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Full text of "Jahrbuch für geschichte, sprache und literatur Elsass-Lothringens;"

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Jahrbuch für 
Geschichte, 
Sprache und 
Literatur 



Elsass-Lothri 






Strassburg 
(Germany) 



Historisch-Littera 






^irSrWRIGH't bUNNllsTc 
BEQUEST 

UNIVERSITY orMiCHIG.\N 

GENERAL LIBRARY 




\ 





1 



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?30. 



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4 



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JAHRBUCH 

FÜR 

GESCHICHTE. SPRACHE UND LITERATUR 

ELSASS-LOTHRINGENS 

HERAUSGEGEBEN 

VOK DIU 

HISTORlSCH-LlTEkARISCHp ZWElGVEREiN 

• • • 



DES 



VOGESEN-CLUBS 



XXlll. JAHRGANG. 



STRASSBURG 
J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MONDEL) 

1907. 



Inhalt. 

Seite 



I. Gedichte von C hi istian Schmitt I 

II. Mittelalterliche ArmciipHege von Dr. Aug. Hertzog- 

Plaiitiöres 

III. Die Schicksale der bischöflichen Sfadt Rnfarh nach dpin 

dreißi,a:iähri«ren Kriege von Th c o b a Id Wal t c r . H> 

IV. Das Susauneuspiel des Samuel Israel von Straßburg 

von 1603. Herausgegeben von Dr. Alfred Seh a er 34 
V. Sagen ans dem krummen EIsatK gesammelt von Lehrern 
und Lehrerinnen der Schulinspektion Saaruniou. ver - 
öffentlicht von Kreisschulinspektor Monges . . . IOC ■ 
VI. Heinrich Loux (1873 — 1907). Lebensumriß von Th. 

Knorr KU 

VII. Mosclieroscli im hiciiste der Stadt .Stral'ilmig von Dr. 

J 0 Ii a 11 u e s I ) e i u t' )• t 1.38 

VIII. Gedicht eines Bauern aus Zutzendorf 184U. Mitgeteilt 

von Prof. Krug (BuchsAveiler) 147 

IX. Das Gkichnis vom verlorenen Sohn in sechs elsässischen 

Mundaricii. Iksorgt von Eduard Halter . . . l.")l 
X. yaclitriij^c und Hcrichtiofungt'ii zum Woiteibuch der 

Eli jitssi.sclieii ]\i:uiidartc ii , . . . . . . . . . Liil 

XL Mcßti und Kirwc im Elsal^ von Dr. Kassel in Höch- 
te Ulcn ■ . . . . . . . . . . . . . . . . . liäü 

XTT. Ein Bild Kaiser Friedrich Rotbarts aus dem 1'>. .Tnhr - 
hondert zn Hageoau von Max Bach. Entgegnung 

von H. Lempfrid .... 241 

XTTT. Chronik liir l'.K)>; ^liä 

XIV. Sitzuiigsbcncluc 2')(> 



3.. 



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I. 



Gedichte. 

Von 

Christian Schmitt. 

1. Die Harfe. 

Im Dänunergaiten meines Hersens »tili 
Hänget eine Harfe. Hohe, duoklc Bäume 
Stehn rag-cnd rinyrs. Sie harrt, ob ihre Triiuinc 
Kein Haacli zn lautem Klang mehr wecken wilL 

Vom Sturmwind aufjjcwühlt erbebten seluriil 
Die Saiten. Doch auf frißdcvüll.' RäiiniP 
Sinkt lois der Abend, und in jcoid ne Säume 
Legt sich der Landschaft malerisch IdylL 

Und wiA -liö Nacht nun tilgt den späten Schein, 
Vüu utiMt litbarem FincTf^v 7.art entbumlew 
Erwacht ein Tonen, siili und ^^■undel fein. 

Erschwellend jetzt und wieder fast verschwunden, 

Su klagt's und jauchzt, als flösse heiß hinein 

Hin liöohstes Olück, ein Weh ans tiefsten Wunden. 



2. Der sterbende Wald. 

Wie rotes lilut vnrfropfclt rlrino Krnft, 
Da tlir ilpr Sturm das Ifizic Laub entrafft, 
Und wie in Todcakampten auf und nieder 
Dumpf rdehelnd itrirfst du die verzerrten Glieder. 

Gleich einem xorncr^,aii»mtea Riesen riugst 
Mit der Gewalt du, die du doek niclii iwin^st. 
Noch knnse Standen and der fröstelnd bleiche, 
Lichtlose Bimmel starrt aof deine Leiche. 



~ Ü — 

Dann sehweifirt die Loft. In tieler« ttÜler Bast 

Ruhst du vom Kampf, den du durchst ritten hast. 
Die Wolken lüseii sich im Flockenscli weben, 
Das weiße Bahrtuch, lan^saui dir zu weben. 

3. Dämmerstunde. 

Es ein Ta£;* zu Ende, i 

Still wird der Strafte Schwärm, 

Laß ruhn die müdea Hände, 

Mein Weib, in meinem Arm! 

Allein niebt will ieh rasten 

Vom heißen Werk der Ffliebt ; 

Auch da hast deine Lasten 

Getragen stark und schlicht. 

Beim Schein der ersten Sterne 
Soll schweifen unser Geist ' 
Hinab zur tiefsten Ferne 
Den Weg, den wir gereist. 
Dnreli sonnenvoUe Hatten 
Vom Tal stieg er herauf, 
Doch aneh dnreh schwere Sehafetea 
Hat nas geführt sein Lanf. 

Das Glück, das wir erstritten, 
Kennt nicht dor Zt'it.:!ii Flucht, 
Und auch was wir gelitten, 
Trug hundertfältig Frucht. 
Am Berg auf sanften Auen 
Hell ranselit and IHsoh der Born; 
Den Gipfel kann nnr sehanen, 
Wer Stein nicht scheut und Dorn. 

Noeh sind auch wir nicht oben ; 

Der Mähe wartet viel. 

Von Wolken dicht umwoben 

Sehn wir vor uns das Ziel. 

Wenn aber eias im andern ' 
Entzündet i:^vaft und Mut, 
So werden wir^s erwandern, 
Und alles fügt sieh gnt. 

Geht's aoeh viellttieht felsilber 
Gar hart noch manches Jahr, 
Wir kämpfen uns hinttheri 

Die Seele fest nnd klar; 

Wenn sich nur aus den Feuern < 
Der Friede stärkend senkt 
Und ein so sil6 Erneuern 
Uns jeder Abend schenkt. 



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- 7 — 



4. Auf dem Bergfriedhof bei Salm. 

(Brenaolital.) 

Ernste Ruh«tatt müder Herzen, 
Schatteiiküliles Eiland da. 
Wie viel Hoffauiig, wie viel Schmerzen 
Decktest da f 8r immer su t 

Kiudlein, mit dem ersten Lächeln 
An die Mutter kaum geschmiegt, 
Schlammern Mer» vom Waldwindfftdieln 
Zwischen Blnmen eingewiegt. 

Und, g:ebettet um der Kleinen 
Arme Hagel, reihenweis, 
Unter Krenzen, unter Steinen 
Basten Hann nnd Weib und Greis. 

An den blauen Tannenkuppen 
Uebten sie ihr irdisch Tun ; 
Tannen auch in dunkeln Gnippen 
Bauscheu um die Gräber nun. 

Berge, die ^esehn 'la^ Wnllrn 
Dieser Tapfern, scliiichr und klar. 
Ragen hoch wie Tempslhalleu 
Ueber ihrer stammen Sohar. 

Alle sind in g-utem Frieden. 
Nie vom Trug der Welt Uctört, 
Lebten sie. Vom Lärm geschieden 
Ist ihr Schlaf anch ungestört. 

Doch in Not nnd tfühn wir andern, 
Die wir gleiche Wege gehn, 

Bleiben sinnend gern boini Wandern 
Vor dem Hain der Toten stehn. 

ünd der Wnnsch will ans bewegen, 

Dab auch, wie das Los uns .fiel, 

Unser Pfad so s-'i voll Segen 

Und so selig unser Ziel. - 

« 

5. Fallende SohlÖaser. 

Baumeister i<^t Bnblein. Hell jauchzend hallt 
Sein Werkliod aus der Kammer. 
Künstlicher tüg& er Stciu aut Stein ; 
Bald wird das Dach gegiebelt sein. 
Ach, aber ach, orplötalioh schallt 
Zn Krach nnd Starz ein Jammer. 



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- 8 - 



Vater und ITutter müssen herbei. 
Spiolmännchon weint bekümmert. 
Vic Buiir, iler liiichstiMi Kruniiiig nah, 
AU iiabelbiiU nun liegt t>ie da. 
Noeli r$gen stttekweis die tf auen frei, 
Halb Uegea sie wirr «ertrümmert 

Wir trösten den Kleinen. Bald ist's geschebii. 
Inft neue setzt er die Quader 

Und sin^'^f und ahnt «s ttieht, wie viel 

Er in der Welt boi rrnstcm Rpiol 

£inst sciinicrxircstählt wird fallen sehn, ' 

Lächelnd und ohne Hader. 



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II. 

Mittelalterliche Armenpflege. 

t 

VOD 

Dr. Aug. Hertzog-Plantiere. 

Bis zum Ausiiiiuh der fraiizös-isclieii Uevolution beruhte 
fiie «re<jamte Arnieiiptlege, sowohl auf dem LnHtle als auch in 
den Strulten, auf der in den lelig^iösen Satzungen begründeten 
Pflicht zum Almosengeben. Jeder Vermogliclie war verpflichtet 
solches Almosen zu geben. In den Städten aber, hat sich die 
Gemeindeverwaltung schon sehr früh der Armenpflege ange- 
nommen, die Almosenspenden durch städtische Beamten bei 
den Bargern sammeln, und durch eigene Almosenämter an die 
Bedürftigen austeilen lassen. Zu Colmar war unter anderem, 
die ihrem ursprünglichen Zwecke, im XV. Jahrhunderl bereits 
enttremdete Elendherberg, ein Organ der Almosenverwaltung. 
Im Archive des Colmarer Bürgerspitales, mit welchem die Filend- 
herberg vereinigt worden war, fand ich eine Urkunde vor, die 
ein recht anschauliches Bild darbietet, von der AjI und Weise 
wie man in jenen Zeiten A\>' Annenpflege ausübte, von der 
Auflassung, welche sicii die J>tHite damals von der Pflicht des 
Almo.senyeben«;. als einer reichen Gnadenquelle, gemacht haben 
und von ilei niorahschen Wiikun;,^ dieser AulTassung aul die 
Besitzenden, welche dadurch bewogen, geiue vou ihrem Ueber- 
flusse mitteilten, um das «cölTentliche Almosen» mit den nötigen 
Barmitteln zu versehen. Damals g^enögte der religiöse Sinn 
unserer altelsSssischen Stadt- und Landbevölkerung noch, um 
die Ausübung einer organisierten öffentlichen Armenpflege den 
Stadt- und Landhehörden zu ermöglichen. Ob unsere heutige 
Bevölkerung in dieser Beziehung den Vergleich mit den Vor* 
eitern aushielte, wollen wir nicht untersuchen; wenn wir aber 
die Bewejrp:rnnde der öffentlichen Arinenptlege der heuligen 
'Ißil mit den Motiven der mittelalterlichen Wohltätigkeit ver- 



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^ 10 — 



gleichen, so werden wir darin einen ^anz anderen Geist wahr- 
nelimen. Eben diesen grundlejyenden Unterschied soll uns die in 
der Anlage mi(g:eleiite $cbenl£UOi(durkunde des Colmarer Bürgei s 
Beat Schrote ysen dartun. Alle Einrichtungen haben 
ihre Zeil, und nur von diesem objektiven Standpunkte aus 
müssen wir Narhkdinmen die^e Eiurichturij^eii beti-achten. 
Solche Org^anisationen sind unter sich nur ao weil ver^^Ieiclibai', 
aU siie damals wie jetzt, ähnliche Zwecke verful^jiteii. Nicht aber 
i::t aus dem Vergleich zu schließen, daii wa:^ iia XVI. Jahr- 
hundert und noch früher genügte, heute den Aufgaben einer 
geordneten Armenpflege entsprechen müsse und könne. 

Erfreulich dürfte es aber fQr uns Nachkommen immer sein 
zu wissen wie unsere Voreltern diese grofien Aufgaben der 
praktischen Nächstenliebe angefaBt und gelöst haben. Es ist 
entschieden eine schöne Seite dieser mittelalterlichen Armen- 
pflege« wenn die religiöse Ueberzeugung und die Frömmigkeit 
unserer Voreltern genügt haben, um Wohltätigkeitsanstalten 
ins Leben zu rufen, welche vielfach heutzutage noch bestehen, 
oder welche doch die Fundamente abgegeben haben , zum 
heutigen Baue der öfTentlichen Armenpflege. D;is sind die 
Gründe , die uns bewogen haben , di ' erwähnte Urkunde 
hier im Anbangre zu verötl'entlicbea. i)eieQ luhall wird den 
Lesern wohl leicht versliuidlich sein, zur Einleitung in deren 
beVseres Verständnis sollen hier nur einige Bemerkungen 
vorangehen. Die erwähnte Urkunde ist auf einem großen 
Düi>^ c i juartbogen Pergament, mit groBer Sorgfalt und kalli- 
graphisch sehr schön ausgeführt. Sprachlich entspricht sie 
allen den zeitgenössischen Urkunden und Schriftwerken jener 
Zeit, aus Colmar und Umgegend. Inbezug auf deren Recht- 
schreibung sei nur auf die damalige Sitte, möchte lieber sagen 
Unsitte, verwiesen die Konsonanten ganz ungebührlich zu ver- 
doppeln, so z. B. im Worte tselen» die Seelen, wird «seilen« 
geschrieben; statt «menschen» wird «mennschenn» gesetzt; 
statt «Hilf» 5:rhreibt man «Hilir^ noch drastischer ist die Ver- 
doppelung «tünff» statt o tmif», «Ennde» statt «Ende», «opfrern^ 
statt ((opfern», «söllen>* statt «seilen» für seelen. Diese Bei- 
spiele sollen genügen. Das himtülische Heer heiüt hier das 
«Hymelsche Hör». 

Beat Schroteysen schenkt der Elendberberg ein bestimmtes 
Kapital, dessen Zinsen sollen alljährlich als Almosen Verwen* 
dung finden, diese Almosen sind aber an eigentümliche 6^ 
diugungen geknüpft, welche für uns die Urkunde eben wichtig 
machen und unsere Aufmerksamkeit fesseln. Zu bestimmten 
Zeiten des Jahres sollen einige Arme gewisse Kirch- und Bitt- 
gänge verrichten, um der Wohltat teilhaftig zu -werden. Alle 



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-11 - 



Samstag sollten sie nämlich im Sankt Martinsmunster der «Ger- 
nermesse» beiwohnen. Der cGerner» auch «Kftrner^ Kerner» 
geschrieben, ist das Beinhaus, wie ein solches zu jenen Zeiten 
noch auf allen Kirchhöfen sich befand ; einige dieser merk* 
würdigen Denkmäler haben sich, so zu Kaysersberg» bis in 
unsere Tage erhalten. 

Der grüße Platz um das Colmarer Münster herum war 
früher ;ranz Hegrähnisstälte ; nach und nach nahm jedoch die 
Stadt ein Stuck nach dem andern von demselben hinweg. Der 
Karner unter der St. Jakobskapelle befand sith -Auf -ler 
südlichen Seite der Martinskirche, und winde 1575 beseitj^jt ; 
die Kapeile wurde zur Wachtstube um^iewaniiell. 

Von da aus sollten die erwähnlea Annen eine VValliahrl 
zu unser Lieben Frauen in Horburg machen, und dort bestimmte 
Gebete verrichten. Horburg war fröber noch bevor der k5nig' 
liehe Hof von Colmar eine Kirche besaß, Pfarrkirche dieses 
Hofes, wurde demnach die Mutterkirche der nachmaligen Coi- 
marer Pfarrkiithe. Daher auch die rechtliche Verpflichtung der 
Tochterkirche zu gewissen Zeiten des Jahres in Prozension nach 
Horburg zu pilgern. Mit der Zeit verdunkelte sich aber die Ur- 
sache dieser Bittgänfre, und Horburg ward als Wallfahrtsort 
der Mutter Gottes weiterfort das Pilgerziel der Colmarer Bür- 
gerprozessionen und dor privaten Bittgange aller Art. So mußten 
denn auch auf Wim-^ch Schroteysens die iteschenkten Ai'men 
diese Wallfahrt ven-iciiten. 

Von H()ihui\L; zunuk in der Stadl augelangt mußten sie 
in der Bart'ülierkii che t;inkehren. Das ist die jetzige protestan- 
tische Pfarrkirche (Langhaus) und die katholische Spitalkapelle 
(Chor). Von hiei- ging es ins MQnster und endlich in die £lend- 
iierberg. Dieselbe lag bis 1502 in der St. Martinsgasse Nr. 1, 
wurde damals verkauft; för die Zeit unserer Urkunde kann 
ich also nicht angeben wo diese sich befand. Mit 1534 geht die 
Elendherberg an das Burgerspital über, das dedren Verpflich- 
tungen übernimmt. 

Jeden Dienstag sollten dann fünf andere frommen Armen 
einen ähnlichen ßiltpranp: machen; nur statt nach Horburg 
wallen «ie jetzt zur St. Annenkapelle, auf 'dem Sta<ltgiaben, 
dem jet7.i;zeri St. AnntMi[«iatze : wohin nach Auflietjuni^- des» Müii- 
sterbegrabni.splatzes der Goltesuckei' verlegt wurde. Diese Ka- 
pelle ward 1588 bei Krweiteruajf der Festungsanlagen der Stadl 
abgebnK hen. 

Und, heißt es dann in der Urkunde, das solches nu und 
öwiglich, dester statlicher, gehalten nit «verschlud* (so ist ge- 
schrieben) werden mechte, macht Schroteysen die im Text * 
erwähnte Zuwendung. 



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«Verschlud» beiBt hier soviel wie «verschleudere». Der 
Elsässer sagt heute noch dafür «verschludere». Durch die Zu- 
wendung eines hestimmlen Kapitals sollte vermieden werden« 

daß die Sache sich verzögere» ver.«ch!eudere, etwa rrnr uiclit 
aus}refülirl werde. Er gibt also eine Rente von 12 Gulden, auf 
die Stadt Colmar ( SiniHlen wieder koiiffiL;)), d. h. zu jeder Zeit 
und Sl Hilde ablösbar und zwar inil 3t>0 dulden in Gold. Also 
handelte es sich hier um eine vierpi o/enti^^e slädlische Renlen- 
versclii eilnintr. Hier ist anzuerkennen daü die Stadt Colmar 
damals ^illon gerade so billigen Kredit land als sie denselben 
Ijeute wohl hat. 

Mit diesen wenigen Erläuterungen wird, glauben wir, 
die Urkunde wohl versländlich, sogar für solche Leser, die nicht 
gerade an deren LeklQre gewohnt sein dürften. Wir denken 
aber daß der darin behandelte Gegenstand an und für sich 
fesselnd genug sein könnte, um hier mitgefeilt zu werden. 

Anlage. 

SohexLkung^ von Beat Sohrotysen an die Ellend- 

herberg von Colmar. 

Wir Der Meister uiin l der Rate zu Colmar Bekennen 
luüiil tliugen kundt niencklichem mit dem briefl, Das ufl iiiilo 
seiner daluiii, vor unns Inn ofTenem versamleten Rai künicu 
unnd erschinen ist. Der furneme Cünrat Wickram diser Zeit 
unser Schultheiß, als ein gesanter unnd verordnelter Des £r- 
samen Batten schrotysen unsers hurgers »eines vettern, unnd 
öffnet do der gedacht C&nral Wickram, Noch dem unnd Batt 
Schrotysenn sin vetfer, der Jor alt seines lybs blöd, unnd un- 
vermegcküch, Hetle Er In mit höchstem vlyß gebetten, unnd 
hermanet Etwas seins fumemens, vor unns ze harofnen, Des 
er Inbetracht seines vettern guttem furnemen nit al)>^c}dahen 
unnd were das seins vettern begeren. Zu vorderst so bette Batt 
sein vetter angesehen, das den mensrhen nach Iren Hinesertenn 
(sic)> zu nutz nnnd tiost der Sellen, nutt Irudit haiers Heylsamers 
noch bessers, noch volgende were, dann aimu^en geben, nnnd 
andere StilTtung gutter worl unnd werkenn, So der mennsch 
by Zeylten seines lehens, Hie ufT erden furschickeu, und ze 
beschehen, verschaUl. Daruuib helle Kr, Dem allmechligenn 
Oewigen gott, seiner Hochwirdigen mutier Marien, unnd allem 
Hymelschem Höre zu lobe, seiner unnd aller seiner vordem 
unnd naohkomenn, ouch deren die yme ye guttes gethun, unnd 

1 Soll heißen «Hineferten», Rlnfalirt, Tod. 



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- 13 — 

aller Ciislglobigen seien Hejies willeii, uß eigner bewegnuß 
furgenomen, uaabießlicb ze vdrsehaffen. Das uff alle aambsiog 
trutgß, fuofT armer frotner measehenn, la Sannt Martine mön» 
sier zu der meß» die mann nempt die gerner meß, unnd die 
selben meß von anetanglc bis zu Code, mit andocht zu bören, 
ir ^^ebet sprechen» für alle Cristglöbigen seilen« als bald nocii 
volendung der messe demnltigklich Samentiich mit einander 
ßon, genn Horburg. 211 unnser liebenn frowen, Ein fad thun, 
unnd uff der fart, Hie Zwüschennt Horburg, zum wenigislen 
mit ondachl betten FunfTzechen patler noster, unnd sovil aue 
maria, unnd dem nai-ii zu Horhtir^^ In der Kirchen, vor unnser 
lieben trowen bildnul», EiniMi lioßennkrantz Alle^; dem allmech- 
tigen g-ot, seiner Hocbwurdigen mutier, der JuncklVowen mariAn, 
zu lob, äeiwer, unnd allen Cri<*t{jrl^>bij:f'ii mennsrhenn, seilen zu 
trosl , Darnach von Horburg wider Harui« uund vei samlet 
aihar In die bart'üßer Kärchen,. Darine abermals, mit andacbt 
lietlen, Ein patfer noster, und Ein ane maria. Alien Cristglö- 
. bigen seilen, zu trost, zu leiste von der barfOßen Kirchen, wi- 
der Inn Sannt martinsmunsler, Doselbs glicher wyse Einen 
patter noster unnd Ein ave maria betten. Zu Hilff unnd trosl 
obstat. Unnd das demnach die selben fünfT armer menschen, 
für die Ellenden Herberg gungen. Do selbs der Herberg Sdiaffner 
Ir yettwederen geben sölte, vier pfenning Unppen. 

Ferner so were syn wil unnd meinung, das alle Zinstag 
frug alfermal> fünfT armer fromer menschen In der p^erner» gon 
unnd glich wie vor Krzail, solche meß von anefangk bis zu 
Ennde, le boren. Unnd ze helfen. Demnach mit andacht de- 
müttigklich mit einander von Sannt marlinsmüiisler, zu Sannt 
Annen nfl dem Stat;^raberi ^011, und underwe^ien Ir yeÜNvcdercs, 
mit vlyß betten, Rüaen ilossenkranfz, unnd In Sannt Aiiiiakiii- 
eben, tuntTzechen patter noster, unnd lunQzechea aue marien 
alles dem almecht igen , seiner werden mutter unnd allem 
Himelschen Heere zu lobe, seiner unnd allen Crislgl5bigeti 
seien, zu trosl, Unnd so sy Ir gebett volbracht, samentiich 
widerumb In die Ü^tat, In der barfußer kfirchen. Darine Ein 
patter noster unnd Ein aue maria betten, Do dannen widerumb 
Inn Sannt martins minster Doselbs glycher Wyse Ein patter 
noster, unnd Ein aue maria betten, allen gidbigen seilen zu 
trost, Denn selbenn fünflf menschen yetwederem sölte Ein yeder 
der Ellenden Helberg, meister, oder schafTner gehen. Ein 
Pfenning Kappen. £3 were oucb ierrer syo bitt. Will uqoU 



' Jetzt noch übliche dialektische Wcndang, Akkusativ mit 
Noiuinativform, oder vielmehr, die Muadart autersoheidet die zwei 
Formen nicht. 



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— 14 — 



meinuDg, das ein yeder der Eilenden Herberg meister, oder 
Schaffner, Nun und Ewigklich» alle Jor viermallen, Xamlich 
zu den vier frone vaslenn, alwegen ulT den Sainbstag. Einen 
priester, Er sige geistlich, oder welllicli, bestellen. Der iiiT den 
selben tag. In der Kürchen zu Horbur.:. Ein sele meß lesen, 
By der selben sele meß, Sellentend die Füuff mennschen, «o nl? 
vorstat, Do hyn zegöiidc veruidnet, von onfann;j hi-- in üniult' 
blybenn, Ir yetwedere« Ein meß frymeu ( — riuiueii, li>r(lt.-rii ), 
Des glichen zu opÜor ;j;oii, mit aiidaclit, für uiul ;il!e (^risl^iö- 
bigen sollen bitten. Es sülle mcIi, ouch, der piiester vor dem 
oOertorium am altbar umb kerreu unnd des Volk Hennanen, syn 
des gedachten Batten Scbrotysenn, als Stifter, dieser guthatt, 
seiner, vordem und nochkomen, seien, Zubitlen. Disem priester 
' söUe man geben» achtzecben pfenning Rappen, unnd den FflniT 
armen mennschen, Zu den vier Pfenningen noch ein pfenning, 
für das meß frömen unnd opfTern. Deßglichen sölte Es, uff den • 
Zinstag der wocbenii, Dar Inne die FroQvastenn gevallenn mit 
der meß In bysyn der Fünft armen menschenn, mit meß frunen, 
opfiern, Unnd Hermanunge, des Volkes, Zu Sannt Anna, Ouch 
gehalten werden. Darfnr dem priester Ein Schilling pfenning 
Rappen, l'nnd den Ftndl armen menschen, zu den pteuningen, 
Denu manii Innenn wochenlich gebe, für das meß frymen, unnd 
oplleru, noch Einen pleumng. Unnd das solches nu und üwi^k- 
lich, dester Statlicher , gchalLeu uit verschlud (sie) weriitii 
mechte, ouch die gedachte Ellende Herberg, sölcber upsgabe, 
der mug unnd arbeit Ergetzt. 

So bette der gedacht, Bat schrotysen, Ime diß almuses 
unnd diser Zit der Ellenden Herberg, Einer Frigen uffrechten 
redlichen erberlicben onwiderruffenltchen gobe von seinen Eignen 
Händen zu der Elenden Herberg Händen gegeben. Die Zwölff 
guldin geltes und Zinses, So Er bißhar Jeriichen alwegen ufT 
Sannt Martins von unns als der Stat Colmar vallen gehapt, 
Nämlich für yedcn guldin dry Zechenthalben Schilling, Stunden 
wider köwfiig Mit druwhundert guldin In gold, noch besag Eins 
brielTs, unuder unnserm Ingesigelo ul-iMMcht, Denn er zu der 
nießung Ime als ptlegcin zu suiin ri M;il)halUt?n Händen, Iiige- 
aiiUvurt, mit dem bcrflch, unn.< mit Höchstem Vlyß bytliv Ii an- 
zekeren, Im sölche suie Slifllung und gutzgabe ze bewiligen, 
Doran unnd dorob zu synde, Das dise Stifftung, nun unnd 
öwigklich Siät blybe, unnd gehandthabt werde, Unnd daß nun 
fürther zu öwigen tagen Einem yeden der Eilenden Herberg 
meister oder Schaffner, So veste der von unns gesetzt, vor unns 
alls dem Ratte lyblich zu got, und an die Heilgen schweren 
unnd besonnder der pflegere^ So ye zu Zeytten gesetzt, ge- 
treuw uff sehen, zu disem almusen, zu haben, Alle dewyl 



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_ lö — 



sy pflegernieister oder Schaffner blybent, Das Iruwlich und un- 
ableßlich wie obstat ußzelheylen, uiind ausgelheylt werden ver- 
schafl'en, unabbruchifr by Irer seien Heyl, alle geferden, und 
argenlisl Har Inne ganntz ausgescheiden. Diwyl wir der nieister 
unnrl der Rfit m Colmar nb^reii.int, vorgenannten Batt 

.sclu'ülysen trnnstlii he Itit iimid J)e^L'r<'ii. vci harret, die «rolz^^obe, 
die ZnnöIIT guldin Zin--, uuiul (he Houplverschribung, zu der 
Ellenden Her!i»M';j HaniuhMi erberlich unnd fryg gfCfrebt^it unnd 
yberaalwurl, HabeiaU wir unns berottenlich dauon uuderredt, 
UDod nohe dem uns s6lch sein begere, unnd fürnemen Ein 
loblich Erlicb, unnd gut werk syn beducht. Das wir zu furdern, 
bilHch nach Höchstem vernidjen geneigt, Darumb In ansehen, 
unnd betracht desselben » das wir nit allein zu fordern geneigt, 
Sünder alte gutthatten, Die hie Im Zyt den menschen, und 
allen Crislglöbigen sollen, tröstlich, sein mögen, ze uffen, unnd 
aus Cristlicber Ordnung und ufTsatzun^ s( htiltig unnd pflichtig. 
So haben wir gehöHen unnd gehelien ouoh in unnd mit Craffl 
dis brieffs, Dem obgenannten meister, Cünrat wickram ScbuU- 
heis und yetzi^ren von unns gesetzlenn p(le;rere. der Elienden- 
herberj^, Eeg'erürte Zwöif!" jiuldin pidte-^, Innamen der Ellenden- 
lierl)er<; von fyigemeldteu UaUeii S. hrolysen anzen« iimmi, Als 
Er oucb gelhun, unnd die funtr Eisten armen mensclien, utT 
Sambslac: nehsl uuvh Snnnt Martins ta«/, In noch ^eschribenen 
Jore gen iloiliurg, und die anderen fuull zu Sannt annen uff 
Zinstag darnach wie das oberzalter Stiftung vermag k, Ze^önde 
und ze betonende verschaffet. Wir habent unns euch, da))y ver- 
pflicht, uud In versambleltem Rat, Ein Heltigklich zugesagt, far 
unns und unser nachkomenn, die Eegerürten StifFtung und 
almusen nun öwigklich, von der gemeldten Ellenden Herberg 
we^en, unnd von der selben Zinsen und gefellen wie vorstat, 
ohne allen ab bruch us gericht und volzogen werden, verschafTen, 
Ein getreuw uff sehen, darzi^ ze haben, daß es Erberlich, Er- 
stattet, ulijjetheylt, und Jorlich verrechnet werde, unnd ob sich 
über kurt7 oder laiT/ bejreben, also das die Zwölf! jjruldin gells, 
ah!.^elo<i't. SöUeti und wollen wir, darob und daran syn. Das 
söl< hes Ilonpl^^nt so fürderh.'!i>t . rnö;;lich, Der Eegemeldten 
EUeiideuherheri4', ^^egen uiigosi hi ih<juen almusen ze neyßen <'sic), 
widrumb angelegt werden, Ina alleweg getruwlich, Erbeiiich, 
und ungeförlich. Unnd des zu. warer vester öwiger, Ijrkundt, 
So habenf, Wir der meister und der Rat, ohgenant, unnser 
Stat Colmar^ Secret Ingesigelle thun Henncken, ann disen brieff. 
Der gebenn Ist, utf Dornnstag nechst nach Sannt Symon unnd 
Judas, der Zweyer Zwölffbotten tag, Inn dem Jor vonn gotfes 
gepurt, gezalt, Tusennt fünffhunndert, und Secfazecheun Jore. 



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III 



Die Schicksale der bischüüichen 
Stadt Rulach 

nach dem dreißigjährigen Kriege. 

Von 

Theobald Walter.' 

«* 

wenige St&dte unseres engem Heimatlandes haben 
so sehr unter der Not des dreiBigjftbrigen Krieges zu leiden ge* 
habt als gerade Rufiicfa, der Hauptort der slraßburgiseh-bischöf- 

liclien Mundatlande im obern Elsaß. Seine festen Mauern und 
Türme in des Landes Mitte» die außerdem einen ansehnlichen 
Wohlstaiul bar{2:en, und seine vorzügliche Lage an einer der 
Hauptheeistiaßen län^'s der Vogesenhöhen \vnckfen aber auch 
allzusehr die Be^-^ebrl ich keil der zahlreichen fahrenden Kiiegs- 
Vülker. Fünf wilde Erstürm un^jien von Feindeshand mußte die 
Stadt in der kurzen Zeil von 16*3'J— ^5 rd)er sich ergehen lassen 
und noch luehi' der schrecklichen Plünderungen. Von lü3ü au 
wurde sogar ob des großen Elendes kein Gemeinwesen mehr 
geführt; die Stadt blieb an ein Jahnebnt ein weites, ödes 
Ruinenfeld. * Und wie der SiAtherbst des Jahres 1648 den lange, 
lange ersehnten Frieden brachte» da fahrte er bekanntlich dem 
französtscben Könige die schönsten Gebtete des Elsafi als Sieges- 
heute SU* Rufach verblieb swar mit den übrigen bischöflieben 
Besitningen seinem angestammten Herrn, dem Bischöfe von 



1 Nach einem am 11. November 1906 in der Generalversamm- 
lUDg des hterar.-hist. Zweigvereins des V.-C. gehaltenen Vortrage. 

i Vgl. Th. Walter, Bofach zur Zeit des dreißigjährigen Krieges, 
Oebweiier 1897. 



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- 17 - 



Slra6burg^> unter der Oberhoheit des deutschen Kaisers ; aber 
das StSdtcheii war entvölkert, sein aller Woblsland vollständig 
dahin. 

Leider fühlten die Burger einstweilen sehr wenig von den 
Segnungen des Friedens. Die Einquarlieiungeo und Durchzöge 
fremder KriegsvOlker, die die lelzte Brotkrume einforderlen, 
den letzten Sparpfennij? wegrauhten, dauerten ununterbrochen 
weiter, und der f^isctiot' verlan'^te trotz des unsaiilichen Elendes 
Summe um Summe als Scliatzui);^ und Steuer, So entrichteten 
Rufach^ Bürger in der kuizeii Zeit vom 27. Mai Iiis zum 31. 
Juli l()49 ülicr lÜOO 8f an Qurutier^eld, und wie der Stadt- 
kasten erschöpft und die notleidende Rurgerschalt Lereilä j^e- 
zvvunfren war, zum eigenen Unterhalte nacli Anleihen Umschau 
zu halten, da kam am (3. August von Zabern aus der strenge 
fiefehl, binnen 10 Tagen den zweiten Termin zu den sog. Frie- 
densgeldern mit 1000 fl. zu bezahlen ; und noch waren die Be- 
drängten auf der Suche nach Geld, in Colmar, Mülhausen und 
Basel, da erließ der Kommandant der französischen Besatzung 
in Colmar bei Androhung militärischer Kxekution 
die Auflbrderung an die S!adt ergehen, umgehend die iftngst 
fälligen Rationen zu liefern, i 

Die beginnenden fünfziger Jahre brachten kaum eine Er- 
leichterung. Die Händel um die Feste Breisach, die der hinter- 
listige Cliarlevoix noch immer in Händen hielt, führten die 
Lothringer in*! Land, und fast schien es, als sollte all der Kriep:s- 
jammer von neuem l»e^innen. Verloren doch Rufachs Bürger 
am 8. April 1652 Iteinahe ihre gessamten Zuj^tiere, 24 Ochsen 
und ü Pferde, durch Raub teils an die Lothringer, teils an die 
französischen Söldner des Generalleutnants von Rosen.* 

Mit Besorgnis folgten zudem die Bärger den Anf&ngen der 
Franzosenherrschaft in den benachbarten ehemals dsterreichischen 
Vorderlanden jenseits der LaucbwSlder, und Unbehagen erfüllte 
ihre Seele. — Sollte nicht doch noch das einst so stolze deut* 
sehe Vaterland aus seiner Ohnmacht aufwachen und ihnen Herd 
und Heim erretten aus tiefer Not und seltsamer Zwifterstellungl 

Da kam im Mai des Jahres 1053 die Kunde über den Rhein : 
Ein neuer König ist uns geworden. Ferdinand iV., des Kaisers 
Sohn, ist auf dem Reichstage zu Regensburg feierlich frekrönl 
und seinem nllzunachj^iebifren Vater als Stütze zugesellt worden. 
— Welch pin Jub^l herrschh; in Rutachs Mauern, als der Bischof 
die iroiie Botschaft übermitteln ließ! Die D-.ippeUiaken und 
Mörser donnerten von den Höhen der Isenburg und von der 



1 Stadtarchiv Eufacli, BB U. 

I BesirksATcMv in StrsOburg. Zubern. 

2 



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— 18 — 



Stadt TüniuMi ii;ti Ii den (ranzösischen Vo^leilanden hinüber, nlle 
Glorken orkiani^en in toieilichem Chore, die Salutrute erfüllten 
Platz und Gasseu, und Geistlichkeit und Volk durchzog in fest- 
lichem Gewände lobsingend die Straßen der Stadt. > 

Allein alle Hoffnung erwies sich bald als eitel. Sank doch 
der Neugekrönle schon nach Jahresfrist in die stille Gruft, ohne 
irgend etwas zu des Reiches Wohl gewirkt zu haben. Das F«$t 
aber war das letzte, das Rnfachs Burger auf viele Jahre hinaus 
zu Ehren eines deutschen Fürsten feiern sollten. 

Noch wehrte indes Bischof Leopold mit kräftiger Hand den 
verschiedenen Anniaßunj^en der französischen N'acliliarn. Mit 
eindringlichen Worten empfahl er im Januar iöüi dem neuer- 
nanritei) Obervorricn von Rufach Wilhelm Ejjon von Furstenbei^ 
in seiner Bestallung .... sonderlich w e ^' e n der 
j e t z t m a h I s in d e r N ä h e von il e n e n f r a n t z ö s i- 
sehen a u f g e r i c h t e n neuen J < e g i e r u n fr z >i 
E n s i s Ii e i m , so h i ß h e r o s i c h nicht w e n i e r 
E i n g 1 i n und Neuerung n unsere Herr- 
schaft Obermundat ange maßet «ja 

auf der Hut zu sein. 

Und dennoch ließen sich die Reibereien zwischen beiden Ver- 
waltungen nicht veimeiden. Erkühnten sich die französischen 
Beamten doch im folgenden Jahre schon wieder, gestützt auf 
einen Erlaß des Kaisers Rudolf vom 7. April 1577, allerlei 
rechtliche Handlungen unbekuti^ inert um die bisehdfliche Ver* 
waltung unter dem Adel innerhalb der Muiidat<^renze vorzu- 
nehmen ; und wie AmtschafTner und Landschreiber in Ensis- 
beinj ZMm Proteste vorspreehen wollten, wurde ihnen dort be- 
deutet, daß sie sofort .Stadt nnd Land des tVanznsjsrhen Könips 
zu verlassen hatten, wofern sie nicht Bekanntschaft mit dem 
T h u r n machen wollten. 3 

Im November i(iö2 starb Bischof Leopold inn fernen Wien 
und erhielt zwei Monate spater den ersten l'^ürstenberjjer, l'ranz 
Egon, des eben erwähnten Obervoglen Bruder, zu seinem Nach- 
folger ; Rufach war damals wieder ein Gemeinwesen von 1766 
Seelen. « 

Die Stellung, die der Neuerwählte der französischen Re- 
gierung gegenulier einnahm, ist bis heute noch nicht zur Genüge 



* Stadtarchiv liut'ach, BB 44. * 
2 Bezirksarchiv Colmar, Sluiulat j-^ g A. 

* Bezirksarchiv Oolniar, Mundat ' E. 

* BeEirksarchiv Colmar, Mandat 302 Bürger, 31l> Fraacu, 756 
Kinder, 194 Hintersäti, 138 Knechte und 60 Mfigde. 



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« 19 - 



aufgeklärt. Doch sclfint sicher zu sein, rhiß er f^chon im ersten 
Jahre seiner VerwaltiuiLj lorii !Vit!zn<is( lieu Köni^o -Luisse Zu- 
gestäruhiissej die Obeiiioheit üIjci' dif bischdilicheit 1 ei riloi'ien 
betjcnond, ^feniacht hat. Leider lassen sich in den Archivhe- 
ständen von Siraühuri^, Colmar und Hufach keine diesbezüglichen 
Urkunden nachweisen. 

Bald nach der Wahl begah steh eine Abordnunjf der Mun- 
datleute unter Rufacbs Führunf^ nach Zähem, um dem neuen 
Oberherrn ihre Glückwünsche darzubringen und zugleich den 
von jeher Qblichen Beslfttigungsbrief der althergebrachten Mun- 
datvorrechfe zu erbitten. Der Empfang war gnftdig ; der ersehnte 
Freilieitsbrief aber wurde för spätere Zeiten in Aussicht s^estelll, 
folgte indes niemals. * 

Es kamen dann die bewegten Tage, in welchen in den 
nahen Reichsstädten und <ieistlichen Gehiden große Aufregung 
und Betrübnis ob der Ii anzösischen Bestreiiunj]ren herrschte, in 
welchen Colmar und die Pxeichsvogtei Kaysersberg verp:ewaltiprt 
und der FiirstHbt von Murbaeh dem französipehen Könij^^e pieis- 
«jregeben wurden ; Butach blieb indeü nierkwürdijrerweise iniier- 
hall* jjeiner Mauein vollst.iudig unbelästigt. Zwar brachte die 
Niederlage der Kaiserlichen und Brandenburger bei Türkheim 
das Städtchen noch einmal in Kriegsnot, als im Januar 1675 
die Kanonen des Brigadier Langen die verlassenen Dragoner des 
Regiments Börnsdorf zur Uebergabe der kaum verteidigungs- 
fähigen Isenbui^ zwangen. Aber, sagt das alte Sladturbar be- 
zeichnend, die frantzosen haben guet hordter 
grehalten, vndt ist derStadtvndt burger» 
Schaft kein Leithgeschehen.^ 

So waltete denn der vom Bischof auf Lebenszeit ernannte 
Schultheiß nach wie vor seines Anile? als Haupt der städtischen 
Justiz und Polizei. Fünfzehn Katspersonen, wovon fünf auf Leb- 
zeiten ernannt waren, füni aber jährlich durch ein öHentliches 
Wald vei't'ahren neu gewählt weiilen mußten, bildeten wie von 
altersher den Gerichts- und Vei waltunjiskorper und hatten selbst • 
den Blulbana in den Händen. Die Bürgerschaft veilügte wie 
von jeher fast uneingeschränkt Ober Wälder und Allmende und 
erfreute sich der Befreiung außerordentlicher Frohnden und 
Lasten. So flössen die Jahre ruhig dahin ; schien es doch, als 
ob selbst der bischöfliche Herr sieh wenig mehr um seine Mun- 
datleute kümmerte, da er sie, früheren Gepflogenheiten ent- 
gegen, keines Besuches mehr würdigte und keinen Obervogten 
mehr zum üblichen Schwdrtage entsandte. Selbst der Beschluß 

* Besirksarehiv Colmar, Mandat -y- 
> Urbarinm, & <>7. 



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— an- 
der Reunionskammern vom 9. August i680, der ölTentlich die 
französische Oherherr!?chaft über sfimtliclie Idschöfliche Gebiete 
im Elsaii verkündigte, irüljle noch keineswegs das slille Wässer- 
lein. Es war leider die verdachlii^e FUihe vor wildem Sfunne. 

Tni September 1082, kurz nachdem der erste Fürslenber;;er 
verbliclien war, erhielt dessen Bruder und Nachfolger auf dem 
bischöflichen Stuhle, der bereits erwähnte Wilhelm P^^ron, von 
Ludwig XIV. die ersten Palentbiiete für seine elsüssischen Be- 
sitzungen. I Und mit welcher besonderen Gunst war da der 
neue könig^liche Vasall nicitt bedacht worden 1 

Vorab retlete er seinen eigenen aus sieben Richtern be- 
stehenden Gerichtshof in Zabern, selbst als Berufungsinstans 
fär die stddtischen Gerichte seines Gebietes bei allen Streit- 
werfen unter 1000 ti ; desg^leichen behielt der Bischof seine her- 
kömmlichen Hohheitsrechfe wie die Strafgelder, die Jagd- und 
Fischereigerechtigkeit, das Bergwerkrecht, das Recht der Juden- 
aufnahme, das Salpeterrecht und die Verfügung über die ver- 
schiedenen Lehens^'-erechtigkeiten des Bistums. Verloren ging 
bloß das /ollrecht, (l;is schon im Oktober 1080 in ganz Frank- 
reich üufgehüben worden \var : dafür wurde ihm als EntschTi- 
digung eine Verkauf><teui*i auf liegende und fahrende Güter 
zugebilligt. — Aber über iseinem Haupte und seinen Landen 
schwebte statt der ausgeschalteten früheren Reichsgerichfsgewalt 
verhfingnisvoll das Doppel schwerl des neugeschaffenen Co n sei 1 
souverain und der allmdchtigen Intendance. 

So willltomnien dem Bischöfe trotzdem die Patentbriefe sein 
mochten, so unangenehm waren sie der Bürgerschaft Rufachs 
und der gesamten obern Mundat. Besonders empörend wirkte 
die Bestimmung', die dem Bischof unumschränkte Fronden in 
Hand- uiid Spanndiensten zubilligten, ihn indes ermächtigte, sie 
in festgelegte, sogar mit Gewalt einzutreibende Geldbeträge um- 
zuwandeln. Wie ein Mann erhoben sich Stadt und I.and zu 
feierlichem Proteste. Man ähnle am Bis.^hofshofe den nahen 
Sturm ; die klüger wurden iiiö;:lii hst hnijitiialten und unter- 
dessen eine Ergänzini?j>-t hi ifi ei wirkt, die am 30. Juli 1084 am 
C o n s e i 1 s o u v e r a i n enregistrierl wurde ; und noch ehe 
die Bür^iei aul dem beschwerlichen, ungewohnten iii.staiizenwege 
dort augelangt waren» hatten beide Scliriftstücke durch Bestä- 
tigung des Intendanten bindende Kraft erhalten. Daher auch 
die Klage im Stadtrate : Weilen aberdes Herrn von 
Fürsten berg Offizianten und Fermiersbe- 
sorgten, daß bey einem regulirlen Gerichts-» 
stuhl der Supplicanten Recht und Briefe 

i Vgl. den Anhang. 



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- 21 — 



examiniri worden, j^^abten sie dem Herrn 
De la Crange, elsftsaiscbe Intendanten, 
ihre Bittschrift^ aufweiche sie ein Ordo- 
nance vom 4. September 1686 erhalten, in* 
haltend, daß die lettres patentes, so sie von 
ihrerMajestäi erhalten, sollten exequirt 
werden, und daBdie Cinwoner derorthen, 
zu dem Bistum gehörig, sollten anfalle 
Weis u n d W e z u i* Bezahlung <i e r Frondienst 
gehalten werden, mit dem Zusatz^ daß die 
A m t s 1 e u t h , Schultheißen ti n ri Magistrat 
der Statt . . diehandtiiaben sollen, daß 
die frondienst riciitiglich abgej^lattet und 
a u f d j b verweigern, d i e s e I 1) e n mit Gewalt 
dahin a n z u h a 1 t e n.^ Der Fronprozeß war mithin ver- 
loren, noch ehe er recht begonnen hatte, und selbst ein Imme- 
diatgesuch an den französischen «König vermochte uichts mehr 
an der Sache zu ändern. 

Das war die erste Bekanntschaft der Mundatbewohner mit 
den französischen Gerichtsverhftltnissen, das erste Zusammen- 
prallen alter Volksüberlieret-un;r und alter Herkommen mit den 
gestrengen Satzungen des römischen Rechtes, und die Unge- 
schicklichkeit der Stadtbürger mußte notgedrungen dem geüh« 
fen Zusammenwirken von Beamtenschaft, intendance und Con- 
seil souverain erliegen. Wie al)or dann im selben Jahre noch 
der Bischüf die sog. St•h^tzl^l^^<gelder eiufurdern Ueß, da geriet 
die ganze Mundat in hellen Aufruhr. 2 Doch Gewalt ging vor 
Hecht und weiteres Unheil war bereits auf dem Wege. 

Gestützt auf die Patentbriefe und ermutigt durch den ^lück- 
tichea Ausgang der bisherigen Streitigkeiten rflckte min die 
bischöfliche Verwaltung den Vorrechten der Stadt erst recht 
zu Leilie. Die Wassergerechtigkeiten des Ombaches, die treit 
Hand in WaM und Weide und das Monopol des £isenhandels 
bildeten die nächsten Streitobjekte. Aber die Stadtbür^er waren 
klüger geworden ; sie benutzten in geschickter Weise ihre Archiv- 
bestände, und so verblieb ihnen diesmal einstweilen der bieg.^ 

Umfangreicher wurde der Kampf um das Salzrechl. Schon 
1663 hatte der Bif^chof zwar ohne Erfolg' versucht, der schönen 
Einnahme Herr zu werden.* Die neuen Zwistigkeiten begannen 

» Stadtarchiv Knfach, JJ 7 

* Bezirköarcliiv Cotmar, Mandat 0. 
» Urbarium, S. 76 ff. 

* Besirksarohiv Colmar. Mandat n. Urbar 74 ff. 



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— 22 — 



in dem verhängnisvüllen Jahre 1(386 und schwebten noch 1708, 
als der Bischof persönlich beirn Rate vorsprach, um sich mit 
ihm zu vergleichen, sie schwebten noch 1711, als die Beauf- 
tragteD des Intendanten im Verein mit des Bischofes Abgesandten 
ein Uebereinkommen vorschlugen, sie schwebten noch als 1723 
einem neuen Bischöfe neue Patentbriefe verliehen wurden und 
endigten schließlich nach fast fönfxigjähriger Dauer doch zu 
Gunsten der Stadt. Unsummen hatte der Streit verschlungen, 
aber zu gutem Ende geführt. J 

Und dennoch leistete die Stadt lö9'2 schon willig ihren 
Beitrag zu einem d o n r a t u i t von 50 ÜOU U , das der 
Bischof seinem französischen Oberherrn djnbrinjren wollte. War 
ja dio französische Verwaltiinp: dam.ils eifrig benniht, der 
seit .l;(hrliuii(leilpn bestehenden Nersrhuldung der biscliönichen 
(lebiete abzuhelieii und die lästii^eii Schatzungsgelder endlich 
zu beseitigen. Ein königlichem Liekiet von 16S7 schul nämlich, 
wohl infolge der schon genannten Empörung von 1686, eine 
sogenannte Schuldentilgungskommtssion > die aus dem In* 
tendanten De la Crange, dem PrStor Obrecht und dem bischöf- 
lichen Kanzler bestand und die Mittel und Wege zur Abbilfa 
ausfindig machen sollten. Freilich währte es noch eine schöne 
Zeit, bis die MaBnahmen von einem praktischen Erfolge be- 
gleitet waren ; denn erst durch Beschluß vom 11. September 
ltM)9 konnten die Schatzungsgelder vollständig abgetan werden. 
Die Kommission verteilte eine Schuldenlast von 417921 U ver- 
hältnismäßig'- Hilter die bischöflichen Städte und Dorfschaften, 
die InoTieii zehn Jahren ihren Anteil an den r»e(liner, den 
Amtjiianii Franz Zoüer in Wantzenau, zu eutricliten liutleu.'* 
In Rufach erweckte diese Neuregelung große Freude ; war man 
sich doch dort schon seit Jahrzehnten bewußt, daß die jahraus, 
jahrein erhobenen Schatzungsgelder nicht zweckentsprechend 
verwendet wurden. 

Inzwischen war auch eine andere Persönlichkeit dem Stadt- 
frieden geflhrlich geworden. Es war dies der bischöfliche Ober* 
vogt Joh. Christof Fries, der seinen Sitz auf der Isenburg 
droben aufgerichtet hatte. 

Schon vor 1680 hatte er unter dem damaligen Vogte von 
Wangen- die Vizelumstelle verwaltet. In den Uebergangszeiten 
führte er sogar mit dem Fiskalprokuralor Zaigelius und einem 
gewissen Kielborn ein etwas zweifelhaftes ne^nment ; und den- 
noch legte der Bischof 16^3 zum Erstauüen der Stadtbürger 



1 Vgl. anch das Urteil gregea dieDomaine da rot vom 9. 

Februar 1736. ri1t;irinm S. 460. 

2 Stadtarchiv Rufach BB. 



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23 - 



die eii)llii!.M«.*n;lisle blflioiler Mundaliamie guliu'^t in seine Hülitie. 
Das wat auch ganz ii iiurlich ; hervorj^egan^'en aus iler in der 
Inlendance und dem Conseil souverain verköi perten Schule des 
gallisch-i'ömischeQ Rechtes, war Frieß der j^eei^nelsle Vertreter 
für die Itestrebim^jen von Bischof und Regierung, denen das 
Iraizige mit^llerlei Vorrechten ausgestaltete Städtchen ein Dom 
im Auge war. Gingen doch auch die übrigen bischöflichen Be- 
amten, die jetzt zielbewufit nach Rufacb gesandt wurden, eben« 
falls aus franzosischer Schulung hervor; ich nenne hier ;blofi 
den Aintsschaffner Sylvain Goibery, den Stammvater der nach- 
iiiais so berühmten elsässischen Magistrats- und Gelehrten« 
taniilie.' 

So lanj^e die Schultheiß^ Joh.nm P.inl Streng ('1605- 00) 
und Joh;uin Andreas Knns{)t^i>:('r i UiSM) — Oi) iiocli an der Spitze 
der slädliJiciieu VCrwaltun^ .>iar»(leii, u'i'ip '^''^ Zusammenwirken 
von Vo-Tt und Hat noch leidlich, ohschon das seltsame Ver- 
schwinden des alten Stadlhuches hei Slren^s Tode etwas slutzij;: 
machte* und die Sireiligkeiten wegen Benutzung der trocken- 
gelegten Stadtgräben, die teils dem Vogt teils der Stadt zustand, 
schon einen bedenklichen Charakter annahmen.. Da übertrug der 
Bischof 1t)95 das SchultheiSenamt dem jugendlichen Paul Seitz. 

Der kampfesmutige, unerschrockene Beamte, der auBerdem 
ulier eine genaue Kenntnis der alten Stadl Verfassung verfügte, 
trat von Anfang an allenthalben den UebergritTen des Vogtes 
bestimmt entgegen. Doch auch der Vogt war keineswegs der 
Mann, der auch nur um Haaresbreite zurückgewichen wäre. 
Welche Erbitterung aber in «einein Innern herrschte und von 
welchem Geiste er beseelt war. ^eht nur all/u deutlich aus 
den^ M e in o i r e vom Mai iOÜti hervor, wo er behauptete : 
, , . e n u II ni 0 t p o u r t o u t, j e p r e t e n li e s t r e 
I e m a i t r «• a b s o I n d a n s t < > u t e I ' o b e r m u n- 
t a t h I e Ii o u n a c h, c o m m e e n e t a n t I e g ra n- 
dissime baiili, et de traiter les habitants 
comme bon me semblern per fas et nefas, 
tant bien que mal, k tort et k travers, 
Sans qu'aucun 8*en puisse plaindre k 



1 Vgl. Walter. Alsatia saperlor sepnlta, Nr. 397. 

^ Es croht in Riifach noch immer die seltsame Mär, als sei das 
StaUurcbiv seiner kostbarsten Schätze beraubt, im Interesse der 
Wahrheit sei indes mitgeteilt, daß unser wertvolles altes Archiv 
eines der vollständigsten des Landes ist, das nur wenig* Lücken auf- 
weist, die «chon vor zwei Jalirluinderteii anerkannt wurden. Die 
alten Stadtvater haben die schone Sammlung stets treu gehütet und 
uns wohl erhalten Ql>erljefert. Xieider sehoiat die heutige Yerwaltang 
kein Verständnis n.ohr dafär xu haben; ist doch der jetzige Zustand 
UQWurdis^ und trostlos. 



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- 24 — 



p e 1 ü e <1 e l r e c o ii d m n e u u x g a I e r e s . . . 
D i e u V e u i I 1 e q u e c e I a a d v i e n n e e l I" e r a 
justice. . Ein unheimlicherer Absolutismus ist wohl 
noch selten io so viremg Worten ausgesprochen worden! Und 
doch trieb ihn sein schlauer Gegner in die Enge, bis ihm 
schließlich der bischöfliche Herr durch einen Erlaß vom 25. 
Juni 1696, durch den er ihm eine Reihe seiner angemaßten 
Rechte bestätigte, su Hilfe eilte. > 

So sollte der Vogt fürderhin die Ratsversammlun^:eii leiten, 
die Urteile sprechen und bei der Vergebung stadtischer Aemter 
den Vorsilz führen, er sollte freies Salz aus dem Salzhause der 
ätadt beziehen und jrilnliLh einen f^ilhernen Ratsbecher von 
28 So! Gewicht als VVeihnaclits^fabe crIi'iMen, alles Neiierufr^en, 
von denen weder die Ralsbriefe noch die fi üheren Bestallungen 
der V();.'te etwas wußten. Der Rat beschloß am 17. Juli ein- 
süniniii4 , ahn e h ö r i e r Orth die r e m e d u r 
zu SU (• Ii e n, und beauftra^jte den Schultheißen, einen Pro- 
zeß ge^^eti den Obervogleo auf städtische Kosten einzuleiten. 

Der Obervogt sdnersdis blieb auch nicht untätig; er er- 
wirkte unterm 13. Februar 1697 beim Co ii seil souve- 
r a i n einen A r r 6 1, wonach die Stadtverwaltung ihn — - 
als das Haubt der Justice vndt Polize — 
anerkennen mußle, desgleichen sollte sie auch keine 
Zusammenkunft oder assembl^e ohne per- 
mission gedachten Ohervo^len halten, 
auch ihme alle rechten, welche ihn) ^ e- 
b u h r e n, absonderlich den silbernen Be- 
cher, drei S o s t e i- Salt/ und das n ö t i }f e 
B r e n n h o I t z gehen vndt I ü t f c r n . . . Die Stadl- 
väter kümmerten sich nicht weiter um diese Verfügunjr, sie be- 
liauplelen ihre Rechte und le}(ten Widerklage ein. Zuj^leich er- 
langle der SchullheiJj gleichsam als Vergeltung vom Coiiseil 
souverain einen Arrdt wonach alle Freisitzenden der Stadt, 
wozu auch die bischöflichen f^eamten gehörten, zu den sog. Heeres- 
kosten von 11 000 g gleich den andern Bfirgern ihren Beitrag 
abliefern mußten.^ Bald sollte die Klufl zwischen Vogtei und 
Stadtverwaltung noch größer werden. 

Seit urdenklicben Zeiten war es nämlich im Rufc«cber Rate 
üblich, daß, wie schon bemerkt, fünf Milf^heder lebenslänglich 
im Amte blieben, von den übrigen aber jährlich zwei ausscheiden 
mußten. Der Yogi aber, der bis jetzt sowohl seinen Herrn als 



1 Stadtarchiv B. FF. 57. 

« Urbariiini, S. ■24t» ff. - Stadtarohiv R. — BB. 73. 
» Stadlarchiv E. — BB. 16, 



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25 - 



den Gonseii souverairi hinter sich fühlte, slifü l>ei der H.itshe- 
setzung im Januar 1698 allen UebeiliereruM;;eii der ijlailt zurn 
Trotze vier ältere Mitglieder aus dem Rate, ohne einen andern 
Grund aogeben ta kdonen, als den, daß das so seio Wille 
w&re. 

Die fOnf Aeitesten, die von jeher als die Trager' der Tra- 
dition die Wald xu vollziehen hatten, kehrten sich nicht 
nach den Wünschen des Herrn Voj^les ; sie wählten unentwegt 
zwei neue und bestätigten die übrigen acht sämtlich im Amte. 
Der \oi^ versuchte Gewalt anzuwenden; die Aeltern aber pro- 
testierten gegen die Wahlbeeinflussung und wurden schließlich 
auf Betreihung des Vogtes wegen Unbotmäßig keil ihrer Stellung 
entiioberi. Inz\vi?5chen hatten sich die wiedergewählten und 
nicht bestäfigleii Mit^'lieder an den C o n s e i I s o u v e r a i n 
gewandt umi durt ilire Wahl durch Briel und Siegel vollsländig 
bestätigt erhalten, zur Freude der Kaisgenossen, zum Aerger 
des Vogtes. 

Doch es kam der Michaelistag 1(309, an dem der Schull- 
heifi dem Rate zu seinem großen Leidwesen mitteilen mußte, 
daß ihre früheren Klagen gegen den Vogt und den Arr&t von « 
lU9d vom hohen Gerichtshof verworfen worden wären und sie 
die nicht unbeträchtlichen Konten samt und sonders zu tragen 
hätten. Abermals sturmische Szenen innerbaib des Bates, der 
unter allen Umständen weiter versuchen will, seine altererbten 
Rechte zu retten und zu wahren.' 

Dem Vogte Fries konnte bei allen diesen Streitigkeiten 
unmöglich entgehen, daß der Schultheiß Seitz die Seele des 
städtischen Widerstandos war. Er war es auch wirklich, der 
unermüdlich bald nach Cohnai-, iKtld nacli Straßl)uig, bald nach 
Zabern, bald nach l'aris eilte und dort Iteredlen Muntles die 
Interessen der Stadt veitral. Ihn unscluidlicli zu machen, dar- 
aufhin waren daher zunächst seine Bemühungen gerichtet. 
Und siehe da, am frühen Morgen des 8. September i7ü2 er- 
schienen in der Seitz'schen Wohnung die Halachiere von Ck>lmar 
und wiesen dem erstaunten Schultheißen einen Haftbefehl des 
Intendanten vor, wonach der Schultheiß sofort in das Gefängnis 
nach Ck)l mar einzutiefern wäre; und willig folgte er den Schergen 
in das Kerkerverließ, in dem er i'2 Tage in stiller Ergebung 
und Erwartung ausharrte. Endlich ölTneten sich die Pforten 
wieder; aber in feierlicher Weise wurde ihm eröfl'net. daß er 
durch Bcf^chluß des Staatsrates wej:en Ungehorsam seines Amtes 
als Schultheiß in Rufach entsetzt wäre.^ 

> Stadtarchiv R. — Bß. 74. 
2 Stadtarchiv E. — BB. 76. 



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_ 26 



Seitz kehrte nach Uufach zurück, versamnjelte dort am 
27, September seino Hatsverwandlen in OtleiitUeher Silziin,:i iinrl 

erklärle eben so feierlich, daß kein königlicher IUI über liui 
zu verfügen hätte, soadern nur sein bischöflicher Herr, der ihn 
ernannt habe; und der ganze Rat t^b ihm einstimmig das 
Zeugnis daB er sich jederzeit gei>:en den 
Rath, wie auch der ganzen burgerschafi 
wohl und recht gehalten, wie auch in der 
repartierung der beschwerdten redtlicb 
gehalten . . . Doch Paris tiatte ;resprochen, Straßbur-; mußte 
sprechen. Seifz wuni nacli weni^ Tagen auci» vom Bischof 
seines Amtes für verlusli;? erklärt. Und dennoch blieb der un- 
erschrockene Kämpe auch fernerhin die Triebfeder des stfidti- 
schen Widerstandes ; konnte doch der Bischof meld umhin, 
ihm noch im selben fahre die ebenso eintlulireiche Stelle 
eines Stadtsciueihei.^ uud Nolarius in Rufach einzuräumen. 
HumhrechL Mariuus Streng, der letzte Rufacher Schultheiß 
von altem Schrot und Korn, trat an seine Stelle. 

Der .fröhere Stadtschraber Franziskus Patrysi de Ferrot, 
dem die Stelle eines Landschreibers oder Gyrographen der Ober- 
mundat übergeben worden war und dem das Schicksal der arg 
bedrängten Stadt, der Heimat seiner Gemahlin und seiner Kinder, 
doch zu Herzen ging, trug ihr schließlich abermals, wenn auch 
im Geheimen, seine guten Dienste an. Schon 16138 war in ihm 
der Gedanke aut\,'ekommen, es einmal am köni;;lichen Hof zix 
versuchen, ob nicht von dort ein so«?. Freibeilsbrief nach Art 
derjenigen der früheren deutschen Kaiser tür die Stadt zu er- 
reichen wäre." Auf >ein Betreiben hin wurde 1703 sein Pariser 
Freund Valentin (lottin- mit reichlichen ^tä-llisi hen Geldmitteln 
versehen und zugleich mit den um.standli Im [i Vorarbeiten zu 
deai Unternehmen beauftragt. Aber die fian/osische Uegierunj,% 
die ja von Antang an den privilejjierfen elsässiscben Städten 
keines\vei(s hold war, konnte für dergleichen Gunsterzeigungen 
nicht m^r gewonnen werden. So schrieb denn auch Gotting 
am 23. Januar 1705 aus der damaligen Residenz Marly kurz 
und bündig an seinen Freund ' Ferrot in Rufach, que l*af- 
faire des Messieurs de Ruffac a manqud 
entierement; le roy a declarö ä H' de 
Barbessieux qu'il ne vouloit piusdonner 
de ses sortes de lettres. . .* 

in Rufach wollte man indes an die Hiobspost nicht glauben. 
Ein Pariser Advokat Mauiourt, der ebenfalls über die Angelegen« 



» Vgl. Jahrbuch des V. C, 1S95, S. 4 It 
* Stadtarchiv fiafach. AA 2 c. 



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27 



heit betia;:! wufde. wußte allLM"<lins:s auch keinen weitern Aus- 
weg, ab es iiJit einem wohl (lukuiuentierlea Gesuch bei Lud- 
wig XIV. selbst zu versuchen. Aber die Saclie ging nur sehr 
langsam vor sich, ila alle die schönen städtischen Frdheitsbriere 
von Wenzeslaus 1384, von Sigismund 14!34>, von Friedrich III. 
1442 u. a. m. ziiniehst in das Selcretariat des Conseil sou- 
verain wandern mufiten, um dort von den vereidigten Ueber- 
setiern in die seit 1684 voi^^briebene französische Gerichts- 
sprache übertragnen zu werden. Während dieser Zeit wurde 
sogar, unter Berufun^^ darauf, daß Rufach als eines der ältesten 
Bollwerke des Christentunns im Elsaß seine Größe und sein An- 
sehen St. Da^'^obcrt und St. Arbo|?ast verdanke, der Erzbischof 
von i^iris auf die Gefahr, in der die m alten Vorrechte ständen, 
aufiiierksatn gemacht, und im Namen der ganzen Christenheit 
um eine Vermittelung und Fürsprache beim Kunii^e gebeten. 
Da erfolgte am *i7. September 1710 das endgültige Urteil des 
Conseil s o u v e r a i n , durch welches Vogl und Bischof 
in fast allen Klagepunkten gegen die Stadt abgewiesen wur- 
den, i Dier Hohe Gerichtshof hatte sich in seinen früheren Be- 
schlüssen durch die die Amtleute betreffenden Erlasse des 
französischen Staatsrates von 1675 und 1686 verleiten lassen, 
Bestimmungen, die für die unmittelbar französischen Teile ge- 
scbatTen waren, auch auf die Mundo t lande auszudehnen, 
Rufach atmete wieder auf und gab seine Bemühungen in Paris, 
die ohnedies immer noch keine Aussicht auf Erfolg verhießen 
und dabei recht kosi spielig waren, vollständi'p!' preis. 

Dit'i Jahre spiiter, am 22. Mar/ 1713, starb Fließ und am 
folgenden Tage sein einziger Sohn Heinrich, der s( hon einige 
Zeit die Nachfolge seines Vaters im Amte übernommen halle. 
Dieser war die guetigkeit selbsten gewesen 
und m ä n n i g 1 i c Ii e n h a 1 1 e g e b o f f t m i t i h m e 
inFridtund einigkeitzu leben, also vermerkte 
Seitz betrQbten Herzens ob' der seltsamen Ereignisse in den 
Ratsbüchern der Stadt. < 

Bereits 1764 hatten bekanntlich die Fflrstenberger den 
bischöflichen Stuhl in Straßburg den Rohan eingeräumt. Der 
neue Bischof erschien wieder zeitweilig in Bufachs Mauern und 
gen'ann sich dort aller Herzen, und friedliche Tage schienen 
abermals in Aussicht zu stehen. Selbst die Zwistigkeiten, die 
die nene Polizei Verordnung von 1708 heraufbeschwor, und die 
1715 zwischen dem neuen Obervogten Seheppehn und det' 
wiedererricbteleo SchützeQgesellschatt aufgebrochenen argen 

1 Vgl. die Arrest des C. S. vom 10. Sept. 1704, vom 6. Mftns 
1708 and vom 2. Sept. 1710 auf 8.264, 369 und 273 des ürbarinms. 

2 Stadtarchiv £. — BB 85. 



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- 28 



Händel vei inoclileii nur vorübergehend das Iriedliclie Linvei- 
nebmen zu stören, i Da erschien im Mai 17S3 der Patentbriel 
Jjudwio; XV., der dem Bisehofe nicht nur alle alten so laoj^e 
und 60 heiß umstrittenen Rechte aufs neue beslfitigte, sondern 
eine weitere Reihe von Bestimmungen enthielt, die für Rufacha 
Borger unannehmbar waren.' 

Ein jährlicher Beil rag zu 8000 ff Gerichlskoslen wurde ge- 
fordert, das Recht über Zulassung der Juden und die Besetzung 
{^amtlicher städtischer Beamtenstellen aufs neue beansprucht, 
flio Stadl-Wälder der bischöflieben Maitrise nnlcrslellt u, a. m. 
Ja, hätte die Stadt den wackeren Seilz noch ;;ebabt ; aber er 
war nm 15. DoTiembor 17'21 vom irdischen Kainpt|»latze in?: fried- 
liciie Jenseits nblieiuten worden. So verfloß ein wertvolles Jaiir 
ehe alles zum neuen IiaNii>te })ereiL wai" ; und diese Zeit bracbte 
den wobl im Interesse ilirer amtlichen Stellung erfolgten Abfall 
von Schultheiß und Siadtschreiber. Zwar rief am 18. Juni 1721 
die große Glocke vom MQnsterturme die gesamte Bürgerschaft 
zum Rathausplatze; aber nur drei der ältesten Ratsmitglieder 
waren es, die dem Volke im Auftrage ihrer Genoasen die dro- 
hende Grefahr klarlegten und zum heitigea Kampfe anfeuerten. > 
Der Prozeß wurde beschlossen, die Genehmigung des Intendan* 
len eingeholt und die Advokaten in Colmar mit den nötigen 
Belehrungen versehen. Und nun ein I3eispiel der Einfalt unserer 
alten Stadtbürger in Flechtsangelegenlieiten. Anfanjrs September 
1724 erfolgten bekanntlich die Hochzeilsteierlichkeiten Lud- 
wigs XV. mit flf'S Polenköni'j^s Torhter, an denen sich j;i der 
Bischof Vüu Slr.tßburg in liervorragender Weise beteiligte, 
l ' n d t e r w ä h r <? n d e r d i s e r H o c h ü e i t s c e r e- 
m o n i e n u n d B e m ii h u n g e n u n s e r s gnädigen 
Herrn, sagt ein Schriftstück jener Zeit, hatdie Stadt 
Rufach nichtguth befundten, disen proceß 
wegen vor genanter Articul der färstlichen 
Patente zu betreiben, damit dieselbe nicht 
furoportun möchte gehalten werden^ bis 
solchesallea mit der Hochzeit möchte sein 
Richtigkeit haben; aberdises gäbe denen 
fürstlichen procuratoren undAdvokaten 
Vraacii, sich unsers Verweilen zu bedienen 
und wider unsein Surprix zn erhalten.*... 
£8 erfolgte nikmlich wirklich in dieser Zwischenzeit eine Ver- 



1 Be'zirksarchiv in Colmar. Muiidat 2, 1, F Und 10t E. 

2 Vgl Ordonance d'Alsftoe IL 704 ff. 

3 IJrbarium, S. 107 fif. 
« Urbariain, S. HS. 



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— 29 - 



urteilun^ zur vorläufigen Entrichtung: der bestrittenen Gerichts- 
getder. Die ftbri^ren streitigen Punlcte sollten im Juni i726 
durch einen Vergleich geregelt werden; alx?! der Rat forderte 
unj^estQm seine allen Rechte ungeschmälert. Die ])eiden städti- 
schen Archivhewahrer J. P. Gschickl und J. S. Müller erhielten 
den Aulliag, die alten Stadthriefe gennu zu durch torschen ^ und 
nllft Staf!f;-;ereehfi;;keiter) wohl mii Beweismitteln versehen, in 
einem iieueu Sladlbuclie nieilei zulej^en. ' So meisterhnff da» 
uu;.''elieiire Werk, d is un.s heute noch erhalten ist, auch durch- 
get'üliit wurde, ert'ullle es seinen Zweck nicht mein-; für die 
französische I\egierung war die Zeit ^ekuinmen, endgültig mit 
allen diesen st&dlischen Vorrechten aufzuräumen. 

Als 1*^7 der Versuch, der Stadt die Wälder ku Gunsten 
des Biscliofs zu entziehen, gescheitert war,* verhängte die Hai- 
trise 173^ Ober den ungefügen Rat, der sich ihren Anordnungen 
nicht fugen wollte, eine Geldstrafe von 9000 U und iOCO 8 
Hospitalspende und 1754 eine solche von 4000 ff und eine Spende 
v. n UK) Ii, Von 1755 ab konnte nach langen, langen Streitig- 
keilen auch nicht der geringste städtische Beamte mehr ohne des 
Ohervogten Beisein und des Intendanten Genehmigung ernannt 
werilen usw. ii«w. Stück um Stück fiel jetzt Recht um Recht 
dahin, t nd was war im Laufe der Jahre aus dem Magistrat, 
dem festen Rürkgrate der Büryerscluitt '/f>\vorden? Nachden» 
schon 1717 und 1719 durch Staatsratsbesdilüsse die Zahl der 
Ralsstellen von 15 .luf 1'2 hezw. i1 herniedergedruckt worden 
war, erschien 175ü eine neue küiiigliclie Ordre, wonach der 
Sladt Rufach nur noch 7 zuerkannt wurden, und von I7ül ab 
durfle der Magistrat mit Einschluß des Schuhheißen nur noch 
aus 6 Personen bestehen, darunter drei ältere lebenslänglich 
ernannte.' Ja, als 1765 der Schultheiß Bach sein Amt nieder- 
legte, um als Advokat des Conseil souverain nach Colmar Über- 
zusiedeln , da zog der Obervogt Junker mit der Regierung Ge- 
nehmigung auch dieses Amt an sich, so daü die Stadt von da 
an keinen ei<{entlichen Schultheißen mehr besaß. Daß alle diese 
Vorj^änge viel böses Blut machten und von vielen Protesten und 
Proze-^sen begleitet waren, versteht sich von selbst. 

Dnich Beschluß der Nationalversammlung von *28. Dezem- 
ber 1790 wui'de die bisheiige Verwallung^form der (ierneinilen 
endlich vollständig aulgehoben, und die seil 17t8 bestehende 



i Stadt-Buch und Urbarium von Buftach, ein Folioband in Per- 
gamentdeoke von &53 Seiten. ^ Geben in Ruffaoh den 28. 
August 1 727. 

* Bezirksarchiv Colmar. Mnndat -2. 4. L. 

3 Stadtarchiv K. — BB. l'2i und Bexirksarchiv Colmar. Man- 
dat 10. 4. F. 



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- 30 



M n n i z i p a 1 V e r s a m m 1 u n mil ilii em Syndikus 
in einen Munizipalrat mit einein M a i ) e an der Spitze 
umjfesehallen. Der Magistrat von Rufnc Ii aber fajrte allen An- 
leindungeti /mih TiüIz als gerichllicheÄ hislilut unbeiirl weiter, 
bis er durch die am 14. Februar 1791 erfolgte Wahl des Frie- 
densrichters Voche seines Amtes voltstäodig entsetzt wurde, und 
auch dann noch wich er erst der Gewalt. 

Hiermit hatte die 1100 jährige Immunitas Dago* 
b e r t i ihr Ende erreicht, aber auch die Macht und das An* 
sehen Hufacbs sind damit zugrabe gegangen. Die Triebfeder 
des mäcbtigen Stadtwesens im Mittelalter war eben die auf l)e- 
sondere Vorrechte ^restützle Verfassung, die jenen so ausgeprägt 
ten und so oft bewunderten Bürgersinn schuf. Das wußle die 
französische Regierung wohl ; deshalb hat sie bei dem bereits 
durch Prozesse zerrütteten Stadlwesen schließlich dort ihre 
Hebel angesetzt und durch das Brechen der althergebrachten 
Formen auch den germanischen Bürgersinn niedergezwungen 
und unterdrückt. Ixuiai li erholte sich von diesem Schlage nicht 
mehr. Die in langem vergeblichen Streite ermatteten Bürger 
vermochten sich unter den neuen Verhältnissen- nicht zurecht 
zu ßnden. Trauernd um die iängstentschwundenen Glanztage 
ihrer Vdter^ verträumten sie die wertvolle Gqjfenwart und ver- 
loren schließlich jeglichen Mut zu neuem frohen Wirken ; und 
so sank die alte stolze Hauptstadt der bischöflieben Lande im 
obern Elsaß nach und nach zu einem stillen, ländlichen Ge- 
meinwesen hernieder, dem schwerlich noch eine l)e>?=ere Zu- 
kunft) ein erneutes Aufblühen, beschieden sein wird. Tempora 
roulantur. 

Anhang. 

Lettres Patentes portant confirmation des Droits 
de TEveohe de Strasbourg. — Septembre 1682. 

Louis Par La Grace De Dieu Roy De France £t De Navarre, 
ä tous presens et avenir, Salut, inoontinent apris que la Ville 
de Strasbourg s*est soAmise ä ndtre obeissance, feu nötre Iris- 
cher et bien amö Gousin l*Evdque de Strasbou^r Nous anroit 
prösentö une Requdte, par taquelle il Nous auroit conjoincte- 
ment avec son Chapitre, tres^humblement supplie de le faire 
joüir des mömes Droits et Revenus donl joüissoient ses Prede- 
cesseurs Eveques de Slrashoui^, dans les Terres dependanfe«? 
dudit Ev^che, sitnees cn nötre obeissance en de ga du lUiin : 
Et (Pautatit que pendant ff^m* necessaire poui" l'examen de la- 
dite liequete, il a passe de cetle vie en une plus heureuse, 



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— 31 - 



nolre Ires-cher et bien ame Cousin ie Prince Guillaume de 
Fürsleaiberj^ son Frere, a prescnf EvAque dudit Slrasbourjf, 
dejjuis peu 6leu iuec notre agrenient ä ladite dignite d'Eveque 
par ledit Chapitre, Nous ä conjointement avec iceluy tres-hum- 
Llement Supplik de Je vouloir faire joüir et ses Soccessears au- 
dit EvMö, des sasdils Droits. Et 4tant bien aise de Ie trailer 
favorablement en coDsi(d^)ratioD du z^le et de raflection qii'il 
ä toiigours fait paroilre pour ndtre Service et de fattachemeut 
qu'il a eu et temoigni avoir aux interSts de udtre Couronne, 
et luy donner des roarques de DÖtre bienveillance et de Teslime 
que Doas faisons de sa personne. Syavoir Faisons que pour ces 
causes, et de ndtre grace speciale, pleine pui»$ance et authorite 
Royale, Nons avons par ces Presen»es signees de ikMit main, 
dit, declare et ordonne, disons, declarons et ordonnons» von- 
lons et Noiis phiit, quf iiofie dit Cousin rKvcque de Strasbourg, 
et ceux i|ui luy sm cptleiunl audit Ev^rln", juüissent dans les 
'Ferres et Lieux dependans d'icelin Eveche silu^s dans nötre 
obeissance, les Droits cy-apres specities. 

I. Sgavoir, que Ie Conseil de Saverne exerce sa Jurisdic- 
tion, ainsi qu'il a fait par Ie passö, et selon rusage, coütüme 
et Constitution du Pays, connoisse, lors qu'Ü y aura nombre de 
sept Juges, de tous les differenfs qui arriveront entre les Habi- 
tans du Bailliages qui dependent dudit Ev6cb6, et les terminent 
en dernter ressort, quand il ne sera question que de la somme 
de cinq cens Livres, et que ce qu'il ordonnera, seit execule par 
Provision jusqu'ä la soinnne de mü Livres, sauf l'appel en nOlre 
Conseil Souverain d'Alsace seant ä Brisac, pour Ie fond et pour 
la Provision des Procts on il s'agira de plus grande somme. 

II. Que ledit Sieiu Kveque et se«; Successeurs audit EvAclie, 
seront maintenus dans la possession et faculle en laquellc out »'le 
leurs Predecesseurs Ev^ques de Sti asliuurg, de pouvoir .u hepter 
du sei par tout üu bon leur sembleia, de Ie faire veiidre et 
debiter aux Habilans des lieux dependants dudit Evöche^et 
dudit Chapitre au möme prix qu'it est debifö par nos Fermiers 
dans la haute Alsace. 

III. Que pour les dödommager des Droits de p^age sup- 
priro^s par Ärr^t de nötre Conseil du 3. Octobre 1680 il leur 
sera loisible de prendre et percevoir le trentiöme denier de loutes 
les ventes des immeubles et )e cinqantieme de loutes celles des 
meubles, qui se feront dans les Terres dudit Evöcbe et dudit 
Chapitre de Strasbourg. 

TV. Qu'en outre pour leur tenir lieu de corvee illimitees, 
que les Evpques de Strasbourg s'etoient niis en possession d'im- 
poser sur leurs Snjels, Nous leur :(\ons ik cord*^ la laculte de 
joüir de douze corvees par an, des Habilans du Pays dependanl 



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— 32 — 



dudit Ev^ch^, chacune corvee rachetable de dix Sols, de sept 
corvees de chcvnl de «omme, nu de chariots *^tnns dans les "Vil- 
lajies: Chacune coiw-e de cheval rachetable de quinze Sols, et 
- Celle de rhnriot aUele de quatre chevaux rachetable de .soixante 
Sols, et s'il ya moins de chevaux a proporlion. Moyeünaiit ies- 
quels Droits de corvees ledit Sieur Ev^que. ny ses Successeurs 
audit Ev«ich6, et ieurs Ofliciers, ne pourront sous queique pre- 
texte que ce foit, exiger aucunes eorvtes desdils Habitacs, pas 
indme en leA payant les faire marcher contre leur grd. 

V. C!omme aussi qu'il ne pourra 6tre fait aucune imposition 
par lesdits Sieurs Ev^ues, ou leura Ofliciers sous preteite de 
remboursement des Bettes de reogagement du BailHage d'Ober- 
kircby ny celle dite des mols Romains, pour le payement des 
gages des Officiers de la Ghambre de Spire, non plus que pour 
le payement des Garnisons, ny aussi de continuer n lever Celles 
qui se faisoienl sur la viande et sur le pain, foin et avoine, et 
(jii*a la resei've de ce qui est regle cy-dcs«us ä Tegard du Droit 
de corvee, ils ne puissent faire d'autu s ievees daos les Terres 
dudit EvAche sitiiees eii de$a du Uiun, que de ceux qui se le- 
voienl ea 1 au nee IGÜO. 

VI. Voulons et entendoas que les uiiiieraux d'or et d'argent 
qui se trouveront taut dans le Rhin que dans les montagnes de 
l^enduö dudit Evöchö, appartiennent auxdils Sieurs Ev^ues des> 
quels nous ieur avons fait et faisons don par cesdiles Pr^ntes. 

