Die gepuderte
Muse
Ludwig Fulda
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DIE GEPUDERTE MUSE
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DIE
GEPUDERTE MUSE
FRANZÖSISCHE
VERS ERZÄHLUNGEN DES
ROKOKO^
In deutscher Üb ertragung
von
Ludwig Fulda
IM PROPYLÄEN - VERLA G
ZU BERLIN
Mit 34 Tafeln in Kupfertiefdruck nacli
zeitgenössischen Stichen
Salzanordnung und Einhandzeichnung von Hugo Steiner-Prag
Copyright 192a hy Propyläen-Verlag in Berlin
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Qs A: I N H A L T
G46
Einleitung 9
VERGIER:
Pas Gespenst 2 7
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Die neue Eva , , . . . . , ._ ■_ ■_ : ! 4j
Di* Heustiefel 4^
ROUSSEAU, J. B.:
Die Nachbarin von Marseille ^2
GRÉCOURT:
Der Hänfling Johannes XXII 77
Das Bildnis des Hymen Mi
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Hosine 8_9
Der Mönch am Zügel 1 1 3
V OLTA IRE:
Was den Damen gefallt iai
Die Erziehung eines Fürsten '^8
Die drei Arten «46
Gertrud oder die Erziehung einer Tochter '6*
Die Zierpuppe I ^7
a RES S ET:
Vert -Vert ♦ • '79
Das lebendige Chorpult ao 4
BESFONTAINES:
Die Eutterschwinge 1 1
DOUÂT-
Aironso
BOUFFIERS:
247
CHODERLOS DE LACLOS
255
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Der Müller und der Bischof
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I )cr Onlfpl und iIim- \effi>
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288
FLORIAN-
Der Turteltauber
3o3
3i4
Die Henne von Caux
• . . • • 3st3
..... 33G
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EINLEITUNG
Die Muse des Rokoko — wer könnte sie sich anders vor
stellen als mit weißgepudertem Haar, von dessen listiger
Folie abgehoben die frischroten Wangen ihren makellosen
Schmelz durch ein kontrastierendes Schönheitsfleckchen nur
noch sieghafter bekräftigen — eine in Schnee gebettete Rose,
auf der eine kleine Mücke sitzt! Wem könnte sie sich anders
verkörpern als im geblümten Seidenkleid überm bauschigen
Reifrock, die halb offene Büste verengt und emporgedrängt
vom hochgeschnürten Mieder, den Fuß im dünnen Atlas-
schuh, den buntbebänderten Schäferstab in der Hand! Eine
allerliebste Kokette, die in dieser artigen Maskerade nicht nur
durch den Salon, sondern durchs ganze Leben dahinschwebt,
weil sie bloß Festtage und keinen Werktag zu kennen scheint.
So beherrschte sie den französischen Geschmack, den
damals für ganz Europa vorbildlichen, fast ein Jahrhundert
lang. Bis von einem gewaltigen Orkan der Puder aus ihren
Haaren hinweggeblasen wurde und langsam zuBoden sickernd
sie mitsamt ihrem Zeitalter verschüttete. Sie war überwunden
— wie ihre Überwinder glaubten, auf immer. Und sie mußte,
wie es in solchen Fällen zu geschehen pflegt, eine geraume
Weile tot bleiben, um wieder lebendig zu werden. Die
Zeiten und die Augen mußten sich abermals gründlich
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1 o
Einleitung
gewandelt haben, bevor man entdecken konnte, daß jener
verflogene Puder doch noch etwas anderes gewesen war
als das Merkzeichen einer modrigen Verstaubung; daß er
vielmehr wie der zarte Staub der Schmetterlingsflügel zum
Hilfemittel gedient hatte für eine unnachahmliche und dar-
um unverwelkliche Schönheit. Die gepuderte Muse feierte
ihre Wiederauferstehung; und zwar nicht etwa nur als nied-
liche Figurine in der großen Kostümkammer der Vergangen-
heit, sondern als lebensprühendes Kunstgestirn.
Welcher Zauber ist es, der uns Gegenwartsmenschen
gerade zu ihr über allen bewußten Abstand der Ideen,
Richtungen und Ziele hinweg so magnetisch hinzieht? War-
um hat das Rokoko in seinem Gesamtwerk wie in seinen
Einzelschöpfungen einen so überraschend hohen Liebhaber-
wert für uns erlangt? Weil in ihm zum ersten und aller
Wahrscheinlichkeit nach auch zum letzten Mal das vollendete
Formgefühl, die heitere Harmonie, die üppige Sinnenfreude,
die problemlose Daseinsbejahung einer rein ästhetischen,
rein aristokratischen Kultur sich darstellen, Gipfelpunkt und
Ende zugleich.
Denn nachdem in der Menschenseele das soziale Gewissen
erwacht ist, wird schwerlich eine bevorrechtete kleine
Minderheit je wieder den Rücken der Mehrheit zu einer so
bequemen, so selbstverständlichen Grundlage ihres Wohl-
behagens benutzen können, wie es im Frankreich des großen
Ludwig und seiner Nachfolger der Fall war. Seit dem
klassischen Altertum, dessen vielgerühmte Schein-Demo-
kratie ja den breiten Unterbau der Sklaverei zur notwendigen
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Einleitung
Voraussetzung gehabt hatte, war die Kluft zwischen
Herrschenden und Fronenden nie so tief, so unüberbrück-
bar gewesen wie dazumal. Hatte aber die Antike immer-
hin das ewig unbekümmerte Schwelgen den seligen Göttern
vorbehalten, so gab es nun einen irdischen Olymp, der
dem himmlischen weder an Erhabenheit noch an Verant-
wortungslosigkeit nachstand. Als Jupiter thronte darin der
selbstherrliche König und vergöjtlichte kraft seiner mysti-
schen Glorie auch alle diejenigen, die ein Strahl seiner
Gnadensonne beschien. Gradeso, wie er den Brennpunkt
des Hofes bedeutete, wurde der Hof der Brennpunkt jenes
neuen Gebildes, das allmählich aus ihm hervorwuchs oder
sich an ihn angliederte, der Gesellschaft. L'état c'est moi
— mit Fug durfte sie das übermütige Wort Ludwigs XIV.
auf sich ausdehnen. Nahm sie doch sämtliche Güter eines
gesegneten Landes, die materiellen wie die ideellen, für sich,
das heißt für den Adel und höheren Klerus, in Beschlag.
Nur aus den obersten Schichten des Bürgertums, das in
ehrgeiziger Sehnsucht, in liebedienerischer Anbetung vor
ihr auf den Knien lag, gelang mitunter einem Glücklichen
der Aufstieg zu ihr. Für das ganze übrige Volk blieb sie
unnahbar entrückt; es trug, es nährte sie, ohne daß auch
nur kärgliche Brosamen von ihrer strotzenden Tafel es da-
für belohnten. Sie hegte nicht den leisesten Zweifel, daß
dieser Zustand sich so gehöre, zumal die Massen selber ihn
wie ein unabänderliches Fatum mit stumpfer Ergebenheit
hinnahmen. Der Mond konnte ihr nicht entlegener vor-
kommen als die Welt des Elends und der Unbildung, von
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I 2
Einleitung
der sie unmittelbar umringt war. Nur selten lief einem
Hellsichtigen ein leichter Schauder über die Haut. Drei-
undzwanzig Jahre vor der Revolution schrieb Voltaire an
einen Freund: „Wenn das Volk anfängt nachzudenken,
ist alles verloren." Und fast wie eine freche Antwort dar-
auf klingt der berüchtigte Ausruf der Pompadour: „Nach
uns die Sintflut!"
Und doch — das alles hindert uns nicht, zu bewundern,
wie meisterhaft es diese Gesellschaft verstanden hat, vor
der Sintflut für sich ein Paradies zu schaffen und es mit
kräftiger Selbstsucht bis an deren Band zu behaupten. Das
im Urbeginn verloren gegangene, das die Bibel uns schil-
dert, hatte nur ein einziges Menschenpaar beherbergt ; und
ob das Paradies für Alle, von dem der Sozialismus träumt,
sich jemals hienieden wird verwirklichen lassen, steht da-
hin. Durch Abschluß und Ausschluß hingegen verwirk-
lichte sich im Bokoko das Paradies der Wenigen. Es glich
einem wundersam gepflegten Ziergarten mit zugeschittenen
Hecken, prangenden Blumenbeeten, schattigen La ubgängen,
einladenden Basenplätzen, verschwiegenen Grotten und spru-
delnden Wasserkünsten ; einem Garten, den eine so hohe
Mauer umgab, daß man weder von außen sie übersteigen,
noch von innen über sie hinausschauen konnte. War da-
durch den Auserwählten, die ihn bevölkerten, die Unge-
störtheit ihrer Wonnen im doppelten Sinne verbürgt, so
fanden sie dennoch Baum genug darin, um sich einbilden
zu können, es sei die freie Natur, in der sie — am liebsten
paarweise — lustwandelten. Keine Pflicht, keine Sorge trübte
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Einleitung
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das lachende Idyll ihrer Schäferspiele und Schäferstunden.
Denn in diesem Paradies war es den Insassen, den geistlichen
nicht minder als den weltlichen, unverwehrt, nach Her-
zenslust vom Baum der Erkenntnis zu naschen. Der Triumph
der vervielfältigten Eva wurde von keiner Buße bedroht.
Denn zu den unberufenen Gästen, die hübsch jenseits der
Mauer zu bleiben hatten, zählte namentlich auch die Moral.
Gewiß, diese leichtfertige Gesellschaft wollte genießen,
weiter nichts; genießen, gleichviel um welchen Preis und
auf wessen Kosten. Aber indem sie den Genuß bis zu einem
beispiellosen Grad verfeinerte, wurde sie schöpferisch. Sie
fugte zuvörderst den schönen Künsten in mustergültiger
Ausübung eine neue hinzu : die Lebenskunst. Sie entwickelte
aus dem Zeremoniell des Hofes heraus das Gesetzbuch des
guten Tons, das die weitgehende Freiheit der Sitten be-
grenzte durch die behutsame Gebundenheit der Umgangs-
formen. So erhob sie erzieherisch die Gemeinschaft einer
schon durch Geburt und Rang gesiebten Auslese zu höch-
ster geselliger Kultur. So erfand sie für den wechselseitigen
Verkehr der beiden Geschlechter in der Galanterie jenes
anmutige System, das auch die Liebe in ein Gesellschafts-
spiel verwandelte. Ja sogar der Geist wurde seinem ange-
stammten Einsiedlerwesen zum Trotz von ihr gesellig ge-
macht, um ihrem ununterbrochenen Festgelag zur beson-
ders leckeren Würze zu dienen.
Die berühmten bureaux d esprit, die Salons, in denen
angeregte Frauen hervorragende Männer zu schöngeistigen
Turnieren um sich versammelten, entkeimten sicherlich
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E inleitung
wie jede andere Geselligkeit dem einfachen Verlangen nach
Zeitvertreib. Wenngleich sie an dessen Qualität ungewöhn-
liche Ansprüche stellten, lag ihnen doch nichts ferner als
die mühselige Aufgabe, in verborgene Schächte der Er-
kenntnis hinabzudringen. Hier ward nur gemünztes Gold
in Zahlung genommen, nur fertig angerichtete Speise auf
den Tisch gesetzt. Einerlei, welches Thema zur Debatte
stand, man forderte vor allen Dingen von der Unterhaltung,
daß sie unterhaltend sei. Eine Zeitgenossin verglich sie mit
dem „Champagnerschaum, der sich verflüchtigt und nichts
zurückläßt, dessen Geschmack aber doch unendlich ange-
nehm ist". Man haftete an der Oberfläche; man spielte mit
Gedanken, wie man mit Bällen spielt, und den Preis im
Wettstreit errang, wer für das schwerste Problem das leich-
teste Treffwort fand. Die großen Fragen der Menschheit,
des Staates, der Nation, hier lieferten sie nur den willkom-
menen Rohstoff zu einem prasselnden Feuerwerk. Selbst
der Krieg samt seinen für Frankreich gewonnenen und ver-
lorenen Schlachten wurde — so unglaublich es heutigen
Ohren klingen mag — in diesem Kreis mit witzigen Epi-
grammen abgefertigt. Trotzdem aber sind für die Bildung,
für Wissenschaft, Kunst und Literatur von hier die nach-
haltigsten Antriebe ausgegangen. Nicht nur daß der Geist,
indem er genötigt wurde, kurzweilig zu sein, zugleich die
Kurzweil vergeistigte. Er selber gelangte dadurch in die hohe
Schule der Weitläufigkeit. Er empfing den funkelnden Schliff
und die federnde Schlagfertigkeit, die ihm späterhin bei
ernsteren Waffengängen zugut kamen. Und hauptsächlich.
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E inle itung
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er gewann einen Resonanzboden, ein Forum, ein Echo,
wurde durch die rege Fühlung mit einer einheitlichen
Gönnerschaft befähigt zur Ausprägung eines Stils.
Die staunenswerte Stilsicherheit in den Werken des Ro-
koko erklärt sich daraus, daß sie aus einer bereits stilisier-
ten Wirklichkeit hervorgingen. Nicht aus dem elementaren,
chaotischen All, sondern aus eben jenem wohlgehegten
Paradiesgarten der guten Gesellschaft, dessen Mauer auch
ihnen die Außenwelt verbarg. Die verschiedenen Künste
waren nichts andres und wollten nichts andres sein als
der in bunte Regenbogenstrahlen zerlegte Abglanz dereinen,
unteilbaren Lebenskunst. Und sie konnten der vollendeten
äußeren Kultur, der sie entsprangen, nur Genüge tun, in-
dem sie ihr durch die Vollendung in allem Formalen, allem
Handwerklichen die Wage hielten. Den Genuß der Genie-
ßenden zu steigern war ihr alleiniger Zweck, die Luxusbe-
dürfnisse einer überaus wählerischen, überaus feinschmecke-
rischen Elite zu befriedigen ihre ganze Bestimmung. Sie
sollten ihr das Dasein nicht rückhaltlos spiegeln, nicht sehe-
risch deuten; sie sollten es schmücken, so verschwende-
risch und so schönheitsvoll wie möglich. Architektur und
bildende Kunst reichten sich die Hände, um den galanten
Festen der Paradiesbewohner den kostbaren Rahmen zu
schaffen, und auch die Dichtung beeiferte sich, ihren ver-
wöhnten Sinnen zu schmeicheln.
* *
*
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E inleitung
Begreiflich daher, daß die Muse des Rokoko nicht einem
himmelstürmenden Titanen die Stirn geküßt hat. Der hätte
schlecht in ihr abgezirkeltes Elysium gepaßt. Nein, sie hat
nach dem Beispiel ihrer damaligen Erdenschwestern ihre
Gunst gleichmäßig unter viele schätzbare Bewerber ver-
teilt. Und dennoch hat sie einen vorzugsweise verhätschelten
Liebling besessen, dem sie ihre Seele einhauchte, ihre
Reize erschloß wie keinem andern. Einen genialen Poeten
der Farbe. Mit Recht haben die Brüder Goncourt an den
Eingang ihres Buches über die französische Kunst jener
Tage den Satz gestellt: „Der große Dichter des achtzehnten
Jahrhunderts ist Watteau." Auf den Bildern dieses be-
gnadeten Hexenmeisters blüht und leuchtet der versunkene
Zaubergarten fort. In seinen Geschöpfen atmet die be-
neidenswerte Leichtlebigkeit und der festliche Müßiggang
einer niemals alternden Jugend, deren ganzes Geschäft
darin besteht, unter ewig blauem Himmel auf einer immer-
grünen Wiese zu lagern oder Arm in Arm auf spiegel-
glatter Flut sich nach der Insel Cythera einzuschiffen. Für
uns eine Traumwelt, aber dennoch voll eindringlicher
Uberzeugungskraft, weil der Maler sie nicht erträumte,
sondern bloß in ihr verklärte, was er rings um sich herum
mit Augen sah.
Einen Meister der Dichtkunst vom Rang Watteaus hat
die gleichzeitige französische Literatur nicht aufzuweisen.
Selbst die beiden weltbewegenden Schriftsteller, die, dem
Rokoko entstammt, es durch ihre mächtige Gedankenarbeit
überwanden, selbst Voltaire und Rousseau waren ja Dichter
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Einleitung
1
nur im Nebenamt; der erste in seinen Poesien noch ganz im
mütterlichen Boden wurzelnd, der zweite schon eigenwillig
von ihm losgelöst. Für den Mangel des Außerordent-
lichen entschädigen jedoch zahlreiche Autoren durch ein
so beträchtliches Können, daß man kaum einen wesent-
lichen Wertunterschied zwischen ihnen entdeckt. Diese
Literatur gleicht nicht wie die der Renaissance einem Ge-
birg mit ragenden Häuptern ; sie gleicht einer Hochebene,
die zwar keine getürmten Gipfel, hingegen auch keine
Niederungen kennt. Wir haben, wenn wir sie betreten, die
angenehme Gewißheit, daß so wichtige Dinge wie Maß und
Geschmack, Überlieferung und Feingefühl sich von selbst
verstehen. Die Bücher dieser Zeit sind die getreuen Ab-
bilder der Salons, unter deren Einfluß und zu deren Nutz
und Frommen sie geschrieben waren. Wir nehmen teil an
einer sehr vornehmen, sehr liebenswürdigen, sehr vor-
urteilslosen Gastlichkeit, bei der ein geistreicher Abbé oder
ein überlegener Weltmann uns mit unübertrefflicher
Noblesse etwas Anziehendes vorplaudert oder zuflüstert.
Wir dürfen nicht erwarten, daß man uns überwältigt,
brauchen aber auch ganz und gar nicht zu befürchten, daß
man uns langweilt.
Damit ist eigentlich schon gesagt, welche Gattung dem
Wesen dieser Literatur am meisten entgegenkam. Für die
Lyrik fehlte ihr die ursprüngliche Empfindung, für das
Drama wie für den dickleibigen Roman die Weite der An-
schauung und die Plastik der Gestaltungskraft. Um so
glücklicher konnte sie in der kleinen Erzählung all ihre
Fulda, Di« gepuderte Muse 2
i8 Einleitung
Gaben entfalten; in ihr kam sie dank innerer Verwandt-
schaft dem Watteau am nächsten, der ja im Grunde
genommen auch ein Erzähler, ein Märchenerzähler war.
Und wie man die Bilder Watteaus, wenn sie in Worten
statt in Farben gedichtet wären, sich nicht in Prosa, nur
in metrischer Form vorstellen könnte, so ist es die Vers-
erzählung, in der die gepuderte Muse ihren echtesten Aus-
druck, ihre sieghafteste Offenbarung erreicht. Oder sind
Vers und Reim für das Rokoko, wie wir es uns vergegen-
wärtigt haben, nicht weit mehr als ein kleidsames Kostüm,
eine reizvolle Ornamentik, eine silberne Melodie? Sind sie
nicht das poetische Symbol jener Scheidewand, die den ge-
segneten Garten vor den Rauheiten des Lebens bewahrt?
Sind sie nicht der jenem ganzen Geschlecht so unentbehr-
liche Schleier, der „um die gemeine Deutlichkeit der
Dinge den goldnen Duft der Morgenröte" webt? Ja, in
gleitenden, hüpfenden, tanzenden Versen mußten diese Ge-
burten einer idealisierten, von aller Erdenschwere ent-
lasteten Natur ihre natürliche Sprache finden.
Der Schauplatz, an den sie uns entführen, mit. welchem
Namen er auch genannt sein mag, ist in Wahrheit ein holdes
Nirgendland, worin die Menschen des goldenen Zeitalters
von den barock zurechtgestutzten Göttern der antiken My-
thologie am seidenen Fädchen gelenkt werden. Als die
oberste Gottheit, allen andern an Macht überlegen, thront
Amor und schnellt vom Bogen seine gefiederten Pfeile,
die aber nur prickelnd ritzen, nicht sehrend verwunden.
Erotik ohne Leidenschaft, Liebe ohne Tragik, Rausch ohne
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Einleitung
•9
Ernüchterung, Feuer ohne Qualm. Ein Gefilde der Seligen,
deren Seele nicht von Stürmen aufgewühlt, nur vom Zephyr
gekräuselt wird. Sie leidet nicht an Widersprüchen; sie
krankt nicht an Verworrenheit ; es klafft in ihr kein Zwie-
spalt ; es tönt aus ihr kein Mißklang. Das gilt für die weib-
liche in noch höherem Grad als für die männliche. Denn
das Weib, aus dem die moderne Psychologie so unerschöpf-
lich viel herausgeholt, in das sie so unergründlich viel hin-
eingeheimnist hat, erscheint hier noch kaum als objektiv
geschautes Eigenwesen. Es ist durch die Brille der männ-
lichen Begier lediglich aus einem Punkte gesehen ; mit der
einseitigen Psychologie des Jägers, den die seelischen Re-
gungen des Edelwilds nur insoweit interessieren, als sie
Aufschluß darüber geben, wie man es am sichersten zur
Strecke bringt. Aber mag diese Dichterei, mit den kritischen
Maßstäben unseres Jahrhunderts gemessen, auch tausend-
fach überholt sein, sie wiegt ihre offenkundigen Schwächen
auf durch Vorzüge, die von keiner Nachfolge wettgemacht
worden sind.
Zum kleinsten Teil beruhen sie auf dem rein Stofflichen.
Zwar sprudelt der Born der Erfindung in nie ermattender
Frische, nie versagender Fülle. Doch diese ergötzlichen
Märchen ftir große Kinder, diese duldsamen Satiren und
neckischen Schwänke, diese lockeren Liebes- und Ehe-
standsgeschichten, ob von ihren Erzählern selbst ersonnen
oder den Fundgruben altfranzösischer Fabliaux und ita-
lienischer Novellistik entlehnt, würden durch ihren Inhalt
allein uns nicht in ihren Bannkreis zwingen. Hier, wenn
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20
Einleitung
irgendwo, lernen wir einsehen, daß in der Kunst über-
haupt wenig oder nichts am Was gelegen ist, alles am Wie.
Äußerste Verfeinerung der Lebensformen hat hier in orga-
nischem Werdegang einen bildnerischen und sprachlichen
Formsinn ohnegleichen gezüchtet. Die schwebende Zart-
heit der Behandlung, die tändelnde Anmut des Vortrags,
an die seraphische Lieblichkeit Mozartscher Symphonien
gemahnend, beflügelt sogar das Plumpe, adelt das Wohl-
feile, verzierlicht das Derbe und läutert das Gewagte. Die
Grazien in Person, aus unseren heutigen Künsten nahezu
gänzlich verbannt, hier trifft sie der Lauscher bei ihrem
unverschüchterten Reigen.
* *
*
Ich habe es unternommen, die besten Kleinodien aus
dieser Goldschmiedewerkstatt in deutsche Sprache zu fassen.
Sie sind in Deutschland trotz der längst erwachten Vor-
liebe für jene Zeit so gut wie unbekannt. Freilich teilen
sie damit das Schicksal unserer eigenen Rokoko-Dichtung.
Wer kennt die entzückenden Verserzählungen unseres
Wieland? Es geht übrigens in Frankreich der Mehrzahl
seiner dortigen Zeitgenossen nicht viel besser. Außer den
einschlägigen Werkchen Voltaires, die sich jugendlicher
erhalten haben als seine umfangreichen Epen, und dem
einen oder andern Kabinettstück, wie besonders dem w Vert-
Vert w von Gresset, befinden sich ihre Bücher mehr auf
den Gestellen der Bibliotheken als in den Händen der
Leser. Die Literaturgeschichten, auch die ausführlichen,
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Einleitung
2 I
huschen flüchtig über sie hinweg, nennen nicht einmal
vollständig ihre Namen. Daher hat es einige Mühe ge-
kostet, die umfassende Übersicht zu gewinnen, die einer
gewissenhaften Auswahl vorangehen mußte. Diese wurde
ferner noch erschwert durch die Gleichwertigkeit und
Gleichartigkeit der Leistungen, deren einzelne Verfasser,
wenn sie anonym überliefert wären, man kaum deutlicher
auseinanderhalten könnte als bei dem großen Sammelwerk
von Tausend und einer Nacht. Ich darf hoffen, daß es mir
geglückt ist, der daraus sich ergebenden Gefahr eintöniger
Wiederholung zu entrinnen und soviel Abwechslung zu
bieten, wie der Mangel scharf unterschiedener Charakter-
köpfe gestattet. Denn die dreizehn in chronologischer
Reihe hier vereinigten Dichter sind, obwohl der jüngste
fest ein volles Jahrhundert nach dem ältesten geboren
wurde, Blüten an ein und demselben Zweig.
Noch ein Wort über das deutsche Sprachgewand. Die
allgemeinen Grundsätze, von denen die künstlerische Über-
tragung fremder Dichtungen sich leiten lassen soll, habe
ich in meiner Studie „Die Kunst des Übersetzers" («Aus
der Werkstatt", Verlag Cotta) eingehend zu entwickeln
versucht. Es ist aber jedesmal ein neues, ein individuelles
Problem, mit dem neue literarische Individualitäten an den
Übersetzer herantreten. Er hat bei den Werken ver-
schiedener Dichter, je nach ihrer Zeit, ihrem Volkstum
und ihrem eigenen Charakter, sich genau so völlig anders
einzustellen, wie der Schauspieler sich bei verschiedenen
Rollen 'einstellt. Im vorliegenden Fall dreht sich die
?.1
Einleitung
besondere Aufgabe vor allem um Stil und Form, die schon
darum sorgfältigste Vermittlung beanspruchen, weil die
Originale ihren Reiz und Wert wesentlich ihnen verdanken.
Was den Stil betrifft, so galt es, die Patina nicht zu ver-
wischen und doch auch wieder eine gekünstelte Alter-
tümelei des Ausdrucks zu vermeiden. In Bezug auf die
Form durfte der schaukelnde Flug und Fluß der Verse,
das glitzernde, perlende Spiel der Reime um keinen Preis
verloren gehen. Wenngleich die französische Metrik be-
kanntlich auf die Silbenzählung, nicht wie die unsrige auf
den Akzent sich stützt, konnte ich mich ihr umso näher
anpassen, als die jambischen Versmaße, die ihr im Deut-
schen entsprechen, bei uns für diese Gattung allgemein
üblich sind. In der Erzählung Voltaires „Die drei Arten"
findet man diese längeren oder kürzeren Maße sowohl
eins nach dem andern angewandt wie durch treffende
Glossen gekennzeichnet, während die übrigen Gedichte
entweder ein einzelnes von ihnen durchweg beibehalten
oder sie gemeinsam, nämlich den vier-, fünf- und sechs-
füßigen Vers, in willkürlicher Verschlingung miteinander
wechseln lassen. Der letztere, der Alexandriner, ist hier-
zuland dadurch in Mißkredit gekommen, daß man ihn
immer wieder wahllos nachgebildet hat, ohne die Gegen-
sätzlichkeit des französischen und des deutschen Sprach-
geistes in Rechnung zu ziehen. Zum deutschen dramatischen
Vers eignet er sich erfahrungsgemäß nie und nimmer, und
ich bin deswegen bei meinen Molière-Arbeiten mit reif-
licher Überlegung von ihm abgewichen. Für ein kleineres
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Einleitung
23
erzählendes Gedicht darf er indessen unbedenklich über-
nommen werden, zumal man in seinem etwas steifen
Faltenwurf die Reifrocke des Rokoko knistern hört. Nach
diesen Gesichtspunkten bin ich den Urtexten Zeile fur
Zeile treulich gefolgt, habe nur an ein paar Stellen der
Wirkung zulieb mir unbedeutende Kürzungen erlaubt.
Und nun beginne die Fahrt der bekränzten Barke, die
den deutschen Leser einlädt, auf einige Stunden aus einer
nicht gerade paradiesischen Gegenwart nach der heiteren
Insel Cythera zu flüchten.
LUDWIG FULDA
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DAS GESPENST
Ein wackrer Edelmann wuchs einstens auf
In der Guyenne. Gibt's dortzuland wohl andre?
Nein, die Garonne, wie lang und weit sie wandre,
Wird nichts gewahr in ihrem ganzen Lauf
Als Leute von urechtem, altem Adel.
Marquis von Peyremant war außerdem
Jung, kühn, gewandt, gewachsen ohne Tadel
Und als geschickter Plaudrer angenehm;
Das heißt, er sprach gar viel, gleichgültig was.
Denn bei den Weibern braucht man, merkt euch das,
Nicht ängstlich auf der Worte Sinn zu achten.
Nur loben müßt ihr, schmeicheln, möglichst dick,
Müßt nur verstehn im rechten Ton zu schmachten,
Müßt albern schwatzen jeden Augenblick
Von eines Liebenden Beruf und Zweck
Und von des wahren Zartgefühls Gesetzen;
Vor allem aber zeigt euch möglichst keck :
Das ist genug, dann werden auf dem Fleck
Die Damen euch als schöne Geister schätzen ;
Ihr könnt sie sämtlich wickeln um den Finger
Und geltet allgemein als Herzbezwinger.
28
Das Gespenst
Unser Marquis besaß von diesen Gaben
Im Überfluß und nutzte sie mit Fleiß.
Einst ritt er, ohne viel Gepäck zu haben,
Quer über Land — zu welchem Ziel? Wer weiß?
Er selber wußte schwerlich, wo hinaus:
Mehr als der Schiffersmann im Wogenbraus
Gibt sich dem Wind anheim, wer abenteuert,
Ist überall, nur nicht bei sich zu Haus,
Fragt nicht, wohin des Zufalls Hand ihn steuert.
Beschränkt ist andrer Leute Wirkungsfeld
Auf einen Winkel, den sie sich erwerben
Durch Arbeit oder durch Geburt ererben;
Doch der Gascogner hat zum Reich die Welt.
So ließ er trotten seine magre Stute,
Die glänzte durch gar manches bunte Band
Sowie durch der Schabracke Flittertand.
Der Held, bedeckt vom flotten Federhute,
Trabt auf gut Glück dahin mit stolzem Mute,
Da stürzt an einer glatten Wegeskante
Urplötzlich seine dürre Rosinante.
Glücklicherweise trifft kein Schaden ihn ;
Nachdem er sich erhoben und geschüttelt, .
Sucht er sein keuchend Pferd emporzuziehn,
Jedoch umsonst, so viel er an ihm rüttelt.
Die Mähre sieht ihr letztes Stündlein nahn,
Und während zu dem kargen Herrn gewendet
Sie vorwurfsvoll ihm schwache Blicke sendet,
Das Gespenst
a 9
Weil ihr sein schnöder Geiz dies angetan
Vermittelst allzuknappen Futters, endet
In einem Seufzer ihre Lebensbahn.
Der arme Peyremant, wie tief er trauert,
Sobald er seines Reittiers Tod gewahrt!
Jedoch sein Schmerz hat noch nicht lang gedauert,
Als ein Befördrungsmittel beßrer Art
Erscheint und ihn befreit aus aller Not.
Ein Wagen fährt vorüber, und darinnen
Thront eine schöne Frau, in deren Sinnen
Noch nie der Liebe Feuer hat geloht.
Ein ältlicher Gemahl sitzt ihr beiseit
Und auf dem Rücksitz eine junge Base,
Da die Gesellschaft in der Sommerzeit
Ein nahes Landhaus aufsucht als Oase.
Ins Auge fällt sogleich dem guten Alten
Der Abenteurer mit dem toten Pferd,
Und weil er diesen, wie der Anschein lehrt,
Für einen Mann von Rang und Stand muß halten,
Steigt er sogleich heraus, in seinem Wagen
Ihm Platz anbietend und zu weitrer Rast
In seinem Haus als höchst willkommnem Gast.
Dies wird vom Ritter höflich ausgeschlagen,
Verstärkte Bitten lehnt er gleichfalls ab,
Jedoch am Ende läßt er sich herab,
Nimmt in der Kutsche dankend seinen Sitz
Und sputet sich, sein Wissen anzubringen;
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3o
Das Gespenst
Er spricht mit dem Gemahl von ernsten Dingen,
Mit kleinen Schmeichelein und leichtem Witz
Kürzt artig den zwei Damen er die Zeit,
Bereitet allen viel Ergötzlichkeit.
Er macht mit ihnen drauf sich seihst bekannt;
Er stellt sich vor als Mann von hohen Graden,
Mit Herzog X, Prinz Y verwandt,
Beliebt bei Hof, beim König sehr in Gnaden.
Er schildert seine Güter und ernennt
Sich selbst zum Oberst, dessen Regiment
Begriffen ist auf einem Marsch nach Flandern.
Es einzuholen war er just bedacht;
Schon warten da und dort auf ihn die andern.
Er hat nur einen Umweg noch gemacht
(Das sagt er mit geheimnisvoller Miene),
Damit er, eh' dem Vaterland er diene,
Veitrauten Abschied nehm'. Auf solche Weise
Trägt er manch lächerliche Fabel vor,
Und seinem Fluukern leiht in diesem Kreise
Gutgläubig und belustigt man das Ohr.
So kommt man unversehns an Ort und Stelle,
Und unversehns empfindet auch derweil
Die junge Frau den Schuß von Amors Pfeil.
Wie, werft ihr ein, endodert man so schnelle,
Zumal wenn man noch nie zuvor geliebt?
Bezweifelt ihr s? Ein keusches Herz ergibt
Sich leichter als ein andres diesen Flammen,
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Das Gesfenst
3i
Weil es die Macht nicht kennt, von der sie stammen,
Und läßt sich ohne Warnsignal erraffen;
Hingegen eins, dem ihre Schliche kund,
Das noch von manchem ihrer Pfeile wund,
Ist gegen ihren Angriff stets in W'affen.
Mißtrauisch ist es, läßt sich nicht betäuben
Von einem kurzen, trügerischen Wahn,
Und wird s durch Zwang ihm dennoch Untertan,
Sucht's wenigstens ein Weilchen sich zu sträuben.
Nun wohl, Zelide — dies der Schönen Name —
Trägt keinen Panzer, keinen Schild von Erz;
Im Augenblick verwandelt sich ihr Herz.
Doch solch ein Wandel schadet keiner Dame.
Ist's doch der Liebe Wirkung, die sich immer
Bewährt und nicht auf Einbildung beruht,
Zu doppeln jeder Schönheit Reiz und Schimmer;
Die allerkleinste Dosis dieser Glut
Verleiht ein Etwas euch in Blick und Haltung,
Das nie zuvor gelangt ist zur Entfaltung.
So läuft gleich nach der Ankunft emsiglich
Zum Spiegel die verschossene Zelide,
Putzt sich die Zahne, schminkt und kräuselt sich
Und sucht sodann als strahlende Sylphide
Den schönen Ritter, der ihr Herz versehrt.
Nicht lange dauert's, bis verwirrte Mienen
Und Blicke, funkend aus dem Flammenherd,
Zur scheuen Botschaft ihrer Liebe dienen.
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32
Das Gespenst
Nicht lange währt's auch, bis der Herr Marquis,
Der ja kein Neuling ist in diesem Fache,
Begreift und eifrig eingeht auf die Sache.
Hinüber und herüber äugeln sie ;
Man wechselt halbe Worte, halbe Fragen,
Gezwinker und Geseufze spielen mit,
So daß, bevor es neu beginnt zu tagen,
Man schon einander auf die Füße tritt
Und nach verstohlnen Händedrücken angelt.
Indes nach allgemeiner Regel war
Dies nicht genug; ein wicht'ger Umstand mangelt,
Ein Umstand, ohne den kein Liebespaar
Sich als vollkommen glücklich wird bekennen,
Und diesem Umstand — brauch' ich ihn zu nennen? —
Sieht man ein Hindernis im Wege stehn.
Der alte Herr Gemahl ist eifersüchtig,
Weicht keinen Schritt von ihr; wie soll man tüchtig
Und wirksam solchen Argus hintergehn?
Seid außer Sorgen; Amor zog noch nie
Den kürzeren, er macht in allen Landen
Des Eifersücht'gen Wachsamkeit zu schänden,
Und so geschah's auch hier; vernehmt nur, wie.
Der Alte war beschränkt und glaubte blind
An alle Zauberein, an Hexenmeister,
An Traumgesichte, namentlich an Geister,
Vertrauensselig wie ein kleines Kind.
Hört nachts er Lärm, sieht Lichtschein vor dem Fenster,
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Das Gesfenst
33
Kobolde sind's, die er zu wittern schwört,
Werwölfe oder greuliche Gespenster,
Und vor Entsetzen ist er ganz verstört.
Da Peyremant von dieser Schwäche hört,
So säumt er nicht, mit einer ganz genauen
Berechnung seinen Plan darauf zu bauen.
Beim Plaudern aufgeschnappt hat der Gesell,
Daß dieses Gimpels Bruder einst vor Zeiten
Gezwungen worden durch ein kühn Duell,
Auf immerdar zu flüchten in die Weiten ;
Und allsobald ist er mit sich im reinen :
Er will, um den beschwerlichen Gemahl
Zu täuschen, nachts ihm als Gespenst erscheinen,
Als Geist des Bruders, der, zu herber Qual
Verdammt im lichterlohen Fegefeuer,
Um draus befreit zu werden, hoch und teuer
Um hilfreich wirkende Gebete fleht.
Kaum ist der Plan gefaßt, als er Zeliden
Ihn ohne jeden Zeitverlust verrät.
Erst weist sie diesen Vorschlag sehr entschieden
Zurück, von Ängsten oder Scham durchdrungen ;
Doch so gewaltig ist sein Redefluß,
Daß schließlich seinem Wunsch sie weichen muß.
Ausdrücklich aber wird zuvor bedungen,
Daß er mit feierlichem Schwur gelobt,
Er werde brav sein und durch nichts als Worte
Den Brand betätigen, der in ihm tobt.
F n Ida, Die gepuderte Mu»e 3
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34
Das Gespenst
Wie dünkt euch wohl ein Schwur von dieser Sorte?
Wollt ihr verbürgen, daß er sich erprobt?
Und wähnt ihr, daß die Schöne selbst vielleicht,
Mit dem Geliebten nachts allein gelassen,
Sich sehr bemüh n wird, ihn beim Wort zu fassen?
Ich weiß nur, daß, sobald der Tag entweicht,
Sie sorglicher als je das Haar sich kämmt,
Ihr Mieder auszieht, um dem Brauch entgegen
Sich kaum bekleidet in ihr Bett zu legen,
Sich wäscht mit einem Fleiß, der sonst ihr fremd,
Und alles dies — ihr ahnt wohl selbst, weswegen.
Doch wie dem sei, der Hampelmann ist kaum
Entschlummert auf dem ehelichen Pfühle,
Als der Galan sich einschleicht in den Raum,
Geräuschvoll umwirft Schränke, Tisch und Stühle,
In Seufzer ausbricht und in kläglich Stöhnen,
Den Vorhang zieht mit grauenhaftem Lärm
Und mit den schauerlichsten Jammertönen
Zu sprechen anhebt, daß bis ins Gedärm
Dem armen Alten das Entsetzen fährt:
„O du, der friedlich liegt in sanftem Schlummer,
Wach auf, geweckt von eines Bruders Kummer,
Der vormals dir so teuer war und wert.
Hör unverzüglich seine letzten Bitten.
Seit vor zwei Tagen meines Lebens Strang
Von Mörderhänden meuchlings ward zerschnitten,
Bin ich verdammt, viertausend Jahre lang
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Das Gespenst
35
Zur Buße meiner sündhaft bösen Taten
Im Fegefeuer rettungslos zu braten,
Falls dein Gebet mich nicht daraus befreit;
Drum dein Gebet ist s, dem ich mich empfehle.
Erhebe dich, eil trotz der Schlafenszeit
Zur Kirche hin ; für meine arme Seele.
An der umsonst Gewissensbisse nagen,
Halt fromm das Totenamt, und dies zu tun
Fahr pünktlich fort im Laufe von neun Tagen;
Denn grad zur Zeit, wenn alle Menschen ruhn,
Verdoppelt sich unsagbar meine Folter."
Nachdem er diese Rede vorgebracht,
Erneut er sein Gewimmer und Gepolter,
Worauf er schnell sich aus dem Staube macht.
Der Gatte, dem die Zähne klappern, schwebt
Zuerst im Zweifel, ob er dem Begehren
Des falschen Bruders Folge soll gewähren,
Nicht weil ein Argwohn sich in ihm erhebt,
Vielmehr weil sein Gemüt von Angst beklommen.
Doch als er seiner Gattin Rat vernommen,
Die hundert Fabeln kennt von Unglücksraben,
Die man erwürgt in ihrem Bette foud,
Bloß weil Erhörung sie verweigert haben
Den une Hüsten Geistern, übermannt
Ihn stärk re Furcht und heißt ihn hurtig sein.
Kaum aber ist er aus der Tür geschieden,
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36
Das Gespenst
Tritt der Marquis beschwingt von Amor ein,
Um andern Zoll zu fordern von Zeliden.
Entzückt und stürmisch naht er sich der Teuern ;
Jedoch um seinem Ungestüm zu steuern,
Läßt sie den einmal schon geschwornen Eid,
Er werde brav sein, nochmals ihn erneuern.
Er schwört's und bricht den Schwur zu gleicher Zeit.
Denn beim Gelöbnis, daß er jedenfalls
An ihre Sittsamkeit nicht wagt zu tippen,
Raubt er sich einen Kuß von ihren Lippen,
Umschlingt er kecklich ihren nackten Hals,
Bedrängt auf hundert Arten sie gewaltsam
Und plaudert so zerstreuend unterhaltsam,
Daß, während ihm erfolgreich vorzudringen
Gelingt, Zelide keinen Widerstand
Ihm leistet, oder doch nur sehr geringen.
Dann, immer plaudernd, schmuggelt er gewandt
Sich auf den leeren Platz des Eheherrn.
Ade nun Schwüre, Tugend, gute Sitten ;
Ihr seid vom Rand des Abgrunds nicht mehr fern.
Der Liebende rückt vor mit Riesenschritten ;
Mit festem Arm umschlingt er seine Schöne,
Die weiter sich dabei nichts Arges denkt.
Es fehlt, damit der Liebe Werk sich kröne,
Nur noch der letzte Schritt. Doch Venus lenkt
Die Liebenden und läßt es drum geschehen,
Daß, währenddem in brünstigem Gebet
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Das Gespenst
Der Ehemann das Totenamt begeht,
Sie hier das Amt der Lebenden begehen
Und nur zuweilen absteh n, sich zu herzen,
Um über die gelungne List zu scherzen.
Jedoch damit ihr außer Sorgen seid,
Ist's nötig, daß ich Aufschluß euch erteile :
Die Kirche lag fast eine ganze Meile
Vom Haus entfernt; so hatten volle Zeit
Die Liebenden und keinen Grund zur Eile.
Der Gatte kommt erst wieder, als es tagt,
Und Stück für Stück berichtet er Zeliden,
Was alles für der armen Seele Frieden
Er unternommen. Sie hinwiedrum sagt,
Sie hab' zu gleichem Zweck die ganze Nacht
In heißesten Gebeten zugebracht.
Das log sie nicht. Sie tat es augenscheinlich,
Wie meine Schilderung euch klar beweist.
Neun Nächte lang vollzog der Alte peinlich,
Was ihm befohlen worden von dem Geist,
Und ebenso neun Nächte lang begingen,
Von immer neuer Leidenschaft entflammt,
Die glücklich Liebenden ihr frommes Amt;
So häufig pflegten sie den Text zu singen,
Daß schließlich sie darin beschlagner waren,
Ihn mehr vom Anfang kannten bis zum End',
Als ein Prälat und Mönch den seinen kennt,
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38
Das Gespenst
Den täglich er geübt seit Jugendjahren.
Wie dem auch sein mag, endlich nach Verlauf
Neun wohlgezahlter Tage wurde rührend
Abschied gefeiert. Der Marquis brach auf,
Nicht nur das Herz Zelidens mit sich führend,
Auch reich Geschmeid und Beutel voller Gold,
Die der Gemahl ihm gab als Ehrensold.
Dies ist das Schlimmste nicht an der Geschichte:
Man zeig' mir den Gascogner ohne Geld,
Dem Liebesruhm erschiene von Gewichte,
Falls nicht was Bares ihm sich beigesellt.
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LE PÈRE JEAN ANTOINE DU CERCEAU
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DIE NEUE EVA
„Den Appetit erweckt verschloßnes Brot.
Für jede Sünde liegt in dem Verbot
Ein Vogelleim, ein Köder, ein Magnet.
Dorthin zu gehn, hierher zurückzukehren,
Ist es erlaubt? Wenn nichts im Wege steht,
Wird man sich keinen Pfifferling drum scheren.
Doch ein Gesetz, das etwas untersagt,
Steckt augenblicklich uns dafür in Flammen,
Zum Zeichen, daß wir all von Eva stammen ;
Nur sei sie nicht zu hart von uns verklagt.
Nun ja, sie gab ein großes Ärgernis
Und ward für unsre Schwachheit so die Quelle ;
Doch sie verurteilt mancher, der gewiß
Grad so gehandelt hätt' an ihrer Stelle."
So sprach zu seiner Gattin einst ein Gatte,
Die, unsrer Stammesmutter äußerst gram,
Sie sich zum Ziel gestrengen Tadels nahm,
Weil sie den argen Fehl begangen hatte,
Von welchem unser ganzes Elend kam.
„Ach, schändlich!" rief sie, „solcherlei Tortur
Erst ihrem armen Gatten auferlegen
Und dann der Nachwelt! Und dies all weswegen?
Die neue Eva
Aus Gier nach einem dummen Apfel nur.
Frau Eva zeigte schlechtesten Geschmack. "
„Gut oder schlecht, die Frucht", sprach ihr Gemahl,
„War nicht der Grund von diesem Schabernack,
Nein, das Gesetz, das den Verzicht befahl.
Nur dies erregte des Gelüstes Qual.
Und wohlbemerkt, " so fuhr er fort, „ich wette:
Wollt' etwas dir verbieten irgendwer,
Wonach du nie verlangtest, ja, noch mehr,
Wovon dein liebes Ich nur Schaden hätte,
Du trügest stürmisch gleich danach Begehr."
„Ich!" ruft die Frau. — „Ja, du," versetzt ihr Mann.
„Das tatest du bestimmt, ich wüTs beeiden ;
Mag sich's durch eine Wette denn entscheiden."
Ihr ist es recht, sie nimmt den Wettpreis an :
Als dieser wird ein großer Haufe Geld
Vertraglich zwischen ihnen festgestellt.
Der Wackre spricht: „Ich will zu keiner Tat,
Die gar zu peinlich wäre, dich verleiten.
Wohlan so höre: Wenn du gehst zum Bad,
Grenzt linkerhand ein Sumpf an deinen Pfad ;
Falls einen Monat beim Vorüberschreiten
Du dich enthalten kannst, in den Morast
Hineinzutauchen mit den nackten Füßen,
Dann geb' ich zu, daß du gewonnen hast.
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Die neue Eva
Doch Vorsicht ! Fällt ein Straucheln dir zur Last,
Dann mußt du's mit der ganzen Summe büßen."
Nun, dieser Sumpf war voll Gestanks, durchzogen
Von Abgußwässern ; jeder hätte sich
Um ihn herumgedrückt in weitem Bogen,
Und solch ein Prüfstein schien höchst lächerlich.
Die Frau schlägt ein mit siegbewußtem Sinn ;
So völlig sicher ist ihr der Gewinn,
Als ob das Geld bereits im Kasten klinge,
Als lieg' es zur Verwertung schon bereit ;
Sie denkt zu kaufen hundert hübsche Dinge,
Ein neues Perlenhalsband, neue Ringe
Und namentlich ein wunderbares Kleid.
Sie geht somit wie jeden Tag ins Bad,
Nicht ohne heimlich nach dem Sumpf zu blicken ;
Für einen Anfang reichte das wohl grad :
Mehr mochte sich beim ersten Mal nicht schicken.
Des Menschen Geist ist ein vertrackt Kapitel,
Und mach* ich auf den Menschen meine Glossen,
Dann ist die Frau natürlich eingeschlossen,
Und zwar, gering gerechnet, für zwei Drittel,
Wie sich am gegenwärt'gen Beispiel zeigt.
Bald war die gute Frau dem Wahn geneigt,
Eis lohne sich — so kam's zu meinen Ohren —
Wenn man in schmutzig schwarzes Wasser steigt,
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44 Die neue Eva
Und die Herausfordrung begann zu bohren.
Das klare, reine Wasser in dem Bad
Schien ihr, mit jenem dort verglichen, fad ;
Vielleicht war auch der Teufel mit im Werke.
Doch wie dem sei, die Frau besaß die Stärke,
Zu schweigen, ließ zunächst auch nichts verlauten
Zu Jeanneton, der treuen Kammerkatze,
Die längst schon aufgerückt war zur Vertrauten.
Ein schmiegsam Wesen, immer auf dem Platze,
Verstand sie jedem Winke zu willfahren,
War unterwürfiger als eine Magd
Und hätt', ich bin gewiß, in hundert Jahren
Zu ihrer Herrin niemals nein gesagt.
Nun aber von der Dienerin genug;
Zurück zur Heldin müssen wir uns wenden.
Allstündlich wächst in ihr der Willenszug,
Trotzt übermächtig allen Widerständen.
Der Sumpf zieht an mit immer größrer Kraft,
So heftig auch sie sich dagegen strafft;
Stets näher tritt an seinen Rand sie täglich ;
Was liegt ihr noch am Bad? Nein, ganz unsäglich
Tobt fur den Sumpf in ihr die Leidenschaft.
Es tummelt sich auf ihm ein Entenschwarm ;
Den zeigt sie Jeanneton und fühlt sich arm
Vor dieser Enten besserem Geschick ;
Ja, ließe sich's durch einen Tausch erhandeln,
Sie würde sich sogleich zur Ente wandeln,
Und wärs auch nur für einen Augenblick.
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Die neue Eva
45
Doch häufig reißt Gelegenheit gewaltsam
Uns weiter, als in unsrer Absicht lag.
Die Dame zieht an einem nächsten Tag
In einer raschen Wallung unaufhaltsam
Von einem ihrer Füßchen Schub und Strumpf
Und streift mit nackter Sohle leis den Sumpf.
Sie läßt es immerhin dabei bewenden,
Zieht schnell den Fuß zurück zum Überfluß,
Hält allerdings ihr Herz mit beiden Händen;
Doch Selbstbeherrschung auch ist ein Genuß.
Der Mann, der sie mit Argusblick umschleicht,
Sieht ihren Widerstand sich sacht verringern,
Lacht sich ins Fäustchen, zählt an seinen Fingern,
Daß ihre Kraft nicht für den Monat reicht.
Er zählte richtig, sagt Frau Chronika ;
Zwei Monatsdrittel sind noch kaum verflossen,
Und der Entscheidungstag ist endlich da.
Den Fortschritt wohl bemerkend und entschlossen,
Sein Weib aufs Eis zu fuhren, sagt ihr Mann,
Er wolle nach den Winzern sehn heut Morgen
Und hinterher noch allerhand besorgen.
Er geht aufc Feld; nach kurzer Zeit sodann
Schlägt er sich außen 'rum zum Pächterhofe,
Um dort aus günstigem Versteck zu spähn.
Bald schaut er, wie zum Bad mit ihrer Zofe
Die Dame geht ; sie bleibt am Sumpfe stehn,
Betrachtet ihn, ist so von ihm gebannt,
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46
Die neue Eva
Als wär's ein Wunderquell; nach einer Pause
Reißt sie sich seufzend los von seinem Rand,
Setzt ihre Wandrung fort zum Badehause ;
Doch weil geheime Glut sie dort versengt,
Verläßt sie's wieder ungewöhnlich frühe,
Von Aufruhr und Begier die Brust bedrängt.
Sie sträubt sich, martert sich — verlorne Mühe:
Das Herz ist schwach, die Lust ist ohne Zügel,
Und die Vernunft regt kaum noch ihre Flügel.
„Nein, Jeanneton, ich leide gar zu viel",
Ruft ihre Herrin, wie zur Selbstbefreiung;
„Es hält mich Wette nicht, noch Prophezeiung,
Mich kümmern beide keinen Pappenstiel.
Kurz, ich erkläre nun dir frank und frei:
Erproben will ich den versumpften Teich !
Wend' ein, was immer dir beliebt, mir gleich ;
Ob man s erfahrt, ob nicht, mir einerlei;
Denn ernstlich war' aufs Spiel gesetzt mein Leben,
Wollt* ich dem Drang noch länger widerstreben." -
„Ei, gnäd ge Frau, hat's gar so groß Gewicht,"
Sagt Jeanneton, „wozu noch viel Bedenken?
Ich hab' es kommen sehn und weiß nur nicht,
Weshalb Sie drum sich ängstigen und kränken.
Sie wollen s; gut, so muß es denn geschehu.
Der Herr zuvörderst ist ja nicht zur Stätte ;
Drauf schwören will ich, niemand wird Sie sehn.
Jedoch verlören Sie sogar die Wette,
Was schadet's? Werden Sie drum Hungers sterben?
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Die neue Eva 4 7
- . - . ■ —
Sie bleiben trotzdem noch genügend reich ;
Doch wenn wir's richtig fädeln, dann erwerben
Sie sich Vergnügen und Gewinn zugleich." —
„Brav, Jeanneton!" versetzt die Frau. „Wohlauf!
