſchiedene Partei nahmen, jo umfaßte er bald Feſtes in Hütten. Allgemeine 


auch die Indifferenten und wurde bei den Partei: 
männern gleichbedeutend mit Atheift oder Soci⸗ 
nianer. In der Gegenwart ift der Name wieder 
ber fogenannten breitkirchlichen Partei eines Ar: 
nold und Coleridge beigelegt, welche ebenfalls un: 

ng der evangeliſchen Brincipien das 





Da der Name aber auf Alle angewandt | von dem Einkommen, die Mahlzeiten und Dabei 


eübte Gaftfreundjcaft, das Wohnen während des 
ftopfer murden 
täglich in großer, aber ſich täglich mindepnder An; 
zahl gebracht; nur der erſte und achte Tag 
wurden ald Sabbath begangen, die zwiſchenlie 
genden ald Tage der Fröblichkeit. Auf cimen be 
fonderen Ritus wird Job. 7, 37. 383 angeipielt. 
Zum Trantopfer wurde feierlich duch einen Prie- 


ter Feſthaltu 

pratt.jche Chriſtenthum höher ſtellt als Bekenntniß jter Wafjer aus der Duelle Siloah geholt, mit 
und Berfaflung und eine kirchliche und fitiliche Her | dem Wein gemijht und auf den Altar gegofien. 
form anzubahnen ſucht. Indem die Anhänger die | Urjprung wie Bedeutung des Gebrauchs iſt unbe 
jer Richtung entgegen den beiden Parteien der | fannt; da ihn die Sadducüer verwarfen, tft er 
Staatstirche Alle, welche an die Schrift glauben, | jüngeren Datums. Die Deutung der Rabbinen, 
für Glieder der Gemeinde halten und den Prüf: | daß er fich beziehe auf das erjehnte Eintreten der 
ftein deö Glaubens in jeine Bethätigung Durch Die | Negenzeit, wird durch die Drodung bei Sad). 14 
Werte jegen, heben fie am metften die Jdee der | wahrſcheinlich. Im Vorhof der Weiber begann am 
fihtbaren ig hervor als der Er Abend des erjten Fejttages eine Illumination auf 
Einrichtung zur Belehrung der Welt. Daher ftre: | goldenen Gandelabern, wodurch ganz Jeruſalem 
ben fie nach Wiederbelebung alter Bräuche als | erhellt wurde, und ed wurde unter Mufif und Ge 
Zeichen und Erinnerungen an den hriftlihen Be: jang ein Fackeltanz von Männern vor bemjelben 
ruf und rad) Bildung von religiöfen Gemeinihaf: ausgeführt. Der Talmud enthält befondere Bor- 
ten mit prattiſch⸗ ſittlichen Zwecken. Eine geſchloſ- | jhriften über das Binden des Lulab, eines mit 
jene Bartei bildet dieje Richtung nicht; fie hat in | einem Weiden: und Myrtenzweige ummundenen 
verſchiedenen Schattirungen ihre Anhänger in | Palmzweiges, der, während die linte Hand eime 


Laud 


Laterne hielt, in der rechten getragen und bei 
einem Umzug um den Brandopferaltar (jetzt um 
die Geſetzesrolle) gefchüittelt wurde, jo wie über 
den Bau der Hütte und das Wohnen in derjelben. 
Der achte Tag (Tag der Verſammlung) hat nicht 
mehr die Feitgebräuche der vorigen Tage; er fol 
nach den fröhlichen Ergögungen der Feſtwoche zur 
Sammlung vor der Rückehr in die Wohnungen 
dienen. Die Feier des neunten Tages (der Ge: 
—— iſt erſt in der Rabbinenzeit eingeführt, 
ie gilt der Beendigung der jährlichen Gefegesvor: 
lefung. Durch ein Ölied der Gemeinde (Bräutigam 
des Geſetzes) wird der Schluß des Pentateudhs 5. 
Moj. 33, 27 — 34, 12 vorgelefen, durch einen 
Andern der Anfang 1. Moſ. 1, 1 — 2,3. Zur 
Feier gehört das Bejchenten der Armen und der 
Kinder, eine Feitmahlzeit und der gewöhnliche 
Adendgottesdienit in der Synagoge. 

Laud, William, Der Gründer der hochlirch— 
lihen Richtung in England, der Sohn eines Tud): 
machers zu Reading in Berlihire, geb. d.7. October 
1573. Er trat jhon im College von Orford mit 
Anfihten hervor, weldye dem Puritanismus ent: 
geaen, die Fatholifche Kirche zu bevorzugen jchienen. 

urd) jeinen Gönner, den Bugof von Rochejter 
befördert, wurde er bei Jakob I, eingeführt und 
ar jowie Bräfident des Johns:Gollege in 

xford 1611, Archidiakonus zu Huntingdon und 
Decan von Öloucejter 1616. Er begleitete den Kö: 
nig auf feiner jchottiichen Reiſe, deren Zwei vie 
Bereinigung der ſchottiſchen Kirche mit der eng: 
liihen war. Durch die Gunſt deö Königs zum 
Biſchof von St. David erhoben, begann er mit 
jeinen rituellen Reformen, in denen man die An: 
näherung an den Katholicismus ſah. Laud hatte 
nämlich die primitive Kirche der eriten Jahrhun: 
derte, wie er jie fannte, vor Augen, ihr juchte er 
in Zehre, Verfaſſung und Cultus die anglicanis 
ſche Kirche möglidjt zu nähern. Die römische 
Kirche ftehe zwar mit derjelben im unmittelbaren 
Zufammenhang, ſei aber jeit dem 5. Jahrhundert 
immer mehr verderbt. Die wejentlichften Momente, 
apoftolifche Succeffion und biſchöfliche Bechoflung, 
babe die engliiche Kirche gerettet. Unter Karl 1. 
gewann L.'s Einfluß eine immer jteigendere Bedeu: 
tung. Als Biſchof von Bath und Wells, fpäter 
von London und Mitglied des geheimen Raths 
und der Commilfion zur Verwaltung des Erzbis: 
thums Canterbury, war er nach Buckingham's Fall 
mit Strafford der Yeiter in dem nun folgenden 
Kampfe für den königlichen Abſolutismus. Nad) der 
ſchottiſchen Krönungsreiſe Karls J. 1633, bei welcher 
ihn L. begleitete und für die Einführung der eng— 
lichen Kichenverfaffung in Schottland wirkte, 
wurde er Erzbijchof von Canterbury und vereinigte 
in feiner Hand die wichtigften Firchlichen und poli: 
tiihen Aemter. Da er zugleich Mitglied der Stern: 
fammer und der High: Commifjton, der beiden 
höchſten weltlihen und kirchlichen Gerichtshöfe 
war, jo bejaß er die Mittel, jeine Mafregeln mit 
tyrannifcher Willkür durchzuführen, um jo mehr 
als das nicht einberufene Parlament ihn nicht * 
derte. Gelang es ihm ſo in England die Diſſen— 
ters zu unterdrücken und wenigfiena äußerlid) die 
Eonformität herzuitellen, jo erbitterte die Einfüh: 
rung feiner Liturgie die puritanischen Schotten, 
welche ſchon durd) die canones von 1635 und Die 
töniglihe Suprematie der Art gereizt waren, daß 
fie 1639 den „heiligen Bund“ Ihloffen und zum 


529 


Launoy 


Kriege rüfteten. Gegen Laud's Rath bewirkte der 
König bei der Convocation in England den 29. 
Mai 1640 die Beſchlüſſe über die unbedingte Macht 
des Königs. Strafford’s Sturz war die nächſte 
Folge. Auch 2. wurde 1640 unter Anklage des 
st geitelt und als ſchuldig am Aus: 
bruch des Ichottiichen Krieges erklärt. Erft 1644 
nad) dem Bündniß der Engländer mit den Schot: 
ten begann die Verhandlung, die mit L.'s Verur— 
theilung zum Tode 1645 endigte. Er wurde den 
10. Jan. 1645 enthauptet. 2.5 Richtung ift im 
Anglofatholicismus oder Pufeyismus aufs neue 
an's Licht getreten, nachdem fie mit den Stuarts 
alle Geltung in der englijchen Kirche verloren hatte 
und nur von einer Heinen Partei noch gepflegt . 
worden war. Wichtig für die Gefchichte jener Zeit 
ift jein ei een (Diary written by himself, her: 
auög. v. Wharton, London 1695). Sein Leben 
beichrieb Baines, Yondon 1855. 

Lauda Sion Salvatorem find die Anfangs: 
worte der berühmten Sequenz des Thomas von 
Aquino auf das Frohnleichnamäfeft. In der 
deutſchen Uebertragung des Johannes v. Salz: 
burg (1366 -1396) beginnt der Lobgefang: Lob 
o Syon deinen Schöpfer. 

Laudemium, Yehngeld, Gewinngeld, ift nad) 
dem Xehnsrecht Die Abgabe, welche der Lehnsherr 
oder Befiter bei jeder Veränderung der Berjon 
des Vaſallen oder Erbpächters, d. h. bei dem 
Uebergange des Gutes in andere Hände als der 
Dejcendenten zu fordern berechtigt war. Sie be: 
trug gewöhnlich '/2 bis '/o des Werths des 
Gutes, Zu unterjcheiden ift 1. minus, die Ausfer: 
tigungsgebühr der Urkunde an die betreffende 
Behörde. 

Laudes. Eins der täglichen Breviergebete, bei: 
fen Zeit eigentlih 3 Uhr Morgens ift, wird ges 
wöhnlich mit der Matutine verbunden. Die 2. find 
vorherrjchend Lobgebete nad dem Lobgeſang des 
Zacharias. Ihre Compofition entjpricht der der 
Veſper. Sie enthalten auch die suffragia sanc- 
torum, die Anrufung des Kirchenpatrons und der 
h. Jungfrau, fowie für Bußzeiten die preces. Auch 
it laudes der Name der von Notker im 4. Jahr: 
hundert eingeführten Dichtungsart der Sequenzen 
oder Xeifen. 

Launoy, Jean de, geb. zu Bal-de-Sis am 21, 
Dee. 1603, T am 10. März 1678 zu Paris. Ein 
franzofifcher gelehrter Theolog, welher ohne ein 
firhliches Amt anzunehmen als Doctor ber Theo: 
logie ander Sorbonne, nur feinen Studien und einer 
fruchtbaren Schriftftellerei lebte. Seine Schriften 
find vorherrſchend gejchichtlich = Fritifchen Inhalts, 
mit der Tendenz, den Gallicanismus zu verthei« 
digen. Daher gerieth er in manchen Streit, nas 
mentlich mit den geiftlichen Orden, deren Privilegien 
und Anſprüche den gallicanifhen Nechten wider: 
jprechen, und deren Wunderjagen, 5. B. der Kar— 
meliter, an ihm einen ſcharfen Krititer fanden. 
In feiner erften Schrift vertheidigt er die Yehre 
des Durandus von dem Verhältniß des göttlichen 
Willens zu den böjen Handlungen der Menjchen. 
Es folgten eine Reihe von Unterfuhungen über 
die erjten Zeiten der hriftlihen Kirche in Frank— 
reich ; über die Tridentinijche Lehre von der attritio 
und contritio (Zerknirſchung und tiefempfundene 
Reue), das Recht der Bettelorden Beichte zu hören, 
mit Umgehung des eigentlihen Pfarrers. Von 
Interefje ift auch fein Trartat: — royale 

3 


Laura 


sur le mariage, weil er darin, indem er daß | 
Recht der Fürften, trennende Ehehindernifje auf: 
zufielfen nadjweift, das kirchlich Sacramentale nur 
als Accefjortum, den Vertrag als das Wefentliche 
der Ehe auffaft. — Ein Anderer des Namens, 
Kanonikus zu Paris, wird unter den beftigiten 
Predigern gegen die Hugenotten unter Heinrich ILL, 
erwähnt, 

Laura, eigentlich Platz. Dann bezeichnet e3 ein 
Dorf mit — Wohnungen, und iſt der alte 
Name der Mönchsanſiedelungen, wo einzeln ſte— 
— Zellen ſich um einen Mittelpunkt, das 

;oenobium oder die Zelle des Vorſtehers grup— 
pirten. Obgleich die Lauren nicht eigentlich von 
Mönchen, ſondern von Eremiten bewohnt wur— 
den, jo wird doc) oft Laura geradezu für Kloſter 

ebraucht. Die erjte Laura joll der h. Charito zu 
Sharan am Todten Meere 340 gegründet haben. 

Raurentins, der Heilige. Nach der Ueberliefe: 
rung war Derjelbr ein römischer Archidiafon, welcher 
in der Verfolgung unter Balerian (257-258) unmit: 
telbar nad) dem Papſte Sixtus J. den Märtyrertod 
erlitt, indem er auf einem Roſte lebendig gebraten 
wurde. Er hatte, aufgefordert, die Schäge der 
Chriſten auszuliefeen, die Armen und Krüppel 
herbeigebracht. Der Dichter Prudentius hat ihn 
verherrlicht. Gedächtnigtag: 10. Auguft. 

Laurentius, dev Gegenpapft des Symmachus 
(498— 514), war Arkhipresbyter in Rom und 
wurde nad) dem Tode des Anaſtaſius von der 
Partei, welche das Henotiton anzunehmen bereit 
war, zum Papfte gewählt (498). Zur Ausgleichung 
des entitandenen Schismas wurde der Schieds— 
jprud) des Theoderich angerufen, welcher ſich für 
den zuerit und mit den meiften Stimmen gewähl— 
ten Symmadhus entjchied. 

Laurentius, Dalla, geb. zu Nom 1415, ein 
berühmter Humanift, der mit rüdjihtslojer Schärfe 
die Scholaftit und die kirchliche Tradition angriff. 
Seine befanntejte Schrift ift: de falso errdita et 
ementita Constantini donatione declamatio, in 
welcher er die Unechtheit der Schenkungsurkunde 
Conftantin's nachwies. Da er aber eben jo frei 
aud) dad symbolum apostolicum, die Bulgata u. a. 
beurtgeilte, mußte er Nom verlaffen und kaum 
fonnte Alphons von Neapel bei ver nquifition 
die Aenderung der Todesftrafe in eine öffentliche 
Geißelung erwirfen, Bon Nikolaus V. geſchützt, 
lebte er danad) zu Nom. + 1457. Seine gejam: 
melten Schriften, Baſel 1540. 

Lauretaniſche Litanei bezeichnet die Anrufung 
der Daria, in welcher die derſelben beigelegten 
Namen von den in Loretto befindlichen Bildern 
entlehnt find und die auch dort ım 13. oder 14. 
Sahrhundert entjtanden ift. Der Verfaſſer ift un: 
befannt. Sie ift nicht in die kirchliche Liturgie 
übergegangen, wohl aber (Bulle Sixtus V.: Red- 
dituri) empfohlen und es find Indulgenzen mit 
ihrem Gebrauch verfnüpft. Den Protejtantismus 
hat fie durch die Vergötterung der Maria ſtarken 
Anſtoß gegeben. 

Laus. Die Injectenplage der Aegypter (2. Mof. 
8, 12 ff.) nimmt Yuther nad) ae als von 
Läuſen herrührend an; die LXX überjegen aber 
Stechmücken, und mit ihnen ftimmt Philo überein 
und die Berichte neuerer Reifenden, weld)e ſchmerz⸗ 
haft ftehende Müden ald bleibende Yandplage 
Aegyptens ſchildern. 





530 


Lavater 


Lauſanne. Der biſchöfliche Sitz iſt hieher von 
dem alten Aventicum durch den Biſchof Marius 
zwiſchen 585—594 übertragen; das Bisthum, be: 
grenzt von Baſel, Conſtanz, Sitten und Befangon 
umfaßte das Waadtland, den Canton Freibura, 
Neuenburg, Theile von Bern, Solothurn und ber 
FrancheComté, mit den Städten Freiburg, Solo: 
thurn, Bern und Murten, und ftand unter dem 

zbisthum Bejangon. Als weltliche Herren be» 
jagen die Biichöfe Laufanne mit der Umgegend 
und manche Yehnsherrichaften, fie waren reichs: 
unmittelbar und übten die Regalien aus. Es ge: 
wannen aber die Grafen von Savoyen immer 
größere Macht und Einfluß im Waadtland jeit 1260 
und erlangten 1343 das Recht, den Richter in 2. zu 
bejtellen. Zwiftigfeiten zwijchen den Städten und 
dem Biichofe benugend, lieh fich 1517 der Herzog 
als Oberherr anerfennen; dem widerjegte ſich Bi: 
jhof Sebaftian von Montfaucon 1517, und die 
Stadt, um ihre Forderungen durchzuſetzen, ſchloß 
Ye dem Bunde der Städte mit Bern an, 1536 
be ; 7 Bern das ganze Waadtland und trat in 
die Rechte des Bilchofs ein. Unter dem Schuge 
Berns hatte ſchon Farel einen Reformationsver: 
ſuch machen können; ihm folgte Viret, der das 
Volk für das Evangelium gewann. Bei der Ein: 
nahme der Stadt durd Bern wurde freie Reli: 
gionsübung gejtattet, den Evangeliſchen die Do: 
minicanerlivche eingeräumt und von Bern ein Re— 
ligionsgejpräd (1. Oct. 1536) angeordnet. Farel 
und Viret rechtfertigen hier die Reformation, die 
in Folge deſſen definitiveingeführt wurde, nicht ohne 
dab mande innere Kämpfe noch eingetreten wä— 
ven, namentlic durch das Zujammentreffen der 
Berner Art mit der Genfer Weife. An der theo: 
logiſchen Atademie, weldye von Bern zu 8. eins 
gerichtet wurde, wirkte neben Viret auch Beza von 
1549— 1559; in unferem Jahrhundert Alerander 
Vinet. — 1545 fand in L. die große zweitägige 
Verſammlung der waadtländiihen Geiftlichkeit 
Bei veranlaßt durch Die Bedrüdung der Religions: 

reiheit von Seiten derradicalen Regierung, welde 

mit dem Entlaſſungsgeſuche von 156 Pfarrern 
endigte und die Bildung der freien Kirche des 
Waadtlandes vorbereitete, weldhe auf den Syno— 
den 1846 und 1347 ſich conftituirte. — Der latho— 
liche Biſchof hat feit der Reformation L. verlafien 
und jeinen Sit zu Freiburg aufgejchlagen. 1319 
wurde Genf mit dem Bisthum vereinigt und dem 
Biichof der Titel: Bifchof von Lauſanne und Genf 
gegeben, — Nah Lauſanne verlegte das Cancil 
von Baſel 1444 feinen Si und wurde dort ge 
ſchloſſen. 

Lauterkeit. Entſpringt das menſchliche Han— 
deln lediglich den Triebfedern eines von der 
Liebe zum Guten erfüllten Gemüthes, fehlt jede an— 
dere Triebfeder, ſo iſt es lauter. Das Gegentheil 
iſt ein Handeln, und zwar ſehr häufig ein von dem 
Zwecke aus, der ihm gegeben iſt, betrachtet, gutes 

andeln, welches von einer geheimen ſelbſtſuch— 
tigen Abſicht geleitet iſ. Sobald eine Abſicht in 
das Handeln (oder Reden) einfließt, welche nicht 
mit dem Zwecke zuſammen fällt, der dem Dan: 
dein nach außen hin feine fittlihe Bedeutung ver: 
leiht, jo tft es unlauter. 

avater, Johann Kaspar, geb. 15.Nov. 1741 in 
Züri, der Sohn eines dortigen Arztes. Er bejuchte 
die Schulen feiner Vaterjtadt und das collegium 
humanitatis 1754 und wurde nad) zurüdgelegtem 


Lavater 


theologischen Curſus 1762 in den geiſtlichen Staub 
aufgenommen. Nad einen erfolgreichen öffent« | 
lichen Angriff auf die Ungerechtigkeit eines Land— 
vogted machte er eine längere Reife durch Deutjch: 
land, wo er mit den hervorragenditen Männern 
verfehrte und ſich fait ein Jahr lang bei dem be: 
rühmten Kanzelredner Spalding in Berlin aufbielt. 
Nac feiner Rüctehr1764 lebte er, 1766 verheirathet, 
mehrere Jahre ohne Amt in feiner Bateritadt, bis 
er 1769 Diatonus, 1775 Pfarrer am Waifenhaufe, 
1773 Diafonus, danad) Pfarrer an der Petrus: 
gemeinde wurde. Cr ftarb am 2. Januar 1802 an 
den Folgen einer Berwundung durch einen fran- 
zöſiſchen Grenadier bei dem Einzuge der Franzoſen 
in Züri nad dem Siege Maffena’s (26. Scptem: 
ber 1799), Aligemein befannt wurde L. durch 
feine Schriften über Phyſiognomik und durch feis 
nen engen Verkehr mit Göthe und Herder; aber 
die Bedeutung feiner merfwürdigen Berfönlichkeit 
liegt nicht in jener Liebhaberei und nicht in feinem 
geiftreich fprudelnden Wejen, fondern in feiner fitt: 
lich und religiös genialen Perſönlichkeit, fie wird 
auch nicht vermindert durch manche Excentri— 
täten und Schwächen, fo vielfachen Stoff und 
Anlaf diejelben jelbft gehäſſigen Angriffen dar: 
boten. eben der großartigen Wirkung, bie 
er durch feinen perjönlichen Verkehr und jeine 
Predigten unmittelbar und namentlih auf 
höhere Clafjen ausübte, und außer dem Ver: 
dienste, welches er ſich als ein unerjchrodener 
Vertreter der Freiheit ſowohl dem ariſtokratiſchen 
Regimente zu Zürich, als fpäter den republicani: 
ichen Gewalthabern gegenüber erwarb, hat er eine 
bleibende Bedeutung Yır die Gejchichte und die 
Entwidelung des religiöien Lebens gewonnen. 
Mitten in einer glaubenöleeren Zeit vertheidigte 
er unerjgüttert und erfolgreich den Glauben an 
die Bibel und an den lebendig fortwirkenden Er: 
löjer gegen die mannigfaltigften Angriffe, doch jo, 
daß er dabei zwifchen alter und neuer Yehre und 
Sinnesart vermittelte, indem er in fich ſelbſt gei— 
jtige Elemente der Vergangenheit und Gegenwart 
in genialer Weife vereiniate. Nicht in wilfenfchaft: 
licher Form und Durchbildung, fondern im der 
Gejtalt perfönlicher Erfahrungen und vorherrjchend 
apologetiich gefaßt, treten in ihm die Gedanten 
auf, welde das religiöfe Yeben unjerer Zeit in der 
Gemeinde zu verwirklichen fucht. Als eine Durch: 
aus —— Perſönlichkeit, vereinigte er auf eine 
ſeltene Weiſe das humane und myſtiſche Element 
des Chriſtenthums. Indem er den eigentlichen 
Mittelpuntt feines Glaubens in der Perſon Chriſti 
fand, als dem höchſten deal der Menfchheit, und 
der Erjcheinung der dem Menjchen denkbaren Gott« 
beit, er daher die gefhichtliche Perjon in ihren 
orten und ihrem Wirken erfaßte, fo fonnte er 
zur Bibel als zu der Geſchichte des göttlichen Eben— 
bildes eine dogmatijch freie Stellung einnehmen. 
Dit fejtem Glauben fonnte er fi des Gebetes 
und Der Gebetserhörungen freuen, und mit reli— 
giöſer Gluth fich überall da hingeben, wo ihm der Zus 
ſammen hang der fihtbaren und unfichtbaren Welt 
fich aufzubellen verſprach, auch, wo diejer den Cha— 
rafter Des Magifhen und Zauberhaft-Uebernatür: 
lichen —— Daher ſeine Verbindung mit Mes: 
mer, Caglioſtro, Gaßner u. A. und ſeine Studien 
iiber ven Magnetismus. Nicht minder aber er: 
tannte ev das Göttlihe in dem menjchlich 
Schönen und Wahren und ſuchte mit lieben: 


531 


Lazariſten 


der Sorgfalt dasſelbe nicht bloß in der geſchicht⸗ 
lichen Erſcheinung der Kirche und der Secten, 
ſondern auch in den einzelnen Individualitäten 
zu entdecken und zur Anerkennung zu bringen. 
Da er eine Religion aus dem Leben und für das 
Leben wollte, jo war ſein Chriſtenthum ein durd« 
aus ethiſches; cbenfo frei von den Togmatismus 
der Orthodoxie ald des Nationalismus, befämpfte 
er beide und blieb er beiden gleihmäßig unver« 
ftändlihd. Seine wictigften Schriften find: 
Schweizerliever 1767 ; Ausfichten in die Ewigfeit, 
3 Bde. 1765—75, 3. Aufl. 17775, Phyſiognomiſche 
Fragmente, 4 Bode. Winterth. 1775; Pontius Pi— 
latus 1782; Vermifchte Schriften, 2 Bode, 1774 
— 1781; Kleinere prof. Schriften, 3 Bde. 1784 
— 1785; Nachgelafjene Schriften, ed. Gefiner 
5 Bde. 1801— 1802. Seine ausgewählten Schrif— 
ten find herauögegeben von Orelli, Zürich 1841- 
1844. Vgl. Geheimes Tagebuch. Bon einem 
Beobachter feiner ſelbſt, 1772; Geßner, Lebens: 
beſchreibung Yavater’s, 1802; Göthe's Briefe an 
Xavater, herausgegeben von Hirzel 1-33; Bode: 
mann, Zavater, 1856; 8. J. Nigich, Lavater und 
Gellert, 1857. 

Layard, Auften Henry, geb. 5. März 1817, der 
berühmte Alterthumsforſcher, bekleidete 1852 hohe 
engliſche Staatsämter, als Unterjtaatsfecretär des 
Miniſteriums des Auswärtigen, als Secretär bei 
der Indiſchen Gontrole; hielt jich 1853 in Con: 
jtantınopel auf, und lebt jeit 18554 wieder in Eng: 
land. Einen bedeutenden Namen erwarb er ſich 
durch jeine wiſſenſchaftlichen Reiſen im Oriente 
und Die Nusgrabungen in den Ruinen von Ninis 
veh (1845) und Babylon (1848), über welche er 
berichtete in Niniveh and its remains, 2 Bbe., 
London 1850, deutſch von Meißner 1850, A se- 
cond series of the monuments of Niuiveh. 1853. 
und Discoveries in the ruins of Niniveh and Ba- 
bylon, London 1555; deutſch von Zenter. Xeipz. 
1556. 

Laymann, Baul, ein Jeſuit, geb. zu Innsbruck 
1576, war Xehrer der Philoſophie und Moral: 
theologie zu Ingolſtadt, Münden, Dillingen, 
Bamberg und Göln. Als en erlangte er zwar 
in feinem Orden großes Anjehen durch jeine Anz 
wendung des Brobabilismus; aber auch die Bulle 
Innocenz XI. von 1679 nennt ausdrüdlich feinen 
Namen unter den Jefuiten, deren Moralſätze fie 
mit der Greommunication belegt. Er ftarb zu 
Conftanz an der Beit 1635. Seine Moraltheolo: 
gie erfchien zuerſt 1625 in München, auch 1723 zu 
Mainz. Nach feinem Tode erſchien: Jus canoni- 
cum und Repertorium, Dill. 1644. 

Raynez, Jakob. S. Yainez, der Freund und 
Genoffe Xoyolas. . 

Lazariſten. Auf den Wunsch und mit den Mit: 
ten des Grafen Gondy jtiftete Bincenz von Paula 
1624 eine Gejellfhaft von Wifjionsprieftern, die 
fich bejonders der Seelforge für das Landvolk und 
die niedern Stände widmen follten. Urban VIIL. 
beftätigte dieſe Genoſſenſchaft der Priefter der 
Miffton, weldye von dem Collegium St. Lazarus 
in Baris, das ihnen 1632 zufiel, den Namen der 
Yazariften empfing. Noch zu Lebzeiten des Bin: 
conz breitete die Congregation ſich über ganz 
Frankreich aus und gründete Seminare in Ita— 
lien, Polen, Irland, Algier und Tunis. In ber 

Revolution mit allen religiöjen ——— 


Lazarus 


aufgehoben, wurde die Congregation ſchon 1804 
wieder hergeftellt und empfing ſogar Unterjtügung 
aus der Staatöcaffe. Zum zweiten Mal aber 1509 
aufgehoben, erhielt fe 1816 ihre Exiſtenz wieder. 
Zur Zeit zählt fie über 700 Mitglieder und hat die 
Felder ihrer Thätigkeit in der Levante, China, 
Nord: Amerika und Brafilien. S. Hospitaliter. 

Lazarus, EiedSagos, SON (Gotthilf)iftnach 
oh. IL, 1 ff. der Bruder der Maria und Martha, 
else Jeſus auferwedt hat. Die Synoptifer 
erzählen von ihm nichts. Nach der kirchlichen 
Tradition war L. bei feinem erjten Sterben 30 
Jahre alt und lebte danach noch 30 Jahre, Im 
Jahre 890 follen jeine Gebeine in Cypern gefun: 
den jein. Eine andere Legende läht ibn mit 
feinen Schweſtern zu Maifilia in Gallien das 
Evangelium verkünden. 

Kazarus, der Name eines Armen, der Luk. 16,19 
erwähnt ift. Es ift durch nichts begründet, demt: 
jelben eine geſchichtliche Eriftenz zuzuichreiben, es 
würde dann jogar die Erzählung Widerſprüche ge: 
gen die Sinnesart Chriſti aufweifen. X. ift durch 
die Parabel die ſprichwörtliche Bezeichnung der 
Armen, Verlaffenen geworden, zu deren Schuß: 
patron der biblifche Yazarus erhoben wurde. Nach 
ihm heißen daher: Hoſpitale Yazarethe, und der 
Orden der Hofpitalbrüder Yazarijten. In der Vor: 
ausjegung, daß L. eine wirkliche Perſon geweſen, 
—— Wedel und Bartholin, an welcher 
Krankheit er gelitten. 

Lazier. Eine Völterjhaft in Kolchis zwijchen 
den Flüſſen Phafis und Bathys, nach welchen die 
Römer ganz Kolchis Lazica nannten. Ein Fürſt 
der %,, Tyathus, reijte 520 nad Gonjtantinopel, 
ließ fi, um den Schug Juftinians gegen die Ber: 
jer zu gewinnen, dort taufen, auch von ihm die 
Krone auflegen und beirathete eine vornehme 
Griehin. Das Volk wird dann als eifrig chriftlich 

erühmt, von dem fogar Miffionsthätigfeit geübt 
Bi. Die Berfer verſuchten, ihres Chriftentyums 
wegen, fie ins Innere Perſiens zu verpflanzen. 
den. Die ’ältere der Töchter Yabans, die 
Schweiter Rahel's, das Weib Jakob's (1. Moſ. 29, 
16). Sie hatte ſechs Söhne und eine Tochter, hin— 
zugerechnet werden noch die beiden Söhne ihrer 
Magd Silpa. Wenn wirklic die Familiengefchichte 
Jakob's die älteiten@tammeserinnerungen bewahrt 
an das Zuſammenſchmelzen zweier Hauptbeitand: 
theile, jo bezeichnet vielleicht Lea, die ältere, berech: 
tigte Gemahlin, die aber Hinter Die jüngere, ſchönere 
Schweiter zurüdgejegt wird, den älteren Theil 
des Volks, der unter Abraham und Iſaak jchon in 
Kanaan fehhaft war, und der an den jüngeren 
Theil, der mit Jakob neu einwanderte (Kabel: 
Ephraim), die Xeitung und Führung abtceten 
mußte, obwohl er an Zahl der ftärfere blieb 

Leade, Jane, geb. 1623, 7 19. Aug. 1704 zu 
London. Sie ift die Stifterin der philadelphiſchen 
Gemeinden. Im Herzogthum Norfoll und in der 
anglicaniſchen Kirche erzogen, wurde fie im 16. 
Jahre erwedt und hielt nn eit dem 19, Lebensjahre 
ihres Gnadenftandes auf ſinnlich wahrnehmbare 
Weiſe für verfihert, Unter der Leitun ihrer 
Freunde Bromley und Pordage bildete fe ihre 
myftiihe Frömmigkeit aus, Ihre finderlofe Che 
mit einem Kaufmann feit 1644, wurde durd 
den Tod des Mannes 1671 getrennt. In ihrem 
einfamen Wittwenlsben hatte fie Offenbarungen 


532 


Leben 


und Viſionen, aud nad) ihrer Erblindung 1699; 
diefelben wurden in ihren Schriften ſeit 1680 
veröffentlicht und fanden gläubige Anerfennung. 
Die ihr eigenthümlichen Lehren And die von ber 
Sophia (Weisheit) ald der Braut Gottes und der 
Mutter der Gläubigen, dem nahen Anbruch des 
neuen Jerujalems und von der Wiederbringu 
aller Dinge. Angeregt durch die deutichen Chi: 
liaften Dr. Beterjen und Kelner, ftiftete fie mit 
Bromley und Pordage 1695 eine philadelphiſche 
Gemeinschaft zu London, anfangs etwa 20, jpäter 
100 Glieder zäblend. Diefelbe te nur aus in: 
nerlihen Chriften beftehen und die rein jung: 
fräuliche, nur durch den Willen Gottes regierte 
Kirche darjtellen, welche die Wiederkunft des Herrn 
erwartete. Nach dem Tode ihrer Stifter nahm die 
Gemeinde wieder ab, die dee jelbft aber fand in 
ihrer eigentlichen Heimath (Deutichland) vielfahen 
Anklang und der Vorgang Nachahmung. S. Phi: 
ladelphia. Die Schriften der Leade find jehr felten 
geworden und in dunklen, myitiihen Ausdrüden 
gehalten, 

Reander, der Heilige, Erzbiſchof von Sevilla, 
Bruder deö heil. Iſidor, war der Sohn des Brä: 
fecten Severtanus und der Turtura in Cartagena. 
Früher Mönd, war er 573 Bischof zu Sevilla. Er 
gewann den Prinzen Hermenegild, Sohn des Kö: 
nigs Leovigild, für den Katholicismus und reiite 
für ihn, der ſich gegen feinen Bater erhoben hatte, 
nad) Couftantinopel, um Hülfe zu erbitten. Nadı 
Hermenegild's Niederlage und Hinrichtung wurde 
x. eingelertert, aber befreit, als Leovigild's Nach- 
folger Reccared den Katholicismus annahm. Auf 
der Synode zu Toledo 589, wo der Arianismus 
unterlag und ein orthodores Glaubensbefenntnik 
aufgejtellt wurde, hatte L. die Leitung ; 590 hielt 
er eine Synode zu Sevilla. Für feine Bemühungen, 
Spanien dem römifchen Stuhle zu unterwerfen, 
überfandte ihm Gregor I. das Pallium, die Hir- 
tenregelund einen Theil feiner Erflärung des Hiob. 
2. hatte ihn in Conftantinopel perfönlich kennen 
gelernt und Freundjchaft mit ihm geichloffen. Es 
egiftirt ein Brief Gregor's an ihn, in welchem auf 
eine Anfrage über den Actus der Taufe entihieden 
wird, es ſolle ein einmaliges Untertauchen gemü- 

en im Gegenfaß zu dem breimaligen der Arianer. 

on 2.5 Schriften ift nur jeine Rede auf dem 
Coneil von Toledo vorhanden und eine für die 
Nonnen aufgejegte Negel. 

Lebbäus, Judas, Matth. 10,3, ift derjelbe, wel: 
her aud) Marc. 3, 18 Thaddäus genannt wird. 
Die Identität ergiebt ſich nicht nur aus der Ber: 
gleichung der Apollelverieihmifle, fondern vielleicht 
auch aus der gleihen Bedeutung des Zunamens, 
„Herzenskind“. Angezweifelt ijt fie von Schleier: 
macher und Strauß. 

Leben, ewiged, Leben ift die Selbitentfaltung 
eines Dafeins in Verwirklihung des ihm gejegten 
Zweckes. Da letzteres, auf den Menſchen angewandt, 
ſeine ſittliche Aufgabe bezeichnet, ſo iſt das Leben 

leichſam das Material für alle ſittliche Entwick⸗ 
ung, dieſe legtere ijt das Leben im höchſten Sinne, 
und der Begriff des Lebens bildet die Unterlage 
der Ethik. Das Leben muß nad zwei Seiten bin 
betrachtet werden, . einer äußern und einer 
innern, da auch unſer Dafein dieje beiden Seiten 
an fich trägt. Die eine, das leibliche und ſeeliſche 
Leben, ift die Seite, in welcher unſer Daſein ſich 
nad) der Außenfeite hin entfaltet, die Hinderniffe, 


Reben 


welche die Entfaltung hemmen, hinwegzuräumen 
und eine möglichit intenfive Kraft des Dafeins zu 
entwideln fucht. Da die Lebenskraft aber nach die: 
fer Seite hin eine phyfifche, alfo eine beftimmt be: 
grenzte ift, und da die äußern Lebenshemmniſſe 
fortgejegt wirfen und oft auf einmal, im andern 
Falle aber jedenfall3 im Laufe der Zeit größer wer: 
den, als die Lebenskraft, jo muß nothwendig für 
das äußere Leben ein Zeitpunkt eintreten, mo jeine 
Kraft gänzlich verbraucht ift und feine Functionen 
aufhören, d.h. der Tod tritt ein. Aber dieſes niedere 
Leben ift auch nur ein Mittel für das höhere 
Leben, die Entfaltung des Daſeins für den 
fittlihen Lebenszweck. Auch dieſes höhere Leben 
bejteht in der Leberwindung aller der Hemmniſſe, 
welche der vollen Ausgeftaltung des Lebenszweckes 
im Wege ftehen. Da diefer lettere ein unendliches 
‚Ziel in ſich ſchließt, fo ift aud) das Leben felbft als 
ein unendlihes Streben zu betrachten, als ein 
immer Freierwerden bes ch von den endlichen 
Schranken des Dafeind und damit eine immer 
vollere Selbjtausgeftaltung des legtern. Dad Leben 
wird immer mehr Leben, je mehr die hemmenden 
Schranken überwunden find; das Leben, welches 
ſchon an fi) al3 ein Streben, deſſen Ziel im Un: 
endlichen liegt, ein ewiges ift, gewinnt mit jeder 
neuen Stufe der Entwidlung immer mehr den 
Charafter des Ewigen, wehhalb das ewige Leben 
ebenfomwohl ald ein ſchon gegenmärtiges, als noch 
zufünftiges bezeichnet werden fann. Als ewiges 
Yeben kann auch durch das Aufhören des niedern 
Lebens das höhere Leben nicht zugleich beendigt 
jein, jondern fann nur in eine neue Phaſe der 
Entwidlung eintreten; nicht mit Unrecht wird 
dieſes zufünftige Yeben im engern Sinne ewiges 
genannt, infofern die auf den Tod folgende Stufe 
des Lebens bei normalem fittlihen Fortichreiten 
nothwendig als eine höhere gedacht werden muß, 
und alle die Schranfen mit dem Tode fallen, welche 
mit der uns befannten Zeitlichfeit unzertrennlich 
verbunden find, Weiter als bis zu diefer Grenz: 
beftimmung fann unfere Definition diefes ewigen 
Lebens der Be nicht reihen, da dasjelbe 
außerhalb unjerer Erfahrung liegt, und die Ergän: 
zungen der Einbildungsfraft feine wiſſenſchaftliche 
Berechtigung befigen. Dem entwidelten Sinne bes 
Wortesteben entipricht aud) der biblifche Sprach— 
gebraud im Allgemeinen, obgleich hier eine Ber: 
ſchiedenheit der Faffung des Begriffes unverfenn: 
bar ift. Bei den Synoptitern bezeichnet on, wel: 
ches vollitändig gleichbedeutend if mit Zon alwmıos 
(ewiges Xeben), in ganz objectivem Sinne einen 
Zuſtand, in welchen das Subject in einem beſtimm⸗ 
ten Zeitpunft eintreten wird, der Zuftand der Se: 
ligkeit im meſſianiſchen Reiche, welder nad der 
Auferstehung zu denken ift. Vgl. Matth. 7, 14; 
18, 8; 19, 16; 19, 29; 25, 46 und die Pa: 
rallelftellen.. Aehnlich ift die Bedeutung des 
Wortes bei Paulus; wie der Tod das Ende aller 
Sünde ift, fo ijt das ewige Leben das Ende der 
(Serechtigkeit; aber ſchon hier ift der damit be: 
zeichnete Zuftand nicht mehr lediglich ein Yu: 


533 


Lebensitrafen 


8;'2. Kor. 4,12; 5,4; 1. Tim. 4, 8; 2. Tim. 1, 
10). Für das ewige Leben im objectiven Sinne 
enthalten alle neuteftamentlihen Schriften auch 
noch fehr verjchiedenartige andere Ausdrüde meiſt 
bildlihen Charakters (3. B. Lohn im Himmel, 
Matth. 5, 12; die Krone der Gerechtigkeit, 1. Kor. 
9, 25; das Erbe, 1. Petr. 1,4 u. ſ. w.). Einen ent« 
ſchiedenen Schritt in der Ausbildung des Begriffs 
macht die Johanneiſche Theologie. Ihr ift die fon 
ein großes Prineip, wie das „Licht“ ; das 

öttliche Princip im Gegenfage zu demjenigen der 
Finfterni . Gott felbft hat das Leben in ſich und 
wie er, fo auch der Sohn, und von dem Sohne aus 
alle Diejenigen, die ed durch die Gemeinjchaft mit 
dem Sohne empfangen (Job. 6, 57); es ift Damit 
die volle Entfaltung des göttlichen Princips in ung 
bezeichnet, durch welche unferem Dafein erft die 
rechte Mefenheit und Kraft verliehen wird, Durch 
den Glauben bat daher der Chrift das ewige Le: 
ben (Joh. 3, 36), und es ift zwifchen dem jegigen 
Beſitze und dem zukünftigen fein qualitativer Un: 
terichicd (Joh. 1, 4; 3, 15; 4, 14; 5, 26; 6, 27 
f.; 6, 53. 68; 10, 28; 17,2 ff. u. ſ. w.). Mit der 
Theorie von Chriftus ald dem Leben und der Le: 
benöquelle für uns (Joh. 11, 25; 14, 6) ftimmt 
auch der Sprachgebraud) in den ſpäteren Paulini— 
{hen Briefen überein (Bhil. 2, 16; 4, 3; Kol. 3, 
3.4; 2. Tim. 1, 1). Bei den Kirchenvätern wird 
das ewige Leben wieder im objectiven Sinne ge: 
faßt. Die Scholaftifer ftellen Säte auf über Die 
Beichaffenheiten des zukünftigen Zuſtandes. Die 
proteftantifche Kirchenlehre hat der Lehre Teine 
weſentliche Weiterentwidlung verliehen. Val. auch 
Auferſtehung, Unfterblichkeit. 

Lebeusbaum, 1.Mof.2, 9; 3,22. In der Schil: 
derung des Paradiefes wird die Möglichkeit, den 
Tod zu vermeiden, an den Genuß der Früchte eines 
Baumes gefnüpft; verwandte Sagen finden ſich 
bei den Indern, Arabern und in den altperfifchen 
Neligionsbüchern. Die Offenbarung verpflanzt in 
ausgeführterer Schilderung den Lebensbaum in 
das neue himmlische Baradies, Dff. 2,7; 22,2. 

ür den bildlihen Gebrauch des Wortes vgl. 
Spridw. 11, 18; 11, 30; 13, 12; 15, 4. 

Lebensftrajen. Das Mofaifche Recht bedroht 
nicht wenige Vergehen mit dem Tode: alle diejeni: 
gen, welche ein bewußtes und abjichtliches Heraus: 
treten aus dem Bunde der Heiligkeit enthalten, 
oder die natürlichen Grundlagen der bürgerlichen 
und fittlihen Ordnung verlegen. Der allgemeine 
Ausdrud ift „der joll fterben“, oder „dep Seele 
foll auögerottet werden aus feinem Volke.” Die 
Todesftrafe wurde gewöhnlich durch das Schwert 
oder durch —— vollzogen. Geſchärft wur: 
den diefe Strafen durch das Anhäufen eines 
Steinhaufens über dem Leichnam, oder durch) 
Berbrennen der Leiche, auch dur Aufhängen der: 
felben an einen Baum oder Pfahl, 4. Moſ. 25, 4; 
5. Moſ. 21, 22. Der Aufgehängte galt für ver: 
flucht, Sal. 3, 13; 5.Mof. 21,28, und durfte nicht 
über Nacht an dem Holze bleiben. Ungeſetzliche, von 
Fremden übertragene Todesftrafen waren das 


itand, in den der Menſch eintritt, dad Yeben ift | Zerfägen, 2.Sam. 12, 31; das erftüden, 1. Sam. 


bereits die Bezeichnung eines Princips, welches 


durch die Erlöfung in und gelegt ift, defien volle | 


'15, 33; das ———— von einem Felſen, 2. 
Chr. 25, 12; Luc. 4, 29; das Todtprügeln, Hebr. 


Reife aber erft in der zukünftigen meſſianiſchen 11, 35; 2. Malt. 6, 13. Erwähnt werden außer: 
Herrlichkeit mit dem Charakter eines Lohnes für dem als fremde, nicht bei den Iſraeliten einge: 
pie WWerfe der Gerechtigkeit zu erwarten ift (Röm. führte Strafen das Lebendigverbrennen, Dan. 
2,755, 17 ff.; 6, 22. 23; 7,10, 8,2 ff.; Gal. 6, 3, 6; 11, 15; das Hinabwerfen in eine Löwen: 


Lebrija 


arube, Dan. 6; das Erſticken in heißer Aſche, 2. 
Matt. 13, 5; das Kreuzigen, Erfäufen und ber 
Kampf mit wilden Thieren, 1. Kor. 15, 32. Im 
Kriege kamen begreiflih andere Barbareien und 


Gräuel der Mordluft vor, 2. Kön. 15, 16; 8, 12; |er 


Hof. 14, 1; Jeſ. 18, 16; Nah. 3, 10; Bi. 137,9. 

Lebrija, Aelius Antonius von, oder vulgo Ne- 
brissensis, von Lebrija, dem alten Nebrifja, der 
Wiederherfteller der elaſſiſchen Studien in Spanien. 
Geb. 1444 aus einer wohlhabenden Familie des 
Mittelitandes, ftudirte er zu Salamanca und be: 
fuchte dann die Schulen in Italien, wo er ſich faft in 
alten Wiſſenſchaften umſah. Nah Spanien zurüd: 
gelehrt 1470, war er Hofmeifter bei einem Neffen 
des Erzbiſchofs von Sevilla, erhielt 1473 eine 
Lehrftelle an der Atademie San Miguel zu Se: 
villa, danad zu Salamanca. Seine Bemühungen 
um die Einführung und Beförverung der huma— 
niftifchen Studien hatten rajchen und glänzenden 
Erfolg. Eine Zeit lang legte er jeine Profeſſur nie: 
der, um ſich aanz der Abfafjung feines berühmten 
lateinischen Lexikons widmen zu können, wobei ihn 
die Gunſt des Grojmeifters des Alcantaraordens, 
des Cardinals Zuñiga, unterftüte. 1508 gewann 
ihn Kimenes für Alcala, und eine Zurüdfegung in 
Salamanca 1515 band ihn für immer an ** 
+ 1622. Seine philologiſchen Kenntniſſe wandte 
er an zur Herſtellung des rechten Textes der 
Vulgata und als Mitarbeiter an der Polyglotte 
be3 Kimenes. Seine Kritif der Bulgata zog ihm 
eine Berfolgung durd) die Inquifition zu, die feine 
bibliſchen Arbeiten cenfurirte und jelbit verbot. 
Zimenes befchügte ihn jedoch. Als Reichshiſtorio— 

raph verfaßte er eine Geſchichte der Regierung 
erbinand's des Katholischen. Sein Leben fchrieb 
D. Juan Baptista Muüoz, „Elogio de Antonio 
de Lebrija.“ 

Kebuin oder Liafwin, ein Angelſachſe, welder, 
a eine Vifion berufen, von Gregor von Utrecht 
bie Erlaubniß zur Miſſion unter den Friejen und 
Sachen erhielt. Er erbaute die Kirchen zu Wulpen 
am rechten Ufer der Yſſel und zu Deventer. Als 
bei einem Einfall der Sachſen die Kirchen verbrannt 
wurden, wagte Xebuin eine Miffionsreife in das 
Herz des Sadjenlandes, und einen Berjuh auf 
einer Vollsverſammlung zu Marklo, die Sachſen zur 
Annahme ded Chriftenthbums aufzufordern. Er 
entging dem drohenden Tode durch den Schuß 
eines Edeln und baute nad) feiner Rückkehr die von 
ben Frieſen zerftörte Kirde von Deventer wieder 
auf. Er ftarb vor 776. — Zu unterjcheiden von 
ihm ift der heilige Livin, ein Jrländer und Schüler 
des Erzbifhof3 Auguftin, der in Brabant das 
Evangelium predigte und um 659 in der Gegend 
von Gent erſchlagen wurde. Seine Biographie, 
bie dem heil. Bonifacius zugefchrieben wird, ift 
derart mit Legenden erfüllt und hat fo viel Ber: 
ftöße gegen englifche und irische Kirchengeſchichte, 
daß fie nicht echt ſein kann. Vgl. Nettberg, Kirchen: 
geich. II, 509. 

Lebus, eine Stadt in Brandenburg, foll von 
dem Polenkönige Mieczyslaw I. 965 gegründet fein. 
1365 verlegte Biſchof Heinrih von Banz bieher 
ben Sitz des Bisthums; 1432 wurde die Stabt 
von ben Hujfiten eingeäfchert. In der Reformation 
wideritand das Bisthum lange unter Bijchof Georg 
von Blumenthal. 1555 gab Martaraf Joachim das 


Bistum feinem Sohne Joachim Friedrich und für 


eufarıfirte es damit. 


534 


Leetionarium 


Lechler, Gotthard Victor, geboren am 18. April 
1811 zu Kloſter-Reichenbach im württembergiihen 
Schwarzwalde, wurde Superintendent und Pro: 
fefior der Theologie au Leipzig 1858. Vorher war 
Diafonus in Waiblingen und 1853 Decan der 
Didceje Anittlingen. Von feinen lirchenhiſtoriſchen 
Arbeiten find zu nennen: Geſchichte des englifchen 
Deismus, Stuttg. 1841; das apoftolifche und nad): 
apojtolifche Zeitalter, 2. Aufl. Stuttg. 1857; Ge: 
jchichte der Presbyterial: und Synodalverfaflung 
jeit der Reformation, Yeyd. 1854. Außerdem Com: 
mentar zur Apoſtelgeſchichte in Lange's Bibelwert, 
2. Aufl. Bielef. 1862, 

Lectio, Lectionen. Die Sitteder Schriftvorlejung 
im Gottesdienst hat die chriftliche Gemeinde von den 
Juden übernommen. Anfänglich hielt man fich nur 
an das Alte Teftament, jedoch blieben bald aufer 
dem N. T. aud) Apokryphen und Antilegomenen 
nicht ausgefchloffen ; felbft acta martyruın, Lebens: 
bejhreibungen der Märtyrer und Predigten be: 
rühmter Lehrer fanden eine Stelle. Allmählich be» 
ſchränkte fich jedod) die Eultusfitte auf die fanoni: 
ſchen Schriften des Alten und Neuen Tejtaments. 
In den frühejten Zeiten lad man die einmal be: 
gonnene Schrift in den verfchiedenen Leſungen bis 
zu Ende (lectio continua), nur in den de zeiten 
wurden auf den Gegenftand der Feier bezügliche 
Abſchnitte nach Anordnung des Biſchofs eingeſchal⸗ 
tet. Allmählich aber wurden in der römiſchen Ki 
für jeden Gottesdienſt beſondere Abſchnitte feſtge— 
ſtellt. Die Auswahl derſelben wird auf den heil. 
Hieronymus zurückgeführt, und die Synoden von 
Braga 561 und Toledo 563 forderten das Beachten 
einer übereinſtimmenden Norm. Aus diefen Leie: 
ftüden pe: fih das Perikopenſyſtem entwidelt, 
welches die lutherifche Kirche feftgehalten Hat, wäh: 
rend die reformirte zur lectio continua zurückkehrte 
Auch die griechiſche Kirche hat die zufanmenhän: 
gende Leſung der vier Evangelien im Laufe eines 
Kirchenjahres beibehalten. Die Zahl der verlefenen 
Abſchnitte ift fich nicht gleich geblieben; die Latei: 
ner haben jedoch ſchon feit den erſten Jadrhunder: 
ten ſich an Epiftel (d.h ein Abſchnitt aus einem 
der Briefe des Neuen Teftaments, der Apoitelge: 
ſchichte und der Offenbarung, oder dem Alten 
Tejtament) und Evangelium (ein Abſchnitt aus 
einem Evangelium) gebunden, zwiſchen weichen 
Plalmftellen recitirt werden. Die Berlefung der 
Lection wird eingeleitet und beichlofien durch ver: 
jhiedene Geremonien, Kuß, Räuderung, Bekreu: 
zung. Der Ort derjelben war früher der Ambon. 
Jeht wird die Epiftel an der linten, das Evange: 
lium an ber rechten Seite des Altars gelefen. I 
der lutheriſchen Kicche werden die Berifopen vor 
ber Predigt nad) dem Sündenbelenntniß und der 
Collecte verlefen. Die reformirte Kirche eröffnete 
den Gottesdienft mit der Schriftverlefung. 

Leetionarium heißt ein Verzeichniß der in den 
firhlihen Verfammlungen an den verjdiedenen 
Tagen p verleſenden Abſchnitte Das älteſte der: 
ſelben ilt der comes des Hieronymus (vgl. Ranke, 
PVerifopenjuften, Berlin 1847), die Grundlage des 
Peritopenigjtems. Comes major heißt dies Lectio- 
narium, wenn es die Lefejtüde vollftändig enthält, 
minor, wenn nur die Anfangs: und Schluimworte 
angegeben jind. DasL. gallicanum ijt ein von 
Mabillon im Kloſter Luxeuil aufgefundenes Ver: 
zeichniß. Es gilt als das vormals in der galliſchen 
Kirche gebräuchliche, weil ed mit Merovingiſchen 


Rohrsetor 


Buchſtaben gejchrieben, unter fehr wenig Heiligen: 
feften das nur in Frankreich hochgehaltene Feſt der 
heil. Genovefa erwähnt und abweichend von ber 
Gregorianifchen tat nach alter galli» 
cher Weiſe je drei Leſeſtücke für jede Meſſe enthält, 
L. Romanum enthält die nach der römischen Litur— 
ie üblichen Epifteln und Evangelien, oder auch 
ämmtliche überhaupt in dem Gotteödienfte vor: 
tommenden Schriftabichnitte. Dem L. plenarium 
liegt der comes des Hieronymus zu Grunde. 
ector —— war urſprünglich der nie⸗ 
dere Kleriker, welchem es oblag, die Lectionen zu 
verleſen. Seitdem aber in der Meſſe Diakonen und 
Subdiafonen oder die Priefter jelbft das Geſchäft 
verrichten, ift das urfprüngliche Amt nur zu einer 
der vier niederen Stufen der Weihe geworden. In 
dem Ritus der Weihe ſpricht ſich aber noch die Er: 
—— die urſprüngliche Bedeutung des Am— 
tes aus, Verſchieden hiervon find der lector dignita- 
rius an Hathedralfirchen, welcher die jämmtlichen 
Kirchenlefungen regelt; ber lector mensae (d. h. 
Vorleſer bei Tifche in Klöſtern und geiftlichen Ge— 
noſſenſchaften) und die Yectoren oder Brofefforen 
an den Klofterjchulen und bifchöflihen Seminarien. 

Leeturae, VBorlejungen, heißen eine Anzahl 
von Schriften über römiſches und kanoniſches Recht, 
welche nicht wie die Gloſſen eine Fortentwid: 
fung des Rechts und eine Anwendung des alten 
Rechts auf neuere BVerhältniffe enthielten, fon: 
dern die — Anſichten des Interpreten. Die 
leeturae über das römiſche Recht waren mehr exe: 
getiich, die über das kanoniſche Recht mehr dog: 
matifcher Art. Soldye lecturae ſchrieben: Baldus, 
Petrus de Ancharono, Joannes ab Jmola, Alexan— 
der Tartagnus, Barbatia Siculus, Petrus San 
deus, Franciscus de Accoltis, 

Lee, Anna, geboren 1736 zu Mandheiter, die 
Gattin eines Schmiedes. Sie trat 1768 als gott: 
begeifterte Brophetin unter den Quäfern auf, 
nannte fi) felbft das Wort und das Weib des 
Yammes, welches den zu erwartenden neuen Mei: 
jias gebären würde. In England verfolgt, wan: 
derte fie 1774 mit ihren Anhängern nad Amerifa 
aus und ftarb dort 1784, ehe ihre Weisſagung ſich 
an ihr erfüllt hatte. Dennoch erhielt fich ein Häuf⸗ 
lein Gläubiger, die Shakers, bis in unfere Tage. 
Diejelben leben in firenger Abgeſchloſſenheit, in 
möndifcher Aftefe, in Armuth und Cölibat, war: 
tend auf die Barufie des Herrn. Den Namen füh— 
ren fie von dem religiöfen Tanze, der eine Eigen: 
thümlichkeit ihres Gottesdienftes bildet. 

Lee, Edward, geboren zu Lee: Magna 1482 in 
Kent, ftudirte in Orford und Cambridge, ward 
Caplan und Almoſenier Heinrich's VIII. 1529 
Kanzler der Kirche von Saltsbury und 1531 Erz: 
bifchof von York. Sein Name if am meiften be⸗ 
fannt geworden durch feinen literarifchen Streit 
mit Erasmus, in welchem er von diefem und den 
Humaniften in gehäffiger Weile angegriffen wor: 
den ift. Beranlaffung waren fritiihe Bemerfun: 
gen Lee's zu Erasmus' Bibelüberjegung, welche 
er, von diejem gereist, 1519 herausgegeben hatte. 
+ 13. Sept. 1544 zu York. 

Le Fevre D’Etapled, Biſchof von Meaur, gebo: 
ren 1450, + 1536. Belannter unter dem Namen 
Faber Stapulenfis (f. d. Art.). 

Legat. Aus der beanſpruchten oberften Regie 
tungsgemwalt des Papſtes folgt dad Recht, gu ver 
ſchiedenen Zweden nad) einzelnen Theilen bes lirch⸗ 


535 


Legende 


lihen Gebieted Geſandte abzuſenden mit der Voll 
macht, die päpftlichen Rechte jtellvertretend wahr: 
zunehmen. Beitritten wurde dies Necht daher auch 
nur, wo man die Bapftmacht jelbft beftritt, 3. B. 
in der nordafrifanifchen Kirche. So finden ke feit 
dem 4. und 5. Jahrhundert einzelne Biſchöfe völlig 
als Vicare deö Papftes, mitunter war dies Vicas 
riat an das Bisthum gefmüpft, meift aber einzel: 
nen Berfonen aus befonderem Vertrauen übertra: 
gen. In diefer Art waren Auguftin in England 
und Bonifacius in Deutjchland päpftliche Yegaten. 
Der Verfall der kirchlichen Difciplin und die mehr: 
fachen Beziehungen zu den Landesherren machten 
feit dem 11. Jahrhundert die Sendung päpftlicher 
Delegaten hänfiger nothwendia, und damit zugleich 
die Feſtſetzung ihrer Befugnifie. Da ihnen nicht 
bloß die Ausübung der päpftlichen Reformrechte 
zuftand, fondern fie auch in die bifchöfliche Juris: 
dietion eingriffen, fo wurde der größte Unwille er: 
regt und Kom zu manden Einfhränfungen genö— 
thigt, 3. B. daß fein Legat ohne Bewilligung des 
Landesheren die Grenzen überfchreiten und von 
feiner Vollmacht Gebrauh maden dürfe Von 
neuem wurden daher die Bollmadıten auf einzelne 
erzbifchöfliche Sitze übertragen, legati nati im 
Gegenſatz gegen die missi oder dati. Von Bedeu: 
tung wurde das Inſtitut der Legaten wieder in 
der Neformationszeit und fpäter, um die Miffionen 
vorzubereiten und gu Ienfen und dem Kampfe ger 
gen die Evangelifchen fefte Mittelpunfte zu geben. 
Es fam zu der Einrichtung der ftändigen Nuncia: 
turen in Luzern 1579, Wien 1581, Cöln 1582 und 
Brüffel 1583. Die Befchwerden über diefelben er: 
reichten ihren Gipfel nad) der Errichtung der Nun: 
ciatur in Minden und ihrer Belegung mit dem 
Grafen Zoglio, jo daß die deutjchen — da⸗ 
gegen in der Emſer Punctation auftraten. Völker— 
vechtlid; werden die Legaten gegenwärtig als Ges 
fandte angefehen und die Bedingungen ihrer Sen» 
dung daher auch als Gejandtichaftsrecht beftimmt. 
Man unterjcheidet alfo die legati nati als Inha— 
ber einer an ein beftimmtes Amt gefnüpften Dig: 
nität, mit welcher gegenwärtig wirkliche Nechte 
außer Ehrenrechten nicht mehr verbunden find, 
und die legati missi. Als diplontatifche Vertreter 
oder zu bejondern Geſchäften beftimmt, heißen fie 
nuncii apostoliei oder internuncii legati aposto- 
liei. Der legatus a latere oder de latere vertritt 
in dem ihm angewiefenen Bezirke unmittelbar die 
Stelle des Papftes, Es ift nicht mehr Sitte, Cars 
dinäle als Legaten zu entjenden; die Prälaten 
haben aber ald Legaten den Vortritt vor allen 
kirchlichen Würdenträgern. 

Legationen hießen die Provinzen des Kirchen: 
ftantes, denen ein Delegat vorftand, 

Legenda aurea, die Legendenfammlung des 
Jakob a Voragine (f. d. Art.), auch historia lom- 
bardica genannt. 

Legende heißt uriprünglich das, was in ber Kirche 
gelejen werden fol, näher die Auszüge aus den 
acta martyrum und sanetorum. Daraus ent» 
wickelte fich der heutige Sinn des Wortes, wonad) 
e3 eine Erzählung aus dem Leben eines Heiligen 
bezeichnet mit dem nie mangelnden Nebenfinn des 
Wunderbaren und Webernatürlichen. Sehr früh 
hat abſichtslos und abſichtlich dichtende Sage ſich 
an die Geſchichte der Heiligen gehängt (Luther: 
Lügende). Die fruchtbarſte Zeit der Legendenbils 
dung war aber das Mittelalter, alö die Vollspoeſie 


Legio 


bie Heiligenleben zum Stoff ihrer Probuctionen 
wählte. Der finfende Gefhmad der Zeit zog dann 
aud den Mythus der Legende in die Fabel, das 
dichteriich Wunderbare in das Abenteuerliche und 
Alderne herab. Noch immer bilden die Legenden 
der Heiligen die beliebtefte und am meilten em— 
pfohlene Lectüre des Fatholifchen Volkes. Seit Her: 
der haben auch unfere claſſiſchen Dichter fie wie: 
derholt in edler Weife behandelt. Von wiflenichaft: 
lihen Bearbeitungen der Legenden fteht obenan 
das Werk der Bollandiften 1643— 1845. Die ältejte 
Sammlung der Legenden erwähnt Eujebius av- 
vayoyn rar doyalov uapripwv. Ein altes Mar: 
tyrologium wird dem heil. Hieronymus zugejchrie: 
ben. In der griechiſchen Kirche ift berühmt die 
Sammlung des Simeon Metaphraftes, dem in der 
lateinischen Jacobus a Voragine gegenüberfteht. 

Legio fulminatrix. Nad) der Sage, die ſchon 
bei Eufebius (hist. ecel. V, 5) und Tertullian 
(apol., 5) fi) findet, fol 174 n. Chr., ald Marc: 
Aurel auf dem Feldzug wider die Duaden in eine 
quellenlofe Gegend gelodt war und das Heer un: 
ter dem Wafjermangel ſchwer litt, auf das Gebet 
ber in der Legion dienenden Chriſten ein Gewitter, 
das die Feinde in Unordnung brachte und durch 
ftarfen Regenguß das römische Heer erquickte, wun⸗ 
berbare Rettung gebracht, und Marc:Aurelin Folge 
davon feine bisherige Gefinnung gegen die Chri- 
ften geändert haben, Der Sage widerſteht die ge: 
ſchichtliche Nachricht von der Chriftenverfolgung, 
welche Marc:Aurel 177 befahl und daß im römi— 
ſchen Heer jchon früher eine Legion den Namen 
fulminatrix führte, 

Legion, thebaifche, legio thebaica. Die Legende 
meldet, unter Nariminian habe eine in dev Schweiz 
fagernde Legion, thebaifche genannt, ſich geweigert, 
dem Befehle, an einer Chriftenverfolgung theilzu— 
nchneen, zu gehorchen, und jei von dem erbitterten 
Kaifer erjt die Decimirung, dann die Niedermete: 
lung der ganzen Legion durch das Übrige Heer be: 
fohlen worden. Die Märtyrer, deren Zahl auf 
6000—6666 angegeben wird, liegen mit ihrem Ans 
führer Mauritius zu Agaunum und wurden befon: 
ders in der Schweiz, Gallien und Savoyen ver: 
ehrt. In Cöln befinden fich 67 Schädel dieſer Hei: 
figen, unter denen einer einem Weibe angehört 
—* Die Legende wird zuerſt von Eucherius, Bi— 

chof von Lyon erzählt um 430. Rettberg indeß 
ſchreibt die Autorſchaft einem jüngeren E. zu, der 
um 560 gelebt haben ſoll. Ueber das der Sage zu 
Grunde liegende Geſchichtliche iſt viel geſtritten, 
ſeitdem die Magdeburger Centurien und danach 
der franzöſiſche Brebiger zu London, %. Armand 
Dubourdieu, den Nachweis verfuchten, daß weder 
Eucherius die Legende niebergejchrieben haben 
fönne, noch die Thatfahen in den Rahmen der 
Drt3: und Zeitgefchichte paßten. Ihm folgten der 
Genfer Baulacre 1746, de Bochat 1747, Profeſſor 
Spreng 1756, Füßlin 1765, endlich Giejeler und 
Nettberg. Als Bertheidiger traten auf Bierre de 
Rivaz aus Wallis 1799 und die Bollandiften zum 
22. Sept., Ph. Schmitt in Trier 1852 und 9. 
Braun 1855. Als Refultat der Forſchungen tft 
eine gefchichtliche Grundlage der Erzählung anzu: 
nehmen, welche aber ausgefchmüdt ift. In dem 


536 


Lehrfiarium 


ter (Oloffatoren) des römischen Rechtes, während 
man die Gelehrten ded kanoniſchen Rechtes nad 
dem decretum Gratiani Decretijten hieß. Während 
jene das Recht des Haijers vertraten, vertheidig- 
ten dieje im Mittelalter die Oberhoheit des Bapftes. 

Xegitimation der illegitimen Kinder. Die Be: 
ftimmung des kanoniſchen Rechtes, daß die nad: 
folgende Ehe der Eltern deren unehelicd geborenen 
Kindern ſämmtliche Rechte der chelihen gäbe, hat 
dadurd auf rein firdlichem Gebiete Bedeutung, 


‚weil das Concil zu Poitiers (1078) allen unehelich 


Geborenen den Eintritt in den geiftlichen Stand 
verjagt hatte; die irregularitas ex defectu nata- 
lium aljo durch nachfolgende Ehe der Eltern geho— 
ben werden konnte. Streitfrage unter den Kanoni— 
ften ift geblieben, ob die im Ehebruch gezeugten 
Kinder auf folde Art legitimirt werden könnten. 
Päpſtliche Dispenjation fann zwar auch für höhere 
_.. jelbft uneheliche Kinder legitimiren, aber 
von der Würde eines Cardinals bleibt ein spurius 
ftet3 ausgeſchloſſen. 

Lehnin, alte Abtei im Bezirf Potsdam bei dem 
Marktflecken — Namens, bekannt durch das 
früher dem Bruder Hermann von Lehnin zuge— 
jchriebene vaticinium Lehnense, ein tendenziöſes 
Machmwerf aus dem 17. Jahrhundert. 

Lehnögeld (laudemium, ſ. d. Art.) ift die Ab: 

abe, welde dem Lehnsherrn für die erneuerte 
Enveftitur nad) dem deutjchen Lehnsrechte entrid: 
tet werden mußte. 
u Jeſu. S. Jeſus Chriftus. 
Lehrfreiheit. Dieſelbe iſt, wie die Gewiſſensfrei⸗ 
heit, erſt eine Errungenſchaft oder doch Forderung 
der neueren Zeit. Der byzantiniſche und mittel: 
alterlihe Staat hat die Lehrfreiheit nicht gefannt. 
Da das Chriftenthum wejentlih im Dogma gefun: 
den wurde, fo hat fich der chriftliche Staat für ver: 
pflichtet erachtet, jede Lehrweiſe zu verbieten, welche 
vom katholiſchen Dogma abwid. Auch die Zei: 
ten der Reformation brachten das Princip der 
£chrfreiheit noch nicht zur vollen Geltung. War 
ſchon das Princip religiöfer Gleichberechtigung der 
verſchiedenen Gonfejfionen ein nod) wenig gelfann: 
tes, jo war nod) viel weniger eine der anerfannten 
Kirchenlehre widerjtreitende Lehrweife geduldet, 
Erjt jeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, na: 
mentlich feit Friedrich dem Örofen, fam der Staat 
allmählich zum-Bemwußtfein, daß er nicht berufen 
fei, eine beitimmte Lehrnorm aufjujtellen und die 
religiöje Meinung zu beherrichen. Seitdem iſt eines 
der eriten Erforderniffe des modernen Rechtsſtaa-— 
tes die Yehrfreiheit, d. 5. das Recht eines Jeden, 
zu lehren, was jeine Meinung ift, jofern es nicht 
unmittelbar Herabjegung der Religion jelbit ent: 
und der Sittlichkeit nicht unmittelbar wider: 
pricht. Wenn aber der Staat die in der angegebe: 
nen Weiſe eingejchräntte Lehrfreiheit anerkannt 
bat, jo ift dies nicht in gleicher Weiſe ber 
Fall bei den Kirchen. Die katholiſche Kirche 
ichließt ihrem Princip gemäß die Lehrfreiheit 
gänzlich aus ihrem Bereiche aus. Auch die evan— 
geliſche Kirche hat den Grundjag lange entſchie— 
den feitgehalten, daß die aufgeitellten Betenntniffe 
die fefte Norm bilden jollen für die Yehre inner: 
halb der Kirche. Die Anerlennung der Concordien: 


Thebaercultus verflärte ſich der alte Freiheitsfinn | formel bildete die Äußerfte Grenze dieſer Lehrbe— 
und die Tapferkeit der Helvelier. Vgl. d. Art. ſchränkung. Aber jeitdem innerhalb der evangeli« 


Mauritius, 


ſchen Kirche verjchiedene Lehrrichtungen ſcharf aus: 


Legiften nannte man die Erflärer und Bearbei: ı einandertraten und ald die Lehrentwicklung vieliad) 


ur 


Lehrunion 


über die Bekenntnifſſe hinausführte, war es un: 
möglid; geworden, die Lehreinheit im früheren 
ftrengen Sinne Ka rgregen Die Verſuche, in ein: 
zelnen Fällen diefelbe zu ſchützen, haben in faft 
allen evangeliihen Landeskirchen zu theilweiſe 
ernſten kirchlichen Krifen geführt. Die Namen Ath. 
Coquerel in Frankreich, Colenfo in Erigland, die 
freireligiöfen Bewegungen in Deutfchland, der 
Schentelftreit in Baden, der Streit über Vögeli in 
der Schweiz bezeichnen eine Neihe ſolcher Conflicte 
der neueften Zeit. Natürlich ift die Kirche genöthigt, 
der Yehrfreiheit auf der Kanzel und im Jugend: 
unterriht engere Schranken zu zieben als die, 
welche fte der wiffenichaftlihen Verhandlung in 

elehrten Schriften und auf dem rer, Pi 
Lehrſtuhle eikräumen fann und muß. Wie aber 
diefe Schranfen zu einer gegebenen Zeit von einer 
beftimmten Rirhengemeinidaft zu formuliren und. 
zu handhaben jeien, das fann nur die einzelne 
Kirche jelber beitimmen. Vgl. über den Gegenftand: 
Ullmann, theologisches Bedenken aus Beranlaffun 
des Angriff der evangelifchen Kirchenzeitung ei 
den Halliihen Rationalismus, 1830, 

Lehrunion, Bei der Union unterfcheidet man 
Zehrunion, gotteödienftlihe und firhenregiment: 
liche Union, und verfteht unter der ersten eine ſolche 
Einigung in der Lehre, daß die confejlionellen 
Berichiedenheiten entweder hinterdem aufgezeigten 
Conjenjus zurüdtreten oder in eine höhere Einheit 
aufgelöft werden. Die lehtere zu finden, ift die 
Aufgabe der theologischen Wiffenfchaft. Bis dahin 
aber ift, wenn nicht eine Confeffion auf ihr Sepa: 
ratbefenntniß verzichten joll, eine Lehrunion im 
ftrengen Sinne nicht möglich, nur ein Zurüdgehen 
auf die gemeinfamen Principien, Denn aud der 
iheinbare Conjenfus ſelbſt in den Worten der Be: 
lenntnißſchriften wird zu einem Diffenfus, fobald 
man näher in das Eigenthümliche jeder Confeſſion 
eingeht und die verjchiedene Stellung des anſchei— 
nend gemeinfamen Lehrſatzes im Syfteme ins Auge 
fabt. Die Lehrunion wird aber angebahnt durch 
die gottesdienftlihe Union, d. h. die Gemeinfchaft 
im Gottesdienst und die Nebereinftimmung in den 
fiturgifhen Gebräuden, und die firchenregiment: 
lie, wodurch die äußeren Schranken der Confeſ⸗ 
fionen fallen. ©. Union. 

Leibeigenſchaft. S. Sklaverei. 

Leibesgebrechen, welche zur Berrichtung des 
Amtes unfähig maden oder Anjtoß erregen, be: 
gründen eine Seregufarität und jchließen auch in 
der griechiſchen und proteftantifchen Kirche vom 
Amte aus. In einzelnen Fällen läßt das römische 
Kirchenrecht päpftliche Dispenfation offen. 

Leibesftrafen bei den Hebräern. Die gewöhn: 
liche, durch rihterlihen Spruch zuerfannte Leibes— 
ftrafe waren Schläge, deren nicht über 40 ertheilt 
werden durften, 5. Mof. 25, 2. Phariſäiſche Ge: 
wiſſenhaftigkeit beſchränkte die Zahl auf 39, 2. Kor. 
11,25. Man jhlug mit Stöden, Spr. 10, 13, in 
der fpäteren Zeit mit Geißeln. Eine Art von Knute 
wird erwähnt 2. Chr. 10, 11. 14; 1. Kön. 12, 11. 
Auch in der Synagoge war die Strafe der Geiße: 
lung üblich, Matth. 10, 17; 28, 34; Apftg. 5, 40. 
Unter den Syrern war fie ald eine Art der Tor: 
tur in Gebraud, 2. Makk. 7, 1. Die römifche Sei: 
belung, welche Ehriftus erlitt, wurde nur bei nicht 
tömifhen Bürgern angewandt. Davon, daß die 
Gejepesvorjchrift Auge um Auge, 2. Mof. 21, 23, 
geſetzlich befolgt wäre, giebt #3 fein Beijpiel, Ber: 


537 


Leibnik 


ftümmelungen kommen nur als rachſüchtige und 
bejhimpfende Mißhandlung im Kriege vor, Richt. 
1, 6.7, und in jpäterer Zeit in Nahahmung fremd: 
ländifher Graufamteit, jo dad Abfchneiden der 
Naſen, Ez. 18, 25, Ohren, Hände und das Blen— 
den, Ser. 52, 1r; 2. Kön. 25, 7. Ausftehen der 
Augen, Richt. 16, 21, ift eine philiftäifche Rohheit. 
eiblichkeit. S. Verklärung. 

Leibnitz, Gottfried Wilhelm, Freiherr von. Geb. 
am 6. Juli 1646 zu Leipzig, der Sohn des Profeſſors 
der Rechte Joh. Friedrich Leibnit und der Mutter 
Katharina Schmud, erhielt er troß des frühen To— 
des des Vaters (F 1652) eine jehr forgfältige Er: 
ziehung und zeichnete fich ad nlagen und Fleiß 
jo aus, daf er mit 15 Jahren die Untverfität Leip⸗ 
zig bezog, mit 17 Jahren Baccalaureus, mit 18 
Magifter der Philofophie in Jena und mit 20 
Jahren in Altorf Dr. jur. utr. und Brofeffor wurde. 
1667 fam er nad Frankfurt a. M., wurde dann 
an den Mainzer Hof gezogen und 1672 zum Rath 
am dortigen Oberrevtfionshofe ernannt. Seinen 
Ruf, den er durch publiciftiiche Thätigkeit bereits 
begründet hatte, ficherte er während eines mehr: 
jährigen Aufenthalts in Paris durch wiffenfchaft« 
liche Entdeckungen und bie Erfindung der Diffe: 
rentialrehnung. 1676 folgte er einem Rufe als 
Bibliothefar nad) Hannover, wurde in den Reichs— 
freiherrnitand erhoben, Präſident der dur ihn 
1700 in Berlin geftifteten Akademie der Wiffen: 
ſchaften, Geh. Juftizrath und Hiftoriograph in 
Hannover und ruffiicher Geh. Rath. F am 14. No: 
vember 1716 zu Hannover. Epohemadend auf 
allen Gebieten der Wiffenfchaften, auf denen er ſich 
bewegte, hat er auch für die Theologie unmittel: 
bare Bedeutung ald der Ausgangspunkt der foge: 
nannten Leibnitz-Wolf'ſchen philofophiihen Rich: 
tung, deren Einfluß auf die theologische Entwid: 
[ung von auferordentliher Tragweite war. Seine 
Monadenlehre, in welher das Eigenthümlichſte 
jeines philoſophiſchen Syitems liegt, trat dem Ban: 
theiömus des Spinoza und dem Dualismus bed 
Gartefius entgegen und gewann durch den Gedan— 
fen der harmonia praestabilita die Grundlage 
für die Idee der göttlichen Weltregierung. In fei: 
ner Hauptichrift Essais de Theodicee sur la bonte 
de Dieu, la liberte de l'homme et l'origine du 
mal, 1710,”gegen Bayle, entwidelt er, wie das 
Böſe das der Enblichkeit —— Anklebende 
ſei, ohne welches überhaupt keine Welt möglich, 
daß aber von allen möglichen Weltideen Gott die 
beſte ausgewählt habe (Optimismus). L. aner— 
kannte in der Religion die Offenbarung, behaup: 
tete aber, diefelbe könne keiner philofophiichen 
Wahrheit widerfprechen. Er intereflirte ſich nicht 
nur für eine Union der proteftantiihen Kirche, 
worüber er fih an Spener wandte, fondern war 
felbft thätig, eine Union mit dem Katholicismus 
herbeizuführen. In dem systema theologicum, 
1680 (nad) der Löwener Ausgabe von 1845, die 
das lateinische Driginal mit beigefügter franzöfi- 
fcher Ueberſetzung bietet, wurde die Schrift neu 
herauägegeben und überfegt von E. Haas, 1860), 
legte er einen Entwurf vor, über den eine Einis 
ung nad) feiner Meinung möglich fei. Wie er 
Peroft aber. tro& allen Verlockungen feinem Prote: 
ftantiömus treu blieb, forderte er auch als Vorbe: 
dingung einer Union die Suspendirung bed Tri: 
dentinums durch den Bapft. Eine Yebensbeichrei: 
bung L.'s gab Guhrauer, 2 Bde., Breslau 1346, 


init Nachträgen 1846, Derfelde gab feine deutfchen 
Schriften heraus, Berlin 1833—40. Die erite 
Sammlung der Schriften unternahm Dutens, 6 
Bbde., Genf 1768; eine volljtändige hat Pers, 1. 
Folge (4 Bde.), Hamb. 1845—47, 2. Folge 1847, 
3. Folge 1855—62 geliefert; die neueſte: Onno 
Klopp, I. Reihe 1364—66 (5 Bde.). 

Leichen bei den Hebrüern. Nach dem Verſchei— 
ben wurden bie Leihen gewaſchen, Apita. 9, 37, 
in Tücher gewidelt, Matth. 27, 59; Marc, 15, 46, 
oder mit Binden ummunden, zwijchen welche man 
Specereien zu legen pflegte, job. 11, 44; 19, 39, 
und in einem offenen Sarge, Luk. 7, 14, auf einer 
Bahre zu Grabe getragen. Die Beitattung geichah 
durch Fremde oder Freunde und Schüler; von den 
eigenen Angehörigen beftattet werden zu müſſen, 
ift eine Drohung des Schreckens, Amos 6, 10. Der 
Zug zum Grabe in Begleitung der Verwandten 
ging unter lautem Wehllagen, wozu bejondere 
——— gedungen wurden, Jer. 9, 17. Es 
folgte mitunter eine Trauermahlzeit. Das 
Begräbniß mußte noh am Tage des Todes 
vor Sonnenuntergang erfolgen. Alle Berüh— 
rung des Todten, jelbjt die Theilnahme an 
der Trauermahlzeit, verunreinigte nad) 4. Mof. 
19, 11. : 

Leichenpredigten werben in der Kirche vor der 
verfammelten Gemeinde gehalten und find zu un: 
terfcheiden von den Grabreden und den ſogenann— 
ten Barentationen, d. h. Anſprachen an die Ange: 
hörigen im Trauerhaufe beim Aufnehmen des 
Sarges. Wo die firdlihe Sitte überhaupt eine 
Betheiligung des kirchlichen Amtes bei den Begräb: 
niffen noch zuläßt oder fordert, findet eine oder 
die andere diefer Handlungen Statt, ſelbſt alle 
brei verbunden fommen mehrfad vor. Wo dies 
der Fall ift, und wo nicht locale Umſtände bloß 
den Ort der Grabrede in eine Kirche verlegen, iſt 
der Leichenpredigt nad) Form und Inhalt eine ob: 
jeetivere Haltung angemwiefen, jo daß fie auch die 
Verſönlichkeit des Verftorbenen, wenn jie auf die: 
felbe eingeht, hauptſächlich nur in ihrem Berhält: 
ni zur Gefammtheit und zur Gemeinde zu be: 
trachten hat, Bei bedeutenden Berfönlichkeiten for: 
dert jedoch, auch abweichend von der allgemeinen 
Sitte, das Gefühl der Gemeinde eine Gedächtniß— 
oder Yeichenprediat. In folhen Fällen kennt fie 
auch die fatholifche, fowie die älteſte chriftliche 
Kirche, aber hier verräth fie noch ihren Zufammen: 
hang mit den Yobreden heidnifcher Ahetorif, Ob 
die Keichenpredigt oder Grabrede ein wefentlicher 
und nothwendiger Eultustheil fei, ift eine Streit: 
frage ; mandhereformirte Kirchen entbehren fie ganz, 
die [utherifche dringt jet mehr auf liturgifchen Act. 
Ein eigentlid) veliaiöfer Act ift daS Begräbniß an 
und für fich nicht ; zum religiös-firdhlichen ward es 
erft in der Katholischen Kirche durd) die magifche 
Auffaffung der Heilsvermittlung, die Yehre vom 
Feofeuer und die Geftaltung der Lehre von ber 
Auferftehung, welche die Weihe des Grabes be: 
dingte. Die Reformation ftellte den Predigeran das 
Grab, um dem Aberglauben der Seelenmefien und 
der Fürbitte für den Todten zu wehren und durch 
erbauliche VBermahnung befleren Troft zu fpenden. 
Das Perſönliche blieb lange in die vom Schul: 
lehrer oder einem Nachbarn verlefene fogenannte 
Abdanfung (einen kurzen Lebensabriß des Ver: 
ftorbenen) verwieſen. Das Streben, die Monotonie 
der häufig wiederkehrenden Leichenpredigten zu 


538 


Leiden 


vermeiden und das Intereffe der Zuhörer zu fef: 
jeln, führte dann häufig zu einer breiten Behand: 
lung der Perfonalien, die ſich nicht felten bis zu 
friehenden Xobreden auf den Berftorbenen und 
feine Familie verirrte. Ebenfo häufig findet fich in 
den Leichenpredigten felbft hervorragender Kanzel: 
redner der vorigen Jahrhunderte das andere Er: 
trem einer völlig objectiven und gelehrten Erörte: 
rung der Sprit und Kirchenlehre von Tod und 
Auferstehung, jo daß die alten Keichenpredigten zu 
dem Allerungenießbarften der homiletifchen Lite: 
ratur gehören. Val. die Homiletifen von Palmer, 
Schweizer, Schmid, 
eiden. ©. Leyden. 
Keiden. Der Menſch verhält fich der Außenwelt 
egenüber theils leidend, theils thätig. In beiden 
Fllen ftrebt er, die Außenwelt feiner Perſönlich— 
feit zu unterwerfen oder das Yeben zu beberridhen, 
in dem leßteren Falle dadurd, daß er Kraft auf: 
bietet, die Einwirkungen der Außenwelt auf ihn 
nicht bis zur Ueberwältigung feiner Perſönlichkeit 
gelangen zu laffen, fondern diefelben vielmehr jei: 
nerjeitö zu bewältigen. Sind nun die Eindrüde 
der Außenwelt der Art, daß fie eine Verminderung 
ſeines vollen perfönlichen Lebens herbeiführen, die 
er ald Schmerz empfindet, fo ift der im Menichen 
hervorgerufene Zuftand das Leiden. Sole Ein: 
drücke können gewöhnlich nicht vermieden werben, 
weil fie auf (fogenannten zufälligen) Combinatio: 
nen der Greigniffe beruhen, weldye nicht in ber 
Macht des Menfchen liegen, 3. B. Krankheit, Ar: 
muth, Berlufte an Freiheit, Gütern u. f. w., und 
weil die Beichaffenheit der menfchlihen Seele fo 
ift, dafı fie fich diefen Eindrüden nicht willkürlich 
verichliehen kann, Um fo wichtiger ift die Betrach— 
tung des Leidens vom fittlichen Standpunfte, d. b. 
die Frage: wie ift das Leiden fittlich zu überwin— 
den? Der Stoicidmus, welder Gleihgültigteit 
gegen das Leiden verlangt, beruht auf Selbittäu: 
ſchung, und der Epifureismus vermehrt durd) feine 
Leidensjcheu nur das Maß der Leidensempfindung 
im falle des unvermeidlichen Leidens. Erſt das 
Chriſtenthum hat die rechte Stellung zum Leiden 
gefunden, jo daß es nicht bloß eine Erlöfung von 
der Sünde und Schuld in Chriftus giebt, ſondern 
auch von dem Uebel und Yeiden, was die befannte 
Antwort Jeſu an den Täufer(Mattb. 11,4.11) auch 
andeutet. Eine richtige Auffafjung des Leidens war 
in der vordhriftlichen Beit noch nicht möglich geweſen. 
Der Hebraismus hattewenigitens einereligiöfe Auf: 
feffung, d. h. er brachte das Leiden in beftimmte 
Beziehung zur göttlichen Weltregierung, allein er 
beging den Fehler, das Leiden fait ausſchließlich 
als Strafe Gottes für die Sünde zu betrachten 
nach dem befannten medanifchen Gerechtiateits: 
begriff, welcher aud) ivdiiches Süd als nothmen: 
dige Belohnung der Frömmigkeit anſah. Schon 
das Buch Hiob, wie einzelne Vjalmftellen (73) er: 


"heben den Zweifel an der Richtigkeit dieſer Auffai- 


ung und zeigen die praftifche Unmöglichkeit, das 
Leiden zu tragen vom Standpunft diejes Leidens: 
beariffes. Aber auch das Buch Hiob weift nur erit 
auf die Geheimniffe Gottes hin, zu welchen auch 
das Yeiden gehört und welden gegenüber der 
Menſch demuthsvoll tragen und ſchweigen fol, 
aber fchon ift die Zdee der Prüfung und Läu: 
terung unverkennbar, bejonders in den Neben bes 
Elihu. Faft in den Mittelpunft der MWeltan: 
ſchauung trat Die Jdre des Leidens im Chriften: 


Leiden Chrifti 


thum, Durch das Leiden Chrijti jeibit fiel der alte 
Glaube hinweg, als fei das äußere Leiden immer 
auch ein wirkliches inneres Unglüd, und es trat die 
aroße Idee auf von der Möglichkeit einer innern 
Glückſeligkeit jelbft mitten im äußeren Leiden, 
welche ſich zugleich in vollendetiter Weile im lei 
denden Chriftus verwirklihte (2. Kor. 4, 7; 1. 
Petr. 3, 14 u. ö.). Indem der chriftliche Gottes: 
begriff Gott die Liebe nannte, fonnte auch das Lei: 
den nicht anders betrachtet werden al3 vom Stand: 
punfte göttlicher Liebe; es erjchien als eine erzie: 
hende Thätigkeit göttlicher Yiebe (Hebr. 12, 6), fo: 
wohl für die Yeidenden jelbft als für Andere (Kol. 
1,24). Das Leiden war aljo Mittel zu einem hö— 
bern ſittlichen Zwed, und in diefem Sinne hatte 
auc das Leiden feinen bittern Stachel verloren. 
Der Blid auf den Endzwed des Leidens läßt das- 
jelbe ertragen mit Ergebung in den göttlichen 
Willen, der es beſchloſſen hat, und mit der Geduld, 
welche wartet auf die Bollendung des Wertes Got: 
teö an und; das Leiden bat nicht mehr den Cha: 
ralter der Strafe, fondern denjenigen eines den 
Menihen von der vergänglihen Außenwelt nad) 
der jeligen Innenwelt zurüdwendenden Proceſſes 
fittliher Verklärung (Röm, 5,3). Namentlich trägt 
das Leiden „um der Gerechtigkeit“ und „um Chrifti 
willen“ jenen himmlischen Lohn in ſich jelbit, der 
den Märtyrern die Freubigleit des Leidens und 
Sterbens verliehen hat(Matth. 5,4-12). Das Lei: 
den ift nicht mehr die überflüffige Laft des Lebens, 
ſondern der nothwendige Durchgang zum wahren 
Leben (Matth. 10, 33; 16, 24; 2. Kor. 4, 1). Die 
„zukünftige Herrlichteit“ bildet zugleich die voll: 
ftändige Ausgleihung des im Leiden fcheinbar ge: 
ftörten Gleichgewichtes zwiſchen Gerechtigkeit und 
Slüdjeligfeit (Lu. 16; Röm. 8, 18); und die 
Hoffnung ift das hriftlihe Gefühl, welches das 
Gefühl des Leidens durch feine Kraft und Be: 
ieligung erträglich macht oder fogar überflü: 
gelt. Vor zwei Gefahren, melde von diefer 
riftlihen Auffaffung aus möglich find, hat ſich 
das chriſtliche Leben nicht immer gehütet, einmal 
vor der ſchwärmeriſchen Leidensjucht, weiche das 
Leiden als höheren Stand des chriſtlichen Lebens 
aufjucht, und vor der Fatholifchen Veräußerlichung 
des XLeidensbegriffes, welche das Leiden als Bi: 
bung der Sünde betradtet und lohnfüchtig auf 
Dergeltuna rechnet. 

Leiden Ghrifli. ©. SOHSAL 

Leidenihaft ijt die ungejunde Steigerung des 
Willens nad) irgend einer Richtung des Begehrend 
hin, hervorgerufen durch einen finnlichen oder felbft- 
füdtigen Trieb, der in hohem Grade gereizt ift, 
und dem die fittlihe Selbftbeftimmung einen 
Wibderftand mehr zu leiften vermag. Die nor: 
male Beichaffenheit des Willens, welche darin 
bejteht, daß jeder Willensact ein Act perjön: 
licher Selbjtbeftimmung ift, hört auf, wenn fi 
ein mächtig erregter Trieb unmittelbar auf den 
Willen wirft und ihn gewaltfam nad) der Beirie: 
digung beflen treibt, was der Trieb begehrt. Nur 
uneigentlid) kann Leidenſchaft auch im quten Sinne 
verftanden werden, wenn 3. B. der Wahrheitätrieb 
fih in dem Willensvermögen eines Menjchen in 
außergewöhnlichem Grade geltend macht, weil hier 
in der That eine pſychologiſche Analogie vorlient, 
welche aber body richtiger mit dem Ausdrude Be: 
aeifterung bezeichnet wird. Wird das Willenöver: 
mögen nur in mäßiger Weiſe durch den Trieb 


539 


Leipzig 


nad) einer bejtimmten Richtung hingelentt, fo ent: 
fteht die Neigung ; dieje wird zur Leidenſchaft, je 
mehr fie einen heftigen Charakter anninımt. Mit 
dem Aifect hat die Leidenihaft die Aehnlichkeit, 
dab auch hier die vernünftige Selbftbeftimmung 
zurüdtritt ; fie ift aber von ihm dadurch verjchie: 
den, daß der Affect durch einen plöglichen, über: 
raſchenden Eindrud von außen entjteht, über den 
die perjönliche Selbftbeftimmung nicht augenblid: 
| lich Meifter wird und der daher eine heftig reagi: 
rende Empfindung außerhalb der Selbjtbeftim: 
mung entzündet, während die Leidenſchaft von 
innen beginnt und nad) außen treibt. Vgl. Kant, 
Anthropologie, ©. 276 ff. 

Leidrad, Erzbifchof von Lyon. Als Bibliothelar 
Karl's des Großen und Decan des Münfters zu 
Zürich wurde ihm 798 von Karl das Bisthum 
übergeben. 799 nad Urgel gejandt, um der Ber: 
breitung des Adoptianismus zu wehren, bewog er 
Felix von Urgel, ſich zur Unteruhung feiner Sade 
| den Concil zu Aachen zu ftellen, und wurde dann 

mit deffen Ueberwachung betraut. Eifrig in der Ber: 
waltung jeines Amtes, legte er eö nad) dem Tode 
Karl's nieder und zog fich in das Kloſter des Heil. 
Medardus zurüd, wo er ftarb, Geburtsjahr wie 
Todesjahr find ungewiß. Cine Abhandlung Leid: 
rab’3 über die Taufe nebft. darauf bezüglidhen 
Briefen an den Kaifer gab Mabillon heraus, 
annalcs II, Baluze auch die übrigen Briefe und 
opuscula, 

Leipzig, Stabt im Königreihe Sachſen mit 
80,000 Einwohnern, ſchon 1015 genannt, ber 
Hauptftapel: und Commiſſionsplatz des gefammten 
deutſchen Buch: und Kunfthandels, für den die mit 
der Leipziger Dftermefje verbundene Buchhändler: 
meſſe von bejonderer Wichtiafeit.ift. Durd) feine 
Lage im Mittelpunkte Oſtdeutſchlands und in einer 
weiten Ebene tft eö wiederholt der Schauplag von 
Begebenheiten geworden, die nicht bloß auf die 
VBrofangeihichte, fondern aud auf die Firchliche 
Entwicklung bejtimmend einwirkten. Die Univer: 
fität, geftiftet 4. Dec. 1409 aus Veranlaffung der 
Unterdrüdung der Deutihen auf der Univerfität 
Prag, reformirt 1539 durch Mori unter Zuziehung 
von Gruciger und Medier, hatin ihrer theologiſchen 
Facultät ftetö eine hervorragende Stelle einge: 
nommen. Zuerft mit Wittenberg die Vertreterin 
des Philippismus, hegte fie dann durch die Garp: 
zov und Hülfemann eine ftrenge Orthodoxie, 
welche jih dem von Franke eingeführten Pietis: 
mus widerjegte und von ihr ausſchied. Auch der 
Rationalismus und die Aufflärung haben ihre 
würdigen Vertreter dort gehabt ; in der Gegenwart 
herricht eine orthodox⸗lutheriſche Richtung vor. 
Berühmte Theologen, weldye dort wirkten, find: 
Gamerarius, Selneder, Carpzov, Hüljemann, 
Lyſer, Dlearius, Erufius, Erneſt, Gellert, Bolli: 
kofer, Hahn, Jlgen, Keil, Rojenmüller, Tittmann, 
Tichirner, Winer; der Gegenwart gehören an: 
Luthard, Lechler, Kahnis, Tiſchendorf. Wegen 
der Univerſität iſt ſeit 1848 das Miſſionsin— 
ſtitut der Norddeutſchen Miſſionsgeſellſchaft hie— 
her verlegt. Aus der kirchlichen Geſchichte der Neus 
zeit ift zu erwähnen der Yeipziger Belenntnißftreit 
1825 und die Bildung der deutſchlatholiſchen Ges 
meinde 1844, in deren Mitte das erfte deutichla: 
tholiſche Coneil am 23. März 1845 abgehalten 
wurde, welches der neuen Kirche den Namen deutſch⸗ 
fatholifch und ein neues Glaubensbelenntniß gab. 





Zeipziger Colloquium 
Aus früherer Zeit find zu erwähnen die Disputa= 


tion 1519 (f. d. Art.) und die Convente 1624 und | fi 


1651. Der erftere erließ die vom Kurfürſten beftä: 
tigte deeisio (Entfcheidung) in dem chriſtologiſchen 
Streite der Tübinger und Gießener Theologen 
über den Gebrauch der göttlihen Eigenſchaften 
Ehrifti im Stande der Erniedrigung; der andere 
verfaßte „ven kurſächſiſchen Augapfel” der Augs« 
burgifchen Confeſſion. 

teipziger Gollogquium (3. bis 23, März 1631), 
einer der Unionsverjuche der deutjchen Kirche. Es 
fand als eine Privatverhandlung Statt gelegent: 
lich des Fürftenconvents zu Leipzig 1631, auf wel: 
chem die Kurfürften von Brandenburg und Sad: 
fen mit dem Landgrafen von Heſſen ſich einigten, 
der Vollziehung des Reftitutionsedictes fich ge: 
meinfam zu mwiderjegen. Theilnehmer waren bie 
reformirten Theologen Crocius, Theoph. Neuber: 
ger und oh. Bergius, die Iutherifchen Leyſer, 
Heinrich Höpfner und der Oberhofprediger 2 
von Koönegg, welder den Borfig führte. Der 
Beiprehung zu Grunde gelegt wurde die Augs— 
— Confeſſion, welche die Reformirten zu 

unterſchreiben Willens waren. Als Differenzen, 
welche jedoch die Möglichkeit einer gegenſeitigen 
Duldung und eines gemeinſamen Handelns gegen 
ben gemeinſamen Feind nicht ausſchließen follten, 
ftellten fich heraus die Lehre von der Ubiquität 
und der mündlichen Geniefung des Leibes und 
Blutes Chrifti im Abendmahl. In der Lehre von 
der Önadenwahl blieb die Differenz eine rein for: 
male. Die Protokolle Pi nur privatim gedrudt 
und verbreitet, Einen Erfolg hatte das Colloquium 
nicht, da ſelbſt Hos aus Furcht vor den Angriffen 
eifriger Barteigenofjen wieder fchroffer gegen die 
Neformirten auftrat. 

Leipziger Disputation (1519). Gegen die An: 
griffe des Dr. Eck zu Ingolſtadt auf Dr. Luther 
wegen jeiner Säte über den Ablaf in den obe- 
lisci hatte Karlſtadt in akademiſchen Disputatio: 
nen zur Bertheidigung der Rechtgläubigkeit der 
zn Profefjoren 300 Saͤtze aufgeftellt, 
denen er 26 Thejen über den freien Willen anfligte. 
In dem beginnenden Schrifttreite hatte er fich er: 
boten, diejelben in einer öffentlihen Disputation 
gegen Ed zu vertheidigen. Diefer nahm die Her: 
ausforderung an, und zwiſchen ihm und Luther 
wurde 1518 zu Augsburg die nähere Verabredung 
deßhalb getroffen. Die Disputation follte 1519 
u teipaig Statt finden. Ein Angriff Eck's auf Lu: 
ber Februar 1519 in 13 Thefen, die ſich auf Buße 
und Ablaß bezogen, nöthigte Luther gegen feine 
ursprüngliche Abficht, fi) an der Disputation zu 
betheiligen. Sie wurde am 27. Juni 1519 in Ge: 
genmwart des Herzogs Georg eröffnet. Nachdem 
vom 27. Juni bis 3. Juli zwifchen Ed und Karl: 
ftadt über den freien Willen verhandelt war, wurde 
vom 4. bis 13. Juli zwiſchen Luther und Ed dis: 
putirt, zunächſt über die 13, Theje des lektern, 
welche beftritt, daß die römische Kirche nicht ſchon 
vor Bapft Sylveſter's Zeiten über alle andern er: 
hoben gewejen jei. Luther hatte ihr die Zeugniffe 
der Gerichte, ber heil. Schrift und das Nicänifche 
Coneil —— — Es ſchloß ſich hieran ſeit 
dem 8. Juli eine Disputation über das Fegfeuer, 
vom 11. bis 13. von Ablaß und Buße, wonach 
am 14. noch einmal die Berhandlungen zwiſchen 


540 


Leitomiſchl 


Geſprächs auf die Menge war —— Ed gün: 
tig, allein die Veröffentlichung der ihm abgenö- 
thigten Ya rg lief ihn bald durchaus nicht 
als Sieger erſcheinen. Er behielt von dem Gejpräd 
die Erbitterung, mit der er die Bannbulle erwirkte. 
Ranke hat gezeigt (deutfche Geſch. im Ref.:Zeit- 
alter, I), welch ein entſcheidender Wendepuntt diefe 
Disputation für Luther's reformatorische Entwide: 
lung geworden ift. Erft — — kam er — durch die 
Frage über Huß und die ſich daran knüpfende über 
die Autorität der Concilien, fo wie durd die da— 
durch veranlaßten biftorischen Forfchungen Luther's 
— zu dem entjchiedenen Bruch mit der röm. Kirche. 
Dal. Seidemann, die Leipz. Disputation 1843. 

Reipziger Interim, richtiger: Beichluß des Leip— 
ziger Xandtags 1548. Die feinen Yandftänden ge: 
gebenen Zufagen hinderten den Kurfürſten Moritz 
von Sachſen, das Augsburger Interim in feine 
Länder einzuführen. Er verfuchte deßhalb eine Ber: 
mittlung und berief zur Aufitellung einer einftwei: 
ligen Einigung nebft feinen Räthen Julius Pflug, 
Biſchof von Naumburg, J. von Maltiz, Biſchof 
von Meißen, Georg von Anhalt, Adminiftrator 
von Merjeburg mit Melanchthon, Georg Forſter 
und Paul Eber nad) Begau am 23. Augujt 1545 
und da feine Einigung Statt fand, am 18. Octo: 
ber nad Torgau, wo über einen neuen Entwurf 
verhandelt wurde. Auf einem neuen Convent zu 
Klofter Celle vom 16. bis 20. November, an dem 
noch andere Theologen Theil nahmen, verstanden 
fich diefe, eingejhüchtert durd) ihnen vorgehaltenen 
Gefahren, dazu, in der Nechtfertigungslehre abzu: 
fhwächen und in Bezug auf die Cultusformen 
nachzugeben. Diefer Cellifche Abſchied (das große 
Interim) wurde am 25. December zu Leipzig den 
Ständen vorgelegt und mit deren Modificationen 
im evangeliihen Sinne ald Beſchluß des Yand- 
tags publicirt und 1549 eingeführt. Der Name 
Leipziger Interim rührt von Flacius ber, der es 
in feiner Ausgabe desjelben 1553 fo nannte. Das 
Interim nimmt faft den ganzen Meßkanon mit 
der Briejterfleidung an, die ficben Sacramente, die 
Gewalt der Biſchöfe, Bilder, Falten, Fafttage und 
Gebete für die Verftorbenen. Auf dasfelbe führen 
fi) manche ſächſiſche Eultusfitten zurüd. Es galt 
bis 1552. Weil die Vertheidiger des Interims die 
gugeftänbnifle als Adiaphora bezeichneten, die 
Gegner aber darin eine Berleugnung erblidten, 
— ſich aus Anlaß desjelben der adiaphori— 
ſtiſche Streit. Vgl. Birck, dreifaches Interim, 
Leipzig 1721. 

Leitmeritz. Da unter den Huffitenbewegungen 
jämmtliche böhmijche Suffraganbisthümer einge: 
gangen waren, jo übermwies bei feiner Gegenrefor: 
mation Denen II. der congregatio de propa- 
ganda fide gemifje Einkünfte, um daraus vier 
neue Bisthümer zu dotiren. Das erite derſelben ift 
Yeitmerig, welches Innocenz X. 1654 anerkannte. 
Der erite Bifchof, Rudolph von Schleinig, wurde 
1655 in Rom geweiht. Mit der anfänglich jebr 
Heinen Diöcefe wurden 1784 die Kreife Bunslau 
und Saaz vereinigt. 

Leitomiſchl wurde 1334 ald Suffraganbisthum 
der zum Erzbistum erhobenen Prager Diöceje 
begründet. Die Huffiten eroberten 1425 die Stadt 
und hoben das Bisthum auf, deffen Güter in mwelt: 


| liche Hände kamen. Den Plan Ferdinand’ IL, es 
Ed und Karljtadt über den freien Willen aufges | 
nommen wurden. Der unmittelbare Eindrur des | 


wiederherzuftellen, fonnte erft Yeopold I. 1664 un: 
ter Alexander VII. ausführen. 


Lelong 


Lelong, Jacques, geboren am 19. April 1665 
zu Baris, war, für den Johanniterorden bejtimmt, 
al3 Knabe zur Erziehung nad) Malta geſchickt. Als 
ihm aber das Leben dort verleidet wurde, erbat er 
fi einen Urlaub, um in Paris feinen Studien 
obzuliegen, und trat nad) deren ee rn. 1688 
in bie Benankgalion des Dratoriums, Nachdem er 
ald Lehrer der Mathematit am Collegium zu Juilli 
und anı Seminar de Notre Dame des vertus bei 
Paris gewirkt hatte, ward er Bibliothekar an der 
teihen Bibliothef des Dratoriums St. Honore 
1699. + 1721. Seine beiden Hauptwerte find bi- 
bliotheca sacra, Par. 1707, ein Verzeichniß der 
Ausgaben und Ueberſetzungen der Bibel; nad) ſei— 
nem Tode erichien 1723 eine neue Bearbeitung; 
eine weitere Ausgabe beforate A. G. Maſch, Halle 
1778—%, 5 Bde,, und bibliotheque historique 
de la France, Verzeichniß der franzöfiichen Se: 
ihichtsjchreiber, Par. 1719. Seine Biographie j. 
in der bibliotheca sacra. 

Lemberg (poln. Lwow), die Hauptſtadt von Ga: 
lijien mit 75,400 Einw., ift der Sig von drei Erz: 
biihöfen, eines griechiſch- unirten, eines armeniſchen 
und eines katholiſchen. Das griechiſche Bisthum 
wurde hierhin von Halicz 1539 verlegt und iſt ſeit 
1807 zum Erzbisthum erhoben. Der Widerſpruch 
gegen die auf den Synoden zu Brezsc 1595 und 
1546 beſchloſſene Union wurde namentlich von £. 
aus geleitet, defjen Bijchof erft 1700 derjelben beiz 
trat. Es bejteht in 2. ein Generaljeminar zur Bil: 
dung griehifch:unirter Kleriker. Die Diöceje um: 
faßt in 485 Decanaten ca. 1,500,000 Seelen. Das 
armenijche Erzbisthum befteht jeit 1365 und ftand 
früher unter dem Patriarchate von Etſchmiadin, 
hat fi) aber 1624 dem römischen Stuhle unter: 
worfen. Dane ae nur 7 Bfarreien mit 
5000 Seelen. Das lateiniſche Erzbisthum war 1375 
geistenz zu Halicz errichtet und wurde 1414 nad) 

. verlegt; es umfaßt 25 Decanate. Unterworfen 
find ihm die Bisthümer von Przemisl und Tarnow. 

Lenfant, Jakob, geboren am 13. April 1661 zu 
Beaufje in Frankreich. Sein Bater, ein reformir: 
ter Prediger, wanderte 1685 aus und jtarb 1686 
zu Darburg. L. hatte zu Saumur, Genf und Hei: 
deiberg ftudirt und wurde an lepterem Orte Bajtor 
der frangöfifchen Kirche und Caplan der Kurfürftins 
Wittwe. Bei dem Einfall der Franzojen in die 
Balz floh er 1683 nad) Berlin, wo er 1659 eine 
Stelle an der franzöfiich-reformirten Kirche erhielt. 
Zum Hofprediger der Königin und Oberconfiito: 
rialrath ernannt, erwarb er ſich als kirchenhiſtori— 
ſcher Schriftjteller durch Kenntniffe und Bered: 
ſamkeit Auf. Einen Antrag, Hofcaplan bei Anna 
von England zu werden, lehnte er ab. + 7. Auguſt 
1728. Er fohrieb: histoire du concile de Pise, 
1724; histoire du concile de Constance, 1727; 
histoire de la guerre des Hussites et du coneil 
de Bäle, 1730. Mit Beaufobre gemeinſchaftlich 
verfaßte er eine neue Ueberjegung des Neuen Te: 
ſtaments. 

Lengerke, Cäſar von, geb. am 30. März 1803 
zu Hamburg, wurde 1829 Profeffor der Theologie 
und der orientaliihen Sprachen zu Königsberg. 
+3. Febr. 1855. Seine größeren Schriften find: 
de Ephraemi Syri arte hermeneutica liber, 1831; 
das ud Daniel, 1835; Kenäan, Volls- und Ne: 
ligionsgeſchichte Iſraels, 1. TH. bis zum Tode des 
Jofua, 1844. 

entulus. Unter diefem Namen ift ein apofry: 


541 


Leo J. 


phifcher Brief vorhanden, welcher an den römischen 
Senat von einen Römer Lentulus praeses Hie- 
rosolymitanorum gerichtet, eine Schilderung der 
Geſtalt und des Auftretens Chrifti enthält. Der 
Brief, handjchriftlich mehrfach vorhanden, wird 
zuerft erwähnt von Laurentius Valla (+ 1457), 
der jeine Echtheit betritt; gedrudt findet er ſich 
zuerft in der erften Drudausgabe des Anjelmus, 
dann in den Magdeburger Centurien. Seine Un: 
echtheit ergiebt ſich ſchon aus dem Titel des L., da 
ein ſolches Amt nicht beftand, den Anklängen an 
bibliſche Ausdrücke, die bei einem Römer und Hei: 
den unmöglich waren, u. A. Wahrjcheinlich tft er 
der Seftaltbejchreibung Chriſti nachgebildet, welche 
der griechiſche Gejchichtichreiber Nitephorus im 14. 
Jahrhundert gab. 

Leo Allatius, geb. 1586, + 1669. S. Allatius. 

Leo I. der Große. Der Brimat des bifchöflichen 
Stuhles zu Rom, welder bis dahin fich langjam 
und allmählid aus den Berhältniffen entwidelt 
hatte, wurde von ihm zuerfi mit Bewußtſein und als 
Glaubensſatz der Kirche behauptet, dogmatijc aus 
dem Verhältniffe des Petrus zu Chriftus, feinen 
Mitapojteln und der Gemeinde zu Rom begründet 
und mit Klugheit und Energie, nicht immer auf 
ſittlich unanfechtbare Weife durchgeführt, jo daß 
er der „erite Papft unter den Biſchöfen Roms“ 
genannt worden ift. Der weltlichen Macht des 
Kaiſers unterordnete er ſich zwar noch, aber indem 
er ihr die Pflicht zufchreibt, auch mit ihren Mit: 
teln feinen Ausſprüchen zur Geltung zu verhelfen, 
deutet fich die Conjequenz des Syſtems an, welche 
Gregor VII, gezogen hat. Leo's Geburtsort und 
Geburtsjahr jind unficher. In Rom oder Tuäcien 
gegen Ende des 4. Jahrhunderts geboren, wird er 
zuerft 418 als Abgefandter des Papjtes Zofimus 
nad) Karthago genannt. Unter Eöleftin 423 —432) 
Diafon, hatte er bereitö bedeutenden Einfluß, der 
ſich namentlich gegen die Anjprüche Juvenal’3 von 
Jeruſalem und gegen Julian von Eclanum gel: 
tend machte. Zum Bapjte wurde er 440 erwählt, 
während er in Gallien beauftragt war, den Streit ' 
der Feldherren Aetius und Albinus beizulegen. 
Seine Suprematie machte er zunädft in Nord: 
afrika geltend, wo Unordnungen inden Bejegungen 
der geiſtlichen Stellen ſich eingefchlichen —— 
Seine Vorſchriften in einem Rundſchreiben fanden 
Unterwerfung, da die frühere Widerftandötraft 
unter den Berfolgungen der VBandalen und der 
Verwirrung der Zuſtände gebrochen war. In Dit: 
Illyrien kam ihm der Biſchof von Thefjalonich (jeit 
435), Anaftafius, entgegen, der ihn um Beftäti- 
gung erfuchte, und den er zu feinem Vicar ernannte 
444, während er die Befugniffe der Heinen Metro: 
politen ausdehnte und die Appellationen nad) Rom 
zog. In Gallien widerjegte ſich Dilarius von Arles 
(+ 449) den päpftlihen Anſprüchen, al3 Leo fid) 
des von jenem entjegten Biſchofs Calidonius an: 
nehmen wollte. Obgleid) Leo von Balentinian 445 
eine lex edictalis erwirkte, in welcher die Ansprüche 
des päpftlihen Stuhles unter den Schuß des fai- 
jerlihen Schwertes geftellt wurden, gelang es ihm 
doch nicht, wie er beabfichtigte, Hilarius die Me- 
tropolitanrechte zu nehmen und auf Vienne zu 
übertragen. In Spanien wurde er von Turibius 
von Aſtorga gegen die Priscillianifien angerufen. 
Nach jeinen Aunftructionen wurden die regula fidei 
und die Maßregeln gegen diejelben von den ſpa— 
niſchen Synoden 447 feitgefegt. Mit gleichem Eifer 


Seo II. 


und gleicher Strenge trat er 440 gegen die Mani: 

der auf, welche von Afrika aus ſich in alien 
eingejchlichen hatten. Den entjcheidenden Kampf 
aber führte er im Oriente, wo ihm Diosfur von 
Alerandrien entgegenftand. Den Anlaß gab der 
Eutychianische Streit, in welchem jowohl Eutyches 
als Flavian feine Entfcheidung in Anſpruch nah: 
men 449. Zu der wider jeinen Wunſch berufenen 
Synode von Ephejus jandte er feine Legaten, 
welche zugleid an Flavian die berühmte epistola 
dogmatica überbradten, in welder Leo die or: 
tbodore Lehre von Chriftus auseinanderjekt, deren 
Annahme er von der Synode verlangte. Der un: 

ünftige Ausfall der Räuberſynode entflammte 
—* Zorn und Eifer. Mit der Thronbeſteigung 
ſeiner Gönnerin, der Pulcheria, war ſein Sieg ent: 
ſchieden. Der Patriarch Anatolius von Conſtanti— 
nopel unterwarf ſich ihm; Kaiſer Leo ſchrieb ein 
neues Concil aus, welches 451 zu Chalcedon zu— 
ſammentrat und in welchem Leo durch ſeinen Le— 

aten den Vorſitz führte. So wurde ſein Gegner 
Dioskur entſetzt und die Lehre von Chriſtus, wie 
ſie in dem Briefe an Flavian enthalten war, als 
orthodox anerkannt. Dem Beſchluß, daß der Bi— 
ſchof von Conſtantinopel I Rechte mit dem zu 
Ron haben jollte, widerjegte ſich Leo und benußte 
die an das Concil zu Chalcedon ſich ſchließenden 
fichlien Unruhen im Orient, um von Conftan- 
tinopel eine theilweife Unterwerfung zu erlangen. 
Leo's Vermittlung welche die Legende wunderbar 
ausgeſchmückt hat, gelang es, den Hunnenkönig 
Attila 455 zum Rüdzuge von Rom zu bewegen; 
einige Jahre jpäter konnte er von dem Vandalen 
Geijerich nur das Berjprechen erlangen, die Stadt 
mit Mord und Brand zu verjhonen. Yeo ftarb 
461. Sein Todedtag wird verjchieden angegeben, 
11. April, 28. Juni, 30. October, 4. und 10, No: 
vember; die Kirche feiert fein Gedächtniß den 11. 


542 


— — — — — — — — — — 


Leo VIII. 


wie es ſcheinl durch Simonie auf den päpſilichen 
Stuhl gelangt, bewarb er ſich durch Alcuin um die 
Gunſt Karls des Großen. Zu ihm flüchtete er auch 
799 nad) Paderborn, ald er mit Mühe einem 
Mordanfall durch Verſchworene entgangen mar. 
Die gegen ihn dort angebradhten Klagen des Che: 
bruchs und der Simonie fanden fein Gehör und 
Leo, unter dem Schuge Karl's nah Rom zurüd: 
geführt, reinigte fich im folgenden Jahre auf einer 
Synode in Rom durd) einen Eid. Am Meihnadts: 
feite des J. 800 fette er Karl während der Mefie die 
Kaiſerkrone auf, nad) einer wahrſcheinlich fchon in 
Baderborn —— Verabredung, und eröffnete 
damit die bedeutungsvolle und einflußreiche 
Verbindung des fränkiſch-deutſchen Reiches mit 
Rom und der Kaiſerwürde. Noch einmal 304 be: 
juchte der Papft den Kaifer in Rheims. Nach dei: 
jen Tode mußte er noch einmal eine Verſchwörung 
bejtehen und nur der Schug Bernhard's von Jta: 
lien unterbrücdte neue Aufitände. Die nad) dem 
Erdbeben 801 von ihm angeordnete Feier eines 
dreitägigen Bittgangs vor dem Himmelfahrtäfeite 
blieb in der firhlihen Sitte bejtehen. In dem 
Streite um den Zujat filloque im Symbol, der 
unter ihm begann, vermied er eine Entiheidung, 
indem er den Yehrinhalt der Formel zwar billigte, 
aber die Aenderung im Symbol tadelte und ft} 
vergeben3 bemühte, in der fränkischen Kirche die 
Weglaſſung der jo beftrittenen Worte zu erlangen. 

Leo IV. 817555. Die nur allzu begründete 
Furcht vor den Einfällen der Saracenen war Ber: 
anlaſſung zu ſeiner Inthroniſation gemejen, ehe noch 
die kaiſerliche Genehmigung eingelaufen war. Seine 
Hauptthätigkeil galt der Sicherung Noms und Ita⸗ 
liens gegen dieſe Feinde. Er erbaute jenſeit des 
Tiber bei der zerſtörten und von ihm wieder auf— 
gerichteten BSalllıza des h. Petrus, eine neue wohl: 
befejtigte Vorjtadt und verftärkte die Mauern der 


April, Um jeine Interefien im Morgenlande zu | ganzen Stadt. Auch vermittelte er ein Bündniß 
vertreten, ſchuf er die Sitte, am faiferlichen Hofe italieniſcher Seeftädte, die dann 849 einen glän: 
beftändige Zegaten zu unterhalten. Auch eine neue | zenden Seefieg bei Dftia über die Saracenen er: 


Berechnung der Diterfeier, welche er veranftalten 
ließ, jollte durch Conformität der Einheit der Kirche 
dienen, doch blieb die Berjchiedenheit mit dem 
Drient beſtehen. Auch nad) der innern Seite führte 
er den Bau der römischen Kirche der Vollendung 
entgegen, indem er für geheime Sünden Privat: 
beichte und Brivatcommunion anordnete, woraus 
die Nothwendigfeit der Beichte vor dem Briefter 
überhaupt ſich von jelbft entwideln mußte. Es find 
vorhanden von Leo 96 ald echt anerkannte Ser- 
mones und 173 Briefe, welche ein getreues Bild 
der kirchlichen Zuftände feiner Zeit und feines 
Wirkens enthalten. Ob andere Schriften ihm mit 
Recht zugeſchrieben werden, ift mindeſtens zweifel⸗ 
daft. Seine Werke find herausgegeben von Paſch. 
ueönel, 1700; P. und 9. Ballerini, 1753—57, 
Vened. Bol. Arndt, Leo der Große, Mainz 1835; 
Perthel, Leo's I. Leben und Lehren, Jena 1843. 
Leo II. (682— 683). Das Begehren des Kaiſers 
Conſtantin, einen jtändigen, mit unbejchräntten 
Vollmachten verjehenen Gejandten in Conftanti: 
nopel zu halten, vermied er durch Sendung eines 
Subdiafons. Er überjegte ſelbſt die Acten des 6. 
Concils und verjandte fie an die ſpaniſchen Bis 
fchöfe, führte den Friedenskuß und die Beipren- 
gung des Voltes mit geweihten Wafjer ein und 
verbefierte den Gregorianischen Hirchengejang. 
— III. (795-816). Nach dem Tode Hadrian's J. 


fochten. In dem Streit Ebbo's und Hincmar’s 
von Aheims um das Erzbisthum, mußte er nad: 
geben und fandte das Ballium an Hincmar. (S. 
d. A.) Welche Anfprüche er an feine Würde knüpfte, 
zeigt die Beränderung der Anrede an die Füriten, 
indem er jeinen Namen vorjette und das Wort 
dominus den Fürſten gegenüber vermied. Vgl. 
Gregorovius, Geſch. der Stadt Rom, Stuttgart 
1859 — 63; v. Reumont, II, Berlin 1868; Bar: 
mann, die Bolitif der Päpfte, I, Elberfeld 1868. 

— V, 903, ein Benedictiner. Wenige Tage nad 
feiner Wahl ließ ihn der Gardinal Chriftophorus 
gefangen nehmen und nöthigte ihn zur Entfagung, 
weil er fein Gefchid zum Regieren babe, 

— VI, Sanquigna, Juli 928 bis Februar 929, 
Nach Einigen iſt er an Gift durch die Marozia, 
nad) Andern im Gefängniß geftorben. Beides iſt 


gleich ungewib. 

— VII 936—939. Er bejtellte den Biſchof 
Gerhard von Bafjau:torch zum apoftolischen Stel: 
vertreter in Süddeutjchland und überjandte ihm 
das Pallium. Da hiemit die alten Rechte Salz: 
burgs gejhmälert wurden, entipann fich ein bitte: 
rer Kampf zwijchen den beiden Bisthümern, bis 
Benedict VI. die Metropolitanrehte Salzburgs 
wieder ) tellte, 

— VID. 963—865. Als Kaijer Otto I. auf 
einer Synode in der Peterstiche den lafterhaften 


Leo IX. 


Johann XII. abjeten ließ, wurde Leo, bisher 
Erztanzler, Archidialonus und noch Xaie, zum 
Lapfte gewählt. Nach Otto's Abzug mußte er 
jwar auch vor den aufrühreriichen Römern flie: 
ben, die Johann XII. zurüdtiefen und nad) jeinem 
bald erfolgten Tode Benedict V. zu jeinem Nad): 
jolger wählten, Nad) der Eroberung Noms aber 
duch Otto I64 mußte Benedict ſich unterwerfen 
und wurde auf einem Concil 964 zum Dialonus 
degradirt. In einer noch erhaltenen Urkunde 
(Berg, Leges II Anhang p. 167) anerlannte er das 
Recht Otto's und feiner Nachfolger, Biſchöfe und 
Pärfte zu ernennen und zu belchnen, jo day ein 
nit vom Könige gewählter auch nicht die Weihe 
erhalten dürfe, Die bejtrittene Echtheit der Ur: 
funde wird von proteitantifchen und katholiſchen 
Schriftftellern anerfannt, und es erflärt jich die: 
jelbe aus den damaligen Verhältniffen des römi— 
ſchen Stuhles, Leo jtarb 965. Val. Barmann, die 
Politik dee Päpfte II, Elberfeld 1869. 

Leo IX. 1049— 1054. Er war früher Biſchof 
von Toul, aus dem Gejchlechte der Grafen von 
Dagsburg, und wurde von Heinrich ILL. 1048 nach 
Damajus II. Tode zum Papfte dejignirt. Cr 
nahm die Wahl erit dann an, als auch das Bolt 
und der Klerus zu Rom feine Zuftimmung gege: 
ben hatten; 1049 wurde er conjecrirt und eine 
feiner eriten Amtshandlungen war, Hildebrand 
(Gregor VIL.) zum Güterverwalter des Stuhles 
Petri zu ernennen. Bon deſſen Rathſchlägen lieh 
er fich leiten, und jein Regiment verräth die Gre— 
gorianischen Tendenzen. Zu Oſtern 1049 hielt er 
eine Synode in Nom gegen Simonie und Briejter: 
= und lieh jehr jtrenge Bejtimmungen abfajjen. 
Während feines Pontificates war er fait fortwäh— 
rend auf Reifen, mehrmals in Deutjchland, theils 
um des Kaijers Hülfe gegen die Normannen zu ge 
winnen, theils um auf Synoden die Kirchenzucht 
wieder herzuitellen. Die wichtigste von dieſen war 
1049 zu Rheims, wo eine Reihe kirchlicher Geſetze 
ber Simonie, Ehe und die Verhältniſſe der Mönche 
und Geiſtlichen erlaffen wurde. Dem Erzbiäthum 
Trier übertrug er das Primat in Deutjchland, 
machte dagegen den Cölner Erzbifchof zum Kanz: 
ler des römtschen Stuhles und gab dem Gapitel 
wichtige Vorrechte, welche es unabhängig vom Kai: 
jer machten und an Rom banden. Auf dem Concil 
zu Kom 1050 und der Synode zu Vercelli wurde 
über die Härefie des Berengar verhandelt, die 
Vertheidigung des Lanfranc angenommen und 
Berengar verurtheilt. Das Beftreben Leo's, die 
dem päpftlihen Stuhle entfremdeten Güter in 
Süditalien wieder zu gewinnen und fie vor den 
Normannen zu ihüten, verwidelte ihn in verhäng— 
nigvolle Streitigleiten. Monate lang lebte er in 
Benevent wie ein Gefangener der Sieger. Das 
Bündnig mit Conftantinus Monomachus rief das 
Sendſchreiben des Patriarchen von Conjtantinopel, 
Michaei Eerularius, an Johannes von Trani 1053 
hervor, in welchem die Kegereien der Yateiner ber: 
vorgehoben und vor der Verbindung mit ihnen ge: 


543 


Leo X. 


der Lehrbifferengen über ben Ausgang des h. Gei— 
jtes, als wegen der Verſchiedenheit in Cultus, Sitte 
und Verfaflung der morgenländifchen Kirche. Da 
Heinrich III. jein gegebenes Verſprechen nicht 
hielt, al3 er Bamberg gegen die kaiferlichen An: 
iprüche auf Benevent eintaufchte, ein Heer gegen 
die drohenden Normannen nad) Jtalien zu jenden, 
jo kam doch Zuzug aus Deutjchland, meift aus 
Berwandten und Angehörigen Leo's mit ihren 
Mannen bejtehend. Leo ftellte ſich ſelbſt an ihre 
Spitze trog des kanoniſchen Geſetzes und wurde 
bei Civitate den 18. Juni 1053 von Robert Guis- 
card, Humfried und Richard von Averja geichla: 
gen und gefangen genommen. Neun Monate blieb 
er in Benevent in Haft, in tiefer Trauer und har- 
ter Asfeje, erjt im März 1054 kehrte er nach) Rom 
zurüd und jtarb dort nad) einigen Wochen. Val. 
Hunkler, Zeo IX. und feine Zeit, Mainz 1851; 
Barmann, die Politik der Bäpite II, Elberf. 1869. 

eoX. 1513— 1521. Giovanni de Medici, zwei: 
ter Sohn Lorenzo's, wurde geboren zu Florenz den 
11. Dec. 1475. Zum geiftlichen Stande beſtimmt, 
erhielt er eine jorgfältige Erziehung und genoß den 
Unterricht des Bolitian und des griechiſchen Flücht⸗ 
lings Chalcondylas. Schon 1488 zum Cardinal er: 
nannt, trat er die Würde erft nad) Beendigung 
jeiner Studien in Pifa 1492 an. Der Tod feines 
Baters rief ihn nach Florenz; er mußte aber mit 
jeinen Brüdern vor dem Aufſtand des Volkes flie: 
ben. Bon einer längeren Reife durch Deutjchland 
und Frankreich (1499) zurüdgefehrt, nahm er 
die Pläne zur Wiedererlangung von Florenz auf, 
Julius II, ernannte ihn nad der Einnahme von 
Perugia 1505 zum Statthalter von Perugia und 
1511 zum Legaten von Bologna und päpitlichen 
Feldmarſchall zur Yeitung des Feldzugs gegen die 
Franzoſen. In der Schlacht bei Ravenna 1512 
gefangen genonmmen, gelang es ihm zu entlommen 
und unterjtügt von einem ſpaniſchen Heere, ge: 
wann er Florenz der Herrſchaft jeines — 
wieder. Nach Julius II. Tode wurde er einſtim— 
mig zum Papſte gewählt und am 19. März 1513 
inthronifirt. Fein gebildet und prachtliebend wie 
ein Medici, begünftigte er alle Künfte und Wiffen: 
ſchaften, ftellte die Univerfität Nom ber, hatte aber 
ohne Frömmigkeit und religiöfes Intereſſe perſön— 
lid; fein Verſtändniß für Fragen auf kirchlichem 
Gebiete. Sein Ziel war, feinem Haufe eine Herr: 
ihaft in Italien zu begründen. Daher eröffnete 
er jeine Regierung mit der Aufhebung des auf 
Reform dringenden Concils von Piſa und der 
Fortführung des von feinem Vorgänger Julius II. 
zum Widerjpiel berufenen Yateranconcils. Daher 
ſchloß er nad) der Schlacht bei Maregnano im Jahre 
1515 mit Franz I. ein Bündniß (Concordat von 
Bologna) welches die Freiheit der franzöfiichen 
Kirche aufbob und wandte fid) wieder zu Maximi— 
lian in Deutſchland, als dieſer 1516 gegen die 
a zog, betrieb 1520reine Verbindung mit 
Franz I, um Neapel zu gewinnen und trat 1521 
gegen ihn in einen Bund mit Karl V. Die poli: 


warnt wurde. Daran jchloß fich die päpſtliche Ge- tijche Stellung des Bapftes war von Einfluß auf 


ſandtſchaft nad) Conjtantinopel, mit dem Cardinal 
—— an der Spitze, deren Reſultat bei der 

urückhaltung des Patriarchen war, daß am 16. 
Juli 1054 die päpſtlichen Geſandten nad) Leo's 
Tod die Ercommunicationsbulle auf dem Altar der 
Sophienlirche niederlegten und jo das Schiäma 
endgültig ausgeſprochen wurde, viel weniger wegen 


die Entwidelung der deutichen Reformation. Auch 
den Anſtoß zu derjelben hatte er durch den Ablaß⸗ 
handel gegeben, durch welchen er die Mittel zu 
jeinem Prachtbau der Peterskirche gewinnen wollte, 
Die aus Luther's = en drohende Gefahr erfannte 
er nicht in ihrer Größe. Den 13, ar 1518 
gab er dem Promagiiter der Auguftiner Gabriel 


&eo XI. 


von Benedig den Auftrag, das Feuer zu dämpfen; 


544 


Leodegar 
ſchloſſen und die Bisthümer befegt, gleicherweiſe 


am 7. Auguſt erließ er die Vorladung an Luther in Brafilien. Mit Preußen begannen die Ber: 


vor das geistliche Gericht in Rom. Nur Rüdfichten 
auf den Kaifer und den Kurfürjten beftimmten 
ihn zu den Unterhandlungen durch Cajetan und 
Miltig. Aber die Bulle von 1519 nahm den Ablaf: 
handel und die päpftlihe Suprematie in Schutz. 
Danach erwirtte Ed die Bannbulle gegen Luther 
vom 15. Juni 1520, und die Verbrennung der: 


felben durch Luther rief die zweite vom 3. Januar | 


1521 hervor. Das Bündniß Leo's mit Karl 1521 


war bejtimmt, päpjtlides und faijerliches Inter: 


ejfe zu verbinden. Bei der Feier des erjten Sie: 


gesfeftes ftarb er aber an —— Krankheits⸗ 


anfall ohne Beichte und letzte elung den 1. Dec. 
1521. Die Römer fagten: „Wie ein Fuchs haft du 
dich eingeſchlichen, wie ein Löwe haſt du regiert, 
wie ein Hund bift du dahingefahren.“ ie 
1517, hatte das Haus Betrucci ſchon eine Ber: 
ſchwörung angejtiftet, ihn durch feinen Chirurgen 
zu vergiften. 5. Roscoe, the life and pontificate 
of Leo X., dtſch. v. Glaſer, 3 Boe., Lpz. 1806—8. 
Kante, d. röm. Bäpfte, Bd. I. Berlin, 4. Aufl. 1855. 
Audin, Geſch. des Bapftes Leo X., 2 Bde, dtſch. v. 
v. Brug, 2 Bde. Augsb. 1845. Vol. Neumont, 
Geſch. der Stadt Rom, IIl., Berlin 1868 (über 
fein so. und jeine Anfänge). 

Leo XI. Ebenfalls aus dem Hauje Medici in 
Florenz und Erzbifchof von F., wurde durch fran: 
zöſiſchen Einfluß trog des Widerſpruchs der Spa: 
nier nad) dem Tode Clemens VIII. 1605 gewählt, 
überlebte aber feine Wahl nur 26 Tage. 

— XII. Hannibal Franz Clemens Meldior 
Hieronymus Nikolaus della Genga, geb. bei Spo: 
leto den 22. Auguſt 1760, wurde 1793 zum Prä— 
laten und —— Tyrus ernannt und 1794 
als Nuncius nach Deutſchland geſandt. Als ſol— 
cher zeichnete er ſich zwar durch diplomatiſche 
Schlauheit aus, aber auch Vergnügungsſucht und 
Voltairianiſche Denkweiſe wurde ihm vorgeworfen. 
Bei Verhandlungen mit Frankreich neben Con— 
ſalvi benutzt, lebte er ſeit 1816 in Italien, 1820 
als Vicar des Papſtes und geiſtlicher Adminiſtra— 
tor Roms. 1823 zum Baytte gewählt, zeigte er 
fofort den Geiſt feiner Regierung durd) die Drud: 
erlaubti der Schrift des Philippo Anfoſſi, über 
die Nothwendigleit der Rüdgabe der kirchlichen 
Güter, und des Carolo Fea, über die Oberherrlich— 
keit des päpſtlichen Stuhles über weltlihe Für: 
ften. Er verdammte 1824 die Bibelgejellihaften, 


| 





| 
| 


\ 
I 


| 


| 


! 
f 
| 





\ 





handlungen über die gemifchten Ehen und in Eng: 

land wurde die Emancipation der Katholiken ein: 
eleitet. + 10. Februar 1829, Nippold, Bunien, 
. Bd. (Leipzig 1868). 

Leo V., der Armenier, griedifcher Kaiſer, 813- 
821. Ein Gegner der Bilderverehrung, ſetzte er 
den Patriarchen Nicephorus, der feinem Blane 
widerftand, ab, und als Abt Theodorus Studita 
die Mönche für den Bilderdienft erregte, juchte er 
durch die härteften Mittel der Berfolgung fie zum 
Nachgeben zu nöthigen. 

Leo IIL., ver Jlaurier, griedifcher Kaiſer, 716- 
741. Durd) ein Berbot 726 gegen die abgöttiſche 
Verehrung der Bilder und durch ein zweites von 
730, welches alle refigiöjen Bilder verbot und 
ftreng gehandhabt wurde, rief er den langwierigen 
Bilverftreit (f. d. A.) und die Parteibildung der 
Itonodulen und Ikonoklaſten (Bilderanbeter und 
Bilderftürmer) hervor. Dieje Streitigkeiten zer: 
rütteten das a über ein Jahrhundert. Am 
ſchwerſten wurde jein Reich durch die Kämpfe 
im Orient geſchädigt. Johannes von Damascus 
fonnte ihm in der Bilderfrage unter moslemiſchem 
Regiment getroft trogen. Der Conflict mit Rom, 
der unter Öregor IL. und III. zur Steuerverwei⸗ 
gerung der Päpfte führte und der römiſchen Kirche 
Unteritalien koftete, entfchied die Hinwendung ber 
Päpite zu den Franken. Bal. Hefele, Conkilien: 
geſchichte J. Freiburg 1855; Baxmann, Bolitit 
der Bäpfte J., Elberfeld 1868; Hergenröther, Pho— 
tius, I. Bd, Regensburg 1867. 

Leo, Heinrich, geb. 19. März 1799 zu Rudol: 
Best 1524 Brivatdocent, 1825 außerordentlider 

rofejfor, 1828 ordentlicher Profeſſor in Berlin, 
jeit 1830 Profeſſor der Geſchichte zu Halle. Ueber 
den jüdischen Staat jchrieb er Vorleſungen (Berlin 
1828), welche er jpäter widerrufen hat, alö er 
in jeinem — der Univerſalgeſchichte (Halle 
1835, 3. Aufl. 1849—1353) diefelbe in anderem 
Geifte darftellte. Er hat jid einen Namen ge: 
macht durch feine Arbeiten auf dem Gebiete der 
Geihichte (über Berfafiung der lombardifchen 
Städte; jeine Gefchichte des Mittelalters; der ita: 
lienifhen Staaten; feine niederländische Geſchich— 
ten; jeine Borlefungen über die Gejchichte des 
deutſchen Volks), durch jeine Forſchungen auf dem 
Gebiete altgermanijcher und celtiicher Sprachlunde, 
namentlich aber als leidenfchaftlicher Bertreter einer 


ſchrieb 1825 ein Jubeljahr aus und feierte die | ertravaganten kirchlich-politiſchen Reaction. In 
Seligjprehung des ſpaniſchen Minoriten Julianus, | einer Reihe von Artifeln im „Berliner politischen 
Er gab den Erla gegen die Freimaurer und Car: | Wochenblatt”, in der „Ev. Kirdenzeitung“ u. ſJ. f. 


bonari, begünftigte die Jejuiten, denen er 1824 das 
Collegium Romanum zurüdgab, die Wiederher: 
ftelung der Klöſter und Neubelebung der Brocej: 
fionen und ähnlider Andachten. In feiner Re: 
gierung des Kirchenftaates rief er durch Strenge 
und Selbftändigkeit nur allgemeinen Haß und 
Unzufriedenheit hervor, obſchon er das Cardinals: 


und in vielen Brojhüren, wie „Or. Dr. Diefter- 


weg und die deutſchen Univerfitäten 1836”, „Send- 


L 


collegium zu den Gejchäften heranzog, Steuern 
und Laſten milderte und eine Reform der Ber: | 
waltung und Rechtſprechung einführte. Erfolg: 


reid war jeine Regierung auf dem weitern Ge: 


biete des Kirchenregiments. 1827 ordnete die Bulle | 
Ad dominici gregis custodiam, die Organifation | feinen wollüftigen Wandel jtrafte. Nach Childerich's 
der oberrheiniihen Kirchenprovinz; in dasjelbe | Tode jtellte der Majordomus Ebroin Chlodwig als 


Jahr fällt das Eoncordat mit Holland; 1827 wur: 
den in den jpanifchen Colonien Concordate ge: 


| 
| 


reiben an Görres 1838”, „die H —— 1838, 
zignatura temporis 1849*, u. U. bat er ſeinem 
maßlojen Barteieifer einen oft cynifhen Ausdrud 
verliehen, 

Leo Judae. S. Judae. 

Keodegar, der Hetlige, in Frankreich St. Leaer 
genannt, wurde geboren um 616 aus vornehmer Fa⸗ 
milie,noch jung zunfErzdiaton und Abt im Bisthum 
Poitiers ernannt. 659 Biſchof zu Autun. Childe: 
rich II. verbannte ihn ins Kloſter Lureuil, weil 2. 


König auf, während L. zu Dagobert hielt. Ebroin 
belagerte Autun; um die Stadt zu retten, lieferte 


Leonardo 


545 


Rerida 


2. fih aus. Man ftad) ihm die Augen aus, ver: ı Familie des Onias behauptete ſich ein Tegitimes 
ftürımelte ihn an Lippen und Zunge und unter | Hohepriefterthum. Obgleich diefer Tempel der re: 


Anklage der Mitfhuld an Childerih’3 Tode von 
einer Scheinſynode entjegt, wurde er in einem 
Walde bei Arras 678 enthauptet. Gedächtnißtag: 
2. October. 

Leonardo, da Porto Mauritio, wurde 1676 in 
Ligurien geboren, ein Zögling der Jejuiten und 
Mitglied des Ordens der ranciscaner:Reformir: 
ten. Ein berühmter Miffionspriefter, wirkte er für 
die Andacht der unbefledten Empfängniß, ſtiſtete 
eine —— „Zum Herzen Jeſu“ und wurde 
1796 von Pius VI. ſelig geſprochen. 

Leonhard, der Heilige. Ein fränkiſcher Edler, 
war er Zögling des h. Remigius, predigte ſeit 520 
in Berry und Aquitanien das Chriſtenthum und 
wurde durch jeine Schüler und Anhänger Grün: 
der deö Kloſters Noblac. Da er die Königin von 
Frankreich bei einer ſchweren Entbindung durch 
feine Fürbitte — haben ſoll, wird er na— 
mentlid von Gebärenden angerufen. Er ftarb 
559; Gedächtnißtag: 6. November. 

Leonides, der Vater des Drigenes, ein frommer 
Chrift und wahrjcheinlich ein Rhetor, ftarb in der 
end des Septimius Severus den Märtyrer: 
tod in Alexandria um 193. 

Leonistae, ein den Waldenfern beigelegter 
Name von Leona (Lyon) herrührend. 

Reontind von Byzanz. Nach feinem früheren 
Stande auch scholasticusoder advocatusgenannt, 
wurde Mönd im Klofter Sabas bei Jerufalem | 
und lebte im 6. Jahrhundert, Seine Schriften 
find wichtig zur Sectengeſchichte des 4. und 5. 
Jahrhunderts, namentlid) des Monophyfitismus. 
Das eine Hauptwerk, De sectis, foll aus dem Vor: 
trage des Abts Theodorus hervorgegangen fein. 
Es ift griehifh und mit der lateinischen Berfion 
bes J. Yeunclavius herausgegeben, Bajel. 1578. | 
Die Schrift Contra Nestorianos et Eutychianos, 
gab Canifius lateinifh, Mai griehifh heraus; 
außerdem wird ihm zugejchrieben ein Dialog, 
Adv. fraudes Apollinaristarum, und ein Dialog 

egen die Aphthartodofeten. Bon Vielen wird er 
für identiſch mit 2. Hierofolymitanus gehalten, 
wie die Handſchriften den Verfafler nennen, und 
es ift anzunehmen, daß der von dem Byzantiner 
gemeldete Neftorianismus einer früheren Lebens: 
reriode angehöre da Contra Nestorianos, eine 
Nenberung der Anfichten erwähnt wird. Ein Leon: 
tius von Cypern, der dort Presbyter war, wird 
von ihm zu unterfcheiden fein. Der Name 2. ift 

äufig ; jo kommt in den Arianiſchen Streitig: 

eiten der Bischof 2. zu Antiohien vor, und als 
Schriftſteller wird um 920 der Chronograph X. 
erwähnt, welcher das Leben des Kaijer3 Leo, des 
Armenierd, bejchrieb. 

Leontopolis. Ald Antiohus Epiphanes das jü: 
diſche Volk und feine Religion zu vernichten fuchte, 
ſob Onias IL, der Sohn des Hoheprieſters Onias 

.„, nad Aegypten und bewog den König Btole: 
mäus Bhilometor dazu, den Juden ein neues Heis 
ligthum in Aegypten ger Er redhtfertigte 
dies vor den Juden durch die Stelle Jejatas 19, 
18—25. Bhilometor überwies um 150 v. Chr. zu 
diejem Zwecke nicht nur einen unbenugten Tempel 
der Bubaftis, wen gewährte auch zu den Gul: | 
tuskoſten eine Dotation in liegenden Gründen. Es 
fammelte ſich troß der von ——* ausgehenden 
Anfeindungen eine Prieſterſchaft in L., und in der 











ligiöſe Mittelpunlt der Juden in Aegypten wurde, 
jo jagten fie fi dennoch von dem Tempel zu Je: 
rufalem nicht 108, fondern fandten aud) dahin ihre 
Abgaben und Abgeordneten. Bei dem Ausbau des 
Tempels, feiner Innern Einrihtung und der An: 
ordnung des Tempeldienftes war man natürlicd) 
dem jerujalemifchen VBorbilde gefolgt ; doch werden 
ald lUinterfhiede angegeben, dab das Gebäude 
thurmähnlich gemwefen jei und ftatt der ftehenden 
Leuchter Hängeleuchter an goldenen Ketten gehabt 
habe. Die Pracht deö Tempels rühmt noch der 
Zalmubd. 

Leopold IV., der Heilige, Markgraf von Defter: 
rei, wurde 29. Sept. 1073 geboren. Er zeichnete 
fih durch Frömmigkeit und Gerechtigkeit, durch 
Milde gegen Arme, jowie durch Fürforge für die 
Kirche und durd Stiftung vieler Hlöfter, unter 
diefen Neuburg, Mariazell und Heiligenkreuz, aus. 
Seine Gattin war Agnes, die Tochter Heinrichs IV., 
Wittwe Friedrichs von Schwaben, fein Sohn un: 
ter anderen der Biſchof Otto von Freifing, der 
berühmte Geſchichtsſchreiber Barbaroſſa's. Dem 
eriten Kreuzheere erwies er fich fürderlih und 

enoß ſolches Anfehen, daß er nad) Heinrichs V. 
Zobe bei der Kaijerwahl in Torihlag fam. Den 
6. Jan. 1485 von Innocenz VIII. heilig geſpro— 
den, wird er als Yandespatron von Defterreid) 


verehrt. Dal. Jaffé, Geſchichte des deutichen Rei: 


ches unter Lothar dem Sadjjen (Berlin Er 
deſſelben Gefch. d. dtſch. Reiches unter Konrad III. 
(Hannover 1845). 

Reopoldinifches Diplom iſt der Vertrag Sie: 
benbürgend mit dem Haufe Defterreih vom 4. 
Dee. 1691, wodurd dasfelbe das Fürſtenthum 
überfam; es beftimmt namentlich, daß in Sachen 
der Religion und der Kirche der rg Rechts⸗ 
zuſtand nicht geändert werden dürfe. Das Diplom 
und ſeine Garantie beſtehen noch zu Recht. 

Lepfius, Karl Richard, ward 23. Dec. 1810 
zu Naumburg geboren, ftudirte zu Leipzig, Göt- 
tingen und Paris, ward 1833 zum Dr. ph. pro: 
movirt und ift feit 1846 Profeſſor zu Berlin. 
Einer der ausgezeichnetjten Aegyptologen. Die 
Refultate feiner Forſchungen bei der Dberleitung 
einer wiffenfhaftlihen Erpedition auf preußifche 
Koften 1842 — 1846 veröffentlichte er in „Briefen 
aus Aegypten“ (Berlin 1852) und in Denkmälern 
aus Aegypten und Aethiopien, Berlin 1849-1859, 
einem Prachtwerk in 900 Tafeln, auf f. Koſten 
gedrudt. Außerdem das Todtenbuch der Aegypter, 
Xeipzig 1842. Das ägyptiihe Königsbuch, Berlin 
1858. Chronologie der Aegypter, 1. Bd., Berlin 
1849. Reife von Theben nach der Halbinfel Si: 
nai, Berlin 1845. Seit 1864 redigirte 2. die 
von Brugſch begründete —— für ägyptiſche 
Sprache und Alterthumskunde. Wichtig — auch 
ſeine ſprachvergleichenden Forſchungen. Auf einer 
zweiten Reiſe 1866 fand er eine Inſchrift in zwei 
Spraden, hieroglyphifch und griechiſch, deren Ent: 
zifferung den Forſchungen der Aegyptologen zur 
DVeftätigung dient, 

Kepton, die Heinfte griehiihe Münze (Marc. 
12, 42; Luf, 12, 59), ein halber römijcher Qua— 
drans, 

Le Quien, Michael, der Dominicaner. S. Quien. 

Lerida, ein Bisthum in Spanien, Synoden 
bajelbft waren 528, 546, 1129, * 

9 


Lerinum 546 Letech 


Lerinum. Ein berühmtes Kloſter auf einer Inſel dern ein in ewiger Entwicklung begriffener Proceß. 
an der Hüfte der Provence, geſtiftet 410 durch Wie überhaupt der Menſch niemals die Wahrheit 
Sonoratus, einen —— —— aan ſelbſt ———— rt immer nur das ar 
übergetretenen Römer, der jpäter Bifhof von Ar: | ben nach Wahrheit, fo find für den Nathan Leſ— 
les wurde. Die Mönche lebten a een ſing's aud N poigen —A— nur * ge⸗ 
lich, theils als Anachoreten. Das Kloſter wurde ſchichtlichen Hüllen der religiöſen Vernunfiwahr— 
be Blangfohufe deö ansöftfgen Piel aus ihm | —— rise Entwietungsfufe er 
gingen hervor: Hilarius von Arles, Vincentius | Menjchheit angemefjen. Die bejte Ausgabe feiner 
Zerinenfis, Eucherius von Lyon, Valerianus von | Werke von Lachmann, 13 Bde, Berlin 1835— 
Genele, Caejartus von Arles. Unter den Rad: 1840, neue Ausg. v. Maltzahn, 12 Bde, Leipzig 
folgern des Honoratus war L. der Stützpunkt des 1855— 1857. Weber ihn Ritter, Seid. der Philo⸗ 
Semipelagianismus. Das Coneil zu Arles eri- | jophie II. p. 480. ©. Schwarz, ©. E. Leſſing als 
mirte X. von dem Bif of zu Frejus. Bei erichlaff: | Theolog, 1854. 9. Lang, religiöfe Charattere, 
ter Zucht ward im 6. Jahrhundert unter ſchweren | 1.35. Winterth. 1862. Röpe, Joh. Meldior Goeze, 
— —* m E00 De ; ri * = | 81 — — — A ag — 

. Jahrhunderts, wo ihm 37 önche unterwor: ſchrift gegen Nöpe, 1862. Dorner, Geſch. prot. 
fen geweien jein follen, wurde es von den Sara: | Theologie, München 1867. Vorzüglich ift Dilthey 
zenen zerftört. Seit 997 —*3* das Anſehen des in den „Preuß. Jahrbüchern“ von 1866. Für xef: 
Klofters wieder und —— 102) höchſte Blüthe Me — — — Mannheim 1365. 
unter Abt Adalbert (1066— 1102). 1505 wurde | D. Strauß, 2. Aufl. Verl. 1866. 

e dem freier waren ren hatte aber | ” —* — — — zu gt in 
eine alte Bedeutung verloren, rabant geboren, ftudirte in Löwen, trat in den 

Refer. S. Läfare und Hauge. SJefuitenorden 1572, lehrte zu Douay Philoſophie 

Leß, Gottfried, wurde J Jan. 1736 zu Conitz und kam nach are zweijährigen Aufenthalt in 
in Weftpreußen geboren. In Halle und Jena ge: | Rom 1585 alö Lehrer der Theologie nad) Löwen, 
bildet, wurde er a. o. Profeffor der Theologie am | al3 eben die Bajifchen Streilgteilen beigelegt wa: 
Gymnajium zu Danzig 1761, 1762 zu Göttingen, | ren. Da er pelagianifch lehrte und dem Auguftinis- 
danad) 1765 Ordinarius, Dr. theol., Confiftorial: | mus der Facultät fid) entgegenfegte, zog dieje 54 
rath und Generalfuperintendent. 7 28. Aug. 1797. | Säge aus feinen und feines Collegen Hamel Bor: 
Ein milder Vertreter der Orthodorie gegen den Ra: | lefungen aus, welche fie öffentlid) verdammte. ALS 
tionalismus, wirkte . durch jeine — —— a - ag verſchiedener —— 

logeti Schriften: Beweis der Wahrheit | der Streit größere Ausd 3 te 
—* — en 1. Aufl. 1768. Ude die | der Bapft Ay rer ——— 
Religion, 2. Aufl. 1786. Verſuch einer praltiſchen 1588, um die ſtreiligen Fragen der Entſcheidung des 
Dogmatik 1779. Chriſtliche Moral 1777. | römifchen Stuhles vorzulegen. Dieſe Entiheidung 

Leſſing, Gotthold Ephraim, wurde 22. Jan. 172% | ift nie erfolgt und Leſſius blieb in hohem een 
zu Kamenz in ber Niederlaufig geboren. er Sohn 7,5. Jan. 1623. gl. Giefeler, Kirchengeſch. IL. 
eines Predigers, bejuchte er die Fürſtenſchule zu Linſenmann, Nichael Baius, Tübingen 1867. 
Meißen und die Univerſität Leipzig 1746, wandte) Leſtines (Liptinä) ift eine fürſtliche Villa im 
fi) vom Studium der Theologie zu den igönen Hennegau, geſchichtlich bekannt durch die unter 
Wiſſenſchaften und der Philoſophie, ging 1748 | Karlmann mit dem Nejultat abgehaltene Kirchen: 
nad) Berlin und 1752 nad) Wittenberg, wo er die , verfammlung (Synode 43), daß die unter Karl 
Bagifterwürde erlangte. Seit 1760 Tr der | Martell begonnene Einziehung kirchlicher Güter, 
Alademie der Wiſſenſchaften und als Secretär welche jener ohne Rückſicht auf lirchliche Quali— 
Tauenzien s nad) Breslau übergefiedelt, fication als Lehen vergab, eine kirchliche Sanction 
e 1767 F Ton Me * | De - in —* = —— nn 

urg, war 7 und Bibliothekar zu | daß fie divisio (Theilung) genannt werden lonnte. 
Kolfenbüttel. + zu Braunſchweig 15. Febr. 1781. An | Zwar follte die Maßregel nur eine einftweilige fein 
jeine —— — — — — (ri) fen — = man: 
eines Ungenannten” (9. ©. Reimarus) 1774-1778, | henen an die Kirche zurüdfallen, da aber der 
ſchloß ſich jein literarijcher Streit mit dem Paſtor König das Recht behielt, im Fall der Noth fie 
Goeze zu Hamburg in ſeiner Schrift „Anti Goeze“ von neuem zu vergeben, jo war es eine förniliche 
a % Kr —— ea 17 ia — | re a Gutes, eng = en 

ende Abhandlung „ ziehung des Menjchen: | der Kirche, die nur einen Zins behielt. Auf Sei: 
geſchlechts.“ Zu erwähnen ijt m Herausgabe | ten des Staates war die Mafregel eine durch das 
einer von —— Wol er — für sau geforderte Nothwendigkeit, für Die Kirche _ 
verloren gehaltenen Schrift des Berengar gegen | war die Einwilligung die Bedingung der von Bo- 
Lanfranc von Tours über die Abendmahlslehre; | nifacius betriebenen befjern und geifilihen Be— 
das veligiös-philofophifche Drama: „Nathan der jegung der Bisthümer. Bol. —— Geſch. des 
Weiſe“ und Ernſt und Falk, Geſpräche über Frei: | Beneſicialweſens. rg 8.:6.1.355. Bar- 
maurerei.“ ALS tieffinniger Kritiker Juchte er den | mann, Politif der Päpſte 1., Elberfeld 1568. Bi- 
wahren veligiöfen Inhalt des Chriftenthums von | bliotheca rerum — el. Jafle. IV. Bd. 
der Autorität und den zufälligen Geſchichtswahr— (Berlin 1867). 3 den Arten der Synode finden 
heiten zu unterſcheiden und dem Menſchlichen und I noch kirchliche Beſtimmungen über Ehe und 
Sittlicyen jeine Stelle wieder zu gewinnen, faſt Achnliches, angehängt ift ihnen u. A. eine Ab- 
ſchon wie Kant und Schleiermacher in der reinen | ihwörungsformel. u . 
frommen Geſinnung eine unerjcütterliche Burg | _ Leted) iſt ein hebräifches Hohlmaß für trodene 
für Religion und Theologie erbauend. Das Chri- | Dinge, gleich! e Chomer oder 5 Bath. Val. Maaß 
ftentgum ift ihm nicht etwas Feitjtehendes, fon: | und Gewicht. 








Lettner 5 

Letiner, lectionarium, iſt das an einem er: 
höhten Plate im Presbyierium angebrachte Pult, 
von welchem aus der Diakon Evangelium und 
Epiftel vorlas, 

Letzte Oelung. S. Delung. 

Leubus, berühmte Ciſtercienſerabtei in Schle— 


ſien, wurde von Kaſimir I., König von Polen und 


Herzog von Sclefien, für die Benedictiner gt 

tet, 1175 aber von Herzog Boledlaw mit Gifter: 

5 beſetzt. 1810 wurde das Kloſter aufge— 
en. 

Leuchter. Im Heiligthum der Stiftshütte be— 
fand 2 ein großer, jiebenarmiger Leuchter aus 
feinem Golde gearbeitet. Die an den Armen be: 
findlichen Lampen wurden täglich mit feinem Del 
— und brannten vermuthlich Tag und Nacht. 

ie Beſchreibung des 2. (2. Moſ. 25, 31 — 37; 
37,17.26) wird verjchieden aufgefaßt, wahrſchein⸗ 
li wird der Leuchter des Herodianischen Tempels, 
den Joſephus bejchreibt und welcher auf dent 
Triumphbogen des Titus abgebildet ift, ihm ent= 
ſprochen haben. — In der kath. Kirche ftehen auf 
jedem Altar mindeſtens zwei Leuchter von Gold, 


Süber oder Erz, auf dem Hochaltar wenigſtens 


ſechs. Der liber pontificalis erwähnt eine Menge 
von verſchiedenen Arten. Die Koften für die Er: 
leudtung ber Handelaber waren nicht gering. 
Leusden, Johannes, berühmter holländijcher 
Hebraift. Geb. zu Utrecht den 26. April 1624, ftu: 
dirte erdort und juchtefic, 1649 in Amfterbam durch 
den Umgang gelehrter Juden im Hebräijchen zu ver: 


vollfommnen, wurde danach Profefjor zu Utrecht, | 


wo er aud) den 30. Sept. 1699 ftarb. Die meiften 
feiner Schriften beziehen ſich auf hebräiſche Gram: 
matif und Yerifologie. Außerdem machte er ſich 
verdient durch Herausgabe des hebräijchen Ter: 
teö 1617; Biblia hebraica sine punctis 1694; 
Versio septuag. interp. 1683; Novum test. grae- 
cum trajeetum 1675 und bie von ihm begonnene 
Ausgabe des ſyriſchen N. T. 

Leute, gute, wurden vom Volle die Katharer, 
Lollarden in Frankreich und England genannt. 

Leuthard, ein Schwärmer, der um 1000 unter 
dem Landvolt von Chälons sur Marne auftrat. 
In Folge angeblider Vifionen trennte er fi von 


jeiner Frau, zertrümmerte in der Kirche das Kreuz | 


und ein Bild Chrifti, verbot den Zehnten zu geben 


und belegte Alles mit Stellen der h. Schrift. Der 


Biſchof Gebuin behandelte ihn als einen Wahn: 
finnigen, und als jein Anhang fich daher verlor, 
erträntte ſich 2. in einem Brunnen. 

Levang, altrömijche Göttin, welche bie Erzie— 
bung der Kinder beſchützte. 

Levellers, d.h. Gleichmacher (niveau). Eine reli- 
giös - politifche Secte in England, welche aus den 
Independenten hervorgingund namentlich in Erom: 
well's Armee 1647 vertreten war. Im Bolitifchen 
forderte fie die Confequenz der Voltsjouneränität 


und vollkommene Gleichheit Aller vor dem Gejeg. 


Im Religiöfen die volllommenfte Gewiſſens- und 
Cultusfreiheit aud für den Einzelnen. Da aud) 
Cromwell ihren Anfidhten entgegentrat, ging aus 
ihren Kreiſen die Verſchwörung gegen ihn 1658 
bervor, melde entdedt und unterdrüdt wurde. 
Mit der Reftauration der Stuarts verjchwindet die 


Secte. Vgl. Weingarten, Revolutionskirchen Eng: | 


lands, Leipzig 1868. 
Levi war der dritte der Söhne Jakob's von der 
Lea. Das Einzige, was aus feinem Yeben erzählt 


47 


wird, die Rachethat an Sichen, meifet auf den 
ı hervortretenden Charafterzug feines Stammes ‚ein 
‚ eiferfüchtigeö Bewahren der nationalen Beſonder— 
heiten, der heimischen Sitte und Neligion, Bal. 
1.Mof. 34, 25 mit 2.Mof. 32, 26 f. Mojcs, ſelbſt 
ein Zevit, fand an feinen Stammgenofien die 
treueften und eifrigiten Bertheidiger des Geſetzes 
und der gottesdienftlichen Jnftitutionen, jo daß er 
diefelben für immer der Sorge und Obhut des 
aanzen Stammes Übergeben fonnte. Das eigent- 
‚che Briefterthum wurde dem Haufe Aarons an: 
vertraut, alle anderen damit verbundenen Ge— 
ſchäfte fielen dem fibrigen Stamme zu und wur: 
‚den unter die drei Gejchlechter Gerjon, Kahath, 
Merari vertheilt (4. Mof. 3, 22 ff.; 4,1 ff). Da 
während der Wanderung die Yeviten hauptſächlich 
das Abbrechen, Tragen, Aufitellen der Stiftähütte 
zu bejorgen hatten, jo hatte das Geſchlecht Kahath 
die Geräthe, Gerjon die Deden und Umbänge, 
Merari die Bretter, Riegel und Säulen zu be: 
ſorgen. Feder Einzelne wurde zum Dienft, nad 
‚4. Mof. 4, 3 vom 30.— 50. Jahre, nach 4. Moſ. 
ı 38, 26 vom 25.30. Jahre, nad) 1. Chron. 23, 24, 
2. Chron. 31, 17, Esra 3, 8 fogar vom 20. Jahre 
‚an verpflichtet. Daß die Ausübung der priejter: 
lichen Functionen, welche ſonſt dem Aelteften (Erſt— 
| gebornen) jedes Hauſes zugeftanden hatte, auf 
einen Stamm beihränft wurde, wird als ein gott: 
geordnetes ftellvertretendes Opfer des Stammes 
zur Löfung der in Aegypten Gott verfallenen Erjt: 
geburt dargeftellt (4. Moſ. 8, 18 ff.), der ganze 
| Stamm dem Herrn geweiht (4. Moj. 8, 5— 22). 
Zur Ernährung und Unterhaltung der Leviten, 
welche fein Erbtheil erhalten follen, wird der 
Zehnte angewiejen (4. Moſ. 18,21). Aud von der 
Kriegsbeute erhielten fie einen Theil und waren 
‚von Steuern und Laſten frei. Die urjprüngliche 
Anordnung, die Yagerung deö Stammes um das 
Heiligtum, die Vertheilung der Gejchäfte u. ſ. f. 
ift nur auf die Verhältniffe des Wüſtenzuges be— 
rechnet, und dient dazu, das ganze Voll an die 
Einheit des National : Heiligthums zu binden. 
Spätere Aenderungen waren unvermeidlih. Bei 
ber Eroberung des Yandes wurden ihnen 48 Städte 
(13 davon dem Prieftergefchlechte Narons gehörig) 
als Mohnorte angewiejen, darunter die 6 Frei 
ſtädte (für Todtfchläger) mit ihrer nächſten Umge— 
bung. Die etwa vorhandenen anderen Einwohner 
(Nethinim, Nehemia 11, 21) blieben ihrer Dienit: 
barkeit untergeordnet. Da dieje Städte nicht alle 
erobert wurden, in den Zeiten nad) Jojua der 
' Gottesdienst und damit die Zehntablieferung ver: 
fiel, jo war die Lage der Leiten oft traurig 
genug, fo daß das 5. Bud Moje 18, 6—3 fie 
wiederholt der barmherzigen Fürjorge der Wohl: 
habenden empfiehlt. Nicht. 17 u. 18 zeigt, daß bei 
allem Berfall eine hervorragende Stellung des 
Stammes nad) der gottesdienftlichen Seite aner: 
kannt blieb; daß aber die Schranke zwiſchen Prie— 
|ftern und Yeviten nicht felten durchbrochen fein 
mag, zeigt ſchon das Beitpiel Samuel’s und die von 
ihm vollzogenen Opferhandlungen. — Beider neuen 
Organijation des Cultus durd) David ward aud) 
und vornehmlid Über den Stamm Yevi eine neue 
Einrichtung getroffen. Er umfahte damals 38,000 
Mann, von diefen wurden aber, die erſte Glaffe, 
24,000 Mann ausgefondert als Gehulfen der Brie: 
ſter beim eigentlihen Tempeldienft, wo ihnen die 
niedern Geihäfte der Drdnung und Neiniaung 
85 * 


Levi 


Ni 
! 

















548 


und die Herbeifchaffung der Opferbebürfniffe zufiel. | recht, daS Recht der eingewanderten Eroberer. Die 
Eine zweite Elafje bildeten die Sänger und Mu: |lex Romana hat ihren Codex in der Auctoritas 
fiter des Gottesdienftes, die dritte die Thorwäch- | Alarici regis, d. h. einem Breviarium des Codex 
ter und aus einer vierten Glafje jegte David Rich: | Theodosianus, welches 506 zu Toulouje publicirt 
ter und Obere im Volle ein. Wie zwifchen den | wurde und das römische Necht mit den unter den 
u re ein regelmäßiger Dienjt und Wed): | veränderten Umftänden nöthig gewordenen Modi: 
fel angeordnet war, jo wurden aud) die Sänger | fitationen enthält. Walter Corp. juris germanici 


Leviathan Leyden 


und Mufifer, gleid) wie die erjte Claſſe, in 24 
Drdnungen getheilt, entſprechend den 24 Priejter: 
abtheilungen, die im Dienfte mit einander abwed): 
felten. Wejentliche Aenderungen find in der Folge: 

eit nicht eingetreten, wenn auch vielleicht, burch Die 
Notwendigkeit geboten, den Leviten mehr Antheil 
an eigentlich priefterlihen Geſchäften zugewachſen 
fein mag (2. Chr. 35, 11; 30, 16; Cs. 40, 46). 
Bei der Theitung des Reiches zogen ſich natürlich 
die meiften Zeviten nad Juda, und ſchon das 


ant. Vol. III. 

Leyczon nobla ift ein unter den Walbenjern 
viel verbreitet gemejenes Gedicht aus dem 15, 
Jahrhundert, welches den Namen von jeinen An: 
fangsworten (leyczon, lectio, Predigt) hat. Es 
enthielt eine Aufforderung zur Buße und zum 
riftlihen Leben, gejtügt auf die Geſchichte des 
A. und N. Teitaments und der Kirche; die Ber: 
folgungen der Guten durch die Böjen und die 
Strafen der legtern werden erwähnt. Dabei find 


äußerlihe Intereſſe mußte fie zu Stüßen des | die altwaldenfischen fittlihen Grundjäge ausge: 
Jahvethums machen (2. Chr. 23, 1 — 11). Aus ſprochen. Diekhoff wollte der L. ihren Urjprung 
dem Eril kehrten verhältnigmäßig weniger Levi: | unter den böhmiſchen Brüdern anmeifen. Ueber 
ten zurüd, ihre Zahl mehrte ſich erit, als unter Ne: | das Alter derjelben ſpricht aud Ebrard mit Her: 
hemia die Orbnung des Gottesdienftes und ber zog (Ztſchr. f. hift. Theol. 1864 und 1865), legte: 


theotratiſchen Einrichtungen geficherter war. Sie 
mwohnten theilö in Jeruſalem theils in Yandftäd: 
ten (Neh. 11, 15—24). Der älteren Levitenjtädte 
geichieht Feine Erwähnung mehr. Nachdem ein: 
mal der ganze Stamm zum Dienfte Jahve's ge: 
weiht, wird weder eine Weihe der Einzelnen noch 
eine befondere Kleidung im Dienfte erwähnt. Vgl. 
Graf, Zur Gef. des Stammes Levi und Merg’ 
Archiv Heft lu.2. — Die katholifche Kirche bezeich: 
net als Yeviten den Diafon und den Subdiakon, 
wenn fie dem Prieſter bei der feierlichen Meffe 
aſſiſtiren, wobei Leuchter: und Rauchfaßträger als 
Aloluthen fungiren. Die den beiden Leviten zu: 
gewiejenen Verrichtungen, welche in der Privat: 
mefje zum Theil vom Meßdiener verjehen wer: 
den müfjen, entiprechen in näherer oder fernerer 
Beziehung zum Mebopfer, dem Grade der Weihe. 

Keviathan. S. Liviathan. 

Revirats: Ehe (Schwagerehe). Wenn leibliche 
Brüder zufammenmwohnen und einer ftirbt ohne 
männlidye Erben, jo joll nad) dem moſaiſchen 
Geje der Überlebende die Wittwe heirathen und 
der ältejte Sohn diefer Verbindung den Namen 
bed Verſtorbenen im Geſchlechtsregiſter fortführen 
und fein Erbgut erhalten. Das Geſetz ruht auf 
einem alten Herfommen (1. Moſ. 38), wie es ſich 
ähnlich auch bei andern Völlern, Indern, Perjern, 
Afghanen und im ger findet, und murde 
von Wichtigkeit, um das Familienerbgut zu be: 
wahren. Die Sitte blieb in Iſrael geltend (Matth. 
22, 24 ff.). Der Schwager, welcher ſich der Er: 
—— dieſer Pflicht weigerte, mußte dies vor den 


elteſten erklären und erlitt eine Beſchimpfung, f 


die Wittwe wurde aber dadurch frei und konnte 
fi) mit einem Andern verbinden (Ruth 4,7—12). 
Nach dem Buch Ruth trat nämlich, wenn der Ver: 


ftorbene feinen Bruder hatte, der nächſte Ber: | 
von der Gewißheit der chriſtlichen Wahrheit, die 


wanbte für ihn ein. 

i Brenn das dritte Buch Moſes. S. Penta— 
euch. 

Lex barbarorum, lex Romana, Die in bie 


rer edirte jie von neuem. (Vgl. Herzog, die roma: 
niſchen Waldenfer zc., Halle 1853.) 

Leydeder, Melchior, wurde 1642 zu Middelburg 
geboren, war jeit 1679 Profeſſor der Theologie in 
Utrecht, vorher 15 Jahre Pfarrer in verjchiedenen 
Gemeinden Seelands, + 1721. Ein reformirter 

— der im apologetiſchen Sinne ſchrieb und 

gegen die Föderaltheologie des Coccejus und gegen 
Carteſius polemiſirte. Die zuſammenfaſſende Zu— 
rüdführung des reformirten Syſtems auf be 
ftimmte Principien jowie die Beleuchtung ber 
Coccejaniſchen Theologie verdienen noch immer Be: 
achtung. 

Leyden (Lugdunum Batavorum). Die Univer: 
fität ıjt geftiftet 1575 unmittelbar nad) der ruhm— 
reichen Belagerung von 1574. Gut dotirt, bejigt 
fie eine reiche Bibliothek mit vielen jeltenen Hand: 
Ihriften und ein Muſeum für Archäologie. Be 
rühmte Theologen, die hier wirlten, find: Franz 
Junius(T 1602), früher in Heidelberg und Neuftadt, 
Arminius (1603—09), Gomarus (1594— 1611), 
Drufius (F 1616), Friedrich Spanheim (1642, 
+ 1646), vorher in Genf, defjen Sohn Friedrid 
 Spanheim (1670—1701), vorher in Heidelberg, 
Coccejus (1650—69), vorher in Franeler, H. Wit: 
fius (+ 1708), Heidanus (1627 —78), Burmann 
(+ 1679 zu Utredt). Außer ihnen wirkten dort 
Sealiger (F 1609), Salmafius (7 1653), Lipſius 
(+ 1606), Voſſius (+ 1689), Erpenius (+ 1624), 
Schultens (+ 1793). Die Zeydener Schule wird in 
| der Gegenwart diejenige Richtung in der hollän- 
diſchen Theologie genannt, welche durch den Pro: 
eſſor 3. 9. Scholten (1840 in Franefer, feit 1843 
in Zeyden) und feine Schüler vertreten wird. (De 
Leer der Hervormde kerk in hare grondbegin- 
selen uit de bronnen voorgesteld en beordeeld, 
1848, 2 Aufl. 1850, 4. Aufl. 1861.) Auögebend 








fi objectiv in der Geſchichte der Kirche und der 
Gemeinde, jubjectiv in den Erfahrungen der eige: 
nen Frömmigfeit bezeugt, ftellte er die Dogmatil 





römischen Provinzen einwandernden germanijchen | unabhängig von den Kejultaten hiſtoriſcher und 
Stämme liegen dem römischen Theile der Bevöl- bibliſcher Kritik. Confeſſionell reformirt, unterſchei⸗ 
ierung mutatis mutandis ihr früheres römifches | det er zwiſchen ven Principien und den einzelnen 
Recht, lex Romana nad lateiniſchem Sprachge- Dogmen; als die Aufgabe der Wiſſenſchaft erſcheint 
braud) hieß das Recht der eingeborenen (römiſchen) | die legtere, gemäß den erjteren, zu revidiren und 
Stämme; lex barbarorum da3 eigentliche Land- | weiter zu entwideln. Die leitenden Jdeen jeined 


—_ 


Leyden 


Syſtems find theils in den Vorreden zur 2. und | 


T Ausgabe feiner Dogmatik, theils in vielen Ein: 
jelfhriften gegen die Angriffe der orthodogen Par: 
tei, da Coſta, Groen van Brinfterer, und ber 
Gröningihen Schule (Bareau), fowie gegen Dp: 
joomer entwidelt. Neben dem Anjchluß an die 
fritiichen Forſchungen Baur's und der Tübinger 
Schule, gaben am meiſten Anſtoß feine Beſtim— 
mung der Offenbarung und fein ethiicher Deter- 
minismus. Seine Dogmatik ift im Auszug mit: 
getHeilt von Nippold in Niedner's Zeitſchrift für 
bift. Theologie 1865. Sein Evangelium nad) Jo: 
bannes überjegte Dr. Manchot; feine Gefhichte 
der Religion und Philofophie, welche auch feine 
Freiheitslehre entmidelt, Dr. Redepenning, Elber: 
eld 1868; das äftefte —— ebenfalls Dr. 
Redepenning, Elberfeld 1869. Zu der Leydener 
Schule werden gerechnet Abr. Kuenen, Verfaſſer 
einer altteftamentlihen Einleitung, und Raumwen: 
hoff, beide in Leyden. 

Leyden, Johann von. S. Bodholb. 

Libanius, ein berühmter Sophift des 4. Jahr: 
hunderts, der Lehrer und Freund bes h. Baſilius 
und CHryfoftomus, wurde zu Antiochia am Drontes 
zwiſchen 314 — 316 geboren. Er bildete fid in 
Arhen als Rhetor aus und ging nad Conftanti: | 
nopel. Der Neid feiner Gegner beſchuldigte ihn | 
der Magie. 346 verwieſen, lehrte er mit vielem 
Beifall ın Nifomedien, jo daß er 351 nad) Eon: | 
ftantinopel zurüdberufen wurde. Er zog ſich aber | 
mit Erlaubniß des Cäjar Gallus (+ 354) nad) An» 
tiochia zurüd und ftarb dort 391. Da er mit 
Ideen, die er dem Ehriftenthum freilich entlehnte, 
bie Freiheit des Heidenthums vertheidigte, genoß 
er die Gunft Julian’s, der ihn zum Quäſtor madte, 
wogegen Balen3 ihn zuerft verfolgte, aber jpäter 
ihm gleichfalls feine Gunft ſchenkte. X. blieb Heide, 
aber auch gegen das Chriſtenthum tolerant. Sein 
edler Charakter war anerlannt. Im Greifenalter 
beflagte er die unaufhaltfame Zunahme bes Chri: 
ſtenthums und die Abnahme jeiner Schüler. E3 
find viele feiner Neden handſchriftlich ——— 
jür die Zeitgeſchichte enthalten fie, mehr aber noch 
feine Briefe, wichtige Bemerkungen. Die befte Aus: | 
gabe der Briefe ift von J. CE. Wolf, Amjterdam ı 
1738. Die Reden von Reiske, Altenburg 1791— | 
1797. Sein Leben ſchrieb 2. jelbjt: Ados n doyoc 
nregi rn Eavrod röyns. Bol. Sievers, das Leben | 
bes Libanius, Berlin 1868. 

Libanon, weißer Berg, jo genannt entweder von 
der Farbe des Kalfgefteind oder wahrjcheinlicher 
von dem Schnee auf den Gipfeln, ift das Gebirge 
im R. Baläftinas, deffen in der Bibel jo häufig Er: 
gethan wird (5.Moi.1,7;3,25; 11,24; | 
%oj.1,4; 9,1; Jerem. 18, 14; Jef. 35,2; Bi. 
29,5; 72,16). Das Gebirge beiteht aus zwei Ge: 
birgäfetten, dem Libanon und Antilibanon, rid): 
tiger Antilibanus; welche beide vom Hermon 
u jene von S. nad N., diefe von W. 
na .:D. jtreicht. Zwiſchen beiden liegt bie 
fruchtbare Ebene Coelejyriens (1. Matt. 10, 69; 
2. Malt. 8,8; 10, 11). Der Libanon trägt auf 
feinen höheren Kuppen (8— 10,000°) ewigen 
Schnee; feine Gehänge, die mehr fteinig als feljig 
geihildert werden, find auf der Weftjeite in Ter: | 
raffen bebaut und tragen Maulbeerbäume, Feigen 
und Weinreben, die höheren Gipfel haben nur we: 
nig Wald und bilden ein grasreiches Alpenland, 
ber öftliche Abhang ift fteiler, rauher und unfrudht: | 











549 


Liber pontifica 


barer. Beides erwähnen bie Propheten, indem fie 
die Fruchtbarkeit und den Waldreichthum des 2, 
rühmen (ef. 37, 24) und zugleich (29, 17) als 
dad Wunder der meffianifchen Zeit, feine Um— 
wandlung in Fruchtgefilve verkünden. Der Gedern: 
hain des 2. liegt beim nördlichſten und höchſten 
Gipfel, außer iöm findet fich die Ceder aber auch 
an andern Stellen deö Gebirges. Der Antilibanon 
(6800) bildet auf feinem Rüden breite, fruchtbare 
Plateaur mit Bappelmäldern beſetzt; die Abhänge 
find baumlos, der weftliche ift fteil und unfruchts 
bar, Die Bewohner des L. waren Heviter (Jof. 11, 
3; Richt, 3, 3), Gibliter (of. 13, 5); gegenwärtig 
bewohnen ihn Maroniten und Drufen, unter ihnen 
zerſtreut —— und muhammedaniſche Secten 
und Stämme. Zahlreiche, gut beſetzte Klöſter ſind 
über den ganzen L. zerjtreut. Für Salomo's Tem: 
pel wurden hier in Hiram's Gebiet die Cedern ges 
fällt, hinab ind Meer gefchleift und gen Joppe 
geflößt. Sl. Ritter, Geographie. 

Libellatiei hießen Diejenigen, welche in den 
römischen ——— en ſich von den Be— 
amten einen Schein (libellus) verſchafften, als 
hätten ſie dem kaiſerlichen Ediet, die Götzen an— 
zubeten u. ſ. w, gehorcht, oder ihren Namen in die 
Protofolle eintragen lafien (Acta facientes), oder 
auch Solde, weldye einen Schein abgaben mit dem 


unwahren Berjprechen, fie würden demnächſt opfern. 


Alle Diefe, ohne wirklich vom Chriftenthum abzutre: 
ten, verleugneten ihren Glauben vor der Welt und 
galten daher den Strengern ald Abgefallene, lapsi. 

Libelli paeis hießen die von den Confefforen 
und Märtyrern den Gefallenen auägeftellten Em: 
pfehlungsfchreiben zur Wiederaufnahme in die 
Gemeinde. E3 wurde damit viel Mißbrauch ge: 
trieben, da fie theils unvorfichtig ausgeftellt, theils 
auch untergefhoben und gefälfht wurden. Gegen 
diejelben äußert fi Tertullian und das Concil 
zu Elvira. 

Libellus paschalis hieß das Circularſchrei— 
ben des Bifchofs (zu Alerandrien) an die Gemeins 
ben, in welchem er ihnen um Epiphanien die Zeit 


des bevorjtehenden Oſterfeſtes nad) der aufgenom: 


menen Berechnung mittheilte, 

Liber diurnus Romanorum Pontiflcum 
ift eine fehr alte Sammlung von Formularen für 
die häufig vorlommenden Geſchäftsſchreiben der 
Päpſte; es zerfällt in 7 Capitel und iſt für die 


Kenntniß der Rechtsverhältniſſe des römischen 


Stuhles im 7. und 8. Jahrhundert wichtig. Da 
es noch die Formeln für die 752 vertriebenen 
Erarchen enthält und Conftantin Pogonatus (+ 
635) als verftorben erwähnt, jo fällt Fine Abfaſ⸗ 
jung zwiſchen 635 — 752. Eine Ausgabe des L. 
durch Lukas Holſtenius 1660 wurde von Rom 
unterdrückt. Später edirte denſelben der Jeſuit 
Garnerius 1630 und Ch. G. Hoffmann Lpz. 1733, 

Liber pontiflcalis de vitis Romanorum pon- 
tificam ift ein für die — ichte wichtiges 
Werk und enthält die Lebensbeſchreibung aller 
Päpſte bis auf Stephan VI., deſſen Tod (891) 
nicht mehr angegeben iſt. Früher wurde es dem 
Abte Anaſtaſius (Bibliothekar der römiſchen Kirche 
872) zugeſchrieben, allein bie Unterfuchungen feit 
Schelſtrate haben ergeben, dat ihm höchſtens bie 
Biographien einiger der legten Büpfte zuzufchreis 
ben find, der größte Theil des Buches aber älter 
ift. Als die ältefte Duelle gilt der fog. Liberia: 
niſche Bapalfatalog, welcher bis auf Liberius geht 


550 


und im 4. Jahrhundert verfaßt jein mag. Bgl. | franzöfiihen, verweigert worben war, jo wurde 
Mommfen, Abhandlungen der jähfiihen Afade: | die Ausgabe unterdrüdt, um feinen Anlaß zu 
mie der Wiſſenſchaften, Leipzig 1851. Es wird Gloſſen und Commentarien zu geben. 
die Zeit jedes Pontificats und feine Dauer nad | Liber status animarum heißt das Kirchen: 
Jahren, Monaten und Tagen durch Angabe der | buch im engeren Sinne, eine tabellariſche Zuſam— 
Sailer und der Conjulate beim Anfang und Ende | menftellung aller in einer Barochie während eines 
angegeben. — Schelstrate, Dissertatio de ant. | Jahres Gebornen, Getauften, Getrauten, Gonfir: 
Roman. pontificum catalogis Rom 1692. Hefele, | mirten ic. mit den nöthigen Bemerkungen. 
Tüb, Quartalſchr. 1845. Ein zweites in den J.p. Liberius, Bapft, 352—366, ein Römer, folgte 
aufgenommenes Verzeichniß der Päpfte, ebenfalls | auf Julius I. Im Arianiſchen Streite nahm er 
von einem unbefannten Verfaſſer, reicht bis auf | die Partei des Athanafius und wünjchte ein Con: 
Felix IV. (526-530) und wird unter ihm gejchrie: ‚ci, um den Streit beizulegen. Als aber Kaiſer 
ben fein, Aus dieſen noch fortgeführten VBerzeidy: | Conſtantius eine Synode in Arles veranſtaltet und 
nifjen, verbunden mit anderen archiviſchen Nach-⸗ | von demjelben Athanafius hatte verdammen laſſen 
richten, ift das Pontificalbud) entſtanden; es hat | und jogar die päpftlihen Gefandten zur Unter: 
daher für feine Nachrichten die Glaubwürdigkeit | fchrift des Decrets bewog, mißbilligte er dies 
feiner Quellen und enthält viel Einzelheiten über | entjhieden und verlangte ein neues Concil. 
Disciplin, Cultus und das Geſchichtliche einzelner | Die Beichlüffe der Synode von Mailand 355, in 
Stiftungen in der Stadt Rom. Eine neue Aus: | gleihem arianiſchen Sinne abgefaßt, weigerte er 
gabe nach Biandini und Vignoli (bei Rigne, tom. | ſich anzuerlennen und wurde nad) Beröa in Thra: 
128) ift in Bert’ Monumenten zu erwarten, Pertz | cien verbannt. An feiner Stelle wurde Felix zum 
fand in Neapel ein drittes Papftverzeichnib bis | Bifchof ernannt. Dem Drängen des Volks nad: 
687 reichend. Das Werk ift fortgefegt in einer | gebend, geftattete ihm zwar Conjtantius nah 2 
Geſchichte der Päpfte bis auf Gregor VIL, welche | —— die Rückkehr auch in fein Bisthum; X. 
in Dreifacher Bearbeitung vorhanden ift; dann in | mußte aber diefe Erlaubnif durch die Unterfchrift 
der Gejchichte von Gregor VII. bis auf Hono: | der dritten firmifchen Synode und eines älteren 
rius 11. (1124— 1129), welche dem Pandulphus | antiohenifhen, jemiarianifirenden Glaubensbe: 
von Piſa zugeichrieben wird. Cine dritte ort: kenntniſſes von 341, erfaufen. Ob er aud) in Die 
ſetzung find die Acta Vaticana im 12, Jahrhun: | Verdammung des Athanafius und in andere demü— 
dert. Vgl. W. Giefebreht, Kieler Monatsſchrift thigende Bedingungen gewilligt habe, hängt von 
1852. Watterih, Vitae Romanorum Pontificum, | der beftrittenen Echtheit des Briefwechjels mit 
Leipzig 1562. F. Piper, Einleitung in die monu: | Athanaſius ab. Einer Gejandticaft der Mace: 
mentale Theologie, Gotha 1867. Barmann, die | donianer jtellte er als Bedingung einer Glaubens: 
Politit der Päpfte, Elberfeld 1868. de Rossi, | union die Unterjchrift der Nicänifhen Formel 
Roma sotteranea 1557, und die Unterwerfung unter den römischen Stuhl. 
Liber sextus und septimus, Nad der gro: Er wird als Heiliger der römiſchen Kirche (Ge: 
ben Deeretalenfanımlung Gregor's IX.(1234) ſam- dächtnißtag: 27. Auguft) und der griechiſchen 
melte Innocenz IV. (1243 — 1254) die Decrete | (23. September) gefeiert. 
des eriten Lyoner Concils 1245 mit einigen feiner |  Xibertiner, welche nach Apftg. 6, 9 eine eigene 
Decretalen; Gregor X. (1271— 1276) verlündigte Synagoge in Jerujalem hatten, waren Juden, die 
die Beſchlüſſe des zweiten Yyoner Concils 1274, als Kriegsgefangene nad Rom geführt, dort wie: 
und Nikolaus IV. publicirte fünf Decretalen Ni: der freigelaffen und nad) Jeruſalem zurüdgetchrt 
fofaus’ ILL. (1277— 1280). Da dieſe verſchiedenen waren. 
Deeretalen nicht, wie beabfichtigt, an die betref: | Xibertiner ift der Gejammtname der Gegner 
fenden Stellen der groben Sammlung eingeichal: | Galvin’s in Genf. In denjelben hatte fi eine po: 
tet waren, jo ließ Bonifaz VIII. durch drei ge: litiſche Partei mit einer religiöfen Dentweife ver: 
lehrte Prälaten und den Xegiften Dinus eine | bunden. Jene beftand aus altgenfer Familien, 


Liber sextus Libertiner 





Sammlung ſämmtlicher Decretalen ſeit Gregor IX. 
veranſtalten, welche genau wie die große Samm— 
lung eingetheilt als Anhang zu derſelben als ſech— 
ſtes Buch publicirt wurde 1298. Citirt wird die 
Sammlung wie die Decretalen mit Zufügung 
sext. oder ın VI. oder 6°. — L. septimus ift eine 
Brivatarbeit des Petrus Matthäus von Lyon am 
Ende des 16, Jahrhunderts, welche die Decreta: 
fen von Gregor Al. bis auf Sixtus V. umfaßt, 
welche nicht ins corpus can. aufgenommen waren. 


welche das ariftofratifche Regiment des Calvi: 
ınismus, die Macht des Conjiftoriums und der 
Einfluß der vielen Fremdlinge erbitterte, und 
welche von den früheren freiern Sitten nicht laſſen 
mochten. Hier berührten fie fih mit den prafti- 
ſchen Gonjequenzen des religiöfen Libertinismus, 
den nad) Calvin ein Goppin von Lille um 1529 zu 
verbreiten angefangen hatte, und welcher durch 
‚ Duintin aus Dennegau, Bertrand und Pocquet 
nad) Frankreich verpflangt und am Hofe zu Nerac 








Obgleich in die Gefammtausgaben des römiſchen durch Margarethe von Navarra geſchüßt, auch jei: 
Gejebbuches gemeiniglih aufgenonmen, hat die | nen Weg nad) Genf gefunden hatte. Der Grund: 
Sammlung doch durchaus feine Autorität. Nicht | gedanfe des Syftems war ein pantheiftifcher, es 
zu verwechjeln iſt der liber septimus, die Arbeit | gebe nur Einen Geift, ben Geift Gottes, ber in 

lem gleihermaßen lebe, jo daß Alles, was ge: 


einer Commiſſion von Gardinälen, welde Gre: | ( 
gor XIII. und Sirtus V. beauftragten, eine offi- fchieht, Gottes Werk fei. Sünde ift daher nichts 


eielle Sammlung der neueren päpitlichen Conſti— 
tutionenzuverenftalten. Weil in diefe Samınlung 
auch die Tridentinischen Beichlüffe aufgenommen 
waren, deren Auslegung dem päpitlihen Stuhle 
- vorbehalten (durch Pius IV, 1564) und deren An 


f 

— ſondern ein Wahn und die falſche Vor— 
ſtellung von einer Scheidung und Getrenntſein 
von Gott. Sie kleideten ihre Lehre in die Worte 
der willkürlich gedeuteten Schrift, Chriſtus hatte 
ihnen eine fymbolischtypifche Bedeutung. Natur: 





nahme in einzelnen Landestichen, 3. B. in der gemäß lief die Lehre in die Emancipation bes 


Libna 


eiſches aus; den Uebergang bildete auch hier die 

ehre von der geiſtigen Ehe. Die unſittlichen 
Grundſätze ſind in dem Proceſſe der Benoite 
Ameaur als Begründung ihrer Ausſchweifungen 
offen ausgejprohen, ebenfo in dem des Jakob 
Gruet, der 1557 wegen Jrreligiofität hingerichtet 
wurde. Calvin fchrieb gegen die Yibertiner 1544 
und ebenfo 1547 Farel. Ihren Widerftand gegen 
die Kirchenzucht beficgte Calvin’s Standhaftigkeit 
in dem Falle Berthelier's. Gänzlich unterdrüdt 
wurden fie nad) dem Aufruhr 1555, in welchem 
Galvin’s Ermordung beabfihtigt war. Aud) aus 
Frankreich verfhwand diefer Lıbertinismus, um 
in Belgien in anderer Weife wieder zum Borfchein 
zu fommen. 

Libna, zu Eufebius’ Zeiten Libona, eine Prie: 
fter: und Freiftadt in der Ebene Juda, of. 21, 
13; 15, 42, fiel unter Joram vom Reiche ab, 2. 
Kön. 8, 12, wurde von Sanherib belagert, 2. Kön. 
19, 8, und fam danad) wieder an Juda. 

Liborius, der Heilige, vierter Biſchof von Mans 
in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts, 
Aus feinem Leben ift nicht befannt als der Ruf 
feiner Frömmigkeit und feine Freundſchaft mit 
dem heil. Martin aus Tours. Seine Gebeine wur: 
ven aber 836 nach Paderborn übertragen, damit 
die Sachſen aud; Reliquien hätten. Ueber dieje 
Tranälocirung ijt ein auf Befehl des Biſchofs Biſo 
von Paderborn verfahter Bericht vorhanden. Vgl. 
Potthast, Bibliotheca historica medii aevi, Ber: 
lin 1862—63. 

Libri Carolini. S. Karoliniſche Büdyer. 

Libyen (Aı3de) ift das Land weſtlich von Aegyp: 


551 


Lichtfreunde 


auch die Menſchheit in die beiden Hälften theilt, 
Kinder des Lichtes und Kinder der Finſterniß, je 
nachdem ſie ſich durch den Glauben an Chriſtus, 
das Licht der Welt, angezogen fühlen oder nicht 
(ob. 12, 36; 1. Joh. 2, 9), die Waffen des Lich: 
te8 oder die Waffen der Finfterniß führen. 
Lichte. Die katholische Meſſe darf nicht begon: 
nen werden, bis die Lichte auf dem Altare bren: 
nen. Diefelben follen von Wachs und weiher Farbe 
fein ; gelbe find nur dann geftattet, wenn ſchwarze 
oder violette Paramente gebraucht werden. Die 
Lichte werden auf Lichtmeß geweiht. Dasjenige 
Licht, welches zur Rechten Defien getragen wird, 
der im Pontificalamte dem Biſchof das Buch vor: 
hält, heißt bugia. Symboliſch bedeutet im griechi— 
chen Eultus die Zufammenftellung von zwei Lid: 
ten die beiden Naturen Chrifti, von dreien die 
Dreieinigfeit. 
Lichtfreunde oder proteftantifhe Freunde, Die 
lihtfreundliche Bewegung in den vierziger Jahren 
unjeres Jahrhunderts ging hervor aus der Furcht 
des alten ſächſiſchen Nationalismus vor der Unter: 
drüdfung FW eine neuerwachte Orthodoxie, welche 
dur die Maßregeln bes preußiſchen Kirchenregi— 
mentes gehegt und gefördert zu werden jchien. Sie 
wurde auf eine abſchüſſige Bahn gelenkt durch die 
tactlofen Leber: und Angriffe der Gegner und eine 
ſich mit ihr verbindende politifche Oppofition, und 
\ ging, als fie in den freien Gemeinden zur Ruhe ge: 

fommen war, durch den Mangel einer religiöjen 
| Begeifterung unter. Um zu zeigen, daß eö mit dem 
| Nationalismus nod) nicht aus fei, trat in Gnadau 
' 184 1einerationaliftifche Baftoralconferenz auf; bei 


ten an der Norofüfte Afrifas, Xibyer der Gefammt: | den folgenden Berfammlungen (Halle 1841, Leipzig 
name der dort wohnenden Völkerſtämme. Sie | und Köthen 1842) wurden auch Laien zugelafien 
werden als Hülfstruppen im ägyptiſchen Deere er: | und ein literarifches Organ „Blätter für —— 
wähnt 2. Chron. 14, 9; 16,8; Dan. 11, 43. Im | Erbauung“ von proteſtantiſchen Freunden beſchloſ⸗ 
Neuen Teitamente wird Libyen nur einmal in der | fen unter der Redaction des Führers der Sad, 
Apſtg. genannt. des Baftors Uhlich zu Pömmelte bei Calbe. Ein 
icentiat, der Inhaber des zweiten Grades (1. | Bortrag des Predigers Wislicenus zu Halle auf 
Grade) afademifcher Würde in der theologischen | der 6. VBerfammlung 1844 in Köthen „Ob Schrift, 
Facultät, welcher die Berechtigung (licentia) ver | ob Geift”, der die Autorität der Schrift verwarf, 
leiht, fih um den akademiſchen Doctorgrad rn be: | wurde Anlaß eines gehäffigen Angriffs in der 
werben. Rad) dem Jenaer Statut darf der Licen: | evangelifchen Kirchenzeitung und des Einfchreitens 
tiat alle Collegien mit Ausnahme von Dogmatik | der Behörden. Die Protejte der orthodoren Geiſt— 
und Moral lejen, welche dem Doctor allein vor: lichkeit gegen Wislicenus und jeine Freunde riefen 
behalten find. eine ebento energiſche Proteſtbewegung auf der 
Licht. Als Bild in der Sprache der Bibel fehr | Gegenfeite hervor, und die verföhnliche, aber ver: 
häufig gebraucht, und zwar jomohl zur Bezeihnung gebliche Erklärung der Schüler Schleiermader's 
des Sleinften (Bf. 104, 2; 1. Tim. 6, 16), als na: |am 15. Auguft 1846, die Biſchöfe Dräfete und 


mentlich im Alten Teftamente zur Bezeichnung des 
Troftes, der Rettung aus einem unheimlichen Hu: 
ftand (Bf. 27, 1; Mid. 7,8); dann aber fpeciell 
als Bild der aufgehenden Erlöfung (Jeſ. 9, 2; 49, 


6; Luf. 2, 32 u. ö.). Zu einem ſcharf begrenzten | 


Eylert an ihrer Spite. Zu den proteftantifchen 
Freunden hatten fi in Halle die Junghegelianer 
gefellt mit verjchiedener, nur in dem Gegenſatz ge: 
' gen Orthodorie und Kirchenregiment übereinttim: 
mender Tendenz; es ſympathiſirte mit ihnen der 





Bearifie erhebt fi) der Ausdrud bei Johannes. | bürgerliche Liberalismus. Als Wislicenus wegen 
Das Licht ir ihm jenes große Princip, welches in ) jener Schrift „Ob Schrift, ob Geiſt“ des Amtes 
Gott feinen Urfprung genommen, durch Chriftus entſetzt war, bildete fich aus feinen Anhängern, die 
in die Welt eingeführt, im Chriftenthbum wirkſam | mit ihm aus der Landeskirche auätraten, in Halle 
ift; wie das Wejen Gottes jelbft Licht ift (1. Joh. | eine freie Gemeinde als freier fittlicher Verein mit 
1, 5), jo fann die Wirkung, die von ihm ausgeht, | Hinweglaffung eines jeden religiöjen Dogmas. Es 
auch nur Licht fein; folglich fannn auch der Logos, | folgte die Bildung einer freien Gemeinde in Nord: 
dieſe Einheit ver Wirkungen Gottes, nur ein Scheiz | haufen unter dem Prediger Balter, von Delikic), 
nen des Lichtes in die Finſterniß fein, meld) leg: | den das Confijtorium wegen Nichtgebrauchs des 
tere die charakteriftiiche Eigenfchaft der von Gott | Apoftolicums in Nordhaufen nicht beftätigen 
und der Wahrheit verlafienen Welt ift (Job. 1,5. wollte. Auch in Halberjtadt, Marburg, Hamburg, 
9). Das Leben Ehrifti, des Lichtes der Welt (Joh. | Fürth, Offenbach und andern Orten bildeten ſich 
8, 12), ift ein Kampf diefes Princips mit dem | freie Gemeinden, und als Uhfich in Magdeburg 
Principe der Finſterniß (Job. 1, 5), weßhalb ſich juspendirt und mit Abjegung bedroht war, trat 





Lichtmeſſe 552 Liebe 


auch dort unter dem letztern eine Gemeinde aus raliſche Geſammtperſönlichkeit von relativ voll- 
der Landesfirche aus. Vorher noch war es 1845 | fommener Fähigkeit zur Erfüllung der fittliden 
in Königsberg durch ben Divifionöprediger Rupp, Aufgabe darftellen. Die Grundbedingung diefer 
ver gegen das Athanafianum geprebigt hatte, | fittlihen Gemeinfchaft befteht nun aber darin, dat 
zur Bildung einer freien Gemeinde, aber mit et: | die Einzelweſen nicht bloß durch die Natur Der 
was verfhiedener Tendenz gefommen, da dieje fih | Sache gedrängt wg gegenjell er Ergänzung 
weder von der Geſammtkirche noch von der Schrift | aneinander anſchließen, ſondern * auch in einem 


losſagen wollte, ſich vom politiſchen Gebiete ganz | jeden der die 


fern hielt, aber jocialiftifhe und humanitariſche 


emeinfchaft bildenden Individuen 
dad Bewußtfein der Zufammengehörigleit, Des 
gemeinjamen Zwedes und der gegenfeitigen Er: 


Ideen ind Leben zu jegen ſuchte. Ob dieje Gemeinde | T 
als auf evangelifchschriftlichem Boden ftehend an: Hänzung vorhanden fei. Diejes Vewußtſein ift 
zufehen fei, wurde eine viel erörterte Streitfrage, | nun im allgemeinften Sinne die Liebe. Die Grund: 
al3 Rupp zur Hauptverfammlung bed Guftav: | lage, auf welcher fich die Liebe bildet, ift alfo Die, 
Adolf: Vereins deputirt worden war. Das Tole: | wenn auch unbewußte Anerkennung ber Thatiache, 


tanzpatent vom 30. März 1847, weldjes die bür: 
gerlihen Rechte unabhängig machte von den reli: 
giöjen Acten der anerkannten Kircchengejellfchaften, 
regelte zwar die Verhältniffe diefer Gemeinden in 
Preußen und gewährte ihnen ein gewiffes Maß 
von Freiheit; als aber 1848 ſich hier wie bei den 
Deutichkatholifen die Führer meiftens tief in die 
politiihen Bewegungen einließen, behandelte die 
Reaction die Gemeinden al3 politiiche Vereine; 
ein Urtheil des Obertribunalö 1856 Löfte fie im 
Grunde auf und erft 1859 wurden bie inhibiren: 
den Maßregeln — größten Theile wieder ſiſtirt, 
ohne daß allen Beſchwerden abgeholfen wäre. Nur 
einzelne der 1845 entſtandenen Gemeinden friſten 
nod) ein fünmerliches ae Val. Zichiefche, die 
protejtantifchen Freunde. Eine Selbſtkritik, 1846; 
Kampe, Geſchichte der religiöfen Bewegung der 
neuen Zeit, 3 Thle., 1853—56 ; Nippold, Kirchen: 
geich., 2. Aufl. Efberfeld 1868. 

Kichtmeffe, Mariä Lichtmeh, festum Candela- 
rum, festum Symeonis. In der römischen Feier 
des Tages vereinigen ſich das Gedächtniß der Rei: 
nigung der Maria (40, Tag nad) Weihnachten) 
und die Erinnerung an Symeon und feinen Lob: 
gefang bei der Darjtellung Jefu im Tempel; da: 
her aud) festum obviationis, Unererry. Die Feier 
ftammt aus dem Oriente, wo fie ſchon vor der An— 
ordnung des Kaifers Juftinus in Antiochien 526 
begangen worden fein muß; in Rom foll jie durch 
Papft Gelafius 494 eingeführt worden fein. Das 
Eigenthümliche derjelben, die Umzüge des Volkes 
und des Klerus mit brennenden Lichtern, die an 
der geweihten Kerze angezlindet werden, und die 
Segnung ber zum gottesbienftlichen Gebraud) be: 
ftimmten Slerzen (feit dem 11. Jahrhundert), wird 
zwar bezogen auf Luk. 2, 32, bat aber feinen Ur: 
ſprung * in den Gebräuchen des in den Ta— 
gen des ſcheidenden Jahres bei Römern und Grie— 
hen (auch Perfern und Nordbländern) üblichen 
Naturfeftes, bei welchem Fadeln und Lichte ge: 
tragen wurden (vgl. Jakob a Voragine). Die Iu: 
therifche Kirche behielt das Feſt anfangs als 
Reinigung Mariä und Darftellung Jeſu bet. 

Liebe. Lieben ag ſich jelbft mittheilen an ein 
anderes Ich, jo daß das eigene fi) im anderen 
wiederfindet. Die Liebe gilt im Chriftenthum als 
Wefensbezeihnung ber Gottheit wie der Menſch— 
heit, und ift zu den vier antilen Cardinaltugenden 


daß wir als einzelne Menſchen außer Stand find, 
unjern Lebenszweck zu erreichen, da wir dazu der 
Gemeinſchaft mit andern bedürfen; auf dieſer 
Grundlage bildet ſich die Liebe, indem zu jener 
Ergänzungäbebürftigkeit das Bewußtſein tritt, daß 
gerade biete Perſon und feine andere es ift, mit 
welcher zujammen wir eine Gemeinjchaft mit dem 
Charakter einer einheitlichen moralijchen fon 
‚bilden. Da eine wahre Gemeinſchaft nur da be— 
| fteht, wo eine wirkliche Ergänzung des Einen durch 
den Andern Statt findet, jo wird aud) die Yiebe 
nicht zwei zufällig zufammentreffende Perſonen, 
ſondern nur ſolche Berfonen verbinden, deren In— 
dividualitätöverichiebenheit eine Ergänzung durch 
Gemeinſchaft ermöglicht oder fordert. Nur das 
| Bewußtjein einer vorhandenen Ergänzungsfähig- 
keit erzeugt die Liebe, und das Band derjelben löſt 
I auf, fobald jene nicht mehr vorhanden ift oder 
ſobald ſich eine Täufhung herausftellt. Die Liebe 
iſt ſowohl Gefühl ald Begehren. Als Gefühl ift fie 
theils ein Gefühl der Nichtbefriedigung und Sehn: 
fucht, überall da, wo der als Bedürfniß empfun: 
‚dene Vollzug der Gemeinschaft ganz oder theilweife 
nod) fehlt ; theils ein Gefühl des Genufjes von der 
vollzogenen Gemeinſchaft, weldes jhon dann ein: 
tritt, wenn die Gemeinſchaft nur eine ideelle ift, 
d. h eine ibeelle Aufnahme des Andern oder viel: 
mehr feines von und als uns jelbjt ergänzend em: 
pfundenen Bildes in unfer Gemüthsleben, welches 
aber defto intenfiver wird, je mehr die Gemein: 
ſchaft auch eine wirkliche, auf gegenfeitigem praf: 
tiſchen Austauſch der Jndividualitäten berubende 
ift, Das Begehren der Liebe ift die andere Seite 
bed erjtgenannten Gefühles, indem diejes von 
‚einer lebhaft fi äußernden Richtung des Triebes 
nad) immer volllommenerem und alljeitigerem 
Vollzuge der Gemeinichaft, die uns eine fubjective 
Nothwendigkeit geworden tft, begleitet wird. Die 
Gemeinſchaft der Liebe befteht darin, daß man fich 
ald eine reg. erion fühlt mit dem Andern, 
daß des legteren Zuftände, freude und Leid, em: 
 pfunden werben als eigene und daß ber Trieb na 
Vollkommenheit, der In uns ift, fich zugleich u 
als ein Trieb nach der Bolltommenheit des Andern 
rg ge weßhalb die Liebe zum Nächſten eine 
Liebe ijt als „zu ung ſelbſt“. — Die wahre Liebe ift 
ein Erzeugniß fittliher Selbftbeftimmung, fie be: 
‚ruht auf der Ueberwindung ihres Gegentheils, der 








mit Glaube und Hoffnung als die höchſte „theolo- | der menſchlichen Natur anhaftenden Selbſtſucht. 
giſche“ Tugend hinzugefügt worden. ı Indem der Selbftfüchtige feine eigene Berfon als 
Die einfeitig mangelhafte Beichaffenheit des | Selbftzwed des Lebens fest, ift.er unfähig, eine 
menſchlichen — fordert zum Zwecke der | wahrhafte Gemeinschaft einzugehen, weil dazu die 
Erfüllung der fittlihen Aufgabe nothwendig die | Anerfennung des der Gemeinſchaft einwohnenden 
Gemeinfhaft (ſ. d. Art.), in welcher die Indivi- höheren Lebenszweckes und die völlige Unterord: 
duen fid) gegenfeitig ergänzend gleichſam eine mo: Inung unjeres perſönlichen Lebenäzwedes unter 


Liebermann 


biejen gehört. Die Liebe iſt Hingabe unferes Selbit, 
und fieht in biefer Hingabe an Andere die Erfül- 
lung des Lebenszweckes, während die Selbitfucht 
umgefehrt fid) jelbjt zum Mittelpunkt jet und vom 
Andern Hingabe an uns feldft verlangt. Wahre 
Liebe ift Daher nur denkbar auf einer höhern Stufe 
fittlicher Entwidlung; und Alles, was außerhalb 
der jittlihen Selbitbeftimmung mit dem Namen 
Liebe bezeichnet wird, ift nur ein Schein von Liebe 
mit äußerlier Aehnlichkeit, wie 3. B. die rohen, 
unethifirten Aeußerungen des Gejchlechtstriebes. 
Die Liebe ift ihrem pſychologiſchen Charakter nad 
theils Wohlgefallen, theils Wohlwollen, d. b. theils 
ein ——. des Andern ind Gemüthöleben, 
theild ein Wollen deö Guten für denfelben ; ihren 
Wirkungen nad) ift jie einerfeitö geben, anderjeits 
empfangen, wobei aber letzteres, wie Fenelon im 
Streit mit Boffuet über l'amour desinteresse ver: 
focht, niemals ald Motiv der Liebe erfcheinen darf, 
wenn fie eine lautere bleiben foll; nach den Per: 
ſonen, welche ſich die Liebe als Object ausmählt, 
ift fie —* eine allgemeine Menſchenliebe, theils 
eine beſondere Liebe (Geſchlechtsliebe, Eltern: und 
Kindesliebe, Freundfchaft u. f. w.). Die allgemeine 
Menſchenliebe beruht auf der Achtung vor dem 
Menſchen als folhem und auf dem Bewußtſein, 
mit dem Nebenmenſchen Glied eines Ganzen zu fein. 
Sie ift ſelbſtſuchtsloſe Hingabe an das Ganze der 
Menfchheit, welche überall da zum praftifchen Aus: 
drud fommt, wo wir mit einem Öliede Dielen San: 
zen wenn auch nur in vorübergehende Gemeinſchaft 
treten (Luk. 10,29 ff.), und äußert fich in den ver: 
ſchiedenſten Formen, als Barmherzigkeit, Güte, 
Freundlichkeit, Sanfmuth, Friedfertigteit, Berföhn: 
lichkeit u. |. w. Die erhabenfte Form derjelben, der 
Zriumph der hriftlichen Liebe, tft die Feindesliebe, 
deren Wejen ernfthaftes Suden nad Uebermwin: 
dung des feindfeligen Hafjes und eine ftete Bereit: 
heit zur Bergebung und Verföhnung ift (Matth. 
5, 44). Je enger der Kreis ift, den das Band der 
Liebe ſchließt, deſto intenfiver ift fie. Die Liebe zu 
Gott beruht auf denfelben pfychologiſchen Geſetzen 
wie die Nächſtenliebe. Auch fie beſieht einerjeits 
in der Aufnahme des Unendlichen durch die Andacht 
ins Gemüthöleben, anderjeits in freudiger Selbit: 
bingabe an Gott und feinen Willen. 
reinjte Form der Gemeinfhaft mit Gott. Da Got: 
tes⸗ und Menſchenliebe im Grunde eins find, da 
in beiden die Fähigkeit der Selbfthingabe den we: 
jentlihen Kern bildet, fo ift die Einheit der beiden 
von Ehriftus felbft als das eigentliche Weſen des 
Chriſtenthums bezeichnet (Matth. 22, 37—10). 
Dal. den Hymnus der Liebe 1. Kor. 13. Weber bie 
Liebe Gottes vgl. Eigenihaften Gottes. Vgl. na: 
mentlid Rothe, Ethik, 2. Aufl., Bd. I, S. 500— 
537 , Sartorius, die Lehre von der heiligen Liebe, 
4. Aufl. 1861. j 

Liebermann, Franz Leopold Bruno, Dr. theol., 
Generalvicar des Bisthums Straßburg. Geboren 
zu Molsheim bei Straßburg am 12. October 1759, 
abfolvirte er das Jefuitencollegium feiner Vater: 
ftabt und das Seminar zu Straßburg. Zum Di: 
rector des Seminars ernannt 1784, übernahm er 
1789 die Pfarrei Ernolsheim. Weil er den Eid der 
Civilconftitution verweigerte, mußte er 1793 flüd): 
ten, ward Regens des Seminars zu Allerheiligen 
und bejuchte 1795 als bijhöfliher Commiſſär 
heimlich und verkleidet feine Gemeinde. 1801—03 
fungirte er in Straßburg ald Münfterprediger und 


553 


ie ift die | lo 


Liefland 


| Secretär des Biſchofs. Der Theilnahme an einer 
‚royaliftifchen Verſchwörung verdächtig 1804, hatte 
er eine achtmonatliche Haft in St. Delogie zu be: 
jtehen, und war danach Regens des Seminars zu 
Mainz, von wo er 1823 als Generalvicar nad) 
Straßburg ging. Das ihm angetragene Bisthum 
Met hatte er auögefchlagen. + 1844. Sein Haupt: 
verdienst hat er fih um die Bildung des Klerus 
erworben. Die Institutiones theol. dogm., 5 Bbe,, 
1819, find feine Hauptſchrift; Instit. jur. can. find 
nicht gedrudt. 

Liebesmahl (f. Agave), die urfprüngliche Art, 
das Gedächtnißmahl Jeſu Chrifti nad feiner Ein: 


jegung zu feiern. Ziebesmahle fanden anfangs 
täglih Statt und ein Jeder brachte dazu feinen 
Beitrag. Allmählich löfte fih im 2. Jahrhundert 

bendmahls: 


davon die —— facramentale 
feier. Die Liebesmahle verloren fich bei dem Wachs— 
thum der Gemeinde, ja fie murden in Folge der 
damit ſich verbindenden Unordnungen verboten 
durch dad Concil zu Laodicea 363, durd Ambro: 
ſius in der Kirche zu Mailand 336, durch das Con: 
eil zu Hippo (Auguftinus) 395, zu Orleans 536, 
zu Gonjtantinopel 692. Secten und Separatijten 
find manchmal auf dieſe urfprüngliche Feier zurüd: 

egangen, ohne gleiche Folgen vermieden zu haben. 
Die Brüdergemeinden haben diefe Liebesmahle 
erneuert. 

Liebner, —— Albert, wurde 1806 zu Schkö: 
len bei Naumburg geboren. Nach vollendeten Stu: 
dien wurde er 1832 Prediger zu Kreisfeld, 1835 
— —— zu Göttingen, 1844 zu Kiel, 1851 zu 

eipzig, wo er 1853 zugleich * Univerſitäts⸗ 
prediger und Director des homiletiſchen Seminars 
wurde; 1855 Oberhofprediger, geh. Kirchenrath 
und Eonfiftorial:Vicepräfident zu Dresden. Er 
gab heraus: Hugo von St. Victor und die theolo: 

iſchen Richtungen feiner Zeit, Leipzig 1832. In 
—— dogmatiſchen Hauptwerke, „chriſtliche Dog⸗ 
matif aus dem chriſtologiſchen Princip dargeftellt”, 
1. 8b. 1849, vertritt er die von Thomafius anges 
regte dee, der Selbitentäußerung des Logos. 
Außerdem Predigten, 2 Bde., Gött. 1841 und 61. 
Seit 1856 ift er mit Dorner und Ehrenfeuchter 
Herausgeber der Jahrbücher für deutſche Theo: 


gie. 
Lied, geiftliched. S. Kirchenlied und Gefang. 
Liefland (Livland, Lievland). Das ChriftenthHum 
folgte in Ziefland der Niederlaffung der Bremifchen 
Kaufleute in Riga um 1180. Der erfte in —* 
Gefolge auftretende Miſſionär, der Auguſtiner 
Meinhard 1186, erbaute die erſte Kirche zu Uexküll 
an der Düna und ward 1191 als Biſchof der Kirche 
in Liefland geweiht. Sein Nadjfolger, der Abt 
Berthold aus Loccum, verſuchte die Mängel der 
Ueberzeugungsfraft durh Waffengewalt auszu: 
füllen und fiel 1198 in einer fiegreihen Schlacht 
feines Kreuzheeres. Biſchof Albert von Apeldern 
‚gründete um 1200 Riga und brach den Wider: 
* der Liefländer gegen das ihnen gewaltſam 
aufgedrungene Chriſtenthum durch ſeine Stiftun 
des Schwertordens 1202. Nach ſeinem Tode 122 
wurde das Bisthum Riga vom bisherigen Metro: 
politanverbande mit Bremen gelöft und 1246 zum 
felbftändigen Erzbistum erhoben. Die Vereini— 
aung bed Schwertordens mit dem deutſchen Orden 
fiherte wohl die Unterwerfung und Chriftianifi- 
rung Lieflands, hatte aber für das Bisthum dau— 
ernde Kämpfe mit dem Orden zur Folge, die ben 


Liegnitz 


554 


Verfall der Kirche beſchleunigten. Der Heermeiſter 
Walter von Plettenberg 1494 — 1531 trat der 


Liga 


in Fürftenthum Liegnig die Reformation ein, und 
bediente fic) dabei des Kaspar Schwentfeldt als 


Reformation bei und verwandelte Liefland in ein , Rathgebers. Durch deſſen Freund Fabian Edel ent: 


mweltlihes Herzogthum unter polnischer Hoheit. 
Der Herb der ——— war Riga, wo der 
Huſſit Rilolaus Ruß aus Roſtock 1511—16 vor: 
bereitend gewirkt hatte; 1521 fam Andreas Knöp— 
fen aus Treptow und 1522 Silvefter Tegetmeier 
aus Hamburg, welche der Rath wider Willen des 
Erzbiſchofs zu Predigern ernannte. In Wolmar 
und Dorpat wirkte Melhior Hoffmann in ftürmi: 
ſcher Art, jo daß er, auch von evangeliſch Sefinnten 
angegriffen, Liefland verlaflen mußte (1524 und 
1526). Luthers Ermahnungsſchreiben an die Chri- 
ſten in Riga, Reval und Dorpat 1523 zeugt für 
den Foriſchritt der Reformation, die bis 1562 den 
Katholicismus gänzlich verdrängt hatte, J. Bries: 
mann (1527—31), nad) Riga aus Königsberg be: 
rufen, entwarf die. Agende 1530. Die Kirchenord: 
nung für Nepal erjchten 1561, machte aber 1572 
der kurländiſchen Platz. Der eſthniſche Katechismus 
und das liefländifche Geſangbuch des Matthias 
Knöpfen find von demjelben Jahre. Die völlige 
Untenverjung unter Boien feit 1558 wurde bald 
von den Jeſuiten benugt, um gegen die Verträge 
ven Protejtantismus zu unterdrüden ; die ſchwe— 
diſche Herrichaft gab dieſem dagegen wieder Frei: 
heit und eine neue Stüße durd die 1632 von Su: 
ſtav Adolf geftiftete (1700 wieder aufgehobene) 
Univerfität Dorpat. Eine neue Kirchenordnun 
wurde 1632 gegeben, 1633 eine neue Agende, un 
bie Bibel ing Lettifche und Eſthniſche übertragen. 
Im 18. Jahrhundert verfiel das chriftliche Leben 
bei fortdauernder Kirchlichkeit namentlich auch da: 
durch, dab die meift aus der Fremde ftammenden 
deutjchen Prediger der lettiihen Landesiprade 
nicht mächtig waren, jo daß Predigten nur vorge: 
leſen werden fonnten. Ergänzend ftand neben ber 
Kirche die Wirkfamfeit der Herrnhuter, die auch 
nad) dem Verbot ihrer Verſammlungen 1743 ihre 
Thätigfeit nicht ganz einftellten, 1764 fie vorzugs— 
weife in Liefland wieder aufnahmen und feit 1817 
mit hejonderem Erfolge wirkten, fo daf ihre Dia: 
fpora förmlich aus der Iutherifhen Kirche auszu: 
ſcheiden begann, die daher jeit 1834 einen entichiede: 
nenKampfgegen die Herrnhuter begann, in weldem 
fie auf ihre im Frieden zu Nyftädt ihr garantirten 
Privilegien ſich berief und von der Negierung un: 
terjtügt wurde, Dagegen wurden dieſe Privilegien 
von der orthodoren Staatöfirche nicht geachtet, 
welche jeit 1841 durch Emiffäre ihre Brofelyten: 
macherei unter den Yetten begann und 1845 durd) 
Beriprehungen, Zwang u. dal. Taufende von Yet: 
ten und Efthen zum Uebertritt bemog. Das ftaat: 
liche Verbot des Rücktritts und das Geſetz über die 
Kindererziehung aus gemiſchten Ehen nach der 
Kirchenverfaſſung 1832 drückte mit Härte; noch 
1863 mußte Biſchof Walther, der die Rechte der 
Kirche vertrat, einer Intrigue weichen, und erſt 
1868 iſt den Oſtſeeprovinzen ihr kirchliches Recht 
zurückgegeben. Das kirchliche Intereſſe iſt durch 
dieſe Kämpfe geweckt; der Einfluß der (1802 wie— 
der eingerichteten) Univerſität Dorpat hat dem 
tirhlichen Leben ein orthodorx⸗lutheriſches Gepräge 
aufgedrüdt. Val. Schlözer, Livland und die An: 
fänge deutjchen Lebens im baltifhen Norden, Ber: 
in 1850; W. Hoffmann, Dentichland und Europa, 
Berlin 1868. 