VII. EntendoDS aussi que Jedil Sieur Evöque et ses Succes- 
seurs audit Ev^ö jouissent du Droit de congedier les Juifs öo- 
micili^s et ötablis dans les Terres dudit Ev^hö et de ceux qui 
pourroient venir s'y elablir cy*apr6s; Et de recevoir cc qui a 
accoutume d'^tre pay^ pour ce eßet annuelleinent par i€»dits 
Juifs, qui est, spavoir pour chaque famille douze Escus par an, 
et pareille somme de douze Escus poui' la reception de chaque 
Juif dnns lesdifcs Terre«, moyeDuant quoy ils seront exempts 
dß toutes Cliar;:e.s ordinaires. 

VIII. Aecordons pareillement auxdits Sieurs Eve<jues lesamen- 
des et confiscatiuns, lesquelles leurs Prcdcccsseurs Eveques ont joüi . 

IX. Nous leur accordons aussi la faculle de reönir ä l'Eve- 
ehä de Strasbourg les FieTs qui ont aliönös par leursdifs 
Predeceseeurs Ev^ues, k mesure qu'ils viendront ä vacquer; 
Et a r^gard de ceux qui ne sont pas de nature a y devoir 6tre 
r^unts; voulons qu^ils en disposent en faveur de telles pefsomies 
qu'ils aviseront bon ötre, pourvil qu'tis soient nös nos Sujets, 
et ne soient pas enga^§s dans aucun service etran^^er. 

X. Voulons en oulie, que lesdits Sieurs Ev^ques joüissenl et 
disposent du Droit de chasse, peche et for^ts, de m^me qu'en 
ont joüi ou disposä les Ev^ues dudit Strasbourg ju»qu'ä present. 



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— 33 — 



XI. Lea mainleDons par^llement dans la poftsession de juger 
des «yiferents qui aont survenus, ou pourroient survenir entre 

les Vassaux dudit Ev^hS pour raison de la joüissance et »UO- 
cession des Fiefs seulement dependans dudit £vöch6, comme 
aussi des dilTerenls de Vassaux avec ies Sujels qui dependent 
desdits Fiefs, ainsi quMI s*est pratiqa^ cydevant^ sauf l'appel 
eo nötre Conseil Souverain d'Alsace. 

Xn. Leiir accordons au^-si la faculte de faire lirer 1 * Sai- 
petre dans les Terres dudit Eveche, jui^qua ce qu'autreinent 
nous ayons ordonn^, et a la charjfe foutes fois^ que le Fermier 
de.sdits Salpetres ne le pourra venUre qu'a celuy qui aura ordre 
de Nous pour en fournir les Magasins de nos Places d'AIsace. 

Xin. Quaat aux fairea et jnarcbös ddja ^tablia dans lea 
Terres. dadit £v^6, nous avoDS trouvö bon de les maintenir, 
Sans neantmoins qa*il en puisae 6tre ^taUi d'autrea par ledit 
Sieur Evöque, ny aea Successears audit Ef^ö» que de n6tre 
oonaeotement et en consequence de nos Lettres Patentes. 

XIV. Voulons et entendons, que lesdits Sieur Ev^ues et 
leurs Sujets joüissent du debit du fer dana lesdites Terres, tout 
ainsi qu'ils onl fait par le pass^. 

XV. Et finalement, Nous avons maintenu et maintenons 
ledit Sieur Eveque et ceux (|ui luy sjuccederont audit E\>'^chf^ 
dans la possession ou ont ele jusqu'a prcsent les Ev^ues de 
Slratf om^ leurs Predecesseurs, de puuvoir faire contraindre par 
execulioa de Juj,^emens du Conseil de Sa vorne, les Habilan.-. 
dudit Evechti au payernent de toutes les rentes, reveuus et au- 
tres redevances qu'ils doivent aux Ev^ues de Strasbourg. 

Si Donnons en Mandement k nos Am^a et Feaux lea Gens 
tenans ndtre Conseil Souverain d'Alsace, Stent k Brisac, que 
les presentes Us ayent k faire enregistrer, et du contenu en 
icelies joüir et user nötredit Cousin le Sie^r Evdque de Stras- 
bourg et aea Successeurs audit Ev^6, pleinement et paisible- 
ment, cessant et faissant cesser tous troubles et empdcbemenä k 
ce conlraires; Gar Tel Est Nostre Plaisir, et afin que ce soit 
chose ferme et stable de toujours, Nous avons fait meftre n6lre 
scel ä cesdites presentes sauf en autres choses nötre Droit et 
l'autruy en toutes 

Donne ä Versailles au mois de Sepleaibre TAn <le p^race 
1682 e( de nAtre Repjne le 40. Sijjne Louis et plus bas par le 
lloy Le Teilier, et a cOle Visa Le Tellier. 

R^gistr^ es Registres du Conseil Souverain d'Alsace le 28 
November 1682.. 

Ordonnances d'Alsace, I lö4 ff. 



8 



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IV. 



Das Susaiuienspiel 
des Samuel Israel von Straßburg 

von 1603. 

Herausgegeben von 
Dr. Alfred Schaer. 



Susauua 

Von 

Samuel IsracH. 

Aufgeführt am 7. August 160S zu Münster im Elsaß. 
Gedruckt zu Basel bei Johann Schröter 1607. 



Samuel Israels von Straßbarg: Komödie von «Susanna» 
Exemplar der Kgl. Bibliothek in Berlin. Sigiüert Y q. 214(). Basier 
Druck von 1 6 0 7. 8^. 48 Blfttter. 

Zusätze des Herausgebers &iuU in eckige Klammeru eiuge- 
Bchlosson oder klein gedroekt || bedeutet Zeilenseliliiß. 

I 
I 



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Blatt A " Ein Schone / 

gantz Newe Comoedia von / 

der Fromen Keuschen ynd GotU- / 
fÄrchtigea SVSÄ.NNA / ina 

Teütsche Reymeu Gestelt / 
Durch / 

• Samuel Israel von Strasburg f 

Jetziger zeit Schäl: vad Kircüeadieaer / 
zu Münster in S. Gregory / 
Thal. / 

Gehalten daselbst zu Monster den 
7. Augosti Anno 1603. 

|Titelholzschnitt.| 



Burghof, einen Brunnen, einen Baum und eine Zisterne enthal- 
tend. Am Rande der letzteren sitzt die zum Baden sich botcitLnJe 
Susanna, während ihr die catgregeneilende Mu^d noch Tücher und 
ein SAtbenkSstchen zuträgst. Oben aus einem Fenster des Schlosses 
schaut ein Harfe spielender, mit der Krone feschmackter Mann 
(König David?) heraus In den Hof. 



Getruckt zu Basel / 
Bey Johann Sehr A ter / 1607. 



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Blatt 1 (A) Rückseite leer. Enthält nur den Biblio- 
tliekstempel (<Ez BIbl. Begria Berolin»)* 



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Zier-Kopfleiste. 



2. (Ali,) 



Den Ehrnvetteii / Wolge- 1| ^ 
lehTtan / Flkniebtigea Ersamen II 
▼und Wftjsen / Jl 
Herren Zneha-U 

rif Nitschelmen Vogt: Her-|} 
ren Friderich Zeijiingern Burger- II 
meistern : Herren Petro Schneyder / 1| 

Statteelireybem / Berren Matheo Mo- 1| 
gern / vnnd einem gantzen Ersannen II 
Raht / der 8latt Münster in » 
S. Gregory thal. Ii 
Keinen Insonders gro^unstigen gebie- 1| 
tenden Herren vnd resp^^ui \\ 
gelattem / etc. || 

Onad ynd segen von Qott II dem Vatter ▼nsers 
Herren |] vnd Heylands Jesu Christi / || sanipt wftnselinng 
aller wol- l| fahrt an Leib vnd Seel zuuoran. Ehrn- 1{ vest / 
Wolgelohrt / anoh Fürsichtig / Er- \] sam / Weyb / Groß- 
SgünstifTL liebt Herren / |i sebr reclit vnd wol ist die 
Lomoedta vuu || den lieben aituu S^culum vitae ein 
spie- II gel dei iebens genennt worden / dan so wir II ein 
Comoeäiam oder Tngoediam Ükr n angen spielen selten / 
werden wir nit allein I j die form vnd weyß / sondern 

10 auch darneben |t den nutzen / so darauß entspringet zum 
höch- II 8ten rühmen vnd vns gefallen lassen / dar- |i durch 
alle stend in der Welt / sampt jhrem || vorhaben / doch 
in einer mehr als in der an- 11 dem vf^e^rt vnd gewie- 
sen werden / wie || dan äneh in dieser gegenwertigen 
Comoe- \\ diOf etliche wie die Namen haben rodgen /|i jhr 
hellscheinend Speculum haben / wel- jj ches nicht vnbilUch 
ein spectUuvi imdi- 1| ntiue ein spiegcl der zucht vnnd keusch- 
heit !i mac lm n iint v> erden. Wiewol aber die- f| se materia 
von Smanna vnd Jjaniel wie || znnermuthen / vnd auch 

aoetliehe dariftr hal- Ilten / kein gesehieht / sonder viel 
mehr wie Ju- il «litik tu Tobiaa ein sebdn gdstlich gedieht || 
sein soll / sintmal die Namen solches mit ii sich bringen / 
als / AiMfMia heist ein fio- 1{ sen / das Ist / ein firomm 



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38 ^ 



Land / oder armer tl liauff vnder den Döriiern : Del)- ö. (^.Aüj.) 

2& gleichen |1 Daniel lieist ein Bichter vnd fort an ; iät II 
aneh gar Bdiftn an toten voM PöUcey / Oe- \\ conomey 
oder fromen lianlfeii der glen« )| bigen / alio daß aie wol 
ein B^ecidum vüe 11 loa genannt werden. II 

Dem aey nun allem wie jm woU / sie scy 1] g-lcich 

30 ein tredicht oder geschieht / so ist sie || doch so schön 
vnd lieblich / das mau ein son- 1| dem lust vnd t'rewd 
darob bekamen solte / || wo sie anff ein ThttOmm ge- 
bracht wifdt. II Ich will der großen nntabarkeit bo man || 
auß soleben vnnd dergleichen adtionibus \\ empfecht / ge* 

öSschweygen / vnd es andern / so !| solches schon besser 
an tag geben vorbehal- II ten haben / allein ist es zum 
höchsten löblich || vnd r&hmlich / wo solche actioiies 
vnnd 11 frewdenspiel gehalten werden, ii 

Dieweil dann Großgftnstig Herren / II diese gegenver- 

40 tiga OomtnHa korta vor- 1{ eebienener zeit ▼[o]n einer Er- 
samen Burger- II schafft ällhie vnd andern ehrlichen Leuten || 
ist agiert vnnd ge^^pif^U worden / auch mit |I fröliohem 
zuschawon vnnd beöciieuieuiieit || abgangeu: So bin ich 
zwar / propter || jsoilos et Momos nit willens gewesen / 

45 die- It selbige an pnbUeierem vnd in Tmek snner- II fertigen: 
Jedoch solches Mndan gesetzt / 11 hab ich Ebrliebenden 
Leuten / so es vielfal- II ti|i: an mich begert / willfahren / 
vnd E. E. II W. gantz vnderth&nig dedicieren vnnd || zu- 
schreyben wollen / gantz dienstlich bit- H tend / sie woll[n] 

öOdieselbige loco muneris von || mir Gftnsug annemmen / 
vnd forthin wie ii bißher / meine Qroßgbnstige patram 
vnd n beftrderer sein vnd bleiben / solehea in mfig-lf 
Hoher willfahrung zu beschulden / will ich || vnnerdrossen 
vnnd trnntz dienstwillig mich || finden lassen. Hiemit E. 

65 E. W. zum heil || vnd wolfahrt Statt vnnd Thals / Gott II 
dem Allmächtigen zu iangwiriger gesund- Ii heit befehlend / 
Geben den 20. May Anno || 1606. Jahrs, n 

K £. W. II 

^ Ynderthflniger vnd dienst- 1| williger || 

Samnel IsraSl von ii 

Strasburg. II 



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[Zier-Kopfleiste.] 



4. (Aüij.)a 



Einen Bauerntanz darstellend. Links der Spiclmann, ein 
blasender Pfeifler, recbt» daneben drei tanzende und »prlngende 

Baneropaare. 



Ad lectorem. 

Es möchte sich oha allen zweiff'el der Gün- |1 stige Leser 
verwondern vnnd betrembden / I' an() was vrsacli dieser 
Materi mehr zug-esetzt II wirdt / dann lu H. Sclirifft / daruon 
gelesen i| wirdt/ so hab ichs einig vnd allein (sonderlich II 
den Engel, Banren / vnd anders mehr betref- 1) fend) iäuHra' 
9 tiama cotna liarbey gesetzt / dieweü |] es nimmer Uhr 
abgehen kan / da nit in solchen |( saohen intermedia ein- 
geführt werdon / Vt misceantur || tristia laeti<f. Parmit 
dann nan solche 1| ctction als bey einfeltigeu / jedoch Ehr- 
lichen il Leuten ein desto bessern fortgang bekommen ii 

lOmflehte (wie dann aaeh GOTT lob gesehehen /) n So ist 
mir sonderlieh hierin behüUflich gewe- 1) sen / der Ehm- 
haflt vnd Füi'geacht Johannes II Ochs von Cot« 
mar/ qui facetijs suis Gnatonem jl Terentianum 8upera$ie 
vredUur. Wirdt also / || wie ich gentzlich verhoff / der 

13 Günstige Leser jj mir 'solches nit vbel deuten / sonder 
als ein ge- II ringe arbeit gejiftllen lassen. Leb vol. (r 

J uthor. 



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Volgen die Persoaen. || * 

dei 8piels.lt 

Prologus Johannes Ochs. 

Raphffel Peter Hemmerlin. 

SniaiMie Lndwig^ Ueyüng, 

Syrus ein bott / ........ Matheus Fels* 

Abra magt / Andreas Ries 

Ach ab I 2 J ^^^^ Münsch. 

Midian ( | Jacob Hemmerlin. 

Philergns knecht / Johannes Nitschelm. 

JoaehimoB Johannes Gejrger. 

Benlamin \ . jr. . 1 Salomen Sehneyder. 

^ . \ Joachimi Kinder . . . -vc-v j - 

Rebecca | | Fndench Schandeney. 

Helkyas « -« | Andreas Rausch'^r. 

Anna ( ) H:ins Mrich Erhart. 

Jastitia J o Ii auaes Am os Sehneyder. 

Yeiitas J6rg Schandeney. 

Corydon ein banr Johannes Oehs. 

Cleophas Riehter. Anthonins Heiting. 

Eobulus I ( Lux Keyser. 

Sophron ^^^^ I Adam Bartt. 

Simeon l I Abraham <i erhart. 

Osyas / ( Ge<^r;r Leinhals. 

Scriba Andreas Wetzel. 

Daniel Hans Bierson. 

Dimins Naehrlohter Wolff Karg. 

ßttftis 1 ^ ( Matheus Fels. 

Lnrco | ^"^^^^ | Hans Stimler. 

Soldaten.^ 

Hans Jacob Saas. 

Ullas Zeininger. 

DieboU Weteel. 

Georg . *. Brotbecker. 

Mathens Moser der Jünger. 

Arguuieiitalorcs : 

Wilhelm von Rlickspurg. 

Bernhart Murbach. 

Nicolaus Ries. 

Mathias Sehandeney. 

Thoman JAger. 

3^ 



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(Zier-Kopfleiste.) 5. (A t.) 



PEOLOGVS. 

Bdel / Shrnvest / Tnd Achtbar Herrn 

Die sa vns komen nach vnd ferrn / 
Aach Ehrn; vntl Tuireiitreiche Frawen 

Jangfraweu vnd all die jr schawen / 
^ Wcs standts ein jeder in gebür 

Also Bey er genannt von mir. 
Wie MblielL / rfihmlieh es nllseit 

Gewesen ist j vnd auch noch heilt / 
Da 7nan die Jugendt nit allein 
10 Sonder die Alten in gemein / 
Beweget hatt zu vbung viel 

Kurtzweil vnd anderem frewdeuspiel / 
Ken mftn anfi vielen Bachern fassen 

Die VHS die alten hinder lassen. 
15 Derhalben wir auch wol bedacht 

Auff diss Theatrnm hergebracht / 
Ein Biblische H ist ah am 

Vud iiebiiche Mata iam j 
Den Inhalt derselben will ich 
30 Entehlen hie tein ordenlieh. 
Zu Babylon ein Manne saß 

Des Naiiic Joachimus was / 
Dem GOTT bescheret Tugcntreich 

Ein Weib j FroiTi | Gotthförchtig zugleich 
^ Die hieß Snsanna / war sehr Sehdn | 

In Gottes wort thet wol bestehir / 
Dann sie hat fromme Eltern / dio 

In Gottes wort vnderwicsen sie / 
Die hat ein Garten an dem Hauli 
90 Gieng täglich sich zu badn hinaul) | 
Zwen Bichter waren in der Statt 

7on denen Gott gesaget hat / 
Ihr Biehter alle boßhcit ftbt 

"Was rnrecht ist euch wol geliebt. 
35 Die warn in lieb eutzünd so sehr 

Das sie sich schampten nimmermehr / 
Einsmals bestimpten sie ein zeit 

Anff si& an lanren alle beyd / 
Versteckten sieh im selben Gart 



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42 



^ Ein jeder mit verlanL'pn wart / 
Zü dem Sasanna bald hin kam 

£ia magdt mit jhr hinauß auch uam / 
Die sehiekt lie bald vider von jhr 

meß suMhUeßen die Gurten thfir / 
45 Da nun die raaifdt hinweg war baldt 

Spranq-en sio herfür mit grewalt | 
Wolten sie zM ing:en das sie nun 

Ihr beyder willen wolte thuii | 
Aber Suiftnna sohlugs jhn ab 
50 Ger bseheydenliehe antwort gab I 
Daraaif die alten sagten jhr 

Sie wolten von jhr geben für / 
Sio betten erfunden in dem Gart 

Ein juncreu GseÜa so bey jhr wardt / 
S5 Weichs auch hernach gescheJien \\ar 

Daher Sneaniia kam in g&hr l 
Dann sie darftber alle beyd 

Sehwnren ein öffentlichen Eyd / 
Die sarh die sey also beschaffen 
60 Man soll S u s a n n a ernstlich straffen / 

Wie jhr dan auch das vrtheil üalt 6* 

Das man sie darnmb •teinig^en aolt / 
Was gsehah? da man sie fahrt snm todt 

Ein Jungen Knaben erwecket GOTT / 
Hieß Daniel / der sie erlogt 

Kehrt mit jhr vnih g^ar wol getrost / 
Verhört die alten auch darneben 

Die jhm kein antwort kondten geben / 
Vnd kam aneh olfontUeh an tag 
TO Dm da falsch war jhr beyder klag / 
Darauff nran sie olin einii,' gnad 

Steinigt / vmb solche falsche that / 
Da ward Susanna gelassen frey 

Hit grosser frewd getrost darbey / 
^ Was man nun daranß lehmeti mnß 

Wirdt sagen der E pi 1 o gu s, 
Darnmb seyt zu ruli vnd sch\vey<?et still 

Horcht wie die sacb anfahen will. 



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ArgumeiiUiiii 



Primi Actus. 

Im ersten Aet werdet jhr sehen 
W Den Bngel Raphael her gehn / 

Welcher anzeigt warza jhu Gott 

Von Himmel auß gesendet hat / 
Nemlich das er soll haben acht 

Darmit nit werd zu fall gebracht / 
^ Snsanna das gar kensehe herts 

Oh sie adion mnß andstehen eehmerts / 
Ymh dieser alten falsche klag > 

Eompt entlich die vnschnid an tag / 
Man wird auch sehen im anfang 
90 Wie S u s a D u a den brieff empfang / 
Welchen jhr Herr hat abgesandt 

Meld daß er kemme bald an laad / 
Darfiber sie anß frAligkeit 

EnvSIct ein bequeme zeit / 
95 Zu baden drauß in jhrem Garten 

Darinu die alten jhrer warten / 
Gedachten sie anß bösem sehr 

Zu bringen vnb kensohhett vnd ehr / 
Begerten an sie anoh darza 
100 Das sie jhr beydcr willen thu / 
Aber auß rechtem kenschen muth / 

Sic jhnen das abschlagen thut / 
Vud streitet da gar ritterlich 

BniR audi Jhr Knecht vnd Mägd zn sich / 
Daranff die alten sich bedachten 

Einen gar falschen anschlag machten 
Welches jhr alls solt hören fein 

Wann man rüwig vnd still wird sein. 



Actus I. Seena I. 



B a p h e 1. 

Bieber komm ich von Gott gesandt 
HO Dem Mobstea dem all din^r bekandt 
Von welcheni ich vOTordaet bin 

Za schützen keuschen muht vnd sinn / 
Weichs ich noch heut erweisen will 

Durch Gottes krafft an disem ziel / 
tl5 Wie ich vor diesem auch veiricht 

Gottsfftrditig Ehliehen verpfliehl 
Dem iBaao / fieboeeam fromm 

Durch den Knecht Eleasarom/ 
Des ^irlcichen dem Tobie schon 
120 Die Sara m ehelich zug-ethon / 
Wie vns dergleich exempel klar 

Die Eeylig seluifll macht offiBnbar / 
Nun aber bin ich kommen her 

Der Sachen znnerrichten mehr / 
Dieweil zwcn alte ßch.llck vorhanden 

Susan nam zbriu^en hie avl schänden / 
Das aber jhr ehr vnd keuschheit 

Bleib TBnerletzt bin ich bereit / 
Zu schütEem sie vnd ra bewahren 
180 Darumb will ich mein hilff nit sparen / 
Welch sich wunderlich findet fein 

Durch Daniel den Knaben klein 
Nun will ich nemmen f&r die Hand 

Darsa mich QOTT hat hergesandt. 

Actus I. Seena II. 
S^ rus I Su$aana i Abra. 

SyruB* 

135 GOTT grüli euch Fia^^ gauiz tugendreich / 
Ist gut das ich euch antriff gleich 
^Hie bring ich botUcbafft kompt von fern 

Von Joachime ewerm Herrn / 
Der laßt euch alle freuudtlich grfißen 
140 Vnd sein zimlichen wolstand wissen. 

Snsanna. 

Wie wol frewt mich die bottschafft dein 
Die da mir jetzt bracht S y r e mein / 



— 45 — 

Von Joacliimo meiuem Hcnu 
So disfimal ist von vns noch fem / 
145 Aber du er zu dieser stand 

So vrol KoS ist / firiseh jrnd gesund / 
Vnd das er kommen werd za hamü 
Daß frewet mich woi vberaaß. 

87 ras. 

Er httt sicll schon gerast zuhftndt 
MO Da er mich von jhm weg gesandt / 
Vnd frowt sioh auch von hertzen wol 
Das er heim za each kommen soll. 

Abra. 

Ich liAr wol vnser Herr werd kommen ? 

S u sa u Ha. 

Mit frewden hab ich e*? vernomiiien / 
155 Daruulb so w6U(n wir gelia iimcin 

Vnd alle ding verriebten fein / 
Aneb viU ieb nacbmittagr binaoB 

In Garten mein / zu baden dranß 
Vnd dann hernach deß Herren mein 
IfiO Daheimen fein gewertig sein / 
Dai'mit \v'anu er zum hauß eiugang 

Mit bAebster frewd ich jhn empfing / 
Dir aber S 7 r e will ich lohnen 

FArs hotten Brot nim hin drey Kronen. 

Sy r n s. 

i<i5 Qu groBen danek darfftr ieb sag 

Will dran gedeneken all mein tag / 

Gott w6il euch geben seinen sogen 
Behftten jetzt vnd alle[rj wegen. 

Aetda L Seena III. S. 

Achab / Midian. 

A e h a b. 

Ach wie wird doch je lenger je iiielir 
IW Mein hertz im leib g'ckrcncket sehr / 
Wegen der grolien liebes brunst 

Die doch vieleicht m6cht sein vmbsouat / 
Dann ieb Sasannam. wnnderliob 
Von hertsen lieb gantz ianiglieb 
175 Vnd weiß nit wie Ichs m6ge sehioken / 

Mein hertz vnd gniiit recht zu erquicken / 
Dann sie sonst fromm / keu?;ch viid gerecht 
Muß morgen das sie mirs abschlecht. 



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— 46 - 

Ynd waua mir dises nun geschieht 
180 Weiß ieh weiter va. schaffea nicht / 
Daramb d*rfb dM ieh mieh wol bedenek 
Zu suelieii mittel vnd ^elende 

m 

M i d i a n. 

Mich wundert sehr was düch Achab 
So Btetigö hie schaffen hab 
v& Wun ich her komm / so lieli ieh jhn 
Nit weiß ieh wm er hatt im eiiiii / 

Vieleicht dasjenig jhm auch ist 

Was mir sehr anligt vnd gebrist / 
Will zn jhm / vnd sehn ob ich kan 
190 Erfahreu was jhm iiget au. 
Eän upMeo tag mein lieber men. 

Achab. 

Habt danck mein lieber M i d i an 

Wo her so frfth / vnd so allein 
Thut gar niemand hie bey euch sein ? 

Kidian. 

195 Niemand ist bey mir dann ich auch 
Allein sn gehn hab im brauch. 

Achab. 

Wie kompts daü jhr so trawrig seeht 
Mich dnnekt es sej euch nlt fia&t reeht? 

Midian. 

Eben diß wolte ich klag-en 
20O Vou euch, dasseibig auch erfragen. 

Achab. 

Nit ühn vrsach mein Midian 

Dann mir sachen grele^en an / 
Die uit wol hie zu melden sind 

Nit weiß ich wie ich hülffe Und. 
206 Dann ich die saehen nlmmermeh 

ErAfoen darff das that mir weh / 
Kans im geringsten nit vergessen 

Muß also trawrig in mieh fressen. 

Midian. 

Bs ist mir solches hertdieh leyd 
2to Vnd wann ich wnste alibereit / 

Das ich etwas Ar mein person 

KAnt helffen euch wolts nit vmbgohn / 

Wiewol mir selber viel Wgt an 

Weichs ich anch schier nit sagen kan / 



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47 - 



215 Doch glaub ich euch gar wol darbey 
Daa eaeh vas angelegen sey. 

Aohab. 9. (B.) 

Aeh Xi dlan itk bitt enoh doeh 

Wann jhr diese meine saohen hoch / 
Wolt heimlich hcv euch lassen bleiben 
220 Vnd darauh k»Mfien schertz nit treüiou 
Auch niemand kein wort daruou sagen 
Wolt ich euch meinen zustand klagen. 

Uidian. 

Mlioh Bolt jhr mir trswen diß 
Dan iohs Tonehweigen will gewiß. 

A c Ii a b. 

^ Ich Bch&m mich solehs za sagen aehier / 

Uidian. 
XllgUeh aolt jhni ansagen mir* 

Achab. 

Ich lieb von gantzem hertzen mein 

Ein Weibsbild holdselit' vn«^ rein ■ 
Das ich schier nit kau lel>eii mehr 
290 Bin auch darumb spatziert iüeher j 
Ynd hab gedaeht sie wevd etwan 

Begegnen mir / vnd außer gähn / 
Das iek doch nach mcins hertzen willen 

Den aug^enlust nur möchte ffilleu / 
235 Mein M idiaii / ach zürn t uil / 

Das ich vor euch luem hertz. aui^chüt. 

Uidian. 

Waromb wolt ieh sflrnen darab. 

Ein frtindtlich biU loh an euch hab 
Das jhr mir wolt rersacren nicht 
MO Wer die sey / die euch so anficht. 

Aehab. 

-Sia ist euch üQiii>i.uii wx)iJb£kaut 

Oesiert mit tngend vnd Terstand 
Vnd ist wie jhr wißt anff dißmal 

Susanna Jo aehimi gmahl. 

M i d i a ]i. 

245 0 Achab was fftr wunder ding 

Hör ich von euch J die nit geriug. 



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48 — 

Aehab. 

Ey guter vuJ verirawter gstalt 

Sagt ich euch dieses an so baid 
Drnmb wie fhx mir Terlidßeii hau 
250 So ^erd jhn bey euch bleiltoii Un. 

Mfdian. 

Jetzt ists an mir das ich aach klag 

Vnd aueh mein heimlich leyden sag^ / 
loh bin auch gleicher gitalt jetoiind 

Büt liebes pfeylen sehr verwnndt / 
255 Aber das ich euch nit betrüb 

S u s a n n a m ich auch liertzlich lieb 
Habs auch getrieben schon gar lang 

Heimlicher veyß ich» in mich swang 
Bin anch darnmh jetet gangen her 
S(SO Za sehn ob sie vieleicht da wer / 
Darumb laßt bey euch bleiben fest 

Schweigt darzu still / das ist das best. 
So wölln wir sehn wie wir allbeyd 
Empfangen mftehten groß« frewd / 
^ Daon ich f&r gwiß vernommen schon 
Das sie werd he&t in Garten gohn / 
Vnd baden da nach jhrem brauch 10. (B^.) 

So ist jhr Mann abwesend auch / 
Ynd können wir also die sach 
370 Mit fug anatellen allgemadi / 

Ach ab. 

Ich raht iIms wir am ersten fein 

Giengen all beyd in Gart hinein 
Verstecken vns daselbst mit fleiß 
Ganls atUl vnd heimlich gleiohor weiß / 
275 Wann sie dan nun wird gar aUam 
Alda in jlirem Garten sein / 
So wolln wir sprinsrcn gfschwind herffir 

Gfttlich erzeigen gegen jlir / 
Vnd vnser hcnzen offnen gantz 
280 Zucht vnd soham schlagen in die schantz / 
Bitten das sie nach vnserm will 

Die groß lieb vnd beglrd erf&ll / 
So wAlln wir vns erquicken recht. 

Midian. 
Wie wann sies aber vns abschleoht? 

A c h a b. 

2fcö So wollen wir brauchen ofewalt 
Oder aniaheu der gesialt | 
Wann sie nit thnt nach vnser bgir 



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^ 4» — 



So wollen v. u sa<?en von jhr j 
Wir haben sie gefunden fein 
250 Bey eim Jflngling im Oart alldn. 

Mid i an. 
Fftrwar die sach gefalt mir wol 

Mein hertz wird erst der lieb recht rol[l]. 
Wir woUm tu» maeheii bereit 

lx{m] Gart yerateeken alle bejd. 

■ 

Aetufli I. Seen« IIIL 

Sttsanoa / Abra / Midtan / Achab. 

Suaanna. 
295 Aeh wie ein anßerwelte aeit 

Laßt vnB Gott aehen allbereit / 

Wie warm scheint vns die liebe Sonn 

All weit empfindet frewd vnd wobn / . 
Jetzt h6rt man im wald vberall 
300 Der Vöglein lieblich gsang vud schall / 
Die O&rten grän, die Brfinlein kalt 

BringMi der frewden maDigfialt 
Diß alles sich tc)i nit ao ^em 

Mb die zukunfft niciiis lieben Herrn 
805 Aöff den ich jetzund für vnd f6r 

Wart mit verlangen vud begir / 
Darnmb will in den Garten ich 

Exlustigen vnd reinigen mieb / 
Dn A b r a geh nnr wider heim 
810 Verschließ die Gartenthür gar fein 
Kom bald wider anflf mein beger 

Vnd bring Balsam vnd Sejffen her. 

▲ b r a. 

Es Süll worden irar wol vorrirht 
Ihr sollet daran zweiten nicht 

Susa n na. 

315 Wann raein Herr vielcicht kompt zo, haoß 
So kom zu mir eyleiul herauß / 
Vnd will ich dich gar wol geweren iL ^üiij.) 

Ein gutes bottenbrot verehren 

Abra. 

Wolt Qott das er daheimen wer «dion 
320 loh weit eneh bringen frewd vnd wen 
Aber ich will sehn was ich thn ^ 
Den Garten sehließen fleißig an. 

Uidian. 

O A ch ab schawt das Schöne bild 
Seit eim nit werden das herts erfölt? 



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- 50 



Ach ab. 

325 Kornpr her laßt vns lauffen herbey 
Ableg-eii alle schanim vnd schew 
Yieleicht so wird äie sich ergeben 
Wir wollen listig mit jhr 

8 u s a n n a. 

Wen höre ich hierin bey mir 
830 Jit nit verschlossen recht die thär? 
0 Veh / that jhr hierinnen sein 

leh hab verneint ieh eey allein. 
Aoff niolits gats gehet jhr da vmb • 
Das merck ich wol / drumb sagt waramb 
835 Ihr euch versperret in den Gart 

Vnd gwiJilich [michj au tödten wart. 

, • A c h a b. • . , 

0 nein S u s a n n a liebe Fraw 

FrAndiich seind wir herkommen sehaw 
In allem g^ateia sind wir bevd 
840 Zn euch hörkommen allbereii / ■' 
Etwas begeren -wir' aa-nveb- - - 
Vnd wollen es anneigen gleich. ' 

S u s a n 11 a. 

Wann jhr etwas bey mir zu thon 
So könnet jhr zu mir heim gohn / " 
846 Hieraoß gib ich ieoeh k^n Ibes^yd 
Sag ieh anfitradEKoh Ulan beyd. 

" * * ■ . 

* M i d i an. 

Ach schönes vnd holds.eligs büd . ' ' 

Ieh bitt stelt euch doeti nit so wild / 
Dan wir seind hie in fi'eandligkeit 
350 Zu dienen enoh seind wir bereit. 

'■ ' •»',.■■ * .' 
Susan na. 

Kein dienst beger ich von ench bey den. 

M i (1 i a n. 

Wir können aber euch nit meyden. - 

A-6h,ab. 

Ach mein, S a s^n na setzt eaeh h^er 
loh will, eqcb sagen moM^ ' 

-Sns^anna. ' 

SSV Mit eneb will ich nichts zsehalKin han 

Ich bitt jbr wolt mein müßig- gahn / 
Habt jhr etwas zu richten auß 
So find, ihr midk In meinem haaß. 



- 51 — 



Midi a n. 

Ach secht zu Fraw wir seind allein 
360 In diesem Gart verschlosson fein / 
Vnd äeiuü lu ewerer lieb entbrand 

Thnt ▼nseni wttln es itt kftfn sehand / . 
Niemand kan vua lehen hiarimi- IS. (Biiig.) 

0 das jhr wflsten imser sinn. 

Snsanna. 

364 Was sagt jhr daaon Midi an 

Qedenekt das Gott wol sehen kan 

Wie dArfft jhr mir doch solchs snmathen 

Die jhr zu fürdernnfr des g-uten 
Erwehiet seyt vom höchsten Gott 
STD Za weysen andre[n] sein gebott / 
Ihr wisset vie Gott alleaeit 

Gestrafft hat die vnreinigkeit f 
Wie sonderlich zu S o d o m g^eschehii 
Icli liitt \vol! in eucli selber gehü / 
375 Vnd mein verschonen in der sach 
DarauÜ ent&tfind groß vngemaek. 

Achab. 

Ihr mftßt es machen nit so groß 

Dann heilige Leut auch solcher meß / 
Gethan haben / die sich hernach 
980 Mit Gott versöhnet allgemach / 
Wie David der gar heilig mann 
Vnd andre mehr hahen getban. 

Snsanna. 

0 A 0 h a b laßt euch sein geseit 
Dann anlT Gottes barmhertaigkeit / 
SBS Sündigen / ist die grftste sünd 

Wers thnt xveyfoehe stralf empfind. 

M i d i a n. 

leh mag danon nit hören viel 
Folgt jlir vns jetst an diesem / 

Wo jhr nit werd zu willen bald 
390 So wollen wir anlegen gwalL 

Snsanna. 

Aoh dn mein lieber frommer Gott 
Steh dn mir bey in dieser noth. 

Midian. 

Das sag ieh dir bey meiner trew 

Die sach wolln wir anstellen .frey / 
39Ö Werd jhr es weiter vns abschlagen 

So wollen wir offentUoh sagen / • * | 

i 



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— 02 



Wir haben bcydc liie bey euch 
Ein ,Tüiigliri»r tunden auch zu gleich 

Treybeii mit euch vnzncht vnd schand 
400 Deßhalb die magdt von euch gesaudt / 

Darumb bedeuckt euch albereit 
loh sorg 68 werd eaeh werden leydt 

8 u s a n n a. 

Ach lieber vnd iretrewcr (iotl 

Wie komm ich doch in solche noth / 
^ Was angst Tiid gfolir kompt mir datier 
0 Oott ttaeh dir verlangt mf oh sehr / 

Wie soll ich es floch faiii^on an? 

niciliin ich mir nil iahten kan. 
Thu ich dann solcfis so bin ich todt 
410 Vcrsflindig mich an meiueni Gott ; 
Schlag ioh es ab / md tha es nioht 

So werd ioh dareh esoh hingerioht / 
Doch ist viel besser die vnschuld 
Darbey behalten Gottes hiild / 
. 415 Vnd sterben in der Menschen hend 

Dann das durch ntich werd Gott geschead / 
Ach lieber Gott, wo ist mein gsind 13. (Bv.) 

Das es mioh nur noeh lebend find / 
Abra / lavff eylend her zn mir 
420 Phiierge / wo bist? gang herl&r. 

Aehab. 

Laafft / lauft all Xensshen da herbey 

Sedit was wundere gesohehen sey \ 
Seeht die Ehbreeherin doch hie 

Erger hat mans gesehen nie. 

Aetna I. Seena F. 

PUlergna / Abra / Sasanna \ Hidian / ü Achab. j| 

P h i l e r g u 8. 

*25 Mich dnnckt ich hab kl&glicli f^ehoi t 
Ruffen die Fraw im Garten dort / 
Mein Abra / laß vns eylends gehn 
Yieleioht so Ist jhr was gesehehn. 

Abra. 

Das wer mir in der warheit leydt 
" S a B a n n a. 

<30 Ach laufft herbey jhr lieben leui. 

Phi le rgu 8. 
Hör / hftr es ist vorhanden noht 



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- 53 - 



leb merck das jhr von hertzen goht / 
Wm üt euch Fraw, das jhr to Bohreyt? 

S u s a n II a. 

Ach secht jhr nit die alten bcyd? , , 

Midian. 

435 0 du mein allerliebster Knecht 

Du küinpst liie t^ar eben recht / 
Hio maf^^stu sie wol ijreiffen an 

iJann sie was großes hat gethan / 
Mo. JüngüDg war allein bey jhr / 
*^ Im Garton hie den fanden wir / 
Welchen wir weiten greiffen an 

Aber darch .sie ick er vns entran / % 
Ein sach hatt er mit jhr verricht 
Die ich anß schäm mag sagen nicht / 
445 wanderlieh kompt es mir fftr 
Das ich doeh nie gemerckt an jhr. 

P h i l e r g u 8. 

Hedenckt euch baß ehe jhr das sact 

Fürwar gar falsch ist das jhr klagt / 
Ich rahfr ench das jhre bleiben lan 
450 Hann weiß wol wie jhr aach thnt slahn. 

S u s ä n u a. 

0 irewer tTütt. o steh mir bey 

Dana du wei&t wol wie die sach sey 
Laß mein -vnschnld kommen an tag 
Za eehanden mach jhr falsche klag 
4Ö6 Wae wird sagen mein lieber PTcrr / 
Wann er wirdt hören diese m&hr. 

* Ach ab. 

Das steht euch enr antwort allein 

Ihr wißt das es also thnt sein 

Dcrhalb Wüllen wirs zerg-en an 14. 
4öO Das jhr solch sach verwörcket han / 
Ynd möcht jhr euch bedencken eben 
Was jhr da wolt fftr antwort geben. 

S a s a n n a. 

Die sach will ich befehlen Gott 

Der wirdt mich nit lassen zu spott / 
465 Philgerge [1. Philergej komm wir wollen gehn 
Vnd sehn wie es daheim thnt stehn. 

MVSIOÄ. 



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ArguiDentum. 



II. Aetis. 

Im^nderu Act mit großer plag 

S na « & n a f&hrt sa Gott jhr klag / 
Veriangt ne aaeh in diesem fahl 

470 Nach jhrem lieben Ehegeniahl / 
Indessen bald dio alten beyd 

Vorl inilen sich /.usani mit Eydi / 
Darauä i>o koinpt gegangen her 
Joaehln der tnxrt sieh gar sehr / 
475 Wirt bald gewahr daß seine Eind 
Entgegen jhm gegangen sind. 
Vernimpt auß jhren werten schlecht 
Daß es daheim nit zugeht recht / 
.Empfangt sein Kinder, geht zu hauß. 
^ Nach jhxn so koiapt sein Knecht lieranfi / 
Faoht mit A e h a b ein hader an 

Tlint aller ohne streich ab^^n / 
Susanne Eltern klagten auch 
Der jetziofcn Welt bösen branch / 
435 Nun schweiget still ist vnser bger 

Secht wie S u s a n u a kompt daher. ^ 



2^ 



Actos IL Seen« I. 

S u s a II n a. 

Ach Gott, Vatter im Himmelreich 

Warhaffti^- / srnÄdig auch 7nn;leich / 
Dem alle ding w ol seind hekaiuit 
^ Erretter vor vnfail vnd bcliaud / 
Du hertsen kftndiger tllein 

Dir iit b6Wii6t (lle vnsclmld mein / 
Die man inieh zeftget TnaefBohampt 

Das ich nur werd zum todt ver4aiBpt / 
495 Nan aber Herr du hftchstpr Gott ' 

Ach steh mir bey in dieser iioht / 
Veriftß Büch nit» das litt ieh dieh 

Darmit meitt vmeliQld eijrentlieh 
Ali tag- m5e1it kommen gantz vnd gar 
fiOO Vnd ich crrctt word auß gefahr / 
Dann ich niemals gehör[eH han 

Das du die deinen hast verlahn 
Vnd will also vertrawen dir 

Da irerdeit trewUch hetifen mir. 

fiOß Nun wart ich mit verlanccn crroß 

Auff mein Haubwirth ohn vnderloü j 
Ich meint er solle kuiumen schier 

Ach das jhn Gott gesund heim führ / 
leh warte f^in all avgrenbliek 
ftio Das ieh dooh wider mich erqnidc 
In dieser großen trftbsal mein 
Wil drinnen sein gewertig sein. 

Aetna II. Seena II. 

Mfdian / Acbab 

BI i d i a n. 

Wie stellt die saob. mein .Aehab fromb? 

A c h a b. 

Ich weiß schier nit da geh ich vmb / 
515 Bin vnloatig, erschlagen gar . . 
Gedenefc selba bey mir jmm«rdaar 
Wo deeh die saeli werd hingelangen 
Die wiribeyd haben angefangen. 



— 5Ü — 



i d 1 a Ii. 

Da gilu» gl&iüli äie i&t gtaageu au 
^ Gott geb wie es ferner wirt gahu / 
Wir bftben es gebroeket ein 

Mftssens anfilreMen «aeh aUein } 
Dramb m&ssen wir vns selber treyben 
üannit wir beyd bestendig bleiben. 

Aebab. 

8® Was dann anlanget mein person 

Will ieh mit reden vol bestohn / 

Vnd wann mans von mir wirt begeren 
Welt ich ein £jd darsn aaeh sehweren. 

Midlan. 

Das gfalt mir woi, ich lob euch druiub 
sao Dann da nAssen wir nit sein stamm. 

A c h a b. 

Habt jhr seyther noch nichts vernommen 
Ob J o a c h i ni u s heim sej' kommen | 

Dann wann er zu hauü kommet an 
So Wirt ein newes fewr entstalin. 

M i d i a n. 

585 Ich kans nit wissen dann aHein 

Das sie heint seiner g^weitii? sein / 
Zu dem 7or jhm erschrick ich nicht 

Weil wir die sach recht angerieht / 
Er ist allein vnd Tnser iwenn 
640 Das recht muß vns billich ergehn. 
Wann sie schon viel wirt reden do 

Den Weybern irlaubt man nit also / 
Dann das jhr proprium fürwar / 
Viel reden | klappern jmmerdar / 
545 BifiweUen rodens auch darneben 

Das man jhn kein gehör mag geben / 
Derhalben sorg ich dieses nicht 
Im gringsten es mich nit anfleht. 

Ach ab. 

I«h mfteht wol wissen, wann man dann 
860 Ein reehtstag werde stellen an* 

Mi d i a n. 

Das kan ich euch nit eiy-entiich 
Anzeigen / doch so wolte ich / 

Das wann jhr solche erfehren taan 
Mich gleiehlbU[8] es aneh wissen lan. 



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57 — 



Achab. ♦ 

565 Ich Wils verrichten, glaubet mir, 

Wolt selbs da.s wir bald kämen f&r / 
Darumb so bleibet auch standhafft 16. 

Das vnser sachen habeu kratit | 
Jetst Duifl ich yridex gehen hin 
MO Dann ich jemands gewertig bin. 



Aetiw II. Seena III. 

Joachim US. 

GOTT sey gelobt in Ewigkeit 

Das ich erlebt die tr6lich zeit / 
Vnd ich wider gsand kommen hin 

Da ich hinweg gescheydeu bin / 
666 Von mdnem liebra Ehgemahl 

Weichs ich nnn wider auff dißmal f 
Will sehen an mit großer frewJ 

Wann sie nur noch ist bey g&andheit / 
Ich weiÜ daß sie gewaltiglich 
^70 Aoff mein zakunfft wirt frewen sieh | 
Dann jhr Herta | Sinn ( Oemftht vnd Weyß 

Hab ich erkant mit ganteem fleiß f 
Mein Beyß ich gar frewdig zabracht 

Wann ich an mein Susann am dacht / 
575 Dana sie ist mir von Gott beschert 

Wirt billich drumb von mir geehrt / 
Yttd danek aneh Oott vmb tolche gab 

Die 'ich von jhm empfangen hab / 
Dann ich nur diesen trost allein 
680 An ff dipst^r Welt die Haußfraw mein | 
Die mir in widerWertigkeit 

i^reunUtlich kan geben ein bescheyd / 
Nit Btoltn ist sie, deß frew ich mich 

Wie mancher Mann mnfi sehn f^t sich / 
666 Ich sags fftrwar vnd ist gewiß 

Habens auch viel erfahren diß 
Das ein Weyb elir- vnd Tngcntsam 

Bpbaltet stets ein guten nam / 
Was ieii beger, begert sie auch 
690 iBt mir gehorsam nach gebrauch / 
FQrwar wann mich jetnt mein geeicht 

Auß blftdigkeit bedrüget nicht / 
So sie[h [rh. mir entgegen gehn 

Mein K.imier ( ich %vin bleiben stehn / 
695 Vieleicht so Werdens auli mich warten 

Oder rar Mntter in den Garten. 



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- 58 ~ 



Actus II. Seena IUI. 
Beniamtn / Rebecca / Joachim«». || 

Beniamin. 

Rebecca komm "svir wollen gehn 
Hinaüß j ob wir den Vatter sehn j 

£e be cea. 

Hastu die Mutter auch grefrairt? 
600 Das sie nit etwann ab vns klagt / | 
Daun da weist wol das wir jhr fein / ' 

Als Kinder sollen ghoraam sein / 
Wie sie tbk das hat fein gelehrt' 

Drunb yns das Chiiat-Eindlein beaehert 

Beniamin. 

605 Freylich ha^' ich sie gefragt darumb 
Wir sola sehn, ob der Vatter kumb. 

Kebecca. (0.) 

Wie koropts, das vnser Mütterlein 
So Btetigs weint, liebs Brttderlein? 

Beniamin. 

leh veiß es nit, denek sdbe oift dran 
610 Wet jhr doch bette leyds gethan. 

Joachimus. 

O was h5r ich von meinen Kinden 

SoU ich mein I^außfraw weinend llndenf 
Vieleieht mag es geschehn daramb 

Das ieh an hanfi so langsam knmb. 

Beniamin. 

615 Sie geht als vmb vnd schreit mit klag 

A<ili'Gott bring mein vnsehnld an tag / 
Vnd fslt als anff den boden nider 
Bid das sie an jhr selbs kompt wider. 

Rebecca. 

fient that sie mich von hertzen küssen 
630 Das ieh drftber %ab weynen mflssen. 

J 0 ä ü h i m u s. 

Ach Gott ich muß jetzt wol verstehn 

Das nit recht daheim wirt gehn 
Doch will ich nur stracks gehen fort 

Zn meinen Ueben Kindern dort / 



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59 



ti85 Maß sie ein wenig vorhin fragen 
Was flieh jrgwit bab Eiigelrafeii. 

B e ni a m in. 

Schaw. ich srlaub vnser Vatter kumm 
Der Manu, der zn vns geht heromb. 

Joachimns. 
Ihr üAben Kind, was macht jbr do? 

6 en i amtn. 

^ Ach Vatter wie bin ich so fro / 
Das jbr wider heim kommen sein 
Gott Willkomm lieber Vatter mein* 

Rebecca. 

Ach mein iiert/linber Vattpr frumm 
Seit mir auft düjmat aucii wiilkumm. 

J 0 a c h i m u s. 

635 Gott sey mit each jhr Kinder mein 
Was maoht daheim das Mütterlein? 

Beniamia. 

0 lieber Vatter leb weiß nicht 

£s ist etwas, das sie anficht / 
Verlangt sie auch nach euch so sehr 
<^ Vnd auch dnimb sind wir gangen her. 

. Joachimus. 

Kompt her wir wollen gehn sn jhr 
Der liebe Oott woll helffen mir / 

Das vnser sachen stehen vro\ 
Ach wie ist mir mein hertz so voll / 
645 Gott steh mir boy vnd helff mir nun 
Wolan wir wollen zu jhr gohn. 

Actos II. Seena V. 
Phileryus / At:hAb.|| 

[Phile rgu 

0 wie ein großes hertzen leytl 

Find vnser Herr jetzt allbereit / 
Wie Tbel ghebt sieh dooh das Weib 18. (Og.) 
<60 Ihr herts will gar aoß jbrem Leib. 

Fürwar wann ich sie thu ansehn 

Mein äugen mir anch vhprgefin / 
Daun icli weil) wul das bie hierinn 

Vnschuldig ist, hat keuschen sinn / 



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1 



— 60 — 

«6 Terflneht 'seyen di« »Iten gar 

Di« sie gebracht in solch gefahr / 

Warumb ricliten sie doch solchs an? 
Gott Wirts uit vngerocheu lau. 

A 6 h a b. 

Was balgt der doob mit jbm allein 
£60 Hnfi jhm ein venig auffhorolien fein. 

Philergus. 

Ich hoff Golt werd jhr g^bett erhören 
Vnd solchem falschen anschlag wehren / 

Die beydc stürtzen in groß schand 
So sie gar vol verdienet band / 
*^ Wolt Gott ieh dArflts an jhnen reeben 
Welt sie varhafftig beyd erstechen. 

A c h a b. 

Ho ho / ich bin noch weit von 'Mr 
Ich mulj mich warlicli st-heii für / 

Will zu jhm iiiu vud sprechen an / 
s 670 In fründtligkeit wie iehs wol kan / 

Wo nanß Philo rge? ein goten tag, 
Wie gehts dir? was hast för ein Uag? 

Philergus. 

Was gehts dich vnd ein andern an 
Was ich alihie m schaffen han. 

Achab. 

675 £y soltu mich t>o kautzeu drumb? 

Kenst mich nit? ich bin Aehab firnmb / 
Dem Volek ein Eltester gar gnt / 
Dramb man mich billich ehren thnt. 

Philergus. 

Darnach frag ich im gringsten nicht 
680 Ein anders jetzt mein hertz anficht / 
Händler der führt ein glatten sehein 

Ist doch ein Schaidt im herteen sein / 
Wie man der Gsellen gar viel find 

Will drnmb nit sagen wer sie sind. 

Achab. 

685 Wie / nieinstn mich ? bald thu mirs sacen 
äo will ich ein schantz mit dir wagen / 
Ich merck gar wol dn meinest mich / 
Wie ich verstehe eygentlieh. 



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— 61 — 

FhilergraB. 

jBs geht endi hie iii«ht ADderat dan / 
tiW Wie Gato ein vcrs ttiget «n / 

Conscius ipse sibi, de se putat eumia diei* 

Wer otAvas (>A<i»\s hat {rf^fh^iTi 
Der meiut man sag uur stets dauon. 

Aeha b. 

Hab ieh dana etwas b<^6 g«th*a? 

Phllerg-as. 

6*5 Was tragt jhr laug / was gelits imck au / 
Habt jhr tras gthon / eo wiat jhn wol 

Heint jhjr* das ioha ooch sagen soll / 
leh hdf loh woU noch selbs mit lauffen 19. (CUj.) 

Wann man dich alten wirt ersanifen. 

Aohab. 

7» Was ßagsttt? 

Ph i 1 er g u 8. 

Ich sag ich wolt gAr dapffcr lauffen 
Wann mich die Bauren weiten ranffen. 

Aoliab. 

Schaw zu Philcr^''c / das du fein 

Gestehest aller reden dein / 
Dann wann man halten wirt Gericht 

So will ich dein vergessen nicht. 

P h i l c r g u s. 

Jetzt g-eht er weg" der hcylol') Mann 

Sein falsche sach zu fallen an / 
Vor jhm laü ich nit grawen mir 
710 Wann er es schon wirt bringen für. 
Aber ieh hoff das blat werd sieh 

VmbM'endcn noch des tröst ich mieK* 
Nun muß ich wider gehn hinein 

Ynd sehen zn der saehen mein. 

Actus II. Seena TL 

Helky(l)as / Anna. 

c l ky a s.] 

715 Ach lieber Gott was kümmernuß 

Müssen wir Menschen 8teh[e]n vß / 
Was bwtaenlejrd vnd große noht 

HUssen wir trarten früh vnd spat / 
Aeh Gott deß vnleydliehen sehmerta 



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62 - 



7» Wie wirt geqaelet doch mein herts / 
Das ich die schaiul erlebet han 

Die meiuer Tochter auyethnn / 
Die ich doch stets zu Gottes ehr 

Eraogea hab ia guter lehr / 
Hat mir gefolgt / biß sie alsdan 

J 0 a 0 h i m gnommen za eim Mann / 
Der sie doch jederzeit auch wol 

Bericht / wie sie Gott ehren soll / 
Aber der teüffel bat kein ruh 
TBO Biß er die frommea feilen thn / 
Doch Wirt G-ott eehen aneh darinn 

Deß tr6st ich mich von hertzen mein / 
Er Averd gleich wie die Soim s« klar 

Ihr vuüchald macheu offenbar^ 

Anna. 

736 Diß ist aneh jederr^t mein trost 
Das Gott die seinen nit verlost / 
Verlaß mich auch allein auff jhn 

All andre hoffnnncr ist dnln'n. 
Gott wirt di<^ falschen zeui^eii wol 
WO Straffen, dauu er ist warheit vuü / 
Ach Gott vie ist sie doeh so sehr 
Betrfibt vnd bkfimmert stets je mehr. 

H e 1 ky as. 

Wie danrt rrnfh Joachim US doch 
Der sich auch sehr bekümmert noch 

Vnd ihut jhm in dem hertzen weh 
Der schwere zustand in der Eh(e). 

Anna. 9a (Ciiij.) 

Hein tag het ich dem Midian 

Solchß nit vertrawt das ers gethan | 
Dann er sich in der zeit ließ raercken / 
"50 From / autfrecht / gut / in wort vnd wercken. 

HelkyaB. 

Es heißet jetst sn dieser seit 
Sehaw fleißig du anff ander Lent / 

Vertraw nit leichtlich jederman 
Du weißest dann wol was er kan / 
755 Fiir bAsen Lenten hftte dich 

Denck uit das jetz whü bleib heimlieh 
Gott weiß vnd siehet alle ding 

Wie klein vnd gring siehe aneh anfieng / 
Wider die Göttlich Uayestet 
7&) Soll nichts arges werden geredt* 



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- 68 — 

Anna, 

Darneben ist kein besser liaab 
Dann daß man gui» >;e wissen hah. . 

Da« grtete vogrlftck daa da kaa / 
Äuff Erd ein Menschen vbergan / t 
765 Ist dieses / das zu mancher frist 

Bin Jlencch des andern teüffel ist. . . t 

Helkyas. 

War ists j dann inaii jeUt sieliet schon • ' • 

Was vns soll werden angetkon / 
Gott geht mit- seinen seltsam vmb 

770 ?ie haben hie kein e3'genthQmb / ' 

Ins ewig Eeich göliArcn sie ' «. 

Pann sie seind ja nur frenibdling hie l ' - 
Drumb ists nit wunder das sie han 
In dieser Welt kein plats noeh plan / 
776 Deß müssen wir vns trösten steht 
DiewtMl es vns trübselig geht / 
Ich hoff Gott werd vns lassen nit 

Dann es ist nit sein brauch vnd sitt / 
Wir wollen vns an (iott fest halten 
780 Sein gnad vnd warheit lassen walten. 



Aotnt IL Seena VII. 

Raphael. 

Dem Herren singt ein newes lied 

Die vberschwencklich Gottes gdt 
Die gmein der heyligen soll fein 

Gott loben vnd die gnade sein 
7» Israel soll sieh frewen sehen 

Dessen / das er an vns gethon / 
Die Kinder Z i o n in gemein 

Sollen von hcrtzen friMich sein 
Sie sollen preysen (Tottes nam 
T90 Mit paucken / leyhen lobesaiu / 
Dann er ein wolgefallcn hat / 

An seinem Volek f er sucht auch raht / 
Dem elenden an£f erden hie 

Keinr ward von jhm \ierta8seir je / 
790 Die HeilL-en sollen frölich sein 

Prtvstu vnd rfthnien Golt allein / 
Ihr Mnnd soll auch erhöhen Gott 

tfit jhren Uppen frft vnd spat / 
Ynd soUn in jhren henden haben 

Gar seharffe Schwerter bey sich tragen / 



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— 64 — 



Darmit sie ernstlich vbeB räch 21. (C T.) 

Tndcr den Heyden straffen schuiach / 
Vud dai> sie jhr König allsant 

Mit ketten binden staroker hand / 
flOB Di« gwalttgen / Edlen vüd refehen 

mt eyBern feasoln weh deßgleiehen / 
Du sie jhnen das recht anthon 

DaniOB man find o-e^chrieben schon 
Elin solche ehr vnd großen lohn 
810 Werden die lieylgeu hau daruon. / 
Dem Allein AUm&ehtfgen Qott, 

Dem Ewigen Herrn Zebaoth 
Sey preyß m 1 Ehr / sterck / macht / gewalt / 

Lob vnd danck heyl / krafft / mani^lt / 
815 Jctzund / forthin vnd alle zeit / 

Ja gar biü in die ewigkeit. 

lIVSICA. 



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Argumentum. 



III. Actus. 

Im dritten Aet herrlieh vnd Bch^n 
Zwo tvgfttdten ]i0rmiifi(6r] gelm / 

Die warheit vnd gerechtigrkeyt 
fflO Klagen der Welt boßhafftigkeit 
Darauff dann znm cxempel klar 

Ein Baur vud KahUlierr luacheos war / 
Qn aogenselMiidiflk virt maxk lehn 
Wie es heut pflege ssssgelui / 
926 Ynd wie das gelt auch jmmerza 

Die blinde Welt verführen thu. / 
Man wirt auch sehen ^\idcrumh 

Wie die S u s a n ii a iceuscii vud Irumb 
In jlurem Creats vnd trftbsal sehwer 
fi» Zu Gott rAffet je lenger je mehr 
Auch wie sie Bitterlichen kempfft 

Mit Gottes "«'ort die triibsal dem|ifflb 
Darzu jhr dann der Engel gut 
Macht gleichsam einen heJden muth / 
835 Das sie sich wider thiit erlaben 

Herekt snfl^ jKr werd riel lehren haben. 



Actas III. Seena I. 
jBstitifi / Veritas. 

fjQBtitia.] 

Meia liebe Schwester Yen' tag 

Hie het ich dir zu kiageu was / 
All beyd seind wir toü Gott gesaadt / 
wo Bern hAohsten Herren ia allem Lattdl / 

Doch aber nicht wir beyd allein / 

r>ann noch mehr vnsiv^r Schwecteni sein / 
Der Meu-^oht ii Hert/.en em/.unemiiien / 
Was VHS zu wider / zu demmeu / 
9» WelebB ieh mit freirden gfangen an / 
An allem ortb mein beste gethan / 
Nun aber komm icli trawrig wider / 

Dann man will mich ^ar trucken nider / 
Bey Lfroli vn<l klein in aller Welt / 
S50 Ich weniger als nichts mehr gelt / 

Ja man thnt nieht mehr an mieli dendcen / 

Teil gseliveig die saehen naeli mir leneken / 
Das thut mir in dem Hertzen wek / 
Das ich kein statt soll haben meh / 
885 Gott der selbs ist ■ «Tei-echtigkoit / 
Ist solches auch vou Hertzen leyd. 

Verität. 

jQBtitia aeh Sehweeter mein / 
Laß miek kierftber leydig sein / 
Da weist das Gott an jeder frist / 

Selber ^ie ewig warheit i«t / 
Noch will man mich mit nickten leiden / 

Muß allenthalben trawrig scheiden / 
Der TtnStl ist mein widerstände / 

Der will eynnemmen gar das Iiandt / 
Vnd wird der Logenvatter ^^uennt / 
Zeucht seine Kinder auff behend / 
Der macht mit seinem häuften Kind / 

Das ich kein statt vnd platz mehr findt / 
In allen Hftndlen vnd Gerickt / 

Will man mir nimmer glauben nlekt ( 
Drumb will ich wider gehn zu. Gott / 

Der mich vnd dich auß^'-esendct hat / 
Bey dem wird man mich jeder zeit 
Finden / vnd bleib in ewigkeit. 



865 



670 



— 67 — 
Jastiti 

875 Bey etlichen wirds zwar betracht / 

Wie mau von vnä ein Sprichwort gmacht j 
Fides die J»t geeeblagen tedt / 

Justitiä die leydet Hohi / 
Ynd Pietas die ligt im stro j 
880 Humilitas schreyt mordio / 
Superbia ist aiifkrkohrn / 

P a t i e n ti a hat den gtreii veriolun. 
Verität ist gdin Himmel gflogea 
Trew vnd efai vber Land gesegea / 
886 iHe frombkeit laßt man bettlen gohn 
T y r a n n i 8 die besitzt den thron / 
luuidia ist wonlou loß / 

Vüd Oharitas erkalt vud bioß / 
Togend die ist deB Land[8] vertrieben 
890 Boßheit vnd vntrew drinnen blieben. / 

V e r i t a 9. 

Ach Gott es ist die warheit gantz 
Mann schlecht vns doch nur in die schantz 

Wir wollen wider [za] Gott zü baoß 
Der vns von jhm gesendet nnß / 

Wer vns von Gott begert vnd bitt 
Dem werden wir versaget nit 

Actus III. Seena II. 
Corjdon / BOdtaii. 

[C 0 r y d 0 n.] 

Nun geh leb vmb heut diesen tag 

Ynd sich ob ich nit finden mag / 
Bin frommen Mann, der mir geb raht f 
90O Einr saeh / so sieb begeben hatt / 
Zwischen mir vnd dem Naehbum mein 

Der thut mit mir so vneins sein / 
Will mir jtrebieten für das Recht 

Vmb einer Sachen die gar schlecht / 
9» Wan ieb nnr find den Hidian 

Der ist mit mir ein gnter Hann f 
Der mSst mir rahten in der sach 

Das ich nit komm in vng'emach / 
Z^v61ff Thaler müsten mich nit dauren / 
WO Ein ander mal wolt ich drumb trawren / 
Dort sieb ich schon den Midi an 

Hnß dapflbr lanffen vnd an jbm gabn / 
Hidian / Midian / wartet doeb 



23, 



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— 68 — 

♦ 

Der alte geck hört es nit noch ' 
9i5 M i d i a n f M i d i a u / n-if^h Ii6rt ers nit / 
Midian / horch das dich der rütt sch&tt. 

Hidian. 

Was hastu für ein Gottlos gschrey 
MxAvM dM ich deiaet wiUn da sey ? 

Gorydoa. 

E> Jancker ich wolt euch was sagen 
990 Mit nix hat aieh was EOffetragwi. 

Midian. 

Machb nur baid her / vud nit viel wort / 
Dann ieh gesehwind mnß gehen fort 

C 0 r y d 0 n. 

Zwischen meim Nichbanren vnd mir / 

lät 80 was seltzams gangen tär 
Zum nehr mal da Idi troacken war 

Tnd heim gieng in der finstre gar / 
Da fand ich auff dem weg ein Pferd 

Ist nit wol 30 Gulden werth / 
Vnd war ich eben zinilich mhd 
^ Hab weiter können kommen nit / 
loh saß daranlf vnd ritt damon 

^bs also bey mir lassen stöhn / 
Dann niemand hatt gefragt darnaoh / 

So hab ich nit viel weg"cns prniacht / 
935 Hab gdacht weü ist / der wirts wol holen / 

Midian. 
leh merek wol dn hasts gestolen? 

0 r y d 0 n. 

Nein Juncker, sulchs mein nachb[arl anch sagt 
Hats schier der gantzen Welt geklagt / 

Danunb o lieber Midian 
MO Hab ich euch jetzt woUn spreohen an / 

Vmb einen raht was ich soll thon 
Wan ich so für gericht wcrd stöhn / 

Dan er mich fordern wirt ffir recht / 
Vmb dieser sacli ^^eriug vnd schlecht / 

Midian. 

W5 0 Co ry den ich raht dir nicht 

Du wärst heut mit dem sträng gericht / 

Corjdon. 

Ey nein / so bleib der tenffel hie 
Ich will gehn laulfii ieh weiß wol wie. 



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— 69 — 

M 1 d i a n. 

Wart C 0 r y d 0 n hör nocli eia wort / 

Oorydon. 
960 Nein / nein / ade ieh maß jetit fort 

M i d ia n. 
Ich will dir geben eiuen rabt / 

Corydon. 
Dai ich .viflleiefat Um aoff das rad f 

M i d i a n. 

Dem leljtjii will ich dir erretten 

Wau liir waä gäcixicht an dem älatt tretteo. 

Corydoa 34. 

966 Wolau 80 will ich euch vertrawen 

Ihr werdet mich freundtlich anaehawen. 

Midi an. 
iOs fehlt mir aber sontt noch was 

0 0 rydon. 
Dnumb Uidiau / Bagt waa es aey? 

Uidian. 

ich hott auch ein Verehrung gern 
960 Ehe Boichs verrieht wlrdt vor den Herrn. - 

Corydon. 

Was muß ich eiicli dann daruon geben 
Wann jhr errettet mir mein leben ? 

Hidian. 

Mancher der thnt mir gar wol lohnen 
Doch Ulm ich von dir SO Kronen. 

Corydon. 

9fö EyMidian / das wer zuuiel 

Pnnffxehen ich euch geben 'will. 

Midian. 

Wolan ich wills nemnren von dir 

Ein andrer hett mehr geben mir / 
Weill dir aber ist angst vud bang 
9n Will ich dich nit auffhalten lang / 
Daramb gib geltt vnd sahl mirs her 
So will ich folgen deim beger / 



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4 



— 70 * 

Mich dunckt sie seyen nit all £rnt / 
Dan diese nur zwea Goldea thut. 

Corydo n. 

976 Wann sie faheh weit / woUs eaeli nit ^eben 
Das solt jlur mir Tertrairdn eben. 

M i d i a u. 

. Wolan ich nun zufrieden bin 

loh hab dai mein geh jetefc nur bin. 

Corydo n. 

Ey das wer gar vnbillich doch 
580 Ich will euch eine geben noch / 
Ej Midian / ey wartet do 

I«h will endi safalen dar aoob nro / 
Aeb wolt jhr mieh abo betriegen. 

Uidlan. 

0 ioh liab noch gar kein vernfig^n. 
MS Wann dn will $XK geben mir 

So will leb warlieb bellfen dir. l 

Oorydon. 

Seht bin noeh fanff, jetit hebt jbn gar 
Gedenefct das leb aneb arm IBrwar. 

M i d i a It. 

Wolan jetzt will ich dirs ansagen 
990 Wann dein nachbnr wirt ab dir klagen / 
Als wann da jbm das Pf erdt geitoien 

So must aueb reden vnn erholen / 
Wann du vor dem Gericht tliust stehn 

Must nit ft-eaen[tjlicli vnib dich jehn / 
995 Must auch nit forchtsam aldo srulm 

Maim meint »onst du habsts gethon / 
Sonder fqin UeUieb sieb vmb dieb 

Bammb so gib aebtang anlf mieh / 
Ich will dirs jetzund zeigen f< in 25 (D.) 

IWK) Also mnst heben den Kopff dein / 
Du machsts nit recht, heb vbersich / 

Die aufiren nit «rar vndersich / 
Den Hut nim fein in deine hend 

Darmit man den dieb nit recht kent. 

C 0 r y d 0 n. 
1005 £y Midian ich bin kein dieb. 

Midi a n. 

Ich sacrts nit Avann mir nit werst lieb / 
Du must auch weiter achtnng geben 



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• 1 

I 



— 74 • 



Den liiit nit an die Ohren häbtm / 
Vnnd merck foin auff was jener tagt 
1010 Wann er hat genug geklagt / 
So fang auch deine antwort an 

Sftg / die BMh tJmt Bit alio stehn / 
Dann wie dn kommen biti ssm Fferdt 
Sey es gelegen anif der Erdt / 
1015 Da habst du dich gefSrcht gar sehr 
Vnd nit gewist was dieses wer 
Seyst auch darüber gfallen mit macht 

Das dir das Herta im Leib gekracht / 
Sinsmali eke d« warert gerfist / 
1020 Da sey es mit dir anl^eviaekt / 
Vnd hab dich «rstolen von '?pni ort 
Geschwind mit dir geiautten fort / 
Du habst nit kdnnen steygen ab 
Li einem solche stsrcken trab / 
'100 So wolatn daranir pnUtUerm 

Das dich das Fferdt hab thiin entf&kren / 
Ynd bgerest weiter auch darzu ^ 

Da« iriiin dem Pfor(h sein rocht anthu / 
Mann sulI sich i\>:-\\uLi ^iiaatt bedencken 
WflO Vnd dao Pierd au den Galgen hencken / 
Du habst es noch in deinem Hauß 

Qefeagen vnd kan nit kommen anß / 
Vnd wann du solcks Wirst bringen fBr 
Will ioh daylfer anstimmen dir. 

C 0 ry d on. 

1035 Fürwar der raht irefalt mir wol 

Keiu Gelt darlür mich daureu soll. 



Uidian. . 

leb will nnn jetsond geben hin 
Bedenok dieb feini / in deinem Sin / 

Zu iiriiter nacht ich muß g-ehn fort 
1040 Qedenck fleißig an meine wort. 



Aetna III. Seenm III. 

0 orydon. 

Das muß mir sein ein gschmitzter Mann 
Der mit der sach vmbgehen kau / 

Vieleicht hat ers vor mehr probiert 
Auch etwaun eim das äeiu eutf&hrt 

Er kan den schaick gar wol verdecken 
Tbnt SK> Kronen mir äbsobreoken / 

Wann miebs nit büHt fOrwar ich sag 



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— 72 ^ 

Von stunden an ich auff jhn klag / 
Wann man mich hcnckt so muß er mit' 
1050 Oder ich will auch sterben nit / 

Das halb hab icii vergesseu sohier 2ö. (Dij.) 

Das er htX uigezeiget mir / 
■ Dum er der lehelmerey eo toU 
Daß einer nit kan mercken wo! / 
tOöö Nun will ich wider pehn hinein / 
Vnd sehen zu den saclien mein / 
Danuit wann man mich fordert hin : 

leh ftnoh dann staffient Üb '/ 
Sonst dftilft es kotten mir meu hftnb 
1060 Oder müat essen Gslgenkrant 



Aetvs III. fleena IV. 

Hclkyas / Joachimu^. 

(Helkyas.] 

0 Joachime wie gehts zu 

Was wftrekt der teülfel f Ar vnnh / 
Aeh wie wirt eirer Herta mit pein 
Ohn vnderlaß beschweret sein / 
1066 Dann ichs an mir selbs mercken kan 
Wie es euch wirt sa hertzea gtJm. 

' Joaekimns. 

Ach lieber Vatter ich weiß schon 
Das ieh vor leyd [fast] maß sergoliB / 

Wo soll ich anß / wo soll ich ein? 
1070 Veriamert ist das Hertze mein 

Ach das sey Gott im Himmel kiaL-'r 

Die Schwermut mir Hertz abnajirt / 

Duell will ieh micii auü Gott verlahu 
Der ▼oll mir kellfen vb9 beystaha. 

Helkyas. 

1075 Oott hatt die seinen in der hand 

Laßt sie trerahten in kein schand / 
Wann er ein wenig- schon zueicht 

So laßt er sie doch fallen nicht / 
Dann das Oreatz vnd daß leyden groß 
1060 Ist an der Seligkeit die strbß / 

Wann sie schon zeitlich mässen sterben 

Wirt doch jlir Seel keins wefrs verderben / 
Dann wann sie ist g^crccht gewesen 

Soll sie in Qottes hand genesen. 



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73 



Jo aehim ns. 

lOte Mein sach hab ick auft Gott gcätelt 

Der machte aneh vfe m jhm gefeit / 
Will lim zu meiner Haoßfraw fahn 

Ihr ensprechen vnd zeygen an / 
Daß sie «ich faß mit dem Gebett / 
1090 Gill gleich wie es darnacli mehr geht j 
Ich bitt jhr wollet mit mir hin / 
Zq tiAtten jhren betrftbten sinn. 



Acta» III. Seena V. 
SaMona / RaphaeL 

[8 n 8 a n n a.] 

Herr Gott da trewer Heyland mein 
Wie komm ich fbr das Anglicht dein / 
1096 Vnd Bchrey anß meinet Hertnen gnud 
Da voUbI mich liAren an der stund / 

Laß mein Qebett kommen ihr dioh 
Neig deine Oluren das biU ioii. 

BapbaeL 

Baff da an den getrevea Gott 
1100 Er Wirt dieh gwiß erhören / 

In dieser deiner großen noht 27. (Diq.) 

Gnedige hilfif gewehren / 
Darfur du jhn / auß Hertz vnd Sinn 

Solt Ewiglichen preysen. 

Snsanna. 

llOft Mein Seele Ist de6 jammera voll 

Alls wann sie zn der Hellen soll / 
Ynd bin auch denen gleich geacht 

Die in die Hell fahren mit macht / 
Vnd wie ein Mensch das schon gefeit 
1110 Kein tiost wsiß in der gantien Welt. 

Ba ph ae 1. 

Zion spricht sonst gant/. vnbedacht 

Der Herr hat mich verlassen / 
' Xan aneh ein Hutter vnbetradit 

Ihr Bind nit a^Hertaen fassen / 
Vnd ob sie schon / dasselb gellton 

Will Qott mit nieht ▼ergossen. 

Snsanna. 

Ynder den todten lige ich 
Terlassen ganta elendiglieh / 



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Ach das du nit gedencket dran 
1120 Das sie samptlich von dir verlaa / 
Du hast mich in die grub gelegt 

Mit großer finsternuß bedeckt / 
Dein grim traekt niieb je lengr je mehr / 

Dein Hat gante gniiaaiii ratudieii her. 

Raphael. 

1125 FArchte dich nicht gantz wundersam / 
Hab ich dich schon erlöset 
Hab dich geruflfen bey deim nani 

Du bist mein, sey getröstet / 
Ob du wirst sehen dorehs Wasser gehn / 
iiaa So will ich bey dir bleibe / 

Vnd dareb das Fetlr / gante Tagehefir 
Will aUes ven dir treiben, f 

Snsanna. 

Mein Freund hast ven mir gtrieben hin 
Bin grewel ieh jhn werden bin / 
1185 Ich lig gefangen jAmmerlfdi 

Ean nit darauß / erbarme dich | 
Vnd rftffe dich «o trcwHch an f 
Breit mein [1. dein ?J band auß j wolst mir beystahn. 

. Baphael. 

Oott hat ein Beeher in der Hand 
1140 Mit starokem Wein geseheneket / 
Schenekt auß demselben allen sant 

Hit vnderscheid bedencket ; 
Die Gottloß rott / sich saufif zu todt 

Der fromm bleib vngekrencket. 

S u s a n n a. 

1145 Wiltu vnder den todten dann 

Dein Wnndt^rzeichen lassen gahn | 
Oder wer dun die "v^erstorbenon 

Zu dauckeu auß dem grab auö'stehu | 
Wirt men im grab dein gftt erzehlen 
lUO Im Terderben dein trew erw6hlen 
Mögen dann dein wunder allsant 

In finsternaß werden erkant? 
Oder dein Grechtigkeit ergahn 

Im Landt da man nit dencket dran. 

Eaphael. 28. (Dmj.) 

1166 Oott hat dich sehftn gesogen an 

ifit heils Kleidern geschmucket ( 
Der Greohtigkeit Book aagethan 



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Das schandtkleydt vndertmcket / 
Daß du voraüß f in Gottes Hanß 
1160 Der Lebendigen Kinden 

Solt loben Gott / so wirst ohu &pott 

Daß ewig Leben finden. 

Smanna. 

Aber o Herr zu dir schrey ich 

Laß raein Gebett kommon för dioh | 
1165 Warumb verstost die Seele mein, 

Verbirgst vor mir das Antlitz dein? 

Raphael. 

Der Herr harret doch allezeit 

Das or gn^idic erscheine f 
Hat sich auttgiaacht vnd ist bereit 
1150 Daß er sich erbarm deine: 

Bta Gott itt er f des Griehts g$x sehwer 
Wel allen die sein linrren. 

8 u s a nn a. 

loh bin Ohnmächtig vnd ellendt 
Daß ich verstoßen an dem endt ( 
117S leh leyd dein sehreelren so ieh heb 
Daß ich auch schier venng darnb. 

Dein grim der helt vber mich 
Dein schreck mieh traoken graosamlich. 

BaphaeL 

Daß Bohr das sehen aemtoOen Ist 
1180 Wirt er nit brechen lassen: 

Daß glimmend dacht so schier verUseht 
Wirt ex erst recht anffblasen. 

Snsanna. 

T&glioh vmbgeben sie mich all 
Vmbringen meine Seel zumal. 
1185 Dn machst daß meine ftreündt aUsandt | 
Von mir abziehen jhre band \ 

Drurab daß ich so verlassen bin / 
Vnd auch mein Leben schier dahin. 

BaphaeL 

Mit frewden wirstu schöpften doch 
1190 Wasser auß den heyi Brannen { 
Wirst anr selben seit sagen noch 

Dem Herren danck | besnnnen | 
Frew dich nur sehr / je lengr je mehr 

Gott Wirt dich wol erretten. 



— 76 - 



Sus an n a. 

1195 Wolan Gott dir gib ich die raach 
Kacb deinem willeu du es mach j 
Ich bfehl midi in dein treire bnt 
Sftff Amen / Aofi getrostem mnth. 

K ap hae 1. 

Ruck dich f Buck dich du böser geeist 
12G0 Buck dich geschwind wie Gott da£ heifit 
Eom her in dein Hellisch iiauß, 
Hie wirstu gar nichts richten anß. 

UVSICA. . 



Argumentam. s». (Dt.) 



IV. Actus. 

Im vierten Act merckt | wie ich sag | 

Habeu die Alten ein Kahtschiag j 
1205 Wie Bie vor Glicht nit woilu erschrecken f 

Sonder den Sohalek gantz höflich deckea | 
Indeß die Biehter kommen her 

Sasa nn» wirt anff jhr beger, 
Oeholet hin | die fangen an | 
mo Za klagen | was sie hab gethan. 
Wie sie groß vnzacht vberaaß / 

Getrieben / in jhrem Garten draoß J 
Sehweren dann es sey so badiaffen 

Hann soll sie naeh dem Osete fein straffen f 
ISIA Autf diese anklag vnnerschampt | 

• Wirt Susan na zam todt verdampt. 
Da meinten schon die Alten /.wen j 

Es sey uacU jhrem sinn geschehn | 
Aber Gott wiUs enlassen nit 
uao Selückt jhr hlUt aiÜT die erste bitt 
Daraon weiter im fänfften Act / 

Hemaeli soll werden angesagt 



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Aetiit IV. BeeM I* 

Midiaa I Achab. 

[Xidian.], 

][«üi Aohftb Bon mSasen wir dann 

Vnser sach endtlich fangen an / 
SB granßt mir schier | doch acht ichs nicht | 

Wann wir schon kommen fftr Gericht | 
Mein Maul das will ich gar nit sparen | 
I>aii werdet jhr an mir erfahren. 

A ch a b. 

Ich hör wie sie so klÄfrlich leb 
1290 Aach aoß dermaßen vbel gheb. 

Hidian. 

Ja ieh glaaba ( dann man kau woi denoken j 

Das es sie wirt gar vbel krencken | 
Doch frag ich alles nicht darnach 
Sie muß noch besser an die saeh. 

Ackab. 

loh weiß wol wie es gehen wirt 

Wann man vns vnd sie hat gehört j 
So werden sie an vns begereu f 

Dafi wir aach ein Eydt soiien schweren j 
Wie Wirts dann gelm f mein Midian 
Wie werden wir das greiffen an? 

Midian. 

Wann man üasselb begereu thet 

Zehen £ydt schwör ich an der stett | 
Es gehe mir reeht wie es woU 

Dises euch nit bekümmern soll. 
1215 Es wirt vns daramb nichts geschehn 

Weichs jhr zwar selber werdet sehn / 
Seyt jhr nur irisch vnd vnuerzag't 
Die sach die muß nur sein gewagt. 

A c h a b. 

Schawt zu die Richter kommen schon 
13S0 Wir wollen auch trleich mit jhn gohn | 
Vns setzen wie es sich gebürt 

Ynd hdren was da wirt gerUhrt j 
Wann wir sehn | wie es will ergrehn | 

So wAUn wir KIflger bald anfttehn. 



ISS 



1210 



- 79 — 



Actus IV. Seena II. 

[Corydon /] Cleophas ( Bubalns / Simeon / Soplmm f% OtjM i 
Achab / Midlaa f Soldat. {| 

Corydon. 

1255 Ein g^uten ta^^ jhr Herren all 

Gott ßey mit vns hie auff dißmal. 

E u b a 1 u 9. 

Daß gebe Gott vns alln -m i^'-ut / 
Der halte vns in seiner bat. 

Cleopbfts. 

Ohn KwtiSel habt jhr schon verDommeB 
1360 Weßhalb wir jetzt zasammen kommeii f 
Nenilich zu halten ein Gericht 

Doch öffentlich vnd heimlich nicht / 
Derhalb so fhn idi melden an / 

Frey offoetlieh Tor jederman 
Wc jemandt ist / der etwas hat 

Zu klagen hie an diser statt 
Dem Solls ceg^undt sein allbereit 

Doch daß er brauch bescheydenheit / 
Mit reden | antwort vnd dergleichen 
1370 ifit aofltoettea l vnd hindaa weielien | 
Wer hierinti' etwas ftbertritt 

Dem "vrirt es nach gelassen nit. 
Zehen pfnnrit Silbers soll d^r i^ebrn 

So dem gebott thut -Nvider streben. 

Aehab. 

1275 Beir Biebter vnd jbr guten frenndt f 

Die samptlich hie versamlet seind, 
Ich vnd mein freündt Herr M i dian 

Metten etwas zu bringen an. 
Wann man vns wolt geben gehör 
1280 So wolten wir es sagen her. 

Cleophas. 

Das soll euch schon erlaubet sein. 

Die Bahtsherren. 

OefMt vns allen in gemein. 

A ehab. 

So bgeren wir daß man her hol 
Snsannam Joachimi GmaU 
1285 "^as wir haben von jhr EU klagen 

Daft woUa wir in jhr beysein seilen. 



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— 80 



Cleophft s. 

Da Soldat j geh eyllend fort | 
' Sag dM Bie her koim »n* du ort / 
Ynd bring avcb. JoaoliiiDiini mit 
1290 Vftd komm bald her, Terseihe [L veridehe] ait 

Soldat. 