Verschieben wir nicht länger das Vergnügen!"
Man rüstet sich, setzt sich in Dauerlauf,
Um schleunigst nach dem Sumpf sich zu verfügen.
Barfüßig, die Pantoffel in der Hand,
Kommt erst Madame als Vortrab angerannt
Und Jeanneton als Nachhut hinterher.
Scharf sichtet unterwegs man kreuz und quer,
Ob nicht ein Zeuge lauschend mag erscheinen.
Doch niemand zeigt sich, und der Herr ist weit.
Die Füße brennen ; erst steckt sie den einen
Versuchsweis' in die schwarze Flüssigkeit,
Zieht ihn zurück; doch kommt nun an die Reih'
Der andre ; der wird auch zurückgezogen,
Und kurz und gut, in die verschlammten Wogen
Taucht sie nach ein gern Zögern alle zwei.
Dies alles mittlerweile sah der Mann
Von seinem Hinterhalt bequemlich an
Und dankte dem Geschick mit heißem Lobe,
Daß er auf keine brenzligere Probe
Die schwache Tugend seiner Frau gestellt.
Wie leicht könnt' Unheil sich daraus ergeben !
Er bebt, und weil er über diesem Beben
Das Spiel für weit genug getrieben hält,
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Die neue Eva
Tritt spöttisch lächelnd er aus dem Versteck.
Wär' ein Gespenst erschienen, könnt' ihr Schreck
Nicht größer sein. Sie flüchtet pfeilgeschwind ;
Doch nackten Fußes läuft man nicht so schnelle,
Daß er sie nicht schon einholt vor der Schwelle.
„Nun also," sagt er; „zürnst du noch, mein Kind,
Weil jener Schicksalsapfel ward verzehrt?
War Eva wirklich so verdammenswert?"
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DIE HEUSTIEFEL
Ein Städtchen Jiegt in der Provinz verloren,
An Bummlern reich und naseweisen Toren.
Schwarz oder rot bemäntelt auf dem Markt
Versammeln. sich dort morgens die Notabein.
Das Neueste, Tatsachen oder Fabeln,
Falsch oder wahr, wird weidlich durchgeharkt.
Die Zeitung wird von tücht'gen Kannegießern
Zergliedert mit politischem Geschwätz ;
Man wittert jeden Schlich des Kabinetts
Und lenkt den Staat. Doch ob von all den Spießern
Ein einz ger, wenn von so gelehrten Bahnen
Er um die Mittagsstunde heimwärts kehrt,
Zu schweigen von gebratnen Ortolanen,
Ob er nur Feuer findet auf dem Herd?
Zwar steht das Fasten dort nicht hoch im Preise ;
Doch Nichtstun stopft im Beutel kaum das Loch :
Man gibt sein Kramchen nicht fur Trank und Speise,
Man schickt's in eitlem Großtun auf die Reise,
Und vor dem Trödler weichen muß der Koch.
Wie dem auch sei, Schlag elf, beim Glockenzeichen
Vertagt sich der Gerichtshof; jeder geht
Zum Essen, wenigstens er tut dergleichen ;
Fulda, Die gepuderte Mim 4
5o
Die H eus tief el
Solang jedoch die Sitzung fortbesteht,
Dann jedem armen Fremden dreimal wehe,
Der wandernd wird verschlagen in die Nähe !
Der kecken Meute schuldet er Tribut:
Erst unterliegt er allgemeinem Spähen,
Wird streng geprüft vom Kopf bis zu den Zehen ;
Dann wird gestichelt; sein Gesicht, sein Hut,
Sein Kleid wird durchgehechelt um die Wette,
An ihm ist dies zu kurz und das zu krumm;
Man bringt mit schlechten Witzen fast ihn um.
Getrost sich zeigen darf an jeder Stätte,
Wer ohne Schmäh wort, ohne Seitenhieb
Geschlüpft ist durch solch unerbittlich Sieb.
Gleichwie die Großen machen es die Kleinen ;
Vornehmlich unter diesen Großen prunkt
Voll Majestät in Haltung und Erscheinen
Der Schultheiß, der Finanzer, der Adjunkt,
Kurz, alle, die mit stolzem Überragen
Den schwarzen oder roten Mantel tragen.
Nun wohl, das Volk, das seine Größen schätzt,
Mit Wohlgefallen folgend ihrem Pfade,
Nimmt teil an dieser Kurzweil ohne Gnade,
Und arg wird jedem Fremden zugesetzt.
Da kommt nun eines Tags ein Reitersmann,
Der kaum sich noch Im Sattel halten kann
Vor Frost, bis au den Hals bespritzt mit Flecken
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Die Heustiefel
5i
Von Schlamm, auf seinem schlecht gezäumten Schecken
Just zwischen zehn und elf im Städtchen au.
Er hatte sich auf gutes Glück zum Schutz
Teils vor der Kälte, teils vorm Straßenschmutz
Die beiden Beine rings in Heu gewickelt
Und so für Stiefel billigen Ersatz
Geschaffen. Kaum erscheint er auf dem Platz,
Als von dem neuen Phänomen geprickelt
Zusammenströmt in Scharen jung und alt.
Dem Schultheiß steht kraft seiner Amtsgewalt
Das Zeichen für des Spieles Anfang zu.
„Ei," sagt er, während jener kommt geritten,
„Ich bin kein Schwärmer für vergangne Sitten;
Im Notfall haben zwar in ihre Schuh'
Die Leute manchmal Heu getan vorzeiten ;
Doch der macht ganze Stiefel draus zum Reiten." —
„Lacht nicht hierob, ihr Herrn," so sagt ein zweiter;
„Der Mensch ist achtsam und vernunftbeseelt;
Denn so gestiefelt bleibt ein jeder Reiter
Davor bewahrt, daß ihm das Futter fehlt." —
„Ich will", so fügte der Finanzer bei,
„Dem Hof dies edle Vorbild offenbaren;
Denn stiefelt so man unsre Reiterei,
Wie große Summen wird man dann ersparen."
Der gute Bursche, der von allen Seiten
Nunmehr sich angegafft sieht und verlacht,
Schwenkt ab nach links und will den Bach durchreiten.
4"
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52
Die Heustiefel
„Hebt Eure Beine, Herr, und habt wohl acht,"
So ruft man, w Eure Stiefel werden naß."
Nicht aus noch ein mehr weiß der arme Ritter;
Doch naht ihm ein noch schlimmres Ungewitter.
Die große Straße trabt er kaum fürbaß,
Als ihn die Bürger sich mit Fingern weisen,
Schindluder mit ihm treiben ohne Scheu,
Ihn vorn und hinten, rechts und links umkreisen,
Mit Spott bedeckend seiner Stiefel Heu.
Lehrling und Meister, Nachbar und Gevatter
Zerpflücken ihn mit bissigem Geschnatter,
Als ging' es um ihr ewig Seelenheil,
Und keiner gilt fur voll, der nicht sein Teil
Beiträgt, indem er sticht gleich einer Natter.
Längs aller Buden, aller Fleischerbänke
Spießruten laufen mußt' er voller Scham,
Bis endlich er zur ersten besten Schenke
Mit Not und Mühe seine Zuflucht nahm.
Er wünschte, fluchend wie ein Kannibale,
Daß diese Städter holen soll die Pest
Und diese Stadt, sie mehr als zwanzig Male
Verächtlich titulierend Winkelnest.
Zwei Jünger Sankt Crispins vor allen Dingen
Verfolgten hänselnd bis zum Wirtshaus ihn
Und wußten ihn so weidlich aufzuziehn,
Um ihn zu lichterloher Wut zu bringen.
Sie riefen laut ihm nach mit keckem Ton :
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Die Heustiefel
53
„Spornt, spornt mit Euren Stiefeln, Herr Baron!" —
„Ja freilich", sprach er, außer sich vor Zorn,
Worauf ihm leis die Worte noch entglitten :
„Ich gebe morgen euch zulieb den Sporn,
Jedoch auf eure Kosten, ihr Banditen!"
Er ließ, nachdem gereift sein Plan der Rache,
Den einen der zwei Schuster zu sich bitten
Und sagte: „Meister, heut in eil'ger Sache
Mußt' ich am frühen Morgen über Land,
Und weil mir keine Stiefel just zur Hand,
Behalf ich mich mit diesen eigner Mache;
Heustiefel, wie Ihr seht, genau nach Maß,
Wohl oder übel mußten sie genügen.
Man lachte drob ; doch ich verstehe Spaß
Wie keiner sonst, ja, lache mit Vergnügen
Gar selber mit. Doch nun davon nichts weiter ;
Laßt uns zur Sache kommen. Eins ist klar:
Richtige Lederstiefel braucht ein Reiter.
Nun also, könnt Ihr morgen früh ein Paar
Mir liefern — gegen bar natürlich?" — „Sicher",
Erwidert Meister Gervais mit Gekicher.
„Schon morgen früh ! Zwar eine knappe Frist.
Ich muß die ganze Nacht mit flinken Händen
Am Werke sein, doch will mein Wort verpfänden,
Daß morgen früh der Herr zufrieden ist."
Der Handel ward geschlossen, Maß genommen
Und ausbedungen strenge Liefrungspflicht.
„Nur", sprach der Reitersmann, „vergeßt mir nicht,
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Die H eu s ti e f el
Daß ich die Stiefel pünktlich muß bekommen
Um fünf Uhr morgens mit dem Glockenschlag ;
Wenn nicht, so wißt, daß ich sie nicht mehr mag."
Der Meister Pfriem versichert es und geht.
Doch unser Freund begibt nach kurzer Pause
Zum andern Schuster sich am Abend spät.
Er trifft in seiner Werkstatt ihn zu Hause
Und gibt ihm mit den gleichen Worten kund
Den gleichen Wunsch wie seinem Amtsgenossen.
Eis wird der gleiche Handel abgeschlossen
Mit einer Ändrung: aus gewissem Grund
Verlangt der Fremde, daß dies Stiefclpaar
Punkt sechs Uhr abgeliefert werden solle,
Genau Punkt sechse, wohlbemerkt, aufe Haar!
Der Schuster willigt ein, verspricht, er wolle
Für Pünktlichkeit auf die Minute sorgen.
Die Sache wickelt sich am nächsten Morgen
Planmäßig ab. Um fünf beim Dämmerschein
Tritt Meister Gervais mit den Stiefeln ein
Und geht ans Werk, den einen anzuproben,
Den andern dann. Beim rechten Stiefel glückt
Die Probe ganz vorzüglich ; minder loben
Läßt sich jedoch der linke; dieser drückt
Und ist zu eng hier unten und hier oben.
Der Meister ist erbötig, einmal noch
Zwei Stunden auf den Leisten ihn zu spannen.
u Nun wohl," sagt jener, «nehmt ihn mit von dannen;
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Die
Heustiefel
55
Ihn spätestens um sieben mir jedoch
Zurückzubringen dürft Ihr nicht vergessen.
Ich werde halbgestiefelt unterdessen
Hier auf Euch warten," fahrt der Schlingel fort;
„Denn trefflich paßt gottlob mir dieser eine."
Der Meister Gervais, der ihm glaubt aufs Wort,
Läuft mit dem andern heim und tut das Seine.
Der Fremde zieht den Stiefel aus in Kilo,
Stellt ihn beiseit und wartet eine Weile,
Bis auf den Schlag um sechs mit flinkem Schritt
Der andre Schuster in die Stube tritt.
Die Probe wird begonnen mit dem linken;
Der sitzt untadelhaft; hingegen muß
Beim rechten er vor Schmerzen schrein und hinken.
Den Schuster wundert's; doch er meint zum Schluß,
In einem Stündchen bring' er s in die Reih',
Wenn er ihn nochmals auf den Leisten nehme.
Der Fremde tut, als ob ihn schrecklich gräme
Der Zeitverlust: „Ein Stündchen! Gut, es sei.
Ich will den Aufbruch bis dahin verschieben ;
Nur seid mir pünktlich wieder hier um sieben."
Der Tölpel spricht sein Einverständnis aus.
Den linken lassend an dem Fuß des Kunden,
Rennt mit dem rechten er zurück nach Haus;
Der zieht, kaum daß der Meister Pech verschwunden,
Den Stiefel, den er schlau gestellt beiseite,
Flugs an den rechten Fuß und sucht das Weite.
Die Rechnung war am Tag vorher beglichen,
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Die Heustiefel
Den Klepper hält gesattelt schon bereit
Der Stallknecht, der sein Trinkgeld eingestrichen ;
Er spornt — und nun lebt wohl in Ewigkeit.
Um sieben Uhr, wie ausbedungen, wandern
Die beiden Schuster von zu Haus herbei,
Der eine zwanzig Schritte hinterm andern,
Und ihre Stiefel tragen alle zwei
Geschultert wie der Jäger seine Büchse,
Schon zählend auf die blanken goldnen Füchse.
Der erste tritt herein, fragt nach dem Reiter.
„Der ist nach London oder Rom gereist",
Antwortet man. Der andre naht als zweiter
Und wird mit gleicher Hiobspost gespeist.
Vor Ärger fest um den Verstand gebracht
Stehn beide da wie zwei begoßne Pudel
Und werden überdies verhöhnt, verlacht,
Geneckt, gefoppt von einem ganzen Rudel.
Sie werden bis an ihre Läden hin
Verfolgt, und nasendrehend ruft ein jeder:
w O Gimpel, die zu reichlichem Gewinn
Heustiefel eingetauscht ftir die von Leder!"
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JEAN BAPTISTE ROUSSEAU
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DIE NACHBARIN VON MARSEILLE
Zu dieser Mär ist nötig kein Prolog;
Wir wollen drum sogleich beginnen,
Bloß im Vorbeigehn uns entsinnen,
Daß ein Gebot im Dekalog
Vorschreibt, man soll die Frau des Nachbars nicht begehren.
Ein Florentiner, der als junges Blut
Nach Frankreich kam, in diesen lehren
Bewandert wahrlich allzu gut,
War nicht geneigt, sich dran zu kehren.
Er wollte die Provence durchqueren,
Und nach Marseille gelangt zu diesem Zwecke,
Ging er im Schlenderschritt umher im Stadtgebiet.
An irgendeiner Straßenecke,
Vor einer Ladentüre sieht
Er ein Gesicht, zwei* Augen, Mund und Wangen,
Die so mit Reiz begnadet prangen,
Daß er entzückt von dieser Schau
Ausruft: „O Gott, welch hübsche Frau!"
Zu dem, der mit ihm geht, gewendet:
„Fürwahr, es wären fünfzig Louisdor
Für eine Nacht mit dieser nicht verschwendet. M
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6o
Die N achb arin von Marseille
Er stößt die Worte laut genug hervor,
Daß nichts davon ihr kann entrinnen ;
Sie tut gleichwohl, nach Art verschmitzter Zauberinnen,
Als habe sie dafür kein Ohr.
Jedoch ein altes Weib, der Schönen Nachbarin,
Die mit ihr ging, war minder zugeschlossen.
„Vernahmt Ihr jener Worte Sinn?"
Fragt sie. „Der Mensch dort scheint wahrhaftig sehr ver-
Das ist ihm klärlich anzuschaun! [schössen;
Und sollt' er das im Ernste meinen,
Sagt, Hand aufs Herz und im Vertrau n,
Wär es Euch drum zu tun, unnahbar ihm zu scheinen?
Zumal in dieser Zeit,
In der Ihr einsam und verlassen seid,
Tn Indien Euer Mann, von Euch ein Jahr schon ferne!
Ihr wärt die erste nicht, die gerne
Von fünfzig Louisdor sich läßt verlocken.
Zu rechnen sollte man mitunter nicht verschmähn:
Bedenkt, was für ein fetter Brocken;
Das hübsche Schnupftuch könntet Ihr erstehn,
An dem schon längst sich Eure Augen weiden,
Vielleicht gar einen Ring, aufs Haar genau wie den,
Den Euer Mann Euch hat verehrt beim Scheiden,
Wodurch das Ungemach erspart Euch bliebe,
Daß, wenn er endlich wiederkehrt,
Er das Verlorengehn des alten Rings erfährt,
Den er Euch hinterließ als Bürgschaft seiner Liebe. }) —
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Die Nachbarin von Marseille
(>i
„Ach," rief die Kaufmannsfrau, „was bildet Ihr Euch ein!
Sprach jener wirklich solchermaßen,
Muß das gleich bare Münze sein?
Er hat sich bloß erlaubt zu spaßen.
Und dächt' er ernstlich, was er sagt,
Zu hoch steht mir mein Ruf, ich will ihn mir bewahren;
Der Handel wäre zu gewagt."
Die andre drauf: „Gewagt? Wer wird es denn erfahren?
Auf einen Fremdling läßt uns schließen sein Gebaren,
Und wenn er abreist, nimmt er mit sich jede Spur.
Warum seid Ihr so zaghaft nur?
Verlaßt Euch bloß auf mich. Wollt Ihr? Ich will nicht ruhn,
»
Bis mir gelingt, den Mann zu fassen,
Und wenn er anbeißt, werd' ich schon das Meine tun.
Nie soll man die Gelegenheit verpassen."
Die Kaufmannsfrau, derartig von der andern
Gedrängt, stimmt schließlich allem zu.
Die Nachbarin enteilt im Nu
Und überlegt beim Weiterwandern,
Auf welchem Weg, an welchem Ende
Der Stadt sie wohl den Florentiner fände.
Sie denkt noch drüber nach, als plötzlich er in Sicht
Ihr kommt. Er steht vor eines Hauses Garten,
Um den Begleiter zu erwarten,
Der grad mit einem Dritten spricht.
Sie lächelt ihm zuerst entgegen;
Er lächelt wiederum, sobald er sie erblickt.
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62
Die Nachbarin von Marseille
Sie schlängelt sich heran und sagt zu ihm: „Weswegen
Habt Ihr, mein werter Herr, mir lächelnd zugenickt?
Wünscht Ihr vielleicht etwas mir zu vertraun?" — „O ja,"
Erwidert er; „wart Ihr's, die hier ieh in der Nähe
Mit einer hübschen Dame sah?" —
„Das stimmt," versetzt sie drauf; «sie lebt in junger Ehe;
Ihr Mann weilt schon ein Jahr an Indiens Gestaden.
Sagt an, gefiel Euch diese Frau?
Ihr saht ihr eifrig nach, und ich vernahm genau,
Was Ihr geäußert habt zu Eurem Kameraden."
Drauf er: „Mir lieb; denn daß es Euch vernehmbar wäre,
Dazu war dieses Wort bestimmt.
Sprecht, ob sie mich beim Worte nimmt!
Ich widerrufe nichts, auf Ehre." —
„Mein Herr," versetzt die Nachbarin,
„Ihr seid ein feiner Mann, und Ihr versteht zu leben.
Ich halt' Euch drum nicht lange hin.
Euch ist ein hübscher Wuchs, ein kluger Geist gegeben:
Dies alles pflegt bei Fraun den Sieg davonzutragen.
Auch würd' ich lügen, wollt' ich etwa sagen,
Daß Euren fünfzig Louis man beilegt kein Gewicht.
Bringt sie heut abend mit. Das Haus ist nicht zu fehlen;
Ich werde dort sein. Zaudert nicht."
Kurzum, der Schelm versprach, sie könnten auf ihn zählen,
Und führte sein Versprechen pünktlich aus.
Zur festgesetzten Zeit fand er die Fährte
Des Edelwildes, das er heiß begehrte.
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Die Nachbarin von
M arseille
63
Im Schlaf schon lag das ganze Haus.
Die Stunde war gewählt, damit kein Mensch mehr wach.
Leis von der Alten wird begrüßt am Tor der Fremde.
Er folgt, er steigt, er sieht beim Eintritt ins Gemach
Die schöne Kaufmannsfrau im Heinde,
Weiß, frisch und rundlich. Kaum erblickt hat er das
Als in dem Bett sie sich versteckt, [Täubcheu,
Von Linnen eingehüllt, in einem saubren Häubchen,
So daß in wirrem Rausch sein Blick sich nur erstreckt
Auf Ann und Hand von sammetweicher Glätte,
Des Busens Schnee, nur halb bedeckt,
Ein lachendes Gesicht, gemeinsam um die Wette
Umladend: „Edler Herr, macht's Euch geschwind bequem,
Um dieser Ruhstatt Süßigkeit zu kosten."
Der edle Herr, durchaus nicht faul, willfahrte dem.
Die Nachbarin stand lauschend Posten;
Ins Nebenzimmer zog sie sich sodann zurück
Und überließ das Paar dem vollen Liebesglück.
Tun, lieber Leser, wir das gleiche,
Damit, was anderwärts geschieht, uns nicht entweiche.
•
Es wartete bereits den dritten Tag
Mit Ungeduld auf die Erlaubnis einzufahren
Ein Segelschiff, das bei Marseille vor Anker lag.
W T er dieses Schiffes Passagiere waren,
Ob Leute höhern Rangs, dies war noch nicht bekannt.
Zum Unglück aber jedenfalls befand
Sich drunter unsres Frauchens Gatte,
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64
Die Nachbarin von Marseille
Der seine Heimkehr ihr noch nicht gemeldet hatte,
Im Glauben, daß man um so süßern Honig nascht,
Je mehr sein Weib man überrascht.
üas Schiff könnt' endlich in den Hafen.
Doch wegen vorgerückter Nacht
Ward von der Mehrzahl ausgemacht,
Für diesmal noch an Bord zu schlafen.
Nur unser Kaufmann war damit nicht einverstanden;
Ihm war ins Ohr ein Floh gesetzt.
Er hätte nicht einmal zu spätrer Zeit als jetzt
Gezögert, in Marseille zu landen.
Inzwischen an die Stadt auf eine knappe Meile
Herangekommen, geht das Schiff
Vor Anker bei dem Château d'If.
Der Ehemann besteigt ein kleines Boot in Eile.
*
Rein Wunder, daß der Weg zu lang ihm scheinen mochte
Vom Schiff zum Port, vom Port zu seines Hauses Tor.
Grad schlug es Mitternacht, als er dran pochte,
Zwei-, dreimal; niemand kam hervor.
Lag doch das Liebespaar, das höchst geschäftig
Zuvor gewesen war, vom Schlaf dahingestreckt
Und ward nicht von dem Lärm geweckt.
Der Hausherr pochte wieder, doppelt heftig;
Ein alter Diener schaut heraus am Ende:
«Wer da?» - «Mach' auf! Ich bin es; ich!»
Der Diener kennt die Stimme, wundert sich,
Schließt hurtig auf, küßt seinem Herrn die Hand:
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Die N achbarin von Marseille 65
... - I . . . —
„Herr, Ihr! Ich will mich gleich zur gnäd'gen Frau verfugen,
Euch melden. 0,wiesehrwirdsiesichfreun ! "-„Schweigstill, tt
Versetzt sein Herr, M und bring mich nicht um das Vergnügen
Der Überraschung, die ich ihr bereiten will!
Sie liegt gewiß bereits im Schlaf; drum weck' sie nicht.
Ich will hinaufgehn ohne Licht,
Damit ich neben ihr ins Bett verstohlen gleite;
Wenn sie dann morgen früh mich sieht an ihrer Seite,
Wie wird mich ihr verdutzt Gesicht zum Lachen bringen!»
Der arme Diener, der nichts weiß
Von allen hier geschehnen Dingen,
Läßt ihn hinaufgehn, schweigend nach Geheiß.
Vernehmt nun, daß die Nachbarin
Von außen leider nicht verschlossen hat die Türe,
Da keinen Zweifel sie gehegt, daß ohnehin
Dem Paar nicht Überrumplung widerführe.
Wer ein Geheimnis streng bewahrt,
Begeht er unversehens nicht fast immer
Ein Fehlerchen, wodurch sich alles offenbart?
Der Gatte schleicht sich sacht ins Zimmer;
Er nähert sacht auf Zehen sich dem Bette
Und tastet blindlings dran herum ins Blau,
Um ohne Störung seiner Frau
Zu finden seine Ruhestätte.
Er trifft auf einen Kopf und dann auf eineu zweiten . . .
Wer ist vor jähem Schreck halbtot?
Der arme Teufel ist's ; er wird bald blaß, bald rot,
Fulda, Die gepuderte Muse 5
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66
Die Nachbarin von Marseille
Es ballt sich seine Faust, ihm Rache zu bereiten.
Doch jede Strafe, die sein Geist erhaschte,
Schien ihm noch grausam nicht genug
Für seines Eheweibs abscheulichen Betrug.
Es war nicht er, der überraschte,
Wie er gehofft, nein, er ward überrascht von ihr.
Verzweiflung droht ihn anzuwandeln;
Jedoch gewaltsam dämpft er seine Rachbegier:
Er möchte nicht im ersten Jähzorn handeln.
Verschieben will er drum der Ungetreuen Mord,
Bis man erblickt hat sein Verhängnis.
Inzwischen schwebt in nicht geringerer Bedrängnis
Die Nachbarin, sie fragt sich fort und fort
Voll Angst, wie die Geschichte wohl mag enden,
Und wachsam horchend an den Wänden,
Zum alten Diener hört sie deutlich sagen ihn :
„Ins Kloster lauf geschwind; such' Pater Goelestin —
's ist meiner Gattin Ohm — und bitte diesen Frommen,
In wicht'ger Sache gleich hierherzukommen."
Drauf in das Erdgeschoß hinunter steigt er wieder
Und wandert hier, zerquält von seiner herben Schmach,
Mit großen Schritten auf und nieder.
Die Nachbarin schlüpft auch hinab, dem Diener nach,
Der schon auf schnurgerader Bahn
Zum Kloster eilt und sagt ihm unumwunden :
tt Ich wär' dir überaus verbunden
Für einen Dienst, der leicht und billig ist getan;
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Die Nachbarin von Marseille 6^
Ich bitte dich, raein Freund, ruf Pater Cyprian
Statt Pater Coelestins hierher.
Das fallt unstreitig dir nicht schwer,
Und Mönch bleibt Mönch auf jeden Fall.
Ob der, ob jener, was kann deinen Herrn das scheren?
Macht er (obwohl mir das unglaublich dünkt) Krawall,
So werd' ich selbst es ihm verwehren.
Drum sei nur unbesorgt; ich nehm's auf mich, mein Sohn. M
Der Bursch, der winken sah bereits den blanken Lohn
Und sicher war, es könn' ihm, wenn er Gott befohlen
Ihr den Gefallen tu', kein Ungewitter dröhn,
Ging, Pater Cyprian zu holen.
Herr Cyprian, ein Mann von stattlicher Erscheinung,
War mit der Nachbarin, ich weiß nicht, ob verwandt,
Ob nur befreundet; ich enthalte mich der Meinung,
Wie Pater Cyprian mit dieser Dame stand.
Sie lief entgegen ihm bis an das Klostertor
Und sprach: „Ich brauch' Euch heut! Vor allen Dingen
Verheiß' ich als Entgelt Euch zwanzig Louisdor."
Ein guter Anfang, um den Hörer zu bezwingen;
Nicht höchster Redekunst ist stärkre Wucht verliehn.
„Ihr sollt", so fahrt sie fort, „mich aus der Klemme ziehn.
Hier aber kann ich Euch unmöglich unterrichten.
Kommt mit mir in mein Haus. M Der Mönch versetzt: „Ich bin
Bereit; was tut man nicht, um Freunde zu verpflichten."
So nimmt ihn mit zu sich die Nachbarin
5'
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68 Die Nachbarin von Marseille
Und sagt, dort angelangt, mit flinkem Munde:
„Ihr müßt mir borgen Euer Kleid;
Ich bring' es Euch zurück in einer Viertelstunde.
Hier wartet in der Zwischenzeit
Auf Eure zwanzig Louisdor!"
Dies Wort klingt so bestrickend seinem Ohr,
Daß alle Skrupel untertauchen.
Der Mönche Barbestand ist meistens schmal.
Er gibt ihr sein Gewand und fragt sie nicht einmal:
„Warum bedürft Ihr's?" noch: „Wozu wollt Ihr's ge-
Ja, wenn ihr aufzählt ein paar Stücke Gold, [brauchen?"
Dann, magisch angelockt von ihrem Schimmer,
Tun augenblicks die Leute, was ihr wollt.
Der Kaufmann unterdes ging auf und ab noch immer;
Da trat im Mönchsgewand die Nachbarin ins Zimmer,
Bis an die Nase deckend ihr Gesicht
Mit der Kapuze, daß er nicht
Erkenne, wer dies Kleid bewohne,
Und sprach in rauh verstelltem Tone:
„Ehrwürden Pater Coelestin
Fühlt sich nicht wohl seit ein paar Tagen;
Nicht kommen könnt' er drum ; ich aber kam für ihn,
Nach Euren Wünschen Euch zu fragen ..."
Der Kaufmann unterbricht: „Gleichviel;
Denn bei dem Fall, der auf dem Spiel
Hier steht, kann das mir nichts verschlagen,
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Die Nachbarin von Marseille
69
Weil ihm auch Ihr Genüge tut:
Ihr betet sicher grad so gut.
Begebt Euch nach den obern Räumen ;
Ihr findet zwei Personen dort.
Die Beichte, bitt' ich Euch, nehmt ihnen ab sofort;
Denn ihnen wird der Tod verhängt sein ohne Säumen."
Das Weib im Mönchskleid steigt im Nu
Mit einem Licht hinan die Stiegen
In das Gemach, worin die Liebenden sich wiegen
Im Traume, schließt von innen zu,
Weckt sie, berichtet kurz, was vorgekommen,
Und sagt sodann zum Florentiner: „Seht,
W f elch Wagnis ich, um Euch zu retten, unternommen!
Nun handelt selbst, bevor s zu spät.
Erhebt Euch, tummelt Euch; all Eure Siebensachen
Legt an und zieht hernach darüber dies Gewand.
Dann steigt hinab und zürnt, weil man' s fur gut befand,
Sich lustig über Euch zu machen,
Indem man ohne Not Euch hergerufen hat.
Ich lege mich ins Bett an Eurer Statt.
Bergt Euren Hut und die Perücke unterm Kleid;
Geht, wartet mein in meinem Hause,
Von hier nur ein paar Schritte weit.
Ich trefT Euch dort nach kurzer Pause."
So sprechend legte sich die Nachbarin zu Bette,
Und jener zog derweil des Mönchs Gewandung an,
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TO
Die Nachbarin von Marseille
Ging ungesäumt hinunter dann
Und sprach, als ob er Ursach' hätte,
Sehr aufgebracht zu sein, mit ärgerlicher Stimme:
„Herr, dieser Streich ist höchst verrucht
Und Grund genug zu hellem Grimme,
Daß man um Mitternacht nach einem Vorwand sucht,
Mich herzusprengen, um in einem Bett zwei Frauen,
Die friedsam ruhn., mir anzuschauen!"
Sprach's, drehte sich herum, verließ hierauf im Nu
Das Haus und schlug die Türe zu.
Der Mann war ganz verblüfft, sobald er dies vernommen,
Und sagte sich: „Zwei Fraun? O weh!
Ich merke wohl, ich war zu jäh,
Bin allzu rasch in Wut gekommen.
O, welch bedauerlich Versehn!
Mit Recht wird meine Frau deswegen mit mir schmollen.
Ich hätte mich beherrschen sollen . . .
Dem Ding erst auf den Grund zu gehn,
Hatt' ich zum mindesten die Pflicht
Vor solchem strengen Strafgericht!"
Indem er dies betlenkend aufwärts stieg,
Vernahm er seine Frau schon auf den Stufen,
Die klagend anhob, zu dem Ehekrieg
Das Vorspiel auszurufen:
„Wie," sprach sie, „feiert so mein Mann
Den Tag, an dem er zu mir heimkehrt endlich?
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Die Nachbarin von Marseille
21
Dies ist mir völlig unverständlich.
Kaum langt in seinem Haus er an,
Gibt er von seinem Wunsch, mich loszuwerden, Kunde!
Ich wüßte wahrlich nicht, aus welchem andern Grunde
Er einen Beichtiger mir schickt
Um Mitternacht , . ! Die rechte Stunde !
Wähnt er, ich sei vom Tod umstrickt?
Nun merk' ich, welch beglückenden Empfang
Von mir erwartete der Arge!
Er möchte gern mich sehn im Sarge.
Ha, leben werd' ich ihm zum Trotz noch möglichst lang ..."
„Ja, lebe!" rief der Mann, der unvermutet
Hereingetreten war, vor bittrer Reue krank,
Und seiner Frau zu Füßen sank.
„Mein Unrecht, ich gesteh's, ist groß, und, ach, mir blutet
Darob das Herz. Befiehl, gebiete, wie den Fehl
Ich dir vergüten soll, um Ablaß zu erlangen!
Jedoch vergiß nicht, mein Juwel,
Daß er aus Übermaß der Liebe ward begangen.
Mir hat ein eifersücht'ger Wahn —
Denn alles muß ich dir gestehen —
Es wider Willen angetan,
Solch eine Tollheit zu begehen.
Als ich im Bett euch beide fand,
Heraufgestiegen ohne Kerze,
Da hab' ich blindlings mich verrannt ..."
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11
Die Nachbarin von Marseille
-
Die Frau darauf: „Dies treue Herze,
So malte sich's in deinem Sinn?!"
Für sie nun aber nahm die Nachbarin
Das Wort mit Unschuldston: „Wenn ich vermutet hätte,
Daß Euer Mann heut wiederkehrt,
Ich hätt' um keinen Preis geschlafen hier im Bette.
Von Reue bin ich hart beschwert;
Denn meinetwegen hat soeben
Sein schnöder Argwohn Euch entehrt.
Doch könnt Ihr eine Schuld mir geben?"
Hierauf sich wendend zu dem Herrn:
„Solang Ihr Eurem Hause fern,
Verbracht' ich hier das ein und andre Mal die Nächte,
Damit ich Eurer Frau für das gehäufte Leid,
Getrennt zu sein von Euch, ein wenig Lindrung brächte.
Jedoch bei meiner Seligkeit,
Hart' ich vorausgesehn, daß draus im Lauf der Dinge
So großes Ungemach entspringe,
Dann wär' ich nie gekommen, nie!"
Der Mann bat abermals, Verzeihung ihm zu schenken,
Indem er sich allein der Schuld an allem zieh ;
Er müsse selbst sein Tun aufs schärfste sich verdenken
Mit einem Wort gesagt, er bettelte so kläglich,
Gebarte sich so herzbeweglich,
Daß endlich sie begann mit hoheitsvollen Mienen:
„Für diesmal will ich dir verzeihn;
Doch such' die Nachsicht zu verdienen.
Ich würde schwerlich dir ein zweites Mal sie weihn."
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Die Nachbarin von Marseille j3
Die Nachbarin, die sich inzwischen angekleidet,
Begab, als war' ihr nun der Aufenthalt verleidet,
Sich heim und ließ in ihrem Haus
Die Schadenfreude, dran sie sich geheim geweidet,
In ihrer beider Freunde Beisein aus,
Des Mönchs und des Galans, die, sehr mit ihr zufrieden,
Voll Gier nach neuen'Abenteuern schieden.
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JOSEPH WILL ART DE GRÉCOURT
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DEK HÄNFLING JOHANNS XXII.
Ein Weib sein und verschwiegen sein — o sprecht,
Erfuhr man je, wo dies vereinigt wäre?
Jedwede vom geschwätzigen Geschlecht
Wahrt minder ein Geheimnis als die Ehre.
Nur dächtet ihr vielleicht, ich übertriebe,
Falls den Beweis dafür ich schuldig bliebe.
Zu einem Nonnenkloster, wenig Meilen
Von Avignon, verfugte Papst Johann
Der Zweiundzwanzigste sich dann und wann,
Der frommen Schar den Ablaß zu erteilen.
Dies Kloster stand im allerbesten Ruf,
So daß des Teufels gierigem Verlangen
Nach Seelenfang es viel Enttäuschung schuf;
Nur kleine Sünden wurden dort begangen :
Schwatzhaftigkeit zumal, die, wie man weiß,
Der böse Geist bei Nonnen schürt mit Fleiß.
Einst kam der heil'ge Vater an, beladen
Mit mancher Bulle, bot zum Kuß den Schuh
Und ließ den Ablaß regnen immerzu,
Als ob ihn gar nichts kosteten die Gnaden.
Il
Der Hänfling Johanns XXII.
Doch unersättlich ist die Klostergilde;
Sie führte den phantast'schen Wunsch im Schilde,
Daß durch ein päpstlich Brève künftighin
Die Nonnen die Bewilligung erreichten,
Einander abzulegen ihre Beichten.
„Glaub', heil'ger Vater," sprach die Oberin,
„Wir würden unter uns viel offner sprechen,
Als wir 's vor einem Priester tun. Wir Fraun,
Wir haben ungezählte kleine Schwächen,
Die wir nur schamrot einem Mann vertraun,
Schon weil ein Mann oft selbst von dem der Grund,
Was ihm bekennen soll der Nonne Mund.» —
„ Einander beichten? O du liebe Zeit!"
So rief der Papst. „Ein triftiges Bedenken
Verwehrt mir leider, Euch Gehör zu schenken.
Dies Sakrament verlangt Verschwiegenheit,
Und Plappern ist seit alters unbestritten
Der Fehl des ganzen weiblichen Geschlechts ;
Hieraus ergibt sich drum, trotz Euren Bitten,
Die Vorenthaltung dieses heil'gen Rechts.
Jedoch damit aus eigener Erfahrung
Ein Urteil mir zu bilden ich im stand,
Leg* ich die Schachtel hier in Eure Hand;
Behaltet sie bis morgen in Verwahrung;
Nicht öffnet sie, bevor ich wiederkehre.
Das Brève, das Ihr morgen sollt empfahn,
Ihr hättet es verscherzt für immer, wäre
Trotz dem Verbot die Schachtel auigetan."
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Der Hänfling Johanns XXII.
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Er geht, und Neugier drängt sich um den Kasten :
„Laßt mich sie anschaun! Laßt mich sie betasten!"
Man reißt sich drum ; doch macht man sie nicht auf
Und legt gequält sich schlafen. Fast befallen
Von Gelbsucht wird die Oberin, und allen
Bleibt schlaflos diese Nacht. Am Morgen drauf
Ein arges Durcheinander beim Gebet.
An viel zugleich zu denken, o Beschwerde!
Ein Nonnenkopf wird durch ein Nichts verdreht.
„Ach," sagt die Oberin zu ihrer Herde,
„Der Papst läßt uns vor Ungeduld vergehn;
Welch groß Geheimnis kann er uns verstecken?
Sind wir vielleicht nicht würdig, es zu sehn?
Mir scheint fürwahr, er will uns tüchtig necken.
Aus Rache laßt uns öffnen; wem wird's kund?
So wie sie war, so schließen wir sie wieder."
Vor Spannung bebt's der Schar durch alle Glieder;
Die Obrin öffnet. Was wird auf dem Grund
Des schicksalsvollen Schächtelchens gefunden?
Ein Hänfling, der sich flink zur Decke hebt,
Rings um sie pfeifend flattert in drei Runden,
Dann leichten Fluges durch ein Loch entschwebt.
Da wird ans Tor gepocht mit lautem Schlage.
Der Pontifex tritt ein zu gleicher Zeit :
„Ei, meine Schachtel! Nun, ihr Fraun, ich frage:
Darf man sich anvertraun der Weiblichkeit?
Wißt, euer Brève lag drin unter Siegel.
O weh, davongeflogen ist es jetzt !
8o
Der Hänfling Jobanns XXII.
Euch soll man beichten, wenn ihr schon verletzt
Ein solch Geheimnis? Nein, ihr Tugendspiegel,
Beichtmütter geben wird's um keinen Preis. " —
„Mir um so lieber," sagt ein Nönnlein leis;
„Den Tausch könnt' ich als Vorteil nicht betrachten:
Beichtväter sind durchaus nicht zu verachten."
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DAS BILDNIS DES HYMEN
Dieweil er Sylvia zu Füßen lag,
Ersehnte sich das Glück von Hymens Bund Alcander
Und seufete nach dem wonnevollen Tag,
Der sie vereine miteinander.
Zu gleicher Ungeduld von gleichen Pfeilen war
Sein zartes Lieb ins Herz getroffen ;
Jedoch ein hart Geschick, ein grausam Elternpaar,
Kurz, alles hielt im Schach ihr Hoffen.
Sechs Monat' schieden sie noch von dem Traualtare.
Sechs Monat' ! Ach, für zwei Verliebte hundert Jahre !
Alcander überließ inzwischen, ganz erfüllt
Von seinem Traum, um so des Wartens Pein zu mildern,
Sich Hymens lockenden, lustvollen Zukunftsbildern,
Im Wahn, der allzu oft der Jugend Blick verhüllt.
Und weil er dieses Traumes Nebeldunst
Verdichten wollt' und seines Bausches Schauer
Geschickt verewigen zu wandelloser Dauer,
Beschwor er des Apelles Kunst.
Er wollt', es möge von erlesner Meisterhand
Des Hymen glückverklärtes Bild entstehen
Und seiner Liebe Gegenstand
In diesem Bilde schaun, was er im Traum gesehen.
Fulda, Die Repuilerte Mute 6
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82
Das Bildnis des Hymen
Er sprach zum Maler: „Wählt mir Farben,
Aus denen aller Glanz des Paradieses strahlt,
Damit Ihr würdig uns den Gott der Ehe malt.
Streut ihm zu Füßen hin ein Meer von Blütengarben;
Er sei gleichwie der Sohn der Venus anmutvoll,
Nur daß er nicht wie jener blendet ;
Und lautre Liebe, stets ihm treulich folgend, soll
Genuß verheißen, der nicht endet.
Doch, ohne Worte zu verlieren,
Seht Sylvia ; ihr Anblick ist so schön,
Daß Eures Könnens Kraft er wird erhöhn,
Um euer Werk mit Lieblichkeit zu zieren."
Der Maler, von dem Stoff* durchdrungen,
Beginnt das Bild mit ernstem Fleiß;
Alcander spornt ihn allzu heiß,
Drängt, mäkelt, fordert Änderungen.
Zuletzt nach seinem Wunsch vollendet
Wird das Gemäld ihm übersendet.
Man sieht darauf ein reich Gefilde leuchten
Gleich dem von Paphos oder Amathunt;
Es schlängelt sich ein Bach durch den belaubten Grund,
Den er mit frischem Hauch der Fluten scheint zu feuchten.
Gott Hymen thront als Fürst auf einer Blumeninsel,
Mit jedfem Reiz geschmückt. Ein zauberischer Pinsel
Verschönerte hier noch die Schönheit der Natur;
Es fällt in reinem, starkem Lichte
Der Schimmer seiner Fackel auf die Flur.
Frohsinn und Wärme glühn in seinem Angesichte;
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Das Bildnis des Hymen
83
Zu Füßen legt ihm all sein Gold der Überfluß
Und hat sich erntereich die Fruchtbarkeit gekauert.
Die Scham, gesenkten Blicks, bedauert,
Daß unfreiwillig sie dem Sieger folgen muß.
Doch ihres Lächelns Zärtlichkeit verrät,
Trotzdem sie spröd zu tun versteht,
Was insgeheim ihr Herz bewegt tiefinnen.
An Hand der Grazien nahn keusche Schäferinnen
Dem Thron des holden Gotts, ihm neu geweiht,
Und fern im Hintergrunde zeigen
Sie durch ihr muntres Spiel und ihren leichten Reigen
Vollkommene Zufriedenheit.
Vergeblich widmeten entzückt
Die Kenner Lob und Preis dem wohlgerat nen Werke;
Alcander, ganz von seinem Wahn berückt,
Vermißte drauf des Traumbilds volle Stärke.
Stets denkend seiner Lieb' und ihrer Feuerwellen,
Fand er das Bild zu matt, zu kühl.
„Wie," rief er, „ist's unmöglich, darzustellen
Der namenlosen Lust unendliches Gefühl,
Das grenzt an Seligkeit? O, liebtet Ihr
Doch Sylvien wie ich, ach, oder könnt' ich malen!
Ihr seid ein Meister — ja ; doch hier
Rechts die Figur genügt nicht meinen Idealen.
Zu wenig frei bewegt, zu plump erscheint sie mir.
Der linken Gruppe dort gebricht es an Belebung;
Zu dunkel überhaupt find' ich die Farbengebung.
6-
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84 D as Bildnis de s H y men
Ihr müßtet, kurz gesagt, ein Bild von solcher Kraft
Erschaffen, wie mein Traum es mir erschafft,
Und meine Phantasie dadurch noch überglänzen."
Der Maler, dem es deutlich wird,
Daß jenseits der Verstandesgrenzen
Alcanders Urteil sich verirrt,
Geht scheinbar ein auf seinen Wahn,
Versprechend, nach Begehr das Bildnis zu ergänzen.
Die Zeit entrinnt auf rascher Bahn.
Der lang ersehnte Tag ist endlich angebrochen,
Der die geliebte Braut ihm schenkt auf immerdar.
Der Maler überläßt als kluger Mann das Paar
Zuvörderst allem Rausch der süßen Flitterwochen,
Indem vom Übermaß er schließt auf kurze Dauer;
Dann, als er glaubt, daß ihre Liebesglut
Durch den Besitz, obwohl sie den als höchstes Gut
Begehrt, geworden etwas lauer,
Bringt eines Morgens er das Bild ins Haus Alcanders
Zurück und meldet ihm, es sei nun alles anders,
Obwohl in Wirklichkeit der welterfahrne Mann
Verändert hatte keinen Strich daran,
Vom Wunsch, ihn zu beschämen, angewandelt.
Alcander mustert scharf das Meisterstück und spricht
Voll Überraschung: „Nein, dies hier'ist Hymen nicht;
Ihr habt das Bildnis mir verschandelt.
Es zeigt den Hymen zu vergnügt; nicht wahr, Verehrte?»
Hob er hervor, zu seiner Frau gewandt,
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Das Bildnis des Hymen
85
Die gleichfalls in dem Bild den strengen Zug entbehrte
Und alles dran zu weich, sowie zu weibisch fand.
„Auch ist die Scham hier nicht am rechten Platze,
Sie trägt ein falsch Gesicht, sie schneidet eine Fratze*,
So fuhr Alcander fort ; „die Fruchtbarkeit
Zu Füßen seines Throns weckt manchen Einwand;
Streicht sie hinweg von Eurer Leinwand,
Falls Ihr nicht größre Demut ihr verleiht.
Und dieser Reigen, der so flott
Vereint ein lockeres Gesindel?
Nein, Hymen ist ein ernster Gott,
Und solch Gehops erregt ihm Schwindel.
Die Tugend wählt er sich zur einzigen Begleitung;
Kurzum, ich bin enttäuscht von dieser Umarbeitung.
Da schien mir besser noch die Fassung erster Hand ;
Sie war viel ehrlicher und minder überspannt."
Der Maler mußte herzlich lachen
Bei diesem schiefen Urteil und begann :
„Vom Liebenden o welch ein Schritt zum Ehemann!
Wie groß ist Amors Macht, die Menschen blind zu machen!
Ja, Herr Alcander, dies beweist Ihr nun genau :
Gefolgt ist Eurem Traum ein nüchternes Erwachen,
Seit die Geliebte sich gewandelt hat zur Frau.
Bei Hymens Anblick hat sich Amor stets getrollt.
Zur Klärung Eures Irrtums wird es taugen,
Wenn Ihr mein Werk noch einmal prüfen wollt:
Es ist dasselbe Bild, gesehn mit andern Augen."
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ROSINE
oder
WER WARTEN KANN, FÜR DEN KOMMT
ALLES ZUR RECHTEN ZEIT
Zuletzt wird jedem nach Begehr.
Gedulde sich, wen kein Erlebnis
Zufriedenstellt. Von dieser Mär
Ist solches das Moralergebnis.
Rosine zählte fünfzehn Jahr'.
Ich sage kurz : Ihr Alter war
Ihr kleinster Vorzug. Sie zu schildern
Mit der Romane faden Bildern,
Erspar' ich mir. Mit einem Wort,
Rosine war von solchen Reizen,
Um tausend Werbern einzuheizen ;
Und dennoch blieben alle fort.
Rosinens Vater war zelotisch,
Die Mutter zimperlich und eng,
Ein Elternpaar so dumm wie streng
Und so verschroben wie despotisch,
Bei Tag- und Nachtzeit im Gedräng,
Damit dem Küchlein nichts geschehe
90
Rosine
In steten Ängsten, man umgehe
Ihr wachsam Aug' durch eine List,
Gleich der, die vor geraumer Frist
Gefuhrt zu ihrer eignen Ehe.
Dies ist von allen Argus- Arten
Die allerärgste, scheint mir fast;
Doch wenn sie keine Sorgfalt sparten,
So war es überflüss'ge Last.
Rosine hütete mit Geiz
Und Pflichtbewußtsein ihren Reiz.
Des Mägdleins Brust, zur Rundung schwellend,
Empfand gewisse Wünsche bald,
Und es entströmten heimlich quellend
Ihr tiefe Seufzer tausendfalt.
Versteht sich wohl, daß diese Pein
Meist zur Toilettenzeit sie drückte.
„Ach," rief sie, während sie sich schmückte
Und niemand außer ihr allein
An ihrem Anblick sich entzückte,
„Was hilft mir all mein Niedlichsein !
Bleibt mir zeitlebens zum Ersätze
Für jeden lustigen Verkehr,
Für Spiel und Tanz nur wie bisher
Mein Hund, mein Vogel, meine Katze?
Wenn man den Umgang mit der Welt,
Die mich vergißt, mir vorenthält,
Was hilft's, mich hübsch herauszustutzen?
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Rosine
9 1
Was hat mein Putz für einen Wert?
O welche Narrheit, mich zu putzen !
Und schön zu sein, was kann's mir nutzen,
Wenn bloß mein Spiegel es erfährt?
Soll denn bis an mein Lebensende
Ich Jungfer sein? Ich hoffe traun,
Daß ich dagegen Mittel fände.
Ach, es genießen Ehefraun
Manch Vorrecht, das mir trefflich stände:
Kokett sein oder gottgefällig,
Geziert sein oder flott gesellig,
Nasfuhren einen Schmeichlerkreis
Oder die Zeit verstohlnerweis
Mit einem Beichtiger verbringen,
Nach I^aune sich mit goldner Pracht
Oder mit Einfachheit umringen,
Sich heimlich freun an tausend Dingen,
Von Ruh' zur Unruh' überspringen,
Sich zärtlich zeigen in der Nacht
Und schmollen, wenn der Tag erwacht,
In Ehrbarkeit, wenn dem Gemahl
Was zustieß, einen neuen fangen,
Nebst andern Rechten ohne Zahl,
Die unsre Schönheit kann verlangen,
Und die so köstlich uns beglücken !
Ach, eheherrliche Gewalt,
Willst du denn immer noch nicht bald
Der väterlichen mich entrücken?"
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21
Rosine
Der Himmel nahm die Maid beim Wort.
Des Vaters Schloß erhob sich grade
Dicht an des wilden Meers Gestade.
Als eines Tags die Schöne dort
Im Nachen fahren will zum Bade,
Treibt heft'ger Landwind ohne Gnade
Sie weit vom Heimatufer fort.
Aufe Stichwort naht sich ein Korsar,
Schleppt auf sein Schiff sie, fährt in Eil'
Nach Afrika und bietet feil
Die schöne Beute im Bazar.
Ein junger schmucker Muselmann,
Osmin mit Namen, kommt geschritten,
Begehrt sie, kauft sie vom Banditen
Für mehr, als dieser fordern kann.
Es ward dem Mahomet-Verehrer
Der Abschied von dem Geld nicht schwerer
Als ihr, da sie den Jüngling sah,
Der Abschied wurde von Mama.
( Obgleich der Türk schon war verbunden
Mit neunundzwanzig Fraun, lag's nah,
Die Zahl auf dreißig abzurunden ;
Denn weil's der Koran nicht verbot,
Tat kein Dispens von Rom ihm not.
Ungläubige, nehmt mir das Zagen
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Rosine 0,3
Vorm Teufel, und man schlag' mich tot,
Werd' ich nicht flugs den Turban tragen.
Von seinem Käufer wurde sacht
Mit Freundlichkeit in Wort und Mienen
Das Lämmlein in den Stall gebracht.
Kurz, ohne längliches Detail,
Als Sklavin minder trat Rosine
Denn als Prinzeß in das Serail.
So ging denn alles gut bei Tag,
Uncf ihr gefiel's zuerst vorzüglich.
Doch nach des Tages Ende lag
Die Sache weniger vergnüglich.
Sie wird in eine weite Halle
Als dreißigste hereingeführt
Und fühlt sich fast vom Schlag gerührt,
Wie jene neunundzwanzig alle
Ein Mohr in zwei Schwadronen hier
Aufreiht als Nebenbuhlerinnen,
Die sämtlich würdig sind gleich ihr,
Allein die Palme zu gewinnen.
Osmin, gelaßnen Schrittes, geht
Mit eines Römers Majestät,
Jedoch nicht im geringsten rauh,
Durch die zwei Reihen auf und nieder,
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94
Rosine
Hebt hier ein Kinn, prüft dort ein Mieder,
Bewundert still, erforscht genau
Den Schnee, die Lilien, den Jasmin
Des Halbrunds, dem als Frühlingszeichen
Entsprießt ein Knöspchen von Karmin,
Umfaßt mit seiner Hand die weichen
Umrisse, zart wie Hermelin,
Tut mit dem Zwilling dann desgleichen,
Von Blüte so zu Blüte schwebend
Und, ehe sein Entschluß gediehn,
Oft auf den Weg sich neu begebend.
