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Full text of "Theodor Körner's sämtliche Werke : im Auftrag der Mutter des Dichters"

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THEODOR KÖRNER’S 


SÄMMTLICHE WERKE. 


en 


DRUCK VON As Pe VAN LANGENHUYSEN } IM HAAG, 


THEODOR KÖRNER’S 


SAMMTLICHE WERKE. 


ZWEITE VOLLSTÄNDIGE AUSGABE IN 
EINEM BANDE. 





MIT DEM BILDNISSE DES DICHTERS, 


~ ROTTERDAM, 
VERLAG 


vox 
F HARTMANN, A 
1832. 

















e KEE 


LEBEN DES DICHTERS. 


— 


CARL THEODOR KÖRNER, 
Geboren 23. Sept. 1791. Gestorben 29. August 1813. 


a] 


Eine der grössten unter den neuern Erscheinungen in 
unserer schönen Literatur war die leider! nur zu schnell 
vorübergegangene Cant, Tugeonor Könser’s. Dieser edle 
Jüngling wurde am 23, September 1791 in Dresden 
geboren. Sein Vater war Cen € Chursächsischer Appella- 
tionsrath r); seine Mutter ist eine Tochter des in Leipzig 
verstorbenen Kupferstechers Stock. Schon frühzeitig 
offenbarte der anfangs schwäckliche Knabe ein weiches 
Herz, hohe Empfänglichkeit für alles Edle und Gute, 
seltne Willensfestigkeit, Phantasie , und warmen Freund- 
schaftssinn. Seine Aufmerksamkeit festzuhalten war nicht 
leicht, aber war dies gelungen, so fasste er schnell, Er 
erwarb sich schöne Kenntnisse in der Geschichte, Nature 
kunde und Mathematik. Zur Erlernung von Sprachen 
hatte er weniger Anlage und noch weniger Raro, 
Auffallend war sein entschiedener Widerwille gegen 
das Französische. 

Vielfältige gymnastische Uebungen machten aus dem 
schwichlichen Knaben allmählig einen kräftigen, ge- 
wandten, robusten Jüngling. Körner galt für einen rae 
schen Tänzer, dreisten Reiter, tüchtigen Schwimmer 
und besonders für einen geschickten Fechter. Feinere 
‘Drechslerarbeiten gelangen ihm gut, und er zeichnete 
mit Erfolg nicht nur Gegenstände der Mathematik, sone 
dern auch Landschaften. Aber in höherm Grade fand 
sich bei ihm Sinn und Talent für Musik. Auf der Violin 
versprach er etwas zu leisten, als ihn die Guitarre mehr 
anzog , der er in der Folge getrenblieb. Seine Zither am 
Arm, dachte er sich gern zurück in die ‘Zeiten der 
Troubadours. 

Jedoch sein herrschender Trieb war sehr frühe für die 
Dichtkunst. Für diesen fand er anfänglich bei seinem 





1) Körner's Vater wurde späterhin Obertribunalrath in Berlin , und kat sich theils 
durch Berauszabe der Schiller'schen Werke und der seines Sohnes, theils alsschrifi- 
steller im Fache der Aesthetik und Stantswissenschaft hekantıt und verdient gemachte 
Kaiser Alexander beehrte ihn mit dem Russischen Wladimir-Orden, 


D 

trefflichen Vater, der blosse Neigung für Schten Beruf 
zu nehmen fürchtete,'keine Aufmunterung. Doch der 
jugendliche Muth achtete wenig daraufz. wagte sich 
vielmehr bald an schwierige Aufgaben. 

Schiller und Göthe; beide vertraute Freunde des Vaters 
und die Lieblingsdichter im älterlichen Hause, wurden 
für unsern Körner die eines solchen Schülers würdigen 
Bildner. Schiller’s Balladen, wahrscheinlich die ersten 
Gedichte, die er zu lesen bekam, erfüllten den hoch- 
herzigen, für alles Herrliche so empfänglichen Knaben 
mit Begeisterung. Indessen wagte er ich nicht sogleich 
an die ernste Dichtung. Seine ersten Versuche waren äus» 
sern Anlässen entnommene Produkte scherzhafter Gat- 
tung. Die Reime strömten ihm zu. 

Im älterlichen Hause blieb er bis in sein siebzehntes 
Jahr. Er besuchte die Kreuzschule in seiner Vaterstadt, 
und genoss zugleich den Unterricht seines würdigen Va- 
‚ters und guter Privatlehrer, unter denen besonders der 
vachmalige grosse Historiker Dippold mit Auszeich- 
nung genannt zu werden verdient. Seine ächte religiöse 
Bildung verdankt Körner dem jetzigen Pfarrer Roller 
in Lausa. Die innern Verhältnisse dës älterlichen Hau- 
ses waren ganz dazu geschickt, der Charakter-Bildung 
des Jünglings die edelste Richtung zu geben , und je- 
den Keim des Talents zur schönsten Blüthe zu ent- 
falten. 

In einer Familie, die durch Liebe und gegenseitiges 
Vertrauen sich zu einem freundlichen Ganzen vereinigte, 
wurden auch die Rechte des Knaben und Jünglings ge- 
achtet, und ohne zu herrschen, genoss er frühzeitig in- 
nerhalb seiner Sphäre einer unschädlichen Freiheit. Für 
Poesie und Musik war hier Alles empfänglich ; ein aus- 
poacher Kreis wissenschaftlicher Männer kam oft beim 

ater zu bildender Abendunterhaltung zusammen , wor- 
an auch der Sohn des Hauses Antheil nehmen durfte 5 
denn er war nicht vorlaut und’ beschwerlich, sondern 
theilnehmend, ungekünstelt und bescheiden. Um den 
weiblichen Theil der Familie sammelte sich täglich ein 
kleiner Kreis von Frauen und Mädchen , die sich durch 
edle Charakter- und Geistesbildung gleich auszeichne- 
ten, und auch sie sahen unsern Köruer gern , und er- 

ötzten sich an seiner Unbefangenheit und Munterkeit. 
ei solchen Verhältnissen gewöhnte er. sich, in der 
bessern Gesellschaft keinen drückenden Zwang zu füh- 
len, und lernte den Werth des feinern Umgangs ken- 
nen und schätzen. 

Mit besonnener, zärtlicher Sorgfalt suchte Körner’s 
Vater den einzigen Sohn bei der Wahl des künftigen 
Standes desselben zu leiten. «Genaue Abwägung — (so 
berichtet er uns selbst in seiner trefflich geschriebenen 


ur 


Biographie seines Sohnes) — der Vortheile und Nach - 
theile eines jeden Verhältnisses ist von der Jugend 
nicht zu erwarten; was sie bestimmt, sind oft unzu- 
reichende- Gründe, und gleichwohl ist es bedenklich , 
ihrem Entschluss zu widerstreben, da man besonders 
bei lebendigen und kraftvollen Naturen zu wünschen 
hat, dass Geschäft und Neigung zusammen treffe. Und 
ein Geschäft, das ihm künftig ein hinlängliches Aus: 
kommen sichern könnte, hatte auch Theodor Körner 
zu wählen, da er auf den Besitz eines bedeutenden 
Vermögens nicht rechnen durfte.e — Der Bergbau , 
für den Körner bestimmt wurde , hatte viel Anziehen- 
des für ihn durch seine poetische Seite, und durch 
die vielfältige Geistesnahrung, die seine Hülfswissen- 
schaften darbieten. Nachdem er sich durch gründli= 
ches Studium derselben in Dresde vorbereitet hatte, 
bezog er im Jahre 1808 die damals-unter Werner’s 


Leitung stehende Berg-Akademie Areyberg. Hier trieb 


er den Bergbau in practischer und theoretischer Hin- 
sicht, vorzüglich in der erstern Zeit, mit. wahrem En- 
thusiasmus. Hier war es, wo sein Gemüth , durch den 
heilsamen Einfluss edler Freunde, immer mehr an erne 
ster Haltung und männlicher Festigkeit gewann; wo 
seine Poesie erregt wurde durch die erhabenen Em- 
pfindungen, die im schauerlichen Schoos der Erde ihn 
durchdrangen; wo er in den herrlichsten Liedern den 
hohen Sinn für Vaterland und Freiheit und hehre Re- 
ligiosität beurkundete. Die Religion war für ihn keine 
finstere Störerin unschuldiger Freuden; sie war ihm 
die traute Freundin seiner Seele, der Stab an dem 
sie sich erhob. Seine ganze Erziehung war darauf 5 
richtet, ihn nur durch die edelsten Triebfedern zu bë 

stimmen, und selbst das Heiligste lernte er nur ver- 
ehren, nie fürchten. Daher die Unbefangenheit und 
Wärme, mit der er das Herzliche im Christenthume 
auffasste, sich zueigen machte , wieder gab. Dies war die 
Quelle des schönen (durch nachherige Hindernisse unaus- 
geführt gebliebenen) Plans zu einem religiösen Taschen- 
buche für Christen, über das er in einem&öBriefe äus- 
serte: «soll uns denn die Religion, für die unsere 
Väter kämpften und starben, Siehe eben so begeisteru , 
und sollten diese Töne nicht manche Seele ansprechen, 
die noch in ihrer Reinheit lebt? » 

Körner endigte seine academische Laufbahn in Frey- 
berg im Sommer 1810 und bezug, zur Fortsetzung 
seiner Studien, zu Michaelis desselben Jahres die Uni- 
versität Leipzig. Hier erschien noch in demselben Jahre 
die erste Sammlung seiner Gedichte unter dem Titel: 
Knospen; sie fanden entschiedenen Beifall. Mit Fleiss 
und Treue trieb er seine Studien, besonders Philosophie 


e Es s "SO 


iv 


und Geschichte?" gerieth aber bald in Gefahr, gefes- 
selt durch das muntere Studentenleben, den höhern 
Zielpunkt- seines Lebens aus dem Auge zu verlieren. 
Sein tiefes und lebendiges Gefühl für Ehre riss ihn zu 
mancher gesetzwidrigen Vertheidigung derselben , zu 
mancher jugendlichen Verirrung hin, und — nach kur- 
zem Aufenthalt verliess er Leipzig und ging nach Ber- 
lin. Aber auch hier blieb er wicht lange , weil eine 
heftige Krankheit und nachfolgende Kränklichkeit ihm 
den Gebrauch des Carlsbades rieth. Dorthin begleiteten 
ihn seine Eltern, Wiederhergestellt, begab er sich in 
August 1811 nach Wien; ‚und von nun an begann 
eine neue und strahlende Epoche seines poelischen Le- 
bens. Die glänzende Kaiserstadt mit ihren literarischen 
Hülfsmitteln, ästhetischen Instituten und gesellschaftli- 
chen Cirkeln wirkte segsend auf den jungen Dichter. 
Der preussische Minister und Gesandte Wilhelm von 
Humbold und der verdieustliche Gelehrte Friedrich 
Schlegel, Gönner wnd Freunde seines Vaters, nahmen 
den vielversprechenden Jüngling freundlich - in ihre 
Häuser auf; opd die bekannte Dichterin Caroline 
Pichler gestatfete ihm gern den Zutritt im ihre 
äusserst bildenden Gesellschaften. Ein reizendes Mäd- 
chen fesselte und begeisterte zugleich sein ganzes We- 
sen durch ihre Liebe, und die schönsten Träume von 
der Zukunft gestalteten sich in seiner glücklichen, Seele. 
Mit gewaltiger Kraft und kaum glaublicher Produk- 
tivität bewegte er sich in der Sphäre der Poesie. Meh- 
rere dramatische Stücke, die Braut und der grüne Do- 
mino, der Nachtwächter, Toni, erschienen rasch auf 
ffr erg d rden auf dem Wiener Theater mit 
raus hen, Beifall aufgeführt. Ihnen folgte seine meis- 
terhafte Da ung ungarischen Leonidas Zriny , 
sein erschütterndes Drama Hedwig , sein grosses’Trauer- 
spiel Rosamunde, — Zriny’s würdiges Š itenstiick, — 
Sein Ruhm war. gegründet; durch ihn, hauptsächlich 


auch d Kotzebue’s Einfluss erhielt er die ehrende 
Anstellun ‘ Theaterdichter in der kaiserlichen Re- 
sidenz, u sicherte ihm die allgemeine Huldigung, 


die seinem Genius zu Theil wurde, zugleich ein festes 
Einkommen und eine sorgenfreie Existenz. Körner galt 
damals für einen Günstling des Glücks -— und gleich- 
wohl — gewiss das’ sprechendste Zeugniss für die Lie- 
benswürdigkeit seines Charakters — hatte er nie über 
Neid und Kabale in seiner theatralischen Carriere zu 
. klagen. — Weit entfernt zu erschlaffen unter so gün- 

stigen Verhältnissen, erhielt vielmehr seine rüstige 
Natur dadurch pur nenen Schwung. Alle Kräfte wurden 
aufgeboten, das Ziel immer höher gesteckt, und nie 
verschloss der Bescheidene sein Ohr einer belehrenden, ` ` 


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warnenden , auffordernden Stimme , wenn sie durch Geist, 
Kenntnisse und Erfahrung, oder weibliche Aumuth 
sich seine Achtung erworben hatte. 

Aber schon lange hatte der patriotsche Körner im 
Stillen tief getrauert über den entehrenden Druck , unter 
welchem damals das deutschen Vaterland seufzte; und 
fest stand sein frommer Entschluss ‚für Deutschlands Erlöe 
sung — wenn sich Gelegenheit darbieten wirde — statt 
der Feder das Schwert zu ergreifen, ùnd in die Reihen 
der Kämpfenden zu treten. Die Schlacht von Aspern war 
damals sein Trost , Erzherzog Carl sein Held. In Moskau’s 
Flammen sah auch Theodor mit so Vielen seines Vol- 
kes, die Morgenröthe einer bessern Zeit. Napoleon floh 
die podolischen Steppen, Preussen stand auf, Preussens 
Stimme rief zum Streite für -Heiligste der Erde , für 
Freiheit und Vaterland, hallte ler in’s ferne Thal 
der Donau. Freudigen Muthes vo > folgte Körner sol- 
chem Rufe. «Deutschland stehet auf — so schrieb er 
seinem Vater — der Preussische Adler erweckt in allen ` 
treuen Herzen durch seine kühnen Feuerschläge die grosse 
Hoffnung einer deutschen Freihei Meine Eont seufzt 
nach ihrem Vaterlande , lass mich ihr würdiger Jün- 

er seyn. Jetzt, da ich weiss , da alle Sterne “meines 

lücks in schöner Milde auf mich niederleuchten : jeizt 
ist ‘es die mächtige Ueberzeugung , dass kein Opfer zu 
ga sey für das höchste eg zg Gut , für seines 

olkes Freiheit. Eine grosse Zeit will grosse Herzen, 
und fühl’ ich die Kraft in mir , eine Klippe seyn zu 
können in dieser Völkerbrandung; ich muss hinaus und 
















dem Wogensturm die muthige Brust r 
Soll ich in,feiger Begeisterung mei le 
Ich weiss, Da wirst manche Uae mü 
die Mu weinen , Gott tröste sie ! Ich 
Euch ni ren. Dass ich mein Leben wage, 


; dass aber dieses Leben , mit allen Blü- 

thenkränzen der Liebe , der Freundschaft und dgé Freude 

ping ist , und dass ich es doch dass ich 
ie süsse Empfindung hinwerfe, die mi r Ueber- 

zeugung lebte «Euch keine Unruhe, keine Angst zu 
bereiten» — das ist ein Opfer, dem nur ein solcher 
Preis Kl A ëert? werden darf.» — 

Am 19. März 1813 trat er in Breslau unter die Frei- 
schaar des Major von Lützow, welche sich damals 
bildete, und wurde mit seinen Waffenbrüdern nach ei- 
nigen Tagen in der Kirche zu Rochau dem heiligen " 
Kampfe geweiht. Bald nachher zum Oberjäger erwählt , 
begleitete er seinen Major, von Petersdorf, auf einer 
Geschäftsreise, die ihn mehrere Tage früher , als seine 
nen; nach Dresden führte. Noch einmal 

„drückte er Vater und Mutter, deren Segen er empfing, 










Mi 


und alle seine Theuern an ein flammendes Herz. Er 
schied — um sie auf Erden nicht wieder zu sehn. 

Die Lützow’schen Jäger zogen dann nach Leipzig , 
wo unser Körner Lieutenant wurde, von da über Dessau 
und Zerbst bis in die Gegend von Liitzen. Hier schloss 
sich die Freischaar dem Corps des Grafen von Wallmo- 
den an, ging mit diesem über die Elbe , um die bei Dan- 
neberg stehenden Franzosenanzugreifen,und wohnte dem 
Gefecht an der Görde (12. Mai) bei. Körner zeichnete 
sich aus. Die Franzosen wurden geschlagen; Wallmoden 
hielt es jedoch nicht für rathsam , seine Vortheile weis 
ter zu verfolgenund ging mit seinen Truppen am 13. über 
die Elbe zurück. In Folge der Lützener Schlacht (am 2, 
Ui) sah sich das Lützow’sche Fussvolk , unter Peters- 
dorf’s Führung , in eine Thatenlosigkeit versetzt, und 
schwärmte voll Unmuth an der Elbe auf und ab. Tief 
empfand der kampfbegierige Körner das Drückende die- 
ser Lage ; und kaum hatte er erfahren, dass Lützow mit 
seiner Reuterei, 4.Schwadronen Jäger und 50 Kosacken,, 

Seinen Streifzug nach Thüringen beabsichtige,, als er sich 
dringend zum -Dienste bei der Cavallerie anbot. Lützow, 
der ihn schätze , gewährte ihm die Bitte und ernannte 
ibn zu,seinem Adjudanten. Im Rücken des erbitterten 
Feindes zogen die schwarzen Reuter über Eisleben , Butt- 
städt und Schleitz nach Plauen ; nicht ohne grosse Ge- 
fahr, denn diese Gegenden wimmelten von zerstreuten 
Abtheilungen des französischen Heers ; aber nicht ohne 
den gewünschten Bafolaggberal) wurden Couriere auf- 
gefangen, Kriegs- und vorräthe erbeutet oder zer- 










stört, ei e Abtheilungen des Franzosenheers aufge- 
rieben u ichtigstenGommunikationen unterbro= 
racht hierüber, schwur der vere 

n'Schaar den Untergang. Das Mittel dazu war — 


scheusslicher.Verrath. _ ' 
Lützow hatte in Plauen vom Abschluss des Waffene 
i des Sichere Nachricht erhalten. Sogleich stellte 
ligen Bewegungen ein, und, natürlich 
nd erwartend, wählte er den geradesten 
ckmarsch, zur Vereinigung mit seinem 

Corps. Er erhielt auch von dem feindlichen Befehlsba- 

ber die beruhigendsten Zusicherungen, und gelangte un= 

gehindert bis Kitzen, einem Dorfe in der Nähe von 

Leipzig. Hier sah er sich aber plötzlich yon einem Heer- 

haufen Franzosen umstellt, und verrätherisch bedroht. 
> Theodor Körner wurde von Lützow der Hauptcolonne 
der Feinde als Parlementair entgegengeschickt, um Auf- 
klärung über ein solches Beginnen zu verlangen. Als 
solcher „ unvorbereitet auf einen gewaltsamen Angriff, 
denSäbel in der Scheide , ritter auf den commandirenden 
Offizier zu nnd redete ihn an; statt der Antwort hieb - 


vor 
ihm dieser Bube über den Kopf und nur die Schaellig- 


keit seines Pferdes rettete den Verwundeten in das nahe 
Gehölze. In demselben Augenblicke hieben die 10 fach 
stärkern Franzosen von allen Seiten auf die schwarze 
Schaar ein, ehe diese noch den Säbel gezogen hatte , und 
nur mit heldenmüthiger Anstrengung gelang es Lützow 
mit einem Theil seiner Leute sich durchzuschlagen und 
das rechte Elbufer zu erreichen. Der Rest des Corps fiel 
als ein Opfer dieser schändlichen Verrätherei, oder wurde 
gefangen. Einige der französischen Reuter hatten Kör- 
nern nach dem Gehölze verfolgt; schon waren sie ihm 
nahe; Entrinnen-schien unmöglich ; da rettete ihn seine 
seltene Geistesgegenwart: Er rief aus voller Leibeskraft 
in den Wald hinein das Commando: «die vierte Esca- 
dron soll vorrücken!» Die Feinde stutzen ; kehrten um, 
und,als sähen sie schon eine Schwadron der gefürchte- 
ten Schwarzen herangalopiren 5 schwöenkten sie und er- 
griffen eiligst die Flucht. Indessen war es donkel ge- 
worden und der vom Blutverlust Ermattete suchte sich 
im Dickicht so gut als möchlich za verbergen. 

Hier lag unser Körner und erwartete den Tod. Seine 
letzten Gg schwanden, er sank in ohnmächtigen 
Schlummer. Aber seine kräftige Natur siegte, und alser 
am Morgen erwachte, sah er Bauern vor sich stehen, 
die ihm Beistand anboten. Er dankte diese wunderbare 
Hülfe einigen Kameraden, die auf ihrer Flucht durch 
den Wald , Landleute getroffen und diesen gesagt hatten, 
einer ihrer Offiziere liege verwundet im Gebölze , sie 
möchten ihn aufsuchen, er würde sie gewiss reichlich be- 
lohnen. Von diesen wurde unser Körger in;Sicherheit 

ebracht und gepflegt, gelangte dann unter Freundes- 
Eat nach Leipzig und yon da’nach Carlsbad wō er.) 
vierzehn Tage lang den bessernärztlichen Beistand and 
die treueste Sorgfalt für seine völlige Genesung fand. 
Nachdem er hierauf noch einige Zeit in Berlin zuge- 
bracht hatte, kehrte er mit Kraft und Kampflust 






zurück zu seinen Reutern, welche am re Jfer der 
Elbe oberhalb Hamburg des Wiederausbrak r Feind- 
seligkeiten harrten, Sie empfingen den eglaubten 


mit dem freudigsten Jubel. Endlich erschien der 17. 
August; der Waffenstillstand war zu Ende. Die rache- 
athemende Schaar erhielt den gefährlichen Vorposten- 
Dienst, und war von nun an täglich im Kampf. Ruhm» 
voll bestand sie, und mit ihr unser Körner, mehrere 
Gefechte gegen die Franzosen , welche damals unter Da- 
voust’s Führung des Landes Geisel waren. Lützow hatte 
den 28. August zur Ausführung eines kühnen Streif- 
zugs im Rücken der Feinde bestimmt. Am Abend ere 
reichte die Freischaar einen Ort, wo für ein Regiment 
Franzosen Quartier und Beköstigung bestellt ware Die 


eur - 


Schwarzen setzen sich an die für die Feinde gedeckten 
Tische, und trabten gesättigt und gestärkt , weiter bis 
in die Nähe von Rosenderg. Hier, in einem Gehölze, 
wurde Halt gemacht, und Kundschafter aus eschickt , 
um ein, ein paar Stunden weiter befindliches Lager 
der Franzosen zu recognozieren , dessen Ueberrum elung 
man bezweckte. Während man auf die Rückkehr der 
Kundschafter harrte, gewahrten ein paar im Dornge- 
büsch einer nahen Anhöhe lauernde Kosacken um 7 Uhr 
Morgens einen feindlichen Transport von Munition und 
Lebensmitteln, begleitet von zwei ‚Compagnien Fuss 
soldaten. Sogleich beschloss man , ihn aufzuheben. Hùn- 
dert Kosacken sollten den Feind von vorn angreifen, 
Lützow selbst wollte mit einer halben Schwadron der 
Schwarzen dem Feinde in die Flanke fallen , die andere 
Hälfte musste als Reserve geschlossen halten. Körner 
war- als Adjudant , dem Major zur Seite. Eine Stunde 
zuvor entstand, während der Rast im Gehölz, der 
Schwanengesang unsers Dichters das Schwerdtlied, Am 
d be Morgen, des 29, August hatte er es in sein 
Tagebuch geschrieben, und las es einem Freunde vor, 
als das Zeichen zum Angriff gegeben wurde. Auf der 
Strasse von Gadebusch nach Karen » nicht weit von 
einem Gehölze, kam es zum Gefecht. Die feindlichen 
Truppen, obschon zuhlreicher , als man geglaubt hatte, 
flohen, in’s Gebüsch. Körner war unter den kühnsten 
"Vervolgern ; aber die Tiralleurs sandten ihnen aus dem 
Dickicht einen Regen von Flintenkugeln entgegen. Eine 
derselben durchbohrte den Hals von Kürner’s Pferd , 
dann i lbst den Unterleib und traf Leber und das 


ke 











Rückg ‚tödtlich toffenen entschwand au- 
l 1 ac und Apfindung, Einige Augen« 
e später, und herrliche d we war ver- 
"schieden. — Er hatte den schönsten Tod nden, den 





Tod, den er oft mit Begeisterung in seinen unsterb= 
lichen Liedern gepriesen, — den Tod im heiligen Kampfe 

j rland. — Mit Eichenlaub geschmückt wurde 
jke bei dem Dorfe PWöbbelin unter einer 
eierlich und ehrenvoll: bestattet von sei, 
nen- Kampfgenossen , die den Namen des Verewigten in 
deren Rinde gruben. Jetzt ist die Grabstätte des hei- 
ligen Sängers und Helden mit einer Mauer eingefasst , 
und hoch über sie erhebt sich ein in Eisen gegossenes 
Denkmal. Körner’s einzige Schwester, welche im März 
1815 dem geliebten Bruder aus Gram über seinen Ver- 
lust nachfolgte, ruht an. seiner Seite, 


0 








LEYER UND SCHWERT. 


ANDREAS HOFER’S TOD. 


Treu hingst du deinem alten Fürsten an , 
Treu wolltest du dein altes Gut erfechten ;_ 
Der Freyheit ihren ew’gen Bund zu flechten, 
Betratst du kühn die grosse Heldeubahn. | 
Und treu kam auch dein Volk zu dir heran , 
Ob sie der Väter Glück erkämpfen möchten, 
Ach! wer vermag’s, mit Gottes Spruch zu rechten ? 
Der schöne Glaube — war ein schöner Walın. 
Es fangen dich die Sklaven des Tyrannen ; 
Doch wie zum Siege blickst du himmelwärts, 
Der Freyheit Weg geht durch des Todes Schmerz! 
Und ruhig siehst du ihre Büchsen spannen: 
Sie schlagen an, die Kugel trifft in ’s Herz, 
Und deine freye Seele fliegt von dannen ! 


—— 
DIE EICHEN. 


Abend wird's, des Tages Stimmen schweigen , 
Röther strahlt der Sonne letztes Glühp ; 
Und hier sitz’ ich unter euren Zweigen, 
Und das Herz ist mir so voll, so kühn! 
Alter Zeiten alte treue Zeugen, 
Schmückt euch doch des Lebens frisches Grün, 
Und der Vorwelt kräftige Gestalten 
Sind uns noch in eurer Pracht enthalten, 


2 LEYER UND SCHWERT. 


Gel des Edlen hat”die Zeit zertrümmert , 
Viel des Schönen starb den frühen Tod ; 
Durch die reichen Blätterkränze schimmert 
Seinen Abschied dort das Abendroth. 
Doch um das Verhängniss unbekümmert , 
Hat vergebens euch die Zeit bedroht, 
Und es ruft mir aus der Zweige Wehen : 
Alles Grösse muss im Tod bestehen ! 


Und ihr habt bestanden! — Unter allen 

Grünt ihr frisch und kühn mit starkem Muth. 
Wohl kein Pilger wird vorüber wallen , 

Der in eurem Schatten nicht geruht. 
Und wenn herbstlich eure Blätter fallen ; 

Todt auch sind sie euch ein köstlich Gut ; 
Denn, verwesend, werden eure Kinder 
Eurer nächsten Frühlingspracht Begründer, 


Schönes-Bild von alter deutscher Treue, 
Wie sie bess’re Zeiten angeschaut; 
Wo in freudig kühner 'Todesweihe 
Bürger ihre Staaten festgebaut, — 
Ach was hilfvs, dass ich den Schmerz ermene? 
Sind doch alle diesem Schmerz vertraut! 
Deutsches Volk , du herrlichstes vor allen , 
Deine Eichen stehn, du bist gefallen! 


VOR RAUCH’S BÜSTE DER KÖNIGIN LOUISE. 


Da schlifst so sanft! — Die stillen Züge hauchen 
Noch deines -Lebens schöne Träume wieder; 
Der Schlummer nur senkt seine Flügel nieder, 
ind heil’ger Friede schliesst die klaren Augen. 

So schlummre fort , bis Deines Volkes Brüder, 
Wenn Flammenzeichen von den Bergen rauchen , 
Mit Gott versöhnt, die rost’gen Schwerter brauchen, 
Das Leben opfernd für die höchsten Güter. 

Tief führt der Herr durch Nacht und durch Verdetben; 
So sollen wir im Kampf das Heil erwerben, 
Dass unsre Fnkel freye Männer sterben, 

Kommt dann der Tag der Freyheit und der Rache: 
Dann ruft Dein Volk; dann, Deutsche Frau, erwache, 
Ein guter Engel für die gute Sache, 


LEYER UND SCUHWERT. 


‘AUF DEM SCHLACHTFELDE VON ASPERN. 


Schlachtfeld! wo der Todesengel würgte, 
Wo der Deutsche seine Kraft verbiugte, 
Heil’ger Boden! dich grüsst mein Gesang! 
Frankreichs stolze Adler sahst du zittern, 
Sahst des Wüthrichs Eisenkraft zersplittern , 
Die sich frech die halbe Welt bezwang. — 
Euch! ihr Manen der gefallnen Helden, 
Deren, Blick im Siegesdonner brach, 

Ruf’ ich, in den Frühling euret Welten , 
Meines Herzens ganzen Jubel nach, 


Dass ich damals nicht bey. euch gestanden! — 
Dass, wo Brüder Sieg und Freyheit fanden , 
Ich, trotz Kraft und Jugend, doch gefehlt ! 
Glückliche, die ihr den Tag erfochten ! 

Ew’ge Lorbeern habt ihr euch geflochten , 

Zum Triumph des Vaterlands erwählt, — 
Schwarz und traurig wie auf Grabestrümmern 
Wälzt auf Deutschland sich des Schicksals Macht ; 
Doch begeisterrmd wie mit Sternesschimmern 
Bricht der eine Tag durch unsre Nacht, 


Sonnenhauch in düstern Nebeljahren ! 

Deine Strahlen lass: uns treu bewahren , 

Als Vermächtniss einer stolzen Zeit. 

Ueberall im grossen Vaterlande , 

Von der Ostsee bis zum Donaustrande , 

Mach dein Name alle Herzen weit. 

Aspern klingt’s , und. Karl kliugt’s siegestrunken , 
Wo nar Deutsch die Lippe lallen kann, 

Nein ! Germanien ist nicht gesunken ,, 

Hat noch einen Tag und einen Mann, 


Und so lange deutsche Ströme sausen , 
Und so lange deutsche Lieder brausen, 
Gelten diese Namen ihren Klang, 

Was die Tuge auch zerschmettert haben, 
Karl und Aspern ist ins Herz gegraben , 
Karl und Aspern donnert im Gesang. 
Mag der Staub gefallner Helden modern , 
Die dem grossen Tode sich geweiht; 
Ihres Rulımes Flammenzüge lodern 

In dem Tempel der Unsterblichkeit. 


LEYER UND SCHWERT. 


Aber nicht, wie sie die Nachwelt richte, 
Nieht die ew’ge Stimme der Geschichte 
Reisst der Mitwelt grosse Schuld entzwey, 
Ihre Todesweihe lebt im Liede; 

Doch umsonst such’ ich.die Pyramide, 

Die der Denkstein ihrer Grösse sey. 

Auf dem Wahlplatz heiligten die Ahnen 
Ihrer Eichen stolze Riesenpracht , 

Und die Irmensäule der Germanen A 
Sprach von, der geschlagnen Römersehlacht, 


In dem bluťgen Thal der Thermopylen , 
Wo der Griechen freye Schaaren fielen, , 
Grub in Marmor ihrer Brüder Dank : 

» Wandrer! sag’s den kinderlosen Eltern , 
»Dass für's Vaterland auf diesen Feldern 
»Sparta’s kühne' Heldenjugend sank!» 
Und Jahrtausende sind Staub geworden , 
Jenes Marmors heil’ge Säule brach; 
Doch in triumphirenden Accorden 
Riefen’s die Jahrhunderte sich nach, 


Und erzählten, troiz dem Sturmgetöss 

Ihrer Zeit, von der Heroen-Grösse 

Der Gefall'nen und von Sparta's Dank. — 
Gross war Griechenland durch seine Helden , 
Aber grösser noch durch sein Vergelten , 
Wenn der Bürger für die Freyheit sank, 
Jenseit lohnt ein Gott mit ew’gen Strahlen , 
Doch das Leben will auch seinen Glanz, 

Nur mit Ird’schem kann die Erde zahlen, 
Und der Oelzweig windet sich zum Kranz, 


Drum soll es die Nachwelt laut erfahren, 
Wie auch deutsche, Bürger dankbar waren, 
Wie wir der Gefall’'nen That erkannt. 

Dass ihr Tod uns Lebende ermutlıet, 

Dass sie, für Unwürd’ge nicht geblutet : 
Das beweise, deutsches Vaterland! — 
Deine Sänger lass in Liedern stürmen , 
Und zum Steine füge kühn den Stein, 
Und die Pyramide lass sich thürmen , 
Der gefallnen Brüder werth zu seyn. 


Nur glaub’ nie, du schmücktest ihre Krone, 
Wenn du deine goldnen Pantheone 


LEYER- UND, SCUWERT. 5 


Ueber ihre. Grabeshiügel wölbst ! 

Stolzes Volk! denkst du mit Marmorhaufen 
Deines Dankes Schuldbrief abzukaufen ? — 
Deine Kuppeln ehren nur dich selbst. 

Nur das Ew’ge kann das Ew’ge schmücken, 
Erdenglanz weckt zur Vergessenheit. = 
Was die Zeiten brechen und erdrücken , 

Ist gemein für die Unsterblichkeit, 


Aber, Deutschland , um dich selbst zu ehren, 
Nicht den eignen Tempel zu zerstören ,- 

Den die angeerbte Kraft gebaut ; 

Zeig‘ dich werth der grossen Todesweihe , 

Dich, Germania, in alter Treue, 

Männerstolze, kühne Heldenbraut ! 

Friedlich Volk, brich aus den kalten Schranken, 
Warm und frey, wie dich die Vorwelt kennt. 
Auf den Feldern, wo die Adler sanken, ` 

Thürme deines Ruhmes Monument. 


Sieh umher bey fremden Nationen ,, 

Wie sie dort ein muthig Werk belohnen, 

Wie der Marmor in den Tempeln glänzt. 

Jeder Sieg aus dunkler Wissenssphäre 

Drängt sich in das Pantheon der Ehre; 

Und der kühne Künstler steht bekränzt, — 

Aber giht es einen Preis im Leben, 

Wo hinan nicht dieser Kampf gereicht ? 

Gut und Blut für Volk und Freyheit geben: 

Nenn’ die That, die sich der That vergleicht! — 


Drum mein Volk, magst da den Aufruf hören: 
Oestreich! deine Todten sollst du ehren! 

Wer zum deutschen Stamme sich bekennt , 

Reiche stolz und freudig seine Gabe! 

Und so baue sich auf ihrem Grabe 

Ihrer Heldengrösse Monument ; 

Dass es die Jahrhunderte sich sagen, 

Wenn die Mitwelt in den Strudel sank: 

Diese Schlacht hat deutsches Volk geschlagen, 
Dieser Stein ist deutschen Volkes Dank. 


LEYER UND SCHWERT. 


HOCH LEBE DAS HAUS OESTERREICH! 


AUS DER GESCHICHTE DER SCHLACHT VON AS?ERK, 


E, schweigt die Nacht, die Erde träumt, 
Und bleich der Mond die Wolken säumt, — 
Li 


Was bist da, Welt, so still, so leer! 
Was laur'st du wie ein falsches Meer? — 
Es saus’t so öde durch dein Reich, 

Und Schauder fasst die Seele gleich, 

Als wolltest du mit leisem Beben 

Des Morgens blut'gen Schleyer heben. — 
Noch schlummerts tief in Lagers Raum , 
Die Sterne steigen auf und nieder ; 

Die Todtenstille regt sich kaum ! 

O lass der Welt den schönen Traum ; 
Der nahe Tag verscheucht ihn wieder! — 


In Osten graut’s, es sinkt die Nacht. 
Gottlob! der Morgen ist erwacht! — 


Gottlob, der neue Tag bricht an! — 
Seht euch noch "mal die Sonne an, 
Wohl Viele, die jetzt rüstig stehn, 
Seh'a. sie we wieder untergehn. 

In manchem Herzen pocht das Blut, 
Nach rascheit Streites Uebermuth ; 

Und ek’ die nächsten Stunden tagen, 
Hat manches Herz schon ausgeschlagen. 


Die Sonne kommt, der Nebel reisst, 
Ein stumm Gebet den Vater preis’t. 


Nun lebt und regt sich alle Welt, 

In blanken Waffen glänzt das Feld. 
Der Jüngling schreitet kühn hinaus, 

Er schaut hinauf ins Vaterhaus, 

Und leise Ahnung füllt sein Herz, 

Und zieht ihn dämmernd himmelwärts, 
Da trägt der tiefbewegte Sinn 

Die Träume zu der Liebsten hin : 

Sie weinte, als er scheiden musst’; 

Und Wehmuth haucht in seine Brust, 
Und er gedenkt der schönen Zeiten ! — 
Er fühlt’s, es war ein ewig Scheiden ! — 


LEYER UND SCHWERT. 7 


Die Sonne steigt, der Lärmschuss kracht; | 
Laut jubelnd zicht das Heer zur Schlacht. — 


»Seht ihr den Stephan herüberwinken, 

eUnd dort die Fränk’schen Adler blinken ? 
»Auf, Brüder! stürzt euch muthig drein, 

»Die Adler müssen unser seyn. — 

»Lebt wohl, lebt wohl, ihr meine Lieben, 

» Weint nicht, ich wollt’ euch nicht betrüben !” 


-Es wogt der Kampf, es brüllt der Tod, 
Die Wunden klaffen blutigroth ! 


»Mir nach ! mir nach! dort ist der Rubm, 
«Ihr kämpft für euer Heiligthum !” 

Und neben ihm und unter ihm 

Würgt rasch des Todes Ungestüm , 

Und Mann und Ross zusammenbrach ; 
Er aber jauchzt: e mir nach! mir nach !” 
Da pfeift eine Kugel durch seine Brust, 
Dass gleich das Auge brechen musst’ ; 
Doch hat er mit der letzten Kraft 

Den letzten Athem zusammengeraflt 

Und ruft, und stürzt zu Boden gleich: 
»Hoch lebe das Haus Oesterreich !! — 


Der Adler sinkt, die Fahne Biest, 
Heil dir mein Volk, du hast gesiegt ! 


m 


DEM SIEGER VON ASPERN, 


BET UEBERSENDUNG DER BEYDEN VORHERGEHENDEN GEDICHTE. 


Was der verwegenen Hand gebot in die Saiten zu schlagen , 
Was mein jugeudlich Herz tief in Entzückung getaucht , 
Dieser Begeistrung Sturm, er schlummert nirgend; es mangelt 
Nie der Brust das Gefühl, nur dem Gefühle das Wort, 
Manche schweigen wohl auch, weil die Zeit das Schweigen gebiete, 
Weil der drängende Tag scheuche den glücklichen Muth, 
Aber die Zeit will ich sehn , und den Tag, der gebieten kann , frostig, 
Kalt und besonnen zu seyn, werin mich Entzückung durchglüht , 
Wenn mein Germanischer Stolz sich beugt dem Germanischen 
ö Helden, 
Der auf dem Altar des Sicgs Funken und Flammen geweckt, 


8 LEYER UND SCHWERT. 


Darum riss es mich fort: ich griff in die rauschenden Saiten, 
Sang es laut, was sich sonst wortlos im Herzen vergrubs 

Aber der Held verzeihe der armen Kunst seines Barden , 
Die mit frevelndem Muth sich an das Höchste gewagt. 


Zürat doch der Sturm, der den Donrer der brechenden Eiche 
gewohnt ist, 
Drum dem Schilfe nicht, das ihm entgegen gerauscht. 


— === 


BEY DER MUSIK DES PRINZEN LOUIS FERDINAND. 


Distre Harmonieen hör’ ich klingen; 
Muthig schwellen sie au’s volle Herz , 
In die Seele fühl’ ich sie mir dringen, 
Wecken mir den vaterländ’schen Schmerz. 
Und mit ihren früh geprüften Schwingen 
Kämpfen sie im Sturme himmelwärts ; 
Doch sie tragen nur ein dunkles Sehnen , 
Nicht den Geist aus diesem Land der Thränen. 


Allgewaltig hält ihn noch das Leben , 
Taucht die Flügel in den styg’schen Fluss. 
Es ist nicht der Künste freyes Schweben , 
Nicht verklärter Geister Weihekuss. 
Noch dem Erdgeist ist er preis gegeben, 
Mit dem Staube kämpft der Genius; ` 
Reisst er auch im Rausche der Gedanken 
Oft sich blutend los aus seinen Schranken, 


Dann ergreift ihn ein bachantisch Wüthen , 
Wilde Melodieenblitze sprühn ; 
Aus dem Tode ruft er Strahlenblüthen , 
Und zertritt sie kalt, sobald sie blühn. 
Wenn die letzten Funken bleich verglühten , 
Hebt er sich noch einmal , stolz und kühn, 
Und versinkt dann mit gewalt'gem Schauren 
In den alten Kampf mit dem Centauren, 


Wilder Geist! jetzt hast du überwunden ! 

Deine Nacht verschmilzt in Morgenroth ; 
Ausgekämpft sind deiner Prüfung Stunden , 

Leer der Kelch, den dir das Schicksal bot. 
Kunst und Leben hat den Kranz gewunden , 

Auf die Locken drückte ihn der Tod. 
Deinen Grabstein kann die Zeit zermalmen , 
Doch die Lorbeern werden dort zu Palmen. 


LEYER UND SCUHWERT. 


Und dein Selmen klagte nicht vergebens: ` 
Einmal ward’s in deiner Seele Tag, . > 

Als dein Herz am kühnsten Ziel des Strebens 
Kalt und blutend auf der Wahlstatt lag. 

Sterbend lös’te sich der Sturm des Lebens , 
Sterbend lös’te sich der Harfe Schlag ; 

Und des Himmels siegverklärte Söhne 

Tragen dich in’s freye Land der Töne. 


re 
MEIN VATERLAND; 


W. ist des Sängers Vaterland ? — 
Wo edler Geister Funken sprühten, 
Wo Kränze für das Schöne. blühten , 
Wo starke Herzen freudig glühten , 
Für alles Heilige eibrannt, 

Da war mein Vaterland ! 


Wie heisst des Sängers Vaterland? — 
Jetzt über seiner Söhue Leichen , 
Jetzt weint es unter fremden Streichen ; 
Sonst- hiess es nur das Land der Eichen, 
Das freye Land, das deutsche Land, 

So hiess mein Vaterland! 


Was weint des Sängers Vaterland ? — 
Dass vor des Wüthrichs Ungewittern 
Die Fürsten seiner Völker zittern, 
Dass ihre heil’gen Worte splittern , 
Und dass sein Ruf kein Hören fand, 
Drum weint mein Vaterland! 


Wem ruft des Sängers Vaterland ? 
Es ruft nach den- verstammten Göttern ; 
Mit der Verzweiflung Donnerwettern , 
Nach seiner Freyheit, seinen Betiern, 
Nach der Vergeltung Rächerhand, 
Dem ruft mein Vaterland ! 


Was will des Sängers Vaterland ? — 
Die Knechte will es niederschlagen , 
Den Blutbund aus den Grenzen jagen, 
Und frey die freyen Söhne tragen, 
Oder frey sie betten unterm Sand, 

Das will mein Vaterland! 





10 LEYER UND SCUWERT. 


Und hofft des Sängers Vaterland ? 
Es hofft auf die gerechte Sache, 
Hofft , dass sein (reueg Volk erwache, 
Hofft auf des grossen Gottes Rache, 
Und hat den Rächer nicht verkannt. 
Drauf hofft mein Vaterland ! 


— m 
MOSKAU. 


Wie wölben dort sich deiner Kirchen Bogen! 
Wie schimmern der Palläste goldne Wände! 
Es schwärmt der Blick, wohin ich ihn versende, 
Von einer Pracht zur andern fortgeflogen, 
Da wälzen sich auf einmal glüh’'nde Wogen: 
Es schleudern deiner Bürger 'eigne Hände 
Auf’s eigne Dach die $Prüh’nden Fackelbrände ; 
Ein Feuerkreis hat prasselnd dich umzogen, 
O, lass dich nur vom Aberwitz verdammen, — 
Ihr Kirchen, stürzt! Palläste, brecht zusammen! 
Der Phönix Russlands wirft sich in die Flammen, 
Doch, hochverklärt, aus seinem Feuerkranze 
Wird er erstehn im frischen Jugendglanze; 
Und Sankt Georg schwingt siegend seine Lanze, 


—  —— 


LIED ZUR FEYERLICHEN EINSEGNUNG DES PREUS- 
SISCHEN FREYKORPS „ IN DER KIRCHE ZU 
RUGAU IN SCULESIEN. 


NACH DER WEISE: ICH WILL VON MEINER MISSETHAT U, $. W., 


Wi: treten hier im Gotteshaus 

Mit frommem Muth zusammen , 

Uns ruft die Pflicht zum Kampf hinaus, 

Und alle Herzen flammen. 

Denn, was uns mahnt zu Sieg und Schlacht, 
Hat Gott ja selber angefacht, 

Dem Herrn allein die Ehre! 


Der Herr ist unsre Zuversicht‘, 

Wie ‚schwer der Kampf auch werde; 
Wir streiten ja für Recht und Pflicht, 
Und für die heil'ge Erde. 


LEYER UND SCHWERT. 4 


Drum , retten wir das Vaterland: 
So that’s der Herr durch unsre Hand, 
Dem Herrn allein die Ehre! 


Es bricht der freche Uebermuth 
Der Tyranney zusammen ; 

Es soll der Freyheit heil’ge Gluth 
In allen Herzen flammen, 

Drum frisch in Kampfes Ungestüm! 
Gott ist mit uns, und wir mit ihm! 
Dem Herrn allein die Ehre! 


Er weckt uns jetzt mit Siegeslust 

Für die gerechte Sache; 

Er rief es selbst in unsre Brist: 

Auf,’ deutsches Volk, erwache! 
Und führt uns, wär's auch durch den Tod, 
Zu seiner Freyheit Morgenroth, 

Dem Herrn allein die Ehre! 


fe 


TROST. 


EIN RUNDGESANG. 


Wi wir so treu beysammen stehn 
Mit unverfälschtm Blut! 

Der Feyerstunde heilig Weho 
Schwellt meinen jungen Muth. 

Es treibt mich rasch zum Liede fort, 
Zum Harfensturm hinaus; 

Im Herzen lebt ein kidınes Wort, 
Was gilts, ich sprech es aus, 


Die Zeit ist schlimm, die Welt ist arg, 
Die Besten weggerafft ; 
Die Erde wird ein grosser Sarg 
Der Freyheit und der Kraft. 
Doch, Muth! — Wenn auch ‘die Tyranney 
Die deutsche Flur zertrat: 
In vielen Herzen, still und treu, 
‘Keimt noch des Guten Saat, 


Verschüchtert durch den blut’gen Ruhm 
Und durch der Schlachten Glück, 
Flohn zu der Seele Heiligihum 
Die Künste scheu zurück, 


LEYER UND SCUWERT, 


Sind auch die Thäler jetzt verwais't 
Wo sonst ihr Tempel war; 

Es bleibt doch jeder reine Geist 
Ihr ewiger Altar, 


Und Freundestreu und Wahrheit gilt 
Noch eine heil’ge Pflicht. 


Sieh, wie der Giesbach brausend schwillt ! — 


Du rufst; mich schreckt er nicht, 
Und be es vor mir wolkenweit 
Und sternhoch über mir: 
Beym Gott! ich halte meinen Eid, 
Schlag’ ein! ich folge dir! 


Und Frauenunschuld , Frauenlieb’ , 
Steht noch als höchstes Gut, 

Wo deutscher Ahnen Sitte blieb, 
Und deutscher Jünglingsmuth. 

Noch trifft den Frevler heil’ger Bann, 
Der diesen Zauber stört; 

Wer für sein Lieb nicht sterben kann, 
Ist keines Kusses werth. 


Auch du hast noch nicht ausgeflammt , 
Du heil’ge Religion! 

Was von der ew'gen Liebe stammt, 
Ist zeitlich nicht entflohn, 

Das Blut wäscht die Altäre rei, 
Die wir entheiligt sehn, 

Die Kreuze schlägt man frevelnd ein; 
Doch bleibt der Glaube stehn. 


Und noch regt sich mit Adlers Schwung 
Der vaterländ’sche Geist, 
Und noch lebt die Begeisterung, 
Die alle Ketten reisst, 
Und wie wir hier zusammenstehn 
In Lust und Lieb getaucht, 
So wollen wir uns wieder sehn 
Wenn’s von den Bergen raucht. 


Dann frisch, Gesellen! Kraft und Muth ! 
Der Tag der Rache kömmt! 

Bis wir sie mit dem eignen Blut ` 
Vom Boden weggeschwemmt, — 


LEYER UND SGHWERT. 15 


Und Du im freyen Morgenroth , 
Zu dem die Hymne stieg, 

Du führ’ uns, Gott, wär's auch zum Tod! 
Fihr’ nur das Volk zum Sieg ! 


purcu! *) 


Wie dort im Nebelkranze , 

Voll finstrer Majestät, 

Die schwarze Wolkenschanze 

Am Firmamente steh: ! 

Die Feuerkugeln sprühen s 
Aus ihrem dunklen Schooss , 

Und Zackenflammen glühen, 

Und Donner brechen los, 


Und vor dem Zorngerichte 

Kniet armer Sünder Zahl: 

» Herr Zebaoth! vernichte 

» Nur nicht mein stilles Thal. 

» Das ganze Volk erschlage , 

» Rotte die Menschheit aus; 

» Nur lass mir meine Tage, 

» Und mein Kind und mein Haus !” 


O liegt nur im Gebete, 

Feig in den Staub gebückt! — 
Dass euch der Gott zertrete , 
Der in den Blitzen zückt! 

Die Glocke in dem Sturme, 
Die zum Gebete ruft, 

Lockt erst nach ihrem Thurme 
Die flammenschwangre Luft, — 


Und eine andre Menge 
Stoht, dem Verderben nah, 
Mit blitzendem Gepränge, 

In Waffenrüstung da. 


gege 


*) Ein Petschaft mit einem Pfeil, der auf eine Wolke zufliegt, und 
mit der Unterschrift Durch! gab Gelegenheit zu diesem Gedichie, 


2 


14 LEYER UND SCHWERT. 


Wie sie noch ohne Grauen 
Ganz ruhig fürder ziehn, 

Und nach den Blitzen schauen, 
Die immer näher glühn ! 


Was soll das ew’ge Zaudern? — 
Hier hilft nur rasche That, 

Die kraftvoll ohne Schaudern 

Das Schlangenhaupt zertrat. 

Soll euch die Rüstung schützen? — 
Sonst wehrt sie wohl dem Streich ; 
Jetzt ruft sie nach den Blitzen , 
Ruft Rache über euch !— 


Nein, frisch! Ein freudig Siegen 
Kömmt nur nach heisser Schlacht! — 
Seht ihr den Pfeil dort fliegen ? 

Der bricht der Wolken Nacht. 

Durch muss er, durch! — Der Bogen 
Schonte die Sehne nicht; 

Der Pfeil ist durchgeflogen , 
Schwimmt nun im Sonnenlicht ! 


Durch, Brüder, durch! Dies werde 
Das Wort in Kampf und Schmerz. 
Gemeines will zur Erde, 

Edles will himmelwärts ! 

Soll uns der Sumpf vermodern? — 

Was gilt der Weltenbrand ? — 

Drum lasst den Blitz nur lodern, 
Durch ! — Dort ist’s Vaterland ! 


e 


e 
— 


ABSCHIED VON WIEN. 


Leeb' wohl! leb’ wohl! — Mit dumpfen Herzensschlägen 
Begrüss ich dich, und folge meiner Pflicht, 
Im Auge will sich eine Thräne regen; 
Was sträub’ ich mich ? die Thräne schmäht mich nicht. 
Ach! wo ich wandle, sey’s auf Triedenswegen , 
Sey's wo der Tod die blut’gen Kränze bricht : 
Da werden deine theuren Huldgestalten 
In Lieb’ und Sehnsucht meins Seele spalten, 


LEYER UND SCHWERT; 


Verkennt mich nicht, ihr Genien meines Lebens, 
Verkennt nicht meiner Seele ernsten Drang! 
Begreift die treue Richtung meines Strebens , 
So in dem Liede, wie im Schwerterklang, 
Es schwärmten meine Träume nicht’ vergebens ; 
Was ich so oft gefeyert mit Gesang, 
Für Volk und Freyheit ein begeistert Sterben : 
Lasst mich nun selbst üm diese Krone werben. 


Wohl leichter mögen sich die Kränze flechten , 
Errungen mit des Liedes heitrem Muth ; 

Ein rechtes Herz schlägt freudig nach dem Rechten, 
Die ich gepflegt mit jugendlicher Gluth , 

Lasst mich der Kunst ein Vaterland erfecliten , 
Und säit es auch das eigne wärmste Blut, — 

Noch diesen Kuss! und wenn’s der letzte bliche ł 

Es gibt ja keinen Tod für unsre Liebe, 


AUFRUF. 


Fisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen , 
Hell aus dem Norden bricht der Freyheit Licht. 

Du sollst den Stahl in Feindes Herzen taucben , 

Frisch auf, mein Volk! — Die Flammenzeichen rauchen , 
Die Saat ist reif; ihr Schnitter, zaudert nicht ! 

Das höchste Heil, das letzte , liegt im Schwerte ! 
Drück dir den Speer ins treue Herz hinein , 

Der Freyheit eine Gasse ! — Wasch’ die Erde, 
Dein deutsches Land , mit deinem Blute rein! 


Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen ; 
Es ist ein Kreuzzug , ’s ist ein heil’ger Krieg ! 
Recht, Sitte, Tugend, Glauben und Gewissen 
Hat der Tyrann aus deiner Brust gerissen ; 
Errette sie mit deiner Freyheit Sieg ! 
Das Winseln deiner Greise ruft: »Erwache |» 
Der Hütte Schutt verflucht die Räuberbrut, 
Die Schande deiner Töchter schreyt um Rache , 
Der Meuchelmord der Söhne schreyt nach Blut, 


16 LEYER UND SCHWERT. 


Zerbrich die Pfluzschaar , lass den Meissel fallen , 
Die Leyer still, den Webstuhl ruhig stehn f 
Verlasse deine Höfe , deine Hallen | — 
Vor dessen Antlitz deine Fahnen wallen, 
Er will sein Volk in Waffenrüstung sehn. 
Denn einen grossen Altar sollst du bauen 
In seiner Freyheit ew’gem Morgenrotlı ; 
Mit deinem Schwert sollst du div Steine hauen , 
Der Tempel gründe sich auf Heldentod. — 


Was weint ihr, Mädchen , warum klagt ihr, Weiber, 
Für die der Herr die Schwerter nicht gestülhlt ; 
Wen wir entzückt die jugendlichen Leiber 
IHinwerfen in die Schaaren earer Räuber , 
Dass euch des Kampfes kühne Wollust fehlt? — 
Ihr könnt ja froh zu Gottes Altar treten ! 
Für Wunden gab er zarte Sorgsamkeit, 
Gab euch in euern herzlichen Gebeten 
Den schönen reinen Sieg der Frömmigkeit, 


So betet, dass die alte Kraft erwache , 
Dass wir dastehn , das alte Volk des Siegs ! 
Die Märtyrer der heil’gen deutschen Sache , 
O ruft sie an als Genien der Rache , 
Als gute Engel des gerechten Kriegs ! 
Luise , schwebe segnend um den Gatten ; 
Geist unsers Ferdinand , voran dem Zug! 
Und all’ ihr deutschen freyen Ilcldenschatten , 
Mit uns, mit uns, und unsrer Fahnen Flug ! 


Der Himmel hilft, die Hölle muss uns weichen! 
Drauf, wackres Volk ! Drauf! ruft die Freyheit , drauf! 
Hoch schlägt dein Herz , hoch wachsen deine Eichen, 
Was kümmern dich die Hügel deiner Leichen ? 
Hoch pflanze da die Freyheitsfahne auf! — 
Doch stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke, 
In deiner Vorzeit heil’gem Siegerglanz ` 
Vergiss die treuen Todten nicht, und schmücke 
Auch unsre Urne mit dem Eicheukranz ! 


— 


DER PREUSSISCHE GRENZ-ADLER, 


Sey mir gegrüsst im Rauschen deiner Flügel , 
Das Herz verheisst mir Sieg in deinem Zeichen, 





LEYER UND SCHWERT. 


Durch } edler Aar! Die Wolke muss dir weichen *); 

Fleug rächend auf von deiner Todten Hügel, — 
Das freye Ross gehorcht dem Sklavenzügel, 

Den Glanz der Raute seh’ ich welk verbleichen , 

Der Löwe krümmt sich unter fremden Streichen ; 

Du nur erhebst mit neuem Muth die Flügel. 
Bald werd’ ich unter deinen Söhnen stehen, 

Bald werd ich dich im Kampfe wieder sehen, 

Du wirst voran zum Sieg, zur Freyheit wehen ! 
Was dann auch immer aus dem Sänger werde ` 

Heil ihm ! erkämpft er auch mit seinem Schwerte 

Nichts als ein Grab in einer freyen Erde. 


AN DIE KÖNIGIN LUISE, 


D. Heilige! hör’ Deiner Kinder Flehen , 
Es dringe mächtig auf zu Deinem Licht, 
Kannst wieder freundlich auf uns niedersehen , 
Verklärter Engel! Länger weine nicht! 
Denn Preussens Adler soll zum Kampfe wehen, 
Es drängt Dein Volk sich jubelnd zu der Pflicht ; 
Und jeder wählt, und keinen siehst Du beben , 
Den freyen Tod für ein bezwungnes Leben, 


Wir lagen noch in feige Sehmach gebettet ; 
Da rief nach Dir Dein besseres Geschick. 
An die unwürd’ge Zeit warst Du ‚gekeitet, 
Zur Rache mahnte Dein gebrochner Blick. 
So hast du uns den deutschen Muth geretiet, — 
Jetzt sieh’ auf uns, sieh’ auf Dein Volk zurück , 
Wie alle Herzen treu und muthig. brennen ! 
Nun woll’ uns auch die Deinen wieder nennen. 


Und wie einst, alle Kräfte zu beleben, 
Ein Heil'genbild für den gerechten Krieg 
Dem Heeresbanner schützend zugegeben, 
Als Oriflamme , in die Lüfte stieg: 
So soll Dein Bild auf unsern Fahnen schweben, 
Und soll uns leuchten durch die Nacht zum Sieg, 
Luise sey der Schutzgeist Deutscher Sache, 
Luise sey das Losungswort zur Rache! 


- 


=) Man vergl. das Gedicht: Durch! S, 13, "ts 


47 


18 LEYER UND SCHWERT. 

Und wenn wir dann dem Meuter — Heer begeguen , 
Wir stürzen uns voll Zuversicht hinein! 

Und mögen tausend Flammenblitze regnen, 
Und mögen tausend Tode uns umdräu’n : 

Ein Blick auf Deine Fahne- wird uns segnen; 
Wir stehen fest, wir müssen Sieger seyn! 

Wer dann auch fällt für Tugend, Recht und Wahrheit, 

Du trägst ihn sanft zu Deiner ew'gen Klarheit, 


u vn 


JAGERLIED. 


NACH DER WEISE : AUF , AUF , IHR BRÜDER , UND SEYD STALK Us S. We 


Fisch auf, ihr Jäger, frey und flink! 
Die Büchse von der Wand! ` 

Der Muthige bekämpft die Welt! 

Frisch auf den Feind! frisch in das Feld! 
Für's deutsche Vaterland ! 


Aus Westen, Norden , Süd und Ost 
Treibt uns der Rache Strahl: 

Vom Oderflusse, Weser, Main, 

Vom Elbstrom, und vom Vater Rhein, 
Und aus dem Donauthal. 


Doch Brüder sind wir allzusamm : 
Und das schwellt unsern Muth. 

Uns knüft der Sprache heilig Band , 

Uns knüpft ein Gott, ein Vaterland, 
Ein treues deutsches Blut. 


Nicht zum Erobern zogen wir 
Vom väterlichen Heerd; 
Die schändlichste Tyrannenmacht 
Bekämpfen wir in freud’ger Schlacht, 
Das ist des Blutes werth, 


Ihr aber, die uns treu geliebt, 
Der Herr sey euer Schild, 
Bezahlen wirs mit unserm Blut! 
Denn Freyheit ist das höchste Gut, 
` Ob’s tausend Leben gilt, 


LEYER UND, SCHWERT.. 


Drum, muntre Jäger, frey und flink, 
Wie auch das Liebchen weint! 

Gott hilft uns im gerechten Krieg! 

Frisch in den Kampf! — Tod oder Sieg! 
Frisch, Brüder, auf den Feind ! 


<r 


LIED DER SCHWARZEN JÄGER. 


NACH DER WEISE: AM RHEIN, AM REEIN, U, S. We 


I. Feld, ins Feld! Die Rachegeister mahnen, 
Auf, deutsches Volk, zum Krieg! 
Ins Feld, ins Feld! Hoch flattern unsre Fahnen 


WI 
Sie führen uns zum Sieg. 


Klein ist die Schaar, doch gross ist das Vertrauen 
Auf den gerechten Gott! 

Wo seine Engel ihre Vesten bauen, 
Sind Höllenkünste Spott. 


Gebt kein Pardon! Könnt ihr das Schwert nicht heben: 
Sa würgt sie ohne Scheu; 

Und hoch verkauft den letzten Tropfen Leben! 
Der Tod macht alle frey. 


Noch trauren wir im schwarzen Rächerkleide 
Um den gestorbnen Muth ; 

Doch fragt man euch, was dieses Roth bedeute: 
Das deutet Frankenblut, 


Mit Gott! — Einst geht, hoch über Feindes Leichen , 
er Stern des Friedens auf; 
Dann pflanzen wir ein weisses Siegeszeichen 
Am freyen Rheinstrom auf. 


AM HEDWIGSBRUNNEN BEY JAUER. 


Wi sprech’ ich’s aus, was meine Brust durchzittert? — 
Der Freude, wie der Wehmuth, Schwingen tragen 
Das milde Herz zu liebefrohen Tagen, 

Von keinem Thränengifie mehr verbittert. 


19 


LEYER UND SCHWERT. 


Wer hat mein freyes Paradies umgittert ? — 
Wer durfte mich in diese Fesseln schlagen, 
Den Lieder-Sohn ins Kriegsgetümmel jagen ? 
Wer hat mir meinen Freudenbaum zersplittert ? — 
Wie! griff ich nicht mit freyer Hand zum Schwerte, 
Dass, blutversöhnend , aus der deutschen Erde 
Ein heilig Werk jung und lebendig werde? — 
Es spricht’s ein Gott im Rauschen dieser Wellen: 
«Am Klippenherzen muss die Kraft zerschellen , 
«Und aus dem Tode soll das Leben quellen, a 


LETZTER TROST. 


. 
BEIM BURUCKZUG DER VEREINIGTEN HEERE 
.. 
UBER DIE ELBE, 


NACH DER WEISE UNSERS BUNDESLIEDES: 
ES HEULT DER STURM, ES BRAUS'T DAS MEER U, S, We 


Wa zieht ihr die Stirne finster und kraus? 
Was starrt ihr wild in die Nacht hinaus, 

Jhr freien , ihr männlichen Seelen ? 
Jetzt heult der Sturm , jetzt braus’t das Meer, 
Jetzt zittert das Erdreich um uns her; 

Wir woil’n uns die Noth nicht verhehlen. 


Die Hölle braus’t auf in neuer Gluth, 
Umsonst ist gedossen viel edles Blut, 
Noch triumphiren die Bösen, 
Doch nicht an der Rache des Himmels verzagt ! 
Es hat nicht vergebens blutig getagt, 
Roth muss ja der Morgen sich lösen. 


Und galt es früherhin Muth und Kraft, 
Jetzt alle Kräfte zusammengerafft ! 
Sonst scheitert das Schiff noch im Hafen, 
Erhebe dich , Jugend ; der Tieger dräut ! 
Bewaffne dich, Landsturm, jetzt kommt deine Zeit! 
Erwache, du Volk, das geschlafen ! 


Und die wir hier rüstig zusammenstehn , 
Und keck dem Tod in die Augen sehn, 


LEYER UND. SCUWERT. 


Woll’n nicht vom Rechte lassen: 

Die Freyheit retten , das Vaterland, 

Oder freudig sterben das Schwert in der Hand, 
Und Knechtschaft und Wüthriche hassen. 


Das Leben gilt nichts, wo die Freiheyt fällt, 
Was gibt uns die weite unendliche Welt 
Für des Vaterlands heilige Boden ? — 
Frey woll’n wir das Vaterland wiedersehn , 
Oder frey zu den glücklichen Vätern gehn ! 
Ja! glücklich und frei sind die Todten. 


Drum heule, du Sturm, drum brause, du Meer, 
Drum Autre, du Erdreich, um uns her; 
Ihr sollt uns die Seele nicht zügeln ! 
Die Erde kann neben uns untergehn ; 
Wir woll’n als freie Männer bestehn, 
Und deu Bund mit dem Blute besiegeln. 


BUNDESLIED VOR DER SCRLACHT, 


AM MORGEN DES GEFECHTS BEI, DANNEBERG. 


Å hndungsgrauend , todesmuthig 
Bricht der grosse Morgen an, 
Und die Sonne kalt und blutig 
Leuchtet unsrer but een Bahn. 
In der nächsten Stunden Schoosse 
Liegt das Schicksal einer Welt, 
Und es zittern schon die Loose , 
Und der ehr'ne Würfel fällt. 
Brüder! euch mahne die dämmernde Stunde, 
Mahne euch ernst zu dem heiligsten Bunde , 
Treu, so zum Tod , als zum Leben gesellt! 


Hinter uns, im Graun der Nächte, 
Liegt die Schande, liegt die Schmach , 
Liegt der Frevel fremder Knechte, 
Der die deutsche Eiche brach. 
Unsre Sprache ward geschändet, 
Unsre Tempel stürzten ein; 
Unsre Ehre ist-verpfündet , 


22 LEYER UND SCHWERT. 


Deutsche Brüder, lös’t sie ein! 
Brüder , die Rache flamımt! Reicht euch die Hände, 
Dass sich der Fluch der Himmlischen wende ! 
Lös’t das verlor'ne Palladium ein! 


Vor uns liegt ein glücklich Hoffen , 
Liegt der ‘Zukunft goldne Zeit, 
Steht ein ganzer Himmel offen, 
Blüht der Freyheit Seligkeit. 
Deutsche Kunst und deutsche Lieder, 
Frauenhuld und Liebesglück , 
Alles Grosse kommt uns wieder, 
Alles Schöne kehrt zurück. 
Aber noch gilt es ein grässliches Wagen, 
Leben und Blut in die Schanze zu schlagen; 
Nur in dem Opfertod reift uns das Glück. 


Nun , mit Gott! wir wollen’s wagen, 
Fest vereint dem Schicksal stehn , 
Unser Herz zum Altar tragen , 
Und dem Tod’ entgegen gehn, 
Vaterland! dir woll’n wir sterben, 
Wie ein grosses Wort gebeut! 
Unsre Lieben mögen’s erben , 
Was wir mit dem Blut befreyt. 
Wachse, du Freyheit der deutschen Eichen, 
Wachse, empor über unsere Leichen! — 
Vaterland, höre den heiligen Eid. — 


Und nun wendet eure Blicke 
Noch einmal der Liebe nach ; 
Scheidet von dem Blüthenglücke , 
Das der gif'ge Süden brach. 
Wird euch auch das Auge trüber, — 
Keine Thräne bringt euch Spott. 
Werft den letzten Kuss hinüber, 
„Dann befehlt sie euerm Gott. 
Alle die Lippen, die für uns beten, 
Alle die Herzen, die wir zertreten, 
Tröste und schütze sie, ewiger Gott! — 


Und nun frisch zur Schlacht gewendet , 
Aug’ und Herz zum Licht hinauf! 
Alles ‚Ird’sche ist vollendet, 
Und das Himmlische geht auf. 


LEYER UND SCUWERT. g 


Fasst euch an, ihr deutschen Brüder! 
Jede Nerve sey ein Held! 
Treue Herzen sehn sich wieder ; 
Lebewohl für diese Welt ! 
Hört ihr’s? schon jauchzt es uns donnernd entgegen ! 
Brüder! binein in den blitzenden Regen! 
Wiederscha in der besseren Welt! 


— 


GEBET WAHUREND DER SCHLACHT. 


Vater ‚ich rufe dich! 
Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze , 
Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze. 
Lenker der Schlachten, ich rufe dich! 
Vater du, führe mich! 


Vater du, führe mich! 
Führ’ mich zum Siege, führ’ mich zum Tode: 
Herr, ich erkenne deine Gebote; 
Herr, wie du willst, so führe mich. 
Gott , ich erkenne dich! 


Gott , ich erkenne dich! 
So im herbstlichen Rauschen der Blätter, 
Als im Schlachtendonnerwetter, 
Urquell der Gnade , erkenn’ ich dich, 
Vater du, segne mich! 


Vater du , segne mich ! 
In deine Hand befehl’ ich mein Leben, 
Du kannst es nehmen, du hast es gegeben ; 
Zum Leben, zum Sterben segne mich. 
Vater, ich preise: dich ! 


Vater, ich preise dich ! 
IS ist ja kein Kampf für die Güter der Erde; 
Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte; 
Drum , fallend, und siegend, preis’ ich dich, 
Gott, dir ergeb’ ich mich! 
Gott , dir ergeb’ ich mich! 
Wenn mich die Donner des Todes begrüssen , 
Wepn meine Adern geöffnet fliessen ` 
Dir, mein Gott, dir ergeb’ Sch "mich ! 
‚Vater, ich rufe dich! 


24 


ALS ICH BEI SANDAU LANGE ZEIT DIE UFER DER ELBE 


LEYER UND SCUWERT. 


MISSMUTH. 


BEWACHEN MUSSTE, 


Vaterland , du riefst den Sänger, 
Schwelgend in der Tage Glück. 
Blutig hassend deine Dränger, 
Hielt nicht Lied und Liebe länger 
Seiner Seele Sturm zurück, 
Und er brach mit wundem Herzen 
Aus der Freunde schönen Reih’n , 
Tauchte in der Trennung Schmerzen, — 
Und war dein, 


Thränend hat er oft die Blicke 
Zur Vergaugenheit gesandt ; 
Auf des Lieds melod’scher Brücke 
Stieg der Geist zum alten Glücke 
In der Liebe goldnes Land, 
Ach! er schwärmte nur vergebens; ` 
Denn der Stunden rohe Hast 
Warf ihn in den Lärm des Lebens 
Sturmgefasst, 


Doch was soll er im Gedränge 

Ohne Schlachten-Morgenroth? — 
Gib die friedlichen Gesänge , 
Oder gib des Kricges Strenge; 

Gib mir Lieder, oder Tod. 
Lass mir der Begeistrung Thränen , 

Lass mir meine Liebes-Nacht, 
Oder wirf mein freudig Sehnen 

In die Schlacht, 


Um mich dönnern die Kanonen, 

Ferne Cymbeln schmeitern drein. 
Deutschland wirft um seine Kronen ; 
Und hier soll ich ruhig wohnen, 

Und des Stromes Wächter seyn? — 
Soll ich in der Prosa sterben ? — 

Poesie, du Flammenquell , r 
Brich nur los” mit leuchtendem Verderben , 

Aber schnell! 


LEYER UND SCHWERT. 23 


AN DEN KÖNIG. 


ALS DAS GERÜCHT IUN IN DER BAUZNER SCHLACHT 
GEFALLEN NANNTE, 


Hai Dir, mein Fürst, auf deinem Strahlen-Throne! — D 
Bricht auch das Herz vom höchsten Schmerz bezwungen : 
Mit letzter Kraft dir jubelnd Heil gesungen! 
Der Jammer stirbt im höchsten Siegestone, 
Ja! bis das letzte deutsche Wort verklüngen , 
Jauchzt noch das Vaterland von seinem Sohne, 
Der , kämpfend für sein, Volk und seine Krone , 
Sich königlich den Königstod errungen! 
Der Sieg feucht auf aus Deines Blutes Bichen: 
Dein Name soll des Wüthrichs Mauern brechen, 
Das treue Volk muss seinen König rächen! — 
Du aber, sanft entschlummert unter Leichen, 
Erwache sanft in Deinen goldnen Reichen ; 
Die Palmen. blühn Dir dort, wie Deine Fichen ! 


REITERLIED. 


NACH DER WEISE: ES GIBT NICHTS LUST’GERS AUF DER WELT U, S, W. 


Fisch auf, frisch auf, mit raschem Flug ! 
Frei vor dir liegt die Welt; 

Wie auch des Feindes List und Trug 
Uns rings umgattert hält. 

Steig’, edles Ross, und bäume dich, 
Dort winkt der Eichenkranz ! 

Streich’ aus, streich’ aus, und trage mich 
Zum lust'gen Schwertertanz, 


Hoch in den Lüften , unbesiegt , 
Geht frischer Reitersmuth ! 
Was unter ihm im Staube liegt, 
Engt nicht das freye Blut! 
Weit hinter ihm liegt Sorg und Noth, 
Und Weib und Kind und Heerd, 
Vor ihm nur Freyheit oder Tod, 
Und neben ihm das Schwert, 


E 


26 


LEYER UND SCHWERT. 


So geht’s zum lust’gen Hochzeitfest , 
Der Brautkranz ist der Preis; 

Und wer das Liebchen warten lässt, 
Den bannt der freye Kreis, 

Die Ehre ist der Hoclizeitgast, 
Das Vaterland die Braut; 

Wer sie recht brünstiglich umfasst , 
Den hat der Tod getraut, 


Gar süss mag solch ein Schlummer seyn 
In solcher Liebesnacht ; 

In Liebschens Armen schlüfst du ein, 
Getreu von ihr bewacht. 

Und wenn der Eiche grünes Holz 
Die neuen Blätter schwellt, 

So weckt sie dich mit freud’gem Stolz 
Zur ew’gen Freyheitswelt, 


Drum wie sie fällt und wie sie steigt, 
Des Schicksals rasche Bahn , 
Wohin das Glück der Schlachten neigt: 
Wir schauen’s ruhig an. 
Für deutsche Freyheit woll'n wir stehn ! 
Sey’s nun in Grabes Schooss , 
Sey’s oben auf des Sieges Höh’n; 
Wir preisen unser Loos. 


Und wenn uns Gott den Sieg gewährt , 
Was hilft euch euer Spott ? 

Ja! Gottes Arm führt unser Schwert, 
Und unser Schild ist Gott! — 


» Schon stürmt es mächtig rings umher, 


Drum , edler Hengst, frisch auf! 
Und wenn die Welt voll Teufel wär’, 
Dein Weg geht mitten drauf. 


TRUST. 


NACH ABSCHLUSS DES WAFFENSTILLSTANDES, 


Her! lass dich nicht zerspalten 
Durch Feindes List und Spott, 
Cott wird es wohl verwalten, 
Er ist der Freyheit Gott, 


LEYER UND SCUWERT. 37 


Lass nur den Wüthrich drohen , 
Dort reicht er nicht hinauf, 

Einst bricht im heil’gen Lohen 
Doch deine Freyheit auf. 


Glimmend durch lange Schmerzen, 
Hat sie der Tod verklärt, 

Aus Millionen Herzen 
Mit edlem Blut genährt:: 


_ Wird seinen Thron zermalmen, 
Schmelzt deine Fesseln los, 

Und pflanzt die glühn’den Palmen 
Auf deutscher Helden Moos. 


Drum lass dich nicht zerspalten 
Durch Feindes List und Spott 
Gott wird es wohl verwalten | 
Er ist der Freyheit Gott. 


ABSCHIED VOM LEBEN. 


ALS ICHSCHWER VERWUNDET UND HÜLFLOS IN EINEM 
HOLZE LAG UND ZU STERBEN NEYNTE, 


Die Wunde brennt; — die bleichen Lippen beben. — 
Ich fühl's an meines Herzens matterm Schlage, 
Hier steh’ ich an den Marken meiner Tage — 
Gott, wie du willst! dir hab’ ich mich ergeben, — 
Viel goldne Bilder sah ich um mich schweben ; 
Das schöue Traumbild wird zur Todtenklage. — 
Muth! Muth! — Was ich so treu im Herzen trage, 
Das muss ja doch dort ewig mit mir leben! — 
Und was ich hier als Heiligthum erkannte , 
Wofür ich rasch und jugendlich entbrannte , 
Ob ich’s nun Freyleit, ob ich’s Liebe nannte, 
Als lichten Seraph seh’ ich's vor mir stehen; — 
Und wie die Sinne langsam mir vergehen , 
Trägt mich ein Hauch zu morgenrothen Höhen. 


LEYER UND SCHWERT. 


LUÎZOW?’S WILDE JAGD. 


Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein ? 
Hör’s näher und näher brausen, 
Es zicht sich herunter in düsteren Delvin, 
Und gellende Hörner schallen darein, 
Und erfüllen die Seele mit Grausen. 
Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt, 
Das ist Lützow’s wilde verwegene Jagd. 


Was zieht dort rasch durch den finstern Wald ‚ 
Und streift von Bergen zu Bergen ? 

Es legt sich in nächtlichen Hinterhalt ; 

Das IIurrah jauchzt, und div Büchse knallt, 
Es fallen die fränkischen Schergen, 

Un wenn ihr de schwarzen Jäger fragt, 

Das ist Lützow's wilde verwegene Jagd. 


Wo die Reben dort glühen, dort braus’t der Rhein , 
Der Wüthrich geborgen sich meynte ; 
Da naht es schnell mit Gewitterschein , 
Und wirft sich mit rüst'gen Armen hinein , 
Uid springt an’s Ufer der Feinde. 
Und wenn ihr die schwarzen Schwimmer fragt, 
Das ist Lützow’s wilde verwegene Jagd. 


Was braus’t dort im Thale die laute Schlacht, 
Was schlagen die Schwerter zusammen ? 

Wildherzige Reiter schlagen die Schlacht, 

Und der Funke der Freyheit ist glühend erwacht , 
Und lodert in blutigen Flammen. 

Und. wenn ihr die schwarzen Reiter fragt, 

Das. ist Lützew’s wilde verwegene Jagd. 


Wer scheidet dort röchelnd vom Sonnenlicht , 
Unter winselnde Feinde gebettet ? 
Es zuckt der "Tod auf dem Angesicht ; 
Doch die wackern Herzen erzittern nicht , 
Das Vaterland ist ja gerettet ! 
Und wenn ihr die schwarzen Gefallaen fragt, 
Das war Lützow’s wilde verwegene Jagd. 


Die wilde Jagd, und die deutsche Jagd, 
Auf IIenkersblut und Tyrannen | — 


LEYER UND SCUWERT. 29 


Drum, die ihr uns liebt, nicht geweint und geklagt ; 
Das Land ist ja frey, und der Morgen tagt, 
Weun wirs auch nur sterbend gewannen ! 
Dud von Enkeln zu Enkeln sey’s nachgesagt : 
Das war Lützow’s wilde verwegene Jagd. 


GEBET. 


NACH DER WEISE: O SANCTISSINMA ete. 


H. uns, Allmächtigeı ! 
Hör’ uns, Allgütiger.l 
Himmlischer Führer der Schlachten, 
Vater, dich preisen wir! 
Vater, wir danken dir, 
Dass wir zur Freyheit erwachten ! 


Wie auch die Hölle baut, 
Gott , deine starke Faust 
Stärzt das Gebäude der Lüge, 
Führ’ uns, Herr Zebaoth , 
Foie" uns, dreiein’ger Gott, 
Führ’ uns zur Schlacht, und zum Siege! 


Führ’ uns! — Fall’ unser Lous, 
Auch tief in Grabes Schoos : 

Lob doch, und Preis deinen Namen! — 
Reich, Kraft und Herrlichkeit 
Sind dein in Ewigkeit! 

Führ’ uns, Allmächtiger! — Amen. 


OESTREICH’S DOPPELADLER. 


ALS ICH VERWUNDET NACH OESTREICH ZURÜCKREHRTE, 


Sey mir gesegnet , heilig Doppelzeichen , 
Das ich trotz diesem Wirbelsturm der Jahre 
In heiterm Stolz und leuchtender gewahre! — 
Ja, hier bezinnst du, freyes Land der Eichen ! 


50 LEXER UND SCAWERT, 


Ein Ruf, dem nur der Scl'gen Stimmen gleichen, s 
Zog mich zu deinem naclibarlichen Aare ; 
Es floss mein Blut am Vaterlands-Altare , 
Ich sank getroffen voun Verrätherstreichen. 
Da find’ ich dich, schön wie im Land der Dichtung ; 
Zween Blitze glüht der Augen Doppelrichtung,, 
Der Freyheit Sieg, der Tyrannei Vernichtung. 
Frisch.auf, Habsburg ! der Teufel muss erliegen ! 
Gott ist mit dir, wo deine Banner fliegen, 
Hoch, Oestreich , hoch ! — dein Schwert, dein Karl wird siegen f 


— 


UNSERE ZUVERSICHT. 
RACH DER WEISE: WER NUR DEN LIEBEN GOTT LASST WALTER, U, 9. W. 


Wi rufen Dich mit freud'gen Blicken , 
Und halten fest an-Deinem Wort | 
Die Hölle soll uns nicht berücken 
Durch Aberwitz und Meuchelmord ; 
Und was auch rings in Trümmern geht, 
Wir wissen’s, dass Dein Wort besteht, 


Nicht leichten Kampfes siegt der Glaube, 
Solch Gut will schwer errungen seyn, 
Freywillig tränkt uns keine Traube , 
Die Kelter nur erpresst den Wein; 
Und will ein Engel himmelwärts,, 
Erst bricht im Tod’ ein Menschenherz. 


Drum maz auch noch im falschen Leben 
Die Lüge ihre Tempel bau’n, 
Und mögen goldne Schurken beben, 
Und sich vor Krıft und Tugend grau'n , 
Und mit der Feigheit Schwindeldrehn 
Vor dem erwachten Volke stehn, 


Und mögen sich noch Bıüder trennen , 
Und sich in blut’gem Hass entzwey'n , 
Und deutsche Fürsten es verkennen , 
Dass ihre Kronen Schwestern sey'n, 
Und dass, wenn Deutschland einig blieb , 
Es einer Welt Gesetze schrieb. 


LEYER UND SCuwWEnt. 5i 


Wir wollen nicht an Dir verzagen, 
Und treu und festen Muthes seyn. 
Du wirst den Wiithrich doch erschlagen , 
Und wirst Dein deutsches Land befreyn. 
Liegt auch der Tag noch Jahreweit ; 
Wer weiss, als Du, die rechte Zeit ? 


Die rechte Zeit zur guten Sache, 
Zur Freyheit, zum 'Iyrannentod ! 
Vor deinem Schwerte sinkt der Drache, 
"Und färbt die deutschen Ströme roth , 
Mit Sklavenblut und freyem Blut! — 
Du tıeuer Gott, verwalt es gut! 


WAS UNS BLEIBT. 


Was uns bleibt, wenn Deutschlands Säulen brechen, 
Wenn der Götter Stimme tiügt, 
Wenn der Menschheit Wunden sich nicht rächen , 
Wenn das heiligste Vertrauen lügt; 
Wenn umsonst die aufgeblitzte Jugend 
Um des Vaterlandes Kerker stürmt, 
Und des Volkes Spartergleiche Tugend 
Fruchtlos Leichen über Leichen thärmt ? — 
Was uns bleibt, wenn wir trotz unserm Rechte, 
Knirschend vor dem falschen Glücke stehn, 
Und des Wüthrichs feile Henkersknechte, 
Mordend durch der Freyheit Tempel gehn ? — 
Was uns bleibt, wenn unser Blut vergebens 
Auf des Vaterlandes Grab verraucht,, 
Und der Freyheit Stern, der Stern des deutschen Lebens, 
An dem deutschen Himmel niedertaucht ? — 
Was uns bleibt ? — Rühmt nicht des Wissens Bronnen , 
Nicht der Künste friedensreichen Strand ! 
Für die Knechte gibt es keine Sonnen , 
Und die Kunst verlangt ein Vaterland. 
Aller Götter Stimmen sind verklungen 
Vor dem Jammerton der Sklaverey ; ~ 
Und Homer , er hätte nie gesungen: 
Doch sein Griechenland war frey! — 
Was ong bleibt ? — Ein christliches Ertragen , 
Wo des Dalders feige Thrüne thaut ? — 


M 


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LEYER UND SCUWERT. 


Soll ich selbst den Altar mir zerschlagen , 
Den ich mir im Herzen aufgebaut ? 
Soll ich das für Gottes Finger halten , 
Wo der. Menschheit Engel Rache schrey'n ? — 
Wo die Teufel teuflisch walten , 
Das kann nur ein Sieg der Hölle seyn ! — 
Bleibt uns nichts ? — Fliehn alle gute Engel 
Mit verwandtem Angesicht ? 
Brechen aller Hoffnung Blüthenstengel , 
Weil des Sieges Palme bricht ? 
Kann der Arm kein rettend Kreuz umklammern 
In der höchsten letzten Noth ? 
Müssen wir verzweifeln und verjammern , 
Gibt es keine Freyheit, als den Tod? — — 


Doch ! Wir sehn’s im Aufschwung unsrer Jugend , 
In des ganzen Volkes Heldengeist ` 
Ja! es gibt noch eine deutsche -Tugend, 
Die allmächtig einst die Ketten reisst. 
Wenn auch jetzt in den bezwungnen Hallen 
Tyranney der Freyheit Tempel bricht ; — 
Deutsches Volk , du konntest fallen , 
Aber sinken kannst du nicht! 
Und noch lebt der Hoffnung Himmelsfunken, 
Muthig vorwärts durch das falsche Glück ! 
’S war ein Stern! Jetzt ist er zwar versunken, 
Doch der Mo:zen bringt ihn uns zurück. 
’S war ein Stern! — Die Sterne bleiben, 
S war der Freyheit golduer Stern! 
Lass die blut’gen Wolken treiben; 
Der ist in der Hut des Herrn ! 
Mag die Hölle drohn und schnauben : 
Der Tyrann reicht nicht hinauf, 
Kann dem Himmel keine Sterne rauben ; 
Unser Stern geht auf! 
Ob die Nacht dr: freud’'ge Jugend tödte , 
Für den Willen gibt es keinen Tod; 
Und des Blutes deutsche Heldenröthe 
Jubelt von der Freyheit Morgenroth! 


or 
kel 


LEYER UND SCHWERT., 


NACHTRAG AUS DES DICHTERS 
NACHLASSE. > 





MANNER UND BUBEN. 
NACH DER WEISE: BEUDER, MIR IST ALLES GLEICH U, Se W. 


D. Volk steht auf, der Sturm bricht los; 
Wer legt noch die Hände feig in- den Schoos? 
Pfui über dich Buben, hinter dem Ofen, 
Unter don Schanzen und unter den Zofen ! 
Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht; 
Ein deutsches Mädchen küsst dich nicht, 
Ein deutsches Lied erfreut dich nicht, 
Und deutscher Wein erquickt dich nicht, — 
Stosst mit an, 
Mann für Mann, 
Wer den Flamberg schwingen kann! * 


Wenn wir die Schauer der Regennacht 
Unter Sturmespfeifen wachend vollbracht: 
Kannst du freylich auf üppigen Pfühlen 
Wollüstig träumend die Glieder fühlen. 
Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht; 
Ein deutsches Mädchen küsst dich nicht , 
Ein deutsches Lied erfreut dich nicht, 
Uud deutscher Wein erquickt dich nicht, 
Stosst mit an, 
Mann £ür Mann, 
Wer den Flamberg schwingen kann! 


Wenn uns der Trompeten rauher Klang, 
Wie Donner Gottes, zum Herzen drang: 
Magst du im Theater die Nase wetzen, 
Und dich an Trilleru nnd Lautern ergötzen, 
Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht; 
Ein deutsches Mädchen küsst dich nicht, 
Ein. deutsches Lied erfreut dich nicht, 
Und deutscher Wein erquickt dich nicht. 
Stusst mit an, 
Mann für Mann, 
Wer den Flamberg schwingen kann! 


D 


54 


LEYER UND SCHIWERT, 


Wenn die Gluth.des Tags versengend drückt, 
Und uns kaum ein Tropfen Wasser erquickt : 
Kannst du Champagner springen lassen , 
Kannst du bey brechenden Tafeln prassen. 
Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht; 
Ein deutsches Mädchen küsst dich nicht, 
Ein deutsches Lied erfreut dich nicht, 
Und deutscher Wein erquickt dich nicht. 
Stosst mit an, 
Mann für Mann, 
Wer den Flamberg schwingen kann ! 


Wenn wir vor'm Drange der würgenden Schlacht 
Zum Abschied ams ferne Treuliebchen gedacht : 
Magst du zu deinen Mätressen laufen, 
Und dir mit Golde die Lust erkaufen, 
Bist doch ein erhlos erbärmlicher Wicht; 
Ein deutsches Mädchen küsst dich nicht, 
Ein deutsches Lied erfreut dieh nicht, 
Und deutscher Wein erquickt dich nicht, 
Stosst mit an, 
Mann für Mann, 
Wer den Flamberg schwingen kann! 


Wenn die Kugel pfeift, wenn die Lanze saus't, 
Wenn der Tod uns in tausend Gestalten umbraus't : 
Kannst du am Spieltisch dein Septleva brechen, 
Und mit der Spadille die Könige stechen. 
Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht ; 
Ein deutsches Mädchen küsst die nicht, 
Ein deutsches Lied erfreut dich nicht, 
Und deutscher Wein erquickt dich nicht. 
Stosst mit an, 
Mann für Mann , > 
Wer den Flamberg schwingen kann! 


Und schlägt unser Stündlein im Schlachtenroth , 
Willkommen dann , sel’ger Soldatentod ! — 
Du verkriechst dich in seidene Decken , 
Winselnd vor der Vernichtung Schrecken ; 
Stirbst als ein ehrlos erbärmlicher Wicht. 
Ein deuisches Mädchen beweint dich nicht, 
Ein deutsches Lied besingt dicht nicht , 
Und deutsche Becher klingen dir nicht. — 
Stosst mit an, 
Mann für Maun, 
Wer den Flamberg schwingen kann ! 


Qr 
S? 


LEYER UND SCHWERT. 


TRINKLIED VOR DER SCHLACHT. 
NACH DER WEISE ; FEINDE RINGSUM U, S, W. 


Schlacht ‚ du brichst an ! 
Grüsst sie in freudigem Kreise , 
Laut nach Germanischer Weise, 

Brüder, heran ! 


Noch perlt der Wein ; 
Eh’ die Posaunen erdröhnen , 
Lass’t uns das Leben versöhnen. 
Brüder, schenkt ein } 


Gott Vater hört, 
Was an des Grabes Thoren 
Vaterlands Söhne geschworen, 
Brüder , ihr schwört ! 


Vaterlands Hort , 
Woll’n wir's aus glühenden Ketten 
Todt oder siegend erretten, — 
Handschlag und Wort ! 


Hört ihr sie nahn ? 
Liebe und Freuden und Leiden ! 
Tod! du kannst uns nicht scheiden. 


Brüder , stosst an ! 


Schlacht rut: hinaus ! 
Horch , die Trompeten werben. 
Vorwärts, auf Leben und Sterben ! 
Brüder trinkt aus ! 


mee —— 


SCHWERTLIED. 


WENIG STUNDEN VOR DEM TODE "DES VERFASSESS GEDICHTET. 


D, Schwert an meiner Linken , 
Was soll dein heitres Blinken ? 
Schaust mich so freundlich an , 
Hab’ meine Freude dran, 
Hurrah ail 


— 


”) Bey dem Hurrah wird mit den Schwertern gek Det, 


LEYER UND SCUWERT, 


e Mich trägt ein wackrer Reiter, 
«Drum blink’ ich auch so heiter, 
«Bin freyen Mannes Wehr ; 
«Das freut dem Schwerte sehr. » 
Hurrah ! 


Ja gutes Schwert , frey bin ich, 
Und liebe dich herzinnig , 
Als wärst du mir getraut, 
Als eine liebe Braut, 
Hurrah ! 


« Dir hab’ ich’s ja ergeben , 
« Mein lichtes Eisenl:ben, 
sAch wären wir getraut! 
« Wann hol’st du deine Braut ?» 
Hurrah ! 


Zur Brautnachts-Morgenröthe 
Ruft festlich die Trompete; 
Wenn die Kanonen schrey’n , 
Hol’ ich das Liebchen ein, 
Hurrah ! 


€O seliges Umfangen ! 
u Ich harre mit Verlangen. 
«Du Bräut’gam hole mich , 
a Mein -Kränzchen bleibt für dich, 
Hurrah ! 


Was klirrst du in der Scheide , 
Du helle Eisenfreude , 
So wild, so schlachtenfroh ? 
Mein Schwert, was klirrst du so ? 
Hurrah ! 


« Wohl klirr’ ich in der Scheide : 
« Ich schne mich zum Streite , 
o Recht wild und schlachtenfroh, 
u Drum, Reiter, kliır’ ich so. o 
Hurrah ! 


Bleib doch im engen Stübchen. 
Was willst du hier mein. Liebehen ? 
Bleib still im Kämmerlein , 
Bleib , bald hol’ ich dich ein, 

Hurrah ! 


LEYER UND SCHWERT. 


«Lass mich nicht lange wearten) 
«O schöner Liebesgarten , 
« Voll Röslein blutigroth , 
« Und aufgeblühtem Tod. » 
Hurrah ! 


So komm’ denn aus der Scheide, 
Du Reiters Augenweide. 
Heraus, mein Schwert, heraus! 
Führ’ dich ins Vaterhaus. 
Hurrah ! 


s Ach, herrlich ist's im Freyen , 
«Im rüst'gen Hochzeitreihen , 
« Wie glänzt im Sonnenstrahl 
«So bräutlich hell der Stahl ! » 
Hurrah ! — 


Wohlauf, ihr kecken Streiter , 
Wohlauf, ihr deutschen Reiter ! 
Wird euch das Herz nicht warm ? 
Nehmt’s Liebchen iu den Arm. 
Hurrah ! 


Erst that es an der Linken 
Nur ganz verstohlen blinken ; 
Doch an die Rechte traut 
Gott sichtbarlich die Braut. 
Hurrah ! 


Drum drückt den liebeheissen, 
Bräutlichen Mund von Eisen 
An eure Lippen fest, 
Fluch! wer die Braut verlässt ! 
Hurrah ! a 


Nun lass das Liebchen singen , 
Dass helle Funken springen ! 
Der Hochzeitmorgen graut, — 
Hurrah , du Eisenbraut ! 
Hurrah ! 


æ 


58 VERMISCHTE GEDICHTE 





II. 


VERMISCHTE 


GEDICHTE UND ERZÄHLUNGEN. 
om 4 — 


BERGMANNSLEBEN. 


I. das ew’ge Dunkel nieder 
Steigt der Knappe, der Gebieter 
Einer unterird’schen Welt. 

Er , der stillen Nacht Gefährte 
Athmet tief im Schoos der Erde, 
Den kein Himmelslicht erhellt. 
Neu erzeugt mit jedem Morgen, 
Geht die Sonne ihren Lauf, 
Ungestört ertönt der Berge 

Uralt Zauberwort : Glück auf! 


Da umschwebt uns heil’ges Schweigen , 
Und aus blauen Flammen steigen. 
Geister in die grause Nacht. 
Doch ihr eignes Thun verschwindet , 
Fester sind sie uns verbündet , 
Bauen uns den düstern Schacht, 
Nimmer können sie uns zwingen , 
Und sie hält ein ew’ger Bann: 
Wir bekämpfen alle Mächte 
Durch der Mutter Talisman. 


: -` Auch die lieblichen Najaden , 
Die im reinen Quell sich baden , 
Stürzen hülfreich in die Gruft, 
Mit den zauberischen Händen 


H 


UND ERZÄHLUNGEN. 


g 


Das gewalt’ge Rad zu wenden , 
Und es rauscht in ferner Kluft, 
Selbst Vulkan , der Eisenbänd'ger , 
Reicht ons "seine Götterhand, 

Und durch seines Geistes Stärke 
Zwingen wir das Mutterland, 


Auch mit Proserpinens Gatten , 
Mit dem schwarzen Fürst der Schatten , 
Flechten wir den ew’gen Bund, 
Und er lässt auf schwankem Steige 
Eingehn uns in seine Reiche, 
In des Todes grausen Schlund, 
Doch der Weg ist uns geöffnet 
Wieder auf zum goldnen Licht ; 
Und wir steigen aus der Tiefe , 
Denn der Gott behält uns nicht. 


“Durch der Stollen weite Länge , 
Durch das Labyrinth der Gänge, 
Wandern wir den sichern Weg, 
Ueber nie erforschte Gründe , 
Ueber dunkle Höllenschlünde , 
Leitet schwankend uns der Steg: 
Ohne Grauen , ohne Zaudern 
Dringen wir in’s düstre Reich , 
Führen auf metallns Wände 
Jauchzend den gewalt’gen Streich. 