Es soll gschehn was jhr bfohin hau 
Will mich bald wider linden laiu 

Cleophas. 

Setzt euch nur nieder biß sie kommen 
Vnd die sach word^ fhrgenommen | 
1^ Jst sonst weiters vorhanden nicht 81, 
Daß es hie zwischen werd verricht. 

Oorydon. 

H^r Richter | hie hett ich zu klagen auch 
Dmmb hArt mich fein wie hie der braneh. 

Cleophas. 

Ey ja / sag her was ist es dann | 
laoa Vnd maeh es karte, ianm dieh nlt lang. 

Corydon. 

Znm nehr mal war ich trunckons Wein 

Wie dann jetz solchs der brauet will sein 
Vnd aßen ein dick Haberniuft f 

Daß mirs wehe that am iiacken Fuß | 
i30& Da wolt ieh eylendta heim bej naoht f 

Vnd nam auch keines we^s nit aeht ( 
Stieß mieh dardnreh an sehen hart | 

Daß mir der fersen bluten Wardt J 
Als ich nun nider sitzen tha 
1310 Vnd will den schaden binden zu / 
So fiel ich pben auff ein Pfordt 

Weichs schlieff / vnd lag still auff der Erdt j 
Wflf eht mit mir anff eins mals behendt 

Ist straoks mit mir hinweg gerent | 
S» Uefif so eylends mit mir forth 

Daß ich kondt reden nit ein wort | 
Drumb es mich hat-dard«upch gestoln ( - 

Das klag ich euch jetz vnuerholn | 
Derhalb jhr Kichter euch bedenckt | 
1820 Vnd solches Pf erdt an Galgen henckt 

■ I 

Cleophas* 

Mnß warlieh dieses Bauren lachen 
Mit seiner so schweren schmaeh saohen. 




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— 81 — 



C 0 r y (i 0 n. 

Horcht ich muB euch noch mehr klasren 
Vnd euch von nieiuem Nachbarn sagen 
1333 loh ireiß nit ob jhr jhn aneh kent 

Wirt Bonst deß Hansels Pefcer gnenk | 

Vnd ist ein dicker Kcib wie du 
Hat ein weit gTO& Maul wie ein Enh | 

Gesicht auch nur mit einem Aug ) 
1890 Sonst hat er ein 8chÄn Jong-e Fraw. 
Hat ein g'rawen Barth | zimlich reich 
Sicht fast dem Alten Herren gleich. 

Hidian. 

Was sagsta hie da grober knopff | 
Verachtcstn mir meinen Kopff? 
1337 Kein Weißen Barth j vad mein Gesicht? 

Corydon- 

Ey nein f ieli sags nur so eim brleht 
Vnd mein Naehbnr hat am selben mal 

Verlohren auß scim eig-nen Stall, 
Sein Schwartzeil So Ii im et | die Münoheoht Stadt 
1340 So im Mistbären ziehen thut 
Jetz sagt er ich jhn gstolen han j 

Meint jhr ich sey ein solcher Mann 
Daramb so bitt leh 

M i d i a n. 

Was teüffels doch j wann hats ein end 
1345 Meinst das wir sonst nichts zschatlen hend. 

Driinib mach dich forth ( vnd halt das Maul 32. 
Mit diäer deiner sacken laul. 

Cor y do n. 
£y horehen doeh mich noch ein wort f 

Midian. 

Du böser lecker mach dich fort. 

Corydon. 

So gib mir meine Kronen wider 

Oder ich halt dich sonst nit (tr bider. 
Vnd wan du schon f&hrst Schilt vnd Helm 

So bistu doch ein alter Schelm j 
Der teUflel wird dich degradieren 

Ja gar biß In d'Hell hinein führen. 
Aeh Gott ist das nit zn[m] erbarmen 

Das man so vngem hiUft den Armen 
Der alt dieb hat mir abgenommen 

6 



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— 82 — 



Zwentsig Kronen in dn«r snmnen. 
lafiD Bftß er mir in meinen saohen 

Dienen | vnd sie riekUgr nukehen. 

So flitzt er mir vorm gantzcn Griclit 
Heist das die sacheu eim gesohUcht? 
0 deß Riten arg^ea bößwicht. 
1365 Kan ich jim allein erdappen 

loh will jhm haawen solche sehUppen 
Daß er soll evchen an eeim Hnt 
Ein gnntae etnnd ( biß er yerblnt* 

Sop h ron. 

Dort sich ich sie jetz kommen schon 
1370 Aach Joachimam mit jhr gohn. 



Aetas IT. Seeon III. 

SaMima | Joachimti« | Cleoplua | Ht- 1| dian | Adiab | Enlmln» | 
Simeon 1 |1 Sopbron [ Osyiu [ 01«lns j || RvAts [ Lnroc». | [Corydon*] 

[S u 8 a n n a.] 

0 Herr Goit deß die Eaache ist / 
Erscheine mir zu dieser frist / 
Erheb dicli du Richter gerecht 

Schaw an | wie ich doch werd gesehmecht 
1875 Wie laug soll der gottlose hauff f 
Bichten f vnd haben seinen lanit 
Aeh sehaw mieh an, verlaß mieh nit \ 
Darumb ich dioh von hertzen bitt | 
Wolan in Gottes nam komm ich r 
I3sa Will mich eiascellen ghoisamlich. 

' Joaohimns. 

Herr Richter vnd jhr ailesandt 

Wie jhr nach yns geschicket hand. 
So kommen wir i^horsam her f 

Zn hftren ewer aller bger. 

C 1 e 0 pha s. 

I3tö Recht ist es f dann -v^-ir öffentlich 
Jot/.uiid da sein zu halten Griclit 
Darumb wer etwas vou euch zu klagen j 
Wirt es hie gegenwertig sJ4fen. 

Midian. 

Bult sie hieher | vnd sehaflk darzn f 
1390 Das sie den Schleyer vom Qsioht thn? 




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— 83 



Dann sie den Schalck verdecken können 33. (£.) 

Viid üelk anff anders bald bMinnen (• 
Dfiimb tba jhn ab | vnd bleib da sleha | 

Daß man dir in das Gsielit kAnu selin. 

S u »au Ha. 

1395 "Was plagt jhr mich doch Midi an j 
Soll ich so vn^ficlitig da &tahn. 

M i di a n. 

Freyüch £:ar zfichtig sonst du bist / 

Ist nur schadt f das e-^ iiit wahr ist | 
Ihr Ächab bringt dip --aoiieii an | 
1400 Was wir von jhr zu klagen hau. 

A chab. 

Herr Biebter / vnd jhr in gemein / 

Wann es each thet gefellig sein f 
So Molt ich bringen an die sach l 

Vnd euch hernach befehln die Kaaoh. 

Cleophae. 

1406 Sagte nnr bald her f fein karte vnd gvii i 
So iate tds lieb f vnd vol zu mobt. 

A c h a b. 

Gestern gieugen wir beyd allein | 

Wegen deß warmen Sonnenschein | 
In Joaekimi Garten anß 
1410 Spatzieren f vne za lastigen draoß f 

dihe da kam S n s a u n a dar | 

Mit jhrer Magt in Gart f&rwar j 
Wir saßen in dem Garten still j 

Gedachten was da werden will | 
1415 V'iitl fieng bald au zu baden sich | 

Da sahen wir gar eigentlich i 
Kommen daher ein Jftngling schon i 

Gantr. wolgestalt j seh^n angetkon f 
Gedachten was er wftll verrichten 
1420 Bald vergaß er allr Ehr vnd züchten 
Trieb mit jhr schand vnd laster vil | 

Die nit zu reden au dem ziel. 
Da wir nun solches worden gwahr j 

So lieffen wir von stand an dar ( 
1425 Da sprang er mit gewalt daraon 

Trat die Thür anff f vnd ließ vns stöhn. 
Dann er war starck vnd also khün | 

Dali wir iiit kundten meistern jhn f 
DeÜhalb kdnneu wir jhn nit kennen 
1430 A«ch wolt sie jhu mit uichten nennen | 



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— 84 — 

Diß alles ist gewiß vml wahr 

Auch wie die lielie Sonn bo klar / 
Nun mftelit jhr each wol sehen für 

Tnd daß Gesät« vorhalten jhr f 
1435 Auch ein Exempel Statuiren 

Wie M sich fein je will gebären 
Darneben auch solcli vug^efeil f 

Anßrotten ^ar von Israel 
Damit wii auch uit lohn empfangen 
1440 Wie es zu So dorn Ist cr^'^angcn. 

U 1 e 0 p h a 6. 

Fiirwar das wer ein böses ding / 
Die sach ist warliob nit gering. 

Hidian. 

Was A cha b sagt mein meinnng ist \ 
Gib jhm auch Eengnnfi so der frist. 

C 1 e 0 p h a s. 34. (Eij.) 

U45 Billich ist f dal) mau sie auoii hftr 
Susan na hag dein mejnuttg her 
Btstu gestendig diso that / 
So man aoff dich geklaget hat 

S u s a n n a. 

Ach jhr Herren vnd Richter mein f 
1450 oic sach thiit warlich änderst beia. 
AV'auu feie in jhr gewissen gehn | 
So werden sie änderst veijehn. 
Was sie vom Garten melden hie ) 
Daß bin ich auch Midig je 
1435 Aber daß ich hab solchs gethan | 
Wie sie von mir c:e7:ei^et an 
Dasselb gesteh ii h nimmermehr 

Vnd solt man mich dramb peioigen sehr 
Dann mein.^gd hab ich driimb abgesandt / 
1460 Daß sie mir bringe aller handt 
Seyffen, Balsam vnd anders mehr / 

So zu dem baden fein gehör. 
Da sah ich niemand ( dann allein 
Das sie zwen thatcii (Irinnen sein. 
1465 \Vas sie nun hatten in dem sinn ( 

Ich gantz vnd gar vnwissend bin. 

Midian. 

Wann ichs nit hett gesehen klar 

So meint ich jetz jlir red sey war | 
Wie (larffstn aber leugnen diß 
1470 Da du doch weist | das es gewiß. ( 



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85 — 



8 u 8 a n n a. 

Ich leugne solchs hillicli | danu jhr 

Gar hefftig ^ugcsetaeet mir 
Bogen sn bringen vmb meiii Ehr 

Datt werd jhr leugnen nimmermehr. 

C 1 e 0 p h a s. 

1475 Damit man nun zur machen tho 
Vnd beyden theilen schaffe ruh 
So trettet alle sampt bindan 
Was recht sein urard | daß soll ergahn. 

Ihr liv'ben vnd p^troweii mein | 
l'WÖ Nun hurt jlir wie die sach thut sein | 
Wie hefttii,^ sif» da v,nvd xovkVdi^t f 
Wie schandllich ding vuii jhr gesagt j 
. Sie beyd stimmen gar vberein ( 
Daß habt jhr gh6ret in gemein. 
14» Druinb Rahtet alie fleißig zu | 

Wie meint jhr das mans machen thn? 

Ettb nloB. 

Hein Saht wer das man sie all beidt | 
Ließ Schweren öffentlich ein Eydt / 
Wegern sie sieh ab solcher that / 
wso So muß man weiter suchen Baht. 

Thnn sie es aber wüliirlich 

8ü darff man iiit bö^^oriion sich. 
Schweren sie nun ein taischcn Eydt 

So ncmmens auff jhr Seelen beyd. 

C 1 e 0 p h a s. 

1495 Herr Simeon nun thut herbey 

dauon euwer meynung sey. 

Simeon. 35. (Eüj.) 

Weil man begert meins Bahts hierin 
So (Innckct mich in meinem sinn | 
Es wer nit noht f daß sie all beyd 
1500 Sölten druüili Schworen einen Eydt. 
Danu daß Gesai/ auliweyset klar 

Daß ein sach werde offenbar 
Anß SS Weyer oder dreyer Mnndt 
So hört man ey^-entlicli vnd rimd. 
1505 Sie zwen die haben i^lauben vil 

Wann es nit wer sie schwirren still. 
Vnd nit wer etwas an der that | 

Die sie hiezu beweget halt. 
Darnmb meint ich man ließ es bleiben 
1510 Man dftrfite anff den Eydt nit treiben. 



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86 - 



C 1 e 0 p h a s. 
Herr S o p h r o n rahtet aach hierum 
Wes doneket eaeh in ewerem tiiui. 

S opbr 0 n. 

Was vor Eaba lu s vorgebraclit 
Dasselb ich auch für zimlich acht 
1515 Daß man sie beyd roclit thu vorJu^ren 
Ynd einen Eydt düi iii hen Scliweren 
Aiä dann kan man die ääch anstellen / 

Bin reekt billiches Vrthel feilen 1 
Solelu sag ieh aufi einflUtigkeit. 
i&so Doeh retpeeüer ieh ander Lentb. 

Ol e op ha s. 

Nun Herr Osya / was duncket euch 
In diser viisern ^ach zaglekh ? 

Osyas. 

E nbn 1 D s [ vnd aneh S o phr o n beyd | 
Die baben geben gut bescheydt | 
1525 Ihr meynung auch die meine sey / 
Daromb ieh jhnen falle bey. 

Cleophae. 

Nun laßt sie vider kommen her 
Damit man sie femer verhAr. 

Pausando. 

Wolan auff e^yer bcydor klair 
153D Haben Avir ghalten ein Fahtschlag j 
Vnd ist also worden erkandt f 

Von den Kichtern hie allen sandt | 
Daß vann die saeh so bsekaffen ist | 
Tnd jbr es alles richtig wüst f 
1535 So solt jhr hie zugegen beyd 

Frey offentlieh Sehveren ein Eydt. 

A c Ii a b. 

Ich meint wir hetteu glaubens vil 
Daß es nit bdftrfft an disem alel. 

M idia n. 

Es gilt mir gleich wann jhrs be<2:ort | 
id40 Seit jhr werden von mir gewehrt. 

Ach ab. 

So sey es aneh die roeynnng mein f 
Ieh will dessen yrbflttig sein. 



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87 



So leget auff jhr Haupt die hend | 
Vnd sprecht mir nach an disem end. 
W Wir Biehter sweii auß Israel 86. (Eiiij.) 

Achab vnd Midian. 
Wir Biehter swen anß Israel 

Gleophas. 
Schweren hej rnser Leib Tod Seel 

Aehab vnd Midian. 
Scbweren bey vnser Leib vod Seel 

Oleophas. 

Vnd darzu bey dem Höchsten Gott| 

Aehab vnd Midian. 
1660 YQd darzn bey dem H&chsten Gott / 

Oleophas. 
Der alle ding erschaffen hat. 

Aehab vnd Midian. 
Der alle ding ersebafFen hat. 

Oleophas. 
Da6 wir im Garten gsehen hand 

Aehab vnd U idlan. 

Daß wir im Garten gsehen haud 

Oleophas. 

U0& Snsannam treibn vnsneht vnd sehand. 

Achab vnd Midian. 
Snsannam treibn vnzucht vnd schand. 

Oleophas. 

Wann solchs nit wahr i st | so wAll Gott / 

Achab vnd Midian. 
Wann solehs nit wahr ist l so w611 Gott ( 

0 leophas.. 
Vn s straffen mit dem ewigen todt 

Achab vnd Midian. 
VKO Vns straffen mit dem ewigen todt. 



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— 88 — 



0 s y a s. 

Der Schwur ist vber alle maß I 
Vor Gott gar 8chröjcklich vnd gar groß j 

Daraaff soll man das Vrthol spreehen 
Wer vnrecht hat ) d«n wftU C^ott reohen. 

C 1 e o \) h a s. 

1565 Hierauft sprich ich daü Vrthei nun / 

Wie Moses solchs befilcht zu thun. 
Dann also steht Geschribeu klar j 

Wann ein Weib warde offenbar. 
Die einem Hann vermählet sey ( 
1570 Vnd bricht die She oha allen sehen w. 
So soll man sie zn einem spott 

^lit »Steinen werften beyde todt. 
Derhalben alles Volck zusamen | 

Einheliiglich w6U sprechen Amen* 

Die Richter. 

1575 Amen. Amen. 

S Ii s a 11 u a. 

0 du Hl. 'in Harmhertziger Gott | 

Ach 6ciiaw doch an die große noth. 
Da veist daß i«^ vmehuldig bin / 

Vnd kennest mein gemftth vnd sinn. 
1580 Kom mir zu hiiff mein Gott vnd Herr / 37. (Ev.) 

Schick mir dein gwaltig hilff daher. 
Du weisest alle heymlichkeit | 

Vorab daß diso Zeugen beyd. 
Wider mich fftlsriilich Idag-on hie f 
1585 ijaß ich doch iiab begangen nie. 
Ach soll ich dann jetz in den todt ) 

So maß es doch erbermen Gott. 

Si me 0 n. 

Nenipt sie gschwindt hin jlir Heocker all J 

Was steht jhr da gaffen zumal. 
1590 Bindet sie vnd fahrt jmnior fort 

Laßt äie nur machen nit vil wort. 
Vnd jhr awen zeugen sollen fein | 

Anff sie werffen den ersten Stein. 

M i d i a n. 
An vns soll es ja manglen nit. 

Susan na. 

IC95 Aeh schont doch meiner ich ench bilt« 
Laßt mich ein wenig gehen heim f 



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— 89 ~ 

Za Mgnen vor ( di« Freunde mein. 
Hein liebs Gemahl vnd Liebe Kind | 
Mein Eltora viid mein Hanßgesind. 

C 1 6 o p Ii a 

1600 Eya I lalit sie nur jimiicr j^'ehri / 

Geht, aber mit I dal) jlir rn sehn 

Waan es i^eit ist so fahret, torth | 
Damit ihre maehet anff ein orth. 

Ach vie danit mioli doch die Matron 
Welt jGott sie kftm mit fug danon. 

Co r y d 0 n. 

Ach Qott, ach Gott f ach lieber schaw 

Wie danrt mich doch die Fromme Fraw j 
Ich weiß daß sie vnscliuldic: ist | 

DaÜ sag ich hie zu diser tVist. 
1610 Dann «ie sieh stäts in jhrer jagend j 

Oeftissen bat der Zneht vnd Tagend. 
Da doeli hergegen der Uidi an 

Sein lebtag nie nichts gats gethan. 
Dann er mich newlich bschissen hat / 
1615 0 leg er drausen auff dem rad | 
Wolt gern aufif meine 20 Kronen 

Vcrzeihn | vnd [mit] dem Hencker lohnen. 
Das er jhm vnd seinem gesellen 

Die Kftpffe thet heraber feilen. 
1680 Aber ich weiß daß sie noch Gott 

Straffen wirdt mit schandlichem todt. 
Nan will ich recht auch gehn zu hauß 

Vnd meinen gscliefften warten aaß 
Dann wann ich soll allhie zasehn 
1629 Mein angen worden vbergehn. 
So vbel danrt mich dises Weib 

Darnmb ich bey jhrem' end nlt bleib. 

MVSICA. 



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Argumentum» 



V, Actus. 

Der leiste Aetne kompt herbey 
Da. jhr noeh werdet sehen frey. 
1«30 Nach dem dstt Vrtheil gangen auß | 8S. 

Ward Sa s an na auß jlireni liauß 
Gcf&hrt I daß maus tödt zu der frUt j 

Wie das Vrtheil ergan^^^eu ist. 
l>a sie dann auß betr&btem muth | 

Die j^igen fein segneu that 
Aber der Wunderbare Oott J 

Der die seinen niebt in der noth 
Sterben laßt f ward gar bereit / 

Ließ sehen sein Barmhertzigkeit, 
it>4u Dann als man sie geffthret forth f 

Vnd sie nit machen ließ vil wort, 
Aaoh mit jhr gangen nit gar ferr | 

Kern Daniel geloifen her. 
Der sie oTrettet Ton dem todt f 
1615 Well er gesendet war von Gott. 
Hieß sie mit jlir wider vmbkehren | 

Er wöll die Alten recht verhören. 
Weichs auch geschehen aUo bald 

Aber jhr vurecht vnd gewalt 
Ward olfenbar ver jedennan | 

Derhaib wordene gegriffen an. 
Zum todt Vernribeilt aUe beyd / 

Den sie Susan na e zubereit. 
W^urdeu gesteinigt zu eim spott 
1655 Aiso zu straffen pfleget Gott. 

Drnmb seyt ein kleine weil noeb still 

Vnd Bebet wie siebs enden will. 



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Actus V. Seena I. 



Adiab I Dimius | Rufus \ Lurco | Susanna 1 1| Anna | Joachimus | 
Helkyas 1 |i Benlamin | Rebecca. |1 

[Aehab.] 

Förth forth mit jhr es ist nmi seit / 
Was sollen yrit lang warten heut. 
1^ Ihr Heaeker &hret forth mit jhr / 

Dimius. 

Wo seyt jhr Knecht j trettet herftr. 

Bufus. 

Ich bin sehen da vnd wol gerftst / 

La reo. 

An mir auch g:ar kein manerel ist. 

S u B a n n a. 

Nun wünsch ieh euch vil guter nacht | 
1666 Ich muß nun forth mit aller macht. 

Ach liebe Mutter secht mich an ^ 
Ymb vnschald maß ich in todt gan. 

Anna. 

Mein Berts irül mir im Leib verspringen I 
Als wann der todt thet mit mir ringen. 
1670 Ach liebe Tochter trauw auff Gott 
La^ dich aoff jhn mitten im todt. 

Snsanna. 
Aeh Joachime liebstes Hertz | 
Sehairt ist dann dises nit ein sohmerts 

Daß man mich von euch reißt mit gwalt | 39* 
J675 T>io ^y\r der Freuden manigfalt, 
Gehabt haben in vnserni leben | 
Nun will man mich in todt hin geben. 

Joachimus. 

Ach lieber Sehatz k6nt ich mit fog 
Doch lenger mit dir reden ^nng. 
1680 Doch ist dir raein Hertz wol bekandL | 

Susan n.a. 

Aeh gebt mir noch einmal die Hand. .-^ 
Yil hundert tausend guter naeht | 



— 92 — 



leh bitt das jhr meia krew bdtraclit | 
Denokt auch vnd tliut gats vnseru Kinden 
US& So wftrdt sich ^liick vncl heil stets Bilden. 
Jetzuiui 80 gehet Itindov^icli f 

Damit jhr nit bckuiuiueni mich. 
Kompt lieber Vatter auch zn mir 

Daß ieh eucli legne nach g^ebilr. 
1600 Danck euch Gott ewer theinren lehr 

Die jkr mir g-ebn | vnd anders mehr. 
Nun gsc^e euch der lif^be Gott 

Jetz muß ich lojder ia den todt. 

Helkyas. 

Der lieb Gott dir Barmhertzigr sey 
1693 Der wbli dir allseit stehea bey. 

Susann a. 

Wo scyt jhr lieben Kiiulcrlin f 

Ach du hertxlieber Beuiaiuiii. 
Beboooa / vad Joachim klein 
Der liebe Gott ttAII bey eaeh sein. 
1700 Gehorchet ewerem Vatter stÄht i 

Vnd rftfft Gott an mit dem Qebett. 

B e n i a m i n. 

0 Mutter wohin wolt jhr dann | 
Wann jhr wolt ich will mit euch gahn. 

S u s a n n a. 
Za Gott will ieh | mein liebes Kind 

Rebecca. 

t705 Ach llutter kompt auch wider gschwind. 

^ Helky as. 

0 ich glaub ich mofi gar vergehn | 
£8 ist anch vmb mein leben gschehn. 

Di mi QB. 

Wolau wir wollen jetz forth eylen j 
Die sach thnt sieh za iang verweilen. 
1710 Kun kommet her | wir wollen forth J 
Damit es komme anff ein orth. 

A c Ii a b. 

Als nur torth J was ist das gmacht? 

Snsanna. 

Non allen Menschen ein gute nacht. 
Himmel vnd Erdt gesegne Gott 



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1715 jetz will ich gehen iu den todt. 
0 Gott uimb mich in deine heud 
Korn mir m tmt am leteten end. 



Aetnt y. Seena II. 

Daniel | Achab | Midian | DImius. || 
[Daniel.] 

Was soll das sein | daß jtrcstatt ich nicht | 
Daß S u s a u n a solt werden gricht. 
1730 Ich selber ^11 ynscholdig sein 

An disem Blnt j geht wider lieim. 

Midian. 

Was h^stn da tfir ein o^cschiey I 
Droil dich hinweg komm nit herbey. 

Daniel. 

So i;Ll>r mir die Susannam her | 
1725 Vnd iatit sie loß | ist mein beger. 
Dann sie falsch antreklasjet war | 
Von diseu Alten gaiii/, vnd gar. 

A oh a b. 

Wirsta nit bald hinweg- da weichen 
Wiii ich dich mit der £ahten «treiohen. 

Daniel. 

1780 Sehaw zu fbrwar ieh dir daß sag / 

Daß dioh Gott nit mit rahten sehlag. 

Achab. 

iahn dapffer forth f jhr henckerslinecht j 

Daniel. 

Stehet jhr still \ es ist nit recht. 
Ihr thorcn ^roli von Israel | 
i''^ Was verdampt jhr die arme See). 
Eawer äugen seind gar verblendt / 

Das jhr kein vnderscheid nit kent ( 
Was warheit oder logen ist / 

Ihr habt verdampt an dlser frist, 
1740 Auß Israel ein Frawe fromm 

Darumb kehret bald widerumb. 
Vnd kommer alle tftr Gericht / 

Die sach maß besser sein geschUcht. 

Dim i u s. 
Wolan wir wollen wider kehren ; 
1745 Vnd recht ein besser Vrthel hören. 



— 94 - 

Midian. 

Ich wolt sie wer schon hingericht J 
So d6rlft es dessea allei nicht, 

ActBS V. Seena III. 

CleoplMS ( DaAiel | Achab MiJi,-\n Eu- itlMitiu l Slmeofi | 
Sopbron . Osyas.il 

[Cl eop has.] 

Was ist daß / das jhr wider kehrt 
Habt jhr den aussprach nit gehört? 

Daniel. 

1780 Ihr lieben Herren in gemein 

An dem Blut will ich vnschuldig sein 
Derhalben ich euch trewiich bitt f 
Wült mein Jng-ent verachten nit. 
bdüii i wiewol dise alte{nj zwen / 
17» Vor eueh eelnd in großem ansehn f 

Ist aneli nit gnng daß sie Bydt Sehweren | 
Hann soll sich dran mit nichten keliren. 
Mann muß den Handel bseheii baß 41, (F.) 

l):uriir man rechte KundschalTt faß. 
1760 Wann es eacU ibjiiebt so wolt ich sie 
Auff andre weiß verhören hie. 

Cleophas. 

So komm setz dich da zu mir her 
Wir folgen dir aoff dein beger. 

Ach a fo. 

Wolt jhr Herren so torecht sein 
1765 Tnd horchen anff dem Knaben klein. 

C ! e 0 p h a 8. 

Sey da zu ruh, laß dichs nit jrren / 
Dn s(dt hierinnen nichts verwirren. 
Verwahret auch die beyde[n] Mann / 
Damit keiner entweichen kan. 
1770 Dir Daniel sey zn der sinndt . 

Za haltten / daß Gericht gegandt. 

Daniel. 

So thut sie von einander beyd / 

Daß ich jeden iu Sonderheit, 
YerhAren kan / du Midian / 
1775 Bleib hie / h6r was ich seige an. 



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— 96 — 

Da falsches Hertz / meinsta das Gott 
Zu aUar ceit werd sein dein spott. 
JetsQsd trefbn di« 8&ttde[ti1 dich 

Die da g'eübet sttttti glich. 
17B0 Daß gute hastu zn^edeckt / 

Das böse aber aaffgeweckt. 
Dramb sag mir an die 'U'arheit klar 

Vnd mach es hie fein offenbar 
Hastu gesehen treiben schand 

Sa sann am / so sag es anhand, 
Was f3r ein Baum gewesen sey / 

Da an jhr kam der JängUng frey. 

H i d { ft n. 

Ich meine es gienge dich nicht an / 
Aber idis doch wol sagen kan. 
1790 Ich fand sie vnder einer Linden. 

Dan i e 1. 

Der Engel Gottes -wirt dich tiuden. 
Du leuyst in deinen halli füiwar 

Du wirst doch noch zerscheittert gar. 
Daß Vithd das ist gangen schon 
ti» Vom Bichter in dem Höchsten Thron. 
Sein Diener irirt yerdammen dich 

Das wirst erfahren eyjrentlich. 
Nnn bringt den andern auch hierein 

Damit jhr hört die antwort sein. 

En bnins. 
leh bsorg das Blat verd sieh vmbwenden 

Simeon. 

Ich will gern sehn wie siohs will enden» 

A c h a b. 

Soll et da sitzen anff dem Stnl 
Ich meint man schickt jhn in die Schul. 

C 1 e ü p h a s. 

Dieses jetznnd dich nit andreht / 
1905 Gib du ihm autwori aatf sein red. 

Daniel, 42: (Fi|i.) 

Komm her du Ehrnergeßner Hann 

Du böse art von Canaan. 

Die Srh^'jne hat dicli da bcthßrt / 
Dein falsches Hertz so gar verkehrt 
1810 Also habt jhr ohu allen fehl 

Gethan deu Kindern Israel. 



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— 96 — 



Daß sie aaß foreht ynd großer pcin / 
Eaeh ranBten aUts sa willen sein. 

Das liat dise Fraw nit gethan / 
1815 Die jhr da fälschlich klagten an. 
Hastn vnzncht sie treiben sehn / 

Vndr welchem Baam ist das gescheho ? 

Ächab. 

Ich sah sie vnder einer Eycheii j 

Daniel. 

Der Bogel Gottes wirt dieh seichen. 
I8i0 Dann deine lagen wirt fSrwar 

Dich bringen vmb das leben gar. 

Dann Midi an ein Lind genant / 

Ynd du ein Eych / nun secht die sehandt. 
Damit sie beyd behafftet sein 
i^ Ihr lieben Eichter ingemein. 

Cleophas. 

Nun greiffet dise Alten an 
Genngsam wir yerstanden han. 

Daß jhr klag falsch vnd vngerecht. 
Vntrcw sein eigen Herren schlecht, 
ijwo Was meint jlir da(5 sie habn verwürckt ? 

So phron. 

Daü sie ohu alle gaad erwürgt. 

Cleophas. 

Da stelt sie her zusammen beyd 
Damit sie hAren jhren beseheld. 

M i d i a n. 

Wo wollet jhr mit mir doch hin 
1835 Gar nie ieh talscb gewesen bin. 

Gl eophas. 

So hört was M o s t> s (jsatz auüweist / 

Damit mau sich deß Rechten fleist. 
Wann jemand falsche Zeugnuß sagt / 

Die wider seinen N&ehsten klagt, 
1840 Der soll daselbst des tod[c> sterben 

Vmb seiner missothat verderben. 
Der Men'-rh scy gant% vnd gar vertlucht / 

So talsciie Zpnprnuß gibt vnd sucht 
Derhalbeu alleä Volck zasammea 
1845 BinhelligUeb soll spreehen Amen. 



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97 



Die Kiehter. 

Amen / Amen. 

Cleoph ae. 

Sein Seei soll anßgerottet werden 

Von allem YoUik anjf iliier Brden. 
Vnd spreche alles Volck zusammen 
1^ Hie vber dise Zeugen Amen. 

Di e Biehter. 
Amen / Amen. 

A c h a b. 

Ach secht doch an das Alter raein / 
Ich bitt wolt mir genedig sein. 



I95b Ich biU enoh ganU dernfttaglieh. 

Osyas. 

Kein gnad ist hie sn helfen mehr 
Danimb do weiter nichts beger. 

D aniel. 

Hetstu verschonet diser Frawen / 
So ktnt man dieh mit gnad ansehawen. 



1860 Löset die Fromm Susann am aiiff 
Ynd bind die beyd vbr einen hauff. 
Führt sie jet/ lurt / zu einem spott 
Vnd werflft sie mit den Steinen todt, 

D anie 1. 

Wolan jhr Herren Oott sey mit euch. 
Gleophas. 
1^ Der selb sey mit dir aneh /.ngleioh. 



Wer Avolt jhn doch vertrawet lian 
Daß sie ein solchs hetten gethan. 



Forw ar ich hett jhn gnts vertrag t / 

Äfoin Leib vnd leben anff sie bawt. 
18^0 Aber nemmen sie jetz de» lohn 

Vmb jhr vnrecht daß sie gethon. 
Nun wollen wir Gott mit dem Gebett 
Loben / das er sie hat errett. 



Mi dian. 

Erbarmet euch doch vber mich 



43. (Fig.) 



Cleophas. 



0 8 V a 8, 



Sop hron. 



7 



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— 98 



Actos V. Seena I. 
Dimius I Midlaa i Corydon i Achab ; 1| Lurco [ Rufas. |{ 

[D i m i 11 s.] 

Jetz will ich gehn fein dapffer eylen 
1875 Vnd dir geben die besten Beülen. 
Ihr Eneolit nim tretlet dapffdr her. 

M i d i a n. 

0 Meister da truckst mich gar sehr. 

DimiQB. 

Wart ^lidian that dir das ve[lie]? 
Ich will es mit dir brauchen mehe, 

Corydon. 

1880 Ey ddrflib ich dieh traeken vnd machen 
Bs mftsten dir all GUder krachen. 

Wart / wart / es wirt bald änderst gelten / 
Darff dich jeU n^ol Kronendieb schelten. 

Achab. 

Nnn sehet mich jhr Uenschen all 
1885 Wie ich gerahten in vnfall 

Darch meine große missethat 

Die. iiiicli dahin beweg-et hat, 
Nempt ein Exempel all ab mir 

Dali sich keins vberseh hinffir. 
18W Liebt die Warheit die Edle Tugend, 

Befleißt euch darxa in der Jugend. 
Kein Menschen nimmer zu beiriegen 

Fiiecht schelten vnd das b6se liegen. 
Nun hab ich mich daß vbersehn / 4i, (Fiiij.) 

1095 Muß disc grolie schandt aulistehn. 
Darumb bettet anch fftr micli Gott 

Daß er mir helffe in dem todt. 
Vnd gebe mir daß Ewig Leben 

Darin die Engel Qottes schweben. 

Di mias. 

roo Dü magst wol Betten Midian 

Daß dir Gott Avdll dein Siind uachlaha. 

31 i d i a n. 

Ach lieber sasr mir nichts dauon 
Ich kan vud mag nit Betten nau. 

Lurco. 

0 Midian / wiltn nit Betten 
1905 Man Wirt dich bald mit Fußen trotten. 



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— 99 • 

M i d i a ii. 

Lieber sag: mir von Betten nicht 
Der bitter todt mich jetz anficht. 

Dimias. 

Nnft knyet nider albweit 
Hie wolln wir Deminen den »bselieid* 

Ac ha b. 

1910 0 Gott hilif mir in meiner noht / 

Stehe mir bey im Leben vnd Todt 
Ach Gott mein Sünd mir nit behalt 
Die ich begangen manigfalt. 

Di rai US, 
Ihr swen werfft anff den M i d i an. 

Riifn 8. 

1915 Wiltu dann Gott nit r&ö'en an. 

G ory d 0 n. 

Wart ich will dieh lehren Betten 

Vnd dich jetz mit Füßen trelton 
Lug wie ich dich jetzund verehr 
Mit disem Stein / mein Kronen versehr. 

Midian. 

1930 0 we / 0 we I 0 h6ret anE 

' Dimius. 
Fort / fort | werifet nnr dapffer dranft 

Aehab. 

0 Qutt all lueiiitiui letzten end 

Belehl ich mein Seel in dein hend* 

Lor 6 0. 

Der Midian Ist schier dahin 
1925 Doch verff ich nooh ein bar anff jhn. 

Co r y d 0 ii. 

Daß sich der Baur auch nit thu sparn 
So soll ers mit dem Stein erfahren, 
puft^ puif puff. 

Achab. 

0 Gott erbarm dich mein 
1990 Ynd thn.mir gnSdicr sein. 



" • - u * 



■r 



1 

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K u f a ft. 

Pfir^var Achab der daurt mirh s^ar 
Aber der Uidian oit ein haar. 

Di m i n s. 

Wolan hört auti", sie seind imii satt 
Sie li^on schon Todt an der statt. 

Sie werden keine Fraweti lueiir 
Britig«& bejdet mb glimpff rad Ekr. 



I 
! 



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Actm V. Seena V. 



4ß. (F. V.) 



1. Chorus, 



In dieser letsten Ö c e u a sagea sie GOTT 
Danck fftr die wunderbariiche ErlösuDg 

Bu Banne | da zwen Chor abge- 
tiieilt gegen einander 
Singen. 

Joaehimns. ■ 
S n s a n n a. 
U e 1 k y a ft. 

Anna. 
B e n i a m i n. 
B e b e c c a. 
P ii i 1 e r g n 8. 
A b r a. 

i B a p h a e 1. 

2. C/ioms, \ Daniel. 

j (^toru9 Anffdorum» 

1. Ch 0 r 0 s. 

Herr Gott wir thun dich loben 
Du Vatter aller i^nt f 

im Himmel hoch dort droben 
l)m du vns hast behüt. 

2* Chorus. 

Also pflegets Gott zn machen / 

Gantz wunderlich allzeit | 
Im sind bekant all Sachen 
Wie man erfahren heat. . 

1. Chol HS. 

1945 ]|Mt fumrar gerissen 

Anß großer angst md sehredt f 
Zu hdffen dich beflissen 
Den todt getrieben weok. 

2. Chorus. 

# 

Es steht als in sein Henden 
i960 Er sieht bißweilen an | 

Einsmals so kan wenden 
Dem greeht^n schaffen ruh. 

1. Chorus. 

Den ansehlag der Gottlosen 
Hastn gemacht an nieht / 



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— 102 — 

1995 Dein VUeklein »nßerkosen 

Eia Aug aafF sie geiieht. 

2. Chorus. 

Ob sie bißweilen sincken 
Vnd kommen in vnfall 
Laßt lie GOTT nit ertrineken | 
i960 Hilfft jlmen alln sn mal 

1. Chorus. 

Du hast gemacht zu schänden 

Die vns verfolget han / 
Wir seind auü jhren banden 

Mftssen vns bleiben lan. 

2. C h 0 r u 8. 46. 

1965 Wann man von Hertzen Bettet 

Vnd Gott vmb hilff anschreyt | 
So wirt man fein errettet , 
Wie er soiclis selbs gebeut. 

1. Chorus. 

Die ^eit so lang wir leben 
1970 Wolln wir vcrg'csson nicht / 

Das du dein <inade geben 
Gezeigt dein Angesicht. 

3. Chorus. 

Billieh soll man GOTT preysen 
Wann er erhöret hatt / 
1975 Zn andrer zeit wirt wej^sen / 

Widrnmb sein große gnad. 

1. Ohorns. 

Dein sey allein die Ehre 
Dein sej der preyß allseit / 

Vns größer frewd beschere 
1980 Dort in der Ewigkeit. 

S. Ohorns. 

Da Wirt die frewd erst werden 

Yollkommen vberal 
Ledig von alln besehwerden 

Ewig ins Bimmels Saal. 



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SPHOQYS. 



1965 Die A ctiou ist n u n vollend 

Diß Spie! Iwdft Mätik %u eim end / 
Durbey so habt jhr all'sresebn 
GleiehBam in einem Spiegel schfta / 

Tiel Schöner Lehren ' die zugleich 
1990 Antreffen beydes Arm vnd Eeich / 
Was einem Menschen ansteht -^ol 

Vnd wideiunib auch meyUen soll / 
Dann kein Mensch selber wiCMn ka& 
Was jhm mag vbel itehen an: 
1995 Aber an andern in der Welt 

Kan er wol aebn wtt jbnen fehlt / 
Derhalb hatt man deß nutzes viel 

Wo man hclt solche Frewden Spiel j 
Dann jeder kau darinnen sehn 
2000 Was jlun am basten thut anstehn / 
Dramb woUn vir die Com oediaro 

Die vne sngeg« Lehrt allsam / 
Die Schön vnd liiefUiehe History 
Welch dient zu Gottes Lob vnd Ölory / 
3005 Führen in die Zehen Gebott 

Da werden wir ohn allen spott / 
Genugsam vns bespieglen können / 

Lehmen / besehen vnd ersinnen | 
Was wir soUn meydn vnd vnderlohn 
aoio Herwegen aber sollen thon / 
[1] E rs tl 1 ch in dem an dern Gebott 

Falsch Schweren hat verbot ten Gott / 
Weichs die zwen Alten vbersrang^en 47. 
Mit falschem Sehwur an Gott gelangen / 
2015 Der wider jhr gewissen gschach 

Susanne nnr r.nm [1. so] seband vnd sehmach / 
Derhalb sie Gfott gestraffet hatt 
Vmb soidie große raissethat | 
Dann es ein g'ar schröckliohe Stind 
202(1 Hnt dich dnrfiir o ^[pnschen Kind. / 
[2J Ferner in diesem t>piegel schön 

Das Sechst Gebote sich lasset sehn / 
Darinnen 6ott £r[n]stli6h verbeat / 
Den Ehebruch vad die Ynkenschhelt / 
80S5 Weichs dies« Alte[n] nit bedacht 

Dasselb auch gleicher veifl veradit / 
Dann sie der Teüffel angefocliten 
Ynzucbt zu treiben sie gedochten 



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— 104 — 

Mit der ii n u a Keusch vud Fruiuui 
2080 Gott bhüt sie, straffe die beydej^a] drumb | 
Dieweil sie Gott rafft trewlioh aa 
Br voll •!« doch nil Mlen Un. 
Daramb sieht man hierin gar schon 

Was solche Lieb gibt für ein lohn : 
Dann Grott der Herr die gproße Sund 

Gar liart zu straffen halt verkünd« / 
Werden wir vns bespieglen baß 
[3] So werden wir noch finden was / 
Ab BAmlioli das Achte Qebott / 
2040 Darinnen vns verbeftttet Gott 

Wir Süllen kein falsch Zeag'nuß geben 
Wider den Xdchsteu hie im leben | 
Augenscheinlich habt jlir i^esehn 
Das es in diesem Spiel »,^eschehn / 
2045 Wie die Guttlüsen Alten beyd 

Anß reehtem TettffiBlisohem ncyd / 
Bey der Weltliehen Oberkeit 
Sich vnderBtanden albereit 
Die Fromm Susannara zanerklagen 
Äöu Ynd bfise din^f von jhr zu sagen / 
Daß doch wider jhr gwissen war 
Hernach auch wurde offenbar. / 
Hie frag ich nun euch allgemein 
Ob diß laster nit gmefn that sein? 
2055 Bey vns Christen an dieser seit 

Welclis man erfahren muß noeh heut 
Das jeder iracht st.^ts je mehr 

Den N&chsteii /.bringen vmb sein Ehr j 
Drumb laß[t] vns nur bcspieglen woU 
2060 Wir werden sein der Matery vol[l] / 
Das wir den fleck abwischen schdn 

Der vne so vbei an that st^n. 
Wir wollii all Gott[e]s Kinder sein 
E i n Yattcr haben ingemein / 
-U)5 Drumb müssen wir auß reclit' mii muth 

Als Brüder / einander wiiuaclien gut / 
So wirt es viiser Vatter loben, 
Wirt jhm gelalln im Hlmmd droben. 
[4J Nnn kompt herbey das Zehend Gbott / 
2070 Darinn hat auch verbotten Gott 
Daß gar niemand gelüsten soll 

Gegen seins N&chsten EhegmahL 
Welches auch heut begangen ist 
Von den Alten / die hatt gelust 
2075 Wider S n s an n a m Tagentreich 
Ist neben andern sand sagleich. 
[5] Entlieh that dieses Spiel anch lehren 
Ein Oberkeit vnd jedem Herren 



— 105 — 

So sitzen tliut im Kaht vnd Gricht / 
2060 Daß er sich lali bestechen uirht / 
Wie gscheheu ist vom Midi an 

Der gseheneke von dem Baarsman nam | 
Sonder mit allem Heiß bedenek 

Daß er nit ssweit anff dseitten sehwenek / 
2085 Vnd zeig'e g'unst nnr einer part 

Auff dander aber trint; zu hart / 
Das steht eiiu Uichier vbol an 

Gott Wirts alt vugestraffet lau. 
Daramb jhr Biehter betraohteU wol 
2090 Daß keiner nit ansehen soI[l] / 

Gnnftt / neyd / haß / feindschaflt / Qelt vnd Gab 

Dann Gott halt gar kein gfallcn drab | 
Sondern schafft cim jeden sein Recht 

I>em Herren so wol als dem Knecht / 
Ä)9j Dem Fieicheii als dem Ainien,' 

So will bicU Gütt ewcr erbarmen. 
In Summa dieier Spiegel klar 

Uaeht vns alles so offonbar / 
Daß wo vns ernst zn reinigen ist 
2100 Können wirs darauß jeder frist. 
Wir köntcn nocli der lehren viel 

Nemmen auß discm schunen Spiel, 
Aber jhr liabts selbs wol gesehu 

Was vns am besten an thnt stehn. 

-lOä Hieniit so danckcn wir mit tleili 

Reichen vnd Armen gleicher weib / 
Das jhr vns alle sampt zu Ehr 
Hiersa demütig geben ghör / 
Wo wir solehes an jeder seit 
2tio Gegen eneh in gebfirligkeit 

Verdienen können j so wolln wir 

Vns finden lassen mit besfir. 
Allein wir bitten euch darneben 
Wo etwas uit zagangeu eben / 
3115 So woU jhrs vns nit .vbel defltten 

Besser wirt es sn andern zelten. / 
Qott woll zugegen jederman 

Mit seinen Gnaden schawen an / 
Viel Glück vnd Heyl hie zeitlich geben / 
2120 Nach diesem auch das Ewig Leben f 

^yer8 begert sprech in Christi ^sammcu / 
[3122] Yon grund seins Hertzens mit mir Amen. 

[Schluß-Zierleiste. I 



V. 



Sagen aus dem krummen Elsaß, 

gesammelt von Lehrern und Lehrerinnen der Schul- 

inspektion Saaranlon, 

veröffentlicht von 

Kreisschulinspektor Monges. 
II. Aus dem Kanton Drulingen. 

108. Die vier Maibrüder. 

Eine alte Sage erzählt von vier Hamhaclier Männern, 
daü sie ganz besonders gute Freunde waren. Jeden Abend, 
Sommer wie Winter, *rin}?en sie zueinander «niaien » und saßen 
oft bis spät in die Xacht hinein beisammen. Sie machten 
untereinander aus, da£ derjenige unter ihnen, der zuerst stirbt, 
wiederkommen und er^len müsse, wie es im Jenseits anss^ 
und zugehe. 

Bald darauf starb einer der vier Freunde, und saßen ferner- 
hin die drei anderen beisammen. Eines Abends, als sie sich 
wieder erzählten, ging plölxlich die Tür auf und der Abge- 
schiedene trat ein. cNun will ich euch sagen, wie es dort 
zugeht: Wenig Worte und ein strenges Gericht!» Und rasch 
verschwand er. Voller Angst' gingen die drei Maibrüder aus- 
einander. 

Mitgeteilt von Lehrer Wiekersheimer za Waldkambaeb. 

109. Die Wuuderkohlen. 

Es war in aHer Zeit, als man noch nichts von Streich- 
hölzern wuBte und es oft recht mühsam war, Feuer anzuzünden. 



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— 107 — 



Da sab wohl die Hausfrau am frQheo Morgen zunächst über 
die Nacfabarhäuser hin« Und wo ein Kamin ranebte, kam sie 
mit dem icScberme» (Scberben) und holte sich Kohlen zum 
Anfachen ihres Hausfeuers. 

Einmal wollte eine Frau sich auch Kohlen holen. Da sah 
sie ihren Garten hinauf und erblickte auf der Erde glimmende 
Kohlen und dachte, sie kamen von einem Weidfeuer her. Als 
sie bin kam, war kein Mensch dabei. Sie nahm davon und 
trug sie beim. Aber das Feuer kam nicht xum Brennen. 
Und so ging sie ein zweites Mal hinauf in den Garten, um 
' Kohlen zu holen. Diesmal war ein schwarzer Mann dabei, der 
ihr sagte : «Nehmt jetzt noch einmal Kohlen, soviel ihr braucht ; 
kommt aber nicht wieder.» 

Auch jetzt wollte das Feuer auf dem Herde nicht brennen. 
Dn stieß die Frau den Fluch aus ; Wenn dich nur der Teufel 
hätte! Sofort gab es ein heftiges Gepolter, und alle Kohlen 
waren verschwunden. Aber als sie ^'■enauer zusah, lag ein na^^ei- 
neues Goldstück an ihrem PUit/e, Die gulf^ Fran wollte jetzt 
noch einmal nach dem Koh leuteuer im Gar leu sehen, fand aber 
keine Spur mehr davon. 

Mitgeteilt ron Lehrer .Wickersheimer zu Waldliambaoh. 

110. Der Reiter vom Mlihlberg. 

Vor vielen Jahren diente ein Hambacher Mädchen in 
der Neumühle. Es war gehalten, den Schweinen noch abends 
recht sp5t ge^yen 11 Uhr das Mastfutter zu bringen. Die 
Schweineställe lagen hinter dt^m Hause am Mühlberg, da& 
man von dort über den Hügel hinblicken konnte. 

Eines Abends bemerkte das Mädchen einen Reiter, der 
verkehrt auf dem Pferde saß, rasch querfeldein über den Midil- 
ber^ ritt und im nahen Grünewald verschwand. Zitternd kam 
es ins Haus und erzählte der (fBas» (Hausfrau), was es eben 
bemerkt halte. Die Haustrau aber sagte: (<Den lieiter hab ich 
schon oft gesehen. Laß du den nur reiten I» 

Von da an brachte das Mädchen den Schweinen das Mast^ 
futter gleich mit der Abendtrfinke. Und wenn die Hausfrau in 
der Slube ihm spät sagte: «Geh und bring den Schweinen das 
Futter 1 9 so ging das Mädchen in die Küche und hielt sich 
dort eine gute Weile auf. Aber zu den Schweineställen wäre es 
nicht mehr g^angen. 

Mitgeteilt Ton Lehrer Wiekerskeimer eu Waldhambach. 



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— 108 — 

III. Das Häuberhaub im ün ünewaid. 

Vor mehr als hundert Jahren stand im Grüoewald bei 
Diemeriageu ein Haus, in dem sich Rftuber aufhielten. 
Eines Tages kam einer dieser Gesellen zu einer Frau nach 
Diemeringen und verlangte von ihr, sie sollte mitgehen und 
im Walde ein Mahl zubereiten. Die Frau wollte anfangs 
niclit ; denn der Wald war verrufen, und sie fürchtete sich 
vor dem Manne. Auch hatte er ilir stten^'-stens verljolen, zu 
reden von allem, was .<ie sehen oder hören würde. Endücii ließ 
sich die Frau durch Drohungen ein-cliüchlern und ging mit. 

Im Walde angekommen, l)ereitete sie ein Essen für 30 Per- 
sonen. Als die Nacht hereinbrach, kamen wilde Gesellen und 
zechten die j^anze Nacht hindurch. Am IVülien Morgen wurde 
die Frau in das Dort zurQckgebraclil, naclideni man ilir noch- 
mals die strengste Verschwiegenheit auferlegt hatte. Erst als 
die Räuber die Gegend ?erld88en hatten und ihr Haus zerfallen 
war, erzählte die Frau das Geheimnis ihren Angehörigen. 
Mitgeteilt von Lehrer Weil Bothdni. firiher zu Diemeringen. 



112. Die Glucke uad der verborgene Schatz. 

In der Nähe des Gemeindewaldes von Diemeringen 
liegt die Nachtweide. Dort erschien in frfiheren Zeiten an dem- 
selben Platz jeden Abend eine Gluckhenne mit ihren Köchlein. 
An dieser Stelle soll ein Schatz vergraben sein. Jedesmal wenn 
die Glucke hinkam, hörte man lautes Kettengerassel. Wer zu 
dieser Zeit den Ort betrat, mufite das Leben lassen. 

Um den Schatz heben zu können^ schmiedeten einige 
Diemeringer den folgenden Plan. Wenn die Glucke erschien, 
wollten sie einen Kreis um sie bilden. Da es aber niemand 
wagte, in die Milte dieses Kreises zu treten, überredete ein 
Bauer seinen Knecht dazu und versprach ihm eine große Be- 
tohnun«^. Der Knecht wiüi<,'te ein, da er von den schreck- 
lichen Folgen noch nichts gehört hatte und man sie ihm ab- 
sichtlich verschwieg. 

Um die bestimmte 7eit kam die Glucke mit ihren Jungen. 
.Man bildete einen Kreis um «:ie, und der Knecht stellte sich in 
die Mitte. Da liörle man [)lötzlieh ein dnnnerähnlichcs Gelöse. 
Die Knie öffnete sich und versclilan;j: den Knecht. Die andern 
dhei Helen mit ^nol»ein Geschrei davon. Der Schatz ist heule 
noch dort vergruben. 

Mitgeteilt voa Lehrer Weil zu Hosheim« früher ku Diemeringen. 



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113. Die verzauberten Aepfel. 

Eirio Frau von D i e ni e r i n j^- e n ging einmal durch die 
Hintergasf<e. Hiei- traf sie ein Kind an und fra|;te es, ob e«i 
auch Aepfel essen möchte. Als liai- Kind ja sagte, schenkte 
>iü ihm zehn schone, rotbackige Aepfel. Das Kind legte sie 
in seine Schürze und gin^ nach Hause. Als dort die Aepfel 
heraus nehmen woUle, waren es lauter junge Kätzchen. 
Mitgeteilt von Lehrer Weil zu Eosheim, früher za Diemeringeu. 

114. Das Dorftier von Diemerin^en. 

In Dtemeringen eracheiiit in der Regel einmal im 
Jahre ein Hund mit langen, schwarzen Haaren und herab- 
hängenden Ohren. Die Leute nennen ihn das Dorftier. Wenn 
dieses Tier in einem Jahre zehnmal kommt, fo gibt et Krieg, 
mtgeteüt YOB Lehrer Weil sa Bosheim, früher zu Diemaringen. 

115. Die ertrunkene Orafentoohter. 

Im Banne von Diemeringen hefindet sich ein tiefer 
Brunneti. Nach der Sap^e ist in ihm eine Grafentochter er- 
trunken. Sie war in einen jungen Mann verhebt. Aber der 
Valer wollte nicht in die Heirat einwilligen. Da sUirzte sie 
sich mit ihrem Geliebten in den Brunnen. AU man die beiden 
Leichen herauf holen wollte, fand man im Brunnen keinen 
Grund. 

Mitgeteilt von Lehrer Weil zu Rosheim, früher za Diemeriugcti. 

116. Der Teufel mit dem Buch. 

Einmal gingen mehrere Männer von Diemeringen nach 
Weisungen. Sie mußten durch eineo Wald, in dem sich der 

Teufel aufhalten sollte. \h sie davon redeten, sagte einer: 

«Es gibt gar keinen Teufel, sonst wäre er schon gekommen.)» 
In diesem Augenblick stand der Teufel vor ihm und hatte ein 
dickes Buch bei sich. Als die andern ihn sahen, erschraken 
sie und liefen eiligst davon. Nur der eine blieb zurück, der 
an keinen Teufel glaubte. Der Teufel hielt ilun das Buch bin 
und sprach : «Schreibe deinen Namen in dieses Buch !» Da be- 
kam auch der Mann Angst uml schrieb: «Ich schreil)e in Gottes 
Namen . . . .» Plötzlich versctiwand der Teufel. Der Mann 
aber kam erst nach drei Tageu abgemattet nach Diemeriugen 
zurfick. 

' Mitgeteilt von Lehrer Weil zu Eos hei ui, früher zu Dienieriugen. 



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— 110 — 



117. Das kristallene Bohlofi. 

Am Salzwasser bei Utemeringen stand früber eia 
kristallenes Schloß. Darin wohnten fromme Schwestern, die 
mit keinem Manne reden durften. Auch war ihnen das Hei- 
raten verboten. Nun lernte eine von^ ihnen einen jungen Mann 
kennen und verliebte sich in ihn. Da sie einander nicht hei* 
raten durften, aber auch nicht voneinander lassen wollten, 
stursten sich beide fest umschlungen in ein tiefes Loch am 
Salzwasser. Sie schwammen dreihundert Meter unter der Erde 
bis in einen Brunnen an der E]aupt;straße. Dieser warf sie tot 
ans Land. Von nun war das Wasser des Brunnens untrinkbar, 
und er wurde zugeworfen. 
Mitgeteilt von Lehrer Weil zn Resheim, fir&her zu Diemeringea. 

118. Der GalgenhtLbel hei Maokweiler. 

Westlich von Mackweiler standen früher an der Bann- 
grenze zwischen Mackweiler und Diemeringen drei große Birn- 
bäume. Der letzte wurde noch nicht lange beim Erweitern der 
Straße gefällt. An diesen Baumen hängte man in der alten Zeit 
die- Räuber und Mörder auf. Die zwei letzten, die hier ihr 
Leben lassen mußten, waren ein Zigeunerpaar, das einen Mord 
begangen hatte. Heute noch nennt man den Platz den Galgen 
und den ganzen Högel den GalgenhQbel. 

Hier ist es in der Nacht nicht geheuer. Es erscheint da 
manchmal eine schwere, schwarze Gestalt, springt den Vorüber- 
gehenden, auf den Röcken und läßt sich von ihnen bis nach 
Mackweiler tragen. Das geschah einem Maurer von Mackweiler, 
der vor zwanzig Jahren in Lorenzen arbeitete und spät nach 
Hause ging. F^r konnte unter der schweren Last nur mit großer 
Mühe vorwärts Icommen. Bald darauf wurde er von dem 
Schrecken krank und starb nach einigen Tagen. 

Mitgeteilt von Lehrerin Jakob zu Maekweilcr und voa Lehrer 

Aron m Loreozen. 

119. Der Hexentanz am Maokweiler bälgen. 

Euist gin{* ein Musikant mit seiner Geige spät in derNaclit 
von einer Kirchvveih nacli Hause. Sein Wej^ führte ihn an dem 
Mackweiler Gaigen vorbei. Da kam ein schön gekleideter Herr 
zu ihm und fragte ihn, ob er zum Tanz aufspielen wolle, es 
sollte ihm reichlich mit Gold gelohnt werden. Der Musikant 
willigte ein und ging mit dem Herrn. Nach einer Weile kamen sie- 



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— 114 ^ 

an einen tichunen Platz, wo viele Damen und Hon ( ii warteten. 
Nun spielte er auf, UD(i es wurde ^^etanzt. Zwisciien den Tänzen 
trank man guten Wein aus j,'oldenen ßecliern. Zur Belohnung 
schenkte jedes Tänzerpaar dem Musikanten ein großes blinkendes 
Goldstück. 

Als es anOng zu dammern, brachten sie ihm ein «rrolies 
Buch, in das er unterschreiben sollte. Er schrieb den Spruch 
hineiD: «Das. Blut Jesu Christi, macht uns rein von allen 
S&nden.» Kaum hatte er fertig geschrieben, so war alles ver- 
schwunden. (Und er ssB allein unter dem Galgen. Die Beeher 
waren Pferde* und Kuhklauen, die Goldstücke in seiner Tasche 
Pferdemist. Das grofie Buch atier lag noch neben ihm* 

£r nahm es mit und brachte es den Richtern von Dieme- 
rlogen. In dem Buche standen die Namen aller derer, die bei 
dem Tanze gewesen waren. Auf Befehl der Richter sollten sie nun 
alle verbrannt werden. Schon hatte man damit angefangen. 
Da fand es sich, daß auch die Frau des Amtsrichters dabei 
gewesen war. Als nun die Reibe an sie kam, hörte man mit 
dem Verbrennen auf. 

Mitgeteilt von Lehrer Aren sa Olwisheim, früher an Bünadorf. . 

120. Die weiße Jungfrau iDei Mackweiler. 

Am Ostende von Mackweiler liegen auf einem Hagel 
die Grundmauern einer römischen Villa mit erhaltenem Bade. 
In mondhellen Nächten siebt man hier eine wunderbar schöne 
Jungfrau umherwandeln. Ihr goldigee Haar ist auf<,'el6.st und 
umhüllt ihre ganze Gesiall. Dreimal geht sia gewöhnlich um 
das alte Gemäuer, setzt sich dann auf die Trümmer und sinj^t 
traurige, klagende Weisen. Wer diesem Gesang lausclit, bleibt 
bis zum andern Morgen wie gebannt auf dem Plrstzp stehen. 

^(geteilt von Lehreria Jakob su MftokweUer. 

121. Der unterirdische Gang in Mackweiier. 

Von der römischen Villa in Mack weiter soll ein unter- 
ii discher Gang bis zur evangelischen Kirche führen. Bei einem 
früheren Umbau der Kirche konnte man deutlich die Spuren 
einer Doppelmauev sehen. Dieser Gang war in Zeiten der 
Gefahr wohl eine Zufluchtsslätfe für die Bewohner der Villa. 
Nach dem Glauben der Revölkerung hört man am Vorabend 
eines Krieg^es odof einer iindern geschichtlichen Begebenheit 
ein lautes Jagen und flauten in dem unterirdischen Gange. 

• MitjgeteUc von Lehreria Jakob za Mack weiter. 



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122. Das weiüd Pferd am Toteuberg. 

Am Toleaberg> bei Ms ck weiter wurde fraherjede Nacbt 
um die xwdlfte Stunde ein weiBes Pferd gesebeu, das im Gras 
weidete. Einmal wollten Leute das Tier genauer betraehten 
und maebtea daher das Fenster auf. Da lachte der Schimmel 
dreimal und verschwand. Von dieser Zeit an wurde er nicht 
mehr gesehen. 

lUitgeteilt vou Lehrerin Bader zu Diemeringen. 



123. Bie weiße Frau beim Toteubergp. 

Einst wollten drei Männer beim Mondschein von Dieme- 
ringen nach Bettweiler fahren. Bei dem Totenberg ging ein 

Rad aus dem Wagen. Sie stiegen ab, holten das Rad und 
fügten es wieder an den Wagen. Sie fuhren nun rascher, 
aber das Rad ging noch öfter aus dem Wagen. Da drohte einer 
und sagte: cWenn ich den' nur hätte, der uns das macht!« 
In diesem Aiiprenblick lief eine weiße Frau in den Wald und 
lachte. Jetzt blieb das Rad nicht mehr am Wagen und sie 
fuhren mit drei Rädern nach Hause zurück. 

Hitgeteilt von Lehrer Baeh sa Darstel. 

124. Der Manu mit dem Licht. 

a) Eine Frau von DruUngen ging nachts nach Rexingen. 

Da begegnete ihr im Walde ein Mann, welcher sie fragte, 
wohin sie denn wolle. Als sie es sagte, lachte er höhnisch und 
bemerkte : «Da habt ihr euch aber gut verirrt; kommt, ich will 

euch leuchten .1) Er ging mit seinem Jiichte voraus, und die 
Frau folgte ihm. Aber wurde von dem hellen Sehein so 
verblendet, daß sie bald nichts mehr unterscheiden konnte. 
Nun verschwand der Mann. Erst nach du i Taüen konnte die 
Frau wieder ihre Augen gebrauchen. Als sie sich umsah, be- 
fand sie sich mitten im Wnlde. 

Mitgeteilt vou Lehreria Forrler, frülier zu Drulingen. 

J)) Früh morgens, ehe es Tag war, ging ein Mann von Re- 
xingen nach Pfahbarg. Als er in den Bann von Ottweiler 
kam, sah er ein Licht, das sich ihm näherte* Plötzlich stand 
vor dem Wanderer ein Mann von Gbermenschlicher Grofie und 



* Der Name des Berges kommt wahrscheinlich von den keitischen 
Gräbern her, die man anf dem bewaldeten Berge ündet. 



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— 113 — 

hatte eine Sense auf dem Rücken. Der Hexiuger stützte ?;icli 
vor Angst auf seinen Stock und fragte die Riesen p:esta Ii, was 
tias für ein laicht wäre. Dieser gab ihm bar.scli /in- Antwort: 
«Das sieht man öfters dn.D Nun f^nn^-^ das Licht dreimal um 
den Mann herum und verschwand dann mit der Riesengestalt. 

Mitgeteilt von Lehrer Weber zu. Draiingen. 

c) Wo von der Landstraße SaarunioD'Drulingea der Weg nach 
Thal abzweigt, siebtem StraBeowArlerhluschen. Hier aolJ es 
nicht geheuer sein. So ging einst ein Mann, der in Searunion 
auf dem Harltte war, in der Nacht heim nach Berg. Als er 
an die Holimatt kam, die rechts am Wege Hegt, kam er vom 
Wege ab. Nachdem er einige Zeit vergeblich nach dem richtigen 
Wege gesucht hatte, Ong er an zu rufen. Da stand auf ein- 
mal ein Männlein vor ihm mit einem Licht in der Hand. Das 
leuchtete immer vor ihm her. Ging der Mann nach rechts, so 
ging auch das Männlein nach rechts; ging er nach links, so 
ging es auch dahin. Nach lanj^^em Hin- und Hersuchen fand 
er den Weg. Da klatschte das Männlein in die Hände, lachte 
und verschwand. Der Mann soll totmüde und schweißtriefend 
nach Thal gekommen sein. Leute von hier haben' ihn nach 
Berg bringen müssen. 

Mitgeteilt von Lehrerin Mttller sa Beipertsweiler. 

125. Ber Ruf an der Teichelmattquelle. 

Die Leute von Thal erzählen, daß in der Nähe der Teichel- 
mattquelle, die zwischen Rimsdorf und Thal auf einer Wiese 

entsprini^t, früher eine grausame Tat be^i^angen wurde. Der 
Tater soll noch nach - inem Tode keine Ruhe und keine Rast 
gefunden haben und noch jetzt in der Nacht dort umherirren. 
Einst gingen zwei Männer von Rimsdorf nach Thal und kamen 
an dieser Wiese vorbei. Da hörten sie ein ängstliches Rufen. 
Sie vernahmen die Worte: Halber {geschunden, halber «geschoren, 
kommst du hieitier, so l)ist du verloren. Den Männern kam 
die Geschichte ein. Sie •,^etraiiten sich nicht, dahin m g-ehen, 
woher die Worte kamen. Eilends veriolgten sie ihren Weg 
weiter. 

Mitgeteilt von Lekreriu Müller za Beiports weiler. 

126. J>ie zwei Hunde im Bannholz. 

Ein Mann von Tha|I, der täp^lich nach Saaruiiiuii zui 
Arbeit ging, bestellte seine Frau auf seinem' Heimwege in den 

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Bannholzwald. Dort wollten sie ein Tuch voll Laub mitnehmen. 
Die Frau kam frflhzeittg auf den Pietz, auf dem de deh ireffen 
woltten« Sie setzte sich an einen Baum. Kaum hatte sie sich 
niedergelassen, so safien zwei gi-oBe Hunde neben ihr und 
schauten sie mit feurigen Augen an. Die Frau erschrak so sehr« 
daß sie sich im Augenblick nicht rühren konnte. Endlich stand 
sie leise auf und entfernte sich. Ihr Mann begegnete ihr ?or 
dem Walde* Sie erzählte ihm von ihrer Gesellschafl. Und 
ohne Laub mitzuaehmen, gingen sie nach Hause. Man erzählt, 
an jener Stelle seien schon viele Menschen ums Leben ge- 
kommen, und wenn die Frau den Hunden etwas zu leide getan 
hätte, halte auch ihr letztes Stündlein geschlagen gehabt. 

Mitgeteilt voa Lehrerin Maller sn Beipertsweiler. 



127. Der Bohwarze Mann. 

Ein Mann {ring von Bettweiler nach Durstel. Da hörte 
er plölzlich jemand mit festen Schritten hinl r sich hergehen. 
Als er ^\ch umwandte, i^ah er in einiger Enllernung eine 
schwarze Gestalf. Kr rief sie an, bekam aber keine Antwort. 
Da fring er weiter. Jjie unheimliche Erscheinunjr folgte jlim. 
Am eisten Hause in Durslei stellte sich der Mann unter den 
Schuppen, um zu sehen, wer vorüber gehe; aber es kam 
niemand, Ais er wieder auf die Straße trat, war die Gettait 
verschwunden. 

Mitgeteilt von Lehrer Art«poeas sa Bettureiler. 



128. Der Bauer und die Hexe. 

Ein ßauersinann von ßettw eiler [fuhr mit einem VKa- 
spännigen Wagen nach dem Nachbarsdorfe. Es war sehr 
früh am Morgen. Da sah er am Straßenrand eine alle bücke« 
lige Frau stehen. «Was machst du da, alte Hexe?» schrie 
er sie an. «Dein Wagen muß, bis der Tag anbricht, hier 
stehen bleiben,» antwortete sie und verschwand. Alle Mulie, 
die Pferde weiter zu bringen, war veri^eblich. Nun kehrte 
er ins Dorf zuiiuk, um Vorspann zu liolen. Als er mit dfn 
Pferden des Narhbars zum Wagen kam, waren seine Pieide 
am liiuteien Teil desselben angespannt. Fr entfernte sie \oni 
Wagen, bespannte iliu mit des Nachbai spforden und kehrte 
nach Hause zurück. Da ging eben die Sonne auf. 

Mitgeteilt von Lehrer Artopoeus zu Bottweiler. 



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— 115 — 

129. Der Jüngling und die weifie Frau am 

Brunnen. 

Eiii Jüiigliii;^' VOM Bett Weiler jring mit dem VVasserkrii;j 
an den Dorfbrunneo, um i i inkwasser zu schöpfen. Da erschien 
ihm eine holde weihUche Gestalt und lud ihn ein, ihr zu folgen. 
Sie ffihrte iha in einen hellerleuchteten Kleiderladen und 
schenkte ihm ein hQbacbes Gewand» An dem Tag, an welchem 
der Jüngling das Kleid anzog, fing er an zu kränkeln. Mit der 
Haltbarkeit des Gewandes schwand auch seine Gesundheil* Und 
in der Woche, in welcher das Kleid den ersten Riß leigte, 
starb er. 

Mitgeteilt von Lehrer Artopoevs tu. Bettweiler. 



130. Der geheilte Wilderer. 

Ein armer Manu von Bettweiler, der gern wilderle, 
j;ing einst iti den Wald, um Besenreiser zu holen. Da erhob 
sich vor ihm ein llie^^ender Hase. Schnell le;j;^te er seine Büchse 
an und schoß. Indötn er losdruckte, erhielt er einen Schlag 
über den Rücken, daß er betäubt zur £rde fiel. Als er sich 
erhoU hatte, sachte er nadi dem Hasen. Dieser aber war ver- 
schwanden. Von nun gab er das Wildern auf. 

■ 

Mitgeteilt von Lehrer Artopoeos sn Bettweiler. 

131. Die feurigen Kohlen» 

Einst ging ein Mann von Bettweiler in der Nacht nach 
Durstel. Als er an den Seeaesberg (einen Teil des Lübelns) 
kam, wollte er eine Pfeife Tabak rauchen. Da hemerkle er an 
einer Hecke einen Haufen glühender Kohlen. Er ging hinzu, 
nahm eine und legte sie auf die Pfeife. Am andern Morgen 
fand er ein Goldstück in seiner Pfeife. Da ging er in der 
folgenden Nacht den nämlichen Weg und sah die Kohlen . 
wieder. Er hfickte sich und wollte jetzt alle mitnehmen, bekam 
aber eine solche Ohrfeige, daß er den ^rg hinabrolKe. 

Mitgeteilt von Lehrer Baeh zu. Darstel. 

132. Der wei^ Mann im Rohr. 

Zwischen P>ettweiler und Durslei ist ein Wiesental, das 
heißt Rohr. Von diesem Tal erzählen sich die Leute allerlei 
Geschichten. Euist gingen zwei Männer in der Nacht von Bett- 



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— 116 — 



Weiler nach Durstel. Als sie in das Rohr kamen, sahen sie 
ei neu weißen Mann neben ihnen herg^ehen. Er driuikie einen 
K irren vor sich her, der mit Steinen heladea war. Als sie 
nahe an das Dorf DnrsLel an den Rohrherjf kamea, hid er die 
Steine nehen der Straße ab und verschwand. 

Mitgeteilt von Lehrer Bach za Durstel. 

133. Der Rohrbrunnen. 

Vor deni Dorle Durstel, rechts von der Straße nach 
Rftxingen, ist ein Laufbrunnen, welcher Hohrlu unnen genanut 
wird. Bei diesem soll es in der Nacht nicht ganz rieht i^r 
sein. Eines Nachts ^iui,^ ein Mann von Derg, der in Durstel 
war, nach Hause. Als er zum Rohrbrunnen kam, sah er viele 
junge weiBe Ziegen, welche über den Brunnentrog sprangen. 
Als er eine fangen wollte, waren sie alte verschwunden. 

Einst ging ein Hann in der Nacht von Rexingen nach 
Durstel. Da er an den Rohrbrunnen kam, lief ihm ein 
schwarzer Hund entgegen and sperrte seinen Rachen auf, 
als ob er den Mann verschlingen wollte. Da der llfann ihm 
mit seinem Stock einen Hieb geben wollte, war er verschwunden. 

Mitgeteilt von Lebrer Baeh sn DnrsteL 

m 

134. Dar habsüchtige Bauer. 

Früher soll in Durstel ein Bauer^sraann ^'elcbt liaben, 
welcher sehr habsüchiig war. Wenn er hinausfuhr, sein Feld 
zu pflügen, so riß er den Grenzslein aus der Furche und setzte 
ihn in das Feld des Nachbars. Dann wurde so gepflügt, daß der 
Stein wieder in der Furche war. So wurde sein Feldstück immer 
größer. Nach seinem Tode mußte er zur Strafe einen großen 
Stein auf dem Felde herumtragen. «Er rief immer: «Wo soll 
ich ihn hintragen ?» Da sprach ein Mann : cWo du ihn geholt 
hast;» Da sprach er : «Jetzt gehe ich schon 300 Jahre so um- 
her und bin nun endlich erlöst.» 

Mitgeteilt von Lehrer Bach Doratel. 

135. Der unehrliche Wirt. 

Früher soll in 1) ii r<tel ein Wirt gewohnt lial)ea, welcher 
immer eine weiße Ziptelmütze trug. Wenn er jemand Wein 
verkaufte» so goß er zuerst eine Portion Wasser in das Glas. 
Er ivar daher als IVein pantscher überall bekannt. Als er ge- 



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— 117 — 



storben war, legten sie ilm i n einen Sarg und setzten ihm 
seine weiße Mütze auf. Am Bejjräbnislage, als der Sarg vor 
dem Hause stand und sich viele Leute dort versammelt hatten, 
ötfnete er oben ein Fcnsler und rief herah : «Zwei Schoppen 
Wasser und zwei Schoppen Wein *^ibl auch ein Maii.J» Noch 
lauge soll er in diesem Hause nrehört wonlen <elr\. 

Mitgeteilt vou Lehrer Bach au DursteL 

136. Der nne^läubige Mann. 

In Durslei woluite fniher ein Mann, der an keinen Gott 
giaubte. Er hatte fast immer eine Ziplelskapp auf dem Kopfe. 
Als er gestorben war, bekam er seine Mütze mit ins Grab. 
Nach seinem Tude mußte ej' zur Strafe für seinen Unglauben 
mit der Mütze auf dem Kopl unter den Schuppen des Dorfes 
umhergehen. Mehrere Männer aus Adamsweiler gingen einst 
in der Nacbt durch Durste). Einer von ihnen sab ihn und 
rief: tSebt ihr ihn dort sitzen?» AU sie unter den Schuppen 
gehen wollten, verschwand der Munn und ist seitdem nicht 
mehr gesehen worden. 

Mitgeteilt von Lehrer Bach za DoreteL 

137. Die g^oldenen Nüsse. 

Ein Mä t h Ml hatte auf dem Felde bei Dur siel Nüsse 
gesucht und schon viele in sein Körbchen gesammelt. Da kam 
ein alter Mann zu ihm und hatte ein ßetlelsücklein anhängen. 
Er ?5prnch : «Gib mii- ein paar Nüsse, daß ich meinen Hunger 
ein wenig stillen kann.» Das Mädchen gab ihm von d«n Nüssen, 
bis es nur noch drei im Körbchen liatle. Mit diesen ging es 
heim. Als es dort durnacli schaute, waren sie golden. 

Mitgeteilt von Lehrer Bach zu Dorstcl. 

138. Die Kutsche im. Katharinenwald. 

Heute noch findet man im Katharinenwald bei Durstet 
Ueberreste eines fraheren Klosters. Es hiefi Katharinenliloeter 
und hat dem Wald seinen Namen gegeben. An dem Platz 
liegen viele große Sandsteine. Auf einem solchen saB einmal 
ein Mann und ruhte aus. Auf einmal fuhr ihm eine Kutsche 
über die Hand. Darin safi eine sch&ne, weißgekleidete Dame. 
Zu gleicher Zeit hdrte der Mann eine schöne Musik. Die 
Kutsche aber hatte ihm an der Hand nicht weh getan und 
verschwand gleich darauf. 

Mitgeteilt von Lehrer Baeh zu BorsteJ. 



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— 118 



130. Das Gespexist im Jungholz. 

Wenn man von Durste) nach der Scliwattermöhle gehl, 
kommt tnati an einem Wald vorbei, der das Jungholz heißt. 
Wie alte Leute erzählen, erschien früher auf diesem Wege otl 
ein Gespenst entweder in der Gejjlalt eine.s Hundes udej' einer 
Ziege üder eines andern Tieres. Wollte man das Tier fangen, 
so verschwand es plötsitch. Viele behaupten, es wäre der 
Teufel, der in dem Jungholz hause. 

Mitgeteilt von Lelirer Bach zu Durstel. 

140. Die schwarze Katae. 

In der Nähe ile.s Sleinhaclierhofes hei Dnr.stel lie^^t ein 
kleiner Wald, Hintei'w.iM genannt. Dorthin waren eines Al)en<is 
Leute aus Durstel gefahren, um auf einem Acker Klee zu holen. 
Es wurde spat, i)is sie nach liause zurückkehrten. Da lief eine 
schwarze Katze mit ihnen und wollte sich immer auf ihre Füße 
setzen. Der Fuhrmann gab ihr mit seinem Fuß einen tüchtigen 
Stoß, da0 die Katze weit weg geschleudert wurde. AI« die 
Leate gleieh darauf zurückscbauten, lief eine Person hinter eine 
Hecke und lachte. 

Mitgeteilt voll Lehrer Bach au Durstet 

141. Das weifie Kind am Briickel l^eim 
Steinbacher hof. 

Zwischen Durstel und dem Steiabacherhof führt die 
Straße über eine Br&cke, genannt das Hofter Brückel. Einst 
wollten Leute in der Nacht von Lohr nafh Waldhambach tahren. 
Als sie an diese Brücke kamen, wurde das Pferd scheu. Sie 
sahen ein kleines, schneeweißes Kind unter die Brücke laufen, 
welches laut lachte. Da wollten sie ihren Hund unter die 
Brücke schicken; aber er lief fort und heulte. Sie wollten 
weiter fahren ; aber als sie auf die Bräche kamen, ßng der 
Wagen an zu krachen, und das Pferd blieb stehen, sie konnten 
es nicht mehr vorwärts bringen. Da kehrten sie um, fuhren 
zurück und nahmen einen andern Weg nach Hause. 

Mitgeteilt von Lehrer Bach an Borstel. 

142. Der wilde Jäger. 

In Ad amsweiler soll früher ein Oberförster mit Namen 
£ntel gewohnt haben. Dieser ritt auf einem Fuchs in den Wal- 



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» 

düngen umher, die er zu hüt^n hatte. Nach seinem Tode wollen ihn 
noch viele Leute in dem Kerbholz gesehen haben, wie er umher- 
ritt. Viele wollen jetzt noch im genannten Wald seinen Jagdruf 
hören und aucii, wie der Fuchs mit seinen Mufen an die 
Bäume schlägt. 

Mitgeteilt von Lehrer Bach zu, Darstel. 



143. Der schwarze Hund in Adamsweiler« 

Vor langer Zeit stand in A d a m » we i l e r neljeu dem 
Kirchhof ein Wirtshaus. In dasselbe kam eines Tages ein vor- 
nehmer Reisender mit einem schwanen Hündchen. In d^r 
Nacht wurde der Reisende in dem Wirlsbause totgeschlagen 
und soll unter dem Haus begraben sein. Sein Händchen wollte 
nicht mehr aus dem Hause. Seit jener Nacht soll in dem Haus 
ein Gespenst sein. Bald brach in dem Wirtshause Feuer aus. 
Das Haus brannte nieder, und auch der Hund verbrannte. So, 
sagte die Frau, jelzt haben wir doch einmal Ruhe vor dem 
Hund und dem Gespenst. Aber der Hund läuft noch immer 
io der Nacht dort um die Häuser herum, und viele Leute 
wollen ihn schon gesehen haben. 

Mitgeteilt von Lehrer Bach sn Duntel. 



144. Der Schimmel bei Adamsweiler. 

BUn Mann und eine Frau von Adamsweiler gingen 
einmal des Nachts in den Wald, um Laub zu holen. Als sie 
mit vollgestopften Säcken wieder auf die Straße kamen, be- 
merkten sie einen Schimmel, der neben ihnen her ging und 
nicht wich. Erst als der Mann seinen Sack fallen liefi, ver«* 
schwand der Schimmel. 

Mitgeteilt von Lehrer Weber zo DruUngen. 



145. Der verschoheue ü-reiizstem in Aßweiler. 

Im Aßweiler Bann rückte ein Mann einen Grenzstein 
auf seinem Felde, um dieses zu vergrößern. Er tat es in der 
Nacht. Als er am andern Abend wieder hinkam, lag am Mark- 
steine ein Hündchen. Es rief: 

«Wau, wau, wau, 
ich dieh serbaul» 



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120 — 

Am andern Abend war <^s wieder lia. Als er am dritten Abeud 
hinkam, ein großer Melzgerliund dort, der zerriß ihn. 

^^'er später in der Nacht dort vorüberkam, verirrte sich. 
Man hörte oft einen Mann rufen : 

«Wo setz ich ihn hin 
zu meinem Gewinn?» 

Da gin;,' einst ein Betrunkener dort vorbei. Auf jene 
Frage gab er die Antwort: « 

•Setz ihn dahin, 
WO 'äu geholt iha.» 

Seit jener Zeit ist es rahig an diesem Orte, 
stfitgetoilt voa Lehrer Aren sn Olwisheim, früher sa Bimsdorf. 

146. Die Frau am alten Kirchhof. 

Um die evangelische Kirche zu Aßweiler lag früher der 
Kirchhof. Kine Treppe fiihrte zu ihm liinauf. Von ihr sali 
man n ichts manchmal eine alte Frau mit einem Pack Schritten 
koinineii. Grüßte man sie, >rü gab sie keine Antwort. Folgte 
iji.ut ihr, so bog sie schnell in ein Seitengußleia ein und 
verschwand. 

Uitgeteilt von Lehrer Weber m Aßweiler. 

147. Das Dorftier von AÜweiier. 

Ganz in der Nähe des Schuihauses von Aßweiler, wo 
jetzt ein Pumpbrunnen steht, war früher ein Kettenbrunnen. 
Zu verschiedenen Zeiten in der Nacht sahen Leule trüber auf dem 
Rande des Brunnens ein schwarzes Tier sitzen, so groß wie 
ein Kalb. Sagten sie etwas zu ihm, so spränge es ihnen auf 
den Kücken und gin^'" nicht eher herunter — die Leute mochten 
so laut schreien, wie sie wollten — bis sie einen Fluch aus- 
stießen. 

Mitgeteilt voD Lehrer Weber ra Aßweiler. 