Liegnig. Herzog Friedrich 11. führte ſchon 1524 


ftanden wiedertäuferifche Unruhen und Unorbnun: 
gen, über welche die Prediger und Schwenkfeldt ſich 
bei dem Kaiſer und dem Bifchof von Breslau recht: 
fertigen mußten und welche Friedrih mit Härte 
unterdrüdte. DieReformation wurde befeftigt durch 
die Kirhenvifitation von 1527 und die Kirchen: 
ordnung von 1534. Der Uebertritt des Fürften 
Georg Rudolf 1614 zur reformirten Confeſſion 
blieb ohne Folgen, da er felbft 1623 wieder luthe: 
rifsch wurde. Im Weftphälifchen Frieden wurden 
die confeffionell-firhlihen Verhaͤltniſſe, wie fie 
1618 beftanden hatten, wieder hergeftellt, aber bie 
katholiſch-kaiſerliche Reaction nahm auch hier bie 
evangeliichen Kirchen weg, bis die Altranftäbter 
Convention ihre Rückgabe bewirkte. J 
Liga, Ligue (Bund) ift der Name einiger politi— 
ſchen Bündniffe, welche aud) für die kirchliche Ge: 
ſchichte von Einfluß waren. Papft Julius II. bil- 
dete nach feinem Rücdtritt 1508 von der Ligue zu 
Cambray (welche zwischen ihm, Kaijer Marimi: 
lian I., Ludwig XII. von Franfreid, Ferdinand 
von Aragonien und mehreren italienifhen Staa: 
ten gegen Venedig gefchlofien, aber gejheitert war) 
mit den Schweizern und der Republif Benedia, an: 
geblich zur Beförderung der Kirche, d.h. der Papft 
macht, die heilige Lique, der jpäter Aragonien, 
Enaland, endlich auch der Kaifer zur Vertreibung 
der Franzoſen aus Italien beitraten. — In Franf: 
reich ftifteten die Guiſen 1576 den Bund der Yique 
der Katholiken zur Vertheidigung der Fatholii 
Religion, der Aufrechthaltung der Provincialpri- 
vilegten und zur Ausſchließung der proteftantijchen 
Prinzen von der Thronfolge. Nach der Ermordung 
der Guifen und Heinrich's IIL., der vor dem Bunde 
mit der Ligue fich zu Heinrich von Navarra geflüchtet 
hatte, befiegte biejer die Ligue am 14. März 15 
bei Jury. Sein Mebertritt zum Katholicismus 1593 
nahm berfelben aud den letzten Vorwand ihres 
Beitehens (Ranke, Gefch. der Päpfte, Leipz. 1854 
—57, und Franzöſ. Geſch., Stuttg. 1861). — Ent: 
gegen dem Schmalkaldiſchen Bunde der proteftan: 
tiſchen Fürften 1531 jchlofjen 1538 die katholiſchen 
Fürſten, Bayern an der Spite, eine Liga zum 
huge der wahren chriftlichen a rn und zur 
Aufrehthaltung der Reichsſtags-Abſchiede. Der 
Bund hatte weiter feine Folge, und der Religions- 
frieden von 1555 benahm beiden gleihmäßig ihren 
Grund, fäte aber auch von neuem die Saat der 
Zwietradt. — Die Berlegungen diefes Friedens 
in Donauwörth dur) den Herzog von Bayern, 
Marimilian I., riefen März 1608 die „Union“ ber 
proteftantifchen Fürften namentlich auf Betreiben 
Chriſtian's von Anhalt zur Vertheidigung des Glau: 
bens hervor, die aber nicht gegen Kaiſer und Reich 
gerichtet fein ſollte (Ranke, Zur deutſchen Geſchichte 
Vom Religionsfrieden bis zum dreißigjähr. Kriege, 
ſämmtl. Werke VII, ©. 170, Leipz. 1868). Ihr 
entgegen gründete Marimilian von Bayern im 
Juli 1609 die heilige oder katholiſche Liga, an 
deren Spite ertrat, mit den Bischöfen von Conftans, 
Augsburg, Paſſau, Eichftädt und Regensburg und 
mit den PBrälaten von pe di und Kempten; 
die ſchwäbiſche Ritterſchaft und die geiftlichen Kur: 
fürften traten ebenfallä bei, der Kaiſer und das 
Haus Defterreich blieben ausgelhloffen (Corne 
lius, Mündener hift. Jahrbücher, Münden 1365). 


Lightfoot 


Anfangs durch das Ueberwiegen der Union, durch 
die Eiferfucht des Kaiſers und gegenſeitiges Miß— 
frauen ſchwach (Frieden 1611, Bundestag 1613), | 
belebte die Wendung der Jülichſchen Erbangele: 
nheit 1613 die Yiga aufs neue; ein engerer Bund 
1617 gab Marimilian die Leitung völlig in die 
Hand. Der Bundestag zu Würzburg 1619 und der 
Frieden mit der Union 1620 gaben ihm freie Hand, 
Böhmen zu erobern und die pfälzische Kurwürde 
1623 zu gewinnen. Wallenftein’s Uebermadht rief 
nod) einmal eine Bedeutung der Yiga hervor auf 
dem Bundestag zu Heilbronn 1629 und dem Reichs⸗ 
tag zu Regensburg 1630. Sie ging unter, befiegt 
von Guſtav Adolf und verlaflen von Frankreich, 
weldes im ſelbſtiſchen Intereſſe die Proteftanten 
unterftügte. Val. Mignet, histoire de la ligue, 5 
vol., Paris 1829; Schreiber, Marimilian I. der 
Katholiihe, Münden 1868; Souday, Deutich: 
land während der Reformation, Frantf. 1868, 
—F ot, Johannes, Pfarrer und Vicekanzler 
ber Univerſität Cambridge, ein berühmter Orien— 
talift. Geb. 1602 zu Stock in Stafford, wurde er 1630 
Pfarrer in Asle, 1642 an der Bartholomäuskirche 
in London und 1643 zu Mundon in der Grafichaft 
Hertfort. 1653 zum PVicefanzler von Cambridge 
ernannt, jtarb er 1675 zu Ely, wo er eine Kano: 
nifatspfründe beſaß. Seine hebräifchen Studien, 
die er zeitlebens neben eifriger Wirffamteit als 
Pfarrer fortjegte und die jeinen Ruhm begründe: 
ten, begann er erjt als Caplan im Haufe des Nit: 
ters Cotton zu Norton. Sein vornehmftes Wert, 
horae hebraicae et talmudicae, ift noch gegen: 
wärtig von Bedeutung. Seine meiften Schriften 
find den biblifhen Studien gewidmet. Die befte 
Gejammtausgabe derjelben tit die Utrechter 1699 
mit einem Supplementband von Joh. Strype 1700. 
Liguori, Alphons Maria von, geboren am 26. 
September 1696 zu Neapel. Erzogen bei den Brie: 
jtern des Dratoriums, wurde er nad) dem Willen 
feines Vaters Advocat, verlief aber in Folge eines 
Mißgeſchicks bei der Führung eines wichtigen Pro: 
ceſſes diefe Laufbahn und trat 1722 in die Congre: 
gation der Propaganda. 1726 zum Prieſter ge: 
weiht, wandte er ſich mit allem Eifer auf den Un: 
terricht des Volkes. Erregt durch eigene Vifionen 
ber Jungfrau Maria umd angetrieben durch eine 
Offenbarung einer Klofterfrau zu Scala im Bezirk 
von Benevent jtiftete er 1732 dort die Congrega: 
tion des allerheiligiten Erlöjers, einen Verein von 
Miffionsprieitern zur Belehrung der unmifjenden | 
Landleute, nad) dem VBorbilde der Congregationen | 
des Bincenz von Paula. Nach Leberwindung vieler 
Schwierigkeiten gelang e3, 1735 ein zweites Haus | 
zu Ciorani in der Didcefe Salerno zu begründen. | 
Am 21. Juli 1742 fand die feierliche Helübdeable: | 
gung Statt, und 1749 betätigte Benediet XIV. | 
den neuen Orden und gab ihm den Namen der Ne: 
bemptoriften. Als General:Oberer entwidelte 2. 
eine ungemeine und aufopfernde Thätigfeit. 1762 
übernahm er auf Befehl des Papſtes Clemens XIII. 
das Bisthum von Santa Agatha Gotici in Nea: 


a — — — — — — — 


555 


Liguori 


hervor, welcher eine Trennung derſelben zur Folge 
hatte, als der Papſt die Häuſer des Ordens im 
Königreiche Neapel von den Privilegien ausſchloß 
und X. feiner Stellung als Ordensrector enthob. 
L. erlebte nicht die Wiedervereinigung der beiden 
DOrdensparteien 1790, al3 Neapel auf feine frühe: 
ren Bedingungen verzichtete. Er ftarb 1787, 90 
Jahre alt. Bius VI. erklärte ihn 1796 für ehrwür: 
dig, Pius VII. 1816 für ſelig, Gregor XVI. 1839 
für heilig. Das Charafteriftiiche feiner fatholifch: 
affetifchen Frömmigfeit war die Verehrung ber 
Jungfrau Maria, daher fein Eifer fur die Aner: 
fennung der immaeulata conceptio. Seine Be: 
redſamkeit ift eine „erftürmende” genannt worden; 
die Weiſe derfelben hat ihren Ausdrud in den 
Standespredigten gefunden, welche er einführte, 
Die Heranbildung der Prediger des Ordens ge: 
hörte zu feinen Hauptforgen, mit welder er an: 
fänglich, fo lange die Ausdehnung des Ordens es 
zuließ, ſich felbit befaßte. Von ſeinen zahlreichen 
Schriften find die bedeutendften: Theologia mo- 
ralis, Neapel 1755; Institutio catechistica, Bas- 
sano 1768; Homo apostolichs, Venet. 1782. 
Sämmtlihe Schriften erfchienen in Paris 1835, 
deutjch in Regensburg 1842, Sein Leben fchrieb 
Jeancard, ViedeM. Alph.L., Löwen 1829, deutſch 
Regensburg 1810. Seine Erbauungsichriften find 
in Behr viele Sprachen überjegt. 

Der Drden der Yiguorianer oder Hedemptori: 
ften fteht nad Geift und Tendenz dem Jeſuiten— 
orden am näditen und trat in Deutſchland an 
deffen Stelle. Das Werkzeug hierzu war Clemens 
Maria Hoffbauer, geboren am 26. December 1751 
zu Takwig in Böhmen. Als Bädergejelle in der 
Bäderei des Prämonftratenjertlofters Brud bei 
Wien beſchäftigt, durfte er am Unterricht der latei- 
niſchen Klofterichule theilnehmen 1772—76 und 
lebte dann zwei Jahre als Einfiedler bei dem 
Wallfahrtsorte Mühlfrauen bis zur Aufhebung 
der Einfiedeleien. In Wien fette er danad) jeine 
Studien fort, während er fich feinen Unterhalt 
durd) jein Handwerk erwarb, Inzwiſchen hatte er 
mehrere Wallfahrten nad) Rom gemacht, aud) eine 
Zeit wieder als Einfiedler bei Tivoli gelebt, bis 
ihn 1783 der Zufall in die Kirche der Nedemptoris 
jten führte und er mit feinem Freunde Hibel in 
die Kongregation einzutreten veranlaßt wurde. 
1785 wurden Beide nad Warſchau entjendet, wo 
ihnen die Kirche des heil. Benno (daher Benno: 
niten) eingeräumt wurde, in welder fie eine bes 
ftändige Miffion für Bolen, Deutihe und Fran: 
zofen einrichteten. Der große Erfolg hatte nicht 
nur den Eintritt von Eingeborenen in die Con- 
gregation zur Folge, jondern aud) 1794 eine Be: 
rufung derjelben nad) Mitau in Kurland. Als Ge: 
neralvicar des Ordens erhielt Hoffbauer die Er: 
laubniß, Collegien einzurichten. So gründete er 
die Häufer auf dem Tabor bei Jeftetten 1803, zu 
2. im Schwarzwald 1804, zu Babenhaufen 
1805, Diefe Riederlaflungen gedichen aber ebenfo: 
wenig wie die Schweizerischen in Chur und Vispach. 


pel, von deſſen Verwaltung er, gefchwächt durch 1807 wurde fogar durch den Beſchluß der franzö: 
Alter und Kränklichkeit, erſt 1775 auf dringendes | fiihen Regierung die Congregation in Polen auf: 
Bitten durch Pius VI. wieder entbunden murde. | gelöft und die Bäter in Küftrin verhaftet, dann in 
Während der Zeit leitete er den Orden durch einen | ihre Heimath entlaffen. 9. gewann in Wien dur.) 
Generalvicar. Aenderungen in der Ordensregel, | die von ihm convertirte Familie Klintowftröm ein 
auf welche er einging, um die Genehmigung der | neues Unterfommen; als Beichtvater bei den Ur— 
neapolitaniſchen Regierung für denfelben zu erlans | fulinerinnen machte er.deren Kirche zu feinem Mif: 
gen, riefen einen Zwieſpalt in der Congregation | jionsorte, Er begründete eine Erziehungsanftalt, 


Lilienthal 
fammelte die zerjtreuten Nebemptoriften und ent: 


ſandte diefelben theild nach Bukareſt, theils in zur Hölle gehörige Dertlichkeit des J 


die Niederlaffung zu Balfainte, fpäter Freiburg in 
ber Schweiz. Eine gegen ihn eingeleitete Unter: 
ſuchung wegen unerlaubter —————— aus⸗ 
wärtigen geiſtlichen Obern endigte mit der Zulaſ—⸗ 
fung der Congregation in Oeſterreich (22. April 
1820). 9. ftarb vorher am 15. März 1820. Bon 
Deiterreich aus, wo fie mehrere Häufer begründe: 
ten, verbreiteten ſich die Liquorianer nad) Frank— 
reich (Bifchenberg in der Diöcefe Straßburg) und 


556 


Lindſey 
Limbus, nach der katholiſchen ei fee die 
enjeit3, welche 
den ohne ihr Verfhulden der Erlöjung fern Ste: 
henden zum Aufenthalt angemiejen ift. Unterfchie: 
den wurden der limbus patrum und limbus infan- 
tium; jener, für die Frommen des Alten Bundes 
bejtimmt, ift durch die Höllenfahrt Chrifti geöft: 
net, diejer bleibt für die ungetauften Kinder, 
welche mit der Erbfünde behaftet, deren Schuld zu 
tragen haben. Die Lehre felbft iſt auf den Conci: 
lien zu yon und Florenz zwar feftgeftellt, aber es 


nad Bayern (Altötting). In Frantreich Löfte die | herrſcht eine Verſchiedenheit der theologiihen An: 


Julirevolution den Orden auf; er wurde aber wie: 
berhergeftellt und hat mehrere Niederlafjungen. 
Aus Bayern und aus Wien wurde er durch die 
Revolution 1848 vertrieben. Dafür hat er in Ame⸗ 
rika an mehreren Orten eine Wirkſamkeit gewin: 
nen können. Das Haupthaus und der Stk des 
Ordensgenerals ift Nocera dei Pagani in Neapel. 
Die Redemptoriftinnen, welche Liquori ebenfalls 
1732 zu Scala begründete, haben 1848 ihre beiden 
Häufer in Wien und Stein verloren, befigen aber 
noch eins zu Brügge. 

Lilienthal, Michael, geboren am 8. September 
1686 zu Liebftadt in Preußen, war Diafonus in 
Königsberg und ftarb 1750. Er war Herauögeber 
einer theologifhen und exegetiſchen Bibliothek, 
1740, und des biblifchen Archivarius der heiligen 
Schrift, 1745. — Theodor Chriftopb, der 
Sohn deöjelben, war geboren am 8. October 1711 
zu Königsberg. Er habilitirte fich nach einer zu 
gelehrten Forſchungen unternommenen Reife durch 
Holland und England in Königsberg, ward 1744 
a. 0. Profeſſor der Theologie und 1746 Prediger 
an der Neu-Roßgartenichen Gemeinde. Er ftarb 
1782 als o. Profeffor der Theologie, Schulrath 
und Baftor an der Domkirche. Er ſchrieb: die gute 
Sache der göttlichen Offenbarung wider die Feinde 
derjelben ermwiejen, Königäberg 1750—82; eine 
Sammlung und Widerlegung aller Einwürfe des 
Deismus gegen das Chriftenthum. 

Lilith, Er 34, 14, „die Nächtliche“ heikt eine 
Spufgejtalt des jüdiſchen Aberglaubens in Geftalt 
eines ſchöngeputzten Weibes, welches den Kindern 
nachſtelle und fie töbte, 

Limborch, Philipp van, berühmter remonftran: 
tiiher Theolog. Geboren am 19. Juni 1633 zu 
Amsterdam, ftudirte er dajelbit und zu Utrecht 
und ward 1657 Paſtor zu Gouba. Wegen feiner 
Jugend hatte er 1655 einen Ruf nad) Alcmar ab: 
gelehnt. 1667 Baftor in Amfterdam und im fol: 
genden Jahre Profeffor der Theologie am Remon— 
‚trantencollegium dafelbit, ftarb er 1712. Außer 
ber Herausgabe der Schriften des Episcopius hat 
man von ibm: Theolog. christiana, Amst. 1686; 
De veritate religionis christianae amica collatio 
cum erudito Judaeo, Gouda 1697 ; Historia inqui- 
sitionis, 11 92; Commentare zur Apoftelgefchichte, 
Römer: und Hebräerbrief. Vgl. Nicéron, histoire 


des hommes illustres T. XI; Abraham des Ar- | 


morie van der Hoeven, de Joh. Clerico et Phil. 
a Limborch, Amstel. 1845. 

Limburg, an der Lahn. Das Bisthum, welches 
dad ehemalige Herzogthum a in und die Stabt 
Frankfurt umfaßt, gehört zur oberrheiniichen Kir: 


un ea 


jichten über die Beichaffenheit des limbus, ob er 
ein Drt der Dual oder nur eine Entbehrung der 
Seligkeit fei. Die evangelifche Kirche hat die Lehre 
vom limbus nicht ausgebildet; für die reformirte 
ift fie bei der Ermählungäfehre und bei der Bun» 
destheologie gleich unhaltbar und überflüffig. Die 
(utherifche hat, obwohl fie die unbedingte Not: 
wendigteit der Kindertaufe wegen der Erbjünde 
(ehrt, ſich zu einer Zeugnung der Rettung ber un: 
getauft Berftorbenen nicht entſchließen können. 
Lindanud, Wilhelm Damafus, geb. zu Dort: 
recht 1525. Er wurde Brofeffor der katholiſchen 
Theologie zu Löwen und Dillingen, Decan im Hang 
und 1588 Bifchof von Gent. + 1583. Mehr als 
durch feine dogmatiſchen Schriften befannt gemor: 
den tft er ald Glaubensinquifitor in Holland und 
Frieöland, wo er die Seele aller antiproteitanti: 
jhen Bewegungen war. 
Lindisfarne, ein Klofter auf der Inſel Holy: 
Island an der Küfte Northumbriens, wurde 635 
von König Oswald geftiftet und urſprünglich be: 
ſetzt von Thottifcen Mönden, die von bort aus 
das ChriftenthHum unter den Nord: Angeln verbrei: 
teten, Das mit der Abtöwürde verbundene Bis: 
thum wurde nad) der Zerftörung von Lindisfarne 
794 dur die Normannen nad) Durham verlegt. 
In Lindisfarne wirkten Aidan und Euthbert, durch 
deffen Grab e8 ein beſuchter Wallfahrtsort wurde. 
Zange hielt ſich hier die Antipathie gegen den rö: 
miſch⸗katholiſchen Cultus der — Bal. 
Ebrard, Kirchengeſchichte IL, Erlangen 1866. 
Lindner, Friedrich Wilhelm, geboren am 11. 
December 1779 zu Weida, wurde 1808 Lehrer an 
der Bürgerfchule zu Leipzig, 1808 Docent, 1515 
a. 0. Profeſſor der Philologie und 1825 o. Pro— 
feffor der Katechetif an der dortigen Univerfität. 
Ein verdienter Schulmann, der einer der Erjten 
das Chriſtenthum als Princip der Erziehung auf: 
ftellte und die genetiiche Methode empfahl. Bon 
feinen theologischen Schriften ift die bedeutendfte 
die Lehre vom heil. Abendmahl, 1831. Außerdem 
fchrieb er gegen die Freimaurer „Mac-Benac, oder 
das Vofitive der Freimaurerei.” 
Lindner, Wilhelm Bruno, der Sohn des Bori- 
gen, geboren 1814 zu Leipzig, ſtudirte in jeiner 
aterftadt und habilitirte fich 1839 dort ald Do- 
cent, 1346 Profeffor, ward er 1859, gerichtlich 
verurtheilt, feiner Nemter enthoben. Durch For: 
ihungen und fein Lehrbud der Kirchengeſchichte 
(1848—54) ift er um diefe nicht unverbient. 
Lindfey, Theophilus, geb. am 20. Juni 1723 zu 
Middlewich. Ererhielt feine Bildungin Cambridge, 
ward 1747 Prediger in Spitalfields in London, 


chenprovinz und ift 1821 durch die Bulle Provida | bereifte 1754 ald Caplan deö Herzogs von Somer: 
sollersque gegründet. Die Wahl des Bifchof3 und | jet und ald Erzieher feines Enfels den Continent 


die übrige Organifation des Bisthums ift 1827 feft: | und war dann 
georbnnetburhdieBulleDominici gregiscustodiae, | und Gatterid. 


— in Kirkby-Wiel, Piddelton 
en Zwieſpalt mit den 39 Artikeln, 


Lingarb 


in dem er ſich befand, juchte er mit feinen Freun— 
den 1771 durch eine Bittfchrift an das Parlament, 
um Entbindung von der Verpflichtung auf die: 
jelben, zu löfen. Als diefe abgewiejen worden, trat 
er 1773 von feinem Amte zurüd und gründete 
1774 in London eine unitarifche Gemeinde, an 
welcher er als Prediger bis 1793 fungirte. Zu 
feiner Rechtfertigung Nörieh er 1774 die Apologie, 
1781 eine Darlegung der unitarifchen Lehre, the 
Catechist, und 1783 eine Gejdichte der unitari- 
jchen Lehre. + 1808. 

Ringard, Sale: Dr. theol., bedeutender engli: 
ſcher Geſchichtsſchreiber. Geboren am 5. Februar 
1771 zu Windejter, gebildet in dem Jeſuiten— 
Collegium zu Douay, wurde er nach Vollendung 
feiner Studien Profeſſor, Bicepräfes und Studien: 
director des Glerical-Seminars und 1810 Präſes 
des neuen Collegiums zu Ushaw bei Durham. 
Um die Muße feiner Studien zu gewinnen, über: 
nahm er 1811 die Landpfarre Hornby. + am 13. 
Juli 1851. Den Cardinalähut, welder ihm auf 
einer wiſſenſchaftlichen Reiſe nad) Rom angeboten 
murde, hatte er abgelehnt. Seine History of Eng- 
land, 8 vol, — 1819— 25, deutſch Frankfurt 
1828 und Antiquities of the Anglosaxon chureh, 
2 vol., Lond. 1845, deutſch Breslau 1847, find 
gelebrte, auf neuen Quellen beruhende Darjtellun: 
gen von einjeitig katholiſchem Standpuntte. Außer: 
dem jchrieb er mehrere polemifche und apologetische 
Werte und lieferte eine (anonyme) gejchägte Ueber: 
fegung des Neuen Teftaments 1836. 

Lingen, die Graffchaft. Die Reformation, welche 
Graf Konrad 1542 eingeführt hatte, wurde 1548 
wieder vernichtet, als £. von Karl V. erobert und 
an den Grafen von Büren gegeben war und zwei: 
mal nacheinander unter jpanifhe Herridaft bis 
1632 gerieth. Der Weſtphäliſche Frieden ficherte 
den Befig dem Haufe Oranien, weldyes die refor: 
mirte Gonfejfion einführte und den katholiſchen 
Prieſtern den Aufenthalt im Lande unterjagte ; 
erit 1717 wurde den Katholiten das exercitium 
publicum wieder zugeftanden. Die Kirchenord: 
nung von 1687 richtete entjprechend der Difciplin 
die Gemeinden, Confiftorien und Glafien ein. Un: 
ter der preußifhen Herrſchaft wurde 1702 die 
Kirchenordnung bejtätigt, aber allmählich eine 
Uebereinftimmung der kirchlichen Verwaltung mit 
der der andern Provinzen herbeigeführt. Das 
1697 geftiftete alademiſche Gymnaſium zu 2. ift 
niemal3 von fonderlicher theologifcher Bedeutung 
gemejen. 

Link, Wenceslaus, der Freund Luther’s. Als 
Staupig’ Nachfolger Generalvicar des Auguftiner: 
ordens trat er der Reformation bei, führte diejelbe 
in Altenburg ein und ftarb 1547 als Prediger in 
Nürnberg. 

Linus, römischer Biſchof, nach dem römiſchen 
Brevier primus post Petrum gubernavit ecele- 
siam. Nad) den apoſtoliſchen Gonftitutionen hatte 
Paulus den Linus, Petrus den Clemens geweiht. 
Nach dem Brevier war Bolterra, nad) einem alten 
nee Etrurien jeine Heimath. Spätere 

age läht ihn in feinem 22. Jahre nad) Rom tom: 
men (ums Jahr 80), in Befangon das Evangelium 
predigen und von Petrus zu feinem GCoadjutor 
angenommen werben. Nach der Tradition ift er 
am 23. September ald Märtyrer geitorben. Bal. 
Lipſius, die ge des Eufebios, Kiel 1868, 

Linz, das Bisthum, bildete früher einen Theil 


657 


Rippe 


der Diöceje Rafjau, bis Joſeph II. 1783 nad) dem 
ı Tode des Fürftbifchofs Firmian den öſterreichiſchen 
‚ Theil Davon zu trennen und als eigenes a 
zu organifiren befahl, welches mit dem im öfter: 
reihiihen Gebiete gelegenen Paſſauiſchen Bis: 
._ ut ausgeftattet werden follte. Der neue 
ifchor von Paſſau ſchloß mit dem Kaifer einen 
entiprechenden Vergleich 1784 und das Bisthum 
trat 1785 ind Leben unter dem erjten vom Kaiſer 
—— Biſchofe Grafen Ernſt Johann von He: 
eritein. 

Linzer Friede (13. December 1645) beendigte 
den Krieg des Fürjten Rakoczy von Siebenbürgen 
mit Ferdinand ILL. ald König von Ungarn, zu 
weldyem die Bedrüdungen der Evangeliſchen in 
Ungarn den Borwand und Anlaß gegeben hatten, 
und zu deſſen Führung R. ein Bundniß mit Schwe⸗ 
den und Frankreich eingegangen war. In dem 
Sriedenstractate wurde die Religions: und Cul— 
tusfreiheit de3 Wiener Friedens von 1606 und 
des Preiburger Landtags 1608 erneuert und die: 
jelbe den Proteftanten auch auf den Gütern der 
fatholifchen Herren und des Fiscus zugeftanden, 
den gewaltjam Convertirten der Nüdtritt bewilligt 

ı und die Rüdgabe der weggenommenen Kirchen und 
Plarreien verheigen. Der Reichstag zu Preßburg 
1647 beftätigte den Sriebenösergleid theilweiſe, da 
den Protejten und Ränken der Jejuiten gelang, 
die ftipulirte Nüdgabe der (400) Kirchen auf 90 
namentlich aufgeführte zu beſchränken. 

Lipomani, Aloyfius, war Biſchof von Modena, 
danad) von Berona und von Bergamo. Geb. 1500, 
ift er befannt geworden ald einer der drei Präft: 
denten des Trientiner Concils und als päpftlicher 
Legat in Polen 1556, wo er zwar den Widerftand 
der päpftlihen Partei gegen das Umfichgreifen der 
Reformation anfeuerte, aber bei aller Schlaubeit 
durch fein hartes Auftreten feinen Zwed verfehlte. 
7 1569. Er verfaßte Gatenen zu Genefis, Erodus 
und ausgewählten Pjalmen. 

Lippe, das Fürftenthum. Die Chriftianifirung 
bed Landes ijt das Werk Karl's des Großen, der 
hier mehrere Kirchen gründete und das Bisthum 
Paderborn errichtete. Die Reformation fand ihren 
erſten Eingang bei der Bürgerjchaft von Lemgo 
1525 und den Auguftinermönden zu Lippftadt; 
förmlich eingeführt wurde fie von den Vormün— 
dern der Söhne des ftreng papiftiihen Grafen 
Simon (} 1556), Philipp von Heffen und Jobſt 
von Hoya durch Johann Timann und Adrian Bur: 
ſchoten, welche die Kirchenordnung von 1538 aus: 
arbeiteten, die Luther billigte und die Stände 
annahmen. Die jetzt noch gültige lutheriſche Kir: 
denordnung ift von 1571 und ihr Verfafler M. 
Johann van Eyter, Generalfuperintendent von 
Detmold. Graf Simon VI. (1583—1613) ftellte 
calviniftifche Prediger zuerft in Horn 1602, Det: 
mold 1605 an und lieh reformirten Gultus ein: 
führen, worauf dann 1684 eine reformirte Kirchen: 
‚ ordnung für das ganze Land erlafjen wurde. Nur 
die Stadt Yemgo blieb lutherifch. In neuerer Zeit 

hat die Reaction eines mehr pietijtiih:orthodoren 
Chriſtenthums gegen den herrſchenden Rationalis: 
‚mus die Bildung einer „neuen evangelifchen Ge: 
| meinde” zu Lemgo 1849 und die Wiedereinführung 
des Heidelberger Katechismus an Stelle des Werth: 
ſchen Leitfaden bewerfftelligt. Literatur: U. Falk: 
mann und O. Preuß, Lippeſche Regeiten, 2 Bde., 
Lemgo 1860 — 63; N. Falkmann, Beiträge zur 








Lipſius 558 Liſſa 


Geſchichte des Fürſtenthums Lippe, 2 Hefte, Lemgo Hofgerichtskirche zu Berlin, 1820 zugleich Prediger 
1847—56; derjelbe, Graf Simon VI. zur Lippe, | an der Marienkirche, 1824 an der Gertraudüirche, 
I. Bb., Detmold 1869. 1839 von der Univerfität Berlin zum Dr. theol. 

Lipfins, Juftus, geboren am 18. October 1547 | promovirt. Er ftarb am 5. Juli 1866. Seine Haupt: 
zu Overgfiche bei Brüſſel. Ein frühreifes Genie, | werte find: Predigten, 1828. 30; die Barabeln 
befuchte er ala Secretär des Cardinals Granvella Jeſu, exegetiſch-homiletiſch bearbeitet, 5. Aufl. 
Rom, wurde dann, zum Proteftantismus übertre: | 1861; die Bibel mit Erflärungen, Aufjägen, Regi: 
tend, Profeffor der Beredſamkeit und Geſchichte zu jtern und Inhaltöverzeichnifien, 2 Abth. 1852 und 
Sena 1572—74, 1579 zu Leyden und, nachdem er | 55 5 das chriſtl. Kirchenjahr, ein homiletifches Hülfs- 
vorher zur katholiſchen Kirche zurüdgetreten war, | buch, 4. Aufl. 1852; bibliſche Betrachtungen über 
1602 zu Löwen. Er ftarb am 23. März 1606 als | Johannes den Täufer, 1856; die Wunder Jeju 
Hiftoriograph des Königs von Spanien. Außer | Chrifti, 1844, Katechismus, 1856; das Kriftlich- 


vielen gejchägten Ausgaben der Claſſiker jchrieb er 
auch über Fragen der Theologie und Philofophie, 
wobei er den Stoicismus mit dem Chrijtenthum | 
zu vereinigen juchte, ſich aber auch als latholiſchen 
Zeloten zeigte, De una religione und Politicorum 
libri IV. Reich an Ideen ift De eonstantia in 
publicis malis, Antw. 1584, deutſch von Dillenius, 


Leipzig 1802. Seine Briefe (epistolae selectae) | 186 


. veröfientlichte er 1586—90, neu herausgegeben 
von Burmann, Amjt. 1727. Seine opera omnia 
erfchienen zu Antwerpen 1585, 2, Aufl. 1637, 

Lipfiuß, Karl Heinr. Adelbert, Philolog. Geb. 
am 19. Januar 1805 zu Großhennersdorf in ber 
Oberlaufit, ftudirte er zu Leipzig Theologie und 
Philologie, wurde 1827 Privatdocent zu Leipzig 
und in demjelben Jahre Gonrector des Gymna: 
fiums zu Gera, 1832 Religionslebrer an der Yeip: 
ziger Thomasjchule, ebenda 1847 Conrector und 
1861 Nector. Er ftarb am 2. Juli 1861. Bon fei- 
nen Arbeiten über die biblifhe Gräcität find 
„Grammatiſche Unterfudungen über die biblifche 
Gräcität“, I. Abth. Leipzig 1863 erfchienen. 

Kipfius, Richard Mdelbert, Sohn des Vorigen, 

eboren am 14. Februar 1830 zu Gera im Für— 
tenthum Neuß jüngerer Linie. 1854 Licentiat 
der Theologie, 1855 Privatdocent der Theologie 
an ber Univerfität Leipzig, wurde er 1858 hono- 
ris causa Dr. der Theologie der Univerfität Jena, 
1859 auferordentliher Profeſſor zu Leipzig, 1861 
ordentlicher Profefior an der evangeliich = theo: 
logiſchen Facultät zu Wien, 1365 Mitglied des 
damaligen k. k. Unterrichtörathes und betheiligte 
fid) 1864 als Abgeordneter an der eriten öjterreis | 
chiſchen Generaljynode. 1865 wurde er an bie 
Univerfität Kiel ald ordentlider Profeſſor der ſy⸗ 
ſtematiſchen Theologie berufen. Lipſius ift Ver— 
[efiee folgender Schriften: die ea ei Recht⸗ 
ertigungslehre, Leipzig 1853; de Clementis Ro- 
mani epistola ad Corinthios priore, Lips. 1855; 
fiber das Tertverhältni der drei ſyriſchen Briefe 
des Ignatius u. ſ. w., Leipz. 1859; der Gnofti: | 
cismus, Leipz. 1860; zur Quellenkritif des Epi- 
phanios, Wien 1865; die Papftverzeichnifie des 
Eujebios, Kiel 1868. Außerdem zahlreiche Ab— 
handlungen und Kritiken in wiſſenſchaftlichen Zeit: 
ſchriften. 

Liquoriſtiſcher Streit in Schweden drehte ſich 
um die frage, ob bei dem 1560 hier entitandenen | 
Weinmangel auch andere Flüffigteiten, als Bier, | 
Meth, Wafjer, beim Abendmahl gebraucht werden | 
dürften oder ob dasjelbe lieber eine Zeitlang gar 
nicht gefeiert werden folle. Die Synode 1563 ent: | 
ſchied gegen die Liquoriften (Bertheidiger der an: | 
dern Flüſſigkeiten). 

Lisro, Friedrich Guftav. Geboren am 12, Febr. | 
1791 zu Brandenburg, fiudirte er in Frankfurt a. 
d. D. und Berlin, wurde 1814 Prediger an der 








apoſtoliſche Glaubensbetenntniß, Hülfsbub für 
Lehrer, 1851; die Scheidelehren der evangelifchen 
und fatholifchen Kirche, 1845; Dies irae, Beitrag 
zur Oymnologie, 1840; Stabat mater, 1843; zur 
Kirchengeſchichte Berlins, 1857 ; das Geremonial: 
gejet des Alten Teftaments, 1342; die Heilälehre 
der Theologie, 1857; Einleitung in die Bibel, 
—1 


Lisco, Emil Guſtav, Sohn des Vorigen. Gebo: 
ren am 13. Januar 1819 zu Berlin, ftudirte er in 
Berlin und Bonn, verwaltete ein Predigtamt an 
der St. Marienlirde zu Berlin 1845—449 und iſt 
feitvem Prediger an der Neuen Kirche dajelbit Er 
wurde 1868 von der liniverfität Heibelberg zum 
Doctor der Theologie creirt. Er ſchrieb: Chrijtliche 
Lehre, ein Hülfsbuch für Confirmanden ımd Con— 
firmirte, Berlin, und verfaßte 1867 den Synodal: 
bericht über die kirchlichen und fittlihen Zuftände 
Berlins, an defjen Erörterung auf der Friedrichs 
werderſchen Synode den 29. April 1868 fich Der 
Streit mit Baftor Knak anfnüpfte, ob der Glaube 
an das copernikaniſche Sonnenfyitem durch die 
Bibel verboten jei. 

Lismanini, Franz. Aus Corfu gebürtig, war er 
Beichtvater der Königin Bona, Gemahlin Sieg: 
mund's J. von Polen und Brovincial der Francis— 
caner, Schon durd Occhin's Schriften der römischen 
Kirche entfremdet, wurde er noch 1549 nad Rom 
zu Bapft Julius III. gefandt. Nachdem er 1551 
Socin in Polen fennen gelernt hatte, trat er auf 
einer im Auftrag des Königs unternommenen 
Reife 1553 in der Schweiz zum Broteftantismus 
über und verheirathete fih. In Die Acht erklärt, 
durfte er erjt 1556 nad) Polen zurückkehren, mußte 
aber 1558 das Land wegen feines Socinianismus 
von neuem verlafjen. In Königsberg zum Rathe 
des Herzogs ernannt, endigte er 1563 in Folge 
häuslichen Unglüds durd Selbſtmord. 

Kifoi oder Lifieng, ein durch Frömmigleit und 
Kenntniffe angejehener Geiftlicher zu Orleans, war 
das Haupt einer rationalifirend:myftiichen, den 
Paulicianern verwandten Secte unter den Kano— 


Inifern zu Orleans, welche die übernatürliche Ge- 


burt Chrifti dofetifch leugnete und Taufeund Abend: 
mahl verwarf. Durch Verrath entdedt, wurde die 
Secte von der Synode zu Orleans 1022 verurtheitt, 
die Mitglieder aber verbrannte man. Val. Hahn, 
Ketzergeſchichte, Stuttgart 1850, " 

ifja (poln. Leszno), urfprünglic) dad Stamm: 
gut (Leſzezynko) der Grafen Yelzczynsti, die ſchon 
vor 1548 von Kaifer Ferdinand I. vertriebene 
böhmifche Brüder aufnahmen und dadurch das 
Gut zur Stadt machten. Im dreigigiäbrigen Kriege 
ward durch Zuzug Liſſa der wichtigjte Platz der 
böhmiſchen Brüdergemeinden in Polen, der Sit 
ihrer berühmteften Schule, an der Comenius 1630 
Rector war, ihres Seminars und ihrer Senioren. 


Liſſabon 
Liſſabon, früh zum chriſilichen Bisthum erho— 


ben, von den Kreuzfahrern oft aufgeſucht, die ihr 


Blut im Kampf gegen die Mauren verſtrömten, 
hatte im 16. Jahrhundert deutiche Artilleriften 
aufgenommen, die zufammen mit Lübeder und 
Hamburger Kaufleuten, fowie unter dem Schuß 
bald der dänifchen, bald der niederländiichen Ne: 
gierung ein Hospital und eine Gilde bildeten, aus 
welcher fid) dann die ——— deutſche Gemeinde 
geſtaltet hat, die gegenwärtig in Verbindung mit 
der preußiſchen Geſandtſchaft und unter der Obhut 
des Oberlirchenrathes in Berlin fteht. Die zahl: 
reichere engliſche Gemeinde wirkt aud) energijcher 
für die Propaganda unter den einheimijchen Ka: 
tholiten, deren meift aus Frankreich entnommene 
Bildung dem Hierardismus längſt entfremdet ift. 
Für die ältere Zeit Herculano, Historia de Por- 
tugal, und Schäfer, Portug. Geſch., Hamb. 1850 
— 1852. 

Litanei nannte man in der alten Kirche jedes 
Gebet, aud) den ganzen Öottesdienft. Jetzt verfteht 
man darunter eine beftimmte Art der Wechſelgebete, 
wo das Gebet zwifchen zwei Chören oder den Chor 
und dem Borbeter jo getheilt ijt, daß dieſer Die 
göttliche Perjon der Anrufung nad ihren Namen 
und Brädicaten, jowie den Gegenftand und das 
Motiv der Bitte in kurzen gleihartigen Formen 
namhaft macht, der andere Chor mit der Bittfor: 
mel „Erhöre uns“ oder „Erbarme dich unſer,“ 
miserere oder parce nobis jelbjt reipondirt. Etwas 
Aehnliches finden wir in Pjalm 136 vor. Ein 
Gebet bildet den Schluß. Alle Litaneien beginnen 
mit dem Christe eleison und endigen mit dem 
Agnus Dei, Die Litanei hat ihre Stelle vorzugs— 
weije bei Proceifionen und Bittgängen und ift 
hiebei von Namertus, Biſchof von Bienne 452, als 
die fleinere, welche Gregor der Grobe zu der grö- 
beren erweiterte, litania septiformis oder major, 
eingeführt, auch in Nebengotteödieniten und an 
cajuellen Buß: und Bettagen kommen fie vor. Hier 
hat fie jelbjt die lutheriſche Kirche beibehalten in 
der Bearbeitung der Litaneien von Yuther, 1529 
(3. 8. bei den Herrnhutern). In der I 
Kirche find drei Yitaneien die eigentlich ſane— 
tionirten, nämlich 1) die Allerheiligen-Litanei, die 
ültefte und gewöhnlichſte, die Litanei ſchlechthin, 
welche die Heiligen um ihre Fürbitte anruft; 2) 
die Yauretanifche Yitanei, eine aus dem 13. oder 
14. Jahrhundert und aus Yoretto ftammende An: 
rufung der Maria als Gottes: und Önadenmutter 
und 3) die Litanei des Namens Jeſu aus dem 15, 
Jahrhundert, Den kirchlichen Gebrauch diejer Li: 
taneien haben die Päpſte geitattet. 

Lithauen. Das Chriftenthum fand in Lithauen, 
obgleih ſchon 1252 der Großfürſt Mendog, Rin— 
golds Sohn, mit jeinem Sohne Woifchelg fich tau: 
fen ließ, troß oder wegen der fortwährenden 
Kämpfe mit dem deutichen Orden und den Ruſſen 
nicht eher Eingang, als bis Jagello, um die Hand 
der Hedwig und den Thron von Polen zu gewin: 
nen, ji) 1386 taufen ließ und fein Volk zwang, 
feinem Beifpiel zu folgen. Den Maſſentaufen folgte 
der linterricht im —— erſt nach. Die 
Kirche in Lithauen hat das Geſchick derſelben in 
Polen auch hinſichtlich der Reformation, die hier 
noch eher als dort Eingang fand, getheilt. In der 
Neuzeit hat die ruſſiſche Regierung mit Erfolg für 
die Verdrängung der römischen Kirche durd) die 
griechiſche gewirft. 


559 


Liturgie 


Litterae commendatitiae find die Empfeh— 
lungsichreiben des Bischofs für Geiftliche jeiner 
Didceje, um fie auswärtigen Präluten als Beift: 
lie zu legitimiren und zu empfehlen. 

Litterae eneyclicae find Rundſchreiben des 
Papſtes an die Biichöfe. Im Unterfchied von Bre: 
ven und Bullen, welde auf eine jpecielle und lo- 
cale Veranlaſſung ſich beziehen, ſprechen die Ency- 
clifen die Aillensmeinung des Papſtes in Bezug 
auf die allgemeinen Berhältnifje der Kirche aus; 
jo in der berühmten Encyelifa von 1864. 

Litterae formatae oder canonieae find die 
in vorgefchriebener Form abgefahten kirchlichen 
Schreiben der Biſchöfe und Gemeinden an andere, 
jei eö zur Empfehlung einzelner Berjonen oder zur 
Unterhaltung der Gemeinſchaſt. Die Nothwendig: 
feit, dem Mißbrauch und Unterjchleif zu fteuern, 
rief genaue Bejtimmungen der Concilien zu Elvira 
305, Arles 314, Nicäa 325 hervor, in weldher Art 
der abjendende Biſchof die Echtheit jeines Schrei: 
bens dem Empfänger beglaubigen jolle. Jetzt ver: 
jteht man unter litterae formatae meijtens die 
Urkunde, welche der Biſchof dem Kleriter über die 
geichehene Weihe ausjtellt. 

Liturgie, urjprünglid im Sprachgebrauch der 
Ahener eine dem Bolt gewidmete Leiſtung, ein 
öffentliherDienft, demgemäß im kirchlichen Sprach: 
gebraud) der Gottesdienſt, bezeichnet im Allgemein: 
ſten den Kirchengebrauch, die gejeglich oder her: 
tömmlich bejtimmte Anordnung des Gottesdienſtes, 
näher die Formulirung der öffentlichen Feier in 
Gebet und Handlung, endlid die Formulare für 
den Gottesdienft felbjt. Es unterſcheiden fid) da: 
ber die liturgifchen Elemente des Gottesdienftes 
von den freien, den didaktiſchen und paränetijcyen ; 
man ftellt einander gegenüber Liturgie und Pre— 
digt, liturgiſches Gebet und freies Gebet. Die 
Nothwendigkeit der Liturgie tritt ein, jobald der 
— aufhört, wie im altteſtamentlichen 
und heidniſchen Cultus, vorzugsweiſe eine Hand— 
lung des Prieſters beim Opfer zu ſein, ſondarn 
Gebet und Anrufung wird; denn die Liturgie dient 
dazu, die Gemeinſchaft der Gemeinde und des 
Vriefters (Liturgen) aufrechtzuhalten, indem die 
Subjectivität des legtern ſoweit eingefchräntt wird, 
daf der Gottesdienit zugleich Darftellung beö Ge⸗ 
meindelebens werden fan. Der ethiſche Begriff 
der Kirche, wie Ritſchl (Itſchft. für Kirchenrecht, 
Tübingen 1869) erſt jüngst gezeigt hat, bafirt ja 
nicht — mit der Theorie der Reſormatoren 
auf der reinen Predigt des Wortes Gottes und 
dem rechten Brauch der Sacramente, ſondern die 
prieſterliche Selbſtthätigleit der Gemeinde, die von 
jedem Familienhaupt geübt werden kann und ſoll, 
vollzieht ſich als gemeinſame Action durch die Ber: 
mittlung ihres Beamten. Das Bekennen zu Gott 
und vor Gott hat dann von jelbjt das Belennen 
vor den Menſchen zur Folge. Liturgiſche Elemente, 
feftitehende Formeln und Gebete treten zuerjt auf 
im Synagogencultus, wo die Gebetsformeln das 
Opfer vertreten. Aus ihm übernommene alttefta- 
mentliche Formeln, das Herengebet und die Ein- 
fegungsworte der Sacramente Find die erjien Be: 
ftandtheile des chriſtlichen Gotteödienftes neben der 
Schriftleſung und dem Lehrvortrage. Die weitere 
Ausbildung des katholiſchen Gottespienjtes zu 
einer dramatiſchen Darftellung des Erlöjungswer: 
fes und die Umbildung des Abendmahls zum 
Opfer ließ das freie und perjönliche Element mit 


Liturgie 


der Lehre und Ermahnung gänzlich zurüdtreten | 
und forderte eine durchaus liturgiſche Geitaltung 
des Gottesdienfted, welche aus altchriſtlichen An: 
fängen fi in künſtleriſcher Bildung vollendete. 
Die lutheriſche Reformation fuchte auch von die: 
fem kirchlichen Erbe möglichft viel beizubehalten 
und entfernte aus der Liturgie nur, was fi un: 
mittelbar auf dad Meßopfer bezog, noch mehr 
behielten einzelne norddeutiche Kirchen in Folge | 
des Leipziger Interims, am mwenigften die würt: 
tembergiſche, während die Schmebitche Kirche eine 
reiche liturgiſche Ausftattung in jeder Hinficht be: 
wahrte. Die reformirte Kirche, welche die Predigt | 
und das Schriftwort vorzugsweiſt zum eigentli- | 
hen Haupttheil des —— machte, be: 
ſchränkte den liturgischen Theil desjelben weit mehr; | 
auch behielt fie weniger als die lutherifche das Alte | 
bei, ſondern ſchuf Neues in vorherrſchend didak— 
tiſchem Geiſte. Eine gr reichhaltige Yiturgie mit | 
ftrengen und vor der Predigt vorwiegenden For: 
men behielt von den reformirten Kirchen nur die 
anglicaniſche. Die deutich:reformirten Kirchen 
fieben am meiften alle Liturgie zurüdtreten, mo 
ie die biblifhen Formen überjchritt und das 
eie Gebet des Liturgen befchräntte. Die Einheit 
der Anbetung wird in ber ganzen deutſchen evan: 
gelifhen Kirche vorzugsweise durch den Choral: 
elang der Gemeinde dargeftellt. In der Zeit der 
de en Drthodorie, des Bietiömus und der Auf: 
Härung ift man überall gegen die Liturgie gleich: 
gültig geworden. Die neuen evangelifdien Litur— 
gien aus diejer Zeit find eigentlich nur Hülfsmit: 
tel für den Prediger, anftatt nad Form und In— 
halt das Gebetöleben der Gemeinde objectiv aus: 
zuſprechen. In der neueren Zeit ift, veranlaßt 
durch die preußijche Agende, eine größere Bewe: 
ung auf dem liturgijchen Gebiete entitanden, die 
in ihrem Extreme Hart das freie und didaktische, 
Element des Gottesdienftes zu überwudern und 
zu unterbrüden drohte, auf der andern Seite aber 
auch die Nothwendigleit zur Anerkennung brachte, 
bie Erbauung ber Gemeinde nicht bloß der Sub: 
jectivität des zufällig fungirenden Prediger an: 
heimzuftellen. An eine evangelijche Liturgie wird 


560 


Siturgie 


turgien, wie fie allmählich in gebildet hatten, find 
die constit. apostol. libri VIII; außerdem einzefne 


‚ Homilien der Kirchenväter Proclus, Auguftinus 


u. A. Vgl. ala Duellenwerle Goar, euchologium s. 
rituale graece, Paris 1647; Gavantus, thesaurus 
sac, rituum, Ven. 1744; Renaudot, liturgiarum 
orientalium collectio und Daniel, Codex liturgi- 
cus eccles. universae in epitomen redactus, Lips. 
1847—53;,; Alt, der chriſtliche Cultus, 2. Aurl., 
Berlin 1847— 1860; Bunfen, Hippolytus. Ueber 
Neale's und anderer Engländer Berdienfte vgl. 
namentlid Schaff, Geſchichte der alten Kirche, 
Yeipzig 1567. Auch Kliefoth's liturgiſche Abhand- 
lungen, Schwerin 1859— 1861, wie die Acten: 
ftüde des preußifchen Oberkirchenraths find für 
die evangelifche Liturgie bemerkenswerth. Es find 
zunächſt zu unterfcheiden die morgenländifchen und 
abendländifchen Liturgien. Zu jenen gehören: 
1) die Liturgie der Kirche von Jeruſalem, & 
wöhnlicd; dem heil. Jakobus zugejchrieben. Cin 
Urtert aus dem 2. Jahrhundert, der nach unver: 
fennbaren Zeichen, 3. B. den Ausdrücken ouoovao; 
und Feoroxog, nad) dem Bedürfniß fpäterer Zei: 
ten mehrfach abgeändert worden ijt; 2) die Ale- 
randrinifche Liturgie, dem heiligen Marcus zuge: 
jchrieben und auch nad ihm genannt, vielleicht 
von Eyrill von Alerandrien verfaßt, von geſchicht⸗ 
licher Bedeutung als die Hauptquelle der äthiopi- 
ſchen und foptifchen Ziturgien; 3) die Liturgie des 
Glemens oder die Liturgie von Alerandrien ſtimmt 
jehr mit der hierofolymitanifchen überein; 4) die 
byzantinischen Liturgten des heil. Bafilius und die 
des heil. Chryfojtomus, beides Bearbeitungen und 
Erweiterungen der Liturgie des heil. Jakobus und 
beide zu ——— aber beſtimmten Zeiten noch 
im Gebrauch. Da die Liturgie des heil, Chryſoſto— 
mus in die altflavifche Sprache überjegt wurde, 
ging fie in die ruffifch-griechifche Kirche über. Das 

emeinfame diefer morgenländifchen Liturgien ift 
außer der Anrufung des heil. Geiftes bei der Con- 
feerirung der Abendmahlselemente die Scheidung 
zwifchen ber ne der Katehumenen und der 
‚Gläubigen; jene bejteht aus Gebeten, Gefängen 


und Schriftlefungen, in diejer ift die Darbrin 





die —— geſtellt, daß ſie enthalte: die alt— 
lirchlich hergebrachten und bibliſchen Formen des 


gung der Opfergaben und ihre Conjecration das 
sefentliche der Feier. Eng verwandt mit Dielen 


Grußes, des Segens und dgl., bibliſche Lectionen, | Yiturgien find die armenifche und die drei nefto: 
allgemeines Fürbittengebet, Zobpreifung und An: — der heil. Apoſtel, des Theodor von 


betung Gottes, Sündenbekenntniß, die Form der 
Feier der Sacramente mit den Einſetzungsworten, 
die Form der kirchlichen Handlungen, des Begräb: 


Mopſueſtia und des heil. Neſtorius. 
Bon den abendländijchen Liturgien find die wich: 
tigften: 1) die in der römischen Kirche geltende des 





nifies, der Eheſchließung, der Confirmation und | heil. Gregor (590—604), weldye nad) dem Beſchluß 
Ordination. Specielle Fälle brauchen um jo weniger | des Tridentinums unter Bius IV. (1560—65) und 
vorgejehen zu fein, alö eben die fpeciellen Fälle die | Pius V. (1566—72) revidirt und 1570 neu ber: 
Andacht der Gemeinde und des Geiftlichen in der: | auögegeben worden ift. Ihr liegen zu Grunde die 
jelben Richtung einigt und verhindert, daß der frei | ältern Quellen deö sacramentarium Leonianum, 
betende Geiftlihe allein bete. Die Sprache der eine alte Sammlung von liturgifchen Formularen 
Liturgie ſchließt fih nod mehr alö die Kanzel: der römiſchen Kirde und das sacramentarium 
ſprache an ben bibliſchen Ausdrud an; fie jollte | Gelasianum (492—496). 2) die Mailändijche oder 
aber mehr, als zu geſchehen pflegt, den theologiichen | Ambrofianiiche Liturgie, welche a. mehrfader 
und dogmatiſchen Ausprud im Unterjchied vom | Bemühungen der Väpfte (Nikolaus II. 1060 und 
religiöjen vermeiden und den wirklidy erbaulichen Eugen IV. 1440), die römische Liturgie einzufüh: 
Ton der heiligen Schrift fefthalten, denn die Li- ren, fi) bis auf den heutigen Tag erhalten hat 
turgie muß aud) den Zeitbedürfnifien in der Auf: | und durch die Bulle Aleranders VI. 1497 aner: 
fafjung und der Ausſprache der religiöfen Wahr: kannt ift. An einzelnen Cultuselementen, 5. ®. 
heit Rechnung tragen, ohne die Gemeinſchaft der einer dreifahen Schriftlefung, wird der Zujam: 
gegenwärtigen Kirche unter fid) und mit der Ver: | menhang mit morgenländifchen Liturgien erkannt. 
gangenheit zu zerſtören. Gleiches ift der Fall bei 3) der Mozarabiſchen Li 

Die älteften Zeugnifje für die altfirhlichen Li- turgie (ſ. d. Art.). Stark unterſchieden von drr 


Liturgik 
römiſchen Liturgie, beſonders durch reiche Schrift— | 
lefung und bomiletifches Element, auch durch die 
Feier der Communion, hat fie ſich im Mittelalter 


troß der römischen Liturgie behauptet und endlich 
eine gewilje Sicherung durch Ximenes gefunden. 
4) die Gallicanijche Liturgie, orientalilihen Ur: 
fprung3, redigirt durch Hilarius von Pictavium, ift 
ſchon durch die Karolinger verdrängt und nur in 
einzelnen Spuren erhalten. Seit Flacius Illyricus 
1557 die Aufmerkjamfeit auf fie wendete, ift fie 
und ihre ältern Quellen öfter bearbeitet. 

Die evangelifche Kicche hat feine Liturgie mit 
dem Anjprucd auf Allgemeingültigkeit aufgeftellt; 
die Liturgien bilden hier einen Theil der Kirchen: 
ordnungen. Luther und Calvin ſchloſſen ihre litur: 
giihen Arbeiten und Vorjchläge den Katehismen 
an. Die lutheriſchen Ordnungen fiehe bei Richter, 
Sammlung deutjcher Kirchenagenden, 1846, und 
Daniel]. c., der aud) die übrigen bietet, jelbft die 
amerifanijche; die Davon verſchiedene Württember: 
giſche Liturgie findet fich bei Grüneijen, die evan- 
geliihe Gottesdienftordnung in den oberbeusichen 

anden, Stuttg. 1856 ; die reformirten bei Ebrard, 
teformirtes Kirchenbuch, 1846—47. Die daral: 
teriſtiſchen liturgifchen Arbeiten aus dem 18. und 
19, ar ggf find bewahrt im liturgifchen | 
Journal von Wagnik, Halle 1800—1809. Bon 
Einfluß auf die Gotteödienftordnung einzelner | 
Gebiete waren bejonders die Arbeiten von Zolli— 
fofer. Epochemachend ijt die neue preußifche Kir: | 
henagende. Weder hervorgegangen aus der Ge: | 
meinde, noch die Frucht theologiſcher Wiſſenſchaft, 
fondern vielmehr die Frucht der bejondern Nei— 
gung eines firdlich gejinnten Königs, ausgehend 
von der vereinzelt jtehenden Brandenburgifchen 
Kirchenordnung, hat fie, die ein dunkel gefühltes 
tirchliches Bedürfniß anregen undbefriedigen follte, 
die Frage darnach wenigſtens in Fluß gebradt 
und ift nicht ohne Segen geblieben, indeß durch 
dürftige und principloje Sammlung und Zujant: 
menftellung von liturgiihen Formen und Formeln | 
den Vorwurf des a gie nicht mit Unrecht 
oft erfahren, und auf der einen Seite die Hand 
geboten zu einer Uebertreibung des liturgiſchen 
Elements, auf der andern ihren eigenen Gebraud 
auf einzelne dürftige, ftehende Formeln (im Aus- 
zuge) beſchränkt. Urjprünglich bejtimmt zum Aus: 
drud und zur Förderung der Union und der ein: 
er Landeskirche, ift fie zuerjt dur den 
ideritand, den fie (befonders in reformirten Ge: 
meinden) durch den Argwohn Fatholifirender Ten: 
denzen in den Gemeinden — und dann 
ſpäter durch Parallelformulare und provincielle 
— die Handhabe zur Zerreißung der 
Union geworden. Ausgezeichnet in vieler Bezie- 
bung fteht das Württembergijche Kirchenbuch da. 
Ueber den badifhen Agendenjtreit ſ. d. Art, Ba: 
den. Die Brüdergemeinde hat bei reichem liturgi: 
ſchen Leben keine eigentliche Liturgie, welche durch 
das Geſangbuch, echt —— erſetzt wird. Hohe 
Bedeutung hat anerfannter Maßen für die Epis— 
copalticche das in vielen Theilen trefilihe Com- | 
ınon prayer book. Ueber die liturgiſch. Verſuche | 
der reformirten Kirche Nord : Amerika’s- Dorner: 
**3 für deutſche Bergen 1868. 
iturgik als Wiffenjchaft hat zu ihrem Gegen= | 





561 


Liutprand 


vität des Liturgen zur Objectivität der Gemeinde. 
Sie ift vorzugsmeije als hiftorifche ling ih 
bearbeitet, alö Darftellung der verſchiedenen Cul- 
tusformen in der chriftlichen Kirche, ihres Ur: 
ſprungs und ihres Zufammenhangs. Einen weſent⸗ 
lichen Anſtoß zur Begründung einer echt wifjen: 
ſchaftlichen Behandlung der Liturgifhaben Schleier: 
macher's Ideen über den Bulkumenteng von 
Religion und Kunft gegeben. Gaß, über den dhrift: 
Ken Eultus, 1815; Vetter, die Lehre vom chriſt⸗ 
lichen Eultus nad) den Grundſätzen der evangeli- 
ſchen Kirche, 1839 ; Klöpper, Liturgif, 1840, Ebrard, 
Verſuch einer Liturgif vom Standpuntte der refor: 
mirten Kirche, 1843, Kliefoth, Theorie des Cultus 
der evangelischen Kirche, 1844; die urfprüngliche 
Gotteödiepfiordnung in den deutſchen Kirchen [us 
therifchen Belenntnifjes, 2. Aufl. 1858—59; Bähr, 
der proteftantifche Gottesdienft vom Standpunfte 
der Gemeinde, 1850; Schöberlein, der evangelische 
Sottesdienft, 1854; das Weſen des driftl, Got: 
teödienftes, 1860; Hagenbach, Grundlinien ber 
Liturgik und Homiletik, 1863; Nigfh u. A. in den 
„praktiichen Theologien.” Bon katholiſcher Seite: 
Schmid 1832; Marzohl und Schneller 1834—41 ; 
Züjt 1844; Depp 1853 ; Flud 1853 —55. 
Liturgifde Bücher. ©. Kirchenbücher und Li: 


* 
e iturgifhe Sprache. S. Kirheniprade und 
Liturgie, 

Liudgerus, der Heilige. Geb. um 744, aus frie: 
ſiſchem Gefchlechte, welches im Frantenreiche das 
Chriſtenthum angenommen hatte, erhielt er feine 
Bıldung auf der Schule zu Utrecht unter Gre— 

or und in York unter Alcuin. In England zum 
Driefter eweiht, ward er zum Mifjionsdienft un: 


‚ter den ‚riefen verwandt. Durd einen Einfall 


der Sachſen 782 von feiner Kirche vertrieben, er: 
ielt er nad) einem Aufenthalt in Nom fünf fries 


t 
| ei e Gaue ald Sprengel überwieſen und nad) der 


Befiegung der Sachſen zwilchen 802 und 805 das 
neugeitiftete Bistum von Mimigernevord (Müns 
jter). Er ift der Gründer der Abtei Werden an 


‚der Ruhr, als deren Abt er 796 genannt wird, und 


daburd mittelbar des von dort aus gegründeten 


| Liudgeriftiftes in Helmjtädt. Nachdem er Karl den 


Großen auf mehreren Feldzügen b 
zu Billerbed bei Coesfeld 309. 


— ſtarb er 
gl. Rettberg, 


deutſche Kirchengeſchichte, Göttingen 1848. 


Liutprand oder Luitprand, Biſchof von Cre— 
mona, Geſchichtsſchreiber des 10. Jahrhunderts. 
Geboren zu Pavia, kam er wohl unterrichtet 931 
an den Hof Hugo's und ward bald Kleriter und 
Diafon zu Pavia. Nach Hugo’s Vertreibung Se: 
eretär bei Berengar, ging er 948—50 als Geſand⸗ 
ter nach Conftantinopel. In Ungnade gefallen, 


N [9 er zu Otto I., dem er durch treue Dienfte-und 
e 


ine Kenntniß der griehifhen und deutſchen 


Sprache jhätbar wurde. Mehrfach betheiligte er 


ſich als fatferliher Gefandter an den Synoden 
und den Verhandlungen über Wahl reſp. Abjekung 
der Päpſte Leo VIIL., Benedict V., Johann XII. 
Noch einmal ging er ald Brautwerber für Dtto II, 
zur Bewerbung um die Theophano nad) Conftan- 
tinopel und ſoll fpäter noch eine oder zwei Reifen 
dahin gemadjt haben. F 972. Zum Biſchof von 
Gremona hatte ihn Dtto 963 gemadt. Seine Werte 


ftande die Erforfchung der leitenden Grundjäge | find: Antapodosis, die Geſchichte von 887—950, 
über Wejen und Form von Feier und hriftlichem | unvollendet gegen Berengar und Willa gerichtet; 
Eultus und über das Verhältniß der Subjectis de rebus gestis Ottonis, mn legationg 


Liviathan 562 Lobbes 


Constantinopolitana, 963, giftig und witzig. Im dem Archigymnaſium zu Dortmund, deſſen oberſte 
Allgemetnen ift er ein im Thatjächlichen glaub: | Klaſſe akademiſchen Rang bejah. 1552 Kaplan 
wirdiger Schriftfteller, obgleich er jeinen Partei: | des Elberfelder Priefters P. Snute, jürderte er 
ftandpunft nicht verbirgt. Vgl. Perg, mon. Germ. |die lutheriſche Keformation, jo daß er 1600 
III, 264 ff., überjegt von dl. v. d. Dfjten-Saden; | Communicanten bei ca. 2500 — hatte. 
Köpke, de vita et scriptis Liudprandi, Berlin | Anklagen bei der Regierung in Düſſeldorf, die 
1842; Wattenbad, Deutjchlands Geſchichtsquellen, er fi bald zuzog, namentlich als er in einem 
2, Aufl. Berlin 1866 ; Barımann, Politik der Päpfte | Privathaufe das Abendmahl sub utraque aus: 
II (Regifter), Elberfeld 1869. —* veranlaßten ihn (ſchon verhaftet, aber ent: 
Kiviathan bedeutet ein ſich windendes, ſchlän⸗ flohen), zu Franz II. von Walde nach Beienburg 
gelndes Thier, unter dem die Bibel das Krokodil 5 flüchten, der ihn als Kaplan in Mengerinahau: 
(Job 40, 25—41), und den Draden oder die | jen anftellte, von wo aus er jeine Schrift an die 
Schlange, überhaupt ein langgeftredtes Ungeheuer | Elberfelder richtete. 1558 zog er zu den Grafen 
verfteht. Ein Symbol des Satans in der jpäteren | von Walde auf die Beienburg. Inzwiſchen pre: 
Theologie, Daher auch von Hobbes für jeine Staats: digte Lo's Nachfolger zu — Joh. Volmar, 
theorie verwendet. evangeliſch und theilte ſeit 1555 das Abendmahl 
Kivingftone, David, Dr., berühmter Afritarei: | sub utraque aus, und Johann Kettler, der Amt: 
ender und Miffionär. Der Sohn eines früher der | mann von Elberfeld, trat offen auf die Seite der 
chottiſchen Kirche angehörigen indepenbentiftifchen Reformation. 1561 erichien Lo wieder zu Elber— 
Diatons, in Blantyre bei Glasgow geboren 1817, | jeld und wurde abermals verhaftet; auf Berwen: 
ftudirte er nad) einer entbehrungsvollen Jugend | dung des Marſchalls von Bernjau und der Fürftin 
Medicin, widmeteaber fein Leben denErforjhungen | Anna jedoch entlaffen, durfte er 1565 nach Elber- 
Afrilas, welde er mit Unterftügung der englifchen | feld zurüdtehren und wurde wie Gaffander vom 
Regierung mit auferordentlichem Erfolge betrieb. | Herzoge als Unterhändler bei den gefangenen wie 
Dreimal Pie er Afrika: 1840 — 56, 1858 — 64 | dertäuferifchen Sectirern gebraudt. Ein Kirchen« 
und feit 1866. Die erfte Reife, welche das füdliche | amt, das —* der Herzog anbot, nahm er jedoch 
Afrika umfaßte, iſt von ihm dargeſtellt in: nicht an, jondern predigte in Elberfeld ſeit 1566 
Miffionsreifen und Forfchungen in Südafrika, | Über die „Rechtfertigung dur den Glauben 
überjegt von 9. Loße, 1858; die zweite in: Neue | allein“, wie er denn fchon früher die reformirte 
Mifitonsreije in Südafrika. Forihungen am Zam: | Abendmahlslehre angenommen hatte. Die im Ja- 
befi und jeinen Nebenflüffen, überjegt von Mar: | nuar 1567 in Düffeldorf entworfene Kirchenord- 
tin, 1866. Letztere Reife, von Weit nad) Dft das | nung wurde Lo auf Befehl des Herzogs zur Be: 
innere Afrika durchſchneidend, ift in ihren Erfol: | gutachtung vorgelegt. Lo hatte 21 Jahre ohne An 
gen ebenjo ergiebig für die Miffion, welder neue —— gepredigt, erhielt aber ſpäter in Elberfeld 
Gebiete eröffnet worden find, als für die Wiſſen- eine Vicarie und ſtarb am 13. September 1581, 
ſchaft. vielleicht an der Peſt. Von Lo iſt nur eine Schrift 
Llorente, Don Juan Antonio. Geb. zu Rincon bekannt, die 1866 Paſtor Krafft in Elberfeld in 
del Soloin Aragonien am 30. März 1756, ftudirte er | der Stadtbibliothel zu Frankfurt a. M. aufgefun: 
die Rechte zu Saragofja, ward 1779 Prieſter, 1731 | den hat. Dies einzige befannte Eremplar ift mit 
Advocat beim h. Rath von Eaftilien, 1786 General: | andern Schriften zufammengebunden und führt 
vicar von Calahorra und 1759 Generalfecretär des | den Titel: Eynfeltige Bekanntniß vnd onuerfeljc- 
Tribunals zu Madrid. Hier wirkte er im Sinne der | ter Euangelijcher Bericht, der waren Beiftlichen, 
Aufklärung in Oppofition gegen Nom. 1801 beim Apoſtoliſchen und alt Catholiſchen mutter Kirchen, 
Sturz des Minifteriums Jovellanos feines Anıtes Welcher geftalt man das heylige Nachtmal vnſers 
entjegt, gelangte er 1805 wieder zu Gunft durch | heren Jeju Eprifti aufteylen und entpfahen ſolle, 
eine Schrift im Negierungsinterefje gegen die Frei: | Aus dreien Euangeliften, Paulo und der h. Vät— 
heiten der bastischen Provinzen. Unter der fran: | tern Schrifiten zufammengetragen und in zroey 
zöſiſchen Herrſchaft, welcher er fich um der Freiheit | teyl verfafjet, durd) Petrum Lo, von Eluerueld 
willen anjchloß, erhielt er den Auftrag, Die Archive | abgezogen. Luc. cap. 22, Am Schluffe: Getrudt 
der Inquifition zu durchſuchen. Als Verwalter der | zu Marpurg im jar M. D. LVI. vif Oymelfart 
Nationalgüter, d. h. der confiscirten Güter, verlor | Marie bei Andreas Colben. Dieſe (Schul:) Schrift 
er fein Amt durch die nie erwiefene Beſchuldigung weift die Schriftmäßigleit des Nachtmahls sub 
der Unterjchlagung einer Summe von 11 Millio: | utraque nad), befämpft dreizehn gegneriiche Ein: 
nen, Nach der Niederlage der Franzoſen verbannt, | würfe und zeichnet fich vor den damaligen Streit: 
ſchrieb er in Paris feine Geſchichte ver Inquifition, | jchriften duch Würde, außerdem durch logisch 
1817, deutſch von Höck, 1819. Die Erbitterung des | geichidte Behandlung des Gegenftandes, grobe 
Klerus gegen ihn fteigerte feine weitere literarifche | Belejenheit und gute Kenntnifie des Verfaſſers, 
Thätigkeit, in der ein fanatifher Haß gegen das er durch herzlichen paftoralen Ton aus. 1. 
Papſtthum ſich fundgab, jo daß er, dem bereits | Bouteriwel, die Reformation im Wupperthal, El— 
das Meſſeleſen unterjagt war, auch aus Frankreich | berfeld 1867; Heppe, Geſchichte der evangeliſchen 
verbannt wurde, Er jtarb bei der Ankunft in Ma: | Kirche in Rheinland und Weftphalen, I. Bd., Jier- 
brid 1825. Der Werth feiner Inquifitionsgefchichte | Lohn 1867. 
beruht nicht auf der Kenntniß und dem Geift des | Lobbes oder Lobach, ein berühmtes Klofter im 
Hiftoriters, fondern zumeift auf den mitgetheilten | Hennegau an der Sambre, gejtiftet durch den heit 
Urkunden, In feiner Darftellung zeigt er ſich noch Yandelin. Sein Abt war anfangs der Biſchof von 
als kirchlichen Katholiten der Auftlärungsperiode. | Lüttich. Mit dem Kloſter verbunden war eine Ge: 
Xo oder Lohe, Peter, geboren 1530, Sohn des lehrtenſchule. Aus Lobbes gingen hervor Ursmar, 
Schulmeiſters Joh. Lo zu Elberfeld. Er jtudirte | Anjegis Heribert, ein Hiftoriter und Mathemati: 
unter Joh. Lambechius und Jacob Schöpper auf ker, Ratherius u. N. 








Lobethal 


Lobethal, 2. Chron. 20, 26, führt den Namen 
von dem Dankfeſt des Sieges über die Ammo— 
niter und Moabiter und ift in der Wüſte Thekoa 
zu fuchen. 


deum laudamus; gewöhnlich) dem Ambrofius von 
Mailand zugefchrieben, ift die Ueberſetzung eines 
uralten morgenländifchen Gejanges. Im römischen 
Breviarium ift er angeordnet für alle Feittage mit 
Ausnahme der Falten und des Tages der unjchul- 
digen Kinder. Luther's Uebertragung von 155" 
„Herr Gott, dich loben wir” ift das ftehende Feſt— 
lied der deutjch-lutherifchen Kirche bei Siegröfeiern 
und ähnlichen Gelegenheiten geworden. Vgl. Ev. 
Em. Koch, Geſchichte des Kirchenliebes I, 2. Aufl. 
Stuttgart 1852. 


Lobgeſang der drei Männer im Feuerofen, ein 


poetiiher Zufag zu der Daniel 3 erzählten Ge: 
Ichichte, mit dent Gebete Afarja'3 zufammenge: 
börig, urjprünglid griechisch geichrieben und mit 
der griechiſchen Ueberſetzung Daniel's verbunden, 
— auch zu gleicher Zeit entſtanden. 
Lobopfer im hebräiſchen Cultus iſt eine Art 
der Dank: oder Heilsopfer, dargebracht in feier: 
liher Weije für unverdient und unverhofft em: 
— Gnadenerweiſungen, 3. Moſ. 7, 12; 22, 


Lobwaſſer, Ambrofius. Geboren 1515 zu Schnee⸗ 
berg in Sachſen, ftudirte er in Leipzig, ward fürft- 
licher Rath und Kanzler in Meiffen und 1563 Pro: 
fefior der Nechte in Königsberg. Geftorben am 25. 
November 1585. Auf in Pe Reifen a: 
er Frankreich, Italien und die Niederlande. Be: 
fannt blieb jein Name nur durch feine deutiche 
llebertragung der franzöfiihen Pſalmen des Cle: 
ment Marot, welde in den kirchlichen Gebraud) 
ber Reformirten Deutichlands und der Schweiz 
überging und trog aller Unvolllommenheit ſich 
lange darin erhalten hat. Sie erſchien zuerft 1573 
zu Leipzig, aber jchon 1565 hatte Lobwaſſer fie dem 
Herzog vorgelegt. In der Schweiz wurde fie durch 
die Eder Bearbeitung, ſpäter durch Die Sta: 
— am Niederrhein durch die des Joriſſen 
erſetzt. 

Lotarno, im italieniſchen Theile des Cantons 
Teſſin am Lago Maggiore, war 1512 der Eidge— 
noſſenſchaft unterworfen, Begünftigt von Zürid), 
entitand eine evangelifche Bewegung (1531—43); 
es jammelten ſich vertriebene evangeliidhe Jtalie: 
ner und ein Prieſter, Giovanni Beccaria, prebigte 
ihnen öffentlich. Der Rath der Stadt und die fa: 
tholifchen Gantone, geftügt auf den Yandfrieden 
von 1531, juchten durch immer jchärfere Maf: 
regeln die Gemeinde zu unterdrücen. Zürich allein, 


dur Bullinger angefeuert, nahm fich derjelben | 
an, konnte aber nur den Evangelifchen, Die 1555 | 


durch die katholiſchen Cantone aus Locarno ver: 
trieben wurden, ein Ajyl in Züri) anbieten. Die 
Locarner bildeten in Zürich eine eigene italienische 


Gemeinde; zu ihr hielten fi Vermigli, Dcdhino | 


und Sozzini. hr Prediger Beccaria wurde 1559 
nad) Mijor berufen; von dort wiederholt verjagt, 
ftarb er 1580 zu Rondo. Die italienische Predigt 
hörte in Zürich auf, jobald die Flüchtlinge mit der 
Landesſprache vertraut geworden waren und das 
Bürgerrecht erhalten hatten. 

Loci communes theologiei. Loci commu- 
nes find im Sprachgebrauch der claifischen Latini: 
tät die philoſophiſchen oder ethischen Grundbegriffe, 


563 


Sobgefang, Ambrofianifher. Der Hymnus te 


Lodabar 


ſelbſtverſtändliche Wahrheiten. Melanchthon gab 
dieſen Titel feiner bekannten dogmatiſchen Haupt: 
ſchrift, weil dieſelbe hervorgegangen aus den Vor— 
lefungen über den Römerbrief, urjprünglic feine 
Dogmatik, jondern eine Anleitung zum Schrift: 
verttändniß fein jollte. Daher Spalatin den Titel 
Loci communes rerum theologicarum seu hypo- 
typoses theol., Witt.1521 überjegte: „Hauptarti⸗ 
fel und a ig Punkte der ganzen h. Schrift,“ 
und man die loci communes ss. von den articulis 
‚fidei wohl unterfchied. Erft in Veranlaffung der 
Melanchthoniſchen Schrift und ihrer weiteren Be: 
arbeitung begann fich der Begriff der loci theolo- 
giei in den eines Syftems der dogmatischen Lehr: 
ftüde umzuwandeln. Melanchthons loci erſchienen 
| zuerft 1521 bis 1535 in 18 verjchiedenen Ausgaben 
und 8 beutichen Ueberjegungen, in fühnem Wurfe 
alle [dholaftiiche Terminologie über Bord werfend 
und wie Luther, ſchroff prädeftinatianifd. Eine 
neue Bearbeitung derjelben, die auch die Yehre von 
der Trinität und Menſchwerdung enthielt, erichien 
1535, ebenfalls in vielen einander folgenden Aus— 
gaben und Ueberſetzungen, dann 1543 die letzte 
Umarbeitung Melanchthons, welche bis zu feinem 
Tode 26 lateinische und 10 deutfche Ausgaben er: 
fuhr, überall mildernd und vermittelnd, betrefis 
der Begriffe der Freiheit des Menfchen und der 
Kirche — Die beſte Ausgabe der loci 
communes gab Bindseil, corp. Ref. T. XXI und 
XXII, Braunschweig (jet Halle) 1854. Vol. au 
Gaß, Gedichte der proteftantifchen Dogmatit, I, 
Berlin 1854; Heppe, Dogmatik des deutichen Bro: 
teitantiSmus, Gotha 1857. i 
Lode, John, berühmter Begründer des philojo- 
phiſchen Empirismus. Geboren zu Wrington in 
der Grafſchaft Somerfet am 29. Auguft 1652, ftu: 
dirte er Philoſophie und Medicin, widmete fi) aber 
namentlich der eritetn, da ihm zur praktiſchen Er- 
füllung des ärztlihen Berufes die Gejundheit 
fehlte. Einen bedeutenden Einfluß auf fein Leben 
und feine geiftige Entwidlung übte die enge Ber: 
bindung mit dem berühmten Staatsmanne Gra: 
fen von Shaftesbury aus, in deſſen Haufe ec Auf: 
nahme und die Geſellſchaft der beveutendften 
Männer genoß. Nachdem er einige Zeit eine Stelle 
im Miniſterium der Colonien befleidet, zog er fid) 
aufs Land in der Nähe von London zurüd, wo er 
am 28. Det. 1704 ftarb. Sein bedeutendftes Wert 
ift: Essay concerning human understanding, 
1690, deutic von Tennemann, 3 Bbe., Yeipz. 1795 
— 99. Seine Philojophie ift der reinfte Empiris— 
mus und die confequente Durchführung des Satzes: 
nihil est in intelleetu, quod non fuerit in sensu 
(nichts ift im Berftand, was ihm nicht durch den 
Sinn mitgetheilt worden ift). Locke beftreitet das 
Vorhandenjein jogenannter angeborener Jdeen, er 
faßt die Seele als urſprünglich vollftändig inhalts— 
108 und was in ihr ift, das ſei ihr erft durch die 
Sinneseindrüde(durh@mpfindung und Neflerion) 
von außen zugelommen. Seine Schrift Reasona- 
bleness of christianity ift eine Apologie des kirch⸗ 
lihen Glaubens, welchen er mit feiner Philoſophie 
vereinigen zu können glaubte. Seine Werle gejam: 
| melt Yondon, I9Bde., 1853. Sein Leben ift beſchrie— 
ben von Yord Sing, 1829. Lechler, Geſch. des 
engl. Deismus, Stuttgart 1841. Schärer, Join 
Xode, Leipzig 1860, 
Lodabar, Stadt jenfeit des Jordan, der Auf- 
enthalt des Mephibojeth, 2, Sam. 9, 4. 5. 
36 * 











Lodenftein 


des Coccejus in Franeler, ward er 1644 Prediger 
in Zoetemer, 1650 zu Sluys in Flandern und 
1652 in Utredt. Dem verweltlihten Sinne der 
äußerlich blühenden reformirten Kirche und ihrer 
veräußerlichten Kirchenzucht ftellte er in feinen 


564 


Rodenftein, Jodocus von. Geboren vor 1620 zu | 
Delft, ein Schüler des G. Boötius in Uirecht und, 


Löwe 


ten, zeriheilet in allerlei Secten, vereinigt in 
Chrifto, 2 Thle,, 1750, erſchien in drei Auflagen 
und rief mancherlei Gegenfchriften hervor. Mit den 
Ideen der Aufllärung und des Eudämonismus 
ohne Eingehen auf tiefere religiöje und theologische 
Ideen fand er das Allgemeine des Chriſtenthums 
in Olaube und Liebe. Jm äußern Kirchenmwejen 


durch gewaltige Beredfamfeit ausgezeichneten Pre: | hielt er Vieles in der katholiſchen Hierarchie für em⸗ 
digten dad Dringen auf inneres Leben entgegen. | pfehlenäwerth. Das Abendmahl jollte der verjchie: 
Nah befreundet mit Labadie, hütete er ſich doch denen Auffaffungen wegen nur in den Familien 


vor jeder Trennung von der Gemeinde, bildete 
aber, wie jpäter Spener in der lutherifchen Kirche, 
in ihr Heine Kreife zu gemeinfamer Erbauung. 
Auch enthielt er fich jeit 1665 für feine Berfon der 
Austheilung des Abendmahls, um dasjelbe nicht 
den Unwürdigen zu jpenden. Seine Aufopferung 
für feine Gemeinde bewies er aud) bei dem Einfall 
der Franzofen 1672, die ihn als Geifel mit ſich 
nach Rees führten. Lodenſtein's Anhänger erhiel: 
ten den Spottnamen der Feinen, der ſich eben wie 
feine und Labadie's Richtung bis heute in der nie: 
derländiichen Kirche erhalten hat. Bon feinen zahl: 
reihen chriftlichen Gefängen ift durch die Ueber: 
tragung des Erafjelius unter uns am befanntejten 
geworden das Lied: „Heiliger Jejus, Heiligungs: 
quelle“, welches er mit Unrecht G. Arnold zu: 

efchrieben wurde. Val. E. E. Koch, Geſchichte des 
Rirhenliedes, Stuttgart 1852. Goebel, Geſch. der 
rhein.sweitf. Kirche, 

Löffler, Friedrich Simon, proteftantifcher Theo: 
log. Geboren am 9. Br 1669 zu Leipzig, ſtu⸗ 
dirte er dort, ward 1689 Magijter der Philojophie 
und Baccalaureus der Theologie, 1695 Pfarrer zu 
Brobftheida, 1745 emeritirt und ftarb 1748. Er 
war der Neffe des berühmten Yeibnig. Schriften: 
Specimen exeges. s. de operariis in vinea ; Diss, 
de litteris Bellerophonteis u. X. 

Löffler, Joſias Friedrich Chriftian, einer der 


gefeiert werden. Vereinzelt find feine Gedanten 
Immer wieder von neuem hervorgetreten. 

Löſcher, Johann Kaspar, geboren am 8. Maäi 
1636 zu Werden im Boigtland. Er jtarb am 11. 
Juli 1718 als Dr. und o. Profeflor der Theologie, 
Veneraljuperintendent und Conftjtorialafjeflor zu 
Wittenberg feit 1637 und war vorher 1658 Su— 
perintendent zu Sondershaujen, 1676 Baftor an 
der Predigerfirche zu Erfurt, 1679 Superintendent 
zu Zwidau und 1683 Senior zu Danzig. Berühm- 
‚ter iſt jein Sohn: 

Köcher, Valentin Ernit. Geboren 1673 in Son- 
dershauſen, bezog er im 17. Jahre die Univerjität 
Wittenberg, danad) Jena und hielt fid) 1696 auf 
feiner peregrinatio academica in Hamburg und 
Roftod auf. Er habilitirte ſich 1697 in Wittenberg, 
wurde 1698 als Superintendent nah Jüterbogf 
berufen, 1702 nad Delitzſch, 1707 Brofeffor der 
| Theologie zu Wittenberg und ging 1709 als Spe- 
ner's Amtsnachfolger nad) Dresden. Durch Ge: 
lehrſamkleit jowie Durd Frömmigkeit ausgezeich- 
net, vertrat er die Orthodorie gegen die An— 
griffe der Schule des Thomafius, der Enthuſiaſten 
| und des Pietismus. Hier ftand ihm als ein nicht 
‚ebenbürtiger Gegner Joahim Lange entgegen. 
Nach dem Mihlingen des von Löſcher bewirtten 
ı Merjeburger Friedensgeſpräches mit Franle und 
Herrenſchmidt 1719 erihien der zweite Theil der 








bedeutendjten Vertreter des Nationalismus auf Hauptſchrift: Timotheus Verinus, 1722. Gerade 
ber Kanzel, war geboren am 18. Januar 1752 zu durch Löſcher's Polemil tritt die Unfähigkeit der 
Saalfeld. Nah dem Tode jeines Baters in dem | Orthodorie ans Lit, dem wahren Intereffe der 
Waiſenhaus in Halle erzogen 1763, ftudirte er uns | Frömmigkeit gerecht zu werden. Er führte feine 
ter Semler 1769—72, wurde durch Teller 1777 | Kämpfe vornehmlich in der von ihm begründeten 
Prediger an der Hofgerichtstiche in Berlin, 1778 | und redigirten, erften deutjchen theologijchen Zeit- 
Feldprediger, 1783 Profeſſor der Theologie und ſchrift, ven „Unſchuldigen Nachrichten von alten 
Brediger zu Frankfurt an der Dder bis 1758. 1792 | und neuen theologijhen Sachen.” Andere Schrif: 
Dr. theol., übgrnabm er 1804 die Herausgabe des | ten find: Praenotationes theologicae; Historia 
von Teller begründeten Magazins für Prediger. | motuum, 1707. Vgl. Engelhardt, V. E. Löſcher 
Er jtarb 1816 als Generaljuperintendent zu nad feinem Leben und Wirken, Dorpat 1853. 


Gotha. Vgl. Döring, die deutichen Kanzelredner 
des 18, und 19. Jahrhunderts, Neuftadt a. d. D., 
1830. 


Tholud, die Theologen Wittenbergs. 
Löſegeld iſt im Geſetz beftimmt: 1) für die Lö— 
jung der männlichen Erftgeburt, 2. Mof. 13, 13; 





Löhe, Wilhelm. Einer der ausgefprocdenften | 4. Mof. 18, 16, es durfte hier fünf Sefel nicht 
Vertreter der Jutherifchen Richtung in der evange: | überjteigen; 2) für die Auslöfung Anderer, 3. B. 
lichen Kirche, ift er von nicht geringem Einfluß in | Kriegögefangener, die dem Heiligthum geweiht 
ber bayeriichen Beiftlichkeit. Sein Dialoniffenhaus waren, 3. Mof. 27, 2 ff., desgleihen gemeihter 
in Neuendettelsau leitet er im fatholifirenden | Dinge; 3) zur Auslöfung der Erftgeburt der un: 
Sinne, wie jeine Schriften über Kalenderheilige, reinen Thiere; 4) für die durch ein ſtößiges Thier 
Rojenmonate heiliger Frauen, die Uebung der leg: | verurjachte Tödtung eines Menſchen, 2. Moſ. 21, 
ten Delung, Area haben. ‚30. Für den Mörder ſollte fein Löjegeld angenom: 

Loeu, Johann Michael von, geboren zu Frank: | men werden, 4. Moſ. 35, 31. 32. Bedeutjam ift 
furt am Main 1695, geitorben als preußiicher Ge: | der Gedanke, da Ehrijtus fein Yeben als Löjegeld 
ns Kanımer: und Negierungspräjident zu | bezeichnet hat, für die Lehre von der Verſöhnung 

arburg. Er ſchrieb unter dem Pfeudonym Gott: | geworden. Vgl. Ritſchl, Jahrbücher für deutiche 
lob von ‚sriedenheim für eine weitherzige Faffung | Theologie, 1862, 
der Religion und eine Union der Brotejtanten, | Löwe war in alter Zeit in Paläftina häufig, 
aud der Katholiten. Seine Hauptſchrift: Eunzig | Richt. 14,5; 2. Kön. 17,25, namentlich am Libanon 
wahre Heligion, allgemein in ihren ie und am Jordan. Löwenbilder waren am Throne 
perwirret durch die Zänfereien der Schriftgelehr:  Salomos, 1. Kön. 10, 19 — 20; wahrſcheinlich 





— 
Löwen 565 Logos 


war ber Löwe das alte Fahnenbild Juda's, vgl. | den iſt. Reden Stellen wie 17, 21 für ein deutlich 
1. Moſ. 49,9. Symbolifch bezeichnet der Löwe jelten | ejchiedenes Selbjtbewußtfein, infofern die Einheit 
die Eöniglihe Macht Chriſti, häufiger in der chriſt- Chrifti mit Gott in Analogie geſetzt wird mit feiner 
lichen Symbolik den Teufel. | Einheit mit den Gläubigen, fo ift doch das Ver: 
Löwen. Die Univerfität ift geftiftet von Johann | hältniß des geſchichtlichen Chriſtus zum Vater nicht 
IV. von Brabant 1425, von Martin V. beftätigt und | eradezu auf den Logos zu Übertragen. Dagegen 
am7. Sept. 1426 eröffnet. An ihr wirkten im Laufe Führen Stellen, welche von dem präcriftenten Chris 
der Zeit der jpätere Papſt Adrian VI., Lipfius, ſtus reden, wie 1,18; 17,5, wenn man nicht weit« 
Bajus, Janfen, Bellarmin u. X. Durch Bajus und | gehende poetifche Vorftellungen annehmen will, 
Janſen wurde Löwen ein Hauptfiß des gegen die | nicht minder auf ein Selbftbewuhtjein des Logos 
„herein ber fatholifchen Kirche geführten | dem Bater gegenüber. Da, wenn auch im Philip: 
ampfes. Joſeph II. errichtete hier eines feiner | per: (2, 6 #) und Koloferbriefe (1, 16 ff.) die 
Generaljeminare (von kurzer Dauer) und verlegte | Jdee des Logos ihrem ungefähren Sinne nad) vor: 
17883 zeitweilig die Univerfität mit Ausnahme der | handen ift, hier doch der Ausdrud und der formu: 
theologiichen Facultät nach Brüffel. Die franzd: | lirte Begriff fehlt, jo ift die Lehre vom Logos in 
fijche Regierung bob 1797 die Univerfität auf, die | diefer Form ald dem Johanneiſchen Evangelium 
holländiſche jtellte fie 1816 wieder her. Als die | eigenthümlich zu betrachten. 
belgiſche —* fie als Staatsanſtalt fallen | Aber auch dieſe Johänneiſche Lehre ſteht Durch: 
ließ, ergriffen die Bischöfe von den Räumlichkeiten | aus nicht außer allem Zuſammenhang mit der ger 
und Stiftungen Beſitz, verlegten dahin die 1834 ſchichtlichen Entwidlung. Schon das Alte Teſta— 
in Mecheln gegründete freie katholiſche Facultät | ment hat das Beftreben, mit Dffenbarungsorga: 
und richteten auch die andern vier Facultäten wie: |nen, denen die Aufgabe der Selbjtmittheilung 
der auf. Mit der Univerfität ift das College de | Gottes an die Welt zufällt, fo namentlich den En: 
la Haute Colline, eine Art Gymnaſium, verbunden. | gen, die Teluft zwifchen Gott und der Welt aus: 
Log, das Heinfte hebräiſche Hohlmaß, der 12. | zufüllen. Tritt aud) ſchon das „Wort Gottes“ bei 
Theil des Hin oder gleich dem Raum von ſechs der Schöpfung (1. Moſ. 1, 3; Pf. 33) bedeu— 
Hühnereiern, nad) Thenius 21,27 Kubikzoll. tungsvoll hervor, fo ift freilich noch eine weite Ent: 
Logos, Wort. Der dem Evangelium Johannis | fernung von dieſer einfachen Offenbarung des 
zu Grunde liegende Begriff, welcher ihm den — Willens bis zur ſelbſtändigen Hypoflaje. 
Schlüſſel zum Verſtändniß der göttlichen Würde | Aber in der Theologie des fpätern Judenthums 
Jeſu bietet, wird im Eingange deö Evangeliums | drängt die Speculation immer deutlicher auf dies 
mit dem Ausdrude „Logos” bezeichnet. Der ge: | jeö Ziel hin. Die Memra (Wort) und die Sche- 
ſchichtliche Ehriftusift nichts Anderes als die Fleiſch china (Erfcheinung der Herrlichkeit Gottes) in 
gewordene Erjheinung des Logos, welcher jhon | den Targumim find Erjceinungen Gottes der 
„im Anfange” gewefen ift, und zwar bei Gott (zu | Welt gegenüber, welche, obgleih Erideinungen 
Gott hin oe zov Hey) und felbit Bott ift (9ess | Gottes jelbft, doch eine immerhin relativ jelbftän: 
göttlichen Wefens, nicht 6 Heög der abfolute Bott | dige Stellung einnehmen dem eigentlichen tiefiten 
als folder), welcher zugleich das jchaffende Prin: | verborgenen Wefen, dem in ſich gejchlojjenen ru: 
eip in ber Schöpfung und immer das Drgan ber henden GSelbftbewußtfein Gottes gegenüber. In 
Bermittlung für die Lebensmittheilung an die | der Alerandrinischen Religionsphilojophie erfuhr 
Menſchen war, das „Licht, welches in die Finfter: | die dee deö Logos durch die Aufnahme von Ele: 
niß ſcheint“, ohne welden Niemand Gott erfennen | menten griechiſcher Philofophie ihre philofophifche 
fann (1, 15). Als der „einziggeborene Sohn“ (1, | Ausbildung. Schon Plato's Jdeenmwelt, als der 
14), deffen Vater Gott nicht in demfelben Sinne | aus Gott heraustretende ſchöpferiſche vous (Ver: 
ift, wie er der Vater der übrigen Menſchen (5, 18) | ftand) Gottes, bildete eine Brüde zur Vorftellung 
üt, fann der Logos nur als gleichen Wejens mit | einer aus Gott hervortretenden Sypoftafe, einer 
ott gedacht werden (10,3; 14, 9; 12,45), wenn | Berjelbjtändigung des —— edankens. So 
er auch nicht Gott ſelbſt ift, fondern eben „das | hat die Alexandriniſche Religionsphiloſophie ſchon 
Wort“, weiches aus Gott hervorgeht. Gerade wie | in den Sprüchen, bei Jeſus Sirach, beſonders aber 
das von uns geſprochene Wort einerfeits eins ift |im Buche der Weisheit der „Weisheit“ Gottes 
feinem geiftigen Inhalte nad) mit unferm Wefen, | einen fast bypoftatifchen, perfönlich jelbftändigen 
das es allerdings nicht felbft ift, aber doch in fei- | Charafter verliehen, läßt aber doch bei der Alles 
ner nad) außen tretenden und wirkenden Erſchei- durchdringenden poetifhen Vorſtellungsweiſe im; 
nung barjtellt, wie eö anderſeits eben doch wieder | mer noch nur eine Perjonification, nicht aber bie 
ein von unferm Selbftbewußtjein Unterfchiedenes, | Borftellung eines perfönlihen Wejens zu. Die 
und jelbft objectiv Gegenüberliegendes ift, jo aud) | Verarbeitung der dee des Logos in ein philoſo⸗ 
der Logos in ſeinem Verhältniß zum Vater. Er phiſches Syſtem hat hauptſächlich Philo vollzogen. 
ift das Weſen Gottes ſelbſt in feiner Erſcheinung Aus Elementen Platoniſcher Gedanken, ferner der 
ber Welt gegenüber, aber eben wieder als Erfcheis | ftoifchen Philofophie, welder der Name entftammt 
nung nad) außen hin dem Selbſtbewußtſein Gottes | (der dort die Alles durchdringende Weltjeele be: 
ein Gegenüberliegendes, Objectivirted. Ya, das | deutet), und endlid aus Elementen des Alten Te: 
Legtere muß noch ftärfer betont werben, als es | ftamentes ift der Begriff des Philoniſchen Yo 08 
nad) der Analogie deö menſchlichen Wortes ſcheinen zufammengefloffen, welder nicht eine bloße Idee, 
jollte, der 2ogos iſt eine jelbftändige Hypoftafe aus | jondern eine reale, ypoſtatiſche, in der Welt wirt: 
Gott, obgleih gleihen Weſens (9eos) und es ift jame Potenz ift, Er ift der erftgeborene Sohn 
nur die frage, ob wir diejelbe — im Sinne des | Gottes, die ſchöpferiſche Kraft in der Welt, weder 
Johannes:Evangeliumd — uns mit perfönlichem | ungezeugt wie Gott noch gezeugt wie die Menſchen, 
Selbftbewußitfein zu denfen haben, oder nicht, wor: | aber beiden wejenäverwandt. Die Vermittlung 
über der Streit der Theologen noch nicht entjchies bildend zwifchen Gott und Welt, hält der Logos 








Logothet 


feinem Begriffe nad) ungefähr die Mitte —— 
dem Engel des Alten Teſtamentes und der Idee 
Plato's, nicht in beſtimmter Weiſe als Perſon er: 
ſcheinend, aber doch mehr denn eine bloße Perſoni⸗ 
fication von Jdeen. Aus diefer Philofophie ift nun 
nad) verbreiteter, aber auch von Vielen bejtrittener 
Ansicht aud die begrifflihe Faſſung der Logos: 
lehre, wie fie im Johanneiſchen Evangelium auf: 
tritt, entlehnt. 

Was aber entlehnt iſt, das ift auch nur die be: 
oriffliche Faffung, infofern die chriſtlich-theologiſche 
Entwidlung der chriſtologiſchen Idee ſchon, ehe ie 
mit der Alerandriniihen Speculation in Berüh: 
rung trat, den Gedanken eines präeriftenten Chri: 
ſtus vollzogen hatte und nur noch der wiſſenſchaft— 
lihen Formel bedurfte, die ſchon gewonnene dee 
aud) formell zu firiren. Die Logoslehre bildete aber 
von dem Augenblid, wo diefer fpeculative Begriff 
gefunden war, die Grundlage der chriſtologiſchen 
und theologiihen Speculation. ©. darüber den 
Art. Trinität. Vgl. Lücke, Commentar zu Johan: 
nes, 3. Aufl. Bonn 1840; Niedner, de Min 
Lips. 1846 ; Zeller, Bhilojophie der Griechen 1, 
Leipzig 1868; Riehm, Lehrbegriff”des Hebräer: 
briefes, Ludwigsburg (Baſel) 1859; Keim, Jeſus 
von Nazara, Zürich 1867, I, 108, 212. 

Logothet, ein hoher kirchlicher Verwaltungs: 
beamter der griechischen Kirche, Nehnungsführer, 
Siegelbewahrer und Mitglied des Gerichts, 

Lohn. Da der Begriff des Lohnes ein Rechtö: 
verhältnig wie VBerdienft vorausjegt, jo fann er 
nur da in der Dogmatik eine Stelle finden, wo der 
Grundbegriff der freien Önabe irgendwie verbun: 
felt oder noch nicht erfannt ift, wie im Alten Te: 
ftamente und in der katholifchen Kirche. Doch ruht 
er aud) hier, wie ſchon der Sat: extra ecclesiam 
nulla salus anzeigt, auf der Vorausfegung eines 
durch göttliche Gnade freiwillig neu —— 
Rechtsverhältniſſes. An vielen Stellen der Evan— 


gelien (Matth. 5, 12; 10,41; 20, 1—16; 25, 14 | 


—30; Luk. 19, 11—27; oh. 5, 29), aud) der 


566 


Lombarden 


die Anhänger Wielif's. Ausgehend von einem ſehr 
entihiedenen Schriftprincip, verwarfen fie die 
Autorität der Kirche mit ihren Lehren von der 
Beichte, vom Ablaß, vom Abendmahl, von Heili- 
genanrufung, ſowie den —— und ſuchten 
ein einfaches, praltiſches Chriſtenthum; ſie pflegten 
die Reiſepredigt, Privaterbauung in Conventikeln, 
laſen die Bibel in der Vollsſprache und andere re: 
ligiöſe Schriften. Obgleich ſchon zu Wiclif's Leb— 
zeiten Verfolgungen ausbrachen und einige ſeiner 
nächſten Freunde zu Unterwerfung und Widerruf 
genöthigt wurden, breitete fich die Partei nad) ſei— 
nem Tode, geleitet von Nilolaus Hereford, Johann 
Afton, Johann Purney, durd) gang England aus. 
Die mit den religiöfen aber unvermeidlich verbun: 
denen politiichen Neformideen (Eingabe von 1394 
an das Barlament) trieben Heinrih IV. zum 
Bunde mit der Hierarchie gegen die Lollarden. 
Die Parlamentsacte von 1400 (de comburendo 
haeretico, von der Verbrennung der Ketzer) zeigte 
Ihon am 4. Februar 1400 ihre Wirkung in der 
Hinrichtung des Caplans William Samwtre als 
eines rüdfäligen und unverbefjerlihen Ketzers. 
Biſchöfliche Bihtationen fäuberten die Univerfität 
Oxford von allen der Oppofition gegen Rom Ber: 
dächtigen, und als 1417 unter Heinrich V. Lord 
Cobham, der Günftling Heinrihs IV. und das 
politiihe Haupt der Lollarden, hingerichtet war, 
wurde es der nquifition leicht, bis 1431 die be- 
deutenderen unter den Lollarden mwegzuräumen 
und die Gemeinſchaften gänzlic) zu zerjtören, wie 
auch die —— längſt verhindert war. Die 
einmal im Volle ausgeſprochenen und befannten 
religiöfen Ueberzeugungen mirkten indeß fort, bis 
die Reformation ſie aufnahm. Vgl. ©. Weber, 
Geſch. der K.:Reformation in Großbritannien, 2 
VBde. Leipz. 1856; Lechler, Wiclif und die Lollar- 
den, Leipz. 1358; Hefele, Conciliengeſchichte, VI. 
Theil, Freiburg 1867. 

Lombarden oder Kongobarden, ein deutiches 
Volk, weldyes aus feinen urfprünglicen Sigen nad 


apoftoliihen Briefe, wird zwar vom Lohn gere: Bluhme's neueften geficherten Forfhungen in Jüt: 


det, aber doch nur in der bildlihen Rede und in 
der Unmöglichkeit, durch ein anderes menſchliches 
Verhältniß das zwifchen Gott und dem Menſchen 
nad) diefer Seite bejtehende auszuſprechen. Nach 
ber Gedankeneinheit der Schrift bezeichnet Lohn 
das ftattfindende Verhältniß zwiſchen der Se: 
ligfeit als jubjectivem Gefühl und Bewußtjein und 
der erworbenen und bethätigten fittlihen und re 
ligiöfen Tüchtigleit, denn mit diefer wächſt auch die 
Fähigkeit, das höchſte Gut zu ergreifen, Gott in 
feiner Offenbarung zu erfennen und in feine uns 


Lohn der Tugend fann alfo nur in dem Sinne ge: 








land von dem nördlichen Ufer der Elbe durch Mäh: 
ren fich nad) Bannonten wandte, dort das Ariani- 
ſche Chriſtenthum oberflächlicd annahm, die Gepi- 
den befiegte 547, von den Avaren gedrängt, unter 
den Königen Alboin und Kleph in Ober: talien 
einbrach 569, die griechifch- römische Herrichaft zer: 
ftörte und ein lombardifches Neich mit der Haupt: 
jtadt Bavia begründete. Die Geſchichte dieſes Rei— 
es ift vom größten Einfluß auf die Geftaltung 
der kirchlichen Berhältnifie geweien. Zwar iſt der 


| Zufammenhang der Entjtehung der jpäter fo wid: 
dargebotene Gemeinjchaft einzugehen. Bon einem | 
bardiſchen, römischen und fränkiſchen Rechte noch 


tigen lombardiichen Städtefreiheit aus dem lom: 


redet werden, wie man Kenntniffe den Yohn des | nicht völlig aufgellärt, deutlicher liegt der innere 
Fleißes nennt; fernzuhalten ift nur jede Vorftel: | Gang der firhlidhen Entwidlung vor. Der mit 
lung einer Gabe oder Gnade, die nicht im innern | offenbarem Heidenthum noch jtarf verjegte Aria: 
Zufammenhange mit der Stufe der erlangten in: | nismus fonnte fid gegen den Katholicismus bei 
nern been ung ſteht. der eintretenden Bermiihung der Einwanderer 

Koipfenbrüder hießen die Geifelbrüder von | mit den Nomanen nicht halten. Die Bemühungen 
ihren Yeifen, Zoifen, d. i. Gejängen. der katholiſchen Königin Theodelinde und des 

Rollarden (Lollharden), von lullen, lollen, leiie | Bapites Gregor I. (590— 604) hatten fchnellen 
fingen, urſprünglich die vollsthümliche Benennung | Erfolg ; ſchon unter ihrer Nachfolgerin wurden die 
der Alerianer oder Zelliten, eines Bereins zur Arianiſchen Bischöfe verdrängt, und ihr Bruders: 
Armen: und Kranlenpflege, der auf die ketzeriſchen John Aribert war 642 der erſte Fatholifche König. 
Begharden übertragen wurde. Daher ging der | Fortan aber jchied ſich Das päpſtliche und das Ion: 
Name überhaupt auf kirchliche religiöje Genoſſen- gobardiſche Intereſſe, einig nur in dem Widerftand 
haften über und wurde in England ftehend für gegen jeden Angriff auf ihre Unabhängigkeit von 





u 


Lombardus 


Byzanz. Beide traten aber nad) der Herrihaft 
und der vollen Unabhängigkeit in ganz Italien; 
daher unterftügen die Päpfte ftets die zum Abfall 
geneigten Herzöge von Benevent und Spoleto, die 
longobardifchen Könige aber beſchirmen die rela= 
tive Selbjtändigfeit des Erzbistyums Mailand 
und des Patriarchats von Aquileja. Sie behaupten 
die Gerichtsbarkeit über hohen und niedern Klerus, 
die Berwaltung des Hirchengutes durch königliche 
Vögte und das Wahl: und Beftätigungsrecht. Die 
Blüthezeit des Neiches fällt in die Regierung Liut: 
prands 713—742; feine Gejeggebung vollendet 
die Organifation des Volles, welche das Edict des 
Rothari 643 begonnen hatte. Vgl. über dieje Ge: 
ſetzgebung Bluhme und Boretius in Pertz, Leg. 
IV. Gegen ihn, der gereizt durch die Untreue 
Gregor’s IL., weldyer die aufſtändiſchen Herzöge 
von Benevent und Spoleto unterftügte, einen Zug 
gegen Rom rüjtete, rief der Papſt den Franken 


Karl Martell zu Hülfe, aber beider Tod vereitelte | 


den Blan, und Zacharias mußte ein Bündni mit 
den Longobarden eingehen. Yiutprand’3 Nachfolger, 


967 


Loos 


meinverſtändlicher Darſtellungskunſt in ſeinen 
Sententiarum libri quatuor (herausgegeben von 
5. Meaume, Löwen 1546) ein Muiter:, Grund: 
und Lehrbuch für die Scholaftik feines und des fol: 
genden Jahrhunderts aufgeftellt. Seine Sentenzen 
bildeten den Leitfaden des theologischen Unterrichts 
in der Folgezeit, und zahlreihe Commentare find 
über diejelben verfaßt worden. Außer den Sen: 
tenzen hat Lombardus mehrere Commentare über 
die Pſalmen, das Hohelied, die Pauliniſchen Briefe 
herausgegeben. Da er aber an einzelnen Stellen 
dem hierardifhen Syſtem nicht genug that, na= 
mentlich auch die wahre Menjchheit Chrifti durch 
feine Syllogismen zu bedrohen jchien, ward er 
ſchon unter Papft Alerander III. verklagt und 
man ftellte an der Pariſer Facultät eine Reihe von 
Süten auf, in quibus Magister non tenetur. Vgl. 
Hefele, Conciliengefhichte V; Reuter, Alexander 

ı IIL., im 3. Band am Schluß. 

Kondon, einjt ald Hafen genannt, von welchen 

Bonifaz fich nach dem Continent einſchiſſte, erhielt 
ein Bisthum, deſſen berühmter Inhaber zur Zeit 


Rachis und Aiftulf, erneuerten die alten Forde: | Heinrichs II., Gilbert Folioth, ſonderlich die Poli: 
rungen der Unterwerfung Noms, als das Erarchat | tif des Königs im Kampfe gegen Thomas Becket 
zu Ravenna erobert war. Ihrer ſich zu erwehren, | und die päpftliche Curie unter Alerander ILI. mit 


rief Stephan III. Bipin den Kleinen; Aiftulf mußte 
die Eroberungen herausgeben, mit denen der Papit 
beihenft wurde 754 und 756 und die fränkische 
Oberherrſchaft anerkennen. Aiſtulf's Nachfolger 
Deiiderius ftand anfangs dem Papſte Stephan IV. 
(768—772) nahe; er erneuerte aber jein Streben 
nad) der Herridaft über talien, verweigerte die 
Erfüllung der Verträge und bedrohte Nom. Ein: 
mal vermittelte Karl der Große den Frieden. Als 
aber derjelbe die Tochter des Defiderius, jeine Ge: 
mabhlin, verjtoßen hatte und diefer von Hadrian 
bie föniglide Salbung der Söhne Karlmanns er: 
zwingen wollte, welche vor ihrem Oheim Karl zu 
ihm geflohen waren, mußte Karl im eigenen In— 
terefje dem Hülferuf des Papſtes folgen. Durd) 
Berrath wurden die Longobarden umgangen und 
geichlagen, das Heid, erobert und mit dem frän: 
tiſchen vereinigt 774. Die große geſchichtliche Be: 
deutung diefer Eroberung hat erſt v. Sybel Har 
gemacht (die deutſche Nation und das Kaiſerreich, 
1862). Der Hauptgeſchichtſchreiber ift Paulus Dia: 
conus. ©. Abel, der Untergang des Longobarden: 
reiches, Göttingen 1859, Barmann, die Politif 
der Päpfte I, Elberfeld 1868. 
Lombardus, Petrus, berühmter ſcholaſtiſcher 
Theolog. Geboren in dem zur Lombardei gehöri: 
en Novara, jtudirte er Theologie zu Bologna, 
heims, Baris, wojelbit er durch feine ausgezeich: 
neten Xeiftungen bald zum Lehrer wurde. 1159 
wurde er Biſchof von Paris. + 1160 oder wahr: 
Icheinlicher 1164, Gegenüber den beiden fcholajtis 
ſchen Richtungen, wie fie namentlich in Bernhard 
und Abälard repräjentirt find, der traditionellen 
und der dialeftijchen, bahnte Yombardus eine ru: 
bigere, der Kirchenlehre nicht gefährliche aber doch 
durch die Dialektik des Verftandes hindurchgehende 
Behandlungsweiſe des kirchlichen Dogmas an. Er 
üt der wichtigſte Vertreter der fogenannten Sen: 
tenzentheologie, in welcher das kirchliche Dogma 


gefundem ftaatsmännifchem Tacte vertrat (vgl. 
Reuter, Alexander IIL., Bd. I, II, 2. Ausg. Yeip- 
zig 1860). Mannigfach verjammelten fi) Goncile 
dajelbit, wie fie Delete getreu verzeichnet, nament: 
lid) in der Zeit, ald das Bürgerthum feinen Spre: 
cher für die firchliche Reform in Wiclif gefunden 
hatte. Die wachjende Bedeutung der Stadt machte 
fih unter dem Scepter Heinrichs VIIL., wie unter 
dem Lorbprotector Cromwell geltend (vgl. Maus 
venbrecher und Ranle, über engliihe Geſchichte). 
Nach der glorious revolution (val. Macaulay) und 
der Erhebung der engliſchen Weltmacht hat die 
Miffion, die äußere wie die innere, dort den vor: 
nehmſten Heerd gefunden. Deutjche, wie überhaupt 
fremde Gemeinden fanden feit a Yasın's Tagen 
dort ein Aſyl. Die Hauptlirche ift nad) St. Paul 
genannt. 

Konginus, der römiſche — welcher 
Jeſu Seite mit dem Speer durchbohrte. Nach der 
Legende hat er ſich befehrt und als Einfiedler ein 
bußfertiges Leben in der Nähe des heil, Grabes 
geführt, wo jegt die Capelle des Longinus fteht. 

Kongobarden. ©. Lombarden. 

2ood. Durch das Geſetz vorgeſchrieben war ber 
Gebrauc des Loojes nur in dem einen Falle 3. 
Moſ. 16, 8, aber auch das Orakel des Urim und 
Thummim war wahrfcheinlid nichts Anderes als 
ein Looſen. Der Gebraud des Yoojes als des 
einfadhften Mittel, die göttlihe Entſcheidung 
(Spr. 16, 33; 18, 18) anzurufen, kommt jehr 
häufig vor; jo wurde das Yand durch das Loos 
vertheilt (of. 14,2; 16, 1), Saul’s Königthum 
durd das Loos beftimmt, ebenio das Apojtel: 
amt des Matthias (Apftg. 1, 26). Regelmäßig 
war die Anwendung des Looſes bei der Verthei: 
lung der Prieftergefchäfte und der Nriegsbeute, 1. 
Chron. 24, 5. Der Glaube an den unmittelbar 
göttlichen Entſcheid, Joſ. 7, 14 ff.; 1. Sam. 14, 
42, lag ihm zu Grunde Man beviente fich zum 





— — — — — 


durch Sätze geſtützt wurde, die den Schriften der Looſe meiſt eines weißen und ſchwarzen Steinchens, 
anerlannten Kirchenväter entnommen waren. Ohne welche aus einer Büchſe, einer Urne oder aus dem 
beſondern Scharfſinn und ſpeculative Kraft hat Buſen des Oberkleides herausgeworfen wurden. — 
Lombardus („magister sententiarum‘) mit gro: | In der chriftlichen Kirche hat das Loos eine Anwen 
fer Gelehrſamleit und gejdidter, Harer und ge- dung faft nur in der alten Brüderkirche gefunden 


Loofungen 


bei Beftellung der Geiftlihen und Biſchöfe; viel: 
fach brauchen es die Herrnhuter in dem unbe: 
dingten Glauben, daß Gott durch dasfelbe feinen 
Willen fund thue, jo daß der Ausfall des Loofes 
auch als aöttliches Gebot in menfdlichen Lebens: 
verhältnifien, 3. B. bei Heirathen, galt. Die Sy: 
node von 1848 hat aber den Gebraud) des Loojes 
fehr eingeſchränkt. 

Koofungen und Kehrterte der Brüdergemeinde 
werben jedes Jahr neu gewählt und herausgege: 
ben. Es find Bibelfprühe aus dem Alten und 
Neuen Teftamente, von einem Berje aus dem Brü: 
bergejangbuch begleitet, an welche die öffentliche 
und Privaterbauung eines jeden Tages ſich an: 
lehnen ſoll. 

Rope De Bega (Don Zope Felir de Vega Car: 
pio), der fruchtbarfte und genialfte Dichter Spa: 
niend. Geb. am 25. November 1562 zu Madrid, 
ftubirte er zu Alcala und Salamanca Theologie. 
Ein Liebeöverhältniß nöthigte ihn 1582 in Kriegs: 
dienfte zu treten, wie er ſchon 1573 aus Noth den 
Zug nad) Tunis mitgemacht hatte und fpäter wie: 
der auf der Armada Dienft nahm. Nach mandherlei 
wechſelvollen Schidfalen wurde er 1611 Priefter. 
Schon ald Knabe hatte er Schaufpiele verfaßt, jpä- 
ter durch das Gedicht la hermosura de Angelica 
und ben Schäferroman Arcadia feinen Dichterruhm 
begründet. Seine literarifhe Thätigkeit ſetzte er 
als Priefter fort. Obgleich er in jeder — der 
Poeſie Bedeutendes leiftete, gewann er die größten 
Erfolge und feine glänzende Popularität durch 
feine Schaufpiele, deren er 1500—1800 gefchrie: 
ben haben joll, außer 400 Frohnleichnamipielen. 
Die erh der ſchottiſchen Maria in der 
Corona tragica erwarb ihm von Urban VIII. den 
theologischen Doctorhut, den Titeldes apoftolifchen 
Kammerfidcal und das Maltejerfreuz. Er wurde 
Auftitiar der Inquifition und Vorfteher des geift: 
lihen Collegiums zu Madrid. Ein aftetifches Wert 
Soliloquios a Dios, Selbftgefpräche mit Gott, gab 
er anonym heraus. Bega ift der getreue Ausprud 
des mittelalterlichen romantiſch⸗ſpaniſchen Katho: 
licismus, in er Se Frömmigkeit und Sinnlich— 
keit, Aſteſe und Weltliebe, die kühnſte Phantafie 
und eine erregte und bewegte Wirklichkeit fich ver: 
banden. Meifterhaft in der Schilderung des Volks: 
thümlidhen und des Volkscharakters, wußte er dem 

eſchmack feiner Zeit zu huldigen; er giebt ein 
treues Bild der damaligen fittlihen, geſellſchaft— 
fihen und kirchlichen Zuftände. Er ftarb am 21. 
Auguft 1635 zu Madrid. Sein Leben befchrieb fein 
Schüler Montalvan. Die mwenigften feiner Werte 
find — noch weniger ins Deutſche überſetzt. 
gl. Holland, some account of the life of Lope, 
Lond. 1817. 

Lorch (Laureacum), an der Donau, ein uraltes 
Bisthum in Pannonien, weldhes im 8. Jahrhun: 
dert nah Paffau verlegt wurde. Die Sage der 
Stiftung von Lord) durd) den Apoftel Marcus hat 
zu ihrer Begründung nur eine Inſchrift aus dem 
8. Jahrhundert, ebenfo ift der angebliche Gründer 
ber Stadt und des Bisthumd Laurentius erft im 
15. Jahrhundert aus dem Namen Lord) abgeleitet. 
Hiftorifch ficher ift erft ber Märtyrertod des heil. 
Florian zu Lord. In dem fpätern Streite zwifchen 
Paſſau und Salzburg fuchte erfteres Die Metropo— 
litanrechte Lorchs durch ein Schreiben des apfıra | 
Symmadus (498—514) an den Erzbifchof Theo: 
dor von Lord nachzuweiſen; dasfelbe ift indeſſen 


568 


Lot 


unecht und fpäteren yormularen nacdhgebildet. Der 
erfte fihere Biſchof von Lord, Eonftantin, wird 
im Leben des heil. Severin erwähnt, der ihn ein 
ſetzte. Nach der Verlegung des ed ent: 
ftand in Lord ein berühmtes Klofter. Die Se: 
ſchichte von Lorch ſchrieb der Jefuit Hanfiz. Bal. 
Rettberg, Kirchengeſch. Deutſchi., Göttingen 1848; 
Dümmler, Piligrim von Paffau, Leipzig 1854 ; 
Barmann, die Koritit der Päpfte I, Elberf. 1868. 

Loretto (Lauretum), berühmter Walffahrtsort 
bei Ancona. Das Heiligthum ift nad) der Sage das 
Zimmer, in welhem Maria die Berfündigung dur) 
den Engel empfing. Diejed Zimmer wurde 1291 
von Engeln in der Nacht aus Nazareth nad Dal: 
matien, von dort 1294 in die Nähe von Recanati 
auf das Grundftüd einer Wittwe Laureta über: 
tragen, daher der Name, und änderte nod) —— 
Male ſeinen Standort, bis es auf der jetzigen Stelle 
verblieb. Paul II. (+ 1471) verlieh dem lauretani: 
ſchen Haufe Abläffe und baute die jegige prächtige 
Kirche, welche ein freiftehendes Gehäuje aus Mar: 
mor und in diefem die casa santa umfcließt. 

Lorſch, das Kloſter, vier Meilen von Heibdel: 
berg gelegen, auch Lauresheim oder Lauresham 
genannt, ift geftiiet 764 von einer Gräfin Willis: 
winda, einer Berwandten Chrodegang's von Meg, 
defjen Bruder Gundeland der erfte Abt war. Die: 
fer übergab das dem heil. Nazartus geweihte Klo: 
fter an Karl den Großen. Der Gunft der Karo— 
linger verdantte Lori Reichthum und Glanz. Auch 
literarifch zeichnete es fi) aus; die Annales Lau- 
reshamenses 703 — 768, freilid dort faum ent⸗ 
ftanden, wurden aber fortgefegt und liegen ben 
Arbeiten Einhard’3 zu Grunde. Vom 10. Jahr: 
hundert beginnt der Berfall theils Durch verſchwen⸗ 
derifche Aebte, theils durch die Schenkung der Ab- 
tei an Adalbert von Bremen. Nad) dem Brande 
1090 fonnte das Klofter zu dem früheren Reich- 
thum nicht wieder gelangen, obwohl es zur in— 
fulirten Abtei erhoben wurde. 1232 erhielt Sieg- 
fried III, Ersbilchof von Mainz, die Abtei von 
Kaiſer Friedrich II. geſchenkt und übergab fie mit 
Zuftimmung Gregors IX. den Ciftercienjern, 
jpäter den Brämonftratenjer :Chorherren. 1621 
brannte das Klofter wiederum ab und ift nicht wie: 
der erbaut. Ueber den Befit der Bropftei, fpäter 
des Fürſtenthums Lorſch, war häufiger und er: 
neuerter Streit zwifchen der Pfalz und Mainz, bis 
dasjelbe 1806 an Heflen-Darmftabt fiel. Val. 
Dahl, Beihreibung des Fürſtenthums Lorſch, 
Darmftabt 1812, 

Kot, der Neffe Abraham's, Haran’s Sohn, 309 
mit dieſem aus Ur in Chaldäa nad) Kanaan, ſchied 
aber von ihm, als die jih mehrenden Heerden lei: 
nen Raum mehr bei einander hatten. In der Ge- 

end von Sodom wohnend, wurde er von Kebor: 
Laomer gefangen fortgeführt, von Abraham befreit. 
In Sodom hielt er fich frei von den dortigen Sün— 
den, ohne ihnen Widerftand leiften zu können. 
Beim Untergange Sodoms durch die Engel geret: 
tet, wurde er (1. Mof. 19) aus jeinen eigenen 
Töchtern der Stammvater der Ammoniter und 
Moabiter. 1. Mof. 14 läßt ohne Zweifel in Lot 
eine geſchichtliche Perſon erbliden ; an diefe knüpft 
fid) die Stammeserinnerung von einem Theile ber 
eingewanberten Semiten, welder von dem Haupt» 


ttlih entarteten Urbewohnern trat, feine ange: 
ammte Tüchtigfeit zwar anfangs auch fittlich und 


Kung getrennt, in nähere Berührung mit den 
i 


Lothar, Conftitution des, 


religiös bewahrte, im Verfolg aber Iſrael in jeder 
Weiſe völlig entfremdet wurde. Die Sage von Lot's 
Töchtern fpricht das Bewußtſein von der Stam: 
mesgemeinſchaft und zugleich von der großen Kluft 
aus, welche die Völfer trennte. 

Lothar, Gonftitution des, wurde 824 von Lothar 
als dem Mitregenten feines Vaters Ludwig erlaffen 
und beftimmt in neun Artikeln die Gemeinfchaft: 
lichleit des faiferlihen und päpftlichen Regiments 
in Rom, die Gültigkeit des ſaliſchen und longo— 
bardiſchen Rechtes neben dem römiſchen, jedes in 
feinem Kreife. Den freien Römern fteht das Recht 
der Papftwahl zu, ein Beftätigungsrecht des Kai: 
ſers wird nicht ausdrücklich erwähnt. Hervorgeru: 
fen war die Conftitution durch die Unruhen nad 
dem Tode des Paſchalis, wo die Volkspartei einen 
gewiſſen Zinzinus gewählt hatte; die Wahl ward 
umgeftoßen und Eugen II. Rapft. Watterich, 
Vitae Pontificum 1, Leipz. 1862; Barmann, Po: 
litik der Päpſte I, Elberfeld 1868. 

Lothar IL, König von Lothringen. Sein unge: 
rechter Eheſcheidungsſtreit wider jeine Gemahlin 
Theutberga, in weldem die Synoden zu Aachen 
860 und 862 felbft trog Hincmar’s von Nheims 
Auftretens, und die zu Mek 863 mit den Erzbi: 
Ihöfen Gunther und Thietgaud und den päpftlichen 
Gefandten fi für ihn erflärten, gab Nitolaus I. 
die Gelegenheit, als Schüger der Sittlichteit eine 
bisher ungelannte Macht über die Metropoliten 
und den Fürften in Anspruch zu nehmen und durch: 
zufüßten. 2. mußte fi 864 demüthigen, den 
Schuß bes Papftes fogar anrufen. Als er dennoch) 
die Waldrade wieder zu ſich nahm, bewahrte ihn 
nur der Tod des Bapftes vor dem Bann und neuer 
Erniedrigung. Lothar ftarb 869, Val. v. Noorden, 
Hincmer, Bonn 1863; Dümmler, Geſch. des oft: 
fränfiihen Reiches I, Berlin 1862; Barmann, 
Politik der Päpfte IL, Elberfeld 1869. 

Lothringen, Cardinal von, Karl von Guife. 
Geb. am 17. Februar 1525, erhielt er ſchon 1538 
das Erzbiäthum Rheims, ward 1547 Cardinal und 
nannte ſich nad) dem Tode feines Onkels, des Car: 
dinals Johann, zum Unterfchied von feinem Bru: 
der Ludwig, dem Gardinal von Guife, Carbinal 
von Lothringen. Mit feinem Bruder Franz war 
er der entſchiedenſte und bebeutendfte Gegner der 
Hugenotten. Gelang e3 ihm aud) nicht, die Jeſui— 
ten und die Inquiſition in Frankreich einzuführen, 
aud) nit auf dem Gefpräcd zu Poifiy 1561 das 

ewünſchte Refultat zu erreichen, jo benugte er mit 

Sifer und Klugheit die politiichen Verhältniſſe. 
Unter dem ſchwachen fe II. an die Spitze der 
Geſchäfte geſtellt, erließ er nad der Verſchwoͤrung 
von Amboife (17. März 1560) das Relinionsedict 
von Romorantin Mai 1560, an deſſen Durchfüh- 
rung ihn nur der Tod des Königs (5. December 
1560) hinberte. Er verleitete Anton von Navarra 
zum Rüdtritt von der hugenottijchen Partei und 
bildete mit ihm und feinem Bruber das berüchtigte 
Triumvirat. Offen ſprach er feine freude über die 
glorreiche Bartholomäusnadht aus. Eine hervor: 
ragende Stelle nahm er auf dem Concil zu Trient 
ein. Er ftarb am 26. December 1574 zu Avignon 
auf der Rücktehr von der Begrüßung Heinrich’S LIT. 
Rante, Franzöſ. Geſch. I, Stuttgart 1852. 

Rote, Rudolph Hermann, einer der ſcharfſinnig⸗ 
ften deutichen Philoſophen. Geboren am 21. Mai 
1817 zu Bauten, ftubirte er 1834 zu Leipzig Phi: 
lojophie und Medicin, wurde 1838 zum Dr. der 


569 


Low church party 


Medicin und PHilofophie promovirt, 1839 Privat: 
docent, 1842 a. o. Profeffor der PVhilofophie zu 
Leipzig, jeit 1844 Profeſſor der Philofophie zu 
Göttingen. Seine Haupticriften find: Metaphufik, 
Leipzig 1841; allgem. Pathologie und Therapie, 
Leipzig, 2. Aufl. 1848; allgem. Rhyfiologie, Gött. 
1851 ; medicinifche Piychologie, Gött. 1852; Mi: 
krolosmus. Ideen zur Naturgefhichteund Geſchichte 
der Menſchheit, 3 Bde., Leipzig 1856—58, auch 
für Theologen von der größten Bedeutung; Ge— 
ſchichte der Aeſthetik in Deutſchland, 1868. 

Loudun. Als Heinrichs IV. Wittwe, Maria Me— 
dici, die Regentſchaft für Louis XIII. führte, feſt 
an Spanien haltend, bald in Kampf mit einer nicht 
bloß aus Hugenotten und dem Prinzen von Condé 
gebildeten Ariſtokratie, kam ſie in —— Kriegs⸗ 
gebränge December 1615, daß fie Friedensaner: 

ietungen annahm und am 10. Februar 1616 in 
Loudun einen Congreß eröffnete, an defjen Situnr: 
gen auch Damen Theil nahmen. Der Prinz von 
Eonbe jtellte 31 Forderungen, wie fie der 3. Stand 
auf dem berühmten Neichätag von 1614 und bie 
Parlamente ſchon ehedem zur Sicherung der Ge: 
wiffensd: und Glaubensfreiheit formulirt hatten 
N d. Art. Edmond Rider). Der junge König ver: 
prach, niemals das Tridentinum anerfennen und 
jtetö_ für die Freiheiten der gallicaniſchen Kirche 
im Einflang mit den Prinzen von Geblüt, den 
Großen und Barlamenten des Reiches Sorge tra» 
gen zu wollen. Vgl. Kante, Franzöſ. Gejch., Zeip: 
jig 1868, II, 148. 

Louiſe Henriette, Kurfürftin von Brandenburg, 
die Tochter Friedrich Heinrich’3 von Dranien, war 
geboren am 7. Nov. 1627 und vermählte fi 1646 
mit Friedrich Wilhelm, dem großen Kurfürften. 
——— durch ernſte und thätige Frömmig— 
teit, war ſie nicht nur die ſtete Begleiterin, ſondern 
aud die treue und Kluge Rathgeberin ihres Ge: 
mahls. Sie ift die Berfafferin von vier Liedern, 
die in den evangelischen Geſangbüchern ihre Stelle 
behaupten: „Jeſus meine Zuverficht”, „Ich will 
von meiner Miffethat”, „Gott, der Reichthum Dei: 
ner Güte”, „Ein Andrer ftelle fein Vertrauen”, 
Unentjchieden ift es, ob fie diefelben holländiſch 
verfaßt und ihr Oberhofmeifter Schwerin fie ins 
Deutſche übertragen habe oder ob — was jehr 
unwahrſcheinlich iſt — auch die jegige Form ber 
Lieder von ihr herrühre. Sie ftiftete aus Danlbar: 
feit für die Geburt ihres erften Sohnes das Wai— 
fenhaus Oranienburg. + 1667. Bgl. Koch, Geld. 
des Kirchenliedes, 2. Aufl. Stuttg. 1852. 

Low church party, niederkirchliche oder evans 
elifche Bartei, ift diejenige Fraction in der englis 
hen Staatäfirche, welche aus der religiöfen Erbe: 

bung im Anfang diejes Jahrhunderts hervorging 
und lebendiges Chriſtenthum dem Indifferentis- 
mus und dem Unglauben entgegenftellte. Ihr Ber: 
dient ift die Aufhebung des Sklavenhandels, die 
Gründung der Miſſions-, Bibel: und Tractatgejell- 
ichaften und der verfhiedenen und großartigen 
Arbeiten der innern Miffion. Indem fie die evanz 
gelifhen Grundfäte betonte, Notwendigkeit der 

etehrung, Rechtfertigung aus dem Glauben und 
alleiniged3 Anfehen der Beil Schrift, gerieth fie 
durch Einfeitigleit und Uebertreibung in eine Gleich⸗ 
gültigfeit gegen die Sittlichfeit, die guten Werke 
nnd zugleich in eine ängftliche und ee Ab: 
hängigfeit vom Buchftaben der Schrift, namentlich 
des Alten Teitaments (Sabbath, Judenmilfion, 


—— — — — — — 


Lowth 


Inſpirationstheorie, Haß gegen die Apokryphen 
und gegen das Papfſtthum). Ihnen entgegen ſteht 
bie hodhlirchliche Partei, deren Lofung ift: gerichtet 
werden nad) Werfen, Wiedergeburt durch die Taufe, 
Anjehen der Kirche und apoftolifche Succeffion ; 
biefe Partei hat ihren Ausgang im Tractarianis: 
mus gefunden. Zwiichen beiden fteht die breitfirch: 
liche Bartei (broad church party), welche die evan: 
geliihen Grundlehren feithaltend, in Liebe und 
Duldung eine Lebensreform durch die Kraft des 
religiöjen Geiftes anftrebt und in ihren miffen: 
Ihaftlihen Beftrebungen (vgl. den Art. Arnold) 
ber deutſchen Theologie näher ſteht. 

Lowth, Robert, Biihof von London. Geboren 
zu Windefter 1710, bildete er fich zu Orford 1730, 
ward 1737 Magifter und 1741 Brofeffor der Poe— 
fie, danach Pfarrer zu Orington, Archidiakonus 
von Windefter, 1753 Pfarrer von Eaft:Woodhay, 
ging dann als Caplan des Lordlieutenants Har: 
tington nah Irland, erhielt, feit 1754 Dr. der 
Theologie, eine theologische Profeſſur in Orford 
und wurde 1767 als Lordbiſchof nad) London be: 
rufen. + 1787. Sein bedeutendftes Werk find die 
Vorlefungen über die Poeſie der Hebräer, auch von 
J. D. Michaelis herausgegeben, die ihn in einen 
literarifchen Streit mit Warburton verwidelten., 
Er hob die Nothwendigfeit hervor, die alttefta: 
mentlihen Schriften auch von der äfthetifch-poeti: 
ſchen Seite zu betrachten. Außerdem lieferte er 
eine Ueberjegung des Jeſaja mit Anmerkungen. 
Kleinere Abhandlungen erfchienen fogar nod) 1334 
zu Yondon, herausgegeben von Hall. 

Royola, Janatius, der Stifter des Jeſuiten— 
ordens (j. d. Art.). Geb. 1491, geft. 1556. 

Kubbertus, Sibrandus, reformirter Theoloa zu 
Franefer, geboren 1556 zu Langworden in Fries: 
land, + am 10, Januar 1625. Er war mit Soma: 
rus ein Hauptgegner des Arminius und Mitglied 
der Dortrechter Synode. 

Lubieniecki, Stanislaus, geboren zu Ralow am 
23. Auguſt 1623. Der Sohn eines unitarishen 
Predigers, empfing er feine Bildung auf der dor: 
tigen Schule, danach zu Kifielin und Thorn. Nach— 
bem er bier bei dem Colloquium charitativum 
1645 als Schriftführer der Sorinianer fungirt 
hatte, befuchte er als Hofmeifter eines jungen Gra— 
fen das Ausland und wurde danach 1648 Adjunet 
in Siedliafa, dann Prediger in Charkow. m 
Schwedentriege flüchtete er nach Krakau, verlieh 
bie Stadt mit den Schweden nad) dem Fehlichla: 
gen jeiner Bemühungen, für feine Glaubensge: 
noſſen Religionsfreiheit zu erlangen, und fand 
Aufnahme am Hofe Friedrichs III. zu Kopenhagen. 
Bon den lutheriſchen Theologen dennoch verdrängt, 
verfuchte er 1662 vergebens eine Freiftätte in 
Friedrichftadt zu finden, lebte dann jeit 1662 in 
Hamburg und ftarb 1675, als er eben auf Anftif: 


570 





Lucas 


Venedig und Padua machte er eine längere willen: 
ſchaftliche Reife durch Europa, hielt ſich in Genf 
längere Zeit auf und verwaltete das Rectorat zu 
Dftroy in Lithauen. Nachdem ernoch ander Unions⸗ 
fynode zu Brzesc 1585 oder 1586 Theil genommen, 
fehrte er in die Heimath zurüd, wurde von Dem 
Patriarchen Meletius von Alerandrien, feinem 
früheren Zehrer, zum Briejter geweiht und ward 
defien Nachfolger (1602— 21). In diefer Stellung 
unterhielt er einen lebhaften wiflenichaftlichen . 
Briefmechiel mit den bedeutenditen Gelehrten 
(lettres anecdotes de Cyrille Lucaris, par J. 
Aymon, Amst. 1718) und ſuchte abendlänbijche 
Wiſſenſchaft nad dem Orient zu verpflanzen, in- 
dem er junge Griechen in England ftudiren und 
ſich die wiſſenſchaftlichen Werte zufenden ließ. Den 
berühmten Codex Alexandrinus erhielt Jakob I. 
von England von ihm zum Geſchenk. Schon zu 
diefer Zeit ſprach ſich feine der proteſtantiſchen Re: 
formation zugeneigte Stellung deutlid aus. 1621 
berief ihm die Synode auf das Patriardat von 
Eonftantinopel, welches er ſchon 1613 interimiftifch 
verwaltet hatte. Seine antirömiſche Gefinnung 
regte den Haß der Jefuiten gegen ihn auf, welche 
nad dem Beſchluß der Synode Ferrara » Florenz 
eine Vereinigung der griehifhen Kirche mit Der 
römischen eifrig betrieben. Viermal gelang es ihren 
Intriquen und deren Unterftügung durch Klagen 
und Bejtechung bei den Türfen feine Abjegung 
und Berbannung au erlangen, jedesmal aber wurde 
er nad) kurzer Frift zurückberufen; als fie ihn aber 
1638 während des Krieges genen die Berier als 
Aufmwiegler gegen die türkifche Herrichaft bei dem 
Sultan Murad verbädtigten, ließ ihn derjelbe er: 
würgen und ins Meer werfen. Großes Aufiehen 
hatte Eyrill Durch fein Glaubensbekenntniß erregt, 
welches er 1629 in lateinifher Sprade in Genf 
ericheinen ließ; 1633 wurde, um die Zweifel an 
der Echtheit zu zerftören, auch der urſprünglich 
griechische Text gedruckt. Ohne die eigenthümliche 
Denkweiſe der ariechifchen Kirche zu verleugnen 
und ohne in die Definitionen der abendländiſchen 
Dogmatik einzutreten, befannte er fich darin offen 
zu den religidien und theologischen Srundlehren 
des Proteſtantismus von der Gnadenwahl, der 
Erbjünde, der Rechtfertigung ; er nahm die beiden 
Sacramente an und verwarf den Bilderdienft. In 
der griehiichen Kirche fand dies Belenntnik die 
heftigite Gegnerſchaft; der Wideripruch wurde aber 
erit recht laut nad) Cyrill's Tode. Die Spnoden zu 
Gonjtantinopel 1633 und Jaſſy 1642 erklärten ſich 
gegen dasſelbe; das von der griechiſchen Kirche 
angenommene Belenntnif des Vatriarhen Moai: 
las zu Kiew 1642 fteht im bewußten Gegenjate zu 
ihn, und die Synode von Jerufalem 1672, welche 
das Belenntnik des Patriarchen Dofitheus an: 
nahm, vermieb die Berdammung des dennod hoch: 


ten der lutherifchen Geiftlichleit wieder vertrieben | geadhteten Lucaris nur durch die Behauptung, daß 
werden follte, mit feinen zwei Töchtern durch einen | jenes Genfer Belenntnik nicht von ihm, fondern 
unglüdfihen Zufall an Gift. Außer einer Schrift von einem andern unbefannten Eyrill herrühre. 
über die Bedeutung der Kometen, theatrum co- | Bal. Tweiten, Ztſchft. für chriſtliche Wiffenihaft 
meticum, jchrieb er, keineswegs unparteiifch, eine | und chriftliches Leben, 1850. Pichlers eng Fi 
unvollendete Religionsgeichichte von Polen, histo- | phie ift von ihm felbft in feinem großen Werke über 
ria Reformationis Poloniae, 1685. das Schiäma des Drients und Decidents verbeflert. 
Lucanus. ©. Lucianus. Steitz, Jahrbücher für deutſche Theol., 1869. 
Lutaris, Eyrillus, Patriarch von Conftanti:| Lucas, wahricheinli ein aus Zucanus zujam: 
nopel. Eyrill, ver Sohn des Lucaris, ift um 1572 | mengezogener Name des Mitarbeiters Pauli, wel: 
zu Candia auf Kreta unter venetianifher Herr: cher 2. Tim. 4, 11; Philem. 24 genannt wird, nad) 
ſchaft geboren. Nach Vollendung feiner Studien zu Kol. 4, 14 ein Arzt, der fpäteren Sage nad) ein 





Lucas, das Evangelium 


Maler, Berfafler des dritten Evangeliums und der 
Apoftelgeichichte, in welcher er wahrjcheinlich als die 
redende Perſon in den fogenannten Wir:Stlden 
(f. d. Art. Apoſtelgeſchichte) zu betrachten ift. Sei: 
neruniverjaliftiichen Auffaffung des Chriſtenthums 
und feiner verhältnißmäßig reinen griechiſchen 
Dietion gemäß fcheint er ein Grieche oder wenig: 
ftens ein helleniftifcher Jude geweſen zu fein. Die 
Sage nennt Antiohien in Syrien als feinen Ge: 
burtSort, nennt ihn einen der 7O Jünger des Herrn 
und läßt ihn durch Aufhängen an einem Delbaume 
umlommen, 

Lucas, Dad Evangelium, S. Synoptiter. 

Lucas von Tuy (Tudenfis) war 1239 Biſchof 
zu Tuy im jpanifchen Gallicien, vorher Diakon und 
canonicus regularis im Klofter St. Iſidor zu Leon. 

1288. Er Fihrieh gegen die Albigenfer und eine 

ttießung des Chronicon Isidori bis 1236 (in 
Schott's Hispania illustrata), fomwie die Vita 8. 
Isidori (in den Acta sanct.). 

Lucca, Stadt in Italien, Sit; eines Erzbifchofs 
und einer Univerſität, hat in der Gefchichte der re: 
formatoriihen Bewegung in Stalien eine Stelle 
durch die Wirkſamkeit Pietro Martyre Vermigli's, 
ver bier 1541 ald Prior des Gapucinerflofters 
San: Frediano eine Feine Gemeinde evangeliid) 
Gefinnter um fich ſammelte. Neben ihm wirkten 
Zandi und Eurione. Das Troftihreiben Vermi: 
gli's an die Gemeinde zu Lucca ift den Ausgaben 
\einer Loci communes einverleibt. Die Gemeinde 
gina, wie die andern italienischen, in den Verfol: 
gungen der römischen Inquiſition unter. Bal. Erb: 
mann, die Ref. und ihre Märtyrer in Ital., Berl, 
1855. Karl Schmidt, Zeitfchrift für hiftor. Theo: 
logie. Gurione, 1858. 

Lucernarium, diejenige unter den für das Ge: 
bet bezeichneten Stunden (Horen), welche auch 
Beiper genannt wird, 

Lucia, die Heilige. Ihr Gedächtnißtag ift der 
13. December und ihre Verehrung alt, dennoch ift 
die Legende aud in der fatholiihen Kirche ange: 
fochten und nicht in die Acta sanct. aufgenommen. 
Als ihre Mutter während der Diocletianifchen 
Berfolgung durch eine Wallfahrt zum Grabe der 
heil. Agatha zu Catanea von einem Blutfluffe ge: 
heilt worden, gelobte fie ewige Keuſchheit. Weil 
durch dies Gelübde ein früheres Berlöbnik gelöft 
werben follte, verflagte fie der erzürnte Bräuti— 
gam als Chriftin. Als der Prätor Paſchaſius fie 
zur Strafe in ein Bordell bringen lafien wollte, 
fonnte fie dur feine Gewalt von der Stelle be: 
wegt werden, ebenfo wenig ſchadete ihr Feuer. 
Endlich dur einen Dolchſtoß zum Tode verwun: 
bet, weisjagte fie das baldige Ende der Verfolgung. 

Lucien, der Märtyrer, geboren zu Samojata 
um 220. Der Begründer der fogenannten Antio- 
cheniſchen Schule, Presbyter in Nlerandrien 
und neben jeiner Gelehrfamteit auch durch jeine 
Enthaltfamfeit berühmt. Seine kritiſche Richtung 
befundete feine Recenfion des Tertes der LXX, 
welche lange in Griechenland und SKleinafien 
im berrichenden Gebraud; war und eine weniger 
werthvolle Recenfion des Neuen Teftaments. Dog: 
matiich ftand er Paul von Samofata nahe, nad) 
deſſen Verurtheilung 272 er lange Zeit die Ge: 
meinschaft mit den Antiochenifchen Biſchöfen nıied. 
Auch fein Schüler Arius bezog fich auf ihn als 
feine Autorität, und die milden Arianer componir: 


o71 


mu — — — — — — sn — — — — — — — 


Lucifer 


Von den dogmatiſchen Schriften des Lucian iſt 
nichts vorhanden, nur Reſte ſeiner Briefe. Er ſtarb 
als Märtyrer in der Verfolgung des Maximinius 
311—312 zu Nikomedien, wohin er geſchleppt war, 
nad) langen, mit ftandhaften Heroismus und dem 
einzigen wiederholten Belenntniß „Ach bin ein 
Ehrift” ertragenen Martern. Die Chriften beftat: 
teten ihn zu Drepanım. Sein Gedächtniß wurde 
gefeiert am 7. Januar, VBorhanden ift die Gedächt: 
nißrede des Chryfoftomus auf ihn, gehalten am 7. 
Januar 387 zu Antiochien. Dieftel, Geſchichte des 
— * Teſtaments in der chriſtlichen Kırche, Jena 
869, 

Lucian von Samoſata,ein geiſtreicher griechiſcher 
Schriftſteller aus Samoſata in der Provinz Kom— 
magene. Aus niederm Stande um 120—130 n. 
Chr. geboren, entlief er aus der Lehre eines Bild: 
hauers, betrieb troß jeiner Armuth Rhilofophie und 
Rhetorik in Griechenland und lebte als Sachwalter 
in Antiochia. Er unternahm dann große Reifen 
dur Syrien, Aegypten und Italien, wählte jei: 
nen Aufenthalt zu Athen und wurde endlich nad) 
dem Berluft feines Bermögend PBrocurator von 
Aegypten. Von feinen Schriften, die mit geiftrei- 
em, oft herbem und bitterm Spott die Sitten und 
Verfehrtheiten feiner Zeit fchildern, ift in Bezug 
auf das Chriſtenthum von Jnterefle „der Tod des 
Veregrinus”, eines Philoſophen, der vom Ehriften: 
thum zu den Cynikern abfiel und den Feuertod 
erlitt. Hier ſpricht ich die Auffaffung eines gebil— 
deten Heiden vom Chriſtenthum aus, der fich jelbit 
zum Heidenthum ſteptiſch genug verhielt. Eine ge: 
nauere Belanntihaft mit dem Chriftenthum, auch 
mit dem Leben und der Perfönlichkeit Chrifti geht 
x. ab. Die Ehriften erfcheinen ihm wie eine philos 
fophifche Secte, die aber verjpottet werben mit 
ihrer gläubigen Unterwerfung unter ben „gefreu: 
zigten, an den Pfahl gehängten Meifter” und unter 
Die, welche nach jenem mit Schriften unter ihnen 
aufträten. Die Schrift ift ein Zeugniß für die Bes 
deutung, welche das Chriftentbum um jene Zeit 
(160— 200) für die öffentliche Meinung bereitä ge: 
wonnen hatte. Die neueften Ausgaben X.'S find 
von Dindorf, Leipz. 1858, Jacobit (große 1836— 
41, Heine 1852—54), Belter (1852), die Weber: 
jetung von Bau'y (1827—32). Bal. Lucian und 
das Chriſtenthum von Plant, Stud. und Krit., 
1851; Jacobs, Charakteriftit Lucian’s, Hamburg 
1832; Hermann in feinen gef. Abhandl., Gött. 
1849. 

Lucianus oder Lutanus, ein Schüler des Mar: 
cion, wird ald das Haupt einer eigenen gnoftifchen 
Secte angeführt, Er lehrte drei ewige Principien : 
das gerechte, das gute und das böje Wejen, ver: 
warf die Ehe und die Meinung der Auferftehung, 
indem er eine ganz neue (tertium quiddam) Sub: 
ftanz in der Zufunft annahm. 

Lucidus, der Presbyter, lebte im 5. Jahrhun: 
bert in Gallien. Ein hervorragendes Glied der 
Bartei der ftrengen Prädeſtinatianer, welche auch 
die Confequenz der Prädeftination zum Berderben 
nicht jcheuten, wurde er auf der Synode zu Arles 
475 zum Widerruf bewogen ; gegen ihn hatte der 
— ————— Fauſtus von Rhegium die epi- 
stola ad L. aejchrieben. 

Rucifer —— der Name des Teufels, 
nach der Annahme, daß er vor ſeinem Falle der 
vornehmſte aller Engel geweſen ſei, wie bei Jeſ. 


ten aus Lucian's Schriften eines ihrer Bekenntniſſe. ' 14, 12 den geſtürzten König Babels die Geiſter der 


Lucifer von Calaris 


Unterwelt ald gefallenen Morgenftern begrüßen; 
weil Hieronymus den Jeſ. 14, 12 von Babels Kö: 
nig gebraudten Ausdruck (bei Luther: Morgen: 
ftern) mit Lucifer überjegte, erhielt der Satan, 
auf den man jene Stelle irrig bezog, den ſchönen 
Namen des Lichtbringers, 

Rucifer von Galaris oder Cagliari in Sarbi: 
rien. Von feinem früheren Leben iſt nichts Siche- 
res befannt. Er tritt zuerft 354 auf als Biſchof 
und Geſandter des Papftes Liberius an Conitan: 
tius, um die Berufung des Concils zu Mailand 355 
zu bewirken. Wegen eines ftarren Anti-Arianis- 
mus ward er auf diefer Synode verbannt, zuerft 
nad) Kappadocien, dann nach Cöleiyrien und Pa: 
läſtina. Durch Julian befreit, lebte er in Aegypten, 
dann in Antiodia. In der Meletianifchen Spal- 
tung (j.d. Art.) al3 Schiedsrichter mitberufen, ver: 
warf er den von jeinem Dialon gebilligten ver: 
mittelnden Beſchluß der Alerandrinifhen Synode 
362 und weihte den Presbyter Baulinus zum Bi: 
fchof, wodurch er fich von der Kirchengemeinſchaft 
trennte. Nach Cagliari zurückgekehrt, ftarb er im 
u a 371. Mit feiner Grabjchrift wurde 1623 
aud) jein Leichnam aufgefunden. Die ſchon 1639 
beantragte, aber beanftandete Heiligiprechung er: 

folgte 1803 durch Pius VII. L.'s Werke erſchienen 
‚zu Baris 1568, Vened. 1778 und in Migne's Ba: 
trologia. 

Ruciferianer. 1) Die Anhänger des Lucifer von 
Calaris, folgten dem Grundfage, daß weder frü: 
here Arianer nod) die ner der Beſchlüſſe 
der Synode von Rimini 359 jemals als Fatho: 
liſche Biſchöfe wieder anerfannt werden dürften. 
Die Secte war weit verbreitet und hatte einen 
eigenen Biſchof auch zu Nom. Erhalten ift eine 
Bittſchrift um Schuß und Anerkennung an Balen: 
tinian II. und Theodofius und ein Dialog des 
Hieronymus contra Luciferianos, — 2) Uebel: 
name einiger häretijchen Secten des Mittelalters, 
denen Anbetung des Teufels Schuld gegeben 
wurde, jo die Stedinger und Fratricellen. Zu den 
legteren gehörten die 14 Luciferianer, weldye 1336 
zu Tangermünde verbrannt wurden. 

Lutilla ift bekannt geworben als die Führerin 
ber Donatiften, der rigoriftifchen Partei in Kar: 
thago und Gegnerin des Bifchofs Cäcilianus 311, 
der ihr ald Diakon die abergläubifche Verehrung 
und das Küffen des Knochens eines unbefannten 
Märtyrers verwieſen hatte, 

2ucins I, Bapit (252, 25. September bis 28, 
October). Wenige Wochen nad) feiner Wahl wurde 
er, unbefannt weßhalb, verbannt. Nach feiner Be: 
freiung und Rücklehr foll er am 4. März 253 den 
Märtyrertod geftorben fein. Das Papſtbuch jchreibt 
ihm die Berordnnung zu, daß der Papſt ſtets von 
zwei Prieftern. und drei Diakonen begleitet fein 
rn Aud ein (falſches) Decretal wird ihm zu: 
gelegt. 

— II. (1144—45), Gerhard Caccianimi, ftarb 
im Aufruhr des Arnold von Brescia bei dem Ans 
griff auf das Capitol durch einen Steinwurf. 

— II (1181—85). Zu Velletri gewählt ala 
Nachfolger Alerander’s IIT., mußte er vor ber 
Oppofition der Römer weichen und begab fich nad) 
dem Tode bes u ar Chriftian von Mainz, 
der ihm mit bem faiferlichen Heere zu Hülfe zog, 
nach Belletri 1183 und Verona und ftarb dort, 
nachdem er auf einem Concil wider Rom, das ſich 
in Befig des PBatrimoniums geſetzt hatte, wider 


572 


Ludolf 


alle Ketzer (Waldenſer) und Arnoldiſten den Fluch 
ausgeſprochen hatte 1185. 

Lucius, der Heilige, ein König in England, der 
Sohn des Eoilus, joll — der Sage nah — 171 
—192 vom Bapfte Miffionäre erbeten und das 
Chriſtenthum in feinem Reiche eingeführt haben. 
Kinderlos, hätte er bei feinem Tode fein Land dem 
Römer Severus vermadt. Er wird der erfte chrift- 
liche re. in Europa genannt. Nach der jchmei- 
zerifchen Legende hätte er die Krone niedergeleat, 
Europa durchwandert, erjt in Augsburg, dann von 
dort vertrieben, in Chur das Evangelium gepre: 
digt, ſich im Lucienfteig vor den Heiden verbor: 

en, ſei aber enblid ergriffen und von ihnen ge: 
jteinigt 182. Vgl. Rettberg, Kirchengeſch. Deutſch— 
lands, Bött. 1848; Bouterwek, Caedmon (Einl.). 

Lud wird in der Völkertafel 1. Mof. 10, 13 als 
Abkömmling Mizraim’s, 10, 22 ald Sohn Sem’s 
erwähnt. Nach bel ift eö der Semitenftamm, 
welcher füdlih von den ſyriſchen Aramäern ſich 
findet (Amalekiter, Amoriter, Hyffos), dann ein 
ägyptiſcher Mifchftamm oder ber ägyptiftrte Theil 
der Hyffos, welcher auf der Ditfeite bes Nils in 
Unter:Acgypten wohnte. 

Ludaemilia, Elifabeth von Schwarzburg-Ru= 
doljtadt. Geb. 7. April 1640, + 12. März 1672 
als "Braut des Grafen Chriftian Wilhelm von 
Sondershaufen. Bon ihren 215 geiftlihen Dich: 
tungen gehören viele zu den Perlen unferer Ge: 
ſangbücher, z. B.: „Wer weiß, wie nahe mir mein 
Ende“ und: „Mein Herz ſei Gottes Lobethal.“ 
‚Ihre Dichtungen erſchienen 1687 unter dem Titel: 
Die Stimme der Freundin, N. Ausg. 1868. Bat. 
die Biographie von Thilo 1856. 

Ludgardis, die Heilige. Geb. 1182 zu Tongern 
aus angefehener Familie, trat im 12. Jahre in 
dad Katharinenklojter der Benedictinerinnen bei 
der Stadt des h. Trudo. Im myftiichen Umgang 
mit Gott hatte fie häufig elſtatiſche Zuftände. 
Nachdem fie 1200 das Gelübde abgelegt batte, 
125 zur Priorin gewählt war, trat fie 1206 in 
das Giftercienferinnenklofter zu Aquiric bei Brüfiel 
über, wo fie 40 Jahre lebte, 7 1246, Eine Menge 
Wunder und —— werben von ihr er: 
zählt; auch Innocenz III. fol ihr erjchienen fein 
und ihre yürbitte angerufen haben, da er bis zum 
Gerichte zum Fegefeuer verurtheilt fei. 

Ludmila, die Heilige, war die Gemahlin des 
Borimoj von Böhmen, welden bei einem Beſuch 
am Hofe Smwatoplul’3 Methodius für das Chri: 
ftenthum gewann; auch Ludmila lieh ſich taufen 
und mwurde eine fromme und eifrige Chriftin. 
Boriwoj, von den Heiden vertrieben, gemann jein 
Königthum wieder und förderte die Befeitigung 
der Kirche. Nach feinem Tode und dem feines 
Sohnes Wratiflam wurde an 2. die Regentſchaft 
mit der Vormundjchaft über den jungen Wence— 
law (f. d. Art.) übertragen; deffen Mutter, die 
noch heidnifche Drahomira, lich 2. zu Petin er: 
morden 15. Sept. 927, obgleich diefelbe fich zum 
Verzicht auf die Negentfchaft bereit erklärte. Bei 
jeinem Regierungsantritt ließ Wenceslam die Ge: 
beine der Ludmila nad) Prag in die neuerbaute 
Georgilirche überführen. 

Rudolf, der Karthäufer, aus Sachen gebüntig, 
ein Dominicaner um 1300, trat in den Karthäu: 
ferorden über und in das Klofter bei Straßbure. 
Mit Tauler fpendete er während der Belt 1348 
den Kranken und Sterbenden, troß des Jnterdicts, 


Ludwig, der Baier, 573 Ludwig von Granada 


bie Sacramente; fie rechtfertigten dies in einem nes Baters ftand, zeigte die pietätälofe Härte 
Schreiben an den gefammten Klerus. L. gehört |gegen defjen Kinder und die Entfernung feiner 
den Myſtikern an und ijt Verfafler eines jeiner | Rathgeber, namentlid, des Adelhard und Walz. 
Zeit viel gelejenen Lebens Chrifti. In den Unternehmungen der erften Regierungö- 
Ludwig, der Baier, geb. 1286. Ein Sohn Lud: | jahre gegen Breionen, Dänen (Ansgar) und Bul- 
wig des Strengen und mit jeinem Bruder Rudolf | garen ging das kirchliche Intereffe, welhes fie 
(geb. 1274) Herzog in Oberbayern, ward er, be: | leitete, mit dem des Heiches noch zufammen, auch 
lannt geworden durch den Sieg bei Gammelsdorf | gegen den Papft behauptete er die von Karl ein⸗ 
1313 über die Defterreicher, 1314 zu Frankfurt | genommene Stellung (Conftitution des Lothar, 
zum deutſchen Kaiſer gewählt, an demjelben Tage, P d. Art.). Das Unheil reihte fi) an die vor— 
an welchem feine Gegner riedrid den Schönen | zeitige Theilung des Reiches (817) unter feine 
wählten, den er dann bei Mühldorf 1322 befiegte | drei Söhne, woran ſich zunädjft der Feldzug gegen 
und 1325 zum Mitregenten annahm. Seine un: | Bernhard und deffen graufame Bejtrafung an: 
fihere und ſchwankende Politik trachtete im Ins ſchloß, welde durch die Buße zu Attigny 822 
nern nur danad eine anjehnlidhe Hausmacht zu |gefühnt werden fjollte. Das Bejtreben, jeinem 
gewinnen, welche ihn den mächtigen Luxembur⸗ Sohne Karl, von der zweiten Gemahlin Judith, 
ern und Habsburgern gewachſen machte. Nach | wie feinen Brüdern ein Königreich zu verſchaffen, 
Außen aber ift es der Kampf mit der Curie, der | rief dann Die verjchiedenen neuen Theilungen her: 
Altes beherrſcht. Obgleich X. nur vorübergehende | vor, die erſte 828, welcher eine andere um 831 folgte. 
thatfächliche Erfolge gewann (Römerfahrt 1327 — | Jortwährender gg zwiſchen Ludwig und jeinen 
1329), der von ihm aufgejtellte Gegenpapft ſich Söhnen reihte fih daran. Nachdem Ludwig 833 
ſchmachvoll unterwerfen mußte und er im Banne | auf dem Lügenfelde zu Colmar von den Seinigen 
ftarb, jo bezeichnet feine Regierung doch für das |verlafjen war und 334 im Medardusflofter zu 
Verhältniß des deutſchen Reiches zum Papjte den | Soiffons Kirchenbuße hatte leiften müſſen, trennte 
Wendepuntt. Während in L. die religiöfe Scheu | Lothar's frevelhafter Uebermuth die bisher ver: 
vor dem Statthalter Chrifti, vor Allem Ausjöh: | bundenen Brüder. Nach manden Weofelfälen 
nung mit demfelben und Löfung vom Banne er: |entjtanden neue Berwidlungen durch die Theis 
ftrebte und die Unternehmungen des Reichsober- lungsacte zu Aachen 837 und Worms 839, in wel: 
bauptes lähmte, erbitterte die Anmakung der | her die Kinder und Erben Pipin's von Aquitanien 
Eurie in Avignon, melde, ſelbſt von Frankreich | Übergangen wurden zu Guniten des Lieblings Karl 
abhängig, die Lehnsherrſchaft über den Kaifer in des Kahlen. Ludwig jtarb 340, ehe dieſe Streitigfei- 
unerhörter Weiſe beanfpruchte und immer neue |ten Durd) die Schlacht von Fontenay und den Ber: 
entfeglihere Bannflüde erließ, die deutjchen |trag von Berdun 843 definitiv geſchlichtet waren. 
Fürften und Städte. Der erfte Anfang einer feft: | Bon welthiftorifcher Bedeutung find dieſe Vorgänge 
gefchloffenen Oppofition des deutjchen Klerus und | nicht nur durch die bleibende Trennung der ger: 
Volkes gegen Rom zeigte jih in dem Kurverein | manischen und romanischen Stämme, fondern na= 
zu Renſe (15. Juli 1333), auf dem Reichstag zu | mentlih durch die gänzlich veränderte Stellung 
Frankfurt am 8. Auguft beftätigt. Für Ludwig's der Geiftlileit und der Kirche. Hatte Ludwig 
Sache gegen päpftlihe Herrihaft und Habgier zuerſt aus kirchlichem Eifer eine Menge Klöſter 
wirkten die Minoriten unter Führung von Michael | und Bisthümer gejtiftet, jo diente nachher das 
von Eefena, Wilhelm Decam, Marfilius von Ba: | Kirdengut, dienten Jmmunitäten und Vorrechte 
dua, Johannes Jordanus, weldhe wegen der Ar: | dazu, den Parteien Anhänger zu gewinnen oder fie 
muth Ehrifti forderten, daß aud) die Priefter be: | zu belohnen. Ludwig nöthigte jeine Gegner, den 
figlo8 feien. Ludwig jtarb 11. Det. 1347, von Grundſatz von der Neichseinheit auf firhlicher 
neuem durch Clemens VI. in den Bann gethan, | Grundlage, den fie anfangs gegen ihn vertheidig: 
ald er eben den Kampf mit dem — ten, ſelbſt fahren zu laſſen; aber zugleich damit 
Gegenkönig, dem Pfaffenkaiſer Karl IV. begin: | verzichteten fie auf die Oberherrlichteit des Kaiſers 
nen wollte. Vgl. Mannert, Kaifer Ludwig LV., | über den Papſt und die Geiftlichkeit, als fie diejen 
Landshut 1812. Dönniges, Geſch. des deutjchen | gegen %. aufriefen. Die Anſchauungen der ſpä— 
Kaiſerthums im 14. Jahrhundert, Berlin 1841. | teren Iſidoriſchen Decretalen ſprechen ſich in re: 
von Weed in Sybel’S hijtor. Zeitjchrift 1862 und gor's IV. Brief an die fränkiſche Geiſtlichkeit aus, 
Hefele, Conciliengeſch. 6. Bo. dem Wala, der frühere Gegner, nicht fremd war. 
udwig, der Fromme, von Andern der Mönch Dümmler, Oſtfränkiſche Seh 1. Barmann, Bo: 
und Bjalmenfinger genannt. Weder feine möndji: | litit der Päpfte I. 
ſche Frönmigteit noch perjönliche Tapferkeit und | Ludwig von Granada, ber fpanijche Chryſoſto— 
wiſſenſchaftliche Bildung konnten die großen Män: | mus. Geb. 1504, erhielt er im Hauje des Grafen 
gel feines Charakters erſetzen; ſchwach und jedem | von Tendilla eine forgfältige Erziehung und trat 
— hingegeben, ohne Adel der Geſinnung, im 19. Jahre in den Dominicaner-Orden. Nach— 
den heftigſten Leidenſchaften ergeben, deren Aus- dem er in Valencia Philoſophie und Theologie 
brüche in Bußübungen geſühnt wurden, war er ſtudirt hatte, wirkte er im Orden als Lehrer und 
unfähig das Erbe Karl's des Großen zu bewahren | Wiederherjteller des verfallenen Klofters Scala 
und brachte eine Zeit unſäglichen Elends über | coeli beiCordova, ald Provincial in Portugal und 
feine Zänder, in der nur die Geiftlichkeit Vor: | ald unermüdeter Prediger und Verfaſſer aſtetiſcher 
theile 309. Durch den Diedenhofener — Schriften. Das Erzbisthum von Braga, welches 
act 806 zum König von Aquitanien beftimmt, | ihm angeboten wurde, ſchlug er aus und zog ſich in 
wurde er nach dem Tode feines Bruders 813 zu | das Kloſter St. Domingo bei Lifjabon zurüd, wo 
Hachen zum Mitkaifer von des Vaters eigner Hand |er, mit Ehren aller Art überhäuft, 1558 ftarb, 
efrönt, mit Uebergehung feines Brudersjohnes | Seine Beredſamkeit ruht auf eingehendem Stus 
Bernhard in Jtalien. Wie fern er dem Geifte ſei⸗ dium des Cicero und der h. Schriften. Gr ſchrieh 








Ludwig IX. 


574 


Lübed 


theild ſpaniſch, theild lateiniſch, überſetzte auch 1691 die Rüdnahme ihrer Erklärung geitattete, 
mehrere feiner lateinifch gejhriebenen Werte jelbit | als der Papſt jede Beftätigung eines franzöſiſchen 


ins Spanifhe. Das Hauptwerk ift: la guia de 
Pecadores, die Lenferin der Sünder, deutich, 
Aachen 1832 u. ö. EI memorial de la vida cri- 
stiana, Gedenkbuch des chriftlihen Lebens, deutich, 
Aachen 1836. Seine Predigten deutſch von Sil: 
bert. Wien 1825 und 1880, 

Ludwig IX., der Heilige, König von Frankreich, 
1226-1270, geb. 25. April 1215. Von jeiner ver: 
ftändigen Nutter Blanca von Caftilien wurde er zu 
einem umfichtigen und aufrichtig fronmen Fürſten 
in der Weife und der Anfchauung feiner Zeit erzo: 
gen. Während jeinerMinderjährigfeit war der Krieg 
gegen die Albigenfer durch den Frieden von Paris, 
den 12. April 1229, und das Coneil von Toulouje 
beendigt. Eine Empörung des Grafen de la Marche 
wurde gebämpft 1242, mit den Engländern ein 
Waffenitillftand 1242 (Frieden 1259) geſchloſſen 
und ein Kreuzzug 1243 nad Aegypten unternom: 
men. L. en in Gefangenjdaft 1250, durch 
Vertrag und Löſegeld befreit, Tehrte er nad) dem 
Tode jeiner Mutter zurüd. Die etablissements 
de St. Louis (Sammlung feiner Verordnungen 
und Gejete) jeigen feine Geredtigfeit und Re— 

entenweisheit. Die pragmatifche Sanction 1269 
este den päpftlihen Eingriffen ihre Schranten 
und ift die Grundlage der gallicanifchen Freiheiten 
geworden. Da der erjte Kreuzzug durd den un: 
glüdlichen Ausgang feinem Gelübde nicht Genüge 
ethan zu haben ſchien, unternahm er 1270 einen 
Zug gegen Tunis, auf welchen er den 25. Auguft 
1270 ftarb. Schon 1275 verjegte ihn Bonifa— 
cius VIII. unter die Heiligen wegen jeiner Fröm— 
migfeit und der von ihm verrichteten Wunder, 
namentlich bei Heilung von Kranten. Vgl. Schol— 
ten, Geſch. Ludwig IX., des Heiligen, Königs von 
Frantreid, 2 Bde., Münfter 1850 — 53. Soldau, 
= — Sanction. Hefele, Cone.⸗ 


Ludwig XIII., König von Frankreich (1610— 
1643). Anfangs unter der Regentſchaft ſeiner 
Mutter Maria Medici (1610—17) von der arijto: 
tratiſchen und der hugenottiſchen Partei (f. d. Art’ 
Loudun) bin» und hergezogen ; nach dem Sturz 
der Günftlinge, ded Marquis von Ancre und des 
Concino Goneini, überließ er das Ruder des Staa: 
tes feinem erften Minifter, dem Cardinal Riche: 
lieu, dejien ftaatsmännifche Natur auf das Em: 

orfommen Frankreichs gerichtet blieb, im Gegen: 
—* nicht ſowohl gegen die Hugenotten, England 
und Schweden, mit denen er zu Zeiten gar Bünd— 
nifie Schloß, jondern auch gegen den Bapft, den 
Kaifer und Spanien. Vgl. Rante, Franz. Geſch. II. 
von Polens, a des franz. Calvinismus, 
Gotha 1869. V. Bo. 

Ludwig XIV., König von Frankreich, 16435— 
1715. Auch in firhlicher Beziehung zeigt feine 
Regierung das Streben nad) unbejchränfter könig— 
licher Macht, welches fie im Uebrigen kennzeichnet 
nach dem befannten Grundſatz: „l’etat c'est moi“, 


jelbjt bei der bigotten Frömmigkeit jeiner jpäteren | 
Jahre unter dem Einfluß der Maintenon und ſei⸗ | tet 
nes Beichtvaters Letellier. Im Streite um die | 


Regalien feit 1673 und 1675 wurden die declara- 
tiones der Sorbonne von 1663 (die Grundfäge 
des Gallicanismus) durch die declaration du cler- 
ge de France 1682 beftätigt und feſt Hoster 
wenn gleich X. den von ihm ernannten Bilchöfen 


Biſchofs ſonſt verweigerte. Im Streite um das 
Alylredit nahm er ſogar 1688 Avignon mea, 
und belegte den Nuncius mit Hausarreit. Ebenſo 
einigte fi mit dem Abfolutismus und dem polt: 
tiihen Intereſſe ſein Verhalten gegen die Huge 
notten, die durch Verſprechungen, Wifftonen umd 
Dragonaden befehrt wurden, bis 1685 der Wider: 
ruf des Edicts von Nantes das Neid) einer halben 
Million auswandernder Bürger beraubte und den 
furchtbaren Gevennenkrieg hervorrief; im den 
Janfenijtifhen Streitigkeiten, in welchen er das 
Edict von 1714, weldyes die Geltung-der Bulle 
Unigenitus verlangte, mit Härte durchführte. Der 
vom Hofe ausgehende Einfluß einer fittenlojen 
Bigotterie prägt fi in dem kirchlichen und relı: 
sie Yeben der Folgezeit aus. 
udwig VI., Kurfürft von der Pfalz, Sohn 
Friedrich's III. Geb. 4. Juli 1539, folgte jeinem 
Bater 1576, nachdem er jeit 1560 die Oberpfal; 
al3 Statthalter regiert hatte. In Folge feiner 
Erziehung am Hofe Philibert’S von Baden eiiria 
lutherijch, ließ er ſich ſehr angelegen fein, das vu: 
therthum in der Pfalz wieder einzuführen. Toſſa— 
nius und Dlevianus wurden vom Amte entfernt, 
die veformirten Prediger abgejegt, eine neue Hir- 
chenordnung verfaßt, endlich auch, nachdem Lu: 
wig troß vielen Bedenkens 1579 die Concordien: 
formel unterzeichnet hatte, die Univerfität Heidel 
berg lutherifch reformirt, die bis dahin noch ziem 
lid geihont geblieben war. Als das Yand ſich 
fortwährend calviniftiich gefinnt zeigte, entjagte 
der Kurfürſt nach dem Tode feiner Gemahlin (+ 
1552), einer Tochter Bhilipp’S von Hefien, weiteren 
Gewaltmaßregeln. Er ftarb 1533 unter den Br: 
mühungen, einen friedlihen Ausgang in der Sache 
deö Kurfürsten Gebhard von Cöln herbeizuführen. 
Ludwig de Keon (Luis Ponſe de), der correc: 
tefte der ſpaniſchen Dichter und hervorragend 
durch bomiletiiche Beredfamteit. Geb. 1527 oder 
1523 in Belmonte im ſüdlichen Spanien, trat er 
1543 in den Auguftinerorden zu Salamanca; 
wurde Doctor und Xehrer der Theologie. Cine 
Ueberjeguug des hohen Yiedes und freie kritiſche 
Aeußerungen über die Vulgata brachten ihn 1572 
in die Gefängniffe der Inquifition zu Valladolid, 
und erjt 1575 konnte er, vom höchſten Rathe der 
Inquiſition endlich freigefproden, feine Aemter 
wieder übernehmen. Er ſtarb ald Generalvicar 


feines Ordens 1591. Seine Gedichte hat er jelbit 


in drei Bücher geteilt, deren erſtes die eignen 
geiftlihen Gedichte umfaßt, das zweite metriſche 
Ueberjegungen aus den Elaffitern, das dritte einige 
Palmen und Theile des Hiob enthält. Eine Aus: 
mahl in deutfcher Ueberfegung, Münfter 1853, von 
Schlüter und Storf, Eine andere Schrift von ihm, 
die volllommene Gattin, erſchien deutich Wien 
1347. Bgl. Wiltens, Biographie, Halle 1866. 
Kübel. Freie Hanjeftadt, iſt gegründet un 
ter dem — — Gottſchalk 1039 — 1066. 
1163 wurde das Bisthum von Aldenburg (geitif: 
940) hierhin verlegt, von dem aber Schwerin 
und Ratzeburg vorher abgetrennt waren. Heinrich 
der Löwe nahm das Recht, die Biſchöfe an Stelle 
des Kaiſers Friedrich's I. zu inveftiren für ſich in 
Anſpruch. Später nahm der Bifchof feinen Sit zu 
Eutin. Der Reformation widerjegte fich jeit 1524 
der Rath und verwies wiederholt die Prädicanten 


Rüde 


aus der Stadt. 1530 ergwang aber die Bürger: | 
haft die Rüdberufung der Prediger Wilms und | 
Walhoff, und ald das Capitel und die fatholifche | 
Geiftlichkeit eine öffentliche Disputation verwei: 
gerten, jo wurde ihnen das Predigen verboten 
und evangeliiher Gottesdienſt eingeführt; das 
Schwanken des Rath3 befiegte ein Volksaufſtand 
am 30. Juni 1530. Domftift und Bifchof folgten 
nad. Bugenhagen organifirte das neue Kirchen: 
wejen, 1550 — 1581, und dasjelbe blieb aud) troß 
der Anfeindung der zeitweilig wieder Macht gewin- 
nenden fatholiichen Bartei beitehen. In der Periode 
der Lehrftreitigfeiten gewann Lübeck Ruhe durd) 
fein Separatbefenntnif, die formula consensus 
(Zübed’jche Formel), welche von Gurtius 1560 ver: 
Tabt war, und von allen Geiftlichen bis 1685 
unterjchrieben werden mußte. Das evangelijche 
Bisthum Überbauerte auch den weſtphäliſchen Frie— 
den; nad) dem Vertrag von 1647 folgten einander 
12 Biſchöfe aus dem holfteiniihen Haufe, bis 
1802 der legte Biſchof, zugleih Adminiftrator 
von Oldenburg, das Bisthum (Fürſtenthum X.) 
als Entichädigung für gebrachte Opfer erhielt. An 
die Stelle der Bugenhagenihen Kirhenordnung 
trat jhon 1585 deren Abänderung, im Auftrage 
franz II. von Sachſen-Lüneburg durch Andreas 
Pouchenius verfaßt, welche in hertümmlicher Gel: 
tung blieb bis 1860 für Lübeck, 1562 für Trave: 
münde eine neue Drönung erlaffen wurde, welche 
Vertretung und Betheiligung der Gemeinde an der 
Kirchenverwaltung einführte. Die Neformirten in 
Yübed haben feit 1825 die bürgerlichen Rechte, 
und ihre Gemeinde jeit 1826 eine eigene Kirche. 
Küde, Gottfried Chriftian Friedrich, geb. den 
23. Auguft 1791 zu Egeln bei Magdeburg, ftudirte 
jeit 1810 in Halle und Göttingen, ward hier 1813 
Hepetent, 1816 Privatdocent zu Berlin, und bald 
a. o. Profeſſor der Theologie, erhielt 1818 eine 
theologiiche Profeſſur an der neugeftifteten Univer: 
fität Bonn und ging von dort 1527 nad) Göttingen. 
Niederholte Berufungen an andere Univerfitäten 
ausjchlagend, las er hier Über Exegeſe des N. T., 
Dogmatit, Moral und Kirchengejchichte, wurde 
1839 Mitglied des Confiftoriums von Hannover, 
1843 Abt von Buröfelde und 1849 Mitglied des 
Staatsraths. + 14. Febr. 1855. Ein feinfinniger 
Ereget und geiftvoller, anregender alademiſcher 
Lehrer, gehört er zu den bedeutenditen Theologen 
ber Neuzeit. Ueberzeugt von der Einheit des Glau— 
bens und der Wiſſenſchaft, brachte er den Zu: 
jammenhang zwiſchen Theologie und Kirche zum | 
Bewußtſein und betheiligte fich lebhaft an deren 
praftifchen Intereſſen. Aud für fein Leben war 
der enge Freundichaftsbund enticheidend gewor— 
den, in dem er zu Göttingen mit Bunien, Bran: 
dis, Nitter, Yahmann u. N. geftanden hatte. | 
Sein Hauptwerk, eine eregetiihe Mufterarbeit, 
ift der Commentar zu dem Evangelium und den 
Briefen des Johannes mit einer Einleitung zur | 
Apofalypie, Bonn 1820 — 22, 3. Aufl. 1843 — 56. 
Evangelium I. Theil 3. Aufl. 1540; II. Th. 1843; 
Briefe 3, Aufl. beforgt von E. Bertheau 1856; 
Einleitung in die Offenbarung, 2. Aufl. 1548— | 
52. Vorher erjchienen: Commentatio de eccl. | 
Christ. apostolica 1813. Ueber den neuteitament: | 
lichen Kanon des Eufebius 1816. Gefchichte der 
Hermeneutik 1817. In Verbindung mit De Wette 
lieferte er eine Synopfis; außerdem die Abhand: 
hung über den Spruch: In necessariis unitas etc., 





575 


Lüge 


Gött. 1850, Biographien von Plank, Mosheim, 
und Charakteriftifen über Schleiermadher und Dtfr. 
Müller, In Bonn gab er mit Giefeler die Zeit: 
ſchrift für hriftliche Wiſſenſchaft und chriftliches 
Leben, in Göttingen mit Wiefeler Die Bierteljahrs: 
ſchrift für Theologie und Kirche heraus, und war 
ein Mitbegründer fowie fleigiger Mitarbeiter der 
theologiihen Studien und Kritifen. 

Lüge. —— Verhüllung der Wahrheit 
nennt man Lüge. Sie hat ihren Ursprung in der 
Selbftfucht. Indem der Selbftfüchtige das Inter— 
effe hat, Andere zu einem derartigen Handeln zu 
bewegen, daß für ihn ein Bortheil daraus ent: 
ipringt oder ein Nachtheil abgewendet wird, liegt 
ihm daran, durd) die Vermittlung des Wortes Vor: 
ftellungen im Nebenmenſchen zu erzeugen, welche 
den legtern zu dem beabfichtigten Handeln reizen. 
Diefe Vorftelungen können nun entweder der 
Wahrheit entjprechen, oder fie fönnen Jrrthlimer 
fein. In beiden Fällen ift die Einflüfterung- von 
Vorftellungen, als zu an Sweden, fitt: 
lid) verwerflich; aber fie ift um fo verwerflicher, 
wenn der jelbjtjüchtige Zweck dadurd) erreicht wird, 
dab die Wahrheit in Irrthum verwandelt, daß ab: 
fihtlih Täufhungen in den Vorftellungen unjeres 
Nebenmenjchen erjtrebt werden. Denn abgejehen 
von der jelbitfüchtigen Triebfeder wird hier eines 
der eriten göttlichen Grundgeſetze, das Geſetz der 
Wahrheit, übertreten. Wir jegen uns in den ſchärf⸗ 
iten Widerſpruch mit dem Gemwiffen, welches ſich 
in erjter Linie als Wahrheitötrieb geltend macht. 
Die Lüge als Gewohnheit ſetzt gr immer Man: 
gel an Gemwifienhaftigkeit und fittlihem Ernite 
voraus. Die Folge der Lüge ift aufer dem intel- 
lectuellen oder moralifhen oder materiellen Scha: 
den, der dadurch häufig dem Nächten zugefügt 
wird, namentlich die Unmöglichkeit eines wahr: 
haften Beftandes der menſchlichen Gemeinſchaft, 
die Untergrabung der fittlichen Ordnung des Ge: 
ſellſchaftlebens. Eph. 4, 25.) Bejondere Arten 
von Lügen, Über deren Berechtigung oder Nicht: 
berechtigung (in welchem Falle dann der Ausdrud 
Lüge nur noch uneigentlich zu gebrauchen wäre) 
Zweifel bejteht, find die Nothlüge, die conventio: 
nelle Lüge, die Lüge in quter Abficht und die Yüge 
mit ſcherzhafter Abſicht. Die lehtere ijt bloß eine 
Scheinlüge, bei der feinerlei ſelbſtſüchtige Abficht 
vorhanden ift, eine momentane Täuſchung, welche 
im nächſten Augenblid wieder aufgehoben wird; fie 
iſt als bloßes Spiel nicht widerfittlih, wenn nicht 
andere Momente, wie 3. B. Entwürdigung des 
Getäuſchten, fie unfittlih machen. Ebenſo kann 
die Lüge in guter Abficht, 3. B. die Vorenthaltung 
des wahren Sachverhalts Kranken gegenüber, die 
Berhüllung der Wahrheit Kindern gegenüber aus 

ädagogiſchen Rüdfichten (vgl. damit den Grund: 
at Joh. 16, 12), nicht eine Yüige im eigentlichen 
Sinne genannt werden, weil fie nicht aus Selbit- 
ſucht, jondern vielmehr aus dem Beweggrund der 
Liebe hervorgeht, aber immerhin foll auch hier die 
Forderung des Gemiffend nad Wahrheit wicht 
leihtfertig überfehen werden; es giebt hier einen 
fittlihen Tact, welcher im Allgemeinen nicht defi: 
nirt werden kann, welcher aber in den einzelnen 
Fällen liebevolle Schonung und Rüdfiht auf den 
Ernjt der Wahrheitspflict zu vereinigen weiß. 
Bei der fittlichen Kritik jolcher Reden ift vor Allem 
ind Auge zu fafjen, ob wirkliche Liebe, oder viel: 
leicht bloße Schwachheit und verjtedte Selbftjucht 


Lüneburg 


den Beweggrund bildet. Die conventionelle Tüge, 
d. h. die Yüge, welche von der geſellſchaftlichen 
Sitte zuweilen gefordert zu werden fcheint, ift als 
wirflihe Lüge jedenfalls unjtatthaft. Erjordert 
wirklich der ae Ton Widerſprüche mit 
der Wahrheit, jo ift Died ein } 
—— Sitte ſelbſt nicht auf —5— Grund⸗ 
age ruht. Dagegen dürfen geſellſchaftliche Reden, 
Redensarten der Beſcheidenheit, Höflichkeit, welche 
nad dem ftrengen Maße einer nähern Prüfung 
vielleicht mehr ausjagen, als ein vom gejellidaft: 
lihen Bedürfniß nicht beeinflußtes Urtheil aus: 
fagen würde, nicht gerade ald Zügen verurtheilt 
werden, da e3 ja hier nicht auf eine Täuſchung 
des Nebenmenihen abgejehen ijt. Aber für das 
geſellſchaftliche Leben überhaupt ergiebt fi dar: 
aus die Forderung, daß die äußere Form des 
Lebens ſich nicht vom fittlihen Inhalte entferne, 
—— daß beide möglichſt innig zufammenmwad): 
en, oder mit einem Worte, dat das gejellichaft: 
liche Leben wahr werde. Die Nothlüge iſt die 
in einem alle ausgeſprochene Unwahrheit, wenn 
durch fie ein Unglück verhütet werden kann. Auch 
über die Berechtigung der Nothlüge er ſich feine 
allgemeine Beitimmung ausjprehen. Die meiſten 
Nothlügen des gewöhnlichen Lebens find durchaus 
ewifiensmwidrig, weil fie nicht durd) eine wirkliche 
toth bedingt find, und weil in den meiſten Fällen 
nit ein Unglüd, jondern nur ein Nachtheil ver: 
hütet werden ſoll. Die jehrjeltenen Fälle, in welchen 
wirklich ein Unglüd verhütet werden kann, wenn 
3. B. durch eine Täufhung ein Menfchenleben er: 
rettet werden könnte, bieten wirkliche Fälle von 
Pflitencollifionen, welche nad dem Grundſatze 
zu entſcheiden find, daß die größere Pflicht die 
maßgebenbe ift, wobei die Erfüllung diejer legtern 
gleichjam die Sühne geben muß für die Berlegung 
der Heineren. Stellen der Schrift über die Lüge: 
Matth. 15, 19; Joh. 8, 44; Apftg. 5,3; Rom. 
1, 29. 31; Epb. 6,25; Kol. 3,9. Val. 9. Kraufe, 
über die Wahrhaftigkeit. Ein Beitrag zur Sitten: 
lehre, 1844. Reinhard, Moral Bd. J. Rothe, Ethik 
Bd. III. er. Syſtem der hriftl. Yehre $. 172. 
Rüneburg. Im Fürſtenthum Yüneburg führte 
Herzog Ernit der Belenner, der Sohn des geächteten 
Heinrich d. Nittlern, Die Reformation ein, als deren 
erfte Prediger in Celle Wolf Zyflop aus Zwidau 
und Gottſchall Erufe aus Braunſchweig genannt 
werden. Der Landtag zu Scharnebet 1527 en: 
digte den Widerftand der Prälaten und entjchied 
ſich für die Kirchenverbefferung, welde nun Ernſt 
durch Urbanus Rhegius, den er von Augsburg 
1530 mitbradhte und zum Generalfuperintendenten 
machte, bald allenthalben durchführte. Durch die- 
fen wurde auch in der Stadt Yünelurg der bis- 
erige Widerjtand gebrochen. Vgl. Uhlhorn, Urban 
hegius, Eiberf. 1861. Die völligeXöfung des frü: 
eren Diöcefanverbandes mit Bremen, zweckmäßige 
ndung des Kirchengutes, die Reformation 
ber Klöfter mit der neuen, fejten Organifation 
des Kirchenweſens, fiherten dasjelbe, jo daß die 


576 








Lütkemann 


ſchen Symbolen, der Augsburgiſchen Confeſſion, 
der Apologie und den Schmalkaldiſchen Artikeln 
auch die Formula caute loquendi von Rhegius 
enthielt, und in welche 1593 noch die Formula 
concordiae aufgenommen wurde, an beren Ab— 


Beweis, daß die geſell— | fafjung der Züneburgifche Generalfuperintendent 


Vonſack betheiligt gemejen war. Aus Arndt's Wirt: 
ſamkeit als Generalfuperintendent feit 1611 ging 
dann 1619 eine neue Kirchenordnung hervor, welche 
das Gonfiftorium mehr ausbildete und General: 
und Specinlvifitationen mit Predigerjynoden an: 
ordnete. Diejelbe ift biß zu der neuen Kirchen— 
verfafjung Hannovers in Geltung geblieben. 

Lüneburger Artikel find eine lutherifch = orthe- 
dore Belenntnikihrift in Veranlaflung der Har: 
denbergifhen Abendpmaplöjtreitigleiten von dem 
Convente der Niederfähfiihen Städte zu Lüne— 
burg 1561 angenommen nnd unterjchrieben. Sie 
ehören zu den jombolifhen Büchern ter deut: 
—* Kirche nur in ſo fern ſie in das Braunſchweiger 
Corpus doctrinae aufgenommen find. Der Ber: 
faffer war Joachim Morlin. Der Titel lautet: 
Erflärung aus Gottes Wort und kurzer Bericht 
der Herren Theologen, welchen fie der ehrbaren 
Sächſiſchen Städte Gejandten auf den Tag zu 
Lüneburgk im Juli 1561 gehalten, vornehmlich 
auf drei Artikel gethan haben. 

ünemann, Gottlieb, Dr. theol. Geboren den 

17. April 1819 in Göttingen, ftubirte er daſelbſt 
und wurte — her Profeſſor der Theo- 
logie für die Eregefe des Neuen Teſtaments. 
Schriften: De epistolae, quam Paulus ad Ephe- 
sios dedisse perhibetur, authentia, primis lec- 
toribus, argumento summo ac consilio, Gott. 
1842, 4 (Preisſchrift); Disputatio de literarum, 
quae ad Hebraeos inscribuntur, primis lectori- 
bus, Gott. 1853. 4; Kritiſch⸗exegetiſches zn 
über die Briefe an die Theſſalonicher (Abth. X. 
des Meyer'ihen Commentars über das N. T.), 
Bött. 1850, 3. Aufl. 1867; Kritifch : eregetifches 
Handbuch über den Hebräerbrief (Abth. XIII. des 
Meyer'ſchen Commentars über das N. T.), Gött. 
1855, 3. Aufl. 1867. Gemeinſchaftlich mit Brofeffor 


Meßner in Berlin gab Liinemann die 6. Auflage 


von de Wette's Lehrbuch der hiſtorkrit. Einl. tn 
die lanoniſchen Bücher des N. T. heraus, Berlin 
1560; ferner bejorgte er die 7. Auflage von Winer’s 
Gramm. des neutejt. Sprachidioms, Leipz. 1967. 

Züneviller Frieden (8. Februar 1801) nahm 
Deutjhland alle Befigungen auf dein linfen Rhein: 
ufer. Um die Entfhädigungen für die Erbfüriten 
zu gewinnen, wurden durch den folgenden Reichs: 
deputationshauptihluß die geiftlihen Fürjtenthü: 
mer jäcularifirt. 

Lütkemann, Joachim. Geb. 1608 zu Demmin in 
Pommern, befuchte er die Iniverfitäten Greifswald, 
Stralfund und Rojtod, wurde hier 1638 magister 
legens, 1643 Profeſſor der Bhilofophie. Als Pre— 
diger und durch erbauliche Schriften (Borfchmad 
der göttlihen Güte; Bom iroilihen Paradieje) 
entfaltete er zu Roftod im Geifte Arndt's eine ge: 


Stände trotz der katholiſchen Fürften, welche als | jegnete und andauernde Wirkfamfeit, der ihn ein 
Vormünder die Regierung führten, 15483 die Ans ſcholaſtiſch-ſpitzfindiger Streit über die Menfchheit 
nahme des Interims verweigern, und Lüneburg | Chrifti in jeinem Tode entzog. Wegen feiner in 
den Tag zu Hamburg gegen dasjelbe beſchicken feinen Thejen ausgeſprochenen Anjicht in der da: 
tonnte. Die Herzöge Heinrid und Wilhelm ver: mals ventilirten Streitfrage wurde er, fiegreich in 
liehen 1564 die Kirchenordnung (Richter II, 285) ; | der öffentlichen Disputation, bei dem Herzog von 
die Lehrordnung enthielt dad Corpus doctrinae |jeinem Gegner Cothmann verflagt und mußte, 
Wilhelminum 1576, weldes neben den öfumeni« | weil er ſich weigerte, einen ihm vorgelegten Reverg 


Lüttich 


zu unterjchreiben, troß der Fürbitte der Facultät, 
Rofiod verlaffen. Zu rechter Zeit erhielt er den 
Ruf ald Generalfuperintendent nad) Braunfchweig, 
wo er fih durd die Schulordnung 1651 und 
Kirenordnung (melde nad jeinem Tode 1657 
publicirt wurde) verdient madıte. + 1659. 
Lüttich. Die Inhaber des Bisthums Tongern, 
welches nad) der Sage von Maternus geitifter, 
durch Servatius im 4. Jahrhundert berühmt ge: 
worden war, verlegten ihren Aufenthalt im 5. 
Jahrhundert erit nad Maiftricht, dann im 8. 2 
hundert nad) Lüttich, welches 1091 unter dem Bi: 
Ihof Heinrich audy dem Bistum dem Namen gab. 
Es gehörte * Metropolitanverbande von Eöln. 
Berühmte Biſchöfe von Lüttich find der heil. Lam: 
bert (7 708), der heil. Hubert (7 727), Everaclus 
(7 970), Ratherius (F 974), Notter (F 1007), 
Wazo (+ 1048). Die ältere Gejchichte des Bis: 
thums jchrieb Heriger von Lobbes um 979. Die 
Schule zu Lüttich, eine Zeit lang die berühmtejte 


577 


Lullus 


Gang nad der Synagoge während des Laub— 
hüttenfeftes in der Nechten tragen jollen, oder 
wenigitens während bes Umzugs um das Katheder 
mit der Öejegesrolle. Bei dem Hofianna und dem 
großen Halleluja wird der L. nad) den verſchiede— 
nen Himmelögegenden gefchütleit; die einzelnen 
Zweige werden endlich zerichlagen. Die gewiſſen— 
hafte Beobachtung diejer Ceremonie gilt einem 
dargebrachten Brandopfer gleich. 

Lullus, der Nachfolger des Bonifacius, als 
Erzbiſchof von Mainz. Ein geborner Angelſachſe, 
erzogen vom Abt Eaba im Klofter Meldun, kam 
er auf Einladung des Bonifacius nad) Deutfihland, 
ging als deſſen Gefandter an Bapit Zacharias nad) 
Rom und wurde 754 von ihm als jrin Nachfolger 
eingeführt. In feiner Amtsführung beivies er gegen 
den zügellojen Klerus die nothwendige Strenge. 
Sehr ſpät erit, nach 25 Jahren (750), empfing er 
das erzbiſchöfliche Pallium, ohne daß ein beitimm: 
ter Grund der Zögerung belannt wäre. Eine In: 


Hochſchule des nordweitlichen Deutjchlands, grün: | firuation gegen ihn in Rom wurde durch fein Glau— 
dete Everaclus unter dem Beiltande eines dort | bensbefenntnif und den Bericht der Commiſſion 
lebenden flüchtigen griedifchen Bischofs Leo. Ihre | zurüdgewiejen. Bon einem Primat über Deutid): 
Slanzperiode hatte fie unter Notfer und Wazo, | land fanır bei en noc weniger als bei Bonifa— 
als jie in eine innere und äußere abgetheilt war, | cius die Rede fein, wie er auch mit feinen An: 
jene nur zur Ausbildung für das Slofterleben, | ſprüchen auf Fulda dem Abte Sturm weichen 
dieje aber auch für Jünglinge aus dem Laienjtand | mußte. Er gründete das Kloſter Hersfeld, wo er 
bejtiimmt. Mit dem 13. Jahrhundert verfiel die | begraben liegt. Er ftarb 736 nad) längerer Krauf: 





Schule. Lüttich behielt noch lange einen glänzen: 


den Klerus, zeichnete ji aber durd) ven Mangel 


an wiflenichartlihem Leben aus. Rettberg, Kgeſch. 
Deutihlands, ferner Jahrbücher des deutichen 
Reichs unter den Karolingern und dem ſächſiſchen 


dauſe. ‚ge 
Lügelberger, |. den Art. über das Johannes: | 


evangelium. 





— An feine Gebeine knüpften ſich bald Wunder: 

agen. Seine Lebensbeſchreibung findet ſich im 

Mainzer Brevier und Briefe von ihm in der 

Bonifacianiſchen Briefſammlung. Dal. Rettberg, 

ri Deutſchlands. Jaffé, Biblioth. rer. 
rm, IV. 


Lullus, Raimundus, wurde 1234 zu Palına auf 
Malorca geboren. F 1315. In feinem 30. Jahre 


Lugdunum, j. Lyon. 


‚ erfaßte ihn als Seneſchall am königlichen Hofe ein 
Auitprand. S. Yiutprand, 


Ekel an feinem biöherigen leichtfertigen Treiben 
Lukas, j. Lucas, ‚und führte ihn zu Gott. Lebenszweck wurde ihm 
Rufaris, ſ. Lucaris. die Belehrung der Saracenen. Um ſich die nöthige 
Lukas von Prag. Von ſeinen früheren Lebens— | willenjchaftliche Bildung anzueignen, ftudirte er 

umjtänden ijt nichts befaunt, auch nicht, ob er bis 1275 in Paris, und bewog dann den König, 

den Zunamen führte als von dem Drte feiner | ein zranciöcanerklofter zu Malorca als Miſſions— 

Geburt oder jeiner Studien. Er hatte bei dem | feminar unter den Saracenen zu gründen. Da 

Siege der jtrengeren Partei unter den böhmischen ihm Glaube und Wiſſen unzertrennlic verbunden 

Brüdern nad) Gregors Tode größere Neijen im waren, jo daß jener der Bernunft nicht wider: 

Ausland unternommen; nad) feiner Rückkehr und ſprechen fünne, aber den Verftand über die ihm 

dem Siege der Gemäßigten auf der Synode zu |jonft geitedten Örenzen erhebe, und er durch Ver: 

Reigenau, trat er in den engern Rath, 1500 wurde | nunftgründe deßhalb die Wahrheit des chriſtlichen 

er einer der vier Senioren und trat 1517 an die | Glaubens zu erweiſen gedachte, jo erfand er die 

Spige des böhmischen Kirchenweiens, welches von Lulliſche Kunft, angeblich ihm durch Offenbarung 

ihm, als feinem zweiten Begründer, feine ‚eigen: | enthüllt. Alle dentbare Erfenntnif wird auf eine 

thümliche Ausprägung empfing. Er entwidelte | Zahl (63) urjprünglicher Begriffe, Subftanz, Accis 
dabei eine ungemeine literarijche Thätigkeit; es denz, Prädicate und Fragen zurüdgeführt, derem 
werden 85 größere und Heinere Schriften von ifm | Combination unter einander den Schlüffel aller 
aufgezählt. An 8 Confeffionen der Brüder, die zu | Erfenntniß geben ſollte. Dieje Kunft, ars uni- 
jeinen Lebzeiten erfchienen, war er betheiligt. Doc) | versalis scientiarum, entwidelte er 1275, übers 
iſt jein Stil ſchwülſtig und dunkel, dafs feine  jegte fie ind Arabifhe und hielt in Montpellier 
Schriften auch den Zeitgenoffen wenig geniehbar ‚und Paris darüber VBorlejungen. 
waren. Dem Einfluß des Lukas und dem Gegen: | Antla 
jag, den er zwischen fich und Yuther erfannte (über | Eine Disputation brachte ihn in Lebensgefahr, 
das Abendmahl 152); von der fiegreihen Wahr: | und nur unter der Bedingung, nicht wiederzu— 
heit 1522) ift es vornehmlich zuzufchreiben, daß Lehren, erlangte er die Freiheit. Aehnlichen Erfolg 
es zu feiner Einigung zwifchen Luther und den hatte eine zweite Reife nad) Afrika ; nad) galbjäh. 

Böhmen fam. + 11. Dec. 1523 zu Jungbunzlau. rigem Gefängniß erſt wurde er befreit. Clemens V. 

Bindely, Gejch. der mährifchen Brüder 1853. begegnete ihm mit Verachtung, aud) dad Coneil 
Lulab ijt der Büjchel von Myrten:, Palm: | zu Bienne 1311 ging weder auf jeinen Plan eines 

und Weidenzweigen, nad Vorſchrift gewählt, ge: | neuen Kreuzzuges, noch der Stiftung eines neuen 

hauen und gebunden, welchen bie Iſraeliten beim NRitterordens ein, nur ein Decvet * Gründung 


Da er wenig 
fand, reiſte er 1291 ſelbſt nach Tunis. 


Lumper 


orientaliſcher Sprachcollegien konnte er erlangen. 
Zum dritten Dale reifte er nach Afrika und wurde | 
von den erbitterten Muhammedanern gefteinigt | 
und jtarb auf der Rüdreije an den Folgen. Die 
Anzahl feiner Schriften iſt jehr groß, ihre Zahl 
wird auf 400 angegeben. Eine Ausgabe von 
—— opera omnia, 10 vol, Mainz 1721— 
1742. Bon den jpätern Herausgebern, 3. B. Jor: 
danus Brunus, find feine Schriften mehrfach 
commentirt. Vgl. Helfferih, Raymund Lullus, 
Berl. 1853. Erdmann, Geſch. der Philoſophie 1. 

Lumper, Gottfried, ein gelehrter Benedictiner 
im Klofter zu Villingen im Schwarzwalde, ward 
Prior und Profeſſor der Theologie dafelbjt. Er 
jchrieb: historia theol, eritie.; de vita, scriptis 
et doctrina ss. patrum. Er war geboren 1747 zu 
Hüßen im Allgäu und ftarb am 8. März 1801. 

Kuna, Beter de, Gegenpapft Benedict's XIII. 
Ein vornehmer Aragonier, trat er erſt jpät in den 

eiftlihen Stand und wurde 1375 Gardinal, Zur 
— Partei gehörig, folgte er Clemens 

II. 1378 nad) Avignon und wurde 1394 ſelbſt 
—— Gegenpapſte gewählt. Trotz ſeines Schwures, 

ie Würde um der — der Kirche willen nies 
derzulegen, fallö es gefordert würde, behauptete 
er jtch jelbft gegen das Concil zu Piſa 1409 und 
das von Conſtanz 1417. Beide hatten die Abſetzung 
über ihn ausgejproden. Unter dem Schuße des 
Königs von Spanien behauptete er fich bis zu ſei— 
nem Zode in der jeiner Familie gehörigen Feite 
Peniscola, welde er für den Sig der Kirche er: 
flärte und von wo aus er die Welt verdammte. 
Nach feinem Tode wählte auch jein Cardinal: 
Collegium Martin V. und beendigte damit das 
Schisma. Bal. Hefele, — — VI. 

Lund. Das Bisthum Lund in Schonen wurde 
1065 von König Svend Eſtritſon begründet. Aus 
dem Metropolitanverbande mit Bremen Hamburg 
löſte es Urban II. durch Erhebung zum Erzbis— 
thum. Bremen und das deutſche Reich widerſetzten 
ſich und Erzbiſchof Eslil wurde auf einer Durch— 
reiſe in Burgund ſieben Jahre gefangen gehalten. 
+ 1182. Er reſignirte und ihm Alte bee kraftvolle 
Abjalon von Yund. Bis zur Erhebung Upjalas 
zum Erzbistum gehörte ganz Schweden zum 
Sprengel, der fpäter über das ejthijche Bisthum 
Reval und die Inſel Defel ausgedehnt wurde, Der 
legte katholische Biſchof von Lund war ein Nieder: 
länder Johann, welder aus Dänemark floh und 
1538 Biſchof von Conftanz wurde. 

Lunula, der Behälter für die Hoftie in der 
Monjtranz, ift entweder von Gold oder befteht 
aus ;wei platten, geichliffenen Gläjern in einem 
goldenen Kranze, die nad) Art eines Uhrgehäufes 
geöffnet werden können. Die Lunula wird bene: 

icirt. 

Lupold von Babenburg, Domher und 1352 
Biſchof zu Bamberg. Berühmt als Rechtsgelehrter, 
erregte er 1338 Aufſehen durch feine Schrift de 
juribus regni et imperii Romanorum, welde die 
im Streite Ludwig's des Bayern mit dem Papſte 
von dem Frankfurter Reichstag 1335 und dem 
Kurverein zu Renfe ausgeſprochenen Grundfäge | 
vertheidigte, daß der deutjche König der päpftlichen 
Beftätigung nicht bedürfe. Er bezog ſich auf Karl 
den Großen, welcher vor der Krönung in Nom die 
königlichen Rechte unbeftritten geübt hätte. 

Lupus, Chriftian (Wolf), ein Auguftiner aus 
Ypern. Geboren 1612, ftudirte er in Löwen, lehrte 


578 


Luft 


dort und in Göln Philofopbie, Tehrie dann nad 
Löwen in fein Klofter zurüd, für welches er meb- 
rere Reifen nach Rom unternahm, und ftarb 1681. 
Von jeinen Werten jind hervorzuheben ein Com: 
mentar zu den Goncilien, 5 Bde., 1666 und Acten 
und Scholien zu den Eoneilien von Chalcedon und 
Epheius 1682, 

Lupus, der Heilige, geboren um 333 zu Toul im 
Lothringen, war in jüngern Jahren ein durch Be— 
redſamkeit berühmter Rechtsanwalt. Nach fieben- 
jähriger Ehe trennte er ji) von feiner Gattin, der 
Schweſter des heil, Hilartus, mit deren Zuftim- 
mung und begab ſich in das Kloſter Zerinum. 426 
zum Bifchof von Troyes in der Champagne er— 
wählt, begleitete ev 429 den heil. Germanus vor 
Aurerre nad) ug ar um gegen den Pelagianis⸗ 
mus zu wirfen. Großes er gewann er durch 
feine ftvenge Witeje, jo dab Wunder von ihm be> 
richtet wurden. Wunderbar hat auch die Sage die 
durch ihn bewirkte Berichonung der Stadt Troycs 
Seitens Attila’s ausgeſchmückt. VBorhanden iſt von 
ihm außer einem Glückwunſchſchreiben an den beil, 
Sidonius ein mit Euphronius von Autun gemein: 
jam erlafjenes Schreiben über einige Fragen ber 
Liturgie und die Heirathen der niedern Kleriler. 

Lupus, Servatus, Abt von fyerrieres, geboren 
805 im Sprengel von Sens. Ein Schüler des Ra— 
banus Maurus in Fulda, erhielt er das Lchramt 
in Ferrieres, welches er auch als Abt 842 beibe: 
hielt. In den unrubigen Zeiten viel in öffentliche 
Angelegenheiten verwidelt, (jelbjt dem Kriegsdienſt 
fonnte er ſich nicht entziehen), bewahrte er eifrige 
Pflege der Wiffenfhaften und jammelte jorgjam 
Kodices profaner und heiliger Schriftfteler. Im 
dem Gottſchall'ſchen Prädeltinationsitreite jtand 
er auf Gottſchalt's Seite. Er vertheidigte jeine 
Lehre, indem er fi auf Augquftin bezog, in der 
Schrift de tribus quaestionibus: der Wille Des 
Menſchen ift nur frei zum Böjen, zum Guten nur 
durch den Beiftand Gottes. Die Prädeftination ift 
der Grund des heiligen Lebens; fie hat durch 
Ehrijti Tod Alle die erlöjet, welche er wollte. 
Seine opera bei Migne. Bol. Weizjäder, Jahrb. 
für die Theologie, 1859, v. Noorden, Hincmar. 
Dümmler, Oftfränt. Geſch. I. 

Lustinius, Othmar, ein Humanift, geboren 1437 
zu Straßburg, bildete ich dur) Anregungen von 
Geiler von Kaijersberg und Erasmus. Als Yehrer 

‚der griechiſchen Sprache im Benedictinerklojter zu 

' Augsburg und katholiicher Prediger an St. Morig 
war er anfangs der Reformation aeneigt, wurde 
derjelben aber fo feind, daf ihm das Bredigen un: 
terfagt wurde, weil er mit den Wiedertäufern auch 
die Yutheraner Ketzer nannte. + 1533. Sein Blal- 
ter des Königs: Propheten David, Augsb. 1524, 
war viel verbreitet. 

Luſt. Die Förderungen oder Hemmungen des 
leiblichen und geiftigen Lebens fommen uns, wie 
bejonders Schleiermader in feiner Dogmatif und 
chriſtlichen Sittenlehre durchgeführt hat, zum Be: 
wußtſein ald Empfindungen und Gefühle, jene der 
Luft, dieje der Unluft. So erregt eine Erweiterung 
der Wahrheitöertenntnig ein Luftgefühl, jo die 
Stillung des Hungers die finnlide Empfindung 
der Luft (griechiſch beidemal: ;dorr). Die Luft 
hängt aljo mit unjerer Natur und —— höhern 
oder niedern Trieben aufs innigſte zuſammen, ſie 
iſt der Reflex der Befriedigung der letztern im 
Empfindungsleben. Gewöhnlich wird aber der 


Luft 


579 


Luft 


Ausdrudf nur von den finnlichen Empfindungen | bat diefen Grundſatz bis zur Beihönigung eines 


verstanden, und infofern tft die Yuft nahe verwandt 
dem finnlichen Triebe und der Begierde, weßhalb 
der Begriff derfelben zunächit auch von den lettern 

riffen zu fcheiden ift. Iſt der Trieb der unmit— 
telbare Ausdruck unferer finnlihen Natur, der 
Ausdrud deffen, was fie ald Natur begehrt, ift die 
Begierde die Steigerung des Triebes zu einer ab: 
normen SHeftiafeit, jo daß ein ungefundes lleber: 
wiegen des finnlichen Lebens über das geijtige ein: 
tritt, ſo ift dagegen die Luft nicht graduell, ſondern 
qualitativ von beiden unterſchieden. Die Luft geht 
al3 Parallele ſowohl neben dem Triebe, ald neben 
der Begierde her und ift der Stärke diefer beiden 
gemäß ſchwächer oder ſtärker; fie ift die dieſe be: 
leitende Empfindung und greift als ſolche ſchon 
tiefer in das geiftige Yeben ein. Die Luft, alö die 
Empfindung der Befriedigung eines Triebes oder 
einer Begierde, hat —— da ihren Höhepunkt 
erreicht, mo die ungeſtillte Begierde in wirkliche 
Berriedigung umſchlägt; allein fie begleitet den 
finnlihen Trieb aud) Ichon in den Momenten, wo 
eine mwirfliche Befriedigung nod nicht erfolgt üft. 
Jeder Trieb nämlich erzeugt in uns eine Bor: 


unfittlihen Lebensgenuffes mweitergebildet. Erft 
das Chriftenthum hat die fittliche Bedeutung der 
Luft ins richtige Licht geftellt, indem es ebenfo weit 
entfernt war, die Luſt als normale Erfcheinung 
des finnlichen Lebens rigorös zu verdammen, als 
es anderſeits die Yuft als die das Leben bejtim: 
mende Macht der Sinnlichkeit verurtheilt hat. 
Dal. Matth. 18, 9 und die oben angeführten 
Stellen. Es verlangt aufs entſchiedenſte eine ener: 
giſche Zucht negenüber der das Seelenleben über: 
wuchernden Sinnlichkeit. Im Laufe der priftlichen 
Entwidlung ift oft von einem einfeitig religiös— 
rigoröjen Standpunkt (Afkefe) die legtere der bi— 
bitfchen Forderungen übertrieben worden, wie 
auc auf der andern Seite nicht felten eine Heilt: 
gung der Sinnenluft verfucht worden ift (Antino: 
mismus, Yibertinismus). In neuerer Zeit hat 
Kant wieder die Luft in Scharfen Gegenjak gejegt 
gegen das Sittengejeg, indem er den unbedingten 
‚Rejpect vor dem fategorifchen Imperativ des Sit: 
tengeſetzes als die Duelle der Sittlichkeit, zugleich 
aber auch als ein die Unluſt hervorrufendes Ge: 
bot bezeichnen zu müſſen glaubte. — Die Luft, in: 


ftellung von feiner Befriedigung, von dem Ges | jofern fie die Quelle der Sünde, die fortwährende 
nuſſe, der darin liegt; diefe Vorftellung aber | Dispofition zur Sünde (die „böſe Luft”) und in: 


ruft zugleich eine Empfindung des Geniehens jchon 
zum voraus hervor, ein ideelles, vorftellungsmäßi: 
ges Borausgenießen, welches zugleich wieder ver: 
ärfend na den Trieb zurückwirlt und ihn zur 
egierde reizt (man vergleiche dazu 1. Mof. 3, 6). 
Diefes iveelle (noch nicht wirkliche) Borausgenie: 
ben wird nun fpeciell wieder — befonders in 
biblifcher und theologifher Sprade — mit dem 
Namen „Luft“ bezeichnet, und hat als ſolche die 
größte Bedeutung für das ſittliche Leben. An ſich 
ift nämlich die Luft feine Sünde, jo wenig alö der 
finnlihe Trieb, fomeit nämlich, als Diefeibe auf 
einer normalen Befriedigung des finnlichen Bedürf: 
niffes beruht. Aber da im Menfchen, wie er iſt, 
das Siunliche nun einmal abnorm überwiegt, jo 
ift die Luft im Allgemeinen als der Zuftand der 
Seele zu bezeihnen, in welchem fie von der finn: 
ftchen Natur (der aeof) beherrfcht ift und einer 
ftarfen Neigung zu den Werfen der Sinnlichkeit 
unterliegt. Inſofern ift die Luſt die Bermittlerin 
zwiſchen Sinnlichkeit und Sünde, das von der 
Sinnlichfeit befledte und gereizte Vorftellungs: 
und Empfindungsleben die Quelle, aus welder 
die Sünde flieht. Sie ift aber in diejer Geitalt 
nicht bloß die Quelle der Sünde, fondern aud 
ſelbſt Sünde, infofern jedes Luſtgefühl ſchon ein 
Einmilligen in das Begehren des Fleiſches in ſich 
ſchließt. Diefer Begriff entipricht der gewöhnlichen 
fiung der Luſt im Neuen Teftamente (gemöhn: 
ih im Plural Emitouien Lüfte), Röm. 7, 5.7; 
Gal. 5, 24; Eph. 2,2; Tit. 3, 3; Kol. 3,5; Jat. 
1,14. 15; 1. Job. 2,16. Was die Yuft im all 
gemeinen (micht in der zuletzt bejchriebenen ſünd— 
lichen Beichaftenheit) betrifft, jo hat die Philoſo— 
phie immer einen jehr verichiedenen Standpunft 
dazu eingenommen. Erſchien dem Stoicismus die 
Luft als ſittliche Schwachheit, als Widerſpruch mit 
der von ihm verlangten, energijchen Selbitbeherr: 
ſchung, als ein Nebel oder wenigſtens als ſittlich 
völlig werthlos, fo hat dagegen die cyrenätiche 
Schule (Ariftipn) die Luft als das Vollgefühl des 
Lebens zum Ziele alles menſchlichen Strebens 
erhoben (Hedonik), und die epikureiihe Schule 


fofern fie anderfeits mit der finnlichen Natur ans 
geboren tft, ift in der priftlichen Kirche der Gegen: 
Itand einer befondern, wichtigen Lehre geworben. 
ALS die Yehre von der Erbjünde zu ihrer willen: 
ihaftlihen Ausbildung gelangte, bedurfte es vor 
allem eines Begriffes zur Bezeichnung befien, 
was den eigentlichen fubitantiellen Inhalt der Erb» 
fünde ausmachte, und es konnte für den Zuftand, 
in welchem fich der in der Erbfünde Geborene be: 
findet, feine beſſere Bezeichnung gefunden wer: 
den, als eben diejenige der Luft (concupiscentia). 
So hat feit Auguftin der Begriff der letztern außer 
feiner allgemeinen noch eine jpecielle, neben der 
ethischen eine dogmatiiche Bedeutung gewonnen. 
Hat der Pelagianismus das Vorhandenfein einer 
angeborenen, überwiegenden Luft geleugnet, jo tft 
im Gegentheil nad Auguftin die Luft der feit 
Adam's Fall angeborene, verdammlidhe Zuftand 
der Menjhennatur, eine mit eigener Kraft gar 
nicht zu bemwältigende, durch die geſchlechtliche 





| Fortpflanzun ey eg Neigung zur Sünde, 


dem nur durch die Taufe die Zurednung genoms 
men wird. Nachdem dagegen die ſcholaſtiſche Dog» 
matil ſich milderen Anſchauungen zugewendet, in- 
dem fie alö das durch die Sünde Adam's für die 
Menſchennatur verloren gegangene Gut den über: 
natürlichen Gnadenzuftand, in dem der erſte Menſch 
‚lebte, betrachtete und folglich den in Folge der er: 
ften Sünde eingetretenen Stand der Menfchen 
mehr oder minder als den eigentlid natürlichen 
finden mußte (Anfelm, Thomas, namentlid) aber 
Scotus), jo daß auch die Concupiscenz nicht eigent: 
lid mehr alö ein zurechnungsfähiger Zuftand gel« 
ten fonnte, ſondern höchftens als eine „Berwun- 
| dung“ der menjhlichen Natur, als ein Entbehren 
der höhern Gnadenkräfte, jo hat dem gegenüber 
die proteftantiiche Dogmatik, auf Auguftin wieder 
| erg Br als die Folgen des Sindenfalls 
nicht bloß (negativ) den Verluſt des göttlichen 
‚ Ebenbildes, fondern aud pofitiv die Concupis- 
‚ conz, als das verdammungswürdige Streben der 
menschlichen Natur nach der Sünde, bezeichnet. — 
Lüſternheit ift der frankhafte Zuftand des 


37 * 





Luther 


menjchlihen Innenlebend, wenn das Empfin: | 
dungsleben vom Sinnlichen jo durchdrungen iſt, 

daß der Menſch ſich in einer fortwährenden finns 

lichen Gereiztheit befindet. 