Unter unsers Hammers Schlägen 
Quillt der Erde reicher Segen ; 
Aus der Felsenkluft hervor, 
Was wir in dem Schacht gewonnen , 
Steigt zum reinen Glanz der Sonnen , 
Zu des Tages Licht empor. 
Herrlich lohnt sich unser Streben , 
Bringet eine goldne Welt, 
Und des Demants Pracht zu Tage, 
Die in finstrer Tiefe schwellt. 


In der Erden dunklem Schoose 
Blühen uns die schönsten Loose , 
Strahlet uns ein göttlich Licht. 
Einst durch düstre Felsenspalten 
Wird es seinen Sitz entfalten , 
Aber wir erblinden nicht 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Wie wir treu der Mutter bleiben , 
Lebend in dem düstern Schacht , 
Hüllt uns in der Mutter Schleier 
Einst die ewig lange Nacht. 


DER TRAUM 


Einst von des Tages ehr’ner Stundenkette 
Ermüdet sank ich auf des Lagers Raum ; 
Selene blickte durch der Fenster Glätte 
Und silbern mahlte sich der Wolke Saum ; 
Da nahte sich der sanften Ruhestätte 

Aus goldnen Pforten ein beglückter Traum , 
Und in des Schlummers trügenden Gebilden 
Ersah ich mich in himmlischen Gefilden, 


Und gürtelartig schlangen sich Gebäude 

Um mich herum von Marmor, blendend weiss. 
Der Sonnen Licht im blauen Actherkleide 
Schwamm über meinem Scheitel glühend heiss, 
Und herrlich in des Hofes stolzer Weite 

Sah’ ich von Palmen einen heil’gen Kreis , 

Und in der Mitte eine Riesenpflanze , 

Den Himmel stürmend mit des Gipfels Kranze, 


Noch starr’ ich, von des Baumes Pracht geblendet , 
-Und einen Jüngling sah ich ferne steh’n, 

Den sanften Blick nach oben hin gewendet, 

Und leise betend zu den blauen Höh'n. 

Und als er gläubig das Gebet geendet , 

Da zogs mich hin, wer konnte widersteh'n ? 

Und staunend frag’ ich ihn , und frage wieder : 
Sprich! wer bist du, wer ist der Burg Gebieter.? 


«Das Schloss, und alles, was du kannst erschauen, 
e Gehorcht,, so sprach er, einem mächt'gen Herra , 
« Ihn ehrt das Volk mit kindlichem Vertrauen, 

« Und froh gehorcht ihm jeder , dient ihm gern. 

« Wie ein Geschöpf aus Paradieses Auen 

« Erhebt er sich, klar wie ein goldner Stern’; 

« Dem Element gebietet er als Meister , 

« Und willig folgen hm die Flammengeister, 


UND ERZAHLUNGEN 


« Wie seinen Sohn nur hat er mich gehalten 

e Ob ich sein Diener gleich, sein Sklave war , 
« Er zog mich hin mit mächtigen Gewalten, 

a Sein hohes Wort blieb ewig treu und wahr, 

« Die innre Brust konnt’ ich vor mm entfalten , 
« Er sah im Nebeldunst des Lebens klar, 

« Wies das Gesetz mir in dem ew’gen Ringe 

« Und zeigte mir das Wesen aller Dinge, 


«So formte mich des Geistes strenger Wille , 

«Doch in dem Herzen blieb es ewig, Nacht ; 

« Und plötzlich, wie der Schmetterling die Hülle 

a Zerbricht, zum neuen Leben angefacht, 

e Und fröhlich flattert in des Lichtes Fülle , 

« Hellglänzend mit der farbig goldnen Pracht, 

«So riss mich Lieb’ empor im Rausch der Wonnen, 
«Die Erde sank, das Dunkel war zerronnen, 


« Des-Herzens Sehnen färbte meine Wangen , 

e Denn eine Jungfrau hold und wunderbar, 

« Und rein wie sie, die Gottes Sohn empfangen , 

s Und wie ein Seraph leicht und sonnenklar , 

« Entflammte mich mit feurigem Verlangen , 

a Wir liebten uns, ein hochbeglücktes Paar. 

« Wohl sah der Herr den Bund, uns nicht entgegen , 
« Versprach er uns im Stillen seinen Segen. 


«So lebten wir des Lebens Wonnezeiten, 

« Eins war im Ändern innig sich bewusst, 

« Doch trägt dies sel’ge Uebermaas der Freuden 
« Nie ungetrübt die stauberzeugte Brust. 

« Das Schicksal. nahte mit gewalt'gem Schreiten 
«Und rächend kam der Sinne ird’sch® Lust. 

e Im glüh’nden Taumel meiner Flammenliebe 

e Opfert’ ich sie und mich dem wilden Triebe, 


«Noch schwelgten wir in sündigen Genüssen ,. 

«Da kam der Herr, er hatte uns vertraut, 

« Wir sanken reuevoll zu seinen Füssen , 

e Doch seines Zornes Stimme wurde laut: 

a « Von meinem Herzen hast du dich gerissen, 

« e Verloren ist auf ewig dir die Braut, 

a «Die strenge Schuld gebeut, ihr müsst euch trennen, 
« v Nachforschen darfst du vie, und nie sie-nennen, 


Al 


42 


VERMISCHTE GEDICHTE 


« a Nicht ihres Lebens Räthsel sollst du lösen, 


o s Verblichen ist des Glückes Morgenroth , 

u a Eh’r stürzt die Sonne aus des Himmels Grössen ! 

u «Der Raub der Unschuld ist der Liebe Tod, e 

u Und in des Donners brausenden Getösen 

« Entführt er sie mit seinem Machtgebot. 

« Bewusstlos sanl ich da zur Erde nieder, 

«Und nur zum höchsten Schmerz erwacht’ ich wieder. 


« Denn auf dem Herzen lag’s mit Zentnerschwere , 
«Und furchtbar büsst’ ich" meiner Sinne Lust; 
«Allein fühlt’ ich mich in des Weltalls Leere, 

« Und nur der Sünde war ich mir bewusst, 

« Und wie die Windsbraut auf empörtem Meere , 
« Sö tobt’ es in der schuldbedeckten Brust, 

« Und eine Stimme rief: Du bist gerichtet , 

« Denn eines Engels Glück hast du vernichtet, 


u So musst’ ich meine Qual verschwiegen tragen. 

s Nie hört’ ich eines Freundes tröstend Wort; 

«Dem Echo durff ich meinen Schmerz nicht klagen , 
« Der Jugend Blüthenzweig war mir verdorrt. 

«Kein Morgen wollte glückverkündend tagen, 

«Und aus dem Kreis der Menschen trieb mich’s fort, 
« Und wollt’ ich in die Todesnacht mich retten , 

«So hielt das Leben mich mit ehr'nen Betten, 


«Als wollte sie des Herzens Schuld verkünden , 

«So flammte mir die Sonne blutigroth. 

u Nicht Ruhe konnt’ ich, konnte Trost nicht finden! 
«Da fasste mich der Seele höchste Noth. 

« Es trieb mich fort, ihr Schicksal zu ergründen , 

a Verzweifelnd schmäht’ ich meines Herrn Gebot; 

« Zur Ferne lenkt’ ich die verweg’nen Schritte 

« Zu eines Greises gottgeweither Hütte. 


«Ihm naht’ ich forschend , meine Qual zu enden, 

« Verschwieg ihm nicht den unglücksel’gen Bund ; 

« Gebete sah ich ihn zum Himmel senden , 

« Und so verkündete sein Sehermund : 

u « Berühr’ der Palme Blatt mit frommen Händen, 

« «Und der geliebten Schicksal wird; dir kund, 

s «Doch hast du das geheime Wort errungen , 

u «So wirst du von der Erde schnell verschlungen, » 


UND ERZAHLUNGEN. 


« Er sprach es aus, und schnell war ich entschlossen , 
« Ich nahte eilig diesem heil'gen Baum ; 

« Denn aus geweihter Erd’ ist er entsprossen , 

« Regt sich mit ew’ger Kraft im Himmelsraum, 

a Schon ist der Schmerz in Thränen mir zerflossen , 

« Das nahe Ziel löst sanft den bittern Traum, 

« Zur letzten That ist meine Hand gehoben , 

« Die Liebe siegt, das Wissen kommt von oben.» 


Er sprach’s und schnell will er die That erfüllen , 
Und rührt der Blätter schreckliche Gewalt ; 
Und plötzlich leuchten Blitze, Donner brüllen‘, 
Dass Erd’ und Himmel furchtbar wiederhallt. 
Und als sich schnell die wilden Mächte stillen, 
Schwebt eines Greises heilige Gestalt, 
Ein Sternenmantel log um seine Glieder , 
Vom Himmelsraum auf lichten Wolken nieder, 


Und neben ihm die zarteste der Frauen, 
Ein Säugling ruht an ihrer Schwanenbrust , 
Ein seliges Geschöpf aus Himmelsauen , 

Der ew’gen heil’gen Liebe sich bewusst. 

Und wie des Jünglings Blicke sie erschauen , 
So sinkt er hin, umglüht von hoher Lust ! 
Und ich — erwachte,, denn der Morgen graute 
Und voll Begeistrung schlug ich in die Laute, 


—ihmu 
X 


DAS WUNDERBLUMCHEN. 


Ein Blümchen blüht an stillen Quellen , 
Und athmet süssen Lebensduft, 
Es badet sich in klaren Wellen, 
Und munter mit des Frühlings Schwellen , 
Regt sich die Knospe in der Luft, 
Schon grünt die Flur mit süssem Prangen, ~ 
Und Freude färbt die zarten Wangen, 


Es strahlt der Lenz auf tausend Zweigen, 
Froh hat sich die Natur verjüngt. 
Die Jugend schlingt den muntern Reigen , 
Horch’ wie dort durch des Haines Schweigen 


45 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Das süsse Lied der Vögel klingt! 
Doch schöner als der Klang im Liede 
Färbt sich am Quell die zarte Blüthe, 


Und Sommer wird's im jungen Leben, 
Und kürzer weilt die kühle Nacht, 
Und feuriger wird jedes Streben; 
Es keimt die Kraft in zarten Reben, 
Es strahlt das Feld mit goldner Pracht , 
Die Knospe will die Hülle spalten, 
Zur Blume herrlich sich entfalten, 


Und höher steigt der Lauf der Sonnen, 
Es glüht im dichtbelaubten Thal. 
Des Nebels Dünste sind zerronnen, 
/ertrocknend stirbt der klare Bronnen , 
Der Quell versiegt im Sonnenstrahl, 
Doch frischer noch in Jugendfülle 
Entfaltet sich des Blüm hens Hülle, 


Des Spätjahrs Kühle kommt gezogen , 
Reif glänzt der Traube Gold hervor. 
Die Sonne sinkt am Himmelsbogen, 
Es quillt, im Innern auferzogen, 
Aus Blüthentod die Frucht hervor, 
Doch ewig schön im zarten Kleide 
Mahlt sich des Blümchens süsse Freude. 


Da zieht die Schwalbe durch die Felder , 
Die Biene zehrt vom Frühlingsraub. 
Es pfeift die Windsbraut durch die Wälder, 
Die Purpurrebe färbt die Kelter , 
Und rasselnd fällt das dürre Laub, 
Doch frei vom ernsten Weltgesetze 
Enthüllt das Blümchen seine Schätze. 


Da stürzt sich mit der eh’rnen Kette, 
Hoch vom Gebirg der Winter los. 
Er macht die Welt zur Grabesstätte , 
Und mit des Eises Silberglätte 
Umfesselt er der Erde Schoos , 
Und mordet auf den kahlen Fluren 
Des zarten Lebens letzte Spuren, 


UND ERZAHLUNGEN. 


Doch wie vom Götterblut empfangen, 
Regt sich des Blümchens süsse Pracht. 
Es strahlt empor mit Glutverlangen , 
Und schmückt die Welt mit Frühlingsprangen ; 
Und lichtet die gewalt'ge Nacht 
Aufglühend in des Himmels Freie : 
Das Blümchen ew’ger Liebestreue, 


DER SCHRECKENSTEIN UND DER ELBSTROM. 
DER SCHRECKENSTEIN, 


Wa rauschest du ewig- mit fröhlichem Muth, 
Von blühenden Ufern umzogen ? i 
Was leitest du fernbin die silberne Fluth , 

Gethürmt in bläuliche Wogen ? 

Versiegt dir nimmer die wirkende Kraft, 
Die erst das Leben zum Leben schafft, 
Ist nie der Geist dir entflogen ? 


ELBSTROM, 


Wohl stürz’ ich vom Felsen die Thäler entlang, 
Genährt von unzähligen Quellen, 
Wohl flüstern die Winde im Liebesgesang , 
Und küssen die tanzenden Wellen, 
Doch endlich entflieht mir die wogende Macht, 
Begrabt sich tief in des Meeres Nacht , 
Wo die Fluthen des Oceans schwellen, 


SCHRECKENSTEIN 


Doch verjüngst du dich ewig mit neuer Gewalt, 
Noch lispelt die Welle und flimmert ,- 
Noch glänzt dir die jugendlich volle Gestalt, 
Wie sie seit Aeonen geschimmert. 
Doch ich, gemordet vom Drange der Zeit, 
Ich sinke zur ew’gen Vergessenheit , 
Seit mich die Zwietracht zetrümmert, 


VERMISGHTE GEDICHTE 


Auch ich war einst jung, mit herrlicher Pracht 
Entstiegen die Thürme der Erde. 
Die Keller umarmten die ewige Nacht, 
"Die die Leuchte des Tages nicht klärte, 
Den Raubgrafen sollt’ ich ein Schrecken seyn, 
Drum tauften sie mich zum Schreckenstein,, 
Dass ich Schutz den Bewohnern gewährte. 


Da riefen Posaunen zum lustigen Mahl , 
Es eilten die Ritter zum Feste; 
Es schiumte vom purpurnen Blut der Pokal, 
Der die Zungen der Taumelnden nässte. 
Die Sänger erwarben mit Harfenton , 
Für süsse Gaben den süsseren Lohn, 
Den Frauen die liebsten der Gäste, 


Doch endlich brach es mit wilder Gewalt 
Durch die heiligen Schranken des Lebens , 
Und schreckbar nahte' in Schlachtengestalt , 

Das Ende des ewigen Strebens, 

Es klirrten Schwerter, wild braus’te die Gluth, 
Die Mauern düngte der Edlen Blut, 

Doch die Kraft war, die Stärke vergebens. 


Das weckte mich grausend aus stolzem Traum ; 
Die Flamme in farbigen Säulen, 
Durchwogte wild der Gemächer Raum, 
Und ich stürzte in Windes Heulen ; 
Und begrub im Falle der Edien Gebein, 
Da zog der Uhn ais Burgherr ein, 
Und mit ihm, als Knappen , die Eulen, 


Und in den Kammern ward’s wüst und leer, 
Versiegt war die menschliche Rede; 
Da kamen die Weisen, die Altklugen her, 
Und riethen,, dass man mich besäte, 
Der herrliche Saal, wo sonst Ritter gezecht , 
Er schien den Herren zur Scheuer gerecht: 
Sie machten den Zwinger zum Beete, 


Für zertrummerte Grösse das hohe -Gefühl , 
Es ist aus dem Leben verschwunden: 
Der Vortheil nur ist ihr einziges Ziel, 
‘Er hat sie mit Fessela gebunden, 


UND ERZAHLUNGEN, 


Vom eitlen Gute, vom Silber und Gold, 
Nicht von des Ruhmes ewigem Sold 
Sind die niedrigen Herzen entzunden! 


ELBSTROM, 


Du Armer, doch gleicht dem Deinen mein Loos, 
Das du so herrlich gepriesen, 
Wohl bad’ ich der Erde fruchtbaren Schoos, 
Es blitzen die Wellen und fliessen ; 
Und stürzen sich über den felsichten Grund, 
Bis zu des Meeres unendlichem Schlund , 
Um ferne Länder zu grüssen. 


47 


Doch Sinken und Sterben ist auch mein Geschick, 


Zwar rausch’ ich durch blühende Lande; 
Noch kehrte mir keine der Wellen zurück, 
Und einst verinn’ ich im Sande, 

Wenn die Himmelsthräne nicht länger schwellt, 
Das Gesetz, das ewige, wahre der Welt, 

Es führt mich vom Strande zum Strande. 


Erst stürz’ ich mich jauchzend in Knabenlust 
Ueber Felsengeklüfte mit Rauschen , 
Uud nimmer sehnt sich die fröhliche Brust - 
Mit einem der Ströme zu tauschen. 
Doch endlich legt sich der wilde Drang. 
Das Toben, es wird zum süssen Gesang, 
Dass liebende Herzen ihm lauschen, 


Und schöner fängt das Gestad an zu blühn , 
Zwar bin ich vom Fels noch umfangen ; 
Doch bauen sich Hütten an Ufers Grün, 
Und Gärten mit frenndlichem Prangen, 
Ich bringe der Liebe den traulichen Gruss, 
Und murmele lauter zum ersten Kuss, 
Entflammt vom regen Verlangen. 


Und breiter und stiller entwog’ ich die Bahn, 
Es erheben sich Mauern und Städte. 
Es füllt sich der Strand mit Geschäftigen an, 
Laut hör’ ich die menschliche Rede, 
Doch furchtbar.treibt mich mein Sehnen hinab, 
Nicht acht’ ich die Meerfluth, mein ewiges Grab, 
Nicht acht’ ich der Sterblichen Fehde, 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Denn es thürmt sich der Brücken steinerne Last, 
Und will im Laufe mich zügeln; ý 
Doch stürz’ ich mich durch mit gewalliger Hast, ` 
Mit des Sturmwinds brausenden Flūgeln, 

Und ebner erstreckt sich die grenzende Flur, 
Ernst wind’ ich mich durch die verschrobne Natur, 
Es werden die Berge zu Hügeln, 


Es werden die Felsenklüfte zu Sand, 
Und die Büsche, die lieblichen , sterben. 
Mit weiteren Armen umfang’ ich den Strand, 
Da treibt’s mich, das Ziel zu erwerben. 

Und stolzer rausch’ ich mit ernster Pracht, 
Es reisst mich hinab in des Oceans Nacht, 
Es reisst mich hinab in’s Verderben. 


Du schinücktest dich einst mit festlichem Prunk 
Und hast das Ende gewonnen ; 
Doch meine Qual, sie wird stündlich jung, 
Und närht sich in ewigen Bronnen, 
Und jede Welle ruft sie zurück, 
Und flüchtig, wie das verhasste Geschick, 
Ist die Lust und die Jugend zerronnen, 


SCHRECKENSTEIN, 


Wohl schwang sich die Freude vom Erdengrund 
Hinauf in das Reich der Gedanken, 
Es bricht die Zeit den gewaltigen Bund, 
Es tritt die Welt aus den Schranken , 
Denn der Mensch treibt mit dem Heiligsten Spott: 
Er vergisst den Glauben, vergisst den Gott, 
Und die Festen der Ewigkeit wanken, 


— mm 


DIE LIEBE, 


D. Kind erwacht an zarten Mutterbrüsten, 

Die Liebe , die im treuen Arm es hält, 

Sie führt es lächelnd in die neue Welt, 

Eh’ sich zum schweren Kampf die Stunden rüsten ; 
Noch fühlt es nur ein fröhliches Gelüsten , 

Und was sich freundlich ihm entgegenstellt, 

Dem Reich der Liebe wird es beygesellt, 

Tief muss sie in dem zarten Herzen nisten, 


UND ERZAHLUNGEN. 49 


Der Knabe schwärmt mit heisserem Gefühle , 
Durch Berg und Thäler treibt ihn sein Gemüthe, 
Der neue Morgen bringt ihm neue Lust, 
Und jeder Schmetterling ist sein Gespiele , 
Und seine Schwester jede Frühlingsblüthe, 
Der Liebe stille Kraft keimt in der Brust, 


Kaum ist er jetzt dem Knabensinn entronnen , 
So will er schon die stolze Bahn ersteigen , 
Mit kühner Faust das höchste Ziel erreichen , 
Es schweift der Blick nach unentdeckten Sonnen , 
Doch Liebe tritt mit allen ihren Wonnen 
In seine Bahn, die wilden Stürme schweigen ; 
Der stolze Sinn muss sich der’ Anmuth beugen, 
In Sehnsucht ist die kühne Kraft zerronnen. 
Zur hellen Flamme wird der stille Funken. 
Nur eins kann ihn verderben und beglücken A 
Und Eins nur lichtet seiner Seele Nacht. 
Sein Streben ist in ihrem Blick versunken , 
Und in des Herzens seligstem Entzücken 
Entfaltet sich der Liebe heil’ge Pracht, 


Doch schwer zum Kampfe rüstet sich die Zeit, 
Und feindlich kommt die Stunde angezogen, 
Da fühlt der Mann , dass ihn ein Wahn betrogen , 
Und dass der Wille nicht der That gebeut, 
Und wie des Meeres Brandung tobt der Streit! — 
Umsonst bekämpft er die empörten Wogen, — 
Da kommt ihm Liebe hülfreich zugeflogen , 
Reicht ihm die Götterhand ; — er ist befreyt ! 
Von ihr, in heil’ger Weihe eingesegnet, 
Steht er, der Einzigglückliche der Welt, 
Und glänzend muss die Nacht im Innern tagen, 
Von allem, was ihm freundlich hier begegnet , 
Von allem , was der Gott ihm zugesellt , 
Hat Liebe ihm die schönste Frucht getragen, 


Geläutert ist der Seele kühnes Streben , 
Es kann die Zeit die innern Kämpfe schlichten ! 
Das Herz kann seine Sehnsucht nicht vernichten , 
‘Die Liebe bannt ihn hoffend noch ans Leben , 
Und gern vertraut er ihn mit leisem Beben ; 
Denn seines Grabes Dunkel wird sie lichten , 


5 


50 VERMISCHTE GEDICHTE 


Und offenbart in göttlichen Gesichten, 

Muss ihn des nahen Morgens Licht umschweben. 
Dann steht sie freundlich ihm zu seiner Rechten , 

Und segnet seine That mit heil’gem Wort, 

Dass.nichts den schönen Blick der Hoffnung trübe. 
Da schwingt der Geist sich auf aus Erdennächten , 

Der Seraph öffnet ihm die Himmelspforten , 

Und ruft ihm jauchzend zu: Gott ist die Liebe! 


AN MEINE ZITHER. 


Singe in heiliger Nacht, du, meines Herzens Vertraute,, 
Freundliche Zither, ein Lied, hier, wo die Liebliche wohnt, 
Sanft umflüstre dein Ton den süssen Traum der Geliebten 
Und des Sängers Bild zaubre der Schlummer ihr vor. — 
Ach! wie gleicht dir mein Herz, da sind die Saiten Gefühle ; 
Und — ist's die Liebe nicht auch, die es zum Wohllaut gestimmt ? 


AM GRABE 


CARL FRIEDRICH SCHNEIDERS, 


D. bist dahin, verloren unserm Bunde , 
Der strenge Tod trat ernst in deine Bahn, 
Und feindlich nahte sich die finstre Stunde, 
Vernichtet ist des Lebens flücht’ger Wahn, 
Nichts hält Dich mehr im. tiefen Erdengrunde , 
Es fliegt der Geist vollendet Himmel an; 
Es dämmert Dir das Licht der heil’gen Wahrheit; 
Uns bleibt der Schmerz, Du schwebst in ew’ger Klarheit; 


Es wogte Dir ein ernster Sinn im Blute , 

Der nur der eignen Lebenskraft vertraut ; 

Es schlug Dein Herz so warm für jedes Gute, 
Für jedes Schöne‘, Grosse schlag es laut; 

Du hattest still, mit kühnem Jünglingsmuthe , 
Dir Deine Welt in Deiner Brust gebaut ; 

Dein Lauf war stolz im ernsten Hochgefühle , 

Und gross und herrlich Deine Bahn zum Ziele. 


UND ERZAULUNGEN. 51 


Vom höchsten Streben war Dein Herz durchdrungen , 
Das jeder edeln That sich willig bot. 
Dein Auge brach, der Kampf ist ausgerungen , 
In tiefer Fluth umarmte dich der Tod, 
Jetzt hast Du längst der Erde Macht bezwungen , 
Die Seele schwebt im ew’gen Morgenroth ; 
Jetzt hat Dein tiefes Sehnen sich gelichtet,, 
Dein Tag brach an, das Dunkel ist vernichtet. 


Drim hemmen wir die Worte unsrer Trauer , 
Der Liebes-Bund muss jede Kraft bestehn. 
Hier schwören wir der Freundschaft ew’ge Dauer , 
Hier, wo uns Deine Manen still umwehn ; 
Und wenn das Leben sinkt im Todes-Schauer , 
Wenn wir vollendet einst am Ziele stehn , 
Dort in des Lichtes stillem heil’gem Prangen , 
Mag uns verklärt Dein Brudergeist empfangen. 


BERGLIED., 


dësch auf! Glück auf! in der ewigen Nacht ; 
Glück auf! in dem fürchtbaren Schlunde, 

Wir klettern herab aus dem felsigten Schacht , 
Zum erzgeschwängerten Grunde, 

Tief unter der Erde von Grausen bedeckt , 

Da hat uns das Schicksal das Ziel gesteckt, 


Da regt sich der Arm, der das Fäustel schwingt ; 
Es öffnen sich furchtbare Spalten, . 

Wo der Tod aus tausend Ecken uns winkt, 
In gräulichen Nebelgestalten. 

Und der Knappe wagt sich muthig hinab, 

Und steigt entschlossen ins finstre Grab. 


Wir wandern tief, wo das Leben beginnt, 
Auf nie ergründeten Wegen. 
Der Gänge verschlungenes Labyrinth Ss 
Durschschreiten: wir kühn und verwegen. 
Wie es oben sich regt im Sonnenlicht , 
Der Streit über Tage. bekümmert uns nicht. . 


32 


VERNMISCHTE GEDICHTE 


Und wenn sich Herrscher und Völker entzwey'n > 
. Und dem Ruf der Gewalt nur gehorchen , 
Und Nationen im Kampf sich bedräu'n , 

Dann sind wir geschützt und geborgen. 
Denn wem auch die Welt, die entflammte gehört, 
Nie wird in der Tiefe der Frieden gestört, 


Zwar ist uns wohl manch grässlicher Streit 
Im Dunkel der Schachte gelungen ; 

Wir haben die Nacht von Geistern befreyt, 
Und den mächtigen Kobold bezwungen , 

Und bekämpft das furchtbare Element , 

Das in bläulicher Glut uns entgegen brennt, 


Zwar toben uns tief, wo nichts Menschliches wallt , 
Die Wasser mit feindlichem Ringen, 
Doch der Geist überwindet die rohe Gewalt , 
Und die Fluth muss sich selber bezwingen. 
Gewältigt gehorcht uns die wogende Macht, 
Und wir nur gebieten der ewigen Nacht, 


Und still gewebt durch die Felsenwand 
Erglänzt das Licht der Metalle ; 

Und das Fäustel in hochgehobener Hand 
Saust herab mit mächtigem Schalle , 

Und was wir gewonnen im nächtlichen Grous, 

Das ziehen wir fröhlich zu Tage heraus, 


Da jagt es durch alle vier Reiche der Welt, 
Und jeder möcht’ es erlangen ; 

Nach ihm sind alle Sinnen’ gestellt , 
Es nimmt alle Herzen gefangen; 

Nur uns hat nie seine Macht bethört, 

Und wir nur erkennen den flüchtigen Werth. 


Drum ward uns ein fröhlicher leichter Muth 
Zugleich mit dem Leben geboren. 
Die zerstörende Sucht nach eitlem Gut 
Ging uns in der Tiefe verloren. 
Das Gefühl nur für Vaterland, Lieb’ und Pflicht 
Beßräbt sich im Dunkel der Erde nicht, 


Und bricht einst der grosse Lohntag an, 
Und des Lebens Schicht ist verfahren , 


UND ERZÄHLUNGEN. 53 


Dann schwingt sich der Geist aus der Tiefe hinan , 
Aus dem Dunkel der Schächte zum Klaren, 

Und die Knappschaft des Himmels nimmt ihn auf, 

Und empfängt ihn jauchzend: Glück auf! Glück auf! 


WECHSEL. 


Wenn der Knabe geträumt von künftiger Grossthat, so jauchzt er 


Kindlich schwärmend: Wie wird Vater und Mutter sich freun ! 


Muthig und still wirft der Jüngling den glühenden Sinn auf das Eine, 


Und in jeglichem Traum webt er der Lieblichen Bild. 


Doch mit ernsterem Blick tritt der Mann in die Stürme des Schicksals, 


Und des Ruhmes Gewalt lockt ihn zum Ziele der Bahn, 


Aber der Greis — er knüpft seine Welt an das dämmernde Jenseits, 


Und sein sterbender Blick segnet die Träume der Brust- 


—— ee 


KLOTARS ABSCHIED. 


(FRAGMENT EINES ROMANS.) 


Tier schlummert die Natur in süssen Träumen a 

Und still und düster wogt die kühle Nacht. 

Die Sterne funkeln in des Himmels Bäumen A 

Der Silbermond steigt auf in heil’ger Pracht. 

Ich fühle stolz der Kräfte reges Keimen, 

Und in der Brust des Herzens kühne Macht; 

Es ruft mir zu, wie eines Gottes Mahnen, 

Zum hohen Ziele mir den Weg zu bahnen. 


Schon ist der Trennung kurzer Schmerz bezwüngen, 
Die Liebe fühlt des Bundes Ewigkeit, 
Des Abschieds letzte Töne sind verklungen, 
Frey fühl ich mich, frey in dem Sturz der Zeit. 
Durch wilde Kämpfe wird der Sieg errungen : 
Das Schöne lebt nur in der Kräfte Streit ; 
Da‘will ich kühn und muthig es erjagen , 
Und fern der Heimath soll mein Morgen tagen. 


54 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Im Herzen lebt ein nie geahndet Streben , 
Es fliegt der Geist mit stolzem Adlersschwung , 
Und Worte klingen mir im innern Leben, 
Wie einer Gottheit stille Huldigung. 
Die Träume meiner Jugendfülle schweben 
Vor meinen Blick in süsser Dämmerung, 
Und froh betritt im heitern Frühlingsstrahle 
Manch schönes Bild den Kreis der Ideale, 


Droht auch die Glut der kühnen Brust Verzehrung, 
Die sich die steile. Bahn zum Ziel erkohr, 
Der heil’ge Rosenschimmer der Verklärung -~ 
Umflüstert mich im leichten Nebelflor : 
« Vertraue dir, dem Glauben ser Gewährung !» 
Da strebt das Herz mit stolzer Macht empor , 
Da löst der Seele Dunkel sich in Klarheit, 
Und durch die Nacht bricht mir das Licht der Wahrheit, 


POESIE UND LIEBE, 


De Sänger rührt der Leyer goldne Saiten , 
Und in der Seele ist das Licht erwacht, 
Es strahlt durch das gewalt’ge Reich der Nacht 
Ein göttlich Licht zum Ohre aller Zeiten, 


Ein Wesen nur vermag den Klang zu deuten, 
Es naht sich still in süsser Himmelspracht,, 
Und wie vom Götterhauche angefacht, 
Erglüht das Lied, die Wolken zu durchschreiten. 


Da wogt ein üpp’ges Meer von Harmonien , 
Es schwebt das dunkle Lied im Strahlenflore 
Durch Lichtgefilde einer ew’gen Klarheit; 


Wo Lieb’ und Dichtkunst in einander glühen , 
Da öffnen sich des Himmels Rosenthore , 
Und aufwärts fliegt das Herz zur heil’'gen Wahrheit, 


[— 


UND ERZAHLUNGEN. 


AMPUIARAOS. 


Vor Thebens siebenfach gähnenden Thoren 
Lag im furchtbaren Bruderstreit 
Das Heer der Fürsten zum Schlagen bereit , 
Im heil’gen Eide zum Morde. verschworen , 
Und in des Panzers blendendem Licht 
Grimmig , als gält es die Welt zu bekriegen, 
Träumen sie jauchend von Kämpfen und Siegen , 
Nur Amphiaraos, der Herrliche , nicht. 


Denn er est in dem ewigen Kreise der Sterne, 
Wen die kommenden Stunden feindlich bedrohn, 
Des Sonnenlenkers gewaltiger Sohn 
Sieht klar in der Zukunft nebelnde Ferne, 
Er kennt des Schicksals verderblichen Bund, 
Er weiss, wie die Würfel, die eisernen fallen , 
Er sieht die Moria mit blutigen Krallen , 
Doch die Helden verschmähen den heil’gen Mund, 


Er sah des Mordes gewaltsame Thaten , 
Er wusste, was ihm die Parce spann. 
So ging er zum Kampf ‚ein verlorner Mann, 
Von dem eignen Weibe schmählich verrathen. 
Er war sich der himmlischen Flamme bewusst , 
Die heiss die kräftige Seele’ durchglühte. 
Der Stolze nannte sich Apolloide , 
Es schlug ihm ein göttliches Herz in der Brust. 


«Wie ? — ich, zu dem die Götter geredet , 
«Den der Weisheit heilige Düfte umwehn, 
«Ich soll in gemeiner Schlacht vergehn, 
«Von Periklymenos Hand getödtet ? 
« Verderben will ich durch eigne Macht, 
e Und staunend vernehm’ es die kommende Stunde , 
«Aus künftiger Sänger geheiligtem Munde, 
«Wie ich kühn mich gestürzt in die ewige Nacht, » 


Und als der blutige Kampf begonnen , 
Und die Ebne vom Mordgeschrey wiederhallt , 
So ruft er verzweifelnd: «Es naht mit Gewalt, 
« Was mir die untrügliche Parce gesponnen. 
«Doch wogt.in der Brust mir ein göttliches, Blut , 
«Drum will ich auch werth des Erzeugers verderben.» 
Und*wandte die Rosse auf Leben und Sterben , 
Und jagt zu des Stromes bochbrausender Fluth. 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Wild schnauben die Hengste , laut rasselt der Wagen, 
Das Stampfen der Hufe zermalmet die Bahn, 
Und schneller und schneller noch ras’t es heran, 
Als gält’ es die flüchtige Zeit zu erjagen, 
Wie wenn er die Leuchte des Himmels geraubt, 
Kommt er in Wirbeln der Windsbraut geflogen ; 
Erschrocken heben die Götter der Wogen 
Aus schäumenden Fluthen das schilfichte Haupt, 


Doch plötzlich, als wenn. der Himmel erglüh'te , 
Stürzt ein Blitz aus der heitern Luft , 
Und die Erde zerreisst sich zur furchtbaren Kluft, 
Da rief laut jauchzend der Apolloide : 
«Dank dir Gewaltiger, fest steht mir der Bund, 
«Dein Blitz ist mir der Unsterblichkeit Siegel , 
s Ich folge dir Zeus!» — und er fasste die Zügel, 
Und jagte die Rosse hinab in den Schlund, 


DAS WAR ICH. 


duet träumte mir, ich sah auf lichten Höhen 
Ein Mädchen sich im jungen Tag ergehen, 

So hold, so süss, dass es Dir völlig glich, 
Und vor ihr lag ein Jüngling auf den Knien, 
Er schien sie sanft an seine Brust zu ziehen, 

Und dos war ich! 


Doch bald verändert hatte sich die Scene. 
In tiefen Fluthen sah ich jetzt die Schöne, 
Wie ihr die letzte schwache Kraft entwich. 
Da kam ein Jüngling hülfreich ihr geflogen, 
Er sprang ihr nach, und trug sie aus den Wogen, 
Und das war ich! 


So mahlte sich der Traum in bunten Zügen; 
Und überall sah’ ich die ‚Liebe siegen, 
Und alles, alles dreh’te šich um Dich! 
Du flogst voran in ungebundner. Freye , 
Der Jüngling zog dir nach mit stiller Treue, 
Und das war ich} 


UND ERZAHLUNGEN. 


Und als ich endlich aus dem Traum erwachte,, 
Der neue Tag die neue Sehnsucht brachte, 
Da blieb Dein liebes süsses Bild um mich, 
Ich sah Dich von der Küsse Gluth erwarmen , 
Ich sah dich selig in des Jünglings Armen , 
Und das war ich! 


Da tratst Du endlich auf des Eebens Wegen 
Mit holder Anmuth freundlich mir entgegen, 
Und tiefe heisse Sehnsucht fasste mich, 
Sah’st Du den Jüngling nicht mit trunknen Blicken ? 
Es schlug sein Herz im seligen Entzücken ! 
Und das war ich! 


Du zogst mich in den Kreis des höhern Lebens, 
In Dir vermählt sich alle Kraft des Strebens, 
Und alle meine Wünsche rufen Dich, 
Hat einer einst Dein. Herz davon getragen, 
Dürft’ ich nur dann mit lautem Munde sagen: 
Ja, das war ich! 


DAS WARST DU. 


Der Morgen kam auf rosigtem Gefieder , 
Und weckte mich aus stiller Ruh, 
Da weh'te sanft Begeist’rung zu mir nieder, 
Ein Ideal verklärte meine Lieder , 
Und das warst Du! 


> 
Bald aber warf in heisser Mitthagsschwüle 
Die Sonne ihre Gluth mir zu. 
Da schwoll die Brust im höheren Gefühle, 
Mein ganzes Streben: flog zu Einem Ziele, 
Und das warst Du! 


Doch endlich schte den durchglühten Fluren 
` Der Abend süsse Kühlung zu, 
Und nur ein Bıld in duftigen Conturen 
Umschwebte mich auf leisen Geisterspuren , - 
Und das wasrt Du! 


37 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Und aus dem Meere kam die Nacht gestiegen , 
Und lockte mich zur-süssen Ruh, : 

Da träumt’ ich hold an schöner Brust zu liegen, 

In eines Mädchens Armen mich zu wiegen, 
Und das warst Du! 


Doch ach! das schöne Bild ward mir entrissen , 
Die Welt der Träume schloss sich zu! — 

O! lass mich wachend jetzt das Glück geniessen, 

Dann ruf’ ich laut, durchglüht von Deinen Küssen : 
Ja, das warst Du! 


SEHNSUCHT DER LIEBE. 


W. die Nacht mit heil'gem Beben 
Auf der stillen Erde liegt! 

Wie sie sanft der Seele Streben , 
Uepp’ge Kraft und volles Leben 

In den süssen Schlummer wiegt. 


Aber mit ewig neuen Schmerzen 

Regt sich die Sehnsucht in meiner Brust. 
Schlummern auch alle Gefühle im Herzen, 
Schweigt in der Seele Qual uud Lust: — 
Sehnsucht der Liebe schlummert nie, 
Sehnsucht der Liebe wacht spät und früh, 


Leis’ wie Aeols-Harfentöne 

Weh’t ein sanfter Hauch mich an, 
Hold und freundlich glänzt Selene, 
Und in milder geist'ger Schöne“ 
Geht die Nacht die stille Balm. 


Aber auf kühnen stürmischen Wegen 
Führt die Liebe den trunkenen Sinn, 
Wie alle Kräfte gewaltig sich regen ! 
Ach! und die Ruhe der Brust ist dahin, 
Sehnsucht der Liebe schlummert nie, 
Sehnsucht der Liebe wacht spät und früh, 


Tief im süssen heil’gen Schweigen 
Ruht die Welt und athmet kaum, 


D 


UND ERZAHBLUNGEN 


Und die schönsten Bilder steigen 
Aus des Lebens bunten Reigen , 
Und lebendig wird der Traum, 


Aber auch in des Traumes Gestalten 


Winkt mir die Sehnsucht‘, die schmerzliche zu , 


Und ohn’ Erbarmen , mit tiefen Gewalten , 
Stört sie das Herz aus der wonnigen Ruh. 
Sehnsucht der Liebe schlummert nie, 

Sehnsucht der Liebe -wacht spät und früh, 


So entschwebt der Kreis der Horen, 
Bis der Tag in Osten graut, 

Da erhebt sich neugeboren, 

Aus des Morgens Rosenthoren, 
Glühendhell die Himmelsbraut, 


Aber die Sehnsucht in meinem Herzen 
Ist mit dem Morgen nur stärker erwacht, 
Ewig verjüngen sich meiue Schmerzen, 
Quälen den Tag, und quälen die Nacht, 
Sehnsucht der Liebe schlummert nie, 
Sehnsucht der Liebe wacht spät und früh, 


———— 
ERINNERUNGEN AN SCHLESIEN. 
AM ELBBRUNNEN, 


Sey freundlich mir gegrüsst, du stille Oue le, 
Aus tiefer Felsenkluft so klar entsprungen , 
Der Liebe süsses Lied sey dir gesungen , 
Begeistert tön’ es an der heil’gen Stelle, 


Du bist so kühlend , bist so rein, so helle, 
Noch.ist dir nicht dein kühnster Sturz gelungen, 
-Doch hast du bald der Felsen Macht bezwungen ; 
Dann rauscht in breiten Strömen deine Welle, 


Jetzt fülle hell mir die krystallne Schaale: 
In Träumen kommt die Knabenwelt gezogen , 
Ihr bring’ ich froh den ersten Labetrunk, 


Denn ach! schon früh sass ich in deinem Thale, 
Und lauschte oft dem Murmeln deiner Wogen, 
Und still ergriff mich jetzt Erinnerung, 


D 


GO ` VERMISCHTE GEDICHTE 


DER ZACKENFALL, 


Barausend stürzt sich die Fluth in die dunkle schwindelnde Tiefe, 
Und im silbernen Schaum bricht sich die Farbe des Lichts, 
Ewig verjüngt sich der Fall, es drängt sich Woge auf Woge, 
Und seit Jahrtausenden kämpft hier mit den Fluthen der Fels. 
Aber umsonst nur strebt er dem Elemente entgegen, 
Und der ewige. Kampf bleibt das Gesetz der Natur. — 
Stolz , wie die brausende Fluth, so das kühne Streben des Jünglings, 
Das durch des Schicksals Nacht muthig den Muthigen reisst, 
Hell fliesst , wie nach dem Sturze der Bach, nach den Kämpfen der Jugend, 
Ihm auch des Lebens Strom rein und krystallhell duhin ! 


— 


BUCHWALD. 


LA grüsse dich mit. meinem schönsten Liede , 
Mit meines Herzens stiller Huldigung. 
Dein reizend Bild lebt tief mir im Gemüthe 
In süsser lieblicher Erinnerung. 
Hier, wo Natur in ihrer schönsten Blüthe , 
Im goldnen Farbenglanz, im Frühlingsprunk , 
Mit stiller Lust und glühendem Verlangen 
Die grosse Weihe hoher Kunst empfangen. 


Der süsse Wunderschein auf allen Fluren, 

Des Tages Glanz, licht wie der junge May, 
Die. Felsen, die in kräftigen Conturen 

Den Himmel stürmen, mächtig, gross und frey, 
Und überall der Liebe stille Spuren! — 

Das bleibt dem Herzen ewig jung und neu! 
Denn wo die Kunst sich zur Natur gestallet , 
Da wird des Lebens schönste Pracht entfaltet, 


— ku 


Neo... Fund P.....E 


Bai mir gesegnet, du lichliche Flur! Mit Iebendiger ‚Fülle , 
Mit anmuthiger Kraft prangst du im Glüh’n der Natur, 

Fern der Heimath fand ieh hier liebe, bekannte Gestalten , 
Hier nahm ein schöner Kreis freundlicher Wesen mich auf. 


D 


UND ERZRHLUNGEN, "Gi 


Ueppig blüht deine Pracht, es durchweht mich der Geist dieser Edlen 
Und ihre heilige Spur macht dich zum Eden der Welt, 

Und so vergess’ ich dich nie, denn das Bild der tref’lichen Freunde 
Lebt mit der ewigen Kraft tief in der fühlenden Brust. 


,—— ce 
SONNENAUFGANG AUF DER RIESENKOTPE. 


Dr Erde ruht in tiefer ernster Stille, 
Und alles schweigt, es dringt kein Laut zum Ohre, 
Doch schnell auf finstrer Spur entflieht die Hore, 
Dass sie das Wort der ew’gen Zeit erfülle. 

Da bricht der Morgen durch des Dunkels Hülle, 
Es tritt der Tag in lichtem Strahlenflore 
Mit üpp’ger Kraft aus seinem goldnen Thore , 
Der Himmel glüht in frischer Jugendfülle ; 


Und freudig auf des Lichtes zarten Spuren 
Beginnt das neue Leben sich zu regen, H 
Und keimt und blüht in tausendfacher Lust, 


Unübersehbar schimmern Städt’ und Fluren 
Aus weiter Ferne meinem Blick entgegen , 
Und heil’ge Sehnsucht glüht in meiner Brust. 


BEER EEE TRAIN 
D 
AUF DER RIESENKOPPE. 

Hoch auf dem Gipfel Weit in die Ferne 
Deiner Gebirge .  Schweifen de trunkenen 
Steh’ ich, und staun’ ich Freudige Blicke, 

Glühend begeistert , Ueberall Leben , 
Heilige Koppe , Ueppiges Streben , 
Himmelanstürmerin ! Ueberall Sonnenschein. 

Blühende Fluren , Auch meines Vaterlands 
Schimmernde Städte , Grenze erblick’ ich , 

Dreyer Könige Wo mich das Leben 
Glücklicher Länder Freundlich begrüsste , 
Schau’ ich begeistert , Wo mich der Liebe 
Schau’ ich mit hoher, Heilige Sehnsucht 
İnniger Lust, * Glühend ergriff, 


3 6 


62 ` VERMISCHTE grene 


Sey mir gesegnet 
Hier in der Ferne 
Liebliche Heimath ! 
Sey mir gesegnet 
Land meiner Träume ! 
Kreis meiner Lieben , 
Sey mir gegrüsst! 


GEISTLICHE SONNETTE. 


CHRISTUS UND DIE SAMARITERIMW, 


An Brunnen Jacobs in Samariens Auen 
Fühlt’ einst der Herr nach Kühlung ‚ein Begehren , 
e Weib, lass mich deinen Krug voll Wasser leeren. » 
So rief er sanft zu einer nahen Frauen, 


Die spricht ` « Wie magst du Fremdling mir vertrauen ? 
s Im Tempel nur kann man den Herrn verehren, 
a So lehret ihr , wollt nichts mit uns verkehren , 
«Weil wir auf Berges Höh’n Altäro bauen, » 


Da sprach der Herr zu ihr mit ernsten Worten : 
e Ein neuer Glaube wird ins Leben treten, 
o Es lös’t die Nacht der Völker sich in Klarheit, » 


a Des Herren Tempel stehet aller Orten , 
e Get ist ein Geist, und wer zu ihm will beten, 
e Der bet’ ihn an im Geist und in der Wahrheit. » 


DIE EHEBRECHERIN. 


Zum Herrn und Meister, der im Tempel lehrte , 
Bringt einst das Volk ein.sündig Weib herein. 
« Was soll,» so fragt es, «ihre Strafe seyn, 
«Da Moses will, dass sie gesteinigt werde ? » 


Der Herr blickt auf mit ruhiger Geberde ` 
« Wer lautern Herzens ist und wahr und rein, 
« Werf’ auf die Sünderin den ersten Stein, n” 
Und sprachs und schrieb stillschweigend auf die Erde. 


65 


UND ERZAHLUNGEN. 


Da standen Jene plötzlich wie vernichtet, 
Und schlichen aus dem Tempel allzusammen , 


Es wurden bald die heil’gen Hallen leer, 


Und Jesus sprach: « Hat keiner dich gerichtet , 
«So will auch ich dich nicht verdammen, 
«Geh hin und sündige fortan nicht mehr. » 


DAS ABENDMARHL. 


E- war, das heil’ge Osterfest zu ehren, 
Der Tisch des Herrn besetzt mit Trank und Speise , 


Die Jünger sassen rings , und sprachen leise , 
Den hohen Ernst des Meisters nicht zu stören, 


Da sprach der Herr: « Wohl war es mein Begehren , 
e Diese Fest zu feyern nach der Väter Weise. 
e Noch einmal sehnt’ ich mich in eurem Kreise 
«Das heil’ge Mahl des Bundes zu verzehren, 


e Denn kurze Frist nur hab’ ich noch zu leben, 
« Doch seyd Ihr meiner Seligkeit Genossen , 
«Nehmt, Freunde , diesen Kelch und nehmt dies Brod! 


« Das ist mein Leib, den ich für euch gegeben , 
e Das ist mein Blut, das ich für euch vergossen , 


«Für euer Leben geh’ ich in den Tod. » 


 —— —— iin aa aaa 


CHRISTI ERSCHEINUNG IN EMAUS. 


KA Tage sind’s, dass Christus ausgelitten , 
Und traurig gehen auf betretnen Wegen 
Der Jünger zwey in düsteren Gesprächen ; ` 
Da kommt der Herr zu ihnen hergeschritten. 


Und unerkannt geht er in ihrer Mitten , 
Lehrt sie die heil’gen Bücher auszulegen, 


So wandern sie dem nahen Ort entgegen, 
Und treten endlich ein in seine Hütten, 


64 VERMISGUTE GEDICHTE 


Der Meister setzte sich zu ihnen nieder i 
Und nahm das Brod, und dankete und brachie, 
Da ward es hell vor seiner Jünger Blicke, 


Und sie erkannten den Messias wieder : ; 
Doch er verschwand. — Schnell kehrten sie zurücke e 
Und priesgn laut die Wunder dieses Tags. 


CHRISTI HIMMELFAHRT, 


Au Christus von den Todten auferstanden , 
Erscheint er. seinen trauernden Gefährten , 
Die froh und, schnell den Meister, den Verklärten , 
Den eingebornen Gottessohn erkannten, H 


«Euch,» spricht der Herr, «erwählt’ ich zu Gesandten W 
«Mein ist die Macht im Himmel und auf Erden, 
« Wer an mich glaubet, der soll selig werden: 
«Geht hin, und lehrt, und tauft in allen Landen. » 


Jeizt s2gnet er noch einmal seine Treuen , 
Zum grossen Bund der Liebe sie zu weihen , 
Dann trägt ihn eine Wolke himmelwärts, 


Und betend sinken alle hin im Staube , 
Mit stiller Kraft vollendet sich der Glaube, 
Der heil'ge Geist glüht siegend durch das Herz, 


MIT DEN KNOSPEN 


Dar ich dir wohl des Liedes Opfer bringen.? 
Darf meine Muse scheu und still es wagen , 
Was sie gefühlt begeistert dir zu sagen, 

Und wird das Streben meiner Brust gelingen ? 


Noch schwebt das Lied auf-ungewohnten Schwingen , 
Noch kann es nicht der Wolken Druck ertragen, 
Doch will das Herz das ferne Ziel erjagen , 

Und aufwärts zu dem Sonnentempel dringen. 


"UND 'ERZAHLUNĜEN. 
Drum magst du mir mit .güt’gem Blick vergeben, 
A Wenn auch, mein Lied auf regellosen Spúren 
Durch Qual und Lust in wilden Tönen’ schweift 


Zur Wahrheit doch, zur Liebe geht sein Streben, 
Zum süssen Einklang höherer Naturen , 
Und — meine Blüthen sind noch nicht gereift: 


— —— M 


FRIEDRICHS TODTENLANDSCHAFT.”’ 


D, Erde schweigt mit tiefem, tiefem -Trauern , 
Vom leisen Geisterbauch der Nacht umflüstert , 
Hoch, wie der Sturm in alten Eialien knistert, 
Und heulend braust durch die verfallnen Mauern. 

Auf Gräbern Dest, als wollt’ er ewig.dauern, 
Ein tiefer Sohnee, der Erde still verschwistert , 
Und finstrer Nebel, der die Nacht umdüstert ,' 
Umarmt die Welt mit kalten Todesschauern, 
Es blickt der Silbermond in bleichem Zittern , 
Mit stiller Wehmuth durch die öden Fenster ` — 
Auch seiner Strahlen sanftes Licht verblüht ! — 
Und leis und langsam nach des Kirchthors Gittern , 
Eu Zeie das Wandern nächtlicher Gespenster , 
Ein Leichenzug mit Geisterschritten zieht, 


Und plötzlich hör’ ich süsse Harmonien , , 
" Wie Gottes Wort, in Töne ausgegossen , 
Und Licht, als wie dem Crucifix entsprossen „ 
Und meines Sternes Schimmer seh’ ich glühen‘, 
Da wird mies klar in jenen Melodien, = 
Der Quell der Gnade ist in Tod ‚geflossen , 
Und jene sind der Seligkeit Genossen , 
Die durch das Grab zum ew’gen Lichte ziehen, — 
So mögen wir das Werk des Känsters schauen , 
Ihn führte herrlich zu dem höchsten Ziele 
Der holden Musen süsse heil’ge Gunst, 
Hier darf ich külia dem eignen Herzen trauen ; 
Nicht kalt bewundern soll ich, — nein’, ich fühle, 
Und im Gefühl vollendet sich die Kunst, 


nn 


66 VERMISCUTE GEDLOHTE 


ZWEY SONNETIE 5 NACH KUGEECHENS GEMAHLDEN. 
BELISAR UND DER KNABE 


Es kracht der Wald „ und heil'ge Fichten splittern , 
Der Donner rollt dufch schwer bedrängte Auen , 
Da steht furchtlos, beym allgemeinen Grauen , 
Der blinde Greis in (obenden Gewittern, 


Nichts kann sein grosses Helden-Herz erschüttern-, 
Des Blitzes Glut vermag er nicht zu schauen, 
Dem Wüthen der Natur kann er vertrauen , 
Vor Menschentücke muss der Held erzitfern. 


Der Knabe, der ihn führt, sinkt betend nieder; 
* Das junge Herz verzagt im Flammenwetter, 
Er streckt die Arme jammernd himmelwärts." 


Doch Belisar ermuntert schnell ihn wieder, 
` Ep fürchtet nicht den Zorn gerechter Götter, 
Und neuer Muth durchströmt des Knaben Herz, 


emgeet 
SAUL UND DAVID. 


Ernst sitzt der Fürst, die Stirn in düstern Falten , 
Er kann der Qual des Herzens nicht entfliehen. 
Es start der Blick , und finstre Blitze ziehen ` 
Durch seine Brust in nächtlichen Gestalten, ` 


Da tönt das Knabenspiel mit süssem Walten , 
- Die Stimme schwebt in heil’gen Harmonien, 
"Es wogt das Lied, und Himmelstöne glühen , 
Die einklangsvolt der Seele- Tag entfalten, 


Und plötzlich. wacht der Fürst aus seinen Träumen, 
Und ihn ergreift ein längst entwöhntes Sehnen, 
Ein Strahl der Liebe zuckt ihm durch das Herz. 


Die zarte Blüthe sprosst aus zarten Keimen, 
Getröstet. von der Jugend frommen Thränen , 
Löst in des Greises Seele sich der Schmerz. 


UND ERZAULUNGEN. 67 


DIE MENSCHLICHE STIMME. 


Me bey dem Ruf der Posaune 

Stürmt der Krieger in Kampf und Tod, 

Froher begrüsst mit Waldhornstönen ” 

Der Jäger das strahlende Morgenroth, 
Melodischer zum Chore der Andacht 

Stimmt der Orgel erhabenes Lied; ; 2 
Aber was mit tieferem Beben 

Alle Herzen gewaltig durchglüht, 

Was "der Seele ruft mit Sehnisuchts- Worten 
Und gen Himmel sie_wirbelt in heiliger Lust, 
Das ist in dem ewigen Reiche der Töne "` 
Der Einklang der Stimme aus menschlicher Brüst, 


— nn: 
ZUR NACHT. 


Gute Nacht! 
Allen Müden sey’s gebracht, 
Neigt der Tag sich still zum: Ende, 
Ruhen alle fleiss’gen Hände, 
Bis der Morgen neu. erwacht 
Gute Nacht! 


% 

Geht zur Ruh, | ` 
Schliesst die müden Augen zu. 
Stiller wird es auf den Strassen ; » 
Und den Wächter hört man blasen , 
Und die Nacht ruft allen zu: 

Geht zur. Ruh! 


Schluimmert süss ! 
Träumt euch euer Patadies.: 
Wem die Liebe raubt den Frieden , 
Sey ein schöner Traum beschieden, 
Als ob ‚Liebchen ihn begrüss': <, 
Schlummert süss! 


Gute Nacht! 
Schlummert, bis der Tag erwacht‘, 
Schlummert, bis der neue, Morgen, 
Kommt mit seinen. neuen Sotgen , 
Ohne Furcht, der Vater wacht! 
Gute. Nacht ! 


zw 


VERMISCHTE GEDICHTE 
AN GUSTAV -ZEDLITZ. 


Ich fand dich auf des Lebens hunten Weßen, e 
Wir konnten nicht den gleichen Trieb verheblen » 
Es fanden: sich die gleichgesinnten Seelen , 
‚Und unsre Herzen flogen sich entgegen, 

Wenn sich die Kräfte noch chaotisch regen , 
Wenn Jugendlust noch irren kann und fehlen, 
Der reife Sinn wird doch das Höchste wählen , 
Ein reines Streben lshnnt der Götter’Scgen, 

So wollen wir zum Bund die Hände fassen, 
In Treu und Freundschaft nimmer von uns lassen, 
Das Eule lieben , das Gemeine hassen, 

Sehn wir uns auch im Leben selten wieder, 
Wir sind uns nah im Zauberreich der Lieder , 
Und in der Kunst sind wir uns ewig Brüder, 


m 


AN DEN HELDENSANGER DES NORDENS. 


(DE LA MOTTE report 


Aus dem Tiefsten meiner Seele 

Biet’ ich dir den Gruss des Liedes, 

Aus "des Herzens tiefsten Tiefen 
Biet ich dir der Liebe‘ Gruss ! 


Hab’ dich nimmer zwar gesehen, 
Nie erblickt des Scalden Äntlitz , 
Der mit grossen heil’gen Worten 
Mir Begeislrung ‚zugeweht, š 


Aber leicht wollt’ ich dich kennen, 

In dem weiten Kreis der Menge, 

Diese Brust voll Kraft und Liebe, 
Diesen liedersüssen Mund; ' 


Der so schön das Schöne webte, 

Der so wild dag Wilde fasste, 

Der so kühn das Kühne löste , 
Und die grosse Thät so gross! 


‚UND ERZANLUNGEN. 69 


Ach, in deines Liedes Tönen 

Wo die kühnen Heldenkinder 

Kräftig mit dem Schicksal ringen , 
Stand mir neues Leben auf, 


Hohe, mächtige Gestalten , 
Wackre Degen, stolze Recken , 
Und der Asen tiefes Walten 

Ziehen durch des Scalden Lied. 


Und es kommt mit Nordens Grösse, * ` 
Mit der deutschen Helden Sage, f 
Und mit alten kühnen Thaten 

Alte Liederkraft herauf, 


Also hast du kühn begonnen , 

In der Zeiten Stolz und Lüge, 

Also hast du schön vollendet , 
Edler Scalde, wackres Herz! 


Seit solch Singen mich begeistert, 

Zieht mich all der Seele Streben 

Deiner starken Welt entgegen, 
Zu-des Nordens licltem Kreis, 


Wo der Helden kühnstes Wagen ` 

Auch den kühnsten Scalden weckte, 

Dass er zu dem Götterkampfe 
Göttlich in die Saiten schlug, 


Drum für diesen neuen Morgen 
Der in meiner Brust erwachte, 
Für den Frühling meiner Träume, 
` Wackrer Scalde, dank’ ich dir, 


Biete dir aus tiefer Seele 
Einmal noch den Dank des Liedes, 
Biete aus des Herzens Tiefen 

e Dir noch einmal meinen Gruss. 


TREUER TOD 
H 


Der Ritter muss zum blu’gen Kampf hinaus , 
Für Freyhsit, Ruhm und Vaterland zu streiten, 


70 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Da zieht er noch vor seines Liebehens Haus A 
Nicht ohne Abschied will er von ihr seheiden, 
«O weine. nicht die Aeuglein roth, 
«Als ob nicht Trost und Hoffnung bliebe! 
«Bleib ich doch treu bis in den Tod, 
«Dem Vaterland und meiner Liebe.» 


Und als er ihr das Lebewohl gebracht , 

Sprengt er zurück zum Haufen der Getreuen, 

Er sammlet sich zu seines Kaisers Macht, 

Und muthig blickt er auf-der Feinde Reihen, 

«Mich schreckt es nicht, was uns bedroht , 
«Und wenn ich auf der Wahlstatt blicbe ! 
e Denn freudig geh’ ich in den Tod 
«Für Vaterland und meine Liebe!» 


Und furchtbar stürzt er in des Kampfes Gluth 

Und Tausend fallen unter seinen Streichen , 

Den Sieg verdankt man seinem Heldenmuth , 

Doch auch den Sieger zählt man zu den Leichen, 

o Ström’ hin, mein Blut, so purpurroth, 
o Dich rächten meines Schwertes Hiebe, 
sIch hielt den Schwur, treu bis in Tod 
«Dem Vaterland und meiner Liebe. » 


WIEGENLIED. 


DN 


Schlummre sanft! — Noch an dem Muttterherzen 
Fühlst Du nicht des Lebens Qual und Lust; 
Deine Träume keunen keine Schmerzen , 
Deine Welt ist Deiner Mutter Brust. 


Ach! wie süss träumt man die frühen Stunden, 
Wo man von der Mutterliebe lebt, 

Die Erinnerung ist mir verschwunden , 
Alındung bleibt'es nur, die mich durchbebt. 


Dreymal darf der Mensch so süss erwarmen, 
Dreymal ist’s dem Glücklichen erlaubt, 
Dass er in der Liebe Götterarmen 
An des Lebens höh’re Deutung glaubt, 


UND ERZAHLUNGEN. 


Liebe giebt ihm ihren ersten Segen, 

Und der Säugling blüht in Freud’ und Lust. 
Alles lacht dem frischen Blick entgegen ,, 

Liebe hält ihn an der Mutter Brust, 


Wenn sich dann der schöne Himmel trübte , 


Und es_wölkt sich nun des Jünglings Lauf: 


Da, zum zweyten Mal, nimmt als Geliebte 
Ihn die Lieb’ in ihre Arme auf, 


Doch im Sturme bricht der Blüthenstengel , 


Und im Sturme bricht des Menschen Herz: 


Da erscheint’ die Lieb’ als Todesengel, 
Und sie trägt ihn jubelnd himmelwärts. 


wi kl 


BEY EINEM SPRINGBRUNNEN. 


Sie ‚ dort strebt mit Jünglingsmuthe , 
Wie Krystalle rein und hell, 

Von der eignen Kraft gehoben , 
Himmelwärts der Silberquell, 
Immer höher , immer höher 
Sprudelt er in Sonnengluth , 

Wenn er oben kaum zerstoben , 
Wächst er auf mit neuer Fluth, 
Und das reine Licht des Tages 
Bricht sich im krystallnen Strahl , 
Und den schönsten duft’gen Schleyer 
Webt der Farben heil’ge Zahl. - 
Ach so steigt auch all’ mein Streben 
„Durch die Wolken himmelwärts, 

So durchflammen tausend Wünsche 
Glühend mein begeistert Herz, 

Aber wie der Kreis der Farben 

Sich im reinen Licht vermählt, 

Sind auch alle meine Wüusche 

Nur von einer Gluth beseelt, 

Und es ist der Liebe Sehnsucht, 
Die den Busen mächtig schwellt, ` 
Mit der Ahndung leisem Schauer 
Wie ein Traum aus jener Welt, 


74 


Kl 
© 


VERMISCHTE GEDICHTE 


TREURÖSCHEN. 


Es war ein Jäger wohl keck und kühn, 
Der wusste ein schönes Röschen blühn, 
Das hielt er höher als Gut und Gold, 
Es wurd ihm im Herzen gar licht und hold, 
Wenn er nur Treuröschen sah! 
Trala , Trala, Trala, 


Und wenn der Abend die Flur bethaut’, 
Da zog der Jäger zur süssen Braut ; 
Er zog hinauf mit Sing und Sang, 
Mit Liederton und Hörierklang , 
Bis er Treuröschen sah, 


“Mala, Trala, Trala. 


Treuröschen, Treuröschen! hörst du das Lied, 
Wo nur dein Name lebt und blüht? — 
Vorüber ist das bräutliche Jahr, 

Bald führ’ ich Treuröschen zum Traualtar , 
Da spricht Treuröschen : ja» 
Trala, Trala, Trala, 


Und wie er vom Pferde gesprungen ist, 
So sitzt er bey Liebchen, und scherzt und- küsst, 
Und scherzte bis um Mitternacht 
In stiller heitrer Liebespracht , 
Treuröschen’s Herzen so nah, 


Trala, Trala, Trala, 


Die Sternlein verblichen , der Morgen graut, 
Der Jäger kehrt heim von der süssen Braut} 
Und jagt hinab durch Wald und Flur, 

Und folgt einem Hirsch auf flüchtiger Spur, 
So schön, wie er keinen noch sah } 
Trala , Trala , -Trala. 


Und der Hirsch vom hohen Felsenstein 
Springt blind in das Klippenthal hinein, 
Und hinter ihm stürzt in’s tiefe Grab 
Das wüthende Pferd mt dem Reiter hinab ; 
Kein Auge ihn wieder sah | — 
Trala, Trala, Trala, 


H 


UND ERZÄHLUNGEN. 


Und wie der Abend den. Than geweint , 
So bart Treuröschen auf ihren Freund, . 
Und harrt und hofft auf Sing und Sang, 
Auf Liedertön ‚und Hörnerklang ; 
Den Buhlen nicht kommen sah. 
Irala, Trala „` Trala. 


Und als es kam um Mitternacht , 
Treuröschen noch traurig im Bette wacht , 
Sie weinte sich die Aeuglein roth: 
u Was lässt du mich harren in Angst und Noth ? — 
«Lieb Buhle bist noch nicht .da! » 
Trala , Trala , Trala. 


Und- auf einmal hört sie Hörnerklang 
‘Und es flüstert ihr leise wie Geiterklang : 
«Komm Liebchen,, bist mir angetraut , 
a Das Bett ist bereitet, komm , rosige Braut , 
«Der Buble ist längst schon da!» 
Trala, Trala, Trala, 


Da fasst-sie ein Schauer so eisig und kalt, ` 
Und sie fühlt sich umarmt von Geistergewalt , 
Und heimlich durchweht es ihr bebendes Herz, 
Wie Hochzeitlust und Todesschrherz , 
Und zitternd flüstert sie: «ja!» 
Trala , Trala , Trala. 


Da stockt das Blut in der klopfenden Brust , 
Da bricht das Herz in Todeslust ; 
Und der Jäger führt heim die rosige Braut , 
Dort oben ist er ihr angetraut, 
Treuröschens Hochzeit ist da! 
Trala, Trala , Trala, 


——— 
WORTE DER LIEBE. 


WY orte der Liebe , ihr flüstert so süss, 
Wie Zephyrswehen im Paradies , 
Ihr klingt mir im Herzen nah und fern ; 
Worte der Liebe, ich trau’ euch so gern, 
Streng mag die Zeit, die feindliche walten , 
Darf ich am euch nur den Glauben behalten, > 


pi 7 


74 VERMISCHTE GEDICHTE 


Wohl gibt es.im Leben kein süsseres Glück : 
- Als der Liebe Geständniss in Liebchens Blick , 
Wohl giebt es im Leben nicht höhere Lust, 
Als Freuden der Liebe an liebender Brust , 
Dem hat nie das Leben freundlich begegnet , 
Den nicht die Weihe der Liebe gesegnet. 


Doch der Liebe Glück‘, so himmlisch, so schön ş 
Kann nie ohne Glauben an Tugend bestehn, 
Der Frauen Gemüth ist rein und zart, 
Sie haben den Glauben auch rein bewahrt. 
Drum traue der Liebe , sie wird nicht lügen , 
Denn das Schöne muss immer , das Wahre muss siegen. 


Und flieht auch der Frühling dem Leben vorbey , 
So bewahrt den Glauben doch still und treu, 
Er lebt, wenn hier alleg vergeht und zerfällt, 
Wie ein Strahl des Lichts aus der bessern Welt, 
Und tritt auch die Schöpfung aus ihren Schranken , 
Der Glaube an Liebe soll nimmer wanken I 


Dram flüstert ihr Worte der Liebe so süss, ' 
Wie Zephyrswehen im Paradies, 
Drum klingt im Herzen noch nah und fern, 
Drum, Worte der Liebe, drum trau’ ich euch gern, 
Und wenn im Leben nichts Heiliges bliebe , 
Ich will nicht verzagen , ich glaube an Liebe, 


ge 
DIE DREY STERNE. 


Es blinken drey freundliche Sterne 
Ins Dunkel des Lebens herein, 

Die Sterne , die.funkeln so traulich , 
Sie heissen Lied, Liebe und Wein. 


Es lebt in der Stimme des Liedes 
Ein treues mitfühlendes Herz , 
Im Liede verjüngt sich die Freude, 
Im Liede verweht sich der Schmerz. 


Der Wein ist der Stimme deg Liedes 
Zum freudigen Wunder gesellt , 
Und mahlt sich mit glühenden Strahlen 

Zum- ewigen Frühling die Welt. 


UND ERZAHLUNGEN. 75 


Doch sehimmert mit freudigem Winken 
Der dritte Stern erst herein, 

Dann klingt’s in der Seele wie Lieder‘, 
Daun glüht es im Herzen wie Weim 


Drum blickt denm, ihr herzigen Sterne , 
In unsre Brust auch herein, 

Es 'begleite durch Leben und Sterben 
„Uns Lied und Liebe und Wein.. 


Und Wein und Lieder und Liebe CS 
Sie schmücken die festliche Nacht, 

Drum leb’ wer das Küssen und Lieben 
Und Trinken und Singen erdacht! 


HARRAS 
DER KUHNE SPRINGER, 


AnxeaK. Eine alte Volkssage erzählt die kühne That dieses Rüters, 
und noch heut zeigt man bey Lichtewalde im Sächsischen Erzye- 
birge die Stelle, die man den Harrassprung nennt. dm Ufer 
steht jetz zwischen swey alten ehrwürdigen Eichen, der stei- 
len Felsenwend gegenüber, ein Denkmal mit der Inschrift: 
a Ritter Harras, der kühne Springer, » 


Noch harrte im heimlichen Dämmerlicht 

Die Welt dem Morgen entgegen ; 

Noch erwachte die Erde vom Schlummer nicht , H 
Da begann siche im Thale zu regen, 

Und es klingt`herauf wie Stimmengewirr , 

Wie flüchtiger Hufschlag und Waffengeklirr , 

Und tief aus dem Wald zum Gefechte 

Sprengt ein Fähnlein gewappneter Knechte. 


Und vorbey mit wildem Ruf fliegt ‚der Tross, 
Wie Brausen des Sturms und Gewitter, 

Und voran auf feurig schnaubendem Ross , 
Der Harras, der muthige Ritter. 


VERMISCHTE GEDICRI.E 


Sie jagen, als gält es den Kampf um-di> Welt, 
Auf heimlichen Wegen durch Flur und Feld, 
Den Gegner noch heut zu erreichen , 

Und die feindliche Burg zu besteigen, 


So stürmen sie fort in des Waldes Nacht 
Durch den fröhlich aufglühenden Morgen , 

Doch mit ihm ist auch.das Verderben erwacht, 
Es lauert nicht länger verborgen , 

Denn plötzlich bricht aus dem Hinterhalt 

Der Feind mit doppelt stärk'rer Gewalt, 

Das Hüfthora ruft furchtbar zum Streite 

Und die Schwerter entfliegen der Scheide, 


Wie der Wald dumpf donnernd wieder erklingt 
Von ihren gewaltigen Streichen! 

Die Schwerter klingen, der Helmbusch winkt, 
Und die schaubenden Rosse steigen, g 
Aus tausend Wunden strömt schon das Blut, 
Sie achten’s nicht in des Kampfes Gluth , 

Und keiner will sich ergeben , 

Denn Freyheit gilts oder Leben, 


Doch dem Häuflein des Ritters wankt endlich die Kraft, 
Der Uehermacht muss es erliegen , 

Das Schwert hat die Meisten hinweggerafft , 

Die Feinde , die mächtigen , siegen. 

Unbezwingbar nur, eine Felsenburg , 

Kämpft Harras noch , und schlägt sich durch , 

Und sein Ross trägt den muthigen Streiter 

Durch die Schwerter der feindlichen Reiter. 


Und er jagt zurück in des Waldes Nacht, 
Jagt irrend durch Flur und Gehäge; 

Denn flüchtig hat er des Weges nicht Acht, 
Er verfehlt die kundigen Stege. - 

Da hört er die Feinde hinter sich drein, 
Schnell lenkt er tief in den Forst hinein , 
Und zwischen den Zweigen wird's helle 
Und er sprengt zu der lichteren Stelle. 


Da hält er auf steiler Felsenwand , 

Hört unten die Wogen brausen. 

Er steht an des Zschopauthals schwindelndem Rand , `" 
Und blickt hinunter mit Grausen, 


UND ERZAULUNGEN. 77 


Aber drüben auf waldigen Bergeshöhn., 
Sieht er seine schimmernde Veste stehn. 
Sie blickt ihm freundlich entgegen , 

Und sein Herz pocht in lauteren. Schlägen. 


Ihm ist's, als ob's ihn hinüberrief, 

Doch es fehlen ihm Schwingen und Flügel , 

Und der Abgrund, wohl funfzig Klaftern tief, 
Schreckt das Ross, es schäumt in den Zügel; 
Und mit Schaudern denkt er's, und blickt, hinab, 
Und vor sich und hinter sich sieht er sein Grab ; 
Er hört, wie von allen Seiten 

Ihn die feindlichen Schaaren ‚umreiten. 


Noch sinnt er, ob Tod aus Feindes Hand, 

Ob Tod er in den Wogen erwähle, 

Dann sprengt er vor gn die Felsenwand, 

Und befiehlt dem Herrn seine Seele. 

Und näher.schon hört er det Feinde Tross , 

Aber scheu vor dem Abgrund bäumt sich sein Ross p 
Doch er spornt’s , das die Fersen bluten , 

Und er setzt hinab in die Fluthen. 


Und der kühne grässliche Sprüng gelingt, 

Ihn beschützen höh're Gewalten, 

Wenn auch das Ross zerschmettert versinkt, į 
Der Ritter ist wohl erhalten, _ i 

Und er theilt die Wogen mit kräftiger Hand į 

Und die Seinen stehn an des Ufers Rand , 

Und begrüssen freudig den Schwimmer ; 

Gott verläst den Mutbigen nimmer. 


e 
GRAF HOYER VON MANSFELD, - 
ODER DIE SCHLACHT AM WÖLFESHOLZE, 
EINE VO9OLKSSACHE 


Der Graf hält stolz 

Am Wölfesholz,, 
"Und vor ihm in blinkenden Reihen 
Die Schaaren seiner Getreuen, 


VERMISGHTE GEDICHTE 


Es pocht das Männerherz an die ‚Brust, 
Zum Kampf und Streit 
Und zum Sterben bereit, 

In aller Augen sprühte die Lust, 

Der Tödesschlacht sich’ zu weihen. 


Da sprach der Graf: 
« Als der Feind uns traf 
« Im letzten Kampfgewühle , 
e Da sanken der Wackern viele, 
e Und mancher versprützte sein edles Blut, 
«Doch floh uns das Glück , 
a Wir wichen zufück 
a Aus dem Schwertergedräng, ‚aus des Streites Gluth , 
« Wir verloren im eisernen Spiele, » 


a Doch , Brüder , heut — 
«Neu erwacht der Streit ! 
o Heut müsst ihr in Kampf und Verderben 
e Den alten Ruhm euch erwerben ! 
a Und so wahr ich jetzt mit gewappneter "Hand 
«In diesen Stem 
« Greife tief hinein, 
« So ist uns das Glück heut zugewandt, 
a Zum Sieg und zum ruhmvollen "Sterben, » 


Und er fühlt in der Faust , 
Das Gott drin braust, 
Na blickt er siegend ‚hinunter, 
Und reicht zum Steine herunter, 
Und greift als ob es nur Erde wär’, 
Tief hinein 
Mit der Hand in den Stein — 
Und jauchzend stürzt sich zum Kampfe das Heer, 
Es ergreift sie das göttliche Wunder. 


Und weit und breit 
Wühlt der Streit, 
Die Schwerter im Blute sich baden , 
Es geschehen herrliche Thaten. 
Da weicht der Feind der begeisterten Macht , 
Doch es fällt der Graf, 
Die Lanze traf, 
Und er wird vom Herrn aus der blutigen Schlacht 
Zum ewigen- Frieden geladen, 


UND ERZAHLUNGEN. 79 


So ging der Held 
Aus dem Kampf der Welt, 
Des streitenden Lebens müde! — 
Und wenn jene Zeit auch verblühte , 
Zeigt man doch heut’ noch am Wölfesholz à 
Des Grafen Hand 
In der Felsenwand , 
Und der Deutsche nennt seinen Namen mit Stolz , 
Es lebt seine That noch im Liede, 


AN WILHELM. 


Won Einer Gluth war unsre Brust durchdrungen, 
Und Eine Sehnsucht war's, die aus uns sprach ; 
Das dunkle Streben nach dem ew’gen Tag, 
Und unsere Seelen hielten sich umschlungen. e 
Da wars, wo uns das Bundeswort erkluugen, 

O! tön’ es in des Herzens Doppelschlag 

Durch alle Weiten uns und Fernen nach, 

Bis wir das Ziel der ernsten Kraft errungen, 
Und will uns auch das Schicksal feindlich trennen , 
Ich reiche Dir die treue Bruderhand. 
Muss ich entfernt die Lebensbahn durchrennen , 
Dir bleibt dies Herz doch ewig zugewandt, 
Was hier auf Erden liebend sich begegnet, 
Das hat ein Gott zum ew’gen Bund gesegnet, ` 


AUS DER FERNE, 


Auf schnellem Fittig ist die Zeit verschwunden. 
Unwiederbringlich | -+ Nur Erinnerung lebt, 
Ein schöner Traum, von Nebelduft umwebt, 
Ein heiliges Vermächtniss jener Stunden, 
Heil mir, dass ich der Tage Glück empfunden, 
Das kühn mein Herz zu stolzen Höhen strebt. 
Dein Bild ists, das so freundlich mich umschwebt , 
Ach wär’ ich frei und wär’ ich nicht gebunden! 
Du strahlst mir in des Aufgangs Rosengluthen , * 
Ich sehe dich im Sternensaal der Nacht, 


80 VERMISCHTE GEDICHTE 


Dich spiegeln mir des Teiches Silberfluthen „ 

Dich zaubert mir des Frühlings reiche Pracht , 
Sanft murmelt’s mir im klaren Wasserfall , 
Und deinen Namen ruft der Wiederhall. 


| 


ALS SIE EINE KORNAHRE IN DER HAND ZUM 
BLUHEN BRACHTE. 


En jeder Wunsch, den in des Herzens Räumen 
Mit zartem Sinne zarte Herzen pflegen , 
Blüht herrlich auf mit wunderbarem Segen , 
Kann nimmer seines Lebens Tag versäumen. 
Und so machst du in heitern Frühlings-Träumen 
Verborgne Kraft sich in den Pflanzen regen , 
e Zum zweitenmale sprosst sie dir entgegen , 
< Und neue Blüthen lockst du .aus den Keimen, 
Und so auch wogt, hat mich dein Bild getroffen , 
Ein heissen Sehnen tief im meinem Busen, 
Und schneller , als. die Blüthen dir geblüht , 
Erglüht mein Herz mit jugendlichem Hoffen , 
Der Genius ergeift mich und die Musen , 
Und deiner Anmuth singt mein kühnes Led, 


m —che ee 


DAS GESTORTE GLUCK., 


Ich hab’ ein heisses junges Blut, 
Wie ihr wohl alle wisst, 
Ich bin dem Küssen gar zu gut, 
Und hab’ noch nie geküsst ; 
Denn ist mir auch mein Liebchen hold, 
’S war doch als wenn’s nicht werden sollt’, 
Trotz aller Müh’ und aller List 
Hab’ ich doch niemals noch geküsst. 


Des Nachbars Röschen ist mir gut, 
Sie ging zur Wiese früh, 

Ich lief ihr nach und fasste Muth, 
Und schlang den Arm um sie, 


-UND ERZAHLUNGEN. si 


Da stach ich an dem Miederband 

Mir eine Nadel in die Hand; 
Das Blut lief stark, ich sprang nach, Haus, 
Und mit dem Küssen war es aus, 


Jüngst ging ich so zum Zeitvertreib , 
Und traf sie dort am Fluss, 

Ich sehlang den Arm um ihren Leib, 
Und bat um einen Kuss; 

Sie spitzte schon den Rosenmund, 

Da kam der alte Kettenhund, 
Und biss mich wüthend in das Bein, 
Da liess ich wohl das Küssen seyn. 


Drauf sass ich einst vor ihrer Thür’ 
In stiller Freud’ und Lust, 
Sie gab ihr liebes Händchen mir, 
Ich zog ae on die Brust, 
Da sprang der Vater hinter'm Thor, 
Wo er uns längst belauscht’, hervor , 
Und wie. gewöhnlich war der Schluss, 
Ich kam auch um den dritten Kuss. 


Erst gestern traf ich sie am Haus, 
Si rief mich leis’ herein , 
« Mein Fenster geht in Hof hinaus, 
e Heut’ Abend wart’ ich dein,» 
Da kam ich denn in Liebeswahn, 
Und legte meine Leiter an; 
Doch unter mir brach sie entzwei, 
Und mit dem Küssen ware vorbei. 


Und allemal geht mir's nun so, 
O! dass ich’s leiden muss! 
Mein Lebtag werd’ ich nimmer froh 
Krieg ich nicht bald ’nen Kuss. 
Das Glück sieht mich so finster an, 
Was hab’ ich armer Wicht gethan ? 
Drum, wer es hört, erbarme sich , 
Und sey so gut und küsse mich. 


VERMISCHTE GEDICHTE 


TRINKLIED. 


Komni, Brüder, trinket froh mit mir, 

Seht, wie die Becher schäumen! 

Bei vollen Gläsern wollen wir 

Ein Stündchen schön, verträumen, 

Das Auge flammt, die Wange glüht,, 

In kühnern Tönen rauscht das Lied, 

Schon winkt der Götterwein ! — 
Schenkt ein! 


Doch was auch tief im Herzen wacht, 
Das will ich jetzt begrüssen, 
Dem Liebchen sei dies Glas gebracht, 
Der Einzigen, der Süssen | 
Das höchste Glück für Menschenbrust , 
Das ist der Liebe Götterlust ; 
Sie trägt Euch himmelan ! 

Stost an! 


Ein Herz, in Kampf und Streit bewährt, 
Bei strengem Schicksals Walten , 
Ein freies Herz ist Goldes werth, 
Das misst ihr fest erhalten, 
Vergänglich ist des Lebens Glück , 
Drum pflückt in jedem Augenblick 
Euch einen frischen Strauss! — 
Trinkt aus! 


Jetzt sind die Gläser alle leer, 
Füllt sie noch einmal wieder. 
Es wogt im Herzen hoch und hehr, 
Ja, wir sind alle Brüder, 
Von’ Einer Flamme angefacht — 
Dem deutschen Volke sey’s gebracht, 
Auf dass es glücklich: sey, 

Und frey. 


— D 
WEINLIED. 
Einer. 


Gier klingen , Nektar glüht 
In dem vollen Becher , 


UND ERZAULUNGEN.. 85 


Und ein trunknes Götterlied 

Tönt im Kreis der Zecher. 

Muth und Blut braus’t in die Höh, 
Alle Sinne schwellen 

Unterm Sturm des Evoe 
Fröhlicher Gesellen, 


Chor, 


Die Jugendkraft 

Wird neu erschafft, 

In Nektarsgluth, 

Entbrennt der Muth! 

Drum, der uns Kraft und Muth verleiht, 
Dem Weingott sey dies Glas geweiht, 


Einer. 


Becher! Deinen Pupursaft 

Schlürf’ ich froh hinunter, 

Denn des Herzens stolze Kraft 
Lodert im Burgunder, 

Glüht er nicht mit deutschem Muth, 
Und mit deutschen Flammen ` 

Eint er doch des Südens Gluth 
Mit dem Ernst zusammen, 


Chor. 


Wer in sich Muth 

Und Thatengluth . 

Und stolze Kraft 

Zusammenrafft., 

Und wer im Wollen fühlt die Macht, 
Dem sey der Becher dargebracht, 


Eeiner, 


Aber jetzt ringt Jugendlust 

In Champagners Schäumen ‚' 

Wie in frischer Jünglingsbrust 
Träume kühn mit Träumen. 
Leichtes Blut, verwegnes Herz, 
Stolzes Selbstvertrauen , 

Froher Sinn bei Lied und Schmerz, 
Muthig Vorwärtsschauen. 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Chor. 


Das Auge sprüht, 
Die Wange glüht, 
Es wogt die Brust 
In trunkner Lust, 
Der schönen frohen Jugendzeit, 
Der sey dies volle Glas geweiht. 


Einer. 


Doch des Südens ganze Pracht, 
Und ein schönes Feuer, 

Und der- Liebe süsse Macht, 
Lodert im Tokaier, 

Golden schäumt er im Pokal, 
Hell wie Himmelskerzen, 

Wie der Liebe Götterstrahl 
Glüht im Menschenherzen, 


Chor. 


Der Liebe Glück 

Wie Sonnenblick 

Im Paradies, 

So hold, so süss! 

Der höchsten Erdenseligkeit, 
Der Liebe sey dies Glas geweiht, 


Einer, 


Aber jetzt der letzte Trank, 
Rheinwein glüht im Becher I 
Deutscher Barden Hochgesang 
Tönt im Kreis der Zecher. 
Freyheit, Kraft und -Männerstolz, 
Männerlust und Wonne 

Reift am deutschen Rebenholz , 
Reift in deutscher Sonne. 


Chor. 


Am Rhein, am Rhein 

Reift deutscher Wein, 

Und deutsche Kraft 

Im Rebensaft. i a 
Dem Vaterland mit voller Macht 

Ein dreifach donnernd Hoch gebracht, 


UND ERZAHLUNGEN. 
Einer. 


Unsern frohen Zecherkreis — 
Dass er ewig bliebel — 
Führe auf des Lebens Gleis 
Freyheit, Kraft und Liebe. 
ve , eh’ wir zum letztenmal 
nsre Gläser leeren, 
Soll der Brüder volle Zahl 
Didden Bund beschwören, 


Chor. 


Ein festes Herz 

In Lust und Schmerz, 

In Kampf und Noth, 

Frey — oder todt! — 

Und dass der Bund auch ewig währt, 
Drauf sey dies volle Glas geleert! 


WALLHAIDE. 


W. dort die alten Gemäuer stehn , 
Uud licht im Abendroth schimmern, 
Erhob sich ein Schloss in waldigten Höh’n, 
Nun liegt’s versunken in Trümmern, 
Nun pfeift der Sturm 
In Saal und Thurm 
Nachts wandeln durch Thüren und Fenster 
Gespenster! 


De haus’te ein Graf vor langer Zeit, 
Wohl Sieger in manchem Strausse , 
Gar wild und furchtbar in Kampf und Streit, 
Und streng und ernst auch zu Hause, 
Doch sein Töchterlein war 
‚Wie Sonne so klar 
Und so mild und voll Lieb’ und Freude, 
Wallhaide, 


VERMISGHTE GEDICHTE 


Sie webte still im häuslichen Kreis, 
Und trat gar selten in’s Leben, 

Doch ein Ritter liebte-sie glühend und heiss, ” 
Ihr ewig zu eigen gegeben. 
Vom nahen Schloss 

Auf flinkom Ross 
Flog Rudolph zur Süssen, zur Lieben 
Dort drüben. 


Und eh’ die Sonne noch untergeht , w 
Harrt er still am einsamen Orte, 
Und leiser schleicht, als der Zeyhyr weht, 
Wallhaide durch Hof und Pforte , 
In stiller Lust 
An Buhlens Brust, 
Und er hält sie mit treuem Verlangen 
Umfangen. 


Sie träumen, sie hätten im Himmel gelebt , 
Zwey kurze schöne Minuten, 
Denn er scheidet, wenn Dämm’rung niederschwebt , 
Wenn die letzten Strahlen vergluthen, 
Noch Kuss auf Kuss 
Zum Abschiedsgruss , 
Dann eilt sie mit Thränen im Blicke 
Zurücke. 


Und wie sie den Sommer so scheiden sah’n , 
Fing Sehnsucht an sie zu quälen, 
Und also trat Rudolph den Grafen an: 
a Herr , ich magie nicht länger verhehlen , 
s Ich liebe Wallhaid, 
a Drum gebt mir die Maid, 
u Auf dass sie treueigen mir bleibe , 
«Zum Weibe!» 


Da zog der Graf ein finster Gesicht : 
o Was ziemt dir solch kecke Minne ? 
e Mein Mädel, Rudolph , bekommst du nicht, 
« Das schlag dir nur frisch aus dem Sinne , 
6 Ein reicher Baron 
o Führt morgen schon 
a Die Braut, trotz Thränen und Jammer, 
s Zur Kammer.» — 


UND ERZAULUNGEN. 


Das fuhr dem Rudolph durch Mark und Bein, 
Er warf sich wild auf den Dänen , 
Und jagte in Wald und Forst hinein , 
Das Auge hatte nicht Thränen , 
Ein kalter Schmerz 
Zerriss ihm das Herz, 
Als müsst’ er in grausamen Wehen 
Vergehen, 


Da durchbebt’s ihn auf einmal mit stiller Gewalt, 
Er fühlt sich wie neugehoren , 
Und Ahnungen werden zur lichten Gestalt , 
Als wär’ noch nicht alles verloren. 
a Bin ich doch frey 
« Und Wallhaide treu. 
e Gott hilft, sie aus Vaters Ketten 
« Zu retten ! — 


Und eh’ die Sonne noch untergeht,, 

Harrt er still am einsamen Orte; 
Und leiser schleicht als der Zeyhyr weht, 
Wallhaide durch Hof und Pforte , 

In stiller Lust 
An Buhlens Brust, 
Und er hielt sie mit treuem Verlangen 
Umfangen. 


Sprach Rudolph endlich: « Um Mitternacht 
« Wenn alles längst ruht im Schlosse , 
e Kein Verrätherauge die Liebe bewacht , - 
« Dann komm’ ieh mit flüchtigem Rosse. 
e Du schwingst dich hinauf, 
« Und freudig im Lauf 
a Jag’ ich mit der herrlichen Beute 
a Ins Weite!» — 


Da sank sie glühend an seine Brust , 
Und kos’t ihn mit zärtlichem Worte , 
Doch schnell erwacht sie aus ihrer Lust : 
u Wie komm’ ich, Freund , durch die Pforte ? 
«Denn streng in der Nacht 
« Wird die Mauer bewacht , 
a Wie mag ich der Knechte Reigen 
s Durchschleichen ? » 


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VERMISCHTE GEDICHTE 


«Zwar so — wenn mich nimmer die Hoffnung betrog — 
«So käm ich durch Pforten und Thüren , 
a’S ist freylich für Mädchen-Muth zu hoch — 
«Doch Lieb’ soll leiten und führen f 
« Wer ihr vertraut, 
a Hat wohl gebaut , 
a Und wenn er im Kerker auch wäre! 
e Drum höre!» — 


e Als Wundebold noch, unsers Hauses Ahn’, 
s Auf dieser Burg residirte , 
c Da wuchs ihm ein Töchterlein herrlich heran, 
sDes ganzen Hauses Zierde , 
a Hiess auch Wallhaid, 
« Hat frühre Zeit 
«Einen Buhlen in glücklichen Stunden 
t « Gefunden, » 


Dem wollte sie ewig treueigen seyn, 

«Im Leben und Leiden und Freuden, 
«Doch der harte trotzige Vater sprach : — nein ! 
«Da wollte sie nicht von ihm scheiden. 

a Und kühn bedacht 
e Um Mitternacht 
a Zur Liebe aus Vaters Ketten 
a Sich retten. » 


«Doch dem Grafen sagt’s ein Verräther an, 
a Der zerstörte blutig ihr Hoffen, 
«Ihr Buhle Bel auf nächtlicher Bahn , 
a Von meuchelnden Schwertern getroffen , 
«Sie harrte noch sein , 
u Trat der Vater herein, 
a Steeg den Dolch in ’s Herz der Armen 
o Olm" Erbarmen !» 


« Nun hat ihr Geist im Grabe nicht Ruh’, 
a’S ist alle Rast ihm genommen, 
«Sie wandelt oft nächtlich der Pforte zu, 
«Ob wohl der Buhle möcht’ kommen , 
a Und harret sein 
a Bis Morgenschein ; 
e Der Buhle soll einst, wie sie meynen , . 
e Erscheinen !o 


UND ERZAHLUNGEN. 89 


«So lange wandert sie ohne Rast, 
«Im weissen blutigen Kleide , 
«Ist allen ein stiller befreundeter Gast , 
« That keinem je was zu Leide ; 

a Still geht ihre Bahn 
«Zur Pforte hinan , 
a Die-Wächter lassen sie schleichen , 
« Und weichen, » 


«Und wie sie ihr Leben der Liebe geweiht ; 
a Wird sie todt auch zur Liebe sich neigen, 
e Sie borge heut Nacht mir ihr blutiges Kleid, 
o Die Wächter sollen mir weichen, 
s Die Geiterbahn 
a Halt keiner an, 
« Frey lenk’ ich so durch ihre Mitte 
« Die Schritte. » 


Drum harr’ an der Pforte! — Wenn’s Zwölfe schlägt , 
«Kommt Wallhaide langsam gegangen , 
«Ein blutiger Schleyer vom Winde bewegt, 
«Hält die Geistergestalt umfangen. 
«In deinem Arm 
a Da wird sie erst warm , 
« Drum schnell auf den Gaul, und reite 
«In’s Weite!» 


«O herrlich! — fiel Rudolph ihr freudig in's Wort, 
«Fahrt hin nun, Zweifel und Sorgen | 
o Und sind wir erst aus dem Schlosse fort, 
«So ist auch die Liebe geborgen. 
a Wenn der Morgen graut, 
«s Grüss ich dich als Braut , 
«Ade, fein’s Liebchen , ich scheide 
« Zur Freude!» — 


D 


Und lange noch glüht auf der Lippe der Kuss, 
Da springt er muthig bergunter , 
Und scheidend wirft sie den letzten Gruss 
Dem Liebsten in’s Thal hinunter. 
«Lieb Rudolph! bist mein, 
«Lieb Rudolph! bin dein, 
«Nicht Himmel und Hölle scheide 
«Uns Beydo!» — 


90 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Und wie die Nacht auf die Thäler sinkt, 
Sitzt der Ritter gerüstet zu Pferde, 
Manch bleiches Sternlein am Himmel blinkt , 
Tief dunkel liegt's auf der Erde. 
Er spornt das Ross 
Auf’s Grafen Schloss, 
Und kömmt, nach Liebchens Worte, 
Zur Pforte, 


Und wie es vom Thurme Zwölfe schlägt, 
Kommt Wallhaide langsam gegangen , 
Ein blutiger Schleyer, vom Winde bewegt, 
Hält die Geistergestalt umfangen. 
Da springt er hervor, 
Und hebt sie empor, 
Und jagt mit der zitternden Beute 
In’s Weite. 


Und reitet, — und Liebchen schweigt, 
Er wiegt die Braut auf dem Knie: 
«Fein’s Liebehen, wie bist du so federleicht,, 
« Machst dem Reiter nicht Arbeit und Mühe.» — 
oa Mein Gewand ist so fein, 
s «Das mag's wohl seyn, 
e « Mein Gewand ist wie Nebel so. duftig 
« a Und luftig !a » 


Und den Ritter umfasst die zarte Gestalt , 
Da schauert ihm Frost dureh die Glieder: 

« Fein’s Liebchen , wie bist du so eisig, so kalt, 
sErwärmt dich die Liebe nicht wieder?» — 

e aIn deinem Arm, 
i « «Da ist's wohl warm, 
« «Doch mein Bette war kalt, Gefährte, ~ 
ss Wie Erde! » » i 


Und sie reiten weiter durch Flur und Wald, 
Bleich fimmert der Sterne Schimmer ; 
«Und bist auch von -aussen so frostig und kalt, 

«Dein Herchen glüht doch noch immer Se 
« «Lieb„Rudolph ! bist mein y 
s «Lieb Rudolph ! bin dein , 
« o Nicht Himmel und Hölle scheide 
s «Uns Beyde!» p — 


UND ERZAULUNGEN. 9% 


Und sie reiten rastlos immer zu, 
Und nächtlich schleichen die. Stunden , 
«Nun bin ich erlöst, nun komm’ ich zur Rub’, 
«Nun hab’ ich den Liebsten gefunden, 
«Bist ewig mein, 
«Bin ewig dein, 
« Nicht Himmel , nicht Hölle scheide 
«Uns Beyde, » 


Der Morgen allmählig dämfnert und graut , 
Noch geht’s durch Fluren und Felder ; 
Doch immer stiller wird die Braut, 
Und immer kälter und kälter, 
Da kräht der Hahn, 
Schnell hält sie an, 
Und zieht den Liebsten vom Pferde 
Zur Erde. 


e Husch! wie die kalte Morgenluft weht, 
a Mit dem nächtlichen Sturm um die Wette; 
sEs graut Tag, der Hahn hat gekräht; 
«Lieb Buhle, die Braut will zu Bettel 
a Komm h’rein, komm brein, 
e Bist mein, bin dein, 
a Nicht Himmel , nicht Hölle scheide 
«Uns Beyde! — a 


Und eiskalte Lippen drücken den Kuss 
Auf seine zitternden Wangen, 
Und Leichenduft nnd Todtengruss 
Umweht ihn , und hältibn umfangen, 
Da sinkt er zurück, 
Es bricht der Blick, — 
Und die Braut hat den Liebsten gefunden 
Dort unten ! 