148. Das weiße Fräulein im Schlosse. 

Als früher im Schlosr^ie von Aßweiler noch Grafen 
wohnten, kam jedes Jahr zwischen Weihnacliten und Neujahr 
von Norden her, durch die Luft geflogen, begleitet von einem 
heftigen Winde, ein weißes Fräulein auf einem Schimmel sitzend. 
Es flog gleicli ins Schloß. Nun fing darin ein furchtbarer Lärm 
an. Nach ungefähr einer Stunde verließ es das Schloß wieder 
in der näralichen Richtung, von wo es gekommen. 

Mitgeteilt von Lehrer Weber zu Aßweiler. 



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— 121 — 

149. Von der Frau zum Hasen. 

An der Straße von Aßweiler nach DruHogen liegt io der 
Nähe voQ Aß wei 1 er eine sumpfige Wiese, Saueretzel genannt. 
Dort sab man in früheren Jahren am Abend spät oft eine Frau 
mit einer Hacke auf der Achsel. Näherlen sich ihr die Leute^ 
so lief sie nach der Straße, kroch in einen Dohlen und kam 
auf der andern Seite in Gestalt eines Hasen zum Vorschein » 
der im Felde verschwand. 

Ifitgeteilt von Lehrer Weber zn Aßweiler. 

150. Die weiße Frau. 

Einsl weidete ein Mann von Aßweiler im Iliutcrwaliie 
die Herde. Da kam eine weißgekleidete Frau zu ihm und sajfte: 
«Morgen früh, wenn es i'ii^'^^Hock läutet, kommst du zu mir in 
das Kirsch^^ärtclien. Dubrauctist keine Hacke und keine Schaufel 
mitzubringen. Du wirst g^enug bekommen. Wenn du nicht 
kommst, so passiert dir ein Unglück.» Der Mann ging an» 
andern Morgen nicht hin. Später ist er erfroren. 

Mitgeteilt, von Lehrer Weber zu Aliweiler. 

151. Die yerwuaäohene Frau. 

Im Wald zwischen Aßweiler und DruHngen erschien 
früher alle Jahre eine schdne Frau. Sie saß auf einer Kiste 
und sang traurige Weisen. Eines Tages begegnete ihr ein Vater 

mit seinem Sohne. Die Frau sagte zu ihnen : ((Ach, wenn 
mich nur jemand erlösen möchte!» Da fragte der Mann, womit 
sie erlöst werden könnte. Sie antwortete : cHier sitzt eine Kröte; 
wenn ihr jemand einen Kuß gibt, bin ich erlöst.» Aber niemand 
wollte der Kröte einen Kuß geben. Da verschwand die Frau 
und ward nie wietier jxesehen. 

Mitgeteilt von Lehrer Weil zu BosheliQ, früher sa Diemeringea. 

152. Bie Marte-Fricks-HUtte. 

In der Nähe von Büst war in einer Schlucht bis vor 
wenigen Jahren eine Fdlsmhöhle su sehen. Das Volk nannte 
sie die Marte-Fricks-Hütt, Hier soll der letzte katholische 
Meyer (Bürgermeister) von Büst, Martin Frlck^ .mit seiner 
Tochter eine Zeitlang gehaust haben. Noch waren die Türangeln 
am Eingang zur Hohle vorhanden. Heute ist diese aber nicht 
mehr zu sehen, sondern unter dem Schutt eines Steinbruchs 
Jiegraben. 

Mitgeteilt von Lehrer Klein zu Büst. 



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153. Der Mettmger Wald. 

Zwischen Mitternacht und ein Uhr kommen aus dem 
Meltinger Wald oft laut klagend und jammernd zwei über- 
menschlich große Wesen, Mann und Frau, und prehen R"egen 
' Sieweiler zu. Beide sind in weiße Mäntel ^eliiUlt und von 
einem Hunde begleitet. Sie schreiten l:jng?5am und Hand in 
Hand über die Frohmatl der Schalbacher Hübe zu und ver- 
schwinden endlich. 

In dunkeln Herbstnächten kotarnl aus dem Mettin;:er Wald 
der wilde Jä'rer. Er trägt ein grünes Kleid und einen {großen 
Schlapphnt auf dem Kopfe. Gewöhnlich ist er von zwei Hundeii 
begleitet. Seine Kufe «Hüdada» sind bis ins Dorf hörbar. 

Mitgeteilt voa Lehrer Beck icu Sieweiier. 

154. Auf der KloBtermatt. 

Auf der Klostei iualt bei Sieweiler sieht man in stillen^ 
mondhelleo Sommernächten oft zwei wei£e Frauen- Manchmal 
bemerkt man dort auch eine Prooession Klosterfraueo, und 
man vernimmt ihr Beten und Singen. 

Mitgeteilt von Lehrer Beck zu Sieweiler. 

155. Der Goldkessel. 

Ein frommer Jüngling aus Weyer weidete einmal das Vieh 
auf einer dortigen Wie.se. Da kam eine weiße Frau auf ihn 
zu. Er aber fürchtete sich nicht ; denn er hatte schon oft von 
Erscheinungen gebannter Leute gehört. 0ie Frau sagle zu 
ihm: cGuter Knabe, komm morgen wieder an diese Stelle; 
du wirst dann dein Glück machen, und ich werde erlöst sein.» 
Der Knabe tat, wie ihm gesagt war, und kam am andern Tage 
wieder. Da sah er sn der nämlichen Stelle einen großen Kessel 
voll Gold. In der Aufregung rief er nun seine Kameraden 
herbei. Da geschah ein furchtbarer Knall, und der Kessel 
' samt dem Getde war verschwunden. 

Mitgeteilt von Lehrerin Forrler, frfther en DrnUngen. 

156. Wilde Tiere als Irrleiter. 

Zwei ÄIad( hen gingen einmal von Weyer nach D r u I i n g e n. 
Auf halbem Wege begegnete ihnen eine weiße Frau und fragte 
sie: «Wo gehl ihr hin?» Sie antworteten : «Nach Drulingen)^ 
Da verschwand die Frau. Ais die Mädchen zurückkehrten und 



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— 123 — 



wieder an die Stelle kamen, waren Rehe und andere wilde 
Tiere dort versammelt. Diese führten die Mädchen irre. Sie 
kamen nach Büst und Haugweiler. Erst am andern Morj^en um 
6 Uhr gelangten sie wieder nach Hause. 

Mitgeteilt von Lehrern Forrler, früher zu DmlingSD. 

157. Die feurige Katze. 

Von Hangweiler ging ein Mann nach Drulingen, um 
einen kleinen Hund zu holen. Außen an Mettingen sah er eine 
feurige Katze. Die ging um ihn lierum, bis fast an Drulingen 
an, wo sie verschwand. Ais er auf dem Heimweg wieder an 
den Platz kam, wo sie verschwunden war, versteckte sich das 
Hundchen und heulte. Do bemerkte er die Katze wieder hinter 
sich. Er ja^ie sie fort. Aber sie lief immer um ihn herum, big 
er bald zu Hause wnr. Als er den Hund heim gebracht hatte, 
ging er wiedei" zurück, um zu sehen, was die feurige Katze 
wäre. Nach einer kuizen Strecke wunie es ilim schlecht (un- 
wohl). Er setzte sicii nieder. Da sali auch die Katze vor ihm. 
Plötzlich verschwand sie mit lachenarti^em Geheul. 

Mitgeteilt von Lehrer Weber zu Druliugeu. 
158. Das Hnttersohwein. 

In Drulingen sagte man früher, daß es am Grenzhut 
(zwischen Sieweiler und Mettiiij^en) nicht geheuer sei. Einmal 
ging des Nachts ein Mann hier vorbei. Plutzlich sah er ein 
Schwein mit Jungen. Die Tiere gingen neben ihm her, bis es 
12 Uhr schlug. Dann verschwanden sie. 

Mitgeteilt von Lehrer Weber zu Druiingen. 

158. Der bewaffnete Ritter im Weist. 

Vor vielen Jahren kehrte ein Mann von Ehweiler spül 
in der Nacht heim. Er mufite am Wolst vorbei, einem großen 
Walde, der iwischen Eyweiler und der Strafie liegt, die nach 
Saarunion fuhrt. Es war heller Mondenschein. Da sah er am 
Waldesrande einen bewaffneten Ritter. Die ganze Rüstung glit- 
zerte wie reines Gold. Der Ritter bewegte sich langsam nach 
der ungefähr 10 m langen Seeb (Wasserlache) hin, die an der 
Waldecke liegt und immer größer und breiter wurde. Der Mann 
konnte den Ritter ganz gut sehen. Nach einer Weile hörte er 
ein Gepolter. Dann war der Ritter verschwunden. 

Mitgeteilt von Lehrer Ahl sa Saarnnioa. 



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— 124 



IdO. Der Mann ohne Kopf. 

Eine Frau nus Myweiler </\n^ spät in der Nacht vorn 
«Slüwwe* (Kunkelstube) heim. Als sie aus <lem Haus heraus- 
trat, sah sie auf der Straße einen kohlscliwarzen Mann aiif- 
und abj^ehen. Sie meinte, es wäiv der Biiltel, welcher Iti blasen 
wülüe, und tVagle : ^(ßekumiij ich eKamrad ?» Sie ertiielt aber 
keine Antwort. Der Manu ging nun der Frau voraus, blieb aber 
bald stehen. Alg sie wieder tu ihm kam, iVagtc sie zum zwei- 
tenmale: cBekumm ich e Kamrad?» Jetzt erat sab sie, daß es 
ein Mann ohne Kopf war. Da wurde er auf einmal ganz feurig 
und csp Atzte» Feuer. Dann war er verschwunden. 

Mitgeteilt von Lehrer AM zu Suunmion. 

161. Der weiÜe Vogel. 

Vor langer Zeit woUle einmal ein Mann von Ey weiter 
einen Brunnen aufgraben. Da fand er einen Korb voll Geld. 
Als er es seiner Frau zeigte, schluj? ihr jemand in das Gesicht, 
so daß sie in der Nacht sfarl). Bisher hatte man in der Nähe 
des Brunnens spät am Abend immer einen woißen Vogel ge- 
srlu n. Als aber die Frau tot war, war der weiße Vogei ver- 
schwunden. 

Mit|;eteilt von Lehrer Abi zu Saaruniou. 

162. Der Mann mit der weißen Zipf eiskapp. 

Vor vielen, vielen Jabreu sah man des Nachts bei £y wei- 
ter in der Näbe des Weyerer Waldes auf einer Mauer oft einen 

schwarzer! Mann, der eine weiße cZipfelskapp» auf dem Kopf 
hatte. Em Mann ging einmal von einem Begräbnis von Weyer 
durch den Wald heim nach £y Weiler. Als er an der Mauer 
vorbeikam, rief ihm der schwarze Mann zu : «Nimm mich mit 
und trag' mich lieim!» Er ging aber vorüber, ohne sich um 
ihn zu bekümmern. Bald darauf begegnete ihm eine Kutsche, 
vor die ein weißes Pterd gespannt war. Sie blieb vor ihm ste- 
hen, rils ob er sicli hinein selzcn sollte. Er tat os aber nicht. 
So begegneten ihm noch 30 Kutschen nacheinander. Die letzte 
war ganz feurig. Darin saß der schwarze Mann mit der weißen 
Zipfelmütze. 

Mitgeteilt von Lehrer Ahl zu Saaruuion. 

163. Der wilde Jäger. 

Vor Zeiten ging einmal ein Mann aas dem Eicheltal spät 
in der Nacht heim durch den Kleinwald von Eyweiler. Als 



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— 125 — 

er an die «Küpp» (Holzschlag) kam, wollte er ein Slück Hotz 
auf die Schulter nelmien. Da hörte er aus der Ferne des Waldes 
plötzlich Hunciep:el)ell. Es kam immer näher und wurde stärker. 
Auf einmal meinte dei' Mann die Hunde j^anz in seiner Nähe 
zu hören ; aher er konnte sie nicht sehen. Aus (k ru Innern des 
Waldes vernahm er deutlich den Ruf «Hüdada, Hud iUa». Dann 
liefen die Hunde la den Wald zurück. Al)er sie kamen immer 
wieder und umschwärmten ihn, so daß er ihr Aechzen und 
Schnaufen hören konnte. So ging es fort, bis er aus dem Walde 
wieder auf die StraBe kam. 

Mi(geteilt von Lehrer Ahl zu Saarunion. 

164. Der schwarze Maua. 

Zwei Männer von £y weil er holten einmal im GroBwald 

Holz und kehrten gegen Abend heim. Als sie in die Nähe des 
Dorfes kameO| bemerkten sie in einein Feldweg einen jrroßen 
schwarzen Mann. Sie meinten, es wäre der cJi^er» (Förster), 
und einer von ihnen ging herzhaft auf ihn zu. Als er aber in 
seine Nähe kam, spie die Gestalt Feuer aus. Der zurückgeblie- 
bene Kamernd rief nun : «Hans, komm schnell zuriick ly> Da 
wich der Muli-e lanj^sam zurück Die schwarze Gestalt war 
aber verschwunden. Auch andere Leute wollen sie auf dem 
nämlichen Platz schon i^eselien haben. 

Mit£:eteilt von Lehrer Ahl zu Saarunion. 

165. Die Gespensterkutsohe. 

Weit hinten im Wald von Ey weiter wurden nachts an 
einem Platz oft Bäume umgehauen. Da ging der Förster ein- 
mal mit vier slarken Männern in den Wald, um auf die Frevler 
zu passen. Sie konnten aher niemand sehen» trotzdem der Mond 

hell schien. Endlich um Mitternacht hörten sie ein furchtbares 
Gepolter und sahen die «Schneis» (Waldweg) eine große Kut- 
sche mit zwei Rappen heninlerkommen. Darin saß ein großer 
schwarzer Mann mit feurigen Augen. Die Männer konnten kein 
Wort reden, so sehr erschraken sie. Im Galopp sprengten die 
Rappen an ihnen vorüber. Da war auf einmal nur noch die 
Kutsche zu sehen. Aber der feurige Mann und die Pferde waren 
verschwunden. 

Eine ähnliche Kutsche sah auch einmal der Büttel (Ge- 
nieindediener) des Dorfes, als er nni Mitternacht zwölf blasen 
vvolUe, Sie sauste mitten im Dort an ihm vorüber und ver- 
schwand in einem Garten. 

Mitgeteilt von Lehrer Ahl za Saaranion. 



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166. Das unsiohtbare Gespenst. 

Ein Mann g:ing im hohen Soiiiuiei von Esch wei ler ganz 
spät am Abend heim nach Ehweiler. Als er auf die «Großwind» 
kam, war es schon finster. Da war es ihm nicht mehr mÖgUch, 
vorwärts zu kommen, er konnte sich anstrengen, wie er wollte. 
Eine i^^anze Stunde mußte er auf Händen und Füüen liegen. 
Er meinte, er wäre verbext und konnte sich nicht mehr auf« 
richten. Auf einmal bOrte er ein Geräasch, wie wenn ein Vogei 
vorbei flog ; aber sehen konnte er nicht s. In diesem Augenblick 
vermochte er sich wieder aufsoHchlen und ungehindei'l weiter 
zu geben. Da schlug es in Eyweiler 12 Uhr. 

Mitgeteilt von Lehrer Ahl zu SaarnnioiL 
167. Der wilde Jäger. 

Vor allen Zeilen waren die Buben von 11 irschlaud nut 
dem Vieh in der Kohlmatt nahe beim Wald auf der "Weide. 
Da machti^n sie sich ein schönes Feuer und setzten sich dar- 
um. Plötziicb h&rten sie etwas im Wald, wie wenn es ein Jagd- 
lärm wäre. Das Geräusch kam immer näher. Und auf einmal 
sahen sie den wilden Jäger auf einem Schimmel und mit zwei 
Hunden. Dreimal ritt er durchs Feuer. Dann sahen sie nichts 
mehr. Voller Angst liefen sie heim und erzählten alles. 

Uitgeteilt von Lehrer Weber za Dmlingen. 

168. Das geisterhafte Pferd. 

In Hirschland hQtete vor vielen Jahren. ein Hirt die 
Säue tm Eichwalde an einem Kirchweihtage. Als er gegen Abend 
heimfuhr, konnte er einige nicht finden und lieB sie im Walde 
zurück. Zu Hause angelangt, schickte er seinen Sohn vom Tanze 
weg hinaus, die Säue zu suchen. Unter Fluchen und Schelten 
machte sich dieser auf den Weg. Unterwegs sprach er zu sich.1 
«Wenn ich jetzt ein Pferd hätte, würde ich bald in der Ober- 
matt (einer Waldinsel) sein», in deren Nähe er die Schweine 
vermutete. Als er noch eine Strecke weit und über einen 
Graben gegangen war, stand da ein gesatteltes Pferd im Wege, 
w^elche? mit dem Fuße den Boden scharrte, und ein Hund saß 
daneben. Da lief ihm aber «die Katze doch den Rücken hin- 
auf», wie er so dastand und die beiden Tiere betrachtete. Auf 
das Pferd aber setzte er «icli doch nicht. Plötzlich krachten die 
Bäume ini Wald und die Erlen nni Graben um ihn her, als 
würde alles in tausend Stücke zerschlagen. Indem er sich um- 



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- 127 — 

wandte und nacli Hause zurücklief, vernahm er noch ein hölli- 
sches Gelächter hinter sich hei . Für diese Nacht war ihm aber 
das Tanzen vergangen. Am andern Morgen war die Erscheinung 
verschwunden, und die Schweine wurden wohlbehalten im 
Walde lusammengetrieben. 
Mitgreteüe von Lehrer Bieber za Koßweiler, früher zu Hirschlaud. 

169. Der Geist in^der weifien Naohtweld. 

Vor vielen Jahren kauften einige Bärger von Hirscbland 
die Feldgewann cdie weifie Nachtweid». Da die Kaufsumme 
nach Straßbur^ bezahlt werden mußte^ die Reise dahin aber 
sehr beschwerlich war, übergaben sie das Geld einem Bfanne^ 
damit er es abliefere. Nun war aber dieser Mann ein Schelm. 
Er unterschlug die ihm anvertraute Summe, machte sich einige 
liöbltche Tage u)id kam erst wieder, als er den letzten Pfennig 
ausgegeben hatte. 

Bald kam aber seine Untreue an den Tag. Wohl oder übel 
mußten die Käufer das Gut zum zweiten male bezahlen. Daß sie 
den Mann, der sie um so viel Geld gebracht, haßten, liegt auf 
der Hand. 

Jahre vergingen, und al-^ der Ungetreue starb, war nur noch 
einer der Betrogenen am Lehen. Als die Nachricht durch das 
Dorf ging, der Schinietiiienrich sei j^eslorben (so wurde nämlich 
der Betruger genannt), da Iluchte ihm der Betrogene und sprach : 
«Wenn er nur im Grabe keine Ruhe fände und immer in der 
weißen Nachtweid gehen müßte I» 

Niehl lauge nachher ging ein Hirschlander, der an der 
Esch Weilerstraße wohnte, spät in der Nacht von Bärendorf nach 
Hause. Da er dachte : a Wenn ich über das Feld gebe, so schneide 
ich den Bogen durch das Dorf ab und bin eher daheim», ver- 
ließ er bei den Reben die Straße tind ging quer über die Aecker. 
So kam er auch un der weißen Nachtweid durah. Plötzlich 
stand der Schmiedhenrich vor ihm, angetan in seiner alten 
Tracht: weiße Joppe, Kniebosen, Schnallenschuhe, auf dem Kopf 
den Nebelspalter. Drohend rief er dem Wanderer zu : cTret* 
aus meinen Fußstapfen weg b Da der Angeredete sich vor 
Schrecken nicht rührte, erhielt er eine so heftige Ohrfei;.* , laß 
er zurücktaumelte und einige Zeit ohnmächtig liegen blieb. Voll 
Angst und Schrecken kam er heim und wurde schwer krank. 
Im Fieber hörte er immer den Schmiedhenrich rufen : cTret' 
aus meinen Fußstapfen weg U 

Seither ist der Geist noch einigemal in der weißen Nacht- 
weid gesehen woi den. Daher wagt es niemand mehr, den Ort 
zur Nachtzeit zu betreten. 

Mitgeteilt voa. Leiirer Leimuger zu HifRchland^, 



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170. Der Schimmel in der Qlintsoh* 



Emst ging ein Hirschlauder Musikant von der R a u \ve i I er 
Kirb in der Nacht heim. Da sah er nicht weit vom Wege in 
der Gewann GUnUch einen Scbimmel weiden. Kaum hatte da.^ 
Pferd den »päten Wanderer erblickt, so trabte es ellig auf ihn 
zu ttod stellte sieb so voribn bin, als wollte es ibn zum Auf- 
sttsea auffordern. Dem Mann stiegen die Haare zn Berg. Schnell 
wollte er um das Pferd herumgehen und seinen Weg fortsetzen. 
Wohin er sieb aber wandle, immer stand das Pferd vor ihm. 
In seiner Angst fing der Musikant an zu beten. Da verscbwand 
der Schimmel. Seitdem haben schon viele Leute von Rauweiler 
und ilirschland das Pferd des Nachts um i2 Uhr gesehen. 

Mitgeteilt von Lehrer Leiiiiiiger zu fiirscliland, 

171. Das Borftier als Brunnen Wächter. 

In Rauweiler gab es bis in die Mitte des 19. Jahrhun- 
derts nur wenige Brunnen. Es waren meistens Zieh- oder Ketten- 
brunnen mit zwei Eimern. Erst in neuerer Zeit wurden Pump- 
})i unnen beigestellt. Trotzdem tritt in trockenen Herbsten öfters 
Wassermanp^el in dem hochgelegenen Dorf ein. Früher muß 
das bei der geringen Anzahl von Brunnen viel häufiger gewesen 
sein. 

Um diesen Was.sermanj*el nicht zu verfjrößern, soll sich 
früher von zehn Uhr abends bis zum Tagesanbruch n*^h'^M dem 
lirunnengehäuse ein Un^fehoner, das Dorftier, gelagert iiaben. 
Wer sich in die«^r Zeit ileni Brumieii näherte, um Wasser zu 
schöpfen, erliiell von dem Tier derbe Schläi^e ans iiein, bis er 
sich enlfernte Wenn der Tag graute, verschwand das Dorftier. 
Dann konnte jedeimauii ungesfört Wasser holen. 

Mitgeteilt von Lehrer Koiiler zu Bürbach. 

172. Der Förster Barthel. 

Zwischen Bn r o n d o r f und Finstingen lag tVuher der S[)u- 
rensvald. Der Kursier Barthel liatle ihn zu bewachen. Dieser 
war gegen die armen Holzsanirnler sehr streng und brachte 
manchen von ihnen in das Getangnis, Darum freuten sich alle, 
als er starb. 

Aber der Barthel bheb auch nach seinem Tode noch Hüter 
des W*aldes. Auf einem stolzen Schimmel ritt er in seinem 
Revier umher. Ihm folgten zwei weiße Hunde, die er oft durch 
«Hudada, Hudada» zu sich heran rief. Von Bärendorf sah man 



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129 — 



in mancher Nacht eio großes, helles Liebt da und dort im 
Walde aufblitzen, das Barthel auf seinen nächtlichen Ritten bei 
sich liatte. Wenn die Bärendorfer abends spät von Finstingen 
beim gingen, begegnete ihnen ßarlliel sehr oft und wünschte 
ihnen einen guten Abend. Die Fuhrleute, die mit Salz von Saar- 
alben nach Straßhurg fuhren, sahen ihn häufig in den Sand- 
gruben bei BommeIHngen umherreiten. 

Ein Mann aus Helleringen wollte einmal im Sporenwald 
trotz des hestelienden Vertwles «^eino Pfeife anzünden, bekam 
aber dabei eine derbe Oliilc%'e. Gleicbzeifi^'- höile er in d«r 
Nähe des Bartheis «Kudada». Und als er nacli diesem umsdiaute, 
sah er ihn atif seinem Schimmel zwischen den Bäumen des 
Waldes verscliwinden. 

Mitgeteilt voq Lehrer Lazarus zu Weyersheitu, früher zu 

Bärendort 

173. Bas Herdenmännel in der Sulzermatt. 

l)ie W n 1 1 's k 1 r c h e r irieben früher ihre Pferde auf die 
Nachlweide. So hielt einmal ein Pferdehüter drunten in der 
Sulzmatt mit zwei Pferden. Biese wurden plötstich ungeduldig 
und wollten davon laufen. Er trennte sie nur mit Mühe halten. 

Da stieg auf einmal ein Icleines Männlein aus der Isch auf. 
Das sprach zu dem Bauer: cich will dir helfen deine Pferde 
boten 1» Er wsr es zufrieden. Das Mdnnlein sprang nun jedem 
Pferd an den Hals und würgte beide zu Tode. Dann verschwand 
es wieder, so schnell wie es gekommen war, in den Wassern 
der Isch. Voll Grausen lief der Hüter davon. 

JG^eteilt you Lehrer Eoeharsperger, fir&her sa WoUildrehen. 
174. Die weiBe Frau auf dem Schimmel. 

Am Adelshrunnen, der am We^^e von Posldorf nach VVol fs- 
kirchen sich befindet, stand trüher ein Schloß. Daher wird 
die Gewann der Grafenhof genannt. Von ihm führte ein Wei:, 
der Herren weg, der heute anjjebnnt wird, talabwärts um den 
Hügel herum, auf dem Wolfsku i iu n liegt. 

Einst fuhren die Herren vom Giafeniiof um iMitlernacht 
diesen Weg in einer Kutsche. Auf der Brücke, welche über den 
Burbach führt, kam ihnen eine kleine weiBe Frau auf einem 
Schimmel entgegengeritten* Statt ihnen auszuweichen, ritt die 
weifie Frau in die Kutsche hinein, so daß sie umfiel. Mit MQhe 
konnten die Herren vom Grafenhof sich erheben und weiter 
fkhren. Von der weiBen Frau und ihrem Schimmel sahen sie 
nichts mehr. 

MitgeteUt von Lehrer KoelierBperger, frdher sn WoUkklrelien. 

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• 130 — 
175. Ber Name Wolfskirchen. 

Da, wo sich heute die Kirche von Wol f s k i rch e n er- 
hebt, stand früher ein großes Gebüsch. Darin la;^ einmal eine 
Wölfin mit ihren Jnni^pn Die Anwohner verjngten Wölfin und 
Juuj^e und hnuten eine Ivirche dahin. Daher bekam sie dea 
Namen Wollskirche, bei der WuUskirchen. 

Von andern Leuten wird erzählt, in der frühereu kleinen 
Kirche, die vor 1789 an der Stelle der jetzigen stand, hätte eine 
Wölfin einmal Junge ^reworfen. 

Mitgeteilt von Leliier Kochersperger, friilior za Wolfskiicliea. 

176. Der Hühnerbühl bei WolfskircheA. 

Am Weg von W o l f s k i r c h e n nach Esch weder liegt 
hart an der Banngrenze die Gewann Hühnerbuhl. Davon erzählt 
die Sage folgendes. Hier stand einst ein groJjer Bauernhof, auf 
dem sehr viele Hühner gehalten wurden. Der einsame Besitzer 
des Hofes bemerkte eines Tages, daß ihm mehrere HOhner 
fehlteo und daB ihre Zahl von Tag 2u Tag abnahm. Darum 
beschloß er aufzupassen, wer der Rftuber seiner HOhner sei. 

Mit einem großen Bengel begab er sich in der Nacht in 
den Hühnerstall auf die Lauer. Da Icam ein Wolf herbeigescbli- 
chen und wollte schon das schönste Huhn ergreifen. Der Bauer 
aber holte zum Schlage aus. Doch der Wolf widi bebeude aus 
und sprang ihm an die Kehle. Unter den wQtenden Bissen des 
Tieres mußte der Mann sein Leben lassen. 

Still und eingeschüchtert kamen am andern Morgen die 
Hühner aus ihrem Stalle, als trauerten sie über ihren toten 
Herrn und Beschützer. Traurig scharrten sie unter ihm ein 
Loch in die Erde und bedeckten den Leichnam mit einem Hügel 
oder Bühl. Er heiBt bis heute der Hühnerbühl. 

Mitgeteiit von Lehrer Eoohersperger» früher zu WolftUrehen. 

177. Das gesattelte Pferd am Winelsbrunnen. 

Ein Mann von Wolfskireben ging einmal nach Pisdorf 
zu. Er war sehr müde und wünschte sich ein Pferd. Als er so 
darüber nachdachte und am Winelsbrunnen vorbei ging, kam 
ihm ein gesatteltes Pferd entgegen und blieb vor ihm stehen. 
Fr setzte sich darauf. Da lief es mit ihm die Saar, warf ihn 
ab in das Wasser und sprang dann an das Ufer. Der Mann 
hörte es noch mit den Händen klatschen. 

Mitgeteilt von Lehrer Kocherspergec, früher za Wolfskirohen. 



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— 131 - 



178. Die HansiiÖrg^enxnühle. 

Vor vielen Jahren kam am helilicbten Tag ein fremder 
Mann mit einem brennenden Kienspan an die Otterbach, einem 
Nebentlüßchen der Saar, das die Gemarkunii des unterel sassi- 
schen Dorfes Diedendorf von der des lothringischen Dorfes 
Niederstinzel trennt. Hier baute er sich eine Mühle. Er nannte 
sich Hansjörj^, und seine Mühle hieß die Hansjörgenmühle. 
Lang^e lebte er als einsamer MülU r nn dem VVäaserleiu, bis das 
Anwesen in einer Nacht verbrynt ii . 

Von diesei Zeit an hat man ileii iiewohner der MOhlc nie 
m.ehr gesehen. Aber nachher bewegte sich iillniichtlich vom ver- 
fallenen Gemäuer aus ein Licht in östlicher iUchtung den Berg- 
ke^el hinauf, auf dem Diedendorf liegt, ging quer über die 
Dorfstraße und verschwand jenseits des Dorfes im ReckerswalU. 

Mitgeteilt von Lehrer Brohm zu Diedendorf. 

179. Die vei aeiikten Glocken und der 
feurige Mann. 

Im Westen von Burbach liegt die Allmend Rothecke, 
ein mit Stein;,^eröll bedeckter und mit Gebüsch bewachsener 
BergabhaDg. Hier sollen in einem tiefen Brunnen zwei Glocken 
versenkt sein aus der Zeit, da das Dorf viel größer war, ehe 

es in einem Kriege zerstört vi'urde. 

Unterhalb der Rothecke liegt eine sumpfige "Wiese. Auf 
ihr ging früher in den Winlernächlen oft ein feuriger Mann. 
Wer sich ihm näherte und, ohne ein Wort zu sagen, Hut oder 
Mütze auf das Feuer legte und am andern Moriren unnm^eredet 
an die Stelle ging, der fand dort viel Geld. Wer abei den feu- 
rigen Mann anredete, erhielt eine heftige Ohrfeige, daß ihm 
Hören und Sehen verging. Aber Geld kmd er am andern Mor- 
gen keins. 

Mitgeteilt von Lehrer Köhler eu. Bulmclu 

180. Das verhexte Ferkel. 

Ein alter Weber, der auDerhalb des Dortes Pisdorf 
wohnte, ging einmal in einer mondhellen Nacht um 2 Uhr in 
das Dorf, um Hanf zu hecheln. Als er an dem Kirchhof vor- 
bei kam, lief ein kleines F«^el über die Strafle. Da er glaubte, 
es sei jemand aus dem Stall entkommen, lief er ihm nach, um 
es SU ikngen. Er konnte es nicht erhaschen, mufite ihm aber 
immer wieder nachlaufen. So verfolgte er es vier Stunden lang« 



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— 132 — 

Als der ersle Schlag der Morgeiig)ocke erl6nte, griff er noch 
einmal nach iiirn. Da hatte er einen Pferdemist in der Hand« 
Das Ferkel aber war spurlos verschwunden. 

Mitgeteilt voa Lehrer Geyer sn Pisdorf. 

181. Der Schimmel axi der BurJbacher Lach, 

Im Jahre 1711 ging ein Mann mitten in der Nacht von 
Wolfskirchen nach Bockenheim (Saarunion) und kam swischen 
Piadorf und Wolfskirchen an der Burbacher Lach vorbei. Da er 
sehr müde war, dachte er : Wenn ich nur reiten oder fahren 
könnte ! Als er so dachte, hörte er etwas hinter sich traben. 
Er schaute um sich und sah einen Schimmel mit einem Sattel 
auf sich. Dieser kam vertrauensvoll zu ihm, und der Mann setzte 
sich darauf. 

Anfangs ging <ier Schimmel gut. Als er üher die Brücke 
der Burltarhrr Lach ritt, fing das Pferd plötzlich an zu p^alop- 
piercn und lief der Saar 2U, Beim Sandplalz, der sich an der 
Saar befand, warf der Schimmel den Mann ab, daß er in die 
Saar fiel. Tu dem Augenblicke hörte er ein Klatschen, ob 
ein Mensch in die Hände schlui^, und der Schimmel war plötz- 
lich verschwunden. 

Noch von anderen Leuten ist der Scliinunel an dieser Stelle 
i^esc heu worden. Sehr oft soll von den l uiii werken, die in der 
Nacht hier durchfuhren, die Pferde scheu gemacht haben. 

Mitgeteilt von Lehrer Geyer zu Pisdorf. 

182. Der Hexenplatz im Reokerswald« 

Im Börgerwald von Pisdorf heißt der Teil, der sich bis 
an die Saar erstreckt, der Reckerswald. Hier ^elit eine Furt 
durch die Saar, die zur Römerzeit als Uebergang benutzt wurde ; 
denn eine Rumcrstraße führte von Saaralben ül>er Harskirchen 
hier durch nach Saarburg. 

Nahe an dieser Furt befindet sich im Reckerstvald ein un- 
gefähr 2 Ar großer Hügel, der im Volksmunde der Hexenplatz 
heißt. Er ist ganz kahh Trotzdem er schon mit verschiedenen 
Baumarten angepflanzt wurde, gedeiht auf ihm kein fiaum und 
kein Strauch. Sie verdörren alle. Zur Regenzeit steigt von dem 
Platz ein Hauch auf» als ob dort ein Feuer wäre. 

Einst sah ein Förster von dem 2 km entfernten Forstfaaus 
auf diesem Hexenplatz mitten in der Nacht ein großes Feuer 
brennen. Als beherzter Mann hängte er seine Flinte um und 
ging an die Stelle. Da sah er eine alte Frau aus einem Nacfa- 



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— 133 



baidorfe, die Holz herbeischleppte und ein lustiges Feuer unter- 
hielt. Als er sie fragte, was sie hier mache, antwortete .sie : 
«Ich mache mir Asche zum Buchen» und verschwand plötzlich. 

Mitgeteilt toh Lehrer Geyer isa Pisdorf. 

183. Das Licht und die Bienen. 

Dem Dorf Zollingen gegenüber, auf der anderen Seile 
der Snar, wird des Nachts oft ein Licht gesehen. Ein Zollinger 

Weber warlite einmal des Naclits zwischen 41 und 12 Uhr auf 
und ging ans Fenster. Da bemerkte er das laicht auch, wie es 
ganz still auf einetu Platze stand. Nach und nach wurde es un- 
ruhig, vei ließ plötzlich seinen Platz und näherte sich auf großen 
Umwegen dem Dorfe. Es kam au einen Üieneiistand, verweilte 
dort einige Zeit und ging dann wiedei- auf demselben Wege 
nach dem früheren Platze zurück, wo es verschwand. Am an- 
dern Morgen ging der Weher zu dem Eigentümer des Bienen- 
hause.s und verkündigle ilim, was er gesehen. Dieser antvvürtete, 
er habe dies schon öfters bemerkt, und das Licht lein hätte iliai 
jedesmal viel Honig gebracht. 

Mitgeteilt von Lehrer Stahl zu äundhofen, früher zu Zollingeo. 



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VI. 

Heinrich Loux (1873-1907). 

Lebensumrii) 

von 

Th. Knorr. 

In der Nacht vom 19. Muf tlen 20. Januar kurz nach 
Mitternacht ist der uulerelsüs-sisclio Maler und Zeichner Hein- 
rich Loux einem Inngwieripren Leiden erlep-en. Sein vorzeitiger 
Tod ist für die Kunst uusere.s Landes ein schmerzhcher Verlust, 
sie ist um eine ansprechende Künstlerpersönhchkeit ärmer ge- 
worden. Die Wärme der Empfindunj^:, mit der er alles erfaß le, 
was ihn anzog, um es künstlerisch zu gestallen, läßt uns er- 
kenne»; was er der elsässischen Kunst war und noch hätte 
werden können. 

Loux gehörte zu den jün<^eren elsässischen Künstlern. Er 
wurde am 20. Februar 1873 in Äuenheim unweit Sesenheim 
geboren, wo sein Vater Lehrer war. Dieser stammte aus einer 
alten Lehrerfamilie in Fouday im Stdntal, und war der dritte 
in der Familie» der jeweils dem vaterlichen Berufe gefolgt war. 
Von dieser AnsSBigkeit im französischen Sprachgebiet rfihrt 
ohne Frage auch die seltsame Schreihweise des Namens her. 
Seine Jugendzeit verlebte er im elterlichen Hause, zuerst in 
Äuenheim und dann in Sesenheim, wohin der Vater Loux nach 
wenigen Jahren versetzt wurde. Dies^ ^^irkle in Sesenheim 
27 Jahre, und für seine beiden Söhne wurde der Ort dadurch, 
daß sie auch während des Besuchs des protestantischen Gym- 
nasiums in Straßbur^i zu Hause wohnten und jeden Morgen 
in die .Stadt fuhren, zur Ht'imnt. Im Gymnasium war Heinrich 
LouK von Herbst 18Ö5 bis 1^89, dann verließ er es und nahm 



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— 135 — 

an dem Unterricht des Zeichenlehrers Weissandl teil, der in 
Stiaßburg eine gulbesuchle Abendschule unterhielt. Von 181)0 
ab gehörte er dann der neu gegründeten Straßburger Kunst- 
gewerbeschule als Schfller an. Er galt damals ffir einen der 
für die Zukunft aussichtsreichsten Zöglinge der Anstalt und be- 
zog als solcher im Juli 1893 die Münchener Kunstakademie. 
Dort arbeitete er unter verschiedenen Lehrern, vonugsweise 
auch unter Professor Nikolaus Gysis, dessen Lehrtätigkeit auch 
anderen el^saiscben Künstlern zugute gekommen ist. 

Unter seinen Sludiengenossen schloß sich Loux am innig- 
sten an den Obeibayer A. Hudler an, der als Bildhauer nach- 
mals so bedeutende Erfolge* errang. Um sieben Jahre älter als 
der Maler und mit der gleichen tuberkulösen Anlage mußle er 
im vorigen Jahre gerade um die Zeit aus dem Leben scheiden, 
als Deutschland seiner Kunst die verdiente Anerkennung ent* 
gegenzubi!n?;en anlin;:. 

Nach etwa dreijähriger Studienzeit kehrte Loiix in seine 
HeitfKd /urnck nnd i)!iob zunächst wiedei- im KIternhause in 
öe-i rili« uii. Ge;^en Ende der neunzi^j^er Jahre kam er nach 
Straijijurg und verblieb dort, mit Ausnahme eines Jahres, welrlies 
er im Dienste der bekannten Fayence-Fabrik Utzschticitler und Go, 
in Saar}j:eiiHUHi zubrachte, bis zu seinem frühen Tode. 

Die elsä.ssische Kunst verliert in Heinrich Luux einen Vor- 
treter, dem eis frühzeitig gelungen ist, sich ein eigenes Dar- 
stellungsgebiet zu schaffen. Wer der Kunst unseres Landes 
nahe steht, weiß, worin seine künstlerische Persönlichkeit ihreii 
Ausdruck iknd. Das elsftssische Bauerndorf und das Baaemleben, 
mit allem was dazu gehört, hatte es ihm von klein auf ange- 
tan. Einmal als Gegenstand: als unverdorliene, scheinlose Ar- 
chitektur, als altvftterische Hauseinricbtung« die das cGefübl 
der Sitte, der Ordnung und Zufriedenheit» atmet, dann als 
naives, an die Scholle gjebundenes Bauernleben mit seinen 
sauem Wochen und; frohen Festen. Mit die<;er Neigung zutfr 
Bauerntum ging Hand in Hand und fand seinen künstlerischen 
Ausdruck der Sinn für die alte bodenständige Kultur mit ihren 
ungefügen hausgewerhlichcn Anlagen, welche heutigen Tages 
fast alle durch leistungstahigere technische Hilfsmittel außer 
Betrieb gesetzt sind. In dieser Hinsicht hat die Kunst von 
H. Loux ein gewisses «antiquarisches» Interesse. Das könnte, 
wenn sie weiter nichts zu bieten hätte, ein Vorwurf sein, abei 
es ist keiner, da er's verslanden hat, die «Antiquität» durch 
Bei:üelung ix}i\ warmem l^ben dem Beschauer menschlich nahe 
zu bringen. 

Das Bauerntum ist seine luial)ensehnsucht und seine Ju- 
gendliebe gewesen. Er erzählte gern, wieder sich daheim in 



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der ddrflieben .Schule inmitten der Bauernjungen beinahe ge- 
drückt und hintangesetzt ^efQhlt habe, iwenn er sie sprechen 
horte von Feldarbeit und Ernte, von Aeckem und Wiesen. 
Der Lehrersohn hatte nichts von all diesem. Er sah die Bau« 
embuben nicht ohne ein Geföhl von Sehnsucht die Pferde zur 
Schwemme reiten oder neben dem Ochsenwagen hergehen. So 
beschäftigte das Bauernleben früh sein kindliches Staunen und 
dfSngte später zu künstlerischer Ausprägung. 

Seine Arbeiten tragen in Kostüm und Landschaft einen 
unverfälscht elsässischen Charakter. Den Fachwerkbau des 
Bauernhauses hat er wiedei^^eben wie kaum ein anderer. 
Doch haben seine Werke neben diesem örtlichen Charakter 
noch eine Eigentümlichkeit, die verstehen läßt, warum er sich 
auch in andere, nicht geradezu im Elsaß wurzelnde Bilder mit 
der L'loiclien Innigkeit vertiefen konnte. Viele seiner Bilder er- 
innern teils an Ludwig Richter, feüs an Schwind. Nicht in 
der Behandlunpswpise ; wer in den neunziger Jahren in Mün- 
chen studierte, dessen Grundlagen waren zu verschieden von 
denjenigen jener älteren Meister, um diesen in der aMaciie» 
ähnlich zu sein. Doch ist seinen Arbeiten durchi^cljeuds ein 
gewisser «romantischer» Zug, eine halb unbewußte Verklarung 
kleinstädtischen Lebens aus der «guten alten Zeit» eigen. Fär 
diese Stimmung aber ist gerade das Elsafi mit seinen zahl' 
reichen alten Städtchen, seinen Burgen und seinen Reben- 
hügeln ein besonders geeigneter Landstrich, so daß sich der 
Elsässer auch von deiyenigen Bildern heimatlich berfihrt fühlen ' 
darf, deren Schauplatz ebensogut sonstwo am Rhein liegen 
könnte. 

Anläßlich seines Todes hatte das Elsässisohe Kunsthaus im 
}»n uar dieses Jahres eine Sonderausstellung von Arbeiten seiner 
Hand veranstaltet. Vieles was gleich aus dem Atelier des Malers 
in Privatbesitz gelangt war, kam auf diese Weise nochmals ans 
Tageslicht der allgemeinen Oefientlichkeit.^ Die Saargemünder 
Fayencerie stellte auch die zahlreichen Originale zu dem von 
I.oux entworfenen Tafelservice aus. Mehr vielleiclit als seine 
Bilder, die doch nur in vergleichsweis wenigen Händen bleiben, 
werden diese Teiler und Schüsseln seinen N tmpn im Volke le~ 
bendif?- halten. Der Gegenstand des bildlichen Schmucks dieser 
Geschirre ist auch wieder das elsässisclie ßauerndorf. Die Dar- 
stellungen sind nicht alle gleichwertig^, aber es sind Stücke 
darunter, die wegen ihrer Intimität zum besten gehören, was 
die einiieiaiische Kunst auf diesem Gebiete hervorgebracht hat. 



1 Inzwischen erschien eine Loux-Mappe mit 30 Beprodok* 
tionen in Lichtdruck ; Verlag Eis. Eonsthaus, Straßbnrg. 



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137 — 



Diese Kollektivausstellung gewährte einen guten Uebei blick 
über die Tätigkeit des Verstorbenen, obgleich natürlich auch 
manches j^ute Stück aus Privatbesitz nicht zu beschaffen ge- 
wesen war. Sie entdiplf charakferistischo Arboilon aus den 
verschiedenen Darsteliungsg-ebieten, die er am meisten bevor- 
zugte, alle nach seiner Art mit einer innerlich erlebten Stim- 
mung überstrahlt, bald heiter, bald trübe, wie es seiner nach- 
denklichen Sdiuv <,^crade zu Mute war, als er daran malte. 
Denn so heiter und friedlich er im allgemeinen in die Welt 
sah, so waren ihm uucli die Stunden nachdenklichen Ernstes 
vertraut genug; er war einer von den in Kunst und Leben 
nicht so gar seltenen» die weit mehr gekftmpft und gelitten 
haben, als ihr Stolz merken liefi. 



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Moscherosuh 
im Dienste der Stadt Straßburg/ 

Ton 

Dr. JohannM Beinert« 

Nachdem Hans Miduiel Moscherosi Ii, der bekannte Sati- 
riker, als Amtmann zu Finstingen (1635-1042)^ Jahre voüer 
Entbehrungen und Kriegsgefahren zugebracht halle, zog er «als 
ein ausgeplünderter Mann» nach Straßburg. Hier vollendete er 
den zweiten Band seiner Gerichte, die bal l ein aniie^^ehenes 
und vielgelesenes Buch wurden, weil sie mit den WaOen des 
S()oftes und des Witzes die eingerissen** V >lk>verderbai» be- 
kanipften. Zugleich lieniühle sich Moscherosch, in der Stadt 
Strasburg selbst eine sichere Anstellung zu erlangen. 

Vergebens versuchle er, die vorübergehende Verweuduag 
als schwedischer Kriegssekretär in Benfeld zu einer dauernden 
zu machen. Der Kanzler Üxenstierna gab seine Bestätigung 
nicht hierxtt. Am 15. März 1645 wurde tnon Moseberosch laut 
Protakolt der XXI zum Frevelvogt oder Fiskal der Stadt StraB* 
bürg erwäblt,* eine Wocbe später legte er seinen DieDsteid ab. 

Elf volle Jahre stand er diesem verantwortungsvollen Amte 
vor und konnte jetzt viele der in seinen Strafscbriften nieder- 
gelegten Ansichten verwirklichen. 



1 Anläßlich der Denkmalswoihe in Geburtsuri Willstütt. 

2 Vgl. Über die Fiustinger Zeit L. Pariser, Beiträge zu einer 
Biographie von H. M. Mosclicrosch, Diss. 3Iünchen löOl und Schlosser, 
3Ioscherosch usd die Burg Geroldseck, in Rüttelt, d. Oeseh. f. Er- 
haltung der gesch. Denkmäler Im Elsaß, 18iK3. 

s £. Martin, J. M. Moscheiosch, im Jahrb. d. Oed. f. lothr. Ge« 
schichte etc. IR, 1891, Anhang. 



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^ 139 — 

Nicht viel ist über die Tätigkeit Mo.scheroschs in Straiibur- 
pschen Diensten bekannt, und diese 'Zeilen können auch nur 
ein weniges zu seiner Biographie in Jie.sen Jaliren l)eitra;:jen. 

In der zweiten Hälfte des Jalires 1045 Ireflen wir den ebe- 
malii^en Finstinger Amtmann als Gesandten der Stadt am Hofe 
LudsvLT XTV. Zugleich lialte er eine politische Angelegenheit 
der Hti zu^nn- Witwe von Württeml)er«r zu erledigen. Die Kriegs- 
greuel ruchloser Kornniandanteij im Elsaß und die Quertieihe- 
reien der Bischöflichen veranlagten Straßburg, in ernsthafte 
Verhandlaiigen mit dem Pariser Hofe zu Irrten und einen 
siclieren Vertrauensmann zu entsenden. 

Bisher waren die Anliegen der Stadt von deii politischen 
Anwälten Beck und Polhelm, dem Residenten der Land- 
grafin von Hessen, mitvertreten worden. Diese aber schickten 
stets vielversprechend« Briefe, ohne die Wünsche der Stadt 
wirklich ernst zu nehmen und ließen sich fGr ihre Dienste 
recht gut bezahlen. Besonders Beck mußte der Stadt wenig 
zuverlässig erscheinen ; auf der einen Seite schmeicheile er in 
Briefen mit den angenehmsten Aussichten, während er sich 
andererseits über den Geiz der Straßburger und die geringe 
Bezahlung lustig machte. 

Die Stadt beschloß daher, Nfoschero>Th nach Paris zu sen- 
den. Sie ließ sieh aber nichtsdestoweni.ner von den obengenann- 
ten Diplomaten Bericlite über die allj^eineine Lage und denGany 
der Verband] uni,^en Moscheroschs zustellen. 

Am 0. Juli 1645 wird Moscherosch mit einer Vollmaciit 
an Polhelm nach Paris entsandt, in der es heißt; 

«iDeinnach Bringer dießes unser Canlzley vertrauter . . . 
Johann M i cli a e 1 Moscherosch von der verwiltibten 
Herzogin von Würlemberg milt unserer Permission an königl. 
franzößischen Hof verschickt, haben wir Ihne ohne recommen- 
dalion an den Herrn nicht gehen, sonder zugleich mitt etwas 
«Immission chargieren wollen . • . Als ersuchen wir Ihne mitt 
sonderlichem fleiß, er wolle ihm glauben zustellen, sich auch 
hinwiderumb in einem undt andern vertraulich außlassen.»! 

Die Instruktion fnr Moscherosch lautete dahin : 

Er soll nach seiner Ankunft in Paris bei Herrn Pol heim 
vorsprechen, Komplimente im Namen der Stadt ausrichten und 
beim Ueberreichen obigen Schreibens andeuten, 

daß er Befehl hnlje «im Vertrauen zu erkündigen, was die 
Bischöffliche aigeulich am köuiiil. Hoflf wider dieße Statt 
gesucht quo nomine und ob es allain im nahmen des Herrn 
RheingrafiTen oder auch zugleich des Gapitelß, wie der BiscböiT- 



' StadtarcMv, AA, lOM, 



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— 440 • 

liehen RilHif' ,i»>sf h- heii, wie auch wns dem Rhein^fl. Secre- 
tari Schneiiler tut* eine resi)hilioa eiUieill worden.» * 

F.lüs (.lergleicheii Uänke weiter gegen die Statt gespoiiiien 
werden, so soll er (Mdscherosch) Polhelin um Hat und gute 
Gedanken fi-ai^'en und in aciil nehmen, was am Hof und bei 
dem frauzüsischen Ministerium dage;^en zu tun wäre. 

Ein weiterer Klagepunkt betrifTl die Kriegsführung der 
fnmzdsischen Heere im filsafl. Ifoseheroseh soll d<m Zustand 
des Landes ausfQhrlich schildern: wie die Kommandanten und 
Kommissarien darin hausen, wie das Land durch das vergan- 
gene Winterquartier von. einem einzigen Regiment so übel lu* 
gerichlet worden sei, wie die ßefeblshaber noch die Kontribution 
und den Magazinzehnten erhöhen und auf ein Unerschwingliches 
faerauftreiben, so daß zu befürchten sei, daB der Bauersmann 
die meisten GQter entweder öd liegen lasse oder gar davon laufe, 

Moscherpsch sollte darüber nicht bloß bei Polbelm, sondern 
auch bei dem königlichen Ministerium vorstellig werden. Er 
hatte sogar den Befehl, die Kommandanten und die königlichen 
Kommissarien anzuklagen und mit der Wahrheit keineswegs 
zurückzuhalten. 

Zuletzt sollte sich Moscherosch im Namen der Stadt ge^en 
die grausame Mißhandlung des Dorfes Dettweiler durch 
französische Soldaten wenden. 

Turennische Truppen hatten nämlich beim Durchmarsche 
Detlweiler sehr ruiniert und verderi)t. Die Leute wandten sich 
an den Herzog von Gnghien um Schadenersatz ; es war noch 
nichts eingetroffen. Daher wollte man am königlichen Hof für 
sie einkommen, damit der verderbliche Zustand der armen 
Untertanen in «consideration und Erbürmde» gezogen werde« 

Als einziges Mittel gegen solche schädliche Handlungen 
forderte man ein cGeneral salvagardis der Dorfechaften der Stadt 
Straßburg und eine Befreiung von Winterquartier und Kriegs- 
steuer, wie es Polhelm bereits nachgesucht hatte, aber darauf 
nur eine gute Vertröstung erfolgt war. 

Mit dieser Instruktion ausgestattet trat Moscherosch die 
Reise nach Paris im Juli noch an. Am 5. August berichtet 
Beck in einem Brief an die Stadt, daß der Gesandte noch 
immer nicht angekommen sei. Der Inhalt des Briefes, der Ober 
die ganze Angelegenheit handelt, ist folgender: 

€L*envoye dont vous faictes menlion dans votre derniöre 
(lettre) ä Monsieur de Polhelm n'est pas encore arrivä. (Vergl. 
Vollmacht und Brief vom 9. Juli.) L'on vous donnera advis de 
lout ce qu'il se passerait par de$a lors qu'il y sera venu. Pour 



1 Ebenda. 



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— 141 



ceux de l'Evesclie il ne vous faul pas (vous) mcUic en peine 
tandisqu'ils iie vous disent ii*ia et que vous jouissez de la 
püssessioD.;» 1 Beck tröstet weiter, daß der erste Schlag alles 
brechen werde and der bisehöflidie Abgesandte nichts erreichen 
könne, was gegen ihren (der Stadt) Vorteil ist. 

Am 18. August war Hoscherosch bereits in Paris einge- 
troffen und wurde jetzt von Polhelm empfangen. Beck .berichtet 
aber, dafi Berr tMousscherost bei dem Besuch von nichts an- 
derm als von der Angelegenheit der Herzogin von Württemberg 
gesprochen habe. 

Bald darauf verbandelte Moscherosch ein zweites Mal mit 
Polhelm und eröflfnete ihm, daß der Rat der Stadt bereit wäre^ 
einen Entschluß des Hofes in den laufenden Dingen herbeizu- 
fuhren. Polhelm wurde durch Moscherosch veranlaßt, bei dem 
König Ludwig selbst deswegen um Audienz nachzusuchen. Beck 
berichtet dies in einem weiteren Brief vom 26. August 1645,8 
indem er hinzufügt, daß der neue Gesandte zu dem Grafen 
Friedrich von Württemberg sa};te, daß er nur wegen den An- 
gelegenheilen der Stadt Straßhiirg gekommen wäre, während 
er doch hei Polhelm zuerst das Ge<renteil behauptete. Beck 
macht liiermif auf die Wahrhaftigkeit Musc:horo^clis einen ilenl- 
iichen Angrilt , aljer der biedere Philandei ijtuiiente sich hier 
einer diplouialischen List, wie er sie nur zu ernsthaft in seinem 
Gesicht «Bofschule» bespöttelte und verdammte. 

Die politischen Verhandlungen Moscheroschs scheinen sich 
sehr in die Länge gezogen zu bsütien, denn die ganze nftchste 
Zeit herrscht Schweigen Ober den Fortgang der Angelegenheit. 
Es ist sogar zweifelhaft, ob der erhoffte Erfolg erzielt wurde. 

Noch im Dezember 1645 befond sich Moseherosch in Paris, 
und unterdessen scheint sich die Rivalität zwischen Beck und 
ihm in offene Feindschaft verwandelt zu haben. Denn anders 
wäre es nicht zu verstehen, wie Beck in einem Brief an den 
Magistrat Moscherosch dadurch zu verdächtigen suchte, daß er 
enthüllte, Moscherosch befinde sich stets in Geldnot und hätte 
von dem Sekretär und Interpret des Königs, namens Bernhard, 
12 Pistolen geliehen und dafür ihm verschiedene Versprechungen 
gemacht. Beck schreibt am 16. Dezember 1645: 

cMonsieur Moscherosch a empruntö de luy 12 pistoles 
et je crois que pour les obtenir plus aysement, i 1 luy 
a fait quelque promesse de le recommander 
ä Mess. de Strasbourg.» 



1 A. 0. 
• A. 0. 



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Ende des Jahres 1645 scheint Moscherosch wieder nach 
Straßhurg zurdckgekehrt zu sein, denn gleich im nächsten Jahre 
erließ er als Fiskal der Stadt neue PoliseiverordnuDgen. Welchen 
Eindruck Paris auf ihn bei diesem zweiten Besuch machte, 
können wir uns leicht, auf Grund seiner satiriscbeD Ausfälle in 
den spateren Ausgaben der Gesichte denken. GIficklicher weise 
ist noch ein Brief vorhanden, den er aus jener Zeit an seinen 
Dichterfreund Harsdöriler in Nürnberg schrieb. Moscberosch 
beginnt, indem er sich entschuldigt, daß er das Franzosische 
gebraucht : ^ 

«Estant ici en cour parmy tant d'honnorables compagnies 
de Frnncais, je croyais les desobliger, si je ne me servois aussy 
... de leur lan^ue, de laqueHe la plupart je me traitte cornrae 
dv la meiileure viande de rna table. Gar de TAllemande, vous 
sij.ivez qii'elle nous sert de pain d'ordinaire» . . . Nach dieser 
'Linieiliin;^ komnit er auch auf die erste Sitzung bei Püliieiin am 
18. August zu sprechen. Er seliiUlert sie folgendermaßen: 

f(La these tut ballue et debattue quelque temps . . . Moy 
petit honime pour de <?randesparolles,jeme 
tenois coy (ruhijj) 1 ü c ü in r n e l e s o u r i s q u i s c n t 
le Chat. L'ua d'eux, nomme Paul, lautre estait resident du 
Parlement d'Angleterre ... Je faisais Tendormy de ce costÄ 
lä, laissats aller ma cabane oü le gouvernail. de mon Patron (le 
Resident de Madame la Landgrave de Hesse ^ Polhelm) me 
guidait.i 

Wir sehen daraus, daß Moscherosch solche politische Un- 
terhandlungen ziemlich ungewohnt und peinlich gewesen sein 
mdssen, da die höfische Kurmacherei und die Redensarten niemand 
mehr zuwider waren als unserm Philander. Von der Machtfälle 
des Königs von Frankreich und dem Glanz des Hofes war 
Moscherosch bezaubert worden. Er stimmt am Schluß des 
Briefs folgende Hymne an, die den Eindruck seiner Pariser 
Zeit wiedergibt; 

cMais Sur tout, je me dois estimer heureux d'y avoir veu 
le Roy Louys XIV, le Roy tres chrestien, ce grand Koy sans 
pareil en victoires : qui fait espercr a son peuple un rnonde 
hors de son rnonde et a son Royaume la Monarchie la pbi'j ac- 
coraplie et [larfaite <jue Von -scaurait voir avanl le Jugemeut du 
Monarque du ciei et de la Terre.»* 

In Straßhurj»- angelangt, suclite Moscbti oscli al>bald durch 
vernünftige Maßregetn der Voiksverderbnis zu steuern. Die vielen 



1 Abgedrückt in Centuria Epigrammatum, Frankf. Ifi65, S. 102. 

2 Die Namenstorra der Untersclirift ist französiöiert zu «Älou- 
Behero6]Le>. 



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143 — 



Pöllzeiordnungen der folgenden Jahre sind teils Wiederholungen 
fHlherer Verbote; leicht erkennt man dagegen die Neuerungen 
als deoi Geiste des Satirikern entsprungen. Selbst wenn Mo- 
scherosch nicht den eigenen Namen daranter se1zte> so können 
wir mit Vorbehalt doch einige bedeutsame Verordnungen für 
Moscherosch vindizieren, weil er doch ffir die Abfassung der-> 
selben verantwortlich war. Manche tragen außerdem den hand- 
schriftlichen Hinweis: Moscherosch fecit. 

Ein Mandat vom SS. September 1646 schrankt die üppigen 
Mochxeitsmahle ein, wegen der «annoch gegenwertigen betrüb- 
ten Kriegsläufften». Die eingeschränkten Hochzeitsfestlicbkeiten 
lassen überdies noch einen weiten Spielraum. Nicht mehr als * 
zweihundert Personen dürfen eingeladen werden ; zur Zunfti* 
Stube darf nicht mehr in Kutschen oder gedeckten Wagen ge- 
fahren werclen. Die Reichen fünffen orler sechsten Grades dür- 
fen am ersten Festtag nur aclit Tische und keine Tafehi decken, 
und vier Tische am zweiten Tag. Der drille Festlag lälll ganz 
weg. 

Es sollen bei Gab- und Freihoclizeitcn die «überflüssige und 
verderliliche Traktaineuten » >'i beschnitten werden, wie bei 
unserer lieben Vorfahren Zeilen. Drei Gänofe soll das Hoidizeits- 
mahl beibehalten, alles weitere wird bei Strafe verholen. Kon- 
fekt von Zucker oder anderes kostbares Gebäck soll nicht auf- 
getragen werden, dafür soll ein einfaciier Nachtisch mit Tarle, 
Marzipan, Kuchen und Obst gestattet sein. Wichtig ist beson- 
ders die Empfehlung-: «Es soll aber die Mahlzeit mit einem 
Eyfferigen Gebett anfangen, und mit Ernstlicher Danksagung 
zu Gott, auch einer kurzen Abdankung geendet werden Ii 
Tanzen und Aufspielen und alle cWinkeliänze», sowie calle 
üppige leichtfertige Spiele» werden gänzlich verbaten. i 

Wir sehen daraus in welcher Weise Moscherosch für StraB- 
burg segensreich wirken konnte. 

Im Jahre 1650, als er die Ausgabe seiner Gesichte mit 
den neuen Erfahrungen ausstattete» erließ er folgende von ihm 
unterzeichnete Verordnung gegen die 

«Provokation zu Duelle n.j» 

Darin sind folgende Stellen bezeichnend: 

Daß sich «Gottsvergesscne, rachgierige und blutdürstige 
Mannespersonen aiiß all zu grosser hitz und frechheit dahin 
bewegen lassen, daß sie den . . . schimpff zu rechen, oder ihr 
. • , möthlein zu erkiililen, einander bey vermeintlichem Ver- 
lust der eiiren . . . under dem nicliligen vorwandt cavalheri- 
schen Austrags vor die taust zu kampÜ gefordert, dadurch auch, 

t Archiv der Stadt Straßburg: Ordnungen und Mandate 1646. 



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— 144 ^ 



wo nicht gar omb seel und leib ; jedenoch weni^t umb gesund« 
heit . . • ofterinahls gebracht bähen. 9 Nach den vorg;efaUenen 
traurigen «Exempla:» wird das Duellieren gänzlich verboten, 
denn es sei der Majestät Gottes im Himmel zuwider, räume 
die Seele dem Teiifn! ein und g^ieife der weltlichen Ohi jf^keit vor. 

Der fl[Provokansi> soll dem Fiskus mit 'i(K) Heichstalern 
hinfür verfallen sein. Auch sollen sich die «Studenten-Jungen» 
und Lakaien des Degen trajj^cns üanzlich müüigen. ^ 

1651 wandle sich Moschei ü.-ü Ii mit einem Dekret gegen das 
nächtliclie Scliwamien und «Grassieren» in den Gassen. 

«Das nächtliche, iinmän.schliche graßieren, Jauchzen, Jählea 
und Schreien in Gassen und Häusern (sei) abermalilcn (trotz 
der ICrIasse 1645 und 4650) ganz beschwerlich eiogensssen.» 
Jedermann müsse des Sommers nach 10 Uhr, und Winters 
nach 9 Uhr mit Licht auf der Straße gehen. Moflcheroficha 
neuer Zusatz wendet sich im Gegensatz zu früheren Mandaten 
energisch gegen das Tabakrauchen, das er auch in der Hof- 
schule S. 653 f. (1650) geißelt. 

Er (Ifoscfaerosch) habe mit besonderem Mißfallen wahr- 
nehmen müssen cwie das bei verwichen em leidigen 
Kriegswesen dieser orten eingeführte unmftss- 
ige Tabactrinken dergestalt überhand genommen, daß 
nicht allein in offenen Gast-Herbergen, Wein- Bier- und Schlaff- 
häusern, die Gemache mit Rauch und gestank zu des Würths 
und der übrigen Gäste beschwerlichen ungelegenheit erfüllet^ 
sondern auch die Gartnersknechte, Gesinde, Gesellschaften und 
andere nicht ohne |]^ros«:e Gefahr mit Lundten und Pippen aufT 
die Gasse, in Häuseiii, auch yar in Scheuern Ställen und Betlien 
umbzugehen sich frevelich gelüsten lassen.» Er beüehlt jedem 
der pich in Siraßburg aufhält und jedem Wirt das «Tabak- 
trinken » ^änzlicli zu verjneiden.2 

In einem Dekret verbietet er das Schlittenfahren während 
des Gottesdienstes und abends (25. November 1G54), 4655 er- 
läßt er einen Befehl «wegen Abstellung üppigen Lebens» zur 
Weilinachtszeit, weil die jungen Leute, die Frohnknechte und 
Dienstboten in den Wirtshäusern zechen und sich keilen, jehlen, 
schreien und raufen. 

Es ist ohne Zweifel, daß ein sittenstrenger Mann wie Mo* 
scherosch seines Amtes mit allem Ernste wartete und der Stadt 



1 Dekret vom 9. Febr. 1650. Unterschrift; If oBcheroseh fecit Schon 

1583, 1609 und 1028 entstanden Yerordnnngen gegen die Duelle, 
flie aber alle jene 3Ioschero8ch eigentümlichen Zusätze nicht ent- 
halten. Hof- und Staatsbibl. Darmstadt, Hs. Mandata nach Inhalt der 
Pollzeiordnung zu Straßbni^. 

s Dekret Tom 18. Brachmoiiat 1651 (Moseheroseh fedt). Ebenda. 



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— Iis — 

Stnsidbarg io jenen verderblichen Zeiten erhebliche Dienste lei^ 
stete.'^ 

Deshalb balle die Stadtverwaltung auch Grund, sich ihm 
dankbar und .behilflich zu erweisen: 

In einer merkwürdigen und fast komiseben Angelegenheit 

lieh sie ihm gerne ihren Beistand. 

•Dem biederen, vom Kri^sgeschick so viel mitgespielten 
lloscherosch waren bereils anno 16i4 in Kriediingea die Möbel 
auf folgende Weise abhanden gekommen. Die Kriegsnot zwang den 
Amtmann des Herzogs von Croy, Moscherosch, mit seinen Möbeln, 
flie in drei Koffer gepackt waren, und einem Bün lfd Kalbsfeilen 
in die Stadt Metz m fliehen. Dort ließ er seine Habseligkeiten 
einige Zeit. Aber der allerchristlichsfe Konig von Frankreich 
gestaltete dem Baron von Courlrav I c Konfiskation alle.- Gutes, 
das nach Metz gellüchtet worden war und den Feinden des 
Königs gehörte. Trotz aller Vorstellungen Mosclieroschs, daß er 
kein Fjanzosenfeind sei, gelangle er nach Jahren nicht inelir 
in den Besitz der Möbel. In dieser Sache schrieb der Magistrat 
au das Gouvernement zu Metz, da Moscherosch eine Person sei, 
die einen Ehrennamen besitze (10.|20. Dezember 1649). 

Die Stadt droht sogar, folls der Baron von Gourtray sich 
an den Möbeln vergreife, wärde er ihr gerechten Grund geben, 
sich beim franiösischen Hof zu beklagen. Gourtray, der Kapitän 
in Metz war, reagierte nicht. 

Herr von Serignan, Gouverneur von Metz, erklärte sich be- 
reit, den König zu bitten, Gourtray eine anderweitige Belohnung 
zu verschaiTen, damit die Möbel ausgeliefert werden könnten. 
(30. Dezember 1619.) Es nützte nichts» (Brief vom 27. fanuar 
1650.) Endlich wandte sich die Stadt an den Hof in Pari>. 

Brienne Letellier schreibt im Namen der Königin zurück 
(6. Mai 1G50). Er habe gerne mit der Königin über den Brief 
(der Stadt Strasburg) gesprochen und sie hätte es wohl recht 
gefunden, daß Moscherosch als Bürger von Straßburg nichts 
gegen den Dienst des Königs untei nomnien habe. Letellier sandte 
sofort die notwendi*^sten Eilbriefe, um Moscherosch freie Hand 
über das ihm «^^ornilite Gut zu ^'eben. 

Zwei Bolsiliatien vom 18. Mai 1650, eine an den Graten 
von Schömberg, Gouverneur und Statthalter in Metz und eine an 



J Interessant ist vor allem, daß Moscherosch hierbei mit den 
Studenten und Professoren der Universität in Konflikt geriet cwegen 
etlicher Taatseher Versch so e\r wider die Studenten 
geinacht über die Kleidung». Rektor und Professoren reich- 
ten am 19. Mai 1649 eine Schrift an den Rat ein niit der Beschwerde 
der Studenten. Der gestrenge Fiskal wurde darauf vorgeladen. Siehe 
E. Martin, a. 0., Anhangr. 

10 



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— 146 — 

Court ray enthielten den Befehl der Köni^n-Regentin, nnverzflg- 
lich die Möbel nach ihrer ian^hri^en Gefangenschaft Mosche* 
rosch wieder au8SuUefern.> So half die Autorität der freien 
Reichsstadt ihrem verdienstvollen Büi*ger aus der tragikomischen 
Angelegenheit, indem sie ihm den 1634 gestohlenen Hausrat 
1650 wieder zugänglich machte. 

Moscherosch verharrte noch eine g^eraiime Zeit in Slraß- 
burgisclien Diensten. Mit Beginn des Jabre» lG5*j, am 21. 
Januar, gab er seine Stellung als Fiskal der Stadt aul, um 
auf kurze 7A\ in liannnisrhe und schließlich für den Rest seines 
Lebeiib Iii hessische AmUi>telluQg zu tietea. 

1 Am 15. Jali trifft von Letellier ein Bericht ein, daß die bc- 
sehhigiiahmtea Höbet freigegeben Verden. (S.Kartia a.0., Anhang.) 



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Ylil. 

Gedicht eines Bauern 

aus Zutzendorf 184Ü. 
Mitget«Ut von 
Prof. Krug (Buchsweiler). 



lieber die Wahl des Prttaidenten. 

Aufgesetzt von Georg Hiuis von Zutzendorf. 

Bfster Tkeil. Bh man nenn und Tienig c&1il6t» 

Wird ein Präsident gewählet ; 
Ein jeder soll es recht bedenken, 
Wem er sr^ine Stimm' thät sohenken. 
Wählt den Herrn Cavaignac, 
Bei unser Land errettet hat; 
IMeMt tut feieli ja tiestreben^ 
Wagt far anB sein eigen Leben. 
Ware er nicht aufgestanden. 
War noch keine Ruh vorhanden. 
Die Kanonen lie^ (sie) er knallen, 
Daß die Wa^L'^^^es müs!?en fallen. 
Alle Flinten lieü er krachen, 
Die Wagges hat er hart gesehlagen, 
ünanfhdrlioh wird gesehossen, 
Und so vieles Blut vergossen. 
Da die Schlacht vorüber war; (sie) 
Jammert ihn der Wittwen Schaar, 
Deren Männer sind begraben. 
Die für uns gestritten haben. 
Herr Cavaignao tat seine Pflicht, 
Und verließ die Wittwen nicht; 
Bin jeder soll noch denken dran. 



— 148 



Wat der Hann für qm gethan. 

HStt' er litis nicht treu geschworen. 
War das «;anze Land verloren. 
Frankreich gehört ein weiter Mann, 
Sonst werden wir wieder übel dran. 
Wer du Gesetse nicht reeht kennt, 
Kann aneh nicht werden PrftBident; 
Dieser ioll ja Beyn der Mann, 
Der unser Land beglücken kann. 
Regiert's sein Herr, sein lieber Gott, 
So hat's mit uns auch keine Not ; 
Steht ihm der liebe Gott nicht bei, 
So wird sein alles Gold cn Bley. 
Alles steht in Gottes Hand, 
Ins Präsidenten das ganse Land. 
Es ist keine Kleinigkeit, 
Rep'ent zu seyn in dieser Zeit ; 
Wenn ein Iin! verschuldet war. 
Lobt er täglich iii Gefahr; 
Handelt er nicht väterlich, 
Hat er sa beArchten (sie) sich, 
£r mag handeln wie er will, 
Sitet (sie) sein Leben anf dem Spiel. 
Der, der heut. Ecgent will se5-n, 
Kann und darf den Tod nicht scheun. 
Lieber sterben als ein Held. 
Als schlecht regieren in der Welt. 

ZweiterTheil Aeh ihr lieben, gute (sie) Lent, 

Es ist eine bftse Zeit. 
• ' Wenn ein König- s'Land verläßt, 
Sind die Hüriri^'- stets ireprelU; 
Keine Lindruii^ ist vorhauden, 
Bis dieß alles überstanden, 
Was das Land besahlea soll, 
Eher greht es nns nieht wohl. 
Wer die Schulden soll bezahlen, 
Der muß viel Millionen haben 
Frankreich war in ^iriitem Stand, 
Alt» Ludwig König ward im Land. 
Dieser wird die Schuld auch haben, 
Daß wir so verschuldet waren. 
Dieser war wohl der reichste Mann 
Und hat nns nooh wenig Guts getan. 
Dieser hat uns viel versprochen. 
Und dennoch seinen Eid ''p^iroohen. 
Anfangs nalun er sechs älüiioneii, 
Hat versprochen uus zu schonen ; 
Steiget aber alle Jahr; 
Bis das Land verschnidet wan 



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Was derselbe haben wollt, 
Hieß nur Silber oder Gold. 
^ Wer denselben recht will kennen, 

Darf ihn Landessckinder nennen. 
Wär er nnr sehen lang gestorben. 
Wäre Frankreieh nioht verdorben. 
Lieber ohne König leben, 
Als 80 viel Millionen geben. 
Ach, %vic macht der schlechte Mann, 
Unser Land so übel dran ! 
Gott wird ihn nach dieser Zeit, 
BieJiteu in der Ewigkeit. 
Aeb wie Tiele arme Lent^ 
Schmachten auch in dieser Zeit; 
Kein Verdienst ist bei den Armen, 
Die Kelchen tun sich nicht erbarmen. 
Leben soll er ja in Ehren. 
Hat Weib und Kinder zu eruaiireu. 
Besser wird es ja auch nimmer. 
Aber vielldoht nooh viel edilimmer; 
Kommen kann es wie es will. 
So hat ein armer Mann nieht viel. 
Es heißt in der stanzen Welt, 
Zum lie/uhleu braucht man Geld. 
Was ich noch /.u sagen hab : 
Wählt den Herrn Cavaignac. 
Ludwig der Napoleon 
iBt nnr des Kaisers Brndersohn. 
Harr Cavaignae ist ein Mann, 
Den jeder Barger lieben kann. 

Dritter TheilUnsre sehttne Bepnblik 

Bringt nns wieder neues Oliiek : 
Freiheit« GUeiekkeit, Bmdersinn 
Ist für uns der größte Gewinn. 
Wenn es Gottes Wille war, 
Kommt es besser übers Jahr. 
Wenn wir sollen ehrlich leben, 
Muß es eine Ordnung geben» 
Es wird eine Wakrbeit seyn. 
Daß ioh dieses gans allein 
Nahm aus meinem Sinn heraas, 
Schreib' es ab in meinem Haus. 
Ilieses hab ich erst erdacht, 
Letzten Freitag in der Nacht. 
Sonntag Morgens schreib ich's ab, 
Ans Lieb* för Herrn Cavaignae« 
Wird Regent Herr Lamartine^ 
Könnt uns auch das Qlfieke blflkn. 
Wird Regent Napoleon, 



150 



Wollt ich doch er lief davon. 

Kommt es nun an Ledru-RoUin, ^ 

Bin ich ihm treu und liebe ihn. 

Weiiu ick nun geschrieben hab, 

WiU leH do«li den CvnAgaanc 

Dieser ist der beste IIeiiii» 

Der unser Land begrlüeken kenn. 

Ist es nur ein rechter Mann, 

Bsh ich eine Freude daran. 

Scy auch einer wär (ßic !) er scy, 

Soll er seyn dem Land getreu. 

Wer dem Land nicht treu will seyn, 

Der seil brechen Hals nnd Bein. 

Besser Htls und Bein gebroHien. 

Als den Sid der Treu gebreehen, 

Und ein ganzes Land betro??^**!! 

Wer 7Aim Unheil lebt auf Erden, 

Der soll nicht bedauert werden. 

Eegent bleib treu in deinem Laud,i 

Alsdann erlebst da keine Sehend; 

Bleibe fromm nnd firehte Ootl, 

Dnrfest (sie) dn nicht schenn den Tod. 

Aub<refördert den 2. Desember von mir eigenhändig 
geschrieben, Georg Hans von Zatzendorf. 

Wenn ich Fehler hab gemacht, 

Jlöcht icli doch nicht seyn veracht, 
Kanns ein andrer besser machen, 
Soli er nur darüber lachen. 

* <£r bleibe treu in seinem Land» ist die gewöhnliche 
Datlvnmschrelbnng im Etefissischen Dialekt Z. B. Ich 
Tereehl die Oschioht in mim Brneder. 



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IX. 

Das 

Gleichnis vom verlorenen Sohn 

in sechs eisässischea Mundarten. 

Besorgt TOtt 

Eduard Halter. 

Liauterburg in der eXsässischen Pfalz. 

Siscb emol ä Mann p^ewässt, un der hat zwee Büwe g*hat. 
Do hat der jüngscht vunnen zum Valter g'sagt : Vatter, hat'r 
gesagt, geh mer rnef Erbteel ; un dr Vatter hat 'sem halt gewe. 
Un nit so ang lang nothher hat der jüngscht Ba alles zamrne 
gerammesirt un liSch weit fort gan^e in e fremdes Land, un do 
hat'r alles schnell verbambeschirt j^'hat. 

Als'r nord alles hat verdhü g'hat, f.o hat'.s in dem Land 
ä grossi Dheüering gewe, un'r hat hall nix meh zebeisse g'iiat. 

Do isch'r hi gange un hat sich bei eme Bauerschmann 
verdingt un der bat'ne naiisg'schickt vor d*Sau ze idete. 0o 
hett^r gern sain Bauch g'filll niifm Saufütler wfl mar als de 
Saü hat ze fresse gewe ; aber kenner hat'sem gewe. Un do 
iscb*r in sich gange un hat g'sagt : wie viel Daglfthner bei 
meim Vatter henn meh Brod als se esse kenne, un ich gd do 
capüt vor lauter Hungert I will häm gäh" zü meim Vatter un 
M'iirm sage: Vatter i hab g^sindigt vorm Himmel un vor Dir. 
Un i ihn jetzert nimmi wert def Süh' ze heese, nem mi nor an 
als def Dagläbner. Un er isch hftm zd gange zu seim Vatter. Der 
awcr hat*n schun vun weitem kumme sähne, hat Bedauernias 
mit'" kriegt, isch'm um de Hals g'falle un hat'n g'schmutzt. 

Der Bu, awer, hat zü'm g'sagt : Vatter i hab mi versindifj;t vorm 
Himmel un vor Dir, i bin jetzert nimmi wort def Süh" ze licp-^^. 

Awer dr Vatter sagt zu deue Knecht: bringe mer *8 scheuächt 



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^ 152 — 

Kleedun zie^:en 'sein an, «^ewen'm e Fingerring an sef" Hand 
un Schüh an d'Fiess ; un bringen e fettes Kalb un nnetzlen's, 
nord wenn mer esse un luschdig sei. Denn der do, mein Bü, 
isch todt gewest un isch widdei lewendig wore, er isch ver- 
löre gewest un isch widder g'füaoe wore* Awer dr älscht Btt 
ifich ufm Feld gewest, un wieV isch bim kumme, bat'r g'hert 
wie 86 Kenn g'sunge un gedanzt; un'r hat äoe vun denne 
Knecht gerofe un hatn g'frogt, was do wär. Der liat awer 
g'sagt: det Bruder isch widder kumme, un dei Vatter hat ä 
fettes Kalb gemetzelt, weill'r ne widder g*sund do hat. 

No isch'r zornig wore un hat nit welle neingeh*. Nord 
isch dr Vatter rauskumme un hat an*m gebettelt. 

Er hat awer g'sagt zum Vatter : guck, Vatter, so viel Johr 
dien ich D'r iin hab noch nie dein Gebott uwertrette, un Bu 
hasch ni'r noch nie e Geesshekkel gewe» daß i hett kenne mit 
meine Fieind esse. Wü awer der alleweil kumme isch, der 
all *=ein Sach diirichgebrocht un verzottelt hat, hasch du'in e 
fettes Kalb gemetzelt. Er awer sagt zü'm : mach nit so viel 
Gedinir«, dü bii^ch jo immer bei mer, un Alles, was i hab isch 
dein. Du sollsch awei" hischdig sein un Blässir hawe ; (bina 
seller, dei Bruder, isch todt gewest, un isch widder lewandig 
wore; er isch verlöre gewest, un isch widder g't'unnc wore. 

Dr. P i 6 a T d, Arzt, Lauterbarg. 

Schirrain bei Hag^enau. 

(Alemaauische SprachioseL) 

E Mann bet zw^n Siin ghet, un dr jingscht vunnene liet 
zOem Fadder gseit : Fadder, gimmr dftnne Deil vom Gftet, wo 
mier zuefallt ; un dr Fadder het d'Gieter gedeill. 

Un nit lang drndch het dr jingscht Sun alles zamme- 
gnumme-n-un isch furtgwanderl, wit furt, in e firemds Land, 
un bet dert sin Güet vrdön mid Inschdi Läwe. 

Un wo-n-'r alles het vrdön ghet, isch in sallere G^jed e 
grossi Hungersnot Qssgebroche, un er het äfange Nöt ze Ilde. 

No isch'r fjaiifxe-n-un hol i?i bime-n-Eijedimmer vun sallere 
Gf''jpd vrdiiii-e, un dar helne-n-utT sin Land^nlet j,'-scbikkt, d'Söü 
biete. Dert bet'i- ;jrern rrieje sine Büch midf!f»-M-AnilI lille, wo 
d' Söü gfresse bann ; awwer 's het s'6m meine gatm. 

No isch'r insi imkert un bet g'seit : Wi vill Dalener bann 
iwwerüss genüe ßrod in mim Fadders Müss ; un ich kumm 
do voi- Hunger um. Jez wurri nii u(t de Wäj mache-n-un züe 
mim Fladder gen un sd : Fadder, i bu mi verfeit g6ye de Him- 



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- m — 

mel un geye dich ; i bin niinmi wert din Suii g Weisse ze were ; 
nernm mi uf ass eine vun dinue Däl^ner. Un, u(Tgebroche,-n- 
isch'r züe sim Fadder gange. Wi'r noch e Platz wit drvun i^rh 
gsinn, hetne der Fadder sene kumme,-n-ii?tii'm üss BarrniuT- 
zigkeit ergeye gange, ischem an de Hals gschlirzt ua hetne 
vrsch mutzt. 

Dr Sun hat drno züem Fadder gseit : Fadder, i hä mi 
vrfelt geye de Himmel un geye dich ; i bin niimai wert diu 
Sun gheiscie ze were. 

Awwer dr Fadder liet züe sinne Knächt ^seit : g^n glich 
un hole *n beseht Kleid an z^eVin in, un schtekke-n-em e 
Ring an de Finger, un gftnn em. Schübe, un faole-n-e g'meechts 
Kalb un schlachte's, un drao welle ror esae-n-un is püet düen ; 
denn do, min Sun, iach dod gainn un *isch widder läwendi 
worre, kr isch vrl^ gainn, un 'riaoh widder gfnnde worre. 