Die schlauen Weiberchen bestricken,
Um seine Gunst auf sich zu ziehn,
Ihn durch ein Feuerwerk von Blicken ;
Jedoch sein Schnupftuch, das zuletzt
Er der Erkornen zuwirft, setzt
Den Rest beiseit bis nächstes Mal,
Und auch Rosine zahlt zum Reste.
Die Wartezeit bringt schlimmre Qual
Ihr trotz der knappen Stundenzahl
Als die vorher im heimgehen Neste.
„Höchst unbedacht ist seine Wahl;
Doch mußt' ich heut auch Unrecht leiden,
Darf morgen auf den Sieg ich baun."
In Punkto Schönheit sind die Fraun
Bei Selbstgesprächen nie bescheiden.
So schaut, sich wappnend mit Geduld,
Entgegen sie dem nächsten Tage ;
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Rosine
21
Auch dieser bringt ihr keine Huld.
Ist Pech, ist Ungeschick dran Schuld?
Sind's alle zwei? Vergebne Frage.
Drei Wochen sind verstrichen bald,
Und immer wird sie übergangen.
Von Tränen feucht sind ihre Wangen :
„Welch sonderbarer Aufenthalt,
Wo meiner Reize täglich Prangen
Kein Liebesfeuer läßt entsteh n !
Ach," ruft die Schöne schmerzbefangen,
„Wie war mein Herz von Wahn umnachtet!
O, hätt' er niemals mich gesehn,
Ich sähe jetzt mich nicht verachtet !
Mich zwanzig Male zu verschmäh n !
O schnödes, greuliches Geschick !
Gekauft von ihm, der niemals schmachtet
Nach meiner Gunst! Mit welchem Blick
Des Übermuts er uns betrachtet !
Dies Auge, das nur flüchtig blättert,
Soviele Zauber man ihm weist,
Und dieser Wink, so schimpflich dreist
Bei dem Entschluß, der mich zerschmettert,
Um obendrein mich noch dem Hohn
Der Vorgezognen preiszugeben !
Wie sind wir all in seiner Fron,
Schmachvoll entweiht zum Sklavenleben!
Ein Mann, und dreißig Fraun daneben !
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Rosine
Meintwegen nehm' er noch sechs Dutzend,
Vergesse mich in ihrem Arm;
Ertragen werd' ich 's gern, ihm trutzend,
Wenn Tag fur Tag der feile Schwärm
Kriecht vor dem Unhold um die Wette
Im Drang nach seinem Lotterbette;
Doch ich, getreu dem innern Ruf,
Will Ehre machen dem Geschlechte,
Das Gott verführerisch erschuf,
Damit es alle Männer knechte.
Hinweg von dem Barbarenort,
Wo Schönheit nicht gelangt zum Rechte ;
Von mir werd' anderwärts hinfort
Beglückt ein liebevollrer Mann,
Der um ein Weib noch seufzen kann."
Es stand ihr frei, sogleich zu fliehn ;
Doch ließ die Neugier sie verweilen,
Zu schaun, mit welchem Weib Osmin
Zunächst sein Lager werde teilen.
Auch diesmal ward ihr nicht verliehn
Das Schnupftuch : Grund genug, zu eilen
Und keck ihr Wagnis zu vollziehn.
Nachts läßt die Gartenmauer leicht
Erklettern sich an ihren Ranken.
Vom Harem angewidert schleicht
Sie hin, erklimmt sie, springt, entweicht
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Rosine
Der strengsten aller Klosterschranken ;
Sie sieht ein Boot am Ufer schwanken,
Besteigt's und überläßt geschwind
Mit vollen Segeln sich dem Wind.
Rosine kannte die Romane,
Las deren tollstes Zeug im Wahne,
Sie schlürfe reinste Wahrheit ein ;
Jedoch sie weigerte den Glauben
Der Heldin, deren Herz von Stein,
Und die sich trotz der Hungerpein
Den leckren Schmaus nicht will erlauben.
Nach ein'gen sturmbewegten Tagen,
In denen günst'ger Winde Schar
Galant sie schirmte vor Gefahr,
Ward, von dem schwachen Boot getragen,
Zu einer Insel sie verschlagen,
Die wackrer Leute Wohnsitz war.
Auf welchem Grad lag ihr Gebiet?
Ich weiß nicht, muß jedoch betonen,
Daß sich beträchtlich unterschied
Dies Land von dem der Amazonen.
Dort Frauen ohne Männer, hier
Nur Männer ohne Fraun dagegen ;
Die letzte war dem Tod erlegen.
Ein Hahnrei spräch' : ,Gottlob!' Doch mir,
Der nicht in solchen Ängsten wandelt,
Fulda, Die gepuderte Mose 7
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9»
Rosine
Vermählt nicht ist, nur leicht verbandelt,
Weckt dieses Land nicht viel Begier.
Damit ihr besser mich versteht:
Was irgend auf der Insel weiblich,
War durch ein Übel hingemäht,
Das nicht mit Namen ist besch reiblich,
Doch sich erwies von solcher Kraft,
Daß Töchter, Mütter und desgleichen
Großmütter wurden hingerafft.
Schwer war die Insel zu erreichen ;
Kein Festland in der Nachbarschaft,
Schiffahrt ein unbekanntes Ding,
Jed Rettungsmittel drum entzogen :
Nun also sei von euch erwogen.
Ob man Rosine gut empfing.
Republikanisch war der Staat,
Gemeinsam so Gewinn wie Schaden,
Sodaß den Himmel jeder bat,
Mit ihr sein Bette zu begnaden.
Ich auch, ich hätt' in diesem Falle
Gebetet und gehofft wie alle.
Zur Fremden drängt es jeden hin ;
Doch Ehrfurcht hält ihr ferne jeden,
Ja, keiner wagt, sie anzureden ;
Sofort ist sie Gebieterin,
Ein Wesen, so geschätzt, so selten,
Rosint
99
Um gar als Königin zu gelten.
Wenn mangelt, was man heiß begehrt,
Erst dann ermißt man seinen Wert.
Bekränzt mit Blumen, hoch zu Rosse
W T ird sie geführt nach einem Schlosse.
Dort wird ein Hof ihr eingerichtet,
Galant, geschmeidig und verliebt;
Die Garde, die sie stets umgibt,
Ist artig, wachsam und verpflichtet
Zur Schweigsamkeit ; die Etikette
So mustergültig, daß daran
Kein Weibsbild was zu tadeln hätte.
Doch eh' der achte Tag verrann,
Muß ihre Majestät deu Mann,
Der ihr gefällt, zum Gatten wählen.
Die Wahl, wenn sie ein Kind gebar,
Wird wiederholt einmal im Jahr,
Viermal jedoch, wenn Kinder fehlen;
Was im geheimen sonst sie tut,
Wird anerkannt als recht und gut,
Und niemand darf darum sie schmälen.
Welch plötzlicher beglückter Tausch
Von Schmach zu Ruhm und Freudenrausch :
Die ganze Insel wird Rosine
Durch diese Vorschrift freigestellt,
Damit sie zum Serail ihr diene.
?
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t oo
Ro s int
Gibt's Wonnigeres auf der Welt?
Mehr Gatten stehn ihr nun zur Wahl
Als dem Osmin Gemahlinnen ;
Sie schafft Rivalen mehr an Zahl,
Als je ein Türk Rivalinnen.
Auch trennt kein Riegel und kein Gitter
Sie von beliebiger Vergnügung;
Die Männer all sind ihre Ritter,
Ihr unaufhörlich zur Verfügung.
Ihr stolzen Herrn, schmeckt euch das bitter?
Scheint euch ihr Sieg nicht beim Vergleich
Mit euren Siegen doppelt reich?
Wodurch, so frag' ich überhaupt,
Fühlt sich der Ehrgeiz mehr gestreichelt?
Durch Rechte, die man sich erschmeichelt,
Oder die man gewaltsam raubt?
Vierspännig fuhr die allverehrte
Rosine nun, solang der Lauf
Des angenehmen Tages währte,
Quer durch die Stadt, straßab, straßauf,
Zur Wahl des Manns, den sie begehrte.
Eis drängten sich auf ihrer Fährte
Die braven Bürger dichtgereiht,
Die dummen, klugen, alten, jungen,
Hinsterbend vor Ergebenheit,
Wetteifernd all in Huldigungen,
Von eitlem Selbstgefühl durchdrungen,
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Rosine
i o i
Geziert mit ihrem feinsten Kleid,
Sich spreizend wie verliebte Hähne,
Durch günstige Beleuchtung blendend,
Im Lächeln weisend ihre Zähne,
Geschäftig jede Kunst verwendend,
Womit Gefallsucht sich so breit
Zu machen pflegt in unsrer Zeit,
Kurz, durch das Girren und Sichbrüsten
Des Wettbewerbes mehr entweiht,
Als je von eines Sultans Lüsten
Entwürdigt ward die Weiblichkeit.
Die Wahl gelangte bald zum Ziel.
Auf einen Insulaner fiel
Das Los, der Hylas war geheißen,
Jung, hübsch und schmuck, mit einem Worte
Ein Mann von jener Männersorte,
Um welche sich die Frauen reißen ;
Auch Sympathie war mit im Spiel,
Und gegen sonst'gen Augenschein
Trat Hymen in das Bett als Mieter
Und Amor als Besitzer ein.
Hylas, der Gatte, der Gebieter
War in der Ehe nur noch mehr
Geliebt und liebend als vorher.
Hier endlich ward ein Ehebund
Beherrscht von wandellosem Frieden.
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I 0 3
Rosine
Ihr wißt bereits, aus welchem Grund:
Ihm war ja Dauer nicht beschieden
Und seine Trennung unausbleiblich.
Drei Monde flohn in rascher Flucht,
Und noch kein Zeichen einer Frucht.
Des Hylas Angst war unbeschreiblich.
Entsagen solch vollkommnem Glücke,
Abtreten solch ein köstlich Gut!
Verzweiflung reißt sein Herz in Stücke,
Am Weinen hindert ihn die Wut;
Vom Antlitz weicht ihm alles Blut.
Sie fragt: „Was fehlt dir, Hylas? Sprich!" —
„Grausame," ruft er, „was mir fehle?
Man nimmt auf immer bald mir dich,
Und so noch fragen kannst du mich !
Hast du bereits in stiller Seele
Beschlossen, wer an meiner Statt
Genießen soll, was nur dem Einen
Gebührt, der dich vergöttert hat?
Ihm, dem Geliebten, ihm, dem Deinen,
Für den du warst ein Himmelsbild,
Und dem du s auch noch dann wirst scheinen,
Wenn dein Verrat ihm schnöd vergilt?
Bald werden sie dich von mir trennen,
Bald soll dein Herz mich nicht mehr kennen ;
Und dieses Herz schlägt nicht Alarm?
Rosine, die für mich zu brennen
Mir schwor, in eines andern Arm!" —
Rosine io3
„Die für dich brennt in heißerm Feuer
Als je ! " so fällt sie seufzend ein ;
f( Du bist und bleibst mir ewig teuer,
Und nie war eine Gattin treuer ;
Mag dieser Kuß dir Zeuge sein !
Doch meine Macht ist leider klein ;
Das öffentliche Recht ist stärker
Und meine Herrschaft nur ein Kerker.
Was hilft's, daß ich von dir besessen?
Ach, liebster Hylas, das Gesetz
Zwingt mich in des Gehorsams Netz;
Doch werd' ich niemals dich vergessen."
Dies Wort wirkt wie ein Schlag auf ihn.
Er macht sich Luft in lautren Schreien,
In rührenderen Litaneien
Als alle Helden von Racine.
Man muß die Waffen ihm entzieh n ;
Sonst würd' er sich sofort entleiben.
Rosine schilt mit Gram und Groll
Des Schicksals unbarmherzig Treiben.
„Sag, Teurer, was geschehen soll?
Was soll ich tun, um dein zu bleiben?"
„Entfliehn wir!" ruft er nachdrucksvoll.
„Was hindert uns, die Flucht zu wagen?
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i<>4 Rosine
• .. 1,1 i
Uns anvertraun laß uns der Flut,
Die dich an diesen Strand getragen.
Du hattest ihr zu trotzen Mut,
Als du allein dich durchgeschlagen,
Und die Natur nahm dich in Hut
Vor Stürmen, Wogen und Gefahren,
Um unversehrt dich zu bewahren
Für die getreuste Liebesglut.
Du hast, nachdem du sie gefunden,
Für solchen Schutz erst recht Gewähr;
Komm, laß ihn uns getrost erkunden.
Wohl weiß ich, dein Entschluß ist schwer;
Denn gehst du heimlich außer Landes,
Dann wird das ganze Inselreich
Das Opfer unsres Ehestandes.
Du lassest hier im Stich zugleich
All jene Würden, Ehren, Gnaden,
Mit denen man dich überladen,
Für einen höchst verwegnen Streich ;
Du steigst herab vom Herzensthron,
Dem herrlichsten von allen Thronen ;
Doch winkt, Rosine, dir als Lohn,
Mit mir zu leben und zu wohnen !
Ja, leben will ich dir allein.
Gibt's einen süßern Trost auf Erden,
Als den die Liebe kann verleihn?
Und jene, die sich ganz ihr weihn,
Welch Unheil könnte sie gefährden ?
Rösing
i o5
Man gebe mir die Welt zur Habe,
Ich würde standhaft sie verschmäh n,
Durch Wasser und durch Feuer gehn,
Um dir zu folgen bis zum Grabe!"
Die Schöne nahm den Schwur entgegen,
Ob auch im ersten Augenblick
Sie trauern mocht' um das Geschick,
Das sie verließ des einen wegen,
Und war mit einer Zärtlichkeit,
Die sich erhob zum Ueberschwange,
Bedingungslos zu tun bereit,
Was immer er von ihr verlange.
„Ja," sagt sie, „du hast recht; wohlan,
Laß uns entfliehen, teurer Mann.
Es schmerzt mich nur, daß zu geringe
Das Opfer ist, das ich dir bringe.
Nur fort; ich folge dir." Die Nacht
Hat ihre Schleier kaum gebreitet,
Als unser Hcldenpärchen sacht,
Vom blinden Liebesgott verleitet,
Zu jenem einzigen Schifflein schreitet,
Das noch im gleichen schlechten Stand
Wie bei Rosinens erster Reise,
Jedoch versehn mit mehr Proviant;
Sie sticht in See, beglückt und leise,
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Rosine
Und ist schon fern dem Inselhafen,
Bevor man dort hat ausgeschlafen.
Damit der Schmerz um sie verheile,
Tat dies und das ein jeder zwar;
Doch was auch jeder tat, s ist klar,
Daß jedenfalls nach einer Weile
Die Insel ausgestorben war.
Inzwischen schaukelte die Holde
So friedsam auf dem Ozean,
Als habe sie auf ihrer Bahn
Neptun und Aeolus im Solde.
Die Reise, wenn auch lang genug,
Verging ihr in geschwindem Flug;
Denn ihre reine Liebe bot
Ein Füllhorn ihr voll Wundergaben.
Sie ließ, um keine Reu' zu haben,
Vor ihrem Geist gar manche Not
Vorüberziehn, die ihr gedroht
Am Orte, dem sie nun entronnen.
Jetzt kam es ihr erst recht zu Sinn,
Was dort vielleicht sich hätt' entsponnen
Und ihr, wenn Gott nicht Hilfe wußte,
Nach einem glücklichen Beginn
Die schwerste Drangsal bringen mußte.
Ein abgeschmackter Bürgermeister,
Vor Sinnenkitzel dreist und dreister,
Rosine
Hätt', an die Reih' noch nicht gekommen,
Dem neu erwählten Mann zuletzt
Sie mit Gewaltstreich abgenommen
Und übers Recht sich weggesetzt.
Es hätten dann die Senatoren
Dem frechen Räuber Krieg geschworen,
Ihn schleppend vor das Tribunal,
Mit dem Beschluß, daß der Gemahl
Halbjährig wechselnd werd' erkoren
Hinfort nur noch aus ihrer Zahl.
Drauf hätte sich das Volk empört
Und eine höllische Verwandlung
Dies schöne Paradies zerstört ;
Zumal wenn während der Verhandlung
Man hätt' im allgemeinen Streit
Die Königin zur Sicherheit
Beim ältsten Mann der Stadt geborgen !
Kurz, dort ein ganzes Meer von Sorgen,
Und hier nur Friede weit und breit!
w Jetzt endlich ist mein Heil vollkommen!"
So dachte sie sich auf der Fahrt.
„Den Gipfel hab' ich nun erklommen:
Mit einem einz'gen Mann gepaart,
Und ich die einzige für ihn.
Nie war bisher mir Glück verliehn.
Daheim ganz ohne Liebsten weiland,
Mit dreißig teilend bei Osmin,
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Rosine
Verteilt an alle auf dem Eiland,
Gram, Elend, Ekel, Ueberdruß!
Ein Gatte, treu und untertänig,
Das ist zu viel nicht noch zu wenig,
Ist mir genug, ist mir Genuß."
So ward, gewiegt von holdem Traume,
Gelenkt von einer höhern Macht,
Kosine sanft im Wellenschaume
Nach ihrem Ursprungsland gebracht.
Doch zum Verderb für den Bestand
Der Treue des verliebten Gatten
War Frankreich dieses Ursprungsland.
Die Eltern barg der Grabesschatten.
Sie war die Erbin aller Güter
Und er als dieses Schatzes Hüter
Ein Glückspilz, ein gemachter Mann,
Sodaß zuerst mit wirrem Lallen
Er fast vor Dankbarkeit zerrann,
Der höchsten Tugend unter allen ;
Nur pflegt, wer mit ihr prahlt am meisten,
Am wenigsten in ihr zu leisten.
Des Landes freie Sitten wecken
Des Toren baldigen Verdacht ;
Von wilder Eifersucht entfacht,
Spürt er Verrat an allen Ecken.
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Rosine
'09
Rosine, stets bedroht von Schrecken,
Sucht seinen Argwohn zu verflücht'gen,
Indem sie sich zur Sklavin macht.
Doch heilt man einen Eifcrsücht'gen ?
Erst müßt' er doch geheilt sein wollen.
Er, als der Tollste jener Tollen,
Spricht nur noch Schimpf und Ungebühr,
Entfernt sich nur noch mit Gepolter,
Verrammelt siebenfach die Tür;
Doch dünkt's ihm nicht genug der Folter.
Bald läßt der eifersüchtige Wahn,
Der im verstörten Hirn ihm siedet,
Zum Schloß ihn greifen, das Vulkan
Kunstfertig in Italien schmiedet.
Verdammtes Schloß, verruchter Riegel,
Der, während fern der Ehemann,
Das letzte Tor legt unter Siegel,
Wodurch der Liebste schlüpfen kann !
Trotz alledem — Rosine liebt
Ihn weiter, fügsam, ohne Klagen,
Und alles, was ihm Ruhe gibt,
Das dient auch ihr zum Wohlbehagen.
Doch, all ihr Guten, übt Gericht
An dem verwerflichen Betragen
Des Undankbaren, der die Pflicht
Der Ehe mißbraucht, um zu plagen,
Und selbst beschworne Treue bricht!
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Rosine
Das Klima, werdet ihr mir sagen,
War Ursach ' ; aber untreu sein
Und doch von Eifersucht nicht lassen,
Das will zu Recht und Brauch nicht passen.
Rosine leidet Höllenpein;
Nichts könnte tödlicher sie kränken.
Ach, ihre Kummerblicke lenken
Sich rückwärts bis ins Elternhaus ;
Und gar in Tränen bricht sie aus,
Da sie der Insel muß gedenken,
Wo man Vergöttrung ihr erwies,
Ein ihr verlornes Paradies,
Aus dem, um sich für solchen Bund
Als blindes Opfer zu vergeuden,
Sie sich vom Thron der höchsten Freuden
Verschleppen ließ zum tiefsten Schlund !
Selbst bei den Nebenbuhlerinnen,
Den neunundzwanzig im Serail,
Hätt' ihr der Türk vergönnt ihr Teil,
Und jede konnte gleiches Heil
Im Zeitraum eines Monds gewinnen.
Sein Herz besaßen jene dreißig
Uneingeschränkt gemeinschaftlich,
Und kränkte manchmal eine sich,
Weil er im Flattern allzu fleißig,
So ließ er keine doch im Stich ;
Wogegen Hylas nur vermählt ist
Mit einer, die sich ganz ihm weiht,
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Rosine
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Doch diese stets von ihm gequält ist
Und aussteht grenzenloses Leid.
Sie raufte jammernd sich die Haare.
Der Himmel half ihr aus der Not
Mit einem Schlag. Der Undankbare
War eines schönen Morgens tot.
Rosine, von der Fessel frei,
Zählt noch nicht mehr als zwanzig Jahre !
So frisch wie eine Ros' im Mai,
Geschmückt mit holdem Jugendpraugen
Und reich — ein Punkt von Wichtigkeit,
Ein sichrer Köder, um zu fangen
Die edlen Herzen unsrer Zeit.
Geld, Jugend, Anmut — diese Dreiheit,
Vereint mit schrankenloser Freiheit,
Mehr welterfahren, minder blöd:
So fand sie sich zu größrem Glücke
Als eine Königin erhöht.
Erzeigte nicht in jedem Stücke
Sich ihr das Schicksal wohlgesinnt ?
Der Eltern ledig und noch Kind,
Des Gatten ledig und doch Frau !
Kein Wunder, daß von jenen Rittern,
Vor deren Herrlichkeit erzittern
Die Weiberherzen rings im Gau,
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Rosine
Sie nun den dreißigsten sehon hat.
Für ihre Schönheit kann sie zählen
Auf Huldigung von Hof und Stadt,
Kann unter Tausenden nun wählen ;
Es wird ihr bis an ihren Tod
Rein Vorteil jener Insel fehlen,
Ohn' daß wie dort ihr Unheil droht.
DER MÖNCH AM ZÜGEL
Der Bauer Biaise, der in der Stadt mit Glück
Sein Korn in gutes blankes Geld gewandelt,
Ritt auf dem Gaul, den er dafür erhandelt,
Stolz wie ein Sankt Georg nach Haus zurück.
Indes — auch Sankt Georg steigt ausnahmsweis
Vom Pferd, wenn kalte Füß' ihn dazu zwingen.
Biaise, dem die Füße kälter sind als Eis,
Muß schließlich drum sich aus dem Sattel schwingen.
So wird der Reitersmann ein Fußsoldat,
Muß als des Pferdes Führer mühsam tappen,
Durch hohen Schnee sich bahnen einen Pfad,
Am Zügel ziehend hinter sich den Rappen.
Zwei muntre Graue folgten ihm von weiten,
Nicht von des Grauen Gattung, der im Trott
Auf seinem Rücken trug vor langen Zeiten
Den Knappen des berühmten Don Quixote ;
Dies waren zwei ganz andere Geschöpfe,
Von jener Art, die schon Boccaccio preist :
Durch manchen Streich berühmte schlaue Köpfe
In Liebschaft, Becher oder Schelmengeist,
Aus jener Heil'genschar, die treubewährt
Fulda, Die gepuderte Muse 8
Der Mönch am Zügel
Sich einst in Katalonien ließ verbrennen ;
Zwei Franziskaner, um sie klar zu nennen,
Von ferne folgten sie dem Mann und Pferd.
Der eine sprach zum andern: „Freund, wohlauf,
Schau vor uns diesen Tölpel mit dem Rosse.
Vollführen laß uns eine kleine Posse,
Und dieses Tier ist unser ohne Kauf.
Bloß flink mir beizustehn versäume nicht:
Zugreifen heißt's hier, ohne Krampf und Gicht.
Ich selber löse sacht den Gaul vom Zügel.
Du währenddem gelenkig auf das Biest
Hinauf, gibst ihm die Sporen und entfliehst;
Sodann dort rückwärts, hinter jenen Hügel,
Derweil das Weitre mir ist anvertraut,
Schwenk ein, dich zu verstecken mit dem Pferde.
Ich will ein Tropf sein, wenn mit heiler Haut
Ich dort in kurzem dich nicht suchen werde."
Der reife Plan gibt ihren Schritten Flügel ;
Sie gehen kühn ans Werk, und es gelingt.
Der eine nimmt vom Hals des Pferds den Zügel,
Indem er ihn um seinen eignen schlingt ;
Der andre reitet im Galopp von hinnen,
Doch ohne daß dem Biaise zu Ohren dringt
Der Lärm der Hufe, die vor ihm entrinnen :
Kein Wunder, da doch auf der ganzen Strecke
Fußhoher Schnee gebreitet lag als Decke.
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Der Mönch am Zügel
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Der Reiter floh zu der bewußten Stelle,
Und nicht von ihm soll mehr die Rede sein.
Nach der gelungnen Flucht blieb sein Geselle
Zurück als Faustpfand in der Klemm' allein.
Dem Bauer auf den Fersen schritt er sachte,
Den Zügel locker um den Hals gehängt,
Den Kopf gebeugt, das Rückgrat angestrengt,
In einer Gangart, die ihn müde machte.
Auch Biaise, dem das Zufußgehn nicht mehr schmeckt,
Will nun sich wieder in den Sattel setzen ;
Doch wer vermag sein Staunen abzuschätzen,
Als er beim Umdrehn einen Mönch entdeckt!
Durchliefe da den Stärksten nicht ein Schauer?
Wer stünd' im gleichen Fall nicht wie gebannt?
Dem armen Biaise, dem schlichten, frommen Bauer,
Entfällt vor Schreck der Zügel aus der Hand.
Der Heuchler, demutvoll zum Steinerweichen,
Liegt vor ihm hingegossen auf den Knien
Und ruft mit Seufzern aus, mit tränenreichen :
«O Herr, ich bin der Bruder Augustin,
Von Sankt Francisci Jüngern der gemeinste,
Den, ach, des Fleisches mächt'ger Antichrist
In seine Netze fallen ließ durch List !
Was wollt Ihr? Straucheln kann wohl auch der Reinste.
'nen leckren Köder steckte Satan schlau
An seine Angel; ich biß an, ward sündig,
Biß wieder an, blieb haften kurz und bündig,
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Der Mönch am Zügel
So daß auf immer mich die Teufelsklau'
Schon wollte stürzen in des Lasters Krater.
Gott aber, der als liebevoller Vater
Des Sünders Beßning will, nicht seinen Tod,
Beschloß, mich aus dem Höllenschlund zu lösen,
In den mich niederzog die Macht des Bösen,
Zu reuevoller Einkehr und gebot,
Daß meine Seele drum auf sieben Jahre
In eines Pferdes Leib zur Buße fahre.
Die Zeit ist um, und Euch auf jeden Fall
Muß ich als meinem Herrn mich fugsam zeigen.
Führt mich ins Kloster oder in den Stall.
Ich bin, weil Ihr mich kauftet, Euer eigen."
„Herrje, M sagt Biaise, „der Teufel hol' den Kauf!
Bin ich an Euren alten Sünden schuldig,
Daß ich den Schaden tragen soll geduldig?
Doch weil es Gott so will, muck' ich nicht auf.
Denn schließlich, grad wie Ihr beging ich Sünden,
Und Buße hab' ich aus denselben Gründen
Wie Ihr verdient. Ich sehe mit Verdruß
Nur einen Unterschied : Ihr seid am Schluß
Der Eurigen, ich am Beginn der meinen ;
Es geht noch glimpflich ab, so will mir scheinen.
Gott könnt' auch mich belegen mit dem Banne.
Ein sünd'ger Fürst war sieben Jahr' lang Bär,
Ihr wart ein Pferd für gleiche Zeitenspanne ;
Ich könnt' auf grad so lang zum Esel werden
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Der Mönch am Zügel
Und hätte, Säcke tragend hin und her,
Erdulden müssen tagliche Beschwerden.
Zwar so verlier' ich eine hübsche Summe ;
Doch sind fünfhundert Franken nicht die Welt.
Seid frei und seid es ohne Lösegeld.
Ich denk', Ihr werdet künftig nicht der Dumme
Mehr sein, der in das Netz des Teufels fällt.
Wen schon so nah die Höllenglut umwehte,
Der wird fortan vor der Versuchung flieh n :
Schließt fur mein Geld mich, Bruder Augustin,
Zum mindesten in Euere Gebete."
Der wackre Bruder wirft hierauf sich ganz
Zu Boden, küßt verschiedne Mal die Erde,
Des Bauern Fuß und seinen Rosenkranz
Und rennt vergnügt zu dem versteckten Pferde,
Indessen Biaise, den Beutel leer und leicht,
Mit einem Zügel, der den Zweck verloren,
Als regelrechter Hammel glattgeschoren
Zu Fuß betrübt sein kleines Haus erreicht.
Er schwieg von dem fetalen Gegenstand
Und hätte sicher nie davon gesprochen
Hätt' nicht auf einem Jahrmarkt er nach Wochen
Sein Pferd gesehn und augenblicks erkannt,
Um das grad feilschte sein Gevatter Jochen.
Er wundert sich, er lächelt, und beiseit
Ihn ziehend aus dem großen Menschenhaufen,
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Der Mönch a vi Zügel
w Freund," sagt er, „hüte dich, dies Pferd zu kaufen.
Fis tat' dir' früher oder später leid.
Ich kenn den Gaul und nehm s auf meinen Eid,
Daß eines Tages, wenn du stolz beritten
Dich brüsten möchtest auf dem schmucken Tier,
Du plötzlich, krach, au seiner Statt inmitten
Des Wegs ein Möriclileiii fandest unter dir."
„Ein Mönch? Du willst mich an der Nase zichn.
F2in Mönch ? Geschwätz!" — „Glaub nicht, daß ich dich uze ;
FAn richtger Mönch, ein Graurock mit Kapuze
Und Leibstrick, namens Bruder Augustin."
Drauf läßt er ihn den ganzen Fall erfahren,
Kauf, Heimweg, der Verwandlung Wunderding,
Wie sich der Mönch an einem Köder fing
Und eine Buße Htt von sieben Jahren ;
Den Best fügt er vermutungsweise bei :
„Kein Zweifel, kaum war der Fialunke frei
Und wieder in die alte Haut gefahren,
Als die Erinnrung an die Bitternis
Verdienter Strafe sich in ihm verkrochen
Und er von neuem auf den Köder biß;
Hier das Ergebnis." — „Holl* und Pest!" ruft Jochen,
„Mög' er zum Teufel gehn samt seinem Köder
Und seinen sieben Jahren Prüfungspein.
Ich, ohne dich, hätt' als ein Narr, ein blöder,
Verspielt fünfhundert Franken. Komm zum Wein."
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FRANÇOIS MARIE AR OU ET DE VOLTAIRE
-
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WAS DEN DAMEN GEFÄLLT
Derweil auf afrikanischem Gebiet
Der Sonnengott mit Glut die Fluren schwängert,
Hier aber nur noch enge Kreise zieht,
Und Winter schon die Abende verlängert,
Zum Nachtisch, Freunde, hört, ans warme Feuer
Gerückt, ein unterhaltlich Abenteuer,
Wohl wert, daß man's in sein Gedächtnis gräbt,
Von einem Ritter, arm, doch ohne Zagen.
Jean Robert war sein Nam', und in den Tagen
Des Königs Dagobert hat er gelebt.
Er war gepilgert nach dem heü'gen Rom,
Des Casars stolzem Rom noch überlegen,
Und kehrte heimwärts von dem Tiberstrom
Zwar nicht mit einem ruhmbekränzten Degen
Jedoch mit Gnadenbildern, Ablaßzetteln
Und gründlich von der Sündenlast befreit;
Doch sonst besaß er nur genug zum Betteln.
Denn in den argen Strudeln jener Zeit
War jeder Paladin gar schlecht gestellt,
Und nur die Kirchendiener hatten Geld.
I 2 2
Was den Damen gefällt
Herrn Robert eignete statt barem Wert
Sein alt Gcwaffen bloß, ein Hund, ein Pferd;
Als reiches Erbteil waren ihm indes
Der Jugend goldnc Gaben zugestanden,
Wuchs des Adonis, Kraft des Herkules,
Vorzüge, die man schätzt in allen Landen.
Er war nicht weit entfernt mehr von Paris,
Als mitten im Gehölz auf seinem Pfade
Marthon, die muntre, seinem Blick sich wies,
Ein Band geschlungen um die blonden Löckchen,
Zierlich gebaut und unterm kurzen Röckchen
Verratend eine schwanenweiße Wade.
Er nähert sich ; dem Reiz, auf den er blickt,
Sogar ein Heiliger würd' ihm verfallen.
Ein Strauß von Lilien und Rosen nickt
Inmitten zweier Alabasterballen,
Die niemand kann gewahren unbestrickt;
Der Farbenschmelz von ihren blühnden Wangen
Verdunkelt ihres Blumenstraußes Prangen.
Kurzum, dies jugendliche Wunder ging
Mit einem Körbchen, das am Arm ihr hing,
Den Weg zum Markt in ihrer ganzen Zierde,
Um Butter zu verkaufen dort und Eier.
Herr Robert springt, ergriffen von Begierde,
Vom Pferd, küßt ihren Mund als kecker Freier
Und sagt: „Im Ranzen hab' ich zwanzig Gulden,
Mein ganzes Gut; es werde dein, und nimm
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Was den Damen gefällt
I 2.3
Dazu mein Herz." — „Das war zu viel der Hulden,"
Versetzt Marthori. Robert bedrängt sie soll Ii mm ;
Sie fallt, er gleichfalls, kämpft mit ihr im Falle,
Und so zerbricht er ihr die Eier alle.
Sein magrer Klepper horcht beängstigt auf,
Wird scheu vor diesem kriegerischen Schalle
Und flieht waldeinwärts in gestrecktem Lauf.
Ein Mönch von Saint Denis bemerkt ihn dort,
Schwingt sich hinauf und trabt zum Kloster fort.
Maithon fragt endlich, ordnend ihre Locken,
Herrn Robert: „Wo sind meine zwanzig Gulden?"
Der Ritter sucht vergeblich, höchst erschrocken,
Nach Bors' und Reittier; doch die Schöne sperrt
Sich gegen Mildrungsgründe seiner Schulden;
Sie will die Schmach vergolten sehn gerichtlich
Und klagt ihn an bei König Dagobert.
„Ein Ritter", sagt sie, „ließ Verlust mich dulden,
Tat mir Gewalt an und bezahlte nicht."
Der weise Fürst streicht seinen Bart und spricht:
„Dies ist ein Fall von Schändung offensichtlich;
Drum geh vor meiner Gattin Bertha klagen;
In derlei Sachen ist sie sehr beschlagen :
Empfangen wird sie dich mit aller Güte,
Wird schleunigst richten mit gerechtem Sinn."
Marthon sagt Dank und eilt zur Königin.
Bertha war sanft, von freundlichem Gemüte ;
Jedoch sie war voll Unerbittlichkeit
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I 24
Was den Damen gefällt
In einem Punkt: in dem der Sittlichkeit.
Sie ruft zusammen ihr Konzil von Frommen :
Der Ritter,' ohne Sporn und Stiefel, wird
Barhäuptig und gesenkten Blicks vernommen ;
Er ist geständig, daß er schwer geirrt :
Er habe sich, vom Teufel hingerissen,
Vergangen wider heiligstes Gebot
Und sei zernagt nun von Gewissensbissen —
Worauf er stracks verurteilt wird zum Tod.
Doch Robert war so schmuck, so erzgegossen,
So schlank, so frisch, so rosig und gefiel
So sehr der Königin und dem Konzil,
Daß bei dem Urteil ihre Tränen flössen ;
Tief seufzend stand Marthon im Hintergrund,
Von Mitleid wurden alle Herzen wund.
Die Königin ließ ihr Konzil bedenken,
Dem Ritter könne man das Leben schenken,
Vorausgesetzt, er habe Geist genug :
„Ihr wißt, wir haben ein Gesetz, das jenen
Trotz schwerster Schuld begnadigt, welcher klug
Verkündet, was die Frauen sich ersehnen —
Falls wohlbemerkt er's auseinandersetzt
Mit klaren Worten und uns nicht verletzt."
Die Sache ward nach reiflicher Erwägung
Herrn Robert unverzüglich vorgetragen.
Um ihn zu retten, gab zur Überlegung
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Was den Damen gefällt 125
Die gute Bertha Frist ihm von acht Tagen.
Er schwor ihr auf den Knien mit hohem Eid,
Nach deren Ablauf werd' er wiederkommen,
Bedankte sich für die Barmherzigkeit,
Nahm Abschied und entfernte sich beklommen.
u Wie?" sagt' er sich, «was alle Fraun begehren,
Soll ohne sie zu kränken, ich erklären
Aufs Haar genau? Die Königin bedrängt
Mich Ärmsten mit gesteigertem Verderben;
Warum, wenn doch mir ist bestimmt, zu sterben,
Hat man nicht lieber gleich mich aufgehängt?
Jedwede, die nun in den Weg ihm trat,
Weib oder Mädchen, hielt er an und bat
Um Auskunft, was am meisten ihr gefalle;
Jedoch verschiedne Antwort gaben alle;
Sie logen all', und keine ging aufs Ganze.
Schon sah zur Hölle Robert sich verdammt;
Schon hatte siebenmal mit seinem Glänze
Der Sonnenball den Erdkreis überflammt,
Als aus der Fernsicht auf begrünten Auen
Er zwanzig himmlische Gestalten fand
Im Reigentanz: ihr flatterndes Gewand
Ließ schleierdünn erlesne Reize schauen ;
Ein sanfter Wind, sein muntres Spiel vollführend,
Durchwogte lieblich ihr gelöstes Haar;
Leicht übern Rasen schwebte hin die Schar,
Den Boden streifend und ihn kaum berührend.
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Was den Damen gefällt
Er nähert sich ; zum mindesten vielleicht
Winkt ihm Bescheid auf die verflixte Frage:
Mit eins verschwindet alles und entweicht.
Die Sonne sinkt, es ist schon spät am Tage ;
Er sieht nur noch ein uralt zahnlos Weib
Mit grauem Antlitz und verschrumpftem Leib,
Gestützt auf einen Stock die krummen Glieder;
Die spitze Nase stößt ans kurze Kinn,
Hotbraune Furchen rändern ihre Lider,
Und karg sitzt weißes Haar im Nacken drin.
Zum Unterrock dient ihr ein alter Fetzen,
Der halb nur einhüllt ihre welke Haut.
Der wackre Ritter fühlt vor ihr Entsetzen.
Sie spricht, als wäre sie mit ihm vertraut,
Ilm an: „Auf Eurer Slirne kann ich lesen,
Mein Söhnchen, daß in Euch ein Kummer wühlt;
Sagt mir, was Eurer Drangsal Grund gewesen.
Wir leiden all ; doch wer sich ausspricht, fühlt
Erleichterung und Mut zu neuer Tat.
Viel ward mir kund; Verstand kommt mit den .Jahren,
Und manchem Dulder ist durch meinen Rat,
Wenn er ihm folgte, Gutes widerfahren.**
Der Ritter drauf: „Mein Mütterchen, ach ja,
Rat sucht' ich mir vergebens, fern und nah.
Schon morgen werd' ich in Person gehenkt,
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Was den Damen gefällt 127
Falls vor der Königin und ihren Damen
Ich, was den Fraun gefällt, nicht im Examen
Verkünd' in einer Form, die sie nicht kränkt."
Die Alte gab zur Antwort: „Bangt Euch nicht;
Gott selber wahrlich sandt' Euch mir entgegen ;
Glaubt mir, mein Sohn, dies schlägt Euch aus zum Segen ;
Drum geht zu Hof mit heitrer Zuversicht.
Ich komme mit und will Euch klipp und klar
Das Euch so wichtige Geheimnis lehren ;
Doch schwört mir, lös' ich Euch aus der Gefahr,
Dann zu gerechtem Dank mir zu gewähren,
Was ich von Euch mag wünschen und begehren.
Der Undank ist ein schändliches Verbrechen ;
Bei meinen schönen Augen wollt versprechen
Durch einen Schwur, zu tun, was mir gefallt."
Nicht ohne Lachen schwor es unser Held.
„Lacht nicht," erwidert sie mit festem Ton,
„Dies ist mein Ernst." Sie gibt ihm das Geleite,
Und alle zwei gelangen Seit' an Seite
Zu Frankreichs Hof und vor Frau Berthas Thron.
Sogleich versammelt sich das Fraungericht,
Die Königin nimmt Platz, und Robert spricht :
(t Hört eures Rätsels Lösung, meine Damen:
Was stets ihr euch ersehnt, was ihr mit Harm
Entbehrt, wenn's euch die Schicksalsmächte nahmen,
Nicht immer ist es ein Verehrerschwarm ;
Doch Mädchen, Witwe, Frau, ob schön, ob häßlich,
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128
Was den Damen gefällt
Ob arm, ob reich, ob derb von Art, ob fein,
Sehnt, scheint mir, Tag und Nacht sich unermeßlich,
Im weitsten Sinn der Herr im Haus zu sein ;
Allzeit gebieten ist ihr Wunsch und Hoffen :
Man hänge mich, wenn ich daneben schoß."
Das ganze weibliche Konzil beschloß,
Daß er den Nagel auf den Kopf getroffen.
Er küßt' als Freigesprochner Berthas Hand —
Da plötzlich drängelt sich zerlumpt und schmutzig
Die alte Hexe vor, zum Thron gewandt,
Und nach Gerechtigkeit verlangt sie trutzig.
Man weicht vor ihr, und sie beginnt zu reden :
„O schönste Königin, aus deren Mund
Sich immer gab nur lautre Wahrheit kund,
Die Ihr gerecht seid jederzeit für jeden
Und Lindrung spendet allen Kümmernissen :
Mir dankt sein Leben dieser Ritter hier,
Dankt Eures Rätsels Lösung meinem Wissen ;
Bei meinen schönen Augen schwor er mir
Erfüllung meiner Wünsche. Vor dem Thron
Fordr ich mein Recht und wart' auf meinen Lohn."
„Wahr ist's," spricht Robert, „und noch nie vergaß
Für Wohltat ich des Dankes Ehrenschulden ;
Doch Waffen, Pferd, Gepäck und zwanzig Gulden
War alles, was ich überhaupt besaß;
Ein Schwarzrock nahm's aus Frömmigkeit im stillen,
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Was den Damen gefällt
Als ich Marthon belagert, in Beschlag:
Nichts hab' ich mehr, womit beim besten Willen
Ich meine Retterin belohnen mag."
„Ihr sollt", sagt Bertha, „dies zurückerhalten,
Und strafen wird man den geschornen Dieb,
Dann aber der Gerechtigkeit zu lieb,
Was Euer, in drei gleiche Teile spalten :
Mit zwanzig Gulden wird Marthon begabt,
Weil Tugend ihr und Eier sind zerbrochen ;
Der Alten wird das Reitpferd zugesprochen,
Und Euch verbleibt, was Ihr an Waffen habt."
Die Alte drauf: u Das nenn' ich Großmut zeigen.
Doch nicht sein Pferd begehr' ich zum Entgelt:
Vom Ritter will ich nur ihn selbst zu eigen ;
Sein Wert und Anstand ist's, der mir gefällt.
Zur Herrin soll sein liebend Herz mich wählen ;
Das meine schmachtet nach so reichem Schatz;
In meinen Armen sei sein Lieblingsplatz :
Drum heut noch soll er sich mit mir vermählen."
Nach dieser unverhofften Rede steht
Herr Robert wie von Eishauch angeweht,
Im Anblick dieser Mißgestalt verharrend
Und auf das Lumpenzeug der Vettel starrend ;
Prallt schreckensbleich sodann zurück drei Schritte,
Bekreuzigt sich und ruft im Jammerton :
Fulda, Die gepudert« Mute 9
Was den Damen gefällt
„Wodurch, wodurch, o sagt mir doch, ich bitte,
Verdient' ich solchen Unglimpf, solchen Hohn?
Laß Eure Majestät alsdann mich lieber
Gleich mit des Teufels Urgroßmutter traun :
Das Weib hier ist verrückt, sie spricht im Fieber."
Die Alte flötet: „Königin und Fraun,
Schaut, wie er mich zum Dank für Mitempfinden
Verschmäht; so sind die Männer insgesamt;
Doch seinen Abscheu werd' ich überwinden ;
Zu heiß hat seine Schönheit mich entflammt,
Unmöglich, daß ihn kalt läßt so viel Feuer.
Aufs Herz kommt's an : ich will mich nicht bemühn,
Zu leugnen, daß mein Reiz schon im Verblühn;
Doch werd' ich um so sanfter sein und treuer.
Der Geist wird reif, erst wenn die Jugend floh,
Und lernt begreifen. Sagt nicht Salomo,
Die kluge Frau sei vorzuziehn der schönen?
Arm bin ich; doch wer darf mich drum verpönen?
Ist Armut schimpflich? Kann nur glücklich sein,
Wer schläft in einem Bett aus Elfenbein?
Und Fürstin, Ihr, wenn hier in goldnen Sälen
Ihr liegt beim König nachts, dann sicherlich
Schlaft Ihr und liebt Ihr besser nicht als ich !
Ihr hörtet von Philemon doch erzählen,
Der liebend und geliebt in engster Zelle
Mit Baucis hundertjährig noch gegirrt.
Der Gram, des Alters mürrischer Geselle,
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Was den Damen gefällt
i3i
Hat sich in unsre Hütten nie verirrt.
Wir sind nicht lasterhaft, weil wir nicht weichlich ;
Wir dienen Gott, sind Königen vergleichlich.
Wir halten Zucht in eueren Provinzen,
Wir fertigen euch tüchtige Soldaten,
Und, glaubt mir, zur Bevölkrung eurer Staaten
Taugt mehr das arme Volk als eure Prinzen.
Will Gott sich meinem keuschen Wunsch nicht fügen,
Das Glück der Mutterschaft mir zu verleihn,
Die Ehe hat noch andere Vergnügen :
Die Blüte kann auch ohne Frucht gedeihn,
Und bis zu meinem Tod wird's mich entzücken,
Vom Lebensbaum die Blumen abzupflücken."
Mit Redeströmen solcher Art gewann
Die Mumie die Herzen aller Frauen
Des Hofe; er ward ihr zugeteilt als Mann:
Sein Schwur galt für entscheidend, nicht sein Grauen.
Das greise Bräutchen forderte sodann,
Nach ihrer Hütte mög' auf seinem Pferd
Er heim sie fuhren und dort eingekehrt
Am gleichen Tag noch mit ihr Hochzeit halten.
All dies geschah genau nach Wunsch der Alten.
Der Ritter stieg somit aufs Pferd und nahm
Die Braut in seinen Arm. So sehr verschärfen
Sich seine Qual, sein Schauder, seine Schani,
Daß zehnmal er ins Wasser sie zu werfen
9*
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Was den Damen gefällt
Versucht sich fühlt ; jedoch er tut es nicht,
Weil damals jederzeit zu Ehren kam
Das heilige Gesetz der Ritterpflicht.
Sein traut Gespons erinnert ihn beim Trabe,
Damit er nicht in Schwermut sich vergrabe,
An seiner Ahnen Heldenhaftigkeit,
Erzählt ihm aus des großen Chlodwigs Tagen,
Der drei gekrönte Freunde hab' erschlagen,
Und wie der Himmel ihn gebenedeit :
Sie habe selbst gesehn, wie voll Verklärung
Die Taube zu Remi herniedertrug
Das heil ge Salböl im geweihten Krug
Bei dieses großen Königes Bekehrung.
Abwechslungsreich dazwischen manchesmal
Flocht sie Betrachtungen in die Berichte,
Geistreiche Glossen sinniger Moral,
Die nicht zerriß den Faden der Geschichte,
Den aufmerksamen Hörer denken machte,
Nicht lehrhaft schien und doch Belehrung brachte.
Herr Robert wußte nicht, wie ihm geschah,
Ließ wie gebannt sein Ohr von ihr bestechen,
Gefesselt, wenn sein Weib er hörte sprechen,
Verzweifelt, wenn er ins Gesicht ihr sah.
Das wunderliche Paar gelangt am Ende
Zur Hütte, wo das Hutzelweib zu Haus :
Sie schürzt sich auf, und ihre schmutz'gen Hände
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Was den Damen gefällt
i33
Bereiten dem Gemahl den Hochzeitsschmaus:
Gar schmale Kost für solch ein junges Blut
(Gepriesen mehr als nachgeahmt von Weisen);
Ein morsches Brett, das auf drei Beinen ruht,
Dient wackelig zur Tafel, dran sie speisen.
Der Gatte hockt auf unbequemem Sitze,
Den Blick zu Boden schlagend voller Qual ;
Die Greisin würzt gesprächig ihm das Mahl
Durch hübsche Reden und geschliffne Witze,
Einfälle, so gewinnend, so natürlich,
So scharf, daß man sie selber unwillkürlich
Gesagt zu haben glaubt. Wie selbstvergessen
Muß Robert flüchtig lächeln und vermeint,
Daß sie nun minder häßlich ihm erscheint.
Sie will nach eingenommnem Abendessen,
Ihr Gatte soll mit ihr zu Bett sich legen.
Er stöhnt, er krümmt sich unter schwerstem Druck,
Und sterben können dünkt ihm als ein Segen ;
Doch fügt er sich mit einem tapfren Ruck :
Er hat's gelobt; kein Mittel gibt's dagegen.
Zwei schmutzbefleckte Laken, rings gespickt
Mit großen Löchern, angenagt von Ratzen,
Mit groben Fäden mangelhaft geflickt,
Schlampig gedeckt auf alte Stroh mat ratzen,
Eraeun des armen Ritters Angst und Bangen;
Des Ehestands gebieterische Pflicht,
Ihm zeigt sie sich in fürchterlichem Licht;
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Was den Damen gefällt
Er ruft: «Kann Gott Unmögliches verlangen?
Gepredigt wird in Rom, des Himmels Gnade
Geb' uns den Willen und die Tat zugleich?
Die Gnad' und ich sind hier auf falschem Pfade :
An Geist ist meine Frau zwar ziemlich reich
Und gut von Herzen ; doch was hilft, ich frage,
Mir Geist und Herz in meiner heiklen Lage?"
Herr Robert wirft im Bann von solchem Kummer
Eiskalt sich auf den Rand von seinem Pfühl,
Stellt sich, damit er birgt sein Qualgeftihl,
Als ob er schliefe; doch ihm naht kein Schlummer.
Die Alte sagt ihm drauf in sanftem Ton,
Ihn zwickend: „Wirklich, Robert, schläfst du schon?
Du holder Unhold, grausames Juwel,
Ich bin besiegt, nun laß auch dich besiegen;
Die scheuen Stimmen meiner Keuschheit schmiegen
Sich meiner Sinne mächtigem Befehl.
Wie du mein Herz beherrschst, beherrsch auch sie.
Ich sterb', ich sterbe! Gott! Wie weit gedieh
Durch dich mein Sturz in der Verführung Stricke!
Ich werde toll, ich lodre, ich ersticke,
W f ehrlos vom Rausch der Lust mir selbst entrissen.
Ich kann nicht mehr ! Gibst du dem Tod mich hin,
Wart nur, ich wälz es dir auf dein Gewissen."
Herr Robert war von unverdorbnem Sinn,
Voll Gottesfurcht und Menschenfreundlichkeit;
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Was den Damen gefällt
i35
Deswegen tat ihm seine Gattin leid :
„Ach!" ruft er, «lag's an mir, so wtird' ich gern
Euch meine Glut zum Dank für Eure gönnen;
Doch kann ich's denn?" — „O geh, du wirst es können,"
Erwidert sie; „was war' zu hoch, zu fern
In deinem Alter einem wackren Helden
Mit etwas Mut, Geschick und Selbstvertraun ?
Wie werden jubeln doch des Hofes Fraun,
Wenn wir dies Liebeswunder ihnen melden !
Vielleicht mich etwas widrig findest du,
Etwas verrunzelt, ja, voll übler Dünste ;
Doch das ist nichts fur echte Ritterkünste:
Die Augen schließ und halt die Nase zu."
Zuguterletzt will Robert ruhmbegierig
Erweisen, daß kein Sieg fur ihn zu schwierig :
Er folgt und tut, sich bei der Ehre fessend,
Nur seinem seltnen Mut sich überlassend,
Ersetzend, von des Himmels Gunst getragen,
Durch Jugendkraft, was hier an Reiz gebricht,
Mit zugedrückten Augen seine Pflicht.
„Es ist genug," hört er sein Weibchen sagen,
(( Ich sah von dir, was ich begehrt zu sehn :
Ich sah dein Herz in meine Macht gegeben.
Nach dieser Macht ging all mein heißes Streben :
Ich hatte Recht; mein Sohn, du wirst gestehn,
Die Frau will stets die Herrin sein im Haus ;
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Was den Damen gefällt
Drum, Robert, bitt' ich mir auf ewig aus,
Du mögst geführt von meiner Obhut leben.
Gehorchend meiner Liebe, teurer Mann,
Tu auf die Augen jetzt und schau mich an."