Luther, Dartin, der größte deutſche Reformator. 
Geboren am 10, Nov. 1483 zu Eisleben während 
eines vorübergehenden Aufenthaltes feiner Eltern, 
des Bergmanns Hans Luther aus dem Dorfe 
Möhra und der Margaretha Yindemann. Die El: 
tern überfiedelten fpäter nach Mandfeld, mo der 
Vater mohlhabend und Rathsherr wurde. Unter 
frommer aber ftrenger Zucht aufgewachſen, befuchte 
Luther die Schulen zu Magdeburg 1497, Eiſenach 
1498 (Wittwe von Eotta) und die Univerfität Erfurt 
1501, wo er 1503 Bacoalaureus, 1505 Magifter 
wurde und mit den Humaniften Crotus Rubianus 
uno Joh. Lange Freundihaft ſchloß. Zum Juri 
ften bejtimmt, trieb ihn innere Seelenangft und 
‚ber Tod feines Freundes Alerius ins Auguftiner: 
kloſter 1505 gegen den Willen feines Baters. 1507 
empfing er die Priefterweihe. Als er aus tiefen 
innern Kämpfen durd den Hinweis eines from: 
men Klofterbruders auf den Artikel im Glaubens: 
beienntniß: „ic glaube an die Vergebung ber 
Sünden”, befreit war, trat zu feinem eifrigen 
Studium der Scholaftiter das des h. Auguftin, 
Bernhard's und der andern Myſtiker, vornehmlich 
aber der heil. Schrift jelbit. Staupig veranlafte 
1508 jeine Berufung zum Profeſſor der Philofo: 
phie an die neu geftiftete Univerfität Wittenberg. 
Hier wurde er 1509 Baccalaureus, 1512 Doctor 
der Theologie (vgl. Schneider, Luther's Promotion, 
Neuwied 1860) und hielt feine eriten theologischen 
Borlefungen über die Palmen und den Hömer- 
brief. Manche erhaltene Predigten, eine Auslegung 
deö Baterunfers 1517 und die begonnene Heraus: 
gabe der deutichen Theologie 1516 kennzeichnen ſei⸗ 
nen damaligen religiöjen und —— Stand⸗ 
punkt. Theils war er noch mit der Metaphyſik des 
Aristoteles jo einverftanden, dab er die Trinität 
nach deſſen Begriffen deducirte, theild verjentte er 
W mit aller Kraft in den Born der Myſtik. Ohne 

einen Glauben an die Kirche zu erfchüttern, hatte 
er auf einer Reife in Ordensgeſchäften nad Rom 
1510 und alö Ordenövicar für Meißen und Thü- 


580 


Quther 


werfung zu bringen; dieſer entzog fi dem Car: 
dinal durd die Flucht und appellirte gegen Die 
päpftliche Bulle, welche die Angriffe auf den Abla$ 
verdammte, am 25. Nov. 1518 vom Papſte an ein 
allgemeines Concil. Doc gelang es dem päpft⸗ 
lihen Gefandten Miltiz 1519, von Luther das 
Verſprechen des Stillſchweigens und ein höflich- 
demüthiges Schreiben an den Papft zu erlangen. 
Die Herausforderung Eck's an Karlitadt zur Dis- 
putation in Leipzig (26. Juni bis 16. Juli 1519) 
309g Luther von neuem in den Kampf, er griff 
die Grundlagen der Lehren vom Primat des Bap: 
ftes und von der Kirche an. Seine Erllärung, 
daß die Artifel von Huf zu Conftanz mit Unrecht 
verdammt jeien, fchlug — durch: ſein Bruch 
mit Rom war damit entſchieden. Eben ſeine Dis: 
utation mit Et hatte ihm die Augen geöffnet. 
Vgl. über die Bedeutung derjelben %. Ranke's 
deutſche Geſch. I.). 1520 erfchienen die zünden: 
den reformatorifchen Hauptichriften: an den chriſt⸗ 
lihen Adel deutjcher Nation, von der babyloni- 
ſchen Gefangenſchaft der Kirche, von der Freiheit 
eines Chriſtenmenſchen, und als Ed im Septem: 
ber mit der päpftlihen Bannbulle gegen er 
in Deutjchland anfam, that diejer am 10. De— 
cember 1520 den entjcheidenden Schritt und 
verbrannte vor dem Eljterthor zu Wittenberg die 
Bulle mit dem kanoniſchen Rechtsbuche, als Der 
Wurzel alles Uebels. Seine Appellation an ein 
allgemeines Concil und die folgenden Schriften : 
wider die Bulle des Antihrifts, gegen Emſer u. 
A., iprachen den Bruch mit dem Romanismus aufs 
ſchärfſte aus. Rad) dem Begehren der Reichäftände 
wurde Luther, ehe der päpftlidhen Bannbulle Folge 
gegeben würde, vor den Neihätag nah Worms 
geladen; in der denfwürdigen Verhandlung vor 
Kaifer und Neid am 17. und 18. April 1521 er— 
focht fein gutes Bekenntniß, obwohl zur Zeit unter: 
liegend und nicht in der befannten Form abgege: 
ben: „Bier ftebe ich, ich kann nicht anders“, das 
Recht der Gewifjensfreiheit und brad) die Nacht 
der Priefterfirhe über die religiöjen Gemüther. 
Val. Burkhard, Studien und Kritilen, 1869. 
Der Reichsacht, am 25. Mai ausgeſprochen, ent: 
zog ihn fein Kurfürft durch die Entführung auf 
die Wartburg. Der Grund zur neuen Kirche war 


der Kirche und der Geiftlichleit volllommen ten: | gelegt, allenthalben regte es fich, der Gottesdienſt 


ringen bei den Kloftervifitationen das Verder | 


nen gelernt. Das Unweſen des Ablafhandels, na: | 


mentlich Tetzel's Unverſchämtheit trafden Kern ſei⸗ 
ned religiöjen Lebens, den Verzicht auf alle eigene 
Gerechtigkeit; er warnte vor bemjelben im Beicht: 


ftuhl, auf der Kanzel, durch Briefe an die Bifchöfe | 
von Brandenburg und Mainz und jchlug endlich | 


am 31. October 1517 die 95 Thefen gegen den 


Ablaß an der Schlohfirche zu Wittenberg an (nad) | 
dem Driginalabgedrudt bei Kante, Reformations: | 





wurde umgeitaltet, die evangeliihen Ideen bra— 
hen fih Bahn. Die weitern gegen Rom und feine 
Bertheidiger gerichteten Schriften ziehen dann 
die Folgerungen aus den aufgeftellten Grund: 
jägen und befämpfen bie Gelübde, die Privat: 
meſſen und die Transfubftantiation (gegen Hein— 
rich VIII. von England), Heiligendienit, Fegfeuer, 
Faften, Bilder und (gegen Erasmus) die Lehre 
vom freien Willen. fr Mufe auf der Wart: 


eihichte VI. und gegofien auf den Thüren der | burg benußte Luther (Junker Georg) dazu, die 
Schloßkirche in Wittenberg). Wider Wiffen und | Ueberjegung der Bibel zu beginnen. Nad Witten: 
Willen trat er damit als Neformator der Kirche | berg riefen ihn Schon am 6. März 1522 die dort 
auf. Der jhnellen Verbreitung der Thejen durch | ausgebrohenen Unordnungen zurüd. Die Augu: 
anz Deutichland, der Vertheidigung ihrer Grund: | ftinermönde hatten den Mefgottesdienft abge: 
ige auf der Disputation zu Heidelberg 1518 bei ſchafft; in die Verhandlungen zwiſchen ihnen, der 
Gelegenheit des Ordensconvents folgten die Anz | Univerfität und dem Kurfürften hatte ſich Karl: 
riffe der Gegner, Tegel, Ed, Hoogſtraten und ſtadt eingemengt. Diefer war dabei zu weitern, 
Srierias und En Gegenſchriften: Resolutiones, | wirklihen und jcheinbaren Conſequenzen der Iu: 
asterisci, Sermon vom Ablaß. Weil der Kurfürft theriſchen Grundjäge vorgefchritten (Communion 
im Intereſſe der Univerfität ihn Schüßte, vermied | ohne Opfer und Beichte, Abthun der Geremonien, 
Rom noch die äußersten Schritte. Cajetan verfuchte | Berheirathung). Bon den Zwickauer Propbeten, 
vergebens 1518 zu Augsburg, Luther zur Unter: | die indeß angefommen waren, weiter angeregt, 


Luther 581 Luther 


fachte er durch Disputationen und Predigten den | aber es widerftrebt feinem Gefühl, in dem früher 
Bilderfturm in Wittenberg an. Luthers Perſön- Mpfterium der Verfühnung nur eine Handlung ber 
lichkeit und voltsthümliche Beredſamkeit feierte | Gemeinde, eine Feier des frommen und gläubigen 


ihren größten Sieg über Karljtadt, von dem er 
fortan bleibend fich geſchieden fühlte. Bis hieher 
ift Luther's Leben in feinen einzelnen Zügen der 
lebendigſten Erinnerung des deutichen Boltes 
unauslöfhlich eingeprägt; im echten Sinne ein 
Vollsmann, ift er demfelben der Gottesmann, 
welder ihm das Heiligthum der Religion wieder 
geöffnet und im mannhaften Kampfe vertheidigt 
bat. Die Schriften von 1520 find nah Dorner 
(Geſchichte der proteft. Theologie) die eigentlich 
claſſiſchen Denkmäler der deutichen Neformation. 
Bon den folgenden Jahren fann man das nicht 
in dem Maße jagen, außer etwa in Beziehung 
auf feine häuslichen Verhältniſſe (feine Verhei— 
rathung mit Katharina von Bora 1525, der ge: 
wejenen Nonne im Kloſter Nimbſch, die Briefe 
an jeine Kinder, Margarethen’s Tod), die immer 
als Mufter eines evangeliigen Familienlebens 
elten werden. Die Urſache ift nicht bloß darin zu 
ſuchen, daß die Durchführung des einmal Begon: 
nenen weniger, als die Örundlegung, Gelegenheit 
eboten hatte, die Kraft der Berjönlichkeit zu ent: 
Pen. jondern es muß zugeftanden werden, dat 
in der folgenden Periode bei der Ausbildung der 
Lehre und Verfaſſung der Kirche Luther nicht ganz 
berjelbe blieb, der er im Anfang geweien ift, Der 
Wendepunft ift das Zufammentreffen mit den 
Zwidauer Propheten und der Bauernaufitand. 
ier traten ihm Folgerungen aus den Gedanten der 
deutſchen Myſtik, von der er jelbit ausgegangen 
war und eine Ausdeutung der von ihm verfündige 
ten chriſtlichen Freiheit und des Gemeinderechts 
entgegen, die er als verderblich verwerfen mußte, 
wenn es ihm vielleicht auch nicht völlig zur Maren 
Erkenntniß fam, wo im Grundſatz ihre Wege fich 
ſchieden, daß nämlich jene den ethifchen Factor 
il erjahen, von dem aus er den mächtigiten, fait 
einzigen Antrieb empfangen hatte (Buße, Recht: 
fertigung, Gnade) und die geihichtliche Entwid: 
lung in ihrer Nothmwendigkeit und Berechtigung 
verfannten und mit ihr brachen. Daher ftellt er 
den Gegnern nothgedrungen neue, äußere Autori: 
täten gegenüber, jtatt der Kirche das Schriftwort 
und die Kirchengewalt der Obrigkeit, ohne aber 
jein eigenes, materielles Princip, die Nechtfer: 
tigung aus Glauben, zu verleugnen, was nicht 
ohne mannigfache Schwankungen, Halbheiten und 
Inconfequenzen gejchehen konnte (Streit mit Karl: 
ftadt, Wittenberger Gemeindeordnung 1522, Yeis: 
niger Gemeindeordnung 1523, Schreiben an den 
Sandarafen von Heffen über die Homberger Kir: 
henoronung 1527, Vifitation 1527—1529, Ein: | 


Gedächtnifles zu ſehen; jo gelangt er zu einem 
dogmatiſch unflaren, jchwebenden Sacramentäbe: 
griff und einer fcholaftiich begründeten Lehre von 
der Gegenwart Ehrifti und der Ubiquität (Al: 
gegenmwart) feines Leibes. Befangen von dem volks— 
thümlichen Nimbus der faiferlihen Majeftät, über: 
ſah er, dab es nicht bloß chriftlich fei, für große 
Dinge jelbit den Sceiterhaufen nicht zu fürchten, 
jondern dab es auch criftlich und mannhaft fei, 
für die unveräußerlihen Rechte auch wider die 
Vergewaltigung des Kaiſers das Schwert zu ziehen. 
Suther's Verhalten und Bedenten ift Haupturjache, 
daß die evangeliihen Stände die wiederholt gün— 
jtige Lage der politifchen Verhältniffe jo wenig be: 
nusten und nicht die Oberhand gewannen und be: 
bielten,. — Aus Luther's folgender Wirkfamteit für 
die innere Ausgeftaltung der evangeliichen Kirche 
find hervorzuheben : jeine deutichen Lieder im erften 
deutſchen Gejangbud, 1524, (vgl. Wadernagel’8 
deutſches Kirchenlicd u, Plitt, Sl für proteft. 
Kirche, 1868), Wittenberger Gejangbud, 1529, 
feine Ordnung des Gottesdienftes und der Ge: 
meinde, Wittenberg 1523, formula missae et 
communionis, 1524, deutfche Mefje und Ordnun 

des Gotteädienftes 1526, woran fih ein Tauf: 
und Traubüchlein und feine Beichtformel an: 
ſchloſſen; die große Bifitation in den kurſächſi— 
chen Zändern 1527 -29, aus welcher Melanchthon's 
Vifitationsbüchlein hervorging, welches Luther res 
vidirte und 1538 neu herausgab, und Luther's beide 
Katehismen, 1529, die Vollendung der Bibelüber: 
fegung 1534, endlich feine Betheiligung an ber 
Einrichtung der Conftitorien (der Theologen Be: 
denten von den Conſiſtorien, 1538). Der Antheil 
Luther's an dem befenntnigmäßigen Hervortreten 
der neuen Kirche fpricht fi aus in den Marbur: 
ger und Schwabadyer Artikeln von 1529, aus de: 
nen die Augsburger Confeſſion 1530 (Yuther in 
Coburg) hervorging, und in den Schmalfaldener 
Artiteln 1537, verfaht zur Vorlage an das nad) 
Mantua berufene Coneil. Auf die Geftaltung der 
äußern Lage der Kirche übte er feinen Einfluß 
durch Briefe und Schriften über den Nürnberger 
und Hegenäburger Reichitag, den Nürnberger 
Religionsfrieden 1532, das Regensburger Interim 
1536 und fein Gutachten und Bedenken beim Tor: 
gauishen 1526 und beim Schmaltaldifchen Bünd— 
niffe 1530. Unbeugſam in feinem Widerfpruc) ge: 
gen Rom, zeigt er fich dennoch immer bemüht, einen 
leiblichen Frieden zu gewinnen; erit allmählich er: 
flärt er fich für das Hecht des bewaffneten Wider: 
ftandes, auf das Gewiſſen der Juriften hin, wenn 


richtung der Sonfiftorien, landesherrliches Kirchen: | daS Geſetz verlegt wäre und als Nothwehr. Bon 
regiment). Zugleich aber zeigt ſich ein anderes: | dem entfcheidenditen, aber ungünftigen Einfluß auf 
Eine eminent religiöfe Perjönlichteit, ift er der | das innere und Äußere Gedeihen der evangeliiden 
unerjchütterliche, unerjchrodene Reformator, wo | Kirche ift Luther's Verhalten in den Streitigfeiten 
es ſich um die Frömmigkeit des Gewiſſens handelt | über das Abendmahl geweſen. In dem Sermon 
und wo er auf den Thatfachen der eigenen in= | vom hochwürdigen Sacrament, 1519, in welchem 
nern veligiöfen Erfahrung fteht; dagegen wo die | er zuerit die evangelifhe Auffaffung des Abend: 
Unmittelbarfeit des religiöfen Bewußtſeins auf: | mahls ausführlicher entwidelte, hatte er die Trans: 
Ört, zeigt er ſich beeinflußt von der Nachwirkung | fubitantiationslehre noch feftgehalten; feine eigen: 
üherer Anſchauungen; es wirken in ihm, ihm | thümliche Lehre von der wahren Gegenwart des 
jelbit unbewußt, noch nad) der in gedrückten Berhälts | Yeibes Chrifti ohne Brodverwandlung fpricht er 
nifjen erwachſene Mönch, Briefter und jcholaftische | zuerft in der Schrift von der Anbetung des heil. 
Theolog. So verwirft er zwar die Opferhandlung | Sacramentes (1523) aus an die böhmitkhen Brit: 
des Abendinahls und die Transfubtantiation, | der, die fich mit Anfragen an ihn gewendet hatten 


Luther 


und wohl eine objective Gabe Gottes im Abend— 
mahl annahmen, aber ihre Meinung von einer bloß 
geiftigen Gegenwart durch dunfeln Ausdrud der 
allgemeinen Kirchenlehre nahe brachten. Schon 
hier findet fich die Forderung des Glaubens trot 
der Vernunft (auf welche letere er fi in Worms 
noch felbft bezogen hatte) und die Berufung auf 
den Buchitaben der Schrift, in den er vorher einen 
beftimmten Sinn gelegt hat. Er erörtert die Lehre 
weiter im Briefe an die Straßburger 1525 und 
in der Borrede zum ſchwäbiſchen Syngramma 
1526, mit welchem er fich trog gewichtiger Ver: 
fchiedenheiten einverftanden erflärte. Mit Heftig: 
feit und zeitweife maßlofer Erbitterung beffimpfte 
er aber die von Karlftadt und von Zwingli vor: 
ebrachte Abenpmahlslehre, welche darin tiberein: 
timmten, daß fie im Abendmahl nicht ſowohl 
einen göttlichen Act, als vielmehr eine Erhebung 
des Menjchen zu Gott ſahen. Ihnen gegenüber 
bezeichnet er die Bergebung der Sünden ald das 
eigentlihe Gnadengut des Sacramentes, da Chri: 
ftus in dieſes die Macht feines Yeidens gelegt habe. 
Daß Brod Brod bleibt und doch der Leib Chrifti 
ift, jei für den Glauben fein Widerfprud (Ser: 
mon vom Sacrament des Leibes und Blutes 
Ehrifti wider die Schwarmgeifter, 1526; daß die 
Worte „das iſt 2c.“ noch feftitehen, 1527 ; Befennt: 
niß vom Abendmahl, 1529). Das Geſpräch zu Mar: 
burg 1529 konnte feine Boreingenommenbeit gegen 
Zwingli nur theilweife überwinden: „Ahr habt 
einen andern Geift als wir.” Die Schwabacher 
Artikel Sprachen feine Abendmahlälehre wieder weit 
ſchärfer aus, als die eben vorher egangenen. Eine 
etwas mildere Stimmung rief Bucer’s Beſuch in 
Coburg 1530 hervor, fo daß er auch in Briefen 
an Albrecht von Preußen und die Frankfurter ſich 
milder über Zwingli ausſprach; es fam fogar zur 
Wittenberger Concordie von 1536 und in Folge 
berfelben zu einem anertennenden Briefwechjel mit 
den Schweizern und günftigen Neuerungen über 
Calvin. Aber die ganze Bitterkeit kehrt wieder 
in dem kurzen Belenntniß vom heil, Sacramente 
1544 und der Schrift wider die Theoloniften zu 
Löwen 1545 (Hardenbergs Erzählung von Luther's 
Geftändniß, es ſei in der Sache vom Abendmahl 
zuviel aethan). Entſchieden hatte fih Luther je: 
dem Bündnik der evangelifcdhen Stände mit den 
Schweizern widerſetzt, ohne aber den Yandgrafen 
Philipp davon zurückhalten zu können. In diefem 
Streit mit Zmwingli hat namentlich jeine Chrifto: 
logie fich entwidelt, aber auch feine ganze Theo: 
logie eine beftimmte Richtung genommen. Eine 
vollftändige, umfaffende und ſyſtematiſche Entwid: 
lung feiner Lehre hat Yuther nie gegeben, auch nicht 
in den Belenntnißfchriften. Es fommt ihm immer 
nur darauf an, die Wahrheiten, um die es ſich im 
Gegenfat geaen hervorgetretene Irrthümer gerade 
handelt, jtarf hervorzuheben. „Der Reichthum ſei— 
nes theologischen Erfennens und Yehrens ruht bei 
ihm wejentlich auf unmittelbarem großartigen Er: 
taffen, hauen und Zufammenfchanen der Wahr: 
heit und es tritt Dagegen in der Eigenthümlichkeit 
feines Geiftes verhältnißmäßig fehr zurück dieje— 
nige Seite und Begabung der Intelligenz, welche 
— verſtändige Reflexion über die verſchiedenen 
einzelnen Momente und Seiten des Gegenſtandes, 
auf begriffliches Formuliren, auf logiſches oder 
diafeftiiches Syſtematiſiren gerichtet ift” (Köftlin, 
Die Theologie Luthers, 1863). Der Grundtrich 


582 


— a 


Lutheraner. Lutherifche Kirche 


ift immer, die Wahrheit, welche als Heilswahr: 
heit ergriffen ift, auch für Andere al3 Wahrheit 
des Heils und des Lebens zu bezeugen. Luther's 
Autorität entfchied 1533 den Oftandrifchen Streit 
in Nürnberg über die öffentliche Abjolution und 
1537 den von Agricola erregten antinomiftifchen 
Streit in Wittenberg. Die Hoffmung einer Wieder: 
vereinigung mit den Katholifen hatte er nach der 
Beiprehung mit dem Nuncius Bergerius 1535 
in Wittenberg völlig aufgegeben. Seine Anſicht 
über das vorgefchlagene Eoneil ſprach er 1539 in 
der Schrift „von den Eoneilien und Kirchen“ aus 
und auf feinen Rath lehnten die evangelischen 
Fürften das Concil ab. 1545 unterfchrieb er zwar 
die Wittenberger Reform, Melanchthon's Entwurf 
zu einer Wiedervereinigung, aber bald danach er: 
ichien „Wider das Papftthum zu Rom vom Teufel 
geftiftet.” Dagegen ſuchte er die Gemeinichaft 
mit den Böhmen zu bewahren, die 1536 wieder 
Abarfandte an ihn —— (feine Vorreden zu 
ihrer Apologie des Glaubens 1533 und 1538). 
Der Mißmuth über ihre verbächtige Abendmahls— 
lehre 1541 legte ſich wieder 1542, Unter dem Be: 
muͤhen, den Frieden unter den evangeliihen Für— 
ften und mit dem Kaiſer aufrecht zu halten, unter 
ſchweren Bejorgniffen vor den Gefahren einer 
drohenden Zukunft unternahm er im Yebruar 
1546 feine legte Reife nach Eisleben, um zwiſchen 
den Grafen von Manäfeld die erbetene Vermitt: 
[ung zu verfuchen und ftarb dort am 18. des: 
elben Monats. Seine Leiche wurde in Wittenberg 
in der Schloßkirche beigefet. Das deutiche Tolt 
hat ihm ein Ehrendenfmal zu Worms aufgerichtet 
1868. Luther's Werke find ausgegeben: 1) 1539— 
58, 20 Bde, zu Wittenberg; 2) zu Jena 1555— 
58, 12 Bode. ; 3) zu Altenburg 1661—64, 10 deut: 
che Bde.; 4) zu Leipzig 1729 — 40, 23 deutſche 
Bde.; 5) au Halle 1740— 53, von Walch heraus: 
egeben, 24 deutiche Bde.; 6) zu Erlangen und 
Frankfurt a.M. von Joh. G. Plohmann und Joh. 
C. Irmifcher 1826—57, 67 deutsche Bode. und eine 
ber unvolfendete Iateinifche Reihe. Auswahl: von 
Dtto von Gerlach, 24 Bde., 1340 -48; von Zim: 
mermann, 4 Bde, 1846 — 50; für das deutice 
Bolt von Frobenius, Schellbach u. A. 184755; 
Briefe herausgegeben von be Wette, 1325—28; 
Nachtrag von Seidemann, 1856; Briefwechſel 
herausgegeben von Burdhardt, 1866. Sein Leben 
von Melanchthon (hist. de vita et actis Lutheri, 
1546); Matthefius in Predigten 1565; Walch in 
den herausgegeb. Werken; Keil 1764; Schrödh 
1778; Ukert 1817; Spieler 1818; Pfizer 1856; 
Meurer, Luther's Yeben, Dresven 1852, 3. Aufl. 
1869; Jürgens, 3 Bde., 1846 (reicht nur bis 1517}. 
Weypmann 1850; Gelzer mit bildlichen Daritel: 
lungen von König, 1851. Ueber feine Theologie 
val. Köftlin 1863; Harnad 1860; Dorner, Gef. 
der proteft. Theol.; Plitt, über die Augsburger 
Confeſſion; Chr. Weiße, Luthers Chriftologie 1855. 
Lutheraner. Lutheriſche Kirche. Der Name Lu 
theraner ald Bezeichnung für die Anhänger der mit 
Luther eröffneten Glaubensrichtung iſt urſprünglich 
einvon den Katholiken (Dr Eckund Papft Hadrian 
VI.) aufgebrachter, geringſchätziger Parteiname, 
dem Luther ſelbſt ſtets widerſprochen hat. Er gr: 
wann aber Geltung anftatt der officiellen und rich 
tigen Bezeihnung Proteitanten, evangeliiche und 


| augsburgifche Confeffionsverwandte, als der In- 
terichied von den Reformirten und den Philinyitten 





® 


— — — — 


Lutheraner. Lutheriſche Kirche 


ſtärker hervorgehoben werden ſollte. Der Bruch 
mit der alten Kirche und die Bildung einer neuen 
Gemeinſchaft wurde durch den Reichstag zu Speyer 
1529 und die Weberreihung der Augsburgiſchen 
Eonfejfion 1530 vollendet. Nach ihrem Grund: 
prineip konnte die neue Kirche nicht auch eine neue 
geichlofjene Einheit bilden, jondern es bildete ſich 
in jedem Lande eine jelbjtändige, aber nad) ziem: 
li übereinftimmenden Grundfägen verfaßte Yan: 
bestirche, indem die Fürjten die bisherigen bifchöf: 
lihen Rechte an fi nahmen und durch Gonfifto- 
rien verwalten ließen. Luther's frühere Gedanten 
über Gemeindeverfafjung traten völlig zurüd nad) 
den Unruhen der Wiedertäufer und des Bauern: 
aufitandes. Eine Einheit der lutheriſchen Kirche 
hatte anfänglidy nur ihren Ausdrud in den Bünd— 
niffen der evangelifhen Fürjten und den Theolo: 
gen:Eonventen zur Schlichtung dogmatiſchen Strei: 
tes, dann nad) Ihrer politiichen Seite in dem Cor- 
pus evangelicorum auf dem Reichätage. Das an: 
fänglich rajhe und unaufhaltiame Wachsthum 
der lutheriichen Kirche fand feine erfte Schrante 
an dem „geiftlihen Vorbehalte” des Augsburger 
Heligionsfriedens, welcher mit dem Uebertritt eines 
geiftlihen Fürſten Verluſt aud) der meltlichen 
Macht bejtimmte, und dem Mißlingen der beabfich: 
tigten Reformation des Erzbisthums Köln durd) 
Gebhard Truchſeß 1583. War der größte Theil 
Deutſchlands der evangelifchen Lehre bereits zuge: 
than gewejen, jo rettete der aus politiihen Grün: 
den bervorgegangene Rüdtritt mander Fürften, 
4. B. von — Neuburg, und der Einfluß der 
jeſuitiſchen Gegenreformation in Bayern und 
Deſterreich dieſe Yänder dem Papſtthum. Der Weit: 
phäliſche Frieden hat dann den Umfang der luthe: 
riihen Kirche jo feige, wie er im wejentlichen 
nod) heute befteht. Der Uebertritt einzelner fürjt: 
lien Berjonen, 3.8. des Kurfürſten von Sachſen, 
des Herzogs von Braunjchweig, hat keinen merk: 
lichen Einfluß auf die Länder ausgeübt. Wohl aber 
it der größere Theil des hohen Adels, der fait aus— 
nahmslos der Keformation ſich zugewandt hatte, 
vor und nad) wieder fatholijch geworden (vgl. über 
diefe Converfionen und andere Berlufte der Luthe: 
riſchen Kirche Loebell's Hiftorische Briefe; Nante, 
deutiche Geſchichte, VII. Bd. 1868). Vorber aber 
hatten ſich von den Lutheranern bie philippifti- 
Ihen und reformirten Kirchen der Pfalz und in 
Hejien, fowie in Anhalt und am Niederrhein, Dft: 
jriesland und Bremen, Lippe, Naffau und Ted: 
lenburg getrennt, Berlufte, welche erjt in unjerem 
eg die Union wieder ausgeglichen hat. 
Außerhalb Deutſchlands hat die lutheriſche Kirche 
nur in Schweden und Dänemark, fowie in den 
deutſchen Dftjee : Provinzen Rußlands feften Fuß 
gefaßt. In Polen ift fie wieder untergegangen. 
Nur in den nordamerilaniichen Freiftaaten hat die 
deutiche Iutherifche Kirche ein neues Gebiet gewin- 
nen fünnen. 

Dadurch, dab nicht der erfte Aufſchwung bes 
evangeliihen Glaubenslebens zur Bildung eines 
nad) den neuen Grundſätzen verfaßten —— 
Gemneindelebens benutzt werden konnte und das 
tirchliche Intereſſe, trotz der hervorleuchtenden per: 
ſonlichen Frömmigkeit einzelner Fürſten, territo— 
rialiſtiſch der Poliuit allein unterworfen blieb, mehr 
noch Durch die Gewalt der früheren, nicht auf ein; 
mal zu überwindenden, nun fortwirtenden katho: 
lifirenden Gedantenftrömung aud innerhalb der 


533 


Lutheraner. Zutheriiche Kirche 


evangeliſchen Kirche, wurde die innere Geſchichte 
der Kirche vorherrſchend zu einer Geſchichte theolo- 
giſcher Zehrentwidelung. Vgl. Oundeshagen, Bei- 
träge zur Kirchenpolitif. An die Stelle der Kämpfe 
mit Bapiften, Anabaptiften und Sacramentirern, 
welche die erjte Periode der neuen Kirche ausfüllten, 
und in welchen fie ihre Grenzen zu fichern juchte, 
trat eine lange Reihe innerer Streitigleiten. In 
dem antinomijtifchen 1527 und majoriftijchen 1551, 
dem Oſiandriſchen 1551 und Stancariſchen 1552, 
dem fynergiftiihen 1560 und Flacianiſchen Streite 
1561 handelte e3 fi darum, die Grundlehre von 
der Rechtfertigung durch den Glauben nad) ihrer 
Borausjegung und ihrer objertiven und fubjecti- 
ven Eeite genauer zu beftimmen; ben Conſequen— 
zen einer einfeitigen Betrachtung nur eines 
Punktes trat immer audgleichend die entgegen- 
gejegte Conjequenz gegenüber. Bgl. Dorner, Geſch. 
der prot. Theol. Zider in das Voltöleben griff 
der Streit um das Interim 1548, der das gottes⸗ 
dienftliche Leben, den Eultus jelbit betraf, und 
beitimmend für die ganze Kirche, ihre jpätere 
Richtung und Entwidelung wurde der von Flacius 
gegen die Philippiften erhobene Widerſpruch, ber 
auf dent Reichdtag zu Augsburg 1566 die ganze 
politiiche Situation in unberechenbarer Weije zum 
Vortheil der Katholiten änderte (Rante, deutſche 
Geſch. VII, 63) und der fryptocalviniftiiche Streit 
1574. Der geiftige Herd diejer Kämpfe find die 
Univerjitäten, das Melanchthoniſche Wittenberg 
und das 1558 nicht ohne politiſche Nebenrüdfich: 
ten von der älteren ſächſiſchen Linie geftiftete lu— 
theranifche Jena. Ihren Abſchluß fand dieje Pe— 
riode in der Abfafjung ber Formula Concordiae, 
in welcher die durch Brenz und Andreä vertretene 
ſchwäbiſche Richtung (Ubiquität) fih Anerkennung 
und Geltung verſchaffte. (Schmid, Geſchichte der 
Abendmahlslehre). Die Orthodorie, deren Herr: 
idaft bis in den Anfang des 18. Jahrhunderts 
währte, jchuf, genöthigt von dem. Bedürfniß ber 
Polemit, ſich eine neue Xehrautorität und wandelte 
in jcholaftiicher Weife den Glaubensinhalt der 
Kirche, Religion und Theologie nicht mehr unter: 
jcheidend, in ein fein auägearbeitetes Lehrſyſtem 
um. Calixt (1586 — 1656), der in Helmjtedt den 

umanismus Melanchthon's neu belebte, und jeine 
Schule, weldye im ſynkretiſtiſchen Streite von ber 
Orthodoxie befümpft wurden, fuchten im Inter: 
effe des Kirchenfriedens zwar die Schrofiheiten 
der Lehrbeftimmungen und das Ausſchließende des 
Syſtems zu mildern durd) den Verſuch einer Unter: 
ſcheidung bes Fundamentalen und nicht Funda— 
mentalen und dur ein Zurückgehen auf den noch 
unbejtimmtern Ausbrud der erjten fünf Jahrhun— 
berte, der die Gegenfäte noch ungeſchieden in ſich 
getragen hatte, ohne aber von der Borausjegung 
zu laſſen, da die reine Lehre zum Heile nöthig jei. 
Bon der reformirten Kirche angeregt, brachte Spe⸗ 
ner eine Neubelebung des religiöjen Gemüths dur) 
den Pietismus. Aber dies thätige Chriſtenthum, 
welches im Gegenſatz einer einjeitigen Schultheo: 
logie gefordert wurde, verirrte ſich bald in eine 
veräußerlichte Form des gottjeligen Yebens und 
die biblifche Theologie feiner Häupter im ein will« 
fürliches Deuten und Anwenden der Schrift. Der 
Pietismus hielt ſich jedoch innerhalb der Kirche und 
wirkte auf eine lebensvollere Geftaltung der Theo: 
logie ein, während die jpröde und enge Form des 
lirchlichen Lebens die myftiichen Gemeinſchaften, 


Zutheraner. Lutheriſche Kirche 


welche an 3. Böhme, Gichtel, Dippel ſich anjchlof: 
fen, ſowie die Brüdergemeinde zur Trennung von 
der Kirche nöthigte. Dierdurch aber, ſowie durch 
Bengel und die Theojophie Detingers war Die 
Herrſchaft der Orthodoxie und ihrer ſymboliſchen 
Bücher gebrochen. Durch den Einfluß des Ratio— 
nalismus am Ende des 18. Jahrhunderts begann 
im kirchlichen Leben, ebenfo wie in der Theologie, 
der Unterjchied der lutherifchen und reformirten 
Kirche ſich auszugleichen, jo daß ſchon ernitliche 
Einigungsverfuhe namentlich in Weftphalen und 
am Rhein aufgenommen wurden, weldye aber erjt 
zum Ziele führten, als nach den Befreiungsfriegen 
eine religiöje Erregung durch Deutjchland ging, 
die in beiden Kirchen gleihmäßig einer flach ra- 
tionaliftifhen Denkweile gegenüberjtand, jo daß 
es fih mehr um die wahrhaft religiöjen Grund: 
gedanken in proteftantijcher Ausprägung, als um 
einzelne theologiihe und dogmatiſche Lehren han: 
delte. Gerade an der Union aber hat ji ein neues 
Lutherthum entzündet, indem Manche, wie Claus 
Harms injeinen Theſen, in dem geringeren Werthe, 
den die Union auf die dogmatiſchen Feſtſtellungen 
der Symbole legen mußte, ein rationaliftiiches 
Verflüchtigen des Glaubensinhalts fanden, und 
zugleich in den Gemeinden die Aenderung in eul— 
tifchen und liturgifchen Gewohnheiten als Angriff 
auf die Religion der Väter erſchien. So fchied ſich 
die Altlutherifhe Kirche in Preußen durch Schei: 
bel und Hujchke aus dem Verband der Landeskirche 
* einer ſelbſtändigen Kirchengemeinſchaft aus. 
as religiöſe Leben der Kirche litt fortwährend an 
den geſchichtlichen Uebeln des deutjchen lutherifchen 
Proteftantismus, dem Mangel eines Gemeinde: 
lebend und an der Hemmung des öffentlichen Le: 
bens, welche die erfte Hälfte unjers Jahrhunderts 
bezeichnet. Das neuerwachte religiöfe Leben zog 
ſich daher in die Heineren Kreife zurüd und nahın 
deren pietiltiihe Gejtaltung an (j. Pietismus). 
Sowohl die Uniondbewegungen als das Streben, 
die VBerwüftungen des Unglaubens und des Ratio: 
naliömus wieder auszugleihen, und der Veriud), 
gegen neuere ehe Auffaffung einen Shut 
in den ſymboliſchen Büchern zu finden, nämlid) in 
einer Verpflichtung der Getftlihen auf diejelben, 
nöthigten bald dieje Kreifezu einem Zurüdgehen auf 
die alte Orthodorie. Die Frucht diejer Verbindung 
ift das fogenannte Neulutherthum. Dieſe Rich— 
tung jammelte fi) zuerft auf den lutherifchen Con: 
“ ferengen zu Xeipzig jeit 1845, erjt unter Nudelbad), 
dann unter Harleß, gewann durch die Bewegungen 
des Jahres 1848 an Kraft, jo daß fie ſchon damals 
von den Mitgliedern der Conferenzen die Unter: 
ſchrift der ſymboliſchen Bücher forderte und grün: 
dete die Provincialvereine, die ſich auf den luthe: 
riſchen Conventen zu Wittenberg 1849 und 1851 
vereinigten. Hier wie in —— literariſchen Ver⸗ 
andlungen wurde das Verlangen auf Abwehr reſp. 
flöſung der Union geſtellt und die Aufrichtung 
der lutheriſchen Kirche verhandelt. Die in Breußen 
herrſchende politiſche Strömung jeit 1852 begün: 
ftigte dieſe Richtung. In den verjchiedenen Ländern 
und Provinzen Deutichlands traten die Beitrebun: 
gen mit Entjchiedenheit, aber in nad Umſtänden 
gearteter Form auf. In Bayern geſchah dies durd) 
Löhe, Thomafius und Harleß, in Medlenburg 
durch Kitefoth und Krabbe, in Hannover durch 
die Stader Conferenz, durch Petri, Münchmeier 
und Uhlhorn; ſelbſt am Rhein und in Wejtphalen 


584 


Lutheraner, die jeparirten 2c. 


(Ravenäberg) ward verſucht, die Union zu fpren- 
gen und genuines Lutherthum an die Stelle zu 
jegen. Zwar ift diefes Neulutherthum in ſich ſelbſt 
wenig einig: unter ihren Theologen wurden Hoit: 
mann und Hahnis von den frühern Genoſſen aufs 
bitterfte angefeindet, in Bayern zerfiel Löhe durch 
jeine Gonjequenzen mit dem lutherifchen Kirchen« 
regimente jelbjt, Medlenburg vereinjamte ſich durch 
fein abſchließendes Staatskirchenthum, und fogar 
der Hannoverjhe Katehismus, an welchem die 
Bewegung in Norddeutichland zuerit fih brad, 
—— nicht den allgemeinen Beifall der Partei. 

ber ald gemeinfamer Grundzug geht durch dieſes 
Neulutherthum eine Tendenz, die man nur roma- 
nijirend nennen kann, und welche fich in der Lehre 
vom Amte, von den Sacramenten und von der 
Kirche ausſpricht. Dem Amte wird ein hierarchiſch— 
riefterliher Charakter beigelegt, die Ordination 
oll eine göttliche Vollmacht geben zur Verwaltung 
von Wort und Sacrament, wie zur Kirhenzudt 
und Kirchenleitung. Daher ein Streben nad) Wie: 
dereinführung der Privatbeichte, die faft zur Ohren: 
beichte gemacht wurde, ein Widerftand gegen alle 
Presbyterialverfafjung ; die Sacramente felbit joll: 
ten ihre Wirkung erft empfangen durch das „Öna: 
denmittel: Amt.” In Verbindung damit ward den 
Sacramenteneineerhöhte Bedeutung beigelegt, das 
Abendmahl zum eigentlichen Mittelpunft des Got: 
teödienjtes gemacht; eine aus berechtigtem künſtle⸗ 
riſchen Sinne hervorgegangene größere Beachtung 
des liturgiſchen Elementes flug um in ein Beto: 
nen der Liturgie und des Rituellen vor dem Wort 
der Predigt. Endlich forderte die Aufrechthaltung 
ber reinen Lehre das Hervorholen eines Traditions- 
begriffs, der dem römischen verwandt ift; die Un: 
terwerfung unter die Autorität der Kirche vertrat 
den individuellen Herzenäglauben. Das wichtigfte 
literarijche Organ dieſer Richtung ift die Hengiten- 
bergiihe evangeliihe Kirdenzeitung, welche feit 
1527 innerhalb der preußiſchen Union den Stand: 
punkt des Lutherthums mit außergewöhnlichem 
Erfolge behauptet. Von der pietiftiich gefärbten 
Orthodogie und Bermittlungstheologie trennte ſich 
dieſe Richtung namentlid in Bezug auf innere 
Miſſion (f. d. Art.), an der fie tadelte, daß fie nicht 
firchlich jei, und in der preußischen Kirche in Bezug 
auf die Gemeinde:Ordnung und die Berfaflung 
der Landeskirche. Auch auf dem Gebiete der Hei: 
denmiljion geht das Neulutherthum feine eigenen 
Wege. Ein zeitgemäßes Wort redete Dagegen Dor: 
ner 1866 in der Dentichrift des preußilcden Ober: 
firchenrathes, die freilich die Uinterftellun g der neu: 
erworbenen Landeskirchen unter den Miniſter des 
Cultus nicht verhindern fonnte. Die außerpreu- 
Biichen Lutheraner, Medlenburger, Baiern u. A. 
durften mit den Hannöverſchen und anderen Kirch: 
genofjen 1868 auf der Conferenz zu Hannover den 
7. Artikel der Augsburger Confeſſion dazu ge: 
brauden, die Agitation gegen jede Union mit der 
übrigen Yandesfiche Preußens in Schwung zu 
erhalten; vgl. Neue Ev. Kirdenzeitung 1568; 
Ritſchl in Dorner’s Itſchr. für das Kirchenrecht, 
1869, 

Autheraner, Die jeparirten in Preußen. Die 
Union durch die königliche Gabinetsordre von 1817 
fonnte in den öjtlihen Provinzen Preußens, wo 
in der lutheriſchen Bevölferung nur vereinzelte re- 
jormirte Gemeinden ſich fanden und fein Bedürf: 
niß empfunden wurde, nur allzuleiht als eine 


Lutheraner, die feparirten ıc. 


unberechtigte Octroyirung des Landesfirchenregi: 
ments erſcheinen und gerade deßhalb ernftere Ge: 
müther ji entfremden. Zu dieſen gehörte der 
Prediger und Brofeflor Scheibel zu Breslau, ein 
entichiedener Anhänger altkirchlicher Orthodorie 
(geb. am 16. September 1783 zu Breslau, wurde 
1807 Lector an St. Barbara, 1808 an St. Eli: 
ſabeth, 1809 MittagSprediger an St. Barbara, 
1815 Dialonus an St. Elifabeih, 1811 auferor: 
dentlicher, 1816 ordentlicher Profeſſor der Theolo: 
gie und ftarb 1842 in Nürnberg). Er befämpfte 
die Union literariih und wifjenjchaftlih 1817— 
30 (Predigten 1817 und 1821, dagegen Schulz: 
Unfug an heiliger Stätte), entzog fi aber der 
Zumuthung 1850, den Ritus des Brodbrechens 
ald Symbol der Union einzuführen, anfangs auf 
dem Wege der Bitte, dann der Weigerung. Als er 
juspendirt und die Union thatſächlich durchgeführt 
wurde, fammelten fid) um ihn die gleichfalls diſ⸗ 
fentirenden Gemeindeglieder, organifirten eine 
Gemeindeverbindung und liefen mit Scheibel's 
Zuftimmung in der Noth die Sacramente aud) 
durch Laien verwalten. Daher Bolizeiverfolgungen. 
Sceibel legte feine Aemter nieder und ging ins 
Ausland. An die Spite der Bewegung, nachdem 
Steffens und v. Haugwig Breslau verlaflen, trat 
der Juriſt Hufchte (geb. 1801 zu Minden, jeit 
1827 Brofefior der Rechte zu Breölau, früher ın 
Roftod), der feinen leitenden Gedanten von der 
Berleiblihung der Kirche durch eine neue Kirchen: | 
verfafjung zu verwirklichen ſuchte. Andere Gemein: 
den ſchloſſen ſich aus orthodoren und jeparatifti: 
ſchen Tendenzen an und hielten ihre erite General: 
fynode zu Breslau am 4. April 1834, welche troß 
der Gabinetöordre vom 23. Februar 1834 (die 
Union, der Geift der Mäfigung und Milde) die | 
Erlaubnif; zur Bildung eines eigenen Kirchen: | 
wejens forderte. Die Bolizeiverfolgungen ber Be: | 
börden (die Siehe zu Hönigern durh Militär | 
geöffnet am 23. Dec. 1834) und die Beftrafung | 
der Geiſtlichen mit Gefängniß ftärften den Gemein: 
geit und den paſſiven Widerſtand; vermittelnde 
nerbieten wurden zurüdgewieien: fie jeien bie 
Gemeinden des Herrn, die weltlihes Regiment 
in der Kirche ablehnen müßten, 1835 und 1841. 
Die Synode diejes Jahres conftituirte die neue 
Kirche unter einem Oberkirchencollegium zu Bres: 
fau unter Führung Huſchke's, daneben eine alle vier 
Jahre zufammentretende Synode. 1847 erhielten 
fie die Specialconceffion für Preußen. Auch ein: 
zeine Gemeinden im Ausland (Baden, Naffau, 
genen, Walde, Weimar), die, aus irgend weichen 
ründen mit bem Kirchenregiment zerfallen, im 
reinen Lutherthum den Ausdrud ihrer Oppofition 
fuchten, jchlofjen fi an. In Preußen begünftigte 
fie die beginnende confefftonelle Bewegung. Der 
das Verſchiedenartige einende Grundzug war ein 
—— Pietismus im kirchlichen Gewande. — 
Der Kirchenbegriff, welcher die Trennung von ber 
unirten Kirche herbeigeführt hatte, verurfachte eine | 
neue Spaltung. An ber Huſchle'ſchen Theorie, | 
daß das firchenregimentlihe Amt neben und über 
dem Predigtamt juris divini, göttliche Stiftung | 
en der Baftor Diederich zu Jabel bei Witt: | 
Anſtoß. Ald das Oberkirhencollegium eine | 
Erwähnung feiner im allgemeinen Kirchengebet 
Bei Pie er: Ueber Werth und Wefen des 
Kirchenregiments, 1859, worin die Gebrechen der 
Breslauer Kirche fhonungslos angegriffen wur: 








D85 


Lutheriſcher Katechismus 


den. Die Verſtändigungsverſuche mißglückten; 
Diederich beſtritt mit Luther's Worten und den 
Symbolen, daß der äußere Organismus für die 
Kirche wefentli fei, und fand Anhänger und 
Freunde auch unter anfänglichen Gegnern (Ehlers). 
Die Generalfynode zu Breslau 1860 konnte den 
Bruch nur vertufchen, der aber in ſchlimmſter Art 
zum Borjchein fam, ald das Oberlicchencollegium 
Diederic wegen „Landfriedenbrud, faliher Leh— 
ren und Ungehorſam“ abjegen wollte. Die Scenen 
von Hönigern erneuerten ſich mutatis mutandis 
in Yabel, die Gemeinde trat von dem Berbande 
mit dem Oberfirhencollegium zurüd, mit ihre ver: 
banden fid andere, Conferenzen und Streitfchriften 
jhärften den Riß ftatt ihn zu heilen, fo daß vom 
19, bis 21. Juli 1861 die Dieverichianer ihre erfte 
Synode zu Magdeburg hielten und ſich zu einem 
eigenen Kirchenverband conftituirten (Immanuel: 
Synode). Sie unterjchieden fih von den Bres— 
lauern durch die Lehren 1) daß eine der beitehen: 
den Gemeinjchaften die Kirche fei; 2) daß das 
Kirchenregiment ald Amt von Gott befohlen jei; 
3) daß Kirchenordnungen die Gemiffen verpflich: 
teten. — Die Altlutheriſche Separation zeigt, daß 
Kirhenregiment und Predigtamt ohne innern Te: 
bendigen und organishen Zufammenhang mit ber 
Gemeinde in Selbftüberhebung fich felbft und ſich 
gegenjeitig aufheben und zerftören. Val. Wange: 
mann, fieben Bücher preußischer Kirchengeſchichte, 
1859, und desjelben Kirchenftreit unter den von 
der Landeslirche fih getrennt haltenden Luther: 
anern, Berlin 1862, 

Lutheriſcher Katechismus, Die Erlenntniß von 
der bodenlojen Unwiſſenheit des Volkes und des 
Klerus, welche für Luther die Frucht der ſächſiſchen 
Kirchenvifitation war, veranlaßte denjelben zur Ab: 
faſſung feiner beiden Katechismen. Zuerft erſchien 
der große, beftimmt für die Bfarrherren, noch in 
bankeikcn Jahre der Heine. Der Name Enchiri- 
dion, den derjelbe trägt, bezieht ſich urſprünglich 
nur auf die VBorrede, welche fir die Prediger und 
Pfarrherren beitimmt war. Den Titel Katechis— 
mus oder hriftliche Zucht erhielt dann das Bud 
ſelbſt, wodurch das Wort Katechismus die jegt ge: 
wöhnliche Bedeutung zuerjt erhielt. Der Katechis: 
mus umfaßte die fünf Dauptftüde, die zehn Gebote, 
Baterunfer und Glauben. Die Erklärungen find 
nicht alle urſprünglich von Luther; er hat faft wört: 
lich Berjchiedenes aufgenommen, was durch Kero's 
Auslegung des Vaterunſers und jonit ſchon in den 
Beſitz Des Volkes übergegangen war. ALS viertes 
und fünftes Hauptitüd fügte er die Behandlung 
der Sarramente bei und lieh darauf die Anwei— 
fung zur Beichte, Morgen, Abend: und Tiichgebet, 
die Haustafel, dad Traus und Taufbüchlein und 
die deutfche Litanei folgen. Das fogenannte jechfte 
Hauptftüd vom Amt der Schlüflel ift befanntlich 
nicht von ihm und auch niemals von ihm in den 
Katehismus aufgenommen. Der innere Werth des 
Buches, welchen feine rafche Verbreitung lohnte, 
empfing eine äußere Sanction durch die Aufnahme 
besjelben unter die fombolifchen Bücher der luthe⸗ 
riſchen Kirche in das Goncordienbuc 1580. Sein 
Werth ald Lehrbuch ift auch heute noch — an⸗ 
erlannt wie als Bekenntnißſchrift. Der Kalechis— 
mus iſt in alle Sprachen überſetzt, der erſte latei— 
nifche 15209 von Joh. Sauermann ift ind Eoncor: 
dienbud) aufgenommen und unzähligemal aufge: 
legt. Das drängende Verlangen einer Partei auf 


Sutterbed 586 Luzern 

„Belenntnigmähigkeit" und die N tbwendigteit, | Geboren 1674, ſchloß er jih als Studirender ber 
die Union demfelben nicht zu opfern, veranlaßte in | Theologie an die pietiftifche Bewegung in Bern an, 
Baden den Verſuch, den lutherifchen Katechismus | weldhe die Regierung durch die Forderung bes 
mit dem Heidelberger zu verbinden und indem | Affociationseides 1699 zu unterdrüden fuchte, und 
beide für fid) ungeändert blieben, fie mofaitartig | wareng befreundet mit Samuel König, dem Haupt: 
ineinanderzufügen — ein ebenſo unzuträglides | vertreter dieſer Richtung. Erft 1703 erhielt er Die 
als gutgemeintes Verfahren. Die rheinifche Kirche | Pfarrſtelle zu Yverdon, nachdem er ben Eid gelei⸗ 


ift dem Beifpiel Badens in anderer Weiſe, aber 
mit nicht größerm Glüde gefolgt, braucht aber | 
neben dem von der Behörde begünftigten joge: | 
nannten Unionsfatehismus, der in vielen unirten 
Gemeinden nicht eingeführt ift, noch verſchiedene 
andere Katechismen. Ueber den Text von Luther's 
Katechismus vgl. Möndeberg, die erjte Ausgabe 
von Luther's Heinem Katehismus, Hamb. 1851; 
Harnad, der Heine Hatehismus Dr. M. Luther's 
in feiner Urgeftalt kritiſch unterfucht, Stuttgart 
1856; von Zezſchwitz, Syftem der hriftl. kirchl. 
Katechetik, 1863, bis jept 3 Bde. 

Qutterbed, Ant. Bernd., geboren am 23. April 
1812 zu Münfter in Weftphalen. Ein frommer, 
tieffinniger und gelehrter u ver Theolog. Er 
ftudirte — und Theologie zu Berlin, Bonn 
und Münſter, war dann an der Univerſität Gie— 
Ben ſeit Oſtern 1842 außerordentlicher und ſeit 1844 
ordentlicher Profeſſor der katholiſchen Theologie, 
fpäter — durch den Mainzer Bifchof v. Ketteler 
aus der theologiſchen Facultät, die zugleich völlig 
troden gelegt wurde, wegen jeiner Innerlichkeit 
und Wi enthaftlichteit verdrängt — 1853 Hono: 
rarprofejfor und 1859 ordentlicher Profeſſor der 
claſſiſchen Philologie. Werke: Hermenien aus dem 
Gebiete der religiöfen Speculation, Gießen 1845; 
Theologie des Berliner Magiftrats, Münfter 1845; 
Ueber die Nothwendigleit einer Wiedergeburt der 
Philologie zu deren wiſſenſchaftlicher Vollendung, 
Giefen 1847 ; Ueber die Natur, ihre Beherrſchung 
und Berherrlihung durch den Menſchen, Münfter 
1850; Neuteftamentliche ne: 2 Bde., 
Mainz 1852; Gefchichte der Fath. theol. Facultät 
zu Gießen, Gießen 1860. Auch war er Mitheraus: 
geber der Baader'ihen Werte, insbefondere des 
14. Bandes, Verfaffer des Namen: und Sachregi⸗ 
ſters zu allen 15 Bänden, Leipzig 1860, und meh: 
rerer dahin einſchlagenden Schriften, 3. B. Baa- 
der’ä er vom Weltgebäude verglichen mit neuern 
aftron. Lehren, Frankf. 1866, 

Lug, Johann Samuel, geboren 1785 in Bern, 
Früh verwaift, erhielt er * Bildung in ſeiner 
Vaterſtadt, verſah während ſeiner Studien eine 
Hauälehrer: und eine Elementarlehrerſtelle, bezog, 
nachdem er fein Candidateneramen 1808 beftan- 
den, mit Hülfe eines Stipendiums die Univerfität 
Göttingen, wurde 1812 PBrofeffor am Gymnafium 
und Rector der Xiterarjchule, dann Pfarrer zu 
Wynau und in Bern an der Kirche zum h. Geiſt. 
Fortwährend mit dem Unterricht im Hebräiſchen 
und eregetifchen Studien beſchäftigt, erhielter 1833 
eine ordentliche Profeffur an der Alademie. In 
biejer Stellung, mit der fich firchliche und bürger: 
liche Aemter an der Univerfität, im Erziehungs: 
rath und den Synoden verbanden, wirkte er bis 
an jeinen Tod 1844 mit großem Segen und tief 
greifendem Cinfluffe. Seine Worlelungen iiber 
biblische Dogmatif und bibtifhe Hermeneutif gaben 
Rütſchi und A. Lutz heraus 1847—49. Er ſelbſt 
* leine Schrift veröffentlicht. Vgl. Berner Ta— 
chenbuch 1855. 

Lutz, Lucius Samuel, reformirter Prediger. 


% 


ftet (1722 verweigerte er die Wiederholung Des: 
jelben) und wirkte hier, fowie in Amſoldingen 1726 
und Dießbach 1735 als eifriger und beredter Pre— 
diger im Sinne des Pietismus, In feinen zahlrei: 
hen und viel verbreiteten Schriften zeigt er einen 
Reihthum an treffenden Gedanken, die aber häufig 
in ſchwülſtigen Allegorien und Beziehungen und 
in überfchwänglicher Weife auögefprodhen werden. 
Vgl. Hagenbach, Kirchengeſch. des 18. u. 19. Jahr: 
hunderts, 9, Borlej.; Trechſel, Berner Taſchenbuch 
1858; Kahnis, Ztichr. für hift. Theol. 1869. 
&urenil(T,uxovium),berühmtesftlofter infgranf: 
reich, vom heil, Columban um 600 n. Chr. geitiftet. 
Luzern. Den Grund der Stadt legte ein frän- 
liſcher Edler, Wighard, durch Stiftung eines Got: 
teshaufes und einer Benedictinerabter, um melde 
jih allmählich die Stadt anbaute, Bon der Refor— 
mation ſchloß Luzern fih ab und war feit dem 
Siege bei Kappel 1531, noch mehr feit der Stif: 
tung der beftändigen Nuntiatur 1579 und dem 
borromeischen Bunde 1586 (Bund der fatholifchen 
Cantone, ein Werl Karl Borromeo's, Erzbiichofs 
von Mailand), der Mittelpunft der fatholifchen 
Intereffen. Dennoch entwidelte fich feit Anfang 
des 18. Jahrhunderts in der Regierung eine libe- 
ral⸗katholiſche Richtung; waren die Disciplinar: 
vorſchriften des Tridentinums niemals anerfannt 
geweſen, jo wurde innerhalb dieſes Zeitraumes 
noch das Placet der Regierung, die Gerichtsbar— 
teit über Die Hllerifer (Udligenſchwyler Händel) und 
Aehnliches durchgeführt. Im Landvollke behauptete 
dagegen der Ultramontanismus ſeinen zumal ſeit 
1814 durch Verwaltungsmaßregeln, das Baſeler 
Concordat, Berufung der Jeſuiten nach Wallis, 
Freiburg etc. ſtetig ſteigenden Einfluß. So erlangte 
der Klerus 1833 die Verwerfung der neuen Bun: 
beöverfaffung durch die Vollsabſtimmung. Berge: 
bens fuchte die Regierung die ultramontane Macht 
burd) eifrige Förderung der Badener Conferenz 
1843 einzuſchränken; die Badener Beſchlüfſe, ein 
Verſuch, „die Intereffen des Staates und der 
— in gleichem Maße zu befriedigen“, von Öre: 
gor XVI. verdammt, vermehrten ın Verbindung 
mit dem übrigen Borgängen, wie der Aargauer 
Klofterfrage, nur nod die allgemeine Gährung. 
Die Berfalfungsänderung 1841 bradte den Sien 
der ultramontanen Partei; nur den Katholiken 
wurde das Bürgerrecht zugeftanden, auf das Pla- 
cet verzichtet. 1843 ſchloß Luzern mit den jechs 
„tatholifchen Gantonen“ den Sonderbund und be: 
rief 1844 die Jefuiten an feine Yehranftalt und 
das theologifhe Seminar. Die Gewaltherrſchaft 
nöthigte viele Bürger zur Auswanderung, Die ver: 
eint mit den Nadicalen der andern Gantone eine 
——— Aenderung der Zuſtände verſuchten. 
en beiden vergeblichen Freiſchaaren-Einfällen 
(Dec. 1844 und März 1845) folgte der die Auf: 
löfung des Sonderbunds ausſprechende Beſchluß 
der Tagſatzung, dann, als dieſem feine Folge ge: 
leiftet wurde, der Sonderbundskrieg, ben die Nie: 
derlage Luzerns bei Gislikon den 23, Nov. 1846 
beendigte, Luzern gehörte fonft zum Bisthum 


Lycaonien 587 Lyra 

Conſtanz, iſt aber durch das Concordat von 1828 ſeiner früheren Gegner. Als er deßhalb verklagt 

dem Bisthum Baſel zugelegt. ‚war 1592, ſuchte Lydius zu vermitteln. Er ftarb 
Lytaonien, Sandicalt im füblichen Theile von vor dem Ausbrud des Streites mit Gomarus 

Kleinaften, durch den Taurus von Gilicien getrennt. ; 1601 und hinterließ 2 Söhne: 

Unter der Römerherrichaft wechfelten die Grenzen, | Lydius, Johannes, geboren während des Auf: 

einzelne Theile des Gebiete wurden verſchenkt, enthaltes feined Baters in Frankfurt um 1577, 

das Hauptland kam zu Kappadocien. Die Haupt: war feit 1602 Prediger zu Dudewater. + 1643. Er 


ftadt war Jlonium, jegt Konjeh, zur Zeit der Kreuz— 
züge der Sitz eines ſeldſchukiſchen Sultans, ſüdlich 
von Ikonium die Städte Lyſtra und Derbe, Apſtg. 


14, 6. 11. Die Einwohner, nad) der einheimiſchen 


Sage Abkömmlinge des Arkadiers Lycaon, galten 
als gute Bogenihügen. 

Lytien (Avxıe), 1. Matt, 15, 23, Landſchaft in 
Kleinafien, zwiſchen Karien, Piſidien, Bamphylien 
und dem Meere. Die Ureinwohner, bei Homer Soly: 
mer, wurden von einem fretiihen Stamme, der fich 
nad) dem Athener Lylos Lykier nannte, vertrieben; 
diefer bewahrte jeine Selbitändigfeit bis zu dem 
Siege des Cyrus. Zur Römerzeit bildete das Land 
erſt einen Städtebund, bis Claudius es zur römi— 
ſchen Provinz machte. Das Volk zeichnete ich durch 
manche Eigenthümlichkeit feiner Cultur (Bauftil) 
vor feinen Nachbarn aus und foll femitifchen Ur- 
ſprungs gemwejen fein. Die Bibel erwähnt die Haupt: 

tadt Patara nicht, wohl aber die Hafenftadt Myra, 

ftg. 27, 5, und Phaſelis, 1. Maft. 15, 23, 

Lydda, im Alten Teftamente Lod, 1. Chron. 9, 
12; Esra 2, 33, eine Stadt unfern von Joppe, war 
in nadheriliiher Zeit von Benjamitern bewohnt, 
wurde von Demetrius Soter zu Judäa gezogen 
und den Hoheprieitern überlaflen. Im jüdiſchen 
Kriege durch Ceſtius zerftört, wurde die Stabt wie— 
der aufgebaut und gewann unter dem Namen 
Diospolis Bedeutung. Die Legende läßt hier den 
heil. Georg, der in Nilomedien den Märtyrertod 
erlitt, geboren und begraben jein. 

Lydien. Nad) Einigen ift der Stamm ber Ly— 
bier in Lud der Völkertafel zu erkennen, da ihre 
Religion (der Dienft der Cybele und des Feuer: 
gottes Sandon) eine Berwandtichaft mit den jemi: 
tiſchen Völfern in Syrien anzeigt. Unter den He: 
racliden 1220 v. Chr. gründeten fie ihr Reich, wel: 
ches unter den Mermnaden jeit 719 noch auge: 
dehnter wurde, bis es unter Kröſus den Berjern 
unterlag. Berühmt als tapfere Krieger, zeichneten 
bie Lydier ſich noch mehr aus durch Handel, 
Erfindungen und Gewerbthätigleit. Der Reich— 
thum und der wollüftige Gottesdienft untergruben 
aber früh die Sitten. In der Bibel wird nur Sar— 
des Dffenb. 3, 1, Thyatira Apg. 16, 14; Offb. 
1,11; 2, 18 und Philadelphia Sf, 1,11 erwähnt 
und die Gemeinde unglinftig beurtheilt. 

Lydius, Martin, geboren zu Lübeck 1539 oder 
1540 aus einer holländifhen Emigrantenfamilie. 
Er ftudirte in Jlfeld, vorgebildet zu Tübingen 1560 
und Heidelberg, wo er 1566 am Collegium sapi- 
entiae als Lehrer angeftellt wurde. Bei dem Um— 
ſchwung in der Pjaly unter Ludwig verließ er Hei: 
delberg, ward 1579 Prediger zu Amfterdam und 
überfam bei Errichtung der Univerfität Franeler 
1585 dort eine Profeſſur. Er ift befannt geworden 
als die unfreimillige Beranlaffung zu den Armi: 
nianiſchen Streitigfeiten, indem er die Schriften 
Eoornheert'ö und Arnold Cornelius’, der Brediger 
zu Delft, welche nur eine bedingte Prädeftinations: 
lehre geftatten wollten, dem %. Arminius zur Wi: 
Mehr ige Die eingehende Beihäftigung 
mit dem Öegenftand führte Arminius auf die Seite 


N —— ſich am Kampfe gegen die Ärminianer 
und gab heraus die Werke von N. von Clemanges, 
Weſſels und einiges Andere. 

Lydius, Balthaſar, der Bruder des Vorigen, 
war geboren zu Umſtadt bei Darmſtadt um 1577, 
ſtudirte zu Leyden, war 1602 Prediger zu Streef⸗ 


‚terf und 1608 zu Dortrecht. ALS ſolcher eröffnete 


und ſchloß er mit Predigt und Gebet die Dortrech⸗ 
ter Synode. + 1629. Er war ein heftiger Gegner 
der NRemonjtranten. Sehr jelten geworden ift feine 
Schrift Waldensia, in welcher er den —— 
hang der böhmiſchen Brüder mit den Waldenſern 
nachzuweiſen ſuchte; als Urlundenſammlung für 
die Geſchichte der Taboriten noch immer von Werth. 
Sein Sohn Jakob (+ 1688) war gleichfalls Pre— 
diger zu Dortrecht. 

Lyon (Lugdunum). Die chriſtliche Gemeinde iſt 
ſehr alt, bekannt iſt ſie durch ihre Leiden in der 
Verfolgung 177, in welcher der Biſchof Pothinus 
den Maͤrtyrertod erlitt. Die Sendung des Irenäus 
nach Kleinaſien weiſt auf eine Verbindung der 
Gemeinde, vielleicht auf ihren Urſprung hin. Durch 
Irenäus wurde Lyon der Ausgangspunkt des 
Evangeliums für Gallien. Später 407 ward es 
die Hauptitadt der Burgunder, welde nad) dem 
Religionsgefpräh 499 den Arianismus aufgaben. 
Durch Chlotar 534 mit dem Frankenreich verbun: 
den, erhob fich aud) das Bisthum unter Männern 
wie Leidrad (+ 817), Agobard (816—840) und 
Amolo (+ 852). Zum Erzbisthum erhoben, erhielt 
es die viel beftrittene Würde des Primas von 
Frankreich. Innocenz IV., der von Rom nach Lyon 
geflohen war, eröffnete hier 1245 das 13. ökume— 
nische Concil, welches Friedrich II. abſetzte und in 
den Bann that. 1274 verfammelte Gregor X. das 
14. öfumenifche Concil zu Lyon, auf welhem eine 
Vereinigung mit der griechifchen Kirche (die aber 
alsbald wieder zerfiel) durch die ſcheinbare Unter: 
werfung der Griechen unter die päpftlihe Ober: 
berrlichkeit und die Annahme des filioque zu 
Stande fan. Auch wurden die A 
über das Eonclave bei der Papſtwahl erlaffen. Vgl 
Hefele, Conciliengefd. VI. 

Lyra, Nifolaus von, Doctor planus et utilis, 
geboren zu Lyre, einem Flecken bei Evreur in der 
Normandie. Seine Kenntniß des Hebräifchen rief 
die jonft durch nihtö begründete Annahme feiner 
jüdifchen Herkunft hervor. Noch jung, trat er 1291 
in dad Franciscanerflofter zu Verneuil, wurde in 
Paris Dr. theol. und hielt dort Vorlefungen. 1325 
wird er ald Drdenäprovincial im Teftamente der 
Königin Johanna erwähnt. Er ftarb am 23. Dct. 
1340. Seinen Ruhm erwarb er durch feine Postil- 
lae perpetuae in V. et N. test., den erjten fort: 
laufenden Commentar bes Mittelalterö, Dem auch 
Luther viele Anregung verdankte (si Lyra non 
lyrasset, Luth. non saltasset). Er ſetzte fich die 
Aufgabe, vorzugsmweife ben Wortfinn zu ergrün: 
den, auch die jüdiihen Ausleger zu berüdfichtigen 
und ſich nicht Inehtifh an die Bulgata zu binden. 
Als Ergänzung der Boftillen gab er die morali- 

|tates, die myftifhe Ausfegung*ber Bibel, fpäter 







Lyrik 588 Lyſtra 


—— in die Poſtille eingeſchaltet. Ueber die Profeſſor nach Wittenberg folgen, gewann 
rundſätze ſeiner Auslegung Es er 2 im Bro: | Anfehen, obwohl er im Streite mit S. Huber 
loge aus, Die Postillae erfchienen zuerft in Rom | Orthodorie auch vertheidigen mußte, wich 
1471—72 und öfter, 1511 in Paris franzöfifch. | dem Calvinismus aus, der in Sachſen fi) 1686 
Die Basler Ausgabe 1498 enthält die Additiones | wieder erhob, und ging als Superintendent nad) 
be3 Paul von Burgos (eigentlich Salomon Yevi, Braunſchweig. 1592 durfte ergegen das den Braun: 
ein Zube, welcher —* und Biſchof von Burgos ſchweigern gegebene Verſprechen baldiger Rückkehr 
wurde und 1435 als Patriarch von Aquileja ſtarb). ſein Amt in Wittenberg wieder übernehmen, ging 
Lyrik. ©. Dichtkunſt und Pſalmen. aber bald darauf als Hofprediger nach Dresden. 
Lyſanias von Abilene, der Sohn des Ptole: + 1610. Bon feinen Schriften ift am bedeutendſten 
mäus Mennäos (+ 40 v. Ehr.), folgte jeinem Va- feine Fortſe * der von Chemnitz begonnenen 
ter mit dem Titel Bandes oder zu (Jo- Harmonia IV. Evangelistarum, am darafteri- 
sephus de bell. judaico II, 11,5; antig.XX, 7,1; | ſtiſchſten für feine Zeit eine Abhandlung, dab man 
Lüc. 3, 1) in der Herrichaft und wurde auf Anftif: lieber mit Katholiken, ald mit Galviniften Gemein: 
ten der Kleopatra von Antonius ermordet 34 od. ſchaft haben folle, ed. Ho& 1620. — Seine beiden 
Chr. Ein Theil feiner Beſitzungen fiel an Kleo- Söhne: Wilhelm, Profeffor in Wittenbera 1627 
patra. Ein Zenodorus, Pächter des Haujes ded und Polykarp in Wittenberg und Leipzig, ob⸗ 
Lyfanias, ift dann in Rom und muß auf Octavian’d wohl von untergeorbneter Bedeutung, werben 
Befehl die Landſchaften Trachonitis, Auranitis, öfter genannt. Vgl. Tholud, Geijt der lutheri- 
Batanäa an Herodes abgeben, der auch den größ- chen Theologen Wittenbergs, S. 4 ff. 
ten Theil des Beſitzes nad jenes Tode erhält.) Lyſias. 1) Feldherr des Antiochus Epiphanes, 
Agrippa erhielt fpäter den Kern des fogenannten Erzieher deflen Sohnes Eupator und Reichöver: 
Reiches des Lyſanias. Zu der Luf. 8, 1 genannten a während feines Zuges gegen den Diten. Rad) 
Seit war Lyſanias ſchon todt und es eint eine | dem Tobe deö Epiphanes führte er ſelbſt ein Heer 
Verwechſelung vorzuliegen. Keim, Jejus v. Na: | gegen Judas Maktabäus, um die Niederlagen des 
zara I, 619. Nilanor und Gorgiad zu rächen, ſchloß aber nad 
Lyſczynski, Aafimir, der Atheift, auß einer vor: | der Schlacht von Bethzura Frieden, der den Juden 
nehmen polnifhen Familie, war 1680 Richter zu | Religionöfreiheit gewährte. Die Erzählungen 1. 
Brzesti in Lithauen. Wegen ſeines Hanges zu reli: Makk. 4, 26—82 und 2, Maft. 11, 1—12 berichten 
iöfen PBaradorien ſchon ald Jüngling aus der | denfelben Vorgang. Lyfiad wurde mit Eupator von 
Y uitenſchule zu Wilna ausgewieſen, beſchäftigte Demetrius, der fi des Königreiches bemädtigte, 
er ſich mit theologifchen eg und fhrieb ermordet 161. — 2) Claudius Lyſias (Apftg. 23, 
eine Kritik der Bemeife für dad Dajein Gottes. 26; 24, 7. 22), der römische Chiliard) auf der An- 
Weiler fich felbft darin als Atheift befannte, wurde tonia, weldher Paulus, um ihn vor den Juden zu 
er auf dem Reichätage 1688 angeflagt, von einem ſchützen, zum Proconful Feliz führen lieh. 
geiftlihen Gerichte, danach) auch von den Ständen  Kuyfimahus, der Bruder des Hohepriefterd Me: 
verurtheilt, mit feinen Schriften verbrannt zu nelaus. Bon demfelben ald Stellvertreter in Je: 
werden. Das Urtheil wurde nad) vorheriger Ent: rujalem zurüdgelafjen, wurde er von dem über Die 
hauptung 1689 vollzogen. ' Tempelräubereien erbitterten Volle im Aufruhr 
Lyſer, Polykarp, lutherifcher Theolog. Geboren erichlagen, 2. Maft. 4, 399—42, 
zu Winnenden in Württemberg 1552, ein Neſſe Lyſtra, Stadt in Lylaonien unweit Derbe. Die 
Jakob Andreä’s, bezog er 1566 die Univerfität | eigentliche Stelle der Stabt ift noch nicht ermittelt. 
Tübingen und ward 1573 Prediger zu Gellerödorf Paulus wurde hier auf feiner Miffionsreife gefiei- 
in Defterreih. 1570 Magifter, 1576 Dr. der Theo: nigt (Apftg. 14, 6—20) und lernte auf der zweiten 
logie, mußte er 1577 einem Ruf ald Prediger und | Reife ben Timotheus hier kennen. 7 


Maacha 


589 


Maaß und Gewicht 


M. 


Maacha. Mache. 1) Perfonenname mehrerer 
Männer und Frauen. 1. Kön. 2, 39, 2. Sam. 2, 
3. 1. Moj. 22, 24; 2) Syrifche Landichaft ſudöſt⸗ 
(id von Hermon, grenzend an Bafan und Geffur, 
follte eigentlich von den rg bejegt werden, 
blieb aber unerobert (Joſ. 12,5; 13,13; 2. Sam. 
10, 6. 8). Der Umftand, daß die LXX an legterer 
Stelle und Joſephus antiq. VII. 6. den König 
von M. einen König Amaleks nennen, läßt Ewald 
vermuthen, daß fid im Norboften des Landes 
Refte der Amaleliter bis in David's Zeiten erhal⸗ 
ten hätten. Vgl. Ewald, Geſch. d. B. Iſrael 2. 
Ausg. 1. S. 336 N. 

‚ Raalzeihen. Die alttanaanäijche Sitte 
der Verehrung heiliger Steine, ging auf Iſrael in 
der Weije über, dab Stätten einer religiöfen Le: 
benderfahrung, oft unter befonderer Feierlichkeit, 
durch einen aufgerichteten Stein bezeichnet wur: 
den. 1. Mof. 28, 18. Yof. 4,3. Zum Andenten an 
Verjtorbene pflegte man ebenfalls Dentfieine auf: 
zurichten I Mof. 35, 20. Zu Maalzeichen anderer 
Art führte die Sitte, zum Zeichen der Trauer um 
Todte das Haar zu verſchneiden oder ſich Zeichen 
in die Haut einzurigen. er. 16. 6; 41,5; fie war 
indefien ebenjo fireng vom Geſetze unterjagt 3. 
Mof. 19, 28; 5. Mof. 14, 1, als die bei den heid⸗ 
—* Vöollern verbreitete Gewohnheit, zum Zeug: 
niß der Unterwerfung und Angehörigkeit an einen 
beftimmten Gott io Zeihen und Bilder in den 
Körper einzurigen oder einzubrennen (3. Mof. 19, 
28. Bol. Gal.6,17.) Dem derlegterwähnten Sitte 
zu Grunde liegenden religiöfen Bedürfniß kam bie 
Beihneidung und das Gebot der Duajten an den 
Kleidern (4. Moſ. 15, 38.39) entgegen. 

Maaß und Gewicht. Die hebrätfhen Maafe 
find in ihrem Verhältniß zu einander durch die An- 
gaben der Bibel genau bejtimmt; aber die Um: 
tehnung in die uns un Maaße macht 
Schwikkigkeiten, zumal die Angaben ver Rabbinen 
und des Joſephus, die beide auf Autorität An: 
er machen fünnen, nicht mit einander ftimmen. 

aber weicht Thenius, der den Rabbinen den 
Borzug giebt, von Bertheau und Böckh ab. 

AsLtängenmaa ßgilt dieRuthe gleich 6 Ellen 
oder 12 Spannen, oder 36 Bandbreiten (Balnten), 
oder 144 Fingerbreiten. Grundmaaß ift die Elle. 
Bei Czech. 40,5; 43, 13 wird eine größere Elle von 
7 Handbreiten erwähnt. Manche (Bödh, Bertheau) 


a rheiniſch. Richt. 3, 16 ift eine kürzere Elle, 
omed, erwähnt. 

ALS Bezeihnung von Weiten: Maafen lom: 
men vor die Ausdrüde: Strede Wegs (Feldweg, 
£uther) (1.Mof.35, 16; 48, 7), wohleine Stunde; 
Tagereife, dad gewöhnlichite Maaß für Wegeftreden 
gleih 7 Stunden (1. Kön. 19,4); Sabbatherweg 
und zwar großer 2800, mittlerer 2000 und kleiner 
1800 Ellen lang (Apftg.1, 12; Erod. 16,29), nicht 
gen eine Viertelftunde. Außerdem werden das 

tadium (der achte Theil der römifchen, der vier: 
zigite Theil der deutſchen Meile) und die römifche 
Meile (Matth. 5, 41), gleich s deutſche Meile 
erwähnt. 

Die Hohl maaße find: 1) für trodene Gegen: 
ftände: dad Chomer oder Kor (Luk. 16, 7 Luth. 
Malter) gleich 2 Letech, (nur bei Hof. 3, 2 vor: 
—— oder 10 Epha, oder 30 Seah (Scheffel), 
oder 100 Dmer, aud Zehntel (3. Mof. 14, 10), 
oder 180 Kab. 2) für flüffige Gegenftänbe: Das 
Bath, jo groß wie das Epha, glei 6 Hin, gleich 
72 Xog. Chomer wird in ber Bibel nur von tro: 
denen, das fpätere Kor (xögos N. T.) auch von 
flüffigen gebraudt. Das Grundmaaß ift das 
Epha. Die Berechnung der Rabbinen geht aus 
von dem Log, welches den Raum von 6 Hühner: 
eiern umfaſſe. Danach würde einBath 1014 Barijer 
Kubitzoll ausmachen. Bertheau, welcher der An: 
gabe des Joſephus folgt, daß das Bath dem at: 
tischen Metretes, gleich 1985,77 Bar. 8.3. faſſe, 
muß die Größen faft verdoppeln, was zu den 
Angaben 3. B. über das eherne Meer (1. Kön. 
7,26) und andern, z. B. über das Manna (2. Moj. 
16) nicht ftimmt. 

Die Gewichte find: das Kikkar oder Talent, 
Maneh, (Mine),der Setel (Heiliger), der Bela (hal: 
ber 5. Sekel), Gerah, das kleinſte Gewicht. Das 
Kilkar (Luth. Centner) ift gleich 60 Manch (Luth. 
Pfund), ges 3000 Seel, gleid) 6000 Bela, gleich 
60,000 Gerah oder etwa 85 Zollpfund. Der im 
Pentateuch wiederholt erwähnte heilige Sekel (2. 
Mof. 30, 13. 24; 38, 24 — 26 :c.), wird nad) He- 
fefiel 45, 12 (Lesart der LXX) berechnet gleich 
dem fünfzigiten Theil einer Mine, oder glei) 2 ge: 
meinen Sefeln, vgl. 1Kön. 10,17; 2 Chron. 9,16. 
Das Gewichtsſyſtem ſtammt von den Babyloniern 
ber, ihm liegt nicht das hebräifche Duodezimaliyitem 
zu&runde. Die Namen der Gewichte find zugleich Die 


unterjheiden daher eine größere, heilige Elle und | Bezeichnung der urjprünglich gewogenen Münzen. 
eine Zleinere, gemeine, Thenius dagegen glaubt, | Der heilige Sefel jollte nad) den Rabbinen 320 
Ezechiel meine eine, von Babylon und Aegypten | Gerjtenförner wiegen; nad) den maftabäifchen 


er in Gebrauch gelommene Tpalmige Elle. Die 


Münzen wog der Sefel 274 parifer Gran, hatte 


änge der Ruthe berechnet Thenius auf 9 Fuß 3 | daher den Werth von 26 Sgr. 3 Pf. Bon fremden 
88 


Mabillon 590 Machärus 


Münzen wird im A. T. die Darife, deren Werth; im Jahre 148 v. Chr. erfolgten Befiegung eines 
5 Thaler pr. gemwefen ift, erwähnt. (Vgl.d. U. Geld). allgemeinen Aufftandes verlor M. auch den Schein 


Zur Litt. vgl. Böckh, Metrol. Unterfuchungen ac. 
Berlin 1838. E. Bertheau, zur Geſch. der Iſrae— 
liten. I. Gött. 1842. DO, Thenius, in Studien u. 
Krit. Jahrg. 1846. Heft 1 u. 2. Joh. Branbis, das 
Münz:, Maß: und Gewichtsweſen in Borderajien, 
Berl. 1866. 

Mabillon, Johann, ein gelehrter Benedictiner, 
wurde geb. den 23. Nov, 1632 zu ——— in 
der Champagne, erhielt zuerſt von ſeinem Onkel, 
einem Prieſter, Unterricht, ſtudirte dann auf dem 
Collegium und im Metropolitanſeminar zu Rheims. 
1654 trat er in die Benedictiner-⸗Abtei St. Remider 
Mauriner Congregation. Da allzu angeftrengie 
Studien feine Gejundheit bedrohten, wurde er, um 
ihn denjelben zeitweilig zu entziehen, in verfchiedene 
Klöſter gejchictt und mit geringen und äußerlichen 
Aemtern befhäftigt. Wiederhergejtellt und 1660 
in Amiens zum Prieſter geweiht, begann er jeine 
Studien von neuem in der Bibliothef des Kloſters 
Corbie und jegte fie als Schagmeifter der Abtei 
St. Denys (jeit 1663) fort. Seine Dbern fandten 
ihn 1664 nad St. Germain zur Unterftügung 
d'Achery's bei Herausgabe jeines Spicilegiums und 
übertrugen ihm danach die Vollendung der dur 
Chantelon begonnenen Ausgabe der Werke des h. 
Bernhard. Sie erſchien gleichzeitig in zwei Aus: 
gaben Bar. 1667, 2 Bde. Fol. und I Bode. 8°, Aus 
den Handſchriften und Chroniten des Benedictiner: 
ordens bearbeitete er danad) die Acta Sanctorum 
ord. Bened. Bar. 1668-1702, 9 Bde., und bie 
Annales Ordinis B. 1703-1739, 6 Bde.,von denen 
er aber ſchon den 5. Band nicht mehr jelbjt vollen: 
den fonnte. Sein berühmteites Werf, durch wel: 
ches er der Gründer einer wiſſenſchaftlichen Ur: 
tundenlehre wurde: »De re diplomatica«, libri 
VL, Baris1681 fol., ift noch heute unübertroffen. 


der Freiheit und ward feither römiſche Provinz. 
Als die bedeutendften Städte hebt das Neue Te: 
ftament Bhilippi und Theſſalonich (das alte Ther- 
me) hervor. Die Erwartung des Paulus, der 
| die Vifion Apftg. 16, 9 entgegenlam, an den 
Macedoniſchen Bergvöllern einen befjern und 
| Fräftigern Stoff als an den leichtfertigen und 
————— Kleinaſiaten zu finden, hat ihn 
nicht getäuſcht; zu keiner Gemeinde er er in jo 
‚ innigem Berhältniß als zu der von Philippi (f.d. A. 
Den bier mit u Feindfeligkeit ihm ent: 
egen tretenden Juden wich Paulus zwar durch 
fin Abreife nad Athen aus, blieb aber durch 
eine Sendſchreiben mit den Gemeinden in Ber: 
bindung und befuchte fie noch einmal (Apftg. 18). 
Bis zur Theilung des röm. Reiches 395 war M. 
völlig riftianifirt. Bei derjelben fiel e8 an das 
oſtrömiſche Reid) und theilte deſſen Scidjale. 
Jet, unter türkiſcher Herrſchaft ift die Benölte: 
rung größtentheil3 griehif-Tatholiih unter den 
vier Erzbiichöfen von Salonidi, Seres, Koftenbil 
und Uskub. Zu Macebonien gehört ber 
Athos mit feinem berühmten Kloiter (ij. d. A.). 
acedonind und die Maredonianer. M. wurde 
von der arianifchen Partei in Conftantinopel 341 
nad) dem Tode des Euſebius von Nifomebien zum 
Biſchof gewählt; feinen Gegenbiſchof, den ortho— 
doren, jhon 336 gewählten Houlus, veritieb bie fai- 
ſerliche Macht. Unter den Shwantungenam faijer: 
lichen Hofe mufite er 348— 350 feinen Gegnern wei⸗ 
en. Als erdann, nad) dem Tode des Kaijerd Con⸗ 
ſians wieder in fein Bisthum zurldgelehrt, ſich von 
ben ftrengen Arianern trennte und Semiaria: 
nismus träftig verfocht, wurde er 360 auf der Syn⸗ 
ode zu Conjtantinopel entjegt und ftarb bald Dar: 
auf. Die nad ihm benannten Macebonianer find 





Im Auftrage der franzöfiihen Regierung unter: | Semiarianer, jedoch nur in Bezug auf den Lehr— 


nahm er wiſſenſchaftliche Reifen nad 
land 1683 und nad) Jtalien 1685, um die Biblio» 
theten zu durchforſchen und bedeutende Hand— 
Hriften zu jommeln, deren er für die königliche 

ibliothef an 3000 mitbrachte. Die Hauptergeb: 
nifje diefer Neifen veröffentlichte er in Vetera 
analecta, 4 B., Par. 1675—85 und Museum 
Italicum, 2B., Bar. 1687— 83. —— feine Wahr⸗ 
heitsliebe in der Geſchichte des Ordens ihm ſchon 
vielfache Anfeindung zu ssogen, jo kam jeine ano: 
nym erſchienene Sri e culta Sanctorum 
ignotorum, in der römische Mißbräuche gerügt 
wurden, auf den Inder. Gegen den Abbe Rance, 
den Stifter des Trappijten-Ordens, vertheidigte 
er die Berechtigung und Verpflichtung der Mönch: 
orden zu wiffenichaftliden Studien. Troß feines 


ſchwächlichen Körpers beobachtete er bei einer un: | 


ausgejegten Anftrengung der Studien Die Ordens: 
regel auf das Genauefte und Iehnte alle Erleich— 
terungenab. + 27. Dec, 1707, Er war eine Zierde 
jeined Ordens. Sein Leben jchrieb jein Schüler 
Ruinart, wo ſich auch das Verzeihniß feiner vielen 
Schriften findet, Vgl. Taſſin, Gelehrtengefchichte 
der Congreg. von St. Maur, Franff. 1784, 1.8. 

Macedonien reichte zur Römerzeit vom ägäi— 
ſchen bis zum adriatifhenMeere und lag zwiſchen 
Thracien und Adaja. Nad der Schladht von 
Pydna 168 wurde es, ſcheinbar unabhängig, in vier 
Kreife (mit den Hauptjtädten Amphipolis, Theifa: 
lonich, Bella und Belagonia) zertheilt, Mit der 


eutfch: | 


punkt vom h, Geift. Während nämlich der Atha: 
nafianismus mit Nothwendigkeit dazu führte, auch 
‚ den h. Geift als dritte ——— der Gottheit an⸗ 
unehmen, blieben die Semiarianer, die ſich nur 
—— und allmählich den’ Nicäniſchen Formeln 
näherten, in Betreff des h. Geiftes entweder bei 
der früheren unbeftimmten Lehrweiſe ftehen oder 
lehrten, daß dem h. Geifte gleiche Wejenheit mit 
dem Vater und Sohne nicht zulomme. Rad dem 
entjchiedenen Siege über die Arianer wurde im 
Gonjtantinopolitaniihen Symbol von 381 auch 
die hypoſtatiſche Gottheit des h. Geiftes in ber 
Formel „ausgehend vom Bater” angenommen 
und damit der Macedonianismus verworfen. Bal. 
Baur, Trinitätslehre. Tüb. 1841. B. 1. Wald, 
Kexerhiſt. B. II. ® 
Mahanaim, Doppellager, ein alter Ort im 
Lande Gilead. Der Urjprung des Namens wird 
‚1. Moſ. 32,2 angegeben. Der Ort war jpäter 
eine Levitenftadt im Stamme Gab an der Grenze 
‚von Manafle yo. 21, 88; auch bie Reſidenz des 
Isbdſeth, des Gegenkönigs David's (2. Sam. 2, 
8), und wird rein unter Salomo (1. Kön. 4, 
14) erwähnt. Nördlich vom Jabbot joll noch ein 
Ort Mahneh fich finden, deſſen Lage zu der Er: 
zählung 1. Moſ. 32, 3 ftimmen würde. 
Machärus, jüdiſche Feſtung, wurde am norböft- 
lien Ufer des Todten Meeres an der Südgrenze 
Beräa’s von Johannes Hyrcanus erbaut und ge= 
hörte jpäter zum Reid) des Herodes Antipas, der 





.. 
— 


Machſor 591 Maerlant 


dort den Täufer gefangen hielt und hinrichten ließ. | der Franzoſen zu unterwerfen und die katholiſche 
Erit zwei Jahre nah dem Falle von Jerufalem, Kirche einzuführen, riefen 1857 einen Aufitand 
72 n. Chr., übergab die Bejakung die Burg den | hervor, beifen chuld auf die Ehriften gewälzt und 
Römern gegen freien —*— ‚von den si Daran raufam beftraft wurde. Die Königin ftarb 1861. 
ber Stabt aber wurden 1700 erjchlagen und Frauen Ihr Sohn beftieg nad —— eines Neben— 
und Kinder in die Gefangenſchaft geführt. buhlers als Radama II. den Thron. Er verkün— 
Machſor, d. h. Cyclus, iſt der Titel eines jüdischen | digte ſofort Religionsfreiheit und leiſtete dem Chri— 
Gebetbuüches, welches die in beſtimmter Ordnung ſtenthum allen Vorſchub. Auf feine Einladung 
jährlih im Gottesdienft wiederkehrenden Gebete, | dam Ellis, unterftügt von mehreren Miffionaren; 
namentlich die religiöjen Feſtgeſänge (Biutim) ent- | feine Wirffamfeit wurde durd das Bertrauen, 
hält. Dieje Gejänge ftammen von fpanifchen und | welches der König ihm bemies, gefördert. Den 
deutfch:franzöfiihen Juden (10001300); als der | evangelifchen Miffionaren waren aber die Katho— 
ältefte ihrer Dichter wird genannt R. Eleafar ben | liten noch zuvorgekommen; Radama ſchwankte zwi: 
Yatob Kalir. Sie enthalten nicht bloß talmudiſche * Beiden, und ließ bald in ſeinem Hauſe Meſſe 
Ideen, ſondern auch Gedanken der mittelalterlich leſen, bald Ellis predigen. Er hatte ſich früher 
ariſtoteliſch⸗ſcholaſtiſchen Speculation und find | verpflichtet, daS franzöſiſche Protectorat anzuer⸗ 
ſel Juden ohne genaueres Studium vielfach un: | kennen; feinen unmäßigen Hang En ſinnlichen Ber: 
verftändlich. Die Mahforim weichen in den ver: | gnügungen und feinen Aberglauben benußte eben: 
fchiedenen Ländern und unter verjchiedenen Na: aus die heibnifche Partei; eine Ermordung der 
tionalitäten ſehr von einander ab. Zuerſt bearbeis: | Chriften wurde vorbereitet. Die unfinnigften Ge: 
tete ſie W. Heidenheim 1800, welcher feiner Aus: | jee des Königs bedrohten alle Drbnung, als er 
gabe des deutſchen und polnischen Ritus eine Ein: | den 11. Mai 1863 erbrofjelt wurde. Die Königin 
leitung und einen Commentar beigab. Vgl. Yeop. | Rojaherina übernahm die Herrſchaft; fie verhieß 
ung, Ziteraturgejchichte der ſynagogalen Poeſie. den Fremden Schuß und gejtattete freie Lehre des 
erlin 1865. Nachtrag dazu ebend. 1867, Chriſtenthums; ſeitdem arbeiten im Wetteifer ka— 
Madagaskar. Inſel im indischen Ocean parallel | tholifche und evangeliſche Miſſionare in dem gleich: 
mit der Südoftküfte Afrikas, von der fie durch den | zeitigen Kampf der franzöfischen und englifchen 
Kanal von Mozambique getrennt ift. Ihre Bewoh: | Intereffen um den Sieg ihres Einfluffes. 
ner gehören theild zur africanifhen Race, theild,| Madiai. Die Eheleute eher und Rofa M. 
wurden 1852 in Tosfana des Verbrechens der 
Gottlofigteit jchuldig befunden und zu längerer 
Kerferhaft verurtheilt, weil fie in ihrem Haufe 
rg Zufammenkünfte geduldet und Bibeln 
und Tractate verbreitet hatten. Diejer Act relir 
giöjer Berfolgung rief in der protejtantijchen Welt 
eine ggoBe Aufregung hervor. Nachdem nicht nur 
eine Deputation der Chrijten in Re en: 
land, Frankreich, Holland und der Schweiz verge: 
bens die Aufhebung der Strafe zu erlangen ver: 
fucht, aud die Berwendungen des Königs von 
Hefe und anderer protejtantifchen Mächte ohne 
tfolg geblieben waren, bewirkten endlich die Dro— 
hungen Englands, daß Beide, unter der Bedin— 
gung der Auswanderung, aus ihrem Gefängniß 
entlafjen wurden. 
Madruzzius, Chriftoph, Carbinal und Fürſt— 
bifchof von Trient, wurde geboren 1512, ftudirte 


wie der herrihende Stamm der Howas, zur malaii: 
ſchen. Die Religion ift ein nicht ausgebildeter Göz⸗ 
zendienft, ihre Briefter find nur Göhenbewahrer und 
Zauberer. Die übliche Beichneidung hat mehr eine 
bürgetliche als veligiöje Bedeutung. Die günftige 
Lage ber —* auf dem Wege nad) Indien veran⸗ 
laßte eine franzöfiiche Riederlaflung 1644, begleitet 
von katholiſchen Miffionöbeftrebungen. Die Eolonie 
atte dafjelbe Schidjal wie eine frühere portugies 
ſche 1505—45, fie wurde 1667 nad) einem durch 
die Dreiſtigkeit eines franzöſiſchen Prieſters her: 
vorgerufenen mörderifchen Ueberfall aufgegeben. 
England verfuchte feit 1814 eine neue Verbin: 
dung anzufnüpfen und ſchloß 1817 mit dem Kö: 
nige Radama I. einen Vertrag zur Unterbrüdung 
des Sclavenhandeld. Mit den durch Radama er: 
betenen Handwerkern famen auch Miffionare, de: 
ren Schulen der Herrfcher begünftigte, obgleich er 
den Uebertritt und die Taufe jeiner Unterthanen | in Bologna und Padua und erhielt früh mehrere 
erft auffeinem Todtenbettegejitattete. Seine Wittwe | anjehnliche geiftlihe Pfründen. Da er ſich als 
Ranavalo:Mandidola, welche den Thronan fihriß, | Gejandter Ferdinand's in Venedig audgezeichnet 
ließ anfänglich den Miffionaren freie Hand; ihre | hatte, empfahl ihn Karl V. zum Fürftbiihof von 
Erfolge riefenaber Beſchränkungen und Berfolgun: | Trient; er ward zu diefer Würde erhoben, ob: 
gen hervor. 1832 wurden alle eingebornen Lehrer | wohl er erjt 27 jahre alt war, 1539, erhielt 
und Schüler der Miffionsihulen demHeere einver: | dann noch das Bisthum Briren 1543, wurde 
leibt, 1835 das Leſen der Bibel verboten, viele Ehri: | Cardinal, und war 1555 —60 Statthalter in 
ften getödtet oder ald Sclaven verfauft. Die Miffio- | Mailand. + 1578. Auf dem Tridentiner Con: 
nare verließen die Inſel, unterhielten jedoch von | cil vertrat er kräftig die deutichen Forderungen 
Mauritius aus eine Verbindung und jegten dort die | nad) Reformen; er forderte die Communion in 
Arbeit bi3 1843 unter den Flüchtlingen fort. Wer | beiderlei Geftalt und Ueberfekung der h. Schrift 
nig Erleichterung verichaffte es, daß jeit 1845 der | in die Landesſprache. Bei feinem Verlangen nad) 
Erbprinz Raloto fich zu den Ehriften hielt ; glinftiger | Wiederheritellung der firhlihen Disciplin ſchlug 
ward ihre Lage, alder nad) dem Tode des chriſten⸗ ihn der päpftliche Zegat mit der Gegenforberung, 
feindlihen Minifterö Reniordo Antheil an der Re: | da dann zunächſt jeder Bischof nur ein Bisthum 
gierung nahm. Derenglifche Miffionar Ellis machte behalten dürfe. 
einen Beſuch 1852, den er 1856 wiederholen durfte. | Maerlant, Jakob, ber berühmtefte niederländi- 
Intriguen eines Franzofen Lambert, der als | che Dichter des 13. Jahrhunderts. (+ um 1300 zu 
Sclave oder Sclavenhändler nad M. gelommen , Damm bei Brügge), Berfafier einer Welthronit 
war und bie Gunft der Königin erworben hatte, | (herausgegeben Leyden 1857 —59), mehrerer geiſt⸗ 
aber danach ftrebte, die Inſel dem Protectorate ! licher Gedichte, und einer Reimbibel (herausgege: 
88 + 


Ess 
— — — — — — 


Mähren 


592 


De 


Märtyrer 


ben von David, 2 Bde. Brüffel 1858—60), deren | Zeit nöthig entgegenzutreten, feitdem ihn die Ge: 


1. Theil ber historia scholastica (histoire es- 
colastre, eine der verbreitetften Hiftorienbibeln des 
M.:Alters) von Petrus Eomeftor, Kanzler in er 
SER während der zweite, das N. T., eine jelbft: 
tändige ſynoptiſche Zufammenftellung der Evan: 
gelien enthält. Seine Werke zeichnen fid) weniger 
durch — dichteriſchen Gehalt, als durch große 
Gelehrſamkeit aus. 

Mähren. Die Religionsgeſchichte M.'s ſteht in 
engem Zuſammenhang mit der politiſchen. Die 
Miſſionsarbeiten unter den M. gingen von Paſ— 
[en aus; als einer der früheften Apoftel wird Bi: 
hof Urolf genannt. Herzog Raſtislav erbat ſich 
aber 863 Miffionare von Eonftantinopel, um nicht 
durch kirchliche Verbindung die bedrohliche Macht 
der Deutjchen zu ſtärken. Kaiſer Michael fandte, 
feinem Berlangen willfahrend, die beiden Brüber 
Eyrill und Methodius, welde durch den Gebraud) 
der jlovenifhen Sprache im Gottesdienft, die neu 
erfundene flovenifshe Buchſtabenſchrift und die 
Ueberfjegung der h. Schrift bald das Uebergewicht 
über die deutjchen katholiſchen Miffionare gewan— 
nen. Bom Papſte bei feiner zweiten Reife nad) Rom 
zum Erzbifchof von Mähren geweiht 871, erneuerte 
Methodius(f.d. A.) in Morsburg das alte Erzbis: 
thum Sirmiumund trennte unter Beihülfedes Kap: 
fte3 Mähren von dem alten Verband mit Salz: 
burg. Sein Nachfolger, der Franke Wihing, gewann 
aber den Herzog Smwantopluf für die lateinifche 
GEultusform, die nad) dem Zerfall des Mähren: 
reiches durch die Uebermacht der Deutfchen befeftigt 
blieb. Das mährifche Biäthum zerfiel und Böhmen 
ftand mit Mähren unter Regensburg, dann, jeit der 
Gründung von Prag 967, unter diefem, bis 1073 
Dlmüg, wo vorübergehend jchon die Biſchöfe Syl: 
vejter 946 und Wratislaus 979 gemirkt hatten, 
abgezweigt wurde. Bis 1243 ftanden beide Bis: 
thümer unter der Metropolitangewalt von Mainz; 
in diefem Jahre wurde dur Papſt Clemens VI. 
Prag zum Erzbiöthum —* und Olmütz demſel⸗ 
ben hie a In denfolgenden Jahrhunderten 
theiltedie mährifche Kirche die Schidjale der böhmi- 
den. 1080 wurde der Gebrauch der Mutterjprache 
im Gottesdienft,1197 die Briefterehe, 1350 die Com: 
munion unter beiden Gejtalten verboten. Huß und 
Hieronymus fanden hier ihre begeifterten Anhän: 
ger und diefe durch die basler Compactaten 1433 
und die Majeftätöbriefe der Fürften (mie des K. 
Sigismund's 1435) Duldung für ihren Glauben. 
Die Gemeinſchaft der böhmischen Brüder fand in 
Mähren Schuß, ebenfo Waldenjer in Fulnek, aber 
unter König Georg Podiebrad 1458—1471 traf 
fie wiederholt ſchlimme Verfolgung. Zur Refor: 
mationszeit bildeten fich ſowohl lutherifche und 
reformirte ald auch wiedertäuferische Gemeinfchaf: 
ten: gegen legtere richteten ſich zunächſt die Ber: | 
folgungen Ferdinand's IL, mit ihnen wurden die 
mäbrifhen Brüder unterdrüdt, deren legter Bi: 
ſchof Amos Comenius (f. d. Art.) flüchtete. Aus 
ihren Ueberreften in Mähren ging der Stamm der 
sone Gemeinde (1722—1733) hervor. Die 

egenreformation unter Ferdinand II. und dem 
Biſchof Ladislaw von Dlmüg geſchah mit rüd: 
fichtölofer Barbarei, dennoch fanden ſich nad) dem 
Toleranzedict Kaifer Joſeph's IL, von 1781 noch 
Taufende von Lutheranern und Reformirten. Seit 
1777 iſt Olmüg Erzbisthum. Der Neigung zum 
Nebertritt fand die fatholifche Kirche in neuerer 


jeßgebung erleichtert und die jehr arme und ge 
drüdte evangelifche Kirche aufzuathmen beginnt. 
Die katholiſche Kirhe in Mähren fteht unter dem 
Erzbifhof von Olmütz (f. d. Art.). Vgl. Watten: 
bach, Beiträge zur Geſchichte der hriftl. Kirche in 
Mähren. Wien 1849, Ginzel, Gedichte der Sla- 
venapoftel und der flavifchen Liturgie. Leitmerit 
1857. B. Czerwenka, das Perjecutionsbüchlein. 
Geſchichte d. Berfolgungen des Evangel. in Böh— 
men. Nach der latein. ———— 1648 
deutſch bearbeitet. Güters 2 1869. 

Mährifge Brüder. S. Böhmiſche Brüder. 

Märkifche Kirchenordnungen. Die beiden fürft: 
lichen Brüder, weldye die Reformation in den Mar: 
ten einführten, Joadim II: und Seren von Kü: 
ftrin fuchten beide fie auch durch Kirchenordnungen 

u befeftigen. Die kurfürftliche 1540, mit des Bi- 
—* von Brandenburg Bewilligung erlafſen, 
verdrängte aber die der Neumark von 1538, 
ald die Länder 1571 wieder vereinigt wurden. 
Sie wurde durch Joachim's II. Nachfolger, Yo: 
hann Georg (1571—1598) revibirt und mit einer 
erweiterten Gonfiftorial » Ordnung 1573 publicirt. 
Die Concordienformel, welche von Brandenburg 
angenommen war, jehte Johann Sigismund (1608 
— 1618) außer Kraft. Als reformirte ſymboliſche 
Schrift gilt die Confessio Sigismundi 1614; zu 
ihr traten hinzu die Erklärungen der fu tl. 
Theologen auf dem Leipziger Colloquium, (j.d. 4.) 
1631 unddem Religionsgeipräd) zu Thorn 1645 — 
fämmtli mit Unionstendenz. 

Märtyrer. ng ge nad Apftg. 22, 20; 
1, Betr. 5, 1. Die M. find ſowohl ald Ausdrud 
des in der Gemeinde waltenden Geiftes, wie durch 
ihren Einflußaufdie Geftaltung der firhlichen Sitte 
und bes Lebens von kirchengefchichtliher Bedeu: 
tung. 2 feine Ueberzeugung, als ein hohes fitt- 
lies Gut, zu leiden und zu fterben, ift nichts dem 
Chriſtenthum Eigenthümliches; jede geiftige Neli- 

ion von fittlihem Inhalte hat ihre Märtyrer, 
Fefbft dem Heidenthum fehlen fie nit. Der fitt- 
liche Werth des Märtyrerthums beftimmt ſich Durch 
das Verhältnik der fubjectiven Treue und Gewiſ— 
fenhaftigfeit zu der objectiven Bedeutung der ver: 
tretenen Ueberzeugung für das fittlihe Gemein: 
wohl. Zum Martyrium wird das Leiden in Folge 
einer religiös » fittlichen Meberzeugung,, wenn die 
Standhaftigkeit im Erbulden ein Zeugnik für 
deren unveräußerlihen Werth, für eine darin er: 
fannte und ausgeiprohene Gottesorbnung wird. 
Es tritt regelmäßig da auf, wo eine fanatifirte 
Dienge geleitet wird von einer Gewalt, welche ſich 
durch die neuen Yehren die Stügen ihrer Macht 
entzogen fieht. Religiöje Berfolgungen gehen da- 
ber aus von einer Hierarchie oder einer erg sr 
auf religiöfer Grundlage rubenden Madıt. 8 
Bedeutungsvolle an der chriſtlichen Märtyrerge: 
ihichte ift der lange Zeitraum (64 — 314), in 
welchem die Verfolgungen fi immer erneuerten ; 
ein Beweis von dem gemaltigen Widerjftreit, in 
welchem die religiöfen und fittlihen Grundge— 
danfen des Chriftenthums mit den Grundjä 
ftanden, auf welchen das jüdifche und römiſche 
Gemeinweſen aufgebaut war, und melden bie 
Gegner zwar nicht ar erkannten, aber ficher 
empfanden. Die mit der Zeit übertriebene Werth: 
ſchätzung des Märtyrerthums in der chriftlichen 
Gemeinde ruht nicht bloß auf der dankbaren Hody: 


Märtyrer 


achtung, mil welcher in jeder Gemeinjchaft Die: 
jenigen angejehen werden, welche mit einer fitt: 
lichen Energie des Thuns oder des Leidens ihre | 
rincipien zur Geltung bringen, nicht bloß auf der 
ittlihen Läuterung im Leidenskampfe felbft, und 
ber ar a Auffafjung des Aehnlichwerdens mit 
dem leidenden Heilande, vielmehr miſcht ſich in die: 
felbe die afletifche und montaniftifche Uebertreibung 
des Gegenjages von Welt und Chriftentyum, ber 
durch die Berfolgungen nod) gejchärft wurde, Das 
irdiſche Leben ſelbſt erſchien als etwas jo geringes, 
daß die Erlöfung davon durch einen glorreichen Tod 
nur wünſchenswerth wurde. Daher das Drängen 
zu dem Blutzeugniß, welches die Berwunderung 
und den Spott der Heiden erregte. — Je höher 
das Märtyrerthum geſchätzt wurde, deſto ftrenger 
wurde die Beurtheilung derer (Vgl. d. Art. Dona⸗ 
tiften), welche auf irgend eine fittlich erlaubte oder | 
nicht erlaubte Weife demſelben fich entzogen hatten 
(Bgl. d. Art. * libellatiei, sacrificati, tradi- 
tores), um jo höher jtieg aber auch das Anjehen 
berer, welche irgenb wie fich — erwieſen 
hatten (Bekenner, Confessores), Wenn nämlich 
auch — Dodwell's (de paucitate mart., in ejus 
dissert. Cyprianic.,Oxon. 1684, dagegen Ruynatt, 


593 








Acta prim.mart. Bar. 1684) Unterfuchungen ftatt 
ber „unzähligen” Märtyrer eine weit geringere An: 
zahlanzunehmen ift, fo wurden doch noch weit mehr 
mit Gefängniß, Verbannung und Torturen aller 
Art beftraft. Aus der den Märtyrern gezollten Ehre 
entmwidelte ſich die Heiligenverehrung der Fatholi« 
ſchen Kirche. Als natürliher Ausfluß der Pietät 
ergab ſich die — ihres Gedächtniſſes, die 
Achtung ihrer Gräber und das Gebet an denſelben, 
ſowie das Gewicht, welches auf die Empfehlung und 
die Fürſprache der Märtyrer und — * 
bezüglich der Kirchenbuße der Gefallenen, gelegt 
wurde. Schon der belannte Brief der Gemeinde 
Smyrna über den Tod Polykarp's fordert die 
eier der Geburtötage (d. h. Todestage, ber himm— 
liſchen Geburtätage) der Märtyrer; man beging fie 
durd) Oblationen ( Daufgebete) führte darliber Ber: 
zeichniſſe und fchrieb —— eſchichten auf. Der 
Gedanke der innigen Gemeinſchaft zwiſchen der ſicht⸗ 
baren und unſichtbaren Gemeinde führte dann zu 
der Vorſtellung von einer Fürbitte der Märtyrer bei 
Gott. Dieſelbe knüpft ſich als beſonders wirkſam 
an den Ort ihrer Gräber; ſo wurden auch über 
denſelben Kirchen erbaut. Aus pietätsvoll bewahr⸗ 
ten Erinnerungen wurden wirkende Reliquien nach 
der Theorie einer gsi Verbindung der 
Seele mit dem Leibe; der ganze Heiligendienft 
mit der Reliquienverehrung mußte ſig folgerichtig 
entwickeln, bis das im religiöſen Glauben der 
Gemeinde Lebende durch die Theologen in der 
Lehre vom überſchießenden Schatze der Ver— 
dienſte der Heiligen in ein Syſtem gebracht 
wurde. Die anfänglich mit practifcher Tendenz 
al3 Aufmunterung zur Nacheiferung gehaltenen 
Gedädtnigreden wurden zu Huldigungäreden 
(namentlih bei den Griechen) und regten bie 
Phantafie an, melde die einfachen Lebenszüge 
weiter ausmalte; fo entftanden zunädjt die Wun: 
derfagen und Legenden mit ihren Berirrungen ins 
Abgeſchmackte, endlich faljche und geradezu erdich: 
tete Märtyreracten. 

Märtyrer, die Bierzig, find 40 Soldaten, welche 
unter Raifer Licinius zu Sebafte in Armenien 320, 
weil fie den Göttern nicht opfern wollten, auf dem 





Mäßigkeitsvereine 


Eiſe bei Nacht nackend der Kälte ausgeſetzt und ſo 
getödtet wurden. Einer fiel ab; als er aber in dem 
ieh Bade, in welches er zu feiner Rettung ge: 

acht wurde, ftarb, nahm einer feiner Hüter, ba: 
durch befehrt, jeine Stelle ein. Die Leichen wur: 
den verbrannt, die Aſche ins Waſſer geftreut. 
Gedächtnißtag: der 9. März. Die Legende ift von 
den Kirchenvätern oft homiletiſch benutzt. Vgl. 
Baronii Martyrologiumromanum, Mogunt. 1631. 

Märtyrer, Die Zehntaufend, zweimal in den 
Martyrologien erwähnt. 1) Die Chriften, welche 
in ber Verfolgung zuNicomebdien —— wur⸗ 
den, die 308 unter Diocletian ausbrach. Nach 
der einen Angabe ſoll der Brand des kaiſerlichen 
Palaſtes zu Nicomedien, den man den Chriften 
Schuld gab, die —— geweſen ſein. Doch 
ſagt Eufebins (8.6.8.8), baf man die Urfade 
nicht kenne. — 2) 10,000 Märtyrer unter Hadrian 


‚und Antonin (!), welche bei einer Empörung der 


Gadarener und Euphratefier(!) bedrängt und dur) 
die Hülfe eines Engels ſiegreich, ſich befehrten, 
dann auf Verlangen des übrigen Heeres nad) vie: 
len vergeblihen Nartern, welche das Leiden Chriſti 
nahahmten, gefreuzigt wurden. Das Ganze tft 
eine Legende und bereit von den Bollandiften 
1707 al3 unauflöslicher Widerſpruch mit der 
Geſchichte zc. verworfen. Dennoch blieben ihre 
Namen im römiſchen Martyrologium, ihre Reli: 
quien find vorhanden, wie auch eine eigene Meile 
für ihr Feſt geftiftet ift. 

Möpigkeitövereine heißen die Verbindungen, 
deren Mitglieder feierlich verſprechen, fich des Ge: 
nuffes von Branntwein und ähnlihen Getränfen 
gen zu enthalten oder denjelben wenigftens aufs 

eußerfte zu befchränten. Sie wurden hervorge: 
rufen durch das Unheil, welches die zunehmende 


| Trunffucht im Volke in fittliher und öfonomifcher 


Beziehung hervorrief und durch die Erfahrung, 
dab dem Uebel durch Geſetze und Polizeiverbote, 
woran es niemals gefehlt hat, nicht gefteuert wer: 
den fönne. Häufig wurde, namentlich in der katholi⸗ 
ſchen Kirche, den Mäßigkeitävereinen ein religiöfer 
Charakter gegeben; fo hat die Heidenmiffion an vie: 
len Stellen das Enthaltfamfeitägelübde zur Vor: 
bedingung der Taufe gemacht. Durchgehends haben 
die Mäßigkeitövereine fich nur als vorübergehende 
Wirkung einer kirchlichen Anregung gezeigt: die 
Gelübde wurden von Taufenden geleitet, aber von 
Wenigen ftreng innegehalten ; aber fie haben einen 
fräftigen Anjtoß gegeben, das öffentliche Gewif: 
fen nad) dieſer Seite gewedt, fo mit unleugbarem 
Erfolge gewirkt und groben Segen geftiftet. An 
einer Stelle, im Staate Maine, haben fie fogar 
ein Staatögefeg erlangt, welches den Berlauf aller 
ipirituöfen Getränfe unterfagt. In Deutſch— 
land gründete um 1600 der Landgraf Morik 
von Heilen einen M. Berein, dem 1617 der zu 
Gräg mit gleiher Tendenz gejtiftete St. Chri: 
ſtophsorden folgte. Doc gewann die Idee ihre 
rechte Bedeutung erſt in diefem Jahrhundert, als _ 
ich 1803 zu Bofton die Geſellſchaft von Maſſachu— 
ettö zur Unterdrüdung der Unmäßigfeit bildete. 

as gegebene Beilpiel fand Nahahmung, es 
entjtanden Taufende ähnlicher Vereine, welche ſich 
1834 in der „Mäßigkeits-Union der Vereinigten 
Staaten” zu gemeinfamem Wirken zuſammenſchloſ⸗ 
fen. Rad) Europa und zunächſt nach Irland, wel: 

es am meiften unter den Folgen der Trunkſucht 
litt, übertrug 1829 die Mäßigleitsvereine der Pre: 


Maffei 


diger John Edgar zu Belfaft. Berühmt durd) feine 
raftlofen und erfolgreihen Bemühungen wurbe 
der Dominicaner Pater Mathem (f. d. Art.), geb. 
10. Oct. 1790 zu Thomastown in Irland, 1814 
zum Briefter geweiht und in einer der ſüdlichen 
Srafihaften angeftellt, wo er das Volfselend in 
vollem Maße kennen lernte. 1833 begann er feine 
—— zu Cork, durchzog dann' ganz Irland als 
Mäßigkeitsapoſtel (the Apostle of temperance) 
und dehnte fein Arbeitsfeld aud auf Schottland 
und Amerifa aus, + 1856 zu Queenstown. In 
England hatte ſich 1831der „britifche und auswär: 
tige Mäßigkeitsverein“ gebildet; bei der weiteren 
irkſamkeit deſſelben kam ed in England zuerft zur 
Scheidung zwiſchen Mäßigfeits: und Enthaltfam: 
feitsvereinen, weld) legtere ihren Mitgliedern Cr 
den Genuß von Wein und Bier verboten. Na 
Deutfchland übertrug die Mäßigkeitsſache der Ab: 
gejandte der amerifanifhen Mäßigkeitövereine R. 
Baird 1835. Sie hatte hier dasjelbe Schickſal wie 
anderwärts, anfänglich jögernde Aufnahme, dann 
—— Agenten (Liebetrut, Böttcher, von 
Seld)„gahlreiche Vereine mit Verſammlungen und 
Eonferenzen, auch Widerftand und Angriffe (Ham: 
burg 1841), eine Fluth von Schriften über den 
Branntwein (Better zc.) und raſches Abnehmen 
und Einfhlafen aller Theilnahme feit 1848. — 
Die Gefhichte der Mäßigkeitsvereine in Amerika 
gab Baird, deutſch Berl. 2. Aufl. 1838, die „ber 

. Vereine in den norddeutſchen Bundesftaaten”, 
Böttcher, Hamb. 1847, heraus, Bal. Desjelben 
„Generalbericht über den Zuftand der Mäßigkeits— 
Reform 1854." 

Maffei, Bernhard. Cardinal, der Secretär 
Bauls Ill, geboren zu Bergamo 1514, + 1558. 
Schrieb einen Commentar über die Briefe Cicero's, 
wurde als Beförberer der Wiſſenſchaften geehrt. 

— Francesco Scipione, Marcheſe, geboren den 
1. Juni 1675 zu Berona, ftudirte im Sefuiten: 
collegium in Parma, trat 1698 in Rom ın die 
arcadifhe Geſellſchaft, madte einige Feldzüge 
mit, widmete ſich dann wieder, wie früher, der 
Literatur und ftiftete in Verona eine gelehrte Ge: 
Jenaer +11. Febr. 1753. Unter A Wer: 
ten finden fich mehrere theologijche Tractate über 
bad Duell und das Theater, Streitfchriften gegen 
den Peer big eine Ausgabe des Hilarius 
von Roitiers, Verona 1730 u. A. Außerdem für 
die Diplomatif widtig: Verona illustrata. 8Bde. 
Berona 1731—32. Gejammtausgabe feiner Werke: 
Benebig 1790. 21 Bde. 

— oh. Peter, oder Giampietro, geb.zu Bergamo 
um 1536, 71603 zu Tivoli, trat in den Orben Jefu 
1565 und war Profeflor der Eloquenz im Colle— 
gium, Er wurde nad Portugal berufen, um bie 
Geſchichte Indiens zu ſchreiben (Hist, Ind. libr. 
XVI, bejte — Köln 1593), und von Gregor 
XIII. mit der Geſchichtſchreibung ſeines Pontifi— 
cates beauftragt (herausg. v. C. Coquetines, Rom 
1743). Außerdem ſchrieb er die Geſchichte Loyola's 
De vita et moribus S. Ignatü Loy. Qened. 1685. 
Aus Sorge, die Reinheit feiner eleganten Latini— 
tät zu verderben, foll er mit päpftlicher Erlaubniß 
das Brevier griehifch gebetet haben. Bal. J. P. 
Maffei, Opera omnia latine scripta. 2 ®be. Ve: 
rona 1747, 

— Vegius, Kanonilus zu St. Johann im La: 
teran, wurde geboren zu Lodi 1407, + 1458 in 
Rom. Ein feingebildeter theologiſcher Schriftfteller. 


594 


Magdalenum 


Bon feinen Schriften ift Die befte der Tractat über 
riftlihe Kindererziehung. Paris 1511 u. 5. Au⸗ 
ßerdem: Ueber die Beharrlichkeit in der Religion, 
von der egilirten Wahrheit, den legten Dingen, 
Biographien ꝛc. 

agarlta, Magarites. Bei einigen Schrift: 
ftellern des Mittelalters Benennung für Die Apo: 
ftäten von der hriftlichen Religion, namentlich für 
die zum Islam übertretenden, die jegt Renegaten 
heißen. Der Name ift wahrſcheinli eleitet von 
ro ueyapov dad Allerheiligite im Delpbifchen 
und überhaupt in heidniſchen Tempeln. 

Magdala. Ein Ort am See Tiberias, Mattb. 
15, 39 (Marc. 8, 10 heißt er Dalmanutha). Rad 
den Meiften der heutige DOrtel Medſchdel, am 
Weſtufer des Sees, nörblid vom See bei Tiberias. 
Geſenius hielt M. für das altteftamentlihe Mig: 
dal:EI (of. 19,38). AusM. ſtammte Maria Mag: 
dalena (f. d. Art.). 

Mogdalena de Pazzi, eigtl. Catharina, geboren 
1566 zu Florenz, trat jhon 1584 in das dortige 
Karmeliterinnen:Klofter St. Frigidian, wo fie ſich 
einer äußerft jtrengen Askeſe ergab. In Folge der: 
felben fiel fie in eine gefährliche Krankheit, in der 
ſich efftatifche Zuftände entwideiten, in welden fie 
Geſpräche mit den gg und der Dreieinigfeit 
führte. 1590 genejen, führte fie im Klofter als 
Lehrerin, Novizenmeifterin und Unterpriorin ei: 
nen aftetifh :erbaulihen Wandel. + 1607. Sie 
wurde alsbald von Urban VIII. 1607 jelig, von 
Alexander VII. 1669 heilig geſprochen. Ihre Schrif: 
ten erſchienen Benedig 1739. Vgl. Acta sanct. 
25. Mai. : 

Magdalenerinnen. Der Orden von der Buße 
ber h. Magdalena. Klöſter diefes Drbens, deflen 
Zweck die Aufnahme und Rettung gefallener Mäd⸗ 
den war, finden fich in Deutſchland ſchon im 12. 
Jahrhundert, ohne daß ihr Stifter befannt wäre. 
Bon den Päpften erhielten fie manche Privilegien. 
Gegen ihre urjprüngliche Beitimmung nahmen fie 
aber bald nur unbefcholtene Jungfrauen auf. Nach 
ihrer Tracht hießen fie die weigen frauen. In 
— — ſtiftete die Genoſſenſchaft nach der Regel 

uguſtin's Bertrand. In den Ordensſtatuten des in 
Paris gegründeten M. Klofters von 1497 findet ſich 
wieder bie Beftimmung, daß nur Gefallene aufge: 
nommen werben bürften. Wegen der allmählich ein: 
gerifienen jehr ungebundenen Lebensweije wurde 
eine Reformation nöthig und der Orden 1629 erft 
den Religiofen der Heimjuhung Mariä, danach ben 
Urfulinerinnen, endlich den Hofpitaliterinnen von 
der Barmherzigkeit Jeſu unterftellt. Die Mitglie: 
der zerfallen in drei Claſſen.“ Die erfte, ver h. 
Magdalena, umfaßte die eigentlichen Klofterfrauen, 
die zweite, der h. Martha, die, welche das Gelübde 
nicht ablegen fonnten oder durften; dieſen ſtand 
ber Rüdtritt in die Welt und die Ehe offen; bie 
britte des heiligen Lazarus zählte diejenigen, wel: 
he gegen ihren Willen zum Zwecke der Zucht und 
Befjerung dem Klofter übergeben waren; jie wur: 
ben, wenn fie ſich gebefiert hatten, entlaflen. 

dalenum, allgemeine Bezeihnung der in: 
nerhalb der evangelifhen Gemeinde errichteten 
Anjtalten zur Rettung gefallener Mädchen. Solche 
beitanden ur im vorigen Jahrhundert zu Lon⸗ 
don; die erfte, das Magdalenen-Hospital, wurde 
1758, diezweite, the Lock Asylum, 1787 gegrün: 
det, denen dann, namentlich in den legten Lahr. 
zehnten ähnliche Stiftungen in den meiften Städ: 


Magdeburg 


ten des Yandes nachfolgten. In Deutichland wur: 
be bie erfte 1822 in Hamburg errichtet; dienächfte 
ründete Fliedner 1833 in Kaiferöwerth; die Ans 
t jegt zugleich etwa 25 Mädchen; 

ihr folgte 1843 das Berliner Magdalenenftift, auf 
40—50 Bfleglinge berechnet, dann 1854 das M. in 
Neubetteldau, von Löhe geftiftet, 1856 Bethfeda bei 
Boppard mit jährlich etwa je 10 Perſonen. Seit: 
ber mehrten fich dieſe Anjtalten in Deutichland 
von Jahr zu Jahr. Aehnliche beitehen in Frank⸗ 
reich, in Paris (feit 1841) und in Straßburg (le 
refuge protestant, 1842 eröffnet), ferner in der 
Schweiz, in Dänemarl, Rußland ıc. Das Haupt: 
verbienft um ihre Ausbreitung erwarb fi Dr.D. 
G. Heldring, Prediger in Hemmen (Gelderland), 
beffen im Jahre 1848 in Steenbeet, zwiſchen Nym: 
wegen und Arnheim gegründetes Aſyl außerdem 
allen neueren M. zum Vorbild gedient hat. Sein 
Hauptgrundfag iſt: Somohl der Eintritt in die 
Anftalt wie der Aufenthalt in derſelben ſoll ein 
eg freiwilliger fein. Durchſchnittlich bleiben 
die Mädchen zwei Jahre im Afyl; der Zweck der 
Erzie nr neben dem allgemein hriftlichen, fie 
zu geſchickten Dienftboten zu machen; die Mittel 
find Arbeit und religiöfe Unterweifung mit Fern: 
haltung alles Höfterlichen Wefens. In der fatho- 
liſchen Kirche ** — Anſtalten ſowohl 
im Anſchluß an Klöſter (Soeurs de Marie et Jo- 
seph), als in freier Vereinsthätigkeit. Die erſte der: 
artige Stiftung rührt von Ludwig IX. (1226— 
1270) von Frankreich her, ähnliche wurden von 
Jean Zifferand 1492, Joh. Milicz (j. d. Art.) 1398, 
Robert de Monty 1618, Marie von Miramion 
(f. d. Art.) 1665, gegründet. Den evangelijchen 
M. ftehen am nächften bie Häufer vom guten Dir: 
ten, zu deren Stiftung eine PBarifer Näherin, La: 
combe im vorigen Jahrhundert die erfte Anregung 
gab; doc) unterjcheiden fie fih von den erfteren 
durch die mehr Hlofterhafte Einrichtung. Val. Dr. 
E.Herbit, die Magdalenen:Sade ꝛc. Elberf. 1867. 
Magdeburg, das Erzbisthum. Unverbürgt ift 
die Nachricht, daß Karl der Große ein Bisthum zu 
Schildern in der Herrſchaft Schwalenberg geftiftet 
habe, welches dann, nad) Falleröleben, durch Hein: 
ri J., nad) Krefe, dur Dtto I. nad) Magdeburg 
verlegt ſei. Sicher ift erft die Einrichtung des Erz⸗ 
bisthums 968— 70 durch Dito 1., weicher Magde: 
burg baute und erweiterte. Er gründete das Bene: 
dietinerflofter, welches danach die eigen der 
Erzbifchöfe wurde und an dejjen Stelle Klofter 
Bergen erbaut worden ift. Als Suffraganbisthli: 
mer wurben Magdeburg untergeorbnet die unter 
den Slaven neugeitifteten Bisthümer Meiſſen (ge: 
ftiftet 988, vom Bapfte beftätigt 968), Zeig-Naums 
. (geft. 968), Halberftabt (get. 786, von Karl 
d. Gr.), Havelberg (geft. 946), Brandenburg (geit. 
940). Der r rzbiſchof war Adelbert (I68— 
y8l); find bis zur —— 4 Erzbiſchöfe 
und 3 Adminiſtratoren gefolgt. Der kirchlich be: 
deutendſte unter ihnen ift Norbert 1126—84, der 
Stifter des Prämonſtratenſer-Ordens, der dieſem 
Orden im Erzſtifte mehrere Klöſter überwies. Die 
Erʒbiſchöfe hatten als weltliche Herren wiederholte 
Kriege gegen die angrenzenden Slaven zu führen, 
auch gegen Heinrich IV., Heinrich den Löwen und 
fig mit den Markgrafen von Brandenburg, jo: 
wie gegen bie Bürger von Magdeburg und Halle, 
deren Rechtäverhältniß zu den Erzbiſchöfen immer 
unficher blieb, Auch in den Huffitenkriegen hatte 


595 


Magdeburg 


das Stift viel zu leiden. Das Burggrafenthum 
Magdeburg ftand urjprünglich beim Haufe Sachſen, 
war aber an das Erzitift jelbft verpfändet und 
wurde erit 1538 von Johann Friedrid) von Sad: 
fen wieder eingelöft, um der Reformation einen 
Schut gewähren zu fönnen. Die Retibenz ber Erz: 
bifchöfe war jeit Wichmann (1152— 92) Giebichen: 
ftein bei Halle; Erzbifchof Ernft erbaute 1503 die 
neue Rejidenz der Morigburg in Halle. Den Dom 
zu Magdeburg baute Hunfried 1024— 52 au; er 
brannte 1207 gänzlich ab, und der Neubau wurde 
erft 1863 zum gottesdienftlichen Gebrauch geweiht. 
Die Neformation fand in Magdeburg raſchen und 
willigen Eingang, fo daß Erzbifhof Albrecht, zus 
leih Aurfürft von Mainz, als feine Gegenbemü: 
——— vergeblich blieben, das Stift verlieh. Erz: 
biſchof Johann Albert 1545—50 mußte vor jeinem 
Regierungsantritt den Wittenberger Bergleich ge: 
nehmigen, weldyer freie Religionsübung zufagte. 
Die Stadt trat bereits 1526 dem Torgauer Bünd— 
niß bei. Nah dem Schmalfaldifhen Kriege ward 
ie der Zufludtsort der vertriebenen lutheriſchen 
heologen und der Mittelpunkt des literariſchen 
Kampfes gegen das Interim (Unjeres Herr Gottes 
Ganzley), von wo «ine won Flug: und Spott: 
fchriften ausging. Vom Kaiſer auf dem Augs— 
burger Reihötag 1550 in die Acht erklärt, mußte 
fi) Magdeburg am 5. November 1551 an Morig 
von Sadjen unter milden Bedingungen ergeben. 
Dem legten päpftlich beftätigten Erzbiſchofe Sigis: 
mund 1553—66, welcher aber zum Broteftantis: 
mus übertrat, folgte der poitulirte Erzbiſchof Joa— 
him Friedrich, jpäter Hurfürft von Brandenburg. 
Mit der Wiedereröffnung des feit 1546 gejchlofje: 
nen Domes zum evangelifchen Gottespienft war 
bie Einführung der Reformation vollendet, die hier 
1577 aud nad) einer andern Seite hin durch die 
Concordienformelzu Klofter Bergen bei Magdeburg 
zum Abſchluß fam. Wie Joachim Friedrich ver: 
mählte fi) auch fein Sohn und Nachfolger Chris 
ftian Wilhelm ald Adminiftrator 1598— 1631. Im 
dreißigjährigen Kriege mußte Chriftian fliehen, das 
Domcapitel ihn entjegen und Auguft von Sachſen 
wählen. Als die Stadt Chriftian wieder aufnahm, 
folgte die berühmte Belagerung und Erjtürmung 
am 10. Mai 1631 durd Tilly. Im Weftpbälifchen 
Frieden fiel Magdeburg, gänzlich jäcularifirt, an 
Brandenburg, doc behielt Auguft Zeitlebens die 
Adminiftration. Er erließ die Magdeburgifche Kir: 
chenordnung 1652. Die beiden Brätendenten, Chri: 
ftian Wilhelm und der vom Kaifer defignirte Erz: 
herzog Leopold Wilhelm, wurden ——— — 
In der neuern Kirchengeſchichte Magdeburgs iſt 
1840 das Auftreten des Predigers Sintenis zu 
bemerken, welcher die Anbetung Chriſti für Aber: 
glauben erflärte und mit Suspenfion bedroht 
wurde, in Folge deffen in Magdeburg eine große, 
aber durch das vorfichtige Auftreten der Kirchen: 
behörde bald wieder beſchwichtigte Aufregung ent: 
ftand ; ferner die Bildung ber freien Gemeinde burd) 
uhlid 1848, nachdem er feiner Pfarrftelle durch 
das Confiftorium 1845 entjegt war. Magdeburg 
ift der Sit des Gonfiftoriums für die Provinz 
Sadfen. Val. Job. Ch. von Dreyhaupt, Pagus 
Neletiei et Nudziei, oder Bejchreibung des zum 
ehemaligen Primat und Erzitift, nunmehrigen 
Herzogtum Magdeburg gehörigen Saalkreijes. 
1755. Rathmann, Geſch. der Stabt Magdeburg, 
4 Bde., Magdeburg 1800—17. Hoffmann, Chronit 


Magdeburger Genturien 


der Stadt Magdeb., 3 Bde, Magdeb. 1843—47. 
Magdeburger Genturien, S. Genturien. 
Mageth, Mafed, Stadt in Gilead, welche Mat: 

fabäus eroberte, 1. Malt. 5, 26—36, 

Magie hat —* Urſprung im chaldäiſchen Re: 
ligionsweſen. Aus dem urſprünglichen einfachen 

Naturdienſt der Babylonier, welcher in der Sonne 

das zeugende und belebende Urprincip erfannte, 

entwickelte ſich bald ein Dienſt der Geſtirne. Indem 
man nämlich das Sonnenſyſtem erkannte und bie 

Uebereinſtimmung — den Erſcheinungen am 

Himmel und denen des irdiſchen Naturlebens 

beobachtete, ſchloß man auf ein Cauſalverhältniß 

der erjteren zu diefen und fchrieb den Geftirnen 
eine nähere Beziehung zu dem Menden: und 

Erbenleben zu ; maßgebend für dieſe mußten ebenfo 

wie für das Naturleben die Conftellationen der 

Geſtirne fein, aus denen man alfo verfuchen konnte, 

den Willen der Gottheit zu erforfhen. Die Aſtro— 

nomie, mit welcher von jeher die Briefter der Ba: 
bylonier fi beſchäftigt hatten, trat als Aftrologie 
auf, mit welder naturgemäß Traumbdeuterei, Wahr: 
fagerei u. dgl. fid) verband. Sobald aber die durch 
die Sterne beftimmten Geſchicke aus gewiffen Zei: 
hen und Conftellationen erkannt wurden, lag es 
nahe, dieſen Zeichen und Formeln jelbft eine felbft: 
ftändige Bebeutung zu geben. Es mußte aber 
das Streben, dem unheilvollen Geſchicke zu ent: 
gehen, dazu führen, jenen Zeichen und Formeln 
andere —ãA7 denen die Macht innewoh⸗ 
nen ſollte, den Einfluß der Geſtirne und der in 
ihnen waltenden göttlichen Kräfte zu wenden, um 
fo mehr, als die häufige Täuſchung der als unfehl: 
bar vorausgejegten Aftrologie eine durch unbe: 
fannte Kräfte bewirkte Wandlung bes Gefchides 
anzunehmen zwang. Die Berührung der Perfer 
mit den Medern, welche den Babylonifchen Stern: 
dienft angenommen hatten, übertrug einerfeitö auf 
die Erfteren den Magismus, welcher Zoroaſter's 

Lehre und bem Zend: Avefta urſprünglich fremd 

gewejen war, andererfeitö entnahm auch biefer 

wieder für fi den Gedanken der in Natur und 

Menichenleben wirkenden böfen Geifter, von wels 

chen die —— Wirkungen auf die Menſchen 

ausgingen. Die Magie ſtellte ſich demnach die Auf: 
gabe, durch geheime Mittel, die nur den Einge— 
weihten bekannt waren, ben böfen Geiſtern zu be— 
gegnen und ſie zu zwingen, von ihrem Willen ab— 
zuſtehen, und ſich dem Willen des Menſchen unter: 
uordnen. Der allgemeine Verfall der altheidni: 

(en Religionen, der mit dem Sinken ber Religio« 

fität und der Sittlichkeit zunehmende Aberglaube 

bahnte der Magie und ihren angebliden Zau— 
berfünften den Weg nad) Griechenland und Rom, 

wo ſich Magier (Chaldäer) als a 

deuter, Zauberer und Beichwörer in folder Menge 

umbertrieben, daß häufig über ihre Ueberhand: 
nahme geflagt und durch —— ihnen der 

Aufenthalt in Rom unterſagt wurde (unter Sulla, 

Auguſtus, Tiberius, Caracalla, Diocletian). Ge— 

wiß umfaßte die magiſche Geheimlehre, welche 

zugleich mit den aſtronomiſchen Kenntniſſen als 
ein alleiniges Eigenthum der chaldäiſchen Prie— 
ſter unter dieſen ſich fortpflanzte, neben aber— 
gläubiſchem Trug auch manche tiefere Kennt— 
niß der Naturkräfte, deren Wirkung dem Unein: 
—— als Zauber erſcheinen mußte. Den Glau⸗ 
en an die Magie konnten ebenſowenig die Verbote 
der chriftlichen Kaifer, ſich ihrer zu bedienen, zer: 


596 


Magier 


ftören, als das anfängliche Chriſtenthum, weldes 
darin das Wirfen ber Dämonen jah, demzufolge 
aud die Wunder der Ketzer ald Wirkungen ber 
Magie erklärt wurden. So pflanzt ſich der Glaube 
an die Magie durch das ganze Mittelalter fort und 
fand im Stubium der Kabbala und ber Alchymie 
neue Nahrung. Die Fortfegung war dann berpopu- 
läre Teufel: und Herenglauben. Spurender Magi 

finden fich übrigens bei —* allen Völlern, als e 
theils der Unbekanntſchaft mit dem Naturgeſetz, theils 


einereinfeitigreligiöfen(aber erg ringe 
ber Dinge. Der Unterfdieb ea unders von ber 
magifhen Wirkung befteht darin, daß das Wunder 


als ein Einmirten des abfolut freien göttlichen 
Willens aufden Naturzufammenbang, ungehemmt 
dur die fonft waltenden Naturgefege, zu faflen 
ift, die magifhe Wirkung dagegen zwar auch von 
einer geiftigen (dämonifchen) Kraft ausgeht, die 
ebenfalls für frei vom Naturgejek gilt, daß aber 
ber wirkende Geift felbft nicht frei tft, jondern zu 
feiner Wirkſamkeit durch ein, wenngleich geheimniß⸗ 
volles, doch irdiſches Mittel gemungn ift. In der 
Magie fteht die Erfenntniß, daß das Irdiſche Wir: 
fung und Dffenbarung des Geiftes fer, noch unter 
dem Banne des nicht völlig überwundenen Glau: 
bens an bie Unbedingtheit und Abjolutheit ber 
Natur felbft; daher macht fi aud im Chriften: 
thum in gefunfenen Perioden und in den Volls⸗ 
meinungen der Glaube an Magifches immer wie: 
der geltend. Selbft die um hat fi) noch nicht 
ganz davon frei machen können. Die katholische 
Lehre von der Weihe, dem Exorcismus, den Sa- 
cramenten, ftreift hart an da8 Magiſche an. Auch 
die evangelifch:lutherifche Lehre von den Sacra: 
menten hat derartige Gedanken nicht völlig über: 
wunden. 

Magier heißen die Prieſter der Chaldäer, Meder 
und Perſer. Wenn der Name, wie wahrſcheinlich, 
indogermaniſchen Urſprungs, ſo iſt er von den ari⸗ 
ſchen Einwanderern auf die Prieſter des von ihnen 
vorgefundenen und angenommenen Naturdienſtes 
übertragen. Die Meder übernahmen wahrjhein: 
lid) den Namen ber Priefter mit der Religion bei 
ihrer Herrfchaft Über Babylonien. Aehnlich über: 
trug fich der Name auf bie Perſer, ald durch die 
Meder chaldäiſche Religionsbeftandtheile in die 
Zendlehre —— Vorher wurden von den 
Perſern die Gegner ihres Glaubens als Magier ver: 
Da die chaldäiſche Weisheit ſich unter ben 

eftern fortpflanzte, fo bezeichnet Magier in ber 
Bibel bei den Propheten und fonft überhaupt bie 
Weiſen und Gelehrten der Chaldäer. Im ſpätern 
Gebrauch des Wortes iftdie Beziehung auf Wahr: 
fagerei, Zaubereiund Befhwörung, womit bie hal: 
däifchen Priefter fich vielfach abgaben, vorherrichend 
eworden. Als gleichbedeutend mit Magier wird 
Shaldäer gebraudit, 4. B. Dan. 2,2. Häufig er: 
wähntmwerben die Magier bei den Propheten, Jer. 
89, 3. 13; Dan. 2, 2. 12.24. 27; 5, 7.8.11. Daß 
die Matth. 2, 1—12 erwähnten Magier aus dem 
Morgenlande drei Könige geweſen jeien, deren 
Namen (Caspar, Melchior und Balthafar) und 
fogar Leichname zu finden man das Glüd — 
wollte, ift erſt aus den drei „öniglichen“ Geſchen⸗ 
ken geſchloſſen worden. Das Alterthum dachte bei 
ihnen richtiger an Aſtrologen. Auch Neuere bringen 
„den Stern“ der Magier mit der Conjunction des 
Jupiter und Saturn im Sternbild der Fiſche (747 
a. v. o.) auf welche zuerſt Kepler aufmerkſam machte, 


Magister sacri palatii 


in Verbindung. Dagegen: Anger bei Niebner, 
Zeitſchr. für hiſtor. Theologie 1847. 

Magister sacri palatii, hatte eig 
nur bie Verpflichtung, die Hausgenoffen und Die: 
ner des Bapftes und der Garbinäle in ihren Muße: 
ſtunden in ber chriftlichen Lehre und der heiligen 
Schrift zu unterweifen. Die freiwillig vom heil. 
Dominicus Üübernommene Arbeit wandelte Hono⸗ 
rius III. 1218 in eine Würbe, welche ftet3 von 
einem Dominicaner belleidet fein follte. Später, 
unter Eugen IV. (1486), wurde ihm bie Genfur der 
in der päpftlichen Gapelle zu baltenden Predigten 
übertragen, 1515 die Genjur aller in Rom gedrud: 
ten Bücher; von jeiner Bewilligung follte ferner 
bie Beröffentlihung von im Ausland gebrudten 
Büchern abhängen. Bon allen ihm gewordenen 
Borrechten hat ſich nur die Cenſur erhalten. 

Magnentius, Flavius Magnus, der Anführer 
der fatjerlihen Leibgarbe der Jovianer und Her: 
eulianer,ftürgte durch eine Verſchwörung 350 n.Chr. 
ben Kaiſer Conſtans zu Auguftodunum (Autun) und 
warf fi zum Kaiſer auf. Im Glüd übermüthig, 
lehnte er den Vergleichsvorſchlag Conſtantin's ab. 
Bei Murja 352 geichlagen, er nad Gallien 
unb töbtete fich jelbft 353. Um die Völler für fich 
zu gewinnen, begünitigte er das Heidenthum in den 
germaniſchen Provinzen und, freili vergebens, 
die Orthodorie des Athanaſius es dem Kreu⸗ 
* auf ſeinen Fahnen war er ſelbſt Chriſt. 

agniflcat, der Lobgeſang der Maria, Luc. 1, 
46—55, fo genannt nad) jeinem Anfangswort in 
der Bulgata. In der römischen Kirche wird er täg- 
lid) in der Befper des Oificium divinum gebetet, 
in der morgenländifchen Kirche gehört er zur Sonn: 
tagsmette. Cäjariusvon Arles ſoll das Magnificat 
als Hymnus in die römijche Kirche eingeführt ha: 
ben. Metrifche Bearbeitungen als Choral finden 
id einige in dem Liederſchatze der evangelifchen 

irche. 

Magnus, Magnoald, Maginald, Mangold, 
Mang, ſchloß fich mit feinem Freunde Theodor dem 

il. Gallus an, nad) deffen Tode (655) Magnus der 

iederlaſſung St. Gallen vorftand. Bei dem Ueber: 
fall des Stift durch die Franken, wobei die Mönche 
verjprengt wurden, blieben die beiden Freunde 
allein zurüd, erlitten viele Mifhandlungen, erhiel: 
ten aber von Biſchof Bosto von Conſtanz Hülfe. 
Die Nachricht, daß fie jih nah Schwaben gewen: 
det und dort das Klofter Füſſen gejtiftet Hätten, ift 
fehr unzuverläffig. Eine Biographie Magnus’ fin: 
det ſich Berk Mon. II; eine andere aus dem 10. u. 
12, Jahrhundert, jedoch von — igem Cha⸗ 
rakter, in einem Goder zu St. Gallen iſt in ihrem 
zweiten Theile aus dem 10., im ersten aus dem 12, 
Jahrhundert. Wegen der argen hiftorijchen Ver: 
ftöße verwarf fie er Mabillon. Bal. Nettberg, 
Kirchengeſchichte II, 148 ff. 

909, 1. 05. 10,2, die Scythen. Sie zwangen 
den Meder Ryarares zur Unterbredung ber Be: 
lagerung Ninives und en nad) Herodot 
(I, 103—-106) 28 Jahre lang in Afien. Gegen 624 
v. Chr. zogen fie gegen Aegypten, wurden aber 
von Pfammetich jzur Umkehr bewogen. Mande 


597 


Mahlzeit 


Joh. 20 nimmt Gog und Magog als Bezeihnung 
der legten Feinde bes Gottesreiches. Val. Goa. 

Magyaren, Ungarn. Bor den Petſchenegen aus 
ihrem Stammlande in Aften weidhend, hatten fie 

ich erft mit ben Chazaren vereinigt, dann, von 
ihnen getrennt, die Nord: Weft:Küifte bes Schwar: 
zen Meeres bewohnt. Jm Bunde mit den Bulga: 
ren und Arnulf von Kärnthen befämpften fie die 
Mähren, dann, von Byzanz angereist, die Bulga: 
ren, bis die Betichenegen, von diefen zu Hülfe ge: 
rufen, ihr Heimathland eroberten und vermüfteten. 
Sie fuchten fi nun neue Wohnfige an der Donau, 
von wo aus fie auf Raub: und Kriegszügen Jta: 
lien (Schlacht an der Brenta 899), Deutfchland 
bis nad) Zothringen und die —— mit dem ſüd⸗ 
lichen Frankreich verwüſteten, bis die Niederlage 
auf dem Lechfelde 955 fie für immer in ihre Gren⸗ 
zen wies, Jhre Wildheit und Graufamfeit war der 
Schreden der Zeit; fie ftanden noch aufder nen 
Stufe der Gefittung. Ihre Religionsbegriffe find 
wenig befannt, fie glaubten indeß, fo viel fteht feit, 
an ein höchſtes Wefenundan eine Unfterblichkeit; ihr 
Gottesdienft kannte weder Tempel noch Gößenbil: 
der, aber blutige Opfer, jedoch feine Menfchenopfer. 
Zugleich mit der Begründung eines feitern Staats: 
lebens unter Geifa und unter-dem Schuße feiner 
Gemahlin Sarolta, einer Chriftin, fand das Chri— 
ſtenthum allmählichen Eingang, vornämlich durd) 
die Bemühungen des eh Piligrim von Ba: 
ſau und den Miffionseifer des Erzbiſchofs Adal: 
bert von Prag. Geifa’s Sohn Woik lieh fi 994 
taufen und zogaus Bayern und Böhmen driftliche 
Glaubensboten ind Land, unter ihnen die Mönche 
Radla und Aitrif, mit deren Hülfe er Klöfter und 
Bisthümer ftiftete und in Gran ein Erzbistum 
errichtete. Ihm fandte Syivefter II. eine goldene 
Königstrone. Unter dem Namen Stephan des Hei: 
ligen ehrt ihn Ungarn als feinen Gefeßgeber und 
Gründer des Reiches (vgl. Ungarn). Als jein Nach⸗ 
folger Beter, welcher mit deuticher Hülfe fich feines 
Gegenlönigs Aba entledigt hatte, den Magyaren 
verächtlich geworden war, erhob ſich unter An: 
dreas 1041—61 ein Sturm gegen das Chriften: 
thum, und heibnifche Sitten wurden wieder mit 

leiß gehegt. Doch erließ noch Andreas felbft Ge: 
etze gegen das Heidenthum und zum Schuß bes 
Chriſtenthums. Einen Aufftand der heidniſchen 
Partei dämpfte Bela 1061, aber noch die Könige 
Ladislaus 1077—95 und Koloman mußten ſtrenge 
—* zur Ausrottung der heidniſchen Sitten er: 
laſſen. 

Mahlzeit. Daß die gewöhnliche Stunde der 
Hauptmahlzeit bei den Hebräern gegen Abend war, 
kann aus der beibehaltenen Sitte der Eſſener und 
der heutigen Beduinen ſowie aus Stellen wie 1. Moſ. 
31,54; 1. Kön. 17,6; 2uc. 14, 12 gefchlofien wer: 
den. Dagegen jcheinen für den Mittag zu ſprechen 
1. Mof. 43, 16.25. Im Alterthum aß man ſitzend, 
1. Moj. 27, 19; Richt. 19, 6, fpäter aber, jhon zu 
Amos’ Zeiten, Am. 6,4, liegend auf Divanen, auf 
den linten Arm geſtützt, wobei der rechts liegende mit 
dem Hinterlopfe an die Bruft des Nachbars reichte, 
Joh. 13, 23. Die Speifen wurden auf die niedri: 


Ausleger finden in Jer. 4, 6 ff. die Scythen ge: | gen Tiſche zerfchnitten aufgeſetzt und mit den Fin: 


meint, gegen bie auch Zephanja (1,7; 3,15) ge: 
weifiagt haben foll. In der Erinnerung an fie 
ſchildert Ezechiel 38. 39. die Gefährdung Jfraels 
durch diefen Feind aus dem äußerften Norden, 
ber dennoch, befiegt werden würde. Die Offenb, 


gern genommen, die Brühe mit eingetunftem Brob 
genoſſen, Matth. 26, 23. Zwiſchen dem Eſſen und 
nad) ber Mahlzeit wurde Wein getrunfen. Bor und 
| nad dem Ejjen wurden die Hände gewaſchen. Das 
! Tifchgebet, urjprünglih nur ein Segenswunid, 


Mai 


und das Dantgebet ſetzten fich ſpäter aus beſtimm⸗ 
ten Formeln zufammen; die Safungen ber Rab: 
zn darüber enthält der Tractat Berachoth 
0.6—8. 

Mai, Angelo, Cardinal, einer der bebeutenderen 
Gelehrten der katholifchen Kirche, war am 7. März 
1782 auSchilparioin der Brovinz Bergamo geboren. 
Seinem Lehrer, dem Er Jefuiten Aloyfius Mozzi, 
nad) Eolomo (in Parma) folgend, trat er 1799 in 
die Geſellſchaft Jeſu, lehrte 1804 in Neapel Hu: 
maniora und ftudirte nad) der Bertreibung ber 
— im Collegium Romanum Theologie. In 

rvieto zum Rriefter geweiht, legte er ſich vor: 
nehmlich auf die Paläographie. Seinen Ruhm 
begründete er durch die Entdedung literarifcher 
Schätze auf der Ambrofianifchen Bibliothef in 
Mailand und die Entzifferung vieler Balimpfefte. 
1819 berief ihn Pius VII. unter Entbindung von 
feinem Drdensgelübde zum Bibliothefar der Ba: 
ticanifchen Bibliothef. Während er zu den hödy: 
ten tirhlichen Würden emporftieg, Canonicus im 

atican, römifcher Prälat, apoftolifher Protono- 
tar, Secretär der Propaganda und endlich 1838 
Cardinal wurde, entwidelte er eine fortgejehte 
und angeftrengte literariiche Thätigkeit in Heraus: 
gabe einer langen Reihe von noch ungebrudten 
chriften der Claffiter und der Kirchenväter, wo: 
von die wichtigften in vier Sammlungen zujam- 
mengefaßt find: 1) Scriptorum veterum nova 
eollectio e Vaticani codd. edita Rom. 1825— 
38; 10 Bde.; 2) Auctores classici e Vaticani 
eodd. editi, Rom. 182888. 10 Bbe.; 3) Spiei- 
legium Romanum, Rom. 1839—44, 10 Bände. ; 
4) Nova patrum bibliotheca, Rom, 1844—54. 
7. Bände. Diejenige Arbeit Mai’s, welche für 
die Theologie die wichtigste hätte werben follen: 
Vetus et Novum testamentum ex antiquissimo 
codice Vaticano, ed. A. Mai, die Herausgabe der 
Vaticaniſchen Handicrift, hat den Erwartungen 
nicht entiprochen, auch, bereits 1837 vollendet, dem 
Urheber jelbft nicht genügt, jo daß fie nad man- 
nigfachen Correcturen und Berbefferungen erjt 
nad Mai's Tode (+ 1854) durch den Barnabiten 
C. Bercellone and Licht trat. Sie enthält den Tert 
der amtlihen päpftlichen Ausgabe Sixtus' V. von 
1587, in welchem die Lesarten der Handirift, und 
dies nicht ganz vollftändig und kritiſch nicht ge— 
nügend, angebracht find. 
ai⸗Andacht nennt man die Gebete und gottes« 
dienftlihen Feiern, welde zu Ehren der Jungfrau 
Maria .. des Monats Mai verrichtet wer: 
den. Ein Ausfluß des in der neueren Zeit geſtei— 
gerten Mariencultus, hat fich dieſe Sitte von Ita: 
lien aus verbreitet. Pius VII. begabte fie durch 
ein Breve von 1815 mit vielen Abläflen. ‘ 

Mailand, das Erzbistfum. Die kirchliche Sage 
ſchreibt die Einführung des Chriftenthums in Mat» 
land dem Barnabas zu und läht als erften Biſchof 
durch ihn den Anatolon eingefegt werben. Zu An: 
jehen gelangte die Kirche von Mailand, alö die 
byzantiniſchen Kaiſer dort ihre Nefidenz nahmen, 
und durch den Ruhm ihres größten Biſchofs Am: 
brofius 374—97. Lange bewahrte die Mailändifche 
Kirche ihre Unabhängigkeit von Rom wie Aquileja 
und rettete damit ihre eigene, jogenannte Ambro: 
ſianiſche Liturgie, welche aus dem Morgenlande 
ihren Urjprung genommen und jchon vor Ambro» 
find beftanden haben mag. Unter den longobar: 
diſchen und fränkiſchen Königen behauptete Mailand 


598 


Lehensgüter erließ. Aber das harte 


Mailand 


als erſter Bifchoffik des italienifhen Königreichs 
eine Stellung, ähnlid; der Roms zu den Kaifern. 
Der Erzbifchof, welcher früher vom Volke, jett 
allein vom Domcapitel, gewählt und vom Kaifer 
nur beftätigt wurde, beſaß große Reichölehen und 
hatte durch dieſe und das Recht, den lombardiſchen 
König zu frönen, mächtigen politiſchen Einfluß. 
Aud waren alle lombarbifhen Biihöfe von ihm 
Den Gipfel der Macht erreichte Erz: 
bifchof Aribert (+ 1045) durch die Gunft des Kai⸗ 
ferö Konrad II, jo daß er den Gedanken faſſen 
tonnte, mit Rom zu rivalifiren. Aber unter ihm 
begann auch der Umſchwung. Als er über den nie- 
berentehnsadel, die Balvafjonen, eine unbeſchrãnkte 
Gewalt geltend zu machen verfuchte, rief dieſer den 
Schuß Konrad's II. an, welcher dadurch veranlaft 
die berühmte Gonftitution über das Erbrecht der 
Berfahren des 
Kaiferd gegen den Erzbifchof, den er abſetzte und 
durch einen von ihm Ernannten erſetzen wollte, 
ewann bem Aribert wieder alle national Gefinn: 
en. Bejonders durd die Treue der von ihm frei 
und wehrhaft gemachten Bürgerſchaft, welcher er 
aud ihr berühmt gemorbenes Feldzeichen gab 
(Garroccio, ein großes Crucifix, Darüber ein gol: 
dener Apfel, an beiden Seiten Fahnen, gefahren 
auf einem Wagen), konnte er fi in dem belager: 
ten Mailand felbft gegen die faiferlihe Macht hal: 
ten. Die Barteifämpfe zwifchen der freien Bürger: 
Schaft und dem Adel wurden unter Aribert’sRactol 
er, bem laijerlich gefinnten Guido, noch erbitterter. 
ie „PBataria“ (j.d. Art.) juchte die Macht bes Bi: 
—* und bes Adels durch Anſchluß an Rom zu be: 
ränlen, fie eiferte unter Ariald und Landulfgegen 
den mit bem Adel eng verbundenen Klerus, gegen 
Simonie, Briefterehe und fein weltmäßiges Leben 
ganz im Sinne Hildebrand’S und Damiani’s. hr 
gegenüber ftand die Ambroſianiſche, deutſche und 
faijerlihe Partei, welche die Selbftändigleit Des 
Erzbifhofs unter dem Kaiſer wollte und die In— 
terefien des Klerus und des Adels vertrat. Rur 
nothgedrungen ordnete ſich Guido dem päpftlichen 
Legaten, Damiani, unter. Als der faiferliche Gegen: 
papit, der Lombarde Gadalous (Honorius IL), un: 
terlegen war, erneuerte fich ein heftiger Kampf ter 
—— unter dem „Retter der Kirche” Erlembald 
otta. Eine zwieipaltige Erzbiſchofswahl ſchärfte 
den Streit, in dem die Ambrofianifche Partei 1075 
noch einmal die Oberhand gewann, um dann mit 
dem Siege der Gregorianiſchen Kirchenpolitif über 
bie deutſchen Kaifer für immer zu unterliegen. So 
wichtig Mailand in der fpätern politifchen Geſchichte 
Italiens immer gewejen ift, jo hat e8 feine kirchen⸗ 
geichichtliche Bedeutung ſeitdem verloren. Nur un: 
ter jeinem ausgezeichneten Erzbifchof, dem heil. 
Borromeo 15 ‚ wurde Mailand der Aus: 
gangspunft weitergehender kirchlicher Beftrebun: 
gen. Die hochgeehrten Reliquien der Gebeine der 
heil. drei Könige fchentte Friedrich Barbarofja nad 
der Eroberung Mailands feinem Kanzler, Erzbi: 
ſchof Rainald von Köln, der fie nad Köln über: 
führte. Giulini, Memorie spettanti alla storia e 
al governo di Milano 10 ®de., Mail. 1760 - 70. 
Cantü, Milano e il suo territorio 2 Bbe., Mail. 
1844. Cusani Storia di Milano Bd. 1—3. Mail. 
1862—65. Pabſt, de Ariberto II. Mediolanensi 
primisque medii aevi motibus popularibus. Ber: 
lin 1864. 
Mailand, Synoden zu, Die erften Synoben, 


reg A 


Maimbourg 


welcde erwähnt werden, wurden in den arianijchen 
Streitigkeiten gehalten. Es wirb berichtet, 344 jet 
das lange Glaubensbelenntniß der Eujebianer ab: 
gelehnt, 346 oder 347 fei die Lehre des Photinus 
verworfen worden und hätten Urfacius und Valens 
ihren Arianismus widerrufen. Auf der Synobevon 
355,weldhe Bapft Liberius beim Kaiſer erwirlt hatte, 
erlangte diefer von ben 300 verfammelten —* 
fen dennoch die Verdammung des Athanaſius. 
Allgemeine Intereſſen beſchäftigten Bar Sy: 
noden von 450, woüber die Epistola ad Flavianum 
verhandelt wurde, und die von 679 unter Conſtan⸗ 
tin Bogonatus, welche die Monotheletifche Ketzerei 
verurtheilte. Die fpäteren Synoden find nur 
Provincialignoden, welche Gegenftände der Dis: 
eiplin in der Kirchenprovinz behandeln. Die wich: 
tigften von dieſen find die 6 legten unter dem Erz: 
biſchof Borromeo 1565, 1569, 1573, 1576, 1579 
und 1582 gehaltenen. Ueber dieje vgl. Harduini, 
Acta X, Paris 1714. 

Maimbourg, Louis, geboren 1620, ein Jejuit, 
Prediger und Hiftorifer. Wegen feines Traite 
historique del’eglise de Rome, worin er die galli: 
canischen Freiheiten vertheidigte, wurde eraus dem 
Orden * ben, lebte von einer königlichen 
* ion in der Abtei St. Victor bei Paris und 

arb 1686. Seine Geſchichtswerle ſind im Sinne 
des Jeſuitismus geſchrieben, ganz ungenau und 
leidenſchaftlich. Eine Sammlung derſelben erſchien 
in Paris 1686 in 14 Bänden. 

Maimbourg, Theodore, ein Verwandter des 
Vorigen, hat ſich durch feinen mehrmaligen Con: 
feſſionswechſel ſer wurde 1659 reformirt, 1664 
wieder fatholifch, dann wieder reformirt) belannt 
— 

Ma ER ———— Maimon, ara⸗ 
biſch Abu Amran Musa ibn Abdallah ibn Maimon 
Alkortobi, einer der berühmtejiten jüdiſchen Ge: 
lehrten, war zu Cordova am 30. März 1135 geboren. 
Sein Bater, ein Gelehrter, fiedelte unter dem Re— 
ligionsdrud der Mohaden nach Fez über und be: 
kannte fid) dort äußerlich zum Jölam. Hier erwarb 
ſich Maimonides feine Kenntniffe des Arabijchen 
und der arabijhen Wiffenichaften, begleitete dann 
feinen Bater, als diefer nach Jerufalem auswan: 
derte, und ging nad; deſſen Tode 1165 nad) Ka» 
hirah, wo er Leibarzt Salaheddind und Mitglied 
des Rabbiner-Eollegiums von Mizr wurde. + 1204. 
Auf die Entwidelung des Judenthums hat Mai: 
monides joldhen Einfluß gewonnen, daß er als ein 
anderer Moſes neben den Begründer des Geſetzes 
geftellt wurde. Er ſuchte die Lehren des Juden: 
thums philofophijch zu begründen, vor allem aber 
der Dürre der talmudifchen Satzung und der äußer: 
lichen Religiofität dadurch abzuhelfen, daß er an 
die Stelle des blinden Gehorfams die Erfenntnif 
von den innern Gründen bes Geſetzes zu jegen 
ſuchte. Er ſchrieb in hebräifher und arabiſcher 
Sprade. Seine theologiſchen Hauptichriften find: 1) 
der Gommentar zur Miſchnah in arabiſcher Sprache 
(1158—68), welcher die Endergebnifle ber Talmu: 
diihen Geſetzesauslegung feſtſiellt; in ihm finden 
fi die 13 Glaubensartifel, welche in das Syna- 

ogen:Ritual übergegangen find und von allen 
du en täglich recitirt werden: „Es ift ein Gott, 
der Schöpfer alles Beftehenden, — lörperlos, — 
ewig —. Ihm muß der Menjc dienen ohne Ber: 
„mittler. Es giebt Propheten —, von denen 
„Mofes ber Höchſte. — Diefer empfing die Thora 


599 Mainz 


„von Gott und mündlich die Ueberlieferung —. 
. denſelben kann Niemand hinzufügen —. 
„Gott ift allwiſſend —, er belohnt und beitraft 
„des Menihen Verhalten —. Einft wird ber 
„Erlöjer, Davids Sohn, erfheinen. Dann wer: 
„den bie Todten auferjtehen.” — 2) Die Mifchne: 
Torah enthält in hebräiicher Spradye eine Samm⸗ 
lung aller Saßungen des Jubenthums, in 14 Ab: 
theilungen geordnet. Endlich 3) in arabiſcher Spra⸗ 
de, aber hebräiſchen Schriftzligen verfaßt ift der 

ore Nebuchim, Führer der Irrenden, eine philo- 
fophifche Begründung des hebräifchen Gefeges. Das 
Bud) warb noch bei feinen Lebzeiten in's Hebräiſche 
überjegt und ift viel verbreitet. Joh. Burtorf, der 
Sohn, überjegte es in’s Lateiniſche (Baſel 1629), 
©. Munk zu Kris gab vor Kurzem den —— 
Tert mit franzöſiſcher Ueberſetzung und zahlrei 
—— heraus. Andere Werle in arabiſcher 
Sprache über Aſtronomie, Mathematil und Heil: 
funde vermehrten feinen Ruhm. — Sein Sohn 
Abraham, ebenfalls Leibarzt 1184— 1254 ſchrieb 
a ud „bas ben Frommen Genü— 
gende.“ 

Mainz. Die Anfänge der riftlihen Kirche in 
Mainz find unbekannt; die kirchliche Sage läßt fie 
von dem Apoftelfchüler Clemens geftiftet fein, weiß 
auch Bifhöfe zu nennen, welche den Arianismus 
befämpft hätten, wie fie der Stabt einen Märty— 
rer Alban ſchenkt, der enthauptet feinen Kopf jelbft 
bis an den Drt des Begräbnifles trug, aber troß 
bes Biichofscatalogs des Fuldaer Mönches Degen: 
fried aus dem zehnten Jahrhundert, der mit Cle: 
mens beginnt, tft der erfte verbürgte Name eirtes 
Biihofs von Mainz, Sidonius, in der Mitte bes 
ſechſten Jahrhunderts, deſſen Kirchenbauten ge: 
rühmt werden. Auf Betreiben Pipin’s wurbeMainz 
dem Bonifacius als Metropolitanfig zugewiefen 
mit den Suffraganen von Tongern (Lüttich), Köln, 
Worms, Speyer und Utrecht, wozu die neugeftif: 
teten Bisthümer Buraburg, Würzburg und Eich: 
ftädt (nicht Erfurt) famen. Hierzu wurden jpäter 
noch Augsburg, Straßburg, Conftanz und Chur 
gefügt, ferner J——— Halberſtadt, Hildesheim 
und Verden, ſowie Prag und Olmütz, endlich Fulda. 
Hiervon ging Buraburg bald ein, Halberſtadt und 
Verden in der rg rg öln wurde mit 
Tongern und Utrecht 799 felbft zum Erzbisthum 
erhoben, ebenjo Prag mit Olmütz. Borübergehend 
hatten auch Havelberg und Brandenburg, welde 
dem neugeftifteten Erzbisthpum Magdeburg unter: 
worfen wurden, zu Mainz gehört. Ald unter Bo; 
nifacius’ Nachfolgern Lullus 754—786, Riculph 
786—813, Haiftulph 813—828 das Bisthum be: 
feitigt war, wurde es bald durch die enge Verbin: 
dung, in der die Erzbiſchöfe mit den Königen als 
beren —— und Erzcaplane ſtanden, wichtig 
und bedeutend. Die Erzbiſchöfe, von den Königen 
unter Zuſtimmung des Klerus und des Volles er: 
nannt, benugten durchgehende mit Umficht ihre 
Stellung zur Erweiterung ihres Beſitzes. Die erfte 
kanoniſche Wahl ift die Markulfs 1141. Nament: 
lich während der Kämpfe zwifchen den Kaifern und 
den Päpſten famen jireitige Bifhofswahlen und 
Gegenbiſchöfe der verſchiedenen Parteien vor, auch 
ſetzten die Päpſte oder die Kaiſer zuweilen un— 
mittelbar einen Erzbiſchof ein. Berühmte Erzbi: 
Ihöfe und Aurfürften find: Rabanus Maurus 847 
—856; der heil. Willigis 975—1011, der Sohn 
eines Stellmachers, auf welchen der Urfprung des 


® 


Mainz 


Mainzer Wappens (ein filbernes Rab mit jechs 
Speichen, —— ein vervielfachtes Kreuz), zurück⸗ 
eführt wird. Er war Reichsverweſer während 
tto'3 III. Minderjährigkeit und baute 978 —1009 
den Dom, der am Tage der Einweihung wieder 
abbrannte; der heil. Barbo 1031—51 weihte 1037 
den neu erbauten Dom ein; Siegfried I. 1060— 
34 fiel von der Partei des Königs zu Gregor VII. 
ab. Auf der Synode zu Erfurt, ala er die Verord⸗ 
nung des Cölibats publicirte, wäre er beinahe von 
dem zornigen Klerus erfchlagen worden ; Rudhard 
1088—1109 trat, vom König eingefegt, zur Ge: 
genpartei über und mußte 1099—1105 Mainz 
meiden. Zur Sühne feiner Theilnahme an der 
großen Judenverfolgung in Mainz 1097 baute er 
das Kloſter Johannisberg, wo er begraben liegt; 
Adalbert I. 1111—87 vermittelte als päpftlihere: 
gat das Wormfer Eoncordat 1122. Auf Verwenden 
Mainzer Bürgerfchaft Hatte ihn der Kaiſer aus 
langer Haft 1112—15 befreit; die von ihm der Stadt 
zum Dantertheilten Privilegien wurden in die eher: 
nen Thore des Doms eingegraben. Arnold I. 118 — 
60 wurde von den Mainzern, deren Steuerfreiheit 
er verlegte, im Aufftand erfchlagen. Das Straf: 
ericht Barbarofja’s zerftörte die Mauern und die 
— der Stadt; Peter Aichſpalt 1305— 
‚von Clemens V. ernannt, der einflußreiche 
Gegner der Habsburger; unter Gerlach 1346— 71 
wurde durch die goldene Bulle 1356 die bevorzugte 
Stelle von Main; als Dekan des Aurfürftencolle: 
ag anerkannt; Adolph I. 1379—90 grünbete 
ie Univerfität Erfurt 1389; unter Theoderich 
1434—50 ward ein Streit der Stabt mit dem Ale: 
rus über deffen Steuerpflicht, der fchon unter Kon: 
rad 1419—34 m. hatte, durch einen Ber: 
trag (die Pfaffen-Rachtung) am 7. Januar 1435 
beigelegt; Diether 1459—82 gründete die Univer: 
fität zu Mainz 1477, nachdem er die Stadt dem 
Erzbifchof erworben und feine Refidenz dort auf: 
geihlagen hatte. Albrecht II. von Brandenburg 
1514—45 übernahm wegen ber großen durch bie 
übermäßigen Palliengeider verurſachten Schulden 
des Erzſtifts den päpftlihen Ablaßhandel. Der 
Reformation blieb er abgeneigt und unterdrückte 
fie nad; Beſiegung des Bauernaufftandes im 
Rheingau, mußte aber in ben heffifhen und thü— 
ringifchen Bezirken —— e machen (Ver⸗ 
trag von Hamelburg 1630). Die Jeſuiten nahm er 
1542 ins Erzſtift auf. Seine weltliche Verwal: 
tung ift durch manderlei Reformen der Bermwal: 
tung und ber Gerichte ausgezeichnet. Die Gegen: 
reformation betrieben mit Eifer Daniel Brandel 
1555—82, welcher Jefuiten nach Mainz und Heilis 
genftadt rief, Johann Suicard 1604—26, welcher 
durch Geldſtrafen alle Unterthanen zum regelmä⸗ 
Bigen Beh, des katholischen Bottesdienftes zwang. 
Im dreißigjährigen nr litt das Stift fehr viel, 
bie Schwe n beſetzten Mainz und das Eichsfeld, 
die Spanier und Tilly waren zum Schuß herbei: 
erufen gewejen. Kaum entging im Weftphälifchen 
eden Mainz ber von vielen Seiten beantragten 
äcufarifation. Mit Ausnahme von Erfurt und 
Duberftabt blieb der Proteftantiämus allenthalben 
unterbrüdt. Johann Friedrich Karl 1743— 63 ließ 
das Mainzifhe Landrecht publiciren,; Emmerich 
Joſeph 1763— 74, (Weihbiſchof von —— Fe⸗ 
bronius, ſ. d. Art.), gab nutzbringende reformato: 
riſche Verordnungen über Klöſter und Feiertage; 
Friedrich Karl Joſeph von Erthal, der letzte Erz: 


600 


Maiſtre 


biſchof, lehnte ſich gegen die Vergrößerungsgelüfie 
Deſierreichs an Preußen an. Gegen bie Eingriffe 
bes römijchen —— vereinigle er ſich mit den 
Kurfürſten und Erzbiſchöfen zum Emſer Congreß 
und der E. Punctation 1786. Zur Ausführung be⸗ 
abſichtigter Reformen wurde der Statthalter von 
Erfurt, Karl Theodor von Dalberg, als Coad— 
jutor angenommen. Am 21. October 1792 wur: 
de Mainz; von den Franzoſen erobert. Als in 
den Friedensihlüffen von Campo-Formio 1797 
und Lineville 1801 das life Rheinufer an 
Frankreich abgetreten war, wurde dad Kurfürften: 
thum fäcularifirt und zur Entſchädigung ber s 
ften verwendet, bad Erzbiäthum nach Regens 
verlegt und Dalberg als Reichserzkanzler und Bri: 
mas von Deutichland übergeben; er behielt einen 
eringen * des Mainzer Territoriums. Das 
xrfuͤrſtenthum hatte zuletzt 150 Quadratmeilen 
mit 300,000 Einwohnern umfaßt. Mainz wurde 
in Folge des franzöſiſchen Concordats wieder zum 
Bisthum erhoben unter Sofenh Ludwig Colmar 
(+ 1818). Nach feinem Tode blieb der bifchöfliche 
Stuhl 11 Jahre unbefegt, bis 1880, nach Bildung 
der oberrheintfhen Kirchenprovinz 1821 und 1829, 
Joſeph Bitus als Biſchof eingeführt wurde. Der 
prengel umfaßte das links⸗ und rechtsrheiniſche 
beifiiche Gebiet. Unter den Nachfolgern wurde das 
Bisthum in Defanate getheilt und Diöcefanftatu- 
teı erlaffen, Eonflicte mit den u reger über 
die Rechte des Staates und der Kirche glücklich 
vermieben, bis 1849 der Bapft die Beftätigung der 
Wahl des Profeflord der —— und Philoſo⸗ 
phie zu Gießen, Dr. Leopold Schmid, verſagte 
und an deſſen Stelle Wilhelm Emanuel von Kette: 
ler den biſchöflichen Stuhl —7* mit welchem 
Mainz zum Vorort der jeſuitiſch- ultramontanen 
Veftrebungen und bed Kampfes der Hierarchie ge- 
gen die Ordnung bed Staatslebend — iſt. 

Mainardi, Auguſtino, ein evangeliſch gefinnter 
Auguſtinermönch, welcher zu den erſten Berbreitern 
der reformatoriſchen Ideen in der Lombardei und 
Piemont gehörte. Wegen ſeines Glaubens flüchtig 
geworben, ward er Prediger in Chiavenna, wo er 
mit der anabaptiftifhen Richtung jeiner Lands: 
(eute namentlich mit Gamillus Renato langjähri: 
gen Kampf führte, in welchem wohl feine Redt: 

läubigfeit, aber nicht immer fein Verhalten die 
nerfennung ber Züricher und der Graubündtner 
Synoden fand. + am 31. Juli 1563. 

Maiftre, Graf Joſeph von Geb.am1. April 1753 
zu Chambery, wurbe er 1787 Senator von Sa: 
voyen, ging bei der Beſitznahme Savoyens durch 
die u 1793 nad Piemont und folgte 1798 
dem Könige nad Sardinien. 18035—17 mar er 
bevollmädhtigter Minifter am ruffiichen Hofe, 1817 
Staatdminifter und Kanzler und ftarb 1821. Seine 
——— e Thätigkeit begann 1784 mit dem 

oge du roi Vietor Amedee, dem mehrere Schrif- 
ten gegen die franzöſiſche Revolutionspartei und 
die Considerations sur la France 1796 folgten. 
1810 erſchien fein Essai sur le principe regene- 
rateur des constitutions politiques, dem 1819 
jein berühmteftes Buch Du pape folgte. Rad} feinem 
Tode erſchien vonihm: Lettre d'un gentilhomme 
russe sur l'inquisition espagnole, 1822, Wie 
Maiftre in feinem politifhen Wirfen eine Stüge 
der unbebingteften Reaction war in dem bigotten 
Geifte, der fie fennzeichnete, fotritt eraud) in jeinen 
Schriften ald der Fanatiker der kirchlich-politiſchen 


Majeftätsbrief 


Reaction auf, der feine Sätze aber weniger be: | 
ndet, wie ald fichere Dratel verfündigt. Der 
elpuntt deö Chritentfumd und feiner Wirt: 

ſamleit auf Erden ijt ihm die abfolute Papſtgewalt, 

Grundbedingung alles jocialen Wohlergehens die 

Umlehr zu —— tänden und Gedanken vor 1789. 

Moiehätsh En die von Rudolf II. am 12. 
Juli 1609 den böhmijchen Ständen verliehene Ur: 
kunde, welde ihnen freie Religionsübung zujagte. 
Die Berlegung und Aufhebung des Majeitätsbrie: 
feö durch Kaiſer Mathias 1618 gab die Veranlaj: 
rang zur Ausbruch des dreißigjährigen Krieges. 

joliten, regulirte Kleriker des heil. Majolus 
oder Somaster (j. d. Art.), find eine von Giro—⸗ 
lamo Miani 1533 geftiftete Congregation zur Be: 
dienung und Verwaltung frommer Anftalten zu 

Somascho bei Mailand. 

Eupen, aus einer reihen Familie ig era 
war Abts:Coadjutor und dritter Abt zu Clugny 
948— 994. Durch Gelehrjamteit, Frömmigkeit und 
Gewandtheit ausgezeichnet, dehnte er die Refor: 
mation von Elugny über viele Klöſter aus. Als 
Kaijer Dtto II. ihn zum Papſte machen wollte, 
lehnte er dies ebenjo ab, wie er früher das Erz: 
bisthum Bejangon ausgeſchlagen hatte. Vgl. Bar- 
mann Politik der Bäpite. Elberfeld, 1869. II. ©. 
127. 130. 200. 


Major und der Majorifiifge Streit. Geor 
Major, geboren 1502 zu Nürnberg, wurde 15% 
Rector in Magdeburg, 1535 Pfarrer in Eisleben, 
1536 Brofeffor in Wittenberg, 1547 Pfarrer in 
Merjeburg, kehrte, von dort vertrieben, 1548 nad) 
Wittenberg zurüd, wurde Superintenbent in Eis: 
leben und 1551 von dort verbannt. + 1572. Gegen 
feine Lehre, daß die guten Werte zur Seligfeit, 
aber nicht zur Rechtfertigung nothwendig jeien, 
necessaria ad salutem, welde er auch als Mit: 
verfaffer des Leipziger Interims darin hatte ein- 
fließen laffen, erhoben ſich Amsdorf (noxia ad 
salutem), Flacius (deus non curat opera) und die 
lutheraniſchen Eiferer. Major nahm feinen Aus: 
drud 1567 und in feinem Teftament 1570, weil 
er einer Mißdeutung auf katholifche Fromme Werte 
fähig jei, zurüd; gg ern empfahl ftatt guter 
Werte zu jagen: der neue Gehorfam. Die Goncor: 
bienformel bezeichnet in Erledigung dieſer Streit: 
frage die guten Werte als nöthig durch die Pflicht: 
der Dankbarleit, nicht aber wegen der Rechtfer⸗ 


ung. 

Rajor, Johann, Hänfel Meyer, ein humanifti- 
ſcher ter und Satyriker zu Wittenberg, ver: 
trat in feinen jatyrifhen Gedichten den Philippis⸗ 
mus, verhöhnte defjen Gegner, bejonders die Fla- 
cianer, und wurde deßhalb Fomopl bei der erften Rie⸗ 
derlage der Kryptocalviniften eingeterfert (1578— 
81), aĩs auch nach Kanzler Krell's Siurze (1691). Er 
war geboren 1533 zu Joachimsthal, hatte 1549 -- 51 
Wittenberg, dann Leipzig beſucht und war in Wit: 
tenberg Magifter geworden. 1557—60 war er an 
der Univerfität Würzburg und kehrte dann nad) 
Wittenberg zurüd. 1557 hatte er bie theologiſche 
Doctorwürde zu Mainz und 1558 zu Frankfurt 
von König Ferdinand I. die Dichterkrone erlangt. 
Er ftarb 1600 zu Zerbft. Bgl. ©. Franl, Johann 
Major, der Wittenberger Poet, Halle 1863. — 
Nicht zu verwechjeln mit ihm ift der Profeſſor der 
Theologie Johann Major (geboren zu a am 
2. Februar 1615, geftorben daſelbſt 1654), der 
College Himmel's und Gerhardt's. 


601 


Makkabäer 


Majorinus wurde nach dem Tode des Biſchofs 
Menſurius von Karthago 311 von der (in Bezug 
auf den Abfall zum Heidenthum, Auslieferung der 
h. Schriften ze.) ftrenger gefinnten Partei gegen 
den von den milder Gefinnten gewählten Ärchi⸗ 
diacon Caecilianus ala Bifchof aufgeftellt. Er ftarb 
313. Nad) ihm nannte man jeine Anhänger pars 
Majorini, ein Name, der fpäter, nach dem feines 
Nachfolger Donatus in p. Donati, Donatijten 
überging. 

Majoritas ift die Amtögewalt, der Inbegriff 
der Befugnifie des Kirchenamts. Aus der M. leitet 
man ben Borrang der Geiftlichkeit vor den Laien 
und ber ältern und höhern Weihen vor den jüngern 
und niedern ab. 

Makarius der Große raudapıoyeowr, geboren 
300. Ein Schüler des heil. Antonius, zog er ſich 
als Einfiedler in die ſtetiſche Wüſte zurüd! 830 und 
führte dort 60 Jahre lang ein Leben ftrenger Ab⸗ 
tödtung. In der Verfolgung der Mönde durd 
Valens ward auch er auf furze Zeit verbannt, Vor⸗ 
— find unter feinem Namen 50 Homilien 

Paris 1559) und Fragmente (ed. Flo 1850), an 
denen eine a > warme, aber realiftifche Myſtik ge: 
rühmt wird. Das Bonner Univerfitätäprogramm 
vom 3. Auguft 1866, worin Floß fi sufalend 
Irrthümer hatte zu Schulden fommen laffen, hat 
Sildemeifter auf feinen wahren rege zurückge⸗ 
führt. Vgl. ee es Mala: 
rius. Zweites Wort. Elberfeld 1867. 

Molarius, der Stäbter, noAırıxös, aus Alerans 
drien, war gleihfalls ein Schliler des heil. Anto- 
nius, vorher ein heidnifcher Bäder, zog ſich in die 
nitriſche Wüfte zurüd und wurbe der Abt der Ein⸗ 
fiebler. + anı 2. Januar 404. Wie der vorige, ift 
er ebenfalld unter Balens verbannt gewejen. Auch 
werben von beiden Wunder berichtet. 

Makarius von Antiohien wurde vom jechiten 
ölumenifchen Eoneil (680) ald Monothelet in den 
Bann gethan und aus der Hauptftadt vertrieben. 

Mate j. Mageth. 

Mallabaer ift der Ehrenbeiname des hasmo— 
näifchen Gejchlechtes, der fi von dem Zunamen 
Maklab, d. i. Hammer, herleitet, welchen Judas 
in Mat. 3, 1; 5, 34) zuerjt erhielt. Andere Ab: 
eitungen des Namens find mit wenig Wabrjchein: 
lichkeit verfucht, 3. B. aus den Anfangsbuchſta⸗ 
ben der eriten Worte von 2.Moj. 15,11 als eines 

Veen 5 

affabäer, die Bücher der, Unter diefem Nas 
men find uns vier Apofryphen überliefert worden. 
Luther hat nur die erften zwei überſetzt; das dritte 
findet 2 am Ende der gewöhnlichen LXX-Aus- 
gaben. Das vierte, nur im Codex Alexandrinus 
der griechiſchen Bibel, ein Aufſatz über „die Herr: 
ſchaft der Vernunft über die finnlichen Neigungen 
und Begierden“, wurde irrthümlich Joſephus zu: 

efchrieben und daher feinen Schriften angereiht. 
Nur das 1. und 2. tragen ihren Namen mit vol: 
lem Rechte. Denn das 3. erzählt eine Begebenheit, 
die der Zeit nad) vor die maffabäifche Erhebung 
fällt (217). Eher darf das 4. Bud) den Maklabäer: 
blichern beigezählt werden, da es wirklich einen 
Theil der maltabäifchen Geſchichte behandelt. 

Das 2.,3. und 4. Buch find griehi ch geichrieben 
und alerandrinifchen Urjprungs. Dagegen ift das 
erjte Bud in Paläſtina entjtanden und urfprüng: 
lich in hebräiſcher Sprache abgefaßt. Jenes erhellt 
aus der altfrommen Gejinnung und der genauen 


Maktabäer 


Ortslenntniß wie aus der Sprade. Für die he— 
bräiſche Originalität diefes Buches fpricht Die 8 
braiſirende Diction, die Leichtigkeit, die ſtlaviſch 
gemachte ebertragung zurüdzuüberjegen und ein: 
zeine Leberjegungsfehler (1, 28; 2,8. 34; 4, 19 
u. 9). Origenes (bei Euseb. K. ®. 6, 25.) be: 
geugt einen hebräifchen Titel des Buches: Sar- 
eth sarbane el (= Scharbath sar& bene ’el 
— Gefhichte der Fürften der Söhne Gottes). 
Das Buch zeigt den Sprachcharakter der LXX, 
die 7, 16, 17 citirt find. Die Quelle, aus wel: 
cher der Verfaſſer ichöpfte, mar die zur Zeit, 
als er jchrieb, noch lebhafte gejhichtliche Erinne- 
rung an bie großen Bebrängniffe und Thaten ; die 
verſchiedenen Urkunden, die das Bud) giebt, 3. B. 
8, 22—32; 12, 6— 23; 13, 85—40; 14, 20— 23. 
27 ff.; 15, 2—9; 15, 16— 23, verrathen ſich auf 
den erſten Blick ald Fictionen. Nad) 9, 22 müſſen 
auch fchriftlihe Duellen angenommen werben. 
„Trotz aller Webertreibungen, troß aller Verſchwei⸗ 
gungen, trof der naiven Borftellungen von Spar: 
tanern und Römern, endlih auch trog ber nad: 
träglich gefertigten Reden und Briefe, muß dem 
Buche doc im Wejentlichen der Charakter gegen: 
ſtändlicher und zuverläffiger — — 
ugeſprochen werben” (Holgmann). Das Buch um: 
Takt einen Zeitraum von 40 Jahren, 175—135 
v. Chr. und berichtet, nachdem es 1, 1—10 eine 
allgemeine Einleitung vorangefchidt, 1, 11—2, 70 
die Ereigniffe vom Regierungsantritt des Antio: 
dus Epiphanes bis zum Tode des Mattathias, ſchil⸗ 
dert 3, 1—9, 22 die Thaten Judas des Maftabäers, 
9, 23—12, 53 die Herrſchaft und das Hohepriefter: 
thum Jonathan’3 und erzählt 18, 1—16, 22 die 
Herrſchaft des Priefterfürjten Simon. 

Das Bud) kann nach 13, 30 erft lange Zeit nad) 
Errihtung des Denkmals durch Simon abgefaht 
fein; ** ſetzt die ſummariſche Berichterſtattung 
über Johannes Hyrkan deſſen Regierung als ab— 
—— voraus. Da das Bud) eine auffallende 

ntenntniß über die Römer zeigt, jo darf es nicht 
über das Jahr 64, ald Bompejus in Afien fchal: 
tete, herabgerückt werden. Es dürfte ſonach in die 

en Jahre deö Alerander Jannäus (feit 106 v. 
Ehr.) fallen. 

Während das erfte Buch den natürlichen Zuſam⸗ 
menhang der Ereignifje faft immer fefthält und fo 
als zuverläffige Geihichtöquelle gelten darf: jo 
tennzeichnet fi das zweite Buch als eine ver: 

bite Tendenzichrift, deren Zwecke nicht rein ge: 
hichtliche, fondern religiös:didactifche und parä- 
netiſche find; es will zwei jüdiſche Feſte, die Tem: 
pelweihe, 10, 1—9, und das Nilkanorsfeſt, 15, 34 
—37, den ägyptifhen Juben empfehlen und zu: 


gleich bie alleinige Berechtigung des jerufale: | 


En Tempels — dem von Dnias II. 
in Xeontopolis in Aegypten erbauten darlegen. 
Die Reinigung des pels verlegt das Buch 
nad) dem Tode Antiohus IV., während fie vor: 
” Statt fand (vgl. 2. Malt. 9, 28. 29; 10, 

ff. mit 1. Mal. 4, 36 ff.); ebenfo I 
find die beiden Briefe (2, 1—10a; 2, 10b—2, 18), 
die Märtyrergefhichte 6, 18—7, 42 die wunder: 
baren Erjcheinungen 3, 23—29; 5, 1—3; 10, 
29, 30, die Briefe 11, 16—88; 14, 37—46, Rha⸗ 
gis Tod. Dennod ift das Buch nicht ohne 
geihichtlihen Werth, fofern eö zur Berichtigung 
und Ergänzung bes 1. Buchs beiträgt (vgl. 3, 1— 
4, 6; 4, 7—7, 42 vgl. mit 1. Maff. 1, 10—64 ; 6, 


602 


Makowsky 


2;13,3—8; 14,1). Nach den beiden Einladungs⸗ 
jchreiben folgt eine gejpreizte Einleitung 2, 19— 
32, weldhe uns jagt, daß das Buch ein Wert des 
Schweihed und ber eg fei, während es 
ern nur ein Auszug aus Jaſon von Eyrene ift, 
deſſen Schriften verloren find (vgl. 2,26. 29 ; 15, 
38. 39). Der eigentliche Kern des Buches, 3, 1— 
15, 37, zerfällt in zwei Hälften, die Ereignifſe vor 
der Tempelweihe, 8, 1—10,9, und diejenigen nad 
derfelben, 10,10— 15,36. Das Buch umfaßt einen 
Zeitraum von 15 garen 176—161 v. Chr. Jo: 
jephus tennt es nicht. Da es der Verfaſſer des 
Hebräerbriefes (Hebr. 11,35) zu kennen ſcheint, jo 
darf es vielleiht in die zweite Hälfte des erften 
hriftlihen Jahrhunderts gejegt werden. 

Wie das zmeite, jo fchreibt aud das dritte 
Makfabäerbud) ein befferes Griechiſch ald das erfte. 
Es hält im Ganzen bie —— e der neuteſta⸗ 
mentlichen Schriftſteller ein. Die Sprache aber iſt 
geſchraubt, ſchwülſtig und geziert, das Buch voller 
dichteriſcher und vebnerifher Ergfiffe, aber fait 
ohne allen geichichtlichen Werth. Den Inhalt bil: 
det ein legendenhafter Bericht über die olgung 
der ägyptiichen Juden durch Ptolemäus IV, Philo 
pator(221—204),anı denen er Rache nimmt für eine 
Beihimpfung, die ihm in Jerufalem widerfahren. 
Nach dem Siege bei Raphia 217 fommt der König 
auch nad Jerufalem, befucht den Tempel und will 
fogar in das Allerheiligfte eindringen, welches Be: 

innen er aber empfindlich büßenmuß, 1, 1— 2,24. 

afür finnt der König auf Rade, 2, 5 —3 
30, die aber durch göttliche Hilfe vereitelt wird, 4, 
1—7, 9, worauf die Rehabilitation der Juden er: 
folgt, 7, 17—23. 2. Maft. 3, 9—40 ſcheint das 
Vorbild diefer Erzählung geweſen zu fein. Die 
Schilderung des Tyrannen —— ihre Farben 
wahrſcheinlich dem „Götterwahnſinn Caligula's, 
der Trunkſucht und blöden Zerſtreutheit des Clau⸗ 
dius.“ Dies und die Thatſache, daß Herodes vor 
ſeinem Tode die Vornehmſten des Landes in eine 
Rennbahn einſchließen ließ, um ſie zu tödten und 
daß Pontius Pilatus in Cäfaren Aehnliches voll: 
brachte, läßt mit Sicherheit annehmen, daß das 
Bud in den erſten chriſtlichen Jahrzehnten, und 
wie das 2,, in Mlerandrien entitanden tft. 

Werthvoller als das dritte ift das vierte Bud, 
nod) vor Jeruſalems Zerftörung geichrieben. In 
Per Sprache ergeht fich der Verfaſſer, ein 

onft unbefannter Jofephus (daher die Verwechſe⸗ 
lung mit Flavius Jojephus), in philofophirenden 
Betrachtungen über die malfabätjcheh Berfolgun- 
gen, bejonders die Martyrien Eleafar’3 unb ber 
Mutter mit ihren fieben Söhnen. Er ftellt an bie 
SER feines Buches den Lehrjag, daß die rechte, 
& unde Vernunft die finnlihen Reiqungen und 

egierben beherrſche. zu fommt eine Ausfüh- 
rung über die Gardinaltugenden, vernünftige Ein: 
fiht, Gerechtigkeit, Befonnenheit und Mäpigkeit, 
die er an Beifpielen aus der ifraelitifchen Geſchichte 
erläutert. Der Berfaffer, ein philofophifch gebilde: 
ter alerandrinifcher Jude, „verbindet moſaiſche 
Gejegesitrenge und ftoifche Moral, jüdifchen Bar: 
ticularismus mit griehifhem Humanismus.” Rat. 
Grimm, in Dr. Frikfche's und Grimm’s kurzge⸗ 
faßtem exegetifhen Handbuch zu den Apokryphen 
des Alten Teftaments, s Buch 1855; die an⸗ 
bern 1857. Holtzmann in Bunſen's Bibelwerl, die 
a ver Leipz. 1869. 

Matowsly, Johann, geboren 1588, ein refor⸗ 


Makrina 


mirter —— 2 Franeler 1615—44, aus Lob⸗ 
zenic in Bolen. Die Dortrechter Synode ſprach ihn 
von der —— der 
daß er die ſcho 


603 





Irrlehre frei, tadelte aber, 
ſtiſche Lehrweiſe wieder in die re: réunions wurden durch bie venerable compagnie 


Maleachi 


land, richtete er 1818 die réunions de priere ein, 
in welchen er gegen den —— der Geiſtlich⸗ 
keit eiferte und um ihre Bekehrung betete; ſeine 


formirte Theologie ya und verbot fie, jeboch | verboten, er Por als Zehrer abgefegt und ihm die 
olg £ 


ohne durchgreifenden i 
frina, die Heilige, Schmwefter Gregor's von 
Ryfia. Unter dem Einfluß eines aftetifch:frommen 


itienlebens aufgewachſen, widmete fie ihr Le: | cher fi) aus den Erweckten 


nad) dem Tode des ihr beftimmten Bräutigams 
geiftlicher Betrachtung und Werken der Liebe in 
dem von ihrem Vater ihr geftifteten Nonnenklofter 
in Bontus. Ihr Bruder Gregor ſetzte ihr in der 
vita Macrinae ein liebevolles Denkmal. Auch ihre 
Großmutter desfelben Namens wird als fromme 


Frau, die — erduldet, rühmenderwähnt. | M 


Malachias, Erzbiſchof von Armagh. Geboren 
zu Armagh um 1095, wurde er ein Schüler des 
——— Imarus. Sein —— Leben ver⸗ 
ſchaffte ihm bald großes Anſehen, er wurde der 
Gehülfe des Erzbiſchofs von Armagh und bald 1530 
Biſchof von Eonnereth. In dem damaligen Verfall 
der irifchen Kirche lag für ihn die Aufforderung, 
fie durch Einführung der römischen Kirchenfitte zu 
reformiren. Bom Erzbifchof Celſus zu feinem Nach⸗ 
folger bejtimmt, mußte er 5 Jahre lang dem Ge: 

enbifchof Rauricius weichen; erft 1134 konnte er 
ein Amt vollftändig übernehmen, um es 1137 an 
Selafius zu übergeben, jelbit aber zu feiner frühe: 
ren Armuth in ein Stift regulärer Kleriker zurüd: 
zutreten. Im das Pallium zu erbitten, reifteer 1139 
nach Rom, wo er zum —— für Irland ernannt 
wurde, lernte bei dieſer Gelegenheit Clairvaur ken⸗ 
nen und ſchloß Freundſchaft mit dem heil. Bern⸗ 
hard, der ſein Biograph wurde. Das Pallium er: 
hielt er nicht, weil der Papſt — eine iriſche 
Nationalſynode müſſe für M. um dasſelbe bit: 
ten. Durch Mönche von Clairvaux ſtiftete er 
unter vielen Schwierigkeiten auch in Irland Ciſter⸗ 
eienferklöfter und ſtarb 1148 zu Clairvaux auf 
einer zweiten Rom⸗Reiſe in Angelegenheiten der 
iriſchen Kirche. Roms Dankbarkeit für die Gewin⸗ 
nun rang bat ihn ro geſprochen. 

Bu achias, die Weisjagungen des im vorigen 
Artitel genannten 5. Malachias über die Päpfte, 
eine Reihe von unbeftimmt gehaltenen Devifen, 
weiche auf die einzelnen Päpfte zu deuten jein 
follen und von denen noch eilf auf ihre Erledigung 
ober erg warten, find apofryph. Sie erjchie: 
nen zuerft 1595 im lignum vitae des Benedicti: 
nermönds Wion und find wahrjcheinlich bei der 
Babftwahl von 1590 fabricirt, um auf die Wahl 
des Cardinals Simoncelli einzumirken. 

Malan, Ceſar, geb. am 7. Juli 1787, gehörte 
zu den Männern, welde die religiöje Eigenthüm: 
lichteit der methodiftiihen Erwedung Englands 
auf die continentale Kirche zu übertragen ſüchten, 
und, von diefer abgemwiejen, zu Sectenhäuptern 
wurden. Er ftubirte Theologie in Genf, wo der 
Rationalismus die unbejtrittene Herrichaft führte. 
In dem durd Frau von Krüdener geftifteten Kreife 
zuerſt angeregt, ſeit 1810 Lehrer und Religiondleh: 
rer am Öymmafium, ward er 1817 durch den Schot⸗ 
ten Haldane erweckt, welcher ſeit 1816 in Genf ſich 
—* Der freien Kirche, welche ſich, hervorge- 
rufen durch ein rationaliftiiches Lehrverbot —* 
doxer Lehrer am 3. Mai 1817 bildete, ſchloß er ſich 
nicht an, unterſchrieb vielmehr jene Verordnung. 
Aber angefeuert Durch eine Beſuchsreiſe in Schott⸗ 


Kanzel unterjagf. Da trat er zur fchottifch-preäby: 
terianiihen Kirche über und errichtete mit Hilfe 
fremder Unterftügung eine eigene Capelle, in wel: 
enfs eine ſchottiſch⸗ 
presbyterianiſche Gemeinde bildete 1820 — 23. 
Somohl die von ihm mit Vorliebe gepflegte Prä- 
deftinationslehre als feine rigoriftifche Kirchenzucht 
und jchottifhe Sabbathheiligung entfernten bald 
einen Theil feiner Anhänger von ihm. Gr fette 
feine ifolirte Thätigkeit jedoch fort und ftarb am 8. 
i 1864. 


a 
Malchus, Joh. 18, 16, der Knecht, den Pe: 
trus in Gethſemane verwundete. Der Name tommt 
jonft vor im 4. T, bei arabijhen Fürften und 
bei einem Sophiften zu Byzanz im 5. Jahr: 
hundert. 

Maldonatus, Johannes, einer der beften katho⸗ 
liſchen Exregeten. Geb. zu Las-Caſas de la Reina 
in Eſtremadura 1534, ſtudirte er zuerft Die Rechte, 
wandte ſich aber aufden Rath eines Freundes der 
Theologie zu. Rad) einigen Jahren der Lehrthäs 
tigkeit in Salamanca und Rom trat er in den er 
juitenorden 1562 und wurde, als die Sorbonne 
die Errichtung eines theologischen Lehrſtuhls den 
Jejuiten nachgab, als der erjte Jejuit an die Pa— 
rifer Univerfität gefendet. Seine Borlefungen fan: 
den zahlreihe Zuhörer und —— Anerlken⸗ 
nung. Bon ſehr geringem Erfolge aber war eine 
1570 unternommene Miffionsreile in Lothringen. 
Seinen jpäteren Aufenthalt in Paris verbitterten 
ihm Prozeſſe, in welche er verwidelt wurde, eine 
Klage auf Erbſchleichung und die Beichuldigun 
der Härefie, weil er die unbefledte —— 
nicht als feſtſtehendes Dogma anerkannte. Beide: 
mal von der Klage freigeſprochen, legte er ſein 
Amt nieder und zog ſich ins Jeſuitencollegium von 
Bourges zurüd, wo er literarischer Thätigteit, 
zu der ihm biäher feine Zeit geblieben war, hingab. 
+ 1583. Von feinen Werken ift das bedeutendſte 
der erjt nad) feinem Tode von den Jefuiten zu 
Bont a Moufion 1596 herausgegebene CEommentar 
zu den vier Evangelien, beffen jpätere Ausgaben 
mehrfach geändert find. In den Rejultaten der 
Eregefe dem Tridentinum unterworfen, zeigt er 
reiche patriftiihe Gelehrſamkeit mit richtigen exe: 
getiſchen Urtheil. Die Bulgata wird nicht jelten 
nad dem Grundtert emendirt. Seine Polemik ge: 
gen die Galviniften ift kurz und präcis, aber nicht 
ohne Leidenſchaft. 

Maleadi, der legte unter den zwölf Heinen 
Propheten, ift, was feine Berfon betrifft, gänzlich 
unbefannt, da er weder jonjt wo erwähnt wird, 
= auch von der ältejten Ueberlieferung gefannt 
zu fein jcheint. Dies, ſowie der ſymboliſch jchei- 
nende Sinndes Namens („mein Bote‘) hat zu der 
Bermuthung geführt, daß M. gar nicht der wirk⸗ 
liche Name des Propheten fei, jondern blos fein 
Amtstitel. (Val. namentlich Hengſtenberg, Chri: 
ftologie III,, S. 583 ff.). Die in der Schrift 
rügten Mißftände, Ehe mit heidniſchen Weibern, 
Entartung des Opferweſens, Bernadläffigung der 
BZehnten, — mit den von Nehemia 13, ge 
ſchilderten ſo genau überein, daß die Wirkfamteit 
des Propheten in die Zeit Nehemia's und zwar 


Malebrande 


jeiner zweiten Anweſenheit in Jerufalem, nad 
dem 32. Jahre des Artarerzes Longimanus gejegt 
werden muß. Das Bud) des Propheten, welches, 
ſchon mehr gelehrte Abhandlung als lebendige 
Rede, deutlich die Spuren einer erfterbenden Pro: 
phetie an ſich trägt, ſchildert in drei Abſchnitten: 
1) das Erbarmen Jehova's gegenüber feinem 
Volke (1, 2—2, 9); 2) die Einzigfeit des Gottes 
Sehova (2, 10—16); 3) die vorhandenen Uebel: 
ftände, welde eine Verfündigung gegen den ge: 
rechten Richter herbeiführen (2, 17—3, 24). Bgl. 
Hitzig, H. Proph. 3. Aufl. 1865. Ewald, die Pro: 
pheten des U. T. 1840—42, Umbreit, Prattiicher 
Commentar (fl. Prophet., 2. Thl. 1846). Reine, 
der Proph. Mal., Einleitung, Grundtert und Ue: 
berjegung, nebfteinem vollftändigen phil., krit. und 
hiftor. Commentar. Gießen 1856. 

Malebrande, Nikolaus, geboren zu Paris am 
6. Auguft 1638, ftudirte Theologie in der Sor: 
bonne, namentlih Kirchengeſchichte und orienta— 
liihe Spraden unter R. Simon, trat aber 1664 
in die Congregation des Dratoriums ein und wid: 
mete fi nun, angeregt durch Carteſius' Schriften, 
dem Studium der Philoſophie. Als ausgezeichneter 
Mathematiker und —78 — ward er Ehrenmitglied 
der Akademie der Wiſſenſchaften. + am 13. Det. 
1715. Seine philoſophiſchen Hauptſchriften find: 
De la recherche de la verite, Paris 1674, befte 
Ausgabe. Paris 1712, 4 Bde. und 2 Bde.; 
—8 4 Bde. Halle 1776—86; De la nature et 
de la grace, 1680; Entretien sur la metaphysi- 
quc et la Religion, Rott. 1688, Bon Cartejius 
ausgehend und dejjen Lehren inihre Eonfequenzen 
durchbildend, nimmt er neben Geulinx (+ 1699) 
und Pascal (j. d. Art.) eine bedeutende Stelle in 
der hriftlihen Spekulation jener Zeit ein. Für 
fein Syſtem bezeichnend ift der Ausdrud, daß wir 
alle Dinge nur in Gott fehen, indem er von ber 
Anficht auögeht, daß wir von der außer und exi⸗ 
jtirenden Welt nicht unmittelbare Kunde haben, 
da die Körper nicht auf den Geijt wirken können, 
fondern nur durd) eng Erleudtung von ihr 
wiffen, und daß wir die Be —* auch der körper⸗ 
lichen Dinge in Gottes Geiſt, ſo wie ſie da ſind, 
alſo richtig anſchauen. In Bezug auf Freiheit und 
Gnade gerieth M. mit den Janſeniſten in Streit. 
Die Schriften Malebranche's erſchienen gelam- 
melt Paris 1712; 11 Bde., in neuer Ausgabe von 
Genoude und Kourdoueir, 2 Bde., Paris 1837. 

Malerei, griftlige. Das Chriftentyum fand ein 
ausgebildetes Kunſtideal, wie in Bezug auf bauende 
und bildende Kunſt überhaupt, jo insbejondere in 
Bezug auf Malerei vor. Wie Großes das claffische 
Alterthum gerade auch auf dieſem Gebiete geleitet 
hat, wifjen wir, bei den nur jpärlihen Nachrichten 
ber Schriftjteller, erft, jeitbem die Wandgemälde 
der aufgegrabenen Städte Pompeji und Herkula- 
num als — der entſchwundenen Herrlichkeit 
auftreten können. Wie hier, ſo ſtand die heidniſche 
Kunſt überall zunächſt im —* der Mythologie. 
Eben deßhalb wurde ſie vom Chriſtenthum ver— 
worfen. Und dennoch konnte dasſelbe ihrer auch in 
feiner erften, kunſtſcheueſten Periode nicht völlig 
entbehren. Unter den Lebenden war bie Malerei 
verbannt. Dafür flüchtete fie zu den Todten. In 
« den römischen Katatomben und demnächſt in den 
älteften Kirchenbauten, wie in der jeit 1857 auf: 
gegrabenen Clemenskirche, treten uns die erften 
ihrer Schöpfungen entgegen. Zunächſt entſchuldi⸗— 


604 


Malerei 


gen dieſe Bilder gleihfam noch ihr Dafein damit, 
daß fie Bloß Sinnbilder jein wollen, meift von 
Chriſtus (3. B. der Fiſch, allmählich auch der gute 
Bel von ber Kirche (Arche, betendes Weib), der 

riftlihen Tugend und Hoffnung (Taube, PBhönir 
u. ſ. w.). Almählid — feit Sau des zweiten 
Jahrhunderts — kommt es auch zur ellung 
ſinnbildlicher Handlungen (Taufeund Abendmapl), 
und wird damit dasjenige Gebiet wenigftens noch 
berührt, in deſſen Darftellung ſich jpäter die chrijt- 
liche Kunft am entſchiedenſten von ber heibnijchen 
emancipiren follte. Es Hi jedenfalls kein zufälliger 
Gegenſatz, daß das claffifche Altertum fein Höch⸗ 
ſtes auf dem Gebiete der Skulptur geleiftet hat, 
während das Chriſtenthum in Liht und Farbe 
nad) Ausdruck ſeiner höchſten Jdeenringt. Zunädft 
ide tritt an die Stelle der immer mehr dem 

erfall entgegen gehenden Malerei eine andere 
Kunftform, die Mofail. Sie entſprach dem ganzen 
Charakter der fiegenden Reichsklirche aufs Auffal- 
lendfte. Es find jene, bald an allen Orten in ber: 
jelben, ſich gleich bleibenden Geftalt auftretenden, 
ins Unendliche wiederholten Figuren, an die man 
gewöhnlich bei dem ei re Namen Byzan- 
tinismus denkt. Doc ift die eigentliche byganti- 
nifche Moſaik, als deren weltbelanntes Muſter die 
40,000 Duadratfuß in der Marcuskirche zu Bene: 
dig anzuführen find, wohl zu unterſcheiden von der 
älteren, römischen Moſaik, wie man ihr, ſchon feit 
dem vierten und fünften Jahrhundert, in den äl- 
teren Baſililen der Weltftadt begegnet. Allen bie: 
fen Figuren eignet ein, dur die Tradition der 
Kirche ein: für allemal feftgeftellter (vgl. das öku⸗ 
meniſche Concil von Nicäa 787), Typus der her: 
ben Strenge und feierlihen Würde. So allein 
paßten biefe Figurenin die architeltoniſchen Schö- 
pfungen ber Zeit, wie denn überhaupt während 
des eigentlichen Mittelalters die Baufunft im Bor: 
dergrunde jtand, und von ihr die bildenden Künſte 
durchaus ihre Gejege empfingen. Die Malerei in: 
fonderheit konnte der Architeltur gegenüber nicht 
auflommen ; fie blieb Kleinmalerei (Miniaturen in 
den Handſchriften, ſpäter auch Glasmalerei). Erſt 
als ſelbſt in Italien der ernſte und gedrückte Rund⸗ 
bogenſtyl dem von Norden eindringenden Spitz⸗ 
bogenſtyl zu weichen anfing, begegnen wir auch 
den erſten Verſuchen einer Gegenwirlung gegen 
die byzantiniſche Todtenſtarre. Dieſelben fnüpfen 
ſich an die Namen der Italiener Cimabue (1240 
— 1300) und feiner Zeitgenoffen Guido und Duccio. 
Erjt die Engelgeftalten anı Rande des Bildes 
Cimabue's in Maria Novella zu Florenz bringen 
eö zu jelbjtändigem Leben. Die Madonna ſeibſt 
—* trotz aller angeſtrebten individuellen Empfin⸗ 

ung noch unter dem Banne des allgemeinen Ge— 
dankens. Den vollſtändigen Uebergang von der 
Gebundenheit der Ueberlieferung zur Wahrheit 
und Schönheit des freien, auf jhärferer Erfaffung 
der Natur beruhenden Schaffens ertennt man erjt 
in dem Florentiner Giotto und feinen hellen, dra: 
matifch belebten Bildern zu Aſſiſi, Florenz und 
Padua (F 1336). Während aber er und feine Schü- 
ler, die jogenannte, dem gothiſchen Bauſtyl parallel 
laufende, giotteste Malerei im Ganzen noch im 
Dienfte der Kirche arbeitet und in Fra Angelico 
da Fiefola einen chriſtlichen Künftler im eminenten 
Sinne hervorbringt (+ 1455), vollzieht ſich die 
Scheidung der bildenden und der bauenden Kunſt 
und injonderheit die Emancipation der Malerei 


Malerei 


von ber Theologie, deren zweite Magd (nächſt der 
Wiſſenſchaft) fie hatte fein follen, im Verlaufe des 
fünfzehnten Jahrhunderts. Auch hier ging Florenz, 
nädft ihm Siena, überhaupt Tosfana voran 
(Majaccio, + 1443, Ohirlandajo, + 1498). Es war 
zunächſt ein gemwiffer Jdealismus, tie Freube an 
ber Wiedergabe aller Lichter und Schatten der 
Wirklichkeit, was dieje Künftler begeifterte. Hier 
erit fam 8 allmählich zur Anwendung der Ber: 
ſpective und der dadurch bedingten größeren Man: 
nigfaltigfeit und reiheren Fülle der Darjtellung. 
Bald aber regte ſich unter den allmächtigen Ein: 
flüffen des wiedererwachenden Sinnes für die An: 
tite der iveale Schwung und der Sinn für höchfte 
armonie und vollendete Menſchenſchönheit mäch— 
tiger als je, und jo fonnte um die Wende der Jahr: 
—— in Leonardo da Vinci (+ 1519), Rafael 
nti (+ 1520) und Michelangelo Buonarotti (+ 
1564) der Höhepunft aller riftlichen Kunſtleiſtung 
erftiegen werden. In wefentliher Unabhängigkeit 
von allem antiten Borbild, aber aud) in innerlich: 
ſter Selbjıftändigfeit gegenüber dem kirchlich Her: 
tömmlichen haben dieje Maler, welchen Andere, 
wie del Sarto, Razzi, Correggio (+ 1576) und 
vor Allem die ganze —— Schule würdig 
zur Seite ſtehen, recht eigentlich das moderne 
Menichheitsideal, aber weſentlich unter religiöſen 
Gefichtspuntten aufgefaßt, zur Darjtellung ge: 
bracht. Nicht ganz zu derjelben Höhe ift die, befon- 
ders in der eriten Hälfte des fünfzehnten Jahr: 


hundertö Durch die Gebrüder van Eyd begründete," 


niederländiihe Schule gediehen, die in Hemmling 
(oder Memmling) von Brügge (+ 1499), einen ihrer 
belannteften Bertreter findet. Seine Bilder aus 
dem Leben Urſula's in Brügge, der Gebrüder van 
Eyd Anbetung des unbefledten Lammes in Gent 
find typiſch für diefe Richtung, die aber im fünf: 
zehnten und jechszehnten — unter den 
Einwirkungen des italieniſchen Ideals ganz neue 
Bahnen beichritt. Wienämli um 1600 in Jtalien 
ſelbſt die jogenannten Eklektiker (Garacci) darauf 
ausgingen, die Eigenthümlichkeiten der früheren 
Künftler mit Freiheit nachzuahmen, jo nahm Ru: 
bens (+ 1640) die Farbenpracht der Italiener her: 
über auf flandrijhen Boden, während der Hollän. 
der Rembrandt (7 1669) den freien, unabhängigen 
Gang des nordijchen Geiſtes darftellt. In Deutid: 
ss das ſechs zehnte, in Spanien das fiebzehnte 
Jayrhundert das Größte entjtehen. Albrecht Dü: 
rer's ernite, gedantenvolle Bilder aus der Leidens: 
geihichte, Dans Holbein’3 Todtentänze und nie: 
ende Familie vor der Madonna find nicht minder 
bedeutjame Urkunden der Religionsgeſchichte, als 
die Schöpfungen der gleichzeitigen italienischen 
Maler, aber nur zwischen Rafael’s Siftina und des 
Spaniers Rurillo (+ 1682) Conceptionsbild tonnte 
der Siegeöpreis des höchſten menſchlichen Ent: 
züdens und der erhabenjten Schönheit ſchwankend 
erfheinen. Rachher finden wir allenthalden den: 
ſelben Rüdgang. Die Kunft, welche ſich in den ge: 
nannten größten Heroen ſoweit wenigftend von 
der Kirche emancipirt hatte, daß. jie niemals wie: 
der in Verſuchung hätte gerathen follen, um der 
Kirche willen dad aufzufuchen, was fie um ihrer 
ſelbſt willen ewig fliehen müßte, malte aufs Neue 
auf rung hi nahm bald einen lediglich con: 
ventionellen Charakter an. Erjt jeit Mitte des vo: 
igen Jahrhunderts wagt die Phantaſie wieder den 
ug über die fromme (und merlwürdiger Weije zu: 


605 


Malvenda 


gleich ind Buhleriſche Hinliberfchillernde) Mode —* 
weg und faßt abermals antike Ziele ins Auge. Der 
vertehrte Geſchmack fällt gegen Ende des vorigen 
au regen dem mächtig auflebenden Naturfinn 
zum Opfer, und unter den fruchtbaren Einflüffen 
der Revolutionsjahrzehnde gejtaltet '$ eine neue 
Malerei, die wenigjtens in Bezug auf Mannigfal« 
tigkeit der Gegenftände und —— der Behand⸗ 
lung die Kunftblüthe der Renaifjance noch über: 
bietet. Gejchichte, Sage, Poeſie, Märchen, Genre, 
Landſchaft, — Alles jteht ihr im gleicher Weiſe zu 
Gebote. Kirhli im alten Sinne wird d.eje Kunjt 
trog aller Bemühungen niemals wieder werben. 
Aber religiös zu fein hört fie deßhalb doch für den« 
jenigen nicht auf, weldem nicht das Kirchenhaus, 
jondern die Welt das Haus Gottes ijt, darin aud) 
die moderne Malerei priejterlihe Thätigfeit zu 
üben berufen ift. Vgl. Bajari, Leben der ausgez. 
Maler, Bildhauer ze. überjegt von Schorn und 
Förfter, mit berichtigenden Noten, 5 Bde., Stutt- 
gart 1832—47. Lanzi, Geſch. der Malerei in Ita— 
lien, überjegt von U. Wagner, mit Anmerkungen 
von Quandt, 3 Bde., Leipz. 13830—33. Kugler, 
Handbuch der Gef. der Malerei jeit Conjtantin 
d. Gr. 2. Aufl. Berl. 1847. Hotho, Geſch. der deut: 
ſchen und niederländifchen Vlalerei. Bd. 1 u. 2, 
Berl. 184043. Derjelbe: Die Malerjchule Hu: 
bert'3 van Eyd ıc. 2 Bde. Berl. 1855—58, Holtz⸗ 
mann, Denkmäler der Religionsgeſchichte, Elber⸗ 
feld 1869. 