— 
DES SANGERS LIED ZU DEN STERNEN 


NACH DER MELODIE: God save the King u. s. w. 


D: ihr dort oben zieht, Seyd mir doch eng vertraut, 
Hört ihr des Sängers Lied , Hab ich euch angeschaut, 

Das zu euch spricht? Wird mir so klar, 

Frey durch des Lebens Plan, Wird mit das Herz so weich , 
Von Lebens Anfang an, Drey Wünsche hab’ ich gleich, 
Geht eure stille Bahn -Drey Wünsche nenn’ ich euch, 


Ewig im Licht, Macht mir sie wahr ! 


92 VERMISCHTE GEDICHTE 


Erst ist's der Liebe Glück, Dann sey ein schöner Lohn 
Bringt es mir schön zurück , Für meines Liedes Ton 

Wie ich’s gewählt, Mir einst geschenkt : 

Hab’ ich’s doch einst gewusst Macht das ein deutscher Mann, 
Hier in der vollen Brust Hört er mein Singen an, 

Hab’ sie gefühlt, die Lust Dran sich erfreuen kann, 

Die mir jetzt fehlt, Gern mein gedenkt, 


Und wenn ich scheiden muss , 
Rufe der Genius 

Mich Schwanen gleich, 
Trage mein volles Herz, 
Frank von der Erde Schmerz , 
Sonnenrein , Sonnenwärts, 
Sterne! zu euch! 


DER KYNAST. 


Diese Sage vom Kynast , einer alten verfallnen Felsenburg an der 
nordöstlichen Seite des Riesengebirgs, hat sich in dem Munde des 
Volks erhalten. Fürchterlich in der That ist der Abgrund von der 
Schlossmauer herab in das enge Felsenthal, das den Namen der Hölle 
führt und eine bedeutende Rolle in diser Ballade spielen wird. 

Der Kynast ist vom Herzog Bolko von Schlesien im Jahr 1592 er- 
baut, und dem Grafen Schaffgotsch geschenkt worden, 

Im Jahr 1675 brannte er ab, und schmückt seitdem äls eine der 
herrlichsten Ruinen die Gegend um Hirschberg. 


Es zieht ein Hauf 
Zur Burg hinauf, 
Was mögen die wandern und wallen ? 
Die Brücke fällt, das Thor geht auf, 
Es sind Kunigundens Vasallen, 
Sie kommen weit durch’s ganze Land, 
Die Herrin soll sich vermählen,, 
So wünscht das Volk, sie hat freye Hand 
Zu wählen, 
An Würdigen kann es nicht fehlen. 


‚Der Graf ist todt, 
Das Land in Noth, 
Der Arm fehlt, die Mannen zu lenken, 
Drum kommt zu der Gräfin das Aufgebot, 


UND ERZABLUNGEN. 


Die jungfräuliche Hand zu verschenken , — 
Viel edle Ritter werben um sie, 
Mit Zeichen des innigen Strebens, 
Umschwärmen die Höhe spät und früh, — 
Vergebens! 
Jungfrau will sie bleiben Zeitlebens, 


Ein Trauerkleid wallt 
Um die hohe Gestalt, 
So empfängt sie den Zug der Vasallen , 
Und als sie’s vernommen, entgegnet sie bald: 
a Wohl»smöcht’ ich dem Volke gefallen , 
«Doch fordr®ich von meinem Freyer ein Pfand, 
aDas darf mir keiner verwehren, 
«Erfüllt er’s, so soll ihm Herz und Hand 
a Gehören.» — 
Es riefen die Ritter: «Lass hören! 


«Mein Vater stand 
«Auf der Mauer Rand» — 
So begann sie, — «und blickte hinunter 
«In die Hölle hinab, an der Felsenwand 
«Da stürzt’ ihn der Schwindel hinunter; 
«Drum wer mir mit Wünschen der Liebe naht, — 
«Denn ich mag keine zweyte Trauer — 
e Der soll es beweisen mit kecker That, 
«Kein Schauer 
« Ergreif’ ihn am Abgrund der Mauer. » 


«So sey denn bekannt, 
a Dem gehört die Hand, 
«Der keck mit festen Schritten 
«Vorbey an der steilen Felsenwand 
«Auf der Mauer um’s Schloss geritten, 
«Und wer es glücklich vollenden kann, 
«Der soll mich zur Kammer führen, 
«Doch soll mich liebend kein andrer Mann 
a Berühren, ~ 
aIch gelob’ es mit heiligen Schwüren. » 


Die Herrin schwieg , 
Stolz auf den Sieg , 
Still zogen die Männer von dannen ; 
Sonst mancher Freyer den Kynast erstieg ,` 
War allen die Lust vergangen. 
Was die Gräfin gewünscht,das stand ihr frey, 


94 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Es schreckten des Rittes Gefahren ; 


Die Burg ward still, nun konnte sie treu 


Nach Jahren 
Des Vaters Gedächtniss bewahren. 


Ein Jüngling allein 
Fand bald sich ein, 
Der war ihr treueigen geblieben, 
Solch wackrer Muth kann nicht mehr seyn, 
Und solch redliches Herz im Lieben, 
Im ganzen Land war Graf Albert geehrtg, 
Er wagt es auf Leben und Sterberf 
Der junge Degen den Ritt begehrt, 
Zu werben 
Um Liebe oder Verderben, 


Die Gräfin erschriekt: 
Wie sie den erblickt, 
Sie dacht’, ’s wird keiner es wagen, 
Und ihre Diener zu ihm schickt, 
Und lässt ihm den Ritt versagen , 
Doch der Ritter erklärt sich frey und frank , 
Sie möcht’ auf den Schwur sich besinnen, 
Er wolle sterben oder den Dank 
Gewinnen, 
Er scheide nicht eher von hinnen. 


In höchster Noth 
Sie ihn zu sich erbot 
Und beschwört ihn, die Augen voll Zähren ; 
« Zur Verzweiflung brächte mich Euer Tod, 
40 lasst meine Bitte gewähren, 
sIch lieb’ Euch nicht, ich bekenn’ es frey, 
«Doch dauert mich Eure Jugend, 
«Und Euer Muth ist bey Glauben und Treu 
«Nicht Tugend, 
«Nein, tollkühn und Gott versuchend, » 


«Es wäre zu viel, 
«Kein freches Spiel 
«Wollt ich mit dem Leben treiben , 
«Ich wollte frey seyn, das war mein Ziel, 
sIch meynte, sie lassen’s wohl bleiben, 
sLass ab, wenn ich lieb dir und theuer bin, 


UND ERZAHLUNGEN. 95 


«Du wirst den Tod nur umarmen; ` 
ebe ist uns Beyden doch kein Gewinn! — 
« Erbarmen l 
a Mit dir und mit mir, — mir Armen!» — 


Sie lag vor ihm 
Auf beyden Knien, 
Und beschwor ihn bey Himmel und Erde, 
Doch Albert blieb immer fest und kühn , 
Und .den furchtbaren Rit begehrte. 
«Nicht du bist Schuld an meinem Tod, 
e In den ich mit ‚Freuden gehe, 
«Ich gehorche der Liebe Zaubergebot, 
o Mir geschehe 
«Nun ewig wohl oder wehe!» — 


Es schwingt sich aufs Ross, 
Der Knappen Tross 
Kommt traurig ihm entgegen ; 
Den Jüngling beklagt das ganze Schloss, 
Der Geistliche gibt ihm den Segen; 
Und festlich schmückt man die jammernde Braut, 
Die der kühne Graf will erwerben, 
Da schmettern dreymal Trompeten laut, 
Sie werben 
Zur Liebe, oder zum Sterben, 


Und er sprengt gewandt 
An der Felsenwand , 
Und das Ross setzt keck auf die Mauer. 
Einen Kuss noch wirft er mit flüchtiger Hand, 
Ihn fasst nicht Schwindel noch Schauer. 
Sein wackres Ross geht Schritt für Schritt , 
Es trägt den wackersten Knaben , — 
Da wankt ein Stein, das Ross wankt mit, 
Und es haben 
Die Felsen den Ritter begraben, — — 


Die Gräfin sank, 
Aller Sinne frank, 
Es ergriff sie ein tödtliches Fieber, 
Sie siechte wohl viele Wochen lang, 
Der Tod war’ ihr tausend Mal lieber. 
Und als sie endlich genesen war, 


VERMISCHTE GEDICHTE 


- Da sind auch drey Brüder erschienen, 
Die wollten die Braut durch Todesgefahr 
Verdienen‘, 
Oder sterbend den Schwur versühnen. 


«Lasst ab, lasst ab! 
«’S ist euer Grab; 
So beschwor die Gräfin mit Zähren ; 
« Schon stürtze vor euch ein Wackerer binab ; 
e Wollt ihr meine Qual noch vermehren ? 
« Und soll ich morden ein ganzes Geschlecht ? 
« Nein, theilt-euch in all’ meine Güter, 
« Nur besteht nicht auf diesem grässlichen Recht; 
« Drey Brüder 
a Sonst kehren dem Vater nicht wieder. » 


«Nein, kehrt zum Glück, 
«Zum Vater zurück!» — 
So bat sie, und warf sich zur Erde; 
Doch schöner war sie mit Thränen im Blick , 
Und jeder der Ritter begehrte; 
« Wir sind aus einem edeln Geschlecht, 
«Und durfte der für dich sterben, 
«So fordern wir billig ein gleiches Recht, 
« Wir werben 
«Um Liebe oder Verderben!» — 


Der erste schickt 
Sich zum Ritte, und drückt 
Den Brüdern noch scheidend die Hände; 
Er schaut auf die Gräfin still entzückt, 
Dann springt er zur Mauer behende, 
Und noch ist er nicht zur Hälfte heran, 
Und jammernd stehen die Brüder, 
Das Ross, es hebt vor der grässlichen Bahn, 
Stürzt nieder 
Und den Jüngling sieht keiner wieder, 


Noch bebt das Herz 
Im stummen Schmerz, 
Da sprengt der zweyte zur Mauer, 
Und grässlich blickt er himmelwärts, 
Es fasst ihn wie Tödesschauer ; 
Doch erreicht er die Mitte, — da blickt er hinab, 


UND ERZAHLUNGEN. 


Und die Sinne sind ihm verschwunden, KM 
Es bäumt sich das Ress, er stürzt hinab, 
Tief unten 


Da habea sich beyde gefunden. 


Und Schreckenbleich,, 
Den Todten gleich , 
Steht alles und ringt die Hände, 
Und die Gräfin zum Dritten sich wendet gleich : 
sO denkt Eurer Brüder Ende, 
sO lasst eurem Vater das letzte Glück, 
«O lasst ihm den letzen Erben ; 
« Die beyden kehren doch nimmer zurück , 
a Kein Werben 
«Um Liebe war's, — nein, um Verderben!» — 


Doch der Ritter spricht ; 
«Ich kenne die Pflicht , 
« Und scheide nicht von den Lieben. 
a Vermeldet dem Vater die Trauergeschicht, 
«Und wir wären uns treu geblieben.» — 
So drückt er dem Pferde die Sporen ein, 
Die Gräfin grüsst’ er noch heiter, 
Dann stürzt’ er sich schnell in die Felsen hinein , 
Und Reiter 
Und Ross salı kein Auge weiter, 


Die Gräfin sank 
Sinnlos , todikrank , 
Noch am Abend auf’s Siechbett nieder: 
Und was ihr stets in die Ohren klang, 
Das waren die Worte der Brüder, 
Man zählte sie zu den Lebendigen kaum, 
Wohl täglich ward’s schlimmer und schlimmer, 
Es quälte sie ein grässlicher Traum, 
Und immer 
Vernahm sie’s wie Geistergewimmer : 


«Ade, süsse Braut ! 
a Der Morgen graut, 
a Den Todtenkuss auf die Wange. 
«Wir haben dich oben lieb angeschaut, 
« Wir harrten deiner schon lange.» sa 
So rief’s ihr im Traume; doch endlich fand 


9 


97 


98 VERMISCHTE GEDICHTE 


E Sich der Kräfte volleres Streben; 
Sie erwachte neu an des Grabes Rand , 
Dem Leben, — 
Der Freude nicht: wieder gegeben. 


Sie warf den Blick 
Auf ihr Leben zurück , 
Sah überall Qual und Schmerzen ; 
Die Männer zerstörten ihr stilles Glück , 
Da wuchs ihr der Hass im Herzen, 
sin der Seele, da wohnten mir Frieden und Rub, 
e Durch Euch musst’ er welkend sterben , 
«Nun könnt’ ihr zieh’n, nun lass ich es zu, 
o Könnt werben, 
-s Ihr seyd es werth, zu verderben!» — 


D'rauf zogen Viel 
Zum gefährlichen Spiel, 
Kalt liess sie Allen gewähren , 
Doch keiner von Allen kam an’s Ziel, 
Und keiner thät wiederkehren, 
Die Gräfin sah kalt auf das grosse Grab 
Auf die tollköhnen Opfer nieder, 
Kalt blieb sie auch , stürzte der Ritter hinab , 
Die Brüder 
Beweinte sie noch , keinen wieder. 


Gross war schön die Zahl, 
Die in grässlicher Wahl 
Gebuhlt um Lieb’ und Verderben ; — 
Da sprengt ein Reiter herauf aus dem Thal, 
Und lässt um den Ritt sich bewerben, 
Er blickt gar fest in die nahe Gefahr , 
Blickt fest in die Felsen hinunter , 
Schwarz glüht das Auge und goldenes Haar 
Fliesst unter 
Dem Helme in Locken herunter, 


` Den Helden führt 
Man reich geziert 
Zur Gräfin, den Ritt zu verlangen , 
Gar wunderbar fühlt sie sich plötzlich gerührt, 
Es ergreift sie ein Sehnen und Bangen. 
Und bald versteht sie die heimliche Qul, 


UND ERZAHLUNGEN. 


Versteht die tiefen Schmerzen ; 
Denn die Liebe glüht ihr zum erstenmal 
Im Herzen, 
Und die lässt sich nicht verscherzen, 


Und wie der Held 
Zu Füssen ihr fällt 
Und sie um den Ritt gebeten: 
Kaum länger sich die Gräfin verstellt , 
Die Thränen im Auge reden : 

a Lasst ab von der Bitte , Herr Rittersmann $ 
« Trotzt nicht dem Tode verwegen , 
«Und wenn ich's auch nicht versagen kann , 

« So mögen 
«Euch meine Bitten bewegen. » — 


Doch jener spricht: 
« Bestürmt mich nicht, 
a Und lasst mich immer gewähren ; 
«Ich hab's geschworen , ’s ist meine Pflicht , 
a Sonst darf ich nicht wiederkehren. — 
«Und wenn ich auch nichts erbitten mag,» 
Entgegnet die Gräfin mit Beben , 
«So wartet nur bis den morgenden Tag , 
«Dem Leben 
« Könnt ihr diese Frist wohl geben. » 


Im hohen Saal 
Zum reichen Mahl 
Führt sie den geliebten Ritter, 
Und immer höher steigt ihre Qual; 
Da ergreift der Gast die Zither, 
Und singt von der Liebe unendlicher Lust 
Viel schöne köstliche Lieder , 
Und was er gesungen, klingt ihr in der Brust 
Ewig wieder , 
Und Feuer durchströmt alle Glieder. 


Mit Thränen wacht 
Sie die ganze Nacht, 
Mit sich und der Liebe im Streite. — 
sUnd wenn es gelänge,, und hält’ er’s vollbracht, 
«Ach, Herz! du brächst in der Freude, 
a Die Lieb’ ist ja mild, wie das Sonnenlicht , 


100 


VERMISCGHTE GEDICHTE 


«Lässt nicht ihre Treuen verderben ; 
« Und_müsst er hinab, und könnt er mich nicht 
« Erwerben , 
sIch könnte doch mit ihm sterben, » 


Der Morgen graut, 
A Da schmükt sich die Braut, 
Den geliebten Mann zu empfangen , 
Und wie sie den freudigen Helden erschaut , 
Da glühen ihr höher die Wangen; 
Sie fliegt ihm entgegen mit wildem Schmerz : 
« Umsonst, dass ich länger mich sträube , 
o Ich gesteh’ es frey, dir gehört dies Herz , 
«Ich bleibe 
e Im Leben uud Tod Dir zum Weibe, e 


Und glühend umfasst 
Hält sie den Gast, 
Der reisst sich ihr schnell ans den Armen: 
«Noch geziemet mir nicht solch köstliche Last , 
«Ich darf die Braut nicht umarmen, 
«Horcht,, Gräfin! horcht, welch festlicher Ton ? 
u Der ladet zum Siegen, — -zum Sterben , 
s Die Trompeten rufen das Opfer schon , 
«Sie werben 
«Der Liebe Tod und Verderben ! » 


Der Geistliche bringt 
Ihm den Segen, da schwingt 
Sich der Reiter behende zu Pferde. ` 
Er winkt: Ade! Kunigunde sinkt 
Besinnungslos zur Erde, 
Doch setzt er kühn auf die Mauer hinan, 
Als wär sie wohl dreymal breiter, 
Und es schreitet das Ross auf der grässlichen Bahn 
Keck weiter, 
Trägt glücklich zum Ziele den Reiter. 


Ein Freudenlaut 
Weckt die glückliche Braut, 
Und sie stürzt dem Ritter entgegen: 
«So hast du Gott und der Liebe vertraut, 
«Dich beschützte ihr heiliger Segen, 
o Dir ist es gelungen, ich folge dir gern, 


UND ERZARLUNGEN. 101 


«Zum Leben, zur Liebe, zur Freude, 
e Der Kynast begrüsst dich als seinen Herrn , 
` a Uns Beyde 
«Kein Stürmen des Lebens mehr scheide!» — 


Und der Ritter blickt streng 
Auf das Freudengedräng’: 
«Nicht also will ich es enden! 
« Weg mit den Schallmeyen und Hochzeitgepräng , 
«Das Blatt soll sich fürchterlich wenden. 
«Nicht nach der Braut gelüstete mir, 
. «Und dem Feyerklange der Lieder; 
«Wo sind meine Freunde ? ich fordre von dir 
«Sie wieder, 


s Graf Albert und die drey Brüder!» 


e Von deiner Hand 
«In den Tod gesandt, 
«Das durchfuhr wie ein Blitz meine Träume, 
e Mich lockte nicht deine blutige’ Hand ; 
«Denn längst blüht ein Weib mir daheime, 
a Verschmähter Liebe unendlichen Schmerz, — 
«Das hatt ich bey Gott mir versprochen, - 
«Du solltest ihn fühlen! — Jetzt ist dein Herz 
«Gebrochen, — 
«Sieg, Freunde! ihr seyd gerochen !» — 


Er spornt das Ross, 
Es fliegt aus dem Schloss , 
Und lässt sie verzweifelnd zürücke. — 
Erschrocken steht der Diener Tross, 
Wohl perlt es in manchem Blicke; 
Und die Gräfin erwacht , wie aus schwerem Traum, 
Blickt grässlich nach allen Seiten , 
Und wankt zur Mauer und hält sich kaum, 
y Vom weiten 
Die Diener die Gräfin begleiten. 


Da spricht sie leis’ 
Zum bekannten Kreis’: 
Wohl hat sich die Liebe gerochen , 
a Wohl erkannt’ ich des Lebens höchsten Preis, 
«Doch mein Herz ward treulos gebrochen, 
«Die unten dort sind mir angetraut, 


VERMISCHTE GEDICHTE 


e Was sall ich die Hochzeit verschieben ?, 
« Empfangt das Opfer, empfangt die Braut, 
«Mein Lieben 
«Ist über der Erde geblieben!» — 


Und sie stürzt sich hinab 
In’s Felsengrab , 

R Da klingt es wie Geistergeflüster 

«Die Braut is gekommen, den Kranz herab ,` 

«Was Liebchen, bist du so düster ? 

«Nun ist das Hoffen und Sehnen verkürzt , 
sNun mag sich die Jungfrau vermählen , 

«Du hast dich uns selbst in die Arme gestürzt, 

«Kannst wählen , 

a Der Braut soll's an Liebsten nicht fehlen, » 


en Mo 


DIE HEILIGE CECILIA, 
LEGENDE, 


N uch im Beginnen war der neue Glaube, 

Noch schlief der Keim in Vielen unbewusst , 
Doch flammte längst schon in Ceciliens Brust 

Das heil’ge Streben aufwärts aus dem Staube, 

Von frommer Sehnsucht war ihr Herz durchglüht, 
Sie huldigte in milder zarter Schöne 

Als Meisterin in jeder Kunst der Töne 

Dem Glauben ihr begeistert Lied, 


Und als sie einst in tiefen Harmonien, 
Ergriffen von dem liederreichen Drang , . 
Der ew’gen Liebe ihre Hymnen sang, 
Vernahm sie wunderbare Melodien. 

Sie blickt empor mit frommem Ungestüm, 

Da öffnen sich des Himmels goldne Pforten , 
Und es erklingt in heiligen Accorden 

Das Siegeslied der Seraphim, 


Und schnell zerreisst sie ihrer Harfe Saiten , 
Erröthet still in jungfräulicher Schaam, — 

Da sie das Lied der Himmlischen vernahm , 
Mag sie sich nicht an ird’schen Tönen weiden , 


. UND ERZÄHLUNGEN. - 105 


In süsser Wehmuth bricht ihr frommes Herz ; — 
Die Sängerin muss nach den Liedern ziehen — 
Und aufgelös’t in bei gen Melodien , 

Fliegt ihre Seele himmelwärts, 


DIE HBILIGE DOROTHEA. 
LEGENDE, 


Ai unser Meister, Herr Jesus Christ, 
Zum Heil für ewige Zeiten 

In den bittern Tod gegangeu ist, 
Da bekannten sich viele Heiden. 


Und in Griechenland lebte ein Mägdlein zart, 
Die thät eines Gartens hüten, 

Der hatte der Herr sith offenbart 
In ihren Bäumen und Blüthen, 


Sie pflegte der Blumen so lieb, so hold, 
Mit frommen kinlichen Scherzen, 

Und der Glaube wuchs ihr, wie reines Gold, 
Lebendig in ihrem Herzen, 


Und als sie einst unterm blühenden Baum 
Zum Schlummer die Augen geschlossen , 

Da hat der Herr einen lieblichen Traum 
In ihre Seele gegossen, 


Es kam von des Himmels Sternenrand ,— 
So erschien ihr das freudige Wunder , — 
Drey blühende Rosen in strahlender Hand, 
Ein lichter Engel herunter, 


Er reicht ihr die Rosen mit liebendem Blick, 
Und gab ihr den Kuss der Weihe, 

Dann flog er zu seinem Himmel zurück, 
Hinauf durch des Aethers Freye. 


Und als sie erwacht aus des Traumes Lust, 
Gedenkt sie der heitern Gestalten , 
Und findet drey Rosen an ihrer Brust, 
Da erkenut sie das göttliche Walten, 


104 VERMISCHTE GEDICHTE, 


Und heilige Sehnsucht ihr Herz durchglüht 
Nach dem ewigen Himmelsgarten,, 

Und still verklärt sich ihr fiefes Gemüth,, 
Der Gottesgabe zu warten, 


Und zween Tage prangt die Frülingspracht, 
Mit freudigem Sternenglühen , 

Und als der dritte Morgen erwacht, 
Da wollen die Rosen verblühen, 


Und der Engel erscheint, als der vierte graut , 
Im lichten Bräutigamskleide , 

Und trägt die Rosen und trägt die Braut 
Hinauf in den Garten der Freude, 


ST. MEDARDUS. 


LEGENDE, 


Medardus lebte in des Klosters Stille 

Als Jüngling früh schon nach des Herrn Gebot, 
So streng und ernst, wie seines Ordens Wille ; 
Die laute Welt war seinen Blicken todt, 

Doch strahlte tief in seines Herzens Fülle 
Lebendig schön der Künste Morgenroth , 

Er fasste die Natur in edler Wahrheit, 

Und schmückte sie mit seiner Farben Klarheit, 


So gnügte ihm der Seele sanfter Frieden , 

Er fühlte sich in Demuth still beglückt — 

Da ward er einst zum Prior hinbeschieden ; 

Der sprach: o oft hat uns deine Kunst erquickt , 
«Hier ist mein Lohn: Von deines Fleisses Blüthen 
« Sey unsers Klosters Heiligthum geschmückt, 

e Mit frommem Sinn und kunsterfahrnen Händen 
e Magst du der Kirche Altarklatt vollenden. » 


Und als der Prior solches Wort gesprochen, 
Da fühlt der Jüngling seine Wangen glüh’n, 
Es sinkt der Blick in stiller Schaam gebrochen , 
Doch plötzlich fasst der Kuust Begeist’rung ihn ! 





UND ERZAHLUNGEN, 


o Wohl fühl’ ich meines Herzens höh’res Pochen , 

e Wohl ist das Werk für meine Kraft zu kühn, 
«Doch wollt ihr mich zu solchem Glück erwählen, 
« So wird des Herren Gnade mich beseelen, » 


Und still kehrt er zurück in seine Zelle, 
Versunken in dem seligsten Gefühl, 

Und auf des Geistes tiefbewegter Welle 
Wogt wie ein Nebel seiner Träume Spiel, 
Doch endlich wird’s vor seinen Blicken helle, 
Und Gott erleuchtet seiner Sehnsucht Ziel. 
Da wagt er's kühn, die Farben zu verweben, 
Und zaubert so sein Ideal in’s Leben. 


Man fand ihn schon im hohen Tempelsaale , 
Wenn kaum des Morgens Rosenlicht erwacht, 
Bis zu des Abends letztem Sonnenstrahle ; 
Selbst in den kurzen Träumen seiner Nacht 
War er, wie er die Gottheit göttlich mahle , 
Mit frommer Demuth einzig nur bedacht. 

Das Höchste konnte in des Lebens Reichen, 
So nur Begeist’rung , so nur Fleiss erreichen. 


Das Ideal, was seine Brust empfangen, 

Erschuf getreu die kunstgeübte Hand, 

Die hohe Jungfrau ware, mit heil’gem Prangen, 
Den grossen Blick nach oben hingewandt, 

In ew'ger Liebe glühten ihre Wangen, 

Um ihre Glieder flog ein Sterngewand, 

Wie sie den Heiland auf den Armeu wiegte, 
Der liebend an die Mutterbrust sich schmiegte, 


Und unter ihr mit qualzerrismen Zügen, 

Mit stierem Blick und zuckender Gestalt, 

Sah man den Teufel schwarz und scheusslich liegen , 
Die Krallenfäuste grimmig wild geballt, 

Auf seinem Nacken stand mit frommem Siegen 

Der Gottesmulter heilige Gewalt, 

Und jedes Herz entzückt von diesem Bilde, 

Bey jenem sich mit tiefem Abscheu füllte. 


Der Künstler hatte gross und schön vollendet, 
Und göttlich war das Götterwerk vollbracht ; 
Die Arbeit war nach langem Fleiss geendet, 
Er sehnte sich nach einer Feyernacht ; 


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4106 VERMISCHTE GEDICHTE 


Doch keine Ruhe war ihm mild gesendet , 
Und als er bis zur Mitternacht gewacht, 

Erschien ihm mit des Donners Sturmgetöse , 
In Nebelrauch und Schwefelgluth der Böse, 


Der sprach: o Ist dir der Nacht Geheimniss offen ? 

« Hast du der Hölle in das Nest geschaut ? 

«Sieh , auf das Höchste darfst du muthig hoffen , 

a Was Glück und Zeit der Erde nur vertraut, 

s Wenn du mich menschlicher, nicht teuflisch frech getroffen, 
a Dass sich kein Weltkind vor der Sünde graut. 

a Doch wirst du nicht auf meine Rede hören , 

e So will ich dich und all dein Werk zerstören!» 


Und als der Böse kaum dies Wort gesprochen, 
Verschwand er schnell mit grässlichem Geschrey. 

Der Jüngling fühlte seines Herzens Pochen, 

Doch wat sein Geist von Furcht und Schrecken frey ; 
Und als der Morgen kaum noch angebrochen , 

So stand er emsig vor der Staffeley , 

Und dachte schnell der treugefassten Züge , 

Und grässlicher noch ward sein Geist der Lüge, ` 


Und zahllos strömten Männer jetzt und Frauen 
Zum heil’gen Dom, das Götterbild zu sehn, 
Der Jüngling stand verloren im Beschauen, 
In stiller Lust auf des Gerüstes Höh’n,, 

Da fühlt er plötzlich ein geheimes Grauen, 
Und hinter sich sieht er den Bösen steh’'n, 

Die Teufelsfaust umfasst die starren Glieder , 
Und stürzt das Opfer in die Tiefe nieder. 


Ach! aller Sinne Macht war ihm vergangen, 
Doch es ist Gott den Frommen zugewandt, 

Die er geschmückt mit Paradieses Prangen , 
Reicht hülfreich aus dem Bilde ihm die Hand ; 
Von ihren Armen wird er aufgefangen, 

Sie fassen ihn mit leisem Geisterband, 

Und tragen ihn zum Boden sanft heruffter, 

Und staunend preis’t der Menge Ruf das Wunder. 


— M 
DIE VIER SCHWESTERN 


Es hat eine Mutter vier Töchter gehabt, 
Drey waren mit mancherley Reiz begabt, 


UND ERZAHLUNGEN. 407 


Die vierte, der Mutter Sorg und Gram, 

War aber an allen Gliedern lahm, 

Und konnte nicht gehen , und konnte nicht sprechen, 
Das wollte das Herz der Mutter brechen, 

Und als sie fühlt dass es aus mit ihr sey, 

Da -mussten ihr die drey Schwestern geloben , 
Beym Vater dert oben, 

Des armen Kindes zu pflegen treu, 

Drauf ist die Mutter in Frieden 

Nach kurzem Gebete verschieden. 

Und die Schwestern hielten ihr heiliges Wort , 
Als wär’ das Kind ihr höchster Hort, 

Doch der Armen nimmer die Sprache kam, 
Und sie blieb an allen Gliedern lahm, 

Bis einst ein festlicher Morgen graut, 

Der die älteste fröhlich begrüsst als Braut; 

Da haben sie erst in später Nacht 

An die arme kleine Schwester gedacht. 

Und als sie das Zimmer erreichten im Lauf, 
Da richtet das Kind sich zum erstenmal auf, 
Und mit dem Händchen nach oben weisst: 
‚ «Lieb Mutter war bey mir, und hat mich gespeist. 
a Lieb Mutter lässt die Schwestern grüssen !» — 
Drauf thät sie auf ewig die Augen schliessen. 


m 


BUNDESLIED 


Freudig traten wir zusammen 
Mit des Liedes hohem Gruss, 
Und des Altars reine Flammen 
Glühen dir, Gott Cynthius, 
Dank dir Schlangenüberwinder, 
Für den liedbegabten Mund, 
Du vereintest deine Kinder 
Zu Gesang und Bruderbund, 


Ward das schönste nicht der Loose , 
Ward uns nicht die höchste Lust ? — 
Für das Edle, für das Grosse 
Schlägt wohl glühend manche Brust, 
Doch es treibt ein dunkles Sehnen 
Sie in tiefe Nacht hinaus, 
Und es sprechen ihre Thränen , 
Ihre Freuden sich nicht aus, 


108 


` 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Aber wir mit kühnem Herzen 
Halten fest, was in uns glüht, 
Unsre Freuden , unsre Schmerzen 
Hauchen wir ins warme Lied, 
Weben sinnig unsre Worte 
Zu der Saiten tiefem Klang, 
Und lebendig im Accorde 
Wird die Sprache zum Gesang. 


Flach und kahl entflieht das Leben, 
Lässt dem Schwachen keine Wahl. 
Nur des Starken ächtes Streben 
Folgt dem flücht'gen Ideal, 
Darum singt in lauten Tönen 
Was die Gunst der Musen schafft, 
Und dem Edlen, uud dem Schönen 
Weihen wir des Bundes Kraft, 


DER TEUFEL IN SALAMANKA. 


E; gibt eine alte wahre Lehre , 

Und gute Christen glauben dran: 

Der Teufel, wenn er noch so mächtig wäre, ` 
Hat doch den Klugen nie was an. 

Wer muthig ist und fein dabey, 

Bleibt aller Satanskünste frey. 

Das hat wohl mancher schon erfahren, — 
Doch will ich zu Gunsten ungläubiger Seelen 
Als Beyspiel euch noch ein Mährlein erzählen, 


Als einst vor vielen langen Jahren 

Zu Salamanka im Kellergewölbe, 

Der Teufel auf dem Katheder sass, 

Wie andre Doctoren , und derselbe 

Schwarze Kunst nach eignen Heften las, 

Da hatt’ er viel Zulauf, das lässt sich denken, 
Es wimmelte alles auf Tischen und Bänken, 
Den er verstand sich herrlich darauf; 

Und ward die Magie ihm gar zu trocken, 

So gab er weislich lustige Brocken , 


UND ERZAHLUNGEN. 


Und spasshafte Schwänke die Menge in Rout, 
Das war so ganz "für der Herren Magen, 
Kein andres Kollegium mécht: men behagen, 
Und sie. .sgh’n dag erstemal mit Gram , 

"Dass auch das Halbjahr zu Ende kam. 
Das“freute den Argen ` ünd er rief schliesslich: 
.eGewiss ist euch meine Weisheit ‚erspriesslich , 
Das ist euch allen sicher schon. klar ;, 

Drum ersuch’ ich um’s billige Honorar , 

Und bitte mir, ich sag’s g’sad heraus, 

Eins von "euren Seelen aus, ` 

Wer zuletzt wird aus der Kellerthür gehn, 
Dem will ich und soll ich den Hals umdrehn. 
Wenn’s euch gefällt, so mög’t ihr losen, v 

Da fingen die Herren an zu tosen, 

Schimpften den Doctor einen argen Wicht, 
Scheuren insgesammt, unverholen , 

Der Teufel solle den Teufel holen , 

‚Aber all ihr Sträuben half da nicht, 

Sie mussten sich endlich doch bequemen, 
Die fatalen Würfel zur Hand zu nehmen. 

Zur Hölle verdammt war ein junger Graf, 

Da er die niedrigsten Zahlen traf. 


Doch behielt er den Kopf auf der rechten Stelle, 


Und meynte: Noch. gebör’ ich nicht der Hölle, 
Noch hat, der Teufel mich nicht in den Klauen, 
Drum will ich noch menschlicher List vertrauen ! 
Drauf stellt sich der Teufel zur Kellerthüren , 
Und liess einen nach dem andern passiren, 

Und als nun der Graf als der letzte kam, 

Der Teufel ihn bey der Kehle nahm, 

Der aber schrie: Hast keinen Theil an mir, 

Das Loos traf meinen Hinterniann hier: 

Und wies auf den Schatten an der Wand, 

Denn die Sonne dem Keller schief über stand, 
Da hiel£. ihn der Teufel länger nicht, 
Denn er war geblendet vom Sonnenlicht, 
Und packte wüthend im argen Walin 
‚Mit seinen Klauen den Schatten an. 
Der Graf schlüpfte behend hinaus , 

Und lachte den armen Teufel aus, 

Doch noch was Wunderbares sich fand, 
Denn ale er in lichter. Sonne stand, 
Erschracken Alle und staunten sehr! — 
Det Graf eat keinen Schatten mehr. 


A0 


409 


110 VERMISCHTE GEDICHTE 
DER MAKARIA. *) 


WV lästürniend geht der‘ Jugend volles Streben, 
Doch ‘wie sich: kühn auch-seine Strasse windet, 


Yen sich: das Edle, Schöne.ihm verkündet‘, 
Bleibt tief Erinn’rung in des Herzens Beben, 


Und sọ wirst du auch ewig ih mir leben, 
Mit all den Theuren, die du mir verbündet, 
Wenn sich Verwandtes’ zu Verwandtem findet, 
Muss sich der Bund für alle Zeiten weben, 


Du sendest mir noch eine. liebe Gabe, 
Dass sich mein Sinn am schönern Süden labe , 
Ich danke dirs mit allem, was ich habe, 


Und tritt die Muse freundlich mir entgegen, 
Ich will mein.Glück auf deinen Altar legen, 
Und deine Liebe spreche ihren Segen. 


—— 


1x rrunzına 4840. 


Morgenauftt 
Frühlingsluft! 

Glühend Leben, 
Muthige Lust, 
Freudiges Streben 

In freudiger Brust. 
Hinauf, hinauf, 

Auf der lichten Babn 
Dem Frühling entgegen , 
Auf allen Fluren 

Der Liebe Spuren 

Der Liehe Segen. 
Wälderwärts 

Zieht mich mein Herz, 
Bergaus, Bergein, 

Frey in die Welt hinein. 





*) Einem in Leipzig bestehenden Verein, der zu geistigen Vebungen und gesel- 
ligen Freuden bestihmt iste ne 


UND ERZAHLUNGEN.: Di 


Durch- des Tages Gluth, 

Durch.nächtlich Grausen, ` 

Jugendmuth 

Will nicht weilen und hausen, 

Wie alle Kräfte gewaltig sich regen, 
Mit heisser Sehnsucht spät und früh, 
Dem ewigen-Morgen der Liebe entgegen, 
Entgegen dem Frühling der Phantasie! 





ERINNERUNGEN AN KARLSBAD 1314; 
HANS HEILINGS FELSEN. . 


EINE BÖHMISCHE VOLKSSACH 


Vor langen langen Zeiten lebte ein reicher Bauer, in einem’ v. 
Dörfchen an der Eger. 

Die Sage erzählt uns nicht, wie es geheissen, doch vermuthet 
man, dass es dem allen Karlsbader Kurgästen genugsam bekann- 
ten Dorfe Aich gegenüber, auf dem linken Ufer der Eger gelegen 
habe. Veit, so hiess der Bauer, hatte ein liebes, anmuthiges 
Töchterchen, die Freude und der Schmuck der ganzen Gegend, 

Elsbeth war wirklich recht hübsch, und dabey so gut und wohl er- 
zogen ‚. dass damals ihres gleichen nicht leicht zu finden seyn mochte, 

‘Neben Veits Haus stand eine kleine Hütte, die dem jungen Arnold 
gehörte, dessen Vater so eben gestorben war. Arnold hatte das 
Maurer-Handwerk gelernt, und war nach langer Zeit zum ersten- 
mal wieder in der Heimath, als sein Vater starb. Er weinte üls 
ein guter Sohn herzliche Thränen. auf des Alten Grab; denn hinter-.- 
liess ihm jener auch nichts als eine ärmliche Hütte, so trug Arnold 
doch ein stilles köstliches Erbtheil in seiner Brust: Rechtlichkeit und 
Treue, und einen aufgeweckten Sinn für alles Gute’und Schöne. 

Gleich bey seiner Ankunft im Dorfe kränkelte der Vater schon, 
und die plötzliche Freude des Wiedersehens ‘konnte der alte Mann 
nicht ertragen. ` Arnold, der ihn wacker pflegte, wich nicht von 
seiner Seite, ‘und so Séi es denn, .dags er bis nach dem Tode des 
Alten, keinen seiner Bekannten und Freunde aus der Kinderzeit 
Suchen hatte, der ihn nicht selbst bey dem Krankenbette des 
Vaters aufsuchte, — 

Vor allen andern hatte sich Arnold auf Veits Elsbeth gefreut , 
denn sie waren zusammen aufgewachsen und er erinnerte sich im- 
mer noch mit Vergnügen des Veinen, freundlichen Mädchens , das 
ihn so lieb_.hatte und. so arg weinte , als er fort musste zu seinem 
Meister nach Prag. 


112 VERMISCHTE GEDICHTE 


Arnold war ein schlanker, hübscher- Bursche geworden, und dass 
nun auch Elsbeth gewachsen und recht schön seyn müsse, hatte sich 
Arnold schon manchmal vorgesagt. 

Der dritten Abend nach dem Tode des Vaters sass der Sohn, 
in. wehmüthigén Träumen, auf dem frischen Grabe, als er leise 
hinter sich jemanden in den Kirchhof treten hörte. Er sah sich 
um, und ein liebliches Mädchen, ein Körbchen mit Blumen am 
Arm, schwebte zwischen den Rasenhügeln einher, ` 

Ein Hollunderstrauch verbarg ihn noch vor Elsbeths Augen, denn 
sie war es, die das Grab ihres guten Nachbars mit Blumen schmük- 
ken wollte. 

Sie hö% sich mit Thrärien im Auge drüber, und sprach leise, 
in dem sie die Hände faltete: «Ruhe sanft: guter Manu! die Erde 
ssey.dir leichter, als das Leben, und dein Grab soll nicht ohne 
«Blumen seyn, wenn es auch deine “Tage waren!» — Da sprang 
Arnold hinter dem Gebüsche hervor, «Elsbeth» "rief er, und riss 

"dag erschrockne Mädchen in seine Arme‘, «Elsbeth, kennst du 
smich ie — a Ach Arnold , seyd ihr es?» lispelte gie "mit -Erröthen , 
«wir haben uns recht lange nicht Feschen, » — sUnd du bist so 
«schön, so mild, so lieblich geworden, und hast meinen Vater 
geliebt, und gedenkst seiner so freundlich, liebes, süsses Mäd- 
achen!o`— «Wohl, guter Arnold, ich hab’ ihn recht herzlich lieb 
«gehabt,» safte sie und wand sich sanft aus seinen Armen, o wir 
shaben oft zusammen son” euch gesprochen, die Freude an seinem 
„Sohn war das einzige Glück, was er hatte.’» — «Hat er wirklich 
«Freude añ mir gehabt,» fiel Arnold hastig ein, «o so dank’ ich 
udir, Gott, dass du mich brav und gut erhalten hast! — Aber Els- 
sböth denk einmal, wie sich alles verändert hat. Sonst, wie wir 
«Klein waren, und der Vater vor der Thüre sass, ‘da spielten wir 
‘sauf seinen Knien, du warst so herzlieh gegen mich, und wir 
«möchten nicht seyn oline einander, und nun! — Der gute ` Alt 
eschlummert hier unter uns, wir sind gross geworden’, aber wenn 
#ich auch nicht bey dir seyn konnte, ich habe dech recht oft an 

- dich gedacht.» — «Ich auch an dich,» flüsterte Elsbeth leise, 
und $ah ihn mit ihren grossen, freundlichen Angen recht beräich an, 

. — Da rief der begeisterte Arnold: «Sieh, Elsbeth, wir haben uns 
schon früh‘ geliebt, ich mwsste fort, aber hier, wo ich dich am 
«Grabe meines Vaters wieder finde, wir beyde in stiller Erinnerung 
san ihn, da ist's mit als obs keine Trennung geweseh wäre für 
«uns, Das kindliche Gefühl ist als männliche Leidenschaft in mir 
serwacht.» 

‘«Elsbeth , ich liebe dich , hier auf diesem heiligen Boden sag’ ich 
«dir zum erstenmale ‚ich liebe dich! — Und du?» — Aber Els- 
beth verbarz ihr glühendes Gesicht an seiner Brust, ‘und weinte 
iunig. «Und du?» — fragte Arnold zum zweytenmale, so recht 


~ UND ERZANLUNGEN. ` ‚ 415 


bittend und wehniüthig. Sanft hob sie das Köpfchen , und blickte ihm 
unter Thränen, doch freudig ins Auge. sArnold-, ich bin dir recht 
«von Herzen gut, ich habe dich immer, immer. leb gehabt! p — 
Da zog er sie wieder an seine Brust Së Küsse besiegelten dag 
Geständniss ihrer Herzen. . 

Nach dem ersten Rausche der glücklichen Liebe sassen sie noch 
lange in süsser Seligkeit auf des Vaters Grab. 

Arnold erzählte, wie es ihm. gegangen , wie er sich immer nach 
Hause geschnt,. und Elsbeth sprach dann wieder-vom Vater und 
von ihrer frühern Kindheit,’ jenen schönen Tagen, ‘Die Sonne-war 
schon: längst unter, sie ‚hatten es nicht bemerkt, 

Endlieh weckte ein Geräusch auf der nahen Strasse sie aus ihren 
Träumen, 'und Elsbeth 'flog nach ‘einem Qüchtigen Abschiedskus® 
aus Arnolds Armen nach Hause. $ 

Arnelden traf die späte Nacht noch, in seligen Erinnerungen 
versunken, auf des Vaters Grabe, und der Morgen graute, als er 
mit vollem, reichen Herzen in die väterliche Hütte trat. 

Am andern Morgen , als Elsbeth ihrem Vater Morgenbrod brachte, 
begann der alte Veit von Arnold’ zu reden. 

a Mich dauert der’ arme Junge, sprach er, recht herzlich, da 
wirst dich seiner wohl erianern , Elsbeth, ihr habt ja.immer zusam 
men gespielt. — Wie soll ich nicht? -lispelte die Ersöthende, — 
Nun ’s wär’ mir auch nicht lieb, säh’s aus, als ob du zu stolz go- 
worden wärst, des armen Burschen zu gedenken. S ist wahr, ich 
bin reich geworden, ünd die Arnolds sind arme Schlukker geblie- 
ben, aber brav sind sie immer gewesen, der Vater wenigstens, und 
vom Sohn hör’ ich auch manches: Rühmliche. — « Gewiss, Vater o 
fiel ihm Elsbeth hastig in "e Wort, « der junge Arnold ist recht 
brav.» — Ey sieh doch ; Elsbeth, meynte der Vater, woher weisst 
du denn das so gewiss? — «Sie erähliens im‘ Dorfe,» stammelte 
Elsbeth. 

' «Nun ’s soll mich freuen; wenn: ich ihm wo helfen kann , soll's 
am mir nicht fehlen, » 2 

Elsbeth, um das Gespräch zu enden, denn sie kam aus dem 
Rothwerden nicht wieder heraus, machte sich schnell etwas für die, 
Küche zu thun, und entginz so den forschende Blicken des kopf- 
schüttelnden Alten, 

Noch Vormittags fand Arnold sein Mädchen, wie sie ihm ver- 
Sprochen hatte, im Garten an Veits Hause. Sie erzählte ihm das 
ganze Gespräch, und er schöfte daraus die besten Hoffnungen für 
sein Glück. «Ja,» sagte er endlich, «ich habe’ mirs die ganze 
Nacht über’ bedacht, das beste ist, ich gehe heute noch zu deinem 
Vater, bekenne ihm frey heraus, dass wir uns lieben und gern 
heyrathen möchten, weise ihm meine Kundschaft, und das Zeug- 
nisa meiner Meister, und bitte ihn um seinen Segen, Meine Offen» 


114 . VERMISCHTE GEDICHTE 

heit wird ihn freuen, er -gibt ‚uns seine Einwilligung - ich gehe 
dann frischen Muthes in die Fremde, erwerbe mir ein Stück Geld, 
komme treu und fröhlich zurück, und wir werden glücklich. Nicht 
wahr „ süsse gute Elsbeth?» — «Ja,» rief das entzückte Madchen, 
und hing an seinem Halse, «ja, der Vater wird gewiss einwilligen, 
er hat mieh ja so lieb ! » — Voll freudiger Hoffnung schieden sie, 

Am Abend schmücktg sich Arnold ‘aufs beste, ging noch einmal 
zu des-Vaters Grab, betete innig um seinen Segen, und trat dann 
den Rückweg nach Veits Hause mit stillem Beben an. 

Die vor. Freude zitternde Elsbeth empfing ihn und brachte ihn 
sogleich zu ihrem Vater. — a Nachbar Arnold ,» rief ihm der Alte 
entgegen, «was bringt ihr mir ?» — «Mich selbst,» antwortede je- 
ner. « Das heisst?» fragte Veit. — « Herr Nachbar ‚» begann darauf 
Arnold, anfa mit zitternder Stimme, aber dann recht fest und 
herzlich, KA -Nachbar, lasst mich ein- wenig weit ausholen, ihr 
mög’t mich dam leicht besser verstehen, Ich bin. arm, aber gelernt 
hab’ ich etwas Ordentliches, das können euch ‚diese Zeugnisse be- 
weisen, Die ganze Welt steht mir offen, denn ich will nicht bey 
dem Handwerk bleiben, ich - will die Kunst lernen ; es soll einmal 
ein tüchtiger Baumeister aus mir werden, das hab’ ich meinem 
todten Vater gelobt. Aber Herr, alles in der Welt mus einen Mit- 
telpunkt haben, und ein Zweck muss bey der Arbeit seyn. Wie 
die Häuser, die ich, baue, nicht des Bauens eegen, sondern_des 
Nutzens wegen gerichtet werden , so auch, mit meiner Kunst, Ich 
treibe sie nicht blos um die Kunst zu treiben, ich möchte gern 
etwas dabey erlangen, und das nun, was mir im Sinn 
steht, habt ihr zu vergeben, Sagt mirs zu, dass ich's haben soll, 
wenn ich was: Tüchtiges geschafft habe, und ich will meine Kraft 
all das Höchste setzen. e Und was hab ich denn ,» fiel ihm Veit 
ins Wort, «was euch von solcher Bedeutung ist?» — „Eure Toch- 
ter, Herr! wir lieben uns, Ich hin grade zum Vater gegangen, 
als ein rechtlicher Mann , und habe nicht vorher viel um das Mäd- 

i ghen herum gegeschwänzt, wie's Mancher Art ist. Nein, nach alter 
guter Weise, komme ich zu euch, und but euch um eure Zusage, 
dass ihr mir, wenn ich nach drey Jahren von der Wanderschaft 
heimkehre und was Rechtes geleistet habe, euren Segen nicht ver- 
‘weigern wollt, und der Dirne erlaubt, mir die -drey Jahre eine 
teeueigene Braut zu bleiben,» — 

« Junger Gesell,» entgegnete ihm der Alte, «ich habe euch aus- 
reden lassen, lasst’s mich nun auch, und ich will euch schlicbt.und 
recht meinen Bescheid sagen. Dass ihr meine Tochter liebt, das 
freut mich, den ihr seyd- ein wackerer Bursche, und dass ihr gleich 
offenherzig zum Vater kommt, freut mich noch mehr und gereicht 
euch zu grossem Lobe, - Eure Meister nennen euch einen kunstver- 
ständigen Jüngling ; und geben euch Hoffnung zu was Grossem; da 


UND ERZAHLUNGEN. ‚445 


wünsch’ ich- Glück; aber die Hoffnung ist ein unsicheres Gut, und 
soll ich darauf meiner Flsbeth Zukunft bauen ? Während der drey 
Jahre kann einer kommen, der meiner Toghter besser gefällt, Soll 
ich diesen nun abweisen, weil ihr kommen könntet? Nein , junger 
Gesell, damit ists nichts. Kommt er aber ‚einmal wieder; und 
Elsbeth ist noch frey, und ihr habt euer Glück gemacht, so will 
ich euch nicht hinderlich seyn, jetzt aber. kein Wort mehr davon.» — 
«Aber, Nachbar Veit,» bat Arnold bebend und ergrifß,des Alten 
Hand, sbedenkt doeh. p — — — «Da ist weiter nichts zu bedenken , e 
fiel ihm Veit ein, «und somit Gott befohlen, oder wollt ihr ‘noch 
bleiben, so seyd ihr mein leber Gast, nur nichts.mehr von der 
Else,» — «Und das ist/eure letzte Entscheidung ? » stammelt® Ar- 
nold, — «Meine letzte,» versetzte der Alte frostig. — e Nun so 
helfe mir Gott, schrie jener, und wollte zur Thüre hinaus, Hastig 
ergriff ihn Veit bey der Hand, und hielt ihn, 

Junger Gesell, mach" er keinen dummen Streich. Ist er ein ‚Mann, 
und hat er Kraft und Muth, so nehm’ er sich zusammen, und ver- 
heisse er. den Schmerz, Die Welt ist gross‘, fort ng Leben, da 
wird's mit ihm ruhig werden, Jetzt łeb’ er wohl,- Glück auf.die 
Wanderschaft!» — Somit liess er ihn los und Arnold wankte in 
seine Hütte, ZE 

Weinend schnürte er sein Bündel , nahm von dem väterlichen Erbe 
Abseheid, und- wandte sich dann nach dem Kirchhof, um auch von 
des Vaters Grabe Abscheid zu nehmen, Elsbeth, die das Gespräch 
halb und halb- durch ‚die Thüre gehört hatte, schwamm in Thränen, 
Sie hatte sich alles so schön e und jetzt schien jede Hoff- 
nung verloren ! 

-Noch einmal. wollte sie Gates Arnold sehen, sie stellte sich an ihr 
Kammerfenster, und wartete, bis er aus der Hütte heraustrat , und 
den Weg nach dem ‘'Kirchhofe einbog,. Schnell flog sie ihm auch, 
und fand ihn betend auf des Vaters:Grabe.. «Arnold! Arnold! du 
willst fort?» rief. sie ihm zu und umfasste ihn, «Ach, ich kann 
dich nicht lassen!» — Arnold richtete sich auf, als ob er aus ei- 
nem Traum 'erwachte: «Ich muss, Elsbeth, ich muss, Brich mir 
das Herz nicht mit deinen Thränen, denn ich muss |» — e Kommst 
du wieder, und wann kommst du wieder?» — «Elsbeth, ich. will 
arbeiten , wie nur ein Mensch vermag, ich will geizig seyn mit jeder 
Minute Zeit; in drey Jahren bin ich wieder bier. Bleibst du mir 
treu? » — «Bis in den Tod , theuer Arnold, » rief die Schluchzende. — 
s Und wenn der Vater dich zwingen will?» — «So sollen sie mich 
in die Kirche schleppen , .und- noch vor dem Altare werd’ ich: nein ! 
rufen, Ja, Arnold, wir. wollen uns treu bleiben, hier und dort 
drüben, Irgendwo finden wir uns doch wieder!» — «So lass pas 
scheiden ;» rief Arnold, dem ein ‘Strahl der Hoffnung durch die 
Thränen aus den Augen blickte, «lass uns ‚scheiden, Ich fürchfe 





AI6 EH GEDICHTE: 


keine Hindernisse mehr, nichts soll mir zu gross und zu’ kühn seyn. 
Mit diesem Kuss verlob' ich mich dir, und nun Ade”! In dree Jah- 
ren’sind wir glücklich,» — Er riss sich aus ihren Armen, « Arnold!» 
rief‘ sie, «Arnold, verlasse deine Elsbeth nicht!» aber er war schon 
hinaus, Von weitem wehte ihr sein weisses Tuch den Jetzten Gruss 
zu, bis er in des Waldes Dunkel verschwand. 

Elsbeth’ warf sich nieder auf das Grab, und betete inbrünstig zu 
Gott, "Ueberzeugt von Arnolds: Treue war sie rahiger. geworden, 
und konnte dem Vater gefasster unter dio Augen treten, der sie 
streng ansalr, und auch nach dem kleinsten Umstand forschte. 

Alle früh Morgens wallfahrte sie nun an die Stelle, wo sie ihren 
Arnold zum *letztenmale umarmt hatte, der alte Veit bemerkte es 
wohl, liess es aber geschehen, und war schon zufrieden , dass 
Elsbeth so ruhig, und oft sogar heiter seyn konnte, 

So verstrich ein Jahr, und zu.Elsbeihs grosser Freude hatte sich 
noch ‘kein Freyer gemeldet, der dem -Vatef'angestanden - hätte, 

Am. Ende ‘des zweyten Jahres kam nach langer Abwesenheit ein 
Mensch‘ ins Dorf zurück, der früher wegen lüderlicher Streiche 
dävon gegangen war, und sich viel ‘versucht hatte. 

Hans Heiling ging als ein armer Teufel fort, und kam in ES 
besten Umständen wieder. Er schien recht effntlich ins Dorf ge- 
kommen zu seyn, ùm sich seinen vorigen Feifiden als reicher- Mana 
‚zu zeigen. Anfangs’ wars, als wollt’ er nur kurze Zeit hier ver- 
"W#eilen, er sprach von wichtigen Geschäften, aber bald sah man, 
dass er sich auf einen längern Aufenthalt gefasst machte. 
= Man erzählte sich im Dorfe Wunderdinge von ihm, mancher 





ehrliche Mann .zuckte die Achseln ‘drüber , und viele liessen sich 
nicht undeütlich merken, sie wüssten‘recht gut, woher das alles 
komme, 

Dem sey.nun wie ihm wolle, Hans Heiling besuchte doch den 
alten Veit täglich, erzählte ihm von seinen Reisen, wie er sogar 
in Egypten gewesen, und noch, viel weiter‘ übers Meer gefahren 
sey, dass der Alte viel Vergnügen an seinem Umgang hatte, und 
ihm viel fehlte, ‘wenn Heiling des Abends nicht-in seine Stube trat. 
- Zwar hörte er Manches von seinen Nachbarn , er schüttelte- aber 
ungläubig den Kopf; nur das’ eine kam ihm’sonderbar vor, dass 
Hans Heiling sich alle Freytage einsehloss , ‚und ` den ganzen Tag 
über allein zu Hause blieb, "Er fragte ihn also geradezu, was er 
` zu solcher Zeit beginne? «Ein Gelübde,;» war die Antwort, «bin- 
«det mich; alle Freytage im stillen Gebete zuzubringen.» Veit 
war beruhigt, Hans ging wie vormals aus und em ,’und' liess sich 
immer deutlicher merken, was er für Absichten auf Elsbeth habe, 

"Aber Elsbeth hatte einen unerklärlichen Abscheu vor dem Men- 
schen ; ihr ‘war's, -als geränn’ ihr a Blut in den Adern E seinem 
“Anblick, + Pens D N 


UND ERZAULUNGEN. 47 


Dennoch machte er:dem -Alten-einen förmlichen Antrag, und 
bekam zum Bescheid , er solle erst seiñ» Glick bey dem Mädchen, 
selbst versuchen.” Dazu ‚benutzte. Hans einen Abend, wo er Veiten 
nicht zu’ Hause wusste.. ` - 

Elsbeth_ sass, am Spinnrocken , , als er in die Thre trat, sie fühe 
erschrocken auf,:ankündigend, der Vater sey nicht zugegen. uO so 
lasst ons ein wenig zusammen plaudern, meine holde Dirıte !» ` war 
seiwe Antwort, und somif- sass er an-ihrer Seite, Elsbeth. rückte 
sich schnell von ihm weg. Hans, der es für blosse “mädehenhafte. 
Sehüchternheit-hielt, uñd den Grundsatz hatte, bey Weibern müsse 
man kühh seyn, wenn man gewinnen wolle, fasste sie schnelt um 
den Lieb, und. sprach schmeichelnd:: °« Will die schöne Elsbeth 
o nicht neben mir sitzen?» aber sie riss ‚sich mit einem widrigen 
Gefühl aus seinen ‘Armen , und wollte mit den Worten: «Es schiekt 
e sich schlerht für mich, mit euch allein zu seyn,» das Zimmer ver- 
lassen, als er ihr nacheilte und Sie kühner umfasste. „Der Vater 
hat mir sein Jawort gegeben, schöne Else, wollt ihr mein Weib 
seyn? .Ich lass euch nicht eher, als bis ihr mirs zusagt!» Sie 
sträubte sich' vergebens gegen seine Küsse , die ` ihr fürchterlich auf 
der Wange brannten, umsonst- schrie sie nach Hülfe, er, "dessen. 
Leidenschaft im höchsten Glühen war, ward nun vewegner, als er 
ein Kreuz gewahrte, das Else von Jügend auf am Halse getragen , 
ein Erbtheil der frühverstorbenen Mütter. Wunderbar ergriffen liess 
er sie los, er schien zu beben, und eilte zur Thüre hinaus, Els- 
beth dankte Gott für ihre Rettung ; dem Vater erzählte sie bei 
seiner Zurückkunft‘Heilings niedrige Außührung. Veit schüttelte den 
Kopf, ond-schien sehr -aufgebracht. x 

Er'hielt-es Hansen bey. nächster Gelegenheit vor,. der sich mit 
der Heftigkeit ‘seiner Liebe entschuldigte, aber der Vorfall ‘hatte 
für Elsbeth doch die ‘glücklichen Folgen, das -er sie für lange 
Zeit mit seinen. Anträgen verschonte, Sie trug dos Kreuz, das, 
sie wusste nicht wie, damals ihr Retter war, seit jenem Abend 
immer frey imd offen auf der‘ Brust und merkte woll, dass Heiling 
nicht «eine Sylbe an sie richtete, sobald er sie so’ geschmückt fand, 

Das dritte Jahr neigte sich -bald zu-Ende. Elsbeth, die den 
Vater ‚wenn er“von einer Verbindung mit Heilingen sprach , immer 
aufs künstlichste hinzuhalten‘ od zu unterbrechen wusste, wurde 
immer 'heiterer. ` Täglich ging e noch -zu des alten Arnolds Grab, 
und dann über die Eger den Weg nach Prag bis auf de Höhe hin- 
auf, in’ der stillen’ Hoffnung, bald einmal ihren - Getreuen daher 
wandern zu sehen. ` - 

Während dieser Zeit Toiats sie einmal Morgens früh das Kreuz- 
chen , das ihr ‘so lieb und werth war, man‘ musste es ihr im Sehlaf 
ahgebundeù haben, denn sie legte es. nie von sich, und sie hatte 
keinen kleiuen® Verdacht auf -eine der Mägde, die sie" oam Abend 


4118 VERMISCHTE GEDICHTE 


zuvor mit Heiliugen ‘hinter dem Hause hatte flüstern hören. Wei- 
nend erzählte sie es ihrem Vater‘, der lachte sie aber 

Verdaöhtes aus, indem er behauptete; Heilingen könnte ja nicht 
an dem Kreuzchen liegen, über solche verliebte Tändeleyen 
hinaus, sie werde es gewiss wo anders verloren haben. o 

Dessenungeachtet blieb sie bey ihrer Meynung, und ganz deut- 
lich merkte sie, dass Hans nun seine Bewerbungen aufs'neue und’ 
mit grossen Ernst und yiel Zuversicht trieb, Auch der V 
mmer strenger ; und erklärte zuletzt gerade heraus, sie’ s 
Heiling ihre Hand’ geben , eg sey sein Tester ui A 
der Arnold habe sie gewiss vergessen ‚und die drey e wären 
ohnehin schon vorüber. Heiling schwor- ihr dagegen im Beyseyn 
des‘ Vaters seine ewige Liebe zu, und wie er ie nicht, wie viel- 
leicht andere, ums Geld, nein, rein um ihrer selbst willen liebe, 
denn des Geldes habe er satt, und er wolle aie Wee vz 
licher. machen , -als sie es je geträümt habe. 

Doch Elsbeth verachtete ihn und seine Reichthämer;; als sie a 
endlich „gedrängt von beyden Seiten und von den Gedanken der- 
Untreue oder des Todes ihres Arnolds gemartert,-keinen Ausweg, 
mehr sah , als den, der allen Verzweifelnden offen bleibt, bat sie - 
nur noch um drey Tage Aufschub, denn ach, sie hofte noch 
immer auf der Geliebten Rückkehr, 

Die drey Tage wurden ihr vergönnt,- Voll Hoffnung, ihre Wës. 
sche nun bald erfüllt zu sehen, traten die beyden Männer yor die 






- Thüre, und Veit gab Heilingen das Geleite, 


Da kam die. Gasse herauf der Priester des Orts, vor ihm. der 
Messner, sie gingen zu einem Sterbenden, ihm den letzten Trost 
zu bringen, Alles beugte sich vor dem Bi Gekreuzigten , 
und Veit warf sich nieder, aber sein Gefäl sprang mit dem 
Ausdruck des Schreckens in das nächste Haus, Erstaumt und nicht 
ohne Grauhen blickte’ ihm Veit nach, und ging dann ee 
telnd zu Hause, z 

Bald kam ein Bote von Heilingen, der ihn benachrichligte, Pr 
Herrn habe vorhin. ein plötzlicher Schwindel befallen, — Veit solle 
zu ihm kommen ‚und nichts Arges denken. Aber jener. 
und bekreuzte sich: «Gehe hin, und.sage ihm , mich soll es freuen , 
wenn’s ein-blosser Schwindel gewesen. », Elsbeth -sass ‚unterdessen 
weinend und betend auf einem ‘Hügel vor dem .Dorfe, eg sierdie, 
ganze Prager Strasse hinauf sehen konnte, - ee 

Eine Staubwolke stieg in der Ferne auf, ihr. Herz 
mächtig, aber als sie eg nun unterscheiden konnte und- ae 
reichgekleideter Männer zu Pferde gewahrte , war ihre schöne Hoff- 
nung wieder verschwunden, ff N 

Jenem Zuge voran ritt, „einem dien ehrwürdigen Greis zur Linken , 
ein schöner Jüngling „_ dem -man’s ansah , ‘das ihm der. ‚schnelle 








UND ERZÄHLUNGEN 419 


Trapp der Pferde noch viel ‘zu tangõani war, und den der Alte 
Mühe hatte, ‚zurückzuhalten, ` Elsbeth scheute sich vor der Menge 
Männer, und schlug die Auge nieder, ohne den Zug 'weiter anzu- 
schauen, Auf einmal sprang der Jüngling vom, Pferde, und lag vor 
ihr auf den Knien: «Elsbeth, ist es möglich , meine liebe theure 
Elsbeth!a — Erschrocken fuhr das Mädchen In. die Höhe, und im 
Gefühle der ‘höchsten Seligkeit fiel sie dem Jüngling mit dem Aus- 
«Arnold ! mein Arnold!» — in die Arme, — Lang lag sie so 
in stummein Entzücken — Mund | an Mund, und Herz An Herz. ` 
Arnolds Begleiter standen voll freudiger Rührung um däs selige 
Paar, der-Greis faltet die Hände und dankte’ Gott, ünd nie hatte 
die scheidende Sonne glücklic Menschen gesehn, Als sich die 
Liebenden wiederfanden aus dem Rausch der Freude, wussten beyde 
nicht, - wer zuerst. erzählen sollte. Elsbeth begaun endlich und mit 
weinigen Worten nannte’ sie ihre unglückliche Lage und ihr Ver- 
hältniss zu Heiling. Arnold erstarrte bey dem Gedanken, er hätte 
seine Eisbeth verlieren können, aber genfu forschte der Greis nach 


‘Heiling, und rief endlich: «Ja, Freunde sadas ist der nämliche 


Schandbube, der in meiner Vaterstadt sjene nichtsWürdigen Streiche 
beging, und nur durch die schnellste Flucht dem Arm der Gerech- 
tigkeit enikam, - Lasst uns Gott danken, dass wir hier eins seiner 
Bubenstücke vereiteln !» — Unter noch mancherlei Gesprächen über 
Heiling und Elsbeth kamen sie"endlich, aber ziemlich spät ins Dorf. 

Triumphirend führte ‚Else ihren Arnold zu dem Vater, der sei- 
nen Augen nicht trauen wollte, als er die Menge Teichgekleideter 
Männer herein treten sah. — «Vater meiner Elsbeth,» begann 
Arnold, shier bin ich und werbe um eurer Tochter Hand , ich bin 
ein wohlhabender Mann geworden, stehe in grosser Herren Gunst, 
und kann mehr halten, als ich versprochen habe U— «Wie?» 
staunte Veit, «ihr war der arme Arnold, der Sohn meines seligen 
Nachbars ? » 

sJa er ist's,» nahm der Greis das Wort, « der nämliche, der 
vor drey Jahren arm und verweifelnd aus diesem Dorfe wanderte, 
Er. kam zu mir, ich sah ihm bald an, das er ein Meister seiner 
Kunst werden könnte, und gab ihm Arbeit. Er vollendete sie zur 
grössten Zufriedenheit aller, und in kurzer Zeit,konnte ich ihn als 
Oberaufseher ‘über die bedeutendsten Werke brauchen. In vielen 
grossen Städten hat er sich einen ewigen Ruhm erworben, und jetzt 
söll er in Prag das grösste Werk für: seine Kunst vollenden "Ee, ie 
wen Seid von Herzogen nui Grafen wohl gelitten reich 
beschenkt, Gebt ihm eure Töchter opd erfüllt die alte Zusage. Der 
Bubey dem ihr eure Else schenken wolltet, hat den Galgen rg 
mal verdient, ich kenne den Schorke e — 

Ist das alles wahr, wie ihr mir berichtet ? fragte der erstaunte 
Veit, s Wahr! wahr!» wiederholten alle. «Nun so mag ich eurem 


120 VERMISCHTE GEDICHTE 


Gläk nicht, hinderlich seyn, wackerer Meister,» also - sich 
Veit zu®Arnolden, `s nehmt hin die Dirne. Gottes Segen. begleite 
euch.» Unfähig zu danken, stürzte die Glücklichen ihm. zu Füssen, 
er zog sie an die Brust, und die Treue ward belohnt, 

e Herr. Veit,» begann der Ọreis nach einer lahgen Stille, ‚blos 
von dem Freudeschluchzen der Liebenden unterbrochen , e Herr Veit 
noch eine Bitte hätte ich an euch. Gebt die Kißder-gleich morgen- 
genden ‚Tags zusammen, damit ich die Freude "habe, meinen 
Arnold, den, Ach wie meinen Sohn liebe; denn mir hat’der 
keinen geschenkt, ganz glücklich zu sehn. Uebermörgen ich 
wieder gen Prago —Ey nun, versetzte Veit? der ganz fröhlich .ge- 
worden war, wenn's euch ein so ‚grösser Gefallen ist, so mögen wir's 
wohl noch so einrichten. e Kier, rief er den Glücklichen‘zu, 
wmorgen ist Hochzeit, draussen auf dem Meyerhofe am Egerberge 
will ich gie ausrichten. Dem Priester meld’ ichs sogleich , da, Els- 
beth, geh in die iche, die werthen Gäste nach Gebühr sm be- 
wirthen, » — » 

Elsbeth gehorchte, und dass- ihr Arnold sogleich- nachslich , and 
beyde bald datauf traulich kosend im Garten standen, finden wir 
sehr natürlich, ' 

Des Vaters Grab lag dem guten Sohne, seitdem er sich von den 
Freudenrausch erholt hatte , im Sinn , sie wallfahtrfen also Arm in 
Arm zu der Stelle, die sie zum letztenmale verzweifeind verlässen 
hattem 

Am Grabe, erneurgen sie ihre Schwüre, und beyden war so wun- 
derbar heilig zu Mute, «Wiegt dieser einzige Augenblick der Se- 
ligkeity e flüsterte Arnold, indem.er seine Braut glühend umarmte, 
«wiegt er nicht schnell die deer langen Jahre Schmerz auf? Wir 
sind am Ziel, keine höhere Wonne vergönnt das Leben, nur dort 
drüben soll es noth grössere geben ! — Ach dass wir einst so, Arm 
in Arm und Herz an Herz sterben könnten,» meynte Elsbeth : — 

e Sterben?» wiederholte Arnold, ja sterben. an deiner Brust! Gu- 
ter Goit, zürne uns nicht, dass wir im Uebermaass der Freude 
noch das Gefühl für die höhern haben, Wir erkennen es ja mit 
dankbarem Herzen, was du Grosses an uns gethan! Ja, Elsbeih, 
lass uns’ beten "hier auf des Vaters Grabe und. danken für des Him- 
më Gnade! o: — Still war das Gebet, aber innig und’ beiltg, und 
in unendlicher Rührung "kehrten die Liebenden nach Hause zurück, 
Schöne und lieblich war der folgende Morgen ‚es war Freytag und 
St. Läürestii Fest. Das gänze Dorf ward. lebendig, Kee 
Thüren standen die -geschmückteri Dirnen und Bursche , d 
war Veit, und alles beschieden zuf Hochzeitsfeyer. 

Nur Heilings Thür was veggehlossen, denn es war Freytag, und 
da liess er sich‘ bekanntlich nie sehen. 


Bald ordnete sich der Zug-in die Kirche, der das überselige Paar 


UND ERZAHLUNGEN. ` 421 


zu der schönsten Feyer führte. Veit und Arnolds Meister gingen zu- 
sammen, und weinten herzliche Thränen der Freude über das Glück 
ihrer Kinder. Für's Mittagsmahl hatte Veit den. Platz unter der gros- 
sen Linde in der Mitte des Dorfs gewählt, Dahin ging der Zug 
nach geendigter Feyerlichkeit. Der Himmel strahlte aus den Augen 
der Liebenden. 

Das festliche Mahl dauerte mehrere Stunden, und oft erschell’s von 
den bunten Tischen: «Es lebe Arnold: und seine liebliche Braut!» 

Von der Linde gingen die Glücklichen mit den beyden Vätern , 
Arnolds Freunden und einigen Gespielinnen Elsbeths nach dem Meyer- 
hof am Egerberg. Das Hans lag gar wunderlieblich zwischen dem 
Gebüsche auf der hohen Thalwand, und in diesem kleinern aber 
vertraufern Kieise flogen die Stunden dem freudetrunknen Arnold 
mit seiner Elsbeth wie Augenblicke vorüber. . 

Im Meyerhofe war auch die zierliche Brautkammer bereitet, und 
in den reichen Obstlauben des Gartens stand ein freundliches Nacht- 
mahl aufgetischt, und köstlicher Wein schäumte den Gästen in vollen 
Bechern entgegen. 

Es dämmerte schon längst im Thale, aber der fröhliche Kreis 
achtete das nicht. Endlich verlor sich auch der letzte Schimmer 
des Tags, und eine sternhelle Nacht begrüsste das wonnetrunkne 
Paar. 7 

Der alte Veit kam eben auf seine Jugend zu sprechen, und war 
dabey so weitläufig, denn der Wein hatte ihn gesprächig gemacht , 
dass Mitternacht heran kam, und Arnold und Elsbeth mit glühen- 
dem Verlangen dem Ende der Erzählung entgegen sah’n. Endlich 
schloss Veit, und «nun gute Nacht Kinderchen, » rief er, und 
wollte das Brautpaar noch in die Kammer geleiten, Da schlug’s 
unten im Dorfe zwölf Uhr, ein fürchterlicher Sturmwind brauste 
aus der Tiefe herauf, und Hans Heiling stand mit grässlich verzerr- 
tem Angesicht mitten unter den Erschrockenen. «Teufel,» schrie 
er, sich lösche dir deine Dienstzeit, vernichte mir diese!» — «So 
bist du mein!!» heulte es aus dem Sturmwinde. — «Und gehör 
ich dir, und warten alle Qualen der Hölle auf mich ! — vernichte 
mir diese!» — Da fuhr es wie Flammen oben über den Berg , und 
Arnold und die Else, Veit und die Freunde standen zu Felsen ver- 
wandelt, das Brautpaar liebend verschlungen , die übrigen die 
Hände gefaltet zum Gebet, «Hans Heiling!» donnerte es höhnisch 
lachend aus dem Sturmwind., o die sind gesegnet im Tod, es fliegen 
die Seelen dem Himmel zu, Aber deine Schuld ist verfallen, und 
du bleibst mein!» Hans Heiling flog von der Felsenhöhe hinab in 
die schäumende Eger, die ihn zischend empfing und verschlang , 
kein Auge hat ihn wiedergesehn. — 

Des andern Morgens früh kamen Elsbetbs Freundinnen mit Blu- 


11 


422 # VERMISCHTE, GEDICHTE SS 


men und Kränzen,, das neue Paar zu AE ganze 
° Dorf flog hinterher, Da fand sich die Hand der Zerstörung überall, 
sie erkannten die Züge der" Freunde in den Felsengruppen, und 
laut-schluchzend wanden die Mädchen ihre Blumen um die Stein- 
bilder der Liebenden. Da sank alles auf die Knie nieder und 
betete für die geliebten Seelen! «Heil ihnen, » so unterbrach 
endlich ein ehrwürdiger Greis die tiefe Stille, «Heil ihnen, sie sind 
iù Freude und Liebe dahin,gegangen,, und Arm in Arm, und Herz 
an Herz sind sie gestorben. Schmückt immer mit frischen Blumen 
ihre Gräber, diese-Felsen bleiben uns ein Denkmal, dass kein böser 
Geist Macht hat über reine Herzen, dass treue Liebe sich im Tod 
bewährt!» — 

Seit dem Tage wallfahrtete jedes liebende Paar in die Gegend von 
Hans Heilings Felsen, und bat die Verklärten um Segen und Schutz, 
Der fromme Brauch ist nicht mehr, aber die Sage ist lebendig ge- 
blieben in den Herzen des Volks, und noch heute nennt der Führer, 
der den Fremden in das schauerliche Egerthal zu Hans Heilings 
Felsen führt, die Namen Arnold und Elsbeth, und zeigt die Stein- 
bilder, in die sie verwandelt worden, so wie den Brautvater und die 
übrigen Gäste, 

Noch vor einigen Jahren soll die Eger an der Stelle, wo Hans 
Heiling hineingestürzt worden , fürchterlich und wundersam gebraust 
haben, und keiner ist vorübergegangen, der sich nicht-bekreuzigte 
und dem Herrn seine Seele befahl. —, 


VOM DREYKREUZEN BERGE. 


D 


Der an jener Felsenkette 
Glüht es schon wie Abendschein, 
Und von dieser heil’gen Stätte 
Blick’ ich in das Thal hinein, 


Sehe nur das enge Leben 
Durch die engen Strassen ziehn , 
Wie sie wallen, wie sie weben 
Und der Sorge nicht eutfliehn. 


Alle ihre Lust und Schmerzen 
Fühl’ ich vor mir ausgestreut, 
Und mir braust es tief im Herzen 


Bey des Menschen Aermlichkeit. 


UND ERZAHLUNGEN. ` ° 4123 


Weg von jenem Würmerleben s 
Blickt das Auge unbewusst , 

Und mich fasst’s mit Freudebeben, 

Voil und gross wird meine Brust, 


Weit hinaus auf jenen Höhen , 
Auf der Berge blauen .Reihn , 
Durch der Nebel dichtes Wehen 
Darf das Auge sich erfreun, 


Wie sie stola gen Himmel ragen 
Riesenkinder der Natur, 
Geisterwehn von alten Sagen 
Wiegt sich durch die stille Flur. 


Und es schlängelt seine Wogen 
Durch die Berge sanft der Strom, 
Und der Abend kommt gezogen 
Schmückt mit Rosen sich den Dom, 


Und geheimnissvolles Schweigen 
Webt sich über Berg und Thal, 
Und die alten Fichten neigen 
Grüssend sich zum letztenmal, 


Wie die Strahlen dort vergehen, 
Zieht im Thal die Dämm’rung nach. 
Aber auf des Kreuzes Höhen 
Flaramt noch der entzückte Tag. 


Und begeistert sink’ ich nieder , 
Tiefer Sinn war mir erwacht, 
Spät dacht’ ich ans Leben wieder , 
Um mich her war's tiefe Nacht. 


DER SPRUDEL, 


Dampfe nur immer empor, ünd brause herauf aus der Tiefe, 
Wie es dich dränget und treibt, wunderbar glühender Quell ! 

Nicht nach der Brüder Art ist dein wildes Wogen und Wallen, 
Denn der höhere Muth bricht sich die eigene Bahn, 

So des Jünglings Gemüth, das über die Schranken hinaus fliegt, 
Und gegen irdische Kraft rühmlich im Kampfe besteht, 


124 VERMISCHTE GEDICHTE 


DORF HAMMER, 


Freundlich an dem Berggehänge 
In des Thales stiller Enge, 
Freundlich, wie ich keines sah, 
Liegt das liebe Dörfchen du. 


Oben auf des Berges Höhen 
Alte dunkle Fichten stehen, 
Unten rauscht der Strom vorbey 
Und die Luft ist mild und frey. 


Und ein reges volles Leben 

Seh’ ich Haus und Hof durchweben, 
In der Hütte Tag für Tag, 

Rastet nicht des Hammers Schlag. 


Und die hellen Funken sprühen , 
Und die Eisenstangen glühen , 
Von des Wassers Sturz gefasst , 
Tummelt sich der Räder Last. 


Aber nicht der Erde Sorgen 
Will ich hier im Thal behorchen, 
Nein , des Lebens Freud’ und Lust 
Komm?’ in meine junge Brust, 


Unter jenen dunkeln Bäumen 
Lässt es sich gar lieblich träumen, 
Aus des Thales Wiesenplan , 

Weht der Friede still mich an. 


DOROTHEENS TEMPEL, 


Dorotheens Tempel , dich grüss’ ich mit süsser Erian’rung ! 
Hier, am geweihten Ort kommt mir ein freudiger Traum, 

Ach , es knüpft an den Namen sich still manch lieber Gedanke, 
Und das Edle spricht sich und das Zarte mit aus, 

Und so hat dich dein Name zur lieblichsten Stelle, geadelt, 
Ein geheiligter Ort, weiblicher Anmuth geweiht, 


mn o 


UND ERZAHLUNGEN. 4 


DIE PRAGER STRASSE, 


Wenn ich mir die stille Ahndung löse, 
Die aus deinen Riesengängen spricht, 
Bist ein Bild der ächten Fürstengrösse , 
Schön erfüllter königlicher Pflicht. 


Kecker Sinn hat manche Bahn gebrochen, 
Viele Wege führen wohl zum Thal, 
Doch der Uebermuth ward oft gerochen , 
Schwer bereut die zu verwegne Wahl, 


Aber du führst sorgsam deine Waller 
Uebern Abgrund den gebahnten Pfad, 
Und die vollen Segenswünsche Aller, 
Danken dir für diese Liebesthat, 


Sanft vorbey an steilen Felsenwegen 
Leitet freundlich deine Hand, 
Jenem Friedensthal entgegen , 

Wo noch jeder Pilger Ruhe fand. 


m mMm 
D DER OBELISK. 


BI ragst du empor, du Zeuge dankbarer Menschen, 

Dem Verschön’rer der Stadt einfach und herzlich geweiht. 
Jene werden vergehn, de dich dem Verehrten errichtet, 

Und ihr Name verhallt leicht in dem Streite des Tags. 
Aber dein Name wird, der gefeyerte, nimmer vergessen , 

Bricht auch dein kühner Bau, unter den Stürmen der Zeit. 
Auch das stolzeste Werk ins Leben gestellt ist vergänglich , 

Was man im Herzen gebaut, reisst keine Ewigkeit um. 


CHARADE. 


Wa uns die ersten Sylben freundlich nennen , 
Das ist dem Menschen wunderbar verwandt, 
Einst werden wir das Räthselbild erkennen, 

Von oben sonst den Vätern oft gesandt, 


126 VERMISCHTE GEDICHTE 


Wenn sich die Seele wird vom Körper trennen 
Und einziehn in das alte Vaterland. 

Da mag es freundlich , in der Jugend Prangen, 
Mit zarten Liebestönen uns umfangen, 


Die dritte Sylbe baut sich auf die Erde, 

Und ist dem Menschen immer werth und lieb. 
Und leichter trägt er seines Tags Beschwerde, 
Wenn’s drin nur froh, und ohne Kummer blieb. 
Ach, wie so gern er zu ihm wiederkehrte, 

So ihn das Scihcksal in die Ferne trieb, 

So er hinaus muss in das wilde Leben, 

Er scheidet still, doch bleibt er ihm ergeben, 


Das Ganze prangt auf steilen Felsenhöhen 
Als ein Vermächtniss der Vergangenheit, 
Durch seine Mauern flüstert Geisterwehen 
Wie stille Trümmer jener bessern Zeit. 

Und wo hinaus die trunknen Blicke sehen, 
Hat die Natur den Brautschmuck ausgestreut, 
Als sollte hier die dritte Sylbe prangen, 

Die beyden ersten würdig zu empfangen, 


—— 
DER KAISERIN PLATZ 


Buchen, seyd mir gegrüsst! Euch hát die Liebe geheiligt , 
Euch hat ein treues Volk, treu seiner Mutter geweiht 
Glückliche Fürsten , und glückliches Land! Wo find’ ich es wieder, 
Dass die Liebe befichlt, und’ dass die Liebe gehorcht ? 


m a 


VON WEYROTIERS RUH BEY ELLENBOGEN. 


Tu Schloss dort auf dem Felsen, Kb 
Du stehst so ernst und treu ! 

Die dunkeln Wogen wälzen 

Sich unten still vorbey. 


Seit vielen hundert Jahren =» 
Grüsst dich der treue Fluss, 
Und was du auch erfahren, 


Er brachte dir den Gruss, 


UND. ERZAHLUNGEN. . 427 


Und bringt ihn dir noch immer, 
Und rauscht so sanft und mild, 
Und in der Wogen Schimmer. 
Mahlt sich dein stolzes Bild, 


Mir ist's, als hört’ ich Worte 
Wie aus vergangner Zeit, 
Vom hohen. Felsenorten 

In Windeswehn gestreut: 


Ich möchte gerne lauschen, 
Was in dem Winde weht, 

Doch wie der Wellen Rauschen, 
So Wind uud Wort vergeht, 


Da blick’ ich still hinüber, 
Die Wellen ziehn vorbey, 
Die Träume ziehn vorüber, 
Die Ahndung bleibt mir treu, 


DAS KREUZ AUF DEM FELSEN VOR DEM EGERTHORE. 
IN Lé 
Sy mir am Eingang begrüsst, wo das Thal der Hoffnung sich öffnet, 
Wo der dampfende Quell zwey Elemente vermählt ! 
Sanft verkünde dem Pilger der irdischen Hülle Genesung, 
Wie dein heilig Symbol ewiges Leben verheisst, 





DAS TOLPTEL-THAL. 


Mi der Freude lichten Träumen 
Sassen wir im muntern Kranz, 

Auf den Wellen auf den Bäumen 
Lag des Tages milder Glanz, 


Wie ein freudiges Getümmel 
War ein Glühen überall, 

Dort im Abendroth der Himmel, 
Hier im Weine der Pokal, 


128 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Wie ein schön erfülltes Hoffen 
Mahnte uns die sehöne Zeit, 

Lieb’ und Leben war uns offen, 
Alle Herzen wurden weit, 


Von der nahen düstern Hütte 

Hörten wir des Hammers Schlag , 
Auf des Ofens Feuermitte 7 

Flammte der gezwungne Tag. — 


Und so neben unsrer Freude 
War des Lebens Qual gestellt ; 
Zwang und Sorge im Gebäude, 
Freyheit unterm Himmelszelt, 


Und wir hörten laut und lauter 
Ihre Worte in der Brust, 

Und es schloss sich immer trauter 
Unsers Kreises stille Lust, 


Da verschwand auf Waldeshöhen 
Tagesleuchten mehr und mehr, 

Und es ging der Däimm’rung Wehen, 
Um das stille Dörfchen her, 


Und der Berge lange Schatten 
Lagen dunkel überm Thal , 

Und es schwirrten auf den Matten 
Feurkäfer ohne Zahl. 


Fern aus mancher stillen Klause 
Blickte freundlich schon das Licht, 

Das gemahnte uns nach Hause, 
Und wir weilten länger nicht, 


Auf dem schön gezognen Wege 
Kehrten wir durchs Thal zurück, 
Und des Herzens Doppelschläge 
Riefen dem gewes’'nen Glück. 


Da durch dunkle Tannenbäume 
Stieg der volle Mond herauf, 

Und im schönsten aller Träume . 
Ging das volle Herz mir auf, 


UND ERZAULUNGEN, 129 


Denn der freundlichste der Sterne 
Bitckte mich so selig an, 

Wie ein Liebchen in der Ferne 
Mir’s in schöner Zeit gethan, 


All sein Weben , all sein Leuchten 
Schien mir wunderbar vertraut, — 

Und mir ware, als hätt’ mit feuchten 
Augen er mich angeschaut, 


Was noch tief im Herzen ruhte, 

Fühlt’ ich plötzlich stark und reich, 
Und mir war so still zu Muthe, 

Doch so wunderfroh zugleich , 


Und er leuchtete mit’ hellen 
Strahlen in das Thal hinein, 

Uud es blickte auf den Wellen 
Silberweiss der Wiederschien, 


Einen Führer hätt' ich gerne 
Auf dem langen Weg gesehn! — 
Sollt’ ich wandern mit dem Sterne, 
Oder mit den Wellen gehn ? — 


Doch zu schnell ziehn mir die Wellen 
Den gewohnten krummen Lauf, 

Jener steigt des Himmels Schwellen 
Nur zu langsam mir herauf, 


Da zum Glück fällt in die Wogen 

Mir das Bild des Mondes ein, 
Und ich bin ihm nachgezogen, 

War’s auch nur ein Wiederschein, 


um 


FINDLATERS-TEMPEL. 


F reundlich begrüsst der Wandrer, der müde; die lichtere Halle , 
Wenn er vom Thal herauf muthig die Höhe bestieg. 
Unten ging er am Ufer, und sah hinauf zu dem Tempel , 
Wie er so himmlisch sich zchwischen den Fichten erhebt. 
Nicht widerstand er der Lust; schwer alhmend steigt er zu Halle 


150 VERMISCHTE GEDICHTE 


Und nun blickt er hinab in die Verschlingung des Thals, 

Da zieht tiefere Sehnsucht ihn unwiderstehlich‘ hinunter , 
Und die blühende Flur lockt den Bethörten hinab, — 

Ach! so ist der Menschen Geschlecht; — wir sehnen und hoffen, 
Und das ersehnte Glück wird uns errungen zur Last. 


DIE FUNF EICHEN VOR DALLWITZ. 


Å hend wird's und des Tages Stimmen schweigen , 
Röther strahlt der Sonne letztes Glühn, 
Und hier sitz ich unter euren Zweigen, 
Und das Herz ist mir so voll, so kühn. 
Alter Zeiten alte treue Zeugen 
Schmückt euch noch des Lebens frisches Grün, 
Und der Vorwelt kräftige Gestalten 
Sind uns noch in eurer Pracht erhalten, 


Viel des Edlen hat die Zeit zertrümmert, 
Viel des Schönen starb den frühen Tod, 
Durch die reichen Blätterkränze schimmert 
Seinen Abschied dort das Abendroth. 
Doch um das Verhältniss unbekümmert , 
Hat vergebens euch die Zeit bedroht, 
Und es ruft mir aus der Zweige Wehen: 
Alles Grosse soll im Tod bestehen! — 


Und ihr habt bestanden ; — Unter Allen 

Grünt ihr frisch und kühn mit starkem Muth, 
Wohl kein Pilger wird vorüber wallen , 

Der in eurem Schatten nicht geruht ; 
Und wenn herbstlich eure Blätter fallen, 

Todt auch sind sie euch ein köstlich Gut: 
Denn verwesend werden eure Kinder, 

Eurer nächsten Frühlingspracht Begründer. 


Schönes Bild von alter deutscher Treue 
Wie sie bessre Zeiten angeschaut , 
Wo in freudig kühner Todesweihe 
Bürger ihre Staaten fest gebaut. 
Ach, was hilft’s dass ich den Schmerz erneue , 
Sind doch Alle diesem Schmerz vertraut, — 
Deutsches Volk, du Herrlichstes vor Allen, 
Deine Eichen stehn, du bist gefallen ! 


UND ERZÄHLUNGEN. 451 


ABSCHIED VOM DOROTHEEN-TEMPEL. 


Ba lebe wohl, du vielgeliebte Stelle , 
Wo ich so oft in süssen Träumen sass, 
Begeistert jene bunte Welt vergass, 
Zum letztenmal betret’ ich deine Schwelle. 
Ich kehre wieder heim in meine Zelle, 
Das Leben tritt in das gewohnte Maas, 
Und was des Herzens Sehnsucht sich erlas , 
Es flieht dahin im leichten Spiel der Welle, — 
So walten sie, die Freuden dieses. Lebeus, 
Der Glaube bleibt mir an die höchste Wahrheit, 
Und der Erinn’rung stille Götterlust, — 
Auch mir erschien das Edle nicht vergebens , 
Das Bild des Zarten und des Schönen Klarheit 
Lebt glühend fort in meiner Dichterbrust. 


FRIEDEBICHENS-FELSEN. 


Su und düster schaust du mich an, du einsame Felswand, 
Und’ es gemahnt mich streng, wie ein verchlossnes Gemüth — 
Nicht zu deinem. Ernst passt sich der liebliche Name , 
Der wie ein.heiteres Bild freudigen Lebens mich grüsst. 
Zwar der Anmuth Gewalt mag auch das Ernste versöhnen, 
Und wo das Ernste erscheint, hat ja die Freude nur Sinn. 
Drum so begrüss’ ich dich gern, und suche gern deine Stille, 
Macht die Natur mich ernst, macht ja dein Name mich froh, 


— om... 
AM KREUZE UNFERN MARIANNENS RUHE. 


Schweigend liegtdie Friedenszacht Am dem Kreuze komm’ ich an 


Auf dem stillen Thale, Auf der Felsenspitze , 
Und es bleicht der Sterne Pracht Und ich klettre kùhn hinan 

In des Mondes Strahle, Zu dem heil’gen Sitze. 
Wie die dunkeln Schatten dort In der Brust, so voll, so weit, 

Sinn und Herz ergreifen! Keimen tausend Lieder, 
Aus dem Zimmer muss ich fort, Und zur stillen Einsamkeit 

Muss den Wald durchstreifeu. Schaut der Mond hernieder. 


Ze 


152 


In der Hand mein Saitenspiel 
Wandr’ ich meine Wege, 

Und geträumter Freuden viel, 
Werden in mir rege, 


Und die Saiten schlag’ ich an, 
Lass die Lieder klingen, 
Kleine Sterne ziehn heran 
Auf gar lichten Schwingen, 


Und sie kommen ohne Zahl, 
Und ich spiele länger, 

Und mit ihrem sanften Strahl 
Leuchten sie dem Sänger, 


Zarte Thierchen hier im Kreis, 
Könnt ihr mieh verstehen ? 

Wird's auch euch so wunderheiss 
Bey des Liedes Wehen ? 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Reich mit Träumen angefüllt 
Blick ich dort hinüber, 

Und der Berge Nebelbild 
Zieht an mir vorüber. 


Ja gewiss! das volle Lied 
Tagt in euren Seelen, 
Wo der Strahl des Lichtes glücht, 
Kann die Kunst nicht fehlen. 


Leuchtet immer durch die Nacht , 
Zarte Feuerkäfer,, 

Spart nur eure stille Pracht 
Nicht für jene Schläfer. 


Um mich glüht es licht und weiss, 
Und die Wellen raucshen 
Müsst’ ich diesen heil’gen Kreis 
Nie mit andern tauschen ! 


a 


mg 


HANS HEILINGS FELSEN. 


Wi sich die Felsenwand dort, die Klippengepanzerte , aulthürmt | 
Schon in Säulen gereiht fügt zum Steine der Stein, 

Stolz und edel erhebt sich die Riesenpflanze des Thales, 
Und das Felsengewächs ragt aus den Wellen empor, 


» Mancherley Sangen 
lard mir, 
Aber mie mi 


t sich das Volk, und mancherley ‘Kunde 
h der Berg öffne in heimlicher Nacht. 
Geisterruf aus der Ferne, 


j Wie ein edleres Bild früher vergangener Zeit. 
So hat rafen geprangt, so standen germanische Helden, 
` Gross und edel und fest, wie dieser heilige Fels. 
Mag der brausende Fluss die Felsenritzen umschäumen, 


Ruhig steht der Fels, seht! und es bricht sich die Fluth, 
Mag es dämmern im Thal aus der Tiefe die Nacht sich erheben, 
Aber den Gipfel des Bergs küsst noch der himmlische Strahl, 


— 
DER NEUBRUNNEN, 


Wie sie wogt die bunte Menge, 
Wie sich alles drängt und treibt, 


D 


UND ERZAHLUNGEN. 155 


(e jede liebliche Gestalt 
Flüchtig vorüber wallt, 
Und keine schöne Gruppe bleibt. 
Dort wo der Brunnen dampfend quillt , 
Wird der Becher gefüllt ; 
Da drängt sich die Menge hastig hinzu , 
Und kommt und geht ohne Rast und Ruh; 
Bald wogt sie näher, bald wogt sie fern, 
Viel schöne Kinder, viel artige Herrn, 
Ein matter Greis, eine schwache Matrone, 
Alle kosten den heilsamen Trank , 
Doch gehört es bey Vielen zum guten Tone , 
Die meisten sind nur an langer Weile krank. 
Aber siehst du jene süsse Gestalt, 
Die dort im bunten Schwarme 
Leichtschwebend vorüber wallt, 
Wie sie mit leicht gehobnem Arme 
Von allen Reizen der Anmuth geziert 
Den Becher zur rosigen Lippe führt? — 
Wie das Auge so blau und frühlingsklar , 
Der Mund so lieblich, so golden das Haar , 
Die Brust so voll, der Nacken so weiss! — 
Auch im Herzen brennt es mir glühend heiss , 
Im lichten Zauberreich der Gesänge 
Schwelgt die begeisterte Phantasie, 
Aus meinem Blick verschwindet die Menge , 
Und ich sehe nur sie, 


— 


å 


BEYM TANZE IM SACHSISCHEN SAALE. 


Wis die Walzer vorüber fliegen , 

Wie sie sich drehen und wiegen 

Im leichtdurchwirbelten Kranz ! 

Weg mit den fremden Touren , 

Der Verbilduug unleugbaren Spuren ! 

Auch der Deutsche hat seinen Tanz. 

Da wird der Muth so lebendig und frey 

Und die Grazie bleibt der Natur getreu! — 

«Und wäs stehst du heut so allein ? 

«Sind deine Träume dir lieber ? o 
e Sonst bist du doch auch immer beym Büchtigen Beier? 


12 s 


454 VERMISCHTE GEDICHTE 


«Lässt keinen nicht müssig vorüber» — — 
Und heute steh’ ich mit Freuden allein , - 
Es sind meine Träume mir lieber, 

Denn siehst du dort die liebe Gestalt , — 
Wie Rosen blüht’s auf den Wangen , 
Das goldne Haar um den Nacken wallt, — 
Die hält mich gebannt und gefangen. 
Und fliegt die Holde an mir vorbey, 

Die Blicke folgen ihr kühn und treu; 
Denn ihr ist auch im wildesten Drehn 

Die Anmuth treueigen geblieben, 

Du schönes Bild, man soll dich schn, 
Und soll nicht bewunderen und lieben ? 