Dr eldscht Sun, isch grad uffem Feld gsinn, un wier sernk 
un geye's Hüss kumme-*n*iscb, hetfr de Gsang un d'M&ssi 
ghdrt ; un'r het eine vun de Knacht grüefe un hetne gfröüt, 
was desa beditt; un dr Kn&cht he gseit: din Brüeder isch 
kumme« un dr Fadder het e fötti Kalwe gschlacbt't, wirr'ne 
gaund widder uffgnumme het. 

Awwer dSr isch unzefridde gsinn un hei nit welle ningön ins 
Hüss. Awwer dr Fadder isch rüsskumnne un hetne- n-in-glade. 

Er awwer het züe sim Fadder gseit : lue do 1 viii Jör 
schaff! fir dicli, un känni vun dinne Vorschrifte liawwi iwwer* 
tr<ätte, un nie iiesch dü mier a nur a Schöf gschenkt, assimi 
mid minne Friud hält i<enne luschdi mache ; awwer jez, wo 
din Sun zrukkumrne-n-isch, wo sin ganz Verm^je mid Lumpe- 
mänscher vihiänilirlt het, schlachlsch dü'm e felti Kalwe. 

JDc het 110 dl' l'adder züe-n-ern gsait : Sun, du bisch alie- 
wil bi mier, un alles, was min isch, isch a din. 'Sisch awwer 
doch jetz am Plata luschdi ze sinn un sich güet ze düen, wil 
din Brüeder dod isch gsinn un widder läwendi worre-n-isch, 
wilr vrldre-n*i8ch gsinn un widder isch gfUnde worre. 

Eduard Halter aas Schirrein bei Hageaau. 

* 

Geudertheim an der Zorn 

(bei der alten Tribokerhauptstadt Brumath). 

As isch emol euer gewkän, der hett zw^n Bueawe gheit. 
Am e schene Däöü hett dr jiengscht von denne zw^n zuem 
Vadder gsaijt : Vadder, gib mr dess \)^\ von dim Säch, wi 
minn esch ; an dr Vadder hettne sin Säcb gedelt. 



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— IM -> 

Nil lang hengenöch het dr jiengscht Bue äles zammege- 
numme an esch widd furt gezaöije in d' Fremd. Dert hett'r Ales» 
was'r bett ghett, durichgebröcht ime Lümpeläwe. 

Wi älea hien esch gewään, wäs*r hell ghet, isch e-n-orri 
diri Zitt kumme in dr göönze G^jed, &o dass'm öog fange hett 
h^ngerli ze f?ehn. 

Jez iscli'r jrange an helt si an e Burjersmann Angemöchi von 
dert, wi er fsch ^^ewäön, Her heltne nüs^scliikkt, d'Söüj hiete. 

Üs Hunger hetl'r -ol :ittr!f, -ts'r sich de Buch fölle dorf 
met'm Frääase, wi d'Söüj bekünime iionn; awwer nieme hettVm 
welle ^^^n. 

Uff dai(^l ischV weicli worre, an hett gsäit : wi viel Däöüj- 
l^ner helt dr Vadder, de honii Brod, so viel as se welle, an 
ech go hien fir Hunger. Ich will mi uff de Wäj mäche an 
will h^m züem Vadder gehn, an will sfiem aftuje : Vadder, 
ich bin liederli gewftan fir em Himmel un fir dier. Ich bin 
g6&r nimmi w^rl, aa d*mi fir dinne Sön tolöQjacb. Mach mi 
numme aüe dm von dinne Bäöfljldner. 

Uff dr gachlell ischV furl un iseb züe sim Vadder komme. 

Schon, wl'r noch widd ew&kk eacb gewftän, hettne dr 
Vadder gsään, an*r hett'm leid geddn. Ar isch gelftöufe an 
iacb'm um de Halsch ghäugl an belt*m e harzafte Schmutz g^n. 

Awwer dr Bue hett zQem gsäijt : Vadder ich bin liederli 
gew&än fir'm Himmel' un Gr dier ; ich bin göär nimmi wärt, 
aa d'mi fir dinne S6n önlööjsch. 

DödrufT hett dr Vadder züe de Knächte gsäijt : bringe 
'sbescht Kläid häre an düen's*m ön, an ^'(^n*m e Finj^errin^-^ an 
d'Höönd, an Schüej an d'Fiess, an l)rinp:e-n-e gemüschts Kälwel 
rüs an melze's. Mr welle-n-äässe an welle luscliti sinn ; d'mn 
do minnr Biie isch dod gewään an isch widder lawändi w »in , 
är iisch verlöre gewään, an mr honn e wedder gfunge. An si 
honn öngfange luschti mitnand ze sin. 

Awwer dr ältscht Snn isch ufl'm Faid gewään, an wi'r 
nöl züem Hüs isch kumme, hett'r's gheri, wi se dinne singe- 
n-an jüze. Ar helt e Knächt häre gerüere, an hett ne gfröüjt, 
was do lös iacb. 

Ber hetl's'm gsäijt: dinnr Brüeder isch kumme» an dinnr 
Vadder bell e gemäschts Kälwel gemotzt, as*itie gaflnd widder 
d'böm bell. 

Do iflch awwer dr öönder zomi worre an hett mel Ctewall 
nit welle ning gdn. Uffs letschl isch dr Vadder rösgange an 
bell ne heiase kämme. 

Awwer dr Sdn hett- önfange-n-ufTzebegääre an bett züem 

Vadder gsäijt : Loss mi gön ! ich hab dr jez so .viel Jör hääre 
gschalfl an babb dr nie ze leid gelääbt, an mier besch noch 



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— 155 — 



nit emdl e Hammekbock g^D, as i mi inel minne Kamrdde- 
n«emdl hkU kdone-n-ainesiei«. Jez, wi d^r dö komine-ii*t8eb» 
wo atn Sftch mit LQmpem^nacber duricbyebutit hett, besch'm 
glicb e geniAsehts Kalb gemetst. 

Dr Vadder awwer hett*m d6druf gsäyt : Siescb, Bäe, dü 
bisch älewil bimr, an älee, was rmin isdi, isch äü din. Dü 
sotlscb fr6 an zefridde sin, dann dd dinnei HrOeder isch d6d 
gewäkny an isch widder lavvändi worre ; ar isch verldre gewäin» 
an jez. isch'r widder gfufige. 

Gbristiaa Schmitt, ans Geadsitheira. 

* 

WiBzenheim im Koohersberg. 

E Mensch bei sw^n S^n gli^t ; än dr jingscht, ingerne, 
het züem Vöder gsäet: gimmer, Vöder, 's DäI vueo de Güter, 
wü min i^b^rf, äQ drno heiV 's Gfiet iilgeme gedftld. 

An nid lang drnde» het dr jingscht Sdn oUes ummegnumme 
än isch wit iwer Läönd gezööe än dört hei'r sin GQet vrddn. 

An wöV olles vrbutzt het ghet, was sinn gw&än isch, iscfa 
e grossi düri Zit in dess nämli Läönd Jcumme» än'r het 6ng- 
fänge Hunger ze lide. 

No isch'r önegaiige, än het sich on e Burjer vuem uamliche 
Läöiid ghenkt, dhr betne nOss uff de-n-Akker gscbikkt fir 
d'Sööe ze hieate. 

Än'r het be^jaärt sinne Büch middr Oreinel ze füle, wü 
d'Süü'^ fiässe, an 'shet's ein nietne ;;aän. 

No liefr iiWi gschläöiie, än het ^'f?aet : wü v^l Däiienner 
liet ininei Wxler, wü Brod -jenue hön, an iech schterb vor 
Hunj^ei' ; iech will mi ulTnioche än züe mini Vu(ior ^e^', än 
will züem säöüe : Vöder, iech ho gsindil im Himmel an vor 
dier, än iech bin, vuen jez äwäg nimmi wftrt, assi din Sön 
häss, mdchmi als äner vuen dine Dailrnner. 

An'i hei sich uÜ" de Waj gemocht an isch züe simi Voder 
kumme. 

Wü'r noch wit äwäg gewään isch, betne dr Ydder gsaan, 
än'r het gejömert, än isch onne gelädfe, än isch'm uem de 
Hols gfolle; än hetne vrschmutzt. 

No het dr Sdn zUem gsäet : Vdder, iech hö gsindit im 
Himmel än vor diör, iech bin vuen jez äwäg nimmi wärt, 
assi dinner Sdn häss. 

Qwer dr Vöder het zSe de Knächte gsäet : bringe 'sbescht 
Kläd härre, än düeön's'em ön, än gään'm e i'lngerring 6n 



(l'Hönd, äa Schöa« 6d d'F^, äa bringe-n-e gem^fioht Kälb 
härre, än meti^. 

Mr welle- n-ässe-n -an luschdi sinn. Dänn mioer Son, do, 
isch düd gewääi), ün'r isch widder läwändi worre, V iäch 
vrlöre f,^ewäan, an isch widder «»^fiiLL;^ worre. 

Ower dr eischl Sön isch uü'em Faid gevvään, äii witr not ■ 
ons Hüss kumme-n-isch, hel'r .<e singe-n-an <lödnse ;,^liert ; | 
no hetr äne vün de Knächte göiüeute ;in Im ine yfröül, wos 1 
'sisch. Dar het'm gsäet : diner Brüeödr i^üi kumme, an diner ! 
Vuder het e gemischt Kalb gemeUl wäje wi'r gsönd hauui I 
kumme-ii-iscli. No isch'r zorni worre un hat nit welle niug- | 
g^n ; uo isch dr Vuder ei üsskuinme an het-ne yebilt. 

Ar hett öwer im Vdder en Antwort gääii, an het züem 
gsftet: siesch, wie wiel Jor äch dr diean, du hob diu Geböt j 
noch n6ea iwerdrAUe, äa «]& heschmr noch nieaje Sehnufbock gifto, 
assi mid mine Kamrdde iuschdi hält k&ane sinn. Jez owr, wtl ^ 
diner S6n bft&m kttmme*n-isch, dn sin Gflet mid Lumbem&nscfale j 
duricbgebröcfat het, besch dü'm e gemuht Kaib gemeUt. 

No bel*r xnem gsäet: mi Sön, dfi biach allewil bi mlear, 
än oUeSy wäs min isch, isch 4<V din, du aottsch owr luschdi 
äo gaeats Müeats sin ; dänn diner BrüeÖder do, isch düd ge- 
wään, än isch widr läwändi worre, 'risch verlöre gewään äa 
isrJi wider gfuoge worre* 

U. S ti e ber, Mittelselmldirektor. 



Colmar im Elsaß. 

A Mansch hett zwai Sön g'hett; un dr jengscht unl r 
ehna liett züam Vat'r g's-iit : jrö m'r mi Teil vb da Giäl'r, wo 
ra6r ghört ; un'r hall na ^Gual geteilt. 

Un n<^t lang d'rno hett d'r jeng^scht alles z'sammä {^sainmrt, 
un esch en ä wit's Land gäzoia; un (I('m L hett'r si Güeät verbutzl. 

Wo-n-r all' 's-is verzehrt ^lielt hett, 6sch «ju sällem Land 
ä grostöi Dirong g's6 un'r hett ä^fanga z'darwä, 

Un*r 68ch ännä gangä, on hett si äne B^ryV üss sällem' 
I^nd ghängt, dä hettne ufT sine Akker g'schegt, d'SoI s'hiälä. 

Un'r hett b'gährt sine Bach m^i Drawära x'fiällä, wo d'Soi 
gfrässä bänn ; un niömä hett se-n-m gäh. 

Do hett'r si g'scbläiä, an hett g'fiäit : wiö villi Dejtöhn'r 
hett mi VatV, die Brod 6a Hüffä hänn> un ich verdarb HongV. 

I w^ll mi of de Wäj mache un zCie mim Vat*r g^h uo 
zfle^n-m sdjä: ValV, i hä g'söndigt 6m Hdmm'l un vor d6r. 
Un i bdn ndm wärt, ass i di Sohn häjss ; mach'mi sde dm 
vo dinä Dajiöhn'r. 



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— 157 — 

' UnV hett si ofgmacht, ün ^ch züe sim Vat'r kommä. 

Wo-n-r noch witt gs^- hettne si Vat*r gsftfa^ iin 
'shettne b'^lÄnd, • ösch glojfftf un ^h*iii um de Hals gfallä, un 
liett ae* g'sduiiiilzt 

D'r Sohn, awer, hett KQe'mg'saH: Vafr i hä g'sendigt 
HimmM an vor ddr, i b^n nen^ wärt, ass i di Sohn häjss. 

Aw'r dr Val'r hett züe sine Knächt g'sail: br^ogä 'abeschta 
Kleid härä, un l^'nWs ä, un gi*n'm e Fengerr^ng an sini 
Hand un Schüä an sini Fiess, un br^nga e g'meschts Kalb 
härä, un metzge's ; mr wänn äs^ un luschtig s^. Dann, mi 
Sohn do 6sch tot gs6 un 6sch wt^dder läwändig wofa; ^seh 
verlorä ;^se, un eseli w^ddei* gfondä worä. 

Awr d'r ältscht Sohn esch ofm Faid gse ; un wo-n-*r 
züe'm Hüss kommä ^sch, hett'r sengä un. danzä ht^ra ; un liett 
ein;\ vo de Knächt züe si j^^'rüöfä un gfrojt, was dass esch. 
Da hett'm aw'r g'sait : di BrüädV ^sch kominä, un di Vat'r 
hetl'm e g'meschts Kalb g'melzigt, w^ll er ne w6dder ,^^suIld hett. 

Do 6sch'r zornig wörä, un h^tt iiel wellä in^^eh. Do 6sch 
8i Vat'r arüsganga un hett ne gebäta. 

Ar het aw'r sQe'm Vat'r g'säit: scboi, so villi Jobr dien! 
d'r, un ha di Gebot niS äwertriitti, un dü h^h m^r niä e 
Bock gä, asB i mH mine Frönd b&t kennä luschtig s&: Wo 
jez aw'r di Sohn komniÄ 6sch, där si Güat m^t Lumpevolk 
durichgmacht hett, h^h du 6m e g'meschts Kalb gm^lzigt. 

Ar hett aw'r zue'n'm gsäit : roi Sohn, de b^sch allewill bi ' 
mdr, un alles, was mt ^sch, ^sch o di. Dü sottsch luschtig un 
gfl&ts Mfiäts s6 ; dinn di BrOäd'r ^ch tot gsö, un dsch Widder 
läwändig wörä ; 6r 6seh verlorä gs6j un 6scfa w^der g'ftindä. 

Schaldirektor W e o k s e r, Colmar. 

Qitmgen im Sundgau. 

A Mansch hat zwe Sehn ghä. Un dr jiengscht vonena hat 
zum Vadder g'sait : Vadder, gimmir dä Teil vo dä Gieater, 
wo mir g'hört. Ud är hätänä 's Güeat teilt. 

Un net lang hifigend faät dr jiengscht Sühn alles z'sammegnu 
un isch wit über Fäll zöge ; un ddrt hät är si Gfieat dare- 
brocht mit Prasse. 

Wo är d'rno si Sach alles v'rzehrt gha hat, isch e grossi 
Hungersnot dur säl ganz Lang werde un är hät agfange z'räble. 

Un isch gange un hät sich an e Bearger vo sälem Lang 
ghankt, wtl en üf si Acker g^scbikkt hät, fer d'Sigi z'hieata. 



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— 158 — 

* 

Ua är hatt g&rn si Büch g'felit mit Trftber, wu d'SAji 
g'fresse hai» an nieme hätem keot gä I 

Drno isch kr in si gange un hat g'sait : wieavil Xaglehner 
hftt mi Vadder, wo e Hüffe Brot hai, un ich gang hl tot Hunger. 

I will furt un zu mim Vadder goh, un zOeanem säge : 
Vadder, i hä g'sündigt geganem Himmel un vor Dir, un i 
bi vo jetzab nimmi wärt, as i di Suho heiss, halt mi uumme 
wiea ein vo dine Taglehner. 

Un är isch furt un isch zue sim Vadder chu. 

Wo hr abber uo wit ewag: gsi isch, hätn si Vadder gseh 
un är häl'u dürt, isdi giuife, un ischem um e Hals gfaiie un 
hätn g'chiesst. 

Dr Sühn abber hat züem g'sait : Vadder, i hd g'sündigt 
geganem Himmel un vor Dir, uü i bi vo jetzab nimmi wärt, 
as i di Sulin heiss, halt mi numme wiea ein vo dine Taglehner. 

Abber dr Vadder hftt zn atne Gfan&ehte g'aait : liolet 's 
heschte Ghlaid fMre^ un Uigel-n'4^ un g&nfro e Ring an d'Hang 
un SchQeft a d'Fieass ; un holet e faist Ghilble, un mfttzget's ; 
mer wai Asse un luschtig si ; denn do mi Suhn isch tot gst un 
isch wider Iftb&ndig worde, nn ir isch verlöre gsi un isch 
wider gfunge worde. 

Abber der ältscht ,Snhn isch uf*m Fall gsi; un wil hr 
nächer xum HQss chü isch, b&t är vo dftm Singe un Tanze 
g'h^rt; un kr hat eim vo de Chn&chte gVüesfe un hat gfrogt, 
was denn däs isch. Un d& hät'm gsait : di Bröeader isch chü 
un di Vadder hät e gmäschte GbaU* g'mätxget as är'n gsung 
wider hat. 

Do ischV chiebig worde un hat nit welle ine goh. Do 
isch si Vadder üse ^an^e un hnl'n hätte drum. 

Abber är hat g'sait : lüeag, Vadder, saitr, tscho so iiiarik 
Jör hä-n-i dir dieant, ut^ lul allewil g'macht, was du )iä«rh 
walle, un dü hasch mir ls.e Bukk gä, as i hat chänne mit mine 
Friend lusclitig si. Jetz abber, wü do di Suhn chu isch, wu 
si Güeat mit Hücara verputzt hat, hesch dü-n-m a faist Chalb 
gmälzget. 

Abber är hüt züe-n-m gesait : harsch, dü bisch allewil bi 
mir, un alles, was mi isch, isch o di. Dü abber seltsch lusch« 
tig un güeat z'Mfteat si ; denn do di Bnleader isch tot gsi^ un 
isch wider l&b&ndig worde; kr isch verlöre gsi, un iseh wider 
g'funge. 

Stttd. yhii. Zürbach, Oitingeii im Saadgaa . 



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Nachträge und Berichtigiingen 
zum Wörterbuch der Elsässischen 

Mundarten. 

S. 808 zu cWecke». Langer Wecken (L&naw&ko DQ.), Brotlaib 
in langer Form me in StraBburg das Roggenbrot 
zu baben ist. In Strasburg dafür der Auadruck 
tl&QS Laiwl» langes Laibchen. — 

S. 815 lu Goltswille. cUm's Gottswille», Ausdruck des 
Erstaunens, des Schreckens, aucli der Verneinung 
me im Hochdeutschen. — z. B. U ms G. %va s i s c h 
denn g'scha (geschehen), wenn ein Unglück 
passierte oder bei einem Brand «Ums G. s'wurd 
doch nit b ranne» es wird doch nicht brennen 
— Der Verneinung : Soll i s H y s f a r k h o i f a ? 
Ums G., was daßki! (Soll ich das Haus ver- 
kaufen? U. G., was denkst du!) Dieser letztere 
Ausdruck ist auch ein viel gebrauchler Ausdruck 
der Verneinung. — 

S. 817 zu Baumwolle. In Du. nicht Päj wü 1 sondern Poj wül 
und Po j wo I. 

S. 820 zu Wild, belindet sicheln Satz s ' <£ W e 1 1 e r » is wild 

bei Hochwasser, soll aber unbedingt heißen : S ' 

cWäser» ist wil d. — 
S. 822 zu Welk. Walti ist in Da. nicht gebrftuchlicb, wohl 

aber in Str. und auch in Ruprechtsau. In BQ* 

lümerik (lummerig). 
S. 838 za Wünter. Redensart: Nito Wuntar, hini t*Khy» 

Plunter; si hhi göstort e n^i Liulya^ 

g'frassa. Scherzhaft für: Abal Darum; ^ kein 

Wunder ! 



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— 100 — 

S. 847 zu Wirbel} eine VerrichtUDg an Halskelten für Tiere 
damit bei Drehung die Kette atet« wieder die gleiche 

Lage einnimmt (auch an Uhrketten). 

S. 846 zu Wurst. Zur Befestigung der Ufer wurden früher 
meistens aus langem Holz und Bcisi*,^ und mit 
Steinen gefüllte und mit starkem Eisendraht zu- 
sammengehaltene sogenannte Würste gebraucht. 
Auch jetzt noch an Stellen^ wo ein Durchbrucb zu 
befürchten wäre. — 

S. 859 zu Wort, s'iät^ta Wort hä. Das letzfe Wort haben. 

— Wenn jemand stets Recht haben will, sich stets 
zum äußer^sten wehrt und verteidigt: ir työts nit 
änderst, a r m y o s s ' 1 ä t s t a Wort h ä. — 

E Wort sdja; ein Wort, sagen ; auf etwas .auf- 
merksam raachen. — 

I Ii a g ü r 11 i X l ? r f u g \v i s l ; h a t s rn 9 r t o j 
nur ain Wertdla gsait. Ich habe gar nichts 
davon gewußt ; hättest du mir nur Wörtchen 
gesagt. 

S. 872 zu Waschen. 9 kwaeSes Laiwdl ein gewaschenes 
Laibchen Brot. Ein Brot dss durch Abwaschen vor 
dem Backen eine glänzende Oberfläche erhält^ (e 
. g-wäsches Laiw(4).' 

8. 878 zu Watte in DQ. allgemein Sidewatt cSeidenwatte» 
fQr die gewöhnliche Watte. — ' 

8. 878 zu Watte Waten, ar hit ts^wlmoun tswäte 
er hat zu schwimmen und zu waten, d. h. er muß 
alles m5gli( lie tun, sich aufs äußerste anstrengen 
um wirtschaftlich nicht unterzu«;ehen. 

S. 879 zu Weifen. Was willst du wetten? was wit wet^? 

was gilt's V r hei g s a i t , a r g e t h a i m ; w a s 
' • wit wfela, sMs nit w u r ! Er hat gesa^^t, er 
ginge nach Hause; was gilts, es ist nidit wahr. — 

S. 881 zu Wetter. Ernteweiter ( A r na w a t a r) schönes trockenes 
Wetter ; zur Ernte geeignetes Welter. — 

Redensari: s'i)lit noy^ alla Jür Arnawatler 
ewrik; es bleibl noch jedes Jahr Erntewetter übrig, 
d. h. nach der Ernte ist meistens trockenes Wetter. — 

8. 883 zu Wit (well). Wit arum' khümd weit hemm kontr 
' • men, große Belsen machen. Ironisch: »r wit 
arum khAma ins Grosmiatars Lander* 
gärt a. Er ist weit herumgekommen in Grofimutters 
^ Gemüsegarten. - 

8. 88B : Noch zu Wit. Bei Pflanzen z. B. Kartofleln, Tabak 
usw. weit auseinander gepflanit sein.' Die H art- 



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— 161 — 

e p f 0 1 sin w i t s 6 1 z t. Diese Karlofieln öind 

weit auseinander jrepllanzf. — 
9 witi Ritor «iii weites (weiUnaschiges) Sieb. — 
witi Wäj»lait9ra weite Wagenleitern d. h. 

Wa^nleitern , deren Sprossen weit auseinander 

^hen. ^ 

9 w i t a S a k «in Sack» welcher mehr weit als 
• lanir ist. — 

T'Säi steht wit. Die Sflge steht weit d. h. die 
Zibne sind stark nach den Seiten ausfpebogen, wo- 
durch der Schnitt großer wird. 

Berselbe Ausdruck für Sense. Je mehr sich die 
Sen?;enstellunjf zum Wurf (Stiel) dem rechten 
Winkel nShert desto weiter siebt dieseltie, je mehr 
sie davon abweicht desto enger, 
S. 884 zu Wut. In aim Wyat, in einer W^ut. Redensart: 
in aim Wy^t is ar nuf un hetäl9s tsum 
F a n s l 0 r n \ s k h e i t. Vor Zorn oder Wut ging 
er hinatü und warf alles zum Fensler hinaus. — 
& 802 zu Zeichnen, Der S e k t s a i y n c r der Sackzeichner ; 
* tVüher ein Mann, der gewerbsmäßig von einem Orte 

zum andern haussierend die Getreide- oder Kai (ofTel- 
säcke mit dem Namen des Eigentümers nebst Ver- 
zierungen versall. — 

(Vielleicht in gewissen Gegenden heute nuch, da 
die Art der Zeichnung und der Buchstaben auf den 
SScken, die man in der Stadt zu sehen bekommt, 
noch die gleiche ist.) — 
S. 897 zu Absieben. Aim t*Hyt abtsioie. Einem die Haut 
ahziefaen, Redensart. Durch Bitten und Betteln einen 
nötigen zur Hergabe von irgend etwas. Hauptsächlich 
gebraucht im Verh&ltnis zwischen Kindern und Eltern, 
wenn die ersteren immer nur von den Eltern altes 
haben wollen, selbst wenn dieselben es nicht her- 
gel)en können ohne selbst Not m leiden. — 

Ebenso auch y stsi oi» ausziehen ; auch y s s j k a » 
aussaugen. 

S. 888 zu Verziehen. T'Seizlik fartsiaja, die Setzlinge 
(junjre Pflanzen) verziehen, d. h. ein Teil ausreißen, 
damit der i{est mehr Luft und Licht hat. — 

S. 901 zu Zahlen. Redensnrl von einem, der sich um Schulden 
nicht viel Sorgen macht. 

I. T'älta'Sulta tsältdr nit un t'n6j;* 
I II s t a r ä 1 t w r 9 , Die allen Schulden bezahlt er 
nicht und die neuen läi^t er alt werden. — 

11 



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— 1Ö2 — 

II. Redensart beim Trinken; wem das letzte aus 
der Flasche eingeschenkt wird, der myds tsäld (ist 
aber bloß scbmbafle RedenaaK). — 

S. 901 zu Verzfthlen. Aim » Pir Wort ftrrtaöU, Cmem 
die Meinung sagen. — Tis wart er in nxeme 
fertsdie, Daa wird er niemand eraählen d. h. 
darüber wird er acbweigen. 

S. 905 zu Zahn. R e x 9 1 s ä n , Rechenzahn auch in DQ. Auch 
in Ruprech(a<iUy aber hier noch Bezeichnung ffir 
einen kleinen Hecht; desgl. B^^naälfal^ Bohnen- 
schote. 

& 907 zu Zünden. Ein helles rotes Kleid oder Hut, sagt man 
das tsint äwer das zündet aber (d. h. hat schrei^ 
ende Farben). 

Ebenso bei einer Person mit rotem Uaari-tor 
oder t i e> tsint ä w a r. 

fcj. yu8 zu Zuni^e. Di»* Lederzunjjife an Sf hnürschuhen. 

Ein Slr:ißliiir;jer Kalauer: tm* Fmu vom Lande 
Wölke ihrer Tuchler ein Paar >( iiulie kaufen ; beim 
anprobieren ließ die Tochter die Lederzunge mit 
dem Fuß in das Innere iles Schuhes }<leiten. Der 
Schuhhändler hat nun: die Zunpre muß heraus, was 
aber der Tochter und auch der Mutter nicht ver- 
ständlich war und von der Tochter deshalb auch 
nicht befolgt wurde; die Mutter, darüber aufgebracht 
rief : streck doch t Lall orys, tums Lyetar, 
d. b. strecke doch die Zunge heraus (aus dem Hund). 

S. 909 zu Zins c Ackerzins». Pachtzins für Feld, Ackerland usw. 

S. 910 zu Zapfen. Redensart. Nach dem Essen ca Ts4pfa 
trufmÄx^' einen Bissen Nachtisch essen. ^ 

S. 916 zu Z&ttera unrichtig; nur t Mattere; wahrscheinlich 
ist bei Einlieferung des Ausdruckes aus s das * ver- 
gessen worden. — 

S* 917 zu Zit. J^ts weis i w^l Zit as is, Jetzt weiß ich 
wieviel Uhr es ist, d. h. woran ich bin. — Oder ä, 
aik um ihs Tsit! ah es ist um diese Zeitt eben- 
falls wie vorhin (aha I so steht es I). — 

S« 925 zu Z w i 1 c h in Du. und üini^e^-^enii, g^robe Leinwand, 
aber anders gewoben. Gewehe wie Drilch, davon 
auch der Ausdruck dreischäftij^'' t'ür feinere Gewebe 
wo jedesmal der Zettelfaden über zwei Einschlag- 
fäden geht. — 
Zwilch wird zur Herstellung von Säcken verwendet. — 

Obreeht (Bapreehtsaa). 



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— 463 — 

11. 

1. Herr Prof. Singer an der Universiät Bern feilt gütigst 
folgende Parallele (Abzählreim) zu Zirlemirle H, 914 mit» 
wodurch das elsässische Bruchstück ergänzt wird : 

Schürli, müili, GartetorU, 

Hns über Hof, 

Alli Vieri grattleti Koß. 

Es geit e Frau i ds Hfiensrlms, 

last die beste Hüener dros, 

der Tschippel und der. Tsehappel, 

spräggeiockts Huen: 

willes b9U ine dras und dänne tuen. 

(Züricher, Einderlied und Einderspiel im Kanton Bern No. 537). 

2. Zu I, 414 kommt ein Ausdruck N e s t k u m p f e r 
«Nesthäkchen, jüngstes Kind» hinzu, den Adolf Wolf aus Barr 
in seiner Jugendgeschichte (Str. N. N.) gebraucht. 

3. I, 41 haben wir aus einem sebriftlichen Beitrage auf- 
genommen : cpulmesquicken pomadisieren». Das Wort ist 
sonst ganz unbezeugt, vielleicht von einem fremden Kopfver- 
schönerer hierher gebracht worden. Eine Vermutung bezüglicli 
der Bedeutung möchte ich nicht unterdrücken. Das Grimmsche 
Wörteibuch verzeichnet «Bilwißzotte verworrenes Haar, 
Weichsel köpf» : offen bar von «cBilwiß Kobold», eijientlicli eu- 
phemistisch; Bilewit ist angelsächsisch Beiname für Göll und 
Enjjfel. I'nentwirr!>fne Yerzausunu wli-ti nicht der eigenen Nach- 
lässigiieil, «sondern der Arbeit eines bösen Kobolds zup^eschrieben. 
Könnte nicht pulme? = p i 1 vv i s sein, und pulmes- 
qu icke 11 das Wiedorl>cleben, Ordnen und Herstellen eines 
verworrenen Haarschoples bedeuten? 

4. Wie mit anderen deutschen Mundarten hat das Elsäs- 
sische auch mit den siebenburgischen im fernsten Osten manches 
gemeinsam, begreiflich da diese eigentlich aus dem luxembur- 
gisch-kölni-f ben Sprachgebiet stammen. So sagt man in Sieben- 
bürgen W H hei uns (I, 2) : Seine Eier haben zwei (oder in 
Sielenlifir-cn sieben) Dotter s. Gustav Kisch, Nösner Wörter 
und Wendungen, Bist ritz 1900 S. 11. 

Zu I, 6i vgl. sieljenb. <( ä r b e s - g a p u s t blatternarbig» 
(ErJKsen lassen beim Dreschen Eindrücke in der Tenne zurück). 

Zu I, 379 vgl, siebenb. «(eräm) bnrtsoln herum- 
schleppen Zu I, Ü3 : siebenb. af deinar Ur äs et dräi 
tirtdl of Kdld-urbes, deine Uhr geht schlecht (Bild: du 
kommst zu spät, das Erbsengericht ist schon kalt). Dies letzte 
Beispiel ist besonders merkwürdig, da es natürlich nicht auf 
urgemeinsamen Gebrauch zurückgeben kann, sondern neue 



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Kullurverhältnisse voiüussetzt. Es muß also die Redensart durch 
Zufall, durrh einen Wandervojj^el nach dem Osten übertragen 
worden sein. 

Zu I, 518 Kramanzjes v^d. siebenb. «rKramantes, 
fiberflüssige Komplimente, I mstande macha». Zu II, 208 vj^l. 
siebenb. q äs mät du Gä's ä in Protsäs, es sproßt ihm 
kaum der eiste Flaum ums Kinn (wie bei den jungen Gänsen). 
Zu II, 106 vgl. siebenb. cba stein, kleine mftfasame Hand- 
arbeit verrichten. 9 

Zu If 98 vgl vgl. siebenb. dau wist dam DrAk do 
Urfeich (das Kraut fett machen, Goethe). 

Zu II, 749 vgl. siebenb. eiber dn Gä>8dräk (irn, 
übertölpeln, verfuhren». Eis. Guckes I> 208 erkl&rt sich viel- 
leicht aus siebenb. «Kukes n Arrestlokal auf dem Lande 
eig. Guckhaus». 

Uartb. 



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XI. 



Meßti und Kirwe im Elsaß. 

Von 

Dr. Kassel in Hochfelden. 

Memiidsse jnrabit. 

Der vorliegende Aufsulz ist die Frucht langjähriger Forsdi- 
iiDg und Axbeit. Es war für mich stets ein besonderer Reiz, 
dem jährlichen Freudenfeste unserer ländlichen Bevölkerung, 
seinen Wuraeln und vielfältigen Beziehungen nachzuspören. 

Als nun im Laufe der Zeit der Kreis dieser Untersuchungen 
sich immer weiter ausdehnte, entstand die Notwendigkeit, eine 
räumliche Grenze festzusetzen. Es schien mir am zweckmäßigsten, 
rein äußerlich zu verfahren und dasjenige Gebiet zu behandeln« 
wo die Bezeichnung cMeflti» gebrauchlich ist, und außerdem 
das Gebiet der cKirwev, das sich nordöstlich daran anschließt. 
Von diesem zusammenhängenden Gebiete, das 440 Ortschaften 
umfaßt, habe ich 370 Ortschaften, größtenteils auf dem Rade, 
besucht und die Erhebungen zugleich mit andern Nachforsch- 
ungen an Ort und Stelle vorj^enommen. Aus den andern Ort- 
schalten, meist entie{,^enen Dörfern südlich der Breusch, er- 
hielt ich schriftliches Material. 

Bei solchen umfangreichen Studien, die bis in div klom^ten 
Einzelheiten hineingehen, ist stets der Weg der persunhchen 
Erhebung vorzuziehen. Gründliche Auskunft auf schriftlichem 
Wege bekommt man erlctlMungsgemaß nur in seltenen Fällen. 
Hierdurch zieht sich aber die planmäßijje Sammelarbeit natür- 
lich in die Länf,'^e. So ist es ^ekuniiiieu, daü ich zur Beschaf- 
fung des Materials 12—15 Jahre brauchte und daß manches 
mittlerweile anders geworden ist. Indem ich die Arbeit der 
Oeffentlichkeit tibergebe, bin ich mir wohl bewußt, daß Män- 



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166 



gel vorliegen, aber auch daß es die Kräfte eines Einzelnen, 
namentlich eines vielbeschäftigten Landarztes übersteigen wurde, 
das presammclt<^ Material bis zur Drucki^unjir immerfort auf 
dem Laufeaden zu erhalten. 

Etymologie. 

Das Wort Mellti ist abgekürzt aus Meßlag. Urkundlich ist 
Meßtag zuerst i'M3 nachgewiesen, u. zw. im Stadtarchiv zu 
Zabern^. Diesti Bezeichnung wird in den dortigen Akten bis 
zur französischen Revolution gebraucht. Im IG. und 17. Jahr- 
hundert Gndet sie sich vielfach im KontustortalarehiT von Ing- 
weiler und im sogenannten Schnallenbuch von Dossenheim, 
sowie in den älteren Kirchenordnungen, ferner in den prote* 
stentischen Kircbenarchiven des 16. -»18, Jahrhunderte.' Noch 
1804 steht in einer Deliberation ^es Gemdnderats von Hoch" 
felden Heßtag. Die Abkürzung MeBti aus Meßüg mag seit dem 
Anfang des 19. Jahrhunderts auch im schrifllichen Verkehr 
allgemein gebräuchlich geworden sein. Wir finden beispielsweise 
«rMeßtighausj» in einem Akt des Zaberner Stadtarchivs vom 7. 
Fructidor des Jahres IV (24. August 1796)«. Wohl in allen 
Gemeinderatsprotokollen der letzten 60 Jahre steht Meßü. Ja 
es läßt sich behaupten, daß heule die Mehrzahl der Bevölke- 
rung das liochdeutsche Wort MeBtng gär nicht verstehen würde. 
Aus diesem Grunde wird in der vorlie'/f'nilen Ar])eit für die 
neuere Zeit durchweg das Wort Meßt! gel»raucht. 

Welchen Sinn ursprünglich «Meßtag» hatte, oh darunter 
der El innerungstag der großen Messe zu verstehen war, die aus 
Ardaß der Kirciien weihe gelesen wurde, oder ob es den Tag 
der ciMessei) iin Sinn von «Jalirmarkt» bezeiclinen sollte, also 
vielleicht aus Kirchmeßtag abgekürzt wurde, darüber fehlt je- 
der Anhaltopunkt. fieide Möglichkeiten sind denkbar. Zu Gun- 
sten der letzteren Annahme spricht möglicherweise das mehr- 
fache Vorkommen des Begriffs cMease» neben cMeBtag* in Be- 
kanntmachungen des Zaberner Stadtrats vom Jahre 159^ : vM 
dieser MeB und von 1602 : Meß^ HerbstmeB« Meßfrevel und 
MeßtagfreveM, MeßwirthQtte Auch daß der Meßtagsplatz von 
Zabem in früheren Jahrhunderten schlechtweg «Meßtagn und 
die in der Nähe befindliche Nikiauskirche cMeßtegskirchei ge- 



1 A. Ada m, Der Zaberner Meßtag In i^iUieran Zeiten. Zaberor 

Güliot. 1901. S. 4. 

* a. a. 0., S. b. 
» a. a. 0., S. 29. 

* S. 7. 
» S. 13. 



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— 167 ~ 

heißen wurde J, mag hier ins Gewitlit fallen. Hingegen ist in 
der HanauiSchen Vermehrten Kirchenordnung von 1659 streng 
unterschieden zwischen Jahrmarkt und Meßtag. 

Das Volk, insonderheit das protestantische Landvolk, hat 
das Sprachgefühl Aber die ZasaromeDsetsung des Wortes längst 
verloren. Etwa von Buehsweiler ab nach Süden sagt man Maßti, 
nach Norden Mfifiti und Mäschli, In ReipeHgweiler Mäachlig, 
in Haarberg MäBtie*. Bemerkenswert isl» daß eingewanderte 
Deutsche das Wort Meßti fast stets fälschlicherweise mit dem 
weihlichen Geschlechtswort gebrauchen, indem sie offenbar an 
Messe deokea. Das Wort Kirw^ ist abgekfirzt aus iürchweihe. 
Im Südosten sagt man Kirwe, im Nordwesten Kerwe, in Ober- 
eeehachy Ingolshei)n und Hunspach Kiirwe, in Hatten, Ober" 
und Niederbetschdorf, Schwabweiler, Reimersweiler, Kühlen' 
dürf, OherrÖdem und Aschbach Kirb, in Stundweiler Karb, 
in Wingen Kirewe». Auch für die Entstehung des Wortes 
Kirwe ist das Sprachgefühl in Volkskreisen erloschen. 

Im Gebiet des Meßti wlvd das Wort Kirwe nur an der 
Grenze verstanden, und unigekehrt. Ebenso wird nur im süd- 
liehen MeßtigeMet das Wort Kilbe verstanden, nicht ahei- im 
nördlichen. Aiidei eiseits versteht man im anstoweiiden franzö- 
sischen Spracligehiet die W^orte Meßti oder Kilhe. Andere Be- 
zeichnungen, wie Kircbweilie, Kirmeß, Messe verstehen die 
Eingeborenen in der Regel nicht. Die Behörden gehn in ihren 
Erlassen und un bchriftlichen Verkehr dem Worte MeUli aus 
dem Wege und gebrauchen meistens das Wort Kilbe oder 
Kirmeß. 

Grenzen. 

Die Grenze des Meßligebiets setzt ein am Rhein un Kreise 
Erstein zwischen Krafft und Gerstheim und zieht mit einer 
iiach Nordwesten gerichteten Einbuchtung, worin Schäfersheim 
und Meistratzheim liegen, zunächst nach Westen. Die südlich- 
sten Ortschaften des Meßtigebiets sind Kraft^ Ersteinj Nord- 
Aauseti, lAmersheim, Hindishetm, Krautergersheimf Nieder* 
öTinAetm, Bdsenheinif Walf, Burgheim, Zellweilery ^totiheimy 
St. Peter^ Mittelbergheim, Hohwald, Südlich von diesen Ort* 
Schäften wird cKilhe» gefeiert. Sodann wendet sich die Grenze 
nach Norden und Nordwesten und fällt fast genau mit der 
deutsch - französischen Sprachgrenze zusammen. Die letzten 



' * Adam, a. a. 0., S. 4. 

2 In der Lautschrift des Eis. Wörterb. vun Martin und Lieu- 
hart: [Masti, bezw. Msesti, Maä'sti, Mse'sti/, M»:t»ti9|. 

3 [Kherw8, bezw. Khtowd, Ehftrw9, Kherp, &harp, EJterswo.] 



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V 



— 168 — 

Meiitidüii'er sind Ratzweilery Grendelbruvh , Srhirarzhach. und 
Wisch im Elsaß und Harzweiler in Lolhrmgen» Auf irr an- 
dern Seite blüht in den Dörfern französischer Zunge die «fetejft 
üdei- ((ft'te du village». Hier wendet sich die Grenze nach Nord- 
osten, umfaßt 24 iot Ihm n^ Ische Gemeinden , durchquert das 
«liiuiiujie hlsaß» und erreicht südUch von Saareinsberg die 
lothringische Bezirksgrenze, mit der sie bis zur PHilzergrenze 
zusammenfUlL Die letzten Meßligemeinden sind Harzweiler^ 
HochuHdsch, Haselburg f ArzweUeff 8t» LouiSf Watdenbing, 
St, Johann'Ktirzerodef Mittdbronn^ Wesekheimf Wihhergf 
EckarUweiUr^ SrnoUheim^ Do88enheim, Newweilerf }/ifۆer8-> 
Weiler, Spanbach, Wimmenauy Beiperttweilery Lichtenberg, 
Rothbacht OffweUery^ybeibronrif NiedeHtronn, Dörnbach, Neun- 
hofen. Jenseits feiert maD die gemütliche lothringer Kirb^ 
Von hier richte sich «lie Grenzlinie Dach Südosten, durchquert 
den Hagenauer Forst irnd erreicht nach einem kurzen Umschlag 
nach Nordosten zwischen Neuhäusel und Roppenheim den 
• Ehein. Die letzten Ortschaften sind Wtndstetn, Jägertal, Eher- 
hach bei Wörth, Spachbach, Oberdorf, Biblisheim, Walhurg^ 
Hagenau, Kaltenhausen, Oberhofen^ Bischweiler, Rohrweiler, 
Drusenheini, Dalhunden, Stattrnatlen, Fort-Louis, Neuhäusel. 
In den 4*2 nördlichsfen Ortschaften wird «Maschti» ausgesprochen. 
Die südlichen Gn n/ i 'rfer sind Wimmenau, SchiUersdorf, 
Zutzendorf, Schalkendorl, Kindweiier, ßUsciihofen, üeberach, 
Niedermodern, MerzweHer, Esclibach, Hinter feldf Walburg, 
Biblisheim. 

Nordöstlich vom Meßti^^ebiel erstreckt sich das Gebiet der 
Kirwe bis zur pfälzischen und badischen Grenze. Es umfaßt 
im großen und ganzen den Kreis Weißenburg, jedoch so, dafi 
ein Dutzend Dörfer des südlichen Kantons Wörth nueh auf das 
Meschligebiet entAllt, während ebensoviele Gremeinden des 
nördtiehen Kantons Bischweiler lum Kirwegehiet gehören, im 
Gänsen 91 Ortschaften. Innerhalb dieaas Kirwegebiets im wei- 
teren Wortsiane verläuft die sprachliche Grenie swischen Kirwe 
(Kirb) und Kerwe so, daB. die letzten Kirwe- OrtschaOea Nee* 
Weiler bei Lauterburg, Winzenbachf Eberbach bei Selz, Asch- 
hach, Oberrödern, Kühlendorf, ReiinersweÜer, Schwabweiler, 
die letzten Kerwe-Ortschaften Lauterburg, Nieder'» und Ober- 
lauterbach, Trimbaclip Stundweiler und Hofen sind. 

Was die Benennung^ des Festes betriflt, so ist die Grenze 
im allgemeinen scharf, d. h. in dem ^inen Dorf sagt man 
Meßti, bezw. Kirwe, im Xachbardorfe anders. Jedoch ist in 
St^ Johann- Kurzerode, Hochwalsch, Zitteraheim und Nieder- 

» tKherw.J 



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169 



brenn neben cMeßti» auch cKirb» im Gebrauch. Indessen be- 
dingt diese scharfe etymologische Grenze nicht auch zugleich 
eine ebenso scharfe Scheidung der Sitten. Allerdings weist das 
Kirwegebiet, das zum Teil durch die wichtige Grenzscheide 
des Hagenauer Forstes vom Meßtigebiet gelrennt ist, einige Ver- 
schiedenheiten auf, aber es gibt zahlieiolie Uebergänge zwischen 
beiden Grebieten und dem Bereiche der Kübe, der f^fe und der 
Kirb. Auch Abweichungen, die auf die ehemalige politische 
Zugehörigkeit der einzelnen Dörfer und Gebietsteile be^aimdet 
wären, gibt es nicht. Das ist auch der Grund, weshalb die 
•.•nnvo V rliegcnde Arbeit nicht nach inneren Gesichtspunkten 
bemessen, sondern nach einem untergeordneten sprachlichen 
Einteilungsgrunde abgesteckt wurde. 

Anderseits ist liei vorzuheben, daß die Kirwegel)iäuche des 
Kreises Weißenburg unmittelbar mit denen der Rheinpfalz zu- 
sammenhäijf^en und daß rnan in einigen katholischen Dörfern 
in der Gegend von yeufreistett in Baden Meßti sagt. Die Fest- 
stellung der genauen Grenze hätte den llahuien der Arbeit 
überschritten und wurde daher unterlassen. Endlich sei noch 
betont, dafi der Meßti nicht nach Frankreich hinQbergreiCt. 

Politisch betrachtet betreffen die vorliegenden Untersuchungen 
die Kreise Weißenburg, Hagenau, Strasburg (Land), StraBburg 
(Stadt), den größten Teil der Kreise Erstein und Mölsheim, fast 
die H&ifte des Kreises Zabern^ einige Dörfer des Kreises Schlett- 
stadt und die GebirgsdÖrfer deutscher Zunge des Kreises Saar- 
burg in Lothringen. In diesem Gebiete sind die alten Pflanz- 
stätten elsassischer Sitte und Art, das Ackerland i, der Kochers* 
bergs und namentlich das Hanauerlands enthalten. 

Die Wurzeln des Festes. 

Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß das einzige weltliche 
Freudenfest, welches alljährlich von der Gesamtheit der länd- 
lichen Gemeinde geleiert wird oder wurde, eine kirchliche Be- 
zeichnung tia^t. Aus dem klaren Wortbet'unde Kirwe = Kirch- 
weihe und Meßti = .Meßtag möchte man eigentlich si^liefien, 
daß ursprünglich in einer besseren Zeit die frommen Dorf- 
iosassen den Erinnerungstag nn die Kirchenweihe oder den 



^ Der Bildliche Teil des Kaiitous Truchiersheiiu uud der westliche 
Teil des Kantons Schiltigheim werden im Volksmimd das Ackerland 
genannt. 

* Ehemals bischöflich Straßburirisches Amt. benannt nach der 1592 
Toa Qeorg von Brandenburg geuommenea und zerstörtea Burg Ko- 
ehersberg bei Neugartiteim. 

* Die ehemalige Grafschaft Hanaa-Liohienberg. 



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1 

I 

I 



- 170 — 

Tag^ an dem die große Messe aus Anlai* dieses Ereignisses 
gelesen wurde, in hervorragend festlicher Weise begingen und 
daß diese Kirchweihe, dieser Meßtag etwa im Laufe der Zeit 
verweltlicht oder von weltlichen Veranstaltungen über wuchert 
wurde, so daß bloß noch der Name verblieb. Aueh die viel- 
j^ebrauchten Wörter Kirmeß in HoUand und Messe im Sinne 
von Jahrmarkt in AHdeiitschkuid lassen dieselbe Ableitung zu. 

Aber es i-t zweilellu-s, dal.» der Ursprung der kirchweih- 
artigen V'olksieste im t,n'auen Altertum zu suchen i^t. Andeu- 
tungen darüber finden sich an mehreren alten Gesei/esstellen^ 
Die Kirche fand den heidnisclieii Brauch vor und ga)) ihm einen 
christhchen Anstrich, da sie das volkstümliche Fest nicht zu 
zerslüren vcrniüchte. So verknüpfte sie das heidnische Fest, 
das wir jedenfalls als ein Dank fest nach eingebrachter Jahres- 
-ernte anznepredien be r ech tigt sind, mit der Ennnerung an die 
Einweihung der Kirche und die damit gefeierte Kirchenmease. 
Allmählich erfOIUe ein christlicher Geist die heidnische Sitte, 
und die Anschauungen des Volkes über ihre Entstehung und 
Bedeutung wurden verftndert. 

0ie8e Verschmelzung heidnischer Sitten mit christlichen 
Festen und Einrichtungen ist zu bekannt und in ihren Wir- 
kungen bis zum heutigen Tage zu offenkundig, als daß sie noch 
einer besonderen Begründung bedürfte. Für die üebei f r i-ung 
der mit heidnischen Freudenfesten verbundenen Gebrani Ii ' aut 
die christliche Kirch weihe gibt es al>er einen unmitlelbareu 
Beweis, dessen Wichti<^keil nicht genug betont werden kann. 
Papst Gregor der GroLie (590—004) nämlich richtete um das 
Jalir (iOO an den aii^ielsäohsischen Aht Mellitus ein für den 
Bischof Au;4-ustirius bestimmle-^ SclirciluMi^, worin es u.a. heißfS: 
cUnd weil sie (die .An^^eisarhsenj an den Festen der Teutel 
viele Rinder zu schlachten j)ne;^en, so ist es durchaus notwen- 
di*i, dal.» marj diese Feier bestehen läßt und ihi' einen aiuierii 
Grund unterschiebt. So soll man auch auf die Kirchweihtage 
und an den Gedächlnistagen der heiligen Märtyrer, deren Re- 
liquien in denjenigen Kirchen aufbewahrt werden, die an der 
St&tte heidnischer Opferhaine erbaut sind, dort eine fthnliche 
Feier begehn, soll einen Festplatz mit grünen Maien umstecken 
und ein kirchliches Gastmahl veranstalten. Doch soll man nicht 
fiirder zu Ehren des Satans Tieropfer bringen, sondern zum 



I 0 II t a 11 a Die deatseken Volksfeste. Iserlohn und Elberfeld, 
Bädeker, lb54. I, S. 57. 

t In der lateinischen ürsohrift abgedmekt beiPfannensohmid, 
Germanische Erntefeste, Hannover, Hahn, J878, S, 531 f. 

^ Kach der Uebersetznng von llontanus, a. a. 0., S. 57. 



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1 



171 — 



Lobe Gottes und um der Sättijping willen die Tiere schlachten 
und dem Geber alles Guten für die Speise danken.» Wenn 
auch diese Au slassuniT des Hauptes der Kirche nicht allgemeiner 
Art war, so darf ihre Bedeutung för die Allgemeinheit doch als 
aicher angenommen werden, und so ist gewiß auch im Elsaß 
den heidnischen Opfern ein chrislliches Mäntelchen umgehängt 
worden. Die kirchliche Bezeichnung hatte nur eine untergeord- 
nete Bedeutung. 

Bis zur Heformatioix. 

Bis ins späte Mittelalter ist uns öl>er die Kirchweih- und 
MeiUagsgebräuche, soweit sie das Elsaß l)etrefl'en, so gut wie 
g;ar nichts bekannt i. Die Quellen versagen fast vollkommen. 

DaJB im Jahre 1313 bereits in ZabifrA-Meßtag war, wurde 
schon erwSbnt. Das älteste Meßtagbuch im dortigen Stadt- 
archiv stammt aus dem Jahre 1484. Femer sind in der ersten 
Hälfte des 15. Jahrhunderts swei Meßtage in Pfaffenhofen 
und einer in ütiweüer nachgewiesen'* Weiter wissen wir 
nichts. 

Die allgemeine Zügellosigkeit der Sitten und die Va'weU- 
lichung der -Eirche bemächtigte sich auch des Kirchweih- 
festes. Am Ende des 15. Jabrhundeits finden wir es im 
Straßburger Munster, und zwar ist es kein erfreuliches Bild^ 
das uns Wimpheling* und Maternus Berler da- 
von entwerfen. Der Wortlaut des letzteren fnm 1510) möge 
hier folgen * : «Es was vor zilten ein gewonheitl das die men- 
schen die abent der hoch zittlichen festen und heiigen wachten 
hey einander in der kyrchen mit betten, fasten, kertzen brennen, 
in horrung und verkundung desz vortt Gottes zu sterkun^r des 
glaul)ens als dan sanct Jeronymus schribt ad Vigilanfium. Solche 
gutte gewonheilt kam zu einem mieszbruch, also tlas nitt mer 
pliben ist dari der nam Vigilie und die werck hyndan gesetzt. 
Nun wasz zu Slraszhurg eine solche gewonheit das jerlich am 
abenl der Kjrciiweihung desz oberstenn lemples ein grojjz voik 



> Die spftrliehen Berichte fiber die Kirehweihe in den andern 

Ländern deutscher Zunge sowie über ähnliche Feste der heitlnlsclien 
Vorzeit s. bei Reim ann, Dontsche Volksfeste im UK JahrbTinlert. 
Weimar, 1839. S. 243 ; ferner bei Montanas und i i a u u e ii - 
Bcbmid, a. a. 0. 

1 Besirksarchiv des Tiiter- Elsaß, E. 

3 Der lateinische Worl;laut ist abgedruckt bei F f a n u e n s c h m i d , 

a. a. 0., S. 534. 

* Abgedmckt Im Code historique et diplomati^ae de la villa 4e 
Strasbourg, Strasbourg, 1848. II, p. 119. 



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— 172 — 

UBS allen flecken weih und mann in dem tempel zusammen 
kam, do erhupt syech dan ein solche ungesturoikeitt mitt 
schwetzen, lachen, suffen und fressen, und so eins ettwen 
entschlieff so fandt riKin edlicli Itosz knahen die hetl'ten der sel- 
bigen »nentte! oder kleyder mit nogel uü die stiel und benck, 
edliche nejj^en under weillen zwey ze sammen. Auch legt man 
ein fasz niitf wein in sanct Catherinen capell und wem wein 
gebrasi der fand yn ze koufTen. Und geschach pfrosz hiinyl 
und bybery 2 darvou nitt ze schrihen. Dar wider predigt der 
heilig doctor Joannes Keysser^yberg so he0tig und trefflich das 
solche bose gewonheit ward abe gethon mit hitff Petter ScboU 
ammeisters . . .» 

Diese naeh heatigen BegrifTen unglaubllcben Zustände, die 
Charles Spindler* in seinen tBilderbogen» dargestellt hat, 
waren in jener Steit nichts AuBer;^w5hnliche6. Die Kirchweih- 
gelage im Strafibarger MAnsler vermochte Geiler zwar absu« 
schaiTen, aber noch 1508 klagt er*: tAlso geschieht es öch mit 
den Kirchweihen und Jahrmerkten : Df misbraucben die Welt- 
lichen 2u jrer Seel Verdamniß.» 

Von der Heformation bis zur französischen 

Revolution. 

In die gewaltige Sittenverderbnis des 16. Jahrhunderts 
fälH die Reformation. Besonders war es Luther, der in der 
derben Sprache der damaligen Zeit in Wort und Schrift den 
Kirch weihen su Leilie rQckte. cAuf den Kirch weihen,» so 
schreibt er^, «welchen das Volk nachläuft» sind allenthalben 
Schenken und Krüge, worin es zugeht wie im rechten Babylon ; 
denn also hält man jetzt die Kirchmesse, und so es Abend 
wird, so kehren sie wieder heim mit vollem Ablaß, das ist 
voll Bier und Wein, voll Unzucht und andern greulichen Lastern 
. . . Es feljlt selten, daß nicht etliche auf der Kirchmesse er- 
??tochen werden oder dr>rh schwer verwundet.» Luther wollte 
liaher tlie Kirchweihte^ite ganz ausrotten, (X>:intemal sie nichts 
anders seien denn rechte Tabern , Jahrmarkt und Spielhöfe 
worden, nur zur Mehrung Gottes Unehre und der Seelen Un- 



1 Von mhd. harren, sieh schnell hin und her bewegen. 

2 Büberei; vgl. Ch. Schmitt, Wtb. d. Str. Mda. «B&werii». 

»CharlesSpindler, Elsäaser BUderbogen. Straßbarg 18d6» 
Bl. 53. 

^Biriinger, Alemannia II (1875), S. 145, Amn. 1. 

» Waleh'sohe Avsgabe seiner Werke. Halle. 1740, 111,8. 1754. 



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— 173 



seiijjkeit.» ^ An einer andern Stelle 2 nennt er die Kirmessen 
ein Menschenwerk und Duckenspiel, das die Obrii-^keil «wejien 
des säuigen Gefraßes, des SalTs und der ünoriinuni; halber» 
abschaffen sollte. 

Ganz im Sinii und Gmte Luthers wurde nuo in ganz 
Deutschland die Kirchweihe von der getsüichen und der welt- 
licheo Obrigkeit mit unerbörtem Eifer verfolgt Zwei und ein 
halbes Jahrhundert lang bieten udb die protestantischen Kir« 
chenordouogen, die Erlasse und Yerordnungeo das fiild des 
Kampfes. Wenn sich auch nur vereinzelte Bemerkungen über 
Tanz, Trunk und Spiel und sehr weniges über Si Hen findet, 
so erfahren wir doch in anschaulicher Weise, wie die Behör- 
den unablässig auf die Ausrottung von Kirchweihe und Meßta^r 
hin arbeiten, wie aber auch das Volk ebenso erbitterten aU 
erfolgreichen Widersland leistet. 

Für die evangelischen Gemeinden unsere? Gebiets kommen 
folirende Kirchenordnungen in Betracht : Die Straßhurgisciien 
Ivirciieuurdnun^'en von 1534, 1598, 16 >5 und 1670, die Ha- 
nauische Kiicheuonlnung von 1573 und die Hanauische ver- 
mehrte Kirchen- und Schulordnung von ItöO, die Pfalzgraflich 
Zweibrücken - Birckenfeldsche Kirchenordnung von 1721, die 
Nassauische Kirchenordnung von 153S und die Nasssu-Saar- 
br&ckenschen Kirchenordnungen von 1586 und 1713. Die Strafi* 
burgischen Kirchenordnungen hatten im allgemeinen auch Gel- 
tung für die Stadt Weißenburg, das Gebiet der Reichsritter- 
schaft und die Herrschaft Fleckensteia. 

Man pflegt häufig die gute alte Zeil zu loben und als ein 
Muster kirchlicher Zucht und weltlicher Ordnung hinzustellen. 
In Wirklichkeil sah es in der alten Zeit nicht besser a]s heut- 
zutage aus, sondern eher schlimmer. Die elsässische Landbe- 
völkerung führte überhaupt ein üppigeres, ausschweifenderes 
und unsittlicheres Leben, ihre Sitten waren derber und roher. 
Die Nassauische Kircdpnonlniuig von 1532 erklärt gerade- 
zu, daß «die Kirch wyungen nichts anders sind als rechte 
Tabern 

In der ereilen Süaßburger Kirchenorduung von 1534 lesen 
wir * : «Zum Vierden, demnach vfT dem land ein großer, vnnd 
den armen leüten ein beschwerlicher MiBbrauch ist, mit den 



1 Das. 2, & 261. 

t Wittenberger Hauipostills, sitiert in M ontanas, a. a. 0., 

S. ö8. 

• P f a u 11 e IIS c h lu i d, a. a. U., Ö. '2ö2. 

< Ordnung vnd KireheDgebranch, f&r die Pfarrern vnod Kirchen- 
diiMiorn /u str il » urg-, vnd derselbigen angehörlgen, vff gehabtem 
Sytiodo lürgeuommen. [lö^] S. 25. 



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^ 174 — 

kirchweilienen vnnH meßtatj^en, vff weiche die Annen leüt, das 
jr mit hauflen vergeh vveiuleu, geübet werden, das es bei den 
Heyden nit erlitten were, dadurch das junfr vnd frernbd Volck 
höchlich verergeret würt. Soliche Heydnische, ja vihische miß- 
breacb sollen abgestellet, vnd in allen flecken mit namen ver« 
spotten werden, das niemand vberal, weder fremd noch faey- 
misch gestattet werde, vnder den Zeiten, so man vff soliclie 
tag predigt, sn thantzen, zechen, oder ander üppikeyt su treiben. 
Vnd 80 man mitler leit freöntlich zeren, oder auch jungem Volck 
ein tbantx erhaben würde, so sollen alweg etliche besonder dapf- 
fere menner veronlaet werden, die al wegen darbey seien, vnd 
ein ernstlich einsehen haben, das in dem zechen eins Ersamen 
Rahts GonsÜtution vnd Ordnung, nit vbert retten, vnd imthant« 
zen keyn vnzucht, wie dann das jung landuoick etwann gar zu vi! 
vnuerschamet ist, beg^anji^en, vnd zu rechter Zeit auch vffgehöret 
werde, damit sie nit biß in die mitnacht vnd länger dantzen, 
vnd dabey alle vnzucht treiben, vnnd dann erst bei nacht 
heym ziehen.» 

Durch die Leiningische Polizeiordnuni? von 1566 werden 
«die Freß-Ki ichweihen bey peea zehen Guldno verboten i. 

1595 ist im ßerstetter Kirchenarchiv 2 berichtet, daß cdie 
zu Berstett am fressen sauffea vnd meBtaghalten mehr gelegen 
gewesen als an den Gottesdiensten.» 

Die Straßburger Kirchenordnung von 1O06 enthftlt nichts 
besonderes fiber die Meßtage. Sie verlangt nur (S. 358), daß 
bei der Kirchenvisitation die Visitatoren auf cvberflQssiges 
Fressen vud Sauffen, auch vnzüchtiges Tantzen bei Hochzeiten, 
oder sonst an andern Orthen vnd zeiten» achten sollen. Ge- 
nauere Auskiinfl erhallen wir aber durch eine Predigt, die der 
Straßburger Münsterpfaner Dr. Johannes Schmidt um 
die Milte des 17. Jahrhunderts in Bezug auf den Schiltigheimer 
Meßlaf^ hielt. Er sagte u. a. folgendes : » «Sonntags, Montng.s 
und Dienstap-^ in den nahgelegeneu Orten, aus welchen -man 
gleichsam Sautschulen und Saufdörfer gemacht hat, da sind 
unsere Leute zu Gutschen, zu Wagen, zu Ruß und zu Fuß in 
großer Menge bei 100 und lOOOden hinausgefahren und haben 
iMeJilag oder Bacchus-Fest gehalten mit Wohlleben, Zechen, 
Freßen, Saufen und großer Leichtfertigkeit j hernach mit zyklo- 
pischem Jölen und Schreien, toll und voll gutentmls des Abends 
heimgezogen ; ja etliche und zwar auch nicht wenig Weibs- 

1 P f a n u e n s c h m i (1. a, a. 0.. S. 2.')2. 

2 Bresc h, Aus der kirchiicheii V'ergaugoiilieit der drei elsassi- 
sehen Dörfer Berstttt, Uiwisheim und Eckwerölieim. Straübiirg, Heitz, 
1878, S. 53. 

3 Straßbarger Post 1905, Nr. 811. 



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475 — 



personell sind gar aus der Stadt blieben ; da dann ein jedes 
ehrlieijenUes Gemüt denken mag, was sie die Nacbt über an- 
gestellt und wie sie gehaui^ef. Ich für meiue Person hätte m\v^ 
so grausam nicht eingebildet, wenn ich nicht selbst am Diens- 
tag nach 6 Uhr zu Abend ohngelalir, da ich nach Gewuhuheil 
von einem Tor zum andern gangen und ruhige Gedanken zu 
habdn vemodiiet, den letzteh Akt diesea abscheulichen Spiels 
d. i. den Einzug in diese Sladt geaehen. Nun da ist man mit 
Rossen, Grutscfaen, Wagen und KSrchen daher geritten und ge- 
rennet, als wenn man auf der Flucht wäre. Wenn dann die 
Wagen hereingebracht worden, sind die Bauersleute wieder 
herausgeritten, als wenn sie unsinnig; die übrigen sind bei 
100 und lOOOden, ja bei lOOOden^ sag ich, zu Fuß daher ge- 
tOrmelt, mit Geschrei und Unwesen, daß es nicht zu beschreiben, 
also daß so lang ich bei hiesiger Stadt bin, mir dergleichen 
ganz Epifuräisches Sau-Wesen nicht vorkornnr^en, auch aufs 
höchste d n-nber bin betrübt worden. Und dies alles ist fjeschehen 
an unserem Bettag. 0 des elenden Bettags! Da jetzo ein jeder 
Jeicht denken kann, mit was Andacht man die Predigt gehört 
und die Litanei gesprochen : denn welcher Leute Gedanken 
allbereits hinaus zum Schlemmen, zum Meßtag, zum Huren- 
tanz gestanden.» 

Gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts erfahren wir vom 
Fessenbetmer Pfarrer B i p p e 1 1 > : cAllein ist zu disen Zeiten 
zu bedauren, daß wegen Interesse mehr Sie Kirch- Weyh in 
den Wirths-HAuseren bei Schlemmen, und Luderen, Tanizen, 
und Rauffen, als in der Kirch gehalten wird. Ja wiewohl die 
Lutherische wenig auf die Kirch- Weyh hallen, und solche ab- 
geschafibt, so ist damioch die £inweyhung des Wirths-Hauses 
w^en dem Interesse der Herrschaften überblieben, und ist 
also die Kirch -Weyh aus der Kirch ins Wirts-Haufi meist trans- 
ferirl worden.» 

In der Grafschaft Hanau-Lichtenberg scheint es besonders toll 
zugeganL'-pn zu sein. Denn eine der ersten Fragen, die die erste 
hanau-hchtenbeigische Synode am 8. .\pril 1546 zu Pfafl'enhüfen 
behandelte, war die des bisher übhchen Sonntagstanzes, welcher 
auf Grund eines (iutaclitens Bucers untersagt wurde«. Und 
15G5 wurde verfügt, daß in allen Aemtein der Grafschaft, wo 
keine Jahrmärkte gehalten werden, die Meßtage abgestellt wer- 
den und demnach solche nur noch in BuehmeUßr, Neuweiler^ 

' Kipp eil, Altertnm, Ursprung und Bedeutung aller Cerema- 
nicn usw Augsburir und Freibarg, Wagaer, 6. Aufl. 1767. S. 444. 

(1. Aull., 172;], S. 45Ö). 

^Bathgeber, Die Grafechaft Hanau-Licliteaberg. Straßbarg, 
Träbner, 1876. S. 95. 



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176 



Pfaffenhofen, Obermoderny Westhofen und Hatten verbleiben 

sollen 

Es ist schwer^ sieb aus solchen vereinzelten Auslassung^en« 
die fast alle die peralkiliche AuIXassiiDg ibros Verfassers wieder- 
geben, ein geschtcbtlich treues Bild vom Mefitagsfeste und vom 
Meßtagstreiben zu machen. Abgesehen von der bereits erwähnten 
Siraßburger Kirchenordnung von 1S34 erfahren wir aus den 
alten Kirchenordnungen nichts» was die Mefitage und Kirch« 
weihen besonders an^^inge. Sie schweigen teils vollständig über 
dieses Gebiet, so insbesondere die erste hanauische Kirchen- 
ordnung von 1573, teils bewegen sie sich in allgemeinen Vor- 
schriften über die Ruhe während des Gottesdienstes, über das 
Verbot des Spieiens «oder anderer Unzncht» bei Strafe des 
Turme? 2^ teils über dpn sittlichen Lebenswandels, \e\h ühci die 
Sünnla^^sheilij^unij: *. in a««frdn"liclier Weise handelt aber die 
Hanauische veruiehrle Kirchenordnung über die Meßtaj<e, und 
wenn wir bedenken, daß sie nur 11 Jahre nach dem West- 
fälischen Friedensschiuli erschienen ist, so gehen wir in der 
Annahtne nicht fehl, daB die gerügten Mißstände noch die 
Folgen des großen Krieges sind. Jedenfalls ist sieber, daB die 
tiefen Wunden, die das lange Kriegswesen der Gra&chaft ge« 
schlagen haben, nicht imstande waren, im Volke den Sinn für 
VergnCigungen und Lustbarkeit zu ersticken und daß trotz der 
Entvölkerung und Entsittlichung doch noch ein fester Kern des 
Volkstums und ein gewisser Gemeinsion geblieben sind. So 
hatte beispielsweise die Behörde 1646 Anlaß, in Btilbronn das 
Tanzen zu verbieten 

Außerdem finden sich in den Kirchenarcbiven der ehemals 
hanauischon Dörfer Mittelhauseriy Schwindratzheim, Altecken' 
dorfy Wingendorfs Obp/rmodem und Geudertheim, die auch 
die Filiale IIohnfTcnheimy Schalkendorf und Biellenheim ho- 
treüen, eine gKjüe Zahl von Dekreten der hanau-lichtenbergi- 
schen nnd später der hessischen Üegieruug sowie ausfülirlitlie 
Presbylerialprotokülle, die nns ein anschauliches Bild über die 
Zustände in der GrafbchalL im 18. Jainliundert >^eben. • 

Es lohnt sich, auf Grund dieser Quellen näher auf die 
VerMItnisse einzugehn. Die derbe Sprache in den Auslassungen 
Jener Zelt, die alles unter dem sittlichen Gesichtswinkel des 



1 Kiefer, Steuern, Abgaben and Gefälle in der ehemaUgea 
Grafschaft Hanau Lichtenberg. Straßborg, Xolrlel [1891]. S. 81, 
> Straßbnrgisßhs Kirchenordiiang Ton 1670, S. 372. 
8 Das., S. 376. 

* Pfaliegr&fUehe KiTckenordnang von 1721, 8. 66> Art X. 
^ K i t r, pfarrbuck der Oraüiekalt Haaaa-Lickteaberg. StMtß* 
barg, Heiiz, löyO. S. Mb, 



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— 177 ^ 

jungen Protestantismus zu belrachleu ptlegteo, darf uqs niclit 
weiter befremden. 

Die iianauisclie Kirchenordnung bekla^l zunächst (S. 89), 
daß die Pfarrer an der Entheiligung des Sonntags mitschuldig 
sind, da sie cfreventlich . i . mit Mefitag -bakea, vnd es aja- 
dem hierin nicht alldn gleich^ sondern offt bevor thun,» daB 
sie ferner cdas Kinder-Examen \ sonderlich vmh' der Meßtage 
WiHen gar vntertassen» und cwelcbes das allerirgste^ daß sie 
insonderheit die Sonftgliche- Mefltage, nicht allein lassen pas- 
siren, vnd selber halten« sondern auch noch mit gar gnten 
vnd geistreichen Predigten, wie sie meynen, zieren vnd ver- 
theidigen. Vnd die weilen sii^ aber, wie man weiß» darinnen von 
solchen Dingen auß der Schriffi vnd andern Büchern groß di- 
centes machen vnd predigen, welche zwar an sich selbst wahr- 
hafftig, vnd nicht zu verwerfTen seind : Aber auff das bey vns 
jetzüuri^ehende wilde, vnchrislliehe Meßtagwesen sich so wenig 
reimen nnd schicken, als ein Faust aufT ein Aug ...» Vom 
groüen Haufen des Volks heißt es (S. 87): sie «treiben 

allerley Siiod vnd Laster am Sontag, halten Meütag an jhren 
Orten ; oder lanflfen darzii in die nachbarschaflt vmher, ^deich 
wie ein Caniehn in der Brunst, vnd wie ein wild in der Wüsten 
pfleget, wenn es für großer Brunst lechtzet vnd laufft, das nie- 
mand auffhalten kan ...» 

Und in weitläufige» lateinischen Ausdnandersetzungen ist 
auf die Frage, ob bei aller Frömmigkeit die Jahrmärkte am 
Sonntag gefeiert werden können, gesagt : Nein, denn mit den 
Jahrmärkten sind Zehntausende von Lastern verbunden, wie 
jedermann bekannt ist (S. 97). Welclies diese Laster ?ind, 
ist schon vorher (S. 96 f.) erörtert : es ist das WürfeU, KegeU 
und besonders das Kartenspiel um Greld oder einen sonstigen 
Gewinn, ferner der Kreistanz oder das gemeine Tanzen, 
welche aus dem Leichtsinn» dem Mutwillen und dem gemein- 
samen Trinken «Mifspringen und der !^o;jlei»er und Ursprung 
•vieler Laster sni i. weil sie die Jünglinge ni Gesellschaft der 
Mädchen abseits von der gehörigen Beaufsichtif^ung schamlos 
machen und verderben und ni( ht selten unreine Liebe bei bei- 
den Geschlechtern hervorrufen und anreizen. Zum Schluß heißt 
es, ilas Springen beim Tanz sei der Sprung ia die Tiefe der 
Hölle. Die Kirchenordnung schreibt denn auch klar und deutlich 
den Vmm des Grafen Friedrich Casimir vor (S. 93) : cWir 
ordnen, setzen, wollen und gebieten, daß hinfo^o die Riröhweihen 
und Meßtage an denen Orten, da nicht offene, freye Jahrmäriite 



1 = den Beligionsnnterrioht. 

12 



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178 — 



* 



4 

gehalten werden» gäntelich abgestellt vnd abgeschaflft seyen. 
0aB auch vnsere Vnterthanen auff dieselbige Meßlage jhre Freund 
vnd GSste, nicht insonderbeit laden sollen. Es sollen auch vn- 
sere SchuldheiBen mit fieiB vorsehen^ damit nicht durch die 
junge Gesdlen auff solche Tag Täntsse angestellt werden ; defi- 
gleichen sollen die Wurth auch für solche Gresellschaften nicht 
kochen noch zubereiten uff die MeBtage.» 

Trotz dieser klaren, nicht mißzuverstehenden Vorschriften 
ist aber in der Grafschaft Hanau- Lichtenberg,^ der Meßlnjjf durch- 
aus nicht abgeschafft worden. Der Kampf um den Meßtag tobte 
viele .Tahi*zehnte lanfr auf der ganzen Linie. Zwar ist es nicht 
ausiiesclildpsen, dali da« sti'en^e Gebot der Kirchenordnung von 
105!) allgemein oder iii vielen Ortschaften befolgt wurde. Ur- 
kundliche Beläge über etwa abgclialtene Meßtage zwii>chen 1B50 
und 1736 lassen sich nicht anführen. Aber das hanauisdie 
KoDsislorium sah sich 1713 und 1733 veraulaül, scharfe Dekrete 
gegen das Tanzen zu erlassen, welches mit der Zeit einen ganz 
gewaltigen Umfang angenommen hatte. An den höchsten kirch- 
lichen Feiertagen, auch am Karfreitag^ sowie in der Advents* 
und Passionszeit wurde damals gerade am-unbfindigsten getarnt. 
Nach den Berichten der Speziale (nach heutigen Begriffen geist- 
liche Inspektoren) wurde 1720 fast von jedermann am Sonntage 
getanzt. Es ist darum nicht wahrscheinlich, dafi die Landge- 
meinden ihre Mefitage aufgegeben haben. 

Durch Dekret vom 29. April 1716 wurde das Tanzen am 
2. und 3. Oster- und Pfingstta^ erlaubt, sofern nicht acht Tage 
vorher oder nachher Abendmalilsteier ahixehalten wurde, i 

Als im I:ihrel730 die Landgrafen von Hessen das hanau- 
ische Erl i Uli raten, luachte sich alsbald ein streng-eres Kirchen- 
regiuienl i)eiiierkbar. JJurch iiochtVu stliches Dekiet vom 23. Juni 
1736 wurden die Pre-sbyterieu wiedereingeführt, eine Art g^eist- 
licher Sittengerichte mit kirchliclier und weltliclier StrafLrewalt, 
die bereits in der Kirchenordnung von 1Ü5U vorgesehen, aber 
mit der Zeit in Abgang geraten waren. Ueber die Beratungen 
dieser Presbylerien» die unter dem Vorsitz des Pfarrers aus 2 
oder 3 unbescholtenen Bürgern bestanden ^ führte nun der 
Pfarrer Protokoll, so daB uns für viele Gremeinden ein wert- 
volles Material für die Sittengeschichte und das Volksleben des 
18. Jahrhunderts fiberkommen ist. 

Die Presbyterial Protokolle enthüllen uns mit einem Schlage 
ein klares Sittenbild. Im Jahre 1736 steht der Meßlag in den 
genannten Dörfern in voller Blüte. Wir müssen daher wohl 
annehmen, dafi dies schon längere Zeit vorher der Fall war 



1 Piarrarchiv von Bingendorf. 



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179 — 



und daß auch in andern Dörfern der Grafschaft dieselben Zu- 
stände herrschJen. Die hanauische Re<fierung scheint nun» ent- 
gegen der Kircheoordnung, die Meßlage nicht mehr grundsätz- 
lich verboten zu haben, wohl aber legte sie ihnen Schwierig- 
keiten in den Wen: und suchte sie auf Umwegen zu unterdrücken. 
Am 13. Juni 1737 erließ Lami^naf Ludwi^r VIII. die «hanauische 
Sabbathsoninungi).! X;,(-h ilieser war es verboten zu tanzen an den 
Sonn- und hohen Festtagen, terner vom ersten Adventssonntag 
bis nacli dem Dreikönigstajr und Hie jranze Fastenzeit hindurch 
sowie am Oster- und Pfingbünonta^ und Dienstag, wenn das 
hl. Abendmaiil am Sonntag vorher gehalten wortien war oder 
am Sonntag nachher gehalten werden sollte. Den Musikanten 
-war es in demselben Umfange bei 3 Üi Strafe verboten , 
csich in öffentlichen Wirlbs- und anderen HäuBern, auch 
Gärten, zn lOderlichen Täntzen oder auf andere mißsiändige 
Weise gebrauchen zu lassen.» Und um auch diejenigen zu 
treffen, welche, um dem wachsamen Auge der kirchlichen 
Aufseher zu entgehen, in Nachbargemeinden, sogar in katho- 
lischen Dörfern, den Meßtag besuchten, wurde außerdem be- 
stimmt, daß das Tanzverbol sowohl in- als außerhalb der 
Herrschaft galt und daß die Strafe von 3 fl. nach Befinden 
noch erhöht werden konnte. 

Durch diese f^charlen Bestimmungen waren die tanzfreien 
und'daher lur den MeJ.ltag geeigneten Tage sehr einiieschränkt, 
und mMii iiielt nun den Mel^tng an einem sogenannten Apostel- 
tag odei an einem katholischen Feierlag ai). An den Apostel- 
tagen ^vu^d(.•n die monatliclien Bettage a])L;elialten. Die kath. 
Feiertage waren Mariü Reinigung, Maria. Emptüngni.s» Maria 
Heimsuchung. Diese 15 Halbfeiertage wurden nur durch einen 
Morgengottesdiensl gefeiert, nach dessen Beendigung die Leute 
ihren gewohnten Arbeiten nachgehen konnten. Sie bestanden 
bis zum 6. September 1770^. Aber schon 1740 wurde durch 
ein Dekret vom 20. September bestimmt, daß das Tanzen auch 
an diesen Halbfeiertagen verboten ist, falls am Sonntag vor- 
oder nachher das hl. Abendmahl gefeiert würde oder werden 
sollte. Dieses Dekret besagt ausdrücklich, daß «die christliche 
Oberkeil gern wünschen möchte, daß das Tantzen als eine zu 



1 Pfarrarchiv von AUeekendarf, aaoh teilweise abgedruckt im Eis. 

Samstagsblatt von IRi'!, S. I II ff. — Es waren von der lianauischen 
Eegierang schon VAS (also noch vor der Einführung der Keforina- 
tion), 1620 und 16U7 Sabbatsordnungea erlassen worden, die sich 
in dem Großherzoglicheii Huus- und Staatsarchiv za Darmstadt be- 
finden nnd für die vorliegende Arbeit niclit zn beschaffen waren. 

2 Vgl. auch über die alliremeinen Verliiiltnisse: Kassel, Aus dem 
alten Hanauerland im «Ev.-prot. Kirchonboten» 1SD3, Nr. 24 und 25. 



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I 



— 180 — 

\ielen Unordnungen und Ciott mißHilligem Betragen Anla£ ge- 
ilende Luslbarkeit gänzlich abgestellt werden kdUDte», dafi aber 
dieses ein verschiedeiiein Betracht nicht föglich geschehen magi. 
Und später scheint der Bogen noch straffer gespannt ¥R>rden 
<zu sein, denn dem Wirt Schüler von Ringendorf der 1757 
den MeBlag auf den Tag Ludovid abhalten wollte, antwortete 
das Konsistorium, falls an dem Tage kein Bettag sei und nicht 
am Sonntag vor- oder nachher das hl, Abendmahl gefeiert werde, 
dürfe er 2 Spielleute, keineswegs aber den ordentlichen Meßtag 
halten. 

In den erwähnten Preshyterialprotokollen bilden die Verhand- 
lungen wegen Uehertretunii des Meßlagverhots einen fortlaufen- 
den Bestandfeil. Die Pfarrer klagen fther das Fressen und Saufen, 
Spielen und Tanzen, Huren und Buhlen, Schwören und Fluchen, 
Streiten und Zinken, Schreien und Johlen. Insbesondere sind 
es die Wirte, denen die Abhalhmg der Meßfafje übel genommen 
wird und die für ihr «.Verbrechen» büßen müssen. So .stand 
der Wirt Lukas Reichert am 7. Oktober 1738 vor dem Pres- 
byferium zu 4(1- und Echendorf, weil er cnicbt allein den 
Mefitag vor der gehaltenen Kirchenlehre 'aufgeführt, sondern 
auch unter derselben solchen mit tantzen, spielen, sauffen und 
freßen gehalteni, und weil er nach der Kirchenlehre auf dem 
Kirehhof erschien und die Bürgerschaft mit den Worten einlud : 
«IIa Bürger, ihr wißt, daß der Altdörfer Meßtag heut ist, ihr 
möget i i Heißig kommen, daß ich es nicht noch einmal sagen 
darf!» In Bezug auf den Standpunkt der Wirte und des Pfar- 
rers am Meßtag isf das Presbyterialprotokoll besonders kenn- 
zeichnend, weiches Pfarrer Köni^^ von Mittelhausen am 1. No- 
vember 1740 au.^ Anlaß des Meßtays verfaßte. 

Der Wirt Leoutiard war angekla;;t, die Veranstaltungen 
zum Meülag zu treffen, «und seine eigenen Söfine sind die 
Meßtagsknaben (Meßtiburschen nach heutigen Begnllen), mithin 
die verführerischen Lockvögel, die andere zur Gottlosigkeit 
reitzen.l Der Wirt und zwei seiner Söhne wurden vor das 
Presbyterium sitierl, wo ihnen der Pfarrer vorstellte, «wie ihr 
Vorsatz lauter Leichtfertigkeit zum Endzweck habe; dann 
tantaeh, ludern, freßen, sauffen, spielen und dergleichen, sind 
Dinge, die dem Ghristenthumb schnurstracks zuwiederlauffen. 
Kurtz, es seye dieses eine Handlung, aus welcher unzehlige 
andere SQoden enUpringen. Diese mit vielen Worten begleitete 
Vorstellung würckte zwar so viel, daß die Beklagten, sonder- 
heitlich aber die gemeldten Söhne frey öffentlich gestunden ; 
ja, sie wüßten es wohl, wie dergleichen sQndliche Eitelkeiten 

. ' Pfarrarchiv von Mingendorf. 