Malingre M., ein Zeitgenofje Caloin’s, Ma- 
rot's 2c. Bon feinen Xebensumfjtänden ift nur 
foviel befannt, daß er, ehemald Dominilaner, 
jpäter jich der reformatorischen Xehre zuwandte, 
1534 in Blois predigte, wo er mit Marlot (j.d. X.) 
befannt wurde, und 1542 Prediger in Waadtland 
war, Seine (in Berfen abgefaßte) Schrift »L’E- 
pistre de M. Malingre envoyee a Cleinent Ma- 
rot: en laquelle est demandee la cause de son 
departement de France. Avec la reponse du dit 
Marot. Icy trouverez une louenge de France et 
des Bernoys, avec un noble rolle d'aucuns Fran- 
gois habitant en Savoye, et deux epitaphes de 
Clement Marot. Nouvellement imprime a Basle 
par Jaq. Estange, ce 20. ostobre 1546. wieder 
abgedrudt Paris 1869 (bei Edwin Tross) — lie: 
fert ald dad Wert eines Zeitgenoffen wichtige Bei: 
träge zur Gejchichte der Reformation in Genf und 
in Frankreich. 

Mallet, Friedrich Ludwig. Hervorragender Pre: 
diger zu Bremen. Geb. 4. Aug. 1792 zu Braun: 
fels, Sohn eines fürjtlih Solmſchen Kämmerei: 
beamten, fam in jeinem 17. Jahre mit jeinem 
Pflegevater, dem Prediger Müller nah Bremen, 
ftudirte zu » erborn und Tübingen, nahm an den 
Befreiungstämpfen thätigen Antheil, wurde 1816 
Hülfsprediger, zwei jahre darauf gewähster Bre: 
diger der St. Midaelis » Gemeinde in Bremen 
1327 Brediger an der St. Stephanilircche dajelbit, 
+6. Mai 1865. Herausgeber des „Bremer Kirchen⸗ 
boten“, deö „Bremer Schlüffel“, der „Bremer 
Boft“, Predigten erjchienen gejammelt 1859, 
„Altes und Neues”, Bremen 1864. 2. Aufl. Bre: 
men 1869. Vgl. Hupfeld, Fr. M.'s Bild zur Erin: 
nerung, 1865. N. ev. Kzig. Nr. 33 ff. 1865. 

Malteferorden, anderer Name der Johanniter, 
feitdem fie ihren Sig auf der Inſel Malta aufge: 
ſchlagen hatten. . 

Malvenda, Thomas, geboren 1566 zu Kativa in 

3 


Mamadi 


der fpanifchen Provinz Valencia, trat in den Do: 
ntinicanerorden zu Yombay und zeichnete ſich durch 
jeltene Sprachkenntniſſe aus. Der Cardinal Baro: 
nius berief ihn 1600 nad) Nom und übertrug ihm 
die Correctur des Breviers und Miſſale. Sowohl 
vonder Eongregation des Index zu Rom als von der 
Inquifition in Spanien wurde er zu ähnlichen Ar: 
beiten benugt. Seine Annales ordinis praedica- 
torum find nicht vollendet. Sein Hauptwerf aber 
ift eine wörtliche Ueberfegung und Erklärung des 
Alten Teftamentes, die er bis zum 16. Gapitel des 
Ezechiel vollendete. Weil wörtlich, ift die Ueber: 
jegung oft rauh und unverftändlid. Seine übrigen 
Schriften zählen Quetif und Echard auf. 
amadi, Thomas Maria, ein Dominicaner, 

geboren 1713 auf der Inſel Scios, der aber früh 
nad) Jtalien gefommen war und fich durch jeine 
Kenntni des hriftlichen Altertjums auszeichnete. 
+ 1792. Die Schrift Originum et antiquitatum 
christ. libr. XX ift nur bis zum fünften Buch vol: 
lendet. Ferner fchrieb er drei Biicher De’ costumi 
de' primitivi Christiani 1753. Wenig bedeutend 
iſt eine Gegenſchrift gegen Febronius. Benedict 
XIV. ernannte ihn zum Gonfultor des nder. 

Mamas, der Heilige, ein im Morgen: und Abend: 
Lande, auch von Öregor von Noglanı, Bafılius von 
Cäjfarea, jowie von Walafrid Strabo, viel gefeier: 
ter Heiliger, von dem aber hiftorisch eigentlich 
Nichts befannt ift. Er joll um 274 gejtorben fein. 
Die Legende läßt ihn im Gefängniß von feiner 
Mutter, einer Bekennerin, geboren jein und ſchmückt 
dann jein ganzes Leben mit ununterbrochenen 
Wundern und um ſeines Glaubens willen über: 
ftandenen Qualen. 

Mamertus, der Heilige, Erzbiſchof von Bienne. 
+ angeblih am 11. Mai 475. Wenn er nicht, was 
gewöhnlich angenommen, aber von Baronius und 
Vingham bejtritten wird, die Bittgänge zuerft bei 
Gelegenheit siner Bienne verwüjtenden Feuers: 
brunk eingeführt hat, jo hat er jedenfalls die An: 
regung gegeben, jodaß das Concil von Orleans 511 
die Einführung der Bittgänge in ganz Frankreich 


ie 
amertus Glaudianus (j. Claudianus), ein 
Presbyter zu Bienne und hriftliher Dichter. 7470. 
Mammän Julia, die Gattin des Syrers Gefius 
Marcianus und Mutter deö Alerander Severus 
(geboren 205), auf welchen fie Zeitlebens großen 
Einfluß übte. Als frühere Schülerin des Drigenes 
zu Antiochien dachte fie günftig vom —A— 
ohne ſich ſelbſt zu ihm zu befennen. Euſebius nennt 
fie eine ſehr gotteöfürchtige Frau. 
Mammillarier, eine Fraction der Anabaptiften 
in Holland. Die Spaltung entjtand durch die mil: 
dere Beurtheilung eines jungen Mannes, der ſich 
gegen ein grauenzimmerlinzienliches erlaubt hatte. 
ammon, Luc. 16, 13; Matth. 6, 24, bezeich: 
net an diefen Stellen die Berjonification des irdi: 
ſchen Beſitzes, das Irdiſche nach ſeiner geiſtigen, 
verſtriclenden Macht. Es iſt aus dem rabbiniſchen 


Sprachgebrauch entlehnt, welcher yon, Bertrauen | 


für Reichthum und Anhänglichkeit an denjelben 
jet. Schon die LXX een für MJION Vertrauen, 
Insavpos Schaf. 

Mamre, der Name eines Amoriterö und Bun: 
desgenofjen Abraham's, 1. Moſ. 14, 13. Auch 
der Nanıe des Eichenhains bei Hebron, 1. Moſ. 13, 
18; 18,1. 


606 


‚ren Bermuthungen drüdt die 
Abjtanımung von der Negypterin aus, daß In die 





Manbeville 
Manaffe, der ältere Sohn Joſeph's von der 


‚ Prieftertochter Asnath. Die Stellung, welche der 


von ihm abgeleitete Stamm dem verwandten 
Ephraim gegenüber gefhichtlich eingenommen bat, 
ift indem Segen Jakob's —— Nach neue: 

zãhlung der 


beiden Stämme die Aegypter aufgenommen ſeien, 
welche beim Auszuge I an Iſrael anjchlofien. 
Der Stamm Manafte erhielt jeine Wohnfige nörd⸗ 
(id) von Ephraim, erlangte aber niemals die ihm 
mitzugemwiefene Meerestüfte. Der halbe Stamm 
bewohnte jenjeit des Jordan nördlich vom Jabbot 
bis an den Libanon ein weites Weideland, in wel: 
hem die Jaird:Dörfer eine bevorzugte Gegend 
waren, Die biblifche Erzählung, ba bon Moſes 
dieſes Gebiet dem Stamme angewieſen habe, wird 
von Neuern bezweifelt und vermuthet, erſt zur Rich: 
terzeit habe ber Stamm, ber das ganze ibm zu: 
getheilte Land nicht in Befig nehmen fonnte, ſich 
jenen Raum zu verjchaffen gefudht. Haſael von 
Syrien riß unter Jehu das Dfiordanland von Jj: 
rael ab und unter Phul wurden die Bemohner 
nad Aſſyrien verpflanzt. 

Manaffe, König von Juda 695—640, der Sohn 
de3 Hiskia, Enkel des Ahas. Er huldigte dem ba: 
byloniſchen Sterndienft und verleitete nicht bloß 
Iſrael wieder zum Abfall von Jehovah, jondern 
verfolgte und tötete aud) die re und bie 
treuen Juden. Unter ihm ſoll Jcjaias in einer hoh⸗ 
len Geder zerfägt worden fein. Die Bücher der 
Könige gehen über feine gg (2.Rön. 21 ff.) 
furz hinweg, aber aus 2, Chron. 33, 11—14 geht 
hervor, dab Manaſſe durch einen afſyriſchen Kriegs: 
oberjten ges nad) Babylon geführt wurde. 
In der Gefangenſchaft jol er’ in ſich gegangen, 
dann nad Jeruſalem zurücgelehrt jein und das 
Land mit Befeftigungen verfehen haben. DerGötzen⸗ 
dient beftand aber aud) nad) feiner Rüdtehr fort, 
fo daß feine Umfehr nur eine theilweife geweſen 
fein fann. 

Manafje: Gebet, ein apofryphiicher Bet: und 
Bußpſalm, aus Anlaß der Stelle 2, Chrom. 33, 
18 von einem jpätern Juben griechiſch verfaßt, 
war in alten Handſchriften ver LXX ohne Zmeifel 
enthalten (obgleich nicht in den älteſten), da eö be: 
reits ineiner altlateinifchen, vorhieronymianischen 
Ueberjegung eriftirt. Für echt wurde es nur von 
einigen griehijchen Kirchenvätern gehalten; auch 
die fatholijche Kirche erllärt e8 für unkanoniſch. 
Vgl. Müller, Erkl. des Gebets M., 1733; Frigice, 
im E, ereg. Handbuch, 1851. 

Mandata de providendo jind die päpftlicen 
Anweilungen auf eine erledigte Pfründe, weiche 
anfänglich als Empfehlung, bald aber als Befehle 
gegeben wurden, und denen endlich das Tridenti: 
num ein von jegte. Vgl. d. X. Menses papales. 

Mandelbaum ift in Paläftina häufig und feine 
Früchte wurden zu den beiten Producten des Lan: 
des gerechnet, 1. Moj. 43, 11; 4. Moſ. 17, 8, Bon 
den beiden Wörtern, mit denen der Mandelbaum 
bezeichnet wird, jiberjegt Luther dad eine nb mit 
Hajelnuß 1. Moj. 30, 37. 

andeville, Bernhard, geboren zu Dortrecht 
1670, von franzöfifcher Abkunft, war Arzt und lebte 
rößtentheild in London, wo er 1733 ſtarb. In 
Em Hauptwerk „die Bienen“, einem Lehrgedicht 
1706, befämpfte er die air Sittenlehre durch 
den verfuchten Beweis, daß ein Staat mit lauter 


Mandra 


tugendhaften chriftlihen Bürgern aus Reblichkeit 
und Genügiamteit untergehen müßte. Er hatte 
eben nur die Garricatur chriſtlicher Sittlichkeit, 
eine kopfhängeriſche Weltfcheu vor Augen , die ihre 
höchſte Wonne in dem Klagen Über die Sünde fin- 
det, ohne je zum fittlihen Handeln ſich aufzuraffen. 
Es fehlt ihm an jedem Verſtändniß der höheren 
Aufgaben, er kennt feinen andern Trieb alö den 
des Nußens. Sein Bud wurde zwar troß feiner 
Entfguldigung vom Landgericht zu Middlejer 
— aber dennoch viel verbreitet und über: 
etzt. 
Mandra, eigentlich Stall, Hürde, kommt als 
Bezeihnung der Klöfter in den älteften Zeiten vor, 
in Bezug auf die ärmlichen Hütten der Einfiedler. 

PRanhartianer oder Manhartiften, eine Partei 
in der fatholiihen Kirche Tyrols, die 1814—26 
beitand. Ein Caplan Haagleitner von Hopfgarten 
hielt es für Unrecht, fih dem von Napoleon ein: 

ejegten Coadjutor von Salzburg zu unterwerfen. 
egen jeiner Naitationen von den Franzofen ge: 
fänglich eingezogen, gelang es ihm zu entfliehen 
und aud nad dem Frieden einen Anhang zu ſam⸗ 
meln, der ihn als allein rechtmäßigen, nicht abge: 
fallenen Prieſter anfah. Seine Hauptſtütze war der 
Landmann Sebaftian Manzl von Weitendorf, nad) 
jeinem Gute Manhart genannt. Der Sectenname 
entjtand, ald dies But der Berfammlungsort wurde 
und Manhart wie feine Frau in den VBerjammlun: 
gen predigten. Sie wandten fid) endlich 1825 an 
den —* und wurden von ihm an den Fürſterz⸗ 
biſchof Gruber gewieſen, deſſen Belehrung ſie ſich 
unterwarfen. 

Mani und die Manichäer. In den Nachrichten 
über die Perſon dieſes Religionsſtifters (Mani, 
früher Cubricus, Manes, Manichäus) weichen die 
orientaliſchen und griechiſchen Schriftſteller ſehr 
voneinander — —— erzählen fie nur, 
daß er jeine Lehre ſeit 288durd Apoſtel nach allen 
Seiten hin verbreitet Kor erjt auch von den per: 
ſiſchen Königen begünſtigt, von den Magiern aber 
gehaßt gemwejen jet, daß er dann, als er in einer 
öffentlichen Disputation mit einem chriftlichen 
Biſchof gefchlagen worden, habe fliehen müfjen und 
ergriffen auf grauſame Weije hingerichtet, fein 

leiih den Vögeln preisgegeben, die Haut ausge: 

ft worden fe. agegen lafjen die Drientalen 
ihn vom Chriftentyum abfallen, während ihn die 
uhammedaner zu einem Maguſäer maden, als 
tte er deren Dualismus gegen das eine höchſte 
rincip (Zervane akerene) Zoroaſter's durch Hin: 
eintragen chriſtlicher Gedanten Pat ra wol: 
len. Die Decidentalen endlich lafjen ihn feine Lehre 
aus Schriften entnehmen, die er auf unredliche 
Weiſe an fih genommen und für fein Eigenthbum 
auögegeben hätte. Sein Tod fällt um das Jahr 
277. Mani’s Religionsiyitem verjucht, ähnlich wie 
es jpäter Muhammed that, das Heidenthum ge: 
jtärft, bereichert und geläutert durd) einige chrift- 
lihe Gedanken dem Chriſtenthum als Gegenteli: 
ion entgegenzuftellen. Unter den chriftlichen Sec⸗ 
en ift eö dem Gnoſticismus am meiften verwandt, 
fonjt zeigt es außer parjifhen auch buddhiſtiſche 
Einflüffe. Es beruht auf dem Grundgedanfen von 
zwei ewig neben einander ftehenden Reichen des 


607 


Mani 


menten auögeftattet hatte, wurde überwunden und 
wenn aud) gerettet, verlor er doc einen Theil 
feines wre welches in die Finſterniß 5234 en 
wurde. Dies wieder zu befreien, ward durch die 
Mutter des Lebens die ſichtbare Welt geſchaffen, 
in welcher jenes Licht von der Materie gehalten 
wird, aber auf Erlöfung wartet. Chriftus und der 
heil. Geift in Sonne und Mond fjuchen die Licht: 
oe an fich zu ziehen. Die Dämonen, an die 
Geſtirne gefeflelt, ſchufen, um jene zu hindern, den 
Menſchen, in weldem Licht und Finſterniß ver: 
bunden ift; feine Aufgabe wird nun, jenen den 
Sieg Über diefe zu verihaffen, indem er von den 
in der Natur zerjtreuten Lichtfräften möglichft viel 
an fih nimmt. Chriftus erfchien (in einem Schein: 
förper), um die im Juden und Heidenthum durd) 
Schuld der Dämonen irregeleiteten Menfchen der 
Erlöfung entgegenzuführen. Sein Leiden ift ein 
Symbol des in der Materie gebundenen Lichtes. 
Chriſti Lehre ift fhon von den Jüngern mißver: 
jtanden ; deshalb ift in Mani der von Chriftus ver: 
heißene Paraclet erjdienen, der die Seinigen in 
alle Wahrheit führt. Die Erlöfung ift die Wirkung 
der von ihm vermittelten Erfenntniß und der durch 
ihn gebotenen ftrengften Enthaltfamfeit. Weil eben 
diefe nur wenigen und unter jeltenen Lebensbedin— 
gungen möglich ift, jo jchied fich die manichäiſche 
Gemeinde in die zwei Klaffen der Ausermählten 
oder Bolllommenen und der Hörenden. Jene beja- 
en die Erfenntniß der Geheimlehren, enthielten 
ich der Ehe, des Fleiſchgenuſſes und möglichit alles 
haflenden Thuns; diefe, die Hörenden, übten die 
manichäiſche Afteje (Siegel der Hände, des Mun— 
bes, des Schooßes), deren Ziel völlige Abtöbtung 
des Fleiſches war, in bejhränfterem Maße. Sie er: 
erg den Ablaß für ihren Mangel durd die Ge: 
ete der Volllommenen, denen fie zum Dank Ab- 
gaben an Begetabilien brachten, deren Genuß ihrer 
Seele die darin enthaltene Lichtſubſtanz afjimiltrte, 
Aur die Vollfommenen find fähig, jofort in das 
Reid) des Baters zu gelangen, der Andern wartet 
eine Metempfychoje, * Seele durchwandert noch 
eine Reihe von Menſchen- und Pflanzenkörpern. 
Am Ende der Dinge tritt die volle Scheidung zwi— 
ſchen Licht und Finſterniß ein. Der Gottesdienſt 
war ſehr ea den Sonntag begingen fie durd) 
Faſten; die Taufe (mit Del) und das Abendmahl 
gehörten zu dem geheimen Gottesdienft der Aus- 
erwählten. Die Ferfäffung war der katholiſchen 
Kirche nachgebildet; an der Spike ftanden zwölf 
Apostel (Magiftri) mit einem breizehnten unficht: 
baren (Mani), auf fie folgten zweiundfiebzig Bis 
ihöfe, unter denen Presbyter und Diakonen tan: 
den. 

Unter fortwährenden hejtigen Berfolgungen, da 
fie wegen der Ehelofigkeit mit der Todesftrafe be- 
droht waren, breiteten fich die Manichäer in Per: 
fien dennoch immer wieder aus und fanden fich 
nod) im 8. Jahrhundert. Auch im Abendlande wur: 
den fie verfolgt (Edict Diocletian’s), trogdem er: 
hielten fich überall Gemeinden. Am meiften blüh— 
ten fie in Nordafrifa, wo n Auguftinus fieben 
Jahre zu ihnen gehörte, um fie nachher deſto ent» 
ſchiedener zu befämpfen. Hier gingen die Gemein: 
den durch die Bandalen unter. Die Kirche erfannte 


Lichts und der ir et die Gränge derjelben | fie aber überall für jo gefährlich, daf Juftinian die 


wird durch einen eg durchbrochen. Der Ur: 


ı manichätfche Ketzerei im Geſetze mit dem Tode be: 


menſch, den Gott, um den böjen Mächten zu bes | drohte. Die dem Manichä ismus zu Grunde liegen: 
gegnen, geichaffen und mit den fünf reinen Ele: | den Gedanten traten im Mittelalter inmer aufs 


39 


Manipulus 


neue hervor in den Secten der Katharer, Bogo: 
milen, Baulicianer u. a., deren Berwandtichaft mit 
dem Manichäismus daher ftet3 mit Recht behauptet 
worden, wenn aud einäußererJufammenhang nicht 
nachweisbar ift. Der dogmatiiche Spradgebraud) 
des Wortes ee “faßt nicht das ausge— 
bildete Syitem des Manıhäismus ins Auge, fon: 
dern nur den Örundgedanfen von dem Böjen als 
einer ewigen Subjtanz und feiner Jdentificirung 
mit der Materie. Wenn Schleiermader den Ma: 
nihäismus als natürlihe Ketzerei am Chrijten: 
thum aufführt, jo begreift er darunter jede Auf: 
lb für welche e8 feine wahrhafte Erlöjungs: 
ähigkeit des Menjchen giebt, weil das Böfe zu eis 
nem Wejen gehört. In der manichäijchen Erlöfung 
wird das Wejen des Menfchen ſelbſt zerftört. 

Die griehiidhe Hauptquelle für den Manichäis— 
mus find Archelai (um 278) Acta disputationis 
cum Manete, dann die Gegenjdriften von Titus 
Bojtrenfis, Epiphanius und Auguftin. Für die 
orientalifche Auffaffung vgl. G. Flügel, Mani's 
Lehren und Schriften aus dem Fihrist des Ibn 
Abi Jakub an-Nadim, Zeipz. 1862. Fragmente von 
Mani's Schriften ſ. in Fabricii, Bibl. graeca T. V. 
VBgl. Is. de Beausobre, Histoire critique de Ma- 
nichee et du Manicheisme, 1734 und 39; Baur, 
das manichäiſche Religionsiyften, Tübing. 1831 
(dazu Schnedenburger'8 Recenf. in den Stud. und 
Krit. 1833). 

Manipulus, eigentlich das Schweißtuch, gehört 
zum fatholifchen Priefterornat. Bon der Farbe des 
Mebgewandes, mit an den Enden und in der Mitte 
darauf gejticten Kreuzen, wird ed am linfen Arme 
mit Bändern befejtigt. E3 wird mit andern Meß: 
paramenten vor dem Gebrauche gejegnet. 

Manna, die tägliche Nahrung der Iſraeliten in 
ber Wüſte, 2. Mo}. 16, 14—35 ; 4. Mof. 11, 7—9. 
Der Bericht jelbft wie fpätere —— (Bi. 
78, 24) zeigen deutlich, daß es als eine wunder: 
bare, auf außerordentlihem Wege dargebotene und 
nicht natürlich erzeugte Speife aufgefait wurde. 
Die bibliſchen Schilderungen pafjen gar nicht auf 
das heutige Manna, ein jüßes, meißliches Harz, 
welches von dir Manna-Ejche oder der Tarfas 
Staude gewonnen wird und aus deren Blättern, 
wenn fie durch Jnjectenftiche verwundet find, aus: 
ſchwitzt. Das biblifhe Manna dürfte aber von 
Neuern in dem Samen einer Flechte, Lecanora 
esculenta, entdedt jein, melde in den Wüjten 
BVerfiens und Arabiens, häufig aud) in den Spal: 
ten und Riten der Felfen wächſt. Der Same, vom 
Winde weggeführt, bededt die Erde und wird in 
Nothzeiten von den Beduinen als mwilltommene 
Speije gefammelt. Die biblifche Erzählung läßt als 
hiftorisch gewiß erkennen, daß während des Wüften: 
zuges Iſrael der Gefahr einer Hungersnoth aus: 
4 unerwartet eine längere Zeit hindurch eine 
Nahrung gefunden habe, welche nicht durch menſch⸗ 
liche Arbeit erzeugt, ihnen mühelos zufiel. 

Mansfeld, Ernit, der proteftantiiche Feldherr 
im breißigjährigen Kriege, war der natürliche Sohn 
des Füiriten Peter Ernft von Mansfeld, Statthal- 
terd von Luxemburg, und einer niederländischen 
Dame, Geboren 1585, wurde er von feinem Tauf: 
pathen, Ernſt von Defterreich, Fatholifch erzogen 
und wegen wichtiger Dienfte von Rudolf II. legi- 


608 


timirt. Als man ihm die Güter feines Vaters in 


den Niederlanden vorenthielt, wurde er der erbit- chriſtlichen im Aberglauben 
fertfte Gegner Defterreihs, trat 1610 zur refor: zeit der Religion eines Vo 


Mantik 


mirten Kirche über, zog 1618 den Böhmen zu 
Hülfe, focht für Kurfürſt Friedrich V. in der Pfalz 
und am Rhein, und drang 1620 mit einem neu— 

eworbenen Heere trotz einer bei Deſſau durch 
Walfenftein erlittenen Niederlage bis nah Ungarn 
vor. Als hier aber Bethlen Gabor jein Verſpre— 
chen, ihm mit frifchen Truppen zu Hilfe zu kom: 
men, nicht hielt, Löfte er jein Heer auf und jtarb, 
im Begriff, nad) England zu gehen, am 20. Nov. 
1626 in Zara. Ohne ihn würde Dejterreich feinen 
Blan der Unterjohung Deutihlands und der 
Ausrottung des Protejtantismus haben durchfüh— 
ren können. 

Manfi, Johann Dominicus, geboren zu Lucca 
am 16. Februar 1692, trat in den Orden der Cle- 
rici regulares matris Dei (geftiftet 1588 von J. 
Leonardi) und lehrte zu Neapel Theologie. Bom 
—— nach Lucca berufen, gründete er dort 
eine Afademie für Kirchengeſchichte und Literatur, 
gewann durch feine Werke europäifchen Ruhm und 
wurde 1765 zum Erzbiſchof von Yucca erhoben. + 
am 27. Sept. 1769. Bon feinen Arbeiten find zu 
nennen die lateiniſche —— des Lexikons 
und des Commentars von Calmet, die Herausgabe 
der Annalen des Baronius (38 Bde.) mit der Fort⸗ 
fegung von Raynaldus; von eigenen Arbeiten: 
Sacrorum conciliorum nova et amplissima col- 
lectio, Flor. 1759 —88 (er führte das Wert bis 
zum 15. Bande fort), außerdem: Supplementum 
eolleetionis conciliorum et decretorum Nicol. 
Coleti. Vgl. über ihn Zatta, Comment. de vita 
et scriptis J. D. Mansi, Ven. 1772. 

Mansionatieum ift die Abgabe, mit welcher 
die Geiftlihen die Verpflihtung ablauften, den 
Biſchof auf den Pifitationsreifen zu bemirthen. 
Diefe Ablöfung der kirchlichen Pfliht mit Geld 
wurde zwar von Jnnocenz IV. auf dem Lyoner 
Concil 1274 verboten, ift aber vom. Tridentinum 
nach Bonifacius’ VIII. Vorgang als zuläffig er: 
achtet worden. 

Mansus, der Theil des Grundbeſitzes einer 
Kirche, welcher ihr als dos zur Fundation gegeben 
und vor allen LZaften und Abgaben frei war. 
Eigentlich ift mansus (ein Wort ungewifler Ablei: 
tung, vielleicht janiel als Wohnftätte,) das einem 
Hörigen überwiejene Gut. Im fränfifchen Reiche 
wurden die Kriegädienjte nah Manfen bemefien. 
Die Kirche war von denfelben nur für die eigent: 
liche dos (mansus integer) und für die Grund- 
ftüde, denen die Könige Immunität verliehen hat⸗ 
ten, befreit. 

Mantelgriff, eine jüdiſche Ceremonie bei feier: 
lihen Verſprechungen, indbejondere dem Berlöb- 
niß. In Gegenwart von Zeugen berühren beide 
Theile ein vor ihnen auögebreitetes Tuch. 

Mantelfinder. Die durch nahfolgende Ehe ihrer 
Eltern legitimirten vorehelihen Kinder hießen jo, 
weil fie dadurd) anerkannt wurden, daß jte bei der 
Zrauung unter den Mantel der Eltern gejtellt 
wurden. 

Mantik. Iſt die 9— den religiöſen Glauben 
gegründete Kunft, aus fosmischen Vorgängen den 

öttlihen Willen, jei es als Gefeg oder als Weif- 
des Künftigen, zu erfennen. Hervorge: 
gangen aus dem er rg und ber ſitt⸗ 
lichen Unfreiheit der Menfchen, zeigt fie fich bei 
allen heidnifchen Völkern und herrſcht unter den 
F In der Blüthe⸗ 
tes zeigt die M. bei 


Mantua 


jedem ihre mit dem Weſen der Religion zufammen: | 
hängende Bejonderheit. Die orientalifchen Natur: 
reli’ionen lejen in den Conitellationen der Ge: | 
ftirne, in den Naturerfcheinungen und Traum: 
bildern zc. das vorherbeſtimmte Gefchid, während 
die —— Drakel vorausſetzten, daß die 
ſchwaͤrmeriſche Verzüclung, in welche der Prieſter 
bei den heiligen Handlungen verſetzt werde, ihn 
befähigten, die göttlichen Winke über die unwan: 
delbaren Ordnungen des von dem Menſchen zu 
befolgenden Rechtes zu verftehen. Ihnen verwandt 
atten die Römer die M. zu einem Factor ihrer 
taatsvermwaltung gemacht und die Deutung ber 
h. Borzeihen beitimmten Regeln als * 
unterworfen. Beim Verfall der Religion und der 
Sittlichkeit eines Volkes zerfällt auch die . 
Mantik und wandelt fi) in abergläubifche Bor: 
ftellungen und Mittel, durch welche jeder Einzelne 
willfürlich die unbefannten göttlihen Mächte an 
ſich zu binden fucht. Es pflegt dann bie buntefte 
Miſchung aller Borftellungen einzutreten, wie 5.8. 
in der Zeit des römischen Kaiſerthums. Die be: 
bräijche Prophetie ift von der Mantif dadurch ver: | 
ſchieden, daß fie von der Vermiſchung des Natür- 
lihen und Göttlihen ſich ganz frei gemacht 
und indem fie die volleSelbftftändigkeit des menſch⸗ 
lihen Bewußtſeins, felbft in Zuftänden propheti: 
her Berzüdung, feithält, die fittlihen Gottes: 
ordnungen allein anjchaut, welche alles irdiſche 
und menschliche Leben beherrichen, und melde es 
ilt, fich mit Freiheit anzueignen. Vgl. Eichhorn, 
inleitung ind A. T. Oötting. 1824. 4. Bd. Bor: 
rede. Emald, die Propheten des A. B. Götting. 
1867. 1. ©. 1. ff. Karl Köhler, der Prophetismus 
der Hebräer und die Mantik der Griechen inihrem 
gegenjeitigen Verhältniß. Darmftabt. 1860. 
antun. Das Concil zu Mantua 1459 berief 
Pius II. als eine ee der cheiftlichen 
Fürften zur Beſchlußfaſſung über einen Kreuzzug 
gegen die Türken. Die fargen Berfprehungen wur: 
den nicht erfüllt. Eben dort verdammte Pius Die 
Appellationen vom Bapfte an ein freies Eoncil, 
Nah Mantua fchrieb auf das Jahr 1537 Paul IL. 
zur Bereinbarung mit den Proteftanten, ein Con: 
cil aus, nachdem Paul Bergerius vorher darüber 
mit diefen verhandelt hatte. Aber fomohl bie 
Zeitumftände als die Art der Einladung an die 
proteftantifchen Fürften und die geitellten For: 
derungen ließen erfennen, daß es dem Papſt nicht 
Ernft jei, jo daß die Einladungsichreiben von den 
deutichen Fürften zurückgegeben wurden. Doc) ver: 
fahte Zuther für den Fall, daß das Concil zufam: 
mentäme, die Schmalfaldifchen Artifel und die 
Schweizer die zweite Bajeler Confeffion. Bergl. 
Ranke, Deutjche Geſchichte 4. Aufl. 1863. IV. 62.66, 
Möller, Oftander, Elberf. 1869. 

Manuel I,, Rommenus, byzantiniicher Kaifer 
1143—80. Hervorragend durch große Tapferkeit, 
führte er Krieg mit den Ungarn wie mit den Tür: 
fen, den Normannen, Benetianern und den von 
ihm treulos verrathenen Kreuzfahrern, ohne für 
fein Reich dauernd etwas zu gewinnen. Seine 
Niederlage bei Myriofephalon durch die Sarace: 
nen brachte dem Reiche große Gefahr. Das Unglüd 
des zweiten Kreuzzuges wird ihm und feiner treu: 
lofen Arglift vielfach vorgeworfen, da er die Kreuz: | 
fahrer durch falſche Wegweiſer ven Hinterhalten | 
der Saracenen und dem dunger überlieferte. Ber: | 
handlungen, welche Hadrian IV. und Alexander ILL. | 





609 


Maran-atha 


über bie —— der morgenländiſchen und 
abendländiſchen Kirche mit ihm anknüpfen ließen, 
führten zu nichts, da Manuel als Preis der Unter; 
werfung die abendländifche Kaiferfrone forderte. 
Die Mönde begünftigte er, fuchte aber ihr unge: 
bundenes Leben einzufchränten. Wie fo viele 
——— Kaiſer, beſchäftigte auch er ſich mit 

orliebe mit theologiſchen Controverſen und ſtellte 
eine eigene Glaubensformel auf, welche die Bi— 
ſchöfe unter Androhung der Abſetzung, Excom— 
munication und Todesſtrafe beſchwören mußten. 
Vgl. Kugler, Studien zur Geſch. des zweiten ec 
zugs, Stuttgart 1866. Reuter, Alerander III. 
Zeipy. 1860. 2. Bb. 108 ff. 

Manuel, Nikolaus, genannt Deutſch, geb. 1484 
zu Bern, Maler und Bolfsdichter namentlich Sa: 
tiriter und Polemiker und ala folder lebhaft für 
die Berbreitung der Reformation thätig und 
von bedeutendem Einfluß. (Klaglied der armen 
SGögen-Kirchenbilder, Spottlied auf Dr. Ed, Dia: 
log von der Krankheit und bem Sterben der Mefie, 
Teftament der Mefie, Faſtnachtsſpiele, ſatyr. Zeich: 
nungen.) In demſelben Sinne wirkte er ald Staats⸗ 
mann mit Befonnenheit für dad Schutzbündniß 


‚| der Schweiz mit Straßburg und Philipp von Heſ⸗ 


fen und den Frieden feines Vaterlandes. Bon den 
übergroßen Anftrengungen aufgerieben ftarb er 
kurz nach dem Siege der Reformation in Bern 1550, 
Bol. Grüneifen, N. Manuel, Leben und Werke, 
Stuttg. 1837. Ranke, Deutſche Geſch. III, 68. 
Rettig, Ein Wandgemälde von N. Manuel und 
ſeine Krankheit der Meſſe. Bern 1862. 

Maon, 1)Stadt im Gebirge bei der Stadt Car: 
mel, Wohnort des Nabal, Yo}. 15,55; 1. Sam. 25, 
2. Es ift im jekigen Main wiedererfannt. Das 
benadhbarte Bethzur ift nad) 1. Chron. 2,45 von 
Maon aus gegründet. — 2) Volksſtamm, Richt. 
10, 12 neben Sydoniern ꝛc. ald Bezwinger Jira: 
el3 aufgeführt. Wahricheinlich die Bewohner der 
öftlich von Petra im peträiihen Arabien gelegenen 
Stabt Ma’an. 

Maphrianat. Höchſte Biihofswürde nad) dem 
Patriarchat von Antiochia in der fyrifchen (jafo- 
bitifh:monophyfitifchen) Kirche mit der Gerichts: 
barkeit in Chaldäa, Afiyrien und Mefopotamien. 
** Takrit am Tigris. 

appa, das Altartuch. Jeder Altar, an welchem 
Meſſe gefeiert wird, muß mit zwei oder drei weißen, 
leinenen Tüchern bedeckt ſein, von denen das obere 
an beiden Seiten bis zum Boden herabreicht, das 
untere von groberem Gewebe ſein darf. Dieſelben 
müſſen geweiht fein. Nach Beendigung der Meſſe 
wird die Schutzdecke des Altars über dieſe Tücher 
gebreitet. 

Mara. Bibl. Frauenname Ruth 1, 20. 

Marah. Erſter Lagerplatz der Iſraeliten in 
der Wüſte Etham. Der Ort 2. Moſ. 15, 22—25, 
wo Moſes das bittere Waſſer ſüüß machte, wurde 
fonft in Ajun Mufa nahe bei Suez geſucht Gegen: 
wärtig finden ihn die Meiften im Wadi Garanbel. 
Der ebenfalls dafür gehaltene Brunnen Bir Ha- 
värah mit bitterem Waſſer war wohl zum Yager: 
platz zu unbedeutend. 

aransatha, 1. Kor. 16, 22, ber Herr fommt. 
Die Verbindung in diefer Stelle mit Anathema 
ging in die Kirchenſprache über bei befonders feier: 
fihen und ſchweren Bannformeln und Fluchandroh⸗ 
ungen. Da es in derartigen Bullen oft überjegt 
wird in adventum, usque ad adrentum (bis zur 


Maranos 


Ankunft) fo will die Formel befagen, daß von dem 
auögefprochenen oder angedrohten Banne durch— 
aus feine Löfung, Feine Aufnahme in die Kirchenge: 
meinjchaft möglich fein folle, bis der Herr jelbit 
fomme. Der alten Kirche war ein ſolcher Bann nicht 
fremd, da die öffentliche Kirchenbuße bei neuem 
Fall nicht wiederholt werden durfte. Die furcht- 
bare Härte, welche in der Bedeutung der For: 
mel liegt, fobald Kirchengemeinfchaft und Heils— 
befit, Abendmahlägenuß und Sündenvergebung 
gleichgejegt wird, hat fatholifhe Theologen ge: 
nöthigt, eine Abſchwächung der Bedeutung der 
Formel zu fuchen, um troß ihrer die Erthetlung 
des Viaticums (der legten Wegzehrung) an den 
Sterbenden als zuläffig erfcheinen zu laſſen. 

Maranos ift der Name der Juden in Spanien, 
weldye, der Gewalt weichend, zwar äußerlich zum 
Chriſtenthum fich befannten, aber im Geheimen 
dem Judenthum treu blieben, wie 3. B. die Fami— 
lie des Maimonides, der folhes Berhalten auch 
fittlich zu rechtfertigen fuchte. 

Maranus, Prudentius, ein gelehrter Mauriner, 
war am 14. Dctober 1685 entweder zu Sezanne 
ober zu Troyes geboren und trat 1703 in die Con⸗ 
re ber Mauriner ein. Er lieferte 1720 die 

efte Ausgabe des Eyrill von Jerufalem (griedh. 
und lat.), ebenfo gab er die Werte Eyprian’s 1726 
und Juſtin des Märtyrerö 1742 heraus. Ein 
eigenes Werk fchrieb er 1746 unter dem Titel Di- 
vinitas D. n, Iesu Christi manifesta in scriptu- 
ris et traditione. Obgleih er am Streite liber 
die Bulle Unigenitus fi nicht literarifch bethei- 
ligte, hatte er . als Appellant (S. Yanfenis: 
mus) Vieles zu leiden. + am 2. April 1762, 

Marbach, Johann. Geboren zu Lindau am 24. 
Auguft 1521,befuchtedie Schulezu Straßburg, ftu: 
dirte jeit 1539 zu Wittenberg, war danach Dialo— 
nus zu Jena und promovirte 1543 unter Luther's 
Borfig zu Wittenberg. Zuerft Pfarrer zu Jany in 
Schwaben, ward er nad Straßburg an die Nicolai: 
firche berufen und mit mehrfachen Sendungen in 
Kirchenangelegenheiten betraut 1552. Nach Hedio's 
Tode wurde er Superintendent und Profeſſor der 
Theologie. Derichreifrige,aber nad) Melanchthon's 
Urtheilnicht hinlänglich unterrichtete Mann ſetzte es 
fich zur Zebensaufgabe, dieconfessio tetrapolitana 
(1530) und mit ihralle Hinneigung zur ſchweizeri⸗ 
ſchen lee aus Straßburg Ir vertreiben und reines 
Lutherthum einzuführen. Es gelang ihm, den Pre: 
diger der Fremdbengemeinde, Garnier, 1555 zu ver: 
drängen (1577 wurde die Gemeinde gänzlich un: 
terdrückt), 1556 Martyr, der ſich hatte verpflichten 
müfjen, Nichts gegen die Augsburgiſche Confeſſion 
zu lehren, den Aufenthalt in Straßburg zu ver: 
leiden; nad) ** dogmatiſchen Zanke folgte 


auch der letzte reformirte Theolog Zanchi 1563 | 


einem Rufe nach Chiavenna. Seinen lutheriſchen 
Eifer bethätigte Marbach während des Heidelber— 


gr Abendmahlsſtreites durch einen Nachdrud des | 
erfed von Heßhufius, De praesentia corporis | 


Christi incoena Domini, Straßb, 1558 mit einem 


Borwort gegen Friedrich III. von der Pfalz, und | 


durch feinen „Chriftlichen und wahrhaften Unter: 
richt”, Straßb. 1565, in welchem bie Ubiquitäts: 


lehre vorgetragen ift, An ihn ald an eine Stütze 


des Lutherthums wandte ſich auch Andreä mit jei: 


nen Bemühungen um eine bindende Lehrformel 


und reines Bekenntniß, und Marbach verſchaffte 


1577 ber Eoncordienformel die Annahme jeitens 


610 








Marburger Neligionsgefpräch 


der Straßburger Prediger ; Magiftrat und Stabt 
nahmen fie erjt nad) feinem Tode an. Mangel an 
theologifcher Klarheit hatte ihn der Irrlehre des 
Flacius zuftimmen laſſen; alder aber, gewarnt, ſich 
von ihm trennte, gab legterer aus Rache den ron 
Marbach aufgeftellten Consensus heraus. Vielfach 
wurde Marbach in Angelegenheiten der Kirchen: 
verbefjerung in ben Nachbarländern zu Hülfe ge: 
zogen: 1556 leitete er eine Kirchenvifitation in der 
Pfalz, 1564 in Zmweibrüden, 1576 war er behülf: 
lich bei der Miedereinführung des Lutherthums in 
der Pfalz, 1578 hielt er Schulvifitation in Zwei: 
brüden. Das ihm von Dito Heinrich angetragene 
Amt eined Superintendenten der Pfalz hatte er 
ausgeichlagen. + 1581. — Bon feinen beiden Söh: 
nen war ber ältere Eradömus (geboren 1548) feit 
1578 Lehrer des Alten Teftaments zu Straßburg 
und erhielt des Baters Profeffur; + 1593; der 
jüngere Philipp (geboren 1550) lehrte zuerft in 
Straßburg, war dann Rector in Graz, grofeffor 
der Theologie in —— Rector zu Klagenfurt 
und endlich Profeſſor der Theologie zu Straßburg. 

1611. Vgl. Schmidt: Der Antheil der Stra, 

gl an der Reformation in Kurpfalz. Straßb. 

1856. 

Marburg. Die mit der Kirche der heil. Eliſabeth 

ezierte Stadt Marburg an der Lahn war die Res 

Akenz der Landgrafen von Heſſen 1458—99 und 
1567—1604. Die Univerfität ftiftete, alö bie erfte 
proteftantiiche, Philipp der Großmüthige am 30. 
Mai 1527 (1541 von Karl V. beftätigt) und bo: 
tirte fie aus eingezogenen Kloftergütern; fie er: 
langte rafch großen Ruhm. Als 1625 Heffen: 
Darmftadt Marburg bejekte, verlegte es dort: 
* die 1607 geſtiftete Univerſität Gießen. In 
Folge des Weſtphäliſchen Friedens, der Marburg 
an —— zurückgab, ward die Vereinigung 
wieder aufgehoben und 1653 Marburg von neuem 
eingeweiht. Sie vertrat anfangs bie vermittelnde 
Philippiſtiſche Richtung. Als aber Hunnius (1576 
—92) die württembergifche Ubiquitätslehre und 
die Concordienformel zur Geltung zu bringen fuchte 
und die firchliche Trennung zwiſchen Ober: und 
een berbeiführte, ſo daß 1607 Gießen als 
Intherifche Univerjität neben Marburg geftiftet 
wurde, galt legtere ala reformirte, umfomehr, als 
Landgraf Morig feine Verbefferungäpunfte ein: 
führte und die Dortrechter Synode beichidte. Doch 
hat Marburg —— ſeine mildere Stellung behaup⸗ 
tet. An der Univerfität lehrten A. Hyperius ( 
1564), N. Rhoding (+ 1580), D. Arcularius ( 
1596), G. Sohn (+ 1589), Hunnius (+ 1608), 
Eglin (+ 1622), ©. Eruciger (+ 1637), Job. Cro⸗ 
cius (+ 1659), im vorigen Jahrh. der Vhiloſoph 
Ehrift. v. Wolf, in unferem Jahrhundert Daub, 
Stilling, Cölln, Nünfcher, Rettberg, Richter, Henke, 
Ranke, Bilmar, Heppe u. A. Bol. Rante, Deutfche 
Geſch. 1868. II, 307. III 359. V, 336. 

Marburger Bibel iſt die von Horch und Scheffer 
1712 zu Warburg herausgegebene Bibel nad 
Luther's Ueberjegung mit Einleitungen und er: 
Härenden Inhaltsanzeigen, bei denen die myſti— 
ſchen Auslegungen der Guyon (f.d.N.) u. A. ſtart 
ig waren. Die Bibel wurde von den Myſti⸗ 
fern jehr geichägt, bis die Berleburger Bibel fie 
verbrängte. 

Marburger je ae eipräd. Da eine poli⸗ 
Fa Einigung der — welche durch das 
Auftreten des Kaiſers und der katholiſchen Stände 


Marburger Religionsgefpräd 


dringend gefordert wurde, nicht möglich war, jo 
lange die Wittenberger eine Gemeinſchaft mit den 
Schweizern für wider das Gewiſſen gehend erflär: 
ten, fo betrieb Philipp von Heffen in richtigen 
politiſchen Verſtändniß eine Einigung ber Theo: 
logen. Luther entjchloß fich jehr ſchwer, der Ein: 
ladung nah Marburg zu einem Geſpräch mit 
Zwingli zu folgen, und nur weil Melanchthon 1529 
zu Speier dem Landgrafen die Zufage gegeben 
batte(improbitasPhilippi). Zwingli fam ungead): 
tet der Befürchtungen des Züriher Rathes. Lutheri⸗ 
ſcher Seits waren zug en Luther, Juftus Jonas, 
Melandtbon, A. — Agricola, Brenz, 
ſchweizeriſcherſeits Zwingli, Decolampad, Bucer 
und Hedio. Am 1. Detober wurden die Verband: 
lungen nad dem Frühgottesdienft durch zwei 
getrennte Privatgeſpräche, Luther » Decolampad, 
Zwingli⸗Melanchthon, eröffnet und in allen Pune⸗ 
ten, bis auf das Abendmahl, ein Verftändnif er: 
zielt. Am 2, October wurde das Öffentliche Ge— 
ſpräch über dad Abendmahl gehalten, in welches 
Zuther mit der petitio principii eintrat, daß die 
von ihm auf den Tisch gefchriebenen Worte (hoc 


est corpus meum) den von ihm angenommenen | 


Sinn hätten, fo daß er allen exegetiſchen und ver: 
nünftigen Gründen die Forderung der Untermwer: 
fung unter Gottes Wort — ald dem man ſich unter: 


en müfle, felbft wenn es befehle Holzäpfel zu | 


effen — entgegen halten konnte. Das Geſpräch 
drehte ſich um die Auslegungvon ‘Joh. 6, bei welcher 
Luther feine frühere, mit der Zwingli's überein: 
ftimmende Erklärung, zurüdnahm und um die Fra: 
ge, ob Ehrifti Leib lien und an einem Drt, 


alfo räumlich jei, ſowie um die Bejtimmung des Un: | 


terſchiedes des Segens einer manducatio oralisvon 
dem der m. spiritualis. Als das vergebliche Ge— 
ſpräch, welches am Sonntag (3. Det.) noch fortgejett 
wurde, aufgehoben worden und der Kanzler ‚zeige 
zur Einigfeit ermahnte, wies Luther Zwingli's 
dargebotene Hand mit den befannten Worten zu: 


rüd: „Zhr habt einen andern Geift als wir.“ Auf 


Betreiben des Landgrafen ftellte er indeß am 4 
October die Artikel zufammen, über die man ſich 
verglichen, und die noch unverglichen jeien. In 
den erjten 14 fand fich völlige Uebereinſtimmung; 
fie betrafen ſowohl die allgemeinen chriſtlichen 
Yehren, Trinität, Chriftologie, Sünde, ald die 


jpecifiich reformatorifchen vom Glauben und der | 


Rechtfertigung, Beichte und Kindertaufe. Der 15. 
Artikel vom dmahl enthielt den übereinftim: 
menden Gegenfat gegen die fatholijche Lehre und 
betonte den geiftlihen Genuß, verſprach auch chriſt⸗ 
liche Liebe und Einigkeit untereinander, ſoweit 
das Gewiſſen es leiden wolle. Aus diefen Artikeln, 
der erften proteftantifchen confessio und der 
Grundlage des Augsburgiihen Belenntnifjes, 
gi en durch Luther's Ueberarbeitung die Schwa- 

aber rtitel ($.d. A.) hervor, welche, jedoch ſchärfer, 
bie Iutherifche Lehre ausfpradhen. Der Nuten des 
Marburger Geſpräches, obgleich es feinen nächſten 
Zweck verfehlte, war bad Erwachen bes Bewußt: 


611 





Marcellus 1. 


* 


matorum XXV1, 113, 137. Chriſtoffel, ©. Zwing— 
li's Leben ıc. Elberf. 1857. ©. 320. Möller, of 
ander, Elberf. 1869. Die 15 Marb. Artikel fach: 
milirt — von Heppe, Kaſſel 1854. Die 
Acten bei Wald, B. XVII. i 
Marta, Petrus de, geb. 24. Jan. 1594 zu Sant 
in Bearn. Er erhielt feine Bildung im Jefuiten- 
collegium zu Auch und ftudirte zu Touloufe Die 
Rechte. 1615 wurde er (der einzige fatholifche) Rath 
im Conseil souverain zu Béarn, 1621 nad) der 1620 
erfolgten Einverleibung Bearns von Ludwig XIII. 
zum Lohn feiner Mitwirkung bei der Wiedereinfüh: 
| rung des Katholiciämus in Bearn, zum Präfident 
bes Barlaments zu Bau ernannt. 1639 als Staats: 
rath nad) Paris berufen, ſchrieb er 1641 im Auftrag 
des Königs de concordia sacerdotii et imperii s. 
de libertatibus ecel. gallic., welde Schrift in 
Rom aufden Inder am. Nach dem Tode feiner Bat: 
tin 1632 trat M., — ſchon 1608 hatte er die nie: 
deren Weihen erhalten, — in den geiftlichen Stand 
und erhielt vom König 1643 das Bisthum Conje: 
rans. Der Papſt weigerte jedoch die Beftätigung wer 
gen der erwähnten Schrift und ertheilte fie erft, als 
1647 in einer fchweren Krankheit zu Barcelona 
von M., ohne Bemwußtfein feines Thuns, die Un: 
‚terzeihnung eined Widerrufs erlangt war. Erft 
1648 wurde er zum Priefter geweiht und trat 
1650 feine Diözefe an. Der König, welder 
ihn häufig zu politifhen Geſchäften verwandte, 
ab ihm 1652 das Erzbisthum von Touloufe. 
on dem Verdachte, Janfenift zu fein, der wie: 
derum bie Beftätigung verzögerte, reinigte er ſich 
vollſtändig durch feine Theilnahme an der Verur: 
theilung des Janſenismus J der allgemeinen 
Verſammlung bes franz. Klerus 1656. M. + 1662, 
wenige Monate nad) feiner Ernennung zum Erz: 
biſchofvon Baris. Sein Hausgenoffe, Stephan Ba: 
luzius, gab feine Biographie und veranftaltete eine 
neue und vollftändige Ausgabe der Schrift: de 
concordia etc. Paris 1663, 1669 u. 1704, die 
wieber auf dem Inder fteht. 
Martellina. Marcelliniften. Eine Frau, welche 
| um 160 in Rom auftrat und dem Syftem des Gno⸗ 
ftiferö Karpofrates dort Eingang verſchaffte. Ihre 
nur von Gelfus erwähnten Anhänger find nicht 
zu verwechjeln mit den Marcellianern, den An: 
hängern des Marcell von Ancyra. 
| arcellinus. Ein römischer Biſchof, Nachfolger 
des Cajus, 296— 304. In der Verfolgung des Dio: 
'cletian foll er aus Furt im Tempel der Veſta 
und Iſis geopfert, daS Vergehen aber reumüthig 
einer zu Sinueffa verfammelten Synode befannt 
und den Märtyrertod erlitten haben. Augquftin 
erklärte gegen die Donatiften die Geſchichte für 
eine Züge, von Reumont (Geſchichte der Stadt 
Rom, Berlin, 1867, I. S. 571) für eine im Schooß 
der Ketzer entitandene Sage. Die Acten der Synode 
find anerkannt unecht. Obgleich er ald Märtyrer 
gefeiert wird, (24 Apr.) ift jelbft fein Martyrium 


unſicher. 
—— ãi, L. römiſcher Biſchof, der Nachfolger 








ſeins von einem bei aller Verſchiedenheit vorhan⸗ | des Marcellinus nach einer Vacanz von mebreren 
denen evangelifchen Conſenſus, es ermöglichte Jahren. Er foll die Stadt Rom in 20 Diöce: 
die Wittenberger Concordie und den Schuß der ſen getheilt und Priefter zu ihrer Verwaltung 
Reformirten ald Augsburgiſcher ——— eingeſetzt haben. Es wird erzählt, daß er von 
wandter. Vgl. Rante, Deutiche Geſch. 1868. III, | Marentius, weil er den Göttern zu opfern ſich 
121 ff. Schmitt, dad Religionsgeſpräch zu Mar: | weigerte, mehrmals zu den niedrigften Dienften 
burg, Marb. 1840. Heppe, Zeitihr. für Hifter. eines Stallnechts verurteilt worden jei. Das 
Theologie 1848, 1852. Bindfeil, Corpus Refor- Haus einer Wittwe, in welchem er einmal aus der 


Marcellug 


612 


Marcion 


Knechtſchaft befreit, fich verborgen hielt, foll fpä: | Fragment) ein Belenntnik vorgelegt haben, mel: 


ter in eine Kirche verwandelt worden fein. Auch ches die Billigung der Negypter erlangte. Marcel 


foll er den Märtyrertod endlich erlitten haben. , F um 373. 


(16. Jan.) ®al. de Rossi, Roma sotteranea cri- 
stiana Rom 1864. I, 111. 

— II, ®apft 1555. Marcello Gervini aus 
ano, war Secretär bei Paul III.; als Cardi— 
nal und Gardinallegat auf dem Coneil & Tri: 
ent hatte er friedliche Gefinnungen und Klugheit 
bewiejen. Sein ſchneller Tod, 22 Tage nad) ber 
Mahl, wurde ohne Grund einer Vergiftung zuge: 
fchrieben. : 

Morcellus, Märtyrer. 1) Zu Chalons fur Sa: 
one lieh der Präfect Priscus einen M., der an 
einem Opfermahle nicht theilnehmen wollte, fon: 


ern feinen und ber Gäfte Götzendienſt ſchalt, Te: 
bendig mit dem halben Leibe in die Erde graben 
und verſchmachten 140. (4. Sept.) — 2) Ein 


Hauptmann der Trajanifhen Legion zu Tingis 
in Mauretanien, weigerte fi an heidnifchem Opfer: 
fefte Theil zu nehmen und wurde enthauptet 280. 
20. Oct.) Seine Standhaftigfeit erweckte den Caf- 
ianus, den Militärgerichtsfchreibe au gleichem 
Glauben ; derfelbeerlittnadh einiger ..gen dasſelbe 
Martyrium. — 3) Der Sohn eines PR und ei: 
ner Chriftin in Rom, floh in der Berfolgung des 
Aurelian nad) Argenton. Seine Wunder erregten 
Aufmerffamleit; da er feinen Glauben nicht ver: 
leugnen wollte, wurde er auf einem Rofte gebraten, 
und, weilednicht gelang ihn zu tödten, endlich ent: 
hauptet (29. Juni). — 4) Bifhofvon Die in Frank: 
reich, gegen Ende des 5. Jahrh., aus Asignon; 
bei einer ftreitigen Biſchofswahl entfchied für ihn 
das Zeichen einer Taube, die ſich auf ihn fette. 
Bon den Arianern gefangen genommen, ftarb er 
im Gefängniß (9 Apr.). Vgl. Potthaſt, Biblio- 
theca medii aevi I, 797. 

Marcellus von Ancyra in Galatien. Ein Geg: 
ner des Arius auf dem Goneil zu Nicäa 325, 
erregte er durch jeine Schrift gegen en (negi 
unorayäs) bei den Drientalen Anftoß. Er bielt 
eine bypoftatifche Unterſcheidung des Logos für un: 
ausführbar und wollte den Ausdrud Sohn Got: 
tes, den Athanaſius als gleihbedeutend mit Logos 
fegt, nur anwenden in Bezug auf Jeſus. Einen 
ewigen Sohne Gottes gebe es nicht, nur einen ewi⸗ 
gen, von Gott untrennbaren, ungezeugten Logos, 
der erft durch Die Annahme des Fleiſches perfönlich, 
zum Sohne Gottes geworden. Wenn das We 
ber Erlöfung ganz vollendet fei, werde bie Sohn: 
{haft aufhören und der Logos fich wieder mit 
bem Vater vereinigen. Er wurde megen biejer 
Lehre des Sabellianismus und Samofatenis: 
mus bejhuldigt. Die Arianer auf den Synos 
ben zu Serujalem 335 und Gonftantinopel 336 
entjetten ihn des Amts und verbannten ihn mit 
Athanafius. Nach Conſtantin's Tode fehrte auch 
er zurüd und wandte fi, von neuem vertrieben, 
an Julius I. inRom, benerfür fih gewann, fo daß 
er auf einer Synode 342, auf welcher die eingelade⸗ 
nen Drientalen jedoch nicht erſchienen waren, für 
rechtgläubig erflärt wurde. Dagegen verdammten 
ihn die Bifchöfe zu —— 345 und bie Synoden 
u Rhilippopolis 347, Sirmium 351, Arles 255, 

ailand 355, während die Synode von Sardica 
347 wie den Athanafius, fo auch ihn freiſprach. Auf 
Anregen des Bafilius fol fpäter Athanafius felbit 
fih von Marcell losgeſagt haben und diefer feir 


— nem Biſchofsamt entfagt, aber auch (nad) einem 


gl Rettberg, Marcelliana. Göttin: 
gen 1794. orner, aa late ber 
Lehre von ber Perſon Chrifti. I, 864 ff. Th. 5 
Marcellus von Ancyra, Goth. 1867. (führt die 
Lehre des M. auf die des Irenäus zurüd.) Klofe, 
Geſch. und Lehre d. Marc. u. Photin Hamb. 1837. 
Baur, Dreieinigfeit I. 

Martellus, 1) Biſchof von Apamea in Syrien um 
380, Als er mit Waffengewalt einen heidniſchen 
Tempel zerftören ließ, wurde er von den Heiden 
überfallen und * Scheiterhaufen geſchleppt. 
Dal. Theodoret, hist. eccl. V, 22. Sozomenos, 
hist. ecel. VII, 15. Schröckh, 8. ©. VII, 224. — 
2) lebte um 450, vertheilte nad) dem Tobe feiner 
reihen Eltern fein Vermögen unter die Armen 
und ging zu dem Afoimeten:Abt Alerander nach 
Ecnftantinopel. Der Wahl zu deffen Nahfolger 
entzog er ſich durch die Flucht, unterftügte dann 
den Abt Yohannes, bis deffen Eiferfucht ihn zum 
Stallfnecht für die Klofterefel madte. Nach Jo— 
hannes' Tode überkam er dennoch die Abtswürde 
und verſchaffte dem Klofter großen Ruhm. + um 
485. Botthaft, Biblioth. med. aevi. I. 

Marion und die Marcioniten. M., der Sohn 
eines Biſchofs zu Sinope in Kleinafien, fam 140- 
150 (nad) Sipfus’ Berechnung in der Zeitfchrift 
für wiffenſch. Theologie 1847,&. 77, im Jahre 143 
oder 144) nad) Rom und genoß in ber bortigen Ge: 
meinde wegen feiner ftrengen Astefe hohes Anſehen, 
+ um 170.Cr lernte dort den fyrifchen Gnoftifer Ger: 
don fennen und bildete, von defjen Lehre ausgehend, 
fein eigenthümlich priftliches Syftem, in welchem 
gegen eine herrſchende judaifirende Richtung, welche 
in apolalyptiſchen Erwartungen und leidenſchaftli⸗ 
hen Streitigkeiten befangen, ig im: 
mer finnlicher und ſelbſtiſcher auffahte, der jhärffte 
Gegenjat einer tief innerlihen Religiöfität fich zu 
begründen ſuchte. M.'s Syftem erlangte in ber 
Kirche eine große Bedeutung; ed wurde jedoch von 
feinen Schülern nad) verſchiedenen Seiten hin aus: 
gebildet, jo da& die Meinung bes Stifters nicht 
überall Elar vorliegt. Der Grundgebanfe ift der 
Gegenfag zwiſchen dem Gott des Neuen Tefta: 
ments und dem Jubengott (dem Demiurgos), dem 
guten und dem gerechten Gott; diefer legte bildete 
aus der neugewordenen, ungejchaffenen Materie 


re] (Hyle) die Welt als fein Rei); feine Offenbarung 


ift das Alte Teftament. Indem nun feine Gered: 
tigfeit ganz in der Weiſe der gröbiten Zubaiften 

efaßt wird, alfo hart, leidenſchaftlich und als 
Ännliche Macht, wird zugleich aus den alttefta: 
mentlichen sehn und Berichten die Fol: 
gerung gezogen, daß diefer Gott ein unvolllom- 
mener, in jeiner Erfenntnif und Macht beihräntter 
gemwejen fei, jo daß bei Ms Schülern der Begriff 
des gerechten Gottes an den des böfen anftreift. 
Die vom Demiurgos der Welt zugedachte Erlöfung, 
d. h. das ee Reich in der jubaifti- 
ſchen und buchſtäblichen Auffaffung der propheti- 
ſchen Schilderungen, würde nur den Juden eine 
fehr unvolllommene Seligfeit gewährt, die übri- 
gen Völker dem Berderben preiägegeben haben. 
Daher erbarmte fich der gute Gott, deffen Offen: 
barungswelt eine vollfommene, höhere (ber britte 

immel) ift; und um feine Liebe anzubieten, fteigt 
Ehriftus aus dem Himmel zur Erde nieder. Da 
er an bem Reiche des Demiurgos keinen Theil hat, 


Marcion’3 Kanon 


613 


Marcus 


fo fann er auch feine wirkliche Menſchheit anneh⸗ 'ften, welche den Verſuch machten, die zerftreuteit 


men, ſondern nur eine Scheingeftalt, jo daß es für 
Marcion eine Geburtsgeſchichte 8 wenig gab wie 
eine Geſchichte der Auferſtehung. Das Leben Chriſti 
ift ein fortwährender Kampf mit dem Demiurgos, 
befien Gebote er abſichtlich verachtet ae B. Sab: 
bath, Faften) und der dagegen, die Macht eines 
neuen unbelannten Gottes auf Erben merkend, 
bie Seinigen antreibt, Chriftus zu tödten. Damit 
verlegt er aber die Geſetze feines eigenen Weſens 
(die Gerechtigkeit) und verliert dadurch das Recht 
auf alle Die, welche ſich Chrifto zumenden. Diefe 
werden von der Laſt des Körpers entlleidet in den 
Himmel aufgenommen, den Engeln gleich, wäh: 
rend der Demiurgos feinen Anhängern eine be: 
ſchränlte Seligfeit bereitet, die Uebrigen im ewigen 
me peinigt. Der gute Gott verlangt von den 

einigen fein Opfer, überhaupt nichts als die 
Hingabe des Gemlthes, die freie Liebe; fie 
machen fi aber aus Liebe zu Gott frei von 
aller Gemeinſchaft mit der Materie. Der Mar: 
cionitismud entwidelte eine ftrenge Aflefe: die 
Ehe wurde ald eine Unteufchheit verworfen und 
war allen Getauften unterfagt, ebenfo enthielten 
fie fih der Fleifchfpeifen. Meberhaupt war die 
Tendenz ber Secte eine ethifche; dadurch unter: 
fchieb fie fi von den fonft verwandten bualifti- 
ſchen Syftemen der Gnoftifer und der Manichäer, 
welche den Gegenſatz von Gut und Böfe in einem 
naturpbilofophiihen Proceß auflöften. Weil M. 
das urfprüngliche Chriftenthum, welches der Yu: 
daismus verunftaltet hätte, wieberherftellen wollte, 
fo verwarf er das ganze Alte Teftament und bes 
hielt vom Neuen nur die 10 paulinifchen Briefe 
in einer eigenen Recenfion und ein dem Lucas 
verwandtes Evangelium. Der Eultus der von 
ihm geftifteten Gemeinden war fern von allem 
äußeren Gepränge. Durch Marcion’3 Schüler 
wurde das Syftem in mancherlei Weife fortgebil: 
det. Einige unterfchieben zwifchen dem Demiurgos, 
ala dem geredhten Gotte, und dem böfen Gotte, fo 
daß im Zufammenhang dantit auch nicht mehr die 
Materie an fi, fondern das Fleisch ala das Böſe 
angefehen wurde; Andere ordneten ben Demiurgos, 
ben M. als gleich ewig und unabhängig wie den 
2. Gott betrachtet, diefem unter, oder ließen 

ie Schöpfung des Demiurgen durch den guten 
Gott vollendet werden, der dem Menſchen das 
göttliche nvedue, den Geift gab, welchen der Menſch 
im Sündenfall war verlor, aber in der Erlöfung 
zurückempfing. Am meiften wieder rüdlentend 
in ben Gnofticismus, indem er bie felbjtftänbigen 
Dffenbarungsprincipien M.'3 zu Engeln des höd: 
ften Gottes machte (angelus indytus, der Ge; 
rechte und Weltichöpfer ; angelus igneus, ber 
Treuergeift, Urſache des Böſen), bildete Apelles 
bie Idee des Marcionitiömus weiter. Quellen 
find: Juftin’3 Apologie, Jrenäus adv. haer., Ter⸗ 
tullian adv. Marcion,, der AidAoyog nıegi rüs eis 
Heov dosis nloreug ed. Wetsten 1674. Philo- 
sophumena ed. Miller. Oxon 1851. VII, 29, X, 
19. Epiphanius, Haer., Esnig, Darft. ded mar: 
cion. s, aus dem Armenifchen von Neumann 
(tie. f. Hift. Theol. 1834). Vgl. Hahn, Antithe- 
ses Marcionis 1823, de gnosi Marc. antinomi, 
1820. Lipfius, der Gnoſticismus. Lelpy. 1860. 
W. Möller, Geſch. der Kosmologie bis auf Drigi: 
nes. Halle 1860, 

Marrion’9 Kanon, Marcion war einer ber ers 


neuteftamentlihen Schriften zu einer Sammlung 
zufammenzufafien. Es leitete ihn dabei hauptſäch— 
lid der dogmatifche Geſichtspunkt, einen von al: 
len judenchriſtlichen Elementen gereinigten Kanon 
herzuftellen, welcher feinem gnoſtiſchen Syfteme als 
Stüße dienenfollte, Er theilte diefen Kanon ein in: 
1) das Evangelium Chrifti, worunter er ein ver: 
ftümmeltes Lucasevangelium verstand, und 2) den 
Apoftel, worunter er folgende 10 Briefe des Apo: 
ftel3 Baulus in folgender Drdnung aufammenfaßte: 
Briefe an die Galater, Korinther, Römer, Theſſa— 
lonicher, Zaodicäer, Koloffer, Philemon, Philipper. 
Die früheren waren ſeit Tertullian gewohnt, die— 
fen Kanon einfach als das Werk einer abſichtli— 
chen Fälſchung zu verurtheilen, während manche 
neuere Kritiker ein günſtigeres Urtheil über Mar— 
cion fällen. Da manche feiner Angaben, wie z. B. 
die Ordnung der paulinifchen Briefe, ermweislich 
richtiger find als diejenigen der Tradition, da viele 
feiner Tertveränderungen, wie fie von Epiphanius 
und Tertullian berichtet werden, gar feinen dogma⸗ 
tifchen Gefichtäpuntt erkennen laſſen, fo ift anzu: 
nehmen, daß außer der dogmatiſchen Richtichnur 
auch noch manche wirklich gefchichtliche Anhalts: 
punkte für fein Fritifches Berfahren —— 
waren, ſo daß ſeine Angaben durchaus ni nz 
ohne Werth ſind. Namentlich wurden —— 
gemacht, ſein Evangelium nach den Angaben der 
Väter wieder herzuftellen (Hahn, das Ev. M.'s 
in f. urjpr. Geftalt. Königsb. 1823, vgl. Thilo, 
Cod, apoer.). Semler und Griesbach legten dem: 
felben einen hohen Werth bei, Eichhorn, dem 
Mande folgten, ia in ihm ein älteres Stabium 
der Evangeliengefchichte, und in der Tüb. Schule 
wurde wenigftens theilweife (Ritichl, dad Ev. Mar: 
cion’s u. das Ep. bes Luc. 1846, Baur in den 
Tüb. Jahrb. 1845, dagegen ne frit. Un: 
terfuchungen üb. d. Ev. Juftin’s, der Element. 
Homil. u. Marcion’s, 1860. Vollmar, das Ev. 
M.,1852.) diefe Anficht mit Entichiedenheit weiter: 
geführt. Eigenthümlich war aud Marcion’s An: 
fiht vom Epheferbriefe (f. d. A.), welchen er unter 
dem Titel eines Laodicäerbriefes in feiner Samm⸗ 
lung aufführte. Val. Gratz, Unterf. über Marc. 
Ev. 1818. Rhode, Prolegg. ad quaestionem de 
evangelio et apostolo Marcionis denuo insti- 
tuendam, 1834, Heim, M,, sa doctrine et son 
evangile, 1862. Hahn, de canone Marcionis anti- 
nomi, 1824. 

Marcofier. S. Marcus, Gnoſtiker. 

Marcus Aurelius, (Antoninus Philosophus) 
römiſcher Kaiſer (161—180). Geb. 121 zu Rom, 
aus einer vornehmen ſpaniſchen Familie, wurde 
von Antoninus Pius adoptirt, mit feiner Tod: 
ter Fauftina vermählt, zum Cäſar erhoben und 
nahm als jeinen —— ſeinen Adoptivbru⸗ 
der Lucius Verus zum Mitregenten an. Schon 
als 12jähriger Knabe hatte er die Kleidung und 
Lebensart der Stoifer angenommen und hielt fein 
Lebenlang an ihren Lehren und Marimen feft. 
Deshalb zeichnete er fich zwar durch ein einfaches 
und rechtichaffened Leben aus und war eifrig be: 
müht, durch Reformen und zweckmäßige Einrich- 
tungen das Staatsleben zu heben, aber er war 
unfähig, dad Chriftenthum zu verjtehen, deſſen Ur: 
Er ebenfo wie der begeifterte Fanatismus 
einer Belenner, ben Anfichten feiner Schule wider: 
ſprach. Er erließ ein Edict, wonach alle Verbrei 


Marcus 


ter einer neuen Religion, welche die Seelenruhe 
des Einzelnen oder des Staates ftöre, mit dem 
Tode beftraft werben follten. Charalteriftifch 
ift dad von da beginnende Aufſpüren der Ehri- 
ften und Die Anwendung von Martern als Mittel, 
fie zum Abfall. zu —— In den blutigen 
Chriſtenverfolgungen, welche feine Regierungszeit 
durchziehen, farb Juſtinus 166, Polycarp 169 
und die Märtyrer zu Lyon 177. Vergeblich richtete 
an ihn Melito von Sardes feine (verlorene) Schuß. 
Ichrift für das Chriftenthum (Eusebius, hist. eccl. 
IV, 26; fyrifch erhalten ift aber feine Rede bei 
Cureton, spieilegium syriacum. 1855; p. 22-31. 
gl. Sand, anecdota syriaca 1862 p. 13 ff.) und 
Auftinus —— Apologie. Im Schrecken des 
Marlomannenkrieges — er einen fiebentägi: 
gen Bußtag an, und ließ die Stadt durch einhei- 
mijche und fremde Priefter nad römischen und 
nad fremden Religionsgebräuden fühnen. Die 
Rettung aus gefahrvoller Lage in diefem Kriege, 
wurde von ben Heiden einem ägyptifchen Zauberer, 
von der riftlichen Legende dem Gebete der legio 
fulminatrix (ſ. d. Art.), von M. Aurel ſelbſt nad) 
einer eigens geprägten Münze dem Jupiter zu: 
geihrieben. Eine Sinnesänderung des Kaijers 
wurde jebenfall3 nicht hervorgerufen, denn nad) 
drei Jahren begann eine neue erg a 
Bgl. Noel des Vergers, Essai sur Marc Aurele 
d’aprös les monuments £pigraphiques. Paris 
1860. De Champagny, les Antonins. Paris. 1868 
3. Aufl. C. Martha, Revue des deux Mondes. 
Avril 1864. 

Marcus, Eugenius, Erzbiſchof von Ephefus, yes 
hörte zu den Abgefandten der griechischen Kirche zu 
dem Eoneil von ara: Florenz 1438-39, und war 
dort der Führer der, einer Bereinigung mitRom ab: 
geneigten Partei, welche am Schlufje der Verband: 
lungen die Yateiner nicht bloß für Schismatifer, 
fondern für Häretifer erflärte, jo daß fte lieber 
fterben wollten, als latinizare (den Lateinern ſich 
anbequemen). M. verweigerte allein die Unterjchrift 
des decretum unionis (der Vereinigungs⸗ Urkunde) 
1439, ohne daß ihn ein päpftliches Gericht erjchre- 
den konnte. Nach feiner Rüdtehr feste er den 
Kampf gegen die Bereinigung fort, welche denn 
auch niemals ind Leben — ift. + 1447. Val. 
Harduin, Coneil. Coll. IX, Schröth, Chriftl. 8. 
G. 8. 34. Gaf, Nikolaus Cabafilad, Greifsw. 
1849, I, 166; II, 267. Migne Patrologia graec. 
* 60. Steitz, Jahrb. für deutſche Theol. 1868. 
p. 670. 

Marcus, Evangeliſt. Sein eigentlicher Name 
iſt Johannes, ein Apoſtelſchüler. Ein Jude (Kol. 
4, 10), wahrſcheinlich aus Jeruſalem, wo ſeine 
Mutter Maria ein Haus beſaß, mit welcher Petrus 
in vertrauterem Verkehre ſtand (Apſtg. 12, 12), 
war er mit ſeinem Vetter Barnabas Begleiter des 
Apoſtels Paulus auf feiner erſten Reiſe (Apg. 13,5), 
aber unterwegs wieder zurückgekehrt, was Paulus 
veranlaßte, Marcus auf der zweiten Reiſe nicht mehr 
mitzunehmen und in Folge deſſen ſich auch von 
Barnabas zu trennen, der nun ſeinerſeits mit 
Marcus Cypern bereifte (Apſtg. 16, 37. 388). Später 
erſcheint M. wieder in Begleitung des Paulus 
(Kol. 4, 10 u. Philem. 24), und 2. Tim. 4, 11 läßt 


614 


Marcus 


als Berfaffer des zweiten, fürzeften Evangeliums, 
in welcher Beziehung Papias (bei Euseb. Hist.eccl. 
3,39) folgende wichtige Stelle liberihn hat : Mapxos 
utv Eguerevrng TlErgov yeröuevos, bau Eusnud- 
vevoer, dxoißus Eypeev, od uevro rafeı ra Und 
roũ Xpieroü 7 AeyHEvra y noaydevra. (M., der 
Dollmetfcher des Petrus, fchrieb Alles, woran er 
fich erinnerte, genau auf, freilich nicht der Ordnung 
nad), was von Chriftus geiprohen oder gethan 
war). Mit Petrus wird von der Sage auch Mar: 
cus nah Rom verjegt, fpäter nad Alexandrien, 
wo er ald erfter Bischof den Märtyrertod erbuldet 
—— ſoll. Ueber dad Evangelium ſ. d. Art. Syn: 
optiter, 

Marend, Den Namen führen drei gnoſtiſche Sec: 
tenhäupter. Der erfte war ein Schüler Balentin’s. 
S. d. A.) ng ie ein Anhänger Marcion’s und 
Führer der Marcofiten, lehrte, daß Gott dem 
Menſchen des Demiurgen das wedun, den Geift, 
gegeben, welcher in der Sünde verloren, in der 
Erlöfung wiedererlangt werde. Wie er Daher zwi: 
ſchen Bneumatifern und Pſychilern unterjchied, 
nahm er aud) eine ne Taufe, auf Jeſus, den 
Meffias der Piychiker, und auf Chriftus an. Bei 





feiner Secte findet fi) zuerft der Gebrauch ber 
legten Delung. Der dritte M., aus Memphis ge: 
bürtig, fol in Spanien um 350 der erfte Urhe: 
ber des Prifcillianismus geworden fein. 

Marcus, Papſt 336, ein Römer, folgte auf 
Syivefter I. und regierte 8 Monate. Bon ihm 
rührt wahrfcheinlid) die Verordnung her, daß in 
der Meſſe nad) dem Evangelium das nicänifche 
Glaubensbelenntniß gebetet werde. Ein ihm zuge: 
ſchriebenes Antwortſchreiben an Athanaftus, in 
welchem darauf Bezug genommen wird, dak zu 








Nicka 70 Canones aufgejtellt jeien, ift unecht. 
Marcus, Eremita. Drei Männer dieſes Na: 
mens werden erwähnt. Der erfte, ein Zeitgenoffe 
des Chryfoftomus, lebte unter den Einfieblern der 
ſtetiſchen MWüfte, und war nicht bloß durch jeine 
Gelehrjamteit, jondern auch durch befondere Hei: 
ligteit und Wunderthätigfeit berühmt, jo daß fein 
Gedächtniß in der griechiſchen Kirche (25. März) 
und einem Theile der lateinifhen (Det) gefeiert 
wird. + um 410 mehr ald hundertjährig. Den zwei: 
ten erwähnt Nicephorus ald Schüler des Chryfo: 
tomus und ald Verfafler aſtetiſcher Schriften. Dem 
ritten Marcus Eremita in England wird ohne 
ftihhaltige Gründe von Einigen die historia Bri- 
tonum zugeichrieben, ald deren Berfafler mit 
nicht mehr Recht auch Nennius gilt. Der erfte 
diefer Männer ift der mwahrfheinlihe Berfafler 
von 9 Tractaten (Griechiſch: ed. Morell, Paris 
1563; Zateinifh: Joh. Picus, Baris 1563. Migne, 
Patrologia graec. tom. 65) ethifchen Inhalts, über 
den Werth und die Bedeutung des ajfetifchen Le— 
bens und der Taufe, über Sünde und Gnade, 
über geiftliched Leben und einzelne andere ethi— 
Ihe Fragen. Diefelben find wichtige Urkunden 
zur Kenntnik der Myftif unter den ägyptijchen 
Möndyen. Dogmatifd neigen fie Kir arf zum 
Monophyfitismus und enthalten die Lehre der 
griechiſchen Väter in —— auf Taufe, Erbſünde 
und Freiheit. Da fie bie Lehre von der Rechtfer—⸗ 
tigung duch den Glauben nicht minder ftarf ber: 


diefer ihm zu fich rufen. Die Stelle 1. Betr. 5, 13, | vorhoben, fo jegte Rom fie auf den Inder. Bellar: 
wo Petrus von Babylon aus von feinem „Sohne“ | min wollte in ihnen das untergejhobene Wert 


Marcus f 
Märung gefunden. Narcushatvor AllemBedeutung 


t, hat noch Feine abichließende Er» 


irgend eined Häretilers verm Bgl. über 
die Echtheit indeß: Gallandi Bibl. Patr. VITI. 


Marefa 


615 


Margaretha 


Du Pin, nouv. bibl. III. 8. Neander, K. ©, II. ; Chriftin von ihrem heidnifchen Vater verftoßen, 
Wangemann in Herzog's Eneyelop. XX; Zeitfchr. | und unter Diocletian von dem Präfect Dlibrius, 


f. biftor. Theolog. 1868. 
Marefa, Stadt im Stamme Juda, 2 
fpätern Eleutheropolid. Hier ſchlug Aſa, König von 
uda den Yethiopen Serach (2. Chron. 14, 9. 10). 
nter Judas Makkabäus wurde eine Briefterfchaar 
dort gejchlagen % Matt.5,67u.2.Malt. 12,36f.). 
Hyrcan entriß die Stadt den Idumäern, denen fie 
vorher abgetreten war, Alerander Jannäus nahm 
fie Arabern. Später wurde die Stabt von 
den Barthern während ihres Felbzuges gegen He: 
rodes gänzlich zerftört. M. war der Geburtöort 
des Propheten Eliefer zur Zeit Jofaphat’3 von 
Juda (2. Chron. 20, 37). Bl. Ioseph. Ant. VIII. 
Ewald, Geſch. d. ®. Jirael 2. III. 469 u. a. 
Rarefius, Des Marets, Samuel, geb. 1599 in ber 
Picarbie, ftudirtein Saumur und Genf, wurde 1620 
zu Charenton ordinirt, erlangte 1624 eine theologis 
ſche Brofeflur in Sedan, begleitete 1631 den Herzog 


von Bouillon auf dem Feldzuge nad) Holland und | 
wurde 1632 franz. Prediger zu Maftriht. Beim 
Uebertritt bes Herzogs zur fatholiichen Kirche 1636 | 


ging M. nach Herzogenbuſch als Paſtor der Wallo: 
niſchen Gemeinde und Profeffor an der Schola il- 
lustris, und folgte 1643 einem Ruf nad) Groenin⸗ 
en, wo er bis zu feinem Tode 1675 mit großem 
folg wirkte. Da er gegen Katholiten und Socis 


nianer, GCoccejaner, Gartejianer, Amyrald und | 
h als jtreits | 


Labbadie und jelbft gegen Vostius ro 
baren Dogmatiter bewährte, hat er den Namen 
des reformirten Galov erhalten. Sein berühmteſtes 
a tft: Systema theologicum c. annot., Gron. 
1673. 

Rarezoll, Johann Gottlob. Berühmter Kanzel: 
rebner, geb. 25. Dec. 1761 zu Plauen als ber 
Sohn eines öſterreichiſchen Militärs, ber aber vor 
jeiner Geburt ſtarb. Unter äußerlich drüdenden 
Berhältnifien ftubirte er feit 1774 zu Leipzig. 
Schon als Candidat und Hauslehrer gab er Pre: 
bigten heraus, in denen er Zollikofer nadeiferte. 
Die 1787 anonym erjchienene Schrift: „DasChris 
rn ohne Geſchichte und Einkleidung“, ver⸗ 
chaffte ihm, da ſeine Autorſchaft bald bekannt 
wurde, 1789 die Ernennung zum Univerſitätspre⸗ 


Diger und Profeffor der Moral und Homiletit in | 
Göttingen. 1794 wurde er Hauptprediger an der 


deutſchen Kirche in Kopenhagen, gab aber die 
Stelle wieder auf, weil ihm das Klima nicht zu: 
jagte, und fam 1803 als Confiftorialrath, Superin⸗ 
tendent und Air nad Jena. Bon ben Bor: 
leſungen 30g er ſich bald zurüd, um vorherrſchend 
als Prediger zu wirlen. + 1828. In feinen jehr 


deſſen Heirathsanträge 
von dem wies, enthauptet. Die 





ſorgfältig ausgearbeiteten Predigten vertritt er 


den Rationalismus, der vorzugsweiſe den ethiſchen 
Gehalt des Chriſtenthums hervorzuheben ſucht. 
Viel verbreitet war ſein Andachtsbuch für das 
weibliche Geſchlecht, 2 B. Leipz. 1788-89; au: 
Berdem wurde anertannt: „die Beftimmung deö 
Kanzelrednerä Leipz. 1798. Bon feinen Predigten 
erfchienen verſhiedene Sammlungen 1791, 1780 - 
91, 1806, 1811, 1829 u. f. w. Sredigten zur Gr: 
innerung an die fortdauernde Wirkſamleit der Re⸗ 
formation Jena 1822. Homilien, herausgeg. von 
Scott, Neuft. a.d. D. 1828 mit Nachrichten über 


fein Leben herauseggeben. Nachgelaffene Predig: 


ten 1852. 
Margaretha. Mehrere 


En e deö Namens. 
1) M. von Antiodien in 


ifidien, wurde als 





als Braut Ehrifti ab» 
ärtgreracten find aner: 
fannt unecht, ihre Verehrung im Abendland datirt 
erft aus dem 9. Jahrhundert und fie ift ibentift- 
cirt mit der griedhifchen Heiligen Marina. Gie 
wird dargeftellt (Raphael) in Verbindung mit dem 
Draden, in deſſen Geftalt ihr der Teufel im Ge: 
fängniß fie verfuchend erſchien, aber befiegt ent: 
floh. Sie gilt als Patronin der Schwangern. — 
2) M. von Schottland. Die Patronin von Schott- 
land, war die Schwefter Edgar Edeling's und die 
Gemahlin des Schottenfünigs Malcolm feit 1070; 
fie ftarb 4 Tage nad) defien Tode 1093 und wurbe 
1251 heilig geiprochen. Ihr Gedädytnißtag ift ber 10. 
Juni. Ihr Sohn war David 1. Durd Dede 
Tugenden im Leben ausgezeichnet, find ihr fird: 
liches Verbienft die Bemühungen, die fottifhe 
Kirche der römiſchen zu nähern. — 3) M. Vidua oder 
Discalceata, eine Heiligedes Dominicaner:Drdens, 
+ 1395, deren Verehrung fi auf ihr Heimaths— 
dorf San Severin in der Mark Ancona befchräntt. 
Sie lebte als Wittwe und trug aus Demuth nie 
Schuhe, daher ihre Beinamen. — 4) M. de Cor: 
tona 1297 führte im Franciscanerkloſter zu Cortona 
ein ftrenges Büherleben, nachdem fie aus einem 
Hährigen leichtfertigen Leben durch den Anblid 
eines wohl bekannten, ſchon halb von Würmern 
verzehrten Leichnams aufgejchredt worden war. 
Die Acta Sanctorum führen noch mehrere M. auf, 
die faft ſämmtlich objcur find. 

Margaretha von Orleans, Herzogin von Alen: 
son und Königin von Navarra, war die Tochter 
Karl's von Orleans und der Louiſe von Savoyen, 
die Schweiter franz’ I. von Franfreih. Sie war 
geboren 11. April 1492, vermählt 1509 mit Karl, 
Herzog von Alengon. 71549. Hochbegabt, forg: 
fältig erzogen und fundig der alten Sprachen, mie 


des Gebrätfchen, der Theologie und Philoſophie, 


verfammelte u eine Freundin der Wiffenfchaft 
und der Poeſie, Gelehrte und Dichter um fich; 
unter dieſen führten Lefeure d'Etaples, Gerard 
Rouffel und Michel d'Arande fie zur Bibel und 
zue myſtiſchen Beichaulichkeit, welche durch Brigon⸗ 
net, Biſchof von Meaur, genährt wurbe. Die re: 
formatorıfhen Ideen des Kreifes in Meaur eig: 
nete M. fich gleichfalls an, wirkte auch durch ihren 
Hofprediger und Almofenier Miheld’Arande (feit 
1523) für ihre Verbreitung. Als nad der Schlacht 
bei Bavia 1525 die erfte Verfolgung der Evan: 
gelifhen in Frankreih ausbrah, und M. nad 
dem 1525 erfolgten Tode ihres eriten Gatten 
1527 in zweiter Ehe mit Heinrich von Navarra 
ſich verbunden hatte, wurde ihr Hof zu Nerac der 
Zufluchtöort vieler Verfolgten, wie fie ihre Ver: 
wendung au ale erg fir die Flüchtigen ein- 
treten ließ. Als fie bei ihrem Bruder Franz 1. 
allen Einfluß in religiöfen Dingen verlor, verließ 
fie den Hof und reformirte mit Zuftimmung Im 
Gemahls die Kirche ihres Landes nad ihren 
Grundfägen; fie führte den Gottesdienft in der 
Landesſprache ein, ſchaffte Mißbräuche in der Ber: 
waltung ab, vermied aber Torgfiig Alles, was 
einer Trennung von der alten Kirche ähnelte. Ihre 
myſtiſche Richtung ließ fie Vieles für gleichgültig 


ı erachten, erregte aber auch Ealvin’s Unmillen, der 


j 


| 


in einem eigenen Tractate fie vor Spiritualiften 
und Zibertinern zu warnen für nöthig fand. Bon 


Margarita 


ihren Schriften ift le miroir de l’äme pecheresse 
ihr erftes Merk, welches die Sorbonne unter die 
fegerischen, verbotenen Bücher bringenlafjen wollte ; 
ihnen folgten verſchiedene geiftlihe Dichtungen, 
darunter auch zwei geiftliche Komödien. Aus ihren 
Rovellen ift ihr mit Unrecht der Vorwurf der Im: 
moralität gemadt; den Daritellungen unſittlicher 
Verhältnifie hängt fie die Warnungen und Er: 
mahnungen an, Hi vor dem Laſter zu bewahren 
Auch andere Verdächtigungen, welche gegen ihre 
Sittlichkeit en wurden, find unbegrün: 
det und der Ruhm ihrer hriftlichen Tugend unbe: 
fledt. Die anſcheinenden Widerſprüche ihres Les 
bens, daß fie fittlih und fromm die Dichtkunft 
ihrer Zeit geliebt, daß fie Tatholifch geblieben und 
die Proteftanten beſchützt, an die Rechtfertigung 
ee und ein Klofter geftiftet habe, find von 

erle dv’Aubigne: Geſch. der Reform. in Europa, 
Eiberf. 1865. B. III genügend hauptſächlich aus 
ihrer myſtiſchen Richtung erklärt. Ihre Tochter 
Johanna d'Albret hatte fie 1548 an Anton von 
Bourbon verheirathet; diefe, Die Mutter Heinrich's 
IV., fette in entſchiedenerer Weiſe dad Werk ih: 
rer Mutter fort und 1569 wurde die Reforma: 
tion in Bearn vollftändig durchgeführt. Vgl. Gö- 
nin, lettres deM. d’Angoulöme. Bar. 1841. Nouv. 
lettres. Par. 1841. Miss Freer, Life ofM., queen 
ofNavarre, 28. Lond. 1855. Merz, hriftl. Frauen: 
bilder 1855. v. Polenz, Geſch. des Calvinismus 
I, 211 ff. Revue chretienne 1861, Avril. Revue 
des deux mondes 1862, 

Margarita, (ucpyapirıs) Perle, in der griechi⸗ 
[hen Kirche das Gefäß, in welchem die gemeihte 
Hoftie aufbewahrt wird. Margaritae, bie 
Stückchen der geweihten Hoftie, welche für die 
Kranken aufgehoben wurden. 

Marheinele, Philipp Conrad, geboren 1. Mai 
1780 zu Hildesheim, der Sohn des dortigen Boft: 
halters und Senators M. Er beſuchte das Gym: 
naftum feiner Baterftabt und bezog 1798 die Uni: 
verfität Göttingen, um Theologie zu ftudiren, wozu 
er ſchon als Knabe vorwiegende Neigung gezeigt 
hatte. Rach beendigten Studien verjah er eine 
Haußfehrerftelle im Haufe des Präfidenten von 
Dewitz, erwarb von Erlangen 1803 die philofor 
phiſche Doctorwürde und ward 1804 Repetent in 
Göttingen, 1805 nah Erlangen als a. o. Pro: 
feffor und Univerfitätsprediger berufen, wurde 
1807 a. o. Profefior, 1809 o. Profeſſor zu Heidel: 
berg, von wo er 1811 nad) Berlin ging, nachdem 
er eine Berufung nad Königsberg ausgeſchlagen 
hatte. Hier las er über Kirchen: und Dogmen- 
geſchichte, Kirchenrecht, Symbolik, practifche Theo: 
logie ꝛc. 1820 wurde er Schleiermadher’8 College an 
ber Dreifaltigkeitäfirhe, 1821 auch Oberconfifto: 
tialrath. + 31. Mai 1846. Eine hervorragende 
Stellung in ber Geſchichte der Theologie hat er 
dadurch gewonnen, daß er die Hegelſche Philoſo— 
phie, der er fi) fo unbedingt angejchloffen hatte, 
daß er nad) Hegel's Tode als das Bas der Schule 
galt, conjequent in der Dogmatik burchführte. 
Seinen theologijhen Ruhm begründete er, nad: 
dem er jchon als Candidat mehrere Predigten und 
Difjertationen, danach 1806 eine (nicht vollendete) 
Univerjalhiftorie des ee herausgege: 
ben hatte, durch „das Syitem des Katholicismus 
in feiner jymboliihen Entwidelung” 1810, weldye 
ber Wiſſenſchaft der Symbolik eine neue Bahn er: 


616 





Maria 


biftorische Kritik des Fatholifchen, lutheriſchen, re; 
formirten und focinianischen Zehrbegriffs, 1810— 
1813, institutiones symbolicae 1812. Borlefun: 
gen über Symbolit 1848, wie auch die Kritifen 
von Möhler'3 Symbolik und des Athanaftus von 
Görres. Bon kirchengeihichtlichen Arbeiten gab 
er 1816 die werthuolle Geſchichte der deutſchen Re: 
formation, 1846: Kurze Geſchichte der Reformation 
heraus. Die Dogmatik erſchien in mehreren Bearbei: 
tungen: Grundlehren der chriſtlichen Dogmatik als 
Wiffenfhaft.1819:2.Mu .1827.Deffelben 3. Aus. 
unter dem Titel: Vorlefungen über die Dogma: 
tik. 1847. Lehrbuch des chriſtlichen Glaubens für 
Gymnaſien 1823. Einleitung zu öffentliden Bor: 
lefungen über die Bedeutung der Hegelſchen Phi— 
loſophie. Syſtem der theol. Moral. 1847. Ent: 
wurf der praft. Theol. 1837. 

Maria, die Mutter des Herrn. Der Name 
ift die griehifche Form bes en Mirjam 
(Schwelter des Mojes 2. Moſ. 15, 20), läßt ſich 
aber, was Ableitung und Bedeutung betrifft, micht 
fiher erflären, Hieronymus fiberjegt ihn falſch 
stella maris. Die wenigen Züge aus dem Leben 
M.'s, welche das N. T. anführt, hat die Tradition 
nad) den, von der Kirche freilich verworfenen, apo: 
tryphifchen Evangelien ergänzt. Danach biegen M.'s 
Eltern Joachim und Anna. Denjelben auf ihr Gebet 
im Alter geſchenkt, wurde fie von Kind auf dem 
Herrn geweiht, ſeit vem3. Jahre im Tempel erzogen 
und im 12, dem Zimmermann Joſeph, welcher 
durd ein Wunderzeihen hiezu auserloren war, 
zur Obhut durd) eine Scheinehe anvertraut. Bei 
weiblicher Arbeit im Tempel beichäftigt, empfing 
K die Verheißung und gebar danach in einer 

öble bei Bethlehem das Jeſuskind auf wunder- 
bare Weife. Die einfache Auffaffung der biblifchen 
Angaben, dat Maria mit Jojeph nad) der Geburt 
Jeſu im ehelichen Verhältniß gelebt und mehrere 
Kinder gehabt arts ift damit ebenjo abgelehnt, 
als das Verſtändniß für die Schwankungen und 
Mängel —— emacht, welche in ihrem Ber: 
halten zu der efanität ihred Sohnes die bib- 
liſche Erzählung unverholen aufdeckt. (Bgl. Zur. 
2,49. Joh. 2, 1—12. Matth. 12,46—50. Marc. 
3, 831—35. Luc. 8, 19—21.) Der Mariencul: 
tus der katholiſchen Kirche gründet * alſo in 
gar nichts auf die bibliſchen Berichte, ſondern iſt 
unabhängig von dieſen aus ſonſtigen Anſchauungen 
in der — hervorgegangen. Inſofern dieſe An— 
j — auch ſonſt im Katholicismus be: 

mmenb geltend maden, der Mariencultus ihre 
nothwendige Eonfequenz darftellt, und gegenmwär: 
tig, wie früher, das gefammte kirchliche und reli: 
giöfe Leben des Katholiciamus beherrſcht, hat man 
mit Recht in Maria das Symbol der fatholifchen 
Kirche, ja die Berfonification und ben vollsthüm 
lihen Ausdrud des katholiſchen Kirchenbeariffs 
erfannt. 

Die geſchichtliche Entwidelung ber Marienver: 
ehrung in Eultus und Dogma t die Ten: 
benz, die Mutter des Herrn ihm, Als nicht min: 
der betheiligt am Erlöſungswerke und am Welt: 
regimente, zur Seite zu fegen. Die Chrifto gebüh— 
renden Attribute und Gnadenkräfte werden ihr 

leichfalls zugefchrieben, ihr Cultus aber, von über: 
——e Romantik erfüllt, verirrt ſich unmit 
telbar in das Heibnifche. In der Marienverehrung 
offenbart fih der katholiſche Grundirrthum : die 


öffnete. Es folgte die chriſtliche Symbolik oder I Bergöttlihung des Menſchen ohne wahrhafte Er: 


Maria 


Löfung, welde durch magifhe Wunderwirkung er: 
fegt wird. Sie iſt erwachſen auf der Grundlage 
einer natürlichen, menſchlichen Chrerbietung, ge: 
nährt durch den Mangel an richtiger ethiſcher Be: 
urtheilung menſchlicher Xebensverhältnifie, geför— 
dert durch heidniſche Vorſtellungen und vollendet 
durch die nothwendigen Forderungen bogmatifchen 
Irrthums. Bon dem hohen Anjehen, weldyes von 
der Ehre ihres Sohnes auf fie natürlich zurüdfiel, 
bahnte den Weg zu höheren Borftellungen bie 
allegorifche und typijche Bibelauslegung der Vä- 
ter, weldye, wie Adam mit Chriftus, jo Eva mit 
Maria zufammenjtellte ; dieſe erfchien bald ald das 
Ideal des weiblichen Geſchlechtes. Der hohe Werth, 
den die Kirche der Jungfräulichfeit beilegte, ihr 
Nichtverftändniß der fittlihen Bedeutung des ehe: 
lichen Lebens, erzeugte die fromme Meinung, die 
10 zum Dogma geftaltete, da Maria wider jedes 

ejet der Natur die Zeichen jenes Standes be: 
halten habe. In den Klöftern wurde die Marien» 
verehrung um fo mehr gepflegt, als diefelbe in 
‚einer Art das Faliche der Mönchsaſlkeſe ausglich. 
Die Jungfrau Maria, die dennoch und zugleich 
Mutter ift, feflelte das weiblihde Gemüth auf fei- 
ner edeljten Seite, und den Mönden erjegte die 
himmlifche Magd das menſchliche Bedürfniß der 
Frauenliebe von der geiftigen Seite. Wie die 
Mönche den Neftorianiichen Streit durch ihr Heo- 
roͤxoc (Gotteögebärerin) hervorriefen, fo haben 
ſtets, bis auf Franciscaner und Sejuiten herab, 
die Mönche den Mariendienft am meijten gefördert. 
Dem Volke aber bot die Perjon der Maria die 
willtommene Handhabe, die altheidnifche Vorſtel⸗ 
fung von den weiblichen Naturgottheiten in ri: 
ftianifirter form weiter zu pflegen oder auch den 
heidnifchen Formen dhriftianifirte Jdeen unterzu: 
legen, wie die Kollyridianerinnen, (xoAAvpis, klei: 
ner Kuchen, der Maria, wie früher der Cybele ge: 
opfert, daher der Rame,) welchen gegenüber Epi: 
phanius betonen mußte, Maria jet feine Göttin. 
Ebenjo ift fpäter bei den germaniſchen und ſtan— 
dinavifhen Völkern Maria die Trägerin der mit 
dem heidnifchen Namen Freia verbundenen Ideen 
geworden. Der phantaftiiche Frauendienſt diejer 
Stämme aber gab dem Mariencultus des Mittel: 
alters den romantifhen Schwung, der Ritter und 
Dichter, Geiftlihe und Künftler, Voll und Mönche 
zu gleich enthuftaftiicher Verehrung fortriß (un- 
sre Frowe, notre dame). Zu einer dogmati: 
fhen Feitftellung der Lehre von Maria ift es 
niemals gelommen, abgejehen von dem Satze 
der jungfräulichen Geburt und dem jüngften Dog: 
ma ihrer unbefledten Empfängnis: nur durch 
den Eultus hat das Mariendogima die Kirche unter: 
jocht. Der Bilderdienft ftellte vorzugsmeife Ma: 
ria der Andacht des Volks als ihren Gegenftand 
bin, an ihn knüpften fi die Wunderfagen. Reli: 
quien der verwunderlichſten Art machten die Ver: 
ehrung immer populärer, aber aud) einer heibni: 
ſchen immer ähnlicher (Loretto) und dem Zuge 
des Bolfögeiftes folgte die Kirche durch die An: 
ordnung immer zahlreicherer Marienfefte. Ob: 
wohl aber die Scheu der Kirche, fefte dogmatiſche 
Beitimmungen in Bezug auf Maria auszufpre: 
den, das Gefühl davon verräth, auf welche ab: 
Ihüffige Bahn fie diefer Cultus leiten könnte, fo 


617 


Marienfefte 


immer mehr zur Berehrung ber Maria und zu 
ihrer Anrufung (Roſenkranz) anzuleiten. Bis in's 
5. Jahrh. dachte man noch nicht daran, fie förm— 
lich zu verehren oder gar Gebete an fie zu richten. 
Man ancrlannte zwar ihre —— aber rügte 
auch ihre Fehler — jo Tertullian, Origenes, Bafi- 
lius der Große, Chryſoſtomus; doch begann jetzt 
bereits die Meinung — daß M. ewig 
Jungfrau geblieben ſei, und gegen Ende des 4. 
Jahrh. wurden Biſch. Helvidius in Paläſtina und 
Bonofus in Jllyrien als Antidilomarianiten (Wi: 
derſacher der M.) * der entgegengeſetzten 
Anſicht verdammt. Schon Epiphanius mußte 
ernftlid) davon abmahnen, ihr eine überſchwäng— 
liche Verehrung zu erweijen, oder fie ald Fürſpre— 
herin anzurufen, — ein Beweis, daß hier bereits 
der jpäter immer mehr ausfchweifende Nariencul: 
tus anhebt, wenn er auch erft durch den Neftoria- 
nischen Streit dogmatiſch bedeutfam wurde. Hier 
nämlid) erhielt,ald eögalt, die Wirklichleit der beiden 
Naturen in Ehrifto hervorzuheben, der liturgifche 
Ausdrud Feoroxog zuerft eine dogmatiſche Bedeu: 
tung. Alsdann dieChrijtologie der Kirche dem Mo: 
nophyfitismus, obwohl | ie ihn abgelehnt hatte, that» 
ſächlich anheimfiel, indem fie die menſchliche Natur 
in Ehrifto über der Gottheit faft ganz vergaß, mußte 
fie Die Mutter über alles Irdiſche erheben, nicht nur, 
um die Gottheit des Sohnes jheinbar nicht wie: 
der zu erniedrigen, fondern weil das religiöfe Be: 
dürfniß eines menſchheitlichen Mittlerd ſich jegt 
um jo mehr geltend made; für das Heilßverlan- 
gen des Volts trat an die Stelle der zurüdge: 
drängten Menſchheit Chrijti die Mutter Maria, 
welche Mitleid mit unfrerSchwachheit Haben könnte, 
weil fie dem Menſchen in Allem gleich jei, ausge: 
nommen die Sünde. Für die Marienverehrung 
wirtten befonders Eyrill v. Alerandrien und Bro: 
Hus, B. von Cyzikus; das erjte Beifpiel ihrer An: 
rufung ift bei Gregor v. Nagianz (orat. in Cypr. 
martyr. Opp. I, Bened. Ausg). Statt der ge: 
wöhnlichen Berehrung der Heiligen begann man 
nun, ihr eine Hyperboulie, eine höhere Berehrun 
zu weihen, wie zuerft Petrus Lombarbus, um 1 
erwähnt. Noch mehr förderte den Mariendienft 
die kirchliche Ausbildung der Verſöhnungslehre 
und ihre practifche Darftellung in Mefle und 
Ablaß. Diejelbe beruht nämlich durchaus auf ei: 
ner rechtlichen, juriftifchen Auffafjung : die Sünde 
wird nicht ſowohl vergeben, als vielmehr die 
Schuld ausgeglichen dur das Opfer Chrifti und 
die genugthuenden Werke des Menſchen. Das re: 
ligiöfe Bewußtſein, dem danad) Gott nur als der 
gerechte und unerbittlid ftrafende gegenwärtig 
wird, legt nundie göttliche Liebe und Gnade, die es 
nicht entbehren kann,” und welde es durch das 
Chriftentyum dennoch gläubig aufgenommen hat, 
in die Maria, die Mutter des Herrn, die Königin 
des Himmels, die Mutter aller Gnaden. Vgl. Thilo, 
Cod. Apocr. N. T. 1832. T. 1,159. Schmid, 
Prolusiones Marianae X. Helmſtädt 1733. Gie: 
jeler, 8. G. Schröfh, K. G. Augufti, Denkwür: 
digfeiten aus der hrifil. Archäologie. Leipz. 1817 
—31.8.3. Reim, Jeſu v. Nazara J. 
Marienfefte. In welhem Maße die Verehrung 
der Maria das Leben der Kirche erfüllt, zeigt ſo 
am meiſten in der Menge der ihr geweihten te, 


darf doc) nicht verfannt werden, daß fie dennoch ‚welche nicht bloß die Thatſachen ihres Lebens 


von einem religiöfen und dogmatiſchen Intereſſe 


mit Nothwendigkeit getrieben wurde, das Bolt 


feiern, ſondern aud im Cultus jeldft ihren Grund 
haben. Die Marienfeite find folgende (Zur Li⸗ 


Mariä Empfängnif 


teratur vgl. die im Art. Maria angeführten 
Werfe): 

Maris Empfängniß. (8. Dec.) Gegenftand der 
Feier ift die vollftändige und unbedingte Freiheit 
Maria’s von der Erbjünde, und die Geſchichte Des 
Feſtes ift zugleich die Gejchichte des Dogmas. 

as in der griehifhen Kirche am 9. December 
—— Feſt unter gleichem Namen gilt nicht der 


618 


efreiung von der Erbſünde, welche dieſe Kirche 
nicht lehrt, ſondern der wunderbaren Befreiung | 
der h. Anna von der Schmach der Unfruchtbarkeit. 
Im Abendland ift das Feſt zuerſt um 1140 von | 
den Kanonikern zu Lyon gefeiert worden, mwelthe | 


darüber vom h. Bernhard ſcharfen Tadel erfuhren. 
Diefer lehrte, im Einklang mit der alten Kirche 
und den Vätern, wie Auguftinus u. a. ſowie Pa 
ihafius Rabbert, Anjelm v. Canterbury u. a., eö 
fei Maria, wie Johannes ber Täufer und Jeremias, 
noch im Mutterleibe geheiligt worden, jo daß fie 
ohne actuelle Sünde geblieben. Ihm jtimmten alle 
Kirchenlehrer zu, wie Alerander von Hales, Alber: 
tus Magnus, Bonaventura, Thomas v.Aquinu.f.w., 
bis Duns Scotus die unbefledte Empfängniß Ichrte 
und dieje Yehre bas —— der Francis⸗ 
caner wurde, während die Dominicaner, Thomas 
von Aquino folgend, diejelbe beftritten. Da aud) 
fie die actuelle Sünbdlofigkeit nicht nur, ſondern 
auch wirkliche Befreitheit von der Grbfünde lehrten, 
jo drehte fich der Streit um die jubtile Frage, ob 


der h. Geiſt durch ein Wunder die Uebertragung | 


der Schuld Adam’s bei der Zeugung resp. Em: 
pfängniß, die nad) ſcholaſtiſchem Standpuntte der 
Beſeelung vorhergeht, verhütet, oder ob er ben 
Keim von der Erbjünde nad) der Bejeelung, vor 
der Geburt, gereinigthabe. Obgleid) der Streit der 
Meinungen —— verbreitete ſich das Feſt 
immer mehr, oft nur als Feſt der Empfängniß über: 
haupt, nicht der unbefleckten, gefeiert; und nicht bloß 
durch gelehrte Autoritäten, ſondern auch durch Yun: 
der juchte jede Partei den Sieg zu erringen (9. Bri⸗ 

itte für die Franzisfaner, Catharina von Siena, 
g Jetzer in Bern (j. d. A.) für die Dominikaner). 
Der Ausiprud des Concils zu Bafel 1439 für 
die unbefledte Empfängniß, fiel in feine ſchisma— 
tiſche Zeit und wurde deshalb vom Bapft nicht ans 
erlannt, Doc) führte die Sorbonne 1496 den Im— 
maculaten:Eid ein, Demzufolge jedes Mitglied der 
Facultät ſich eiblih zur Vertheidigung der Lehre 
von der unbefl. Empfängnik im Sinne der ran: 
zisfaner verpflichten ** und Sixtus IV. ſelbſt 
Franziskaner, gab in zwei Conſtitutionen 1476 
u. 1483 dem Feſt ſeinen Segen, verdammte aber 
Alle, welche die der ihrigen entgegengefegte Mei: 
nung für Ketzerei außgeben würden. — Das Tri- 
bentinum entſchied die Streitfrage troß der leb: 
haften Bemühungen der Franzisfaner und ber 
ihnen fih anjchliefenden Jefuiten eben jo we: 
nig, und Pius V. verbot 1570 fie auf den Kanzeln 
zu erörtern. Die fpätern Päpfte yet biejen 
Standpunft feſt; doch wurde das Feſt jelbjt immer 
mehr begüinjtigt, wenn auch der Zuſatz immacu- 
lata duch Gregor XV. 1622 verboten wurde. So 


nien ſich der (Feier des 





Marid Himmelfahrt 


erklärt. Die Vertheidigung der Franciscanertheorie 
hatten längft die Jefuiten übernommen, ihren we: 
ren die Dominicaner unterlegen. Pius IX. vollen: 
dete die Feſtfeier 1863 — ein neues offieium de 
immaculata conceptione B. M. V. (eier der un: 
befledten Empfängnig M's.). Die Meſſe bat in 
der PBräfation den Zufag: et te in Conceptione 
immaculata. 

Mariä Erwartung. (18. Dec.) Iſt erft von 
Gregor XIII. 1573 als Kirchenfeſt approbirt. Ur: 
jprünglid) ift e8 das Feſt der Berfündigung,, wel: 
ches an diefem Tage, nad) der Beitimmung der 
Synode zu Toledo 656, gefeiert wurde. Als Spa: 
5. März (M. Verkündi— 
gung) anſchloß, behielt der frühere Feittag jeine 
‚Feier mit etwas veränderter Beziehung. Bon dem 
Anfang der Antiphonie heißt das Feſt in Spanien: 
festum dominae nostrae de (Feft unjerer 
Herrin von O.). 

Mariä Geburt. (8. Sept.) yerdslior rs Heo- 
röxov, nativitas B.M. V. Als Drt der Geburt 
wird Nazareth (Baroniuß) und Jerufalem angege: 
ben. Auguftinus fennt das Feſt noch nicht und eine 
Feier desjelben ift vor Andreas von Creta 650 
nicht bezeugt. In Rom foll es 687—700 zuerit 
begangen worden jein. Bonifacius er es in feinem 
Feltfalender nicht erwähnt, doch ſcheint es ſchon 
unter Karl dem Kahlen in Frankreich eingeführt 
worden zu fein. Die lang verjäumte Dctave (15. 
Sept.) ftellte Innocenz IV. (1243— 1254) in Folge 
eined Gelübdes der Gardinäle bei der Wahl Eöte- 
ſtin's IV. 1241 wieder her. 

Mariä Heimſuchung. f. visitationis B. M. V. 

2. Juli). Zu Grunde liegt Luk. 1, 39 — 57: Der 

eſuch Maria's bei Elijabeth. Das Feſt wird zu: 
erft als „neue Injtitution“ in den Alten bes Con— 
cils von Mans in Frankr. 1247 erwähnt, war dann 
unter den Franciscanern üblich, ward von ihnen 

1263 zu Piſa als Ordensfeſt anerfannt und 1389 
als Kirchenfeft von Urban VI, proclamirt. Die Ba: 
ſeler Synode bejchloß 1441, während des Schis— 
mas, um die Mutter der Gnaden zu verjühnen, 
damit der Frieden fid) wieder über die Gläubigen 
ergieße, die allgemeine Freier. 

aria Himmelfahrt. PausatioB.V.M. (Rube), 
dormitio (Entjclafen), mors (Tod), depositio 

(Beitattung), assumptio (Aufnahme in den Him: 
mel). In der griechiſchen Kirche fol Kaifer Mau: 
ritius (582—602) die Feier der xolumaıs (dor- 
mitio) auf den 15. Auguft angeordnet haben; 
die abendländijche feierte, nach Mabillon’s litur- 
gia Gallgana den Todestag am 18. Jan. und 
die Himmelfahrt am 15. Aug., beide feiern wur: 
den dann vereinigt. So ftellte fie bereits das Main: 
zer Concil von 813 und das Aachener von 319 
feſt. Leo IV. fügte (847) eine Bigilie und De— 
tave hinzu und erhob es damit zu dem Range 
der höchſten Kirchenfefte. Dennoch gilt in der 
Kirche der Sat, daß Maria gen Himmel ge: 
fahren, nicht als Glaubenälehre, ſondern nur 
als fromme Meinung; ſelbſt eine beftimmte und 
übereinftimmende Form der Legende fehlt. Der 


ab Clemens IX. dem Feſt eine Octave, Clemens Unterſchied der Himmelfahrt der Maria (assum- 
. erhob es 1708 zu einem allgemein gebotenen | ptio) von der Chrifti (ascensio) wird jo be: 
Feſte. Pius IX. endlich verfündigte 1354 auf ei- ftimmt, daß Jeſus durch eigene Macht in den 


ner dazu geladenen Biſchofsverſammlung durch die 
Constitutio „Ineffabilis deus“ das jüngſte Dog: 


| 


Himmel aufgeftiegen, Maria aber nad) ihrer Rüd: 
fehr zum Leben durch eine bejondere Gnade Gottes 


ma der Kirche, die unbefleckte Empf. M's. Bon 620 | mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen 
Gutachten der Bifchöfe hatten etwa *« ſich dafür | worden fei. Die Legende bringt Pseudo Melito, 


Mariä Namensfeit 


und alö „the departure of my lady — from 
"this world“ gab ſie in ſyriſcher Sprache Wright 
1865 heraus (aud) in Cowpers Journal of Sacred | 
Literature); vgl. Tifchendorf, —— apo- 
eryphae, Lips. 1866. pag. XXVIIL 

ariä Namensfeſt. Es trifft auf den Sonntag 
in der Octave nad Mariä Geburt und ift aus 
Spanien in den allgemeinen Kirchengebrauch über: 
gegangen. Zuerſt 1513 bejtätigt, war eö darnach 
eine Yeittang unterbrüdt, bis Innocenz XI. es 
allgemein einführte. 1683 ward es ve. als 
Dankfeſt für die Befreiung Wiens von den Türken, 
die in Anrufung des Namens Maria ** ſei. 

Mariä Opferung. f. praesentationis B. M. V. 
siaodos r. Hsoröxov (21. Nov.) Nah Simon Me: 
taphrajtes entitand das Feſt 730 zu Gonjtanti: 
nopel; dur Emmanuel Comnenus 1143 wurde 
es im — Reiche eingeführt. Im Abendland 
führte es Karl V. von ep 1372 ein; Sir: 
tus V, ordnete eö durch die Bulle Intemeratae 
1585 für die ganze lateiniihe Kirche an. Das 
Felt ge fih auf die apokryphiſche Erzählung, 
daß Maria in ihrem 3. Jahre im Tempel darge: 
ftellt und bis zu ihrer Bermählung 11 Jahre ım 
Allerheiligften zugebracht habe. Da es durdaus 
unbiftorisch, — Sunafrauen in Zellen des Tem: 

els aftetijch gelebt hätten, jo wollen Neuere in 
Eee Feſte nur überhaupt die Jugend Maria’ und 
ihre opferwillige Hingabe an die Gnadenwirkung 
des h. ie gefeiert jehen. 

Mariä Reinigung oder Lichtmeß. f. purifica- 
tionis M,, candelarum, praesentationis Domini 
Undven tod xugiov (2. Februar). Gegenftand des 
Feſtes ıft eigentlich die Darftellung Jefu im Tem: 
pel, daher auch der griechiſche Name Hypante. Es 
ward zuerjt gefeiert in der griechiſchen Kirche un: 
ter Aultinus 517—27) ober Jujtinian (527—65). 
Erſt im Abendlande erhielt es die Beziehung auf 
die ——— mit der Abſicht, dadurch die heid- 
niſchen Xuftrationen (ein Reinigungsfeft zu Eh: 
ren des Pluto i. e. Februo) zu unterdrüden oder 
zu chriftianifiren. Bon diefem heidniſchen Feſte 
und feinen Umzügen mit brennenden Yichtern tft 
die kirchliche Sitte ded Umzugs mit brennenden 
Kerzen entlehnt, der man darnad) die Beziehung 
auf Luc. 2, 32 unterlegte. An diefem Tage wer: 
den aud die zum kirchlichen Gebraude während 
des fünftigen Jahres bejtimmten Lichter geweiht. 
Den Widerfjpruc des Dogmas von der jungfräu- 
lien Geburt mit dem Gegenftand der eier ald 
—— ip 2, 22) * ee 

arfſinn verſchiedentlich auszugleichen gejudt. 

ariä vom Gene Carmel —— B. M.V. 
de monte Carmelo) oder Scapulierfeit (16. Juli). 
Zunädjt nur für den Carmeliterorden von Sir: 
tus V. 1587 genehmigt und erjt durch Bene: 
dict XIIL 1726 ausgedehnt, feiert e8 die Erinne: 
rung an bie angebliche Erjdeinung der Maria, 
bei welcher fie dem Garmelitergeneral S. Stod 
das Scapulier mit der daran gefnüpften Verhei— 
Bun * Seligkeit für den Träger übergeben ha— 
ben ſoll. 

Das Feſt der Weihe Mariä zum Schnee (5. Au: 
guft). Urſprünglich der Kirchweihtag einer Kirche 
(M. Maggiore) in Rom, deren Stelle auf dem Gi: 
pfel des esquilinifchen Hügeld durch Schnee, der 
dort an einem Sommertage fiel, bezeichnet wurde, 
wurde ed ul gan Rom im 14. Jahrhundert und 
durch Pius V, auf die ganze Kirche ausgedehnt. 


619 


Maria 


Auch in Gebirgägegenden, inder Schweiz, Tyrol ꝛtc. 
wird der M. zum Schnee, als der Helferin gegen 
die Gefahren der dortigen Natur, bejondere der: 
ehrung gezollt. 

Maria Roſenkranz oder Mariä vom Siege (1. 
Sonntag im October). Urſprünglich das Bruder: 
Ihaftöfeit der Roſenkranzbruderſchaften, wurde es 
zum Dankfeſt für den Sieg über die Ungläubigen 
(bei Xepanto, 7, Det. 1571), den man der Hülfe 
M.'s zuſchrieb. Clemens XI. bejtätigte das Feft 
1716 Für die ganze Kirche. 

Mariä von der Barmherzigkeit (24. Sept. f. de 
mercede). Urfprünglic ein Privatfeſt des zur 
Befreiung gefangener Chriften durch Peter No: 
lafius (1223) gejtifteten Ordens, wurde es im 17. 
Jahrhundert unter Innocenz XII. (1691—1700) 
allgemein. 

riũ Schugfeft. festum patrocinii B.M. V. 
(3. Sonntag im Nov.). Eine Feier der ſchützenden 
Gemeinſchaft, in der Maria mit der Kirche ftehe, 
ift im 17. Jahrhundert in Spanien entftanden 
und 1725 durch Benedict XIII. allgemein gemadht. 

Mariä fieben Schmerzen. f. spasmi, septem 
doloram wird gefeiert am Freitag vor Palm: 
fonntage ohne externe Feier und als nicht ge: 
botener Feiertag. Eingeführt ift es 1413 durch 
die Provinzialfjynode zu Cöln unter Erzbiſchof 
Theoderich, als die Huſſiten die Marienbilber 
zerſtörten. Sixtus IV, und Benedict XIII. dehn- 
ten es auf die ganze Kirche aus. Die Zählung 
der ſieben Schmerzen iſt verſchieden und beginnt 
entweder bei der Weisſagung Simeon's und zählt 
dann: Flucht nad) Aegypten; das dreitägige 
Suchen; der Anblick des kreuztragenden Heilands; 
die Kreuzigung; die Abnahme; die Grablegung. 
Oder man zählt die Schmerzen: 1) beim Abjchied 
Eprifti von Maria ; 2) bei der Darjtellung mit der 
Dornentrone; 3) bei der Kreuzigung; 4) bei ber 
Darreihung des Eſſigs; 5) bei dem Rufe: Mein 
Gott, Mein Gott; 6) bei feinem Tode; 7) bei der 
Abnahme vom Kreuz. Zur Feier diefer Schmer- 
zen wurden zahlreihe Hymnen gebichtet, fo die be: 
rühmte stabatmater von Jacoponus de Benedie⸗ 
tis Ay 1306), componirt von Pergoleſe (+ 1739), 


u. A. 

Mariä Verlobung over Bermählung. fest. de- 
sponsationis (23. Februar), wird bloß in choro, 
(d. 5. nur vom Glerus im Gottesdtenjte) gefeiert, 
und ijt von dem Franciscanerorden 1546 3 
pr 5 Benedict XIII. dehnte 1725 das 5 
auf die ganze Kirche aus. Da die katholiſche Kirche 
eine wirkliche Ehe der Maria nicht zugeſteht, jo 
bezieht die Gedächtnißfeier ji mehr auf die Matth. 
1, 20 berichtete Thatſache. 

Mariä Verkündigung. (25. März.) Annunti- 
atio domini, festum incarnationis, „uepe den«e- 

od, Eraupxwoswug feiert die Luc, 1, 26—39 
berichtete Thatſache. Die alte Kirche jah darin die 
Empfängniß des Yogos, Chrifti, und dieſe war ihr 
Gegenftand des Feites. Sicher bezeugt ift es nicht 
vor dem 7. Jahrhundert. Die Synode zu Toledo 
656 bejtimmte die Feier auf den 18. Decemb., das 
Zrullanum 692 erließ weitere Verordnungen über 
diefelbe. Demgemäß feierte es die Mailändiſche 
Kirche urjprünglich im December, bis die römische 
Kirchenfitte überwog. Wenn der Feittagin die Char- 
vo fällt, jo wird er auf den Montag nad) Quasi- 
modogeniti (1. Sonntag nad Dftern) verſchoben. 

Maria, Außer der Mutter des Herrn führt das 


Maria 


Neue Teftament noch drei Marien auf. 1) Die 
ob. 19, 25 genannte Maria des Kleophas, welche 


ohne Örund zur Frau defielben, den man wieder | wurden abgejhaftt die 


füreins mit dem Alphäus erklärte, und zur Schwes 
fter-der Mutter Jefu gemacht ift. 2) Die Maria 
von Bethanien. Die kirchliche Tradition hat dieje 
mit der dritten, Maria von Magdala (tuf. 8, 2; 
Marc. 15, 40; 16, 9) und der großen Sünderin 
zufammengeworfen. Für das Abendland befeftigte 
Gregor d. Gr. diefe Auffaffung, welde ſchon bei 
Tertullian, Ambrofius und Auguftinus fich findet, 
während die griechijchen Väter die Salbungen und 
die Berjonen länger — Maria Magda— 
lena war nach griechiſcher Tradition die Tochter 
des tananäiſchen Weibes, verllagte den Pilatus 
in Rom und ſtarb zu Epheſus bei der Mutter des 
Herrn; nach der abendländiſchen kam ſie mit La— 
zarus und Martha, von den Juden auf einem 
ruderloſen Schiffe dem Tode preisgegeben, nach 
Gallien, lebte bußfertig in einer Höhle bei Arles, 
wo fie vom h. Marimin beftattet ift. Sie ift die 
Schutzpatronin Frankreichs; ihr Fefttag ift am 
22. Juli, ward jeit 1126 gefeiert und durch bie 
Synode von Toulon 1229 ald allgemeines Felt an- 
erfannt. ©. d. Art. Magdalena. Bgl. Teich— 
mann, die Marien des N. T. Stuttg. 1853. 

Maria von Aeghpten, die Heilige. Sie hatte 
17 Jahre lang ein LZafterleben geführt, betehrte 
fich jedoch auf einer Wallfahrt nad Jerufalem, 
der fie in übler ging Kos. angejchlofien hatte, 
und zog fi nad einem Befehle der h. Jungfrau 
in die Wüfte jenfeit des Jordan zurüd, Hier fand 
fie nad) 47 Jahren der Mönch Zofimas, von der 
Sonne jhwarz gebrannt, ihre Blöße nur mit 
ihren langen weißen Haaren verhüllend. Sie 
beichtete ihm und empfing, als er nad) einem Jahre 
wiederfam, das h. Abendmahl. Nad drei Jahren 
fand Zoſimas ihre Leiche, bei deren Bejtattung 
ihm ein Löwe zu Hlilfe fam, Ihren Tod legt man 
unter Theodoſius d, Jüingern(408—450). Die grie: 
si Kircheverehrt fie (2. April). 

aria von Agreda, jeit 1627 Superiorin des 
Klojterd von der unbefledten Empfängniß zu U. 
in Spanien, ee ald Berfaflerin des Buches 
Mistica Ciudad de Dios. Madrid 1670, welches 
anz eigentlih Maria Gott gleidftellt, von der 
orbonne, troß lebhaften Widerſpruchs, für an: 
ftößig erklärt, von der Inquifition verboten, von 
den ‚raneiscanen vertheidigt wurde. Alexan⸗ 
der VIII. umging 1730 die Entſcheidung durch die 
Forderung vorherigen fiheren Beweijes, dab X. 
das Bud) geſchrieben hätte. 

Maria, die katholifche oder die blutige, Kö— 
nigin von England, die Tochter Heinrich's VIII, 
und der Katharina von Spanien, geb. 8, Febr. 1515, 
regierte von Yuli 1553 bis 17. Nov. 1558, Db: 
gleih ein Parlamentsbejhluß ihre Geburt für 
Wegitim erflärt hatte, bejtieg fie Doch durch Hülfe 
der fatholifhen Partei nad) Eduard's Tode den 
Thron und ließ die Jane Grey, die ald Königin 
ausgerufen war, mitihrem Gemahl hinrichten. Bi: 
gott katholiſch erzogen, hatte zugleich die ihr und 
ihrer Mutter angethaene Unbill einen leiden: 
ſchaftlichen Haß gegen den Proteftantismus in 
ihr erregt: ihr einziges Bejtreben war, ihn aus⸗ 
zurotten, Die Häupter defjelben, Yatimer, Ridley, 
Northumberland, Hooper, wurden hingerichtet, die 
Empörungen Wyatt’3 u. A, niedergeſchlagen. Noch 
südjichtslofer wurde das Verfahren nach ihrer 


620 


Marienpfalter 


eirath mit Philipp von Spanien (25. Juli 1554). 
ie reformatoriihen Gejege und Einrichtungen 
etzergeſetze Heinrichs 
VIII. rneuert; mit dem Jahre 1565 war die Herr: 
ſchaft der katholiſchen Kirde in England wieder 
hergeftellt. Freilich erreichte fie ihr Ziel nur durch 
blutige Grauſamkeit. Taufende flohen, Hunderte 
ftarben auf dem Scheiterhaufen oder im Kerker 
Sie ftarb aus Kummer über den Berluft von Ca— 
lais, der legten Befigung in Frantreih und das 
fteigenbe Elend des Landes. Die Schredenäzeit 
ihrer Herrihaft war die Sühne für die unreinen 

otive der englifchen Kirchenreformation unter 
ihrem Vater. Vgl. A: Froude, history of Eng- 
land from the fall of Wolsey to the death of 
Elisabeth. Yond. 1856. Maurenbredyer, Aus der 
Reformationäzeit Englands. Düffeldorf 1863. 
E. Homel, Marie la Sanglante. Bar. 1862. 

Mariana, Juan, geb. 1537 zu Talavera bei Tor 
ledo, ein gelehrter Jejuit, lehrte in Rom 1561, in 
Sieilien 1565, in Paris 156974, lehrte dann 
nad) Toledo zurüd und ftarb zu Madrid 1623. Au: 
Ber einer anerlannt guten Geſchichte von Spanien, 
Toledo 1592 und Mainz 1605 in 30 Bbn., und 
Scholien zum Alten und Neuen Tejtament, Madrid 
1619 find zwei feiner Schriften berühmt geworden. 
Die erfte, de rege etregis institutione 1598, ent- 
hält u. 9. (Lib. I. c.6) eine Unterfuhung, ob 
und wann es erlaubt jei, einen König zu tödten. 
Das Buch wurde auf Befehl des Parlaments zu Pa: 
ris 1610 wegen ber barin enthaltenen Läfterungen 
Heinvih'& ILL. verbrannt. Die Jefuiten, die ſich 
compromittirt jahen, beforgten eine verbefferte Aus⸗ 

abe. Wider jeinen Willen bekannt wurde die 

chrift: de las enfermedades de la Compafia y 
de sus remedios, in welcherer die Ordenseinrichtun- 
ie kritifirte und die unumſchränkte Gewalt des 

enerals tabelte. Sie erſchien ſpaniſch, italienisch, 
franzöfifch, deutfh, Borbeaur 1625, und wurde 
auf Betreiben des Jef.:Generals von Urban VIL. 
verdammt. Bgl. Alegambe, bibl. script. Soe. 
Jesu p. 258. Ranfe, biftor. pol. Zeitjchr., 1833, II 
. Deri.., Zur Kritik neuerer Geſchichtsſchrei⸗ 
ber. Berl. 1824. 

Marianer, fratres gaudentes, freres joyeur. 
Ein adliger Ritterorden mit dem Zwecke, Wittwen, 
Waifen und Bedrängten Beiftand zu leiften, ge: 
ftiftet in den Zeiten der durd die Kämpfe zwi: 
ſchen Welfen und Ghibellinen entftandenen öffent: 
lihen Unficherheit 1261. Die Orbensregel gejtat: 
tete die a en und den Güterbejig. Da: 
durch riß bald ein freies, ungebundenes eben ein, 
das dem Orden den Namen ber fröhlichen Brüder, 
aber aud) baldigen Untergang bradıte. 

Marie à la Coque, eigentlih Margaretha, 
geb. 22. Juli zu Lauthecour, Diöz. Autun. Schon 
mit dem 8. Jahre nahm fie ihren Aufenthalt in 
einem Klojter und trat 1671 zu den Salefia: 
nerinnen. Der Jungfrau zu Ehren, die fie von 
langem Leiden befreit hatte, wandelte fie ihren 
Namen und blieb nun in beftändiger Unterhaltung 
mit Gott, hatte Bifionen und Gefichte. Ihr An: 
denken ift bewahrt durch 4 Gejänge, Ver-Vert in 
Veuvres de M. Gresset Amſterd. 1748, und ihre 
Heine Schrift: la devotion au coeur de Jesus. Sie 
—— verzlickt den Namen Jeſus ſich ſelbſt in die 

ruft geſchnitten. + 1600. 

Marienpfalter heißt der Roſenkranz, weil er 
eben jo viel Ave Maria als der Pfalter Pjalmen 


Marina 


621 


Markomannen 


enthält und urjprünglicd) den Laien zum Mitbeten | Lausannense. Vgl. Zurlauben, memoire sur Ma- 


der fanonifchen Stunden dienen jollte, 


rius, in den m&moires de l’Acad. roy. des in- 


Marina von Eöcobar. Geb. 1554 zu Ballado: | seript. Paris 1770; Hottinger, helvet. Kirchenge: 


lid, die Tochter eines Nechtögelehrten, gehört nad) 
Angelus Silefius’ Urtheil zu den hervorragenditen 
Zichtern katholiſch-myſtiſcher Frömmigkeit. Nach 
einem mehr zurückgezogenen und beſchaulichen Le: 
ben begann jie 1599 nad Außen anregend zu wir: 
ten. Sie reformirte den Brigittenorden; die letz— 
ten 30 Xebensjahre war jie durch Krankheit ans 
Bett gefefjelt, und hatte in dieſer Zeit viele Ge: 
fihte und Erjcheinungen, in denen fie ald das 
myſtiſche Ziel Gleihförmigkeit mit dem göttlichen 
Willen erkannte. Ihr Leben beſchrieb Ludwig da 
Ponte, der 30 Jahre ihr GSeelenführer gewejen 
war, 

Marinus. 1) Märtyrer in Cäjarea ; unter Gallie: 
nus (260— 268), zum Genturio ernannt, wurde er 
von jeinemMitbewerber als Chrift verflagt,undmweil 
er, * durch den Biſchof Theotetnos, nicht 
bem Kaiſer opfern wollte, hingerichtet. Ihn be: 
grub der Senator Ajterius ehrenvoll. Gedächtniß⸗ 
tag:3. März. Val. Euseb.H. E. VII. 15. — 2) Ein 
Dalmatier, Früher Arbeiter, deſſen Frömmigkeit den 
Biſchof Gaudentius v. Brescia bewog, ihn in den 
geiftlihen Stand aufzunehmen. Er ſoll fi dann 
in die Einjamteit zurüdgezogen haben und gegen 
Ende des 4. Jahrhunderts geftorben fein. Auf 
feinem Grabe geſchahen Wunder und es baute fich 
um dasjelbe San Marino. 

Marinus I. u. II, Bäpfte. Sie werden feit dem 
13. Jahrhundert als Martin II. u. III. bezeichnet. 

Maris od. Mares. 1) Bischof in Beth: Hardafchir 
in Berfien, iſt befannt geworden durch den Brief 
des Ibas von Evefja an ihn über Nejtorius und 
deſſen Lehre, welche zwar von der Synode zu Chal: 
cedon 451 für redhtgläubig, aber durch Juftinian 
ald eins der drei Kapitel verdammt wurde. Da: 


nach hat M. eine Zeitlang in Edeſſa gelebt und 


wurde nun der VBeförderer des Neftorianismus in 
Berfien. — 2) Einen M. nennen die Neftorianer 
als einen der 72 Jünger des Herrn, der als Ge: 


hülfe des Thomas das Chriſtenthum nach Mefo:- 


potamien gebradjt haben joll. — 3) Ein Neftoria: 
nijcher Batriard) um 937, der als der erſte fi 
vom Chalifen als Patriarch bejtätigen ließ. — 
4) M., Salomon's Sohn, ſchrieb im 12. Jahrhun: 


Inte, 1698 8. 1. Meyer, biblioth. Emulation, 
ribourg 1843 —44. Gelpte, Kirchengeſchichte der 
Schweiz II, 142, 560, Wattenbad, Quellen der 
deutjchen Geſchichte, ©. 42, 76. 
arf, Die Grafihaft Mark in Meftphalen ge: 
örte ſeit dem 14. Jahrhundert zum Herzogthum 
Steve:-Fülih:Berg und hei 1609, definitiv 1666, 
im Erbgang an das Haus Brandenburg. Nach 
dem Tilfiter Frieden 1807 wurde fie zun Groß: 
herzogthum Berg geichlagen und bildet, nachdem 
diejes aufgelöft worden, einen Theil der preußi: 
ihen Provinz Weftphalen. In katholiſch-kirch⸗ 
licher Beziehung gehört fie jegt zum Bisthum Pa: 
berborn, früher zum Erzftift Köln. Die Einfüp: 
rung derReformation wurde auch hier, wie in allen 
clevischen Ländern bald gefördert, bald gehindert 
durch das ſchwankende Verhalten des Hofes. Sehr 
nachtheilig wirkten die Unruhen der Wiedertäufer 
in Münfter ; namentlich wurden im 16. Jahrhun: 
dert die Neformirten nirgends zugelaffen, da man 
fie mit den Wiedertäufern in Eine Glafje warf. 
Die erſte lutheriſche Gemeinde bildete fid) in Lipp— 
ftadt 1524 durch die Auguftiner. Einen Halt 
ewann die Reformation an den freien Städten 
Dortmund und Soeft; zu einer Organifation der 
Kirche kam es erft durch Wolfgang Wilhelin von 
Dfalz » Neuburg, der die Zweibrüder Kirchenord— 
nung von 1557 einführte, welche auf der General: 
fynode zu Unna 1612 angenommen wurde; fie ift 
1687 durch die cleviſch-märkiſche Kirchenordnung 
erſetzt. Dadurch hat die lutheriſche Kirche ſich hier 
in Verfaſſung und Cultus von dem ſächſiſchen und 
norddeutſchen Typus weit entfernt und iſt der re— 
formirten näher gekommen. Unter brandenburgi: 
ſchem Schutze gewannen die Neformirten, meijt 
wallonifche Flüchtlinge, nicht nur bald die freie 
Neligionsübung, fondern verbrängten aud an 
vielen Orten die lutherifhe Kirche. Sie gaben 
fih1568 auf der Synode zu Weſel und 1571 auf 
der zu Emden eine freie, rein preöbyteriale und 
ſynodale Verfaffung, frei von jeder fürjtlichen oder 
biſchöflichen Autorität. Diefelbe wurde durd) die 
clevifch:märkifche und jülifch:bergifche Kirchenord: 
nung von (1654) 1662 anerfannt und es bildete 


en 7 gegen ge | fernerhin die Mark eine mit der Generaljynode 


vgl. Aſſemani's Bibl. Orient. III. — 5) Einen 
Einfiedler M. erwähnt Theodoret in der Religiosa 
historia. 

Marius von Aventirum. Aus einem ebeln 
Geſchlecht zu Autun und von Jugend auf zum 
—— Stand beſtimmt, war von 573 — 581 

üchof von Aventicum (daS heutige Avenches 
im Ganton Waadt) und zeichnete ſich in der 
vielfach bedrängten Zeit durd) feine eifrige Thä— 
tigfeit für den Anbau des Landes und den Aus: 
bau der Kirche aus. Von dem verödeten Aventi: 
cum verlegte er den Biſchofsſitz nad Lauſanne, 
zwilchen 585 und 593, + 31. Dee. 593. Sein Ge: 
dächtnißtag ijt der 4. Febr. Er ift der Berfafler 
einer Chronik, welche ſich an die des Prosper Aquit. 
anſchließt und die Jahre 455 - 581 umfaßt. B. F. 
Chiffletius fand fie auf, fie ijt gedrudt in den 
Sammlungen von Du Chejue und Dom Bouquet, 
am beften in ben m&moires et doc., publ. par la 
societe d’'histoire de la Suisse Romande tom. 
XIII. Hauptquelle über ihn ift das Cartularium 





von Cleve-Jüli 
Daher ift auch 
von Gleve en 


verbundene Provinzialiynode. 

te firchliche Geſchichte mit der 
verbunden. Der frühere fchrofle 
zu zwilchen Zutheranern und Reformirten 
ſchwand jo jehr, daß jhon am Ende des vorigen 
Jahrhunderts ernſtliche Unionsverſuche aemadht 
wurden. Auf den Synoden zu Hagen 1817, Lipp— 
ftabt 1819, Dortmund 1830 wurde die Reorganis 
jation der Kirche eingehend berathen und 1835 
als Frucht derjelben die Rheinifch = Weftphälifche 
Kirchenordnung eingeführt. Val. Heppe, Geſchichte 
der evangeliihen Kirche Rheinlands und Weit 
phalens, 1869. Wolters, Geſchichte der Stadt 
Weſel. Bonn 1868, 

Markomannen. Ein deuticher Vollsſtamm, den 
bereit3 Cäſar bei Ariovift Caes. Comm. 1,51, er: 
wähnt. Ob und wann diejelben das Chriftenthum 
angenommen, ift ungewiß. Es wird erzählt, daß 
zwiſchen 374—597 einitalienifcher Chrift die Köni- 
gin Fritigil dem Chriſtenthum geneigt gemadht, 


und eine Schrift des Ambrofius ſie vollends jo ge: 
40 


Markulf 


mwonnen, baf fte jih nad Mailand aufgemadt 
an Ambroſius jelbit zu befuchen, der indeß bei 
hrer Ankunft — geſtorben geweſen. Bal. 
Schröckh, K.G. VII., Hefele, Geſch. der Einf. des 
Chriſtenthums in Süd⸗Deutſchl. Tübingen 1837. 

Martulf. Ein fränkiiher Mönd um 660, fer: 
tigte ein Formelbuch, d. h. eine Sammlung von 
Beifpielen für Urkunden, die in weltlichen und 
geiftlihen Geſchäften aufzunehmen waren. Dieje 
ind für die Kenntniffe der kirchlichen und politi: 
ſchen Rechtszuſtände von Wichtigkeit. Herausgege: 
ben von Baluze in der Sammlung der Capitula: 
rien 1677. Migne, Patrol. latin. vol.,87. Balaty, 
über Formelbücer. Prag 1842, 

Marlorat, Auguſtin, aus Barzlesduc in Lo: 
thringen. Geb. 1506, wurde er nad dem Tode 
feiner Eitern 1514 von habjüchtigen Verwandten 
in das Auguftinerklojter geitedt und 1524 zum 
Priefter geweiht. Seit 1533 Kloftervorftand zu 
Bourges und beliebter Faitenprediger lernte er die 
Schrilten der Reformatoren kennen. Bein Aus: 
bruchder Berfolgung der Evangelifchgefinnten 1534 
floh er nady Genf und ernährte ſich dort als Cor: 
rector. 1549 als Geiftlicher in Eriffier bei Lauſanne 
angejftellt, befreundete er ji mit Beza, und galt 
mit ihm feine Stelle auf, um nach Genf zu gehen, 
als im Waadtland die Wirren wegen der Kirchen: 
zucht und der Ercommunication nach Genfer Bra 
xis, fi) erhoben hatten. Bald wurde er aber als 
Geiftliher nah Paris geſchickt und 1560 nadı 
Rouen. Bon hier aus nahın er Theil am Religions 
geſpräch zu Poifjy (1561), wo er mit Franz von 
St. Paul dem Könige die Confessio gallicana 
überreichte, und zu den fünf Abgeordneten gehörte, 
welche über die Bereinigungsformel unterhandel 
ten. Bei dem Qugenotten:Aufitand in Rouen den 
15. April 1562, der durd das Blutbad zu Vaſſy 
am 1, März 1562 hervorgerufen wurde, trat er in 
ben Rath, der die Zeitung der Stadt übernahm 
Nach der Erftürmung derjelben (26. Det.) gefan: 
gen genommen, wurde er zum Tode verurtheilt 
und unter Mighandlungen hingerichtet. Bon feinen 
Werten ift das bedeutendite Die noch zu Eriffier 
vollendete Bibelerllärung: N. T. catholica expo- 
sitio ecclesiastica, Genf 1561 und: exp. ecel. in 
psalmos et cantica sacra. Vgl, Aug. Marlorat, sa 
vie et sa mort. Caen. 1862. Ruchat, histoire de 
la reform, de la Suisse. Genf 1782. Braun, Theod. 
Beza. Straßb. 1854-1851, 

arnir, Philipp var, Herr von Mont St. Alde: 
gonde, nimmt ald Schriftftellee und Wortführer 
der Nation, ald Staatsmann und Unterhändler, 
fowie als der Bertraute Dranien’s, eine bedeutende 
Stelle unter den Zeitern der holländischen Unab— 
hängigteitöbewegung ein. eb. 1538 zu Brüffel 
ftudirte er nebjt jenem ältern Bruder in Genf 
unter Calvin und Beza und lebte jeit 1560 in 
feiner Vaterftadt. Seine öffentliche Thätigteit be: 
gann er (wie allgemein angenommen wird) als 
Berfafler des Conpromiffes 1765 und der Bitt: 
Ygrırc des Adels 1566 an die Regentin um 
Suspendirung der Inquifition und als Leiter 
der erſten Wallonifhen Synode zu Antwerpen, 
26. Det. 1566. Zu Auftrewel geichlagen, als er 
mit Brederode dem belagerten VBalenciennes zu 
Hülfe kommen wollte, flüchtete er nad) Deutſch— 
land und trat in die Dienite Friedrich's ILL. von 
der Pfalz, fortwährend aber auch im Dienfte jei: 
ned Baterlandeg in mannigfacher Weiſe beichäftigt. 





622 


Maroniten 


Sp nahnı er thätigen Antheil an den nieberlänbi- 
ihen Synoden zu Reel 15683 und zu Emden 1571. 
(Bgl. d. Art. Mark.) Bei dem Ausbruch des Krie- 
ges 1572 fehrte er in die Niederlande zurüd, 
1573 gefangen und wieder ausgemedjelt, betriet 
er vergeblich eine Ausgleihung zwiſchen den Nie 
derlanden und Spanien auf den Conferenzen zu 
Breda 1575, leiftete aber die weſentlichſten Dienfte 
in den Verhandlungen, welche der Genter Baci 
fication 1576 und der Brüffeler Union 1577 vor: 
hergingen, jomwie als Gejandter nah England und 
an ben Reichstag in Worms und Köln, und an 
Franz von Anjou, dem die Generaljtaaten bie 
Krone anbieten ließen 1586. Als Bürgerwmeijter 
von Antwerpen 1583 führte er das Regiment der 
Stabt während der denfwürdigen Belagerung und 
ichloß die Capitulation. vom 17. Auguit 1585 ab 
Sein Berhalten in diefen Angelegenheiten, wo er 
irrig auf Spaniens Gnade und Treue baute, war 
von dem Gedanken beſtimmt, die Trennung ber 
niederländischen Provinzen von einander zu ver 
hüten und dennod) Religionsfreiheit zu bewahren 
Seine politiſche Laufbahn war aber damit gejchloi: 
jen; erlebtefortan jeinen Studien auffeinem Gutr 
zu Weftfouburgund fpäter zu Leyden um der Uni: 
verfität willen, für deren Stiftung er ji ebenfalls 
bemüht hatte. Hier bejpäftigte ihm die Weber. 
fegung der Bibel, womit ihn die Generalftaaten 
beauftragt hatten, er vollendete aber nur Das eriie 
Bud) Mojes. Bon theologifhen Schriften jinv 
zu erwähnen die Streitihriften gegen Bajus: 
Ueber Kirche und —— und ein Katechis 
mus, vorzüglich aber der Römiſche Bienenfort 
1569, der nad) jeinem Tode 1601 in erweiterter 
Geftalt (Tableau des differences de la religion) 
nod) einmal erſchien. Die Unterjcheidungslehren 
der römischen Kirche und ihre Begründung mwer- 
ben darin in jatgrifcher Weije vorgeführt und dein 
Spotte preisgegeben. M. war dreimal verheirathei 
und hinterliek einen Sohn und drei Töchter, +15. 
Dec. 1598. Vgl. Edgar Quinet in der Rerue des 
deux Mondes von 1854. Th. Juite, Phil. de Mar: 
nix 1858. Gefammtausgabe jeiner Werke, Brüfle! 
1857—60, 8 Bde niit jeiner Biographie im 4. 3. 
Maroniten, Der Name leitet ſich ab von einem 
Klofter Maron am Orontes, welches um 400 von 
einem Einſiedler Maron (bei Theodoret) oder 
einem Mönd und Presbyter (bei Chryjoitomus) 
erbaut fein jo. Die Maroniten, ſyriſcher Abſtam 
mung, leben in ziemlicher Unabhängigkeit von den 
Türken ald militärifcher Freiftaat, und bewohnen 
mit den Drufen, die als erbitterte Feinde jeit 1840 
ihnen gegenüber ftehen und 1860 zur blutigen 
Verfolgung vorjgritten, den nördlihen Libanon 
und einige Diftricte Syriens; ihre Zahl wird bis 
auf 500,000 angegeben. An Sitten und Lebens: 
art aleihen fie den Arabern; als Zeichen ihres 
Adels haben fie das Borreiht, den grünen Turban 
zu tragen. Sie bilden eine befondere kirchliche 
chriſtliche Gemeinſchaft (ecelesia Marenitarum), 
deren Oberhaupt den Titel: „Patriarch von Antio: 
bien“ führt und feinen Sig im Klofter Kanöbin 
auf dem Libanon hat. Während der Kreuzzüge 
ſchloſſen die Maroniten 1182 fich infofern an Kom 
an, alö fie die Oberherrlichfeit des Papites aner- 
fannten. Die Bereinigung enger zu ſchließen, be— 
mühte ſich Rom nad) dem Concil zu Florenz 1445; 
es wurden mehrmals Legaten abgeſchickt und 15U6 
im KHlofter Kanöbin ein ieh wann Concil abge 


Marot 


2 


ir 


3 


Marjay 


halten, dem mancherlei ig Agrar gemacht das ri der Herzogin Margarethe von Alen: 


wurden. Huch 1736, als die 


zur Annahme des | gon, und 


egleitete ihren Gatten in's Feld. Nur 


Tridentinums bewogen werben follten, mußte ihnen | jeine Aufnahme in das königliche Hofgefinde be: 


auf dem Eoncil von Kloſter Zumeiza in Kesrowan 
jo Biel nachgegeben werden, daß das Katholifche 
an ihnen oft bezweifelt werden konnte. Zwar nah: 
men fie die Formel filioque ins Symbol auf und 
unterwarfen jih den römiſchen Fajtengeboten, 
verpflichteten fi auch zum Gebraud) des Cate- 
chismus Romanus und des Gregorianiſchen Ka: 
lenders, behielten aber ihre alte Liturgie, welche 
fie von Ephraem dem Syrer ableiten, und den 
Gebrauch der jyrifchen und arabiſchen Sprade 
im Gottesdienſt, das Abendmahl unter beiderlei 
Gejtalt, jedoch nur für die Geiſtlichen, die Prie: 
jterehe des niederen Klerus, fowie die freie Wahl 
des Patriarchen, der jedod) vom Papfte beftätigt 
wird und diejem alle 10 Jahre Rechenſchaft über 


zuführen, hat jhon 1584 Gregor XIL. das Col- 
egiam Maronitarum zu Rom ald eine Bildungs: 
anftalt für maronitische Geiftliche aeftiftet, aus der 
mehrere berühmte Gelehrte, 3.8. Gabriel Sionita, 
Abr. Echellenfis, Mitarbeiter an der Parifer Po: 
Iyglotte (1629 - 1645), die Affemaniu. X. hervorge: 
gangen find. Bor ihrer Bereinigung mit Rom waren 
die M. nad dem übereinſtimmenden Zeugniß aller 
Quellen Monotheleten; als ſolche werden jie zuerſt 
genannt bei der Verdammung derfelben auf der 
6. ötumeniſchen Synode zu Conjtantinopel 680; 
und vergebens haben Aſſemani u. N. verſucht, 
durch die Behauptung, die betreffenden Stellen 
jeien gefäljht oder interpolirt, diefen Vorwurf 
egen die Orthodoxie ihres Volles abzumehren. 
Fraglich iſt allein, aber höchſt wahrſcheinlich, daß 
die M. zum Monotheletismus erſt vom Mono— 
phyjitismus übergegangen find. Es ſpricht dafür 
ver beibehaltene Zuſah im Trishagion: „(Qui 
crucifixus est pro nobis,“ ſowie ber Umſtand, 
daß die Mönde des Maronklofterd wegen ihrer 
Zuftimmung zum Ehalcedonenfiihen Concil un: 
ter ihren eigenen Bollsgenofjen zu Märtyrern 
wurden. Die Maroniten felbjt führen ihren Ur: 
iprung auf Johannes Maron zurüd, der zu Si: 
rum bei Antiochien geboren, in Eonftantinopel jtu: 
dirte, und Mönch und Priefter im Klojter Maron 
wurde. Bom päpſtlichen Legaten 676 zum Biſchof 
von Botrus gemacht, habe er den ganzen Libanon, 
Monotheleten und Monophyfiten, zum römijchen 
Glauben befehrt und jei dann zum Patriarchen 
von Antiohien gewählt und vom PBapft Honorius 
beitätigt worden. Er habe ftatt des alten von den 
Griehen zerftörten Maronklofters ein neues in 
Kafar:Hai bei Botrus erbaut und ſei 707 geitor: 
ben. Die Berbindung, in welche diefer M. mit Rom 
gebracht wird, ijt entſchieden irrig, — jo lebte Papit 
Honorius 1. ungefähr 60 Jahre früher und war 
Monothelet — doch wird er ein Mann von großem 
Einfluß geweſen fein, der die politifche und geift: 
ige Herrſchaft in jeiner Hand vereinigte. Die 
von ihm angeführten Schriften find ſämmtlich — 
mit höchſtens Einer Ausnahme — unädt. Bol. Rit: 
ter, Erdfunde, 1854. 8.17. S. 744. Volney, Reife 
nad Syrien. Bar. 1787. Cowper, Sects in Syria. 
xond. 1860. Schnurrer, De ecel. Maronit, Xüb. 
1810 u. 11, 
Marot, Clement. Der franzöfiiche Ueberjeger 
ver Pfalmen. Geb. 1495 zu Cahors, trat er im 


die Lage der maron. Kirche abzulegen hat. Um 
eine engere Berbindung der M. mit Rom berb 


— —— — — —— — — — — 


freile ihn von Händeln mit der Inquiſition über 
ſeine — Ueberzeugungen. Da er 1633 ſa— 
tyriſche Verſe gegen die — ber Proteſtan⸗ 
ten gemacht hatte, mußte er 1584 nach Boͤarn 
und Ferrara fliehen. Franz J. rief ihn an den Hof 
zurück, und nun erſchienen ſeine erſten übertragenen 
Pſalmen, die ſo allgemeine Aufnahme fanden, daß 
ſelbſt der Papſt ſie nachdrucken ließ, während die 
Sorbonne ſie verbot und den Verfaſſer 1543 zu 
neuer Flucht nöthigte. In Genf fegte er feine Ueber⸗ 
jegung fort und jtarb 1544 oder nad) Mai 1546 
zu Turin. Beza überjegte 1550—52 die noch fehlen: 
den Pſalmen. Kirchlich gebraucht jollen Marot’s 
Pjalmen zuerft am 1. Dec. 1540 zu Granjon in 
der Schweiz fein. Die erfte Ausgabe mit 30 Pal: 
men und einer gereimten Ueberfegung bes Vater: 
Unjers, bes Ave, des Symbolums und des Dekalogs 
erſchien 1541 in Barid. Die zweite 1542 mit Muſik 
und der Genfer Yiturgie beforgte Calvin, der aud) 
ber britten, um 20 Bjalmen vermehrten 1543, die 
Vorrede „An die Damen Frankreichs“ zufügte. Die 
erfte volljtändige uaygr Sy it die Beza’s von 1552, 
mit defien Borrede: „An die Kirche unfers Herrn.” 
Die meisten fpäteren Ausgaben enthalten zu jedem 
u. ein von A. Marlorat (F 1562) verjahtes 

ebet. Eine Revifion der Leberjegung durch Con: 
rart und Labajtive wurde 1679 von der Synode 
zu Charenton genehmigt und in vielen Kirchen 
eingeführt. Früher nad) Volksweiſen gejungen, 
erhielten die Marot'ſchen Pjalmen ihre (vierftim: 
migen) Melodien und jegige Form von Claude 
Goudimel, dem Lehrer Baläftrinas (7 1572). In: 
terefjante und widtige Mitteilungen über M. 
und feine Zeitgenofjen enthält der Brief M. Ma: 
lingre's (f. d. Art.) an ihn, L'Epistre de M. Ma- 
lingre envoyee a Clement Marot ıc. Bajel 1546. 
Paris 1369. In diefer Schrift finden ſich auch 
3 Gedichte von Marot, wovon eines das Datum 
5. Mai 1546 trägt, jo daß, wenn dieje Angabe 
nicht etwa auf einem Drudfebler beruhen ſollte, 
M. um dieſe Zeit noch gelebt bat. 

Marozia (Mariuccia). Die Tochter der berüch— 
tigten Theodora, der Gemahlin des Senators Theo: 
phylact. War dreimal vermählt; mitdem Marlgra: 
fen Alberich I. von Gamerino, (wirklich jtattgehabte 
Bermählung wird jedoch bezweifelt) Conſul und Ba: 
tricius von Rom, + 927; dem Nartgrafen Guido v. 
Tuscien, + 928, und dem König Hugo von Italien, 
+ 945. Sie mit ihrer Mutter und Schmeiter 
Theodora war die Seele des ariitofratifchen Regi— 
mentes, welches damals unbebingt über Rom und 
den päpftlihen Stuhl herrſchte (Rornokratie). Mit 
Sergius ILL, hatte fie in verbotenen Umgang ge: 
lebt. Johann XL. war ihr Sohn (nad Liudprand 
von Gremona von Sergius), Johann XII. ihr 
Entel. Johann X. wurde auf ihren Befehl 928 er: 
mordet, als er fi ihrem Einfluß entziehen wollte, 
ihr Sohn folgte demfelben als Johann XI. 931-936. 
Ihrer beinah völlig unabhängigen Herrſchaft über 
Rom machte ihr Sohn Alberich Il. 933 ein Ende; 
er vertrieb feinen Stiefvater Hugo aus Rom und 
u. feine Mutter in's Gefängniß, wo fie um 945 
ftarb. Vgl. Gieſebrecht, Deutiche Kaijerzeit. B. J. 
Barınann, Politil der Päpſte. Elberf. 1869. IL. 

arſah, Charles Hector de St. George, Marquis 
de. Geboren zu Paris 1688, kam N mit feinen 
* 


Marfeille 


teformirten Eltern nad Deutfchland und machte als 
Fähnrid) eines engliſch⸗ hannöverſchen Regimentes 
den fpanifchen Erbtolgefrieg mit. Ernahm, durch die 
Schriften der Bourignon (f. d. A.) erwedt, feinen 
Abſchied, um mit zwei Freunden (Cordier und 
Baratier) ein einfiedleriiches Leben in Schwar: 
enau zu führen (1711). Die Gemeinſchaft Löfte 
ih, M. trat 1712 in eine myftifche Ehe mit 
Clara Elifabeth von Gallenberg und jegte mit ihr 
dies aftetifche Yeben fort. Seinen Lebensunterhalt 
gewann er zum Theil dur Uhrmachen. Durch 
häufige Reifen, wie durd Briefe und Schriften, 
ſuchte er feine myſtiſchen Anfichten zu verbreiten. 
Einige Zeit hielt er ſich zur philadelphiichen Ge: 
meinde in Schwarzenau, und war 1735 — 1742 
geiftlicher Führer der erwedten Familie von Fleiſch— 
bein. Nach dem Tode feiner Sattin 1745, lebte er 
in Arolfen, Altona und bei feinem Neffen zu Amb: 
leben, wo er 1746 ftarb, nachdem er von feinem 
Separatiömus und Duietiömus zurüdgetreten 
war, Er war für dielleberjegung und Verbreitung 
der BVerleburger Bibel und die Verpflanzung der 
Myjtit der Guyon u. A. auf deutfchen Boden mit 
Erfolg thätig. 

Marfeille. (Massilia.) Die Stiftung der Ge: 
meinde wird von der Legende dem h. Lazarus zu: 
gefchrieben, der 63 n. Chr. mit Maria, Martha 
und Marimus hierher gelommen fein fol. Die 
eriten Klöfter bei M. gründete Caſſianus und ver: 
pflanzte in fie feine zwischen Augujtin und Bela: 
gius vermittelnde Richtung, fo daß die Semipela- 
gianer lange Maffilianer genannt wurden. Das 
Bisthum gehört zum Erzbistgum Aix und umfaßt 
Stadt und Bezirk von M. 

Marfilius von Badua. Von feinem Leben tft 
wenig befannt. Aus einer bürgerlichen Familie 
Padua’s geboren, lehrte er zu Orleans und Paris 
in allen Facultäten, obwohl er vorzugsweife Jurift 
war. 1312 war er NRector der Univerfität Paris, 
Wegen des Werkes, welches feinen bleibenden 
Ruhm begründete, „ver Anwalt des Friedens“ de- 
fensor pacis seu de re imperatoria et ponti- 
ficia 1324, in den Bann gethan und verfolgt, 
begab er ſich 1527 zu Ludwig dem Bayern, und 
jtarb nach 1342, da aus diefem Fahre feine 
Schrift über das Eherecht datirt. Der defensor 
paeis ift gejchrieben als Schutzſchrift der kaiſer— 
lihen Macht gegen die Anmahungen des Bapft: 
thums, M. ftellt darin die Sätze auf, daf feinem 
Prieſter irgend ein weltliches Regiment gebühre; 
auch ftänden alle Briejter einander glei, ein 
Vorrang eines oder des andern ſei Sache menſch— 
licher Ordnung, wie ed denn einen Primat Petri 
niemals gegeben habe. Da lediglid Chriftus das 
Haupt der Kirche fei, fo ftehe eine Autorität über 
Alle nicht dem römischen —— ſondern nur 
einer allgemeinen Kirchenverſammlung zu, und 
dieje könne nur vom Kaifer berufen werden, dem 
auch allein das Recht gebühre, nad) bürgerlichen 
Geſetzen Zwangs: und Strafmittel anzuwenden. 
Der Staat ald eine göttlihe Einrichtung ftehe 
überhaupt nicht unter der Kirche, ſondern neben ihr. 
Dieſe Grundjäge wurden erjt von den großen 
Kirhenverfammlungen des folgenden Jahrhun: 
derts und der Reformation angenommen. In ſei— 
ner Schrift von dem Kaiſerrecht in Ehefachen, Tra- 
ctatus de iurisdietione Imperatoris in causisma- 
trimonialibns, vertheidigte er, ald grundfäglich rid): 
tig, die, wegen der mitwirkenden Privatintereſſen 


624 


Martenjen 


Ludiwig's re aus kaiſerlicher Macht ausge 
fprochene Scheidung der Katharina Maultaſch von 
Tyrol von dem Grafen Johann von Böhmen. 
Seine Schriften bei Goldajt, Monarchia s. rom. 
imperii. Frankf. 1688. Bgl. Dönniges, Geſch. des 
d. Kaifertbums im 14. Jahrh. Berl. 1841. E. Fried: 
berg, Ztſch. für Kirchenrecht Tüb. 189, VIII. 69 ff. 

Marfilins, Ficinus. 5. Ficinus. 

Martöne, Edmund, geb. 22. Dec. 1654 zu St. 
Jean de Löne bei Dijon. Gelehrter Mauriner, 
Schüler und Freund von d'Achery und Mabillon, 
lebte meift in dem Klojter Marmoutier und St. 
Germain des Pros. Ein vorzüglicher Kenner der 
möndischen Archäologie, gab er heraus: Comment. 
in regulam St. Bened. Paris 1690; De antiquis 
monachorum ritibus lib. V. 2 Bde. yon Is, 
und De ant. ecel. rit. 3 Bde. Rouen 1700. Nad 
dem Erjcheinen der Collectio nova veterum script. 
et monum,, Rouen 1700, als Ergänzung des Spi— 
cilegiums von d'Achery, unternahm er mit einem 
Drdenäbruder, Urfinus Durand, eine Reife durch 
Frankreich, Deutjchland und die Niederlande, um 
die kirchlichen Bibliothefen zu durchforſchen (1708 
— 1714), deren Frucht der Thesaurus novus anec- 
dotorum 2 Bde. Paris 1717 war, Eine zweite Reife 
lieferte das große Sammelwerk: Vet. script. et 
monum. ampliss. collect., Bari 1724 — 1785, 
9 Bde. Außerdem fchrieb er eine Fortſetzung von 
Mabillon’s Annalen. Baris 1739. Die Hegel des 
h. Benedict beobachtete er mit der größten Strenge; 
und die Furcht, daß fein Lob mönchiſch-myſtiſcher 
Aſkeſe Anftoß erregen würde, war der Grund, 
weßhalb feine Obern die Beröffentlihung der Ze: 
bensbeichreibung Elaude Martin’, feines Lehrers, 
mißbilligten und durch eine furze Zeit dauernde 
Berweifung in das Klofter zu Rouen 1697 ftraf: 
ten. + 85 Jahr alt 20. Juni 1739 zu St.Germain 
des Pres, Val. Taffin, Gelehrten: Gef. der Con: 
gregation v. St. Waur, Franff. u. Lpz. 1774. 


Martenfen, Dr. Joh., Biſchof von Seeland, 
Geb. am 19. Auguft 1308 zu Flensburg, ftudirte 
an der Univerjität Kopenhagen und warb 1339 
Profeſſor der Theologie dajelbit. Bon der Univer: 
fität Stiel 1840 zum Ehrendoctor promovirt, wurde 
er 1845 zum Hofprediger und nad dem 1854 
erfolgten Tode des Biſchofs Mynfter von Seeland 
zu deſſen Nachfolger ernannt. Seit 1867 beffeidet 
er außerdem dad Amt eines kgl. Confefjionarius. 
M. gehört, wie zu den tüchtigſten und beliebteiten 
Kanzelvednern Feines Landes, jo zu den bedeu: 
tendften Dogmatitern der Jehtzeit. Den Ideen 
Scleiermader'8 und der neueren djriftlich- 
philofophiihen Speculation zugewandt, jtellt er 
jedoch das fupranaturaliftiiche Brincip des Chri— 
jtenthums an die Spige jeines Syitems, Auf 
mehrere hervorragende Zeitgenofien hat er per: 
önlich bedeutend eingewirft, jo auf Yenau und 
‚riderife Bremer. Bon feinen jehr verbreiteten, 
um Theil in’s Deutjche, Engliide und Schwedi— 
Ihe überjegten Werten find die wichtigiten: Dis- 
sertatio de autonomia conscientiae sui huma- 
nae etc. 8. Havniae 1837. Deutih: Kiel 154. 
Meifter Eckart. Eine theologifhe Studie. Kopen: 
hagen 1840; Hamburg 1842. Grundriß eines 
Syſtems der Moralphilofopbie. Kopenhagen 1841. 
Die chriſtliche Taufe und die — Frage. 
Kopenh. 1843; 2. Aufl. ebend. 1847. Deutſch: Ham⸗ 
burg 1843; 2. Aufl. Gotha 1860. Chriſtliche 


Martha 625 Martin 


Dogmatil. Kopenh. 1810. Deulſch: Kiel 1850; | Fefthalten beffelben mahnend (Beide Kirchen feiern 
4. Aufl. 1858, Berlin 1856. Mehrere Schriften | fein Gedächtniß, die lateinische am 12. Nov.) Die 
über die ſchlesw.-holſt. Geiftlichkeit umd däniſch- Römer hatten aber fchon vor jeinem Tode 654 Eu: 
firchl. Fragen. Kopenh. 1850; 1867. Kiel 1852. | geniusI. zu feinem Nachfolger erwählt. (Bol. Bar: 
Bredigten. Kopenh. 1847. 2. Aufl. Eine Auswahl | mann, Politik d. P. I.) 
aus denjelben erſchien deutſch bei Perthes, Gotha. — 11., oder Marinus I., 882—884, war vor: 
DOrdinationsreden, 2 Sammlungen. Ueber Glaus | her unter drei Päpſten Legat in Conjtantinopel 
ben und Wiffen. Kopenh. 1867. . gewefen.- Er excommunicirte den Photius, aber 
Martha, die Schweiter des Lazarus (Luc. 10, | löfte den von Johann VIII. über Formofus von 
38—42; Joh. 12, 1—8), fam nad) der Tradition | Porto ausgeſprochenen Bann. Ihm folgte Ha: 
mit ihren Geſchwiſtern nad) Gallien und ftarb dort | drian III. 
in Zurüdgezogenheit. Ihre Reliquien fand man| — III. (Marinus II.), 943, ein vornehmer Rö: 
Ende Des 12, Jahrhunderts zu Tarascon. Ahr | mer, von deffen päpftlicher Regierung weiter nichts 
Gedächtnißtag ift der 29, Juli. Proteftantifche | befannt ift. + 4. Aug. 946. 
Homileten haben fie oft ald Symbol der fatholi: | — IV., 12831—85. Gebürtig zu Brie in Tou—⸗ 
ſchen Kirche hingeftellt. raine, von niedriger Herkunft; von Urban IV, 
Martha, Schweiter M., franzöfifche Nonne, (ei: | zum Cardinal creirt, wurde er durch den Einfluß 
gentlich Anna Briget) geb. 1749 zu Befangon, be: | Karl's von Anjou zum Papſt —— der ihn 
rühmt durch ihre, feiner Nation und Confeſſion als den franzöſiſchen Intereſſen durchaus ergeben 
achtende, großartige Thätigkeit ala Pflegerin von | hatte kennen lernen, und an ihm ein gefügiges 
Kranken und Berwundeten in den franz. Revolu: | Werkzeug feiner politifchen Bläne fand. M. machte 
tionsferfern und namentlid; während der Befrei- | Karl zum Senator von Rom, belegte nad) der 
ungsfriege. Bon Rußland, Deftreih, Preußen, ſicilianiſchen Vesper die Sicilianer und Peter von 
Spanien und England mit Orden geihmücdt, ftarb | Aragonien mit dem Banne und ließ den Kreuzzug 
fie 1824 als Vorfteherin aller Klöfter der barm— gegen fie predigen. Dadurch untergrub er die 
herzigen Schweitern in Frankreich. tung vor dem päpftlihen Stuhl, erregte von 
Martianey, Jean, gelehrter Mauriner. Geb. | neuem den Bürgerkrieg zwiſchen Guelfen und 
30. Dec. 1647 zu St. Sever:Gap bei Aire, trat 1667 | Ghibellinen, und rief Anardie und Fauftrecht 
in das Benedictinerklofter la Daurade zu Touloufe. | im Kirchenftaate felbft hervor. + 28. März 1285. 
Er legte ſich hauptſächlich auf orientalifche Spra: | Er gehört zu den Bäpften, die dem römischen Stuhle 
hen und Bibelfunde, worüber er jpäter in mehre: | am meiften gefchadet haben. Vgl. Hefele, Eonciliens 
ren Klöjtern Vorträge acer Durch feine defense geſchichte Freibg. 1855—66. VI, 188, v. Reumont 
du texte hebreu et de la chronologie de la Vul- | Gefd. der Stadt Rom. Berl. 1867. II, 602. 
gate, Paris 1689 auf ihn aufmerkſam gemacht, Martin V.(1417—1431), DttoColonna. Wurde 
beriefen ihn die Obern nad) St. Germain des Pres | an Stelle Johann XXI. vom Concil zu Con—⸗ 
und übertrugen ihm die neue Ausgabe des Hiero: | ſtanz erwählt und mit großer Freierlichkeit inthro: 
nymus; fie erſchien Paris 1693 — 1706, 5 Bode. fol., | nifirt. Die Hoffnungen auf Reformen wußte er 
nachdem er vorher im Prodromus, Par. 1690 die ſchon am folgenden Tage durch die Beröffent: 
——— einer neuen Ausgabe erörtert; es lichung ſeiner Kanzleiregeln zu vereiteln und den 
folgte vie de St. Jerome 1706. Seine Ausgabe | unbequemen Concilbeſchlüſſen vom 30. Det. 1417 
verwidelte ihn in literarifche Streitigkeiten mit | über die 18 zu veformirenden Punkte, an welche 
Glericus, Simon Pergron, Paſtel u. A., die er ihn die deutjche Nation durch Advisamenta nat. 
mit Eitelfeit und Leidenschaft verfocht. + 16. Juni | Germ. super artic. juxta Decretum Concilii re- 
1717. Bol. Taffin, Gelehrtengeſchichte, B. 1. formandis erinnerte, entging er durch die Con: 
Martin L, Bapit,649-655. Nachfolger des Theo: | cordate mit den Deutfchen, Franzofen 2. Mai 1418 
dor, vorher Apocrifiarius der römischen Kirche in | und Engländern 12. Juli 1418, letzteres als bes 
Gonftantinopel, Er berief im October 649, ohne | finitiv, erftere provijorifch auf fünf Jahre ge: 
Zuftimmung des Kaifers, eine Synode nad) Rom | jchloffen. Er ſchloß das Concil 1418. Die Verle: 
(die erſte Lateranfynode), welche auf den Vortrag | genheiten, in denen er fi durch den Kirchenſtaat 
des Papſtes den Monotheletismus und die im —* befand, zwangen ihn 1423 das verſprochene 
Sinne dieſer Lehre verfaßten kaiſerlichen Erlaſſe, Concil zu Pavia zu eröffnen, welches er bald 
die Ekthesis 649 von Conſtans II. und din nach Siena verlegte, 1424. Obgleich fein einziger 
Typos 638 von Kaijer Heraklius verdbammten. | Mißbrauch abgeftellt wurde, fehlte e8 nie an dem 
Von dieſen Beſchlüſſen machte M. fogar dem | Schein der Vorbereitung zu gründlichen Reformen. 
Kaiſer Conſtans Mittheilung und forderte ihn | Die Eröffnung des nad Bajel berufenen Concils 
zur Zuftimmung auf, Der Exarch Olympios, | erlebte er nicht mehr. Val Leo, Geſch. v. Italien 
welcher vom Raier den Auftrag erhielt, ven Bapft | IV; v. d. Hardt: M. Öecumen. Constantiense 
zu verhaften, ſchioß fich vielmehr an denfelben an, | Coneilium. Franff. u. Lpz. 1700. Hübler, die 
um für die beabjichtiate Empörung eine Stüte zu | Eonitanzer Reformation und die Concordate von 
gewinnen, Nach deſſen Tode 658 lieh der Kaiſer 1418. Leipz. 1867, v. Neumont, Geſch. der Stadt 
durch den Exarchen Kalliopas den Papſt nady Con: | Rom II, 1162. III, 56 ff. 66. 
ftantinopel abführen. Nach einer fehr langen und | Martin, Erzbiichof von Braga, aus Bannonien, 
mühfeligen Reife wurde er hier als Hocdhverräther | fam von einer Wallfahrt nad) Paläftina nad) 
wegen feiner Gemeinfchaft mit Olympios vor Ge: | Galicien in Spanien, und trug viel dazu bei, die 
richt geftellt und nad) harter Behandlung zur Ver: | arianifch gefinnten Sueven der römifchen Kirche 
bannung nach Cherfon verurtheilt. Nur die Ver: | zu gewinnen. Er gründete verichiedene Klöfter und 
wendung des Patriarchen bewahrte ihn vor der | war Abt zuDumia, bis er um 560 zum Erzbiſchof 
Todeäftrafe. Er ftarb 16. Sept. 655 muthig bei jei: | von Bracara (Braga) befördert wurde. Er wohnte 
nem Belenntni verharrend und die Seinen zum dem 2, Goncil zu Braga 563 gegen Arianer und 





Martin 


Priscilianiften bei und leitete das von 572. +um 
582. Wichtiger als feine moraliichen Schriften ift 
feine Colleetio Orientalium Canonum, bei Manfi 
Coll. IX., die jedoch mehr eine Bearbeitung als 
Ueberjegung von Aften ariech. Goncilien ift. Die 
ihm zugeſchriebene Ueberfekung der sententiae 
Aegyptiorum patrum, aus dem Griechiſchen, ift 
nur von ihm veranlaft, durch den Diacon Pa— 
ſchaſius zu Dumia angefertigt. Vgl. Schrödh, 
8.6. XVII 


Martin von Tours, der Heilige. Von heibni- 
{chen Eltern in Pannoniengeboren, wurde ergegen 
ihren Millen im 10. Jahre Katehumen, mußte 
aber gegen feine Neigung in Kriegädienfte treten. 
In diefer Zeit, erzählt die Legende, habe Martin 
feinen halben Mantel einem Bettler geſchenkt und 
in der folgenden Nacht im Traume Chriſtus da— 
mit befleidet erblidt. Nach fünfjährigem Kriegs: 
dienst lich er fih von Hilarius von Poitierd, in 
Demuth fi einer höheren Weihe unwürdig hal: 
tend, zum Erorziften meihen und nicht zum Dia: 
fon; er hatte dann in feiner Heimath und in Mai- 
land Bieles durch jeinen Eifer gegen die Arianer 
zu leiden. Als Hilarius 360 aus der Verbannung 
zurückkehrte, folgte ihm M. und erbaute in feiner 
Didzefe Poitierd dad erſte Klofter Galliens, 
monast. J,ocociagense, Licuge. Der Ruf jeiner 
Heiligkeit und Wunderkraft verbreitete ſich, das 
Volt von Tours mählte ihn zum Bifchof, er 
mußte nachgeben, nahm aber —* ewöhnli⸗ 
hen Mohnfik in einer Einöde an der Loire, wo 
um feine Zelle dad Klofter Marmoutier ent: 
ftand. Eifrig und erfolgreich widmete er fich der 
Belehrung der in Frankreich nod; zahlreichen Hei- 
ben und der Zerftörung ihrer Gößentempel. Ver: 

ebens widerſetzte er fich der Verurtheilung und 
Beftrafun der Priöcillianiften durch den Kaiſer 
auf der Synode zu Trier 384 und brach mit den 
Bifhöfen, melde diefelbe dennoch burchgefett 
hatten, jede Verbindung ab. Die dankbare Ver: 
ehrung hat fein Leben mit vielen Wundern auäge: 
ſchmückt, fein erfter Biograph Sulpieius Severus 
(um 400) weiß in den Dialogi (ed Halm, Vinda- 
bonae 1566) jhon davon. Gregor von Tours 
berichtet ihrer 206 ; die größten und meiften fallen 
in die erfte Periode feines Yebens. Sein Tod: und 
Gedächtnißtag 11. Nov. ift in manchen Gegenden 
Belgiens, Norddeutſchlands, Schlefiens ıc. ein 
Bolföfeft geworden, weil es mit dem altgermani:- 
ſchen Herbitonferfeite aufanımenfiel; bie Feitfeiern 
find die verhültten alten Gebräuche. M. ift einer 
der er ar Franfreihe. Vgl. Sulpieii 
Severi, de b. Mart. vitaliber in der Bibl. Patr. 
VIII. Loebell, Gregor von Tours u. ſ. Zeit. 2. —* 
2pʒ. 1869. M. de Montrond, Martin, évéque de 
Tours, Lille 1864. Reinfens, Martin v. Tours 
1866. Gelzer, Broteft. M. BL. 1868. 

Martin, David. Neformirter Theolog, geb. 
1639 au Revil, ftudirte zu Nismes und Puy⸗Lau— 
rend Bhil. und Theol. Als reformirter Prediger 
durch den Widerruf des Edicts von Nantes ver: 
trieben, enttam er mit Hilfe von Katholiken und 
wurde Prediger zu Utrecht, F1721. Einen Ruf als 
Profeffor nah Deventer und ald Prediger nad 
dem Haag hatte er ausgeſchlagen. Sein Haupt: 
verdienſt ift die Revifion der Genfer Bibelüber: 
jetung, welche er für die wallonischen Gemeinden 
beforgte, 1. Aufl. 1707, mit Einleitung und kriti⸗ 
ſchen Bemerkungen. Sie ift noch heute die meift: 


626 


Maruthas 


verbreitete franz. Bibelüberſetzung. Außerdem gab 
er heraus: LeN.T. —— par des notes oour- 
tes et claires. Utr. 1696. Histoire du vieur et 
du noureau Testament Amft. 1700. 

Martinius, Matthias, reformirter Theolog und 

Schulmann. Geb. 1572 zu Freienhagen in Wal⸗ 

‚ ftudirte zu Herborn unter Piscator, wurde 
1596 Hofprediger zu Dillenburg, 1596 Profeffor in 
Herborn, 1597 Rector des Pädagogiums, Prebiger 
und 1602 Infpector des Alumneums. 1607 gina 
er ald Prediger nah Emden, von wo er 1610 
als Profeſſor der Theologie und Rector des Gym- 
nasium illustre nad) Bremen berufen wurde. Er 
war einer der drei Bremer Abgeorbneten zur 
Dortrechter Synode, beflagte aber fpäter feine 
Theilnahme. „DO Dortrecht, wollte Gott ich hätte 
dich nie gefehen!“ 

Martyr Petrus, ſ. Petrus Martyr, 

Bartyrologien find fürden kirchlichen Gebrauch 
eingerichtete Berzeichniffe der Märtyrer, erwachſen 
aus den alten Calendaria martyrum, die bei jedem 
Tage nur denNamen angeben, während die M. bie 
Lebensgeſchichte enthalten. In der griech. Kirche 
heißen die Menologien. (S. d. Art,) Hier tft dad 
berühnitefte auf Befehl des Kaiſers Baſilius Ma» 
cedo (867—86) abgefaft ed. Urbini 1727. Im 
Abendlande jhrieben M. Hieronymus (die ver: 
fchiedenen, unter feinem Namen vorhandenen 
find jedoch unächt), Beda (deögleichen), Florus 
(Subdiacon in Lyon, um 800), R nus Maurus 
(um 845) und Notker (Balbulus + 912). Gregor 
XIII. ließ ein m. universale, die Heiligen aller 
Länder umfaflend, durch Baronius bearbeiten. 
Rom 1586. Der Jefuit Rosweyd a daffelbe Ant: 
werpen 1613 vermehrt heraus. Vgl. Wattenbach, 
D.'s Gefhichtsquellen im Mittelalter. Berl. 1858 
ſim Anhang.), Botthaft, biblioth. med. aevi. 

Martyrum omnium festum, Für das Be: 
ftehen eines allgemeinen Märtygrerfeftes im Drient 
ſchon im 4. Jahrhundert, bringt Leo Allatius Be: 
fegftellen. Es wurde nad) Chrofoftomus am Sonn: 
tage nad) Pfingſten ie Im Abendlande wurde 
es von Bonifaz IV. (608—615), jedoch nur für 
Rom felbft, auf den 13. Mai angeorbnet, als er 
das Pantheon in Rom zur Ehre der Maria und 
aller Märtyrer einweihte. Das Allerheiligenfeft, 
mit dem das vorgenannte nicht zu verwechfeln ift, 
wurde feit Gregor III. (731—741), anfangs 
wahrſcheinlich auch nur ald Kirchweihfeſt der von 
ihm geſtifteten Allerheiligenliche in Rom felbit 
gefeiert. Erft feit 855 unter Gregor IV. ward es 
allgemeines Kirchenfeft. 

Maruthas, der Heilige, Biſchof von Tagrit 
oder Maipherfat in Mefopotamien , gehört zu den 
ausgezeichnetſten Schriftftellern der ſyriſchen Kirche. 
403 fam er nad) Conftantinopel um bie itt: 
lung des Nrcadius bei dem Perſiſchen König 
Jezdegerd zu milderer Behandlung der Chriften zu 
erlangen. Wiederbolt von Theodoſius II. an er 
denerd gefendet, joll cr auf diefen, trof aller 
Ränfe der Magier grofen Eindrud gemadt und 
ihn dem Chriftenthum günſtiger geftimmt haben. 
Mit Chryfoftomus war er befreundet, auch nahm 
er Theil an mehreren Hirhenverfammlungen, fo 
an der in Antiochien 383 oder 390 araen bie Mef- 
Br Von ihm ift vorhanden eine Gefchichte 

| der perſiſchen Märtyrer (bei Affemani act. Mar- 
ityr. p- I. Rom. 1748, deutfch von Bingerle Ina: 
' brud 1836), eine Erfiärung der Evangelien, ein 


Mai 


fiturgifches Werk, ſyriſch im Miffale der Maro— 
niten, lateinifch bei Renaudot liturgiarum Orient. 
collect. T. II. Bal. Aſſemani, bibl. orient Cle- 
ınentino. — Vatic. 1.174. 

Maid. Ein in der Völkertafel 1. M. 10, 23 
genanntes Volk; dafür wird nur noch 1. Chr. 1,17 
Meſcheſch erwähnt, worunter wohl nit nad Pi. 
120,5 Nomaben öſtlich von Babylon gemeint find. 
Beſſer vergleicht man zu Mafch das mafifche Ge: 
birae zwiſchen Armenien nnd Mejopotamien. 

Mashith. Bon Luther nach ven LXX als Eigen: 
name überſetzt, 2. Kön. 23, 13; (richtiger: Berg 
des Nergerniffes) ift der bei 1 wo 
Salomo dem phöniciſchen Gotte Milcom einen 
Altar baute. 

Mafius, Andreaö, Andre Dumas, geb. 1516 
zu Lennich bei Brüffel. Einer der größten Gelehr: 
ten und Sprachkenner des 16. Yahrh., hatte r 
nächit Bhilofophie und Rechtswiſſenſchaft ftudirt. 
ALS Secretair des Bifchofs von Eonftanz, Johann 
v. Weeze, hielt er fich —— in Romauf und 
warb dann Rath beim Herzog Wilhelm von Eleve, 
71573:M. nahm Antheil an der Herausgabe der 
Antwerpener Polyglotte, (ed. Plantinus 1569— 
1572,) aumelcher er die chaldäiſche Paraphrafe über 
die Bfalmen, die großen Propheten, Prediger und 
Ruth und eine ſyriſche Grammatif bearbeitete. 
3u Joſua lieferte er einen Gommentar und eine 
jehr getreue Ueberſetzung, 1574. Außer mehreren 
Meberfegungen aus den Sprüchen, verfahte er ein 
ſyriſches Lexikon. 

Maſora, eigentlich Ueberlieferung, im Gegenſatz 
zu Mikrah d. i der h. Schrift, bezeichnet nad) talmu⸗ 
diſchem Sprachgebrauch bie aus mündlicherlleber: 
fieferung oder jehr alten Aufzeichnungen hervor: 
gegangen kritiſchen, grammatifalifdhen und lexika⸗ 
lichen Bemerkungen zum Tert des A. T. Diefe 
Bemerkungen leiten die Rabbinen meift von Moje 
ab, von dein fie bid auf Ejra und die große Syna: 
goge, endlid zu den Gelehrten von Tiberiad ge: 
langt feien. Burtorf führte fie auf Ejra und die 
Synagoge zurück; richtiger erfennt man darin bad 
Refultat einer längeren Arbeit Bieler, welche vom 
6—10. Zahrh. alte Ueberlieferungen in Bezug 
auf ben h. Tert jammelten, vermehrten und ger 
ordnet zufammenftellten. Die Hauptbejtandtheile 
der M. find die Keri, d.h. die Barianten oder Kor: 
refturen ber Lesart, deren Anzahl von 848 bis 
1300 angegeben wird. Hierzu fommen Bemerkun: 
gen über alles in Bezug auf —— und 
Grammatik Auffallende; dazu Angaben, wie oft 
ein Wort vorkam, wie oft in verſchiedener Schreib: 
art, an welcher Stelle im Verſe oder im Buche u. 
dal.; die Zahl der Verſe der einzelnen Bücher, 
Bemerkungen und Angaben fiber das Vorlommen 
einzelner Buchſtaben zc. Dieje Bemerkungen hatten 
ven Zwed, den überfommenen Tert zu fihern 
und jo einen „Zaun um das Geſetz“ zu bilden; 
darum lommen aud Kritiken von Conjecturen 
(die Sebirin) vor. Man unterfheidet die große, 
die Meine, und die Final» Majorah. Die er: 
ftere wurde am obern und untern Rande der 
Seite eingetragen und ift die ausflihrlichere. Das 
Wort, worauf fi die Bemerkungen beziehen, ift 
im Tert mit einem feften Zeichen verfehen. Die 
Heine M. fand ihren Platz auf dem ſchmalen Zwi⸗ 
ſchenrande zwiſchen dem Text und der chaldäiſchen 


627 


Maffillon 


iſt nur fürzer und mehr in bloßen Zeichen und 
Andeutungen verfaßt. Die End:M,, m. maxima, 
finalis rührt her von dem erften Herausgeber ber 
M., R. Jakob ben Chajim, Vened. 1526, welcher 
am Schluſſe die Bemerkungen ald eine Art (un: 
vollftändiger) Concordanz alphabetifch zufamınen 
ftellte. Zum Gebraud der Mai. ift vor Allem bie 
Kenntnis der Zeichen, der grammatifchen und kri— 
tiſchen Kunftausdrüde und der verfchiedenen Be: 
jiehungen der Wörter, welche zu den Angaben be: 
nußt im, nothiwendig. Anleitung dazu findet man 
in J. Buxtorf, Tiberias s. Comment. masoreth. 
triplex, historicus, didacticus, criticus Baſel 
1620, wieder herausgegeben von feinem Entel. 
Baf. 1665. und in Eliad Levita, Maforetb Ham: 
maforetb, deutſch v. Semler. Halle 1772. Val. 
Frensdorff, daS Buch Ochlah W’ochlah (Mas- 
sora), Hannover 1864; Abrah. Geiger „zur Ge: 
ſchichte der Maſſorah“ im 3. Bde. feiner jüdischen 
geitige. für Wiffenfhaft und Leben. Hupfeld, 

eber eine biäher unbelannt gebliebene Handſchrift 
ver Maforah (Zeitſchr. der deutfchen morgenländ. 
Sefellfchaft XXL, 201 ff. Jahn, Eichhorn, de 
Wette: Einl. in’s A, T. 

Mafia, ſ. Meriba. 

Massa candida, sancta; Martyres Cypriaui 
jind die Märtyrer, welche Fett zur sauce 
prian's in der Balerianifchen Verfolgung ftarben. 
Nach Prudentius feien fie (300 an der Zahl) ge 
nöthigt worden, in einen glühenden Kaltofen zu 
fpringen. Auguſtin fpriht nur von 153 Märty: 
tern, die enthauptet worden feien und leitet den 
Namen von dem Ruhmreihen ihres Todes ab. 
Der pe ug Sa ber 24. Auguſt. Prudentius 
Lib. peristeph. Hymn. 13. 

Moifilianer heißen die Anhänger des Caſſianus 
in Marfeille, welche, der ſtrengen Prädeftinations» 
lehre abgewandt, jemipelagtanifch Iehrten, ber 
Menſch müfle den Willen haben zu glauben und 
au beharren. Ueber fie jchrieb 427 Profper von 
Aquitanien an Augquftin und dieſer fuchte fie 
durch die Schrift dedono persererantiae zu wider: 
legen. 

Maifillon, Jean Vaptift. Einer der berühmteften 
franzöfifchen fathol. Kanzelredner. Geb. 24. Juni 
1663 zu Hieres in der Brovence, der Sohn eines ar: 
men Notars, trater mit 18 Jahrenindie Congrega: 
tion besDratoriums,inderen Schule erer —— war. 
Einige Reden machten ſchon hier ſeine Obern auf 
ihn aufmerkſam; 1696 nad Paris als Vorſteher 
des Seminars von St. Magloire geſandt, rief der 
Erfolg einiger Conferenzreden Über die Pflichten des 
geiſtlichen Standes, bei ihm den Entſchluß hervor, 
als Faften: und Adventsprediger aufzutreten ; er 
begann damit 1695 zu Montpellier, 1699 zu Paris 
und erntete ſolchen Beifall, daß er 1701-4 die 
Faftenpredigten vor dem Hof halten mußte; 1717 
wurde er zum Biſchof von Clermont ernannt, 
1719 zum Mitgliede der Academie. Nachdem er 
die Leichenrede auf die Herzogin Elifabeth von 
Orleans, die befte jeiner oraisons funebres, gehal: 
ten hatte, verlieh er die Diözeſe nicht mehr. Die 
beiten feiner Predigten find die Advents- und 
Faitenpredigten, 6 Bde — in ihrer Art ausgezeich⸗ 
net ift Die petite car&öme, 1718 als Faſtenpredig⸗ 
ten vor dem SjährigenZubmwig XV, gehalten — die 
freilich eigentlich nicht Rafjionspredigten find, aber 


Ueberſetzung; fie enthält keineswegs weniger als | mit tiefem Ernſt von den Pflichten der Großen 


bie große, etwa ald Auszug aus derjelben, jondern 


und den fie umgebenden Verſuchungen redeten. 


Maſſuet 


Abgeſehen von der Eleganz und Schönheit der 
Sprache und Darftellung, liegt die Stärkevon M.'s 
Beredſamkeit in der Art, wie er das ſittliche Ge— 
fühl anzuregen weiß, wobei er eine tiefe Kenntniß 
deö menſchlichen Herzens zeigt. Bal. über ihn 
Theremin, Demojthenesund Maffillon, Berl. 1845. 
Eine Ueberfegung feiner Reden an die Großen 
dur Pfiſter, Würzburg 1826 und 35. Die Sy: 
nodalreden durch Reined, Magdeb. 1835. 

Maſſuet Rene, Mauriner. Geb. 1665 zu St. 
Duen in der Normandie. War zuerſt Lehrer der 
Theol. und Phil. in mehreren Ordenshäufern, aud) 
licent. juris, bis er 1705 nad} S. Germain-des-pres 
zu Paris fam, wo er nad) Ruinart’3 Tode den 5. 
Band der Annalen des Benedictinerordens heraus: 
gab, um ſich dann ganz einer Ausgabe der Werte 
des Irenäus zu widmen, welde 1710 mit 3 Ab: 
handlungen über Leben und Lehre des‘. und über 
die von ihm befämpften Häretifer erjchien und 
nod) die befte Ausgabe ift. Vgl. Taffin, hist. lit. 
d. 1. congreg. d 8. Maur. Paris 1726. Deutſch 
Frankf. 1773. 

Materialismus, auchSenſualismus, Naturalis— 
mus) nennt man die Denlweiſe, welche das Weltall 
und jede Erſcheinung desLebens nur als Product der 
verſchiedenen Verbindungen und Verwandlungen 
der Materie und als Wirkung der phyſiſchen und 
chemischen Gefege des Stoffs auffaßt. Nothwen: 
digerweiſe leugnet alſo der M. die Selbſtſtändig— 
keit des Geiſtes und verwirft die Idee Gottes; 
und da ihm auch die Erſcheinungen des ſittlichen 
Lebens zu Wirkungen phyſiſcher Urſachen werden 
ſo ſchwinden ihm die ethiſchen Gedanken; das 
Sittengeſetz wird zu etwas Willkürlichem, vom 
Egoismus Erſonnenem. Der Glaube aber an Un— 
ſterblichkeit wird zu Thorheit und Wahnwitz. Der 
ausgebildete M. ſteht alſo im ausgeprägteſten 
Gegenſatze zu allem religiöſen Denken und Leben. 
Der M. kann nur da entſtehen, wo mit geſteiger— 
ter Culturentwicklung ein Verfall des öffentlichen 
Lebens verbunden iſt, in welchem die religiöſen 
und ethiſchen Ideen ihre Macht über den Men— 
ſchen verloren haben. Er beſchleunigt den Verfall, 
indem feine Conſequenz den ſinnlichen Lebensge— 
nuß als das einzig reelle Ziel des Daſeins hinſtellt 
und damit den Menſchen dem ſinnlichen Triebe und 
der Selbſtſucht unterwirft, während er gerade die 
Aufgabe hat, ſich vom Naturzwang des ſinnlichen 
Lebens frei zu machen und das Gebot des Geiſtes 
zu befolgen. Das erſte vollſtändige und einflußrei— 
he Syftem des M. ftellte Epicur nad) dem Vorgang 
des Democrit und ber Cyrenaicer auf. Ausgehend 
von einer atomiftiihen Auffaffung der Welt und 
des Lebens ift ihm das finnlide Wohlergehen 
des einzelnen Individuums aud) der höchſte Zweck 
feines Dafeind. Die entfittlihende Wirkung die: 
ſes Satzes als eines Moralprincips beſchränkte er 
durch Die Lehre, daß nur in dem Streben nad) Weis: 
heit und Tugend ein dauernder Genuß gefunden 
werden fünne, während dieniedern finnlicen Lüfte 
einem fortdauernden Wechfel unterworfen feien. 
Diejelben Gedanken ehren wieder bei den franzö— 
fiihen Materialiften desvorigen Jahrhunderts und 
find namentlich bei 2a Mettrie(F 1751)in L’hom- 
me machine, Histoire naturelle de l’äme u. 9. 
London 1751 und bei P. D. von Holbad) (+ 1789) 
in bem Systeme de la nature Bar. 1770, deutich 
Yeipzig 1843, in rüdfichtölofer Offenheit ausge: 
ſprochen. Jede Vorftellung von etwas Geiftigem 


628 


Materialismus 


wird als Aberwit verfpottet, Nichts ift wirklich 
als die finnlihe Wahrnehmung, und da alle Er: 
fenntniß von ihr abhängt, jo tft fein anderer Be: 
weggrund für menjchliches Handeln als finnli: 
he Luft. Diefer M. ruhte auf dem Empirismus 
Xode's (F 1704), der dem Dualismus der Sy: 
fteme bed Descarte's und Leibnitz' fich entgegen- 
ftellte, aber daS Dafein Gottes feithielt, als durch 
eine übernatürliche, der Vernunft nicht wideripre: 
chende Offenbarung bezeugt. Der heutige Mate: 
rialismus behauptet die nothwendige Folge erac: 
ter empirischer Forſchungen zu fein, welde die 
Alleinherrſchaft der phyfiihen und chemiſchen Ge: 
jege erwiefen und ihn berechtigen den Menſchen 
allein „ald Produkt von Eltern und Amme, Luft 
und Wetter, Drt und Zeit, Koſt und Kleidung“ 
u. j. w., anzufehen und den Gedanken für die Wir- 
fung einer Beränderung des Hirnftoff3 zu erflären. 
Alle Kraft iſt I aft des Stoffes. Danach 
find ibm Stoff und Geiſt nur verfchiedene Bezeich⸗ 
nungen einer und derfelben Sache, je nachdem fie 
als Factor oder Product, als Ding oder Thätig- 
feit betrachtet werde. Damit fann ein Gottesglaube 
überhaupt nicht beitehen und an die Stelle ber 
Sittlichfeit tritt die natürliche Rothwendigkeit. 
Der Materialismus hat feine Berechtigung nur 
als Reaction gegen die Nichtbeachtung der Verbin: 
dung des geiftigen und leiblichen Lebens in der frü⸗ 
hern Theologie und Philoſophie, ſoweit fie noch die 
Religiöfität unferer Bei beherrſcht, — als ein 
Streben den hier fi offenbarenden Dualismus zu 
überwinden. Aber wie es ihm noch nicht gelungen 
ift, dad organische Leben als organiſches zu con: 
ſtruiren und er dabei ftet3 auf einen erften An- 
ftoß, den er nicht zu erflären vermag, zurückkom— 
men muß, jo fann er mit feinen empirifchen Ent: 
dedungen die Thatfachen des Selbſtbewußtſeins 
und des Gewifjens, dieſes Gemwiffefte von Allem, 
nicht aufheben und geräth jofort in das Gebiet des 
xäderlichen, fobald er den Verſuch macht, die 
Thatfachen des geiftigen und fittlichen Lebens zu 
erklären. Die Thatjache der Möglichkeit einer fitt- 
lichen Herridaft des Menſchen über Natur und 
Sinnlichkeit wird als ein untilgbarer Zeuge dafür 
jtehen bleiben, daß der Menſch mehr fei als bloßer 
Stoff. Freilid wird dem Materiallsmus nur dann 
wiſſenſchaftlich wirlſam entgegengetreten werden 
fönnen, wenn die hriftliche Dogmatik den ſchroffen 
Dualismus zwifchen Geift und Materie, welcher 
der altlirchlichen Vorftellung anhängt, immermehr 
überwindet. Nachdem der neuere deutſche Mate: 
rialismus zuerft jeinen Ausgangspunkt in ber 
tradicalen Seite der Hegel'ſchen Philoſophie genom: 
men und namentlid Ludwig Feuerbach (f. d. A.) 
der Philoſoph eines Gott und Unfterblichkeit, Re: 
ligion und Moralität läugnenden Naturalismus 
geworden war, hat hauptjächlid die naturmwifien- 
Ihaftlihe Richtung in der Wiffenihaft den Ma: 
terialismus ei eine Mafje den Ergebniffen der 
neueren Naturwiffenichaftenentnommenen Stoffes 
neu zu beleben geſucht. Auf Liebig's chemiſche 
Briefe ertheilte Molefchott eine „pfufiologiiche Ant: 
wort“ in jeinem „Kreislauf des Lebens", Mainz 
1852, in weldem er das Leben lediglich ald Er: 
jheinung eines hemifchen Brocefjesauffaßte, dem: 
gemäß natürlich die Nahrung das wichtiajte im 
menjchlichen Zeben fein müßte, eine Anficht, die 
er in feiner „Bhyfiologie der Nahrungsmittel‘, 
Darmftadt 1850,2. Aufl. 1859 noch weiter aus: 


Maternus 


führte („der Menſch ift, was er ißt“). Karl Vogt 
hat in feinen — und „phyſiologiſchen 
Briefen” Frankf. 1851 den Organismus als einen 
Mechanismus zufällig zuſammengewürfelter Atome 
dargeftellt, was den lebhaften Streit zwiſchen ihm 
und Rudolf Wagner hervorrief, (Wagner, Menden: 
Ihöpfung und Seelenfubftanz, 1854, Vogt, Köhler: 
glaube und Wiſſenſchaft. Eine Streitfchrift negen 

ud. Wagner, Gießen 1855, anwelchem aud) ;Frob- 
ihammer (Menſchenſeele und Phyſiologie, 1855) 
theilnahm. Bon großer Wirkung aufdiegroße Maſſe 
ift das (rer Compendium des Materialis: 
mus geweſen, welches 2. Büchner Frankf. 1855 un: 
ter dem Titel „Kraft und Stoff” herausgab und 
welchem er „Natur und Geift” I. Theil 1857 folgen 
ließ. (Gegen ihn Alb. von Gloß: Wie viel entdedte 
bis jeht die Naturwiffenichaft? 1859). Von ern- 
ftem fittlidem Geifte getragen ift das Syftem 9. 
Czolbe's in jeinem Buche: „Neue Darftellung des 
a a Bas 
wichtiger materialiftifcher Schriften enthält Büch— 
ner's „Aus Nalur und Wiffenfchaft,” 1552. Die 
Eonftruction einer Weltordnung auf materialifti: 
ſcher Bafis ftellte Wiener „Grundzüge der Welt: 
ordnung, Leipz. 1863, auf. In neuefter Zeit folgten 
die Schriften KarlRadenhaufens „Iſis“ und „Bi: 
bel wider den Glauben” und die anonyme Schrift 
„Das Evangelium der Wahrheit und Freiheit“ 
gegründet auf das Natur: und Sittengefet, 1866. 
Bon den Jahlioſen Schriften gegen den Materia: 
lismus find außer ben angeführten hervorzuhe— 
ben: FFilcher, die Unmwahrheit des Senſualismus 
und Materialiömus, 1853, Erdmann, die wad): 
fende Madıt des Naturalismus und die Wider: 
legung desjelben, 1854. Hinrichs, das Leben in 
der Natur, 1854. Julius Schaller, Leib und Seele, 
Weimar 1855. Tittmann, Ueber Leben und Stoff, 
Dresden 1856. Karl Snell, Die Streitfrage des 
Materialiömus, 1358. Böhmer, Naturforſchung 
und Eulturleben, 1859. F. Fabri, Briefe gegen 
den Materialiämus, 1856. Fichte, Anthropologie, 
1856. Zur Literatur vgl. die Ueberſichten der Ev. 
Kztg, Juli und Auguft 1856. Roſenkranz in Hil: 
genfeid's Zeitfchr. für wiſſenſch. Theologie, 1864 
und Lange, Geſchichte des Materialidmus, Jfer: 
lohn 1866. 

Maternus, der Heilige. Der erſt⸗erwähnte Biſchof 
von Köln, lebte im 4. Jahrh. unter Conftantin und 
wohnte dem Goncil zu Arles 314 bei, deſſen Acten 
er unterfchrieb. Die Legende verjegt ihn aber ins 
1, Jahr. und macht ihn zum Schüler des Petrus, 
der ihn mit Eucharius und Balerius zur Heiden: 
befehrung an den Rhein gejendet habe. Bei Elegia 
im Elſaß ſoll M. geftorben, aber nad) 40 Tagen 
durch den auf fein Grab gelegten Stab des Petrus 
wieder erwedt fein, worauf er die Gemeinden zu 
Tongern und Cöln gegründet hätte. 

Maternnd, Julius Firmicus. Der Verfafler 
einer apologetifchen Schrift de errore profanarum 
religionum ad Constantium et Constantem Au- 
gustos, melde 343—350 geichrieben fein muß. 
(ed. Vindabon. 1867, auch abgedrudt bei Gal- 
landi, Bibl. Pat. V). Diefelbe leitet den Urfprung 
des Heidenthums aus einer Verzerrung und Um— 
deutung der biblifchen Geſchichte, die Göttervereh— 
rung aus der Apotheofe fterblicher und fündhafter 
Menichen her. Bemerkenswerth ift, dab er eine 
gewaltfame Ausrottung des Heidenthums empfiehlt 
und darin fhon ein chriftliches Verdienſt ſucht. 


629 


Mathilde 


Eine aftrologifche Schrift Matheseos oder Astro- 
nomicorum libri VIIL ift wahrfcheinlich von einem 
andern gleichnamigen Berfafler, da derjelbe Heide 
gewesen fein muß und im Styl fih von dem Apo— 
logeten unterſcheidet. Vgl. die Ausgabe von Mün: 
ter 1826. Michael Herk, de Firm. Mat., Hafn. 
1817, 

Mathefius, Johannes. Geb. zu Rochlitz in 
Sadjen 1504, ftudirte zuerft in Ingolſtadt Theol. 
und fam 1528 nad) Wittenberg, angezogen durch 
Luther's Schriften. Er wurde deffen langjähriger 
Tiſchgenoſſe und 1542 Rector, 1545 Paftor in 
Joachimsthal. Unter feinen ——— Pre⸗ 
digten finden ſich 17 vom Anfang, Leben, Lehre, 
Belenntniß und fel. Ende M. Luther's, herausg. 
vom Evang. Bücherverein. Berl. 1862, Er ift Ber: 
faffer der Lieder: Aus meines Herzens Grunde; 
Herr, Bott, der Du mein Bater bift, u. |. w. In 
jpäterer Zeit feines Lebens Majorift, nahm er an 
der gewöhnlichen Art der Predigt von der Recht: 
fertigung Anstoß, und gerieth am Ende jelbit in 
ſchwere Anfechtungen feines Glaubens an das genü- 
gende Verdienſt Chrifti + 1564. Sein Leben ſchrieb 
fein Nachlomme Balth. M. 1705. Auswahl feiner 
Lieder in „Geiftl. Sänger der chriſtl. Kirche deut: 
icher Nation.” 4. Heft. Halle 1855. Das Biogra: 
phiſche aus feinen Lutherpredigten wurde vielfach 
ausgeihieden: Luther's Leben nad) Joh. Mathe: 
fius 3. Aufl. 1833. Hiftorien von Dr. M. Luthers 
Leben in zeitgemäßer Bearbeitung. Nördl. 1857. 
Val. Döllinger, die Reformation 11, 127. 

Mathew, Theobald, Dominifaner, der iriſche 
Mäßigfeitöapoftel, geb. 10. Oct. 17 zu Tho: 
mastown in Irland. Nach dem frühen Tod der EI: 
tern auf der Afademie zu Kiltenny erzogen, trat 
er 1810 in das Seminar zu Maynooth, ward 1814 
BVriefter und Paſtor im füblihen Irland. Da er 
als die Haupturfache des iriſchen Elends die Trunf: 
ſucht erfannt hatte, trat er 1833 zuerft zu Cork als 
Mäßigkeitöprediger auf, durdzog dann Irland, 
England und Amerika, überall Taufende bewegen, 
das Mäpigkeitögelübde in feine Hand abzulegen. 
1851 franf aus Amerika zurüdaelehrt, 7 1856 
zu Queenstown. Hatte feine Wirkſamkeit, da zahl: 
reiche Gelübde fich als die Frucht vorübergehender 
Furdt und kurzen Enthufiagmus’ erwiefen, aud) 
nicht die gehofften Erfolge, jo war fie doch in jeder 
Beziehung ſegensreich. 

Mathilde, die Dei ‚Gemahlin des deutſchen 
Königs Heinrichl.,mar die Tochter des Grafen Theo: 
drich zu Engerbei Herford, eines Ablömmlings von 
MWittefind, wurde im Klofterderford erzogen und 909 
mit Heinrich vermählt. Den ſegensreichen Einfluß 
ihrer Frömmigkeit und Milde aufihn rühmten feine 
dankbaren Abſchiedsworte auf dem Sterbebette. 
Auf den ihr angewiefenen Wittwenfiten lebte fie 
den Werlen der Frömmigkeit, namentlid) ſorgend 
für viele von ihr geftifteten Klöſter, von welchen 
Quedlinburg ihr das lichfte war. Die Menge ihrer 
Almofen veranlaßte Dtto zu einer Beſchränkung, 
fo daf fie verlett auf ihr Stammaut zurüdfehrte, 
bis Dtto’3 Gemahlin denjelben zur lindlichen Aus: 
föhnung mit der Mutter bewog. Bielen Kummer 
bereitete ihr der langjährige ‚ri zwifchen ihrem 
Lieblingsfohn Heinrich, dem fpäteren Herzog von 
Baiern und Otto, bi es ihr gelang, des Letzteren 
Verzeihung für den Bruder zu erlangen und beide 
zu verföhnen. Nach Heinrich's Tode 955 legte fie die 
Trauerkleider nichtmehr ab. Auch ihr Sohn Bruno, 


Mathilde 


630 


Matutin 


ber hochbegabte Erzbifchof von Köln, ftarb vor ihr ftimmung ber erzählten Begebenheit, als daß ver> 


und ihr Enkel Wilhelm, Erzbifhof von Mainz. 

Sie ſelbſt + zu Quedlinburg, 14. März 968. Ihre 

Lebensbeſchreibung voneinem Geiftlichen 40 Jahre 

nach ihrem Tode verfaßt, und in doppelter Geftalt 
ab Köpfe bei Berk. Mon. XII, 575 und IV, 282. 
eraus. 

Mathilde, Gräfin von Tuscien, die Freundin 
Gregor's VIL, geb. 1047, war die Tochter des 
Markgrafen Bonifacius von Tuscien und der Bea: 
trig, 7 1075, die in zweiter Ehe an Gottfried von 
Zothringen verheirathet war. Mit allen Tugenden 
ber und der aeg geziert, war fie aus re- 
ligiöjen Motiven der politifhen Richtung ihrer 

utter gefolgt und vollftändig dem Bapfte und 
der lirchlichen Reformpartei ergeben. Sie war bie 
feftefte Stüge Gregor’3 VII.; auf ihrer Burg 
Canofja that Heinrih IV. Buße. Um ihre Güter 
der Kirche überlafjen zu können, lebte fie in fd: 
fterliher Entfagung mit Gottfried dem Budligen 
von Lothringen und danad) mit Welf von Baiern 
nur ineiner Scheinehe. Die Schenlung vom Jahre 
1076 erneuerte fie 1102 zu Canoſſa. Aus derjelben 
erwuchſen bei ihrem Tode (1115) ernfte Berwid- 
lungen, da der Bapft auch die Reichälehen bean: 
Ipruchte, wodurch er faft zum Heren vonganz Sta: 
lien geworden wäre. Nach langem Streit fielen bie 
engen theils an den Kaifer, theild an den 
Papit. Bon da beginnt die allmähliche Entwid: 
fung der freien, ftädtifchen Gemeinmwefen in Jtalien. 
Il. Barmann, Bolitit der Päpſte II. 311 ıc. W. 
Giefebrecht, deutſche Kaiferzeit II, III. 

Mattatbias, der Stammvater der Maccabäer,nad) 
Joſeph ein Enkel bes Hadmonäus, ein Priefterzu 
Modin, war vor dem Gökendienft, den Antiochus 
IV. Epiphanes einführte, aus Jerufalem geflohen 
und erichlug in feiner Heimath im Eifer um das 
Geſetz einen Juden, der opferte und einen königlichen 
Beamten, berihn und bieverfammelten Einwohner 
zum Gößendienft bewegen follte. Er floh ind Ge: 
birge und jammelte die um des Geſetzes willen 
Flüchtigen, mit denen er gegen die Syrer und gegen 
die abgefallenen Juden einen Guerilla⸗Krieg führte. 
Ein Ueberfall am Sabbath, bei dem eine Schaar 
fich in frommer Ergebung ohne Widerftand hatte 
niederhauen laffen, veranlafte den Beſchluß der 
Zuläffigfeit der Nothwehr aud am Sabbath. M. 
ſtarb 166, noch vor dem Ausbruch des förmlichen 
Krieges, den Antiohus gegen die Juden begann ; 
zu feinem Nachfolger ald Anführer ward fein drit⸗ 
ter an Audas (Makkabäus) ermählt. 

Matthäi, Chriftian Friedrich von. Geb. 4. März 
1744 zu Gröstha in Thüringen, 1776 Profefiorin 
Moskau, 1788 Rector der Fürftenfchule in Meißen, 
1789 Profeſſor der griechiſchen Sprache zu Witten: 
berg, 1805 Profeſſor der klaſſiſchen Literatur in 
Moskau. F 26. Sept. 1811. Herausgeber einer 
fritifchen Bearbeitung des neutejtamentlichen Ter- 
tes 1788 und 1803—4 ; außerdem einer Anzahl Re: 
den berühmter Kirchenväter. 


Matthäus, (hebräifcher Name, d. h. Treumann, | A 


wie der Bater des Propheten Jona hief. Matth. 
10, 3; Marc. 3,19; Luc. 6, 15; Apg. 1, 13), 
Apoftel und der älteften und allgemeinen Trabi: 
tion gemäß Berfafjer des erjten Evangeliums, 
früher Bollbeamter in der Nähe des galilätjchen 
Meeres (Mtth. 9, 9 ff.) Dafür, daß Matth. eine 
Perſon mit Levi (Marc. 2, 14; Zuc. 5,27), Sohn 
des Alphäus geweſen iſt, fpricht zu fehr bie Ueberein⸗ 


einzelte widerſprechende Anſichten auf Erfolg 
rechnen könnten. Wahricheinlich hat er mit bem 
Vebertritt zu Jejus den neuen Namen angenom- 
nen. Ueber das jpätere Leben bes Apoftels hat das 
N. T. feine Nahrichten, die Sage berichtet vieles 
Miderfprehende; noch am übereinftimmenbiten 
ift fie in der Angabe, da M. ald Apoftel Aethio- 
piens ebenda ald Märtyrer geitorben fei. Ueber 
dad M. Evangelium f. Synoptiter. 

Matthäus Paris, ein engliſcher Benedittiner, 
Chronift von England, führt den Beinamen nicht 
von feiner Geburt, da er in England geboren iſt 
Gr trat 1217 in die Eluniacenfer Congregation zu 
S. Alban + 1259. Einer der aelebrteften Männer 
feiner Zeit ftand er in hohem Anfehen bei Heinrich 
III. und Innocenz IV., der ihn zur Reformiruna 
des Klofterd Holm nad Norwegen ſchickte 1248. 
Seine historia angl. maior, eine bis auf 1259 
reichende Chronik, bis 1235 das Werk eines äl— 
teren Mönches Roger v. Wendover und von Wil. 
Rifhanger bis 1273 fortgeführt, ift eine Hauptquelle 
der engliihen Gefchichte. Sie ift nach den eigen: 
dändigen Manuferipten herausgegeben von Sir 
‚Frederic Madden, Lond. 1967 und kritifd) geſich⸗ 
tet (von den, andern Berfaflern, wie Roger von 
Wendover zugehörenden Beftanbtheilen), val. 
Sybel's hift. Zeitfchr. 1867 ©. 213. Das päpftliche 
Unweſen bedt er freimüthig auf, über deutſche 
Verhältnifie verbreitet er Licht. P. fertigte felbit 
einen un daraus, die historia minor. Außer ⸗ 
dem jchrieb er das Leben der Aebte von S. Alban. 
Die befte Ausgabe feiner Werke ift die von Wats, 
London 1640. Val. Dudin, scriptores cccl. 3. 204. 

Matthias (hebräiſcher Name, d. h. Gefchent 
Gottes). Einer der 70 Jünger, weldher von ben 
Apofteln durchs Loos an die Stelle ded Judas er: 
wählt wurde, Apg. 1,26, Bon feiner Berjönlichkeit 
und feinem Xeben ift Nichts befannt. Er fol nad 
Angabe einer apofryphen Apojtelgeihhichte in Ae: 
thiopien das Evangelium verfündigt, ein Bisthum 
begründet haben und als Märtyrer gefreuziat 
worden fein. Nad) einer andern wurde er in Feru⸗ 
ſalem ald Gottesläfterer geſteinigt und enthauptet 
Unter feinem Namen wird ein apocryphiſches Evan: 
gelium bei Eufebius und Drigenes erwähnt. Ge: 
dächtnißtag 24. Febr., bei den Griechen 9. Aug. 

Matthiefen, Matthiögoon, ein Bäder aus Har- 
lem, wurde durch einen Sendling des M. Hofmann, 
%. Trypmaker, den anabaptiftiichen Ideen gewon— 
nen und Haupt der fanatifchen Rartei der Melchio— 
riten. Sid; ſelbſt als Henoch ein prophetiſches 
Amt zuſchreibend, folgte er ſeinem Boten Johann 
Bockhold nach Münſter, wo er das Haupt der 
ſchwärmeriſchen Gewaltherrſchaft war, welche die 
Andersgläubigen vertrieb und namentlich der 
Kunſt und Wiſſenſchaft durch Verbrennung aller 
Bücher, Manuſeripte ꝛc. außer der Bibel großen 
Schaden zufügte. Er kam 1534 um bei einem 
in ————— Fanatismus unternommenen 
usfall. 