ALS SIE VON DEM BRUNNEN ABSCHIED NAHM. 


. «Und so leb’ wohl, du Nymphe dieser Quelle, 8 

a Vertrauend kam ich zu dir. hergezogen, 
«Ich bin gestärkt, du hast mich nicht betrogen , 
«Und dankbar scheid’ ich von der heil’gen Stelle!» — 

Die Holde sprichts , und jetzt mit freugd’ger Schnelle 
Leicht über das Geländer hingebogen 

8 Wirft sie den Becher lächelnd in die Wopen 

Und er versinkt im Silberschaum der Welle, 

Sie aber zog mit frohem Muthe weiter, 
Ich kann sie nicht mehr sehen und begrüssen, — 


Bey ihremAnblick ward mir frühlingsheiter ! 
Ach! könnt ich í der schönern Zeit gedenken , 
Da’ meine Ideale mich verliessen , 


Wie sie den Becher in der Storm versenken! — 


AUF DER BANK AM SAUERBRUNNEN. 


D. Lieblingsplätzchen meiner stillen Träume , 
Das mich so oft der lauten Welt verborgen , 
Sey mir gegrüsst mit jedem neuen Morgen, 
op Im grünen Schatiendunkel deiner Bäume, 
Und wie ich auch im Liedes Wellen schäume, 
= Der stillen Sehnsucht muss ich doch gehorchen, 


UND ERZAULUNGEN. i 


Und dir, Vertrauten meiner schönsten Sorgen , 
Dir sag’ ich, was ich sinne, was ich träume. — 
Ich hab’ in seligen Errinnerungen 
Hier einst der Liebe ganze Lust gesungen! — 
Ach, jene Töne sind mir längst verklungen! — 
Ein böses Schicksal haus’t in meinen Plänen, 
So theile du mein Fürchten und mein Sehnen, 
Du kennst den Schmerz und du verstehst die Thränen. 


— u. 
RUNDGESANG AUF DEM BELVEDERE. 


S sitzen wir traulich im bunten Kreis 
In.der Lüfte freundlichem Wehen, 

Wir treten heraus aus dem engen Gleis, 
Wir wohnen in sonnigten Höhen, 

In der Freude lichtem lebendigen Strahl , 
Doch über den Menschen und ihrer Qual. 


Wohin das Auge hier oben blickt, 
Hat’s Frieden und Freuden gefunden, 

Denn was im Herzen uns engt und drückt, 
Das bleibe im Thal dort unten. 

Nicht neben den Zauber der blühenden Welt 
Sey des Lebens Qual und Sorge gestellt. 


Nein , blickt hinunter und schaut hinauf, 
Und weit in die Ferne dort drüben, 

Da thürmen. des Vaterlands Berge sich auf, 
Da ist der Kreis unsrer Lieben. 

Vielleicht, dass sie jetzt der Entfernten gedacht , 
Dass der Wind ihre freundlichen Grüsse gebracht. 


Wohl blüht uns hier ein freundliches Glück , 
Wir kennen nicht Last und Beschwerde , 

Doch wir denken auch gern an die Heimath zurück, 
An die liebe, geheiligte Erde, 

Im Kreis der Lieben, im Vaterland , 
Da ist auch das Leblose uns verwandt, 


Doch sind wir auch hier im Lande fremd, 
Wir sind uns nicht fremd im Herzen. 
Das Glück ergriffen , so wie es kommt, 
Sonst wird man es ewig verscherzen , 
Und wenn die Freude scheiden will, 
Da folge man kühn und bleibe nicht still, 





156 VERMISCHTE GEDICHTE 


Drum wie uns der Himmel zusammen gebracht, 
So sitzen wir fröhlich zusammen , 

Der Gott, der die Freude uns angefacht , 
Erhält ihre heiligen Flammen , 

Und müssen wir scheiden und wandern wir weit , 
Wir gedenken mit Liebe der herrlichen Zeit. 


ABSCHIED VOM LESER. 


Da Spiel ist aus, die Töne sind verklungen , 
Nicht weiter rühr’ ich meine Saiten an, 
Ich hab’ es recht aus voller Brust gesungen , 
Nein, meine Hoffnung ist kein leerer Wahn, 
Denn knüft nur einer voll Erinnerungen 
An diese Thräume seine Freuden an, 
Leg’ ich zufrieden meine Laute nieder 
Und reich belohnt sind alle meine Lieder. 


SANGERS WANDERLIED. 


Grar fröhlich tret’ ich in die Welt, 
Und grüss’ den lichten Tag. 

Mit Sang und Liedern reich bestellt, 
Sagt, was mir fehlen mag ? 

Viel Menschefi schleichen matt und träg 
Ins kalte Grab hinein, 

Doch fröhlich geht des Sängers Weg 
Durch lauter Frühlingsschein, 


Natur , wie ist es doch so schön 
An deiner treuen Brust, 
Lieg’ ich auf deinen Zauberhöhn 
In stiller Liebeslust. 
Da wogt es tief und wunderbar, 
Weiss nicht, wo ein, wo aus, 
Doch endlich wird das Treiben klar, 
Und tobt in Liedern aus, 


UND ERZAHLUNGEN. 


Mit Liedestönen wach’ ich auf, 
Sie quellen,sanft heran ; 

Die Sonne hoch am Himmel rauf, 
Trifft mich beym Singen an, - 
Nicht rast’ ich wenn der Tag verglüht, 
Greif’ in die Saiten ein, 
Und grüsse noch mit stillem Lied 

Des Abends .Dämmerschein, 


Und langsam steigt die Nacht herauf 
Aus tiefer Bergeskluft , 

Da wacht mein Lied zum Himmel auf 
In klarer Sternenluft, 

Bis sich in bunter Träume Reihn , 
Vergnügt des Sängers Blick , 
Doch denk? Ach träumend auch allein 
An Sang und Dichterglück. 


Und wo ich wandre hier und dort, 
Da duldet man mich ‚gern , 

Wohl mancher sagt ein freundlich Wort 
Doch immer muss ich fern, 

Den "weiter treibts mich in die Welt, 
Mich drückt das enge Haus, 

Und wenn der Gott im Busen schwellt, 
Muss ich ins Freye raus, 


Und frisch ‘hinauf, opd frisch hiaein, 
Durch Lebens Nacht und Tag, 
Auf dass mich Freyheit, Lieb’ und Wein 
Gar treu begleiten mag. 
Ein freyer Sinn in Lust und Weh 
Schwelgt gern in Sang und Reim, 
Und sag’ ich einst der Welt Ade, 
Zieh’ ich in Liedern heim, 


— a 


SEHNSUCHT NACH DEM RHEIN. 


Wa zieht mich ein tiefes glühendes Treiben, 
In die blaue Ferne mächtig hinaus? 

Es lässt mich nicht rasten , es lässt mich nicht bleiben, 
Es drückt mich die Mauer, es engt mich das Haus, 


157 





158 VERMISCHTE- GEDICHTE 


Ich muss in die Welt, ich muss ins Freye, 
Nicht widerstehen mag ich dem Drang ; 

Und was ich empfuriden , bewahr’ ich mit Tfeue, 
Und geb’ es euch wieder in Lieb und Gesang. 


Aber nicht nach Griechenlands reichen Pallästen , 
Nicht nach dem ewigen herrlichen Rom, 

Es zieht mich hinüber, es zieht mich nach Westen, 
Zu dir, zum Rhein, an den deutschen Strom. 


Wo Leben und Lieben mit tieferen Freuden 
In heiligen Tönen die Seele hebt, 
Und wo aus der Väter goldnen Zeiten 
Ein freyer Geist noch die Fluren durchwebt. 


Du hast der Barden Geheimniss verstanden, 
Hast früher Meister Lieder belauscht, 

Und wie einen alten treuen Bekannten 
Von jeher dem Sänger zug#rauscht, 


So ruf auch mir zu , willkommen Lieber, 
Ich wollte dir danken aus voller Brust, 
Und brächte ein freyes Herz mit hinüber , 
Voll Muth und Gesang und voll freudiger Lust, 


ge 
VOR RAPHAELS MADONNA. 


Lange hab’ ich vor dem Bild gestanden , 
Mich ergriff’s mit wunderbaren Siegen , 
Schöne Welten sah ich vor mir liegen,’ 
Und ich fühlte frey mich aller Banden ! 


Wehe denen , die den Gott verkannten, 
Wem die innre Stimme hier geschwiegen ; 
Ahndung dämmert ia Mariens Zügen, 
Wehe, wer die Liebe nicht verstanden ! 


Heilig ! heilig! tönen Serapshslieder , 
Lichte Engelchöre stürzen nieder, 
Und umschweben ihres Gottes Braut, 


Und der Geist erhebt sich aus dem Staube, 
Und lebendig wird dem Lieb’ und Glaube, 
Der sie reines Herzens angeschaut. 


UND ERZAHLUNGEN. 139 


AN DEN FRUELING. 


Pawee? ich grüsse dich, 
Frühling, umschliesse mich 

Mit deinem jungen, aufkeimenden Leben , 

Mit deinem Hoffen und deinem Streben. — 
Wie, das Leben sich regt in deinen Keimen , 
Und freudig , wie deine Blumen blühn , 
So ist es auch Frühling in meinen Träumen, 
So wird auch mein Herz wieder jung und grün, 


Aber der Blüthen stille Keime 

Und der Blätter lebendiges Grün , 
Es sind vergängliche schöne- Träume, 

Die "beem Erwachen schnell. enifliehn, 
Kommt nicht der traurige Winter wieder? — 
Ach dann schweigen der Nachtgall Lieder 

Und in das weitoffne, kalte Grab 

Sinkt seufzend das blühende Leben hinab. 


Aber was kümmern mich künftige Schmerzen , 
Und dass sie vergänglich ist diese Lust ? 

Bleibt es doch Frühling in meinem Herzen , 
Bleibt es doch Frühling im meiner Brust, 


en ——— 
SCHIFFERLIED. 


Straubing, den 16 Sept. 1811. 


ich zu, Glück zu , auf der spiegelnden Bahn , 
Gott lasse die Fahrt uns gelingen, 

Es brausen die Wellen, es schaukelt der Kahn, 
Und die fröhlichen Schiffer singen , 

Und zu der Ruder gedoppeltem Schlag 

Flammt auf den Wellen der freudige Tag. 


Der Schiffer zieht durch die schimmernde Fluth 
H Im frischen Leben und Treiben , 
Ihn jagt ein ewig glühender Muth, 
Er kann nicht rasten, noch bleiben, 
Er muss zu den freundlichen Wellen hinaus, 
. Da ist seine Heimath , sein Vaterhaus, 


VERMISGHTEsGEDICHTE 


Und wenn ihm daheim auch was Liebes gehört, 
Er scheidet mit leichterem Sinne, 

Wenn er glücklich ist, wenn er wiederkehrt, 
Holt ers ein mit doppelter Minne , 

Und kos’t er mit Andern, und küsst er sie frey,- 

Er bleibt-doch im Herzeu Feinliebchen geiren, 


Und wo er wandert, und wo er schifft, 
Er findet wackre Gesellen, 
Auch wenn er nichts Lebendiges trifft , 
Er hat einen Freund an den Wellen. 
Zwar ist er fremd auf dem festen Land, 
Mit dem Wasser aber vertraut und bekannt, 


Gern hört er der Freude Aufgebot , 
Und ‘mag nicht vorüber gehen, 
Doch wepn ihm ein feindlich Verhängniss droht , 
Er wird wie ein Mann es bestehen, 
Wer das Leben liebt, und den Tod nicht scheut, 
Geht fröhlich und frey durch die sinkende Zeit. 


So wollen wir wandern auf spiegelnder Fluth, 
Und Wellen und Wogen dürchschiffen, 

Wohl fröhlich durch’s Leben führt fröhlicher Muth, 
Drum frisch , und, die Freude ergriffen, 

Und tobt es ausch finster auf uns herein , 

Nach Sturm und- Regen kommt Sonnenschein, ai 


mg 


NORGENLIED FUR SCHIFFER. 


Auf der Donau, den 48. Oktober 1812, 


Sert, Brüder, wie der Tag so mild 
Durch Nacht und Wolken bricht, 
Zwar webt,ein Nebelschleyer sich 
Um’s Felsenufer schauerlich , 
` Uns eber kümmert’s nicht, 


Zwar thürmen sich die Wellen hoch an 
Wie eine Wasserburg, 

Und schlagen schäumend an das Schiff, 

Und pfeilschnel fliegt's am Felsenriff 
Durch spitze Klippen durch, 


” D 


UND ERAAULUNGEN. 141 


Doch immer sind wir frohen Muth’s 
Und aller Sorgen frey, 

Dort überm blauen Himmelsdom 

Da sitzt der Herr und wehrt dem Strom , 
Und führt uns frisch vorbey. 


Drum sey gedankt und sey gelobt , 
Du grosser Herr der Welt! 

Und wie du uns bisher bewahrt‘, 

So schütze uns auf unsrer Fahrt; 
Dir ist’s anheim gestellt, 


Und gern erhört der Vater uns, ` 
Drum immer keck hinaus, 

Nicht so betrüglich ist die Fluth , 

Als Erdenglück und Erdengut ` @. 
Und eitler Lebensbraus, n 


Auf Erden hält uns wenig fest, 
Die Liebe wird getrennt, 
Doch wie uns auch die Welle droht, 
Sie bleibt im Leben und im Tod 
Ein freundlich Element, 


— 
AUF DEM GREIFENSTEIN, 


FRAGMENT, 


Siaunena tret’ ich heraus auf den Söller, das trunkene Auge 
Schwelgt unentschlossen umher , schwer ist die glückliche Wahl, 
Soll es nach Westen hinaufin die dämmernden Berge sich tauchen, 
Soll es der spiegelnden Fluth folgen in schlängelndem Lauf? 
Oder verwegen sich dort zu. den fläatternden Raben gesellen , 
Um das verfallne Schloss magische Kreise zu ziehn ? 
Alles auf einmal , so wär’ es dir recht, ‚ungenügsames Auge, 
Alles auf einmal, ein Blick über die ganze Natur, 
Rückwärts tief in den Wald, verwärts zur Veste hinüber, 
Dort zu dämmernden Höh’n, hier in die Elulhen hinab. 
Dann zum Himmel hinauf, und zu eüch, ihr ergötlichen Wolken ; 
Wie eure Nebelgestaltkeck und.verwegen sich bont, 
So mit dem einzigen Zug den Nektar der Freude zu schlürfen , 
So mit dem einzigen Blick, Erde, dein blühendes Reich , 
Klar’in des spiegelnden Auges entzückten Krystall zu verweben, 
Leben und Frühling und, Licht, all in die Seele getaucht! — 


142 VERMISCHTRGEDICHTE 


VOR DEM BILDE ZWEYER SCHWESTERN. 
VON SCHICK, 


Schönes Bild, das mir so theuer worden , 

Seh’ ich dich ruft stiller Ahndung Walten 
Aus den wunderlieblichen Gestalten 
Mir in süssen himmlischen Accorden, 

Nein! kein Sänger mahlt’s mit Klang und Worten, 
Wie sie blühend sich umschlungen halten, 
Und yoll Südens Anmuth sich enfalten,, 

Stille Blumen aus dem heil’gen Norden. 

Ist die Sage wahr von jenen Wesen, 

Die dp Frühling schon der Welt entnommen , 
Sich der Herr zr Genier erlesen . 

Nenn’ ich euch als Engel mir willkommen , 
Ausgeschmükt mit allen Wundergaben , 

Und kein Himmel kann sie shöner haben, 





VIOLENBLAU. 


In Wundereinklang ist das Leben 
Der Menschenbrust mit der Natur. 
Was jener als Gefüht gegeben, 
Geht hier in lichter Farbenspur, 
Der Blätter Grün, das uns in Lenzen 
Mit neuer Lebensfülle freut, 
Wird hier zu eegen Hoffnungskränzen , 
Zur Ahndung einer bessern Zeit, 
Des tiefen Himmels klare. Bläue, 
Den Lüfte dunkle Harmonie, 
Du findest sie als heil’ge Treue 
In deines Herzens Poesie , 
Des Morgenrothes Prachtgetieder, 
Das uns des Tages Grösse reicht, 

- a Erkennst du in der Liebe wieder, 
Wie sie verklärt zum Lichte fleugt. — 
Doch Roth und Blau stand sich entgegen, 
Und Lieb’ und Treue war getrennt — 
Sieh, dæ vermälte Gottes ‚Segen 
‚Der Farben geistig Element, 


UND ERZAHL UNGEN: 


Das Rothe mischte sich dem Blauen 

In der Viole Frühlingslüst , 

Und Lieb’ und heiliges Vertrauen 

Ward Freundschaft in der Menschenbrust: 
So prangt des Lebens Schönste Farbe 
Ins volle Blüthenthum gestellt , 

So harrt die, reichste Hoffnungsgarbe 
Dem Schnittertag der: bessern Welt. 


AN DEN VEREWIGTEN KUNSTLER. 


AN di. APRIL, WAUREND DES REQUIEM IN DER HOFKAPELLE, 


e 


D. Orgeltöne zittern ihre Lieder, 
Die Stimmen klagen! — klagen sie um dich ? 
Ruft dich der Schmerz, ruft dich die Nänie wieder, "` 
Die sich melodisch in die Seele schlich,, 
Der Gott des Lebens taucht die Fackel nieder , 
Und eine Welt voll hoher Kunst verblich, 
Und wo der Muse heil’ge.Gluth geschimmert , 
Der Tempel stürzt, der Altar liegt zertrümmert, 


Ich durfte dich nur kurze Stunden schauen, 

Ich hab’ dich nie in deinem Glanz gesehn, 
Doch still im Auge zweyer edler Frauen, 

Die in der Kunst hoch wie im Leben stehn, 
Sah ich die Thränen perlend niederthauen , 

Fühlt’ ich zu mir den Schmerz herüber wehn, 
Wie ich zu spät, zu spät für dich geboren, 
Und was mein Vaterland an dir verloren. 


Die Gegenwart bewunderte dein Streben , 

Die Zukunft singt es der Betrübten nach, 
Der Künstler stirbt, die Kunst soll ewig leben , 

Und nichts verblüht, was die Begeist'rung sprach. 
Der Körper wird dem Staub zurückgegeben , 

Den Geist der Musen schliesst kein Sarkophag , 
Der Lorbeer, den der kühme Sinn errungen, 
Bläht immer grün, von keinem Tod bezwungen. 





*) Zu Brockmans Todtenfeyer.' 


*) 


3 


144 VERMISCHTE GEDICHTE 


Die Stunde schlägt,.den Hammer hör’ ich fallen , 
Die Ahndung spricht in wildem Schmerz zu mir. 
Die Lieder zittern durch die heil’gen Hallen , 
Jetzt fühl’ ich’s klar, das Requiem gilt dir. 
Und wo die Töne leis und leiser schallen , 
So hör’ ich’s lauter in der Seele hier: 
Der Künstler hat die Palme dort empfangen , 
Ein Lichtstrahl ist zur Sonne heimgegangen. 


— 
PHANTASIE. 


Was shwlegt im Jubellied der Saiten , 
Was übersteigt vergangne Zeiten 
Im Wechelsturm der Harmonie ? 
Der Nachklaug aus verwelkten Tagen, 
Die uns ins bessre Land getragen, 
Heisst Phantasie ! 


Und was der Dichter still gegeben , 
Wer zauberte sein Lied e Leben, 
Wer schenkt .den Worten Melodie ? 
Das nie Belebte , wie das Todte , 
Es athmet doch im Morgenrothe 
Der Phantasie, 


Wo sich die Muse Tempel baute , 
Ist sie die einzige Vertraute, 

Verlischt die heil’ge Flamme nie, 
Es herrscht im Schmerz von Melpomenen 
Wie in Thaliens heitern Tönen 

Nur Phantasie } 


Was wär’ der Jugend Frühlingsfülle , 
Was wär’ des Herbstes reife Stille , 
Was Kust und Leben ohne sie ? 
Hoch in des Glaubens Lichtgestalten , 
Und wo der Liebe Zauber walten, 
' Blüht Phantasie, 


Am schönsten reift das Kind des Musen 
In edler Frauen edlen Busen 
Im  Sonnenstrahl der Poesie, 
Der Frauen zart besaitet Leben, 
Ihr Lieben, Glauben, Hoffen; Streben 
Ist Phantasie. — 


UND ERZAHLUNGEN. 145 


Und deine Lippe durft' es sagen , 
Dich hätte nie ihr Flug getragen ; 
Ihr Zaubergeist ergriff dich nie ? 
Kann sich der May vom Frühling trennen ? = 
Dein Liebling will dich nicht erkennen , 
O weine, Phantasie ! 


Der Augen seelenvolle Klarheit 

Der Worte frülingsheitre Wahrheit, 
Des ganzen Wesens Harmonie, 

Das Seraphslied in deinen Tönen ! — 

Wo fehlt in diesem Kreis des Schönen 
Je Phantasie! — 


Und steh’ ich dir so gegenüber, 

Mit Liebesfülle weht’s herüber 
Und jedes Wort wird Melodie, 

Und in des Lebens finstre Schranke 

Tritt wunderhell der Traumgedanke 
Der Phantasie, 


IMST. STHEPHAN. 


AM CHARFREYTAGE, 


D: Kirche trauert, schwarze Flöre wallen 
In düstern Falten von den Wänden nieder, 
Und frommer Glaube weiht die Riesenglieder 
Des Gotteshauses sich zu Grabeshallen. 


D 


Die Kerzen flammen , heil'ge Hymnen schallen , 
Der Andacht Weihe taucht sich in die Lieder, 
In tausend Seelsff klingt es mächtig wieder, 
Das Herz erhebt sich, und die Nebel fallen. — 


Du kniest vielleicht auch jetzt an den Altären, , 
Viellicht schmückt sich dein Auge jetzt mit Zähren - 
Das. edle Herz im Glauben zu verklären, 


Yeilliecht ! — der Traum wirft mich zu Gottes Füssen, . 
In gleicher Andacht deinen Geist zu grüssen 
Begeist’rung betet, und die Thränen fliessen. 


13 


446 VERMISCHTE GEDICHTE 


IM PRATER, 


Es keimen die Blithen , es knospen die Bäume, 
‘Der Fruhling bringt seine goldnen Träume , 

Ein lauer Wind weht mich freundlich an, 

Die Felder sind bräutlich angethan. 


Dort unten flüstern die Wellen vorüber, 

Zu duftigen Bergen schau ich hinüber , 

Die Vögelein singen und fliegen vorbey, 

Und lispeln von Sehnsucht , von Liebe und May. 


Und jetzt erklärt sich das heimliche Beben, 

Jetzt ahnd’ ich erst, Frühling , dein Wirken und Weben , 
Jetzt weiss ich erst, was die Nachtigall singt, 

Was die Rose duftet, die Welle klingt. 


Denn auch in mir ist's Fruhling geworden , 
Es schwelgt die Seele in Blüthenaccorden, 
Der Sehnsucht Stimme, der Liebe Drang 
Klingt Wellengeflüster und Lerchengesang, 


Und freundlich wie die heiligen Strahlen 
Der Sonne den lieblichen Tempel mahlen , 
So steht meine Liebe mir immer fern , 

Und glüht in der Seele, ein ‚günstiger Stern, 


Und jeder geschlossene Kelch meines Lebens , 
Und jeder Knopse des freudigen Strebens, 
Wird von dem Sterne zur Blithe geküsst, 
Ein Hauch, der das Todte erwecken müsst‘, 


Und alle Blumen , die in mir keimen , 

Und alle Strahlen aus meinen Träumen , 
Bänd’ ich gern in einen Straus , 

Der spreche mein Leben, mein Sehnen aus, 


Mein Leben , mein glühend unendliches Lieben. 
Wo ist all das andre Treiben geblieben ? 
Versunken in Sehnsuncht nach deinem Licht, 
In den einen Wunsch, der für alle spricht, 


Und du lächelst mild dem Freunde entgegen, 
Und pflegst die Blumen auf seinen Wegen. 

O was hat der Himmel für Seligkeit 

In das kalte nüchterne Leben gestreut! 


UND ERZAHLUNGEN. 147 


Drum mag der Herbst in den Blättern säuseln , 
Der Winter die silbernen Flocken kräuseln, « 
Die Lerche schweigen, die Schwalbe ziehn , 

In meinem Frühling bleibt's ewig grün. 


DIE AUGEN DER GELIEBTEN, 


Augen , zarte Seelenblüthen , 
Klare Perlen ew’ger Liebe, 

Augen , ihr verehrte Augen , 
Meiner Herrin lichte Sterne , 

Lasst euch von des Sängers Liedern 
Sanfte Frülingstöne wehn, 


Alles, was das Leben heiligt , 

Trägt die Ahndung seiner Seele, 
Trägt den stillen Schmuck der Augen. 
Nicht der Mensch allein, der stolze, 
Auch der Frühling, auch die Erde, 
Auch des Tages Wechselgruss, 


In der Erde dunklen Tiefen 
Stehn die klaren Dinmanten 
Wie ein ewig blühend Auge, 
Rosen-Augen hat der Frühling, 
Und der Tag hat seine Sonne , 
Ihre Sterne hat die Nacht. 


Aber ihr, verehrte Augen 
Meiner Herrin lichte Sterne, 
Klare Perlen ew’ger Liebe, 
Augen, zarte Seelenblüthen , 
Solche liebe gute Augen, 
Solche Augen sind es nicht, 


Nicht so klar sind Diamanten , 
Die in dunkler Tiefe leuchten. 
Nicht so lieblich Frühlingsrosen, 
An des Lebens zartem Busen , 
Nicht so mild die ew’gen Sterne, 
Nicht so hell der junge Tag. 


448 VERMISCHTE GEDICHTE 


Was im Leben schön und edel, 
Les’ ich klar in eurem Schimmen , 
Was das Jenseits dort verschleyert,, 
Leuchtet mir in eurer Freude, 
Leuchtet mir in euren Thränen 
Wie aus Himmelsferne zu. 


Und so hört des Sängers Grüsse! — 
Wollt ihr freundlich nicht dem Jüngling 
Wie die ew’gen Dioskuren 

Leuchten durch des Lebens Wogen ? 
Augen, zarte Seelenblüthen , 

Wollt ihr meine Sterne seyn ? 


—— 


VOR DEM BILDE IHRER MUTTER. 


Ån diesem Herzen 
Hat sie gelegen , 
Mit diesen Sternen 
Himmlischer Güte, 
Weiblicher Zartheit 
Zaubergeschmeide , 
Grüsste die Mutter 
Freuudlich das Kind. 


Von der Anwuth gesäugt, 
Von ihr in den Schlummer 
Spielend gesungen , 

Wuchs sie herauf, 

Und blühte und strahlte , 
Die Rose der Anmuth 

In fröhlichem Schmuck, 


Und neben der Rose 
Sass zärtlich die Mutter, 
Die freundliche Mutter , 
Und wehrte dem Zephyr 
Und wehrte den Bienen , 
Und zog sich im Herbste 
Des eiguen Frühlings 
Frischblühendes Bild, 


H 


Und wie sich die Rose 
Dem Frühling entfaltet , 
Da weinte die Mutter 
Lichtperlen der Freude, 


` Und lächtelte heiter 


Und schied aus dem Leben 
Mit segnenden Grüssen 
Zur Rose gewandt. 


Und die Rose blühte 

In heiligem Segen, 

Und schmückte den Frühling 
Und zierte den Garten, 

Und wer sie betrachtet, 
Dem wurd’ es im Herzen 
Als säss er gefesselt, 

Und Worte*der Freiheit 
Klängen ihm zu. 


Drum bist du mir heilig, 
Du Bild ihrer Mutter ; 

O das dich das Leben 
Noch freudig umfinge ! 
Ich wollte dich lieben , 
Ich wollte dich ehren, 
Mit kindlicher: Treue 
Und kindlichem Lied, 


UND ERZAHLUNGEN. 149 


Doch da bist geschieden Zum Grab will ich pilgern, 
Zur freundlichen Klarheit, Will knien. am Hügel, 

Du Schwester des Seraphs , Im stillem Gebete " 

So ruf’ ich’s binüher Dich, Heilige , rufen, 

In deine Verklärung , Und danken und singen 
Was heilige Sehnsucht In kühner Verzückung 

In Tönen erweckt, Aus glühender Brust. 


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MORGENFREUDE. 


Ich bin erwacht ! — Im Rosenschimmer 
Strahlt mir der junge Frühlingstag, 
Es treibt mich aus dem engen Zimmer , 
Mich ruft der Sehnsucht Glockenschlag, 
Noch freut mich nicht der Sonne Prangen , 
Die glühend durch die Wolken bricht, 
Für mich ist sie nicht aufgegangen , 
Denn meine Sonne ist es nicht. 


Und durch die buntlebend’ge Menge 
Der Strasse fliegt der kühne Sinn, 
Ich weiss nicht, dass ich im Gedränge, 
Weiss nur, dass ich dir näher bin. 
Wie ich dann-immer froh erschrecke , 
Wie sich das scheue Herz bewegt, 
Wenn um die vielgeliebte Ecke 
Erwartungsvoll der Schritt mich trägt. 


Dann häng’ ich mit verklärten Blicken 

Am lieben Fenster unverwandt. 
Ein stilles, heiliges Entzüeken 

Führt mich in meiner Träume Land , 
Bis ich’s in schöner Wahrheit sehe, 

Bis sich der Traum ins Leben wagt, 
Und Himmelsklarheit aus der Höhe 

Von deinen Augen niedertagt,. 


m 
BITTE. 


D. hast es mir in einer schönen Stunde 
Halb zugesagt, 


A 


0 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Und war die Bitte auch zu kühn gewagt, 
Im Munde ` j 
Bescheidner Liebe ist kein Wort verwegen , 
Und wenn der Morgen noch so zeitig tagt 
Die Sonne lächelt doch dem Freund entgegen ! 


Um eine Locke hab’ ich dich gebeten, 
Kannst du dem Flehn 

Der treu’sten Liebe grausam widerstehn ? 
Die Fäden 

Des Menschenlebens winden Zauberhände , 
Nur wo der Liebe stille Blüthen wehn, 

Da hat des Erdgeists finstres Reich ein Ende. 


Gieb mir die Locke | Auf dem treuen Herzen 
Bewahr’ ich sie , 

Ein Talisman für Sturm und Phantasie. 
Verschmerzen 

Will ich die Perlen in den trüben Blicken , 
Den rauhen Eingriff in die Harmonie , 

Kann ich sie sehn und an die Lippen drücken, 


Es ist so schön , die Menschen glücklich machen , 
Du kanst es jetzt, 
O nicht den schönen Augenblick verletzt! 
Es wachen 
Viel gute Geister über unsre Schmerzen , 
Und ob man Augen trocknet oder netzt, 
Das schreiben sie in ihre klaren Herzen, 


DOBLINGEN. 


Sa bin ich hier! Die heitern Blicke schweifen 
Mit stiller Lust auf der erwachten Flur, 
Mich treibt der Geist, ich muss die Töne greifen , 

Ser mir willkommen , heilige Natur ! 


Sey mir willkommen ! Deine ganze Wonne 
Wirf glühend in das ungestüme Herz. — 
Zum ew’gen Tage rüstet sich die Sonne, 
Und Kunst und Liebe trägt mich himmelwärts, 


UND ERZAHLUNGEN. 451 


Dort zieht die Donau ihre -Wellenkreise - 
An sanften Ufern silberhell vorbey, 
Hier unten duften volle Blüthensträusse , 
Und Luft und Leben ist so frisch und frey, 


Dort prangt die Burg auf stolzem Bergesrücken , 
Mit Frühlingsträumen schmückt die Wiese sich. 

Und dert — dort! — Ach, ich denk’ es mit Entzücken , 
Dort, Theure , athmest du und denkst an mich. 


Siehst Du den Stephan! — Heilig schaut er nieder. 
Die Kuppel Carls erhebt den stolzen Dom, 

Da weiss ich. dich, und meine kühnsten Lieder 
Entzügeln sich wie ungestümer Strom. 


Zu dir, zu dir, zu den geliebten Füssen } 
Es reisst mich fort , ich kann nicht widerstehn. 
Rauscht, Lieder , rauscht, die Heilige zu grüssen , 
Und ihr melod’sche Küsse zuzuwehn, 


MUTH. 


Hinaus , hinaus, ins rasche Leben, 
Die Brusst dem Sturine Preis gegeben, 
Frisch durch die Brandung, kühnes Herz! 
Die Männerfaust zertheilt die Wellen, 
An Klippen mag die Kraft zerschellen, 
Des Auges Strahl fliegt himmelwärts, 


Hab’ ich doch längst in heil’gen Stunden, 
Des Lebens Zaubergruss gefunden, 

Er jauchzte Muth und Sehnsucht wach , 
Und haucht nun durch des Sturmes Wüthen 
Den ganzen Frühling seiner Blüthen 

Mir in melod’scher Ahndung nach, 


An ihrer Brust, an ihrem Herzen ; 

Zur Freude werden meine Schmerzen , 
Und meine Freude Seligkeit, 

Mein Himmel blüht auf ihren Wangen, 

Von ihren Armen treu umfangen, 
Vergess’-ich deine Donner , Zeit! 


4152 VERMISCHTE GEDICHTE 


Und drum hinaus ins rasche Leben, 

Drum dorch die Brandung ohne Beben, 
Drum ohne Furcht, hinaus, hinaus | 

Zwey Herzen, die sich treu verschlungen, 

Ziehn, nicht von Tod und Zeit bezwungen , 
Mit Gottes Sieg ins Vaterhaus ! 


m c 


DER DREYKLANG DES LEBENS. 


M: wilder Kühnheit trat ich rasch ins Leben, 
Gross träumt’ ich mir den Schuldbrief an das Glück , 
Ins Grenzenlose ging mein dunkles Streben , 
Kalt blickt’ ich auf die Gegenwart zurück. 
Zu stolzer Höhe wollt’ ich mich erheben , 
Doch nach dem Ziele schweifte noch der Blick , 
Da stürmt ich in des Lebens wüste Tiefen , 
An jeder Klippe meiue Kraft zu prüfen, 


Die Fluth riss mich in ihren Brand hinunter, 
Und neben mir sank manches edle Herz, 

Ich schloe mich durch, ich ging im Sturm nicht unter, 
Um die Verlornen trauerte mein Schmerz, 

Der Rettung kühner Sieg hlieb mir ein Wunder, 
Und frischen Auges hlickt' ich himmelwärts, 

Es war die Ahndung der verwandten Seele, 

Die mich heraufzog aus der Mördehöhle. 


Mit neucm Muthe folgt’ ich leisern Stimmen, 
Von einem schöuern Leben sprachen sie, 

Ich sollte keck den kühnen Strom durchschwimmen , 
Die Kräfte wagen , die mir Gott verlieh, 

Den Sonnenberg der Hoffnung zu erglimmen, 
Denn eins sey Glaube , Lieb’ und Poesie, 

Und in der heil’gen Trias dieser Töne, 

Vermähle sich das Göttliche und Schöne. — 


Und tief in meiner Brust war mir der Glaube 
An Gott, an Kraft, an Freyheit eingeprägt. 
Die Menschheit wühlte um mich her im Staube , 
Kaum von des Himmels Donnerruf bewegt. — 
Zwar fallen Tausende der Welt zum Raube, 
Ich fand doch Herzen, wo es edel schlägt. 
Und allen Zweiflern möcht’ ich's laut erzählen, 
Die Zeit ist sehlecht, doch giebt's noch grosse Seelen. 


UND ERZAHLUNGEN. 455 


Auf diesen Glauben bauten meine Träume 
Der Dichtkunst jugendliche Fabelwelt. 
Im Frühlingsdufte reicher Blüthenbäume 
Fand ich den Altar prangend aufgestellt, 
Und wie ich nun in Liebeswellen schäume , 
Und wie der Gott mir in dem Busen schwellt , 
Da fühl’t ich’s deutlicher in meiner Seele, 
Dass mir das Höchste , dass die Liebe fehle, ` 


Mit tiefer Sehnsucht blickt’ ich in das Leben , 
Vom Ideale fand ich keine Spur, 

In Schmeichelformen , abgeschmacktes Streben, 
Zierpuppen der verschrobensten Natur , 

So sah ich sie geistlos vorüber schweben , 

. Wie mir das eiskalt durch die Seele fuhr! — 
Des Lebens Kranz — ich sag’ es mit Erröthen , 
Herabgewürdigt, in den Staub getreten. 


Verzweifeln wollt‘ ich an der Gottheit Strahle , — 
Da sah ich dich, dich, und ein einz’ger Blick , 
Jungfräulich, wie der May im Blüthenthale , 
Rief mich zu meiner Dichterwelt zurück, 
Es lächelte aus Hypokrenens Schaale 
Mit Spiegelklarheit kaum geträumtes Glück , 
Ich wandte mich mit wunderbarem Beben, 
Und heilig trat das Heilige ins Leben. 


Und vor dem aufgeflammten Morgenlichte 
Sank ich in's Knie , von Gottes Hauch beseelt , 
Die Ahndung sprach es längst im Traumgesichte , 
Kein Mährchen war’s, das Phantasie erzählt; 
Denn was ich glaube , was ich glühend dichte 
Und glühend liebe, blüht in dir vermählt, 
Und kühn im Dreyklangsdonner der Gefühle 
Stürzt mich dein Wink durch Strom und Kampf zum Ziele. 


VOR DEM GRABMAL IN PENZINGEN. 


De Staub zerfällt, die letzten Stürme toben , 
Des Lebens rauhe Töne sind verklungen,, 
Und durch des Grabes stille Dämmerungen 

, Schwingt die befreyte Seele sich nach Oben. 


Əə 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Schon ist der Erde düstrer Kreis bezwungen , 
Die Nebel sind Ms ihrer Bahn zerstoben , 
Den Schleyer hat die kühne Hand gehoben, 
Ins Meer des Urlichts ist der Blick gedrungen. 


Ein Lilienstrauss , bedeutungsvolle Sprossen , 
Die nur den Kelch der Sonne aufgeschlossen ; 
Sind ihres Sieges freudige Genossen | 


Die Phantasie bewegt die Marmor-Glieder 3 
Das Vaterland empfängt den Engel wieder, 
Und Ahndung dämmert aus der Heimath nieder, 


DER TODTENKRANZ. 


D.. Wächter rief die eilfte Stund’, 
Still war’s auf dem ganzen Erdenrund, 
’Ne helle klare Mondennacht 

Lag überm Dorf in milder Pracht. 

Da sass im kleinen Kämmerlein 
Maria traurig und allein , 

Und schaute auf den Kirchhof ’nüber , 
Und immer ward das Auge trüber, 
Da liegt ihr Wilhelm in sanfter Ruh, 
Und kühle Erde deckt ihn zu. 

Sie hatten sich so herzlich lieb! — 
Das Glück sie aus einander trieb, 

Er kam als Förster hier in’s Ort, 

Da rief’s ihn früh zur Heimath fort, 
Und wo er still den Abschied gab, 
Umschloss ihn bald ein grünes Grab. 
Sie flochten ihm die Todtenkron’ , 
Der dritte Herbst verwelkte schon , 

Als sie das Thränenwort vernahm, 
Verblühte sie in stillem Gram. 

Drauf fasste sie den Wunderstab , 

Und pilgerte zu seinem Grab, 

Und kniend an der heil’gen Stelle 
Floss ihrer Liebe Thränenquelle. — 
Der alte Amtmann sah den Schmerz, 
Und sprach ihr Trost in’s wunde Herz, 
Und linderte der Sehnsucht Gram , 

Die Weinende zur Tochter nahm , - 


H 


UND ERZAHLUNGEN. ch 


Damit sie au dem theuern Grabe 
Nicht mehr die weite Reise habe, 
Und wie ein guter Engel war 

Sie jedem Unglück, immerdar. 

Wo es nur Hülfe, Rettung hiess , 
Sie sich nicht lange bitten liess , 
Und wo sie Noth und Jammer sah, 
War sie auch ungerufen da. 

So sass sie jetzt einsam im Haus 
Und starrte in die Nacht hinaus, 


- Und dachte an vergagne Zeit, 


An Thränenlust und Thränenleid, 

Da pocht es leise an die Thür’, 

Des Nachbars Ehweib trat herfür, 

Und rief: serbarmt euch unsrer Noth, 

a Die Schwester liegt mir auf den Tod, 
«Sie kann nicht aus bem Leben gehen, 

« Wenn sie euch nicht nochmal gesehen. 
«O helft ihr bald, und helft ihr gleich , 

u Der grosse Gott vergelt’ es euch, 

«Der jeden Thränengang belohnt !» 

Maria schon des Rufs gewohnt, 

Mit sanfter Engelstimme sprach : 

«Geht nur voraus, ich folge nach. » 

Sie zündet die Laterne an, 

Ein wärmer Tuch wird umgethan , 

Das Hausthor sorgsam zugeschlossen , 

Drauf geht sie freudig und entschlossen 

In wunderbarer Seelenruh 

Der nahen Bauerhütte zu. 

Sie tritt hinein. — Die Kranke lag 

Im letzten Todeskampf und sprach : 

sAch Gott! ach Gott, so kommt ihr doch! 
«Helft mir! helft mir! ihr könnt-es noch! 
«Da lieg’ ich nun in Todesqual‘, 

«Mich dürstet nach dem Abendmahl , 

e Dann will ich gern in Frieden sterben, 
«Sonst gehe ich in mein Verderben!» — — 
Drauf jene , schnell" zum Küster gewandt, 
Der in der Ecke betend stand: 

« Was wehrt Ihr ihr das Himmelbrod k 
«In ihrer letzten Todesnoth ? 

e Der Prigster ist im fernen Ort, 

s Euch kommt es zu nach Christi Wort‘, 

o Ihr dürft mit ungeweihten Händen 

«In solcher Noth das Leben spenden!» — 


156 VERMISCHTE GEDICHTE 


Und dieser spricht: — «Auch (hat ich’s hier , 

«Doch Kelch und Hostie fehlen mir, » 

e Wo sind sie?» — «Noch im Gotteshaus.» — 

«So eilt euch doch, hier ist's bald aus! — 

Er aber rief: «Zu dieser Zeit 

«Bringt keine Macht der Christenheit 

«Mich in das Gotteshaus hinein, » — 

Da heult die Frau in Todespein: 

sAch Gott! ach Gott! ich soll verderben, , 

«Soll ohne meinen Heiland sterben | » 

Und jene sprach: — «’S ist eure Pflicht , 

sIhr müsst!» — «Ich soll, das weigr’ ich nicht, 

«Ich weiss, dass ich den Dienst verletzt , 

e Wird's kund, ich werde abgesetzt, 

«Und dennoch schwör’ ich’s hoch und hehr, 

«Mich bringt kein Mensch zur Kirche mehr! » 

Und in der höchsten letzten Noth 

Kämpfte die Kranke mit dem Tod, 

Und ächzte schwer und ächzte tief, 

Und immer nach dem Heiland rief. 

Da schlug es durch Mariens Brust 

` Mit schauerlicher Geisterlust , 

= Und zu dem Küster schnell gewandt : 
«Wohlan, ich steh’ in Gottes Hand 
sGebt mir die Schlüssel , ich will geh'n , 
«So kann ich sie nicht sterben sehn. a — 
Der Küster erst nicht gehorchen will, 
Doch sie b'eibt fest und wandert still ; 
Vom Segen der Sterbenden begleitet, 
Sie betend nach der Kirche schreitet. — 
Noch liegt "ne klare, Mondennacht 
Ueberm Dorf in milder Pracht ; 

-S ist still wie auf dem Todtenplan. — 
So kömmt sie bey dem Kirchhof an, 
Ein leises Beben weht ihr zu; 
Da liegen sie in Schlummors Ruh, 
Das müde Haupt auf weichem Pfühl, | 
Da liegt auch Wilhelm sanft und kühl , 
Und Wehmuth fasst den Thränenquell , 
Doch rafft sie sich zusammen schnell , 
». Und wandert still zur Kirchenmauer, « 

Da fasst sie doch ein stiller Schauer, 
Und auf die Knie siukt:sie, hin, 
Und betet mit bewegtem, Sion, 
Der Muth kommt wieder ins scheue Herz, 
Sie blickt begeistert himmelwäris, 


= WND “ERZ ANVUNGEN: ,, 457 


= Denkt wieder Braken "Tränen floss, =" | 
i Und diht den Schlüssel-in das Schloss: dër 
Roch ` gcht das" abte "Schloss niclit auf, g 
Sie drückt mit’beyilen-Händen drauf , i TE 
-Da hört sie ih “der Kirche‘ Hallen ac. 
` Schaudermd etwas; zu. Boden fallen — Pr 
Drauf-bleibt es säll — Sie zittert sehr, 
` Und horcht , und horcht ! — Nichts rührt sieh h mehr. 
Da fasst sie Muth „sie fühlt'sich rein, 
` Und tritt ins-Gotteshaus- hitiein , 
“Und leuchtet mit‘gefastem ‘Sinn; t 
Und siehierm/ Blick zar Schwelle hin, + `> «4 
Und-sieht ber det Laternen’Glam | - A 
Am- Boden “einen — Todtenkranz , > WK 
Er gas duech ihrer Hände~Stoss ge e ES 
Vom Nagel an der Thüre Jos, n Zu D 
-Si hebt ihn- auf, und liest das Band, 
Worauf des Todten Name’ stand , - 
Wid sinkt, Als Me dir Schrift gelesen! — ~ 
‘a6 ist Wilhems Todtenkranz gewesen —. - * ‘ 
Da schlägt die Uhr" die zwölhte Stunt, 
Sie raitt” sich at. niit; bleichem Maud 
` Spricht sie ein frommes Wort m Stllen , 
Hängt erst, “die Pflicht Den zm erfüllen, ~ - 
Den Todtenkranz an den alten Ort, Me oee Ta 
Drauf wandert sie zum Altar fort, Bi: © a 
Esgreift den Kelch , ergreift das Brod , 
Und geht, — In ihrer letzten- Noth 
Lag schon das Weib, als jene kam. 
„Der Küster stand erfreut. — Er nahm s 
Pas Brod , und brach’s: «Geh’ ein zum Frieden! 
s Gutt ist versöhnt,!» — drauf ist das Weib verschieden. — 


D 





WOLDEMAR. T es $ 


BINE- GESCHICHTE AUS. vom arauımssscnnn 
FELDZUGE vom 1805. A 


S AN SEINEN TESCH grsiar, 
= LP Ia s Batter unsere, Vue 


NA? immer, lieber Cusar, Be wir dem Feinde ruhig gegen- 
über; ich kann den Grund des ewigen Zauderns ñicht begreifen. 


er: 





458 NEÄNMISCHTE GEDICHTE 


Die ganze Armee, sehnt sich zum Kampfe ; und den verwünsyht ‚mit 
mir die lästige Ruhe, da sie die Gemüther’ so schr%abspannt. Dem 
Anschein nach bleiben wir noch lange’ sodiegen , und unsre Hoffnung , 
bald mit den Franzosen handgemein zu werden. scheint noch lange 
unerfüllt zu bleiben. Morgen komme Ach mit meinen Schützen zwey 
Stunden weiter vor nach Villarosa zu liegen, Man- beneidet mich 
um diese ‚Veränderung, denn ca. sell ein sehr angenelinier Aufent- 
halt seyn. “Es gehört deraGrafen P.s der auch „ in Tyrot beträcht- 
liche Güter besitzt, wo du sicherlich von, ihm gehört hast; er soll 
hier unter dem Genusse der <schönen ‚Natur und seiner Familie 
leben, die, so wie er, von allen „gerühmt. wirdk Es ist nicht zu 
` längnen, man lernt erst in ‚diesen rohen Umgebungen des Kriegs , 
das Glück, unter gebildete, Menschen zu kommen, recht. würdigen , 
aber solche Erscheinungen sind dch nur. vorübergehend „und “ich 
wünschte ‚.es ging lieber morgen zum Kampfe,. als dass ich noch 
lünger in dieser unausstehlichen-Ruhefortleben sollte — Dass ich 
das Land, was das Ziel meiner Träume ‘war , so. betreten. musste , 
dass ich selbst mit- roher blufiger Hard den: schönen Frieden vom 
heiligen Boden verjagen helfe, schmerzt mich, tief. Ich batte, gehofft, 
in andern Verhältnissen. diese Grenzen zu betreien) Doch ich bin ja 
jetet Soldat, und Soldat aus éignem., Entschluss , aus reiper Liebe 
d.Kampflust , ‚und solche Gefühle passen nicht für diesen Himmel , 

n nicht für diese Natur, wo alles, selbst trotz diesen Stormen 

der Zeit, sich in soleher üppigen Fülle regt. — O., du ‚solltest e 
sehn, mein herrliches Welsckland, wie. es. prangt ud blüht, , Wer 

hier einzöge án der pes einer sanien Armee! ., e 


Ca 
` Villarosa, den 21. Juli, 


Ich schreibe dir aus Vi Waeet , aus diesem Paradiese ‘der Natur. 
Freund, beneide mich! beneide mich um jede Stunde, die ich 
hier verleben darf! Weleh ein Kreis edler Menschen! Du solltest 
Magdalenen sehen - die oh ‘edle Gestalt mit,den grossen, schwar- 
zen Augen, und den üppig goldnen Loeken ; du solltest die Har- 
moñje ‚ihrer ‘Stimme hören , “Wiese Anklänge eines 'höherm Lebens , 
ach, und du vergässest wie ich Krieg und. Kriegsgeschrey! Die stille 
Schwermuth , die zärten Spuren eines tiefen Schmerzes, de der 
Lieblichen wie ein Heiligen-Schein um däs sanfte Antlite wehn, und 
der Ausdruck der höchsten Liebe, der aus ihren Augen spri ichte 
geben ihr etwas, unendlich unaussprechbar Beizendes, Ach! Dass 
sich das-Göttliche nicht beschreiben lässt, dass ich dir nicht alle 
Gefühle- neùnen kann, -die in süsser Trunkenheit mein volles Herz 
bestürmen! Äber eben: ‚bemerkt ich, dass ich dir eigentlich noch 


S Kn “À 
UND ERZAHLUNGËN. 139: 


gar nichts Ordentliches geschrieben habe, Wisse also, Magdalene‘ 
ist die Tochter des Grafen P....., dem Villarosa gehört. Man nahm 
mich hier so auf, wie es der älteste Freund nicht besser verlangen 
konnte, mit so viel Herzlichkeit und Güte , dass ich mein eignes Glück 
nicht begreife , Bruder, und jetzt leb’.ich unter einem Dache mit 
ihr, Bin fast immer in ihrer Nähe, ich aceompagnire sie auf der 

Guitarre, wenn Sie ihre vaterländischen Canzönen singt, diese süssen 
Lieder der Liebe und Wehmuth; sie führt mich ih den herrlichen 
Umgebüngen’ der Villa herum, und nimmt solchen ‚herzlichen An- 
theil an meinem Entzücken über diese paradiesische Welt. — Ach, 
sie ist ein’ Engel‘, ein Wesen voll hoher unendlicher Zarthtit5 wie 
fühl’ ich nicht all’ das Treiben meiner Seele verwandelt y ich fühle 
mich besser, ‚denn ihre Nähe, veredelt mich , ich fühle mich selig , 
ich darf sie ja sehen ! — Ach! ich glücklicher Mensch ! 


=, .. 


»Pillarosa, den 23. Júli. 

Gett: zez gedankt! Noch "hört man nichts vom Aufbruch ! Hoffent- 
lich. bleiben. sich die Armeen noch ‚einige Wochen lang. ganz ruhig 
gegenüber „stehen ‚‘ und’ ich darf meinen Himmel nicht verlassen. 
Nie hätt’ ich geglaubt, dass mich "die Liebe so ganz verändern 
würde! Sonst Dich mich eine ewig glübende Sehnsucht in die 
nebelnde Ferne ‚hinaus y alle meine Lust lag jn der Zukunft, und 
das’ Leben. eng mit düstern Tönen gestaltlos an. mir vorüber., Aber 
jetat | — Mein ganzes Streben bat sich gelichtet, in ihrer heiligen 
Nähe löst sich der wilde Sturm der Seele in süsse Wehmuth, Die 
Gegenwart umfasst mich mit all ihren Wohnen, und vom Hauche 
der Liebe ertönen tief In mir die Säiten eines höhern Lehens. 

‚Wie sie mich mit so’ viel ‚Güte behandeln, niemand lüsst es mich 
fühlen, wie onangenehm, wie lästig ich in meinen jetzigen Verbält- 
nissen nothwendig seyn muss.. Was sind es-für edle Menschen ; der 
Vater, mit dem ruhigen’ Blick in den Stürmen der Zeit, mit der 
hohen , ernsten‘, Ehrfurcht fordernden ‘Gestalt; und die Mutter die 
nur im Kreis der Jhrigen lebt, und die alles da mit so inniger , 
hoher Liebe umfasst! Ach! und Magdalene! Der hat nie gefühlt , 
was im Leben Heiliges und Göttliches ist, der nicht in ihrem Engels- 
Auge das Aufglühn einer höhern Vollendung sah, der nicht von 
dieser Reinen mit tiefer S-ligkeit sein Knie beugte ! 


H 


4160 VERMISCHTE GEDICHTE 


i Villarosa, den 25. Juli, 


Sie hat einen Bruder, den sie ausserordentlich lieb ; er ist wegen 
eines Duells ausgetrelen,, und sie wissen kaum bestimmte Nachright 
von seinem jetzigen Aufenthalt. Das ist die Ursache ihrer Schwer- 
muth, denn sie hängt an diesem Bruder mit einer Liebe, einer 
Zärtlichkeit, die ganz ihrem schönen Herzen eigen ist, Wie sie. mir 
, Nas mit all dem Ausdruck eines’innigen, tiefen Schmerzes erzählte, 
wie ihr die Thränen in die Augen traten, ach, ich kann dir nicht 
sagen, was mich diese Erzühlung angegriffen hät, Es gibt 'wöhl kein 
. Verhältniss im ganzen menschlichen. Leben, wo sich die Zartheit und, 
Hoheit der Seele deutlicher aussprechen können , als_im Schmerz , 
ünd ces ist unmöglich, dass’es etwas Rührenderes und Begeisternderes 
gäbe, als die schönen Thränen in den schönen Augen solch eines 
Mädchens, Ich sagte ihr das, und sie fühlte, dass ich ihr nicht 
blos schmeieheln wollte. Sanft drückte sie mir die Hand, die ich 
An der Begeistrung ergriffen hatte, erhob sich schnell, und sagte 
beem Forteilen: .« Ich glaube, Wöldemar, Sie sind ein guter 
Mensch, e — Ach, du kannst-die Himmels-Töne dieser Wortg nicht 
ahnen ! Lange-stand ich, und sah ihr starr nach. Dann zog mich’s 
nieder, und ‘ich musste das Gras këssen, das sie im. leichten 
Schweben berührte.‘ — Du nennst mich ein Kind , Gustay.! Ja, Ach 
bin eg wohl, aber ein glückliches.‘ Des Abends lieg ich solange 
im Fenster, ‘als ich bey ihr Licht bemerke ; denn -da sie auf dem 
rechten urd.ich auf dem linken Seitenflügel der Villa wohne, ‘kafin 
ich recht-gut in ihr Zimmer schen, So steh ich oft Stunden lang , 
und‘ sche dem- Flackern. des Lichts zu, bis ès verläscht, Dann èr- 
greiff” ich meine Guitarfe , und meine Klärrge verhällen ‚sehnsuchts- 
voll. in "der heitern Mormdnacht , die unter Italiens Himmel wie, der 
Geist des Ewigen göttlich still auf der Erde. liegt. Kännst du wohl 
die Seligkeit fassen, die mich dann in vollen Tönen umschwebt ? 
Hast du ein Ideal’ in’ deiner Brust für diese Wonnen ? Gustav, Gus- 
táv, mir hatten sie. nie geahndet! - 2 ` 


ei / 2% ‚Pillarosa den 29. Juli. 

‘O , dass ich nicht im deine Arme fliegen kann , dass ich nicht an 
deinem Bender Herzen - weinen darf aus hoher, uneñdlicher Wonne , 
dass ich es allein tragen soll, dieses Uebermaas glühender Freuden I 
Ach, mein armes Herz kann die Gewalt dieses Hochgefühls nicht fas- 
sen, es muss brechen. Gustav! Sie ist mein! Aus ihrem zitternden 
‘Munde bebte das Geständniss ihrer Liebe, sie lag an meiner Brust , 


D 


UND ERZÄHLUNGEN. 161 


und brennend glühende Küsse durfte ich aufihre Lippen’ drücken, — 
Wir sassen beyde schweigend,und in süssen Träumen versunken auf 
der Terrasse. Eben ging die Sonne hinter dem Berge unter, und in 
der Ferne zog eine Schaar der Unsrigen vorbey , und die scheiden- 
den Strahlen vergoldeten noch die blinkenden Gewehre der Reiter. 
Da sprach’s in mir wie Geisterstimme: Du kehrst nicht heim, und tiefe 
Schwermutk ergriff mich. Magdalene bemerkte bald mein Gefühl , 
und fragte mich theilnehmend, was mir sey? Ich nannte ihr meine 
Ahndung. Würden sie mir eine Thräne weihn ? setzte ich hinzu und 
ergriff ihre Hand, Sie zitterte heftig, und blickte mich schmerzlich 
mit Thränen im Auge an, Und ich hielt mich nicht länger, ich 
warf mich zu ihren Füssen nieder, Magdalene , gef ich, ich vermag’s 
nicht zu schweigen, ich liebe Sie! — Da sank sie tief erschüttert 
ia meine Arme, und unste Lippen besiegelten den’ heiligen Bund, 
Und als wir uns endlich wiederfanden aus dem glühenden Taumel 
unsrer Seelen, wie fühlte ich mich jetzt! Schon lag die Dämmerupg 
auf der Erde , und wiegte die Welt in süssem Schlummer, aber mir 
glühte- in der Brust ein ewiger Tag, der Morgen meiner Seligkeit 
war angebrochen. Ach, und wie anders war jetzt meine Magdalene ! 
Sie stand verklärter vor mir , der Geist eines höhern Lebens schwebte 
um sie, der Ausdruck der heglückten Liebe floss um ihr Antlitz wie 
der Nimbus einer Heiligen. Erst war sie mir die vollendete Jung- 
frau, jetzt stand sie vor mir wie der Seraph einer bessern Welt, dan 
Schüchterne, Mädchenhafte hat sich im Bewuästseyn der ewigen Liebe 
zu einem heiligen Vertrauen auf die eigne Seelenkraft verwandelt, 

Noch hab’ ich nicht mit den Eltern gesprochen , aber ich hoffe, 
s.e werden unser Glück nicht vernichten wollen. Sie hängen ja an 
Magdalenen mit einer solchen Zärtlichkeit, dass sie gewiss ihren Him- 
mel nicht trüben werden, Gustav, wenn du noch nie jene seligen 
Minuten gelebt hast , wo die Liebe zwey Herzen in glühendem Taumel 
dahin reisst , und in die höchste Erdenseligkeit taucht, wenn dir noch 
nie das Götterwort , ich liebe dich, von geliebten Lippen erklang, 
so kannst du die Unendlichkeit des Gefühls nicht fassen, dieses Göt- 
tergefühls der beglückten Liebe, 


Yillarosa , den i, August. 


Theile meine Seligkeit mit mir, treuer Gustav! Sieist mein, mein 
durch die Stimme ihres eignen Herzens, mein durch das Wort der 
Eltern. Sie haben nichts wider mich, sie nehmen mich , den Fremd- 
ling in den schönen Kreis ihrer Lieben auf, die Edlen, die Trefi- 
chen! Voreint sich vicht alles, meine schönsten Wünsche , noch eke 


4162 VERMISCHTE GEDICHTE 


ich sie gewagt, zu erfüllen ? Tritt nicht alles in diesem gewaltigen 
Sturm der Zeit freundlich zusammen , um den Frieden in meiner Brust 
ewig fest zu begründen ? — 

Ich habe-ihnen alle meine Verhältnisse entdeckt wie ich nur aus 
lediger Kampflust diesen Feldzug mitmache , wie ich nach Endigung 
desselben meinen Abscheid’ nehmen , meine Güter in Böhmen verkau- 
fen , und nach meinem; glücklichen Italien zurückkehren wolle , um 
dann nur Magdalenen und den schönen Pflichten der kindlichen Liebe 
zu leben ; alles sagte ich.ihnen, und sie fühlten, dass ich Magdale- 
nen wenigtens nicht unglücklieh machen würde. Ich musste aber 
auf schnelle Entscheidung dringen , da ich alle Augenblicke Befehl 
zum Aufbruch erwartete ; so gaben sie uns endlich ihren Segen , und 
die höchste Erdenseligkeit.durchglühte vier glückliche Menschen, — 
Gustav! als mir der Vater Magdalenen zuführte, als er zu mir sprach: 
«Nimm sie hin, die Freude meines Lebens, und mache sie glück- 
lich, »- als sie mir in die Arme sank, und der Kuss des Bundes in.der 
heiligen Nähe der Eltern auf unsern Lippen glühte-, da verging ich 
fast in hoher unendlicher Wonne , alle Engel des Himmels stiegen 
herab:in meine Seele., uud zogen ein bezauberndes Eden zu mir nieder, 
Glühend schwelgte ich. Im der Fülle meiner Ideale, die jetzt in schö- 
ner Wirklichkeit: in dem Kreis meines Lebens aufblüthen. Gustav ! 
dieser Seligkeit bin ich nicht gewachsen, 


SIE 
Villarosa. 


Freund ‚welche paradiesische Tage verleb' ich jetzt in dem Kreis 
meiner Lieben! Vater und Mutter suchen alles auf, um ihre herz- 
liche Liebe dem neuen Sohn zu beweisen , und Magdalene lebt nur 
für mich. Wir. sind den gazen Tag zusammen, und ich sehe, wie 
mein süsses Mädchen immer mehr und mehr Reize ihrer schönen 
edlen Seele entwickelt. Von ihrer Musik hab’ ich dir schon erzählt; 
sie freut sich recht innig darauf, dass wir dann, wenn Bruder Camillo 
wiederkommt, unsre Uebungen vollstimmig unternehmen können, 
Camillo soll einen schönen, kräftigen Tenor singen und dann können 
wir schon manches Terzett besetzen, Ich bin recht begierig auf 
meinen Schwager, Sie hängen alle mit so grosser Liebe an ihm , dass 
es jeden rühren muss, wenn sie an seine Abwesenheit erinnert wer- 
den, und das ist kaum zu vermeiden, denn überall gibt es Berüh- 
rungs-Punkte mit ihm , überall fehlt er ihnen ; sie erzählen alle so gern 
von Camillo, und er mag recht brav seyn; ich denke mir ihn als 
einen wackern Jungen voll Geist, Willen und Kraft, stark an Kör- 
per und Seele, ein jugendlich stolzer Athlet, — 

Ausser dass Magdalene singt und spielt , zeichnet sie auch herrlich; 
Es macht ihr unendliche Freude , Skizzen historischer Gemählde zu 


UND ERZABLUNGEN 165 


eniwerfen, und sie hat in dem Mechanischen dabey schon eine bedeu- 
tende Fertigkeit erlangt. Vor kurzem hat sie eben die Scene, wo 
Horatia ihren Bruder als Sieger und Mörder ihres Geliebten erblickt, 
gezeichnet. Der Ausdruck des Mädchen-Gesichts , wo der Kampf der 
innersten Gefühle so deutlich sich ausspricht , ist ihr ganz herrlich 
gelungen. Mich hat die Zeichnung innig bewegt und die einfachen 
Formen haben einen tiefen Eindruck auf mich gemacht, Du hättest 
sie hören sollen wie sie so schön über die Skizze sprach, und 
sich so deutlich in Horatiens Lage hinein denken konnte, Sie 
klagt nieht den Mörder ihres Vermählten, sie klagt das eiserne 
Schicksal an, denn ihr Bruder musste als Römer siegen, und 
nicht Horatius, nein , Rom stiess das Schwert in die geliebte Brust, — 
Jetzt arbeitet Magdalene aus dem Gedächtniss an einem Bild ihres 
Bruders für mich, Die Eltern sagen , es würde unendlich ähnlich , so 
lebendig trägt sie die Erinnerung an ihn in ihrer Seele; ich soll es 
nicht eher , als wenn es vollendet ist, zu sehen bekommen. — Gus- 
tav, welch eine ewige Kette von schönen himmlischen Freuden ünd 
Liebesfesten wird meine Zukunft seyn. Wie wird mein süsses, liebli- 
ches Mädchen mitt all ihren schönen Talenten unsern freundlichen 
Kreis verherrlichen , Tage werd’ ich leben , die ich mit keinen Schät- 
zen der Welt vertauschen möchte! — Es ist doch ein seliges Gefühl 
wenn aus den Stürmen des Meeres das Schiff mit vollen Segeln in 
den sichern Hafen treibt, wenn man mit der Ahndung der höchsten 
Erdenseligkeit dem schönen Morgenroth der Liebe entgegen fliegt. 
Gustav , mein Tag ist angebrochen, 


D 


Villarosa , den 4. August. 


Was ich längst fürchtete , ist gesehn ! Ich muss mich trennen, ich 
muss meine süsse Magdulene verlassen. Heute früh erhielt ich Be- 
fehl, mich morgen mit Tages Anbruch zwey Stunden weit zurück zu 
ziehn ; der Feind soll näher rücken, und man will ihn wahrschein- 
lich in einer vortheilhaßern Stellung auf den Höhen von C,.... 
erwarten,‘ Ach, der ganze Krieg, an dem.ich sonst so voll, Begeiste- 
rung bing , ist mir jetzt fast unausstehlich. Der Gedanke, ich könnte 
Magdalenen verlieren, macht mich in dem Tiefsten meiner Seele 
schaudern,, und eine finstre Ahudung webt sich in meine Träume, 
Wenn es nur vorwärts ging, aber rückwärts, wo ich dann Villorosa 
und alles, was mir auf Erden das Theuerste ist, in feindlicher Ge- 
walt weiss, das könnte mich rasend machen! — Ich bin keine von 
den starken Seelen, die alles ertragen können; wagen kann ich 
alles, aber mein Ziel durch Vulden zu erreichen , dazu fehlt mir die 
Kraft! Wie verhasst wird mir jeder Augenblick seyn, wo ich mein 
süsses holdes Mädchen nicht an das stürmische Herz drückeu darf! 


164 VERNISGHTE GEDICHTE 


Ach , ich bin der alte Woldemar nicht mehr. Kaum fühl’ ich Muth 
in mir, des Abschieds Qualen zu ertragen, Vor diesem Gefühl des 
Schmerzes fällt das stolze Bewusststeyn der Manneskraft, 


ann wur 


Riccardino, den 7. August, 


Lass mich schweigen , Gustav, von der Stunde-der Trennung , lass 
mich schweigen von Magdalenens Thränen , von meiner Qual, von 
ihren letzten Küssen, — Ich folgte meiner Ordre , und stehe nun 
seit 3 Tagen in Riccardino. Es war für mich ein süsser Trost , dass 
ich aus dem einen Fenster meines neuen Quartiers mein geliebtes 
Villarosa sehen kann , wo meine Geliebten hausen } An diesem Fen- 
ster lieg’ ich unaufhörlich, und die unendliche Sehnsucht möchte 
mir fast die Brust zersprengen! — Ist mir doch alles so leer om 
mich, selbst das laute Getimmel des Kriegs — denn es wird leben- 
dig um uns, und mehrere Regimenter liegen hier beisammen — bleibt 
ohne Bedeutung für mich. Jetzt hab’ ich nur ein Gefühl, aber ein 
glühendes , gewaltiges, das alle Schranken muthig brechen köunte ! 
— Magdalene, wie unendlich ist meine Liebe, ich begreife nicht, 
wie ich leben mag ohne dich ! 


m. 


ZWEY STUNDEN SPATER, 


Gustav, es tobt fürchterlich in mir, meine finstre Ahnung geht 
in Erfüllung! — Der General liess uns versammeln, und rief die 
Ereywilligen zum Sturm auf Villarosa auf. Die Feinde haben es be- 
setzt, und scheinen sich auf der Höhe befestigen zu wollen. Dass 
ich der erste war, der hervortrat, begreifst du, — Ich soll meine 
Magdalene aus der Gewalt der Feinde befreyen, welch ein Götter- 
gefühl für mich, aber ich soll morden lassen auf jenen friedlichen 
Fluren, und soll jene schöne Welt zerstören helfen, an der sie mit 
so inniger Liebe hängt; kann ich das? darf ich das? O Kampf der 
Pflicht! — Doch auf jeden Fall muss ich das Wagstück unterneh- 
men, so kann ich um so leichter helfen. Es wird scharf hergehn, 
Der Feind soll.nicht unbedeutend stark seyn, und mein Häufchen 
ist klein , denn es bedarf der Wackern überall, und der General kann 
nur wenige entbehren,, da sie stündlich grossen Ereignissen entgegen 
sehn — Schütze mich Gott! Pflicht und Liebe rufen mich, blutig, 
soll ich mir mein Gülck erkaufen, A 


Bersee vto 


wi G s e: 
Mes 465 
So weit Woldeimars Briefe, In einer fürchterlichen / 20 


er bald‘ mit seinen keen Schützen nach Villarosa hinauf. 
von fern sahen sie die. feindlichen’ Posten, und "che noch -Woldemar;, 
wie es sein Plan war , auf ihm wohlbekannten/Wegen durch dag Ce- 
pressenwäldehen “ünbemörkt jn ` die Nähe- des Schlosses kommen 
konnte, rückte ibn das feindlichen “Corps, das ihn entweder schon 
beobachtet hatte , oder dem ‘seit Anslchag verrathen wat, muthig ent- 
“Der Kampf begann, und Bald kam es zum -Handgemenge, 
den Woldemärs-Schützen , als wüssten sie, das sie ihrem Hauptmann 
die Braut erkämpfen Sege? "drangen fürchterlich auf die Feindeein. 
Am “wüthendsten focht der französischem Ofkzier ‚ein Jüugling von 
“hoher edler Gestalt ‚“fhchrmals- “begegneten sich Woldemar und erim 
Gefechte ‚-aber" immer wurden sie wieder getrennt. “Endlich’Könnten 
die Feitide dem heftigen  Andringen ‘der wackern Schützen nicht 
länger widersteheny sie wärfen sich ins- Schloss, und» jener 
Offizier vertheidigte den Eingang mit wüthender- Verzweiflung, als 
gält es die höchsten Güter‘ seines Lebens. ` Da stëtze Zuletzt Wol- 
demar sich mit aller Gewalt auf ihn, er musste weichen; die Schüt- 
zen draügen in’ die Villa, und Woldemar verfolgte seinen *hartnäcki- 
gen Gegner von Zimmer zu Zimmer, wo In jedem ein neuer Kampf 
begann. Woldemar rief ihm zu, sich zu ergeben , aber vergebeis ; 
statt der Anwort focht emer um so wütliender, “Bekon bluteton beyde 
aus mehreven Wunden , da wär's ‚Woldeitarn , als hörte er Magdale- 
nens Stimme in der Nähe, er rafte seine letzton Kräfte“ Zusaıhmen , 
und sein Gegner sank, von seinem Degen durchbohft, zu 
In diesem Augenblicke stürzte. Magdalene mit ihrem vw iit- 2 
schreyend in% Zimmer, und mit dem Ausruf, e Bruder, unglück- * 
lieher‘ Bruder!” st sie leblos neben ` dem. Gefallnen nieder. " Da 
Auröhbebte Woldemarn die fürchterlicliste Verzweiflung, er stand wie 
vernichtet von- ‘dem Blutgedanken des . Brudermordes 
“Endlich erhölte sich Magdplene durch die:Hülfe der herheyei 
Leute; ihr erster "Blick fiel auf Woldemar; fiel auf den blutigen 
Degen, "und sie sanik aufs“neue Ichlos auf: die Droderleiche, Man eg 
-sie fort, und der Vater, der biss dahin ih” todtenähnlicher Erstattung 
dagestanden hatte, folgte schweigend; Woldemar blieb allein. mit 
dem fürehterlichsten Gedanken, das Glück der “Edelste ‚die er Se: 
kannt, vernichtet zu haben, Er hörte’es sicht. als. S 
die‘ Nachricht “brachte, Ai übrigen Feinde: wäert Wielie’geblieben, 
‘theils gefangen , ‚er Iatte nichts, ‚ als das eine zermalmende Gefühl und 
"überliess‘ sich seinem Schmerz; ` < Verzweiflung. — Endlich 
‘erschien der Graf, er Hatte sieh end bot” still dem Mörder 
‘seines Sohnes die Hands Da sank Woldenmr,- vom Gefühl: überwäl- 
"tigt, zu ‘seinen Füssen nieder, und benetze. ` seine Hand -mit 
Tränen. Aber der edl& Greis zog ihn an ‘seine “Brussty -und 
beyde weinten laut, und ihre Männerherzen - Brachen in."grossera 







Am Al < 


166 VERMISCHTE GEDICHTE 


unendlichem Schmerz.. Als sich endlich der Gral wieder gefasst 
hatte, erzählte er Woldemarn, wie sein Sohn Camillo unter 
der französischen Armee, nachdem er ‘wegen des Duells austreten 
musste Dienste -genommen , und vor einigen Tagen sie überrascht 
habe,- Er erwähnte auch , wie Magdalene dem -geliebten Bruder vom 
ihtem Woldemar erzählt habe., und wie sich Jener gefreut , den Freund 
seiner Schwester kennen zu lernen, und zu lieben, Wie zerriss das 
Woldemar’s-Herz | er räs’te fürchterlich ,-und der Graf musste. ihm 
den Degen -aus der Hand winden , mit dem er seinen Sohmerz enden 
wollte, . Aber jetzt würden beyde auf das ängstliche Hin- und Herlau- 
fen aufmerksam , und sie ahndeten mit Recht ein neues Unglück ! 
Ach 1 Magdalene , deren zarten -Nervenbau diese fürchterliche Scene 
zu. heftig angegriffen hätte , lag im Sterben, Da stieg Woldemar's 
Verzweiflung aufs höchste, er beschwor den Grafen ,.nuf ooch eiñ- 
mal.müsse er Magdalenen sehn , wenn er nicht sich und das Schick- 
sal aus’ tiefer Seele verfluchen solle, er warf sich zu seinen Füssen 
nieder, und tief erschüttert giog der gebeugte "Vater hinweg; dem 
Unglücklichen nicht die letzte Gunst zu versagen. Magdalene , deren 
Herz noch zwischen Liebe und Abscheu kämpfte, war schwer zu be- 
reden ‚ den Mörder ihres -Bruders wieder zu sehn aber ilire schöne 
Segles, ‚der Verklärung ‘so nahe, überwand den unendlichen 
Sohmerz , es siegte die. unendliche Liebe. Ueber jengs Wieder- 
sehn fand sich- noch bey Wuldemar das Fragment eies Pricfes an 
Gustav, Hier- ist est. e f 


mansn ann 


Gustav! ich bin vernichtet, das Glück dreyer Engel. abe ich 
gemordet, Blutschuld. liegt schwer auf mir und Verzweiflüng tobt 
in meinen Adern. Güstav| veffluche mich! .Fürehterlich” stürmen 
o mir die Bilder. der vergangneit Zeit , sie werden mich noch rasend: 
machen, -walinsinnig bin ich schon! Noch einmal hab’ sig gesih.n , 
diese- Heilige, deren Himmel ich zertrümmert. habe, noch einmäl 
blickte- sie mich mt all dem Ausdruck der alten Liebe an, und 
tief sanft: a Woldemar;, ich vergebe dir!» Das zerknirschte mich 
Get, «»Ich- sank zu ihreri Füssen nieder, da erhob sie sich mit der 
fetzten- Kraft, um mich an ihre treue Brust zu ziehen., und sank 
todt An meine Arme. Gustav! Gustav! Es reisst’ mich ihr nach; 
Am «nach. stñrzt- mich meine .Verzweiflung. Sie hat mir vergeben, 
das-helde himmlische Wesen , aber ich — vergebe mir micht, ich 
muss mich opfer; und nur durch: Blut, durch mein Blut nur kann 
ich de Schuld: von meinem Herzen wälzen. “Leb wohl!’ Ich darf 
mit meinem- Schtkeal nicht rechten, ich habe meine Freuden selbst 
‚gemordet.- Leb. wohl! du treue Bruderscele, Gott ist barmherzig, er 
wird mich steiben‘ lassen! ; 


UND ERZABLUNGEN, 467 


‚ Sein letzter Wunsch würde ihm gewährt, Jenes “kleine' Gefecht 
war das Vorspiel einer - entscheidenden Schlacht gewesen, und der 
Tag darauf sah die beyden Heere im fürehterlichen Kampfgetümmel. 
Woldemar focht wie ein Verzweifelnder, er stürzte sich tief im die 
feindlichen Schaaren , öuchte den Tod ‚-und Tand ‘ihn. ‘Von urzähli- 
Chen Bajonettenstichen durchbohrt sank er im Gedräuge der Schlacht, 
und sein letztes Wort war Magdalene. — Allè, die. ihn’ gekannt, 
beweinten in ihm einen treuen Freund, "einen wackern Kanipfge- 
nossen , und eiñen edeln Menschen. Er wurde im’ Familienbegräb- 
nisse zu- Villarosa neben Magdalenen beygesetit, Ruhe sèy mit ‘seiner 
Asche! ` " 8 Y 


Pr i 
DIE HARFE, 
: f e Z e Re 
ÉIN BAJTRAG:ZUM’GEİSTERGLAUS EJ 


D 


Da Sekretär lebte mit seinem jungen Weibthen nock in den 


“Frühlingstagen. der » Flitterzeit. Nicht Rücksichten-, "micht vorüber- 


gehende Neigung. hatte sie ver&inigt, ‘nein, glühende od durch 
larige Zeit geprüfte Liebe war das Siegel ihres Bundes gewesen. 

Früh scho hatten sie‘ sich kennen’ gelernt , “aber "Sellners verscho- 
bene Anstellung zwäng ihn ,-das Ziel seines Wunsches immer weiter 
hinauszuschieben. — «Endlich erhielt er sein Patent, und den Sonn- 
tag darauf führte er sein treues- Mädchen als Frau in’ die ngue Woh- 
nung ein, Nach den langen, zwangvollen Fagen der Begrüssungen 
und Familienfeste , konnten, sie endlich die schönen Abende, von 
Keinem Dritten gestört, in traulicher Einsamkeit geniessen, Plane 
zum künftigen Leben , Sellners Flötte und Josephens Harfe füllten 
diese Stunden aus,, die nur zu kurz den Liebenden. verschwanden; 
und der tiefe Einklang in ihren Tönen war ihnen eine freundliche 
Vorbedeutung künftiger Tage. Eines Abends hatten sie sich. lange 
‚mit ihrer Musik erfreut, als Josephe anfing , über. Kopfweh'zu kla- 
gen. Sie: hatte einen Anfall. am Morgen dem besorgten Gatten 
verschwiegen, und ein erst wohl unbedeutendes Fieber war durch 
die ‚Begeisterang der Musik. und durch die Anstrengung der Sinne 
um so mehr gewachsen, da sie von Jügend auf on schwachen 
Nerven .litt, Sie. verbarg es ihrem Mann: nicht länger p. und ängst- 
lich schickte Sellner' nach, einem Arte, Er kam, bihindelte : aber 
die Sache als Kleinigkeit , und: versprach:für Morgen: gänzliche Be. 


468. VERMISCHTE -GEDICHTE 


setung, Aber nach einer äusserst unfuhigen Nacht, wo sie ubauf-" 
‚hörlich phantasirte, fand den Arzt die arme Josephe in einem Zu- 
stande ,, der alle Symptome. eines bedeutenden Nervenfitbers hatte, 
Er wendete alle Mittel an, doch Jpsephens Kraiikheit verschli 

sich. täglich, Sellner war ‚ausser sich@%Aur veuuten Tag fühlte Josephe 
selbst, dass ihr schwache | Nervenbau_ diese Krankheit nicht ‚länger 
ertragen würde ; der. -Arzt hatte es Sellnern schon „früher. gesägt 

Sie ahnte ` ihre le tunde sey, gekommen , und mit ruhiger‘ cf 
bung erwartete sie hicksal, sLieber Eduard ` spriech sie- zu 
ihfern Manne, indem sie ihn zum "letztenmäl -an ihre Brust zeg. 
«mit. tiefer Wehmüth; scheide ich von dieser schönen Erde ; wo ich 
dich und. holie Seligkeit an deinem Herzen fand , aber darf ich auch 
nicht, länger” in. deineü Armen. glücklich seyn, ap ‚soll dich doch 
Josephens vr. wg treuer Genius umschweben , bis wir uns oben . 
wiedersehn! » ®ls sie dies gesprochen hatte, sank sie zurück‘, "und 
schlummerte sanft hinüber. . Es war um die .neünte Stunde, des 
Abends, — Was Sellner litt, war ‚wnaussprechlich ;. -er kämpfe lange 
mt dem Leben, der Schmerz hatte seine Gesundheit zerstört, und 
wenn er auch nach wochenlangem Krankenlager wieder aufstand, so 
war duch keine Jugendkraft mehr ‚in seinen Gliedern , er versink in 
ein dumpfeus Hinbrüten‘, und verwelkte agehscheinlich, Tiefe - 
Schwermüth war an die Stelle der Verzweiflung getreten, und ein 
stiller Schmerz ‚heiligte alle Erinnerungen- der Geliebten, Ee: hatte 
Josephens Zimmer in. demselben Zustande gelassen ‚- als-es vor ihrem 
T mr, Auf dem Nählisch lag noch Arbeitszeug, ‚und‘ die Harfe 
rühig und unangetastest np der Ecke, Alle Abende wallfahrtete 
in. dieses Heiligthum seiher Liebe , ‚lm ‚seine Flötte mit 
r „lehnte sich, wie in. den Zeiten seines Glücks an’s: Fenster, 
und dëse in die traurigen Töne ‚seine Sehnsucht nách dem ge- 
liehten Schatten, — Einst-stand' es so in seinen Phäntasien verloren in 
Josephenz Zimmer. ` ‚Eine helle Mondnacht wehte ihn -Ans den offen 
Fenstern an, nnd-vom nahen Schlossthrum“ Viet der Wächter die neunte 
Stünde ab auf einmal die Harfe zu seinen Tönen; wie yon lei- " 
sem 6 f berührt. Wunderbar überrascht liess er seine Flöte 
schẸeigen , und mit ihr verstummte auch der Harfenklang. Ee fing nun 
hit tiefem Beben Josephens Lieblingslied an , und immer lauter ünd’ 

und kräftiger töitten die Saiten seinen Melodien, ind im höchsten 

= verwebten sich die Töne, Da sank er-im freudigen Schauer 
‚auf die ` Erde, und breitete Arme aus, den. geliebten Schatten zu 
nmfängen , we plötzlich fühlte er sich wie von warmer Frühlings- 
luft ‚angehaucht, und ein blasses schimmerndes Licht flog an ihm 
vorüber. 'Glühend begeistert rief er, -sich erkenne -dich heiliger 
Schatten. iner. verklärten Josephe. Du‘ versprachst , mit deiner 
Liebe zu umschweben , du bast Wort gehalten, ich fühle den 
Hauch , die Kë zt meinen Lippen., ich fühle mich von deiner 


` 






= 


UND ERZAHLUNGEN. ` A69 


Verklärung umarmt,» — In tiefer Seligkeit ergif er die Flöte von 
neuem, und die Harfe tönte wieder, aber immer leiser, immer 
leiser, bis sich ihr Flüstern in langen Accorden auflöste, — Sellners 
ganze Lebenskraft war gewaltig aufgeregt durch die Geisterbegrüs- 
sung dieses Abends, unruhig warf er sich aufs Lager, und in allen 
seinen erhitzten Träumen rief ihm das Flüstern der Harfe, Spät, und 
ermattet von den Phantasien der Nacht, erwachte er, fühlte sein 
ganzen Wesen wunderbar ergriffen, und eine Stimmung ward leben- 
dig in ihm, die ihm Ahndung einer baldigen Auflösung war, und 
auf den Sieg der Seele über den Körper hindeutete. Mit unendlicher 
Sehnsucht erwartete er den Abend, und brachte ihn mit gläubiger 
Hoffnung in Josephens Zimmer zu, Es war ihm schon gelungen, 
sich durch seine Flötte in stille Träume za wiegen, als die neunte 
Stunde schlug, und kaum hatte der letzte Glockenschlag ausgezit- 
tert, so begann die Harfe wieder leis zu tönen, bis sie endlich in 
vollen Aceorden bebte. Wie seine Flöte schwier, verstummten die 
Geistertöne, das blasse schimmernde Licht flog auch heute an ihm 
vorüber , und in seiner Seligkeit konnte er nichts hervorbringen , als 
die Worte: «Josephe! Josephe! nimm mich an deine treue Brust !» — 
Auch diesmal nahm die Harfe mit leisen Tönen Abschied, bis sich 
ihr Flüstern wieder in langen zitternden Accorden verlor. — Von 
dem Ereigniss des Abends noch gewaltiger angegriffen , als das erste- 
mal, wankte Sellner in sein Zimmer zurück, Sein treuer Diener 
erschrack über das Aussehn seines Herrn, uud eilte trotz des Ver- 
bots zu dem Arzte, der zugleich Sellners alter Freund war. Di 

fand ihn im hefügsten Fieberanfall, mit den nämlichen Sm 
wie damals bey Josephen , aber um vieles stärker. Das Fieber wer- 
mehrte sich die Nacht hindurch bedeuterd, während er unaufhör- 
lich von Josephen und der Harfe pbantasirte. Am Morgen ward er 
ruhiger, denn der Kampf war vorüber und er fühlte seine nahe 
Auflösung immer deutlicher, obgleich der Arzt nichts davon wissen 
wollte. Der Kranke entdeckte dem Freunde , was die beyden Abende 
vorgefallen war, und keine Einrede des kaltverständi Mannes 
konnte ihn von seiner Meynung abbringen, Wie der Abend heran- 
kam, ward er immer matter, und bat zuletzt mit zitternder Stimme , 
man möge ihn in Josephens Zimmer bringen, Es geschah, Mit 
unendlicher Heiterkeit blickte er umher , begrüsste noch jede schöne 
Erinnerung mit stillen Thränen, und sprach gefasst, aber fest über- 
zeugt von der neunten Stunde , als der Zeit seines Todes, Der ent- 
scheidende Augenblick nahte heran, er liess alle hinaus gehen, 
nachdem er ihnen Lebewohl gesagt, bis auf den Arzt, der durchaus 
bleiben wollte. Da rief die neunte Stunde endlich dumpf vom 
Schlossthurme nieder, und Sellners Gesicht verklärte sich, eine tiefe 
Bewegung glühte noch einmal auf dem blassen, Antlitze. « Josephe lo 


15 


470 ` VERMISCHTE GEDICHTE 


rief er wie von Gott ergriffen, «Josephe!» begrüsse mieh noch 
einmal beym Scheiden, dass ich dich nah weiss, und den Tod mit 
deiner Liebe überwinde! — Da klangen die Saiten der Harfe wun- 
derbar in lauten herrlichen Accorden wie Siegeslieder, und um den 
Sterbenden wehte ein schimmerndes Licht, «Ich komme! ich 
komme !» rief er, sank zurück, und kämpfte mit dem Leben, Immer 
leiser und leiser klangen die Harfentöne, da warf die letzte Körper- 
kraft Selluern noch einmal gewaltig auf, und als er vollendete, 
sprangen auf einmal die Saiten der Harfe wie von Geisterhand zer- 
rissen., — Der Arzt bebte heftig zusammen , drückte dem Verklärten,, 
der nun trotz dem Kampfe wie im leisen Schlummer da lag, die 
Augen zu, und verliess in tiefer Bewegung das Haus. Lange konnte 
er das Andenken dieser Stunde nicht aus seinem Herzen bringen, 
und tiefes Stillschweigen lies er über die letzten Augenblicke seines 
Freundes walten, bis er endlich in einer freyern Stimmung einigen 
Freunden die Begebenheiten jenes Abends mittheilte, und zugleich 
die Harfe zeigte, die er sich als Vermächtniss des Verstorbenen 
zugeeignet halte, 





HI. 


NACHLESE 


ZU DEN 


VERMISCHTEN 


GEDICHTEN UND ERZÄHLUNGEN. 





BRUTUS ABSCHIED, 


PORCIA, 


Sioizer Brutus , kannst du von mir scheiden , 
Fesseln nimmer dich der Liebe Freuden ? 
Rastlos treibt’s dich von der Gattin Brust, 
Wohl ist dirs wenn Heere sich umarmen , 
Wenn die Schwerter blutigroth erwarmen ; 
Und das Mordgeschrey ist deine Lust. 


UND ERZAHLUNGEN. 1 


BRUTUS, 


Weib! mir ist kein friedlich Glück beschieden , 
Helden kann ich, Sclaven nicht gebieten , 
Furchtbar jagt's mich in die Lanzenschlacht , 
Und den kühnen Pfad zum fernen Ziele 

Bahn’ ich sicher mir durch’s Mordgewühle , 
Sicher durch des Kampfes eh’rne Nacht. . 


PORCIA, 


Und nicht weinen soll ich um den Gatten ! 
Fechtend stürzt er in das Reich der Schatten , 
An die Seinen denkt er nicht zurück. 
Unterliegt er auch des Schicksals Mächten, 
Freyheit strahlt ihm in des Todes Nächten , 
Und im Kampf zu sterben ist sein Glück, 


BRUTUS. 


Porcia! Wohl denk’ ich an die Meinen, 

Doch nicht klagen kann der Mann, nicht weinen, 
Kämpfen muss er, wie das Herz gebeut, 

Bricht die Welt auch unter ihm zusammen, 

Speyt der Hades seine gift’'gen Flammen 

Er steht felsenfest im Männerstreit, 


PORCIA, 


Wenn du fällst, wer soll die Gattin retten ? 
Wer erlös't sie aus verhassten Ketten , 

Wenn der Feind den Siegeslorbeer bricht ? 
Denn zum Dulden ist das Weib geschafen, 
Doch der Mann, der Starke, zu den Waffen; 
Lieben nur, verderben kann ich nicht, 


BRUTUS, 


Nicht das Leben darf der Mann erwägen, 
Seinem Schicksal tritt er kühn entgegen, 
Und besonnen schreitet er zum Mord, 

Sind mir tausend Dolche auch geschliffen , 
Freyheitstaumel hat das Herz ergriffen , 
Und mit Sturmes Brausen trägt’s mich fort. 


PORCIA, 


Horch! Schon naht der Tod sich Roma’s Söhnen, 
Wie der Cymbel und Posaune Tönen , 


172 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Jede (Qual in dieser Brust erweckt! 

Mir ersteht ein Bild in blut’gen Träumen, 

Und dich seh’ ich auf des Schlachtfelds Räumen 
Von dem eignen Schwerte hingestreckt. 


BRUTUS, 


Hoffe standhafft , bis die Adler sinken, 

Bis die Felder unser Herzblut trinken , 

Und die Tyranney die Schranken bricht. 

Nicht der Ruhm , das Glück nur kann sich wenden ! 
Stolze Römerin , du weist zu enden! 

Brutus überlebt die Freyheit nicht! 


DER MORGEN DES GLAUBENS. 


Ein Jüngling stand auf Berges Höh’, 

Ihm schlug das Herz so wonnig und weh, 
Allein im nächtlichen Grausen, 

Und schüchtern umfing er die felsige Wand; 
Denn Wolken drohten am Himmelsrand , 
Gejagt von des Sturmwindes Brausen, 


Da zogen die Wolken abendwärts , 

Und freyer schlug ihm das zagende Herz 
In des Lichtes blassem Geflimmer , 

Und heller wird es im Himmelsraum, 
Und von der Sterne goldnem Saum, 
Erzittert der bläuliche Schimmer. 


Und der Jüngling spricht das jammernde Wort: 
a Wohin , ihr Funken, was zieht ihr fort ? 

s Und bleibt ihr mir ewig so ferne ? 

«Ach, kalt und erblassend ist euer Licht, 

« Erwärmt den starrenden Busen nicht , 
«Erbarmt euch, "ihr liebenden Sterne !» 


Doch schnell erbleicht die goldne Pracht , 
Die Sterne sinken zur düstern Nacht, 

Es mischt sich das Licht mit dem Dunkel ; 
Da klimmen fern durch der Dünste Flor 
Hinter den Bergen die Strahlen empor, 
Wie Frühlingsgluth und Karfunkel, * 


UND ERZAHLUNGEN. 475 


«Ihr Strahlen, ihr Strahlen, wo kommt ihr her, 
«In der Brust ist’s so kalt, in der Brust ist’s so leer 
«O! senkt eure Gluthen mir nieder! 

«Der Morgen der ew’gen Liebe graut, 

«Und glühend erhebt sich die Himmelsbraut , 

sUnd erquickt sind die starrenden Glieder, 


«Hoch hebt sich im Taumel der Wonne die Brust, 
a Und das Herz zerfliesst in heiliger Lust,» — 

Und er stürzt mit frommer Geberde 

Zum Staube, und in der goldnen Gluth 

Mahlt purpurroth sich vom göttlichen Blut 

Der Name: Heiland der Erde! 


PROLOG ZU EINER DRAMATISCHEN BEHANDLUNG DES 
CONRADINS VON SCHWABEN. 


Der Vorhang geht auf, man sieht eine freundliche Gegend! es ist 
Morgen und alles deutet auf Frühling und Kindheit. Da tritt 
der Sänger mit der Harfe hervor, präludirt fröhlich und 
spricht? j 


E: graut der Tag, die Nebel sind zerronnen, 
Im Morgenlicht lös’t sich die Dämmerung. 

Des Tages heitre Lust ist neu gewonnen, 

Die Wiese glänzt im zarten Frülingsprunk 

Am frühen Strahl will sich die Blüthe sonnen, 
Vom Thau erquickt, ein süsser Labetrunk. 

Im leichten Spiel des Lebens zart verbunden, 

Verträumt Natur der Kindheit frohe Stunden. 


Sie ruht so hold in süsser, heil’ger Stille, 
Umsäuselt vom Geheimnisse der Nacht, 

Noch schläft die Knospe in der finstern Hülle, 
Vom leisen Strahl des Morgens angefacht. 

Doch still im Innern schwillt zur höchsten Fülle 
Des zarten Blümchens heitre Liebespracht, 

Und sanft getröstet von der Gottheit Segen, 
Sieht es dem Tag der Freyheit still entgegen, 


Rein glänzt des Himmels- zart geschmückte Bläue, 
Und spiegelt sich im klaren Wellenbad , 


174 VERMISCHTE GEDICHTE 


Und sicher in des Lebens heil’'ger Weihe 

Ergreift der Geist des Herzens muth’gen Rath 

Er regt sich fessellos in kühner Freie, . 

Lebt nur im Traume seiner künft'gen That, 

Doch mahlt er sich den Schmerz mit stiller Freude, 
Und Nacht und Tod im heitern Frühlingskleide. 


Die Gottheit lässt dem Kühnen Muth gewähren , 

Stosst ihn hinaus in die entflammte Zeit. 

Er hofft, der Glaube soll die That verklären , 

Fühlt sich zum Ungeheuersten bereit. 

Mit starrem Sinn will er die Welt bekehren , 

Er träumt von Siegen nur, von Kampf und Streit, 
Die schwache Faust will kühn das Schwert entblössen,, 
Und schnell das Räthsel seines Daseyns lösen, 


Und keine Schranken will er anerkennen, 

Die nicht der stolze Knabensinn begreift. 

Die ferne Bahn des Glücks will er durchrennen, 
Als wär’ die Kraft ihm tausendfach gehäuft, 

Er will das Mass der Zeit vom Raume trennen, 
Doch seine Blüthen sind noch nicht gereift, 
Und rückwärts schleudert ihn das ew’ge Walten: 
Die eh'rne Zeit muss ihr Gesetz erhalten, 


Dem kühnen Muthe fällt sie in die Zügel, 

Wie er sich furchtbar auch entgegen bäumt, 
Schiebt vor das Thor der Bahn gewalt'ge Riegel, 
Die er vergeblich zu zerbrechen träumt, 

Und knirschend fühlt er da des Staubes Siegel 
Auf seiner Stirn, wie sehr das Herz auch schäumt, 
Kühn wagt er da, das Letzte zu ergreifen, 

Doch nur im Sommer kann die Blüthe reifen. 


Zur künft’gen Kraft darf Jugend sich gestalten, 

Der Lenz erzeugen zu des Sommers Pracht. 

Der Morgen seine Rosengluth entfalten , 

Und zart sich ringen aus der düstern Nacht, 

Doch das Gesetz , das ew’ge muss er halten, 

Er bilde nichts aus einer fremden Macht, 

Einfach ist der Natur uralte Weise, 

Und ernst schliesst sich die Welt zum ew’gen Kreise. 


—_—in 


r 


UND ERZAHLUNGEN. A475 


DER KAMPF DER GEISTER MIT DEN BERGKNAPPEN. 


Ein Felsengewölbe. Fern sieht man den Fahrschacht und die auf- 
und niedergehenden Tonnen. Der Knappe arbeitet vor Ort, 
und der Kobold erscheint in einer Bergkluft als ein blaues 
Flämmechen. 