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181 



keinem Christen geziemen und mit gutem Gewißen nicht kun- 
len veröbet werden, auch keinen Sogen bringen; gleicluv lil 
aber würe doch dieses eine überall eingeführte Gewohnheit und 
müßte man über das bey der starken Aufflage des Ohmgeldes 
(eine Weinsteuer) aufi' allerhand Mittel bedacht seyn, wie man 
einen Pfenning? gewinnen möge. Ich replicirlc: '!-<nsond J?ilir 
sündlif^-lie Gewohnheit soye in den Atigon Gottes k- iin u Augen- 
blick recht, und ein süiKÜichei' Gewinn möge nuUvendig den 
j^ötllichen Finch nach sieb ziehen. Endlich antworteten die Söhne, 
^ie ließen es auü' den Valler ankoinmen, vielleicht wiid er anderen 
Sinnes. Bald darauf bescheidete ich dea Vatter, welcher zwar 
raeine nach aller MögUchkeil gethaoe VorslellangeQ nicht miß- 
billigte, gleichwohl aber sich von der Geld Bej^ierde überwinden, 
ließ, mit Vorgeben : er würde ja eben deßwegen nicht in die 
Hölle kommen, Gott seye gnfidig und es werde schon noch 
Zeit übrig seyn, da man sich bekehren könne. Ich verfluchte 
solch vermeßenes Vertrauen und sagte; Wehe der Seele, die. 
auf Gottes Barmherzigkeit hin sündiget und die Gnaden Zeit 
auf solche Art mißbrauchet! Endlich ging dieser gottlose Vatler 
im Zorn fort, nahm meine treuherzige Ermahnung nicht an 
und hielt nach seinem Vorsatz das teulTliche jubilaeum i. e. 
den Melilag.» Soweit Pfarrer König. Vierzebn Tai^-^e nachher 
wurde der Wirt mit seinen drei Söhnen wiederum vor<,re!nden, 
und diesmal versprachen sie nach Anhörung einer luciitigen 
Strntpi'edigt «mit Hund und Mund, dergleiclien Gottlosigkeiten 
in ihrem Hauß nicht nur die Zeit ihres Lebens nimmermehr 
zu dulten, sondern auch im übrigen sich eines gottseeligen 
Wandels zu befleißigen». Ob der Wirt und seine Söhne ihr 
Versprechen gehalten haben, läßt sich aus den Protokollen nicht 
ersehen, da von 1742 bis 1755 die Eintrige fehlen. 

Wie sehr der Meßtag trotz aller Verbote in das Volksbe- 
wußlsein eingedrungen war, beweist ein Fall in AUeckendorft 
wo 1737 der herrschaftliche Schultheiß den öffentlichen Vor- 
tans anführte, und ein anderer Fall, wo 1767 der Wirt Georg 
Scbweyer von Schalkendorff der zugleich Stabhalter und Kirchen* 
filtester war, den Meßtag hielt, trotzdem Sonntags darauf das 
Abendmahl im Dort gefeiert wurde. Daß gerade in dieser Ictz* 
feren Hinsicht die Pfirrer willkürlich den Meßta'' verhindern 
konnten und es auch absichtlich taten, liegt auf der Hand. Die 
DorffrenGSJ^en nahmen aber solche ofrenl)aren Verdrehungen mit 
Entrüstung auf. lu dieser Hinsicht ist der Fall des streitbaren 
Pfarrers Kamprnnnn von SdiwindmtzUeim geradezu vorbildlich. 

Die dortigen Wirle wollten 1740 auf Ludovici, einen Don- 
nerstag, den Meßtag abhalten. Vorsor<,dicher Weise hatte al>er 
der Pfarrer Sonntags vorher das hl. Abendmahl gefeiert und 



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— 182 — 

beeilte sich nun, an das bocbfärst liehe Koosistorium zu berichten 
mit der Bitte, «daü man von seyten dieses Coüopii diesem Un- 
fug zeitlich vorzubeugen geruhen werde». Daraufhin wurde der 
Meßtn^r verl'Oten, aber trotzdem nbi^ehallen, und sämtliche junire 
Leute hatten sich eingefunden. IJei IJeginn des Tanzes erschien 
der Scbullheiß und bi<! das olDri^^keil liehe Yerhof vor. Aber die 
Geaellschaft stöjte sich nicht daran, die Wirte stießen so^^ar 
viele Schmähreden aus. Wirte uml * Meßtagsknabeui> (die hcii- 
ligen Nrei.Uiburschen) bekamen Celdsti at'en. Einige Woclien 
nachher aber verlangte dei Pfaiier von den übiigen Burschen 
nach der Vorbereitungspredigl zum hl. Abendmahl, daB sie an 
Eidesstau geloben sollten, ihr Lebtag nicht mehr su tanzen, 
sonst "wQrden sie das hl. Abendmahl sich zum Gericht und 
zu ewiger Vei'dammnis empfangen. Wenn sie sich fibrigens 
dieser Ueppigkeit nicht zu enthalten getrauten, so sei es ihm 
lieber, wenn sie Oberhaupt nicht mehr zur Kirche gingen. Dar- 
aufhin verließen sämtliche junge Leute bis auf 6 Knaben die 
Kirche. Es wurde an das Konsistorium berichtet. Dieses lobte 
nun zwar seinen «sehr löblichen EyfTerö, gab ihm aber doch 
in einer 3»/2 Folioseiten langen Au.seinandersetzung Verhaltungs- 
maßregeln für die Zukunft und .schließlich den vernünftigen 
Rat, das hl. Abendmahl nicht zu feiern, wenn Tänze in Schwin- 
dratzheim oder der Nachbarschaft bevorstelin. Auch sonst lag 
Pfarrer Kan^pn^ann rnit den Wirten in stetem Streit. Schließ- 
lich zog ei' (iocli den kürzeren, ei'reii hte <^ar nichts und bezog 
1747 eine andere Plai rstelle in der Obeilausilz. 

Sehr bemerkenswert ist auch die Auffassung des Plarrvi- 
kars Eluenpfort von Obennoderiiy der dem ledigen Spielmann 
Jakob Pfod von Sdtalkßndorf iliS zumutete, «seine zu vielem 
Aergerniß bißhero getriebene Spiel manns*Profession zu quittieren.» 

Aber die Zeiten wurden doch allmählich anders, und der 
Mefitag behauptete sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts 
stegreich. Die Ghur-Pfälzische Kirchenordnung von 1763 ent« 
hält über Kirchweihe und Meßtag überhaupt nichts. 1764 wurde 
in Mittelhausen dem W^irt ausdrücklidi erlaubt, cmit Billigkeit, 
in der Ordnung und ohne Klage Meß-Tag zu halten.» Am 28. 
Oktober 1766 hielten die drei Wirte von Obermodem wider den 
au<?drünklichen Regierung.sbefehl Meßtag mit «Meßtagspurschen 
und Tellerausspielen)). Erst am 2'2. Februar 1767 besprach der 
Pfarrer den Fall im Pre^hvferium, 2u einem Beschlüsse kam es 
jedoch nicht. 1772 suchte Pfarrer Schaller von Oltcrmodern ver- 
geblich, den Meütag in seinem Filial ScJialkendorf zu ^inhibireui», 
das Konsistorium erlaubte ihn. Und 1782 erreichte er nur, 
daß der Meßtag, der einige Jahre am Ludwigstage gefeiert 
wurde, wieder auf Simon und Judä verlegt werden mußte. 



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- 483 — 



Wie streng es übrigens dieser Pfarrer mit dem Meiila-^ nahm, 
erhellt aus einem Eintrag von 1776, wonach einige treinde 
Burschen, die sich auf XachbaismeÜtagen bezecht hatleii, ia 
Ohermodcrn Itis gegen Mitternacht auf den Gassen herum - 
schwärinlen und aein unvernünftiges» Brüllen von sich hören 
ließen». Sie wurden ihren Pfarrern angezeigt und auch bestraft, 
aber nicht wegen ihrer Teilnahme am Bfefitag, sondern wegen 
der nächtlichen Ruhestörung. 

In den yerSnderten Zeitlftuflen erlitten auch die Ansichten 
öber die Meßtagsfreuden eine allmähliche Wandelung« Die 
alte Kirchenzucht« die sieh ehrlich die fiekämpfüng des Lasters 
und die Erweckung christlicher Gesinnung zur Aufgabe gestellt 
hatte, hatte sich überlebt. Die sittenrichterliclien Befugnisse 
der Pfarrer und der Presbyterien zerflossen im Lichte der her- 
annahenden Revolution. 

Von der Bekämpfung" der Kirchweihfesle durch die katho- 
lische Geistlichkeit in der vorrevolutionären Zeit ist uns nichts 
Wesentliches l)ekannt, sei es nun, daß die Fesfp in katholisclieii 
Orlschatten keinen AnlaJi zum Einschreiten boten, sei es daiJ sie 
in vielen Gemeinden überhaupt nicht statttanden. Schon 1723 und 
1757 ist Ijei R i p pell der in Fessenheim Plan er war, die Kede 
von or lutherischen Meßtägen» in einem Zusammenhange, der darauf 
schließen läßt, daß die Meßtage damals eioe eigenartige Ein- 
richtung protestantischer Dörfer war. Urkundlich lassen sich 
Meßtage in folgenden katholischen Dörfern nachweisen : Min- 
venheim 1736 s, Udterach 1737», Rumerheim 5. September 
1769«, Liehtenherg 1780», Wingenheim November 17S6 
Hohatzenheim 9. Dezember 1786«, Mommenheim 12. Oktober 
1788(!. Aus dem Zusammenhang läßt sich schließen, daß es 
dabei recht hoch herging. 

Bie weltlichea Behörden. 

Der Kampf der weltlichen Herrschaften' und Behörden ge- 
gen die Kirchweihfeste und ihre vermeintlichen Auswüchse ist 
alt. In froheren Jahrhunderten, so lan<^e die Herrschaften ent- 
weder geistliche waren oder sich in ihren Handlungen und 
Erlassen von religiösen Erwägungen leiten ließen, hatten die 



1 Rippen, a. a. 0., S. 444. 

2 Pfarrarcbiv von AlUckendotf, Fresbyterialprotokoll vom ö, 
Februar 1787. 

9 Das., Presb3rterialpi otokoU vom 6. Aognst 1737. 

* Pfarrarchiv von Mütelhausen. 

* Bezirksarchiv des ünterelsaß, E. 5891. 

< Notizbuch eines Schreiners, im Basitz der Familie Hornecker 
za MitMauam, 



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184 — 



Oberen ein wachsames Auge auf die Feste. So wurde die 
Feier des Meßtags zu Hürtigh&irn 11*85 bei 6 Pfund Strafe 
verLoten Ebenso hatten die Henen von Rathsamhauseu den 
Meßtag von Qaatzenlieim unterdrückt, und erst 1700 ließen 
ihn die Oberkirch wieder zu*. Ja man sagte den Herren v. 
ßappoltstein näcfa, dtfi sie den Meßtag absiditlieh in ihrer 
Herrschaft duldeten, am die damit verbundraen Aussehratangen 
mit hohen GeldbuJOien belegen zu können. 

Wenn die Abhaltung der Kirchweibfestlichkeiten geldliche 
Vorteile einbrachte, so ließen sie die wehlicben Herrschaften 
ruhig gewfthreo. Sie regelten die Eintreibung der Abgaheo und 
lieben ihnen ihren Schutz. Selbst die hanauische Regierung, die 
.einen so erbitterten Kampf gogen die Meßtage führte, versehmähte 
es nicht, Meßtagsabgat>en su erheben. Eine ausgesprochen meß- 
tagfreundliche Stellung nahmen die Herren Gayling v. Allheim 
ein, die vor der Revolution das Dorf Büsweiler besaßen. In den 
1780 er J ihien Heßen sie die Bauern am Meßtag in den Schloß- 
hüt' zietieii, und die Schloßhen en liatten vielen Spaß daran, wenn 
jene mit ihren Holzschuhen lu Sand und im Dreck tanzten. 

Demgegenüber waien die Gemeindevorsteher, die Schult- 
heißen, Meyer, Stabhaller und Bürgermeister, die ja zum Volke 
selber gehörten und seine Anschauungen teilten, stets tür die 
Erhaltung des Kirchweihfestes, so lange sie sich nicht mit ihrer 
Gemeinde in Widerspruch setsten. In den Gemeinderatssitzun- 
gen vieler Ortschaften, insbesondere auch der hanauischen Dörfer* 
hat es manchen erbitterten Kampf gegeben, bis sich die BOr- 
germeister ins UBvermeidliche fugten und cum Nachteil der 
GemeindeeinkAnfte dem Drängen der Pfarrer und ihres Anhangs 
auf AbschalFung der Kirwen und der Meßti nachgaben. 

Unter den Wirren der Revolution und der Napoleonischen 
Zeit, litten auch die Kirchweihfestlichkeiten, ohne daß sie jedoch 
ganz eingingen. So wurde 1803 und 1804 in Eodtfelden ein 
flotter Meßtag abgehalten. Die große Umwälzung sprenjjle auch 
die Fesseln der Kirch weihfeste. Die weltliche Obrigkeit seiher 
war es, die ihre Hand dazu bot, und nun werden diese Fest- 
lichkeiten durch den Staat lediglich von polizeilichen und wirt- 
schaftlichen Gesichtspunkten aus beurteilt. Der Geist der Re- 
volution weht noch insofern nach, als ein junger Bursche es 
ist, der irn brüderlichen Kreise gleicbgearteter Dorfgenossen 
sich besondere Freiheiten erringt , der leitet und sorgt und 
dem Feste jenes eigenartige Gepräge verleiht, das es vor allen 
Veranstaltungen des Landvolks .so, vorteilhaft auszeichnet. . 



1 IL Benß, L'Alsaee an 17« sitole etc. Paris, BouUloVlSdT 
1898. n, p. 87. 



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— 185 — 

Schon 1818 erließ der französische Minister des Inneren 
auf eine Anfraj,^e des Prälekten des oberrlieinischen Departements 
aus Anlaß eines besonderen Falles eine Instruktion*, worin es 
heißt: «Es wjlre sehr hart, die Kilben zu verbieten, und es 
könnten hieraus ünanncUmlichkeiLea entstehen . . . Die Orts- 
bebörde hat die Ver^tiljLhtung, die Menschenansanuniuugen und 
die Vergnügungen, die aus ihnen entspringen, zu genehmigen, 
indem sie die nötigen Maßregeln zur Attfrechterhaltung der 
öffentlichen Ordnung triflt. 0er Tanz und andere derartige Ver- 
gnügungen sind erlaubt. Verboten sind die Hazardspiele und 
alle Vergnügungen, welche in ihrer Wirkung geffthrlich werden 
oder die öffentliche Sittlichkeit beeintr&chtigen können. Die, 
Ortsfaehörde hat nach den Umständen und OertHchkeiten zu 
ermessen, ob Menschenansammlungen gef&hrlich sind. Sie hat 
die Pflicbt, sie in dieMsn seltenen Fällen zu verbieten und zu- 
ireilendenfails der vorgesetzten Verwaltungsbehörde über die 
Gründe zu berichten.» 

Hierdurch waren die ««o heiß umstrittenen und viclj^e- 
schinähten Kirchweihfestlichkeiten staatlich gencbmij^t, und 
schon ans dem Jahre 1821 wird uns berichtet j-tß der Präteki 
des Ubei i heins, Grat" Alexander v. Puymaigre, als ei- die Dörfer 
bereiste, um iur die Regierung Stimmung zu machen, oft bei' 
der KiJbe auf den olVenllichen Tauzböden mit der b'rau Maire 
oder den weibhchen Anveiwandten des Dorfge walligen tanzte ; 
denn das sei im ElsaB «run acte de popularit^ hien placä», wie 
er selbst sagte. Er erhielt denn auch leicht den Namen «Bauern- 
prftfekt». 

Für unser Gebiet aber beginnt eine Blätezeit, die ein halbes. 
Jahrhundert lang andauerte und diese schönen Volksfeste vieler 
Orten zu einer idealen Entwickelung brachte. Zwar nahm» wie 
wir gleich sehen werden, die Geistlichkeit beider Konfessionen, 
den Kampf nar zu bald mit Erfolg wieder auf. Aber das Fest 
konnte nicht ganz unterdrückt werden, sondern erreichte den. 
Gipfel seiner Ausgestaltung in den 1860 er Jahren in den pro- 
testantischen Landgemeinden. Den sichersten Hort fand tler 
Meßti in den Dörfern der ehemaligen Grafschaft Hanau-Lichten- 
berg, die aiu fi sonst durch ,ihre kernhaflen Gilten im ganzen, 
£lsaß ausgezeichnet sind. 

Eine Verfügung allgemeiner Art, die sich mit den Kirch- 
weihfestlichkeiten l>efaßt hätte, sebeint von den franaoeischen. 
Verwaltungsorganen bis 1870 niclit erlassen worden zu sein., 

1 Recaeil des actes de ia Pr^fdotare da Dipartement da Haut- 
Ehin, 1Ö18, p. 117. 
• Strafiborger Pott» 1906» Nr. 704. 



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1 



— 186 — 

Der deutschen Verwaltung war e8 vorbehalten, in Sachen 
der Kirchweihen Stellung zu nehmen. Infolge einer unten zu 
erwähnenden Eingabe des Direktoriams der Kirche Augsbur- 
gischer Konfession an das Ministerium ließ sieh dieses von den 
Kreisdirektionen dainbci- berichten, auf wieviel Tage sich durch- 
pohnittlich die Kilben i in den verschiedenen Geineinden ;ius- 
dehnen, insbesondere wie weit der Gebrauch, dritte Killietage 
und Naclikilben zu feiern, verbleitet ist ; wieviel Sonntage im 
Jahr in den veiscbiedenen Genieinden mit ersten Kilbetagen 
l)esetzl sind ; ob eine '/usaniinenle;j:un;.'- der Kilben auf einen 
und denselben Tag in weiteren Kreisen, etwa kantonsweise 
dui chführbar erscheint ; welche Bedenken der Untersagung der 
Feier dritter Kilbetage und sogenannter Kachkilben entgegen« 
stehen wQrden. Die Kreisdirektion StraBburg-Land gab folgende 
zutreffende Antwort. 

Zunächst ist es wohl sehr fraglich» ob der Zweck der 
Anregung» die Landbevölkerung zu größerer Sparsamkeit und 
Sittlichkeit zu erziehen, nicht den gegenteiligen Erfolg haben 
Vidrd, daß die Landbevölkerung die Vergnügungen, die sie auf 
dem Lande rieht mehr findet, in der Stadt sucht. Dann 
sollte aber auch der althergebrachten Sitte, daß die in der 
weiteren Nachbarschaft wohnenden Verwandten sich bei dieser 
Gelegenheil gegenseiliij besuchen, nicht gesteuert werden. Fer- 
ner fallen Gnm'b^ der nevrilkerun^r«;politik, den Verkehr zwi- 
schen den einzelneii Gemeinden nicht zu erschweren, ins Ge- 
wicht. Daneben sprechen auch praktische Gesichtspunkte, wie 
der Mangel an der nötigen Anzahl von Meßli-Unternehmungen 
und die Unzulänglichkeit der üeberwachung durch die Gendar- 
merie bei den Kilben, gegen die Zusammenlegung. 

Das Ergebnis dieser Rundfirage war ein Erlaß des Mini- 
steriums, der den Kreisdirektoren des Unter-Elsaß durch Ver- 
ftügung des Bezirkspräsidenten vom 24. Juli 1888 mit folgen- 
dem Wortlaut milgeteilt wurde: ein A'UsfAhrung eines Er- 
lasses des Kaiserlichen Ministeriums ersuche ich Sie ergebenst, 
auf die allmähliche Einschränkung des Mißbrauchs einer zu 
weiten Ausdehnung der Kilben und Nachkilben in den Ge- 
meinden Ihres Kreises hinzuwirken. Es handelt sich hierbei nicht 
um die Abschaffung althergebrachter Ortsfeierlichkeiten, sondern 
um die Einschränkung willkürlicher üebertreibungen derselben, 
soweit diese über das le^iitime Vergnügen und Uuhebedurfnis 
der RfMölkeruii;,'- binausgelin. Sie wollen demgemäß auf die all- 
mähliche Beschränkung der Kilben auf zwei Tage und der 



1 Das Ministerium hat als Samuieluame für das Kirahweiiilest ia 
gaas Elsaß-Lothringea das oberel0l.s8i8che «Kilbe» gewählt 



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— 187 — 



NackkilbeD, soweit letztere überhaupt nachweisbar herkömmlich 
sind, auf einen Tag hinwirken. Als Mittel zur Errdehung 
dieses Zieles bietet sich die AnweisLin;r an die Bürgermeister, 
von der im § 3 meiner Polizei- Verordnung vom 13. Mai 4882 
betreffend die Handhabung der Wirtschaftspolizei, ihnen über- 
tragenen Befugnis zur Verlängerung der Polizeistunde nur so- 
weit Gebranch zu machen, daß Mitternacht des zweiten Kirch- 
weihtages nicht überschritten wird. Ferner wollen Sie ihrerseits 
tür den Tag der Nachkilhe Verlün^eruni- der Polizeistunde nur 
bis Mitternacht gewähren und de« Bürgermeistern untersagen, 
daß sie für den zweiten Nachkilbetag Tanzerlaubnis erteilen. 
Der Bezirkspräsident. I. V. (gez.) Geiseler.» 

Das Ministerium zieht also die notwendigen Folgen aus den 
Verhältnissen der entarteten Meßti und Kirwen. Außer ganz 
vereinzelten Landgemeinden ist so wie so der dritte Tag in den 
letzten Jahren seines Bestehens einlach ein Kneiptag mit vielem 
Unfug, mindestens aber mit überflüssigen Geldansgahen gerade 
deijenigen Burschen und Mftnner geworden, die das Geld am 
besten brauchen können. Daß durch den Wegfall des dritten 
Mefititages das Begraben des Meßli, hie und da der Hahnentanz 
und noch andere rauschende Lustbarkeiten verschwinden muß- 
ten, ist höchst bedauerlich, nber leider waren diese Betäti- 
gungen ländlicher Ausgelassenheit gewöhnlich schon in mul- 
willige und sinnlose Ausschreitungen entartet. Ist doch in 
vielen Dörtern schon am Abend des Meßtimonlags nicht mehr 
viel «los» ! 

Soweit kann man also mit den Reweggründen, die das * 
Ministerium zu seinem Erlaü besliujmt liaben, einverstanden 
sein. Besser wäre es aber gewesen, wenn es sich klar darüber 
ausgesprochen hätte, daU iland in Hand uiil der liekanipfung 
der Auswüchse auch der Schutz uid die Pflege der altherge- 
brachten erhaltenswerten Sitten und Gehrftuc^ der unteren 
Verwaltungsbehörde ans Herz gelegt wird. So gut auch der 
ErlaB gemdnt ist, seinem Wortlaute nach wird er von den be- 
troffenen Bevölkerungssebichten als Beschränkung, als Verbot 
angefaßt« Die Behörden sollten es sich hesser überlegen, ehe 
sie Hand anlegen an solche Feste, die eine gewisse geschicht- 
liche Berechtiguug haben, die schließlich auch zam elsässischen 
Nationalgut gehören und einen Quell unserer Volkskraft 
bilden. 

Was nun die AusfuhruHg dieses Ministerialerlasses be- 

tiifTl, so hat allein die Kreisdirektion Zahorn noch weitere B''- 
schränkungen vorgejiommen. indem sie durch Bekanntmachung 
vom 8. Jnni 1900 den }*öfiieiinei''tern eröffnete, daß sie am 
ersten Nachmeßt itag eine Verlängerung der Polizeistunde bis 



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— 188 

SiHternacht nur ausnahmsweise dann gestatte, wenn hierfür 
ein Bedürfnis nachgewiesen werde, und daß am 2. Nachmeßti- 
tage, der am besten überhaupt wegfalle, weder Tanzei-Iaubnis 
noch Verlängerung der Pohzeistunde erteilt worden (hiife. 

Im Kreise Woißenburg erteilen die Bürgermeister den 
Wirten für die })ciden Hauptkirwetage Tanzerlaubnis und Ver- 
iängerunj^ der Poli/fM^tnnde nat Ii Wunsch und Bedürfnis. Wenn 
jedoch Streitigkeiten vorkommen, wird früher Feierabend ge- 
macht. In den wenigen Gemeinden, wo ein dritter Hauptkirwe- 
tag stattfindet, wird für den 3. Tag, sowie in allen Gemeinden 
für den Naclikirwe-Sonntag die Polizeistunde von der Kreis- 
direktion stets bis 2 Uhr morgens verlängert. Eine gleiche Er- 
laubnis gibt der BOrRermeister dann auch zum Tanzen. Ein 
zweiter Nacbkinvetag findet ' in keiner Gemeinde des Kreises 
statt. Man wird wohl nicht irren, wenn man in dieser 
verständigen Behandlung der Kirwe noch die Nachwir- 
kung der segensreichen Tätigkeit dee frdh»«n Krdsdirektors 
V. Stichaner auf dem Gebiete der Erhaltung des Volkstums 
erblickt. 

Auch im Kreise Schlettstadt wird in verständnisvoller Aus- 
legung des Minislerialerlasses der Erhaltung alter Sitten beson- 
dere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Beschränkung des Meßli 
wird in jenem fast ganz katholischen Kreise durch die Geist- 
lichkeit auch ohne Ministerialerlaß besorgt, und darum ist sicher 
die Umwandlung des MelJti zu einem gehaltvollen Familien- und 
Volksfeste nach altem Brauch seiner gänzlichen Vernichtung 
vorzuziehen. Man kann diesen Bestrebungen nur guten firfolg 
wünschen. 

Die Kreisdireklionen Hagenau, Straßburg (Land), Erstein 
und 'Molsheim- haben zu dem Ministerlalerlafi keine besondere 
Stellung genommen. 

Die Abhaltung der Kirchweihen auf e i n en Tag in der 
Absicht, die Kirchweihfreuden einzuschränken, wurde übrigens 
schon durch die Nassauische Kirchenordnuog vou 1533 ange- 
ordnet. Sie wird auch in unseren Tagen von Zeit zu Zeit als 
wirksames Mittel gegen die Vervielfältigung des Meßti empfohlen. 
Im Jahre 1906 hat sogar ein Abgeordneter im Landesausschuß 
denselben Wunsch ausgesprochen, es wurde ihm aber weder vom 
Regierun<?stische noch von den Abgeordnetenbänken eine Ant- 
wort. Zweifellos wäre ein Gesamtmeßli mnnchmn! von Vorteil, 
so z, B. in der Umg^eg-end von Zabern. JJort haben von Ende 
August bis in den X(f\r'iiiljer die Arbeiter jeden Sonntag Ge- 
legenheit, die MeßtitVeuden zu genießen, und nützen sie ult 
dermaßen aus, daß der Fabrikbetrieb auf dem Zornhof ernste 
Störungen erleidet. . • ' . 



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— 189 



Die ^geistlichen Behörden im 19. Jahrhundert. 

An der Schwelle des 19. Jahrhunderts war der Zustand 
in katholischen Gemeinden folgender. Nach aller kirchlicher 
Uebung, die durch Papst Paul V. (1605—1021) festgelegt wurde, 
fand die Einweihung' einer neuen Kirche (dedicatio ecclesiae) 
an einem Sünnla^-^e oder au einem Heiligenfeste statt. Man 
wählte dazu den To tengedächt ni st nf^ eines Heiligen, welcher 
dadurch Patron der neuen Kirche wurde. An demselben Tage 
wurde auch die kirchlich vorgeschi ieheue Erinnerunj^sfeier an 
die Kircheneinweihung (dies; anniversarius ecclesiae) begangen. 
Somit helen der örtliche Patronslag und das örtliche Kirch - 
.weihfest zusammeo und wurden von alters her mit weltlichen 
Lustbarkeiteo und Gebräuchen umgeben Diese örtlichen Kirch- 
weibfeste fanden teils an Wochentagen statt, so in Rumersheim 
Dienstag den 5. September 1769*, zum Teil wurden sie auf den 
nachfolgenden Sonntag verlegt, so in Winffersheim am 26. 
November 1786, in Hohatzenkeim am 3. Dezember 1786, in 
Mommenheim am 12. Oktober 1788». 

Durch ein Indult des Papstes Pius VIL, veröffentlicht durch 
Beschluß des französischen Staatsrats vom 29. Germinal des 
Jahres X*, wurde nun bestimmt, daß außer den örtlichen Kirch- 
weih- und Patronsfesten (fesli sanclornm patronorum), die am 
nachfolgenden Sonntag zu begehen sind, noch ein allgemeines 
KirchweiiUesL in ganz Frankreich geleiert werden soll (anniver- 
sarium didicationis templorum quae in ejusdem gallicanae rei- 
publicae territorio erecla s?uiit), und zwar am Sonntag nach 
der Oktave von Allerheiligen. Das allgemeine Kirchweihfest 
wird noch heute auf diesen Tag rein kirchlich abgehalten. Die 
örtlichen, mit den Patronstagen verbundenen Kirchweibfeste 
blieben bestehen und wurden am Sonntag abgehalten. 

Aber schon in den 1820 er Jahren eröffnete die katholische 
und einige Jahrzehnte später die protestantische Geistlichkeit 
ihren Vörfolgungskampf gegen Kirwe und Meßti, und dieser 
Kampf dauert bis zum heutigen Tage an. Es liegt ja in der 
Natur der Verhaltnisse, daß die Vertreter des geistlichen Standes 
sich vermöge ihres Amtes das Meßti- und Kirwetreiben näher 
ansehen. Und diese Festlichkeiten boten in der ersten Hälfte 
des 19. Jahrhunderts schon allein wegen ihrer übermäßigen Aus- 
debaung reichlichen Aulaii zur Klage und zur Beanstandung. 

' P f a n B e n B c k m i d, a. a. 0., S. 345 f. 

2 Pfarrarchiv von Mittelhausen. 

3 Notizbuch eine« Sohreiaers, im Besitz der Familie Hornecker 
zu MiUeUiau&en. ~- 

4 L e p 6 6, Bnlletia des Lois ete. Paris, Dnpont. T. IX (1836), 
p. 281». 



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— 190 



Eine allgemeine Verordnung Aber ihre Einsdirfinkung oder 
UnterdrOckung ist weder durch das Bistum Straßburg noch 
durch die protestantischen KirchenbehOrden erlassen worden. 
Vielmehr richteten sich die Pfarrer einzig und allein nach den 
allgemeinen Grundsätzen der Moral, und in diesem Sinne 
wurde den katholischen Pfarrern auf Anfrage immer durch 
das Bistum geantwortet. 

Wir müssen nun je nach der persönlichen Auflfassung der 
Pfarrer beider Konfessionen zwei Ansichten unterscheiden. 

Nach der einen ist der ganze Meßli, die ganze Kirwe als 
eine Quelle der Sünde, als eine Gott nicht wohlgefällige Ver- 
anstaltnnp: anzusehen und deshalb mit Stumpf und Stiel aus- 
zurotten. Jeder einzelne seiner Bestandteile i<f rnisWißig- und 
unsittiicb, das viele Essen und Trinken, da? Spielen, eine Reihe 
von Gebräuchen wie z, B. da:> Begial)en, terner und ganz be- 
sonders der Tanz als Ausj^angspunkt von allerlei Unsitthchkeiten 
und sittlichen Verfehlungen, ja schon allein das Beisaam^ensein 
der jugendlichen Vertreter beider Geschlechter. Manche geist- 
liche HeiTen verbieten in der Neuzeit sogar das Karussellfohreu. 
Recht zutreffend ist der ablehnende Standpunkt in folgender 
Würdigung der Kleeburger Kirwe durch den dortigen refor^ 
mierleti Pfarrer E p p e 1 gekennzeichnet ^ : cDie Hauptsache 
ist den Leuten nicht die kirchliche 'Feier, soodern was nach- 
folgt und was dieses Fest in Kleeburg, wie überall, zum Ge- 
genteil von dem gemacht hat, was sein Name besagt, zu einem 
Baals- und Bauchfest, wo das Fleisch seine volle Rechnung 
findet, der Geist aber meistens leer ausgebt oder gar ersäuft 
wird.» 

Diese stren;^e Haltung, die den Men<:chen hienieden nur 
auf sein Seelenheil vorbereitf^n will und jedes das gewöhnliche 
Lehensbeilüifnis uberschreitende Ver^niügen verurteilt und be- 
seiligl, biachle es zustande, daß in zahlieichen katholischen 
Ortsehalten in der Zeit zwischen 1825 und 1840 jenes üppige, 
fröhliche Dorllest eiii^iug. Die Palroastage wurden ihrer pro- 
fanen Beigabe entkleidet und blieben als rein kirchliche Feste 
bestehen. Sie werden in einem besonderen Abschnitt weiter 
betrachtet werden. Das jetnge Geschlecht weiß in solchen 
Dörfern durch Ueberlieferung oder auch durch eigene Anschau- 
ung bloB noch von dem ehemaligen blühenden weltlichen Meßti 
und dem nachgefolgten rein kirchlichen Patronstage zu erzählen. 
Die Ansichten über den Meßti haben sich dermaßen verschoben, 
daß er vielfach für etwas Schlechtes und Verdammungswürdiges 



1 E p p e 1, Eleeburg. StraBburg, Hetlingers Schriflenverlag, 

im. S. 54 t 



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— 49i 



gehalten winl. So schien der Bör£?ermeisler von Griesheim 
ffam beleidigt, als ich ihn nach dem alten Meßli fragte. So 
lange er im Amte sei, erklärte er mit erhobener Stimme, wQrde 
er «80 was» nicht dulden. Eine Frau von Dauendorf meinte, 
der Me0ti sei ein heidnischer Brauch und ein Teufelswerk, 
ebenso eine Weyenh^mer Persönlichkeit. Viele Leute schfimen 
sich, SU gestehen, daß in ihrem Dorfe überhaupt einmal Meßli 
war, und hierdurch werden die Nachforschungen wesentlich 
erschwert. 

Weniger häufig trifft man die schroffe Ansicht vom ver- 
derblichen Wesen der Kirchweihfestlichkeiten bei protestanti- 
schen Geistlichen, und hier findet sie sich von der Mitte des 
Jahrhunderts ab vorwiegend in den D rlern der alten Grafschaft 
H mau-Lichtenberg, 'W^ ] < audi in trüberen Jahrhunderten der 
Schauplalz erbitterten Kauipfes gewesen wnren. Dort sind nicht 
allein die Pfarrer an der Unterdrückung des Meßli schuld, 
sondern auch die Mehrzahl der Dorfeingesessenen i?elber, denen 
ihre religiösen Anschauungen vorn Pfarrer anerzogen wurden. 
Manche Leute, auch Bürgeriaoiüler. sahen mit Bedauern den 
alteo Meßti scheiden und hingen begreiflicher Weise mit Zähig- 
keit daran, al>er schließlich fknden sie sich doch auch ohne 
Meßti surecht und waren am Ende auch damit ganx sufrieden. 
In Imbiheim wsren die Wünsche der Gemeinde, den Meßti 
beseitigt zu sehen, sogar stärker als die des Pfarrers, und die- 
ser mußte seinem drängenden Kirchenrat und Gemeinderat 
kurzer Hand nachgeben. 

Folgendes mag als Beleg zu den Ansichten dienen, die in 
weitesten Kreisen des Hanaueilands über den Meßli herrschten 
und noch herrschen. Eine jetzt noch lebende alte Frau ans an- 
gesehener Familie hatte als Jungfrau mehrere Meßli mitgemacht. 
Aber plötzlieh, sagt sie, sei eine innere Wandlung mit ihr 
vor sich fjei^angen, sie sei erleuchtet worden und habe sich aus 
Abscheu vorn Meßtitreiben zurückgezogen. Dabei habe sie an 
den Spruch Matth. 11, 2i gedacht und ihm auch öffentlich 
Ausdruck gegeben ; «Wehe dir, Choraziui ! wehe dir, Bethsaida I 
wären solche Taten zu Tyrus und Sidon geschehen, als bei 
euch geschehen sind, sie hätten vorzeiten im Sack und in der 
Asche Buße getan.» Es war in den 1850 er Jahren, und in 
demselben Jahre wurde zur Genugtuung jener Jungfrau der 
Meßti zum letzten Mal abgehalten. 

Nicht minder kennzeichnend und zugleich ein Beilrag zu den 
religiösen Anschauungen des Hanauers überhaupt ist folgendes 
Vorkommnis. Eine alte Hanauerin hatte vor mehr als einem h i 1 1 r n 
Jahrhundert beim Tanz eine zinnene Meßtiplatte gewonnen. Vor 
etwa 10 Jahren kam ein Althändler, dem sie die schön gravierte 



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198 



Platte verkaufte. Den Erlös von 18 M. hat sie aber nicht etwa 
vei'braucht, sotiiiern ia eine Schachtel ehigewickelt und als Zehr- 
Pfennig im Falle der Not beueite gelegt. Falls sie das Geld 
.nieht brauohen sollte, so ist es nach ihrem Ableben fOr die 
.äußere Mission besümmt« Bis jetzt ist em Notfall nicbt ein- 
getreten, obwohl dies früher öfters geschah. Die Frau erblickt 
in dieser gunstigen Aenderang ihrer Verhältnisse den Finger 
Gottes und glaubt recht getan zu haben, indem sie die an- 
rüchige Ifeßtiplatte veräußerte. 

Die gewaltsame Unterdrückung solcher alteingelehten Feste 
ist in !m<:erer Zeit viel schwieriger als früher. Die Erfahrung 
hat gelehrt, daß immer und immer wieder der Hang zu welt- 
licher Luslltarkeit zutagn tritt. Ob aber in denjenijjen Dörfern, 
wo es dein pastoralen Eifer jxelan^r, die Kirchvveihfreuden zu 
unterdrücken, auch die SittUchkeit gehoben, die Frömmig-keit 
gefördert, die Menscheti gebessert wurden, das ist eine andere 
Frage. 

Der gemäßigte Standpunkt vieler Geistlichen geht dahin, 
daß die Kirchweihfreuden zu dulden sind, so lange sie nicht 
zu Ausschreitungen und sittlichen Schäden führen. Dem per- 
sönlichen Ermessen des Pfarrers ist hier ein weiter Spielraum 
gelassen. Von den protestantischen Geistlichen sind diejenigen, 
die der freieren Richtung angehören, nicht immer auch die, 
welche den Kircbweihfesten Wohlwollen entgegenbringen. Und 
wenn in mancher Gemeinde Kirwe und Meßli nicht beseitigt 
wurden, so lag es nicht immer an den Geistlichen. 

Welche Mittel sie manchmal anwenden, um die Kirchweih- 
festlichkeiten zu vernichten, davon sei hier ein Beispiel erwähnt, 
das seinerzeit auch über die Grenzen de? Elsaß hinaus bekannt 
wurde. In iJit^holsheim steigerte vor Jahren der kathoHsche 
Planer die Kirclivveih, um ihre Abhaltung zu verhindern. Der 
Kreisdirektor von Schiettstadl ließ den Sleigpreis an den Ge- 
mei Ilderechner einzahlen und erteilte dann auf Antrag für den 
nächsten Sonntag und Montag einein Wirt im Dorfe die Er- 
laubnis zur Abhaituüi; eines ölfeiilhcheu Tanzes unter der Be- 
dingung, daß dieses Vergnügen vollständig wie eine Kilbe, mit 
Rösselspiel u. dgl. stattfindet. Seitdem wird das Mittel, die 
AnSteigerung von den Pfon«rn nicht mehr versucht. 

im allgemeiiien kann man sagen, dafi da, wo Meßti und 
Kirwe verkümmert sind — < darüber wird in einem besonderen 
Abschnitt die Rede sein — , den Pfarrer immer wenigstens ein 
Teil der Schuld trifft. 

Es möge hier ein Verzeichnis sämtlicher Kirwen und Meßti 
folgen, die durch die Geistlichkeit unterdrückt wurden. Darin 
sind auch diejenigen Ortschaften enthalten« wo angeblich seit 



— 193 — 

Menschengedenkeii das Fest nicht stattfand. Die Ansicht, dafi 
es auch dort durch geistlichen Einflufi beseitigt vmrde, ist in 
dem oben gesagten begründet, und außerdem haben wir es 
öfters erlebt« daB von mehreren Dorfgenossen der eine behaup« 
tete, ein Mefiti habe noch nie stattgefunden, während der an» 
dere bestimmt aussagte, der Pfarrer habe ihn in dem und dem 
Jahre abgeschafft. 

Zunächst die katholischen oder vorwiegend katholischen 
Dörfer. 

J.andkreis Sfiaßbur},', Kanton Brumath : seit Menschenge- 
denken nicht in Bilvisheim , Donnenheim, Kilstett, Kriegsheim, * 
Miftt^fschäffohheini, Momnienlieim (1788 archivahsch nachge- 
wie-i ii, s. o.j, Roifehheim und Wnnzcnmi ; schon lange nicht 
mehr in Bernolaheim ; zuletzt 1853 abgehalten in VVeyersJieini , 
iS62 in Gambsheim. — Kanton Hoclifelden: seit Menschen- 
gedenken nicht in Bos^midorf, FrieduhhcDn, Grassendorf und 
Ringeldorf; zuletzt abgehalten zu Eltendorf in den 1820 er 
Jahren, in Schaipiamen kurz vor 1830, in Ltxhwusen 183^, 
iii Minverahmm, Mutzmhau$en und Seherlenheim in den 
1830er Jahren^ in Wilioisheim 1838. — Kanton Schiltigheim : 
seit Menschengedenken nicht in Aehehheim, Obersehäffohheimt 
Reichstettf Suff^weyersheim, — Kanfon Truchtersheim : seit ' 
Menschengedenken nicht in Avenheim, Behlenheim, Dingsheim, 
DosseiiheiiUy Diimingeii, Fenscnheimf Gnesheim, Gugenheim, 
ilUenheim, Kienheim^ Klein frankenheim, KüttoUheim^ Neu* 
gartheiw, Offenheimy Osthofen^ Pfettisheim, RohVy Rumers- 
heim (1769 archiva lisch naclifrewiesen, s. o.), Schnersheim, 
Stützheim, Truchtersheim , Willgotlheim und Wiwersheim. 

Kreis Erstein, Kanton Erslein : seit Menschengedenken 
nicht in Hindi^heiui, Hipsheim und Kraft; in den 1820er 
Jahren abgekommen zu Limersheim. — Kanton Geispolsheim: 
seil Menschengedenken nicht in Düppigheinif Idilratzhcim und 
Lipsheim ; zuletzt um 18i6 abgehalten in WibolsJieiiUy um 
1853 in Feyersfteim, 1856 in DüiÜenheim, 1858 in Holzheim, 
1880 in Oeispolsheim, — Kanton Oberehnheim : seit Menschen- 
gedenken nicht in Jnnenheim, Krauiergeraheim und Metstratz- 
heim, lb65 abgeschafft in Zdlweüer, 

Kreis Hagenau, Kanton Hagenau: xuletxt abgehalten um 
1830 in Batzendorf und WaMenheim, 1833 in Keffendarf^ 
1836 in ühlweiler, swischen 1835 und 1840 in Wintershatteent 
in den 18.30 er Jahren zu Hüttendorf und Wittersheim, «schon 
lanp^e nicht mehr» in Berstheim, in den 1840 er Jahren su 
NiederschäffoLsheiin^ um 1850 zu Höchstett und Ohlungen, in 
den iStiOer Jahren /u Morschweiler, um 1870 zu Dauendorf» 
— Kanton Niederbrona : eingegangen zu Kindweiler 1876. 

18 



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— 104 



Kreis Mölsheim, Kanton Molsheim : seit Menschengedenken 
nicht in Altdorf ^ Avolsheimy Dachstein ^ Ergeinkeim, ErnoU" 
hewit Sulzbad und Wolxheim ; 187*2 abgekommen in Still. — 
Kanton Rosheim: seit Menschengedenken nicht in Bischofsheim 
und Griesheim ; «schon lanjje niclit mehr» in ßörsch ; zuletzt 

1886 in Ottrott. — Kanton Wasselnheini: seit Menschengedenken 
nicht in Dahlenheim und Marlenheim; cschoa lange nicht mehrt 
in Berghielen. 

Kreis Schlelistadt, Kanton Barr: zuletzt abgehalten in StotZ' 
heim 1852, in St, Peter ia54. 

Kreis \Veil.'»enburg, Kanton Sulz u. W. : zuletzt 1877 ab- 
gehalten in Schocnrnburg. — Kanton Wurth: seit Menschen- 
•^edenkea nicht iu Laubach ; zuleUt abgehalten zwischen 1835 
und 1840 in Eberbachy vor 1850 in Bibliaheim, um 1860 in 
BinterfM und WaXburg^ vor 1870 in EecKbach und GunaUit^ 

1887 in Durrenhach^ 1892 in Hegeney, 1902 in Diefenbach* 
Kreis Zabern, Kanton Maursmönster : seit Menschenge- 
denken nicht in Jettersweiler, Knorsheim, Rangen, Beuten^ 
bürg, Schweinheimt Westhausen und Zeinheim ; zuletzt abge- 
halten zu Kleingöß in den 1840 er Jahren, in iJoAengpd/l 1854, 
in Dimbsthal noch nach 1870. — Kanton Zabern : seit Men- 
schengedenken nicht in Littenheim, Lupstein und Waldolwis- 
heim ; eingegangen am Anfang des 19. Jahrhunderts zu Alten- 
heim und Wohchheim^ in den 1840 er Jaliren zu Steinhurg. 

Die eingegangenen Kirwen und Meßti sind also in größerer 
Zahl antr^-liruift in den Kantonen Wörth, Hagenau, Hochfelden, 
Maursiiuiüsler und Truchlershem}, demnach auch im Kochersberg. 

In folnenden protestantischen oder vorwiegend protestanti- 
schen Döi lern wurden Kirwe und Meüti durch geistlichen Ein- 
11 uü abgeschafft. 

Landkreis Straßburg, Kanton Hochfelden: GeisweileTf 
Wickersheim und Wilshausen 1853. In Wickersheim trat mit 
der Zeit ein evangelisch-lutherisches Missionsfest an die Stelle, 
das alljährlich eine große Volksmenge von nah und fern an- 
zieht. Abgesehn von einem besseren Essen in der Familie hat 
dieses Fest nur religiöse Bedeutung. — Kanton Schiltigheim : 
eingegangen in Breuschwickersheim iS^Sy in Eckboisheim 18^, 

Kreis Molslieim, Kanton Wasseluheim : «schon lange» ab* 
geschatn in Tränheim. 

Kreis Schlettstadt, Kanton Barr : seit Jahren eingegangen 
in HcUigeiistein. 

Kreis Weilienlnug, Kanton Sulz u. W. : 1877 abgeschail't 
in Holschloch und Merkweiler, — ICanton Wörth : 1882 ab- 
geschalll m Preu^chdorf, 

Kreis Zabern, Kauton Buchsweiler : zum letzten Mai abge- 



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1 



— 495 — 

halten in Imbsheim 1868, Nieder- und ObersuUbach 1884, 
Griesbach 1888. — Knnion Zabem; Primheim 4875, tfatt- 
wo« 1889, Gottesheim 1897. 

Aufrichtiges Wohlwollen der Pfarrer <^e'^en den Meßti ist 
selten, kommt aber vor, in alter wie in neuer Zeit. In den 
1820 er Jahren tanzten zu ßuvhsweiler die Pfarrerstöchter mit 
den S'ikareii und jung^en Pfarrern in der Meßtihütle. Die 
ehrwürdigen Piarrlierren sahen zu und freuten sich über das 
Vergnügen der Jugend. Um dieselbe Zeit tanzte die Elten- 
dörfer Pfarrköchin mit den dortigen Burschen öffentlich In 
Anwesenheit des Pfarrers. In den 4840 er Jahren sah sich 
der BochstetUr Pfarrer den Vortanz aof der DorfstraBe an und 
belustigte sich sehr Ober seine tanzenden Bauern. Aus den 4850er 
Jahren wird von Weyersheim berichtet, dafi der Pfarrer regel- 
miUBig ein Stftndchen mit dem Vortanz vor dem Pfarrhaus ent- 
gegennahm und die Vesper früher abhielt, damit die Bauern 
sich eher dem Tanzvergnügen hingeben konnten. Niemals, so 
erzählt man sich, sei die Kirche besser besetzt gewesen als am , 
MeBti-Sonntag. 

Aus neuerer Zeit sind namentlich die Verdienste des lang- 
jährig'en Miete?heimer Pfarrers Au'j-nst Jap; er um die Kr- 
hailung der dortigen Sitten und iusouderheit des MeÜti bekannt 
geworden. 

Das Oberkoiisistorium der Kirche Augshurgist her Konfession 
befai'»te sich wiederliolt mit den Kirchweihfesten. 1882 klagt 
der geistliche Inspeklüi' Pfarrer Uorst aus Colmar über die 
Kilben im Oberelsa£ i : «Während einer langen Reihe von Sonn- 
tagen, so schreibt er, werden diese in den verschiedenen, nabe- 
gelegenen Dörfern abgehalten, so daB, wenn hie und da ein 
besser gesinnter BQrgermeister das Abhalten der Kilbe unter- 
sagt, die fielustigungssüchtigen in der Nachbarschaft öfters Er* 
satz finden, wodurch der Unfug gemeiniglich noch erhöht wird.» 
Aehnliches berichtet der Pfarrer von Auweiler^ und wünscht, 
dafi alle Kirchweihen des ganzen Landes auf denselben Tag 
verlegt werden und daß niemals Trink« und Tanzlreiheit für 
ganze Nächte bewilligt wird. 

Auch im Bericht des Pfarrers Krencker, In.spektors der 
Inspektion Liitzelstein, wird von einem Piarrer wie folgt j^e- 
klagt^: ((Nicht nur wird drei Tage und besonders drei Nächte 
in einem Dorf, wo ein solches Fest begangen wird, getanzt. 



' Amtliche Sammlung der Akten des Oberkonsistoriums und des 
Direktoriums der Kirche Augsbargisoker Koafession» B. XXXYIII. 
Strasburg, Ueitz, 1ÖS4. S. 151 1 

s Das., B. XL, 1887. S. 66. 



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— 196 — 

* das Geld vergeudet, oft in UDmäßigkeii und Unzucht gelebt, 
sondern während acht Wochen oder noch länger, während 
welcher ein Dorf nach denr» andern seine «Kirchweihe» feiert, 
zieht die Jugend und auch ältere Leute, Sonntag für Sonntnjr, 
in flie näheren oder ferneren Ortschart»'n, wo ihnen Gelegen- 
heit ge})Oten xr ird, soleli uiibändipre^ lieiben .stets .-uiis !iete zu 
fnliien. Diesem uus;schweifeiiden Treiben sollten bolieieii Orts 
S< hranken gesetzt werden. Uebei dies wird auch die Erlaubni.-5 
zum Tanzen öfters als trüber gegeben. Hierdurch erwächst 
zwar einem Wirt und einigen Musikanten Vorteil, die Haus- 
haltungen aber leiden not, weil die Söhne das Creld zu solchen 
unnützen Vergnügungen herauspressen. Die Jugend wird somit 
mehr und mehr entsittlicht und verwildert.» 

Wenn auch diese Klagen nicht aus unserem Gebiete stammen, 
so mußten sie doch der geschichtlichen Vollständigkeit halber 
erwähnt werden, weil sie den Ausgangspunkt des im vorigen 
Abschnitt angeführten Minislerialerlasses bildeten. Das Ober- 
konsistoriuni befaßte sich nämlich am 48. November 4885 rait 
der Angelegenheit und das Mitglied Dr. HöfTel stellte den An* 
trag', das Oberkonsislorium wolle der Regierung den Wunsch 
unterbreiten, daß alle Kircliwoihon im Lande an ein und dem- 
sell>en Tage werden, wie solches in Württemberg ge- 

schieht. Die Kommission des (TeTierail)er!chts schloß sich dem 
Alltrage an*, das Oberkonsistorium war aber der Ansicht, es 
genüge, wenn das ] )ii (!l<iürium im Auftrage des Obei konsistoi iums 
die betreffenden Stellen der Inspektiüu.sberichte der Re^iernng 
zur Kenntnis bringe». Dennoch wurde der Regierung gegen- 
über der Wunsch ausgesprochen, da£ die Kirchweihen für 
weitere Bezirke auf einen und denselben Tag verlegt werden 
möchten, und das Direktorium beantragte weiter» daß wenigstens 
die dritten Kilbetage und die Nachkilben untersagt wurden. 
Ueber das weitere Schicksal dieser Anträge ist im vorigen Ab- 
schnitt bereits berichtet. 

Im Jahre 488Ö befaßte sich auch die Pastoralkonferenz, eine 
zeitweise tagende fr eie Vereinigung evangelischer Pfarrer beider 
Richtnng-en, mit der Ausartung des Kirch weih festes. Der Be- 
ricliterslüLtei', Pfarrer Hoffm ann aus Eckiüersheim, drückte 
damals lolgende zutreffende und verständii^e Ansicht aus « Das 
Volk muß seinen weltlichen Festtag haben, das wird jeder an- 



1 Das., 8. 74. 

2 Das., S. 99 und 110. 
8 Das., S. 110. 

* Archiv der Straßburger Pastoralkonferenz, IX. Band, 4. Lief. 
Straßburg, Heita, 1889. S. m 



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— 497 — 



erkennen, der mit dem Landvolk in Berührunj? gekommen ist. 
Man lasse daher dem Landvolke seine Kirmefi als Fest ohne 
religiöse Grundlage, so manches bietend, das "wert ist, erhalten 

zu werden, der Volksfreude freien Lauf gewährend 1 Bildet doch 
das Kirch weih fest ein Band, das nicht nur die Lebenden unter 
sich vereinigt, iniiem es nahen Verwandten oder treuen Haus« 
freunden go:5iattet, sich zu sehn und zu begrüßen, sondern 
auch (las jetzige Geschlecht mit den längst vonng^efr;m;4f"Tion 
Geschlechtern in Brauch und Sitte verbindet. Dazu hat die 
Kirmeß auch ihre poetische Seite, die ich niclil möchte ver- 
schwinden sehr). Ich sehe es ^^ern, wenn der Maien })a um feier- 
lich im Walde abgeholt, auf den freien Platze im Dorfe auf- 
gepflanzt und mit Bündern, Leckerbissen und andern Gejren- 
ständen geschmückt wird, welche den Knaben, die solche beim 
Erklettern erhaschen können, suteil werden ; wenn nachmittags 
ein heilerer Zug durch die Straßen, selbst mit Musik, veran* 
staltet wird, der mit einem harmlosen Tanz um den Maien- 
baum endigt ; wenn der gezierte Festhammel oder der feiste 
Festhabn, Ueberbleibsel der Opfer unserer Väter, ausgelost oder 
ausgespielt wird ; wenn Freunde und Bekannte nach scbw^a 
Arbeitstagen sich zusammeoGnden, um einige gemütliche Stun- 
den, sei es im eigenen Hause, sei es in einer Gartenwirtschaft 
zu verbringen, während die Dorfjugend eines unserer Volks- 
iieder anstimmt !» 

Merkwürdigerweise wurden weder im Bericlit, noch in den 
Verhandlungen von der Rehandlun;? des Genrenstando« im Ober- 
konsistoriiim und von der auf dessen Anrej^-un^-^ Inn duicli das 
Ministerium et lassenen Verfügung auch nur ein Wort <ies|>i orheii. 
Sondern der Berichterstatter schloß rnit folgenden Vorschlagen 
Ei mö^e die Pastoralkonferenz erstreben, daü die Kirchweihen 
eines Kantons auf denselben Sonntag verlegt werden, daß ihre 
Dauer eingeschränkt werde, so daß weder Vor» noch Nachkilbe 
stattfänden ; daß das Tanzvergnügen nur bis zu einer gewissen 
Stunde gestattet und ein sirengeres Strafmaß, als es bisher üblich 
war, bei Unordnungen, Schlägereien usw. in Anwendung gebracht 
werde. Die Aufgabe der Kirche ist eine bildende und erziehttnde, 
mithin eine solche, deren Frucht nur langsam heranreift. Er- 
ziehen wir unsere Gemeinden zum Genuß höherer und edlerer 
Freuden als diejenigen, welche die rohe, ausgelassene Lust ge- 
währt, und die Ausschweifungen der Kirchweihen werden immer 
sellener werden, das Kirchweihfest dagegen immer mehr zu 
einem echten Volksfeste sich gestalten. 



1 a. a. 0., 8. 894f. 



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— 198 — 



In der Verhandlung wurde auch hier Ant$toß genommen 
an dem vielfältigen Besuche auswärtiger Kirchweihen, den einer 
der Redner, Prof. Budde, als Schmarotzer- und Landstreicher- 
tum bezeichnete. Mehrere Mitglieder sprachen den Wunsch 
aus, die Pastora Ikonferenz möge sich ans Direktorium wenden, 
um von den ztiständigen Behörden die Vorle^un^^ der Kirchweih- 
fesle auf einen Ta,u zu erwiiken. Dieser Aitrag" fand nber 
keinen Anklanj,'. Man eini^-te sich schließlich dahin, es sei am 
besten, wenn die Pfaner die im Vorlaufe der Diskussion aus- 
gesprochenen (iedaiiken in ihre Gemeinden brächten und, soviel 
in ihren Kräften steht, die Volksfeste zu veredeln suchten. 

Der Patronstag. Ber Rosenweiler Mefiti. 

Bis um die Wende des 19. Jahrhunderls wurden kirchliches 
und weltliches Kirchweihfest, nach heutigen Begriffen Patronstag 
und Meßti oder Kirwe, lusammen gefeiert, und zwar teils an 
einem Wochentage, teils am Sonntag, 

Durch das bereits erwähnte Indult Pius VIL > wurde be> 
stimmt, daß die Patronstage (festi sanctorum patronorum) der 
einielnen Pfarreien nicht an einem Wochentage, sondern am 
darauffolgenden Sonntiiji; gefeiert werden sollen. 

Aber im Laufe der Jahre kam vielfach die Gewohnheit auf, 
den Patronstag wieder an einem Wochentage abzuhalten, falls 
er auf einen solchen fallt, und in diesem Falle wird das päpst- 
liche Indult dadurch befolirt, daß die Mes^^e des Festes am dar- 
auffolg^enden Sonntage und zwar fi-ierlieh gesun^"^*Mi wird. Man 
darf wohl die .\l)haltun<^- des Patronstai^es an einem Wueiienta^e 
als ein wichti^^es Mittel ansehen, um jirofane Ansätze zu ver- 
iiiudern, insbesondere um Budenbesitzer und Tanzver^nü;,^en 
fernzuhalten, die sich an einem Sonntage ungleich leicliter au- 
schiieüen könnten. Die Verlegung des Patronsfestes auf einen 
Sonntag geschieht hauptsächlich mit Räcksksht auf die Feld- 
arbeiten. 

In der Zeit von 1825 bis 1840 entledigte sich der kirchliche 
Patronstag fast allenthalben der weltlichen Kirchweibfreuden 
und blieb nun als ein rein kirchliches Fest in allen katholischen 
Gemeinden bis 2um heutigen Tage bestehen. In zahlreichen Ge- 
meinden und zwar, wie wir gesehen haben, fast ausschließlich 
im Gebiete de< Meßti, ging dabei das weitliche Kirchweihfest 
überhaupt ein. In den andern wurden Meßfi oder Kirwe auf 
einen andern Termin verlegt und so beide Fe>to gelrennt ab- 
gehalten. In vielen von diesen Dörfern ging Meßti oder Kirwe 
später aus verschiedenen Ursachen ein. 

• L e p ec, Bulletin des Lois etc. Paris, Dupont. T. iX i^iHikil, p. 286. 



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— 499 — 

Da« weltliche Kirchweihfesl hat sich neben dem Patronstag 
noch am meisten im Krei<=e Weißenburp^ behauptet, wo nur in 
17 von 85 Ortschaften der Patronslag allein, ohne Kirwo {.'eleiert 
wird (Bremmelhach, flohreiler, Keß'enac/i, KutzoihauseHj 
Lnhmnriy Memmehhoft'n, Schönenfnn'g, Nieder^iccbach, Eber- 
bach bei Woitli, Forstheimj Hetieneif, Lanbach, Eschbachy 
Waltnd-f/, Dürvenbach, Diblisheim und Diefenbach J, ferner 
in den Kanloiieii Biscliweiler, Mölsheim, Maursniünster und in 
den lolbrinjzischea Dörfern. 

Nur in wenigen Gemeinden öcheiuen Meßti oder Kirwe 
und Patronstag noch heute Kusammenzu fallen, so in Lützelburg ^ 
Greßtveiler und Lauierbtirg. Zu Obereknheim wurde bis vor 
wenigen Jahren zugleich mit dem Pafronstag eine Art MeBti 
gefeiert, der Ü Tage dauerte und noch einen Nacbmeßli nach 
sich zog. 

In einzelnen Ortschaften sind zwischen Patronstag und 

Meßli oder Kirnte noch zeitliche Beziehungen Qbriggeblieben. 
In Dinsheim wird drei Sonnlage binlereinand« r Meßti, am vier- 
ten Sonntag Patronstag gefeiert. Zu Oberhaslach findet der 
Antanzn^eüti 8 Tage vor, der HauptmefUi 8 Tage nach dem 
Patronstag statt. In Heinrichsdorf wird gleichfalls am Sonntag 
nach dem Patronstag Meßti abp-ehalten. So war es früher auch 
in Wilwisheirn. Kesseldorf^ SchaffhuK^^en hei Selz, Sicgenf 
H irnersweiler und Erkartsweiler begehen die Kirwe am Sonn- 
tag nach dem Palroustag, Oberlauterhach am 2. Sonntage nach- 
her. In Wörth feiert man Patronsla^^ am Laurenliustage (10. 
August), Kiiwt' am Sonntag und Monta;^ nach dem 6. August. 

Im allgeiueinea iisl für den Patronstaj; ein bestimmter Tag 
festgesetzt. Es würde aber den Rahmen dieser Arbeit weit 
überschreiten» wenn wir die einzelnen Dat^n und Heiligen hier 
aufzählen wollten. In Einzeißlllen» wenn auf den betreffenden 
Sonntag etwa das Kirchweihfest oder ein anderes weltliches 
Fest angesetzt war, wurde das Patronsfest mit bischöflicher 
Genehmigung verlegt* 

Der Patronstag wird im großen und ganzen als kirchlicher 
Festtag gefeiert. Aber es ist eine alle Erscheinung und beson- 
ders im Wesen der KirchweihfesUichkeiten begründet, daß sich 
an religiöse Feste leicht Aeußerungen weltlicher Freude ansetzen. 
So wird am Palronstag vielfach den Tafelfreuden eine besondere 
Anfmorksamkcit gewidmet. In den 1870 er Jahren wurde in 
niebrer»^!! Döifeni des Kantons Hochfelden aus Anlaß des Pa- 
tionsiages geschlac htet und mehrere Tage hintereinander reich- 
lich gegessen und getrunken. Einladungen von Verwandfen und 
Bekannten sind allgemein üblich, früher waren auch Protestanten 
gern gesehene Gaste. In Nordheim feiern die wenigen Piule- 



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— 200 — 



stanten den Patron^tag ihrer katholischen Mitbürger durch ein 
besseres Essen. Auch Wiitshansbesucb findet allgemein statt, 
und es gehört nicht mehr zu den Seltenheiten, wenn dort die 
jungen Leute unter den bescheidenen Klängen einer Ziehhar- 
monika ein achächternes Tänzchen zwischen den Tischen der 
Wirtschaft wagen. Auch Buden mit Zuckerwaren und Kinder- 
Rpielzeu}5, hie und da schon ein Karussell, beginnen sich ein- j 
zustellen. So sind die Patronslage, wie ehedem die Kirchweih- 
teste, aut dem besten Wege, wieder zu verweltlichen. j 
Den Patronstagen muß ein Fest zur Seite gestellt werüen, | 
das bis in unsere Zeit hineinragt und im Volksmunde als der ; 
Rosenweiler MelUi tortlebt. Es hat damit folgendes Bewandtnis. 
Das Dorf Hosenweiler bei Dettweiler, 16(34 durch Reinbold v. ' 
Rosen gegründet» war im 18. und 19. Jahrhundert der Sammel- j 
punkt der zerstreut lebenden Reformierten des Elsaß. Von weit 
und breit eilten sie herbei, bis von PfaffenbofeD, Wimmenau, 
S{>arsbach und Johannistal, und hielten in der dortigen, 1(>85 
erbauten reformierten Kirche Gottesdienst und Abendmahl ab. 
Dies geschah am Sonntag nach Ostern und am letzten Sonntag | 
im August. Und wenn sie ihre religiöse Pflicht erfüllt hatten, | 
vergnügten sie sich, afien und tranken gut und tanzten, und i 
zahlreiche Buden waren aus diesem Anlaß errichtet. Seit 1810 | 
nahm der Rosenweiler Meßti langsam ab. Bisher von Straß- ; 
biirir aus pastoriert, wurde Rosenweiler 18^0 Filial von Koß- 
weiler. 1864 starb der letzte Reformierte zw Rosenweiler, nnd j 
der Meßti erlosch von selbst. Das Kirclilein winde baufällig ' 
und am '1\ . August 1905 auf Abbruch vei'steigert. Jetzt ver- • 
sammeln sich die zeistieut lebenden Reformierten des Elsaß in \ 

Aßweiler in rein kirehlicher Weise. Die wenigen Dettweiler ! 

I 

Reformierten werden vom dortigen evangelisciien Pfarrer pas- i 
torkrt. . 

Der Rosenweiler Meßti teilte mit den katholischen Patrons- | 
tagen das Merkmal, dafi in verhältnismSßig junger Zeit ein rein | 
kirchliches Fest mit weltlicher Lustbarkeit verbunden wurde. | 

I 

Ursachen des Abkommens. 

Die Ursachen des Niedergangs und de< /»Mtweiligen und ^ 
ganzlichen Verschwindens von Meßti und Kirwe sind recht ' 
manni^taltig und vielHeitig. Oft sind es mehi^ere Umstände^ die ' 
zud am man wirken. 

Der Bekämpfung des Festem durch »iie Geistli(;hkeil wurde ; 
bereits ausführlicli gedacht. Die nächste Hauptursache seines ' 
Niedergangs liegt im Wandel seines Wesens, t^s dient heute 
vor allem als Einnahmequelle für die Gemeinden und die Wirte. 



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- 201 — 



Die Festgenjeiriiie wird immer weniger als kamprad.sclial'tlithe 
Triiireriu der Sitte, vielmehr vorwiegend als Gegeustand eines 
Geschäfts anjresehen und behandelt. 

Auch die Zustände auf dem Lande iiaben gewechselt. Das 
altväterliche, mehr oder weniger abgeschlossene Dort, die kleine 
Dorfrepublik wird von Jahr zu Jahr seltener. Die günsti^^eren 
Verkehrsmittel, die besseren Strahn und Wege^ die bequemeren 
Eisenbahnverbindungen, die Post und das Fernsprechwesen und 
nicht zuletzt das Fahrrad ermöglichen einen häufigeren Verkehr 
der einzelnen Dörfer unter sich. Der Städter hat bessere Ge- 
legenheit, sich in das Dorfleben zu mischen, und der Dorfbe- 
wohner kann leichter sein Vergnügungsbedürfnis auswärts be- 
friedigen. Dadurch wird der Gesichtskreis des Bauern erweitert. 
Die landliche Abgeschlossenheit schwindet, und der Bauer ver- 
nachlü>si;rt seine vertrauten Gebrätiche, die er dem aufdring- 
lichen Fremden nicht gern erschließt. Die Bevölkerung- wird 
mein- durchein;indergeworteu. Außerdem zieht die wachsende 
Laudlluciit ein dorfentfremdetes Gesciilecht von Arbeitern, klei- 
nen Beamten, gebildeten und halbgebildeten Leuten heran, die 
gej^en die bodenständige Sitte gleichgültig sind, ja sich ihrer 
schämen. Schon der heimkehrende Reservist dünkt sich er- 
haben über die heimatlichen Gebräuche. So sinkt notgedrungen 
der Wert des Mefiti.i Anderseits hat die Erleichterung des Ver. 
kehrs eine Verschiebung des Kaufwesens zur Folge. Hausierer 
und Reisende suchen den Landbewohner in seinem Dorfe auf, 
und die Versandgeschäfle schicken ihm Warenverzeichnisse und 
Waren ins Haus. Infolgedessen ist die Bedeutung der Jahr- 
märkte stetig zurückgegangen, i 

Auch der Bauer selbst hat nicht mehr den gleichen Sinn 
für die überkommene Sitte wie früher. Seine beschauliche Ruhe 
wird öfters durch allerlei Zwischenfalle des Alltagslebens getrübt. 
Er hat infolge der vielen sozialpolitischen Gesetze, die ihn be- 
lasten, infolge der mancherlei Stenern, insbesondere auch der 
Wein- und Branntweinsteuer, e!n"n schweren Stand. Der Rück- 
gang des allgemeinen Wohlstandt - anf dem Land wai' dem Meßti 
besonders verderblich, und die Besserung der Verhältnisse in den 
letzten Tahren hat ihn nicht wieder zu heben vermocht. Ueber- 
haupt steht die Abhaltung des Meßli in engstem Znsammen- 
hange mit den Einnahmen des Bauern, mit dem Auslall der 
Ernte und der Weinlese, sogar ein außergewöhnlicher Mausfraß 



' Zur Vermeidung lästiger Wiederholungen wird von hier ab Meiki 
als Sammelbezeiclinang für Meßti und Kkwe gebraucht. Falls der 
Meßti im Gegensatz zur Eirwe tritt, vird dies aus don Znsamnien- 
haage srsiohtlioh sein. 



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902 — 



kann ihn bceinlr,1chti«?en. In vielen Dörtein winl vor allem 
unler diesem Gesichtspunkte vom Gemeiruleral bestimmt, oh 
MHSti sein wird oder nicht. Manche halten ihn l)loß in beson- 
ders fruchtbaren Jahren ab. Der ZellwcUer «Rübenmeßti» wird 
nur abgehalten, wenn die Rüben ^\\\ geraten sind. Die 1840 er 
Jahre, die noch heute im Vulksmuude die Hungei jähre heißen, 
waren in dieser Hinsicht besonders verderblich, es wuide da- 
mals fast nirgends ein MeBti abgebalten. Hingegen brachten die 
beiden folgenden Jahrzehnte mit einer ganzen Reih« guter 
Weinjahre einen erheblichen Aufschwung und einen flotten 
Betrieb des Mefiti. Damals hatten die Leute, wie man sagt, 
mehr Geld als heute. Die sauer ersparten Rotgroschen, die 
beim mühsamen Graben der Färberröte verdient wurden, 
machten manchem Dienstknechl ein willkommenes Meßtigeld 
von 30 oder 40 Franken aus. Der Eaueinsohn brauchte seine 
100 Franken, und das Geld war da. Heute will man mit 
5 Mark auskommen, mehr wird nicht mehr an den Meßti gekehrt 

Recht kennzeichnend ist folgeiules Vorkommnis. Auf dem 
VcndeuJt ebner McBti 1000 ;xin^ ein Mann mit Lolleriezetteln 
herum. Kein eiuzi^^er Bursche kaufte einen Zettel, 10 Pfennijr 
waren ihnen schon /u viel. Früher hätte ein Bursche seiner 
Liebsten ohne weiteres für einige Franken Lose gekauft. 

Im sozialen Zeitalter aber machen sich die Klassenunter- 
schiede bis ins entlegenste Dorf bemerkbar. Das biedere, ehr- 
liche Dorfburschentum ist verfallen. Während ehedem sich alle 
Burschen einer Gemeinde zusammengeselllen und die Maiden i 
ihrem Beispiele folgten, ist dies jetzt nicht mehr der Fall. Zu 
Zeiten des alten Meßti galten alle Burschen als gleich. Wer da 
fehlte, wurde als hochmütig angesehen und war verachtet. Der 
reichste Bauernsohn schämte sichoicht, mit seinem eigenen Knecht 
in völliger und rückhaltsloser Kameradschaft sich den Meßtifreu* 
den hinzugeben. Das ist heute anders. Die Spannung zwischen 
dem Bauern und seinen Dienstboten entsteht schon, wenn er 
sie din^t. Der Bauer muß unerhört liohe Löhne ausgeben, um 
nberhaupt Dienstboten zu bekommen, und darum sind diese 
ihm ein andauernder Anlaß zu Mißmut und Aerjrer. Sie stehen 
sich auch in sozialer Hinsicht hesser als früher und wissen 
wohl, daß sie als die wirtscbaftlicii Schwächeren durch die 



* Naeb ländlicher Ueberlicferang wird in der vorliegenden Ar- 
beil das Wort Haide im Sinne von «erwachsene Bauerntochter» 
gebraucht. Man sag-t in der Mundart «das Haide», in der Mclirzahl 
«die Maide(r)>. ^'ür den Begriff Mädcheu ist die Verkieiuerungsform 
Haidel fkblleh. ^ llbenso wird das Wort Bursehe im Sinne von «er- 
Avachsenor Bauernsohii> gebrauclit. Im Kirwegcbiet sairt man «der 
Burscli», in der Mehrzahl «die Burscht», im Mditigebiet auch ia der 
Binzahl «der Burscht». 



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— 203 — 



Gesetze ^esehötzt werden. In ihrem ÄeuBeren und in der 
Kleidung sind sie kaum mehr von der Dienstherrschaft zu un- 
terscheiden. Die Dienstboten bilden jetzt vielfach den Haupt- 
stamm des Meßtivollves und, was sehr wichtig- ist» des Tan/es. 
Dadurch werden die Söhne und Töchter der Bauern abj^estoßen, 
es regt und hefestin^t sich in ihnen ein gewisses StandesbewuiJt- 
sein, das man fiiilier nicht kannte. Vor Zeiten war Utenheim 
dafür bekannt, dal» ein Knecht oft mit der vornehmsten Bauern- 
tochter t.inzto. l)as wäre lieute ganz unmöglicli. 

Fl üher wurde der Meßtibursch (s. u.)i»Ub den bessergestellten 
Dorfhurschen gewählt. Das bringt nun einmal sein oft mit be- 
deutenden Geldgeschäften verbundenes Amt mit sich, und die 
mit Glücksgütem weniger gesegneten Burschen sahen hierin 
keine Zurficksetzua^. Aueh das ist heute anders. Immer 
grdBer wird die Kluft zwischen den verschiedenen Dorfklassen. 
Der reiche Bursche verachtet nicht nur den Knecht auf dem 
HeBti, er tanzt auch nicht mehr mit der Tochter des Küh- 
bauern, und so zieht er sich vornehm vom Mefitigetriebe 
zurück. Die Verpflichtungen des Meßtiburschen Hegen jetzt 
den weniger angesehenen Burschen, kaum der Schule ent. 
wachsenen Jungen oder Knechten ob. Die Dorfaristokralie hält 
sich nun erst recht vom Meßtitreiben fern. Der stolze Bauern- 
sotin ma^; Rieh einem Knecht nicht unterordnen, das luinn 
ihm niemand üliel nehmen.* 

Früher waren auch die Liebscliaften ehibarer imd ernst- 
hafter, bei aller lockeren .\utTassung dei Moial durcli den Bauern. 
Die Zeiten, wo von weither ein Bursche einer Heirat zuHeb 
einen Meiili besuchte, sind vorhei. Der Stand der Meßli ist £ie- 
sunken. Unter halbwüchsigen Burschen und Dienstboten mischt 
er sich nicht gern. Genau so verhält es sich mit den Maiden. 

Ein jeder Stand hat das Bedürfnis, siöh zu vergnügen und 
in größeren oder kleineren Zwischenräumen einmal recht fröh- 
lich zu sein, zu tanzen und zu singen, zu genießen und zu 
jubeln. Wenn die Gelegenheit hiezu sllzuhäufig eintritt, ist die 
Verfuhrunt; groß, sie zu erfassen. Und diese Gelegenheit zum 
Grenuß und zu Fröhlichkeit, ja zur Ausschweifung bietet sich 
mehr denn früher in den Dorfwi rischaften, die bereits eine 
prunkvolle Ausstattung haben und nicht gelten Musikmaschinen, 
Orchestrions und sonstige Vergnügungsmittel besitzen. Der 
Bauer spart sein Bedürfnis zu Frohsinn und Lust nicht mehr 
auf die wenigen Tage des Meßti auf : wenn er iiberhauitt noch 
Sinn zu etwas Außerirewöhnlichem halte, so hat er die Lust 
im Wirtshause schon gebüßt, das (leid ist dahin. Ganz beson- 
ders tnflt dieser Umstund für die Dorfju^end zu, insbesondere 
füi' die Knechte und Taglöhner, die man allabendlich in den 



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204 - 



Dorfkneipen bei Bier, Kartenspiel und Zigarettenrauchen an- 
treffen kann. Man darf hier in der Tat von Genußsucht 
sprechen. Kommt dann der Meßli heran, «;o reichen die Gro- 
schen nicht. «Hie isch alle Sonntd Meßli U sagte mir einmal 
ein Wirt von Momwet!(>i\ und or hafte in gewissem Sinne Rpcht. 

Es wäre aber ganz verkehrt, wollte man die Jugend allein 
für den an sich überflOssii^^en Wirtshaushesuch verantwortlich 
iiiachen. Der AbendmarkL, jener scli'ine sonntägliche Abend- 
spaziergatiij: der Dorfju}rend , ist größtenteils dahin. Früher 
wurde den ^ianzen Winter hindurch vom frühesten Morgen an 
gedroBcben, und abends hatten die Dreschei müde Knochen, 
Hettte steht man kaum vor Tagesanbruch auf, und in 
Tagen erledigt man mit der Dreschmaschine die frühere Ar- 
beit von ehens4) vielen Monaten. Die Barbierstube und die 
Dorfschmiede bleibt kaum den verheirateten Männern als abend- 
liche Plauderstätfe vorbehalten. Hingegen machen sich auch in 
kleineren Dörfern allerlei Vereine breit, kirchliche und well- 
liche, Gesang-, Krieger-, Turn- und Radfahren e reine, nicht 
zu vergessen der- wackeren Feuerwehr. Die ledigen Burschen 
und viele Mannerwerden durch all diese Verhältnisse mit ihren 
Familien geradezu ins Wirtshaus getrieben, und nach den vielen 
Vereinsfestlichkeiten im eigenen unti im Nachbarsdoife werden 
sie leicht vergnii^ningsmüde. Das Bedürfnis nach lebhaft ge- 
steigerter Geselligkeit, der rechte Mel.Higeist fehlt. Die Uebung 
von mit einem gewissen Idenlisuius umgebenen Gebräuchen ist 
nicht mehr erstrebenswert, die Meßtifähigkeit ist aufgezehrt. 

Zweifellos besteht al^sü eine weitverbreitete Gleichgültigkeit 
des Landvolks gegenüber dem Meßti. Es kommt alles ab, hört 
man oft sagen, besonders auch vom Mefiti. Die Leute halten 
sich zurück. Einer sagt: Stell mich da hin» der andere: Hol 
mich dort ! Jeder will etwas anderes, immer zu seinem Vor- 
teil. Einen Zusammenhang herzustellen, ist schwer, und so ge- 
schiebt dann überhaupt nichts. Es lifit sich nicht leugnen, dafi 
der Meßti weitesten Dorfkreisen nicht mehr in Fleisch und 
Blut steckt. So schlief beispielsweise der Meßti von Nordhausen 
Ende <ler 1800 er Jahre sanft ein, der von Rosenweiley (Kanton 
Rosheim) 1885, der von Furchhausen 1901, der von Zirf- 
zendorf 1897. Wohl flackerte dieser 1903 noch einmal auf, ob 
er sieh aber wieder einleben wird, ist zweifelhaft. 

Von ganz besonderer Wichtigkeit ist das Verhalten der 
Wirte. Rs ist klar, daß der Wirt seinen persönlichen Vorteil 
suclit und suchen muß, denn das ist ja se<in tägliches Brot. 
Vor allem gehört zum Meilti ein ordentliches Tanzlokai. Hat 
der Wirt keinen genügenden Raum, so muß er eine Hütte 
aufschlagen. Wenn sich aber dieser kostspielige Bau nicht lohnt. 



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— 205 — 

verzichtet er not^^^edrungen auf das ganze Fest. Und wenn dies 
mehrere Jahre hintereinander geschieht, so geht die Ueberlie- 
fprung verloren. Die vcrgnügungslustige Jugend verläuft sich 
auf die Nachbarsmeßti, was seine Vorzüg-e und besonderen Reize 
hat, der einheimische Meßti aber geht ein. In den kleinen 
Dörfern, die ohnedies srhon auf die Beteiligung von Fremden 
angewiesen sind, sind dies»e VeihSItnisse besonders ausgeprägt. 
So ging die Kirwe in Erman;:ehiti^r eines Tanzsaals ein zu 
Memmeishofen iHirl , BreMmelhach 1867, Lobsaiin 1879, 
Jietschweiler 1887, Jlennersweiler 18i>3, Spachbach 1897. In 
ßietlenheim verbrannte 1888 das Tanzhaus und wurde nicht 
wieder aufgebaut» auch in Keffenach ging 18'/Ü die Kirwe und 
in Hattmait 1888 der Meßti ein, weil der Wirt bei einem Um- 
bau keinen Tanzsaal mehr baute. Der Meßti von Zoebersdorf 
ging in den 1860 er Jahren, der von üttweÜer und Bwchhotz 
in den 1880 er Jahren ein, weil er dem Wirt nicht mehr ge- 
nug eintrug. Der mittelbare Anlaß in ^tscAAoIz war die Spal- 
tung der Gemeinde in zwei Parteien, vun denen die eine nach 
Rothbach auHZog und dort mitfeierte. 

Ueberhaupt wird der Meßti nicht selten durch eine mäch- 
tige Dorfpartei nachteilig beeinflußt, namentlich wenn sich ein 
zweiter Wirt dahintersleckt und jiei^en den Meßti wirt Hauke 
sphniiedet. Ein Wirt, der seihst eine groüe Verwandtschatl 
besitzt, i<ann da viel Unheil stiften. 

Der Tod des einzigen Sohnes des Wirts von Menchhofen 
hatte ISiK) den Unfer^j^aiijj; des dortigen Meßti zur Folge. Weil 
der Wirt ein Grobian war und seine Gäste aus dem Hause 
vertrieb, kam der Meßti von 67. Peter 1854 ab. Wegen Ein- 
gehens der einngen Wirtschaft ging 1852 der Meßti von Jssen- 
hausen, 1882 die Kirwe von M'edersee&ocA ein. 

Von Zeit zu Zeit beruht der Meßti auf einer Kraftprobe 
zwischen den Wirten und der Gemeinde. Lehrreich ist in die- 
sem Betreff AÜeckendorf. Der dortige Meßti war 1903 um 
120 M. versteigert worden. Im folgenden Jahre setzte die Ge- 
meinde die Anschlagsumme auf 170 M. fest, die beiden in 
Betracht kommenden Wirte aber verabredeten sich und ver« 
ptlichteten sich gegenseitig, nur 100 M. zu geben. Beide Par- 
teien blieben standhaft, und sn fiel iWi der Meßti aus. 1905 
ging die Ge^^T^inde auf 135 M. fteral), die Wirte stiegen auf 

M. Wiederum wollte keine beite nachgeben, und wiederum 
« veisciuiurrte» der Mel.Ui — so pflegt man in diesem i^lle 
zu sagen. 1906 lielj der eine Wirt dem andern sagen, er werde 
ihm nicht im Wege stehu, wenn er den Meßti steigern wollte. 
Nun steigerte ihn dieser für 135 M., die Gemeinde blieb Sie- 
gerin. 