Matutin, Mette, iſt die erſte der in dem Brevier 
— täglichen Andachten. Sie beginnt mit 
V. U. Ave und Glaubensbekenntniß. Dann folgt 
das Invitatorium, Palm 94, darauf ein Smmnus, 
mehrere Pſalmen und Lefungen und der Ambro: 
ſianiſche Lobgeſang, womit die Rocturn ſchließt; es 
reihen ſich dann die Laudes an, die in ihrer Zu— 
ſammenſetzung der Veſper ähnlich, aber vorberr: 


631 


ſchend Lobgebete find. Die Matutin darf bon] der Majeftät Chriſti, Friedrich's eigenhändige Ber 
am Nachmittag des vorhergehenden Tages antici: kanntnuß. Val. Subhoff, Dlevianus und Urfinus, 
pirt werben, in: Leben und auögewählte Schriften der Bäter und 
Maulbeerfeigenbaum,. Die Sycomore (Luth. | Begründer der reform. Kirche. VIII. Elberfeld 
1.Rön. 10,27, wilder Feigenbaum, Luk. 19,4 Maul: | 1867 p.260 ff. Klunzinger, das Religionsgefpräd 
beerbaum), als deren Vaterland Aegypten gilt, ift | zuM., attenmäßig dargeftellt, in Zeitſchr. für bift. 
noch jegt in Syrien und Paläjtina häufig. Der Theol. 1849. 
Inotige Stamm mird 40—50° hoch, feine Aeſte Der zweite — gg er zu M. beftand 
breiten ſich weit aus. Die Früchte, die den Feigen aus Würtembergifhen und Badiſchen Theologen 
an Geruch und Gefhmad ähneln, werden nur von, und fand Januar 1576 ftatt. Die dort genehmigte 
wer Zeuten gegefien, aber das Holz, welches Maulbronner Formel ift eine der Vorarbeiten zur 
ehr leicht und faft unverweslich ift, dient als treff: , Concordienformel, da aus ihr viele Stellen in das 
liches Bauholz und wurde in Aegnpten zu den | Torgifche Bud aufgenommen find. Zu Grunde 
Mumtentaften verwendet. Nach 1. Kön. 10, 27 | lag ihr Andreä’s ſchwäbiſche Concordie 1574 und 
war der Baum —* und wildwachſend in der die Erörterungen zu derſelben von Chemnitius 
Riederung, d. h. von Joppe bis nach Aegypten. |und Chyträus, redigirt wat fie von Oſiander 
Naulbronn. Ein ehemaliges Ciſterzienſer-Klo⸗ und Bidembach. Im Septemb. deſſelben Jahres 
fter im Bisthum Speier, 1148 gegründet, wurde | wurde zu M. das Torgifhe Buch von den Wür— 
1504 von Ulrich von Würtemberg der Pfalz, wel: | tembergern angenommen. Bal. Heppe, Gef. der 
her die Bogtei jeit dem 14. Jahrhundert zugefallen | Iuth. Concordienformel 1858. 
war, entriffen. Bei der Einführung der Refor- | Manlthiere, Obwohl das Geſetz den Jfraeliten 
mation wurden hierher alle Mönche gebracht, die, die Zucht der Maulthiere verbot, 3. Mof. 19, 19, 
dem Klofterleben nicht entjagen wollten. 1557 je: | fo wurden fie dennoch ſeit David’ Zeiten von der 


Maulbeerfeigenbaum Mauren 


doch ward es gleichfalls reformirt und eine Kloſter⸗ 
ſchule daſelbſt gegründet. Gegenwärtig beſteht dort 
ein niederes theologiſches Seminar. M. iſt in der 
ng 2 rg durd) zwei Theologen: Berfamm: 
lungen befannt. Nach der Einführung des Heidel: 

er Katechismus 1568 in der Pfalz dur Kur: 
fürft Friedrich III. bemühten fid) aus politifchen 
und religiöfen Gründen, Bhilipp von Heffen, 
Herzog Chriſtoph von Würtemberg, Pfalzgraf 
Wolfgang von Zmeibrüden und Markgraf Karl 
von Baden eine Einigung mit der Pfalz wieder her: 
zuftellen und luden den Kurfürſten wiederholt 
1563 ein, ein theologifches Geſpräch mit zu ver: 
anftalten. Dies lehnte Friedrich ab und die einzige 
Folge jener Verfuche war die Schrift des Urfinus, 
Bericht vom Hl. Abendmahl 1564. Als aber 1564 der 


töniglihen Dienerfhaft und im Felde viel bes 
nust 1. Kön. 1,38. 1. Chr. 13, 40. Jeſ. 66, 20. 
auch als Tribut eingefordert. 1. Kön. 10, 25. 
Mauren. Der norbweitlichfte Theil Africa's 
bie Mauretania, feine Einwohner Mauri. Der 
Name ift den Einwohnern des Landes geblieben, 
bie jet ein Mifchlingsvolt aus den Ureinwohnern 
und den verſchiedenen eingewanderten und erobern: 
den Böllern, namentlich rabern, find. Bon ihnen 
ift ber Name übergegangen auf die Araber, welche 
unter dem Statthalter Mufa von Mauretanien und 
feinem Feldheren Tarit, gerufen von den Söhnen 
des Witiza und dem Grafen Julian, in der Schlacht 
bei Zerez de la Frontera 711 dem Weſtgothiſchen 
Reiche ein Ende madıten, Spanien eroberten und 
dort ein muhammedanifches Reid gründeten. An- 


Aurfürft mit Chriftoph von Würtemberg zu Hill: | fänglich nureine Statthalteridaft des Chalifatö von 
ſpach bei Sinsheim zuſammenkam, nahm er feibft ! Bagdad, konnte die maurifche Herrfchaft zu feiner 
den Gedanten auf, und eö wurde ein Theologen: | Bluͤthk gelangen durch die fortdauernde Zwietracht 
convent auf den 10—15. April 1564 zu M. be: | der Emire und der Stämme, bie fo weit ging, daß 


ſchloſſen. Da die gleichfalls on Fürften | die Eroberung in verfchiedene Bezirke, unter die 


Volfgang und Bhilipp die Betheiligung ablehnten, 
jo wurde das Geſpräch nur zwifchen den 


Kläer 
Zheologen: Dlevianus, Nrfinus, Dathenius, Bo: | D 


quinus, denen der Kanzler Eheim, der Leibarzt 
und Kirchenrath Eraſtus und der Profefior %y: 
lander zur Seite ftanden und den Würtembergern 
geführt, von denen aber faft nur Andreä, Vrobft 
und Kanzler ber Univerfität Tübingen, das Wort 
nahm; auch Brenz, Probſt von Stuttgart, Be 
Die Würtemberger fetten es durch, daß nicht von 
den@infegungsworten des Abendmahls ausgegan⸗ 
genmwurde, fonbern von der Ubiquitätälehre, und jo 
am es in 8Sitzungen nun hierliber zu einem Sin: 
und Herreden, in welchem Andreã in mancherlei Wen: 
dungen und Windungen dieSäge feiner Lehre ver: 
iheidigte, DerErfolg war nur eine größere Verbit: 
terung der Parteien, da die Pfälzer fiber die Art, 
wie Andreä disputirt hatte, erbittert waren und 
noch mehr gereizt wurben durch den Bericht Über bie 
Verfammlung, welchen Brenz im Widerſpruch 
gegen getroffene Mebereinkunft zu Frankfurt er: 
ſcheinen ließ. Nur die Fürften waren 3 perſön⸗ 
li näher gekommen und übergaben ſich gegen: 
ſeitig ſchriftliche Declarationen ihrer Ueberzeugung: 
Eiger-händige Confeſſio Herzog Chriſtoph's von 


Syrer und Araber, Baläftinenfer, Africaner und 
Negypter getheilt werden mußte, bis der legte 
mmajabe, Abderrahman, aus Bagdad vertrieben, 
ſich nad) Spanien wendete, 755 durch die Schlad: 
ten von Mufara und Elvira das Reich gewann, 
und einfelbitftändiaes Chalifat mit ber Hauptftabt 
Cordova aufrichtete 756. Dieſes Reich wurde unter 
feinen Nachfolgern eine Pflegeftätte arabiſcher Bil: 
dung, bie von dort aus auf ganz Europa einwirfte. 
Beſonders gilt die "egierung Abderrhaman's III. 
(912-961) al3 das goldene Zeitalter, in dem 
nicht nur Gewerbfleiß und Betriebfamteit, fondern 
auch Kunit und Wiffenjchaft, und damit feine Sitte 
und Lebensgewohnheiten auf einer Höhe ftanden, 
mit der fein chriftliches Vol fich vergleichen lonnte. 
Die Behandlung der Chriften war anfangs eine 
fehr milde: fie —— Duldung ihres Glaubens, 
ihre eigene Verfaſſung und eigene Gerichtsbarkeit 
und hatten nur eine Steuer zu zahlen, jo daß 
jelbft Eoncilien gehalten werben fonnten und 
Kirchen und Klöfter unangefochten beftanden. Rur 
wo ein riftlicher Fanatismus fich des Angriffs 
auf den Islam nicht enthalten konnte, oder bei 
abtrünnigen Renegaten trat die Strenge des Ge: 
ſetzes ein. Erit die Kämpfe mit dem chriftfichen 


Mauren 


Staaten weckte auch den Glaubenäeifer der Mu: 
hammedaner und rief die erbitterte Stimmung in 
den folgenden Jahrhunderten hervor. Doch be: 
wirkte die Abgeichloffenheit der Mozaraber (mixti 
Arabes, die unter den Mauren zerftreuten Chri: 
ften), daß fie in Bezug auf die römiſche Kirche 
eine mehr getrennte und freiere Stellung einnab: 
men. Die Be aber, weldhe in Spanien unter 
größerm Drud gelebt hatten, traten in weit freiere 
Verhältniffe, und auch ihre Wiſſenſchaft erlangte 
hier eine neue Blüthezeit. Die häufigen, felbft un: 
ter der Fraftvollen Herrichaft der Dmmajaden fort: 
dauernden Aufftände und Bürgerfriege, welche 
durch den Ehrgeiz Einzelner hervorgerufen, durch 
die [oje Berfaftung des Neiches beglinftigt wurden, 
gaben, indem fie allmählid den Zerfall desfelben 
bewirtten, jo aud den Chriften die Möglichkeit 
neue Staaten zu bilden, ſich auszudehnen und 
endlich ganz Spanien wieder zu unterwerfen. Zu: 
erſt gründete in Aiturien Pelagius ein unabhängi: 
ges Königreich 718, welches fein Nachfolger Al: 
phons, der Katholifche (+ 765), auäbreitete, und 
welches buch Alphons II. (+ 842), Orbonno 
und Alphons III. (866 — 910) weiter befeftigt 
wurde. Dieäfeit des Ebro war die ſpaniſche 
Mark durd Karl den Gr. 778 dauernd den Mau: 


632 


Mauren 


„Herricher der Gläubigen” Abdel Mumen geftürzt; 
fie eroberten Cordova und Südfpanien, ſelbſt Gra- 
nada, und führten den Krieg gegen die Chriften 
mit neuem Glaubenseifer. Jacub Almanfor ge: 
warn 1195 nach dem blutigen Sieg bei Alarcos, 
welcher über 80009 Ehriften das Leben Foftete, jo- 
gar einen Theil Caſtiliens zurüd; erjt unter ſei— 
nem Nachfolger gelang ed dem vereinigten Chri: 
jtenheere durch den Sieg bei Lad Naves de Toloja 
(16. Juli 1252) die Mohadenherrichaft zu erjchüt- 
tern, die denn durch die Empörung des Aben 
Hud in Spanien völlig neftürzt wurde. Damit 
war aber auch das Ende der mauriihen Herr: 
ſchaft eingeleitet. Aben Hud wurde bei Merida‘1230 
und Xeres de la Guadian 1233 geſchlagen. Cor: 
dova felbit nina verloren (1236), Granada mußte 
feit 1246 die DOberhoheit Caftiliend anertennen. 
Nach feinem Tode gründeten die Statthalter umd 
Emire fich unabhängige Herrſchaften, mußten aber 
meift in Lehnsabhängigteit von Caftilien treten. 
Völlig gebrochen wurde endlich die Saracenenherr: 
ichaft 1340 durch die Schlacht bei Salade und den 
Berluft von Algefiros. Viele taufend Moslems 
wanderten aus, entweder nad) Africa oder nad) Dem 
legten muhammedaniſchen Königreih Granada. 
Bon Aragonien aus waren die Balearen, Balencia, 


ren entriffen worden. Schon vor ihm war die | cin Theil von Murcia erobert. Ferdinand der Ka: 


chriſtliche Herrſchaft bi8 an ben oberen Duero 
ausgebreitet und dafelbjt die Provinz Bardulia 
gegründet worden, das fpätere Caftilien (fo ge: 
nannt wegen ber vielen in ihr angelegten Caftelle). 
Alphons’ Sohn Garfiad verlegte die Reſidenz 
von Dviedo nad) Leon, daher jeitdem das König: 
reich Leon. Um diefelbe Zeit entjtand ein unabhän- 
aiges Königreich Navarra, der erfte König war 
Sancho J. (Anf. des 10. Jahrh.) Auch die Markgra⸗ 


fen von Barcellona machten ſich gegen Ende des 9. 


Jahrh. unabhängig und wurden ſo die Gründer 


der Grafſchaft Catalonien, welche ſpäter (um 1140) | 
mit dem aus Navarra hervorgegangenen Arago: | ftändige 


nien vereinigt wurde, Um 1030 gelang es dem 
König Sancho Major (oder dem Großen) von Na: 
varra, fich alle fpanifchchriftlichen Länder zu un: 
terwerfen. Bor feinem Tode 1035 übergab er 
Gaitilien feinem Sohn Ferdinand. (1035-1061), 
Aragonien dem jüngeren, Ramiro I. Bon diefen 
beiden Staaten ging ſeitdem der Vernichtungskrieg 
aegen die Mauren aus, Toledo wurde ihnen ent: 
riffen 1085 und Saragofja war bedroht. Nur die 
Herrihaftder Almoraviden, welche die Emire aus 
Africa herbeigerufen, jehten dem Borfchreiten 
der Chriften eine Zeitlang ein Ziel (Cid Campea— 
dor). Juſſuf, der Fürſt der Almoraviden, ſchlug 
bie verbündeten Fürften von Aragonien, Caftilien 
und Barcelona in der großen Doppeljchlacht bei 
Salaka unweit Bajaboz, 1086, unterwarf dann 
bie felbftftändig gewordenen Emire von Granada 
und Sevilla und gewann ganı Sübfpanien. Das 
neue Reich wurde durch den Sieg feines Sohnes 
bei Ucles 1108 über das caftilifche Heer befeftigt. 
Durd) die Eroberung von Saragoffa 1118 gewan: 
nen aber die Chriften wieder die Oberhand, umfo: 
mehr, als die Stiftung geiftlicher Ritterorden und 
Kreuzfahrer aus Frankreich und Deutichland die 
Zahl der Streiter immer mehrte, die Herrichaft 
der Almoraviben aber ohne gen war. Troß 
des Beiftandes, den ihnen ſogar die hriftlichen 
Fürften leisteten, wurden die Almoraviden durch 
die africanifshe Secte der Mohaden unter dem 





tholifche und Jjabella von Aragonien und Cajfti- 
lien benugten gern eine Erhebung ded Königs 
Muley Abul Hakem von Granada, den letten 
Reft Spaniens mit ihrem Reiche zu verbinden. 
1457 wurde Malaga erobert, Granada 1491 
belagert und am 2. Januar 1492 den Spa: 
niern übergeben. Der kirchliche Fanatismus, 
welcher in dem chriftlichen Theile Spaniens groß⸗ 


gezogen war, wußte bald das politiihe inter: 


eſſe der Fürften, die in den Mufelmännern unzu— 
verläffige Unterthanen beargwohnten, in jeine 
Nepe zu ziehen; nur kurze Zeit dauerte eine ver: 
uldung der Mauren und ihrer Religion. 
XRimenes begann mit den Verfolgungen der In— 
quifition gegen die Elches (Renegaten, meiſt ge: 
taufte und wiederabgefallene Moslems). Als das 
Bekehrungswerl zahlreiher Mönche, obwohl unter» 
ftügt dur mancherlei äußere Mittel, nicht den 
gehofften rafchen Erfolg hatte, wurde mit Gewalt: 
thätigleiten die Gegenwirkung ber muhammedani: 
ſchen Lehrer gehemmt, und um bie Duelle des Jrr- 
thums zu verftopfen, ber Koran und die muhamme: 
daniſchen Religionäblicher verbrannt. Es brach ein 
Aufitand aus, der unterdrüdt den Schuldigen nur 
bie Wahl zwiſchen Taufe und der Strafe des Hoch— 
verraths lieh. Argwöhniſch Üüberwachte fortan das 
InquifitionstribunalvonGordova die Moristos(ne: 
taufteMauren),denn Viele hatten eben wie die Juden 
das Chriftenthum nur äußerlich und zum Schein 
angenommen, aber ihre Religion bewahrt und üb- 
ten fie heimlich. Die Furcht vor einer Verbindung 
zwifchen ihnen und den Mauren in Afrika riefimmer 
mehr Beichräntungen hervor, Philipp II. verbot 
ihnen das Tragen der Waffen, die arabiihe Spra: 
he, die nationale Tracht, ſelbſt die arabiichen Ra: 
men 1556. Der Aufitand 1568—71, in welchem 
die Mauren fogar einen König an die Spite ſtell 
ten, war die nächite Folge diefer Mafregel. Die Be: 
fiegten wurden aus Granada zum größten Theil in 
daß innere Spaniens verpflanzt und bort auf das 
ftrengfte überwacht. Der fortvauernde harte poli: 


tiſche und religiöje Drud erzeugte eine neue Ber: 


Mauriner 


fhwörung, der eingeleitete Verbindungen mit 
—— Ausſicht auf Erfolg gaben 1605. Das Un⸗ 
ternehmen ſcheiterte durch Verrath, und die Folge 
war, daß 1609 Philipp ILL. fämmtlicye Moristos aus 
Spanien verbannte. Die Maßregel wurde mit der 
größten Härte durchgeführt und bis auf einen Hei: 
nen Ueberreit in den Gebirgen mußten alle Mau— 
ren, an eine Million, in Mauretanien jid) eine neue 
Heimath ſuchen. Spanien verlor fo nit nur be: 
triebjame und intelligente Einwohner, jondern 
fiel nun auch widerftandslos dem finfterjten und 
bigottejten Katholicismus anheim, Vgl. Aſchbach 
Geſch. der Dmmajaden in Spanien 2. B. Franff. 
1824, Derf., Geſch. der Almoraviden und er 
den. 2. Bd, Frankf. 1832—37. Prescott Geld. 
Ferdinand's und Iſabella's aus dem Engl. Leipz. 
1862. Rochau, die Moristos inSpanien.Leipz.1858. 

Mauriner, Congregatio 8. Mauri. In der Re: 
form des Benedietinerordens in Frankreich bildete 
ſich neben der durch Prior Didier oe la Cour geftif: 
teten Gongregation von Bannes 1618 die Congre⸗ 
gation des heiligen Maurus dur) Benard, Mönd) 
zu ©. Vannes und erhielt 1621 und 27 die firchliche 
Vejtätigung. Die Congregation ijt berühmt gewor: 
den durch viele treffliche Gelehrten, die zu Ihr ge: 
hörten und ausgezeichnete Arbeiten, die aus ihr 
hervorgingen. Die wiflenichaftliche Tendenz em: 
pfing die Kongregation bereitö durch ihren eriten 
General —8 Die Novizen hatten in zwei No: 
vizenhäufern einen jährigen Curſus des Stu— 
diums der Theologie und Philoſophie durchzu— 
machen, ehe fie die Priejterweihe empfingen. Nach 
Bollendung der Studien wurden fie in bie Kloſter— 
academie verjegt, aus denen die Lehrer derfelben 
wieder hervorgingen, oder mit gelehrten Arbeiten 
beichäftigt. Anfangs war das Augenmerk der Eon: 
gregation nur aufdie Gejchichte des Ordens, ihrer 
Klöfter und Heiligen gerichtet, allmählich aber ver: 
breitete ſich Die Thätigfeit aud) über Die andern Wij- 
ſenszweige. Folge ihrer wiſſenſchaftlichen Richtung 
war der Streit mit dem Stifter des Trappiſten⸗Or⸗ 
dens, Rancoͤ, welcher diefelbe für unvereinbar mit 
der Mönchsasteſe hielt, und mitden Jejuiten, weil 
die wiſſenſchaftliche Gründlichkeit einen * Sinn 
im Orden erzeugte. Die Congregation umfaßte in 
der Zeit ihrer Blüthe 180 Klöfter, welche von 8. 
Germain-des-pres bei Paris aus geleitet wurden; 
her berühmten derfelben gehören S. Denys, 8. 

noit sur Loire, Marmoutier, Vendöme, 8. 
Remi de Rheims, Fecamp u.a. In der Revo: 
Iution mit allen andern Orden untergegangen, 
iſt die Congregation 1833 im Klojter Solesmes in 
der Diözefe Mans wieder hergeftellt und hat auch 
ihre wiſſenſchaftliche Thätigleit wieder begonnen. 
Berühmte Gelehrte der Congregation find u. A. 
Mabillon, a gi Martene, Tillemont, Du: 
cange, Tafjin. Bon den Arbeiten der Mauriner 
find zu nennen zuerjt die gejhägten, noch heute 
meijt liste ker Ausgaben älterer firchlicher 
Schriftſteller und der wichtigſten Kirchenväter, jo: 
wie die den älteren Bibelüberjegungen gemidmeten 
Werte. Dur die Bearbeitung der Ordensge— 
ſchichte, Acta Sanetorum ord. 5. B.,von d'Achery 
und Nuinart begonnen, 1668. 9 Bde, Annales 
Ord. 8. B. von Mabillon 1703 begonnen, 6 Bde., 
wurden weitere kirchengeſchichtliche, aud) geogra- 


633 


Maury 


von Martöne, 1690, Mabillon, Analecta vetera, 
4 Bde. 1675, d'Achery, Spicilegium veter. algt. 
scriptorum, 13 Bde. 1653—77., Montfaucon, Bi- 
bliotheca bibliothecarum manuseriptorum nova 
1739, 2 Bde., Scriptares rerum gallicarum et 
francicarum 15 Bde. 1738— 1818, La religion des 
Gaulois 1727. Auf den Gebiete der Alterthums: 
und Spradenfunde Hauptwerk: Montfaucon, 
Antiquite expliqude en figures 1719; 10 Bände. 
Noch heute unübertroffen: Glossarium mediae et 
infimae latinitatis, von Ducange (nit Mauriner) 
16783 begonnen, bedeutend vermehrt von Dantine, 
und Garpentier. Zuf. 10 Bde., 17335 —1766, Die 
Wiffenihaft der Chronologie und der Diplomatit 
ift von den Maurinern begründet, Manche ihrer 
unvollendet gebliebenen Werke find von der fran— 
zöſiſchen Academie der Inſchriften fortgejegt. 
Bal. Herbſt. (Tüb, Quart.:Schr. 1833. u. 34), 
Die Berdienfte der Mauriner um die Wiffenichaf: 
ten. Taſſin, Histoire litt. de l. congreg. de St. 
Maur. ®ar. 1726. Deutſch Frankf. 1773. 2 Bode. 

Mauritiuß, der Heilige. Wird als der Anfüh: 
rer der thebäiſchen Legion verehrt, welche bei 
Martinad) am Fuße des großen St. Bernhard, 
unter Kaiſer Marimian den Martertod um 286 er: 
litten haben joll. Auch in der griechifchen Heiligen: 
Geſchichte fommt ein Mauritius vor, der mit 70 
Soldaten zu Apamea in Syrien unter Diocletian 
den MWartyrertod erlitten haben ſoll. Vgl. Legion, 
thebäiſche. 

Maurus, ein Schüler des Benedict von Nur: 
fia, der Patron der Eongregation S. Maur, foll das 
erſte franzöſiſche Kloſter zu Glanfeuil in der Bro: 
vinz Anjou geitiftet haben und 534 geftorben fein. 

aurus Rabanus ſ. Rabanus. 

Maury, Jean Siffrein, Cardinal. Geb. zu Bau: 
reas in der Grafſchaft Benaiffin 26. Juni 1746 
der Sohn eined armen Schufters, ftudirte Theo: 
logie in Avignon, ging 1765 nad) Paris und ver: 
öffentlichte 1766 eine Xobrede auf Stanislaus v. 
Bolen und eine Trauerrede auf den Dauphin. Sei: 
nen Ruhm ald Redner begründeten feine Reden über 
die Bortheile des Friedens und die Lobrede auf 
Karl V., mitwelden erum den Preis der Academie 
concurrirte, jeine Schrift Essai sur l’&loquence 
de la chaire, jowie die Xobrede auf Fene: 
lon. Seit 1785 Mitglied der Alademie lebte er 
als —— Prediger und Abbe in Paris. 1789 
in die Nationalverjammlung gewählt, trat er an 
die Spite der monarchiſchen Partei als der be: 
deutendjte Gegner Mirabeau's und glänzte durch 
feine Behandlung der verfhiedenartigiten Gegen: 
jtände. 1791 wanderte er nad) Deutſchland aus, 
und ging dann nah Rom. Pius VI. jandte ihn 
als päpitlihen Xegat zur Krönung Franz’ II. 
1792 nad Frankfurt, ernannte ihn 1794 zum 
Erzbifchof von Nicäai.p. und 1798 zum Gardinal 
und Bischof von Montefiascone. M. fungirtedann 
als Gejandter Yudwig XVII. in Rom, unterwarf 
ſich aber trogdem 1804 in einem Briefe Napo— 
leon und kehrte 1806 nah Baris zurüd; von 
Kaifer 1810 zum Erzbifchof von Paris ernannt, 
verwaltete er die Diözeje * des päpſtlichen 
Verbots und der mangelnden Beſtätigung. Nach 
Napoleon's Sturz ging er, ſich zu rechtfertigen, 
nach Rom, wurde aber in der Engelsburg und in 


phiſche und allgemein hiſtoriſche Werle und Sam: | einem Kloſter ein Jahr lang gefangen gehalten, 


melwerte veranlaßt, jo: Acta prim. martyrum 
von Ruinart, 1669, deant. monachorum ritibus 


mußte auch jein Bisthum abgeben und + 1817. 
Ein geiftreiher Schriftjteller und bedeutender 


Marentius 


Redner hatte ev jeine großen Zatente nur _in den 
Dienft einer eiteln Ehrſucht geſteilt. 45 Maury: 
Vie du Cardınal Maury. Paris 1327, Poujoulat, 
Le cardinal M. Bar. 1855, d’Haussonville, Re- 
vus des deux mondes 1868, 

Maxentins, der Sohn Marimian's und Eidam 
des Galerius, gewann 306 durch einen Aufitand 
der Prätorianer und der Stadt Rom gegen Seve: 
rus den faiferlihen Purpur und regierte mit Con: 
ftantinus, Licinius und Mariminus das römische 
Reich ald tyrannifcher Wollüftling. 312 verlor er 
Reich und Leben gegen Conftantinus inder Schlacht 
an der Milviſchen Brüde, 

Marimian, Marcus Aurelius VBalerianus, gen. 
Herculius, von Diocletian 286 zum Mitlaifer (Au: 
guftus) angenommen, jtellte Gonitantius Chlorus 
als Gäjar neben en Bei der Theilung des Reichs 
292 erhielt er Afrifa und Italien und refidirte in 
Mailand. Nah zwanzigiähriger Regierung, in 
der er gegen die Germanen und den Gegenfaijer in 
Mauritanien gekriegt hatte, legte er vertragsmäßig 
feine Würde 305 nieder, en fie aber im folgen: 
den Jahre wieder auf, als jein Sohn Marentius 
in Nom fich zum Imperator gemacht hatte. Vor 
diefem geflohen, erregte er gegen Eonftantinus 
einen Aufftand, mußte fich aber bei Maſſilia er- 
geben und dem Burpur entjagen. Wegen eines 
Mordverſuches auf Conftantin wurde er 310 ge— 
töbtet, 

Morimilian, der Heilige. Eine Biographie aus 
dem 13. Jahrhundert macht ihn zu einem Erzbijchofe 


634 


Mayer 


feinen genügenden Rüdhalt. So entlief er 1562, 
als es jich um feine Wahl zum römijhen Könia 
handelte, Bhaujer und naym einen kathouͤſchen Hoj 
prediger an und als ſich 1571 die Ausficht öffnete, 
in Spanien die Erbfolge zu gewinnen, näherte er 
fih den katholischen Ständen und —* ſich in 
bleibendem Schwanken der Freigebung der Religion 
und einer dahin zielenden Anerkennung in der 
Wahlcapitulation ſeines Sohnes Rudolph. In 
Deſterreich erließ er 1671 eine Agende für die 
Proteſtanten nach der Arbeit des Chyträus und 
geſtattete ſeit 1568 die proteſtantiſche Religions: 
übung auf den Schlöſſern und Gütern der Edel: 
leute. + 1576 während des Rei ee Bal. 
Ranke in feiner hiitor.»polit. Zeitichrift, Jahrg 
1832, wiedergedrudt: deutſche Gejchichte 1868 3 
VII. Rod, Quellen zur Geſchichte M.'s IL, Wien 
1857; 61. Maurenbrecher, in Sybel's hijt. Zeit: 
ſchrift 1862 p. 351 ff. E. Reimann ebd. 1866 ©. 

1—64. Die religiöfe Entwidlung M.'s U. in den 
Jahren 1554 64. 

Maximinus, Julius Verus Thrax, 235—33 
Römiſcher Kaiſer. Durch ſeine trefflichen Eigenſchaf⸗ 
len hatte er die Gunſt des Alex. Severus gewonnen 
und war im Heere ſo geſtiegen und beliebt, daß 
er nach der Ermordung des Severus als Kaiſer 
ausgerufen wurde. Im Gegenſatz gegen jeinen 
Vorgänger und nad) der eigenen Fe und 

| harten Öefinnung war er ein Feind des Chriften: 
thums, welches unter ihm —— verfolgt 
wurde. M. fand nad) dreijähriger Regierung im 








von Lord, der in feiner Baterjtadt Gilly 284 den | italienif hen Aufitand bei der Belagerung von 
Märtyrertod erlitten hätte, alö er den Befehl des | Aquileja dur eine Soldatenverfhwörung jeinen 

räjecten zuwider dem Mars nicht opfern wollte. | Tod. — Cajus Galerius Valerius M., von niede: 
Frühere Angaben nennen iyn bloß Belenner. Seine | ver Geburt, jeit 305 Cäfar im Orient, ebenfalls 
frühe Verehrung in Steiermart und Baiern weijt | ein Chriftenfeind, Seit 307 Auguftus, 30g er 313 


——— keit hin. 
aximiliau II., Kaiſer von Deutſchland 1564 
—1576; der Sohn Ferdinand's J., geb. 1527, 
uWien, 1549—51 Statthalter von Spanien, 1552 
Yubernator vonlingarn, 1562 böhmiſcher und römi⸗ 
cher, 1563 ungarischer König, 1564 Kaifer. Durd) 
feinen lutheriſch gejinnten Erzieher, Wolfgang Stie- 
fel, hatte er eine Hinneigung zum Brotejtantismus 
angenommen, bie durd den Hofprediger feines 
Baters, Joh. Sebaftian Phaufer, den er zu feinem 
Geheimſchreiber annahm, beftärtt wurde. Mit den 
Schriften Luther's, Melanchthon's und Brenz’ ver: 
traut, ftand er auch mit dem Churfürjten von 
Sadjen und der Pfalz, wie mit dem Landgrafen 
von Hejjen auf freundſchaftlichem Fuß. Den Pro: 
teftanten günjtig war jeine Vermittlung bei dem 
Augsburger Keligionsfrieden. Wenn er dennoch 
die Hoffnung der Proteſtanten, daß er zu ihnen 
übertreten oder mindeſtens alle ihnen nadtheili: 
gen Beihränfungen aufheben werde, täufchte und 
ih darauf beſchränkte, dem Protejtantismus im 
Erzherzogthum Defterreich einige Zugeftändnifjezu 
maden, jo war dies weniger eine Folge der Er: 
mahnungen jeines Vaters oder der Bemühungen 
jeiner Gemahlin Marie, Tochter Karl's V. und 
ihrer Schwefter Johanna von Portugal durch den 
efuiten Roderich und den Biſchof Hoſius von 
rmeland, jowie ben Cardinal Commendone, 
als die Folge politifcher Rüdfichten, namentlich der 
Sreunbfeatt mit Spanien und des Beitrebens, 
die habäburgifche Hausmacht zu mehren. Die un: 
überwindlihe Spaltung Elder den deutſchen 
Proteftanten bot ihm für den Fall der Noth 


| gegen Licinius, wurde jedod bei Adrianopel ge⸗ 
} lagen und töbtete jich jelbit. 

Maximus, Bischof von Turin um die Mitte des 
5. Jahrhunderts, nahm Theil an der römiſchen 
Synode 465. Seine Schriften, bejonders jeine 
Homilien jind wichtig durch viele Angaben über 
die noch vorhandenen Neite des Heidenthums 
Sie erjhienen Rom 1794. Ferner Migne, Patrol 
lat, vol. 57. Vgl. Schönemann, bibl. hist. lit. U. 
Zeipz. 1794. 

Marimus Philofophus, 1) Ein eklektiſch⸗plato 
nifcher Philoſoph, gehörtzu den Lehrern und Freun⸗ 
| ben Julian's, die Diejen vom Chriſtenthum abwen: 


| 


beten. 2) Ein Heide zuMadaura in Afrika, befannt 
duch feinen Brief an Auguftinus über die Be: 
rechtigung des philofophiich:heidniihen Mono: 
theismus und die Vermerflichteit des Chriiten- 
thums und Auguſtin's Antwort. Vgl. August. 
opp. edit. Venet. tert. II. 3) Der (chriftliche) 
Verfaffer eines Fragments über die Hyle und den 
Urſprung des Sofen. Bol. Möller, Kosmologie, 
ı Halle 1860 Anhang. Gieſeler in Studien u. Kri— 
| titen 1830. 2. ©. 330. 4) Ein Gegner des Gregor 
von Nazianz während jeines Patriarchats in Eon» 
ftantinopel. Vgl. Ullmann, Gregor von Naz. Darm: 
jtabt 1825, 
\ Mayer, Johann Friedrich, Lutheriſcher Streit- 
theolog. Geb. 1650 zu Leipzig, Sohn des Paſtors 
an der Thomaslkirche, jtudirte er in der Vaterſtadt, 
und ald Magijter 1668 in Straßburg, ward 1673 
| Superintendent in Leißnig, 1679 in Grimma, 
| 1684 Prof. der Theologie in Wittenberg. 1636 
folgte er einem Auf ald Paitor an die Jacobi 





Maynovth-Eollege 635 Mecithar 

gemeindein Hamburg, ward daneben 1657 a. o. genden Jahren und ihrem ig auf die königl. 
Brofeflor um dortigen fu oa und hielt feit | Gollegien und Nationalſchulen. Die Bil ift, wie 
1688, von Ehrijtian V. von Dänemark berufen, | die Gegner richtig jahen, der erfte Angriff auf das 
zugleich Vorlejungen an der Univerfität zu Kiel. | Prinzip der Staatskirche in Jrland geweſen, de— 
Anfänglic ein Bewunderer Spener’s war er bei ren Aufhebung in Folge der vom Minijterium 
den Zwiejpalt zwiſchen dieſem und der Orthodorie | Gladſtone eingebrachten und zum Gejeg erhobenen 
auf Seite der legtern getreten; perjönliche Berüh: iriſchen Kirchenbill (Juli 1869) bereits Thatjache 


rungen mit Spener als Oberhofprediger und Präs | geworben ift. 


ſidenten des Dberconfijtoriums bei jeiner ärger: 
lihen Ehefheidungsangelegenheit hatten ihn dem: 
ſelben noch mehr entfremdet, Sotraterin Hamburg 
ald Gegner von Horb, Spener's Schwiegerjohn, 
intelmann und Winkler, deſſen gleichgefinnten 
Collegen, auf, und rief die ſogen. Horbiſchen 
Händel hervor durch das Verlangen, daß die 
Preoiger in einem Revers ſich eidlich verpflich— 
teten, von den ſymboliſchen Büchern nicht abzu— 
weichen. Durch eminente Rednergabe wußte er 
Magiſtrat und Volk auf ſeine Seite zu ziehen. 
1701 berief ihn Karl XIL nad Greifswald ala 
Profeſſor primarius, Profanzler der Univerfität 
und Generaljuperintendent von Pommern. Er 
ftarb 1712 in Stettin, wohin er fic) wegen der 
Kriegdunruben zurüdgezogen hatte. Es werden 
378 Schriften aus feiner Feder aufgezeichnet; dar: 
unter aber wenige von gelehrter Bedeutung. ee 
Wald, Streitigteiten innerhalb d. luth. Kirche L., 
Tholud, Geift der (utherifchen Theologen Witten: 
bergs, ©. 234 ff. Erdmann, Lebensbeichreibungen 
der Wittenb. Theologen. 1.04. 
Maynooth-Gollege, das Prieiter- Seminar der 
römischefatholiichen Kirche, in der irischen Grafſchaft 
Kildare. Es wurde 1795 durch Beichluß des iriſchen 
und engliihen Parlaments gegründet und erhielt 
eine jährliche Staatsunterftügung von 8000 tr. 
Die Gründung war zur Nothwendigfeit geworden, 
weil durch die franzöftiche Revolution bie ſämmt— 
lichen iriſchen Eollegien in Frantreid, Spanien und 
den Niederlanden in welchen bisher die Briefter ihre 
Bildung erhielten, eingegangen waren. Als nämlich 
1560 die englijche Staatskirche in Irland einge: 
führt worden, hatte damit die katholiſche Kirche 
wie ihre Güter jo aud) daS Recht verloren, Se: 
minare und Gollegien zu befigen, und war gend» 
thigt gewejen, die nöthigen Anftalten zur Bildung 
ihres Elerus aufdem Feſtlande zu errichten. Obwohl 
nicht ganz ohne Staatsaufficht, doc hauptſächlich 
unter der Leitung der Bilchöfe, wurden in M. die 
tatholiſch kirchlichen Tendenzen und namentlichdie 
Feindſchaft gegen die Staatskirche gepflegt, was 
beider 1829 beginnenden Repealbewegung (j.d. X.) 
—* deutlich hervortrat. Die berühmte Maynooth— 
Bill, welche R. Peel 1845 im Parlamente ein: 
brachte, und nach einem ſehr heftigen Kampfe, an 
welchem die geſammte Bevöllkerung einen leiden⸗ 
Ichajtlihen Antheil nahm, auch durchſetzte, bean⸗ 
tragte die Bewilligung, welche 1801 das engliſche 
Parlament zugeſtanden hatte, auf 20000 Lſtr. zu 
erhöhen und als regelmäßige Staatdausgabe zu 
behandeln. Gegen die Bill waren ſowohl die meiften 
Dijienters als auch viele Katholiten, welchen jede 
Staatliche Unterjtügung einer kirchlichen Anſtalt un- 
angemefien erſchien, ferner aber die eigentlichen 
Staatätichenmänner, welde in der Bill eine Ver: 
legung diejer Staatslirche jahen, und endlich Viele, 
welde an dem jejuitiichen Beifte, der im Seminar 
waltete, Anftoß nahmen. Ohne Zweifel ſchöpften 
die Katholiten aus dem Dur 
Ermuthigung zu den weiteren Schritten in den fol: 


eben der Bill eine | A 


Meara Joſ. 13, 4. Eigentlich Höhle. Da M. als 
Grenze Jiraelö angegeben wird, vermutet man, 
es = die inden Kreuzzügen öfter erwähnte Cavea 
de Tyro gemeint. Eine Höhle, oder richtiger vor 
zu einer Befeſtigung vereinigte Höhlen, zwiſchen 
Sarepta und Sidon, weldye die Straße von Sidon 
nach Damaskus beherricht und pafjend als Grenz— 
ort gewählt werden konnte, jegt die Höhlen von 
Ei Mughr, jüdlid von Dſchezzin genannt. I. 
a Erdkunde der Sinaihalbinjel, Bd. 4, ©. 
99 ff. 

Meaur, Bistyum im jranz. Depart, Seine: 
Marne, das alte Jatinum, jeit 375 Bisthum. Die 
Reformation gewann hier zuerft größere Ausdeh— 
nung, troß der Berfolgungen, — 1546 wurden in 
M. 60 Protejtanten verbrannt, andere verbannt. 
Bis 1593 war die Stadt ein Hauptwaffenplag 
der Liguiſten. Erwähnung verdienen unter den 
Biihöfen von M. Brigonnet (ſ. d. A.) 1516—1534, 
eine Zeitlang im Sinne der Reformation thätig 
und 1 — Boſſuet 1681 1704. 

Mecheln. Das Erzbisthum wurde unter Bhi- 
lipp11. 1559 als Primat der Niederlande gegründet, 
um dieſe von der Metropolitangewalt von Köln 
und ber Verbindung mit Deutſchland zu befreien. 
Sufiraganbisthümer waren Antwerpen, Herzogen: 
buſch, Gent, Brügge, Dpern und Noermonde. Er: 
jter Erzbiſchof war Grarmella, früher Biſchof von 
Arras, von dem der ganze Organijationsplan aus: 
gegangen war. Neben Mecheln wurden das Erz: 
bisthum Cambray und Utrecht eingerichtet. Nach 
dem Goncordat von 1827 blieb M. Erzbisthum mit 
den Suffraganbisthümern Brügge, Gent, Namur, 
Züttih und Dornif. 

Mechithar und die Mechithariſten. Manuk, befannt 
unter ſeinem Kloſternamen Mechithar, d. h. Tröſter, 
wurde am 7. Febr. 1676 zu Sebaſte in Kleinarme: 
nien von armen, aber frommen Eltern geboren. 
Lernbegierde führte ihn ſchon im 14. Jahre in das 
Klofter zum heiligen Kreuz bei Sebajte, wo er bald 
zum Diatonus geweiht wurde. Neben feinen Stu: 
dien der Schrift und der Kirchenväter dichtete er 
bier jeine Hymnen, deren viele noch jegt im Ge: 
braud der armenischen Kirche find. Als Begleiter 
eined armen Erzbiſchofs fam er nahEtihmigzin, 
dem Sige armenifher Gelehrſamkeit. Auf weitern 
Reifen juchte er jeine Kenntnifje auszubreiten und 
fam dabei zuerit in Berührung mit katholiſchen 
Brieftern, die jeinen Blid auf Nom lentten. Auf 
einer Reife dahin nöthigte ihn eine jchwere Er: 
franfung, die feine Mittel erjchöpfte, zur Rückkehr 
in jein Klojter. 1696 erhielt er die Prieſterweihe 
und 1699 im Stlofter zu Erzerum, wo er mit ber 
Erziehung der Schüler ſich beihäftigte, die Würde 
eines Wardapets d. i. Doftors der Theologie. Le: 
bensziel aber war ihm, die religiöfe Entwicklung 
feiner Nation zu fördern, zu dem Zwede Mifjio: 
näre auszubilden und eine Verbindung mit Kom 
berzujtellen. Mit 2 Schülern ging er in biefer 

oh t 1700 nad Conjtantinopel, wo er be: 
reits früher einige Monate als Prediger und 


Mechthildis 


636 


Meklenburg 


Lehrer gewirkt hatte, Er ſchloß ſich hier am die Ueberſetzung iſt von Dr. A. Heuſer in der Biblio- 
fatholifche Kirche an und verbarg das Mifjions: | theca mystica. Köln 1354. 


injtitut, welches er am 8. Sept. 1701 begründete, 
unter der Anlage einer Druderei für armenijche 
religiöfe Schriften. Die Berfolgungen des arme: 
niſchen Patriarchen nöthigten ihn zur Flucht nad) 
Morea 1703, das damals unter Venetianiſcher Herr: 
ſchaft ftand. Hier erhielt er Erlaubniß und Mittel 
zum Bau eines Klofters. Für feine Genoſſenſchaft, 
die er um 1708 nad) den Kegeln des hl. Antonius 
und des- heil. Benedictus in Modon einrichtete, 
erhielt er 1712 die päpftliche Beftätigung, für ſich 
die Würde des Abtes. Seine Schüler weihte er 
zu Briejtern und ſandte fie als Miffionäre unter 
die Armenier des Drients. Beim Ausbrud des 
Krieges 1715, in welchem Morea an die Türken 
verloren ging, flüchtete M. nad) Benedig, lebte 
dort mit den Seinen anfangs in großer Dürftig: 
teit, bis er 1717 vom Senat die Inſel St. Yazaro 
zumGeſchenk erhielt,auf welcher er mit Hülfe reicher 
Armenier jein Klofter neu aufführte und das noch 
beitehende Jntitut begründete. Um die tief ge: 
funfene armenifhe Kirche wieder neu zu beleben, 
wollte er nit nur dem abendländiſchen Eultus 
den Weg bahnen, fondern aud und zunädjt das 
Studium der Schrift, der armenijchen Klajfiter 
und der Kirchenväter erneuern. Daher jchrieb er 
eine armenifche Grammatik, ein Leriton und Heli: 
gionsbücher, beforgte aud) eine Ueberjegung der 
Bibel und abendländifdfer guter Schriften. Nach 
feinem Tode (27. April 1749) jepten, jowohl Hin: 
en der Ausbildung der Miffionäre als in wiſ⸗ 
enſchaftlicher Tyätigkeit, jeine Schüler, die Mes 
chithariſten, „das Wert“ fort. Jhre Bibliothet war 
bald die reichte an Armenifchen Handichriften und 
aus ihrer Druderei gingen außer einer befjeren 
Ausgabe der armenischen Bibelslleberjegung 1804 
eine Armenifche Gefhichte und Ausgaben und Les 
berjegungen der Chronik des Eufebius und der 
Schriften von Ephräm Syrus, Philo von Alex— 
andrien und A. hervor. Filialinftitute bejtehen 
in Badua und Paris, Eine Spaltung trat 1773 
ein. Einige der Congregation gründeten unter 
gleichem Namen zu Trieft ein Snftitut, welches 
1810 nach Wien verpflanzt wurde, wo es noch be— 
ſteht. Das Verhältniß der M. zu der röm. Pro: 
— iſt ein ziemlich geſpanntes. 
echthildis, Tochter des Grafen Berthold von 
Andechs, geb.1125, wurde ſchon 1130 in das Klo: 
fter Dießen am Ammerjee in Bayern gebracht. Sie 
zeichnete ji durch Frömmigkeit aus und wurde 
1153 Webtiffin. Nad dem Willen des Biſchofs 
mußte fie die Leitung und Reformirung des flo: 
ſters Edelftetten übernehmen, wo fie erft mit feiner 
Beibhülfe den Widerjtand der Nonnen überwand, 
darnach aber das Klojter zu hoher Blüthe brachte. 
Bor ihrem Tode 1160 kehrte jie in ihr Kloſter 
Dießen zurüd. Gedenktag: 10. April. 
Mechthildis, Gräfin von Hadeborn. Zu Eis: 
leben in der Grafſchaft Mansfeld geboren, wurde 
fie als Tjähriges Kind dem Benedictinerinnen: 
Klofter Rodersporf zur Erziehung übergeben , 
nahm dort den Schleier und überjiedelte mit den 
andern Nonnen 1258 nad) Helpede. In den „geijt: 
lien Offenbarungen und Gnaden“ d. i. Mitthei- 
lungen über ihre Bifionen und Geſchichte, die von 
einem Freunde aufgezeichnet wurden, zeigt ſich ne: 
ben tiefem veligiöfen Sinn eine große Belefenheit 
in der hl. Scrilt. Die bejte Ausgabe mit deutjcher 


Mellenburg. Der Name ftammt von Mikilin— 
borg, jept einem Dorfe, und ift für dad Yand auf: 
gelommen jeit Heinrich dem Löwen. In Meklen: 
burg wohnten die Obotriten, welde ſich gegen die 
benachbarten Wilzen mit Karl dem Groben ver: 
banden und hriftliche Miſſionäre unter ſich dulde 
ten, die von Corvey gejendet und von Hamburg: 
Bremen geleitet waren. Sowol die Verbindung mit 
dem fräntifchen und deutjchen Königreiche als auch 
die Begünjtigung des Chriſtenthums hatte zur Zeit 
der leyten Karolinger ihr Ende gefunden. Der heid— 
nijche Gottesdienſt (ſ. d. A. Wenden) chte wie: 
der unbeſchränkt. Erſt als Heinrich J. ſie in der 
Schlacht bei Lenzen 931 beſiegt, blühte Das Chri— 
ſtenthum wieder auf. Biſchof Adalward von Ber: 
den taufte 931 einen einheimischen Fürften (Wach, 
Heinrich J., neue Ausarbeitung, S. 144 ff.); unter 
Dtto I, wurden dann die übrigen Bisthümer 
im Wendenlande, Havelberg, Zeig, Meißen, un: 
ter den Dbotriten das Bisthum Aldenburg 963 
geftiftet. Die Herzöge von Sachſen hatten die 
Scirmvogtei der Kirche. Der Drudderfelben und 
der ben Neubelehrten auferlegte Zehnten rief fort: 
währende Aufjtände unter denjelben hervor; im 
Jahre 98 riſſen fie fich wieder unter dem Fürften 
Mistewoi von Deutichland (08; die Chriften wurden 
verfolgt, und die Bischöfe mußten fliehen. Erit 
Aoelbert von Bremen nahm die unterbrodene 
Mifjionsthätigleit wieder auf, ihn unterftügte 
der Obotritenfürjt Gottſchalk, (j. d. A.) welder 
feit 1043 das ganze Land zu einem Königreid 
zu einigen ſuchte, und im Slofter zu Lüneburg 
erzogen, die Ausbreitung des von ihm er an: 
fangs —— Chriſtenthums mit Cifer för: 
derte. Zu Rapeburg und Meklenburg (unweit 
Wismar) entftanden jegt Bisthümer, in Lübed 
und Xeoutium (Yenzen) Kirchen. Gottſchall's 
Ermordung durd) feinen Schwager Prußo folgte 
1066 eine allgemeine fanatifhe Volkserhebung 
unter Krufo dem — in der Kirchen 
und Klöſter verbrannt, Prieſter und Mönche er— 
ſchlagen oder den Böttern geopfert wurden. Ein: 
zelne Erfolge der Deutichen konnten nicht verhin: 
dern, daß mehrere Jahrzehnte lang zugleich mit 
deutſchem Einfluß; aud) das Chriftenthum vernid: 
tet blieb. Zwar hatte Gottſchall's Sohn Heinric 
jih dem Sachſenherzoge unterworfen, um nad 
Krulo's Ermordung das Geſammtreich beherrſchen 
zu können, 1105 —27 und unter ihm wirkte Vicelin, 
der Wendenapoftel, mit vielem Erfolg; aber die 
Erbfolgetriege nad) jeinem Tode vermehrten aud 
die Chrijtenverfolgungen. (DBgl. Jaffé, Yothar ©. 
147. 232.Conrad III S. 16.) Die jächftschen Fehden 
gaben dem (heidnifchen) Fürjten Niflot zu Ratod 
Zeit, ein neues mächtiges Fürstentum aufzurichten. 
Gegen ihn wendete fid) 1147 ein Kreuzzug der ſäch⸗ 
ſiſchen Großen und Biſchöſe ohne augenblidlihen 
Erfolg; erit ald Heinrich der Löwe mit aller Ener: 
gie und unterftügt vom Erzbiſchof von Bremen ſich 
gegen die wendiſchen Küftenländer wandte, mur: 
den dauernde Erfolge errungen. Niclot fiel 1160; 
von jeinen Söhnen wurde der eine, Wertislaw ge: 
fangen und hingerichtet, der andere, Pribislaw, an 
den fich die Pommern angejchlojjen hatten, bri 
Demmin 1164 gänzlich gefchlagen; er mußte fid 
unterwerfen, fid) taufen lafjen und fein Erbe als 
fähfifches Lehen nehmen. Das Chriſtenthum 


Medlenburg 


wurde num dauernd befejtigt, das Bisthum Aldes | 


burg nad; Lübeck verlegt 1163, Rageburg wie: 
derhergeftellt, die Gijterzienfermönde in's Yand 
gezogen und die Abtei Doberan 1170 gegrün« 
det; es folgten ihnen die Brämonftratenjer, die für 
die Einführung des deutſchen Eultus ſich thätig 
erwiejen. Die en fand an Vicelin 
1154 (f. d. A.), dem Biſchof von Lübeck und ſei— 
nem Nachfolger Gerold ihre eifrigen und begabten 
Yeiter, Allmählic) unterlag das Wendenthum dem 
deutihen und römischen Chriſtenthum. Zu einer 
geiftigen Blüthe ijt aber die Kirche in Mecklenburg 
während des Mittelalterö um fo weniger gelom: 
men, als fie von Anfang als politiide Macht 
begründet wurde, und das faum verbrängte Heis 
denthum in der Form bes gejunfenen Chriften: 
thums fortleben konnte.” Die Macht der Geiftlid: 
feit tonnte die Verſuche von Huffiten und Mic: 
Lefiten, fi Eingang zu verjchaffen, leicht überwin: 
den. Der Humanismus gewann eine Stelle auf 
der 1419 gejtifteten Univerfität Roftod. 

Die Reformation, von Augujtinermönden aus: 
gehend, wurde von Herzog Heinrich dem Friedfer⸗ 
tigen begünftigt; unter feinem Schuße fonnte der 
Heformator M. Heinrich Kötzler aus Dömig, gen. 
Slüter, (+ vergiftet 1532), der ald Prediger zu 
Roftod von der katholifchen Partei vertrieben wor: 
den, in die Baterftabt zurüdiehren. Die Frucht 
jeiner Wirkſamleit war, daß 1534 zu Roftod die 
Meſſe verboten wurde. Foͤrmlich eingeführt ift 
die Reformation unter Ablehnung des Interims 
durch den Landtag zu Sternberg 1550; jebod) 
idon 1540 war die erjte von J. Riebling 
verfaßte Kirhenordnung gedrudt; 1541 und 
1542 eine Kirchenvifitation abgehalten. Jet 
wurden die Klöjter aufgehoben und eine Kir: 
chenordnung, unter Mitwirlung Aurifaber’3 er: 
laffen 1552 (1602 revidirt, 1650 neu edirt). Das 
Kirhenregiment geftaltete 34 ſtreng conſiſtorial⸗ 
territorialiſtiſch. (Das Conſiſtorium war 1571 
eingeſetzt, Roſtoch und Wismar hatten eigene Con: 
jitorien). Die Eoncordienformel wurbe 1577 ange 
nommen. Die Form des kirchlichen Lebens entſprach 
der biöherigen Geſchichte. Die Geiftlichkeit behielt 
das Recht des Bannes und der öffentlichen Kirchen» 
buße (6181773), unter ihr jelbit aber verfiel Zucht 
und Sitte, Eine Anregung zu lebendigerem Chri⸗ 
jrenthum ging jhon während des 30jährigen Arie: 
ges, der Mecklenburg unter Wallenſtein's Herrichaft 
brachte, von der Univerſität Roſtock aus, wo Paul 
(1604—33) und Johann Tarnow, (1614—29) 
vütlemann (1633—55) und Heinrih Müller (1653 
—75),dieje beiden namentlich als Prediger und aste: 
tiſche Schriftſteller wirkten; doch vermochte die or⸗ 
thodoxe Parthei (Fecht 1660 17 16) den Pietismus 
abzuwehren, dem erſt Herzog Friedrich (1756 — 85) 
eine kurze Zeit Anjehen verſchaffen fonnte. Die 
tirhlihen Zuftände Mecklenburgs in ihrem engen 
Zujammenhange mit den politiichen find in der 
Neuzeit viel bejprochen. Bei dem tiefen Berfall des 
firhliden Xebens, der ſich ſchon durch die große 
Zahl der unehelihen Geburten und ber ausfallen» 
ven Gottespdienfte anzeigte, traten eine Menge 
Anftalten der innern Wiffion dur Einzelne und 
durch Vereine ins Leben. Aus den Bewegungen von 
1348 hinterblieb der Oberlirchenrath, urſprüng⸗ 
lid dazu bejtimmt eine conformirende Yandes: 
ſynode vorzubereiten, dem die ganze Berwaltung 
1849 übertragen war, Unter der Leitung des Dr. 


637 





Medardus 


Kliefoth, der die Prügelſtrafe in ſinnreicher Weiſe 
zur Erklärung von Ezech. Kap. 4 verwerthete, 
hat dann das Kirchenregiment die doctrinäre 
neulutheriſche Färbung angenommen, gegen mel: 
he Prof. M. Baumgarten, veranlaßt durch die 
Aufftellung einer gejeglichen und äußerlihen Sonn: 
tags⸗Ordnung auf der Paſtoralconfer u Bar: 
him 1856 fi erhob. Baumgarten’ Amtsent: 
fegung und bie Schriften, weldye dieſelben befpre: 
chen, lafjen die bejondern Zuſtände dieſer ächt Iu: 
therifhen Landeskirche erkennen. Medlenburg: 
Schwerin umfaßt in 6 Superintendenturen 476 
Kichen, Medlenburg:Strelig in 7 Synoden unter 
Einem Superintendenten 64 Pfarreien. 

Die reformirte Kirche hat in M. feinen günſti— 
gen Boden gefunden. Bon Anfang an ſuchte man 
mit Hülfe der Obrigkeit zwinglianifhe wie ana: 
baptiftifhe Richtungen fern zu halten. Der lieber: 
tritt des Herzogs Albrecht zur reformirten Kirche 
1613 blieb durch den Güftrower Afjecurationäre: 
vers, in weldem die Iutheriiche Ordnung gefichert 
wurde (1621), zumal jein Sohn lutheriſch erzogen 
ward, ohne ‚Folgen, die Güftrower reformirte Kir: 
he wurde 1636 wieder geſchloſſen und erft den Re: 
fugiös die Bildung einer Gemeinde zu Bügomw ge: 
ftattet. Die Baptiften haben die Erlaubniß freier _ 
Religionsübung noch immer nicht erlangen können, 
Ebenjo hat aber auch die Regierung fih dem Ber: 
ſuch des Katholizismus, Eingang zu gewinnen, ent- 
gegengeftellt. Römiſcher Gottespienit ift nur zu 
Schwerin und Ludwigsluſt geftattet ; aud einen 
Hauögeiftlihen zu halten wurde dem Deren von 
Kettenburg 1852 thatjächlich verwehrt. Der Got: 
tesdienft zu Ludwigsluſt und Schwerin datirt von 
dem Mebertritt des Herzogs Chriftian 1663, der 
1665 freie Religionsübung becretirte und an ber 
Einfegung von Biihöfen nur durch den Papft 
ſelbſt gehindert wurde. Nach jeinem Tode 1692 
blieb aber den wenigen Katholifen nur Hausgottes: 
dienft geftattet, bis unter Carl Leopold (feit 1714) 
die Sehuiten 1732 die Erlaubniß in Schwerin eine 
Kapelle zu bauen erlangten. Cine zweite fathol. 
Kirche entſtand 1810 in Zudwigsluft. — Vgl. Adam. 
Bremens. hist. ecel., in Berg Mon. Script. III. 
Helmold chron. Slav. in Zeibnig Script. Brunsv. 
UI. Wiggerd, Medlenburgijche Annalen bis 1066. 
Schwerin 1860. Medlenburgifches Urkundenbuch 
Schwerin 1863. Kirdengeihichte M. 1840. Reuter, 
Alerander III. Leipz. 1860. III. S.621f. Winter, 
die Miffion der Prämonftratenjer (Gotha 1866) 
und der Cijterzienfer im norböftl. Deutjchland 
(1867) 2. Giejebrecht, wendiſche Gefhichten. Ber: 
lin 1843, Schrökh, 8. ©. 8. 21. Ernft Boll, Geſch. 
M's. mit def. Berückſichtigung der Culturgeſchichte 
1855-56. Ewald, die Mecklenb. Kirchennoth. 

Medardus, der Heilige. Geboren zu Beroman 
dum in der jpäteren Picardie 465, der Sohn 
eines angejehenen Franken, trat in den geiſtlichen 
Stand und warb 530 Biſchof dafelbit; verlegte 
bald jeinen Sig nad Noyon und übernahm 532 
zugleid) die —— des Bisthumsd Tournay. 
+ wahrjdeinlic 545 (8. Juni). ———— 
migkeit und großer Eifer bei der ehrung 
der Franken erwarben ihm die Achtung und Gunſt 
bes Königs Chlotar (+ 561). Die Legende weiß 
auch von Wundern, die durd ihn gejchehen. Ueber 
feinem Grabe zu Soifjons erhob ſich ein großes 
Klofter, in welchem häufig die Berjammlungen der 
geiftlichen und weltlichen Großen des fränkiſchen 

4] 


Mebba 638 Meer 


Reiches gehalten wurden. Seine Vitae in den | burg, Gemahlin Joachim's I. (ihrer reform. Ge- 
Act. Sanct. 8. Juni. finnung wegen aus Brandenburg geflohben),gewefen, 
Medba, Medeba 4M.21, 30. Joſ. 13,9. 16. Jeſ. wurde er 1536 nad) Naumburg berufen. Die fort- 
15,2. Die nördlichſte Grenzſtadt Rubens, fpäter währenden Streitigkeiten, in welche ihn fein eifriges, 
wieder von den Moabitern erobert; nach 1. Mall. reizbares Wefen vermwidelten, nöthigten ihn 1546 
9,36 im Beſitz einesnabatäiijhen Stammes Amri. die Superintendentur in Braunſchweig anzuneh— 
Medien. Das Land füdlih vom Gaäpiichen men. Die Schule, welche er hier gründete, blühte nur 
Meere, im Weiten von Armenien und Afiyrien be: | fo lange, als die vertriebenen Wittenberger, J. Jo: 
venzt, im Oſten von Parthien und Hyrfanien, im | na$, Meianchthon, Rhegius, Flacius, an ihr thätig 
Eüden von 18 und Sufiana, ift ein von Zwei: | waren. 1551 folgte er einem Ruf ald Superinten: 
gen des Taurus und Antitauruö umgebenes und | dent nad) Bernburg, wurde aber während der er- 
durchſchnittenes fruchtbares Gebirgäland. Es zer: | jten Predigt vom Schlage gerührt und jtarb bald 
fält in 3 Haupttheile, den Nordweſten, defien darauf. Seine Schriften, meift Schulfchriften, ver: 
Grenze der Araxes bildet, die Landſchaft Atropa- | zeichnet Streitperger de vita D. N. Medler 1591, 
tene oder Kleinmedien, jet Ajerbeidjchan, den | im Auszug bei Hummel, neue Bibliothet III. 536 
Nordoften bis an die Ufer des Kafpiichen Meeres ff. Danz, Epistolae Melanchthonis ad Nicol. 
welchen die unabhängigen Kaduſier oder Gelen be: Medleram. Jena 1825. 
wohnten, das jetzige Ghilan und Mafenderan. Meer, ehernes. Ein großer, aus Erz gegofjener 
Den Süden bildet Großmedien mit den beiden | Waflerbepälter im Vorhof des Tempels, der mie 
Hauptftädten Ecbatana, jegt Hamadan und Rha- das Handfah in der Stiftshütte den vorgejchriebe 
ges, Tob. 1,16; 8,7. Zu Großmedien gerechnet nen Reinigungen der Priefter vor ihren Opferhand- 
wurden die niſäiſchen Gefilde, berühmt durch | lungen dienen jollte. 1. Kön.7, 23-26 ; 1. Chron. 
ihre treffliche Pferdezucht. Die Meder waren 19.8. Das Gefäß hatte eine Höhe von 5, einen 
auch nad der Bibel 1. Mof. 10, 2 Arier, ihre, Durchmeſſer von 10 und einen Umfang von ca. 
Sprade ift in den Keilinfchriften bewahrt. Die 30 Ellen, der obere freisförmige Hand war —* 
Religion war Sterndienft, ihre Prieſter, die Magier, bogen wie ein Lilienkelch und unterhalb deſſelben 
bildeten einen abgeſonderten Stand. Die Meder liefen zwei Reihen mitgegoſſener, nicht angehefteter 
wurden durch Ninus dem aſſyriſchen Reiche un- ornamentaler Knospen. Die Form wird nicht näher 
terworfen, aber gewannen zur Zeit Sanherib's beſchrieben, eine Halbkugel (nach Joſephus) kann es 
ihre —— wieder durch Dejoces (7N03655), nicht geweſen fein; vielmehr läßt die Inhaltsangabe 
der Echatana erbeute. Sein Sohn Phraortes auf einen ausgebogenen Cylinder ſchließen. Nach 
(655633) machte Eroberungen im Süden und | 1. Kön. 7, 26 faßte das Meer 2000 Bath; die 
Dften, unterlag aber bei einem Angriff auf Aſſy- Angabe von 3000, 2. Chr. 4, 5 wird als Schreib: 
rien. Kyarares (6838 —593) wurde von dem Rache: | fehler —* Das eherne Meer ruhte auf 12 
zug gegen Ninive durch den Einfall Ber Scythen | ehernen gegoſſenen Rindern, deren Hintertheile nach 
ed die 28 Jahre lang Medien und ganz innen getehrt, die Köpfe nad den vier Himmels: 
Vorderafien verwüfteten. Nach einem Siege über | gegenden «gerichtet waren. Ahas (2. Kön. 16, 17) 
fie 620, machte er Eroberungen in Kleinafien und Pete es auf ein Steinpflafter Bei der Zerjtörumg 
in Verbindung mit Nabopolaffar von Babylon ge: des Tempels ward aud) das Meer durd die Chal: 
warn und zerftörte er Ninive. Ihm folgte fein | däer zerjchlagen und das Erz ald Beute wegge 
Sohn ar es 593—558, der von Cyrus geftürzt führt. 2. Rön. 25. 13.16. Jer. 52, 17. Das Gefäf 
wurde. Der Dan. 6, 1 genannte, Darius muß der | jollte den Prieftern zum Baden der Füße und Ar— 


von Zenophon zwiſchen Ajtyages und Cyrus ein: 
geihobene Kyarares II. ee fein. Der Jubit | 
1, 1 genannte Arpharab aber ift als erdichteter 
Nante anzufehen. Erwähnt wird Medien als die 
Landſchaft, wohin die jüdischen Gefungenen von 
den Aliyrern verpflanzt wurden, 2. Kön. 17, 6. 


| me dienen, es fehlt aber die Angabe, ob Abzugs: 


rohre oder andere Vorrichtungen angebracht ge 
weſen jeien; ebenjowenig ift gejagt, wie und wo 
her daS eherne Meer gefüllt wurde. Die Trabi: 
tion glaubt, eine Röhre aus der Waflerleitung 
von Etam, welche durd; die Kühe der Rinder ging, 





Seit der Eroberung durch Cyrus blieb das Land | habe das Gefäß gejpeift. Val. d. Art. Maaß und 
mit PBerfien verbunden ; nad) Alerander des Gro- Gewicht und die dort angeführte Literatur. 
ben Tode fam es an das neufgrifche Reich und da: ; Meer, mittelländijces. Bei den Juden das 
nad zu PBarthien. | große Meer 4. Moſ. 34, 6, Jof. 1,4, das bin: 
edina, arab, Medinat:el:Nebi — Stadt des tere Meer (Xuth. das äußerjte) 5. Mof. 11, 24 
Propheten, die zweite heil. Stadt der Muhamme: | im Gegenfaß zudem „vordern“, dem todten Meere, 
daner; Muhammed ſtarb daſelbſt und liegt in der im N. T. „das Meer” fchlechtweg. Dievon Tyrus 
Moſchee EI Haram begraben. bis Ptolemais felfige und hohe Küſte wird im Sü- 
Medler, Nicolaus, Schüler Luther's, geb 1502, + | den niedrig und fandig. Häfen waren bei Acco in 
1551. Geboren zu Hofim Boigtlande, jtudirte er zu | dem Bufen am Berge Garmel, bei Joppe, Gaeja- 
Erfurt undWittenberg und hielt hier ſchon al820jäh: | rea, Gaza. Da es den Jfraeliten nicht gelang, die 
riger Jüngling Borlefungen über das A. T. und Meeresküſte, wie urfprünglich beabfichtigt war, zu 
über Mathematik. Als wandernder Mathematiter; gewinnen, jo blieben fie vom directen Handelsver⸗ 
gründete er eine Schule in Eger, mußte fie al Ti fehr bleibend ausgeſchloſſen. 
wegen feiner lutherifcen Einwirkung auf die Schü: | Meer, rothes, it der Meerbuſen zmijchen Ara: 
ler verlaſſen; auch die Stelle ald Schulrector und | bien und Negypten von 12° 42° 20” bis zum 
Prediger in feiner Vaterſtadt mußte er 1531 wie: | 30° 1’ nörbl. Breite undvon 30° bis 41° dftl. Länge 
der aufgeben und ward 1531—37 Diaconus in | von Paris. Die Länge bdefjelben iſt demnach 270 
Wittenberg, von Luther wegen feiner Perogigole ‚Meilen. Die Breite tft durchfchnittlich 50 Stun: 
body gerühmt. Nachdem er Hauscaplan in Wit: | den, bei der engen Einfahrt von Bab:el-Mandeb 
tenberg bei der Churfürſtin Elifabeth von Branden: jedoch nur 6 Stunden. Die Ufer find fteil und felfig 


Meer 


Im Norden endet das Dieer in zwei ſchmale Buchten 
bei Aila und Suez, welche die Sinai-Halbinſel um: 
ichließen und unter dem Namen des Ailanitiſchen 
und Heroopolitaniſchen Bufens in der alten Ge: 
ſchichte befannt find. Am ailanitiſchen Buſen lag 
Eziongeber, von wo aus Salomo 1. Kön.Y, 26 
und Jojaphat i. Kön. 22, 49 eine. Handelsſchiff⸗ 
jahrt auf dem rothen Meere nach Afrifa und In— 
dien zu organifiren ſuchten. Am berühmtejten ift 
das Meer wegen des Durchzugs der Jiraeliten 
durch daſſelbe 2. Moj. 14, 1 ff. Ueber die Stelle 
defjelben ſtehen jich noch zwei Anfichten gegenüber. 
Die ältere (Haumer) findet fie bei vem Orte EI Buhs 
im Wadi Tamwarif, ſüdlich von Diebel Aetahta, die 
neuere (Niebuhr) dagegen nördlich von Suez. Für 
letztere jpricht die locale Bejchaffenheit des Meerbu: 
jens, die größere Kürze des Weges und der Umſtand, 
daß beim Zujammentreffen der Ebbe und des Nord: 
oftwindes auch jet die Furth ohne Gefahr zu pajji: 
renift. Entgegen fteht nur, daß die Spike des Golfs, 
welche noch heute der Pilgerweg nad) Mecca um: 
geht, jo nahe iſt, daß man, um jich zu erklären, 
weshalb Mojes diejen Weg nicht wählte, zu der 
Annahme genöthigt iſt, derjelbe jei durch einen 
aegyptiichen Heerhaufen verlegt gewejen. Das Meer 
heißt bei den „Jiraeliten, wie bei den Syrern und 
Aegyptern bleibend das Schilfmeer, von dem did): 
ten Schilfwuchle, der ſich an einzelnen, aber am 
meiften befuchten Stellen des Meeres findet. Der 


bei den Römern und Griechen allein übliche Name | 


des rothen Meeres findet feinen Grund in der 
Farbe des Waſſers an ſich, er kann daher nur ent: 
jtanden jein aus der Färbung durch die tropifche 
Sonne oder dem röthlihen Widerjchein der Berge, 
wenn er nicht duch Mißverſtändniß aus „dem 
Meere Edom“ d. i. des Rothen, ſich herleitet. 
Meer, todted. Das Salzmeer 1 Mof. 14,3, 
4Moſ. 34, 3, das Meer gen Morgen Joel 2,20, das 
Meer am Blachſeld 5 Woj.5, 17, das Meer Jeſ. 16, 
3, bei den Alten der Asphalt See, bei den Arabern 
Meer von Zoar oder Meer des Lot, ift das 1320 
Fuß unter der Oberfläche des Mittelländifchen Mee: 
res liegende Bajfin, in weldes der Jordan ſich er: 
gießt. Die Erzählung 1Moj. 19, 24 f. vom Unter: 
gang des Thales Siodim bezieht ſich auf den ſüd⸗ 
lichen Theil des Meeres; die Entjtehung des nord: 
lichen fällt in vorhiftorische Zeit. Tas Todte Meer 
bildet eine 10 Meuen lange und 2!/2 Meilen breite 
zängenfpalte und ift die Fortſezung des Ghor. 
Das Waſſer des Sees hat einen Salzgehalt von 
25% und die ganze Umgebung enthält Ablage: 
rungen von Salz und Bıtumen. Die Felswände 
an der Dft: und Weſtſeite jind nadt und unfrucht: 
bar, theilweije, wo ſie dem Ufer ſich nähern, eben: 
jo wie die Kiesebene zwiichen ihnen und dem Meere 
mit einer Salz: und Salpeterfrujte überzogen. 
Die älteren jchauerlihen Schilderungen des todten 
Meeres, als fliege fein Bogel darüber hin und fönne 
tein Geſchöpf in ihm leben, find nach den Berichten 
neuerer Reiſenden völlig irrig. Erforſcht iſt das 
wodte Meer zuerft 1831 von dem Irländer Eoitigan, 
18340 von ven Engländern Scott und Symond, 
und 1348 von dem Amerilaner Lynch und jeit- 
dem von vielen Reifenden bejchrieden. Während 
alle früheren einjtimmig die deutlichen Spuren 
des vulcaniſchen Urjprungs erfannten, jtellen 
neuere Unterſuchungen denjelben wieder in Abrebe. 
Außer dem Jordan ergießen jid) in das todte Meer 
von beiden Seiten mehrere Gebirgsbäche, jo daß 


639 


Megiddo 


auch die Ausdehnung deffelben nicht immer die: 
ſelbe ift. Bat. Offic. report of the expedition to 
explore the Dead Sea and the Jordan 1852, 
deutſch 1853, Robinſon und —“ Paläſtina. 3. 
Bde. Halle 1841 —42. Dieſelben: Neuere bibliſche 
ki ge in ®., Berlin 1857. 

eer von Tiberias. Der Name des Sees Ge: 


nezareth, von der an ſeinem weſtlichen Ufer gele: 
Inenen Stadt T. ©. d. Art. Genezareth. 
Megander (Grossmann), Caspar. Geb, 1495 zu 
Zürich, ward er in Bajel 1518 Magifter und bald 
danach Caplan beim Spital in Züri. Hier ſchloß 
er fih unbedingt an Zwingli an, trat 1524 als 
Zeutpriefter an ber Predigerkirche in die Ehe und 
forderte 1525 mit Zwingli die Abſtellung der 
Meſſe und die evangelifche Abenpmalsfeier nach der 
urfprüngliden Eintefung. Nach der Berner Dis: 
utation 1528 (j.d. Art.) ward er ald Brediger und 
Geofeffor der Theologie nach Bern ——— wo 
ihm unter den leitenden Perſönlichkeiten bald die 
erite Stelle zufiel, die er zur Befeitigung Des 
Zwinglianismusmit Eifer, aber nicht ohne jtürmi- 
ſche Heftigleit benugte. Er nahm Theil an dem Ge: 
jpräh mit den Wiedertäufern zu Zofingen 1532, 
ferner als Abgeordneter des Kaths an der Dispu- 
tation zu Yaujanne 1536 und der Synode ebenda: 
jelbft 1537. Auch verfaßte er den Berner Katechis— 
mus 1536. Die Seftigfeit, mit welcher er 1532 nach 
dem zweiten Gappeler Kriege die vermittelnde Boli: 
tit des Berner Nathesangriff, hatte eine vorüber: 
gehende Amtsjuspenjion zur Folge. In jchwere 
Kämpfe verwidelte ihn jein Zwinglianismus bei 
den Bucer’ihen Unionsverjuchen. Als Miturheber 
der erjten helvetijchen Confeſſion von 1536, hatte er 
noch auf dem Convent zu Bern 19. Det. 1536 die 
Wittenberger Concordie mit Erfolg bekämpft, jo 
daß Bucer abgewieſen wurde ; aber der Einfluß der 
beiden neueintretenden unionsfreundliden Bre- 
diger Dr. Seb. Meyer und Kunz, jo mie die po: 
litiſchen Conjtellationen madten Bern der Con- 
corbie geneigter, jodaß nad 2 Synoden 1537 Bu: 
cer's Hechtfertigung feines Verhaltens angenom: 
men und Wegander fogar beauftragt wurde, feinen 
Katehismus im Sinne der Concorbie zu verbej: 
ern. Ohne dat Megander diejem Auftrage wiber: 
prochen hätte, bejorgte Bucer aus fich die Aende— 
rung, und der jo revidirte Katechismus wurde 
‚ jofort vom Rathe für Bern für verbindlidy erklärt 
‚1537. Ya M. diefe Verbeſſerungen nicht aner: 
lennen wollte, erhielt er jeine Entlafiung; er ging 
nad Zürich zurüd und wurde dort ald Archidia— 
conus mit einer Chorherrnjtelle am Münfter wie: 
der angeftellt, wo er um jo eifriger den Bucer: 
—* Beſtrebungen entgegenwirfte, + 1545. Bon 
einen Werfen And zu erwähnen: Anmerkungen 
zum 1. und 2 Buch Mof., zum Hebräer: und 1. 
Joh.:Briefe nach Zwingli's Vorträgen. Vgl. Hun— 
deshagen, Eonflicte des Zwingl., Xutherth. und 
Galv. in Bern. Bern 1842. 

Megiddo. Wahrſcheinlich dasheutigeel Ledschün 
in der Nähe des Karmelpaſſes, über ven die Karava⸗ 
nenſtraße von Lydda nach Damaſeus durch die Ebene 
Jeſreel führte; iſt am meiſten bekannt durch den 
Sieg des Pharao Necho über den König Joſias 
von Jeruſalem, auf ſeinem vergeblichen Zuge ge— 
gen Babylonien, 606 v. Chr. (2. Kön. 23, 29), der 
igm bier ven Durchzug verlegen wollte und ſelbſt 
in der Schlacht fiel (oder nad) 2. Chron. 35, 25 
eine tödtlihde Wunde erhielt, an mwelder er in 

41* 











Meier 


Jerufalen ftarb). In M. war auch Ahasja ge: 
ſtorben, auf der Flucht nach der Schlacht von Jeſ⸗ 


reel, 2.8. 9, 27. Urjprünglid war ®. eine fanaa: , 


nitische Königftadt, Jof. 12,21, welche dem Stanıme 
Manaffe zugetbeilt, Joſ. 17, 11, aber erft fpäter 
erobert wurde, Richt. 1, 27. Sie gehört zu den 
Amtsftädten Salomo's, die er befeftigte, 1.Kön. 4, 
12; 9, 19. Bon der Stadt hat aud) der nahe Bach 
und ber nächſtliegende ır der Ebene Jeſreel den 
Namen erhalten, Das Off. 16, 16 als Ort der 
Schlacht gegen den Antichrijt genannte Harmage: 
don wird von vielen alö Berg von Meggido gedeus: 
tet; entipreddender der Weife der Offenbarung ift 
aber eine durch den Zahlenwerth der Buchſtaben 
angedeutete jymbolifche Bedeutung des Wortes dort 
anzunehmen. 

eier, Ernfi Heinrich, geb. 17. Mai 1813 zu 
Rusbendt in Schaumburg-Lippe, habitilirte fich 
zu Tübingen 1842, wurde 1848 Brofeflor für 
jemitijhe Spraden und Literatur und ftarb 2, 
März 1866. Unter feinen das N. T. betreffenden 
Schriften find hervorzuheben : Leberfegung und Er: 
Härung des Proph. Sort, Tüb, 1840. Hebräifches 
Wurzelwörterbuh. Manh. 1845. Ueber die Bil: 
dung und Bedeutung des Plural in den ſem. und 
germaniihen Spraden. Manh. 1846, Die ur: 
ſprüngliche Form des Dekalogs. Manh. 1846, 
Commeniar zu Jeſaia. 1.8, Pforzh. 1850. Ueber⸗ 
fegungen der poet. Bücher 2. B. Tüb. 1851—54, 
der prophetiſchen Tüb. 1858, des Hohenlieds Tüb, 
1854, des Deborahliedes Tüb. 1858. Die Form 
der hebr. Poeſie, Tüb. 1853, Geſchichte der poeti- 
ſchen Nationalliteratur der Hebräer Tiib. 1856, ein 
Berjud), die fog. Einleitung ind A. T. zu einer 
Literaturgeſchichteſder Hebräer zu geftalten. 

Meier, Friedrich Karl, geb. 11. Auguit 1808, 
1835 a. o. Brofefjor in Jena, ſeit 1836 Profeſſor 
in Gießen, wo er 13. Febr. 1841 ſtarb. Verfaßte 
eine Biographie Savonarola’s 1836, ſchrieb einen 
Commentar zum Epheferbrief 1835, eine Gefchichte 
der Trandfubjtantiationslcehre 1831 und gab ein 
Lehrbuch der Dogmengeſchichte 1840 heraus. 

Meil, das baummollene purpurblaue Oberkleid 
des Hohenpriefters, dejjen unterer Saum abwech— 
jelnd mit Oranatäpfeln und Glödchen befegt war; 
über demjelben wurde das Ephod getragen. 2. 
Moſ. 39, 

Meile, Matth. 5,41. Die römiſche Meile von 
1000 Schritten gleich */s geographiiche Meile ; 
während gewöhnlich 8griechiſche Stadien auf eine 
Meile —— werden, berechnen die Rabbinen 
nur 7ie. Da auch in Paläſtina die Strafen mit 


römischen Meilenfteinen befegt wurden, jo liegt 


die römische Meile den Angaben des Onomajtifon 
des Eufebius und Hieronymus, fowie der älteren 
Itinerarien zu Grunde. 

Meineid. it die eidliche Verfiherung einer 
unwahren —— wider beſſeres Wiſſen, ſei 
es, daß dieſelbe mit Abſicht oder aus Fahrläſſig— 
feit abgegeben wird. Das levitiſche Geſetz behañ— 


delt ihn als religiöfes Vergehen und fordert ein | 


Sculdopfer, außerdem den Schadenerjag an den 
durch den Meineid Beichädigten, 3.M. 6, 5. Aber 
ihon die Rabbinen belegen den Meineid auch mit 


bürgerlichen Strafen. Als religiöjes Verbrechen 


behandelt aud) das canonifche Recht den Meineid, 
und belegt ihn nicht nur mit lebenslänglicher In— 
jamte und bei Geiſtlichen mit lebenslänglicher Sus: 
penjion von Amt und Pfründe, jondern aud; mit 


640 











Meinwerf 


iebenjähriger öffentlicher Kichenbupe. Das römi— 
* Recht ſetzte auf den Meineid Infamie und die 
Todesſtrafe, wenn dadurch der Tod eines Andern 
verurſacht war. Das deutſche Recht ließ neben der 
beſonderen Strafe des M. immer das jus talionis, 
Bergeltungsredt, eintreten. Auch heute, wenn: 

leid) die Strafbeftimmungen milder geworden 
An, wird der M. vom Gejeg als eines der ge- 
meingefährlichften Verbrechen be ‚und Die 
Kirche ſieht in ihm mit Recht faft das ſchwerſte re: 
ligiöfe Verbrechen. 

Meinhard, ein Auguftinermönd aus Segeberg, 
fam 1186 mit einem Bremer Handelsſchiffe nad 
Xievland und begann dort die Berfündigung des 
Ehriftenthums. Er gründete die Kirche zu ler: 
füll und Hohn und wurde von Heinrih II. von 
Bremen zum Bijchof von Lievland geweiht, + 119%. 

Meinhold, 3. Wilhelm, geb. 27, yebruar 1797, 
jtudirte in Greifswalde Theologie und ward, nad: 
dem er vorher mehrere Parritellen in Pommern 
betleidet hatte, 1844 Pfarrer in Rehwinkel bei 
Stargard, legte aber 1850, hauptjähli wegen 
feiner Hinneigung zum Katholicismus, fein Amt 
nieder und jtarb 30. November 1851 in Charlot: 
tenburg. In der Abficht, die Angriffe gegen die 
Echtheit der bibliſchen Erzählungen als bedeutungs- 
(08, jowie den Werth der hiſtoriſchen Kritik über: 
haupt als nichtig hinzuftellen, jchrieb er jeinen Ro 
man, die Bernfteinhere, Berlin 1843, deſſen frei: 
erfundenen Stoff er angeblich alten Quellen ent: 
nommen haben wollte. Das Bud madte eine 
zeitlang großes Aufjehen, täujchte viele Xejer, ver: 
fehlte aber jeinen Zweck volljtändig. Noch meit 
mehr gilt dies von jeinem ähnlichen Tendenz-Ro— 
mane: Sidonia von Bork, die Klojterhere. Beide 
mit feinen übrigen Werten in feinen gefammelten 
Schriften. 8 Bde. Leipz. 1846—52. 

Meinrad, der Heilige. Aus vornehmer Familie 
— (ded Grafen von Hohenzollern ?) — gegen Ende 
des 8. Jahrhunderts geboren, wurde erzogen in 
der Schule der Abtei Reichenau. Zum Prieſter ge 
weiht, legte er die Ordensgelübde ab und wurde als 
Lehrer zu Bollingen am Zürider See, der Filialan- 
jtalt Heichenaus, verwendet. u | einigen Jahren 
zog er ſich ald Einfiedlerin eine Einöde des Etzel 
zurüdund wich nach ferneren jieben Jahren vor dent 
Zudrang des Volts in eine nohunmwegjamere Ein 
jamteit, wo er ſich eine Kapelle erbaute. Räuber er: 
ihlugenihn, 21. Febr. 863. Die Legende erzählt, wie 
jeine Raben diejelben verfolgt und dem Gericht an 
graeigt hätten. Nach 40 Jahren baute ein Domherr 

enno oder Benedictus aus Straßburg die ver 
fallene Zelle wider auf, andere Anadyoreten jam: 
melten ſich um ihn, undjo entjtand 934 ein neues 
Klofter mit einer der thebaeifchen Yegiongewidine 
ten Kirche, die jpäter joberühmt gewordene Bene: 
dictinerabtei Einfiedeln. 

Meinwerk, Meginwert, Meginwarc, Megin: 
ward. Der Sohn eines Grafen Jmed in der 
dioecesis Trajeetensis und der Athela, deren Ra- 
men als der deutjchen Medea berüchtigt geworden 
ift, als jie, mit dem Grafen Baldericy in zweiter 
Che vermäplt, ihren Sohn und Erben, ven Bruder 
Meinwerk's, a der Burg Uplay bei Elten tödten 
ließ. M., zum geijtlihen Stand bejtimmt, ward 
auf den Schulen zu Halberftabt und Hildesheim 
erzogen; hier hatte er den nachherigen Kaijer 


Heinridy II. zum Studiengenofjen. Ranonitus ur 
Halberſtadt, ward M. um 1001 bei Otto III, fai- 


Meisner 


jerliher Kaplan und 1009 von Heinrich IL zum 
Bischof von Paderborn erhoben. Vielfach als Rath: 
geber und Geſchäftsträger in Angelegenheiten bes 
Reichs verwendet, begleitete er nicht nur Heinrich 
IT. 1013 auf dem Römerzuge, ſondern auch feinen 
Nachfolger Conrad 11.1026. Beide Kaifer nahınen 


64 


Melanchthon 


Emſer, Cochläus und des Herzogs Georg, ging 
unter Johann von Schleinitz (1518—37), das 
Bisthum der tömifchen Kirche verloren. Der legte 
Biſchof Kohann IX. von Haugwitz, legte 1587 
fein Amt nieder und trat zum Proteftantis: 
mus fiber; es wurde dann ein Vertrag zwischen 


häufig ihren Aufenthalt zu Paderborn. M. wußte | dem Churfürften und dem Domcapitel abge: 


ihre Gunft im Interefie feines Bisthums zu ver: 
wenden und fich, nicht immer auf burchaus ehrliche 
Weiſe, viele und bedeutende Schenkungen zu ver: 
ſchaffen, welche bie frühere Armuth des Stifte in 
Reihthun ummandelten. Dabei gab er fich aber 
mit aufopferndem Eifer feinem bifchöflichen Be: 
rufe hin. Das Kloſter Alt:Corvey, deffen Zucht 
dur die wachſenden Reichthümer unteraraben 
war, reformirte er 1017. Auch mit Cluny Inlipfte 
er Berbindungen an; aufjeinen Ruf kamen um1015 
dreizehn Mönche von dort nad) Paderborn, für 
die er dad 1031 vollendete Kloſter Abdinghoffen 
bei Baderborn baute. Mehrere Kirchenbauten in 
Baberborn, Herford u. a. D. gingen von ihm aus, 
ebenfo befeftiate und verfchönerte er die Stadt 
Paderborn. Obgleich felbft von ſehr mäßiger Ge: 
Iehrjamteit, jo daß er die Faiferliche Correctur fei: 
ned Meßbuches pro mulis et mulabus ftatt pro 
famulis et fanıulabus erft fpät merkte, beförberte 
er doch die Studien und gründete zu Paderborn 
eine Schule die einen quten Ruf erlangte. M. 
7 1036. Sein firdlicher Eifer bei reinem Sinn 
und frommen Wandel ward 1376 durch die Heilig: 
ſprechung anerfannt. Sein Leben fchrieb ein Mönch 
feines Alofterd Abdinahoffen 1155—60, bei Berk, 
monum. Germ. Ser. XI. 104—161. Bgl. Giefe: 
Bere, Geſchichte der deutſchen Raiferzeit II. 86— 


Sner, Balthafar. (Geb, 1587, ward 1613 
Brofeflor der Theologie in Wittenberg, nachdem 
erin Wittenberg, Strafburg, Gießen und Tübin: 
gen ftudirt hatte. Sein Hauptwerk ift die philoso- 
phia sobria, Gießen 1611, wodurch er in einen 
Streit mit dem Helmftäbtifchen Theologen, dem 
Ariftotelifer Cornelius Martin verwidelt wurde. 
Seine'pia desideria, nad) feinem Tode zu Frankfurt 
1679 herausgegeben, zeinen, wie er die Mängel 
der damaligen Kirche erfannt hatte. Er ftarb in 
feinem 40. Jahre 1626, 29. Dec. Bal. Tholuck, 
Wittenberger Theologen. Wittb. 1852. 

Reiben, Bistum. Wurde ald Suffraganbis: 
thum von Magdeburg durch Dtto I. zugleich mit 
Merfebura und Zeit 938 angelegt (und 968 vom 
Papſte ir de die Einführung des Chriften: 
thums unter Slaven jenfeit der Elbe zu för: 
dern. Da es dem neuen Bisthum an Grund: 
befig fehlte, fo wurde der Zehnte von allem Gute 
als eine allgemeine Laſt auf jeden Einwohner des 
Sprengel3 geleat. Der erfte Bifchof war Burkhard, 
%8—983, In der erften Periode feines Beftehens 
hatte das Bisthum Vieles in den wiederholten 
Kriegen der Slaven und Polen mit den Deutfchen 
zu leiden, doch hob es ſich durch reihe Schenkun— 
nen und erhielt einen Zuwachs durch' einen Theil 
ber Merjeburger Diöceje; bie?Zahl der Klöfter 
und Kirchen, darunter bie Collegiatlirche zu Wur: 
son (eingeweiht 1114), mehrte fih. Am berühm: 
teften, obgleich ohne jonderliche Verbienfte unter 
den meißniſchen Bischöfen ift der heil, Benno, den 
Hadrian VI. noch 1523 fanonifirte, um durch den 
neuen Zocalbeiligen dem begonnenen Abfall des 
Landes zumehren. Trog der Bemühungen eines 


chloſſen, wonach ftetö ein Adminiſtrator aus dem 
ächſiſchen Churhauſe gewählt werden follte. Durch 
einen neuen Vertrag von 1663, der dem Chur: 
haufe das Recht derfortwährenden Adminiſtration 
übertrug, wurde das Stift vollftändig in Sachſen 
einverleibt. In der Laufik erhielt der Decan 
Zeijentritt das fatholifche Bekenntniß. Aufs neue 
ift in Meißen eine Heine katholiſche Gemeinde im 
vorigen Jahrhundert begründet. 

eißniſches Interim, der frühere Rame für die 
erfte Form des Yeipziger Interims. 

Metta, dieiheilige. Stadt der Muhammedaner, 
liegt in der arabiichen Provinz Hedſchas, 54 Mei: 
fen entfernt von Medina. Die Stadt hat ihre Be: 
deutung nur als der religiöfe Mittelpunft des J8; 
lam und durch die Verpflichtung eines jeden Mu: 
hammedaners, einmal eine Pilgerfahrt dahin zu 
machen. Mit der Verminderung der Pilgerzüge 
hat auch die Einwohnerzahl bedeutend abgenonmt: 
men (fonft 10,000, jet kaum 4000). Das Haupt: 
gebäude ift die Moſchee Beitullah d. i. Gotteshaus 
oder El:Haram,d. i. die Unverlehtzliche, auf deren 
ausgedehnten, mit großen —— umge⸗ 
benem Hofraum, die Kaaba ſteht. Die K. iſt ein 
altes Nationalheiligthum, welches ſchon vor M. 
von allen arabiſchen Stämmen verehrt wurde. Sie 
iſt eine Nachbildung des himmliſchen Thronzeltes, 
nad der Tradition von Abraham erbaut, nachdem 
in der Sündfluth der von Seth errichtete Bau un: 
tergegangen war. In einer Ede befindet ſich der 
h. Stein, der vom Himmel heruntergefallen, und 


nach der Sage anfänglich weiß, durch die vielen 


Thränen über die Sünden der Menſchen ſchwarz 


geworden ijt. 
Melandthon oder Melanthon, valtivp, eig. 
ermuthung 


Schwarzerd (nah D. Strauß’ 





Schmwarzert — wie Örunert, Rothert — und von 
Melanchthon jelbft mißverftanden‘, Geboren 
den 16. Februar 1497 zu Bretten in ;der 
Pfalz, der Sohn eines Waffenfhmiedes Geora 
Schwarzerd (4 1507), durch feine Mutter Bar: 
bara mit Reuchlin verwandt. Er erhielt feinen 
erften Unterricht in der Stabtfchule und dann im 
Haufe jeines Großvaters Reuter durch einen Haus: 
ee Unger. Die lateinische Schule zu Pforzheim 
bejuchte er 1507—1509 und bezog dann bie Univer: 
fität Heidelberg, wo er, 13 Jahre alt, bereits jungen 
Grafen Unterricht ertheilte und 1411 das Bacca: 
laureatseramen beftand. Als ihm im folgenden 
Jahre feiner Jugend wegen die Magiſterwürde 
verjagt ward, begab er ſich nach Tübingen. Neben 
den philoſophiſchen Vorträgen, die er hier begann, 
| j Pi er 
legte er fih auf das Studium ber Theologie, nicht 
ohne ſich aud in andern Fächern der Biftenfcaft 





in der Jurisprudenz, Aſtronomie und jelbit ver Me: 
| diein umzufehen. Die Herausgabe einer griechifchen 
Spradlehre begründete hier jchon feinen wiſſen 
Ihaftlihen Ruhm. Durch Reuchlin, Erasmus und 
N. angeregt und dem Humanismus gewonnen, 
wurde er durd das Studium;der Patriſtik und 
ber h. Schrift der kirchlich ſcholaſtiſchen Theologir 
noch weit mehr entfremdet. Auf Reuchlin's Rath 


Melanchthon 


642 


Melanchthon 


lehnte er einen Ruf nad) Ingolſtadt und nad) Zeip: | alle ſpäteren ein Vorbild geweſen. M's. bervorra: 
zig ab, um ald Lehrer der griehiichen Sprache an | gende Bedeutung für dad Reformationswerf aner: 


die neue Univerfität Wittenberg zu gehen, wofür 
ihn Reuchlin dem Churfürften dringend empfohlen 
hatte, Seine Wirkſamkeit eröffnete er am 25. Aug. 
1518 durch feine Antrittärede de corrigendis 
adolescentiae studiis. Mehr auf den Rath feiner 
Freunde als aus eigener Neigung trat er 1520 in 
die Ehe mit Katharina Krabb, der Tochter des 
Bürgermeifters zu Wittenberg. Zwifchen ihm und 
Zuther war bald eine auf tiefe Anerkennung deö 
beiberfeitigen Werthes gegründete engere freund: 
ſchaft geiloffen; in den Vorlefungen über bib: 
liſche Exegeſe, Römerbrief :c., die M. als Lehrer 
der griechiſchen Sprache hielt, begrüßte Luther 
mit Freuden die trefflihe Begründung jeiner 
reformatorifhen Säße; bald wurde auch M. in die 
theotogilche Facultät verfegt. In den kirchlichen 
und wiſſenſchaftlichen Kampf um die Neformation 
warb M. durch Luther's Disputation mit Ed, zu 
welder er erſteren begleitet hatte, hineingezogen; 
fein Brief über diefelbe an Decolampad rief einen 


Angriff Eck's gegen ihn hervor, den er durch feine | 


Schrift defensiocontra Eccianam inculpationem 
zurüdwies. Im Jahre 1521 trat er in einer unter 
dem Namen Didymus Faventinus an die Stände 
des Reiches gerichteten Schrift als Vertheidiger 
Luther's gegen die römischen Anschuldigungen auf. 
Während des Aufenthaltes Luther’3 auf der Wart: 
burg ſtand M. zu Wittenberg als das leitende 
Haupt an der Spibe der reformatorifchen Bewe— 

ung, fie vertheidigend und befürmortend bei dem 
Cpurfürften, ſchützend und abwehrend gegen Carl: 
ſtadt und die Zwickauer Propheten, Ihre ſchwär— 
meriſchen Ausſchreitungen ſo wie ſpäter die Greuel 
des Bauernkrieges haben, wie bei Luther, ſo auch 
bei ihm Algen ur und befiimmend auf feine 
firhenpolitiihen Anfichten eingemwirkt. In engiter 
Berbindung und Einheit des Sinnes mit Luther, 
verfaßte M. in den nächſten Jahren die dogmati— 
fchen Begründungsichriften des deutſchen Neote. 
ftantismus. Zunädjt erfhienen 1521 die loci 
communes rer, theologicarum s. nn hi ver 
theologicae, hervorgegangen aus jeinen Vorle— 
Tungen über den Römerbrief (bid 1526 18 la: 


teinifche, 9 deutiche Ausgaben, die dritte Bearbei: | 


tung 1543, bis zum Tode M. mit 26 lateinischen, 
10 deutſchen Ausgaben), 1524 die epitome 
doctrinae christianae ad illustrissimum princi- 
pem Hessorum, wodurd Philipp von Heſſen ge: 
mwonnen wurde, 1550 die Augsburgiſche Confeffion 
mit ihrer Apologie. Zu diefen Schriften muß dann 





fannte der Chrentitel praeceptor Gerinaniae, ber 
ihm beigelegt worden, viel mehr aber noch die 
Thatjache, daß keine irgend wichtige Berbandlung 
der evangeliihen Stände und Theologen ftattfand, 
zu welcher er nicht zugezogen worden wäre: So 
nahm er Theil am Marburger Religionsgeipräh 
1529, den Reichſtagen zu Speyer 1529 und 
Augsburg 1530, den Eonventen zu Schmalfalden 
1537 und 39, zu Frankfurt 1540, den Religions: 
gefprädhen zu Caſſel 1534, zu Wittenberg 1536, au 
Hagenau 1540 und Worms 1541, zu Regensbu 
1541, zu Worms 1557. Seine Beſonnenheit un 
Meitherzigfeit, feine Friedensliebe und wiſſenſchaft⸗ 
lihe Tiefe ließen ihn als den erfhheinen, der, wenn 
überhaupt irgend Einer, im Stanbe wäre, Die 
jcharfen Gegenfäge zu vermitteln und auszuglei: 
hen. Vielfach wurde er deöhalb auch nad) andern 
Städten, nad) Nürnberg, Leipzig, Jena, Tübingen 
und Frankfurt berufen, ohne daß er je fich hätte 
entſchließen können Wittenberg dauernd zu verlaf: 
fen ; ebenjo begehrte man ihn vergebens nad Frant: 
reich und England ; nur wo es in Deutichland galt 
die Reformation einzuführen, wie im Herzogthum 
Sachſen und Meißen und imChurfürftentHum Köln, 
fonnten mit Erfolg jeine Dienite in Anſpruch 
genommen werden. Der Unterfchied der Denkweiſe 
Melanchthon's von der Luther's, der fein ſpäteres 
Leben verbitterte und auf die ganze Entwidlung 
der deutſchen Theologie jo beftimmend eingemirkt 
hat, offenbarte jich zuerjt in dem Verhältniſſe zu 


‚den Schweiern. Bis zum Marburger Geſpräch 
ftand er denjelben nicht minder entſchieden gegen: 


über als Luther, und energiſch widerſetzte er ſich 
noch 1529 jedem Bündniß mit ihnen; aber je län: 


ger je mehr entfernte er fi im Laufe der Ver: 


handlungen von der jtrengen Auffaffung Luther’s, 
die bei ihm nicht wie bei diefem in dem jubjectiven 


‚ Yebensgange und bem individuellen religiöfen Be: 





dürfnifſe wurzelte; wie es ihm einerjeits genügte, 


‚eine objective und reale, aber geiftige Mittheilung 


Ehrifti im Abendmahl anzunehmen, jo fonnte an: 
derſeits fein Bedürfniß einer wiſſenſchaftlichen 
Rechtfertigung feines Glaubens bei Luther's apo⸗ 
dietiicher Exegeſe nicht ftehen bleiben. Luther ver: 
argte esihm, daß erin den jpäteren Ausgaben der 
Gonfejfion 1540 feiner neuen Ueberzeugung Aus: 
drud gab, wie denn überhaupt jegt mehr und mehr 


‚ die fcharfe Differenz der beiderfeitigen Perſönlich⸗ 


nod gezählt werden der Tractat de potestate 


Bin den ber Schmaltaloner Fürftenconvent ihm 
au 


if 
gehören hierhin die Witten — — 
welche den Kaiſer 1545 zu Worms vorgelegt wer: 
den follte und die Repetitio confessionis Augu- 
stanae saxonica, welche beftimmt war, dem Trien: 
tiner Goncil die proteftantifche Zehre zu entwideln). 
Steichzeitigaber hatte er ih um dDieBegründungdes 
neuen Kirchenweſens das größte Verdienit erwor⸗ 
hen durch den 1525, bei Gelegenheit der großen 
ſächſiſchen Kirchenvifitation, an welder er felbit 
den ———* Antheil nahm, verfaßten „Un— 
terricht der Viſitatoren und Pfarrherrn im Chur: 


ſächſiſche Kirchen: und Schulordnung und iſt für 


etragen hatte und als Anhang zur Augsbur-⸗ 
* Confeſſion ſanctionirte. (Aus ſpäterer Zeit | 


teiten zum Vorſchein trat. Auch von anderer Seite 
unter den Evangeliſchen wurde M. heftig angegrif: 
fen. Seine Lehre von der Nothwendigkeit des Gr: 
ſetzes hatte Agricola ſchon 1527 bekämpft, von 
neuem griff feinen Synergismus (bona opera 
causa sine qua non) Cordatus 1536 an; aber jo: 
wol die Willigfeit, mit welcher M. den anftöhigen 


Ausdruck fallen lie, als die unerſchütterliche Liebe, 





welche er Yutber bewahrte, verhinderte noch einen 
Brud, der indeß beinahe bei Gelegenheit der Köl: 
ner Reformation 1544, deßhalb eingetreten wäre, 
weil M. mit Bucer übereinitimmend von derlutheri: 
ſchen Abendmahlslehre abgewichen war. Eine neue 
2 in M's. Leben beginntmit Luther's Tode 

en Anlaß zu den Angriffen, deren er ſich fortan 


bis zufeinem Tode erwehren mußte, gab fein Ver: 
halten bei dem Erlaß des Jnterims, wodurd er als 
rürftenthum Sachen”. Diefe Schrift bildet die erfte 


Yeiter und Tonangeber der deutſchen proteitanti: 
ſchen Kirche allerdings Anftoß erregen mußte. Doc 


Melanchthon 


mar die Nachgiebigkeit, die er hier bewieß, nicht fo: 
wohl Charakterihwäcde, jondern hing zuſammen 
mit den Hoffnungen, dieer trog Allem auf be 

jegte, deſſen zeitweilige Nachgiebigkeit den Prote- 
itanten gegenüber er zuedel und mit zu geringem 
Verſtändniſſe für die Motive der Politik beurtheilte 
und alö Zuneigung deutete, — ferner mit feiner 
Ueberzeugung von derRothmwenbigteiteineräußeren 
Kirchenform, um berenmwillen er ſogar einjt die Mög: 
tichfeit nicht verworfen hatte, daß die Kirche ſich 


von Neuem dem Bapfte unterwerfen könne; aller: | 


meift aber damit, daß er nicht unterſchied, daß das, 
was für ihn nad) feiner religiöfen und miffen: 
ihaftlihen Stellung in der That ein Adiaphoron 
(Gleihgültiges) war, jo daß er ed Andern zu Lieb 
auf ſich ehmen konnte, für die Menge des Volks 
eine gang andere Wirkung und Bedeutung haben 
mußte. So konnte er den billigern Vergleich, den 
Ehurfürft Mori im Leipziger Interim bot, für 
annehmbar halten, da die Kirche damit dem vom 
Kaifer aufgeitellten Proviforium entging, deſſen 
Unvereinbarfeit mit den evangelifhen Grund: 
lägen M. fich nie verborgen hatte. Er hat aber 
auch feinen Anjtand genommen, feinen Jrrthum 
bez. des Interims einzugeftehen. Allein der An: 
ftoß war gegeben und wurde von feinen Gegnern 
benugt, von denen es auch übel gedeutet wurbe, 
daß er dem Rufe nad) Jena an die neubegrünbete 
Univerjität nicht folgte, fondern in Wittenberg 
troß der eingetretenen Veränderungen aushielt. 
(Mährend der Zeit, in welcher die Univerfität im 
Schmaltaldiſchen Kriege aufgehoben war, hatte 
M. zu Braunfhweig gelebt.) In einer Reihe von 
donmatifchen Streitigkeiten zwiſchen den Gnefio: 
lutheranern ( Flacius Jlyricus an ber Spige) und 
den Schülernund Freunden Melanchthon's, in den 
interimiftifchen , adiaphoriftifchen, majoriftifchen, 
ag: dern he ge wurde 
der Unterſchied der Melanchthon'ſchen Denkweiſe 
von der Luther'ſchen in Bezug auf freien Willen, 
natürliches Verderben, Rechtfertigung, gute Werke, 
Kirche und Abendmahl während einer ununterbro: 
chenen eifrigen Thätigfeit des Mannes im Dienfte 
der Kirche, bei Verhandlungen, Reihstagen und 
Conferenzen immer mehr zum Gegenftand bes 
Verdachts und des Angriffs. Unverhüllt trat das 
Beitreben der Flacianer hervor, Melanchthon per: 
ſönlich zu demüthigen, auf dem Convente der 
Lutheraner zu Weimar 12. Januar 1556 und zu 
Coswig, jo daß ſelbſt M's. Geduld riß und er die 
Verhandlungen abbrach; noch mehr auf dem Re: 
ligiondgefpräd zu Worms 1557, wo die Yuthe: 
raner zur freude der Katholiken fi) von ihm los: 
jagten, indem fie zuerft die Verdammung aller 
Dererverlangten, bievon der Auguftana abgefallen 
feien. Die leivende Geduld, mit welcher er dieſe 
Anfehtungen trug, fprad) fi in dem befannten 
Gebetswunſche aus, befreit zu werden von der 
rabiestheologorum,der ihm erft am 19. April 1560 
durch einen jeligen Tod erfüllt wurde, In den ek: 
ten Lebensjahren hatten ihn zudem manche Sorgen 
nebeugt, die ihm fein leichtſinniger Schwiegerjohn 
Sabinus verurfachte, zuletzt der Tod feiner Gattin 
1557, den er, auf einer Reife in Heibelberg abwe⸗ 
ſend, erfuhr, Sittlih anfehtbar hat auch der bit: 
terite Haß feiner Gegner in jeinem Leben nichts 
auffinden können, ald das Botum über die Dops- 
pelehe Philipp's von Heſſen, bei dem allerdings 
die weltlichen Bedenten über die möglichen Folgen 


643 


der Weigerung für die Kirche, den Sieg über die 
'tiefinnerfte Ueberzeugung davontrugen. Belannt 
n Raifer | ift, wie der Schmerz der Reue ihn 1540 in Weimar, 


Melanchthon 


auf der Reife zum Geſpräch nad Hagenau, dem 
Tode nahe brachte und ihn erft Luther's kräftiges 
Wort und Webet errettete. Die Friedenäliebe, 
welche ihn charakterifirt, ging niemals fo weit, daß 
er —— irgend Weſentliches von der evangeli⸗ 
chen leberzeugung geopfert hätte, männlich verant: 
wortete er fich beim Kaiſer vielmehr 1542 während 
des Regensburger Geſpräches darüber, daß er von 
den Seundertilein nichts laſſen könne. So hat er 
freilich oft auch gegen Luther feine Selbftändigfeit 
ewahrt, aber jeine des Widerftandes nicht jehr 
ähige Natur empfand doch die fefte, unbeugfame, 
oft eigenmillige Berfönlichkeit Luther's nicht jelten 
wie einen Drud, Beider Individualität iſt grund: 
verjhieden, und man kann jagen, daß in ihnen 
die jpäteren Geftaltungen in der —— 
der proteſtantiſchen Kirche und Theologie ſi 
gleichſam vorgebildet fanden. Während in Luther, 
dem vorzugsweiſe religiöſen Charakter, der nach 
der Energie ſeines Weſens feſte Formen bedarf 
und aufrichtet, ſowol die Orthodorie als ber ſpä— 
tere Pietismus feinen Ausgangspunkt findet, iſt 
M., in deſſen Perſönlichkeit das ſittliche Element 
vorherrfht und der den Humanismus, ſtatt ihn 
von ſich abzuſtoßen, mit jeiner evangelifhen Fröm: 
migfeit Durchdringt, das Vorbild der mit Lefling 
beginnenden neueren proteftantiichen er re 
Der Einfluß Melanchthon's auf die proteftantiihe 
Kirche und ihre Theologie ift ein außerordentlich 
tiefgreifender, jo daß trotz des Sieges feiner kirch⸗ 
lichen Gegner, welche durch die Concordienformel 
und die Vorgänge in Churſachſen (f. d. A. Phi: 
(ippismus) die Melanchthon'ſche Richtung in der 
Kirche auf Jahrhunderte völlig unterdrüdten, den: 
noch die Autorität M.'s fortwährend ausdrücklich 
—— und feine Hauptſchrift loci communes 
das allgemeine Lehrbuch blieb, welches aller Be: 
handlung der Dogmatik zu Grunde gelegt wurde. 
Erft die fpätere Orthodorie nahm feit Lyſer und 
Hutterus feinen Anftand, M, der mehrfachen Irr— 
lehre zu bezüchtigen und ſich offen von ihm loszu: 
fagen. Aber aud) dann ift Die Förderung, welche nicht 
bloß das Reformationswerkan ſich, ſondern auch die 
wiſſenſchaftliche Bildung der Deutſchen überhaupt 
durd) ihn empfing, nie verfannt worden, jo wenig 
wie die Anregung, die für das ganze Land von dem 
wiffenfhaftlichen Geifte ausging, den er unter fei: 
nen zahlreichen Schülern fo wie durch feine häufig 
wieveraufgelegten Lehrbücher über Philofophte und 
Rhetorif, 3. B. de Jdialectica, de anima, epitome 
hilosophiae moralis in die weiteſten Kreiſe ver: 
reitete. Ein Verzeichniß der ſämmtlichen Schriften 
M's. lieferte Rotermund (Bremen 1814). Die be: 
deutenditen Bekenntniß⸗ und Lehririften find ge: 
fammelt in dem Corpus doctrinse misnicum 
oder philippicum, welches 1560 als öffentliche 
Lehrnorm in Sachſen publizirt wurde. Seine 
fänmtlichen Schriften mit Ausnahme der Reben 
erſchienen Bafel 1541,5 Bde. Eine (unvollftändige) 
Ausgabe der opera bejorgte fein Schwiegerfohn 
Peucer, Wittenb. 1562—64. Die vollftändigfte gab 
Bretfchneiber im Corpus reformatorum, 28Bände. 
Halle u. Braunſchw. 1831—60. Sein Leben ſchrieb 
zuerit fein Freund Camerarius, Val. ferner Mat: 
thes, Phil. Mel, Sein Leben und Wirken aus den 
Quellen dargeftellt, Altenburg 1841. Plant, 


Melanchthoniſche Schule 


raoceptor Germaniae Rörbling 1866. Schmibt:: 
DRelandhthon, in der Sammlung: Xeben und aus: 
gewählte Schriften der Väter ıc. der lutheriſchen 
Kirche. Elberfeld 1861. Galle, Verſuch einer 
Sharakteriftit Melanchthon's als Theologe (Halle 
1840). Bopulär : Ledderhoſe, M.nac feinem äußern 
und innern Leben, Heidelberg 1847. Wohlfahrt, 
Melanchthonsbüchlein 1860. 
Melandthoniige Schule. S. Philippiften. 
Meldiades, Melciades, Miltiades, aus Afrika 
oder Spanien gebürtig, jeit 311 Nachfolger des 
GEufebius auf dem päpftlihen Stuhle. Kurz nad) 
feiner Erhebung ſaß er auf Geheik des Kaifers 
Conſtantin d. Großen 313 mit 5 galliſchen und 15 
italienifchen Biichöfen zu Gericht über die Dona: 
tiften und jegte Cäcilian von Karthago in jein 
Bisthum wieder ein. Die gegen ihn von den An: 


644 


Meletius 


auf ſeine Perſon der Hebräerbrief feinen Beweis 
für die Meffianität Jeſu. Ueber bie Anſicht bes 
Berfaflers des Hebräerbriefes felbit von der Per: 
fon des M. ſiehe Bleef im Commentar zum He: 
bräerbrief und Rud. Nagel in den Studien und 
Kritiken 1849, 2, 

Melchiſe dekiten einc hebräiſche Secte unter Füh⸗ 

rung bes Theodotus des Wechslers, welche in 
eine Zeit lang beftand. Sie hielten Chriftus für 
einen bloßen Menfchen, untergeordnet unter Mel: 
hifedef. In diefem verehrten fie eine göttliche 
Kraft von unbefanntem Urjprung, den Hoheprie: 
fter ber Engel und himmlischen en, während 
Ehriftus, der Fürbitter für die Menſchen, nur fein 
irdiſches Abbild geweien fei. Die Sekte warfomit, 
wenn aud aus dem Öegenfaß gegen den Gnoſticis 
jelbft eine gnoſtiſch⸗ anti: 


mus hervor ngen, 
hängern deö abgejegten Donatus von Garthago | ——— — ——— haer. sab. II, 5. 6. 


erhobene Beihuldigung, er ſei eintraditor, wider: | 


legt Augujtin. Unter ihm ſchenkte Eonjtantin der 
römifhen Kirche den lateranenfifchen Palaft. 
Erverbot das Faſten am Donnerjtagund Sonntag 
als eine heidnifche Sitte und gab das Decret, deſſen 
Sinn noch immer unflar ift »ut oblationes con- 
secratae per ecclesias ex consecratu episcopi 
dirigerentar, quod declaratur fermentum.« + 
314 und zwar nicht, wie Platina behauptet, als 
Märtyrer. Die vom h. Bernhard verfaßte Lebens: 
beichreibung des M. ift nur in einer Abjchrift zu 
Cambridge vorhanden. 

Melchiſedel, König von Salem (König der Ge: 
rechtigkeit), 1. Mof. 14, 18, 30g dem Abraham bei 
defjen Rüdtehr von dem fiegreihen Zuge nad) Da: 
mascus entgegen und ward dafür von jenem reich 
‚beichentt. Seine Berfon ift zum enſtand viel: 
facher Erörterungen geworden, weil der Hebräer: 
brief fie benußt, um die Erhabenheit des Briejter: 
tyums Chriſti über alles levitiſche Prieſterthum 
darzuthun. Nah dieſer Stelle hielten ihn Viele 
gar nicht für einen Menſchen, jondern für ehe 
reg des h. Geijtes, oder einer göttlichen 

aft oder für eine vorübergehende Erfeinung 
des Logos, aud für einen Engel. Andere juchten 
in M., um ihm eine bejondere erhabene Stellung 
zu geben, Henoch, Ham, Sem u eriennen. Das 
alte Teitament weiß von dem Allen nichts. Eben: 
jo vergeblich ift, immer von dogmatifhen Bor: 
ausfegungen aus, darüber gejtritten worden, ob 
M. Semite oder Hamite geweſen jei. Unzmeifel: 
haft war M. der König eines Stammes im 
ipätern Jerufalem, denn die Richtung des 
Zuges Abraham's läßt kein anderes Salem anneh: 
men. In ihm hatte fich äbnlid wie in Abraham 
aus dem vorderafiatifhen Naturdienft die Ers 
fenntniß eineö ewigen Gottes herausgearbeitet, 
dem er in den einfachſten und natürlichiten For: 
men diente (ein Briefter des höchſten Gottes), aber 
feine Gotteserlenntniß bat fich in feiner Weife 
auf jein Volk oder jeine Nachlommen übertragen. 
Er fteht in religiöfer Beziehung ohne alle geichicht: 


lihe Bermittelung da, und am meiften außerhalb | 
aller Verbindung mit der in Abrahams Haufe ſich 


aejhichtlich entwidelnden Religionsidee. So ift er 
ein Beweis nicht nur dafür, daß es auch außer: 
alb Iſraels eine Erkenntniß Gottes geben konnte, 
ſondern auch und noch mehr dafür, dab die An: 


| die orthodoren Katholiten in 


Melditen (von Melech, König), Kaijerchriften, 
ten und ben 
Iyrifchen Provinzen im Gegenjage zu den Mono: 
phyjiten und Kopten. Sie erhielten von diefen den 


‚ Namen wegen ihres Gehorfams gegen bie kaiſer 
‚liche Macht, welche von Eonftantinopel aus den 


Anſchluß an die Lehre und das Dogma der Kirche, 
wie fie das Konzil von Chalcedon 451 f t 
tte, befahl. Nachrichten über fie und ihren Cultus 


inden Be Aſſemani. Vgl. Neander, Kirchen: 
geichichte III, 176. 
\  Meldenins Rupert. Der Urheber des Spruchs, 


»In necessariis unitas, in non necessariis libertas, 
in utrisque caritas, der früher dem Auguftin zu: 
ejchrieben wurde, bis Lüde 1850 den wahren 
utor nachwies. Bon jeinen Lebensumftänden 
ift gar nichts befannt und es eriftirt nur eine Schrift 
von ihm ohne Jahres: und Ortsangabe, Parae- 
nesis votiva pro pace ecclesiae ad Theologes 
Augustanae Confessionis (ohne Jahr und Drt), 
die während des breißigjährigen Krieges geſchrie 
ben ift. Das Nothwendige in der Lehre beſchränlkt 
er — übrigens ein treuer Belenner der Concor: 
| dienformel — auf die deutlihen Hauptlehren in 
Schrift und Katechismus und das Durch Ueberein⸗ 
ſtimmung aller gg m Anerkannte. Bgl. Züde, 
über das Alter, den Verfafler, die urſprüngliche 
Form ꝛc. des kirchlichen Friedensipruches. Göt: 
tingen 1850. 
dorf, ein Kirchipiel in Diethmarſchen, dei: 
en Kirche 776 erbaut, dann von den Sachſen zer: 
ſtört und nad) 803 wieder hergeftellt wurde und 
eit 834 als eine der 4 Tauffirhen Holfteins un: 
‚ter Hamburg ftand, hat eine traurige Berühmtheit 
ey durch die Mißhandlung und Verbrennung 
ı des Auguftiners Heinrich Moller (S.d. Art.) 1524. 
Die Unthat hatte die Folge, daß das ganze Kirch: 
ſpiel zur lutheriſchen —* übertrat. 1527 ward 
Klarenbady hierhin alö Diakon berufen; aber ebe 
er fam, erreichte ihn jein Geſchick. 

Meletind und das meletianifhe Schiöme in An 
tiochien. In Antiohien hatten die Arianer feit 
330 das ee aber die nicänifhe Parteı, 
bie an dem 331 auf einer arianiſchen Synode in 
Antiohien abgejegten Biſchofe Cuftathius (daher 
aud) Euftathianer genannt) hing, erhielt ſich als 
eigene, von Athanafius und den Seinigen allein 
anerfannte Gemeinde. Als Eudorius, der Biſchof 








betung Gottes nicht an die befondere, durch das | der Arianer nad) Gonftantinopel gewählt war, er: 


moſaiſche Geſetz beftimmte Weiſe Ifraels gebun: 
den war; und mit Rückſicht auf Yepteres gründet 


langte Meletius von Sebaite in Armenien den 


antiocheniſchen Biihofftuhl, von dem aber ver 


Meletius 


arökere Theil feiner Partei fich losſagte, als er 
fehr bald der nicänifhen Lehre fich zuneigte, 
Die Euftathianer hielten fi, aud als ihr von 
ihnen als rehtmäßiganerfannter Bifchof geftorben 
war, unter einem Preäbyter Paulinus gleichfalls 
von Meletius fern. Das Conzil zu Alerandria 
362 fuchte durch milde Beitimmungen wie über: 
haupt die firchliche Spaltung fo auch diejen Streit 
zu bejeitigen ; fein Abgefandter, Zucifer von Ca: 
laris weihte aber den Baulinus zum Biſchof, ftatt 
eine Bereiniqung der Meletianer und Euftathianer 
herbeizuführen. Die Spaltung wurbe aufrecht ge: 
haften, ald die Meletianer aus Furcht vor dem 
Sabellianismus die Lehre von den Onpoftafen be: 
tonten und die Euftathianer die Jrrlehre des Mar: 
cellus verwarfen. Die Abendländer anerkannten 
den Paulinus, die Morgenländer den Meletius als 
den einzigen rechtmäßigen Biſchof. Obgleich Me: 
letius ſich 363 auf der Synode zu Antiochien offen 
zum Nicänum bekannte und in hohem Anjehen 
als Führer der zur Homooufie des Sohnes 
übertretenden Semiarianer ftand, auch Bafilius 
eine Einigunaq mit Athanaſius zu vermitteln juchte, 
fonnte man fi) in Rom 375 (Bifhof Damafus) 
nicht entjchließen, Meletius, ber inzwiſchen in der 
aegen die fogenannten jüngeren Ricäner gerich- 
teten Berfolgung des Kaiſer Balens vertrieben war, 
anguerlennen; im Gegentheil konnte M. nicht ein: 
mal durch die Sendung zweier Gefanbten nad 
Rom verhüten, daß eine Synode der Decidentalen 
877 ihm für einen Ketzer erllärte, Nach dem Tode 
des Balens kehrte M.378 in fein Bisthum zurüd; der 
faiferfiche Statthalter erflärte ihn auf Grund feines 

ntnifles zum Ricänum für den rechten und le⸗ 
ganimen Biſchof und übertieferteihm die arianifchen 
Kirchen nach dem Geſetz des Theodofius von 380, 
nad welden allein der nicäniiche Lehrbegriff für 
das Reich Geltung haben follte. Es fcheint, daß 
zwifchen den beiden Antiocheniſchen Parteien nun 
der Bertran gaefchloffen worden, nad dem Tode 
des einen Biſchofs feinen wieder zu wählen, fon: 
dern fich dem Ueberlebenden zu unterwerfen. M. 
+mwährend des zweiten öfumenifchen Congils, 881 gu 
Gonftantinopel. Sofort wurde an feine Stelle durch 
die ſyriſchen Biſchöſe der PresbyterFlavian gewählt 
und vom Conzil anerlannt. Damaſus und die 
Abendländer aber weigerten demſelben bie Kirchen⸗ 
gemeinſchaft. Ebenſo wählte nach dem Tode bed 
Paulinus defien Partei ihm einen Nachfolger in 
der Berjon des Evagrius. Erft dem Chryſoſtomus 
gelang e8 398 eine —— zwiſchen Flavian 
und Theophilus von Alexandrien, und durch dieſen 
mit dem Abendlande zu Stande zu bringen. Aber 
erſt der zweite Nachfolger des Flavian, Alexander 


lonnte dadurch, daß er ſelbſt mit ſeiner Gemeinde 
nr an ihrem Gottesdienfte Theil nahm, 415 
ie Euftathianer, die nad) dem Tode des Evagrius 


feinen neuen Bifchof gewählt hatten, wieder mit 
der Gemeindevereinigen. Vgl. Walch, Ketzerhiſtorie 


4. Bo. 

Weletins non Lykopolis und die meletiantfche 
Spaltung in Yegypten. Die Quellen über dieſelbe, 
nämlih Epiphanius, Athanaſius, und die 1788 
von Maffei entvedten und zu Verona herausge⸗ 
aebenen Fundamentalurfunden ſtimmen nicht 
völfig mit einander überein. M. war zu Anfang 
des 4. Jahrhunderts Bifhof von Lyfopolis in 
Thebais, jein Bisthum folgte im Range auf Ale 


645 


Melito 


ſchen beiden entftand eine Spaltung; ungewiß 
bleibt, ob ſie durch dad verschiedene Verhalten gegen 
die Gefallenen veranlaft wurbe, gegen welche Be: 
trus eine größere Milde wollte eintreten laſſen. 
Gewiß ift, daß M. in andern Diözefen, beren Bi: 
ichöfe in der diocletianifchen Verfolgung im Ge- 
fängniß ſaßen, obne Noth kirchliche Wethen vor: 
nahm. Bier der Bifchöfe richteten dieferhalb ver: 
gebens ein gemeinfchaftlihes Ermahnungsſchrei⸗ 
ben an ihn (bei Maffei). Betrus aber ſchloß ihn 
von der Kirchengemeinichaft aus und verweigerte 
fonar der von ihm und feinen Anhängern ertheil: 
ten Taufe die Anerkennung. Daß M. den Göken 
aeopfert ift eine höchſt wahrfcheinlich ungegründete 
Behauptung feiner®egner. Die große Bedeutung des 
meletianifhen Schismas, bei welchem Meletius in 
allen Diözefen feine Anhänger hatte, veranlaßte 
die Synode von Nicäa zu ihrem 10. Ganon, in 
dem fie beftimmte, dak M. awar den Titel eines 
Biſchofs behalten, aber Feine Weihen mehr erthei: 
len bürfe, auch follten die von ihm gemweihten Ele: 
riter den von Merander in Alerandria geweihten 
nachftehen und erft nad) neuer Handauflegung in 
erledigte Stellen einrüden. M. fügte ſich; als 


‚ jedoch nad Alerander’3 Tode fein Nachfolger Atha: 
naſius fchärfer gegen Meletius auftrat und dann 
ı biefer den von ihm bezeichneten Johannes zu fei: 


nem Nachfolger erhielt, hielten Die Anhänger des 
Meletius an dem Schisma feft und fchloflen fich, 
aus Oppofition gegen Athanafius zum Theil fo: 
gar an die Arianifhe Partei an. 

Melite, die Inſel Malta im mittelländifchen 
Meere, auf weldher Paulus nad dem Sciffbrud 
Apg. 38, 1 drei Monate verweilte. Die Einmwoh: 
ner waren phönizifcher Abkunft, daher nennt fie 
Paulus Barbaren. Die Meinung, daß die Inſel 
Melleda im abriatifchen Meere zu verftehen Sei, ift 
als unhaltbar von Allen aufgegeben. Bol. James 
Smith, the voyage and Shipwreck of St. Paul 
etc. Zond, 1848. Auf M. hat die engliſch⸗lirchliche 
Miffionsgefellichaft feit 1815 eine Station für die 
Miſſion im Drient errichtet. 

Melito, Biſchof von Sardes in Lydien, lebte 
um die Mitte des 2, Jahrhunderts, und mar einer 
der größten Gelehrten und fruchtbarſten Schrift: 
fteller jener Periode. Man weiß von feinem Leben 
nur, daß er ehelos lebte, wegen feiner Gelehrjam: 
feit und Frömmigkleit ein faft prophetiiches Anſehen 
genoß, dem Marc. Aurel(f. d. Art.)eine Apologie für 
das Chriftenthum überreichte und eine Reife nach 
Syrien und PBaläftina unternahm, um nad) den 
ächten Büchern des alten Teftaments zu forjchen. 
Bann er geftorben, wird nicht angegeben, wahr: 
fcheinlid war es kurz nad 170. Seine Schriften 
find ſämmtlich verloren und nur in Fragmenten 
(vgl. Routh, relig. sacr. vol. I.) vorhanden; bei 
Eufebius (Kirchengeſchichte IV. 26) ift ein unvoll⸗ 

tändiges Verzeichniß derjelben bewahrt. Sie er: 
treten fich über alle fichlihe Fragen der Zeit 
4. B. den Paſchaſtreit, den Montanidmus, über 
Dogmatifund Eregefe, Apologetif und biblijche Kri: 
tif. Daß er ald Dogmatiler zu denen, weldye Gott 
eine Leiblichkeit beilegten, gehört habe, ift eine 
wahrſcheinlich ungegruͤndete und auf einem Mi: 
veritändniß beruhende Behauptung des Drigenes ; 
aud) Daß erMontanift geweſen, ift unwahrſcheinlich. 

edenfalld vertrat er aber mit Entſchiedenheit die 

ottheit des Logos und die Stellvertretung im 


randrien, weiches damals Petrus inne hatte. Zwi: | Tode EChrifti. Vgl. Piper, Melito von Sarbes, 


Melt 


Theol. Studien und Kritifen 1838. Stei, ebend. 
1856 u. 1857. Pressens£, histoire des trois pre- | 
miers siecles. II, 2; p. 166. Welte, Tübinger 
theol. Duartalfchr. 1862. p. 302 ff. 

Melt. (Mölk.) Das Benediktinerftift in Nie: | 
deröftreih, an der Stelle des römiſchen Namare | 
war feit 984 die Reſidenz der Babenberger Her: 
zöge, welche hier ein Stift von weltlichen Cano: | 
nifern (Schon 861 erwähnt) begründeten. 1089 | 
wurde biejes den Benebiktinern libergeben. Durch 
Schenkungen und Privilegien ward die Abtei 
in der folgenden Zeit reich und berühmt, auch 
die Schufe wird bereitö rühmlich erwähnt; ae- 
aen Ende des 14. Jahrhunderts ſank fie aber in 
defto tiefern Verfall. Papſt Martin V. fandte nad 
den Beichlüflen von Conſtanz 20 Benediftiner aus 
Subiaco zur Reform des Klofters, und jebt ward es 
der Mittelpunft der Benediktinerreform in Oeſtreich 
und Deutfchland, „der Congregation von Melt". 
Seine Blüthezeit hatte das Stift in der erften 
Hälfte des 18. Jahrhunderts, wo feine Mitglieder 
fih durch Gelehrſamkeit und wiſſenſchaftliche Ar⸗ 
beiten, befonders aefchichtliche, auszeichneten. Mit 
der Abtei ift ein Gymnafium und eine theologische 
tehranftalt verbunden. Bal. Keiblinger, Geſchichte 
des Benebiftineritifts Melf, Wien 1851. 

Mellarth (= Stabtlönig). Der Name dedSon: 
nengottes Baal, Moloch, Heracles, bei den Ty— 
riern, als des Nationalgottes. Seine Verehrung 
geht in die älteften Zeiten hinauf, fein berühms | 
teſter Tempel ftand bei Tyrus. 

Melville, Andreas, Melvinus, aeb. 1545 in 
Schottland, ging 1564 zur Vollendung feiner Stu: 
dien nach dem Gontinent, ftudirte in Paris, Boi: 
tierd und Genf und lehrte hier eine Zeit lang an 
der Ncademie, 1594 kehrte er mit dem Rufe eines 
ausaezeihneten Gelehrten und einem Empfeblungs: 
briefe Beza's in die Heimath zurüd und wurde von 
ver Generalverfammlung der fchottifchen Kirche 
zum Profeſſor der Theologie und Prinzipal der 
Univerfität Glasgow ernannt, welche Stelle er 
1580 mit der Leitung des theol. Seminars zu S. 
Andrews vertaufchte. Durch ein Pfarramt, welches 
mit feiner Brofeffur in Glasgow verbunden war, 
zur Theilnahme an den firhlihen Beriammlungen 
berufen, wurbe er durch feine Gelehrfamteit und 
die Unerfchrodenbeit feines Weſens bald der Füh— 
rer der Schotten in dem Kampfe für die Freiheiten 
der Kirche gegen König Jacob I. Nädjit Anor ift | 
er der hervorragendfte Mann in der fchottifchen | 
Reformationsgefhichte.e 1584 wegen aufrühre: | 
riſcher und hochverräthifcher Reben in feinen Pre: | 
dinten vor das Gericht des Geheimenraths aeftellt, 
entfloh er aus feiner Haft zu Edinburgh nad) Eng: 
fand. Nah Arran's Sturze 1585 fonnte er wieber 
heimfehren und jein Amt libernehmen, fette aber 
nicht minder feinen Widerftand gegen die von Ja: 
cob beabfichtigte Einführung des Episcopaliyftems 
fort. Ein Epigramm, welches er auf den ihm pa: 
piſtiſch ſcheinenden Ritus in der königlichen Ca: 
velle machte, hatte eine neue Verurtheilung zur 
Haft im Tower 1606 zur Folge. Auf Anfuhen 
Heinrich's von Bouillon, der ihn ala Profeſſor der 
Theologie an der Academie zu Sedan anzuftellen 
wünfchte, ward er 1610 nach Frankreich verbannt, 
+ 1622 zu Sedan. — Einen getreuen Gehülfen 
hatte er an feinem Neffen Jacob M., Profeflor | 
u ©. Andrews, vorher zu Glasgow, darnad) 1590 
harter einer Landgemeinde, jpäterhin zu Aufts | 





646 


Menander 


ruther. Seine Autobiographie gehört zu den Duel: 
fen ſchottiſcher Kirhengeihichte diefer Periode. 
Val. Calderwood, history ofthe Kirk of Scot 
land — 1625, mit Urkunden, beite Ausa. 1842 
— 1849. Bal. Rubdloff, Reformationsgefchichte, 
Berlin. 1854. 

Memoria, im Sprachgebrauch der Kirchenväter 
eine, zum Gebächtnik eines Heiligen auf deſſen 
Grabe errichtete Gapelle. 

Memphis. Die alte Hauptſtadt Unteräayptens. 
in ber Bibel Jeſ. 19,13. Seren. 2,16 ; 46,14. Ezech. 
30,13. 16, Hof. 9,6 erwähnt, foll von dem Aönia 
Mened auf dem Raum, den er durch Ableitung des 
Nils in ein neues Bett gewonnen hatte, erbaut 
fein. Der von ihm errichtete prächtige Tempel 
des Btah wurde von den Nachfolgern innmer mehr 
vergrößert und ausaeihmüdt. Pſammetich baute 
ben Tempel des Apis. In der Nähe der Stadt 
befinden fi die Pyramiden, die ägyptiſchen Kö— 
nigsgräber. Nachdem die Hyffos Aegypten erobert 
und von Memphis aus beberricht hatten, behielten 
bie ägyptiſchen Könige nach deren Vertreibung ihre 
Refidenz in Theben, bis die 21. Dynaſtie nad 
Memphis zurückkehrte. Unter den Ptolemäern ſank 
M. durch dad Aufblühen Alerandria’s, war aber zu 


Strabo's Zeiten noch bedeutend. Die wenigen 


Ruinen der Stadt finden fi beim Dorfe Mitra: 
henny, einige Stunden von Kairo. Bal.Rofenmül: 
ler, Bibl. Alterthumstunde III S. 290. 

Menahem 760-750 König von Iſrael. feld: 
herr des von Sallum ermordeten Sacharja empörte 
er fich negen des Uſurvators Herrichaft und errana 
für fi) den Thron.” Seine araufame Gemüthsart 
bezeugt die Behandlung ber Stabt Thiphfab 2Räp. 
15, 16. Die Zuftänbe Iſraels fanfen unter ihm 
in jeder Beziehung, er war weder im Stande, bie 
Ordnung im Innern herruftellen, noch das Land 
nad Außen zu ſchützen. Syrer und Bhilifter riffen 
Stüde vom Reich ab. Unfchlüffig, auf melde 
fremde Schusmacht, Aeaypten oder Affyrien er 
fich ſtützen folle, erfaufte er fih die Freundſchaft 
Phul's von Affyrien durch ein Geſchenk von 1000 
Talent Silber, die er durch Umlage auf bie reihen 
Einwohner zufammenbradhte. Unter M. wirkte der 
Prophet Hofea, defien Schilderungen die tiefe Ge: 
funfenheit des Reiches Iſrael unter demfelben er: 
fennen laſſen. Val. Hofea 4.1 ff. 5, 1 ff. 6,8 ff. 
u. ſ. m. — Gap. 14. Menahem’s Nachfolger war 
fein Sohn Pekahja 2. Kön. 15, 14—22: 1. Chron. 
re Ewald, die Propheten des A. B. J, S. 
321 ff. 

Menaion. Diejenigen Kirchenbücher der Grie: 
chen, welche mit den für jeden Fefttan beitimmten 
Gebeten und Hymnen zugleich kuͤrze Lebensbeſchrei⸗ 
bungen der Heiligen enthalten. Sie vfleaten 
monatsweiſe in Bände getheilt au fein. Auszüne 
aus den vorhandenen Handichriften find mehrfach 
gedrudt. Val. Auaufti, Denkwürdigfeiten. Los. 
1817—31 8. 12. Du Cange, Lex med. et infim. 
graeeitatis. Bar, 184050. 

Menander. Ein Samaritaner aus Raparattäa, 
wie Dofitheus, Schüler des Simon. Maaus, Stif: 
ter einer famaritanifchen Secte, der er ſich ſelbſt 
als den Erlöfer bezeichnete und die er dur ma: 
giſche Künfte gewonnen haben fol. Die Kirchen: 
väter bezeichnen diefe Secte, die nicht lange Be: 
ftand gehabt hat, irrig als eine chriftliche. Pal. 
Euseb. Hist. Eccl. III, 26. IV,22, Irenaeus, adv. 
haer. I, 21 Justin. M. Apolog. I, 26. 


Mendäer 
Mendäer, richtiger Mandäer, d. h Anhänger 


bes Manda de hajje, des Wortes des Lebens, find | 


eine hriftusfeindliche Secte im Morgenlande. Bon 
den Muhammedanern werden fie für Sterndiener 
gehalten und als Nachkommen der im Koran er: 
wähnten Sabier betrachtet; fie felbft bezeichnen fich 
andern gegenüber ald Sabaeer, d.h. Täufer. Die 
Namen Johannischriften und Johannisjünger rüh: 
ren von chriftlichen Gelehrten ber, die Bezeichnung 
Nazaraeer wird von den M. felbft nur bervorra: 
genden Gliedern ertheilt. Die Secte, welche im 
vorigen Jahrhundert noch 20000 Seelen zählte, ift 
unter den Drud der Muhammedaner bis auf ca. 
1500 zuſammengeſchmolzen, welche meift als Gold: 
Ihmiede, Tifchler und Eifenarbeiter in Chufiftan 
und bei Bagdad, am Euphrat und Tigris leben. 
Ihre Religion bildet ein Gemifh aus gno— 
ſtiſchem Chriftenthum, Judenthum und Heiden: 
tum; ihre Lehre ift enthalten im Sidra rabba, 
„das große Buy“, auch Ginfa, Schaf genannt, eine 
Zuſammenſtellung verſchiedener von verichiedenen 
Berfafiern und verschiedenen Zeiten herrührender 
Abſchnitte. In gnoftifcher Weife laſſen fie aus dem 
Mana rabba „dem Herrn ber Glorie“ das erfte 
Leben, den geoffenbarten, in der Welt wirkenden 
Gott, und aus diefem zunächſt das zweite Leben 
und dann ben Manda de hajje hervorgehen. 
Jenes wurde, weil eö fich über das erfte erheben 
wollte, aus dem reinen Aether ausgefchloffen und 
in bie Lichtwelt verfet, diefer aber, derMandade 
h., bleibt bei dem Bater; fein Name ift „der Herr 
der Welten, der geliebte Sohn, der qute Hirt, der 
Aoyos, ber Erlöjer, der den Teufel bezwang“ — der 
Ehrijtus der Mendäer; er offenbart fich dem Men- 
ichen in feinen Söhnen (auch als feine Brüder be: 
zeichnet) Hibil, Schithil, Anuſch — Abel, Seth und 
Enos. Aus dem Bornehmften der Uthre (Enael), 
die aus dem zweiten Leben hervorgehen, dem Aba: 
thur, dem Richter der Todten, ging hervor Gabriel, 


647 
beruht, fo ift ihre Geſchichte unzuverläffig und 


Mendelsjohn 


mit Erbihtungen und Mythen ausgefhmüdt. Sie 
feiern die Sonntage und außerdem 4 Firdliche 
Feite, von denen das höchſte das Panticha, das 
Tauffeft ift, an welchem jeder Mandaeer fi tau: 
fen faflen muß. Die Frömmften thun dies aber 
jeden Sonntag. Die Taufe fann nur in fließen: 
dem Wafler geichehen, fo daß dadurch die Lage 
ihrer Kirchen bedingt ift. Mit der Taufe verbunden 
iſt das Abendmahl, wobei fie einen in der Kirche 
bereiteten Teig und Waſſer genießen. Zur Feier 
des Pantſcha gehört das Verzehren der Lämmer, 
| die der Priefter fchlachtet. Ihre Kirchen find jehr 
Hein, da fie nur von den Prieftern, nicht von der 
Gemeinde betreten werben. Unter ben Prieftern 
befinden ſich Grabunterichiede. Die Weihe wird 
ertheilt vermittelt Handauflegung eines Oberprie: 
ſters (Ganfıbra). Die Priefter (Tarımida) vollziehen 
‚die Trauungen. Die Schaanda find Gehülfen der 
Briefter, ähnlich wie Diafonen. Auch Frauen, wenn 
fiean einen Geiftlichen verheirathet find, lönnen bie 
Würde ihres Mannes erlangen. Die priefterlie 
Kleidung ift ganz weiß, wie es eigentlich auch bie 
aller M. fein jollte; da dies aber die Muhammeba: 
ner nicht erlauben, fo bedienen fie ſich wenigſtens 
ber lichten Farben. Die Vielweiberei ift unter 
ihnen gejtattet und gewünſcht, aber Niemand hat 
| mehr als zwei frauen. Scheidung ift nicht er: 
laubt und fchließt von felbft aus der Gemeinfchaft 
aus, Im Uebrigen befleißigen ſich die M. großer 
fittlihen Strenge, fchließen ſich aber in Allem 
Aeußern möglichit eng an die Muhammebaner, un: 
ter denen fie leben, an. Bal. L. E. Burckhardt, 
‘Les Nazorees ou Mandai-Jahja 5 ordi- 
nairement Zabiens et Chretiens de St. Jean 
Baptiste, Secte gnostique, Strasbourg 1840. 
Chwolſohn, die Szabier. Petersb. ger Beter: 
mann, deutiche Te 1854, 1856, und Reifen 
im Orient. 8. II. 1861. 





ald Abathur's Bild fich fpiegelte im fchwarzen | Mendelsfohu, Moſes, einer der hervorragend: 
Wafler der Tiefe; Gabriel, das dritte Leben, (auch | ften philoſophiſchen Schriftfteller des 18. Jahr: 
Pthahil genannt) ſchuf die Erde und die Menfchen, | hundertö, welcher, namentlih durch feinen gro: 
denen Abel, Seth und Enos den von Mana gehol: | fen Einfluß auf feine jüdiſchen Glaubensgenoffen 
ten Geift einhaudhten. Der Menich bat aufer auch für das religiöfe Leben von Bedeutung ift. 
Körper und (thieriiher) Seele ald Drittes den | Geb. 6. Sept. 1729 als der Sohn eines armen 
(himmlischen) Geift. Die Quelle alles Böfen im | jüdischen Schullehrerä zu Deffau, empfing er feine 
Menſchen ift die Rucha (Seele). Die Dämonen | erfte geiftige Nahrung aus dem alten Teitamente, 
aber, die als Sterne an den Himmel gebunden | in welchem er aud) immer die ewigen Grundſätze 
find, ſuchen dem Menſchen, ftatt ihm zu dienen, | der Vernunftreligion erfannte. 1743 kam er nad) 


nur zu Schaden. Ihr Oberfter ift Ur (feuer), auf 
ihm rubt der Weltbau. Die Menjchen waren ur: 
iprünglich alle fromm, wurden aber, weil ihrer 
zu viel waren, dreimal vertilgt, vr durd) die 
Sündfluth. Abraham, Moſes und Jefus find die 


drei falfhen Propheten, welde die Menſchen ver: 


führten. Zu gleicher Zeit mit Johannes, der von 
Jeſus getäufcht, ihn taufte, kam der jüngere Bru— 
der des Hibil, Anuſch, welcher die mahre Religion 
verfünbigte, den falſchen Meſſias entlarvte jeinen 
Kreuzestod bewirkte und, in die Lichtwelt zurückge⸗ 


\ Berlin, wo er nad) ſchweren Kämpfen um die Eri: 
| ftenz endlich als Hauslehrer und jpäter Theilneh: 
mer aneinem Seidengeſchäft eine Berjorgung fand. 
Seit 1755 ftand er in freundichaftlicher Beziehung 
zu Leſſing. Seine Schrift „über die Evidenz der 
metaphyſiſchen Wiſſenſchaften“ erhielt 1763 den 
‚Preis der Berliner Academie. Bebeutend, auch 
für die Theologie find die beiden Schriften: „Phä: 
don oder die Unsterblichkeit der Seele” 1767, und 
„die Morgenftunden” 1785. Die Schrift „Jeru: 
falem oder über religidje Macht und Judenthum“ 


fehrt, feine Propheten ausfandte. Der lebte faljche 
Prophet war Muhammed (Achmat). Nach 5000 
Jahren wird die ganze Menjchheit wieder vernich: 
tet, und ein neues Menſchenpaar geihaffen werden. 
Nach 50000 Jahren wird Ur die Welt verfchlingen, 


1783, hat namentlich unter dem —5 einen weit 
ehenden Einfluß hinterlaſſen: M. iſt durch die: 
Peibe der eigentlihe Begründer einer freifinnigen 
Richtung innerhalb des neueren Judenthums ge: 
worden. Seinen Freund Leifing, dem in feinem 
dann plagen und das AU ift nur noch eine Licht: | Nathan Mendelsſohn ald Original vorjchwebte, 
melt. ı vertheidigte er noch kurz vor feinem Tobe (4. Jan. 
Da die Mendäer Feine Gejchichtöwerfe be: | 1786) gegen den Vorwurf des Spinozismus, wel: 
figen und Alles bei ihnen auf der Tradition cher von Jacobi erhoben worden war. Eine Auf: 


Menbelsfohn-Bartholdy 


648 


Menken 


forderung Lavater's, zum Chriſtenthum überzutre⸗ 814 Sorgfältig erzogen, beſuchte er die ver: 
ten, lehnte er entſchieden ab. Seine gef. Schriften | ſchiedenen Staaten, in welche damals China zer— 
find herausgegeben von G. B. Mendelsjohn, 7 Bde., | fiel, ald Lehrer der Tugend und Weisheit. Sein- 


Leipzig 1843—45. Vgl. Kayferling, M. M., 


sig 1862. 


firhlihen Mufif von Bedeutung. Geb. 3. Febr. 
1809 zu Hamburg, der Enkel des Vorigen, zeich: 
nete er fich ſchon jehr frühe durch hervorragende 
Talente für Mufif aus. Er ftubirte zu Berlin, 
wurde nach einer dreijährigen Kunftreife durd) Eng: 
land, Frankreich und Italien Mufikdirector in 
Düffeldorf, 1835 Director der Gewanbhausconcerte 
in Leipzig, 1843 Generalmufifdirector der Kirchen: 
mufifen in Berlin, befand fich aber ſchon 1845 
wieder in Leipzig, wo er am 4. November 1847 
ſtarb. „In der ftrengen Schule Sebaftian Bach's 
und in der Kunftberrlichleit Hänbel’3 gebildet, hat 
M. das unmittelbare Gotteswort zum harmo— 
niſchen Ausdruck tiefen erbaulichen Ernſtes wie 
heitrer Kunſtſchönheit gebraucht, ſo im lyriſchen 
Schwunge ſeiner Pſalmen, mehr dramatiſch im 
Paulus und Elias; er wurde wie Rafael, bevor er 
ſein Chriſtus-Ideal in feiner Sprache verwirklicht 
hatte, hinweggenommen.“ Das großartige Dra: 
torium „Paulus“ wurde 1836 vollendet, der, Elias“ 
in Birmingham 1846 zum erften Mal aufgeführt. 
Bal. Reifmann, F. M., fein Leben und feine Werte 
Berl. 1866. Gumpredt,Unfere Zeit 1866. Devrient, 
Erinnerungen an. Mendelsfohn:Bartholdy Leip: 
zia 1869, 

Menelaus (Bol. 2. Matt, 4, 23—5, 23; 13, 
1—8.), ber Bruber des Verrätherd Simon, (2. 
Makk. 4, 23) wurde von Jaſon, welder das Ho: 
heprieftertbum bei Lebzeiten feines Brubers, des 
Onias, von Antiohus Epiphanes erfauft hatte, 
su einer Botihaft an den König geſendet und be: 
nutzte die Gelegenheit, durch einllebergebotvon 300 
Talenten bie Hohevriefterwürde an fich zu bringen, 
welche er danach 10 Jahre lang (172— 162) jcyän- 
dete. Nur mit Hülfevon Raub und Gewalt konnte er 
lich behaupten. Um den Kaufpreis des Hohepriefter: 
thums zu gewinnen, beraubte er ben Tempel und 
beſtach den ſyriſchen Statthalter, der Onias ermor: 
den lieh, Während eines Nufenthaltes des M. 
in Antiochia brach wegen ber fortgeſetzten Berau: 
bung der Schatlammer ein Aufftand in Jerufa: 
lem gegen ihn und feinen Bruder und Statthalter 
Lyſimachus aus; diefer wurde erfchlagen, M. aber 
wußte fich Durch Beitehung aegen die Anklage ber 
Juden bei dem Könige fo zu ſchützen, daß bie Ges 
fandten der Juden ſchimpflich hingerichtet wurden. 
Die hiedurch entftehenden Unruhen in Jerufalem 
und Raläftina, in welchen Jaſon fid des Hoheprie: 
ſterthums wieder zu bemächtigen fuchte, gaben Ans 
tiochus den Anlaß, Jerufalem und den Tempel zu 
vlündern, wobei ihm M. behülflich war und viele 
Sraufamleiten verübte. Eifrig förderte M. das 
Streben bes Königs, griechiſche Sitten in Baläftina 
einzuführen. Während des Maflabäeraufftandes 
ſcheint er das Land verlafien zu haben; ald er bei 
Antiohus Eupator fih um fein Amt wieder be: 
warb, wurde er als Urſache der ganzen Empörung 
angellagt und zu Berda als Tempelräuber hinge: 
richtet. Dal. Ewald, Gef. Iſraels, B. IV. 

Mengsfe (Lehrer Meng), Mencius, neben Kons 
fucius der erfte Lehrer und Weiſe der Chinefen 
und als heilig betrachtet, geboren um 400 v. Chr. 


Leips | durch Kürze, Frifche und Originalität ausgezeichne⸗ 


ten Geſpräche, von feinen Jüngern niedergefchri-: 
Mendelsjohn:Bartholdy, Felir, der ausgezeich: | ben, aelten unter dem Namen „Buch des Mena“ 
nete Componift, ift auch für die Entwidfung ber | als eined der „Bier Bücher“ zur Erziehuna und 


— — — — 


Bildung der chineſiſchen Jugend. Das Buch iſt 
mehrfach überſetzt: Lateiniſch von Noel. Prag 
1711. Julien Paris 1824. Franzöſiſch von Pau— 
thier in „Les quatre livres de philosophie morale 
et politique.“ Paris 1851. 

Menius, Juſtus, rin. Menia. Geboren zu Ful⸗ 
da 13. Det. 1494 oder (wahrſcheinlicher) 13. Sept. 
1499, aab feine Abficht ins Kloſter zu treten auf 
und ftubirte feit 1514 au Erfurt und zu Witten 
berg. In näherer Verbindung mit Job. Erotus, 
Eoban Heffe, fpäter mit Luther ftehend, warb er 
1524 Pfarrvicar im Flecken Mühlberg, dann Pfar— 
rer in Erfurt, 1528 Superintendent in Eiſenach und 
nahm wiederholten Antheil anden reformatorifchen 
Verhandlungen und Zufammenfünften. So wurde 
er 1527 zu der großen fächfifchen Kirchenvifitation 
zugezogen; 1529 wohnte er dem Geſpräch zu Mar: 
burg bei, 1536 betheiliate er fih an ber Wittenberaer 
Concordie, 1537 am Tage zu Schmalfalben, 155% 
an der Kirchenvifitation in den albertinifchen Län: 
bern, 1541 am Wormfer Colloquium, 1542 an ber 
Reformationzu Mühlbaufen und wurde 1546 Zu: 
perintendent von Gotha, ohne Eiſenach aufgeben ın 
müffen. Dem Interim widerjegte er ſich ebenio, 
mie er vorher zum Widerftand, (der Nothwehr) ar: 
aen ben Haifer gerathen hatte. Wie mehrere feiner 
frühern Schriften mit Borrebe von Luther benlei: 
tet waren, fo vertrat er auch in den ofiandrifchen 
Streitigfeiten den Standpunkt der Drtbodorie, als 
er zu deren Schlichtung mit nach Preußen aefen: 
det wurde. Amsdorf's Berufung nad Eiſenach ver: 
widelte ihn bald während der Kirchenviſitation 
1554 in einen Streit mit bemfelben, weil er den 
Sat ded Major: „Gute Werke feien zur Seligfeit 
nöthia” nicht unbedingt verwerfen wollte. Geaen 
eine Anklage beim Hofe vertheidiate er fih 1555 
von Halle aus, wohin er fich zurlidgesogen hatte, 
und fonnte fein Amt 1556 wieder übernehmen. 
In Folge mehrer Schriften von Flacius und Ams: 
dorf und ihrer Machinationen warb jedoch fchon 
im jelben Jahre die Unterfuchung gegen ihn wie: 
der aufgenommen und ein Colloquium zu Eifenah 
gischen ihm und dem Jenenſer Strigel abgebalten. 
Menius verftand fich hier zuannehmbaren Erläu: 
terungen, wiberfprach aber deſto beftiner ven Dar: 
ftellungen, bie feine Gegner über das Refultat des 
Colloquiums verbreiteten. Da man ihm bies als 
Berläumdung audlegte, bielt er fih im Lande für 
nicht mehr ficher, [eate fein Amt nieder und aina 
1556 im Dctober nach Zangenfalza ; troß der Bit: 
ten feiner Kirchenvorfteher kehrte er auch nicht mehr 
zurück, weil der Herzog bie von ihm aeftellten Ar 
dingungen nicht bewilligte. Auf Melandthon's 
Empfehlung erhielt er bie Pfarrftelle an der Tho 
masfirche zu Leipzig wo er 1558 geftorben ift. Me 
lanchthon gab in der Vorrede zu den 1559 erſchie 
nenen Predigten bed M. eine Furze Biographie 
und Charakteriftif. Bol. Corp. Ref. IX. Plant, 
Geſch. des proteft. Lehrbeariffs. IV. G.2. Schmidt, 
Auftus Menius, der Reformator Thüringens. 
Gotha 1867, 2 Bode. 

Menten, Dr, Gottfried, ift geboren 29. Mai 


Menten 


1786 zu Bremen; jeine Mutter war eine Enfelinvon 
Dr. F. U. Lampe (5. 0.9.) Schon als Schüfer 
durd) Yavater’s Cinwirlung von tief erregtem veli: 
giöjen Leben ergriffen, bezog er 1788 die Univerjität 
Jena. Abgeſtoßen von dem hier herrſchenden Ratio: 
nalismus und Rantianismus beſchloß er, ein „hei: 
liger Zdiot* zu werden und legte ſich einzig auf 
das Studium der Bibel, mit dem er die Lectüre von 
Paracelfus und Böhme verband. Rod) kämpfend mit 
mancherlei Zweifel bezog er 1790 die Univerfität 
Duisburg. Durd den Umgang mit dem Rektor 
Hajenlamp ward er mit den Schriften Bengel’s 
und des Arztes Collenbuſch befannt, durd welche 
die bereitö eingeſchlagene Richtung feines Wefens 
entſchieden und in perjönligem Verkehr mit Kol: 
lenbuſch, Hoffmann u. A. befeftigt wurde. M. be: 
fand ſich ſchon jept in einem bewußten, fajt fana- 
tigen Gegenjag gegen die in Duisburg herrſchen⸗ 
de oberflähliche Neologie und machte Re in einer 
anonymen Schrift, „Beiträge zur Dämonologie 
oder Widerlegung ber Pet, ro Auffäte des 
Heren Prof. Grimm“, Frankfurt und Lpz. 1798 
Yuft, welde auf der einen Seite die höchſte Er: 
bitterung erregte, auf der andern mit Wohlgefal: 
len und nertennung aufgenommen wurde. Nach⸗ 
dem M. vor der Duisburger Elafjis jein Candida« 
tenegamen bejtanden hatte, verbrachte er ein Jahr 
als Hülfsfandidat des alten Predigers Schöller in 
Uedem und ging in gleicher igenfhaft 1794 nad) 
Frankfurt a/M. Aus diefer Zeit ift feine zweite 
anonyme Schrift „Ueber Glüd und Sieg der 
Gottloſen“, worin er der Meinung entgegentritt, 
daß das Glüd der Franzofen ein Zeichen ihrer 
Gottgefälligkeit jei. Ins Pfarramt trat er 1796 
zu Weplar, ward dann 1802 nach Bremen als Ba: 
jtor an S. Pauli berufen und 1811 au S. Martini 
verjegt; 1825 ehrenvoll emeritirt, jtarb er 1. Juni 
1331 nad) einer einflußreihen und reich gefegneten 
Wirkſamkeit alö Prediger, gründlicher Katechet und 
erbaulicher Schriftfteller. Als Prediger ift er durch 
jeine eingehende 


individualifiren verjtand, von Einfluß aud für 
die homiletifche Bildung geweſen. Seine hrijtliche 


gediegene Perjönlichkeit 2 fich nicht gebunden an | 


die Dogmen und ſymboliſchen Schriften der Kirche, 
mit denen er frei genug verfuhr, aber bejto enger 
band er fi an den Buchjtaben des Neuen Teita: 
ments, 
fen Schärfe gegen alle wirkliche oder vermeintliche 
Neologie, d. ) gegen Alles, was jeine Anficht 
von der Bibelinſpiration nicht theilte, wie es ihm 
dagegen aud widerfahren mußte, daß er von der 
Orthodorie wegen Yeugnung der ftellvertretenden 
Genugthuung Chrifti als ein Jrrlehrer angegriffen 
wurde. Jedenfalls hat jeine geiftvolle Art, den Zu: 
jammenhang der Schrift zuerfaffen einem tieferen 
Verftändniß derjelben in der Gemeinde vorgear: 
beitet. Schriften: Chriftlihe Homilien, Nürnberg 


1798. Neue Sammlung 1802. Homilien über den 
Propheten Elias, Frankf. 1804. Monardienbild, | 
1802 und 1809, eine Auslegung von Daniel 2. 
Ueber die eherne Schlange, 1812. Der Meffias ift 
elommen, 1809 u. 1829 — Crllärung von 1. 
—* 5,6—12. Betrachtungen über das Evange: | 
lium Matthäi, 1809; 2 Bde. 1822; unvollendet. | 


Veitfadenzum Unterricht für Confirmanden, 1817. 
Ausg. 1826. Predigten über Hebr. 8., 1821. Ho: 
milien über Hebrüer 9.16. 12, erſchienen nad) ſei— 


649 


Zertbehandlung, welche den ge: 
botenen Stoff gejhichtlih zu entwideln und zu 


Menno 


nem Tode 1881. Achtundzwanzig Predigten, (ſeine 
beſte, rein homiletiſche Schrift), 1825. Blicke in das 
Yeben des Apoitel5 Paulus und der erjten Chri: 
jtengemeinen. Bremen 1828. Bon fremder Hand 
herausgegeben erſchien nod eine Sammlung ſei— 
ner ‘Predigten, Köln 1817, Fejtpredigten aus dem 
ſchriftl. Nadlaffe G. M.'s. Eine Jubiläumsgabe 
zum 100jährigen Geburtstage M.'s, 29. Mai 1868. 
Bremen 1863. Cine Karakteriftit M.'s lieferte 
Dfiander in der Tübinger Zeitjchrift 1832, be: 
jonders gebrudt Bremen 1832. Sem Leben ſchrieb 
3. H. Gildemeifter, Yeben und Wirken des Dr. tl. 
G. Menten. Bremen 1861. Vgl. aud) deffelben 
„Briefe G. Mentens an H. R. Achelis.“ 

Mennas. Geboren zu Alexandrien, beſtieg den 
Patriarchenſtuhl zu ie durd) die Wahl 
des Kaiſers er „als auf Betreiben des 
Papſtes Agapet I. der durch den Einfluß der Kaiſe— 
rin Theodora, Juſtinian's Gemahlin, ernannte 
monophyfitiiche Patriarch Anthimus auf dem Eon: 
zu zu Gonftantinopel 536 abgejegt worden war. Er 
war der erjte orientalische Biſchof, dem durch einen 
römijchen Bapft die Weihe ertheilt wurde. In Ver: 
bindung mit dem Katjer vertrieb er alle bedeu— 
tenden Nonophyfiten aus der Hauptjtadt und von 
den Biſchofſitzen. Im Dreicapiteltreite (ſ. d. N.) 
ließ er fich zur Unterzeihnung der beiden gegen 
die drei Gapitel gerichteten Faiferlichen Evicte v. 
3. 541 u. 551 bewegen; deshalb ſchloß ihn der 
Papſt Bigilius 551, 14. Auguft, von der Kirchen: 
gemeinihaft aus. Mennas unterwarf fi dem 
päpftlihen Stuble und leiftete den auferlegten 
Widerruf. + 552. Somohl die Lateiner als die 
Griechen verehren ihn als Heiligen 24/25 Auguft. 
Vgl. Barmann, Politik der Päpſte. Elberf. 1808. I. 
Neander, Kircheng. III. 3. 

Menno (Meno) Simons und die Mennoniten. 
Zu Witmarfum, einem Fleden in Dftfrieslano 
unmeit Franeker, wahrſcheinlich 1496, nicht fpäter 
als 1498, geb., ward M. um 1524 Paſtor im Dörj: 
hen Bingjum. Schon hier jtiegen in ihm Zweifel an 
der Transjubftantiation auf, die ihn bewogen, dir 
ihm nad) feinen eigenen Worten noch ganz unbe: 
fannte h. Schrift und dann Luther's und Bucer's 
Werte zu lefen. Doch wurde er erjt zu wahren 
geiftigem Leben erwedt durch die Berührung mit 
den Wiedertäufern und den Märtyrertod des „from: 


men Helden Side Schneiders" zu Leeuwarden 
aber ließ er aud nicht von feiner jhrof-| 1531, während er bis dahin ein weltliches, unge: 


regeltes Zeben geführt hatte. Bald darauf als 


‚ Prediger in feine Geburtsgemeinde berufen, be- 
gann er wenigjtend mittelbar 


gegen Rom aufzu: 
treten ; er brach völlig mit der Kirche und gab jein 
Amt auf 1535, als fein Bruder, ein Führer der 
Wiedertäufer, die das Klofter bei Dokkum er: 
ftürmt hatten, hingerichtet worden war. Nach fei: 
nem Austritt aus der Kirche und erlangter Wie: 
dertaufe verjah er das Amt eines Reifepredigers 
in den Heinen wiedertäuferijchen Gemeinden, 
welde weder mit den Münſter'ſchen Anfichten, noch 
mit den fanatijchen der Batenburger, noch den anti: 
teinitarifchen der David» Foriften eine Gemeinſchaft 
halten wollten, gegen welche auch Menno ſich ſchon 
1535, in einer Schrift gegen Johann von Zeyden, 
jehr ne erflärt hatte. YAngefeindet und verfolgt 
von Katholiten wie Protejtanten, fo daß 1543 ein 
Preis auf feinen Kopf geſetzt war, wirkte er als 
Reijeprediger und Bischof (Aelteiter) in Friesland, 
Niederdeutihland, Holjtein, Medlenburg und Ziev: 


Menno 


tebte er auf feinem Bauerngütchen Woejtefeld bei 
Didesloo, von wo aus er Jahre lang jein Amt 
in den Gemeinden verwaltete. 7 1501. Seine 
Hauptichrift ift das „Fundamentbuch von dem rech⸗ 
ten riftlichen Glauben.“ Amfterdam 1539, eine 
einfache Darlegung der vornehmiten Glaubens: 
Wahrheiten und Pflichten. Außerdem ſchrieb er 
verihiedene Traftate und Gelegenheitsſchriften 
über die Trinität, Bann x. Seine Werfe, von 
denen er die legten in feiner eigenen Druderei 
in Woejftefeld drudte, find zuerſt — heraus⸗ 
eben 1600 unter dem Titel: Sommaria, of 

ylinvergadering van sommige schriftelyke 
Bekentenissen des geloofs, mitsgaders eenige 
waarachtige Verantwoordingen, gedaan dor 
Menno Simons, Amsterd. 1600. Eine beffere Aus: 
gabe 1631 unter dem Titel Opera omnia theolo- 
giea, of al de Godgeleerde werken van Menno 
Simons. Menno’s leitender Gedanke war die Her: 
jtellung des Reiches Gottes durch die Begründung 
einer reinen und heiligen Gemeinde. Daher wurde 
die unbedingte Autorität der Bibel bis zur Unter: 
werfung unter den Buchitaben gegen die Schwarm: 
geiiter fejtgehalten, Die Kindertaufe verworfen, weil 
nur freiwillige und wiedergeborne Chriften in die 
Gemeinde eintreten dürften, daher das Dringen 
auf praltiſches Chrijtentyum und Weltentfagung 
in ernjter jtrenger Sitte, Daher unbedingtes Fern: 
halten von den weltlich gejinnten Gemeinden, da— 
her endlich Verbot von Kriegsdienit und Prozeß— 
führung, Eidesablegung und Chejcheidung, Die 
Kirchenzucht und der Bann. 
hieran ſich jede Entwidlung der Gemeinſchaft im 
Guten und im Böjen heften. Noch zu Menno’s 
Zeiten trat eine Spaltung der Gemeinden ein, da 


viele heftige Eiferer ji auf dem Colloquium von | 


Wismar 1554 mit jeiner eignen milderen Ge: 
finnung nicht einverjtanden zeigten, 
Bigten wurden jogar 1557 unter dem Namen 


Schedemakers aus der Gemeinde ausgeſchloſſen 


und vereinigten ſich allmählich mit früher ausgetre: 
tenen freier Geſinnten, den Franekers und den 
Waterlanders, (Bewohner des Waterlandes, N. 
Holland) während die Strengen, denen Menno 
unter dem Einfluß von L. Boumens, Aelteſten zu 
Emden, ſich endlich auch anſchloß, 1556 ſich auch 
wieder theilten, wodurch allmählich ſo viele 
Secten entſtanden, daß Hugo Grotius um 1616 
ſie unzählbar nannte. Zu der ſtrengen Richtung 
gehörten die Groninger, die alten Flaminger 
oder Danziger, (nach ihrer von der Danziger 
Gemeinde entiehnten Kirdenzudt) Die 
fynſten, zu welch legteren die Harten (Harte, 
Bekümmerte, alte Friejen) gehörten, die Jan: 
Jalobsgefinnten, die Uke-Walliſten (nach ihrem 
Stifter, einem Bauern im Groningerlande). Die 
berühmtejte Trennung iſt die der Amjterdamer 
Gemeinde durd) den Kampfdes Bredigers Dr. Ga: 
lenus Abrahams de Haan und ſeines Collegen 
Apoſtool 1664. Die erjte Partei nannte ſich Lam— 
miften, dieje ZJonijten (Sonniften), nach den Ge: 
bäuden, in denen ihre Zujammenfünfte ſtattfan— 
den. Die Spaltungen wurden erleichtert durch 
Die ganze Art des Gemeinſchaftslebens. Ein enge: 
rer organijcher Verband unter den Gemeinden 
fand nicht ftatt; ebenjo fehlte es an theologiſch ge: 
bildeten Predigern, deren Stelle die Liefde- (Lie— 
beö:)prediger, freiwillige Prediger, einnahmen ; da⸗ 


650 


land, In den legten Jahren ſchwach und kränklich, 


Naturgemäh mußte : 


Die Gemä: 


Aller: | 


Menno 


durch erhielten Gewohnheiten, Sitten und Pri— 
vatmeinungen einen ungebührlichen Einfluß. Schr 
' lange dauerte es, ehe Die Mennoniten auch nur 
in Holland freie Neligionsübung erlangten. Die 
Weigerung des Eides und des Kriegsdienſtes 
ı machte fie fortwährend verdädtig; dazu wurden 
| fie immer mit der fanatiſchen, ihnen fremden Bar: 
tei der Münſterſchen Wiedertäufer verwedjjelt : 
daher unaufhörliche blutige Berfolgungen. Erftuns 
‚ter Wilhelm I. 1581 wurde eine Berfammlung der 
ı Gemeindevorfteher geſtattet; keineswegs aber wur: 
den ihnen in allen Provinzen gleiche Hechte einge: 
räumt, Troß dieſer Hinderniſſe breiteten fi die men- 
nonitifschen Gemeinden immter weiter aus. Derglei- 
de Drud Dale fie dann den Remonftranten, 
Verwandtſchaft ver Geundgedanken den Labadiiten 
und Herrnhutern, von denen Viele zu ihnen über- 
‚traten. Gleichen Zuwachs empfingen fie von den 
‚ Baptiften, die 1694 aus der Schweiz und jpäter 
aus der Pfalz verbannt wurden und bei ihnen 
| liebreihe Aufnahme fanden, Im Laufe der Zeit 
find in der Mennoniten-Gemeinſchaft bedeutende 
Beränderungen eingetreten, jo daß zwiichen den 
‚heutigen M. und der urſprünglichen Stiftung Men- 
no's der Unterjchied jehr groß ift. Die Kırden 
zucht wurde zunächſt bei allen Parteien gleichmä— 
Big unmöglidy, die frühere Abfonderung ım xeben 
hörte mit dem Drude auch auf, und von den alten 
Sitten ift nur eine nody bemerfbare größere Ein: 
fachheit und Vermeiden des eigentlichen Luxus ge: 
blieben. Bon Einfluß aber war es, daß die Noth 
dazu trieb, einen Predigerftand aufzurichten, da 
durch den Mangel an geeigneten Lehrern viele 
Gemeinden zur reformırten Kirche übertraten. 
Die Amjterdamer Gemeinde zum Lamm jtellte 
zuerjt 1680 ihren Prediger Galenus Abrahams 
de Haan als theologischen Yehrer auf; die Schüler 
bejuchten dann das remonjtrantifche Seminar, bis 
1735 ein eigenes taufgefinntes Seminar ins Xe: 
ben trat, welches jeit 1801 der ganzen in Diefem 
Jahre vereinigten Amfterdamer Gemeinde, jeit 
1511 der „allgemeinen Nennoniten-Societät zur 
Beförderung des Predigtamtes” angehört. Die 
unabhängige Selbſtſtändigkeit der einzelnen Ge: 
meinen, die ſich durch ihren Kirchenrath vermwal: 
teten, blieb bejtehen ; ein Verſuch zu einer kirchli 
hen Organiſation der Taufgejinnten unter ver 
franzöſiſchen Herrſchaft kam nicht zur Durchfüh: 
rung; zur Zeit aber haben ſich alle Gemeinden an 
die 111 gejtiftete allgemeine Mennoniten: Socie: 
tät angeſchloſſen, welche eine jreiwillige Vereini- 
gung des Benteinden zur Förderung der gejamm: 
ten Intereſſen daritellen will und zunädjt das 
Seminar in jeine Obhut nahm, Allein aud) dieſe 
Bereinigung beſchränkt nicht die Freiheit der ein: 
zelnen Gemeinden bezüglich ihres Cultus und ibrer 
Gemeindeeinrichtungen. Ebenſo wenig giebt es 
ein gemeinſames Symbol; obwohl einige Anſatze 
gemacht ſind, ein Glaubensbekenntniß aufzujtellen, 
jo iſt immer das praltiſch-chriſtliche Intereſſe zw 
ehr vorwiegend geblieben, als dag die mennont- 
tiſche Lehre in bejondern Dogmen figirt worden 
wäre. Daher fonnten ihre Prediger das Remon: 
jtranten:Seminar beſuchen, und das Taufgefinn: 
ten:Seminar zeigt in der Reihenfolge jeiner Yeb- 
ter die wechjeinde Aufeinanderfolge der theologt: 
ihen Schulen und Richtungen. Yu erwähnen ıft 
noch, daB die Mennoniten:Gemeinde, zu Der ein 
großer Theil der am meilten Begüterten gehört, 


Menologion 


ſich bei allen gemeinnügigen Angelegenheiten aus: ı 
zeichnet; ihr Einfluß auf diefem Gebiete iſt ein 
bedeutender gewejen. Aus ihrer Mitte gingen 
hervor die maatschappy tot nut van het alge- 
ıneen, de Kwekschool voor de Zevaart, die Tey» 
ler'ſche theologiſche Geſellſchaft in Haarlem u. a, 
Stiftungen. Auch an der Miſſionsarbeit betheili— 
ligen ſie ſich und haben drei eigene Arbeiter auf 
Java. Ihre Anzahl iſt in dieſem Jahrhundert 
wieder von 27000 (1808) auf 42000 geftiegen. Die 
meiften (je 1000) wohnen in Friesland und Nord: 
olland, etwa 7000 in Dveryfiel und Gröningen. 
* Südholland finden ſich nur die Gemeinden zu 
Rotterdam u. Leyden; in der Prov. Utrecht nur eine; | 
in Geldern vier, nämlich Arnhem, Zütphen, Rym— 
wegen, Winterswyf; in Zeeland zu Middelburg und 
Bliſſingen. In Verbindung mit den pollänbilchen 
Gemeinden jtehen einzelne Mennoniten-Gemein: 
den am Niederrhein, von denenGrefeld die beveu: 
tendjte, während die andern allmählich ausfterben, 
und die Gemeinden zu Emden, Leer, Norden, Dam: 
burg, Altona und Friedrichsſtadt. Neben einzelnen 
Eolonien in Südrußland, Moldau, Siebenbürgen. 
und Ungarn, und Heinen Gemeinden im Eljaß fin: 
den fich größere Anfiedlungen von Mennoniten 
noch in Weftpreußen. Die neueſte Staatsgejek- 
gebung Deutſchlands (Berfafiung des Nordd. Bun: 
des) will ihnen die Befreiung vom Kriegsdienſt, 
welche ihnen bisher (in Preußen jeit 1802, — Be: 
freiung vom Amts- und Zeugeneide jeit 1827) ge: 
gen eine bejondere Steuer als Privilegium ge: 
währt war, fernerhin nicht zugeitehen. Ginzelne 
Gemeinden haben darum Auswanderung in Aus: 
fiht genommen, andere Mennoniten haben, jene 
Pflicht auf ſich zu nehmen, längit mit ihrem Ge: 
wiffen vereinbar gefunden, Vgl. außer M.’S im 
1. 8. feiner Werke abgedrudten Selbitbiogra: 
phie Wiegand, de anabaptismo. Leipz. 1552 
Schyn, hist. Christianorum qui M. appellantur. 
Amiterd. 1723. Hist. Menn. plenior deductio. 
Amjterd. 1729. Märtyrerjpiegel der wehrlojen 
Ghriften, Harl. 1615 u, 1631. Cramer, Het le- 
ven en de verrigtingen van Menno Simons. Am: 
jterd. 1837, (das beite Werk über M.). Hunzinger, 
dasrel. Kirhen:u. Schulwejen der M.,Speier 1831. 
Menologion i. e. Calendarium (bisweilen ; 
rahımdoioyıor). So heißen kirchliche Verzeichniſſe 
jämmtlicher Heiligen und Gedächtnißtage Des grie: ' 
chiſchen Kirhenjahres. Den Ramen der Heiligen find 
furze Nachrichten aus ihrem Xeben zugefügt und 
ed werden die betreffenden Bibelabjchnitte und 
Perikopen angegeben. Mehrere derjelben jind von 
hohem Alter. Zu den berühmteren gehört Das joge: 
nannte Menologium Basilianum : Menol, Graee. 
iussu Basilii Imp. graees olim editun — gr. 
et lat. prodit. Urbini 1727. od) bedeutender 
und wichtiger it: Mywokoyior row eUayy£kur 
&oprasrıxöw sive Calendarium eccles. Constan- 
tinop. primitus ex bibl. Kom. Albanorum in 
lucem editum cura 8. A. Morelli. 2 Vol. Rom. 
1788. ferner: Menol.ex versione Cardinalis Sir- 
leti in Canisii leett. antiquarum Tom. V., Me- 
nol, ex Menaeis Graecorum erutum et in lin- 
guam vern. versum a Maximo Margunio el, 
Anton, Pinellus. Venet. 1529, al. Allatius, 
de libris Graecorum p.83—86. Du Gange, Le: 
ricon u. d. A. Menaion, 
Menſch. Die Lehre vom Menſchen oder die An- 
thropologie ift für die Theologie von Wichtigkeit , 


651 


Menſch 


theils als die Grundlage der chriſtlichen Ethit, 
welche von der im 834 des Menſchen liegenden 
ſittlichen Beſtimmung auszugehen hat, theils als 
Beſtandtheil der Dogmatit, welche ſich vorzugs- 
weiſe mit der religiöſen Bedeutung des Venſchen 
beſchäftigt. Die ethiſchen Grundanſchauungen, der 
ſittliche Charalter und die ſittliche Kraft einer Re— 
ligion richten ſich hauptſächlich nach der höhern 
oder niedrigeren Auffaſſung des Menſchen. Dar: 
um iſt gerade das Chriſtenthum eine durch und 
durch ethiſche Religion, weil es die höchſt denkbare 
Auffaſſung von dem Weſen des Menſchen an die 
Spitze ſtellt. Einen hohen anthropologiſchen Begriff 
hat daſſelbe ſchon vom alten Teſtamente über— 
fommen. Der Schöpfungsbericht (1.Mof.1), welcher 
dieSchöpfung in Stufen vom Unvolllommenen zum 
Bolltommenen entjtehen läßt, jegt die Schöpfung 
des Menſchen auf die legte und höchſte Stufe, 
welche alle andern in fich aufnimmt und die Krone 
der Vollendung für das Ganze darjtellt. Obgleich 
noch in der Schöpfungsreihe ftehend ijt Doch ber 
neugeſchaſſene Menich das Kejultat einer bejondern 
Willensäußerung Gottes (1,26), er ijt Das Meifter: 
werf der Schöpfung ; das Urbild, nad) dem er ge: 
ſchaffen, ift Gott jelbit (1,27). Mögen auch im 
hebräifchen Begriffe des „Ebenbildes Gottes“ (j, 
d. A.) anthropomorphiitiiche VBorjtellungen im Hin 
tergrunde verborgen liegen, Die großartige Idee, 


welche ausdrücklich in dieſen Begriff hineingelegt 


wird, ift doch das Wort: „Machet die Erde euch 
unterthan“, welches jchlicht und beftimmt des Men: 
ſchen Eulturaufgabe vorzeichnet. Im zweiten Be: 
richte 1, Moj. 2 (vom Jehoviſten), welcher die 
Schöpfung des Menſchen an den Anfang jegt und 
diejenigen der übrigen Weſen alö Erſorderniſſe 
des menjchliden Dafeins folgen läßt, wird der 
Menſch als ein von göttlihem Hauch bejeelter 
Erdenkloß, aljo als ein gottverwandtes, mit ewiger 
Beftimmung verfehenes Wejen, in vergänglicder 
Hülle, geſchildert. Nichts deitomeniger hat das 
hebräiſche Denlen den Begriff des Menjchen in 
der Praxis nur einjeitig aufgefaßt. Seine religiöfe 
Bejtimmung wurde jo überwiegend betont, daß 
die jittliche oder allgemein menſchliche nothwendig 
in den Hintergrund treten, zulegt faft völlig ver: 
ihwinden mußte. Die der menjchlihen Natur 
eingeborenen, der Welt zugelehrten Kräfte fanden 
keine Bahn für eine freie Entfaltung; Die Ideen 
des allgemein menſchlich Guten und Schönen ver: 
loren ſich in der einjeitig gefaßten Idee vom Ge- 
horjam gegen Gott; das hebräiſche Volk hatte 
daher niemals eine große Entwidlung der Kunſi 
und Wiſſenſchaft und des gejellihaftlihen Lebens 


'aufzumeijen; ja die Auffaſſung der Religion alo 


Sejegesreligion nahm gerade den Nero einer 
roßen Qulturentwidlung, die jittliche Freiheit ge: 
—8 en — der Phariſäismus hat den Menſchen zur 
Maſchine gemacht und damit ſeine ſittliche Kraft 
zerſtört. Die Entwicklung der Idee des Menſchen 
hat bei den Juden die entgegengeſetzte Richtung 


eingeſchlagen wie im griechiſchen Alterthum. Wäh— 


rend der Grieche gerade die freie und harmoniſche 
Entfaltung der humanen Kräfte, die „Kalotaga— 
thie,, als jeıne menſchliche Beitimmung betrachtete, 
hatte doch jeine Humanität gar feine Beziehung 
jur Religion, wodurd fie des Mittelpuntts ent: 
behrte, und endlich ausartete in eine religionslofe 
Blafirtheit, Erft im Chriftentgum ift Die Idee des 
Menſchen in ihr wahres Licht gerückt worden. Die 


Menid 


Aufſaſſung jeiner Beftimmung, wie jie in Matth. 
5,48 ausgeſprochen iſt, tnüpft unverkennbar an 
die altteſtamentliche Vorſtellung vom Ebenbilde 
Gottes an, aber ſie iſt eine unendlich viel höhere, 
weil fie zum erſten Mal die in dieſem Begriffe lie: 
gende jittlihe Beſtimmung des Menſchen voll: 
ſtändig erfaßt. Jeſus bezeichnet die legtere „als 
die Bolltommenheit wie diejenige des Vaters im 
Himmel“, d.h. als etwas Abjolutes, und die menſch⸗ 
liche Aufgabe als ein bis ins Abfolute hinein: 
reichendes „Trachten“, d. h. als eine freie, aus dem 
Innerjten jich entfaltende, auf das Ewige zielende 
ſittliche Entwiclung. Aber der innerjte Trieb, aus 
welchem dieſe legtere ſich herausentfaltet, iſt die 
jveie Xiebe zu Gott, aljo ein veligiöfer, jo daß veli« 
giöfe und fittliche Entwidelung in den volljtändig- 
ſten, innerften Einklang mit einander gejegt find. 
Rach der Xehre des Herrn ift der Menſch „Kind 
Goties“ (Mtth.5, 45), ein Ausdrud welcher: 1) die 
gottähnliche Anlage, 2) die unendliche Beitimmung, 
3) die frei aus dem Innern fommende Entwidlung, 
4) die Einheit des Sittlihen und des Neligiöjen, 
in ſich einfhließt. Damit ift der Begriff der wah- 
ren, nicht einfeitigen Humanität, der Begriff einer 
ebenſo religiöjen als fittlihen Bolltommenpeit auf: 

ejtellt und damit einer Culturentwidlung, deren 
Seele und treibende Kraft das religiöje Leben ift, 
die Bahn geöffnet. Es ijt aljo fein wejentlicher 
Unterjchied zwiſchen dem Chriftliden und dem 
Humanen, jobald nur Beides richtig gefaßt wird, 
jobald man dem erjtern nicht eine eimfeitig religiöje, 
und dem legtern eine einjeitig weltliche Richtung 
gibt, In dem Durchdrungenſein des Sittlichen 
vom Religiöjen und umgeleyrt liegt für beide das 
menſchliche deal. Die chriſtliche Kirche aber ift 
vielfah von dieſem urdriftlihen Begriffe des 
Menſchen abgewichen. Eine dem Huntanen in der 
urchriſtlichen Idee vom Menſchen ſcharf mwider: 
ſtrebende Richtung war namentlich die kirchlich⸗ 
asketiſche: je mehr ſich ein ausſchließlich religiöſer 
Begriff vom Menſchen ausprägte, deſto mehr ver: 
ſchwand das fittlihe Element aus demfelben; die 
ſittlichen Aufgaben galten als rein weltliche und 
ummer mehr auch unchriſtliche; Che, Geſellſchaft, 
Staat, Wiſſenſchaft galten als fittlid mindeitens 
beveutungslos; das deal des Menſchen wurde 
der weltflüchtige Nönd. Während dieje Richtung 
beitimmend auf die Entwidlung der ganzen Kirche 
einwirkte, fämpften innerhalb der legtern ſelbſt 
jtetS zwei extreme Richtungen wider einander, von 
denen wir die eine die pelagianijche, die andere 
die auguftinifche benennen fönnen. Hebt die erjtere 
“ den linterjchied zwijchen dem deal und dem wirk⸗ 
lien Menſchen und ber Unendlichkeit jeiner Be: 
jtimmung fajt ganz auf, faßt ſie die Beitimmung 
nicht höher denn als ein gewifjes Maß von Tugen: 
den, welche man mit den uns zur Verfügung jtes 
henven Kräften mühelos erreicht, jo überſpannt 
dagegen der Auguftinismus den Gegenſatz zwifchen 
Beltimmung und der Kraft, diejelbe zu erreichen, 
jojehr, daß der ſittliche Werth des Menſchen fiber: 
haupt aufhört. Die Reformation ift wieder auf 
die urcpriftlichen Begriffe auch in Beziehung auf 
die Idee des Menſchen zurüdgelehrt. Sie hat vor 
Allem, ber astetifchen gegenüber, der fittlihen Rich: 
tung wieder ihre volle Bedeutung zurüdgegeben, 
jie hat Ehe und Staat, immer mehr aud das jo: 
ciale Leben, - ferner Kunjt und Wiffenfchaft von | 
einem ethischen Geſichtspuntte aus aufgefaßt und 


652 


ı tet, 


Menſchenſohn 


dadurch nicht wenig zur Entwicklung derſelben bei⸗ 
getragen. Wie fie ſelbſt theils aus humaniſtiſchen 
theild aus religiöſen Elementen hervorgegangen 
k jo hat fie auch beide Theile wieder einerjeits im 
ihre volle Berechtigung nebeneinander, jo daß fei- 
ner von dem andern beeinträchtigt wird, anderſeits 
in den richtigen Einklang mit einander gejegt, und 
auf diejer Zage wird auch in der Gegenwart eine 
ejunde Entwidlung der anthropologijhen der 
ortſchreiten müffen. Dabei wird fi der Brote: 
ftantismus vor zwei Abwegen, welche auch ihm 
drohen, ju hüten , einerjeitö der einjeitig 
pietiftiichen Auffafiung des Menſchen, welche dir 
Entfaltung des jüttlihen Lebens geringihägt und 
beichräntt, anderfeits der einfeitig humaniſtiſchen, 
welche eine religionsloje Sittlicteit als Jdeal be: 
trachtet und damit demjelben Scidjal verjält, 
dem einft die griechiſche Bildung verfallen iſt, dem 
Untergang in einer fittliden Blafirtheit. ©. d. 
Art. Ebenbild. Zur pſychologiſchen Betrachtung 
des „Menſchen“ vgl. d. Art. Geiſt, Leib, Seele. 
Venſchenſohn (o vloc toũ ardewWnou, — ohne 
Artitel Apot. 1, 18; 14, 14) iſt der Ausdrud, 
welchen Jejus ſelbſt am häufigiten zur Bezeichnung 
feiner Berjönlichteit gebraudt. Während bie äl 
tere Theologie einfad an das Wort ſich anſchlie 
hend, ohne feine hiftorifge Entitehung ins Aug: 
u fafen, darunter die menjhlide Natur Ehrigei 
im Gegenjat zu feiner göttlichen verjtand, iſt erit 
in neuerer Zeit der Ausdrud einer gründlidyen, 
hiſtoriſchen Beleuchtung unterworfen worden. In: 
dem man zurüdging auf den Gebrauch des or: 
tes im A. T., fand man in den meijten Stellen 
den Ausdrud on ja Synonym mit „WRenjd” 
überhaupt (Bf. 8,5;4. Moſ. 23, 19. Hiob 16, 21; 
25, 6), häufig nicht ohne die Rebenbedeutung dei 
Dinfälligkeit und Sterblichkeit, legteres ganz br- 
fonders bei Ejechiel (7,2; 8,5; 12,2 u. |.) und 
hat daraus theils die Bedeutung ber wealen 
Menjhlicpteit (Herder, Reuß, Dlshaujen, Weiße, 
Hofmann u. A.), theils diejenige des wirklich Renſch 
lichen mit den Eigenſchaften des letztern (Mille, 
Baur), im Gegenſatz zum „Gottesfohn“ abgelei- 
theils beide Bedeutungen mit rinanber ver: 
fnüpft (Schentel, Colani), Schon Ehemnig hat 
aber auf die Stelle Daniel 7, 13. 14 aufmertſam 
gemacht, und in neuejter Zeit hat man trotz Dei 
Einfprache von Schleiermader, Weiße u. A. dieſe 
Stelle immer mehr als die einzige Quelle des Aus 
druds betrachtet. Nachdem nämlidy dajelbit eine 
prophetiſche Bifion in vier untergehenden Thier 
geftalten den Untergang ber gögendienerijchen 
Weltreiche gejchilvert, läpt fie darauf ald Gegen: 
fag zu den Thiergeftalten einen Menſchenſohn 
in den Wollen des Himmels erſcheinen. Unter 
dieſer Geſtalt, wenn darunter zunächſt nad) vitzig— 
Hofmann u. A. nicht eine Perſon, ſondern das 
Gottesreich zu verjtehen ijt, wurde wenigjtens au 
eine Perſon erinnert, welche gleihjam das Sym: 
bol des Gotfesreiches bildet, und deren Identifi 
cirung mit dem „Meſſias“ nahe lag, wie denn 
auch die Apofryphiihen Bücher Henoch und Ejva 
dieje legtere vollziehen. Zu diefer Deutung panen 
nun aud Stellen wie Mtth. 9, 6; 12,8; 13, 41, 
16,27; 19,23; 24, 27 u. fj., in welden ohne 


| Zweifel damit eine höhere Mürde bezeichnet wei 


den fol; ebenjo johanneijhe Stellen, wir 3, 1% 
6,27. 8, 28. 12, 23. 32, 34. 13, 31. Unwaht 
fcheinlich aber ift e8, daß der Ausdrud von Dr 


Menichwerdung 


großen Maſſe der Zeitgenofjen Jeſu, namentlid) 
aber von jeinen Jüngern in —— ganzen Bedeu⸗ 
tung verſtanden worden iſt, ſonſt hätte die Frage 
Jeſu und das Bekenntniß Petri (Mtth, 16, 15 ff.) 
feinen genügenden Sinn; man nimmt daher viel: | 
fah an, dat Jeſus den Ausdrud abjihtlid als | 
einen joldden gebraucht habe, welcher den Meſſias— 
beruf nur unbejtimmt andeutete und deffen volle 
Bedeutung erft allmählich mit der. Entwidlung 
der Thatjachen beftimmter hervortreten jollte. * 
denfalls ſteht der Ausdruck in keinen» Gegenſatz 
zu dem Ausdruck, Gottesſohn“, wie die ältere Aus: 
legung gewollt hat. Erbezeichnet auch nicht fchlecht: 
hin ein —2 demüthiges Bewußtſein, ein Be⸗ 
wußtſein der Niedrigteit und menſchlichen Be: | 
ihränttheit, obgleich diejes allerdings, wie viele | 
namhafte Forſcher, jo de Wette, Bleek, Ewald, 
Werzjäder, Hilgenfeld, mit Betonung von Stellen 
wie Mtth.8, 20; 11.19; 12, 40; 17, 12; 20, 28; 
20, 18. 28 befonders hervorheben, jehr häufig in 
den Begriff des Wortes mit einzufliehen fcheint. | 
Das Wort bezeichnet den Beruf Jeju, das Got: 
tesreich auf@rden zu gründen, indem er gleichjam | 
die ſymboliſche Geftalt Daniel's ift, welche die Ver: | 
wirtlichung des Gotteöreiches daritellt; diefer Be: 
ruf ift ein Beruf der Hoheit, aber auch zu: 
gleich ein Beruf der Niedrigkeit, des Kampfes und | 
des Leidens; Jeſus ift zugleich derjenige, welder | 
„in den Wolfen des Himmels kommt”, und ber: 
jenige, der „nicht hat, wo er fein Haupt hinlegt“. 
So finden beide Seiten des Begriffs ihre hinrei- 
chende Erklärung. Ueber die jehr umfangreiche 
Yiteratur vgl. namentlih Holgmann in Hilgen— 
jeld'S Zeitichrift für wiſſ. Theologie 1865, wo 
der wifjenihaftliche Stand dieſer Frage volljtän: 
dig m etheilt ift. | 
nihwerdung ded Sohnes Goites. 3. Logos. | 

Menidenopfer. Waren bei den Iſrael nächit: 
liegenden Bölfern üblich als die höchſten aller | 
möglichen Opfer. Das mojaiihe Gejeg 3. Mof. 
18, 21 bielt für nöthia, fie ausdrücklich zu verbie: | 
ten, vgl. Ezech. 25, 26. Jeremias aber klagt 7,31, 
dab der Gräuel in Iſrael herridhend geworden | 
jei. Darauf, daß man dem Menichenopfer einen | 
bejondern Werth beilegte, weiit die Befchichte von | 
der Dpferung Iſaac's bin. Abraham muß die, 
Glaubensgewißheit gewinnen, daß es einen beſ⸗ 
jern Gottesdienſt ger als jold ein Opfer und | 
daR es in ihm nicht Selbitjucht, jondern dieſe beſſere 
Erkenntniß ift, welche jich weinert, den Sohn nad) 
Art heidniyherzrömmigteit ven Wöttern zu weihen. 

ensa capitularis und mensa episcopa- 
lis. Uriprünglid, bei dein gemeinſamen Leben Des 
Biſchofs und der Capitularen, diente das Stifte: 
vermögen zum gemeinjamen Ilnterhalt Aller. As | 
im 11. und 12, Jahrhundert diefe Gemeinjamteit 
ſich auflöfte, wurde jenes Vermögen zwischen dem 
Biſchof und den Capitularen getheilt ; des Erjteren 
Antheil, die mensa episcopalis, biihöflıdhes Ta: 
jelgut, ward nom biſchöflichen Vicedom verwaltet, 
der andere, für die Cavitularen beftimmte Theil, 
mensa capitularis ‚zerfiel in jo vielBräbenden, als. 
Stellen waren und unteritand der Verwaltung | 
des Vapites. 

Mensa pauperum, Zowohl vom biſchöflichen 
Tafelgut ald vom Capitularvermögen follte jtets 
ein beftimmter Theil für die Armen und für Wohl: | 
thätigkeitsanftalten zurücgelegt werden. Dieß iſt 
die mensa paupernm. 


155 


Mental:Rejervation 


Meuses papales, päpitlihe Monate. Das 
Recht des Papſtes, gewiſſe, in beſtimmten Dlona- 
ten zur Erledigung kommende Benefizien zu verge: 
ben. Seit dem 12, Jahrhundert war es Gebraud 

eworden, da bie Päpite durch Empfehlungs- . 
— (preces) Kleriker für erledigte Bene: 
fizien empfahlen. Wurde diejen Bittfchreiben feine 
Folge eben, jo folgte zunächſt Ermahnung, 
dann dereht (mandata de providendo), zulegt 
Erecution. Bald aber wurden, gegen das aus- 
drüdlihe Berbot der Verleihung von Anwart: 
ſchaften jeitens des Yateranconcilö von 1179, ſolche 
Mandate nicht bloß in Bezug auf wirklich erledigte 
Pfründen ertheilt, jondern auch bezüglich dem: 
nächit erft zu erledigender. Diefer immer jtärler 
werdende Mißbrauch —— die bitterſten 
Klagen der Nationen. Martin Veſetzte daher auf 
dem Coftniger Eonzil feit, daß abgejehen von den 
Zaienpatronatd: und Seelforgerpfränden, ſowie 
von den, durch bejondere Rejervate dem päpftlichen 
Stuhle ohnehin überwiejenen Pfründen, die Ver: 
leihung der Benefizien nad Monaten zwiſchen 
dem Bapjte und dem Bilchofe wechſeln ſollten. 
(Bal. v. d. Hardt, Coneil. Constant. I, 1022.) 
Das Bafeler Conzil (sess. XII. u. XXILL) be: 
jtritt zwar dieſes päpjtliche Recht, jomweit es nicht 
im Corp. iur. canon. enthalten, und wollte die 
päpftlihen Exſpectanzen ganz abgeſchafft wiſſen. 
Aber durch das Wiener Concordat von 1448 (zwi: 
ſchen Friedrich III. und Nikolaus V.) gelang es dem 
Bapite, indem er den drei geiſtlichen Churfür: 
ften durch bejondere Jndulte das Hecht der Bene: 
fisienverleihung in den päpſtl. Monaten gewährte, 
das Zugeftändnif zu erlangen, daß die in den 
ungeraden Monaten zur Erledigung kommenden 
Pfründen von ihm vergeben werden dürften, wäh: 
rend die Biichöfe in den geraden bejegten (Alter- 
nativa mensium). Wie ſchon das Tridentiner Eon: 
zil (sess. 24) alle Exſpektanzen abgeſchafft hat, jo 
wurde durch die neueren ftaatlihen Gejeggebun 
gen fowie die Concordate das päpftliche Berlei: 
bungsrecht überhaupt vielfach beſchränkt und zum 
Theil aufgehoben; für Preußen jedod) hat ſich der 
päpſtliche Stuhl durch die Bulle de salute anima- 
rum die Alternativa mensium für die Domprob: 
jteien und Canonicate vorbehalten. 

Menfurius, Biichof von Carthago. In der Dio— 
eletianiſchen Verfolgung (303) hatte er nicht nur, 
um ſich und der Gemeinde Unruhen zu eriparen, 
ketzeriſche Bücher unter dem Namen der heil. Schrif: 
ten ausgeliefert, jondern auch ſich der jhwärme: 
riihen Verehrung der in den Gefängnifien be: 
findlichen Confeſſoren widerjeht. Darüber jteltte 
ihn Biſchof Secundus von Tigijis, der Primas 
der numidiſchen Kirche, 305 auf der Synode zu 
Geuta zur Rede; jedoch wurde, da fait alle afril. 
Biſchöfe desfelben Verbrechens angeihuldigt wur: 
den, die Sache unterdrüdt. Auf eine neue gegen 
ihn erhobene Klage mußte fi M. in Rom 311 
verantworten. Er ſcheint dort fich gerechtfertigt 
su haben; auf der Rückreiſe ftarb er 311. Nach 
feinem Tode bejorgten die Gemäßigten in Gar: 
thago ein mögliches Uebergewicht der Strengeren 


unter den numibijhen Biſchöfen, und beeilten 


deßhalb die Wahl des dem M. gleichgefinnten Ar- 
—— Cäcilianus zum Biſchofe, womit die 
onatiſtiſchen Streitigleiten (ſ. d. A.) ſich eröff— 
neten. 
Mental⸗Reſervation nennt man * Vorbehalt 


Mepbibojeth 


Mephiboſeth. Des Namens wird erwähnt ein 
Sohn Saul's, der ven Gideoniten zur Sühne 
ausgeliefert wurde 2. Sam. 21,8 und ein Entel 
Saul’3, Sohn des Nonathan-(2. Sam. 4, 4), den 
David mit den Gütern Saul's um feines Vaters 
willen bejhenfte. Bei David's Flucht vor Abfa: 
lom jollte er noch Ziba's Anklage 2. Sant, 16,14 
ſich gegen ihm erklärt haben ; David ſprach dafür 
— Hüter dem Ankläger zu und als M. ſich recht: 
fertigte, hieß er diejelben zwiichen ihm und Ziba 
theilen. M. war lahm und gebrechlich. 

Merariten, das von Merari, dem Sohne Le: 
vi's (1, Mof. 46, 11. 2. Mof. 6, 18) fich herlei— 
tende Gefchlecht der Yeviten. Sie hatten nach der 
moſaiſchen Ordnung des Yevitendienjtes das Weg: 
ſchaffen der Bohlen, Riegel, Nägel, Säulen und 
Füße der Stiftshütte zu beforgen (4. Moj. 3, 33) 
und durften ſich dazu der Hülfe von 4 Wagen und 
8 Rindern bedienen. Beier davidiſchen Einrid): 
tung des Levitendienftes fielen von den 24 Ord⸗ 
nungen der Priefterdiener 9 auf Merari 1. Chr. 
24; 25; von den Sängern und Mufitern ftellte 
das Gejchleht 6 Ordnungen; an 2Familien wurde 
die Bewachung der ſüdlichen und weitlichen Thore 
des Tempels übergeben. l. Ehron. 27, 14, 


Mercator, Marius, Ein Kirchenichriftiteller des 
fünften Jahrhunderts, wichtig für die Kenntniß | 
per — und neſtorianiſchen Streitigkei⸗ 


ten. Seine Schriften, die nur in 2 Handſchriften 
(in Beauvais und im Batican) vowhanden find, 
gab zuerft heraus der Benedictiner G. Gerberon 
(unter dem Namen Rigberius). Brüfjel 1673abae: 
in der Bibl. Patr. Max. T.27, Fernere Ausgaben 
find die des Jeſuiten Johann Garnier mit Noten 
und Anmerkungen, Baris 1673, und die correctere 
des Stephan Baluze, Paris 1648, welde in der 
Bibl. vet. Patr. VIII. Baris 1346 von Neuem 
abgedrudt ift. Der Werth diefer Schriften beſteht 
in reichen Ercerpten und wortgetreuen leberjegun: 
gen aus Schriften ber befämpften Häretifer, ſowie 
in Notizen über Perfonen und Ereigniffe, Aus den 
gelegentlichen Berufungen auf Actenſtücke in ſei— 
nen Händen und der Haltung mancher jeiner Ar: 
beiten hat man geſchloſſen, daß er ein offizieller 
Agent der ihm perjönlich befreundeten ri 
Bıldhöfe Eoelejtin I., + 432, und Sirtus’ IIL, 
+ 440, in Gonftantinopel gewejen fei. Dazu 
jtimmt, daß fein Augenmert darauf gerichtet it, 
das Borgehen des römischen Stubles gegen die 
Häupter des Belagianismus, namentlich gegen Ju- 
lian von Eclanum zu rechtfertigen und defien Ver: 
urtheifuhg ae Bon jeinen Yebensum: 
ftänden erfährt man nur durch einen Brief Augu— 
ftin’d an ihn, (eine Antwort auf die Zujendung 
zweier Schriften gegen die Pelagianer), daß er da: 
mals (418) noch ein junger Mann gewejen, der 
ſich in Rom mit wiſſenſchaftlichen Arbeiten beſchäf⸗ 
tigte, und mit Auguſtin, wenn er nicht deſſen 
Schüler geweſen, doch von früherer Zeit her be— 
tannt geweſen ſein muß. Während Garnier ver— 
muthet, daß er in Italien geboren ſei, ſchließen 
Gerberon, Baluze u. A. aus ſeiner Bekanntſchaft 
mit nordafrikaniſchen Zuſtänden und ſeinem Ver— 
hältniß zu Auguſtin, daß er aus Nordafrika her: 
ſtamme. Da M. noch ein Excerpt aus einer Schrift 
Theodoret's gegen die epheſiniſche Synode von 
449 giebt und den Eutyches erwähnt, ſpätere Bor: 
gänge aber nicht mehr berichtet werden, jo ſchließt 
man, er jei zwischen 449 und 451 geftorben. Bl. 


655 


Meritum 


die Prolegomena in den verſchiedenen Ausgaben 
| feiner Werte. Tillemont, Memoires. Vol. XII u. 
‚AV. Schröfh, 8. G. 8. 15. 

Meriba (Hader), der Name zweier Orte auf dem 
Zuge Jiraels, an welchen beiden Mojes Wafier 
‚(das Haderwafler) aus dem Felfen ſchlug 2. Moi. 
‚17,1 und 4. Moj. 20, 13. Das erjtere hat den 

Beinamen Maſſah und lag bei Raphidim am Ho: 
reb. Die Lage des anderen in der Wüfte Zin bei 

Kades ift nicht näher zu beſtimmen. Untlar läßt 
‚die Erzählung darüber, wodurch ſich eigentlich 
Mojes verfündigt habe, joviel aber ſcheint gewiß 
zu fein, daß jein bisheriger Glaubensmuth -an: 
geſichts des Unglaubens im Volke gewankt hat (vgl. 
4. Moſ. 20,10 u. Bj. 106, 32, Bi. 95, 8), und eine 
Aenderung in dem — Angriffsplan hervor⸗ 
gerufen wurde, die Moſes den Ausgang zu ſehen 
nicht geſtattete. 

Merici, Angela (N. v. Brescia), die Taube von 
Salo. Geboren 21. März 1470 in Defenzano am 
Gardajer, und nach dem frühen Tode ihrer Eltern 
bei einen Oheim erzogen, verlieh fie deſſen Haus 
mit ihrer bald darnach verftorbenen Schweiter, un 
in ber Einfamleit einer beſchaulichen Andacht 
fi widmen zu können. Bon ihrem Oheim zurüd- 
geholt, trat fie bald nachher bei den Tertiarerin: 
nen bes Franzisfanerordens ein. Als ſolche un: 
terrichtete fie in Dejenzano mit einigen Gleichge: 
finnten kleine Mädchen mit jo großem Erfolge, daß 
fie ald Lehrerin nady Brescia berufen wurde, Auf 
einer Wallfahrt nad Paläftina erblindet, befuchte 
fie dennoch alle heiligen Stätten und erhielt auf 
der Rückreiſe auf der Inſel Candia durd) ein wuns 
derthätiges Cruzifix ihr Geficht wieder. In immer 
mehr entflammtem religiöjen Eifer, alö bereits der 
Ruf ihrer Heiligkeit ſich auöbreitete, jtiftete fie 
1535 unter dem Schuge der heiligen Urjula eine 
weibliche Genoſſenſchaft zur Erziehung der weib- 
lien Jugend und zur Pflege der Kranten und 
Armen, deren Mitglieder jedoch, wie die der Ter: 
tiarcongregationen,, weder befondere Kleidung 
und Wohnung hatten, noch auch das Keuſchheits⸗ 
ge abzulegen brauchten. Sie jelbjt trat an die 
Spige. Der Papſt Paul III. beftätigte diejelbe 
1544 und nannte fie nad) dem Namen der Batro: 
nin den Orden der Urjulinerinnen. Angela jtarb 
1540, Um den Bejit ihres Leichnams entitand ein 
Streit zwijhen den Domherrn und den Chorherrn 
zu S. Ara, jo daß die Vejtattung ſich 30 Tage 
verzögerte, während defien aber feine Verweſung 
eintrat. Sie ward 30, April 1768 jelig, 1807 hei: 
lig geſprochen. Vgl. Singel, Leben d.5. A, Nr: 
gensb. 1842, 

Meritum de condigno, de cougruo ijt die 
von —— Aquino aufgeſtellte, von der katholi— 
ſchen Dogmatik adoptirte Unterſcheidung im Ver— 
dienſtlichen der Werkte, die die Pelagianiſchen 
Grundſätze mit denen des Auguſtinismus verſöh— 
nen ſoll. Als eigentlich verdienſtlich gelten könne 
nur die That, bei welcher die göttliche Gnade wirle, 
der menſchliche Wille aber freithätig mitwirtſam 
jei. Diefen Werten muß Gott vermöge feiner Ge: 
rechtigkeit und feiner einmal gegebenen Verheißung 
den entiprechenden is eben, meritum de con- 
digno. Den bloß menſchlichen Werten aber fann 
wegen des großen Mißverhältniſſes zwiſchen Ge: 
Ihöpf und Schöpfer, Gott nur nad) Maßgabe fei: 
ner Giite(ex quadam congruitate) eine Belohnung 
geben, und fo fann der Menſch fie erwarten (me- 

42* 











" Merle d'Aubigné 656 Merjeburg 
ritum de congruo). So fann de condigno Nie: | bildete Juſel mit der gleichnamigen Stadt in Ae— 
mand als Chriftus einem Andern das Heil erwers | thiopien in der Nähe des heutigen Begerauieb, 
ben, aber de congruo lann dies dennoch der Fall nördlich von der Stadt Schendi, wo ein Priefter 
fein, merito congrui kann der Glaube des Men: ftaat mit eigenthümlicher Verfaſſung in ältefter 
ihen das Heil des Nächſten bewirken. Hieraus Zeit begründet war, den erſt Ptolemäus Philadel 
entwidelte ſich dann die Lehre von dem überflie: | phus Aegypten unterwarf. Eine unverfennbar 
benden Gnadenſchatze der Kirche, nad) der die | hervortretende Mebereinftimmung mit den ägyp- 
überverbienftlihen Werte des Einen dem Andern | tijchen er rief früher die Bermuthung 
Kamen werden können, daher Ablaß ıc. Die | hervor, daß M. die Ältere Culturftätte jei, von wo 
eformatoren bejtritten die ganze Untericeidung | aus Aegypten feine Bildung empfangen habe. 
mit Grund, weil fie unvermerkt doch das de con- | Das Verhältniß ift indeß das umgekehrte und M. 
gruo dem de condigno gleichitelle und ſowohl die wahrſcheinlich eine Kolonie von Theben, die durd) 
Mittlerſchaft Chriſti beeinträchtige, als die Ge: | ihr Heiligthum und ihre Lage an der Caravanen 
on beunrubige, die Sünder aber fiher made. | ſiraße eine große Bedeutung befam. 
erle D’Aubigne, Joh. Heine. Geboren 1794| Merom, See in Norbpaläftina. Wird gebildet 
in Genf, wohin feine Vorfahren bei der Aufhebung | von den Hauptquellflüffen des Jordan und eini- 


des Edicts von Nantes geflüchtet waren, ſtudirte 
anfangs in Genf, dann in Berlin. Seit 1818 Pre: 
diger der franzöfiihen Gemeinde in Hamburg, 
1823 von Wilhelm I. von Holland als Prediger 
an die franzöfiich » protejtantifche Hoffapelle in 
Brüffel berufen, gab er nad) dem belgiſchen Frei: 
heitötriege diefe Stellung auf und wirkt jeitden 
als Profeſſor der bijtor. Theologie an der 1831 
geftifteten theol. Zehranitalt in Genf. Die * 
des Reformationsfeſtes in Berlin, die in ſeine 
Studienzeit fiel, hatte in ihm den Entſchluß ge- 
wedt, die Sejchichte der Reformation zu fchreiben. 
Er führte denfelben aus in den Werten: Histoire 
de la reformation du 16me siecle, 5 Bde, Paris 
u. Genf 1835—53. 2, Aufl. 1861—62. Deutſch 
2. Aufl. 1866. Als gortjegung 
nicht vollendet: Histoire de la reformation en 
Europe au temps de Calvin. 1—5 Bd. Paris 
1863 —63, * Elberf. 1366—68. In einer le: 
bendigen und anidaulichen, von warmer religiöfer 
Begeifterun — Sprache geſchrieben, 
und von tiefen und umfallenden Studien Seven 
— ſichern dieſe Schriften dem Verfaſſer eine 

telle unter den erſten lebenden Kirchengeſchicht⸗ 
fhreibern. Außerdem erfchienen von ihm: La 
republique d’Angleterre aux jours de Cromwell 
(Paris u. Genf 1849) und Trois sieeles de luttes 
en Ecosse ib. 1849. Deutſch Leipzig 1850, ſowie 
Predigten. 

Merodad- Baladan, König von Babylon, ſchickte 
Gejandte an Hiskia nad defjen Krankheit und 
Geneſung Jef. 39, 1. Er wünſchte an ihm einen 
Berbündeten gegen Afiyrien zu gewinnen. Der 
Aſſyrer hatte nämlid das ſeit Nabopolaffar 747 
unabhängige Babylon wieder unterworfen, Me: 
rodah:Baladan hatte fliehen und einem aſſyri— 


ſchen Höflinge fein Neich überlaffen müfien. Wäbs | 


send die Meder nun Aſſyrien befriegten, hatte er 
fein Land wieder eingenommen und den Statt: 


halter erichlagen, und mußte einen neuen Angriff, 


der Aſſyrier vorherjehen. Hiskias konnte glauben, 
das eiferſüchtige Nebeneinanderftehen der beiden 


Reihe Babylon und Afigrien werde Yiraels Un: 


abhängigkeit beihügen, und jah nicht die Gefahr, 


die in dem Siege des nähern, aufftrebenden Nach⸗ 


barlandes lag. Merodach-Baladan ward wirklid) 
von Sanherib angegriffen und gejchlagen, dann 
durch Belibaö ermordet, der ih an jeine Stelle 
jehte, aber auch bald von Sanherib gefangen ge: 
nommen wurde, 

Meroö, in der Bibel Seba, Jeſ. 43, 3. 45, 14, 


dazu, leider noch 


gen Bächen; er liegt etwa 800 Barijer * über 
dem See von Tiberias, den der Jordan fernerhin 
durchſtrömt und 2! Stugden von erſterem entfernt 
Die Größe des Sees wird verſchieden angegeben, 
ı weil bei verjchiedenen Zeiten nicht mehr die ganze 
Thalebene von Wafler bededt tft, vielmehr an deu 
Nändern durch die einfließenden Gewäſſer Ab 
lagerungen von Schutt und Marjhland, ſowie 
ı Sümpfe fich gebildet haben. Die Angaben ſchwan 
fen zwiſchen 4—7 engl. Meilen für ben breiteren 
Norbrand, für die Länge zwiſchen S—10 Meilen. 
Sein heutiger Name ift Bahr el Hüleh d. i. Ser 
der Thalebene. Am See Merom ſchlug Jojua den 
ı Amoriterlönig Jabin von Hazor mit feinen Ber 
‚ bündeten. Yor. 11, 8.7. 
Meros, Richter 5, 23. Ein ſonſt in der Bibe 
nicht erwähnter Ort in Norbpaläftina, deifen Br 
wohner der Deborah und Barak im Kampf gegen 
| die Kanaaniter nicht zu Hülfe famen, weshalb der 
Fluch der Deborah fie traf. Hieronymus hat in 
der Gegend noch ein Dorf Merrus gefannt, dod 
iſt die Identität unerwiejen und bejtritten. 
Merieburg. — die Lieblingsreſiden; 
Kaiſer Heinrid’s I., in deren Nähe bei Keuſch— 
berg er 933 die Hunnen befiegt hatte, ward dur 
Dtto I. nady einem Gefübde, welches er in ber 
Schlacht auf dem Lechfelde 954 gethan hatte, zum 
Biihorsfig erhoben, Die mwirklide Gründung 
wurde durch den Widerftand des Erzſtifts Magde 
burg bis 968 —— In dieſem Jahre ward 
| die Stiftung von Merjeburg, Meiſſen, Zerbit mit 
‚der Bejlimmung ald Anhaltspunfte der Miffton 
| unter den Wenden zu dienen, zu Ravenna geneb: 
migt. Der erfte Biſchof war Bofo, der fih um 
‚bie Belehrung der Slaven roße PVerdienfte er 
warb. Als jein Nachfolger Gifilar 982 Erzbiſchof 
von Magdeburg ward, wurde, da die Hirhengeiege 
den Uebergang von einem Biihofsfige auf dem 
‚andern verboten, mit —— Kaiſer Di: 
to's II. das Bisthum M. aufgehoben und 3* 
Meiſſen und Zeitz getheilt. Indeſſen hatten ſchon 
zu Giſilar's Lebzeiten Otto III., ſowie die Päpfte 
Gregor V. und Silveſter II. das Bisthum wieder 
—*— verſucht, die em Politik des Er; 
iſchofs jedoch immerdas Öelingen zu vereiteln ae 
wußt; nach jeinem Tode aber 1004 ftellte eö Dein: 
rich UI. fofort wieder her. Diejer legte aud LOL. 
den Grundftein zur Domkirche. Unter den Biſchs 
fen ift Thietmar (1009—1018) durd) jeine Chro: 
init, die wichtigſte, weil einzige bedeutendere, 
ı gleichzeitige Quelle für die Geſchichte der jpäteren 





ift die von den beiden Nilarmen, dem Ajtapus ſächſiſchen Kaijer, berühmt geworben. Bekannt ift 
Bahr⸗el⸗ Azrak) und dem Ajtaboras (Atbara) ge- Biſchof Ihilo von Trotha F 1514, durd Die Sage 


Meſchhed⸗Ali 


von ſeinem Raben, in deſſen Neſt zu ſpät ein 
Ring gefunden wurde, nachdem der Biſchof einen 
Diener als den vermeinten Dieb hatte hinrichten 
(afien. Die Reformation drang in das Stift ein un: 
ter Bifhof Sigismund von Lindenau F 1544. Nach 
deſſen Tode erhielt auf den Wunſch des Herzogs 
Morig von Sachſen fein Bruder — die wertliche 
Adminiftration, während die geiftliche dem Fürften 
Georg von Anhalt übertragen wurde, den (2. Aug. 
1545) Luther und Melanchthon zum Biſchof ordi⸗ 
nirten. Nah der Schadht von Mühlberg 1547 
mußte Georg fein Bisthum verlaflen, von dem 
nun ber vom Kaijer bereitö 1547 emannte Mi: 
chael Sidonius —— der letzte katholiſche 
Biſchof, Beſitz nahm 15 1561. Nach dem früh: 
jeitigen Tode des auf Sidonius folgenden Admi- 
niftratord Alerander von Sachſen 1565 führte 
jein Better, Churfürft Auguft die Adminiſtration 
fort. Eine Convention von 1561 


ſonderten Stiftäregierun 
Stift verpflichtet, nur y 


Eine neue Convention von 1751 bezeichnete den 
jedeömaligen Churfürften als oe Senn be: 
ließ aber im Nebrigen das Kapitel im Befit feiner 
Rechte. 1815 fam M. mit dem größten Theil jei- 
ned Gebietes an Preußen. Das evangelifhe Dom: 
itift wurde auch jegt noch beibehalten, jeine Um— 
wandlung zu Nugen und im Geifte der evangeli« 
ihen Kirche ift gejeglich in Ausficht geftellt. Vgl. 
Thietn. Merseb. Chronicon bei Bert Mon. Script. 
II. 733 sqg. Schmedel, Hiftor. topogr. Beſchr. 
des Hochſtifts M., Halle 1858. 