ERSTER BERGKNAPPE, 


Hier, bey der Lampe kargem Schein, 
Durch meines Eisens Macht, 

Gewinn’ ich froh des Erzes Stein, 

Glück auf! schallt’s durch die Felsen drein , 
Glück auf! im düstern Schacht, 


KOBOLD, 


Was kletterst du nieder gus glänzender Luft 
Zum finstern Schoosse der Erde ? 
Was suchst du in- der grausenden Kluft, 
Die des Tages Leuchte nicht klärte ? 
Halt ein , Verwegner, und.hemme den Streich , 
Denn weiter nicht dringst du ins Geisterreich. 


ERSTER BERGKNAPPE, 


Was murmelt in den Wiederhall , 
Was zu des Hammers Schlag ? 
Was rauschet in der Wasser Fall ? 
Vernahm ich nicht der Stimme Schall ? 
Wer war's, der zu mir sprach ? 


K0BOLD 


Ich bin der Kobold, des Berges Fürst, 
Mir gehören die glänzenden Funken ; 
Und wenn du mir willig nicht zollen wirst, 
So sind sie dir ewig versunken. 
Den mein sind die Schätze im grundlosen Feld’, 
Und herrschend gebiet’ ich der staunenden Welt, 


ERSTER BERGENAPPE, 


Der Kobold du? Des Berges Geist? 
Glück auf, mir ist nicht bang. 


176 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Wo sich das blaue Flämmchen weis’t 
Mit bleichem Zittern, da verheisst 
Es einen guten Gang, 


KOBOLD, 


Verwegner Knappe, zurück, zurück: 
Willst du die Burg mir bestürmen P 

Dich treibt's nach des Goldes herrlichem Blick , 
Doch rastlos will ich’s beschirmen, 

Was gräbst du zur Tiefe die felsige Bahn ? 

Dir log dein Gelüsten mit trügendem Wahn, 


ERSTER BERGKNAPPE, 


Wer ist's, der diese Arme hemmt 8 
Du zwingst nicht ihren Streich ; 

Und wer sich auch dagegen stämmt , 

Und Felsen vor den Eingang dämmt , 
Ich dring’ ins finstre Reich, 


KOBOLD, 


Tollkühner! was willst da? ein sichrer Tod, 
Er winkt dir aus schrecklichen Spalten, 

Sieh , wie er in vielfacher Bildung dir droht, 
In gräulichen Nebelgestalten ; 

Widerstehst du der Geister unsterblicher Macht , 

So wag’ es, Verwegner, zertheile die Nacht! 


ERSTER BERGKNAP?TE 


(den Schacht hinuuf' rufend.) 


Hernieder,, hernieder! 

Getreue Brüder, 

Zur grausenden Kluft, 

Aus sonniger Luft, 
Der Geist will des Eisens Gewalt überwinden , 
Drum eilt, ihr Knappen , und helft mir ihn binden, 


KOBOLD, 


(in die Klüfte rufend.) 


Geister , Geister , 
Hört den Meister ! 


UND ERZAHLUNGEN. + 477 


Hört, er ruft mit mächt’gen Worten, 
Schnell herzu , wie er gebeut. 
Durch des Erzes dunkle Pforten , 
Denn der Knappe naht zum Streit. 
Schleudert ihu mit gewalt’ger Faust 
Hin, wo der Abgrund des Todes braus’t, 
Hört den Meister , 
Geister , Geister ! 


(Während der Beschwörung sieht man mehrere Bergleute mit Gru- 
benlichtern und Gezähe den Schacht hernieder fahren.) 


CHOR DER BERGKNAPPEN, 


Glück auf, Glück auff 
Im eilenden Lauf 
Sind wir zur Stell’ 
Was willst du, Gesell ? 


ERSTER BERGKNAPPE, 


Helft mir den Kobold, den mächtigen, zwingen, 
Zu Hülfe rief er der Geister Schaar. 

Hört, wie sie nahen auf donnernden Schwingen, 
Durch die gräuliche Nacht der Gefahr, 


(Mehrere Flämmchen erscheinen im Spalte des Felsens.) 
CHOR DER GEISTER, 


Meister., Meister ! 

Hier sind die Geister. 
Gehorsam dem ernsten Zauberspruch , 
Drangen wir schnell durch den Felsenbruch ; 
Führ’ uns nun hin; wo die Stimme ruft, 
Zur steilsten Höhe, zur tiefsten Kluft, 
Nur nicht zu der Sonne strahlendem Licht, 
Denn die Augen der Geister vertragen’s nicht, 


KOBOLD. 


Stürzt euch durch des Felsen Spalten , 
Schwingt euch donnernd durch die Luft, 
Walzt mit mächtigen Gewalten 
Eine Wand vor diese Kluft, 
Hinab, hinab, die Banden sind los, 
Hinab in der Erde gebärenden Schong, 
(Die Flammen verschwinden mit Donner.) 


178 VERMISCHTE GEDICHTE 


STEIGER, 


Hört , wie sie brausen ! 
Wie Sturmwind’s Sausen 
Hallt’s im Gewölbe mit schrecklichen Tönen , 
Drum rüstet euch zum gewaltigen Streit, 
Macht euch zu blutiger Arbeit bereit, 
Wir müssen die Erde kämpfend versöhnen, 


(Die Flämmchen erscheinen aufs neue mit grossem Geräusche, und 
hinter jedem rollt ein Felsenstück.) 


CHOR DER GEISTER, 


Hier , Meister hast du Felsenmassen , 
Wir konnten sie kaum im Arme fassen, 
Die kühne Mauer , die du baust, 

Die widersteht der Knappen Faust. 


ERSTER GEIST, 


Ich bringe von allen die köstlichste Beute, 
Stolz gethürmt die metallne Wand, 
Aus der Erde tiefstem Eingeweide , 
Sie zerbricht keine menschliche Hand, 


KOBOLD, 


Thürmt sie hoch empor 
Vor das Felsenthor, 
Folget meinem Worte, 
Schliesst die steile Pforte. 
Stein auf Stein zur dunkeln Höl’, 
Mauer steh | 
Schütz’ das Reich ! 
Bändige der Knappen Streich, 


(Die Felsen werden von unsichtbaren Händen über einander ge- 
schichtet.) 


CHOR DER BERGKNAPPEN, 


Wie die Mauer sich erhebt, 

Kräftig zu der Höhe strebt! 
Wie dort tausend Felsenmassen 
Sich zum ew’gen Bund umfassen! 
Seht nur, seht, sie wächst ohn’ Ende 
Durch der Geister schnelle Hände ! 


UND ERZAHLUNGEN. 479 


STEIGER, 


Das Ungeheure müssen wir wagen, ` 

Soll uns Licht in der Finsterniss tagen , 

Alles vermag die vereinte Kraft, 

Und mit des Hammers Riesengewalten 

Können wir kühn die Mauer zerspalten , 

Die die Geister im nächtlichen Grausen geschafft, 


CHOR DER GEISTER, 


Wir haben’s vollendet , 

Der Bau ist geendet, 
Das Werk, das schreckliche, ist gethan I 
Tief in der Erde endlosen Weiten, 
Und fest im wogenden Strome der Zeiten, 
Ragt’'s durch die ewigen Felsen hinan. 


STEIGER, 


Gewaltig schliest sie die Pforte, 

Die felsengekettete Wand, 

Gehorcht dem befehlenden Worte , 
Genossen , jetzt seid mir Zur Hand ! 
Glück auf! das Fäustel geschwungen | 
Glück auf! durch die Wände gedrungen ! 


CHOR DER BERGKNAPPERN, 


Nieder mit ihr, im starken Verein, 
Stürzen wir Felsen, und dringen hinein, 


(Die Knappen arbeiten an der geschlossenen Kluft.) 
CHOR DER GEISTER, 


Hört ihr, wie die Eisen klingen ? 
Hört ihr, wie die Steine springen ? 
Schrecklich dröhnt der Wände Fall. 
Lauter schon ertönt der Hammer 

In der dunkeln Felsenkammer, 
Lauter tönt der Stimmen Schall. 


KOBOLD, 


Tollkühn sind des Berges Knechte , 7 
Dnngen in das Graus der Nächte ! 
Seht, da öffnet sich die Kluft, 


180 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Seh’ ich nicht mit zartem Flimmern 
Dort die Grubenlichter’schimmern , 
Durch die schwer beladne Luft ? 
(Die Wand -bricht.) 


STEIGER, 


Weiter klaft die Felsenhalle, 

Und die Wand naht sich zum Falle ; 
Trügen mich die Angen nicht, 

Sah ich durch des Felsen Splittern 
Schon die blauen Flämmchen zittern. 
Brüder , ja! die Mauer bricht. 


CHOR DER BERGKNAPPEN, 


Bricht die Mauer 

Ohne Schauer 
Dringen wir in’s dunkle Graus , 
Treiben kühn die Geister aus ! 
Immer hinein , immer hinein, 
Unser muss die Erde seyn. 


KOBOLD 


Geister , Geister ! Neue Felsen 
Vor das offne Thor zu wälzen, 
Neue Berge schnell herhey! 
(Die Geistor füllen die Kluft aufs neue aus.) 
So! — Doch soll des Hammers Eisen 
Meine Mauern mir zerrissen. 
(Die Wand bricht wiederum.) 
Wehe ! wehe! unsre Wände 
Stürzen durch der Knappen Hände, 
Und die Kluft ist wieder frey. 
(Die Geister weichen zurück.) 
Weicht ihr sterblichen Gewalten ? 
Drängt sie durch die Felsenspalten , 
Wenn die Wand auch treulos bricht. 
Müssen sie gewaltsam siegen ? 
Soll ich ihrer Kraft erliegen ? 
Diese Schmach ertrag’ ich nicht, 


D STEIGER 


Glück auf! Glück auf! Die Wand ist nieder ! 
Jetzt in die Schlucht, ihr wackern Brüder, 


UND ERZAHLUNGEN. 


Dort seh’ ich noch deg Kobolds Schein , 
Drum stürzt euch kämpfend hinterdrein. 
Der Knappe muss die Nacht besiegen, 
Und die Geisterwelt erliegen. 


KOBOLD, 


Wie ? Höhnend wollen sie mich unterjochen ? 
Sind alle Schranken treulog gebrochen, 
Ist die ewige Fessel des Bannes los? 
Erde! so öffne die feurigen Schlünde , 
Dass hier der Kühne den Untergang finde 
In der Mutter alles verzehrendem Schooss, 
Speye Flammen aus 
Funken sprühend,, 
Lichte das ewige Graus, 
Furehtbar glühend, 
Mutter, Mutter , spalte deine Glieder, 
Zieh’ die Frevler zu dir nieder, 
Zieh’ sie in des Abgrunds Falten ! 


aus dem Schlunde.) 
Dank ! du hast mir Wort gehalten, 


BERGKNAPPEN. 


Wehe! Wehe! Welche Gluth 
Lait um uns in wilder Runde! 
Steht die graue Geisterbrut 

Mit der Erde selbst im Bunde ? 
Mächt'ger schon zur Felsenhöhe 
Glüht das Feuer. Wehe! Wehe! 


GEISTER.. 


Der Kobold siegt im schweren Kampf, 

Seht nur, scht, wie die Flamme facht. 

Den Knappen umhüllt ein gräulicher Dampf; 

Er ‚unterliegt der höllischen Macht, 

Schrecklich gähnt der sprühende Rachen ; 

Hört ihr den Donner dort unten krachen ? 
Die Felsen splittern, die Feste wankt, 


Dass dem Mond vor des Herrn Falle bangt, 


16 


13 


(Die Erde öffnet sich, und Flammen lodern rings um đie Knappen 


182 VERMISCHTE GEDICHTE 


(Die Feen des Quelles und ihre Köningen erscheinen in der Höhe 
des Gewölbes.) 


ERSTE FEE 


Schwestern, Schwestern! Hört ihr donnern 
Unten dort im Felsenthor! 

Wie der Stimmen hobles Brausen 

Aus der Tiefe tönt empor! 


ZWEITE FEE 


Wohl vernahm ich, dunkle Laute, 
Doch mir graut’s hinein zu sehn, 


DRITTE FEBR, 


Wo vornahmt ihr’s ? Hier im Schlund, 
Schwestern, darf ich näher gehn ? 


KÖöNIGIM 


Unvorsicht'ge, bleibe, bleibe , 
Doch die ältre gehe hin, 
Forsche, was dort unten wühlet, 
Prüf’ es wohl mit klugem Sinn. 
Hüte dich vor jedem Blicke , 
Vor der Stimmen leisem Ton, 
Dass die Geister dich nicht schauen , 
Da wir ihrer Macht entflohn, 
Denn sie hielten uns gebunden 
In der Klüfte düstrer Nacht, 
Doch jetzt sind wir neu gerettet, 
Frey durch eine fremde Macht, 


(Die Fee geht weiter vorwärts.) 
STEIGER, 


Immer näher flackert die Flamme 

Im gähnenden Schlunde fürchterlich _ 

Außlodernd über dem Felsendamme, 

Und weiter spaltet der Boden sich. 
Heiland, lass uns verlassen nicht stehn, 
Nicht im Flammenmeer untergehn, 


GEISTER, 


Hinunter ! Die Felseukluft schleudre euch 
Aus des Lebens sonnigem Blüthenreich ; 


" UND ERZAHLUNGEN. 


Kein Knappe steige zur Erde nieder , 
Denn der Kobold bleibt des Berges Gebieter. 


KNAPPEN, 


Rett uns, rett' uns, enger Gott! 

Soll uns des Bösen Gewalt verderben ? 
Hör deine Knechte , Herr Zebaoth , 
Bey deines Sohnes schludlosem Sterben. 
Heil’ge Jungfrau, so hold und so süss, 
Nimm uns auf in dein Paradies, 


ERSTE FEE 


Schwestern , Schwestern! Im glühenden Dampfe 
Ward ich den feindlichen Kobold gewahr, 

Und furchtbar im grässlichen, schrecklichen Kampfe 
Seine nächtliche Geisterschaar 

Mit den Männern, durch die wir gerettet, 

Als der Geist in der Kluft uns gekettet, 

Sie lösten die Fesseln, sie machten uns frey ! 
Und sollten der Flamm’ unterliegen ? ` 

Hört ihr verschmachtend ihr Angstgeschrey , 

Die Geister, die gräulichen, siegen, 


KÖNIGIN 


Ach so sind wir aufs neue verloren, 

Sie haben- uns ewigen Groll geschworen, 

Ein Schoos zwar hat uns alle gezeugt, 

Doch Herrschsucht gebietet, und*Liebe entweicht. 

Wohl möchte der ‘Quell im Tageslicht funkeln , 

Und rauschen möcht’ er ia glänzender Luft; 

Doch sie ziehn uns nieder zur felsigen_Kluft, 

Und gleiten muss er dahin im Dunkeln , 

Versiegen wird er in ewiger Nacht, 

Denn die Geister binden die wogende Macht, 
Drum eilig, ihr Feen der Quellen , . 
Und stürzt mit den schäumenden Wellen 
Hinab in den feurigen Schlund, 

. Vereint euch im Strome zusammen , 
Und tödtet die loderaden Flammen , 
Zerreisst den schmählichen Bund, 
Vermögt ihr’s kühnlich. zu wagen, 
Der Freybeit Licht sol euch tagen, 
Und herrlich bescheinen die-Fluth. 


185 


184 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Drum daukbar den eigenen .Rettern,, 
Stürzt rauschend aus Bergeswettern 
Hernieder, und löschet die Club, 


FEEN-CHOR, 


(indem sie sich von den Höhen des Felsens in die Gluth stürzen.) 


RR 


Hinein , hinein ! 
Hört ihr die Knappen ängstlich schreyn ? 
Schwestern hinein, Schwestern hinein, 


KNAPPEN-CHOR, 


Was stürzt sich von Felsen, was braus’t und ischt ? 
Und schleudert zur Höhe den rauschenden Gischt ? 
Wär's uns Errettung vom schmählichen Tod ? 
Schimmert uus wieder des Lebens Roth ? 


GEISTER, 


Sind des Giessbachs Dämme gebrochen ! 
Stürzf sich das Meer in der Erde Raum ?* 
Hört ihr’s im Bodem furchtbar kochen ? 
Seht, wie es wallt im weisslichen Schaum ! 
Toben uns treulos die Elemente? 

Naht sich erschütternd der Welten Ende! 


FEEN, 
Seht! Es verlöschen die Flammen , 
Zerstört durch die schäumende Fluth , 
Die Felsen brechen zusammen , 
Verschliessen die furchtbare Gluth, » 
Das haben die Feen des Quelles vollbracht , 
Besiegf et ` des Kobolds feindliche Macht, 


KOBOLD, 


Fluch euch! ihr Feen, mit gleissenden Wellen 

Zerstört ihr das ewige Reich der Nacht, 

Nur wo die Kräfte vereinigt quellen, 

Ist das geheime Schloss ihter Macht. 

Doch , wo Elemente sich feindlich bekriegen , 

Da muss der Mensch, der Sterbliche siegen. 

Denn nicht das Eisen siegt und der Hammer, $ 
‚Nur ungeet Zwist, nur ‘die kämpfende Fluth, 


“Bald ziehen ie euch aus der Felsenkammer s 
` Und dos durch des- Feuers dämpfende Gluth. 


UND ERZAHLUNGEN. 185 


So zwingen sie uns dorch die eigne Kraft, 

Denn der Streit ist’s, der das Verderben schafft, 
Das Lieht des Tages hat euch geblendet, 

Und der Elemente Reich ist geendet. — 

Geister, schon schliesst sich der gähnende Spalt, 
Und der Berg umarmt sich mit neuer Gewalt : 
Und eh’ noch die Felsen gehorchend sich fügen , 
So lasst uns zur tiefsten Tiefe entfliegen 

Wie die heulende Windsbraut durch finstre Nacht, 
Nieder zum Schlund mit verzweifelnder Macht. 


CHOR 


Ueberwunden sind wir im schrecklichen Strauss , 
Drum stürzen wir nieder ins ewige Graus. 


(Sie s@rzen sich in den Schlund, er schliesst sëch krachend.) 
KNAPPEN, 


Sieg! Sieg! die Geister 'entschwinden , 
Fliehn zu der Erde unendlichen Gründen. 
Frey ist des Berges glänzende Nacht : 
Uusre Hoffnung war nur im Sterben, 
Gerettet sind wir vom sichern Verderben , 
Und wir sind es durch eure Macht, 
Dank od nahen wir euch, ihr Feen, 
Folgt uns hinauf zu den sonnigen Höhen ! 
Folgt uns hinauf zu dem rosigen Licht, 
Gleitet,, von blühenden Ufern umzogen , 
Gleitet spielend mit silbernen Wogen 
In der Sonne strahlendem Angesicht, 


FEEN. 


Wir retteten euch aus dankbarer Treu’ : ` 

Ibr brach’t unsre Ketten , ihr machtet uns frey! 
Steigt nun sorglos zum Schacht hernieder , 
Ihr.seyd des Berges kühne Gebicter, 

Die edlen Steine , das schimmernda Gold 

Ist reichlich? Beute, ist herrlicher Sold, 

Und was ihr erkämpft in düsterem Graus, 

Was ihr in der Tiefe gewonnen , 

Wir ziehn’s euch hülfreich zu Tage heraus, 
Zum freundlichen Lichte der Sonnen, 


186 


VERMISCHTE’ GEDICHTE 


KÖNIGIN. 


Euch öffnet sich willig die Felsenkammer , 

Und beut ihre Schätze dem jauchzenden Hammer , 
Der kraftvoll ins innre Wesen ihr dringt, 

° Und wenn euch ermattet das Eisen sinkt, 
Dann sollt ihr rulın in unsern Armen, 
Und au unsern Herzen sollt ihr erwarmen, 


STEIGER, 


Glück auf! So lichtet sich die Nacht: 

Die Liebe strahlt freundlich in den Schacht ; 
Mit den Feen des Quells sind wir verbündet, 
Und das Grausen des einsamen Dunkels verschwindet , 
Und in der Erde tief unterstem Grund 
Schliesst uns das Schicksal des Glückes Bund, 
Da fiel uns ein göttlich erhabenes Loos ; 
Wir gebieten der Erde erzeugendem Schooss, 
Es dringt der Knappe mit eh’rnen Gewalten, 
Muthig kletternd auf schwankem Steig, 
Nieder , wo Felsen sich endlos spalten, 


‘Sein ist der Welt unermessliches Reich. 


Doch zur Sonn’ auch sehnt sich der liebende Blick, 
Und freudig kehrt er zum Tage zurück, 


BERGKNAPPEN, 


Es geht ung hinauf zu grünenden Höhen : 
Lebt wohl , ihr freundlichen , lieblichen Feen ! 

Wir kehren wieder, 

Wenn der Morgen tbaut, 

Und steigen nieder, 

Umfangen die Braut. 

Jetzt treibt's uns hinan, 

Durch die felsige Bahn , 3 
Durch den Schacht auf der schwindelnden Fahrt hinauf 
Zum rosigen Lichte. Glück auf! Glück auf! 


(Die Bergleute fahren aus. Man sieht nach und nach alle Lichter 
verlöschen, nur einzelne schimmern noch auf der Fahrt und 
fern noch tönt der Zuruf der Knappen, Die Feen verschwinden.) 


UND ERZAHLUNGEN. 487 


AN GÖTRE, 


ALS ICH DEN FAUST GELESEN HATYE 


Feuch auf, mein Lied, fleuch durch die Bahn der Sonnen, 
Hinauf, hinauf! durch aller Himmel Saum, 
Die Erde sinkt, das Dunkel ist zerronnen, 
Ich bade mich im Urquell aller Wonnen , 
Der Wahn entfieht, zur Wahrheit wird der Traum, 
Im Frühlingshauche fühl’ ich mich begeistert, 
Mir flantmt die Welt im nie geseh’nen Brand, 
Der Sänger, der den Sonnenlenker meistert, 
Er reisst dem Gott die Zügel äus der Hand. 
e 


Es flammt die neue Cegchie durch die Ferne, 

Er zündet sie mit ewig junger Gluth , 

Und ras't harmonisch duh das Reich der Sterne, ` 
Starr bleibt der Gott, dass er die Bahn erlerne, 
Denn nimmer taucht der Wagen in die Fluth, 

Der Sänger lenkt ihn durch des Aethers Freye , 

Sein Ruf gebeut dem göttlichen Gespann, 

Er strebt, gesalbt von seines Liedes Weihe, 

Zum Urquell ew’ger Lebensgluti# hinan, 


Du hast die Zeit, den Wolkendruck bezwungen, 
Frey schwillt das hobe Herz in Sphären-Pracht. 
Durch aller Zonen Weite ist’s erklungen, 

Es jauchzen dir harmonisch alle Zungen, 

Das Todte ist zum Leben angefacht. 

Was nie das junge Herz zu ahnden wagte, 

Du sprichst es aus mit ungeheurer Kraft; 

O! Heil der Sonne, die der Menschheit tagte, 
Die sich die Welt zum Feuertempel schafft. 


Des Lebens höchstes Streben klingt im Liede , 
Die Töne rauschen fern im Adlersschwung, 
Zur höchsten Pracht entfaltet sich die Blüthe, 
In Flammengluth verklärt, wie der Alcide , 
Lös’t rosenroth der Tag der Dämmerung, 

Und lieblich mit des zarten Frühlings Schwellen 
Verjüngt sich die verödete Natur, 

Gebadet in des Aethers heitern Wellen, 

Tritt Faust hervor auf der yerlöschten Spur, 


188 VERNISCHTE. GEDICHTE 


Es neigen sich die Himmel, Sterne zittern , 
Die Welt erkennt des Meisters hohe Hand. 
Und wie im Sturm von tausend Ungewittern 
Die Eichen stürzen , greise Fichten splittern , 
Und das Gesetz sich lös’t im ew’gen Brand, 
Die Sonne doch zuletzt mit stolzem Prangen 
Die Wolken bricht im ev;'gen Siegerlauf, 

So ras’t das Lied, und will das All umfangen, 
Und löst den Blick in Wonnethränen auf, 


Es lebt in melodienvoller Stille 

Hoch über Sonnenreichen der Gesang. 

Heil dir! Gewaltiger, mit Jungendfülle 

Zerreisst du kühn des Lebensfinstre Hülle-, 

In goldner Luft wogt deiner Stimme,Klang. ` 

O! selig, die des Liedes Nektar triuken , 

Es trägt sie zu den Himmlischen hinauf. 

Wenn einst die Welten , wenn droe Sonnen sinken , * 
Blüht dein Gebild im cw gen Frühling auf, 


AN PHÖBOS. 


Sor ‚wenn Zeus ihn erwählt, schreitet der Fürst die Bahn 
Und, den Gott in der Brust, fühlt erdes Armes Kräft ; 

Aber finster am Throne 

Hebt die Sorge ihr Schlapgenhaupt. 


Kühn, vom Ares gejagt, stürzt sich der Held zum Kampf, 
Stürzt mit eherner Kraft in die gewalt'ge Nacht, 

Und aus blutiger Hand fällt 

Einst die Fackel dem Genius. 


Rastlos fort durch die Welt, rastlos durch Wüst’ und Meer, 
Eilt der Kaufmann , es lockt Hermes den Flüchtigen, 
Unbeeeint bricht das Auge , 
Fern der‘Heimath, der Liebe fern. 


Doch wen du dir erwählt, Phöbos, Unsterblicher , 
Der umarmet die Welt ewig mit neuer Lust, 
Freundlich führt ihn die Liebe, 
Durch die stürmende Nacht der Zeit. 


UND ERZAHLUNGEN. - 489 


Nur das Göttliche fühlt seinen gewalt’gen Geist, 
Und es senkt sich der Blick fern zur Vergangenheit , 
Und den Schleyer der Zukunft 
Lüftet kühn die verweg’ne Hand, 


Wird zu mächtig der Gott‘ einst in der ird’schen Brust, 
Sprengt begeistert das Herz schnell seine Fesseln los, 
Und in heiligen Liedern 
Schwebt die Seele dem Himmel zu, 


m 


AM -GRABE KRAFTS. 


SONNETT: ” 


O , ruhe sanft! in deinen schönsten Tagen, 
Wo Lieb’ und Kunst dich freundlich eingesungen , 
Hat dich der Tod mit kalter Faust gezwungen , 
Der schönen Erde Lebewohl zu sagen, 


Von deines Strebens Adlerflug getragen, 
Bist du schon früh ins Heiligihum gedrungen , 
Hat dich der Einklang höchster Kraft durchklungen,, 
Das grosse Ziel des Meisters zu erjagen. 


Mit Jugendfülle standst du kühn im Leben A 
Da warf. dich schnell dein Schicksal auf die Bahre , 
` Wir konnten nichts, als um den Bruder weinen. 


Doch dort verklärt sich ja dein heil’ges Streben , 
Wo Kunst und Glauben , wo das Schön’ und Wahre 
Zur ew’gen Liebe göttlich sich vereinen, 


.DER MORGENSTERN. 


Stern der Liebe , Glanzgebilde , 

` Glühend, wie die Himmelsbraut , 
Wanderst durch die Lichtgefilde , 
Kündend, dass der Morgen graut. 


190 


VERMISGHTE GEDICHTE 


Freundlich kommst du angeżogen , 
Freundlich schwebst du himmelwärts , 
Glitzerud durch des Aethers Wogen, 
Strahlst du Hoffnung in das Herz. 


Wie in schäumenden Pokalen 
Traubenpurpur muthig schwellt , 
So durchleuchten deine Strahlen 
Die erwachte Frühlingswelt, 


Wie im herrlichen Geschiebe 
Sich des Goldes Pracht verschliesst , 
So erglänz’st du , Stern der Liebe, 
Der den Morgen still begrüsst, 


Und es treibt dich nach’ den Sternen 
Hell im Dunkel zu erzlühn, 
Ueber Berge , über Fernen 
Möcht’ ich einmal mit dir ziehn, 


Fass’t mich , fas’t mich , heil'ge Strahlen, 
Schlingt um mich das holde Band, 
Dass ich aus den Erdenqualen 
Fliehe in ein glücklich Land, 


Doch ich kann dich nicht erfassen, 
Nicht erreichen , stehst so fern! — 
Kann ich von der Sehnsucht lassen , 
Darf ich’s , heil’ger Himmelsstern ? 


AN ADELAIDEN AM JOUHANNIS-TAGE. 


Des Sommers Lust ist neu geboren, 
Die Gluth des Lebens angefacht , 


Und froh im Wechseltanz der Horen 


Ersteht das Fest in süsser Pracht, 


Und um der Blumen bunte Kränze 
Reibt sich des Kreises schnelle Lust, 
Umgaukelt von dem Spiel der Tänze, 
Schlägt frey das Herz in jeder Brust. 


UND ERZÄHLUNGEN. 191 


Drum lass dir gern dies Liedchen bringen 
In liebevoller Melodie, 

Und munter, wie die Töne klingen, 
Sey deines Lebens Harmonie, 


Und wie an bunten Frühlingsranken ; 
Vom ersten Morgenstrahl begrüsst , 

Der Wiesen heitre Blümchen wanken, 
Wenn sie .des Zephyrs Hauch geküsst ! 


So wandle durch das frohe Leben, 

Die Liebe führe still dein Herz, 
Und wie die Töne sich verbeben, 

So löse freundlich sich der Schmerz, 


DIE HARMONIE DER LIEBE. 


Einst vom Schlummer überwältigt, 
Lag ich auf der weichen Matte, 

Und im Traume nahte Phöbos, 

In des Hand die Leyer haltend, 
Golden wiegten sich die Locken 

Auf der hohen Götterstirne , 

Und den Feuerblick des Auges 
Seiner Sonne zugewendet, 

Griff er muthig in die Saiten, 

Da umrauschten- Harmonieen 
Himmlisch meine trunknen Sinne , 
Und das Lied des Götterjüngslings 
Strömte feurig durch die Glieder. ` " 
Plötzlich aber schwang der Sänger 
Auf sich von der stolzen Erde, 
Und den goldnen Sternen näher, 
Schwand das hohe Lied des Gottes, 
Immer leiser, immer leiser , 

Bis das Element des Einklangs 

Sich in süsses Weh’n verwandelt, — 
Da erwacht’ ich, und Appollo’s 
Liede noch begierig lauschend, 
Griff ich hastig nach der Leyer, 
Um den Nachhall meines Herzens 
Auszuathmen in der Saiten 

Süss berauschendem Getöne, DN 


192 VERMISCHTE GEDICHTE 


“Doch: ich suchte nur vergebens 
Nach der Harmonie des Gottes, 
Und der Saiten stimmte keine 
Mit dem himmlisch reinen Liede 
Das mir tief im Herzen wogte. 
Finster starrt’ ich in die Lüfte, 
Und verwünschte meine Leer, — 
Plötzlich aber weckten Küsse 
Mich aus meinen düstern «Träumen 
Leis’ war Chloris hergeschlichen , 
Und verscheuchte schnell den Unmuth 
Durch ‘das süsse Spiel der Liebe. — 
Ach! Und jetzt in ihren Armen 
Ihr am liebewarmen Busen‘, 
Strömte mir ein neues Leben, 
Neue Kraft durch alle Glieder, 
Und der Licbe süss’ster Einklang 
Wogte mir im trunknen Herzen; 
Schöner , heiliger und reiner, 

Als das Lied des Götterjünglings, 


— 
SCHÖN UND ERHABEN. 


Bu, und herrlich erscheint das E r h a b n e mit göttlicher Grosskraft , 
Und der bewundernde Geist staune mit heiliger Furcht, 
Doch mit stiller Gewalt, in süsser-, lieblicher Anmuth 
Naht sich das Schöne, es schlägt , selig begeistert, das Herz. 
Wenn das Erhabne sinkt, dann stolz und gross noch im Falle, 
Stürzt es durch göttliche Macht, und es erzittert die Welt, 
Aber das Schöne bleibt, es kann nicht verblühn und versinken , 
Und in der liebenden Brust strahlt es mit ewiger Gluth. 


u 


LIEBESTANDELEY. 


` 


Sisses Liebchen! Komm zu mir! 
Tausend Küsse geb’ ich Dir. 

Sieh mich hier zu Deinen Füssen. 

Mädchen , Deiner . Lippen .Gluth 

Gibt mir Kraft und Lebensmuth. 
Lass Dich küssen !' 


UND ERZAHLUNGEN. 195 


Mädchen , werde doch nicht roth ! 
Wenn die Mutter auch verbot. 
Sollst Du alle Freuden missen ? 
Nur an des Geliebten Brust 
Blüht des Lebens schönste Lust, 
. Lass dich küssen ! 


Liebchen, warum zierst Du Dich ? 
Höre doch, und küsse mich, 
Willst Du nichts von Liebe wissen ? 
Wogt dir nicht Dein kleines Herz 
Bald in Freuden, bald in Schmerz ? 
Lass dich küssen ! 


Sieh dein Sträuben hilft Dir nicht; 

Schon hab’ ich nach Sängers Pflicht 
Dir den ersten Kuss entrissen ! — 

Und nun sinkst du liebewarm 

Willig selbst in meinen Arm, 


Lass dich këssen } 
b 


ge 
SANGERS MORGENLIED. 


Sisses Licht! Aus goldnen Pforten 
Brichst du siegeud durch die Nacht. 
Schöner Tag! Du bist erwacht; 

Mit geheimnissvollen Worten 

In melodischen Accorden 
Grüss’ ich deine Rosenpracht I 


Ach! der Liebe sanftes Wehen 
Schwellt mir das bewegte Herz, 
Sanft, wie ein geliebter Schmerz, 

Dürft’ ich nur in goldnen Höhen 

` Mich im Morgenduft ergehen ! 

Sehnsucht zieht mich himmelwärts, 


Und der Seele kühnes Streben 
Trägt im stolzen Riesenlauf 
Durch die Wolken mich hinauf, — 
Doch mit sanften Geisterbeben 
Dringt das Lied in’s inn’re Leben, 
Lös't den Surm melodisch auf. 


4194 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Vor den Augen wird es helle ; 
Freundlich auf der zarten Spur 
Weht der Einklang der Natur, 

Und begeistert rauscht die Quelle, 

Munter tanzt die flücht'ge Welle 
Durch des Morgens stille Fiur. 


Und von süsser Lust durchdrungen 
Webt sich zarte Harmonie 
Durch des Lebens Poesie. 

Was die Scele tief durchklungen,, 

Was berauscht der Mund gesungen , 
Glüht in höhrer Melodie. 


Des Gesanges muntern Söhnen 
Weicht im Leben jeder Schmerz, 
Und nur Liebe schwellt ihr Herz. 

In des Liedes heil’gen Tönen 

Und im Morzenglanz des Schönen 
Fliegt die zus himmelwärts, 


pususan 


LIEBESRAUSCH, 


Di: , Midchen,, schlägt mit leisem Beben 
Mein Herz voll’ Treu’ und Liebe zu. 

In Dir, in Dir versinkt mein Streben , 
Mein schönstes Ziel bist Du | 

Dein Name nur in heil’gen Tönen 
Hat meine kühne Brust gefüllt, 

Im Glanz des Guten und des Schönen 
Stralilt mir Dein hohes Bild, 


Die Liebe sprosst aus zarten Keimen, 
Und ihre Blütheu welken nie! 

Du, Mädchen , lebst in meinen Träumen, 
Mit süsser Harmonie, 

Begeist’rung rauscht auf mich hernieder, 
Kühn greif ich in die Saiten ein, 

Und alle meine schönsten Lieder, 
Sie nennen Dich allein. 


Mein Himmel glüht in Deinen Blicken, 
` An Deiner Brust mein Paradies, 


UND ERZAHLUNGEN. 195 


Ach ! Alle Reize, die Dich schmücken, 
Sie sind so hold, so süss, 

Es engt die Brust in Freud’ nnd Schmerzen 
Nur eine Sehnsucht lebt in mir, 

Nur ein Gedanke hier im Herzen ` 
Der ew’ge Drang nach Dir, 


————— 
AN IHREM WIEGENFEST. 


Komm, schöner Tag ! mit hohen , heil’gen Worten 

Begrüss’ ich jetzt Dein süsses Rosenlicht, 

Erhebe aus des Morgens goldnen Pforten 

Mit stiller Lust dein glühend Angesicht. 

Dir rauscht mein Lied in heiligen Accorden , . 
Und nennt’s, was tief in meiner Seele spricht: 

Umstrahle Dich ein volles , üpp’ges Leien) 

Du hast die Süsse , Holde mir gegeben. 


Die mit der Liebe sanften Harmonieen,, 

Mit zarter Lust mein kihnes Herz gefüllt. 
Der alle meine schönsten Wünsche blühen , 
Die in der Seele jeden Sturm gestillt I — 
Ach alle Strahlen, die die Brust durchziehen , 
Vereinen sich zu einem süssen Bild, 

Mit leisem Hauch, wie Aeols Harfentöne , 
Formt es sich glühend zur lebend’'gen Schöne, 


Und jetzt, zu ihres- Werdens Feyerstunde , 

Jetzt glüht in mir des höchsten Lebens Strahl I 
Wohl flüstert mir’s mit leisem Geistermunde : 
Sieh , das ist deiner Träume Ideal! 

Da wogt die Brust, berauscht im heil’gen Bunde, 
Dis Liebe lässt dem Herzen keine Wahl, 

In seine tiefsten Tiefen muss sie dringen , 

Und reisst es fort auf stolzen Adlersschwingen. 


In meiner Scele Macht beginnt zu tagen, 

Den Gott fühl’ ich, der in der Brust sich regt, 
Es tobt in mir, ich muss das Ziel erjagen, 
Das glühend mich in ihre Arme trägt. 

Das Höchste kann ich kühn und muthig wagen; 
Ich fühl’s, dass mir ihr Herz entgegen schlägt ! 
Nur wo zway Herzen liebend sich verbindet, 
Da wird der Himmel auf der Welt begründet, 


156 VERMISCHTE GEDICHTE 


AN BROCKMANNS FREUNDE, 


AN 21. APRIL 1812 WAHREND DES MOZARTISCHEN BEQUIEMS IN DER 
AUGUSTINER KIRCHE, 


E 


in Schwanenlied , aus Meistersbrust gesungen 
Das Leben mit dem Tode zu versöhnen, 
Ruft unsern Freund in tief verschlung’nen Tönen, 
Und stirbt in klagenden Erinnerungen. — 


Der Schmerz gilt uns, er hat ihn längst bezwungen , 
Uns meynt das Lied! — Am Strahl des ewig Schönen 
Die heitre Künstlerstirne sich zu krönen , 
Kein grösser Sieg ist je der Kraft gelungen! — 


Er fühlte klar der Lieder höchstes Streben , 
Der kalten Welt, dem tiefgesunknen Leben ; 
Die lichte Ahnung bess’rer Zeit zu geben, 


Dass sich im Volk der alte Geist erneue! — 
So sank er, noch an Muth und Kunst ein Leue, 
Als schöner Traum von deutscher Kraft und Treue. 


BEYM ALEXANDER-FESTE, 
AM 29, NOVEMBER {8{2 IN DER K. K, BEITSCHU LE. 


Ein Fest der Lieder zicht die frohe Menge 
Zu Tausenden in den geschmückten Saal ; 
Fast wird des Hauses stolzer Bau zu enge, 
Er war des Eifers kühn versuchte Wahl, — 
Noch ist es still, noch schweigen die Gesänge , 
Noch schläft das Lied, noch schläft der Töne Strahl , 
Da winkt der Meister , die Posaunen schallen , 
Und er erwacht, und Jodert durch die Hallen, 


Und wechselnd*in den Zauberkreis der Töne 
Wallt Kraft und Anmuth den verschlung’nen Gang , 
Jetzt schwelgt das Lied in ganz erfüllter Schöne , 
Dann weht es sanft zum sanften Brautgesang, 
Und fleugt es auf, dass es denn Einklang kröne , 
Erhebt sich stolz des Chores hehrer Klang , 
Und will mit den erweckten Harmonieen 
Des Herzens Sehnsucht nach der Heimath ziehen, 


UND ERZAHLUNGEN, 197 


H 


Doch plötzlich strömt der Töne Allmacht nieder , 
Ein Meer von Harmonieen bricht hervor. 

Was rauscht und stürmt im Wetterflug der Lieder ? 
Was schlägt melodisch donnernd an das Ohr ? 
Wach’ auf! Wach’ auf! — So ballt es zitternd wieder, 
In wilder Stimmenbrandung jauchzt das Chor, 

Die Macht der Töne sprengt die letzten Schranken , 
Und frey im Raume schwelgen die Gedanken. 


Der hohe Saal wird jeder Brust zu enge, 
Ein Hochgefühl hewegt das ganze Haus, 
Und unaufhaltsam bricht die weite Menge 
Jetzt in baechantischer Entzückung aus. 
Seht! Seht! — Es übt der Zauber der Gesänge 
Die alte Macht auf alle Herzen aus! — 
Das Volk ist mit der Zeit noch nicht gesunken , 
Das so erweckt wird durch der Schönheit Funken, 


` 


Es ist das Höchste von des Dichters Rechten , 
Dass er da redet, wo die Menge schweigt, — 

So lasst mich layt den Kranz des Dankes flechten , 
Der heute still aus tausend Herzen steigt. 

Die Welt ist voll von Niedrigen und Schlechten , 
Dass sich das Göttliche nur selten zeigt; 

Doch heut sprach’s aus melodischen Gestalten , 
Und unverkennbar war sein grosses Walten. 


Den ersten Dank muss ich den Künstlern bringen, 
Die dieses Altars Flammen angesteckt, 
Was kann die Kraft nicht und der Muth nicht zwingen, ~ 
Den rastlos keine Mühe abgeschreckt ? — 
So musste euch der schöne Sieg gelingen , 
Und eine Welt von Liedern ward erweckt, 
Und in der Tonkunst nie verblühtem Lenze 
Brach Eure.Hard sich selbst des Eifers Kränze. 


Vor Allen Ihr, die des Talentes Blüthe 
Zu Sternen in der Töne Welt.erhob ; 
Dir Edler aber, der sich rastlos müthe , 
Vor dessen Eifer jede Furcht zerstob , 
Den ganz der Strahl des Göttlichen durchglüthe‘, 
Dir dankt kein Dank, nein, und Dich lobt kein Lob; 
Doch in die Herzen jet es eingegraben , 
Wozu die Lippen keine Worte haben! — 


4198 VERMISCHTE GEDICHTE 


Und einen schönen Tempel seh’ ich bauen, . 
Hoch bey der Freude leuchtendem Altar, 
Wo der Begeist’rung Thränen niederthaten , 
Da trocknet Liebe manches Augenpaar. 
Ein Sternenkranz von edeln deutschen Frauen , 
Er macht des Lebens heil’ge Deutung wahr, 
Auf Einem Strauss , den ihre Hände pflücken , 
* Blüht Menschenwohl und menschliches Entzücken. 


Doch Manches blieb der ungeprüften Stunde, 

` Was ihren Wünschen rauh entgegen stand, 

Zum Throne unsers Kaisers kam die Kunde, 
Unaufgefodert reichte er die Hand, 

Und trat begeistert zu dem schönen Bunde! — _ 
Heil dir, mein Volk! Heil dir, mein Vaterland ! 

So lange solche Kaiser auf den Thronen , ` p 
Und Kunst und Liebe in den Herzen wohnen ! 


DER GEPLAGTE BRAUTIGAM. 


In ganzen Dorfe geht’s Gerücht , 
Dass ich um Greten freye, 

Sie aber lässt das Täudeln nicht, 
Die Falsche , Ungetreue! — 
Denn Nachbar Kunzens langer Hans 
Führt alle Sonntag sie zum Tanz 

Und kommt mir in’s Gehäge ` 
— Man überlege! — 


Auf künft’ge Ostern wird’s ein Jahr, 
Da fasst’ ich 'mich in Kürze — 

Und kaufte ihr, (das Ding war rär,) 
Ein Band zur neuen Schürze; 

Und an dem zweyten Feytertag, 

Just mit dem neunten Glockenschlag , 
Bracht’ ich ihr mein Geschenke — 

— Man denke! — 


‘Ich hatte nämlich raisonnirt _ 
Den Tag vorher beem Biere ` 

Wenn ich sie mit dem Band geziert 
Zum Abendtanze führe , 


UND ERZÄHLUNGEN. 49 


So sag’ ich alles lang und breit; 
Und breche die Gelegenheit 
Int Pall der Noth vom Zaune — 
— Man staune! — 


D’rauf hatt’ ich mich schön angethan, 
Als ging’s zum Hochzeitsfeste ! 
Ich zog die neuen Stiefeln an, 
Und meines Vaters Weste. 
Doch als ich kam vor Gretens Haus, . 
War auch der Vogel’ schon heraus 
Mit Hansen in die Schenke, — 
‘— Man denke! — 


Das’fasste mich wie Feuerbrand, 
Der Zunder musste fangen ; 

Da kam, um seinen Hat mein Band, 
Der Musjö Hans gegangen ; 

Nun sprüht’ ich erst in voller Wuth, 
Er wurde grob, — und kurz und gut, 
Ich kriegte derbe Schläge; — 

— Man überlege! — - 


Den Tag darauf am Gretens Thür 
b Lausch’t ich als Ehrenwächter. H 
Da schallte aus dem Garten mir 
Ein gellendes Gelächter ; 
Und als ich habe hingeschaut , 
Da sass denn meine schöne Braut, 
Mit Hansen hinterm Zaune — 
— Man staune ! — 


Das fuhr mir arg durch meinen Sinn, 
Das Wort blieb in der Kehle, 

Des andern Morgens ging ich hin, 
Und hielt ihr’s vor die Seele; 

Und sagt’ ihr’s endlich g’rad heraus : 

«Hör, Grete, mach mir's nicht zu kraus, 
«Sonst geh’ ich meiner Wege» — 

— Man überlege! — . 


Da lachte sie mir ins Gesicht 
Und kehrte mir den. Rücken, . 

Ja, wenn der Hans den Hals nicht bricht, 
So reiss ich ihn in Stücken! — _ " 


200 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Sonst bringt sie es gewiss so weit, 
Dass ich mich-noch bey guter Zeit 
Im nächsten Teich ertränke! — 
— Man denke! — 


DIDO. 


«Wie die weissen Segel fröhlich schwellen , 
sAuf den Silberwogen schwankt der Kiel, 
«Sprich, wen trägt er durch des Meeres Wellen, 
«Und wo ist des Laufes fernes Ziel?» — 

« «Fremdling! Das ist Trojas Männerblüthe , 
« «Schwer entflohen aus der Städte Brand, 
« « Dort gebeut der hohe Amhiside, 
a «Steuernd zum entfernten Land.» o 


« Wie ? Das wären Iliums Erzeugte , 
« Die im blut’gen Kampf geprüfte Schaar , 
c Und Aeneas, den kein Grieche beugte , 
«Den die holde Gnidia gebar ?» — 


s «Ja, sie sind’s.»» — e Doch, kannst du mif berichten , 


a Sprich, ist keiner, der mir Fremden sagt, 
a Was sie eilen, und die Anker lichten , 
«Was sie in die Fluthen jagt? o — 


« c Hast du von den Tyriern ‘gehöret ? 
« a Kennst du uns’re grosse Königin ? 
« «Eros hat das hohe Herz bethöret, 
«Alles gab sie dem Geliebten hin, 
a «Und zum -Gatten will sie ihn erheben, 
a o Denn Sichäus fiel durch Brudermord ; 
a «Doch zur fremden Küste geht sein Streben , 
« sLiebespottend flieht er fort, o » — 


Und er sprach’s, — Da stossen sie vom Lande, 
_ Auf den Segeln scheint der junge Tag. 
Mancher Wunsch vom vollbesä’ten Strande 

Tënt dem Langbehaus’ten traurig nach, 
Liebe hatte. Vieler Herz entzunden, 

Heimisch waren sie auf fremder Flur; 
Doch dem Amhisiden fest verbunden , 

Halten sie der Treue‘ Schwur. 


UND ERZAHLUNGEN. 201 


Und die Schaar der Stürme kommt gezogen, 
Wirft sich brausend in der Segel Bauch, 
Fern und ferner schimmert’s auf den Wogen, 
Und zerfliesst im düstern Nebelrauch. 
Ihränend schwimmt der Blick noch auf den Fluthen, 
Da betäulit ein wild Geschrey das Ohr, 
Aus der Köningsburg,, in wilden Gluthen, 
Steigt der Flamme Dampf empor. 


Und die Menge wendet ihre Schritte , 

Stürzt sieh, ängstlich schreyend , zum Pallast. 
Da steht Dido in der Diener Mitte, 

Weinend um den treulos lieben Gast. 
Aufgeschichtet droht in langen Zeilen 

Hoch der Holzstoss in des Hofes Raum, 
Und die Flamme mit gefärbten Säulen 

Schlägt bis zu der Wolke Saum, ` 


Jeder staunt, und kann es nicht erfasseu, 
Doch die Fürstin spricht, die Menge schweigt: 
a Treulos hat der Trojer mich verlassen, 
sRiesenqual hat dieses Herz gebeugt. 
«Drum der Holzstoss in des Hofes Hallen , 
«Zu der Gluth zieht mich das Schicksal hin ; 
«Denn beschlossen ist’t, soll Dido fallen, 
« Fällt sie nur als Königin, 


«Jarbas naht mit seiner Krieger Schaaren , 
e Und der Ambiside ist entfloh’n ! 
« Keiner kann das Zepter mir bewahren, 
«In den Flammen ist der Liebe Thron ! 
«Eingefallen sind der Herrschaft Stützen , 
«Und in seinen Festen wankt das Reich. 
«Wer soll euch, wer soll das Land beschützen ? 
«Nur mein Tod errettet euch.» — 


Schnell durchbohrt sie sich des Busens Weiche, 
Rücklings sinkt sie in den heissen Tod:- 
Und die Gluth begräbt die beige Leiche, 
Lodert auf zum Himmel blutigroth. 
Nieder steigt auf gold’nem Regenbogen 
Iris, löst des Todes bitt’ren Schmerz, 
Und von ihrer Götterhand gezogen , 
Schwebt die Seele Himmelwärts. 


ge 


202 VERMISCHTE GEDICHTE 


ERINNERUNG. 


Schweigend in des Abends Stille Weckt mit allgewalt'gen Worten 
Blickt des Mondes Silberlicht ; Mich aus der gewohnten Ruh’, 
Wie es dort mit üpp’ger Fülle Ruft in himmlischen Accorden 
Durch die dunkeln Blätter bricht! Meiner heissen Sehnsucht zu. 


Wolken zieh'n auf luft’gen Spuren In den Tiefen meines Lebens 
Tanzend um den Silberschein , Braus’t es auf mit Ungestüm; 

Und es wiegen sich die Fluren Doch der Ruferklingt vergebens, — 
Sanft zum süssen Schlummer ein, Ach ! nicht folgen darf ich ihm, 


Und mit Aeols-Harfentönen In des Lebens bunten Räumen 
Grüst mich die vergang’ne Zeit, Ist mein Ideal verblüht, 

Und mich fasst ein heisses Sehnen Dämmert nur in meinen Träumen, 
Nach verschwund’ner Seligkeit, Lispelt in des Sängers Lied, 


Bist du ewig mir verloren, Konnt’ ich’s lebend nicht erwerben ` 
Meiner Liebe Paradies ? Soll es hier doch ewig blüh’n 

Ach es klingt in meinen Ohren Mit mir leiden, mit mir sterben 
Deine Stimme noch so süss ; Und mit mir hinüberzieh’n | 


m Klin — 


SEHNSUCHT. 


Kennst du der Sehnsucht Schmerzen 
Tief im Herzen ? 
Ein glühend Verlangen, 
Ein ewiges Bangen , 
Ein ewiges Streben! 
Wie Qual und Lust 
. So still in der Brust, 

® Mit tiefem Beben 
Sich innig verweben 
Weit in der Ferne, 
Himmelwärts, 
In den Kreis der Sterne 
Sehnt sich das Herz. 
Ein schöner Morgen 
Bricht glühend heran; 
Doch der Liebe Sorgen 
Zerstören den Wahn. 
Ach, dass es doch bliebe, 
Dies Paradies ! 


UND ERZAHLUNGEN. 203 


Der Wahn der Liebe 

Ist gar so süss. 

Er ist der Gottheit lebendiger Strahl , 
Und das Leben entflieht mit dem Ideal! 


DRESDEN. 


F olge mir, liebliche Braut, auf den Schwingen des Lieds in die Heimath, 
Zu der verwandten Stadt führt dich berauscht mein Gesang. 

Lächelnd entfalte die Flur der vaterländischen Blüthen , 
Lächelnd auch breite vor dir Leben und Lieben sich aus, 

Hab’ ich die Heimath geschmäht, vergib‘s dem inneren Grimme , 
Das fatale Gesicht regte die Galle mir auf. — 

Ach, das Herz war so voll, so glühend in Lieb’ und Begeist’rung , 
Wie ein gefrorner Blitz schlug die Erbärmlichkeit d'rein, 

Sieh’, da trieb mich die heimliche Wuth zur beissenden Rede, 
Und der gift'ge Groll warf mir die Galle hinein, — 

Nein, Geliebte, so arg meyn’ ich’s nicht mit dem heimischen Lande, 
Und ich ehre mein Vol: , wie es sich selber geehrt. — 
Freylich ‚die Zeiten sind schwer ‚es ächzt unter fremden Tyrannen , 
Und das geduldige Land scheut die verwegene That. 
Aber Männer gibt's doch uud Herzen gibt's noch im Sachsen , 
Wo das deutsche Blut ehrlich und wacker sich regt, 

Nicht die Heinriche brauchen sich , die Ottonen zu schämen, 
Luther und Moritz nicht, und all’ die Helden des Liedes. 
Wohl geschwächt ist das Volk , doch der Sachse ist nimmer entartet, 

Und der geerbte Ruhm soll ein errungener seyn. 
Wenn es der Freyheit gilt, wenn der Tag der Rache gekommen ; 
Und das fränkische Blut sühnend die Elbe gefärbt. 
Carl den grossen bestand mein Volk, den Weltenbezwinger , 
Sein allmächtig Gebot brach an der männlichen Kraft, 
Noch bey Detmold schlugen sie gut, da tagte der Glaube , 
Und was das Schwert nicht besiegt, sieh , das erwarb sich das Kreuz. 
Odin stürzte herab , und Wodan wurde zertrümmert, 
Und an Kaiser und Reich knüpfte der Glaube das Volk, — 
Wohl mit Recht wird dein Land das männerstolze gescholten , 
Helden und Herrscher viel hat es in's Leben geführtz 
Aber auch Sachsen ist gut, und nennt gepriesene Namen , 
Und das. verwandte Volk grüsst dich mit deutsehem Gesang. 
Doch was kümmert die Liebe sich um der Vergangenheit Stimme, 
Oft was die Liebe zertrat, hat die Geschichte erhöht, 
Anders will ich dich preisen , du heimisches Land meiner Väter, 
Dass der Geliebten Herz froher entgegeu dir schlägt. 


KEN 


204 VERMISCHTE GEDICHTE 


Folge mir jetzt in mein Thal, — In langen, silbernen Kreisen 
Wälzt die Elbe den Strom weit aus Bohemien her. 
Siehst du die Riesen dort am Eingang ? Im Nebel der Lüfte 
Heben sie drohend das Haupt über die blühende Flur. 
Fest geschlossen erblickst du das Thal, es hat nur der Strom sich 
Kühn durch die Mauer gewühlt! die ihm entgegen sich thürmt; 
Aber friedlicher ziehn sich die sanftern Gehänge des Thales, 
Reich mit Dörfern besäet, dort an den Felsen herab, 
Einzelne Villen erblickst du, es gleiten zierliche Gondeln, 
Bunt mit Wimpeln geschmückt, über den ruhigen Strom, 
Pirna liegt dir zur Linken , das muntre , lebendige Städtchen , 
Und der Sonnenschein prangt hell noch im Scheiden des Tags. 
Aber sieh gegen über ! — Erkennst du die heiterna Gebäude 
Nah’ an der Elbe Strand? — Pillnitz , so nennt sich der Ort. 
Freundlich hat sich der König den freundlichen Garten erzogen , 
Dud von dem Borsberg herab schweift in die Ferne der Blick. 
Aber nun folge mir weiter hinab an den blühenden Ufern, 
Zwischen Weingärten durch , längs an den Villen vorbey, 
Näher und immer näher erscheinen die Thürme der Hauptstadt, 
Viere zählst du, es hebt stolz sich die Kuppel empor. 
Doch wir hemmen den Schritt, — o Was schimmert so weiss durch die 
f Pappeln? 
Reben schmücken den Berg , Lindenduft flüstert mir zu?» — 
Also fragst du , Geliebte, da reiss ich an’s glühende Herz dich , 
Küsse das liebliche Wort dir von den Lippen hinweg. 

Sieh! Meinem Vater gehört’s und dir, und mir, manche Stunde 
Hab’ ich da fröhlich verlebt , hab’ ich da muthig verprasst. 
Aber nun kommen die schönsten !— Da soll uns der Frühling begrüssen , 

Und in das niedrige Dach wandern die Götter mit ein. - 
Und wir steigen die Treppen hinauf, durch alle Gemächer 

Führ’ ich mein glückliches Weib, zeige dir jeglichen Platz. 
Mir aus der Kindheit noch , aus der fröhlichen , wichtig geblieben , 

Wo der Carlos entstand , wo uns der Sänger *) verliess — ` 
Endlich brechen wir auf, uns erwartet die lustige Gondel, 

Und im lieblichen Tanz tragen die Wellen das Schiff, 
Lauschend sitzen wir Beyde, die Arme liebend umschlungen , 

Horchen der Ruderer Schlag, sehen das scheidende Licht 
Flimmernd im Spiegel der Fluth, und liebe Erinnerung erwacht uns, 

Wie wir das jetzige Gläck nur in der Zukunft geträumt, — 
Sieh , da wendet das Schiff sich um die Ecke des Ufers , 

Und nun liegt sie vor dir, sie, meine heimische Stadt. 
Ha , wie die Brücke sich stolz aus den schimmernden Wellen empor hebt, 

Wie die verwegene Kunst Bogen an Bogen gereiht I 





”) Schiller 





UND. ERZAHLUNGEN.. 205 


Beyde Städte erkennst du, die Altstadt hier, dort die Neustadt, 
Und der erferntere Thurm zeigt dir die Friedrichstadt an, 
e Schiffer, du hälst am Brühl’schen Garten! e — so ruf’ ich , die, Steuer 
Lenkt den schaukelnden Kahn schnell an den wimmelnden Strand 
Freudig trag’ ich dich aus der Gondel , und glühende Küsse 
Flistern: «willkommen , mein Weib , hier in der heimischen Stadt.» 
Freudig fliegen wir jetzt durch die Gassen , schnell über den Neumarkt 
Trägt uns der rasche Fuss, Siehst du das Haus dort am Eck? 
Siehst du die Köpfe dort, de aus dem Fenster sich neigen ? 
Ja! sie schauen nach uns, siehe, dort ist uns’re Welt, 
Und die Liebe gibt Flügel, wir springen ins Haus auf der Treppe , 
Holt die jubelnde Schaar ihre Geliebten sich ein, 
Erst fällst du an des Vaters Brust, dann umarmt dich die Mutter , 
, Und ihre segnende Hand liegt auf dem glücklichen Paar, — 
Seligkeit, wo verweilst du? Noch zwey, zwey traurige Jahre ; 
Aber dann sind wir am Ziel. — Wohl, ich ertrag’ es mit Muth, 
Wer sich das Göttliche will und das Höchste im Leben erfechten, 
Scheue nicht Arbeit und Kampf, wage sich kùhn in den Sturm, 
Nur ungewöhnliche Kraft darf nach Ungewöhnlichem streben , 
Und der Alcide allein hat um die Hebe gefreyt, 


— med 
ZUM ABSCHIED. 


1813. 


In diesem grossen, heiligen Momente 

Des Kampfs für Recht und Vaterland; 

Wo ist die Jugendkraft die schlumniern könnte, 
In feige Ruhe nüchtern eingebannt ? — 

Was auch der Krieg für edle Herzen trennte, 
Sie bleiben sich in Liebe zugewandt, 

Und werden sich in Liebe wiederfinden 

Mag Deutschland fallen oder überwinden, 





EDUARD UND VERONIKA, 


ODER 
DIE REISE IN’S RIESEHNGEBIRGE. 


1809. 


ERSTER GESANG 


T raulich im süssen Gespräch sass der Graf und die liebliche Grüße 
‚Mit dem begeisterten Freund unter hohen , duftenden Linden, 


48 


206 VERMISCHTE GEDICHTE 


Die in blühender Pracht den Eingang zum Schlosshof unwölbten. 

Matt durch’s grünende Dach der Zweige blickte der Vollmond 

Und ein heiliger Traum lag nächtlichstill_ auf den Fluren. 

« Dass der Mensch,» so begann der Graf mit wehmülkrigem Lächeln , 

a Erst im letzten Moment, in der Stunde der schmerzlichen Trennung , 

s Freundes Werth erkennt in der ganzen Fülle des Wortes, 

«Dass er nicht cher begreift des Lebens heiligste Töne, 

«Bis er im doppelten Schmerz das doppelt Verlorne beweinet.» 

«Aber nicht Wehmuth allein,» entgegnet ihm feurig der Jüngling , 

«Füllt mir die wogende Brust; die Liebe der trefflichen Freunde, 

« Die mich so gütig*behaus't, tritt jetzt im schöneren’ Lichte 

« Göttlicher mir vor die Seele. Wen sie des Bundes gewürdigt, 

“Der blickt mütbig hinaus, der eig’nen Stärke vertrauend , 

sUnd der Glaube versüsst die bittersten Stunden «des Abschieds,.» . 

Aber schnell unterbrach die liebliche Gräfin den Jüngling:: 

«Was verbittert ihr euch so gewaltsam den herrlichsten Abend ? 

u Treten mir doch schon die Thränen in’s Auge , und-soll ich imsoraus, 

e Fühlen den Schmerz , wie der Freund aus dem traulichen Kreise hin- 
weg eilt? 

«Lasst uns die Stunden dech , die letzten , recht freudig geniessen! 

« Sassen wir doch schon so oft im heimlichen Dunkel der Linden, 

«Und es erzählte der Freund uns vom herrlichem Rom, von Neapel, 

«Wie ihn das schöne Land der heiligen Künste ergriffen, 

«Und es war uns, als hätten wir selbst Italien durchwandert ; 

« Drum so magst du uns jetzt den Weg deiner Reise verkünden , 

«Dass wir im Geiste dich dort auf deinen Pfaden begleiten, 

o Und auf der Karte der Finger mit dìr , dich verfolgend, auch Schritt hält, 

«Denn es ist der lieblichste Trost für Entfernte, zu wissen, 

«Wo der Freund jetzt lebt, und welche Lust ihn ergötzte. ə ` 

e Eduard ‚drauf, der muthige Jungling, entgegnet ihr also: 

e Villig und gern erfüll’ ich die Bitte der lieblichen Freundin , 

e Und so nenn’ ich’s euch kurz, wie meine Wege mich führen. e 

Drauf erzählt er genau, wie er morgen mit grauendem Tage 

Aufzubrechen ‚sich endlich bestimmt , gen Schmiedefeld wandernd , 

Wie er die Koppe dann y dic himmelan strebende Riesin 

Zu ersteigen gedächt',-um so auf den.Kamm des Gebirges, 

An den Gruben vorbey, wo ein ewiger Schnee sich gelagert, 

Bis zur Kochel, die tief sich in schäumenden Bogen ‚hinab stürzt, 

Und zu des Zackerla's huchbrausendem Fall zu gelangen, 

'«Dann ‚» so sprach er, versteig' ich des Kynast’s gewaltige Feste, 

«Und hält Warmbrunn mich , das freundliche Oertchen,, nich länger, 

«Kehr ich endlich zurück, und ziehe ein in die Heimath » a 

Also der Jüngling, und drauf entgegnete herzlich-der Graf ihm: 

« Wunderbar’ ist doch der Dräng nach alten, bekannten Gestalten ; 

«Nach den Plätzen, wo früh wir gespielt, nach Häusern und Gärten, 


UND ERZAULUNGEN. _ 207 


«Ja nach alten Geräthen selbst, die, als Zeugen der Vorwelt, 

«Rückwärts uns führen in’s bunte Gewühl der fröhlichen Jugend, 

«Und ist die Liebe zur Heimath wohl etwas Anders, und dennoch 

« Bleibt es der lichteste Punkt im Vergang’nen,, so wie in der Zukuuft,» 

Also des Grafen Wort. Da schlug ein nächtlicher Sprosser 

Hoch im Gipfel des Baums, und flötete liebliche Töne. 

Und begeistert ergriff die Gräfin die Hände der Männer, 

Und sie horchten dem Lied, und gedachten vergangener Zeiten, 

Lange sassen sie schweigend , da weckte endlich die Schlossuhr 

Sie aus seligem Traum, und die liebliche Grälin begann jetzt : 

s Lasst uns scheiden , ihr Freunde; denn spät schon ist es, und morgen 

a Will uns Eduard ja mit grauendem Tage verlassen , 

«Also bedarf er des Schlafs. Freund, schone dich ja auf der Reise, 

«Nimm dich in Acht vor Erkältung; denn fürchterlich stürmt’s im 

(Gebürge , 

aAch, und schreibe nur bald, und schreibe recht oft, das wir nimmer 

e Sorg und Angst um dich tragen, und wir den Glauben behalten, 

e Dass du noch oftanunsdenkst, und dass du den Bund nicht vergessen.» 

Also die Gräfin. Ihr dankte der Freund für die zarte Besorgniss , 

Und so wechselten sie noch viel herzliche Worte .der Liebe. 

Keiner wollie zuerst des nanen Abschieds gedenken, 

Und schon perlten Thränen im lieblichen Auge der Gräfin, 

Da ermannte sie schnell sich im stillen Schmerze der Trennung , 

Küsste den Jüngling und rief: « Leb’ woll und gedenke der Freundin!» 

Und so entfloh sie in's Schloss, Ihr folgten schweigend die Freunde, 

Fest sich umschlingeud, und still des Verlustes Grösse erwägend , 

Und sie gingen hinauf bis vor Eduards Thür, da umfaste 

Innig der Jüngling den Freund, und sie küssten sich herzlich zum Abschied, 

Endlich riss sich der Graf aus Eduards heisser Umarmung, 

Drückt’ ihm noch ein Mal die Hand und verschwand, und allein war 
(der Jüngling. 

Lange stand er noch so, und blickte voll Sehnsucht dem Freund nach 

Oeffnete leise dann das Fenster, griff still zu der Flöte, 

Und es schwebte das Lied in den heiligen Tönen der Wehmuth 

Durch das Schweigen der Nacht, und lockte ihm Thränen ne Auge. 

Da schlug lauter sein Herz, und gerührt entsank ihm die Flöte, 

Stiller und seliger blickt er nun in das Schimmern des Vollmonds, 

Und es glühte sein Herz, der ewigen Liebe entgegen , 

Und manch liebliches Bild enstieg der begeisterten Seele. 

Lange noch starrt’ es hinaus, da riss er sich los aus den Träumen, 

Und begann mit emsiger Hand sein Bündel zu schnüren, 

Legte die Ilias mit hinein und das Englisohe Fernrohr, 

Und ein Kästchen, gefüllt mit Römischer Kreide und Bleystift , 

Auch elaslisches Harz und ein Messer mit doppelter Klinge , 

Und dag Zeichenbuch auch mit Papier von mancherley Farben, 


4 


208 VERMISCHTE GEDICHTE 


Alles packt’ er genau und fest in das lederne Ränzel S 

Wog es bedächtig dann , ob es nicht zu schwer sey, erwägend; 

— Denn eine grosse Last ermüdet den eifrigsten Gänger, 

Und der Bedürfnisse sind ja auf solcher Reise nur wenig — 
Ueberlegend stand er dann still, ob er etwas vergessen , 

Und es fiel ihm die Flöte noch ein; er ergriff sie behende , 

Oeffnete schnell das Ränzel, und packte sie sorglich in Leinwand. 
Jetzt bedacht’ und besorgt’ er noch Manches, und schrieb in die Heimatlı ` 
Zog dann gemächlich sich aus, und warf sich nieder auf’s Lager , 
Und bald wiegte die Nacht ihn in bunte, liebliche Träume , 

Und ihm war's, als stieg er hinauf auf die Gipfel der Berge, 

Und er blickte zurück, und Nebel verhüllte die Erde, 

Da erhob sich in gold’ner Pracht die Fackel des Tages. 

Doch das freundliche Licht Lekämpfte vergebens den Nebel , 

Und im Wasser erschien eine zweyte glänzende Sonne, 

Und der Nebel verschwand, und heller ward’s in der Ferne, 

Aber jetzt ras’ten die Sonnen im donnernden Laufe zusammen ` 
Göttlich glühte die Welt‘, von flammenden Wögen erleuchtet, 

Und ein heiliges Sehnen zog aufwärts ihn in das Glutmeer,, 

Und es brach ihm das Herz in grosser , unendlicher Wonne, 

Da erwacht’ er , und glühend begann’s in Osten zu tagen, 

Wader erhob sich rasch , und, warf sich schnell in die Kleider, 

Toi das Ränzel sich auf ‚ fest schnallend das lederne Tragband, 

Griff zum Knotenstock dann, aus trefllichem Schwarzdorn geschnitten , 
Und so verliess er da Schloss, und vorwärts trieb ihn die Sehnsucht, 
Oft noch blickt er zurück , und gedachte der schlummernden Freunde 
Und der lieblichen Zeit im stille Kreise der Edlen ; 

Aber endlich verschwand ihm dass Schloss , es drängten sich neue 
Bilder herauf, und ‘er schritt mit fröhlicher Lust durch den Morgen. 
Da gedacht: er des Traums , und versuchte das Räthsel zu deuten, 
Und er verlor sich bald im bunten Spiel der Gedanken, 

Manches Thal durchwandert’ er nun , es führt’ ihn die Strasse 
Manchem Dorfe vorbey, und Fürstenstein sah er von ferne , 
Stolz , in herrlicher Pracht , wie es niederblickt in die Tiefe, 
Schimmernd ragten die Thürme empor aus den blühenden Bäumen , 
Und es flammte das Glühen des Tags in den spiegelnden Fensteru. 
Lange betrachtete es der sinnige Jüngling , und konnte 3 
Spät und ungern nur vom lieblichsten Bilde sich trennen , 

Doch er wanderte weiter und sang sich manch fröhliches Liedchen. 
Höher stieg nun- die Sonne am Himmel herauf, und von ferne 

Sah er die Thürme jetzt von Landshut, und näher und. näher 
Kamen sie ihm , nnd er sehritt jefz schneller und muthiger vorwärts, 
Bald erreicht’ er die Stade, und das beste Wirchshaus erfragend, 
Wies man ihn auf dem Ring sogleich in den Gasthof zum Raben. 
Grüssend trat er zur Stube hinein, und die freundliche Wirthin 


©- UND ERZAHLUNGEN. 209 


Nannte dem Jüngling schnell, was Küche‘ und Keller vermochte; 
Drauf erwählte Eduard sich Kaltschale von Weissbier 

Und Forellen mit grünem Salat, — er kühlt auf der Reise, —- 
Auch ein Fläschchen Oestreicher Wein ‚ihn im Wasser zu trinken , 
Denn nichts löschet den Durst wohl besser , als diess bey der Wand’rung. 
Bald erhielt er, was er verlangt, “und es schmeckte ihm »köstlich; 
Trefllich mundete ihm der Wein nach der Hitze des Tages , 

Und er trank im Stillen der fernen Freunde Gesundheit, — 

Als er durch Spee und Trank sich gestärkt , so streckt’ er ermüdet 
Sich auf dem Canapre aus, und ruhte noch einige Stunden , 

Wo er von Zeit zu Zeit im sanftem Schlummer sich wiegte. 

Dann erhob er sich rasch , bezahlte der Wirthin die Rechnung, 
Warf sich das Ränzel um, uud schied von, dem freundlichen Landshut. 
Munter ging er nun vorwärts, die grosse Strasse verfolgend , 

Ging durch S:hreibersdorf durch und durch das lange Rothzeche, 
Bis er endlich dann zum Anfang des Waldes gelangte, 

Wo er, vom Schatten gekühlt, die Landshuter Berge hinauf stieg, 
Lange noch führt ihn der Weg durch die düstere , einsame Waldung , 
Und den Blick in die Ferne verwehrten nnzählige Bäume ; 

Aber auf einmal ward’s Licht und heller zwischen den Zweigen, 
Und ein Fussweg führte hinaus auf die Höhe des Felsens, 

Ach, und da lag ihm die schöne, die göttliche Welt zu den Füssen 
Und er stand geblendet vom höchsten Reize der Erde. 

Unter ihm lag, geschmückt mit bunten , unzäbligen Dächern , 
Schmiedeberg, die freundliche Stadt, und jenseits erhoben 

Stolz sich die Riesen des Landes , verknüpft zur ew’gen Kette, 
Längst am Horizont zur gewaltigsten Mauer außstrebend, 

Links die Mordköhn zuerst , und die schwarze Koppe , der Forstikamm ; 
Dann‘ die Königin des Gebirgs mit der hohen .Capelle, 

Und der Koppenplan,, und die steilen Ränder der Teiche ; 

Dann der Reifiräger zuletzt, und des Kynast’s weitschimmernde Feste,» 
Göttlich und gross war der Blick in Fern und Tiefe und kräftig, 
Nur mit leichtem Contour im blauen Aether sich mahlend , 

Strebte die kecke Form der stolzen Gebirgskeite aufwärts, 

Feurig schwamm die Natur in der warmen Beleuchtung des Abends, 
Und es glühte die Welt in den scheidenden Strahlen der Sonne, 
Hohe Begeist'rung erfüllte die Brust da des trefflichen Jünglings , 
Und er starrte mit festem Blick in’s versinke.ıle Gluthmeer , 

Und mit stiller Gewalt ergriff ihn des Augenblicks Grösse, 

Doch er riss sich gewaltsam los, schon begänn es zu dämmern , 
Und er eilte die Strasse hinab mit rüstigem Schritte. 

Bald ‘erreicht’ er die Stadt, schon glänzte am himmel der Vollmond, 
Und der Jüngling schritt über den ‚Ring in den Gasthof zum Sterne , 
Wo ihm der flinke Marqueur gaschäftiz sein Kämmerchen anwies, 
Müde warf er sich hier auf das weich? Canapce nieder, 


O: VERMISGHTE GEDICHTE 


Und erwartete so in stillen Träumen die Speisen , 

Die man ihm jetzt sogleich auf zierlichen Tellern herbey trug, 

Und os schmeckte ihm wahrlich gar köstlich nach solcher Ermüdung, 
Aber er sehnte vor allem nach Ruhe sich und Erholung ; 

Denn schön morgen wollt’ er hinauf und ersteigen die Koppe, 
Und- so ‚warf es sich denn aüf die Weichen , reinlichen Betten , 
Kaum die Zeit sich erlaubend , um schnell die Kleider zu lösen, 
Bald auch -schloss er die Augen , und Nacht umiflorte die Seele, 
Und ein tiefer Schlaf lag lieblich und still auf demyJüngling, 


—eeuue MMMM 
ZWEYTER GESANG, 


Fest und imig umarmte der Traum noch die schlummernde Erde, 

Und nur des Wächters Ruf unterbrach die nächtliche Stille ; 

Aber bald ward es heller in Osten, es graute der Morgen, . 

Und Aurora, das Haar mit glühenden Rosen durchflochten , 

Zog die erwachende Welt in den Frühlingszauber des Lichtmeers, 

Und es begann auf der Strasse lebendig zu werden ; laut knarrte 

Schon der Riegel des Thors, der den Eingang sicher verwahrt hielt, 

Und es öffneten sich dem freundlichen Tage die Fenster); 

Doch es schlief noch der Jüngling, von lieblichen Bildern umgaukelt- 

Und die Sonne stieg höher empar, und lauter und deutlich 

Tönte das Murmeln herauf geschäftiger , emsiger Menschen, 

Schnell mit dem Tage zugleich des Tages Beschwerde ergreifend. 

Aber doch schlammerte Eduard noch in friedlichen Träumen, 

Küsste die Sonne auch längst schon die bräunliche Wange des Jünglings. 

Endlich erschien der Marqueur mit der Kanne voll dampfenden Kaffe’s 

Mit den Töpfchen voll Rahm und dem reichleich bezuckerten Milchbrod. 

Da erwachte der Jüngling, und warf sich schnell in die Kleider, ` 

Freute sich bass ob des herlichen Wetters, - denn günstig zur Wand’'rung 

War ihm der freundliche Tag , — und schlürfte-das reichliche Frühstück, 

Dann berief er den Boten, den Kund’gen des Wegs im Gebirge, 

Den er des Abends zuvor zum treuen Führer gedungen, 

Lud ihm. des Ränzels Last auf die breiten , willigen Schultern, 

Zahlte die Rechnung und ging, von den freundlichen Schmiedeberg 
(scheidend. 

Vor ihm lag in unendlicher Pracht in der Fülle des Morgens 

Stolz das hohe Gebirg mit himmelan strebender Grosskraft ; 

Und ihn zog die Sehnsucht hinauf zu dem Gipfel der Berge „ 

- Ach, und über die Berge hinweg , über Erden und Welten ` + 

Trieb ihn die Kühne Gewalt der wildbegeisterten Seele. 

Da ergriff er, um rasch den gewaltigen Sturm zu bekämpfen , 

Der ihm durchwogte die Brust , die Wohllaut zaubernde ‚Flöte, 


UND ERZÄHLUNGEN. gu 


Und es braus’te das Meer der künstlich verschlungenen Töne , 

Bis es in leises Wehn sich der heiligsten Liebe gewandelt, 

So in melodischer Kraft entschwebte der flüchtize Wohllaut , 

Und dem Weltgeist erglühte das Lied des begeisterten” Jünglings , 
Und der Sehnsucht Gewalt versank in den Wogen des Einklangs, 
Endlich verstummte das Lied , und schweigend duschzog er Steinseifen , 
Zog durch Krummhübel durch voll bunter, lieblicher Gärten ; 

— Denn es wachsen daselbst der heilsameu Kräuter gar viele , 

Die man mit fleissiger Hand zum wohltifuenden Balsam bereitet , 
Und schon Mancher ward so dem nahenden Tode entrissen, — 
Steiler ward nun der Pfad , durch schattiges Laubholz sich schlängelad , 
Und es schritt der Jüngling mit frischer, Jugendkraff®vorwärts ; 

Da unterbrach zuletzt der keichende Bote die Stille: 

sLäuft doch der junge Herrr, als hätt’ ere von Kindheit getrieben, 
e Schon’ er den Athem nur auch ; den gar hoch ist's noch bis zur Koppe, 
e Sachte! ich kann ja kaum nach , nur mässig, es geht ja Berg aufwärts!» 
Aber Eduard stieg unermüdlich es trieb ihn die Sehnsucht , 

Und er hörte nicht mehr auf die Rede des keichenden Führers , 
Der mit des Ränzels Last in weiter Entfernung zurück blieb , 

Und der also zuletzt dem Jüngling , dem eilenden nachrief : 

e Länger vermag ich’s nicht, vergönn’ er mir immer, zu ruhen, 

e Nur ein weinig bedarf's, um schnell die Glieder zu stärken , 

a Und mit frischer Kraft dann steigen wir muthiger vorwärts, » 

So der Bote, und ihm gewährte die Bitte der Jüngling. 

Und er warf sich hin in den Schatten, der flisternden Buchen, 
Dehnte mit freudiger Lust die jugendlich kräftigen Glieder , 

Und behaglich strekt’ er sich aus auf dem üppigen Moose , 

Still den sanften Gesang harmloser Zirpen belauschend, 

«Heut’,» $ begann der Bote , und nahm die Pfeif’ aus dem Munde, 
e Heut’ hat's Koppenfest , ja heute hat’s Leben dort oben , 

«Soll sich der junge Herr doch wundern, wenn er die Menge 

e Menschen sieht, die sich da zu Gottes Worte versammeln, 

e Ist's doch fast wie ein Jahrmarkt , so treibt man sich wild durch einander , 
e Ach, und was hat's da für treffliche Kuchen , für Bier und für Branntwein 
D ee nicht zehn Meilen weit in der Runde» œ 

Als fach er, und stopfte sich jetzt gemächlich sein Pfeifchen. 
Drau rkundigte Eduard sich nach des Festes Gewohnheit, 

Nach den Gebräuchen des Tags, und®der Bote versprach zu erzählen ; 
Aber zuvor nahm er glimmenden Schwamm, und brannte die Pfeife , 
Und mit kräftigem Zug den Dampf einschlürfend , begann er. 


D 


212 VERMISCHTE GEDICHTE 


. DIE VERLOBUNG. 


2 1811. 


# ERSTER GESANG. 


Länger fielen die Schatten-ins Thal , es färbte der Himmel 

Sich im glühenden Roth der Bee Sonne ; die Wandrer 
Suchten ein freundliches Obdach , und stiller ward’s auf den Strassen. 
Da kam auch did@Wiese entlang der Förster von Buchwald, 

Aus dem Thale zurück mit seinem Weib und der Tochter, 

Und sie eilten ; denn schwer untersagt war dem kränkelnden Manne 
Jegliche feuchte Luft und die dämmernde Kühle des Abends. 

Bald erreicht war das steinerne Haus, sie traten zur Thüre 

Und der Förster begann: «Hör’ Mutter, ich rauchte wohl gerne 
«Noch ein Pfeifchen im Freyen, bis du das Essen bereitest , 

a Lass mir Josephe nur da , wir setzen uns unter die Bäume, » 
ssAber die Abendluft ? »» entgegnete ängstlich die Mutter, 

solst sie dir nicht zu feucht? Du hist noch erhitzt vom Spaziergang , 
ee Und das Mädchen ist ja so geneigt zu Husten und Schnupfen, 
saNein, komm!’ lieber hinauf.» «Ey was,» versetzte der Alte, 
«Bin ein Weidmann, und soll die kühle Luft nicht vertragen ? 
«Lass Josephen den Oberrock anziehn,, und schick’ sie herunter, 
«Sieh, wir plaudern dann noç ein fröhliches Ständchen zusammen , 
eBis du zum Esseu ruft, Gewiss , es soll ihr nichts schaden, o 
Ungern liess die Mutter es zu, und schmückte die Tochter 

Erst mit Mantel und Tuch, dann ging sie besorgt in die Küche, 
Aber Josephe sass auf der Bank bey dem fröhlichen Alten , 

Und sie gedachten Beyde mit herzlichen Worten der Heimath , 

Und es blinkte wie Thau in den sanften Augen Josephens. 

ca Was nur der Rudolph macht, »» so begann das liebliche Mädchen , 
ve Schon acht Tage sind’s, das wir keine Nachricht erhalten, 

en Under schreibt so gern, er hat es mir heilig versprochen, "u 

«o Krank wird er doch nicht seyn?a» «Wassoll dem Burschen denn fehlen?» 
So entgegnete Ar der Vater mit List, «ein rüsfiger Weidmänn- 
«Hat wohl manches Geschäft, Be ihn am Schreiben verhindert , 
«Und der Rudolph ist streng gegen sich und wacker im Dienste ; 
«Solches Lob gebührt ihm aus jeglichem Munde. Ihr Mädchen 
Denkt, es habe der Mann nichts Wichtiger’s zu thun, als die Liebe. 
sDeine Mutter hat's auch so gemacht, die war nicht zufrieden, 
«Kam ich nicht täglich zweymal aus meinem Dorfe hinüber. 
"e Musst" ich früh in den Forst, und fehlt’ ich Morgens im Garten , 
«Schmollte sie Abends mit mir , und jegliches Wort war vergebens: 


UND ERZAHLUNGEN. 215 


«Aber sieh, Josephcehen , schon steigt der Mond aus den Bergen, 
s Wie er so still durch die Zweige bricht , die dunkel verschlung’nen , 
«Und das schimmernde Gold aus den silbernen Wolken hervor strahlt! 
«Horch! da hör’ ich Musik, Sie bringen’s dem Böhmischen Grafen, 
«Der heut’ früh in dem Wallfisch ankam, Wie war doch der Name ? 
sIch besinne mich nicht, du, Mädchen, musst es noch wissen, _ 
Aber Josephe schwieg; versunken in lieblichen Träumen, ` 
Schaute ge "frend e hinauf in des Vollmonds Glühen , die Seele 
Flog mit der Töne Gewalt in schönen Accorden:zur Heimath. 
Uud der Erinnerung Wehen drang tief zu dem Herzen voll Liebe, 
Also sassen die Zwey, und lauschten Beyde dem Walzer, 
Der jetzt im wirbelnden Flug die Reihe der Töne durchschwebte, 
Aber oben zog auf dem Gipfel des Berges ein Jüngling 
Fröhlich die Prager Strass’ am steilen Felsen vorüber. 
Rudolph war’s, der Jäger ; ihn trieb die Sehnsucht nach Carlsbad , 
Und mit frohem Gesang begrüsst er das Thal seiner Wünsche, 
Fördert den Schritt, und er sieht in die Stadt, und es blinken 
Ihm im Sternenschein unzählige Lichter entgegen. 
«Wo ist das deine , Josephe, wo ist der Stern meiner Liebe? e 
Ruft er begeistert aus, «ach, eins von den schimmernden Lichtern 
e Sammelt die Liebe um sich, und blinkt Josephen ins Auge. 
«Ob sie meiner gedacht? Gewiss ! Auf, dass ich sie grüsse! » 
Und er eilt hinab in die Stadt, und fragte den Ersten , 
Der ihm entgegen trat: Sagt, Freund, wo ist wohl die Wiese ? 
«Wo ist das steinerne Haus ? beschreibt es mir gut dass ich's finde. » 
Freundlich wies man ihn über die Brücke hinauf an den Bäumen 
Er gewahrte das Haus, da ergriff ihn stille Begeistrung , 
Und ein heiliges Weben verkündet die nahe Geliebte, 
««Sieh Josephe an begann der Alte, aa eer kommt da so eilig 
se Roch die Wiese herauf; ein Reisender scheint es, ein- Jäger, es 
«Wo?» so fragte Josephe, aus ihren Träumen erwachend ; 
Da erblickte sie ihn, und erkannte den Gang des Geliebten, 
«Rudolph, » rief sie , und flog ihm entgegen, o mein „Rudolph! ` 
- as Josephe Ian 
Jubelt jener entzückt , und Küsse verschlangen die Worte, 
. sEy, willkommen Bursche ‚» trat jetzt ihm der Vater entgegen, 
«Das ist ein kluger Streich, und macht mir herzliche Freude, » 
Sprach’s, und drückte dem Jüngling die Hand. «Mein trefllicher Vater len 
So entgegnet er ihm gerührt, sedu bist doch recht fröhlich P 
eg Bist doch recht frisch und gesund? s»’ a Gott Lob! versetzte der Alte » 
«Und mit der Mutter geht’s auch um vieles’ besser, » ` «u Wo ist sie Pa» 
Fiel ihm- der Jüngling ein , on Ach, lass mich hinauf zu der Guten » 
es Dass ich ihr küsse die Hand’, die so mütterlich um mich sorgten» 
Und sie führten ihn freudig hinauf zu der staunenden Mutter, 
Die den jungen Freund mit-herzlichen Worten begrüsste, 


214 VERMISCHTE GEDICHTE 


«Sey mir willkommen, mein Sohn, sey der Mutter willkommen in Carlsbad, 

«Doch ich zweifelte dran , dass du so abkommen könntest. 

«Sprich, wie geht es-daheim, ist alles noch flink und in Ordnung ? 

«Steht das Getreide hoch, und sind die Pflaumeu gerathen? » 

sa Wohl istalles noch flink und in Ordnung ‚»» entgegnete Rudolph, 

ss Das Getreide steht hoch , und die Pflaumen sind herrlich gerathen. 

«a Marthe hütet das Haus, und hält die Knechte zur Arbeit, 

««Sie empfiehlt sich aufs Beste ; auch Predigers grüssen recht herzlich» 

e Und des Schulmeisters Frau ‚» so fragte die Mutter, vist nieder P 

«Sicher ist es ein Sohn, ich hab’ es ihr immer geweissagt. 

es Wohl traf’sein ‚n» versetzte ihr Rudolph, «v ich stand zu Gevatter. »» 

a Ey da musst dù uns alles ein Langes und Breites erzählen up 

Fiel die Mutter ihm ein. «« Ey , lass doch den Burschen erst ausruhn »» 

So entgegnete ihr der Förster, oe schafft Wein und zu essen ; 

se Denn der Weg ist lang, und gross war die Hitze des Tages. 

ea Setze dich, Sohn, und ruhe dich aus, dann magst du erzählen, es 

Aber Josephe war längst schon hinaus, sie brachte die Schüsseln , 

Brachte die Flaschen herein, und Melneker perlte im Glase. . 

Freudig ergriff der Alte das Glas, und bracht’ es dem Jüngling : 

e Sey uns willkommen im steinernen Haus!» «sRecht herzlich will- 
' ' e kommen Lan 

Riefen die Weiber ihm nach; es klirrten die Gläser im Kreise, 

« Dank für den freundlichen Gruss,» versetzte der treffliche Jüngling, 

Drückte dem Vater die Hand, und neigte sich gegen die Mutter; 

Aber Josephen zog er ans Herz, und mit glühenden Lippen 

Küsst’ er dem liebenden Mädchen die Perle des Glücks von dem Auge. 

se Rudolph, »» begann darauf der würdige Förster von Buchwald, 

ss Jetzt erzähl’ uns getreu , wie du schnell dich zur Reise entschlossen , 

eg Wie du den Weg vollbracht, ob Unglück , ob Glück dir begegnet, 

ss Sephchen , bring’ mir vorher noch den Meerschaumkopf und die Dose , 

«s Denn mich gelüstet’s , dabey das letzte Pfeifchen zu rauchen, 

«s Sieh einmal , Rudolph , den Kopf ‚ich hab’ ihn erst gestern bekommen ; 

sa Vier Louisd'or ist er werth , ’s ist echte-Türkische Masse.»s 

Jener bewunderte sehr die zierliche Torm und die Farbe 

Und das reiche Beschlag ; dann begann er mit folgenden Worten: 

e Seht ‚ihr Lieben , schon sind es drey Wachen , dass ihr uns verlassen , 

sOede war mir das Hans, und mit Sehnsucht zählt’ ich die Tage, ` 

«Fleissig hatt’ ich vollbracht, was der Vater zur Arbeit gelassen. 

a Bald vermessen den Forst , und vollendet den jährlichen Holzschlag.. 

«Auch im ‘Garten war ich nicht faul, ich hatte..den Abschluss 

«Des Quartals nur noch, auch damit kam ich zu Stande. 

es Mussig hielt ich’s nicht aus , da gedacht’ ich Josephens Geburtstag, 

«Der auf den Montag fällt, überraschen wollt’ ich euch alle, 

«Und am festlichen Tag mich selbst Josephen hescheren. 

«Töplitz, so dacht’ ich mir, hält dch einen Tag ‚auch wohllänger , 


UND ERZAHLUNGEN. dE 


«Und sö ging ich am Donnerstag aus; ein herrlicher Morgen 

«Strahlte dem fröhlichen Blick aus tausend Blüthen entgegen» 

«Längs der Müglitz führte der Weg mich, der -vielfach gekrümmte , 

«Durch des Felsenthals verschlungene düstere Windung. : 

e Schauerlich standen die Fichten umher auf den Höhen der Berge, 

« Einzelne Hütten zerstreut, im Grunde war’s heimlich und stille, 

«Und ich ergötzte mich an tem röthlichen Spiele der Wellen. 

«Schäumend brach sich der Fluss an des Ufers steinernen Rippen. 

sAls ich gen Bärenstein kam , zur alten düstern Feste , 

sKehrt’ich beym Förster ein ; denn Mittag war’s, und die Sonne 

«Prallte glühend heiss zurück von den Wänden des Thales. 

e Wenner war nicht daheim , blos die junge Frau mit den Kindern, 

s Herzlich empfisgen sie mich , und sie eilten, ein-Mahl zu bereiten, 

«Früchte, Eyer und Milch, was ihre Küche vermochte ; 

«Denn die Gegend ist arm., und nichts war im Dorfe zu haben: 

e Dech wir waren vergnügt, ünd gedachten vergangener Zeiten; 

e Werner und ich sind zugleich in die Schule gegangen , da wusst’ ich 

« Denn so manchen Streich zu erzählen, je toller je besser, 

«Aber plötzlich erscholi’s von der Strasse : Ach, reitet die Rinder! 

«'S ist ein wüthiger Hund! Schnell riss ich die Flinte vom Nagel, 

«Stürzte hinaus, und sah des Försters Kinder und andre 

a Von der Bestie verfolgt; die Mütter schrieen um Hülfe, ` 

«Also schlug ich an, und schöss, da stürzte das Unthier, 

«Und die Mütter jubelten laut; ich hatte den Lieblung » 

«Jeder gerettet, umringt war ich von dankenden Menschen. » 

ae Brav, mein Sohn ‚»» fiel. der Alte ihm ein, «sein Schuss, de sich 

: lohnte ! 

ua Solche Thaten zählt Gott, ‘mag man sie hier unten vergessen, 

«s Mädchen, gib "mal dem Jungen ’nen Kuss, recht voll und recht 
herzlich. e 


u 


Thränen im Auge trat sie erröthend hin zum Geliebten , : 

Drückte den rosigen Mund auf die Lippe des glückfichen Jünglings, 
Und dem Jäger war's wie seliger Geister Begrüssung , 

Aber es störte.bald ihn der Vater aus tiefer Begeistrung,, 
Forschend, wie er den Weg nach dem reizenden Böhmerland einschlug. 
Und er sammelte schnell die Sinne, und also begann er: 

«Bleiben sollt’ ich durchaus, doch ich schied mit herzlichen Worten, 
«Und sie geleiteten mioh bis weit auf den Berg, da riefen / 
«Alle mir Lebewohl zu und Gottes Friedes und Segen. 

«Aber ich eilte fürbass, noch aus weiter Ferne sie grüssend. 

«Tief im Herzen war ich gerührt , in Träume versunken 

«Kam ich zum Wald, der hoch zu des Berges Gipfel hinauf führt. 
«Langsam stieg ich empor , uud gewahrte von ferne das Kitchlein , 

e Mückenthürmchen genannt, Ich förderte schnell meine Schritte, 
«Oben stand ich, und schaute hinab , berauscht von Entzücken., 


216 VERMISCHTE GEDICHTE 


« Vor mir lag paradiesisch Geld, und grünende Berge = 
«Knüpften die blühende Welt an des Himmels dämmernde Kerne. 
sLange.Zeit stand ich wie berauscht vor dem göttlichen Anblick, 
«Da riefs glockenhell. aus der Tiefe herauf, zu der ‚Vesper EN 
sLäutete man im Dorfe, da war's, als erwacht’ ich vom Traume , 
« Und ich eilte hinab, und rastlos weiter. bis Töplitz, 

e Spät schon war’s, als ich in die Töpferschenke hinein trat. 
«Bestens ward ich begrüsst, man gab mir ein frenndliches Zimmer, 
«Und ich pflegte mich bass nach des Tages Last und Erhitzung. 
sLiebliche Tränme umgaukelten bald den. glücklichen Schläfer , 

« Bis des Morgens. Wein durch das offne Fenster mich weckte, 

s Bleiben wollt’ ich in Töplitz , so hatt’ ich es ernstlich beschlossen, 
«Aber der freundliche Tag liess mich nicht ruhen und rasten, 

«Und die Sehnsucht zog mich zu euch. So eilt ich denn weiter, 
«Gestern kam ich bis Podersam , und wanderte heute 

«Fröhlich und frischen Muths des Herzen nach und der Schusucht , 
«Die mich hierher. geführt, und jetzo bin ich am Ziele, 

sFind’ euch, froh und gesund, und freue mich laut meiner Lieben. », 
Also beschloss der treflliche Jüngling, und reichte den Aeltern, 
Reichte Josephen die Haud und alle drückten sie herzlich, 

Drauf begann die Muster: «sEy, Sohu, erzähl’ uns doch weiter 

as Von der Gevatterschaft , du weisst, mich freut das vor allen! v» 
Aber der Vater fiel ihr ins Wort : «Ey ‚Mutter, was denkst du P 
Rudolph sefnt sich gewiss zur Ruhe nach solcher Ermüdung ; 
«Drum, gute Nacht, mein Sohn! Josephe, zeig’ ihm das Zimmer I e 
se'S ist auch wahr, ich dachte nicht dran - aa versetzte die Mutter, 
««Schlafe wohl, und segne dich Gott!»» Ihr dankte der Jüngling , 
Gab dem Vater die Hand, und ging, Es führt ihn Josephe. 
Freundlich schloss sie das Zimmerchen auf, sie hatte mit Blumen 
Ihm das Fenster geschmückt , den lieben Gast zu begrüssen, 

Innig war er erfreut, und dar kte mit herzlichen Worten. 

Aber sie eilte hifaus, ein flüchtiges Lebewohl nicker d. 

es Einen Kuss noch,» rief er ihr nach, o nur noch einen Josephe, 
« Sey barmherzig» Sie hüpfte zurück, and steckte das Köpfehen 
Schalkhaft zur Thüre herein, reicht ihm die Lippe zum Russe, 
«Dank dir, rief er entzückt, «und nun gute Nacht , süsses Liebchen.» 
us Schlummere süss, ns» so flisterte sie und schwebte von dannen, 
Lange sah er ihr nach; ein stiller, heiliger Frieden 

Wehte durch seine Brust; wie Frühlingsträume der Liebe , 

Und es wiegte die Nacht in selige Träume den Jüngling. 