Robert blickt auf; ihn blendet Kerzenfülle
Von zwanzig Leuchtern, ihn begrüßt als Gast
Nicht mehr die Hütte, sondern ein Palast,
Und unter perlenübersäter Hülle
Sieht er ein Weib von solcher Schönheit strahlen,
Daß nicht Apelles, nicht Vanloo sie malen,
Noch Phidias, Le Moine, Pigal zusammen
Sie meißeln könnten jemals, wie sie war :
Sie glich der Venus, aber der in Flammen,
Der Venus, wenn sie mit gelöstem Haar,
Mit feuchten Augen und beglücktem Schmachten
Erharrt in ihrem Arm den Gott der Schlachten.
Sie spricht: „Dies all — Palast und ich — ergibt
Sich dir, dem Sieger ; laß es dir behagen ;
Du hast die Häßlichkeit nicht ausgeschlagen ;
Drum bist du wert, daß dich die Schönheit liebt."
Nun soll ich meinen Hörern wohl noch schnell
Verraten, wer die Göttliche gewesen,
Die sich Herrn Robert zum Gemahl erlesen :
Ihr Freunde, wißt, es war die Fee Urgelle,
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Was den Damen gefällt
Die damals unsre Kriegeshelden schützte
Und arme Ritter liebreich unterstützte.
O Märchenzeiten, wie beneidenswert,
Als gute Geister, Gnomen und Alraunen
Noch hilfsbereit mit Sterblichen verkehrt!
Man hörte diese Fabeln an mit Staunen
In seinem Schloß, versammelt um den Herd ;
Wie lauschten Mutter, Tochter, Oheim, Vater,
Die Nachbarschaft und das gesamte Haus,
Sobald zum allgemeinen Ohrenschmaus
Von Zauberern erzählte der Herr Pater !
Die Feen und Geister hat man nun verbannt,
Die Grazien erstickte der Verstand ;
An ihrer Stelle blühn uns Albernheiten.
Vernünftelei wird traurig überschätzt,
Und ach, nur nach der Wahrheit jagt man jetzt ;
Glaubt mir, der Trug hat seine guten Seiten.
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DIE ERZIEHUNG EINES FÜRSTEN
Die weil der Tagesgott auf seinen Wanderungen
Griesgrämig noch verweilt im Haus des Wassermanns,
Der Sturm noch das Gebirg umkreist in wildem Tanz
Und unsre holden Aun von Fluten sind verschlungen,
Erzähl' ich am Kamin euch gern ein paar Geschichten;
Der Müßiggang wird leicht, sobald man sich zerstreut.
Kein Zweifel, ich bin alt und schäme mich mitnichten,
Mich zu erfreun mit euch an dem, was Kinder freut.
Einst herrscht' ein junger Fürst in Benevent, versunken
In eitel Üppigkeit, von Machtbewußtsein trunken,
Erzogen wie ein Tor, nicht ahnend auf dem Thron
Des eignen Volkes Haß, des Nachbarvolkes Hohn.
Der kleine Staat war ganz im Joch von zwei Halunken ;
Den Fürsten hatten sie gelullt in blinden Wahn,
Wobei sein Beichtiger nach Kräften mitgetan;
Dies Kleeblatt war vereint zum Bund. Man ließ ihn denken,
Daß er ein Muster sei von Tugend, Ruhm, Talent,
Und daß den Erdenball ein Fürst von Benevent
Durch Liebe wie durch Furcht berufen sei zu lenken;
Daß er Italien und Frankreich werd' besiegen,
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Die Erziehung eines Fürsten
Daß goldne Quellen ihm zuströmten uferlos
Und seine Gelder drum die Schätze Salomos
Im steinigen Bereich des Kidron überstiegen.
Alamon (dies des arg betörten Fürsten Name)
Sog all den Weihrauch ein und dacht' im dumpfen Geist,
Umringt von Harlekins und ödem Narrenkrame,
Sein Volk sei hochbeglückt, sobald er gut gespeist.
Noch weilte zwar am Hof ein redlicher Berater,
Emon, der treu gedient schon seinem sel'gen Vater,
Der offen zu ihm sprach in lautrem Wahrheitsdrang
Und seinem Herrschertum Verderben prophezeite.
Die eifersüchtigen Minister, vor ihm bang,
Sie schafften ohne Müh' den wackren Mann beiseite.
Emon ward übern Kopf des Fürsten weg verbannt.
Ein Landgut wies man ihm, wo der im Dienst Ergraute
Der Freundschaft weise pflog und seinen Acker baute,
Beklagend seinen Herrn sowie sein Vaterland.
Alamon aber spann das Leben eines Toren,
Von ihm verlassen, fort in öder Schwelgerei.
Für Augenblicke drang zuweilen das Geschrei
Der Untertanen doch an seine stumpfen Ohren:
Ein ferner, wirrer Chor, der kaum beschwerlich fiel,
Abflauend auf dem Weg, hinsterbend vor dem Ziel.
Durch seine Staaten schlich das Elend allerwärts;
Die Bürger fühlten Qual, Alamon Langeweile;
Der falschen Räte Macht ward größer stets. Zum Heile
Des Fürsten senkte Gott ihm Liebe tief ins Herz.
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I 4o Die Erziehung eines Fürsten
— ... - — — -
Es schlug in Fesseln ihn Amidens Jugendreiz;
Er fing zu leben an, sein Herz begann zu wallen.
Schön war er, Wohlgestalt, im Alter, zu gefallen.
Sein schlauer Beichtiger entdeckte bald bereits
Die Heimlichkeit und nahm den Zögling ins Gebet:
Unwissend, wie er war, sah er die Hölle brennen;
Und jenes Schurkenpaar, in Sorge früh und spät,
Einst werd' ihr Herr sich selbst und dann auch sie erkennen,
Amide schickten sie dem armen Emon nach.
Ihr Bündel schnürte sie, mit Tränen es begießend.
Kein Sträuben ward gewagt. Dem Fürsten selbst gebrach
Der Mut; er riß von ihr sich los, die Augend schließend.
Sein schwankerGeist ward kaum vom Selbstvorwurf getroffen ,
War sich zu öffnen reif, indes noch lang nicht offen.
Grad wie sie scheiden will, dröhnt schwellend, überfließend
Ein Lärm: „Flieht! Kämpft! Wir sind des Tods, wir sind
verloren ! w
Gott, Allah, Mahomet und Christus wird beschworen.
Man sieht ein ganzes Volk zur Flucht gewendet laufen ;
Ein Held im Turban führt, so kraftvoll wie gewandt,
Die Muselmänner an, den Säbel in der Hand,
Bricht fechtend eine Bahn sich über Leichenhaufen,
Stürmt den Palast, durch den sogleich die Flammen knistern,
Erschlägt die Männer, raubt die Frauen, sengt und brennt.
Von Gumae war der Mensch marschiert nach Benevent,
Bevor ein Hauch davon kund worden den Ministern.
Der Tod zog ihm voraus; im heil'gen Rom erstarrten
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Die Erziehung eines Fürsten
Sankt Peter und Sankt Paul vor bebendem Erwarten.
Dies, liebe Freunde, war der schreckliche Abdallah,
Gesandt zur Züchtigung der Kirche Roms von Allah.
Kaum im Palast, befahl er, daß man jeden binde.
Die Prinzen, Geistlichen, Minister, Hofgesinde,
Gefesselt mußten sie, der eine an den andern,
Auf einem Karren all zum nächsten Markte wandern.
So wurden auch der Fürst und seine beiden Räte
Mit seinem Beichtiger verknüpft zu gleicher Not;
Der schlug in einem fort das Kreuz und sprach Gebete,
Mut ihnen predigend und selbst vor Furcht halb tot.
Es teilten unter sich die Beute drauf die Sieger;
Von den Emiren ward dreiteilig sie getrennt
In Rosse, Kirchengut und in gefangne Krieger,
Und plündernd zog man aus das ganze Benevent.
Zu fälschen die Natur versuchen stets die Schneider;
Unkenntüch wird der Mensch von ihnen eingepackt,
Gestalt und Wesen wird verändert durch die Kleider :
Wer recht ihn schätzen will, der muß ihn sehn ganz nackt.
Der Fürst ward zugeteilt dem Obermuselmann;
Jung war er, wie gesagt, und Jugend gab ihm Stärke.
Als Maultiertreiber drum verwandt' ihn der Tyrann,
Und er verdankte viel dem neuen Tagewerke.
War seine Muskelkraft durch Weichlichkeit verzehrt,
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1^2 Die Erziehung eines Fürsten
Die Arbeit stählte sie zur wundersamsten Regheit;
Er lernte durch das Leid, bezähmte seine Trägheit,
Und aus Erniedrigung erwuchs ihm innrer Wert.
Der innre Wert jedoch bringt nur vermehrte Pein,
Sofern die Macht ihm fehlt. Schon ließ Abdallah nämlich
Im fürstlichen Palast sich nieder ganz bequemlich,
Und trotz dem Koran trank er der Besiegten W T ein.
Des Hofes Damenflor, Volkstöchter, Bürgerfrauen
Führt nachts in sein Gemach sein schwärzlicher Eunuch;
Sie lassen sich von ihm der Reihe nach beschauen
Und müh ii im Wettbewerb sich um sein Taschentuch.
Aus vollem Kelch der Lust genießt er so sein Leben.
Sich plagend ohne Ruh', den Striegel in der Hand,
Mit den Genossen, die zuvor ihm untergeben,
Hält währenddem der Fürst den Maultierstall instand.
Zur Steigrung seiner Qual sieht er Amide wieder,
Die der verschnittne Mohr, der Liebesmittler, just
Dem Wütrich zuführt als das Opfer seiner Lust.
Der Ohnmacht Gram und Grimm durchzuckt Alamons
Glieder.
„Dies Unglück, w ruft er aus, „ich überleb' es nicht!"
Der Mohr versteht kein Wort von allem, was er spricht.
Doch andre Sprache weiß Amide zu benützen;
Ihr Auge blickt voll Pein, doch stolz und unverzagt,
Und dieser Bück, der ihm das Herz erschüttert, sagt:
„Sei standhaft, lebe, denk daran, mich zu beschützen
Und räche, räche mich! Es macht dein neues Amt
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Die
Erziehung eines
Fürsten
i43
Dich meiner Liebe nur noch würdiger auf immer. "
Von frischer Hoffnung fühlt Alamon sich entflammt.
Amide wird gebracht in des Tyrannen Zimmer,
Und der Erobrer schwört in heftigem Entbrennen,
Er habe zwar bis heut gar wohl die Lust gekannt,
Amidens Anblick erst lehr' ihn die Liebe kennen.
Sie schürt noch seine Glut durch ihren Widerstand;
So wird von dem Genuß, den ihre Gegenwehr
Verkündigt und vertagt, gestachelt sein Begehr.
Vorwände sind für Fraun so dicht gesät wie Sterne;
Sie sagt: „Gleich andern bin auch ich von dir besiegt.
Unüberwindlicher in Lieb' und Streit, wer liegt
Zu Füßen oder in den Armen dir nicht gerne?
Nur dulde, daß mein Glück drei Tage sich verschiebe;
Doch daß nicht mittlerweil' ich sei des Trostes bar,
Zwei Gunstbezeugungen gönn' meiner armen Liebe. M —
«Sprich! Was gebietest du?' 1 erwidert der Korsar.
„Nichts könnt' ich weigern dir, sofern's in meiner Macht. " —
„Zuerst erbitt' ich denn," versetzt sie wohlbedacht,
„Daß du bestrafen mögst mit hundert Peitschenhieben
Drei Beneventer, die von mir sind aufgeschrieben.
Sodann ein Maultier, Herr, ist meine zweite Bitte,
Das mir mitunter dient zu einem kleinen Ritte,
Nebst einem Treiber, den ich selbst mir dürfe wählen."
Abdallah sagte drauf: „Du hast nur zu befehlen."
Gesagt, getan: sowohl der Schurk' im Priesterkleid
Wie das verworfen Paar, die Spender felschen Rates,
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Die Erziehung eines Fürs t en
Erhielten ihre Tracht, sehr zur Zufriedenheit
Der Unterjochten all und des gesamten Staates.
Der junge Fürst jedoch, von unverhofftem Strahl
Des Glücks getroffen, trieb das Maultier seiner Schönen.
Sie flüsterte: „Dich soll ein Sieg von neuem krönen.
Nur zwischen Thron und Tod vergönnt ist dir die Wahl.
Du hast ein tapfres Herz, und Emon ist dir treu,
Ich bin es auch. Kein Werk, das mir zu schwierig wäre
Für meines Landes Heil und deines Namens Ehre.
Such den Verbannten auf, begegn' ihm ohne Scheu;
Du tatest Unrecht ihm, bitt' ihn, dir's zu vergeben,
Und weihen wird er dir den Rest von seinem Leben.
Bereit muß alles sein, eh du zurückkehrst. Fliege!
Du weißt, am dritten Tag verfall' ich, wenn man mir
Vorher nicht Rettung bringt, Abdallahs wilder Gier.
Die Zeit ist kostbar in der Liebe wie im Kriege."
Der Fürst versetzte drauf: „Ich liebe dich und eile.»
Emon, der alles von Amide mittlerweile
Gehört und seinem Herrn im Leid ergeben war,
Er hatte heimlich schon gesammelt eine Schar
Von edlen Freunden und des Heeres beste Teile.
Er schließt in seinen Arm den Fürsten unter Tränen ;
Sie waffnen sich versteckt, sie brechen auf geschwind.
Amide spricht zum Volk, und so versklavt sie sind,
Sie weckt in ihrer Brust ein mächtig Freiheitssehnen.
Alamon weiß dem Mut die Klugheit beizufügen
Und zeigt sich als ein Held, sobald der Kampf beginnt.
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Die Erziehung eines Fürsten
1 45
Der Türk', von Argwohn fern, sich wälzend im Vergnügen,
Wird überrascht von der Besiegten Wagestück.
Alamon im Triumph kehrt in das Schloß zurück,
Grad während, ohne noch sein Schicksal zu begreifen,
Der Türk' Amide will zu seinem Lager schleifen.
An dessen Stelle winkt nun Herrschaft ihm und Glück.
Der Beichtiger kommt an mit den zwei Teufelsbraten,
Kaum daß der Riegel wich von ihres Kerkers Tor ;
Sie taten nichts und tun, als ob sie alles taten,
Entschlossen, wiederum zu herrschen wie zuvor.
Feigheit ist grausam stets ; drum rät die fromme Seele,
Daß man am Mauerrand Abdallah pfählen soll.
„Elender, ihr vielmehr verdient, daß man euch pfähle!"
Ruft der erleuchtete Gebieter hoheitsvoll.
w Ihr habt mich in den Sumpf des Müßiggangs getaucht;
Ich schulde, was ich bin, dem Türken und Amide;
Ihr hattet mich verdummt, mein jung Ver traun mißbraucht.
Durch Lieb' und Leid erst kam ich in die rechte Schmiede.
Tapfrer Abdallah, geh ! Dir bin ich sehr verpflichtet,
Du hast mir Geist und Herz geweckt zu kühnem Flug.
Auf weitren Unterricht jedoch sei nun verzichtet :
Ich weiß dir Dank dafür, doch ist's an dem genug.
Entfern dich; du bist frei. Gibt aber dein Geschick
Drei schlimme Räte dir, die deinen Staat verheeren,
Dann laß mich rufen; glaub, ich komm' im Augenblick,
Und was du mich gelehrt, ich will's dich wieder lehren."
Fulda, Die gepuderte Mute
10
DIE DREI ARTEN
Welch liebenswürdig Volk hat in Athen gelebt!
Wie fesselt mich sein Geist! Wie läßt er mich die Lehren
Der Wahrheit im Gewand der Poesie verehren !
Doch gilt als Hübschestes, was dieser Geist gewebt,
Mir das Theater, das mit ihren Leidenschaften
Und Sitten ließ erstehn die Helden alter Zeit,
Ein Beispiel, dran auch jetzt noch alle Völker haften,
Dem nachzueifern sie noch nie bis heut erschlafften.
Die Bühne lehrt uns mehr als die Gelehrsamkeit.
Den falschen Geistern Schmach, die mit verbohrter Wut
Das Spiel Melpomenes in unserm Land verdammen!
Der Himmel, als er schuf solch tierisch rohe Brut,
Gab ihr ein Herz von Stein, das nie sich laßt entflammen.
Ein Hauptvergnügen des Theaters von Athen
War, unter Festgepräng die besten von den Söhnen
Der Stadt, die höchste Zier der Bürgerschaft zu krönen,
Und alles Volk erschien, der Ehrung beizustehh.
So hab' ich einst Villars, so Moritz* einst gesehn,
Den eine Schranze drum gewagt hat zu verhöhnen,
Wie von dem Siegesfèld er in die Oper ging,
Von einer Sängerin den Lorbeerkranz empfing.
* Marschall Moritz von Sachsen.
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Die drei Arten
So hatte Richelieu beim Rückweg von Mahon
(Das er dem Neid zum Trotz gestürmt in kühnem Fluge)
Stets ein Theater mit auf seinem ganzen Zuge;
Man klatschte Beifall ihm noch mehr als der Clairon. *
Im edlen Schauspielhaus des Aeschylus, bevor
Melpomenes Kothurn zur Bühne stieg empor,
Gab man den Liebenden die zuerkannten Preise.
Wer der Geliebten sich in dem verfloßnen Jahr
Als treuster Freund erprobt, auf auserlesne Weise
Ihr sein Gefühl gezeigt in Nöten und Gefahr,
Dem flocht man einen Kranz vor allem Volk ins Haar.
Für ihres Herzens Wahl sprach jede schöne Maid,
Pries ihres Liebsten Wert und seine Ruhmestaten,
Nachdem sie förmlich erst geschworen einen Eid,
Nicht durch ein einzig Wort ins Flunkern zu geraten,
Nichts zu vergrößern, ein Problem voll Schwierigkeit
Für Fraun, für Liebende, sogar für Advokaten.
Man hat uns aufbewahrt solch hübschen Redestreit;
Erlehrt,wieGriechenland vonheitrem Glanzdurchsonnt war.
Mich dünkt, es war zur Zeit, als Eudanias Archont war.
Bezaubert sah das Volk drei junge Grazien nahn,
Egle, Theone und Apamis, die betrübte.
Die schöne Welt Athens, die sonst so sprachgeübte,
Brach feierlich verstummt sich zu dem Schauspiel Bahn;
Im Halbkreis aufgereiht saß man vor Spannung bebend.
* Berühmte Schauspielerin der Comédie Française (1723— i8o3).
i48
Die drei Arten
Venus mit ihrem Sohn, in goldner Wolke schwebend,
Nahm an dem Wettkampf teil mit aufmerksamem Ohr.
Jung Egle trat zuerst einfach und schlicht hervor,
Berückend Aug' und Ohr und Herz der Allgemeinheit
Mit ihrer Stimme Schmelz und ihrer sanften Reinheit.
Egle
Hermotimos, der mich gezeugt, hat all sein Leben
Den Musen, dem Talent und jenem Geist geweiht,
Der einst von Barbarei die Menschen hat befreit.
Er floh den eitlen Ruhm, den Künsten ganz ergeben.
Dem Ehrgeiz fern, versteckt im engen Kreis der Seinen,
Wollt' er die Tochter nur mit einem Mann vereinen,
Der auserwählt gleich ihm durch hoher Götter Gunst
Am besten es verstand', als Meister einer Kunst,
Sei's auf der Leinwand, sei's im Saitenspiel der Leier,
Zu huldigen dem Reiz, den mir Natur geschenkt.
Ligdamon liebte mich, ein ungelehrter Freier,
Auf Gaben der Natur, ich geb' es zu, beschränkt ;
Gesittet ohne Tand, voll klugen Sinns und Zartheit,
Sich äußernd mit Vernunft und niemals mit Gelahrtheit;
Talentlos zwar, doch auch nicht von sich eingenommen.
Von Amor ward ihm Herz, von Gharis Geist beschert;
Zu lieben wüßt' er nur, das aber so vollkommen,
Daß diese höchste Kunst mich er allein gelehrt.
Jedoch mein Vater war tyrannisch drauf bedacht,
Mir ihn zu rauben, ihn, den Abgott meiner Seele,
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Die drei A rten l 49
Und wollte, daß zum Mann ich einen Maler wähle,
Der auch Musik versteht und gute Verse macht.
Wie viele Tränen drum vergoß ich voller Pein!
Ach, wie despotisch sind der Eltern Machtbefehle;
Sie wollen, weil sie uns gezeugt, uns Götter sein.
Gewiß, ich starb daran; doch würd' ich fügsam sterben.
Ligdamon schied von mir, verzweifelt, herzenszwund,
Um eine Zufluchtsstatt weit abseits zu erwerben.
Sechs Monat' war die Frist für den geplanten Bund.
Verkündet wurde sie dem ganzen Werberschwarm.
Ihr trauriges Talent könnt', ach, nichts andres malen
Als meine Tränenflut, mein Leid und meine Qualen.
Die Zeit verdoppelte nur meinen bittern Harm.
Mein Freund Ligdamon schien auf immer mir entwendet ;
Ich harrte meines Spruchs, ich, der Bewerbung Preis.
Von zwanzig Freiern war nun je ein Werk vollendet,
Und über deren Wert stritt man sich dutzendweis.
Mein Urteil zählte nicht, ich sah sie nicht einmal.
Gar bald auf Harpagus, den übermüt'gen, kalten,
Als den Begabtesten fiel meines Vaters Wahl ;
Ich ward mit ihm verlobt und sollte Hochzeit halten.
Ein Sklave pocht ans Tor, tritt eilig in den Saal
Und überbringt ein Bild von unbekannter Hand :
Flugs war ihm jeder Blick neugierig zugewandt.
Mein Bildnis war's. Ich schien zu atmen und zu sprechen ;
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Die drei Arten
Als ob aus tiefster Brust ein Seufzer mir entfuhr,
Verrieten Mien' und Aug' mein heimlich Herzgebrechen;
Dies war nicht Kunst mehr, war leibhaftige Natur,
Verschönerte Natur; hier schien sich abzumalen
Nicht nur des Körpers, nein, der Seele Bildnis auch.
Ein zartes Licht vereint sich leichtem Nebelhauch,
Wie wenn die Sonne wir mit morgendlichen Strahlen
Unwiderstehlich sehn durchs Wälderdickicht sprüh n,
Vergoldend Früchte, Laub, Getreid' und Wiesengrün.
Verblüfft war Harpagus; er hätte gern gekrittelt;
Die andern schwiegen still, gelabt vom Augenschmaus.
„Mensch oder Gott, wer ist's," rief laut mein Vater aus,
„Der mit solch seltner Kunst die Wirklichkeit vermittelt?
Wem soll dafür als Preis mein Kind zu eigen sein?"
Ligdamon kommt und sagt zu ihm : „Dein Kind ist mein
Die Liebe malte sie ; dies W T erk hat sie vollbracht ;
Sie war's, die dieses Bild ins tiefste Herz mir senkte,
Sic war's, die meine Hand auf dieser Leinwand lenkte:
Entquillt nicht jede Kunst nur ihrer Himmelsmacht ?
Sie sprießen all aus ihr." Dann ließ Ligdamon hören
Zu seinem Saitenspiel in Tönen sanften Klangs
Ein wundersam Gemisch harmonischen Gesangs;
Es war, als lausche man geweihten Götterchören.
Mit des Apelles Stift verband er Orpheus' Stimme.
Da knirschte Harpagus, und seiner Augen Brand,
Die Wölk' auf seiner Stirn sprach von ersticktem Grimme.
Nach einem Wurfspieß greift er mit gekrampfter Hand,
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Die drei Arten
1 5 1
Er läuft, er zielt; ich seh' den Schreckensaugenblick,
Da dieser Schurk* im Zorn den Freund mir will erschlagen
Und jähem Tod verfällt so mein wie sein Geschick.
Ligdamon nimmt es wahr; doch kennt er kein Verzagen,
Und mit der gleichen Hand, die seine Leier rührte
Und jedem Sinn und Geist so zauberisch erschien,
Bekämpft er seinen Feind, besiegt, begnadigt ihn. —
Fällt nun den Spruch, ob ihm der Liebe Preis gebührte!
Zum mindesten erlaubt, daß ihn mein Herz ihm gibt.
★
Als Egle schwieg, erhob des Beifalls laut Gedröhne
Sich rings im Griechenvolk ; errötend stand die Schöne,
Und ihr Geliebter ward noch mehr von ihr geliebt.
Theone trat nun vor. Ihr Blick und ihre Töne
Bewiesen, daß ihr Herz Verkünstlung nicht besaß;
Der Griechen Auge hing an ihr mit Wohlbehagen.
Sie hob mit Lächeln an, ihr Schicksal vorzutragen
In kürzern Versen und in anderm Silbenmaß:
Es gleitet lieblich hin und hat vier Füße nur,
Grad wie bei Hamilton * und wie bei der Natur.
Theone
Den Agathon kennt ihr schon lange ;
Narziß erreicht an Reiz ihn kaum.
Es sproß auf seiner runden Wange
Grad nur der erste zarte Flaum.
• Antoine Hamilton, französischer Dichter (c. 1646—1720).
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Die drei Arten
Er hat der Stimme sanften Laut
Sowie die Augen von Gythere;
Es ist, als ob gerötet wäre
Von Purpur seine weiße Haut ;
Apollos reiches Lockenhaar
Ist nicht so lang und nicht so golden ;
Ich nahm ihn mir zum Freund, zum holden,
Sobald ich mannbar worden war.
Nicht nur von seiner Schönheit Flimmer
Bezwungen ward das Herz mir warm ;
Denn mit des Paris Glanz und Schimmer
Vereint er des Achilles Arm.
Einst stieg ich um das Abendrot
Bei einer Insel der Cykladen
Mit meiner Muhme in ein Boot,
Um in der nahen Bucht zu baden,
Als plötzlich dicht vor den Gestaden
Ein lydisch Raubschiff uns bedroht.
Der alte Räuberkapitän
Kam damals oft an diese Küste,
Nach jungen Mädchen auszuspähn
Für eines Vizekönigs Lüste.
Er stutzt, sobald er mich gesehn ;
Ich schien ihm hübsch genug zu sein.
Er fängt mich, läßt die Muhme laufen,
Sackt mich wie einen Sperling ein,
Mich dem Satrapen zu verkaufen.
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Die drei Arten
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Die gute Muhme, wie vernichtet,
Bricht aus in Heulen, kehrt sofort
Heim zum Piraeus und berichtet
Im Flug dem ersten besten dort,
Daß ihre Nichte ward geraubt,
Daß eines Kaperschiffes Haupt,
Ein alter lydischer Pirat,
Ein Händler mit lebend'ger Ware
Die Blüte meiner Jugendjahre
Verschachern will im Perserstaat.
War nunmehr Agathon gewillt
Zum Weinen und zum Händeringen?
Wollt' er verfertigen mein Bild?
Wollt' er, was mein Verlust ihm gilt,
Zum Saitenspiel der Leier singen?
Nein, retten wollt' er mich als Held;
Doch weil es ihm gebrach an Geld
Für den geringsten Lehensmann,
Nahm er, der Schlankheit seiner Glieder
Vertrauend, Weibesformen an
In Haartracht, in Gewand und Mieder.
Er trug ein Schwert von scharfem Schliff
Verborgen unter seiner Schürze,
Und mutentflammt bestieg in Kürze
Er eines Fährmanns kleines Schiff.
Er kommt zu des Maeander Strand
Mit seinem wenigen Gepäcke.
1 54
Die drei Arten
Kein Wunder, daß man ihn zum Zwecke,
Hübsch wie er war, geeignet fond,
Dem Lämmerstall, für den ich feil
Gehalten ward, sich einzuschmiegen ;
Sobald er an das Land gestiegen,
Schleppt man ihn fort in mein Serail.
Ich glaube, daß noch keine Maid
Jemals empfand, solang sie lebte,
Ein Viertel jener Seligkeit,
Die stürmisch mir das Herz durchbebte,
Als in des Harems Kerkerschranken
Mein Grieche neben mir erschien
Und mir die Freiheit war verliehn,
Ihm für den seltnen Mut zu danken,
Der ihn geführt an meine Seite.
Entschlossen reicht' ich ihm die Hand,
Und aller Götter Segen weihte
Das schnell geknüpfte Eheband.
War uns doch jeder Priester fern,
Und ihr verkennt gewiß mitnichten,
Daß auf die Diener zu verzichten
Erlaubt ist angesichts der Herrn.
Am Abend in mein Bett begab
Sich ohne weitres der Satrap
Zur Stillung seiner Liebesgier.
Er dacht', um seine Glut zu lindern,
Ein hübsches Kind zu treffen hier,
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Die drei Arten
I 55
Und sah sich vor zwei hübschen Kindern.
„Vortrefflich", rief das Ungetier;
„Auch deine Freundin ist recht niedlich,
Und mir behagt Geselligkeit;
Teilt euch in mich ihr beide friedlich
Und laßt die Eifersucht beiseit."
Nach diesem kleinen guten Rat,
Den durch Getändel er verstärkte,
Wollt' er, wie schaudernd ich bemerkte,
Sich wenden zur geschwinden Tat.
Jedoch mit kriegerischer Hand
Packt ihn mein Grieche bei den Ohren,
Zieht rasch sein Schwert aus dem Gewand,
Lehrt ihn, daß er als Mann geboren,
Und ruft, von edlem Zorn entbrannt:
„Verlassen wir das Haus zu dritt!
Befrei die Tür vom Riegelschlosse
Und gib ein Zeichen deinem Trosse,
Daß man uns nachfolgt keinen Schritt.
Zum Strand hinab gehn wir die Gassen,
Besteigen dort ein Segel flink.
Kein Auge werd' ich von dir lassen ;
Drum keinen Laut und keinen Wink !
Beim ersten zweifelhaften Mucken,
Ja, beim geringsten Wimperzucken
Spalt' ich den Schädel dir entzwei
Und werf ins Wasser deine laiche. "
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Die drei Arten
Die Furcht vor einem solchen Streiche
Brach des Satrapen Tyrannei,
Und er gehorchte drum aufs Wort.
Wer Angst hat, wird alsbald gelinde.
So führten wir ihn pfeilgeschwinde
Aufe Schiff und fuhren mit ihm fort.
Sogleich nachdem wir heimgekehrt,
Mußt' er zur Sühne meinem Gatten
Ein tüchtig Lösegeld erstatten ;
Der hat mir dann dies Gold verehrt
Als Mitgift und als Leibgedinge.
Sagt, war dagegen nicht geringe
Ligdamons Tat? Und war' ich nicht
Noch unerlöst von meinen Qualen,
Hätt's ihm gentigt, mich nur zu malen,
Mich nur zu feiern im Gedicht?
★
Die Griechen freuten sich des Wohllauts und der Feinheit,
Der ungezwungnen Art, sowie der heitren Reinheit,
Wodurch die Schilderung Theone's ward belebt;
Es ist der Reiz der Form, der erst den Inhalt hebt.
Beifällig Lachen scholl; die Griechen lachten gerne.
Wird durch Ergötzen je Bewunderung verpönt?
Apamis trat hervor, die großen Augensterne
Von Tränen angefüllt und durch den Schmerz verschönt.
Die Griechen wurden ernst und horchten ; fühllos bliebe
Wohl kaum ein menschlich Herz bei solcher Stimme Klang.
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Die drei Arten
Apamis schilderte das Unglück ihrer Liebe
In einem Maß, das nicht zu kurz war noch zu lang;
Zehn Silben formten sanft gefügt des Verses Zeile
Und folgten sich voll Kunst, die scheinbar zwanglos war.
Der Rhythmus fließt so leicht wie hold ; mehr Schönheit zwar
Hat der Hexameter, doch auch mehr Ijangeweile.
Apamis
Der Unstern, unter dem ich meine Tage
Begann, gab mir zur Heimat Amathunt,
Den Gnadenort, wo nach der Griechensage
Der hehren Liebesgöttin Wiege stund,
Die dorthin trugen aus dem Meer die Hören.
Sie wurde zu dem Glück der Welt geboren,
Wie man erzählt, jedoch nicht zu dem meinen.
Ihr sanft Gesetz, ihr Dienst, so süß und lieb,
Mußt' ihren Untergebnen Wohltat scheinen,
Solange dies Gesetz natürlich blieb.
Beschmutzt ward ihr Altar durch Glaubensstrenge ;
Gut sind die Götter, doch die Priester nicht.
Die Neurer führten 's ein als fromme Pflicht,
Daß eine, der nicht treu zu sein gelänge,
Man in die Tiefe jener Flut versenke,
Woraus der Göttin Wiege war enttaucht,
Falls nicht ein Freund statt ihrer sich ertränke.
Unmenschliches Gesetz! Ich frage, braucht
Ein Herz, das zur Beständigkeit gedrungen
Sich fühlt, den Zügel solcher Züchtigungen?
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Die drei Arten
Und wenn aus Schwachheit an des einen Stelle
Ein Weib den andern wählt, so fehlt sie sehr;
Doch tut's drum not, daß man sie wirft ins Meer?
Erhabne Venus, meiner Freuden Quelle
Und meines Grams, der ich mein Haupt zu beugen
Nie müde war, der ich zu Füßen fiel
Voll Andacht mit dem herrlichen Batil,
Du weißt es, und du wirst es mir bezeugen,
Wie ich geliebt, ob drohende Gefahr
Zur Stärkung meiner Liebe nötig war.
Es wuchsen unsre Herzen so zusammen,
Daß eines ward aus dem verschmolznen Paar.
Batil und ich, wir atmeten die Flammen,
Von denen einst die Göttin war entfacht.
Das Taggestirn erblickte vom Beginne
Zum Ende seiner Laufbahn unsre Minne,
Und meine Zärtlichkeiten sah die Nacht.
Arenorax, ein Mensch mit finstren Augen
Und falschem Herzen, keiner Liebe wert,
Erglomm fur mich, nur um draus Gift zu saugen;
Ach, dessen ward ich allzubald belehrt.
Er nährte, nur gezeugt zu Haß und Neid,
Die Pest der Eifersucht in seinem Herzen
Und suchte mich erbärmlich anzuschwärzen.
Die ihr dem Tartarus entsprungen seid,
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Die drei Arten
Angeber, kehrt dahin zurück, ihr Drachen !
So künstlich täuschend wob er seinen Lug,
Um meinen Liebsten selber irr zu machen ;
Die Unschuld ward zuschanden vor dem Trug.
Verlangt nicht, daß von seinen Listgeweben
Ich alle Fäden euch entwickeln soll ;
Mein Herz ist um den Liebsten allzu voll
Von Trauer, um sich damit abzugeben.
Umsonst zur Göttin hob ich meine Hände ;
Kein Beistand winkte mir; ich ward verdammt,
Daß ich mein Leid und meine Jugend ende
In jenem Meer, aus dem die Venus stammt.
Man führte mich ans tödliche Gestade;
Das ganze Volk benetzte bis zum Ziel
Mit Tränen eitlen Jammers meine Pfade.
Da gab man mir ein Briefchen von Batil.
O schlimmer Brief, entscheidend mein Verderben !
O teurer Brief, grausamer als der Tod!
Ich fühlte von Verzweiflung mich bedroht,
Als ich die Worte las: „Ich gehe sterben
Für dich, auch wenn dein Herz mir untreu war."
Es war geschehn ; er hatte, mich zu retten,
Geeilt, sein Leben in der Flut zu betten.
Man brachte schluchzend ihm Bewundrung dar.
Dich fleht' ich an, o Tod, mein einzig Streben,
Mein einzig Heil ! Ach, jedem Mitleid fremd,
Hat man, ihm nachzufolgen, mich gehemmt.
i6o
Die drei Arten
Ich ward bewacht; ich war verdammt zum Leben.
Die Täuschung kam zu Tag ; das Dunkel wich
Zu spät von des Betrügers argen Netzen;
Ihm ward gerecht vergolten. Aber ich?
Kann mir der Richtspruch den Verlust ersetzen?
Batil, der Teure, starb — und starb für mich.
Zu euch, geneigte Richter, komm' ich jetzt,
Damit mein Seufzen und mein düstres Trauern
Euch rührt und wenigstens ihr durch Bedauern
Die Pein der unheilbaren Wunde letzt.
Gebt meinem Freund in seiner Todesnacht
Den Preis, des ihn dies Opfer würdig macht,
Damit er am Gocytus Trost empfange,
Wenn seiner Freundin jeder Trost entschwand,
Und meine zitternde, verzagte Hand
Durch euren Edelsinn die Kraft erlange,
Zu schreiben heut an seines Grabes Pforte :
„Athen und ich verliehen dir den Sieg."
*
Erstickt von Schluchzen wurden ihre Worte ;
Doch ihre Tränen sprachen, da sie schwieg.
Mitfühlend Leid verschonte keinen.
Sie, die von Egle warm gemacht,
Dann mit Theone froh gelacht,
Sie mußten mit Apamis weinen.
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Die dr ei Arten
161
Nur ist mir leider nicht bekannt,
Wen zum Gekrönten sie ernannt.
Im Winkel des Kamins, ihr Lieben,
Hab' ich für euch allein umschrieben,
Was uns erzählt ein alter Dichter.
Zum Wahrspruch bildet nun den Kreis :
In euren Händen ruht der Preis ;
Denn ihr seid meine höchsten Richter.
GERTRUD
oder
DIE ERZIEHUNG EINER TOCHTER
Der Winter dauert noch ; drum ist's mein höchst Ergetzen,
Euch in vergangne Zeit, ihr Freunde zu versetzen,
Und ein Histörchen will ich von Frau Gertrud heut,
Der liebenswürdigsten der Spröden, euch kredenzen.
Obwohl sie's schon gebracht zu sechsunddreißig Lenzen,
War ein bescheidner Reiz noch auf sie ausgestreut.
Durchaus gesittet war und schicklich ihr Betragen,
Ihr hübsches Augenpaar zu Boden stets geschlagen ;
Den Alabasterhals ließ dünngewebter Flor
Mit einer feinen Kunst zur Sichtbarkeit gelangen ;
Den zarten Farbenschmelz der runden Purpurwangen
Hob, ohne der Natur Gewalt zu tun, hervor
Zu wundersamem Glanz ein sehr geschickter Stift.
Sie wirkte desto mehr, je minder sie sich putzte,
Und bloße Reinheit war der Schmuck, den sie benutzte.
Auf dem Toilettentisch lag stets die heil'ge Schrift;
Dicht bei dem Schminktopf sah man eine Fastenpredigt,
Die Bücher Massillons verschlang sie mit Begier.
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Gertrud
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Doch ihre Gottesfurcht besaß noch beßre Zier:
Nie ward ein Frauenruf durch ihren Mund geschädigt;
Frau Gertruds Herz war fromm, doch völlig ohne Gift.
Sie hatt' ein Töchterchen ; dies holde Wesen trat
Mit siebzehn Jahren just auf ihres Frühlings Schwelle.
Der Nam', auf den man sie getauft, war Isabelle.
Zwar frischer als Mama, doch schön im gleichen Grad,
Als schaue Venus man Minerven beigesellt.
Mit steter Sorgsamkeit sie zu erziehn bemühte
Frau Gertrud sich und ließ niçht nahn der jungen Blüte
Den ungesunden Hauch der arg verderbten Welt:
Theater, Pfänderspiel und der Gesellschafts-Tand,
Die jedes reine Herz verführerisch umgarnen,
Das Teufelsnetz, vor dem die Heiligen uns warnen,
In diesem Hause war dergleichen streng verbannt.
Gertrud besaß daheim ein stilles Andachtszimmer,
Ein kleines Heiligtum, dem Gottesdienst geweiht;
Dorthin begab sie sich in Mußestunden immer
Und betete daselbst voll tiefer Innigkeit.
Es stand in diesem nie geöffneten Gelasse
Ein Hausrat, ausgesucht, bequem und reich geschmückt,
Und eine Treppe ging, profanem Aug' entrückt,
Von hier zum Garten und vom Garten auf die Gasse.
Ihr wißt, zur Sommerzeit, wenn heiß die Sonne sticht,
Gibt oftmals man der Nacht den Vorzug vor den Tagen ;
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Gertrud
Man labt sich an des Monds gelindem Silberlicht,
Und Jungfraun pflegen dann nicht viel nach Schlaf zu fragen.
Auch Isabelle saugt, im Innersten bewegt
Durch ihrer siebzehn Jahr' geheime Mädchenträume,
Den Hauch der Nacht und ahnt den Wert verschwiegner
Noch nicht, indem sie sich in ihren Schatten legt. [Bäume
Sie blickt in die Natur, sie noch nicht klar begreifend,
Dann steht sie wieder auf und schlendert planlos schweifend,
Ganz aufs Geratewohl, von keinem Ziel gelenkt,
Ist in Gedanken zwar, doch ohne daß sie denkt.
Da hört sie ein Geräusch qn jenem Zufluchtsort
Der Mutter. Neugier spornt sie mächtig an. Zwar wittert
Nicht im entferntesten sie was Geheimes dort;
Sie zögert aber doch, sie nähert sich und zittert,
Dringt mit dem einen Fuß bis auf die Treppe vor ;
Im Rücken eine Hand, nach vorn die andre hebend,
Den Hals gereckt, den Blick gespannt, das Herzchen bebend,
So lauscht sie mühevoll mit angestrengtem Ohr.
Erst kann sie nur ein sanft Geflüster unterscheiden,
Ein stammelndes Geseufe, ein zärtliches Gesch macht.
„Ach, meine Mutter", sagt sie leise, „scheint zu leiden,
Und mit ihr teilen will ich, was ihr Kummer macht. "
Sie nähert sich, sie hört ein abgerißnes Stück :
„Andre, mein Liebster, oh, du schaffst mir höchstes Glück!"
Bei diesen Worten legt sich Isabellens Bangen.
„Mein liebend Mitleid ist", so denkt sie, „fehlgegangen;
Zufrieden ist Mama ; drum bin auch ich zufrieden. "
Und Isabelle zieht sich in ihr Bett zurück ;
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Gertrud
i65
Jedoch sie quält sich ab und seufzt, vom Schlaf gemieden :
„Andre bereitet Glück! Wodurch er das nur kann?
Ein herrliches Talent! Jedoch wie fangt er s an?"
Unruhig liegt sie wach, bis neu der Morgen tagt.
Was in ihr vorgeht, spürt Frau Gertrud auf der Stelle.
So ganz voll Einfalt ist, voll Unschuld Isabelle,
Daß ihre Neugier sich verrät, indem sie fragt :
„Wer ist der Herr André, geliebte Mutter, sprich,
Von dem es heißt, er kann den Frauen Glück bereiten ?"
Frau Gertrud steht verwirrt, sieht ihre Heimlichkeiten
Mit einemmal entdeckt; doch sie bemeistert sich,
Läßt sich nichts merken, gibt zur Antwort ihr: „Mein Kind,
Es darf ein Heiliger in keinem Hause fehlen ;
Den heiligen André beschloß ich drum zu wählen;
Ich dien' ihm fromm, und er ist mir drum wohlgesinnt.
Ich ruf ihn heimlich an, ich fleh' zu seinem Lichte;
Oft naht er mir, wenn nachts ich mein Gebet verrichte.
Es ist der Heiligste vom heü'gen Paradies."
Nach einer Weile ward ein schmucker Junggeselle,
Mit Namen Herr Denis, verliebt in Isabelle,
Die, weil er ihr gefiel, sich bald ihm hold erwies,
Und manches Stelldichein half ihnen Liebe tauschen.
Frau Gertrud ihrerseits als Schildwach könnt' erlauschen
Die reizenden Gebet' und süßen Litanein
Aus Isabellens Mund, wenn in verzückten Wonnen
Den lustberauschten Freund sie kosend hielt umsponnen.
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i66
Gertrud
Frau Gertrud fuhr mit eins dazwischen, schalt und schrie.
Doch ihre Tochter sprach: „Du mußt, Mama, verzeihn;
Du wähltest Sankt André, ich wählte Sankt Denis."
Frau Gertrud hat seitdem mit mehr Verstand und Glücke
Sich den Galan bewahrt, von Heil ten abgesehn;
Sie gab den Vorsatz auf, die Welt zu hintergehn.
Man hintergeht sie nicht. Des Neides arge Tücke
Durchschaut mit scharfem Aug all eure Schleierfalten ;
Man kommt euch auf die Spur, so fein ihr euch verstellt ;
Die hohle Würdigkeit, sich stets im Zaum zu halten,
Wiegt nicht das Labsal auf, zu leben, wie s gefällt.
Schön Isabelle ging gesellig ein und aus,
Und ihrer Anmut Ruhm ward überall verkündet.
Frau Gertrud aber rief nun wieder in ihr Haus
Die Kurzweil, die so gern der Liebe sich verbündet:
Gesellschaft bester Art war dort zu Gast geladen.
Ein froh Beisammensein kann niemand etwas schaden.
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DIE ZIERPUPPE
Ein weiser Italiener hat geschrieben,
Das Bessere sei stets des Guten Feind;
Nicht daß hierdurch der Fortschritt wird verneint
An Wissen, Können, Geist und Willenstrieben ;
Nie sind wir, hoff* ich, dieses Bessern satt,
Doch jed Phantom sei streng von uns gemieden.
Wohl dem, der, voll mit seinem Los zufrieden,
Bleibt, was er ist, und hütet, was er hat!
Arsenie bezeugt es klar genug,
Die jung und schön dereinst Paris bewohnte
Mit einem Mann, der sie auf Händen trug
Und dem sie dies mit Nasenrümpfen lohnte.
Wenn's auch am Glänze schönen Geists gebrach
Bei Schwester, Oheim, Schwiegervater, Tante,
Sie standen an Charakter niemand nach.
Im Haus verkehrten allerlei Bekannte;
Wirtschaft und Tafel waren wohlbestellt,
Und die Zerstreuungen der großen Welt,
Spiel, Tanz, Theater, fröhliche Gelage
Bereiteten ihr leidlich gute Tage.
Ihr wißt ja, zum vollkommnen Glücke werden
i68
Die Zierpuppe
Wir nicht geboren ; keiner kennt's auf Erden.
All dessen ward Arsenie nicht froh.
Mit hochmutsvollem Überdruß verfemte
Sie spöttisch jede Kurzweil oder floh ;
Man nannte sie die schöne Unverschämte.
Wie schwach die Menschen sind, vernehmt's mit Staunen:
Je mehr sie sich gefühllos überhob,
Um so beflißner suchte man durch Lob
Und Liebesdienst zu mildern ihre Launen;
Und um so schnöder obendrein vergalt
Sie jeglichem, der sich um sie bemühte.
Schlecht fuhr bei ihr zumal, wer für sie glühte ;
Gern angeschwärmt, selbst aber eisig kalt,
Litt schwer darunter ihre starre Seele,
Daß jede Liebenswürdigkeit ihr fehle ;
Der große Hofstaat von Verehrern schmolz,
Verlassen wurde sie zuletzt von allen.
Sie blieb allein zurück mit ihrem Stolz
Als barschem und verdrießlichem Vasallen :
Feist, aber hohl, feindselig dem Vergnügen,
Bläht er das Herz, doch schafft ihm kein Genügen.
Die Patin dieser Zimperlichen war
Die Fee Aline. (Solche Geisterschar
Hält zwischen himmlischen und ird'schen Wesen
Die Mitte, wie des wcitren klipp und klar
Im Buch des Herrn von Gabalis zu lesen.)
Die Fee besucht' ihr Patenkind mitunter
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Die Zierpuffe
Und fragte: „Bist, Arsenie, du munter
Und froh in deines Lebens schönstem Teile?
Erregt etwas dir Neigung und Genuß?
Du bist ja doch umringt von Überfluß."
Drauf jene kurz: (( Ich habe Langeweile."
„Ei," sprach die Fee, „welch eine schlimme Qual!
Der eigne Herd, so scheint mir, macht verdrießlich."
Arsenie beschwor Aline schließlich,
Sie zu befrei'n aus ihrem Jammertal.
„In höhre Sphären schweben laß mich sacht;
Laß mir dein himmlisch Paradies erscheinen ;
Schier unerträglich sind mir all die Meinen.
Ich sehne mich nach Märchenwunderpracht,
Nach Zauberglanz ; mich nirgends werd' ich je
Wohl fühlen als in deinem Prunkpalaste;
Dies ist's, wonach ich leidenschaftlich haste."
„Recht gern", erwiderte die gute Fee.
Und allsogleich in einem lichten Wagen
Gen Osten wird die Schöne fortgetragen.
Der Wagen fliegt, und unsre Nörglerin
Glaubt in der Luft schon sich im Himmel drin.
Sie steigt an ihrem wunderbaren Ziele,
Dem Schloß der Patin, ab. Ein mächtig Tor,
Aus Gold geformt in einem neuen Stile,
Kommt äußerst reich und ziemlich hübsch ihr vor;
Doch das ist gar nichts gegen den Palast.
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Die Zierpuppe
Der Gärten Schönheit ist unglaublich fast;
Marl y , Versailles mit ihren Springfontänen
Darf man im gleichen Atem kaum erwähnen.
Beinahe scheint's, als ob von diesem Glast
Die Kostverächtrin sich befriedigt finde.
Aline spricht: „Dies nun dein Aufenthalt;
Hier geb' ich dir despotische Gewalt.
Befiehl nach Lust. Mein sämtliches Gesinde
Nimmt ohne Mucksen jed Gebot entgegen.
Jetzt muß ich flugs mal nach Amerika,
Verschiedner eiliger Geschäfte wegen ;
In wenig Tagen bin ich wieder da.
Mög' dir mein Zufluchtsort so wohl gefallen,
Daß er die Langeweile dir vertreibt."
Die Fee nimmt Abschied. Unsre Schöne bleibt,
Frei schaltend in des Zauberschlosses Hallen;
Als Königin, als Göttin herrscht sie dort.
Ein Schwärm von hundert Jungfraun folgt aufs Wort,
Sieht ihren allerkleinsten Wunsch voraus:
Es hungert sie? Hier hundert volle Teller;
Den reinsten Nektar liefert ihr der Keller,
Und nach Ambrosia schmeckt jeder Schmaus.
Aus feinstem Diamant sind alle Vasen.
Gleich nach der Mahlzeit führt man sie zum Park
An sprühnde Wasser, auf gepflegten Rasen,
Wo sich der Blumen Düfte hold und stark
Vermengen mit des Zéphyrs Hauch. Es nahn
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Die Zier f uff e
Hl
Ihr, blitzend von Saphiren und Rubinen,
Zwölf Wagen sich von selbst, um ihr zu dienen,
Wie ehemals die Stühle des Vulkan
Durch Wunderschnellkraft sich gen Himmel hoben,
Anbietend ihren Sitz den Göttern droben.
Der Vogelchöre lieblicher Gesang,
Das Wasser, das in Silberrinnen sprang,
Goß Wohllaut in ihr Ohr, und was sie sprach,
Das wiederholten erst die Papageien,
Vielstimmig dann im Echo klang es nach.
So hat einst Psyche, durch die Schmeicheleien
Des schönsten Gotts dem Elternpaar gestohlen
Und einzig nur dem Amor noch geweiht,
In eines Schlosses Weltentlegenheit
Den Elementen unumschränkt befohlen.
Arsenic ward hier noch mehr verwöhnt,
Noch mehr verschwenderische Freuden zählte
Ihr Leben, war noch reichlicher verschönt ;
Kurz, alles hatte sie, nur Amor fehlte.
Man ließ, um sie der Schwermut zu entzieh n,
Sie herrlicher Musik am Abend lauschen,
Von solcher Fülle seltner Melodien,
Um sechzig Kardinäle zu berauschen.
Jedoch so tief ins Herz die Töne drangen,
Ein Umstand war's, der sie dabei verdroß :
Daß nämlich in dem Chor nur Frauen sangen;
Kein einzig bärtig Kinn im ganzen Schloß!
I -]1
Die Zierpuppe
„Was dachte meine Patin denn von mir?"
Rief sie. „Kein Mann! Bin ich im Kloster hier?
Zwar gern genieß' ich Königinnenrechte ;
Doch was ist eine Herrschaft ohne Knechte?
Gebieten will ich Männern; Gott erschuf
Sie sämtlich, um in meinem Joch zu traben :
Ja, dies ist ihre Pflicht, ist ihr Beruf;
Ich achte sie gering, doch will sie haben." —
So sprach die widerspenst'ge Klausnerin ;
Derweilen setzte die beflißne Menge
Der Nymphen flink das Abendmahl ihr hin,
Und eingelullt ward sie durch Lautenklänge.
Am nächsten Tag das nämliche Gepränge,
Nämliche Wunder, nämlicher Genuß,
Und schon empfand sie leichten Überdruß.
Der nächste Tag erschien ihr ziemlich leer,
Der nächste kam ihr öde vor und kläglich,
Der übernächste war ihr unerträglich.
O Zeit, entfloh n auf Nimmerwiederkehr,
Als ich in meines Lebens Frühlingsonne
Ein süßeres Erwachen oft besang!
Die Schöne, täglich überhäuft mit Wonne,
Fand schließlich jeden Tag so trostlos lang,
Daß fluchend ihrem übermäß'gen Glücke
Sie diesen Himmel fur die Hölle hielt.