! 



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— 206 — 

Einige MeßU gingen zugrunde, weil sie durch die Nihe 
größerer Meßti angezogen und gewissermaßen aufgesogen wur- 
den. So kam der Meßti zu Krautweiler wegen Bmmath ab, 
Zehnacker wegen Wassel n he im, Utfiueiler weg^en Ingweiler 
und Buch^weilei'y Bosselshau.<en 1824 wej^eii ßuchsweiler^ 
Ilanthchuhheim wegen lüenheini und l'ürde}iheiin, Ingenheim 
zum Teil wegen Hochfelden, Jiolsenkeim wegen Erslein 1842. 
Est'/iuH nimmt wegen de<5 190^^ wieder aufgekommenen F(?f)Fers- 
heitner MeJ.»tis sclinell ab. Wegen dej! Sc/deiihaler Pfingst- 
reniioati gingen die Kirwen zu Lampertsloc/i und Weiler bei 
Weißenburg ein, die beide am Pfingstmontag üblich waren, 
die von Lembach ist stark zurückgegangen. Riedheim wird so 
von Buchsfoeiler eingenommen, daß nicht nur der dortige 
Meßti aufgegeben wurde, sondern sogar die Schulkinder am 
Buchsweüer Meßli schulfrei haben, als ob es der eigene Meßti 
wäre. 

Die Nähe der Fabriken von Bisehweiler und der Gießereien 
von Zinsweiler beeinträchtigte ferner die Meßi in Gries und 
Gu}iderbhofen, wäbrend in Pechelbromty Knlzenhamen und 
Merkweiler wegen der dorligen Oelbergwerke schon lange keine 
Kirwe mcfir besteht. Industriell heschJiftig'te Arbeiter, selbst 
wenn sie auf Hern Land wohnen, haben keinen Sinn für ver- 
traute Doriiesle. Das ländliche Moment ist vor dem sozialen 
zurückgetreten. Kme Arbeiteraristokratie gibt es ja nicht. 

Auch die Nahe Slraßhurg^ wirkt zerselzend auf den Dorf- 
gebrauch, nameiillicii auf den Meßti. Mundolsheiriiy Lampert- 
heimf Vendenheimj Hangenbieteny Kolbsheimf Eckbolsheim^ 
tAngolsheim und die drei Hau^rgen haben zu leicht Gelegen- 
heit, in die Stadt zu kommen und zu genießen. Hur Dorfsinn 
zerfällt allmählich, die Einwohner verlieren die Freude ^m ide- 
alen Dorfleben. Der Meßti reizt sie schwächer, man pflegt ihn 
weniger sorgsam, er kränkelt immer mehr und sieht einem 
bedauerlichen Siechfum entgegen. 

Anderseits ist manchmal der gediegene, vielleicht etwas zu 
altfränkische Sinn des Bauern, inr^onderheit in manchen Ha- 
nauerdörfern mit schuldig am Abkommen des Meßti. Auch ist 
in manchen Gemeinden die Sparsamkeit in Geiz ausgeartet und 
der Sinn für Gastfreundschaft erloschen, und so ließ man den 
MeJiti als lastige Gelegenheit zu uanülzen Ausgaben und Aus- 
lagen einfach fahren. 

Die Ereignisse von 1870 und 1871 haben begreiflicherweise 
lief einschneidend auf die ländlichen Feste gewirkt. Da zahl- 
reiche junge Leute zu den Waffen einberufen wurden, und 
viele von ihnen auf dem Schlachtfelde blieben, gab es mehrere 
Jahre lang eine gewisse Zurückhaltung. Von Weitersweüer^ wo 



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— ä07 — 

der Meßti bei Ausbruch des Kriegs bereits -vorbei war» wurden 
70 junge Männer und mehrere Burschen eingezogen. Es traf sich, 
daB die Mehrzahl der Burschen den Heldentod fürs Vaterland 
starb. Infolgedessen k^m der ehemals blähende Meßti überhaupt 
nicht mehr recht auf. Besonders verhänj»nisvoll waren für den 
Kreis Weißenburg die Schlachten hei Weißenburg und Wörth, 
welche die umhegenden Dörfer naturgemäß in verderbliche Mit- 
leiden;?chafl zoijfen. Die Kirwe hat dort zweifellos sehr viel von 
ihrem alten Glanz eingebüßt. Weniger war dies im übrigen 
Elsaß der Fall. 

Oline weiteres eiklärlicli h\. das Fehlen des Meßti zu 
Marie lUhaly Aceitheitn, h'lexhurg und Niederhaslach wegen 
der WalUahrlen, sowie der Mangel einer Kirwe in Schirrhofm^ 
welcltes zur Hälfte aus Juden besteht. 

Der Meßti von Wingcrf^heini wurde 1827 und der von 
For^iheitti 1874 Jählings abgehrochen, weil ein Bursche auf 
deiü Tanz erstoi lien wurde, sie kamen nicht mehr auf. Der 
Süsoh hei Hier Meßti ging 1808, der Ueberacher 1854, die Kirwe 
von Kutzenhausen und Oberkutzen hausen 1874 ein wegen 
mehrerer Schlägereien. 

Wegen der vorgecschrittenen kalten Jahreszeit ging der Meßti 
in Gingifheim und Hohatzenheim am Anfang des 19. Jahrhun* 
derts ein, er ist «erfroren». In der allgemeinen Feieriagsstim- 
mung des Pfingstmontags verschwand der Meßti von SU N<xbor 
18S8. Der Meßti von Kihtett wurde 1843 aufgehoben, weil 
mehrere Burschen beim Begraben des Meßti christliche Zere- > 
monien verhöhnten. 

Der Meßti von Kr äfft, einem Weiler bei Ersiein, wurde 
durch. Beschluß des Gemeinderats von Erstein vom 13. Mai 
1Ö07 aufgehoben wegen der großen Zahl der unehelichen Ge- 
burten, die im Anschluß an dieses Fest seit seiner Einführung. 
(19€5) beobachtet wurde. 

Endlich ist hervorzuheben, daß 18l>3 der allgemeine Futter- 
mangel, 1897 im Hanauerland ein fürchterlicher Haj^^elschlag 
die Abhaltung des Meßli unmöglich machte. Zwar waren nicht 
alle hanauischen Gemeinden betroffen, aber das stanze Hanauer- 
land verzichtete auf dieses Volkstest aus eirieni lohenswerlen 
Mitgefühl. 1822 gin^ der Meßti von Niedereh)iheiin wegen 
mehrjähriger Mißernten ein, 1905 fiel derjenige von Engweiler 
wegen eines Hagelwetters aus. 

Nicht minder zeugt es von taktvollem Empfintlen, daß ^ich 
die Dorijugend aus eigenem Antriebe ihres Freuden lestes ))c- 
gibt, wenn ein Bursche oder ein Maide kurz vorher starb, oder 
wenn sich ein anderes Unglück im Doi f ereignete. 



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Die Neubelebung^ abgeg^angener Feste. 

VoD alters her haben sich die Wirte eifrig des abgegangenen 
Meßti angenommen, wobei sie in erster Linie natürlich auf 
ihren eigenen Vorteil bedacht waren. Wenn der Wirt in seinen 
Verhältnissen nicht fest stand, so blieb es gewöhnlicli l)ei dem 
einen Verbuche, un'l der Meßli verschwand um so gründlicher. 

So wollte der Storchenwiit von Wilwüheim^ dessen Ge- 
scli;ifle .schlecht ginf^en, in den 1840 er .fahren dem dortigen 
Meßti wieder aufhelfen. Der Versuch mißlang, und der Wirt 
verzog bald nach Zabern. 1854 fand auf Anregung eines Wirts 
in BosselshaiMm nach dreißigjähriger Unterbrechung ein Meßli 
statt, 18(57 noch ein zweiter. Er vermochte sich aber nicht zu be- 
haupten» und der Wirt wanderte nach Amerika aus. 1^68 glaubte 
ein Wirt zu Biedheim, wo wegen der Nähe von Buchsweiier 
noch nie ein Meßti stattgefunden hatte, durch Abhaltung eines 
solchen seine zerrütteten Verhältnisse autbessern zu k&nnen. Es 
gab einen kleinen, mageren Meßti, zwei Jahre nachher hatte 
der Wirt abgewirtschaftet und verschwand. Am Napoleonstag 
1869 versuchte es ein Wirt, den Wickers heimer Meßti wieder 
einzuführen. Er erhielt in der Tat vom Bürgermeister Tanz- 
erlaubnis. Als aber der Wächter kam und Feierabend bot, 
lachte ihn der Wirt aus und befahl: ffAls fortgetanzt!» Zwei 
Protokolle waren die Folge, und seitdem wurde in '[\'icker:^heiiii 
nicht mehr -etanzt. Tn Dingsheim wagte es in ilen 18t*0er 
Jahren gar <1ei' Biir^iermeister, der mit dem Pfarrer verfeindet 
war, diesem zum Trotz einen regelrechten Meßti zu veranstalten. 
Er fand aber wenig Beifall, und die Bürgerschaft wandte sich 
noch mehr von ihm ab. 

Besseren Erfolg haben die Bestrebungen der Wiederein- 
fQhruAg in den letzten Jahren, da offenbar die Bürgermeister 
den Vorteil der Gemeindekasse wahrnehmen und die Wirte 
auch gef!;en nachteilige Einflösse der Pforrer unterstützen. Fast 
jedes Jahr hbsi und liest man von der Neubelebung längst ab- 
gegangener Meßti. Aber wenn auch vom Standpunkte des For- 
schers solche Wiederaufrichtungen zu begrüßen sind, darf doch 
nicht übersehen werden, daß die üeberlief«rung, jener wesent« 
liehe Umstand bei der Erhallung der Sitten, nach langer Unter- 
brechung fast allgemein verloren gegangen ist. Der neuzeitliche 
Mel^ti, jene^ verkümmerte Fest, von dem weiter unten nn^fnlir- 
lich die llede sein wird, wurde sein Vorbild. Der innere Kern, 
Idealismus, Sitte und Brauch tehlen. Die geschäftliche Idee steht 
im Vordergrund, es ist vor allem auf den Geldheultil der Teil- 
nehmer ab^'esehen. Man kann also, slrenggenonunen, nicht von 
Neubelebung des abgegangenen Meßti, sondern nur von einem 



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— 209 — 

Meiiti in neuem Gewände sprechen. Immerhin ist wunlt^i Meßli, 
und die*;er Meßti hat mehr Aussicht aufReslaiul, weil die neu- 
zeitlichen Verhältnisse, insbesondere der Verkehr, das Wirt- 
schafts- und das wirtschaftliche Lehen ilnn -iinsliy sind. 

So gingen die nachhenannten Meßli ab und wurden wieder 
eingefahrk: Kolbsheim 1880— i897, HerHäheim a. d. Zorn 
1875—1900 (durch einen grüßen Urozu^r mit 5 MusikkapeUen), 
ßreusehtmckenheim 1858^1901, Kilstm 1843—1902, Weyers- 
heim 1853—1902, EckboUhem 1866-1902, Spachbaeh-Ober- 
dor/" 1897— 1902, WiboUheim 1846-1903, Fegersheim 1853 
—1908. In Hönheim fand 1876, In Krafft 1905 überhaupt der 
erste Meßti seit Menschengedenken statt. Die Zahl dieser Dörfer 
ist aber zweifellos größer und wird sicherlich jedes Jahr noch 
steigen. In Dauendorf haben in den letzten Jahren einige 
PfafTenhöfer Geschäftsleute, besonders Bierbrauer und Metzjrer 
versuclü, 'len Meßli wieder in Schwung zu bringen. Ob mit 
Erfolg, wird die Zukunft lehren. 

Flotte Meßtidörfer. Der Geist des Festes. 

Der Alkohol. 

In allen Urtschalten, von denen Meßti oder Kirvve nicht 
als abgegangen bezeichnet sind, Ijesteht dieses Fest noch heute. 
Es gilt als Regel, daß auch das kleinste Dorf früher seinen 
Meßti hatte» Heute haben kleine Dörfer tiberhaupt keinen Meßti 
mehr, oder er findet bloß in größeren Zwischenräumen statt* 

Die höchste Entwickelung erlebte das Fest Ende der 18Ö0er . 
und besonders in den 1860er Jahren. In jenen Jahren» die noch 
vielen Landbewohnern in angenehmster Erinnerung sind und 
die sie noch oft mit Wehmut an die glückliche Zeit der fran- 
zösisehen Herrschaft zurückdenken lassen, blühte die Landwirt- 
schaft und hatte der Bauer Bargeld, und so war die unerläßliche 
Gnindbedingunir für einen flotten Meßli gegeben. Insbesondere 
waren die protestantischen Dörfer der ehemaligen Grafschaft 
Hanau-Lichtenberg^ der sicherste Hort der Meßtisilte und ihrer 
idealen Ausgestaituni:. 

Im all«j:emoinen hatte damals der Mel.Ui einen festeren Be- 
stand bei eler protestantischen Bevnlkerung, In den meisten 
katholischen Dörfern scheint es zu einem allseitigen Ausbau 
der Meütigebräuche überhaupt nicht gekouimen zu sein. Aus 
diesem Grunde wird von vielen Katholiken unter dem Meßti 
eine protestantische Sitte wstanden» und wenn in vorwiegend 
katholischen Landstäd<cben und Flecken die Bezeichnung Meßti 
Qblich ist^ so kommt es davon her, daß sich das protestantische 
Landvolk mit Vorliebe daran beteiligt» insbesondere am Tanz. 

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^ 210 — 

Die schweren Wiuiiiea, die der RiiCjj von 1870|7l dem 
alten MeBti geschlagen hat, heilten nicht mehr ganz aus. Um 
das Jahr 1873 Anden wir zwar fast fiberall den Mefiti wieder, 
aher seine frühere Höhe hat er nicht wieder erreicht« Di^eni- 
gen Dörfer, wo er sich durch den Wandel der Zeiten hindurch 
bis auf unsere Tage verhäUnismftBig am reinsten erhalten hat, 
sind Mieie$heimy öbermadern^ BusweUerj AUeckendorfy Hördts 
Weithruchf Quaizenheim, Ittenheim^ Fikrdenheimy Enzheim ^ 
Bläsheintt Klingenihal und »lie Kirwe zu Gorndorf. Von Dör- 
fern mit vielbesuchtem blühendem Kirchweihfesle, das jetzt 
nur noch in der Erinnerung fortlebt, sind r.n nennen : Oher- 
sleinhofh, Kleehurg^ Walburg^ iJürroibar/i, Morsltriynn , 
Schweig ha wsen , Niedt^r'^rhri [fohheim, Uhl t'" ' iirr , ninn' n<lorl \ 
Weyenhoi}}}. Wanzenau, (i'fniljs/u'iyn, Weitersictuler, Wick>'r<' 
heim, Juibsheim, GoU**'^liehn, Pruizheim , Uafhnatt^ Gries- 
bach (Kanton Buclisweilei ), Vhrwpiler, Furchkausen, Still. 
Noch größer aber ist die Zahl der ehedem blühenden Meßli- 
gemeinden, in denen das Fest heule nur noch ein Scheinda- 
sein führt» 

Wenn man den Bauern fragt, warum er Meßli feiert, so 
bleibt er die Antwort schuldig. Er hat keine blasse Ahnung 
davon, daß es ein altgermanisches Erntefest ist, das die Kirche 
mit der Zeit umgedeutet hat. Die Nachkommen derer, die nach 

eingebrachter Jahresernte den PröHern Dankopfer brachten, 
haben nicht mehr das Bedürfnis, die glückliche Finheimsung 
der Feldfröchte mit Aeußerungen wellhcher Festesfreude zu 
umgeben. Das protestantische Lindvolk empfindet es sogar un- 
angenehm, wenn man von ihm am kirchlichen Ernte-, Herbst- 
und D mkfest ein ^rrößpre'j Opferifpld erwartet, d hekaniitlicJi 
;iu ilicsem Tage be>Uunnuii^''s-(.'in;il.> di'in Thomasstil'l in Sti'ali- 
iHug ZU Studien- und Süpendieiizwecken zulallt. Kein Mensch 
denkt an diesem Tage daran, auch nur einen besseren Bissen 
zu tsseu oder ein Glas Wein iiiehi zu liinken. 

Was^ie Erinnerung an die Kircheneinweihung betrifft, so ist 
sie bei Protestanten ein unbekannter Degriff, bei Katholiken ein 
untergeordneter Umstand. Vielmehr ist der Meßü, man kann 
wohl sagen seit Jahrhunderten ein reines Freudenfest. Alles 
andere hat er abgestreift und von der Kirche bloß noch den 
verstümmelten Namen behalten. 

Dm Meßti i 1 der Inbegriff der Freude, des Vergnügens, 
der Lust in jeder Form. Alles was die Sinnenlust reizt, was 
dem Auge, dem Olir und dem Magen zusagt, findet auf dem 
Meßli eine üppig blühende Pflegestätte. Der Trieb zu genießen, 
im roheifluß und maßlos zu genießen, tritt allmächtig hervor 
und überwuchert mit Urgewalt die kirchliche Seite des Fe&tes, 



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— 21i — 



eiDi^et tiinlten veredeli daroh Brauch und Sitte. Dabei ist der 
Bauer nicht empfindlich in der Au^swahl seiner Vergnujrungen, 
die ihm gewiii zu gönnen sind. Er ißt und Irinkt, er bewirtet 
und sitst zu Gaste, er tanzt und spielt, er liebt und zankt, 
er singt und scbreity er jauchst und Ifirmt, er «cherzt und 
foppt, er fahrt derbe, zweideutige und auch unsittliche Reden. 
S<^r Geld ausgeben und Prfigel bekommen Ist für man- 
chen ein Vergnügen. Der elslssische Landmann hat Freude 
an langen Sitzun^^en, und da wo es ausgelassen, ja toll zugeht, 
fßhlt er sich besonders wohl. - 

Manche Gebräuche werden in den Meßti hineingewoben, 
die gar nichts mit ihm zu tun haben und nur den allgemeinen 
Ausdruck des Erg:öt/»^n'^ und der Freude bilden, so das Eier- 
sammeln, der BareiiJanz, die Vorrechte der Ge«1el!ungspflich- 
ligen. So au( h der bekannte MeJili von Wangen^ mit dem es 
folgende Be\vnndluis< hat. 

Die Gemeinde hatte aus aller Zeit an die Abtei St. Ste- 
phan den Zehnten in Gestalt von 800 Ohmen Wein zu ent- 
richten. 1700 wurde dieser Zehnte durch Ludwig XIV. auf das 
Haus der Schwestern von der Heimsuchung übertragen. Im 
Laufe der Zeit war es aber der Verschlagenheit der Rloster- 
sehatfner gelungen^ noch weiter^ 600 Ohmen als Bodenzins ein- 
zutreiben. Während der franzAsischen Revolution wurden diese 
1400 Ohmen mit der Aufhebung der Naturalsteuern abgeschafft. 
Aber im Jahre 1819 erhoben zwei Wucherer auf Grund gefälschter 
Urkunden Anspruch auf die rückstandigen Abgaben, indem 
sie diese als noch zu Recht beziehend zu erweisen suchten. 
Es entstand ein Prozeß, den die Gemeinde im Jahre 1830 in 
lelztei' luslanz gewann. Zum Andenken daran wurde 1834 
der ]>runnen l)ei der Kirche errichtet. Jedes Jahr aber am 3, 
Juli Ifiull aus dem Brunnen eine Stunde lang Wein statt Wasser. 
Der Büi"gerinoi.ster liTdt eine Ansprache, die die BLnf>lehung 
des Festes erläutert. Dann trinkt er uehst dem Genieinderat, 
der Geistlichkeit und dem Lehrer auf das Wohl der Genieiiule, 
und jedes Schulkind erhält einen Groschen wecken. Der Reihe 
nach trinken die Umstehenden von dem küstlicben Wein, und 
erst dann wird der Meßti wie auch in andern Dörfern gefeiert. 

In geistvoller Weise hat Pfannen schm id i in den 
Kircbweihfesten zahlreiche AnklSnge an heidnische Bräuche 
nachgewiesen. Aber es wäre flberf rieben, wenn man in jeder 
eigenarli.ueti Veranstaltung gleich ein Ueberbleibsel au- alters- 
grauer Zdit wittern wollte. Vieles ist sicherlich zutäUige Erfin* 
dung, Scherz und müßige Zutat. 



1 Pfannensehmi d^GermaniBche Erntefeste. Hannorer, Hahn, 1878. 



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— 212 — 



Auch die grobe Sinnlichkeit kommt in der Mefitigemeinde 
reichlich auf ihre Rechnung, namentlich wenn man bedenkt, 
(lad ihren Stamm die freie, leicht {geschürzte Jagend und viel- 
fnch der dienstbare Abkömmling der untersten Voikaschichten 
bildet. Wir werden in unseren Aufzeichnungen bis an die 
Grenze des Erlaubten gehn und alles, was sieh dem Papier nur 
einigormnBen anvertrauen läßt, gewissnnhaft berichten. Tn dieser 
lieziehun^ hallen wir es mit dem deutscii-aiuerikanischen Fol- 
kloristen Karl Kuurz, der sich wie fol^t äuliert ^ : «Wer 
an Zimplerlichkeit loidt-t, soll <\c\i meinetwegen mit Mathematik 
oder Natiünaiükünümie, uidit aber mit Volkskunde beschäftigen. 
Wer beim Anhören einer deibeii Ueden^^art oder einer safti- 
gen Erzählung in moralische Entrüstung gerät und derselben 
durch Worte oder Gebärden unverkennbaren Ausdruck verleiht, 
eignet sich nicht zum Sammler auf unserem Gebiete.» 

Der Inhalt der Freude war zu verschiedenen Zeiten ver- 
schieden. Wollte man heute — * um bloß ein einleuchtendes 
Beispiel zu erwähnen — die Tänze wiedereinführen, an denen 
. sich unsere Großeltern dereinst ergötzt haben, der Tanzboden 
würde sich bald von selbst leeren. Auch die Anschauungen 
über das« was erlaubt und anständig ist, wechsein, hauptsäch- 
lich unter dem Einfluß und Druck der Religion und ihrer 
Diener. Man muß daher das Volk und seine Ansichten und 
Bedürfnisse vorstehen. Insbesondere die .TM«:end muß ihr Ver- 
gnügen haben. Das ist eine natürliche AeuUerung der rechten 
Le})enslust. Unterdrückt man sie gewaltsam, so läuft man Gc- 
tuhr, einen verderblichen Rückschlag auf anderen Gebieten zu 
erzeugen. Die juuu'eu Leute gehen alsdauii einlach ins Nach- 
barsdürfoder iu die Stadt, wo sie sich üUqc Auisicht vergnügen 
und ihr Geld ausgeben, und wo oft schlimmeres geschieht aU 
ein unschuldiger Tanz. 

Der Meßti als der Begriff der höchsten Freude hat Anlaß 
zu mehreren Redensarten gegeben^ die die Empfindung des 
Volkes so recht wiedergeben. Da ist Meßti 1 sagt man im Sinne 
von cDa gehfs lustig zu 1» Der Gänsmeßti ist die Versammlung 
schnatternder Gänse, die auf die Weide oder au& Wasser ge- 
trieben werden. Unter Katzenmeßti versteht man die ncächtlicbe 
Liebesmusik eines verliebten Katzenpaares. «cEr ist am Tag vor 
Meßti gestorben», heißt es von jemand, bei dessen Tod — l>e- 
sonders unter lachenden Erben — eife! Freude und Jul)el herrscht. 

Im alkoholfeindlichen Zeitalter ziemt es sich, auch ein 
Wort über die Bedeutung der geistigen Getränke bei den Kirch- 



' Karl Knorz, Was ist Volksknn lo nnd wie studiert man 
dieselbe ? Aufl. Jena, H. W. Schmidt, l^OÜ. :S. 5. 



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— 2i3. — 

Weihfestlichkeiten zu sagCD« Der verdienstvolle Alkoholgegner 
Pfarrer Dietz von MundaUheim schreibt > : cich erinnm auch 
daran, wieviel Ebre und Sittlichkeit schon auf den Tanzböden 
der Kirchweihfeste zu Grabe getragen wurde, wenn die Sinne 
infolge äbermäßiger Alkohollibationen in des Wortes brutalster 
Bedeutung berauscht waren und leichtsinnige Eltern es an der 
nötigen Aufsicht fehlen lieBen. Wie manche hier verführte junge 
Seele hat eine unbewachte Stunde mit Jahren bitteren Herze- 
leids gebüfit : 

Dm Seheiuglück, das ma& sioh versprach, 
Ließ nichts als Giram und Beue nacK.» 

Und ferner 2 : e ich gehüi c j^^ewiß nicht zu denen, welche 
diese Volliblesle als Teufelsauswüchse in den tiefsten Höllenpfuh! 
verbannen möchten. Sie haben als frt^e Fetfte nach saueren 
Wochen eine gewisse Berechtigung. Wie oft aber gerade das 
bacchanalische Trinken, das die Kehrseite solcher Kilben ist, 
zu blutigen Schlägereien führt, ist mSnniglich bekannt, i 

Diesen Aeußerungen kann man im allgemeinen beipflichten. 
M&Bigkeit ziert jeden Menschen, auch den Meßlimenschen. Es 
frSgt sich nun: Empfiehll sich ein alkoholfreier Meßfi? Unsere 
persönliche Ansicht ist die folgende. Durch den Genuß geistiger 
Gelränke wird zweifellos die Feststimmung und der Genuß am 
Feste erhöht. So lange das Trinken ein Genuß hleiht und nicht 
in das Uehermaß ausartet, ist os nicht vom Uebel, und wir 
möchten es bei unseren Festen nicht missen. Im Trinken steckt 
auch eine wohltätige Anrc;,ning, und es läßt sich mit Sicheriieil 
annehmen, daß vieles, was wir als poetische Uniwebun^^ drr 
Feste ansehen und was den Forsi liei' immer wieder anzielit 
und unsäglich fesselt, nicht ohne die Mitwirknni? des Weines 
im festlichen Kreise der Meßtigemeiude zustande gekommen 
wäre. Und wie ganz anders gestallet sich der Verkehr in fröh- 
lich angeregter Gesellschaft I Wie leicht fließt die Unterhaltung 
dahin und nicht am wenigsten das freudige Gespräch zwischen 
Bursch und Maide. Ohne- Alkohol sind Meßti und Kirwe un- 
denkbar. Frömmelnde Nüchterlinge, cZuckerwasservetter» und 
Mäßigkeitsfaeucbler gehören weder auf den Meßti noch auf den 
Tanzboden. Und warum sollte man unsere braven Bauern, die 
sich das ganze Jahr hindurch ehrlich abschinden, das versagen 
wollen, was die «höheren» Kreise als seihst verständlich tun, 
was selbst an färstiichen Tafeln geübt wird? 



J Dietz, Der Alkoholismus in EUaß-Lotliriugeu. Straßburg, Heitz, 
1903. 8. 66. 
* Dietz, a. a. 0., S. 72. 



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— 2U - 

Vom Standpunkte der Mäßigkeit aus begrüßen wir es, 
wenn heute mehr Bier getrunken wird als Wein, der ungleich 
teurer ist. Aber der Wein richtet noch immer Unheil genug 
an. In dieser Hinsicht sind späte Meßti und Kirwen besonders 
j?efahrlich, weil e?5 <lann schon neuen Wein iiibt. Dieses Lioh- 
lingsgelränk des Landbewohners ist ein i?ar lückisches Getränk. 
Bei spaten Kirch weih festen kommen die Burschen schon oft 
betrunken nuf das Tanzhaus. Der wirbelnde Tanz uht dann 
eine schnelle und heftige Wirkung aus, und nicht seilen ist 
bald rin Unglück geschehen. 

Wir verkennen auch nicht, daß die Maiden viel mehr 
Kallcc, Fruchtsafte und LiiuoMade trinken als die Bin sehen und 
sich dabei recht wohl befinden. Dennoch möchten wir den aus- 
schließlichen Genu£ solcher Getränke svegen der fehlenden An- 
regung für die Burschen nicht einpfehleu« FQr sehr wichtig 
halten wir aber einen tüchtigen Imbiß in später Abendstunde» 
der denn auch ein wichtiger Bestandtteil des alten Meßti ist 
und außerdem noch durch erhaltenswerle Sitten umrahmt wird. 
Daruber in einem späteren Abschnitt. 

Dauer. Vor-, Haupt* und Nachme^ti (-Kirwe). 

£irntegr&ns. 

im 18. Jahrhundert und vorher dauerte das Kirchweihfesf, 
ob es nun an einem Wochentage oder am Sonntag abgehalten 
wunle, nur einen Tag. Wenigstens ist uns archivalisch nicht 
zur Keiinfnis gekommen, daß dns Fest langer 'jedniiert hätte. 
Zutreirendenl'alls wären uns bei der hekannien abieiinenden 
Hallung der GLislliehkeit ;*icher lebhafte Klagen über die 
allzugrolie Ausdehnung des Festes eilialten geblieben. Es er- 
streckte sich jedoch mit ilei Zeil aul L>, 3 und selbst 4 auf- 
einanderfolgende Tage. Wenn aber ein fröhliches und ver- 
trägliches Meßlivolk beisammen war, wenn sich die Musikanten 
lustig, flott und zu Scherz und Kursweil aufgelegt zeigten, wenn 
außerdem das Wetter und der Jahrgang gut waren, so wurde 
nicht selten die ganze Woche hindurch gefeiert und juMliert, 
jede Nacht bis in den hellen Morgen getanzt, und der Nach- 
meßti schloß sich gleich an. Diesor Zustand findet sich in den 
•i8'-0er Jahren in der überwiegenden Mehrzahl der ländlichen 
Ortschaften beider Konfessionen. Wir gehen wohl nicht fehl, 
wenn wir diese ausgedehnten Lustbarkeiten der Freude des 
Volkes über bessere Zeiten nach so schwerem Kriegsleide und 
so lancier Un^^ic herheit zuschreiben. Es wurde nun mehrere 
Jahrzehute km- durchweg vier Tage hintereinander Meßti oder 
Kirwe abgehalten. 



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— 215 ^ 



Neben dieser Aus(iehnun;j; ;iut inelirere aufeinaiultM'lol^a'iide 
Tage wurde im Laufe der Zeil noch eine ördiclie Vervieltalli^uiig 
des Festes in der Weise einijet'ülirt, daLi man an drei versclne- 
diMien S(.)iMitoj?en Vormeßli, Haui)tmeI.Ui nnti Nachnießli (bezw. 
*Kir\ve) feierte. Diese Grundform tindet sich noch reiu an 
drei aufeinanderfolgenden Souiitaj^en in einigen Dorfern im 
Süden des Meßtigebiets, während sie im Norden nicht vorzu- 
kommen scheint. So in HeiUgenbergf Oberhcislach, DmsAeim, 
ZeUweiler (bis 1865) und im Gebiet der Kilbe. Zu Lingoltheim 
fand bis 1872 an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen Vor- und 
Hauptmeßli und einige Wochen nachher, wieder an einem Sonn- 
tage, Nachmeßli statt. In allen diesen Dörfern kam ein Wo- 
chentag nicht in Frage. Diese Art hat den Nachfeil, daß sich 
ordentliche Stände und ein Karussell nicht leicht einfinden, weil 
das Fest zu kurz und keine Zeit ist, gute Geschäfte zu machen. 

Auch die blühenden Meßlidörfer des Nordens, insbesondere 
<He des Hanauischen, halten Vormeßti, MelUi und NaclimelUi 
(bezw. -Kirwe). Jedoch bestand der Melj(i aus 3— 4 aufeinander- 
folgenden Festtagen, un(i außerdem wurde der Vormeßti nicht 
nnbedin^^t 8 Taiie vor dem \feßfi und der H;Mi[<tmeiili nieht 
immer 8 Ta^e nachher gefeiert. Schon aus wu tschaftUchen 
Gründen \vai- es den beteiligten Personen, insbesondere den 
Wirten liebet , wenn eine längere Pause gemacht wurde. Dana 
konnte man sich etwas ausschnaufen und frische Geldmittel be- 
schaffen. 

Unter dem Einfluß der in den froheren Abschnitten dar- 
gelegten Verhältnissen ist der Meßli im ganzen zusammenge- 
schrumpft. Der Hauptmeßli ist Yon vier oder drei fast allgemein 
auf zwei Tage zurQckgegangen und hat sich nur ausnahmsweise 
an drei Tagen behauptet. Die Vorkirwe ist im Kreis Weißen - 
bürg ganz abgekommen, man begibt sich dort gleich in die 
Aufregung der Hauptkirwe. Im Meßtigebiet ist teils der Vor- 
meßti, teils der Nachmeßti abgekommen. Ferner beschränkt 
sich «chon der Hauptmeßli hie und da nuf einen einzigen T;i;,^ 
Allmlings ist das sciiua ein Zeichen der Verkünimei un;,% der 
Anfang vom Ende. Unseres Wissens gibt es keine Urlschaft 
mehr, wo der HauptnieLUi an zwei Tagen und dabei noch ein 
Vor- und ein Nachnieüii statt fände. So ist denn eine reiche 
Abwechselung in der Anordnung der Fe.'stlage j^egeben, ohne 
daß es für einzelne Ortschaften oder größere Gebiete eine Regel 
gäbe. Das ist in jedem Einzelfalle die Folge der örtlichen Ver- 
hältnisse und. Rücksichten. 

Es mögen hier einige Beispiele folgen. 

Fünf Tage dauert der Meßti noch in Zabem und Wasselri' 
heim. Es ist jedoch lu bemerken, daß diese Ausdehnung ledig- 



216 — 



lieh den verschiedenen damit verbundenen Jahrmärkten zuzu- 
schreiben i?«t. 

Drei T.i^^c MeBti und ein Taj? Nach meßt j: Mutzig, Duchs' 
veili'v und lU'i nlieuii (ilavon je ein Tn^i: .lahiuiarkl i, JAnrjohheiw ^ 
Moiheni^ Münchhausen, NiedeHauici'bach, iSalmbachf W esch' 
heim. 

Drei Tage Ueijü : Bnanath und HocJifelden (davon je ein 
Tajr Jaljuiiarkt), Oberinodern (1897), Gundershofen, Mieles- 
heinif Eng weiter, Wilsberg. 

Ein Taj;^ VorineJiti und zwei Tajje Meßti : Erstein, Burg- 
heim, Goxweilei'y KHngenthal^ SehiU&rsdorff Ührweüer, 

Zwei Tage Meßti und zwei Tage Nachmeßti : MüteWergheim^ 
Bläsheinif Musau, Ruprechtaau, bis vor kurzem in Sc/u2%- 
h€im, Bischheimt Hönheim und früher allgemein im Kreise 
Wei£enburg. 

Zwei Tage Meßli und ein Tajj Nachmeßli; Wisch, Grendel- 
brirrli, SUU^ Wimenheim, Dunzenheim, Weitbruchy Hördt, 
Üchiveigbrnisen , Kronenburgy Runzenheira^ Lauterhurg (Jahr- 
markt), ScheibenJiund, Winzenbach, Hühl, Eberbach ht\ Selz, 
Kesseldorf, Kröttioeiler, Niederröderny Oherlauterbach, Schaff - 
haw^oi hei Selz. Sei: (Jahrm?irkt\, Siegen, Sxh rtntfirm Wahl, 
liolii'-'riler, lliinsiiticli , Ingolsheim , A>ckbach, Hatten, Hofen, 
Kffhh'iidoef, Li'itersii-ciler, Ober- und NiederbeUchdorf, Ober- 
roderu, Hitteeshofen , Stundweiler, Altenstädt, Kleeburg, Ober- 
hofen, Ober^eebach, liitt, Steinselz, Dreibrunnan, Garburg, 
Haarberg, Walscheid, Harzweiler, Hämmert^ Heinriclisdorf, 
St Johanrt'Kurzeradef Ar zweiler, St Louis, Diese Form ist 
noch besonders im nördlichen Kreis Weifienburg und in der 
Umgegend von Hatten sowie in Lothringen üblich. 

Zwei Tage Meßli : heute im Meßtigebiet die vorherrschende 
Form. Im Kreise Weißenburg feiert man zwei Tage Kirwe in 
der Genend von Worth und Lembadi, 

Ein Tajr Meßli und ein Tag Nachmeßli : DorliBheim, KoUtS' 
heim, Dirlenbach, Drachenbronn^ Ueimersweiler, Surburg, 
Schwabweiler. 

Ein Tag Kirwe : Neeweiler l)ei Selz, Kaidenburg, Ried' 
Selz, Schleithal, Mattstall, Gunstett, Ober dar f-Spachbach. 

In der Praxis wird der Vormeß!i s-o verpfänden und «re- 
handhabt, daß die ln-ttMÜ^^hMi P(M>onen, namentlich der Meßti- 
hursch und die Wirte einen alli^enieinen l'eberhhck über die 
Zahl, die Stimmung und den Wert lier Teilnehmer, in erster 
Linie der eingesessenen Doi fbursciien gewinnen. Er liestehl 
aus einem Tanzvei'^nügen bis tief in die Nacht und wird daher 
auch Antanzmeßti genannt. Hierbei zeigt es sich sclion, welche 
Paare zusammengebn ; und wer dabei zu kurz kommt, hat noch 



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— 217 — 

Zeit, sich bis zun» Meßii vorzusehen. VormeBti wurde in Gries" 
hack (Kanton Niederbronn) bereits am Ostermontag gefeiert (bis 

1882), in Engweiler 6 Wochen, in Buchsweiler 3 Wochen vor 
dem MeBli. Zu Sdnllersdorf gilt Pfingsten als Antanzmeßli^ zu 
Uhrweil^T die Enitegans, und es wird dabei l lnß von ledigen 
jungen Leuten getanzt. In Grafenstaden galt zu französischen 
Zeiten der Napoleonstng (15, Äugusl) als Vormeßti und zw:n- 
als Freiineßti, d. h. jeilennann konnte unentj^eltlich einen Stand 
aufschlagen. In lioUibadi i)esland der Vonaeßti uorli 1^97 ir» 
Gestalt eines einlaciien Tanzes, zu Mor^yhronn war er 1892 in 
ein Trinkgelage entartet. Er dürfte heutzutage selten sein. 

Der NacluiK'ßli ist ebenfalls voi wiegend ein Trink- und 
Tanzvergnügen und wird gewöhnlich 8 Tage nach dem Haupt- 
meßti abgeballen. In liuchsweiler ist dies Yorschrifl. In Gar^ 
hurg wird der Meßti-Dienstag, in Mutzig der Meßti-Mittwocb 
Naehmeßti geoaDnl. Zu Schwabweiler hieß bis 1862 der Pfingst- 
montag Vorkirb, der Pßngstdienstag Nachkirb, seit 1862 der 
Sonntag vor Pfingsten Vorkirb und der Pfingstmontag Nach- 
kirb. In Oberhaslach heißt der Nachmeßti Austanzmeßti, an- 
kUngend an das bekanntere Antanzmeßti. 

Nicht selten wird der Nachmeßti in eine spatere Jahreszeit ver- 
iegt, wenn alle Feldfrnchte eingeheimst sind, und dann pflegt das 
Fest wieder mit großem Schwung ab;^ehallcn zu werden» weil 
die jungen Leute iinferdessien Gelegenheit hatten, sich neue 
Geldmittel zu liesch 'Jleti. Nicht selten wird ven der Ki eisdirek- 
tion ein Naelimeßli ^euehniigt, wenn der ilauj)t!nel,')li unter be- 
sonders ungünstigen Verhältnissen, z. B. unier turtgesetzlem 
Regenwetter zu leiden hatte, und zwar wegen der Wirte. In 
DunzenheÄin wird der Nachmeßti neuerdings mit einem Fe.-;l 
der Feuerwehr verbunden. D^cr Hördter Nachmeßti genießt eine 
besondere Beliebtheit» weil an diesem Tage die Maiden ihre 
Burschen zehr- und zechfrei halten müssen. 

Da weder der Vormeßti noch der Nachmeßti durch beson- 
dere Gebräuche ausgezeichnet waren, braucht ihrem Untergange 
keine Träne nachgeweint zu werden. 

In engem Zusammenhange mit dem Meßii stand früher 
die crErntegans». Es war ein Fest aus Anlaß des glücklichen 
Einbringens der Bernte und bestand in Essen, Trinken und 
Tanzvergnügen. Manchmal war auch ein Lebkuchen- und Ge- 
schirrstand da. 

Was zunächst die Ableitung des Wortes betrifll, so wird 
es gewöhnlich mit «Kriitekranz» zusammenjieliraf'ht, also sinn- 
bildlich als Beendigiiii.u der Ei nte gedeutet. In ländlichen Kreisen 
Iriftl man nicht selten die Meinung, das Wort sei aid/ufassen 
als «Ernte ganz:i> = ganz fertig. Diese Ansiciit kann man wohl 



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— 218 — 

als Volksetymologie abtun. Andere erblicken darin eine Vorst üni' 
melung auä «Erntetanz», indem sie an dasjenige denken, wjis 
heutzutage im Vordergrunde steht. Nach unserer Ansicht ist 
<iie Ausl^ng cErntegans» die einzig richtige. Zunächst ist das 

Verzehren «iner Gans als Erotebraten ein alter germanischer 
Brauch. F,^ erscheint un^^ zweifellos, daß auch im Elsaß in 
früheren Zeiten nach Becruiigiing der Ernte ein Gänsehraten 
gege?«en wurde. Datiir sjtriilil eine Stelle im Altecken darf er 
Pfarran liiv, wo in oinem Piesbyteiialprolokoll vom 6. August 
•1737 berichtet ist, daß ein Mann aus Minversheim von einem 
Alteckendörfer Wirt «zu der Ernd Ganß eingeladen wurden». 
Die Schreibung «Ganßß tlurch den Pfarrer ist nicht mißzuver- 
stehen. Noch heute spricht man im Haaauiscben cAernegangs», 
und darunter kann bloß eine Gans verstanden mrerden. ESne 
VerstQmmetung aus cErntekranz» oder cErntetanz:» kdnnte nie- 
mals cAernegangs», sondern müßte cAemeganz» lauten, ganz 
abgesehen davon, daß weder ein sprachlicher noch ein anderer 
Grund zur Absehleifung von «Kranz» oder cTanz» in cGanz» 
ersichtlich ist. Auch wäre es nicht gut verständlich, weshalb 
«Aernegangs» mit dem weiblichen Geschlechtswort gebraucht 
wird, wenn es mit cTanzD oder «Kranz» zusammenzubringen 
Ware. Die einzige Schwierigkeit, die aber nach unserer Ansicht 
keine ist, ist die, daß der Bauer seit Innger Zeit keine Gans 
rnelir ißt und daß es ihm daher scliwer {älit, bei festlichem 
Schmaus und Tanz an eine Gans zu denken. 

Auch Pfannenschmid^ und Eppel* leiten «Ernte- 
gans» von «Gans» ah. 

Stöbert berichtet, daii 1857 ilcr Meßti in den allhanau- 
ischen Gemeinden «Aernteganzi» hieß. Unsere Forschungen haben 
dies nicht bestätigen kdnnen. Ein Zeitraum von 35 — 40 Jahren 
wäre aber bei weitem nicht hinreichend, um die Erinnerung 
an eine frfiher stattgehabte anderslautende Benennung^ dieses 
hervorragenden Festes im Volksgedächtnis auszulöschen. ' Somit 
müssen wir wohl die Ansicht Stöbers als nicht zutrefi^d be- 
zeichnen. Alles« was sich ermitteln ließ, ist, daß in Uhrweih'r 
die Erntegans als Vormeßti dient, daß zu Laubach und m 
Forstheirn seit langer Zeit die Erntep:an<; in Gestalt eines l)es- 
seren Imbisses statt des Meßti gefeiert und daß in Geudertheim 
die Erntegans nicht nn einem besonderen Tage, sondern am 
Meßti ah<jeli;dten wird. In Handschiihheirn ffdlt der Meßti 
mnnclirn il aus, wenn die Erntegans in besonders ausgiebigem 
Maße Stattland. 

1 P f u n 11 e n B c h ml d » a. a. 0., S. 300. 

2 Eppel , a. a. O., S. 56. 

3 S t ö b er. D. Kochersbers:. Mülhausen, Rililer, lbö7. S.ÖO, Anm. 2. 



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219 — 

Die €Eriitegan$> wurde in fröberen Jahrzehnfen hat alige» 
mein abgehalten, und die Vereinigung aller Ernteknechle des- 
selben Hausbalts an einem Tisch verlieh ihr ein besonders ver- 
trauliches Gepräge» Heute denkt der Bauer anders. Der Dienst- 
böte und der Tagldhner sind ihm einfach Arbeitskr&fte, die ihn 
Geld kosten — zu viel nach seiner Ansicht — , und die ihm 
keine Veranlassung geben, sie dazu noch in überflüssiger Weihte 
zu bewirten. So ist die Ernlegans allnnähhch abgekommen. Sie 
ist außer den oben erwähnten Dörfern noch gebräuchlich in 
WeithrucJi, fffincUer und Kleebvrg. Tn Dunzeriht^'nn ist der 
Erntebraleii der Schnitter nilL dem Mel.'iti verschmolzen, aljer 
der Be^n"ifl' «Enite^ans« ist dort nicht mehr bekannt. Es ist 
das ein zufälliges Zusammentreffen eines neuzeitlichen Ernte- 
brauches mit dem altgermanisclien Erntefest. 

In Geuderlheim sagen die Ernteknechte, wenn sie das 
letzte Weizenstuck abmähen : «Jetz welle m'r lueje, daß m'r d' 
Aernegauns bekumme.» Sie denken sich aber nichts dabei. 

Der Zeitpunkt des Festes. 

Die Entscheidung, ob in dem betreffenden Jahre ein Meßti 
abgehalten werden soll oder nicht, liegt in den Händen des 
Gemeinderats. Denn der Mefiti hängt nicht aHein von dem 
guten Willen und der Beteiligung der jungen Leute ab, son- 
dern er ist auch eine Angelegenheit der Eltern und folglich der 
Bürgerschaft. Die jungen Leute, besonders die Maiden, müssen 
ordentliche Kleider hat)en, die Burschen brauchen einen wohl* 
gefüllleu Geldbeutel, es sind Verwandle und Bekannte zu be- 
wirten, und dies alles kostet Geld, für eine kinderreiche Familie 
viel Geld. Im Gemeinderat ,ueht es oft heiB her, besonders da 
die Dorfväter sich nirht irnmei" von sacbbclien Gesichtspunkten 
It.'iten lassen. So kommt e.s wobl maucliriial vor, daß als Er- 
^einiis vonallejlei persönlichen und untergeordneten Umständen 
zum Erstaunen und Aerger der Gemeinde ein ablehnendei' Be- 
schluß gefaßt wird. 

Der Zeitpunkt, wann der MeBti stattfindet, ist in vielen Etilen 
durch die UeberlieferuDg bestimmt. Man rechnet nach dem Patron 
des Ortes oder nach einem Heiligen oder einem kirchlichen Fest- 
tage. Dies trifft für die katholischen Kirchweihfeste bis zum An* 
fang des 10. Jahrhunderts ausnahmslos zu. Sicherlich haben auch 
manche protestantische Ortschaften aus der katholischen Zeit 
her noch lange, vielleicht bis zum heutigen Tage, an den Hei- 
ligentagen festgehalten. Im 19. Jahrhundert verwickelten sich 
die Verhältnisse. Denn p-erade diejenigen Gemeinden, wo den 
Heiligen tagen die größte Bedeutung zukommt, nämlich die ka- 



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— 220 

t 

lliolischen, stießen, wie wir gesehen haben, den weltlichen 
Kirch weibtag von dem kirchHchen afo und verlegten ihn auf 
einen andern Tag als den durch den Patron des Orts gegebenen. 
Aber merkwQrdigerwelse wurde dieser wiederum vielfach nach 
einem Heiligen oder nach einem Kirchenfeste festgesetzt. An- 
dererseits besteht sowohl bei Katholiken wie bei Protestanten 
noch häufig die Gepflogenheit, allerlei Verrichtungen des liür- 
gerlichen Lebens nach Heiligentagen zu bemessen. Der Land- 
bewohner (lenkt dabei, wie aucli ntis zahlreichen Sprichwörtern 
und B;uiernrerreln hervorsteht, nieiif an einen kirchlichen Zu- 
sammenhang, sondern es ist ihm lediglich um ein festes Datum 
zu tun. 

Eine kleine Auswahl von Kirwen und Meljti, die nach 
Heilin-eulageu und kirchlichen Festen festgesetzt sind, möge 
hier lolgen. 

Ganz oder vorwiegend protestantische Gemeinden : KröU- 
weiUr, Sonntag nach MarÜ Geburl ; Reimersweiler, Sonntag 
nach Laurentius; Nehvoeiler bei Wörth, Sonntag nach Verklä- 
rung Christi; Langensulzbach und MattstaU, Stmntag nach 
Maria Himmelfahrt; Ringendorf ^ Sonnlag nach Bartholomäus; 
Burgheimf 2. Sonntag nach Arbogast; Goxweiler, Sonntag 
nach Johanni vor der lat. Pforte. Aus frGfaerer Zeit : Schwind- 
ratzheim, 1740 und 1757 am Tage Lud ovici» ; AUeckeiidarf 
(1737)2 und Ohermodern (1738) am Tag Simon und Judä» ; 
Schalkendorf (1761) am Tag Petri und Pauli». 

Can/ oder vorwie^rond katholische Gemeinden : Zahern^ 
Montag nach Maria Gehiitt (5 Ta^'e), frülier am Tage selbst-* 
(Patronslag am 1. Sonntag- nach der Oktav von Maria Heim- 
f-uchung) ; HochfcItJou Muntag nach Matthäus (3 Tage) (Pa- 
tronslag: Peler und Paul); Beinheim, Sonntag nacli Lukas 
(Palruuslag ; Kreuz-Erliöhung) ; Bftlil, Sunalag nach Gallus 
(Palronstag: Ulrich); Niedei-rödern, Sonntag nach Laurentius 
(Patronstag : Sonnlag vor Jakobus) ; Kaidenhurgy Sonntag nach 
Martini (Patronstag : Sonntag nach Marifi Heimsuchung) ; Gun- 
Bleu, Sonntag nach Gallus (Patronstag: Michel). 

Am Ostermontag und »Dienstag findet Kirwe statt in Ober- 
dorf'Spachbachy früher auch in Keffenack (Patronstag : Georg). 
In folgenden Dörfern ist oder war Kirwe am Pfingstmontag und 
•Dienstag : Lembach (Patronstag : Jakobus), Lampertaloeh (Pa- 



» Pfarrarchiv Von Schwindrateheim, 

SJ Pfair Archiv von Alteckendorf. 
8 Flarrarchiv vou Obernxodern, 

*■ «Schnallenbueh» von Bmtnheim [16121 S. 71 : Uariä Geburt 
dz T^r Zaber n Mestag. — Im Laufe der Zeit unterlag der Beginn 
mekrfackea Schwankungen. 



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* 



— 221 — 

ti onstaij : Maria Heimsuchun-f), Diefenbach hei Wurth (l*atroiiS- 
tag; Josef), Schirrhein (Patronstag: Nikolaus), Weitersweilev 
(Patronstag : Micbei) ; Koßweiler ; am PfingstsoDiitag und -Mon- 
tag: Wibohheim (Patronstag: Tropbimus) ; am Sonntag vor 
Pfingsten und am Pfingstmontag : Sehutahweiler (Patronstag : 
Sebastian). 

In einer weiteren Reihe von Fftllen wird der Mefiti nach 

einem beslimmten Sonntag' im Monat bestimmt. Hier einige 
Beispiele, <iie lauter konfessionell gemischte Dörfer betreßten. 

Juli : 3. Sonntag, Hör zweiler (Patronstag: Leopold). August; 
2« Sonnta<r, Surbury (Palronslag: Arbogast); 4. Sonntag, Sulz 
unterm Wakl (Patronstag- : Peterund Paul). September: 1, 
Sonntag, Eberbach bei Selz (Patronstag : Ludwi}::) : 2. Sonntag, 
Fröschweiler (Palronstag: Michel): 3. Sonntag, llohvuuler (Pa- 
tronslai.' ; Johannes der Täufer). Oklober : 1. Somit.iLi, Ingoh- 
heirn (PaUüuslag: Michel); 3. Sonntag, Vendenheini (Patrons- 
fag : Lambert): 4. Siuint.ig, Birlenbach (Palroiistng : Moritz); 
Sonnla;^ vor Allerheiligen, Gorsi/or/" (P*ilronstag ; Marlin). No- 
vember : 1. Sonntag, Hunspach ; 3. Sonntag, Drachenbronn. 
Dezember : am 3. Adventssonntag, Biherkirch (Pati'onstag : Ni- 
kolaus). 

Es Ififlt sich nicht sagen, dafi man bei der Festsetzung des 
MeBti immer auf den Stand der landwirtschaftlichen Arbeiten 
Rücksicht nahm. Schon aus den obigen Angaben erhellt, daB 
Kirchweihfeste Qber Frühjahr, Sommer und Herbst verteilt 
wurden. Die meisten fanden im SpätsonnnGr und Herbst stalt, 
also in der Zeit von etwa Mitte August bis Ende Oktober. Das 
ist ungefähr die Zeit, in der die wichtigsten Jahreserzeugnisse 
eingeheimst sind. Im allgemeinen wird nach dem Ober-Elsaß 
zu der MeRfi früher, in Lnfhrinfren später gefeiert. In manchen 
Dörfern warlct man bis zur letzten Frist, wo noch öflfenfüche 
Tanzerlaubnis gewährt wird, so in Walten /it.'i m . Späte MeLUi 
sind außerdem diejenigen von Mittelhauaeu, lieilweiler, Ahr- 
weiler, Kirrweiler, Hanhofen, Morsbronn, spate Kirwen in 
Schaffhausen bei Selz und Kaidenbury. In Biberkirch und 
Dreibrunnen fällt der Meßti in die Adventszeit, es wird alsdann 
nicht dflfentlich getanzt. 

Wo ein später MeBti stattfindet, da blöht die Landwirtschaft 
und da nehmens die Bauern ernst mit ihrem Beruf. Die Arbeit 
geht ihnen vor» sie nehmen keine Zeit zum Feiern an. bis Reif 
und Schnee liegen und die Feldarbeit von selbst aufhört. Die 
Wirte haben nicht gern späte MeBtifeste» denn die kalte Zeit 



1 Znm Andenken an die Einweihung der Elrohe am Püngst« 
montag 1525. 



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222 — 



ist weniger zum vielen Trinken geeignet, und außerdem ist im 
Spitherbst wenig Geld mehr unler den Borachen. Die Tänzer 
machen sich aber nicht viel aus den Unbilden der Witterung. 
Bei offenen Fenstern tanzen sie sich warm und helfen, wenns 
Not tut, mit Wein nach. 

FrQher waren die Kirchweihfeste bezögUch ihrer Festlegung 
unantastbar. Es war auf den gegenseitigen Vorteil der Gemein- 
den in der Weise Rücksicht genommen, daß in einem kleineren 
oder größeren Umkreis niemals zwei Ortschaften am nämlichen 
Tage feierten. So konnte jedes Dorf seine Pflicht der Gastfreund- 
sch;ift erfüllen und die Jugend nach Bedürfnis und f.iist die 
((fremden» Meßli besuchen, lleuk^ befolgen die meisten Gemein- 
den nicht mehr die alle lJeherIiefernn<r, sondern sie richten sich 
vor allem nach der Zweckmäßijrkeil . Niilürlich S[tielt hierliei der 
Slaiui der Arljeilen eine Hauptrolle. Auch der Vurleii der Ge- 
meinden fallt nicht unwesentlich ins Gewicht : jedes Dorf ist 
bestrebt, möglichst viel «Fremde» anzuziehen. Mag das Nach- 
bardorf es auch so machen, das ist seine Sache ! So ist es viel- 
fach gang und gäbe geworden, den Meßti nach Gutdünken zu 
verlegen oder ihn willkürlich auf einen beliebigen Sonntag an- 
zusetzen.. Die alte, geheiligte Ueberlieferung wird rücksichtslos 
durchbrochen. 

So wurde die Kirwe von Niederrödern^ die seit 1827 all- 
jährlich am Montag nach Laurentius (10. August) stattfand, 
1904 auf den Montag nach Allerheiligen verschoben, weil sie 
na^h der alten Gewohnheit öfters mitten in die Weizenernte 
fiel. Der MeUheimer Meßti, der früher im x\upust a});i:ehalten 
wurde, wird seit einiger Zeit Mitte Okiober i^eleieit, und der 
Mieteshciiiwr Mel.it i, der seit Menschengedenken im Aujrust 
stattfand, wurde 1905 auf den 12, November versclio!)en — 
beide mit Rücksicht auf die Feldarbeiten. 15)05 wurde der 
Dunzenheimer Meliti, der sonst 8 Ta^e vor dem Huchl'elder 
gefeiert wurde, wegen der Hopfenernte in den Oktober verlegt. 
Aber nun fiel er mit den jüdischen Feiertagen zusammen, und 
da ging der jüdische Fleiscblieferant zu den einzelnen Ratsmit- 
gliedern und erreichte eine nochmalige Verlegung, ohne daß 
aus der Gemeinde Widerspruch erfolgte. Der Getiderlkeimer 
MeBti, der sonst nach dem Brumather stattfand, wird seit 
einigen Jahren zugleich 'mit dem Brumather gefeiert. Dadurch 
werden die jungen Leute abgehalten, ihr Geld nach auswärts 
zu tragen, sie müssen es im Dorfe selbst au^ben. Besonders 
häutig erfolgt eine Verlegung des Me£ti wegen Einquartie- 
rung. 



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— 223 — 



Yori3ereitung^Zk im Familienkreise. 

Zu einem Fesle von der Bedeutung des Meßti, wozu sich 

Gäste von nah und fern einstellen und bei dem jeder neidisch 
nach dem Nachbar hinüberschieli, muß vor allen Dingen Haus 
und Hof sauber dastehen. Nicht daß dei- Dorfbewohner keine 
Reinigung vornähme, wenn kein Meßti stattfände oder falls er 
einmal ausfalll, aber die Gelegcnlielt wird !>enützt, ebenso wie 
in den meisten Dörfern sciion im Hinblick auf Ostern das Haus 
ein neues Gewand bekommt. 

Die Woche vor Meßti, die Meßliwoche, wird mit Aufwaschen, 
Scheuern, Putzen und Reini^^en des }^aiiz«n Gehöfts ausgefüllt. 
Der Mauiei- tüncht die Wände drinnen und draußen, und nun 
stellt das Haus in blendend weißem Anj-ti ich da, von dem sich 
das Fachvveik gefällig abhebt. Wer kleine Ausbesserungen oder 
Neuanschaflungen zu raachen bat, der tut dies im Hinblick anf 
den Meßti« Besonders da, wo erwacbMe junge Leute sind, 
sieht man auf tadelloses Aussehen des Innern, der Möbel and 
der Kfiche« Aufierdem wird große Wäsche abgehalten^ das 
Weißzeug alter Hausgenossen und die FenstervorbSnge fiisch 
gebügelt. Eine nicht geringe Ausgabe' erfordert der Ankauf 
neuer Kteidungs- und Trachtstacke für die jungen Leute» ins- 
besondere für heiratsfähige Töchter. Schreiner, Maurer, Schuster, 
Schneider, Näherin und Büglerin haben wochenlang, oft bis 
zum letzten Augenblick vollauf zu tun, und für sie ist daher 
der MeRfi tatsächlich ein Erhol ung^sfest. Das männliche Geschlecht 
ist aber in dieser Woche kaum zu beneiden, namentlich in 
den Häusern, die mit zahlreicher Weiblichkeit gesej^net sind. 
Sie hindern überall, stören überall und können sich meist nur 
noch zum Es>-en und Schlafen im Haus aufhalten. 

Nicht weniger winl m der Mei^iwoche lüi' die Vurl>L'rei- 
tungeii auf das leiblic he Wohl der Festteilnehmer und ihrer 
Gäste gesorgt. Früher schlachtete man regelmäßig ein Schwein, 
und dies geschieht auch heute noch vielladi, wenn es die Jahres- 
zeit wegen der Hitze nui einigermaßen erlaubt. Häutiger wird 
aber jetzt «angeschallU, d. h. Fleisch vom Metzger gekauft. 
Dazu füllt man in Weingegenden das Meßtifaü. Der Meßtiwein 
verdient schon insofern seinen Namen als er die Meßtitage nie- 
mals überlebt. Am Samstag wird den ganzen Tag Mörliekuchen 
gebacken, er heißt danach im Volksmund der Kucheniiachsams- 
tag. Das beliebteste Gebäck ist der Kugelhopf, der in unserem 
ganzen Gebiete mit Ausnahme der Weißenburger Gegend üb- 
lich ist. Er wird aus Mehl, Bulter, Zucker und Eiern unter 
Zusatz von Milch, Rosinen und Bierhefe in einer irdenen Form 
hergestellt. £r hat die Gestalt eines aligeslumpften Kegels mit 



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— 224 — 

j^erade oder schräg verlaufenden erhabenen Rippen und in der 
Achse eine Vertiefung. Au der oberen Fläche wird jede Rippe 
mit einer Mandel belegt und der ganze Kugelhopf noch mit 
Zuckermehl bestreut. Von demselben Teig bäckt man in be- 
sonderen Formen Fische, Karpfen und Lilien (große heraldische 
Lilie). 

Ferner sind überall Kuchen von der Form eines kleinen 
Laibes gebräuchlich. Sie werden aus Weißmehl, Zucker« Eiern, 
Milch und Bierhefe hergestellt, manchmal unter Zusatz von 
Rosinen, und oben mit Eigelb überstrichen. Sie fuhren ver- 
schiedene Namen. Im aligemeinen beißen sie Kuchen schlecht- 
weg, im Kreis Weißenburg dicker Kuchen und Kirwekuchen, 
auch Weck, im Hanauischen Motz und Mötsch, ira Süden 
Mötsche und Mütsche. Au« demselben Teig stellt mnn im mitt- 
leren Unter-Elsaß dtui Zimtkuchen her. Er ist flacher als 
iler Motz und wiid dick mit einem Gemisch von Zimt, Zucker 
und Maudehi bestreut. Aehnlich, nur etwas dicker ist der 
Ropfkuchen in tier Weißenburger Oe^^end. 

Allgemein backt mau ferner ccTartem», Törten, die je nach 
der Jahreszeit mit Aepleln und Zwetbcligen oder mit einem 
Aufguß aus Apfel- und Zwetschgenmus unter Zutat von Hosinen 
belegt sind. Man bat Tarten aus gewöhnlichem Teig und aus 
Blätterteig. Auch Biskuits, gewöhnlich Biskuitkuchen und Bis- 
kuittarten genannt, sind vielfach üblich« 

Ueber der Herstellung dieser verschiedenen Backwerke 
gehen allerdings die Vorräte in Küche und Kammer oft eng 
zusammen. Im Hanauischen werden nicht selten in einer Fa- 
milie 100 Pfund Mehl verbacken. 

Das gewöhnliche Kleingebäck sind die Hirzhörnle. Sie 
werden aus Mehl, Mandeln, Eiern und Zucker hergestellt und 
in frischer Butter brnnngebackcn. Sie haben die Gestalt von 
Hirschgeweihen, werden vielt'arli auch schlechtweg Hörnle ge- 
nannt. In den Weingegenden düilen -ie auf keinem Familien- 
tisch fehlen, zu einem Krflgel Wein stellt man dort stet?^ einen 
Teller voll Hirzhörnle. Im Hanauischen kennt man auch «Ise- 
küechle» (Eisenküchlein), die mit dem üben beschriebenen Teig 
in kleinen Blechfornten verschiedener Gestalt hergestellt werden. 

Spritzgebackenes ist eine beliebte Spezialität, die in Koäumler 
am Pfingstmontag als sogenannte Strauben gebacken wird. Man 
verwendet dazu Mehl, Eier, Milch und verschiedene geheime 
Zutaten und läßt den Teig durch einen Trichter in heißes 
Schmalz laufen. Dieses Gebäck ist weit und breit so gesehätzt, 
daß man den Koß weder Mei3ti auch den «Strüwemeßti» nennt. 

Wir haben hier bloß das herkömmliche Volksgebäck er- 
wähnt, das am Meßti auch in den Wirtschaften zu haben ist. 



— 225 — 



Natürlich sind in der letzten Zeit die Geheimnisse der städtischen 
Zuckerbackerei auch schon in die Dorfküche eingedrungen, 
nicht am wenigsten durch die Vermittelung der Wanderhaus- 
haltungsschulen. Man pflegt Verwandten und Freunden, auch 

dem Sohne in der fremden Garnison, der nicht zum Feste er- 
scheinen kann, gleich am Samstag reichhche Mengen von Ku- 
chen und Kleingebäck zu schicken. 

Ein «ehr beliebter Kuchen ^Yi^(^ am Kuchenbachsamstag 
— und übrigen^- auch jedesmal, wenn g-ebaoken wird — im 
rniffleren und suauchen ^nt^^r-Elsaß gegessen. Ks ist derFlauini- 
kuciieu, Kaskuchen, Fiammbrüeli, auch kurz Brüeli (von Brühe). 
Gewöhnlicher BroUeig wird in große üaclie Kuchen aiisprewalzt 
und mit «Schmiere» bestrichen. Man versteht d u unter ein 
nach dem Geschmack wechselndes Gemenge von weißem Küse, 
Rahm und Milch, welches mit mehreren Butterstückchen be- 
legt oder mit Rapsöl hegossen wird. Man schiebt den Kuchen 
auf einem Kuchenbreit in den geheilten Backofen, zwischen 
die rechts und links noch brennenden (flammenden) Holsknüppel, 
wo er nur wenige Minuten bleibt, und zieht ihn dann auf dem 
Kuchenbrett wieder heraus. Es gibt auch Flammkuchen mit 
Aepfelschnitzen, mit Irischen Zwetschgen und Zwiebel würfeln. 
In Dettweiler hiefi früher der Meßttsamslag der Käskuchen- 
samstag. 

Nachdem nun alles zum kommenden Meßii bereit ist, wirft 
der Bauer am Sonnlag Morgen noch einen Bück in Hof, Scheune 
und Stallungen. Alles ist in Ordnung, es kann closgehni». 

Die Finanzen, des Festes. Bas Versteigern 
und Vertrinken. Ke^tibursch und Hefitimaide. 

E«f ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß die Herrschaft 
und die örtliche Obrigkeit schon in alter Zeit dfs Zusammen- 
strömen vieler Moischen, den erhöhten Verbrauch von Nah- 
rungs- und Genußmitteln und, insoweit mit den Kirchweih- 
festlichkeiten Jalumarkte verbunden waren, das Einbringen und 
Feilbieten von Waren mit Abgaben belegte. Wohl in manchem 
Archiv dürften sich über diese Veriialiuisse zerstreute Notizen 
linden. Die uns zu Gebote stehenden Belege sind sehr spärHch^ 
obwohl wir unser Augenmerk bei der Durehforacfaung alter 
Urkunden» insbesondere der Dorfirechnungen im Bezirksarchiv 
des Unter^Elsaß, gerade auf diesen Gegenstand gerichtet haben. 

Aus der ersten Hälfte des i5. Jahrhunderts erfiihren wir, 
daß der Zoll von zwei Mefitagen in Pfaffenhofen^ 30 ß 

1 Bezirksarchiv des Unter-Elsaß, £. 2978. 

15 



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— 220 — 



Dach beuligem Cieldwerti 90— iOO M., betrug. In derselben 
Zeit ^rf der Meßtag su UUweiler* an Zoll 1 Pfund ab, nach 
heutigem Geldwert dO«— 66 M* Der Zell fiel den Herren von 
Lichtenberg zu. 

In Zobern wurden aus Anlaß des Meßtags verschiedene 
Abgaben erhoben, die teils der bischöflichen Herrschaft, teils 
der Stadt zufielen. Von 1531 ab wurde vom Meßtajr^woin Ohrn- 
t'eld erhoben «. Durch das j^anze 16. und 17. Jahrliundei t wurde 
Wej,'- und Eintrittsfreld, Ständojreld und Hüttengeld erholien. Ein- 
zelheiten finden sie Ii l»ei Ada m ^ferkw^rd!gerweise wurden auch 
die Bf'ii oer zu einem Beitrag für den Melllag heranj^ezopren und- zwar 
zur Hcsoiilunff der Meßinp-hüter. Dieser ffMel.U;i;^l>;i'zen» betruff 
154ti 8 ^ (~ 1,20 M.)5, w urcie Uauials sclmu als eine alle Gebühr 
bezeichnet und bestand noch 1692. Mit den Meßtagseinnahmen 
wurde eine Anzahl bedienst eter Personen besoldet. FOr uns 
ist es von Werf, daß i521 und 1539 der. Unterschultheiß und 
der Sladtscbreiber fOr 4>|t Tage, die sie auf dem Meßtag zu- 
zubringen hatten, je 9 ji; (1521 s 24»84 M., 1539 = 17,64 M.) 
und außerdem noch als Trinkgeld vom Ohmgeld jeder 2 ß er- 
hielten. 1544 bekamen sie jeder lU ß (= 17,60 M.), 1521 
außerdem noch ein Dutzend Nestel. Dieses Geschenic hieß der 
Meßtagkram und WMrde später in Gejd gereicht. So erhielten 
1618 unter andern der Land schrei her, der Unterscbultheiß und 
der Stadtschreiber jeder für ihren Meßtagkram 2 ß (= 1,48 M.)«. 
Noch heute nennt man das Geschenk, das man jemandem vom 
Meßli niiti)rin;.i, den (rMeßtikrom». 

In dieseiri Zusamnienhan^ i«:t zu prwiUiiien, daß der Schult- 
heiß zu Gitnbrett in (ien Jahren 1610 -1613, 1619 und 1621 
«lür sein Irten (Zeche, lAe( linung) am Meßtag» je 5ß (= 3,70 M.) 
aus der Gcmeindekassf» erhielt'. Aileniin;»'« ist zu liedenken, 
daß im alten elsässischeu Dort alle Dien.slleislungeu lür die 
Gemeinde durch Zahlung von Taglöhnen und Zehrkosten ent- 
schädigt wurden. Der Schultheiß bezog also außer seinem 
kleinen Gehalt (in GimbreU damals 1 AT 10 ß =: 22,20 M.) 
noch für seine Reisen, für die Teilnahme an den Jahrgerichten, 
fQr die Verteilung und Erhebung der Steuern und Gefalle, für 
die BeaufeKhtigung der Gemeindearbeilen, für die Besetzung 



1 Berechnet nach Hanauers (iaide nion^taire. Kixheiiu, 
Satter, 1894. — So auch alle folgenden Berechnungen. 

» Bczirksirchiv des Unter-Elsaß, E. 2978. 

» Ada m. Der Zaberiier HeUtag. Zabern, Giiliotf 1901. S. 9. 

4 a, a. Ü., S. 44 ff. 

* a. a. 0., S. 42. , 

6 n. a. O.. .'Of. 

7 Dort'rechnuügen iiu Ucmeludearciiiv zu üimbrett, 1610—1710, 



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227 



der Aemler und die Veieidigun^ der Neugewnhlten, für An- 
hörung der Recluiungen nnd so auch «am Melilaij:» eine nicht: 
unbedeulende NebeneiuuaiHne. Die Zehrkoslen wurden alle heim 
Sl üben will gejnacht, sogar «als man mit dem Wüilii we^en 
der Jahrs über gethanen Zehrung gerechnet», wurde «gezehrlj». 
1d den Dorfreehoungen von Gimbrett findet sich die erwähnte 
Ausgabe von 1621 — ^1710 nichjt mehr. 

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde der Ifeßtagsoll zu 
Westhofen auf dem Michaeli-Markt von 6 Gerichtsleuten ein- 
gesammelt und in die Büchsen empfangen, welche von dem 
Amtmann geöffnet wurden. Der Ertra;^ floii in die Gemeinde^ 
kas«e. 4631 ertrug der dortige MelWa- mit Zull, Standgeld, 
Ohmgeld und Heilergeld ii9 ff 19 3 1 ! {= 29ü,94 M.), 1701 
nur 9 11 4 ß (= 50,76 M.)K Ebendort halte im 18. Jahrhun- 
dert die Herrschaft das Meßtaghellorgeld am Jahrmarkt zu er- 
heljen, zu den übrigen Zeilen war es der Gemeinde zuständig, 
vom Ohm Wein 1 ß. Im Jahre 1749 wurde e<; mit dem iMetz- 
ger-Akzi.s verliehen^. Auch in der bereits oben erwähnten Mit- 
teilung Kippells^, daß bei der Feier des Meßtags «die Ein- 
weyhung des Wirlhs-Hauses wegen dem Interesse der Herr- 
schaften überblieben», ist das Interesse der Herrschaften dahin 
tu verstehen, daß diese aus der Einweihung des Wirtshauses, 
d. b. aus dem Aufiieben des Meßtags in das Wirtshaus mate- 
riellen Gewinn hatten. 

Welchen Umfang die Meßtage am Ende des 18. Jahrhun- 
derts angenommen hatten, erhellt aus der Tatsache, daß 1791 
die hanauische Verwaltung in der ganzen Grafschaft au Stand- 
geld von Märkten und Kirchweihen 373 n 4 ß (= 1120,20 M.) 
einnahm, wovon 306 fl 5 ß 7 ^ (= 919,ti7 M.) aus den beiden 
Aemlern Buchsweiler und Pfaffenhofen eingingen^. Wir ersehen 
auch hieraus, daß schon damals, wie auch in df^r ersten Hälfte 
des 19. Jahrhunderts, der Meßti in den alUianauischen Dörfern 
seine gröÜte Entwickelung hatte. 

Die französische Revolution l)eseiliyte nelien \ leieti anderen 
Abgaben auch diejenigen, die die alten Herrachat teii aus den 
Kirch weihtesleu zoyen. Die Gemeinden traten allein an ihie 
Stelle und »suchten nun aus den Festen auf verschiedene Weise 
Nutzen zu ziehen. lu Buchsweiler wurde 18U3 das Standgeld 
wieder aufgenommen, und zwar waren von einem Stand von 
einer DielenlAnge 60 Gentimes, von einer halben Dielenlänge 



1 Kiefer. Steuern, Abgaben usw., S. 38. 

s A. a. 0., S. 31. 

^Bippell, Altertum, Ursprung: nad Bedeutaug alter Cere- 
monien, usw. Augsburg und Frelburg, Wagner, 0. Aufl. 1757, S. 444. 
« Kiefer, a. a. 0., S. 68 u. 69. 



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30 Cenlimes, von den Kiümern auf dem Kaufliause aber je ein 
Fnmketi zu entrichten ». In (l('insell)t^ii Jahre wurde zu Hoch- 
felden der Meßlafr lüi' 1U5 rranken versteigert , die in 2 Ter- 
minen 14 Tage und 6 Wochen nachher zu bezahlen waren 2. 
1804 erreichte der Steigpreis sogar 275 Fracken*. Ad dieser 
hohen Summe dürfte wohl das gute Weinjahr schuld geweseo 
sein, das noch heute von. alten Leuten ats der tgroße Herhsl» 
beseichnet wird. Zu Zabem wurde die cBaiiernhütte» und die 
cMadamenhfitte» vermietet, der Mietpreis der ersteren erreichte 
oft 800^1000 Fr., der letzteren sogar aOOO Fr.« Es ist aber zu 
berücksichtigen, daß ^vir es hier, wie in Hochfeldenf neben 
dem Freudenfest für die ländliche Bevölkerung auch mit viel- 
he-uf li!ei! Jahrmärkten zu tun haben. In Hoch felden wird seit 
Menschengedenken der Meßti nicht mehr versteigert, .sondern 
an einen Privatmann verpachtet. Das jährliche Pachtgeld be- 
trägt zur Zeit für ü Jahre 1930 M. Darin das Korbg^eld des 
Wochen markls nnd das Standgeld der lieideri MeLUi (eigentliclier 
Meßti tirul Plingstmeßti), nicht aber die Tanzabgabe der Wirte 
einbugtitlen. 

In ländlichen Gemeinden entrichtete man nacli der napo- 
leonischen Zeil bluß eine Tanzsleuer von 3 — 6 Fr. für die Ar- 
menkasse. Bei flotten Meßti wurde wohl vorübergehend mehr 
erhoben, so in Üfdweiler in den ISSOer und 1880 er Jahren 
80—40 Fr., jeweils für die Dauer des ganzen Festes. Bis 1862 
war das Halten des Meßti in Bueh$weUer frei. Nur die Wirte 
bezahlten an den Tanztagen eine kleine Summe, wovon >/$ in 
die Stadtkasse, in die Armenkasse floß. Im allgemeinen 
waren aber vom Anfange des 19. f I i Imnderts bis gegen das 
Jahr 1880 die Verhaltnisse auf dem Lande so, daß ledi|^ich 
von den Taozwirten 3—6 Franken oder Mark in die Armen- 
kasse entrichtet wurden. 

In der ^»^uten alten Zeit vertrugen sich die vier Faktoren, 
die am Geldwesen des Meßti beteilifrt waren, anf das trefflichste. 
Es waren die Dorfl)ur-chen, die Musik, die Wirte und die Ge- 
meinde. Die Anscliauiin^% daß der Meiiti eine reine .\ngelegen- 
heit der Burschen sei, wurde von niemand bestritten. Die 
Burschen deckten durch ihre Teilnahme in erster Linie die 
Ausgaben des Festes und machten dahci mil liecht auch auf 
das Monopol der Vergnügungen Anspruch. In mehreren Ge- 

1 Protokoll der C^emeinderatssitsaitg' vom 27. Pluviöse XI (= 
16. Februar 1803). 

8 Desorl. vom 14. Fruc-tidor XI (= 31. Angast 1803). 

3 Desgl. vom 15. fructidor XJI (= 2. September lö04). 

* Klein, SaTerne et ses enriroas. Strasboaig, Sllbermann,' 
1849, p. 213. 



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229 — 



meinden des Kreises AVoißenburi^ halben die Ge^felliingsplllch- 
tigen der .Iahreskla<^>»^ i e Kirwe an sich gezogen und besitzen 
die übei lcitung aller \ eraüslalluii;-en, so in Nieder^teinharJi, 
KU Illbach, Lemhnch ui.d Oherhofen (Kanton Weiiieiihiir^), 
wolil auch nocii in ancieiii LHutern. Zu Kaltenhausen beißen 
sie geradezu die Meß Ii barschen. In G/afenstaden haiien sie 
noch heute das Vorrecht beim Ersteigern des Meiiii, aiaclien 
aber nicht immer davon Gebrauch. So lange die Zeitumsläude 
es der Gesamtheit der Dorfbarschen erlaubten» sich als die 
kraftvoHen Triger des Meßti lu behaupten und dem Meßti als 
ihrer eigenen Sache das nötige Ansehen zu bewahren, so lange 
blQhte der Meßti. Als sich dann im Laufe der Zeit die Macht- 
verhältnisse auf dem Dorfe verschoben, sank er allmählich und 
aieht jetzt seinem Untergang^e entgegen. 

Der Verlreler der Burschen ist der Meßlibursch oder Kirwc- 
bursch. Er tritt dadurch ins Dasein, daß der Meßil veisteigert wird. 

Nachdem vom Gemeinderai grundsälzlich beschlossen ist, 
daß ein Meßti sein wird, liommen die Burschen vom 16. Le- 
bensjahre an geraume Zeit vor dem Feste, etwa 2 — 5 Wochen, 
an einem Sanistajr- oder Sonntagabend in derjenigen Wirtschaft 
ziisarmiien, wo voiaussiclitlieh Meßli abgehalten werden soll. 
Alles ist vollzählig zur Stelle, oft, ist es die einzige WirUchatt 
des Dorfes. Ein aufgeweckter und zuni Selieizen aufgelegter 
Bniscbe erhebt sich und ruft: «Jetz wurd der Meßti versteijt ! 
Wer biet't?» Nun wird gesteigei-t und iwar nach Maß Wein 
^1 Mafi SS 2 Liter). Dabei geht es oft stOrmiscb, ja gefährlich 
zu, gewöhnlich ' weiB man aber schon im voraus, wer Meßti- 
burscb wird. In vielen Gemeinden ist man im Laufe der Zeit 
zum Bier übergegangen, in andern steigert man nach Geld, so 
in Dossen/ietm (Kr. Zabem) (bis 1901). Der Zuschlag erfolgt 
von selbst, wenn niemand mehr bietet, je nach der Anza]il der 
Burschen mit 30—80— i'20 Maß, die sofort getrunken werden. 
In alter Zeit wurde die Qualität des Weines von den Burschen 
vorher angedingt. Gewöhnlich wählte man Zwölfer, d. h. 12 Su 
der Liter, auch wohl Zehner, nicht selten Sechzehner, der 
€chon etwas «Extraes» war. Wurde nacb (leid gesteigert, so 
wird dies an niemand ansiiezahlt, sundern auch sotort in geistige 
^»etränke umgesetzt und diese gelrunken, z. B. 2 oder Ü Faß 
Bier. Manebinal wird auch eine Kleinigkeit gegessen, Wurst, 
Küse oder Heiing. Nacli ltui auf diese Weise der «MeLitihiirsch 
gemacht» ist, gelil dieser hinaus, um alsbald mit einem mach- 
tigen StrauB am Hute zu erscheinen. Die Burschen aber trinken 
und singen bis tief in die Nacht, oft bis zum granenden Morgen, 
«isie versüffe de Mefilij». Die Kosten trägt der Meßtibursch. 

Der MeBlibursch oder Kirwebursch hat die oberste Leitung 



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— 230 — 

und den Ei lös aus dem gnriz»^n Fp<»p. Kr ist nicht nur General- 
pächter, «ondern auch Oberzeieniünionmeisler. Er sorgt dafür, 
daß alles (»ideiillicli eingeht, damit die Burschen, seine Kame- 
raden, sich sorj^los der Festestreude hingel>en können, ohne 
durcli Ulier wai tele Gelclforderungen ijestörl zu werden. Außer- 
dem hat er dafür zu sorj^en, daß die Gebräuciie, insbesondere 
die Tanzsillen^ im alten bewährten Bahmen geübt werden und 
daB die aus ihnen erwachsenden Einnahmen richtig eingehen. 
Diese doppelte Aufgabe erfordert viel Umsicht und Entschlossen* 
heit. Der Meßtiburach muß daher ein aufgeweckter, lustiger 
und zugleich selbstbewußter Bursche mit kräftiger Stimme sein. 
Er muß das nötige Ansehen unter den Dorfburschen besilzen 
und über einigen Witz verfugen, um lieben und Zug in das 
Fest zu bringen. Auch im Trinken muß er seinen Mann stellen 
können, denn sonst verliert er bald die üebersicht und setzt 
dann von seinnm Gelde zu. So machte einmal in den 1860 er 
Jahren ein Meßtibursch zu Schwindratzheim so sdilecbte Ge- 
schäfte, (laß er eine Knh vprknufen mußle. 

Bei j^Moßen MeÜti überstiegen die Anforderungen des Fesles 
die Kräfte eines einzelnen, und der Meritibursch gesellte sich 
einen oder zwei geeiijnete Kameraden zu, die sich in seine 
Pllichten leillen und nun auch MeÜliburschen hießen. Der ur- 
sprungHchc Meßtibursch behielt die Oberleitung, aber oft waren 
sie untereinander uneinig und bekamen schon während des 
Heßtis Streit. 