——— —- ç — 
ZWEYTER GESANG 


Dämmrung webt noch still in des Thales verschlungener Tiefe, 
Nur den Gipfel des Bergs begrüsst die Sonne mit Rosen , 


UND ERZAULUNGEN 217 


Und der lebendige Tag erwacht auf den Höhen, Dort unten 
Schlummert noch alles. Gef, die sanften Träume des Morgens 
Schweben mit fröhlichem Sinn um das Lager der glücklichen Schläfer , 
Und die vergangene Zeit tritt ohne den Schmerz vor die Seele. 

Aber die Sonne steigt, es fallen die Strahlen des Lebens 

Ueber die Bergg herein, aus den Thälern flüchtet der Nebel , 

Der mit dunkler Gewalt noch die blühenden Fluren umarmt hielt, 
Und in den Perlen des Thau’s, im Schmelz der erwachenden Fluren , 
Spiegelt sich tausendfach des Morgens glühender Brautschmuck, 
Sieh, und es®öffnen sich dem jungen Tage die Fenster, 

Und die Thüre geht auf, es regt sich das Leben auf’s neue, 

Aber Josephe lag noch, von lieblichen Träumen umgaukelt, 

Sanft, wie nur Engel ruhn, Es schläft sich ső herrlich am Morgen , 
Und sie schlummerte* gern noch ein Ständchen, Da pochte an der Thüre , 
Und der Vater ruft leise herein: «’S ist Zeit ap den Neubrunn, i 
«Auch zum Sprudel wandert man schon! » — Das wirkt wie ein Zauber, 
Schnell vom Lager empor; der Morgenputz wird bereitet ,“. 
Bald vollendet in flichliger Zeit ist das flüchtige Kunsiwerk , 
Und die Grazie wirft einen heitern Blick in den Spiegel, ` 
Aber der Vater: war und die Mutter längst schon gerüstet ER 
Als das blühende Kind mit zierlichem Grusse ‚herein trat. = 
Beyde umarmen sie, einen freundlichen Mogen ihr wünschend. 
en Aber oo bleibt doch der Rudolph ,»» versetzte das liebliche Mädchen ; 
ss Denn zum Neubrunn- muss er Wee Af mit, auch macht's ihm Ver- 


gnügen, 

ss Wartet, ich weck’yihn sogleich, eg "gie RN, und eilt’ aus den 
Zimmer 

Hin zu Rudolphs Gemach; dort pocltie sie lei an die Thüre, 

ss Schläfer, ermüntre dich, wir ‚warten deiner zum Neubrunn, as 

Also klang ihr melodiseher Ruf zu dem glütklichen Jüngling, 

Und er erwachte aus lieblichem Traum zur schöneren Wahrheit, 

Freudig entgegnäte' er: «Sogleich,, meinß;treflliches Mädchen, 

e Bin ich bey euch, drum verweilt, und verzeiht dem ewigen Schläfer. » 

Schnell sprang er nun in die Kleider hinein , ein zierlicher Jagdrock 

Schlug um die Hüfte ‚es klirrte der Sporn an dem glänzenden Stiefel , 

Und das dunkle Daag Oo in reicher Pracht um die Stirne. 

Also trat»er zu jeden hinein , viel Grüsse des Morgens 

Tönten dem Jünglinge zu, ‘und herzlich erwiedernd begann er: 

« Wie mich die Nacht doch hier in weit seligern Träumen umgaukelt, 

«Und wie der junge Tag heut’ um so schöner mich anlacht! 

a Alles ist mir vertraut und hold, wohin ich nur‘ schaue, 

«Denn ich bin ja bey euch, in der Liebe geheiligter Nähe, 

e Ach, des unendlichen Glücks : !»— Gerührtschwiegen Mutter und Vater, 

Aber Josephe küsste ihm freundlich das Wort von der Lippe, 


19 


218 VERMISCHTE GEDICHTE ` 


Zog ihn scherzend zum Spiegel, und rief, die Locken ihm ordnend : 
eg Ey, wie bist du so hübsch, du hast mir noch nie so gefallen ; 
ss Jedes Mädchen sol heute den schönen Jäger bewundern, 

aè Aber werde nicht stolz, und vergiss um die herrlichen Blumen 
ea Nicht des Veilchens bescheidenen ‚Sinn und die gute Josephe,»» 
Also sphäkerte sie, doch der Vater ermahnte zum Aufbruch , 
Nahm die Mutter-am Arm, und Rudolph führte sein Mädchen ` 
Und sie schritten hinab, die Johannis-Brücke vorüber-, % 
Ueber den Markt und sò durch die Mühlbadgasse zum Neubronn, 
Volles Gewühl war da, es wogte auf Gang und Terrasse, 
Harfen-Musik erschallte darein und*Gesänge der Mädchen, 

Und um den dampfenden Quell stand ungeduldig die Menge. 

Aber mit neidischem "Blick ‚sahn viele die sanfte Josephe 

An des Jünglings Arm ; denn schön war Rudolph von allen, 
Braun von der Sonne gefärbt zwar das männliche Antlitz, doch trefflich 
Stand ihm der Locken Gold dazu und das Feuer des Auges, 

Aber den Jäger kümmert’s nicht, die Blicke der Frauen 

Glitten ohne Gewalt an dem treuen Herzen vorüber, 

AIl das Treiben gefiel ihm nicht, er hätte Josephen 

Gern-so ches gesagt, von Hoffnung und Liebe gesprochen., 

Aber wenn die Sehnsucht ihm wuchs, und das Herz ihm so voll ward R 
Trat ihm der kalté Gruss Kom Brunnenbekanntschaft entgegen, 

Und er verzweifelte fast. Da rief sie der Vater nach’ Hause, 

Und sie eilten sogleich, und Rydolph ward fröhlichen Muthes ; 
Denn Josephe versprach: nach dem Frühstück geht's aufden Hirschsprung, 
«Und wir sind’dan allein, da sofist du mir alles erzählen.» 

Unter den Bäumen dorf vor dem steinörnen Haus stand ein Tischchen , 
Weiss mit Linnen gedeckt, es dampfte”in bläulicher Kanne 

Schon der freundliche Trank den .Kommenden lieblich entg Ki 
Nicht vergessen war die Menge der köstlichen Brezzeln , 

Sammt der Kalatschen Gebäck ‚in zierlicher Ordnung geschichtet, 
Nicht vergessen war auch der&Schmetten voll herrliches Schaumes P 
Und der Zucker zugleich in krystall'ner -Schale verschlossen. 


me 


Ze 


CHARADEN, RATRSHL, LOGÖGAYPHEN. 


S 1. - 
Wein Frühlingswonne , neu geboren , 

Des Herzons tiefsten Sinn entzückt , 
Steh’ ich vom Wechseltanz der Horen 

Als Blumenkönigin geschmückt. 
Und schöne Mädchen winden mich zu Kränzen, 
Als Schmuck auf ihrer Locken Gold zu glänzen. 


UND ERZAHLUNGEN. 219 


Wird- vorgesetzt das-letzte Zeichen , 

Als Götterknaben schaust du mich, 
Zeus muss sich meinem Willen beugen , 
Ich quäle,, ich beglücke dich ; 

Aus meinen Händen fallen dir die Loose , 
Doch ohne Dornen reich’ ich keine Rose. 


— 
2. 


Schreckt euch meine Gestalt! hat mich ein Gott doch gewürdigt , 
Schloss in die hässlithe Form seine Unsterblichkeit ein. 

Rache färbte sein Herz, er lechzt nach dem Blute des Knaben, 
Und der Phrygier sank , grausend ein Opfer der Wuth, 

Rückwärts lese die Zeichen, dann nimm die blinkende Schale , 
Drücke zum Purper mich , schlürfe den göttlichen Saft, 

Und umwinde die Schläfe mit Epheu dir und mit Rosen, 

Eroe ! tönt es rings um, Bacchus, unsterblicher Gott ! 


m MM 


3. 


Herrlich steht es vor dir, ein Gebild aus edleren Zeiten, 

Und umarmt die Welt mit dem Gebote der Kraft, 

Doch es wankt die Gewalt, sie kann die Bürde nicht halten , 

Die sie gierig umfasst, und das Erhabene fällt. 

Wandelst du aber die Ordnung, und kehrst die Zeichen des Wortes, 
Etwas Ewiges steht, etwas Unsterbliches da, 

Mächtig herrscht es, und strahlt im Glanz der Olympischen Gottheit , 
Und durchbohrt uns das Herz, wenn es den Nektar uns reicht. 


A 


Alter Ortographie zum Schrecken 

Wird jetzt der Räthsel verwegenstes laut, 
Muihwillig will es den Leser necken, 
Dass die Kritik ihren Ohren nicht traut, 


Die erste der Sylben, mit Zaubergewalten 
Gürtet um Geister das magische Band: 
Doch nur im Abglanz von fernen Gestalten 
Lebt sie allein in der Träume Land. 


Heimlich im grünenden Laube zu blühen, 
Ist im Frühling der zweyten Loos, 

Wenn die Schwalben des Spätjahres ziehen , 
Ringt sie hervor sich aus dunklem Schooss. 


220 VERMISCHTE GEDICHTE 


Aber mit heisem Liebesverlangen 
Schimmert des Ganzen göttlicher Sinn , 
Glühend im Schaume der Meerfluth empfangen , 
Aller Könige Königin. 

u — 


5. 


On bin ich der Menschen einziges Wissen , 
Der Grosse gibt sich mit mir nur ab; 
Mich zu erzeugen sind Viele beflissen , 
Wer mich hat, kommt an den Bettelstab. 
Wer an mich denkt, hat vieles verbrochen e 
Auch der Stocktaube hörte mich gehn, 
Der Stumme selbst hat mich ausgesprochen , 
Und der Blinde hat mich ganz deutlich gesehn , 
Man erhält mich gratis und ohne Geld, 
Ich bin der Urstof der ganzen Welt. 

——— 

6. 


Wa grünend den ersten Sylben entquillt, 
Erquickt nur die gierige Heerde, 

Die Menschen ernährende Wurzel verhüllt 

Sich bescheiden im Schoosse der Erde, 

Doch, was sieben und zwölf ist, was dreyzehn und neun, 
Das muss die dritte der Sylben seyn, 

Einst hauste das Ganze mit Zaubergowalt 

In unterirdischen Reichen. 

Erschiew den Menschen in mancher Gestalt, 

Ein Schadenfroh sonder gleichen, 

Doch hat es sich längst von der Erde getrennt, 
So dass ihn die Sage der Vorzeit nur kennt, 


—————— 


7. 


Sun empfangen im zarten Keime, 

Tritt er hervor in des Himmels Räume , 

Und es formt sich zür blühenden, schönen Gestalt , 
Und die Gottheit segnet’s mit heiliger Weihe, 

Dass es im Drange der Zeit gedeihe , 

Und es reift-mit des Wesens dunkler Gewalt. 


Zwar muss es endlich vergehn und erkalten , 
Uud sinken muss es zur gräulichen Nacht, 

Doch strahlt es verjüngt durch des Grabes Spalten , 
Im neuen ‘Frühling mit seliger Pracht. ` 


UND ERZAHLUNGEN. - 1i 


"Lies’st du es rückwärts ; ein Kind der Erde, 
Umarmt es die Mutter mit trüber Geberde , 
Still widerstrebend dem frühen Strahl. 

Und wie des Mädchens rosige Wangen 

Ein Schleyer umflattert mit zartem Verlangen, 
So webt es sich innig um Berg und Thal. 


Doch ‚glühender wächst die Flamme der Sonnen, 
Und es fliegt zerstreut durch das bläuliche Haus, 
So ist das Räthsel zur Klarheit zerronnen , 
Sprichst du der Deutung Zauberwort aus, 


— 


8. 


Tiitist du als Jäger die ersten, so machst.du die dritte, das Ganze 
Ist der ersten Gemahl, Vater der dritten und Sohn, 


n 


9. 


j In stiller Anmuth kommt’s gezogen, 
Wie Rosenhecken blüht es auf, 
Und durch des Aethers blaue Wogen 
Steigt es mit gold’ner Pracht herauf, 
Kaünst du des Räthsels Lösung finden ? 
Zwey Sylben mögen dir’s verkünden, 


Wohl gibt es eine mächt’ge Heerde, 
Von keinem Auge noch gezählt, 

Sie weidet herrlich fern der Erde, 
Vom Glanz des eegen Lichts beseelt, 
Willst du der Lämmer Namen kennen, 
Die dritte Sylbe wird ihn nennen, 


Am frühen Tag erscheint das Ganze, 

Und steigt empor mit heil’rem Sinn, 

Und in des Morgens jungem Glanze 
Verkündet's die Gebieterin , 

Und folgt ihr nach durch alle Weiten, 
Sprich, kannst du.mir das Räthsel deuten ? 


— ` 


10: 


Auf finsterem Fittich komm’ ich geflogen , 
Berausche die Sinne mit trüglichem Traum , 
Und von des Gesetzes Urkraft gezogen , 
Schweb’ ich schnell durch der Welten Raum. 


222 VERMISCHTE GEDICHTE 


Es treibt mich, dos ewige Licht zu erjagen, 
Und wer ich bin, wird die erste sagen. 


Im dunklen Laube ward ich geboren , 

Die strahlende Sönne hat mich gezeugt , 

Und schnell ist der Traum des Daseyns verloren , 
Wenn mich der Blick der Mutter erreicht. , 

Im Dunkel,nur kann ich fest mich begründen, 
Mich werden die letzten der Sylben verkünden 


Bewegt von des Abends schmeichelnden Lüften 
Steh’ ich im Garten, die Blüthe gesenkt. 

Ich küsse die Nacht mit balsamischen Düften , 
Die mich mit stiller Liebe umfängt , 

Doch glänz’ ich nimmer im farbigen Kranze, 
‘Kennst du mein still bescheid’nes Ganze ? 


—in 
H. 


Sprich , wie nennst du den Mann, der in vaterländischen Weisen , 
Kühn dem Heldengesang des Thiers, des trefllichen, nachstrebt‘, 
Dem auf Helicons Höhe die neunfach heiligen Musen 

Freudig die Schläf’ umwunden mit grünenden Blättern des Oelzweigs ? 
Aendre der Sylben Stand, und die ländergebietende Fürstin , 

Zeigt sich im herrlichen Glanz, im rosigen Lichte der Freyheit. 

Sie, die aus eigener Kraft. die Welt, die bekannte gefesselt, 
Mächtih steht sie und gross, und Wolken umschliugen ihr Haupthaar., 
Sieh , da bricht der Barbar durch die heiligen Schranken des Lebens , 
Und die Gewaltige fällt, und zerschmettert im Sturze den Erdkreis. 


12, 


(UR erste Sylb’, ein Gott, beherrscht des Landes Auen, 
Die zweyt’ und dritte ist ein Naätne, oft belacht. 

Das schwache Ganze wird in der Gewalt der Frauen 
Der Donnerkeil des Zeus, und spottet aller Macht, 


Me 


13. 


Mein Ganzes webt sich mit stillem Verlangen 
So innig um rosige Mädchenwangen, 

Drey Zeichen hinweg, und der Phantasie 

Des Sängers vermähl’ ich die Harmonie. 

Ein Zeichen hinweg noch, und Leben entqoillt, 
Wenn keimend die Kraft mir im Innern schwjlit, 


—— 


UND ERZAHLUNGEM 225 


14. 


M: heil’ger Kraft tret’ ich in's Leben , 
fch baue nur auf Felsengrund , 

Wo Herzen innig sich verweben, 

Da segn’ ich ihren. Liebesbund ; 

Wo sich mein ernstes Reich begründet, 
Wird nie das Glück zum flücht'gen Wahn, 
Wenn sich das Herz mit: wir verbündet, ` 
Logt es-der Liebe Fesseln an. 


Weh’ dem, den ich gewarnt vergebens ; 
Denn furchtbar wird.die Nacht ihm klar. 
Vernichtet ist das Glück des Lebens, 
Gefesselt vor dem Hochaltar. 

Dann ruf’ ich’ furchtbar die Erynnen , 
Mein erstes Zeichen werf ich hin, 

Das Opfer kann mir nicht entrinnen , 
Des heil’gen Bundes Rächerin, 


— 


15. 


Wi mit dem Körper eng verschwistert, 
Sich treulos dann nur von ihm trennt, 
Wenn Todesnacht den Blick umdüstert , 
Ist, was die erste Sylbe nennt, 


Doch , wo sich bey des Schiksals Walten , 

Ein Volk vereint zum ew’gen Bund, ~ 
Die eigene Kraft frey zu erhalten ;' 

Macht dir die zweyte Sylbe kund. 


Wohl kann die Schönheit schnell entzücken, 
So, dass man Welt und Zeit vergisst, 

Doch ewig nie das Herz bestricken , 

Wenn sie nicht auch das Ganze ist. 


— 


16. 


E; muss das ganze Wort, hat man’s mit List gefangen 
Durch seiner dritten-Kraft hoch an den ersten hangen. 


17. 
Bong) werfen einst mit freundlich süssem Glanze 
Die lieben ersten dir die dritte zu, 


224 VERMISCHTE GEDICHTE 


So fasse kühn und muthig schnell das Ganze ; 
Denn sonst entflieht es dir im Nu, 


` 


E 


18. 


Das erste hat schon Mancher klug gesagt, 

Wenn sich das Herz in wilder Sehnsucht trennte , 
’S ist gemeynt, nur wo die Liebe klagt, 

Da möcht’ ich's nicht, wenn ich's auch könnte, 
Das Zweyte is ein kleines, kleines Wort, 

Doch haben wir von seiner Stärke Proben. 
Es tauchte Welten tief in Kampf nnd Mord, 

Den Liebenden hat es zum Gott erhoben, 
Das dritte Wort, wem auf sein heisses Fleh’n 

Des Schicksals Mund. diess zur Entscheidung sagte, 
Dem wäre besser, hätt’ er nie geseh’n, 

Wie blüthenreich der, Hoffnungsmorgen tagte. 
Das Ganze ist der Treue stilles Pfand, 

Wornach sich manches Jünglings Sehnsucht bückte, 
© dreymal glücklich, wem der Liebe Hand 

Zu schöner Deutung seine Blüthe pflücktel 


m o aMaiea 


19. i 


D. erste ist des Menschen bester Freund , 

Der zweyten dankt man viel, mehr als. es scheint, 
Doch still damit , e ist gut, sich kurz zu fassen, 

Ihr müsstet sonst das Ganze holen lassen, 





20. 


~ Die Ersten lenken die rüstige Fahrt, 
Die Letzte schmückt sich mit stattlichem Bart. 
Und geht’s in die Brandung des Lebens hinein, 
So mag die Liebe das Ganze seyn, ` 





21. g 
Begeistrung donnert durch die Seele, 
Und Sphärenklang das Herz durchdringt , 
Wenn mir das Mädchen, das ich wähle, 
Als Erstes in die Arme sinkt. 


Denn wie die Zweyte auch erfreue, 
Wie Diamant und Perle lacht, 


UND ERZAHLUNGEN. 225 


Ein Herz voll Glauben, Muth und Treue 
Ist mehr als diese eitle Pracht. 

Das Erste strahlt im schönen Glanze 
Durch all’ der Z we yten Zaübertand, 

Die ‚Liebe ist das höchste Ganze, 
Weh’ dem, der ihren Werth verkannt ! 





22. 


Grrenzenlos nie endend , nie hegonnen 

Prangt das Erste in der Zeiten Sturm. 
Das Atom umarmt es, wie die Sonnen, 

Es umarmt den Engel wie den Wurm, 
Was ich dir im Zweyten nennen werde, 

Ist des Lebens grösster Zauberbann ; 
Völker zwingt es für die Herr’n der Erde, 

Ueber Wunsch und Willen hat's der Mann, 
Aber in verklärtem Sternenglanze , 

Emsig lauschend auf des Rufes Ton, 
Steht als heil’ge Dienerin das Ganze 

Neben Gottes lichtgeschmücktem Thron. 


— Eu —————— 


UNTERLEGTE TEXTE. 
ZU PABSIELLO'S MUSIK VON: Nei cor piu non mi sento etc, 


Wi. still mit _Geisterbeben 
Die Sehnsucht mich durchglüht, 
Und rastlos fort durch’s Leben 
t Und Sturm und Nacht mich zieht! 
Bald wogt die Brust, 
Bald schlägt das Herz 
In hoher Lust, 
In tiefem Schmerz. 
Der Morgentraum «entflicht, 
Ach, Sehnsucht , Sehnsucht‘, Sehnsucht, 
Wie all’ der Seele Streben ` 
In einem Bilde glüht! 


ER 


226 VERMISCHTE GEDICHTE 


zu Ans ARIE: Un solo quarto d'ora etc. 


Ein Kuss von Liebchens Munde S Des schönsten Lebens Blüthe , 


Nur eine traute Stunde, - Und freudig schlägt das Herz. 
Reisst kühn vom Erdenrunde 
Die Seele himmelwärts, Es regt die Kraft des Lebens 

Im Herzen sich vergebens S 
Der Liebe stiller Friede Lös’t nicht den Drang des Strebeas 
Eutfaltet im Gemüthe Der Liebe Lust und Schmerz. 





ZU Pan’s BOMANZE: T'u veus le done etc. 


Da Mädchen , kannst du mir befehlen ? 
Wie sehr es schmerzt, es muss geschehn ! 
So fürchterlich kannst du mich quälen ? 
Ich soll dich nimmer wiederseh’n? 
Doch der Liebe Freund ist der Morgen , 
Süsser lächeln die Lüfte mir — 
Soll ich, Helene, dir gehorchen, 
Diesen Tag vergönne nur mir, 


Doch als des Tages Flammen glühten , 
Ich aus den Augen dich verlor, 
Da strahlte mir aus Rosenblüthen 
Dein liebes , süsses Bild hervor. 
Jede Blume wird dir gleichen, 
Grünt im Herzen der Liebe Gewalt, 
Lass mich am Abend, soll ich entweichen, 
Ein Mal. noch schauen die Engelsgestalt. 


Die Sonne war in’s Meer gesunken, 
Zum fernen Lande eilt’ ich schon, 
Da hallte von des Himmels Funken 
Mir deines Namens Zauberton, 
Wobin sich nur die Augen lenken, 
Klingt deine Stimme mit fesselnder Macht. 
Drum — soll ich nimmer an dich deriken, 
Ach, so. vergönne mir diese Nacht, 


Die Nacht erscheint mit süssem Bangen, 
Der Schlummer überläubt den Schmerz, 
Mir träumt, ich halte dich umfangen, 
Und drück’ dich liebend an das Herz. 


UND ERZAHLUNGEN. 


Sterben will ich für dich mit Freuden, 
Aber verlassen kann ich dich nicht, 
Soll ich auf ewig — auf ewig dich meiden, 
Lass mich nur noch bis zum morgenden Licht. 


Auch morgen wird Aurora glühen , 
Die Rose bleibt der Augen Lust, 
Ich hör’ der Sterne Harmonieen ; 
Und drück’ dich traumend an die Brust, 
Wer kann der Liebe Kraft ermessen ? 
Immer sich gleich bleibt der Tage Reihn. 
Ach, soll ich dich auf ewig vergessen, 
Lass mich nur ewig noch bey dir seya, 


— mg 


RUSSISCHES LIED. 


NACH EINER BEKANNTEN MELODIE, 
ER, 


Durch den Don schwimmt kampfentschlossen- 
Der Kosak mit den Genossen, 

Sagt zuletzt noch seinen Rossen , 

Seiner Braut Ade, 


SIE, 


Willst du treulos von mir scheiden, 
In die Schlacht des Todes reiten ? 
Warum glaubt’ ich deinen Eiden ? 
Weg mir Armen , weh! 


ER 


Ringe nicht die zarten Hände, 
Nicht die Angen von mir wende, 
Kehr’ ich seigreich doch am Ende 
Aus des Kampfes Glück, 


SIE, 


Denkst du wohl noch an mich Arme, 
In der wilden Krieger Schwarme ? 
Kehre treu in meine Arme, 

Kehre bald zurück. 


dÉ 


WI 


228 VERMISCHTE GEDICHTE 


WIEGENLIED: 


AUF EINE RUSSISCHE VOLKS-MELODIB. 


Frey noch von des Lebens Schmerzen , 

Unter Kinderspiel ‚und Scherzen , 

An dem treuen Mutterherzen 
Schläfst du ruhig ein. 

Und nun liegst du ‘in der Wiege, 

Und ich wehre jeder Fliege; 

Ach, wie heiter, deine Züge, 
Und wie ‚engelrein ! 


Magst du aus dem Schlümmernachen 

Spät nach fröhlichem Erwachen 

Deiner Welt entgegen lachen! 
Liebchen , rübr’ dich nicht! 

Mögen nie des Lebens Qualen, 

Nur der Freude helle Sirahlen 

Sich in deinen Augen mahlen , 
Süss, wie Morgenlicht, 


Noch war deine Welt nicht trübe; — 
Dass sie ewig klar dir bliebe! — 
Noch ist deiner Mutter Liebe 
All’ dein Paradies, 
Noch wird in der Brust Bewegen 
Sich kein finstres Traumbild regen, 
Schlumm’re unter Gottes Segen , 
Schlumm’re sanft und süss ! 


ZU DER ROMANZE DES TROUBADOUR. 


IN DER OPER: “JOHANN VON PARIS, 9 


Horst du den Ton, Vom süssen Traum umschleyert ? — 
Dee deinen Namen feyert? — Stern. meines Lebens, 

Der Lieder Sohn ` Schmacht’ ich vergebens 
Hat seinen Schwur erneuert, Nach deinem Licht ? 


Schlummerst du schon, Du zeigst dich nicht] 


UND ERZAHLUNGEN. 229 


Wie es hier schlägt, Nacht bleibt es dort. 
Dürft’ ich es laut bekennen | Stern, willst du dich nicht zeigen?— 

Was mich bewegt, Kalt bläs’t der Nord 
Mächt ich in Liedern nennen. Aus jener Bäume Zweigen. 

Einmal erregt, ` Schlummre nur fort 
Werd’ ich es dämpfen können? Durch bunter Träume Reigen, 

Der Liebe Sehnen Die Nacht ist trübe, 

Weckt süsse Thränen Klar ist die Liebe. 

Und Sympathie , Drum gute Nacht, 

Sie schlummert nie. Die Liebe wacht! 

m c {M 


ZU EINER MELODIE. 


Armes Herz, du konntest wähuen ? 
Ach, dein Glaube war so süss | 
Doch umsonst nür ist dein Sehnen 
Nach der Liebe Paradies. 
Froh schlugst du mit tiefem Beben 
Für das heil’ge Wunderland, 
Doch vernichtet ward dein Streben, 
Und der schöne Traum verschwand, 


AN 
SCHÖNBERG UND LOUISEN, 
AM 


TAGE IHRER VERBINDUNG. 


1807. 


Es sieht ein Schloss auf waldigen Höhen, 
Und blickt herab in ein heimliches Thal, 
Wenn Abends die Lüfte kühlend verwehen, 
So leuchten die Fenster vom sonnigen Strahl, 
Und neben ihm thront ein gewaltiger Riese, 
Die Wasser der Erde bespülen die Füsse; 
Doch durch der Wolken bläulichen Flor 
Streckt er das trotzige Haupt empor, 


20 


250 VERNMISCHTE GEDICHTE 


Gewaltig steht er im luftigen Kreise, 
Gebietend blickt er in’s ferne Land, 
Dud frey und gross, nach ewiger Weise, 
Stützt er des Himmels azurnen Rand, 
Es herrschet der Kobold , der mächtige, drinnen, 
Dem Burgherrn verbunden mit freundlichem Sinnen. 
Er theilt seine Freuden, er theilt seinen Schmerz, 
Mitfühlend schlägt ihm das kräftige Herz, 


Im Schloss erhoben sich Freudengesänge , 
Denn jubelnd zog der Bräutigam ein, 
Er stürtzt sich hindurch durch die jauchzende Menge , 
In die Arme der Braut, in den fröhlichen Reihn. 
Und festlich erklingen die silbernen Glocken, 
Und wieder ertönt’s in den Klüften des Brocken ; 
Sie stimmen in wonniger Harmonie, 
Wie die Herzen der Liebenden spät und früh, 


Und der Zug beginnt unter heiligen Tönen, 
Sie wallen zur Kirche Paar und Paar, 
Um der Liebe göttliches Fest zu krönen, 
Es bebt der Kranz im bräutlichen Haar. 
Die Orgel singt, es flammen die Kerzen, 
Der Priester verbindet die liebenden Herzen, 
An die Brust des Geliebten sinkt die Brant, 
Und freudig wird die Gemeinde laut. 


Und zurück geht der Zug auf gedrängten Wegen, 
Die staunende Menge zertheilt er kaum. 
Den Verbund’nen tönt der herrlichste Segen, 
Und bis zu des Saales sich wölbendem Raum 
Drängen sich freudig Männer und Frauen, 
Um die Allgeliebte zu schauen, 
Da verläuft sich des Volkes brausend Gewühl, 
Und süsser verwebt sich der Liebe Gefühl. 


Es schliesst sich der häusliche Kreis im Saale, 
Und lieblich tönt manch herzliches Lied; 

Sie nahen sich fröhlich zum festlichen Mahle, 
Der Römer kreist, und der Purpur glüht , 

Und alles ruft: Louise soll leben 

Und Moritz! Doch , wie sie die Gläser erheben; 
Da öffnet die Thür sich mit eiliger Hast, 
Und bedächtig naht sich ein fremder Gast, 


UND ERZAHLUNGEN. 251 


Auf die Neuvermählten lenkt er die Schritte, 
Er schenkt der Braut manch köstlichen Stein, 
Dann nimmt er den Becher, und tritt in. die Mitte, 
Und schäumender perlt im Glase der Wein, 
Und zu den Glücklichen spricht er die Worte: 
« Ich stieg heraus aus der Erden Pforte, 
«Aus Berges Dunkel, aus.finst'rer Schacht, 
a Zur reinen Klarheit, die ewig wacht,» 


«Ich bin der Kobold des dröhnenden Brocken , 
« Und finster ruht’ ich im graulichen Reich, 
«Da lockte der Ton mich der silgernen Glocken, 
«Und ich -klimmte eilend herauf zu euch. 
«s Geladen zwar bin ich nimmer zum Feste, 
sDoch tret’ ich freudig unter die Gäste, 
a Der Gott ergreift mich, das Auge wird klar, 
a Verkünden will ich’s dem herrlichen Paar, » 


«Viel hast du der edelsten Blumen im Leben 
«Als liebende Tochter und Schwester gepflückt ; 
«Jetzt wird dir ein neuer Frühling gegeben, 
«Da der Myrten-Kranz deine Locken schmückts 
«Und umwölkt sich der Himmel in künftigen Jahren, 
«So wirst du den innern Frieden bewahren, 
« Vor äussern Stürmen erzitterst du nicht, 
a Es strahlt aus der Nacht dir ein höheres Licht, » 


« Und du, dem die Freude im festlichen Kreise 
« Mit frommen Gefühlen die Seele durchglüht , 

«Fühlst stärker dich nach errungenem Preise, 
«Durch That zu bewähren dein deutsches Gemüth. 

o Aber kannst du der Wonne Ubermaas tragen. 

e Wenn dir der seligste Morgen wird tagen ? 
«Zu dem Himmel des Ewigen schwingt sich der Geist 
a Wenn des. Säuglings Lallen dich Vater heisst, » 


e Und nun tretet Alle zur heiligen Runde, 
a Und reichet den schäumenden Becher dar, 

a Und lauter ertön’ es von Munde zu Munde, 
«Und jeder grüsse das glückliche Paar. 

s Auf! dass die Posaune festlich erschalle Io 

a Willkommen! Willkommen! »'so rufen sie alle — 
Auch die Entfernten stimmen mit. ein — 
«Heil und Segen dem schönen Verein !» — 


252 


VERMISGHTE GEDICHTE 


AN F, v. R. 


Wi nahen freudig , edle Frau, 
Zu deines Tages Feste, 

Sind wir , betracht’ uns nur genau, 
Dir unbekannte Gäste ? 

Wir kommen nicht aus dieser Zeit, 
Wir sind aus der Vergangenheit , 
Die Sänger alter Tage. 


Dort, wo dir, wie auf Geisterruf, 

In jenes pos Stille 

Ein Eden freundlich sich erschuf, 

Mit üpp’ger Lebensfülle, 

Und wo die Zschopau, stolz und frey, 
An steilen Wänden rauscht vorbey, 
Mit ihren Silberwogen ; 


Wo du am kühnen Felsenrand 

Zwey Thürme kannst gewahren , 
Einst eine alte Feste stand, 

Vor vielen langen Jahren , 

Da ward gekämpft , getanzt , gezecht , 
Es war ein kräftiges Geschlecht 

Von alter, deutscher Sitte, 


Die Ritter flogen stolz und kühn 
Hinaus zum Kampf und Streite , 
Um siegend wieder einzuziehn 

Mit reicher , voller Beute. 

Doch auch der sanfte Troubadour , 
Er war nicht fremd auf dieser Flur 
Mit seinen bunten Liedern, 


Er sang der Helden kühne Macht 

In vollen, lauten Tönen j 

Doch mit des Liedes schönster Pracht 
Sang er das Lob der Schönen. 

Denn was die Brust am meisten schwellt , 
Das ist der Frauen zarte Welt , 

Dass ist die Welt der Liebe. 


. Der Ritter zog auf blut’ger Spur 


Durch Kampf und Todesgrauen, 
Doch friedlich lag der Troubadour 
‘Zu Füssen schöner Frauen, 


UND ERZABLUNGEN.: 235 


Und was in zarter Stille blüht, 
Der Liebe Glück , das sang sein Lied 
In süssen Melodieen. 


Doch ach, die schöne Welt verschwand , 
Die Mauer ward erstiegen, ` 

Es fiel die Burg durch Kaiserhand , 

Und musste unterliegen ; 

Da ward die Heldenkraft verglüht, 

Die Liebe schwieg , es schwieg das Lied, 
Der Troubadour verstummte, 


Es starb das kräftige Geschlecht, e 
Ein neuės ward geboren ; 

Der Sinn für Wahrheit, Kraft und Recht 

Ging in der Welt verloren ; 

Man warf sich tief in Raub und Mord , 

Da zag der Sänger schweigend fort, 

Die alte Zeit zu suchen, 


Doch ach, vergebens sucht man sie, 
Im wogenden Gewühle, 

Im Sturm der Welt trifft man sie nie, 
Die heiligen Gefühle. 

«Ach, nur in wen’ger Edlen Brust, 
«Da blühen sie mit stiller Lust, » 
Rief’s einst in unsrer Seele, 


Schnell zogen wir von Ort zu Ort 
Mit hoffendem Gemüthe, 

Da hörten wir manch’ schönes Wort 
Von deines Herzens Güte. 

In’s alte Thal gelangten wir, 

Da sangen alle Stimmen dir 

Mit freudigem Eutzücken, 


Drum nahten wir.dir unbefugt 

Zu deines Festes Stunden. 

Da schwoll die Brust — Was wir gesucht, 
Wir haben es gefunden ! 

Die schöne Zeit hat sich verjüngt, 

Sie strahlt in dir, in dir und bringt 

Die goldnen Tage wieder. 

Und schnell ist unser Lied erwacht, 

In hohen Himmelstönen , 


Es huldigt nur mit süsser Macht 
Dem Edlen uud dem Schönen! 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Denn was in Frauenherzen glüht, ` 
Verherrlicht nur des Sängers Lied 
In heiligen Accorden, ` 


m eegeed 


AN CORONA; 


ALS SIE GESUNGEN HATTE 


Noch hör’ ich dich! — Fin Meer von Harmonieen 

e Durchwogte freudig meine trunk’ne Seele, 
Der Stimme Einklang, süss, wie Plilomele, 
Wie lichter Engel Friedens-Melodieen, 


Noch seh’ ich dich! und alle Adern glühen — 
Umsonst , dass ich den innern Drang verhehle — 
In dieser schönen Form die schön’re Seele , 
Die alle Himmelsreize sanft umblühen ! 


Es hat sich dir ein Zaubergeist verbündet, 
Der jedes Herz zur Huldigung gezwungen, 
Es ist ein Kommen , ist ein Sehn und Siegen, 


Denn alles Schöne, was dein Lied verkündet , 
Und alles Zarte, was dein Mund gesungen, 
Es steht lebendig da in deinen Zügen. 


— u M IM 


AM 16. NOVEMBER. 
MIT OEHLENSCHLAGERS ALADDIN: 


Mi stiller Liebe darf es dir erscheinen, 

Was freundlich aus der fremden Leyer quillt, 

Des holden Liedes zart gewebtes Bild 

Soll froh in deinem Zauberblick sich reinen, 

Denn nur wo Anmuth sich und hoher Geist vereinen , 
Da ist des Lebens Göttlichkeit erfüllt, 

Der reine Sinn ist's der die Welt begreift, 

Er wohnt nur in des Herzens stillen Räumen , 

Da ist das Land , wo seine Blüthen keimen, e 
Und wo zur schönsten Frucht die Blüthe reift, 

Er lebt in dir ; der Dichtkunst heitegen Wehen 
Umsäuselt dich. Du wirst das Lied verstehen. 


UND ERZAHLUNGEN. 255 


MIT DENKNOSPEN. 


As ich meines Lebens erstem Lenze 

Die ersten Knospen meiner Lieder brach, 

Und durch der Jugend froh geschlungne Tänze 
Nur in Orakeln meine Ahnnung sprach. 

Flocht ick in dunkler Sehnsucht meine Kränze , 
Und meinen Träumen flogen Träume nach, 

Da fühlt’ ich’s tief in meines Herzens Beben , 
Dat Göttliche, es athme noch im Leben, 


So hofft’ ich still beym kalten Gruss der Jahre, 
Als eine Sonne sich mir zugekehrt. 

Es stand der Ahnung Traum anf dem Altare 
Zur Weiblichkeit vollendet und verklärt. 

Was ich bewahrt , und was ich noch bewahre, 
Nun hat es sich begründet und bewährt : 
Jedwedes Edle trägt”der Schönheit Stempel , 
Und nur in Frauenherzen ist ihr Tempel, 


Und diesem Glauben hab’. ich zugeschworen 

Mit freyer Brust , ein treuer Troubadour. 

Jetzt zürne nicht, bringt dir der Frühlings-Horen 
Harmloser Kreis , statt Blüthen, Knospen nur, 
Das Reife hat nur reife Kraft geboren , 

Die Rosenpracht schmückt keine junge Flur. 

O dürft’ ich einst, ich denk’ es mit Entzücken , 
Für dich zum Strausse meine Blüthen pflücken ! 


ZUM ő. FEBRUAR. 


Ein sülles Lied aus dem entfernten Norden 
Das kaum zu deines Festes Glanz sich trautoe — 
Ein Jüngling schlug die ungeübte Laute — 
Klingt vor des Schlosses reich geschmückten Pforten. 


Es bebt dahin in kaum verstand’nen Worten ` 
Denn vor dem Blick, der so viel Edles schaute, 
Dem sich der Schönheit Räthselwort vertraute, 
Verstummt der Geist in schüchternen Accorden. 


256 VERMISCHTE GEDICHTE 


Lass ihn verstummen! — Was die Töne sagen, 
Was in der Seele reichen Frühlingstagen 
Die Schwestern , Phantasie und Liebe, tragen , 


Das klingt und lebt, wenn aller Schein verglühte , 
Im stillen Herzen eine ew’ge Blüthe ; 
Ein wahr Empfinden wird auch still zum Liede. 


AN MH KR 


Lon sah ein Schwärmen, sah ein buntes Treiben , 
Glückwünschend kommt der Freunde laute Menge; 
Doch vor des Lebens rauschendem Gedränge 
Muss sich der leise Gruss des Sängers sträuben. 


Er will erfernt, doch nicht vergessen bleiben , 
In seines Zimmers unbekannter Enge 
Erweckt er seine schüchternen Gesänge, 
Die Freude wagt’s, sie schmucklos hinzuschreiben, 


Schon drängen ihn des Abschieds trübe Stunden , 
Und erst so spät hat er ein Glück empfunden, 
Und kaum genossen , ist es schon verschwunden, 


Doch sprach das Glück auch nur von kurzen, Tagen , 
Ich darf es doch in meinem Herzen tragen, 
Und die Erinn’rung darf die Saiten schlagen ! 





AN ISIDORUS. 
AN 5. APRIL 1813, 


Rasch im Sturme des Kriegs begrüss’ ich den Freund , mich entführen 
Schnell die Wogen der Fluth, der ich mich freudig vertraut, 

Rauschend stürmen sie fort bis zum Meere , durch Klippen und Brandung, 
Doch auch der Spiegel des Meers mehrt noch den zitternden Schlag ; 

Und was im nebelnden Schaum der muthige Bach sich geträumet, 
Wird in der Stille des Meers klares, lebendiges Seyn, 


— in 


UND ERZAHLUNGEN. 237 


AN DAS VOLK DER SACHSEN, 


VON 
IHREN FREUNDEN. 


Brüder! 


Durch dreyfache Bande des Blutes, der Sprache, der Unterdrückung 
an euch gekettet, kommen wir zu Euch. Oefnet uns Eure Herzen, 
wie Ihr uns Eure Thüren geöffnet hahet; die lange Nacht der 
Schmach hat uns vertraut gemacht, die Morgenröthe einer bessern 
Zeit soll uns verbunden finden. 

Landsleute sind wir, Brüder sind wir, im festen Vertrauen auf 
Euer Beharren bey der guten, bey der heiligen Sache Gottes und 
des Vaterlandes rühmen sich viele unter uns, Euch anzugehören, 
in Eurem Kreise geboren , in Eurer Sitte auferzogen zu seyn. 

Wie es nun Brüdern ziemt, wollen wir durch Eure Thäler wan- 
dern, Wem wäre denn die heimatbliche Erde, diess eine grosse 
Vaterhaus aller deutschen Herzen, heiliger, wem läge denn mehr 
an der Sicherheit, an dem Wohlstande eines Landes, für dessen 
Freyheit wir freudig Blut und Leben zu opfern geschworen haben ! 

Ja, für die Freyheit dieses Landes wollen wir fechten, und, wie 
Gott will, siegen oder sterben, Soll denn die fremde Tyranney noch 
länger Eurer heiligen Gesetze, der ehrwürdigen Ueberlieferungen 
Eurer Väter spotten ? Soll der fremde Gerichtshof sich auf Eure 
Rathhäuser drängen, und die angeborne Sprache nicht mehr gelten, 
die Ihr seit Jahrtausenden bewahrt habet? — Sollen Eure Speicher » 
Eure Keller noch länger die Henkersknechte füttern, Eure Weiber, 
Eure Bräute, Eure Töchter noch länger ihrem zügellosen Frevel 
preis gegeben seyn, Eure Söhne noch länger für die Raserey eines 
schamlosen Ehrgeizes geschlachtet werden? — Denkt an die Thaten 
Eurer Väter, denkt an die Sachsen-Kriege gegen den grossen Carl, 
denkt an die goldenen Zeiten Eurer Altvordern unter der Ottonen 
glückseligen Zepter, denkt an die Helden Eures Volkes, an Eure 
Heinriche, Euern Moritz, Euern Luther! — Die Zeit ist 
gewohnt, glänzende Namen aus Eurer Mitte zu verkündigen, Eure 
Väter bezahlten die heilig» Schuld. Lasst diese grosse Zeit 
nicht kleine Menschen finden! 

Selt nur auf Euch, was Ihr jetzt seyd! — Ein geopfert Volk, 
dem ruchlosen Willen eines einzigen Wüthrichs verkauft. Euer Wohl- 
stand ist vernichtet , Euer Handel zerstört, Eure Fabriken zu Grunde 
gerichtet, Eure Kinder lasst Ihr zu Tausenden würgen, lasst sie in 
den fürchterlichsten Qualen einer los gelassenen Hölle verbrennen 
und erfrieren., verhungern und verdursten , verwinseln und verzwei- 
fela! — Von all’ den Söhnen, die Euch der Wütherich von Vater- 
herzen riss, kehren wenig Hunderte zurück , und diese bringen noch 
den Tod in das Herz Eures Landes, den Keim der Seuche streueu 


258 VERMISCHTE GEBIEHTE 


sie in Eure gesunden Hütten, und pflanzen die Qual und Verzweif- 
lung, die einzige Löhnung des blutigen Tyrannen, in 
ihre heimathlichen Fluren, 

Und könnt Ihr denn auch Schonung , könnt Ihr Treue von denen 
verlangen, die ein fremdes Land gebar , die nicht Liebe und Recht, 
die Raubsucht und viehische Begierde zu Euch brachten ? Ist ihnen 
denn etwas heilig gewesen, haben sie nicht Kirchen und Altäre 
geschändet, Meineid geschworen und meuchlings gemordet? Haben 
sie nicht aus frechem Uebermuthe erst jüngst den Stolz Eurer Haupt- 
stadt zertrimmert ? 

Und ihr solltet ruhig bleiben, und den Gräuel unvergolten lassen, 
und den Frevel ungebüsst, und die Schande ungerächt? — Nein? 
nein! Du gutes, wackeres Volk! Nein! das sollst 
Du, das kannst Du nicht! — Hast du den’ Moscoviten ge- 
sehen , wie er den Fackelbrand in seine Palläste schleuderte ? Siehst 
Du den Preussen jetzt, Deinen Bruder und nächsten Bundesgenossen, 
wie er sich rüstet, Landwehr und Landsturm, alle waffenfähige 
Männer, eins in dem beschworenen Entschlusse, zu sterben oder 
frey zu seyn ?— Und Du wolltest zaudern ? Nein, Du zaudert nicht, 
auch Du wirst aufstehen , und Deine Ketten schütteln, und die welke 
Raute wird herrlich aufblühn zum Kranze der Freyheit! Sieh auf 
unsre mutige Schaar | — Wir haben es im Gotteshause beschworen, 
zu kämpfen, zu sterben für unsere, für Eure Freyheit: 
der Segen der Kirche ist mit uns, und die Wünsche und Gebete 
aller treuen und redlichen Herzen. 

Sammle dich zu uns, wehrbare Jugend des unter- 
jochten Sachsen-Landes! Sammlet Euch zu uns, 
tüchtige Männer des tüchtigen Volkes! Wer nicht 
mitziehen kann, helfe der allgemeinen Sache mit 
Rüstung und Zuspruch; Eure Brüder in Westphalen 
erwarten uns, Preussens und Russlands Adler käm- 
pfen mit uns, und Gott hilft uns siegen. 

Es ist in unserer Schaar kein Unterschied der Geburt, des Standes, 
des Landes. Wir sind alle freye Männer; trotzen der Hölle und ihren 
Bundesgenossen , und wollen sie ersäufen , wär’s auch mit unserem Blute. 

Nicht Söldner sind wir, der Frieden, das Glück führt uns aus 
einander, wie uns Rache und Kampf zusammen führt. Wenn der 
Feind darnieder liegt, wenn die Feuerzeichen von den Bergen des 
Rheins herüber rauchen, und das deutsche Banner im Hauche fran- 
zösicher Lüfte flattert, dann hängen wir das Schwert in den Eichen- ` 
wäldern des befreyten Vaterlandes auf, und ziehen heim in Frieden. 

Nun so der Himmel will, es wird bald gethan seyn f Gott ist ja 
mit uns und die gerechte Sache, und eine feste Burg ist unser 
Gott! Amen! 


Im April 1813. 


y 


UND ERZAHLUNGEN. 239 








IV. 
AUS DEN KNOSPEN. 


GEDICHTET IN DEN JAHREN 1808 UND 1809. 


AN DEN LESER. 


Koospen nennen wir uns, sind bescheidene, freundliche Blümchen , 
Wie uns der Frühling gebar, treten wir kunstlos hervor, 
Freilich sind wir noch klein, und zart und nur Träume des Lebens, 
Doch auch ein Traum ist gut, kommt er aus fröhlicher Brust, 
Nehmt uns d’rum, wie wir sind, hat Natur auch leicht uns gestaltet, 
Leicht wie die Jugend , entquillt leicht auch die bildende Kraft, 
Doch wie die Blüthe sich formt ? — Das liegt verhüllt in der Zukunft! 
Wenn sich der Sommer erhebt, keimt auch die Knospe zur Frucht, 


— aa 


DIE GEWALT DER SCHÖNHEIT. 


Durch des Himmels lichte Wogen, Und mit heiligem Verlangen 
Von des Liedes Macht gezogen, Will er liebend sie umfangen, 
Schwingtsich kühn der Sängerhin, Wie der Bräutigam die Braut. 
Zu dem Donnerklang der Sphären 
Schwebter, sich das Herz zu klären, Nimmer kann er sie ergründen, 
Doch erblindet bleibt der Sinn, Und des Lebens Quell zu finden, 
Treibt’s ihn ohne Rast und Ruh. 
Zu den Sternen will er füchten, Da ergreift die Erd’ ihn wieder , 
Sich den innern Drang zu lichten, Und verzweifelnd stürzt er nieder, 
Zu den Sonnen will er flich’n ? Und der Himmel schliesst sich zu, 
Doch es bleichen ihm die Sterne , f 
Sonnen flieh’n zur ew’gen Ferne, Doch aufeinmal - welcher Schimmer 
Wo sie zart unt matt verblüh’n. Glänzend wie der Sonne Flimmer , 
Auf der grünen Spiegelgluth ? 
Ach er sucht die Ideale Was durchbricht den Nebelschleier , 
In des Himmels weiter Schaale , Lichter, wie der Sterne Feuer, 
Die sich bläulich wölbend baut. Höher , als der Sonnen Gluth ? 


240 VERMISCHTE GEDICHTE 


Wie dem Chaos erst entronnen, Welch’ ein Götterbau der Glieder ! 
Und der Freiheit Luft gewonnen , Erde, stürz’ verehrend nieder! 
Eros sich auf Wolken wiegt, Gold’ne Sichel, grüsse sie ! 
Und, da er die Nacht gebunden, Seh’t, ihr neigen sicht die Sterne , 
Und die Schöpfung überwunden, Und aus unbekannter Ferne 
Liebend an die Weltsichschmiegt. Tönt die Weltenharmonie. 


So entsteht aus trübem Dunkel Und vereint mit ihrem Klange, 
Glänzend schöner als Karfunkel Sing’tdas Lied mit heil’gem Drange , 
Eine himmlische Gestalt ; Das aus seinem Munde geht, 
Und gestillt ist all’ sein Streben, Denn das Sehnen ist gelichtet , 
Es ergreift ihn neues Leben Und das Dunkle ist vernichtei , 
Mit geheiligter Gewalt, Und der Liebe Banner weht. 


——— 
DAS REICH DES GESANGES. 


Was waltet süsse in heit eer Macht , 
Was schimmert in der Sterne Pracht, 
Dem Himmlischen verschwistert ? 
Wer lichtet uns der Erde Grund ? 
Wenn tönt das Lied aus Sängers Mund 
Das durch die Saiten flüstert ? 
Hoch entwogend 
Schwillt der Busen; 
Und die Musen 
Treten näher, 
Froh umschweben sie den Seher. 


Und in den Tönen wird es klar, 
Und stellt sich kühn dem Auge dar, 
Als Götterbild zu prangen, 

Die Harmonie ergreift das Herz , 

Und schwingt sich mit ihm himmelwärts, 

Und will das Wort empfangen, 

Mächtig , prächtig, 
Nie versunken 
Glänzt der Funken ; 
Hingezogen 

Fliegen sie durch luft’ge Wogen, 


Und höher als des Tages Licht 
Entfliehen sie, ermatten nicht, 
Da blüht das Reich der Lieder; 


UND ERZAHLUNGEN.- 


Da funkelt Hellas Poesie, 
Und jauchzend stürzt die Harmonie 
Zu ihren Füssen nieder, 

Klingend , singend , 
Schimmern Sterne 
In der Ferne; 
Über Sonnen 

Ist dés Sängers Ziel. gewonnen. 


DIE WEISUNG APOLL’S. 


Heiss entflammt, von meines Herzens Drange, 
Mit des Jünglings unerforschtem Sian, ` 
Um Apollo’s heiligem Gesange 
Einst zu lauschen, zog ich fröhlich "bin , 
Wo der Dichtkunst heil'ge Lüfte wehen , 
Süss erquickend , zu Parnassen Höhen, 


Leicht erklimm’ ich, dacht’ ich mir, mit Wonne 
Jenen Fels, ‚welch heilig schönes Glück , 

Schau’ ich dann den Gott der ew’gen Sonne, 
Die Camönen mit verklärtem Blick’, 

Sich an ihrem Götterlied zu weiden ,, 
Ist der Urquell aller Seligkeiten, 


Manche Länder musst’ ich wohl durcheilen , 

Und durchschiffen musst’ ich manche Fluth. 
Oft umsauste mich des Sturmes Heulen , 

Alles überstand des Jünglings Muth, 
An dem Felsen war ich angekommen , 

Und ein Theil der Höhe schon erklommen, 


Holde Düfte strömten von den Blüthen e 
Neu erfrischt vom süssen Morgenthau , 
Unter dichtbelaubten Zweigen glühten 
Goldorangen,, in beblumter Au’, 
Fern im Haine, klagte Philomele , 
Und das Lied ward zur lebend’gen Seele, 


Alles grünte noch im reinern Lichte , 
Wie im Blüthenalter der Natur; 


21 


241 


242: 


VERMISCHTE GEDl CHTE 


Diese Fluren , Blumen, diese Früchte, 
Alles zeigte mir des Gottes Spur. 

Und ich fühle mich im heil’gen Reiche 
Kühner , dass ich muthig aufwärts steige, 


Endlich sink’ ich schwer ermattet nieder, 
In des Haines Schatten sink’ ich hin, 
Und mit seinem düsteren Gefieder 
Kam der Schlaf, verschloss den müden Sinn. 
Her zu mir, so dünkt es mir im Traume , 
Schwebt Apoll vom blauen Himmelsraume. 


Und er glänzte hold mit sanftem Feuer, 

Um die Brust wallt ihm das geld’ne Haar ; 
In den Händen hielt er seine Leier, 

Und der Blick war rein und sonnenklar ; 
Und im lichten Nebelkranz der Düfte 

Schwebt der Götterjüngling durch die Lüfte. 


Zornig hört’ ich seine Worte klingen : 
«Strebst Du nach der neunfach heil’gen Zahl? 
«Keiner kann der Musen Huld erzwingen, 
«Frei und fessellos ist ihre Wahl, 
«Nicht der Wille kann die Kraft erproben ; 
` «Dem die Offenbarung kommt von oben.» 


Und ich seh’ ihn hell noch vor mir stehen , 

Göttlich glänzend, und er schau’t zurück. 
Nach dem Göttersitz, den lichten Höhen , 

Flog er zu, ihm folgte schuell’ mein Blick , 
Als ihn eine Wolke zart verhüllte , 

Und verschwunden war das Traumgebilde. 


Da. erwacht’ ich schnell vom sanften Schlummer , 
Der die matten Glieder mir erquickt, 

Ach! ich kannte nicht des Herzens Kummer: 
Denn die Hoffnungsblume war zerknickt, 

Und ich glaubte nur geträumt zu haben, 
Hoffte mich am Götterlied zu laben, 


Folgen woll? ich meines Herzens Drange , 

Nähern wollt’ ich mich den heil’gen Höh’n , 
Ach! da ward’s im Innern mir so bange, 

Und ich blieb wie angefssselt steh’n ; 
Denn des Fusses Macht war mir gebunden , 

Und das Ziel dem ird’schen Blick’ entschwunden, 


UND ERZAHLUNGEN 


Und des Berges Gipfel wollt’ ich schauen , 
Doch. wer hätte glücklich ihn entdeckt? 
Deng er war auf ewig hinter grauen, 
Düstern Wolken meinem Blick versteckt; 
Und der Worte dacht’ ich , die mir schalter, 
Da erkannt’ ich schnell des Gottes Walten, 


— 
AN ADELAIDEN. 


E: regt sich das Herz mit entzückender Glath 
Mir im Gemäthe! 

Es walit mir im Busen die heilige Fluth , 
Heilig im Liede., ` 

Unsichtbare Mächte ziehen mich hin , 

Es sehnt sich zu dir der liebende Sion , 
Adelaide ! 


Das heisse Verlangen mit Schweigen verhüllt, 
Keimte zur Blüthe ; 

Dem Auge vorschwebet dein liebliches Bild, ` 
Strahlend voll Güte. 

Es störte das Herz aus wonniger Ruh; 

Sein einziges Ziel, sein Streben bist du, 
Adelaide ! 


O schenke dem Leben die Harmonie , 
Eh’ es verglühte ; 

Mir spiegelt im Wogen der Phantasie 
Himmlischer Friede, 

Da schwillt mir von ‚süsser, göttlicher Lust 

Das liebende Herz in der liebenden Brust , 
Adelaide ! 


Dem Baum’ der Liebe sprosset- empor 
Ewige Blüthe, . 

Es ringt sich der Klang aus der Tiefe hervor 
Tönend im Liede ; ` 

Er waltet so lieblich , er waltet so frei, 

Und flüstert ins Ohr dir: der Sänger ist freu, 
Adelaide ! 


245 


244 


VERMISCHTE GEDICHTE 


NAHE DES GELIEBTEN. 


In denke Dein im Morgenlicht des Maien , 
Im Sonnenglanz ; 

Ich denke Dein, wenn mich die Sterne freuen, 
Am Himmelskranz. 


Ich sorg’ um Dich, wenn in des Berges Wettern 
Der ‘Donner lauscht ; 

Du schwebst mir vor, wenn in den dunkeln Blättern 
Der Zephyr rauscht, 


Ich höre Dich, wenn bei des Abends Gluthen 
Die Lerche schwirrt ; 

Ich denke Dein, wenn durch des Teiches Fluthen 
Der Nachen irrt, 


Wir sind vereint, uns raubt der Tod vergebens 
Der Liebe Lust; e 

O lass mich ruh'n, Du Sonne meines Lebens 
An Deiner Brust. 


AN DEN FRUHLING. 


D. erscheinst mit fröhlicher Gebährde, 

Schöner Bräutigam , den sich die Erde, 
Den sich die Natur erkohr, 

Holder Lenz, willst du dich neu gestalten , 

Trittst du kühn aus düstern Erdenspalten , 
Kühn mit neuer Lebenskraft hervor? 


Und die Welt will liebend dich begrüssen , 

Blumen keimen unter deinen Füssen , 
Neugeboren grünt die Flur; 

Denn beseligend mit heil’gem Feuer 

Webst du freudig deinen Blüthenschleier 
Um den starren Busen der Natur. 


Alles keimt und grünt in holder Fülle , 
Und die Knospe sprengt die finstre Hülle, 
Die sie streng’ umfangen hält, 


UND ERZAHLUNGEN. 245 


Alle Blüthen daften dir entgegen, . 
Und im Thau des Abends träufelt-Segen 
Auf die fröhlich neuverjüngte Welt, 


AN ROSINE BURGER. 
NACH DER VORSTELLUNG DER MARIA STUART, 


Gisttergleich ‚ geführt von Melpomenen,, 
Schwebst Du hin im festlichen Gepränge ; 
Deine Stimme, Aeolsharfen Klänge, 

Und die Lust zerfliesst in süssen Thränen, 


Ach! da fasst ein nie gekanntes Sehnen 
Meine Brust, das Haus wird ihr zu enge, 
Und der Beifall der entzückten Menge 

Jauchzt Dir zu in fröhlich lauten Tönen, 


Deiner Kunst Begeist’rung schwellt den Busen ; 
Denn Dich treibt ein heiliges Verlangen , 
Nicht der Menge wandelbare Gunst, 

Göttlich Weib! — der süsse Kranz der Musen 
Blüht für Dich in ew’gem Erühlingsprangen , 
Und die Kunst belohnt sich in der Kunst. 


— 
- AN SIE. 
Den 24.. JaNnuanRr 41809. 


Im vollen Taumel heisser Liebeswonne 

Glänzt freudig mir des Lebens goldne Sonne, 

Helldammend durch des Morgens Rosenthore 
Im Strahlenflore, 

Zum schönsten Erdenglück bin ich gesegnet ; 

Du , Heilige , bist liebend mir begegnet , 

Längst strahltest Du mir, wie im Kranz der Sterne , 
In weiter Ferne, 


VERNISCHTE GEDICHTE 


Da wich die Nacht, das Licht der Seele tagte! — 
Als ich den Blick-kühn zu erheben wagte, 
Ward es mir klar, was mir das Herz erfüllte, 

In Deinem Bilde. 


Bei Deiner Stimme sanften Harmonieen 

Fasst. mich Begeisterung mit heil'gem Glühen , 

Und Wonne quillt mir , seliges Entzücken, 
Aus Deinen Blicken, 


Wär’ es wohl Liebe, die im Herzen lodert, 

Und stolz der Seele volle Allkraft fodert ? 

Wollt ich die Mauern muthig nicht berennen, 
Die uns zertrennen P 


Und soll ein Wort aus Deines Mundes*Hauche , 

Ein süsser Blick aus Deinem Himmelsauge , 

Ein Lächeln , sich der Gottheit zu bemeistern , 
Mich nicht begeistern ? 


Mit ew'gen Banden hälst Du mich umschlungen, 

Nur eine Sehnsucht hat das Herz durchdrungen ; 

Drum scher ich Dir in heil’zer Liebesweihe 
Den Schwur der Treue, 


Mag auch die Zeit mich feindlich jetzt umtoben, 
Sink’ ich nur einst, zur Flammengluth erboben , 
Wenn meine Thaten ernst am Ziele fussen , 

An Deinen Busen. 


An Deiner Brust wollt’ ich die Welt vergessen, 
Mich an Glückseligkeit mit Göttern messen, 
Ach ! aller Sehnsucht Ziel ist liebetrunken 
In Dir versunken, a 
Sanft , wie das Lied sich wiegt in Zaubertönen, 
Sollte mich Liebe jeder Qual versöhnen - l 
Den Dornenkranz mit Rosenpracht verweben , 
Und ewig leben, 


Droht einst des Schicksals eherne Kraftzerstörung , 
Mein Engel flüstert mir des Trostes Wort: Verklärung , 


Und sterbend kann in Deinen Liebesarmen 
Das Herz erwarmen, 


to 
ven 
SA 


UND ERZAHLUNGEN. 


Wem ich vollendet dann der Gruft entsteige , 

Wandl’ ich noch einsam in des Himmels Reiche, 

Dort find’ ich nicht der Seelen stille Frieden , 
Von Dir geschieden, 


Da bag ich Dein am Thor der Paradiese , 

Bis ich verklärt den Geist der Liebe grüsse ; 

Dann schweben wir , geführt von Lieb’ und Wahrheit, 
Zur ew’gen Klarheit f 


kK AN AUGUSTE. 
AM 2... DECEMBER 1808, 


DA holde Schwestern aus des Himmels Kreise , 
Sie schwören Dir den heil’gen Göttereid. 
Sie führen Dich auf Deiner Lebensreise 
Durch alle Stürme der bedrängten Zeit, 
Dass sich Dein schönes Auge nicht betrübe ; 
Dich schirmt die Kunst, die Anmuth und die Liebe, 


DIE KUNST, 


Ich schlinge mich mit zarten Liebesarmen 

In stiller Lust um Dein begeistert Herz, 
An meiner Mutter Brust darfst Du erwarmen, 

"Mit heil’ger Kraft reis?’ ich Dich himmelwärts. 
Und freundlich wie, des Klanges Harmonieen, 

Soll Dich der Erde schönstes Glück umblühen. 


DIE ANMUTH, 


Ich wohne nur bei einer reinen Seele, 
Nur in der Brust, wo stille Zartheit quillt , 
Und wo ich mich mit hohem Geist vermähle , 
Da ist des Lebens Räthselspruch erfültt. 
Die Schönheit strahlt nur aus dem innern Leben , 
Drum will ich schirmend Dich umschweben, 


DIE LIEBE, 


Die Hand den Götter wirft die Erdenloose, 
Und ohne Wahl vertheilt sie Schmerz und Lust. 


248 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Das höchste Glück blüht nur in meinem Schoosse , 
Das höchste Glück blüht nur in meiner Brust. 
Da soll es in der Jugend süssem Prangen., 
Da soll es rein und göttlich Dich empfangen. 


So nah’n freundlich Dir, die heil’gen Gäste 

Und froh, im Sonnenlichte ihrer Gunst, 
Begrüssen sie Dich einst beim spätsten Wiegenfeste 

Im heil’gen Bunde , Anmuth , Lieb’ nud Kunst, 
Und was aus ihrem Munde Dir erklungen, 

Ein treues Herz hat Dir das Lied gesungen, 


— 
IN DER NEUJAURSNAcHT 1809. 


San ahnend kommt das neue Jahr geflogen , 
Das alte stürzt sich wimmernd in sein Grab, 
Von des Gesetzes Ewigkeit gezogen , 

Rauscht es im Sturm mit seinen bat een Wogen 
In die Vernichtung seiner Kraft hinab, _ 


Im ehrnen Streit begann es ernst zu tagen , 
Die Ostsee trägt im Kampf der Schiffe Last , 
Und manche Schlacht wird kühn und wild geschlagen , 
Und jeder will den flüchtigen Sieg erjagen, 

Und stürzt sich nach , bis ihn der Tod umfasst, 


Dann zieht der blut'ge Völkerkampf nach Süden , 
Und Natiunen stellen sich zur Schlacht ; 
Vernichtet ist des Lebens stiller Frieden , 

Die Herzen sind im wilden Streit geschieden , 
Die heil’ge Kraft der Freiheit ist erwacht, 


Da will der Mensch die Göttliche erwerben , 
Zerreisst das elırne Band der 'Tyrannei ; 

Ein dunkles Streben zieht ihn ins Verderben , 
Für seinen Glauben kaun er muthig sterben , 
Und der Gedanke macht den Menschen frei, 


Kaum hat er jetzt dit Götterkraft genossen , 

So stürmt er fort im blinden Siegerwahn, 

Und viel des edlen Blutes ist geflossen ; 

Da ward das Jahr im wilden Streit geschlossen , 
Und kämpfend tritt das neue auf die Bahn, 


Und jetzt in der bedeutungsvollen Stunde, 
Der Zukunft und Vesgangenheit yermählt, 


UND-ERZAHLUNGEN. 249 


Vergisst.der Mensch begeistert seine Wunde, 
Er glaubt sich kühn‘ in einem höhern Bunde, 
Und fühlt den Arm zu neurer That gestählt. 


Doch kann der schöne Glaube auch bestehen , 
Und wird des Kampfes späte Frucht gedeih’n ? 
Umsonst, auch diese Hoffnung muss verwehen, 
Das neue Jahr wird blutig untergehen , 

Und Streit und Mord die ew’ge Loosung sein. 


Es lässt der Mensch das ehrne Schicksal walten , 
Und tritt hinaus in die entflammte Welt, 

Wo Kräfte sich in blinder Wuth entfalten, 

Da kann kein Bild der Liebe sich gestalten, 
Im Kampf mit den Centauren sinkt der Held. 


Drum, willst Du nicht der Seele Glück verscherzen, 
So buhle nicht um flüch’ger Stunden Gunst. 

Den Drang der Zeit kannst Du als Mann verschmerzen, 
Der wahre Friede nur wohnt in dem Herzen, 

Und ew’ge Freiheit lebt nur in der Kunst, 


a a 
AN DIE PRINZESSIN DOROTAEE V. KURLAND 


DEN 22. august 1808. 


Es nah’n zu Deines Tages Feste 

Drei Schwestern, schön und wunderbar ; 
E Sie sind Dir wohlbekannte Gäste , 

Und bringen ihre Wünsche dar. 

Sie weihen Dich durch ihren Segen 

Zu jeder reinen Himmelslust, 

Und was sie auch verkünden mögen, 

Sie sprechen es aus treuer Brust. 

Sie sind aus göttlichem Geschlechte, 

Und ehren streng der Wahrheit Rechte, 


———— 
VERGANGENHEIT, 


Erhaben bin ich anzuschauen, 

In Zaubernebel eingehüllt, 

Und zeige Dir der edlen Frauen 
Bewund’rungsvolles Ebenbild. 

Und was ich Hohes jetzt kann singen , 
Es ist der Geist, der Alles schafft, 


250 


VERMISCHTE GEDICHTE 


Das Schönste wirst Du drum vollbringen , 
Das ew’ge Wesen gab Dir Kraft. 

Und schlüge das Geschick Dir Wunden , 
Heilt Dich Erinn’rung schöner Stunden. 


e 





GEGENWART UND ZUKUNFT. 


De Augenblick hat mich geboren , 

Er ist es auch, der mich verscheucht, 
Und schnell im Wechseltanz der Horen 
Aufs Neue wiederum erzeugt. — 

Wird auch das Grösste meine Beute 
Schnell wandelnd jede Erdenlust , 

Seh’ ich Dich doch in steter Freude, 
Beglückt an Deiner Mutter Brust, 

Und wenn sich Aller Glück auch wendet, 
Dir bleibt es ewig zugewendet, 


—>--—— 
ZUKUNFT. 


Wi. Morgenlicht aus gold’nen Pforten, 
Wachs’ ich mit Jugendfülle gross, 
Und mit geheininissvollen Worten 
Verkünd’ ich Dir das schönste Loos, 
Schon hat die Blüthe sich entfaltet, 
Die herrlichste der ganzen Flur, 
Und dass sie sich zur Frucht gestaltet, 
Verbürgt Dir meiner Treue Schwur. 
- Der schönsten Seele süsser Frieden 
Ist Deiner reinen Brust beschieden, 
So hat er sich Dir treu verschwistert , 
Der enge Töchterkreis der Zeit; 
Was leise Dir das Lied geflüstert , 
Ist's, was die Gottheit mir gebeut. 
Mit jedem Reize ausgestattet, 
Hat Dich auch hoher Sion erfüllt, 
Wo sich der Geist mit Aninuth gattet, 
Entsteht das herrlichste Gebild. 
Was Dir durch meinen Mund verkündet $ 
Steht längst im Zeitenbuch begründet. 


— 


Theater. 


VR 


A 


> 


Digitized by Göogle 


ZRINY 


EIN TRAUERSPIEL IN FÜNF AUFZUGEN. 


—— AA eege 


PERSONEN. 


Sorıman der Grosse, türkischer 
Kaiser. 


Meusen Soxorowrrscu, Gross- 
wessir, 


Issanim , der Bägler Beg von Na- 
tolien. 


Au Portux, oberster Befehlsha- 
ber des Geschützes, 


Messe), Pascha von Bosnien. 
Levi, Solimans Leibarzt, 

Eug Borg, 

E Ae, 


Nıktas, Graf von Zriny , Ban von 
Kroatien , Dalmatien , Sclavo- 
nien , Tavernikus in Ungarn , 
Obrister von Sigelh. 











Eva, geborne Gräfin Rosen- 
berg, seine Gemahlin. 


Heıena, ihre Tochter. 
Kaspar Aust, 


Ungari- 
Wor PArauTowissch sche 

Haupt- 
PESER VILACKY , leute. 


LORENZ JURANITSCH , 


Franz ScHERENK, Zriny’s Kam- 
merdiener. 


Eın Bess, 
EIN UNGARISCHER HAUPTMANN. 


UNGARISCHE HAUPTLEUTE und SoL- 
DATEN, 


Tüaxen, 


(Die Zeit der Handlung ist das Jahr 1566, Der Schauplatz in der ersten Hälfte des 
ersten Acts in Belgrad, dann theils in, theils vor der ungarischen Festung Sigeth.) 





ERSTER AUFZUG. 
(Zimmer im Pallaste des Grossherrn zu Belgrad.) 


— 


ERSTER AUFTRITT. 


SOLIMAN (sitzt tiefsinnig, den Kopf auf die Hände gestützt, im Vordergrunde.) 
LEVI (kömmt durch den Haupteingang.) 


Levi. Mein kaiserlicher Herr hat mein verlangt ? — — 
Ibr habt mich rufen lassen, Grosser Sultan ? — — 
Der Sclave harrt auf seines Herrschers Wink, — = (bey Seite.) 
Noch immer keine Antwort! — 
(laut) Herr und Kaiser | 


22 


254 ZRINY. 


Verzeiht's dem treuen Knechte !— Seyd Ihr krank ? 
Herr, Ihr seyd krank ! — 
Soliman. Wär’ ich’s, Du hilfst mir nicht! — 
Levi. Doch, grosser Herr, doch! — traut dem alten Diener, 
Wenns einer kann, ich kann’s, Ich gab Euch Proben 
Von meiner Treue wie von meiner Kunst, 
Seit vierzig Jahren schleicht mein scharfes Auge 
Dem Wandeln Eüres Lebens forschend nach. 
Was ich von hohen Meistern früh erlernte , 
Was die Natnr mir später selbst bekannt, 
Auf Euch begrenzt’ ich alles Wissens Ende, 
Ich kenne Eures Lebens tiefsten Bau, 
Vertraut mit seinen Kräften, seinen Wünschen — 
Des Arztes Kunst sey allgemeines Gut, 
Wohl weiss ich das, und mocht es treu erfüllen , 
Denn Euer Wohl war mir der Menschheit Leben : 
Ein Held und Kaiser gilt ein ganzes Volk! 
Soliman. Ich kenne Dich und kenne Deine Treue , 
Und Peine Kunst hat sich mir oft bewährt ; 
Drum hab’ ich Dein verlangt, — Sprich unverholen : 
Wie weit steckst Du noch meines Lebens Ziel? — 
Zeig Dich, wie ich Dich immerdar gefunden , 
Als treuen Knecht, mit offnem , gradem Sinn ! — 
Wie lange soll ich leben ? — Ich will Wahrheit! — 
Levi. Herr! Diese Frage kann nur der dort lösen, 
An diesen Räthseln scheitert meine Kunst, 
Soliman, O Stümperey des armen, Menschenwitzes! — 
Des Lebens innern Bau wollt Ihr verstehn 
Der Räder heimlichstes Getrieb berechnen , 
Und wisst doch nicht, wie lang das Uhrwerk geht, 
Wisst nicht, wenn diese Räder stocken sollen ! 
Levi. Mein grosser Herr! schmäht nicht die edle Kunst — 
Die enge Grenze ward von Gott gezogen, 
Und in die stille Werkstatt der Natur 
Hat keines Menschen Auge noch gesehn. 
Erklären mögen wir des Lebens Weise , 
Sein Keimen , seine Blüthen,, seinen Tod; 
Doch in das Chaos ferner Möglichkeiten 
Verliert sich traurig der bedrängte Geist, 
Wenn er’s versucht, dem Räthsel abzulauschen , 
Was sechs Jahrtausende noch keiñem Ohr vertraut, — 
Ich kann Euch sagen: dieser Nerven Stärke, 
Dies Feuer , das im Heldenauge glüht , 
Und Eurer Seele rüstige Begeist’rung,, 
Sie deuten-mir auf manches volle Jahr, 


or? 
EIN TRAUERSPIEL. I) 


Das Euch der güt’ge Gott noch zugemessen ; 
Doch nicht bestimmen mag ich’s mit Gewissheit, 
Und nur ein Gaukler rühmt sich dieser Kunst. — 
Soliman. Noch manches volle Jahr? — war's nicht so, Levi? — 
Levi. Wenn Ihr Euch schont und mit verwegner Hand 
Nicht eigenmächtig Eures Lebens Fäden, 
Nicht eigenmächtiz Eure Kraft zerstört, 
So darf ich gern zehn Jahre Euch versprechen ; 
Doch schonen müsst Ihr Euch ! — Euch war’s vergönnt, 
Bis an des Greisenalters dürre Schwelle — 
Was Gott nur wenig Herrlichen verhiess — 
Die Kraft, den Ruhm, das Glück Euch treu zu fesseln , 
Und noch des L.orbers frischen Blüthenkranz 
Durch Eurer Locken Silber zu verflechten, 
Nun ruhet aus, mein grosser Held und Kaiser ! 
Ruht aus auf Euern Siegen! Was ein Gott 
Noch Euern Tagen zuzezählt ; die kleine Weile 
Geniesst im kühlen Schatten Eures Ruhms ! 
Euch gab der Himmel mehr als Menschenleben , 
Ihr habt für eine Ewigkeit gelebt! 
Soliman. Still, Alter! Still} — Mehr hab’ ich nicht verlangt | 
Zehn Jahre gibt mir Deine Kunst, wenn ich 
In lasser Ruhe mich begraben wollte ? 
Mein Leben ist der rüst'gen That gewohnt, 
So wird’s doch noch ein Jahr des Kriegs ertragen. 
Mehr brauch’ ich nicht! — Geh! rufe mir den Mehmed! — 
Levi (geht ab.) 


ZWEITER AUFTRITT. 


Soliman (allein.) Ich soll mich schonen ? — Soll den Funken Kraft 
Der in den alten Heldengliedern schlummert , 
Im müss’gen Leben langsam sterben sehn ? — 
Wie ich auftrat, da hat die Welt gezittert , 
Die Welt soll zi:tern, muss ich untergehn ! — 
Das ist das grosse Götterloos der Helden ! — 
Geboren wird der Wurm , und wird zertreten, 
Und nichts bezeichnet seines Lebens Spur, 
Das Volk verjüngt in kriechenden Geschlechtern 
Sein armes Daseyn, und der Niedere schleicht 
Unangemeldet in und aus dem Leben; 
Doch wo ein Held, ein Herrscher kommen soll, 
Da ruft’s ein Gott in seiner Sterne Flammen , 
Er tritt verkündigt in die starre Welt, 


256 ZRINY. 


Das Leben ist auf seine That bereitet, — 
Wenn dann der Tod den Siegenden bezwingt, 
So weckt Natur tausend geheime Stimmen , 

Und lässt es ahnend seiner Zeit verkünden, 

Da sich der Phönix in die Flammen stürzt, — 
Ich hab’ gelebt, ich fühl’s, für alle Zeiten, 

Und an die Sterne knüpft' ich meinen Ruhm. — 
Die Welt, die flammende, hätt’ ich bezwungen , 
Wär’ ich der einz’ge Held in meiner Zeit; 

Doch grosse Männer lebten mein Jahrhundert, 
Und grosse Helden standen wider mich. 

Ich darf mich nicht des Glückes Liebling schelten , 
Ich-hab’s mit Kraft dem Schicksal abgetrotzt , 
Was es dem Bittenden verweigern wollte, — 

Was hat die Alexander gross gemacht, 

Was hat die Welt den Römern unterworfen ? — 
Kein Kaiser Karl stand ihnen gegenüber, 

Kein la Valette wehrte ihren Sieg. — 

Karl! Karl! Du hättest jetzt nicht leben sollen, 
Und dein Europa läg’ zu meinen Füssen! — 
Drum ruf’ ich dich zum letzten grossen Kampf, 
Haus Oesterreich ! — jetzt rüste deine Fahnen, 
Held Soliman will siegend untergehn | 

Auf den erstürmten Mauern deines Wiens 

Die alte Schmach in deinem „Bläts tilgend 
Verkünd’ ich dem Jahrhundert Gesetz. — 
Auf, Deutschland I auf! versammle deine Helden, 
Da, fällst für deiðğ Freyheit, deinen Gott! — 
Die Welt i.. , dass der Löwe stirbt, 
Und Wien soll seine Todesfackel brennen ! 


— 


DRITTER AUFTRITT. 
SOLIMAN, MEHMED SOKOLOWITSCH. 


Mehmed. Mein Herr und Kaiser rief nach seinem Deiner , 
Und seines Winks gewärtig steh’ ich hier, 

Soliman. Gieb den Befehl zum Aufbruch, Grosswessir ! 
Die Zeit ist kostbar, der Entschluss ist reif, 
Die frische That soll ihre Kraft bewähren ! 

Mehmed. So schnell mein Kaiser ? 

Soliman, : Ist man je zum Sieg 

“ Zu früh gekommen ? — Wer am Ende steht 
Wie ich, der weiss der Stunde Glück zu schätzen, 
Auch an des Grossherrn heil’ge Majestät 


EIN TRAUERSPIEL. 257 


Wagt es die Zeit, die starke Hand zu legen, 
Auch eines Kaisers Heldenlocke bleichtJ — 
Drey Dinge will ich noch vollendet wissen , 

Und ist mir sonst das Schwerste wohl gelungen , 
Es gilt mir wenig, wenn des Schicksals Spruch 
Und meines Lebens abgelaufne Kette 

Die letzten Wünsche tückisch mir versagt. 

Der Tempel Gottes muss vollendet stehn, 

Den ich in meiner Kaiserstadt gegründet; 

Gleich wie der Wasserleitung kühner Bau , i 
Ein Werk, das grosse Namen M verherrlicht , 
Und späten Enkeln sagt: wie a Bogen 
Verwegen über seine Thäler schlägt; * 

So warf der Held, des Name ihn bezeichnet, 

~ Das Loos der Kriege über Völkerschicksal , 

” Den Weg sich bahnend zur Unsterblichkeit ! 
Mehmed. Wenn Dich sonst nichts an dieses Leben kuüjft, 
Das Du mit Deiner Thaten Glanz erfülltest , 

So weint die Welt bald um den grössten Mann , 

Den sie in ihren Kreisen je bewundert; 

Denn die Moschee wölbt schon ihre Kuppel ; 

Ein achtes Wunder, der Vollendung zu, 

Und wenig Sonnen wirst Du nur begrüssen , 

Bis Dir die Nachricht kommt, der Riesenbau 

Der stolzen Aquäducte sey geendet, — EI 

Doch Herr, Dein dritter Wunsch? — O nicht so klein 
Begrenze das Gelüste Deines Herzens | VI 
Erdenke Dir das kühnste Heldenwerk,, 

Wo Menschenalter noch verwesen müssen, 

Bis es vollendet in das Leben tritt. — 

Du hast des Schiksals Donner Dir gewöhnt , 

Du hast dem Glücke Achtung abgezwungen , 

Mach das Unmögliche zu Deinem Ziel, 

Die Zeit wird Deinen Heldenstarrsion ehren, $ i 
Und reisst Dich nicht aus Deiner Siegerbahn, 

Bis Du auch diese Lorbern Dir errungen, 

Soliman. Mein dritter Wunsch ist das erstürmte Wien ! 
Mit seinen Mauern ist der Weg gebrochen , 

Der in das Herz der deutschen Christenfreyheit 
Den halben Mond durch blut'ge Siege führt, 
Dann tret’ ich willig aus dem Heldenleben , 
Den Söhnen öffn’ ich eine stolze Bahn, 

Das kommende Jahrhundert will auch Thaten, 
Nur halb bezwungen erben sie die Welt, 

Die andre Hälfte mag ihr Schwert erkämpfen, — 


2585 , ZRINY 


Jetzt gilt es Wien | Ruf’ mir des Heeres Fürsten, 
Dass ich mit Euch dem Siegerzug berathe , 
Denn schneller That bedarf die flächt’ge Zeit, 
Mehmed. Sie harren, Deines Herrscherwinks gewärtig 
Im Vorgemach auf ihres Kaisers Ruf. 
Soliman. Wer alles ? 


Mehmed. Mustafa von Bosnien, 
Der Ali Portuk Ibrahim. e . 
Soliman, Die ruf’ mir ! — 


Versuchte Helden sind’s durch lange Zeit, 
Die Stimmen zählt man nicht in solcher Stunde ; 
Man wägt -die Stimmen nach dem innern Werthe , 
Der Starke nur spricht čin entscheidend Wort, 

mir die Fürten! Mehmed recht ab.) i 

an. (allein.) Alter , kühner Geist! — |, P 
` So lange nur-bleib Deinem Helden treu, EA 
Und mit dem Siegesdonner, magst du scheiden! — 


D VIERTER AUFTRITT. 
SOLIMAN.MEHMED.ALIPORTUK., MUSTAFA, DERBEGLERBEG, 


Soliman. Seyd mir gegrüsst, i zen meines Throns 
Willkommene Ge. 8 i ` 
Ëm mir ge, ` 








Mein gr 5 


der G; essir ha rtraut, 
E he eboten ; 
rren Dei Winks, ner Held, 


nt für Dich und 





















mir der Deutsche Ma 
chen Kaiser schelten lässt, ` 
ten den Tribut verweigert, 
urg ee, 





tistenhunden, 
Schwert zu rächen , 
schlecht ; 


E em falschen Gotte sich ergab! — . . 
lbe Mond soll herrschen auf der Erde, 
> 3 nn as, wenn dieses Sege 
Die ersten Schritte ‚schon begrenzen will, S 


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EIN TRAUERSPIEL. 259 


Und deutsche Knechte ihm den Weg vertreten — 
Drum will ich Krieg ! 

Mustafa. `- Mein Volk bart Deines Winks, 
Dud kampfbegierig jauchz't es Dir entgegen, 

Ali. Für Deine Schaaren bürgt der Führer Muth! 

Begler Beg. Gieb ihnen Raum, die Treue zu bewähren. 

Mehmed. Der Janitscharen wohlgerüstet ‘Heer, 

Das kampfversuchte kühne Heldenvolk, 4 
Das treu auf Deinen Zügen Dich begleitet, 
Ruft Siegeslieder seinem Kaiser zi 

Nach diesem Christenkampfe wild verlangend. 

Soliman. Nicht an Gelegenheit soll’s ihnen fehlen, zer 
Die Ungarn kenn’ ich, wie der Deutschen Volk, 
Und wackre Streiter rühm’ ich meine Feinde, 

Ali. Der bess’re Gegner weckt den grössern Muth, 

Begler Beg. Es kämpft der Held am liebsten mit dem Helden, 

Mustafa, Der Sieg wird schwerer,.doch er bleibt gewiss, . 
Denn unser Feldgesohrey heisst Soliman ! 

Mehmed. Drum grüss’ ich Dich, erhabner Gross-Sultan , 

Der erste Deiner Sclaven , deutscher Kaiser ! 

Das Schwert des Allah nennt Dich dein Jahrhundert, 

Und Gottes Geissel nennet der Christ. 

Furchtbar gerüstet stehst lauf, 
Kein grösser Heer hat U 
An zweymal We ? ause ei 


Die Völker aller Bassem kaum gerechnet, 


Der Hamsa Beg stelt mächtig r Drau, 
Die Brücke Dir zum Ueb schlagen Z0 
Und Mehmed Beg streift sieg hon bis 


Auf leichten Flössen ging der kühne Helen ` 
Bey Nachtzeit ù en empörten Steeg. 
Ins Herz von U Weg zu b 
Soliman. Der Sieg inen Muth! = 
Nun gilt’s | — Entweder nehmen wir den 
Mit raschen Schritten nach des Reiches 
Und lassen Sigeth unbestürmt und Gy 
Der andern Festen lohnt's der Mühe ni 


Und nur von wenig Volke ha lt, 4 

Wo nicht, so werfen wir die t ; 

Auf diese äise e slürm ’ 

Und gehen dann dem deutschen Heer Aaen ai 

Das Maximilian bey Wien versammeln will, SÉ 
r E 


ka 


































Sag’ Deine Meynung , Grosswessir | 
Mehmed. > Mein Kaiser, 
Mir däucht es sich'rer, mehr des Helden würdig, 


4 
I 


260 IT ON 


Den Feldzug mit dem Sturme dieser Festen , 
Die unsre Macht in manchem Kampf gehöhnt, 
In fürchterlicher Strenge zu beginnen, 
Der Niklas Zriny , der Gefürchtete, 
Ist jetzt in Wien, wie meine Boten melden, 
Leicht überrumpeln wir das stolze Sigeth , 
Wenn dieser Heldensäbel feyern muss, 
Dann frisch auf Wien, und auf das Heer des Kaisers , 
Ein blut’ger Tag entscheide dorien Sieg! 

Ali. Wenn Zriny fern ist, stimm” ich gern Dir bey, 
Dann nehm’ ich Sigeth mit dèm ersten Sturme ; 
Doch wär er da, — ich keine diesen Helden, — ` 
So mögen wir im mondenlangen Kampf 
‚An Sigeths Mauern uns den Kopf zerbrechen, 

n. Gilt Dir der einz’ge Mann solch grossen Werth; 
Du die oftgeprüfte Heldenstärke 

Ungern an diesen ege o wagst? 

Ali. Zeih Deinen Sclaven keiner niedern Furcht. 
Hast Du des Zriny Thatenruf vergessen, 
Der gegen uns in der Belag’rung Wiens H 
Vom Kaiser Karl den Rittersehlag verdiente , 
Ein zarter Jüngling noch? Jetzt ist's ein Mann, 
Und deine Völker , die sonst keinen scheuen, 
Gewohnt, dem Tode ie Gesi u treten, 
Erschrecken , wenn sie LE, sehn, 

D Begler Beg, Auch ich, Herr, stimme Ali’s Rede bey! 
da. Y belagert, wenn der fern ist, 
” seys umzingelt, wie a Kaiser sprach, 
Von Gyula hast du’ wenig zu befürchten. 
Mustafa. Der Begler Be As ein bedachtes 2 


s3 "Und meine Megnung h er mit 
é © Soliman. Zriny! Ges Sl 









Ist nic , dass ihn ein 
Ans sein gewalt'gem Gleise zwinge, m 
„einz’gen Heldenbrust 
Wellen brechen lassen ? — 
Fern, oder nicht, wir gehen nicht auf Sigeth, 
G’rade nach mn, das ist des Kaisers Wille! 
He ich’s sch] wir die Schlacht, 


Pe 


EIN TRAUERSPIEL, 261 


FUNFTER AUFTRITT. 


VORIGE. EIN AGA 


dya (sagt dem Mehmed etwas ins Ohr.) 
Mehmed. Ich lass’ dem Santschak danken für die Nachricht, 
Aga. (gebt ab ) 
Soliman Was gicbt’s, Wessir ? 
Mehmed. Der Santschak Halla meldet 
Dass Niklas Zriny; längst von Wien zurück 
Mit seiner Schaar nach Sigeth sich geworfen , 
Es schein’, als wisse er von unserm Plan, 
Ali. Auf, grosser Kaiser ! Das ist Allah’s Finger! 
Führ’ uns nach Wien, Sigeth bleib’ ungestürmt, 
Führ’ uns nach Wien, dort sey die Schlacht geschlagen ? 
Mehmed. 
Mustafa. \Führ uns nach Wien, dort sey die Schlacht geschlagen ! 
Begler Beg. 
Soliman, Was? seyd Ihr Männer? sind das meine Helden, 
Die eines Namens leerer Klang erschreckt ? — 
Ich legte mir die, halbe Welt zu Füssen, 
Und solche Furcht rühmt sich kaum Soliman 
In seiner Feinde Herz getaucht zu haben, 
Als dieser Christenhund von Euch erzwang. 
Jetzt jete bestimmt! jetzt ists ! wir stürmen Sigeth! 
Ich will ihn kennen lernen, diesen Popanz; 
Der meinen besten Helden Furcht gelehrt, 
Mustafa, Bedenke Herr — 
Soliman. Kein Wort, bey Todesstrafe ! 
Wir stürmen Sigeth! Grosswessir ! zum Aufbruch ! 
Mein Kaiserzorn hat Asien zermalmt , 
Und dieser Ungargraf will mich verhöhnen ? 
Das soll er büssen ! Auf dem Schutt der Feste 
Pflanz’ ich für diesen Frevel seinen Kopf! 


— 


SECHSTER AUFTRI $ 
VORIGE, DER AGA, Dann ein BOTE, 
w — 


Aga. Ein Bote wartet, grosser Herr und Kaiser, « i 
Vom Hamsa Beg , auf günstiges Gehör. Ze 

Soliman. Er komme ` 

Aga. (geht ab.) 

Der Bote (titt ein.) Allah’s ‘Segen über Dich , 


Erhabner Grossherr! 
Soliman, Sprich , was bringst Du mir ? 


262 ZRINY. 


Bote. Dein Sclave Hamsa Beg ist's der mich sendet. 
Dreymal versuchte ere mit kühnem Sinn , 
Der wilden Drau die Brücke aufzuzwingen , 
Der freye Strom zerschmetterte das Joch, 
Und dreymal ward das stolze Werk zerissen, 
Viel Deiner Sclaven fanden ihren Tod 
In wilden Sturme der empörten Wogen, 
Denn ungewöhnlich ist des Wassers Höhe, 
Und angeschwollen von des Giessbachs Fluth. 
Drum bittet er von seines Kaisers Gnade, 
Du wollest warten, bis der wilde Storm 
In seine alten Ufer sich gezwungen, 
Denn ganz unmöglich , sey es deinem Knecht, 
Die Brücke jetzt zum Uebergang zu schlagen. 
Soliman, Was? ich soll warten? was? unmöglich wär's ? 
Was ist unmöglich , wenn der Grossherr will ? 
Ha, der Verräther! Geh, wirf Dich auf’s Pferd, 
Sag ihm: ich bräche heute auf, und find’ ich , 
Trotz dem empörten Element, die Brücke 
In vier und zwanzig Stunden nicht geschlagen, 
Sa häng’ ich ihn an seinem Ufer auf, 
Und will ihn lehren , was ich möglich nenne! 
Fort! fort! wenn Dir sein Leben lieb ist, fort! — 
Zum Aufbruch, Grosswessir! wir stürmen Sigeth! (Alle ab.) 


SIEBENTER AUFTRITT. 
(Grosses Zimmer im Schlosse zu Sigeth. Im Hintergrunde zwey Bogenfester.) 


Eva und Helene (aus der Thüre links.) 


Helene (eilt furchtsam auf die Fenster zu, und schaut hinunter.) 
Eva. Was ängstizt Dich ? was hast Du, liebe Tochter? 
Helene, Ach, gute Mutter ! böse, böse Ahnung | 
Weiss ich’s denn selbst? — Mir ist so ängstlich hier, 
Ein Wetter ist im Anzug über uns, — 
Sieh nur, die stille Burg ist wie verwandelt, 
An jeder Ecke steht ein kleiner Haufen , 
In grosser Spangung ist das Volk. Die Führer 
Durchschwärmen laut das,ganze Schloss. Ach Gott, 
Was wird das geben ? 
Eva, Tröste Dich, mein Kind! 
Ein kleiner Streifzug, weiter nichts, gewiss, 
Wir sind an diese Dinge ja gewöhnt, 
Helene. Nein, theure Mutter , nein, hier gilt es mehr ! 
Den Lorenz fand ich athemlos im Saäle, 


EIN TRAUERSPIEL. 265 


Er kam bestaubt den Wendelstieg herauf. 

Du weisst es, Mutter, wie er mit Entzücken , 
Mir stets entgegen tritt, manch süsses Wort, 

Von seiner Liebe, seiner Hoffnung plaudert ; 
Heut’ stürmt’ er grüssend nur an mir vorbey, 
Und als ich nachrief: « Juranitsch! was ist dir Ze 
So winkt’ er mir: «es gilt den Dienst, vergib mir: 
Mein Herz ist Dein, die Zeit verlangt der Kaiser, » 
Und drauf verschwand er in des Vaters Thür. 

Und wie ich jetzt durch’s Kammerfenster schaute, 
Warf er sich eben wieder auf das Ross 

Und jagte wie die Windsbraut aus dem Schlosse, 

Eva. Macht Dich das ängstlich? Mädchen, sieh mich an! 
Du bist in dem Getümmel aufgewachsen, 

Und warst ja sonst nicht also scheuer Art ? 
Helene, Du wirst roth. — 

Helene (ihr in die Arme fallend.) Ach gute, liebe Mutter ! 
Era, Nun, Kind, Du brauchst nicht zu erröthen, Liebe 
Zu einem Heldenjüngling ehrt die Jungfrau, 

Die stillen Knospen , die die zarte Brust 

In ihres Frühlings Träumen noch verborgen, 

Die brechen wunderherrlich auf zur Bliühe, 

Wenn längst verkündet durch der Sehnsucht Dämmern 
Die Sonne in der Seele tagt, und Liebe 

Die zugeschlossnen Kelche aufgeküsst. 

Helene. Du bist so gut! 

Eva, Und sollt’ ich's denn nicht seyn? 
Du ahnest nicht, wie es mich glücklich macht , 

Des eignen Frühlings längst verträumte Freude 
Verjüngt zu sehn in meiner Tochter Glück , 
Der ersten Liebe heimlich still Erwachen, 
Des düstern Lebens einz’gen Sommertag 

In dir zum zweytenmale zu begrüssen ! 

Ach, diese Zeit kehrt uns nur so zurück , 

Nur in der Kinder. Glück kehrt sie uns wieder ! 

Helene. Weiss denn der Vater? — 

Era. Er vermuthet’s wohl , 
Denn keine Meister seyd Ihr im Verstellen , 1 
Der kleinste Zwang wird ja der Liebe schwer, 

Helene. Hat er gescholten ? 

Era. Würd’ ich dann so ruhig, 
So heiter mit Dir sprechen, liebes Kind ? 

«Ich suche mir den Eidam —» sprach er einst, 
« Ungern unter den Fürsten dieses Landes , 
«Aus seinen Helden wähl’ ich mir ihn aus, e 


264 . ZRINY. 


Und Juranitsch steht hoch in seiner Liebe, 

Helene. Ach Mutter! Mutter! ach, wie glücklich, ach, 
Wie selig maclist Du heute Deine Tochter! 
Wohl ist’s ein köstliches Gefühl, die Liebe, 
Ich schaudre oft vor all dem Glück zurück ; 
Doch , ohne Vater- ohne Muttersegen 
Versöhnt kein Frieden diesen wilden Sturm. 
Mild muss die Sonne seyn, wo Blüthen reifen, 
Der Thau muss perlen und der Zephyr weh’n, 
Doch wo der Tag heissflammend niederglüht, 
Versiegt der Quell, und giftge Winde brausen 
Zerstörend über die versengte Flur. 

Eva. Da kommt der Vater, sieh ! 


Helene. Gott sey gedankt! 
Er scheint mir ruhig. 
Eva, Sahst Du ihn je anders? 


ACHTER AUFTRITT. 
VORIGE. ZRINY (noch ungerüstet.) 