Reihen: Ali (Grab Ali's, des Stifters der 
Schiiten, vgl. d. Art. Muhammed) und Meſchhed⸗ 
Hoflein (Grab H.'s, des Sohnes Ali’s), in der, 
Nähe der Ruinen von Babylon gelegen, die be: 
rühmteften Wallfahrtöorte der Schüiten. Nach bei: 
den Orten werben jährlich Taufende von Leihen 
sur Beitattung gebracht. 

Meich, Bölterftamm, in der Bibel immer in 
Verbindung mit Tubal genannt, 1. Mof. 10, 2. 
Ce. 27,13;32,26, find die Moscher der klaſſ * 
Schriftſteller, die Bewohner des moschiſchen Ge: 
birges, welches zum Kaulaſus gehört. Sie werden 
—— als tapfere, aber nicht unbefiegbare 
Arieger und ald Handelsleute, die nah Tyrus 
Stlaven und eherne Geräthe brachten. Dazu paßt, 
daß die bezeichnete Gegend des Kaufafus reich an 
Supfergruben ift und bis in unjere Zeit Menfchen: 
handel trieb. | 

Mefopotamien. Das Land zwifchen dem Eu: 
vhrat (Meftl. Grenze) und Tigris (Deftl. Grenze), | 
Im Rorden begrenzt durch das Taurus:Gebirge. | 
Ton dem nördlichen, von den Ausläufern biefes | 
Sebirges durchzogenen Theile aus, dacht es ſich 
allmählich ab bis zu der Tiefebene Sinear an 
»er Bereinigung der beiden Flüſſe. Je weiter 
vom Gebirge und von den Flüſſen entfernt, defto 
mehr gewinnt M. den Charakter der Wüften: 
ſteppez jo weit aber durch Kunft und Natur 
eine Bewäflerung hergeftellt werden konnte, ent: 
widelte ſich ungeheure Fruchtbarkeit. In dem 
fruchtbaren Norden ift Ur und Haran zu fur 
hen, wo Abrahams Stamm fich anfievelte, als | 
er den Urſitz im den armeniichen Bergen ver: , 
(affen Hatte. Im Süden war das babylonifche 





657 


Meirob 


Reid gegründet worben, welches um 1280 in das 
neu entitandene aſſyriſche Weltreich aufging. Auch 
die Herrfchaft der fgrifchen Könige dehnte ſich über 
einen Theil M.'s aus. 2. Sam. 10, 16,19. Ein 
—— Reich hat das ganze Gebiet wohl niemals 
gebildet, auch der Nicht. 3, 8. 10 als König von 
M. erwähnte Eufchan : Riihataim hat fchwerlich 
das ganze Land beherricht, ſondern war wohl nur 
affyrifcher Statthalter. Nach dem Sturz des af: 
ſyriſchen Reiches um 600 v. Chr. fiel M. an Ba: 
bylon (feit 747 wieder unabhängig), dann an 
Perfien, an Syrien und war Jahrhunderte lang 
der — — und Kriegsſchauplatz der 
Armenier, Römer und part bis Garacalla 217 
—— es dem römiſchen Reiche einverleibte. 637 
—4l eroberten bie Araber das Gebiet. 1258 gina 
ed an die Mongolen, dann an bie Berfer über, die 
es 1648 den Türken überlaffen mußten. Berühmte 


hatte unter Wah: | Städte in M. find Babylon, Karkemifch (Circe 
rung der von der landesherrlichen Gewalt abge: 
und Berfaflung, das 
tinzen bes ſächſiſchen 
Haufes zu Adminiitratoren zu wählen; diejelbe 
wurde im weſtfäliſchen Frieden 1648 betätigt. | 


fium), Edeffa (f. d. A.), Nifibis, einft Metropole 
des riftlihen M.'s, Pethor, die Stadt Bileam's 
4. Mof. 22, 5. Ueber die Einführung bes Chri- 
ftenthums ift nichts Sicheres befannt; der Trabi: 
tion zufolge foll Petrus fih nah Babylon ge: 
wandt haben (vgl. 1 Betr. 5, 13). Die Menge ber 
Juden, die durch die Berpflangung in die babylon. 
Sefangenichaft bortihren Wohnfig erhalten hatten, 
erleichterte jedenfalls auch die Bildung chriftlicher 
Gemeinden, die jedoch in den Stürmen der per: 
ſiſchen, arabifchen und türkiſchen Herrfchaft wieder 
jerfallen mußten. Val. Forbiger, Handb. deralten 
Geogr. II. 625, 

eirob (Mjeſrob) auch Mafchtoz genannt, der 
armenifche Bibelüberfeger, ift in der Mitte des 
vierten Jahrhunderts in einem Dorfe ber Provinz 
Taron geboren. Erſt Secretär des armenifchen 
Patriarchen, Nerfes des Großen, jeines Lehrers, 
ward er Divanfchreiber (Staatäjecretär) am Tö: 
niglihen Hofe. Nachdem er dieſe Stellung 7 Jahre 
innegehabt, ging er in ein Klofter und, weil er 
auch da feine Befriedigung fand, in eine Einöde, 
wo fi eine Schaar junger Leute als Schüler um ' 
ihn fammelte. Unter der Regierung des Königs 


Vramſchapuh erhielt er von dem Katholilos Sa: 


hat (Iſaak) dem Großen den Auftrag, ald Miffio- 


nar das Evangelium zu verfündigen, wozu ihn 
‚ feine Sprachkenntniß vorzugsweiſe geſchickt machte. 


In diefer Thätigkeit empfand er ſchmerzlich den 
Mangel einer armenifchen Bibelüberjegung; die 
von den Beiftlichen gebrauchte fyrifche nämlich war 
dem Volke unverftändlih. Um aber eine ſolche 
verfaflen au können, war es zunächſt und zuerſt 
nöthig, ein armenifches Alphabet zu jchaffen. Nach 
jahrelangen vergeblihem Bemühen, die ihm mit: 
—— Erfindung eines ſyriſchen Prieſters nutz— 

ar zu machen und nach vielen ebenſo vergeblichen 
Verſuchen, durch Hülfe anderer ſyriſchen Gelehrten 
ein für das Armeniſche paſſendes Alphabet auf: 
zuftellen, fol er endlich zu Samofata 406 nad 
inbrünftigeun Gebete im Gefichte geſehen haben, 
wie eine Sans die erfehnten Scpriftrüge in einen 
Felſen eingrub. Sofort begann er nun mit diefer 
Schrift die Heberfegung der Sprücdmörter und 
des N. T., und Kr nach jeiner Nüdfehr in bie 
Heimath auch die arınenifchen Werke, welche mit 
ſyriſcher Schrift gefchrieben waren, um fie nugbar 
gu machen, in der neuen Schreibweife, die auf Befehl 

ed Königs im ganzen Lande eingeführt wurde, um: 
ſchreiben Als nah dem Tode des Königs die Per 


Merialianer 


fer das Yand unterwarfen und mit Gewaltmaß: 
regeln gegen die Chriften den Feuerdienft ein: 
führten, verließen Meſrob und der Katholitos 
Sahak die Heimath. Mit Genehmigung des Kaifers 
Theodofius des Kleinen und des Patriarchen At: 
ticus zu Gonftantinopel fonnten fie im griech: 
ſchen Armenien ihr Werk fortjegen. Auf ihre Bitte 
empfingen fie von Eonitantinopel eine griechiſche 


Handſchrift der h. Schrift, wonach die bisherige aus | 


dem ſyriſchen angefertigte Ueberfegung verbeffert 
wurde. Die ebenfalls überfandten üturgiſchen 
Bücher der Griechen wurden, ald nad) dem Auf: 
hören der Verfolgung in Armenien, Sahat und 
Meſrob dahin zurüdgetehrt waren, hauptjächlich 
von legterem, zum Gebrauch der armenifchen Kirche 
überjegt und bearbeitet. Mejrob ftarb 441 als 
Verwalter des Patriarchates einige Monate nad) 
jeinem Freunde Sahat. Eine frit. Ausgabe ihrer 
Vibelüberfegung erihien Venedig 1805. 4 Bde. 
Vgl. Naumann, Verſuch einer Si. d. armeni: 
ſchen Yiteratur. Lpz. 1836. 

Meffalianer, Yon dem hebräiſchen Mezal, 
Betende, ift der Name dreier ganz verſchiedener 
Secten: 


658 


Meſſe 


mãhlich verſchwanden. Gegen fie ſchrieb am aus: 
führlichſten Amphilochius von Jconium, Val. Epi- 
phanius haer. 80. 
3. Eine thracifche, mit den Paulicianern in 
Verbindung ftehende gnoftiiche Secte des 10. Jahrb. 
von denen ein Zuſammenhang mit den Eudhiten 
behauptet wird. Bal. Mid. Piellus, reoi Eree- 
ı yelag duuuovww durkoyog. Par. 1615. Nürnb. 
18838, Giejeler, 8. G. 2. 1. 401. 

Meffe. Bon dem Rufe „ite, missa est‘* (eccle- 
sia), mit weldem das Ende der gottesdienftlichen 
\ Feier, an der auch ben Ungetauften Theil zu neb- 
men erlaubt war, angefündigt wurde, erhielt der 
ı Theil des Gottesdienftes, welcher die ‚Feier bes 
Abendmahls umfaßte, den Namen Meſſe, jo daß 
' Luther no den evangelifhen Abenbmahlsritus 
unter dem Titel der deutfchen Meſſe anordnen 
fonnte. Da das Wefentlihe der Feier in dem 
Vorleſen beftimmter Gebete und Formulare durch 
| den Priefter befteht, jo wird die Handlung bezeich 
net als „Mefle lefen“. Das gegenwärtige Met: 
ritual rührt im Wefentlichen von Gregor I., d. Gr, 

590—604 her. War die von ihm vorgejchriebene 
Liturgie aud) im Abendlande faft allgemein ange: 





t 





1. Eine nicht hr’ftliche Religionsparteiin Alein- nommen worden, fo entftand dod im Laufe der 
afien in der Mitte des 4. Jahrh. Bon ihnen wird Jahrhunderte eine ganze Reihe bejonderer Meh- 
(Epiphanius, haer. 80) berichtet, daß fie zwar die bücher und damit eine ſolche Verwirrung im Eul: 
Götter anerkannt, aber nur Einen Gott als den tus der einzelnen Yänder, daß dad Conzil von Trient 
Allmächtigen verehrt, an den fie in ihren Bethäu: es ald nothwendig erfannte, ein gleihmäßiges für 
jern Gebete und Xoblieder gerichtet hätten. Nach | die ganze Kirche geltendes Mefritual herzuftellen, 
Kyrill von Alerandrien war es eine deiftifche Ge: | und mehrere Bifhöfe mit dem Entwurf eines jol: 
meinſchaft, die des groben Heidenthums überdrüf: | hen betraute. Da indeh hierüber feine Ueberein 
ſig geworden, nur noch formell den Glauben an | itimmung erzielt werden fonnte, übertrug die Ber: 
mehrere Götter fefthielt, ebenfowenig aber das | jammlung die Löfung diefer Aufgabe dem Pabiı. 
chriſtliche Prinzip verjtand und ſich ähnlich wie die | Pius V ernannte demzufolge zur Erledigung der: 
Hyyſiſtarier (vgl. d. Art.) mit einigen dem Juden: | jelben eine befondere Congregation, deren Wert, 
tbum und dem Sellenismus entlehnten Gedanten | 1570 genehmigt und verfündet, mit geringen 
und Anſchauungen begnügte, dabei aber die Eul: | unter Clemens VIII 1604 und Urban VIII 1634 
tusform der Chriften nachahmte. Da fie hin und | vorgenommenen Aenderungen das heute allgemein 
wieder von hriftlihen Beamten verfolgt wurden, | gültige Mekritual ift. Ueber die Erhaltung ber 
jo durften fie aud von ihrem Märtyrerthum reden. Heine deffelben wacht die von Sirtus V 1587 
Bol. Wald, Kegerhiftorie. III. 481. | eingelegte Congregatio rituum, Mit wenigen Aus- 

2. Myſtiſche Enthufiajten der zweiten Hätfte | nahmen find alle in demje.ben enthaltenen For: 
des vierten Jahrhunderts, aud) Euditen (Beter), | mein und Gebete aus dem Brauch der alten Kirche 
Enthuſiaſten, Pnewmatiter (nreöue Geift), Eho: | übernommen und laſſen noch jehr deutlich erfennen, 
reuten (Tänzer), nach ihren Führern Lampetianer, | daf Sinn und —— der Abendmahlsfeier ur: 
Marcianiften, Adelphianer zc. genannt. Ihre ſprünglich ein von der Meffe jehr verfchiedener ar- 
Richtung war eine Folge des Umſchlags der über: weſen ift. Nach dem jegigen Ritus wird die Feier 
triebenen Mönchsaſteſe in einfeitige Innerlichkeit, | eröffnet dur das fogenannte Staffelgebet des 
der Meberreizung einer durch kirchliche Streitig: | Priejterö, welches er an den Stufen des Altars, 
keiten aufgeregten Zeit und der Ueberfpannung | abwechjelnd mit dem Miniftranten (Meßdiener) 
des Glaubens an die Einwirkung der Dämonen. ſpricht. Daffelbe befteht aus dem Antipbon (Pi 
Wefentliches Merkmal jener Möndhsbanden war 43, 4), dem ganzen 43. Pſalm, der Heinen Doro: 
Veradtung der firdlihen Formen, der Taufe, | logie und dem Spruche Pjalm 121,2 (in den Tod- 


des Abendmahls, des Fajtens zc. und Gleichgültig: 
feit gegen die Geboteder Sittlichkeit. Nur durch an: 
haltendes Gebet, lehrten fie, würden die Dämonen, 
unter deren Herrichaft der Menſch jteht, überwun: 


den, der h. Geift ſichtbar und fühlbar in die Seele | 


aufgenommen und derMenic befähigt, in Traun: 


tenmeflen und in der Charwoche bleibt jedoch nur 
der Antiphon). Dieran ſchließt ſich das Sündenbe: 
lenntniß mit der Abbitte. Wenn unter leife geſpto— 
chenem fernerem Gebete um Vergebung feiner Sün: 
den der Briejter den Altar beftiegen hat, beginnt 
die eigentliche Handlung mit dem Introitus, be 





arfichten die Zukunft vorherzufehen. Urſprünglich jtehend aus einem nad) den verſchiedenen kirchlichen 
sahlveich in den ſyriſchen KHlöftern, zogen fie fpä: Zeiten wechielnden einleitenden Sage, dem ein Bers 
ter im Lande umher, und lebten, als die erjten | aus den Pſalmen und die feine Dorologie (f.d. A.) 
Bettelmönde, von Almojen. Zwar bildeten die | folgt; daran ſchließt ſich das dreimal wiederholte 
M. weder eine geichlofiene Secte, noch wollten fie | Kyrie eleison (Herr, erbarıme dich unjer) und die 
den Lehren der Kirche entgegentreten, und erft | große Dorologie (Gloria),die jedoch in den Privat 
Spätere geben ihnen gnoſtiſche Irrthümer Schuld, votivmeſſen, an den Tagen kirchlicher Trauer und 
vennoch jchritt man jo ernftlich gegen fie ein, daß in Todtenmeffen ausfällt. Auf das dominus vo- 
Abit ihre Klöfter verbrannt wurden, bis fie alle. biscum (dev Herr fei mit Euch), mit welchem ſich 


Meile 650 Meile 


der Briefter an die®emeinde wenbet, indem er zu: | Babft, die Biſchöfe und die Gläubigen, für dieAn- 
aleich die Aufforderung zugemeinfamem Gebet, Ore- | wejenden in der Meſſe und die Opfernden oder 
mus (laßt uns beten), an fie richtet, folgen Oratio | jonftige Wohlthäter, deren Namen früher aus den 
und Commemoratio oder Collecten (kurze Gebete, | Diptychen verlefen wurden, endlich für die, deren 
die gewöhnlid irgend einen einzelnen befonderen | der Briefter beſonders gedenken will, und be Eure 
Gegenftand en bee 5—7 fein fönnen; ba: | dabei auf die Verdienſte Maria’s, der Apofte und 
nad) die Verlefung der Epiftel (gewöbnlich ein Ab: | der andern ıpeiligen, deren 12, ſämmtlich ber älteften 
ihnitt eines apoftolifchen Briefes) und am Schluß | römischen Gemeinde angehörig, namentlich genannt 
derjelben das Deo gratias (Gott fei Dank!) vom | werben. Das folgende Gebethane igitur per obla- 
Meßdiener rejpondirt; dann entweder Graduale | tionem bittet, daß Gott um der Opfergaben willen 
(bejtehend aus einer Schriftftelle mit zwei Verfen) | die Gläubigen zur ewigen Seligkeit berufen möge. 
mit dem Alleluja und (bei den Meffen an hohen | Das dritte Gebet erfleht die®nade der Wandlung, 
Feſten) der Sequens (kirchliche Fefthymnen) oder | die dann, nachdem der Gemeinde ein Zeichen mit 
mit einem Tractus mit und ohne Alleluja, der aus | der Schelle gegeben, ftattfindet. Der Prieſter ſpricht 
einem Spruch und zwei Berjen befteht. Nach der | über die Hojtie die Einfekungsworte hoc est cor- 
Sequenz, oder wo dieſe ausfällt nach dem Gra: | pus meum, das ift mein Yeib ıc. (Consecratio), 
duale wird das Evangelium gelefen, dem das Ge: | beugt dann das Knie und betet den num in ihr an: 
bet munda cor meum ing mein Herz) vorauf: | wejenden perfönlichen Chriftus an; darauf erhebt 
geht und welches mit der Antwort des Mefdie: |er fie und at fie der Gemeinde zur Anbetung 
nerö laus tibi Christe (Lob dir, Chriftus)befchlof: | (Elevatio). —— verfährt er mit dem 
ſen wird. Das Credo (Glaubensbelenntniß), vom Kelche. Nach der Wandlung folgt das vierte Gebet 
Priefter geſprochen und in feierlicher Meffe gleich: | Unde et memores, wiederum ein altes Oblations: 
zeitig vom Chor gefun en, jhließt den erſten Theil | gebet, daß Gott diefe Gaben, das Brod des Lebens 
der Meſſel die alte effe der Katehumenen.). Mit | und den Kelch des Heils gnädig aufnehmen möge. 
einem Dominus vobiscum und ber erneuerten Auf: | Der Gebetöact des Canon ſetzt ſich durch das fünfte 
forderung Oremus leitet fid) die missa fidelium, | Gebet (Fürbitte für die Berftorbenen) und das ler 
die Meſſe der Gläubigen, eröffnet durch das Offer- | jte (um Gemeinſchaft mit den Heiligen um Chrifti 
torium, ein. Es ift dies der Opferakt der alten ] willen) fort und jchließt fireng genommen mit dem 
Kirche, bei weldhem die Gemeindeglieder ihre Obla- | (aut gejprochenen Pater noster (Bater unfer) und 
tionen, Brod und Wein, auf den Altar legten und | dem Gebete libera nos (eine Erweiterung der vr 
fie in Gebet Gott als Symbole der dankbaren | ten Bitte des V. U); doch wird im heutigen Meß: 
Liebe aufopferten. Das Offertoriumgebet, beftehend | buch noch alles Folgende bis zum Schluß der Mefje 
aus einigen Pjalmverfen, bezieht ſich noch hierauf. | zum Canon gerechnet. Nah den nun folgenden 
Während der eigentlichen Oblation der Gaben, d. | Handlungen des Priefters, dem Brechen der Hoftie 
h. während der Aufopferung des Brodes, der Ber: | inzwei Theile, von welchen ein Bartikelin den Kelch 
miſchung des Weines mit Waffer,der dandwafchung | gelegt wird, dem Friedensluß (f. d. A.) und dem 
und anderer Cerimonien find fünf Gebete (aus der | mit 3 ftilfen Gebeten, DomineJ. Chr., qui dixisti 
mozarabifhen Liturgie ſtammend) mit leifer Stim: | apostolis tuis, pacem meam (Gebet um Friebe und 
me zu ſprechen. Den Schluß des Offertortums bil: | Einheit) — Domine J. Chr. fili — Perceptio cor- 
det die Secreta (Stillgebet), in Anzahl und Reihen: | poris tui (um Zumendung des Communionjegens), 
folge mit den Orationen vor der Epiftel übereinftim: | verbundenen agnus dei (nochmalige Bitte um Ber: 
mend, Ein neues dominus vobiscum und die. Auf: | gebung der Sündenſchuld) folgt die Sumtio, der 
forderung sursum corda (erhebt eure Herzen) Kin: | Bean der Hoftie und des Helchesunter entiprechen: 
digt den Fortſchritt der Handlung, den Beginn der | den Sprüchen und Gebeten, Hierauf wird Die Com: 
eigentlichen Meſſe an. Eingeleitet durd) das dig- | munion, nachdem —* Misereatur, Indulgen- 
num et justum (würdig und recht ift es, daf wir | tiam und ecce agnus dei (Gebet um Sündenver: 
dich anbeten ꝛc.) beginnt die Bräfation (wofür es gebung) geſprochen ift, den dieſelbe etwa verlangen: 
nad) den verſchiedenen Zeiten des Kirchenjahres | den Gemeindegliedern unter den Worten: Corpus 
11 $ormulare giebt), ein Danfgebet für die gött: | domini nostri J. Chr. (der Yeib er ai bewahre 
fihen Wohlthaten; fie fchließt mit dem dreimal | deine Seele zum ewigen Leben) gejpendet. Nach 
wiederholten Sanctus (heilig ift der Herr!). Das | der Communion und dem Gebet quod ore sumpsi- 
bisherige bildet den Ordo missae, der in feinen | mus (um die Zuwendung der faframentalen Gnade) 
sinzelnen Beftandtheilen veränderlich iſt; es folgt folgt die Purifilation (Ausſpülung des Kelches mit 
nun der Canon missae d. h. die unveränderliche ungeweihtem Wein) und mit dem, den Gedanken des 
Richtſchnur, nad) welcher die DOpferhandlung der | vorigen fortjekenden Gebet corpus taum domine 
Meile vollzogen werden foll. Der Ganon, urfprüng: | die Ablution des Daumens und Zeigefingers Über 
lid nur aus den Einſehungsworten Chrifti beim | dem Kelche. Der dazu verwendete Wein wird bei: 
Abendinahl und einer — beſtehend, hat demal genoſſen. Es wird darauf die Communio 
ſich zu feiner jetzt üblichen Form wahrſcheinlich all: | geleſen, eine Antiphonie, die man ſonſt während der 
maͤhlich entwidelt. Gregor d. Gr. nennt einen Scho | Abendmahläfeier fang. Dann beginnt der Schluß: 
fafticus (d. 5. gelehrten Theologen) ald Verfaffer. | theil der Deffe, in erweiterter Bedeutung aud) 
Er wird in der lateiniſchen Kirche mit ausgeipannten | Postcommunio (Nahfommunion) genannt, ur: 
Armen und leifer Stimme, bei den Griechen laut | fprüngli die Dankfagung für die Communican: 

ebetet und hat 3 Haupttheile: die Gebete vor ber | ten. Nach dem dominus vobiscum folgt die eigent- 
Benblung, die Conjecrationsformel und die Ges | liche posteommunio (ältere Bezeichnung: oratio 
bete nad) der Wandlung. Bor der Wandlung bittet ad eomplendum, ad compl., Complenda), eine 
vas Gebet te igitur clementissime pater, in wel: | Reihe Gebete, in der Zahl den Collecten und der 
chem bie commemoratio pro vivis und dad Gebet Secrete entſprechend. Es folgt das Ite, missa est 
vommunicantes inbegriffen ift, für die Hirche, den (Gehet, fie ift beendet, d.h. die Meſſe) mit der Ant: 


Meſſe 660 Meſſe 


wort bes Meßdieners Deo gratias oder benediea- aus dem 2. bis 6. Jahrhundert. Frankf. 1850 
mus domino (Dankfagung) oder in Todtenmeffen Gräfer: Die römiſch-kath. Liturgie nach ihrer 
requiescant in pace (Sie ruhen in Frieden). Der , Entftehung und Ausbildung. Halle 1829. 

Priefter betet noch im Stillen das Placeat (Gebet,, Der Ritus der Meffe läßt ihre Entftehung aus 
daß Gott das dargebradte Opfer angenehm, für | allmählicher Umbildung des Gotteädienftes der 
den Priefter und die, für welche e8 gebracht wor: | alten Kirche noch Har erfennen. Diefer aber ging 
den, ein verföhnendes fein möge) und ertheilt dann | hervor aus dem einzigen Eultusact der lirge: 
der Gemeinde den Segen. — Bon diefen Beftand: | meinde, der Agape, dem Liebeömahle. Bet Die: 
theilen der Meſſe ift veränderlich, entweder in be: |jem war wejentlih das Herzubringen der Be: 
ftimmtem, nad) den kirchlichen Zeiten und Feſten ſtandtheile deffelben durch die Gemeindeglieder 
feftgefegtem Wechjel oder nach der Auswahl der 1. Kor. 14, 21. 22, die Oblationen —— 
Prieſier: Introitus, Collecte, Epiſtel, Graduale,  Fvaicu, sacrifieia) der Folgezeit. Das Dankgebet 
Alleluja, Tractus, Evangelium, Secrete, Commu: (sd yagıorie, fpäter die ganze Handlung bezeich: 
nıo und Poftcommunio. Da die Haupthandlung | nend), welches den cultifchen Gebrauch derielben 
bei allen Meflen diefelbe ift, fo unterfcheiden ih zur Agape oder zum Abendmahl als der Gedächniß— 
dieſelben eigentlich nur durch einen größeren Ap⸗ feier des Todes Chrifti im Genuß von Brod und 
parat und Aufwand von Ceremonien. Danad un: | Wein einleitete, bezog fich ebenſo auf die göttliche 
terfcheidet man: Missa publica die Pfarrmeſſe, Gnade, die ſich in der irdifchen Schöpfung offen: 
das Hochamt; publica et solemnis, wenn fie neben | barte, wie auf die durch Chriftum vermittelten Heils 
der Feier am Altar von dem Gemeindechor gefuns | fegnungen. Es war ein weſentlicher Beftandtheit 
gen wird (daher auch) missa cantata genannt), und des Opfers und felbft ein Opferatt. Die Gaben 
mehrere Altardiener (Dialonen) dabei dienen; | ver Gemeinde zum gemeinfamen cultifhen Ge- 
m. soleınnissima wenn dazu noch die geweihte braud wurden auf dem Altar niedergelegt und 
Hoftie in der Monitranz öffentlich ausgejtellt ift. | erhielten den Namen des Opfers, das Juden und 
Nach ihren Abjtufungen und der Perſon der Cele: | Heiden als die eigentliche Cultushandlung ber re- 
brirenden major, praecipua, conventualis, ponti- | igiöfen Vermittlung gemeinfam war. Das Außer: 
ficialis, papalis. Privatmefje heißt jede M., die | (ich Uebereinftimmende zmwifchen chriftl. und heid— 
an einem Nebenaltar oder in einem PBrivatorato: | niſchem Opfer war die Weihe irdifcher Dinge zum 
rium oder an Wocentagen gelefen wird oder wenn | gottesdienitlichen Gebraud. Für das Chriſtenthum 
feine Gemeindemitglieder in derfelben communi: | jand die Bezeichnung ihre Rechtfertigung darin, 
ciren. Zu ihnen gehören ferner alle Votivmeſſen, daß man auf die zu Grunde liegende Idee zurüd: 
die ihre Veranlafjung in den Anliegen Einzelner | ging, nach der das Äuferliche, ſichtbare Opfer Der 
haben, fei es nun, daß fie auf Anordnung der kirch⸗ Ausdrud der fih an Gott hingebenden inneren 
lichen Oberen, oder aus eigenem Antrieb, oder auf | Gefinnung des Opfernden ift. Aus ihr heraus ent: 
Beftellung gelefen werden, alfo auch alle Seelen: | ıwidelte fi die ganze jpätere Meßtheorie. Da der 
meſſen (missa pro defunctis). M.de teınpore bezie: | Tod Chrifti am Kreuze im Anſchluß an neutefta- 
hen fich in ihren veränderlichen Beftandtheilen auf mentliche Stellen längſt ald Opfer angejehen und 
die Evangel. Geſch. M. de festis (de sanctis und bezeichnet wurde, fo vereinigten fid) in dem Worte 
commune sanctorum) find ſolche, in welchen das | die Beziehungen aufdieOblationen und aufden Tod 
Opfer zu Ehren eines Heiligen dargebracht wird. | Chriftt. Weil ſich ferner die liturgifhe Sprache an 
M. ferialis (feria Werktag) heißt die Mefje an die des A. T. anlehnte, jo füllte fih auch das Wort 
Wocdentagen, die weder aus dem einfallenden Hei: | Opfer immer mehr mit altteftamentlihem Inhalte. 
ligenfefte noch aus den Votivmeſſen genommen ift. | Auf diefe Weife vereinigten ſich in demjelben die 
Missa praesanctificatorum ijt Die Mefle, in welcher | allerverjchiedenften Beztehungen; es wurbe da: 

teine Confecration ftattfindet, fondern die vorher | bei gedacht an die ſich darftellende Gemeinde, an 
aeweihte Hoftie ohne Kelch genommen wird. Dies | den Tod Chrifti, defien Gedächtniß gefeiert wird, 
geſchieht regelmäßig nur am Charfreitag. M. sicca, | an die Opfergaben der Gemeinde und an eine Wie: 
Bautica(Schiffemelfe), ift ein Gottesdienſt, in wel: derholung des Todes Chrifti ſelbſt (bei Gregor 1.). 
em wohl die Mehliturgie, aber nicht der Canon ge: | Gegen Mitte des 3. Jahrb. ward mit der beſtimmt 

betet und die vorher confecrirte CGommunion unter | auftretenden Borftellung von einem eigenen chrüjt: 
den ECommmmiongebeten gefpendet wird; fie findet | lichen Prieiterftande nach dem Vorbilde des [eviti- 
zum Erſatz der Mefle auf Schiffen jtatt. Missa bi-, | fchen die dee des Opfers eine andere. Mit dem 
trifaricata, eine Meffe, die nach einem frühern, jett |erneuerten altteftamentlihen Brieiterbegriff ver: 
abgeſchafften Gebraud) zwei oder drei in fich ver: | band zuerſt Cyprian die Opfertheorie des Abend: 
einigte; um, obne zu biniven, d. 5. zweimal an | mahls; der neue Begriff des Priefters forderte noth— 
einem Tage das Meßopfer zu bringen und den wendig einen neuen des Opfers. Genau läßt ſich 
Kelch zu genieken, mebreMeffen auch verjchiedener | Cyprian's Anficht über das Berhältnik von Opfer 
Feſte an Einem Tage halten zu fönnen, murden und Abendmahl nicht beftimmen, doch fteht jo viel 
hinter einander verichiedene Meſſen bis zum Ca- feit, daß feine Anſicht ſchon in fofern von der älte 

non gelefen und zum Schluß Diejer, als auf alle ren abweicht, als er zu Gegenſtänden des prieiter- 
fid) beziehend, hinzugefügt. Negelmäßig joll der lichen Opfers nit nur Brod, Wafler und Wein, 
Priefter täglih nur eine Meſſe lefen, dod kann fondern auch den Leib und das Blut, jowie das 
ihm, mo die Umftände (weit auseinanderliegende | Leiden Chrifti (letzteres als Gedächtnißfeier) macht, 
Gemeinden, Erfrantung eines anderen Priefters ſowie darin, daß er ei Chriſtus habe ſich beim 
x.) es fordern, vom Biſchof Erlaubnif, mehrere zu | Abendmahl jelbit geopfert,und fo bringe jeder Brie 

feiern, ertheilt werden. Außerdem darf eram erften ſter beiderAbendmahlsfeier ein gleich wahres Opfer 

Weihnachtstage drei Meſſen lefen. — Bal. über | Der Gegenjtand deffelben ift aber nach ihm die 
die liturgiſche Seite der Meſſe: Binterim Denfwür: | Gemeinde in ihrer jaframentalen Bereinigung mit 
igfeiten. Done, lateiniiche und griechiſche Meſſen Chriftus; Daher bleibt auch nach jeiner Auffaſſung 





Meſſe 


im Abendmahl die Communion unzertrennlich mit 
dem Opfer verbunden, ſo daß erſt durch die Com— 
munion, wenn auch im Gegenſatz zu ber früher an: 
genommenen Selbftaufopferung der Gemeinde, un: 
ter Vermittlung des Priefters, das Opfer wirffich 
dargebracht wird. Finden ſich daher auch bei Cy: 
prian einzelne Nedewendungen, die eine Ausle— 
gung im Sinne der heutigen Fatholifchen Theorie 
von der Meſſe zulaffen fönnten, jo ergiebt fih doch 
aus dem ganzen Zuſammenhang feiner Lehre, daß 
feine Auffafiung des Opfers eine von letzterer me: 
ſentlich abweichende ift. Auch in der Folgezeit er: 
ichien eine Abendmahlsfeier ohne Communican: 
ten der alten Fatholifhen und griechiſchen Kirche 
unerträglich. Als es aber dann allgemeine, von 
Nordafrika fich verbreitende Sitte wurde, nicht 
bloß am Sonntag und den Gedächtnißtagen ber 
Märtyrer das Abendmahl zu feiern, fondern täg: 
(ich, danad) beim Wachsſsthum der Gemeinden jogar 
wiederholte Feiern an einem Tage eintraten (zuerft 
feit Leo 1,440—461), und nun gar in den Kirchen 
und Kapellen mehre Altäre zu Ehren der Heiligen 
und Märtyrer aufgeftellt, aud) diefen zu Ehren be: 
fondere und zahlreiche Kirchen und Kapellen erbaut 
wurden, war e8 faum noch möglich, mit jeder Meſſe 
eine Communion der Gemeinde zu verbinden. Trotz 
allen Anftrengungen der Kirchenväter für die rege 
Theilnahme an ber Gemeindecommunion und troß 
mancher Synodalbeichlüffe (Antiochien 341, Macon 
585, Mainz818, Paris 829) nahm die Theilnahme 
der Gemeinde immer mehr ab und es entitanden 
die Brivatmefien, bei denen Anfangs noch minde: 
ftens Ein Communizirender außer dem Priefter 
green wurde, in denen aber gegenwärtig die 

emeinde oft nur noch durch den Mehdiener ver: 
treten wird. Die griechiſche Kirche fennt im Gegen: 
fag zur römifchen feine Privatmeſſe, vielmehr hat 
hier die feier des Opfers ihre alte Beziehung zur 
Gemeindecommunion bewahrt. In Folge davon 
hat auch jede Kirche nur einen Altar; an diefem 
wird die Meffe und zwar nur an Sonn: und Feft: 
tagen gefeiert und darf an demfelben Tage nicht 
wiederholt werden. Die römifche Theorie wurde 
nad der einen Seite gerechtfertigt durch die zuerſt 
von Walafried Strabo, Abt von Reichenau (+ 840) 
entwidelte und durch Thomas v. Aquino, der über: 
haupt die erfte ſyſtematiſch zufammenhängende 
Lehre über das Mefopfer gab, weiter auögebil: 
dete Theorie von dem geiftlichen Genuſſe, die fs 
an die Auguftiniihe Unterfcheidung ber mandu- 
catio spiritualis und m. sacramentalis anlehnte;; 
nach derjelben haben nämlich an den Segnungen des 
Sacraments auch die Antheil, welche an demſelben 
nur in Andacht und Glauben ohne jatramentalen 
Genuß theilnehmen, fo daf der Beſuch der Mefie 
nicht nur die Theilnahme an der Communion faft 
erſetzt, ſondern auch der Abmwejende, der ſich durch 
Oblation (Mefftipendiumftiftung) an der Meffe 
betheiligt und fie hervorruft, ebentalls die Wirfung 
derielben empfinden fann. Auf der andern Seite 
wurde die mwirklihe Communion der Gemeinde | 
immer entbehrlider durch die von Biſchof Iſidor 
von Sevilla (600—636) eingeleitete und von Tho: 
mas weiter entwidelte Unterjcheidung bes sacra- 
mentum vom sacrificium (Speife und Opfer), 
welche das Tridentinum —— hat, ohne je: 
doch in der Lehre von den Wirkungen der Mefle 
die Sonderung fcharf durchführen au Fönnen. Die 
Meptheorie fam zum Abſchluß, als die Transfub: 





661 


Meile 


ftantiationsfehre ald Kirchenlehre förmlich aner: 
fannt wurde. Nach dem heutigen Dogma ber fath. 
Kirche ift die Mefle nicht nur die Darftellung, fon: 
dern auch die unblutige Wiederholung des einma: 
ligen Kreuzesopfers Chrifti. Das Wefentlihe in 
ihr ift daher die Wandlung, das eigentliche prie- 
ſterliche Werk; hinter ihr ift die Aufopferung (das 
alte Gemeindeopfer, Offertorium) und die Com: 
nunion fo völlig zurüdgetrrten, daß deren Unter: 
(affung die Handlung nicht einmal ungültig oder 
nichtia machen würde. Der wefentliche Gegenfak 
aegen die Evangeliiche Lehre fpricht fich darin aus, 
daß diefe die Gegenwart Chrifti beim Abendmahl 
nur für den Genuß der Communicanten zugiebt, 
die Fatholifche Kirche aber diefen Sat verdammt 
und aufitellt, daß in der confecrieten Hoftie Chri- 
ſtus gegenwärtig fei, auch abgefehen davon, ob fie 
genofien werde ai usum), woraus dann folgt, 
daß die Hoitie an fich ein Gegenftand der Anbetung 
ift, und als folder öffentlich ausgeftellt wird. 

Auch in der Lehre vonden Wirfungen und Früch— 
ten der Mefle zeigt fich die allmähliche Umbildung 
der althriftlichen Jdeen. Eine fühnende Kraft wur: 
de für die läßlichen Sünden der Belehrten — benn 
weber ein Katechumene,noc ein in Folge einer Tod- 
fünde Ercommunieirter fonnte am Opfer Theil 
nehmen — den Oblationen und dem fatramentalen 
Genuſſe jehr früh zugefchrieben, und dieſe Wirkung 
bald auch auf fremde Stindenjchuld ausgedehnt, 
zunächſt auf die ber Verftiorbenen. So wurde die 
in ber Communion anfangd nur unterhaltene gei: 
ftige Gemeinſchaft der Kirche mit ihren verftorbe: 
nen Gliedern zu einem Opfer für diefelben, welches 
dazu nütze, daß Gott mit ihnen gelinder verfahre. 
Diefe Anſchauung fpricht bereits Tertullian aus: 
drücklich aus, ihm folgen Eyprian, Auguftin u. 9. 
Die durd; Gregor den Großen vollendete Ausbil: 
dung der Lehre vom Fegfeuer führte dann zu ben 
Seelenmeflen der heutigen Kirche. Die immer mehr 
wachfende Deiligenverehrung konnte zulegt eine 
Fürbitte für diefelben nicht länger ertragen; fo ver: 
wandelte fich bereitö jeit Auguftin durch eine Heine 
Aenderung der Worte die Erwähnung der Heili: 
gen in der Mefle in eine Anrufung ihrer Fürbitte. 

och früher aber hatte man den Oblationen und 
den fie begleitenden Fürbitten der Gemeinde eine 
wirfjame Kraft in Bezug auf alle Berhältnifie auch 
des äußeren Lebens zugeichrieben. So finden ſich 
ſchon in dem gregorian. Sakramentarium Meflen 
bei Kriegszeiten, Krankheiten, anhaltender Troden: 
heit ꝛc. Die Kirchenlehre fondert nun die Wirkun— 
gen des Mehopfers, indem fie daſſelbe betrachtet 
theils als Sühnopfer, theils ald Bitt: (ob: und 
Dank-) Opfer. Sühnopfer ift ed ald Erneuerung 
des Leidens Chrifti, in welchem derjelbe dem himm: 
liſchen Bater fein Leiden immer wieder aufs neue 
darbringt. Ei hat daher unfehlbare Wirkung ex 
opere operato, d.h. ohne Rückſicht auf die Würdig 
feit und das Verdienſt des celebrirenden Prieſters 
oder der am Opfer Theilnehmenden; es bewirkt 
daher für die Gläubigen den Erlaß der Sünden: 
ftrafen und wirft mittelbar Vergebung der Sünde, 
indem es Gott bewegt, die Gnade zu heilfamer 
Reue (contritio) zu gewähren, weldher im Sacra: 
mente der Buße danach die Vergebung wirklich zu 
Theil wird. Es nützt deshalb am meiften den Ber 
ftorbenen, deren Schuld bereitö getilgt iſt und die 
daher zum Empfang des Nachlaſſes ihrer zeitlichen 
Sündenitrafen am meiſten befähigt find, Als Pitt: 


Mep-Application 


opfer erwirbt das Meßopfer Vermehrung der Gna⸗ 
den und geistlichen Tugenden nebft zeitlichen und 
weltlichen Gnaden und Gunſtbezeugungen. Seine 
Wirkung ift aber nicht unfehlbar, fondern die Er: 
hörung der Bitte ift, wie die jeder andern bedingt, 
einerjeitö durch den Gegenftand der Bitte jelbit, 
andererjeitö durch die Berjönlichkeit des Bittenden, 
welche die Weisheit, Gerechtigfeit und Güte Gottes 
anfiebt. Da dieje fännmtlihen Früchte des Sühn: 
und Bittopferd ex opere operatoerfolgen, jo fommt 
es nur darauf an, wem nad) der Abficht des Gele: 
brirenden diefelben zugewendet werden follen(Ap: 
plication). Außerdem können aber auch noch an: 
dere Früchte in untergeordneter Weife vermittelt 
werden 1) durch die Gebete der Kirche für ſich und 
ihre Glieder: fructus generalis, 2) durch die Ge: 
bete des Prieiterö ex opere operato: fructus me- 
dius oder ministerialis; 3) durch die bejondere 
Herzensreinheit und Andacht des Prieſters: fructus 
specialissimi. Nach diefer Seite ift das Meßopfer 
ein Önabenmittel impetratorium, ähnlich wie das 
(Gebet und die Sakramente. Als Theilnehmer an 
demjelben und Mitopfernde werden auch die Gläu: 
bigen betrachtet, welche der Meſſe in Andacht bei: 
wohnen, oder durch ——— behülflich ſind, 
oder durch Gewährung eines Stipendiums oder 
auf andere Weiſe die Celebration einer Meſſe ver: 
anlaffen. 

Die Mefie ift der Mittelpunlt des aanzen Fatho: 
lichen Gottesdienftes, zugleich das Band, weldes 
die Gemeinde fortwährend an das Prieſterthum 
bindet um durch deffen Bermittelungan bem Heils— 
ſchatze der Kirche Antheil zu empfangen; aber jelbft 
ber katholischen Lehre ift es jo wenig gelungen die 
mit der Meffe verbundenen Gedanken und die an 
fie gelnüpften Heilserwartungen unter fich über: 
einftimmend zu verbinden, daß Marbeinede mit 
Recht jagen konnte: „Selbit der gemeine Yaie 
würde ſich bald von dem Opfer in der Mefle zu: 
rüdziehen, wenn er deutlich wüßte, wie es fich 
eigentlich damit verhalte“. — Vgl. bie dogmatifchen 
Erörterungen in den Lehrbüchern der Symbolit z.B. 
von Marheinede, Baur, 7 des Kath. und 
Brot. 2, Aufl, Tüb, 1836. Haſe, Polemik 1866. 
Geſchichtlich: Stäudlin, Geſchichte d. Dogma von 
dem Opfer des Abendmahls in der Gött. Biblioth. 
der neueſten theol. Litt. Rückert, das Abendmahl 
Leipz. 1856. Höfling, die Lehre der älteſten Kirche 
vom Opfer im Leben und Cultus der Kirche, Er— 
langen 1851. Steitz, Abhandlungen über die griech. 
Abendmablölehre in den Jahrb. für deutſche Theo» 
logie Bd. IX S.109 ff. X ©. 64 f. 

Mep-Application und Intention. Weil die 
Diefle die Erneuerung des Opfers Chriſti fein ſoll, 
bie deſſen bauernde Wirkung aufrecht hält, zugleich 
aber nur eine locale und bejchränkte Erneuerun 

iſt, ann die Kirche die Wirkung derfelben auch a 
bejtimmte Berfonen hinlenken. Dies geſchieht durch 
die Application d. b. die befondere Abficht des Prie— 
jterd, die Frucht der Mefle beftimmten Perſonen 
zuzuwenden. Die Application ift ein Aet der durch 
die Weihe gewährten priefterlihen Madtvolllom: 
menheit und bezieht fich nur auf den fructus ıne- 
dius (j. Meſſe). Applicirt werden fann für jedes 
lied der Kirche, felbft für lebende Ercommuni: 
eirte, Heiden und Keber in der Hoffnung auf Be: 
fehrung, für dieſe jedoch nicht Öffentlich und direkt. 
Applicirt werden muß für den, ber eine Meſſe ge: 
ftijtet oder zu ihrer Feier Auftrag gegeben Hat, } s 


662 


Meßgewänder 


wie für die Pfarrgemeinde von den mit der Seel: 
forge derjelben betrauten Geijtlihen an jedem 
Sonn: und Feſttage. Die Applicationspflicht, die 
Fälle, in denen fie durd) Stellvertretung ausgeübt 
werben darf, wann Dispenfation eintreten Tönne, 
find durch Die Kirchengefege genau geregelt (Ency: 
clica von 1858), vor Allen auch mit Rüdficht Darauf, 
daß das Honorar für die Mefjen zum Unterhalte 
der Priefter dienen muß. — Der Urfprung der 
Application geht auf die alttirhliche Sitte zurüd, 
die Namen derer, welche bejondere Oblationen 
brachten, in das Gemeindegebet aufzunehmen und 
aus den Diptychen (f. d. Art.) au verlefen. 

Meßbuch oder Mifjale, enthält das Rituale (die 
Vorſchriften flir den meflelefenden Prieiter) und 
die Gebete und Gejänge der Mefle. Nach dem Ka: 
lender, den allgemeinen Rubrifen (f. d. A.) und 
Gebeten vor und nad) der Mefle folgen die Meſſen 
de tempore von Advent bis Dftern excl., dann der 
ordo missae, der Canon, das 2te Benedicamus, 
Requiescant, Placeat und Evangel. Joban., und 
demnächſt die Meflen von Oftern bis Advent. Hier: 
auf folgen Proprium Sanctorum und Commune 
Sanctorum (Gebete für beftimmte Heiligentage 
und für Heiligenfefte überhaupt), dann die bejon: 
derö ausgejegten? Botivmeffen, die 5 de beata M. 
V, (für Marienfeſte), ferner Votivmeſſen für be: 
ſtimmte lebenäverhältniffe. Nach einer Anzahl Dra- 
tionen zur Auswahl folgen die missae defunctorum 
(für die Abgeftorbenen), darauf am Schluß mehrere 
Benedictionen und bei Denfelben einzulegende Col: 
lecten. Im Anhang find nod die Meflen der Barti- 
fular: (für befondere Feſte einzelner Xänder, Orben 
:c.) und der neuerdings angeorbneten Feſte. Neben 
dein Missale romanum hatten einzelne Kirchen und 
Diözefen noch bi in die neuefte Zeit ihre eigenen 
M., doch verſchwinden fie bei Roms Streben nad 
ftrenger Gleichmäßigkeit im Cultus mehr und mebr. 

Mehdiener, heißt derjenige, welcher bei der Feier 
ber Mefle dem Priefter die nöthige Hülfe leiftet, 
dad Meßbuch trägt, Wein und Waffer in den Kelch 
eingießt und auf die Gebete und Segenägrüfe re: 
fpondirt. Durd) letzteres vertritt er die Gemeinde, 
die in den eriten Jahrhunderten den Gebeten der 
Prieſter jelbft gemeinjam antwortete. In ben Bri: 
vatmefjen dient jegt ald Meßdiener meift ein Schul: 
fnabe. Uriprünglid waren es Kleriler, Dialonen 
und Subbdiafonen; und jo werden noch jet bei 
feierlihem Gotteödienfte, und wenn höhere Geift: 
ide (bei dem Biſchof auch in der Stillmefje) feier: 
lihe Meſſen celebriren, die Verrichtungen der M. 
von Geiftlichen wahrgenommen. Die Zahl der M. 
richtet ſich nad) der Feierlichleit, in der Regel bat 
bie Brivatmeffe einen oder zwei, das Hochamt zwei, 
das Levitenamt jech3 Diener. 

Meßgewänder. Dazu rechnet man Humerale, 
Alba, Eingulum, Manipel, Stola und Kajel = 
Dbergewand, ohne welche der Briefter im Allae: 
meinen nicht celebriren darf. Kaſel und Alba darf 
unter einer Todfünde nie fehlen, nur im äußerften 
Notbfalle die Stola. Die Kafel, Stola und Ma: 
nipel find gewöhnlid von foftbaren Stoffen, die 
das Volk nicht verwendet. Die Farbe derfeiben 
ift nach den Zeiten und Feſten verſchieden geord 
net: weiß, roth, grün, violett (für die Zeit der 
Faften) und fchwarg (für Todtenmefien und dir 

arwoche). Bor dem Gebrauch ift eine Benediction 
unbedingt erforderlid. Der Priefter legt fie unter 
vorgejhriebenen Geremonien und Turzen Gebeten 


Meſſias 


an. Diakon und Subdiakon tragen, wenn ſie in der 
Meſſe aſſiſtiren, Dalmatica und Tunicella, Küſter 
und Meßdiener Talare (Sutanen) von rother oder 
in Todtenmeſſen von ſchwarzer Farbe. ©. d. Art. 
Kleidung, geiftliche. 


Meflias, min, Ehriftus, der Geſalbte. Das 


bebräifche Wort bezeichnet urfprünglich im A. T. 
jeden mit dem heiligen Del Gefalbten, daher die 
Inhaber der priefterlihen und befonders der kö— 
nigliden Würde, bei deren Uebertragung der Ri— 
tus der Weihe durch die er mit Del das Er: 
fülltfein des Gefalbten mit dem Geiſte Gottes jinn: 
bildlich darstellte. Als ftehender Ausdruck für den 
erwarteten Retter Jfraeld und den önig deö Got: 
tesreich8, in welchem die religiöfen Zulunftshoff: 
nungen des jüdifchen Volts fih erfüllen würden, 
findet fi) das Wort in der Bibel erft im Neuen 
Teftament, gleichzeitig aber in ben ältern Targu: 
mim (d. h. Ueberſetzungen und Umfchreibungen 
des A. T. in das Chaldäijche) Joh. 1,42; 4,25; 
vgl. Pſ. 2,2. Dan.9, 25. Es umfaßt fo vollftändig 
den Geſammtinhalt der religiöfen Erwartungen, 
daß die Formel „Jeſus ift der Meſſias“ der erfte 
und fürzefte Ausdrud des neuen Glaubens wurde, 
und als unterfcheidende Bezeichnung befjelben in 
ber griehifchen Meberjegung fortan in allen Spra: 
den in Gebraud) kam. 


Die Mefliasidee ift ebenfofehr der Ausprud der 
Selbftgewißheit des religiöfen Glaubens in Iſrael, 
als der Zuverfiht des nationalen Bewußtfeins. 
Wohl treten in den verjchiedenen Perioden ihrer 
Entwidiung nicht immer beide Seiten gleich ftarl 
hervor, aber immer find beide —— wie ja 
überhaupt in Iſrael nationales und religiöſes Le: 
ben enger als irgendwo fonft verbunden find und 
eins das andere bedingt. Nur im weiteren Sinne 
fann man aber die religiöien Zulunftöhofinungen 


663 


Meſſias 


und unverfälſcht durchzuführen. Zugleich traten 
nacheinander die gewaltigen Mächte, Aſſyrien und 
Babylon, in Berührung mit Iſrael. Die anfäng— 
liche Hoffnung, die getrennten Reiche würden ſich 
wieder vereinigen, indem Ephraim ſich dem Hauſe 
David's wieder unterwerfe, und damit werde die 
Zeit des Friedens und der rechten Blüthe des Vol: 
te8 Gottes fommen, konnte bei den neuen größeren 
Gefahren nicht mehr genügen. So geftaltet ſich bei 
Joel die prophetifche Ausficht in eine glüdliche Zu: 
kunft zu der Hoffnung, daß Jehovah jelbft für fein 
Bolt ftreiten und Gericht über die Bedränger bes: 
jelben halten werde; darauf werde dann eine Se: 
aenäzeit folgen, die in Schilderungen der Frucht: 
barkeit und des Leberflufles bejchrieben wird. Joel, 
4, 1ff. Die Vorbedingung hierzu aber ift, daß Ne: 
hovah ſelbſt auch fein Volk zu neuem Dienft erwedt 
und feinen Geift über Söhne und Töchter, Knechte 
und Mägde ausgegofien hat. Diefe Weiffagung 
Joel's enthält die Grundzüge aller fpäteren mej: 
jtanifchen Erwartungen, wie fie von den Prophe: 
ten der folgenden Zeiten, um das Volk zur Aus- 
dauer und Stanbhaftigkeit d. h. auch zur Treue 
gegen den heimischen Gottesdienſt, zu ermahnen, 
in immer ausgeführteren Schilderungen, bie zu ber 
Noth der Gegenwart den glänzenden Gegenſatz bil: 
deten, entwidelt wurden. Wefentliher Beitandtheil 
der Hoffnung iſt daher unter der Gefahr der Ge: 
genwart der Beſtand deö Reichs und deſſen Macht 
und Herrlichkeit unter feinem von Gott eingejepten 
Könige, der um fo eher aus dem rechtmäßigen 
Hauſe David's erwartet ward, ald dies nod den 
Thron inne hatte. Man konnte aber auch um jo 
mehr in jene Ölanzperiode unter David zurüdgrei: 
fen, ald die damals begonnene herrliche Entwid: 
lung nurdurd den Abfall des Volls von David's 
Weſen, deſſen Verdienft um den Cultus aud) jeine 
Frömmigkeit im hellſten Lichte erfcheinen ließ, 


ber erjten Perioden der jüdiſchen Gejchichte, wie fie | unterbrochen ſchien. So verheift auch Hoſea: 
fich beifpielsweije 1 Mof. 3, 15; 5, 25; 9, 26; 22, | Juda und Jirael werden fich vereinigen und 
13; 25, 14 u. ſ. w. ausgejprocdyen finden, zu den | Jehovah ihren Gott ſuchen und ihren König Da: 
meſſianiſchen rechnen; es fehlt ihnen das Weſent- vid. Noch beftimmter heikt es bei Amos (9, 11) 
liche, die beftimmte Beziehung jowohl auf ein Reich | und Jeſaias (11, 1), dag Gott die gerfallene Hütte 
wie auf den König; nur die willfürliche chriſtliche Iſraeis wieder aufrichten und auf denabgehauenen 
und jüdijche Erklärung hat einzelnen dieſer und | Stamm Iſai's ein neues Reis pflanzen werde. Die 
ähnlicher Stellen derartige Deutung gegeben. Erſt berühmte Stelle Micha 5, 1 fvricht die Erwartung 
in dem bavidischen Königreiche hatte das nationale | aus, daß aus dem Stammhauſe David’sder König 
veben des Boltes einen fo träftigen Ausdrud ge: | aufitehen, das Volk jammeln, die heidnifchen-Bölfer 
funden und war jich jeiner ihm innemwohnenden | befiegen, Gerechtigleit und Erkenntniß Gottes be: 
Stärle jo bewußt geworben, daß e8 den Ausgangs: | gründen und damit Iſrael den Frieden geben wird. 
punkt aller ferneren Hoffnungen bilden konnte. Es | Lorher aber jendet der Herr ein Strafgericht über 
wur eine Zeit der Einigung nach langer kraftlojer | jein Bolt. Müſſen alfo auch bei Micha die feind: 
Zerfplitterung, des Sieges nad einer Zeit müh: lichen Völker erit durch Krieg bezwungen werden, 
Veliger Selbitvertheidigung, des Anjehens und der | jo tritt doch bei ihm ſchon deutlich der Charalter 
Ehre bei den benachbarten Völkern nad) früherer | des meflianischen Königs als eines Friedensfürſten 
Geringſchätzung. Auch das religiöfe Yeben hatte | hervor; noch jtärter betont Died Sadaria 1,9 fi. 
mit der lUeberbringung der Bundeslade nad) Ebenfo redet Jeſaias 11,1 ff. von der Zeit unter 
Jeruſalem einen friichen Aufihwung gewonnen. | dem David's Sohn, „va Wolf beim Lamme ruhe“, 
Aber auf eine jehr kurze nf: er folgte die Theis: | einer Zeit alfo des tiefiten Friedens unter Den 
lung des Reiches, und mit ihr Berfall nad Aufen Menſchen und in der Natur. Seine feite vropheti: 
und nach Innen, zuerſt im Reiche der zehn Stämme, ſche Zuverſicht von der gewiſſen Verwirklichung 
dann auch in Juda; gleichzeitig damit ward auch des angekündigten Heils gab dem Ahas ein Unter— 
ver Jehovadienſt vielfach von fremden Culten, pfand in der Ankündigung des Sohnes des Weibes 


welche die Könige begünſtigten, unterdrückt. Die 
älteren Propheten hatten als religiöſe Volklsführer 
gegen die abgöttiſchen Fürſten ie: indefien 
wigte ihnen ihr Sieg ſelbſt, mit Jehu's Thronbe: 
fteigung, das Vergebliche dieſes Kampfes und die 
Unmöglichkeit, auffolche Weiſe die Theotratic rein 


der Jungfrau), in welcher die fpätere Zeit die jung: 
Käulice Geburt des Meſſias verheifen ſah. Das 
Eril vernichtete die meflianische dee nad) feiner 
Seite; man lonnte darin die vorher angekündigte 
Läuterungszeit Iſraels ſehen, die eine glänzende 
Wiederheritellung feiner Herrſchaft und Größe vor: 


Meſſias 664 Meſſias 


bereite; daher ſprach ſich die Zuverſicht auf die lung in ſo kurzer Zeit nach dem Untergange des 
Ankunft des Sproſſes David's (uneigentlich David Epiphanes entgegen ſahen, wurden durch den Auf: 
ſelbſt, den Gott aus der Unterwelt wieder zurück- ſchwung unter den Maccabäern nur mäßig er: 


führen würde, Jerem. 30, 9; Exec. 34, 23), der 
auf Erden herrichen und Gerechtigkeit üben werbe, 
nur um fo gewifler aus erem. 28, 5. Wenn 
nun auch im Laufe der Zeit bie fteigende Ber: 
funfenheit des davidischen Haufes den Glauben 
daran, daf es fich von Neuem zur Führung eines 
theofratifchen Königthums ermannen könne, min: 
derte — die Zuverficht auf die Hülfe Gottes, der 
Glaube an Iſraels Zukunft felbft blieb allezeit 
unerfchüttert. So fonnte man vorlibergehend ſelbſt 
in Serubabel und dem SHohepriefter Jojua den 
erwarteten Davididen zu erblidlen meinen, wie ber 
jüngere Sadarja, bis bei Maleadhi der Davids: 
fohn ſelbſt zurüdtritt und bie meffianifche Hoffnung 
in ihren früheren unbeftimmten Ausgang zurück— 
fehrt: Jehovah jelbft wird kommen und Gericht 
halten, den Bund mit Jfrael erneuern und feinen 
Tempel bewohnen. Dabei aber trat die politiſch— 
nationale Idee vor ber religiös-fittlihen immer 
mehr in den Hintergrund. Das Gottesreich ſetzt 
jetzt eine fittlihellmfehr des Volks in Gottesbienft 
und Gerechtigkeit voraus, Das Gericht ergeht nicht 
mehr blos über die Heiden, welche Iſrael bedrän— 
gen, ſondern vielmehr über die Frevler in Iſrael 
felbft. Das Gottesreich und die Erfcheinung Gottes 
fordern daher auch eine andere Vorbereitung und 
Vermittlung; Maleachi weiffagt ftatt vom Davidi⸗ 
den vom fommenben Propheten Elia, der dem Herrn 
den Weg bereiten werde. Diefe fittlichen Vorbe— 
dingungen ber meſſianiſchen Zeit hatten, theilweife 
auch als ihre Wirkungen und Folgen, Jefaias, Je: 
remias, Sacharja und Ezechiel ausgeiprochen. Die 
nächſtfolgende Zeit war nicht geeignet, den meflia: 
nifhen Gedanken weiter auszubilden. Die be: 
ſchränkteren Verhältnifſe de3 aus der Berbannung 
zurüdgelehrten Volkes mußten e8 daran gewöhnen, 
einen beicheideneren Plat in der Stellung der Böl: 
fer zu beanſpruchen, als ihn früher die Vergleihung 
mit Bhiliftern, Edomitern und Syrern erlaubte; 
die verhältnikmäßig befriediaende Ruhe der Zu: 
ftände bot ebenfo wenig Beranlaffung den hoffen- 
den Blick in die Zukunft zu wenden, als Perfonen 
und Berhältniffe irgendwie dazu angethban waren, 
außerordentliche Erwartungen an fie zu nüpfen; 
das geordnete levitifche Priefterthum bemahrte die 
Geltung des Geſetzes, und das beginnende Schrift: 
thum des Sanhedrin fonnte fich mit dem Prophe: 
ten, welcher der Ericheinung Gottes vorauägehen 
jollte, beanligen. Dagegen erwedten die Drangfale 
unter Antiohus Epiphanes die meflianifchen Er: 
wartungen zu neuer Stärke. Unter den von ihm 
gemachten Verfuchen die ifraelitifche Religion zu 
zerftören und das Volk in die griechifche Welt auf: 
aehen zu laffen, forderte der Glaube an die gött: 
lihe Wahrheit des Moſaismus einen fiheren und 
baldigen Umſchwung, der ihn errette und vertläre. 
Das Bud) Daniel verfündigt den Untergang des 
Meltreihes und nad dem 


füllt. Als felbft die Zeit des Joh. Hyrcanus, der, 
wie fein Anderer die meflianifchen Attribute: Fürft, 
Hohepriefter, Prophet in fich vereinigt hatte, fo 
ichnell und fpurlos verfchwand, trat die mefliani: 
ſche Erwartung wieder in das Allgemeine und Un: 
beſtimmte zurüd, wie es fidy in den apocruphifchen 
Büchern ausfpridt. Da eine Selbftändigkeit des 
Volls befteht, fo ift das politifche Element faum 
angedeutet. Es wird ein Gottesreich erwartet — 
David's Königthum für immer — zu welchem das 
zerftreute Wolf von allen Enben der Erde geſam— 
melt wird — Gott hält Gericht fiber die Völker. 
Aber das Neich wird in unbeftimmte Ferne ver: 
leat; ihm vorauf geht der Prophet, als Erneuerer 
der Religion. Lebendiger, aber doch nicht weſent⸗ 
(ich verfchieden, fpricht fich die meffianifche Idee 
in den außercanonifchen Weiffagungen diefer Zeit 
aus, wie fie fih in dem Buch Henoch, den Eybil: 
linen und dem von Manchen zu biefen gezäblten 
4. Buch Eira finden, wenn von den Theilen abge: 
fehen wird, die in einer fpäteren Zeit unterſchoben 
und überarbeitet find. Der ihnen gemeinfame Ge: 
danfe ift folgender: Das Weltreich wird durch Die 
Erhebung Iſraels befiegt und gefückt, und es 
folgt das Gericht. Dann wird die Gemeinde ber 
Gerechten, zu denen auch bie in der Auferftehung 
wieder zum Leben Erwedten gehören, durch den 
Meflias, der von Himmel herfommt, gegründet. 
Die Zeit des Kampfes und ber ar in der vor 
ſeiner Ankunft die Heiden ſich erheben, heißt die 
Zeit der Geburtswehen des Meſſias. Dabei iſt 
weniger die Herrſchaft Iſraels, als des Volkes, ins 
Auge gefaßt, als vielmehr die Herrſchaft des gött- 
lichen Geſetzes; bezeihnend für die ethiſche Ber: 
änderung im Charafter der Meffiasidee ift die Dar: 
ftellung im Buch Henoch, nach welcher der Meflias 
unter dem Bilde des weißen Farren erfcheint und 
nach feiner Ankunft alle Gefchlechter in weiße 
Farren verwandelt werden, fo daß der Meflias er: 
ſcheint als der Erftling einer von ihm in fein We: 
fen erhobenen Gotteögemeinde. ar einer andern 
Seite hin —— Philo die Meſſiasvorſtellung 
durch ſeine Logosidee, allein auch in ihm lebt die 
Hoffnung auf eine Sammlung der Keen Glie 
der des Volls zu einer Gemeinde, die dann ſittlich 
umgewandelt ein ungetrübtes Glück genießen, und 
nicht ſowohl durch Waffengewalt als durch Geiftes: 
macht, Weisheit und Frömmigkeit über die andern 
Völker herrichen würde. So feft ftand aber der 
Mefliasglaube trog allen Widerſpruchs, den bie 
Zeitumſtände erhoben, daß man, wie die Spbilli: 
nen zeigen, bie ältern Schriften nad) denfelben 
umbeutenb, unter dem 4. Weltreihe bei Daniel 
das römische Reich verftand und fich des baldigen 
Unterganges beflelben getröjtete. War aber im 
Schrifttum mit den politifchen Gedanken auch der 
Davidsfohn zurüdgetreten, jo war im Volksglau— 


ericht den nahen Sieg | ben unter den Herobäern eine andere Wendung 


des Gottesreiches, welches dem Menſchenſohn | eingetreten. Ihre und der Römer Herrichaft laitete 


übergeben wird. Mit der Einführung des Wortes 
Menfchenfohn, mit welchem (Dan. 7, 13) wohl 
nicht, wie einige Auöfeger wollen, das heilige Volk, 


als ein jchwerer Drud auf dem Lande, der ben 
Wunſch nad Befreiung und Erlöfung bervorrief. 
Eine vielfundertjährige Geſchichte übte —— mäd: 


iondern nah der gewöhnlichen Auffaffung ein | tigen Einfluß auf die Gemüther, der baburch ver: 
Einzelner, der Meſſias gemeint ift, war ein frucht: | ftärft wurbe, daß bie Heil. Bücher und die Weis: 
barer Keim zu weiterer Entwidelung der M. dee | jagungen ber Propheten in den Augenbliden reli— 
gegeben. Die hohen Hoffnungen, die ihrer Erfül: | giöfer Erhebung gelefen wurden. Die Hoffnung 


Meiftas 


auf eine wunderbare Hülfe Gottes zu einer Wies | 
deraufrihtung der Freiheit des Volfs griff daher | 
— zu dem Davidſohn der Schriften, dem | 
irdiſchen Könige und Befteger der Heiden. Der 
Phartfäismus konnte diefe Auffafjung, die feinem | 
nationalen Grundzug entſprach, nur begünftigen, 
um jo mehr, weil er religiös fid) in der — 
befriedigt fühlte, wo das Geſetz auf das Genauſte 
beobachtet und ſorgſam behütet wurde. Aus dem 
N. T. ergeben ſich folgende Züge der Volksvor— 
ftelung vom Meſſias: Aus dem Haufe David's 
wird er entjpringen ob. 7, 42, in Bethlehem ge: 
boren werben Matth.2,4u.5; Elias — Matth. 17, 
10 oder Jeremiad — Matth. 16, 14 oder ein anderer 
Prophet — Joh. 1, 21. 20; Marc,6, 15 wird vorihm 
bergehen; plöglich wird er aus der Verborgenheit 
auftreten Job. 1, 27 und das Gottesreich aufrich— 
ten Matth.2,2. Cine Auftlärung über die ticfften 
Geheimniffe der Religion wird von ihm ausgehen 
Joh. 4, 25. Die Stillen im Lande warten auf den 
Troſt Iſraels (Luc. 2, 25). Zwar hoffen aud) jie 
noch auf den Sieg des Volkes Gottes über feine 
— (Luc. 1, 74), auf die Wiederaufrichtung 
fraels — 6; Matth. 20, 21) und damit auf 
die äußere Vollendung des Reiches Gottes auf 
Erden (Zuc.19,11). Aber verbunden damit ift die 
innere Heiligung des Volfes und die Erlöfung von 
jeinen Sünden, ſowie die Erleudhtung der Heiden, 
und damit bieErweiterung desnationalenMej: 
fias zu einem Weltheiland. So erideint die 
Idee in derreinften und tiefften Auftaflung bei Je: 
fus. Indem er,umjfein Ziel undjein Weſen auszu: 
prechen, fich jelbft als den Meflias bezeichnet, da: 
r aber vorzugsmeije das Wort Fra a ge: 
braucht, vertiefen und verflären fich alle geiſtigen, 
fittliden und religiöfen Gedanten, welche die Meſ— 
fiasidee der Propheten und des bisherigen Schrift: 
thums umſchlofſen hatte; auch bei jeinen Jüngern, 
freilich) nicht fofort, war bald die nationale Be: 
ziehung nur noch jo lofe damit verbunden, daß 
die Gemeinde fie aldbald gänzlih fallen lafjen 
fonnte und nur älteres und neueres Judenchriſten— 
tum und Ehiliaämus fie Kr ge Hatte ſich jo hier 
von den beiden in der M.: jdee verbundenen Ele:: 
menten wejentlich da eine geltend gemacht, jo war 
im Gegenfat dazu die Borjtellung der Pharijäer 
und der Maſſe des Volks eigentlich nichts Anderes 
als die nationale und politische Idee in religiöfem 
Gewande. Die Erwartung beſchränkt fi) auf das 
Erfcheinen des an äußeren Zeichen erfennbaren 
Reiches Gottes. Luf. 17, 20; ihr nächſtes Ziel ift 
die Befreiung des Volles von fremdem ode, 
Wenn der Meflias erfcheint, wird er ewig in Iſrael 
bleiben Joh. 12, 34, ein leidender und jterbender 
Meffias ijt daher undenkbar. Dadurch, dab die 
Mefliasidee eine rein politifche wurde, und die in 
ihr liegenden fittlihen Momente immer mehr ver: 
ſchwanden, erhielt jie das tief Aufregende, was 
dennod nur eine fanatifche Begeifterung hervor: 
rufen fonnte und dem endlihen Untergang des 
Boltes herbeiführte. Nach diefer Richtung wirft | 
die Idee mit bei dem Galiläer Judas, in dem Ber: | 
re ga mit den Römern, und gipfelt in | 
ar⸗Cochba, demletten bedeutenden Metlias. Der 
Untergang Jerufalems fonnte die meſſianiſchen 


Hoffnungen nicht zerftören, ja fie wurden von jet | 
deito beſtimmter. Nach der Talmudiftiichen Auffafs 


fung ber Mefliaslehre, wie fie ſich vorzüglich in den 
Zargumim (Erklärungen) deö Ontelos (zu den Bü⸗ 


I“ 


665 


Meſſias 


chern Moſis), des Jonathan (zu den Propheten), jo: 
wiein der Mifchnah und den beiden®emaren (j. d. A. 
Talmud) findet, wird unter der mefjianifchen Zeit 
diejenige verftanden, in der die Iſraeliten in ihr 
Erbland zurüdgefehrt find und vom M. auf Sion 


‚ regiert werden. Das Reid) ift irdifcher Art, feine 
ı Dauer wird verjchieden berechnet. Der Aufrichtung 
deſſelben geht eine furchtbare Zeit der äußerten 


Bedrängniß und der Zerrüttung aller fittlichen 
Berhältnifje (die Zeit der Meffiaswehen) vorauf. 
Nachdem Elias in der äußerſten Noth herabgelom: 
menund von diejem bie Reinheit des Geſetzes wieder 
hergeftellt ift, erjcheint dann plötzlich der Meflias, 
der wenigftens in den älteren Targumim durchaus 
als Menich schH wird (vgl. Tryphon bei Juſtin. 
M.c.49). Er ift in tee geboren und lebt bis 
um Beginn feiner Wirkjamkeit in Rom in tiefer 
erborgenheit unter Elenden und Kranken, deren 
er fich Hülfreich annimmt ; wenn die Zeit geflommen, 
jammelt er das Volk, zu dem die Gerechten aus 
der eriten Auferftehung hinzutreten, und führt e3 
zurüd nad) Jerujalem, befteht dann mit den heid— 
nischen Nationen (Gog und Magog) gewaltige 
Kämpfe und richtet das Weltreich auf, mit welchem 
für Iſtael eine mit glühenden Farben gejchilderte 
Periode irdiſcher Glüdjeligfeit beginnt. Das Ge: 
jeg wird in einer milderen Form erneuert; aud) 
die abgefallenen zehn Stämme werden fich wieder 
zu demjelben belehren und dann mit Jrael aufs 
neue vereinigt, nachdem fie unter einem eigenen 
(zuerit in den jüngeren Targumim erwähnten) Mej: 
Ks, dem Sohne Jojeph's, an dem Hampfe gegen 
Sog und ech eilgenommen haben, in welchen 
diejer fällt. Die Jirael feindlichen Völker werden 
in dem Kampfe gänzlich vernichtet, die übrigen 
werden ſich zwar zu erde betehren, aber nicht 
in die Gemeinſchaft des Boltes Jirael, welches als 
„das heilige, das auserwählte Volt“ abgejondert 
bleibt, aufgenommen werden. — Die äußerfte Ab: 
ſchwächung der Mefliasidee, in der fie wie ihres 
religiöfen, jo aud ihres nationalen Gehaltes völ: 
lig entlleidet wurde, war es, wenn unter dem Drud 
politifher und fozialer Berhältniffe in manden 
jüdiſchen Kreifen die Erfüllung aller mefjiani: 
ihen Hoffnungen in der jehnjüdhtig verlangten 
Verwirklihung der Juden-Emanzipation erblidt 
wurde. Es hat aberebenjowenig an Solden gefehlt, 
welche die Mefliashoffnung gänzlich fallen ließen 
und die Weifagungen der kanoniſchen Propheten 
durch den König Hisfia (725—6U6), den Wieder: 
heriteller des Reichs und des Geſetzes, 2 Kön. 18, 
5, als erfüllt anfahen. — Der — ——— Unter: 
ſchied zwifchen der chriftlichen Wendung des Mei: 
fiasbegriffs und jeder jüdijhen Auffaffung ift „das 
Kreuz Chrifti, ven Juden ein Aergerniß“. Obgleich 
den Propheten (Jef.53) der Gedanke nicht fern liegt, 
daß das Gottesreich durch das Leiden der Gerech— 
ten herbeigeführt werde, hat das Judenthum den: 
jelben doch ern nur auf die anfängliche Berbor: 
genbeit, Niedrigkeit und Armuth, die Mühen, Ar: 
beiten und Kämpfe des Meffias bezogen, mit denen 
IK Anjehen und Macht immer noch vereinigen 
laſſen; ein Berföhnungsleiden, in dem der Sünder 
allein gerecht und erlöft wird, hat es dagegen nie: 
mals anerkannt. 
= Ewald, Propheten des A. B. Geſchichte 
des Volles Iſrael die betr. St.; Colani, Jesus 
Christ et les croyances messianiques de son 
temps. 2. Ausg. 1864. Dillmann, Bud Henoch 


Meßner 


066 


Metalle 


1863. Hilgenfeld, jüdische Apotalyptit 1857. Volk: , briefes, ſowie die Abhandlung de la conımunion 
mar, ber — Esra 1853. Hengſtenberg, Ehri: à J. C. au Sacrement de l’Eucharistie, Sedan 


jtologie. Bertheau, die Altteftamentl. Weiſſagung, 
Abhandlung in den Jahrbüdern für deutſche 
gt Sotha 1859. Keim, Jelus von Na— 
zara ‚1867. Holtmann, die Meffiasidee zur Zeit 
Jeſu, in den Jahrbb. für deutiche Theologie 1867. 
Yüden, die Traditionen des Menſchengeſchlechtes. 
2. Aufl. Münfter 1869. Weitere Yiteratur in: 
Herm, Schulg, Altteftamentliche Theologie. 1869. 1. 
S. 454 ff. 


Meßner. Anderer Ausdrud für das Amt des 
Küjters, weil fein Hauptgeſchäft darin bejteht, das 
Nöthige für die Feier der Meſſe zuzurichten und 
den Geiftlichen bei der Feier zu bedienen. 

Meßopfer j. Meile. 

Mebpfründner (Frühmeßner), ift der Inhaber 
eines beneficium non curatum, s. simplex (d. 5. 
einer nicht mit Seelforge verbundenen Pfründe) 
innerhalb einer Pfarre, an welchem gemäß der Ab: 
jicht des Stifters die Verpflichtung haftet, jährlich 
eine beftimmte Anzahl Meſſen in einer Kapelle oder 
an einem bezeichneten Altare zu leſen. Der M. ift 
zugleich der Gehülfe des Pfarrers in der Sceljorge, 
tann aber, gegenüber den andern, jederzeit verjeß: 
baren Kaplänen in der Regel nur aus den gewöhn: 
lichen kanoniſchen Gründen entlafien werden. 

Mebftipendium iſt dad Honorar, welches dem 
Briefter für das Yejen einer Mefje zu Theil wird; 
ed wird, um dem Vorwurf der Simonie zu ent: 
gehen, nicht als eine Bezahlung, jondern als ein 
freiwilliges Geſchenk betrachtet, dejien Angemefien- 

eit aber von der Kirche beurtheilt wird. DasMep: 
sn entftand aus den alten Oblationen ; alö 
die Gemeindecommunion jelten ward, wurden bie: 
jelben in einen Öeldbeitrag umgewandelt. Wer ein 
Stipendium annimmt, iſt gehalten die Meſſe zu der 
verlangten Zeit zu halten und fie nach der Inten— 
tion des Stifters zu appliciren, er fann fie aber 
durch einen Stellvertreter, häufig jelbit an fremdem 
Altar lefen lafjen. Die Meßſtipendien tönnen ein: 
malige jein oder aud) Stiftungen, deren Renten: 
genuß an die Feier der vezeichneten Meſſen gebun: 
den ijt. Wenn ſie die Anjtellung eines eigenen Geift: 
lichen, Meßpfründners, Kaplans bedingen, bedür: 
jen fie der Genehmigung des Biſchofs. Die Zahl 
der zu lejenden Meilen kann in einzelnen Fällen 
mit Rüdjicht auf die Bedürfniffe des Eultus oder 
des Ausfommens der Beiftlichen verringert wer: 
den. Die M. bieten der Kirche ein Hauptmittel, 
ihre zahlreiche Prieſterſchaft zu.unterhalten. 

Meftrezat, Johann, geb. 1592 zu Genf, einer der 
berühmtejten Theologen der franzöſiſch reformir: 
ten Kirche des 17. Jahrh., ward nad) Vollendung 
feiner Studien auf der Akademie zu Saumur Pre: 
diger zu Charenton, als welcher er 1631 den Vor: 
jig bei der dort abgehaltenen Rationaljynode führte, 
welche die erjten Schritte zu einer Bereinigung der 
teformirten Kirche mit der lutherischen that. +1657. 
Er erwarb ſich rühmlıche Anertennung in jeinem 
Streit mit den Jejuiten u. X. (Über Abendinahl, 
Autorität der h. Schrift, Rechtfertigung ꝛc.) durch 
die gediegene Vertheidigung der proteftantiichen 
Principien und jeine gelehrte aber maßvolle Pole: 
mit und galt überhaupt als eine Hauptitüße des 
franz. Proteftantismus. Bon feinen Schriften, 
meiftens Predigten, war am verbreitetften: Expo- 
sition de l’epitre aux Hebreux, 3 Bde. Genf 


1655, eine homiletiſche Auslegung des Hebräer: | 


1624 und 25. Sein Sohn 
Meftrezat, Philipp, F 1690, Brofefjor der Theo- 
logie zu Genf, vertrat mit Trondin dort die freiere 
fogen. Saumür'ſche Richtung gegen den ftreng cal: 
den Franz Turretint. 
talle, Davon, daß die Hebräer ſelbſt Berg: 
bau getrieben hätten, findet fih im 4. T. keine 
Spur, obwohl die paläftiniichen Gebirge auch Erze 
enthalten (val. 5. Mof. 8, 9). Man beiog das 
nöthige Metall meiſt durch Phöniziſche VBermitt- 
lung aus Spanien Heſek. 27, 12. Jerem. 10, 
9,1. Matt. 8, 3, Arabien (Havila 1. Moj. 2, 
11. 12; Ophir 2 Chron. 9, 10) und Indien. Da: 
gegen veritanden die Jiraeliten die Kunſt der Ver— 
arbeitung der Metalle; jchon in der Urzeit wird 
als der Erfinder derjelben Thubalkain 1. Moſ. 4, 
22 genannt; auf dem Wüjtenzuge waren Künſtler 
unter den Juden, die das goldene Kalb gofien 
2 Mof. 32, 4 fi. 5 Mof. 9, 16; erwähnt wird fer: 
ner das Schmelzen von Gold und Silber um es 
zu läutern Ezech 22, 18, 20; Jeſ. 1,25; Jerem. 
6,29.30; Sad). 13,9; Mal. 3,3, das Gießen von 
Gold, Silber und Kupfer zu Bildern Jef. 40, 14, 
Säulen und Gefäßen 2Moi.25, 12, das Schlagen 
zu Blech zum Ueberziehen 1 Kön. 6, 20 ff., das 
Vergolden Jeſ. 40, 19, das Löthen und Boliren 
1 Kön. 7, 45, wie auch Schmiede in Eifen und 
Erz nebit Gold: und Silberarbeitern genannt wer: 
den. Daher fonnten die Propheten häufig ihre 
Bilder und Gleichniſſe von diefer Kunft-entlehnen. 
Gold muß in großer Menge vorhanden geweſen 
fein, wie, abgejehen von feinem Gebraude als 
Geld (j.d. Art.) aus der reihen Verwendung des— 
jelben an der Stiftshütte und am Tempel und der 
Menge der goldenen heiligen Gefäße (2 Moj. 25, 
26 fi. 1 Kön. 6. 7), jo wie daraus hervorgeht, dab 
es nicht bloß zu eigentlichen Schmuckſachen, jon: 
bern auch zu Geräthen deö gewöhnlichen Gebrauchs 
verwendet wurde 2 Moſ. 3, 22, 1 Kön. 10, 21. 
Nicht weniger im Gebraud) war das Silber, das 
meijt in Verbindung mit dem Golde erwähnt wird. 
Die an verſchiedenen Stellen Off. 1, 15; 2, 18. 
(Luther: Meffing) Hejet. 1, 4. 27; 8, 2. Eir. 8,27 
erwähnten Metalle waren wahrſcheinlich Mifchun: 
gen von Gold und Silber, ähnlich wie das korin— 
thiiche Erz der Alten. Wie Gold und Eilber als 
der werthvollfte Theil des Befiges häufig allein zur 
Bezeichnung irdiſchen Reichthums gejegt werden 
1 Mof. 13, 2; 4 Moſ. 22, 18; 2 Sam. 21,4; 2 
Kön. 7,8 u. ſ. w. jo bezeichnen fie bildlich alles 
Werthvolle und Begehrensmwerthe. Pf. 19,11; 119; 
127; Ser. 2,4; 3, 14 und öfter; Jeſ. 13, 12 ꝛc. 
Am meiiten benust wurde das Erz (Kupfer) zu 
Tempelgefähen und Geräthen des gewöhnlichen 
Gebrauchs, ferner zu Waffen, namentlid Bogen, 
Helmen, Riüftungen, und wegen jeiner Feſtigkeit 
zu Ketten, Thüren und Riegeln. So wird es aud) 
bildlich zur Bezeichnung der Stärke gebraucht. Diob. 
40, 13. Jerem. 1, 18 u. ſ. w. Das Eijen, häufia 
mit dein Erz zuſammen genanıt, verwendete 
man zu den jcharfen und jchneidenden Werkzeugen, 
Waffen, Feſſeln u. ſ.w. auch wie jenes zu Bildſäulen 
Mit dem Erz hat eö gleiche bildliche Bedeutung. 
Auch Stahl (Eifen aus dem Norden Jerem. 15, 
12) wird erwähnt. Aus Blei fertigte man Ge— 
wichte Sad. 5,7.9 und Sentblei Amos7,7; nad 
Hiob 29, 24 gofi man in Stein auögebauene Burh: 


Metaphraites 667 Methodiſten 
ſtaben mit Blei aus. Zu ähnlichen Zwecken wie welche den Proteſtantismus in Disputationen und 
Blei wurde das Zinn, dad man aus Spanien be: Schriften nad beſtimmten Methoden bekämpften. 
zog Heſek. 27, 12 verwendet. Sad. 4, 10; Jej. 1, Methodiften. Die Mitglieder der von John 
25. Das Antimonium (Spießglanz) endlich be: | Wesley und George Wbitefield 1729 geftiiteten 
nugte man zur Bereitung von ſchwarzer Augen: evang. religiöjen Gemeinſchaft, welche in ähnlicher 
ſchminke 2 Kön. 9, 30, Jer. 4, 30 und Augenfalben Weiſe, wie der Pietiömus und Labadismus auf 
u 18, dem Feftlande, urſprünglich nichts Anderes wollte, 

taphraftes, Simeon, der Berfafler einer als innerhalb der beftehenden Kirche, und ohne ihre 
Sammlung von Heiligenlegenden und Märtyrer: Lehren und Einrichtungen anzutaften, ein pratti: 
geihichten, älterer und jüngerer Zeit; die Weife, ſches und lebendiges Chriſtenthum erweden. John 
in der er das von ihm zujammengetragene Mate: Wesley, geb. 17. Juni (alt. Styls) 1705 und 
rial umfchrieb und überarbeitete, erklärt feinen |jein Bruder Charles, geb. 18. Dez. 1708, waren 
Zunamen. Ueber jeine Berfon herricht große Un: die Söhne eines hochkirchlichen Seiftlihen, Samuel 
fiherheit. Nach Leo Allatius (f.u.)joll er im Anfang |W., Pfarrers zu Epworth in England. Fromm er: 
des 10, yabeı. als hoher Beamter am Hofe des /jogen, wurden fie doc) erſt zu Oxford, wo fie ſich 
Kaiſers Leo VI. Philofophus und deſſen Sohnes dem Studium der Theologie widmeten, von tiefern 
Eonftantin’s VII. gelebt haben und im 5. 902 mit chriſtlichen Ernit ergriffen und vereinigten fich 1729 
einer Gejandtichaft zu den Arabern auf Kreta be: jmit. mehreren Freunden, um neben griechiichen 
auftragt geweſen jein, bei welcher Gelegenheit er und lateiniſchen Schriftftelleen vorzüglich das N. 
auf Paros den Antrieb zur Abfafjung feines Wer: Teſtament mit einander zu lefen. Die ausſchließ— 
fe8 empfangen hätte. Dagegen verjegt ihn Oudin lich religiöje Richtung, die ihr Verein bald nahm, 
(f. u.) in dus 12. Jahrh., und hält ihn für denfel: ihr asketiſch geregeltes Leben, die von ihnen ge: 
ben „Zogotheten“ (Gejhichtfchreiber) Simeon, der |haltenen Erbauungäftunden, ihre Befuche bei Ar: 
die noch vorhandene epitome canonum verfaßte. Imen und Gefangenen wedten den Spott und erwar: 
Die Sammlung, beginnend mit den Zebenäbejchrei: |ben ihnen den Namen der Methodijten, als jolcher, 
bungen der Apoftel und Kirchenväter, iſt durch un: die die Frömmigfeit mit Methode betrieben. Zu 
zählige fpätere Zuthaten immer mehr angewadhjen ; ihnen trat Georg Whitefield, geb. 16. Dez. 1714, 
eine Sichtung der ähten von Simeon m der Sohn eines Schentwirths in Gloucefter. In 
den Stüde haben Leo Allatius und Cave verſucht. feiner Jugend ein wilder Burſche, hatte er dennoch 
Bei der Menge der Fabeln, welche diejelbe enthält |ftetö einen religiöfen Zug und befondere Neigung 
und dem Mangel an Kritit mit dem die Quellen be: zum Predigtamt bewahrt ; aus großen Verirrungen 


handelt find, bieten fie eine nur jehr unzuverläflige |gerettet tonnte er jeit 1732 als Studentendiener 


Geſchichtsquelle. Bon den fibrigen den Namen Si: 
meon’s tragenden Schriften, Briefen, Gedichten, 
Reden, jowie einer Chronik ift es ftreitig, ob der 
ältere oder der jüngere ihr Berfaffer ſei. Vgl. Leo 
Allatius, de Simeonum scriptis, Par. 1664, Cave, 
hist, liter. Zond. 1688. Fabricius, bibl. Graee. 
VI. Dudin, diss, de aetate et script. Sim. Met. 
(Comm. II). 

Metatron (Mäder). Nach der rabbinifchen 
Engellehre der Schugengel Jiraelö, der vor dem 
Bolfe auf dem Zuge durch die Wüfte hergefandt 
wurde, derjelbe, der ſonſt Michael heißt. Metatron 
wird baher gleichgeftellt ver Schechina (die die 
göttl. Majeftät verhüllende Kihtwolfe =Gott jelbit) 
und dem Engel des Angefichts. 

Meth, Ezechiel, ein Schwärmer des 17. Jahr: 
hunderts, ward als der Sohn eines Schuldirectors 
in Langenſalza geboren. Durch jeinen Oheim Ejaias 
Stiefel gerieth er in ſchwärmeriſche Vorftellungen 
und Agitationen, ähnlich denjenigen, wie fie unter 
den Schwarmgeiftern der Neformntiondzeit aufge: 
taucht waren. Verachtung des äußern Bibelmorts, 
des Bredigtamts und der Sacramente, die Einbil: 
dung, eine fündlofe Gemeinjchaft darftellen und 


in Oxford jtudiren und fand im eifrigen Anſchluß 
an die Brüder Wesley Befreiung von innern An: 
fechtungen. Er wurde neben und nad) ‚John Weäley 
der Xeiter des neuen Vereins, Die beiden Wesley 
gingen 1735 als Niffionare nach Georgien, gelang: 
ten aber beide bort zu feiner rechten Wirkſamkeit, 
jo daß fie bald zurüdtehrten, Doc waren fie da: 
jelbft in Berührung mit den Herrnhutern gekom— 
men, deren Frömmigkeit auf fie tiefen Eindrud ge: 
macht hatte; daher Thloffen tie ji) in Yondon an 
‚die dort wirkenden Herrnhuter-Brüder an und ftif- 
teten mit ihnen nad Herenhutifchen Regeln in Fet— 
'terlane 1738 eine Gejellichaft zu gemeinjamer Er: 
'bauung. John W. wurde hier inne, daß ed ihm 
bisher bei feinem Suchen nad) Gerechtigkeit am 
Glauben gefehlt habe. Hier fam, wie eö nad) feiner 
Lehre bei jedem Neubelehrten der Fall ift, die 
Gnade Gottes plößlich bei ihm zum Durchbruch, fo 
daf er die Umkehr jeines Inneren deutlich empfand; 
jeine wahrhafte Belehrung datirte er vom 24. Mai 
1738. Eine in demjelben Jahre unternommene 
Reife nah Herrnhut machte ihn zwar mit den Ein- 
richtungen der Gemeinde befannt, zeigte ihm aber 
‚auch, dab jeinem Wejen der Anichluß an diefelbe 





ſchon jegt die Seligleit des ewigen Lebens genie: widerſtrebe. Inzwiſchen war auch Whitefield als 


Ben zu können, dharakterijiren aud) die Schwärine: 


zuerft in Zangenfalza ſchwärmeriſche Aufregungen, 
darauf in Erlurt und Gisperäfeben, wo Meth alö 
Ehemitus des Grafen Hand Ludwig zu Gleichen 
auftrat, deſſen Gemahlin fi von der Schwärine: 
rei bethören ließ. Nach vielfachen —— 
und nach dem 1627 erfolgten Tode ſeines Dheims 


verſtand er ſich endlich in Erfurt 1628 zur Beteh: jan 


rung und jtarb am 26. October 1640, ©, d. Art. 
Stiefel. Bgl. Arnold's Kirchen: und Keger-Hiftorie. 
Methodiften biehen die jejuitifchen Polemiker, 





field's feurige Beredfamteit einen unbeſchreiblich 





Miſſionar nad) Georgien gegangen, aber behufs Ab: 
rei Meth's und feines Oheims. Beide verurfachten | 


haltung einerCollecte in England wieder anweſend. 
Die Freunde begannen ihre methodiſtiſche Thätig: 
feit durch ihre Predigten, wobei namentlich White: 


großen Eindrud machte und auf der einen Seite eine 
Denge Neubelehrter gewann, auf der andern leb— 
——— Haß, Spott und Verfolgung erregte. Es war 

angs, wie erwähnt, keineswegs die Abſicht W’s., 
ausder Hochkirche auözutreten und eine eigene Secte 
zu ftiften, vielmehr fuchte er zunächit Die biſchöflichen 
Geiſtlichen für jeine Richtung zu gewinnen. Hier 


Methodiſten 


aber fand er mit wenigen Ausnahmen den hart: 
nädigften Widerjtand, iA daß ihm und feinen An: 
hängern die Kirchen verjchlofien und Bann und 
Ausſchluß aus der Gemeinde angedroht wuroe. 
Da begann Wbhitefield 1739 die Feldpredigten 
unter den Köhlern in Kingswood, und Wesley 
jeinem Beijpiele folgend, in Briftol und London, 
wo manchmal bis 20000 Menſchen ſich als Zuhörer 
um ihn fammelten; die Zahl jeiner Anhänger jtieg 
fortwährend. Als man ihnen nun auch das Pre: 
digen auf freien Blägen unterjagte, eröffnete Wes— 
ley im Mai 1789 die erite methodiftiiche Kapelle 
in Briftol. Bald nachher 1740 löſte ſich die Geſell— 
ihaft in Fetterlane und überhaupt die Gemein: 
ihaft mit den Herrnhutern, deren fittlihe Berubi: 
gung in dem Gefühle des Erlöfetfeins und der un: 
verlierbaren Heilögewißheit mit W.’5 Dringen auf 
thatjächliche Heiligung in Widerfprudy kant; un: 
mittelbar darauf gründete W. die United Society, 
die erfte methodiſtiſche Geſellſchaft. Im folgenden 
Jahre trennten fih auch Whitefield und Westen, 
da jener an der jtreng calviniſtiſchen Prädeſtina⸗ 
tionslehre feſthielt, dieſer milder, mehr arminia- 
nisch dachte. Whitefield wurde der Gründer der 
calviniſtiſchen Methodiften, die vorzugsweiſe in 
Amerita ei Gebiet fanden, während die wesleya: 
niſche Stiftung fich in Europa ausbreitete, Der 
folgenreichite Schritt zur Weiterbildung des Me: 
thodismus war die Durch Das immer größere Wachs: 
da der Gemeinde unabweisbar gewordene Zus 
—* der Laienprediger, wozu W. aber nur nach 
anfänglichem Widerſtreben, auf Zureden feiner 
Mutter, ſeine Einwilligung gab. Meiſt arme und 
ſchlichte Leute, wurden fie our die Wärme und 
Beredjanteit einer friihen religiöjen Begeifterung 
das Hauptmittel zur Ausbreitung des Methodis: 
mus, aber der Mangel theologiſcher Bildung ver: 
größerte aud) die Gefahr des religiöfen Subjecti: 
vismus, W.'s Hauptbeftreben war, durch die 1744 
auf der eriten Eonjerenz zu London begonnene Dr: 
ganijation jeiner Gejellichaft, die er noch immer 
—* von der biſchöflichen Kirche für geſchieden 
anſah, die religiöſe Erregung jedes Mitgliedes 
Dauernd zu unterhalten, zu Diefem Zwecke über: 
trug er herrnhutiſche Einrichtungen auf die Hoch— 
fire. Die ganze Gemeinſchaft jondert fich in zwei 
Geſellſchaften, die vereinigten Gejellihaften der 
Ermedten (United Societies) und die Bandaejfell: 
ihaften (Band-Societies) der Begnadigten, für 
welche ftrengere Lebensregeln gelten; ein engerer 
Kreis der Erleuchteten und ein weiterer der Bü- 
Senden verjhwand bald wieder. Dieje Geſellſchaf⸗ 
ten jind in Klaffen von etwa 12 Perjonen getheilt, 
die untereinem Klafjenführer in wöchentlichen Ver: 
jammlungen ihrenHerzenszuſtand befprechen. Meh— 
tere Gejellihaften bilden einen Bezirk (circuit). 
Außer den Ortöpredigern (fromme Yaien) wurden 
für jeden Bezirk einige Neifeprediger, die eigent: 
lien Geiftlichen der M. angeftellt, welche in be: 
jtimmter Ordnung die Geſellſchaften befudhten, und 
von welchen einer als Aſſiſtent oder Suprrintendent 
die Angelegenheiten des Bezirks zu bejorgen hatte. 
Ihre Zahl betrug bereits 1744 über 40. Die ganze 
Geſellſchaft jtand unter der Conferenz, die W. mit 
den von ihm zugezogenen Bredigern bildete, und 
die jich jährlich verfammelte, In der deed of de- 
elaration von 1784, der eigentlihen Berfaflungs: 
urfunde des Methotismus, ſetzte W. die Zahl der 
Gonferenzglieper auf 100 feſi, die jich jelbit ergän— 


668 


— — 


Methodiſten 


zen. Die Conferenz faßt die Beſchlüfſe über Lehre 
und Disziplin. Strenge Kirchenzucht gehörte zum 
Weſen der Gemeinſchaft; dazu kamen als beſondere 
Anregungsmittel der Erwedung außer den täglichen 
Predigten und Erbauungsftunden: die gewoͤhnlich 
alle Vierteljahre (nad herrnhutiſcher Weije) ge: 
feierten Liebesmahle, die monatlid einmal gehal: 
tenen Wachnächte (ganze Nächte, in welchen gebetet 
wurde), Die —— Bundes-Erneuerung und 
mehrere Faſttage. Die religiöſen Geſänge der MW. 
dichtete meiſt Charles Wesley (f 1788). Raid 
breitete ſich die Geſellſchaft aus und gewann ge 
rade in den religiös verſunkenſten Diſtrilten Eng: 
lands die größte Wirkſamkeit; jeit 1747 wurden 
aud) in Irland und 4 Jahre jpäter in Schottland 
die erjten methodiſtiſchen Gejellichaften gebildet, 
Kapellen — und nach und nach Bezirke einge: 
richtet. Die Berfolgungen, welche bejonders Die 
öffentlichen Felopredigten hervorriefen, und bie 
bis zulebensaefährlichen Mifpandlungen W.'s und 
der Prediger und bis zum Niederreißen der Ka: 
pellen jtiegen, vermocdten nur den Glaubensmuth 
und den Eifer der Methodiften immer mehr anzu: 
feuern. Der Widerftand der biſchöflichen Kirche ge— 
gen die neue Richtung zwang Wesley gegen feinen 
Willen zu immer weiterer Trennung von derjelben. 
Um ordinirte Heiftliche zu gewinnen, Die das Abend: 
mahlaustheilen könnten, wandte er ji, da die ang: 
licaniſchen Bischöfe feinen Gehülfen die Ordination 
verweigerten, 1766 an einen zufällig in England 
anweſenden griechiſchen Biichof, da er, ähnlidy wie 
die Hochlirche, jeden biſchöflich Geweihten als ein 
Glied der allgemeinen Kirche betrachtete. Als dann 
ipäter das Bedürfniß nad ordinirten Geiftlichen 
namentlich in Amerila bei dem Ausbruch des Krie: 
ges dringender wurde, weihte er, in der Leberzeu 
ung, dab Briefter und Biihof uriprünglih im 
Weſen gleich fei, felbft zwei Yaienprediger zu Prie: 
tern und 1784 feinen bisherigen Gehülfen Dr. 
homas Cote (geb. 1754), den Führer der Mij: 
jionsthätigfeit, zum Superintendenten. Damit war 
die Trennung von der engliihen Kirche vollzogen. 
Für Schottland ordinirte er im folgenden * 
3 Priefter. Zugleich begannen die Methodiiten ihre 
Berfammlungen zur Stunde des hochlirchlichen 
Gottesdienſtes zu halten und darin das Abend 
mahl auszutheilen, was bisher ftreng vermieden 
war. Noch mehr trat die Trennu' g Fibre in Der 
Weiſe des Gottesdienſtes hervor, als die engliichen 
Methodiſten-Kapellen fich der Liturgie, welche %., 
wenn auch im engen Anſchluß an die hochlirchliche, 
für Amerifa entworfen hatte, zu bedienen anfingen; 
den legten Schritt that W. 1755 damit, dab er ſich 
und jeine Anhänger unter den Schug der Duldungs: 
akte (von 16>9, wodurd) den von der Staatsfirche 
fi) trennenden Secten freie Ausübung ihres Be 
kenntniſſes gewährt wurde) jtellte; hiermit war nad) 
Außen hin der Methodismus als eigene Secte con- 
jtituirt. — Der Methodismus hat ih um das re: 
ligiöje Yeben Englands und Amerifas unleugbar 
roße Verdienfte erworben, wie er auch auf die Ge 
Haftung deſſelben in Frankreich und zum Theil in 
Deutſchland Einfluß gemonnen hat. Er —— dem 
dogmatiſchen Wiſſen eine perſönliche Frömmigkeit, 
der anſtaltlichen Kirche eine enge religiöſe Gemein 
ſchaft, dem rationaliſtiſchen und deiſtiſchen Unglau 
ben ein poſitives Chriſtenthum entgegen; er nahm 
ich zuerſt der niedern, bisher vernachläffigten 
aſſen mit Eifer und Liebe an; er begann den 


Methodiiten 669 Methodiſten 
Kampf gegen die Negerſclaverei. Die Tractate aFz— überhaupt die einfachen Bräuche ber apoſtoliſchen 
ten für religiöfe Belehrung des Volls; der leib: | Zeit wieder herzuftellen fuchten. Um diefelbe Zeit 
lichen Notb und fittlichen Verſunkenheit begegneten 1816 entjtand in Irland die „Brimitive Wesleyani⸗ 
andere Anftalten und Einrichtungen, die zum Theil ſche Methodiſten-Gemeinſchaft“; fie trennte ſich von 
das Vorbild der inneren Miſſion geworden find. | der älteren Gemeinde, weil fie in der Erlaubniß, 
Der Sinn für Miffion wurde von ihm gewedt und | zu gleicher Zeit mit der Staatäfirche den Gottes: 
eine energifche Thätigkeit auf diefem Felde begon: | dient zu halten, eine von Wesley nicht gemollte 
nen und Fortgeführt. Aber das Streben nad) Hei: | Trennung von derfelben erfannte. Auf der ander 
ligung mußte, weil es methodiſch betrieben wurde, | ren Seite aber geftanden ihre Mitglieder im Wi: 
ebenfo veräußerlichen, und eine religiöfe Engher: derjpruc mit W.’S urfprünglihem Plan den Laien 
zigkeit war unvermeidlich, weil das neueXeben des | Bertretung im Kirchenregiment zu. In den näch— 





Einzelnen, um von Allen anerlannt werden zu | iten 20 Jahren fanden noch mehrere unbebeu: 
können, fich in beftimmten Formen und Formeln | tende Spaltungen ftatt, biö im Jahre 1886 eine 
bewegen mußte: W.'s Furcht vor dem Antinomid: | neue größere Trennung eintrat. Gegen den Beſchluß 
mus artete jo in eine neue religiöfe Gejeglichkeit | der Conferenz, ein methodiftifches Predigerfeminar 
aus, — Die Wesleyaniſchen tethodiften haben 
2 in —— nach ſeinem Tode in verſchiedene 
beſondere Gemeinſchaften getheilt, wozu neben den 
rein religiöſen Meinungsverſchiedenheiten haupt— 
ſächlich die Verfaſſungsſtreitigkeiten den Anlaß 
gaben. Die von Wesley begründete und in der 
„Erklärungsurkunde“ von 1784 niedergelegte Ber: 


zu gründen, erhob fi, hauptfächlid aus perfön: 
lihen Gründen, der Prediger Dr. SamuelWarren, 
und gründete mit etma 20000 Gleichgefinnten die 
„Wesleyaniſche Methodiften-Affociation“ ir hat 
an die Stelle der Gonferenz eine „JahreöverJamm: 
lung“ von Predigern und Xaien-Abgeordneten ge: 
jet und den Bazirken eine größere Unabhängigkeit 
faſſung vereinigte nämlich auf hierarchiſche Weiſe in Betreff ihrer lokalen —— einge⸗ 
alle Gewalt ſowohl der Lehre und der Disziplin räumt. Auch dieſe Geſellſchaft machte keine beſonde⸗ 
als auch der Vermögensverwaltung in der Confe- ren Fortſchritte; ihr Stifter trat ſogar ſpäter zur 
renz, die auch geſetzlich als Eigenthümerin aller | Staatskirche über. Um fernere Spaltungen für die 
Kapellen und Anftalten gilt; auf ihre Zufammen: | Zutunft zu verhüten, erließ die Conferenz 1835 die 
fegung waren die Gemeinden ohne allen Einfluß, | jog. „Erflärungsacte” (The declaratory Act), in 
da fie ſich fortwährend felbft ergänzte. Durch die | welden die Diszipfinar: und VBerfaffungsfragen 
im Jahre 1792 erfolgte Einrichtung der Diftriftös | lediglich der Conferenz und den Diftrifts:Commit- 
Committees alö einer Zwiſcheninſtanz, beitehend | teeö vorbehalten bleiben, ſowie bie „Regulationen“, 
aus allen Predigern eines Diftritts, der 3—8 durch melde den Laien an der finanziellen Ber: 
Bezirke umfaßte, wurde diejes Syſtem vervoll: | waltung eine Betheiligung eingeräumt wurde. Doch 
jtändigt und die Gewalt der Conferenz zu einer ſchon nad 10 Jahren, um 1844,begann eine neue 
völlig unbeſchränkten gemadt. Nach W.'S Tode gegen die hierarchiſche Gewalt der Eonferenz und 
Ober wurden wiederholte Verſuche gemacht, die: | ihrer Präfidenten und Secretäre gerichtete Nebormts 
elbe durch Zulaſſung von Laien enger zu begren: | bewegung, diederWesleyanMethodist-Reformers, 
zen, jo jhon auf der Gonferenz von 1792, ohne | deren Führer, die Prediger Everett, Dunn undGrif: 
jedoch fürs erjte Erfolg zu haben. Aus den dabei | fith, ihre Ziele zum Theil dur Bolfäverfammlungen 
und eigene Zeitungen zu erreichen ſuchten. Nach 
anfänglich großen Erfolgen ſcheiterte diejelbe an 
der Feſtigkeit der Conferenz und endigte mit bem 
Anschluß des größern Theils der —————— an 
die vorerwähnte Methodiſten-Aſſociation (1857), 
die nun den Namen „Vereinigte Methodiſtiſche 
Freifiche” annahm. Die Methodiften bilden die 
Mehrzahl und find zugleich die einflußreichiten aller 
— Diſſenters; es rechnen ſich zu ihnen etwa 
1 Seelen. 

Die methodiftifche Bewegung in Amerifa ging 
aus theild von den beiden Wesley jelbft, die von 
1736 —1738, in Georgien gewirkt, theil3 und 

auptjählih von Jahn Wbitefield, der auf 6 ver: 
hiedenen Reifen (zwifchen 1788 und 1770) ala | 
Reife: und Erweckungsprediger dajelbft thätig ge: 
weſen war. Die erjte eigentlihe Methodiftenge: 
meinde wurde indeß erft 1766 in New-VYork burd 
einen Wesleyaniſchen Laienprediger, Philipp Em: 
burg, gegründet. In den folgenden Jahren ent: 
tanden weitere er Gemeinschaften in Benn: 

) 


ſich entwidelnden Streitigkeiten gingen hervor zu⸗ 
nächſt das auf der Conferenz von Leeds 1797 an: 
genommene Geje®buch der Geſellſchaft »Code ofla- 
wes or rules« und unmittelbar darauf die „Regu: 
lationen“ von Leeds, in denen den Yaien einige 
Zugejtändniffe gemacht wurden, ohne daß ihnen 
jedoch) bei der Conferenz eine Vertretung zugeſtan⸗ 
den worden wäre. In folge davon trennten ſich 
der Prediger Kilham mit drei —— die 
Hauptvorkämpfer der Laien, von der Muttergejell: 
ſchaft und gründeten die „Neue Methodiiten Ge: 
meinſchaft“, welche die alte Drganifation Wesley's 
beibehielt, aber den Laien gleiche Rechte mit den 
Predigern im Regimente einräumte,. Sie zählte 
gleich Fi Anfang über 5000 Mitglieder, doch blieb 
ihre Entwidlung in der Folge eine beſchränkte. 
Biel bedeutender wurde die ebenfalld durch den 
Widerſpruch gegen die Allgewalt der Conferenz 
1810 ins Leben gerufene „Brimitive Methodiitens 
Gemeinſchaft“. Die Conferenz hatte ihre Stifter 
Hugh Burne und Will. Clowes und deren An: 
hänger en weil fie die amerikanische | jylvanien, Maryland u.T. w., die jedoch nicht Durch 
Sitte der Lagerverjammlungen (Campmeetings) | eine einheitliche Berfaffung verbunden waren. Als 
mit den lauten Ausbrücen der Gefühlserregung | im Jahre 1784 nad) Beendigung des amerikanischen 
(daher ihr Spottname Ranters, Schreier) ange: | Unabhängigkeitäfrieges die Verbindung zwiſchen 
nommen hatten. 5 Jahre fpäter bildete fich die | England und Amerika völlig gelöft worden, ſandte 
Gemeinſchaft der „Bibelchriften“ (Bryanites, nad Wesley den von ihm zum Superintendenten ges 
—— tifter O'Bryan), die im Gegenſatz * weihten Dr. Thomas Coke nach Amerika, mit dem 

onferenz nur unbefoldete, von ihrer Hände Ar: | Auftrage, die zerjtreuten M.Gemeinden zu einer 
beit lebende Neifeprediger dulden wollten und ' jelbftändigen Kirche zu organifiren, — noch in 





Methodiften 


demfelben Jahre auf der einge, ber Laien⸗ 
prediger zu Baltimore ausgeführt wurde. In Hin: 
fit der hier angenommenen, fpäter theilweife ver: 
änderten Verfajjung unterſcheidet ſich die metho: 
diſtiſche Episkopalkirche in Nordamerifa von der 
engliichen M. Kirche dadurch, daß fie die hierarchi— 
ſche Öliederung der Beiftlichen in Bifchöfe, Pres: 
byter und Diakonen beibehielt. Den Titel eines 
Biſchofs nahm zuerjt Cofe an, der urjprüngliche 
war Superintendent. Die oberjte Rirchenbehörde 
ift die allgemeine Gonferenz, welche aus den Ab: 
georoneten der ſämmtlichen Diſtricts-Conferenzen 
beiteht und alle vier Jahre zufammentritt; die 
Laien haben weder Antheil am Kirchenregiment, 
noch aud) an der Verwaltung des Kirchenver: 
mögens. Hinfitlid der Kirchenzucht hatte man 
urſprünglich die Wesleyaniſchen Vorſchriften an: 
genommen, rag Gene diefelben ſpäter weſent— 
lich verändert. Die aufregende, auf Erſchlitterung 
des Gemüthes hinwirkende Weife Whitefield's hat 
ber amerikaniſche Methodismus als befondere 
Eigenthümlichkeit bewahrt, und durch mehrere da— 
hin zielende Einrichtungen, die Bußbank, die Lager— 
verſammlungen und Aehnliches —— Hieraus 
find hauptſächlich die in der amerik. Methodiſten— 
Kirche wiederholt vorlommenden revivals, allge: 
meine Erwedlungen, zu erllären, die aud) auf an: 
dere Rirpenkteite ji erjtredten und ſelbſt * 
Deutſchland hinüber wirkten. Glaubensbekenntni 
ſind die von Wesley auf 25 reduzirten 39 Artikel 
der engl. Staatskirche, doch ſtehen ar diefer ferner 
als die engl. Methodiften. Die gleichfalls von Wes: 
ley nad dem Common Prayer Book bearbeitete 
Liturgie wird weniger beachtet, da im Gottesdienft 
das freie Gebet vorherrſcht. Die upeiahen bil: 
den eine der zahlreichſten und einflußreiditen Ne: 
ligionsgeſellſchaften Amerikas, die, fortwährend 
duch Einwanderung von England aus verjtärkt, 
durch eifrige Miffionsthätigfeit und eine geordnete 
Reifepredigt ihr Wachsthun mit der zunehmenden 
Entwidlung des Landes fihert. Die frühere Ab: 
neigung gegen theologijhes Studium, in welchem 
man nur Öefährdung der Slaubensinnigfeit jah, 
ist im Schwinden; in den legten Jahren hat die 
Kirche jelbjt mehrere Collegien und theologische 
Seminare gejtiftet. Seit dem Jahre 1844 theilten 
ſich aus Anlaß der Stlavenfrage die M. Amerifas 
in 2 völlig geſchiedene Kirchen, eine „nördliche 
biſchöfliche M.Kirche“ und eine „ſüdliche b. M.: 
Kirche“. Jene zählt etwa 900000, dieſe 700000 
Mitglieder. Berfaffung, Lehre und Eultus find 
leich, der einzige Unterſchied beſteht darin, daß 
Die nördlihen M. den Biſchöfen und Brieftern das 
Halten von Sklaven verbjeten. Auch eine deutſche 
biſchöfliche Methodiftenkicche ift feit 1835 durch den 
Würtemberger Prediger Wilhelm Naft begründet; 
fie hat jeit 1850 begonnen Miffionsjtationen für 
Deutfchland (zuerft in Bremen) aufzurichten. Im 
engen Anſchluß an die nordamerilaniſche biſchöf— 
liche Methodiften » Kirche zählt fie bereits weit 
über 100 Gemeinden, namentlid in den weitli: 
* Staaten Amerikas. Die De 336 
ethodijten oder Huntingdon'ſche Gemeinschaft, 
find die Anhänger Wpitefields, welche fi, wie er, 
wegen der Lehre von der Önadenwahl nicht an Wes: 
ley anſchloſſen und in einem befreundeten Berhält: 
niß zur Staatskirche blieben. Die eigentliche Stif: 
terin dieſer Kirchengemeinſchaft ift die Lady Selina 


Huntingdon (die „Methodiſtenkönigin“), geb. 1707 





670 


Methodius 


* 1791, die vonder Predigt Whitefields mächtig er⸗ 
riffen, ihn 1748 zu ihrem Kaplan machte; in ihrem 
* predigte er dem hohen Adel Englands. Sie 
tiftete 1768 ein Seminar zu Trevecca in Südwales 
zur Bildung calviniftifher Prediger; nad ihrem 
Tode wurde es nad Cheshunt (Herts) verlegt, mo 
es fich noch befindet. In Lehre und Eultus jtimmt 
diefe Gemeinſchaft mit der Staatäfirche überein, 
doch ift das freie Gebet in ihr in höherm Maaße üb⸗ 
lid; die Verfaſſung ift die freiere methodijtifche. 
Sie zählt die meiften Gemeinden in England, nur 
wenige in Amerika. 

Die Wal'ſchen calviniftiihen Methodiften leiten 
fi) weder von Wesley noch Whitefield ab, fondern 
von Howel Harris aus Trevecca, der in Orford 
ftudirt hatte. Er begann noch vor jenen eine Mij: 
fionsthätigfeit in Wales und bildete wie fie Pri- 
vatgejellihaften, welche durch Verfolgungen von 
Magiitrat und Pöbel aus der Kirche heraus ge: 
drängt wurden. Die Derfeffung ift methodiſtiſch. 

Zur Literatur vgl.: The Works of J. Wesley 
Brist. 1771 ff. 32 Bde. H. Moore, the life of J. 
W. Lond. 1824. Southey, the l. of J. W, and 
Rise and Progress of methodisme 4. ed. 1864. 
liberf. von Krummadher Hamb. 1823. 2 Bde. Wat- 
son, obss, on Southeys life of W. Lond. 4. ed, 
1333; über]. von Edenftein, Frff. 1839. Taylor, 
W. and method. 1851. The life of G, Whitefield 
1826, nad) dem E. herausg. von Tholud 1834. 
Smith, History of Wesleyan Methodism, I. Bd. 
1857. Burdhard, Geld. des M. in England 1795. 
Baum, der. Zür. 1333. Jadfon, Geſch. von An» 
fang, gortgang und gegenwärtigen Zuftand des 
M. Aus dem E. von Kunge. Berl, 1840. Jacoby, 
Handbud) des M., Brem. 1853, 

‚ Methodius, Biſchof von Olympus und Patara 
in Lycien, jpäter von Tyrus, F 311 als Märtyrer 
in ber mariminifchen Verfolgung. Bon feinem Les 
ben ift nichtö weiter befannt, & wird von Eufe: 
bius, Socrates u. N. erwähnt als ein entjchiedener 
Gegner des Drigenes, obwohl & in manden An: 
Ihauungen mit demfelben fich berührt habe. Bon 
ben Schriften, in denen er deö Drigenes Lehre von 
ber Auferftehung und Präeriftenz der Seele be: 
fämpfte, deresurrectione und de creatione finden 
fi nur Fragmente bei Epiphanius (haeres, 64) und 
Photius (Cod. 234—37). VBolitändig erhalten ift 
* Conrivium dec. virginum, ein Preis des jung: 
räulihen Lebens in Dialogform. 2. Diero: 
nymus jchrieb er auch gegen Drigenes de libero 
arbitrio, doc hat das unter sun Namen vor: 
ee Fragment einen andern Berfafjer. Unächt 
ind 2 Homilien, die Dffenbarungen und die Chros 
nit des Methodius. Die erhaltenen Werke nebit 
den gragmenten gab heraus Gallandi, biblioth. 
atr. IIL. Bgl. Mai, script. vet. nov. coll. VIL 1. 

:ombefis, Op. Photii Paris 1614; das convivium 

oder Symposion gejondert gaben Leo Allatius, Rom 

1656 und danach Combefis, auct, nov, bibl. Patr. 

Paris 1672 heraus. 

Methodius (Methud), Apoftel der Mähren. Ein 
Grieche von vornehmer Abkunft, trat, nachdem er 
in Eonftantinopel hohe Staatsämter beffeivet hatte, 
in den geiftlihen Stand und ging, zufolge der an 
Kaifer Michael III. gerichteten Bitte des Herzogs 
Ratislav von Mähren 863 mit feinem Bruder Ch— 
rillus (Conftantinus) ald Miffionar dorthin. Der 
Kirche, die er hier begründete, gab er die ſlaviſche 
Bibelüberfegung, für welde er die Schriftzeihen 


Methone 


erft erfinden mußte. Bei feinem zweiten Aufenthalt 
in Rom auf den Wunſch des Fürſten Kozel von 
Bannonien, der fi von der Verbindung mit 
Deutichland aud auf kirchlichem Gebiete möglichft 
befreien wollte, von Hadrian II. 870 zum Erzbijchofe 
von Mähren und Pannonien geweiht, wußte er 
für feine Kirche dad Recht zum Gebraud der Yan 
desſprache im Gottesdienft, ſowie einer eigenen 
(nad) der — verfaßten) Liturgie zu be: 
wahren. Wegen feiner Wirkfamleit von der frän: 
tiſch⸗lateiniſchen (deutſchen) Partei, die feinen 
Sprengel als zu Salzburg gehörend betrachtete, 
vielfach verfolgt, wurde er zulegt um 874 vor eine 
baierifche Synode geftellt und 2 Jahre lang ein: 
eterfert, f daß ihm nur die Androhung des P. 
Jotnn VIII. er werde über die Salzburger den 
ann ausfprechen, die Freiheit verſchaffen tonnte. 
Fortwährend von feinen Gegnern verfolgt, mußte 
er fih 880 in Rom von der Anklage „fremder Zeh: 
ren und Gebräuche” rechtfertigen, was ihm gläns 
send —— fo daß der Bapft der ſlaviſchen Kirche 
die Weiterbenugung ihrer bisherigen Liturgie ger 
ftattete. Schließlich fiegte jedoch die deutſche Par: 
tei, jo daß Papſt Stephan IV. (885—891) den 
Methodius bannte und den ſlaviſchen Sottesdienft 
verbot. Die betreffende Bulle, deren Echtheit von 
Einigen ohne genügende Gründe bezweifelt wird, 
datirt von 885 (890°). Wahrfcheinlich in demſelben 
Sabre ftarb Methodius. (S.d. N. Eyrill,) Bol. 
Ginzel, Geich. der Slaven-Apoftel 1857. Barmann, 
Bolit. der Päpfte. Elberf. 1869. II. 

Methone, Nitolaus von, ſ. Nikolaus, 

Metropolit. Ein Erzbijchof, welcher Suffragan: 
biſchöfe unter fid) hat, von Metropolis, Nutter: 
Stadt, Hauptftadt einer Provinz. Daher: Metropo: 
litanfirche joviel als Gathedrale. 

Metropolitieum ift das erzbiſchöfliche Ordina: 
riat und Eonfiftorium, welches zugleich die zweite 
Inftanz fürdie Entfcheidungen der Eonfiftorien und 
Ordinariate der Suffraganbisthümer bildet. Mit: 
unter wird ihnen durch befondere päpitliche Ans 
ordnung als dritter Inſtanz die Entjcheidung Über 
YAusiprüche eines anderen Metropoliticums über: 
tragen. 

etrophanesfritopuloß, ein griechiſcher Theo: 
loge; geboren in Beroea und gebildet im Athos: 
Klofter wurde er noch jung Hieromonachos (erfter 
Siegelbewahrer) des Patriarchen Eyrillus Zucaris. 
Dieſer fandte ihn, damit er fich als theologiſcher 
Zehrer der ungebildeten griechiſchen Geiftlichteit 
ausbilde, auf diellniverfität Orford zum Erzbifchof 
Abbot 1616, wo er mehrere Jahre verweilte. Da: 
nach beſuchte M. 1620 oder 1621 die beutichen 
evangelifchen Univerfitäten bis 1626, lehrte dann 
einige Jahre in Benedig die griehijche Sprache, 
und ward nad jeiner Rücklehr Patriarch von Aler: 
andrien. Während feines Aufenthalts in Helm: 
ftädt 1625 jchrieb er eine Darlegung des Lehrbe: 
grins ber griechiſchen Kirche und ihrer wichtigſten 
bräude, welde von oh. Hornejus mit einer 
lateiniſchen UWeberjegung herausgegeben murbe, 
Helmſtadt 1661. Revidirte Ausgabe von Weißen: 
borr in dem Appendix libr. symbol. eccl. orien- 
talis, Jena 1850. Diefelbe enthält zwar nicht in 
allen Stüden den fpäter —— orthodoxen 
Lehrbegriff, iſt aber eben —— wie ihr vorge⸗ 
worfen wurde, lutheraniſirend. M. ſtarb nach 1640. 
Bol. a Dietelmaier, de Me- 
trophane Oritopulo. Altenb. 1769. 


671 


ee 





Merico 


Mette, bezeichnet den vor Tagesanbruch gehal« 
tenen, namentlich den hohen Feſten vorangehen« 
den Frühgottesdienſt in der fathol. Kirde. Das 
Wort wird von den Meiften abgeleitet von matu- 
tina (Morgenftunde), von Andern von Met, nad 
beffen berühmter Singſchule unter Karl d. Gr., der 
Cantus mettensis genannt fei. Sie wird in feiers 
licher Weife, abgejehen von den Klöftern, nur noch 
am Weihnachtsfeſte gehalten, fonft vom Prieſter in 
der Stille gebetet. Die erften Iutherifchen Kirchen: 
ordnungen wollten die Mette als einen Frühgot» 
teödienft, in dem einige Pjalmen gefungen und ein 
Abſchnitt aus der Bibel gelefen werden follte, bei⸗ 
behalten, doch kam fie, abgejehen vom Weihnachts⸗ 
feite, jehr bald in Abgang. 

Mes. Das Divodurum ber Gallier, Hauptftabt 
der Mediomatricer, im M. U. Mettis, feit ältefter 
zeit der Sit von Biſchöfen, von deren wunderwir⸗ 

endem Gebete bei den Einfällen der Germanen 
und Hunnen die Legende erzählt. Die Geſchichte 
derjelben ſchrieb een Karl d. Gr. Befehl (fehr uns 
gleichmäßig und dürftig) Paulus Diaconus zwifchen 
183 und 791. Unter benfelben find die bemerlens» 
wertheften: Arnulph, der heilige, feit 614, vorher 
Laie und verehliht, der angebliche Stammvater 
des Karolingiſchen Hauſes. Nad) etwa 1Ojähriger 
Verwaltung des Bisthums legte er mit Erlaubniß 
des Königs zwiſchen 625 und 28 feine Würde nies 
der und zog fich in das Klofter Remiremont (Vo⸗ 
gejen) zurüd. + 641. Chrodegang 742—766 (f. d. 
A.), belannt durch die den Benediktinern nachge— 
ahmte Regel, wodurd er feine Kleriker zu einem 
gemeinfamen möndifhen Leben verband. In ans 
dere Diözefen übertragen wurde fie der Urſprung 
der Domkapitel. Angiltam 768—791, zugleich Ars 
&hicapellan bei Karl d. Ör., dem die capitula An- 
gilrami zugeichrieben werden, welche die pſeudo— 
iſidoriſchen Grundfäge über die Prozeſſe gegen 
Biſchöfe enthalten. Drogo 823—835, fünfter Sohn 
Karl’s d. Gr., hauptfächlich verdient um die Pflege 
des Gregorianifchen Gejanges, den Karl in ber 
Diözeſe eingeführt und zu deffen Reinerhaltung er 
die Sängerihule von Met gegründet Hatte, 
Mes war Suffraganbistfum von Trier und 
blieb dies, ald es im Frieden von Cambrai 
1556 an Frankreich fam, ebenfo im weftphälifchen 
Frieden 1648. In Met wurde das bie Aufhebung 
des Ediftö von Nantes verfügende königl. Dekret 
zuerft, ſchon 5 Tage nach der Unterzeichnung, am 
22. Oct. 1685 zur Ausführung gebradt. Weber 
4000 Reformirte wanderten aus, meijt nad Bran⸗ 
benburg, an ihrer va Ancillon, der Vater eines 
berühmt gewordenen Age Dal. d’Hanno- 
celles, Metz ancien. 2 Vol. Meg 1856. La perse- 
eution de l’eglise de Metz döcrite par le sieur 
Olry. 2 ed. par O. Cuvier. Paris 1860. 

Mes, Chriſtian. S. d. A. Infpirirte, 

Mouſſim Dan. 11,33.39. „Gott der Feſtungen“ 
von Luther (Maeufim) ald Eigenname gefaßt, ift 
ald Gattungsname zu nehmen. Die Rabbinen ver: 
ftanden darunter ben Mars, wahrſcheinlicher ift 
jedoch die Beziehung auf den Jupiter Capitolinus, 
von defjen Verehrung durch Antiohus Epiphaned 
feine Sendung von Weihgeſchenken, ſowie der in 
Antiohien unternommene Bau eines bemjelben 

eweihten Tempels Zeugniß giebt, und die zu feiner 
Fonftigen Vorliebe für römijches Wefen ftimmt, 

Mexito. Nach der Eroberung des Landes durch 

Gortez übernahmen die Miffion India⸗ 


Meyer 


672 


Meyfart 


nern die Franciscaner 1522, an welche ſich 1526 | jenfchaften. M. s literariſche Thätigkeit richtete ſich 


die Dominikaner anſchloſſen. 1572 folgten auch 
die Jejuiten. Wie im übrigen fpanifchen Amerifa 
blieb die Belehrung der Ureinwohner eine jehr 
äußerliche, und das Chriftenthum wurde in weit. 
gehendem Maaße dem Heidenthum angepaßt, jo 
daß bie Heiligenbilder fajt an die Stelle ber Gößen: 
bilder getreten zu fein jcheinen. Der Cultus ift mit 
allem Bomp überladen und mit Luftbarleiten ver: 


bunden, Die Macht der ungebildeten Geiftlichkeit | deffelben, die 4 Evangelien 


war eben fo groß als ihr Reichthum und die Be: 
drüdung der nbiener durch die hohen kirchlichen 
Abgaben. Nach der gegenwärtigen durch päpftl. 
Breve vom J. 1851 erfolgten Drganifation Jat Me: 
zico ein Erzbisthum mit 11 Suffraganbisthümern ; 
zahlreich find die Klöſter. Als ſich 1826 der Papft 
gegen die Revolution und den Abfall von Spa: 





befonders auf die Herausgabe jeines Fritifch:erege: 
tischen Commentars zum Neuen Teftament, 16 
Bände, Göttingen 1832 u. ff. Das Werl, eines 
der gebiegenften Erzeugniffe der neueren theologi- 
hen Literatur, ausgezeichnet durch umfafjende 
Belejenheit wie maßvolle wiſſenſchaftliche Eregeje, 
übt noch fortwährend bedeutenden Einfluß aus und 
hat wiederholte Auflagen erlebt, die erften Bände 
Itend, bereitä die 
te; die 7 legten Theile (Briefe an die Theflalo: 
nicher und Hebräer, die übrigen, nicht paulinijchen 
Briefe und die Offenbarung enthaltend) find von 
anderen Berfafiern bearbeitet. Außerdem gab M. 
den Tert des N. T. mit einer möglichjte Treue ans 
ftrebenden deutſchen Ueberfegung heraus, Gött. 
1829, ſowie die jymbolifchen Bücher der lutheri- 


nien erflärte, wurden alle Verbindungen mit der ſchen Kirche: Libri symbolici ecclesiae Luthera- 


Eurie abgebrochen, und erjt 1837 wieder ange: 


nae ad edit. principes et ecel. auctoritate com- 


müpft. Auch in den fpäteren, ununterbrochen auf | probatas recensuit etc. Gött. 1830. 


einander folgenden Revolutionen fpielt das In—⸗ 


Meyer, Johann Friedrich von. Wurde zu Frank: 


terefie des Klerus eine große Rolle; mehrere | furt a.M. 12. Sept. 1772 geboren, bezog 1789 die 


Ummälzungen hatten nur den Zwed, die llebers 
macht defjelben zu brechen. Bis zum Jahre 1861 
gehörte der Geiftlichkeit fajt die Hälfte alles Grund: 
eigenthums; ihr Einftommen betrug 50 Prozent 
mehr als die gefammten Staateinnahmen. Mit 
dem in diefem Jahre erfolgten Siege der liberalen 
Bartei trat eine Aenderung ein: der Präfident 
Juarez zog alles Kirchengut ein, bob die Klöfter 
auf und verfündete allgemeine Religionsfreigeit, 
während vorher nur den Fremden die Ausübung 
eines nicht fatholiichen Eultus gejtattet war; die 
Biſchöfe, welche fich diefen Maßregeln widerfegten, 
wurden verbannt. In Folge defien veranlaßte die 


flertfale ‘Bartei, an ihrer Spike der Erzbifchof | f 


Almonte, die ſpaniſch-engliſch-franzöſiſche Expedi⸗ 
tion 1861/62, auf welche die franzöftihe Decupa- 
tion und das ephemere Kaifertbum Darimilian’s 
von Deftreich folgte, den die Heritale Partei auf: 
gab, als er nothgedrungen zu denjelben Mafre: 
geln gegen das Kirchenvermögen griff, weil die 
Curie auf feine der nöthig gemordenen Reformen 
eingeben wollte. Bal. Richthofen, die äußeren und 
inneren Zuftände der Nepublid M., Berl. 1854. 
Mühlenpfordt, Verſuch einer getreuen Schilderung 
der Rep. Merico, Hannover 1844, Reiſewerke von: 
Heller, Leipz. 1853 und Müller 3 Bde. Leipz. 
1864—65. 

Meyer, Heinrich Auguft Wilhelm, Dr. theol. 
Geboren 10. Januar 1800 zu Gotha, ftudirte 
1818— 1820 in Jena, ward 1823 Pfarrer zu Dit: 
haufen (Sadjen-Meiningen), 1831 in Harfte bei 
Göttingen. Seit 1857 Pfarrer und Euperinten- 
dent in Hoya an der Wefer, wurde er 1848 als 
Eonfiftorialrath, Paſtor primarius an der Neu: 
jtädter Hof: und Stadtkirche und Superintendent 
der Injpeltion Neuftadt:Hannover nad Hannover 
berufen. Als Deputirter der Hannover'ſchen Kir: 
henregierung nahm er Theil an der in Berlin 
1346 abgehaltenen evangeliihen Eonferenz und 
war in gleicher Eigenfchaft von 1865—68 Mitglied 
der Halle'ſchen Conferenz zur einheitlichen Revi— 
fion der Lutheriſchen Vibelüberfegung. Um jeine 

anze amtliche Thätigleit den Arbeiten des Eon: 
ftoriums widmen zu können, legte er 1848 jeine 
Pfarrſtelle nieder. Seit 1861 Dberconfiftorialrath 
trat er 1865 aus Gejundheitörüdfichten in den 
Ruheſtand und lebt feither in Göttingen ben Wif: 


| 











Univerfität Göttingen und ftudirte Die Rechte, Phi⸗ 
lologie und Gefchichte, lebte 1793: —94 in Leipzig 
den ſchönen Wiflenjhaften, bis er beim Reichs: 
fammergericht zu Wetzlar 1794 eintrat. Seinen 
folgenden Stellungen ald Salm :Kyrburgifhem 
Hof: und Domainenrath, ſowie ald pfalz:baieri- 
ſchem Appellationärath in Mannheim machten bie 
in Folge der franzöfiichen Revolutionsfriege eins 
tretenden Territorialveränderungen jedesmal ein 
jhnelles Ende. 1802 jiedelte er fih in Frankfurt 
an und übernahm zeitweilig die Zeitung der dor: 
tigen Bühne. 1807 zum Stadtgerihtärath ernannt, 
ward er 1816 Senator, 1821 Mitglied der Schöf: 
enbank und Synditus, 1837 Gerihtsfhultheiß. 
Wiederholt bekleidete er Die Würde des erjten Bür: 
germeifters und des Gejandten feiner Baterjtadt 
am Bundestag. Die Univerfität Erlangen ernannte 
ihn 1821 zum Doctor der Theologie + 1849. M. 
kam auf dem Wege eigener Forſchungen vom Ra: 
tionalismus zu pofitiven chriftlichen Heberzeugun: 
gen und beſchäftigte ſich ſeitdem fortwährend mit 
theologifhenStudien. Aus ihnen ging feinBibelmert 
ervor, „Luthers Ueberjegung verbefjert und mit 
ae erflärenden Anmerkungen verſehen“ 
(1. Ausg.1819,in 2. Ausg. ohne Anmerkungen1823, 
3. Ausg., legter Hand, mit A. 1865). Dieje jehr ver: 
dienstliche Arbeit liegt der berichtigten Ueberſetzung 
von Stier und v. Meyer zu Grunde. Ihr voraufge: 
angen waren Bibeldeutungen 1812. Als myjſti⸗ 
her Theojoph behandelte er mit Vorliebe Die Lehre 
von den legten Dingen und der Apocalyptif, jo in 
den Schriften: Habes, ein Beitrag zur Theorie der 
Geifterwelt, Franff. 1810. Schlüffel zur Offenba— 
rung Johannis, Karläruhe 1833. Blide in den 
Spiegel des prophetiſchen Wortes, Frankf. 1847. 
Ein Hauptwerk find die „Blätter für höhere Wahr: 
—* aus ältern und neuern Handſchriften mit be: 
onderer Rüdficht auf den Magnetismus Franfi. 
1818—32, 11. Samml. Im Anſchluß daran, als 
12. Bd.: Inbegriff der Glaubenslehre ebd. 1832. 
Eine Auswahl daraus erihien Stuttgart 1853, 
Außer feinen Gedichten und den philologiichen und 
archäologischen Arbeiten iſt nochzu erwähnen : das 
Bud Jezira, die ältejte fabbalijtifche Urkunde der 
Hebräer, hebräifch und deutjh mit Anmerkungen 
und Gloſſen, Frankf. 1831. 
Meyfart oder Mayfart, Johann Matthäus, 


Mezzofanti 


ber Dichter des Liebes „Jerufalem, du hochgebaute 
Stadt”. Der Sohn eines Geiftlihen zu Wall: 
winkel in Thüringen, geboren zu Jena 1590, er: 
zogen auf der Schule zu Gotha; ſtudirte in Jena 
un nenn Philoſophie und Geſchichte, dann 
feit 1611 Theolo 
1623 als Director an dem von Herzog Johann 
Eafimir 1605 neubegründeten Gnmnafium Caſi— 
mirianum zu Coburg, einer theologischen Bildungs: 
anftalt angeitellt. 1631 oder (wahrſcheinlicher) 1633 
als Brofefior ber Theologie an die Univerfität Er: 
furt berufen, ward er 1635 Rector der Univerfität, 
dann Paſtor und Senior des geiftlichen Minifte: 
riums + 1642. Seine deutſchen Schriften beziehen 
fich theils auf die Lehre von den legten Dingen, 
theils auf die Berbefferung der kirchlichen Zu: 
ftände. Zu den erfteren gehören: Tuba novissima, 
d. i. von den letzten Dingen, Cob. 1626. 4 Pre: 
digten, von denen bie dritte am Schluß das Lied 
„Serufalem ꝛc.“ an vom himmlischen Jeruſa⸗ 
lem, 2 Bbe., Cob.1621 ; das hölfifche Sodoma oder 
die ewige Berbammniß, ebend. 1630; das jüngfte 
Gericht, Nürnberg 1632, alle drei öfter aufgelegt. 
Die zweite Klaffe feiner Schriften griff die Schä- 
den und Gebrechen der Zeit an. Die hriftliche Er: 
innerung an Regenten ıc., wie das Laſter der Here- 
rei auszurotten, Schleufingen 1636, eine der erſten 
Warnungen gegen die Gräuel der Herenproceffe, 
hat Thomafius in feinen Schriften vom Unfug 
des Herenprocefies, Halle 1703, S. 357 f. wieder 
abgedrudt. Die „hrijtliche Erinnerung von den 
een Schulen zc.“ ebend., 1636 zeichnete den ver: 
allenen fittlihen Zuftand der Univerfitäten; ihr 
folgten in einer fpäteren Denkſchrift Borfchläge 
ur Hebung der tief gefuntenen Kirche und Geiit: 
ichleit. Seine älteren lateinifshen Schriften waren 
—— und polemiſchen Inhalts; fo der un: 
vollendet gebliebene prodromus elucidarii theo- 
logici2 Bde., Cob. 1620. Grawerus continuatus, 
eine —— der disputationes antijesuiticae 
des Theologen Alb. Gramwer, Cob. 1623. Anti- 
Becanus sive manualis controversiarum theol., 
ebend. 1627, gegen Becanus (ſ. d. A.) gerichtet. Der 


673 


gie. 1616 ward er als Profeflor, | 


Michael 


| wieder in fein Amt eingefegt, ward er Unis 
verfitätsbibliothefar und befleivete mehrmals die 
Rektoratswürde. Gregor XVI. berief ihn 1831 
nah Rom und machte ihn nacheinander zum Haus: 
prälaten, Domherrn von Maria Maggiore, 1833 
an Ang. Mai’s Stelle zum erften Cuſtos der vati: 
caniſchen Bibliothek und Canonicus bei St. Peter, 
endlich 1838 zum Carbdinal; als folder war er Mit: 

lied der Eongregationen der Propaganda, des 
— der Riten und der Prüfung der Biſchöfe, 
ſowie Präfelt der Eongregation der Studien {etwa 
Unterrihtsminifter) F 1849. Seine Grabſchrift 
rühmt feine außerordentliche Sittenreinheit (mo- 
rum innocentia). Schriftliches hat er nichts hinter: 
laffen. Val. Theiner bei Weter und Welte, Bd. 12 
&. 796. Malavit, Vie de M. Paris 1853. 

Micha (grieh. Miyaias, deutſch „wer ift wie Je: 
hova”, = Michael), der Prophet, ftammte wahr: 
ſcheinlich aus Morefchet bei Gath in Juda Mic. 
1,1.14, Jerem. 26, 18, welches Dorf Eujebius und 
Hieronymus noch Ffannten, von dem aber jekt 
jede Spur verloren ift. Er war ein Beitgenoffe des 
Jeſaia, mit dem er auch nad Inhalt und Gehalt 
der Weiffagung ſich berührt, und wirkte nad) der 
Ausfage der Meberfhrift unter den Königen Jo: 
tham, Ahas und Hisfia, oder, wie diejenigen mei: 
nen, welche die Ueberſchrift in ihrer jegigen Geftalt 
dem Micha abiprehen, nach dem Inhalte des Buches 
(vgl. Jer. 26, 18) nurunter Hiskia. Das BuhM. 
enthält 3 Abſchnitte. Kap. 1—2;3—5; 6 - 7, deren 
jeder Drohung und Verheißung enthält. Die Sün: 
den der Vornehmen und der faljhen Propheten 
ziehen das Strafgericht nach ſich, welches zuerft 
Samaria und dann Juda treffen und durch Affy: 
rien und Babylon vollzogen werden wird. Doc 
nach der Trübjal wird der Davidsſohn aus Beth: 
ehem kommen, die Heiden unterwerfen und das 
Gottesreich für alle Zeit wieder aufrichten. Die 
Echtheit des Buches ift unbezmweifelt, nur die bei: 
den legten Kapitel fchreibt Ewald einem etwas 
jüngeren Propheten zu. Die Sprade ift klaſſiſch 
rein, lebendig und erhaben mie die Jeſaia's. Val. 
Caspari, über Micha den Morafthiten und feine 





Nodus Gordius Sophistarum solutus Eob. 1627, | prophetifche Schrift, Chriftiania 1852, Außerdem 
eine polemifche Schrift, die indeß zugleich eine phis | Hitzig, ki. Propheten 3. Aufl. 1863. Emald, Bro: 
loſophiſche Vermittlung zwifchen der Ramiitifchen | pheten 1867,18. 498 ff. — Unter dem Namen Micha 
(f. d. Art. Ramus) und Ariftotelifhen Philofophie | fommen außer dem Propheten noch 11 Männer 


an finden fuchte. Bleibenden Erfolg hatte feine 
irkſamkeit nicht, doch half fie der Spener'ſchen 
Richtung den Weg bahnen. 

zofanti, Joſeph, Gardinal, ein feltener 
Spradentenner, aber durchaus fein wiflenfchaft: 
liher Sprachforſcher. Geb. 17. Sept. 1774 zu Bo: 
logna, der Sohn eines armen Tifchlers konnte 
er durch die opferwillige Güte des Superiors der 


Väter des Dratoriums, Rofpighi, ftubiren und 


ward 1797 ®riefter. Sein bewunderungswür— 
diges Spradtalent, vermittelft deſſen er jede Spra⸗ 
che, bie er einige gt hörte, fi) aneignen konnte, 
erhielt die erite Entwidlung im Lazareth zu Bo: 
logna unter den verwundeten Soldaten verjchie: 
bener Rationalitäten, bei denen er ſeelſorgeriſch 
thätig war. Er ſchrieb und ſprach zulegt 62 Spra⸗ 
hen, mehrere jogar in ihren verfchieyenen Dialek: 
ten. Seit 1804 an der Univerfität zu Bologna ald 
Lehrer der latein. und griech. Sprache angeitellt, 


| inder Bibel vor. Die bedeutenderen von ibnen find 


der Prophet Micha (auch der Ältere genannt), der 
Sohn Jimla’s 1 Kön. 22, 8 ff., welcher Ahab den 
Untergang weiffagte und der Ephramite Micha 
Richt. 17, 1 ff., der in feinem Haufe ein Gottes: 
bild aufftellte und einen Zeviten zu feinem Haus: 
priefter machte, bis ihm die Daniter beide ent: 
führten, 

ichael (wer ift mie Gott), der Erzengel, Dan. 
10, 13 Dan. 12, 1 Off. 12. 7 Juda 9, der befon: 
dere Schugengel Iſraels. In ihm findet der Se: 
danke des befondern Bundesverhältniffes, in dem 
Iſrael zu Gott vor allen Völkern ftehe, feinen Aus: 
drud, es ift eine Fortbildung der Lehre von der 
Schechinah und dem Engel des Angefihts. Die 
tathol. Kirche zollt ihm befondere Berehrung, in: 
dem fie das Schugverhältniß, in welchem er zu 
Iſrael ftand, auf die fathol. Kirche übertragen hat. 
Adgebildet wird er in der chriſtlichen Kunft als 


verlor er die Stelle unter der franzöfichen Herr: | der Drachentödter (mit Beziehung auf Dff. 12, 7) 


fchaft wegen feiner Weigerung den neuen Bürger: 
eid zuleiften. RahRapoleon’sSturz durch Pius VII. 


Imit dem Schwert in der Hand. Sein Feſt 
(29, Sept.) ordnete Bapft Felix IL. im Jahre 480 


Michael 6 


an. Die lutheriſche Kirche behielt daffelbe anfäng: 
lich als der Engel überhaupt bei. In der 
neueren Zeit ift es mit Beziehung auf die Engel 
als Schugengel der Kinder (Matth. 15, 1—11) zum 
Erziehungs: (Tugend:) Feſte geworben. 

Michael Eaerularius. S. Caerularius. 

Mihaelis, Johann Heinrich, geb. zu Hlettenber 
in der Grafihaft Hohnſtein 26. Juli 1668. Zuer 
für den Kaufmannsftand bejtimmt, wandte er ſich 
zum Studium der Theologie und Philofophie und 
legte fich befonders auf die morgenländifchen Spra⸗ 
den, warb 1699 a. o., 1709 ordentlicher Brofeflor, 
1732 Senior ber Fakultät und Inſpektor des theol. 
Seminars. + 1738. In Verbindung mit U. 9. 
Franke richtete er das Collegium orientale theo- 
ogicum ein, eine Pflanzjchule für gründlichere, 
zwar nicht Fritifche, uber ſprachlich tüchtige Aus: 
legung der Schrift, wie er denn überhaupt gegen: 
über der myſtiſchen Theologie Speners die nüch— 
terne, veritandesmäßige Richtung in Halle ver: 
trat; auch veranftaltete er eine fritifche, wegen 
ihrer —— ſehr ſchäzbare Handausgabe 
des hebräiſchen A. T. 1720. 

M., Chriſtian Benedikt, der Neffe des Vorigen. 
Geb. zu Elrich in Hohnſtein 26. Jan. 1680, ſtudirte 
in Halle, ward dort 1713 a. o. Profeſſor, 1714 
Brof. der Philoſophie, 1731 der Theologie, 1758 
der griechifchen und orientaliiden Spraden 11764. 
War ein beliebter Lehrer und verdienter Ereget, 
von deſſen jharffinniger Methode bejonders jein 
Tractatus criticus de variis lect. N. T. dijudi- 
candis, Halle 1749 Zeugniß giebt. Sein Sohn 

M., Zohann David, geb. zu Halle 27. Febr, 
1717, ftudirte zu Halle und wurde nad) Beendi: 
gung einer wiflenjhaftlicden Reife dur England 
und Holland 1745 an die neubegründete Univer: 
fität Göttingen berufen, wo er bis an fein Xebens: | 
ende geblieben ift. Er warb 1746 Brof. der Philo: | 
fophie, 1750 der orientaliihen Spraden, Secretär | 
und Mitdirector der Alademie der Wiflenichaften, 
1761 Hofrath, 1775 Nitter des ſchwediſchen Nord: 
ee (daher „Ritter” M.), 1785 Taiferlicher 

ath, 1757 geheimer Juftizrath. + 1791. Ein aus: 
gezeichneter Öelehrter und unermüdlicher Forſcher, 
iſt er Durch die von ihm ausgegangenen Anregun: 
gen und vieljeitigen Schriften von bleibender Be: 
deutung für die Theologie geworden. Nach feiner 
bogmatıschen Stellung bezeichnet er die Periode 
bed lebergangs der Orthodoxie in den Rationalis: 
mus. Sein vielleicht jet noch am meiften genann: 
ted Merk ift das „Moſaiſche Recht“ Halle 1770. 2. 
Aufl. 1778, 6Bde, Für die Gefchichte der biblifchen 
Cinleitungswiſſenſchaft ift wichtig feine Einleitung 
in's N. T. 1750. 4. Ausg. 1788, weniger die un: 
vollendet gebliebene Einleitung ins A. T., 

Bd. Hamb. 1787. Seine zahlreichen exegetiſchen 
Schriften über A.undR.T. find am werthvolliten | 
durch Die Beiträge zur Saderflärung der h. Schrift. | 
Bedeutendes leiftete er ferner für Exegeſe und Bi: 
belkunde durch die jeit 177 Lvon ihm geleitete „orien: 
taliſche und eregetiiche Bibliothek“, ſowie ald Re: | 
bacteur der Göttinger gelehrten Anzeigen (1753— | 
1770), Seine Selbitbiographie erſchien zu Rinteln 
und Leipz. 1793. Vgl. die Gedächtnißſchriften von 
Heyne und Eichhorn. 





j 


7 
und zo. Sprache, fo aud in ber Mathe: 
mati 


1. Ru 


4 Middleton 


und den geheimen Riffenfchaften der Magie 
auäzeichnete. Nach einem längern Aufenthalt am 
Hofe Kaiſer Friedrich's II., des Hohenftaufen, be: 
ab er fih nad England und ging 1290 ald Ge: 
are nad) Norwegen; + bald darauf. Er nahm 
Antheil an der auf Befehl Friedrich's IL. ver: 
faßten latein. Ueberfegung der Werke des Ari: 
ftotele8 — Aristot. opera latine, jussu imperato- 
ris Frideriei II — melde 1496 zu Venedig er: 
ſchien, ſchrieb de secretis naturae sive de procrea- 
tione hominis etc. Paris 1508 (aud) in den Wer: 
fen Albert's des Großen) und gilt als Berfafler 
der Schrift mensa philosophica seu enchir. in 
quo de quaest. mensalibus ete. agitur. Francof. 
1602, 1608, weldye aber aud) dem Jrländer Theo: 
bald Anquilbert zugejchrieben wird. Vgl. Biogra- 
phie univers. 41, p. 363. Paris 1825. 

Miehl, Anton, geb. zu Eberäberg in Baiern, 
feit 1799 Profeſſor des Hirchenrecht3 zu Landshut. 
+ 1813. Sein „Kirdenredht für Katholifen und 
Proteſtanten“ mit Hinfiht auf den Code Napoleon 
und die baierijchen Landesgejege, Münden 1809, 
erlebte mehrere Auflagen ; es betrachtete die Kirche 
als eine vom Staate abhängige Geſellſchaft. 

Michmas (Mayuc Ioseph. Antig-6,6.1), etwa 
3 Stunden nördlich von Jerufalem bei dem gleich» 
namigen Engpaß gelegene, zum Stamme Benja: 
min gehörige Stadt (l Sam. 13, 5. Jef. 10, 28), 
das heutige Muchmas bei der Schlucht des Wady es: 
Suweileh. Jhr gegenüber lagen die fegelförmigen 
Felfen Bozey und Sene (l Sam. 14, 4). Durd 
die Schlucht führte die Straße nah Jeruſalem, 
weshalb dieſelbe ald militärifhe Poſition wichtig 
war. Jonathan hatte hier eine Zeit lang jeine Re: 
rin 1 Macc. 9, 73. Eufebius erwähnt M. in 
einem Onomaftiton als jehr großes, 9 röm. Mei: 
len von Jerufalem gelegenes Dorf. 

Midioniter. Ein arabiiher Stamm, dftl. vom 
arabijhen Meerbufen, von der finaitifschen Wüſte 
bis zum Gebiet der Moabiter, der nach 1 Mof. 25,2 
von Abraham dur die Ketura abftanımte, ſonſt 
aber 3. B. 1 Mof. 37, 25 ff. den Jfmaelitern 
ganz gleichgeftellt wird. Ein Theil der M. wohnte 
im Oſten der Sinai⸗Halbinſel, dorthin floh Mojes 
2 Mof. 2, 15; ein anderer in den moabitifchen 
Ebenen 1 Moj. 36, 35. Sie wurden von den Edo: 
mitern bejiegt 1Mof.36,35, waren dann mit den 
Moabitern verbündet 4 Mof. 22, 4 und wurden 
von den Iſraeliten begwungen 4 Mof. 31. Sie er: 
holten ſich aber von der Niederlage und brachen in 
Berbindung mit den Amalelitern mehrmals in Ca⸗ 
naan ein, bis Gideon fie ſchlug, vertrieb, Richt. 6, 
83—E. 8. Pf. 83, 10. Jeſ. 9, 3 und für immer zur 

be zwang. Schon zu Jakob's Zeit werden fie als 
a aan Volk erwähnt 1Mof. 37, 28, wie 
ie auch) fpäterhin hauptſächlich den Handel zwiſchen 
u und Baläftina vermittelten Jeſ. 60, 6. 

dDleton, Conyer, englijcher Theologe des 18. 
Yahrh., der freieren Richtung angehörend. Geb. 
1683 zu Richmond, ftudirte auf der Univerfität zu 
Cambridge und wurde dort 1717 Profeſſor und 


eriter Bibliothelar. Wie David Hume den Wun⸗ 
berbeweis angegriffen, jo machte er zuerft auf die 
Schwierigkeit,zwijchen evangeliiden und firhlichen 


Michael Scotus, Ein gelehrter Schriftfteller ded | Wundern zu unterjcheiden, aufmerffam und leug⸗ 
13. Jahrhunderts, geb. zu Durham in England, | nete ſchließlich das Vorhandenſein wunderthätiger 
nad Andern in Balweary in Schottland, der fich | Kräfte in der hriftl. Kirche. Hierüber gerieth ex in 
durch Kenntniffe wie in der hebräiſchen, arabiſchen Streit mit W. Warburton, dem Biſchof von Glou—⸗ 


— 


Midraſch 


ceſter, deſſen Ausgang unentſchieden blieb. Durch 
feine Schrift gegen die von Rich. Bentley beabſich— 
tigte Tritiiche Ausgabe des Neuen Teftaments ver: 





675 


Milicz 


Ghedruckt bey Gellium Ctematium anno 1555, 
der auch bei der Abfafjung des Heidelberger Kate: 
chismus benußt worden ift; ferner fchrieb er eine 


mochte er diejen von feinem Plane abzuftehn. Neben | Apologie der Fremdengemeinde gegen die Beſchul— 
feinen philologifhen Schriften find die Abhand- digung ded Hochverraths, welche den Vorwand zu 
Lungen über verſchiedene Gegenftände aus dem Ges | ihrer Vertreibung aus England gegeben hatte. Val. 
biete der Theologie noch heute geſchätzt. + 1760. | Köcher, Katech. Geſchichte der reform. Kirchen. 


Werke: Remarks upon the proposal rg 
shed by R. Bentley. Lond. 1721. Antiq. Middle- 
tonianae. Lond. 1754. Miscellaneous works. 4 Bde. 
Zond. 1752—57. 


Midraid (von unT. eindringen), Erforfhung, 


bejonders bes Geſetzes, daher Midrafhim Com: 
mentare und freie Auslegungen der Schrift, ſoweit 
Diefelben nicht zum rezipirten Gefege, den Halachoth 
gehören. Der Name mwird gewöhnlich nur den 
älteren Schriften bis zum elften Jahrhundert ge: 

eben, im engeren Sinne den freien Auslequngen 

er Thorah und der Miſchna vom 2—5. Jahrhun⸗ 
dert. Aus dem Midraſch oder Stupium gingen 
hervor bie Halachoth (Regeln) oder Schemata (Ge: 
hörtes), die autorifirte unantaftbare Auslegung 
des Geſetzes, und die allein als Midraſch be: 
zeichneten Hagadoth (Gefagtes), die Privatmei: 
nung der QAusleger, die angenommen und be: 
ftritten werden fann. Der M. ſucht vorzugsweiſe 
Durch allegorifche Auslegung den geheimen tieferen | 
Sinn der Schrift zu erforfchen. dat. Jung, ottes⸗ 
dienſtliche Vorträge der Juden. Berlin 1832. —* 
feld, der Geiſt der talmudiſchen Auslegung der 
Bibel. 1. Theil (Halachiſche Eregeje) 1840; 2, Theil 
(Hagadifche Eregefe) 1547. 

Mies ſ. d. N. Jakob von Mies. 

Miesrob ſ. d. A. Mesrob. 

Mikrokosmus, d.h. die Heine Welt. So wurde 
der Menid von den Naturphilofophen des Mittel: | 
alters, namentlid Raimund von Sabunde, Picus | 
von Mirandula, Paracelfus u. A. genannt, weil er 
ein Abbild der großen Welt (des Malrolosmus) im 
Kleinen ift. Der Ausdruck ging von der ſchon im 
Alterthum, fpeziell in der älteften hriftlichen Gino: | 
fiß 3. B. bei Baſilides u. U. herrſchenden Borftel: | 
lung aus, daß die Welt ein befeelted Wejen ähn: | 
lich dem menſchlichen jei. 

Milron, Martin. Aus vornehmer Familie in 
Gent um 1523 geboren, war anfänglid Arzt und, 
wie es heißt, Verfaſſer mehrerer medizinijcher 
Schriften. Bei den Berfolgungen der Protejtanten 
durch die Spanier floh er zur Zeit der Thronbe: 
fteigung Eduards VI. um 1550 nad England und 
ftand bei der Zeitung und Drganifirung der De 
dengemeinde zu London dem Johannes a Lasco 
zur Seite. Er übertrug deſſen Kirchenordnung für 
die nieberländilchen Flüchtlingsgemeinden, wie er 
fpäter auch die liturgiihen Formulare nad) dem 
Vorbild der Londoner holländifch bearbeitete, 











Jena 1756. Bartels, Johannes a Lasco. Eiberfeld 
1860. 

Milet (Mönros, Melaffo), berühmte Handeld: 
ftadt in Kleinafien, von den Einen zu Carien, von 
den Andern zu Lydien geredhnet, mächtig durch ihre 
vielen (60) Colonien und Töchterftädte, die Vater: 
ftadt des Thales, Anarimander, Anarimenes, des 
Romanfchreibers Ariftiides (daher fabulae Mile- 
siae — meift fehlüpfrige Romane), Eik eines be: 
rühmten Apollo :Drateld. Die Einwohner waren 
dur Lurus und Ausfchweifung übel berüchtigt. 
In der Bibel wird M. erwähnt Ap. 20, 25 und 2 
Tim. 4,20. Paulus nahm bier auf feiner legten 
Neife nach Jerufalem Abſchied von den Aelteſten 
von Epheſus. 

Mileve, Stadt in Numidien. Von den beiden 
bier gehaltenen Synoden beftimmt die erite von 
402 (die 7. afrifanifhe Synode) den ar. der 
Bischöfe nah dem Datum der Weihe; ihre Akten 
bei Manfi III. 183 und 1139. Harduin I. 907, 
Wichtiger ift die zweite von 416, an welcher u. A. 
auch Auguftinus theilnahm, melde nad dem Bor: 
gange der Nordafrifaner zu Carthago 416, gegen 
die Synode von Diospolis von 415 den Pelagianis: 
mus verwarf und in einem Synodalichreiben an 
Sinnocenz I (402—417) um feine Zujtimmung zu 
diefem Urtheil bat. Das Synodalichreiben ijt er: 
halten (Manfi IV, 334, Harduin I, 1221), nicht 
die Synodalacten. Der Widerjprud) gegen Bela: 
gius wird begründet aus der h. Schrift, namentlich 
der 6. Bitte des Vater Unſer und der Kindertaufe. 
Die in der pfeuboifidorifhen Sammlung (Manfi 
IV. 326, Harduin 1. p. 127) aufgeführten 27 Ca: 
nones dieſer Synode gehören anderen Concilien 
an. Bol. Scheelitrate, antiq. eccl. Afric. diss. III. 
Hefele, Conciliengeſchichte II, 100. 

Milicz, Johannes, ein Vorläufer der Huffitifchen 
Reformation, aus Kremfier in Mähren. Sein Ge: 
burtsjahr ift unbelannt. Er ftudirte zu Prag Juris: 
prubenz und Theologie, wurde Domherr und Ar: 
Hidiacon um 1350 und erfcheint feit 1360 als Un— 
terfanzler Carl's IV, den er auf feinen Reijen ın 
Deutihland begleitete. 1563 legte er ſämmtliche 
Mürden nieder, um in Armuth Chrifto zu dienen. 
Nach einer Vorübung ald Kaplanin Biſchof-Teinitz, 
einem kleinen Orte bei Prag, trat er in Prag ſelbſt 
als Prediger auf, anfangs verlacht feines Diſlects 
wegen, bald gefeiert und bewundert. Seine Buß: 
predigten, die ſich gegen Lajter der Geiftlichen und 
Mißbräuche der Kirche richteten, verlündigten eben 


Bei der Vertreibung der Londoner Gemeinde (durch | fo wie eine befondere Abhandlung die Ankunft des 
Maria die katholiſche) 1553 begleitete er diefelbe | Antichrift auf 1365— 67. Er ſchonte hierbei weder 
nad Dänemark und Dftfriesland, und wurde Pa: Hoch noch Niedrig, und nannte fogar Carl IV. in 
ftor zu Norden. In Disputationen und Schriften | feiner Gegenwart den wahren Antichriften. Auf 
befämpfte er die Lehre Menno Simonis’ liber die | Betrieb feiner zahlreichen Feinde zeitweilig einge: 
— en Sr und vertheidigte die Qaäco': | Terfert, ging er 1367 nad) Rom, um feine Lehre 
{he Abendmahlölehre gegen Weitphal. In Norden | dem Papſte Urban V., der von Avignon zurüd er: 

ab er außer einem 5* Katechismus (1592) wartet wurde, vorzulegen. alla os von der In⸗ 

einen Heinen Katehismus heraus: De cleyne | quifition verhaftet, wurde er von dem Bapfte, der 
catechisınus of kinderleere der Duitschen Ghe- | 1363 in Rom anlam, freigelaffen und freundlich 
meynte van London etc. weeke nu hier ende daer | behandelt und kehrte unbehelligt nad) Brag zurüd. 
verstrogt is. Ghemaect door Martin Micron. | Seine Predigten blieben nit minder ernft, doch 


Militärkirchenordnung 


trat bie Verkündi 
In Folge feiner 
feiner Unfittlichleit berüchtigte Viertel „Benedig” 
in Prag; Karl IV. ſchenkie es ihm und er erbaute 
mit Beihülfe von Prager Bürgern an ber Stelle 
ein Haus für Büßerinnen (Magdalenum), welches 
er Serufalem nannte. Seit 1369 Hauptpfarrer in 
Teyn, wurde er von den Bettelmönden am päpft: 
lihen Hofe wegen feiner Lehre vom Antichriſt 
und übertriebener fittliher Anforderungen ver: 
klagt; gegen eine ihm ungünftige Bulle des Papftes 
Gregor XI. vom 1374 appellitte er an die Curie 
und begab fich felbft nad) Avignon, wo er, freund: 
lich A ee vor Beendigung ded Prozefied 

arb 29. Juni 1374. Eine Zeit lang hatte er aud) 
in Gnefen und Umgegend geprebigt und ähnliche 
Wirkungen hervorgebracht wie in 


676 


gung des Antichriſts mehr zurüd, | dem 
irffamfeit veröbete das wegen | ftü 


| 


öhmen. Sein | fannteften gemadt hat, feine Kirchengeſchichte. Er 


Militiades 


frühen Tode des Vaters mit Hülfe ber Unter: 
tung von Freunden, die ihm eine Freiſtelle an 
ber Univerfität Cambridge verſchafften, bier Bhilo- 
logie und Theologie, nahm dann eine Hülfälehrer: 
ftelle an und wurde bald Rector der lateiniſchen 
Schule und Vesperprediger zu Hull 1767, kurz vor 
feinem Tode 1797, auch Oberpfarrer dafelbft. Um 
1770 wandte er ſich dem Methodismus zu, jedoch nur 
feinen Grundfägen, nicht der Gemeinſchaft, blieb 
vielmehr ein treuer Anhänger der Staaiskirche, jo 
daß er zu den wichtigften Begründern der evanae: 
lichen Partei in der englijchen Kirche —* n 
diefem Sinne fchrieb er einige Heine Schriften, dar: 
unter Abhandlungen über die Bedeutung des Me: 
thodiämus,2 Bde. 1789 und ebenfo das Hauptmwerl, 
welches feinen und feines Bruders Namen am be: 


berühmtefter Schüler war Matthias v. Janomw(f.d. | beabfichtigte in derfelben von rein praftijch religiö- 


N.) Außer dem Libellus de antichristo, ſowie 2 | jen 


Predigtſammlungen fchrieb er böhmifch über das 
Kreuz und die Beunruhigungen der Kirche. Seine 
Predigten hielt er in den legten Jahren deutſch 
und ließ fie böhmifch in anderen Kirchen verlefen. 
Seine Lebensbeſchreibung in Balbini Miscell. I. 
Lib. IV. 34. Vgl. Jordan, die Vorläufer des Huf: 
ttenthums in Böhmen 1846. Palady, Gefhichte 

öhmens 1845. Ezerwenta,; Geſch. der evangel. 
Kirche in Böhmen. I. Bielef. 1869. 

Militärfirgenordnung. Die preußifhe von 
1832 ordnet das Kirchenwefen für das preußifche 
Heer. An der Spike fteht der Feldprobft, unter 
ihm je ein Militäroberprediger für jedes Armee: 
corps, der beim Confiftorium die Militärfirche 
vertritt und als Superintendent für die Garnifonen 
und Divifionsprediger feines Corps fungirt. Die 
Militärgeiftlihen find in gemwiffer Beziehung den 
Corps:undiFeftungscommandanten untergeordnet; 
fie haben die Aufjicht über die Garnifon: und Di: 
vifionsfchulen, an denen fie zum Theil zu unter: 
richten haben. Zur Militärgemeindegehören fämmt: 
liche active und penfionirte Militärperfonen mit 
ihren Familien, dieje gi aber beim Tode jener 
ber Givilficchengemeinde anheim. Die Militärge: 
meinde hat ihr eigenes Geſangbuch. Die Agende 
ftimmt mit der Landesagende überein, 

Mill, John, Dr. theol. in Oxford. + 1707. Er: 
warb fich großes Berdienft um die Theologie durch 
feine fritiiche Ausgabe des Neuen Tejtaments im 
Urtert mit den abweichenden Lesarten, Noten 
und Einleitungen. (N. T. graece cum lectionibus 
variantibus mss. exemplarium, versionum, edi- 
tionum ss, patrum et scriptorum eccl, et in eas- 
dem notis. Acced. loca script. parall. aliaque 
exegetica, Praemittitur diss. in qua de librisN. 
T. et canonis constitutione agitur et historia 
texrtus ad nostra usque tempora dedueitur. Or: 
ford 1707. Er theilte 3000 Varianten mit und 
gab zuerft an, wo jede Lesart ſich finde, und wie 
die Handichriften und jonftigen Duellen nach Alter 
und Werth beichaffen feien. Damit erft begann bie 
Tertkritif eine fihere Grundlage zu befommen. 

No, Kaſtell in Jerufalem, am Nordweſt⸗Ende 
Zions, welches David dur eine Ringmauer 
mit der Oberftabt vereinigte und Salomo aus: 
baute 2. Sam. 5,9;1. Kön. 9,15, Aud in Sichem 
wird Richt. 9, 6. 20 ein Kaftell Millo erwähnt. 

Milner, Joſeph, aeb. 2. Januar 1744 zu‘ 


4 





eſichtspunkten aus durd Schilderung bedeu⸗ 
tender frommer Berjönlichkeiten eine Gejchichte 
des hriftlichen Lebens zu geben, während der = 
wöhnliche —S Stoff, die äußere Ge: 
ſchichte, die Geſchichte der Berfaflung, der Riten, 
ber Dogmenentwidlung, der religiöfen Streitigfei- 
ten für ihn nur nebenfähliche Bedeutung hatte. Den 
Stoff theilte er nach Jahrhunderten, deren jebem 
er (vorn 4. beginnend) eine allgemeine Charafte: 
rifti voraufſchickt. Das Wert The history of the 
church of Christ 1794 fonnte er nur bis zum 3. 
Bande (4—13. Jahrhundert, die Geſch. der Wal: 
denfer bis zur Reformation) vollenden, die Fort: 
fepung gab zum Theil nach feinen Vorarbeiten jein 
Bruder 

Milner, Iſaac, geb. 11. Jan. 1750. Hatte eben: 
falls Hafjishe Studien auf der Schule feiner Ba: 
terftabt gemacht, mußte fie aber mit dem Tode des 
Baterd unterbreden und warb als Lehrling in 
‚einer Wollipinnerei untergebradt; 1767 trat er 


‚ bei feinem Bruder in Hull als Hülfälehrer ein und 


| bereitete ſich dort für die Univerfität vor; ftudirte 
‚dann feit 1770 Mathematif in Cambridge; 1774 
Baccalaur, dann Yellow, erlangte er 17883 die 
Würde und das Amt des Bräfidenten des Queens 
College, ward 1793 Brofeflor der Raturmiffen: 
fchaften, 1798 der Mathematik. Fortwährend aud 
mit dem Studium der Theologie beſchäftigt, wie 
er denn aud) Dr. Theol. war, wurde er jeit 1791 
Domdedhant von Carlisle und predigte als ſolcher 
öfter in der Kathedrale; lebhaft vertheidigte er die 





Bibelgefellichaften gegen die Angriffe des Dr 
Marsh. Die religiöfe Richtung jeines Bruders 
theilte er; nach deijen Tode gab er den 4. und 5. 


Band Glas faſt ganz felbjtändige Arbeit) der 
Kirchengeſchichte bis zum rd rn Augsburg 
heraus 1803 und 1809, an der Bollendung bes 


| Werkes hinberte ihn fein 1820 erfolgter Tod, 2. 


Aufl. des Ganzen 1816. 3. Aufl. 1847. Deutfche 
Ueberſetzung von Mortimer 1803 ff.2. Aufl. 1849. 
Vgl. Joſ. M's. Leben von feinem Bruder, im er: 
ften Band feiner Predigtfammlung. 1800. Life of 
Ios. M. byM.Milner. 1842, 

Miltiades, Ein in der alten Kirche berühmter 
Vertheidiger des Chriſtenthums gegen Montaniften, 
Heiden und Juden. Eufebius und Hieronymus er- 
wähnen feine Schriften, die aber verloren find. 
Er fol unter M. Aurel (161—180) und defien 





Leeds. Nahdem er an der lateinifchen Schule da: 
jelbft feine Vorbildung erhalten, ftubirte er nach 


Sohn und Nachfolger Commodus (180—192) ge: 
lebt haben. Val. Euseb. Hist. eocl. V, 17. 
Miltiades, Papſt, S. Melchiades. 


Miltig 677 


Miltis, Carl von. Der Sohn eines ſächſiſchen 
Edelmanns, der in Rom päpftliher Kämmerer und 
Notar geworden war, und defien Namen dadurch 
bewahrt ift, daß er als päpftlicher Nuntius 1518 
nad Deutſchland gefendet wurde, den Iutherifchen 
Handel beizulegen. Er erlangte zu Altenburg 1519 
den demüthigen Brief Luthers an den Papft, fo: 
wie er denjelben auch zur Abfaffung einer Schrift 
rang auf etl. Artikel, Febr. 1519), worin er 
eine Berehrung der röm. Kirche ausſprach, und zu 
der Erklärung bemog, fid) aud) des weiteren öffent: 
lichen Vorgehens zuenthalten, wenn aud) dieGegner | 
ſchwiegen. Den Ablaßhändler Tetzel tadelte er in 
Leipzig ſo heftig, daß diefer aus Aerger erkrankte und 
ſtarb. M.s vermittelnde Abſicht ſchlug durch Eck's 
Auftreten fehl, Luther konnte ſich durch fein Verſpre⸗ 
chen, zu ſchweigen, nicht mehr gebunden erachten, 
bie Geſpräche zu Liebenwerda 1519 und Lichten: 
berg 1520 hatten feinen Erfolg mehr, da Luther 

egen die „welfche Lift” mifitrautfch gemorden war. | 

ennoch hatte M. ihn noch einmal bewogen, in 
der aud) dem Bapft überfandten Schrift „Sermon | 
von der freiheit eines Chriftenmenfchen” die Hand | 
zum Frieden zu bieten. Die Antwort war die Ver: 
öffentlihung der päpftl. Bannbulle durch Ed. M. 
tehrte 1522 von Rom nad) Deutfchland zurüd, mo 
Tr zu Mainz, Trier und Meihen beſaß. 

Milton, John, der engliſche Dichter. Geb. zu 
London am 9. Dec. 1608 als der Sohn eines No: 
tars, zeichnete er fih ſchon ald Student zu Cam: 
bridge (1625—32) durch Charakterftärke, unab: | 
den Einn und eine ideale Richtung bes Gei— 
tes aus. Unvermögend, den Religionseid zu leiften 
und fi dem herrſchenden Episcopalfyfteme zu fü: 
gen, wandte er ſich von dem Dienfte, der Kirche, zu 
bem er bejtimmt war, ab und Zehrte auf das Land: | 
gut feines Vaters zu Bukinghamſhire zurück Kaum 
durch eine Anzahl Gedichte (Hymn on the na- | 
tivity, Arcades, Comus, Lycidas) etwas befannt 
hehe ging er, 30 Jahre alt, auf Reifen nad 

rankreich, der Schweiz und Jtalien, und wurde | 
überall ehrenvoll aufgenommen. Nach feiner | 
Rücklehr widmete er fih ganz dem Kampie 
für religiöfe und kirchliche Freiheit; er jchrieb ge: 
gen das Epiäfopaliuftem 1641, über Ehe und 
Eheſcheidung 1643, über Erziehung 1644, Pre: 
freiheit 1644, über das Hecht der Hinrichtung 
Karls I. 1649, und mehrere andere Schriften in, 
republicanifhem Sinne. Seit 1652 war der Dichter 
unheilbar erblindet. Bald wandte er fich wieder | 
der poetijhen Thätigkeit zu und vollendete nun 
1665 fein berühmtes Gedicht: Paradise lost (ver: | 
lorenes Paradies), darauf 1671 das Paradise re- | 
gained (daS wiedergefundene Paradies), welches 
Übrigend dem erftern an Reichthum poetifcher 
Schönheit nachſteht. Eine tiefe Religiöfität fpiegelt 
fi in diefen Meifterwerten wieder, fo fehr M. 
auch mit der Orthoborie zerfallen war, wie das die | 
nad) feinem Tode entdedte, vielfach für unecht ge: | 
haltene Schrift »de doctrina christiana« bemeift. 
Er ftarb 8. Nov. 1674. Seine Werke find gefam: | 
melt von Fletcher Lond. 1834—38; von John | 
Milford (mit Biographie) Lond. 1851. Eine deut: | 
ſche ag poetischen Werke gabA. Bött: 

er Leipz. 1846. Biographien ſchrieben Dayley 1796, | 
Jvimey, Lond. 1833 und Maflon I. Bd. Lond. 
1865. Das verlorene Paradies, deutſch bearbeis | 
tet von Bobmer 1732, Kottentamp 1842. De: 








Minimen 


doctrina christ. ed. Sumner. Lond. 1826, Braun⸗ 
ſchweig 1827. Liebert, Milton 1860. 

Minder Leugner, Ketzer) bei den Kirchenvätern 
als jüdifhe, von den Pharifäern verfolgte Secte 
erwähnt. E3 find darunter Judendriften zu vers 
ftehen, diejelben, welche fonft Nazaräer heißen. 
Dal. Keim, Jeſu von Nazarah S. 608. 

Minden. Die kirchliche Ueberlieferung läßt das 
Bisthum M. durch Karl den Gr. bereits 780 ge: 
Bir fein und nennt als erjten Bischof Herimbert. 

zahrſcheinlich wurde es jedod) erft 803 gegründet 
und Köln ald Suffranganbisthum zugemielen. Im 
Geifteder Reformation wirkte in M. um 1526 Albert 
Nys; eingeführt wurde diefelbe 1529 und mit der 
Annahme der, der Bugenhagen’schen Braunſchwei⸗ 
ger Kirchenagendenadgebildeten, Kirhenordnung 
1530 vollendet. Dad Domcapitel mußte aus der 
Stadt flüchten und die Geiftlichleit verlorihre Ein» 
fünfte, Auf ihre Klage erhielten fie Reititution 
(Wiedereinjegung) zugeiagt, die aber ebenfo wenig 
durchgeführt wurde, als die 1538 über die Stadt 
verhängte Reichsacht. Dem fhmalkaldifchen Bunde 
beigetreten ergab fie fi) erft 1547. Die Religions» 
ftreitigleiten dauerten fort, doch blieben die Evans 
gelifchen fortwährend in der Ueberhand; ein wäh: 
rend des 3Ojährigen Krieges nad) der Eroberung 
M's. durch Tily 1626 gemadhter Verſuch einer Ge: 
genreformation blieb erfolglos. Im mweitphälifchen 
Frieden fiel es ald weltliches Fürſtenthum an Kur: 
brandenburg (Preußen). Das Capitel blieb im 
Befige des Domes und einiger Kanonikate, beftand 
aber zu einem Drittel aus Evangelifhen. Val. 
Rettberg, K. G. II. Jakobſon, Geſch. der Quellen 
des evangel. Kirhenrehts von Rheinland und 
Weftphalen. 4 

Minimen (Minimi fratres), d. h. die —— 
ſten, iſt der Name des von Franciskus von Paula 
(f. d. Art.) 1436 urfprünglih unter dem Namen 
„Eremiten des h. Franz” gejtifteten Ordens, ber 
1474 die päpftliche Beftätigung und von Alerander 
VI. 1502 feinen jeigen Namen erhielt. In 
Frankreich pen die Mönche les bons hommes 
(gute Leute), weil man ihren Stifter allgemein 


‚nur den „guten Mann“ nannte, in Spanien 


Väter des Siegs, weil ihrem Gebete die Erobe: 


‚rung von Malaga durd Ferdinand den Katho— 


liihen 1487 zugejchrieben wurde, in Deutſchland 
meiftens Bauliner (Baulaner). Die urfprüngliche 
Negel wurde mehrfach geändert, zulegt 1506 in 
ihrer noch jegt gültigen Form von Julius IT. beftäs 
tigt. Diefelbe ıft dreifach, für die Religiofen, bie 
Nonnen und die Tertiarier bed Ordens. Der Bor: 
fteher jedes Haufes heit Corrector (die der Non- 
nenHlöfter correctrix) Befferer, der des Ordens 
Generalis correetor. Die Kleidung befteht aus 
ſchwarzem, ungefärbtem Mollenitoff. Das Gebot 
des Faltens ift zum Verbot aller thierifchen Nahrung 
(vita quadragesimalis) erweitert und Enunee 
Stillſchweigen den Ordensgliedern auferlegt. Der 
Drden zählte im * des vorigen Jahrhunderts 
etwa 450 Häufer, iſt aber jet bis auf wenige zu: 
fammengejhmolzen. Roc weniger zahlreich find 
die Nonnentlöfter des Ordens. Die Minimen Ter: 
tiarier find weltliche Berfonen, welche nicht zum 
gemeinfchaftlichen Leben verpflichtet find, denen 
aber auch das ftrenge Faften zur-Pfliht gemacht 
ift. Sie haben gleihfalls Eorrectoren und Correc» 
tricen und ftehen unter dem General. Ihr Ordens» 
zeichen ift ein Strid mit 2 Knoten ald Gürtel. 


Miniftranten 


Minifiranten foviel wie Meßdiener; f. d. U. 

Minoriften find jüngere Kleriler, welche erft die 
vier niederen Weihen empfangen haben. 

Rinoriten ſ. d. Art. Franciscaner. 

Minutins, Felix Marcus, ein altlateinifcher 
Npologet. Bon feinem Leben ift nur befannt, daß 
er ein Sachmalter zuRom war und dies Amt aud) 
nachdem er Chrift geworben, beibehielt. Bon ihm 
ift unter dem Titel Octavius eine Schutzſchrift für 
das Chriftenthum erhalten. Sie enthält ein Ge: 
ſpräch zwifchen zwei Freunden des M. iiber das 
EhriftenthHum, wovon der eine, ein Heide Caecilius 
Natalis, zunächſt die Möglichkeit einer fihern reli— 
giöjen Erfenntniß überhaupt bezweifelt, dann das 
Heidenthum als die väterlihe Religion und pie 
bisherigen Segnungen jchildert, endlich die Bor: 
mwürfe gegen das Chriftenthum vorbringt, welche 
damals im Schwange waren. Der zweite, hriftliche 
ee Januarius,mwiderlegt die für das 

eidenthum geltend gemachten Gründe, und zeigt, 
daß die Einwände gegen das Chriftenthum nichtig 
feien. Eaecilius erklärt fi zum Schlufie für über: 
wunden. Die Stärke des Buchs iſt die Wibderle: 
gung des heidniſchen Irrthums, weniger gelungen 
tft Die Darlegung der hriftlihen Wahrheit, es 
belehrt aber volljtändig über die heidnifchen Ein: 
und Vorwürfe gegen das Chriſtenthum und die 
Art und Weije altchriftlicher Apologetit. Zwifchen 
dem Octavius und dem Apologeticus des Tertul: 
lian finden mehrfache Berührungen, felbit in Wor: 
ten und Wendungen ftatt, und Cyprian's Schrift 
de idolorum vanitate ift in den erften Gapiteln 


faft wörtlich aus Minutius entlehnt. Daraus, wie f 


aus dem Umftande, daß Tertullian vermöge feiner 
ganzen ſchriftſtelleriſchen Eigentbümtichkeit fchwer: 
lid) einen anderen Schriftſteller in dieſer Weife be: 
nutzt bat, dürfte fi) der Schluß redhtfertigen, daß 
M. den Tertullian benutt habe und älter als Cy— 
prian fei. Man fegt ihn daher allgemein in das 
erite Drittel des 3. Jahrhunderts. Die Schrift ift 
nur noch in einer einzigen Handſchrift erhalten, 
welche früher unbeachtet in der vaticanifhen Bi: 
bliothef liegend, von Leo X. an Franz I. von Frank— 
reich geſchenkt wurde. Zuerſt gab fie heraus 1543 
Fauſtus Sabaeus, irrig als 8. Buch des Arnobius 
adv. haereses, weil es mit den 7 Büchern defjelben 
zuſammen in der Handjchrift ftand. Den Jrrthum 
entdedte Franz Balduin in Heidelberg 1560. Vgl. 
3. G. Lindner's 2. Ausgabe des M., Langenfalza 
1773, Borrede. Neue Ausg. von Rußwurm 1824; 
Dehler in der bibl. Patr. eccl. lat. selecta curante. 
Gersdorf. Leipz. 1847. Neufte und befte Ausgabe 
von Carl Halm, Wien 1867. 

Miräus, Albert (Aubert le Mire), geb. zu Brüf: 
fel 1573, Canonicus zu Antwerpen, 1548 Hofpre: 
diger und Bibliothefar beim Erzherzog Albert von 
Oeſtreich, 1624 Domdedant zu Antwerpen +1640. 
Schrieb viele lirhengeidichtliche Werte: Bibliothe- 
ca ecclesiastica Antwerp. 1639— 1644, ed. Fabri- 
eius Hamburg 1718; de statu religionis Christ. 
1613; Geographia ecclesiast., Chronicon Cister- 
ciense 1614; Örigines Coenobiorum Benedict., 
Carthusianorum etc, und viele andere, Alle 
Werte gefammelt erfchienen Brüffel 1733. 

Miramionen wurde der Name der Genovefia: 
nerinnen (f. d. Art.), ald diefelben ſich 1663 mit 
der 1630 gegründeten Möfterlihen Stiftung ber 
Marie Bonneau de Rubelle Beauharnois de Mi- 
ramion + 1694, vereinigte, wobei die Miramion 


678 


Mischna 


Superiorin wurde. Der Drben beſteht noch heute, 
namentlich in Frankreich, und ift in Folge jeiner 
der riftlichen Nächftenliebe gewibmeten Wirkſam ⸗ 
feit jehr geachtet. 

Mirandula, Johannes Picus, Graf von, geb. 
1463, bezog frühreif im 14. Jahre die Univerfität 
Bologna, um zunächſt kanoniſches Recht zu ftudi« 
ren (1477—79). Bon Philoſophie und Theologie 
mehr angezogen, beſuchte er die Univerfitäten Jtas 
liens und Frankreichs und warf ſich mit Eifer auf 
den kabbaliſtiſch ⸗ myſtiſchen Reuplatonismus, den 
Marfilius Ficinus zu Florenz lehrte. Er erlernte 
deshalb noch das Hebräiſche und Chaldäifche, 
da er in der Kabbala die Norm und Hegel alles 
Mifjens zu finden hoffte. Der ihn leitende Ge: 
dante war, die, wenn auch nad verſchiedenen 
Seiten und in verschiedenen Worten ausgeiprochene 
Einheit alles Wiſſens und aller Wahrheit in ben 
verjchiedenen Spitemen der Philofophen, und ihre 
Uebereinftimmung mit der Bibel nachzuweiſen. In 
Rom lud er 1486 alle Gelehrte zu einer Disputa- 
tion über 900 Thefen ein, die er aus allen Theilen 
der Vhilofophie, Theologie und Mathematik auf: 
geftellt hatte. Bon diefen Sätzen wurden aber 13 
als fegerifch angegriffen, die Disputation wurde 
in Folge defien ausgefegt und M. reifte nach Frank⸗ 
reich, nachdem er dem Papſt Innocenz V eine 
Ver heidigungsſchrift eingereicht hatte, Wegen bie: 
fer von neuem nad) Rom vorgeladen, erhielt er auf 
der Reife dorthin die Anmweifung, einftweilen in Flo: 
renz zu bleiben; von Lorenz von Medici an den Hof 
gezogen, gehörte er dort r der jogenannten platoni- 
chen Academie. Bald aber wandte er ſich, verzwei⸗ 
felnd an der Möglichkeit einer vollen Grienntniß, 
einer aöfetifchen Religiöfität zu, verzichtete auf fein 
Erbgut, ſchenkte feine Habe den Armen und beſchloß 
in ein Kloſter zu treten, jobald feine angefangenen 
Arbeiten vollendet fein würden, ſtarb aber bereits 
1494. Seine Lebensbefchreibung gab fein Neffe 
Giovanni Francesco Mirandula (FT 1533), deffen 
Werte mit denen des Dheims —— erſchienen, 
Pici utriusque opera, Basileae 1573, 1601 und 
öfter. Dem ältern Picus gehören Heptaplus, eine 
Erklärung der moſaiſchen Schöpfungsgeſchichte; 
de Ente et Uno, der Berfud einer Vereinigung 
Ariitotelifher und Platoniſcher —— eine 
Reviſion der Pſalmenüberſetzung der LXX; 12 Bü- 
cher gegen die Aſtrologen und mehrere asletiſche 
Schriften. 


Mischna, (von MIy, wiederholen, durch Wie» 


derholung überliefern, lehren), ift die Durch münd⸗ 
liche Ueberlieferung fortgepflanzte Erläuterung und 
Auslegung des Gejeges. Sie enthält die allgemein 
in gleicher Geltung mit dem moſaiſchen Gejege an- 
genommenenSagungen,die ‚Auffäße der Nelteiten“ 
(Neues Teft.). Ihr Inbatt wird zurüdgeführt auf 
Moſes und feine mündlidye Belehrung, alſo mittel« 
bar auf göttliche Offenbarung, entweder geradezu 
oder fo, daß nad) 13 von Mojes gegebenen Regeln 
die Beftimmungen aus den Andeutungen des Ge- 
fees gefolgert werden mußten; dod war damit 
die Anerfennung nicht ausgeſchloſſen, daß Manches 
auf dem Wege * Unterſuchung gefunden und 
feſtgeſtellt worden ſei, was aber weder als ein 
Hinzuthun zum Geſetz, noch als Wegnehmen von 
demſelben betrachtet wurde. Nachdem man bereits 
früher mehrmals dieſe Erläuterungen geſammelt, 
wurde die M. um 200 nad) Ehriftuß von Rabbi 


Miserere 


Jehuda dem Heiligen (auch Rabbi ſchlechthin ge» 
nannt) in ihre endgültige — ebracht und 
galt ſeitdem als abgeſchloſſen. Sie enthält in 6 Ord⸗ 
nungen und 63 Tractaten Vorſchriften 1) über die 
Saaten, ben Landbau und die davon an bie Prie- 
fter zu entrichtenden Abgaben, 2) über den Sabbat, 
Felt: und Fafttage, 3) über Frauen, Ehe und Ge: 
Lübbe, 4) über die Eigenthumsrechte, bürgerliches: 
und Strafredt, 5) über die Weihungen, Prieiter, 
Opfer ıc., 6) über Rein und Unrein. Aehnlich wie 
aus dem Studium des Gefeges die Mijchna, ging 
dann aus der fortwährenden Bearbeitung der Mi» 
ſchna in den Rabbinenfhulen die Gemara (Er- 
Härung und Begründung der in der Mifchna ent» 
baltenen Borfchriften) hervor. Beide zufammen 
bilden den Talmud (f. d. en Die Miſchna ift in 
—— Ueberſetzung herausgegeben von Suren- 
hus: Mischna sive totius Hebraeorum juris, 
rituum, antiquitatum ac legum oralium systema 
cum clarissimorum Rabbinorum Maimonidis et 
Bartenorae commentariis integris, quibus acce- 
dunt variorum auctorum notae ac versiones in 
eos, quos ediderunt, codices latine etc. Amster- 
dam 1698—1703. 6 Bb. fol. — in beutfder: 
Miſchnah oder der Tert des Talmubd, das ift: Samm⸗ 
lung der Auffäge der ältejten und mündlichen Ue— 
berlieferungen ober Traditionen ald der Grund 
des heutigen phariſäiſchen Judenthums ꝛc. über: 
ſetzt, umſchrieben und mit Anmerkungen erläutert 
von J. J. Rabe, Onolzbach 1760—62. 6 Thl. in 3 
Vden. gr. 40. 

Miserere (erbarıne dich), ein Kirchengeſang 
im katholiſchen Gottesdienft, deſſen Tert der öl. 
oder 57. Pſalm bildet, vorzüglih in den * 
ſions⸗, und Beichenfeierlihleiten geſun⸗ 
gen. Neben ſeiner ſtehenden gregorianiſchen Welo: 
die iſt er häufig als eigenes Muſilſtück componirt 
worden. Die berühmteſte Compoſition iſt die von 
Gregorio Allegri F 1610, welche ſeit ihrer Ent: 
ftehung alljährlich in Rom von den Sängern der 
päpftlihen Kapelle in der Charwoche gefungen 
wird. (Abgedrudt bei Rochlitz, Sammlung vor» 
ügliger Gejangjtüde I.) 

isericordias domini, die kirchliche Bezeich« 
nung des zweiten Sonntags nad) Oſtern, nad) den 
Anfangsmorten des Antiphons im Yntroitus der 
Meile. 89, 1. in der Bulgataüberjegung.) 

Missale = Meßbuch. 

Nisßbrauch der Amtögewalt im engern Sinne, 
ift der Verſuch, durch bie Autorität des geiftlichen 
Amtes die Autorität der ftaatlihen Gejege und 
Einrichtungen bei den Uintergebenen zu vermin: 
bern oder zu vernichten. Da die monardijch:cor: 
porative —— Kirche und ihr Anſpruch, 
auch die irdiſchen Dinge zu leiten, die Verſuchung 
für die Würdenträger immer nahe legt, ſo hat der 
Staat ſich durch den appel comme d'abus (Ap⸗ 
pell wegen Mißbrauchs) dagegen ein Schutzmittel zu 
ſchaffen geſucht. Völlig ausgebildet iſt jedoch dies 
Recht des Staats nur in Frankreich. Anderwärts 
lann nur das gewöhnliche bürgerliche Strafge: 
feg — mit unzureichendem Erfolg — auf ſolche 
Faͤlle angewendet werden. (Preußen, der Erz: 
biſchof Drojte: Bifchering). Sofern die Autorität 
bed geiitlihen Amtes mißbräuchlich benugt wird 
jur Derleitung zu Vergehen und Verbrechen oder 
ur Bedrüdung des Einzelnen, tritt überall neben 
ber kirchlichen Khndunz bie bürgerliche Strafe ein. 
Ebenfo, wenn die Amtögewalt mißbraucht wird 


679 


Miſſion 


durch Vornahme amtlicher Handlungen mit bür⸗ 
gerlichen Folgen (Eheſchließung) ohne Beobachtung 
der civilrechtlichen ———— In rein fir 
licher Sphäre bleibt der M. d. A., wenn bie durch 
bie Weihe —— Facultäten z. B. ber Abſolu⸗ 
tion, der Taufe, der Weihe, in Fällen, in denen ſie 
bie Kirche nicht geſtattet, benugtwerden. Ein ſol⸗ 
ches Bergehen macht den Cleriker irregulär (un« 
fähig zur ferneren Verwaltung bed Amtes). Der 
M.d U. bildet demnach eine befondere Klaffe ber 
Amtävergehen oder Exceſſe. 

Mißheirath (nuptiae indecorae, disparagium 
im Mittelalter), ift eine Ehe zwiſchen Perjonen 
ungleichen Standes, bei welcher die Ablömmlinge 
nicht die vollen Rechte ebenbürtiger Kinder des 
Baterd erlangen oder bei welcher der vornehmere 
Theil feiner Standesvorrechte er. gebt. Der 
Begriff ift ein rein bürgerlider, die Standesun: 

leichheit mit ihren bürgerlic:rechtlichen 7* 
keinen Einfluß auf die kirchliche, religiöſe und 
ittliche Bedeutung der Ehe. Eine beſondere Art der 
M. iſt die morganatifche Ehe oder die Ehe zur lin⸗ 
ten Hand (f. d. er 

Missi dominiei (m. re ales), Sendgrafen, 
Sendboten, waren im fränfifchen Reiche unter ben 
Karolingern hohe Beamte, welche als unmittel 
bare Organe der föniglihen Gewalt zur Aufficht 
über die Verwaltung der Grafen und Biſchöfe in 
die einzelnen Gaueund Diftrikte, missatica, geſen⸗ 
bet wurden. In ber Regel wurbe jeder Senbboten: 
bezirk jährlich von einem geiftlichen und einem welt: 
lihen Sendboten befucht. Ihre Hauptaufgabe war 
die Rechtiprehung als höhere oder Beſchwerde—⸗ 
Inſtanz vom Gericht der Grafen, dann bie Dur» 
führung des Heerbanned, die Aufficht über die 
Staatögüter, überhaupt über Alles, was zur Auf: 
rechthaltung der Ordnung im Weltlihenund Kirch⸗ 
lichen gehörte. Die Capitularien enthalten viels 
fache —— über die Befugniſſe und Pflich⸗ 
ten der Missi. Das Inſtitut ging unter mit der 
Karolingiſchen Zeit und der Ausdehnung der her⸗ 
zoglichen Gewalt. 

iſſion, innere. Die Frage über das Weſen 
und die Bedeutung ber J. M. ift, jo vielfache Be: 
handlung der Gegenftand aud erfahren, noch keis 
neswegs zu fo alljeitigem Abſchluſſe gediehen, daß 
ein endgültiges Urtheil darüber möglich wäre. Erſt 
eine fpätere Zeit wird dazu berechtigt und im 
Stande jein, 

Der Name ift (nicht wie vielfach behauptet wor: 
den, englijchen, — rein deutſchen Urſprungs 
und) zuerſt von Prof. Dr. Lücke in Göttingen und 
faſt gleichzeitig von — Hein rar aufgebradt 
und hat jeit dem Wittenberger Kirchentage 1848und 
der Stiftung des Gentral:Ausjchuffes Fr innere 
Mifjion eine allgemeine Anwendung gefunden. 
Man begreift darunter im Allgemeinen die Ge: 
fammtheit von Anftalten und Vereinen und ihre 
Tätigkeit zur Abhülfegeiftiger und leiblicher Noth 
innerhalb der evangeliihen Kirche, die mit jenem 
rien in nähere oder entferntere Ber: 
bindung getreten jind und ihren Bereinigungspuntt 
* in dem feit 1849 an den Kirchentag ſich an: 
chließenden Eongrefie für i. M. Die große, fait 
unüberjehbare Menge der feit 1848 entitandenen 
hieher ——— Vereine und Anſtalten, ſowie der 

| älteren, länger beſtehenden, die zum Theil in neuer 
| Drganifation fi angeſchloſſen haben, läßt ſich in 
folgende fünf Gruppen theilen: 1. Anftalten 


Miffion 


für Kranken- und ———— —— 
gangspunkt ift die Diakoniffen-Anftalt zu Kaiſers— 
werth, die Stiftung des Dr. theol. Fliedner. 
2. Anftalten zur Rettung vermwahrlofter 
Kinder verbunden mit Stabtmiffion, Gefangenen: 
pflege u. dgl. Ausgangspunft ift dad Rauhe Haus 
zu Horn bei eng 3 erie 1833) und bie 
Wirlfamteit feines nders, des Dr. theol. 
Wichern. Hierher gehören aud) die auf Anregung 
von Pfarrer Bräm zu Neukirchen, — im 
preußiſchen Rheinland entſtandenen Erziehungs— 
vereine. Vgl. Schenkels 9— kirchl. Zeitſchr. 1860, 
Heft 8. 3. Vereine für Armen: und Kran— 
tenpflege, deren Vorbild der von Amalie Sie: 
veling 1832in Hamburg geftiftete Weibliche Verein 
für Krantenpflege geworden ift. 3. Bereine zu 
gegenjeitiger chriſtlich ſittlicher För— 
derung und geiſtlicher Handreichung 
3. B. Jünglings-Vereine, Enthaltſamkeitsvereine, 
Vereine für Sonntagsheiligung u. ſ. w. 5. Die 
Schriftenvereine mit und ohne Colportage. 
Vorbild waren die Bibel: und Traktatgeſellſchaf— 
ten. Gemeinjam iſt allen, daß fie die nöthigen 
Mittel durch freiwillige Gaben, meift durch Collec— 
ten gefammelt, erhalten, wozu bei den größeren 
Anftalten der Ertrag eigener induftrieller Unter: 
nehmungen, namentlih buchhändleriſcher, hinzu: 
fommt. Neben der Erfüllung ihrer Hauptaufgabe 
follen die beiden erften Gruppen zugleich aus den 
Laien: Kräjten in der Gemeinde Arbeiter für 
die Zmwede der 3. M. heranbilden, Seminare 
für Diefelbe fein. Zu einer, anfangs wenigitens 
gewünſchten und erftrebten organifchen Verbin— 
dung dieſer Vereine unter einander ift es nicht 
gelommen, und wie der Gentral:Ausihuß find 
auch die hie und da beftehenden Provinzialvereine 
nicht ſowohl Gentral:Drgane geworden, als viel: 
mehr die Ausgangspunfte für jelbftändige Unter: 
nehmungen größeren Umfanges (Johannesftift, 
Baulinum) oder, auf weiterm Gebiet, der Reijepre: 
digt. Ebenfo wenig findet eine organifche Verbin: 
dung zwifhen der J. M. und der anitaltlichen 
Kirche oder den Einzel:Gemeinden ftatt; mo eine 
ſolche vorhanden zu jein ſcheint, ift fie thatſächlich 
nur zeitweilig und perfönlic ; dies gilt namentlich 
von ihrer Berbindung mit dem Kirchenregiment. 
Die J. M. zeigt damit Ort und Zeit ihres Ur: 
Iprungs an: den Norden Deutjchlands, in welchem 
ein territoriales Kirchenregiment e8 gu durchaus 
feiner Gemeindeverfaffung hat fommen laffen, und 
die Zeit um 1848, in der dem Kirchenregiment die 
Verbindung mit der Gemeinde längft — 
war. Nicht minder zeigt ſich darin der Urſprung der 
Anregung zu den nfängen diefer innerlirchlichen 
Bewegung. Derjelbe tft aufder einen Seitein dem 
Vorbild des neuerwachten katholiſchen Ordensle— 
bens der barmherzigen Schweſtern u. ſ. w. gu fin: 
den; auf der andern in der religiöſen Einwirkung 
des engliſchen Methodismus auf Deutſchland. — 
Die anfängliche Beſchränkung des Wortes J. M. 
auf die von freien Vereinen ausgehende chriſtliche 
Liebesthätigkeit ift mit der Ausdehnung der Sa— 
he, namentlid) feit der Gründung eined Central: 
Ausſchuſſes für die J. M. (1848) nit nur fallen 
elaffen worden, fondern wird jet aud) von ihren 
wende als ihrem Grundgedanten mi: 
derjprechend erklärt. Derjelbe foll nämlich darin | 
beruhen, daß die Auöbreitung ded Reiches Gottes | 
(Miffion) nothwendig ei nicht blos außerhalb, fon: 


680 


Miſſion 


bern auch innerhalb der Chriſtenheit, nämlich Über: 
all da, wo Ehriften dem Reihe Gotted fremd 
eblieben oder geworben. Demzufolge fei innere 
iffion nicht eine einheitliche, — oder 
neu zu organiſirende Propaganda, die ſich auf das 
Gebiet beſonderer Vereine, Anſtalten, Stiftungen 
u. ſ. mw. beſchränke, ſondern vielmehr „die Entfal— 
tung und Bethätigung der Glaubens und Lebens⸗ 
kräfte der ganzen wahrhaftigen Chriſtenheit in 
Kirche, Staat und allen Geſtalten des ſozialen 
Lebens zur Ueberwindung alles Unchriſtlichen, was 
innerhalb des Chriſtenthums Raum ſucht oderger 
funden hat, — fomit eine Bethätigung des allge: 
meinen PrieftertHums der Chriften”. Objekt der 
inneren Miffion feien aljo weder Juden noch 
Heiden, jondern nur Chriſten und driftliche Zu: 
ftände, und innerhab der Ehriftenheit wiederum 
nicht die gläubigen Perfönlichkeiten und Gemein: 
den; dieje feien vielmehr das Subjeft und die 
feichberechtigten Träger der J. M. Folgerecht 
feien auch der Dienft an der gläubigen Gemeinde, 
Pfarramt und Seelforge fo wenig, wie der freie 
und amtliche Diakonat in derfelben — als folde 
— Miffionsamt ; vielmehr könne ein Widerjprud 
zwijchen dem Pfarramt und der J. M. — aber 
auch nur da — entitehen, mo die Träger des Am: 
tes nicht von chriſtlich-gläubigem Geifte erfüllt 
feien, in welhem Falle legtere dann felbft wieder 
Object der J. M. würden. 

Das Neue und Mefentliche der J. M. liegt alfo 
nicht in den von ihr begonnenen Arbeiten und be: 
gründeten Anftalten; man würde aud faum auf 
dem weiten Gebiete ihrer vielfeitigen Thätigkeit 
irgend etwas finden, mad nicht in ber Vergangen⸗ 
beit unferer Kirche, unter ihren Anftalten und Ein» 
richtungen fchon in irgend einem Maße vorhanden 
geweſen wäre, ohne daß der Name innere Miffion 
darauf angewendet werben könnte. Ahr Eigen: 
thümliches, das, was fie von anderen Bethätigum- 
gen des driftlihen Lebensgeiftes unterfcheidet, 
fann vielmehr nur darin gefunden werden, daß fie 
die fittlichen Rothftände durh religiöfe Er: 
weckung der Einzelnen zu heben jucht, fo daß 
auch die leiblihe Hülfe, die fie bringt, immer 
diefem Zwecke untergeordnet ift. Darum unter: 
ſcheidet fie fich mit Recht einerjeits von der chriſtli⸗ 
hen Wohlthätigfeit und der lirchlichen Armenpflege 
und Diaconie, weil bei diefer die leibliche Hülfe fi 
ſelbſt genügender Hauptzwed ift; andererſeits von 
den Zielen und Inmextkithen Beitrebungen un: 
jerer Gegenwart, bei denen das religiöje Element 
verſchwindend hinter der fittlihen Aufgabe zurüd: 
tritt. Von diefem Gefichtäpunfte aus erſcheint es 
nun als das bleibende Berdienft der J. M., nicht 
allein den Blid der Gemeinde für die fie um: 
gebenden fittlihen Nothftände gefhärft, jondern 
noch mehr Air zu der Erfenntnifgebradhtzu baben, 
daß die Aufgabe des chriftlihen Lebens ni 
allein in ber eigenen religiöjen Erbauung befchlof: 
fen liege, daß es vielmehr eine vorzüglich hriftliche 
Pflicht fei, Die eigene Perſönlichkeit in den Dienft 
der helfenden Liebe zu ftellen. In dieſer Be: 
ziehung ift die J. M. in der Gefchichte bes chriſt⸗ 
lihen Lebens ein wefentlicher Fortichritt über den 
Pietismus hinaus, in dem fie allerdings ihre Wur⸗ 
zeln nn und infofern ift es ganz berechtigt, wenn 
ihre Hauptvertreter wiederholt einen tiefgehenden 
Unterjhied zwifhen 3. M. und BPietismus be: 
hauptet haben. Die Berwirklihung jener An: 


Miſſion 681 Miſſion 
ſchauung aber, bie felbjtverleugnende Aufopferung | damit ein Werthlegen auf beſtimmte religiöſe For⸗ 


in der Hingabe dienender und rettender Liebe, | men als Erkenntnißzeichen des Chriſtenthums, ganz 
ift überall unummunbden anzuerlennen, um jo mehr |in ber Weife des Pietismus (Chriſtliche Herber: 
als die Thätigkeit der Diafonen und Dialoniffen gen, chriſtliche Gymnafien zc.). Die religiöfen 
unter den Typhus:Kranfen Oberſchleſiens und Formen verdeden aber einerfeitö nur zu leicht den 
Dftpreußeng, der er, äußler unter den Eifen: | Mangel des Willend und der Kräfte, wie fie ans 
bahnarbeitern an der bahn, die Pflege der Ber: | derjeit3 an Wirkungen glauben lafjen, wo ftatt 
munbeten auf Schladtfeldern und in Kazarethen, | fittliher Befferung nur der Schein eines religiöfen 
bie gar in arg Br den Cholerajahren nur | Lebens entjtanden. Da ferner die Arbeiter der 
einzelne mehr in die Deffentlichleit getretene Bei» | J.M.,Diakonen,Diakonifjen, Brüder,in einem Ber: 
fpiele hriftliher Liebeötreue find, hinter welchen | bande mit dem Mutterhaufe und deſſen Vorſtehern 
die herrlichen aeg ‚yes desjelben Geiftes an | bleiben, die bei wachſender Anzahl ſich bildende Ges 
Hundert verborgenen Orten um nicht3 zurüditehen. | nofjenfchaft aber beftimmter Ordnung und Regeln 
Während diefe Berdienfte der Innern Miſ- zur Aufrehthaltung der Gemeinſchaft bedarf, jo ift 
fton alljeitige Anertennung gefunden, ift fie, | dadurch die dem Weſen des Brotejtantismus mi: 
ee was ihre Drganifation, ald was ihr We: | derjprehende Bildung von Orden innerhalb ber 
en betrifft, der Gegenftand zahlreicher Angriffe | evangeliihen Kirche nahe gelegt, eine Gefahr, die 
geworden, und e3 haben fi) Viele von ihr zurüd: | einen weiteren Angriffspunft gegen die J. M. bildet. 
gezogen, die ſich ihr früher mit voller Hingebung | (Bgl.dieSchriften von Holgendorff,die Brüderfchaft 
gewidmet. Zunächſt wird jchon die (oben gegebene) | des Rauhen zo. ein Brot. Orden im Staats: 
Begriffsbeftimmung darum als ungenügend erach-⸗ | dienft. 4. Aufl., Berl. 1861. Der Brüberorden des 
tet, weil einmal nach ihr 3. M., lebendiges Ehri: | Rauhen Haufes und jein Wirken in Strafanftalten. 
ſtenthum und Kirche zufammenfielen; dann aber | Berl. 1862, u. Didenberg, die Brüder des Rauhen 
auch darum, weil man ſich, um fie aufrecht erhal: | Haufes. Berl. 1861. Brot. Gemeindebl. 1863. Nr. 6) 
ten zu fönnen, genöthigt gefehen, die Anfänge der | Es wird endlich bejtritten, daß die J. M. den auf 
I. M. in die Zeit Conjtantins d. Gr., wo die Ans» | jiegebauten Hoffnungen überhaupt jemals entſpre⸗ 
erfennung des Chriſtenthums als Staatöreligion | hen fönne, und zwar weniger in Folge ihrer fehler: 
aud den undriftlihen Elementen den Eintritt in | haften Organifation, wonad die Arbeiten, hatt 
die Kirche geöffnet, zurückzudatiren und fie als eine auf die bleibende Gemeinde, zu jehr auf einzelne 
ununterbrochene Thätigteit der Kirche zu bezeich: | Berfönlichleiten gebaut würden; weniger aud in 
nen, während fie doch wefentlich der jüngften kirch- Folge der häufig hervortretenden religiöfen Ma: 
lichen und ſozialen Entwidlungsperiode angehöre. | nier oder ihrer zeitweiligen Verknüpfung mit Or 
Inſofern fie nun weiter confequent den Sag auf: | thodorismusund Eonfejfionalismus, als vielmehr 
ftelle, Subjelt der J. M., aljo thätig in ihr, fann | auf Örund ihres innerften Wefend. Weil fie ſich 
nur der Wiedergeborene fein, erjcheine dann auch | nämlich die Arbeit der Wiedergeborenenan der noch 
der anfänglihe Vorwurf der Yutheraner, die J. unbefehrten Welt zu I dünfe, mangele ihr das 
M. jei unkirchlich, nicht unbegründet. Denn wenn | volle Verjtändniß dafür, daß die offenbaren fitt> 
fie ſich aud) mit Recht der Forderung widerjege, | lihen Nothftände, welche fie belämpft, durch die 
das Pfarramt im Befit feiner Ordination ald das | ganze Entwicklungs geſchichte unfered Volkes und 
einzig berechtigte Organ zu jeder gemeindlichen | unferer Kirche gejchichtlicdh bedingt feien und daß 
Thätigleit anzuerkennen und dagegen ein allge: | in denjelben nur grell zu Tage trete, was auch die 
meines Prieftertfum geltend made, fo treife fie als chriftlich geltenden und als folche anertannten 
jener Vorwurf, injpfern fie ihren Arbeiternein Amt | Berhältniffe und Zuftände durchziehe. Ihre ein— 
in und an der Öemeinde zutheile, ohne Mitwirkung | feitig religtöfe Art hindere fie an der zu einer wir: 
ber Gemeinde; fie fei unfirchlich, weil fie an man: | lich gedeihlihen Thätigkeit unumgänglich erfor: 
hen Stellen bei weiter verzweigten Vereinen und | derlihen Anerfennung, daß aud außerhalb der 
Genofjenihaften ein Kirchenregiment neben dem | rein religiöjen Sphäre die fittlihen Jdeen undLe— 
Kirchenregiment geſchaffen habe, wobei die Gefahr | benskräfle des Chriſtenthums thätig jeien und daß 
eines Streitedimmer nahe liege, dem die Trennung | die gemünfchte Erneuerung unferes Volkslebens nie 
ebenjo folgen würde, wie der Methodismus gegen | ohne diejelbe erfolgen könne. Der Grundmangel 
feine Abjiht und trog des beften Willens feines der J. M. aljo liege darin, daf fie in ihrem 
Stifters ſich von feiner Mutterkirche ſcheiden mußte. | Kampfe gegen die fittlihen Schäden der Gegen- 
Selbft da, wo presbyteriale Drbnungen bejtehen, | wart dennod das Chriſtenthum nicht als foziale 
jei es bei der Schwäche berfelben, der J. M. Thatſache auffaſſe, daß fie die Welt wohl chriſtlich 
immer gelungen, fi) völlig unabhängig vom Dr: zu madyen fuche, dabei aber verlenne, daß das 
ganismus der Gemeinde, aber innerhalb derjelben —2 zur Vollendung ſeines Anfangs, 
zu erhalten. Der Verſuch der großen rheiniſchen daß Chriſtus Menſch geworden, ſelbſt Welt wer» 
Anſtalten, ſich als —2 emeinden zu con: | den wolle. So ſei die Stärke der J. M. zugleich 
—— entpringe nicht dem Streben nad Ein: ihre Schwäche. Daſſelbe Element, mwoburd fie 
Ügung in den Organismus der Gefammtgemein: | den Eifer und die Ausdauer ihrer Freunde und Ar: 
de, jondern dem Bemühen, feften Fuß zu jefien, beiter fortwährend wach erhalte, hemme ihre Wirk: 
mo nöthig auch gegen den Organismus der Kirche, | ſamkeit und verfchließe ihr den eigenen Fortſchritt, 
Die J. D.fei nur da firhlid, wo Kirhenamt und | nämlich ihre jpröde religiöfe Form. Diefen Ans 
Kirhenregiment ſich ihren Ideen unterwerfen und | jchauungen gegenüber muß übrigens hervorge: 
ihrem Streben anſchließen. Aus derfelben Grund: | hoben werden, daß in den Schriften und Vorträ: 
anſchauung über ihr Weſen und ihre Aufgabe |gen ihrer Führer, namentlih Wichern's, ſich 
folge aber ferner die Nothwendigkeit, die ie Vieles findet, was jene Schranken burdbricht und 
lichteit deö Arbeiterö und feines Wirkens bejtän: | mit weiterm, freierem Blid die fittlihen Aufgaben 
dig vor fi und Anderen zu bocumentiren, und | bes Chriftenthums überjhaut. Alles in Allem ift 


=} 


Miſſion 


682 


Miſſion 


die J. M. troh etwaiger Einſeitigkeilen eine Fräfs | unter Karl dem Großen, Otto I. u. A. gegenüber 
tige Lebensäuferung des Evangeliums und ihre | den Wenden, Sahfen, Preußen zc. in’3 Werk ges 


Thätigteit gehört zu den jhönften Seiten unferer 
Gegenwart. Und fo ift troß eines gewiſſen Man: 


els an fihtbaren Erfolgen ihre Arbeit in feiner | 
eiſe vergebli: Sie pflügt den Ader, auf dem | 


eine andere Zeit ſäen wird. 

Die Literatur iftfajtunüberfehbar. Das Haupt: 
organ der J. M. jind die feit 1843 —— 
Fliegenden Blätter des Rauhen Hauſes; ferner 
die Jahresberichte und Zeitſchriften der einzelnen 
Unftalten und Vereine ſowie die Berichte und 
das Gorreöpondenzblatt des Central⸗Ausſchufſes. 
Ueberſichten über die Arbeitsfelder und Einblicke 
in das Weſen der M. Thätigkeit geben die Verhand⸗ 
lungen der Congreſſe für die Innere Miſſion. Vgl. 
Wichern, die innere ri ge der deutſchen evange» 
lichen Kirche ; Dentichrift an die deutſche Nation. 
2. Aufl. 1850. Dr. 9. Merz, die Innere Miſſion 
in ihrem Verhältniß zu der wifjenjhaftliden und 
tirchlichen Richtung der Gegenwart in den Stu: 
bien und Krititen. 1854. Heft 1u.2. W. Hoff 
mann, Öeneralfuperint., Die innere Miſſion der 
deutſchen evang. Kirche im Licht ihrer Geſchichte. 
Vortrag. Berlin 1856. Hollenberg, bie freie 
Thätigteit und das kirchl. Amt. 1857. Nigfch, Die 
eigenthümliche Seelenpflege des evang. Hirlenam: 
tes mit Rüdficht auf die innere Miffion (III. Bp., 
1. Abth. der praft. Theologie). 1857. 