Nicht selten sind im Dorfe zwd Parteien, die jede ihren 
Meßli, ihren Meßtiburschen, ihre Wirtschaft, ihren Tanz fttr 
sich haben. Dies war z. B. in den d 860 er Jahren öfters der 
Fall zu Dotsenlieim (Kr. Zabem) und zu Schtoindraizheim, 

In letztgenanntem Dorfe waren in den 1840 er Jahren sogar 
einmal 3 Meßliburschen, die ein jeder seine Partei und seine 
Tanzwirtschaft hinter sich hatten. Zu Hördt pflegen sich die 
jungen Leute nach den Altersklassen in drei verschiedene 
«Kameradschaften:» zusammenzuschließen, die jede ihre eigene 
Wirtscliati un<l ei^^ene Musik haben. 

Die Kit)! irhf ung des Meßliburschen als des obersten Leiters 
des Meütüesteä scheint schon alt zu sein. Urkundlich linden 
wir ihn zuerst 1740 in Schwind rnizheihi ^ und Miltelhaiisen^ 
als «cMeßlagsknaben», dann 1766 in Obennodern^ als «Meßlags- 



> Protokoll des KonsistoriuBis Buclisweiler vom 1. September 
1740 im Pfarrarchiv von Schwmdratdieim, 

2 Presbyterialprotokoll von Mittdhauten vom 1. November 1740 
im dortiucu Pia rrarchiv. 

* Presbyterialprotokoll voü Obermodern vom 2ü. Februar 1767 
im dortigen FfarrareMv. 



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— • 231 ^ 

purschen» erwähnt. Welche Ven iohtutij^en er zu versehen hatte, 
darüber fanden sich keine Aufzeichnungen. Aus einer kurzen 
fieinerkung im Pfarrarcbiv von Obermodem daß 1766 anf 
dem dortigen MeBlage Teller ausgespielt wurden, läßt sich aber 
schließen^ daß er acboa damals eine umfangreiche Tätigkeit 
entfaltete. Die höchste Entwickelang fand das Amt des Meßü- 
burschen im Hanauerland in den 1860 er Jahren. Der Kirwe- 
bursch im Gebiete der Kirwe scheint nicht die Bedeutung er- 
rungen zu haben, wie der Meßtibursch im Hanauischen. FQr 
das Ansehen, das dieser jj^enoß, ^eugt, daß man in folgenden 
KirwedöiTern die Bezeichnung «Meßtibursch» statt «cKirwehursch» 
angenommen liat : Kiihlendorf, SchwabweileVy Surhur'j, Hulsch- 
hch^ PreiiscUdorfy Görsdorf ^ Langensulzbadi und Froschweiler. 
Auljenlom wirf! im Meßligebiet die Bezeichnung Meßtibursch 
allj^LUiem auch für andere Verhaltnisse i(n Sinne von «gesund 
und laiiig zu allen Ausgelassenheiten« gehraucht. Ein Kranker, 
der wieder ganx geheilt^ körperlich und geistig frisch ist, ist 
cein llfeßtiburscfa». 

Die Tage des idealen Meßtiburschen aus der Dorfaristokratie 
sind aber überall schon gezählt. Man ist schon froh, wenn der 
oder jene halbreife Bursche oder Knecht das undankbare Amt 
fibernimmt. Immerhin ist aber das Vorhandensein eines Meßti- 
burschen noch ein Zeichen dafür, daß es sich um einen Meßti 
nach ländlicher Art handelt. 

Der Meßtibursch trägt am Hut als Zeichen seinei- Würde 
einen mächtigen und weithin sichtbaren Strauße aus künstliclien 
Blumen, Gold- und Silberfliltern und gefärbten Federn. Außer- 
dem hat er im Hanauischen ein (Lein-)Wandfürtüchel, eine 
kurze Schürze, die kaum das Knie erreicht und unten mit 
Spitzen l)e*elzt ist. In Sckweighausen trujj^ er früher dazu 
noch rote und blaue Bänder, so daß die französische Trikolore 
entstand. Der Kirwebursche in Oörsdorf hat die Schürze mit 
einem roten ßändel eingefaßt. Sie ist ein Geschenk des Kirwe - 
maide, das dafür ein Dutzend Teller l)ekonnnl. Der Meßti- 
bursch gesellt sich für die Dauer des Festes als holde Genossin 
das Meßtimaide zu. Gewöhnlich ist es seine Geliebte, und fröher 
war es eine groOe Ehre, Meßtimaide zu sein. Das Meßtimaide 
hatte kein besonderes Amt, es war einfach die ständige Tänzerin 
des Meßtiburschen und genoß mit diesem gewisse Vorrechte 
beim Tanze. In manchen Dörfern, so in LingoUkeinif fand sich 



1 PrcsbyterialprotokoU von Mittelhausen vom 1. November 1740 
im dortigen Pfarrarchiv. 

2 So auch im Ansbachischen und im Bohmerwald (fiessisehe 
Blätter für Volkskunde, I (19Q2), S. 71). 



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- 232 ^ 

der Moßtibursch ohne Meßtimaide, als Hagestolz in dea Wogen 
des Meüti zurecht. 

Nun handelt es sich für den Meßliburschen darum, wieder 
zu dem Gelde zu kommeDy das bei der Versteigerung des Meßti 
T6f trunken wurde. Dazu kommt noch ein anderer Umstand. 
Das Verhältnis des Meßtiburachen zum Wirt ist nicht in allen 
Fällen das gleiche, fieide haben das gemeinsame Bestreben, 
möglichst viel Geld auf anständige Weise aus dem Feste zu 
ziehen. Aber keiner kann ohne den andern auskommen. Des 
Wirtes Vorteil ist es, daß er den Meßti überhaupt bekommt. 
In großen Dörfern — und gerade da sind ja am meisten Geschäfte 
zu machen — gibt es auch mehrere Wirtschaften, und d u in ist 
der Wirt vor allem auf den guten Willen des Meßtiburachen 
und der hinter ihm stehenden Dorf'bur«;rhen angewiesen. Dazu 
weiß der Wirt den Wert eines Meßlibursilien, der durch .sein 
flottes Auftreten die Leute anxieht und f.'^thidt, .-iehr woht /u 
scliidzen. Andej'erseits muß der Meßtihui xii auch mil dem 
Wirte reell neu. Er ist froh, einen Tanzsaal und Räumliclikeiten 
zu beiiomineu, in denen er bessere Gescludle machen kann als 
in einer anderen Wirtschaft. In vielen kleinen und doch we- 
sentlichen Dingen ist er von dem Eutgegenkommen des Wirtes 
abhängig, so beim Unterbringen des Lebkuchenstandes, beim 
Würfelspiel usw. So kann es kommen, daß der Meßlibursch 
dem Wirte etwas gibt oder umgekehrt, oder auch daß die Vor- 
teile sich au^leichen. Gewöhnlich erhält der Wirt eine schon 
vorher vereinbarte Summe, die z. B, früher 20 Fr., dann bis 
40 M. und noch mehr betrug. Außerdem hat der Meßtibursch, 
ebenso wie der Wirt, 3-^ Fr. oder Mark in die Armenkasse 
zu zahlen. 

nie>:en beträt hl liehen Ausgaben stehen bedeutende iiechte 
gegemilier, die zu namhaften Einnahmen fuhren. Der Meßti - 
burseh hat das ausscldieL'dirhe Piecht, widirend des Meßli Leb- 
kuchen zu verkauten, erlaubte Siiiidu zu verauslallen, die Kon- 
zession an Fremde zuui Autschla^eu von Stünden, linden und 
Karussels zu ver-j^eben, und zwar auf Straßen und ölTentlitlien 
Plätzen, wo es ihm paUt und wu es zum Vorteil de^ Meßli ge- 
boten ist. Jedoch darf niemandem die Einfahrt versperrt oder 
das Tageslicht verdunkelt werden. Manchmal sind aber nach 
Ortsgebrauch die Stände — und hier kommt hauptsächlich der 
Lebkuchenstand in Betracht — bloß dann gebührenfrei, wenn 
sie in dem Hof eines Privatmannes oder des Wirtes unterge- 
bracht sind. Sobald sie auf den Straßen aufgeschlagen werden, 
sind sie der Armensteuer verfinllen« 

Eine recht ergiebige Einnahmequelle für den Meßliburschen 
bildet das Würfelspiel. Seine Kameraden unterstützen ihn dabei 



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— 233 — 

durch lebhafte Beteiligung, und nicht selten mischen sich ver** 
heiratete Männer unter die Spieler. 

Der Meßtibursch läßt von dem Tage an. wo der Meßti ver- 
trunken wnnie, bis zum Festt;)L;e sellist jeden Sonntaj^ in Her 
Meßliwirttchaft wnrfehi. Dies geschieht nach altem liraucli 
tischweise und geachlossen. Es gilt um Krugel und Teller, und 
zwar wild mit drei ^Vürleln gespielt. Jeder ßursch setzt zwei 
Su, später 10 die höthsle Nummer gewinnt, der Meßtibursch 
erhalt den gesamten Einssalz, den «Stock», Anstatt des Gewin- 
nes, 1 ICrügel oder 1/2 Dutzend Teller, wird der Gewinner oft 
mit S'^IO Su abgefunden, wenn er dnmm ist, auch mit 4—5 
Su. Warfen zwei Burschen dieselbe Nummer, so muBle jeder 
nodi 1 Stt oder 5 ^ nachsetzen. 0er Meßtibursch geht von 
Tisch SU Tisch, die einzelnen Stöcke wandern alle «ins Krü- 
geb, d. h. in ein wirkliches Krögel, das er mit sich fahrt. 
So gehn die Sonntage vor dem Meßti bei Spiel und Sehers 
herum, und nicht selten, z. B. in Morsbronn (bis 1882) gibt 
der Meßtibursch am Meßlisonntag nochmals einen gewaltigen 
Freitrun k zum besten. 

Die Bedeutung dieser Spielversammlungen darf nicht unter- 
schätzt werden. Es ist ohne weiteres verstnndhi h, daß liei dieser 
Gelegenheit vor allem von dem bevorstehenden Meliti j^esproclien 
wird, daß die Alten ihre Erlehnisse /um besten gehen und der 
zum ersten Mal zugelassene jüngste Jali)|?ang durch den Reiz 
der Neuheit gestachelt, sich mit besonderem Eifer den Meßti- 
gebräuchen und -freuden hingibt. Es ist im Kreise der Dor(^ 
burschen hinlänglich Zeit und Muße, alle Einzelheiten des Meßti 
zu besprechen, so daß die Ueberliefening, dieser wichtigste Um- 
stand bei' Erhaltung der alten Sitten, in hohem Grade gewähr- 
leistet ist. Dazu. bringen die Burschen noch das Gehörte und 
die Kunde von dem Beabsichtigten in ihren Familienkreis, na- 
mentlich zu ihren ledigen Schwestern, die ihrerseits wieder in 
der Vorahnung der seltenen Dorffreuden schwelgen und in den 
letzten Tagen kaum mehr schlafen können, üeber die Ausgaben 
wird leicht hinwegjresehen ; denn der Bursche bringt ja Krügel 
und Teller mit, nicht selten mehrere Stöcke, und der Haushalt 
wird hierdurch bereiclifit. 

Es sei nochmals betont : der hier geschilderte Zustand be- 
trifft im allgemeinen längst veigangene Zeiten. Er k;im vielfach 
schon vor 1870 ab, so in Vcndenlieim ^ lorner zu Guiubiechls- 
hofen in den 1870 er Jahren, zu Morsbroytn [8S2, 7x1 Schwind- 
ratzheim 1883, zu Alteckcndui-f 18 J8, zu ßiisweiler uml ho^sen- 
heim 1900. Da oder dort mag er sich etwas länger erhalten 
haben, dflrfte aber beute kaum noch anzutreffen sein. 

Im Laufe der Jahre kamen nämlich sowohl die AVirte als 



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— 534 — 

auch die Gemeinden zu der Einsieht, daß mit dem Meßti doch 
noch mehr als bisher zu machen ist, besonders wenn sie sahen, 
daß bei einem flotten Betriebe und g^ioßem Fremdenstrom der 
MeJitibnrsch mühelos seine Taschen füllte. 

Und nun ist es merkwürdig, zu vei tol;^en, wie Wirt und 
Gemeinde ein jeder seinen Vorteil zu wahren un(i mögHchst 
viel für sich :jelbst herauszuschhi^ien sucht. Nunmehr nimmt 
die Gemeinde den Meßti in ilue kräftige Hand und vergibt 
iiin einem Wirte um eine feste Ta.ve, die z. Ii. in Büsweiler in 
den 1890 er Jahren 40 M. betrug, dazu noch 10 o/o Zuschlag 
ffir die Armenkasse. Später iSBt die Gemeinde den Meßti xum 
besten der Gemeindekaese meistbietend Tersteigem. Eine Zeit- 
lang berficksichtigt man noch die geschichtlichen Rechte der 
Dorfburschen, indem man ihnen das Steigerungsrecht vorbehält. 
So haben noch heute die cConscrits» zu Grafenstaden das Vor- 
recht. Später erweitert die Gemeinde den Kreis der Berechtig- 
ten, sie läßt alle Dorfeingesessenen und dann überhaupt i ^den 
zahlungsfähigen Menscben, auch einen Auswärtigen und selbst 
Vereine und Gesellschaften zu. Vielfach überläßt man schon 
den Meliti liesondern Unternehmern, welche hinreichende Er- 
lalirmiy besitzen und mit allem Nötigen ans;iestr\ttet sind. In den- 
jenigen Durfern, wo die Sitte des Geschenklebkucbens im Schwung 
ist, spielen auch die Lebkuchenbändler eine wichtige Rolle. Oft 
geht es bei solchen Slei«rerungen heiß her, denn das Recht des 
alleinigen Belriebs und des ausscbließlichen Verkaufs von Zucker- 
waren und jdlerlei Gegenständen ist manchmal sehr einträglich. 

Eine allgemeine Regel oder Sitte gibt es heute beim Ver- 
steigern nicht mehr, die Gemeinde läfit sich nur von ihrem 
Vorteil leiten. Es verlohnt sich wohl, einige Einzelheiten aus 
diesem Kampf um den Meßti anzuführen, der die Dorfleiden- 
fichaflen in hohem Maße aufzustacheln pflegt und nicht selten 
den Anlaß zu Todfeindschaften gibt. Schon manches Gemeinde- 
i atsmitglied und mehr als ein Bürgermeister ist über dem ehr- 
heben Bestreben, der Gemeinde eine außergewöhnliche Nehen- 
einoahme zu erwirken und auf diese Weise Zuschlagspfennige 
zu ersparen, zu Fall gekommen. 

Ist bloß ein einziger Wirt iin Dorf, so läßt die Gemeinde 
die Hmsrhen oder sonstige Dortj^enossen stei^^ern. ^ind zwei 
üiler mehrere Wii'le im Dorf ansässig, so kommt es ganz dar- 
auf an, wie sie gegensoilig stehen. Am p-nnstiirsten für den Ge- 
nieindesäckel ist es, wenn sie schlecljl aiileiiiander zu sprechen 
sind. Dann treiben sie sich in die Hohe, und die Gemeinde 
heimst johne Mühe einen schönen Gewinn ein. So wurden 
1901 in Büsweiler 110 M. erzielt, 1806 in KirrweiUr 195 M., 
1903 in Bersten 240 M. und in Ringendorf 295 M., 1899 



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— 235 — 

in Dunzenheim 320 ;M., 1900 in Wolfi^heim 500 M., in den 
iSßO'ev Jahren zu ßifchsweiler 1000 Fr. Halten die Wirte zu- 
sanimen und verabreden Rie sich, eine gewisse Summe nicht zu 
überschreiten (z. B. 1(X) M.), so erreichen sie gewöhnlicli, duß 
sieden Meßti abwechselnd ^'^e^^en einen festen Preissatz erhalten. 
Wohl lassen sich die habsürlifigen Wirte ein Hinausscliieben 
des Salzes durch die Gemeinde ;^'efallen, aber nicht selten ^abeu 
sie sich geirenseitij,' das Wort und nahmen dann den Meßti 
ülicrhaupt uicht an. Das lehrreiche Beispiel von Alteckendorf 
ist bereits oben erwähnt (S. 205). 

Von Vereinen ist es besonders die Feuerwehr, die den 
MeBti zum besten der Vereinsl^asse öfters öbernicnnit. So mehr- 
mals die Feuerwehr von QttaUenlieim und MiUslbergheim, 
1899 diejenige von Kolbsheinif 1900 die von Jttenheim, 

Bemerltenswert ist, daß in Illkircli'Grafenstaden, obwohl 
es schon längst eine politische Gemeinde ist, der Meßti getrennt 
in zwei Abteilangen versteigert wird. Die Stände von Jükirch 
werden von denen von Gmfenstaden abgesondert angeschlagen. 
Die liathi !] !ie Kirche bildet die Scheidelinie. 

In den letzten Jahren kommt immer mehr die Uebung auf, 
auswärtige Unternehmer zuzulassen, und oft gelingt es auf 
diese Weise, bedeutende Summen herauszuschlagen. So erhielt 
J901 in Weilbruch ein Budeid)esitzer den Zuschlag für 400 M., 
1904 in Vcndenheirn ein Karussell besilzer für 425 M. 

Als Beispiel, wie sich die Sleigerunjisverhältnisse im Laute 
der Jahre umgestaltet haben, mög« Vendenheim dienen. Schon 
vor 1870 wurde der Meßti von der Gemeinde unmittelbar unter 
die Burschen versteigert. Er trug 150 Fr. und später bis 200 M. 
ein. Durch Vergebung der Plätze erzielten aber die Burschen 
doch noch einen Ueberachuß, der spater vertrunken wurde« Die 
Wirte hatten dabei nichts zu tun, da fiberall Tanzerlaubnis war« 
Später einigten sich die Wirte dabin, daß immer nur einer . 
tanzen ließ. Durch diese Abwechselung erreichten sie, daß we- 
nigstens alle paar Jahre eine größere Einnahme zustande kam, 
während bei allgemeiner Tanzertaubnis nach Abzug der Kosten 
keiner viel verdiente. Vor etwa 10 Jahren wurden die Burschen 
die Sache überdrüssi^\ Das ganze Geschäft war ihnen zu um- 
ständlich, und ihr Geld wurden sie ja schließlich doch los. 
Nun steigerten die Wirte, und der Ertrag war 250— 300 M. Da 
sie aber zusammenhielten, ließ der Gemeinderat auch Fremde 
als Steiferer zu. Diese \vurd*:'n natürlirli von dpn Im idiei mischen 
in die Höhe gelrieben. So erhielt der Karusselibesitzer Schwartz 
1904 den Vendenlieimer Mel.Hi um 510 M. 

Ferner mögen die Bedingungen aus dem Meßli-Verslcige- 
rungsprolokoll von AUeckendorf aus dern Jahre 1906 als Bei- 



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8piel aus der Neuzeit hier folgen: cDer Steigerer hat allem das 
Recht, Tauzhelustigungen ahzuhalten, erlaubte Spiele zu veran- 
stalten, sowie Stände (Buden) zum Verkauf aufzustellen. Der 
Sleigpreis samt Zuschlajrs|»feiniiL;eM ist bis zum 41. November 
d. J. an die zuständige Sit n i kasse zu entrichten. Der Steiiierer 
hat 10 Pfennige pro M u k zur Deckung der Kosten zu tragen. 
Der Meßti finilet statt Sojuitag den 16. und Montag den 17. 
Sei>teinber. Der Sleigpreis erhält einen Ansatz von 135 M., 
und unter diesem Ansatz darf der Zuschlag nicht erfolgen. 
Stempel-, Uegistrier- und Schreihgebühr Irägt der Sieigerer. 
Am Nachmefiti darf keine Tanzbetustigung abgehalten werden.» 

Gemeinden, in denen sich eine größere Anzahl von Baden 
und Ständen einzufinden pflegt, vergehen die Standplätze manch- 
mal einzeln nach einem festen Preissatz. So werden in Dorlia- 
heim 60 Pf. für den Quadratmeter bezahlt, in Ruprechi9au 
aber 12 M. In Dodisheim erhebt der Meßtihalter von den 
Wirten eine Tanzabgabe von je 15 — 20 M., ebenso von jedem 
Karussellbesitzer. Schiltigheim läßt seit 1886 die Meßtiplätze 
einzeln versteigern. Während der Meßli durch die Gesamtver- 
sleigerung 1884 die Summe von 1320 M. und 1885 eine solche 
von 1450 M. eintrii^s stiep: er 188Ü auf 1723,50 M., 1904 auf 
4052,60 und 'J!»0(i gar auf iTüO M. Auch in liKprecIdsda 
wurden die i'lätze einzeln versteigert und eriiaben 19ÜÜ die 
Summe von 1345 M., 1907 eine solche von 1254 M., bis M., 
der Quadratmeter. So kommt dem Meßli eine niclit gerijige 
volkswirtschattliche Bedeutung zu. 

In manchen Ortsctiäften werden die Mefitirechte ohne die 
Tanzerlaubnis versteigert, so in Balbronn (1900), in MUteHhertf- 
heim vor 1880. Die Wirte, die tanzen lassen wollen, bezahlen 
dann eine kleine Summe in die Armenkasse. Seit 1880 wird 
übrigens in Mittelbergheim alles zusammen versteigert und nur 
bei einem Wirte getanzt. In Walscheid ist die Tanzerlaubnis 
bloß einbegriflen, wenn das Angebot eine gewi.sse Höhe, ge- 
wöhnlich 180 M., erreicht. Andernfalls gilt der Tanz nicht. 
Getanzt wird aber doch, und wenn der Wirt dafür keine Ge- 
bühren erhebt, so läßt man ihn aiicli slülsrhwciirend gewähren. 

In allen Fällen kommt zum Steigerungspreis noch ein Auf- 
sclilag von 10 — '■20"i,i für <lie Armenkasse. Der Steiferer niuL) einen 
als zahlun;.(sta)ii^ bekannten Bür^^en bleilen, das Geld ist in der 
Regel binnen 14 Tagen fällig, oft auch später. In Winzenhei in 
ist es zu Weihnacht*'!! zalilhar unter der Bürg.schaft des MeJiliwirts. 

Durch die Umgelmug der Dorfburschen Lei der Versteige- 
rung ist eine gewaltige Bresche in den alten Dorfmeßti gelegt. 
Die Dorfburschen und der MeBtibursch sind gegenüber den 
Anordnungen der Gemeinde so gut wie ohnmächtig. Der Ifeßti- 



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SÖ7 — 



bur-acb hat nis Hauptpachtcr keinen Rouin mehr, ja der stolze 
Name des Meßtiburscheii wird schon viellach den gewöhnlichen 
Meßlisieijj^ereru bei^j^elejrt, die ihr Amt lediiilich als Geldgeschäft 
aiilTassen und ausüben. Derjeni,i;e, der den Meßli «hat» oder «hält^, 
wird Meßlibursch genannt in Dirkenwald, Balhronn, Mi'ililbacii, 
Grendelbruch und wohl noch in vielen anderen Gemeinden, 

Man sollte nun meinen, daß die Tage des Meßtiburschen 
gezählt 'Wären. Aber die Sitte des Meßtiburschen erwies sich 
als stark, läh haften die Burschen daran. Sie wird zam Selbst- 
zweck,' nachdem sie als finanzielle Grundlage des ganzen Heßti 
entbehrlich geworden ist. Noch ist ein flotter Mefitiburscb 
dem Wirt eine willkommene Hilfe, den Burschen eine gern 
gesehene Erscheinung. Als Veranstalter des Tanzwesens füllt er 
noch seinen Posten aus, wenngleich er sein Amt mehr als früher 
von Wirtes Gnaden annehmen muß. Erfreulicherweise gab es 
1906 auch noch zu Buchsweüer einen Meßtiburschen. 

Als Beispiel dafür, wie es gelang'-, die länrrst Oberflüssig 
gewordene Sitte des Vertrinkens des Meßti nebst der Wahl 
eines Meßtiburschen in die ohnedies sehr verwickelte Finanz- 
gebahrung des Meßli einzufügen, diene der Meßti von Ringen- 
dorf 1895. Der Wirt steigerte ihn für 125 M. von der Ge- 
meinde. Die Burschen, 30 an der Zahl, versammeln sich bei 
ihm kurz vor dem Meßti. Sie versteiijcrn den Meßti nochmals 
unter sich. Ein Bursche erhält ihn für 85 M. und wird Meßti- 
burscb. Davon gibt er dem Wirt gleich 40 M., die übrigen 
45 M. werden in drei Malen vertranken. Die 85 M. bringt der 
Meßtibursch durch die Einsätze, den Verkauf der Lebkuchen und 
andere Einnahmen auf, von denen weiter unteti die Rede sein wird. 

Das Würfelspiel an den Sonntagen vor dem Meßti ist wohl 
jetzt größtenteils aufgaben. Die Burm^en sahen ein, daß sie 
im Grunde genommen ihr gutes Geld, oft 5—6 Mark, vor dem- 
Meßti schon ausfrefifeben hatten, ohne etwas davon zu haben als 
das langweilige Würfelspiel und einige Teller und Krugel, die 
nicht einmal ihnen selbst zugute kamen. 

In vielen Dörfern aber findet sich kein Bursche mehr, der 
das Anjt versehen will, und schließlich fjeht es auch ohne 
Meßtiburschen ganz gut. Den Gemeinden 5^e!h-t :\her kann der 
Vorwurf nicht erspart werden, daß sie selbst den ersten Schritt 
zur Beseitigung des Meßtiburschen getan liaben, und daß mit 
seinem Verschwinden der größte Teil der Poesie des alten 
Baucrnnießli zu Grabe getrag'en wird. 

Ändere Gemeinden hingegen, so KiUtelty wo der Meßti seit 
1903 neu eingeführt ist, kfimmem sich gar nicht um die ffnan- 
zielle Seite des Festes und lassen ihn unbegreilUcher Weise 
überhaupt nicht versteigern* 



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238 ^ 



Der KircUweihschutz. Bar Me^tlhiiter. 

Das Ausrufen. 

Die Aulrec hlerhaltunjr der Ordnunj? auf dem Kirchweihfest 
ist heuUutaj^e eine allgemeine Aui^elegeuheit der Ort.spolizei. 
Auch in früheren Jahren sorgten Herrschaft und Gemeinde für 
einen ordnungsmäßigen Verlauf des Festes. Es war dies eine 
GegenleistttDg für die von ihnen geforderten Abgaben und lag 
überdies auch in ihrem eigenen Vorteil. So ist in ^ochfelden 
1803 b(;8litnmt>, daß cdie Vorgesetzten alle möglichen Maßregeln 
nehmen werden, daß der Steigerer in Haltung seiner Spiele 
nicht gebindert werden wird.» 

Die Sorge der Obiigkeit erstreckte sich auf die allgemeine 
Sicherheit, dann auf die Feuersgefahr und die ßetllerplage. 
Diesem Zwecke dienten die Meßtaghüter, über deren Tätigkeit 
auf dem allen Meßtag in Zabem uns Adara^ i^emerJienswerte 
Einzelheiten ^'ibt. 

Die Meljta;:hüter stimdei) unter dem Befehl eines Haupt- 
manns, waren besoldet unil wurden vereidigt. Im Jahre 1535 
hatten sie ihr Augenmerk aut alle Unordnunjr zu hallen, auf 
Schläfrereien und Steehereien, S(-liellen und Fluchen, falsches 
Spiel, L'nzuchl. GoUeslüslerua;; und «überüüssig Fulleryj). Wer 
bei einer dieser Handlungen betrotfen wurde, den nahmen sie 
fest und warteten die Entscheidung des Schultheißen ab. Sie 
hatten auch auf die Bettler zu achten, die oft in großer Anzahl auf 
dem Zaberner Meßlag erschienen und unter die sich manchmal 
gefährliches Gesindel und Uebeltäter mischten, die man zur Be* 
willigung fesseln mußte* Ferner waren sie bei der Erhebung des 
EingangszoUcs behilflich. 1558 lag ihnen auch die Feuerwacht ob. 
1750 war es ihnen erlaubt, Spiele abzuhalten, von denen sie 
eine Ah^^abe erhoben. Sie mußten daher jeder «3 Bäsch gute 
gleichliüge Würfel» halten. Ihr Amt war nicht beneidenswert, 
und es mußten ihnen oft Berittene und Soldaten zur Unter- 
stützun;; beig:egcben werden, so 1670 und 1088. Bei dem Um- 
fang, deu der Zaberner Melitag «genommen hatte, gab es 1750 
eine ganze Kompagnie Mel.Uagliüter unter dem Befehl zweiei* 
Hauplleute. Damals waren .<ie mit Gewtdir, i*ulver, Feuerstein, 
Kugeln, Bandolier und Degen ausgerüstet und taten zur EröH- 
nung des Meßlagt; ein jeder aseinen Meßtagsschuß». Ihr Ab- 
zug nach der Beendigung des Meßtags geschah ebenfalls unter 
Schießen und mit viel Geräusch. 



* Öemeinderalaprotokoil vom 14. Fractidor XI (= 31. August 
1808). • 
2 Adam, Der Zabemer Meßtag. SSabern, Oüliot» 1901. S. 28£ 



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— 239 — 



Jedeiilalls hatteti auch andere i^rößere Meßtage ihre Meß- 
taghüter mit denselben Verpflichtungen. Näheies entzieht sich 
unserer Kenntnis aus Mangel an archivalischen Quellen. 

In Hochfelden gab es 1804 MeßtaghQter, die von der Ge- 
meinde ernannt wurden. Der Sieigerer war verpflichtet, sie zu 
befriedigen, insofern sie cbei der HQtung und Haltung der 
Ordnung» beitrugen 

Auf dem Lande finden wir den Meßtihüter, das ganze 19. 
Jahrhundert hindurch und vielfach noch heute. Er hat ein Ge- 
wehr, aus dem er auch gelegenthch &ihiisse abgibt. Mit der 
öflentlichen Ordnung hat er jedoch prar nichts zu tun, sondern 
dient einfach als Ausstattuni^sperson und wird vom Meßlivoik 
Ott als scherzhafte Persönlichkeit aut'^^efaßt. Gewöhnlich ist es 
ein Aufwärter des Meßtiwirts. Wir werden ihm später noch 
mehrmals }ie«?eg:nen. 

Der tats;i(:liliclie Schutz des Kirch weih festes wurde früher hie 
nnd da äul'iei lieh durch eine teicrli( he iiandluui; ^jekennzeichnet. 
lu den kalhüliüciien Dürlei n Frankens verlas noch 1877 dei' herr- 
schaftlicbe Beamte den «Kirchweihschutz», in dem die Leute 
unter Androhung strengster Bestrafung zu Frieden und Einig- 
keit ermahnt wurden*. Von einem ähnlichen Brauche finden 
sich im ElsaB nur vereinzelte Spuren« In Zäbem verlas der 
OberschultheiB von alters her und noch 1783 vor dem Beginn 
der FestlichkeiteD die cordinari Meßtagordnung» 3. Daselbst vei^ 
kündete noch 1849 der Bürgermeister auf dem MeBtiplatz das 
Polizeireglement. 

Zu AUeckendorf w urde bis in die 1860 er Jahre der Meßti 
«ausgerufen». Waren die jungen Leute um den Meßtihaum ver- 
sammelt, so gab ein Musikant einen Trompetenstoß. Dann hielt 
er eine scheizhaffe Rede mit drolligen Gebärden und allerlei 
zweideutigen IJernerkungen, die stets große Heiterkeit unter 
detü Mel.Uivolke liervunieren. Erst nachher erfolgte der Vortnnz. 
\V(«hl handelt es sich hier um eine .spöttische und scherzhafte 
Nachbildung des eii^entlichen feierlichen Ausrul'ens. Al)er es ist 
ja diiH Los vieler allei' Bräuche, daß sie sich bluß dadurch er- 
halten konnten, daß sie sich dem Lustbarkeitsbedürfnisse des 
'Volkes angepaßt und eine Form angenommen haben, die ihre 
ursprüngliche Bedeutung oft gänzlich verwischt. Möglicherweise 
rief in früheren Jahren der Bürgermeister den Meßti aus. Wir 
wissen ja schon^ daß 1737 der herrschaftliche Schultheiß den 

1 Gemeinderatsprotokoll vom 15. Fraetidor XII (s 2. Septem- 
ber 1Ö04). 

s PfannenBehmid, a. a. 0., 8. 284, 
3 Adam, a. a. 0., S. 38. 
< 8. 0., S, 181. 



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— 240 — 

Meütaij «canfülirte». Hütte der Pfarrer Ph. G. Lang diese Ver- 
anstaltung damals unter dem Ge<ichtspunUte der Sitten statt 
des Siltengerichls beurteilt, so wäre uns siclieilich eine an- 
schauliche Beschreibung im Alteckendörfei Ivii ciienarchiv er- 
halten geblieben, die unsere Vermutung bestätigt hätte. Daß 
übrigens firQher im Elsafi iD weiterem Umfange der Meßti aas- 
genifen oder verkQndet wurde, beweist die noch heule im Ha- 
nauischen und im Kochersbergerlande j^elftufige Redensart ceim 
de Meßti verkünde od. usrQefe» im Sinne von cjemandem ein- 
dringlich vorhalteD, was recht und was nicht recht ist; ihm 
den Standpunkt klar machen.» 

Eine feierliche Krüffnung der Kirch weih fest Ii clikeiten durch 
die Ortsobrigkeit findet unseres Wissens heute im Elsaß nirgends 
mehr statt. Der Meßti gilt aber vielfach noch dadurch als be- 
gonnen, daß ihn der Bürgermeister in mehr oder weniger be- 
stimmten Worten beim Empfani^; des Aufzuge«! für erölTnet er- 
klart, Iii manchen Dörfern, so in Doffsenlieim und Writer^- 
wcilefy war es üblich, daß die Bursclien ihn um die Erlaubnis 
der Eröllnung baten. Vielleicht ist dies hie und da noch ül)Iich. 
Doch ist es wohl kaum mehr als eine Höflichkeitsformei. 



(Fortsetzung im nächsten Jalirbucb.} 



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XII. 

Ein Bild Kaiser Friedrich Rotbarts 

aas dem 12. Jahrhundert zu Hagepau, 

von 
Max Bach. 

Heinrich Leniphul bringt unter obigem Titel im vorigen 
Jahrbuch eine interessante Studie ühe.v eine kirchUche Skulp- 
tur, die nach seiner Meinung aus dem Kloster Neuburg bei 
Hagenau bt^ainit. üeber die angegebene Provenieüz will ich 
mich nicht veiter verbreiten, nach den Ausführungen des Be- 
richterstatters ist das wohl möglich, ja wahrscbeinUch, doch 
sind die dafür ins Feld geführten Argumente, für mich nicht 
ganz überzeugend« 

Leider muß ich aber die Hauptsache der ganzen Unter- 
suchung, ein Bildnis Kaiser Friedrichs Barbarossa in einer der 
Figuren des Reliefs gefunden zu haben, entschieden verneinen. 

Ich habe mich gerade mit der Persönlichkeit des genann- 
ten Kaisers eingehend beschäftigt und alle auf uns gekommenen 
schriftlichen und bildlichen Denkmale über dessen äußere Er- 
scheinung studiert. 1 Nicht allein diese, sondern auch alle 
übrigen gleichzeitigen Abbildungen deutscher Kaiser aus dem 

Jahrhundert, hissen erkennen, daß die Kaiser niemals 
in geistlicher Tracht erscheinen. Die geistliche Tracht aut" dem 
Hagenauer Relief läJit sich aber nicht verleugnen ; die Figur 
trägt nicht allein die Mitra, sondern aucli die Kasula mit 
dem aulgenählen gabelförmigen Kreuz in Y-Furm, wie es 



» Friedrich Barbarossas Persönlichkeit nnd Charakter von Max 
Bach. Besondere Beil. d. Wfirfctemb. Staatsanzeigers 1906, S. l(A ff. 
Ebenda 1905, Oeatsohe KaiseibUder des fi-uben Mittelalters. 

16 



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242 



Otte nennt; äberdies hält sie noch in beiden Händen Attri- 
bute, beziehungsweise Reliquien, welche nur geistlichen Per- 
sonen zukommen. Eine Dalmatika hier anzunehmen ist un- 
statthaft, die kaiserlichen Dalmatiken sind stet« unten gerad- 
linig abgeschlossen und haben niemals das nur den Bischdfen 
zukommende gabelförmige Kreuz; außerdem ist die Dalmatika 
ausschließlich den Diakonen eigen. 

Für die Form der Kasula, welche vom 11—13. Jahrhun- 
dert stets nach unten zipfelförmig ausgeschnitten ist, ließen 
sich unzahlij^e Beispiele auf Grabdenkmälern und Siegeln bei- 
brinj^^en ; (vergl. nur die Arbeiten von Bock, Olle und viele 
andere) es «ribt aber auch Kasein mit geradlinigem Al)schluß, 
z. JJ. die eherne Grabplafte des Erzbischofs Frieflricfi j- 1152 
im Dom zu Magdeburg,! diese Kasein ähneln juehr den Dal- 
matiken und haben lange Aermelarli*^e Seitenslücke. Die Kasula 
des dargestellten Bischofs hat wirkliche kurze Aermel, es ist 
daher unrichtig, wenn Lempfrid behauptet, die Seitenschliizc 
der Dalmatika liegen bei der dargestellten Figur hinter den 
nicht sichtbaren Teilen des' Gewandes. Eine mit Aermeln ver- 
sebene Kasula konnte zugleich nicht auch Schlitze haben, 
ebensowenig trifft die Erklärung der unten in der Mitte sich 
ganz zuspitzenden faltigen Kasula zu, indem diese Falten im 
gegebenen Fall, nicht durch die Körperhaltung oder die Weite 
des Gewandes entstehen, sondern durch den schon erwähnten 
Zuschnitt, s Soweit die Abbildungen es erkennen lassen, kann 
auch darüber kein Zweifel sein, daß eine Mitra und keine 
Krone darj^eslellt ist. Was nun die Gesichtsbildung anbelan^rt, 
so ist l)ei dem ruinenartigen Zustand des Kopfes, geradezu 
ausii:estlilossen, auf etwaige vorhandene Porträt ähnlichkeit 
schiieüen zu wollen, um .so weniger, da wir kein einzige?, Könst- 
lerporträt des Kaisers haben und alles Vorhandene, sowohl 
Plastiken als Minntuieü Stumperarbeiten sind. Ganz über- 
flüssig ist auch die Frage nach dem Urheber des Reliefs und 
allen daraus zu folgernden Konsequenzen. Die Arbeit ist eine 
in allen Teilen stflmperhafte, und ist wahrscheinlich von 
einem gewöhnlichen Steinmetzen gefertigt, der sich um Por- 
trätähnlichkeit absolut nicht kömmerte. 

Was nun die Attribute anbelangt, welche der Bischof in 
beiden Händen hält, so dürfen wir die Auslegung Lempfrids 
akzeptieren, welcher vermutet, das Kreuz beziehe sich auf die 



1 ZeitBchr. f. ehiistl. Kunst 1906, S. 371. 

* Allerdings gab es auch glockenförmig zagesehBitte&e Ka« 
sein, -vvie diejenige des hl. Bernhard in BranweileTi zu welcher 13 
Ellen Stoff nötig waren. 



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— 243 — 

Verleihung eines Partikels des Kreuzes Christi an das Klo- 
ster Neuburg, und der andere Gegenstand in der Linken des 
Bischofs sei als Reliqnienkästchen sa deuten. 

Geben vir zu den bddeo anderen Figuren Ober, welche 
zur Linken des angeblichen Kaisers stehen. Daß die zunfichst 
stehende Figur einen Abt vorstellt, geht aus dem Kostüm un- 
zweifelhaft hervor. Charakteristisch sind besonders die zuge- 
nestelten Seitenschlitze des Gewandes, die dazu dienen, die 
Kutte je nach Belieben zu tragen. Der Abt hält mit beiden HSn- 
den einen Gegenstand, der aus den vorUegenden Photographien 
nicht deiitlirh zu erkennen ist. Lempfrid erkennt darin das 
Modell einer ivirche in basilikaler Anlage, auflallend ist ihm • 
und mir die fehlende Spitze und die ausgeschweitten Dach-, 
flächen. Könnte darunter nicht auch ein Heliquiar zu ver- 
stehen sein? besonders da, was auf der Photographie niclit 
recht deutlich ist, weder Tfiren noch Fenster eingehauen sind^ 
diese müßten selbst bei einem ruinösen Zustand noch erkenn- 
bar sein ; auch der Umstand^ daß das angebliche Kirchen- 
modeli von dem Abte durch ein Tuch als Unterlage gehalten 
wird» weist auf einen heiligen Gegenstand hin. Unter den 
viel&ch vorhandenen Statuen, die ein Kirchenmodell tragen 
ist mir noch keines begegnet, welches in dieser Weise ge- 
tragen wird, denn ein Modell kann nicht als beilig gelten. 
Die äußerste Figur wird von Lempfrid als Graf Reinhold von 
Lützelburg, den eigenlllchen Stifter des Klosters gedeutet ; auch 
damit irrt wohl der Verfasser, denn sowohl Kostüm als Ge- 
sichtsausdruck weisen ebenfalls auf einen Kleriker. Der eng 
anliegende Rock mit Kapuze ist demjenigen des ALts ganz 
gleich, nur trägt die Figur einen falligen Mantel, Avelcher über 
den recliten Arm gezogen an einem Zipfel mit der linken 
Hand gehalten wird, während die andere Seite um den f]llen- 
bogen des linken Arms geschlungen ist und ärmelartig herab- 
hängt. Was der Gegenstand in der erhobenen Hand bedeuten 
soll ISßt sich aus der Photographie nicht erkennen. Die scharf- 
sinnige Auslegung Lempfrids hier ein Eichenblatt su sehen, 
welches Bezug hat auf den vom Stifter dem Kloster Ober- > 
gebenen Waldbesitz, ist fr«lich nur dann mdglicb, wenn wir 
in der Figur wirklich den Grafen Reinhard erkennen wdtoi. 
Wie schon erwähnt, paßt aber das Kostüm absolut nicht fQr 
einen ritterlichen Herrn und die Glatze auf dem Haupte ist 
offenbar als Tonsur zu deuten. Daß die Figur anscheinend zu 
dem danebenstehenden Abt in einer handelnden Beziehung 
steht, ist wohl möglich und es scheint ;nirh in der Tat auf 
eine dem Kloster zuzuweisende Gabe hinzuweisen. 

In dem Lempfrid'schen Aufsatz ist dann noch ein wei;- 



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- 244 



leres Objekt erwähnl, welches mit der Skulptur in Beziehung^ 
gebracht wird» nämUch das voo verschiedeoea Schriftstellera 
erwähnte Grabmal dee Grafen Reinhold, welches sich im Chor 
der Klosterkirche befand. Dieses Grabmonument war nach der 
Beschreibunip des Polen Moreau eine Tumba mit der ftberlebens* 
groBen (?) Figur des Bestatteten, welcher wie Lempfrid angibt, in 
gegürtetem, 'bis anf die FäBe reichenden Leibrocke und im 
Mantel, nicht mit Harnisch, Helm und Schwert, wie die flbrigen 
in Neuburg bestatteten Edlen auf ihren Grabsteinen dargestellt 
war. Diese otFenbar j^anz willkOriich aus den kurzen Wor- 
ten des Elsasser Chronisten Herliog: «Darauf sein Bild- 
niß f^ehauen in alter Tracht und Kleidung», von 
Lernpfrid gefolgerte nähere Erlau t^rung, ist in tiem ge- 
gebenen Falle ja möglich, aber keinenfalls erwiesen, eijenso- 
wenig kann die Angabe Herlzo;:« zuverlässig sein, welcher von 
einer «erhabenen» Schrift spricht, welche in dieser frühen 
Zeit nicht üblich war. ^ Aus der weiteren Anf^abe Moreaus 
«autrefois decore de sculpluros» ist nicht ohne weiteres auf 
figürliche Darstellungen zu schließen, mit welchen die Seiten- 
Üächen des Sarkophags geschmückt gewesen .sein sollen. 

Nun sind aber Tumben mit den lebensgroß ausgehauenen 
Steinbildern der Verstorbenen, meines Wissens aus der Zeit 
des 12. Jahrhunderts nicht nachweisbar ; Otte sagt ausdrück- 
lich : «Die älteren (Tumben) sind nur niedrig und umschließen 
zuweilen wirklich den Leichnam» — erst seit dem i3. Jahr- 
hundert trajj^en die Hochgräber das Bild des Verstorbenen» 
und am Ende des Jahrhunderts kommen dann die Nischen- 
gräber vor, wie eine solche sich Lempfrid für die Tuba des 
Grafen f^einhold denkt. 

Ich glaube daher mit Sicherheit annehmen zu müssen, 
riaß das genannte Grabmal erst im 13. Jahrhundert errichtet 
wurde. Dafür lassen sich Bei^^piele, besonders auch in Klöstern, 
vielfach anführen. Ich erinnere nur an die Tumba des Herzoirs 
Friedrich von Schwaben im Kloster Lorch aus dem 15. Jahr- 
hundert. Weiter wurde dazu stimmen die erhabene Schrift 
auf der Platte, wie eine solche z. B. auf dein Grabstein des 
Grafen lllricbs von WOrttemberg und seiner Gemahlin in der 
Stiflskirche zu Stuttgart vom Jahre 1265 vorkommt ; audi dort 
ist der Graf nicht in Rüstung, sondern in langem gegürteten 
Rock und umgehängtem Mantel dargestellt. 



^ Eine interessante Tumba des 13. Jahrhunderts ist dicijenige der 
Or&fin Adelheid von Egisheim, Mitstifterin dss Oehiinger Chor- 
herrenstifts. VergL Die Abbildung bei Bogea« Die Stiftskirche su 
Oehhugen 1Ö85. 



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245 — 



Ist das Grabmal aber ein Werk aus der Mitte des i3. 
Jahrhunderts, so ist gans und gar ausgeschlossen, daß dazu 
die Hagenauer Reliefplatte mit den eben besprochenen Figuren 
gehörte. Abgesehen davon ist aber eine derartige Darstellung, 
die auf die Gründung und Begabung des Klosters durch den 
Grafen Reinhold sich beziehen soll, auf dessen Tumba anxu- 
brin^^en, gewiü sehr ungewöhnlich und durch kein Analogen 
2U belegen. 

Wie -ülile das Kloster, dessen WaWbesitz stets von den 
Hohenstaufen bedroht wurde, die die Mönche zwangen zu 
ihren Ungunsten ihren Hechten, gegen Tausch des Gnies Seel- 
hofen zu entsagen, dazugekommen sein, gerade ein liai harossa- 
bild auf dem Grabmal anzubringen, dessen Anwesenheit in 
Hagenau erst 43 Jahre nach dem Tode des Grafen bezeugt ist. 

Die versucjite Ergftniung des Steines auf S. S5 der Ab- 
handlung kann unmöglich zutrefTen, Aus dem noch erhaltenen 
Bruchsttick geht doch soviel hervor, daß die Biscbofsfigur die 
Mitte der Platte eingenommen haben muß, und der Symmetrie 
entsprechend sind hier nur noch zwei Figuren, analog der 
rechten Seite anzunehmen. Eine Madonnenfigur hat hier kei- 
nen Platz, ebensowenig ein zweiter Bischof und nochmals ein 
Modell der Kirche ; auch der Umtstand, daß einzelne K5pfe 
über den Rand der Platte hinausreichen verbietet die Annnhrne 
einer Deckplatte, die, wenn man an ein Tumhenrelief denken 
will, doch unerläliiich ist. 

Die Gründe, die gegen die Verwendung des Reliefs als 
Bestandteil eines Grabdenkmals sprechen, könnten noch ver- 
mehrt werden ; derartige Tumben haben auf den Seitenwänden 
entweder bloße Steinplatten mit architektonischen Füllungen 
oder auch Arkaturen mit Darstell un;.^en von Heiligen. (Vergl. z. 
B. die Tumha von St. Afenoux, abgebildet in der Abhandlung 
von Lindner fiber die Basler Gatluspforte.) 

Schwer zu entscheiden ist die ehemalige Bestimmung der 
Skulptur und der Ort, wo dieselbe angebracht war. Ich möchte 
entgegen von Leropfrids Annahme, eine Anbringung über, dem 
Hauptportai der Kirche immer noch als das wahrscheinlichste 
befürworten. Der Kunslwert des Reliefs wird von Lempfrid 
offenbar überschätzt, es ist eine rohe Arbeit ohne künstlerische 
Individualität. 

Ks tut mir leid Illusionen zerstören zu müssen, die ja 
recht schön ausgedacht, aber kunstireschiclillich immo-^lich 
sind, als eifrif^-^er Barbarossaforscher wäre mir der Fnn l eines 
neuen Bart ni ossabildes von unschätzbarem Wert gewesen, in 
dem vorliegeiuiea Fall muß ich nber darauf verzichten, den 
großen Kaiser im Bilde wiederzuerkennen. 



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246 — 



Entgegnung - 

1, Die von Herrn M. Bach gegen meine Deutung des 

romanischen, nunmehr im Museum zu Hagenau unf ergebrachten 
Reliefs erhobenen Zweifel bringen, was zunächst (Bossen von 
mir angenommene einstmalige Zu2:ehönf?keit zum Grab- 
mal des Stifters von Neuburg Graf Keinliold von Lützelburg 
betrifft, nicht kurzweg abzuweisende Einwendungen vor. Zu 
diesen rechne ich indes nicht die Bemeiknng über die Un- 
vereinbarkeit einer JBarbarossadarstelluug aut einem von den 
Neuburger Mönchen herrührenden oder veranlaßten Skulpturen- 
schmuck des Stiftergrabmals ; denn des Klosters Aneprüche 
auf das den Mönchen nach ihrer Aussage von Reinhold ver- 
machte, aber mangels Zustimmung der miterhenden Staufer 
nicht realisierbare Besitzrecht am beiligen Forst wurden durch 
die Verleihung eintrfigUcher Waldnutzungsrechte, vor allem 
aber durch die Aufnahme des Klosters in Heichsschutz, sowie 
die Begabung mit dem kostbaren Reliquienschatz so reichlich 
ausgeglichen, daß Rotbart neben Reinhold als Mitbegründer 
galt und in einer die Gründung selbst verewigenden Dar- 
stellung, wo sie auch immer angebracht sein mochte, mit 
noch mehr Recht seinen Platz finden mußte, als in der Wieder- 
gabe der Gründung von Maulbronn (S. 11 A. 3). Auch nicht 
den Versuch meine Ergänzung als unhaltbar hinzustellen. 
iMcht die eine sitzende, Kreuz und Rcliquiar hallende Figur 
bildet den Mittelpunkt des Bildes, sondern wie die von mir 
nachgewiesenen Spuren einer vierten und zwar sitzenden Gestalt 
deutlich erweisen, zwei Figuren, entsprechend der Zweibeit 
der geschilderten Vorgänge, Begabung und Weihe des Gottes- 
hauses, geradeso wie in Darstellungen von Mariä Krönung 
Heiland und Gottesmutter zusammen den Mittelpunkt einer 
figurenreicheren Vorföhrung abgeben. Ferner nicht die Be- 
hauptung, daß, weil einzelne Köpfe über den Rand der Platte 
hillausreichten, die Annahme einer Deckplatte verboten sei. 
Die nur mit einem Amatcurap parate und zwar etwas zu tief 
von unten her gemachte p holographische Aufnahme kann 
vielleicht die Vorstellung, als ragten zwei Figuren mit ihren 
Köpfen über den, Rand hervor, erregen. In Wirklichkeit liegen 
ihre bcheitel mit dem obern Piallenrande in derselben Hori- 
zontalen. Der Schädel des Mönches ist sogar einige Millimeter 
abgeplattet, so daß für diese Erscheinung keine andere Er- 
klärung zu finden war, als daß sie durch Auflage einer hori- 
zontalen Platte veranlaßt sei. 

2. Erwägenswerterscheinen mir zumal nach Bekanntwerden 
mit dem das mitlelallerliche Grab behandelnden AlischuUt in 



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— 247 — 

dem mir erst nachtraglich zugangiich gewordenen Handbuch der 
kirchhclien Kuuslaltertümer von Bergner 1905, S. 292 — 305 
H. Baclis Bedenken gegen die Annahme eines Nischengralies, 
Anbring'ung von Darstellungen aus dem Leben des Verstorbenen 
au der Tumba uad die überlebensgroße Figur des Bestatteten 
auf derselben. Zwar ist in den in steter Berührung mit den 
alten Kulturlftndern gebliebenen Gegenden Wesideatsehlands 
die antike Sitte, das Grabmal mit Darstellungen aus dem 
Leben des Yetstorbenen tu schmücken, nie jj^anz außer Brauch 
gekommen (vgl. den Adelochsarkophag in Straßburg, Eis. 
und Lothr. KunstdenkmSler, B. T. 78). Der Gedanke die 
Blendarkatur, wie sie der dem 12. Jahrhundert angehörende 
Morandussarkophag in Altkircfa aufweist, durch figürliche, die 
Beziehungen des Verstorbenen zur Begrübnisstätie erläuternde 
Darstellungen zu ersetzen war durchaus naheliegend, und der 
Mangel an derartigen Grahmälern aus romanischer Zeit ließe 
sich durch deren Vernachlässigung, Zerstörung oder Ersatz 
durch g^otisclie Monumente bei Gelegenheit von Umbauten 
ieichl erklären. Auch die Anwendung von erhabenen 
Buchstaben ])raucht nicht besonders aulTallend zu erscheinen, 
denn sie ündet sich ja auch in andern Steininschriften des 

12. JahHüunderts (s. Abbild. Kraus II, T. VI). Allein gegen 
die Verwendung der Platte' als Tumbascbmuck des Stifter- 
grabmals dürften mit Recht deren Größe und Gewichtsvei'hält- 
nisse im Vergleich au den eben erwähnten Sarkophagen geltend 
gemacht werden, und die vor der Aufnahme des Bildwerks 
ins Museum vorgenommene vollslflndige Reinigung und seine 
Aufstellung in angemessener Beleuchtung legen in der Tat die 
Vermutung nahe, daß das Bildwerk mehr auf die Wirkung 
aus der Ferne als aus der Nähe berechnet war. Die Möglich- 
keit, daß Reinholds Grabmal in dem von Hertzog und Moreau 
beschriebenen Aussehen später entstanden sei, stehe ich nicht 
an zuzugeben, und zwar halte ich es — sei es, daß es eine 
Neuschöpfung, sei es der Ersatz eines vorhanden geweseneu 
romanischen Denkmals war — für eine Arbeit des ausgehenden 

13. Jahrhunderts, erri'htet nach Vollendung des den alten 
romanischen Choi- ersetzenden gotischen Neubaues des Chores. 
Seine Turnba wird nicht architektonische Verzierungen, sondern 
wirklichen Skulpturenschmuck gezeigt haben, wie das Grabmal 
des Stifters von Limburg im Dome daselbst oder die bekannten 
etwas^ spftteren burgundischen Grabmonumente ; sonst hätte 
der weder Über das bauliche Aussehen, noch die Ausstattung 
der Kirche etwas berichtende« sondern nur die Grabstätten 
aufzählende Chronist der Tatsache, daß das Grab bildnerisch 
versiert war, keine ^Erwähnung getan. Scheidet somit Reinholda 



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— 248 — 



Grabmal für die Frajre der Herkunft des rofnaiii rhen fieliefs 
aus, so kann für dieses nur der von mir geijenuber Moreaus 
Angabe hintansresefzte Platz in Frage kommen : das ist das 
Bogenfeld eines der Eingänge zui Kirche. Da wir über die älteste 
Neuburger Kirchenanlage nicht unmittelbar unterrichtet sind, 
sondern nur durch Rfickschlüsse aus den von Neuhurg ausge- 
gangenen oder beeinflufilen KirchengrAndungen xn einer Vor- 
stellung von ihrem Plan gelangen kdnnen, so sehe ich, da 
wegen der HaBe des Wesiportales der eigentlichen Kiiche hier 
kein Raum für die unverstQmoielte Platte war, nur eine Möglich- 
keit, ihr einen Platz am Bau ansuweisen : die Neuburger Kirche 
muß wie Maulbronn und Herrenalb eine westliche Vorhalle 
(Paradies) mit weitem Zugang gehabt haben. Sein Bogen- 
feld schmückte die Darstellung von der Begabung und Weihung 
der Kirche. Bei einem Um- oder Neubau in ppüteren Jahr- 
hunderten wird man der Platte ihre frühere Stelle nh'^r dem 
Westeinga ng^e wieder'ie^/'^Vtpn, doch <=o 7nrprht Lieiiififudt 

haben, daß sie nach oben einen der Basis entsprechenden 
horizontalen Abschluß erhalten konnte. 

3. Die Abweisung meiner Deutung der sitzenden Figur 
äls der eines weltliehen Fürsten und zwar als Kaiser Friedrich 
Rotbart mußte die Grundlagen, auf die sidi meine Auslegung 
stützte, als unhaltbar erweisen, insbesondere dartun, daß die 
Kopfbedeckung keine Krone darstellen, und das Obei|pewaDd 
sowie die Attribate ausschließlich einer geistliehen Person 
zukommen können. Ich gebe zu, daß bei Betrachtung des 
Originals wie der Abbildung die £rklfirung der Kopfbedeckung 
als Mitra die nächstliegende ist": es spricht dafür die Zu- 
spitzung der Vorderseite, die auch nach dem Hinterkopfe zu 
wahrnehmbare nach oben gehende Verbreiterung und der 
giebelarlige Zusammenschluß (^^r seitlichen Partien, während 
man beim Vorhandensein einer Krone erwarten wurde, daß 
die Rundung des Oberhauptes oder wenigstens die .sich ihm 
anschmiegende Futterung der Krone sichtbar sei. Allein es 
zeigen sich im einzelnen hinsichtlich der Forin und Verzierung 
solche Abweichungen von den an das Aussehen einer Mitra 
des 12. Jahrhunderts zu stellenden, aus erhaltenen oder auf 
Bildwerken wiedergebenen Bfitren abgeleiteten Forderungen, 
daß ich die Kopfbedeckung ffir eine Krone halte. Zu den 
angeführten Gründen füge ich hinzu, daß bei einer Mitra der 
Ansatz der SehrSgen nicht erst über den Schlafen, sondern Ober 
dem Ohr beginnt, und der Winkel, unter welchem sie zusammen- 
stoßen^ ein rechter sein mußte und sich nicht zu einem 
stumpfen verflachen sollte. Der denkbare Einwand, circulus 



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— 249 — 

und titulus seien darch die in Form von Vertiefungen ange- 
deuteten Edelsteine und Perlen erseUt, ließe sich nur hören, 
wenn der Verlauf der Linien, in der sie angebracht sind, mit 
dem Verlauf der Linien der Stirn- und Mittelborte sich deckte, 
und diese selbst durch vcriiefie Linien wenigstens ange* 
deuiet wären. Eine edelsieingeschmückfe Mitra hätte darge- . 
stellt werden müssen, wie es der Bildner der Bischofsj^estalten 
in den ältesten« dem 13. Jahrhundert angehörenden Glasmalereien 
des Straßburger Münsters oder der Maler auf romanischen 
Wandjjemälden des Rheinlandes (Giemen T. 55 — 56) oder der 
Steinmetz auf dem ii uhgotischen Grabsteine Bischof Günthers, 
des Mitstifters von Maulbronii — dem Wei ke eines Zisterzienser 
Steinmetzen — es tat : der Steinmetz halte die Steine auf 
der circulus und hlulus bildeiiden Borte ;iuf|?esetzt in der- 
selben Weise, wie er den Schmuck des Obergewandes be- 
handelt hat, indem er erst die Mittel- und Saumborte aus dem 
St^ne herausarbeitete und so zum Träger der Edelsteine 
machte. Die unmittelbare Anbringung derselben auf der Fläche 
der Kopfbedeckung, der Wechsel zwischen großem und kleineren 
Steinen und Perlen (die letzte Reinigung des Reliefs hat noch 
eine Anzahl kleinerer Vertiefnngen hervortreten lassen, welche 
auf der Photo<?raphie noch nicht erscheinen) bring^en in ge- 
eigneter Weise den Edelstein- und Perlenschmuck zum Aus* 
druck, wie ihn ähnlich, doch in erhabener Arbeit die Kronen 
der Madonna und der Dreikönige in dem romanischen Tür- 
ho^^enrelief der Goldenen Pforte zu Freiburg i. S. (liode, S. 48) 
zeägen. 

4. Herrn Bachs Belehrun^^ über Dalmatik und Kasel 
muil ich als nicht ausreichend ablehnen. Von einem aufjje- 
nfthten gabelförmigen Kreuze in Y*Form als Schmuck des 
Gewandes kann raäA die Rede sein. Die Abbildungen, wie meine 
Angaben S. 6 lassen es auiBer allem Zweifel, dafi die Ver- 
zierung des Obergewandes besteht 1« in der mit einer Dop- 
pelreihe von Edelsteinen geschmöckten Ein&ssung des Kopf- 
durchlasses (Halsausschnitts), 2. der mit ^ner einfachen Reibe 
von Edelsteinen gezierten Mittelborte und 3. einer gerade so 
gehaltenen Saumborte. Was den Sclinitt des Gewandes be- 
irifft, so erklären sich die vielen breiten Falten über den 
Knieen — ich zähle deren sechs — am natürlichsten durch ein 
Aufraffen und Zusammenlegen des Gewandes, dessen seilUche 
Partieen, wenn die Person sich erhöbe, sofort über die Kniee 
herabgleiten müßten und zwar soweit abwärts, daD der Saum in 
wagerechter Linie verlaufen würde. P'in Aermelgewand mit 
verzierter Mittel- und Saumborte konnte unter der gebotenen 



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250 



Berücksichtigung der liturgischen Gewänder des im gleichen 
Lande und in der' p^leichen Zeit enfstandeneii Bilderschmuk- 
kes des hortus deliciarum nur als Dalmatik {gedeutet werden. 
Daß die hier allerdings regelmäßi;^ wiederkehrenden Seiten- 
schlitze aui dem Relief nicht zu sehen sind, wollte ich als 
Folgeerscheinung^ der sitzenden Stellung der Figur erklären ; 
ich beharre nicht darauf diese Vermutung gelten zu lassea. 
Es läßt sich das Fehleo der Ausschnitte auch daraus erkl&ren, 
daß ihr Eracheineii im 13. and 19* Jahriinnderl nicht all- 
gemein war. (Braun, Die litargisehen Gewftnder dei Okzidents 
und Orients 1907^ S. 202 f.) Wenn fflr meine Auffiusung, 
dies Gewand nicht als Kasel gelten zu lassen, die Beobacht- 
ung mitbestimmend war, daß einen verzierten Saumbesatz die 
Bischofskasein des hortus deliciarum nie aufweisen, und unter 
den drei Papstkasein ihn nur eine hat, sowie daß in den 
ältesten Straßburger Glasgemäiden nur Papstkasein ihn zeigen, 
so haben mich Braun (S. 210 f., 221) und die Nächprüfung mei- 
ner Beobachtiinf^i'en an Slraßbiu'ger und Baseler Bischofs-^ieireln 
des 12. Jahrhunderts belehrt, daß Kasein mit verzierten Saum- 
besätzen auch am Oherrhein gelrag^en wurden : ja, die mit 
Mittel- und Saumborle verzierte Kasel auf dem biege! liischof 
Heinrichs von Straßhurg (1183) stimmt in der zwischen den 
Knieen gleichfalls spitz zulautenden Partie derartig mit dem 
Gewände der Neuburger Figur uberein, ilaL» icii auch letzteres 
unbedenklich für eine Kasel ausgeben würde/ wenn es nicht 
Aermel hitte. Kein Schlitz zum Dnrdüaaeen des Armes, son- 
dern ein ausgebildeter Aermel ist es« in welchem der rechte 
Arm steckt. Da es nidit mdglich ist, sich die Aermel als zu- 
gehörig zu einem unter dem besatzverzierten Obergewand ge- 
tragenen KleidungsstQck zu denken, eine Kasel mit Aermel 
aber es niemals g^eben hat, so war das Crewand als Dalma- 
tik festzustellen. Die Aermel, welche H. Bach an der Kasel • 
£rzbi8cbof Friedrichs von Magdeburg auf dessen Grabplatte er- 
kennen will, sind die Aermel der unter der Kasel sowohl an 
den Armen, r^ls aucfi unterhalb der Kniee mit aller Deullich- 
• keit Wahrneil mbaren Dalmatika mit dem verzierten Seiten- 
ausschnitt. Ein Blick nur auf die nächste iSeite der zitierten 
Zeitschrift mit der Abbildung der Grabplatte Erzbischof Wich- 
manus hätte ihn vor dem Irrtum bewahrt. 

Bei Beantwortung' der Frage, ob ein liturgisches Gewand, 
das in seiner untern Partie einer Kasel gleicht, in seiner obern 
H&lfte hingegen das wesentlichste Merkmal der Dalmatik zeigte 
als Kasel oder Dalmatik anzusprechen sei, konnte die Ent- 
scheidung nur die Annahme der letzteren zulassen : man müßte 
denn das Neuburger Relief als eines von den Bildwerkai an- 



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' — 251 



nsehen gezWungeii sein, m welchem die kirchliche Gewand- 
ung cnicht unbesehen als gute Mönze und nnverfi&iflchtes Ab- 
bild der Wirklichiceit hinninehmeo» (Eraun 175) und ein» 
Aermelkaael auf KOnstlerlaune und KGnsÜerfreiheit suräck* 
laffihren 6ei, eine Annahme, welche durch das sonst fiberall 
hervortreten ) p Streben des Xeubui ger Steinmetzen nach Wieder- 
gahe der Wirklichkeit (S. 3 ff. 23 f.) ausgeschlossen ist 

5. Das Kreuz in den Händen einer weltlichen fürstlichen Per- 
sönlichkeit kann, wie der Hinweis auf die Darstellung der 
Kaiserin Kuni^j^unde in den oberrheinischen Diözesen dartat, 
nui deren Beziehungen zu der in Frage kommenden Kirche 
ausdrücken. Hier ist sein Träger der Geber des Kreuzes; es ist 
also Kaiser Friedrich, nicht der llegionarbischof dargestellt. 
Hinsichtlich seiner GeBtalt habe ich berichtigend zu bemerken^ 
da£ die Erhebungen und Vertiefungen an den Balken nicht 
von der Zertrümmerung eines vorhanden gewesenen Christus- 
leibes, sondern von der Beschädigung des Kreuzes seihst her* 
rQhren. Wie die bei der grfindliclien Reinigung hervorgetre- 
tene runde Vertiefung im Schnittpunkte der Kreuzesarme zeigte 
sollten Edelsteine den Schmuck bilden. 

6. Den von mir versuchten Nachweis, daii die Barbarossa« 
darstellung auf dem Neuburger Relief Anspruch auf Lehens- 
wahrheit habe, kann ich nicht durch die Dehauptunp: von der 
Wertlosigkeit der von H. Bach untersuchten Barbarossabilder 
für abgetan halten. Gegen die Auffassung, welche mittelalter- 
lichen Bildern historischer PersönlichkeHen alle Porträtähnlich- 
keit abspreclien will, erhebt die besonnene Forschung in neu- 
erer Zeit mit Erfolg Einspruch. Vielleicht dürfen wir von Max 
Kemmerich, der in seinem reich und vornehm illustrierten 
Aufsatz cW^ie sah Kaiser Otto HI, aus Vi» (Christliche 
Kunst 1907, S. 200^213) ein Muster gegeben, wie derartige 
Untersuchungen zu fühfoi shid, die Anwendung semer Methode 
auf die Frage nach der Porträlähnlichkeit der Bilder der 
staufischen Herscher erwarten, die der Bewertung der Neu- 
burger Barbarossadarstellung gerechter werden wird als H. Bach. 

7. Die Deutung des giebelartigen Gegenstandes in den 
Händen des Mönches als Modell einer I^irche ist gesichert 
durch die erst infolge der gründlichen Reinigung möglich ge- 
wordene Feststellung, daß eine Spitze vorhanden war, die ab- 
geschlagen ist. Dagegen hatte die Ausschweifung der Vorder- 
kanten der Dachflächen nicht, wie ich Iragcwei -e vermutete, 
den Zweck, den noch unvollendeten Bau anzudeuten, sondern 



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— 252 — 



diente dem Steinmetien als AoiMlrucksiDittel perspektivischer 
Verkürzung, die er auch bei der Darstellung des Reliquiars 
handhabte, indem er ihm statt der Form des Rechtecks die 
des Parallelogramms gab. Gegen die Annahme als Kirchen- 

modell kann nicht geltend gemacht werden, daß die Unter- 
legong eines Tuches d^ G^gjenstand als heiligen cliarakteri* 
siere. Man braucht nur in einem illustrierten Werke über 
niitlelalferliche Kunst zu blättern, um sich za überzeug-en, 
daß allerlei unheiligen Gegenständen, \Vie Kirchen modellen, 
Büchern, Biidern, Schalen, das die Hnnd bedeckende Ober- 
gewand als Unterlage dient. Der BiMu r iiätte also den Abt 
als Unterlage für das Modell das Mönciisobergewand verwenden 
lassen können ; allein um der dadurch eintretenden, nichts 
weniger als schönen und nicht eben leicht wiederzugebenden 
Darstellung der Gewandfalten zu entgehen, griff er zu dem » 
Mittel^ dem Modell ein eigenes Tuch unterzulegen. Ich wollte 
das lieber annehmen, als die Ansicht vertreten, der Steinmetz 
habe dem Beschauer zugemutet, die Untorlsge als den von , 
hinten nach vorne geschobenen Teil des weiten Hönchsgewan- 
des anzusehen. Uebrigens ist ein besonderes Tuch als Unter- 
lage für einen profanen Gregenstand auch nicht ohne Beleg: 
auf dem Bilde von der Huldigung der Nationen im Evangeliar 
Ottos III. (Heyck I, S. 323) trägt Roma die Schale mit 
den Gaben auf einem öber beide Hände gelegten Tuche. 

8. Wenn Herr Bach die von mir als Laie und zwar als 
Graf Reinhold gedeutele Figur zu einem Mönche machen will, 
tut er dem Bilde Gewalt an. Dif von mir konstatierte Licbt- 
ung der Haare auf dem Scheitel ist keine Tonsur, wedei* die 
Corona, wie .sie der gegenüberstehende Mönch hat, noch der 
moderne modicus titulns i» capitis apice, sondern eine kahle 
Stelle des Kopfes. Das durch sie, wie durch die dünnen 
Strähne angedeutete spärliche Vorhandensein des Haupthaares 
Bollto im Gegensatz zu dem vollen mftnnliehen Haarwuchs des 
Kaisers den gealterten Mann andeuten. Der reichere Falten- 
wQrf ich zähle bei ihm öber den FöBen 13, beim Mdnch 
nur 6 Falten — sowie die Bekleidung mit dem Mantel und 
die Art, wie er umgeworfen ist und gehalten wird, charakteri- 
sieren den vornehmen Laien, den in der Figur anzunehmen, 
uns auch der kurz gehaltene Bart zwingt. 

9. Wenn etwas in meiner Deutung der Gruppe Zweifehi 
begegnen konnte, so war es die Vermutung, der beschftdigte 
Gegenstand in Reinholds Händen sei ein Eichenzweig gewesen. 
Durch die Beseitigung aller Ablagerungen auf dem Steine ist 



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253 — 



oberhall) der recbteii Hand Reinholds auf der Platte eine durch 
gewalUame Beschädigung erzeugte Vertiefung zutage getreten, 
Ober welche der ia seiner Hand befindüche Gegenstand sich 
eretreckte. Die Mög^Uehkeit» daß es eine Pergan^entroUe wiir, 
iBt nicht aiiflgeschloflsen. Die afaeichfliehe Enlfernong dieaes 
Gegenstandes« sowie die Beschädigung der Attribate in den 
Händen der beidäi andern Figuren hängen vielleicht doch mit 
einer revolnlionären, gegen das Eigentumsrecht des Klosters an 
CrTund und ßoden gerichteten Bewegung, ich möine die Vor- 
gänge d. J. 1789|90, zusammen. Die Vermutung, dafi Reinbold 
durch einen Zweig den Mönchen Eigentum übertrug, vermag 
ich nachlriglich durch den 'Hinweis auf zwei bildliche Dar- 
stellungen von Ueberlragung von Waid oder Waldgerechtigkeit 
durch UeberreichuniT eines Zweiges zu stützen : ein romanisches 
Relief im Museum zu Colmar (Kraus U, S. 342, T. VI) stellt 
t-iiion Laien dar, welcher einer weiblichen Gestalt (Vorsteherin 
eines Frauenkiosters?) einen oben dicht belaubten Zweiij über- 
gibt, und ein an der Südseite der ehemaligen Benedikliner- 
kirche in Walbur;,^ eingemauertes, von dem Schmucke des 
durch den Umbau von 1453 — 145ü beseitigten romanischen 
Portals herrührendes Relief zeigt einen Mann in kuner Tunika 
mit einem blattlosen bis auf den Boden herabgehenden Baum- 
iweig in beiden Händen, wohl nur der Rest einer größern 
Skttlpturenreihe, welche ähnlich, wie die Portalausschmückung 
in Andlau Begabungen des Klosters vorführte, und von der 
xwei weitere interessante Fragmente noch erlialten sind. 

10. Als Entstehungszeit des llellefs halte ich, wenn auch 
seine Bestimmung-- «^ine andere fjeworden, die Zeit um 1160 
aufrecht und stütze noch meine Ansicht durch den Hinweis 
auf zwei weitere Bildwerke^ welche der Mangel einer Abbildung 
leider nicht zu durchschlagender Geltung kommen läßt. Die 
den beiden Pfeilern des Triumphbogens der Georgskirche in 
Hagenau vorgelagerten Halbsaulen setzen unten auf einem 
Wulst und einer an den Ecken mit Tierköpfen verzierten 
Plinthe auf, die auf Nacken und Schultern je eines etwa 
0,50 m messenden, hockenden Steinmetzen lasten. Diese selbst 
stellen ihre FüBe auf ein romanisches Kelchkapitäl als Ab- 
schlufi nach unten auf. In Behandlung der Gesiebter» des 
Haares und der Gewandung sowie in realistischer Wieder- 
gabe der Funktionen und des Gesichtsausdrucks sind diese 
beiden Skulpturen dem Neuburger Relief in hohem Grade 
ähnlich* Da die romanische Vierung zum ältesten Teile des 
1149, wenn nicht schon 1143 begonnenen Baues gehört — das 
erste Saulenpaar des Liaiigflchiffes entl>ehrt noch des charakte- 



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rittisehen Eckblattes, das erat Yom zweiten Paare an atändiif 
eraeheint — so sind die Steinmetzenbilder nicht iriel später 
als 1150 anzusetzen. 

Ii. Bei der Beurteilung dee kanstlerischen Wertes der Neu- 

burger Skulptur mußte ihr Verhältnis zu BiMhauerarbeiten der 
Uleicben Zeit und des gleichen Landes maßgebend sein ; von 
diesem («esichtspunkt aus betrachtet, erscheint sie mir trotz 
ihrer Mängel nach wie vor als eine achtungswerte Leistung 
des 12. Jahrhunderts. 

ti. Lempfrid. 



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Xlil. 



Chronik für 1906. 

8. Januar: stirbt zu StraULui^ Max v, Schraui, Wirklicher 
Geheimcrat und Untei staatssekrelär, jjeb. 3. Jan. 1845 in Würz- 
buig, liochverdient um die Kunst in Elsaß -Lothrinpreo. 

41. Februar: stirbt zu Bitsch Joseph Knepper, Oberiehrer 
am bischöflichen Gynmasium, geb. 6. März 1864 7u Oelde in 
Westfalen (studierte nach dem Besuch des Gyrunasiuins in 
VVarendorf anfangs Medizin, dann Germanistik und Geschichte 
in Mfinftter und Freiburg, und promofierte zu Hflnster 1889 
mit einer Untersuchung über Tempora und Modi bei Wahher 
V, d. Vogeiweide ; war 1895—98 an der bisch6fl. Anatalt in 
ZüUshdm tfttij^ ; If ilarbdter an unserem Jahrbuch ; verfiffent- 
lichte : Nationaler Gedanke und Kaiseridee bei den elsSasischen 
Humanisten, Freiburg 1893, Jakob Wimpfelings Leben und 
Schriften, Jrb. 1903, Das Schul- und Unterrichtswesen in Elsaß- 
Lothringen bis zum Jahre 1530» Straßburg 1905). 

5. Män : stirbt in Baden-Baden Mas v. Puttkamer, Wirk* 
Uefaer €reheimerat und Staatssekretär a. D., geb. 28. Juni 1831* 

6. Mftn: wird in StraBburg ' das 50 jährige Jubiläum des 
Konservatoriums f&r Musik gefeiert (eröffnet im Des. 1855). 

9. — i% Mai : Kaiser Wilhelm IL in Slraßburg und auf der 
Höbkönigsburg. 

i% — 19. Mai : der Kaiser in Lothringen, 

29. Juni: stirbt in Straßburg Gurt Mündel, Ehrenpräsident 
des Vogesenklubs, geb. 24. Dez. 1852 zu Giogau. 

6. Juli : Gründung der «Wissenschaftlichen Gosellschafl» in 
Straßburg. 



XIV 



Sitzun gsberichte . 

1. Vorstandssitzung 

am 11. November 1906, vormillags lÜ^ja Uhr, im gennanislischen 
Settiinar der Universität. 

Anweseod die Herren v. Borriee^ Kassel, Lienbart, Luthmer, 
Martin, Menges, Renaud, Waller, Wienand. — Entschuldigt 
die Herren Francke, Lempfrid» von Scblumberger, Stehle. 

Der Vorsitaende, teilt dem Anstritt des von Strafiburg verlo- 
genen bisherigen Mitgliedes Herrn Lyzealdirektors a. D, Francke 
mit und bittet um Vorscblfige betr. der in der allgemeinen 
Sitzung zur Wahl zu empfehlenden Ersatzmänner für Herrn 
Francke und den verstorbenen Vereinskassierer Herrn G. Mündel. 
Er berichtet sodann über die wenig günstige Finanzlage des 
Vereins und erörtert die Mittel und We<je, wie der au^^enhlick- 
liebe Fehlbetrajj;' wieder allmählich gedeckt werden könnte. 

Der Schriftführer herirhfpt über das namens dps Gesaml- 
vorstandes an den Vorsitzenden des Volkslieileriiuä.scliusseö, 
Herrn Prof. Dr. Henning, gerichtete Schreiben, laut welchem 
letzterer j^ebeten wurde, in der Novembersitzuni,' über den augen- 
bhcklichen Stand der Arbeilen am Volksliederbuch nähere Mit- 
teilungen zu machen. Während der sich anschließendea Erörte- 
rung erscheint Herr Prot Henning und setzt die Gesichtspunkte 
auseinander, nach welchto die Vorarbeiten zur Herausgabe des 
Liederbuches erledigt werden müssen : zunächst komme es dar- 
auf an> neue Mitarbeiter zu gewinnen^ eifrig zu sammln, auch 
die Singweisen, und dann kritisch zu sichten; für einen öffent- 
lichen Aufruf sei er vorderhand noch nicht. Einem Vorschlage 
des Vürstandsmifgliedes Herrn Dr. Kassel entsprechend einigte 
man sich schließlich dahin> von einer weiteren Beratung alnU'- 



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iS6h6h und die Liederkooifnission zu ersuchen in der November- 
sitzung 1907 ausführlicher öber ihre Tätigkeit zu berichten. Das 
Vorstandsmitglied Herr Kreisschulinspektor Menges wird an 

Mundeis Stelle in die Kommission gewählt. 

Die für das nächste Jahrbuch bereits vorliegenden Beitruge 
werden zur Oem teilung an einzelne Vorstandsmitglieder* verteilt. 

£s folgt darauf um Ii Uhr die 

Allgemeine Sitzung. 

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Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit einem kurzen 
Nachruf für den verstorbenen Schatzmeister des Vereins, Herrn 
Curl Mündt^l, in rlon» or die Verdienste des Dahingeschiedenen 
utn die VereinsangelegenluMff^n hervorheb! sowie den schworen 
Verluf^t, welcher dem Veiem tluK h sdnoii Tod erwachsen ist. 
Zu Einen des Verstorbenen erheben sich die Versainineileu von 
ihren Sil/.en. 

Aus dem sich an!?chließenden Geschäftsbericht ergibt sich, 
daß die Mitgliederzahi uugetälir die gleiche ist wie im Vorjahre, 
und deshalb sollen vom nächsten Jahrbuch auch wieder 3000 
Abzüge gemacht werden. Die Finanzlage ist auch in diesem 
Jahre nicht gunstig » der Abschluß weist einen Fehlbetrag von 
rund 1000 M. auf. Allerdings dürfe feine kleine Einnahme er« 
wartet werden durch den Verkauf von alten Restbeständen des 
Jahrbuchs, die zum herabgesetzten Preise von 50 Pfg. für das 
Czemplar an Mitglieder des Vereins abgelassen werden sollen. 
Im übrigen sei darauf ßedacht zu nehmen, den nächsten Band 
des Jahrbuches weniger umfangreich zu gestalten. 

Die Hechnungslage wurde von den zwei Mitgliedern HH. 
Geh. ilegierungsrat Hering und Dr. Teichmann geprüft und für 
richtig befunden. 

Vor der Neuwald des Vorstandes tMnpliehit der Vorsitzende 
der Versammlung an Stelle de^ ausgeschiedenen Mitgliedes Ly- 
zealdirektors a. D. Franc ke «kn Amtsrichter Herrn Beemelmans 
in Knsisheiin und lüi' tlas verstorbene Mitglied Mündel den 
Schalzmcibter des V,-C., Herrn Notar Dr. Huber in Straßburg 
zu wählen. Die Versammlung ist mit dem Vorschlage einver- 
standen und wihlt außerdem durch Zuruf den alten Vorstand 
aufs neue, nachdem Herr Geheimrat Hering demselben den 
Dank der Anwesenden ausgesprochen hatte. 

Zum Schluß hielt Herr Tb. Walter aus Rufach den ange* 
kündigten Vortrag tUeber die Schicksale der bischöflichen Stadt 
Rufach nach dem wesl filiischen Frieden», 

Schluß der allgemeinen Sitzung: 12^3 Uhr. 

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2. VorstaudssitzuAg 

am 0. Marz 11307, nachmittags 3 Cbr, im germanistischen Se- 
minar der Uiuversilät. 

Anwesend die Herren ßeemelmansy v. Borries, Eutini^, 
Ilüber, Kassel, Lempfrid, Lieuhart, Martm, Henaud, Chr. 
Schmitt, Walter» Wtegand. — Entschuldiget die Herren Luth- 
mer, Menkes, von Si'lilumboi''ier. 

iJer Vorsilzemle teilt mit, daß zur Deckung eines Tc'iles 
(icr Unkosten dts Jahrbuclis von Sr. Dmchlauclit dein Fürsten 
S-lalthalliM- ein erliöliter lloitiag von ÜOU M. bewilligt worden sei. 

An den auslülirlichen Kassenbericht des Schatzmeisters, 
Ik'/ i n N(>lar.-> l)r. Ilubei , schließt sich ein ITingerer lobtiafler 
.M( niuir^sjiislau.scti in bezug anf den Kostenpunkt bei der Her- 
^Icllni;;.' (b'N Jalii buch-^. Der \'or«-i t/ende wird beaul'lragl, über 
die Mrt-liclik»'it eiiuM- lMmaßii;un^ bis zur nüchslen Sitzung ein- 
gclitMiiie L tilei >u»'liin);:cii anzustellen. 

D:c eingelaufenen DeiU;i^e wt.'rden vorgele^;! und jjesprochen 
und dei L iiilang des Jahrbuchs sowie die Daten für diu Clirouik 
fi »st gestellt. 

Si-hluU der Sitzung : 4 Uhr. 



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