Zriny. Es wird lebendig werden hier im Schloss , 
Lasst’s Euch nicht Angst seyn , Kinder , jetzt noch nicht, 
Der Türke, heisst es, habe sich gerüstet, 

Der Grossher selbst in eigner Person 

Führe das Heer ; zuverläss'ge Kundschaft 

Hab’ icH noch nicht, in dieser Stunde erst 
Erwart’ ich die Entscheidung meiner Boten. 
Drum seyd nicht bange, wenn der Waffenlärm 
Sich bis in Eure Frauenzimmer drängte, 

Denn Vorsicht ziemt auf diesem wicht’gen Platz, 
Auch freut das rüst’ge Volk sich auf die Arbeit, 
Und möchte gern den übermüth’gen Jubel 

Auf Rechnung naher Thaten brausen lassen. 

Helene. Sagt’ ich Dies nicht? Ach, Mutter, sagt’ ich's nicht ? 
Sieh, meine Ahnung hat mich nicht betrogen. 

Eva. Denkst Du, es könnte unsrer Feste gelten ? 
Belag’rsung — Sturm ? — verbirg mir nichts, 

Zriny Nein, nein! 
Wer wird denn auch gleich von dem Schlimmsten träumen. 

Eva. Zriny, ich habe Dein Vertrauen mir verdient, 
Ich fordre Wahrheit! — Wird es Sigeth gelten? — 

O denke so gemein nicht von dem Weibe, 
Von Deinem Weibe nicht, das der Gefahr 
An Deiner Seite oft ims Auge sah, 


EIN TRAUERSPIEL, 265 


Dass Du an ihres Herzens Kraft verzweifelst ! 

Wenn sie das Heldenweib bewähren soll, 

Ich fordre Wahrheit: — wird es Sigeth gelten ? 
Zriny. Wenn Soliman sich rüstet, gilt es uns. 
Helene. Ach Mutter! Mutter ! 

Era, Tröste Dich, Helene ! 

Der Vater lebt und seine Freunde leben. 

Die Heldentochter sey des Helden werth ! 


— 


NEUNTER AUFTRITT. 
VORIGE. ALAPI (gerüstet.) 


Alapi. Herr, neue Botschaft! — 
Zriny. Sag’s nur immer laut, 
Die Weiber müssen’s doch einmal erfahren , 
Ob früher oder später, gilt gleichviel , 
Die Furcht mahlt das Verschwiegne nur viel schwärzer. 
Was giebt’s ? 
Alapi. So eben kam ein Eilbot’ aus Fünfkirchen,, 
Es sey gewiss, so meldet uns die Stadt, 
Sie hätten es von Flüchtigen erkundet: 
Des Sultans ganze Rüstung gälte uns, 
Und ungeheuer waffne sich der Türke. 
Zriny. Wenn Soliman den Ungarkrieg beschloss , 
So lässt er wohl nicht lange auf sich warten. 
Wir kennen ja den alten Löwen. — Sieh, 
Da kommt Paprutowitsch, Er bringt uns Kundschaft, 


_— 


ZEHNTER AUFTRITT. 
VORIGE. PAPRUTOWITSCH, (auch gerüstet) UND EIN UNGARISCHER BAUER, 


Paprutowitsch. Mein edler Herr, greift nach dem Schwert, es gilt: 
Der Grossherr ist durch Belgrad schon gezogen , 
Mit kriegerischer Pracht und Kaiserstolz. 

Der Bauer hier bringt die gewisse Nachricht, 
Er hat den Zug mit angesehn. 

Zriny. So sprich ! 

Bauer. Ich hatt’ in Belgrad ein Geschäft und Handel, 
Und als der Käuf geschlossen war , wollt ich 
Mit meinen Pferden frisch nach Hause traben , 

Da hiess es in der Stadt, der Grossherr komme , 
Mit gar verwunderlicher Pracht und Grösse , j 


25 


266 ZRINY. 


Einzug zu halten mit dem ganzen Heer. 

Ich konnt’ nicht mehr durch’s Thor, so grässlich war 

Euch das Gedräng’ des zugeströmten Volkes ; 

Da blieb ich denn, und hab’ ihn so erwartet. 
Erst sah ich an fünftausend Janitscharen , 

Schanzgräber , Zimmerleut’ und all das Volk, 

Die meisten waren gutbewehrte Männer , 

Drauf kam der Bassen ganzer Dienertross 

Zu Fuss und Pferd, viel kleine Fähnlein tragend, 

Ein jedes anders, nach des Herren Wappen. 

Des Kaisers Waidgefolg’ und Falkenträger , 

An fünfzig stolze Rosse, von den Spahis 

Geführt , und eine Reihe junger Sclaven, 

Meerkatzen , Papageyen und andre Kurzweil 

Auf ihren Köpfen tragend,_ folgten dann, 

Die Bolukbassen schlossen sich daran , 

Mit reichen Reiherbüschen auf den Helmen, 

Nach ihnen Diener des Serails, und drey 

Vornehme Bassen : Ferhad , Mustafa 

Und Achmet, drauf der Bassa Mahomed , 

Nach ihm der Wessir Bassa, der als Richter 

Im Lager gilt, dann eine Schaar Solaken 

Und dann der Tschauschen unmanierlich Volk, 

Die mit den Kolben in die Menge schlugen, 

Und nach den Köpfen in den Fenstern schossen , 

Damit sich keiner rühmen soll, er habe 

Auf ihren Gross-Sultan herabgesehn, 

Drauf kam der Sultan. Ein arabisch Ross 

Trug ihn, den kaiserlich geschmückten Heiden. 

Ein Säbel mit Demanten reich besäet , 

Hieng an dem Sattel, köstlich 'anzuschau’n 

Zur Rechten ging dem Kaiser Ferhad Aga , 

Und sprach mit ihm, drey Begler folgten dienend. 

So auch drey Kuaben , vom ihm hochgeliebt , 

Die Pfeil und Bogen, Kleider, Schalen trugen. 

Dann kamen ganze Reihen schöner Pagen , 

Sie gingen vor dem goldnen Wagen her, 

Der dem Gross-Sultan nachgefahren wurde, 

’S soll ein Geschenk vom fränk’schen König seyn. 

Acht andre Wagen dann, nicht minder köstlich, 

Der Chasnadar mit seiner Dienerschaar, 

Zweyhundert Esel, schwer mit Gold beladen 

Und ihre Führer schlossen diesen Zug. 

Zuletzt das Heer in schöner stolzer Ordnung. 

An zweymal Hunderttaussend schätzte man’s. 


EIN TRAUERSPIEL. 267 


Als sich das Volk in später Nacht verlaufen , 
Entkam ich glücklich durch das Thor, und bin 
Auf unbetreinen Wegen hergeeilt, 
Euch, edler Graf, die Bothschaft zu verkünden. 
Zriny. Brav, Landsmaun! Labe Dich in meinem Keller , 
Mein Seckelmeister bringt Dir meinen Dank. 
Bauer (geht ab.) 
Zéng, Kinder, "e wird Ernst! Noch harr’ ich auf den Lorenz ; 
Ich sandt’ ihn aus. 
Alapi. Da sprengt er in den Hof, 
Helene, (weint an dem Herzen ihrer Mutter.) 
Zriny. Der bringt uns Kundschaft. — Weib, tröste das Mädchen. 
Das ist nicht anders in dem Land des Kriegs, 
Sie wird sich schon an diese Zeit gewöhnen, 
So ängstlich aber sah ich sie noch nie, — 
Sey ruhig, Kind ! 
Helene. Wie, Vater, kann ich das 
Und könnt’ ich’s, Vater, wär’ ich glücklicher ? 
Eva. SOU, Mädchen! Still ! 
Helene. Ach, Mutter, sieh, da kommt er, 
Und schlimme Bothschaft les’ ich auf der Stirne, 
Wie heldenmüthig auch das Auge glüht, 





EILFTER AUFTRITT. 
VORIGE. JURANITSCH (gerüstet,) 


Zriny. Was bringst Du, Juranitsch ? 
Juranitsch. Den Ruf zur Schlacht, 
Mein edler Graf! Schon ging der Mehmed Beg 
Ueber die Drau, er streift bis Sziklas , hat 
Das Land verheert, die Dörfer angezündet , 
Und alle Greu’l des Türkenkriegs erneut. 
Gib mir ein Fähnlein Deiner wackern Reiter, 
Mich drängt der ‚Muth, ich sehne mich zur Schlacht, 
Und will das Land an diesen Buben rächen ! 
Helene. Gott! — Juranitsch | 
Juranitsch, O jamm’re nicht, Helene, 
Jetzt gilt es Kampf, jetzt kann ich Dich verdienen, 
Und trete muthig vor den Vater hin, 
Ihm meine Liebe , meinen Wunsch bekennend, 
Ja, alter Held, ich liebe Eure Tochter ! 
Zwar hab’ ich nichts als dieses treue Schwert, 
Und wenig Rhum errebt’ ich von den Vätern, 
Doch hab’ ich oftmals Euer Wort gehört: 


268 ZRINY. 


Ein Heldenarm dürfe nach Kronen greifen, 

Es fehlt an Muth, es felht an Kraft mir nicht, 
Lasst mich hinaus, den Adel zu bewähren, 
Den ich lebendig in dem Herzen fühle, 

Zriny. Darauf antwort’ ich Dir nach deiner Schlacht. 
Mir gilt ein Held mehr, als ein Fürstenmäntel ; 
Doch Deiner Jugend darf ich nicht allein 
Vertrau’n, was Ungarns Wohl bestimmen könnte, — 
Kaspar Alapi, nimm Dir tausend Mann 
Zu Fuss, und an fünfhundert Reiter, Juranitsch 
Und Wolf begleiten Dich, die andern Führer 
Magst Du nach eignem Willen Dir erkiesen. 

Grad’ auf den Mehmed Beg! Der kleinen Anzahl 
Kann nur ein rascher Angriff günstig seyn. 

Die Türken sollen’s wissen, das sie Männer 

In Sigeth finden, die die Uebermacht nicht scheun ! 
Gott sey mit Euch, und kehrt als Sieger wieder I 

Alapi. Vertraue mir und Deinem treuen Volk. 
Frisch, Brüder ! an die Arbeit! Morgen früh 
Ziehn wir mit Türkenbeute heim I — 

Vergönnt mir gütgen Urlaub , gnäd’'ge Gräfin, 

Eva. Zieht hin, ich will indessen für Euch beten, 

Juranitsch. Lebt wohl, verehrte Frau! Lebt wohl! — Helene, 
Sprich auch ein gütig Wort für mich zum Himmel, ` 
Und Sieg der Liebe flüstre Dein Gebet, 

Es wird zum Talisman , und soll mich schützen. 

Eva. Schont ihrer. i 

Helene. Ach, Du gehst in Deinen Tod! 

Juranitsch. Nein, nein, Der Tod wagt sich nicht an die Liebe, 

Helene. Er wagt sich nicht — o lass mir diesen Trost} 

Juranitsch, Trau mir, er wagt sich nicht an uns. Verwegen 
Stürz ich mit diesem Glauben mich hinein ! 

(Er zieht den Säbel , die andern Hauptlente ebenfalls.) 
Wer Kräfte fühlt, der muss die Kräfte regen, 
Der Kampf ist kurz, der Sieg soll ewig seyn! 
Und sehnt’ ich mich nach ungemeinen Schätzen , 
Ich muss das Ungemeine daran setzen ! 
(Er eilt mit Alapi und den Hauptleuten ab.) 
Helene. (umsinkend,) Mein Lorenz ! Lorenz ! 
Eva, Gott! sio sinkt! 


Zriny (sie aufhaltend.) Helene! 
(Während der Gruppe füllt der Vorhang.) 


—— 


EIN TRAUERSPIEL. 269 


ZWEITER AUFZUG. 
(Das Zimmer vom Ende des ersten Aufzugs.) 


-_— 


$ ERSTER AUFTRITT. 


EVA UND HELENE, 


Eva. Wie ist Dir, liebe Tochter ? 
Helene. d Besser, 
Era. Kind, 
Du hast uns sehr geängstigt. Selbst der Vater, 
Der sonst so ruhige, gefasste Mann , 
Er fuhr zusammen, als der theure Liebling 
Ihm bleich und zitternd in die Arme sank, 
Gottlob , noch färbt die Röthe Deine Wangen, 
Es drängte nur des Augenblickes Schmerz 
Die frische Kraft der Jugendfülle nieder. 
Helene. Ach, Mutter! wie er mir den flücht'gen Abschied 
Mit dem gezognen Säbel zugewinkt — 
Es ist der letzte Gruss, rief’s mir, der letzte | 
Dort draussen lauert der Verrath auf ihn, 
Dort draussen ist der Liebe Tod bereitet ! 
Da zuckt’ es mir versengend durch die Brust, 
Das Auge brach, des Herzens Pulse stockten , 
Wie Traum des Todes kam es über mich. 
Eva. Du musst das weiche Herz bezwingen lernen. 
Wenn Dich als eine würd’ge Heldenbraut 
Nach dieses Lebens raschem Kranz gelüstet, — 
Wohl manche Freuden fühlt des Mannes Weib, 
Der ruhig in der wohl erwobnen Hütte 
Der stillen Tage gleiche Ketten wirkt ; 
Wenn sich die Scheuern.und die Schränke füllen , 
Wen das Geschäft die saure Mühe lohnt, 
Und mit dem Kiel der Schiffe hergetragen , 
Das Glück auf die geschmückte Schwelle tritt, 
Dann freut sie sich der reichbedankten Arbeit, 
Und in dem Auge des zufriednen Gatten , 
Und auf der Kinder munterm Angesicht , 
Die an den bunten Gaben sich ergötzen, 
Blüht ihr das Leben still und heiter auf; 
Der ruhige Genuss versöhnt das Schicksal, — 
Doch anders ist es in des Weibes Brust, 
Die ihrer Liebe zarte Epheuranke 


270 ZRINY. 


Um eine kühne Helden-Eiche webt. 
Den Augenblick, den günst’gen mus sie fassen , 
Muss ihn festhalten wie ihr letztes Gut: 
Es schwebt ihr Leben zwischen Glück und Jammer 
Und Höllenqual und Himmelseligkeit. 
Wenn sich der Held für seines Landes Freyheit 
Verwegen aus dem Arm der Liebe reisst , 
Die külıne Brust dem Mordstahl anzubieten , 
Da muss sie Gott und seiner Kraft vertrau’n, 
Und seine Ehre lieben als sein Leben ; 
Denn wie den andern Sclaven der Natur 
Der Athemzug des Daseyns Fordrung ist , 
So, Mädchen, ist's dem Manne seine Ehre, 
Und wenn Du deinen Heldenjüngling liebst , 
Als Heldenbraut, wie’s Zriny's Tochter zukommt ; 
So ist es nicht sein jugendliches Antlitz , 
Nicht seiner Stimme schmeichelnde Gewalt, 
Die mit der Liebe Netzen Dich umstrickte. 
Du liebst den graden Sinn, die Kraft, den Ruhm, 
Und seines Namens unbefleckte Ehre } 

Helene. Ach, sey nachsichtig mit dem armen Mädchen , 
Das ihrer Seele schwärmendes Gefühl 
Noch nicht gelernt in fremde Form zu drücken, 
Wohl Deinen mütterlichen Rath begreift, 
Doch nicht den Muth besitzt, zu Dir hinauf 
Die zagenden Gedanken hinzuwünschen, — 
Vergib mir, Mutter, wenn ich Dir’s gestehe : 
Oft träum’ ich mir, es wäre doch so schön, 
Könnt’ ich in eines stillen Thales Frieden 
Der Stunden ewig gleiche Kettentänze 
An seiner Brust vorüberrauschen sehn, — 
Ich soll den Muth, die Kraft an ihm nur lieben, 
Die sich verwegen in’s Verderben stürtzt ? 
Nein , Mutter , nein, ich Hebe nur die Liebe, 
Die aus der Lippen flüsterndem Gesang , 
Die aus der Augen Thränen wiederleuchtet. 
Ihn in der Liebe und in ihm die Liebe. 
Das schwankt und zittert, wie der Winde Hauch, 
Und wiegt im ew’gen Wechsel meine Seele. 

Eva. So war mirs’ auch. Der Liebe erster Ruf 
Ergreift die Mädchenseele mädchenhaft , 
Wie sie den Jüngling jugendlich begeistert, 
Dass er nach Kampf und kühner That verlangt; 
Doch wenn der Liebe heilig stilles Wirken 
Die Geister, die getrennt in fremder Welt 


EIN TRAUERSPIEL. 271 


Nach unbekannten Zielen hingeflogen , 

Zu innigem Gespräche sanft gewohnt, 

Dass sich die Seelen nach und nach erwählen , 
Austauschend in dem einzigen Gedanken 

Gefühl, Empfindung, Sehnsucht, Religion 

Und was sie sonst geahnet und geschlummert, 
Dann tritt die Liebe wunderherrlich auf, 

Und führt zwey neue Menschen in das Leben, 
Der Jüngling, der von seines Mädchens Lippe 

Der Anmuth zarten Seelenfrieden trank , 

Sieht seines Muthes Wellensturm geregelt, 

Der Sehnsucht Labyrinthe aufgedeckt , 

Und jene Kraft , die ihn hinausgeschleudert 

Aus aller Bahnen Gleise, wiegt bekämpft 

Sein heitres Leben jetzt auf sanften Wellen, 

Und schaukelt ihn dem sichern Hafen zu, 

Die Jungfrau aber fühlt die zarte Seele 

Vom Kuss der Liebe wunderbar entzückt. 

Ein klarer Muth , ein freudiges Vertrauen , 

Der kühnen Hoffnung schwärmende Gefühle, 

Sie ziehen freudig in dem Herzen ein , « 
Und flechten ihre lichteu Strahlenkränze 

Mit treuer Brust um die beglückte Braut, 

So wie Du jetzt fuhlst, hab’ auch ich empfunden , 
Doch dieser Sonnenklarheit schönre Zeit 

Wird bald in Deiner Brust sich offenbaren , 
Dann halt sie fest, dann magst Du sie bewahren, 

Helene çfalt ihr in die Arme,) O meine Mutter ! 

Eva Gute , liebe Tochter! 
Es gibt doch schön’res nichts auf dieser Welt, 
Als wenn in süss vertrauendem Entzücken, = 
Lichtperlen der Begeistrung in den Blicken , 

Das Kind der Mutter in die Arme fällt! 


— 


ZWEITER AUFTRITT. 
VORIGE, ZRINY. 
Zriny. Zur guten Sunde sucht’ ich meine Lieben , 
Die Toshter find’ ich an der Mutter Brust, 
Und tiefe Rührung leuchten Eure Blicke, 
O , schliesst auch mich mit ein in Eure Arme, 
Das Herz ist weich, und ungewohnt drängt sich 


Der Freudenthau in diese Männeraugen, 
Mein Weib ! — Helene ! 


27% ZRINY. 


Helene. Vater ! 
Eva. Theurer Mann ! 
So mild hab’ ich Dich lange nicht gesehn, - 
Was ist Dir, Zriny ? Du bist tief ergriffen , 
Wie leise Ahnung dämmern Deine Blicke ; 
Was ist Dir, Zriny? 
Zriny. Lass mich , gutes Weib! 
Glaub’ mir, mir ist so wohl in Euern Armen 
Und tausend Bilder stehen blühend auf, 
Und treten freundlich vor die rohe Seele, 
Dass ich der Rührung nicht gebieten kann | — 
O, Menschen! Menschen ! fasst das Leben schnell, 
Lasst keiner Stunde Seigerschlag vorüber , 
Wo ihr nicht sagt : der Augenblick war mein, 
Ich habe seine Freuden ausgekostet, 
Kein Tröpfchen Balsam liess ich in dem Kelch. 
Die Zeit ist schnell , noch schneller ist das Schicksal ; 
Wer feig des einen Tages Glück versäumt, 
Er holt’s nicht ein, und wenn ihn Blitze trügen! 
Helene. Noch keine Nachricht ? 

Zriny, ` Keine, gates Mädchen! 
Auch wärs kaum möglich. Sey nur ruhig, Kind! 
Eva. Ist sonst Dir andre Botschaft zugekommen ? — 

Verhel’ mir nichts, das Gute wie das Schlimme, 
Mir ahnet, Zriny , eine schwere Zeit; 
Gewöhne mich auch an des Unglücks Stimme , 
Dass nicht unvorbereitet das Geschick 
Dem schwachen Weib das Grässliche bereite, 
Zriny. Noch sorge nicht! liess ich Dich sonst in Sigeth ? 
Vertraut ich sonst, tollkühn verwegnen Muths , 
Mein höchstes Glück dem Wechselspiel des Schicksals ? 
Eilboten sandt ich nach des Kaisers Hof, 
Ihm die Gefahr des Ungarlands zu melden , 
Denn ernstlich wird’s. Schon schlug der Hamsa Beg 
Trotz Wogensturm, zum viertenmal die Brücke; 
Dreymal hatte die Drau sie umgestürzt, 
Mif jeder Stunde harrte man des Kaisers. 
Mehmed Sokolowitsch mit sechzigtausend Mann, 
Der Pascha Mustafa und Karem Beg, 
Sind kampfgerüstet ihm vorausgegangen , 
Und bahnen ihm den blutbefleckten Weg, 
Wenn unsre Helden sich nicht wacker eilen , 
So finden sie den Grossherrn schon vor Sigeth. 


EIN TRAUERSPIEL. 273 


DRITTER AUFTRITT. 


VORIGE. SCHERENK, 


Scherenk. Mein edler Herr, so eben ruft der Wächter 
Vom Schlossthurm ; eine grosse Wolke Staub 
Erhebt sich auf dem Weg nach Sziklas, Sicher 
Sind es die Unsern, die, vom Sieg gekrönt, 

Mit der erkämpften Türkenbeute heimziehn, 

Zriny (geht an’s Fenster.) 

Helere. Dank, guter Alter für die schöne Botschaft! 
Dank , tausend Dank! — Sprich, hast du ihn gesehn ? 
Und lebt er noch, und kehrt er glücklich wieder ? 

Scherenk‘ Wer, edles Fräulein ? 

Eva, Kind , wo denkst Du hin ? 
Der Wächter sah nur eine Wolke Staub, 

Vermuthet nur, es sey die Schaar der Unsen, 

Helene, Vermuthet nur! Ach könnt’ ich oben stehn , 
Auf jenen Bergen wollt’ ich ihn erkennen, 

Aus Tausenden hätt’ ihn mein Blick gesucht, — 
Wie fängt das Herz gemartert an zu schlagen, 
Und alle Qualen, die mir dieser Tag, 

Auf meine schwache Mädchenseele häufte, 

Und alle Angst der schlaflos langen Nacht, 

Sie werfen sich im fürchterlichen Bunde 

Noch einmal auf dies arme, kranke Herz, 

Ach Mutter ! Mutter! schlinge Deine Arme 

Um Dein gequältes Kind, an Deiner Brust 

Lass mich den Trost, die Hoffnung wiederfinden. 

Eva, Gebiete Deinem Schmerze, gutes Mädchen, 
Die zarte Jugend hält den Sturm nicht aus, 
Helene , schone Dich. Du magst ja weinen, 
Weine Dich aus, nur lass dies kranke Zucken, 
Das krampfhaft den bewegten Busen hebt, 
Und kalte Blitze durch die Augen leuchtet, 

Zriny. Sie sind’s! Sie sinds! Da stürmt der ganze Haufen, 

Eva. Helene. Wo? Wo? 

Zriny. Den Schlossberg jagen sie herauf. 
Held Juranitsch an seiner Reiter Spitze , 

Ein türk’scher Rossschweif fliegt in seiner Hand. 

Helene. Ach Mutter! Mutter, halte mich, ich sinke ! 
Der Schmerz hat meinen Augenquell versiegt, 

Ich habe keine Thränen für die Freude, 

Eva. Fasse Dich, Kind ! Du hast ihn wieder, 

Zriny. Hört Ihr's ? 
Ha, wie die Siegeslieder mächtig schallen { 


$ 


274 l ZRINY. 


Die Töne wirbeln ihrer Thaten Rulım! 
Sie sprengen in den Hof — sie sitzen ab. 
(durch’s Fenster.) 

Seyd.mir willkommen, meine wackern Helden ! 

Seyd mir willkommen ! Gott und Vaterland 

Mag Euch den Sieg, den herrlichen , belohnen! — 

Scherenk , hinab , lass meine Keller öffnen , 

Und meine Speisekammern sperre auf, 

Die kühne Schaar hat der Erquickung nöthig. 
Scherenk (geht ab.) 


VIERTER AUFTRITT. 
VORIGF, ALAPI, PAPRUTOWITSCH, JURANITSCH, 
(mit einem türkischen Ross-Schweife in der Hand,) 
MEHRERE UNGARISCHE HAUPTLEUTE, 


Zriny. Freund! 
Alapi.. Waffenbruder ! 


Helene. Juranitsch ! 

Juranitsch. Helene ! 

Eva, Ihr habt gesiegt? 

Paprutowitsch. Mit Gott, erhabne Frau ! 


Viertausend Türken liegen auf der Wahlstatt, 

Und unermesslich fast ist unsre Beute. 
Juranitsch (den Ross-Schweife dem Zriny zu Füssen Jegend.) 

Hier alter Held, ich hab’ mein Wort gelöst 

Aus eines Haufens enggekeilter Mitte 

Riss ich den Ross-Schweif mit verwegner Hand | 

Ich hab’ mein Wort gelös’t, fragt nur Alapi. 
Zriny. Erzähl’ uns Freund wie sich der Kampf gewendet. 
4lapi. Der Mehmed Beg lag leicht verschanzt vor Sziklas , 

Des Kampfes nicht gewärtig , kleine Züge 

Ausschickend , rings die Dörfer anzubrennen, 

Wir theilten uns in drey fast gleiche Haufen! 

Den linken führte Wolf, ich selbst die Mitte, 

Den rechten übergab ich Juranitsch. 

Drauf jagten wir auf unbekannten Wegen 

Dem Feind entgegen ; jene zogen sich 

Rings um sein Lager, plötzlich ward er jetzt 

Auf allen Seiten lärmend angegriffen, 

Der Schrecken wühlte sich in scine Schaaren, 

Wir schlachteten sie ohne Widerstand. 

Nur wenig’ Haufen rafíten sich zusammen, 

Und schlugen sich, am Glück verzweifelnd, durch , 


LÉI 
EIN TRAUERSPIEL 375 


Die andern fielen theils durch unsre Schwerdter, 

Theils hat die Angst sie in den Sumpf gejagt, 

Wo zahllos Volk gar jämmerlich erstickte. 

Der Führer selbst, der Mehmed Beg, ertrank , 

Sein Sohn, und viel der edlen Türken sind gefangen , 

Acht schwer mit Gold beladene Kameele, 

Ross-Schweife, Fahnen, von den Christen sonst 

In einer unglücklichen Schlacht verloren, 

Und überreiche Beute vieler Art, 

Wie wir sie noch bey keinem Sieg erkämpfien, 

War unsrer Arbeit vollgemesner Lohn, 

Vor allen aber, edler Graf, muss ich 

Dem Juranitsch das grosse Zeugniss geben; 

Das er des Schwerdtes Adel kühn bewährt, 

Und den erworbnen Ruhm weit übertroifen, 

Ja , ihm gebührt die Ehre dieses Tags, 

Das ist die Meynung aller seiner Brüder, 

Die zwar die schöne Ritterpflicht erfüllt , 

Doch nimmermehr sich solcher Wagniss rühmen. 

Ist's nicht so. Brüder ? sagt's dem Grafen selbst, 
Alle H. Dem Juranitsch gebührt des Tages Ehre! 
Helene. Mein theuerer Held! Du machst mich heut’ so stolz. 
Juranitsch. Du warst’s, die Liebe war's die mich es lehrte. 
Zriny. Komm an mein Herz , Du wackrer junger Degen ! 

Solch Adelsbrief, wie Du Dir heut erfochten, P 

Schreibt Dir kein Kaiser in der ganzen Welt, 

Der wird mit Deinen Enkeln nicht vermodern, 

Er bleibt im Liede des verwandten Volks, 

In deines Vaterlandes grossen Herzen ! 

Den Sieg mag Kaiser Maximilian belohnen, 

Die That belohnt die Stimme des Jahrhunderts. 

Lass mich auftreten als sein Stellverireter, 

Was ich dem Liebling Juranitsch verweigert ; 

Dem Helden biet’ ich selber diesen Preiss, — 

Du freyst um meine Tochter, nimm sie, Jüngling , 

Und meinen reichsten Segen über Euch! 
Juranitsch., Mein Vater! — Gott! — Helene! 
Helene. Juranitsch ! 

O meine Mutter! sag’ mir, ob ich träume ? 
Eva. Dein Sonnentag bricht an, bewahr ihn treu, 

Sein erstes Morgenroth küsst Deine Wange. 
Juranitsch. Auch Euren Segen , Mutter ! 
Helene, Deinen Segen ! 
Eva. Ja, meinen Segen auch, du glücklich Paar! 

Komm, Sohn, komm in die Arme Deiner Mutter ! 


276 ZRINY. 


Zriny. Verspart den Freundenrausch auf ruh’ge Tage, 
Der Augenblick verlangt Besonnenheit, — 
Zuvor noch einmal Dank , Euch allen Dank! 
Ihr habt die Kraft des Heldenarms bewährt , 
Der Türke wird sich Eure Namen merken. 
Nun, edle Freunde, gilt’s ein’schweres Werk; 
Der Grossherr ist im vollen Marsch auf Sigeth, 
Noch heut’ erwart’ ich, dass das Feldgeschrey 
Sein grässlich Allah durch die Lüfte donnert , 
Und wenig Stunden werden kaum vergehn, 
So sehen wir im Strahl der Abendsonne 
Den halben Mond vergoldet auf den Bergen, 
Und Janitschaarenhaufen rings umher, 
Drum meyn’ ich, Freunde — (Trompetenstoss.) 
Ha! was gilt das Zeichen ? — 
Botschaft vielleicht vom Feinde ? von dem Kaiser ? 
Was giebt es Wolf? 
Paprutowitsch (am Fenster.) Peter Vilacky sprengt 
Mit wenig Knappen eben durch das Schlossthor. 
Zriny. Der kommt vom Kaiser, — Wolf eil’ ihm entgegen , 
Und führ’ ihn her. 
Paprutowitsch (geht ab.) 
Zriny. Es ist ein wackrer Held, 
Obwohl noch jung , doch viel versucht im Kampfe , 
Auf Schwendy’s Zügen rühmlich oft genannt, 
Da kommt er selbst. 


FUNFTER AUFTRITT. 


VORIGE, PAPRUTOWITSCH MIT VILACKT. 


Zriny.. ` Seyd mir gegrüsst, Vilacky! 
Was bringst Ihr uns? 

Filacky. Dies kaiserliche Schreiben , 
Und wenn Ihr's wollt, mich selbst. 

Zriny. " Erwünschte Gabe | 


Der starke Mann gilt viel in dieser Zeit. 
Ich nenn’ Euch also doppelt mir willkommen, — 
Sprecht, wann verliesst Ihr unsers Kaisers Hof ? 
Vilacky. Am Montag früh, 
Zriny, Da seyd Ihr brav geritten, 
’ilacky. Mich trieb des Kaisers Wort und eigner Wille , 
Und wenn’s dem Dienst des Vaterlandes gilt, 
Herr Graf, so kann ich auch noch mehr als reiten. 


EIN TRAUERSPIEL, 97 


Zriny. Die Türken haben Euren Arm gefühlt, 
Auf Schwendy’s Zügen habt Ihr bray gefochten. 
Wat Ihr nicht mit vor Pesih? mich dünkt, Vilacky , 
Man zählt Euch zu den Helden dieses Tags. , 
Vilacky. Was ich gethan, mein edler Graf, verliert sich 
Im breiten Strome des Gewöhnlichen ; 
Doch Euch nennt die bedrängte Christenheit , 
Wenn sie des blut’gen Tages sich erinnert, 
Mit lautem Stolz des Vaterlandes Retter, 
Zriny. Ich focht für Gott, mein Volk und meinen Kaiser , 
Und jeder andre hätt’ es auch gethan, 
Sagt mir, wie steht ’s in meines Herren Hauptstadt ? 
Voll kriegerischen Lärm’s träum’ ich mir Wien, 
Viel fremde Ritter, hör’ ich, sind erschienen ? 
Vilacky. Die Alınung eines nahen Türkenkriegs 
Hat manchen frommen Kriegsmann hergerufen , 
Der Christenheit im Kampfe beyzustehn. 
Ein edler Pohlengraf, Albertus Lasco, 
Hat Rüstung auf zwölf Wagen zugeführt, 
Und an dreytausend ausgesuchte Männer, 
Die er als ung’risch Reitervolk vermummt , 
Denn Frieden hat sein König mit den Türken, 
Der Herzog von Savoyen, Philibert, 
Hat uns vierhundert Mann berittne Schützen , 
Unter dem Grafen Cameran gesandt, 
Aus fernem England kam der Ritter Grainville, 
Herr Heinrich Chambernon, Herr Philipp Busdell , 
Und viel der edlen Britten zu dem Heer, 
Auf eignem Zaum und Sold mit grossen Zügen. 
Herzog von Guise und der Graf von Brisak , 
Von vielen fränk’schen Rittern noch begleitet , 
Der von Ferrara mit vierhundert Reitern, 
So wie der edle Mantuaner Herzog. 
Sie alle, und wer zählt die andern Helden , 
Denn täglich hört man neue Namen nennen, 
Stehn kampfgerüstet bey des Kaisers Heer. 
Lucca und Genua hat Geld geschickt, 
Cosmus von Medicis dreytausend Söldner, 
Und zahllos Volk, so Ritter wie Gemeine, 
Drängt sich aus Deutschland zu dem nahen Kreuzzug ; 
Herzog Wolfgang von Zweybrücken, den Pfalzgraf Reinhard 
Des alten Bayernherzog’s ält’sten Sohn, 
Mit manchem Fähnlein wohlbewährter Knappen , 
Erkennt man unter den Bewaffneten, 


DH 


24 


7 


278 ZRINY, 


An achtzigtausend Mann zählt wohl das Heer, 

Erzherzog Ferdinand führt das Commando, 

Graf Günther Schwarzburg ist sein Oberstlieutnant , 

Der Pommern Herzog Friedrich trägt die Fahne. 

Wie ich die Stadt verliess, erzählte man, 

Das Heer zög’ aus, bey Raab sich zu verschanzen , 

Um dort dem Feinde rüstig Mann zu stehn. 

Zriny. Habt Ihr von meinem Sohne nichts vernommen ? 
Filacky. Der Graf Georg steht bey des Kaisers Leibwach’, 

Er hätte gern mit mir getauscht. Er hoffte, 

Zum Heeres-Vortrab noch versetzt zu werden, 

Viel herzlich treue Grüsse bring’ ich mit, 

Zriny. Dank Euch, Vilacky, für die gute Botschaft, 

Ihr bleibt bey uns? 

Wilacky. Herr Graf, wenn Ihr’s vergonnt, 

So möcht’ ich unter Euern Fahnen fechten. 

Ich bin gern da, wo’s Ernst und Strenge gilt, 

Zu lässig geht mir’s bey dem Heer des Kaisers, 

Und soll er sterben für sein Vaterland , 

Der Ungar stirbt am liebsten bey dem Ungar, 

Von seines Volkes Helden angeführt, 

Zriny. Ihr macht mich stolz. Es ist der schönste Lohn 

Für jahrelang durchkämpfte Männerarbeit, 

Wann solche Herzen freudig uns vertrau'n, 

Mein Hauptmann Lascy liegt amm Fieber nieder , 

So theil’ ich Euch den Reiterhaufen zu, 

Den er in manchem Kampfe brav geführt, 

Beym nächsten Ausfall zeigt Euch Euern Leuten, 
Vilacky. Mit Worten nicht, mit Thaten lasst mich danken. 
Zriny. Jetzt, Freunde, öffn’ ich meines Kaisers Brief, 

Paprutowitsch, lass die Constabler fragen, 

Ob alle Thore fest verrammelt, ob 

Die Stücke auf die Wälle schon geführt, 

Mach’ auch die ganze Runde bey der Wach’. 

Ich wart’ auf Deine Bothschaft, 

Paprutowitsch. Herr, ich eile, (ab.) 


SECHSTER AUFTRITT. 
VORIGE, OHNE PARRUTOWITSCH. 
Zriny (gebt nach dem Hintergrunde und liest.) 
Wilacky (zu Alapi.) Ihr habt so eben rüst’ge That vollendet, 


Vom einem kühnen Zuge kehrt Ihr heim ? 
Alapi, Den Mehmed Beg erschlugen wir bey Sziklas , 


EIN TRAUERSPIEL. 


Viertausend Türken sind ihm nachgefolgt , 

Und an dreyhundert zählt man der Gefangnen. 

Era. Solch kühner Sieg gelang Euch lange nicht. 
Helene. Bist Du nun glücklich, Lorenz ? 
Juranitsch. Ob ich’s bin ? 

Ein ganzer Himmel hat sich aufgethan ; 

Ich fühle mich so reich! denn nicht gewonnen 

Hab’ ich Dich nur, ich habe Dich erkämpft ! 
Helene. © stolzer Mann! Ist Dir die Liebe denn, 

Die unverdiente nicht auch süss gewesen ? 

Ist meine Liebe nicht ein frey Geschenk , 

Dem Helden nicht, dem Jüngling zugesprochen ? 
Era. Mein Herr ist sehr vertieft, gehn wir zurück. 
Alapi, Mir scheint, der Brief mag schlechte Botschaft bringen, 
Yilacky. Freund, im Vertrau’'n, diesmal lte blut'gen Ernst; 

Wenn nur die Weiber aus dem Schlosse wären, 

(sie ziehen sich zurück.) 
Zriny (ist vorgeireten, und spricht für sich.) 

Ich soll mich halten, auf Entsatz nicht hoffen , 

Soll ehrlich stehn bis auf den letzten Mann , 

Noch sey sein Heer zu schwach noch könn’ er nicht 

Der ganzen Christenheit gemeines Wohl 

Auf eines einz’gen Tages Würfel setzen. — 

Bey Raab verschanzt erwarte er den Grossherrn , 

Er kenne mich und mein geprüftes Volk , 

Es gelte jetzt, für’s Vaterland zu sterben ! 

Ein grosses Wort! — Du kennst mich, Maximilian I 

Ich danke für dein kaiserlich Vertrauen , 

Du kennst den Zriny, du betrügst dich nicht, 

Nicht schönern Lohn verlangt’ ich meiner Treue , 

Als für mein Volk und meinen ew’gen Glauben , 

Ein freudig Opfer in den Tod zu gehn ! 

Doch, Zriny, halt! wo denkst du frevelnd hin ? 

Vergisst du so dein Weib und deine Tochter? — 

Sie müssen fort, sogleich — nach Wien — zum Kaiser — 

Nein, das geht nicht, das Volk verliert den Muth, 

Sieht es die Führer so am Glück verzweifeln, 

Schon zweymal ward die Feste hart berennt, 

Und Weib und Tochter liess ich hier im Schlosse, — 

Die Burg ist stark, das Volk geprüft und treu, 

Im letzten Nothfall gibt's geheime Wege — 

Sie mögen bleiben! — Wie’s das Glück auch spielt, 

Das Vaterland darf jedes Opfer fordern, 

Zum Heldentod ist auch kein Weib zu schwach. 

Wohlan , sie mögen bleiben | — Kaiser Max! ` 


19 


280 ZRINY 


In diesem Kampf bewährt sich meine Treue. 
Mein ganzes Haus für dich und für dein Volk, 
Mein höchstes Gut für unsern ew’gen Glauben > 
Nichts ist zu kostbar für das Vaterland, 


— 


SIEBENTER AUFTRITT. 
VORIGE. BAPRUTOWITSCH, 


Paprutowitsch. Herr, alles ist vollbracht, wie du befohlen ` 
Die Wälle gut besetzt, rings in der Stadt 
Mit grosser Kunst die Thore zugerammelt, 
Und wohl die rechte Zeit war’s , edler Graf, 
Der Thürmer meldet: ganze Züze Türken 
Erkennt er schon am fernen Horizont , 
Fünf Dörfer brennen , kleine Haufen schwärmen 
Verwegner Janitscharen in der Nähe, 
Und von Fünfkirchen kam ein Flüchtiger 
Uns meldend - Ibrahim führe den Vortrab ` 
Und werde heut’ noch mit uns handgemein , 
Wenn wir zum Ausfall unsre Reiter rüsten, 
Zriny. So sey die Mannschaft meines Winks gewärlig ! 
Jetzt ruft das ganze Volk, was Waffen trägt 
Und tragen kann , im Schlosshof mir zusammen , 
Dann sag’ ich Euch , was Kaisers Wille ist, 
Und was der Zriny kühn bey sich beschlossen, 
Paprutowitsch (geht ab.) 
Vilacky. Wollt Ihr die -edle Gräfin nicht, die Tochter , 
Da noch die Strassen sicher sind, nach Wien 
Zu Eurem gnadenreichen Kaiser senden ? 
Herr Graf, mich dünkt, hier ist ein schlechter Ort 
Für zarte Frauen. 
Alapi, Also meynt’ ich auch. 
Eva. Nein, Zriny; nein’ lass mich bey Dir, es gilt, 
Zeige, dass Du nicht niedrig denkst vor mir. 
An. Deicem Auge seh’ ich's, Deinen Blicken , 
Hier wird es Ernst, Zriny, verstoss mich nicht, 
Das Weib soll stehn an Ihres Mannes Seite. 
Lass mich bey Dir! 
Alapi. Doch Eure Tochter, Gräfin ? 
Eva, Helene soll beweisen, dass sie liebt, 
Helene. Ja, Vater! Vater, lass uns nicht von Dir, 
Juranitsch. Sigeth ist stark, und wir, Gottlob ‚sind Männer — 
Was fürchten wir ? f 
Vilacky. Nichts , weil wir Männe. sind 


EIN TRAUERSPIEL. 


Doch Eure Frauen! — 
Eva. Zriny! 
Helene. Vater ! 
Alapi. Freund! 
Wir fechten leichter, wissen wir sie sicher. 
Juranitsch. Ja, leichter ficht sich’s wohl , doch besser nicht, 
Eva, Bin ich wo sichrer, als bey Dir? 
Zriny. Ihr bleibt! 
Eva. Dank Dir mein Zriny! Dank für Deine Liebe 
Zriny, Jetzt an die Arbeit, Harr’t im Schlosshof mein , 
Ich waflne mich, dann red’ ich zu dem Volke, 
Alapi. 
Vilacky. 
Zriny. ` Gehabt Euch wohl, 
` (Die Hauptleute gehen ab.) 
Zriny. Komm, liebes Weib, und knüpfe mir die Schärpe , 
Du wafinest mich zu einem ernsten Gang, 
(Geht mit Eva ab,) 


‚Wir folgen dem Befehl, 


ACHTER AUFTRITT. 
JUBANITSCH, HELENE, 
Juranitsch. Gottlob , wir sind allein, Jetzt kann ich Dir’s 
So recht aus meinem vollen Herzen sagen, 
Wie glücklich ich, wie selig ich mich fühle, 
Helene , meine liebe, süsse Braut ! 
Helene. Ach, Juranitsch , was gibt Dir diesen Muth, 
Was haucht Dir durch das laute Kriegsgetümmel 
Die schöne Klarheit Deines Friedens zu ? 
Juranitsch. Wer sonst, als meine Liebe P — Sieh, Helene, 
Wir sind vereint, wir haben uns gefunden, 
Da draussen mag es slürmen wie es will, 
Uns trennt es nicht; des Schicksals ehr’ner Wille 
Bricht sich, wie Wellen sich an Felsen brechen, 
Am festen Glauben eines treuen Paar, 
Was ewig ist, wie uns’re reine Liebe, 
Das geht nicht unter mit dem Sturm der Zeit. 
Helene. Das fühl’ ich auch , und klar, wie junger Morgen 
Weht es herüber in das bange Herz ; 
Doch sieh’ das macht mich traurig, recht sehr traurig, 
Dass dieser Kampf, der um die Mauern tobt, 
Des Lebens schönste Stunde mir verbittert, 
Nicht ungestört durft’ ich im sel'gen Rausch 
Den Segen von des Vaters Lippen trinken ; 
Er warf ihn flüchtig seiner Tochter zu, 


281 


282 ZRINY. 


Die Perlen einer tiefempfund’nen Rührung 
Zerdrückt er schnell , das Vaterland riss ihn 
Aus, seines Kindes glühendster Umarmung, 
Mit kalter Strenge in den Lärm des Kriegs, 
Juranitsch. Schilt mich nicht roh , wenn ich Dir’s frey gestehe: 
So hab’ ich seinen Segen mir gewünscht, 
So mahlt’ ich mir’s in meinen kühnsten Träumen, 
Ihr Frauen liebt ein wohlberechnet Glück , 
Und ruhigen Genuss im tiefsten Frieden ; 
Uns Männern aber giebt des Schicksals Gunst 
Den höchsten Preis, wenn es unangemeldet | 
Schnell , wie ein Blitz in unsre Seele schlägt. 
In Sturm der Schlacht, wenn alle Herzen pochen, 
Unter den Säbeln trunkner Janitscharn 
Mir seinen Segen fordern, war mein Wunsch; 
So aber war das Schicksal nicht bey Laune , 
Doch mag ich nicht mit seinem Willen hadern ; 
Denn schön und gross doch war der Augenblick ? 
Helene. Du wilder Mensch! 
Juranitsch. Wild? — nein, das bin ich nicht. 
Verwegen bin ich, tollkühn für die Liebe , 
Und hochbegeistert für mein Vaterland! — 

Sieh, dass ich Dich, das ich Dein Herz erworben , 
Und dass ich sterben kann, das ist mein Stolz, 
Helene, Sey nicht so grausam! Sterben! Juranitsch ! 

Vergisst Du Deine jammernde Helene ? — 
Jetzt Dich verlieren, jetzt! wer drückt ihn aus, 
Den ungeheuern Schmerz ? jetzt Dich verlieren ! 
Wer denkt die Hölle des Gedankens aus! 
Juranitsch. Nicht ohne Dich, Geliebte , möcht’ ich sterben. 
Doch so mit Dir, in Deinen Armen | Sieh , 
Was kann uns diese Erde dann noch bieten ? 
Hat sie noch eine Seligkeit für uns ? 
Ich möchte untergehen wie ein Held, 
Im frischen Glanze meiner kühnsten Liebe, 
Und was die wilde Sehnsucht hier versprach , 
Dort drüben von der Lust des Himmels fordern, 
Was bleibt denn Höh’res noch auf dieser Welt, 
Das ich im sel’gen Wunsche nicht gekostet? 
Gibts mehr als einen Silberblick im Leben ?! 
Hier ist das Glück vergänglich wie der Tag, 

Dort ist es ewig, wie die Liebe Gottes | — 
Helene. O nimm mich mit im Sturme Deines Flags, 
Du kühner Geist! — Mich hält die dunkle Erde ! 

Mich hält das arme kleine Leben noch, 


ie 


EIN TRAUERSPIEL 


Doch schelt’ ich’s nicht, es ist doch schön , recht schön, 
Und manche Knospen einer scl gen Zeit, 
Die Du in Deinem Ungestüm verachtet , 
Blüh’n wunderstill in meinem Herzen auf, 
Ja Juranitsch! die Erde ist recht schön, 
Recht schön ist sie, doch nur seit ich Dich liebe. 
Seit mit dem Seelenfrühling meiner Brust , 
Die Welt sich rings um mich mit Blumen schmückte. 
Erst seit ich liebe, ist das Leben schön, 
Erst seit ich liebe, weis ich , dass ich lebe. 
Juranitsch. O meine süsse Braut ! 
Helene. Mein Juranitsch | 
(Umarmung.) 
Ach, Dei ich ewig so an Deinem Herzen! 
Juranitsch. Horch! Männerstimmen hör’ ich in dem Hof, 
Sie sind’s sie warten auf den Vater, Lass mich, 
Ich muss hinab. Leb wohl mein süsses Mädchen ! 
Noch diesen Kuss. Leb wohl! 
Helene, O nicht so schnell 
Zwing mich aus meinen Träumen zu erwachen ! 
Juranitsch. Dass ich es könnte! Doch mich ruft die Pflicht ! 
Leb wohl, Du süsse Braut! leb wohl, mein Mädchen ! 
(ab.) 


NEUNTER AUFTRITT. 


Helene (allein.) 

Leb wohl! Leb wohl! — Musst’ er mich jetzt verlassen ? 
Mir wird das Herz so voll, wenn ich ihn sehe, 
Die Luft ist mir so süss in seiner Nähe , — 

Die Glückliche , sie darf ihn stets umfassen ! 

Dass all’ die schönsten Farben so verblassen ! 

Dass ich den einen Strahl nie- wiedersehe } 
Ach Gott! — mir war so wohl in seiner Nähe, 
Und jetzt bin ich so einsam, so verlassen] 

Wo ister hin? — wo ist mein Stern geblieben ? — 
Von kühnem Geist nach stolzer Bahn getrieben, 
Rein wie sein Herz, unendlich wie mein Lieben | 

Tch träume schwer, die Burgen seh ich rauchen! — 
Könnt’ ich mein Herz in seine Seele tauchen , 
Der Ahnung Qual in Thränen auszuhauchen | 

(Geht ab.) 


084 ZRINY. 


ZEHNTER AUFTRITT. 
(Der Schlosshof von Sigeth ) 


ALAPI, VILACKY. PAPRUTOWITSCH. JURANITSCH, UNGARISCHE HAUPLEUTE 
UND SOLDATEN, 


Alapi. So feyerlich sah ich den Grafen nie, 
Ich stand ihm doch in mancher Schlacht zur Seite. 
Gar wunderbar begeistert und entflammt 
Hat mir sein Heldenauge zugeleuchtet. 
Ich mag nicht sagen , was ich denken muss, 
Juranitsch. Dem Löwen glüht es immer durch die Seele , 
Wenn er zum Kampf den Feind gerüstet sieht, 
Ist mir's doch auch so, Der Trompeten Schmettern 
Flammt durch den Geist, wie ein verwegner Trunk 
Von frischer Traube, jung und wild, gekostet, 
Paprutowitsch. Das, Freund , ist Deiner Jugend Ungestüm , 
Das flammt nicht mehr durch Zriny’s Heldenseele. 
Wenn so ein Geist ergriffen um sich glüht, 
Dann ist's was Bessers, als die blosse Kampflust. 
Wilacky. Mir kam’s wie grosse Todesweihe vor, 
Für Gott und Vaterland und seinen Kaiser | — 
Das unter uns — Es taugt nicht allen Ohren. 
Wohl mancher hat im Augenblick den Muth, 
Wenn ibn das Beyspiel zu der That begeistert ; 
Doch was von fern aus blut’gen Wolken flammt, 
Mag sich nicht jeder ohne Scheu enträthseln. 
Drängt nur die Zeit, so ist der Wille da, 
Sind es doch Ungarn und der Zriny führt sie, 
Alapi. Da kommt der Graf. 
Paprutowitsch. Nun, Brüder, wird sichs zeigen, 
Wie ich ihn sehe , stimm’ ich mit Vilacky. 
Juranitsch. Jauchzt ihm entgegen, Euer Hauptmann kömmt! 
Alle. Heil unserm Helden ! unserm Vater Zriny! 


— 


EILFTER AUFTRITT. 
VORIGE, ZRINY (gerüstet 


Zriny. Ich dank’ Euch, meine Brüder! — Seyd Ihr alle 
Versammelt, alle waffenfäh’ge Männer, 
Wie ich’s gebot ? 

Paprutowitsch. Sie sind’s, mein edler Graf! 

Zriny. Wohlan, so hört auf Eures Hauptmanns Stimme ; 
Mit ungeheurer Macht zieht Soliman 


EIN TRAUERSPIEL. 285 


Auf Sigeth los und dräut uns zu verderben; 

Drum, Brüder, gilt's! — Der Kaiser Maximilian 
Rückt zwar nach Raab , sein Heer dort zu verschanzen : 
Doch viel zu schwach, im offnen Feld dem Feind 
Des Siegs zweydeut’ge Lorbeern abzutrotzen , 

Wär’s tollkühn Wagniss, uns Eutsalz versprechen. 
Drum traut er uns und unsrer Felsentreue, 

Dass wir für Gott, für Vaterland und Freyheit, 

Den Tod nicht achten , wie es Helden ziemt, 

Und freudig für den heil’gen Glauben sterben , 
Scheut nicht die Macht, das ganze Meer bricht sich 
An einer einz’gen kühnen Felsenklippe. 

Sheut nicht die Uebermacht, und gehen Hundert 
Von ihrer Zahl auf einen Mann von uns, 

Gott ist mit uns und seine heigen Engel, 

Ich fühl’ ein ganzes Heer in meiner Brust! 

Die weite Christenheit sieht angstzerrissen 

Auf uns, den kleinen Haufen Männer, her. 

So weit das Kreuz sich auf die Berge pflanzte , 
Liegt alles Volk auf seinen Knie’n und betet 

Zum eegen Gott für uns und unsern Sieg! 

Und wie sie uns und unsrer Kraft vertrau’n, 

So tretet stolz zum Kampfe,, kühn zum Tod. 

Wenn mir dann auch was menschliches begegnet, 
Und wenn ich früher fallen muss als Ihr, 

So sey mein alter Waffenfreund Alapi 

Der Feste Hauptmann, dem gehorcht , wie mir! — 
Nun hört noch das Vermächtniss meines Willens, 
Das ernste Wort des alten Hauptmanns an: 

Wer seinen Obern den Gehorsam weigert , 

Der stirbt durch's Beil, wer den bestimmten Platz 
Auf Augenblikke nur verlässt, der stirbt 

Ohne Verhör, wenn kein Befehl gerufen. 

Wer einen Brief annimmt vom Saracenen , 

Stirbt als Verräther. Was vom Feinde kommt, 
Wird ungelesen in die Gluth geworfen, 

Zwey, die besorgt und ängstlich thun und heimlich 
Sich in die Ohren flüstern, sollen hängen | wer es sieht, 
Und weil’s ihm Freunde sind, die That nicht anzeigt, 
Hängt, wie sie selbst, denn wir sind Sterbende , 
Und haben kein Geheimniss vor einander. 

Der Tod des Schützen, der am Schlossthor heut 
Wider den Dwako seinen Degen zog, 

Verbürge Euch die Strenge meines Worts. 

Mit ihm sterb’ auch der Janitscharenhauptmann , 


286 ZRINY. 


Der schwarze Läst'rung wider unsern Glauben 
Aus seiner gottverfluchten Lippe stiess. 
Auch die dreyhundert der gefangnen Türken ; 
Wir haben nichts zu essen für die Hunde, 
Und geben kein Quartier, verlangen keins, 
Man pflanze ihre Köpfe auf die Mauer, 
Sie zahlen uns für unsrer Dörfer Brand, 
Und für das Blut schuldlos erwürgter Brüder, 
Ein grosses Kreuz, das Zeichen unsers Glaubens, 
Sey blutig roth auf unser Thor gestellt, 
Das melde den verwegnen Türkenhunden , 
Wie, und wofür der Ungar kämpft und stirbt, 
Und wie ich jetzt, der erste, Euer Hauptmann , 
Vor Gott hinknie zum gewalt’'gen Schwur, 
So thut mir’s nach, und schwört’s auf meinen Säbel: 
(Er tritt ganz in den Vordergrund und kniet nieder.) 
Ich, Nicklas, Graf von Zriny , schwöre Gott, 
Dem Kaiser und dem Vaterlande Treue 
Bis in den Tod ! So mag der Himmel mich 
In meines Lebens letztem Kampf verlassen , 
Wenn ich Euch je verlasse, brüderlich 
Nicht Sieg und Tod mit meinen Ungarn (ole) 
(Steht auf.) 
Schwöre mir’s nach, mein heldenmüthig Volk ! 
Alle (knien nieder, Die vier Hauptleute legen ihre sübel auf Zıioys Sübel,) 
VILACKY UND ALAPI 
So schwören wir, Zriny, in Deine Hand, 
Gott, Kaiser und dem Vaterlande Treue 
Bis in den Tod , bis auf den letzten Mann! 
Alle. Bis in den Tod! bis auf den letzten Mann ! 
Juranitsch. So schören wir, Hauptmann, strenge Folge, 
Wie Du uns führst nach Deinem hohen Willen, 
| Bis in den Tod! bis auf den letzten Mann! 
Alle. Bis in den Tod, bis auf den letzten Mann ! 
Zriny. Gott hört den Schwur , und wird den Meineid rächen ! 
(Der Vorhang fällt schnell.) 


Paprutowitsch. 





DRITTER AUFZUG. 
(Im Zelte des Grossherrn vor Sigeth.) 


— 


ERSTER AUFTRITT. 
MUSTAFA, ALIPORTUK, 


Ali. Ha ich es nicht vorausgesagt ? Beym Allah | 


EIN TRAUERSPIER, 


Wir zwingen diese Ungarn nicht so bald , 
Wenn Zriny’s Muth die kleine Schaar begeistert, 
Ich kenn’ ihn ja, 
Mustafa. Sag’ das dem Grossherrn nicht ! 
Der alte Löwe blickt gar wild und grimmig, 
Der Begler Beg hat seinen Zorn gefühlt! 
Ha ! diese Abenteurer! konnten sie's 
Erwarten bis wir sie zum Kampf gefodert? 
Verwegen stürzten sie aus ihren Thoren, 
Und suchten uns in offner Feldschlacht auf, 
Der kleine Haufe , und zweytausend Türken 
Begruben wir am Abend. ’S isi om toll 
Zu werden! 
Ali, Hab ich‘s nicht gesagt? Wir wären 
Auf g’radem Wege nach der Hauptstadt schon, 
Und brechen jetzt die Kraft an dieser Klippe | 
Der Kaiser Max versammelt unterdess 
Aus ganz Europa seine Ritterzüge, 
Und wenn wir hier uns schwach und matt gestürmt, 
Soll’s dann mit Muth an diese frischen Feinde! 
’S ist widersinnig , je ist ein Bubenstreich : 
Mustafa, Freund! Freund ! Dein Kopf! 
Ali. Steht Deiner etwa fester , 
Weil Du geduldig solcher Tolheit schweigst ? 
Gelingt nun morgen unser Sturm nicht besser, 
So büssen wir für sein sinnloses Thun , 
Und er ertränkt in seiner Sclaven Blut 
Die inn’re Wuth an eigner schwerer Schuld. 


—— 


ZWEITER AUFTRITT. 
VORIGE, MEHMED, 


Mehmed (in dle Soene rufend.) 
Man soll vom Sturm ablassen , soll zurück $ 
Jagt was Ihr könnt! Vergeblich ist die Arbeit, 
Umsonst viel edles Türkenblut verspritzt. 
Jagt was ihr könnt, man soll zum Rückzug blasen ! 
(Zu Ali.) 

Verdammt | — Ihr habt uns Sehlimmes prophezeiht , 
Und Schlimmer’s noch , bey Gott ist eingetroffen. 
Ab. Sokolowitsch , wohl manches sah’ ich kommen , 

Doch Soliman liebt solche Weisheit nicht; 
Und schlecht nur möcht’ er’s dem Propheten lohnen, — 
Was kostet uns der heut’ge Sturm ? 


288 =  ZRINY, 


Mehmed, Dreytausend 
Von unsern besten Leuten. Saht Ihr’s nicht ? 
Der Zriny schmetterte, ein angeschossner Eber , 
Was trunknen Muths die Mauern schon erstieg , 
Kopfüber von dem steilen Wall herunter, 

Ja, reihenweise stürzten sie herab. 

Mustafa. Die Janitscharen haben bray gefochten, 

Ali. Was hilft denn Bravheit gegen solches Volk, 
Das in dem Narrenwahne , sich für Gott 
Und seinen Glauben sterbend hinzuopfern, 

Zum Tode, wie zum Siegsbankette geht? 
Traut mir, ich kenne sie, Das ist der Geist, 
Der uns vor Rhodus viele Tausende , 

Vor Maltha unsern Ruhm gekostet hat, 

Mehmed, Habt ihr den Grosshern schon gesehn ? 

Mustafa. Wir harren 
Nach seinem Winke, hier im Zelt seit Kurzem; 
Noch sind wir nicht gerufen, 

Mehmed. Still ! mich dünkt 
Ich hör’ ihn kommen, Mag der Himmel ihm 
Ein günstig Ohr für meine Botschaft leihen , 
Denn wohl gefährlich ist’s, ein solches Wort 
Dem sieggewohnten Löwen zu’ vermelden. 

Ali. Er kommt, 

Mehmed. Helft mir mit Eurer Stimme , Ali, 
Er traut Euch viel, wenn meine nicht mehr gilt. 


DRITTER AUFTRITT. 
VORIGE, SOLIMAN, 


Soliman. Wie stehts, Wessir ? 
Mehmed. Der Sturm ist abgeschlagen, 
Soliman. Dass Euch die Pest! — Wer gab Befehl zum Rückzug ! 
Mehmed. Als ich za Tausenden die Janitscharen 

Ganz ohne Noth und Nutzen würgen sah 

Liess ich zum Rückzug blasen, Deine Völker 

Auf eines günst’gern Tages Glück zu schonen. 

Die Wälle können unsern Feuerschlünden 

Nur kurze Zeit noch widersteh’n , sie stürzen, 

Und über ihren Trümmern stürmt dein Heer, 

Und pflanzt den halben Mond auf Sigeths Zinnen, 
Soliman. Dass Sigeth fallen muss, das weiss ich auch, 

Mir aber gilt der Augenblick , und sollt’ ich 

Mit Millionen Leben ihn erkaufen ! 


EIN TRAUERSPIEL. 289 


Nichts ist zu kostbar für die flücht’ge Zeit. 

Ich habe nie mit Menschen karg gethan ; 

Soll ich’s in meinen letzten Tagen lernen ? 

Du kennst mich Mehmed , fürchte meinen Grimm! 

Auf Deine Schultern leg’ ich meinen Willen , 

Ist er zu schwer für Deine schwache Kraft ? 

Nimm Dich in Acht , er kann Dich auch zermalmen ! 
Mehmed. Wenn ich gefehlt, mein grosser Herr und Kaiser, 

Aus guter Absicht floss die falsche That, 

Soliman. Der Sclave soll gehorchen , überlegen 
Ist seines Herren Handwerk , merk’ Dir das. — 

Nun ? zauderst Du ? Was hast Du zu bedenken ? 

Sturm! ich will Sturm! Wenn sie nicht willig gehn, 

Lass sie mit Hunden zu der Mauer hetzen ! 

Sturm! ich will Sturm ! 

Ali. Mein grosser Herr und Kaiser , 
Vergönn’ dem Sclaven nur ein kleines Wort 
Demüthig Deiner Weisheit vorzulegen. 

Soliman, Was soll’s ? 

Ali. - Stürm’ heut nicht mehr. Ich lass noch diese Nacht 
Aus allen Stücken Burg und Stadt beschiessen, 
Sie halten sich nur kurze Zeit, glaub’ mir, ` 
Lass den gefangnen Ungar vor Dich kommen ` 
Er mag bekennen wie’s in Sigetlı steht. 

Gönn’ dem erschöpften Heer nur kurze Ruh; 

Ein kluger Aufschub hat oft mehr erworben, 

Als solch ein Kampf, der Sieg erzwingt sich nicht. 
Soliman. Ich aber will ihn zwingen, werd: ihn zwingen, 
Ali, Denke an Maltha! 
` Soliman, Tod und Hölle! Ali! 

Erinn’re mich nicht daran, wenn Dein Kopf 

Dir lieb ist! Ich ertrage so von Dir 

Mehr , als dem Grossherrn Soliman geziemt, 

Ali. Mein Leben liegt in Deiner Kaiserhand. 

Soliman. Weil Du das weisst, und doch des Herzens Me 
Mir frey in’s Antlitz sprachst , mag ich’s verzeih’n. 
Die Wahrheit lieb’ ich , die den Tod nicht scheut. 
Zum Zeichen meiner kaiserlichen Gnade, 

Befolg’ ich Deinen Rath und stürme nicht, 

Bring mir den Ungar. : 

Ali. Herr , sogleich. Ich hab’ 


ynung 


Ihn rufen lassen, 
Mustafa, ’S ist ein wackrer Krieger , 


Den wir wohl nicht lebendig fangen mochten » 
Wenn nicht ein Janitscharen-Säbel ihm 


290 ZRINY. 


Das Heldenantlitz wild zerissen hätte, 
Dass er ohnmächtig von dem Rosse sank, 
Jnd erst durch unsrer Aerzte Kunst erwachte, 
Da kommt er selbst , ermattet und erschöpft, 
Nur in den Augen glüht noch Heldenfeuer , 
Die Kraft der Muskeln beugte sich dem Schmerz. 
VIERTER AUFTRITT. 
VORIGE. VILACKY, 
(schwer verwundet und erschöpft wird von einem türkischen Aga hereingeführt.) 
Soliman. Ein männlich Antlitz, kühn und heldenkräftig, 
Ich habe meine Feinde gern so stolz. 
Wer bist Du Jüngling ? sprich ! n 
Vilacky. Ein Ungar und ein Christ, 
So steh’ ich doppelt hoch in Deinem Hasse. 
Soliman, Bildst Du Dir ein, ich liesse mich herab , 
Den Einzelnen zu hassen ? Stolzer Träumer! 
Ich zähle nie die Tropfen meiner Meere , 
Mein Kaiserhass trifft nur das Volk als Volk. 
Bekenne mir : wie stehts in Eurem Sigeth ? 
Filacky. Erstürmt es nur, dann könnt Ire leicht erfahren, 
Mehmed, Verwegner Sclave sprichst Du so zum Grossherrn ? 
Vilacky, Magst Du sein Sclaye sein, ich bin es nicht: 
Ein freyer Ungar beugt sich nur vor Gott 
Und seinem König, 
Soliman. Du gefällst mir, Christ ! 
Nur frisch vom Herzen und dem Feind in’s Antlitz. 
Wenn ich der Ungarn Heldensinn nicht kennte, 
Gäb’ ich mir so viel Mühe um das Land ? 
Den Löwen freut’s, dass ihm der Bär gehorcht , 
Nicht, dass ihn Hund und Katze König schimpfen, 
Vilacky. Du, Löwe, hāte Dich vor Deinen Bären , 
Ein rechter Bär scheut Deine Mähnen nicht, 
Soliman. Dann soll er meine Tatzen fühlen lernen } 
Jetzt, Christ, bekenne , wie’s in Sigeth steht, 
Und ob ich bald auf den erstürmten Zinnen 
Die heil’ge Fahne siegreich pflanzen mag, 
Wenn Du bey Deinem Schweigen stolz beharrst , 
So lass’ ich Dir die stumme Zunge lösen , 
Und Schmach und Tod erwartet Dich! Nun sprich ! 
"jlacky. Was Du von mir zu hören hast , Gross-Sultan , 
Verlohnte sich bei Gott nicht all der Worte, 
Zieh’ ab, ich rathe Dir's! An jenen Mauern 
Bricht sich die Wogenbrandung Deines Glücks. 
Der Niklas Zriny weicht nicht la Vallette , 


EIN TRAUERSPIEL. 29i 


Der Ungar dem Maltheser nicht, St, Michael 
Belagerst Du zum zweytenmal vergebens, 
Soliman. Ich habe Afrika besiegt und Asien 
Gesetze vorgeschrieben, glaubst Du Thor, 
Dein Häuflein Ungarn wär unüberwindlich ? 
Mit zweymal Hunderttausend lieg ich hier , 
Genug, um ein Europa zu bezwingen , 
Und diese Felsen stünden mir zu fest? — 
Yilacky. Die Menge bricht sich an dem eh’rnen Muthe. 
Die dort in Sigeth wissen mehr, als Du 
Mit Deinen Hunderttausenden vermagst: 
Sie können sterben für den wahren Glauben, 
Nicht tranknen Muths , wie Dein tollkühnes Heer, 
Nein , wie es Helden ziemt: kalt, ernst, besonnen ! 
Soliman. Ja sterben sollen alle die Verwegnen! 
Tollkühne Schiffer , die den Strom hinauf, 
` Der über Felsen fn den Abgrund donnert, 
Mit rasendem Entschluss die Fahrt gelenkt, 
Er stürzt hinab , zerschmetternd reisst er sie 
In seines Strudels ungeheure Tiefe 
Und ilıres Namens Klang vergisst die Zeit. 
Vilacky. Nein, Soliman , ihr Name lebt und strahlt , 
Ein ew’ger Stern im Wechselsturm der Tage, 
Zu ihres Volkes fernster Nachwelt durch. 
Gross mag es seyn, ein Erbe dieser Erde 
In die bezwungne unterjochte Welt 
Als kaiserlicher Sieger einzuziehn ; 
Doch glaube mir, es ist ein höh'res Leben, 
Sich, wenn ein weltzerstörend Meteor 
Vernichtend in des Lebens Kreise donnert, 
Für seines Volkes Freyheit zu verkaufen, 
Und eine Welt im Kampfe zu bestehn. 
Dich, Soliman, wird einst die Nachwelt richten , 
Brandmarken mit dem Fluch der Tyranney! 
Das sag’ ich dir! — Sieh, wie die Buben zittern, 
Dass ich dies grosse ungeheure Wort 
Dem Sultan keck in’s Angesicht geworfen! 
Ja Soliman, die Nachwelt wird Dich richten ! 
Als Sieger zogst Du wohl aus manchem Kampfe ; 
Doch glaube mir, so hoch steht nicht Dein Ruhm, 
Den Du auf Menschenleichen , Städtetrüämmern 
Und der erkämpften halben Welt gebaut, 
Als sich der grosse Johannittermeister, 
Philipp de Villers, den Du doch bezwangst, 
Durch Heldension und Heldenkraft geschwungen., — 


292 ZRINY. 


Nun Soliman lass Deine Schergen kommen, 
Mein Leben ist verwirkt mit diesem Worte , 
Was ich Dir sagte, sagt Dir keiner mehr. 
Soliman. Christ, Du bist frey. Was kann’s dem Monde kümmern, 
Wenn ihn der Hund anbellt? Ich schenke Dir 
Beym Allah wenig, wenn ich’s Leben schenke, 
Das Leben gilt nur grossen Männern viel; 
Im Staube kriechen heisst ja so nicht leben. 
Vilacky. Um diesen Preis mag ich das Leben nicht! 
Du sollst mich achten und mich tödten lassen! 
Soliman, Christ, Menschen achten hab’ ich längst verlernt. 
Viacky. So lern’s an mir: Vam Feind will ich nicht Gnade ! 
(Reisst sich den Verband ab.) 
Ström’ hin, mein Blut , bier, oder auf dem Slachtfeld , 
Ich sterbe doch für Volk und Vaterland ! 
Fluch Soliman! Heil meinem grossen Kaiser ! 
(Es stürzt ohnmächtig zusammen.), 
Soliman. Tollkühner Thor! — Hat Kaiser Maximilian 
Viel solche Freunde, mag er reich sich nennen. 
Man trag ihn fort, und wenn das flücht’ge Leben 
Noch in dem Herzen aufzuhalten ist , 
So pflegt ihn gut, und lasst den Levi holen, 
! (Vilacky wird weggetragen.) 


— 


FUNFTER AUFTRITT. 


VORIGE, ohne VILACKY, 

Soliman (für sich.) 

Christ, Christ, Du hast ein schlimmes Wort gesprochen £ 
Mehmed, Der Kaiser scheint vertieft und sehr ergriffen 5 

Des Ungarn Kühnheit hat ihm schlecht behagt. 
Mustafa. Freund, mir ist bange um den alten Löwen. 
Ali. Heut’ früh fand ich den Levi hier im Zelt, 

Den alten Arzt, den kunsterfahrnen Juden, 

Und als ich fragte, was dem Kaiser sey, 

Zuckt er die Achsela, meinte, dieser Zug 

Hab ihn mehr angegriffen, als er selbst 

Vermuthet. Freude sey; und Sieg sey nöthig , 

Um seiner Heldenkräfte kühnen Muth 

In den versiegten Adern zu verjüngen, 
Mustafa, Er ist wohl kränker, als er sich’s gesteht, 

Wär er bey seiner alten Kraft und Wildheit , 

Er hätte so dem Ungar nicht verziehen. 
Mehmed. Geh'n wir zurück, er scheint zu überlegen, 

Seht nur, wie er die Braunen finster zieht. 


EIN TRAUERSPIEL, 295 


Geh'n’wir zurück und lassen wir ihn träumen. 
(Die Fürsten ziehen sich zurück.) 

Soliman, Bekenne Dir’s, alter grauer Held, 
Auf solche Kühnheit warst Du nicht bereitet. 
Du hast kein zweyles Maltha Dir geträumt, 
Es gibt noch Männer, Achtung zu ertrotzen! 
Denkt Zriny’s Schaar, wie dieser Schwärmer da, 
So wär es wohl ein rasendes Beginnen, 
An dieses Häuflein Abenteurer, die 
Nichts zu verlieren haben als ihr Leben, 
Die edle Zeit, das Kostbarste zu wagen ; 
Denn fallen müssen sie einmal, sie müssen, 
Und füllt ich erst der Feste tiefste Gräben 
Mit meiner Janitscharen Leichen aus, „ 
Sie müssen fallen ! — Aber Zeit gewinnen, 
Das ist das grosse Räthsel dieser Welt, 
Zog ich denn aus um Sigeth zu erstürmen ? 
Ging denn mein Plan, mein uugeheurer Wille 
Nicht -weiter , als auf diese Hand voll Erde ? 
Nicht weiter, als auf diese tolle Schaar , 
Und diesen Abenteurer , diesen Zriny ? 
Hab’ ich mich für Europa nicht gerüstet, 
Wollt’ ich denn nicht auf Wiens erstürmtem Wall 
Den deutschen Völkern mein Gesetz verkünden, 
Und läge nun im monden!angen Kampf 
Vor dieser Feste, um den alten Starrkopf 

` An diesen armen Felsen zu zerstossen, 
Und all’ das für den Ruhm, zweytausend Ungarn 
Aus einem Mauseloche zu verjagen ? 
Wahnsinnig wär’ ich, für ein Tolihaus reif, 
Wollt’ ich mein grosses, schönes Heldenleben 
So elend enden , meine letzte Kraft 
Noch im gemeinen Kampfe mir vergeuden ! S 
Nein , nein! beem Allah, nein! das will ich nicht! 
Ich fühl’s, ich habe wenig mehr zu lechen, ` 
Der inn’re Grimm frisst an des Lebens Mark, 
Drum gilt es schnell! Sigeth muss über seyn 
Und Gyula, eh’ ich mich zur letzten Schlacht 
Mit Kaiser Max, dem Habsburg, rüsten kann, 
Es sey beschlossen. Wer die Welt erkämpft, 
Kann wohl ein Reich zum Allmosen verschenken ! 
Sigeih muss mein seyn, wie? das ist gleichviel, — 
Mein muss es seyn! Kein Schatz wird hoch geachtet, 
Wenn es das unschätzbare Kleinod gilt! 
Wessir! 


294 ZRINY. a 


Mehmed. Mein Herr und Kaiser ? e 

Soliman. Schnell nach Sigeth ! 
Verlange Unterredung mit dem Grafen 
Er soll sich mir ergeben , Widerstand 
Sey Raserey und nicht des Helden würdig, 

Biet" ihm Kroatien als erblich Königreich , 

Und was ihm sonst an Schätzen nur gelüstet,, 

Jetzt gilt mir Sigeih mehr. Sag’ ihm, ich wollt’ ihn 
Als meinen Freund und Bund’sgenossen achten, 

Er soll sich nur ergeben. Sag’ ihm hörst Du ? 
Kroatien als erblich Königreich | 

Gebrauche Deiner Zunge ganze Kunst, 

Ich will Dir lohnen, wie kein Kaiser lohnte, 

Er soll sich núr ‚ergeben, 

Mehmed, Herr und Kaiser ; 
Wie ich den Zriny kenne, hilft das nicht, 

Soliman, ’S soll aber helfen, ’s soll, ich will's! Sag’ ihm, 
Wenn er sich nicht ergibt, ich morde Alles, 

Kein Kind im Mutterleibe wird verschont , 

Und Frau und Tochter opfr’‘ich meinen Sclaven! — 
Halt! Hiess es nicht, der junge Graf von Zriny 

Sey gestern auf dem Streifzug eingebracht? — 

Mehmed. Noch ist’s ein unverbürgt Gerücht, 

Soliman, Gleich viel, 
Sag’ nur, wir hätten seinen Sohn, und wenn er 
Das Schloss nicht übergibt, lass ich ihn martern , 
Wie noch kein Mensch gemartet worden ; Qualen 
Will ich erdenken, dass die Hölle selbst 
Vor dieses Elends Jammerzucken schaudre, 

Das stell ihm gegenüber: eine Krone, 

Und seines Sohns zerfleischten Leichnam. Wenn er 
Nicht jubelnd nach der Krone greift, beym Allah ! 
Wenn er nicht nach dem Königreiche greift, 

Hab’ ich mein Spiel verloren an die Menschheit, 


Der Augenblick rächt die verhöhnte Welt! 
(Alle ab.) 


SECHSTER AUFTRITT, 
(Das grosse Zimmer in Sigeth.) 
ZRINY. ALAPI, PAPRUTOWITSCH. JURANITSCH. MEHRERE 
UNGARISCHE HAUPTLEUTR, TRETEN AUS DER TIEFE HERYOR, 
Zriny. Was denkt Ihr meine Walfenbrüder, mag ich 
Die neue Stadt noch länger halten ? darf ich, 


EIN TRAUERSPIEL. 295 


> 
Auf ihrer Mauer Treue mich verlassend , 
Den zweyten Sturm erwarten, oder soll 
Der Pechkranz in des Bürgers Hütte fliegen , 
Damit wir das mit eigner Hand zerstören , 
Was unser Schwerdt nicht mehr beschützen kann ? 
Juranitsch. Nicht diese Grausamkeit, mein theurer Vater ! 
Das Sengen überlass den Janitscharen, 
Soll denn der Bürger, der sein Hab und Gut 
Vertrauend hier in unsern Schutz gegeben, 
Soll er dem Landsman da zerstören , soll 
Den Pechkranz in die Scheuern fliegen sehn, 
Wo er geborgen und geschirmt sich träumte ? 
Der Wall ist stark, das Volk ist kühn und treu, > 
Erwarten wir noch einen Sturm, vielleicht , 
Dass sie den Muth an unsrer Kraft verlieren, 
Dann haben wir dem Kaiser eine Stadt, 
Und treuen Bürgern Hab und Gut gerettet. 
Zriny. Die Meynung ehrt Dein Herz und Dein Gefühl. 
Ich hab’ es gern an Dir, dass Du so warm 
Für Menschenwohl und Menschenfreuden sprichst. 
Wer sich dem Löwen gleich stellt in der Schlacht, 
Darf nicht des Löwen Edelmuth vergessen ; 
Du aber bist der Jüngste hier im Kreis, 
Und wenn Du auch’ an Muth Dich Vielen gleichstellst, 
Was hier entscheidet, fehlt Dir : Kriegserfahrung, 
Sprich Du, mein alter Freund! wie denkt Alapi ? 
Alapi. Was Lorenz menschlich rieth, erwäg’ ich wohl, 
Und gern möcht ich die arme Stadt erhalten ; 
Doch unser sind zu wenig, und der Wall 
Zu gross für Deine kleine Schaar ,-wir können 
Nicht überall den trunknen Janitscharen 
Zur Gegenwehr saltsame Mannschaft stellen, 
Auch ist die Stadt durch Ali Portuk heut 
Gar fürchterlich beschädigt und zerschossen. 
Die Thürme sind gestürzt, beym nächsten Sturm 
Vermögen wir den Wallbruch nitht zu hindern. — 
Die Bürger sollen schleunigst all’ ihr Gut, 
Was nur beweglich ist von ihrer Habe, 
Herübertragen in die alte Stadt , 
Dann sey der Pechkranz rauchend aufgesteckt ; 
Denn besser ist's, es brennt von Grund aus nieder , 
Als dass sich Ali Portuk dort verschanzt, ` 
Und um so leichter dann die Altstadt stürme. 
Zriny. Auch meine Meynung alter Waffenbruder, 
Paprutowitsch. Es bleibt mir aber unbegreiflich Ding, 


296 ZRINY. 


Den schuldigen Respect möcht’ ich vergessen , ` 

Wenn ich mirs denke, dass der Kaiser Max 

Mit achtzig Tausend sich bey Raab verschanzt, 

Und keine Miene macht, uns zu entsetzen. 

Gilt ihm denn seine treue Mannschaft nichts , 

Nichts seine Feste, nichts dies Heldenleben , 

Dies eine, grosse Heldenleben nichts ? 

Es ist um toll zu werden, wenn man’s denkt! 

So seine Treuen opfern, die er retten, 

Die er für bess’re Zeit erhalten kann, 

Begreif’ es, wer es will, mir ist's zu fein. 
Zriny. Freund, frevle nicht an unserm guten Kaiser, 

Er hat der Last, der Mühe wohl genug, 

Die Schlechten treten ihm so oft entgegen. 

Erspare ihm das traurige Gefühl , 

Dass auch der Besten welche ihn verkannt , 

Das Leben sieht sich anders an vom Throne. 

Ich weiss, es kränkt sein edles Vaterherz,, 

Es kostet ihn im Stillen manche Thräne, 

Dass er mich und mein Volk dem Tod geweiht, 

Doch tiefe Weisheit liegt in seinem Willen , 

Ich beuge mich vor seiner Majestät ! 

Hier können wir, die Einzelnen, was nützen, 

Wir kosten unserm Feind noch manchen Kampf, 

Und Max hat Zeit sein Volk herbey zu rufen. 

Was gelten wir in einem grossen Heer ? — 

Willst Du ein Meer erkämpfen und erhalten , 

Verlor’ne Tropfen hast Du nie gezählt, 

Der Einzelne versinkt im Allgemeinen. 

Es ist des Kaisers angestammtes Recht, 

Er darf von Tausenden das Opfer fordern , 

Wenn es das Wohl von Millionen gilt, 





SIEBENTER AUFTRITT. 
VORIGE, EIN UNGARISCHER HAUPTMANN, 


Hauptmann. Ein türk’scher Heeresfürst hält vor dem Thore , 
Im Namen seines Kaisers, wie er spricht, u 
Mit Dir ein Wort des Friedens zu bereden, 
Doch geh’ sein Auftrag nur an Dich allein, 
Und ohne Zeugen wünscht er Dich zu sprechen, 
Zriny. Ob ich ihn höre ? 
Alapi. Schaden mag es nichte 
‘Wär’ doch begierig, was der Herr uns brächte. 


EIN TRAUERSPIEL. 


Zriny. Führt ihn herauf, Ihr andern bleibt im Gange, 
Und meines ersten Winkes seyd gefasst. 
Was die Neustadt betrifft, will ich's erwägen; 
Doch gebt indessen den Befehi: es mag 
Der Bürger seine beste Habe retten. 
Auch richtet mir die Feuerbrände zu, 
Zugleich an sieben Ecken lodr’ es auf, 
Wean ich Euch winke. Eilt Euch! — Er mag kommen. 
(Alle ab, ausser Ztiny.) 


— 


ACHTER AUFTRITT. 
ZRINY ALLEIN, 
(Er trittan das Fenster und schaut zur Stadt hinab,) 


Da liegt die arme Stadt! — ein Friedenstraum 
Schwebt noch wehmüthig über ihren Dächern , 
Die Feuerschlünde sind verstummt, der lange Kampf 
Hat Freund und Feind ermattet, Ruhig ist's, 
Still auf den Strassen , wie zu alten Zeiten, 
Harmlos geht jeder dem Gewerbe nach. 

Sie schliessen ihre Thore , nicht bedenkend, 

Kein Morgen komme , der sie wieder öffnet. 

Sie ahnen’s nicht, dass fürchterlich der Blitz , 
Der all den schönen Friedenstraum zerschmettert,, 
Schon in gewitterschwang’rer Wolke bebt, 

Die Hand erwartend, die ihn niederschleudert, — 
Und all dies heitre Glück zerstört mein Wink ? 
Gott legt das Schicksal tausend stiller Bürger 

In meine Hand und ich zermalme sie ? 

Darf ich’s darf ich das fremde Leben fordern ? 
Mein eignes konnt’ ich in die Schanze schlagen, 
Mein Kind mein Weib und meine Freunde opfern , 
Die sich freywillig meinem Glück vertraut, 

Sie müssen schuldlos mit in meim Verderben ! 
Doch jene Armen ? darf ich todtverbreitend 

Dem Engel Gottes in sein Handwerk greifen ? 


Zerstören, was ich nicht gebaut ? Darfst Du das Zriny? — 


Was fasst mich für ein Geist der Wehmuth plötzlich ? 
Was solle mit diesen Thränen, alter Held? 

Das Vaterland will Deinen Arm; Dein Herz 

Und Dein Gefühl darfst Du nicht fragen lassen, 


297 


298 ZRINY. 


NEUNTER AUFTRITT. 


ZRINY, DER UNGARISCHE HAUPTMANN. DANN MEHMED, 


Hauptman, Der türk’sche Fürst, 
‚Zriny. Ich bin allein, er komme, 
(Hauptmann gcht ab.) , 

Mehmed (tt ein.) 

Zriny, Wie, Du, Sokolowitsch , der Grosswessir ? 
Sey mir gegrüsst, was Du auch bringen magst, 
Der Kaiser will wohl Wichtiges von Zriny, _ 

Da er den Besten seines Heers gesandt. 

Mehmed. Mein hoher Grossherr Soliman entbietet 
Dir seine ganze kaiserliche Gunst, ` 
Und fodert Dich und Deine Brüder auf, 

Der nutzlos schwachen Gegenwehr bedenkend 

Die Euch zuletzt all’ ins Verderben stürzt, 

Die Feste seinem Heer zu übergeben. 

Es ehrt der Kaiser Deinen Heldenmuth, 

Und möchte ungern Dich als Feind behandeln, 

Darum gesteht er jede Fod'rung zu, 

Die billig ist und seiner Macht geziemend, 

Wenn Du die Feste heut noch übergibst ; 

Wo nicht, so stürmt er ohne Schonung weiter. 

Mord ist die Losung, und was Leben heisst, ' 

Soll unter seinem Henkersbeile blaten, a 
Zriny. Willst Du mir weiter nichts ` Sokolowitsch ? 

Du hättest Dir den Weg ersparen können, 

Ich bin ein Zriny, das ist meine Antwort, 

Und wenn mich Soliman als Helden ehrt, 

So kann er nicht Verrath von mir verlangen, 

Wie er dann haust wenn er die Burg erstürmt, 

Darüber wird ein andrer mit ihm reehten, 

Ich thue hier, was meines Amtes ist, 

Mehmed, Wärst Du nur Held, liess ich die Rede gelten, 
Doch Du bist Mann und Vater. Denke, Zriny; 
Des Grossherrn Zorn schont auch der Weiber nicht, 
Er schwur , sie seinen Sclaven preis zu geben , 
Wenn Du Dich nicht ergiebst. Du kannst wohl sterben 
Im ritterlichen Kampfe als ein Held, 
Doch Deiner Frauen denke, Zriny , Zriny ! 
Mich schaudert's, wann ich’s träume. Diese zarten 
Geschöpfe von des Pöbels roher Wuth 
Gemordet denke, schmachvoll hingewürgt! 

Zriny. Du bist ein guter Maler, Grosswessir, 
Wenns gilt, das Blut im Herzen zu vereisen, 


EIN TRAUERSPIEL. 


Mehmed: O lass Dir rathen Zriny ! 

Zriny. Armer Türke I 
Du kennst das Weib nicht, kennst den Hochsinn nicht, 
Der auch den zarten Busen mächtig schwellt , 

Lass Deine Knechte sich auf’s Opfer freuen, 
Es ist mein Weib und meine Techter, Mehmed , 
Und beyde wissen , wann es Zeit, zu sterben. 

Mehmed. Er will ja auch die Feste nicht umsonst 
Viel liegt ihm dran , das merkst Du leicht am Preise , 
Den er Dir bieten lässt. Kroatien 
Solist Du als erblich Königreich besitzen , 

Und was von Schätzen sonst Dich freuen mag, 
Als Freund und Bund’sgenossen will er Dich 
Zum höchsten Gipfel aller Ehren tragen. — 

Zriny. Pfui über Dich, Mehmed , dass Du es wagst, 
Dem Niklas Zriny solchen Schimpf zu bieten! 

Sag’ Deinem Grossherrn , einem Ungar sey 
Die Ehre mehr als eine Königskrone ! 

Er könne mich und all mein Volk zermalmen , 
Doch meine Ehre müss’ er lassen stehn, . 
Die könn’ er nicht verheeren wie ein Land, 

Bis dahin reiche keines Grossherrn Geissel ! 

Mehmed. Nun, wenn Dich nichts bewegt, Du harter Mana , 
So hör’ mein letztes Abschiedswort und schaudre ! 
Dein Sohn ward eingebracht auf einem Streifzug, 
Er ist gefangen. Uebergibst Du nicht, 

So schwur der Grossherr, Qualen zu erdenken, 
Die eine Teufelsbrust erbarmen müssten , 

An deinem Sohne marternd Glied für Glied 
Des Vaters Starrsinn fürchterlich zu rächen ! 

Zriny. Mein Sohn! Georg! Gott! Deine Hand ist schwer! 

Mehmed. Entschliesse Dich, die Henker sind bereit, 

Zriny. Hier ist nichts zu entschliessen. Zriny ist 
Gefasst auf Alles. Quält ihn , martert ihn ; 

Reisst ihm mit glüh’nden Zangen seine Glieder, 
Georg war mein, mein Sohn, er stirbt als Held, 

(Zur Thüre hinaus rufend.) 
Paprutowisch! Den Pechkranz auf die Neustadt } 
Das Höchste ist, was ich von Gott gebeten. 
Er sollte sterben seiner Väter werth ! 
Gott hat mein Flehn erhört, ich bin zufrieden. 
Ob unter Euern Beilen , Euern Schwerdtern, 
Er stirbt für Gott und für sein Vaterland ! 

(Wie oben.) 


Den Pechkranz auf die Neustad ! lasst sie brengen! — 


299 


500 .  ZRINY. 


Fragt ihn in seiner Qual, ob er sein Lehen 

Mit seines Vaters Schande kaufen wollte ? 

Ja, fragt ihn nur: mein Sohn ruft Nein | und stirbt! 
Mehmed. Vor solcher Grösse beugt sich meine Seele, 
Zriny. O glaube nicht, der Letzte meiner Brüder, 

Er denke anders als der Führer denkt, 

Glaub’ nicht, Wessir, mein Weib und meine Tochter , 

Sie würden anders sprechen , als ich’s that, 

Ich, als ein Mann, und sie, die zarten Frauen | 

Aus ihrem eignen Munde sollst Du’s hören, 

(Ruft,) 

Helene! Eva! Juranitsch! Alapi! 

Kommt Alle, Alle, feyert unsern Sieg ! 


ZEHNTER AUFTRITT, 


VORIGE, HELENE, EVA, ALATI, JURANITSCH, PAPRU- 
TOWITSCH, UNGARISCHE HAUPTLEUTE 


(Von verschiedenen Seiten.) 


Eva. Wss willst Du, Lieber? wie verklärt bist Du) 
Alapi. Wie steht es, Freund? was leuchten Deine Augen ? S 
Zriny. Nun hör’ sie selbst, Sagt's diesem Zweifler da, 
Ob Ihr's aus freyem Herzen nicht geschworen, 
Für’s Vaterland in Kampf und Tod zu gehn ? 
Die Männ. Aus freyer Kraft , nach eignem freyen Willen! 
Zriny. Sagt's ihm, ihr Frauen, denn er glaubt es nicht, 
Auch Ihr wärt stark genug, die zarte Brust 
Dem freyen Stoss des Mordes preis zu geben, 
Wenn’s Eure Ehre, Euern Glauben gilt! 
Eva. Ich folge Dir mit Freuden in’s Verderben ! 
Helene. Die Heldenbraut soll mit dem Helden sterben! . 
Zriny. (Er breitet seine Arme aus.) 
Kommt an mein Herz | Gott! wie reich bin ich! 
(Gruppe.) 
(Man sieht die Fenster vom Schein des Feuers erglühen, und die Brandraketen vor- 
beyfliegen,) 
Paprut. Da fliegt die Brandrakete in die Stadt. 
Das Feur fasst, schon brennt's an sieben Ecken, 
Zriny. Mehmed Sokolowitsch, sag's Deinem Herrn , 
So hättest Du den Zriny hier gefunden, 
So dächte er , so dächte all sein Volk. 
Noch eh’ Du Deinen Weg zurücke miss’st, 
Date ihm die Stadt in Flammen schon verkündet: 
Dem Zriny sey es fürchterlicher Ernst, 


EIN TRAUERSPIEL. SO) 


Die Ehre gelt’ ihm mehr als eine Krone , 
Das Vaterland mehr als des Sohnes Leben ! 
Er stände fest bis in die Todesnacht ! — 
Nun stürmt heran , wir sind bereit zur Schlacht ! 
Lebendig aber sollt Ihr keinen haben, 
Und Sigeths Trümmer sollen uns begraben! 
(Der Vorhang fällt schnell.) 





VIERTER AUFZUG. 
(Solimans Zelt.) 


— 


ERSTER AUFTRITT. b 
SOLIMAN (sehr abgespannt auf einem Stuhl, LEVI (hinter ihm.) MEHMED (kommt 
durch den Haupteingang.) 
Mehmed, Wie geht’s-dem Kaiser ? g 
Levi. Schlecht, sehr schlecht! Mir ahnet 


Nichts Gutes, Herr! 
Mehmed. Seit wann ist er so krank ? 


Levi. Seit Eurer Wiederkehr aus Sigeth, Was Ihr 
In jener Stunde mögt verkündet haben , 
Das mag kein Freudenwort gewesen seyn. 
Es liess mich rufen; in empörter Wallung 
Fand ich das alte Heldenblut, ich sah’s 
An seinem fieberhaft durchglühten Auge, 
Ein fürchterlicher Kampf durchriss die Brust, 
Als drauf der zweyte Sturm misslang, der dritte, 
Der vierte und der fünfte auch, die alte Stadt 
Zuletzt zwar überging, von der Gewalt 
Der Pulverminen fürchterlich zerborsten , 
Doch Zriny kämpfend sich ins Schloss zurückzog , 
Da riss der inn’re Grimm der Heldenbrust 
Verwegen an den Festen seines Lebens, 
Die Todten liess er zählen, nur fünf Hunderte 
Tollkühner Ungarn lagen auf der Wahlstatt 
Und hatten so viel Tausende von uns 
Zur Todesbrautnacht neben sich gebettet. 
Das packt’ ihn wie mit Fieberschauer an 
Und schmetterte die letzte Kraft zusammen, 
Nun liegt er bleieh da, als ein Sterbender , 


26 


502 ZRINY. 


Der nächste Morgen findet ihn dort drüben. 

Mehmed. Zieht Euch zurück, — Mein kgiserlicher Herr ! 
Ich bring’ ein frohes Wort von Petow Pascha ; 
Gyula ist unser, Keretschin hat sich 
An seinen Schwager Bebeck übergeben. 

Soliman. Was kümmert's mich ! Sag’ mir , Sigeih ist mein, 
Und nimm Egypten Dir zum Königreiche, 

Mehmed. König Johann verlangte von dem Pascha 
Die Burg für sich, er hat sie ihm verweigert, 
Wenn er nicht viermalhundert Tausend Gulden 
Erlege , was der Ungar-Krieg Dir koste, 

Der Siebenbürge will das Geld nicht zahlen , 
Und sendet seinen Kanzler — 

Soliman. Er soll zahlen, 
Sonst bleibt die Feste mein! Er hat mich so 
Zu diesem Kriege ohne Noth verleitet! — 

Sagt mir: der Kaiser Max, sey jetzt zu schwach, 
Und tief im Streite mit den deutschen Fürsten ‚* 
Er könne mir unmöglich wiederstehn, 
Verspricht mir überdiess noch tausend Reiter, | 
Und von den Ungarn alle Lieb‘ und Vorschub, 
Und wie ich komme, hat der Kaiser schnell 
Ein ungeheures Christenheer versammelt, 

Die Ungarn sind mir feindlicher als je, 

Und auch die tausend Siebenbürgen fehlen. 

Sag’ ihm, das Lügen will ich ihm vertreiben , 
Er freue sich auf meinen Kaiserzorn! 

Mehmed. Ein ähnlich Wort hat er schon hören müssen. 
Der Kanzler meynte , dass die Ungarn ihm 
Freylich den grössten Vorschub zugeschworen ; 
Weil aber Deine Völker gleich gesengt, 

Sö hätten sie ihr Wort zurück genommen; 
Was Maximilian beträf, so wär der König 
Durch falsche Kundschaft selbst betrogen. 


Soliman. Aber 
Die Reiter] sprich, was meynt er da? 
Mehmed. Es sey die Brücke 


Zu spät geschlagen worden , sagt der König, 
Das hab’ sein Volk verhindert an der Drau , 
Wie der Vertragt gewollt, zu uns zu stossen. 
Soliman. Verdammt! Wer schlug die Brücke ? 
Mehmed, Hamsa Beg. 
Soliman. Lass ihn enthaupten. Geh! ich litt es nie, 
Dass meine Sclaven ihres Fehlers Schuld 
Von einer Achsel zu der andern wälzten, 


EIN TRAUERSPIEL. 505 


Drum hör ihn nicht, wenn er sich schuldlos nennt, 
Er soll es büssen , dass der Siebenbürge 
Mit seinem Fehler sich rechtfertegen kann, 

Mehmed (geht ab.) 