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Die Zierpuppe
Sie sieht, allein gelassen, eine Lücke
Der Außenwand, und wie sich gutgezielt
Ein Pfeil von einer Bogensehne schnellt,
Springt sie hinaus und eilt vom Park ins Feld.
Im Nu sind Gärten, Zauberschloß, Fontänen,
Gold, Edelstein, die ganze Herrlichkeit
Versunken ihrem wirren Blick, und weit
Rings um sie her in dürrer Ebne dehnen
Sich Wüstenein und nackter Felsen Starrheit:
Die Dame rauft ihr Haar und fleht geschreckt
Zu Gott um die Vergebung ihrer Narrheit.
Die Nacht mit ihren grauen Händen deckt
Auf die Natur allmählich ihre Schleier.
Der schauerliche Schrei der Leichengeier
Und das Geheul der Panther und der Bären
Hallt in den rauhen Klüften hundertfach.
Welch andre Fee wird ihren Beistand, ach,
Der tollen Abenteurerin gewähren?
In ihrem Jammer nach dem Strohhalm greifend
Bemerkt von fern sie dank dem letzten Strahl
Des Tags, wie durch ein waldig Seitental
Ein ungeschlachter Köhler, friedlich pfeifend,
Nach seiner Hütte geht auf schmalen Stegen.
Die stolze Schöne ruft : „Wer du auch seist,
Ich fleh' dich an, daß du mir Hilfe leihst;
Ich weiß nicht, wo heut Nacht mich niederlegen.
Vor lauter Furcht ist mir der Stolz vergangen."
I
I 74 Di* Zi erfupf e
Der schwarze Tölpel, dem sie reizend scheint,
Antwortet ihr: „Was für ein böser Feind
Ließ denn in diese Klemme dich gelangen,
Bei dunkler Nacht, zu Fuß, und kein Begleiter?
Mein Haus ist noch ein gutes Ende weiter.
Komm her und gib mir deinen Arm, mein Schätzchen;
Für solche Puppe schafft man wohl ein Plätzchen,
So gut es geht. Ich habe Speck mit Ei.
Jede Französin, sagen alte Sprüche,
Versteht sich, wenn es not tut, auf die Küche.
Ein Bett nur hab' ich ; doch es reicht für zwei.
Der stramme Lümmel nimmt nach diesem Wort
Ihr jede Möglichkeit, was einzuwenden,
Mit grobem Kuß auf ihre Lippen fort
Und will fürs Obdach, das er ihr zu spenden
Verspricht, Bezahlung schon im vorhinein.
„Ach, wehe mir!" Die Dame ruft's in Tränen,
„So soll ich hier denn aufgefressen sein
Von einem Köhler, statt von Raubtierzähnen!"
Der Zorn, die Schande, die Verzweiflungspein
Hat sie betäubt; ohnmächtig sinkt sie nieder.
Ihr ländlicher Galan belebt sie wieder.
Die Fee, die längst schon auf der Lauer steht,
Erscheint, wenn auch vielleicht etwas zu spät.
Sie sagt zum Patenkind: „Wird's nun dir klar,
Daß du dich aufgeführt als dumme Pute?
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Die Zierpuppe
Ja, meine Tochter, groß ist die Gefahr,
Gibt man des Bessern wegen preis das Gute."
Die so Belehrte ward zurückversetzt
Nach Haus. Bald schien ihr alles dort an allen
Verändert ; denn sie selbst war anders jetzt,
Und zum Gewinn schlug ihr das aus zuletzt.
Sie las zwar nicht die „Mittel zu gefallen"
Moncrifs; doch sie gefiel trotz alledem.
Bedurft' ihr Herz noch etwas? Nur den Willen.
Sie wurde sorgsam, höflich, angenehm,
Klug, lebhaft, und als gar, der Welt verhüllt,
Des Köhlers Platz ein Hausfreund nahm im stillen,
Fand sie fortan sich gänzlich ausgefüllt.
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JEAN BAPTISTE DE GRESSET
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VERT-VERT
Erster Gesang
Im Nonnenkloster von Nevers vor Jahren
Lebt' einstmals ein berühmter Papagei,
Dem seine Kunst, sein würdiges Gebaren,
Sein Biedersinn und seine Schelmerei
Hätt' müssen ein gelindres Los bescheren,
Wenn gute Herzen immer glücklich wären.
Vert -Vert (so hieß mit Namen unser Held),
Hierher verpflanzt vom indischen Gestade,
Kam jung und noch nichts wissend von der Welt
In dieses Kloster durch des Himmels Gnade.
Hübsch war er, glänzend, flink und flatterhaft,
Gewinnend, wie man's ist in solcher Jugend,
Frisch, zärtlich, aber noch voll keuscher Tugend,
Kurz, wert so heiliger Gefangenschaft
Und durch sein Mundwerk wie gemacht für Klöster.
Wozu viel Worte? Deutlich seht ihr schon:
Er war der Schwestern Liebling und ihr Tröster,
War nach dem Beichtiger die Hauptperson
Für alle ; ja, vor Eifer, ihn zu lieben,
So hat es ein Chronist uns treu beschrieben,
i8o
Vert -Vert
Vergaßen sie beinah den Schutzpatron.
Und so bekam er denn sein reichlich Teil
Von all dem Nasch werk, das die süßen Nonnen
Dem guten Oberhirten zugesonnen
Zur Stärkung für sein leiblich Seelenheil.
Erlaubter Liebe Zielpunkt und Magnet,
So ward Vert -Vert umringt von früh bis spät,
Und außer ein paar alten Trauerweiden,
Die scheel belauerten die junge Schar,
Könnt' ihn das ganze Haus vortrefflich leiden.
Obwohl er meistens noch recht kindisch war,
So dürft' er tun und schwatzen, was er wollte ;
War's doch gewiß, daß man ihm Beifall zollte.
Die Schwestern bei der Arbeit zu zerstreun,
Zupft' er an Busenschleiern und an Schleifen,
Trieb unaufhörlich, ohne sich zu scheun,
Die tollsten Possen, flatterte, schlug Reifen,
Sang Liedchen, plauschte, pfiff, bald laut, bald leise,
Voll Übermuts, doch im bescheidnen Maß,
Auf jene schüchterne, verhaltne Weise,
Die den Novizen eignet auch im Spaß.
Befragten ihn beständig noch so viele,
Stets gab er Antwort mit Genauigkeit,
Grad so wie Caesar einst zu gleicher Zeit
Vier Briefe schrieb in ganz verschiednem Stile.
Das Schoßkind nahm — fast klingt's wie eine Fabel —
Sogar im Refektorium sein Mahl.
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Vert-Vert 181
Was gab's da nicht für seinen leckren Schnabel !
Damit jedoch der Vielfraß könne naschen
Auch außerhalb der Tafel, was ihm schmeckt,
Ward überdies noch aus der Schwestern Taschen
Ihm Zuckerwerk in Mengen zugesteckt.
Wo wäre, wie bei diesem Nonnenorden,
So zarte Sorgfalt je betätigt worden?
Der glückliche Vert -Vert empfand es stündlich,
Ward wie ein Papagei des Hol« gepflegt,
Von allen Seiten wie ein Prinz gehegt,
Und er genoß derart sein Leben gründlich.
Meist war im Schlafsaal seine Schlummerstelle,
Doch stand ihm frei die Auswahl einer Zelle;
Ach, es beglückte jede Schwester tief,
Wenn er vom Abend bis zur Morgenhelle
Als Ehrengast in ihrem Stübchen schlief!
Nur äußerst selten ward er von den Alten
Beherbergt, zog's bei weitem vor vielmehr,
Sich an die Jüngsten, Zierlichsten zu halten.
War doch ein Vogel von Geschmack Vert -Vert.
Nachdem er sein Quartier so mit Bedacht
Sich ausgesucht am Abend für die Nacht,
Um friedlich dann auf dem Gebetbuchkasten
Bis zu des neuen Tags Beginn zu rasten,
So könnt' er beim Erwachen der Toilette
Des frischen Nönnleins zuschaun ungestört.
Toilette? Fragt ihr, ob ihr recht'gehört?
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l82
Vert-Vert
Soll, wie mir Fama meldet, um die Wette
Doch mit der Trägerin von Schmuck und Spitzen
Die Schleierträgerin vorm Spiegel sitzen.
Wie für den Hof und für die große Welt
Eis eine Kunst gibt, sich geschickt zu putzen,
Sind auch dem Schleier Moden zugesellt;
Selbst eine Kutte läßt zurecht sich stutzen,
So daß ihr schlichter Faltenwurf gefällt.
Der Schwann der ausgelaßnen Amoretten,
Der alle Gitter sprengt und alle Ketten,
Drückt oft auf grobes Tuch der Anmut Siegel
Und leiht ein flottes Ansehn ernstem Flor.
Kurz, wenn man geht zum Sprechsaal, dann zuvor
Wirft man noch schnell ein Blickchen in den Spiegel.
Dies unter uns natürlich, insgeheim.
Doch nun zurück zum Helden der Geschichte:
Vert -Vert genoß in schönem Gleichgewichte
Des vollsten Müßigganges Honigseim.
Er war der Hahn im Korb; um ihn vergaß
Die Schwester Thekla völlig ihre Spatzen ;
Vor Ärger sah man vier Kanaris platzen ;
Ein Katerpaar, das vormals Gunst besaß,
Sank vor Entkräftung und vor Neid ins Grab.
Wer dacht' in jener Zeiten Wohlbehagen,
Daß bloß zum Unheil man ihm Bildung gab
Und daß zuletzt es schrecklich werde tagen,
Ja, daß Vert -Vert, von soviel Huld getragen,
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Vert-Vert
i83
Einst wercT ein Ärgernis, ein Greuel sein?
O Muse, halte noch die Tränen ein,
Die rinnen werden ob der Schicksalsschläge,
Der bittren Frucht von unsrer Schwestern Pflege.
Zweiter Gesang
Wie sehr den Vogel solcher Unterricht
Gesprächig machte, könnt ihr leicht ermessen ;
Just wie den Nonnen stand der Mund ihm nicht
Zu andern Zeiten still als nur beim Eissen.
Er redete tatsächlich wie ein Buch,
Stets in der Tonart wohlerzogner Leute,
Nicht wie die stolzen Papagein von heute,
Die sich zu selbstgefällig blähn, vom Fluch
Jedweder ird'schen Eitelkeit ergriffen
ünd auf dem Markt gebührend ausgepfiffen.
War doch Vert -Vert ein frommer Papagei
Mit einer unschuldsvollen schönen Seele;
Nie fiel ihm irgend etwas Böses bei,
Nie kam ein unzart W T ort ihm aus der Kehle.
Doch um so besser kannt' er Lobgesänge,
Sprach Psalmen, Hymnen, Litanein in Menge,
Ave Marias, Benedicite,
Das Paternoster auch implicite ;
Er wußte was vom Soliloquium
Und stückweis von den Heiligenlegenden.
Er fand in dieser Geistesburg rundum
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Vert- Vert
Gelegenheit, sein Wissen zu vollenden.
Es waren viel gelehrte Weiber dort,
Die den gesamten Schatz von Weih nach tsliedern
In ihrem Schädel trugen Wort für Wort.
Belehrt, geformt, gedrillt von diesen Biedern,
Tat's gleich der Schüler bald den Lehrerinnen.
Selbst ihren Tonfall ahmt' er täuschend nach,
Indem er mit gedehnter Salbung sprach,
Die Stimme seufzend, schluchzend ließ zerrinnen,
Wie er's vom sanften Schwesternchor vernahm,
Und schließlich hatte fest im Kopfe drinnen
Vert -Vert des Klosters ganzen Wissenskram.
Von dessen Mauern allzusehr beengt,
Ward sein Verdienst bald weithin ausgesprengt.
Kein Wunder, daß in ganz Nevers man sprach
Vom Vogel der beglückten Klosterfrauen;
Die feinsten Künste rühmte man ihm nach
Und lief herbei von rings, um ihn zu schauen.
Im Sprechsaal drum befand Vert -Vert sich immer,
Und Schwester Melanie, die den Besuch
Empfing, geziert mit ihrem besten Tuch,
Wies den Bewundrern seinen Farbenschimmer,
Sein kindliches Gemüt, sein muntres Scherzen,
Und schnell gewann sein Frohsinn ihm die Herzen.
Die Schönheit seines Äußern war indessen
Des zarten Neophyten kleinstes Lob;
Der Zauber seines Anblicks ward vergessen,
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Vert-Vert
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Sobald er seine Stimme laut erhob.
Der frommen Sprüche voll, mit denen jede
Der jüngsten Schwestern reichlich ihn gespeist,
Begann der seltne Vogel seine Rede
Und wußte stets durch neuen Witz und Geist
Die Wirkung seines Vortrags neu zu steigern ;
Ja, was zu glauben trotz dem Augenschein
Manch öffentlicher Redner wird verweigern:
Von seinem Hörerkreis schlief niemand ein.
Ist einem Prediger dies je gelungen?
Man pries, wieviel er im Gedächtnis trug;
Er aber, musterhaft gesellschaftsklug
Und von der Hohlheit ird'schen Ruhms durchdrungen,
Verstand es, eitle Hoffart zu vermeiden
Und blieb auch mitten im Triumph bescheiden.
So oft mit zugepreßtem Schnabel sprechend
Er seine ganze Weisheit aufgezeigt
Und sich mit andachtsvollem Blick verneigt,
Fand jeder seine Redekunst bestechend.
Gewählt und sittsam waren alle Worte
Aus seinem Mund, nur ausnahmsweis verknüpft
Mit Stacheln oder Klatsch von jener Sorte,
Wie manchmal hinter einer Klosterpforte
Zufällig frommen Schwestern er entschlüpft.
So lebt' an dieser angenehmen Stätte
Als Herr, als Heiliger und Philosoph
Vert -Vert, den Pfaffen gleich an Würd' und Fette,
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Vert- Vert
Und viele Grazien machten ihm den Hof.
Klug wie ein Abt, schön wie ein Märchengeist,
Geliebt und liebenswürdig, nach der Mode
Gestutzt, gepflegt, so war' er bis zum Tode
Glücklich geblieben, wär er nicht gereist.
Doch kommt nun, ach, die jammervolle Zeit,
Die brenzlige, da sich sein Ruhm beschattet.
O Freveltat ! O Schmach ! O Herzeleid !
Unselge Reise ! War' es doch gestattet,
Die Kunde vor der Nachweit zu verschweigen !
Ein großer Nam' ist ein gefährlich Gut!
Stets lebt, wer ruhmlos bleibt, in beßrer Hut.
An diesem Beispiel wird sich's klärlich zeigen :
Oft sind zu viel Erfolg, zu viele Gaben
Die Schaufeln, die das Grab der Tugend graben.
Dein Ruf, Vert -Vert, der Abglanz deiner Taten
Blieb nicht beschränkt auf diesen kleinen Kreis;
Die Fama sang ihr Lied zu deinem Preis
Und ließ das Echo bis nach Nantes geraten.
Auch dort bekanntlich ist ein frommes Stift,
Und seine würdgen Mütter sind beflissen,
Wie man es meist bei dieser Klasse trifft,
Bald möglichst alles, was geschieht, zu wissen.
So drang nach kurzer Frist in ihr Gemäuer
Des Papageien Ruhm aus erster Hand;
Man wollte sehn, wie s um die Sache stand.
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Vert- Vert 187
Denn Weiberneugier ist ein zehrend Feuer
Und Nonnenneugier gar ein Riesenbrand.
Schon flogen nach Nevers die Herzen hin;
So gründlich waren zwanzig Frauenköpfe
Verdreht von diesem einzigen Geschöpfe.
Man schreibt an jenes Klosters Oberin
Und bittet sie, den Vogel sondergleichen
Auf eine Weile gütigst herzuleih n ;
Leicht könn' er auf der Loire Nantes erreichen,
Um dort in zarter Obhut neue Zeichen
Erhabnen Ruhms dem alten anzureihn.
Der Brief geht ab. Wann wird er Antwort finden?
Zwölf Tage währt's ; die scheinen ewig lang !
Brief folgt auf Brief mit gleichem Sehnsuchtsdrang ;
Man schläft nicht mehr, der Schwestern Sinne schwinden.
Endlich kommt in Nevers das Schreiben an.
Ein ernster Fall; man hält ein groß Kapitel.
Der Antrag wirkt zuerst als Foltermittel.
Vcrt-Vert verlieren! Lieber stürbe man!
Was soll man, wenn der Vogel fehlt, beginnen
In diesen Kerkermauern, dieser Gruft?
So fragten sich die jüngsten Klausnerinnen,
Die noch, gelangweilt von der Klosterluft,
Unschuldigem Vergnügen sich ergaben.
Und wirklich war es doch kein Wunderding,
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Vert- Vert
Daß diese Zunft, so vor der Welt vergraben,
Und ohn' ein lebend Spielzeug sonst zu haben,
An einem armen Papageien hing.
Jedoch der ältren Klosterfrauen Rat,
Der reifen Führerinnen im Senat,
Die schon ihr Herz entwöhnt von regem Pochen,
War, den geliebten Pflegling auf zwei Wochen
Dorthin zu schicken; denn die Furcht befiel
Die Klugen, daß, wenn man sich widersetze,
Die Klosterfraun von Nantes man schwer verletze :
So sprach das schleiertragende Konzil.
Nachdem die Mütter dies orakelt hatten,
Entstand ein groß Getümmel in der Schar,
Und Schwester Seraphine rief: „Ist's wahr?
O welch ein Opfer! Soll man das gestatten?
Wie? Was? Vert -Vert verreist, und wir zu Haus!"
Und gar die Schwester Meßnerin daneben
Wird dreimal bleich, stößt viermal Seufzer aus,
Weint, bebt, sinkt um, als griff es ihr ans lieben.
Kurz, alles trauert. Ein Vorausgemunkel
Malt ihnen diese Reise schaurig dunkel ;
Von grauenhaften Träumen in der Nacht
Wird noch des Tages Angst verhundertfacht.
Umsonst ihr Gram! Die schwarze Stunde naht:
Am Schicksalsufer ist schon alles fertig,
Und eines bitteren Verzichts gewärtig
Geht man zum Lebewohl hinab den Pfad.
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Vert- Vert
Jed Nönnchen schluchzt wie eine Turteltaube
Und wehklagt, daß mau sie des Trosts beraube.
Beim Auszug wird mit ungezählten Küssen
Vert -Vert bedeckt! Ihm gilt manch heiß Gebet!
Man reißt ihn fest entzwei, mit Tränengüssen
Ertränkt man ihn; je mehr s zum Abschied geht,
Um so bestrickender wird er gefunden.
Doch endlich ist er ihrem Aug' entschwunden,
Und aus dem Kloster flieht mit ihm das Glück.
„Zieh hin, mein Herzblatt, folg' dem Ruf der Ehre,
Komm, wie du scheidest, hold und treu zurück.
O daß dir Zephir gute Fahrt beschere,
Indessen hier in dieser öden Leere
Verschmacht« n wird mein unbefriedigt Herz,
Betrübt, vereinsamt, allem Licht entzogen;
Zieh hin, Ve^-Vert, auf deines Glückes Wogen,
Und sei der Liebe Liebling allerwärts ! M
So segnet' ihm ein Schwesterlein die Reise,
Das, um der Langeweile zu entfliehn,
Oft in der Kutte trug verstohlnerweise
Statt des Gebetbuchs einen Band Racine
Und sicher dem beredten Vogel gerne
Gefolgt wär' aus dem Kloster in die Ferne.
Der Wül fel fiel, der Schelm ist auf dem Schiffe,
Er, der bis heute rein und unberührt
Nur Worte sprach von tadellosem Schliffe ;
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iqo
Vert - Ver t
Mög' er sein Herz, von Lockung nicht verführt,
Bis zu der Heimkehr tugendhaft bewahren !
Gleichviel, die Segel schwellen, aufgebauscht
Von günst'gen Winden, und das Wasser rauscht.
Nun fährt er ab; uun ist er abgefahren.
Dritter Gesang
Auf jenem leichten Schiff, das den Bewohner
Des Klosters, trug, war eine Amme noch
Sowie zwei junge Dirnen, drei Dragoner,
Ein Mönch, ein paar Gascogner und ein Koch.
Für einen Jüngling aus dem Heim der Frommen
Hieß das in würdige Gesellschaft kommen !
Vert -Vert, mit ihrer Sitte nicht bekannt,
Bewegte sich in ihr auf fremdem Boden ;
Neu war ihm ihre Sprache, neu die Moden,
Verwirrt von ihrem Stil ward sein Verstand.
Dies waren nicht des Evangeliums Worte,
Nicht Bibelsprüch ' und Psalmen, die zuvor
Den Himmelsbräuten abgelauscht sein Ohr,
Nein, grober Tratsch, nicht von der frömmsten Sorte;
Denn die Dragoner, diese Heidenseelen,
Gebrauchten bloß der Kneipe rohen Ton
Und lobten, weil der lange Weg die Kehlen
Ausdörrte, nur des Weines Schutzpatron.
Auch die Gascogner und die Frauenzimmer
Wetteiferten in Gassenrüpelei,
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Vert-Vert
Und gar die Schifter trieben es noch schlimmer
Mit viel Gefluch, Gelöster und Geschrei.
Durch ihrer Stimmen schrillen, derben Schall
Klang jedes Kraftwort wie ein Peitschenknall.
Verschüchtert saß, mit scheuem Unbehagen
Vert -Vert in all dem Lärm und schwieg mit Grund;
Furcht und Beklemmung schlössen ihm den Mund;
Er wußte nichts zu denken noch zu sagen.
Man wollte den verstummten Papagei
Zum Sprechen bringen im Verlauf der Reise,
Und Bruder Liederlich, die Klosterweise
Nachäffend, fragte drum ihn allerlei.
Der gute Vogel macht ein sanft Gesicht,
Er seufzt im schulgerechten Ton und spricht
Mit würdevollem Ausdruck: „Ave, Schwester."
Auf dieses Ave folgt ein Lach-Orchester ;
Geneckt von allen wird der arme Wicht.
Er muß aus ihrem Spott bekümmert schließen,
Daß er die rechten Worte nicht gewählt
Und ihn die Schwestern Falsches lernen lief Jeu,
Weil ihm der Brüder Sprache gänzlich fehlt.
Kein Wunder, wenn sein stolzes Herz, gefüttert
Nur mit des Weihrauchs zarter Kost zuvor,
Von solchem Ansturm schnöden Hohns erschüttert,
Sein anspruchsloses Gleichgewicht verlor.
Zur Stunde, da Vert -Verts Geduld entschwand,
Ging seiner Jugend Unschuld mit von hinnen.
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Vert-Vert
Er fluchte, nun von Undank übermannt,
Dem Irrweg seiner ersten Lehrerinnen,
Die seinem Geiste weder beigebracht
Die Künste der gediegnen Sprachvollendung
Noch Glanz und Schmuck der feinen Redewendung.
Dies nachzuholen war er jetzt bedacht,
Sprach wenig, grübelte dagegen viel.
Als Vogel, der nicht auf den Kopf gefallen,
Fand er's notwendig fur den neuen Stil,
Sich zu befrein von den Gebeten allen,
Die man ihm einst gepfropft in seinen Schädel ;
Zwei Tage reichten hin, dies zu vollziehn;
Denn gegen die Dragonersprache schien
Ihm die der Klosterfraun nicht halb so edel.
Im Handumdrehn war das beredte Tier
(Ach, Jugend lernt das Böse mit Begier!),
Dies Tier so reich- an Geist und Sprachgeschick,
Verflixt beschlagen war's im Handumdrehen,
Vermochte bald zu fluchen und zu schmähen,
Als ob ihm säß' ein Teufel im Genick.
Er widerlegte das berühmte Wort,
Verbrecher kämen zu den schlimmsten Taten
Langsam und stufenweis : er ward sofort
Und vorbereitungslos zum Höllenbraten.
Tief ins Gedächtnis war ihm bald gesät
Der Loire-Schiffer ganzes Alphabet;
Rief einer von der Satansbrut im Koller
Sein Schockschwernot, Vert -Vert rief s hurtig nach.
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Vert-Vert
ig3
Weil's ihm an lautem Beifall nicht gebrach,
Schien er sich selber stets bedeutungsvoller,
Und seinem Dünkel war's von hohem Werte,
Daß ihn dies Pack durch Lob entehrend ehrte.
Er sank, mißbrauchend so sein stolz Organ,
Herab zum Künder niedrigster Gemeinheit:
Ach, muß des schlechten Beispiels schiefe Bahn
Vom Himmel in die Hölle ziehn die Reinheit?
Und während dieser Tage wüstem Grausen,
Was tatet ihr in den verlaßnen Klausen,
Ihr keuschen Klosterlilien von Nevers?
Andachten, ach, habt ihr gewiß gehalten
Für dieses Undankbaren Wiederkehr,
Des Flüchtlings, der euch euer sorglich Walten
So schnöd vergalt, und dem in neuen Ketten
Nichts mehr an eurer treuen Liebe lag.
Wohl schlich an euren heü'gen Zufluchtstätten
In ödem Einerlei dahin der Tag;
Die Stimmung ward je länger, desto trüber,
Fast stumm schritt aneinander man vorüber.
Laßt ab, Vert -Vert verdient nicht eure Güte;
Vert -Vert ist nicht der fromme Vogel mehr,
Der Papageien Krone wie vorher,
Von edlem Geist und lauterem Gemüte.
Er ward — bekenn ich's euch? — zum Tunichtgut,
Zum Lästerer, zum feigen Apostaten;
Die Nixen und die Winde dieser Flut
Fulda, Die gepuderte Mute l3
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Vert-Vert
Zerstörten eurer Arbeit reiche Saaten.
O preist sein staunenswert Gedächtnis nicht !
Was ist Begabung ohne Tugend nütze?
Vergeßt ihn ! Schamlos warf der Bösewicht
Sein Herz und seine Gaben in die Pfütze.
Gleichviel, man kam nach Nantes allmählich hin,
Wo schon die Schwestern ungeduldig harrten:.
Ihr Sehnen konnte kaum des Tags Beginn
Sowie des Tages Ende kaum erwarten.
Die schmeichlerische Hoffnung, die zumeist
Uns hinterher enttäuscht mit ihren Tücken,
Versprach, es werd' ein Papagei von Geist
Und musterhaftem Anstand sie beglücken,
Sie durch Gefühl und Sittsamkeit erbaun,
Mit sanfter Stimme jedes Ohr entzücken :
O falsches und vergebliches Vertraun !
Das Boot legt an, die Mannschaft geht an Land.
Die Klosterpförtnerin steht schon am Hafen,
Wo seit dem ersten Brief sie täglich stand,
Nur wenig Zeit sich nehmend, um zu schlafen ;
Und ihre Augen, stromwärts irrend, schienen
Das Schiff herbeizuziehn. Das schlaue Tier
Erkennt bei seiner Landung gleich in ihr
Die Himmelsbraut, sowohl an ihren Mienen,
Am spröd verhaltnen Aufschlag ihres Blicks,
Am weißen Handschuhpaar, an Haub' und Schleier,
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Vert-Vert
Als an der Stimme säuselndem Geleier
Und namentlich am kleinen Kruzifix.
Er bebte drum, ja, dachte gar verstohlen
Soldatisch: „Möge sie der Teufel holen."
Wollt' er weit lieber doch sich der beim Zechen
Erlernten Sprache der Dragoner weihn,
Als wiederum die frommen Litauern,
Begrüßungen und Formeln nachzusprechen.
Doch ärgert sich der Schalk auch noch so kräftig,
Umsonst. Es trägt nach dem verhaßten Ort
Trotz allem Schrein die Pförtnerin ihn fort;
Man sagt sogar, daß unterwegs er heftig
Sie biß; teils wird behauptet: in den Hals,
Teils : in den Arm ; man ist hierob im Streite ;
Doch was verschlägt's? Am Ende jedenfalls
Bracht' in das Kloster ihn die Gottgeweihte.
Sie meldet ihn. Mit riesigem Rumor
Verbreitet sich 's rundum. Alsbald erklingen
Die Glocken. Grade betet man im Chor;
Man drängt heraus, man läuft, man eilt auf Schwingen.
u Er ist's! Im Sprechsaal, Schwestern, soll er sein!"
Man brennt, ihn zu beschaun, man stürzt hinein;
Das Alter selbst vergißt im Augenblick
Der Jahre Last in flinkem Vorwärtsstreben ;
Es ist verjüngt, und Mutter Angélique
Rennt heut zum erstenmal in ihrem Leben.
■ 3*
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i 9 6
Vert- Vert
Vierter Gesang
Man sieht ihn endlich, kann die Augen weiden
An dieses Wundervogels Farbenprunk ;
Denn was an Tugend preisgab der Hai unk,
Das ließ nicht seine Schönheit Schaden leiden.
Sein kriegerischer Blick, sein Geckenwesen
Verleiht ihm neue siegende Gewalt.
Ach, täuscht Verruchtheit so durch Huldgestalt,
Daß wir von der Verblendung nie genesen?
Warum läßt ein verdorbener Gehalt
Des Herzens nicht sich auf der Stirne lesen?
In hundertstimm 'gern Durcheinanderlärmen
Bewundern seinen Reiz die Nonnen all ;
Durch dies Gesumm gleichwie von Bienenschwärmen
Würd' übertäubt selbst Gottes Donnerhall.
Hingegen er, in diesem lauten Schall,
Rollt ohne freundlich Wörtchen wie ein stummer
Trappistenmönch die Augen. Erster Kummer.
Von diesem wenig freundlichen Beginn
Fühlt sich die Gilde vor den Kopf geschlagen.
Dann zweitens, wie die Mutter Oberin,
Des Klosters Haupt, mit würdigem Betragen
Den lockren Vogel anzureden sucht,
Da, bei dem erten Wort, das er erwidert,
Nachlässig, just als ob er sich erniedert,
Und kaum bedenkend, ob sein Tun verrucht,
Ruft unser Freund im Schneideton der Sense :
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Vert-Vert
«97
„Potz Blitz, die Nonnen sind verdrehte Gänse!"
Die Chronik sagt, er habe von der Bande
Dies Sprüchlein aufgeschnappt auf seiner Fahrt.
Nun will mit zuckersüßer Redensart
Ihn Schwester Klara bringen zu Verstände
Und säuselt: „Pfui, mein gottgeliebter Bruder!"
Des lieben Bruders Trotz und Starrsinn wächst;
Mit derbem Fluch versetzt er: „Dummes Luder!" -
„O Jesus! Mutter, ach, er ist verhext!"
So schreit sie. „Großer Gott, ist dieser Schacher
Der Papagei, so fromm, so bibelfest?"
Vert - Vert, als ausgewachsener Verbrecher,
Fällt ihr geschwind ins Wort: „Hör dich die Pest!"
Sein wüst' Geschimpf zu zügeln trachtet jede,
Und jede kriegt ihr reichlich Teil dafür :
Die Jüngsten hänselt er voll Ungebühr,
Nachahmend ihre zorngeschwollne Rede,
Und frecher noch weiß er den alten Reffen
Ihr greinendes Genäsel nachzuäffen.
Noch ärger ward's, als im Korearenton,
Gereizt von ihrem albernen Geschwätze,
Mit Wut geladen, angefüllt mit Hohn
Er losließ all die schauerlichen Sätze,
Die seinem Hirn im Schiff man eingedrillt,
Indem er fluchte, so fuchsteufelswild,
Als ob die ganze Höllenbrut ihn hetze.
Die Schwestern dachten an den Turm von Babel
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198 Vert-Vert
« —
Beim Kauderwelsch, das floß aus seinem Schnabel.
(< Kreuzhageldonnerwetter ! Pech und Schwefel!"
Es bebt bei diesem Greul der ganze Saal ;
Die Nonnen, sprachlos über solchen Frevel,
Fliehn und bekreuzigen sich tausendmal.
Als ob des jüngsten Tags Posaune blase,
Treibt in den Keller sie der Schreckenswahn,
Und Mutter Kunigund fallt auf die Nase,
Hierdurch verlierend ihren letzten Zahn.
Die Schwester Martha mit erhobnen Armen
Und hohler Grabesstimme stöhnt: „Erbarmen,
Gerechter Gott im Himmel ! Welcher Satan
Schickt uns den Antichrist, den Leviathan?
Wodurch, mein Heiland, flucht er gar so sehr,
Als ob er käm' aus ew'gen Finsternissen?
Ist dies der nomine Geist, ist dies das Wissen
Des teuren, des gepriesenen Vert -Vert?
Er sei verbannt, sei fortgeschickt nach Haus ! " —
„Allgutiger !" ruft Schwester Agnes aus.
(t O Schimpf und Schmach ! Sind in Nevers die Schwestern
Gewohnt, mit rohen Worten so zu lästern?
Pflegt so man dort erzieherisch zu walten?
Was für ein Ketzer ! Fort mit ihm ! O Herr,
Verlaß uns nicht! Mit diesem Luzifer
Würd' ihren Einzug hier die Hölle halten."
•
Beschluß: Vert -Vert wird eingesperrt im Bauer,
Und man ist einig, ohne Zeitverschwenden
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Vert-Vert \
■■ i i , ■ .
Das unverschämte Schandmaul heimzusenden.
Der Fremdling fühlt nichts weniger als Trauer.
Er wird geächtet, wird für ein Entsetzen
Erklärt, beschuldigt, überführt, verdammt,
Weil er der Schwestern Tugend zu verletzen
Getrachtet hat. Sie zeichnen insgesamt
Das Urteil, den Unseligen beweinend;
Welch Unglück, daß er schon so grundverderbt,
Noch allen Jugendreiz auf sich vereinend,
Daß unter Federn, die so schön gefärbt,
Er einer Schurkenseele Falsch und Arg,
Ein schwarz Gemüt, ein heidnisch Herz verbarg!
, *
Die Pförtnerin trägt ihn zurück am Ende
Zum Hafen, ohne daß er diesmal beißt.
Ein Boot entfuhrt ihn ; leichten Herzens reißt
Sich los der Strolch vom traurigen Gelände.
Da habt ihr seiner Leiden Iliade.
O Qual, als er, von dort zurückgekehrt,
Die gleiche schauderhafte Serenade
Vortrug an seinem heimatlichen Herd !
Was nun? Die Schwestern fragen's gramverzehrt.
Betränten Aug's, den Sinn von Graun gepeinigt,
Die Mäntel schwarz, die Schleier zwiefach dicht,
Gehn neun der Ältesten zum Femgericht:
Ja, denkt euch neun Jahrhunderte vereinigt.
200
Ver t- Vert
Dort, ohne Hoffnung auf der Richter Milde
Und ohne Fürsprech, der zu Hilf ihm eilt,
In seines Käfigs Gitter eingekeilt,
Erscheint Vert -Vert gleich einem Jammerbilde.
Schon stimmt man ab; schon haben zwei Sibyllen
Auf schwarzen Zetteln ihm den Tod verhängt ;
Zwei andre, weniger im Hirn beengt,
Ziehn vor, sein Schicksal möge sich erfüllen,
Indem man in sein heidnisch Ursprungsland
Zu bräunlichen Brahmanen ihn verbannt;
Doch die fünf übrigen als Mehrheit neigen
Die Wage zu gelindrer Sühnungspein.
Das Urteil heißt: Zwei Monat 1 sich kastein,
Drei Monat* brummen und vier Monat* schweigen.
Putz, Gartenfreiheit, Ruhstatt, Leckerbissen,
Sie sind ihm während dieser Zeit entrissen.
Doch nicht genug; zu schlimmrer Leiden Quell
Wird als Gesellschaft, Schließerin und Wache
Ihm ausersehn des Klosters ärgster Drache,
Ein dürres, achtzigjähriges Gestell,
Ein Scheusal, mit dem Antlitz eines Affen,
Für eines Büßers Auge wie geschaffen.
Doch trotz des Argus grausam strengem Drohn
Erschienen oft in ihren Mußestunden
Die Jüngsten, ihm ihr Mitleid zu bekunden
Und zu versüßen seine Kerkerfron.
Die Schwester Rosa bracht' am frühen Tag
Ihm häufig Pralinés ; doch hinterm Gitter,
Vert- Vert
20 I
Wohin kein Freiheitsbauch zu wehn vermag,
Schmeckt alles Zuckerwerk uns gallenbitter.
♦
Bedrückt von Schmach, durch Schaden abgeschreckt,
Wohl auch, weil ihm das Schauerweib verdrießlich,
Ging in sich der betrübte Vogel schließlich,
Entsagte dem Dragonerdialekt
Und gab, zur Einheit wiederum gepaart
Mit unsrer Schwestern Ton und Ausdrucksart,
Dem frömmsten Abt an Frömmigkeit nichts nach,
So daß nun, sicher seiner Neubekehrung,
Der Ältstenrat, entwaffnet, von Entbehrung
Und von Gefangenschaft ihn ledig sprach.
Der Tag, der ihm die Freiheit wiederschenkt,
Wird allgemein als Freudentag empfunden ;
Als ob die Liebe jede seiner Stunden
Mit eigner Hand an ihrem Faden lenkt.
Doch ach, wie wandelbar sind unsre Wonnen!
Ach, ird'sche Lust, wie bald ist sie zerronnen!
In allen Zellen Blumenschmuck die Menge,
Vorzüglicher Kaffee, Gejauchz, Gesänge,
Anmut ger Lärm und ungebundner Scherz
Verbanden sich zu festlichem Gepränge,
Und nichts verkündete den nahen Schmerz.
O Schwestern, könnt' euch Leichtsinn so betören?
Zu schnell nach eines langen Fastens Schluß
Versetzt in schwelgerischen Überfluß
20 2
Vert-Vert
Und vollgepfropft mit Zucker und Likören,
Sank hin Vert -Vert auf einen Berg von Kuchen,
Aus I^ebensblübn gestürzt in Todesgraus,
Und hauchte trotz den eifrigsten Versuchen
Der Schwestern seine Seele seufzend aus.
Er ward im Schoß des Glücks, in voller Kraft,
Die nur durch süßes Übermaß verdorrte,
Als Opfer der Beliebtheit hingerafft.
Bewundert wurden seine letzten Worte.
Die Augen hat ihm Venus zugedrückt,
Hat ihn zum Hain Elysiums entrückt,
Zum Rang der Heldenpapagein erhoben,
Gleich jenem, den um seiner Weisheit Proben
Corinnas Freund mit Sangesruhm geschmückt.
Die Trauer um den heimgegangnen Lieben,
Kein Griffel stellt sie dar. Ein Nekrolog
Ward von der Schwester Schaffnerin geschrieben,
Aus dem ich seines Lebens Schildrung zog.
Damit's der Nachwelt unverloren sei,
Schuf ich nach der Natur sein Konterfei ;
Gar manch geschickte Hand wüßt' ihm das Leben,
Geleitet von der Liebe, neu zu geben,
Teils auf Gemälden, teils auf Stickerei,
Und was der Gram auch malte, was er stickte,
Es waren Tränen, die man drin erblickte.
Mit allen Ehren ward er beigesetzt,
Die man erweist gefeiertem Geflügel,
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Vert- Vert
2o3
Und eine Myrte schattet seinen Hügel.
Dort prangt ein neues Mausoleum jetzt,
Wo von den Händen gottgeweihter Wesen
In goldner Schrift auf einem Porphyrstein,
Umrahmt von Blumen, dieser Vers zu lesen ;
Wer liest ihn, ohne tief gerührt zu sein:
Novizen, die ihr kommt, in diesem Hain zu plaudern,
Geschützt vor strenger Schwestern Bann,
Ein Weilchen, wenn ihr könnt, verharrt in stummem Zaudern,
Hört unser Unglück an.
Ihr schweigt! Müßt ihr euch drob zu viel versagen,
Sprecht, aber sprecht, uns zu beklagen;
Ein einzig Wort erklärt euch unsern edlen Schmerz:
Hier liegt Vert -Vert, und mit ihm unser Herz.
Doch munkelt man (mit letztem Federstrich
Will ich's verraten), daß aus jenem Grabe
Des Vogels Geist sich fortgestohlen habe,
Daß in die Nonnen seine Seele schlich,
Und daß der Papagei durch Seelenwandern
Einwohnend einer Schwester nach der andern
Sich und sein Plappern forterbt ewiglich.
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DAS LEBENDIGE CHORPULT
Nicht weit vom Ufer des Auron und Cher
Ist irgendein uraltes Nest gelegen
Mit einer halbverfallnen Kirch', in der
Blutarme Priester ihres Amtes pflegen.
Dort sieht man nicht die wohlgenährten Herrn,
Die sich im Schöße glücklichen Behagens,
Von Übungen und von Kasteiung fern,
Bloß mühn um das Gedeihen ihres Magens;
Man sieht Gesichter nur mit bleichen Wangen,
Die kein Champagner läßt in Purpur prangen.
Dürftige Pfäflflein, hagre Mönchsgestalten,
In groben Kutten, ohne Doppelkinn —
So schleichen blaß vor Hunger sie dahin
Und müssen selber jedes Dienstes walten.
Doch ihnen beizustehn befleißen sich
Noch ein Kaplan sowie vier Sängerknaben,
Die allesamt zur Herbergswirtin haben
Frau Barbara; sie hegt sie mütterlich,
Und Vater ist für sie der ganze Ort.
Um besser zu verstehn, muß man erfahren :
Es lebt Frau Barbara mit achtzig Jahren
Als Veteran in der Gemeinde fort,
Vormals ein blühend Mägdlein, heut verdorrt ;
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Das lebendige C b or pult 2 o 5
Mit sechzehn, bang vor der verderbten Zeit,
War, um dem Garn der Laien und der Frommen
Nicht auszusetzen ihre Sittsamkeit,
In eines Chorherrn Dienste sie gekommen,
Zuerst als Magd ; sodann jedoch gradaus
Schwang sie sich auf zum Regiment im Haus.
Vererbt gesehen hat sie dreimal schon
Jed Kirchenamt vom Vater auf den Sohn ;
Kurz, Barbaras Kredit hielt ungeschwächt
Im Stifte von Geschlecht sich zu Geschlecht.
Dort also jüngst begab sich unsre Mär,
Und streng der Wahrheit nach sollt ihr sie wissen.
Dem Ghorbub Lukas war von ungefähr
Das Futteral des Unterlands zerschlissen.
Das heißt, sein Höschen war nicht mehr zu flicken
Und zeigte, mürb geworden, manches Loch;
Die Bresche, jeden Tag sich weitend noch,
Ließ schon die ganze Festung überblicken.
Barbara sieht's betrübt; doch was beginnen?
War sie doch arm, und Stoffe kosten Geld ;
Auch in dem Kirchenschatz kein Pfennig drinnen.
Zudem besaß der kleine Unglücksheld,
Der als Erzeugnis eines Unbekannten
Ermangelte der Eltern und Verwandten,
Nichts anderes an dieser Jammerstätte,
Um sich zu wärmen, als des Himmels Huld ;
Er schmachtete voll arger Ungeduld,
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2o6 Das lebendige Cborpult
Das Zimmer hütend oder gar das Bette,
Bis die geschickte Wirtin drauf verfiel,
Ihm seine Blöße schicklich zu verputzen
Mit wenig Kosten und in neuem Stil;
Not zieht erfinderisch aus allem Nutzen,
Und jede Kunst lernt man von ihr am besten.
Ein Messebuch kam Barbara zur Hand,
Ein alter, großer, staubger Foliant,
Der auf dem Chorpult lag bei hohen Festen :
Zum Körper dienten dicke gelbe Schwarten
Von Pergament dem abgegriffnen Buch,
Und seine Blätter, die vom Fette starrten,
Erschienen durch das Alter weich wie Tuch.
Dem Schmöker, denkt sie, könn' es nicht viel schaden,
Würd' um vier Seiten kürzer sein Bestand ;
Sie reißt sie aus, mit Nadel und mit Faden
Drin einzubinden den lebend gen Band.
Doch weil die Frau nicht recht im Bücherwesen
Bewandert war, ergab ein Zufallsspiel,
Daß ihre Wahl just auf die Blätter fiel,
Worauf die große Messe stand zu lesen.
Sie pflasterte, nachdem das Werk vollstreckt,
Mit ihm das Hinterteil des armen Kindes,
Und Lukas bot, von frommem Text bedeckt,
Kein Ziel mehr für den rauhen Griflf des Windes.
Nun aber naht ein Festtag, den erheblich
In dieser Kirche man zu feiern pflegt.
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Das lebendige C b or pult
20
Der Kantor als des Chorpults Meister schlägt
Das Meßbuch auf; er sucht, jedoch vergeblich;
Er blättert eine Zeitlang unentwegt,
Er schimpft, er flucht und schreibt zuletzt die Lücke
Den Ratten zu, die von dem Buch gespeist,
Als mitten in der herben Not zum Glücke
Sein wirrer Blick ihm Lukas plötzlich weist,
Der in der Knaben feierlichem Zug
So Text wie Noten auf dem Hintern trug.
Der Kantor schaut, und alles, was er sucht,
Er findet's hier an neuem Platz gebucht.
Sogleich vermeldet er es dem Kapitel,
Und dieses kommt zum schleunigen Beschluß,
Daß, weil der Zweck hier heilige das Mittel,
Der Wicht als Buch und Chorpult dienen muß.
Man weist ihn an, sich kunstgerecht zu bücken;
Im Handumdrehn begreift er seine Pflicht:
Mit frommem, unerschrockenem Gesicht
Stützt er sich auf und krümmt zugleich den Rücken.
Durch Brillen liest man eifrig das Missale ;
Aus mangelhaften Kehlen steigt empor
Zur Wölbung dieser sonderbare Chor,
Ein Anblick, wert, daß ein Callot ihn male.
Glatt ging es bis zum Evangelium.
Stolz wie ein Römer, ohne sich zu regen,
Hielt Lukas weiter seinen Rücken krumm
Und sah schon rühmlichstem Erfolg entgegen.
208
Das lebendige Chorpult
Doch leider durch des Pergamentes Naht
Bahnt eine kecke Wespe sich den Pfad
Und macht das fühlende Gesangbuch scheu.
Zuerst bezwingt sich Lukas trotz den Qualen
Und rührt sich nicht. Als aber ihn aufs neu
Der Stachel trifft zu wiederholten Malen,
Rennt er zur Rettung vor dem Ungeheuer
Davon, laut schreiend, als verzehr' ihn Feuer,
Und rastet nicht, bis er am stillen Ort
Das Blatt gewendet und das Tier vernichtet.
Die Mär beruht auf Wahrheit, Wort für Wort;
Von zwei Gascognern ward sie mir berichtet.
LAVALLÉE DESFONTAINES
(GUILLAUME FRANÇOIS FOUQUES DES HAYES)
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DIE FUjTTERSCHWINGE
In einem Dorf der Landschaft Maine beschloß
Ein Landmann Pierre Pigal mit sechzig Jahren,
Dieweil ihn seine Witwerschaft verdroß
(Manch einer weiß das Glück nicht zu bewahren),
Nochmals zu kriechen in das Ehejoch.
Er war ein Tor: der Teufel jagt uns alle,
Wenn wir schon wacklig sind, in diese Falle;
Wir büßen 's; unser Schicksal scheint's jedoch.
„Wer alt wird, soll sich nicht zu lang besinnen",
So sprach Pigal zu sich ; «es läßt mein Feld
Ein gut verzinslich Sümmchen mich gewinnen,
Und auf den Nachwuchs, den noch in die Welt
Ich setzen will, vererb' ich dieses Geld."
Benachbart war in väterlichem Schutz
Ein fünfzehnjährig Mägdlein aufgeschossen,
Das nach der Mutter frühem Tod entschlossen,
Gewandt und frisch, dem Pachtbetrieb zu nutz,
In Haus und Hof die Wirtschaft hielt im Schicke
Und fest am Zügel führte das Gesind.
Vor allem war Manon ein hübsches Kind,
Mit blauen Augen voller Schelmenblicke,
Mit braunen Locken und geschwellter Brust;
Sie zwang, wenn Sonntags zur Musik mit Lust
«4*
2 I 2
Die Futterscbwinge
Sie leicht in feinem Mieder, rosa Schuhn
Und weißen Strümpfen schwebte durch die Fluren,
Gleichgültigste, nach ihr sich umzutun,
Und viel Verliebte folgten ihren Spuren.
Den Alten auch beschlich die Herzensplage;
Er sieht sie, liebt sie, kommt um den Verstand,
Er läuft ihr nach, merkt sich des Hauses Lage,
Kehrt heim, wirft sich ins Feiertagsgewand,
Geht zu dem Vater, wirbt um ihre Hand,
Und der erteilt sein Jawort zum Vertrage.
Pigal war reich ; drum werdet ihr's verstehen ;
Ihr wißt ja, liebe Leser, so wie so :
Der Hauptpunkt ist bei dem Vollzug von Ehen
Der Vorteil, dort in Maine wie anderswo.
Grausamer Brauch ! Manon verfallt in Leid,
Seufzt still, sobald es ihr gelangt zu Ohren,
Welch einen Mann der Vater ihr erkoren ;
Denn einem andern ist ihr Herz geweiht,
Für den sie heimlich loderte schon lange.
Doch weil vergeblich ist ihr Sträuben all,
So fügt zuguterletzt sie sich dem Zwange,
Und nach acht Tagen wird sie Knall und Fall
Trotz ihrem Widerwillen Frau Pigal.
Nun ist sie Gattin ; ehelich gepaart
Vor dem Notar mit seiner jungen Schönen
Tut unser alter, braver Knasterbart,
Was irgend er vermag, sie zu verwöhnen ;
Er glaubt, es mach' ihn jung, sie nur zu schaun,
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Die Fu 1 1 er s c hw in ge
2 1 3
Und liebt sie zärtlich, ohne sie zu stören.
Denn (was ftir euch sehr wichtig ist zu hören)
Er hegte zu Manon ein blind Vertraun;
Kurzum, Pigal war solch ein Mustergatte,
Nicht wie man in Florenz und Rom sie zeigt,
Nein, wie man stets in Frankreich gern sie hatte,
Fügsam und nicht zur Eifersucht geneigt.
Wer aber, werdet ihr nunmehr mich fragen,
War der Adonis, den, bevor dies Band
Ihr fesselnd um die Glieder war geschlagen,
Manon geheimer Gluten würdig fand?
Des Dorfes Löwe war es und sein Stolz,
Ein großer, strammer, gutgewachsner Bengel,
Vor dem die Tugend aller Weiber schmolz,
Frisiert, gelockt, gepudert und im Sprengel
Ringsum der Hahn im Korb — mit einem Wort,
Es war der Schultheiß im besagten Ort.
Er hatte Philosophen durchgelesen,
Auswendig wüßt' er manch beliebt Gedicht,
Er war drei Monat' in Paris gewesen,
Wo, sehr vertraut mit Rechten und Gericht
Und mit den schönen Geistern im Verkehre,
Zum halben Lizentiaten er's gebracht.
Doch ohne Glück ist Wissenschaft Chimäre!
Pigal wird Sieger, und in seiner Macht
Ist nun der Schatz, für welchen sein Rival
(Denn daß Erwerb und Rang den Liebesleuten
Nichts gegen ihrer Sehnsucht Ziel bedeuten,
1 4
Die Futter schwinge
Erfuhren schon wir alle manchesmal),
Für welchen, sag' ich, dieser Unglücksrabe
Geopfert hätte freudig seine Habe,
Bestallung, Titel, Amtskleid, Barbesitz
Und Namen, inbegriffen die Justiz.
Nicht lang jedoch braucht seine Huldigung
Vor der Geliebten Fenster stumm zu schmachten.
Manon hat ihm bewahrt ihr zärtlich Trachten
Und macht sich klar, sie sei nur einmal jung.
Geheim empfängt sie den Galan somit,
Ein-, zweimal, dann tagtäglich, Woch' um Wochen.
Nichts steht im Weg, nachdem das Eis gebrochen :
Schwer in der Lieb' ist nur der erste Schritt.
Pigal zäumt eines Tags im Morgengrau
Sein Maultier und entfernt sich in Geschäften
Im Trab von seinem Haus und seiner Frau.
Der Trautgeselle, durch die Liebe schlau,
Stellt gleich sich ein ; Manon versorgt nach Kräften
Den Suppentopf und kocht ein fettes Huhn;
Ihr Freund verschmäht nicht, fleißig mitzutun,
Und noch bevor die Turmuhr zwölfe schlägt,
Sitzt unser Paar bereits beim Mittagessen,
Und ihr Gespräch bei Tisch läßt angeregt
Die Liebesleutchen ihren Gram vergessen.
Sie waren glücklich ohne die Tiraden
Von falschem Geist, mit dem man heut sich ziert
Und der bewirkt, mit Feinheit überladen,
Daß trotz dem Feuerwerk die Seele friert.
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Die
Fu t ter sc hwinge
2 I 5
Den Appetit verstärkt Zufriedenheit;
Derweil die Schelmin und der Schultheiß schwören :
„Ich liebe dich, zum Tod für dich bereit",
Ging ihnen doch vom Schmause nichts verloren,
Und beide kauten trotz der Glut nicht schüchtern.
Held Seladon, der treue Sklav' der Fraun
War höchst bedürfnislos und schwärmte nüchtern
Die Schönheit an, falls wir der Chronik traun;
Auf seine Liebe war gewiß zu baun :
Doch wie mir däucht, vermag durch solch Kastein
Des Herzens Wärmegrad gar leicht zu sinken.