Milfion, Katholiſche. Ein Miffionswefen in 
dem jpäteren und heutigen Sinne war in den er» 
ften hriftlihen Jahrhunderten unbefannt. Die 
Ausbreitung des Chriſtenthums geſchah weniger 
durch beitimmte Sendboten und nach einer befon» 
deren Organiſation, als vielmehr durch den allge» 


meinen Berlehr und die Handels:Verbindungen | fi 


namentlich der großen Städte, Von hier aus ver: 
breiteten es Kaufleute, Soldaten, die arbeitenden 
Klaffen, Gefangene, bie zu ihren Stammesgenof» 
fen zurückgekehrt zc. Namentlich gilt dies von den 
Donauländern, von Wfrifa, Spanien, Gallien, 
Britannien, denen das Chriſtenthum faft wie ein 


fegt wurden. Diefe Gewaltmaßregeln waren indeß 
vorübergehend und häufig mehr politifchem alß reli: 
giöfem Interefſe entiprungen. — Das Hauptwerf: 
eug für die Ausbreitung des Chriſtenthums wurde 
heit dem Anfangdes6, Jahrh. der529 geitiftete Be: 
nebictinerorden; bie Klöſter bildeten von nur an 
die Pilanzitätten des Chriſtenthums; von ihren 
ging die planmäßige Drganijation bes Belebrungs: 
werfes und des in Angriff genommenen Gebietes 
aus: fie allerwärt3 in den heidnifchen Ländern zu 
ründen und zu vermehren, war daher ein Haupt: 
* der Miſſionsthätigkeit, die 8 all mählich 
mmer mehr zu dem entwickelte, was wir heute 
darunter verſtehen. An bie Benedictiner ſchlofſen 
ſich beſonders die Prämonſtratenſer an, deren aus» 
dauernder und planmäßiger Wirkfjamleit wir mit 
der Germaniſirung auch die Chriftianifirung ber 
Slavenländer im Nordoften Deutjchlands bis tief 
in Schlefien verdanken. In anderer Weife wirkten 
feit dem 13. Jahrhundert die neugeftifteten Orden 
der Franciscaner und Dominifaner. Crfterer 
machte im Geifte und nad dem Vorbilde feines 
Stifters bereits auf feiner erjten Generalverfamm: 
lung 1214 die reg jur Ordensan⸗ 
elegenheit und fandte jeine Milfionare zu den 
uhammedanern in Afrifa und bis in die Mon- 
ps Die Unterwerfung der Mauren inSpanten 
ot der Miffion ein neues Gebiet, welches die Do» 
minilaner in Angriff nahmen. Beide Orden mett- 
eiferten nach ber Entdedung Amerikas 1492 in ber 
Ausſendung vonMiffionaren und der Anlegung von 
Kiöftern, denen die Bisthümer folgten; aber jo 
bedeutende Erfolge auch ihre Thätigfeit hier Hatte, 
ie wurden weitaus überjlügelt, als bie Jefuiten 
(geftiftet 1540) mit ihnen in die Schranfen traten; 
jept erft nahm die Miffiond-Arbeit der katholiſchen 
Kirche den rechten Aufſchwung. Durd Franz Ka» 
vier (1542— 1552) ward die Jejuitenmiffion in 
Ditindien, China und Japan begründet, von beren 
Wirffamleit mehrere, trog der fpäteren blutigen 


Theil römischer Eultur vermittelt wurde, bis es Verfolgungen noch im Innern des Landes übrig 


zulegt, vermöge feiner inneren Kraft und Wahr: 
heit über das entartete und an fich jelbft verzwei« 
felnde Heidenthum den Sieg davontrug. Als mit 
Conſtantin dem Gr. (306—337) das Ehriftentyum 
aus einer lange blutig verfolgten, zulegt höchſtens 
geduldeten Religion zur Staatäreligion wurde, än⸗ 
derte ſich aud der Charakter der Mifjion. Ihr 
Beſtreben ging jegt dahin, neben dem einen Welt: 
reiche, vem imperium mundi, wie es wenigſtens 
der Idee nach exiftirte, auch eine einheitliche Welt: 
religion zu jchaffen, alſo möglichſt große Maifen 
dem Chriſtenthum zu gewinnen und hierarchiſch 
zu organifiren. Es lag nahe, daß die Kirche ſich 
zur Verwirklihung diejer Idee auch des weltlichen 
Arms zu bedienen anfing, zunächſt weil in folge 
der vom Staate gegen das Heidenthum erlafjenen 
Berordnungen und Geſehe die fittliche Freiheit, die 
feinen Zwang duldet, vor den rechtlichen Beſtim⸗ 
mungen nur zu leicht zurüdtreten mußte. Dazu 
tan, daß die ſchon früh aufgeftellte Theorie von 
den zwei Gemalten, der weltlihen und geiſtlichen 
und der Öemeinfamfeit ihrer Intereffen I immer 
mehr entwidelte, was zur nächſten Bolge hatte, 
daß die eine kein Bedenken trug, die Hülfe der 
anderen in Anfprud zunehmen. Hieraus erflären 
fi die gewaltfamen Heidenbelehrungen, wie fie 


ebliebene Gemeinden zeugen. Noch größern Er» 
olg errangen die Sefuiten in Südamerifa, mo fie 
in Paraguay fogar einen unabhängigen Kirchen: 
ftaat bildeten. Aber diefe Erfolge waren mehr 
äußerliche als wirkliche, mehr jur die möglichſte 
Ausbreitung ber Kirchenherrſchaft ald auf inner 
liche Chriftianifirung der Heiden:Bölter gerichtet. 
Nicht nur die Eile, mit welcher, faſt ohne vorheri- 
gen Unterricht, die Taufe ertheilt wurde, noch mehr 
die Nachgiebigkeit gegen frühere heidnijche Cultus⸗ 
fitten, denen man ſich möglichft anbequemte, und 
der PBrunf, mit dem fie den Gottesdienft ausſtat⸗ 
teten, zeigen, daß als erftes Ziel nur erftrebt mur- 
be, die Herrſchaft der Kirche zu baldiger Anerfen: 
nung zu ‚bringen und dem Beichtſtuhle und ber 
————— Zucht die Zukunft zu überlaſſen. 
Zwar erhob ſich gegen dieſe Art der Miffionsthä- 
tigfeit in der Kirche felbit heftiger Widerfprud ; 
boch war berfelbe mehr der Eiferjucht der übrigen 
Orden gegen die Jefuiten, als echt chriſtlichem Sinne 
entfprungen. Dasfelbe, in Beziehung auf bie 
Mittel unwähleriſche Verfahren verfolgt die Tat. 
Miffion noch heute und verfchafft fih Daburd bei 
rohen Böltern leichteren Eingang, wobei fie es nicht 
—— fich in die evangeliſchen Arbeitsfelder einzu ⸗ 

rängen, ſelbſt auf die Gefahr hin, das eben 


Miffion 


menbe Chriftenthum gänzlih und fürimmer zu ger: 
ftören. Zugleich mit dem Jejuiten:Drden und nad 
ihm haben jihan der Miſſion betheiligt die Lazari— 
ften, Redemptoriften, Capuciner, Auguftiner und 
Garmeliter, ſowie verfhiedene zu Miſſionszwecken 
eftiftete Congregationen. Seit 1622 jteht das ge⸗ 
A Miſſionsweſen der Kirche unter der ein» 
heitlihen Leitung der von Gregor XV. eingerich: 
teten Gongregation de propaganda fide (ſ. d. X. 
Dane) in Rom; fie jendet in Die einzelnen 
iftriete die Miffionare unter Führung eines Prä⸗ 
eften, erhebt den Bezirk beim Fortgang der Mif- 
ion zumapojtolifhen Bicariat (womit die Befähis 
gung des Inhabers zu allen biſchöflichen Handlun⸗ 
gen verbunden ift), bis es als Bisthum (in der Regel 
iſſionsbisthum) dem hierarchifchen Organismus 
ber Kirche völlig eingefügt werden kann. Die Mif: 
ſionsvorſteher find mit den päpftlihen Vollmachten 
ausgerüftet, in der neuzubegründenden Kirche nach 
Drt, Zeit und Umſtänden Dispenjationen von den 
fonft in der Kirche geltenden Vorſchriften in Be: 
zug auf Eultus und Disziplin eintreten zu laſſen. 
An Injtituten zur Bildung von Miffionaren be: 
fit die römische Kirche außer der Propaganda und 
den mit ihr enger verbundenen Gollegien in Rom 
nod) verſchiedene Collegien einzelner Orden, 3.8. 
der Objervanten, Minoriten, Capuziner u. a. 
Bon den ausmärtigen ift das bedeutendfte das 
Seminar der 1805 geftifteten, 1817 vom Papſte 
genehmigten Picpus:Gefelfhaft (fo genannt von 
der Straße, in welcher die Gefeligaft ihre zwei 
eriten Häufer gründete) in Paris, deren Haupt: 
thätigteit den auftraliihen Miffionen gewidmet 
ift. Außerdem wird die Niffionsthätigfeit weſent— 
Lich unterjtügt durch verfchiedene religiöje Vereine, 
von denen die nöthigen Geldmittel beſchafft wer: 
den. An deren Spige fteht der „Verein zur Ders 
breitung des Glaubens”, 1822 zu Lyon gejtiftet. 
Die Genofienfhaft hat ſich über ganz Frankreich 
ausgebreitet. Sie giebt jährlih 6 Hefte Jahrbü: 
er der Verbreitung des Glaubens heraus. Bon 
ihr hat fich in Baiern der Ludwigs-Miſſionsverein 
etrennt zur Unterftügung der Niffion in Amerika. 
leihen Zwed verfolgt der Leopoldinenverein in 
— Da die katholiſche Kirche keinen Un— 
chied macht zwiſchen der Miſſion unter den 
Heiden und unter Andersgläubigen, ſo gehören 
auch der Pius: und Bonifacius-Verein (ſ. d. A.) 
a — Bol. Wittmann, die Herrlichkeiten ber 
ieche in ihren Miffionen. Augsb. 1841. Hen— 
tion, Alg. Gejhichte der Mifftionen. Aus dem 
Franz. von Wittmann, Augsb. 1847 ff., 3 Bde. 
Dtejer, die Propaganda, ihre Provinzen und ihr 
Hecht. 2 Thle. Götting. 1852—53. 
Miſſion, prot. unter den Heiden. Inder proteftan: 


tifchen Kirche konnte eine Miſſionsthätigkeit in ber 


gerne erft beginnen, als einerfeitö die Kämpfe um 
ihre Begründung beendigt waren, anderfeits ihrer 
weiteren Ausbreitung in der Heimath durch die 
katholiiche Gegenreformation und die politifche 
Macht der katholiſchen Kirche ein Ziel gejegt war. 
Dazu fam, daß die proteftantifchen Bölfer anfäng⸗ 
lich in feiner Beziehung zu den überjeeifchen heid⸗ 
nischen Böllern ri die Türfei aber eine noch 


viel zu ftarfe und rchtete politifhe Macht war, 
als Ki fie als Hihomsgeber 


Er — 
werden können. Erſt der Beſitz uͤberſeeiſcher Co: 


lonien und die zum Theil durch den religiöfen 


Drud veranlaßten Anfiedlungen in Amerika unter | thodiftenfi 


683 


Miffion 


ben Indianern erzeugten in den proteftantifchen 
Staaten, namentlih Holland, Dänemarkund Eng» 
land das Bedürfniß und bie Anregung zur Mifs 
| Be diejelbe befhränftefichaber, haupt» 
ächlich in Folge des mißlichen inneren und äuße⸗ 
ren Zuftapdes ber proteſtantiſchen Kirche auf die 
Wirkſamkeit der Anfiedlerprediger unter den heid⸗ 
niſchen Ureinwohnern und auf die Thätigfeit ein« 
| zeiner Männer wıe John Eliot's 1603—90, der 
Familie Mayhew 1642 -18083, Brainerd 1743— 
47, des Freiherrn Ernſt v. Wels u. A. 

Eine organifirte Miſſionsthätigkeit bes 
ginnt Ende des 17. Jahrhunderts zunädjt in Eng« 
land. Schon Crommell hatte daran gedacht, nad 
Art ber römischen Propaganda in London ein 
Collegium zur Ausbreitung des evangelischen 
Glaubens über die ganze Erde zu errichten, fpäter 
jedoch den allerdings pöantaftiligen Plan wieder 
fallen lafien. Nad dem Sturze der Stuarts je 
doch erwachte in der Staatskirche und im Lande 
überhaupt ein frisches religiöfes Leben, und damit 
auch eineregere Theilnahme für die Heidenmiſſion. 
Zudem wuchs die Zahl und Bedeutung der eng» 
liſchen Eolonien von Jahr zu Jahr und damit wurde 
| bie Berührung mitden heidniſchen Bölfern häufiger 
| und unmittelbarer. So bildete fi, hervorgehend 
‚aus der 1693 geftifteten „Geſellſchaft zur Beför: 
‚ derung riftlicher Erlenntniß“, deren — 
England ſelbſt war, die 1701 von Wilhelm IL. 
| —— Fortpflanzung des Evan⸗ 

geliums in fremden Welttheilen“, die erſte eigent⸗ 
liche Miſſionsgeſellſchaft, zugleich der Ausgangs» 
punft der jegt auf dem Wifjiondgebiete allge- 
| gemein gewordenen * Vereinsthatigkeit. Dem 
gegebenen Beiſpiele folgte dann Dänemark, jedoch 
in ſofern abweichend, als hier die Miſſion vom 
Staatöfirchenregimente, ſpeziell vom Könige aus⸗ 
ing. Im Jahre 1714 nämlich ftiftete Friedrich 

V. zunächſt für die Miffion auf den oftindijchen 

Befigungen, welche 1705 dur die Ausfendung 
Ziegenbalg’s begonnen worden war, das Miſſions⸗ 
Collegium in Kopenhagen. Daffelbe leitete dann 
aber auch die Milfion in den bänifchen Befigungen 

| Grönland (Hans Egede \ d. A. 1721) und Lapp⸗ 
land (Thomas von Weiten [f. d. 2, 1716). In 
Kopenhagen empfing Graf Zinzendorf die erjte Ans 
regung, das Mifjionswerk aud in die Brüderge— 
meinde einzuführen. Diefelbe begann 1732 ihre 
Miſſionsarbeit in Weftindien mit der Ausfendung 
von David Nitihmann und Leonhard Dober. Sie 
betrachtet die Mifjion ald Sache der Gemeinſchaft, 
undleitet diejelbe, nachdem früher ſchon verfchiedene 
Einrihtungen mit Beziehung auf die Mijfion ge— 
troffen worden, jeit 1789 durch das Miffions: Der 
partement, die vierte Abtheilung der Unitätscon« 
ferenz. Die legte Entſcheidung in allen Miffions« 
angelegenheiten hat die gefammte Conferenz, deren 
| Leitung auch die —— freiwilligen Hülfs« 
| miffionsgejellihaften für befondere Miſſionsge⸗ 
biete, 3. B. die 1741 ee ehe Londoner Geſell⸗ 
haft zur Förderung des Evangeliums unter den 
Heiden u. a. unterftehen. Als Sade der Kirchen⸗ 
emeinfhaft wird jonft die Miffion nur in ber 
Hottifhen Presbyterialkicche angefehen, und zwar 
ebenfo in der established Church of Scotland jeit 
1824 (Miffionar Dr. Duff feit 1829 in Oftindien) 
mie in der 1844 (aus Anlaf von Patronatsftrei« 
tigfeiten) ee freien Kirche. Auch die Me- 
‚In der Heimath: und Heidenmiffion 











Miffion 


meniger gejchieden ift, behandelt zum Theil bie 
wiffon als allgemeine Angelegenheit der Gejell: 
fchaft. Neben diefer Gemeinde: und Vereinsthä: 
tigkeit hat ſich die freie Wirlſamkeit einzelner Män- 
ner erhalten, 3. B. des englifhen Regierungäca- 
plans Marsden +1838, des Miffionars der Mao— 
ris, und Gützlaffs + 1851, der die ——8 Miſ⸗ 
ſion begründete. Ebenſo mannigfach iſt die Art 
und Weiſe der Miſſion ſelbſt. Keine Nachahmung 
hat das Verfahren der holländiſchen Regierung 
auf Ceylon gefunden, welche, zum Theil, um an 
den zum reformirten Bekenntniß befehrten Einge: 
borenen ein Gegengewicht gegen den Einfluß der 

ortugiefen zu gewinnen, die Ausbreitung des 

hriftenthums dadurd) zu befördern fuchte, daß fie 
politiſche Rechte an die Taufe Inüpfte, während 
im Gegenjaß dazu, ebenfalls aus politiichen Grün: 
ben, bie Ditinditche Compagnie bis in unjer Jahr: 


hundert jeder Miffionsthätigfeit unter der indi: 
{chen Bevölkerung die größten Hinderniffe in den 


Weg legte. Die große Anzahl der getauften Chri- 
ften auf Ceylon verfhmwand mit dem Uebergang 
der Colonie unter engliſche Herrſchaft; die in den 
andern holländijchen Befigungen fo entftandenen, 
dann verfommenen und vergejfenen Chrijtenge: 
meinden wurden im letten Jahrzehnt Gegenstand 
neuer Miffionsthätigkeit. Auch tft allgemein das 
frühere Verfahren aufgegeben, unter den rohen und 
wilden Bölferftämmen mit der Hebung der äußeren 
Eultur zu beginnen und derjelben das Evangelium 
erft folgen zu laffen ; vielmehr betrachtet man um: 
getehrt die Belehrung ald das wirkſamſte Mittel 
zur Givilifation. Durchgängig befolgen alle Mif: 
fionögefelfgaften den Grundfag, nicht jomohl 
Völker zu belehren, als Seelen zu retten; fie er: 
theilen daher die Taufe nur nad einer forgfälti« 
gen Prüfung der Gefinnung, wobei allerdings 
vielfache Täufhung durch angewöhnte Redensar» 
ten und angelernte religiöfe Formen nicht zu ver: 
meiden ift. Gore größte Kraft hat die Miffion aus 
der methodiſtiſchen und pietiftiihen Erwedung ge: 
nommen unb wurde wie amfrüheiten, jo am lebhaf⸗ 
teften von den Secten und Diffenters betrieben, 
während die Staats- und Landeskirchen erjt 
nadjfolgten. Nach ihrer ganzen DOrganifation 
tonnte diejen Weg mit dem größten Erfolge die 
Brüdergemeinbe betreten, weil fie das Colonifa: 
tionöprinzip mit der Miffion verbindend, ihre Mij- 
fionare von Handwerkern und Gewerbetreibenden 
begleiten läßt, ſo daß die Organiſation ber Mutter: 
gemeinde mit ihrer Eintheilung in Chöreu, dgl. ber 
hufs fpecieller Seelenpflege auch jofort auf die aus 
den Heiden gebildeten neuen Öemeinden übertragen 
werden kann. Dieje Miffion, die gegenwärtig auf 
13 Miffionsgebieten betrieben wird, hat verhältniß⸗ 
mäßig die größten Erfolge aufzumeifen und wird 
auch von den der Miſſion fonft abgeneigten Kri⸗ 
tilern anerfannt (Langhans); fie hat ſich vorzugs⸗ 


684 














Miſſion 


dieſen Nationalgehülfen erfuhr, nah Gützlaff's 
Tode alle in China arbeitenden Miſſionsgeſell⸗ 
fchaften, in dieſer Weife nicht fortzufahren. Seinen 
Gedanten, nicht ſowohl auf Einzelbetehrungen ald 
vielmehr auf Gewinnung ‚ganjer Völker hinzumir: 
fen, nahm mit einigen Modificationen die Her: 
mannöburger Miffionsgejellfchaft auf; fie ertheilt 
bereitwilliger die Taufe und vertraut mehr der 
Wirkung der nahfolgenden Predigt und des firdh: 
lihen Xebend überhaupt. Dabei aber hat fie au 
das Colonifationsprinzip aufgenommen und ſen⸗ 
det mit den Miſſionaren nicht bloß Lehrer und 
Katechiften, fondern auch Anfiedler aus, fo tab 
nicht ſowohl Miffionsjtationen als Miſſionsanſied⸗ 
lungen ſich bilden, welche zugleidy im Stande fein 
follen, ſich jelbft zu unterhalten, während die übri— 
gen Miffionsgefellichaften mit wenigen Ausnah— 
men ——— ſind, ihren auswärtigen Miſſionaren 
die Mittel zur Aufrechthaltung der Stationen zu 
überweiſen. 

Bei der Anlage der Miſſionsſtationen folgten 
die Engländer den Handelswegen und beſetzten 
vorzugsweiſe die Stellen, welche für Handel und 
Politik don Bedeutung waren; daher haben ihre 
Mifftionare nicht felten mit der kirchlichen Wirk: 
jamteit auch eine politiiche verbunden und den 
nicht immer unverdienten Borwurf herrihjüchtiger 
Anmafung auf ſich geladen; dabei verliefen fie 
fih manchmal mehr als billig auf den Schu ber 
englifchen Kriegsschiffe. Erft 1869 hat die enalifche 
Regierung erklärt, daß fie denjelben in Verwick 
lungen, die aus der Miffion hervorgingen, nicht 
mehr gewähren könne. Wie die englifche, gebt auch 
die amerifanifhe Miffion meiftens den durch ben 
Handel und die Verbindungen ihres Landes vor: 

ezeichneten Meg, während die deutſchen Gefell: 
Fan. lediglich dem Triebe, mijjionirend thätig 
zu fein, folgend, in der Wahl ihrer Arbeitöfelder 
mehr von zufälligen Umftänden abhängig er: 
ſcheinen. 

Was die Art der Miſſionsthätigleit angeht, ſo 
ergiebt dieſelbe ſich da, wo ein unmittelbarer An« 
ſchluß der za io an eine europäifche Niederlaf: 
fung und ihr Kirchenſyſtem ftattfindet, von felbft. 
Im andern Falle wird in der Regel, fobald die 
Miffionare eine Niederlaffung gewonnen und ſich 
die Landesſprache angeeignet, — nur die Englän« 
der haben ſich häufig von dieſer Mühe dispenfirt 
und ıtatt defen den Eingeborenen bie Erlernung 
der englifchen Sprache zugemuthet — zunächſt eine 
Schule für Kinder und für Erwachſene zu begrüns 
ben geſucht; fodann werden gottesdienftlihe Ber: 
jammlungen eingerichtet, und die Bildung eines 
Kreifes von Zuhörern um die Miffionsftation er- 
—— in welchem zugleich, wo es nöthig fcheint, 

nmeifung zu nüglihen Arbeiten gegeben wird. 
Daneben jind Anſprachen bei größern Jufammen» 
fünften des Volls, auf Märkten und bei Feiten, 


weiſe die elendeften und verlommenjten Völker als ſowie häufige Reifen zu entfernter wohnenden 
Gegenftand ihrer Arbeit ausgefucht, jo die Esti- | Stämmen ebenfalls üblich ; fobald es angeht, ſucht 


mos in Grönland und Labrador, die Neger in 
Weftindien, die Papuas in Auftralien u.a. Das 
gegentheilige Prinzip verfolgte Gützlaff in China, 
welcher möglichft viele Eingeborene ald Gehülfen 
auszubilden fuchte, die er, ohne lange Anforde: 
‚rungen an ihre riftlihe Durchbildung zu ftellen, 


unter ihr Volk ausfandte, um unter demfelben die | Mühe und Mitteln, mit 


| 


riftlihen Ideen zu verbreiten. Indeß veranlaß: 
ten die vielen Enttäufhungen, welde man von 


man dazu mindeftens einen Theil der h. Schrift 
in die Landesſprache zu überſetzen und umter dem 


Volke zu verbreiten. 

In Bezug auf die Erfolge der Miffion muß 
zunädjt bemerkt werben, dab biefelben allerdings 
nicht immer zu dem ungeheuren Aufwand von 
nen die Miffion ihre 
Ziele verfolgt, im Verhältniß ftehen. Dieſes Mir 
verhältnig von Arbeit und Erfolg hat namentlich) 


Miffion 

‚bie oft zu fcharfe,äber auchvielfach wahre Kritik der 
IR. — hans zur Grundlage ihrer verwerfenden 
Urtheile gemacht. Die Angaben mander Miffions: 
berichte über vie Anzahl der dem Chriſtenthum 
beveit3 Gewonnenen, welche dad Ergebnik im Ver: 
feich zu dem ausgebehnten Arbeitsfeld und der 
Gehe der verwendeten geiftigen und materiellen 
Mittel ohnehin als ein noch geringes erſcheinen 
ließen, find durch dieje Langhans 'ſche ſcharfblicken⸗ 


de Kritit zum Theil als übertrieben und auf Selbft: | 


täufhung und unrichtiger Darftellung beruhend 


dargeftellt worden. Bon demneugepflanzten Chri: | 


enthum heißt es bei ihm und Anbern, es jei viel: 
ad nur äußere Satzung, die zur Mode geworben, 
es jeienan die Stellederalten heidnifchen Riten und 
Geremonien jett hriftfiche Riten und Geremonien 
getreten. Die Urſache dieſes oft jo geringen Erfolges 
liegt aber nicht allein in dem Dogmatiömus, der 
Streitfuht und der Taftlofigkeit, dem Gefühls: 
und Phraſenweſen, ſowie in der Weltfludt und 
dem Weltdienft vieler Milfionare, worin der ge: 
nannte eig Kr des die Miffion regierenden 
Pietismus zu erfennen glaubt, fondern ebenfo jehr 
und noch mehr in andern Verhältniffen. Einmal 
fehlt der Miſſion faft überall ein georbnetes chriſt⸗ 
liches Gemeinwejen, in welchem die ſittlichen Lebens⸗ 
fräfte des Ehrijtentfums den Heiden vor Augen 
träten; im Gegentheil wirken die Berührungen mit 
den Europäern in Handeld: und Hafenplägen bei 
den Heiden der Miſſion geradezu entgegen, und 
zwar nicht nur die fittliche Berdorbenheit der Ein: 
— atroſen, Auswanderer, Sträflinge ꝛc., 


ondern auch der Geiſt rückſichtsloſer Habſucht und 


Selbſtſucht, in welchem die europäiſche Handels— 
politit die natürlichen Rechte der heidniſchen Völler 
mißachtet und dieſe nur nach Möglichkeit auszu— 
beuten ſucht, wobei zur Entſchädigung euros 
päifhe Laſter unter ſie verpflanzt. Dazu fommt, 
Da& dem Verſuch, einem fremden Volke eine neue 
Religion zu verkündigen, in gewiſſem Sinne 
immer ber us gen eines Nothbehelfes anhaf: 
tet. Der Apoftel, welcher eine ** Wirkſam— 
feit unter Juden und Griechen hatte, gehörte bei: 
den Böllern an; er beſaß einerfeit3 die allgemeine 
— % Bildung, die ihn befähigte, die 
vermittelnden been aufzufinden, burch welche 
fich das Chriſtenthum an das biöherige Geiſtesleben 
derantifen Welt anſchloß und die offenbar geworde⸗ 
nen Mängel und Schäden heilte undergängte,ander: 
jeitö war er, pharifäifch gebildet und in der Con: 
fequenz pharijäijher Denkweiſe dem Chriſtenthum 
ewonnen, dadurch imStande, auch feinem eigenen 
olte in Ehriftus die Vollendung jeines Gottes: 
laubens zu zeigen. In ähnlicher Weife muß der 
iffionar eines Volkes in deflen Geijt und Ge: 
ſchichte ftehen und zwar nicht blos was Wiflen und 
Ertennen, ſondern was die Lebensgemeinſchaft 
angeht. Erjt wenn in Männern von heidniſcher 
eg, das Chriftentgum zum eigenen, geiftig 
freien Befig in der vollen Kraft religiöfer Innig— 
feit geworden iſt, können fie als die Propheten 
ihres Volkes aufftehen, die demſelben im Chriſten⸗ 
thum den unbekannten Gott offenbaren, dem es 
re unmifjend zu dienen juchte. Der M. fällt dep: 
halb nur ein Vorbereitungsdienſt zu, defien Erfolg 
auch ohne die von Langhans erwähnten Fehler ein 
nur wenig in’d Auge fallender fein fann, zumal 
dann, wenn es fih um Chriftianifirung gebildeter 
heidniſcher Völler handelt. Eine Sewstlawirie: 


685 


Miffion 


lkeit ift aber darin zu finden daß das Ehriftenthunt 
nicht nur in Verbindung mit der abenbländifchen 
 Eultur fondern mit dem Anfprud) auftritt, in der 
ı Form aufgenommen zu werden, die es im Zufam- 
mentreffen mit den verfchiedenften Völkern und Ber: 
hältnifien ſelbſt allmählich empfangen hat. In diefer 
Hinſicht ift e8 ein ſchwer fich rähender, nur zu oft ber 
| gangener Irrthum, wenn die M. vergift, daß das 
zeitliche Gewand bes Chriftenthums doc auch ein 
ut Theil des natürlichen Lebens der Heimath an 

| (9 trägt, welches feinen Anſpruch darauf hat, als 
Wirkung des göttlichen Geiles von den Heiden 
demüthig angenommen zu werden. Schon in frühern 
Perioden, 3. B. bei ven Sachſen und Wenden ift die 
Predigt deö Evangeliums zum großen Theil darum 
fange vergebli geblieben, weil feine Annahme 
‚gleichbedeutend ſchien mit dem Untergange alles 
nationalen Lebens. ey“ ilt auch noch heute, 
' „Ehrift werden” heißt z. B. in Indien feinem Volke, 
‚feiner Geſchichte entfagen, heraustreten aus allen 
eſchichtlich gewordenen Verhältniffen und ausjeder 
Ian Gemeinſchaft um in eine ideale einzutreten. 
' Wirflihen Erfolg hat daher auch die Miſſion nur 
gehabt bei ſolchen Völkern, bei welchen es weder zu 
einer Geſchichte, noch zu einer fozialen Ausbildung 
des Boltslebens gelommen war, bei denen daher der 
Widerſtand befjelben nicht erit gebrochen werden 
mußte, jondern wo es genügte, das religiöſe Gefühl 
und Gewiſſen wad zu rufen, welches dann fi 
willig unter die Autorität beugte. Wenn die Evan: 
—— Miſſion nun auch vielleicht nicht das Erreich⸗ 
bare wirklich erlangt hat, ſo kann dennoch weder die 
perſönliche Frömmigleit, noch der chriſtliche Helden⸗ 
muth der Mehrzahl der Miffionare verlannt wer» 
ben. Im Gegentheil, die ev. Miſſionsgeſchichte ift 
reih an Namen, die den beiten der Heiligen und 
Märtyrer der alten Kirche an die Seite gefegt zu 
werben verdienen. Ebenjo wenig find neben den 
allgemein eulturgejhichtlichen die mittelbaren Ers 
folge der Miffion zu unterfchägen, vielmehr ver: 
dienen namentlid die bedeutenden Berbdienfte 
vieler Miffionare um die Bereicherung bes Wifjens 
in Natur:, Bölfer: und Sprachkunde hohe Aner: 
'tennung. Endlich fann auch die Rückwirkung der 
Wiſſion auf die Heimathgemeinden nicht verlannt 
| werden. Die reiche Bereinsthätigfeit, wie fie ſich 
| auf dem Gebiete des kirchlichen Lebens in der neuen 
Zeit entfaltet, hat ihren Urjprung in den Miffions: 
vereinen genommen; die Miffionsfefte gaben der 
Gemeinde eine reichere Egg am Kirchen: 
leben, der Predigt einen beftimmten, faßbaren 
Inhalt, dem Gottesdienft einen hohen Schwung. 
Uebrigens trägt ſowohl die Thätigkeit als die Wir: 
fung der Miffion einen meiſt pietiſtiſchen Cha: 
ralter, jo daß die Betheiligung an ihr zum Kenn: 
zeichen der pietiſtiſchen Gläubigfeit und fie jelbjt 
ein naheliegendes Mittel wurde, bie pietitiiche 
Richtung zu ftärien und zu befejtigen. — Neben 
der Heidenmijfion find auch die Kriftliden 
Kirchen des Orients, die armeniſche, koptiſche 
und neſtorianiſche Kirche Gegenſtand der Mijfiong: 
thätigleit geworden, namentlich für amerilaniſche 
s⸗Geſellſchaſften. Das Ziel iſt dort weniger, die 
Betehrten zum Austritt aus der alten Kirche zu 
bewegen, als vielmehr die Kirchen jelbjt neuzube: 
leben. An diefe Arbeit ſowohl wie an die yeiden: 
miſſion ſchließen ſich die Miffionsverfuche unter 
den Nuhbammedanernan, die vonfeiner Gejell: 
ſchaft zum alleinigen Gegenjtand — 

4 














Miſſion 686 Miſſionsgeſellſchaften 

erwählt worden ſind tech —— ſprödeſten Jeruſalem 1841 (f. d. Art. Jeruſalem) und ber 
Stoff und den unfruchtbarſten Boden für jede Verſuch, daſelbſt eine Gemeinde aus bekehrten Ju: 
Miffionsarbeit darbieten. Vgl, Wiggers, Geſch. den zu gründen. — Der Judenmijfion hat es weit 
der evang. Miffion, 2 Bde., Hamburg 1845—46. | weniger als der Heidenmiffion gelingen können, 


Handbüchlein der rg und Miffions: 

eographie Calw 1844. 2. Aufl. 1846. Bajeler 
vang. Miffionsmagazin feit 1816. Langhans, 
Fand und Chriſtenthum im Spiegel der äu: 
eren Miffion. 1. Bd. Yeipz. 1864. 

Milfion prot., unter den Juden. Ihre er: 
ften Anfänge find gleichzeitig mit dem Beginn 
der Mijfionsarbeit unter den Heiden durch die 
Brüdergemeinde und das Waijenhaus in Halle. 
1728 entjtand das „jüdiſche Institut Callenberg's“, 
ee in Halle, + 1760) zur Ausbildung von 
Judenmiffionaren. Die daraus hervorgegangenen 
Miſſionare durchwanderten 1730—56 das öftliche 
Europa und den Drient. Das Inſtitut beftand 
bis 1792, ohne bejondere Erfolge erzielt zu haben. 
Erjt 1509 entjtand die „Londoner Geſellſchaft zur 
Förderung des Chriſtenthums unter den Juden.“ 

ie Gejellihajt wirkt hauptſächlich durch Ausſen— 
bung von Wifjionaren, Anlegung von Schulen für 
jüdiſche Kinder und Verbreitung der h. Schrift und 
jwedmäßiger Tractate. Die Leitung der Miffion, 
anfangs in den Händen eines Comittees, das aus 
Diffenters und der Staatslirhe Angehörigen be: 
ſtand, ging 1815 ganz in die der Anglifaner über. 
Die große Ausdehnung der Gejellidajt, ihre be: 
deutenden Mittel und die Energie und eifrige Thä— 
tigfeit ihrer Agenten haben der gefammten So 


mifjion at Stempel aufgedrüdt. Sie hat in 
London Erziehungsanftalten und ein Miſſions— 
jeminar begründet und ihre Miſſionare arbeiten 
in Europa, Ajien und Afrika. Das ganze Mij: 
jionsgebiet ift in Diſtriete getheilt, deren Miffio: 
nare in jährlichen Gonferenzen zujammentreten. 
In über 30 Stationen wirken insgefammt etwa 
200 Arbeiter, Organ der Geſellſchaft mit Mitthei— 
lungen über die Arbeiten der J.Miſſionen tft: 
Jewiſh Intelligence. Töchtergeſellſchaften derjelben 
in Deutjchland find: die Berliner „Sejellichaft zur 
Beförderung des Chriſtenthums unter den Juden“ 
(geitiftet 1822), welche anfänglich ihre Miſſionare 
der Londoner Geſellſchaft übergab, einzelne derjel: 
ben aber auch jelbitjtändig ausjandte. Ferner der 
„Rheiniſch Weſtphäliſche Verein für Iſrael“ (ge: 
jtiftet 1842) mit dem Site in Köln, Er hat einen 
Agenten, der ſowohl die Juden bejucht und öffent: 
liche Vorträge für diefelben hält, als aud) das In— 
tereffe für die J.-Miſſion in den chriſtlichen Ges 
meinden zu erweden und zu beleben ſucht; neben 
ihm find Golporteure für heilige Schriften und 
Tractate angejtellt. Ein Berein in Dresden wirft 
hauptſächlich unterden Juden in Sachſen, Böhmen 
und Baiern. Der Verein in Bajel, 1320 aus der 
Ehriftentgumsgejellichaft hervorgegangen, 1831 
unter dem Namen „Verein von Freunden Iſraels 
in Baſel“ definitiv conftituirt, hat fich vornehm: 
lid Projelgten: Pflege und Unterricht zum Zielge: 
fegt, er gründete zu Diefem Zwede ein eigenes Pro⸗ 
jelytenhaus. Die andern Zweige jeiner Thätig: 
keit find Miſſion und Schriftenverbreitung. Sein 
Organ ift die Zeitfchrift „der Freund Iſraels.“ Bie: 
len Eifer wendet jeit 1839 die ſchottiſche Kirche 
auf Judenmiſſion; fie hat Stationen auf dem Felt: 
land in Breslau, Amfterdam 2c. In einigem Zus 
ſammenhang mit dem Streben der J.-Miſſion fteht 
Die Stiftung des englifchedeutichen Bisthums in 


| 
pag 
D 
ß 
) 


fich die Anerkennung der Gemeinde zu erringen 
und ed wird dies nicht blos duch die verjchwin- 
dend Heinen Erfolge verjchuldet. zeigt jcheint 
k für Gegenden wie Galizien, Bolen u. |. w., 
onſt in hriftlichen Ländern unpafjend, ein Fünft- 
lihed Produft mwohlmeinender, frommer Biel: 
thuerei. Meift ftügt fte fich auf die vermeintlichen 
Weiffagungen über Jjraels bevorzugte Reichs herr⸗ 
lichteit. Vgl. darüber die eingehende gründliche 
Zurechtweiſung von Bertheau, Jahrbb. F deut⸗ 
ſche — 1859 u. 60. Dabei vergißt man, 
wie jeher man ſich felbft widerjpriht, wenn man 
nad englifher Auffafiung dem Bolfe Jfrael am 
Ende der Tage als Bolf eine eigenthümlice 
Stelung als göttlidy verheißen zuerfennt, und 
doch vorher die einzelnen iraeliten durch Chri— 
ftianifirung von jenem Vollöganzen losreißt und 
fie mit der allgemeinen Chrijtenheit vereinigt. 
Uebrigens hat die J.M. vermitteljt der umfang: 
reichen, durch ihre Anregung hervorgerufenen Lite: 
ratur, einen nicht unbedeutenden Einfluß auf das 
Leben in der Kirche ausgeübt und demſelben je: 
weilig ein hiliajtijches Element eingeimpft. Da: 
neben verdantt jedoch die theologische Wiſſenſchaft 
ber durch die Judenmiffion gegebenen Anregung 
mannigfache Arbeiten über den Talmud, jo Tho— 
lud’3 Auszüge aus dem Bude Sohar, Biejenthal, 
Geſchichte der hriftlihen Kirche während der erften 
1. 

Hausmeifter, die ev. Miffion unter Jfrael, heraus: 
egeben von Fink 1861. Harms, über Judenmiſ— 
ion, Altona 1862, Kallar, Jfrael und die Kirche, 
—5* 1869 (Rauhes Haus) gibt intereſſante 
tittheilungen über Belehrungen von Juden zum 


drei Jahrhunderte nad talmudiſchen Quellen. 


Chriſtenthum. 
Die Miffionsgejelligaiten, in deren Händen 
gegenwärtig die ganze M.:Arbeit ift, entjtanden mit 
wenig Ausnahmen erjt in den legten Jahren des 
18, Jahrhunderts oder find noch jünger. Die vor: 
nehmſten berfelben find: Die bereits erwähnte 
Gejellfhaftzur Fortpflanygung des Evan— 
geliums in fremden Welttheilen (Society for pro- 
agating the Gospel in foreign parts), die ältefte 
Gejelliaft, gejtiftet 1701, welde in erflärtem 
Gegenjag zu allem Difjenterwejen im Sinne der 
Hochkirche noch jegt mit großer Regſamleit und 
Kraft namentlid) in ben engliſchen Kolonien wirkt. 
ietonboner Miffionsgejellfhaft (Lon- 
don Miss, Society), gejtiftet 1795 von Angehörigen 
ber Hochlicche und Difjenters, als eine Bereinigung 
der Kinder Gottes zur gemeinjfamen Ausbreitung 
des Evangeliums, nicht einer beſtimmten Kighen: 
form. (Bgl. Ellis, Hist. of the London Miss. 
ciety.1844.) Diefem ‚Fundamentalprincip“ ent: 
ſprechend überläßt jie es grundjäglid ihren Miſſio— 
naren, in ben Heidengemeinden diejenige Form 
lirchlicher Ordnung und Berfaffung einzuführen, 
welche nad) deren Heberzeugung dem Wort Gottes 
am meilten entſpricht. Im Ganzen hat jedoch die 
ftreng Calviniſtiſche — in der eng ch 
p eht 


das Uebergewicht. An ber e derjelben 


ein Direktorium von 60 Perjonen. Mitglied 
ift, wer einen jährlichen Beitrag von einer Guinee 
oder einen einmaligen von 10 Guineen zahlt. Die 


erften Miffionare (30 an der Zahl) jandte fie 17% 


4 


Miffionsgejellichaften 


nad zu Ihr Miffionsgebiet find hauptſächlich 
die Injeln der Südfee, Südafrika und Stidindien ; 
befannte Namen unter ihren Miffionaren find 
Williams („der Apoſtel der Südſee“) und Living: 
ftone (Südafrifa). Von diejer Gefellfchaft trennte 
fih 1799 die kirchliche Geſellſchaft für Afrika 
und den Dften (Church Missionary Soeiety 
for Afrika and the East), welche an den Ver: 


687 


Miſſionsgeſellſchaften 


proteſtantiſchen Mifftonen in jenen Gegenden auf: 
2 ihre Arbeiter nad) Afrika und Jamaica fandte, 
is fie fich zulegt auflegteres allein beſchränkte. Die 
Geſellſchaft ift zurüdigegangen, ſeitdem die fchotti- 
ſche Kirche (1829) als ſolche die Miffionsarbeit in 
die Hand genommen hat. 
Bon England ging die Miſſionsbewegung zu: 
nädft nad Holland über. Hervorgerufen durch 


faffungsgrundfägen der bijchöflichen Kirche fefthält | Dr. Ban der Kampe entjtand 1797 ‚urfprünglich als 


und aud in ihrer Einrichtung den ariftofratifchen 
Geift elben deutlich zeigt. An ber Spike 
der Gejellichaft fteht ein-Präfident, der nur aus 
Mitgliedern des Parlaments gewählt werden kann, 
ferner Patrone und Bizepatrone. Unter ihm ftehen 


ı Hülfsgejellichaft der Londoner M. G. und nach dem 
Vorbilde derjelbendieNiederländifheM.-G es 
fellfjchaft zur Fortpflanzung des wahren Chri- 
ſtenthums unter den Heiden, die erſte auf dem 





Continente geftiftete. Sieerrichtete 1310 eine eigene 


die ſämmtlichen Bifhöfe der engl. Kirche als ge: | Vorbereitungsanitalt in Berkel (fpäter nad) Rot: 
borene Bizepräfidenten. Mit ihnen in Verbindung | terdam verlegt), deren Zöglinge meift im Dienft 
verwaltet der „leitende Ausſchuß“ (beftehend aus | der Londoner Miffionsgefellihaft verwendet 
jämmtlichen geiftlihen Mitgliedern und einer Ans | wurden. Seit 1810 jedoch begann die Niederlän: 
zahl weltlicher) die jämmtlichen Gejchäfte der Ge: diſche M.-Gejellfchaft felbitftändige Stationen auf 
ſellſchaft. Ihre erften Miffionare fandte fie 1804 | den niederländiihen Colonien des indifhen Ar: 
nad Weftafrifa. Seit 1825 hat fie in London ein | chipeld zu errichten. Auf biefes Gebiet blieb fie 
eigenes Miffionsinftitut zur Bildung ihrer Miffto: auch fpäter bejchränkt. Neben ihr hat fich fpäter 
nare; fie hat aber ftet3 auch an deutichen Miſſions- ein zweiter Verein gebildet, an deſſen Spige Dr. 
anftalten gebildete Zöglinge in ihren Dienſt genom⸗ | Heldring fteht, der als dag Feld feiner Thätigkeit 


men,von denen fie jedoch feit den lekten Jahrzehnten 
die el ber biſchöflichen Ordination, und den 
Eid auf die 39 Artikel der englifchen Kirche fordert. 
Sie ift die größte und ausgebreitetfte aller Geſell— 
ſchaften, ihr Mijfionögebtet umfaßt Dftindien, 
China, Afrika und Weftindien; in ihren Dienften 
jtehen über 2000 eingeborene Helfer und mehr ala 
200 orbinirte Miffionare. Die Baptiften Miſ— 
ſionsgeſellſchaft (Baptist Missionary Soci- 
ety) 1792 geftiftet; ihr eigentlicher Gründer und 
eriter Mijfionar war William Carey, der 1793 die 
Miffion zu Serampur in Indien. begründete. Ihr 
eigentliched Gebiet ift Oft: und Weftindien, außer: 
dem hat fie Stationen in Südafrika und Südame— 
rita ſowie auf den Inſeln des malaifchen Archipels. 
Ein Ausſchuß, beitehenb aus 18 geiftlichen und 7 
weltli Mitgliedern, ſowie ein dieſem untergeord⸗ 
netes Generalcommittee (86 geiftliche, 19 weltliche 
Mitglieder) haben bie Leitung der Gejellfchaft in 
H Wegen ihres ſtrengen Feſthaltens an der 
Prädeſtinationslehre trennte ſich der arminianiſch 
gefinnte Theil der rg von ihr und gründete 
die General Baptist Miss. Society. Die Weö- 
leyaniſchen M eg hatten von Anbeginn 
mit der Heimath-Miſſion die Heidenmiſſion ver: 
bunden. Den eriten Anftoß zu legterer gab John 
Wesley ſelbſt; 1786 fandte er den Dr. Thomas 
Eote (vgl. d. A. Methodifien) nad Amerika, der 
nun bis zu feinem Tode (3. Mai 1814) das ganze 
Miſſionsweſen faft allein leitete, E3 wurde dann 
jofort ein eigener Miffiondverein zu Leeds gegrün- 
det, der eine ungemein große Thätigfeit entfaltete. 
1839 wurden bie einzelnen größeren Miffionsge- 
ſellſchaften abgefonderten Conferenzen zugetheilt, 
doch fo, daß diefe wieder ſämmtlich unter- der ober: 
jten Zeitung der englifchen Conferenz ftehen. Ihre 
Stationen — ih in Rordamerila, Oſtindien, 
Weſtindien, den 
tadelt an ihnen, daß fie ſich Häufig in die Arbeits— 
gebiete anderer Geſellſchaften eindrängten. Gleich: 

itig mit der Londoner Miffionsgejellichaft ent: 

md in Schottland 1796 die Schottijche Miſ— 
fionögefellihaft, per bis 1833 unter den 
Tataren am laöpiichen Meere thätig war, dann, 
ald in dieſem Jahre die ruffiihe Regierung alle 


üdfeeinjeln und Afrifa. Man 


hauptſächlich die alten, aber verfommenen und fa 
vergeffenen Ehriftengemeinden auf den holländi« 
ſchen Eolonien gewählt hat. 

In Deutſchland ift das ältefte Miſſions— 
Inſtitut das von Franke geftiftete und mit dem 
Waifenhauszu Halle verbundene; eigentlich nurein 
Seminar für Miffionare, überließ es feine Zög: 
linge zuerft an das Kopenhagener Miffionscolle: 
gium, jpäter an die englifche Gejellfchaft zurfort: 
piiansung des Evangeliums. Der Auffhmwung der 

iffionsthätigkeit in Deutjchland ging aber aus 
von der deutſchen Chriſtenthumsgeſellſchaft in 
Baſel. In Folge der von ihr auögehenden Anre: 
| gung und hauptjähli von Mitgliedern |derjel- 
‚ben wurde 1815 die Evangelifhe M.:Gefell: 
ſchaft gegründet und bereits im folgenden Jahre 
ein eigenesM.-Seminar eröffnet. (Oftertag, Entite: 
hungsgeſchichte der Miſſionsgeſ. zu B. 1865). Auf 
den allgemein hriftlihen Grundſätzen der Londo— 
ner Gelelifchaft ftehend, überließ der Verein feine 
Zöglinge anfangs den englifchen —— 
begann aber 1832 mit der — en Entſen⸗ 
dung von Miſſionaren nach dem Kaukaſus. Sein 
—— Gebiet iſt Afrika, Oſtindien und 

hina. Gleſchfalls unioniſtiſch iſt die Rheiniſche 
Miſſions-Geſellſchaft mit dem Miſſions— 
hauſe zu Barmen. Hervorgegangen 1828 aus dem 
1799 geſtifteten Elberfelder MeVerein, der mit 
der Baſeler Geſellſchaft in Verbindung ſtand, dem 
1818 gegründeten Barmer Verein in Verbindung 
| mit den Mijfionsvereinen zu Köln und Weſel, bil- 
det die Gejellichaft die Einheit für die Gefammtheit 
der Vereine in ben Gemeinden und Synoden von 
Rheinland und Weitphalen. Die Leitung der Ge: 
Igähe fteht bei der „Deputation der rheinischen 

iſſfions⸗-Geſellſchaft“, einem Ausihuß von 10 
Mitgliedern, der der alljährlich zufammentretenden 
Generalverfammlung des Vereins verantwortlid) 
iR. Das Miſſionsgebiet ie Südafrika, Borneo und 
—* In ähnlicher Weiſe und mit ähnlicher Ver— 
—— die Norddeutſche Miſſ.-Geſ. 
1836 aus ber Vereinigung ſämmtlicher M.:Ver: 
eine in Rorddeutſchland. Anfangs auf demſelben 
freien Standpunkte wie die Baſeler ſtehend, ward 
die Geſellſchaft allmählich immer mehr in confeſ⸗ 

41 











Miſſionsgeſellſchaften 


fionelle Streitigkeiten hineingezogen. Dieſe führ: | 
ten zugleich mit finanziellen Bedrängniſſen 1849 
die Auflöſung der 1886 in Hambur geftifteten | 
Miffionsfchule herbei. Im folgenden Jahre über: | 
nahm die unioniftiihe M.:Gefellich. zu Bremen die | 
Reorganifation auf dem Boden evangelifcher Freis | 
heit, worauf die Gonfejfionellen —2 Die 
Geſellſchaft wirkt ſeitdem mit mehr 
ſächlich in Weſtafrika. R Berlin hatte bereits 
ſeit 1800 der Prediger Jänicke eine Schule zur 
Ausbildung junger Leute für den Miffionsdient 
gegründet, deren Zöglingeden Mifj.-Gejellichaften 
zur Ausjendung überwiejen wurden. Eine Reihe 
tüchtiger Arbeiter ging daraus hervor. Indeß nicht 
lange nad) Jänide's Tode (1827) Löfte das Unter: | 
nehmen fi auf. An feine Stelle trat dann die aus 
ihm bervorgegangene Berliner M.:Gejellichaft, 
geRfet 1823, Sie befigt feit 1830 ein eigenes M.: 
eminar und hat ihre Stationen in Sübdafrifa. | 
Die 1842 begonnene oſtindiſche Miffion hat fie 
1847 in Folge von Geldbedrängnifjen wieder auf: 
gegeben. Urſprünglich unirt, ift fie, der confeifio: | 
nellen Strömung folgend, zur ausgeſprochen luthe: 
riſchen geworden. In Folge der fortwährenden | 
—*88 ſchied 1836 der Prediger Goßner 
(+ 1858)aug der Geſellſchaft aus und gründete den 
Evangelijden Miſſionsverein. Derjelbe ver: 
wirft eine wifjenjchaftlihe Ausbildung der Miifio: | 
nare und legt bejonderes Gewicht darauf, dab der 
Miffionar jih feinen Lebensunterhalt felbit er: 
werbe, Seine Stationen find in Neu:Süd: Wales 
unter den Papuas jeit 1838, den Sübjeeinjeln und 
Oftindien. Die Evangeliſch-lutheriſche M.: 
©. zu Dresden war, wie Anfangs alle deutſchen 
M.:%.,mit Bafelverbunden, trennte ſich aber 1836 
davon aus confejjionell Iutherifchen Gründen. Die 


olg, haupt: 








688 





Miſſionsſchule in Dresden wurbe 1838 eröffnet, ſpä⸗ 
ter wegen der Univerfität nah Leipzig verlegt. 
Geſellſchaft hat das Gebiet der alten Halle’fchen 
reſp. dänischen Mifjion übernommen und wirkt in 
Djtindien und Südauftralien. 

Selbitjtändig und eigenthümlich jteht die Her: 
mannsburger Wijfion (Dannover), begründet 
dur ben im Jahre 1865 verjtorbenen Paſtor 
Harms, die eine ſtreng lutherifch kirchliche fein will. 
Sie begann ihre Wirkſamkeit 1854 unter den Gal: 
las in Dit:Afrifa. Noch ift zu erwähnen ber Ge: 
jammtverein für die otneliige Miifion 
jeit 1856 beftehend, der durch Gühlaff alseine Ver: 
einigung mehrerer Vereine zur Unterjtügung fei« 
ner Arbeit ins Leben gerufen wurde. In Frank: 
reich bejteht jeit 1824 die Barijer Miſſions— 
Geſellſchaft mit einem eigenen Mifjions: Se: 
minar und dem Miffionsgebiet in Sübdafrita. 

In Amerika ift die bedeutendfte Geſellſchaft 
die große amerifanijhe M.-Geſellſchaft 
(American Board of Commissioners for foreign 
Missions), geitifiet 1810 nad dem Vorbild der 
xondoner Gejellihaft. Sie hat kein beftimmtes 
dogmatijches Bekenntni für ihre Angehörigen und 
läpt ihren Arbeitern in Bezug auf die Kirhenform 
neuzugründender Gemeinden freie Wahl. Der Sig 
ver Geſellſchaft ift Boston, die jährlihen Haupt: 
verjammlungen finden jedoch abwechjelnd in den | 
Hauptitädten jtatt. Ihre Miffion umfaßt in drei 
Abtheilungen die riftlihen Kirchen der europäi: | 


ie! 





ſchen und aſiatiſchen Türkei, jodann die civilifirten 
heidniſchen Bölfer in Dftindien, Siam und China, | 





endlich die rohen heidnijhen Stämme der In: | 


u 
Miffion (Volks) 


dianer in Amerila, ber Neger in Afrifa und ber 
Bewohner der Sandwichsinſeln und Borneos. 
Nächſt dieſer ift die bedeutendite bie un as u 
Kufaent der Baptiften (American ptist 

ard offoreign Missions), gegründet 1814, bie 


vorzugsweiſe in Aſien, Birma und unter den Ra- 


renen wirkt, aber auch bie Kirchen Europas in den 
Kreis ihrer Thätigfeit gezogen hat. Die Ge: 
fellihaft der Sresbsterianer (Presby- 
terian Board of for. Miss.), feit 1820 beftehend, 
fendetMiffionare nah Indien und afrifa;die ber 
Methodiften,1819 geftiftet, arbeitet in Liberia 
Weitafrila) und unter den Farbigen in Amerika. 
ie ©. der bifhöfliden Kirche (Board of 
Missiens of the protestant episcopal church in 
the United States) ift vorzüglid in Weftafrifa, 
China und der Türkei, die deutſche auswär— 
tige Miffions:Gefellfhaft von Nord: 
amerifa, geftiftet 1837, in Indien thätig. 
Miffionsprediger, heißen in der latholi 
Kirche alle die Prieſter, welche in bejondern klö—⸗ 
jterlihen Anftalten zum Dienfte in der heimath⸗ 
lichen oder der auswärtigen Miffion berangebildet 
werden. Someit fie nit zu klöſterlichen Orden 
ehören, wiez. B. die Barnabiten, Redemptoriften, 
ejuiten, Theatiner ꝛc. (ſ. d. 9.) find fie Glieder 
befonderer Miſſions — Derartige 
find : die Gongregation des Oratoriums, bieCongre: 
dation des h. Vincent von Paula oder Lazarijten, 
(j. d. 9); die Eongregation des heil. Sacraments, 
geitifiet 1692 durch Biſchof Authier von Sisgau, 
1790 in den Revolutionsftürmen erloſchen, jpäter 
aber wiederhergeftellt; die Congregation Jejus und 
Maria, auch Eudiften genannt, geitiftet 1647 durch 
den Priejter Jean Eudes (f. d. A.); die Congre: 
ation ded h. Geiſtes, geftiftet 1701, mit einem 
eminar in Paris, in der Revolution untergegan: 
en, 1805 wiederhergeftellt; die Seminariften von 
t. Nicolaus von Chardonnet, gejt. 1612 von Jean 
Bourdoife in Rheims, jpäter nah Paris überge- 
fiedelt ; die Prieſter des Seminars der auswärtigen 
Niffionen in Paris, im 17. Jahrh. durch Bernard, 
Biſchof von Babylon, geitiftet, jpäter zeitweiſe auf: 
gehoben, von Pius wiederhergeitellt ; es wirken 
in Indien und China an 80 Priefter, die Mijfiond- 
priefter von Frankreich, geftiftet durch Abbe Legris- 
Duval, wurden 1830 aufgehoben, find indeh wieder 
erftanden und richten ihre Thätigkeit vornehmlich 
san den Proteftantismus. P 
iffion, Bold» in der fatholiichen Kirche, 
eined der Erweckungsmittel des —— 
lichen Geiſtes und ſeit 1848 auch in 
land eingeführt. Sie bezweckt durch einen 
erſchütternden Ruf zur Buße bad Bolt zu einer 
Generaibeichte und einem innigen Auſchluß an bie 
kirchliche Heilanftalt zu treiben. Das Wejen der M. 
befteht danad) in einer zufammenhängenden Rei: 
henfolge von Predigten (wobei befonderes Gewicht 
auf fogenannte Standespredigten gelegt wird), die 
in ben Gottesdienft weniger Tage zufammenge: 
drängt werben, und welche in ftarfen Zügen ven 
Gegenfat des ſündlichen Verderbens und der von 
der Kirche angebotenen Gnade, am Schluß aud 
wohl die Herrlichkeit der kathol. Kirche im Ge: 


genſatz gegen die evangelijche hervorheben. Zu den 


Miffionen, welche in den einzelnen Diözejen der 
Biſchof anorbnet, werden Jefuiten, Redemptoriften 
und Kapuziner verwendet, Die Mijfionen find für 
das Bolt, was bie Exercitien für die Geiftlichen. 


unrn 


Mitra 


Den Eindrud ber M. zu befeftigen, dient nicht nur 
die Entfaltung größeren firhlihen Pompes, die 
Anmwefenheit vieler Geiftlihen, die der vermehrte 
Andrang zum Beichtftuhl fordert, ſondern aud) die 
Stiftung von Brübderfhaften, die Gewährung von 
Abiäffen und endlich die Aufrih’ung eines Miffi- 
er grog das Ganze ſchließt. Letzter Zweck 
ber V.⸗M. ift die Kirchlichleit, grade darum aber 
ift fie am wenigften geeignet, wirkliche und gründ: 
liche Beflerung der Einzelnen, wie der fozialen 
Uebelftände herbeizuführen. Ueber den Eindrud 
derfelben aufdie ev. Kirche vgl. die Verhandlungen 
des Kirchentags zu Bremen 1852. Ueber ihr Melen: 
u prakt. Theol. III. Abth. 1. 

itra, d. i. Binde, bei den alten afiatifhen 
Völkern die Kopfbededung, in der hriftl. Kirche 
die Bifhofsmüge, urfprünglich einfach, feit dem 
11. ren mit zwei Hörnern, welche jym: 
bolijch die beiden Teftamente andeuten jollen; fie 
gehört ald wesentliches Stüd zurontificalfleidung. 

Mitteldinge, d. h. die zwiſchen Gut und Böfe in 
der Mitte ftehen, find die an ſich fittlich gleichgül: 
tigen Dinge. Der Begriff hat zweimal in der 
evangelifhen Kirche Anlaß zu Lehrftreitigteiten 
gegeben. ©. d. A. Adiaphorijten, 

it lene (Mytilene), die alte Hauptitadt der 

njel —— der Oſtküſte gelegen. Ihre Ruinen 
Snlen fi) beim heutigen Kaftro, auch Mitilini, 
Metolin genannt. Paulus berührte M. auf feiner 
legten Reife nad) Jerufalem (Apg. 20, 14). 

Mizpa, und DigpeindenLXX Meopa«und Mas- 
anpd, bei Joſephus Maopadn, Maoperis, von 
My, fih umfehen, eine Warte, Höhe mit Rundficht 
1.Mof.31,48.1) dad Land am Hermon,bie Heimat 
ber Heviter of. 11, 2, zwiſchen dem Dichebel ef 
Scheilh und dem Dichebel Heiſch zu ſuchen, mit der 
Hauptſtadt Mizpe Joſ. 11,8; — 2) Ramath Mizpe 
505.13, 26, lag nah Richt. 10,17; 11,29 in Gilead 
war der Wohnort — Dort ſoll Hoſea begra⸗ 
ben ſein; baher der nahgelegene Berg Dſchebel 
Oſcha; vgl. Hoſ. 5,1.—3)M. in Juda Joſ. 15,38, 
lag nad Hieronymus’ Onomaſtikon noͤrdlich von 

eutheropolis auf bem Wege nach Jeruſalem. — 4) 
Mizpa in Benjamin Jof. 18,26, welches wiederholt 
als Drt zu Zufammenfünften bes Bolld genannt 
wird. Richt, 20, 1;21,1; 1. Macc. 3, 46; 1.Sam. 
7,5—16. Es lag nahe bei Rama 1. Kön. 15, 22, 
„Jerufalem gegenüber” und warnad) Jerem. 41, 3 
der Wohnort Gebaljas. — 5) ein Drt im Gebiete der 
Moabiter 1. Sam. 22,3; 2. Chron. 20, 24, wo 
Jofaphat über Moabiter und Ammoniter fiegte. 

Misraim, der Name Aegypten (f.d. 9.) bei 
ben — 

Moab, Moabiter, (INC, was 1. Mof. 19 
erklärt wird: Nachlommenfchafl des Vaters), ein 
den Iſraeliten jtammverwandted Bolf, deſſen 
Urfprung 1. Mof. 19, 30-38 berichtet wird, 


“ 


Sie bewohnten das Land öſtlich vom todten | ift fiher irrig. 
Meere ; die nördliche Grenze gegen bie Amoriter 


bildete der Arnon. Die Hauptftabt war Ar oder 
Rabbath:Moab, daneben bedeutend die ſtarle Fe— 
ftung Kir-Moab. Die Religion der. M. war der 
vorderafiatifche Baalsdienft (f. d.A. Chamos) mit 
unzüchtigem Gultus 4. Mof. 25, 1. 
Zuge nad Baläftina beobachteten die Juden ein 
freundfchaftliches Verhalten gegen die M. 5. Mof. 
2,9. 19, die ihnen feindlich ——— ſich 
ebenfalls ſcheuten, aber Bileam's Rath, Iſtael zu 


689 





uf ihrem | war der Sohnes dortigen 





Möhler 


ſchwächen, folgten 5. Mof. 23, 4. 5, vgl. 2, 29, In 
der Richter Zeit hielten dieM. das füdliche Jirael, 
namentlih Benjamin, 18Jahre tributpflichtia Richt. 
3,12 ff. Durch David’s Sieg an Iſrael zinsbar 
eworden 2. Sam. 8, 22, kamen fe bei der Thei— 
ung des Reichs an Iſrael. Bei dem Verfall def: 
felben feit Ahab machten fie wiederholte Verfuche, 
ihre Unabhängigkeit zu erlangen, wurben aber 
ftetö wieder bezwungen 2. Kön. 3, 6—27. Nach 
der Megführung von Ruben und von Gab be: 
mädhtigten fie fi eitweilig des Dftjorbanlandes, 
fpäter jchlofjen fie fich an jeden Feind Iſraels und 
Juda's an 2. Kön. 24, 2, verbanden fihzulegt mit 
den Chaldäern zur Zerftörung Jerufalems, val. 
Ezech. 25,8, Zeph. 2, 8 ff. und wurden wenige 
Tr fpäter von diefen ebenfalld unterjocht. Jos. 

nt. 10, 9. 7. Der hieraus erflärliche fpätere Na: 
tionalhaf der Juden gegen die M. fpricht ſich aus 
5. Mof. 23, 4 und inden Reiffagungen Jeſ. 15. 16, 
Ezech. 25. 8; Amos 2, 1—3, Die legte Erwähnung 
der M. ift Neh. 13, 1; jpäter find fiein die arabifchen 
Stämme aufge angen und in deren Geſammtna— 
men mit begriffen. 

Moderatismus war die Bezeichnung einer ge: 
en Ende des 17. Yahrh. unter der Geiftlichkeit 
Schottlands entftandenen Richtung, welche die 
Schärfen und Eden des Presbyterianismus in 
Lehre und Praxis der Kirche zu vermeiden fuchte 
und fi dabei grundfäglich auf das Staatäfirchen: 
tegiment ftügte. Ihre Gegner erhielten die Be: 
jeihnung: die Wilden. 

deſtus, wurde mit einigen Presbytern dem 
Biſchof Birgilius von Salzburg (745—84) auf 
Anfuhen des Herzogs Chettomar nad) Karanta— 
nien (Kärnthen) gejendet. Er ſoll dort einige Kir— 
hen begründet haben, ftarb aber nad) kurzer Wirk: 
famkeit und feine Geiftlichen kehrten nad Salz: 
burg zurüd. Danach wird M. ald Apoſtel Kärn— 
then verehrt. — Erwähnenswerth ift ferner Mo: 
deſtus, Patriarch von Zerufalem 616—26, ber 
die im Jahre 614 von den Berfern unter Chos: 
088 II. zerjtörte h. Grabeslirche wieder aufbaute, 
wobei er wahrjcheinlich dem Grabe eine von der 
früheren etwas abweichende Geftalt gab. 
din (Mudeiv LXX, Mudseiu Joseph.), der 
Wohnort des Mattathias, des Baterd der Macca: 
baeer, wo diefer auch zuerft gegen den ſyriſchen 
Götzendienſt auftrat. 1.Macc. 2,1 ff. Das dajeldft 
befindliche Familiengrab baute Simon pradhtvoll 
aus 1, Macc. 13, 25 f. Die Lage des Orts ift un: 
gemiß, doch ift er nicht weit vom Meere, in ber 
tähe der philiftäifchen Ebene zu fuchen (val. 1. 
Macc. 16,4. Nach dem Onomaitifon des Eufe: 
bius lag e8 in der Nähe von Lydda; aud) in den 
Kreuzzügen fuchte man es in diejer Gegend, bei 
Nitopolis (Emmaus). Die Tradition, welche es in 
dem auf tegelförmigen Berge, mweitlich von 
Jeruſalem gelegenen Dorfe Szöba finden wollte, 
binſon u. A. halten den Tellvon 
Zätrön, Ewald das mehr ſüdöſtlich liegende Dorf 
Ma’in für den obigen Angaben entſprechend. 

Möhler, Dr. Johann Adam, einer der bedeutend» 

ften deutſchen katholiſchen Theologen der Neuzeit, 


' geb. zu Igersheim bei Mergentheim, 6. Mai 1706, 


ehe ieh Schult⸗ 
eißen. Er ſtudirte zu Ellwangen ſeit 1814 Phi— 
oſophie und ebenda Felt 15, jpäter, als die Fa— 
Kultät nad; Tübingen überfiedelte, hier Theologie. 
Zum Prieftergemeiht 1819 ward ernad) einjähriger 


Mönchsregeln 


Thätigkeit als Pfarrvicar Repetent im Tübinger 
Seminar. Im —— ſich um a u 
rerftelle zu bewerben und fi gänzlich den Hafji- 
fhen Studien zu widmen, wurde er als Privat: 
bocent der Theologie an die Univerfität berufen 
und habilitirte fih nad Vollendung einer wiffen: 
ihaftlihenReife 1823 zunächft für Kirchengeſchichte, 
Batrologie und Kirchenrecht; 1826 zum a. o., 1628 
zum ordentlichen Profeffor ernannt, fiebelte er, 
nachdem er Berufungen nad) Freiburg und Bres— 
lau abgelehnt, 1836 nad; München über. Im fol- 
genden Jahre lehnte er zum zweitenmal einen Ruf 
nad Bonn ab; feiner Kränklichfeit wegen übertrug 
ihm der König das Domdehanat Würzburg, aber 
fhon wenige Wochen darnach ftarb er 12. April 
1838. M’3, berühmtefte, epohemahende Schrift iſt 
„Symbolit oder Daritellung der dogmatiſchen Ge: 
genläge der Katholifen und Proteftanten nad) 3 
ren öffentlichen Bekenntnißſchriften“, Mainz 1832. 
6. Auflage 1843. Indem hier die Reformation, 
an der Manches als relativ berechtigt anerkannt 
ift, einem idealifirten Katholicismus gegenüber 
doch nur aldeine große Verirrung dar eteitt wur⸗ 
de, eröffnete die Schrift, welche durch ihre Bedeu— 
tung dem Kari nein zu der Hoffnung Anlaf 
gab, der Proteftantismus werbe, geiftig überwuns 
den, auch ak zu befiegen fein, eine neue 
Periode wiſſenſchaftlicher Controverſe zwiſchen dem 
Ratholicismus und dem Proteſtantismus. Die 
Hauptgegenjhriften gegen M. waren: Baur, der 
—* des Katholicismus und Proteſtantismus, 
Tub. 1834. (Dagegen Möhler, Neue Unterſuchungen 
der Lehrgegenſähe, Mainz 1834, 2. Aufl. 1835); Mar⸗ 
einede, Recenſ. ber Möhlerſchen Symbolik (Jahrb. 
ee aftl. Kritik, Berlin 1833) ; C. J. Nitzſch, 
Proteſtantiſche gran der Symbolit Dr. 
Möhler's (Studien und Kritiken 1834,1835, auch 
befonderd abgedrudt). Vorher waren von Möhler 
erihienen: Die Einheit der Kirche oder das Prin- 
zip des Katholicismus, Tüb. 1825; Athanaſius 
der Große und die Kirche feiner Zeit im Kampfe 
egen den Arianismus, Tüb. 1827. 2. Aufl. 1844. 
emerfenäwerth fürfeinen firhlichen Standpunft 
4J außerdem die Abhandlung über das Cölibat der 
eiſtlichen, das er als die Grundbedingung der 
era feit ber Kirche auffaßte. Seine nachge— 
lafienen driften und Auffäge gab Döllinger her: 
aus, 2 Bde., Regensb. 1839—40, feine „Patrolo⸗ 
gie oder hriftliche Literaturgefchichte” Reithmayer 
Regensb. 1839. Zur Biographie " Symbolif 
5. Huf. und die Mittheilungen von D.F. Strauß 
in „Heine Schriften ꝛc.“ Leipz. 1862, 
Möndjdregeln. Neben dem ifolirten Mönchthum 
der Asketen und Anadoreten entwidelte fi im 
Orient ziemlich gieingeitig auch ein eigentliches 
Klojterleben der Gönobiten. Bereits Pachomius 
+ 348, ordnete bafjelbe durch Regelung des Vor: 
tande3, ber Aufficht, der Beichäftigung u. ſ. m., 
oh waren jeine Vorſchriften mehr allgemein 
ethiſchen Inhalts. Allgemeinere Geltung erlang- 
ten erft die unter dem Namen des Bafilius des 
Gr. (329—379) des „Vaters der Mönche” aufbe: 
wahrten fürzeren und meiteren Regeln (Regulae 
brevius et fusius tractatae, Opp. tom. II, von 
Combefis ihm abgeiprochen, von Garnier für echt 
ger Sie find bunteften Inhalts und behan: 
eln das äußere Verhalten der Mönde, Gehorjam, 
Lebensweiſe, Ernährung, Kleidung ꝛc. hauptſäch— 


690 


Mönchsregeln 


Auf Baſilius werden auch die Vorſchriften über 
die drei Grundgelübde des Mönchsweſens, Ar—⸗ 
muth, Keuſchheit, Gehorſam, —— Die 
Regel erlangte im Orient allgemeine Geltung, ſie 
wird noch jetzt von den griechiſchen Mönchen, den 
Neſtorianern, Melchiten u. a. befolgt; außerdem 
lebt nad) ihr der noch in Sicilien und Amerika 
verbreitete Orden der Bafilianer. So lange indeß 
das chriſtliche Mönchsweſen auf das Morgenland 
beſchränkt blieb, entwidelte e8 fich mehr in freier 
Mannigfaltigteit einer fubjeftiven Religiöfität. 
So bildeten zur Zeit des Hieronymus (Epist. 18 
ad Eustochium de custodia virginitatis) in Sy« 
rien, Paläftina und Aegypten die Sarabaiten 
(Rhemoboth) die Mehrzahl der Mönche ; fie lebten 
mitten in der Gejellichaft und den Städten, höch—⸗ 
ſtens zu zwei ober drei und unabhängig von jeder 
Klofterregel. Ald aber das Mönchsweſen durch 
Athanafius u. A. in's Abendland verpflanzt wur: 
de, ergab fi) die Nothwendigkeit einer beftimmten 
DOrganifation und Gefeggebung für die aus ber 
Laienmwelt audgefchiedenen und doch nicht zum 
Klerus gehörigen Mönche; ftatt fich vielfeitig und 
maßlo3 zu vergweigen, mußte das Asketen⸗Leben 
bier, bei der allgemein herrſchenden Reigung, ſich 
an eine äußere Heilsanftalt (die Riche), an be: 
ftimmte Heildträger und Heilsmittel anzuſchließen, 
durchweg gejellichaftlih zufammen wachſen. Es 
geſchah das nicht ohne Kampf, denn ein georbne- 
tes Klofterleben, mit äußerfter Entfagung, fortge- 
fester Betrachtung, Handarbeit und eſchloſſen⸗ 
heit war or den erjten fanatifchen Asketen wie 
einer ſehr großen Zahl ihrer Nachfolger zuwider; 
ein großer Theil derſelben ſchweifte ald Gyrovagi, 
Circumcellionen (f. d. A.), umher; e8 gelang trotz 
vieler gegen fie gerichteter Synodalbeſchlüſſe erft 
um 800 fie verſchwinden zu laffen und dad abend: 
ländifhe Mönchthum allgemein in die feſte 

des Cönobitenlebeng zu bringen. Was nun bie Or: 
ganifation deſſelben im Abendlande betrifft, fo 
richtete bereit Cajjianus zu Anfang bes 5. 
Jahrh. Klöfter zu Maſſilia ein, denen er ın feinen 
»De coenobiorum institutis libr. XII.« beftimm: 
te, noch ganz auf orientaliihen Traditionen be: 
ruhende, zum Theil unnatürlihe und graufame 
Regeln “ (Cassian. opp. edid. Gazaeus 2eips. 
1733 fol.). Mit der Ausbreitung des Kloſterweſens 
entftanden in den verſchiedenen Klöſtern beſondere 
Regeln; wenn biejelben indeflen auch vielfad von 
einander abwichen, jchloffen fte fich dennoch nicht 
aus; es fanden fich vielmehr oft mehrere in einem 
Klofter und re en bafelbft nach der Auswahl des 
jeweiligen Abtes, fo daß eine befondere Regel nicht 
auch einen befondern Drden jchuf. Erft die Regel 
Benedict’8 vonNurfia 529 (am beiten bei Edm, 
Martene, Commentarius in regulam S. P. Bene- 
dieti litteralis, moralis, historieus. Paris 1690; 
vgl. auch d. A. Benedictiner) brachte Maß und Ein: 
heit in die biöherige Willfür, In Nebendingen 
nadhgebend, ziemlich verſtändig, einfach und voll» 
ftändig, forderte fie Keufchheit, Nüchternbeit und 
namentlih Schweigfamteit, Demutb und Gebor: 
fam gegen die Oberen mit aller Strenae. Sie 
wurde für alle folgenden muſtergültig und er: 
langte, begilnjtigt durch das Einheitöftreben ber 
Kirche und Päpſte, namentlich Gregor d. Gr. und 
Öregor II., wie auch durch den Einfluß Bonife: 
zus‘, des Apofteld der Deutſchen, um 800 allge: 


Lich aber fubjective und cafuiftifhe Angelegenheiten, | meine Aufnahme. Doch entjtanden neben und nad 


Mönchsweſen 


ihr noch mehrere beſondere Regeln. So die des 
Eupippius, Equitius und namentlich die 
beiden kleinlichen und pedantiſchen des Caeſa— 
rius von Arles 502—548, regulae duae, altera 
ad monachos, altera ad virgines (vgl. Oudin. 
Dissert. de vita et scriptis S. Caesarii Arelat. 
in de script. eccles. I.) Neben dieſen beiden er: 
langte namentlich in Gallien vielfadye Geltung bie 
Regel Eolumban’s (feit etwa 560 in Gallien 
thätig), des Gründers von Lureuil und vieler an⸗ 
derer Klöſter; wahrſcheinlich aus feinem Stamm: 
Hofter Bangor in Jrland mitherübergebracht, war 
fie äußerft Heinlich und ftreng, fo daß fie für Ver: 
eben der Mönde nur körperlihe Züchtigung 
annte. Im 8. und 9. Jahrhundert mußte fie der 
Benedict's weichen, im 12. Yahrh. ift ihre legte 
Spur verloren. (Die Regel bei Holstenius, codex 
—* I, 166 sq.; über ihr Verhältniß au der Be: 
nedict’3 Mabillon, Acta Sanctor. ord. Bened., 
praefat. ad saecul. II.) Aehnlichen Character ha⸗ 
ben die Regeln deö Fructuofus, Erzb, von 
Braga 656 bi3 etwa 675; auch fie fordern blin- 
deften Gehorfam und mechaniſche Pünktlichkeit. 
Die eine berjelben galt für Mönche, die andere für 
ganze, im Klofter lebende familien (letzteres eine 
in Spanien damals jehr verbreitete Unfitte, um 
fi von Steuern, a bienften ꝛc. zu befreien, 
vgl Mabillon, ann. Ord. B. 1, 487). Die größte 
Bedeutung neben der Benedictinerregel erlangte 
bie aus des Auguftinus zwei Reden über bie Sit: 
ten der Geiftlihen und den Büchern an die Non: 
nen von Hippo zufammengefegte Auauftiner: 
regel. Bereits zu Auguftinus Zeit lebten viele 
Geiſtliche nach einer allgemeinen, fie von der Welt: 
eiftlichfeit trennenden Form und beftimmten 
atzung. Ehrodegang von Me führte ähnliche 
um 760 unter jeinem Klerus ein; Innocenz IV, 
vereinigte dann um die Mitte de 13. Jahrh. eine 
Reihe Einftedlergenofjenihaften unter der Norm 
der Augquftiner-Regel. Nach ihr leben, unter Ab- 
änberung einzelner Beitimmungen, hauptfächlich 
die Prämonftratenjer, Auguftiner, Serviten, Do: 
minilaner, Sefuiten u. a.; von weiblichen Orden 
die Magbalenerinnen, Saleflanerinnen, Annun: 
ciaten, Urfulinerinnen, und die barmherzigen 
Scmeftern. Ausgeprägt ſtreng asketiſchen Cha- 
rafter trägt die Franciscaner-Regel, um 1210 
geaeben, 1223 beftätigt (vgl. d. Art. Franz von 
fift) ; namentlich verlangt fie unbedingtefte Ar: 
muth und Demuth und macht dabei, völlig neu 
und abweichend von allen früheren, Predigt, Seel: 
forge und Kranfenpflege zur Pflicht. — Die in al: 
len Orden zeitweilig eintretende Gorruption, ba: 
neben religtöfer Subjeltivismus und das Streben 
nad) etwas Befonderem hatten eine Menge Aen: 
derungen der urjprüngliden Regeln, theild in 
ftrengerem, theild in milderem Sinne, und damit 
befondere Ordensregeln zur Folge. Bal. hierüber 
bie einzelnen Drden, ferner den X. Mönchäwefen. 
Zur Zitt.: Holstenius, Codex regularum monasti- 
carıum. Rom 1661. Verbeſſ. und vermehrt von 
Brodie Augsb. 1759 fol. 6 Bde. Miraei regulae 
et eonstitt. elericor. in congreg. viventium. 
Antw. 1638. 

Möndsweien, ift gleicherweife hervorgegangen 
aus dem Drange, der Welt zu entjagen, wie aus 
dem Triebe nad) äußerlicher Religionsübung. Es 
begann mit dem Einfiedlerleben der Wüfte, als die 
wachſende Ausbreitung des Chriftenthums das bis 


691 


Mönchsweſen 


dahin abgeſchloſſene Leben der Chriſten in ein 
weltförmiges verwandelt hatte. Aus der heidniſchen 
Weltanſchauung eingepflanzte Ideen ließen Welt 
und Irdiſches, Sünde und irdiſches Streben gleich: 
fegen und verwechſeln, jo daß dem Befit des irbi: 
ſchen Gutes und dem Familienleben zu entfagen 
als hriftlihe Vollkommenheit angejehen wurde. 
Armuth und Keufchheit find Grundbedingungen 
alles Mönchälebend. Mit dem Aufhören der Ver: 
folgungen und des Kampfes gegen ein im Staate 
mächtige Heidenthum fiel die Möglichkeit hinweg, 
ſich darin vor Andern und vor fich jelbit in der 
Kraft der Frömmigkeit zu bewähren und in der 
dabei geforderten fittlihen Anftrengung die Ge: 
fahr ſchlaffer Mattherzigkeit zu überwinden. Da: 
mit war es um fo nähergeleat, die Einfamleit und 
Weltentfagung an die Stelle des Kampfes treten 
zu laflen. — Als erfter Einfiedler gilt Paulus v. 
heben (.d. X.) um 250 n. Chr., der erjte Mönchs— 
verein (zowljıor) ward von Pachomius (j. d. U.) 
7 348, um 330 auf der Nilinjel Tabennä gegrlin: 
det. Von diefer Zeit an verbreitete fich zunädhit das 
griechifch:orientalifche Möünchthum mit unglaubli: 
her Schnelligkeit. Indeß gelangte es im Morgen: 
(ande weder zu innerer Zujammengehörigleit noch 
u tiefer eingreifenden Bedeutung; nur in den 

ilderjtreitigfeiten ift die möndjiihe Denkweiſe 
von Einfluß geweſen, in fofern fie immer dem zus 
geneigt war, was einem finnlichsreligiöfen Phan: 
tafteleben die größte Anregung gewährt. Dienahe: 
liegenden eig bes M's. myftiiche Abwege 
zeigen fi inden Mefjalianern, Euditen und ben 
Sen haften des Athos (ſ. d. A.); asketiſche Lleber- 
treibungen in frühefter Zeit in den Afoimeten, 
Styliten u. A. In das Abendland übertrug Atha: 
naftus das Gönobiten:Zeben. Hier ward es bald 
zum wichtigſten Faktor der kirchlichen Entwidlung. 
Bei den vom Chriftenthum eben erft durchdrunge⸗ 
nen fozialen Zuftänden ber faum befehrten Bölfer 
mußte das Mönchsleben, als die Fortſetzung und 
Erneuerung jenerinnigen, auf allen eigenen Beſitz 
verzichtenden Lebensgemeinſchaft, in der die erften 
Epriften geftanden hatten, auf alle ernfteren Ge: 
mlüther unwiderftehliche Anziehungsfraft ausüben, 
Als die wahrhaften irdiſchen Gemeinden bildeten 
die Klöſter die Miffionspoften unter den Heiden, 
die Burgen des gefährdeten Chriftenthums, und 
vereinigten, bis das römische Kirchenweſen die Ues 
berband gewann, nicht jelten auch die Kirchenlei: 
tung in ii. Daher erweift fi) das M. auch ftär: 
fer ald die andere Corporation, die der Prieiter: 
fchaft, welche diefelbe Idee auf magiſche Weiſe 
d die Weihe zu verwirklichen ſucht. Anfänglich 
nur Laien, wurden einerſeits nicht nur die Mönche 
dem Clerus immer mehr 5* bis ſie ſeit dem 
10. Jahrhundert in der Regel ſämmtlich clericale 
Weihen erhielten, ſondern das Mönchsleben ver— 
breitete ſich auch anderfeit3, über die Prieſter, 
(Eölibat, Chrodegangs Regel, Ganonifer, ſ. dieſe 
Art,), jo daß diefe den Mönchen ähnlich) wurden. 
Noc mehr zeigt fich der Sieg des M's. darin, daß 
die Klöfter und Abteien allmählich von der Ober: 
aufficht der Bifchöfe fich befreien, die Orden unter 
ihren eigenen Oberen unmittelbar dem Papſt un: 
terftellt werden; entjchieden gewann das Mönchs— 
weſen die Oberhand, alö die Bettelorden das Necht 
ber Predigt und des Beihthörens erlangten. Jet 
begannen die Mönche die Curatgeijtlichfeit aus * 
rem eigentlichen Gebiete, der Seelſorge des Vollks 


Mönchsweſen 


verdrängen, wie denn noch heute die Miſſionen 
er Jeſuiten, Redemptoriſten und Capuziner bei 
den Gemeinden die Wirkſamkeit der Weltgeiſtli— 
hen in Schatten ftellen. Die Päpſte waren jeder« 
zeit geneigt, die Nechte und Privilegien ber Klöfter 
mu mehren, ſchon deöhalb, weil diefe in dem Kampfe 
es Papſtthums mit den Kaifern, nur von kirchli⸗ 
hen und religiöfen Intereſſen geleitet, faft durch⸗ 
weg auf Seiten der Päpfte ftanden, während bie 
Biichöfe ſchon als Lehnsträger des Reiches durch 
politifche und nationale Interefien häufig auf die 
Seite der Kaifer geftellt wurden. — Schon 
hatte das Bedürfniß des genoſſenſchaftlichen Lebens 
zur rn von Moͤnchs- und Klofterregeln 
geführt; alle ältern aber, wie die des Bafilius, des 
olumban u. a. verdrängte die Regel deö Benedikt 
von Nurfia 529, welche, aufgebaut auf die drei 
Mönchägelübde, Armuth, Keufchheitund Gehorſam, 
in ihrer Zucht die oft rohe Grauſamkeit der alten 
Disziplin vermeidend, die Einfachheit deö Lebens 
auf ein natürlihed Maaß zurüdführte und einen 
verftändigen Wechjel zwiſchen Gebet, Pjalmen: 
fingen und Arbeit anorbnete. Ein erneuter Ber: 
—* das Kloſterweſen zureorganifiren, wurde aber 
chon in den nächſten Jahrhunderten wieder ein 
immer bringenderes Bebürfnik, bis 817 Benedict 
von Aniane von Ludwig dem Frommen den Auf: 
trag dazu erhielt, undihn mit Energie durchführte. 
Aber auch die folgende Geſchichte der Orden be» 
zeichnet durchgängig einerfeits ein ftetiges Wachfen 
an Anjehen und Reihthum, anderfeits einen zu: 
nehmenden Berfall der Sitten. Daher fortwäh: 
rende Reformen und Reinigungsverfuche, Aufſtel⸗ 
fung verfhärfter Regeln und namentlid im 11. 
Jahrhundert Stiftung neuer Drben, bei denen bad 
ſchwärmeriſche Verlangen nach volllommenen, den 
Menſchen Über die Welt erhebenden und vor der 
Sünde fihernden Lebendordnungen mitwirkt. So 
entitand Durch den Grafen Berno 910 der Eluniacen: 
ferorden, derOrden von Grandmont durch Stephan 
v. Tigorno 1073, der Kamaldulenſer⸗Orden durch 
Romuald 1018,derfarthäufer-Osden durch Bruno 
von Köln 1086, der Orden von Fontevraubburd 
Robert von Arbriffel 1096, der Ciſterzienſerorden 
burd Robert von der Champagne 1098, der Prae⸗ 
monftratenjer (Norbertiner) durch Norbert von 
Kanten 1118, der Carmeliter:Orden, geftiftet von 
Berthold von Calabrien während der Kreuzzüge 
um 1150. Später rief derjelbe Trieb und dafjelbe 
Beblirfniß innerhalb der Orden Spaltungen ber: 
vor, aus denen ſowohl neue Gorporationen als 
aud) Congregationen zu gegenfeitiger Unterftügung 
bei Aufrechthaltung der Disziplin entſtanden, wie die 
Congregationen von Winds heim 1386 und Bursfeld 
1440. Sede Reform, jede neue Stiftung gab aber 
dem Mönchseifer neue Anregung. Wie jehr das 
Mönchsweſen die Kirche und die Zeit beherrichte, 
geigt die Uebertragung deflelben aufdas ritterliche 
eben, wie fie in den geiftlihen Ritterorden, den 
Johannitern (Maltefern), geftiftet um 1050, den 
Tempelberen 1118, dem Orden ber beutichen Rit: 
ter geft. 1190, auftritt. Eine ganz neue Wendung 
erhielt dad Mönchsweſen mit der Stiftung der 
Bettelorden, der Franciscaner und Dominicaner, 
melde, um dem Verderb zu entgehen, ber aus dem 
Reichthum ber Klöfter folgte, das Prinzip ber apo⸗ 
ftofifchen Armuth in feine Conjequenzen verfolgen 
wollen. Bisher war das Mönchsweſen nur fich 
ſelbſt Zweck gemwefen, bie eigene Vervolllommnung, 


692 


Mönchsweſen 


das eigene Verdienſt, und was der Benedictiner⸗ 
Orden durch Koloniſation und Anbau des Landes, 
durch Unterricht und wiſſenſchaftliche Thätigkeit 
der Welt genützt hat, iſt faſt mehr eine zufällige als 
beabſichtigte Wirkſamkeit. Jetzt änderte ſich das 
Verhältniß völlig. Der h. Franciscus F 1226, be⸗ 
pe feine Jünger für ein Wirken unter bem 

olfe durch Predigt, Seelforge und Krantenpflege, 
auf demfelben Wege folgte ihm Dominicus + 1221. 
Franciscaner und Dominicaner vermittelten bem 
Bolte wieder bie geijtliche dee ber Kirche, kin 


früh immer mehr zu einer gebietenden politifchem 


Macht geworden war, die Einen, indem fie den 
—— in das Voll trugen und durch In= 
quifition und Kekergericht vertheidigten, die An- 
bern, indem fie das Bolt hineinzogen in Die Ge: 
meinjchaft des muftiichen Glaubenäbefikes, wie 
denn durch die Stiftung der Tertiarier möndijche 
Frömmigkeit der ganzen Gemeinde erreichbar wur: 
de. Aber wie fie Dadurch einerſeits die Macht des 
päpftlihen Stuhles als feine treueften Diener auf’s 
Aeußerſte ausdehnten und als Beichtväler und 
—— die Gemüther im duldenden Gehorſam 
gegen Rom erhielten, ſo zerſtörten ſie anderſeits 
unwiſſend die Grundlage der päpſtlichen Herrichaft. 
Die Myſtik, welcheim ranciscaner:Orden gepflegt 
wurde (Bonaventura u. a.), verinnerlichte die Rer 
ligion und entfremdete die Herzen dem u. 
(ihten Kirchenthum, die ftrenge Aäleje der Spi— 
ritualen und Objervanten bildete einen entfchie: 
denen er zu dem Weltwejen der Kirche und 
lie viele durch Frömmigkeit ausgezeichnete Seelen 
mit Sehnfucht den Untergang beriefben und ihee 
Erneuerung in einem neuen Weltalter erwarten. 
Die zahllojen Drbenäftreitigleiten ftörten dabei 
den Frieden und die Einigleit der Kirche, und der 
beſchränkte Eifer, mit dem bie Dominikaner ber 
wiſſenſchaftlichen Forihung Feſſeln anlegten, 
führte zu bleibenden Conflicten und zu bauernder 
Entzweiung mit dem forticreitenden Zeitgeift. 
Die Beradhtung und der Spott, weldhem im 15. 
und 16. Jahrhundert die geiftig und ſittlich ver: 
funtenen Orden verfielen, traf ebenio die Kirche 
überhaupt. Vorher aber hatte die Vollsthümlich⸗ 
feit der Bettelorden noch die Carmeliter und bie 
Auguftiner-Eremiten in’s Leben gerufen. Die in 
ber Richtung des Tertiarier-Drbens fi ausſpre⸗ 
ende Idee Thrten in lebendigerer Weife die Brü- 
der vom gemeinfamen Leben und die Begbarben 
(j. d. A.) weiter. — Die Reformation rt 
ten Einfluß auf die Mönchsorden ausgeübt ; s 
all, wo die evangelifche Kirche auch nur vorüber: 
gehend Fuß fahte, nahm fie ihnen völlig Bedeu: 
tung und Anfehen. Da die Bettelorden dem Auf- 
ſchwung ber Wiſſenſchaft nicht folgten, verloren fie 
die Predigt und Geelforge; die rein asletiſche 

römmigfeit aber .. ihren Nimbus verloren. 

as Concil von Trient jorgte zwar für den Fort: 
beitand der Klöfter, orbnete fie aber der biſchöf⸗ 
lichen Aufficht wieder unter. Zu all diefen Um: 
ftänden fam nun nod) die Stiftung des Jefuiten- 
ordend, dem gegenüber alle übrigen Drden mehr 
und mehr von ihrer früheren Bedeutung einbüßen 
mußten. Er vereinigte in fi die ganze Bebeu- 
tung bes Möncömelens, und zwar einmal ala 
Darjtellung bes eigentlihen Kernd ber Kirche, 
verband damit aber auch zugleich eine bemußte, 
Hug berechnete und ftreng geglieberte Wirt: 


famteit nad Außen zur ftetigen Bertheibigung 


Mörl 


und Verbreitung ber hierarchiſch⸗kirchlichen Ten: 
denzen. Die nachreformatoriſchen Stiftungen ha: 
ben fämmtlih eine praltiihe Richtung; die 
ae Askeſe und Zudt ift einer beftimm: 
ten Wirkſamkeit untergeorbnet, fo der Untermei: 
fung des Volls bei den Vätern bes Dratoriumd 
( 1564), ben Ignorantinern (geft. 1724), der 
Srantenflege bei dem Orden ber Heimſuchun 

(geft. 1610), den barmherzigen Brüdern ( eft. 1545) 
und ben barmherzigen Schmweftern (geit. 1633); 
der innern und äußern Miffion bei den Nebemp: 
toriften (geft. 1752) und ähnlich bei allen andern. 
Nur diefe praktifche Thätigkeit eines Liebespienftes 
am Volke hat die Abneigung gegen das Klofter: 
weſen, welches auch in der katholiſchen Kirche all: 
gemein geworben war, überwinden und eine Wie: 
derherftellung felbit der aufgehobenen Orden er: 
langen fönnen. Dennod ift in ihnen allen auch 
der nächfte Zweck, die Uebung einer hriftlichen Lie: 
beöthätigfeit dem Dienfte des Ultramontanismus 
untergeordnet. Die jchönfte Liebesthätigleit kann 
auf die Dauer eine Corporation nicht zufammen: 
halten; fie bedarf greifbare Ziele und einen 
beherrſchenden Mittelpunkt für alle ihre Snter: 
efien. Und fo find denn die Ausbreitung ber 
Kirche, die Aufrechthaltung ihrer Herridaft, die 
Vernichtung bes Proteftantismus und der Sieg 
über das in Staat und Gefellichaft hervortretende 
freie Geiftesleben der Völker jegt die gemeinfamen 
Ziele alles Mönchsweſens, Ziele, e welche bie 
asletiſche Begeifterung gerichtet ift, und beren 
Verwirklichung mitgleicher Energie Bollämiffion, 
Kranken: und Armenpflege und Jugendunterricht 
erftreben. Die neuere Zeit fieht daher, wo der 
Staat es zuläßt, eine tägliche Zunahme Höfterlis 
her Stiftungen zumal unter — Bevölke⸗ 
rung. Zur Litt. vgl. Helyot, Histoire des ordres 
— Paris 1714—19. DeutſchLeipz. 1753 
—56. 8 Bde. Muſſon,) Pragm. Geſch. der vornehm⸗ 
ſten Mönchsorden. Paris 1751, deutſch im Aus- 
zuge von Crome, Leipzig 1774—84. 10 Bde. Hol- 
stenius, Codex regularum monasticarum. Rom 
1661. Miraei regulae et constitutt. clericorum 
in ——— viventium. Antw. 1638. 
Möhler, Geſchichte des Mönchthums (Nachgel. 
Schriften II.); Fuhr, Geſch. der Mönchsorden. 
Nach Franz. des Baron Henrion, Tüb. 1845. 
2 Bbe. Cropp, dad kath. Mönchsleben. 1865. Man- 
gold, de monachatus origine et causis Marb. 

852. S. auch die einzelnen Drben. 

Mörl, Maria von, die Jungfrau von Kaltern 
in Tyrol, erregte gegen 1834 großes Auffehen und 
wurde von Schaaren von Pilgern befucht, weil fi 
bei ihr an Händen, Füßen und Stirn die Stigmata 

die Wundenmale bes Herrn, vgl. d. Art. Stigmati- 
ation) zeigten, welche Donnerftag Abends und 
Freitags bluteten. 1811 geboren war fie von Ju⸗ 
go auf Fränflich, aber auch Ich fromm. Gegen 

nbe bes Jahres 1833 zeigte ji die Stigmati: 
firung. Sie 308 ſich fpäter in das Franciscanerin⸗ 
nenklofter zu Kaltern zurüd, wo fie 1868 ftarb. 

Mörlin, Joachim, Iutherifcher Theologe, war 
geboren 1514 zu Wittenberg, wo fein Bater, fpä: | 
ter Pfarrer zu Weſthauſen in Franken, damals 
Profefjor ber Metaphyfit war. Er ftubirte zu Mar: 

ung: Eonftanz und Wittenberg, ward hier ſchon 
1537 Dialonus, 1539 Baftor in Eiäleben und in 
demfelben Jahre zu Wollin in Pommern. Auf 
Zuther’3 Beranlafjung Ichrte er jedoch fhon 1540 ' 


693 


— 1544 


Mörlin 


nad Wittenberg zurück, warb Doctor ber Theolo⸗ 
ie, folgte aber glei darauf, faum 26jährig,einer 
erufung ald Superintendent nad) Arnftabt. Biel- 
fach wegen Ki Beſtrebens eine ftrenge Kirchen: 
zucht Be ellen, angefeindet, wurde er zulept 
wegen efner rüdfichtölofen Rügepredigt, ohne ſich 
beim Landesfürſten vertheidigen zu können, ent- 
laflen 1543. Aus Göttingen, wohin er 1544 als 
Superintendent und Schulinfpector ging, vertrieb 
ihn Herzog Erich der Jüngere, weilerdad Interim 
erde wollte 1550. Darauf nad) Königs: 
berg berufen und dort ald Infpector und Pfarrer 
in Kneiphof angeftellt,murbe er 1553 des Amts ent» 
jet, weil er das Mandat des dergoge im Dfiandri> 
ſchen Streite (f. d. A. Dfiander), daf die Pfarrer 
ſich des Läſterns enthalten jollten, eine Eingebung 
des Teufeld nannte, wie er denn überhaupt in dem 
Streite von übertriebener Leidenſchaftlichkeit nicht 
freizufprechen ift. 1554 fam er als Superintendent 
und erjter Pfarrer nad Braunschweig. Im Bunde 
mit Chemnig nahm er fortan an den theologifchen 
und firhlichen Kämpfen als ftarrer Qutheraner den 
thätigften Antheil. Im Hardenberg'ſchen Abend: 
mablsftreit 1556 von dem Bremer Senat zueinem 
Gutachten aufgefordert, erflärte er ſich mit leiden: 
ſchaftlicher — gegen Hardenberg. Ebenſo 
kämpfte er in den adiaphoriſtiſchen Streitigkeiten 
(ſ. d. .), nachdem feine Verſuche, die Parteien zu 
verjöhnen (Conferenzen in Wittenberg und Worms 
1557) vergeblich geblieben, mit Eifer gegen Flacius 
und defien Anhänger. Nach der Unterbrüdung des 
Dfiandrismus und dem Umſchwunge in Preußen 
berief ihn der Herzog aufs neue zur Ordnung der 
firhlihen Berhältniffe nad Königäberg. Hier 
verfaßte er mit Chemnig 1567 das Corpus doc- 
trinae Prutenicum, ging auf kurze Zeit nad) Braun: 
[hweig und nahm dann 1568 die erneute Beru: 
fung des Herzogs Albrecht ala Bischof von Sam: 
land an und regierte ſeitdem die Kirche des Her: 
zogthums —* bis zu feinem Tode 1571. Außer 
denbogmatifchen Streitfchriften, namentlich ben ge: 
gen Dfiander gerichteten — wie Historia Prutenica, 
wie fich die Dfiandrifhe Schwärmerei in Preußen 
erhoben 1554. Treue Warnung und Troft an bie 
Kirchen in Preußen wider den Abſchied an. 1554. 
Daß Oſiandri Irrthum in Feine Bergeffenheit zu 
ftellen oder hinzulegen jei, Braunſchw 1555 — pr: 
faßte er nicht wenige ber practifhen Theologie an: 
gehörige, unter ihnen einen Katechismus, Eisleben 
1565. Bom Beruf der Prediger 1565. Vgl. Adami 
vitae theol. germ. p. 457 ff. Erdmann, Biogra: 
phien ſämmtlicher Baftoren zu Wittenberg. Möller, 
Dfiander, Elberfeld 1869, 
Mörlin, Marimilian, der Bruder des vorigen, 
— 1516 zu —— ſtudirte daſelbſt un⸗ 
r ber beſonderen Zeitung Luther's und Meland;: 
thon's; ward — unbeftimmt warn — Prediger zu 
Degau, ſpäter zu Zeig, dann feit 1543 in Schallau 
ofprebiger in Koburg, 1546 in 
ittenberg Doctor der Theologie und balb darauf 
Superintendent des Herzogthbums Koburg. Ein 
ftrenger, unbeugſamer Lutheraner, fuchte er auf 
der Synode zu Eifenach 1546 die Verdammung 
des Juftus Menius dburchzufegen, und fammeite, 
als dies nicht gelang, Unterjchriften gegen denſcl⸗ 
ben im Lande; nicht wenig trug er auch durch fein 
allzugroßes Eifern für das echte Lutherthum dazu 
bei, daß dad Wormſer Egg A 1557, ar 
nelhem er Theil nahm, ohne Ergebniß verlief 


Mörs 


Als Kurfürft Friedrich von der Pfalz die reformirte 
Lehre in jeinem Yande einführen wollte, dispu tirte 
M. in Heidelberg 1560 mit dem furfürftlichen Hof: 
theologen Peter Boquin, jedod ohne Erfolg. Thä: 
tigen Antheil nahm er am Kampfe gegen * 
und feine Anhänger; als dieſelben vertrieben, jpä- 
ter durch Herzog Johann Wilhelm zurüdgerufen 
wurben, warb er jelbjt feines Amtes entjett 1569, 
ging als Hofprebiger nad) Dillenburg, ward aber 
1572 nad) Koburg zurüdberufen, und war nament- 
lic) feit dem Tode Herzog Johann Wilhelm’s 1537 
ein thätiger Gegner der Flacianer, die er bei Ge: 
legenheit einer allgemeinen Kirchenviſitation 
ſämmtlich aus ihren Nemtern entfernte. + 1584. 
Schrieb: „„Troftichrift von den Kindlein, die nicht 
fönnen zur Tauf' gebracht werden.’ Nürnb. 1575; 
Lazarus fesuseitatus, Frankf. 1572, Apophtheg- 
mata ex Eusebii Hist. eceles. etc. Horn. 1552. 
Val. Bed, Johann Friedr. der Mittlere. 

Mörs (Meurs), die Grafichaft, gehört jet zum 
Regierungsbezirk Düffeldorf. Früher ein cleviſches 
Lehen, fiel M. fpäter andie Grafen von Nuenaar. 
Die Reformation führte Graf Herman (} 1579) 
ein; fein vornehmfter Gehülfe war Heinrich Bom: 
mel von Friemersheim. Nach dem Tode feiner 
Schweſter und Erbin Emilie Walburgis 7 1600, 
fiel M. gemäß teftamentarifcher Beftimmung an 
das Haus Dranien. Rings umgeben von dem Erz: 
ftifte Köln ftand die reformirte Kirche der Grat: 
ſchaft völlig ifolirt und unabhängig. Als dad Land 
1702 an Preußen fiel, gewann bie Gleve:Märf. Kir: 
chen⸗Ordnung daſelbſt Geltung und M. bildete eine 
mit der Generalignode Cleve-Jülich-Berg wohl 
verbundene, aber nicht zu ihr gehörige Claſſis. 
Bemerkenswerth ift M. als die einzige Gegend am 
linken Rheinufer, in welcher die Reformirten faft 
unvermijcht mit Katholiten wohnten. Daher und 
durch die frühere enge Verbindung mitdolland trägt 
das religiöfe Yeben ein abgeſchloſſenes reformirtes 
Gepräge. Mörs ift ber Geburtsort Terfteegen’s 
(ſ. d. Al), von deffen Wirkſamkeit das religiöje Le: 
ben der Grafichaft noch vielfach Merkmale zeigt. 

Mogilas, Petrus, Metrovolit von Kiew, + 1647, 
der Verfaffer ver Belenntnißfchrift der ruifischen 
und griechiſchen Kirche, welche den Titel führt 
0o#0dofos öuokoyia rng zutohırns zaı drto- 
orolixic Exxinalas rijs avarokırns, d. h. recht: 
gläubiges Befenntnif der katholiſchen und apo— 
ſtoliſchen Kirche des Morgenlandes. Veranlaft 
wurde die Abfaffung defielben durch dad Umſich— 
greifen des Romantsmus in Sid: und Kleinruß: 
land und das Erfcheinen eines römischen Katechis— 
mus in polnifher Sprache in Kiew. M. joll den 
Entwurf jeiner Schrift unter Zugiehung dreier Bi: 
ſchöfe mit Benußung der Arbeit eines Yıbtes Koh: 
lowsky angefertigt haben. Auf einer Gonferenz zu 
Yafiy 1642 wurde derfelbe von Abgefandten bes 
Batriarhen von Eonftantinopelund von Ruffifchen 
Deputirten geprüft, theilmeife umgearbeitet und 
genehmigt. Die Patriarchen von Conftantinopel, 
Parthentus und von Jerufalem, Nectarius, appro: 
birten die Schrift darnach zugleich im Namen ber 
Bischöfe und Geiftlichkeit von Antiochien und Aler: 
andrien. Nectarius fchrieb ein erflärendes und 
berichtigendes Sendſchreiben zum Belenntniß, 
welches mit demfelben urkundlich verbunden ift. 
Da auch die ruffifhen Patriarchen ihre Genehmi: | 
gung ausfprachen, jo betätigte Peter d. Gr. 1723 
das Belenntnif für die ruſſiſche Kirche. Durch die 


694 


Mohammed 


Beichlüffe der Synode von 1672 zu Jerufalem bat 
e3 allgemeines Anfehen in der griechiſchen Kirche 
erlangt, ohne jedoch überall officielle ſymboliſche 
Geltung zu befigen. Die Schrift ift eine in fate- 
hetifcher Form verfaßte vollftändige Lehrfchrift, 
in welcher der Stoff in drei Abtheilungen, nad) den 
drei theologischen Tugenden, Glaube, Hoffnung, 
Liebe behanvelt wird; die Ausführung lehnt ſich 
an die Auslegung des Glaubenäbefenntniffes, des 
Vaterunſers mit den Seligpreifungen und ber 
ehn Gebote. Von früher ſchwankenden Lehrbe: 
Rinnmmaen werben in derjelben die Lehren von 
der Siebenzahlder Sacramente und von der Trans: 
fubftantiation firchlich ald Dogmen feitgeftellt. Den 
abweichenden Lehren des Katholicismus gegenüber 
wird ohne eingehende polemifche Bemetsführung 
einfach behauptet, die griechifche Lehre fei die ur: 
fundliche der Bäter. Selchriehen in der griechifchen 
Vulgärſprache, dem heutigen Neugriehiichen naber 
fommend, ift die Schrift gedrudt zu Amſterdam 
1662 und 1672, in’& Sruffiiche überjegt 1695, in's 
Deutiche von Leonh. Friſch 1727. Beite —— 
lateiniſche Ausgabe von E. J. Kimmel, libri sym- 
boliei ete. Jena 1848. M. iſt auch Verfaſſer eines 
1629 erſchienenen genen Liturgiariums. Dal. 
bie Prolegg. bei Kimmel. Hottinger, Analecta 
hist. theol. dissert. VII. 

Mohammed, der Stifter des Jölam, war der 
Sohn des Abd:alläh und der Amina, aus der Fa: 
milte Haſchim, ein Angehöriger des Geſchlechts der 
Kuraifchiten, welches jeit dem 5. Jahrh. die Be: 
wachung des alten arabifhen Nationalbeiligthums 
der Kaaba (Alkaaba — der Würfel, jo genannt 
von feiner Geftalt, f. d. A.) in Mekka an ſich ge: 
zogen hatte und daburd), ſowie durch auägedehn: 
ten Handel zu Macht und Reichthum gelangtwar. 
Geboren um 570 wurde M. nad) dem frühen Tobe 
feiner Eltern in dem Haufe feine® Oheims Abü 
Talib aufgenommen, mußte aber, da dieſer jelbft 
mittello8 war, durch niedrige Dienfte fih feinen 
Unterhalt gewinnen; jpäter begleitete er als Die: 
ner mehrere Handelöfaravanen. Daerdurd, „Ju: 
gend, Seelenadel und Berftand“ ſich —— 
heirathete ihn, 25 Jahre alt, eine reiche Kauf— 
mannswittwe, Chadidſcha, mit der er in glücklicher 
Ehe mehrere Kinder erzeugte, von denen aber nur 
eine Tochter, Fatima, ihn überlebte. Leber die fol: 
genden Jahre feines Lebens fehlen binlänglich be: 
glaubigte Nachrichten. Etwa in jeinem 40. Jahre, 
um 610 trat er dann, nicht plößlich, fondern nad 
langem Nachdenken und ſchweren Kämpfen aus tie- 
fer innerer Bewegung uno in religiöjer Begeiite: 
rung als von Gott berufener Brophet unter feinen 
Landsleuten auf. Epileptiſche Krankheitszufälle, 
denen er von Jugend auf unterworfen geweſen zu 
ſein ſcheint, wurden von ihm, neben öfteren Hallu— 
cinationen und Träumen als Zeichen eines göttli— 
hen Ergriffenfeins angefehen. Er begann jeine 
Wirffamfeit damit, daß er im Gegenfaß zu dem 
herrſchenden Götzendienſt den Einen Gott, der ihn 
als Propheten geſendet habe, verllindigte. Derur- 
ſprüngliche Sterndienſt der Araber mar nämlich 
ſchon längſt in einen durchaus verworrenen und 
abergläubiſchen Götzen⸗ und Fetiſchdienſt ausge: 
artet, der unter den verſchiedenen Stämmen ver— 
fchiedene Formen annahın. Das einzige religiöfe 
Band unter denfelben war bie gemeinjame Ber: 
ehrung der Kaaba, zu der in den heiligen Mona: 
ten zahlreiche Bilgerzlige wallfahrteten. Da aber 


Mohammed 


einige Stämme das Yubenthum angenommen | 
hatten, auch mancherlei Berührungen mit hriftli: 
en Böllern ftattfanden, fo finden ſich auch vor 
. bier und da Spuren eined erwachenden Glaus: 
bens an Ein höchſtes, allen Göttern übergeordne—⸗ 
tes Wefen. M. hatte bei feinem Auftreten mit ben 
Hinderniffen aller Propheten zukämpfen; anfangs 
and er faum im —— Kreiſe ſeiner Familie und 
einer Freunde Glauben, fo bei ſeiner Gattin Cha- 
didſcha, feinem Freunde Abt Belr und feinem 
Schwiegerjohne Ali, aber nicht einmal bei feinem 
Beihlger und Dheim Abü Tälib. Anfangs lieh 
man ihn inde& ruhig gewähren ; als ihm aber un- 
ter den Sklaven und dem geringen Bolt zahlreiche 
Anhänger zufielen, und er felbit den Götzendienſt 
immer offener und heftiger angriff, verfolgte ihn 
der herrſchende Stamm der Kuraifchiten, und un: 
ter ihnen namentlich ber reiche und angejehene 
Abulhakam Ame (von. Abũ Dſchahl d.i. Vater der 
Thorheit genannt) um ſo mehr, als ſie fürchteten, 
Mella möchte, im Falle Mohammed's Lehre durch: 
bringe, jeine religiöfe und mercantile Bedeutung 
verlieren. Da er indeß ımter dem Schu feiner 
ar Familie ftand, fonnte ihm zunädhit we: 
der der Spott, noch bie offene und entjchiedene 
nbichaft jeiner Gegner etwas anhaben. Viele 
einer Anhänger aber, die nicht in gleicher Lage 
waren, waren gezwungen, nad bem chriftlichen 
ffinien zu flüchten, unter ihnen fein Schwie- 
ohn, der fpätere Chalife Dthmän. Drei Jahre 
ang war ſogar M.'s ganze Familie, weil fie ihn 
nicht preiögeben wollte, in die Acht erklärt und 
von allem Verkehr in Mekka auögeichloffen; M. 
ſelbſt mußte fich eine Zeitlang vor den Nachſtel— 
lungen verborgen halten, und als, nachdem ihmbdie 
Rüdkehr nad Mekka erlaubt worden, fein bisheri⸗ 
ger Beihliger, Abü Talib farb, wurde feine Lage 
noch gefährbeter. Inzwiſchen hatte er unter den 
Stämmen ber Chazradfchiten und der Aus zu 
Jathrib Gläubige gefunden, deren Zahl durch den 
von ihm dort bingejendeten Mufjab vermehrt wur: 
de; von ihnen ſchloſſen 73 auf dem Hulbigungd: 
hügel Ataba 622 mit M. einen Bund, wodüurch fie 
ihn ald Propheten Gottes anerkannten unb ihm 
Schuß verſprachen, wenn er unter ihnen leben 
würde. Wenige Monate nachher, im Sommer 622 
nad) Chr. verließ M. in heimlicher Flucht mit et: 
wa 100 Anhängern Melta und begab fih nad 
Jathrib, welches von da an den Namen Medinat: 
‚annabi = Stadt des Propheten oder auch blof 
Almedina = die Stadt erhielt. Von dieſer Flucht, 
ber Hidſchra, datiren die Moslim die Stiftung ber 
neuen Religion, des Islam, d. h. Ergebung (in 
Gottes Willen) und begannen mit ihr ihre Zeit: 
rechnung. Sobald es nun gelungenwar, bie ver: 
fchiedenen Beftandtheile einer Anhängerfchaft 
durch das religiöfe Motiv fo zu einigen, daß fie 
anfingen, fih als Ein Bolt von Gläubigen zu 
fühlen, wandte fih M. gegen feine Feinde in Mekla 
und gegen die benachbarten jüdifchen Stämme, bie 
wider jeine Erwartung ihn nicht ald den Meſſias 
anerfennen wollten. Bon jest an verzichtete er 
darauf, nur auf bem Wege religiöfer Ueberredung 
feinen Glauben auszutreiben, Toben gebot den 
Krieg gegen die Ungläubigen, unb bie dee, bie 
einzelnen Stämme der Araber zu einem herr: 
fhenben Bolt von Gläubigen zu vereinen, tritt 
immer beftimmter bei ihm hervor. Fortan zeigt fich 
fein Character in weniger glinftigem Lichte als 


695 


Mohammeb 


früher, wo er durch gelaflenes und demüthiges 
Dulden feine Predigt der Milde und Liebe befräf: 
tigt hatte. Nicht felten finden ſich bei ihm in den 
Kämpfen der folgenden Jahre Beifpiele von Arg- 
liſt, Rachſucht und Grauſamkeit; dabei trug erfein 
Bedenken, auch fie auf unmittelbaren göttlichen 
Befehl zurüdzuführen. Die Feindfeligkeiten gegen 
die Kuraifhiten begann M. damit, daß er ihre 
Handeldfaravanen angriff. Nach mehreren klei— 
neren Unternehmungen kam es hierbei Anfang 624 
zu einem größeren blutigen Zuſammentreffen bei 
Badr. Der glänzende Sieg, den er hier erfocht, 
ſowie mehrere andere alüdlihe Unternehmungen 
erwarben ihm vor allem Anfehen unter den ara: 
bifchen Stämmen, welches auch durch die Nieder: 
lage bei dem Berge Uhut 625 auf die Dauer nicht 
verringert wurde, zumal die Beftegung, Vernich: 
tung oder zen alfer jüdifhen Stämme, 
wie den Reihthum fo das Vertrauen der Gläubi: 

en zu ihrem Propheten mehrte und verftärkte. 

o wandten ſich ihm immer mehr Stämme zu, 
nicht minder burch die religiöfen Lehren, als durch 
die Ausfiht auf beutereiche Feldzüge angezogen ; 
en fehrten jeine nad) Aethiopien auögeman: 

erten Anhänger zu ihm zurüd, und felbft aus 
Mekka famen neue Gläubige ald Flüchtlinge; fo 
ftieg M.'s Macht in folhem Maße, daß er 628 
einen Pilgerzug nad; Mefta unternehmen und bie 
Mektaner zu dem Vertrag von Hubailaja nöthigen 
fonnte, in welchem ihm ein zebnjähriger Waffen: 
ftillftand und das Recht eines jährlichen friedlichen 
Pilgerzuged zugeftanden werben mußte. Als er 
dann 630 ihnen eine Verlegung dieſes Vertrages 
vorwerfen konnte, zog er mit einem großen Heere 
gegen die Stadt, die fich bei der Unmöglichkeit 
eines Widerftandes bald ergeben mußte ; zum Theil 
in Folge feiner hier bewiefenen Milde und Ber: 
föhnlichkeit befehrten fich jet faft alle feine bis— 
herigen Gegner zu ihm, und einzelne ihrer Führer 
wurden in der Folge die hervorragendften Vor: 
kämpfer des Islam. Die von allen Götzenbildern 
gereinigte Kaaba wurde für das allein den Moslim 
gehörige Heiligtum erflärt 631, allen Heiden bie 

isherige Gemeinschaft an den Pilgerfahrten dort: 
hin unterfagt und ihnen überdies eine Friſt be: 
ftimmt, binnen welcher fie fi zu belehren hätten, 
wofern fie nicht als Feinde behandelt fein wollten. 
Mit der Eroberung Mekkas war die Herrichaft des 
Islam in Arabien entſchieden, die noch Übrigen 
Städte und Stämme unterwarfen fi bald und 
faft ohne Widerftand. Die einfahe Drganifation 
der religiöfen Gemeinſchaft war inzwiſchen in Me: 
dina vollendet, wo stein nad M.'s Ankunft eine 
Moſchee —— asdſchid d. i. Verehrungsort), 
nach der Moſchee in Mekka das zweite Heiligthum 
des Islam, erbaut war; die ritualen und asketi— 
ſchen Vorfchriften wurden bei verjchiebenen Gele: 
genheiten vervollftändigt und ein religiöjer Fana— 
tismu3 geweckt, der nicht ruhen fonnte, bis er die 
ganze Welt dem Propheten unterworfen. Bereits 
hatten die Kriegszüge fich gegen das perfiiche Ge: 
biet gewendet, auch wurde gegen bie Chriften und 
das byyantinifche Reich 629 ein Kriegszug unter: 
nommen, und troß der in demfelben erlittenen Nic: 
berlage bei Müta (im nörblihen Arabien) unter 
M.’3 perfönliher Führung 630 erneuert; kam es 

ierbei aud) Pre Kampf mit den Griechen 
Ei. fo wurden doch die meisten hriftlichen Stäm: 
me in Nrabien dem Jslam gewonnen. Eben hatte 


Mohammed 696 Mohammeb 


M. einen neuen Kriegszug gegen bie Byzantiner | Religion durchaus gejeglih und äußerlich, baher 
audgefandt, nachdem er vorher noch einmal die ausſchließend gegenüber jeder andern Richtung, 
roße Pilgerfahrt nad) Meffa gefeiert, ald er 3. | dabei aber auch gen andere Meinungen, wenn 
Suni 633 unerwartet ftarb; ob fein Tod, wie er | fie ſich nur den Eultusgebräuden bs ar un: 
ſelbſt glaubte, die fpäte Folge des Giftes war, wel: | terordnnen, im Ganzen duldſam. Eine Glaubens: 
ches ihm vor Jahren eine bei Chaibar 628 gefan: | inquifition ift dem Islam fremd — er hat 
gene Jüdin gereicht hatte, oder, wie wahrſcheinli⸗ es ſogar geſtattet, in Zeiten der Noth und Verfol⸗ 
cher, Durch die langjährige Aufregung und Anſtren- gung den Glauben zu ——— Ebenſo äußer: 
sung herbeigeführt worden, ift unentſchieden. lich und mechaniſch ift M.'s Offen sbegriff. 
.'3 Charakter zeigt fih im Ganzen als edel | Die —— der von ihm eigen gi ebre be: 
und offen; von Natur leutjelig und milde, wohl: | ruht einfach auf der Thatſache, da offenbart 
2 und freigebia, gab er ſich nur jelten der | ift, fie bedarf feines Beweiſes dur Wunder, bie 
achſucht und der Graufamkeit hin. Auch aufden | er nimmer vorgegeben hat, noch des wiſſenſchaft⸗ 
Gipfel feiner Macht blieb er mähig und enthalt: | lichen Erweifes. in eben deihalb konnte M. 
jam und verwendete feinen reichen Antheil an der | auch nicht unterfcheiden zwifchen den Erleudtuns 
Beute nur zu Gaben und Gefchenten an jeine gen wahrer prophetifcher Begeifterung und den 
trenen Anhänger. Ein arger Flecken bei ihm ift | Erzeugniffen erregter Phantafie in Träumen, 
die finnliche Frauenliebe, der er mit zunehmendem Yikonen und Hallucinationen, den augenblidfichen 
Alter fi immer mehr ergab; dabei ift jedoch nicht | Eingebungen des leidenſchaftlich bewegten Gefühls 
zu verfennen, daß er zum Theil nur aus politifchen | oder den Rejultaten des Nachſinnens und der Ue— 
Nüdfichten die Zahl feiner Frauen vermehrte, Ge: | berlegung, zumal mit dem Fortichritt jeines Wer: 
gen jie alle zeigte er übrigens Billigkeit und Ges tes jeine prophetiiche Begeifterung naturgemäß 
techtigfeit, trog der ungemeinen Zärtlichfeit, mit | janf und an die Stelle unmittelbarer Eingebung 
welcher er an feiner Yieblingsgattin Aiſcha, der | der Phantafie die verftandesmäßige Reflerion trat. 
Tochter Abü Belr'ö hina, die er nach Chadidſcha's Uebrigens betrachtet M. feine Lehre nicht als die 
Tode geheirathet hatte. Webrigens ift die durch | ausfcließliche Offenbarung. Während er näm— 
feine Vielweiberei hervorgerufene Zerrüttung jet: | lid) das Heidenthum ſtets mit wahrer Erbi 
nes Familienlebens die Haupturjache des * en | betänpfte, jo daß ben Big er Gögendienern 
Verfalls des von ihm begründeten arabiſchen Rei: ſtets nur die Wahl zwiſchen Belehrung und Ber: 
ches und der fortdauernden Bürgerfriege unter | nichtung gelaſſen wurde, ließ er | 
den Moslim geworden, wie denn überhaupt bie | und Chriſtenthum als wirkliche Offenbarungen gel: 
ri > jedem Prinzip wahrer Civilifation und | ten, doc) fo, daß die beiden göttlichen Geſandten 
fozialen Fortichrittes ſchnurſtracks zuwider ift. M. | Mofes und Chriftus ihm, ald. dem wahren Pros 
befah überhaupt alle Tugenden der Araber, wie er | pheten, untergeorbnnet waren. Daß er beide Reli: 
auch nicht frei von ihren Laſtern war; keineswegs gionen nur aus mündlicher Ueberlieferung und in 
aber ift er der lafterhafte Böſewicht, wozu ihn hei ihrer Entartung fannte, verräth die Art, wie ber 
licher und jüdischer Haß jtempeln wollte. Ebenfo | Korän (ſ. d. x) biblifche Geſchichten wiedergiebt. 
wenig ift er ein Betrüger; vielmehr lebte in ihm, | Was feine Auffafjung der Perſon Jeſu anlangt, 
wenn ihm aud) die hohe fittliche Reinheit der Pro: jo nahm er zwar feine übernatürlihe Geburt an, 
pheten des alten Bundes mangelte, eine echte relis | verwarf aber um fo entſchiedener den Begriff 
gidfe und prophetiiche Begeifterung, die den Ge: „Sohn Gottes“. Die hriftlihe Lehre von der 
danfen des Einen Gottes und der unbedingten Ab» | Dreieinigteit erjchien ihm einfach als Bielgötterei, 
anni des Menſchen von ihm me aus: | für die Yehre von der Verſöhnung hatte er fein 
ſprach und mit Entſchiedenheit den Gehorjam ge: | Verftändniß; bei feinem Mangel an fittlicher Un— 
gen Gottes Willen verlangte, Aber durch die ftarre , teriheidung zwifhen Gut und Böſe fehlt ihm der 
Sceidung®ottesvon derWelt fehlte feiner Religion | Begriff ver Schuld und damit der von ihr bebing: 
durchaus der Begriffeiner Gottebenbilblichkeit oder | ten Suͤhne. Am nächſten fteht fein Gotteäbegrif 
eines Einwohnens des göttlichen Geiftes im Men: | dem des Judenthums, ein Umftand, der bei dem 
hen und damit das eigentlich fittliche Element. | hartnädigen Widerftand der Yuben gegen ben 
eberhaupt gewann der nationale und politifche | Jslam eine um fo größere Erbitterung gegen fie 
Gedanke fo jehr das Uebergemwicht über den reli- bei den Moslim erzeugte. Jmmerhin ge: 
giöfen, daß ri zu das Schwert zum Mit: währten fie den Juden wie den Ehriften Duldung. 
tel für die Ausbreitung des Glaubens gemacht | Seine Offenbarungen gabM. in einzelnen Abtbei: 
wurde, M.'s Geſetz beglaubigt im Grunde nurdie lungen und Abjchnitten, Süra (vom hebräif 
Sitten feines Volkes als göttliche Ordnung, ohne mer, Reihe) genannt, je nad Zeit und Beran- 
in fie einen Keim der Veredlung hinein zu legen. | lafjung. Db er des Leſens und Schreibens jelbft 
Wo es früherer Rohheit wehrt, ift died mehr die | unfundig war, wie er freilich jelbit behauptete, 
nothwendige Bedingung eines ftaatlichen Gemeins | fteht nicht feit, jedenfalls aber ließ er die Aus: 
ſchaftslebens, ald die Folge eines fittlihen Prin: | jprüche für die Gläubigen nach feinem Dictat nie 
zips. Er erregt auch ben Ölaubenseiferder Seinen | derihreiben und unter fie vertheilen. Die Form 
nicht durch ſittliche Motive, fondern dur die | der Suren ift im Ganzen mehr rheiorijch ala poe⸗ 
Gluth feiner Phantafie und die Ueberreigung ihrer | tijch, Doch find einzelne derfelben von großer did. 
Gefühle, durch lebendige, finnlihe Schilderung der teriiher Schönheit. „Sein Koran, dies jonderbare 
Freuden des Baradiefes undder Strafen ber Hölle. Gemisch von Dichtkunft, Beredfamtleit, Unwiſſen⸗ 
Aehnlich berechnet ift die Weiſe der Gotteövereh: heit, Se und Anmaßung ift ein Spiegel jei- 
rung, ein ftreng formulirter,gehäufter Gebetödienft ner Seele, der feine Gaben und Mängel, feine 
mit anhaltenden Faften (Monat Ramadan, .d. A.) | Neigungen und Fehler, den Selbftbetrug und bie 
und andern adfetifhen Uebungen (Speifeverbot, | Nothbehelfe, mit denener fih und Andere täufchte, 
Pilgerfahrten, Waſchungen zc.). Neberhaupt ift die Harer zeigt aldirgend ein anderer Koran eines an: 








Mohammeb 


a Tl Die Offenbarungen beſchränken | 
fich nicht auf fittliche und religiöfe Wahrheiten, ſon⸗ 
dern umfafien ganz ungeichieden auch bürgertiche | 
und ftaatlihe Berhältnijje. Um fo unbefangener 
wurden darum aud) einzelne Gebote, die ihm zu 
fpäterer Zeit nicht mehr paflend jchienen, durch 
andere Üffenbarungen erjegt und verändert. 
Ebenjomwenig fehlt e8 an Widerſprüchen, weil er 
fein durchdachtes —— ey rg fondern | 
mehr einerjeit3S das Bewußtſein feines erregten | 
frommen Gefühls ausſprach, anderjeits Zeit und | 
Umftänden Rehnung trug. Da bei der Zuſam⸗ 
menftellung feiner Ausiprüche zum Korän (durch 
Omar, f. d. A.) ebenfowenig darauf geachtet wur: | 
de, ein in 19 zufamm ngenbed und überein: | 
ftimmenbes Lehrſyſtem Binzuftellen, war [bon da⸗ 
mit der Anlaß zu häufiger Meinun auge enheit 
und vielfacher Sectenbildung gegeben. Die Buntte, | 
um welche die bogmatijchen Streitigkeiten der Mos⸗ 
lims ſich hauptſächlich bewegen, And das Wejen 
und die Einheit Gottes, die göttliche Vorherbeſtim— 
mung und ber freie Wille, das Berhältnig von 
Glaube und Werken, der Urjprung des Böfen 
und die geihaffene oder ungeſchaffene Natur des 
Koran. Weber alle dieje Punkte enthält nämlich | 
der Koran widerſprechende Lehren. Die Mutazili: | 
ten oder Radarija (fFreidenter) verfuhren nun ra: 
tionaliftifh und fuchten durch Umdeutung des 
Koran, den fie für geihaffen erflären, die in dem 
jelben enthaltenen Widerſprüche zu entfernen; fie 
vertheidigten die Willensfreiheit des Menſchen und 
die Einheit und Heiligkeit Gottes, während die, 
Dicabarija, denen die Mehrzahl der Mosliman- 
gehört, die jtrengen Conſequenzen aus ben Korän: 
jtellen ziehen und einen unbebingten Fatalismus 
lehren, wie fie denn auch die bildlihen Ausdrücke 
des Korän von den Händen und Augen Gottesim 
eigentlichen Sinne nehmen wollen und zum Theil 
die Lehre von dem —— Worte des Ko: 
rän vertheidigen, die übrigens von den meijten | 
Moslim theils in mehrgeiftiger, mehr nod) in grob: 
—— Auffaſſung angenommen worden iſt. 
on größtem Einflüß auf die Ausbildung und 





697 


Mohammed 


müthes mit Gott ſuchten und von der Welt abge: 
ern nad) innerer Deiligung ftrebten. Weit be 

utender als alle dieje wurde aber die Spaltung, 
welche aus den dbogmatifch:politiihen Streitigfet- 
ten um das Jmämat (Chalifat), d. h. um die recht⸗ 
mäßige Nachfolge des Propheten in feiner geiftli- 
hen und weltlichen Herrſchaft und die Fortjegung 
feiner Gewalt entjtand. Nad) der Ermordung bes 
dritten, unfähigen Chalifen Dtbmän wurde näm: 
li an feine Stelle der Schwiegerjohn M.'s, Alt, 
der Gemahl jeiner Tochter Fatima erwählt; ge: 
en ihn aber erhob ſich, unterjtügt von M.'s 
Lieblingsgattin Aiſcha, der Omaijade Moamija ; 
von beiden Parteien trennten fid) dann wieder 
eine große Anzahleifriger Noslim, die Chamwäridfc 
(Empörer), weil fie jomohl Ali als Moawija 
als Gewaltherrſcher des Chalifats für unmürdig 
erklärten, vielmehr forderten, daß nur jeder Beite 
Imäm fein bürfe und, wenn er jchledhter würde, 
durch einen Andern —— müſſe. Die An: 
hänger Alis, die Schiat Ali, Schiiten, Inüpften die 
Nachfolge im Chalifat an die nächſte Verwandt: 
ſchaft mit dem Propheten und betrachteten daher 
Ali und fein Geſchlecht als die einzig rechtmäßigen 
Shalifen ; fieverwarfen deßhalb nicht nur die Omai⸗ 
jaden, jondern verfluchten aud) die dreierften Cha- 
lifen als unberechtigte Herriher auf dem nur Ali 
ss Throne. Die Ermordung Ali’s 661 
und jeines Sohnes Hufain 680 ug bie Ver: 
ehrung feiner Perfon in fo hohem Make, daß er 
faft als Gott in Menjchengeftalt verehrt und das 
Jmämat als eine Einwohnung und Ausftrahlung 
des göttlichen Geiftes betrachtet wurde. Folgerich⸗ 
tig konnten fie nur die von M. ſelbſt erlafjenen 
authentifchen Vorſchriften als gültig anerkennen, 
d. h. nur die des Koran, jowie die der „achten“ 
Sunna (d. 5. Gejammtheit der Reden und Hand- 
lungen deö Propheten), während fie vie Sunna der 
Sunniten, welche fi zum Theil auf überlieferte 
Reden des Propheten, zum Theil auf Beftimmun- 
gen der drei eriten Chalifen gründet, ald gefälſcht 
verwarfen. Die erbitterten, fanatiſchen Kämpfe 
zwifchen den beiden Parteien füllen einen großen 


Entwidlung des Jslam war die Ausbreitung deſ- Raum der mohammedaniſchen Geſchichte und ha: 
felben unter den Perjern und Indiern, ſowie die | ben den größten Theil der alten aſiatiſchen Eultur: 
Belanntſchaft mit der griechiſchen Philofophie,naz | ftätten in Ruinen und Wüften verwandelt. Die 
mentlich der ariftoteliijhen und dem Neuplatonis: Sciiten hatten ihren Hauptfig in Arabien und den 


mus. Nicht nur verbanden einzelne ſchwärmeriſche 
Secten die Ideen Horoafters (mie die Zeudik) oder 
der indiſchen Seelenwanderung mit dem Islam zu 
eigenthümlichen Syitemen, welche meift auf Güter: 
gemeinichaft oder eine lagere Sittlichkeit hinaus: 
liefen, jondern e3 gewannen auch die dualiftijchen 
und emanatiftiihen Ideen einen nicht unbedeu— 
tenden Einflußauf die Gejtaltung ber Koränlehre, 
ald durch die Beihäftigung mit der Philoſophie 
das Bedürfniß ſich geltend machte, die Kluft zwi 
ſchen der griechiſchen Gottesidee und dem abjtrac- 
ten islamitiſchen Monotheismus zu überbrüden. 
Diejer Umgejtaltung der urfprünglichen Ideen 
trat dann anderjeits eine Orthodoxie entgegen, 
welche die gewonnene Bildung nur zur Vertheidi- 
ng der Ueberlieferung benugte und ſich dantit 
—* e, ben Inhalt des Koran, den ſie als un: 
antajtbare göttliche zu betrachtete, in ſchola⸗ 
ſtiſcher Weiſe zu entwideln. Entgegen dem Schul: 
ezänt dieſer Parteien bildete ſich die myſtiſche 
ichtung der Shafis aus, welche die wahre Got: 
teöperehrung im unmittelbaren Verkehre des Ge: 





öftlihen Landſtrichen und entwidelten, weil ſie hier 
mit perfiihen und indiſchen Religionsmeinungen 
fi berührten, die reichjte Sectenbildung. Bon 
diejer ift die bedeutendfte die Secte der Jsmaeli: 
ten, welche in myjtijch-allegoriicher Deutung des 
Korän den Jımäm ald den Menjc gewordenen 
Geiſt Gottes betrachten, und die Wiederkunft ihres 
Stifters, des Aliven Ismael oder des 12. Jmam, 
bes Altäim (der ſich Erhebende), als Dffenbarer 
des göttlihen Reiches erwarten. Zu ihnen gehör: 
ten die Karmaten, eine ſchwärmeriſche Secte, 891 
gejtiftet, mit weniger ftrenger Beobachtung der Ri- 
tualvorjchriften. Sie verwüſteten 903—930 Ara- 
bien und Syrien und eroberten Mella. Die Fatis 
miden erblidten in ihrem jedeömaligen Oberhaupte, 
den Nachkommen des Ali und der Fatima, dem 


Mahdi, den verlörperten Gott; IE herrſchten in 


Afrifa und Aegypten. Die Aſſaſſinen, eine fa— 
natijche Secte, unter prieſterlich-königlichen Stam: 
mesfürften in den Gebirgen Berfiens kurz vor dem 
erſten Kreuzzuge geftiftet, die Drujen auf dem Xi: 
banon u. a. zahlreiche Secten haben den Zufam: 


Mohammed 


menhang mit dem Islam faft ganz verloren. Die 
jüngjte mohammedaniſche Secte ift die ber Wahhä- 
biten, geftiftet um die Mitte des 18. Jahrh. durch 
Abdsel Wahãb. Auf firenge Beobachtung der Bor: 
ſchriften des Korän und der Religionsgebräude 
dringend, ſuchten jie den Islam nur von den ein= 
gebrungenen Verunreinigungen zu befreien und 
ihre Reform jelbft mit Gewalt durchzuſetzen; fie 
begründeten eine Herrihaft unter den Bebuinen 
Arabiens, eroberten Mecca, Medina und wurden 
erjt nad) langem Kampfe 1811—18 durch Mehe: 
med Alı von Aegypten und feinen Sohn Ibrahim 
—— Eine neue Erhebung 1828 wurde unter⸗ 
rückt. 

Was die äußere Geſchichte des Islam betrifft, 
ſo ging nach Mohammed's Tode die geiſtliche und 
weltliche Herrſchaft auf ſeinen älteſten Freund Abü 
Bekr über; nach deſſen Tode 634 folgte Omar, + 
644; unter ihm begann der Islam feinen Sieges 
zug durch Afien und Afrita, Sowohl das Berfer: 
reich wie dad Byzantinijchemwaren durd) Thronftrei- 
tigleiten und innere Entartung tief gefunten, nas 
mentlich in legterem hatten die dogmatiſchen Strei: 
tigfeiten innerhalb ber chriftlihen Kirche und die 
Gewaltthätigteit der kaiſerlichen Hoftheologie die 
Anhänglichleit der Provinzen an das Reid, jehr 
geſchwaͤcht. Nach den erjten Eroberungen in Ber» 
ſien wurde Syrien mit Damaskus, tem jpätern 
Chalifenfig 635, und Jerufalem 637 erobert; in 
Folge der ar bei Kadeſia 636 fiel das Per: 
jerreich, die Gründung der Stäbte Kufa, Basra 
und Bagdad bezeichnet den Fortſchritt der arabi- 
ſchen Eroberung. Aegypten fam 639 in die Ges 

walt der Araber, danach die nordafrikaniſche Küfte 
und 711 Spanien. Die Ommaijaden, deren Haus 
nach dem dritten Chalifen Othman den Thron be: 
ftieg, herrſchten von Indien bisnad Spanien. Die 
erjte Spaltung in diefem arabifchen Religiongftaate 
trat ein, als das entartete Haus der Ommaijaden 
750 den Abaffiden unterlag und fein legter Sproß, 
Abderrhaman, das ſpaniſche * erlangte. Doch 
blieb noch die religiöſe Einheit, inſofern der Chalif 
als geiſtliches Oberhaupt anerkannt wurde. Als 
aber die Fatimiden Nordafrika und Aegypten er⸗ 
obert hatten, richteten fie das ſchiitiſche Chalifat 
zu Kahiro auf, welches mit dem zu Bagdad in blei: 
bendem Kriege ftand. Auch die politiiche Macht 
des Chalifen:Reihes ſank mehr und mehr, da die 
einzelnen Statthalter fid mehr oder minder un: 
abhängig machten und eigene Dynaftieen aufrich: 
teten. So herrſchten im Oſten die Bujiben und 
Samaniden zuBodara und Samarland, auf wel- 
he die Gafjaniden folgten, melde den Islam 
nah Indien trugen und zu Gafua refidirten; in 
Mejopotamien richteten die Hamadaniden (Thale: 
biden) ein Reihauf,die Ilſchiden befegten Syrien 
u. ſ. w. Die politiihe Macht der Chalifen ging 
faft ganz aufden Emir al-Omra, den Befehlshaber 
der Militärmacht über, biß die Bujiden ſich 946 
Bagdad's bemädtigten und ſich zu Sultanen er: 
ebend, dem Chälifen als Imam nur die geiftliche 
ewalt überließen, die von allen ſunnitiſchen Mos— 
lims anerfannt wurde. Das unter den Seldſchuk— 
fen von neuem vereinigte Reich zerfiel bald nad): 
ber in felbititändige Sultanate, bis es dem An: 
prall der Mongolen erlag. Die Dämanen, von 


Kleinafien aus ihre Wege ausbreitend, griffen das | 
griechifche Reich in Europa an und unterwarfen | wie der betreffende Briefe 
in fortwährenden Kämpfen Griehenland bis an und Xeibnig in Oeuvres de 


698 


Molanus 


bie Donau dem Jölam. Ihrem Vorbringen ſetzte 
ein leites Ziel des Königs von Polen, Johann 
Soblesky Sieg bei Wien 1683. 

M.'s Leben, namentlich die Periode vor der 
Flucht, ift von der Legende mit Wundern märden- 
haft genug ausgejhmüdt. Seine Geſchichte wurde 
durch die — ern; ber Seinen fort⸗ 
gepflanzt, bis Ibn Ishat 767 n. Chr. dieſelbe 
niederſchrieb. Dieſe Biographie iſt jedoch nur er⸗ 
halten in ber etwa 50 Jahre ſpäter verfaßten Be- 
—— Ibn Hiſchaͤm, herausgeg. von Wu⸗ 
ſtenfeld, Gött. 1858—60. Zur Litt. vgl. Weil, M., 
ber Prophet, fein Leben und feine Lehre. Stuttg. 
1843, Sprenger, das Leben und bie Lehre M.’S. 
3 Bbe., Berlin 1861—65. Möldele, dad Leben 
M's., Hannover 1863. Muir, the life ofM., Lond. 
1861. Meier in Hilgenfeld's Zeitſchr. 1858, S.471. 

Molada, Stabt im Süden von Juda, fpäter 


: | zum Gebiet bes Stammes Simeon gehörig, wahr⸗ 


—— die bei Joſephus erwähnte idumäiſche 
urg Malatha, lag in der Nähe des heutigen Tell 
"Arab und Attir. Vgl. Robinjon Geogr. III, 5.184. 
Molanus, Gerhard Walther, Abt zu Loccum. 
Geboren zu Hameln 22. October (alt. Styls) 1633, 
jtudirte unter Galigt zu Helmftädt und wurde 1659 
zu Rinteln Rrofeflor der Mathematif, 1664 der 
hung 1674 als Confiftorialdirector nad Han: 
nover berufen, trat 1677 als Abt von Loccum 
an die Spige des Kirchenregiments, + 1727. Mehr 
als durch jeine Wirkſamleit in feinem Kirchenamt 
iſt er bekannt geworden durch die Unionsverhand⸗ 
lungen mit Reformirten und Katholiken, zu denen 
er mehrfach Hinzugezogen wurde. Obwohl der cal: 
viniftiihen Richtung angehörig und für fich die 
Reformirten ald Brüder anerfennend, erklärte er 
ſich doch mit Rüdficht auf die herrſchende Stim- 
mung gegen eine förmliche Union mit benjelben, 
als nad) der Aufhebung des Edikts von Nantes 
und der Aufnahme der franzöfifhen Flüchtlinge 
in Hannover ein Toleranzedict öffentlich erlaffen 
werden jollte 1690. Neue Unionsverſuche anlä$- 
lich der Verheirathung einer Tochter des Churfür: 
jten mit Friedrich von Brandenburg und darauf 
folgende Berhandlungen zwiſchen Braunſchweig 
und Preußen wurden 1706 abgebrochen. Als der 
2* von Neuſtadt, Spinola, am hannover'ſchen 
Hofe über eine Union mit den Katholifen Berhand- 
lungen antnüpfte 1683, in welche durch Leibnitz's 
Vermittlung auch Boffuet Hineingegogen wurde, 
entwarf Molanus ein Unionsproject „Regulae 
circa Christianorum omnium ecclesiasticam 
reunionem“, milderte daflelbe dann in „cogitatio- 
—— welche Boſſuet durch »reflexions 
de Mlévôque de Meaux sur l'érit de M. cbbé 
Molanus« erwiederte, die lateiniſch und frangöfif 
veröffentlicht wurden. M. beantwortete fie 
»explicatio ulterior« 1693. Die Verhandlungen, 
welche der Abgejandte des Kaifers, Bifchof — 
von Buchheim ſeit 1698 in Hannover weit 
wurden 1705 vollſtändig abgebrochen. Nicht bloß 
bie Zugeftändniffe, die M. gemacht hatte, mehr 
nod) die Art und Weife, wie er mit den katholiſchen 
Bilhöfen verkehrte, gaben Anlaß zu dem Gerücht, 
er wolle jelbjt fatholiich werden, wogegen er fich 
durch eine eigene Schrift »nugae venales ete.« 1698 
E vertheidigen ſuchte. Die zwifchen Boſſuet und 
Molanus gewechfelten Schriften und Briefe, for 
fel zwifchen Bofjuet 
uet, ed, Migne 


’ 


Molay 699 Molinos 


T.9. Paris 1856. Vgl. v. Einern, das Leben Ger- | nicht, weil er dies vorausfieht) und hat Diejenigen, 
ger) Wolteri Molanı, Magdeb. 1734. Dolle, Le: | bei welchen er dies vorausfah, zur Seligfeit prä- 
ensbefhreibung aller Professorum theol. zu | dejtinirt. Ueber dieje Lehre wurde M, namentlich 
Rinteln, Hannover 1752; zu feiner Eharakteriftil | von den Dominicanern heftig angegriffen; eine 
namentlich jein Teftament, mit Glaubensbekennt⸗- | öffentliche Disputation zu Valladolid brachte na- 
niß und Selbitbejchreibung bei Strieder, Heſſiſche | türlich feine Entſcheidung; als dann eine Anklage 
Gelehrtengeſchichte Th. 9. | des Buches bei der Jnquifition erfolgte, nahm ſich 
Molah, Jac. Bernd. von, der legte Großmeifter | der Jefuiten-Drden der Moliniftifchen Säge an, ob: 
bed Tempelherrnorbens (j. d. A.). Aus edlem | gleich fie anfangs ſelbſt von Jeſuiten angefochten 
burgundijchen Geſchlecht ſtammend, bei Befangon | worden waren. Papit Clemens VIII., dem die 
gebürtig, trat er 1265 in ben Orden, und ward | Streitfrage zur Entſcheidung vorgelegt wurde, 
1297 jeiner Züctigleit wegen zum Großmeiſter er: | übergab diefelbe 1597 einer eigenen Congregation 


wählt. Beim Beginn der Unterfudhung gegen den 
Drden durch Philipp den Schönen von Frankreich 
und Papft Clemens V. 1307 aus C 

Frankreich gelodt, und anfangs vont f 
freundlih behandelt, ward er bald mit allen in 
Frankreich lebenden Rittern verhaftet, von einem 


| 


pern nad) | 
önige jehr | 


de auxiliis zur Prüfung, welche nod) immer ihre 
Aufgabe nicht gelöjt hat, weil fie ebenſowenig den 
Molinismus billigen als die Conjequenzen bes 
Auguftinismus freigeben fann. Der päpftliche 
Stuhl verbot inzwijhen alles Streiten über Die 
Fragen, welde dann durch den Janjenismus 


gedungenen Gericht von Prälaten und päpftlichen | (j. d. A.) von einer andern Seite wieder zur Er— 


Xegaten nad) den graufamiten Torturen 11. März 
1314 zu lebenslänglihem Gefängniß verurtheilt 
und, als er jeine erzwungenen Gejtändnifje wider: 
rief, am jelben Tage mit dem Öroßprior Guido von | 
der Normandie auf einer Seine-Inſel verbrannt, 
Bol. Havemann, Geid. des Ausgangs des Tem: | 
pelherrnordens. Stuttg. 1846. 

Molina, Ludwig. Geboren zu Guenza in Neu: 
caftilien 1535, trat 1553 in den Jefuitenorden und 
wirkte in bemjelben als angejehener Lehrer der | 
Theologie zu Evora in Portugal; + zu Madrid 
1600. Unter jeinen Schriften find zu nennen de 
Justitia et jure, 6 Bde. Mainz 1659, Commentarii 
in pr. partem D. Thomae, 1593. Sein ge 
aber itt: Liberi arbitrii cum gratiae donis, di- | 
vina praescientia, providentia, praedestinatione 
et reprobatione concordia, Lissabon 1588, Lyon 


örterung gejtelt wurden, Das Syſtem M.'s 
wurde in den Jefuitenfchulen gelehrt, jpäter durch 
Suarez und VBasquez zu dem jogenannten Gon- 
gruismus modificirt. Vgl. Augustinus le Blanc 
(pfeubon. für Hyac. Serry, Dominitaner), Historia 
congregationum de auxil. divin. gratiae, Löwen 
1700. Dagegen Theodorus Eleutherius (der Ye: 
fuit Lev. de Weyer), Hist. controversiarum de 
auxil. div, grat. Antw. 1705. Schrödh, Kirchen: 
geichichte jeit der Ref. IV. 

Molinos, Michaelvon. War geboren 21. Dez. 
1640 zu Patalina in Aragonien, ſiedelte als Prie- 
jter und Doctor der Tyeologie 1669 oder 1670 nad) 
Rom über. Er gewann dort den Ruf ausgezeich— 
neter yrömmigfeit, war der gejuchte Beichtvater 
vieler Bornehmen und genoß das Vertrauen und 
die Freundſchaft mehrerer Cardinäle, jelbit das 


befondere Wohlmwollen des PBapftes Innocenz XI. 


1593, | 1594, Antwerpen 1595 (bedeutend 
Ö. 1677—1689. 1675 erſchien von ihm in italieni⸗ 


erweitert) u. d. In demjelben ſuchte er die Lehre 
des Nuguftinus und des Semipelagianismus in ſcher Sprache eine Schrift: Guida spirituale d.h. 
Eintlang mit einander zu bringen. die Gnade tft | geiftlicher Wegmeifer, melde raſch verbreitet und 
zwar die einzig wirkende 50 der Belehrung und | in mehrere Sprachen überjegt, ſolchen Beifall fand, 
der Rechtfertigung, aber Demjenigen, der aus daß ed dem Jejuiten Paul Segneri beinahe das 
freiem Willen bereit ift, zu thun was er kann, | Leben tojtete, als er mit der Schrift: concordia 
air Gott, aber nicht um irgend eines eigenen ‚tra la fatica ela quiete nel oratione 1681 gegen 
erbienites, jondern nur um des Berdienftes ; diejelbe auftrat, weil man in feinen Anklagen nur 
Chrifti willen, den Beiftand, e8 fo zu thun, wie es die Verläumdung eines Neidischen jah. M. lehrte 
zur Seligfeit nöthig ift, die zuvorfommende Gna= | den fogenannten Duietismus. Das höchſte Ziel 
de; jedoch kann des Menfchen freier Wille immer: | aller Frömmigteit ift nad) ihm die Ruhe in Gott, 
fort dieſe Gnade wieder unwirtfam machen. Den | welche in der dauernden befhaulichen Betrachtung 
Zwieſpalt diefer Lehre mit der unbedingten Bor: | und der völligen Hingabe in Gottes Willen gefun- 
herbeitimmung Gottes, wie fie Thomas und Au: | den wird, Die Wege dazu find Gebet, Gehorjam, 
guſtinus lehren, glich er aus Durch die, mahrfchein: | die häufige Communion, die innere Abtödtung. 
lich von feinem Lehrer Petrus de Fonfeca (ſ. d. A.) Die äußeren gottesdienftlihen Handlungen treten 
aufgeftellte, von ihm jedoch ausgebildete Theorie | dabei ganz zurüd, jelbft das Gebet in Worten hin: 
von der scientia media, Er unterjcheidet nämlich ter Der dauernden Gebelsjtimmung. In diefen Sä- 
in Gott.drei Arten der — 1) scientia | gen fand der Jeſuitismus ein dem ſeinigen ganz 
simplex, einfache Erfenntniß, wodurch Gott die | entgegengejehtes Prinzip, daher fein hartnädiger 
Dinge fieht, wie fie durch ihn hervorgebradt jind, | Kampf gegen diejelben, Als eine durch die Segneri— 
2) sc. libera, freie a die er erkennt, ſche Schrift veranlaßte Unterjuhung der Moltnifti- 
was nad) jeinem Willen geihehen wird, 3) sc. ſchenLehre — 
media, mittlere, (weder freie noch natürliche, aber geendet hatte, mußten die Jejuitentubwig XIV. von 
die Bedingungen dieſer beiden an ſich tragenbd), Frantreich durch ſeinen Beichtvater, den Pater La 
durch die — ——— weiß, was jeder Menſch nach Chaiſe zu bewegen, dem Papſte Vorſtellungen über 
ſeiner Freiheit unter beſtimmten Verhältniſſen die ei Ni des Quietißmus für die Kirche zu 
thun wird, obgleich er,wenn er wollte, auch anders machen. Diejer überwies die Klage der Jnquifition. 
andeln könnte. Bermöge diefer Kenntnik des Molinos wurde 1685 mit jeinem Freunde und 
dingt:Zutünftigen fieht Gott mit volllommener Gefinnungsgenofjen Petrucci verhaftet, jein Brief: 
Gewißheit vorher, wer von der ihm verliehenen | wechjel (gegen 2000 Briefe) durchforſcht, nach zwei 
Gnade Gebrauch machen wird, (jedoch giebt er fie' Jahren noch 200 Berjonen in die Unterfuhung 





Moldau 100 


Moloch 


verwickelt und 28. Aug. 1687 das Verdammungs⸗ | in dem größern Auguſtinerlloſter eintrat, wat ſei⸗ 


defret liber die Lehre des Molinos im Allgemeinen 
und über 68 aus dem Wegweifer gezogene Sätze 
efertigt. Innocenz beftätigte das Urtheil durch 
die Bulle vom 19. November 1687. Da Molinos 
ch dem Urtheil unterwarf und den bei feinem 
ſticismus aus ethifhen Gründen wohl erflär: 
* Widerruf leiftete, wurde er zu lebenäläng: 
lihem Gefängniß begnadigt. Er ftarb im Kerker 
28, Des. 1697. Seine Grabſchrift bezeichnet ihn 
troß des Widerrufes als haereticus (Steger). So 
groß war übrigens die Furcht vor dem Uuietis- 
mus, daß jhon vor der förmlichen Berurtheilung 
defjelden die Inquiſition dur ein Nundfchreiben 
fämmtlihe Biichöfe und Fürſten ermahnte, alle 
quietiftifchen Eonventifel zu verhüten und feinen 
des Duietismus verbächtigen Geiftlichen als Beicht: 
vater in Nonnentlöjtern zuzulaffen ; beigefügt wa: 
ren 19 Süße, nad) denen man das Borhandenfein 
des Quietismus feſtſtellen fönne. Selbft der ig io 
foll, nicht als Papft, jondern als Privatmann, Be: 
nedictus Odescalchi wegen feiner Begünftigung 
des M, einer Unterfuhung feiner Rechtgläu: 
bigteit dur die Jnquifition ſich haben unter: 
werfen müfjen. Die Acten des Prozefjes find nie 
veröffentlit worden. BZugeftanden ift, daß die 
68 verurtheilten Säge fid nicht ſämmtlich in M.'3 
Schrift nahmweifen laflen, jondern daß manche nur 
ihm zugeichriebene Folgerungen feiner Worte find. 
Daß aus dem Duietismus ſchwere fittliche Gefah: 
ven hervorgehen können, ift nicht zu leugnen. 
Manche Säge wie: man braucht auf die Zweifel 
darüber, ob man richtig oder falſch wandele, nicht 
zu achten u. a. können zu einem gefährlichen fitt: 
lihen Jndifferentiömus verleiten; jedoch iſt eö nur 
a Haß gemweien, welcher nach folden 
Sägen M., der den Ruf reinfter Frömmigkeit ge 
noß, verborgener und jhändender Sünden bezüch⸗ 
tigen zu fönnen meinte, — Rad M.'s Berurthei: 
lung gelang es in kurzer Beit den bereits weit ver: 
breiteten Quietismus in den Klöftern Jtaliens 
wieder gänzlich auszurotten und die Gefahr, wel: 
che aus jeiner Verinnerlihung der Religion dem 
Jefuitismus drohte, glüdlih wieder abzuwenden. 
Bol. Scharlina in Niedner’d Zeitichrift für hift. 
Theol. 1854. 55. Arnold, Kirchen: und Ketzerge— 
jchichte III. c. 17. Lettres &crites de Rome tou- 
chants l’affaire de Molinos, 2 T. Amsterd. 1696. 
Burnet, lettres from Switzerland, Italy, Ger- 
many 1689. Weitere Litt, bei 3. G. Wald, Bibl. 
theolog. II, 1006 3q. Den guida gab in lateini- 
ſcher re U. 9. Frante heraus Leipz. 1687, 
in deutſcher ©. Arnold, Franff. (1699) 1704. 
dan j. Rumaenien. 

Moller, Heinrich, bekannt als Heinrich von Züt: 
phen, einer der eriten proteftantifchen Märtyrer. 
1488 zu Zütphen in Holland aus einer eingewan⸗ 
derten deutſchen Familie geboren, trat er jchon 
mit 16 Jahren in den Auguftinerorden, und be= 
juchte 1515 die Univerfität Wittenberg. Bon Luther 
ausgezeichnet, wurde er troß feiner — nach 
ſeiner Rückkehr 1516 Prior des Auguſtinerkloſters 
in Dortrecht. Seine Reformverſuche, die er hier 
alsbald begann, und für welche er Staupitz's Rath 
erbeten hatte, jcheiterten am Widerſtande feiner 
Ordensgenoſſen ſowie der weltlihen Macht und 
der gegen die reformatoriſche Richtung auöbre: 
chenden Verfolgung. M. mußte Dortrecht verlaj: 


ned Bleiben nicht; er entfam na ittenberg 
und lebte vortein Jahr feinen Studien. Der Fort- 
gang der reformatorijhen Bewegung riefihn dann 
wieder nad) Holland, wo er eine ungemeine Thä- 
tigkeit entfaltete; aber die Inquifition fahndete 
auf ihn, als fie ihn * in Antwerpen verhaftet 
tte, befreite ihn ein allgemeiner Boltsaufitand. 
ndefien mußte er —— ſeiner Sicherheit we⸗ 
gen das Land verlaffen und befchloß nah Witten- 
erg zurüdgulehren. Auf ber Reife dorthin warb 
er in Bremen durch die Bitte der Bürgerjchaft, 
ihnen dad Evangelium zu predigen, feitgehalten. 
Gegen die Gewalt des Erzbiſchofs kirchlich geihügt 
durch die Genehmigung Teinee Ordens, welche Yu- 


ther als Stellvertreter des eneralvicar Link aus- 
er hatte, in allem das Wort Gottes nad) der 
Hrift zu predigen, und vom Rath begünftigt, 


führte er den evangelifchen Gottesdienft in der 
Stabt ein. Als durch die Berufung feines Freun⸗ 

des, Jacob Spreng (von jet an Jacob Probft ge; 

nannt) aus Antwerpen und des Johann Timann 

aus Amfterdam die neue Lehre in Bremen gefichert 

ſchien, folgte er troß der Abmahnungen feiner 
Freunde einer Aufforderung des Paſtor Nicolaus 

je zu Meldorf im Dithmarfchen, dort das Evan: 

gelium zu verkünden. Vergeblich erwirkte der Do: 

minicaner-®rior — ein Verbot der Land⸗ 

ſtände, die Meldorfer beriefen ſich auf ihr Landes 
recht und erlangten auch Rücknahme des Verbos 
Neue Bemühungen der Dominicaner machten aber. 
auch diejen Beſchluß wieder rüdgängig, und. M. 
wurde in der Nacht des 10. Dezember durch ein 
Aufgebot der Bauern überfallen und gefangen ge: 

nommen. Am andern Morgen verurtheilte ihn zu. 
Heide ein tumultuarifch zufammengefegtes Glau—⸗ 
bensgericht als Keger zum Scheiterhaufen. Ein 
trunfener Bollshaute fügrte ihn unter ſtunden⸗ 
lang fortgeiegten Mißhandlungen zum Tode. Sein 
Märtyrertod erregte allenthalben die tiefjte Theil: 
nahme. Luther jandte an die Chriften zu Bremen 
einen Troftbrief mit ausführlicher Erzählung des 
Martyriums; Melandthon ſchrieb ein Zoblied auf 
ihn. Auf dem Gottesader zu Meldorf wurde ihm 
1830 ein Denkmal errichtet. Vgl. Luther, vom 

Bruder Heinrich ꝛc. ſämmtl. Werte Bd, 26 (Erl. 
Ausg.) Schlegel, Kirchen: u. Reformationsgeſch. 

von Norbdeutichland, Bd. II. Rante, deutſche Ge: 

fchichte im Zeitalter der Reform. Dunge, Geſch. 
ber Ev. Stadt Bremen II. _ 


Moloch, die durch die griechiſchen Ueberſetzungen 
üblich gewordene Form des hebräifchen eh, 
Hamolech, König, ID, 72D) Name einer Gott: 
heit der zu welche unter dem Bilde einer 
ehernen Statue mit einem Stierkopfe bargeftellt 
wurde und der man Menſchen, namentlich Kinder 
opferte. Bgl. August. de civit. dei VII, 19. Ter- 
tullian apol. 9. Manlegte die Opfer auf die ſchräg 
erhobenen Arme der Statue und ließ fie in das 
im Innern berjelben angezündete Teuer hinab» 
gleiten. Zmeifelhaft ift, ob die Redensart „hin⸗ 
durchgehen laffen für Moloch durch's Feuer“ 
2, Kön. 23, 10. 16, 3, (ähnlich 5. Moj. 18, 10. 2. 
Ehron. 28, 3. und öfter) ein anderer Ausdruck 
fei für „dem M. durd Feuer opfern“ oder ob es 
nur eine im Altertfum allgemein üblihe Fe: 
bruation, d. 5. Reinigung durch Feuer ohne Ber 


jen 1520, aud in Antwerpen, wo er ald Subprior | brennung bezeichne. — Da Molod häufig mitder 


Momerie 


andern fananitifch:phönizischen Gottheit Baal ver: 
bunden wird, aud) die Bedeutung der Wörter ziem⸗ 
Lich dieſelbe ſowie Bild und Eultus ähnlich ift,fo kann 
der Unterſchied zwiſchen ihnen fein wejentlicher 
fein. Beide bezeichnen die Sonne als bie jhaffende, 
zeugende Naturkraft, Moloch wahrjcheinlih die 
—— und vernichtende Eigenſchaft derſelben. 

aher wurde unter feinem Bilde bie Gottheit ver: 
ehrt, welche Sünden und Ucbertretungen mit Vers 
derben heimjucht, und deren Groll nur mit ben 
allergrößten Opfern verjöhnt werden ann. Andere 
Namen find Melkarth (König der Stabt), ber 
tyriſche Nationalgott, Milihos, Malica, Melec 

alcan; ——— bezeichnet die Zuſammen⸗ 
faſſung der wohlthätig ſegnenden und der verderb⸗ 
lich wirlenden Kräfte ver Sonne. Nachdem wahr: 
ſcheinlich ſchon Salomon den Molochdienſt feinen 
heidnifchen Gattinnen gejtattet 1. Kön. 11, 5.7. 
2. Kön. 23, 10. 13, wurde ber Gultus ganz be— 
ftimmt durch Ahas in Iſrael eingeführt; die bes 
rüchtigte Stätte defjelben war das Thal Hinnom 
bei Jeruſalem; aud in Ephraim breitete ber heid⸗ 
nie Dienft fi aus 2. Kön. 17, 17. 31. Auf die 
bei Amos 5, 26 gefundene Erwähnung eines Mo: 
lochdienftes in der Wüfte gründeten Daumer und 
Ghillany die Behauptung, daß zur Zeit Moſes 
nicht Jehova (Jahve), jondern Moloch der eigent: 
lid von den Juden — Gott geweſen ſei. 
Ihre Anſicht iſt jedoch von Dr. E. Meier in Theol. 
Stud. u. Krit. 1843, IV, u. A. widerlegt, ba ſich 
in feiner Stelle des mojaifhen Syftems eine Er: 
innerung an den Molochdienſt, aud nicht ald an 
einen aufgegebenen findet. Auch tritt der Molodh: 
dienſt erjt jo jpät in Iſrael auf, daß er nicht ala 
MWiederaufleben einer überwundenen Religion be: 
trachtet werben kann. Das Graufige feines Dien- 
ſtes fonnte am erjten einer verirrten Religiöfität 
imponiren, die noch einen Reſt des Bewußtſeins 
von der Erhabenheit und Heiligkeit Gottes in ſich 
trug. Bol. Movers, Phoͤnizien. 1. Bd, Breslau 
1840. Daumer, der Feuer: und Molochdienft der 
alten Hebräer. Braunſchw. 1842. 


70 


Monate 


erbart find bie Monaden bie eigentlich realen 

inge, welche hinter der ——— liegen, 
von und unerlannt, welche aber die letztere bilden, 
jo daß alfo jede Erjcheinung eine eigenthümliche 
Gruppirung diefer Monaben ift. Wir nennen eine 
foldye Gruppirung ein Ding, was jedoch auf blos 
Bem Schein berubt, da dasſelbe nur ein Product 
der zufammenmirfenden Monaden, ber eigentlis 
hen Dinge an ie ift, 

Monarchia Sicula, Sicilianifche Monardie, 
bezeichnet das Vorrecht ber Könige von Sicilien, 
welches durch eine Bulle Urban's II. 1098 Roger 
von Sicilien ertheilt worden, daß fie als beftän« 
dige Legaten (legati nati) des römiſchen Stuhls 
die unumfcdräntte geiftliche Gerichtsbarkeit im 
Königreich haben follten, jo daf ohne ihren Willen 
fein päpftlicher Legat das Land betreten dürfe und 
E in der Anordnung und Zeitung ber firdlichen 

ee abet ungehindert wären. Baroniud 


—1 


riff die Echtheit der Bulle an und behauptete, erſt 
Carl V. habe ſich auf diefelbe zur Vertheidigung 
—— Uebergriffe berufen; gegen * ſchrieb Du 
in, Defense de la monarchie de Sicile contre 
les entreprises de la cour de Rome, Lyon 1716. 
—— ift, daß die Könige Siciliens ihr Privi⸗ 
legium behaupteten und immer weiter auszudeh⸗ 
nen ſuchten, bis dad Concordat zu Terracina 1818 
den Streitigkeiten zwijchen ven Königen und ben 
Päpften ein Ziel fegte. Freilich entitanden über 
die Auslegung gleich neue Differenzen. 
Monardianer iſt in der Dogmengefhichte ber 
Gefammtname für alle bie Richtungen, welche im 
Intereffe der Einheit Gotted von der Lehre ber 
Kirche die Berjon Chrifti abwichen. Unter 
benfelben find 2 Klafjen unterfjchieden, indem die 
Einen die Gottheit Chriſti leugneten und in ihm 
nur einen Menſchen fahen, der mit Gotteöfraft, 
(düvanıs) begabt, der Sohn Gottes zu heißen ver⸗ 
diene (dynamiſche M.), während die Andern feinen 
hypoſtatiſchen (Weſens⸗) Unterfchied zwifchen Gott 
und Chriſtus zugeben wollten und die Namen des 
Vaters und des Sohnes nur als verfchiedene Be: 


Momerie (Mummerei) bezeichnet in der Schweiz | zeichnungen ded Einen göttlihen Weſens fahten 


dasjelbe, was in Deutſchland gewöhnlich Pietismus 
heißt, die Frömmigkeit, die vorzugsweife im er: 
regten Schuldgefühle ihrer jelbft bemußt wird, in 
Holge davon den Gegenjag zwifchen Gott und 


ſhypoſtatiſche M.). Zu der erften Klafje gehörten 
| Theodotus, ber Zederarbeiter um 308 und der 
leichzeitige Artemon (Vgl. Euseb. H. E., V, 28), 
eryll von Boftra und Paulus von Samojata 


Welt, den nur die Gnade überbrücken könne, auf's | (f. diefe Art.); zu den zweiten, die auch Batripafs 


äußerite anjpannt und daher mit Vorliebe die 
eheimnißvolliten Dogmen ber Kirche beſpricht, bie 
je zugleich auf das geheimnißvollfte und tiefite ge: 
aßt wifjen will, weshalb fie ed dann für ein Beis 
chen ber rechten chriſtlichen ale Barorisei! 
die Dogmen der Orthodoxie in aller Schroffheit 
feftzuhalten. Zu den Führern der M. gehörte Ma: 
lan (j. d. 9.) in Genf, der ſich von der Kirche los⸗ 
ſagte und eine eigene Kapelle begründete. 
Monade (Einheit) bezeichnet in der Bhilofophie 
ein einfahes Wejen geijtiger Natur, Monadologie 
den Verjud, das Dajein auf ſolche Monaden als 
das Urjprünglihe alles Seins zurüdzuführen. 
Der neuere Urheber der Monadenlehre ift Leibnitz. 
Nach ihm find die Monaden activ geiftige Buncte, 
deren Bielheit zufammen die eigentliche Subftanz 
der Welt bildet. Sie unterjcheiden fih von den 
Atomen dadurch, daß dieje körperlich und niemals 
abiolut untheilbar, die Monaden dagegen geiftig, 
activ, mit Bewußtjein begabt, und ſchlechthin un: 


fianer (weil fie lehrten, der Vater habe gelitten) 
enannt wurden, Praxeas (um 200), Nodtus mit 
Une Schülern Epigonus und Kleomenes, und 
Sabellius (ſ. d. 9.) 
Monate, Die hebräifhen Monate (MY von NY! 
Mond) waren Mondmonate und begannen mit 
dem Neumond (unter Neumond verjtand man 
indeffen nicht, was die Aftronomie damit bezeich— 
net — die Eonjunction des Mondes mit ber 
Sonne — fondern das neue, — gewordene 
Licht des wieder erſcheinenden Mondes); ſie hatten 
deßhalb bald 30 bald 29 Tage. Nach jpäterer Be: 
mmung hatte das Jahr mindejtens 4, höchſtens 
Monate von 29 Tagen. Der Neumondstag war 
geheiligt und wurde ala Fefttag (WIN WNN) be, 
| gangen 4. Moj. 28, 11—16; 1. Sam. 20, 5. 18 
'—20; Amos 8, 5; feine Beftimmung hing vom 
Synedrium ab. Dasjelbe —— zu dem 
Zwecke, ob nach aſtronomiſchen Geſetzen der Neu: 


fuͤ 
8 


theilbar find (3. 8. die menſchliche Seele). Bei | mond vom 29.—30. oder vom 30.— 31. Tage des 
45 


Mond 702 Mongolen 


jeweiligen Monats eintreten werde. Im erſteren auf Höhen und Hainen gefeiert und war ein uns 
Falle ſprach es den Monatsanfang aus, wenn | züchtiger Gefchlechtscultus. 2, Kön. 23, 7; Hofea 
durch fihere Zeugen am 30. Tage der Eintritt des 4, 14. Die Hebräer überkamen diefen Dienft von 
Neumondes befundet wurde, und es zählte jomit | ipren Nachbarn, zumal den Phöniciern, fie faß— 
der vergangene Monat 29 Tage (HN Yin) ten — — = er in einer pe 
; 2 : ung und in ein egriff zufammen, wie auch bei 
Kun Die Beugen ni, Io Araaın Der neue ben Yböniien Ti as Befehen eig, Be er 
. sage, ge war dann ſchiedenen Götter auf eine Gottheit zu vereinigen. 
Non. Der 50. Tag wurde aber aud in dieſem | Schon 5. Mof. 4,19; 17, 8 wird vor dem Aſchera⸗ 
Halle als Neumondätag gefeiert, jo daß der auf dienſt gewarnt. Iſebel führte ihn mit dem Baal- 
einen Monat von 30 Tagen ag zwei Neu: bienft in Iſrael ein. Noch findet fich zu Manafje’s 
mondstage hatte. Daß in der frühern Zeit die Zeiten ein Dienft des Mondes Jer. 8, 2; 2. Kön. 
Monate immer zu 30 Tagen gerechnet worden, ift 23, 5, der Königin des Himmels (Jer. 7, 18), der 
nad 1. Mof. 7, 11; 8,3 nit unmöglid. Den eine unmittelbare bildlofe Verehrung gemejen 
Unterſchied zwifhen dem Mondjahre und dem Hiob 81, 27 und als Geftirndienjt von den Chal⸗ 
Sonnenjahre gli man durd) Interkalation eines däern übernommen zu fein fcheint. In Hinficht 
13. Monats aus, wenn aftronomifche Berechnun: | des Cultus erwähnen die Angaben Trankopfer und 
gen ergaben, dab die Sonne erft an oder nad) | Kuchenopfer Jerem. 44, 17. 25; 7, 18; 18,2. 
dem 16. des nädjiten Nifan (dem Tag nad) dem | Räucherungen Hiob 31, 27, Küffe. Bejonders von 
Feſt der ungefäuerten Brode 3. Moj. 23, 5. 6) in | den Weibern wurde er gefeiert er. 44, 15, wo: 
das Zeichen des Widders eintreten würde, oder | bei indeß die Männer zugezogen wurden. 
wenn aus dem Stande der Früche zu jehen war, Mongolen, Die Religion dieſes Voltes, welches 
daß der 16. Nifan, an welchem die Eritlinge der ſeit Dſchengis-Chan ganz Border: und Mittelafien 
Ernte geopfert werden mußten (3. Mof. 23, 10) | beherrichte, war ein roher Naturbienft, geftügt auf 
ohne Snterkalation vor die Ernte fallen würde. | den Glauben an Fetiſche und Gößenbilder. Ihre 
Bis zum Eril hatten die einzelnen Monate feine | Priejter, die Schamanen, galtenal3 Zauberer und 
bejondern Namen, jonbern wurden nur mit der Propheten. Dabei waren fie aber frei von allem 
Zahl bezeichnet, wobei der Monat des Auszugs | Fanatismus und duldeten jede Religion bei den 
aus Aegypten in der Regel nad) 2. Moſ. 12,2als | von ihnen überwundenen Völkern. Die zahlreich 
ber erfte, mit dem das Jahr beginne, feitgehalten | unter ihnen wohnenden neftorianiihen C —— 
wurde (nad dem Exil feierte man den Jahres: ſcheinen ſehr wenig Einfluß auf ſie geübt zu haben; 
Anfang im fiebenten Monat). Doc) findet fich die | was jene meinten ala Anfänge chriftlihen Glau— 
——— Aehrenmonat für den erſten 2. Moſ. bens und Cultus anſehen zu dürfen, zeigt ſich im: 
13, 4; 5. Mof. 16,1, Blüthenmonat 1. Kön. 6, 1. | mer ald nur vorübergehende Anbequemung. Das 
37 für den zweiten, Fluthenmonat 1. Kön. 8, 2 | Abendland machte wiederholte Miſſionsverſuche 
für den fiebenten, Regenmonat 1. Kön. 6, 38 für | unter ihnen. Diejelben eröffnete die Doppelte Ge: 
den achten Monat. Die fpätern Monatsnamen ſandtſchaft Innocens' IV., 1245, 4 Dominicaner 
werden von Manchen — jedoch ſchwerlich mit | und 3 Franciscaner, unter legteren Johannes de 
Recht für perfiihen Urjprungs gehalten; fie find | Plano Carpine, ein unmittelbarer Schüler Franz's 
1) Nifan (gewöhnlich unfer April), in den das | von Aſſiſi, die jo gut wie vergeblich blieb. Wäh: 
Paſſah fiel; 2) Jjar; 3) Sivan; am 6. diefes Mo: | rend der Kreuzzüge, alö das beiderjeitige Inter: 
nats das Wochenfeft (Bfingiten);4) Tammus; 5) | efie gegen den gemeinjamen Feind (bie Moham: 
Ab; 6) Elul; 7) Tisri, am 10. Verfjühnungstag, | medaner) Abendländer und Mongolen einander 
am 15. Laubhüttenfeft ; 8) Marchesvan; 9) Rislen; | näherte, ſandte Ludwig IX. von Feantreig aus 
10) Tebet; 11) Sebat; 12) Adar; am 14. Burim, nächſt 1248 den Dominicaner Andreas von Lon— 
das Feſt der Errettung von der Verfolgung Ha: | jumeau und 5 Jahre jpäter den Franciscaner 
mans, Dazu fommt im Schaltjahr alö 13) Vedar, Wilhelm von Aubruquis zum Chan Mangu. 
in welchem aud) im Schaltjahr das Purimfeft ge: | Zwar veranftaltete diefer ein Religionsgeipräd 
feiert wurde. Dieſe Namen fanden jedoch im bür« | zwijchen dem Gefandten, ven MRohammedanern und 
gerligen Leben erjt allmählich Anwendung. (Vgl. | den Gößendienern, aber weber er noch gröfere 
Sadar. 1,1;8, 19; Dan. 10, 4 mit Sadar. 1, 7; Maſſen des Bolfes traten zum Chriftenthum über. 
7,1; Eith. 3,7.18 u. ö.) In Folge deſſen reifte Rubruquis 1254 wieder zu: 
Mond. In der biblifhen Schöpfungs:Darjtel: | rüd. Jndeffen dauerte der Berfehr mit dem Abend: 
lung wird ald Beſtimmung des Mondes ausdrüds | lande fort, zumal, jeitdie Mongolen auf den Trüm: 
lich die eines Zeitmeffers angegeben. 1. Mof. 1, | mern des von ihnen 1258 vernidteten Chalifats 
14. 16. Sir. 43, 6—8. So wurde nad ihm zu: | von Bagdad ein neues Reich, das mongoliich:per: 
nädjt der Monat, urſprünglich auch die Woche und ſiſche, errichtet hatten und nun bemjelben Gegner 
fodann das Jahr (Mondjahr) beitimmt. Einen | wie das Abendland, den Sultanen von Aegypten, 
Einfluß auf die organische Welt, — auf die | gegenüber ſtanden. Dieſer Umſtand begünſtigte die 
Menſchen, ſchrieben ihm nachweislich erſt die nach- Miſſionsthätigleit; unter dem Schutze der Chane 
exiliſchen Juden zu. Vgl. Matth. 4, 24; 17, 15. | gründeten Franciscaner und Dominicaner zabl: 
Die vorderaftatiihen Religionen fehen im Monde | reiche Klöfter und Gemeinden, die ihren Mittel: 
das Symbol der weibliden empfangenden Natur: | punlt in dem 1318 geftifteten Erzbisthum zu Sul: 
traft nad dem BVerhältnii des Mondes zu dem | tanich mit mehreren Suffraganbisthümern hatten. 
befruchtenden Thau der Nacht; fie unterjcheiden | Indeß beftanden die Gemeinden mehr aus früher 
aber auch bier wie bei der Sonne zwifchen der feg: | Ichismatifhen Chriften (Nejtorianern, Jatobiten 
nenden und der Berderben bringenden Macht, ꝛc. als aus befehrten Mongolen, vielmehr trat Die 
Aſchera (Benus) und Aitarte (Diana, Artemis). | Mehrzahl der ei gie zum Yslam über. So war 
Der Dienft der erjteren ward wie der des Baal es natürlich, daß, ganz abgefehen von einzelnen 








Mongus 


vorübergehenden Verfolgungen die Stellung bes 
Chriſtenthums eine unficyere und gefährdete war, 
infofern es nicht im Volke wurzelte, jondern jeine 
Duldung nur politiichen Motiven verdantte, Die: 
felben Urfachen ließen es auch in den übrigen mon: 
goliſchen Reichen, in dem Chanat Kiptſchat (Cas— 
diſches Meer, Wolga und Don) ſowie in dem von 
Dihagatai (die erjten Miffionen um 1340) nicht 
zu rechten Erfolgen fommen. Bebeutendere wur: 
den unter der mongolifchen Herrichaft in China er: 
zielt, beſonders durch den Franciöcaner Johannes 
de Dionte Corvino (um 12:8—1325). Troß der 
Gegenbemühungen der Neftorianer, deren Gemein: 
den ſchon feit Jahrhunderten hier blühten, erbaute 
er zwei Kirchen in Chan-baligh (Cambala, Beling) 
und begründete, unterjtügt durch neue Miffionare 
als Erzbifhof von Cambala (jeit 1307) ein fatho: 
lifches Kirchenweſen in China, welches auch unter 
feinem Nachfolger, dem Franciscaner Johannes 
von Marignola fid) fortentwidelte, Allein aud 


703 


Monod 


tät der Univerfität Cöln: Censura et docta er- 
plicatio erro:un: catechismi J. Monhemii, etc. 
Col. 1560. Confutatio fidei novitiae, quam spe- 
cialem vocant, adversus Joh. Monhemiuın von 
Hessels 1568 u.a. Für ifn: Ad theologastrorum 
Coloniensium censuram Henrici Artopoei Res- 
ponsio pro defensione Catechismi JoannisMon- 
hemii sui praeceptoris conscıipta, Gratianopoli 
1561. Theologiae Jesuitarum praecipua capita, 
ex quadam censara, quae Coloniae 1.60 edita 
est etc, Leipz. 1563. Außer zahlreihen, — wie 
die theologiſchen ſämmtlich für die ftudirende Zus 
gend bejtimmten — grammatifchen und phicoſo⸗ 
phiſchen Schriften gab Monheim ferner heraus: 
Dilucida et pia explanatio Symboli, quod Apo- 
stolorum dicitur et decalogi praeceptorum au- 
tore D. Erasmo Roterodamo in compendium 
redacta. Cui accessit modus orandi deum etc. 
Col. 1561 u. öfter. Evangelia et epistolae ex 
translatione Erasmi recognita, cum scholiis 


bier gelang ed nicht die Herricher dem Chriften: | brevissimis ad usum puerorun: 1569. 


thum zu gewinnen, fie wandten ſich vielmehr mit | 


der Mehrzahl des Volkes dem Lamaidmus zu. Der 


Mongolen-Herrſchaft machte dann 1568 die Diing: | 


Monica, die Heilige, die Mutter des h. Augu: 
jtinus, geb. 332 in Afrika von riftlichen Eltern. 
Sie wurde genöthigt einen Heiden, den Patricius 


dynajtie ein Ende, welche in ihrem Hab gegen alles | von Thagajıe (in Numidien) zu heirathen, es ger 
Ausländische auch die Ehriftengemeinde vertilgte. | Lang ihr aber, denjelben für das Tpriftentgum zu 


Evangeliſche Mijjionare haben, beſonders von der 
Schweiz aus, unter den M. im erften Drittel bie: 
jes Jahrhunderts zu arbeiten geſucht. Vgl. Echmibt, 
Forſchungen im Gebiete der älteren religiöjen ac. 
Bildungsgejhichte der M. Peteröb. 1824. Ham: 
a Eeſchichte der Ilchane d.i. der Mon: 
golen in Perſien. 2 Bode. Darmſtadt 1842 -48. 
Mongus, Peter. S. Monophyſiten. 
Monheim, Johannes, geb. 1509 bei Elberfeld. 
Auf Reiſen als Gehülfe ſeiner Eltern im Garn— 
handel, lernte er die lutheriſche Lehre kennen und 





gewinnen, Belannt iſt der Einfluß, den ihre ins 
nige Frömmigkeit auf Die Entwidlung des Augu⸗ 
ftinug gehabt hat. Cie ftarb 387 auf einer Reife 
nach Stalien, die fie mit ihrem andern Sohne Nas 
vigius unternommen, au Oſtia. Die Kirche ehrt fie 
als Heilige am 4. Mai. 

Monod, Avolphe, einer der hervorragendſten 


franzöjifhen evangeliihen Kanzelredner. Geboren 


1802 zu Kopenhagen, mo jein Bater Jean DM. 


Yrediger bei der dortigen franzöſiſchen Ges 
‚ meinde war erhielt er jeine erfte Bildung auf dem 


wandte ſich derjelben zu, jtudirte dann wahrſchein- Gymnaſium zu Paris, wohin jein Vater 1008 be: 
lic) zu Münjter, vielleicht aud) in Eöln, war 1532 | rufen worden, und jtudirte darnad zu Genf bis 
Rector an der Schule zu Eſſen, und jeit 1536 an | 1824. Auf einer im folgenden Jahre unternom— 
der Domſchule zu Cöln thätig. Hier trat er in menen Reiſe nad) Italien begründete. die evat: 
enger Verbindung mitdem Erasmiſchen Kreije als geliſche Gemeinde zu Nearel, an welcher er bis 
entjchiedener Gegner der an der Kölner Univerji: ; 1827 wirkte, Als Paſtor der reformirten Gemeinde 
tät herrſchenden mönchiſch-ſcholaſtiſchen Richtung | nad) Lyon berufen, entzweite ihn feine jtrenggläus 
auf. Als ausgezeichneter Bädagog bald allgemein | bigeKichtung mit dem ortizen Conſiſtorium wegen 
anerfannt, wurde er auf die Empfehlung einzelner | einer Predigt (Qui doit communier?) gegen die 
evangeliich gefinnter Räthe 1545 von dem Herzog | Profanation ded Abendmahls durch ungläubige 
von Cleve ald Rector an die neubegründete Schule | Communicanten; abgejegt 1828, eröffnete er eine 
zu Düfjelborf berufen, die unter ihm bald bedeu: | Kapelle und bildete eine von der Staatäfirhe un: 
tenden Ruf und eine ungemein große Schülerzahl abhängige, raſch aujblühende Gemeinde. 1838 zum 
(an 2000) erlangte. Da er derreligiöjen Erziehung | Profeſſor an der reformirten Facultät zu Dion» 
beim Jugendunterricht einen jehr hohen Werty |tauban ernannt, wirkte er zugleich als Prediger 
beilegte, verfaßte er für feine Schule mehrere fa: | und Neijeprediger in Süpfrantreid, bis er 1847 
techetijche Handbücher, darunter jein legtes und | nad) Paris als Prediger berufen wurde, Nach einer 
bedeutendftes: Catechismus, in quo Christianae | unermüdlichen und gejegneten Wirkſamkeit unter: 
religionis elementa sincere simplieiterque ex- lag er 1856 einer langwierigen Krankheit, Bon 
plicantur, Düsseld. 1560. (Auf's Neue herausge- | jeinen Predigten erjchienen bie drei erften 1830, 
geben mit einer Einleitung durch Dr. Sad, Bonn | ihnen folgte eine Sammlung in einem Bande 1844. 
1847.) Weil er, obwohl äußerlid) noch farholifcy, | Nad) feinem Tode erſchienen Sermons par A. Mo- 
darin jeine calviniſche Ueberzeugung offen ausge: nod, 3 Vol. Paris 185559 und Les aujeux 
ſprochen, wurde Herzog Wilhelm, ver zwiſchen d'AdolpheMonoda ses amisetal'eglise, Sıprift: 
Evangelium und fatholiicher Kirche unentſchieden auölegungen, auf dem Krantenbette im Kreiſe ſei— 

in und herfchwantte, von den Jejuiten und dem | ner Freunde vorgetragen. Biele jeiner Predigten 
* gedrängt gegen M. einzuſchreiten. M.'S | find in's Deutſche übertragen, meiſt von Rehfuß 
t. 1564, fam den vom päpſtlichen Hofe überſ., Stuttgart. Der Apoſtel Paulus, 5 Reden. 
| Frantfurt 1554. Ausgew. Schriften. Bielefeld, 





Tod, 9. Sep 

beabjichtigten ernften Schritten zuvor. Ueber den | 

rajd) und weit verbreiteten Gatehismus entjpann | 1860—62. 8 Bde. . 

ſich eine heftige literarifche Fehde. Gegen denſelben Monod, Frederic Joel Jean Gerard, der Brus 

erichienen, veranlaßt durch die theologiſche Fakul- der des Vorigen, geb. den 17. Mai > zu Mon: 
‘ 49 





Monogamie 704 Monophnfiten 


naz, Kanton Wallis, war Baftor in Paris von | des Eutydes (ſ. d. A.) entwideli hatte. Die gegen 
1819 bis 1849, Als die Synode der franzöfifchen | diefen gerichteten Beſchlüſſe des 4. öfumentischen 
reformirten Kirche 1848 bejchloß von einem Glau⸗ Eoucild von Chalcedon (451) fanden von Seiten 
bensbekenntniß abzufehen, um eine Zerjplitterung | zahlreicher alerandrinifher Theologen heftigen 
der Kirche zu verhüten, trat Fr. Monod, welcher | Widerftand. In der Ueberzeugung, daf bie chal- 
damit das Fundament des dhriftlihen Glaubens | cedonenfifhe Formel, nad) welcher die Einheit der 
wanlen ah, mit dem Grafen Gasparin (Gasp., les | Berfon in zwei Naturen befteht, weldhe unver: 
interöts generaux du Prot. france, 1843; deutfch | miſcht und unverändert, aber auch ungetheilt und 
Eſſen 1843) aus der Landeskirche aus und ver: | ungetrennt vereinigt find, nothwendig zum Nefto- 
einigte etwa 30 Gemeinden auf einer Synode zu | rianidmus führe, hielten fie an der Lehre von 
Paris 1849 auf Grund eines neuen Glaubenäbe: | einer Natur feit. way ihr Name, Die größte 
fenntnifjfes zu einer freien Kirche, welde unab: | Verbreitung fand der Monophyſitismus zunächit 
bängig in Lehre, Disciplin und Eultus ſich ledig⸗ in Paläftina und Aegypten. Mit Hülfe von 
lich aus eigenen Mitteln erhält und durch eine alle | Mönchen und —— und begünſtigt von 
zwei Jahre tagende Synode und einen Synodal- der in Jeruſalem lebenden Kaiſerin-Wittwe 
ausſchuß rvepräfentirt wird. (Val. Hellmar in der Eudokia fette ſich hier der monophyſitiſche Mönch 
Ztſchr. für hiſt. Theol. 1851). + 30. Dec. 1868. Theodoſius an die Stelle des rechtmäßigen ortho— 
Außer einigen Predigten und kleineren Broſchüren doxen Patriarchen Juvenal. In Antiochien ſchwang 
redigirte M. bis zu feinem Ende die »Archives du ſich Petrus Fullo (yvapevs d. h. Walter, jo 
christianisme«, genannt von feinem Höfterlihen Gewerbe) auf 
Monogamie, Die Einehe war im A. T. nicht | den Patriarchenſtuhl und fchob die Formel „Gott 
gejeglich geboten, ging aber aus der fittlihen Ents | gefreuzigt für uns“, von daallgemein das Lojungs: 
widelung des Voltes allmählich von jelbft hervor, | wort der Monophyfiten, in die Liturgie ein. Sn 
fo daß nad dem Eril von Polygamie fich Feine | Alerandrien hatten die M. unter dem Presbyter 
Spur mehr findet. Auch das neue Teftament ge: | Timotheus Aelurus (d. h. Kater) und dem Diaton 
bietet jie nirgend ausdrüdlich, fie folgt aber mit Petrus Mongus (d. 5. Heifer) fi zunächſt von ber 
Nothwendigkeit aus der jhon von Paulus ent: | Kirche getrennt, dann aber auf die Nachricht vom 
wicdelten dee der Ehe. (Bgl. d. Art. Ehe). Tode Haifer Marciand 457 fih der Kathedrale 
Monogramm Chrifti, der, gewöhnlich aus den | bemädtigt, den Patriarchen Proterius erfchlagen 
beiden erjten griechifchen Buchſtaben (X und P) | und defien Sig durch Aelurus bejegt. Gegen den 
— n rt; 7 | Rath des römischen Biſchofs fo wie der Bamphi: 
zujammengejegte a vera des Erlöjerd. Die fifchen griff Haifer Leo (+ 474) ein, verbannte den 
gewöhnlichiten Formen defjelben find 'Betrud Fullo und ber Helurus 460 und tief 
u. oder Ku. Sh. | orthodoxe pr wählen. Dagegen beſchützte ber 
Die erftere Form ift heidniſchen Urfprungs, die | Ufurpator Baftlistus 476—77den Monophyſitis⸗ 
legtere ausſchließlich hriftlich, beide wurden bereitö | mus, den er jogar burd) ein Encyelion zur Staats: 
vor Conftantin vonden Ehriftenangemwendet. Dies | religion erhob. Zwar unterjchrieben dafjelbe alle 
fer nahm die erjtere in das Labarum auf, und griechiſchen Biſchöfe mit Ausnahme des Patriar: 
feitvem erfcheinen beide auf Münzen, öffentlichen | hen von Conjtantinopel Acacius, doc widerrief 
und Privatdentmälern, Gegenftänden des gemöhn: Baſiliskus es ſchon 477, um die von Acacius ge: 
lien Lebens und bejonderd auf Grabjchriften, | leitete Oppofition zu brechen. Kurz darauf erfolgte 
jehr häufig aud) mitjymbolifcher Beziehung. Späs indeß fein Sturz und an feine Stelle trat wieber 
ter kommt namentlich die erftere auch mit verän: | Zeno, der naturgemäß die Orthodorie begünftigte. 
berter Bedeutung z. B. Novoosrouos, Xprorievwv Nach dem Tode des Aelurus, 477, jegte er den 
ndaye (in der Verbindung mit rdaya) vor. — | frühern kaiferliden Gegenpatriarhen Timotheus 
Außer diejem Monogramm erſcheint ein andered | Salophaliolus wieder ein und verurtheilte den 
für den Namen Jeſus Chriftus und zwar bei den | von den Monophyfiten erwählten Petrus Mongus 
Griechen und Yateinern (in Bibelhandfchriften, | ald Empörer zum Tode. Dennoch gelang es diejem, 
Dentmälern, Bildwerten, Münzen) in der Form | der fich eine Zeit lang — hielt, . dem 
It ve f ; Tode des Timotheus mit dem Acacius fich zu ver: 
IC XÜ,, außerdem bei den Lateinern noch * ſtändigen und die Beſtätigung ſeiner Würde zu er: 
der For 3 XPS xpi langen. Um die ſtreitenden Parteien zu verjöhnen, 
} er IHS XPS * ihu —— erh dann der Kaifer, hauptſächlich auf Beran- 
bei dad H indeß das griedifhe J war). — |[affung des Acacius das jog. Henotifon, 482, ein 
EindrittesM. des Namen Jefuift bei den Griechen | Edikt, —— die ſtreitige ie durch eine zwei⸗ 
1 as IQ. 4⸗ ; I deutige Formel zu umgehen und die Einheit der 
IH, bei den Tateinern IHS; lebteres iſt na· Spaatatirche wieder herzuftellen fuchte. Damit 
mentlid) jeit dem Ausgange des Mittelalters ehr | aber war keine Bartei zufrieden ; zuvörderft fagten 
verbreitet, jeit Bernhardin von Siena es bei feinen | ich die ftrengen M. von Mongus, der die (jormel 
Predigten zur Öffentlihen Verehrung ausgeftellt ‚ ebenfalls unlerſchrieben, [08 und bildeten die Bar- 
hatte. Mit dem Kreuze verbunden warb es in der | fei der Akephaler (ohne Haupt). Die 3* 
Form IMs ſeit 1541 das Siegel des Jeſuitenor⸗ fanden ihren Anhaltan Bapft Felix III, der über den 
den3. Vgl. Mamachi Orig. et antiq. christ. LILL. | Batriarden in Conftantinopel 484 den (aläbald 
Münter, Sinnbilder und a Te der von diefem erwiderten) Bann ausſprach und bie 
alten Chriften. Altona 1825. Piper, Mythologie | Gemeinſchaft mit der miorgenländijchen Kirche 
und Symbolik der riftl. Kunft. Bd. 1 u, 2. 1847 | aufhob. Der Kampf der firchlichen Parteien wurde 
und 1851. nun in Bollsaufftänden auf die Straße gebracht 
Monophyfiten, die Anhänger der Lehre von |und in Palaft- und Refidenzrevolutionen ausge ; 
einer Natur in Chrifto, die fih zunächft aus der | fochten. Kaiſer Anaftafius, 491—518, hielt das 








Monophyfiten 


Henotifon zwar mit Zähigteit feft, neigte fich aber 
immer mehr bem Monophyfitismus zu. Die Häup: 
ter der Atephaler, Zenajas (Philorenus) aus Tahal 
in Berfien, Bifchof von Mabug (Dieropolis) und 
Severud gewannen in Antiohien die Meberhand, 
Severus konnte jelbit in Conitantinopel die Eins 
fügung der monophyfitifhen Formel ins Trisha- 
gion durdfegen, der Batriarch Macedonius wurde 
abgejegt, an jeine Stelle trat Severus und eine 
Synode zuSibon, 512, verdammte fogar die Be: 
ſchlüſſe von Chalcevon, fo daß die Monophyſiten in 
allen morgenländifhen Kirchen die Herrichaft er: 
langt hatten. Jedoch nöthigte der Aufftand des 
Feldherrn Vitalianus, der ſich an die Spike ber 
unzufriedenen Orthodoren geftellt, bereit8516 dem 
Anaftafius das Verſprechen ab, den kirchlichen 
Frieden mit Rom durch Anerfennuma der Beſchlüſſe 
von Chalcedon wieder herzuftellen. Sein Nachfol⸗ 
ger Yujtin I. (518— 27) führte das Berfprechen 
au3 519, die monophufitifchen Bifchöfe wurden ent: 
fegt und flohen nad; Aegypten. Unter Juitinian 
527 —565 gelang es zwar durch die Begünftigung 
der Raiferin Theobora, den Monophyfiten Anthi: 
mus 535 zum Patriarchen von Gonftantinopel zu 
erheben, ald aber Papſt Agapet ihn von der Kir: 
chengemeinſchaft ausſchloß, ward er durch den liber 
die erfahrene Täuſchung erzürnten Juftinian ent: 
ſetzt 536, und die kaiſerliche Beftätigung der unter 
dem neuen Patriarchen Mennas gehaltenenSynode 
zu Conftantinopel fügte dem kirchlichen Verdam—⸗ 
mungäurtheile das ftaatliche Verbot der Ausbrei: 
tung desM. hinzu. Aus den Intriguen der unter: 
legenen Bartei ging dann noch der theopaschitifche 
und Dreicapitelftreit (f. d. A.) hervor, in weldem 
Rom die Sadje der Orthodoxie aufrecht erhielt. 
Dem Borhaben Juftinians, zur Vermittlung der 


—— die Lehre der monophyſitiſchen Aph⸗ 


thartodofeten (f. d. A.) als Dogma in die Kirche 
einzuführen, kam fein Tod zuvor. Erleichtert war 
der Sieg der Chalcedonenfer durch die Spaltun- 
gen unter den M. felbft. Ueber bie Frage, ob der 
Leib Chrifti vor der Auferftehung verweslich oder 
unverweslich gewejen jei, ftritten ſich die Severia- 
ner, (Theodoſianer, Pseprolarguı, Anbeter des 
Bergänglihen) und die Yulianiften (Gazaniten, 
Apsaprodoxärau, eg rg Ir ten). Bon den Letz— 
teren lehrten wieder die Aftifteten, Chriſti Fleiſch 
ſei vom Augenblid feiner Verbindung mit dem 
Logos unverweslich geweſen, das Gegentheil be: 
haupteten die Ktiftolatren. Ebenfo entitanden über 
die niederen Seelenfräfte Chriſti Zehrtreitigfeiten. 
Die Agnodten, Anhänger des Diacon Themiſtius 
in Alexandria Iehrten, Chrifti Seele fei uns in 
Allem, auch im Nichtwiſſen, gleich gewejen. Weitere 
Streitfragen entitanden über das ai era 
Ehrifti zur Trinität. Die Tritheiften oder Condo— 
bauditen (jo genannt von ihrem Verſammlungs⸗ 
orte) lehrten mit Johannes Askusnages in Con: 
ftantinopel und Johann 
nität jei jeder Perfon eine Natur zuzufchreiben und 
bie brei Perſonen verhielten fich zur Gottheit, wie 
Einzeldinge zur Gattung. Unter ihnen entftanden 
dann wieder über die berg un des Fleiſches 
abweihende Meinungen; die Kononiten nämlich 
erklärten nur bie Form, die Philoponiſten Form 


und Materie des Körpers für verweslih. Die 


Patriarchen Damianus von Alerandrien (Ange: 
fiten, von der Stadt Angelium) und Petrus Kals 
finifo von Antiochien ftritten über das Verhältniß 


705 


ı 


| Matthäus bei Moful. Ihre früher fehr zahlreiche 


biloponus, in ber Tri« | 


Monotheisinug 


ber Berfonen zur Gottheit ; dieNiobiten (von ihren 
Stifter Stephanus Niobus) endlid wollten gar 
feinen Unterjchied verjchiedener Beſtandtheile in 
der Natur Chrifti anerkennen; von den Monophy: 
fiten wie Chalcedoniern gleiherweife verdammt, 
gingen fie zulegt meift zu legeren über, 

Zuerſt trennten fi die Armenifhen Nonophy- 
fiten förmlich von der oſtrömiſchen Kirche, als durch 
ihre Unterftügung Armenien unter perfifhe Herr: 
Ihaft gerathen war. Die Synode zu Thiven 536 
verwarf die Beitimmungen des Concils von Chal: 
cedon. Die Kirche fteht unter dem Katholikos zu 
Etſchmiazin, unter ihm die Biſchöfe von Sis und 
Jeruſalem, früher auch der jegt unabhängige 
Biſchof zu Conftantinopel. Ein Theilder Armenier 
bat ſich 1439 zu Florenz mit Rom vereinigt und 
fteht unter eigenen Patriarchen zu Eonftantinopel. 
Das Hauptland des M.'S blieb Aegypten; unter 
Juftinian trennten ß die dortigen M. von der 
Kirche und nannten ſich Kopten, ihre Gegner Mel— 
chiten (ſ. d. A.) Aus Haß gegen die Griechen 
ſchafften ſie die griechiſche Sprache im Gottesdienſte 
ab und beförderten 640 die Eroberung des Landes 
durch die Sarazenen. In Verbindung mit ihnen 
ſteht die — —— Kirche, deren Metropolit (Abu: 
na d. h. unſer Bater) vom Batriarhen von Aleran: 
drien — In Syrien wurde die M.Kirche 
duch Jacob Baradai (f. d. A.), 541 Bifchof von 
Edefja und bis 574 Oberhaupt aller orientalischen 
M., organifirt; nad) ihm nannten ſich die ſyriſchen 
M. Jacobitifche Chriften. Neben dem Batriarchen 
von Antiochien, der feinen Sig früher in Amida 
(Diarbelir), jet in Zaphran bei Mardin (in der 
Nähe von Bagdad) hat, jteht an der Spige der Kirche 
der Maphrian, ſonſt in Tagrit, jegt im Klofter St. 


Kirche ift jeher zurüdgegangen und in todtem For— 
| menmwejen erjtarrt. Ein Theil hat ſich mit Nom 
' 1646 unirt und befigt einen Patriarchen zu Aleppo 
in Syrien. Vgl. Assemani de Monophysitis in 
der bibl. orient. Il. Baur, Trinitätslehre, 2, Bo. 
Dorner, Lehre von der Berjon Chrifti II. Hefele, 
Conciliengeſchichte, 2. Bd. Giejeler, Monophys. 
vett. varlae de Christi persona opiniones 1835 
bis 38. A, Maii Scriptorum vett. nova collectio. 
Bd. VII. 

Monoteffaron, ein häufig gebrauchter Bücher: 
titel, bezeichnet eine harmoniſtiſche Zufammenitel: 
lung aus den 4 Evangelien. S. den Art. Harmonie 
ber Evangelien. 

Monotheismus ift der Glaube und die Lehre, 
daß es nur einen Gott gibt im Gegenjat zum 
Polytheismus, der Vielgötterei. In der Entwid: 
lung der Eultur verhält ſich Monotheismus zu 
bem legteren wie die höhere Stufe zurniedrigeren. 
Das ſich jelbft überlaffene, ungebildete religiöie 
Bewußtſein der Völfer bildet fid) feine Borftellun: 

en den Eindrüden gemäß, welche es aus der 
ußenwelt empfängt; da aber dieje auf niedriger 
Eulturftufe nicht jomohl als Einheit, als vielmehr 
nod) als zeritücte und zerriffene Mannigfaltigteit 
erſcheint, jo fpiegelt fih in demjelben audy die 
überfinnliche Welt in ebenjovielen Öejtalten wieder, 
als die fihtbare Welt Eriheinungdgruppen dar: 
| bietet. Jede Menge von Kraftäußerungen und 
Wirkungen wird auf je eine göttliche Urſache zurüd: 
Na ei ohne dab dad Denken im Stande wäre, 





ich alle dieje Caufalitäten in einer höchſten Ur: 
ache zu verknüpfen. Je mehr aber das Denken zur 


Monotheleten 


Ahnung eines allgemeinen, einheitlihen Princips 
in der Weltordnung gelangt, defto näher rlidt e3 
aud der Vorftellung einer einheitlichen Gottheit. 
Sp hatten bie tieffinnigen Inder in der dee des 
Brabmafchon frühzeitig ein einheitliches Weltor'n: 
cip gefunden ; aber ed war eben auch nur ein Brin» 
cip in abftractefter Form, ein Pantheismus, wel: 
her noch nicht zu einem lebendigen Gotteäbegriff 
durchzudringen vermochte. In aleicher Weiſe bat die 
griechiſche Vhilofopbie von Anfang an die Errei- 
hung eines einheitlichen Weltprincivs angeitrebt, 
aber es ift ihr nicht gelungen, dieſe Forderung 
des Dentens mit dem religtöfen Bemußtfein in 
Einklang au fegen, der Polytheismus blieb neben 
einem mächtigen monotheiftifhen Triebe, welcher 
fich felbit in der Mythologie aeltend madt, unan- 
getaftet ftehen Das jüdiſche Volk allein ift im Al— 
terthum im Stande gemefen,bie monotheiſtiſche Idee 
zu erfafien und fie zum Gemeinqut des Vollksbe— 
wußtſeins zu machen. Spuren des hebr. Monoth 

führen bis zu der dunkelſten Vorzeit zurück; im 
Gegenſatz zu feinen gögendienerifchen Verwandten 
in Chaldäa hält fhon Abraham an dem einen 
Schusaott ſeines Haufes feſt; aber erft durch 
Mofe ift der Monoth. feft begründet worden, ald 
bie Grundlage der Religion und des nationalen 
Lebens (2, Mof. 20, 2. 3;5 Moſ.6, 4). Daß auch 
beim hebr. Volke die Entwidlung vom Polytheis 
mus zum Monoth. fortichritt, ift vom gefchichtlichen 
Standpuntte mahrfcheinlich, wenngleich ein ficherer 
Anhaltspunkt dafür in dem Plural des Gottes: 
namens: DYTON ober in Stellen wie 1.M.1,26 


nicht gefunden werben fann. Aber auch ber 
durch Moſes begründete, durch die Propheten 
vertiefte Monotheismus hat fich durch den ein: 
Ieitio nationalen Standpuntt ber bebräifchen 

eligion in die Gefahr einer erneuten Berüh: 
rung mit dem Bolytheiämus begeben. Mit dem 
Begriffe eined Nationalgot‘es mußte ſich leicht die, 
wenn auch verfchwiegene, zumeilen aberaud aud: 
rien won (2 Mof. 19, 4,22, 20; Richt. 11, 24) 

orftellung fremder Nationalgötter verbinden. 
Erft der Univerfaliämus bes Chriſtenthums hat 
die monotheiſtiſche Idee zur vollen Geltuna ge: 
bracht; erft menn Gott der Gott aller Menſchen 
wird, wenn alle Lebensgebiete zujammengefaht 
werden unter ber Einheit der Gottesidee, erft wenn 
alles Bartifulariftifche und Anthropomorphiftifche 
von Bott abgefireift ift, ift auch die volle logische 
Ausbildung des monotheiftifhen Princips mög: 
fid. Durch den Gnoſticismus ift wieder ein neuer 
Polytheismus auch in die chriftliche Idee hineinge: 
rathen, und die Theologie hat ſich durch die —— 

ſſung der Trinitätslehre vor demjelben nicht 
immer rein bewahrt. Die neueren fpeculativen 
Begriffäbeitimmungen fiber die Bottesidee ruhen 
et dem monoth. Brinciv in erfter Linie; ſetzen fie 
auch innere Unterjchiedenheiten in dem Gotteöbe: 
ariff, fo halten fie doch feſt an der Einheit des 
Wefens, des Bemuhtfeind und der Thätigfeit. Je 
ceonfequenter der Monotheismus ausgebildet wird, 
defto ethiſcher ift der Charalter der darauf gegrün: 
beten Religion, Das jittliche Bemußtfein beruht 
auf der Einheit der fittlihen Weltordnung, welche 
ihrerfeitä wieder bedingt ift durch die Einheit in 
der Gottesidee. 


Monotheleten. Der Monotheletismus ift,menn 
aud) aus dem Dyophyſitismus hervorgegangen, 


706 


Monotheleten 


ein Ausläufer des Monophyſitismus und zum 
größten Theil die Frucht byzantiniſcher Kichen- 
politif. Die religiöfen Kämpfe batten fich natur= 
gemäß auch auf das politifche Gebiet verpflanzt 
und ihre nächite Folge war Aufruhr und Anarchie 
in den verfchiedenften Theilen des Reiches, die zu— 
(et für den Beftand und die Einheit deflelben der 
bedrohlidhiten Charafter annahmen. Namentlich 
aber fchienen die Befürchtungen aerechtfertiat, daß 
fi Aeaypten, wo der Monophyſitismus faft un— 
eingeſchränkt herrichte, von dem orthodoren Hofe 
in Byzanz losſage und ein eigenes Reid gründe. 
Diefer Gefahr, die bei den fortgejekten Kämpfen 
mit ben Perſern um fo arößer wurde, fuchte 
Raifer Heraclius (611 — 641) durch eine Berjöh- 
nung des firchlichen Zwiefpaltes vorzubeugen. 
Dazu ſchien die Lehre geeignet, daß troß der amei 
Naturen in Ehrifto nur ein Wille angenommen 
werden dürfe, Nach längeren Verhandlungen mit 
den monophyfitiichen Patriarchen Paulus von Ar: 
menien und dem Metropoliten Arcadiuß von Cy— 
pern, jo wie mit den orthodoren Patriarchen Ser- 
gius von Eonftantinopel und Cyrus von Aleran: 
drien wurde mit den Aegyptiſchen Severianern 
633 ein Vergleich geichlofien, welchem jene Lehre 
w Grunde lag, und deflen Annabme von den 
andern monopbpfitifhen Barteien durch Gewalt⸗ 
maßregeln erimungen. Der paläftinifhe Mönd 
Sophronius griff aber bie Formel ala der Ortho— 
dorie mwiderjprechend an, und ließ, als er 634 
Batriarch von Jeruſalem gemorben, fie von einer 
Synode verdammen, weil zwei Naturen auch zwei 
Wirkungen, alſo m Willen, bedingten. Auf Be- 
treiben des Sergius ſprach fi Honorius von Rom, 
wenn auch mit dem Rathe, das Ganze als eine 
überflüffige Spekulation fallen zu laffen, für den 
Monotheletismus aus, jo daß Heraclius 638 ein 
neues, wahrjheinlich von dem Patriarchen Ser: 
aiusverfaßtes Glaubensbekenntniß, die jogenannte 
Er$eos niorews (Audeinanderjegung des Glau⸗ 
bens) publiciren konnte, welches, zweideutig abge: 
faßt, allen Streit Über die Frage verbot und bie 
Lehre von einem Willen in Chriſto ausſprach. 
Sophroniushatte inzwischen Unterhandlungen mit 
Rom angelnüpft; fie wurden aber in Folge der 
Eroberung Baläftinad und Aegyptens durch die 
Muhammedaner hald abgebrodhen. Während er 
durch diefe Ereigniffe aus der Verbindung mit ber 
hriitlichen Welt gebracht war, wirkten in feinem 
Sinne im Drient und Decident feine Anhänger 
Stephanus und der Abt Maximus. Letzterer über: 
führte auf einer Berfammlung vieler afrifanijher 
Bifhöfe in Nordafrita den Nachfolger des 630 
aeitorbenen Sergius, Pyrrhus von Conftantinopel, 
feines Irrthums; im nächſten Jahre verdammie 
dann eine afrifanifche Generalignode einftimmia 
den Monotheletiömus. Inzwiſchen hatte nad dem 
Tode des Papſtes Honorius 638 auch Rom fi 
gegen den Monotheletiömus erflärt. Schon Jo: 
bann IV. verlangte 641 von dem Nachfolger des 
Heraclius, Conftantin IIL., die Zurüdnahme der 
Ektheſis; Papſt Theodorus (642 — 655) richtete, 
aufgefordert von den Airifanern, daſſelbe Berlan- 
gen an Raifer Conſtanz II,, mit der Drohung, die 
Conitantinopolitanifhe Kirde aus der Gemein: 
ſchaft auszuſchließen; zugleich fandteer den Biſchof 
Stephanus von Dornad) Baläjtina, um allemono:» 
theletiſchen Biſchöfe und Geiſtliche abzuſetzen. Unter 
dieſen Umftänden nahm Conſtanz die Ektheſis 643 


Monſtranʒ 


zurück, jegte aber an ihre Stelle ven ſog. Typos 
rörnog ris riorewg, der alles Gezänk über die 
Lehre von neuem verbot und den alten Lehrbegriff, 
mie er vor dem Streite herrfchte, wieder herftellen 
wollte. Rom beantwortete den Typos mit dem 
Bann gegen den Patriarchen Paulus von Conitan- 
tinopel alö den muthmaßlichen Verfaſſer deflelben, 
und feste auf der erjten Lateranfynode 649 den 
Dyotheletismus (die Zweiheit des Willens) ald 
Kirchenlehre feſt. Bergebens ließ der Kaifer den 
Bapjt Martin. (649—655) durch den Statthalter 
Kalliopas gefangen nehmen und eriliren 653, den 
Abt Marimus grauſam verftümmeln ; Bapit Adeo: 
datus (672 —676) bannte den griechiichen Patriar⸗ 
hen und trennte fich vom Oriente. Um diejen bei 
der wachſenden Macht des Islam immer gefähr: 
liheren Riß auszugleichen, berief Conftantin IV, 
(Bogonatus) 680 das erjte trullanifche, 6. öfumen. 
Goncil (dev Name von demDrt, wo die Sigungen 
gehalten wurden, einem fuppelförmig gewölbten 
Saal, Trullus, des kaiferlichen Palaftes). Ein dog: 
matiſches Schreiben des Papſtes Agatho (678—81) 
bildete die Grundlage der Befchlüfie, die den Mono: 
theletismus verdammten, und mit allen Monothe 
leten auch Honorius von Nom anathematifirten. 
Somohl Rom als auch) ſpäter das zweite Trullanifche 
Concil (das jogenannte fünffehäte)692 beftätigten 
die Bejchlüffe. Noch einmal erzwang Kaifer Bhilip- 
pifus Bardanes auf einem Concil zu Conftanti- 
nopel 711 einen Sieg der M. und die Verwerfung 
des 6. Concils, aber bei jeinem Sturze 713 wur: 
den die Befchlüffe diejer Synode vernichtet. Seit: 
dem ging ber Monotheletismus unter, hat fich 
en. den Maroniten auf dem Libanon erhal: 
ten. Vgl. Mansi X. XL., Gallandi biblioth. patr. 
XIHL, Combefis, Novum auctar. patrum h. 3. 
Baur, Trinitätslehre, Bd. II., Dorner, Chrifto: 
logie II. 1. 

Mouflranz. Ein Kirchengefäh, bejtimmt, die 
Hoftie, oder auch Reliquien zu bewahren, die dem 
Volke zur Verehrung gezeigt werden jollen. Haupt: 
beſtandtheil derfelben iſt die Lunula, ein halbmond⸗ 
förmiges Geſtell, welches in einem durchſichtigen 
Gehäuſe, das wiederum von einem größern kunſt⸗ 
reih verfertigten umjchlofien wird, die Hoftie 
trägt. Die Monftranz, welche umbergetragen, auch 
auf dem Altar niedergeftelt werden ldann, ift 
meijt von koſtbarem Stofe, alfo Gold oder Silber 
N: und nicht jelten mit Edelſteinen 
und Perlen verziert. Bor dem Gebrauche wird fie 
benebicirt, 

Montalembert, Charles Forbes, Graf von, Bair 
von Frankreich, geb. 1810 zu Paris, hat fich einen 
Namen erworben als Vertheidiger des Ultramon: 
tanismus und deſſen Verbindung mit dem Repu⸗ 
blitanismus, ſowohl ald Schriftiteller wieald Mit: 
glied der gejekgebenden Berjammlungen. Bon 
Kerifalem Standpunfte aus befämpfte er nament: 
lid das von PBillemain 1840 vorgelegte Unter: 
richtsgeſetz und vertheidigte hierbei befonders die 
Jeſuiten. Seit 1851 ift er Mitglied der Afademie. 
In neufter F iſt er im Gegenſatz zu ſeinen 
früheren Anſchauungen vielfach als Wortführer 
einer freieren Anſchauung im Katholicismus auf: 
getreten. Seine Werke erſchienen geſammelt Paris 
1861. Daraus beſonders hervorzuheben: histoire 
de S. Elisabeth de Hongrie 1836, deutſch von 
Stäbtler, Aachen 1836. 2. Aufl. 1845; Du van- 
dalisme et du catholicisme dans les arts, 1840, 


107 





Montaniiten 


Les moines d’oceident 1860—62, Trois dis- 
cours prononces & la chambre des Pairs. Paris 
1844. 