Nur unser Paar, ob seufzend auch zu zwein,
Versäumte nicht, zu essen und zu trinken.
Die Liebe wächst, sobald sie gut gespeist,
Und etwas Wein trägt bei, sie zu befeuern ;
Der Schultheiß, angeschürt vom Rebengeist,
Liebäugelt kunstgerecht mit seiner Teuern,
Küßt ihr den Arm, verschlingt beinah die Hand,
Ergreift ihr Glas und trinkt, wo sie getrunken :
Ein Liebesspiel, bei Tisch vorausgesandt,
Das leichte, lose Spiel der ersten Funken,
Die kleinen Wonnen, die recht groß zu nennen
Ich wagen darf bei denen, die sie kennen :
Dumm, wer sie höhnt, und glücklich, wer sie fühlt!
Jedoch das Glück, je stärker wir entbrennen,
Ach, um so schneller wird es abgekühlt.
Bei diesem Feste, das der Liebe galt,
Verrauschten hurtig unserm Paar die Stunden.
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2 l6
Die Futter schwinge
Der Tag entfloh ; doch ihrer Glut Gewalt
Ließ, als er vorgerückt zum Ahend bald,
Sie glauben, daß der Morgen kaum entschwunden.
Die Nacht brach an, da klopft es an das Haus :
Es ist Pigal. „O Himmel, was beginnen?
Mein lieber Schultheiß!" — „Wo, Manon, hinaus?"
Er will durch eine Hintertür entrinnen ;
Kein Ausgang ! Selbst ein abgefeimter Buhle
War' hier gelangt in eine harte Schule;
Dem unsern auch ging sein Latein hier aus ;
Des Bodens Falltür sieht er offen stehn,
Erklimmt, als ob's um Kopf und Kragen ginge,
Den Speicher, und aus Furcht, man könnt' ihn sehn,
Deckt er das Loch mit einer Futterschwinge.
Manon beeilte sich nun ihrerseits,
Pigal die Tür zu öffnen, der im Garten
Umkam vor Kälte; denn es fror bereits.
„Grüß Gott, Manon, ich könnt' es nicht erwarten,
Zurückgekehrt dich in den Arm zu schließen ;
Mein Kind, solang ich fern war, dacht' ich dran,
Die Langeweile könne dich verdrießen."
O, welch Juwel von einem Ehemann !
Zum Handkuß fühlt Manon sich feist verfuhrt,
Weil sie dies Übermaß von Güte rührt.
„Ei, was der tausend," sagt er, „schau nur, schau,
Du speistest schon ! So recht, mein Zuckerhäschen.
Komm, trinken will ich auf dein Wohl ein Gläschen !"
Das erste Glas galt seiner kleinen Frau ;
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Die Futter schwinge
2 1 7
Jedoch des Wackren Schwäche war der Wein :
Das zweite folgt ; nun schwatzt er breit und lange,
Am Herde spielend mit der Feuerzange,
Und schläft beschwipst auf seinem Lehnstuhl ein.
Er schnarcht nach Noten, während in Bedrängnis
Der Liebste droben kaum zu atmen wagt
Und gern entschlüpfen mochte dem Gefängnis ;
Ein wenig rückt er ab und zu verzagt
Die Futterschwinge, um hinabzugucken.
Manon beschwört ihn zwinkernd, klug zu sein,
Sich in des Käfigs Hintergrund zu ducken ;
Doch leuchtet ihm der Rat so wenig ein,
Daß, um zu spähn, den Hals er vorwärts reckt;
Und mit der Hand stößt unbehilflich irrend
Er an die Schwinge, die den Eingang deckt.
Sie fällt, und durch das Loch herunterschwirrend
Fällt er mit ihr dem Hampel auf den Rücken.
„Gevatter, hier die Schwinge; schönsten Dank",
Ruft der Galan im Sturze schreckenskrank.
Pigal erwacht und glaubt an Mördertücken;
(( Manon, was ist das?!" — „Die er ausgeliehn,
Die Futterschwinge bringt der Schultheiß wieder",
Versetzt Manon, vor Angst noch starr die Glieder.
Pigal ruft zornig: „Hol' der Teufel ihn.
Er bringt sehr linkisch wieder, was er lieh ;
Zerschlagen sind mir Schulter, Hüft' und Knie.
Verwünschter Schultheiß! Meiner Seel', ich dachte,
Daß mir der Speicher auf den Rücken krachte."
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2 1 8
Die Futterschwinge
Ein Gott behütet alle Liebespärchen ;
Fällt eine heikle Überraschung vor,
Dann raunt er ihnen guten Rat ins Ohr,
Wie man sich hilft mit irgendeinem Märchen,
Um niemals unversehns ertappt zu werden.
Was also tun? Wie dem Gezücht entfliehn,
Wie sich den schnöden Kränkungen entziehn,
Die jedes Ehemannes Stirn gefährden?
Ist denn kein heimlich Mittel aufzutreiben
Zum Schutz davor? Nach reiflichem Bedacht
Erblick' ich nur das eine : Ledig bleiben.
Wen' s aber dennoch lockt, sich zu beweiben,
Der tu's und stelle Gott anheim das Weitre.
Pigal, der Glückliche, der Seelenheitre,
Geht aus, kommt heim, betrinkt sich und schläft ein :
Wohl ihm ! Der Weise läßt fünf grade sein,
Statt über diesen Punkt nach einer Klarheit
Rastlos zu jagen, die man gern entbehrt,
Bedenkt man, welchen Kummer sie beschert;
Und obendrein erfahrt man nie die Wahrheit.
Trotz allem eifersüchtigen Bemüh n
Wiegt Amor listig in den Schlaf die Gatten ;
Zwar geht nicht jedes Wagnis glatt von statten,
Und manchmal können ihm Gefahren blühn;
Doch wenn man ihn erwischt, seid guter Dinge :
Er zieht sich, ob mit einer Futterschwinge,
Ob mit was andrem, immer aus der Schlinge.
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CLAUDE JOSEPH DORAT
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ALFONSO
Als König Heinrich auf Kastiliens Thron
Regierte, war sein Hofstaat flott und weichlich.
All das, was eine fürstliche Person
Bestrickend macht, besaß er überreichlich,
War schön, galant und stattlich von Gestalt.
Sein Schloß, erfüllt von stets erneuten Räuschen
Der Freude, ward ein Feenaufenthalt,
Mit holdem Laster lockend auch die Keuschen;
Das Beispiel wirkt mit magischer Gewalt,
Und Amors List weiß die Vernunft zu tauschen.
Auf die Turniere ward der Tag verwandt;
Die Nacht, die Gönnerin der Zärtlichkeiten,
Ließ flechten von manch jungen Liebchens Hand
Den Myrtenkranz, den Liebesgötter weihten.
Seltsam ! Nur Heinrich spielte bei dem Spiel
Der Männer den Ermatteten und Lahmen,
Unzart beleidigend verliebte Damen,
So daß die Tugend ihnen lästig fiel
Und sie an seiner Kühle Feuer fingen.
Schon tuschelten sie miteinander leis ;
Schon ließ ihr Stolz, von seines Herzens Eis
22 2
Alfonso
Herausgefordert, alle Minen springen.
Umsonst. Er bot nur Kälte zur Belohnung.
Die Damen strengten sich nicht weiter an
Und lachten über ihrer Tugend Schonung,
Soweit in solchem Fall man lachen kann.
Beklagenswerter Heinrich ! Mit den Schätzen
Des Inka läßt sich Wollust nicht ersetzen ;
Ein Thron ist viel, doch nichts für sich allein !
Genießen heißt in Wahrheit Herrscher sein.
Jedoch gleichviel, es fand in Höflingskreisen
Des Herrn Betragen keinen Widerhall;
Zu solcher Schmiegsamkeit bringt's kein Vasall.
Alfonso wird es uns vielleicht beweisen ;
Doch wer zuviel beweist, kommt leicht zu Fall.
Man sagt, er war beschenkt von der Natur
Mit straffen Waden, glänzender Figur,
Mit hohem Wuchs, mit übergroßen Augen
Und schwarzen Braun, die zur Verfuhrung taugen,
Kurzum, ein Herkules in Miniatur,
Noch in der vollsten Jugendkraft sogar,
So daß bereits nach flüchtigstem Examen
Es unverkennbar feststand fur die Damen,
Daß dieser wie für sie geschaffen war,
Und alle regsten Anteil an ihm nahmen.
Er hatte Glück ; für Gutes Bahn zu brechen
Durch echte Taten, trägt geringen Lohn.
Er wählte jenen vornehm seichten Ton
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Alf on so
223
Der kleinen Scherze, die Erfolg versprechen,
Betrieb des Tändeins Kunst, die leichte, lose,
War in Burgos dem Geist nach ein Franzose.
Von einer einzigen ward sein Triumph
Geschmälert, ihm sein Siegesrecht entzogen.
Ihm war allein ihr Kopf und Herz gewogen ;
Doch mocht' auch Amor seinen stärksten Trumpf
Ausspielen, ihre Sinne blieben stumpf.
Dies schöne Weib war Sandoval geheißen;
Der Augen Blau, des Marmorhalses Gleißen,
Ein Schmachten, lockender als Schelmerei,
Samt einem Reiz, den Worte nicht benennen,
Ließ den Alfonso toll für sie entbrennen,
Und ganz Burgos war sein Rival dabei.
Doch sei's nun Hochmut, Laune, Scham, Geschick
(Den Schönen sitzt der Teufel im Genick,
Und ihre Tugend ist nur Furchtbezeigung),
Sandoval kämpft, und unter heitrem Blick
Bemäntelt sie behutsam ihre Neigung.
Sie will, daß man verkünden soll: w Ein Held,
An den die Siegeskränze sich verschwenden,
Hat alle Herzen von Burgos gefällt;
Doch Sandoval hat Säulen aufgestellt,
Die Taten dieses Herkules zu enden."
Durchaus vergeblich bleibt Alfbnsos Flehn ;
Selbst seine Tränen wecken kein Bedauern.
Was er sich wünscht, er wagt's nicht zu begehn,
224
Alfonse
Und er umschmachtet diese Festungsmauern,
Die jedem neuen Ansturm widerstehn.
Der Eifer seiner andern Gönnerinnen
Wird ihm so lastig, daß er mit sich geizt;
Er trachtet ihren Armen zu entrinnen
Und fühlt sich nicht von ihrem Reiz gereizt.
Was tut ein Herz, das unbefriedigt glüht?
Sie ließen hungrig und des Wartens müd'
Gar bald von andern Rittern sich gewinnen.
Doch laßt uns nun vor allem Überschau
Am Hofe halten. König Heinrichs Frau,
Mit Namen Blanche, war, sagt man, allzu ehrbar;
Denn ihrem Ehegatten war sie treu.
Treu? Und wozu? War Blanche denn unbelehrbar?
Unfruchtbar war sie gleichfalls und gehörte
Nicht zu den Fraun, die dem Gemahl die Zeit
Verkürzen. Nikolaus, der Papst, empörte
Sich über ihre Kinderlosigkeit,
So daß er ihrer Ehe Band zerbrach
Durch einen Bannfluch. Stets war das Begehren
Der Päpste, Kinder solle man gebären ;
Im Notfall halfen sie persönlich nach,
Bloß um die Zahl der Gläubigen zu mehren.
Die unglücksel'ge Blanche rief, so geschmält,
Gewandt zu ihrem königlichen Bette,
Mit wirren Mienen aus: „Ach, Unheilstätte !
Mit wem, ihr Götter, habt ihr mich vermählt!
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A lf onso
225
Wodurch so jung verscherzt' ich eure Huld?
Ihr wißts, und meine Schmach trifft euch nicht minder,
Ihr wißt s : wenn ich dem König keine Kinder
Geboren, trägt nur er allein die Schuld . . .
Weshalb, da meine Leiden schon unzählbar,
Hat mir des Papstes Fluch die Stirn entweiht?
Warum beschimpft er meine Fruchtbarkeit?
Da sag' noch wer: die Päpste sind unfehlbar \ ü
So klagend schied sie von Burgos dahin,
Und zum Ersatz der armen Königin
Ward Portugals Infantin auserkoren.
Alfonso, der, in seinen Liebelein
Behindert, jede Hoffnung gab verloren,
Wollt' ein'ge Zeit vom Hofdienst sich befrein
Und anderswo sich neuen Herzen weihn.
Man wartet auf die Braut; er wird ernannt,
Prinzessin Henriette einzuholen.
Er muß vollbringen, was ihm streng befohlen ;
Sein Wunsch und seine Pflicht gehn Hand in Hand.
Nur Sandoval kann sich so leicht nicht fassen ;
Sein rascher Aufbruch und das Lustgefühl,
Das er mit rücksichtsloser Miene kühl
Zur Schau trägt, im Begriff, sie zu verlassen,
Und sein und der Infantin junges Blut,
Dies alles trübt und ängstigt ihren Mut.
An ihrer starren Tugend Überdruß
Empfindend, schilt sie sich ob ihrer Rauheit;
Fulda, Die gepuderte Muse l5
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226
A Ifonso
Sie merkt, wie sehr es ihr gefehlt an Schlauheit
Und daß die Strenge Grenzen haben muß.
Sie denkt: „Er reist und wird mich bald vergessen.
Ach, wenn geringer wäre seine Hast,
Was dann geschähe, läßt sich kaum ermessen;
Mein armes Herz trägt eine Zentnerlast."
Der Tag erscheint; Alfonso, frohgestimmt,
Besteigt mit dem Gefolg' den Reisewagen,
Und Sandoval bedauert ein Betragen,
Das den so heiß geliebten Mann ihr nimmt.
Das Bräutchen wartet ; kürzen wir die Reise !
Auf einen Schlag, ihr Freunde, seid versetzt
Nach ihrem Schlosse, das der Tajo netzt;
Schaut, ob ich grundlos ihre Schönheit preise.
Erst sechzehn Jahre zählt sie kaum ; gesteht,
Das ist ein hübsches Alter, liebe Leute,
Und kleidet gut sogar die Majestät.
Für Amors Pfeil mithin willkommne Beute!
Man stellt Alfonso der Infantin vor,
Und ihren Ruf, er sieht ihn übertroffen.
Weit ist sein Auge vor Bewundrung offen,
Sein Herz vergißt, wozu man ihn erkor.
Er sucht zu sprechen, doch umsonst; er lallt.
Trotzdem versteht die Schöne mit Entzücken,
Was er imstand nicht ist ihr auszudrücken.
Denkt euch die schlankste, zierlichste Gestalt,
Die je vou Meister Amor ward gerundet,
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A Ij on so
Mit Rosenlippen, recht zum Pflücken frisch,
Ein reizend Füßchen, das verführerisch
Manch andre, mehr geheime Schätze kündet,
Die junge Brust, so zart, daß sie mit Küssen
Üie Augen statt des Munds bedecken müssen,
Tiefschwarze Haare, wallend frei und kühn,
Zwei große dunkle Augen, deren Sprüh n
Aus Untertanen läßt Verliebte werden,
Der Hebe Feuer und des Frühlings Blühn
Samt jedem Zauber lieblicher Gebärden,
Kurz, ein Geweb von Reizen, so vollendet,
Daß es durch aller Einklang doppelt blendet:
Dies ist ihr Bild. Solch seltenem Verein
Verband sie Lust an jeder Lebenszierde,
Erschloß ihr Herz der zärtlichen Begierde
Uud dem Gelöbnis, nicht zu spröd zu sein ;
Ils hieß sogar, ein junger Ritter habe
Bereits an dieser Milde sich erfreut.
O Heinrich, Heinrich, wie doch manche Gabe
Der Himmel ohne jede Wahl verstreut !
Solch süß Geschenk — was fängst du mit ihm an?
Die pfiffige Prinzeß, die ahnungsvolle,
Fand den Alfonso für die Heldenrolle
Geeigneter als ihren künftigen Mann.
Denn, im Vertrauen, die geschwätzten Zungeu,
Durch die das schleichende Gerücht, verstärkt
Von tausendfachem Echo, rings vermerkt
A lf on so
Der Fürsten sämtliche Beschäftigungen
Und ihre Macht und ihre Wundertaten,
Verbreiten eifrig ihre Ohnmacht auch ;
So war zu Henriettens Ohr ein Hauch
Des allgemeinen heiklen Klatschs geraten,
Und Heinrich schien als Held ihr nichts zu taugen.
Doch sein Gesandter sticht ihr in die Augen.
Bei dieses schönen Spaniers erstem Nahn
Glaubt sie das grade Gegenteil zu spüren,
Und besser paßt ihr dies in ihren Plan
Als jener Mangel, der zu nichts kann führen
Und hinzieht ohn' Ergebnis den Roman.
Sie hatte jene halben Worte schon,
Die man versteht, die nur entgehn den Dummen,
Alfonso zugeraunt mit Flüsterton,
Und Antwort gab ihr deutlich sein Verstummen.
Was hier an Reizen ihm entgegenfunkelt,
Dünkt reicher ihm, je länger er drauf blickt ;
Die Schönheit, die den Schweigenden bestrickt,
Zeigt jeden Zug vom anderen verdunkelt.
Er, der im Geist vor diesem Wunder kniet
Und hingerissen alles wähnt zu sehen,
Muß sich im selben Augenblick gestehen,
Daß nichts er sah, wenn er sie lächeln sieht.
Man ist bereit ; nun heißt's : auf und davon.
Die schöne Fürstin schickt sich an zum Scheiden,
Die Stirn geschmückt mit köstlichen Geschmeiden;
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Al] on so
2*9
Es ruft Burgos ; es hält sie Lissabon.
Burgos gewinnt; man reist. Vom ganzen Schloß
Wird ihr voll Trauer das Geleit erwiesen ;
«Es lebe die Infantin!" ruft ihr Troß.
Mit Blumen wird von jungen Portugiesen,
Von weinenden, ihr Ehrenpfad geziert;
Sie möchten stets ihr folgen, stets ihr dienen.
Wer ihre Seufzer hört, der denkt von ihnen,
Daß jeglicher sein Lieb in ihr verliert.
Alfbnso, wie betäubt, nimmt keine Kenntnis
Von dem, was vorgeht, schaut nur sie allein,
Kaum noch verbergend seine Liebespein;
Zwei Herzen feiern stilles Einverständnis.
Jedoch die Gardedamen, schnöde Drachen,
Weibliche Sittenpolizei, bewachen
Die beiden unterwegs. In solchen Schranken
Bleibt nur verstohlnes Äugeln freigestellt ;
Vor Zeugen fühlt Gott Amor sich als Kranken :
Der Pfeil kehrt wieder, wie er abgeschnellt.
Alfonso wird von Ungeduld verzehrt;
Hingegen lacht und freut sich Henriette,
Trägt Unschuldsmienen nur aus Etikette,
Ein Spiel, das ihre Reize noch vermehrt.
Burgos erscheint, und lautes Jubelrufen
Hebt allenthalb sich zu des Himmels Blau;
Ein glücklich Volk deckt Straßen, Häuserstufen;
Castiliens Pracht und Reichtum steht zur Schau.
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?.3o
A If onso
Die Königsbraut gelangt zum Schloß zuletzt,
Neugierigem Begaffen ausgesetzt.
Der ganze Festschmuck, den man aufgeschichtet,
Die Diamanten und der Blumenflor
Sind nichts; der Blick ist nur auf sie gerichtet.
Ihr treu zu sein schwört ihr das Volk im Chor,
Ein Schwur, von Liebe stammend und sie weckend ;
Der König naht mit wenig Selbstvertraun,
Vor ihrem Reiz errötend und erschreckend.
Doch wie beschriebe man des Hofes Fraun,
Ihr Nasenrümpfen, ihr geheimes Graun,
Die Henriettens Anmut höher preisen
Als alles Lob und alle Jubel weisen?
Zu große Schönheit, zu vollkomniue Gaben,
Die Kunst, mit ihnen alle Welt zu laben,
Sic sind ein Fehl, den junge Weiblichkeit
Selbst einer Königin nur schwer verzeiht.
Für Sandoval o welch ein Unglückstag !
Sie war erschienen, ihren Hochmut zähmend,
Und er, der einer anderen erlag,
Kam heim, durch Nichtbeachtung sie beschämend.
„Ach," ruft sie, „dumme Tugend, laß dir fluchen!
Er lag vergötternd mir zu Füßen, schmolz
Vor mir dahin, und mein verwünschter Stolz
Ließ meine Nebenbuhlerin ihn suchen."
Am Abend wird ein Festgepräng entfacht.
Den Gästen loht ein Feuerwerk entgegen ;
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Alfonso
23 i
Mit neuen reichen Sternen schmückt's die Nacht,
Läßt Flammen schlängelnd, hüpfend sich bewegen,
Steigt auf als Streif und fällt herab als Regen.
Dann folgt ein Mahl. Die junge Herrin spendet
Dem König unter goldnem Baldachin
Den ältsten Nektar und umschmeichelt ihn.
Ach, alle Müh' und Sorgfalt ist verschwendet !
Man bringt ihr von Juwelen einen Schwall
In Alabaster- und in Porphyrschalen,
Und sie verteilt sie an die Damen all.
Ihr holdes Lächeln wirkt wie Sonnenstrahlen.
Der König freut sich, und das steht ihm gut;
Er bietet ihr durch Artigkeitsentfoltung,
Falls mein Verdacht auf Richtigkeit beruht,
Für seine sonst'ge Kargheit Schadloshaltung.
Zum Schlüsse wird ein Maskenball verfügt;
Man foppt und neckt sich in erhitztem Sprudel,
Die Menge tobt und stürzt sich in den Strudel,
Man ist schachmatt und hat sich sehr vergnügt.
Des Rückzugs Stunde bricht nun endlich an,
Zeit des Mysteriums in Amors Reichen,
Auf die der Liebende kaum warten kann.
Den König läßt die Furcht vor ihr erbleichen.
Der jungen Fürstin gibt man das Geleit ;
Man schaut sich an mit heimlichem Gekicher
Und tuschelt: w Armer Heinrich, allzu sicher
Ist deine Schmach ; das Opfer ist bereit,
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Alf on so
Und sich verschönend macht's dein Elend schlimmer. M
Noch manches raunt man grinsend sich ins Ohr.
Der König schützt ein heftig Kopfweh vor,
Verkrümelt sich und flüchtet in sein Zimmer.
Auf einen kostbar ausstaffierten Pfühl,
Den goldne Fransen überreich verzieren,
Fällt der Infantin Blick mit Wehgefühl.
Sie sieht sich abgeschnitten von den Ihren,
Sie denkt in ihrer Einsamkeit zurück
An Lissabon, wo, zärtlich sie zu hegen,
Sich einten Frohsinn, Scherz und Jugendglück.
Was ist ihr dieser goldne Pomp dagegen,
Was dieses Himmelbett, so prunk beschwert?
Des Brautbetts wahrer Schmuck ist Liebessehnen,
Und nur ein glücklich Paar verleiht ihm Wert.
Ihr einsam Lager netzen ihre Tränen ;
Sie ruft: „Hab' ich kein Recht, mich aufzulehnen,
Wenn man mir Lieb' und Gegenliebe stiehlt?
Ich muß, statt daß ich meine Sehnsucht stille,
Allein hier schlafen, während mir der Wille
Des Himmels klar das Gegenteil befiehlt!
Wenn dies hier dauert, und das furcht' ich fast,
Wird mich der Papst für unfruchtbar erklären.
Vor Ärger stürb' ich unter dieser Last ;
Ich weiß, ich könnte mich gar wohl bewähren,
Und mag auf keinen Fall den Papst bemühn.
Was aber kann mir in Burgos noch blühn?
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Alfonso
233
Dies wüßt' ich . . . Ehrgeiz nur hat mich verwirrt!
O du, den meine Sinne sich erlasen,
Alfonso, weh, warum nicht bist du Hirt,
Nicht Hirtin ich, nicht dieses Bett ein Rasen ?
Derweil sich Henriette so verzehrte,
Empfand Alfonso nicht geringre Pein ;
Er dacht' an die geheim so heiß Verehrte,
Mit der er noch durch Blicke nur verkehrte.
Wer könnte seiner Liebe Dolmetsch sein?
Wer rät ihm, wie er Heinrich täuschen kann?
Ein König ist kein Dutzend-Ehemann.
Alfonso sieht den ganzen Reiz der Süßen,
Die leider nun verlassen schmachten muß,
Vergehen, lechzen und in Tränen büßen;
Schuf Amor solche Frucht nicht zum Genuß?
„Allmächt'ger Gott," ruft er in Herzensnöten,
„Soll niemals, niemals eines Liebsten Kuß
Die Lilien ihres schönen Busens röten,
Nie halb erschließen ihren Zaubermund,
Kein Kühner streicheln all dies holde Rund,
Um selber sich durch solchen Rausch zu töten?
Nein, nein, ich schwöre ..." Doch sein Schwur erstickt,
Da Heinrich eilends nach dem Günstling schickt.
Vertraute sind die Zwei von Kindheit an.
Der König, der, umringt von Sklavenseelen,
Kein besser Ziel des Zutrauns weiß zu wählen,
Liebt ihn, soweit ein König lieben kann.
I
2.34 Alfonso
Alfonso fliegt ins Throngemach, und dann
Hält ihm, so wird berichtet, ohne jede
Verblümung Heinrich etwa diese Rede:
„Ich herrsche, Freund, und mich bestaunt die Welt ;
Mir front mein Volk, ich bin mit Gold beladen;
Krieg oder Friede wird, wie mir's gefällt,
Macht hab' ich, um zu nützen und zu schaden,
Gesetze geb' ich, rieht' und strafe blind,
Bin deren Schicksal, die vor mir scharwenzen,
Kurz, alles kann ich, alles ohne Grenzen;
Bloß meiner Frau kann schaffen ich kein Kind !
Und doch, der Staat erfordert einen Erben ;
Das ist des Volkes Wunsch, ist sein Gebot.
Mich opfern muß ich, weil sonst Unheil droht,
Durch kluge Staatskunst neuen Ruhm erwerben.
Auch möcht' ich gerne gründlich abgetan
Das Zwinkern wissen und das Spötterlächeln,
Womit mich meines Hofes Damen hecheln,
Und Beistand tut mir not für diesen Plan.
Drum fühl' ich just zu dir mich hingetrieben,
Dein groß Talent ist mir ja längst bewußt
Und steigt, von mir beschützt, an Wert. Du mußt,
Mußt noch heut* Abend . . . meine Gattin lieben.
Ja, dien dem Staat, verschaff mir einen Sohn,
Zwei, wenn du kannst . . . Nur Kopfweh sei dir ferne ;
Beweise deinen Eifer fur den Thron,
Genau als hättest selber du sie gerne.
Doch, Freund, sei stumm in ihrem Arm ; ein Ton,
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Alfonso
235
Ein Wort, das merk dir, wäre dein Verhängnis
Und brächt' uns zwei gemeinsam in Bedrängnis.
Von dir hängt ab Castiliens Geschick,
Wie meins und deins. Sei Stütze meinem Herde!
Belauert werd' ich rings mit scharfem Blick
Und bin entehrt, wenn ich nicht Hahnrei werde."
Alfonso traut erst seinen Ohren kaum,
Im Zweifel, ob sich Heinrich lustig mache
Oder ob ihn zum besten hab' ein Traum.
„Nein," spricht der König, „ernst ist mir die Sache.
Gehorch ; ich will dir keine Falle legen,
Dir ist mein Herz und mein Geheimnis kund,
Und du verrätst mich, sträubst du dich dagegen."
So drängt, so fleht er mit beredtem Mund.
Jung ist Alfonso, mehr noch, ist verliebt.
Gläubig und eitel läßt er sich verleiten,
Da man sein Ideal ihm übergibt
Und er ans Ziel kommt ohne Schwierigkeiten.
Er übersieht die Schlinge ; von Verstand,
Von Überlegung will sein Glück nichts wissen,
Er überläßt sich seinem Liebesbrand,
Von Henriettens Schönheit hingerissen.
Zusagend streckt er rückhaltlos die Waffen,
Nimmt Urlaub von dem hohen Herrn und geht,
Worauf in Eile seine Majestät
Sich Mühe gibt, Vergnügen ihm zu schaffen.
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Al] on so
Wie er das angestellt, auf welche Weise
Er zur Vollführung das Komplott gebracht,
Ich weiß es nicht; ich weiß nur, es ist Nacht,
Weiß nur, daß Heinrich sehr geschickt, sehr leise
Einschmuggelt seinen Freund bei Henriette
Und einen Platz ihm gibt in ihrem Bette.
Die junge Königsgattin wundert dies.
Sie hält für Heinrich ihn, bebt, weicht beklommen
Zurück und weiß nicht, welch Entgegenkommen
Sie ihm erweisen soll, der keins erwies.
Ein leicht Geplänkel spart ihr weitres Schwanken.
Der hochbeglückte Vizekönig flammt,
Wagt sich heran, rückt schweigend in die Schranken,
Und bald versehen Hand und Mund ihr Amt.
Noch will sich Henriette zaghaft sträuben;
Doch das Vergnügen macht die Unschuld kühn.
Erstirbt Verteidigung nicht im Erglühn?
Alfbnso hat vermocht, sie zu betäuben.
Ihm kommt die Vorbereitungskunst zustatten,
Das köstliche Präludium, das so fein
Den Liebsten unterscheidend von dem Gatten
Die Seele lockt in Amors Netz hinein
Und überwältigt stufenweis' die Sinne.
So weckt Alfonso bei der jungen Frau
Die Stimmung zu des großen Werks Beginne ;
Die Nacht rückt vor, und er ergreift genau
Den rechten Augenblick für seine Minne.
Als glücklicher Besieger zu dem Throne
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Alfonso
Gelangt er, der für Heinrich war bestimmt.
Amor ist mit im Spiel, flicht eine Krone
Bei jeder Staffel, die er neu erklimmt ;
Derweil er die Trophäen zählt, verschwimmt
Die Rechnung ihm . . . Stets größer wird die Zahl
Und schafft für seine Lust noch kein Genügen.
Die Fürstin haucht inzwischen hundertmal:
„Mein König, Ihr ein Unmann? Oh, sie lügen!
Oh ..." Jedes weitre Wort erstickt ein Kuß.
Gott Amor lacht und will kein Silbenstechen ;
Des Herkules Gespräch kennt keinen Schluß:
Zwar schweigt er gänzlich, weil er schweigen muß ;
Doch handeln wie Alfonso, das heißt sprechen.
Die Königin erliegt so starken Waffen ;
Der holde Gott hat ihre Kraft gebeugt :
Ihr Busen wogt, ein wohliges Erschlaffen
Beschwert ihr Auge, das vom Taumel zeugt.
Um ihre feuchten Lippen spielt ein Lächeln ;
All ihre Wirrnis spricht von ihrem Glück,
Der Schlummer, der sie wiegt mit sanftem Fächeln,
Läßt ihr im Herzen die Begier zurück.
Alfonso wacht, er wacht und glüht noch immer.
Die Nähe läßt sein Feuer sich erneun ;
Doch bei des Morgenrotes erstem Schimmer
Will er am Rausch der Augen sich erfreun,
Dem Reiz, den er vergöttert, Weihrauch streun.
Wer wahrhaft liebt, der wird gesättigt nimmer.
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9.3$
Alfonso
Welch Bildnis, wie sie mit geschloßnen Lidern
Und durch den Schlummer aufgelösten Gliedern
Auf einen vollen nackten Arm sich stützt ;
Glücklicher Zufall, der dem Amor nützt!
Alfonse preßt auf jedes Fleckchen Küsse,
Da jedes neuen Zauber offenbart.
Malt, junges Volk, euch seine Hochgenüsse;
Ist alles doch ein Raub, was er gewahrt.
Doch ins Gemach, die Zufluchtstatt der Liebe,
Drangt sich der Tag; Alfbnso flüchtet sacht
Und findet flüchtend, weil er gerne bliebe,
Den schönen Tag so schön nicht wie die Nacht.
Der Morgensonne leuchtend Angesicht
, Scheucht bald den Schlummer auch von dieser Stätte ;
Wie hold ist im Erwachen Henriette !
Ihr müdes Auge blinzelt in das Licht.
Noch ist sie von Verzückung überflössen ;
Von Dankbarkeit wird ihr die Seele warm,
Und ihre Arme, sehnend aufgeschlossen,
Sind ausgestreckt nach des Geliebten Arm,
Den sie vermißt mit unterdrücktem Harm.
Sie sucht umsonst vom Brautbett aufzustehn,
Erhebt sich, sinkt zurück ; es stört die Sonne.
Wem könnte dieser Schwäche Grund entgehn?
All diese Schlaffheit ist noch immer Wonne.
Edviga naht, die Freundin, die von je
Mit ihrem Heimlichsten vertraut gewesen.
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==
A Ifonso
23g
„Komm," sagt sie, w daß mein Glück ich dir gesteh';
Schau, kannst du's nicht in meinen Augen lesen?
Siehst nicht, wie man die Wahrheit hat geschändet?
Kein größrer König als mein Heinrich lebt.
Von so viel Glanz bin ich noch ganz geblendet;
O, wie mich doch der Bund mit ihm erhebt
Und mein Bewundern seiner Macht nicht endet!
Er, der bei Tag gefallt, entzückt bei Nacht.
Was hat seit gestern er aus mir gemacht !
Er überzeugt mich, kräftigt meinen Mut;
Alfonso selbst wird neben ihm zum Schatten.
Ja, daß ich ganz gehöre meinem Gatten,
Verdient er, und ich glaub* an seine Glut.
Ich dachte nach, Edviga; Leidenschaft
Ist nur ein Taumel, der vorüberhastet,
Von kummervoller Reue bald entrafft.
Die Gegenwart entflieht, die Zukunft lastet;
Nur Pflicht, geweiht von Lieb', ist dauerhaft.
k Heinrich macht mir die Fessel zum Gewinn;
Er wird sie mir mit Blumen stets um weben,
Ich steh' dafür, und eine Königin
Soll ihrem Volk ein Sittenbeispiel geben."
Die zärtliche, beredte Henriette
Wird unterbrochen, während sie noch spricht.
Vom Höflingsschwarm umringt bei der Toilette,
Flucht im geheimen sie der Etikette ;
Dem Hofbrauch aber widerstrebt sie nicht,
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Alfonso
Zeigt heuchelnd ein zufriedenes Gesicht.
Anmut und Adel wird an ihr bewundert,
Ihr Haar, in Wogen wallend bis zum Knie,
Und mit Aurora, Flora, ja, mit hundert
Göttinnen vom Olymp vergleicht man sie.
Nur von den Augen, die ein Flor umspinnt,
Schweigt man, ihr ahnt, warum ; doch mit Erstaunen
Ist man beflissen, sich ins Ohr zu raunen,
Daß sie verräterisch gerändert sind.
Bleich hält Alfbnso, stehend wie auf Kohlen,
Sich abseits im Gefühle seiner Schuld.
Schwer drückt ihn nieder seines Glückes Huld ;
Es wäre rein, hätt' er es nicht gestohlen.
Wenn er sich nähert, wird er kaum beachtet;
Von Sehnsuchtsblicken gestern noch umfaßt,
Sieht er sich heut' als Null von ihr betrachtet,
Und vor verlegner Scheu, die wenig paßt
Zu seinem Alter, scheint er ungeschlacht.
Der Wechsel ist das Werk der einen Nacht, >
Und welcher Nacht! „Ist er's, der mich besiegte?"
Fragt sich die Königin. „O falsche Wahl !
Ist er's, dem sich mein Herz erobert schmiegte?
Schon der Gedanke bringt mir Folterqual."
Der König tritt herein, vom Schlaf gelabt,
Mit klarem Aug' und rosig frischen Wangen.
Alfbnso lacht, ihn wundert nicht dies Prangen;
Der gute Heinrich hat's bequem gehabt.
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Alf on s o
Die Königin belebt sich, ihn erkennend,
Schaut ihn verwundert immer wieder an,
Fliegt auf ihn zu, sein Aussehn trefflich nennend,
Und sagt im stillen sich: „Was für ein Mann!"
Verblüffung; keiner von des Königs Leuten
Kann diesen seltsamen Geschmack sich deuten.
Die jungen Stutzer tuscheln im Verschwinden :
„Genügt Herr Heinrich unsrer Königin,
Dann hat sie milden, anspruchslosen Sinn,
Und leichten Kaufe kann sie Geliebte finden."
Man denke sich des Triumphators Wut.
Im höchsten Grad fühlt sich sein Stolz verwundet
Vom Unglimpf, den die Fürstin ihm bekundet.
Von ihm entflammt, ist Eis für ihn ihr Blut,
An ihm, der alles tat, wird nichts geschätzt;
Daß er gefallt, für Heinrich dient's zum Lohne;
Alfonso hat Alfonso mattgesetzt.
Ihm, den sie liebte, raubt sie nun die Krone.
Bei Tag der Märtyrer des Glücks bei Nacht,
Hat er's zugleich erzeugt und umgebracht,
War Biene, doch muß ernten sehn die Drohne.
Was tun? Soll er, gemartert von Begier,
Zum Schein fortan sich geiziger gebärden,
Sein lodernd Feuer dämpfen, soll in ihr
Haß wecken, um von ihr geliebt zu werden?
Sein Unglück mehren zwanzig weitre Nächte.
„Was?" ruft er, „als vermeintlicher Gemahl
Fulda, Die gepuderte Muse '6
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242 Alfonso
Plag' ich Hansnarr mich ab, damit der echte
Sich rosig färbt an meiner Siege Zahl ! w
Kaum noch bezähmt er seines Zorns Entbrennen :
Er kämpft noch ; Grimm jedoch beherrscht ihn ganz.
Die nächste Nacht gibt er sich zu erkennen,
Nimmt dem Gemahl des Buhlen Lorbeerkranz
Und will die Glut genießen, die er weckt.
Von dieser Kühnheit bis zum Tod erschreckt,
Will Henriette schrein und nennt's Verrat,
Daß als des feigen Königs Spießgeselle
Er schamvergessen ihr an dessen Stelle
Mit hinterlist'gem Raub zu nahe trat.
Alfenso läßt nicht nach, beschwört sie dringend;
Schutzwaffen sind der Würde nicht verliehn,
Und seiner Gründe Macht ist so bezwingend,
Daß Frevel ihm auf Frevel wird verziehn.
Bald ist der Königin, obwohl vom Fleiß
Alfensos man bei Hof durchaus nichts weiß,
Die gute Hoffnung deutlich anzusehen.
Mehr als genug war ja dafür geschehen.
Zum aufgeblasnen Großtun wird verleitet
Der Liebende, der zu gefällig war;
Sein ganzes Glück liegt vor ihm ausgebreitet,
Sein Ubermut verbirgt ihm die Gefahr.
Mit Siegerschritten stelzt er durch die Gassen,
Die selbstbewußte Stirn emporgekehrt,
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A Ifonso
043
Ist guter Laune, keck und ausgelassen ;
Dies niedre Weltall ist nicht seiner wert.
Doch naht für seinen Dünkel rasch die Buße.
Voll Angst spül t König Heinrich bald genug
An Henriettens Blick und kaltem Gruße,
Daß ihr verraten wurde der Betrug.
„Der Schurke hat geschwatzt, ja, keine Frage,"
Ruft der Monarch, «und alles liegt am Tage!"
Er sinnt auf Rache. Den Alfbnso zeiht
Man der Verfasserschaft verbotner Schriften.
Dem König, dessen Groll nach Sühne schreit,
Weil Kränkung und Beschämung ihn vergiften,
Gelingt's, den Inquisitor anzustiften.
In Kerkergruft sagt er dem Licht ade,
Die Folter nimmt ihn gründlich in die Schule,
Er wird verdammt und Henriettens Buhle
Soll nächstens zieren ein Autodafe.
Sobald sie von dem Greul Bericht erhalten,
Besticht sie mittels Gold das Tribunal,
Entzieht Alfbnso pfäftlscheii Gewalten,
Befreit ihn, wie Gott Amor ihr befahl . . .
Man sage noch, daß der nichts Gutes tu .
Die junge Fürstin, deren Herz gespalten,
Sucht Trost und liebt und lodert immerzu.
Es lassen sie hinftkrder schönen Tagen
Die schönen Nächte von Burgos entsagen.
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Mi
Alf on so
Was aus dem Vater ward von Heinrichs Sohn,
Ob er verbannt ward, ob er dort geblieben,
Das Glück ihm treu war oder ihm entflohn,
Das hat die Chronik a nicht aufgeschrieben.
Merkt aber, was euch die Geschichte rät :
Nie soll man seinen König, meine Lieben,
Zum Hahnrei machen, ob er auch drum fleht.
STANISLAS CHEVALIER DE BOUFFLERS
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DER AUGENARZT
ïch liebt' und ward geliebt; jedoch das holde Kind,
Dies einst mir teuerste, heut mir verhaßte Wesen,
War wie der Liebesgott an Schönheit auserlesen
Und ebenso wie dieser blind.
Sie konnte seinem Pfeil nicht lange widerstehen;
Von Liebe brannt' ihr Herz, von Liebe sprach ihr Mund.
Nur ihren Augen war nicht kund
Die Kunst zu lieben und zu sehen.
Dem Auge dankt die Liebe viel ;
Es fuhrt — wer je geliebt, der wird es nicht bestreiten —
Uns schon den halben Weg zum Ziel;
Indes, ihr schönen Fraun, gesteht, zum Liebesspiel
Gehören außerdem noch tausend Kleinigkeiten.
Doch fühlt gar oftmals durch der Liebe Zaubergaben
Zu enge sich das Herz umzäunt :
Glück ist's, ein Liebchen im Besitz zu haben,
Und Glück ist's auch, zu finden einen Freund.
Ein Freund war mein, schön, jung, voll Güte,
Mir gleich an Alter und Gemüte ;
Sein Herz und meins schlug gleichen Schlag,
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I
Der Augenarzt
Und was an Freud' und Leid uns blühte,
Wir teilten's redlich Tag für Tag.
„Freund," sprach ich einst zu ihm, „zur Gattin möcht' ich
wählen
Den blinden Gegenstand von meiner blinden Glut;
Doch schwank' ich hin und her; sprich, kannst du mir's
empfehlen?" —
„Warum denn nicht, da sie dir gut?
Das Herz ist alles, Freund, das Auge nichts dagegen.
Es richtet, wenn's auch nützt, noch größern Schaden an." —
„Ich — sei's nun aus Vernunft, sei's einer Laune wegen —
Ich will, daß meine Frau mich deutlich sehen kann." —
„Das ist es nicht, wonach ich suche.
Bist du geliebt, was tut's, ob du gesehen bist?
Ich las in einem guten Buche,
Der zeige bei der Eh' die einzig wahre List,
Der eine Blinde Freit und selbst der Blinde ist."
Er gab mir einen guten Bat ;
Weil falsche Meinungen uns aber leicht verwirren,
Versetzt' ich ihm: „Da liegt es grad.
Wenn einst an meiner Statt sich ihr ein andrer naht,
So könnte meine Frau sich irren,
Weil sie den wicht' gen Sinn entbehrt,
Der den Galan vom Mann sie unterscheiden lehrt.
Ich weiß, ihr Herz ist leicht zu kirren,
Und wenn sie den Gemahl nicht kennt von Angesicht,
Liebt sie womöglich ihn im ersten besten Wicht.
Damit den Hörnern ich entgehe,
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D et A ugenarzt
Verlang' ich bei der Brautbeschau,
Daß die von mir erkorne Frau
Nicht nur mich liebe, sondern sehe.
Die Augen braucht man in der Ehe.
Man braucht das Augenlicht ; drum will ichs ihr entfachen :
Sag, wasduwillst,mein Freund ; mich wird's nicht irre machen.
Ja, heißgeliebtes Kind, Gott wollte gnadenvoll,
Daß dir das I ,icht entzogen bliebe ;
Er schloß dein schönes Aug', damit ich s öffnen soll;
Geöffnet werden sollt' es einzig durch die Liebe.
Dir werd' ein neuer Sinn beschert durch Zauberschlag;
Die Nacht, die bleiern dir die Lider deckt, zerstiebe;
Von deines Liebsten Hand erstehe dir der Tag!"
Das Herz von Hoffnung voll, von Eifer und von Sorgen,
Versucht' ich s schon am nächsten Morgen.
Es schien, als lenke sanft auf ihrem Augenpaar
Amor mit seiner Hand die meine;
Der innre Schleier, der davor gewoben war,
Zerreißt; zum ersten Mal vom Himmel flutet klar
In ihr erstauntes Aug' das Licht mit warmem Scheine.
In ihrer Seele tut sich auf ein neues Tor;
Neu sprießt ihr eine Welt empor.
Sie sieht mich, starrt mich an, und mit Entsetzensschrei
Läuft sie zu meinem Freund. (( Wie? Willstdu vor mir fliehen?"
So rief ich. „Soll mir Zauberei
Zum Lohn für das Geschenk des Lichts dein Herz entziehen?
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25o
Der Augenarzt
Bracht' ich ein Wunder nicht hervor?
Und dies dafür die Gegengabe?
Bin fremd ich deinem Aug', das ich erschlossen habe,
So muß zum mindesten erkennen mich dein Ohr."
Sie fahrt, erwidernd kaum ein Wort,
Auf meinen Freund zu blicken fort.
„Nein, dich verwirrt ein Mißverständnis;
Der, den in ihm du suchst, bin ich."
Sie drauf: „Es überfallt mit seltsamer Erkenntnis
Gleichzeitig Sehn und Hören mich.
Die Liebe grub, solang ich blind war, in die Seele
Mir Züge von bestimmter Art :
Sie weckten Glück und Glut mit mächtigem Befehle;
Mein Herz hat sie mir treu bewahrt.
Das Bild, das mich so süß vermochte zu betören,
Erblick' ich nur in ihm allein,
Und seine Stimme glaub' ich noch zu hören,
Die mir Gewißheit gab, geliebt zu sein."
„Ich war's mit dem du sprachst; dein Schwur, dein Ruß
galt mir!" —
„Verzeih, Verwechslung ist bei Blinden kein Verbrechen;
So oft ich mit dir sprach, glaubt' ich mit ihm zu sprechen.
Wie sehr ich ihn geliebt, erfahr' ich nun von dir." —
„Bist du nicht aber meine Braut?" —
„Braut bin ich, ja gewiß; jedoch als ich fürs Leben
Dir bräutlich meine Hand gegeben,
Hab' ich mit innern Augen ihn geschaut.
Nun bleibt nichts übrig mir, als zwischen euch zu wählen :
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D er A u gen arzt 25 I
Nur einmal kann ich mich vermählen ;
Drum ist fur ihn mein Herz und meine Hand bereit.
Doch du, der meinen Blick vom Dunkel hat befreit,
Als unser Beider Freund darfist du beim Fest nicht fehlen.
Ihn hatt' ich lieb in dir; wohlan,
Ich nehme dich in ihm zum Mann." —
Aus meiner Stirn hervor fühl' ich die Hörner brechen
Bei diesem Wort. Reißaus nehm' ich, so schnell ich kann,
Und wünsche jedem Weib die Augen auszustechen.
Was einen Augenarzt betroffen,
Merkt's euch, damit ihr dem entrinnt;
Ihr Leser laßt, ich rat s euch offen,
Die blinden Augen, wie sie sind.
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PIERRE AMBROISE FRANÇOIS
CHODERLOS DE LAGLOS
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DIE GUTE WAHL
Die Eitelkeit der schönen Geister haß' icli ;
's ist ein verdienstlich Werk, wenn man sie duckt,
Bis Demut ihnen aus den Augen guckt,
Und dies Geschichtchen drum für sie verfass' ich.
Was frommt's, wenn sie talentvoll sind geboren?
Bringt's ihnen Ruhm, Gewinn, Vergnügen? Nein.
Weshalb so viel drauf bilden sie sich ein ?
Wie manchen sah ich schon verdrängt von Toren!
Sei's in der Hauptstadt, sei's am Hof, im Heere,
Den Geistigen pflegt man nicht hold zu sein ;
Die Dummen haben alles, auch die Ehre.
Das Wie und das Warum laßt mich verschweigen;
Denn dies ist nicht mein Fach ; ich will nur zeigen,
Daß in der Liebe wie auf andrem Feld
Die schönen Geister oft ihr Ziel verfehlen,
Derweil ein Eselskopf den Preis erhält.
Mich wundert's nicht, auch will ich drum nicht schmälen ;
Denn fiir der Liebe rätselhafte Flammen
Wog stets das Wort geringer als die Tat.
Zwei junge Leute hausten einst zusammen,
Von denen jeder Freund und Kamerad
Des andern war. Der eine hieß Pamphil,
Durch seinen Geist bekannt in weiten Schichten,
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256
Die gute Wahl
Verfasser von Novellen und Gedichten,
Und jede Zeitung lobte seinen Stil.
Der andre ließ nicht gleiche Gaben schauen ;
Ein Leichtfuß, nur begabt zum Müßiggang,
Trank er und aß gar viel und schlief gar lang,
Um für den Rest des Tages zu verdauen,
So daß, weil er nichts Nennenswertes trieb,
Sein Name nicht für uns erhalten blieb.
Was liegt auch dran? Um solche Bagatelle
Bin ich, das dürft ihr glauben, nicht besorgt;
Ein Name tritt an eines andern Stelle,
Und manch Geschlecht — ich kenne solche Fälle —
Lebt fort, weil 's einen Namen sich geborgt.
Nur daß mein Held nicht uubetitelt bleibe,
So nenn' ich selbst ihn Gleon kurzerhand.
Zwar nobler würde wirken mein Geschreibe,
Würd' er Marquis drin oder Graf genannt;
Denn im Vertraun, die stolzesten von denen
Sind oft genau wie er des Ruhmes bar.
Genug davon. Bloß nötig, zu erwähnen,
Daß Gleon mit Pamphil befreundet war,
Zwei gutgewachsne Jungen, hoffnungsreich,
Lebendig und einander sehr gewogen.
Ins Haus, in dem sie wohnten, war zugleich
Die hübsche Isidore jüngst gezogen :
Anziehend, flott, brünett, von muntrem Wesen,
Zwei Augen, drin der Trieb zum Schelmenstreich
Wie das Vertraun auf Duldsamkeit zu lesen.
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Die gute Wa b l
Mehr braucht es nicht, um Jugend zu verführen.
Die Freunde finden schon nach kurzer Zeit
Bei ihrer Hausgenossin offne Türen.
Im Anfang ist es bloße Höflichkeit;
Doch die Begier mit ihren sanften Qualen
Macht aus den beiden Freunden bald Rivalen.
Jedoch, so fragt mich wohl ein strenger Richter,
Wie können denn Rivalen Freunde sein?
Ei, klarer als die Sonne leuchtet's ein:
Pamphil sah hochmutsvoll als großer Dichter
Herab auf seines Nebenbuhlers Wahn
Und dacht', es könne seine Siegesbahn
Von solcher Konkurrenz nicht Schaden leiden.
Cleon, der herzensgut war und bescheiden,
Sah mit Verehrung auf zu schönen Geistern,
Und Ehrfurcht nimmt dein Zorne das Gewicht:
So wußten alle zwei sich zu bemeistern;
Rivalen waren sie, doch Feinde nicht.
Bevorzugt ist zunächst Pamphil ; er spricht
So wunderbar beredt, so süß berauschend,
Daß er das Herz der Schönen durch ihr Ohr
Bezaubert, und sie kommt? gelehrig lauschend,
Sich im geheimen allzu strenge vor.
Der Anfang war ein überschwänglich Lob,
Von Augensprache wirkungsvoll begleitet,
Worauf in seinen Reden zartbesaitet
Der Liebe Glück er in den Himmel hob ;
Dann ward er schwül und ließ den Feuerstrahl
Fulda, Die gepudrrle Mu*e 17
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2 58
Die gute Wahl
r
Der höchsten Wonne sinnbetörend rasen.
Was aber sprach inzwischen sein Rival?
Nichts oder ein paar ungeschickte Phrasen.
So flössen unaufhaltsam hin die Tage
Für Isidore, Cleon und Pamphil,
Bis Amor oder auch ein Zufallsspiel
Für alle drei veränderte die Lage.
Es war im Sommer und zudem am Abend ;
Die Schöne saß nach Sonneugluteupein
Still träumend und sich an der Kühle labend
In ihrem lauschigen Gemach allein.
Ihr leicht Gewand und ihre schlaffe Haltung
Half kunstlos ihren Reizen zur Entfaltung,
Wie Venus stets am stärksten hat entzückt,
Wenn sie erschien auf Erden ungeschmückt.
Die beiden Freunde nahn, vom gleichen Ziel
Herbeigezogen, als willkommue Gäste,
Und Hahn im Korb ist wiederum Pamphil,
Der zwar das meiste spricht, doch auch das Beste.
Amor verleiht erhöhte Zauberiiiacht
All seinen Worten, und mit ganzem Ohre
Zuhörend fühlt die holde Isidore
Von einer neuen Flamme sich entfacht,
Die wachsend ihr durchlodert alle Glieder.
Nur allzu deutlich spiegelt ihr Bemühn,
Sie zu verbergen, ihre Schwäche wieder;
Der schönen Augen halbgeschloßne Lider
Vermehren ihres Reizes lockend Blühu.