Montaniften. Der Name nüpft fi an Mon: 
tanus, welcher zu Pepuza in Phrygien um 170 
verbunden mit 2 Prophetinnen, Maximilla und 
Priscilla, auftrat. Sie verfündigten den unmit: 
telbar bevorjtehenden Eintritt der Wiederkunft 
Chrifti und eine neue Ausgießung bes h. Geiftes 
zur volllommenen Bollendung des Chriftenthums, 
die ſich in einer efftatifchen und vifionären Pro: 
phetie fundgebe, und forderten eine de Sit: 
tenjtrenge und Bußdisciplin. Namentlich ſchrieben 
fie geihärfte Fasten vor, verwarfen unbedingt die 
zweite Ehe, empfahlen die Ehelofigkeit, priefen das 
Märtyrerthun und leugneten, daß nad) einer Tod: 
fünde eine Vergebung und ein Berbleiben in der 
Kirche zuläffig jei. Mit der neuen Ausgießung des 
Geiftes ift der Höhepunkt göttlicher Offenbarung 
erreicht: war das altteftamentlihe Zeitalter das 
Kindesalter, das Evangelium das Jünglingsalter, 
fo ift der Montanismus das reife Mannesalter 
des Reiched Gottes. Montanus nämlich ift der 
von Chriſtus verheißene Baraflet, feine Anhänger 
nennen fi mwevuerızoi nid 3 rg den 
Yoyıxoi. Die Richtung war eine Heaction gegen 
die, bei ihrer größern Ausbreitung nothwendig ge: 
wordene Nachgiebigkeit der Kirche an Sitte und 
geiichtlic gewordene — owie gegen 
ihre Conſolidirung in äußerlicher Zucht und hier: 
archiſcher Verfaffung. Sie faßte nur die Ideen zu: 
ſammen, welche immer inder Kirche gehegt worden, 
und verlangte die Durchführung von Grundſätzen, 
die in derjelben ftet3 Geltung behalten hatten. 
Sie wurde aber aus ber Kirche herausgedrängt, 
weil fie die Prophetie ald unmittelbare Wirkung 
des h. Geiftes über die Autorität der Bifchöfe ftellte. 
Im Abendlande wurde das Chriftliche in ihr nicht 
verfannt — (die Briefe der Gemeinden von Zug: 
dunum [Xyon] und Vienne an die römische und die 
Heinafiatiihen) und ein römischer Bilchof, wahr- 
ſcheinlich Eleutheros (170 — 185), foll ſchon im 
Begriffgeitanden haben, den Montanismus kirchlich 
anzuerlennen, als der Monarchianer Praxeas durch 
gehäffige Schilderungen ihn umſtimunite. Die Mei: 
nungen der Montaniften find zunächft durch Ter: 
tullian, der in Carthago zuihnen übertrat, befannt 
geworden. Aus deutlihen Spuren (Märtyrer: 
Acten der Berpetun und Felicitas) geht hervor, 
daf in der afrifanifchen Kirche montanifirende An: 
ſichten früher feinen Anſtoß gegeben hatten; wie 
denn auch die Kirche, obwohl jie den M. verworfen 
bat, in ihrer Ethik und Asketik immer wieder auf 
feine Sätze zurüdgefommen ift. Die M. hatten 
eine eigenthümliche Kirchenverfafjung ; an der 
Spitze jtanden die Patriarchen, ihnen folgten die 
Genonae und erftanderdritten Stelle die Bifchöfe. 
Andere Bezeichnungen der M. find Kataphrygier 
(die urfprüngliche Bezeichnung, nad) dem Drtedes 
erften Auftretens der Richtung), Duintilliani, Pris 
eillianiften, Artotyriten, Tascodrugiten. (S. d. A. 
In Afien erhielten fi) ihre Gemeinden bis ins 6. 
—— Quellen: Euſebius, Kirchengeſch. V, 

;piph.Haer, 48, 49. Tertullian's Schriften. Vgl. 
Schwegler, ber Montanidmus und die hriftliche 
Kirche des 2, Jahrh., Tüb. 1841. Ritſchl, Ciit: 
kehung ber altfath. Kirche. S. 462 ff. Baur, das 

ejen des Montanismus, Theol, Jahrb. 1851. 
Neander, Antignofticus, 1349 und Lipſius in Hit 


Montanus 


— Be für wiſſenſchaftl. Theologie, | 


Montanus, Benedict., eig. Arias, geb. zu Frexe⸗ 
nal de la Sierra in Eftremabura 1527. Trat in 
ben Drben von S. Jago und begleiteteden Bifchof 
von Sevilla zum Goncil von Trient. Nach der 
Rücklehr zog erfich in die Einſiedelei von Aracena 
zurüd; hilipp II. aber vermochte ihn, dieſelbe 
wieber zu verlaffen und übertrug ihm, wegen feiner 
audgezeichneten Kenniniſſe, ſowohl in ben orienta: 
liihen wie auch den neueren Sprachen bie Leitung 
bei der Herauägabe ber Antwerpener Polyglotte, 
1568— 72, Weiler gegen Leon de Caftro den Bor: 
zug des hebräifchen Terteö vor der Bulgata ver: 
theibigte, aud die Targumim in bie Polyglotte 
aufgenommen hatte, mußte er fi in Rom gegen 
die Anklage der Fälſchung bes Bibelterted und 
ber Hinneigung zum Judenthum vertheidigen. 
Freigeſprochen, ver ein Bisthum ab und warb 
nad kurzem Aufenthalt in feiner Einſiedelei 
Bibliothefar im Eskurial. + ald Comthur von 
©. —FJ 1598 zu Sevilla. Vgl. Biogr. universelle, 
8. 11. Art. Arias, 


Montauban, Hauptſtadt be3 Departements 
Tarn⸗Garonne, gehörte zu ben Sicherheitäplägen 
ber Hugenotten und wurde als folder 1580 und 
1621 belagert und die Bewohner hart bedrängt. 
Die in der Reformationdzeit dafelbft errichtete, 
fpäter —— theologiſche Alademie wurde 
1809 von Napoleon als die einzige Bildungs⸗ 
anftalt der franzöftfch:reformirten Kirche wieder 
bergeftellt. Die Facultät iſt ftreng orthodor. y 
berühmteftedMitgliedwar Ndolphe Monod.(f.d. X.) 

Monte: Gajfino, dad Stammtlofter des Bene: 
bictiner:Ordens, auf einem Berge bei dem alten 
Castrum Casinum in Campanien gelegen. Hier: 
binüberjiedelteBenedict von Nurfia, alder vor den 
Nachftellungen und Berläumdungen bed Prieſters 

lorentinus Subiaco verließ. An der Stelle eines 

pollo:Tempeläundeines Haind der Benus, bie er 
zeritörte, baute er eine dem h. Martin gemeibte 
Kapelle und bald darauf ein KHlofter für ſich und 
—* Begleiter 529, deren —— * er durch 
eine ſo berühmt gewordene Regel (ſ. d. U. Bene: 
Dictiner) ordnete, und bis zu jeinem Tode 543 ala 
Abt leitete. Beim Einfall der Longobarden, 580, 
ward M.C. zerftört;; die Mönche fanden in Rom 
Aufnahme und gründeten ein Klofter neben dem 
Duirinal. In ben Ruinen von R.:E. lebten fortan 
nur Anadhoreten Grit um 720 baute auf Anre: 
gung Gregor's II. der Breöcianer Petronax das 
Klojter wieder auf und wurde deſſen Abt, + 740. 
Unter feinen Nachfolgern wurde Monte: GCajfino, 
begünftigt durch viele päpftliche Privilegien, eine 
ber wichtigjten Pflegeitätten für alle höheren wif: 
fenihaftlichen Beitrebungen und das Vorbild aller 
Klofterftiftungen. Diefe Zeit endigte jevod 884, 
al3 die Sarazenen das Klofter zerftörten und bie 
Griehen 886 den Verſuch des Wiederaufbau 
inberten. Die Mönche lebten erft zu Teano big 

15, dann zu Capua; auch in fittliher Beziehun 
— der Orden immer mehr in Verfall. Er 

bt Aligernus (949-986) richtete M.:C. wieber auf, 
fammelte bie verftreuten und geraubten Kloſter⸗ 

üter, und ftellte wieder Zucht und Ordnung ber, 
0 daß er der dritte Gründer M.C.'s genannt 
wird, Unter feinem prachtlichenden und ſchwel⸗ 
eriihen Nachfolger Manfo, 986 — 996, und ben 
olgenden Aebten ſank jeboch ſowohl die Disciplin 


708 


Montfaucon 


wie bie ag Wer Bedeutung bed Klofters 
aufs tiefite. oh einmal richtete Defiderius 
(1058—87, nachher Papſt Victor III.) Disciplin 
und Studium und damit aud das Anfehen bes 
Klofterd wieder auf; neue Schenkungen vermehr: 
ten den Reichthum beffelben, hatten aber bann 
aud) wieber ben inneren Verfall des Ordens zur 
Folge, bis Friedrich II. 1239 die Mönche vertrieb 
und das Klofter bejegte. Abt Bernharb Ayglerius 
von Lyon, ber Verfaſſer des speculum monacho- 
rum reorganifirte ed 1276. Goeleftin V. verfuchte 
1294 die Montecaffiner in Eoeleftiner umzuwan ⸗ 
dein, fein Nachfolger jedoch hob die Neuerung 
wieder auf. Johann XXII. erhob 1321 den Abt 
zum Bifchof, Die Kirche zur Cathedrale, die Mönche 
iu Cathedralkanonikern; auch dieſe Erhöhung 
onnte indeß dem Verfall des Kloſters nicht web: 
ren; unter den Stürmen ber Zeit und ber allge: 
meinen Zerrüttung des Landes fanf ed immer 
mehr, bis zuletzt 1349 ein Erdbeben das Stift 
völlig zerſtörte. Urban V., der fich felbft zum 
Abt von M.C. erflärte, ftellte e3 nochmals aus Bei: 
trägen aller Benedictinerflöfter wieder her und 
bejegte ed aufs neue 1370. Aber auch jet fonnte 
M.⸗C. unter den Zuftänden und Berhältniffen bes 
15. Jahrhunderts nicht mehr zu rechter Blüthe 
elangen, vielmehr rettete nur ber von Bapft 
ius II. befohlene Anſchluß an bie Benebictiner: 
congregation ber 5. Juftina ed vor völligem Un» 
tergang. Die Geſchichte von M.:C. ſchrieb Luigi 
Tosti, Storia della Badia di M.-C. 3 Vol. Neap. 
1842 — 43. Erasmo Gattalla + (1734). Benedig 
1733—34, 

Montes pietatis (Monte de Pieta, Table de 
Pret), urfprünglich milde Stiftungen, begründet 
um Armen gegen ein zureihenbes Pfand zind 

ie Darlehn zu gewähren und fie jo vor dem 

ucher zu [hüßen, fpäter rein weltliche Auftalten, 
unfere Feuti en Leihhäuſer. Das erfte ftiftete 
der Minorit Barnabas zu Perugia 1464. Paul IH. 
betätigte die Stiftung. In Rürnberg entftand 
1498 das erfte beutfche. 

Montfaucon, Bernard be, (Montefalco, Mon- 
tefalconius) berühmter Mauriner. Geboren aus 
abligem Geſchlechte auf dem Schloffe Soulage in 
Languedoc 1655, wurde er jorgfättig erzogen, 
nahm dann Kriegädienfte unter Zurenne 1672, 
trat jedoch 1676 in das Klofter ver Mauriner la 
Daunabde zu Touloufe. Seine mwifjenjchaftlichen 
Arbeiten erregten die Aufmerkſamkeit der Obern; 
1687 ward er nad) Paris berufen, um an ber 
Herausgabe der griechijchen Kirchenväter Theil zu 
nehmen. Er jtubirte nun die orientalifcdhen 
Spraden, burchforfchte 1698— 1700 die Biblio» 
thefen Staliens, bei welcher Gelegenheit er von 
Innozens XII. mit der größten Auszeichnung aufs 
genommen wurde. Angebotene Ehrenitellen ſchlug 
er aus und lehrte nad) Paris zurüd, um gang ber 
Wiſſenſchaft In leben. Geehrt und jeiner . 
ben wegen allgemein geachtet ftarb er hier 1741. 
Die von ihm beforgten Auägaben 2 
Väter ſind neben ſ. Erſtlingswerk, Analecta, sire 
varia opuscula graeca hactenus inedita. Paris, 
1688: Athanasii opera, mit neuer lateiniſcher 
Ueberjegung. Parid 1698. 3 Bde. fol. Collectio 
nova patrum et scriptorum graecorum. Paris, 
1707. 2 Bde. fol. (enthaltend ein Leben Atbana» 
find’, einige neuaufgefundene Schriften beffelben, 
diejenigen des Eujebius von Garfarea und bie 


Montpellianer 


Topographiachristiana be3 äguptifchen Möndhes 
Cosmas Tndico leustes); Herapla bes Drigenes 
mit Barianten, Anmerkungen, Abhandlungen über 
das Wert felbft und die Gefchichte der griechiſchen 
Bibelüberfegungen. Baris, 1713.2 Bde. fol.; Chry- 
sostomi, quae supersunt, mit neuer lateinifcher 
reg Biographie des Chryf., zahlreichen 
Roten, Einleitungen ic. Paris, 1718.13 Boe. fol,, 
die befte Ausgabe bed Kirchenvaters und eine ber 
meifterbafteften Arbeiten ber Mauriner. Philon, 
de la vie contemplative. PBariö, 1709. Ebenſo 
bebeutend, wie bie vorgenannten, find feine Arbei- 
ten in ber Alterthumswiſſenſchaft, u. a. Diarium 
italicum. Paris, 1702. Palaeographia Graeca. 
Baris, 1708, fol.; Bibliotheca bibliothecarum 
manuscriptorum nova. Paris, 1739. 2 Bbe. fol. 
Vantiquits expliqu6e et representee en figures. 
Baris 1719 u. f. 15 Bde, fol. Les monumentsde 
la monarchie frangaise, 1729 — 33. 5 Bde, fol. 
Bol. Taffin, Gelehrtengeichichte der Congregation 
von St. Maur, S. 591. ff. 

Montpellianer, Name einer 1723 zu Montpel: 
lier entitandenen Secte, bie fich felbft das neue Zion 
nannte. Unter dem Dedmantel ber Religion mur: 
ben in ben nächtlichen Berfammlungen bie abfcheu: 
lichſten Drgien gefeiert. Nach ber Entdeckung des 
Treibend warb ihm ein ſchnelles Ende gemacht. 
Bol. 3. von Huth, Berfud einer Kirchengeſchichte, 
be3 18. Jahrh. I. 

Moral, S. Ethik. 

Moralitäten hießen im Mittelalter diejenigen 
—— Dramen, welche nicht wie die Myſterien 

e bibliſche Geſchichte zum Vorwurf hatten, fon: 
dern an erfundenen Fabeln mit vorzugsweiſe alle⸗ 
goriſchen Perſonificationen bie ſittlichen Wahr: 
heiten veranſchaulichen wollten. In Frankreich 
ſeit etwa 1400 durch die confrörie de la Bazoche 
gepflegt, find fie in Deutfchland weniger in Auf: 
nahme gelommen. In Spanien bildeten fie in 
Lopez be Bega und Ealberon ſich aus zu den autos 
sacramentales. 

Morata, Diympia Fulvia, Tochter des Dichters 
F. Peregrinus, eine der gelehrteften Frauen des 
16. Jahrhunderts. M. wurde 1526 in 
tara geboren, und verlebte, ſchon ala Kind von 
ihrem Vater und feinen freunden im Lateinischen 
und Griehifchen unterrichtet, als Geſellſchafterin 
der Prinzeſſin Anna ihre Jugend in dem huma: 
niftifchen Kreife am Hofe Renata’3 von Ferrara. 
Durch den Tod ihres Vaters erfchüttert, wandte 
fie ſich zwifchen 1548 —50dem evangelifchen Glau⸗ 
ben zu. Ihrem Gatten, Dr. Anbread Gunthler, 
folgte fie nah Deutfchland. Erft in Augsburg, 
dann in Schweinfurt fonnte fie in ruhigem Still: 
leben ſich literarifch beichäftigen. Bei der Erftür: 


mung Schmeinfurt31553 wunderbar — kam 


Gunthler als Profeſſor nach Heidelberg, mo D. 
Ihon 1555 an ber Schwindfudt ftarb. Ihr Mann 
und ihr Bruder folgten ihr nad) wenigen Tagen. 
al. Bonnet, vied’Ülympie Morate. Paris, 1850. 
Deutih von Merfhmann, 1860. Ihre Gedichte 
in lat, und griech. Sprache bejorgte nad) ihrem 
Tode Eölius Sec. Curio unter dem Titel: Olym- 
piae Fulvise Moratae, mulieris omnium erudi- 
tissimae, latina et graeca quae haberi potuerunt 
monumenta. Bafel, 1558. 

Mord, bei den Hebräern. Im Delalog wird 
das Verbot zu töbten ohne Strafbeftimmung ge: 
aeben 2. Mof. 20, 13; 5. Mof. 5, 17; die befon- ' 


709 


Morganatiihe Ehe 


beren Beitimmungen entwidelten fi auf Grund 
ber 1. Mof. 9, 5. 6. vgl. 4. Mof. 85, 33. ge: 
gebenen Vorjhrift: „wer Menjchenblut vergießt, 
dur Menſchen fol fein Blut vergoſſen werben.“ 
Doc zwifchen dem einfachen Todtihlag und dem 
beabfichtigten und vorbedachten, d. h. dem Morde 
unterſcheldet auch das mojaifche Gejeg. Beijenem 
lann bie Bergeltung durch die Blutrache abgefauft 
werden, bei dieſem ſchüht auch die Freiſtätte des 
Aſyls nicht. 2. Mof. 21, 4; 4. Mof. 35,14.31.32. 
Kennzeihen des Mordes, wenn nicht ſchon Haß 
und Hinterlift ihn anzeigen 2. Mof. 21, 14; 4. 
Mof. 35, 20 ift das Inftrument, mit dem die That 
vollführt wird. 4. Mof. 35, 16—18. Ueber die 
Beurtheilung befonderer Fälle ſ. 2.Mof. 21, 18 ff. 
Selbftmord wird in der Bibel nur einigemal_er: 
wähnt, 1. Sam. 31,4; 2. Sam. 17, 23; 1. Kön. 
16,18; 2. Macc. 14, 41; Matth. 27,5; bejondere 
gefegliche Beftimmungen über benfelben find nicht 
etroffen. Nach Joſephus follte wenigſtens in 
Diner Zeit der Selbjtmörder bis Sonnenunter: 
gen unbegraben liegen bleiben. Vgl. Michaelis, 
n; Recht VI. 1 ff. Ewald, Alterthümer des 
Volkes Iſrael. 2. Ausg. S. 192 ff. j 
Morgan, Thomas, ein englifher Deift bes 
vorigen Jahrh. War anfangs Prediger einer 
nonconformiftifhen Gemeinde in Marlborough, 
verlor aber 1726 fein Amt wegen arianifcher Zeh: 
ren. Lebte danach ald Arzt unter den Duäfern in 
Briftol, zuletzt ald Schriftiteller in London, + !743. 
Bon feinen Schriften ift die bedeutendfte „Der 
Moralphilojoph* I. 1737; IL.1739; ILL. 1740, im 
1. Band eine Entwidlung feiner religionsphilo: 
ſophiſchen Gedanten, in der Form von Geſprächen, 
in den beiden folgenden Streitfchriften zur Ber: 
theibigung des erften. Das Chriftenthum faßt 
er als göttliche Offenbarung, jedoch jo, daß er alle 
Geheimniffe aus demſelben entfernt und es zu 
einem auöjchließlich vernunftmäßigen Syſtem ge: 
ftaltet, dad er namentlich „von ber Hefe iöm 
beigemifchten Züdifchen“ zu reinigen ſucht. Der 
Mofaismus nämlich ift ihm nur eine fehr unter: 
geordnete Religiondftufe, das Gefeg eine willfür: 


Fer: | liche und tyranniſche Sagung. In der Art, wie er 


diefen Gegenfag zwiſchen Chriſtenthum und Ju: 
denthum aufftellt, erinnert er lebhaft an die alten 
Gnoftifer, namentlih an das Syftem Marcion’s. 
Wenn aud mwiflenfchaftlich weniger bedeuten, rief 
das Werk lebhafte Oppofition und in Folge davon 
eine rege — — m dem alten Teſtamente 
hervor. Bol. Lechler, Geſch. des engliſchen Deis— 
841. 

Morgan, ber Freund der beiden Wesley's, der 
eigentliche Stifter bes Artnr Dr: 
ford. Durch die Uebertreibung feines aslketiſchen 
Lebens untergrub er feine Gejunbheit, + 1732. 
(Bal. d. A. Methobiften.) 

Morganatiide be, Ehe zur linten Hand, 
matrimonium ad legem Salicam, vom italieni: 
ſchen Worte morganato, d. h. erlaucht, vornehm, 
eine bei fürftlichen familien und bei dem hohen 
Adel vorlommende Art der Ehe mit rauen nie: 
deren Standes, bei welcher weder dieſe noch bie 
Kinder in die familie, den Rang und Stand des 
Gatten und Baters eintreten. Regelmäßig werben 
deren Rechtöverhältniffe durch belonberen Ehever: 
trag feftgeftent. Im lebrigen gilt die Ehe kird: 
lich und bürgerlich als wirkliche Ehe, doch ift, ben 
im ftaatlihen und Familienrecht hervoriretenben 


mus 1 


Morgengebet 710 Morik 


Unterſchied anzuzeigen, die Trauung an die linfe | Anfang genommen babe. Die römiſche Kirche 
Hand kirchliche Rechtäfitte geworben. In der m. ſchalt er ald den Antichrift. Den meiften Anſtoß 
E. hat ſich ein Reft von den Berfchiedenheiten ber | gab feine Lehre, daß jelbft unreine Handlungen 
dauernden —— (ehelichen) Berbindun: | die Seele nicht befleckten, vielmehr bie re 
gen, welche dad römische und ältere germanifche | Sünden nur heilfam feien und den menſchlichen 
Recht kannte, erhalten, welche im allgemeinen ver: | Stoljdemüthigten. Seine Schriften: Temoignage 
ſchwanden, als durch die Einführung der firhlichen | du deuxieme avönementdu fils de !’'homme 1641, 
Trauung nur der Unterjdied zwiſchen Ehe und | Pensees de Morin, dedices au Roy 1647; Re- 
Concubinat blieb, uöte au Roi et à la Reine regente, mere du 
— —— Morgengottesdienſt. Bei den Roi 1647; Retractations 1649 find ſehr enge 
Juden beftand der tägliche Morgengottesdienft in | worden. Vgl. Arnold, Kirchen: und Ketzerhiſt. ILL. 
dem Opfer eines jährigen Lammes mit den dazu | 
gehörigen Speife: und Tranfopfer, 4.M.28,2—8 
und dem Anzünden des täglichen Raudopfers im | geboren 1591, trat er, abgeftoßen durch die Strei- 
Heiligtum des Tempels. An die Stelle derjelben | tigfeiten zwiſchen Armintanern und Gomariften, 
traten in der Synagoge feft beftimmte Gebete und | die er während feines Studiums zu Leyden kennen 
Vorlefung aus dem Gejeß, wobei alle font vorge: | gelernt, zur katholiſchen Kirche über und in ben 
ichrieben gewefenen Opfer genannt werden. Die | Orden der Dratorianer 1618. Seine Schriften 
Zeit diefes Gotteödienftes ift diefelbe, wie die ded | und Kenntniffe verichafften ihm ſolches Anjeben, 
Morgendienftes im Tempel. — Der Morgengot: | daß ihn Urban VIII. nah Rom berief, um an ber 
tesdienft der alten hriftlihen Kirche begann nad) | Vereinigung der griehifchen und römiſchen Kirche 
dem Borbereitungsgebet durch Anſtimmen des | mit zu arbeiten. Bon Richelieu zurückberufen, lebte 
62. Pfalm, dem der 50. folgte. Hierauf das Kir: | er literariich thätig zu Paris, F 1659. Werte: 
hengebet für die Ratechuntenen, Energumenenund | Histoire de la deliverance del'eglise Chretienne 
Büher. Nah der Entlafjung der Katehumenen | par l’empereur Constantin et dela grandeur et 
und dem allgemeinen Kirchengebete(prophonesis) | souverainite temporelle donnée à l’eglise Ro- 
wurde die Communian gefeiert. as Morgen: | maine par les rois de France 1630 ; Biblia LXX 
gebet des römiſchen Breviers begreift die laudes | interpretum Graeco-Lat. cum praefationeet pro- 
und precos ; die Matutin (urfprünglich das Mor: | legomenis; Exereitationes in utrumque Sama- 
gengebet) it das Gebet, welches eigentlich um Mit: | ritanorum pentateuchum, worin er den Beweis 
lernacht und vor Tagesanbruch gebetet werden fol. | liefern will, daß der famaritanifche Tert beflerfei, 
Der Morgengottesdienft der fatholifhen Kirche | ald der allgemein recipirte, und mit der Septua- 
ift Die Meſſe, die nicht nach 12 Uhr gefeiert werben | ginta übereinftimme. Erſt nad) feinem Tode er: 
darf. In der griehifchen Kirche ftellt die Liturgie —— das vollſtändigere Werk unter dem Titel: 
der Matutin den Zeitraum von der Geburt des | Exereitationum biblicarum de Hebraei Graeci- 
Erlöſers bis zum Antritt des Lehramts dar, wäh: | que textus sinceritate libr. duo. Par. 1669 fol. 
rend bie Beöper (als ihr vorhergehend) den Zeit: | Richard Simon gab 1682 feine Lebensgeſchichte 
raum von der Schöpfung bis zum Erjheinen |als Anhang zu Antiqnitates ecclesiae orient. 


C. 4. Biographie universelle IIL 
Morinus, Johannes. Bon reform.Eltern zu Blois 








Ehrifti umfaßt. clariss. virorum Allatii, Holstenii, Morini dis- 
en rg j.d. A. Lucifer. sertationibus epistolicis enucleatae. 
Moriah, der Tempelberg, lag norböftlih vom | Moristos. S. Mauren. 


Zion, von ihm getrennt dur das Thal Tyro: | Morik, Landgraf von Heſſen-Caſſel, Sohn des 
poion, aber durch eine Brüde mit ihm verbunden. Landgrafen Wilhelm, Entel Philipps bes Groß⸗ 
Eine Verbindung mit der Alta und der untern müthigen. Geboren 25. Mai 1572, erhielt eine 
Stabt war gleichfalls hergeftellt. Um Raum für | jehr jorgfältige Erziehung, fo daß er der hebräi: 
ben Zeınpel zu gewinnen, waren bedeutende Bau: | jchen, griechiſchen, (atziniicen, franzöſiſchen, ena: 
ten nöthig gewejen. Da die Stelle des Tempels | lichen, fpaniichen, italienischen und ungarischen 
vn ald auf Zion angegeben und M. nur | Sprade fundig war. Ym 20. Jahre 1592 über: 

Ehr. 3,1 (vgl. 1.M. 22, 2) namentlich erwähnt nahm er nad) dem Tod feines Vaters die Regie: 
wird, jo ift anzunehmen, dag Moriah in dem |rung. Während Hefjen bisheran zwijchen dem 
Namen Bin einbegriffen ijt. Wegen diefer Unge- deutichen Lutherthum und der reformirten Kirche 
bräuchlichkeit des Namens hat man auch gezwei: | eine Mittelftellung eingenommen hatte, trieb ihn 
felt, ob der Berg der Opferung Iſaaks wirklich | die Einführung der Ubiquitätälehre in Oberheſſen 
die Stelle des fpätern Tempels fei, doch haben | und die Verſuche, die Goncordienformel zu allae: 
die meisten Ausleger mit Reht an der Identität meiner Anerkennung in Heflen zu bringen, dasu, 
beider Ortslagen nicht gezweifelt. ſich entjchieden zur reformirten Kirche zu wenden, 

Morin, Simon, ein Schwärmer, geb. 1623 zu und das Kirchenweſen feines Landes danach zu 
Richemont, der fich jpäter in Paris aufhielt. Wie: | wandeln. Hieran knüpft fich die tragiſche Wen: 
derholt eingeferfert 1640, 1644, 1648 widerriefer | dung feiner Regierung. Schon 1604 erlieh er nad 
awar, fiel aber immer aufs neue in feine Jrrlehre | Gutachten von Bafel und Genf, jowiejeiner Super: 
zurüd. Deshalb von Jean Dedmaretö de St. | intendenten, ohne aber eine Generaljynode zu be; 
Sorlin öffentlich angellagt, wurde er 1663 ver: | rufen, feine Berbefferungspuntte, welche haupt: 
brannt und jeine Anhänger auf die Galeeren ge: ſächlich bejtimmten, daß in der Lehre von der Per: 
ſchickt. Er nannte ſich den Menſchenſohn, wollte ſon Chriſti man fich einer ubiquiftifchen Redeweiſe 
eine Berförperung Chrifti fein, lehrte, dab das enthalten jolle, daß im Delalog das Bilderverbot 
Reid) des Geſetzes unter Gott dem Bater bis zu herzuftellen und demzufolge die Bilder aus ben 
Chriſti Menſchwerdung gedauert, von da an das | Kirchen zu entfernen feien, jowie daß beim Abend: 
Reich der Gnade begonnen, nun aber mit dem | mahl das Brod gebrochen werde. Die Durchfüh— 
Jahre 1630 in ihm das Reich des y. Beiftes feinen rung dieſer Reformen rief zunächſt in Marburg, 





Morig 


711 


Moritz 


bei Gelegenheit der Entlaſſung ber wiberftreben« | terer ſtarb in demſelben Jahre und Moritz über: 


ben Geiftlihen, einen Volfdaufitand hervor, den 
nur fein perfönliches Erfcheinen ftillte. Wehnlicher, 
wenn aud nicht jo aewaltthätiger Widerſtand er: 
hob fih an andern Orten. Auch ald die Diözefan: 
fonoden 1607 und danach die Generalſynode fich 
für die Reformen erflärten, foftete es namentlich 
inHeräfeld, Marburg undSchmalfalden vieleMühe, 
diejelben durchzufegen. Uebler war es noch, daß 
Zandgraf Ludwig von Darmftadt daraus Anlaß 
nahm, beim Reihähofrath in Wien den Landarafen 
zu verflagen, ald habe er dad Teftament Ludwigs 
von Marburg (+ 1604) verlegt, welcher den Land: 
grafen Morig und die Kinderfeines Bruders Georg 
mit der Bedingung zu feinen Erben eingeſetzt hatte, 
daß fie den Religionszuftand fo laffen würden, mie 
er fich bei feinem Abiterben befinden werde. Da 
Morik dur die Beſchickung der Dortredhter Syn: 
ode entfchieden auf reformirte Seite getreten war 
und beim Ausbrud) des 30jährigen Krieges zu den 
Gegnern des Kaiſers zählte, jo gelang es Ludwig 
von Darmitadt durch Bündniffe mit Liguiften und 
Papiſten 1623 in Wien ein Urtheil zu ermirfen, 
durch welches M. nicht nur feines Antheild am 
Oberfürſtenthum Heflen für verluitig erklärt, fon: 


bern auch zur Zahlung einer Entihädigung von 


17 Millionen Gulden an den Landgrafen verur: 
theilt wurde. Die Unzufriedenheit im Lande er: 
leichterte es Tilly und Wallenftein, daſſelbe zu 
bejegen. Um feinen Feinden ben perfönlichen 
Anlaß ihrer unaufbörlihen Dranafale und Nach— 
ftellungen zu brechen und au verrüden, legte Morik 
17. März 1627 au Gunften feines Sohnes die 
Herrſchaft nieder. + 1632 zu Eſchwege. Ein from: 
mer Chrift, ein gelehrter Herr, ein fräftiger und 
mwohlmeinender Fürſt, erfuhr er in ber Berfennung 
feiner Abfihten und den Verluften und Demüthi— 
gungen ein tragiiches Geriht über den einen 
Grundirrtfum deö deutfchen Proteftantismus, die 
Lehre vom jus reformandi der Füften ! 

Morig von Sachen. Geboren 21. März 1521 
au Freiberg, der ältefte Sohn des Herzogs Hein: 
rich des Frommen von S. und der Hatharina von 
Medlenburg, die ihm unter Zeitung des gelehrten 
Rivius eine forgfältige Erziehung au Theil werden 
ließen. Auf den Wunſch derſelben verlebte er 
dann längere Zeit an den glänzenden Höfen zu 
Dresden bei feinem Dheim Georg und zu Mainz 
bei Albreht von Brandenburg, an beiden jede 
Selegenheit benugend, die politiichen Parteien 
Deutjchlands und den Charakter der einzelnen 
Beim aufs genauefte zu erforfchen. Bon Mainz 

egab er fich nach Torgau an den Hof feines Vet— 
ters Johann jFriedrid des Großmüthigen. So 
freundlich er hier aufgenommen wurde und fojehr 
ber Kurfürft von feinem Wejen angezogen ward, jo 
wurde doch zumeift durch die geiftige Meberlegen: 
heit M.'s jchon bier der Grund zu dem erft fpäter 
hervortretenden gegenfeitigen Miftrauen zwifchen 
den beiden Fürften gelegt. 1539 trat M. in Tor: 
gau zur peoteftankiich e.ı Kirche über; auch fein 


Vater hatte die Reformation zu der Zeit im Her: | 
gosthum eingeführt und war dem fchmallaldijchen | 

unbe beigetzeten. Ueber die Art und Weife wie | 
diefer in dem ihm zugefallenen Erbe des Herzogs | 
Georg die Reformation einführte, zerfiel er mit 


nahm die Regierung, mit feinem, durch väterliches 
Teſtament gegen die Beitimmungen ber albertini: 
ſchen Grbfolgeordnung zum Miterben beftimmten 
Bruder fich abfindend. Mit Umficht begann er fo- 
fort die Reformen in Regierung und Verwaltung 
feines Landes, indem er zugleich die übereilten 
Maßnahmen feines Vaters abftellte; er ftiftete die 
Landesſchulen zu Borta, Meißen und Merfeburg, 
zu denen 1550 Grimma kam, begünitigte die Uni« 
verfität Leipzig auf jede Weife und führte den 
Proteſtantismus überall ein. So fehr er ins 
deſſen dieſem auch zugethan war, weigerte er 
ſich doch entfchieden, dem ſchmalkaldiſchen Bunde 
beizutreten, ſei es, daß er die innere Schwäche def« 
jelben erfannte, oder bereits jet die Abſicht hatte, 
fih auf Seite des Kaiſers zu ftelen. Dadurch 
und in Folge verfchiedener feiner Reibungen wur: 
de da8 Verhäftnif zu Kurfürft Johann Friedrich, 
dem genenüber er überhaupt eine viel Jelbititän: 
digere Stellung als jein Bater einnahm, jo verbit: 
tert, daß ein unbedeutender Streit über die Befteu: 
rung der unter gemeinfhaftlihem Schuge jtehenden 
Stadt Wurzen hinreichte, den vollen Bruch herbeis 
zuführen. Den mirflihen Ausbrud des Krieges 
verhütete nur bie perfönliche Vermittlung des Land: 
grafen Bhilipp von Heſſen und Luthers ; doch fonnte 
auch der durch ihre Vermittlung abgeichlofiene Ber: 
aleich zu Grimma 1542 die Spaltung nur verhüls 
(fen. Um fo enger ſchloß fih nun Morik an 
Karl V. an, fämpfte mit Auszeihnung in Ungarn 
und als faiferlicher Kriegsoberſter 1543 — 44 in 
Frankreich und lehnte, feine Bolitif eng mit der des 
Kaiſers verbindend, „weil es mit ber Religion Feine 
Gefahr habe“, jede Einladung, in den ſchmallaldi— 
jhen Bund einzutreten, mit Entichiedenheit ab, 
betheiligte ſich jedoch, um nicht offene Feindſchaft 
mit den Häuptern beffelben herbeizuführen, an dem 
Kriege des Bundes gegen Heinrih von Brauns 
ſchweig. Als aber der Krieg zwiſchen den ver: 
bündeten Fürften und dem Kaijer unvermeidlich 
geworden, ſchloß er mit legterem auf dem Reichä: 
tage zu Regenäburg ein geheimes Bündniß, wo— 
durch er ſich gegen das Berfprechen thatkräftiger 
Unterftügung des Kaiſers, Einftellung allerReue: 
rungen in Religionsjahen ꝛc. bedingungsweiſe 
die Kurwürde ficherte. Demzufolge fiel er beim 
Ausbruch des ſchmallkaldiſchen Krieges in Kur- 
fachfen ein und nöthigte dadurch den Kurfürften 
zur Rückkehr. Die ficgreihen Fortſchritte deſſelben 
bemmte er Hüglih durd einen Waffenftillitand, 
der eödem Kaiſer ermöglichte, mit erprobten Trup: 
ven herbeizueilen und die Berblindeten bei Mühl: 
berg zu überraſchen und in der Schlacht auf der 2o- 
Hauer Haide vollſtändig zu fchlagen 1547, Als dann 
in der Wittenberger Kapitulation Johann Friedrich 
der Kurwürde und feinen Ländern entjagt hatte, 
übertrug Karl V. am 1. Juli 1547 an M. den 
Kurhut und den größten Theil der albertinifchen 
—— die feierliche Belehnung fand jedoch 
erſt auf dem Reichätage zu Augsburg, 24. Februar 
1548 ftatt. Schon bald erkannte übrigend M., 
daß der Kaiſer nur dabinzielte, mit Unterdrückung 
der Rechte der deutſchen Fürſten ſich ſelbſt zum 
unbeſchränkten Herrſcher Deutſchlands zu machen. 
Durch die kaiſerliche Politik einerſeits ſelbſt gefähr 


ihm und ging an den Hof Philipp's von Heſſen, mit det, anderntheils als Proteſtant, als Reichsfürſt 
deſſen Tochter Agnes er ſich 1541 ohne feines | und als Glied der ſächſiſchen und heſſiſchen Fürften- 


Baters Wifjen und Genehmigung vermählte. Zeh: 


familie, durch das Interim, die Behandbiung der 


Morik 


Reichäftäbte und die unreblihe Gefangenhaltung 
Philipps von Heſſen tief verlegt, ſchlug M. neue 
Bahnen ein. Der vom Kaifer geforderten An: 
nahme des Augsburger Interims wich er durch 
fein Leipziger Interim aus, welches von Meland): 
thon mit verfaßt, im Weſen evangelifch blieb; die 
Uebernahme der Acht3vollftredung gegen Magde: 
burg 1550 gab ihm den Vorwand zu ftarlen 
Rüftungen, und ein geheimed Schuß: und Truß: 
Bundniß mit Heintih IV. von Frankreich (zu 
Fredewald in Heflen, 5. October 1551, abaefchlof: 
jen) verſchaffte ihm für alle Fälle einen kräftigen 
Rückhalt. Als er inzwiſchen dem Anbringen Des 
Kaifers, das Tridentinum zu bejchiden, nad) lan⸗ 
gem Zögern nicht mehr ausweichen fonnte, lieh 
er feine Theologen ſich zur Abreife dahin rüften, 
ertheilte ihnen aber im Geheimen den Befehl, nicht 
weiter ald Nürnberg zu gehen. Mit Magdeburg 
ſchloß er 5. November 1551 einen billigen Frieden. 
Als nun eine Gefandtfhaft an den Kaifer um 
Freilaffung feines Schwiegervaters, Philipp's von 
Heilen, vergeblich geblieben, warf M. März 1552 
völlig unvermuthet die Maste ab und eröffnete 
den Selnug:; er erfhien vor Augsburg und erlieh 
ein Manifeft, in welchem er feine Handlungämeife 
durch die vielfahen Verletzungen der Wahlcapitu: 
lation jeitend des Kaiſers rechtfertigte und bie 
Aufrehthaltung der Reichöverfaffung, ſowie die 
Befreiung des Landgrafen ald das Ziel des Krieges 
bezeichnete. Der Sturm auf die Ehrenberger 
Klaufe nöthigte den Kaiſer zur Flucht und fprengte 
das Concil von Trient. Im Bemwußtfein feiner 
Hülflofigkeit ſchloß Karl V. dur feinen Bru— 
der Ferdinand mit M. den Baflauer Bertrag 
2. Aug. 1552, welcher den Proteftanten Religions: 
freiheit gewährte und die Reftitution Philipp's 
von Heſſen ausſprach. Definitiv beftätigt wurde 
berjelbe im Religionsfrieden von Augsburg 1555. 
Aus Freundfhaft für König Ferdinand kämpfte 
M. dann in Ungarn gegen die Türken und trat 
bei der Rückkehr nad Sachen dem Bündniß zu 
Eger gegen feinen alten Freund Albteht von 
Brandenburg bei, der den Baffauer®ertrag vermwer: 
fend, ben Krieg aufeigene Fauft fortjegte. Ein 
Verſuch, fi mit ihm bei einer Zufammenkunft in 
Heidelberg zu verftändigen, flug fehl; es kam 
zum Kriege und M., inder Schlacht bei Sievers: 
haufen, 9. Juli 1553, tödtlih verwundet, + 11. 

uli 1553. Seine Tochter Anna verheirathete 
ih 1561 an Wilhelm den Schmweigfamen von 
Raffau » Dranien. Seine Wittwe heirathete 1555 
Herzog Friedrich den Mittlern, ftarb aber in dem: 
jelben Jahre. Sein Länberbefig fiel an feinen 
Bruder Auguftl. „Er war eine Natur, deren 
Gleichen wir in Deutſchland nicht finden. So be: 
dächtig und geheimnißvoll, fo unternehmend und 
thatkräftig, mit fo vorfhauendem Blick in die Zu: 
kunft und bei der Ausführung jo volllommen bei 
ber Sache, und dabei fo ohne alle Anwandlung 
von Treue und perfönlicher Rüdficht, ein Menſch 
von Fleiſch und Blut, nicht durch Ideen, ſondern 
durch fein Daſein als eingreifende Kraft bedeutend. 
Sein Thun und Laflen ift für das Schidjal des 
Proteftantismus entjcheidend gewefen. Sein Ab: 
fall von dem ergriffenen Syſtem brachte baffelbe 
dem Ruine nah; fein Abfall vom Kaifer ftellte die 
zen mieber her.“ Duellen: Arnoldi, vita 


712 


Mormonen 


mentarii etc. Vgl. v. Langenn, Kurfürft M. von 
Sachſen, 2 Bde., Leipz. 1840. Häußer, Zeitalter 
der Reformation, herausg. von Onden. 1868. 
(S. 227 u. ff.) Ranke, Deutfhe Geſchichte im 
Zeitalter der Reformation. Th. 4 u. 5. 

Mormonen, Heiligedes jüngſten Taaes (Latter- 
Day-Saints), eine religiöfe Secte in Amerifa, ge: 
ftiftet durch Jo8 Smith 1827. Nad der Darſtel— 
lung der Secte empfing Smith 1827 eine Bifton, 
die ihn über die Irrthümer aller Secten belebrte, 
und ihn felbft ald das Organ einer neuen Dffen: 
barung bezeichnete. Auf Befehl eines Engeld nad: 
arabend, fand er die in der Erde vergrabenen 
Tafeln der Offenbarung (dad Buch Mormon), die 
er mit Hülfe der gleichfallß gefundenen Urim= und 
Thummim:Brille entzifferte und überſetzte. Daj: 
felbe erzählt, daß die Familie eines jerufalemifchen 
Bürgers Lehi unter König Zedelia auf ihren Ban: 
derungen nah Oſten durch die Wüfte an das Meer 
und fchließlich nach Amerika gelommen fei. Die 
von den vier Söhnen Lehi's abftammenden 
Stämme, nad) dem jüngften fämmtlih Nepbiten 
genannt, zerftreuten fich über dad ganze Land. 
Sie nannten ſich fhon vor der Geburt Chriſti 
Chriften; diefer erihien ihnen, nahbem er von 
den Todten auferftanden mar und verfünbigte 
ihnen das Evangelium. In der Folge führten 
die Nephiten unter ihren Patriarchen ein chrift: 
liches Leben; dann aber entftanden Spaltungen 
und Streitigkeiten, bis fie zulegt in Laſter ver: 
funten, von dem Stamme der Lanmniten, deren 
Ueberbleibfel die heutigen Indianer, ausgerottet 
wurden. Damals erhielten die legten Propheten 
ben Befehl, die Gefchichte des untreuen Bolfs auf: 
ufchreiben. Diefe Aufzeihnungen fammelte Mor: 
mon, jein Sohn Moroni —* fie dann zum 
Abſchluß. Das Buch, in egyptiſchen Schriftzügen 
auf Platten gejchrieben, wurde nah göttlichen 
Befehle vergraben, um in den „jüngiten Tagen“ 
von dem ausdrücklich vorher —— Jos 
Smith wieder ———— zu werden. In Wahr: 

it ift das Buch Mormon eine romanhafte Aus: 

hrung der Fabel der Abftammung der amerifa: 
nifchen Ureinwohner von den Juden. Der eigent: 
liche Verfaſſer deffelben war Salomo — 
+ 1816, ein Presbyterianerprediger in Rem: Salem 
in Ohio 1812. Sein Manufcript gab er einem 
Druder Patterſon zu Pittsburg, ber ed verwahrte, 
aus za Bapieren e3 jedoch jpäter verſchwunden 
ift. Sidney Rigdon, ein Druder, vorher auch Pre: 
diger, hatte fi) indeß eine Abjchrift deſſelben ver: 
ſchafft und diefe fiel in die Hände des Jos Smith, 
der fie in Gemeinfhaft mit Rigdon und feinem 
Freunde Dliver Cowdry bearbeitete und, unter: 
tügt durch die Mittel eines gläubigen Land» 
manns Martin Harris, im Drud erjcheinen lieh, 
unter dem Borgeben, es fei der Inhalt der im 
Bude erwähnten goldnen Platten Moroni’s, die 
ihm der Engel entdedt, und deren Inhalt ihm er: 
fchloffen fei. Smith (geb. 23. Dez. 1805) war ber 
Sohn eines Kleinhändlers und Haufirerd zu Pal— 
myra im Staate New-York. In feiner Erziehung 
fehr vernadhläßigt, hatte er ſich feinem beftimmtien 
Lebensberuf gewidmet, ftand auch nicht im beften 
Rufe und war unter bem Namen des Schaggräbers 
befannt. Ein religiöfes PBhantafieleben war aber 
in ihm dur eine der befannten amerifanif 


auritii und Camerarii Oratt. X funebr. bei | Erwedungen 1827 gemwedt worden. Nachdem dann 
Menten, Scriptt, rer. German. II. Sleidani, com- | 1829 Johannes der Täufer ihm und Cowdry er: 


Mormonen 


ichienen, beide zu Briejtern geweiht und befohlen, 
Einer ſolle den Andern taufen, organifirte Smith, 
30. ee 1830 die neue religiöfe Gemeinſchaft mit 
30 Gliedern in Fayette, im Staate New-NYork, 30g 
dann 1831, der Ungunft der öffentlichen Neinung 
mweidyend, mit der neuen Gemeinde nah Kirt: 
land im Staate Ohio, empfing bier die Gabe der 
Weiffagung und Offenbarung, und vollendete die 
Drganifation der Gemeinde unter Abſchaffung des 
bisherigen einfachen preöbyterianiihen Syitems 
und Wiederherftellung aller bibliihen Aemter. — 
Die neue Secte vermehrte ſich raſch durd) die 
Kühnheit, mit der Smith feine Dffenbarungen 
ausiprad) und durch den Eifer der vonihm auäge: 
fandten Miffionare. Anfangs auf feine nächſten 
Angehörigen und Freunde beſchränkt, gewann bie 
Gemeinde immer mehr Anhänger. Sie fiebelte 
dann in Folge einer Bifion nah der Grafichaft 
Jackſon im St. Miffouri über; von bier durch 
einen Aufitand des Volkes, das fie al3 Räuber 
betrachtete, vertrieben, wandten fid) die Mors 
monen nad) Illinois, wo fie die Stadt Nauvoo 
gründeten. Smith, mander Verfolgung und ges 
fänglicher Haft glüdlich entlommen, vereinigte hier 
mit jeiner religiöfen Würde das Amt des Mayor 
und deö Generals der Bürgermiliz und regierte 
die Gemeinde unumfchräntt durch Offenbarungen. 
Die — Organiſation der Gemeinde, 
ihre Anſprüche auf den Beſitz des Landes, des 
„Erbes der Heiden“, und beſonders die Einführung 
der Vielweiberei, die der Prophet Smith zuerſt 
ſich und ſeinen Vertrauten geſtattete und dann 
allgemein gebot, erregte aud) hier einen Vollsauf⸗ 
ftand, Smith wurde ind Gefängniß geworfen und 
in demjelben nebft jeinem Bruder Hiram von dem 
erbitterten Bolt getöbtet (27. Juni 1844). An 
feine Stelle als „Seher, Dffenbarer und Präfident 
der Mormonen“ trat Brigham Young. Bon Raus 
200 vertrieben, führte er die Seinen 1847 in das 
Gebiet der Salzjeeen, zwifchen dem Wahſatſch und 
dent Nevada : Gebirge, an der damaligen Grenze 
der Vereinigten Staaten, wo der Mormonenftaat 
Utah (Dejeret: Binnenland in der Mormonen: 
ſprache) alö Territorium der V. Staaten begrün: 
det wurde, deſſen Gouverneur Brigham Young 
wurde, jo daß er wieder die höchſte religiöfe und 
politifche Würde in feiner Hand vereinigte. Troß 
mancher Gtreitigleiten mit der Negierung ber 
V. Staaten und ftetö gehaßt und mißtrauifch beob- 
achtet, hat fi die Mormonenftadt äußerlich raſch 
und immer blühender entwidelt, zahlreiche Zuzüge, 
durch Miffionare, nicht blos in Amerika, jondern 
aud) in Europa gefammelt, haben die Bevölterung 
bereitä bis auf 80,000 Seelen erhöht. 

Das Weſen des Mormonismus ift ein Mate: 
rialismus und finnliher Eudämonismus, der fi 
mit religiöjen Phantaftereien verbrämt hat, die 
er von den fupranaturalen ——— der 
verſchiedenen chriſtlichen Secten und Denomina⸗ 
tionen Amerikas entlehnte. Vom Chriſtenthum, 
deſſen Vollendung und reine Wiederherſtellung 
er ſein will, hat er zwar die allgemeine Idee der 
Erlöſung und des Reiches Gottes wie auch man- 
cherlei äußere Form entlehnt;; aber ihres fittlihen 
Gehaltes enttleidet, eeiheinen die chriſtlichen 
Ideen völlig verzerrt. Die Bibel wird zwar als 
heilige Schrift feftgehalten, aber Smith nannte 
das 4. und N. Tejtament völlig verborben und 
gab, wo die vagfte Erklärung besjelben für jeine 


713 


Mormonen 


\ Bwede nicht genügte, die willkürlichſte Wiederhers 
 ftellung ihres angeblich urjprünglichen Wortlautes. 
a8 ganze Syſtem wird beherrjcht durch die Of: 
fenbarungen, beren Hauptträger der präfidirende 
Seher ober Prophet ift, die aber auch bei Andern 
durch Gefichte, Träume, Eingebungen und Zun— 
genreden vermittelt werben. In dem Glauben an 
diefelben fowiean die Zeichen und Wunder iſt der 
religiöfe Glauben der M. zu dem Glauben an ein 
magiſch wirtendes Prinzip gefunfen; der Glaube 
aber, den die Secte von ihren Gliedern mit uner⸗ 
bittlicher Strenge fordert, ift nichts Anderes, als 
die unbedingte Unterwerfung unter den Willen 
ber neuen Kirche und eine völlige Hingabe an ihre 
Sadje. Die Stärfe des Mormonismus ift feine 
Drganijation als einer SozialTheofratie, in ber 
Geiſtliches und Weltlihes auf's * mit einan⸗ 
der verflochten ift, und in welcher durch die Viel: 
heit von Aemtern die Einzelnen in genauer Vers 
bindung mit dem Ganzen gehalten werden. An der 
Spite der Gemeinde Hehe der Seher und Präfi« 
dent, ihm zur Seite, doch untergeoronet, zwei 
Räthe. Es folgt dad quorum der zwölf Apoftel, 
danach das quorum der Siebenzig. Beide können 
al3 Collegium nur vollzählig und einjtimmig bes 
ließen, verbunden bilden fie die Generalver: 
ammlung der Kirche. Ein hoher Rath von 12 
50 —— entſcheidet in ſchwierigen Fällen. 
Ueber allen aber fteht wieder der nach Offenbarung 
redende „Seher”. Die Prieſterſchaft ift getheilt 
in die Prieſterſchaft Melchifedet’s und Aaron's; 
jene, deren Haupt der Seher, bat die Schlüfjel 
ber geiftlihen Segnungen und fteht in geheimer, 
unmittelbarer Berkindung mit Gott dem Vater 
und Chriftus; dieje, an ihrer Spike der Biſchof, 
thut Engeldienſt, d.h. verwaltet Die äußeren rituas 
liſtiſchen Gebräude gemäß ber Offenbarung. Die 
Prieſterſchaft hat ihre hierarchiſchen Abjtufungen, 
Te Patriarchen, Biſchöfe, Aeltefte und 
viefter,; Diafonen und Lehrer. Der Gottesbienft 
ift rei an Geremonien aller Art, die zum Theil 
bem Alten Teftamente, zum Theil verſchiedenen 
Geheimbünden entlehnt find. Er befteht vornehm⸗ 
lich aus Beten, Singen, Predigen, Segnen, Taufe 
und Abendmahl, aber ohnealle wirkliche Anbetung 
und artet nicht felten in wildes Jauchzen und un: 
ebundene Heiterleit aus, Zungenreden und An— 
praden halten ift jedem Mitgliede erlaubt, und 
der Gegenftand der Predigten ift keineswegs im- 
mer ein religiöfer. Daneben befteht ein geheimer 
Eultus bei Aufnahmen und Einmweihungen. Die 
praftiich wichtigsten Xehren find die von der Tod: 
tentaufe, nach welcher durch ftellvertretende Taufe 
aud) der Berjtorbene Sündenvergebung unb Auf: 
rg in die Gemeinde erlangt, ſowie die Lehre, 
daß nur die Weiber an ber Erlöfung Theil haben, 
die einem „Heiligen“ verfiegelt feien, wodurch die 
Vielweiberei als nothwendig gefordert wird. Allem 
u Grunde liegt ein grober Chiliasmus; wie fie 
auf fich die bibliſchen Verheißgungen vom he 
der Erde durch das Voll Gottes in buchftäblichiter 
Auffaffung Ye erwarten fie eine Wiederher⸗ 
ftellung des jüdiichen Volls und den nahe bevor: 
ftehenden Anbrucd des taujendjährigen Reiches. 
Die Vorftellungen vom Jenjeits find unflar, aber 
ſtark finnlid. Bon einem Religionsfyftem läßt 
ſich nicht eigentlich reden, da die Dffenbarungen 
beitimmt find dasjelbe fortzubilden, d. 5. nach dem 
Bedürfnig des Augenblids und dem Erachten ber 


— 





714 Morus 


Se umzugeſtalten. In's Auge fallend find bie | wieder jein ganzes Vertrauen; 1562 fandte erihn 
Zeiltungen ber Mormonen in materieller Bezie: | ald Legaten an Kaiſer Ferdinand und 1563 arı bad 
hung in ber Cultur ihrer Ländereien, in der Aus: | Concil zu Trient, deſſen Vorfig bis zum Schlufie 
dehnung ihrer Stadt, in der Anlage einer Menge | M. übernahm, Durd) die Ernennung zum Decan 
gemeinnügiger Anftalten, einer Univerfität, öffent: | des Cardinaldcollegiums für jeine Deenfte beim 
licher Schulen, Wertjtätten, Theater ıc., Schöpfun: | Eoncil belohnt, übernahm er noch mehrfade bi: 
gen, zu denen eine zweckmäßige Organifation bie | plomatifhe Sendungen. + 1. Dez. 1580 als Ear: 
Kräfte der Gejammtheit vereinigt; der blühende | Dinalbifhof von Oſtia. Man hat von ibm mehrere 


Mornay 


Zuſtand verleitet Viele zum Eintritt in die Ge: 
meinfchaft, allein da die Sittlichfeit der M. ſich 
nur auf die äußerlichen und materiellen Ziele der 
Gemeinde bezieht, jo verbirgt ſich ſelbſt unter ih: 
rer Ancrtennung des Defalogs als Sittengejeges 
die empörendfte Unfittlichteit, durch melde fie 
der Gegenftand bes erbittertften Hafjes der Ame— 
rifaner geworden find. Die Grundjäge der Ge: 
meinſchaft find außer im Buche Mormon nieder: 
gelegtin Doctrines and Covenants, Nauvoo 1846, 
(deutih von John Taylor, Hamb, 1852,) deren 
Verfaſſer der jpäter ercommunizirte Rigdon ijt, 


| Briefe und Reden. 
' Morrifon, Robert, der Sohn eines Schuhma: 
| ers, ward 1782 zu Morpeth in Northumberland 
geboren und ging 1807 im Dienft der britt. Bibel: 
| gefellihaft als Niffionar nad Mafao, Da der Ein: 
gang den Fremden und namentlid) den Chriiten 
noch ftrenge verboten war, erlernte er, in tiefer 
Berborgenpeit in Kanton lebend, die chineſiſche 
Sprade und wirkte alö Dollmetjcher der engliſchen 
Faftorei in Mafao (feit 1809) im Stillen für bie 
Miſſion. 1816 begleitete er Lord Amhorſt in glei: 
her Eigenihaft nad Peding und lehrte 1823 








N 


und in vielen Zeitjchriften, die zur Verbreitung | nad) 16jähriger Wirkſamkeit mit einer Sammlung 
und Bertheidigung der Secte gegründet wurden. | von ungefähr 10000 Bänden in chineſiſcher Sprade 
Hervorragende Namen unter den M. find außer | nad England zurüd, 1826 aber ging er wieder 
Jos Smilh und Brigham Young der ſchon ge: | nad China und jegte feine reihe Wirkſamkeit bie 
nannte Sidney Rigdon, Peter Wittmer, ein Deut: | zu feinem Tode, 1. Aug. 1834 fort. Mit gründli: 


jeher, einer der erjten Gläubigen, W. Bhelps, der 
Herausgeber der erſten mormoniftischen R 

der Apojtel Orſon Pratt, ald einer ber um die 
Ausbildung des Syitems verdienten (!) Gelehrten. 


Die eifrige Miffionsthätigkeit der M. ift in Eur 
ropa am meiften in Dänemark und England von | 


Grfolg begleitet gewejen, weniger in der Schweiz, 
mo fie in Yaufanne eine Zeitung begründeten; in 
Deutichland wurden die Apoſtel polizeilich ausge: 
wiejen. Vgl. Gunnison, the Mormons. Philad. 


eitjchrift, | 


her Kenntni der chineſiſchen Sprache ausgerüftet, 
überjegte er Die Bibel 1819, verfahte eine cine: 
fiiche Grammatif, Serampore 1815, ein ch. Wörter: 
buch in 6 Bänden, Macao 1515—22, jchrieb und 
vertheilte eine Menge Tractate, für deren Drud 
er in Kanton eine eigene Druderei einrichtetz, 
und legte damit den Grund zu aller jpätern Miſ⸗ 
fionsthätigfeit in China, Ein weiteres Berdienit 
erwarb er ji durch die Stiftung des anglo⸗chi⸗ 
neſiſchen Inſtitutes auf Malacca 1818 und eines 
Spitald zu Makao. Die unmittelbare Frucht jei- 





1852. Th. —— Geſchichte der Mormonen. 
Leipz. 1856. Mrs. White, the Mormon prophet | ner Thätigkeit war ein kleines Häuflein Bekehrtet, 
and his harem 3. Aufl. Lond. 1866. Diron, Neu: | denen er im Stillen predigte. 

Amerita, deutjch von Oberländer. Jena 13868. | Mortuarium ift der Betrag aus dem Nadlak 
Mornay ſ. Düpfeifis:M. | der Geiftlihen, welden dieſelben der Kirche ver: 
Morone, Giovanni de, Cardinal, einer der aus- machen mußten, nachdem jie die Freiheit erlangt 

gezeichnetjten römiſchen Prälaten im Reforma: | hatten, tejtamentarijc über ihr Bermögen zu ver: 

tionägeitalter, 150Yzu Mailand geboren, der Sohn | fügen, welches früher der Kirche ganz anbeimgr- 
des Kanzlers Grafen Girolamo de M.; nachdem | fallen war. 

er feine Studien zu Padua vollendet, ward er ſchon Morus, Samuel Friedrid Nathanael, Iutheri: 

1536 Biſchof von Modena und von Paul III. als | jher Theologe. Geboren 1736 zu Yaubau im der 

Nuntius an den König Ferdinand und zu den Re: Lauſitz, bezog 1754 die Univerjität Leipzig, um 

ligionsgeiprädhen von Speyer 1540 und Wormsö, | Theologie und Philologie zu jtudiren, und babili- 

jowie beim Reichätage von Epeyer vermwenbdet. | tirte ſich dort, nachdem er einige Zeit als Erzieher 

1542 zum Cardinal erhoben und in fein Bisthum | gewirkt und 1760 die Magijterwürde erlangt hatte, 


Modena zurückgekehrt, wirkte er eine Zeitlang un: 
ter dem Einfluß der in Deutjchland empfangenen 
Eindrüde; er ließ die 1540 von dem Sicilianer 


Paolo Ricci geftiftete evangelifhe Gemeinde in | 


Modena ungehindert, beförderte die Verbreitung 


des Büchleins von der Wohlthat Chrijti und pre: | 


digte ſelbſt Die Rechtfertigung durch den Glauben, 
war aber dabei eifrig und aufrichtig bemüht, jeine 
Anhänglichkeit an das Papſtthum fort und jort zu 
bezeugen. 1544 Legat von Bologna geworden, re: 
fignirte er 1548 auf dieſe Stelle jo wie auf jein 
Bisthum, um das von Novara zu übernehmen 
und fungirte wieder 1555 zu Augsburg als päpft: 


auf den Rath feines Lehrers Erneſti 1761 bei der 
philoſophiſchen Facultät. Anfänglich erflärte er 
lateiniſche und griehiihe Schriftiteller, ala er 
aber 1771 zum ordentliden Profeſſor der griechi⸗ 
ſchen und lateiniſchen Spradhe und 1730 zum 
Ephorusder Stipendiaten ernannt,war, begann er 
jeine eregetiichen Vorleſungen. 1782 nad) Erneiti’s 
Tode in die theologiiche Facultät verjegt, ward er 
1786 Domherr zu Meißen und 1787 Mitglied des 
Eonfiftoriums, + 11. Nov. 1792. Sein Hauptver 
dienjt bejteht in der Ausbildung der hermeneuti: 
ſchen Grundjäe Erneſti's (Hermeneutica 2 Bpe., 
Xeipz. 1797—1802 u.a.). Seine Borlefungen über 





Ucher Nuntius. Paul IV. (1555—59, Caraffa) | Eregeje und Moral, jowie das jeiner Zeit viel be: 
aber lieh ihn 1557 als der Ketzerei verdächtig in | nugte epitome theol. christianae Xeipzig 1789 u. 
der Engelsburg einjperren und ebenjo wie gegen | ö. haben keinen bleibenden Werth. Ein Berzeichnik 
Cardinal Polus, Biſchof Foscarari von Modena jeiner zahlreihen Schriften findet ſich in Meuſels 
u. A. gegen ihn den Prozeß eröffnen. Pius IV.1559 | Veleprtenleriton. Eine Sammlung jeiner Pre 
erllärte ihn jedoch für unſchuldig und ſchenkte ihm digten eridien 1786 zu Xeipzig. 


Morus 


Morus, Thomas, der Kanzler Heinrich's VIII. 
von England. Der Sohn eines Richters der Kings: 
Bench in London, geb. 1480, erhielt er feine Aus: 
bildung im Hauje des Gardinald Morton und auf 
der Univerfität Oxford. Erft jpäter wandte er 
fi dem Studium der Rechte zu, wobei er jedoch 
neben Rhetorif und Scholaftif auch die Haffifche 
Ziteratur eifrig betrieb; von großem Einfluß war 
namentlih in dieſer Beziehung feine perjönliche 
Belanntihaft mit Erasmus von Rotterdam, der 
ihn auch beftimmte, der Satire nad) Lucian's Vor: 
bud ſich zuzuwenden. 1516 erjchien jeine berühmte, 
fajt in ale Sprachen überjegte Schrift de optimo 
reipublicaestatudequenovainsula Utopia, eine 
Kritik des engliiden Staatsweſens und Darftel: 
lung einer idealen Staatöverfaffung, in der Form 
der Beichreibung einer Inſel der Südſee. Reli: 
gionsfreiheit, Gleichheit der Rechte und Pflichten 
und Gemeinſchaft des Erwerbs und Befiges find 
die Auffehen erregenden neuen Gedanten ber 
Schrift. Auch als prattiſcher Jurift feste er feine 
Studien mit Eifer fort. Als Mitglied des Unter: 
haufes erwarb jeine muthige Oppofition ihm zwar 
große Popularität, doc) zog er fid) vor dem Zorn 
des Königs 4 Jahre in die Karthaufe zu London 
zurüd, und beſuchte dann noch die Univerfitäten 
Löwen und Paris, Zurüdgelehrt ward er Un: 
terjheriff, dann Friedensrichter in London und 
1518 von Heinrih VIII., nad) mehrfacher bis 
plomatiſcher Thätigleit in Segen und den 
Niederlanden ganz in feine Dienjte gezogen und 
1529 nad) Woljey’s Sturz zum Kanzler von Eng: 
land ernannt. Aus religiöjfen und politifchen 
Gründen ein unbedingter Anhänger des Papſt⸗ 
thums und entſchiedener Gegner der Ketzer, die 
er ald Schriftfteller befämpfte und ald Kanzler 
verfolgte, war er Heinrich's treuer Gehülfe in de: 
fen erfter Regierungs: Periode und verwaltete jein 
Amt mit jeltener Gerechtigkeit und Uneigennügig: 
feit. Als jedoch der Riß zwifchen dem Königeund 
vem Bapite unheilbar wurde, legte er fein Amt 
nieder 1532 und galt bald als das Haupt der 
päpftlihen Partei; das Miftrauen des Königs 
wuchs, weil M. feine Zuftimmung zu den fönig: 
lihen Eheſcheidungen entichieden verweigerte und 
ſich auf die Kehren und Entſcheidungen der Kirche 
bezog. Doc genügte nod eine einfache Bitte ihn 
von der Anklage zu entbinden, an der Verſchwö— 
rung der Nonne von Kent, einer im Dienjte der 
Bartei gebrauchten Helljeherin, betheiligt zu jein; 
als er ſich aber weigerte, die 1534 erlajjene Sur: 
ceffionsacte ihrem ganzen Inhalte nad (jofern 
fie nämlid) die Ungültigfeit der erjten Ehe des Kö: 
nigs feftjtellte) zu befhwören, ward er zum Ge: 
fängniß im Tower verurtheilt. Im folgenden Jahre 
mit Biſchof Fiſher aufgefordert, die Supremats: 
acte (nad) der der König das oberite Haupt der 
Kirche) zu bejhwören, ward jeine Weigerung als 
Hochverrath ausgelegt und M. am 6. Juli 1535 
enthauptet. Obgleid das gerichtliche Verfahren 
nicht ohne die ſchmählichſten Unregelmäßigfeiten 
ftattfand und die Hinrihtung des M., wenn aud 
nad) dem formellen Geſetz berechtigt, mit Recht als 
eine der graujamiten Thaten Heinrich's und als 
Juſtizmord bezeichnet wird, ging fie doc) nicht aus 
Graufamteit hervor, fondern aus der politiichen 
Rothwendigkeit, die Autorität des Königs über 
die desBapftes, der erſteren mit Abjegung bedrohte, 
zu ftellen. M., der fich je länger je mehr der Au: 


715 


Moſaik 


torität der Kirche unterwarf, war durch feine her: 
‚ vorragende Stellung ein gefährliches Hemmniß der 
ı Pläne Heinrichs und ein Anhalt für jeden päpſt⸗ 
lichen Reactiondverfuch. Vgl. Rudhardt, Thom. 
Morus, Nürnberg 1829 (fatholifch), Mackintosh, 
Life of Sir Th. M. 2. edit. 1844. Froude, Hist. 
of England from the fall of Wolseyto thedeath 
of Elisabeth, Lond. 1856. 

Moſaik, jene der Malerei verwandte, in Ber: 
bindung mit ber Architektonik auftretende Kunft, 
aus Heinen farbigen Steinen, Gläfern u. |. mw. 
Drnamente oder Figuren zufammenzufeßen, wurde 
Ihon in frühefter Zeit im Driente zur Aus 
ſchmückung von Fußböden in Tempeln und Baläften 
angewandt. Sie wurde dann namentlid) in Rom, 
wo fie ungefähr gegen Ende der puniſchen Kriege 
| Eingang u fortgebildet und kam jo ſehr in 
Gebraud, daß nit nur die Prachtbauten der 
Bornehmen, die Bäder ꝛc., jondern auch die ein: 
facheren Häujfer und die Höfe mit mufiviichen Ber: 
ierungen gejhmüdt waren. Das berühmtefte 

entmal römiicher Mofait ift die im Mufeum zu 
Neapel befindliche Alexanderſchlacht. Das ältefte 
Chriſtenthum hatte diejelbe Abneigung gegen die 
| Mofaik, welche ihm gegenüber der Kunit überhaupt 

eigen war, weshalb es die Entwidlung der römi: 
ſchen Moſaik nicht fortfegte. Die erjten chriſtlichen 
Verſuche, diefe Kunft in den Dienft der Stiche zu 
nehmen, bilden die finnbilvlihen Darftellungen 
in den Katatomben, noch völlig gebunden durch 
die weltflüchtige Aengſtlichkeit des urchriſtlichen 
‚ Gewifjens. Bon den Katalomben wanderte im 
dritten Jahrhundert die muſiviſche Kunft in noch 
unvollkommener Geftalt und unter lebhaften 
Widerſpruch noch Vieler allmählich in die chriſt— 
lichen Baſiliken, wo fie ſchon bald einen großen 
, Triumph feiern jollte, Bon da an blieb fie faſt ein 
Jahrtauſend die vornehmjte Gattung der fir» 
‚lihen Malerei, Wie dieje überhaupt, trägt auch fie 
‚in der erften Periode (3. Jahrh. bis zur zweiten 
| Hälfte des 5. Jahrh.) nod ganz den Charakter 
‚der antiten plaftiihen Yormengebung, die auch 
zum Ausdrud friedliher Ruhe und heiterer Glau— 
benszuverlicht, die fi) in allen Bildwerken dieſer 
Periode ausfprechen, völlig geeignet war. Die 
| beveutendjten Denkmäler aus diejer Zeit find 
die Mofaiten von St. Costanze und St. Maria 
Maggiore in Rom, von S.Giovanni in fonte und 
S. Nazario e Celso zu Ravenna. Die zweite 
Periode 6.—8.Jahrh. ift die eigentliche Blüthezeit 
der Mojait, jomohl was ihre 1. Sean (m ihre 








fünftleriiche Bedeutung angeht. Zeigen ſchon die 
Bauten Eonitantin’s des Großen und Juftinian’s, 
namentlih die berühmte Sophientirhe an Wän— 
den und Gewölben befonders im Chore einen reis 
hen und glänzenden muſiviſchen Schmud, biblifche 
Geſchichte und Heiligenbilder darjtellend, jo bildet 
die Mofaik in dem, um dieje Zeit entitandenen 
und ausgebildeten byzankiniſchen Stil ein weſent⸗ 
liches Moment, jo daß fie auch mit der Entwidlung 
| diefes Stils ungertrennlid zufammenhängt. Was 
den Charafter diejer Periode angeht, jo werden 
die antilen Formen immer mehr dem überſirm— 
| lichen, idealiftifchen Geift des Chriſtenthums ange: 
paßt; dabei wird die antife ae ae mehr 
und mehr, namentlid gegen Ende dieſes Zeit: 
raums, vernadläffigt und mehr darauf gejeben, 
die Formen zu durdhgeiftigen. Durchweg zeigen 
die Kunftwerte ernite, Teierliche Würde und Er« 








Moſaiſches Hecht 


babenheit. In Hinſicht der Kunſtlechnik waren eö 
wahrſcheinlich die Byzantiner, die die M. mit dem 
Goldgrunde bereicherten, einer durch Glaswürfel, 
die mit Biattgold überzogen wurden, zufammen: 
gejegten Fläche, von welcher fid) die Figuren mit 
eigenthümlihem Glanze abheben. Jedenjals ift 
allen byzantinischen Moſaiken diejer Goldgrund 
Er Erhalten find aus diefer Blütheperiode der 

‚nur wenige Denkmäler aus Rom und Ravenna, 
fo bie M. von S.S. Cosma e Damiano zu Rom, 
von St.Apollinari nuovo, St. Apollinari in classe 
und S, Vitale zu Ravenna, welche Ciampini (]. u.) 
theilweije veröffentlicht hat. Seit dem 8, Jahrh. 
gerieth dann die M., wie die altchriſtliche Kunſt 
überhaupt, mehr und mehr in Verfall, ſowohl for: 
mell als geiftig und inhaltlid. Geiſtloſe Compo: 
fition, überladene und grelle Charafteriftif, Ber: 
zerrung und Häßlichleit der körperlichen Formen, 
zuletzt barbariſche Rohheit find die weſentlichen 
Kennzeichen diefer Periode, wie fie ſich mehr oder 
minder beifpielöweije in den M.von St. Praffede, 
St. Marco u. a. in Rom finden. In dem Maße, 
wie der byzantinische Stil in der abendländifchen 
Kunft feine Herrſchaft verlor, wich auch die Mojait: 
malerei zurüd und an ihre Stelle trat die Freslo— 
malerei. Ausnahmsweiſe erhielt fie ſich in Vene» 
dig, wo ſich auch das großartigfte nod erhaltene 
Denkmal der firhlihen mufiviihen Kunſt, die St. 
Markuskirche befindet, welche eine wahrhaft üppige 
Pracht von M. an Gewölben und Wänden ver: 
ſchwendet. (S. auch d. A. Malerei.) Vgl. Ciam— 
pini, Vetera monimenta, in quibus praecipue 
musivaopera dissertationibusillustrantur, Rom, 
1690, und (nach ſeinem Tode) 1699 mit Abbilbun: 
gen; berj. de sacris aedificiis a Constantino M. 
constructis, Rom 1693. Müller, die bilblichen 
Darftellungen im Sanctuarium der chriſtl. Kirchen 
vom 5.— 14. Jahrh. Trier, 1835. Barbet de 
Jouy, les mosaiques chrötiennes des basiliques 
et des eglises de Rome. Paris 1857. 

Mofaiihes Recht. Der Grundgedanke, auf dem 
es ruht, ift der eined Bundesverhältniſſes des 
Volkes Iſrael mit Gott; dadurch erhält das ganze 
Recht feinen religiös-fittlichen Charakter und ſchafft 
die theofratifhe Verfaſſung. ES bejtimmt nur 
die Pflichten der Ölieder der Volksgemeinde, nir: 
gend ihre Rechte, weil bie ausgeſprochene Voraus: 
ſetzung die Anerkennung der geihichtlich erfahre: 
nen und im Gewiſſen anerkannten heiligen und 
ewigen Liebe Gottes ift. Der Kern der Geſetzge— 
bung, welcher das eigentliche Sittengejeg und als 
Anwendung deffelben die Grundzüge der bürger: 
lihen und gottesdienftlihen Ordnung enthielt, 
wurde am Sinai erjt mündlich verkündigt und 

eierlih angenommen, im Bunbesbuche nieverge: 
chrieben 2. Mof. 24,3 ff. Er iſt in kurzer, be— 
timmter Fafſung (und in je 10 —oder5— Gejegen 
das Verwandte) zufammengeftellt 2.M. 20, 1—17 ; 
21,1 — 23,20. An diejen Kern fließen fich die 
ritwaliftifhen Abänderungen der Gottesdienftord: 
nung, nad dem Abfall zum Dienjt deö goldenen 
Stalbes, der Bau der Stiftöhütte, das Opfer: und 
Prieſterweſen und weitere Ausführungen der ſozia⸗ 
len Gefeggebung. Daß die Gejeggebung nicht als 
eine jtarr abgejchloffene betrachtet, jondern fort: 
während den veränderten Umftänden angepaßt 
wurde, geht au8 den Berfchiedenheiten hervor, die 


116 


Moſchus 


27, 1—8 mit 2, Mof. 20, 22—26; 2. Moſ. 20, 
26 mit 2. Mof. 28, 42; 2. Mof. 21, 1 —6 mit 2. 
Moi. 25, 39f.; 2.Moj. 21, 12 mit 3. Mof. 35,13; 
2. Moj. 20, 24. 25 mit 3. Moſ. 17,8. 9. Solde 
Abänderungen wurden nöthig [don im Dftjordan: 
(ande, dann während der Rıchterzeit, noch m 
während der Königsherrſchaft. Diejelegtern, wel 
allmählih durch Gebrauch und Gewohnheit ſich 
einführten, wurden beſonders durch die neue Bear⸗ 
beitung des Geſetzesſtoffes im Deuteronomium 
geſetzlich feſtgeſtellt, wobei ſie aber um ſo unbefan⸗ 

ener auf Moſes ſelbſt zurückgeführt wurden, als 
ie aus dem Geiſte der —— moſaiſchen 
Geſetzgebung geflofſen waren.5.Dlof.12,3.5.11.14; 
14, 23. 24; 15, 20; 16,2.6.7.15. 16; 17,8—20; 
18,6; 21, 10- 17; 22,5; 23,16—19; 24,116; 
25,2 u. ſ. w. Während das Deuteronomium jo 
auf die zu Grunde liegenden fittlihen Gedanfen 
zurüdgreift, und diefelben entwidelt, beftand bie 
Ausbildung des Geſetzes nah Ejra nur in ber 
weitern Erklärung oder Anwendung ber einzelnen 
Gejegeöbeftimmungen (nad) den Habbinen 243 
Gebote und 365 Verbote) in ritualiftifcher Auffaf: 
fung, wobei das Gejeg als ein fefter, unabänder: 
licher Kanon betrachtet wurde. Wo im Geſetz jelbft 
die erwähnten Verſchiedenheiten ſich fanden, ging 
man nad) den Umjtänden auf die urjprüngliche 
Faflung zurüd oder blieb bei der des Deuterono: 
miums jtehen, und half fich durch fünftliche Aus: 
legung derjelben. Die faft abergläubifche Ber: 
ehrung des Gejeges im —— Judenthum 
förderte der Stand ber Geſetzeslehrer, die in den 
Synagogen dad Geſetz verlajen und dem Bolte er» 
Härten. Was fie für die Auslegung und Anwen: 
dung des Geſetzes geleiftet, hat der Talmud in 
Miſchna und Gemara zujammengefaßt. Die blei» 
bende Bedeutung des mojaifchen Geſetzes liegt in 
feinen großen fittlihen Grundgedanten, welche das 
Evangelium nur nochvertieft in fi aufgenommen 
bat; jede äußere, im Geſetz bejtimmte Ordnung 
mußte wanbelbar fein, weil fie nur die Anwen: 
dung jener Grundgedanken auf geſchichtlich ent: 
jtehende, rechtliche und joziale Berhältnifje ift. Kein 
fpäterer Verſuch, eine theokratiſche Berfafjung 
wiederherzuſtellen, ift der Gefahr entgangen, biejen 
Unterſchied nicht genügend feftzubalten. Vgl. 
Riehm, die Gejeggebung Mofis im Lande Moab, 
Gotha 1854. Saaljhüg (Hiraclit), Moſaiſches 
Recht, Berlin 1853. Außerdem die Geſchichte 
Iſraels von Ewald, Gräg (Jir.) u. U. und bie 
Kommentare, 

Moſchus, Johannes, ein asletiſcher Schriftftel- 
ler des 6. Jahrhunderts. Bermuthlid in Baläjtina 
geboren, war er Mönd und Prieſter zu Jeruſalem, 
und lebte als Einfiedler am Jordan und in der 
Laura des h. Sabas. Der perfilchen Kriegsgefahr 
ausweichend, bereifte er Aegypten und die griechi— 
ſchen Injeln und ftarb in Rom 619 oder 620. 
Seine Schüler beftatteten feinen Zeihnam zu Je 
rujalem. In Rom verfaßte er die an feinen 
Schüler und Begleiter Sophronius, den nachheri— 
gen Patriarchen von Jerujalem gerichtete Schrift 
Xeimon, d. i. geiftlihe Wieje, nad) dem Vorbild 
eines ältern Wertes, ein Bericht feiner erbau: 
lichen, auf feinen Reifen unter den Mönchen ge 
madıten Erfahrungen. Obgleich er mit tritiffofer 
Reihtgläubigteit von Vifionen, Wundern, Engel: 


auch der legte Bearbeiter der erften Bücher Moſes erſcheinungen u. |. w. berichtet, ift jein Buch von 
neben einander hat jtehen laſſen. Vgl. 2. Mof. Bedeutung für die Kenntniß des damaligen 








Mojellanus 


Mönchsweſens und der Härefien. Ueber die =. 
Schriften und Ausgaben Dal. Fabricius, Bibl. 
graec. Tom. V. cap. 16. VIII. 201 ff. 

Mofellanud Petrus, eigentlich Schade, geboren 
von armen Eltern zu Proteg an der Mojel 1493, 
erhielt Haffiihe Bildung zu Köln und Yeipzig, 
folgte 1515 einem Ruf an die Schule zu Freiberg 
und ward 1517 Profeſſor der griechiſchen und 
lateiniihen Sprade zu Yeipzig. Er eröffnete auf 
Anordnung des Herzogs Georg die Disputation 
zu Leipzig 1519 mit einer Anrede »de ratione dis- 
putandi praesertim in re theologica«, Mit den 
Yumanijten und den Führern der Reforma: 
tion ſtand er in bleibendem Berfehre. Luther be: 
zeichnet ihn als ganz erasmifch geſinnt. Einer 
der gelehrtejten Männer jeiner Zeit erwarb er ſich 
um die Belebung der claſſiſchen Studien im Her: 
zogthum Sachſen große Berdienfte, 7 1524. Sein 
Epitaphium befindet ſich in der Nicolaikirche zu 
Zeipzig. Vgl. Melchior Adami vitae Germanorum 
philosophorum 1705. 


Mojer, Johann Jacob, geb. zu Stuttgart, 18. 
Jan. 1701. Bezog jhon mit 16 Jahren vie Unis 
verfität Tübingen, gab 19jährig feine erſte Schrift 
heraus und ward gleichzeitig außerordentlicher 
Profeſſor der Rechte zu Tübingen. In Wien, 
wohin er fi 1721 begab, lehnte er die Zumuthung, 
fatholijd) zu werden ab und fehrte 1727 als Re: 
gierungsrath nach Stuttgart zurüd; die 1729 
ubernommene Brofefjur des Staatsrehts zu Tü— 
bingen Er er 1732 nieder, und ward 1733 von 
neuem Mitglied der Regierung zu Stuttgart. 
1736 nad) Frankfurt a. d. O. als Profeſſor beru: 
fen, trat er 1739 zurüd und lebte zu Ebersborf im 
Boigtlande, bis er 1747 als Geheimrath in Helen: 
Homburgiihe Dienite trat. 1749 eröffnete er in 
vanau „eine Staats: und Kanzleiatademie zum 

ienft junger Staatsperſonen“, ward aber 1753 
als Landſchafts-⸗Conſulent nad Stuttgart zurüd: 
berufen. Bei den Differenzen zwiſchen dem Herzog 
und den Ständen, die er in ehrenhafter Weiſe zu 
ſchlichten ſich bemühte, erregte er den Zorn des 
Herzogs, der ihn 1759 ohne Urtheil und Berhör 
auf yohentwiel in harte Gefangenſchaft warf. Erſt 
1764 wieder freigegeben und ın jein Amt wieder 
eingejegt, jtarb er 30. September 1785. Der 
fruchtbarſte deutſche Schriftjteller, der SU0 Bände 
geſchrieben hat, ift er nicht nur ald Schöpfer der 
deutſchen Staatsvechtswiljenihaft und durd den 
Freimuth, weldden er in jeiner ganzen amtlihen 
und literariſchen Thätigkeit befundete, befannt 
geworden, jondern aud) durch jeine unerſchütter— 
liche hrijtlide Frömmigkeit, von der jeine 1200, 
poetifch wenig bedeutenden, geiftlidyen Xieder Zeug: 
niß geben. Vgl. Xedderhoje, aus dem Leben J. v. 
M. 2. Aufl. 1862. Grüneijen, im Piperſchen Kal. 
1852. Sein Sohn Friedridy Karl, geb. 18. 
Dez. 1728, + 10. Sept. 1748 zu Xudwigsburg, 
bis 1780 Dinifterin Heflen-Darmitadt, ijt gleich 
ſalls durch viele ſtaatsrechtliche Schriften befannt 
geworden. Er war ein Erbe ver Gejinnung feines 
Vaters. Bol. Baumitark, Fr. Karl v. M. 1546. 

Moſera oder Moferoth, 4. Moj. 43, 40, 5.M. 
10, 6, eine Station der Jjraeliten aufdem Wüſten⸗ 
zuge, wo Yaron ftarb, lag auf dem Gebirge Hor. 

Mofes (NV, LXX: Movuoijc, Mwans, Vulg. 
Moyses), der Befreier und Geſetgeber Iſraels. Die 
Deutung des Namens, welche 2. No. 2,10 gegeben 


7117 


Mojes 


wird, ber Herauögezogene, nämlich aus dem Wafjer, 
ift etymologiſch unrichtig, da die Ableitung aus 
dem Hebr. nur den Sinn des Herausziehens * 
Noch unſtatthafter iſt die Erflärung aus dem 
Sanskrit mit Sitig, der die Wurzel mush jtehlen 
und müshika die Maus, vergleicht. Joſephus lei: 
tet ihn deshalb aus dem Aegyptifchen, Mo Waf: 
fer und Usche Geretteter ab, womit die Schreib: 
art der LXX übereinftimmt. Am beiten ver: 
gleichen Lepfius und Bunfen den ägyptiihen Na- 
men »Ms« oder »Mas,« der einfach Kind oder 
Knabe bedeutet. Die Gefchichtlichleit der Berfon 
und des Werkes des M., welche früher vielfach 
beftritten wurde (Voltaire, Nork), ift nach ben 
neuern Forſchungen als völlig unzweifelhaft an: 
erfannt. Die bibliihen Berichte erhalten felbjt 
eine Beftätigung durch die Angaben der heidni— 
{hen Schriftiteller, des Manetho, Chäremon, He: 
catäus von Abdera u. A., wenn das Tendenziöje 
der ägyptifchen zur in Anrechnung ! ⸗ 
bracht wird. (Vgl. Ewald, Geſch. Iſr. 2. Auög. IL, 
100 ff.) Da aber die biblifchen Berichte nur zum 
Theil gleichzeitigund auch dieje von dem Sammler 
überarbeitet find, jo tft die Gejchichte mit jagen: 
haften Ausmalungen reichlich verziert. Auch wenn 
diefe auf ihren gefhichtlihen Kern zurüdgeführt 
werden, erfcheint DM. ald eine eminente Berjönlich: 
feit, der Die Weltgeſchichte, abgefehen von Chriſtus, 
faum eine gleiche an die Seite ſtellt. Während 
des.Ichweriten Drudes der ägyptiihen Macht auf 
die Juden um 1574 v. Chr. (vgl. 2, Moj.7, 7 mit 
Lfön. 6,1; Jos.c.Ap.1,26)geboren und auf wun⸗ 
derbare Weije vor dem Tode Bee 2.M.2,1-10, 
ward eram ägyptiſchen Hofe erzogen und in ägyp: 
tifcher Weisheit unterrichtet. Daer inrafcher That 
einen Aegypter, der einen Jiraeliten mißhandelte, 
erihlug, mußte er nad) Midian fliehen und lebte 
dort lange Zeit, als Schwiegerjohn des Jethro in 
einen Beduinenftamm aufgenommen (2. Moj. 2, 
1—3, 1), anjdeinend nicht ohne eine Berbindung 
mit den Seinigen zu unterhalten. 2, Moj. 3, 27 ft. 
Eine Gottesoffenbarung legteihm den Beruf auf, 
ber Retter feines Volks zu werden. Zurüdgefehrt 
nad) Aegypten hatte er mit Meberwindung großer 
Schwierigleiten zuerft fein eigenes, in der langen 
Knechtſchaft gebeugted und verlommenes Bol auf: 
zurichten, durch die Macht der jelbjt gewonnenen 
Gotteserfenntnig die Schwachen Reſte des mono— 
theijtiichen Glaubens der Stammväter neu zu be: 
leben, die Hoffnung auf eine Möglichkeit der Be: 
freiung anzufachen und überhaupt eine nationale 
Wiedergeburt vorzubereiten. Es mochten ihın 
dabei Hegungen unter den Beffern feines Bolts, 
Wr unter den Aegyptern entgegenfommen, wie 
oldye auch jeinen Bruder Aaron zu ihm in die 
Wüſte —— hatten. Jedenfalls iſt es ſein 
Werl, dieſe nationalen und politiſchen Abſichten 
mit der religiöſen Idee, die jene allein —— 
machte, durchdrungen zu haben. Ein wunderbares 
Zuſammentreffen von Natur: und politiſchen Er: 
eigniffen ließ endlich die widerwillig eriheilte Er: 
laubniß zum friedlihen Auszug erlangen und 
Mojes führte das längjt vorbereitete Volt auf einem 
ben Aegyptern unerwarteten Wege durd) das rothe 
Meer in die Sinaitifhe Wüfte. Die erſte Zeit ver 
Ruhe am Sinai wurde benugt, um in feierlicher 
Weiſe die Gefeßgebung zu verfündigen, in ber 
Religiöfes und Bürgerliches gegenfeitig jo durd: 
drungen ift, dab die bürgerlichen Inſtitutionen 
46 


Moſes 718 Moſes 


die Religion bewachen und beſchützen, weil ſie ſie des Prieſterthums, die Leitung durch Lehre und 
vorausſetzen, und die religiöſen Vorſchriften die | göttliche Ausſprüche blieb beim Hauſe Aaron 
bürgerlihen Einrichtungen heiligen und ſichern. Während die Schrift an Moſes die unermüdliche 
Der Abfall zum Dienft des goldenen Kalbes offen: | Geduld und die Langmuth, mit der er die Verkehrt: 
barte die vorhandene Stumpffinnigfeit des Volkes | heiten feines Volkes ertrug, rühmend hervorhebt, 
und nöthigte dazu, ihr Rechnung zu tragen. | zeigt fie ihn zugleid) ald einen Mann des grimmen 
So fonnte M. feinen eigenen, rein geittigen Got: Zorns (2. WM. 2, 11 — 17; 11,8; 32, 27 — 29; 
tesglauben im Volke nur unter der Hülle eines ri: | 3. M. 24, 10—24;4. M. 15, 32—36 ; 25, 4—9), 
tualen Gottesdienſtes befeftigen, wobei zugleich deſſen Leidenſchaft jedoch niemals durch perſön— 
ftrenge Zucht das zuchtlofe und der eigenen Be: | liche Intereſſen gemwedt wurde, fondern nur um 
gr entbehrende Boll bändigen mußte. | der Gerechtigkeit willen und wo die Durchführung 

einen Anhalt fand M. in feinem Stamme Levi, | feiner Zebensaufgabe bedroht wurde. Bemunderns: 
dem er deöhalb die Bewahrung des Gottesdienſtes | werth ift er in der Selbftlofigteit, mit welcher er 
anvertraute, indem er ihn als Priefterftamm aus- | auf jeden Lohn feines Berdientes für ſich und 
wählte. Den Zug durd) die Wüfte, den man früher | jeine Nachkommen, jelbjt auf die Ehre im Tode ver: 
als ein ee Hinundherwandern aufzufaflen zichtete, und das bleibende Hohepriejtertgum auf 
geneigt war,laffen die neueren Forſchungen Vaihin- Aaron’3 Haus übertrug. Am höchſten aber in 
ger, Bunjen) als einen durchaus überlegten und derungetrübten Sunerficht jeines Glaubens, welche 
durch die Umſtände Hinlänglic) begründeten erſchei-⸗ ihn das Schwerſte unternehmen und glücklich durd: 
nen. Urfprünglid nämlid; war der Einfall in | führen ließ, um eine religiöfe und nationale Vie: 
Paläftina von Südweſten, von Kades aus, beab: | dergeburt jeines Volks zu bewirken. Er tft der 
ſichtigt geweſen; wenn zu gleiher Zeit mit dem ud a Stifter der Neligion, die mit Recht 
Auszug der Jiraeliten die Philiſter in Aegypten ein: | nad) ihm genannt ift. In der unlösliden Ber: 
fielen und bafjelbe befegten, jo fonnte Mojeshoffen, | bindung der nationalen und religiöfen Elemente 
die Grenze Ranaand von diefen nur ſchwach beſchützt in jeinem Gejege jpricht fih nicht bloß ein allge: 
zu finden; bie Muthlofigkeit des Volks aber nöthigte | meiner Zug des orientalifchen Weſens aus, fon: 
ihn, ben Plan aufzugeben und den Angriff gegen | dern noch mehr die Befonderheit feiner eigenen 
die Oftfeite Kanaans zu richten. Lebensgejtaltung. Der Grundzug Feines Weſens, 

Die Geſchichte vom Haderwaſſer, wo ſich Moſes mit dem er in das öffentliche Leben eintritt, iſt 
verjündigt haben ſoll, fällt in diefe Zeit der Um: | der Patriotismus, die Liebe zu jeinem Volke, die 
fehr von Kades. Die Erzählung, weldye das eigent- | er jelbjtverleugnend bewahrt und bethätigt hat, 
lie Verſchulden des M. in einen 1003 Um: | obgleid) ihm in Folge feiner Erziehung die volle 





ftand legt, läßt immerhin erkennen, dafs M. fich | Gunft des ägyptiihen Hofes offenitand. Da er 
jelbft den Vorwurf machte, in feiner jonftigen | ohne Zweifel aud) in der ägyptifchen Religion, wie 
Blaubensgewißheit einen Augenblid gewankt zu | in Ta Weisheit erzogen wurde, fo ijt Die Liebe 
haben, und durch zornige Nachgiebigkeit gegen das | zu jeinem Volle aud) die Vermittlung und Die 
Volt jeiner beffern Neberzeugung untreu geworden | Brlide zu feiner höhern Gotteserkenntniß gemejen. 
zu jein. Da die Edomiter den Durchzug durch ihr | Die Jiraeliten waren ben Aegypten ein fremdes 
Gebiet verwehrten (4. Mof. 14, 10 1 fo ward | Volt geblieben, und nicht allein durch ihre Beſchäf⸗ 
mit dem Zuge durch den Arabah bei Eziongeber | tigung als Hirten ; mehr nod) trennte fie der bild— 
das Gebirge Seir umgangen, das Gebiet der I0fe Gottesdienft und der Abſcheu der Jiraeliten 
ſtammverwandten Moabiter undAmmoniter durch: | vor dem ägyptifchen Thierdienft. Und wie nun 
Ihritten, die feindlichen Midianiter wurden be: | naturgemäß (gleichwie jpäter zur Syrerzeit) das 
fiegt und, da die Amoriter den Durchzug weis | Streben des mißtrauiſchen Königs dahin gerichtet 
erten, mit dem Eroberungd: und VBernichtungs: | geweſen ſein muß, durch Aufhebung der religiöfen 
riege bei ihnen begonnen, während dereigentliche | Scheidung das fremde Weſen zu vernichten, fo mußte 
Plan war, nördlih vom todten Meere über | von den Befjern des Volls gerade unterdem Drude 
den Jordan zugehen und in Paläftina einzudringen. | ber Negypter der verblichene Glauben der Stamm: 
Von den 40 Jahren zwijchen dem Auszug aus | väter an einen Gott als ein theures Nationalgut 
Yegypten und dem endlichen Uebergang über den | feitgehalten werden. Daher mußte jedes eruft: 
Jordan unter Jojua fallen 2— 4 auf den eigent: | hafte Nachſinnen, ob eine nationale Rettung 
lichen Wüftenzug, die übrigen 36— 38 find zu der | Iſrtaels möglich fei, zu einem tiefern religiöjen 
urjprünglich nicht beabfichtigten Eroberung des | führen, namentlid) zu einer * ernſten Prüfung 
Oſtjordanlandes und der —2 von Ruben, | der abrahamitiſchen Ueberlieferung, Die gerade bei 
Sad und halb Manafje verwendet worden. (Die | dem Stamme Levi am treuften bewahrt geweſen 
Nachweiſungen bei a im Bibelwerk und von | zu fein jcheint. So wurde in M. die ihrer Natur 
Vaihinger bei Herzog X. 47 ff.) Gegenüber der | nad) immer wunderbare, weil unerklärliche Offen: 
älteren Anficht verſucht Hitzig (Geſch. Iſraels, barung vorbereitet, die ihm in feinem Innern die 
Leipz. 1869, 1, ©. 67.77 f.) den Nachweis zu lie: | Gewißheit von dem Leben des ewigen und unſicht⸗ 
fern, daß vom Auszug aus Aegypten bis zum | baren Gottes gab, und die, ein Borgang feines 
Yordanübergang Überhaupt nur 4 Jahre verfloſ- innern Lebens, einen bildlichen, finnlidhen Aus: 
jen jeien. Gegen das Ende des Zeitraums ftarb | drud in der Gejchichte vom brennenden Dornbujch 
Moſes (4. M. 27; 5. M. 34,1. 5.), nachdem er | (2. M. 3, 2 ff.) gefunden hat. Die eigene Erfah— 
nod vom Nebo aus das Land feiner Hoffnung | rung aber von der fittlihen Kräftigung, die in 
überjchaut hatte. Sein Grab erfuhr Niemand, auch | foldyem lebendigen Gottesglauben liegt, gab ibm 
im Tode wollte er nicht Gegenftand irgend einer | den Muth, diejen Gotteöglauben als den Hebel ein» 
abgöttischen Verehrung werden; zu feinem Nach: zuſetzen, der das Volk moraliſch aufrihten und 
folger in der Führerfchaft des Heeres hatte er den phyſiſch erretten ſollte — nicht als politiichen 
längftbewährten Jofua beitimmt; die Führung Kunſtgriff, fondern als eigenen Gemnifienötrieb, 


Mojes 719 Moſes 


ber alle naheliegenden Bedenken überwiegt, und gionsverfaſſung ein, jo daß die Zuſtände, wie fie 
die eigene Gefahr nicht verfennen, aber muthig be: | im Bude der Richter erfcheinen, e8 manchem 
ea läßt, Die eigene veligiöfe Erfahrung, daß Forſcher ald unmöglich erfcheinen ließen, daß ihnen 
ein Xeben unter göttliher Leitung ſtehe und er | eine jo ausgebildete Gejeggebung, wie der Penta— 
von Gott zu feinem Propheten erwählt jei, erweis | teuch fie Moies zufchreibt, habe vorhergehen können, 
terte fi zudem Glauben an die bejondere Erwäh⸗ | jelbit wenn aus biejer Gefeggebung die fpäteren 
lung und Berufung Jiraels als des Volkes Gottes. | Bejtandtheile des Deuteronomiums ausgejchieden 
So lange nicht die göttliche Ebenbildlichleit des | wären. Alle jpäternlimformungen des ifraelitiichen 
Menſchen volljtändig ergriffen und die hrijtliche | Staatslebens halten aber den moſaiſchen Grund: 
Erfahrung vom Walten des heiligen Geiftes in | gedanken feft, und jo wie dasentartete Königthum 
den Menſchen in die Erkenntniß aufgenommen, | das theokratiiche Bewußtſein fahren läßt, erhebt 
bezeichnet der theofratiihde Gedanke den möglich | ſich im Volke mit der Brophetie der Rückſchlag ge: 
höchſten Aufſchwung des religiöfen Lebens. Das | gen dafielbe zum Zeugniß, daß die vorhandene, 
ift das Einzigartige in Mojes, daß er ihn mit kla- in ihren Örundzügen im Bollsbemußtjein wur: 
rem Bewußtjein zur Grundlage jeiner ganzen Ge: | zelnde Verfaffung verlegt und verlaffen fei. Denn 
feggebung machte ; nicht in der rohen Seite heid: | Theofratie ift nichts Anderes, als der finnlich ge: 
nijcher Priefterjtaaten oder in der veräußerlichten | ftaltete Ausdrud des Glaubens an eine göttliche 
Form der fpätern Hierarchie, fondern in der leben: | Weltregierung, welche die Geſchicke des Einzelnen 
digen geiftigen Weife, in welcher in der Geſchichte wie des Volks zu dem von ihr geitedten Zieleleitet, 
des Zuges Bott unmittelbar als Gejeggeber und ſowie der der Ueberzeugung, daß demzufolge aud) 
Herricher gefaßt erfcheint. Mit diefem Öedanfen | weder das Leben des Einzelnen, noc das bes 
legte M. die Grundlage des Ehrijtentyums. Den: | Volles regiert werden dürfe nad menſchlicher 
noch ijt der Moſaismus ſchwerlich ein ganz reiner | Willfür und augenblicklicher Laune eines Einzelnen, 
Ausdrud von dem Glaubensleben des M. jelbit; | jondern allein nad) den ewigen göttlichen Grjegen, 
al3 ein ſolcher kann vielmehr nur das Bundesbuch | die im Gewiffen und der Vernunft gottbegeifterter 
angejehen werden. Der Ritualismus des Geſetzes Menſchen der Welt offenbart werden. Dieſer Öot- 
it ein wenn aud zum Theil unbewußtes Nach: | teöglaube, der in Mofes Fleisch und Blut geworden, 
geben an die Nothwendigfeit, ein Mittel, den rein | Hat fein Bolt geſchaffen, neugeboren und bis in 
geijtigen Gottesglauben dem in der Sinnlichkeit | Dar Zukunft erhalten. Nah Mofes und in ber 
befangenen Bolte zu vermitteln und zugleich Dem | Königszeit kann aber eine ſolche Aenderung der 





Verlangen zu genügen, welches in einem Theil 
bes Volls, derägyptiichen Einflüffen zugänglicher 
gewejen war, den Bilderdienft des goldenen Kalbes 
bervorrief. So enthält der Moſaismus die beiden 
Kichtungen der fpäteren Zeit in fih: das Pro: 
phetenthum, mit der reingeiftigen, innern Gottes: 
verehrung, deren Ziel Chriftus, und den Eſrais— 
mus mit jeinen Ausgängen, dem Phariſäismus 
und Rabbinismus. Außerdem wirkten noch andere 
örtliche und zeitliche Umjtände auf die Geſetzge— 
bung, auf Verbote und Gebote ein, 5. B. bei den 
Speiſegeboten; nur im Allgemeinen tft ihr Grund 
in dem Streben zu erfennen, das erjt zu organi: 
firende Volf zu einer ſtreng geſchloſſenen Einheit 
zujammenzufafien und vor dem Aufgehen in die 
ltammverwanbten Völker, denen es auf dem Zuge 


religiöfen und politifchen Verfaſſung nicht ftattge: 
unden haben. Sie wäre eine jo gewaltige Er: 
hütterung des ganzen Volkslebens geweſen, daß 
ihre Kunde nicht hätte untergehen können, ıhr Ur: 
heber aber hätte ein gleicher religiöfer Heros wie 
Mojes jein ven 

Von dem Privatleben des M. erfahren wir 
wenig. Seine Frau Zippara ſcheint feinen Glau: 
ben und jeinem Bolfe ferner geblieben zu jein 
(2. Moj. 4, 24; 25.) Aus der Bezeichnung feines 
Weibes als einer Kuſchitin (4. M. 12, 1), läht ſich 
nicht wg mit Ewald (aus der Bergleihung 
von 2. Mof. 2, 16; 3,1) fließen, daß er zweimal 
verheirathet geweſen. Joſephus läßt ihn gar mit 
einer äthiopiſchen Prinzeſſin verheirathet jein. 
Bon feinen Nachlommen wird (Nicht 18, 30, nad) 


ſich näherte, und deren Götzendienſt, dem ifraeli: | ungmweifelhaft ae Lesart) ein Entel Jonathan 


tiſchen Wejen näher verwandt, größere Öefahr der als Priejter der 


aniter und ihres gejchnigten 


Verſuchung darbot, zu bewahren. Der Auszug war | Bildes erwähnt. Das Zeitalter des M. wird durch 
die Frucht einer religiöfen Erhebung und Begei- übereinftimmende Annahme dahin beftimmt, 
jterung geweſen, welche jedoch unter den Bedräng: | daß der Auszug unter dem Pharao Menephthah 
nifjen des Wüftenzuges bald zu erlahmen drohte. | ftatt hatte, die Beitimmungen über das Jahr 
Moſes ift nicht der Letzte geblieben, der gegen: | ſchwanken aber bedeutend. Merr in Schentel’s 
über der Abnahme des religiöjen Schwunges | Bibellericon I, 64 läßt ihn unter Amenophis ILL. 


verſucht Hätte, durch gottesdienftlihe Formen 
und Gebräuche, mit denen er das Leben durchzog, 
den religiöſen Eifer des Volls aufs neue zu er— 
wecken und lebendig zu erhalten. Daß Motes in 
der That der Urheber der ifraelitifchen Geſetzgebung 
war, jeigt ſich am beſtimmteſten in ihrem polttiichen 


1463— 1444) beginnen; Bunjen und Yepfius 
egen ihn gegen 1320, was wahrſcheinlich den Bor: 
zug verdient. Vgl. außer den Einleitungen und 
GCommentaren zum Bentateuh: Bertheau, zur 
Geſch. der Jir. 1842. Bunjen, Aegyptens Stelle 
in der Weltgejch. Lpz. 1844-45. Ewald, Geſch. Fir. 


Theile. Diefelbeijt Die Organijation eines Lagers, | I. u. II. Higig, Geſch. Sir. I. Lpz. 1869. Herm. 
nicht eines Staates, und kann aljo ihren Urjprung | ik Alttejtam. Theologie I, 123—133. 

nur im Beginne des friegeriihen Wüftenzuges | Moſes Chorenenfiß, „der Vater der Dichter 
haben. Sobald Iſrael jebhaft geworden war, | oder Gelehrten“, ein armenijcher Theologe des d. 
mußte diefe Berfajlung, den wirklihen Zuftänden | Jahrhunderts, warein Neife des Mesrop (j. d. A.), 
nicht mehr angemefjen, ſich auflöjen; dabei aber | von welchem er mit andern feiner Schüler zu 
wirkte die nun entjtehende politiihe Anarchie in | weiterer Ausbildung nad) Alerandrien geſandt 
Folge der Verbindung des politiihen mit dem wurde. Nachdem er dort 7 Jahre den Unterricht 
religiöfen Leben nothwendig aud auf bie Reli: eines großen Philofophen, vielleicht des Cyrillus 

46* 


Mosheim 


Aler. genofjen, bejuchte er mit jeinen Genofjen 
noch Rom, Athen und Eonftantinopel und fehrte 
erst nad) Mesrop’3 Tode nah Armenien zurüd, 
wo er Bifhof von Bagrevand wurde, Während 
der Perſerherrſchaft und der unter diejer aus: 
brechenden Verfolgung der Chriften zog er fidh in 
die Einfamtleit zurüd. Er ftarb 120 Jahre alt. 
Bon feinen Schriften ift die wichtigjte die Ges 
Ichichte der Armenier, um 481 auf Seranlaffung 
des Fürften Pe gejchrieben ; fie umfaßt in 3 
Büchern die Geihichte A's. bis auf 441 n. Chr. 
Außerdem jchrieb er ein Compendium der Geogra: 
phie, ein —— der Rhetorik, „Buch der —— 
viele Ueberſetzungen, grammatiſche Bemerkungen 
u. a. Auch iſt er Verfaſſer vieler Hymnen, die 
noch jetzt im armeniſchen Gottesdienſte in Gebrauch 
ſind. Eine Geſammtausgabe ſeiner Werke, aber 
ohne die Fragmente und Hymnen, erſchien zu 
Venedig 1843, 

Mosheim, Johann Lorenz (von), berühmter 
lutheriſcher Theologe, geboren zu Lübek 1693 oder 
1694. Seine Abſtammung und Kindheitsgefchichte 
ift dunkel. Nach einer Angabe joll er, der angeb: 
liche Sohn eines Hoflafaien und jpätern Lieute: 
nants, in Wirklichleit der außerehelihe Sohn des 
Herzogs Ernſt Leopold von Holjtein-Ploen, der 
Neffe jeiner Gönnerin, der Herzogin von Braun: 
ſchweig geweſen fein. Schon 1766 begann er auf 
der Univerjität Kiel jeine ſchriftſtelleriſche Thätig- 
feit (zufällige Gedanken von einigen Vorurtyeilen 
in der Poejte), ward 1718 Magifter, 1719 Affefjor 
der philofophiihen Fakultät und (a8 Logik und 
Metaphyiit. 1723 nad) Helmftädt ald Profefjor 
der Theologie berufen, erhielt er hier, um ihn 
dauernd an die Univerfität zu fefleln, die Würde 
und die Einkünfte einesAbtes zu Marienthal 1726 
und Micdjaeljtein, und Sig und Stimme im Con— 
fiftorium und jpäter die Oberaufficht über alle 
Schulen des Herzogthums. Nachdem er mehrfache 
ebrenvolle Berufungen nad) Leipzig, Danzig, Hol: 
ftein und Finnland abgelehnt, folgte er endlich 
1747 einem wiederholten Rufe nad) Göttingen als 
Kanzler der Univerfität, F 1755. M. war der ge: 
lehrtejte Intherifche Theologe feiner Zeit ; mit einer 
feinen claſſiſchen Bildung verband er eine genaue 
Kenntniß der engliſchen, franzöſiſchen und italie: 
nischen Xiteratur und war ein Meijter reinen 
deutſchen Ausdruds. Zwiſchen Orthodoxie, Ra: 
tionalismus und Pietismus in der Mitte ſte— 
hend, ſuchte er den poſitiven Inhalt der Reli— 
gion den Gebildeten zu vermitteln. Als Prediger 
(heilige Reden, 7 Bde. ſeit 1725; n. Aufl. 1765) 
ausgezeichnet durch clajfiiche Beredſamkeit, ift er 
auf die Ausbildung der deutſchen Predigt als Rede 
von nachhaltigem Einfluß geweſen. In der Kir: 
chengeſchichte —*— er nad) unparteiiſcher Darſtel⸗ 
lung des Geſchehenen, mit beſonderer Begabung 
zur Wiedergabe der dogmengeſchichtlichen Syſteme. 
Seine „Sittenlehre der hd. Schrift”, von der er 
4 Bände Helmft. 1735—535 vollendete, (die 5 fol: 

enden ſchrieb J. C. Miller) fand enthuſiaſtiſchen 

eifall. Ein Verzeichniß feiner Schriften gab 
M. jelbit 1631 „notitia scriptorum et dissertat, 
aM. edit.“ vollftändiger Jani in Nicerons Lex. 
und in der Ausgabe der Kirchengefchichte von 1764. 
Außer den angeführten find die wichtigſten: In- 
stitutiones historiae ecclesiae, Helmft.1755, neue 


1769— 75 u. v. I. R. Schlegel, 7 Bde. 178696, 


120 


Mozarabifche Liturgie 
Institutiones histor. christian. majores. 1. Abth 
2. Aufl. Helmſt. 1763. De rebus Christianorum 
ante Constantinum Commentarii, Helmſt. 1753. 
Dissertat. ad hist. ecel. pertinentes, 2 Bde. , neue 
Aufl. Altona, 1767 ; Verſuch einer unparteiiichen 
Ketzergeſchichte, 2 Bde. Helmft. 1746—48. Vgl. 
Lücke, narratiodeMoshemio, Rößler, Gründung 
der Univerfität Göttingen. Ueber M.als Prediger, 
8. 9. Sad, Gejd. der Bredigt ze. von Mosheim 
bis Schleiermadher. Heidelb. 1866. 

Mosheim, Ruprecht von, aus einem freiherr- 
lihen Gejchlechte in Steiermart, feit 1522 Dom: 
dechant von Paſſau. In der Schrift de monar- 
chia et renascehtia Christ. fidei wollte er den 
Weg zur Bereinigung der Secten und Neubegrün: 
bung einer einigen Kirche durch ein Zurüdgehen 
auf Chriftuß zeigen. Papſtthum, Lutherthum, 
Zwinglianismus und Wiedertäujertyum waren 
ihm in gleicher Weiſe antichriftlihd. Bon evange- 
liſchen Theologen verhandelten mit dem untlaren 
und wunderlihen Manne Ofiander und Benato: 
rius 1539 zu Hagenau, katholiſcherſeits wurde er, 
der Ketzerei bejchuldigt, von Naufea und Eochläus 
verhört. Wegen jeiner Schmähungen gegen die 
fath. Kirche, der er namentlich das fittenloje Leben 
der Geijtlichen, die Zertheilung ded Sacraments 
und den Verkauf des Heiligen vorwarf, ward er 
in den Kerfer geworfen, + 1544. 

Motette (mittellat. motetam, ital. motetto 
von motto, Wort, Spruch) urjprünglich ein mehr: 
ftimmiges geiftlihes Gejangjtüd, mit freierem 
Charakter alö der Choral; in Deutſchland meijt 
ein über einen Bibelſpruch gejegtes figurirteö Ton» 
ftüd mit einfachen und Doppelhören. Schon vor 
er en gebräuchlich, erlangte fie ihre größte 
Ausbildung in dem proteftantiichen Norbdeutich- 
land durch Joh. Seb. Bad) und Graun, in neuerer 
Zeit durch Hauptmann, Schneider, Klein u. X. 

Moverd, Franz Karl, geb. 1806 zu Koesfeld in 
Weſtphalen, ftubirte 1825— 1829 in Nünjter fatho: 
liſche Theologie und orientaliihe Sprachen. 1829 
zum Prieſter geweiht, ward er zunächſt Bicar zu 
au bei va 1833 Pfarrer zu Berkum, 1839 
Profeſſor der Theologie zu Breslau. + daſelbſt 28. 
Sept. 1856. Gab zuerjt „Kritifche Unterfuhun: 
gen über die altteftamentliche Chronik", Bonn 1334 
heraus, dann »De utriusque recensionis vatici- 
niorumJeremiae indole et origines, Hamb. 1837. 
Sein Hauptwerk, weldes, durch umfaſſende Ge: 
lehrſamkeit und kritiſchen Scharffinn ausgezeichnet, 
feinen bedeutenden Ruf begründete, ift: die Phö- 
nizier, 2 Bde. (1 Bd.: Unterfuhungen über Die 
Religion und die Gottheiten der Ph., 2 Bd.: das 
phöniz. Altertum, 3 Thle.) Brest. 1840—56. Als 
Ergänzung dazu diente: Phöniziſche Texte, 2 Thle. 
Brest. 1545— 47. Sie behandeln das Religions: 
wejen, jowie das gejammte Staats: und Eultur: 
leben der Bh. und geben viele für die Bibelforſchung 
bedeutende Aufflärungen. Die Hauptergebnifie 
feiner Forſchungen gab er bei Eric und Gruber, 
Eneyclopädie Bd, 24, (Art. Bhönizien.) Außerdem 
ift zu erwähnen: Locı quidam historiae veteris 
testamenti illustrati. Brest. 1843, 

Mozaraber (entjtanden aus der arabijchen Par: 
tijipialform mustariba) d. h.unädte Araber hießen 
bei den Mauren in Spanien und Afrika die Chris 


ſten, denen ihr Cultus belaffen worden war. 
Aufl. 1764, deutfch durch v. Einem, 9:Bde., Leipz. 


Mozarabifche Liturgie, die Liturgie der altipa: 
nischen Gemeinden. Stewird zwar auf Jfidor von 


Mucker 


Sevilla zurückgeflihrt, iſt aber wahrſcheinlich älter 
und zeigt Verwandtſchaft mit der gallikaniſchen 
und morgenländiſchen 2. Das Concil von Tolebo 
638 ftellte fie für die fpanifchen Gemeinden feft. 
Die Päpfte Johann X. 918 und Alerander II. 
1064 anerkannten fie und Kardinal Ximenes grün: 
dete für fie eine eigene Capelle in Toledo, lies 
auch 1500 die erfte Drudausaabe erfcheinen ; zwei 
Sabre fpäter erfchien das dazu gehörige Brevier. 
Bon der römischen Liturgie unterfcheidet fie fich, 
abagejehen von geringfligigern Einzelheiten, zunächſt 
binfichtlich der Feſtordnung, da fie 6 Abventfonn: 
tage und 2 Feiertage der Verkündigung der 
Maria, 25. März und 18. Dezember (Sancta 
Maria de la O. vgl. den Art. Mariä Erwartung) 
hat; ferner durch eine für jeden Tag befonbers 
vorgeſchriebene Anſprache beim Beginn ber Opfer: 
handlung, enblih durch ein ganz verſchiedenes 
Perikopenſyſtem. Die Schriftverlefung umfaßt 
nämlich jedesmal 3 Lectionen, je eine prophetiiche, 
apoftolifche und evangelifche, und die Auswahl 
ber Abſchnitte ſucht möglichſt die vorzüglichften 
Stüde einzelner biblifher Bücher aufeinander: 
folgend vorzuführen. Für die Zeit vom 7. Sonn» 
tag nach Pfingften bis zum Schluß des Kirchen: 
jahres fehlen die befondern Gebete und Lectionen 
der einzelnen Sonntage. Für die fpäter aufgelom: 
menen Feſte aber, 3. B. Frohnleihnam, ift Bor: 
forge getroffen. Auch die Singmweife, welche nad) 
ihrem Urheber, dem Erzbifchof Eugenius von To: 
lebo, die&ugenianifche heißt, unterfcheibet fich von 
der Gregorianifhen durch ſtärkeres Hervortreten 
des Melodiſchen und des figurirten Geſangs. Vgl. 
Miane, Patrologie, 1850, Bd. 85. 

Muder, Muckerthum. Diejenige Richtung bei 
Secten, welche in religiöfem Geflihlsleben ſich da: 
bin verirrt, die Befriedigung unzlichtiger Lüfte 
unter dem Dedimantel religiöjer Askeſe zu fuchen 
und ala Alte der Frömmigkeit zu heiligen. Der 
Name entftand in Rönigäberg und bezeichnete zu: 
nächſt bie Anhänger des Theofophen Schönherr 
(geb. 1771, + 1826) und ber Prediger Ebel und 
Diftel, welche auf Grund jener (Übrigens unbe: 
arünbeten) Anfhuldigung 1835 bed Amts entjegt 
wurden (val. d. Art. Ebel). Das Wort wirddann 
wie „Pietismus“ nicht felten auch mifverftändlich 
und ſchimpfweiſe von einer lebendigen Frömmig: 
feit gebraucht, wenn fie ein religiöfes und abfchlie: 
Bendes Gemeinſchaftsleben hervorrief. 

Mühlen. Waren fhon in der Wüſte im Ge: 
brauch der Iſraeliten 4. Mof. 11,8. Sie beftan: 
den au82 Steinen, von denen ber obere, der Läu— 
fer (5. Moſ. 24, 6) durch einen Handgriff bemeg: 
lid war, während der untere feitlag (Biob 4l, 16). 
Der obere hatte ein Loch, um das Getreide hinein- 
gleiten laffen zu fönnen, baher er bei der Strafe 
des Ertränfens dem PVerurtheilten um den 2. 
gehängt werben konnte Matth. 18,16; Luc. 17,2, 

a8 Mahlen war Geſchäft der Hausfrau und in 
größeren Haushaltungen der niebriaften Sclavin: 
nen 2. Mof. 11,5. Matth. 24,41. Luc. 17,35, für 
Männer nur als S:rafe, wobei bie Sträflinge jo: 
gar geblendet werben konnten, um den Schwindel 

eim Drehen zu verhüten. Zur Zeit Chriftimurben 
aud in Paläftina Mühlen durch Ejel getrieben. 
Matth. 16, 6. 

Mühler, Heinrich, von, Preußifher Cultusmi: 
nifter. Die Stellung v. M.'s ift um fo bedeutſa⸗ 
mer, ald er mit an ber Spite des Staates fteht, 


721 


Mühler 


der ald Träger der Gefammtentwidlung Deutfch- 
lands auch auf kirchlichem Gebiete anzufehen ift. 
Der Sohn des früheren Juſtizminiſters 9. ©. v. 
M. (7 1857), geboren 4. Nov. 1812, trat er nach 
Vollendung feiner Studien in preuß. Staatädienfte. 
Sein Intereſſe für das Rechts: und Verfaffungs: 
leben der evangel. Kirche befundete er zuerft öffent: 
lich durch feine „Gefchichte der evang. Kirchenver: 
faffung in der Mark Brandenburg 1846”. Bald 
gewann er eine nach verfchiedenen Seiten jo ein: 
flußreiche Stellung, daß feitdem fein Name mit 
der Entwicklungsgeſchichte der evang. Kirche Preu— 
ßens aufs engſte verbunden ift. Bei der Grün: 
bung des Kirchentages 1848 trat er ald Mitglied 
des engern Ausfchuffes und ald Secretär des Cen— 
tralausfhuffes für J. Miffion, jpäter als Vor: 
figender des Kirchentag3 in den Mittelpunkt der 
mannigfacdhen, auf die religiöfe Neubelebung des 
deutfchen Volkes gerichteten Beitrebungen ; zugleich 
feit 1848 Mitglied der felbititändig gewordenen 
Abtheilung des preußifchen Eultusminifteriums, 
1858 Oberconfiftorialrath und Yuftitiarius des 
Oberfirchenrath3, knüpfte er das Band zwiſchen 
jenen Beftrebungen und bem preußifchen Kirchen: 
regimente, welches durch das Heranziehen der auf 
jenem Gebiete bebeutend gemorbenen Männer, 
h B. Wichern's, immer enger gezogen wurde, 
ah v. Uechtritz' Tode überfam er den Borfik 
im Oberkirchenrath, welchen er noch geraume Zeit 
fortführte, als er 18. März 1862 an die Spite des 
Cultusminiſteriums berufen wurde. 

Die Stellung des preußifchen Kirhenregiments 
in dem Kampfe der religiöfen Parteien, jein 
Schwanken und feine Unklarheiten, fein Berufen 
auf formelles juriftifches Recht und dennoch fein 
Nahgeben gegen büreaufratiihes Ermefjen, fein 
Feithalten an der Union und Befördern der Con: 

feſſion, feine legten Verſuche, durch Berufung von 
' außerordentlihen Brovinzialfynoden und dieBor: 
| Tage eines Unterrichtögefeges, jo viel ald unum: 
| ginaiih nothwendig geworden, dem Drängen auf 
ı Ausführung der Berfaffung nachzugeben — Ver: 
| fuche, die nach dem Urtheil nicht blos feiner zahl: 
reihen Gegner freilich im Entftehen als gejcheitert 
zu betraditen find — und mandjes Andere gehört 
noch der Gegenwart an, in der „das Syitem v. 
Mühler“ den heftigften Anfeindungen zum Troß 
fi — v. M. jelbft ift weniger der kräftige 
energijche Schöpfer dieſes Syſtems — welches nur 
als Produkt der Geſchichte des preußifchen Staates 
und Hofes feit 1840 begriffen werden fann — 
als fein gewandter und beharrlicher Vertreter. 
Das Weſentliche deſſelben ift völlig dur die 
Doppelftelung v. Mühler's im Centralausihuß 
für]. M. und im Kirchenregiment bezeichnet. Es 
liegt ihm fern, das Kirchliche nur zu einem Mittel 
für politifche Zwede herabzumürdigen, v. M. er: 
ftrebt vielmehr ernftlich eine chriftlihe Lebenser— 
neuerung des Volfes; der Kirche foll — dies war 
der leitende Gedanke — der volle Einfluß auf das 
Volkwiedergegeben werden und deßhalb aud) eine 
Selbtftändigkeit dem Staate gegenüber; allein 
ehe es dazu fommen fann, muß unter dem Schuße 
und durch Mithülfe des Staates volle Sicherheit 
efchafft worden fein, dafür, daß die —— der 
irche und möglichſt alle ihre Aemter nur „firch— 
lih:zuverläffigen” Perſönlichkeiten anvertraut wer: 
den und dem Einfluß eines „unchriſtlichen Zeit— 
geiſtes“ entzogen bleiben. Weil das Chriſtliche 


Mühlhauſen 


aber nur kirchlich⸗ religiös gefaßt wird, fo bedarf 
es für bafjelbe äußerer und erfennbarer Normen, | 
und diefe werden in ſchwankender Unbeftimmtheit | 
bald vom Pietismus, bald vom Orthodoxismus 
entlehnt. Der Vorwurf einer Hinneigung zum 
Katholifiren, der dem Syitem Mühler öfter ge: 
macht worden ift, erflärt ſich aber dadurch, daß es, 
in dem Bedürfniß, das Chriſtliche äußerlich do: | 
eumentirt au fehen, wie der Katholizismus danad) | 
trachtet, allen fittlihen Lebenäbeziehungen eine 
religiöje oder * Signatur aufzudrücken. 
M. hat auch Gedichte veröffentlicht, Berl. 1842. | 

Mühlhanfen, im Elſaß, gehörte feit 1515 als 
zugewandter Ort zur Eidgenofjenidaft und zum 
Bistum Bafel. Die Reformation warb ſchon 
1523 auf Grund eines von drei evangelifch ges 
finnten Geiftlichen erftatteten Gutachtens itber die | 
rechte Drbnung eines äußerlichen Gottesdienites 
vom Rathe durchgeführt. Zuerit hatte der Kaplan 
Augustin Kramer evangelijche Lehren vorgetragen, 
auch hielt fih Hutterus damals in M. auf. Die 
neue Ordnung behielt troß einiger Verſuche einer 
römischen Reaction ihren Beftand, und M. fchloß 
fi eng an die Schweizer Reformation an, trat 
1529 mit Zürich, Bern, Bafel und Eonftanz ineinen 
evangelifhen Bürgerbund und nahm Theil am 





Kappeler Kriege. Desgleihen wurde 1535 bie, 


erste Bafeler Eonfejfion angenommen, welche, weil 
ber Rath fie 1537 und 1550 unter feinem Siegel 
erausgab, auch die Confessio Mulbausana heißt. 
euerdings ift M. wegen feines vorzüglich einge: 
richteten Arbeiterviertels für die Löfung der jo: 
zialen Frage von Bebeutung geworben. 

Müller, Adam Heinrich, aeboren in Berlin 30. 

Juni 1779, bezog die Univerfität Göttingen, um 
oe zu ftudiren, wandte ſich aber bald ber 
BVhilofophie und Jurisprudenz zu, ging 1800 nad 
Berlin, 1805 nad) Wien, wo er unter dem Einfluß 
feines Freundes —— wurde. Nach kür⸗ 
zerem Aufenthalt in Dresden und Berlin trat er 
1813 in öfterreihifche Staatödienfte, nahm Theil 
an den Garläbader Conferenzen, ward 1826 inden 
Noelitand erhoben und zum Jofcath ernannt; 
+ 1829. In feinen Schriften über Staatöwiffen: 
haften (von der Nothwendigleit einer theologi: 
hen Grundlage der gefammten Staatäwifjen: 
haften u. |. w. Leipz. 1819 u. a.) ſchwebt ihm der 
mittelalterliche, auf religiöfer Grundlage aufge: 
baute Staat als Jdealvor: darum ift erder Roman: 
tifer unter den Polititern genannt worden. Vgl. 
feine Charafteriftil von Varnhagen von Enfe ın 
ber Gallerie von Bildniffen. 

Müller, Dr.Heinr. Geb. 18. Oct. 1631 zu Lübed, 
bezog im 13. Jahre bie Univerfität Roftod, ſpäter 
Greifswalde, wurde hier 1647 Magifter und nad: 
bem er ein Jahr lang Borlefungen in Roftod ge: 
halten, 1650 Archidialonus an der Marienkirche 
daſelbſt, an welcher fein Vater Hauptpaftor war. 
Bortgejegt Vorleſungen haltend ward er 1659 
Profeſſor der griehifchen Sprache, 1662 ber Theo: 
logie, 1671 Superintendent, + 1675, 13. Sept. 
ALS homiletifcher und asfetifher Schriftiteller be: 
beutend, obwohl dem Gefhmad feiner Zeit jehr 
viel nachgebend, gehört er zu den Männern, mel: 
he, wie Johann Arndt, bei aller ftrengen Recht: | 
gläubigkeit doch das Chriftenthum als frifches Les | 
ben und nicht als fejtgeftellte Lehre verfündigten, 
Ron feinen Predigtwerfen wurden die „Aal 
Ihe Schlußlette und Kraftkern“ 1663, ein Nach⸗ 





122 


Müller 


trag dazu 1668, die „evangelifhe Schlußkette“ 
1672, ber „evang. Herzensſpiegel“ 1679 in ver» 
fürzter Form, ebınfo wie die „geiftlihen Erquick⸗ 
ftunden”, der „himmlifhe Liebeskuß“ und die 
„Kreuz, Buß: und Betſchule“ neuerdingd mehr⸗ 
fach wieder heraudgegeben (Hamburg, Verlag des 
Rauhen Haufe u. a.) Bon feinen lateinifchen 
Schriften find zu erwähnen: Orator ecclesiasti- 
cus, eine Theorie der Predigt; Harmonia veteris 
novique test. chronologica 1668; Conjugii cle- 
ricorum patrocinium 1665 u. a. Ein nicht ganz 
volljtändiges Verzeichniß feiner zahlreichen Schrif⸗ 
ten bei Witte, memoriae theologorum nostri se- 
culi clariss. renovatae decas XV. Frankf. 1694. 

Müller, Johann Georg, Dr. theol., der Bru: 
der des Gefchichtichreiberd Johannes v. M., ge: 
boren 1759 zu Schaffhaufen, widmete fih in Zür 
ed und Göttingen bem Stubium ber Theologie 
und wurde, weil Kränflichkeit ihn an ber Ueber» 
nahme eines Pfarramts binderte, 1794 Profeflor 
der griehifchen und hebräifchen Sprade, fpäter 
der Encyelopädie und Methodologie am Collegium 
humanitatis feiner Baterftadt. In der Revolu: 
tion ward er Volfärepräfentant, Mitglied der Ber: 
waltungsfammer, Unterftatthalter und Mitglied 
bes fleinen Deo legte aber 1809 dieſe Nemter 
bis auf die Brofeffur und die Oberfchulberrnftelle 
nieder, + 1819. Seinezahlreihen Schriften haben 
meift ein apologetifches Intereſſe. Als Stubent 
—— er Herder aufgeſucht, und war nicht bloß 6 

onatdeffen Hausgenofje geweien, fondern genoß 
auch dauernd feine Freundihaft. Dadurch mie 
durch den Einfluß feines größeren Bruders war 
feine theof. Richtung beftimmt, die auf Grund ei« 
gener, lebendiger Glaubenserfahrung die Theologie 
zu humanifiren und ihre Mahrheit den Gebildeten 
jugänglicher zu machen trachtete. Val. feinen Brief» 
wechjel mit Herder bei Gelger. Brot. Monatsbl. 
18. Ein Verzeichniß feiner wichtigeren Schriften 
bei Herzog X, 87. 

Müller, Dr. Julius, geb. 10. April 1801 zu 
Brieg, ftubirte p Breslau, Göttingen und Berlin 
erſt die Rechte, dann Theologie. Seit 1825 Pfar⸗ 
rer zu Schönbrunn und Roſen bei Strehlen, ſchrieb 
er "Zur Beurtheilung der Schrift: die katholiſche 
Kirhe Schleſiens“, Breslau 1826 u. d. 1831 ward 
er 2.- Univerfitätöprediger, 1834 a. o. Profeflor 
der Theologie zu Göttingen, 1835 als ord. Prof. 
nach Marburg, von hier 1839 nad) Halle berufen, 
wo er, im Sinne der wiflenichaftli rg 
betften Vermittlungstheologie hauptſächlich Dog: 
matif und Moral lieft. Sein Hauptwerk ift bie 
Lehre von der Sünde Breslau 1839, 4. Aufl. 1850, 
Seit er auf der Berliner Unions-Conferenz 1846 
Referent in der Unionsfrage war, ift er in meh— 
reren Schriften für die Eonjenfusunion aufgetre» 
ten, für die er auch den Conſenſus zu formuliren 
verjucht hat (die erjte Generaliynode der evan— 
geliichen Kirche Preußens 1847), und ift der be: 
deutendfte Vertreter biefer Unionsrihtung. Mit 
Neander und Nitzſch begründete er 1850 die beut- 
sche Zeitfchrift für chriſtliche Wiflenfhaft und 
chriſtliches Leben. Seine Predigten find unter dem 
Titel „das hriftliche Leben, feine Kämpfe und Bol: 
lendung 1834, 3. Aufl. 1847 erfchienen; außerdem 
lieferte er eine Reihe gediegener Beiträge gu den 
Theol. Studien und Kritifen. 

Müller, Peter Erasmus, geb. 29. Mat 1776 in 
Kopenhagen, ftudirte hier und jpäter an verſchie⸗ 


Mümpelaardt 


benen deutſchen Univerfitäten Theologie und Phi: 
loſophie, ward 1801 Brofefior der Theologie in 
Kopenhagen, 1830 Biſchof in Seeland. + 1834. 
Bon feinen theologiihen Schriften in zu erwäh⸗ 
nen: „Chriftelig Moralfyftem”, Kopenh. 1808, 
„Chriftelig Apologetik“, 1810, „Der hriften Kir: 
tes Symboler“ 1817. Syſtem i den chriftelige 
Dogmatik 1826. Daneben leiftete er Borzügliches 
auf dem Gebiete dänifcher und nordifcher Alter: 
thumskunde überhaupt, um die er jih namentlich) 
durch die „Sagabibliothet, 3 Bde., Kopenh. 1816 
bis 18 und die (nad) feinem Tod erfchienene) krit. 
—— Saro Grammatikus großes Verdienſt 
erwarb. 


Mümpelgardt (Mömpelgardt), eine unter wiirs | 
tembergifcher Herrihaft ftehende Graffchaft im 
Elſaß, welche feit 1796 an Frankreich abgetreten | 


ift. Die Reformation predigte zuerft ein Schüler 
Zuthers, Johann Gailing, 1524—25 wirkte dort 


723 








Münfter 


feines Vaters und nad) deflen Tode Stiftäpredi- 
ge zu Hersfeld; 1792 kam er als Profeffor der 

beologie nad Marburg, wurde Confiftorialrath 
und reformirter Inſpector im Oberfürftenthum 
Heflen. + 28. Juli 1814. Ein fehr beliebter Do» 
zent, erwarb er fich großes Verdienft um die Dog: 
mengeichichte (Handbuch der hriftl. D.⸗/G. 4. Bde, 
1797), obgleidy ihm die Objectivität abgeht und 
feine biftorifche Betrachtung ſich nicht Über den 
Standpunkt bes Rationaliömuserhebt, demzufolge 
er in der Gefchichte der Dogmen nur eine Geichichte 
ber Verirrungen des menſchlichen Geiftes und 
jeldjtfüchtiger Beftrebungen erblidt. (Eine neue 
Ausgabe mit ea durch von Eoeln, fort: 
gefegt von Neubeder, * 1832—38.) Auch 
ſchrieb er einen Abriß der Kirchengeſchichte, Mar: 
burg 1804 und viele hiſtoriſche Abhandlungen. 
Anzuerkennen find auch M.'s Berbienfte um die 
Hebung des Landſchulweſens in Heffen, nament: 


unter dem Schuge Ulrichs von Würtemberg Wil: | lich die von ihm ausgegangene Gründung des 
helm Farel. Zu wirklicher Begründung der evang. | Seminars für Landichullehrer in Marburg. Seine 
Kirche nad) [hweizerifcher Ordnung kam es jedoch , Söhne haben ſich als Heifiiche Gymnafialdirecto: 
erjt 1535 durch Herzog Georg von Würtemberg; | renum das höhere Schulweien namhafte Berdienfie 
der erjte Prediger war Fareld’ Freund Toffanus | erworben; von dem theologischen Intereſſe feines 
(Toufjaint). Die Kirhenordnung von 1560 führte | Entels, Dr. W. F. Mi, zeugt die beachtenswerthe 
aber lutherifche Weife ein. —— der Prinzipien der Reformation in 
Mümpelgardter Colloquium wurde dadurch vers Schenkel's Allg. kirchl. ——* 1867. S. 287 ff. 
anlaßt, daß Ealviniftifche franzöftiche Flüchtlinge, ünfter. Gleichbedeutend mit Kathedrale, Dom, 
denen ſeitens der Lutheraner in M. die Abend» | bezeichnet eine größere Hauptkirche. Urſprünglich 
mahlsgemeinſchaft verweigert wurde, bei dem Gras | (von monasterium) den Aufenthalt von Mönchen, 
fen Friedrih von M., dem Vetter des Herzogs | dann von Stiftäheren bezeichnend, ging das Wort 
Ludwig von Würtemberg, den Gedanken anreg: | auf die Stiftäfirche über. 
ten, durch ein Religiondgefpräch eine Ausföhnung ünfler, da3 Bisthum. Der Name M., von 
ber Confeffionen zu verſuchen. E3 fand ftatt vom | der Kirche auf Stadt und Bisthum übertragen, 
20.— 29. März 1586 zwiſchen Andreä und Lukas | findet ſich zuerit um 1090; der alte Name ift Mi— 
Dfiander von Tübingen (Tutherifcherjeits) und | migardevord, Mimigernevord. Das Bisthum ftif- 
Beza, Abraham Musculus, Prediger zu Bern) tete Karl d. G., als das erfteim Sachfenlande zwi: 
u. a. Schweizer Deputirten. Gegenftände der | ſchen 784—805. Der erfte Biſchof war Liudger, 
Verhandlungen waren das Abendmahl, die Ver: | + 809, der Stifter der Abtei Werden und der Er: 
fon Ehrifti, die Taufe und fchließlich die Prädeftis | bauer des Münſters und eines Brüderhaufes, um 
nation. Die Beſprechung war awar eine gemäßig: | welches die Stadt rg anfiebelte, bis fie um 1180 
te, aber der Erfolg fcheiterte jhon an Andreä’s | Stadtrechte erhielt. Das Bisthum umfahte Weit: 
übermütbiger Starrheit, der zum Schluß erflärte, ; phalen bis an Ems und Lippe, und war begrenzt 
Beza die Hand nur zum Zeichen ber allgemeinen | von Utrecht, Köln, Dsnabrüd und Paderborn ; bis 
Menſchenliebe, nicht der brüderlichen, reichen zu , ins 16. Jahrhundert gehörten außerdem 5 friefi- 
fönnen. Gegen bie Beröffentlihung der einfeitig | Ihe Gaue, die Karl dem Liudger, ehe er Biſchof 


von Andreä aufgenommenen Protofolle »acta col- der 
loquii Montisbelligartensis, Tüb. 1597« erfchien 
Beza's Responsio ad acta colloq. M., Genf 1587 
und 1588, beutih Nützliche und nothwendige 
Antwort, erfter und anderer Theil auf das publi: 
cirte Colloq. M. mit Beſſerungen Heidelb. 1588. 
Obaleich der Graf bei dem Geſpräch fih auf Ans 
dreä's Seite ftellte, geftattete er nad) deſſen Ab: 
reife Doch den M. Predigern, ben Flüchtlingen das 
Abendmahlzufpenden. Aus dem M. Geipräd ent: 
ſpann fi der Streit zwifchen Huber und Mus: 
culus zu Bern, der durch das Colloquium 15. April 
1588 und bie Entlaffung des Huber beendigtmwurbe, | 
Münden-Freifing. Durch das Concorbat 1817 | 
wurde dad 1802 fäcularifirte und ſeit 1803 erle: 
bigte Bisthum Freyfing zum Erzbiäthum erhoben 





und der Sig nad) München verlegt; demſelben 
wurden die baierifchen Antheile der Diözejen Salz 
burg und Chiemfee zugefügt. Suffraganbisthümer | 
find Augsburg, Bafjau und —— 
Münſcher, Wilhelm Dr. Geb. 11. März 1766, 


zu Hersfeld, wo fein Vater Metropolitan war, ftus 
dirte 1781— 1784 zu Heröfeld, ward dann Gehülfe 


wurde, übertragen hatte, zu demjelben. Na 
in ber Bulle de salute animarum getroffenen 
neuen Circumfeription hat M. die holländiichen 
und oſtfrieſiſchen Diſtriete abgegeben und ftatt der- 
felben Eleve, Geldern, Mörs, Kempen und Lingen 
erhalten. Unter den Biſchöfen, die nach dem 
Sturze Heinrich des Löwen die Landeshoheit an 
fi gezogen hatten, erwarb fich einen hiſtoriſchen 
Namen der friegerifche VBifchof Bernhard von Gas 
len 1651—78, der auch die Stadt M. unter Ver: 
nichtung ihrer hergebrachten Rechte und Freiheiten 
any dem bifhöflihen Negimente unterwarf. Die 
chule zu M., welde aus dem mit dev Domlirche 
verbundenen,von Liudger geft. Anaben: u, Briefter: 
feminar hervorging, erlangte unterBifchof Rud. von 
Zangen, der bie —— Humaniſten da: 
F zog, großen Ruf. In der neuern Zeit erlebte 
. feine Glanzperiode unter dem Generalvilar 
Er: Friedrich von Fürftenberg, geb. 1729, 
1810, der Gymnaſien einrichtete und die beiden, 
feit dem 17. Jahrh. beitehenden Facultäten 1775 
resp, 1780 zur Univerjität erweiterte, unterftügt 
von dem Galligin’schen Kreife, den Katerlanıp, 


Münfter 


fördernd auf das wiffenfhaftlihe und religiöfe 
Leben einwirkte. Die Univerfität wurde 1818auf 
die theologische und philofophifhe Facultät be: 
ſchränkt. 

Ein berüchtigter Zeitraum in der Geſchichte von 
M. iſt die Herrſchaft der Wiedertäufer 1532—35. 
Seit 1524 war die Reformation in's Stift einge— 
drungen; durch die ſeit 1629 beginnende Wirk— 
ſamkeit des Predigers Bernhard Rottmann aus 
Heſſen fam es dahin, daß den Evangeliſchen 1533 
vom Domcapitel vertragsmäßig 6 von ben 7 
Kirchen für ihren Gottesdienft eingeräumt wur: 
den. Bald nachher wurde M. der Sammelplaf 
der Wiedertäufer aus Deutjchland und Holland; 
ihre Führer waren Bernhard Knipperdolling, ein 
Bürger von Münfter und der Holländer Johann 
Matthiefen von Harlem und Johann Beukelszoon 
oder Bokhold von Leyden ; Rottmann, der anfäng: 
lich gegen fie eiferte, trat bald zu ihnen über. Bei 
der Rathswahl 1534 erlangten die Wiedertäufer 
die Oberhand, Anipperbolling ward eriter Bürger: 
meifter, und nachdem alle „Ungläubigen” aus der 
Stadt vertrieben (Febr. 1534), wurde eine fana— 
tische, theofratifche Pöbelherrihaft mit Gleichheit 
aller Stände, Gütergemeinſchaft und Bielweiberei 
ſchrittweiſe eingeführt. Als der „Prophet“ Mathie: 
ſen bei einem tollkühnen Ausfall gegen das die 
Stadt belagernde Heer des Bifchors Frany von 
Walde 1534 umgelommen war, ließ der Prophet 
Bothold einen Aelteftenrath von 12 Berfonen zur 
Führung der Regierung und Bermaltung erwäh— 
len und erhob fi bald darnach ſelbſt zum theo: 
fratischen König desneuen Zion. Von da an herrſch— 
te in der Stadt die wildefte Schwärmerei und zil- 

elloſe Wolluft und Graufamfeit. Erft durch die 
Sütte des Yandgrafen Philipp von Heflen gelang 
es, die jeit 1534 vergeblich belagerte Stadt en 
einzufchließen und fie (durch Verrath) 24. Juni 
1535 au erobern. Rottmann fiel im Kampfe, Kö: 
nig Johann mit feinen Räthen Anipperdolling und 
Krehting, wurden mit glübenden Zangen zu To: 
be gezwidt, ihre Leichname an dem Thurme ber 
Lambertuskirche in Käfigen aufgehängt. Der fath. 
Gotteödienft wurde nun in der Stabt wieder her: 

eitellt, aber erjt den ernfteften Bemühungen der 
Folgenden Biſchöfe und der Jeſuiten (jeit 1588) 
gelang e3, dasLutherthum imLande gänzlid wieder 
auszurotten. Bgl. Dorpius, Wahrhafte Hiftorie, 
wie dad Ev. zu M. angefangen und durch die W. 
verftört, wieder aufgehöret hat, 1536. Berichte von 
Augenzeugen herausg. von Cornelius 1853. Derf, 
Geſch. des Münfterer Aufrubrs 1855. Ranle, deut: 
{he Geſch. im eitalt. d. Befo. III. K. W. Bou- 
terwek, Conr. Heresbachii 
teriensis, Elberf. 1866. 

Münfter, Sebaftian. Geboren zu Ingelheim 
1489, Schüler des Bellicanus zu Heidelberg, folgte 
demjelben jpäter nah Tübingen, wo er in ben 
Franciscanerorben trat. Bereits durch die Her: 
ausgabe eines hebr. Wörterbuches und einer hebr. 
1523, fowie einer haldäifhen Grammatif (über: 
haupt ber erjten) berühmt geworden, trat er 1529 
* Reformation über, ſtudirte und lehrte in Heidel- 

erg Theologie und ward bald darauf nad) Baſel 
berufen. Mie er aber aus Bejcheidenheit den Dok⸗ 
torgrad nicht annahm, ließ er fih aud von den 
thedlogiſchen Borlefungen bdiäpenfiren und be: 


ist. factionis Monas- 


124 


Dperberg, Kiſtemaker, Drofte:Vifchering, Hem: | 
fterhugd, Haman u. A., und in jeder Meife| 


Münzer 


ſchränlte ſich auf mathematiſche und philologiſche. 
Er ſtarb an ber Peſt 23. Mai 1552. Seine Grab: 
fhrift nennt ihn Germanorum Esdras et Strabo. 
Außer den erwähnten Schriften überjegte er das 
A. T. in's Lateinifche, gab verſchiedene rabbiniſche 
Schriften heraus, wie er fich denn überhaupt im 
feinen Arbeiten an die Rabbinen, namentlih an 
Elias Levita, fehr anfchloß und verfahte Com: 
mentare zu dem Evangelium Matthäus und dem 
Brief an die Hebräer. Neben diefen theologiſchen 
Schriften mwar beſonders gefhägt feine Kosmogra⸗ 
phie Baſ. 1550. 

Münter, Balthafar, geb. 1735, Vrediger an ber 
deutfhen Betrificche zu Kopenhagen feit 1765, 
vorher 1757 Privatdocent in Nena, 1760 Prediger 
am Waifenhaufe und Hofdiafonus zu Gotha und 
1763 Superintenbent zu Tonna, + 1793, ift als 
aeiftliher Liederdihter und mehr noch durd bie 
Belehrung bed Grafen Struenfee, den er zum 
Tode hie Ber befannt geworden. 

Münter, Friedrich Chrifttan Karl Heinrich, der 
Sohn des Vorigen, geb. 1761 zu Gotha, geitorben 
ala Biſchof von Seeland (feit 1808) am 9. April 
1830. Seine Studien, die er in Kopenhagen be: 
gonnen hatte, ſetzte er ſeit 1781 in Böttingen fort, 
und madte dann eine wiflenjchaftliche Reife nad 
Italien. Die Frucht derjelben war die Entdedung 
des 1794 herauögegebenen Statutenbuchs der 
Tempelherren und eine Probe der foptifchen Ue— 
berfegung des Daniel, ſowie die Nahrichten über 
Sizilien 1783, deutſch 1790. Seit 1788 a. o., 
1790 ordentlicher Profeffor der Theologie,gewann 
er burch feine zahlreichen Schriften und ala Mit- 

lied aller gelehrten Gefellfhaften europäiichen 

uhm. Auch an praftiiher Thätigfeit betheiligte 
er ſich ald Mitglied des Miſſions-Collegiums und 
der Direction des Waifenhaufes. Bon feinen 
Schriften find die bebeutenditen: Handbuch der 
ältejten chriſtlichen Dogmengeſchichte, 2 Bünde 
Ropenhagen 1801, deutich 1802, Kirchengeich. von 
Dänemarku. Norwegen, 3 Bde., Leipzig 1823— 34. 
Religion der Karthager, Kopenh. 1816. 2. Aufl. 

1823. Die Sinnbilder und AKunftvorftellungen der 
alten Chriften. Altona 1825. M. nahm aud 
Theil an der von König Friedrich VI. auf jeinen 
Vorſchlag veranftalteten Revifion der kirchlichen 
dänischen Weberfegung des N. T. 

Münzen ſ. Geld. 

Münzer, Thom. ,der Schwarmaeift, 1490 zu Stoll: 
berg am Harz geboren. Soviel aus feiner Jugend» 
geſchichte befannt ift,war er Collaborator zu Aſchers⸗ 
leben und in Halle, ftubirte dann wahricheinlih 
in 2eipzig Theologie, ward 1515 Magister artium 
und Präpofitus in Frohfen bei Ajcheräleben. Nir⸗ 
gends lange aushaltend, ward er 1517 Lehrer zu 
Braunfchweig, 1519 Beichtvater der Bernhardi: 
nerinnen im Klofter Beutiz vor Weikenfels, 1520 
Prädikant an der Marienkirche zu Zwickau. Hier 
trat er in Verbindung mit dem Schwärmer Nilo: 
laus Stord,einem Tuchweber, und äußerte zuerſt 
feine, aud den mißverftandenen moftifchen Schrif: 
ten des Abtes Joachim von Floris, Sufo, Tauler 
u. 4. entiprungenen Ideen von der unmittelbaren 
Gemeinfhaft des Menſchen mit Gott, die fi in 
Gefihten, Träumen und Dffenbarungen fundgebe 
und unabhängig von dem gefchriebenen Worte 
Gottes fei. Auf Grund diefer feiner fubjeltiven 
Glaubenserfahrungen, bed „inneren Lichts”, for: 
berte er dann weiter eine rabicale Umgeftaltung 








. Münger 725 Muratori 


aller Verhältniffe und Iehrte die Nothwenbigfeit | und der Geſetze, und ift der nächte im Rang nad 
einer gewaltſamen Durchführung der Reformation | dem Grofivezier. Er wird vom Großherrn ange: 
nicht bloß auf kirchlichem, fondern auch auf poli⸗ | ftellt, der ihm aber auch abſetzen kann. 
tiihem Gebiete. Ein Aufruhr des Volkes, veran: | Multipraefenz oder Multivolipraefenz (Voli— 
laßt durch einen Streit M.'3 mit dem erften Pres | präfenz) nennt man die u. A. von Chemnit zur 
biger Egranus, zu dem die Nornehmen hielten, | Bearündung der Lehre von der leiblihen Gegen: 
wurde Urfache feiner Entfernung von Zwickau | wart Chrifti im Abendmahl aufaeftellte Theorie, 
1521. Nach kurzem Aufenthalt in Saab und Prag | welche die Schwierigkeiten der UÜbiquitätslehre 
fam er 1522 nad Wittenberg und ſchloß fich eng | vermeidenfollte und fi darauf ſtützte, daß Chriftus 
an Karlftabt an, wurde 1523 Pfarrer in Alitebt, | nad) feiner Allmacht überall fein fönne, wo und 
in Thüringen, wo er mit feinem Collegen Haferitz wanner wolle (ubieunque et quandocunque vult.). 
ben Gottesdienft nad) feinen Ideen ordnen konnte. | Munoz, Aegidius. War zur Zeit des großen 
(Deutich:Evangeliih Meßje, Alft. 1524). Hier | Schiämas (1373— 1417) Gancnifus von Barcelona 
begann er auch die Verwirflichung feiner weiteren | und wurde nach dem Tode Benedict'S XIV. 1424 
Pläne ind Werk au feben, für die er in zahlreichen | von dem Cardinalöcollegium zu Peniscola zum 
Flugſchriften Anhänger zu gewinnen fuchte, und | Papfte erwählt; er nannte ſich Clemens VIII. 
die aufAusrottung des Vapſtthums und Abichaf: | Als fein Beihüger Alfons von Aragonien fi 
fung der obrigfeitlichen Gewalt überhaupt hinaus: | 1429 mit Martin V. (1417—31) ausföhnte, ent: 
liefen. Zu demjelben Zweck arlindete er aucheinen | fagte M. 26. Juli 1429 feiner Würde und erhielt 
Geheimbund In Folae der Zerftörung eines wun: | zur Entihädigung das Bisthum Barcelona. 
derthätigen Marienbildes in Mulderbach gezwun— Muratori, Lubovico Antonio, berühmter ita- 
gen, Alftedt zu verlaflen, ging M. nad) Müblhaus | lienifcher Theologe und Geſchichtsſchreiber, geb. 
fen, wo er mit dem frühern Gifterzienfer:Mönd | 21. Det. 1672 zu Vignola im Modenefiihen, er: 
Heinrich Pfeiffer in enge Verbindung trat. Bon | hielt feine Bildung im Sefuitencollegium und auf 
bier aus erginaen feine heftinen Schmähfchriften | der Univerfität zu Modena. Der Ruf feiner Ge: 
negen Luther, der längft vor ihm gewarnt, in be: lehrſamkeit verjchaffte ihm ſchon im 22. Jahr die 
nen er gegen bie Prediger des Mundalaubens, die | Stelle ald Gonfervator der ambrofianifchen Biblio 
Schrift ald dad nur äußerliche Wort, die Waffer: | thef zu Mailand. Ehe er diejelbe antrat, promo— 
taufe u. f. w. eiferte und fi auf das innere Licht, | virte er in Modena zum Dr. beider Rechte und 
die Eingebung des Geiftes bezog. Um fich aus: | empfing dann in Mailand die geiftlihen Weihen 
wärts neue Bundesgenoſſen zu verfchaffen, ging | Bald darauf begann erdie Herausgabe alter Hand— 
er fiber Rürnberg und Waldshut nachder Schweiz, | jchriftenmit: anerdota Jatina,dBde.Mailand,dann 
traf in Bafel mit Decolampab aufammen und | Padua 1697—1713. Hierauf anecdota graeca, 
Inüpfte ſowohl mit den fchweizerifhen Wiebertäu: | Bad. 1709. Im Jahr 1700 nah Modena ala 
fern (Balthafar Hubmeier) als mit den aufftän: | Bibliothekar berufen, erhielt er dort die Probitei 
difhen Bauern in Schwaben Berbindbungen an. | S. Maria de Pomposa, die er bis zu feinem Tode, 
Rah Mühlhauſen zurückgekehrt, ward er, nachdem | 23. Jan. 1750, bekleidete. Seine berühmteiten 
das Bolt die rechtmäßigen Geiftlichen vertrieben, | Werfe find die Geſchichte Italiens, Annali d’Italia, 
1525 dort Pfarrer an der Marienkirche, Die von | 12 Bde. Mail. 1744—49 und die großartige Duel: 
ihm geleitete demagogiſch-ſchwärmeriſche Bewe- (enfammlung für die ital. Gejchichte, unter dem 
aung wuchs, aus Münzer's Anhängern ward ein | Titel Rerum Italie.scriptores ab anno 500—1500, 
neuer Rath gebildet, die Klöfter wurden zerftört | Mailand 1723—51. 28 Bde. fol., ferner die Anti- 
und durch Raub und Berheerungszüge in der Um: | quitates italicae medii aevi, 6 Bde. Mail. 1738 
gegend die Durchführung der gerredigten Gemein: | - 42, eine Sammlung von 75 kritifchen Abhand:- 
Schaft des Befiges begonnen. Durch M.'3 Briefe | lungen, ald Anhang zu dem vorgenannten Duel- 
und Sendlinge immer mehr angefeuert, verbreitete | lenwerfe. Bd. III. p. 854 findet fi der von M. 
fich der Aufruhr bald durch ganz Thüringen ; der | aufgefundene und hier zum erftenmal abgedrudte 
Mittelpunkt ber ganzen Bewegung blieb Mühl: | Kanon des Muratori. (Val. d. folg. Art.) Gleich: 
haufen, wie Münzer und Pfeifer die Häupter. Um | zeitig fuchte er durch Stiftung einer italienifchen 
ber immer größer und bedrohlicher werdenden | Gelehrtenrepublif, deren Plan er in einer Reihe 
Bewegung zu fteuern, vereinigten fich 1525, ald | unter dem Namen Lamindo Britanio veröffent: 
M. einen Zug gegen den Grafen von Mansfeld |lichter Briefe entwidelte, das wiffenjchaftliche 
unternahm, Philipp von Heflen, Georg von Sad: | Streben und Zuſammenwirken in Ytalien neu zu 
fen, Heinrih von Braunjchweig gegen denfelben | beleben, was ihm zum Theil wenigftend gelang. 
und ſchlugen bei Franckenhauſen die fanatifirten | Wie bier, verfolgte er auch auf eigentlich theolo— 
Bauernhaufen vollftändig. Münzer ward in feinem | aiihem Gebiete eine freiere Richtung; in biefem 
Verſteck ergriffen und in Mühlhaufen hingerichtet. | Sinne ſchrieb er: de ingeniorum moderatione in 
In der Todesfurcht zeigte er die Schwäche feines | religionis negotio, Paris 1714, deutſch „Weber 
Charaeters: er nahm das Abendmahl auf katholi- den Gebrauch der Vernunft ꝛc.“ von Braun und 
fhe Weife und fonnte bei der Hinrichtung vor | Biunde, Mainz 1837und De superstitione vitanda 
Angſt nicht einmal den Glauben herinaen. Bal. | etc. 1740, worin er genen das jogenannte Blutge- 
Förftemann, Neues Urkundenbuch B. 1, Melandı: | Tübde fchrieb, d. h. das Gelübde, für die unbefledte 
tbon bei Wal 9. XVI. Strobel, Th. M., 1795. | Empfängniß Gut und Blut zu opfern. Bon den 
Seidemann 1842. Ranke, d. G. im Zeitalter der | Jejuiten heftig angegriffen, fchrieb er gegen fie 
Neform. II. unter dem angenommenen Namen Ferdin. Valde— 
Mufti. Bei den Mohammedanern Entſcheider fius, verföhnte fie aber durch die Gejhichte ihrer 
und Ausleger des Geſetzes, d. i. des Korans. Der Miffion in Paraguay. Da er übrigens fortwäh— 
Großmufti oder Scheilh-ul-JIslam (Haupt der) rend eine Berföhnung des Katholicismus mitdem 
Ausermählten) hat die oberite Yeitung des Cultus modernen Geifte herbeizuführen fuchte, eine Ten: 


M., Kanon des 


benz, ber er namentlich in der Abhandlung: Della 
regolata divozioni de'Christiani (pfeudon. von 
2, Britanio Bened. 1747 u. 6.) Ausdruck gab, hatte 
er fi mehrmals gegen den Verdacht der Ketzerei 
zu vertheidigen und bedurfte zu feiner Selbjtbe: 
ruhigung der Zuichriften Benedict'3 XIV und 
Ganganelli’ö (fpäter Klemens XIV., damals Gon: 
jultor der Congregation der Inquiſition). Eine 
Gefammtausgabe allerfeiner Werte erſchien Arezzo 
1767—1780, 36 Bde. fol.u. Venedig 1790— 1810, 
48 Bde. 8°. Sein Leben fchrieben fein Neffe: 
F. S. Muratori, vita del proposto L. A. 
Muratori, Vened. 1756, fowie Abb& Gouget in: 
Ant. Gachetd'Antigny, Memoires d'histoire ete. 
Dd. 6. Bar. 1756. 

M., Kanon des, für die Gejchichte des Kanons 
(1. d. A.) von großer Wichtiafeit, ein von M. auf: 


| 


726 


Muſaph⸗Gebete 


ſeiner Schrift: „Von dem großen lutheriſchen 
Narren, Straßb. 1522“ (kritiſche Ausgabe mit 
Einleitung von Kurtz, Zürich 1848). Erwähnens- 
werth find ferner: An den grofmechtigften und 
durchlöchtigſten abel tütjcher nation, das ſye den 
hriftlihen Glauben beihirmen wider den zerftörer 
des glaubens Chrifti Martinum Luther, einen ver: 
fierer der einfeltigen Chriften. — Ob der König 
uß enaelland ein lüaner ſey oder der Luther. Der 
lutheriſchen Evangeliſchen Kirchen Dieb und Ketzer⸗ 
lalender, Luzern 1527. Außerdem gab er, übri— 
gens in varteiiſcher Färbung, die Geſchichte des 
Religionsgefpräches zu Baden (im Aargau) 1526, 
bem er beigewohnt, heraus. Die Disputacion vor 
ben rii orten einer löblichen eidgenoſſenſchaft am 
Baden in ergom, Luz. 1527. Bal. Waldau, Nach— 
richten von Th. M's. Leben und Schriften, Nürnb. 


aefunbenes Verzeichnik der Schriften des N. Tefta: | 1775, wieder abgebr. in Scheible's Klofter. Stro: 


mentes, welches, der eigenen Angabe nad, bald 
nad) der Entitehung des Hirten des Hermas, d.b. 
in der zweiten Hälfte des2. Jahrhunderts verfaßt 
worden ift, ift beöhalb wichtig, weil aus ihm er: 





bel, Beitr, zur deutſch. Litt. 1827 ;Juna, Beitr. aur 
Geſch. der Reformation. Straßb. u. Leipz. 1830. 
Hagen, Deutſchlands litter. und relig. Verhält: 
nifje im Reformationgzeitalter. Erlang. 1843. 8.2. 


fihtlih wird, welche Schriften des N.T. in der, Muſäus, Johann, lutherifcher Theologe. Geb. 
römifchen Kirche damals für kanoniſch galten und | 7. Febr. 1613 zu Langenmwiefen im Schwarzbur: 
welche nicht; fein Gebrauch wird nur durch die giſchen, wo jein Bater Pfarrer war. Auf dem 
Verborbenheit des Tertes vielfach erjchwert. An! Gymnaſium zu Arnftabt vorbereitet, ftubirte er 
dem erhaltenen Theile werden aufgezählt: Das zu Erfurt und Jena Philofopbie und Humaniora, 
Ev. Lucae (al3 drittes, jo da die beiden andern | dann Theologie, wurde 1642 Profeflor der Ge: 
vorausgefekt werden), dad Ev. Johannis, die fchichte, 1646 der Theologie zu Jena,+1681. Philo⸗ 
Apoftelgeichichte, 13 paulinifche Briefe, ein Brief | logisch und philofophiich gründlich gebildet, qilt er 
Judae, zwei Johannis, die Apocalypfen des Yo: | für den größten lutherifchen Theologen feines Jahr: 
hannes und des Petrus, leterejedocdh mit Angabe | hundert3 nad Gerhard und Galirt; feine Ge: 
eines Widerſpruchs. Ausgelaſſen find die Briefe | lehrjamfeit legte er in einer langen Reihe dogma: 
Jacobi und Petri und derjenige an bie Hebräer. | tifcher Schriften nieder. Da er Theologie und Be: 
Verworfen werben die Briefe an die Laodicäer | fenntnikunterfchied und bie Freiheit wiſſenſchaft— 
und Alerandriner. Das Fragment wurde von | lich:theologifcher Forſchung nitht aufgeben wollte,fo 
M. in feinen Antiq.ital. medii aevi, III. 854 mit: | widerftand er mitden Jenenfifhen Theologen lange 
getheilt und findet fich wieder abgedrudt in den | den Zumuthungen Calov’3, ben consensus repe- 
Einleitungen von Eihhorn, Gueride, bei Kirchhof: | titus fidei vere Lutheranae 1655 der churſächſiſchen 


fer, Quellenſamml. Credner, zur Geſch. bes Ka— 
nons, Hilgenfeld, Gefch. des Kanons ©. 40. Bal. 
Wieſeler, Studien und Krit. 1847. 1856. 
Murner, Thomas, der Satyrifer. In Dber- 
ehenheim bei Strakburg 1475 geboren, trat er 
1499 in den Franciscanerorden, ward in Paris 
magister artium, in Rrafau baccalaureus, jpäter 
um 1519 Doctor der Theologie. Einem unftäten 
Leben ergeben, trieb erfich an den verfchiedenften 
Orten unb Univerfitäten, jo zu Freiburg, Krakau 
Straßburg, Bafel, Frankfurt, in Bologna und 
Venedig umher; unverbürgt aber ift, daß er 1524 
dad Klofter verlaffen und fich den regulären Chor: 
heren angeſchloſſen habe; er ftarb vor 1537, wahr: 
ſcheinlich u Heidelberg. Miffchneidendem Wit und | 
fatgrifcher Schärfe ariff er inder „Narrenbefchwö: 
rung“ (1512, wieber herausg. von Wikram 1556 


Theologen zu unterjchreiben, fchrieb vielmehr ein 
Icharfes Bedenken gegen benfelben. Auch als er 
mit der Univerfität den Zumuthungen des Herzogs 
nachgebend, jeden Synkretismus (f. d. N.) hatte 
abihwören müſſen, wandte er noch 1680 ein Gut: 
achten gegen Calov, welches dieſer mit feinem 
Fluche erwiderte. Vgl. Gaß, Gefchichte der prot. 
Dog. 2 Th. 

Mufäus, Peter, der Bruder des Vorigen, geb. 
1620, ftudirte in Jena und Helmftäbt und mard 
Profeſſor der Philoſophie in Rinteln 1648, danach 
1653 Brof. der Thrologie. Die uniondfreundlice 
Richtung feines Bruders theilend, nahm er mit 
feinem Gollegen of. Henihen als lutheriſcher 
Theologe Theil an dem Religionsgeſpräch au Caſſel 
1661, welches anerkannte, daß die Verſchiedenheil 
der theologifchen Lehren zwiſchen Lutheranern und 





u.ö.),der „Schelmenzunft“ (1512, wieder herausg. 
von Waldau 1688), entitandenaus Predigten, die er 
zu Frankfurt gehalten, in ber geiftlihen „Baden: 
fahrt« (1514), der „Mühle von Schwindelsheim” 
(1515), der „Gäuchmatt“ (1519), die Gebrechen 
ber Zeit, namentlich aber aud die Schäden des 
aeiftlihen Standes und die Berfunfenheit der 
Mönde an; Überjegte auch Luther’ babylonifhe 
——— und die Schrift gegen Heinrich 
VIII. von England ind Deutſche, wandte ſich 


aber nichtö defto weniger von vorn herein als ein, 


entichiedener Gegner gegen Luther ſowohl ala 
gegen bie Schweizer Reformation, namentlich in 


Calviniften das Fundament des Glaubens nicht 
berühre und daher die Brüderſchaft nicht bindere. 
Deshalb verfolgte ihn der Unmille der ftrengen 
DOrthodoren. In fpäteren Jahren Brofeflor zu 
Helmftädt 1663—65 und zu Kiel foll er über 
Union und Synfretismus minder günftig geurtheilt 
haben. + 1671. 

Mufaph:Gebete find im Ritus der heutigen Yu: 
den diejenigen Gebete an den Sabbath und Feit- 
tagen, welche das jpecielle Feſtopfer des Tages 
ebenjo vertreten follen, wie Morgen: und Abend» 
gebet an die Stelle bes Morgen: und Abendopfers 
getreten find. 


I 


| 


Musculus 


Museulus, Andreas, eigentlich Meufel. Geb, 
1514 zu Schneeberg in Sachen, befuchte er dort 
das Gymnafium und ftubirte au Leipzig ; Durch das 
Studium reformatortfcher Schriften ber Kirche 
entfrembet, trat er nad) feiner Rückkehr in feine 
inzmifchen evangelifch gemorbene Vaterſtadt eben» 
fall3 über und ging 1538 nad} Wittenberg, mo er ſich 
aufs enafte an Luther anſchloß, zu deſſen entichie: 
denften Anhängern er auch zeitlebens zählte. 
Auf Veranlaffung Agricola's, ded Hofpredigerd 
von Joahim von Brandenburg, ging er 1540 an 
bie Univerfität Frankfurt a. d. D., ward Raplan 
ber Franciscanerkirche, 1544 Hofprediger und or: 
dentlicher Profeſſor. Somohl in den vielfachen 
Streitigkeiten, die er ald Pfarrer mit dem Magi— 
ftrat durch deffen Uebergriffe, namentlich hinficht: 
lih des Kirchengutes, aenöthigt, führen mußte, 
als in ben theologiſchen Kämpfen mit Stancarus 
und Staphylus Über das Mittleramt Chrifti, und 
namentlich mit feinem mehr Melandithon folgen: 
den Eollegen Prätorius zeigte fich ein Leidenschaft: 
liher Eifer. Er vertheidigte den Sat, das Gefeh 
fei wohl nüslich zur Buße vor dem Glauben, aber 
unnfig dem MWiedergebornen. In feinen Predig⸗ 
ten herrfcht eine braftifche Vollsthümlichkeit, der 
oft der derbfte Ausdruck der liebfte ift. Val. Spie⸗ 
ter, Lebensgefchichte des Andr. Muskulus. Frank: 
furt a. D. 1858. 

Mustulus, Molfgang (Müßlin oder Meuflin, 
wie er fich deutfch nennt), neben Calvin und Ber: 
migli einer der herporragendften reformirten Theo» 
logen des 16. Jahrh. Bon unbemittelten Eltern 
au Dieufe in Lothringen 8. Sept. 1497 geboren, 
befuchte er als fahrender Schüler die Schulen bed 
Elſaß und wurde feiner ſchönen Stimme wegen 
in ein Benebictinerflofter bei Lixheim aufgenom: 
men, wo er ſich anfangs hauptjächlich mit alter 
Literatur und Mufil, jpäter auch mit theol. Stu: 
dien beichäftigte. Durch Luther’s Schriften für 
die Reformation gewonnen, trat er 1527 aus dem 
Klofter, heirathete die Nichte des Abtes, mit wel: 
cher er anfangs in fogroßer Armuth in Straßburg 
lebte, daß er, um fein Leben zu friften, ein Hand» 
wert zu lernen anfing, bis er 1531, nachdem er 
eine Zeitlang dad Diafonat am Münfter verwaltet, 
als Prediger nach Augdburg berufen wurde. In 
dieſer Stellung gelang es feiner unermüblichen 
und vielfeitigen Thätigfeit, die Reformation voll: 
ftänbig ein: und burchguführen, fo daß ihm 1537 
die Domtirche eingeräumt wurde. Die Einführung 
des Interims, geaen die er vergeblich proteitirt, 
veranlaßte ihn, 1548 fein Amt niederzulegen und 
Augsburg zu verlaflen; eine Zeit lang in Züri 
als Corrector feines Verlegerd und mit Studien 
beichäftigt, erhielt er 1549 eine theologische Brofef: 
fur in Bern. Hier ftarb er 30. Aug. 1563, nachdem 
er Berufungen nad Straßburg, Marburg, Heidel: 
berg, Augsburg und England abgelehnt hatte. M. 
nahm Theil an den Religionsgeiprähen zu Wit: 
tenberg 1536, Worms 1540, Regenäburg 1541, 
ohne baf feine milde Nachgiebigkeit einen Erfolg 
erzielt hätte, Seine theologische Grundanfhauung 
war in allen wichtigen Punkten (Taufe, Abend» 
mahl, Brädeftination, Glaube, Sünde zc.) Die be: 
ftimmtausgefprochene der Straßburger Theologen ; 
in fpätern Jahren wandte er fich noch entſchiedner 
der gemeinreformirten Lehre zu. Er gab heraus 
Loci communes, Bafel 1560, 64 u. ö. und viele 


127 


Muſik 


Sechs ſeiner Söhne waren reformirte Prediger. 
Der letzte des Geſchlechts iſt der durch ſeine Pre— 
digten befannte David Müslin (1821 +). Bgl. 
Historia vitae et obitus Dr. W. M, per Abr. 
Muse. filium 1595. Grote, W. M., ein biogra: 
phifcher Verſuch. Hamb. 1855. 

Mufit bei den Hebräern. Die Muſik, als deren 
Erfinder 1. Mof. 4, 21 Jubal bezeichnet, war 
eine bei den Hebräern fehr beliebte Kunſt, fonnte 
aber bei ihrer mangelhaften Ausbildung noch nicht 
als felbftftändige Kunft erfcheinen, ſondern nur 
als Benleiterin des Gefanges und des Tanzes. 
(1. Mof. 31,27; 2.M. 15, 0; Hiob 21, 12 u. 
30, 31.) Sie dient gewöhnlich zur Verherrlichung 
feierlicher, freubiger und ernfter Momente (2. M. 
15, 20. Richt. 11, 34; 1. Sam. 18,6. 1. Kön. 1, 
40, 1. Chron. 20, 28. Neh. 12, 27. 1.Maff. 4,24; 
13, 51). In früherer Zeit fcheint fie hauptſächlich 
von Frauen gelibt worden zu fein(f. die drei erften 
Stellen im Bor.); au Samueld Zeiten wurden die 
Prophetenfhulen die Trägerinnen mufifalifcher 
Kunft (1. Sam. 10, 5; 2. Sam. 3, 15; 6, 5) und 
trugen zu einer immer allgemeiner werbenden 
(1. Kön. 1, 40 f.) mufifalifhen Bilbung bei, bis 
endlich David epochemachend in die Entwidluna 
eintrat. Namentlich war es die gotteädienftliheMu- 
fit, welche durch ihn eine großartige Organiſation er: 
bielt (1.Chron. 15, 16 ff. 16,4 ff.; 25,1 ff.), indem 
ein in verfchiedene Elafiengetheilter Levitenchor bei 
feierlichen Ovferhandlungen, Gelang: und Muſik— 
ftüde aufzuführen hatte (2. Chron. 5, 12 ff. ; 7,6; 
29, 25 ff.; 30, 21; 35, 15). Das Vorkommen 
weiblicher Chöre ift vor dem Exil (Edr. 2, 65; 
Neh. 7, 67) fehr zweifelhaft. Neben der gottes— 
dienftlihen Mufif wurde auch die weltliche Mufit 
immer allgemeiner; fie findet Pflege am könig— 
lichen Hofe (2. Sam. 19, 35. Pred. 2, 8), fie dient 
zur Erheiterung des gefellfchaftlichen Lebens (Jef. 
5, 12; 24, 8. Amos, 6, 5; Rlagel.5, 14; Sir. 32), 
nimmt aber hier immer mehr einen entarteten, 
(eichtfertigen Charakter an (f. d. gen. St.) und er: 
fcheint fogar als ein Gewerbe fchlechter Dirnen 
(Jef. 23, 16). Die heilige Muſik, welche der Ent: 
artung auch nicht entging (Am. 5, 22), zog nad) 
längerem Berftummen im Eril (Bf. 137, 1 ff.) mit 
Serubabel wieder in den Tempel ein (Neb. 11,17. 
23. Bal. Er. 3, 10 ff. Neb. 12,27 #. 45 ff.; 1. 
Matt. 4, 54). Gefang weniaftens finden wir auch 
bei Wallfahrten (Pf. 120 — 134?) und zur Feier 
bes Baffahmahles(Matth.26,30),Gefang (2.Chron. 
35, 25) und Mufif (Mattb.9, 23) bei Leichenfeier- 
lichkeiten angewandt. Die Art ber Hebr. Muſik 
ift jedenfalls jehr einfach zu denken, von geringem 
Umfang der Töne, noch ohne die Harmonie des 
Accordes, von 'hellem, ſchmetterndem Charakter, 
der Gefang vermuthlih mehr recitativifch denn 
ald Melodie. Noten gab es feine (einige hielten 
bie Accente für folde. Vgl. Anton im n. Reper: 
torium für bibl. Lit. B. 1 — 3; Emald, Abhh. 1. 
148.) Muſikaliſche Zeichen find: 190. (Zwifchen: 
fpiel in der Baufe des Gefanges oder eine Er: 
höhung ber Tonart oder gleich unferm forte), 


nmby (Bf. 46 1; 1. Chron. 15, 20; Jungfrauen: 
weife = Sopran? Oder Tenor? Bariton ?), DI’OY 
(Bi. 6 1; 12, 1; Dctave? ober ein Inftrument?), 
3325 (dem Borfänger). Vgl. Fortel, Geſchichie 


geihägte Commentare zu den biblifchen Büchern. ber Mufit I. Sonne, de Musica Judaeorum in 


Mufifaliiche Anftrumente 128 Mykonius 


zacris 1724. Sal. von Til, Dicht:, Sina: u. Spiel: | Muße als der Mittelpunkt des Erfurter Humant- 
funft bef. der Hebr. Frankf. 1706. Pfeifer, über die ſtenkreiſes lebte; perfönlich befreundet war er na» 
Muſik der alten Hebr. Erl. 1779. Saalfhlik, Form | mentlich mit dem Cifterzienfer Heinrich Urbanus 
der Hebr. Vorfie, S. 329 ff. Geſch. und Würdigg. in Georgenthal und Georg Spalatin (1505 bis 
der Muſik bei ben Hebr., Berlin, 1829. Schneider, | 1507 Lehrer zu Georgenthal), literarifch verbun: 
bibl. geſchichtl. Darftellung der hebr. Muſik Bonn, | den mit feinem frühern Mitſchüler Erasmus. Dem 
1834, äußern Kirchenweſen feind, auch ziemlich gleichgül- 
Mufikaliſche Anftrumente bei den Hebräern. | tiq genen das Gefchichtlihe des Chriſtenthums, 
Sie zerfallen in folgende Claffen: 1) Schlagin: | deffen Gedankeninhalt er ohne daſſelbe fefthalten zu 
ftrumente. a) die Handtrommel (sn, Aduffa, | fönnen meinte, ſchloß er fich, obſchon er Luther's 
Luther: Pauke 1. Mof. 31,27; 2.Mof. 15, 20; 1. | Auftreten mit Hoffnung begrüßt hatte, der Refor— 
Sam. 10,5; 2. Sam. u Bf. 81,3; Jeſ. 5, 12 nn — N? ae ensat. 
FR: (oryI, ‚ bie an: | nicht verftand und von ber er ſchließlich einen Rüd- 
u. 8) b) Cymbeln (Dvoy?3 Metallbeiten, bie anı| eT in Die Barbarei fürditete, Er ergab fich zufeht 
einandergefchlagen wurden, 2. Sam. 6,5;1.Chron. ftren er Kirchlichkeit v ſich vo Allem zurck und 
13, 8; 15, 19; 15, 5. Eör. 3, 10 u...) c) Die Q ‚ 408 * 
a + 1526. In den legten Jahren hatte er noch mit 
DYPIYI2 (eiorga, Luther: Schellen 2. Sam. 6, | Mangel zu kampfen gehabt. Dal. feine Briefe, im 
5; Eiienftangen mit Ringen, die gefchüittelt wur: | Auszuge herausg. von Tengel in Supplem. hist. 
den, — in Aegypten gebräuchlich). d) —— * air en ver Brut 
Dwmhdws (Tri : Geigen ; erjelben findet fich handichriftlich auf der Franf: 
ah — A WER . 1. furter Stabtbibl. Kampſchulte, bie Univerfität 
Sam. 18, 6). 2) Blaöinftrumente: a) 2 | Erfurt in ihrem Verhältnik zu dem Humanismus 
eine Art Dubdelfadpfeife; 1. Mof. 4, 21; Hiob 21, lee ter — ae Strauß, 
12; 30, 31; Bf. 150, 4), b) TNIEMD euupwria, | Uri von Hutten. Leipzig 1 
ſicher Keen 2 18: Sehr täeiarigbes: Mutterfirde. Das Wort wird im kirhlichen 
8 ei RE “| Sprachgebraud; in verfchiedenem Sinne aebraudit. 
felbe. e) 277, (Flöte 1. Sam. 10, 5; Jeſ. 5,12, |1) In der älteften Zeit bezeichnet e8 die älteite 
30, 19; 1. Makk. 3, 45; 4,54; Matth. 9, 23). d) Er be3 — * F —* einge 
nm j ovoıyE, eine Reihe von deſſelben audging, meift alfo die Kirche der Bro: 
ET NP (nur Dan. 8,5 augıy&, eine Reibevon | 1 nträbte, beren Bifhöfe nach der Ratur 
Rohrpfeifen, Banpfeife) e) IISTSM (tuba, Trom: | per Verhältniffe allmählich eine hervorragenbere 
pete, namentlich beim Tempelcultus gebräuchlich; | Stelle unter den übrigen einnabmen. 2) Die 
4. Mof. 10, 1; 31, 6; 2. Kön. 11, 14; 12,15; 1. — ———— ge dem ge ar su ben 
Ehron. : Im). HIEV arm ratorien, in denen nur e gelejen, aber feine 
— * * * 2*.*22 * y Taufe verrichtet werden durfte, die alſo auch keine 
hornartig gekrümmte „Bofaune”, gebraucht im eigentliche Gemeinde um fich bilbeten. 3) Die Ca: 
Kriege Hiob 39,25; Jerem. 4, 5; 6, 1, bei ——— 4) Im Ge enfat ur Tochterfirche 
ber Berfündiqung bes Jubeljahrs 3. Mof. 25, 9 | jr IM. diejenige Kitche 
und des Neujahrs; von gewaltigem Ton 2. Moſ. fünften F = Gemeinde abge ur t und aus: 
19, 16; ef. 58,1. 3). Am michtigften find die rg: 

i i . 5 eftattet wird. In der Regel behält der Pfarrer 
Saiteninft rumentelniI12): Ebel pe/2 72.7777 a M, die Verwaltung der Tochterkirche, die er 
Laute, Harfe, das häufigfte Infirument (Pf. 137, | durch Vicare beforgen laffen Tann ; wird die Tod: 
3), meift zur Begleitung des Gefanges (Bj.33,2, | terficche zu einer felbftjtändigen Pfarrkirche, fo 
43, 4; 49, 4 das Jnftrument Davids (1. Sam. * aA * häufig das Patronat oder andere 
16, 16.). b) 22), va3de, nablium, inli venzTenjie. 

a | Myfonins, Dsmald (Beihfüäter), geboren zu 
r ‚ häufig in Verbindung mit bem Onjern 1458, ftubirte unter Rubellus zu Rottweil 

232 (1. Kön. 10, 12; 1. Ehron. 15, 16; 25, 1; | und Bern, feit 1510 unter Erasmus in Baſel und 

2. Chron. 5, 12; 20,29; 29,25; Pf.71, 22; 108, wo len reg u. * — 

3; 150,3; Jeſ. var ie Stiftöfhule nah Züri, 1519 an die in Lu— 
y : de⸗ eg: an PR ober zern berufen. Megen feiner Verbindung mit 

NABIRT, gried. spadrigiov, wieber ein cither- | Zwingli und dem Kreiſe ber Evangelifd:Gefinn: 

ähnliches Inftrument, nach Hieronymus der fpä- 

tere Name für 42). Vergl. Ugolini, thesaur. 

XXXII und bie im vor. Art. gen. Literatur, 


ten in Quzern feines Amtes entlaffen 1523, warb 
er nach kurzer Wirkſamkeit an ber Kloſterſchule in 

Mutianus, Rufus Conradus, (Familienname 
Muth oder Mudt) der Humanift. Zu Homburg 


Einfiedeln, an der Schule bes Frauenmünfters 
in Heffen aus vornehmem Geſchiecht 1471 gebo: 


zu Zürich wieder angeftellt und wirkte von ba an 
al3 Mitarbeiter Zwingli's nicht blos burch feine 
ren, bejuchte er noch fehr hung die Schule in De: 
venter und bezog 1486 die Univerfität Erfurt. 


Thätigfeit in ber Schule, fondern auch durch bie 

ihm vom Rathe übertragenen unb im Chor bei 

Frauenmiünfters an den Wocentagen gehaltenen 

h ‘ Bibellectionen. Nach der Schlacht bei Kappel 1531 

Rachdem er, 1492 magister artium geworden, ing er nach Baſel ald Diacon an bie S. Alban: 

eine Zeit lang Vorlefungen gehalten, machte er | fire, warb dort auch Profeffor an ber Univer⸗ 

eine längere Studienreife nad) Ytalien, ward in | fität und nach Decolampabius’ Tobe deffen Nadı: 
Bologna Dr. juris canon. und fehrte 1502 nad) 
Deutſchland zurüd. Eine Anftellung, die er bald 
darauf am hefiifchen Hofe erhielt, vertaufchte er 

fhon nad furzer Zeit mit einem Heinen Kanoni— 


folger als Pfarrer unb Antiftes und in ber Lei— 
tung ber Rirchenreformation. Er betrieb die Ber- 
fat in Gotha, wo er fortan in wifjenfchaftlicher 


öffentlihung der 1. Basler Eonfeifion (j. d. A.) 
und befannte fi im Unionsintereffe zu ber 
2. Basler ober erften helvetifchen Gonfeffton {f. 


— 07000010 —ñ — — — nn — — — — — nn nn 


Mykonius 


d. A.) von 1536. Seine Freiſinnigkeit und Duld— 
jamteit, namentlid) gegenüber der lutheriichen 
Abendmählslehre jegten ihn manden Berdädhtis 
gungen jeitens der jtrengen Zwinglianer aus. 
Seine theol. Profeſſur legte er 1541 nieder, weil 
er jich weigern zu müfjen glaubte, die theol. Doc: 
torwürde anzunehmen. + 14. Oct. 1562 an ber 
Veft. Außer mehreren Commentaren ift jeine furze 
Tioggppbie Zwingli's de vita et obitu Zwinglii 
1532 bemertenswerth. Bgl. Melch. Kirchhofer, 
Dsw. Myc., Züri 1813. Hagenbach, Leben und 
ausgew. Schriften der Väter und Begründer der 
reform. Kirche. Elberfeld 1857, IL. 

Mykonius, Friedrih (Metum), geb. 26. Dez. 
1491 zu Lichtenfels in Franken. Auf der Schule 
zu Annaberg jeit 1504, erbat er 1510 vergeblich 
von Tegel einen Ablaßbrief jeiner Armuth wegen 
ohne Bezahlung. Um jein Seelenheil betümmert 
trat er fur; darauf 1510 auf den Rath) feines Xeh- 
vers in den Franeiscanerorden. Bon Annaberg 
in das Klofter zu Zeipzig, dann 1512 in das zu 
Beimar verjegt, jtudirte er eifrig die Scholajtiter, 
ward 1516 Prieſter und zum Prebigtamt verord⸗ 
net. Zuthers Thejen führten ihn zur evang. Leber: 
jeugung, doch hielt er unter harter Behandlung 
now jieben Jahre im Klojter aus, bis er 1524 in 
Nürnberg entfliehen konnte. Ertratnun in Zwickau 
als —— Prediger auf 1624 und wurde 
noch in demſeiben Jahre nach Gotha verſetzt. In 
raſtloſer praktiſcher Thätigkeit, die unter den 
Wirren des Bauernkrieges begann, organiſirte er 
hier das evangeliſche Kirchen- und Schulweſen 
(das jpäter jo berühmte Gymnasium illustre in 
Gotha verdankt ihm feine Stiftung), vielfach mit 
wichtigen auswärtigen Aufträgen betraut. So 
nahm er Theil an den Schul: und Kirchen: 
vifitationen von 1528, 1533, 1541; er wurde zu 
den Verhandlungen in Marburg 1529, Wittenberg 
1536, Schmalkalden 1537, Nürnberg, Frankfurt 
1539, Hagenau 1540 zugezogen, begleitete bie 
vom Kurfürften nad) England zur Förderung der 
Reformation abgeordnete Geſandtſchaft 1538, wie 
er 1527 den Kronprinzen nad) Düſſeldorf beglei: 
tet hatte, In Verbindung mit Eruciger, Bfetfin 
ger und Balthafar führte er nach dem Tode Her: 
zog Georg’s des Bärtigen von Sadjen 1539 die 
Heformation in den ſächſiſchen Herzogtgümern, 
namentlich in Leipzig jelbjt ein. Mit Melanchthon 
und Zuther jtand er in enger Berbindung und 
wurde von ihnen hochgeſchätzt. + 7. April 1546. 
Als theol. Schriftfteller ift M. nicht aufgetreten, 
doc) erijtirt von ihm eine Chronif, herausgeg. von 
Sal. Cyprian: Fr. Myconü hist, Keform. Goth. 
1715, eine ber bedeutenditen Denkwürdigkeiten 
aus der Keformationszeit. Vgl. Melch. Adami vis. 
theolog. Franff. 1705. Xedderhoje, Nytonius, ein 
Leben aus der Reformationszeit 1854, 

Mylius, Georg, jireng lutheriſcher Theologe, 
war geb. zu Augsburg 1548, ftudirte zu Straßburg, 
Tübingen und Marburg, fam 1571 als Pfarrer 
nach Augsburg, wurde Superintendent und Hector 
des collegium ev., 1584 aber wegen jeiner Oppo: 
fition gegen die Einführung des Gregorianiichen 
Kalenders vertrieben. Ertam nad Ulm, wo er 
gaftfreundlic aufgenommen wurde, von mo er 
aber ſchon 1585 einem Hufe nad) Wittenberg als 
Brofefjor der Theologie folgte. Als aber unter 
Chrijtian I. die philippiftiihe Richtung auf kurze 
Zeit zum Siege fam, ging er nad) Jena, lehrte aber 


129 


Myſterien 


nach Chriſtians Tod nach Wittenberg zurück, wo 
er 1603 am 28. Mai ſtarb. Eine Reihe exegetiſcher 
und dogmatiſcher Arbeiten ſind aus ſeiner Hand her⸗ 
vorgegangen. Vgl.Adami vitae.Theol. Germ 1620. 

ylius, Georg, + 1640 als Pfarrer in Bran— 
denburg bei Königsberg, gehört zu der jogenann: 
ten Königsberger Dichterjchule, deren Haupt und 
Borbild Simon Dach war. Er ijt Verfafjer des be: 
fannten Sterbeliedes: „Herr, ich denk an jene Zeit.“ 

Myra, Stadt in Lycien Apoft. 27, 5, lag in 
einiger Entfernung vom Dieere auf einem Feljen. 

Dyrrhe (in, ouvgru, uögpe), das Harz eines 
in Arabien und Wethiopien wadjenden Baumes 
(balsamodendron myrrha Chrenberg) wurde als 
töjtlicgftes Aroma zum Räuchern, Barfümiren, zu 
Salben, Arzneien und zum Einbaljamiren der 
Zeichen Joh. 19, 39 (daher die Myrrhen Matth. 
2, 11 bei ven Kirchenvätern alö Zeichen des bit: 
teren Leidens und Sterbens Chrijti angejehn) 
verwendet. Friſch gelblich weiß, gerinnt es zu 
röthlihen Körnern von bitterem Geſchmack und 
würzhaftem Gerud. Als das edeljte giit das von 
jelbit auslaufende 2. Moſ. 30, 23; Hohesl. 5,5 
(LAXX: ou.&xAexrr,Vulg.:murrha probatissima), 
dad andere wurde dur Einjchnitt in die Rinde 
gewonnen. Selbjt zur Würze des Weins wurde 
W. vielfach verwendet(orwos uugöirns, vinummurr- 
hinum), aber der Marc. 15, 23 erwähnte Myrr» 
henwein war der mit irgend welchen bittern Kräus: 
tern verjegte Soldatenwein. 

Myrte (DIN,uvoaivn). Die Zweige diejes in 
Baläftina wild wadjenden Straucdes dienten, 
weil immer grün und glänzend und wegen ihres 
Wohlgeruchs vorzugsmeije zum Schmud der Häujer 
und zu Kränzen. Jeſ. 41, 19,55, 13. Der Gebrauch 
der Ryrthe zu Brauttränzen ſtammt aus dem 
griehijchen Heidentyum. Der Baum war nämlich 
der Aphrodite heiligund Symbol der ehelichentiebe. 

Myfia, Landſchaft in Kleinafien, Apoit. 16, 7, 
an der Propontis und dem Dellespont, die Paulus 
auf jeiner zweiten großen Mifjionsreije bejuchte. 
Sie umfahte 1) M. minor, den nördlichen Küften- 
ſtrich, 2) major, den Bezirk von Bergamum; bier 
war ſchon früh eine chrijtlihe Gemeinde. Vgl. 
Ojfb. 1,11; 2,12 ff. Eujebius K. ©.4,14; 5) Troas 
(ehemals Troja), mit der gleihnamigendauptitadt, 
wojelbjt Paulus das Evangelium predigte und eine 
Gemeinde gründete, Apg. 16,8; 20, 5; 2. Kor, 
2, 12; 2, Tim. 4, 13; jüdlih von der Stadt T. 
lag Afjos, Apg, 20, 13, ferner Adramyttium, Apg. 
27, 2, von wo Paulus jeine legte Romreiſe antrat. 
+) Aeolis, 5) Zeuthraria, — Die Ausdehnung des 
Ramens auf alle dieje Landſchaften ift aber zu 
verjchiedenen Zeiten und bei verſchiedenen Schrift- 
jtelleen ſchwantend. Die Myſier find ein thrakiſcher 
Volksſtamm, der bereits vor dem trojaniſchen 
Kriege nach Aſien übergejegt, jpäter von den 
Bithyniern aus feinen urjprünglicden Sitzen, ojt: 
wärts des Sanjarios nach Weften gedrängt wurde. 

Myſterien j. Dramen, geiftliche. 

Myfterien (deutſch: Geheimniſſe). Bei alten 
Böltern, namentlid ven Griechen, beitand eine 
doppelte Art von Eultus, ein öffentliher Cultus 
für alles Voll, und ein geheimer für eingemweihte 
Perjonen, welch legterer griechiſch uvorjguor ger 

| nannt wurde (von uvorns der Eingemweihte, dies 
; von uvelada in die Öeheimniffe eingeweiht wer- 
den, was wieder von uvew abgeleitet wird, d. h. 


Myſticismus 


verſchließen, nämlich den Mund oder die Augen), 
Die Viyit. bejtanden theild aus Geheimlehren my: 
ſtiſcher Art über Entftehung und Leben der Gott: 
beiten, welchen die Di. geweiht waren, theild aus 
Geheimgebräuden, indem nicht bloS der in die 
Di. Aujzunehmende eine Reihe von Prüfungen, 
reinigenden Geremonien, Öelübden der Berjchwie: 
genheit u. j. w. zu leiften hatte, jondern, indem 
auch der Eultus jelbjt in ſymboliſchen Darftel: 
lungen der Geheimlehre, meijt in dramatiſcher 
Form bejtand, welche auf das Gemüth der Zu— 
jhauenden (Eropten) einen tiefen Cindrud zu 
machen beftimmt waren. Dabei jcheint der Ge: 
genjaß von Tod und Xeben, die dee einer Wie: 
dergeburt durch den Tod, des Lerjinfens in die 
Unterwelt und der Hettung aus derjelben zu einem 
höheren Dajein, in mannigfade myſtiſche Ver: 
bindung gejegt mit dem Leben der Natur, in mel: 
dem ſich Das höhere geiftige Xeben abjpiegelt, das 
Grundthema und das dramatiſche Element in die: 
jen Wyiterien gebildet zu haben, wie denn die 
Mythen von Berjephone, Orpheus, Bacchus, Her: 
tules, Gaftor und Bollug u. j. w. häufige Gegen: 
jtände des griechiſchen Geheimeultus gewejen ſind. 
Die berühmteften Myſterien waren die Gleufini- 
ſchen und die Samothratiichen, weldhe unter dem 
Schutze des Staates jtanden, die Bacchiſchen, 
welche bald, namentlich auf italieniſchem Boden, zu 
der Feier unfittliher Orgien entarteten, die Iſis— 
myjterien, welche in Kom aus Aegypten einwan: 
derten und eine große Berbreitung fanden, aber 
ebenfalls einen unfittlihen Character annahmen. 
Außer ven Öriehen und Römern waren es haupt: 
jächlich die Aegypter, bei denen die Iſismyſterien 
uralt jind, und von welchen Manche die griechiichen 
Diyjterien ableiten wollen, und die Inder, deren 
Brahmanendienft mit jeinem Gelübde der Ber: 
ſchwiegenheit über Die Lehren der Religion, mit 
jeiner Bramahnenſprache (dem Sanstrit) und 
jeiner geheimen Tradition, wejentlih ein Myſte— 
riendienft ift. Im Chriſtenthum hat der Gnoſti— 
cismus den griehiichen Myiteriencultus erneuert, 
und die Kirche hat in ihrer Arcandisciplin (ſ. d. U.) 
wenigjtend aus dem h. Abendmahl ein Myſterium 
zu jhaffen fich genöthigt gejehen. Vgl. Muth, über 
die M. der Alten 1842. Peterſen, der geheime 
Gottesdienſt bei den Griehen. Hamburg 1348. 
Myfieismus iſt diejenige Erſcheinungsweiſe der 
Frömmigkeit, in welcher der ſittliche Factor der: 
jelben ungebührlich vor dem religiöjen zurücktritt, 
indem einjeitig ein Gefühl der Gottbezogenheit Des 
menſchlichen Geijtes feitgehalten wırd, jo Daß auch 
unabhängig von der geſchichtlichen Offenbarung 
Gottes und den Thatſachen des Heils und Des 
religiöfen Gemeinjgaftsiebens, Gott und das 
Göttliche durch unmittelbare Anſchauung und Er: 
leuchtung eines inneren Lichtes erfannt werden 
jo. Charakteriftifh für den M. ift demnad) das 
Ausſchließen der Erkenntniß und der allgemein 
menſchlichen Gejegmäßigteit vom religiöfen Leben. 
In diejer Einjeitigkeit find zugleich die Befahren 
und Ausjhreitungen des M. begründet. In dem 
Gefühl der Seligteit einer Vereinigung mit Gott, 
und dem Streben ſich völlig in Gott zu ver: 
jenten, geht dem M. zunächſt der Unterſchied des 
göttlihen und menſchlichen Geiites jomohl wie das 
Befühl der eigenen wie der göttlichen Perſönlich— 
feit verloren, wodurd die Gefahr pantheiftiicher 
Verirrung ftetö nahe gelegt ift. Da der M. ferner 


730 


Myſticismus 


lediglich auf innere Erfahrungen Werth legt, die 
ſich dem logiſchen Begriffsvermögen entziehen, ſo 
räumt er der Phantaſie einen um ſo gefährlicheren 
Einfluß ein, als er jene Erfahrungen nur in Bil— 
dern und dunkeln geheimnißvollen Sätzen aus: 
ſprechen kann, denen möglicherweiſe wohl ein Ah— 
nen, nicht aber ein Begreifen entgegen kommt. 
Damit iſt dann die Ausartung in Schwärmerei 
oder Enthufiafterei nahe gelegt, zumal die innere 
Erfahrung häufig in Bifionen ſich ſelbſt Wegen: 
ftändlich zu werden ſucht. Jnjofern dem M. weiter 
die ihm innerlich gewiß gewordene Wahrheit als 
Dffenbarungsthatjadhe gilt, ift die Entwidlung 
dejjelben zum Fanatismus vorbereitet; und Da er 
das Göttliche unmittelbar erfafjen will, ſomit feine 
Difenbarungen, unabhängig von Drt, Zeit und 
Geſchichte alle Entwidlung überjpringen können, 
vereinigt er fi häufig mit dem Chiliasmus. Nur 
auf das Innere des eigenen Gemüthes gerichtet 
wird der M. endlich gleichgültig gegen daß Leben 
in Kirche und Staat, und feine Conſequenz ift dann 
ber Duietismus, mit vorwiegend astetiſcher Roral; 
aufderandern Seite aber entjteht Durd) das Zurück⸗ 
treten des fittlihen, perſönlichen Elementes die 
Gefahr des Hineinfallens in grobe Sinnlichkeit, 
um jo mehr als das jelige Gefühl ber Bereinigung 
durch die Bhantafie immer neu angeregt werden 
muß, die ihre Bilder nur aus dem Irdiſchen neb: 
men fann. Vielfach verwechjelt wird M. mit Pie: 
tismus, Das Gemeinjame zwiſchen beiden ijt das 
Borwiegen bes religiöjen Factors vor dem fittlichen, 
d. h. ein Vorwiegen des religiöjen Gefühlsiebens 
und eine relative Gleihgültigleit gegen die fitt: 
lichen Gejtaltungen in Kirhe und Staat jomwie 
gegen das Dogma; der Unterjchied beruht darin, 
dag der M. ausdem Gefühl der Gemeinſchaft mit 
Gott, bei welchem das Bewußtjein der Scherdung 
verſchwunden tft, hervorgeht, bagegen der Pietis: 
mus aus dem Bewußtjein der Scheidung, die er 
fortwährend im Gefühl zu überwinden trachtet, 
jo daß ſich beiihm das religiöfe Leben in religiöjen 
Handlungen zu äußern jucht, die das Gefühl Der 
Gemeinschaft hervorrufen oder unterhalten tollen, 
während der M. gleichgültig gegen das äußere 
Handeln im beijhaulihen Genup verharren fann. 
Troß ihrer Berjchiedenheit gehen aber beide oft 
Verbindungen miteinander ein. 

Muyſtiſche Richtungen treten geſchichtlich und 
als berechtigte Reactionen immer auf, wo das 
wahre religidſe Leben in einem verknöcherten Dog⸗ 
matismus der Lehre oder im veräußerlichten For: 
menmwejen des chriſtlichen Cultuslebens verkum— 
mert iſt oder wo durch den Zuſtand des Geſell— 
ſchaftslebens die Bethätigung der ſittlichen Kräfte 
gebunden und unterdrückt iſt. Sie ſind keines 
wegs dem Chriſtenthum eigenthümlich, vielmehr 
hat der Buddhismus und der Islam ebenſo ſeine 
myjtiihenSecten, wie auch Eſſener und Therapenden 
gegenüber dem orthodoxen Ritualismus der Pha— 
rıjäer eine Myſtik pflegten und wie fie das ſpätere 
Judentum im Kabbaliämus entwidelte. Im 
Chriſtenthum jind von den ältejten Zeiten Die 
Klöjter die Zufluchtjtätten der myſtiſchen Richtung 
gewejen (die Mönche der ägyptiſchen Wüſte, des 
Athos, im Abendland vorzugsmweije die Francis: 
caner); myjtiiche Secten waren die Montaniiten, 
Mefjalianer,Euditen, die Bogomilen undſtatharer. 
Von Amalrich von Bena und David von Dinanto 
und dem Abt Joachim (ſ. d. A.) aus durchziehen 


Myſticismus 


myſtiſche Richtungen das ganze Mittelalter. Die 
Reformation, welche nicht ohne innere Verbindung 
mit der Myſtik war, hatte die myſtiſch-fanatiſchen 
Richtungen Schwentfeld’3, der Antinomijten und 
MWiedertäufer von ſich auszufcheiden, und in den 
feparatiftiihen Bewegungen in der Kirche zu Ende 
des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts madt 
ſich überall der Myſticismus geltend. Michael 
Molinos, die Frau von Guyon, Fenelon, Angelus 
Silefius find Namen, welche auffatholiicher Seite, 
Zacol Böhme, Gottfried Arnold, die Baptijten, 
die Quäker, die Lababiften, ein Peter Poiret, 
eine Jane Leade, ein Breckling, Gichtelu. A. Erjchei: 
nungen, welche in der proteftant. Kirche die Myjtit 
im guten und im jchlimmen Sinn repräjentiren. 

Unterjchieden von dem die übele Nebenbedeu: 
tung in fi jhließenden M. bezeihnet Myjtit 
als geſchichtlicher und theologiiher Begriff die 
Richtung theologifcher Wifjeniwaft, welche entge: 
gengejegt dem Glauben (nieris), wie erim Dogma 
der Kirche überliefert ift oder der philojophi: 
jhen Erkenntniß (yroaw), auf dem Wege un: 
mittelbarer Anſchauung das Verſtändniß des 
Göttlihen erlangen will. Dieje chriſtliche Myſtik 
ſchließt fih an die myftiiche Theologie des Pſeudo— 
dionyfius,Areopagita an; mit Bernhard von Clair: 
vaur trat fie, die Einheit mit der Kirchenlehre be: 
hauptend, in bewußten Gegenjag zur Scholaſtik. 
In der Schule von S. Victor (geftiftet von Wil: 
beim von Champeaur 1109) bildete jie fich zur 
beſchaulichen Myjtit aus, deren Grundgedanten 
in den Säßen: adscendere ad Deum est intrare 
ad semet ipsum (Auffteigen zu Gott ift Einfehren 
in ſich jetbjt) und: tantum deus cognoseitur, 
quantum diligitur (Gott wird nur injomeit er: 
fannt, alö er geliebt wird) enthalten find. Ihre 
Hauptvertreter find Hugo, F 1141, Richard, F 1173 
und Walther a. S. Bictore, + 1170. Ihnen folgte 
Bonaventura 1221 —73, und Joh. Gerjon 1563 
bis 1429 verjuchte eine Einigung der Myſtil und 
Scholaſtit. Die deutiche Myſtik des Mittelalters, 
vorbereitet durch Ruprecht von Deut, geht aus 
von dem Dominitaner: Provinzial:Meijter&dhard: 
ihre Hauptvertreter jind Tauler und Sufo, ihre 
höchſte Blüthe ift die aus dem Ende des 14. Jahrh. 
jtammende, zuerjt vonLuther herausgegebene, lange 
irrthümlich Tauler zugeichriebene deutiche Theo: 
logie. Tief jpeculativ hat fie ein praftiiches In— 
terejje und macht ihre Gedanten vielfad in Pre: 
digten dem Volke zugänglich. Gepflegt von den 
Gottesfreunden und Brüdern des gemeinjamen 
Lebens neigt fie in Nuysbroef zur Schwärmerei 
und wendet fi) in Thomas a Kempis zu einer 
tief innigen asketiſchen Frömmigleit. Durch den 
Gegenjag gegen die Scholajtil, wie durch Die 
Seijtesfreiheit eines eignen innern Lebens und die 
damit verbundene gröpere Gleichgültigteit gegen 
die gejchichtlich gewordene Kirche hat die Myſtik 
die Reformation mit vorbereitet. Der Bater der 
neuern deutſchen Myſtik ift Jalob Böhme (ſ. d. A.), 
der auf Paracelſus fußt; von ihm abhängig iſt 
die myſtiſche Theoſophie Bengels, Detingers (ſ. d. 
A.) u. A. Die ſpätere Myſtik der katholiſchen Kir: 
de ift nicht ſowohl jpeculativ als asketiſch und er: 
baulih (Wad. Guyon, Fenelon, Bourignen). In— 
dem die neuere Theologie das „Chriftus in ung“ 
bervorhebt, hat fie den wejentlihen Gedanken der 
Myſtik in fi) aufgenommen. Bgl. Tholuf, Sufis- 
muss. Theos. Persarum pantheistica, Berl. 1821. 


731 


Mythologie 


Frank, die Rabbala Leipz. 1844. Höfling, der wahrh. 
hiftorifche Myjtic. Erl, 1832, Theremin, über das 
Weſen der myft. Theologie. Berl. 1833. Helffe: 
rich, die Hr. Myſtik in ihrer Entwidlung. 2 Thle. 
Hamb. 1842, Lisko, die Heilßlehre der Theologie, 
deutſch Stuttg. 1857. Hamberger, Stimmen aus 
dem Heiligthum der hriftl. Ryftit.2 Thle. Stuttg. 
1857. Pfeiffer, deutſche Myſtiker im 14. Jahrh. 
2 Bbe., Leipz. 1845 - 57. 

Mythologie it die Sammlung der Mythen, 
ihre Syitematifirung und Deutung. Ihr Rejultat 
ijt die Darjtellung des Gejammtinhalts des reli- 
gidjen Glaubens. Es gibt daher ſoviel Miytholo- 
gien als es mythiſche Heligionen gibt. Jede My— 
thologie zeigt, wie die eine religiöfe dee, bedingt 
durch die Gedichte und die natürlichen Verhält— 
niſſe eines Volles nad) einer Seite hin fich ent« 
widelt und wie in der Geſchichte des auf dieſe M. 
gebauten religiöjen Xebend, und im Zujammen: 
hange mit dem Ganzen der Menſchheit, dasChriſten⸗ 
thum als Weltreligion vorbereitet und ermöglicht 
worden iſt. Am wichtigſten ſind daher für die 
Religionsgeſchichte die Mythologien der alten Eul: 
turvölfer. Diejelben find bearbeitet: Ereuzer, Sym⸗ 
bolit und Wythologie der alten Völker, 4 Bode. 
1810—12. 3. Aufl. Leipz. 183643. D. Müller, 
Prolegomena zu einer wiſſenſch. Mythologie, Gött. 
1825. Baur, Symbolif und Mythologie der Na: 
turreligion des Altertyums. 3 Bd. Stuttg. 1824. 
Buttmann, Mythologus, 2 Bde. Berlin 1828. 
Stuhr, Allgem. Religionsgeſchichte der heidn. Böl« 
fer. Bd. Lund 2, Berl. 1836. Heffter, die Nelis 
gion der Griehen und Römer, Brandenb. 1843, 
Edermann, Lehrbuch der Religionsgeſchichte und 
Mythologie der vorzügliciten Völker des Alters 
thums. 2 Bde. Halle 1845— 47. Braun, Griech. 
Götterlehre, Hamb. und Gotha, 1845. Preller, 
Griech. a re 2 Bde. 2. Aufl, Berlin 1861 
— 62. Römiſche Mythologie, Yeipzig1857. Welder, 
Griech. —— 3 Bde., Gött. 1867 — 61. 
Populär: Stoll, Die Götter und Heroen des claſſ. 
ur er 2 Bode. Leipz. 1861. 

Mythologie der alten Germanen. Während 
wir über die M. der Deutichen, auf die Angaben 
römiſcher und jpäterer chriſtlicher Schriftiteller, 
auf die Erforjhung erhaltener Sagen bejchränft, 
jehr mangelhaft unterrichtet find, bietet uns da» 
gegen die nordgermanijche jehr reichhaltige Quel⸗ 
len. Beide jedod) jind jehr nahe miteinander ver: 
want, jo daß bie eine zur Ergänzung der andern 
dient. Die Grundzüge der nordiſchen, (ſeandina⸗ 
viſchen) Mythologie, wie fie uns namentlid) in den 
Liedern der ältern Edda erhalten it, find folgende: 
In einem Urchaos (gap) unterjceiden fih Muss 
pellheim (Feuer) und Nıflheim (Nebel). Aus —* 
erzeugt ſich Ymir, der Rieſe, aus deſſen Arm 
Mann und Weib, aus defjen Fuß ein Rieſenge— 
jchleht hervorgeht; er nährt ji von der Milch 
ver Kuh Audumbla, welde aus dem Salzgefteine 
ein neues Wejen, Namens Buri, herausledt, von 
defien Sohn Bör die Götter Odin, Bili und Ve 
entitammen. Bon den legteren wird der Rieſe 
Ymir erjchlagen ; jein Blut ertränft die Riefen und 
nur Einer mit feinem Weibe, der Bater der jüngern 
Niejen, entlommt. Aus Ymirs Gebeinen wird die 
Welt, aus jeinem Blute das Meer, aus feinem 
trleifche die Erde, aus feinem Schädel der Himmel - 
gebildet. Der Gegenjag diejer weltbildenden Göt⸗ 
ter (der Ajen) gegen die Riejen (Jötunenjftellt ven 


Mythologie 


Kampf des Geiftes gegen die Naturgewalten dar. 
Aber auch die Ajen bleiben nicht rein und unbe» 
ar von den böjen Elementen. Durch die Ver: 
miſchung mit Riejentöchtern (Thurjen) wird aud) | 


132 





Mythus 


der Donnergott mit dem Donnerkeil, zugleich das 
Bild der Furchtbarkeit; Tiu oder Ziu (daher 
Dienftag, Ziustag), von Tacitus Mars genannt, 
der Gott des Krieges. Unter den Göttinnen war 


in ihnen der Durjt nad) Gold und die Selbftjucht | es namentlich die Nerthus, auf Rügen verehrt, 
gewedt, undLoditrittin ihre Mitte, als ihr böjes | die mütterlich jorgende, die über Haus und Feld, 
Princip und zugleich igr Untergang. Die Menſchen, Ehe und Familie waltet, und jegt noch in vielen 


von Odin und Hönir mit geiftigen Kräften begabt, 
nehmen durch Locki die Sinnlichfeit mit in fi 
auf und werden dadurd mit in den Kampf des 
Gewiſſens mit der Sünde hineingezogen. Ein 
Sinnbild des Lebens in der Welt tft die große 
Eiche Yggdraſil mit ihren drei bedeutungsvollen 
Wurzeln, der einen mit dem Brunnen der Nornen, 
der Lenkerinnen des Scyidjals, an weldem die 
Götter Gericht halten, der zweiten mit dem Brun- 
nen Mimirs, des Riejen, dem Brunnen der Weis: 
Ar aus dem die Riejen die Kenntniß der Zukunft 
chöpfen, in welcher fie den Kampf mit den Göttern 
unternehmen werden; der dritten mit Dem Bruns: 
nen der Vergeltung, aus dem die Ströme der Un: 
terwelt iommen, welche die Verbrecher zu durch: 
waten haben. An dem Gipfel der Eiche, —— 
in die Walhalla ragt, nährt eine Ziege die Seelen 

der gefallenen Helden. Es beginnen nun die Kämpfe | 
ser Göttergeſchlechter untereinander, zuerjt der 

Kampf der Ajen mit den Wanen; an der Spitze 
der letztern ſteht Niördr, der Gott des Meeres, 
und jeine Gemahlin Nerthus (nad Tacitus), 











Sagen erkennbar ijt. Auch) die Sunna (Sonne) 
und ihre Schweiter Sinthgunt (Gejtirne) wur: 
den verehrt, Die Schidjalsgöttinnen, Nornen, 
fommen in der nordiſchen und deutihen Sage 
in gleicher Weife vor, außerdem eine große Zahl 
übernatürlicher Weſen niederen Ranges, die Nie: 
jen, die Elben, die Zwerge. Die Verehrung der Gott: 
heit geſchah durch Opfer undan Feſten, welche mit 
dem Lauf der Natur zujammenbingen. Die Orte 
der Verehrung waren meiſtens — Einen 
eigentlichen Prieſterſtand gab es nicht. Vgl. Jacob 
Grimm, deutſche Mythologie 3. Aufl. 1854. Sim: 
rod, Handbuch der d. Mythologie. 3. Aufl. Bonn 

1569. Mannhardt, die Sötterwelt der deutſchen 
und nordifchen Bölter. 1860. 

Mythus. Wie unfer „Wäre, Märchen‘ allmäh: 
(ich jede unglaubmwürdige Erzählung ausalter Zeit; 
auf religiöſem Gebiete iſt M. im Unterfchied von 
Sage, die von der dichtenden Phantafie geſchaffene 
Eintleidung einer religiöſen Idee in das Gewand 
einer gejhichtlihen Erzählung, während die Sage 
die Ausbildung einer Gejchichtserzählung ift mit 


die Göttin der Erde, deren Ehe Freyr, der Gott | Antnüpfung an eine Idee. In jeder Religion, die 
des Friedens, und Freya, entiprungen, die Frie: | über den rohen Naturdienjt ſich erhebt, aber außer: 
dens: und Liebesgöttin, welche Odin's Gemahlin | halb der Offenbarung jteht, it der Mythus die 
wurde, als fie im Kampfe zwiſchen Ajen und Wa: | Form, in welcher der Inhalt des religiöfen lau: 


nen den eritern als Geiſel überliefert wurde, und 
darauf einen ebenfalls kriegeriſchen Charafter an: 
nahm. Die fonit Frigg genannte Gemahlin 
Odin's ſcheint nur eine andere Geftalt derjelben 
Idee zu fein, und aud die deutſche Hulda iſt 
die Friedensbotin und Götterfürgtin, weiche mit 
Odin die Helden auf der Wahlitatt wählt. Um 
Freya erhebt ji ein Kampf, als Yodi jie durch 
Liſt in die Hände der lüjternen Riefen zu bringen 
wußte. Ueberhaupt tritt Locki's böſes Wejen immer 
deutlicher hervor; mit feiner ganzen Sippſchaft, 
dem Narvi, dem Gott der Nacht und dejjen Tochter 
Nott, mit dem Fenriswolf, der Midgardsichlange 
undder Hel, droht er dem Alengeichlechte Berder: 
ben, weßhalb dieje die Hel in die Unterwelt, die 
Schlange in das Meer und den Wolf in Ketten 
werfen. Odin zur Seite jtehen feine Söhne Thor, 
der deutihe Donar, und Tyr, der deutihe Ziu 
oder Tiu. Aber der Kampf ijt damit nod) nicht 
vollendet. Als durch Lodi’s Lift der reinjte der 
Götter, Baldur,getödtet wurde, wird Yodi zwar 
auf eine Zeitlang gefeffelt, aber mit einem Dale, 
jur Zeit der Götterfinſterniß, brechen alle böfen 
Gemwalten los, Heimdall gibt das Signal zum 
Kampfe, und das Ende eines furdtbaren (Hötter- 
frieges ijt der Untergang Aller, der Ajen und der 
tiefen und das Verſinken der Erde ins Meer, aber 
aud) das Aufjteigen einer neuen Welt mit neuen 
Göttern. Der große Gott, der jegt regiert, nicht 
ein Gott des Krieges, jondern des Friedens, hat 
ſchon früher unbemerkt die Hegierung der Welt in 
einer Hand gehabt. — Die deutſchen Götter ent: 
| rechen den nordijchen ziemlich genau. Hauptgott 
it Wodan oder Wuotan, der nordijche Odin, 
der Gott deö Himmels und der Xuft, der Jagd | 
(das wilde Heer) und des Krieges; fern Donar, 


mythiſch? Hamburg 1838, 


bens überliefert wird. In demſelben wird das 
in der Natur als Norm und Gejeg fihofjenbarende 
Göttliche perjönlid, daher beginnt mit dem N. 
der Anfang, das fittlihe Element ver Religion zur 
Geltung zu fommen. Seit der Glaube an die In— 
Ipiration der Bibel und die buchſtäbliche Geitung 
ihres Inhalts wankend geworden, wurde zuerſt von 
Herder die Frage aufgeworfen, ob nicht auch die 
Urgeſchichte der Bibel als Nythus überliefert jei; 
Dr. Strauß endlich machte den Verſuch, ſelbſt Das 
xeben Jeju in Mythen aufzulöfen, nadzumeijen, 
daß die abſichtslos dichtende Sage, angeregt dur 
alttejtamentlice Gedanken und Ausdrucke, uͤrchriſt 
liche Ideen in geſchichtsartige Erzählungen einge— 
kleidet habe. Die dadurch angeregten tritiſchen 
Forſchungen haben nicht nur im Groͤßen und Gan— 
zen die Geſchichtlichkeit ver bibliſchen Erzählungen 
dargethan, jondern auch Vieles aus der frühen 
Periode als nur jagenhaft ausgeſchmuckte Geſchichte 
erlannt, was man vordem als Nythus zu beirag)- 
ten geneigt war, nichtsdejtoweniger haben aud 
mythiſche Elemente ſich namentlich; ven Erinnerun: 
gen der Urgeſchichte des Volkes Iſrael beigemiſcht 
und gleicherweiſe glauben Viele, denen die Geſchicht⸗ 
lichteit des R. Teſtaments außer Zweifel ſteht, 
mythiſche Elemente z. B. in der Kindheitsgeſchichte 
Jeſu nachweiſen zu können. Was €. J. Rißtzſch 
von dieſen Erzählungen ſagte, fie enthielten nicht 
wirlliche, aber wahre Gejdichten, d. h. göttliche 
Wahrgeiten in menjhlicher Form, gilt ım Grunde 
von jevem wirklichen veligiöjen Diyihus auf jedem 
Heligionsgebiete. Vergl. über Mythus und Sage 
in der Bibel 9. Schulg, Altteſt. Theol. I, 30—44, 
wo aud) die Yıtteratur angegeben. Ferner George, 
Mythus und Sage 1357. Ullmann, Hiſtoriſch odet 





YD 7 
mr