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Die gute Wahl
Sie schweigt, nur einen heißen Seufzer hauchend
Aus offnen Lippen; ihre Wangen glühn,
Ihr Lilienweiß in Morgenröte tauchend.
Gewaltsam hebt und senkt sich ihre Brust;
Von des beseligten Erliegens Stunde
Gibt ihr vollkommnes Aufgelöstsein Kunde :
Albano malte so die Sinnenlust.
w O, wie berückend ist des Geistes Kraft,"
So spricht sie; „steht mit Göttern Ihr im Bunde,
Daß Eure Stimme solche Wonnen schafft?
O, zweifellos verrät ein solch Talent
Sich auch in Eurer Werke Form und Wesen!
Ich will sie sehn. Ihr werdet sie mir lesen,
Sie lesend mir verschönern." Man erkennt,
Die Schöne bot mit diesen Wortgewi nden
Dem liebenden Pamphil Gelegenheit,
V T on Cleons läst ger Gegenwart befreit,
Allein mit ihr zusammen sich zu finden.
Doch durch ihr Lob verführt zum eitlen Prunken
Und mehr vom Ruhm als von der Liebe trunken,
„Ja," rief er, „meine Verse sollt Ihr sehn,
In dieser Stunde noch!" Und eilt von hinnen.
Sein Nebenbuhler läßt ihn ruhig gehn
Und sucht für sich dabei was zu gewinnen.
Er nähert Isidoren sich verschwiegen,
Die reizgeschmückt und wehrlos vor ihm ruht;
In diesem Augenblick sie zu besiegen
Scheint Kühnheit besser ihm als Redeflut.
'7*
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•».(io Die gute Wahl
Sie schreit und zeigt sich überaus empört;
Er aber, ohne daß ihr Zorn ihn stört,
Und nach wie vor nichts redend, kämpft als Held
So tapfer, daß trotz ihrem Widerstreben
Ihr Fier/ am Ende sich ihm muß ergeben
Und er darin als Sieger Einzug hält.
Kein Wunder, daß bei diesem Siegeszug
Gar leicht und schnell vergessen alle beide
Den Freund Pamphil; doch der, zu seinem Leide,
Tritt plötzlich wieder ein — und sieht genug.
Ihr denkt nun, Isidore sei verwirrt?
Behüte, sie benimmt sich ungezwungen,
Nicht einmal suchend nach Entschuldigungen.
Pamphil allein ist s, dem der Schädel schwirrt,
Und alles wissend, weiß er nichts zu sagen.
Jedoch die Schöne lächelt ohne Zagen
Und spricht: „Mein Freund, gesteht mir im Vertrauen,
Daß mehr Ihr Eure Werke liebt als mich;
Mein Wort, ich werde mich daran erbauen,
Ja, finde schon vorher sie meisterlich.
Wißt aber, eine Frau, die sich ergibt,
Herrscht gern allein in des Geliebten Herzen.
Ich bin in Eurer Hand; drum könnt Ihr scherzen
Auf meine Rosten, wenns Euch so beliebt.
Doch ob in Versen Ihr, ob im Kornau
Mich hechelt, glaubt, ich werde furchtlos bleiben;
Denn unter uns, was Ihr vermögt zu schreiben,
Wiegt nimmer auf, was Euer Freund getan."
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DER MÜLLER UND DER BISCHOF*
Zur Zeit, da noch der Wert des Wissens unbekannt,
Ward ein Prälat, der offenbar
Der Günstling einer sehr verehrten Dame war,
In Frankreich ziemlich viel genannt.
Mit schwülstiger Beredsamkeit
War ihn zu rühmen sie beflissen
Und pries besonders weit und breit
Ihn als ein Phaenomen an Wissen.
Das war er in der Tat; er wußte gut Bescheid
In dem lateinischen Brevier.
Las oftmals er darin ? Las er darin nur spärlich ?
Ich weiß es nicht, ich sag' es ehrlich,
Und nicht erheblich scheint es mir.
Der König, der in jenen Tagen
Regierte (wie er hieß, ward mir nicht kund), .
Kam in die Gegend einst zum Jagen,
Wo der Prälat in solchem Ansehn stund,
Und drauf begierig, daß er selber sehe,
* Vgl. Bürgers um etwa ein Jahrzehnt jüngeres Gedicht: „Der Kaiser und der
Abt.»
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264 Der Müller und der Bischof
Wie weit die Wissenschaft des guten Bischöfe gehe,
Schrieb er ihm dies: „Prälat, Ihr sollt vor meinem Thron,
So lautet mein Befehl, erscheinen in vier Tagen,
Um zu erteilen in Person
Antwort auf folgende drei Fragen :
Zum ersten nennet mir den Mittelpunkt der Welt,
Dann, was ich wert bin, und zum dritten,
Was ich mir denke." Unbestritten,
Daß wie der Ochs, den vor den Berg man stellt,
Sein Wissen hier versagt. Ihn schreckt die Grille
Des Königs und verwirrt sein Hirn.
Ks riebe sich vor solcher Pille
Wohl auch ein Klügerer, so dünkt mich, bang die Stirn.
Was hilft es ihm, daß er sich kratzt am Ohr?
Wie soll er Antwort finden, und so schnelle?
Dies Dunkel, wie verwandelt man s in Helle?
„Ich werde", sagt er sich, „dastehn als blöder Tor!"
Auf seinem Landgut ging, den bösen Brief in Händen,
Er mit gar tief bedrücktem Sinn
An eines Berges Fuß dahin,
Indem er sich den Kopf nach allen Enden
Umsonst zerbrach ; da trat dem frommen Herrn
Sein Müller in den Weg. Der Bischof hatte gern,
Leutselig, wie er war, des muntren Müllers Wesen,
Der stets mit Freimut sprach und ohne Federlesen.
„Hoch würden," sagte der, „man sieht's Euch an von fern,
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Der Müller und der Bischof
Euch liegt ein schwerer Kummer im Gemüte.
Sagt an, was ist sein Gegenstand?
War Eure Suppe heut beim Frühstück angebrannt?
Erfror im Weinberg Euch wohl gar die Rebenblüte?
Ah, dies Papier in Eurer Hand
Enthält, so schwant mir, was Euch kränkt."
Der Bischof drauf: „So ist's; der König läßt mir künden,
Ich soll den Mittelpunkt der Welt ergründen,
Dann, was er wert ist, und zum dritten, was er denkt.
Und, guter Mathurin, schon in vier Tagen
Soll ich ihm dieser Rätsel Lösung sagen." —
„Deswegen Eure Kümmernis?
Da sieht man, wie ein Nichts oft kann belasten
Ein groß Genie. Enthält doch ganz gewiß,
Hochwürden, Euer Kopf mehr Geist in seinem Kasten,
Als meine Mühle Wasser hat.
Ihr lest mit bloßem Aug' auf pergamentnen Blättern
Latein, Ihr könnt Geschriebnes grad so glatt
Entziffern wie die kleingedruckten Lettern
Und laßt von solchem Quark Euch niederschmettern!
Was denn beängstigt Euch? Ein bloßes Stück Papier?
Drei Fragen, weiter nichts! Drum, Herr, vertraut nur mir:
Ich helf Euch da heraus mit meinem bißchen Grütze.
Hört, Ihr, der Bischof, sollt für heut der Müller sein,
Und ich, der Müller, schlüpf ins Bischofskleid hinein ;
Ja, gebt nur acht, man ist zu manchem nütze.
Der König hat, soviel ich weiß, Euch nie gesehn.
Ich werde gradeswegs mich zu ihm hinbegeben,
266
D er M üller und der Bischof
Und mag er, mit Verlaub, mir hundert Schlingen weben,
Ich will gehörnt sein, werd' ich ihm nicht Rede stehn."
Zustimmung wurde diesem Rate ;
Noch selben Tages, unverweilt,
Streut sich der Müller Mehl ins Haar und eilt
Hin zu des Königs Hof im geistlichen Ornate.
„Sire," spricht er, „Antwort sei von mir erteilt
Auf das, was Eure Majestät voll Gnaden
In diesem Briefe mich gefragt."
Der König drauf: „Wohlan, die Prüfung kann nicht schaden,
Ob ausnahmsweis' der Ruhm die Wahrheit sagt.
Gebt, hochgelehrter Mann, drum Antwort mir geschwinde,
Wo sich der Mittelpunkt der Welt befinde."
Mit großem Zirkel zog der Müller einen Kreis
Hierauf um sich herum und rechnete ganz leis:
„Der Mittelpunkt, mein Fürst, ist hier. Indessen
Falls Ihr noch etwa wünscht genaueren Beweis,
Beliebt nur selber nachzumessen.
Die zweite Nuß ist äußerst hart.
Ihr fragt nach Eurem Wert, und ich erwog ihn fleißig:
Für neunundzwanzig Silberlinge ward
Einst Jesus Christ verkauft. . .Ich schätz' Euch denn aufdreißig.
Dawider dürft Ihr keine Klag' erheben :
Ehrfurcht schuld' ich dem Thron; jedoch auf Ehr',
Wenn so viel Münzen man für einen Gott gegeben,
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Der M aller und der Bischof
267
Dann ist ein König gut bezahlt mit einer mehr." —
„Rechtschön " , entgegnet ihm derKönig ; „ doch was denk ' ich ?
Mir scheint, mit dieser dritten Frage senk' ich
Euch in Verlegenheit." — „O nein, sie lichtet
Sich gleichfalls leicht", versetzt der Müller folgerecht;
„Ihr denkt, daß Euer Wort Ihr an den Bischof richtet,
Derweil ihr seinen Müller sprecht."
Der König war ergötzt ; nachdem er laut belacht
Des Müllers Streich und seine Reden,
Sprach er zu ihm: „Du hast mir großen Spaß gemacht;
Nenn' einen Wunsch mir! Ich erfülle jeden."
Der Müller drauf: „O Herr, so fordr' ich denn als Lohn
(Ihr braucht nicht seinethalb zu schröpfen Eure Staaten),
Daß von der Kriegslist nie verlauten soll ein Ton
Und daß die Ehre fällt auf den Prälaten."
Der Fürst versprach's und hielt sein Wort; er schwieg.
Verkündet ward, daß sich bei Lösung der drei Fragen
Der Bischof hab' erprobt als beispiellos beschlagen,
W T odurch sein Wissensruhm noch höher stieg.
So ward durch seines Müllers Geist
Des Bischofs Ruf bewahrt vor einem Krache,
Und wegen dieser Mär verlacht ihn wohl zumeist,
Wer gerne glänzt im gleichen Fache.
Darf drum ihn des Betrugs man zeihen?
W r eshalb denn soll's in einer Schwierigkeit
2 68
Der M ü II er und der Bischof
Verboten sein, Genie und Geist sich auszuleihen,
Genau so wie man Geld sich leiht?
Dies ist ein sichres und bequemes Mittel,
Beliebt und angewandt in jeder Zeit.
Gar viele, die noch nie geschwitzt im Arbeitskittel,
Sind hochberühmte Zeitgenossen!
Und würde stracks auf höheren Befiehl
Die Bank, die solche Anleih n gibt, geschlossen,
Wie mancher Schöngeist stund' vor uns dann als Kamel!
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DER ONKEL UND DER NEFFE
Ein junger Liebeskaudidat,
Der erstmals war gequält von sehnendem Verlangen
(Durch diesen Zustand sind wir all' einmal gegangen),
Fand seine nächtliche Vereinzlung jammerschad
Und achtete das Zölibat
F'ür aller Stände schlimmsten Stand.
Besonders einst, an einem schönen Tage,
Geriet der Taugenichts aus Rand und Band
Und rief: „Ich bin doch nun ein reifer Mann und frage:
Warum hab' ich kein Weib? Warum?
Vermähl mich, Onkel, oder — bring mich um." —
„Mein Neffe, welch verschrobne Klage!"
Sprach drauf in ernstem Ton der Onkel. „Ei, noch kaum
Zeigt sich an deinem Kinn der erste Flaum,
Und du begehrst ein Weib? Glaub, daß wir Männer bald
Ein solches Spielzeug satt bekommen.
Schau mich : fast sechzig Jahre bin ich alt
Und habe nie ein Weib genommen.
Folg meinem Beispiel." Wißt nun, daß im stillen
Der Greis, der dieser Worte sich vermaß,
Ein Liebchen in der Stadt besaß.
Er war ein Staatsanwalt, erfüllt von Widerwillen
270
Der Onkel und der Neffe
Vor Klatsch und drum so sehr auf Heimlichkeit bedacht,
Daß seihst die Freundin kaum ihn kannte
Und wechselnd er sie stets in zwei Quartiere bannte,
Eins für den Tag und eines für die Nacht.
An jedem Abend schlich auf leisen Sohlen
Clarisse sich (so hieß die hübsche Buhlerin)
Zum letzteren Quartiere hin,
Zu dem sich kurz darauf der Greis begab verstohlen.
Er sorgte sonst auch noch dafür,
Daß nicht ihm seine Liebe ward verleidet
Durch Zeugen. Wenn er einsam, schlicht gekleidet,
Vom Mantel dicht verhüllt gelangt war an die Tür,
So suchte tastend er den King,
Der neben ihr versteckt in einer Nische hing.
Mit diesem King verband sich eine feine Schnur,
Die durch das Mauerwerk hindurch nach oben führte
Auf ganz und gar verborgner Spur
Und leis dort eine Klingel rührte
Im Schlafgemach der Fee. Behutsam dergestalt
Verständigt, ward sie schleunigst munter,
Stieg ohne Licht zur Tür hinunter
Und ließ durch einen schmalen Spalt
Ihn ein. Dann stiegen alsobald
Empor die beiden flüsternd und auf Zehen,
Betraten das Gemach, noch immer ohne Licht,
Und taten . . . oder taten nicht,
Was zwischen Liebenden pflegt zu geschehen.
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Der Onkel und der Neffe
271
Auch Therville (dieses war des Neffen Name)
Wollt' eine Freundin einst sich wählen kurzerhand ;
Doch ihre Gunst, so schwor die tugendstrenge Dame,
Sei nur erreichbar durch der Ehe heilig Band.
Von neuem liegt nun immerfort
Der Neffe mit dem Wunsch dem Oheim in den Ohren,
Ihn zu vermählen ; doch die Mühe bleibt verloren :
„Folg meinem Beispiel", ist sein stetig W r ort.
Doch da der Neffe schließlich darauf achtet,
Daß aus dem Hause nachts der Onkel heimlich flieht.
Und er ihn morgens wiederkehren sieht,
Schließt er daraus, daß er wo anders übernachtet.
Er folgt nunmehr ihm wie sein Schatten,
Und seiner Kriegslist kommt zu statten
Mit hilfsbereitem Strahl der Mond.
Er sieht, wie sich in gradem Gleise
Zum Haus der Onkel schleicht, wo seine Liebste wohnt,
Am Ring dort zieht, und wie die Tür dann leise
Sich öffnet und sich schließt auf gleiche Weise.
Am nächsten Tage schweigt der junge Geck
Beim Wiedersehn mit unbefangner Miene
Von seiner nächtlichen Entdeckung, zu dem Zweck,
Daß er sich ihrer selbst bediene.
Gelegenheit kommt ihm entgegen,
Sodaß er drauf nicht lang zu warten hat.
Am Abend dieses Tags fühlt sich der Onkel matt
Von einem Unwohlsein und will sich schlafen legen.
Dem Neffen scheint somit, er köim' es ruhig wagen,
A 7 2
Der Onkel und der Neffe
Dem Hing zu nalin. Er wagt's, indem er dicht
Sein Antlitz unterm hohen Kragen
Des Rocks verbirgt, und auch der Mond hat sein Gesicht
In Wolkentücher eingeschlagen.
Er kommt zur Haustür, sucht zunächst vergeblich dort
Die Schnur, die läuten läßt im obern Stock die Klingel ;
Doch fingernd spürt zuletzt der Schlingel
Den Hing; er zieht ihn an, und heimlich naht sofort
Ciarisse. Lautlos öffnet sich nach innen
Die Tür, und ohne lang sich zu besinnen,
Folgt er der Fee mit leisen Schritten.
Sie leitet ihn und spricht im Flüsterton :
„Nur sachte, lieber Freund; recht sachte, laß dich bitten!
Nicht alle Nachbarn schlafen schon."
Er handelte sehr tollkühn offenbar;
Befürchten mußt' er ja, sie werd' ihn gleich erkennen.
Wie könnt' er wissen denn, daß es hier üblich war,
Bei keinem Stelldichein jemals ein Licht zu brennen?
Ö, Jugend achtet nicht Gefahr!
Mehr glücklich war er diesen Tag als klug;
Sein Wunsch traf keine Hindernisse.
Er tappt nach oben und ist bald genug
In dem Gemach und in den Armen von Ciarisse.
Ihr Leser, jede Wette geh' ich ein,
Ihr habt schon ungefähr begriffen,
Wer wohl die lockere Sirene mochte sein,
Die so bewandert war in Liebeskniffen.
V
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Der Onkel und der Neffe
273
Es war die Spröde, die mit kaltem Nein
Streng abgewiesen hatte Therville's Frage,
Vermählung forderte bei Tage,
Hingegen drauf verzichtete bei Nacht.
Amor, das hast du gut gemacht!
Dem Therville schwant nicht, daß jetzt eben
Sein Herzblatt ruht an seiner Brust
Und er zugleich bestraft ihr Widerstreben :
Für Liebende welch süße Lust,
Sich so für Grausamkeit zu rächen !
Obwohl sein Blick verfinstert war
Und er vermied, ein Wort zu sprechen,
So sprach er wortlos doppelt klar.
Anfängerschaft ist in der Liebe kein Gebrechen.
Ihr könnt euch denken, Wohlgeneigte,
Ciarissens Fassungslosigkeit,
Als heut ihr Freund sich so verwandelt zeigte !
Nur tat es ihr nicht grade leid.
Sie rief berauscht: „Ach Gott, wie bist du jung!"
Dies log sie nicht. Es wuchs mit jedem Augenblicke
Ihr Staunen ; halb so groß war die Verwunderung
Aurorens, als in ihrem Arm
Sie Tithon fand, verjüngt vom gnädigen Geschicke.
Doch bald gab's ärgeren Alarm !
Derweil sie hier genoß, vom Dunkel eingesogen,
Vor Wonnen und Verblüfftheit stumm,
Ward abermals die Schnur gezogen
Und läutete die Klingel wiederum.
Fulda, Die gepuderte Muse 18
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274 Onkel und der Neffe
Sie dachte, daß der Schlag sie treffe.
Weit weniger betroffen sprach der Neffe
Kaltlächelnd : „Sorgen Sie, mein Fräulein, rasch dafür,
Daß nicht muß warten vor der Tür
Mein Onkel." Übergehn wir das Gespräch der zwei;
Auch wurde flugs die Unterhaltung
Durch neues Klingelzieh n gestört in der Entfaltung.
In eine Kammer nebenbei,
Die leer war und an Kaum gering,
Ward Therville eingesperrt, um dort die Nacht zu sitzen.
Sie bat ihn, still zu sein, und ging
Von neuem auf den Zehenspitzen
Zur Tür hinunter. Sich von jedem Argwohnsgrunde
Zu reinigen ward ihr nicht schwer;
War zum Betrug geeignet wohl die Stunde,
In die tagtäglich fiel des Alten Wiederkehr?
Nichts unwahrscheinlicher als dieses. Kein Verdacht
Hieß ihn die Liebesglut bezähmen.
So stieg er hinter ihr hinauf die Treppe sacht,
Um sein gewohntes Plätzchen einzunehmen.
Sie fragt beim Eintritt ins Gemach :
„Freund, hast du hier am Ort Familie?" —
„Ich? Ei, weswegen, meine Lilie,
Die Frage?" Sie erwidert: „Ach,
Aus Anteilnahme." — „Nun, mein Engel,
Mir lebt ein Neffe hier." — „Ist er schon groß?" — „O ja !
Sehr groß. Es kostet mich der Bengel
Viel Geld . . . soviel wie du beinah." —
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Der Onkel und der Neffe
275
„Und war es nötig denn, daß man mir dies verhehle?" —
„O nein." — „Der Neffe muß bestimmt, so dünkt es mich,
Ein Schwerenöter sein", sagt sie; „denn sicherlich
Schlägt er dir nach; nicht wahr?" — „Ja, meiner Seele.
O süße Maus, dein Wort allein
Versetzt mein Herz schon in Geflacker;
Ich brenn', ich lodere ! So komm doch ; komm, du Racker!"
Er legt mit ihr geschwind sich schlafen und . . . schläft ein.
Sein Schlummer dauert bis zum Morgen.
Erweckt vom jungen Tag zieht er sich eilends au
Und will grad heimgehn ängstiglich verborgen,
Da fügt's der Satan, daß den jungen Mann,
Der sich erkältet hat bei Nacht,
Ein Husten überfällt. Der Onkel, scheu gemacht,
Fragt: „Fräulein, was ist dies?" — „Ich habe nichts ver-
nommen". —
„Von dort ist das Geräusch gekommen." —
„Die Ohren haben dir gerauscht."
Ciarisse zittert, Therville lauscht.
„Laß schauen", sagt der Greis; „ich möchte wetten fast,
Es ist wer drin", und nähert sich der Pforte . . .
Da plötzlich ruft der ungeratue Gast:
„Ich bin s, mein Onkel", und erscheint am Orte.
O, welcher Auftritt! Um die Sterblichen zu äffen,
Hegt Amor Tücken ohne Zahl !
Therville erkennt sogleich die Dame seiner Wahl,
Sie ihren Freiersmann, der Onkel seinen Neffen.
Der Onkel schrie : „Was machst du hier?" Der Neffe sprach :
18*
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Der Onkel und der Neffe
w Ich folge deinem Beispiel nach."
Die Sache klärte man nun auf zu dreien;
Der Onkel hielt's für klug, nicht länger Wut zu speien,
Und lia Id, verbannend alle ltauheit,
Beschwor er ihn: «Halt reinen Mund;
Meinthalb verhelf ich dir zu einem Ehebund."
Ciarisse blieb allein und sah trotz ihrer Schlauheit
Von beiden Seiten sich um den Gewinn gebracht.
Sie war nur eine von den allzuvielen,
Die gern bei Tag Lucrezia spielen
Und Pbryne werden bei der Nacht.
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DIE BESIEGTE PHILOSOPHIE
Man schelte, wie man will, aufs weibliche Geschlecht,
Man kommt nicht von ihm los. Ein Lebemann wird sagen
Die Weiber seien schwach, versch lagen,
Unzuverlässig, launenhaft — schon recht ;
Doch sie sind reizend, und ich wette,
Ihr, die von ihnen ihr so Böses sprecht,
Liegt selbst zuletzt an ihrer Kette.
Natur, die nimmermehr was ohne Plan erschafft,
Hat jedes schöne Weib erschaffen zum Beglücken ;
Gleichviel drum, ob sie treu sind oder flatterhaft,
Sie sind der Sterblichen Entzücken.
Stets? Ja; Beweis ist leicht erbracht:
Wenn eine, die uns Gunst gespendet,
Sich drauf zu einem andern wendet,
So tut sie's nur, damit auch ihn sie glücklich macht.
Du, der Luisen zürnt, weil sie dir schnöd entwich,
Bedenke doch, so muß ich bitten:
Wenn diese holde Sündrin sich
Nicht hätt' vergangen gegen dich,
So war sie grausam gegen einen dritten.
Just so wie alles ist, so ist es gut bestellt.
Ihr Freunde, sagt, warum schmäht ihr die Frauenzimmer
Die besiegte Philosophie
Sie sehn vielleicht euch morgen knien; denn immer
Ist man im Hecht, sobald man uns gefällt.
Der große Schlachtcnheld, der König Alexander,
Der triumphierend flog von 1>and zu Land im Streit,
Ward mitten in des Kriegs unsel gem Durcheinander
Erfaßt von milder Menschlichkeit.
Wer nahm dem Donnergott den Blitzstrahl aus der Hand?
Ein indisch Madchen zog ihn ab von Schlachtenplänen
Und sparte so der Welt viel Tränen.
Amol-, dies nackte Kind, dies waffenlose, fand
Sogar im Sturm des Kriegs nur selten Widerstand.
Der König, der so viele Kön'gc schlug,
Iiäßt, wenn er zu der Liebsten schleicht verschwiegen,
Im Winkel Diadem und Zepter liegen;
Denn seine Lieb' ist ihm genug.
Vom Späherblick des Hofs ward er gar bald betroffen :
Wann hätt ein König im geheimen je geliebt?
Das Höflingsauge bleibt bei Tag- und Nachtzeit offen
Und zählt die Ktisse, die er seiner Freundin gibt.
Viel Mißlichkeit gab's freilich unterdes.
Der König trieb die Staatsgeschäfte fahrig;
Es wurden Hof und Heer im stillen widerhaarig;
Ihn tadelte zumal drum Aristoteles.
Der weise Denker, der beim ganzen Siegeszug
Des hohen Schülers ihm zur Seite stets gewesen
Und wachsende Besorgnis um ihn trug,
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Die
besiegte Philosophie
279
Bemühte sich, dem Herrn der Welt den Text zu lesen.
Er scheute nicht den Ton, in dem man spricht als Lehrer,
Was damals noch den Königen gefiel;
Des Sittenrichters rückhaltlosen Stil
Ertrügen heutzutag wir schwerer.
Er sprach : „ Erhabner, wie ? W r as hat mein Ohr vernommen ?
Du, der beansprucht, Göttern gleichzukommen,
Erniedrigst dich zum Liebesspiei ?
Die Stiere laß der Liebe dienen,
Die weidenden ; der Mensch jedoch
Verdient, wenn er wie sie verfällt dem Sinnenjoch,
Daß man ihn weiden schickt gleich ihnen."
(Könnt' er ein stärkres Kraftwort wählen?
Und doch mißfiel es Alexander nicht;
Ich möchte keinem Höfling anempfehlen,
Daß er in solchem Ton zu Fürsten spricht.)
„Vorsorge triff, daß nicht dein Ruhm verblaßt erscheine,
Und grad heraus, es wird der Hof,
Es wird das Heer von dir zurückgesetzt um eine ..."
Dies Wort verschluckte der Herr Philosoph.
Der König sagt ihm ohne Groll:
„Nein, Meister, weit gefehlt." Dann läuft er unvermittelt
Zu seiner Liebsten und erzählt, wie vorwurfsvoll
Ihn Aristoteles bekrittelt.
„Was? Aristoteles?" versetzt sie. „Das ist toll!
Um Leute, die dir nichts zu leid getan, zu töten.
Erlaubt er dir den Sturmlauf durch die Welt,
Und dieser gute Doktor hat's vonnöten,
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Die besiegte Philosofhi
Daß jetzt er deine Liebe dir vergällt !
Fürwahr, es nehm' an ihm Gott Amor seine Rache ;
Ihr, sei gewiß, entrinnt er nicht."
Sie gab von ihrem Plan dem Könige Bericht,
Und selbst mit Eifer war er bei der Sache.
Vor eines Turmes Mauerwand,
Drin sich das Hauptquartier befand,
Zog abgeschieden sich ein schöner Garten hin ;
Es wechselte Pomona dort mit Flora.
Und Orphale (so hieß die junge Inderin)
Begab sich, als den Ost Aurora
Mit Purpur überzog, allein zu dieser Stätte.
Ob Cephalus nicht seinen Sinn
Bei ihrem Anblick flugs geändert hätte?
Es war, als zeige neugeboren
Sich Flora selbst im Schmuck des leichten Frühgewands,
Abstattend ihren Dank Auroren
Y\\r ihres Gartens Wunderglanz.
Es schien, als ob heut morgen ihr
Natur der Kleidung Kosten spare;
Die Schönheit ihrer fünfzehn Jahre
War ihres Bildes einz'ge Zier.
Beim Drüberhuschen streifte kaum
Ihr kleiner Fuß den Rasensaum.
Bald flutend bis zu ihrem Gürtel flogen
Die Locken ihres Haars herab in goldnem Schein;
Bald hüllten seine freien Wogen
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Die besiegte Philosophie
281
Den halb entblößten Busen ein.
Ihr fragt: Betrat sie diesen Garten immer
Bereits beim frühen Morgenschimmer?
Gleich sollt ihr merken, was die Holde plant:
Es ging auf diesen Park hinaus das Zimmer
Des Lehrers, der so streng den hohen Herrn gemahnt.
Er hatte sich, schon lang bevor der Morgen graute,
In einem Bücherhauf zu forschen angestrengt,
Als eine Stimme, die mit Vogelsang sich mengt,
Ihn an das Fenster ruft mit silberhellem Laute.
Was sieht er? Orphale. Und steht erstaunt, betreten ;
Ihm war, als hab' er vormals nie
Solch lieblich Weib gesehn. Sie pflückte von den Beeten
Ein Röslein, halb so frisch wie sie,
Und sang ihm diese Medolie :
Komm, o komm, du süße Rose,
Halt auf meinem Herzen Ruh 1 ;
Hauch mit schmeichelndem Gekose
Meinem Busen Düfte zu.
Ob auch, du betaute Rose,
Mich dein Wohlgeruch berückt,
Will mein Herz, das ruhelose,
Zeitvertreib, der mehr entzückt;
Komm, o komm, du süße Rose,
Bis mir meine Hand beglückt
Hier die Liebesblume pflückt.
Sie tut, als merke sie des Doktors Neugier nicht,
Der keinen Blick vermag zu wenden ;
Die besiegte Philosophie
Sic singt noch immerzu mit lächelndem Gesicht
Und hält das Höslcin in den Händen.
Dann steckt's die schelmische N'erfiUirerin
Mit Fingern, die durchtrieben scherzen,
Inmitten zweier Knospen hin.
Will sagen, dicht an ihrem Herzen.
Doch nicht die Blume wirkt magnetisch auf den Sinn
Des milder schon gewordnen Weisen.
Den unvergleichlichen Verein
Von so viel Anmut darf sein Späherblick umkreisen.
Sie breitet vor ihm aus zu freiem Augenschein
(Wie eine Schönheit, die nicht glaubt belauscht zu sein)
All ihren Keiz, von dem sie grad genug enthüllt,
Damit die Sehnsucht ihn erfüllt,
Noch mehr davon sich vorzustellen.
Dann unter einem Blumenhui
Sieht er sie glätten flink des Haars gelöste Wellen
Und auf ein grünend Bett sich strecken, wo sie grade
Dicht unter seinem Fenster ruht.
O W r eisheit, Weisheit! Welch ein lockend Gift!
Sein Auge fangen ohne Gnade
Zwei Hügel, deren W r eiß den Marmor übertrifft;
Ein köstlich Zwillingspaar, das stets, damit noch stärker
Ihn der Verwirrung Netz umzieht,
Sich unterm Schnürband hebt und sich getrieben sieht,
Zu fliehen aus dem Kerker,
Doch niemals ihm entflieht.
So lag hier Orphale, durch Trägheit sich verschönend
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Die besiegte Philosophie
283
Und mit kokett gespielter Lässigkeit
Unordentlicher Muße frönend.
Ein reizend Füßchen, ausgestreckt zu weit,
Ist willens, in der Wollust Schlingen
Das alte Unschuldslamm zu zwingen.
Sein Herz verstrickt sich drin, und eine jähe Glut
Fühlt er in seiner Brust und seinen Adern brennen.
„O," denkt er, „dies Gefühl, wie soll ich's nennen ?
Welch heimlich Feuer rinnt mir durch das Blut?
Wie? Nun, da meine schmucken Jugendjahre
Sich von mir wandlen, da mir auf der Stirn
Des Alters rauher Frost nur ließ vier graue Haare,
Soll ich wie ein verliebter Schäfer girrn !
Nein, list'ger Amor! Mich betörten meine Sinne!
Hilf, Weisheit, mir, daß ich dein rettend Licht gewinne,
Drauf öffnet er ein Buch und schließt
Es wieder. Aristoteles wird inne,
Daß Büchern hier kein Heil entsprießt.
Zuletzt erschöpft vom Kampf mit diesem innern Brande!"
Von Liebespein zum ersten Mal besiegt,
Eilt er zu Orphale hinaus und liegt
Auf Knien vor ihr, zu sprechen außerstande.
Sie stellt sich überrascht: (( Ihr Götter, ach,
Trügt mich mein Auge? Mir zu Füßen
Liegt Aristoteles?" — „Ich bin's", versetzt er schwach;
„Vielleicht läßt nun dein Stolz mich durch Verachtung büßen,
Alt, wie ich bin. Umsonst versucht' ich tausendfach,
Mich zu bezähmen; ach, ich bin der Wünsche Knecht,
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Die besiegte Philosophie
Bin gänzlich dein." Sie ruft: „O Himmel, hör' ich recht?
Ein Aristoteles, der hätte sich verliebt ?" —
„Ja, ja, vor Liebe brenn' ich, werd' ich sterben." —
„Indessen deine Weisheit?" — „Liegt in Scherben." —
„Dein Alter?" — „Heut noch, wenn dein Ohr Gehör mir gibt,
Werd' ich, glaub mir, durch dich die Jugend neu erwerben."
•
Drauf sie: „Nur sachte, mit Verlaub. Solch ein Erguß
Von dir, du Weiser, ist so schwer zu glauben,
Daß, um den Zweifel dran zu rauben,
Man erst Beweise haben muß.
Der Liebsten W'unsch erfüllt, wer liebt, in allen Stücken:
Es packt mich ungestüme Lust
Nach einem kleinen Ritt auf deinem Rücken ;
Doch scheint hierzu mir zweckentsprechend just,
Dir einen Sattel aufzuschnallen. "
Der Philosoph, der Schönen ganz verfallen,
Antwortet ihr aus tiefster Brust:
„Dein bin ich, Orphale; nie sei mein Fleiß gespart,
Wenn sich's um deine Wünsche handelt!"
Der Plan wird ausgeführt ; ein Schauspiel seltner Art :
Ein Weiser, in ein Pferd verwandelt!
Seht Aristoteles, zu neuem Dienst erkoren,
Mit Sattel und mit Zaum behäuft,
Wie durch den Garten er auf allen vieren läuft.
Amor, wie machst du Weise leicht zu Toren !
Es dreht, betäubt vom Wehen deiner Flügel,
Der rauhe Herkules die Spindel emsiglich ;
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Die besiegte Philosophie
Die junge Nymphe führt durch dich
Den Aristoteles am Zügel.
So streift, auf seinem Kücken thronend,
Die hübsche Reiterin bequem durch ihr Gebiet
Und trällert, seine Müh' belohnend,
Ihm unterdessen dieses Lied :
Ja, so geht's, wenn unbedacht
Man sich fangt in Amors Schlingen.
Wer ihm heute kann entspringen,
Beugt sich morgen seiner Macht:
Ruhig wartend hält er Wacht;
Jeder muß Tribut ihm bringen.
Tragt ihr noch so langen Bart,
Um vor uns Reißaus zu nehmen,
Amor weiß Vernunft zu lähmen,
Läßt ein Mägdlein jung und zart
Einen alten Graubart zähmen.
Ja, so geht's, wenn unbedacht
Man sich fängt in Amors Schlingen.
Wer ihm heute kann entspringen,
Beugt sich morgen seiner Macht:
Ruhig wartend hält er Wacht;
Jeder muß Tribut ihm bringen.
Inzwischen tappt mit aller Würde
Der Weise, der zum Toren ward,
Durchs weiche Gras dahin und harrt
Auf den ersehnten Lohn, still tragend seine Bürde,
Als durch ein lautes Lachen, das er hört,
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Die besiegte Philosophie
Sein Gleichmut plötzlich wird verstört.
Wie ftihlt er sich verdutzt und his ins Mark erschreckt,
Als unvermutet er aus eines Buschwerks Mitte
Den König treten sieht, der dort sich hielt versteckt,
Damit er Zeuge sei von diesem seltnen Ritte.
Ihn scharf betrachtend rief der Schlachtenlenker:
„Von solchem Aufzug hat mir wahrlich nie geträumt!
Wie? Du, der Philosoph, der Denker,
Bist hier gesattelt und gezäumt!
Tritt wirklich so geputzt mein Lehrer mir entgegen?
Hast ganz vergessen du, sag an,
Wie streng du gestern erst mich meiner Liebe wegen
Gerügt? Und lässest, weiser Mann,
Heut als ein Reittier dich erblicken?
Dich muß man auf die Weide schicken ! rt
Bei diesen Worten bäumt in arger Seelennot
Der Meister sich empor und springt herab die Schöne.
(< Ja, w sagt er, „spotte, Herr; der Fehltritt macht mich rot,
Und mir gebührt, daß man mich drum verhöhne.
Doch mögst du wenigstens die Lehre draus dir merken.
Erwäg, ob ohne Grund mit meinem Rat
Ich gegen Amors Macht dich Jüngling wollte stärken,
Da bis zu solchem Schwächegrad
Er die Vernunft in mir zerrissen,
In mir, der ich als Philosoph bekannt,
Gefeiert bin im ganzen Griechenland
Und zwiefach war gefeit durch Alter und durch Wissen!"
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Die besiegte Philosophie
287
Er geht. Der König dankt für diesen hübschen Streich
Der Rache seinem Lieb mit Hand und Lippen,
Und seine Zärtlichkeit wird doppelt reich,
Obwohl er klar gesehn der Liebe Klippen.
Doch Aristoteles blieb dem Entschluß
Getreu, das Liebesspiel von nun an stumm zu dulden.
Des Königs Lust ward bald von selbst zum Überdruß;
Der eignen Tugend dacht' er Dank für das zu schulden,
Was er aus Unbestand beging.
Kurz, er verließ das arme Ding.
Die Liebe legt vors Aug' uns Binden; doch zuweilen
Wird unser Blick durch den Verstand befreit;
Weit besser kann von ihr die Zeit
Als Aristoteles uns heilen.
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DIE DREI GEHÖRNTEN EHEMÄNNER
Wie man ein junges Mädchen hüte,
Ist ein Problem, das Mühe macht.
Doch ohne daß er sich zu sehr bemühte,
Hat einst ein Vater drei bewacht.
Die Wahrheit ist, daß er die Sorg um diese Frage
Dem Himmel überließ. Spiel, Tanz und Zechgelage
Erkoren sich zum Stelldichein sein Haus.
Tagtäglich herrschte Saus und Braus,
Und bleiche Fastenzeit verirrte
Sich nie zu diesem muntren Wirte.
Auch seiner Töchter Kleeblatt war
Ein Herz und eine Seele mit dem Alten;
Denn Freiheit ließ er ihnen ganz und gar.
Wer das Vergnügen liebt, bringt schonendes Verhalten
Gern dem Vergnügen andrer dar.
Drum ließ er guten Muts die jungen Stutzer
War der drei Grazien nur würdig Rang und Blut,
Der Mantel fein, die Wäsche sauber,
Und zog man achtungsvoll vorm Herrn Papa den Hut,
So durfte frei man sich erfreun au ihrem Zauber.
Euch denken könnt vermutlich ihr demnach,
Daß man nicht über schlechte Zeiten,
Krieg, Steuern und dergleichen sprach;
Man sprach von Liebe, sprach von süßen Heimlichkeiten
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Die drei gehörnten Ehemänner
Kein fruchtlos Zwiegespräch : das Herz
Der schönen Jüngferchen war keineswegs von Erz.
Auch wirft ein Liebender, dem keine Hoffnung loht,
Zu euren Füßen sich, um Mitleid zu erringen;
Er stöhnt, er windet sich, er droht,
Vor euren Augen gleich sich umzubringen :
Wollt ihr verschulden seinen Tod?
Bei diesen drei starb niemand, nein behüte;
Dazu war allzu groß der Schwestern Seelengüte.
Doch weil im Liebesspiel man sich nicht zügeln mochte,
Ward bei Lucrezia, die dergestalt
Aufs Vorrecht ihrer Erstgeburt wohl pochte,
Das Mieder allzu enge bald.
Und schon, obgleich die Ärmste tat,
Was irgend möglich, und sich schnürte,
So gut es eben ging, vollführte
Ihr leicht geblähter Rock Verrat.
Sie mußt' am Ende sich dem Vater anvertrauen ;
Welch peinlicher Bericht ! Sie fiel auf ihre Knie
Und ließ die Tränen niedertauen.
Der Herr Papa geriet in hellen Zorn und schrie.
Erst spielt man polternd den Gestrengen ;
Doch man besänftigt sich sodann:
Ob solcher Kleinigkeit war unser Mann
Noch lange nicht gewillt, sich aufzuhängen.
Das weise Sprichwort war ihm wohlbekannt,
Daß Übel, dië uns schwer bedrängen,
Fulda, Die gepuderte Muse «9
Die drei gehörnten Ehemänner
Geduld zu lindern ist i instand.
Er handelte danach, erwog insonderheit
Zuvörderst, wie den Fall er vor der Welt verdecke;
Ein ihm vertrauter Arzt sprang bei zu diesem Zwecke
Und sprach, Lucrezia bedürf auf einge Zeit
Der Luftverändrung. Doch derweil die Fee
An einer abgelegnen Stelle
Im neunten Monat wird erlöst von ihrem Weh,
Beschleicht dasselbe Weh die Schwester Isabelle,
Und beichten muß auch sie dem Vater, was geschah :
„Gott sei gelobt," sagt der Papa,
«Die Welt nimmt zu." Hierauf begibt er schnelle
Sich zu der jüngsten Tochter hin,
Die zwar bis jetzt noch nicht beengt war vom Korsette,
Jedoch sich allerdings schon im Beginn
Dazu befand. Er sprach: „Wie geht es dir, Lucette?
Schenkst etwa mir auch du gleich deinem Schwesternpaar
Ein Enkelchen ?" Ihr war nicht solche Keckheit eigen;
Doch was ihr Wort nicht möchte zeigen,
Macht ihr Erröten offenbar.
„Wohl," sagt ihr Vater, „ich versteh' dein Schweigen:
Es ist noch nicht so weit; doch bist du nahe dran.
Großvaterglück werd' ich zum drittenmal erleben:
Stirbt jemals aus die Welt, so kann
Wahrhaftig, Gott sei Dank, mir niemand schuld dran geben. "
Und richtig, eh' viel Zeit verrann,
Genas von einem Kind der Lieb' im Wochenbette
Gleich ihren Schwestern auch Lucette. *
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■
Die drei gehörnten Ehemänner 291
Die Zeit mit ihren raschen Schwingen
Flog unsern Dämchen flink vorhei,
Und schließlich ward geplant, sie an den Mann zu bringen.
Doch welcher findet sich? Das Schicksal dieser drei
War mehr als einem Nachbar kund.
Es schien das klügste drum, sie billig loszuschlagen ;
Nur kann, wer schwach war vor dem Ehebund,
Es wieder sein; wer sollt' es darauf wagen?
Wer konnte wissen, ob zu dem Befund
Nicht mehr als einer beigetragen?
Die Füße stammten ab vielleicht von Valentin,
Von Jean der Kopf, von Nikolas die Hände ;
Für was hienieden ist Gewißheit uns verliehn?
Der Vater, kurz und gut, war schlau genug am Ende,
Nach andren Gegenden zu ziehn.
Der fremden Schönen Reiz fangt an dort aufzufallen :
Bald sieht der Vater in sein Haus
Ein wechselnd Heer von Freiern wallen
Und wählt zuletzt drei Brüder aus,
Die reichsten, nobelsten von allen.
Die beiden ältsten, forsch und geckenhaft,
Beriefen prahlend sich als vielerfahrne Kenner
Auf ihre Liebesheldenkraft
Und höhnten die Genossenschaft
Der hintergangnen Ehemänner.
Sie gaben vor, daß ganz genau
Sie könnten am Gesicht, an Hals und Hand erkennen,
M)'
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292 Die drei gehörnten E h emänner
Ob vor der Heirat eine Frau
Die Blume sich gewahrt, worauf die Männer brennen,
Die zu Paris mau hoch muß zahlen
Und von der Lieb 1 im Dorf zumeist umsonst erhält.
Der jüngste, Monreal, nicht so von Stolz geschwellt
Und klüger als die zwei, vermied ihr Prahlen
Und spielte nicht wie sie sich auf als Springinsfeld.
Doch mußt' er ebendrum von jener ältren beiden
Hochmütigem Gespött manch spitzen Stich erleiden.
Beiseite nahm nunmehr, als er am Ziel sich sah,
Flugs die drei Töchter ihr Papa,
Und mild zu ihnen sprach der alte Knabe:
„Für jede von euch drein, ihr Kinder, steht zur Wahl
Ein junger Mann; doch ziemt sich dieses Mal,
Daß ein Notar die Hand im Spiele habe.
Nicht wieder dürft ihr ihn verfehlen.
Auch müßt vor allen Dingen möglichst gut
Ihr eure Witwenschaft verhehlen.
Je nun, warum auch nicht? Nur Mut!
Wer übern Graben springt, der darf nicht zittern.
Sorgt nicht um das, was einst geschehn:
Nachts spielt sich alles ab, und nachts kann man nicht sehn ;
Drum seid getrost. Und wenn sie doch was wittern,
Dann ist's ihr Pech. Ich frag' euch meinerseits:
Habt ihr sie denn geliebt bereits
Zur Zeit von eurem Abenteuer?"
Sie sagen lächelnd nein. „Nun also, seht ihr nicht?
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Die dr ei gehörnten Eh em änner
293
Sie waren damals noch nicht euer;
An sie drum also band euch keine Pflicht.
Kurz, jede von euch drein beging, indem sie tat,
Was ihr gefiel, nicht Meineid noch Verrat. M
Nachdem er fertig war mit dieser schönen Predigt,
Die er so kunstvoll ausgeschmückt,
Ging er von dannen hochbeglückt
Und sah durch diesen Bund sich schon im Geist entledigt
Von einer Last, die schwer gedrückt.
Genau nach Sitt' und Brauch schloß man am Hochzeitstage
Erst den Vertrag, dann gab's ein festlich Mahl ;
Ich will, Freund Leser, dich nicht laden zum Gelage,
Noch auch bericht' ich dir der Speisen Art und Zahl.
Die Bräute trugen höchst bescheidne, zücht'ge Mienen,
Die wundersam verheißend schienen.
Jedoch die Kennerschaft des ältren Brüderpaars?
O, die bewährten Zeichen logen ihnen
In diesem Fall. Gewißheit war's
Für sie, daß ihre Braut mit jenem holden Beben
Der Ahnungslosigkeit sich ihnen werd' ergeben.
Doch dank dem Satan ging es schief;
Denn ein Rival, der nur ein Drittel wußte,
Schrieb einen anonymen Brief,
Der arg die Gatten foltern mußte.
Ein jeder von den dreien findet
Solch Briefchen auf dem Weg zum ehelichen Bett,
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Die drei gehörnten Ehemänner
Und seine Hochzeitsglut entschwindet,
Indem er heimlich liest von A bis Z:
„Ihr von dem süßen Wahn Berückte,
Daß euch sich eine Rose schenkt,
Wißt: Hymen denkt und Amor lenkt,
Und einer von euch drein hat eine schon gepflückte.
Unrettbar ist er heimgefallen
Der /Ainft, auf deren Stirn Gott Amor Horner setzt;
Sie wachsen noch vielleicht euch allen,
Doch einer unter euch trägt sie bestimmt schon jetzt."
Nie auf der Bühne ward geweckt
Durch plötzlich angelangte Briefe
Kin tragischerer Knalleffekt.
Der Ältste bleibt zunächst, bis in den Tod erschreckt.
So stumm und starr, als ob er in Betäubung schliefe;
Dann mit Gewalt ermannt er sich :
„Gott, was erfahr' ich? Trifft es einen
Von meinen Brüdern oder mich?"
Die Braut, die nicht begreift, was diese Worte meinen,
„O Himmel!" ruft sie bang, „was bringt dich auf, mein
Lieber?"
Er hält den Brief ihr hin. Man denke sich die Macht
Des Sturms, den das in ihr entfacht!
Doch sie bezwingt zuletzt das Überraschungsfieber
Und lispelt : „Schwöre mir, du mein geliebter Mann,
Verschwiegenheit, und ich vertraue
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Dir dieses wichtige Geheimnis an."
(Er schwört's.) „Die Wahrheit steht im Brief, die ganzgenaue.
Der Ehre Schranken übertrat
Die eine von uns drein vor Jahren." —
„O, welche denn? Laß mich 's erfahren!" —
„Lucette. Glaubtest du sie fähig solcher Tat?
Sie hat ein Kind." Er reibt sich seine Stirne trocken
Und ruft: „Gottlob! Ich atme auf.
Der Jüngste, gut! Sich's einzubrocken
War er ja stets bemüht; nun nehm' er s in den Kauf."
So walzt Lucrezia von sich des Argwohns Schatten
Zur Last der dritten ab. Zu gleicher Frist
Hilft Isabelle sich mit ganz derselben List.
Getrost zu Bett gehn die zwei Gatten.
Sei's nun, daß die Erfahrung dieser Gecken,
Mit der sie so geprunkt an allen Ecken,
In diesem Punkte mangelhaft,
Sei's, daß man mit der Kunst vertraut war, zu verstecken
Die Spur geheimer Mutterschaft —
Stolz huldigen die beiden um die W r ettr
Dem Hymen. Doch, so fragt ihr nun,
Was mocht' inzwischen wohl Lucette
Als jüngste der drei Schwestern tun?
Sie hatte zum Gemahl den Monreal;
Derselbe Brief, derselbe Zwischenfall
Und bei Lucette drum die nämliche Verwirrung;
Doch sie besaß mehr Offenheit.
So gab sie denn ihm redlichen Bescheid
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2q6 Die drei gehörnten Ehemänner
Von ihrer Schwestern Fall und ihrer eignen Irrung.
O, welch ein Bild, da sie dem Bett entsprungen
Sich zitternd, kniend straft mit Selbstbeschuldigungen!
Dabei vergißt Lucette ganz
Die Unordnungen des Gewands;
Zwei schwere goldne Locken wallen
Aus ihrem aufgelösten Haar und fallen
Auf ihres Busens Marmorglanz.
Geschlossen halb sind ihre Lider,
Und ihrer Tränen Strom begießt
Zwei Rosenknospen, die das Mieder,
Das leicht bewegliche, zugleich dem Blick erschließt.
So, während sie sich selber schuldig spricht,
Erwartet sie von ihm mit ausgestreckten Armen
Entweder ein zermalmendes Gericht
Oder ein liebevoll Erbarmen.
Wer ist der Türke, wer der Wilde,
Der nicht sich müßt' entwaffnet sehn hiernach?
Ihr Reiz, ihr Gradsinn zwang den Gatten so zur Milde,
Daß er „Steh auf, Lucette!" sprach;
„Durch Freimut löschtest du die Schmach."
Sie zu beschwichtigen mußt' aber ihr Gemahl
Ihr die Verzeihung förmlich erst besiegeln ;
Doch auch das Siegel schien noch nicht die Zweifelsqual
Lucettens völlig abzuwiegeln.
Ihr Liebesungestüm gab dem Erbeben
Der Sorge stets von neuem Platz,
Er habe halb ihr nur vergeben ;
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Die drei gehörnten Ehemänner 297
„Beruhige mich doch, mein Schatz,
Beruhige mich doch ! " ruft sie beständig.
Und Monreal muß ihr bekräftigen, daß tot
In ihm der Groll und nur die Liebe noch lebendig.
Ein zärtlich Herz, wie leicht erliegt es dem Verzagen !
Sie fiel von Angst in Angst; er hatte seine Not,
Stets neue Sorgen zu verjagen,
Bis endlich aufeuglühn begann das Morgenrot.
Die beiden ältren trieb die Neubegier, zu wissen,
Ob das Geheimnis auch dem andern schon bekannt,
Hinweg von ihrem Ruhekissen,
Kaum, daß die Dämmerung entschwand.
Sie stehen voreinander da :
„Mein Bruder, nun, gibt's Neuigkeiten?" —
„Ei wohl, das läßt sich nicht bestreiten." —
„ Bekamst auch du den Brief?" fragt jener. — „Freilich, ja.
Als ob das nicht von uns ein jeder kommen sah !
Schlimm ist es nun mit ihm bestellt.
Der arme Cato ! Traun, es hätte
Das kleine Mütterchen Lucette
Nie weder dich noch mich geprellt."
Der andre ruft : „Jawohl, auf Ehre !
Der Spaß wtird' aber noch verstärkt,
Falls unser Bruder nichts gemerkt!
Kein Zweifel, daß dazu der Gimpel fähig wäre.
Glaub mir, er ahnte nichts, der Blinde.
Ich möchte sehn, was heut der arme Wicht
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Daheim wohl macht für ein Gesicht,
Ein Bild, das schon vorher ich höchst ergötzlich finde.
Gehn wir ihn suchen." Sie verfügen
Sich zu ihm. Seine Miene spricht
Von Kummer keineswegs, wohl aber von Vergnügen.
Jedoch sie denken sich, der Schein kann trügen.
Man bietet ihm den Gruß verlegen und zerstreut,
Rückt mit der Sprache nicht heraus und sagt am Ende:
„Mein Bruder, guten Tag." Dann fährt man fort, als fände
Kein ander Thema sich: „Sehr schönes Wetter heut." —
„Sehr schön", sagt Monreal. — „Betracht' ihn dir genauer",
So tuschelt Icis das Brüderpaar;
„Ich wett', ihm ist sein Los bekannt und wird ihm sauer."
Laut fragen sie darauf: „Weißt du wohl gar . . .?" —
„Ja, ich weiß alles. " — „Dann ist'sBruderpflicht, im Schmerz,
Der dich Bedauernswerten hat betroffen,
Dir unsern Trost zu leihn. Wir hoffen,
Du trägst s als Philosoph und hältst dein Herz
Gleichzeitig für den Mut und ftir die Klugheit offen.
Dir gab ja beide reichlich die Natur.
Und im Vertraun, wem's widerfuhr,
Daß er dies ward, begrab s in Stummheit ;
Sonst kommt er in der Leute Mäuler nur :
Es sein ist Mißgeschick; es eingestehn ist Dummheit."
„Doch," fährt der Ältste fort, „wie konntest du nur glauben,
Da du Lucette sahst als ausgewachsner Mann,
Daß nicht ein anderer gelesen schon die Trauben?
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Die drei gehörnten Ehemänner
^99
Das sieht sogleich man einem Weib doch an.
Frag unsern Bruder; so betrogen
Wird nie, wer Augen hat. " Der Jüngste drauf: „Wohl wahr;
Und habt ihr selber nicht gesehen sonnenklar,
Daß ihr das gleiche Los gezogen?" —
„Das gleiche? Ha, wir halten Wache;
Sei nur ganz unbesorgt. Glaub, das ist unsre Sache." —
„Ihr haltet Wache? Gut; und sehr zur rechten Zeit.
Sagt mir, ob ihr zufrieden seid
Mit eurem Schicksal ?" — „W T as für eine Frage!
Sie zeugt von bittrer Ungeduld.
Wenn du gelangt in schlimme Lage,
Dann ist wohl keiner dran als nur du selber schuld.
Mein Brüderchen, sei nicht verstimmt
Und folg dem guten Bat, den wir dir gaben."
Doch Monreal, der draus mit Sicherheit entnimmt,
Daß die zwei Schwestern sich entlastet haben
Auf Kosten von Lucette, schwört sofort
Mit hohem Eid, sich selbst und sie zu rächen.
Er fragt sie, ohne was zu sprechen
Von seiner Absicht, nach dem Ort,
Wo die drei Püppchen sind, die Brut der drei Prinzessen,
Läßt niemand in die Karten schaun
Und ladet eines Tags zum Essen
Die Brüder ein mit ihren Fraun.
Man fand im höchsten Grad verschwenderisch das Mahl;
Doch das Dessert war ohnegleichen.
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3oo
Die drei gehörnten Ehemänner
Der Zaubrer Monreal gibt mit dem Stab ein Zeichen,
Und augenblicklich hüpfen in den Saal
Die drei schon ziemlich aufgeschoßnen Rangen,
Die dank dem Unterricht, den sie zuvor empfangen,
Sich drängen um den Tisch, ausrufend hundertmal:
„Papa! Mama!" Von dieser Szene
Gleichwie vom Blitz gerührt, saß die Gesellschaft stumm.
„Seht her, wie jeden ich von euch belehne",
Sagt Monreal, „mit seinem Eigentum.
Unleugbar, daß die Güter unsrer Frauen
Im Ehestand auch unsre sind.
Hier, Bruder, magst du deine Tochter schauen ;
Der Knabe dort ist dein, und dieser ist mein Kind.
Ihr Damen," sagt er zu den Müttern,
„Erkennt ihr sie wohl an?" (Sie tun es wie gelähmt.)
„Die Wahrheit wolltet ihr erschüttern ;
Verzeiht, wenn ich euch drum beschämt.
Ihr Brüder seht nun ein, wir drei sind völlig quitt.
Das beste, scheint mir, ist, als ein Geschenk zu hegen
Den allzu frühen Kindersegen.
Es bracht' uns allen drein die Braut ein Kleinod mit,
Das schon geschliffen und gefaßt uns winkt entgegen."
So bat sie Monreal nach der gestillten Rache,
Sie möchten allesamt verzeihn;
Zur Nachsicht stimmte nebenbei der Wein.
Sie folgten seinem Rat, und unter ihrem Dache
War Friede fürderhin und eitel Sonnenschein.
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JEAN PIERRE CLARIS DE FLORIAN
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DER TURTELTAUBE H
Wenn ich des Glückes Gipfel es genannt,
Als Weiser, fern dem weltlichen Getriebe,
Zu leben still befriedet auf dem Land,
Beiseit mit Absicht ließ ich da die Liebe.
Zwar nur die Liebe kann das Leben schmücken,
Doch kann sie 's auch verheeren : bange Wahl.
Sie hat mich reich bedacht mit ihren Tücken,
Und ihre Freuden fand ich äußerst schal.
Ich kenn' euch, ihr verehrlichen Koketten,
Und weiß vor eurer Nähe mich zu retten ;
Und euch desgleichen, deren Unschuldsmienen
So täuschend unser Zutraun sich verdienen;
Und euch zumal, vom spröden, herben Schlag,
Die uns mit Starrheit und gelindem Grollen
Mehr foltern als der Treubruch es vermag,
Ich kenn' euch all; und ohne Gall' und Gift
Will unter anderm Namen diese Schrift
Entlarven euch in euren Falschheitsrollen,
In euren Kniffen, die uns weinen machen,
Durch ein Geschichtchen, angetan zum Lachen.
Ein Turteltauberchen, in trauter Hut
Des elterlichen Nestes noch geborgen,
3o4
Der T urteltauber
Verlor durch eines Habichts Räuberwut
Das Paar, das schützte seineu Lebensmorgen.
Der arme Vogel, elternlos, allein,
Welch hartem Schicksal ist er überlassen !
Solch zarter Sprößling kann noch nicht erfassen,
Wie groß das Unglück ist, verwaist zu sein.
Zwei Tage drauf entschlüpft er aus dem Nest,
Gequält von Hunger, setzt zuerst nur zagend
Den Fuß auf ein benachbartes Geäst;
Dies biegt sich, und der Vogel, flügelschlagend,
Verliert das Gleichgewicht und schwankt und sinkt
Zu Boden, wo er kläglich weiter hinkt.
Was auch geflogen kommt auf seinen Wegen,
Er sieht es stets als Turteltauben an,
Streckt flatternd seinen Schnabel ihm entgegen
Und fleht so laut um Hilfe, wie er kann,
Indem er schreit: u Ach, geben Sie mir Futter;
Ich bin's ja, ich! Sind Sie nicht meine Mutter?"
Doch Vögel denken leider, ganz wie wir,
Ein jeder nur an sich ; das zeigt sich immer.
Und der Verwaiste lernt es nun auch hier.
Kein Echo meldet sich auf sein Gewimmer.
Doch die Natur gibt mählich ihm Erfahrung
Und lehrt ihn, selbst zu finden seine Nahrung ;
Zum Dulden seiner Not gewinnt er Kraft:
Es ist das Mißgeschick, das Helden schafft.
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Der Turteltaub er
3o5
Der Sommer flieht, das Laub wird welk und fallt;
Der Winter, der nun anfängt zu regieren,
Läßt unsern armen Turteltauber frieren ;
Denn um zu leiden sind wir auf der Welt.
Jedoch ein einzger froher Tag vertreibt
Den Kummer eines Monats voll Beschwerden ;
Hauptsache nur, daß man am Leben bleibt.
Der junge Vogel sieht es Frühling werden ;
Die Luft wird klar, die Veilchen blühn hervor,
Und rings um ihn ersprießt ein neues Leben ;
Die Nachtigall und andre Sänger heben
Zu singen an den hellen Jubelchor,
Und Ringeltauben schaukeln auf den Ästen,
Die stille Zeugen sind von Liebesfesten.
Der Tauber schaut und lauscht und wird erregt ;
Er spürt im Herzen schauderhafte Leere :
„Ich wähnte," sagt er, „daß ich glücklich wäre,
Und fühle doch zu Seufzern mich bewegt!
Die andern, ach, sind glücklicher als ich ;
Ein jeder wüßt' ein Weib sich zu besorgen
Und ist im sanften Ehejoch geborgen ;
Nur ich bin einsam, und das langweilt mich.
Doch ihrem Beispiel folgen will ich morgen,
Will mir ein Schätzchen suchen und sie frein ;
Denn wohl befindet man sich nur zu zwein."
»
Entschlossen, eine Schöne zu gewinnen,
Streicht glättend er die Federn seiner Schwingen ;
Fulda, Die gepuderte Muse 20
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3o6
Der Tu r t elt aub er
Sein Spiegelbild betrachtet er ira Bach,
Er brüstet sich, Bewundrung ruft ihm wach
Sein hübscher Schnabel, seine schlanke Rundheit,
Sein Halsband, dessen schattentiefes Dunkel
So prächtig absticht von des Halses Buntheit,
Und seines Auges klug und zart Gefunkel.
Dies all verheißt ihm einen Siegeslauf,
Und sicher des Triumphes fliegt er auf.
So zog der schöne Paris unerschrocken
Aus Troja fort, um Helena zu locken.
Schnell nähert sich der Vorsatz des Verwegnen
Dem großen Ziel. Fortuna läßt alsbald
Ein junges Lerchen fräulein ihm begegnen,
Das hübsch und schmuck von Antlitz und Gestalt
So leichten Fußes durch die Wiesen hüpft,
Daß unter ihm die Halme kaum sich beugen;
Er macht sich flugs an sie heran und knüpft
Das folgende Gespräch an ohne Zeugen :
„Mein schönes Kind, zwar Ihnen unbekannt,
Bin im Bewußtsein, daß zum Glück auf Erden
Gehört, zu lieben und geliebt zu werden,
Ich von daheim gezogen über Land.
Zu lieben bin ich ganz gewiß inistand;
Ich fühlt' es gleich, sobald ich Sie gewahrte;
Geliebt zu sein. steht nicht in meiner Wahl,
Ich bitte nur um einen Hoffnungsstrahl."
Er schwieg. Die Lerche gab auf dieses zarte
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Der Turteltaubâr
3o 7
Geständnis Antwort ohne Zorane witter,
Gesenkten Blicks und fast ein wenig zag,
Als richtige Kokette, die den Ritter,
Den sie nicht liebt, gern an sich fesseln mag.
Der Held wird zugelassen als Gefährte;
Doch plötzlich hebt ins Blau sich die Begehrte,
Schwebt, schießt mit Blitzesschnelle hin und her,
Erscheint, versch windet, schwingt sich auf und nieder.
Der Tauber will ihr nach, verliert die Fährte,
Sucht, findet sie, verliert sogleich sie wieder:
„Ach," ruft er keuchend, „halt, ich kann nicht mehr!
O Teure, der mein Herz entgegenschlug,
Nicht lieben kann einander man im Flug ;
Ich weiß hierin zwar noch nicht recht Bescheid,
Jedoch das Glück mit seinem sanften Schauer
Soll uns erfreun in ungestörter Dauer,
Und wahres Glück verlangt Gemächlichkeit."
„Kann sein", erwidert ihm die Lerche keck;
„Doch was dem einen Glück ist, ist's nicht allen ;
Hübsch aussehn, singen, fliegen und gefallen,
Das ist mein angeborner Lebenszweck,
Darin allein das Glück für mich besteht."
Sie spricht noch, als ihr in die Augen blitzt
Ein Spiegel, den an einer Schnur verschmitzt
Ein Vogelfänger hin und wieder dreht;
Sie fliegt heran, um drin ihr Bild zu schauen.
3o8
Der 7 ur teltaub er
Der Tauber mahnt sie, halb gelähmt vor Grauen,
Sich vor dem Garn zu hüten; doch zu spät:
Die sorglos Törichte wird von den Schlingen
Dahingerafft im selben Augenblick.
Umsonst sucht ihr Galan ihr beizuspringen,
Entrinnt nur knapp dem tödlichen Gestrick
Mit dem Verlust von Federn seiner Schwingen,
Kann bloß ihr noch sein trauernd Mitleid schenken
Und flieht auf einen Zweig, um nachzudenken.
„Nun bin ich Witwer vor dem Ehestand",
So sagt er sich, „und war' ein rechtes Närrchen,
Kam' ich noch einmal außer Rand und Band,
Um zu verfolgen diese tollen Lerchen :
Wer klug ist, hege vor Koketten Scheu ;
Dies lockere Geschlecht kann nichts als fliegen.
Das Weib, das ich mir suche, sei gediegen,
Sei minder hübsch, doch minder ungetreu
Und nur mich zu beglücken ihr Begehr.
Geist gilt mir viel ; doch Ruhe gilt mir mehr.
Gesagt, getan. Auf saatbegrünter Erde
Kommt eine feiste Wachtel ihm in Sicht,
Die langsam wandeln heißt ihr Schwergewicht,
Mit Unschuldsblick und schüchterner Gebärde ;
Der Tauber schwingt sich rasch an ihre Seite
Und geht mit kühnen Worten auf die Freite.
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Der Turteltauber
3o 9
„Sie lieben mich? Fürwahr, ich bin entzückt",
Versetzt die Wachtel ; wohl, Sie sind willkommen ;
Zusammenleben werden wir beglückt;
Ist doch mein Herz in Gcgenlieb' entglommen."
So redend gab sie gleich ihm die Beweise.
„Welch ein Gemüt!" ruft unser Freiersmann,
„Wie schlicht und wahr! Wie mein Geschick ich preise,
Daß ich solch unberührtes Herz gewann ! "
Die Wachtel zwar versteht hiervon kein Wort,
Antwortet falsch, liebkost ihn aber richtig,
Und dies allein von allem ist ihm wichtig.
In Lieb' und Eintracht leben sie hinfort,
Als gegen Abend ihr beglückter Tauber
Erst einen Wachteljüngling sieht erscheinen,
Dann zwei, dann drei, drauf schließlich nochmals einen.
Er starrt auf diesen sonderbaren Zauber,
Eilt hin zu seiner Frau und fragt sie sachte:
„Sind diese Herrn als Hochzeitsgäste hier?"
Sie lispelt: „Nein, die sind vermählt mit mir." -
„Was?" — „Freilich." — „Alle sieben?!" — „Ja, der achte
Bist nun von heut an du, beliebt es dir.
Ein jeder hat sein Teil, wie recht und billig,
Und so bereit' ich allen gleiches Glück ;
Anstrengend ist's, doch ich bin opferwillig." —
„Und ich — lebwohl! — mein Wort nehm' ich zurück;
Das ganze Herz von einer ganzen Wachtel
Verlangt' ich, und ich wünsche nicht ein Achtel."
3 i o
Der T urteltaub er
Er fliegt hinweg, und äußerst aufgebracht
Verbringt in einem Wäldchen er die Nacht.
Man schläft nur mäßig, wenn man kocht vor Grimm.
Der Tauber schilt nach zeitigem Erwachen
Sich selbst: „Mir ging es in der Liebe schlimm;
Doch ich bin schuld und will's nun besser machen.
Vorsichtig und behutsam will ich sein,
Will prüfen, schon bevor ich mich gebunden,
Und namentlich mit Pfiffigkeit erkunden,
Ob die von mir Erkorae sittenrein.
So leicht nicht wieder fängt man jetzt mich ein."
Gesonnen, diesem Plane nachzugehn,
Als Philosoph durchwandert er die Gegend,
Versucht gedeckt zu horchen und zu spähn,
Erkundetes mit scharfem Sinn erwägend.
In nächster Nachbarschaft entdeckt sein Trachten
Bald eine Spröde, noch nicht sehr bejahrt,
Mit Reizen, die durchaus nicht zu verachten,
Und nur von etwas herber Sinnesart.
Kein Wunder, denn ein Würgerweibchen war es.
Der Tauber läßt hiervon sich nicht beirren :
Er naht. Beim ersten Stelldichein des Paares
Herrscht Kühle; dann ist man erweicht, gerührt,
Und bald beginnt ein wechselseitig Girren :
Die Spröden sind am hurtigsten verführt.
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Der Turteltauber
3 1 1
Das Würgerweibchen liebt ihn heiß und züchtig;
Kein Nebenbuhler droht, er herrscht allein.
Bald aber foltert, rasend eifersüchtig,
Sie den Gemahl mit namenloser Pein.
Sie klagt ihn an, macht Szenen ihm tagtäglich,
Verfolgt ihn, spioniert, ist unerträglich,
Versetzt aus Zärtlichkeit ihm Schnabelhiebe
Und schlägt ihn zur Verstärkung seiner Liebe.
Dann weint sie wieder, will, daß ihrem Reiz
Durch ihren Gatten größres Recht geschehe;
Sie schätze dieses Spiel zwar ihrerseits
Gering; doch müsse man in einer Ehe
Auf diesem sittlichen und holden Wege
Sich den Gemahl von neuem stets ergattern,
Ihn dergestalt verhindernd am Entflattern.
Doch er, des Joches müd und all der Schläge,
Zerzaust und kläglich abgemagert, nützt
Die Stunde, da sein Weib, den Kopf geschützt
Von ihrem Flügel, schläft an seiner Seite,
Steht leis und zitternd auf, begibt geschwind
Sich aus dem Nest und sucht alsdann das Weite,
Mit keinem Ziel, als daß er ihr entrinnt.
Ein tüchtiges Stück Wegs durchfliegt er bald ;
Er möchte fliehn bis an des Weltalls Ende.
Zuletzt in einer Wüste macht er Halt,
Sich duckend unter öde Felsenwände.
„Hier", sagt er, w ist mir wohl, hier weich' ich nimmer,
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Der Turteltauber
Hier wird nicht Wachtel mir noch Lerche nahn ;
Zu dieser Zuflucht bricht sich keine Bahn
Das Blendwerk tugendhafter Frauenzimmer.
Hier werd' ich einsam leben ; denn es gibt
Kein Weib von trautem, zärtlichem Betragen,
Gibt keins, von dem der Gatte, den sie liebt,
Nicht wird betrogen oder totgeschlagen.
Ach, einer bessern Liebsten war ich wert,
Ich wäre bis zum Grab ihr treu geblieben ;
Ein Turteltauber, wenn er Liebe nährt,
Stirbt eher, als er seinen Schwur versehrt;
Doch ach, kein andrer Vogel weiß zu lieben."
„Sie täuschen sich", versetzt mit mildem Hauch
Ein Turteltäubchen, weiß, mit sanften Mienen ;
„Zärtlich und treu gleich Ihnen bin ich auch
Und glaube gleichfalls Liebe zu verdienen :
Ich bin noch ledig; machen wir Bekanntschaft!"
Der Tauber schaut und findet Lieblichkeit :
Er nähert sich, er spricht, empfängt Bescheid ;
Des Täubchens Geist und Stimme zeigt Verwandtschaft,
Zeigt gleiche Sanftmut, gleichen schlichten Sinn.
Sie sind bestimmt, einander zu gefallen,
Und schnelle Neigung reißt sie beide hin.
Sie fühlen einer stillen Glut Beginn,
Und weil die Herzen feurig überwallen,
Eint sie noch selben Tags ein Ehebund,
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Der Turteltauber
3i3
Der unverbrüchlich dauern wird fürs Leben ;
Sie bauten, ganz einander hingegeben,
Ihr friedlich Glück auf einen festen Grund;
Und unser Freund, in warmem Nestgewinde,
Gab zu, daß ausnah msweis' man Perlen finde.
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DER JAGDHUND
Oft, wenn ich eine Liebste hatt' erkoren
Und diese mit Verrat mich heimgesucht,
Hab' ich mein zärtliches Gefühl verflucht
Und alle Lieb' auf ewig abgeschworen.
Fort, sagt' ich mir, mit dieser eitlen Glut ;
Es möge die Vernunft vor ihr mich retten ;
Frei will ich fürder sein und frohgemut.
Hinweg, hinweg mit den verhaßten Ketten,
Die mich erniedern, schwächen und beschränken!
Mir will ich leben und dem Studium,
Ganz in die schönen Künste mich versenken.
Nachdem ich dies gesagt, blickt' ich ringsum ;
Ich war verlassen, einsam und allein,
Nichts weckte Sehnsucht mir und nichts Vergnügen,
Es quälte mich ein wachsend Ungenügen :
In leere Herzen fallt kein Sonnenschein.
Bald ward ich untreu meinen weisen Plänen;
Da zwischen Lieb' und Tod nur blieb die Wahl,
Kehrt' ich zur Liebsten heim voll Reuetränen
Und ließ mich hintergehn zum zweitenmal.
Ihr glaubt mir nicht, daß man so tief sich beugt?
Ihr lacht mich aus, den Zweifel im Gesichte?
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Der Jagdhund
3 1 5
Damit ihr euch handgreiflich überzeugt,
Hört eines Jagdhunds wahrhafte Geschichte.
Ein junger Hund, der Medor hieß mit Namen,
Ein Tier von anerkanntem edlen Blut,
Kühn, feurig, eifrig, ohne zu erlahmen,
War eines alten Wächters einzig Gut.
Er folgt zur Jagd ihm jeden frühen Tag ;
In Wald und Feld, im Dickicht und im Grase,
Stets wittert er mit hochgehobner Nase;
Er läuft, er spürt, er späht auf einen Schlag,
Sucht alles ab für seines Herrn Gewehr,
Bringt ihm das Wildpret auf, setzt hinterher,
Und ihm zum Opfer fällt gar mancher Hase.
Der flüchtgen Wachtel folgt er, den Fasanen ;
Das scheue Rebhuhn, das quer übers Feld
Sich einen Rettungsweg versucht zu bahnen,
Wird eingeholt von Medor und gestellt ;
Er wartet reglos mit gespitztem Ohr,
Geschärften Augen und gereckten Krallen,
Bis aufgescheucht vom Jäger sich empor
Das Rebhuhn hebt, um gleich zurückzufallen.
Er stürmt herbei mit blitzgeschwindem Sprung,
Packt's mit den Zähnen, ohn' es zu verletzen,
Und apportiert es seinem Herrn im Schwung.
Talent genug, um Medor hochzuschätzen.
Doch sind ihm auch noch Tugenden beschert;
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3i6
Der Jagdbund
Er ist nicht nur geschickt, er ist auch fügsam,
Sein Herz kommt seiner Nase gleich an Wert:
Er ist gelehrig, zärtlich, sanft, genügsam
Und treu vor allem. Ach, von altersher
Wohnt diese Tugend meist in Hundeherzen ;
Das Menschenherz beut ihr kein Obdach mehr.
Mich grämt, wieviel wir uns dadurch verscherzen.
Ja, Medor liebte nicht nur seinen Herrn,
Auch dessen Weib, auch dessen kleine Kinder
Und Vettern, Freunde, Nachbarvolk nicht minder.
Er sagte zu sich selbst: „Von Herzen gern
Lohn' ich die Sorgen derer, die mich nähren.
Wie sind sie doch zu mir so liebevoll !
Wollt" es das Unglück, daß ich sterben soll,
So weiß ich, daß sie todestraurig wären.
Drum will ich ihnen dienen lebenslang."
Dies waren des getreuen Hundes Worte,
Dies war sein Vorsatz. Doch im Nachbarorte
War dazumal ein junger Herr von Rang,
Reich, glänzend, Jägersmann von echtem Schrot,
Der für die Rebhuhnjagd sein Dorf verheerte,
Die Bauern sterben ließ vor Hungersnot,
Jedoch im Winter die Fasanen nährte
Und sich beklagte, wenn bei Saat und Ernte
Der Ackersmann die Wachteln ihm entfernte.
Er sieht den Medor, ist von ihm entzückt;
Er geht zum Wächter, zeigt ihm Gold in Haufen:
„Dein Hund gefällt mir gut; ich will ihn kaufen." —
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Der Jagdhund
„Ach, gnädger Herr, mein Hund ist hochbeglückt,
Weil er zu solcher Ehre ward erkoren.
Medor, hierher!" Doch mit gesenkten Ohren
Und trägem Schritt naht Medor sich bedrückt,
Legt zitternd ihm zu Füßen sich ; zu schmeicheln
Um Gnade scheint sein demutvoller Blick :
Jedoch umsonst. Es schlingt, statt ihn zu streicheln,
Der Wächter um den Hals ihm einen Strick
Und stößt ihn unbarmherzig, ungerührt
Mit grobem Fußtritt und mit rohem Hiebe
Zum neuen Herrn, der ihn sogleich entführt.
„Weh mir," sagt Medor sich, „war das die Liebe?!
Ist er im Handumdrehn mir nicht mehr hold?
Mein Leben gab ich ihm, wenn er gewollt,
Und der Verräter gibt mich hin für Gold !
Es zwang ihn wohl dazn die Dürftigkeit:
Gar teuer kommt es, einen Hund zu pflegen ;
Die Armen dürfen keine Liebe hegen.
Sie tun mir, ach, von ganzem Herzen leid!
Anhangen will ich meinem neuen Herrn;
Dien' ich ihm gut, hat er gewiß mich gern,
Und ganz gesichert wird hierdurch mein Heil sein ;
Denn weil er reich ist, werd' ich ihm nicht feil sein."
Von nun an kennt der Hund kein ander Streben,
Als daß er seinem neuen Herrn gefällt;
Und es gelingt. Geduldig und ergeben
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3i8
D er 7 a i db u n à
Kommt er zum Ziele, das er sich gestellt.
Der Liebling seines Herrn ist Medor bald,
Er folgt ihm stets, darf an der Tafel essen ;
Von ihm wird ausgestochen jung und alt,
Es kann mit ihm an Gunst sich niemand messen ;
Ihn zieht sein Herr in unverdecktem Spiel
Sämtlichen Freunden vor und all den Seinen,
Selbst seiner Frau. Dies wird euch glaubhaft scheinen;
Denn solchen Herrn gilt ihre Frau nicht viel.
Medor, der glückliche, weckt manchen Neid,
Das alte Schicksal aller wahren Größen.
Vom Kammerdiener bis zur Küchenmaid
Haßt jeder ihn, und doch mit Rippenstößen
Drängt jeder sich an ihn als Weihrauchspender:
„Was für ein süßer Hund!' 1 so rufen sie,
«Wer teuer den gekauft, war kein Verschwender."
Dann leis, beiseit: „O das verdammte Vieh!
Wann werden von dem Köter wir befreit?"
Ein Jahr verrinnt, und Medor, im Gedanken,
Daß ihn sein Herr vergöttert ohne Wanken,
Frißt, säuft und schlummert voll Zufriedenheit.
Doch eines Tages, da — wie zu geschehen
Es täglich pflegt — sein Herr zur Jagd ihn führt,
Läuft, aus Versäumnis oder aus Versehen,
Der große Medor, ohne daß er spürt,
An einem Rebhuhnschwarm vorbei. Ergrimmt
Versetzt sein Herr dafür ihm Peitschenschläge.
Geprügelt jagt nun Medor doppelt träge
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Der Jagdhund 3 I q
Und steigert, weil er mürrisch sich benimmt,
Den Mißmut seines Herren bis zum Rochen.
Das Urteil wird ihm alsobald gesprochen :
Hinaus mit Medor! Flugs mit Rutenhieben
Wird von dem übereifrigen Gesind
Der gute Medor aus dem Haus getrieben,
Und unser Hund, der aus der Schlacht entrinnt,
Zerbleut und lahm, mehr tot als noch lebendig,
Erkennt, daß die gepriesnen Herrn von Stand
Nicht stets mit ihrer Freundschaft sind beständig
Und ihren Günstling wechseln kurzerhand.
„Wohl," sagt er, „klüger macht mich diese Strafe:
Grausam von einem Edelmann zerrauft,
Von einem Wächter schonungslos verkauft,
Will ich nicht länger fronen als ein Sklave.
Die Männer meid' ich; sie sind bös und roh.
Weit minder grausam sind gewiß die Frauen ;
Sie sind so sanft und lieblich anzuschauen.
Versuchen wir's damit." Kaum sprach er so,
Als Medor eine schöne Dame sieht,
Die sich ergeht an ihres Liebsten Arme.
Der Hoffnung trauend, die sein Herz durchzieht,
Naht er und fleht, daß man sich sein erbarme,
Leckt von des Pärchens Schuhen ab den Staub,
Blickt auf zu ihm und säuselt: „Mit Verlaub,
Wollt ihr nicht Mitleid gönnen meinem Harme?"
Das Herz der Liebenden ist immer weich.
Die schöne Frau, gerührt im tiefsten Grunde,
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Der Jagdhund
Erklärt zur Freundin sich dem armen Hunde
Und führt in ihre Wohnung ihn sogleich.
Der gute Medor zeigt mit manchem Blick
Und manchem Sprung, wie sehr sein Dank sie segnet,
Und als er ihrem Ehemann begegnet,
Bellt er, aus Zufall oder aus Geschick,
Ein Tun, das ihr erscheint als höchst vergnüglich,
Und Medor wird ihr Liebling unverzüglich.
Ein fröhlich Leben ist ihm nun bereitet:
Viel glücklicher als bei dem großen Herrn,
Schirmt er die Herrin, die er stets begleitet,
Bei Tag und Nacht wie seinen Augenstern,
Schläft neben ihr und glaubt sich ungestört
Dank ihrer Huld von jeglicher Bedrängnis.
Doch eines Nachts will leider das Verhängnis,
Daß der Geliebte, dem ihr Herz gehört,
Ihr etwas ganz Geheimes will gestehen,
Sich leiser, als ein Dieb es je vermocht,
Um zwölf nach allgemeinem Schlafengehen
In ihre Wohnung schleichend auf den Zehen,
Sacht an das kaum verschloßne Zimmer pocht,
Worin die Schöne, seiner harrend, weilt.
Beim ersten Laut stürzt Medor auf der Stelle
Wachsam herbei mit schrecklichem Gebelle,
Sodaß das ganze Haus zusammeneilt,
Der Liebste blitzgeschwind das Weite sucht,
Im stillen diesen Satanshund verflucht
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Der Jagdhund
Und wütend schwört, er werd' an ihm sich rächen.
Die Dame schwört es auch, mit gleichem Groll.
Am Morgen nach dem nächtlichen Verbrechen
Nennt die barmherz'ge Frau den Medor toll.
Schon seit drei Tagen meid' er Speis' und Trank,
Und wolF ihr auch das Herz dabei zerspringen,
Müss' einen Hund, der so gefährlich krank,
Dem Allgemeinwohl man zum Opfer bringen ;
Drum stimmt sie zu, daß man ihn stracks ersäuft.
Sofort mit Stöcken, Knütteln, Spießen, Schlingen
Verfolgt man ihn, zum Rudel angehäuft.
Doch Medor kommt zuvor, ergreift mit Schrecken
Die Flucht vorm Tode, der ihn schon umkrallt,
Rennt weit hinweg, um in dem dichten Wald
Sich fern von seinen Feinden zu verstecken.
Er denkt: „Wohlan, wenn's lang so fortgehn mag,
Dann wird sein Ende finden all mein Kummer.
Bisher ging's immer schlechter Schlag auf Schlag;
Bald bringt Erlösung mir der ew'ge Schlummer.
Doch will ich wenigstens in Freiheit sterben,
Will keinem dienen mehr und keinen sehn,
Will selbst mir meinen Unterhalt erwerben,
Beliebig jagen, rasten, kommen, gehn,
Nicht mehr Tyrannen blind Gehorsam zollen.
Dann bin ich frei von jeglicher Gefahr
Und muß nicht furchten, daß, von Gift geschwollen,
Mich eine schöne Frau verschreit als Tollen,
Fulda, Die gepuderte H use 31
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32 2
Der J agdhund
Bloß weil ich treu, bloß weil ich tapfer war.
Entschlossen bin ich, ganz fur mich zu leben."
Er tut's; doch dieses triste Dasein droht
Dem Überdruß ihn bald anheimzugeben.
Für andre leben gilt als Hauptgebot
Den armen Herzen, die Gefühl durchloht.
Bald sehnt sich Medor, tief bedrückt von Gram,
Nach der Vergangenheit, selbst nach den Schlägen,
Die einst von Herrn und Herrin er bekam.
Er spürt, wie sein Verdruß und Zorn sich legen,
Sucht in dem Dorf den alten Wächter auf,
Kehrt heim zu diesem ersten, liebsten Bunde,
Vergißt in ihm den schmählichen Verkauf
Und sagt beschämt im Kreis der andern Hunde :
(( Ich bin im Unrecht, freilich; doch ihr seht,
Wie weit nun einmal meine Schwäche geht
Für dies Geschlecht, das unser wert ist nimmer.
Verzeiht mir, bitte, meinen Selbstbetrug.
Wer Undankbare liebt, hat's schlimm genug;
Wer niemand liebt, hat's aber zehnmal schlimmer. 1
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DIE HENNE VON GAUX
Man weiß, daß manche guten Leute blind
Ihr Vaterland herabzusetzen pflegen,
Der andern Länder Sitt* und Brauch dagegen
Verhimmeln, ohne daß die besser sind.
Ob solcher Unbill, daß ich's nicht verhehle,
Ist manches Mal mein heller Zorn entbrannt;
Nicht als besäß', mit gegen teil'gem Fehle,
Ich Freundschaft, Achtung nur fürs eigne Land.
Fern sei mir solcher Pöbelwahn ; er ist
Der unglücksel'ge Quell von Haß und Zwist!
Die Redlichen sind Brüder allerwärts.
Doch ohne fremde Völker drum zu hassen,
Kann man das eigne schließen in sein Herz.
Man trifft, ihr mögt euch fest darauf verlassen,
Am Seine-Ufer grad so viel Verstand,
Geist, Anmut, Ehre, Tugend, obendrein
Auch Glück, als man am kalten Themse-Strand,
Am Po, am Tajo findet und am Rhein.
Ich will versuchen, daß ich's euch beweise;
Und wenn aus Freimut ich auf meiner Reise
In kleinen Zügen etwas boshaft bin,
Laßt, Italiener, Spanier, Deutsche, Briten,
324
Die Henne von C aux
Mich im voraus um eure Nachsicht bitten ;
Denn euch zu kränken hab' ich nicht im Sinn.
Im alten Neustrien, im Landstrich Caux,
Den unsre samtlichen Gerichte kennen,
Wuchs eine Henne, guten Futters froh,
Heran als Zierd' und Vorbild aller Hennen.
Denkt euch Gefieder schwarz wie Ebenholz,
Mit goldnem Rand verbrämt, ein Silberschöpfchen,
Ein vom Zinnoberkamm gekröntes Köpfchen,
Die Augen lebhaft, Gang und Miene stolz:
Da habt ihr sie. Nehmt hiermit im Verein
Ein weiches und empfängliches Gemüte,
Sanftmut, vor allen Dingen Seelengüte,
Genügend Geist, um liebenswert zu sein,
Und nicht genug, um unbequem zu werden.
Ihr einz'ger Fehler war die Eitelkeit;
Ach, wer ist völlig frei davon auf Erden?
Bereits in ihrer ersten Jugendzeit
Verdrehte sie den Kopf den Nachbarhähnen ;
Doch nicht auf Siege von so leichter Art
Erpicht, entzog sie sich dem Liebessehnen.
Vergeblich werben rings um sie geschart
Die ritterlichen Hähne heiß und zart,
Den Hals gebläht, im Stelzschritt sich bewegend
Und mit dem Flügelpaar den Boden fegend :
Die reizgeschmückte Henne bleibt inmitten
So vieler Freier kalt, hört ihre Bitten
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Die Henne von Caux
325
Zerstreuten Blickes, haucht ein grausam Nein
Und läßt sie stehn. Kommt mit entschlossnen Schritten
Ein Waghals unternehmend hinterdrein,
Schärft sie mit zorn'gem Schnabelhieb ihm ein,
In Ehrerbietung Abstand zu bewahren,
Wie einst Pénélope, die man noch jetzt
Um ihrer Tugend willen rühmt und schätzt,
Entfloh dem Angriff der Verfolgerscharen.
Hochmut ist selten unbestraft geblieben ;
Er macht nicht froh, langweilt uns schauderhaft:
Es ist die jammervollste Leidenschaft,
Hienieden niemand als sich selbst zu lieben.
Unsrer Normannin kam dies bald zu Sinnen :
Ihr schien zuletzt ihr Dasein öd und schal,
Und ihres Herzens Leere schuf ihr Qual.
Sie seufete tief. Ach, aber was beginnen?
Sich ändern? Minder spröde sich betragen?
Den jungen Hähnen kam' das wohl zu paß;
Was aber würden dann die Hennen sagen ?
Man kennt doch ihr Geklatsch und ihren Haß.
So martern unsre Heldin Zweifelsfragen,
Bis einst ein Brite, der auf mancher Reise
Beständig vor der Langeweile flieht,
Auf seinem Heimweg unsre Henne sieht
Und augenblicklich kauft zu teurem Preise.
3 2 6
Die Henne von C aux
Er schifft sodann sie mit der größten Schonung
Nach London ein, und ein behaglich Nest
Nah bei Northampton gibt er ihr zur Wohnung.
Kaum sitzt in England die Französin fest,
So sagt sie sich: „Es scheint mir an der Zeit,
Daß meine stolze Strenge sich vermindert,
Meine Moral sowie mein Ton sich lindert.
Bisher ging meine Sittsamkeit zu weit ;
Daß ich zu jung noch war, hat mich behindert.
Jetzt aber nehm' ich hier, sobald ich kann,
Mir einen frischen, guten, treuen Mann.
Mir blüht ein Glück nur, wenn ich Mutter werde.
Ein Etwas tief im Herzen sagt mir s an,
Daß dies mein Lebensziel ist auf der Erde."
Viel eingeborne Hähne nahn ihr bald.
Schmuck, selbstbewußt und stattlich von Gestalt
Sind alle; doch bei näherer Betrachtung
Bemerkt man ihre gründliche Verachtung
Für jedes Huhn, das nicht aus England stammt.
Sie schau n auf sie herunter insgesamt,
Und ohne lange Umstandskrämereien
Beginnt um sie der hübschste so zu freien :
w Hör', Miß, in mir gewahrst du deinen Herren.
Doch du gefällst mir; ich bin Sultan hier
Und will dir meinen Harem nicht versperren;
Komm denn mich lieben, ich befehl' es dir."
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Die H enne von C aux 3 2 7
Auf dieser Redeblumen duft'gen Flor
Verbleibt sie stumm und ohne sich zu regen ;
Denn allzu groß kommt ihr die Ehre vor.
Dem Sprecher tritt ein andrer Hahn entgegen
Und sagt: „Goddam, Ihr seid sehr gnadenreich!
Ihr hier der Herr? Ihr Sultan? Diese Worte,
In unsrer Sprache sind sie nicht am Orte,
Wir sind als Briten alle frei und gleich.
Mit welchem Recht wollt Ihr allein gefallen
Der fremden Henne, die doch Untertan
Und eigen ist genau wie Euch uns allen?" —
„Da ist mein Recht", versetzt der erste Hahn
Und hackt mit seinem Schnabel auf den Kamm
Des Gegners ein, der wie ein Felsen stramm
Dem Angriff trotzt, sich auf die Sporen hebend
Ausweicht, zurückkehrt, und, vor Kampfwut bebend,
Gereckten Halses stürzt zum Gegenpralle.
Die beiden Kämpfenden umdrängt man dicht,
Man nimmt Partei, man mengt sich ein, man ficht,
Reißt sich in Fetzen. Aus dem wilden Schwalle
Flieht unsere Französin ganz entsetzt
Durch Wald und Feld, läuft, fliegt, um dieser Meute
Schnell zu entgehn, von dannen wie gehetzt.
„Was für ein Land!" so ruft sie; „was für Leute!
Die Freiheit ist fur sie nur Kampf und Zwist;
Sogar in ihrer Liebe sind sie Flegel.
Hinweg, hinweg von hier!" Nach kurzer Frist
Kommt sie zur Themse hin, entdeckt ein Segel,
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3^8
Die Henne von C aux
Das nah dem Ufer gleitet durch die Wogen.
Sic schießt drauf zu ; das ganze Schiffsvolk lacht,
Da sie ins Wasser purzelt unbedacht;
Doch wird sie gleich darauf herausgezogen,
Und so gelangt sie unversehrt an Bord.
Dies Schiff hat Fracht nach Spanien zu tragen
Und landet in Cadix nach wenig Tagen.
Hasch flattert unsre Henne von ihm fort,
Um sich ins unbekannte Land zu wagen.
Sie sieht in seiner Täler Üppigkeit
Oliven untermengt mit Maulbeerbäumen,
Die Purpurtrauben und das Goldgetreid',
Sieht die Orangen an den Straßensäumen,
Die süßen Duft verhauchenden Zitronen,
Die schon von Kindheit an durch Überfluß
Gleichzeit ger Blüt' und Frucht dem Gärtner lohnen,
Verbindend mit der Hoffnung den Genuß;
Der Weidelämmer munteres Gewimmel,
Die Rosse, die sich tummeln auf der Flur,
Kurz, überall das Füllhorn der Natur,
Das Gaben ausstreut unter günstgem Himmel.
Sollt' euch die lauge Schilderung ermüden,
Vergebt sie mir; ich schwärme für den Süden.
Geschmack an ihm gewann auch unsre Henne;
Ganz leise, voll Bewundrung sagte sie:
„Dies Land ist vorzuziehn der Normandie.
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Die Henne von Caux
So sehr, daß nie mehr ich von ihm mich trenne."
Im selben Augenblick tritt auf die Szene
Ein junger Hahn, von ihrem Reiz berückt,
Ein junger Hahn, den mancher Vorzug schmückt;
Zwar ist er nicht so schön wie Englands Hähne;
Doch hat er einen Zug von Majestät,
Der stark verfuhrt ; auch weiß er zu bestricken
Durch Augen, die so klug wie feurig blicken.
Er spricht zur Henne feierlich beredt
Und würdevoll, wie hier zu lesen steht :
„Fürstin der Hennen, Zierde dieser Ebnen,
Ja, dieses Fruchtlands neue Sonne nun,
Ihr werdet jeden Eurer Untergebnen
Abspenstig machen seinem Lieblingshuhn.
* Unbillig wär' es, würd' uns das verdacht.
Geblendet waren wir bisher von Sternen,
Die nicht mit Euch vergleichbar sind an Pracht ;
Doch wenn wir anderen den Hof gemacht,
War's nur, damit wir Euch zu lieben lernen. w
Dies sprach der Hahn von Andalusiens Aun,
Und seine Rede, wenn auch sehr geschliffen,
Schien der Französin hübsch ; sie gab ergriffen
Ihm Antwort voll Beseeltheit und Vertraun.
Geführt von Amor wandeln sie zu zweit,
Als eine Elster leise wie auf Socken
Mit scheuem Blick, in schwarz- und weißem Kleid
Vorüberhuscht. „Ach," ruft der Hahn erschrocken,
33o
Die H enne von C au x
„Ich bin verloren, bin dem Tod geweiht!" —
„Was redet Ihr? Was schafft Euch solchen Schreck?" —
„Der Vogel dort." — „Vor einer Elster zagen?
Mit Schnabelhieben werd' ich sie verjagen." —
„Nehmt Euch vor ihr in acht !" — „Zu welchem Zweck?" —
„Ich merk', Ihr kennt nicht unsres Lebens Klippe:
So wißt, daß diese schnöde Vogelsippe,
Die man hier haßt und dennoch hegt und hütet,
Mit einem scheinbar freundlichen Gesicht
Allüberall belauert, was man spricht
Und was man tut, ja, was im Geist man brütet,
Um es auf tausend Arten zu verdrehn
Und flugs an Koch und Köchin zu verraten;
Dann aber ist's gar bald um uns geschehn;
Denn ohne Mitleid werden wir gebraten." —
„Gebraten?!" — „Trotz der Unschuld unser beider,
Jawohl. Ich hab' Euch leis mein Herz entdeckt,
Ihr habt gelauscht, und das genügt schon, leider,
Daß man heut Abend an den Spieß uns steckt." —
„Wohl!" sagt sie, wieder auf das Schiff sich schwingend,
„Ein Glück, daß ich den rechten W T eg nun weiß.
Zwar euer Land ist schön und herzbezwingend,
Für unsereins jedoch etwas zu heiß.
Voll Lieb' und Trauer geb' ich euch den Schwur:
An Geist und Herzen wärt ihr Mustergatten;
Doch alles, was euch schenkte die Natur,
Vor den schwarzweißen Spähern tritt's in Schatten.
Mögt ihr von ihnen säubern euer Land."
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Die H enne von C aux 33 I
Sie sagt's und hat an Bord kaum Platz genommen,
Als schon das Frachtschiff seine Segel spannt
Und nach Livorno fährt. Dort angekommen,
Lustwandelt sie zuvörderst an dem Strand
Und sieht dort einen fetten jungen Hahn
Dicht am Gestad' mit sanfter Miene nahn ;
Er dreht sich um, tritt mit verschiednen Grüßen
Hin zu der Fremden, spricht mit einem süßen
Und hellen Tone, recht wie ein Galan:
„Will Euer gütig Herz, bezaubernd Wesen,
Zu dero Gnaden Cicisbeo nicht
Sich einen italien'schen Hahn erlesen?
Ich bin auf dieses Ehrenamt erpicht.
Ach, meine Fehler kenn* ich wohl, mein Engel ;
Doch durch Verehrung und durch Sklaverei
Will ich ersetzen meines Wertes Mängel."
So spricht er, seufzt und senkt den Blick dabei.
Unsre Normannin hat gelauscht in Stille ;
Doch warnt ein unbestimmter Widerwille
Sie vor dem fetten, honigsüßen Herrn,
Zumal vor seines Sprechens hellem Klange.
Sie läßt ihn stehen, und es währt nicht lange,
Da schaut sie, wenig Schritte von ihr fern
Ein andres Huhn und fragt es : „Gebt mir kund,
Gevattrin, wenn's beliebt, warum soeben
Mir dieser Hahn solch heftig Widerstreben
Hat eingeflößt. w — „Ach, wohl aus einem Grund,
Der hart und traurig ist, doch nach der Mode
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33s
Die Henne von Caux
In diesem Land, wo leider mit Methode
Man eine schöne Stimme höher stellt
Als andre Gaben, die ich zwar nicht nenne,
Doch die von Fall zu Fall für eine Henne
Sehr wichtig sind. Einst weckten in der Welt,
So sagt man, unsre Hähne höchstes Staunen,
Stark in der Liebe, fürchterlich im Streit.
Es ändert, ach, sich alles mit der Zeit;
Wir merkens: unsre Hähne sind Kapaunen. w
Die Henne ruft im Zorn: „Ihr tut mir leid.
Ich habe schon durchwandert viele Staaten;
In England haben Schläge mir gedroht,
Sodann in Spanien wollte man mich braten;
Doch hier zu leben däucht mir schlimmre Not."
Nach diesen Worten schwingt sie pfeilgeschwind
Sich auf den ersten besten Reisewagen,
Läßt sich, gleichviel wohin, von dannen tragen,
Damit sie nur Italien entrinnt.
Ein Deutscher saß in diesem Wagen drin
Und führte nach Germanien sie hin,
Zu seinem Schlosse bei Kursberchtolfgixen;
Am Draufluß zwischen Innsbruck liegt's und Brixen.*
Kaum sieht die Henne sich in diesem Land,
Als ihre Schönheit hundert Hähne feiern ;
* Man sieht, der gute Florian nimmt es mit der deutschen Geographie nicht
genau. Der Übersetzer.
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Die Henne von C aux
333
Doch sorglich von den vielen neuen Freiern
Studiert sie den Charakter vorderhand.
In dieser Hinsicht hat sie's gut getroffen:
Sanft sind die wackren Deutschen, warm und offen,
Die Ehre liebend, nicht die Schmeicheleien,
Vorziehend der verlognen Kunst des Scheins
Die minder leichte, beßre Kunst des Seins.
Drum einen dieser Trefflichen zu freien
Entschließt sich unsre Henne bald. Sie wählt
Sich den, der ihr am besten hat gefallen,
Und sie gesteht in Gegenwart von allen
Ihm zu, daß gern sie sich mit ihm vermählt.
„O, welches Glück!" versetzt mit Herzenspochen
Der junge Hahn. „Doch frei herausgesprochen,
Ihr wißt wohl, was als erstes hierzuland
Von nöten ist, um Ehen anzubahnen :
Daß Ihr den Nachweis bringt von sechzehn Ahnen." —
„Wie? Sechzehn Ahnen?" fragt sie hochgespannt. —
„Ja, dies die Vorschrift, und sie wirkt als Zwang." —
„Erklärt mir doch; ich kann Euch nicht verstehen:
Was denn für Ahnen?" — „Nun, von Adelsrang.
Denn Adel wiegt weit mehr iu unsern Ehen
Als Zärtlichkeit; und mangelt es an dem,
So kann ein Hahn den Zutritt nicht erhalten
Zu jenen sogenannten Zuchtanstalten,
In denen er sich unnütz und bequem
Auf Kosten seines Vaterlands ernährt.
Desgleichen werden unsre jungen Hennen
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334 Die H enne von Caux
\— — ... 1 ■ —
So gut gefüttert und so hoch geehrt,
Daß lebenslänglich sie nichts andres kennen
Als Kurzweil, Müßiggang und Wohlgefuhl."
Die gute Henne lauscht mit offnem Schnabel,
So staunend, als erzähl' er eine Fabel,
Denkt nach und sagt ihm ruhig, aber kühl :
„Ich, lieber Freund, bin nicht von Adelstand,
Weiß nichts von euren Regeln und Schikanen;
Doch Lieb' und Tugend sind mir wohlbekannt
Und wichtiger als eure sechzehn Ahnen :
Ein Brautschatz, der mir ganz genügend scheint.
Drum will ich nicht in diesem Land verharren,
Wo wen'ger Klugheit herrscht, als ich gemeint.
Ich merke, jedes Land hat seinen Sparren ;
Mir — ohne die verschiednen zu vergleichen —
Ist meine Heimat mehr als andre wert. w
Nach diesen Worten macht sie schleunigst kehrt
Und will gradaus ihr Vaterland erreichen.
Es war ihr Plan, so sagt mir ein Gemunkel,
Ein Buch zu schreiben, sehr abstrakt, sehr lang,
Besonders, um ftir tief zu gelten, dunkel,
Behandelnd Ursach' und Zusammenhang
Von Recht, Gesetz und Sitten der Nationen
Nebst manchem höchst erleuchtenden Beleg.
Wohl mochte sich ein solches Werk verlohnen;
Doch die Verfaßrin fraß ein Fuchs am Weg.
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QUELLEN VERZEICHNIS
Vergier, Jacques. Geb. Lyon 1657. Gest. Paris 1720.
Oeuvres. Londres, 1780. 1
Du Cerceau, le Père Jean Antoine. Jesuit. Geb. Paris 1 670.
Gest. Véret (Touraine) 1730.
Poésies diverses. Paris, 1772.
Rousseau, Jean Baptiste (nicht zu verwechseln mit seinem
jüngeren und berühmteren Namensvetter Jean Jacques). Geb.
Paris 1670. Gest. Brüssel 1 74 1 -
Contes inédits, éd. V. de Luzarche. Bruxelles, 1881.
Grécourt, Joseph Willart de. Geb. Tours i683. Gest. ebenda
1743.
Oeuvres diverses. Paris, o. J. •
Oeuvres badines. Brüssel, 1881.
Piron, Alexis. Geb. Dijon 1689. Gest. Paris 1773.
Oeuvres complètes. Paris, 1776.
Voltaire, François Marie Arouet de. Geb. Paris 1694.
Gest. ebenda 1778.
Oeuvres.
Erstdruck in: Contes de Guillaume Vadé. Genève, 1764
Gresset, Jean Baptiste de. Geb. Amiens 1709. Gest. ebenda
1777.
Oeuvres. Paris, 1793.
Desfontaines La vallée (eigentlich: Guillaume François Fou-
ques des Hayes). Geb. Caen 1733. Gest. 1825.
Chefs d'œuvre des Conteurs Français, XVIII. Siècle, éd.
Charles Louandre. Paris, 1903.
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Quellenverzeichnis 337
Dorat, Claude Joseph. Geb. Paris 1734. Gest. ebenda 1780.
Recueil de contes et de poèmes. La Haye, 1776.
Bouffiers, Stanislas, Chevalier de. Geb. Nancy 1738.
Gest. Paris i8i5.
Oeuvres choisies. Paris, 1827.
Choderlos de Laclos, Pierre Ambroise François. Geb.
Amiens 1741. Gest. Tarent i8o3.
Poésies, éd. A. Symons et L. Thomas. Paris, 1908.
Imbert, Barthélémy. Geb. Nîmes 1747. Gest. Paris 1790.
Historiettes ou Nouvelles en vers. Amsterdam et Paris, 1774.
Florian, Jean Pierre Claris de. Geb. Schloß Florian 1755.
Gest. Paris 1794.
Oeuvres complètes. Leipzig, 1826.
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Dieses Werk wurde von der Spamerschen Ruchdruckerei
in Leipzig für den Propyläen-Verlag in Berlin gedruckt.
Den Druck der K u p f e r t i e fd r u ck t a f e I n besorgte O. Feising,
Berlin. Die Einbände fertigte die Leipziger Buchbinderei A.-G.
vorm. G. Fritzsche in Leipzig nach Entwürfen von Hugo Steiner»
Prag. Zweihundert Exemplare wurden au f hand-
geschöpftes Bütten abgezogen und numeriert.
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