ZWEITER AUFTRITT. 
SOLIMAN, LEYI. 


Soliman., Da steh’ ich nun am Ende meiner Thaten, 
In ihren Angeln hat die Welt gebebt, 

Wenn sich mein Zorn durch Felsenbahn gebrochen - 
Und jetzt lieg’ ich in eitler Ohnmacht hier, 

Und breche meine Kraft an dieser Feste — 

Mit mir ist's aus — der alte Löwe stirbt. 

Levi. Er stirbt. 

Soliman, Verdammte Eule ! rufst Du’s nach ? 

Levi. Mein grosser Herr, verzeiht’s dem alten Manne , 
Der seinem Schmerz nicht mehr gebieten kann, 
Wer soll nicht weinen, soll nicht jammern , wenn 
Ein solcher Stern am Himmel untergeht , 

Der sein Jahrhundert sonnenhell gelichtet P 
Auch ich hab’ ihm vertraut, dem Strahlenbild, 
Mein Hoffen und mein Freuen geht mit unter | 

Soliman. So muss ich sterben? muss ich? 

Levi. eAch, umsonst 
Möcht’ ich der Hoffnung Stimme noch erwecken. 
Das tröste Dich, Du lebst für alle Zeit: 

Gross in der Kunst, im Leben und im Kampfe , 
Hast Du den eegen Tempel Dir gebaut, 
Wo Deines Namens Flammenzüge lodern, 

Soliman. Levi, ich muss ? 

Levi. Wenn Gott hein Wunder thut, e 
Weint morgen wohl die Welt an Deiner Leiche. 

Soliman, Was ist heut’ für ein Tag? 

Levi. Der Jalırestag 
Von Deinem Sieg bey Mohacz über Ludwig, 

Von Rhodus Fall und Buda’s Uebergang, 
Ein günst’ger Tag für Dein Geschlecht, mein Kaiser ; 
Dein grosser Vater Selim rühmte sich 
Am gleichen Tage manches hohen Siegs. 
Soliman., Zriny! Zriny! das ist auch Deine Stunde! 


ZS 


ZRINY. 


DRITTER AUFTRITT. 
VORIGE, MEHMED, DER BEGLER BEG, MUSTAFA, ALI PORTUK. 


Mehmed, Vollbracht, mein grosser Kaiser , ist Dein Wille , 
Vor seinem Zelt fiel des Verräthers Kopf. 

Soliman. Stürmt! stürmt! heut ist das Siegesfest, von Mohacz, 
Rhodus und Buda fiel an diesem Tag. 
Stürmt, Sclaven, stürmt! Heut’ muss auch Sigeth fallen ! 
Mein ganzes Heer jagt an das Felsennest ! 
Sigeth muss fallen! fallen muss es! Stürmt ! 

(Die drey Fürsten eilen ab.) 


VIERTER AUFTRITT. 


SOLIMAN, MEHMED, LEVI. 
(Man hört Sturm blasen.) 


Soliman. Halte mich, Levi, halt mich, ich sinke! 
Allah! lass mich nicht eher sterben, bis 
Der Ross-Schweif siegend von der Zinne weht, 

Nicht eher lass mich sterben ! 

Mehmed. Herr und Kaiser , 
Gebiete Deinem Leben , Deiner Kraft! 

Gewohnt ist die Natur, Dir zu gehorchen, 

Soliman. Der Tod verhöhnt mich, wie der Zriny, Ha! 
Hört Ire wild jauchzen # Hört Ihr’s wirbein ? Mehmed, 
Das war mein Lieblingslied, mein Festtagslied , 

Aus tausend Schlachten hat mirs zugedonnert , 
Hat mir den blut'gen Sieg in’s Ohr geheult, 

Noch einmal vor dem Grabe muss ich's hören, 
Nur diesmal , Glück , gehorche Deinem Herrn. 

Mehmed. Liegt dir wohl sonst noch etwas aüf dem Herzen ? 
Vertrau’ es Deinem treuen Sclaven an, 

Vermache mir das Erbtheil Deiner Sorgen. 

Soliman. Wär’ ich ein Held’, hätt’ ich mich je gesorgt? 

Ich hab’ gekümpft genossen und bezwungen, 

Den Augenblick hab’ ich mit Blut erkauft, 

Und seine ganze Wollust ausgekostet , 

Mein Tbatenruf hat rings die Welt durchbebt, 
Der Mitwelt Furcht und Zittern aufgedrungen,, 
Der Nachwelt ihre Stimme abgetrozt, 

Und sich die Bahn zur Ewigkeit gebrochen ! 

Dass ich auf Trümmern und auf Leichen ging, 
Dass ich Millionen in den Tod geschmettert, 
Wenn’s mein Gelüsten galt, das mag der Wurm , 


EIN TRAUERSPIEL, 


Der unter mir im Staube sich gewunden, 

Der Welt ertzählen,, sein Gekrächz verstummt , 
Das Grosse nur bleibt ewig, unvergessen , 

Und hat kein Ende in dem Grab der Welt! 

Baut euch nur Eures Namens Tempel hoch , 

Sey es auf Leichen, sey’s auf Opfergaben , 

Auf Hass , auf Liebe ,— baut nur boch , nur hoch; 
Das Zeitmeer überfluthet Euer Leben, 

Der Berg, auf den Ihr bautet , wird bedeckt, 
Und nur der Tempel bleibt reichprangend stehen. 
In goldnen Zügen flammt da Euer Name, 

Und Eure Nachwelt preisst Euch und vergisst 
Den Grund , auf den sich Eure Säulen pflanzten, 

Levi. Schont Euch, mein kaiserlicher Herr , schont Euch. 
Das Reden wird euch schwer, Euch könnte Ruhe, 
Wenn Gott ein Wunder will, gar friedlich stärken. 
Schont Euch. 

Soliman. Das Wort verzeih’ ich Deiner Treue. 
Thor, der Du glaubst, wer so, wie ich gelebt, 
Der möchte gern den letzten Hauch des Lebens 
Im Traum des Friedens durch die Lippen ziehn, 
Lebendig nenn’ ich nur die That , die rüstig 
Aus ihrem Schlaf die müden Kräfte weckt ; 

Die Ruhe tödtet, nur wer handelt, lebt, 
Und ich will leben , will’ vorm Tod nicht sterben ! 


FUNFTER AUFTRITT. 
VORIGE, MUSTAFA, 


Mustafa. Herr , lass zum Rückzug blasen. Nur vergebens 
Jagst Du die tapfern Schaaren in den Tod. 
Der Zriny ras’t, wie ein gereizter Löwe , 
Verderben um sich schmetternd , unter sie. 
Ein jeder Einzelne steht für ein Heer, 
Es müssen Teufel seyn, die wir bekämpfen , 
Denn solcher Kraft rühmt sich kein Sterblicher. — 
Die Janitscharen weigern sich zu stürmen, 
Soliman, Lasst sie mit Hunden hetzen , jagt sie 
Mit Peitschenhieben an den Wall hinauf, 
Pflanzt Feuerschlünde hinter ihre Reihen , 
Und schiesst sie nieder, weigern sie den Sturm, 
Sigeth muss fallen, und sollt’ ich die Gräben 
Mit Janitscharenköpfen füllen , sollt’ ich 
Auf Leichenwällen meines halben Heers 


` 505 


806 ZRINY. 


Die andre Hälfte in die Hölle schmettern ! 
Sigeth muss fallen , muss jetzt fallen ! Stürmt ! 
Ich habe wenig Augenblicke noch , 
Und mit dem Siegesdonner will ich scheiden ! 
Mustafa (eilt ab.) 
Soliman, Ha, kömmst Du, Tod! ich fühle Deinen Gruss. 
(Sturm und Trompetenlärm ) 
Mehmed (für sich.) 
Zur rechten Stunde sandt’ ich meine Boten , 
Der Kaiser stirbt noch eh’ der Abend kommt, 
Lovi. Blickt nicht so düster , theuerer Herr und Kaiser ! 
Schreckt denn der Tod auch eine Heldenbrust ? 
Soliman Was ist der Tod, dass er mich schrecken sollte ? 
Gibt's etwas, das den Helden schrecken kann ? 
Willkommen wär er mir im Rausch der Thaten, 
Willkommen nach geschlag’ner Siegesschlacht I 
Ich wollt ihn freudig in die Arme drücken, 
Und hauchte jubelnd meine Seele aus; 
Doch so zu sterben! — so! — Der Mensch muss einmal 
Im Leben der Besiegte seyn: der Tod 
Hat auch den grossen Mahomed bezwungen , 
Und Bajazet und Selim , sieggekrönt 
Aus dieser Erde Nebelkampf gegangen , 
Sie müssen folgen, als sein Wort sie rief; 
Doch so besiegt zu sterben , wenn ınan siegend 
Den Frühling sechs und siebzigmal begrüsst ! 
Das mag auch eine Heldenbrust zerreissen ! 
Mehmed, Noch lebst Du ja , kannst noch den halben Mond 
Auf den erstürmten Zinnen Sigeths Blicken , 
Und Zriny’s Haupt zu Deinen Füssen sehn, 


— 


SECHSTER AUFTRITT. 
VORIGE. DER BEGLER BEG, 


Begler Beg. Du bist geschlagen, Deine Schaaren flichn } 
Der Pascha von Egypten ward erschossen , 
Es wühlt der Tod sich in Dein flüchtig Heer , 
Sie halten nicht mehr Stand, die Ungarn jubeln 
Und schmettern uns den Siegesdonner nach ! 

Soliman. Den Tod in Deinen Hals verdammter Sclave ! 
Sigeth muss fallen ! stürmt! ich will’s! 

Begler Bey. Es ist unmöglich 

Soliman (rafft sich auf und wirft den Dolch nach dem Begler Beg:) 
Geh’ in die Hölle, Bube! Çer stürzt zusammen») 


EIN TRAUERSPIEL. 307 


Stürmt ! — Stürmt ! (er stirbt.) 


Levi. Gott! 
Mein Herr und Kaiser ! (kniet bey ihm nieder.) 
Mehmed. Still! der Löwe stirbt, 


Um seinen Helden trauert das Jahrhundert, 


SIEBENTER AUFTRITT. 


VORIGE, ALI PORTUK. 


Mehmed. Tritt schweigend ein, es ist ein Kaisergrab , 
Und eine Riesenseele ist geschieden. 
Ali. So ist es wahr ? Das Heer ist in Empörung, 
Es ahnet seines Kaisers Tod. — Wessir, 
Wir alle sind verloren, wenn wir nicht 
Durch List die Völker täuschen. 
Mehmed. Still! jetzt wissen 
Wir drey allein um unsers Grossherrn Tod, 
Dir Kämmerlinge sind von mir erkauft, 
Mehr sollen’s nicht erfahren. Dort den Juden 
Bringt dieser Dolch zum Schweigen ! 
(Zu den Kümmerlingen.) 
Freunde , tragt 
Den Kaiser in das innerste Gemach , 
Dort wartet mein, 
(Der Kaiser wird fortgetragen.) 
Mehmed. (zu den Fürsten‘) 
Auch sandt’ ich meine Boten 
An dieses Thrones Erben schon, an Selim, 
Denn wir, weiss ich, sind längst darüber eins, 
Wer jetzt als Kaiser herrschen soll in Stambul. 
Die Leiche setzen wir auf ihren Thron , 
Die Dämmerung wird unsre List begünst'gen, 
Das Heer soll glauben, dass er lebe, dann 
Zum neuen Sturme, bis uns Sigeth fällt , 
Und nach dem Sieg nach Stambul in den Divan ! 
Begler Beg. Was? dieses Zuges ungeheure Rüstung 
Umsonst ? Wir hätten weiter nichts erzweckt 
Ais diese Inselfestung zu zerstören P 
Geht’s nicht nach Wien, nicht auf des Kaisers Heer ? 
Mehmed. Freund, mäss’ge Deine Kampflust ! Tollkülın wär's, 
In deutsche Kämpfe jetzt sich zu verwickeln, 
Ständ’ dieses Sigeth nicht wie Felsen fest 
Und fester noch die Treue seiner Mannen , 
Längst jauchzten wir auf Wiens erstürmtem Wall, 


508 ZRINY. 


Und Deutschland läg’ vor unserm Gott im Staube ; 
Jetzt aber müssen wir zurück, Das Heer 
Ist schwürig, Persien hat sich empört , 
Selim war stetst dem Ungarkrieg entgegen. 
Ab. Ich ehre Deine Klugheit , -Grosswessir. 
Und stimm’' Dir bey! Hier hast Du meine Hand, 
Begler Bea, Mehmed Sokolowitsch kennt seine Freunde, 
Ich folge Dir, wie's auch den Feldherrn schmerzt , 
Dass unsers Helden letzte Riesenplane 
An diesem Zriny sich zerschmetterten, 
Mehmed. Nun eilt hinaus, sagt, dass der Kaiser lebe, 
Er sey geneigt, dem Volke sich zu zeigen, 
Ich unterdess bereite unsre List, 
Begler Bay: } Auf Wiedersehn! 
Ali. 
Mehmed, Lebt wohl — Du, Levi, folgst mir ! 


(Alle zu verschiedenen seiten ab.) 


— 


ACHTER AUFTRITT. 


(Kellergewölbe in Siegeih.) 
SCHERENK führt EVA und HELENE ia Hauskleidern dje Sıiege herab, 


Scherenk. Folgt mir, verehrte Gräfin! Eure Hand, 
Mein gnäd’ges Fräulein. 

Helene. Hier 

Scherenk. Der Weg ist steil, 

Doch nur zwey Stufen noch, gleich sind wir nnten. 

Eva. Was macht mein Mann ? 

Scherenk. l Ich liess ihn auf dem Walle , 
Recht frisch und stark, auf neuen Sturm gefasst, 
Den viel Bewegung war im türk'schen Lager. 

Der Hauptmann Juranitsch, er stand am Thor 
Und half dem alten Koromsey verbinden, 

Rief mir viel Grüsse nach, ans gnäd’ge Fräulein, 
Er sey frisch auf, dem Grafen dank’ er's Leben, 
Doch hab’ er schon die Schuld zurück bezahlt. 

Helene. Ach immer stürmt er in den Kreis des Todes! 
Wagt er nur sich ? Ach, was er wagt ist mein, 

Der Pfeil, der ihn durchbohrt , (oft unsre Liebe | 

Eva. Was jammerst Du? was träumst Du Dir, Helene ? 
Vergiss nicht, wo wir sind und was wir sollen, 

Der Augenhlick, der künft’ge gilt nicht mehr, 
Wir haben unsre Rechnung abgeschlossen , 
Wir wandern aus nach einem fremden Land, 


EIN TRAUERSPIEL. 309 


Das Haus, das wir bewohnen, steht verlassen, 
Die Thüren, wie die Fenster, sind gesperrt, 
Wir sitzen vor dem Thore still erwartend, 
Dass uns ein Führer komme, der den Weg 
Hinauf uns weise zu der neuen Heimat, 
Im Garten steht noch vieler Blüthen Strauss , 
Die wir in schönern Tagen aufgezogen , 
Lass’ sie uns pflücken, drück’ das letzte Glück , 
Was uns in diesem niedern Thal geblieben , 
Mit dankbarer Erinn’rung an die Brust , 
In ihren Balsam tauche Deine Seele, 
Dann wirf sie hin und scheide unbetrübt. 
Helene. Ach Mütter! gib mir diese Ruhe, 
Und diese Heiterkeit am Grabesrande ! 
Hauch’ Deine Seele in die schwache Brust, 
Gross dacht’ ich mir den Schuldbrief an das Schicksal , 
Vom reichsten Erdenglück hat mir geträumt, 
Und mit der Liebe meines Heldenjünglings 
Ging kaum die, Sonne meines Lebens auf, 
Und in dem reichen Frühlings wollt’ ich schwärmen , 
In Morgenklarheit wiegte sich die Brust, 
Da kommt der Sturm, der Eichen niederschmettert, 
Er hat auch meine Kränze mir entblättert ! 
Eva, Fasse Dich, Mädchen , wenn der Vater kommt, 
Verbirg ihm das verweinte Auge, hörst Du ? 
Das Schicksal hat ihm Grosses aufgespart , 
Das Vaterland verlangt das Ungeheure , 
Er muss es bringen und er wird es bringen — 
Scherenk , sag mir, was Deinen Herrn bewog, 
In diese Keller uns herabzusenden ? 
Hielt er’s nicht sicher mehr für uns im Schloss? 
Scherenk. Die Türken warfen Feuer in die Festung, 
Auch haben sie jetzt ihr gesammt Geschütz 
Grad auf des Schlosses Zimmer hergerichtet, 
Dass es nicht sicher über Tage war. 
Hier unten aber mögt Ihr ruhig schlummern, 
Denn das Gewölb ist stark und fest gebaut, 
Und was die Nothdurft heischt’ an Wein und Nahrung , 
Und häuslichem Geräth, ward nicht vergessen ; 
Ist es auch wenig, ist’s für Euch genug, 
Der schmalen Kost seyd Ihr-ja bald enthoben , 
Mir ahnet’s immer , Rettung sey nicht fern, 
Denkt an den alten Scherenk , gnäd'ge Gräfin, 
(Er geht in deu Hintergrund,) 


Helene. Du guter Alter! Träum wie Du willst, 


310 ` ZRINY. 


Lass Deine Hoffnung neue Blüthen tragen, 

Und häufe ihre Kränze um Dich her. 

Du willst das Grab mit ihrem Duft umhüllen, 
Vergeb’ne Müh’, es dämmert schweigend durch, 
Das schwarze Kreuz tritt auf zerriss’ne Kränze, 
Und hebt sich aus dem Blüthentod empor. 

Eva. Nicht auf zerris'ne Kränze, nicht auf Blüthentod , 
Nein, Mädchen, jeder reine Kranz des Lebens 
Hängt sich als eege Krone auf das Kreuz, 

Und jede Blüthe duftet eegen Frühling 

Dem Abgeschied’nen von dem Rasenhügel 

In einklangsvollem Strahlendufte nach. — 

Lass ihm die frohen Träume , lass ihn hoffen , 
Er ist uns zugethan aus alter Zeit, 

Schwer wird es ihm, uns so verloren geben, 
Drum hält er noch den letzten Schatten fest. 

Er sieht nur Tod, sieht nur den Untergang, 

Wo schön’rer Sieg und schön'res Leben leuchtet, 

Helene. Ich fühle diesen Sieg, ich fühl ihn wohl, 
Und nenn’ mich ohn’ Erröthen Deine Tochter ; 
Doch frohen Muthes blick’ ihn nicht zurück , 
Ach, ungenügsam ist mein heisses Sehnen. 

Hätt’ ich wie Du des Erdenlebens Kranz 

In lichtem Schmuck mir durch das Haar geflochten , 
Jetzt nach der Palme griff ich froh wie Du: 

Doch erst in meines Lebens jüngstem Morgen 
Brach ich mir wenig Blüthen nur zum Kranz , 

Und die ich brach, sie hingen all voll Thränen , 
Noch war der Thau vom Tag nicht weggeküsst, 
Sprich selbst, das Leben flicht doch reiche Kränze , 
Mir hat es oft im Schimmer deines Blicks , 

In deiner Augen Thränenglanz geleuchtet, 

Wie schön das Leben und wie süss es sey. 

Ach Mutter! und für mich blühn keine Kränze! — 

Eva, Still, liebes, gutes Kind! ich hör’ den Vater. 
O trockne deine Thräne, dass ihm nicht 
Das feuchte Auge Deinen Schmerz verrathe. — 
Glaub’ mir , oft waren Dornen mit im Kranz, 

Oft kam die schönste Knospe nicht zur Blüthe , 
Und wenn sie kam, so war sie schnell verwelkt, 
Scherenk,. Der Graf! der Graf! 
Eva, e Komm , Mädchen, ihm entgegen, 


EIN TRAUERSPIEL. 


NEUNTER AUFTRITT. 
VORIGE, ZRINY. JURANITSCH, 
Zriny. Mein theures Weib! mein Kind! 


AU) 


Helene. S Willkommen, Vater ! 
Eva. 

Juranitsch. Helene | 

Helene, Juranitsch ! So finden wir uns hier ? 


Era. Ihr habt gesiegt, der Sturm ist abgeschlagen ? 

Den sie in trunkner Raserey gewagt ? 

Zriny. Diesmal war's Ernst, Solch ungeheuer Blutbad 

Hab’ ich in allen Schlachten nie gesehn, 

Dem Lorenz dank’ ich’s Leben, 

Juranitsch. Ich dir auch! 

Es hielt Dein Schild dee Türken Streiche auf, 

Die rachedurstig meinem Haupte galten, 

Als ich den Jauitscharen niederstiess , 

Den Bluthund, der auf Dich schon angeschlagen. 
Eva, So hatten sie die Mauern schon erglimmt ? 
Zriny. In trunknem Taumel stürmten sie die Wälle, 

Und mancher Waghals schwang sich kühn herauf, 

Und pflanzte schon den Ross-Schweif auf die Zinne, 

Da rief ich schäumend meine Ungarn an 

Und warf mich wüthend unter die Barbaren , 

Wir stürzten sie hinab, und Tausende 

Zerschmetterten am Felsen ihre Glieder, 

Ein Fürst des Heeres fiel, die Türken flohen, 

Wir sandten unsre letzten Donner nach , 

Und jauchzten Gott den Siegesdank entgegen! 
Juranitsch. Der Sieg ist unser, aber schwer erkauft, 

Der Edlen viele zahlten mit dem Leben, 

Zriny. Heut oder morgen Sohn! sie starben doch 

Im Jubelrausch des vaterländ’schen .Sieges , 

Beneide sie, die Klage wäre Sünde, 

Juranitsch. Den schönsten Tod sah ich den Batha sterben. 

Der alte Held war ganz erschöpft vom Kampf 

In’s Knie gesunken , eine türk’sche Lanze . 

Hatt’ ihm die rechte Achsel schwer verletzt, 

So.lag er da und wehrte des Verbandes, 

Und schaute seines Blutes Rieseln zu. 

Da riefst Du , Zriny , neues Sturms gewärtig , 

Und eh’ ich mir den Helm aufs Haupt geworfen 

Und kampfgerüstet nach dem Säbel griff, 

Sah ich ein paar verwegne Janitscharen , 

Die mit dem Ross-Schweif in verfluchter Hand 


912 ZRINY. 


Sich anf des Walles Mauern schon geschwungen , 

Rasch spring ich’ auf sie los, doch Batha war, 

Der greise Held, schon von mir, paekte sie 

Mit beyden Fäusten an der Brust, und stürzt sich 

Den Wall hinab , und reisst sie mit hinunter, 
Zriny, Ein solcher Tag ist tausend Leben werth! 

Nun Herr und Gott, Du wirst mich nicht vergessen! 
Eva. Wie lange noch kannst Du Dich halten ? 
Zrinys Weib, 

Du fragtest nie mich um ein schlimmer Wort! 
Helene. O sage uns frey: wie lange noch ? 


Zriny. Bis morgen. 
Helene. Gott! morgen schon ? mein Juranitsch ! 
Juranitsch. Helene ! 


Wo ist der Muth, den Du mir zugesagt ? 

Zriny, Ich hab’ in diesen Tagen viel verloren , 

Nur noch sechshundert zählt sich meine Schaar. 

Der Hunger wühlt schon unter unsern Brüdern , 

Der ganzer Vorrath ist in Feindes Hand, 

Er ging uns mit der Alstadt längst verloren , 

Zwey Stück Geschütz befehl’ ich hier, mehr nicht , 

Die Mauern drohen uns den Einsturz, Feuer 

Hat schon das alte Schloss ringsum ergriffen, 

Denn unaufhörlich schleudert Ali Portuck 

Die Brandraketen zündend uns herauf, 

Hier in dem neuen Schlosse fehlt’s an allem, 

Bald, — denn wir haltens keine Stunde mehr , — 

Wenn sie noch einmal stürmen ist das alte 

In Feindes Hand, wir sind zuruckgeworfen 

In diese engen Mauern , können uns 

Kaum noch zween Tag’ mit Glück verheid’gen, müssen, 

Auch wenn der Feind uns nimmer drängen möchte, 

Zuletzt verhungern und verbrennen! Nein , 

So sterb’ ich nicht! Drum fall’ ich morgen aus , 

Will Bart an Bart, und Brust an Brust noch kämpfen , 

Tod um mich schmetternd such’ ich mir den Tod, 
Eva. Und wir ? Dein Weib und Deine Tochter ? 
Zriny. Kinder, 

Für Euch hab’ ich gesorgt, — Tritt näher , Scherenk | — 

Der alte Franz hat einen Pfad erkundet: 

Ein Kellergang führt hier aus dem Gewölbe 

In dunkler Windung bis zum See hinab. 

Von da habt Ihr hundert Schritt zur Waldung , 

Und während hier der Türke rasend stürmt, 

So eilt ihr ungesehn bey Morgengrau’n, H 


EIN TRAUERSPIEL. 515 


Auf sicherm Pfad zu Eures Kaisers Heer, 
Und sagt ihm: Zriny sey als Mann gefallen, 
Und das erstürmte Sigeth sey sein Grab, 
Befürchtet nichts, "e ist alles gut bereitet, 
Der Juranitsch begleitet Eure Flucht. 
Juranitsch. Nein, Graf, das thut er nicht! 
Zriny. Wie, Sohn, Du wolltest 
Die Mutter nicht, die Braut Dir nicht erretten ? 
Juranitschh Du hast mich aufgezogen neben Dir, 
Hast mich gelehrt, des Säbels Wucht zn führen, 
Hast Pflicht und Ehre mir us Herz gegraben, 
Hast mir Dein Theuerstes, Dein Kind geschenkt, 
Und willst mich jetzt zur feigen Schande zwingen ? 
Willst nicht das Schönste, Deinen Heldentod 
Mit Deinem Lorenz, Deinem Sohne theilen ? 
Nein, Vater, nein! dass kannst Du nicht , bey Gott, 
Das darft Du nicht! Ich bin Soldat, des Kaisers 
Geschworner Hauptmann , wo der Führer fällt, 
Darf ich nicht leben ! 
Zriny. Wackrer Held ! und doch, 
Doch musst Du fort! Sieh jene Weinende , 
’S ist Deine Braut, sie hat von Dir ein Leben 
Voll Freudenglanz und Liebesglück zu fordern. 
Sohn, Du musst leben und die Schuld bezahlen, 
Die Du an dieses Herz verpfändet hast, 
Juranitsch, Zuerst muss ich die gröss’re Schuld bezahlen, 
Mit der ich meinem Volk verfallen bin, 8 
Mein Herz, mein Lieben, mein Gefühl und Denken, 
Das, süsse Braut, ist Dein, und soll es bleiben ; 
Doch was man Leben nennt, die Spanne Zeit, 
Die ich auf dieser Erdenwelt verrathme, 
Das ist des Vaterlandes Eigenthum. 
Mein Lieben ist ja ewig, drüben kann ich 
Dein sein, Dein ungestört, Dein ganz allein ; 
Doch dies Gefühl für mein verwandtes Volk, 
Es endigt sich mit meinem letztem Kampfe, 
Was ich ihm also danke, das muss ich 
Noch bier in diesem Leben ihm bezahlen, 
Und will es auch. — Dort find’ ich meine Braut, 
Und darf ihr freudig dann entgegen treten , 
Denn keine Schuld liess ich hier ungetilgt, — 
Flieht ohne mich und denkt — seyd Ihr gerettet, 
Im sanften Schmerz der Thränen auch an mich , 
Der Euch so heiss , so warm geliebt, und doch 


27 


914 ZRINY. 


Den ganzen Traum des Glückes hingeworfen , 
Weil es das Wohl des Vaterlandes galt. — 
Ihr weint? — ich kränkte Euch ? — ich wollt’ es nicht, 
Glaub mir, ich liebe kälter nicht, wie Du, 
Doch eben darum bring’ ich dieses Opfer. 
Dass ich dem Tod mich weihte, gilt nicht viel, 
Mein Leben schlug ich oft schon in die Schanze ; 
Doch dass ich’s that mit diesem Recht an Glück, 
An Seligkeit und höchste Erdenwonne, 
Das war des Kampfs, das war des Preises werth , 
Mein Vaterland sey stolz auf dieses Opfer | 
Zriny. Du bleibst, mein Juranitsch , wir gehn vereint, 
Der Sohn an seines Vaters Hand zum Tode | — 
Du hältst Dich fertig , Scherenk,, wähle Dir, 
Noch zween handfeste Knechte aus, sobald 
Der Morgen graut, sey zu der Flucht gerüstet, 
Scherenk. Herr, ich gehorche, 
Eva, Nein, mein theurer Mann ! 
So tief wirst Du Dein Weib nicht sinken lassen. 
Ich weiche nicht von Dir, ich sterbe mit Dir ! 
An Deinem Herzen ist mein Platz, da soll 
Des Janitscharen Kugel mich durchbohren, 
Glaub’ nicht, ich sey zu schwach , gib mir ein Schwert, 
Und neben Dir will ich als Heldin fallen! 
Zriny, Und meine Tochter ! 
Eva. - Liebt sie nicht, wie ich ? 
Liebt sie nicht diesen kühnen Heldenjüngling ? 
Kann sie nicht sterben ? ist sie nicht mein Kind, 
Dein Kind? und Zriny fragt noch, was sie sollte ? 
Helene, Ja, sey barmherzig Vater! Dieser Tod , 
Dem Du mit froher Brust entgegen tritist, 
Kannst Du ihn grausam Deinem Kind verweigern ? 
Freut Dich’s, uns noch durch jahrelange Qual, 
In jammerndem Verschmachten hinzuwürgen , 
Gemartert von der wilden Sehnsucht, Euch 
Als Sieger bald dort oben zu begrüssen, 
Bald die Genossen Eures Lichts zu seyn ? 
Eva. Zriny, sey nicht zum erstenmale grausam | 
Verstoss uns nicht aus D:inem schönsten Siege, 
Und nimm uns zur Verklärung mit hinauf, 
Helene. Ja, lass uns sterben | Was gilt uns die Sonne? 
Um Thränenauge ist's doch ew’ge Nacht ! 
Was dich begeistert, soll uns nicht entzucken ? 
O lass uns mit Dir sterben! — So vereint 
Ziehn wir der bessern Heimath freudig zu, 


ve 


EIN TRAUERSPIEL. 5i 


Und tragen aus der Nacht, in der wir schweben , 
Die ew’ge Liebe in das ew’ge Leben ! 

Juranitsch. Gott! welche Frauen ! welche Herzen | — Vater, 
Du kannst nicht widerstehn , Du kannst es nicht! Lass uns 
Zusammen sterben, Vater! 

Helene, 

Eva. ? 

Zriny (verklärt.) ; 
An meine Brust! Kommt an des Vaters Brust! 

Ihr habt gesiegt! — Mag mich die Welt verdammen , 
Gott wird es nicht — Jetzt sterben wir. zusammen | 
(Der Vorhang fällt während der Gruppe.) 


Lass und sterben! 





FÜNFTER AUFZUG. 
(Das Kellergewö lbe.) 


— 


ERSTER AUFTRITT. 


ZRINY in violbraunem Kleide, voll des reichsten Schmuckes, 
SCHERENK, der ihn ankleiden hilft, 
Zriny. So eil Dich, Franz! — Ich glaube gar Du weinst ? 
Pfui Alter! Schmerzt Dich Deines Herren Sieg ? 
Was sollen Deine Thränen ? 
Scherenk, i Ach, verzeiht mir’s ! — 
Ich trug Euch noch als Kind auf diesen Armen, 
Ich war bey Euch beym ersten Waffentanze , 
Hab’ Euch vor Wien die Sporen angeschnallt ; 
Zu Eurem Brauttag mit der sel’gen Gräfin , 
Der edlen Frangypany schmückt ich Euch 
Wie jetzt, — da rief das Volk, durch das wir zogen, 
Als es zu Gottes heil’gem Altar ging: 
«Seht nur den Heldenjüngling, seht die Braut , 
Kein schön’res Paar ist je den Weg gegangen!» 
Und alles jauchzte jubelnd Euern Namen, 
Es war der Ungar stolz auf diesen Tag. 
Zriny. Die gute Katharina | 
Scherenk. Ich ward’s so gewohnt, 
Zu allem, was Euch lieb und schön begegnet, 
Zu allen Festen Eurer Tapferkeit , 
Zu allen Siegsbanketten Euch zu schmücken. 
Es war mein Stolz, den Grössten meines Volks , 


516 ZRINY. 


Den ersten Helden meiner trüben Zeit 

Mit diesen Zeichen ritterlicher Würde, 

Mit diesen Waffen seines Vaterlands 

Und meines Kaisers Gnadenschmuck zu zieren. 
Wenn-ihr dann stolz durch ihre Reihen flogt, 
Und ganz unbändig Euer edler Rappe 

Die sprüh’nden Funken aus den Steinen schlug, 
Und alles staunte, jubelnd Euch umjauchzte , 
Euch Schild der Christen, Türkengeissel nannte, 
Und dreyfach donnernd hoch! entgegen rief, 

Da dacht’ ich immer , hätt’ was rechte gethan , 
Hätt’ grossen Antheil an des Helden Ehre, 

Weil ich den Panzer ihm geschnallt, Das machte 
Den alten treuen Knecht so froh , so glücklich | 
Und jetzt! — 

Zriny. Nun jetzt ? 

Scherenk. Mit diesem Kleide da 
Schmückt’ ich Euch, Herr, zu Eurem zweyten Brautiag , 
Mir unsrer gnäd’gen Gräfin Rosenberg. 
’S war so ein schöner , schöner Tag! Ich meynt’, 
Es müsste lange, müsste stets so bleiben, — 
Da waffn’ ich Euch nun zu dem letzten Gang, 
Und muss noch Euerm Wort dies Kleid der Freude 
Zu meines Grafen Leichentuche weih'n. 
Gott, das ist hart für meine lange Treue | 
Hätt’ ich nicht früher sterben können ? 

Zriny. Franz! 
Du gute, treue Seele! — Weine nicht. 
Zu keinem schönern Sieg bin ich gezogen, 
Zu besserm Fest hast Du mich nie geschmückt, 
Heut’ ist mein dritter Ehrentag, drum hab’ ich 
Mich bräutlich angethan. Ich will den Tod 
Mit Liebesarmen jugendlich umfassen , 
Und muthig drücken in die treue Brust, 
Wo ist mein Säbel ? 

Scherenk. Welchen wollt Ihr führen ? 

Zriny. Bring mir sie alle, ich entscheide dann. 

Scherenk (geht ab.) 


— 


ZWEITER AUFTRITT. 
Zriny (allein,) So ständ’ ich denn im letzten Glüh’n des Lebens , 
Die nächste Stunde bringt mir Nacht und Tod, 
So ständ’ ich denn am Ziele meins Strebens , 
Stolz auf die Blüthen, die das Glück mir bot! 


EIN TRAUERSPIEL. 317 


Ich fühl’ es klar, ich kämpfe nicht vergebens, 
Durch Todesnacht bricht ew’ges Morgenroth. 
Und muss ich hier mit meinem Blute zahlen, 
Ein Gott vergilt mit seines Lichtes Strahlen ! 


Die Stimme des Jahrhunderts wird verhallen, 
Und das Geschlecht versinken, das mich kennt; 
Doch Enkel werden zu den Trümmern wallen, 
Wo dankbar dann mich manche Lippe nennt. 
Wer muthig für sein Vaterland gefallen , 

Der baut sich selbst ein ewig Monument 
Im treuen Herzen seiner Landesbrüder , 
Und dies Gebäude stürzt kein Sturmwind nieder, 


Ich folgte unbewusst dem dunkeln Drange , 

Der mit des Jürglings frühster That erwacht! — 
Von edlem Feuer lodert mir die Wange, 

Der Sturm der Weihe hat es angefacht, 

So waffn’ ich mich zu meinem letzten Gange, 

Und was mein kühnster Traum sich nicht gedacht: 
Um aller Kronen schönste darf ich werben, 

Darf für mein Volk und meinen Glauben sterben. 


Was thaten sie, die mir im Lied vergöltern , 
Von denen noch der Nachwelt Hymne spricht? 
Sie hielten aus im Kampf und Sturmesweitern , 
Und standen treu bey Tugend , Recht und Pflicht ; 
Das Schicksal kaun die Heldenbrust zerschmettern d 
Doch einen Heldenwillen beugt es nicht ! 
Gemächlich mag der Wurm im Staube liegen, 
Ein edles Herz muss kämpfen und wird siegen. 





DRITTER AUFTRITT. 
ZRINY. SCHERENK (mit mehrern Säbeln.) 


Scherenk. Hier, edler Herr, sind Eüre Säbel, Wählt. 
Zriny. Wohl kenn’ ich diesen. In der Schlacht bey Pesth 
Hab’ ich ihn rühmlich eingeweiht. — Er ist 
Zu schwer für diesen Waflengang , ich muss 
Den leichtern führen — Den da kenn’ ich auch, 
` Der hat bey Essegg wacker mit geholfen , 
Und meines Kaisers Liebe mir verdient. — 
Er ist zu einfach für den letzten Festtag. — 
Halt, der ist recht, den wähl’ ich, Diesen Säbel 


318 ZRINY. 


Gab mir mein edler Vater einst vor Wien, 

Er hat die erste Ehre mir erkämpft , 

Er soll mir auch um meine letzte kämpfen, 

Mit dir, du wackrer Stahl, fecht ich es aus, 

Was auch. der Himmel über mich verhänge, 

Ich lege meine Finger auf dein Eisen , 

Schwöre , lebendig soll mich keiner fangen, 

Und mich zum Spott des Volks durch’s Lager führen | — 
Und diesen Eidschwur löss’ ich ritterlich , 

So wahr mir Gott hilft und mein ew’ger Glaube ! 

Scherenk, Den Panzer Herr ! 

Zriny. Ich mag den Panzer nicht1 
Die freye Brust will ich dem Feinde bieten, 

Was soll er mir, wenn ich den Tod auffordre , 
Dass er sein Eisen schlag’ in meine Brust? 
Ich mag ihn nicht, Leicht wie zum Siegesbankette , 
Will ich zum Kampf, frey will ich mich bewegen , 
* Frey meinem Tod ins finstere Antlitz schaun, 
Und ohne Panzerzwang die letzte Arbeit 
Des blut’gen Handwerks schnell und leicht vollenden, 
Mein Leben fällt um keinen schlechten Preis, 

Scherenk. Hier sind die hundert Gulden, hier die Schlüssel 
Der Burg , wie ihr’s befahlt. 

Zriny. Die Hunde sollen 
Nicht sagen, jo sey der Müh nicht werth gewessen , 
Des Niklas Zriny Leichnam auszuzieh’n. 

Sie und die Schlüssel wahr’ ich hier im Gürtel , 
So kommt es einem treuen Hauptmann zu, 

Die soll beym Himmel keiner von mir holen 
Eh’ sich der Tod in meine Brust gewühlt, 

Und meines Lebens Pforten aufgeschmettert! 


— 


VIERTER AUFTRITT. 


VORIGE, EVA, HELENE 


Zriny. Ihr seyd gefasst? nicht wahr, Ihr seyd’s ? 

Era. Ich bin’s. 
Mit meinem Gotte hab’ ich mich versöhnt, 
Und warte auf die Stunde der Erlösung, 

Zriny. Und Du, Helene ! 

Jelene. Was die Mutter tröstet, 
Goss seinen Balsam auch in meine Brust, 
Der Schmerz hat sich verklärt, ich bin bereitet , 
Wenn Du gebeutst, vor Gottes Thron zu stehn, 


EIN TRAUERSPIEL. 319 


Zriny. So mögen uns die letzten Augenblicke 
In traulicher Umarmung noch begrüssen, 
Mein theures Weib ! viel Freuden dank’ ich Dir, 
Du hast mir manche Stunde schön beleuchtet, 
Hast manchen Tag mit stiller Lust geschmückt ; 
Den heil’gen Eid, den wir am Altar schwuren , 
Schön hast Du ihn gelös’t, hast Kampf und Schmerz 
Mit treuer Liebe sorgsam tragen helfen , 
Und mancher Frühlingsblüthe gern entsagt, 
Die meines Lebens Wellensturm Dir knickte, 
Gott lohn’ es Dir! - 
Eva. Mein theurer Held! Du hast 
All’ was ich that, mir taufendfach vergolten , 
Mit Deines Herzens grosser , treuer Liebe, 
Und mit des Augenblicks Verklärung, wo Du 
Mir’s zugesagt, ich dürfte mit Dir sterben !— 
Doch wie? — Du bist geschmückt, als ging’s zum Feste ? 
Zriny. Kennst Du das Kleid ? 
Eva. Hätt’ ich’s vergessen ? So 
Lagst Du im Gotteshaus in meinem Arm; 
So hass Du mich als Deine Braut begrüsst. 
Zriny. In diesem Schmuck stürm’ ich am Lebensabend 
Dem schönsten Siege frohen Muthes zu. 
Zur zweyten Brautnacht hat der Tod geladen, 
Komm , edles Weib! so halten wir den Schwur ! 
Eva. Mein theurer Zriny! Ach es schwindelt mir, 
Wenn ich mich auf zu Deiner Höhe träume! 
(Umarmung.) 
Helene. Mein Vater! Mutter! Trug die Erde je 
Ein edler Paar , zwey glückeswerthe Seelen ! 
Und Ihr müsst sterben ! Ihr ? Das Schicksal raubt 
Dem Leben seinen Stolz , der Welt ihr Kleinod , 
Wenn es zwey solche Heldenherzen bricht, — 
Die Erde war nicht werth, Euch zu besitzen, 
Da sie Euch ihres Glückes Gunst versagte, 
Euch nicht den Schuldbrief an des Lebens Kronen, 
An jedes Schöne, Herrliche bezahlt! 
Zriny. O, zürne nicht dem Schicksal, gute Tochter ! 
Nein, danke seiner väterlichen Huld , 
Die uns vergönnte, in der Prüfungsgluth 
Das reine Gold des Herzens zu bewähren ! 
Die Tugend übt sich schlecht im Glück ; das Unglück, 
Das ist der Boden, wo das Edle reift, 
Das ist der Himmelsstrich für Menschengrösse. 
Aus seinen Armen ging die Heldenschaar , 


, 


520 ZRINY. 


Die Riesenbilder der vergangnen Tage, 

Aus seiner Schule ging der Stolz der Welt, 

Wo es dem Menschen seinen Kampf bereitet, 

Da bricht die Kraft die unversuchte Bahn, 

Da knüpft der Ruhm den Namen an die Sterne, 
Es dehnt sich das Atom zum Ew’gen aus, 

Und was sonst sterblich war, das wird unsterblich. 
Der Augenblick ist da, der Todesweihe. 

Freywillig Opferfest beginnt. (zu Eva.) Sag mir, 
Wo find’ ich Dich, und wie ? 

Eva. Dort drüben, Held, 
Und Deiner würdig! Surge nicht um mich, 

Gereift ist mein Entschluss, beem Abschiedskusse 
Sollst Du erfahren, was das Weib vermag. 

Zriny. Und unsre Tochter? und Helene ? 

Helene. Fürchtet nicht! 
Ich schweb’ Euch schon von dort entgegen. Früher 
Als Ihr, will ich dort drüben seyn, mein Lorenz 
Kann seiner Braut den letzten Kuss nicht weigern. 


— 


FUNFTER AUFTRITT. 


VORIGE, ALAPI, PAPRUTOWISCH. JURANITSCH, 
(Ohne Panzer.) 


Juranitsch Zum letzten Gang gerästet siehst Du uns, 
Leicht, wie Du es geboten , ohne Panzer, 
Die offne Brust erwartet ihren Dolch. ` 
Paprutowitsch. Das treue Volk steht schon im Hof versammelt, 
Sie sehnen sich nach Deinem letzten Gruss 
Und nach dem Tod für Vaterland und Glauben. 
Alapi. Auch bracht’ ein Flüchtiger die Nachricht noch , 
Der sich des Nachts aus Feindes Macht gerettet : 
Gyula ist über, Keretschin hat es 
Verrätherisch den Türken übergeben, 
Zriny. Fluch über den Verrath an seinem Kaiser! 
Auf, Brüder! auf! die Scharte wetzen wir 
Am Ungarnamen rachedürstend aus, 
Und wollen unsern Heldenstamm bewähren ! 
Hauptleute. Wir folgen Dir, wir halten unsern Schwur ! 


Helene. Ach Vater! 
Noch Deinen Segen über Deine Kinder! 
Zriny. (sie seguend.) 


Ja, meinen reichsten Segen über Euch 
Zum Leben nicht , doch gern zum Opfertode, 


EIN TRAUERSPIEL. 521 


Für Freyheit, Ehre, Glauben, Vaterland. 
Gehorcht furchtlos dem göttlichen Gebote ; 
Der Todesengel knüpfe Eure Hand, 
Wir finden uns beem nächsten Morgenrothe. 
Was hier sich liebte, ist ja dort verwandt, 
Und Strahlenkränze flechten ihre Blüthen 
"Um reine Seelen, die für Gott entglühten. 
(Pause.) 
(Trompeten und Trommeln in der Ferne.) í 

Alapi, Horch! Deine Treuen rufen, 

.Zriny. Wohl, es sey! 
Kommt, lasst uns Abschied nehmen von den Helden, 
Und dann hinaus, dann mag’s dem Tode gelten ! 

(Alle ab ausser Juranitsch und Helene.) 


SECHSTER AUFTRITT. 
HELENE, JURBANITSCH, 
(Stehen nech in stummer Umarmung.) 


Juranitsch. Noch diesen Kuss, so lass mich scheiden. 
Helene. en! 
Nein, Nein, so scheide nicht, Kannst Du die Braut 
In dieses Augenblickes Sturm verlassen ? 
Soll ich von einem trunknen Janitscharen 
Des Todes Seligkeit erbetteln müssen ? 
Sall grausam eine fremde Mörderfaust 
Den Dolch nach meinem Herzen führen, soll 
Des Türken Wuth die zarte Brust zerreissen , 
Wo jede Ader nur für Dich gebebt, 
Wo alle Pulse nur für Dich geschlagen ? 
«Der Todesengel knüpfe Eure Hand ,» ` 
Der Vater sprach’s, -willst Du sein Wort verhöhnen ? 
Nein, Juranitsch, stoss mir den Dolch in’s Herz, 
Und küsse mir die Seele von den Lippen. 
Juranitsch. Gott was verlangst Du?! 
Helene. Was die schwache Hand 
Des Mädchens nimmer Dir verweigern würde, 
Lägst Du verwundet hier, und könntest nicht 
Hinaus , den Tod im freyen Feld zu suchen , 
Du aber scheutest eines Henkers Beil, 
Nnd ohne Zittern griff ich nach dem Dolche, 
Und unsre Seelen hätt’ ich schnell vermälht, 
Juranitsch. Dich soli ich tödten ? Dich! Nein, nein ich kann es nicht, 
Der Tod bat oft um mich herum gedonnert , 


323 ZRINY. 


Mein Bruder sank im Kampfe neben mir, 

Auf meines Vaters Leiche stand ich einst, 

Hab’ nicht geschaudert , habe nicht gezittert, 

Und warf mich wüthend mit dem Schwert der Rache 
In meiner Feinde Mörderschaar hinein ; 

Doch diese Rose brechen! — Wenn der Sturmwind 
Die Eiche stürzt, und in den Fichten wüthet, 

Er lässt die zarte Blüthe unverletzt, 

Und seine Donner werden Zephirssäuseln , 

Und ich soll wilder als der wilde Sturm 

Des Lebens schönsten Frühlingskranz zerreissen , 

An Grausamkeit das rohe Element 

Noch überbietend , diese Blüthe brechen, 

An die des Schicksals Hand sich nicht gewagt ? 
Nein, ich vermag es nicht! 

Helene. Wenn Du mich liebst, 
Wenn Deine Schwüre nicht der Wind verwehte, 
Wenn Dir was heilig ist auf dieser Welt: 

Gott, Uuschuld, Freyheit, Vaterland und Liebe, 
O, tödte mich! Dort komm’ ich dir entgegen, 
Und reiche Dir den Kranz der Palme zu. 
Wenn d@mich liebst! — Du kannst mir’s nicht verweigern. 
Ich muis ja sterben ! Oder soll der Grossherr 
Mich mit sich schleppen unter seine Sklaven ? 
Ist Dir mein Tod nicht lieber als die Schande P 
Soll mich Gewalt —? 
Juranitsch. Halt ein ! ich tödte Dich ! 
(Er will sie erstechen.} 

Helene. Nicht so, Geliebter! nicht im wilden Sturme, 
Nein, ruhig, friedlich senke Deinen Dolch 
In meine Brust und öffne meiner Seele 
Den schönen Weg der lichten .Heimath zu, 

Umarme mich! O, wie ich glücklich bin ! 
Auf einmal wird es klar vor meinen Augen, 
Der Schleyer reisst, das Leben sch’ ich licht, 
Ein neuer Morgen strahlt in meinem Herzen ! 
So tödte mich ! und küsse mir die Seele 

Mit Deinem Brautkuss von dem blassen Mund ! 

Juranitsch. Dort also, dort! dort finden wir uns wieder ? 

Helene. Dort bin ich Dir auf ewig angetraut ! 

Juranitsch. Von dort schaust Du auf Deinen Jüngling nieder ? 

Helene. Weile nicht lange, auch Dich ruft die Braut ! 

Juranitsch. Und kommt der Tod und rufen meine Brüder ? 

Helere. Dann stirb als Held und triumphire laut, 
Ich komme mit der Palme Dir entgegen. 


EIN TRAUERSPIEL. 325 


Juranitsch. (küsst sie und ersticht sie zugleich.) 
So nimm den Kuss und bitte Gott um Segen! 

Helene. Dank Dir, Dank für den süssen, süssen Tod! — 
Lass mich nicht lange warten ! — Noch den Kuss! — 
Mit diesem Kuss flüchte meine Seele! (sie stirbt.) 

Jurantisch, Leb wohl! leb wohl! Du meine süsse Braut! 

(Trompetengeschmetter.) 
Horch, wie sie rufen | horch ! ich komme , ich komme ! 
(er legt Helenens Leichnam im Hintergrunde in eine nische) 
Ich lege Deine Hülle thränend nieder, 
Dies weite Grab bewahre Deinen Staub. 
Und nun hinaus, wo ihre Schwerter winken, 
Wo Kampf und Mord durch blut’ge Nebel graut! 
Willkommner Tod! Du trägst mich zu der Braut, 
Mit Deinem ersten Rufe lass mich sinken ! (ab.) 





SIEBENTER AUFTRITT. 
(DER SCHLOSSHOF VON SIGETH) 


ZRINY, ALAPI, PAPRUTOWITSCH,. EVA (mit einer brennenden 
Fackel,) DIE UNGARN, (ihr Reichspanier weht in der Mitte.) 


Zring, Zum letztenmal sprech’ ich zu meinen Freunden. 
Erst Dank Euch Allen für die Heldentreue , 
Mit der Ihr diesen Kampf bestanden habt, 

Mit frohem , freyem Herzen darf ich’s sagen, 
Verräther gab es nie in meinem Volk. 

Wir Alle haben treu den Schwur gehalten, 
Die meisten gingeu kühn im Tod voraus, 

Und warten dort auf ihres Siegs Genossen. 
Kein einz’ges Herz ist hier im ganzen Kreis — 
Das ist mein Stolz, — das nicht mit frohem Muth 
Das letzte Leben für sein Vaterland , 

Den Kaiser und den heil’gen Glauben wagte, 
Dafür Euch Dank ! Gott wird es dort belohnen, 
Denn diesmal gilts zu sterben! Feindes Macht , 
Die hundertfach uns überlegne Macht, 

Wir haben sie mit Glück zurückgeschmettert , 
Wir haben sie zu Tausenden geschlachtet , 

Und blut’gen Tod anf ihren Stolze gewälst, 

An zwanzigtausend seiner besten Krieger 

Lässt Soliman vor dieser Inselburg , 

Und seiner Fürsten wurden viel begraben ; 
Doch andre Feinde kämpfen gegen uns, 

Wo Männerkraft nicht ausreicht, um zu siegen, 


DH 


524 ZRINY. 


Sie wühlten Minen in des Berges Schooss , 
Die Treue unsrer Mauern ist erschüttert , 
Der Pechkranz flog verderbend auf dag Schloss , 
Es kämpft das Element mit unserm Muthe ! 
Am fürchterlichsten aber stürmt der Hunger 
Auf die geschwächten Haufen : kaum den Tag 
Reicht unser Vorrath aus, wir müssen sterben , 
Denn an Ergebung denkt der Ungar nicht, 
Der seinen Kaiser liebt und seine Ehre! 
Ihr denkt’s auch nicht, dass weiss ich, also sterbt ; 
Hinaus , hinaus, wo ihre Trommeln rufen | 
Soll’n wir verbrennen? soll’n wir hier verhungern? 
Nein ! lasst uns sterben, wie es Männern emt! 
Zeigt Euerm Feind das Weisse in dem Auge, 
Ringt mit dem Tod, bezahlt den Tropfen Blut , 
Den letzten noch mit eines Feindes Leben ! 
Nur unter Leichen bettet sich der Held, 
Die er vorausgesandt als Todesopfer | 
Wer so wie wir den grossen Schwur gelösst, 
Wer so für Gott und Vaterland gefallen, 
Der lebt im Herzen seines Volkes fort, 
Und kämpft sich oben in das ew’ge Leben 
Und gehet ein in Gottes Herrlichkeit ! 

Alle. So führ’ uns, Herr führ uus, wir sind bereit ! 


ACHTER AUFTRITT, 
VORIGE JURANITSCH, 


Zriny. Wo ist Helene ? 
Juranitsch. In der .Heimath ! Kränze 
Mit güt'gen Engeln flechtend, uns zu krönen. 
Lass sie nicht warten! ’s war ihr letztes Wort, 
Der Todesengel knüpfte unsre Hände ! 
Hinaus, hinaus! lass mich zu ihr, 
Zriny. Wohlant 
Weib, Deinen Abschiedskuss! Wie willst Du scheiden ? 
Eva. Dort auf der Zinne wart’ ich auf den Sturm; 
Ein grosses Todtenopfer zu bereiten , 
Haucht Gött auch seine Kräfte in den Wurm! 
Zriny. Und wenn sie über den Gefallnen schreiten ? 
Eva. So fliegt die Fackel in den Pulverthurm ! 
Zerschmettert nur sey Sigeth übergeben. 
Zriny. Stirb, Heldenweib! der Tod heisst ewig Leben ! 


(Sturmgetöse der Türken von aussen) 


EIN TRAUERSPIEL. 325 


Zriny. Horch! wie sie schmeitern, wie die Wirbel jauchzen ! 
Willkommen, Tod! ich kenne Deinen Ruf; 
Nun , Brüder! ils) Hier Lorenz , nimm die Fahne, 
Du stürmst voraus, Du musst der Erste seyn , 
Es bart die Braut , lass sie nicht lange warten ! 
Ich schmettre nach, dann Du, (zu Paprutowitsch) und Du, Alapi. 
Wie? Thränen, alter Freund ? 
Alapi. ’S sind Freudenthränen 
Mit sofchen Helden solchen Tod zu sterben, 
Um keine schön’re Krone mocht ich werben ! 
Juranitsch (schwingt das Reichspanier.) 
Die Fahne fliegt ! 
Zriny. Der Adler siegt 
Welt, gute Nacht! (zu Eva) Leb wohl! (zu Alapi und Paprutowitsch) 
Lebt woll, Ihr Brüder! 
Gebt mir zum letztenmale Eure Hand, 
Trompeten , schmettert eure Siegeslieder | 
(Trompetenlärm,) 
Mir nach! mir nach | dort finden wir uns wieder! 
Stirb, wackres Volk! für Gott und Vaterland ! 


Alle. Dir nach! Dir nach ! für Gott und Vaterland ! 
(Alle ab.) 


_— 


NEUNTER AUFTRITT. 


(Das Theater verwandelt sich in einen Theil des brennenden alten Schlosses. Im 
Hintergrund das neue Schloss mit aufgezogener Zugbrücke, Trompetenge- 
schmettery Trommelwirbela und #eldgeschrey der withend anstürmenden 
Türken. Die Zugbrücke geht nieder, es fallen zwey Schüsse aus dem Thore 
und durch den Dampf stürzen die Ungarn heraus, Juranitsch mit der Fahne 
voraus, dann Zriny und die Uebrigen, Verzweifelnder Kampf, Eva erscheint 
mit der Fackel am Pulverthurm auf der Mauer. Juranitsch stürzt zuerst, 
Zriny tritt über den Leichman und kämpft mächtig fort. Endlich stürzt auch 
er, Eva schleudert zugleich die Fackel in den Pulverthurm, ein fürchterlicher 
Knall; das neue Schloss stürzt zusammen und der Vorhang fällt schnell.) 


28 


ROSAMUNDE 


EIN TRAUERSPIEL IN FÜNF AUFZUGEN. 


m — 


PERSONEN. 


Heınaıcn der Zweyte, König 
von England. 

ELEONORE, seine Gemahlin, 

Heric, gesalbter 
Thronfolger , 

Rıczanp, Graf von Poi- 
tou und Guienne, 

GOTTFRIED, Herzog von 


seine 
Söhne. 


Bretagne, 
JOHANN, 
Hunupuny Bouun, sein Feldherr. 
ARMAND DE CAYENNE, im Gefolge 





der Königin. 

Wu SousuwEir, Richards 
Freund, 

ROSAMUNDE CLIFFORD. 

BRE BEYDEN KLEINEN KıNnDeR. 

Sara, ihre Freundin, 

Tuomas a NestE, Castellon von 
Woodstock, 

GEoRG, sein Sohn, 

Eın HAUrTMANN. 

KNECHTE, 


(Der Schauplatz ist in England , die Zeit der Handlung das Jabr 2173.) 





ERSTER 'AUFZUG. 


(Ein Gartenparthie. Im Hintergrunde das Schloss 
Woodstock.) 


ERSTER AUFTRITT. 


RICHARD UND WILLIAM (aus dem Gebüsche in weissen Mänteln.) 


Richard. Luss mich , William, lass mich, ich muss sie sehn I 
William. Bedenkt, mein Prinz! — 


Richard. 


Bedenken ? thöricht Wort! 


Die "Lehre mag dem feigen Pöbel gelten , 

Der vor der Gottheit strahlender Gestalt 
Zusammenschaudert, den die heil'ge Nähe 
Der ew’gen Schönheit grauenvoll durchrauscht, 
Der, ap des Sumpfes Nebelqualm gewöhnt, 


ROSAMUNDE EIN TRAUERSPIEL. 3927 


Die Brust beklemmt fühlt in dem Licht der Sonne; 
Doch wo ein Herz in kühnen Schlägen pocht, 
Wo sich die Seele freykämpft aus der Tiefe, 

Da jauchzt der Geist der nahen Gottheit zu, 

Und drohte sie mit leuchtendem Verderben 

In seines Lebens Blüthenkreis zu schmettern, 

Er fühlt den Gott, und er vergisst den Blitz! — 

William. Wenn man uns überrascht ! 

Richard. Ich hört’ ein Mährchen , 
Aus einer alten grauen Dichterzeit, 

Und wusste mir die Fabel nicht zu deuten ; 

Jetzt ist es klar in mir zum Licht geworden , 

Jetzt, Freund, jetzt weiss ich, wie ich’s deuten soll. 
Ein alter Götterfürst, — so sang das Mährchen : 
Entstieg in menschlicher Gestalt dem Himmel, 
Denn eine ird’sche Schönheit zog ihn an. 

Und als er einst in bräutlichem Entzücken 

Der irdischen Geliebten sich vertraut, 

Wie er ein Bürger sey aus jenen Räumen, 

So wollte sie den schönen Erdenjüngling 

Im Schimmer seiner Himmelshoheit schen, 

Umsonst beschwor er sie: «Du kannst den Glanz 
Der göttlichen Verklärung nicht ertragen , 

Du stirbst!» Umsonst; sie warf sich vor ihm nieder; 
Ich muss in Deiner ew’gen Pracht Dich schau’n , 
Und brennt mich auch Dein Strahlenkuss zur Asche ! — 
Da winkte Zeus, die ird’sche Hülle sank , 

Und Semele starb in dem Glanz des Gottes! 

William. Prinz! Prinz, bedenkt ! — 

Richard. Was soll ich denn bedenken ? 
Bedenkt der Strom sich, der durch Felsenklippen 
Zum Abgrund schmettert, wenn der wilde Sturz 
Der Wellen ihn allmächtig niederzieht ? — 

Bedenkt die Flamme sich , die ihren Gürtel 
Lautprasselnd um des Forstes Marken schlägt, 
Dass , je gewaltiger sie aufgelodert, 

Sie um so schneller ihre Kraft verzehrt ? — 
Für ein Jahrhundert reicht die Waldung aus, 
Wird Zweig für Zweig nur in die Gluth geworfen, 
Dir wär das recht du nüchternes Geschlecht ; 
Nicht so dem freygewordenen Elemente , 

Das lieber herrlich siegend untergeht 

Und gern zusammenbricht mit der Gewissheit ` 
Es habe eine grosse Nacht gelichtet , 

Und schaudernd seine Gegenwart durchbebt, 


[2 
328 ROSAMUNDE. 


William. Womit entschuld’gen wir den kühnen Schritt, 
Der in dies stille Heiligthum mich führte ? 
Womit, mein Prinz? 

Richard, Mit jener Allgewalt, 

Die zauberisch in unsre Herzen fasste , 

Und uns die Mauern überspringen hiess, 

Drey Tage sind es heut’, wir streiften einsam 
In lust’ger Jagd durch diese Tannenwälder , 
Die duft’gen Schatten rauschend niederstreuten. 
Es that das Herz sich auf in Freundesrede, 

Und manche schöne Träume träumten wir, 
Von künft’ger Kraft und künfl’ger Heldengrösse ; 
Wir gaben uns als treue Waffenbrüder 
Handschlag und Kuss für nahe Siegesthat , 

Mir wechselten die Schwerter, und der Geist 
Der alten Helden weht? in den Tannen, 

Und hob mit heil'gem Schauer unsre Brust. 

Mir war's um’s Herz, als hätt’ ein altes Lied, 
Von Heldengeistern nächtlich nachgesungen, 

Die kühne Seele ahndungsvoll bewegt, 

So weich war ich, und doch so stark, so muthig. 
Ich fühlt’ es hier, mir galt es grossen Kampf, 
Doch löwenherzig sollt' ich überwinden! 

William. Mein theurer Fürst! Es war ein schöner Tag! 

Richard. So ritten wir in stummer Unterredung — 
Denn unsre Blicke fanden sich und sprachen, wi 
Des Weges unbekümmert,, immer fort, 

Bis einer Mauer hochgethürmter Bau 

Den Rossen ihren schmalen Pfad begrenzte, — 
Noch starrten wir die kühnen Wände an, 

Und überlegten unsers Weges Richtung, 

Da klang ein Zauberton in unsre Seelen, 

Von dort herüber, der das tieftse Mark 

Mit einklangsvoller Seligkeit durchbebte, 

Die Pulse stockten mir, ich wagte nicht 

Des Athems leisen Wellenzug zu trinken 

Es wurde jede Nerve zum Gehör, 

Und wie zum Kusse öffnen sich die Lippen , 
Wollüstig von der liedbewegten Luft . 
Den Hauch der Silherstimme einzuathmen. 

Da schweigt das Lied, — hier tönt es ewig fort, — 
Und leise im Gespräche hören wir 

Zwey Wieberstimmen nach und nach verhallen ; 
Drauf wird es still, wir aber hängen träumend 

Auf unsern Rossen, und das Seelenauge 


EIN TRAUERSPIEL, 329 


Mahlt aus der Stimme Zauberharmonien 
Sich seiner Schönheit Räthselbild zusammen, 
Ich muss sie sehn, das ist mein höchster Wunsch ` — 
Was sag’ ich, Wunsch, wie schaal klingt das, wie kalt! 
Ich fühl's, es ist Bedingniss meines Lebens! — 
Wir sprengen pfeilschnell längs der Mauer hin, 
Biss wir zu einem hohen Schloss gelangen, — 
Recht finster war’s und nächtlich anzuschauen. 
Wir fordern Einlass, man verweigert ihn ; 
Kein Fremder, also sey des Herrn Gebot, 
Dürfe des Burggthors Schwellen überschreiten, 
Dreymal kommt uns der nämliche Bescheid, 
Wie wir auch dringend, nur auf wenig Stunden 
Für diese Nacht um Dach und Lager bitten: — 
So müssen wir in’s nächste Dorf zurück , 
Wo wir von tausend Wunderdinge hören : 
Von Zauherey und Merlins alter Kunst , 
Und all den Herrlichkeiten dieses Gartens. — 
Von ihr erfuhr ich nichts, und doch von ihr 
Nur wollt’ ich hören. Schon der früh’ste Morgen 
Trifft uns zu Pferd, und endlich finden wir, 
Was wir umsonst von gestern an gesucht. 
Ein Tannenstam, der seine schweren Aeste 
Hinüber an die Riesenmauer bog, 
Half uns die steile Felsenwand erklettern , 
Ein kühuer Schwung trägt uns von da hinab, 
Und eine Mauer schlingt nun ihre Arme 
Um die Geliebte und mein sehnend Herz. 
William. Um Gottes Willen, Prinz, da hör’ ich Tritte ! 
Man könnt’ uns überraschen! Schnell zurück 
In das Gebüsch , es hat uns bald verborgen, 
Richard. Jetzt folg’ ich Dir; doch ist's die Herrliche , 
Erkenn’ ich’ sie, der meine Pulse schlagen , 
So denke nicht mich thöricht aufzuhalten , 
Ich stürme vor, und ständ’ die ganze Welt 
Im Waffenschmuck gerüstet gegenüber , 
Und säh ich drohend tausend Schwerter blinken , 
Umsonst | ich muss zu ihren Füssen sinken! 
(Beide ab in's Gebüsch.) 





ZWEITER AUFTRITT. 


NESLE UND GEORG (aus dem Schlosse,) 


Nesle. Mein theuer Sohn ! so kehrst Du glücklich wieder, 


350 ROSAMUNDE, 


So bist Du wieder mein | — Nun, Gott sey Dank, 

Der mir vor meinem letzten Weg zum Grabe 

Noch dieses Blämchen Freude aufgespart! 

Ich hab’ Dich noch als einen schwachen Sprossen 

Iu eine kampfbewegte Zeit gepflanzt, 

Du ward.t durch Vatersorge nicht verwöhnt, 

Kein Weiter ging sturmlos an Dir vorüber , 

Ein freyer Morgen zog Dich muthig auf 

In Manneskraft als Stamm find’ ich Dich wieder. 

Du hast Dich selbst für's Leben ausgeprägt , 

Sey stolz, mein Sohn, Du warst Dein eigner Meister, 
Georg. Nicht so, mein Vater! Nur Dein grosses Muster 

Hat mich geführt durch dieser Tage Sturm, 

Auf Dich blickt’ ich , auf diese weisen Locken, 

Und hell uud glänzend strahlte mir der Weg. 
Nesle, In ruh'ger Stunde hör’ ich's freudig an, 

Wie sich Dein Herz gestählt im Zeitenkampfe ; 

Jetzt aber sag’ ich Dir mit schnellem Wort, 

Warum ich Dich zur Einsamkeit gefordert, 

Denn Deines Arms bedarf ich, Deiner Treue! — 

Du weisst, der König hält aus alter Zeit 

Noch grosse Stücke auf den alten ele 

Der noch in seines Vater Grafenhaus — 

Ihn manchen Abend auf dem Arm getragen 

Als junges Herrlein, ich war damals schon 

Ein kecker Degen und der Waffen kundig. 

Nun aber kennst Du unsern Helden Heinrich , 

Wie er in Ansehn steht in ganz Europa, 

Wie seine Britten ihn als Vater lieben, 

Und jeder Nachbar vor dem Mächt'gen zittert. 

Doch hat das Glück , das seinen Thron gebaut , 

Zugleich des Hauses Frieden untergraben. 

Du weisst’s, das Wohl von England zwang den Jüngling, 

Die freye Hand an jene Leonore 

Von Poitou zu vergeuden, von der Ludwig, 

Der Franken König, sich geschieden hatte , 

Ob ihres Lebens sittenlosem Wandel. 

Zwey Herzogthümer brachte sie ihm zu, 

Und wohl erkannte Heinrich diese Schätze , 

Die seinen Thron in England festgebaut , 

Und dankbar , trotz dem feindlichen Gemüthe 

Und tausend Bänken ihrer schwarzen Seele „ 

Blieb er ihr treu und hielt sie hoch und werth , 

Als Königin und Mutter seiner Kinder. 

Da traf sich’s einst dass er auf langer Jagd 


EIN 'TRAUERSPIEL. 5514 


Sich bey'm Lord Clifford Herberg suchen musste , 
Er hatte sich verrirrt. ! 
Georg, Lord Clifford ? 
Nesile. Ja! 
Der Lord hatt’ eine Tochter, — 

Georg, Rosamunden, 

Nesle. Du kennst sie? 

Georg. Noch aus früher Zeit, 

Nesle. . Der König 
Fühlte bey. ihrem Blick zum erstenmal, 

Es gäb’ noch etwas bessers als den Thron, 
Es gäbe Frauenschönheit , Frauenliebe ; 

Und es erwachte plötzlich ein Gefühl 

In seiner Seele, um so mächtiger; 

Da er des Jünglings Frühlingszeit verschlummert , 
Und mit dem Sommer erst znr Blüthe kam, 

Georg. Und Rosamunde ? 

Nesle, Der Lord Clifford kannte 

Den König nicht, auch war er einsam , nur 
Von mir begleitet in das Schloss gekommen., 
Acht Tage blieb er dort. — Dem holden Fräulein 
Gefiel des Helden männlich kühner Ernst, 
Nicht widerstand sie seiner süssen Rede, 
Er warb um sie, der Vater gab sein Wort, 
Und eilig gab ein Pater sie zusammen, 

Georg. Wie Vater ? er vergass Eleonoren ? 
Und Rosamunde ? 


Nesle. Träumte sich im Himmel , 
Georg. Doch Vater Clifford ? 
Nesle. Nach der Trauung erst 


Erfuhr er seines Eidams wahren Namen, 

Er fügte sich geduldig in den Zwang , 

Denn was geschehen , war nicht mehr zu ändern. 
Georg. Wie konnte König Heinrich , der Gerechte , 

Dem eignen Herzen solche That erlauben ? 
Nesle. Der Liebe erstes , glühendes Gefühl 

Liess jede and’re Rücksicht ihn vergessen, 
Georg. Doch Rosamunde ? wie erfuhr sie es ? 
Nesle. Ihr blieb des Gatten Grösse unbekannt, 

Als Graf Plantagenet nur kennt sie ihn, 

Und ist beglückt in ihren süssen Wahne, 

Ihr Vater starb. Die Furcht , dass Leonore , 

Wenn ibr das Bündniss nicht verborgen bliebe , 

Die Unbeschützte bald erreichen könnte, 

Rieth uns, dies abgelegne Schloss zu wählen, 


552 ROSAMUNDE. 


Wo ich der Wächter ihrer Freuden bin, 
Hier lebt sie, — 

Georg, Rosamunde ? 

Nesle, Ja, Und hier 
Geniesst der König jede frohe Stunde, 
Die er den Sorgen seines Thrones raubt, 
Ich werde alt. Die Kön’gin, ahndet mir , 
Wird Rosamundens Liebe hald entdecken , 
Drum rief ich Dich zu ihrer Sicherheit. 
Du sollst ihr Schützer seyn, wenn meine Augen 
Dem Tode ihre letzte Schuld bezahlen. 

Georg. Ich, Vater? — 

Nesle, Da, mein Sohn! Jetzt eil’ ich zu ihr, 
Auf Deine Gegenwart sie zu bereiten, 
Doch sieh, da wandelt sie den Gang herauf, 
Komm ihr entgegen, 


DRITTER AUFTRITT. 
VORIGE, ROSAMUNDE, SARA MIT DEN KINDERN, 


Nesle, Gräfin , meinen Sohn , 
Ihr habt’s erlaubt, eil’ ich , Euch vorzustellen, 
Rosamunde‘ Ich nenn’ Euch mir willkommmen , 
Und freu’ mich Eurer Gegenwart , die, wie 
Mir Euer Vater schon verrieth , auf lange 
Den Kreis der Freunde hier erweitern soll. 

Georg. Milady, es ist nicht das erstemal , 

Dass mir das Glück vergönnt, vor Euch zu stehn ; 
Doch nicht wie Vorwurf klinge dieses Wort , 

Das Euch mein Bild so ohne Spur verschwunden , 
Ein flüchiges Begegnen früh’rer Jahre 

Verwischt zu leicht des Augenblickes Glück. 

Rosamunde. Es sind mir wohlbekannte, liebe Züge, 
Sie sprechen mich aus alten Zeiten an, 

Wat Thr nicht unter Lord Pembrock's Gefolge ? 

Georg. So ist's, Milady. 

Rosamunde, O, nun kenn’ ich Euch. 
Oft sah ich Euch auf meines Vaters Schlosse , 
Und wohl erinnr’ ich mich des einen Tags, 

Als Ihr den ältern Bruder auf der Jagd 

Mit Wagniss Euer selbst gerettet. Ritter, 

Damals versprach die Jungfrau Euch den Dank, 

Das Weib soll jetzt-mit ihrer Freundschaft zahlen, 
Georg, Milady ! — Ihr erinnert Euch , — so gütig 


EIN TRAUERSPIEL. 355 


Gedenkt Ihr jenes kleinen Dienstes. Gott! — 
Wo sind die schönen , schönen Tage hin! 

Rosamunde Heut’ Abend find’ ich Euch, im Saale, Ritter , 
Wir wollen dort die schöne alte Zeit 
In friedlicher Erinnerung verjüngen, 

(Zu Nesle.) 
Mein Herr kommt heut’ nich’ mehr ? 

Nesle. Nein , gnäd’ge Frau. 
Nach seinem letzten Schreiben aus der Hauptstadt 
Erwart’ ich ihn vor Morgen Abends nicht, 

‚Rosamunde. Ich find’ Euch bey der Tafel. Sara nimm 
Dein kleinen mit in’s Schloss, ich folge bald. 

Der Abend ist so schön, und kommt er nicht, 
So mag ich hier am liebsten von ihm träumen. 
Auf Wiedersehn,, Herr Ritter ! 

(Alle ab, bis auf Rosamunde.) 





VIERTER AUFTRITT. 


ROSAMUNDE (allein.) 
Wir mir des Abends dämmernde Kühle 
Tief aus den Fichten entgegen rauscht, 
Wie jedes Herz seine dunkeln Gefühle 
Hier in des Abends dämmernder Kühle 
Lächelnd belauscht , 
Und wieder die Trämen vertauscht. 


Welch ein unendliches Hoffen und Sehnen 
Kommt mit der späten dämmernden Zeit. 
Rosa , was sollen Deine Thränen ? 
Rosa , verstehst Du dies Doten und Sehnen ? 
Ach, er ist weit! 
Fern in des Tages lärmendem Streit. 


Aber fühlt’ ich’s nicht sanft mich umwehen, 
Flüsternd wie mit freundlichem Gruss ? 
Soll ich das ahnende Beben verstehen ? 
Ja, ich erkenne dass Flüstern und Wehen, 
Das ist sein Kuss, 
Den mir die Damm’rung bringen muss ! 





FUNFTER AUFTRITT. 


ROSAMUNDE, RICHARD (den William vergebens zurückhalten will.) 
William, Mein Prina! um Gotteswilleu I 


354 ROSAMUNDE. 


Richard. Lass mich ! Lass mich ! 
Soll nicht des Schwertes Schärfe hier entscheiden | 
(Sich vor Rosamunden niederwerfend.) 
Verzeih’s dem Jünglinge, Du Göttliche , 
Dass er im wilder Sturme der Gefühle 
Vor Dir anbetend niedersinken muss ! 
Rosamunde. Ein fremder Ritter ? und zu meinen Füssen ? 
Was wollt Ihr hier ? 
Richard. Dich sehn , Geliebte ! Dich ! 
Nur Dich , nur Dich ! Was ish in meinem Herzen 
Als aller Schönhet Glanz und Urbild trug, 
Was ich nur in der Dichtkunst Reiche suchte ` 
Nur in der Barden schwärmendem Gesang, 
Es steht in heitrer Wahrheit vor mir da $ 
Dass Göttliche tritt siegend in mein Leben ! 
Rosamunde. Was wagt Ihr, kecker Jüngling ! 
Richard. Wagt ich? — Was ? 
Und wärs ein Leben | wie zur Ewigkeit 
Ein Menschenalter keine Stunde zählt, 
So zählt kein Preis, den Menschen bieten können, 
Für dieses Augenblickes Götterglück : 
Wo ich zu Deinen Füssen sinke, wo ich 
Des Herzens wild unbänd’gen Drang vor Dir 
Im Flammensturm der kühnsten Worte tauche. 
Rosamunde. Ist das die Rittersitte, die Euch so 
Tollkühn zu meinen Füssen wirft ? 
Richard. O wende 
Dein klares Antlitz nicht von mir, mir tagt 
Ein ganzer Himmel in den dunklen Auge. 
O, wende diese Sonnen nicht von mir F 
Die meines Lebens tiefste Nacht gelichtet! 
Rosamunde. Ziemt Euch die Sprache ? 
Richard, Lass das feige Volk 
Nach fein’rer Töne Kunst und Ausdruck haschen , 
Ein kühnes Herz gebraucht das kühne Wort, 
Ich fühl’ mich stark genug zu jeder Grossthat , 
Ein königliches Blut schwellt meine Adern a 
Und wie kein Muth mir fehlt und keine Kraft, 
So setz’ ich auch nur an den höchsten Preis 
Den zanzen Antstrom meiner höchsten Wünsche, 
Als Englands ‚erster Ritter will ich fechten, 
Doch muss auch meines Englands schönste Maid 
Dem Siegenden den Kranz der Myrthe flechten ? 
Rosamunde, Unbändiger ! Wer Du auch seyst, kein Wort mehr ! 
Mir ziemt es nicht ‚ und keiner Brittin ziemt's 


EIN TRAUERSPIEL. 553 


Die Raserey der tollsten Leidenschaft 

Aus Deinem Munde ferner anzuhören, 

Schnell wende Dich zur raschen Flucht, Du bist 
Verloren , wenn die Ritter Dich entdecken ; 
Hinweg, Tollkühner! und vergiss cs nie, 

Dass der Verwegne nur verächtlich werde, 


Der jede Sitte so zu Boden tritt! 
(Geht in's Schloss ab-) 


SECHSTER AUFTRITT. 
RICHARD, WILLIAM, 


Richard. Verächtlich , sagte sie, William ? verächtlich ! — 
Mir das! Mir, einem Königssohn ; und ich 
Stand hier, wie angefesselt, schlug wohl gar 
Die Augen nieder, — schlug die Augen nieder! 
Bin ich ein Kind ? — Verächtlich ! Tod und Hölle! 
Ein Königssohn , verächtlich und ich schwieg ? 
William. Prinz, jetzt nur schnelle Flucht, Sie war entrüstet, 
Sie schickt uns ihre Knechte nach. Bedenkt , 
Was ihr dem Königssohne schuldig seyd ! 
Richard. Der Königssohn stand wie ein Bube da 
Und schwieg! — Verächtlich ! Wars nicht so? Verächtlich ! 
William, Ihr wart auch gar zu kühn. 
Richard. Zu kühn? zu kühn? — 
Lag ich denn nicht zu ihren Füssen da? — 
Die Uebermüthige! ein Königssohn 
Sinkt ihr zu Füssen, und ihr gilt das nichts ? 
William. Das ist die erste Sprache aller Schönen. 
Kommt jetzt nur, kommt , ich höre Tritte, kommt ! 
Richard. Ein Königssohn sinkt betend ihr zu Füssen , 
Und sie verschmäht den Königssohn ! beym Himmel ! 
Der Stolz ist eine Königsliebe werth ! 
Mein muss sie seyn, ich will die Braut erwerben, 
Und sollt’ ich in dem Strahlenkusse sterben ! 
(Beyd ab») 


SIEBENTER AUFTRITT. 
(Zimmer im königlichen Schlosse zu London.) 
ELEONORE, ARBRMUND, 


Eleonore: Du hast mit eignen Augen ihn gesehn ? 
Armand, Wie ich Euch. vor mir sche, Königin. 


356 ROSAMUNDE, 


Eleonore. Allein ? 


Armand. Der alte John ritt ihm zur Seite. 

Eleonore, Also nach Woodstock ? 

Armand, . Geraden Wegs nach Woodstock, 
Eleonore. Und wenn war das? 

Armand. Am letzten Montag, 

Eleonore. Wie ? 


Erst heute bringst Du mir die Kundschaft, und 
So lange schon weisst Du um das Geheimniss ? 

Armand. Ich wollte sichre Nachricht, oder keine, 

Doch nur umsonst späht ich der Sache nach, 
Noch weiss ich nichts, als leere Fabeleyen , 
Wo mit das Volk sich trägt, von Wunderdingen 
Und zauberhaften Gärten. Merlin soll 

Dies Schloss in alter Zeit gegründet haben. 
Es darf Niemand hinein, -wie eine Insel 
Liegt's abgesondert von der Welt uud Menschen, 

Eleonore. War er verkleidet? 

Armand, Nur ein weisser Mantal 
Flog um die Achseln , er verstecke sich 
Tief in den Kragen, als er mich erblickte ; 

Ich aber ritt, als hätt’ ich nichts gesehn , 
An ihm vorbey mit unbefangner Miene. 

Eleonore. Der Treuvergessne ! Du erfuhrst noch nichts 
Von seiner Buhle? — Sprich, wie nennt sie sich ? 
Und ist sie jung und schön? So rede, rede! 

Soll ich um jeden Tropfen Gift noch betteln ? 

Armand, Noch nichts erfuhr ich, theure Königin, 
Was mich darüber in Gewissheit setzte, 

Vermuthung nur, — 

Eleonore. Vermuthung? O, Du kennst 
Die Welt sehr schlecht, wenn Du da noch vermuthest ! 
Ich weiss es schon gewiss; er brach die Treue, 
Mich flieht er längst, er weicht mir listig aus, 

Ich hab’ es wohl gefühlt, ich bin betrogen, 
Der Undankbare! Wo wär’ jetzt sein Thron, 
Wenn nicht mein Gold den wankenden begründet ? 

Armand. Ich hör ihn kommen, 

Eleonore. So entferne Dich. — 
Noch eins: Du musst sogleich auf neue Kundschaft. 
Ich will es wissen, wer die Königin 
Auf ifirem Thron zur Bettlerin gemacht, 

Und wenn ich's weiss — ja, wenn ich’s weiss! — doch still , 
Er kommt. — Nur Nachricht, Armand, sichre Nachricht. 
Du bist der Einz’ge, dem ich trauen mag. 


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EIN TRAUERSPIEL, 
Armand. Ich stehe treu bey meiner Königin, 
Sie soll zufrieden seyn mit ihrem Kuechte, 
geht ab.) 


ACHTER AUFTRITT. 
ELEONORE, HEINRICH (aus einer Seitenthär.) 


Heinrich. Gut, dass ich Euch gefunden, Königin. 
Ich suchte Euch. 

Eleonore. Ein Fall, der selten wird. 

Heinrich. An mir liegt nie die Schuld ; Ihr selbst 
Verscheucht mich oft durch Euren finstern Missmuth , 
Der Jahre lang schon jede heitre Stirn 
Aus Eurem Kreis verbannte, 

Eleonore. Jeder Baum 
Vergeht von selbst, wenn nur die Wurzel stirbt , 
Und keine Folge kenn’ ich ohne Anfang. 

Heinrich. Das Wort gilt mir, doch fühl’ ich mich ganz frey, 
Und nicht den Keim legt’ ich zu solchen Früchten, 
Eleonore. Der Boden, wo der Saame Wurzeln fasste, 
Kann doch den fleiss’gen Gärtner nicht verkennen, 

Heinrich. Was soll dies finstre Spiel verhasster Träume ? 
Mich führt ein wichtiger Geschäft hieher, 

Und zu beklagen hab’ ich mich. Die Kön’gin hat 
Dem Könige vier Prinzen zwar geboren , 

Doch für ein Vaterherz nur einen Sohn. 

Soll ich die meine Kinder nennen, die 

Nach jedem Vorwand mit Begierde greifen , 

Und meine gute Meynung zu verschmäh'n , 

Und ihres Königs Willen zu verhöhnen ? 
Heinrich ist stolz und brütet schwarze. Tücke , 
Richard ist offen zwar und heldenkräftig, 

Doch ganz unbändig reisst die Thatenlust 

Ihn über alle Grenzen des Gehorsams , 

Gottfried hat Heinrichs Stolz und Richards Leichtsion ; 
Johann allein der jüngste meiner Söhne, 

Ist auch der Kindesliebe nach mein Sohn, 

Eleonore. Wohl weiss, ich's Heinreich, was Euch so erzürnt. 

Versteckt Euch nur in schöngelernte Reden, 
Dass ich sie liebe, macht sie Euch verhasst ; 
Weil sie auch meine Kinder sind, sind sie 
Nicht Eure Kinder, 

Heinrich, Königin , darüber 


29 


358 ROSAMUNDE. 


Verlang’ ich keinen Aufschluss! wenn ich schweige, 
Kann Euch das Schweigen wohl willkommen seyn. 

Eleonore. O, stützt Euch nur auf meiner Jugend Leichtsinn , 
Ich läugn’ es nicht, nein, ich verberg’ es nicht, 
Ich habe meine Frühlingszeit genossen ; 

Soll ich den kargen mit der schönen Welt, 
Weil leere Staatsverhältnisse mich zwangen, 
Des abgelebten Königs Frau zu heissen ? 

Bey Gott, ich hiess er nur! — Ich lebte froh 
Kein Billiger wird mich darum verdammen , 
Ich lebte froh, doch ich verhehlt’ es nicht, 

Ich schlich mich nicht bey Nacht und Nebelgrauen 
Von meines Gatten Lager, nicht verkleidet 
Trieb ich mein Spiel, auf keinem festen Schloss 
Hielt ich es vor dem Blick der Welt verborgen. 
Was ich zu thun mich blöde nicht gescheut, 
Hab’ ich auch nie der Welt verstecken wollen, 

Heinrich (hey Seite.) 

Ha! wenn ich sie errathe, wenn sie wüsste ! 

Eleonore. Warum jetzt so gemässigt? warum jetzt? — 
Ihr standet ja so umbefangen da? — 

O meine Pflichten kenn’ ich, und gehorsam 
Leih’ ich mein Ohr dem strengen Richterspruche. 

Heinrich. Eleonor’, ich kenne Euch zu gut, um nicht 
In dieser Rede scharfgespitztem Pfeile 
Den Dolch zu sehn, der meiner Ruhe gilt; 

Doch nicht des Streites wegen bin ich da, 

Es ist ein Werk des Friedens, das ich suche. — 
Wie meiner Söhne Herz sich mir verschlossen , 
So liegt es offen vor der Mutter da: 

Drum bitt’ ich jetzt als Vater von der Mutter, 
Was König Heinrich seiner Königin 

Gebieten kann, Verloren ist das Land, 

Wo Zwietracht in den Königshallen lauert, 
Wie soll das Volk sich fügen und gehorchen , 
Wenn die, die ihm am nächsten sind im Leben, 
Des Königs hohe Majestät verschmähen ? 

Eleonore. Wer seines Glaubens Sätze frevelnd höhnt, 
Kann der noch Achtung fordern für die Launen, 
Die nur die Willkühr zu Gesetz geprägt ? 7 

Heinrich. Kön’gin, ich bitte keine Leidenschaft, 
Denn ich will ruhig bleiben. Achtung bitt’ ich, 
Wenn nicht dem Wunsch des Königs, wenigstens 
Des Augenblicks verdoppeltem Gewicht. 

Ermahnt die Prinzen zu der -heil'gen Pflicht, 


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EIN TRAUERSPIEL. 9 


Die sie verwegen zu vergessen scheinen, 

Erinnert laut die Erben meines Throns , 

Dass sie jetzt Bürger sind in meinem Staate , 

Dem ich nach langer Kämpfe Nebelzeit 

Des heitern Friedens lichten Tag versprochen, 

Und dass ich mein Versprechen halten werde, 

Und wär’ ein Opfer Noth verwandten Bluts! — 
Eleonore, ©, ich durchschaue Euch, ich weiss recht gut, 

Warum auf einmal diese armen Prinzen 

Verräther sind. — Mich lieben sie, das ist 

Ihr Staatsverbrechen,, weil sie ihre Mutter 

Nicht ungerügt beleid’gen lassen, König, 

Weil sie nicht leiden, dass Du mich verstöss’st , 

Und dann auf Englands freygewordnem Thron 

Die feile Dirne Deiner Lust zu heben! 
Heinrich. Eleonore ! (bey Seite.) Heinrich, zähme Dich ! 
Eleonore. Fasst Dich das Wort so stark? Errath’ ich Dich? 

Und Du schämst Dich in Deinem Königsmantel 

Solch armer heuchlerischer Ränke nicht ? 

Wirf Deine Larve weg, ich kenne Dich. 

Sag’ es nur frey: Mir gilt’s, es gilt mein Leben, 

Nichts ärg'res sagst Du, als ich von Dir denke. 
Heinrich. Schmähsüchtig Weib | Dass ich wahnsinnig wäre, 

Noch länger solche Kränkung zu ertragen ! 

Ihr wisst es, was ich von Euch wollte, Führt 

Die Frevler auf die Bahn der Pflicht zurück, 

Die sie in toller Raserey verloren, 

England und Frankreich hat mich handeln sehn. 

Europa nennt mich einen güt’gen König, 

O, lasst mich nicht ein strenger Vater seyn ! 

(Geht ab.) 





NEUNTER AUFTRITT. 
ELEONORE (allein.) 


Nun ist kein Zweifel mehr, ich bin verrathen ! 
Hau er sich schuldlos solcher That gefühlt, 

Er wäre nieht so felsenkalt geblieben , 

Es hätte meiner Rede gift'gen Hauch 

Des Herzens alten Jähzorn aufgedonnert ; 

Doch er blieb kalt, und ich, ich bin verrathen ! — 
Soll dieser Frevel ungeahndet bleiben ? 

Leg ich die Hände in den Schoos, wenn man 

Den Fackelbrand iu meine Zimmer schleudert ? — 


540 ROSAMUNDE., 


Nein! nein! beem Himmel , nein! das duld’ ich nicht | 
Ich nicht! Ich will noch kämpfen, denn ich kann’s ! 
Es kreisen fürchterliche Pläne längst 
In meines Herzens sturmbewegten Wellen , 
Der sicherste , der schnellste sey gewählt, 
Dann, Heinrich gilts, Du magst Dein Glück bewahren , 
Auch meiner Rache kommt ein günst’ger Tag, 
Und England soll es schaudernd dann erfahren , 
Was ein beleidigt Weiberherz vermag | (Geht ab.) 

(Der Vorhang fällt.) 





ZWEITER AUFZUG. 
(Ein Zimmer der Königin.) 


—— 


ERSTER AUFTRITT. 
ELEONORE, ARMAND. 


Eleonore. Hast Du die Prinzen vorbereitet, hast Du 

Die Stimmung ihrer Herzen ausgeforscht ? 

Was hoffst Du jetzt fūr mich und meine Pläne ? 
Armand. In wenig Augenblicken sind sie hier. 
Eleonore, Doch unbemerkt ? 

Armand. Dir bürge meine Klugheit. 

Prinz Heiarich fing begierig jeden Funken, 

Den ich in seines Herzens Zunder warf, 

Der Herzog von Bretagne folgt dem Bruder; 

Nur für den kühnen Richard ist mir bang. 

Er sah mich wild mit starrem Blicke an, 

Und sprach kein Wort, und als ich den Befehl 

Von Deiner Majestät ihm überbrachte , 

So winkt’ er mit den Augen nur zur Antwort. 
Eleonore. Mit schlimmer Bothschaft beugst Du meinen Muth, 

Nicht ohne ihn kann ich den Plan vollenden, 

Er ist die Seele jeder kühnen That, A 

Was hilft mir Heinrichs Stolz und Gottfrieds Leichtsinn , 

Wenn Richards Kraft mir fehlt, und Richards Geist ? 

(Ihm Briefe gebend.) 

Die Briefe da nach Frankreich, die nach Schottland , 

Und dies Paquet an Philipp Graf von Flandern. 
Armand. Dein königlicher Wille soll geschehn, — 

Da hör’ ich schon die Priuzen. Nun, der Himmel 


EIN TRAUERSPIEL. 341 


Geb’ Deiner Zunge Kraft zur Ueberredung , 
Und der gerechten Sache ihren Sieg! (geht ab.) 





ZWEITER AUFTRITT. 
ELEONORE, PRINZ HEINRICH, GOTTFRIED UND RICHARD, 


Eleonore. Seyd mir willkommen , meine theuern Söhne! 
Zur guten Stunde führe Euch das Schicksal , 
Uns allen blühe Glück aus dem Verein, 
Heinrich, Die Wünsche seiner königlichen Mutter 
Erfüllt Prinz Heinrich, und erwartet jetzt, 
Vor Dir erschienen , jener Räthsel Lösung , 
Mit welchen Armands dunkles Wort gespielt. 
Gottfried. Nach gleicher Fodrung und in gleicher Absicht 
Siehst Du auch mich , erhabne Mutter , hier, 
Um Deines Herzens Wünsche zu vernehmen. 
Richard. Du hast nach mir geschickt, hier bin ich, Mutter ; 
Doch nicht behagte mir der krumme Weg, 
Den man den Sohn zu seiner Mutter führte, 
Richard ist gern, wo’s offen geht und kühn; 
Soll etwas heimlich und verborgen bleiben , 
Zählt nicht auf mich. Ich hasse jede That , 
Die nicht den freyen Blick zur Sonne wendet , 
Der krumme Weg kann nie der meine seyn, 
Eleonore. Zollst Du so wenig Achtung Deiner Mutter, 
Dass Du ihr zutraust, was sie von Dir will, 
Sey mit der höchsten Ehre nicht vereinbar ? 
Richard. Wohl Deiner eignen Meynung darf ich trau’n, 
Doch kann ich diese Art, wie Deine Diener 
Nach der gemeinen Ansicht ihres Wesens 
Den Weg Dir bahnen, weder königlich, 
Noch Deiner Macht und unser würdig nennen, 
Was eine kleine Seele klug ersann ; 
Das mag für kleine Seelen schicklich heissen ; 
Ein starkes Herz geht blind die g’rade Strasse, 
Kann denn der Wurm in Staub berechnen wollen ! 
Wohin der Adler seinen Fittig trägt ? 
Eleonore Gerechte Sache will oft langsam reifen. 
Geheimnissvoll ist jede grosse That, 
So lang’ sie noch im Reiche der Gedanken 
Der Flügel unversuchte Schwingen prüft, 
Fühlt sie sich stark, die Wolken zu durchbrechen , 
So fährt sie furchtbar , gluhend,, wie der Blitz 
Mit einem Schlag vernichtend in das Leben! 


343 ROSAMUNDE. 


Heinrich. Nur räthselhafter werden Deine Worte! 
Gefall’ es meiner königlichen Mutter , 
In klarer Rede wolkenlosem Spiel 
Des Ilerzens tiefe Meynug zu entdecken, 
Von einem mächt’gen Anschlag ahndet mir , 
Als kätt’ ich längst schon jedes Wort vernommen , 
Das unbekannt Dir noch im Busen schläft. 

Eleonore. Ihr wisst es, Prinzen , wie ich Euch von jeher 
Mit mütterlicher Zärtlichkeit geliebt. 
Ihr seyd mein Stolz, mein Glück und meine Hoffnung. 
Euch will ich gross sehn in der Menschen Augen , 
Verherrlicht von den Glanz der britUschen Krone , 
Die ersten Helden einer grossen Zeit, 
Kann ich’s nun dulden, soll das Herz nicht bluten , 
Wenn ich verachtet an des Vaters Hof, 
Als Knaben die behandelt sehe , die 
Mit ihrer Thaten sternenhellem Ruhm 
Das Herz Europa's schon erfüllen könnten ? — 
Warum müsst Ihr in schlechter Jägerlust 
Der Jugend schöne Kraft verwelken lassen ? 
Er gönnt Euch nicht die schnellgeflochtnen Kränze , 
Er fürchtet Euern Muth und Euern Stolz, 
Er will, der Harte! nicht einmal die Söhne 
Zu Nebenbuhleru seines Ruhms. Das Volk 
Liebt Euch, Euch lieben die Barone. Ihr seyd 
Gefärhlich , wenn die Gegenwart erfährt, 
Welch eine Kraft in diesen Herzen schlummert, 
Darum erstickt er jeden Keim in Euch, 
Dass er allmählich nicht zum Baume wachse , 
Der seinen Königsthron beschatten kann, 
Er sinnt auf neue Künste, Euch noch mehr 
In des Gehorsams Fesseln einzudrängen, 
Ein jedes freye Wort wird ihm Verbrechen, 
Und jeder Heldentraum nährt den Verdacht. 
Wie oft hat er es Euch nicht zugesagt , 
Wenn Ihr mit rascher Bitte ihn bestürmtet : 
Er sollt ein Feld Euch öffnen , Eure Kraft, 
Wie sie dem Königssohn geziemt , zu prüfen, 
Wann hat er das gethan ? — So liess er Dich , 
Mein Heinrich , wohl zu Englands König salben, 
Doch keinen Theil hast Du am Regiment, 
Und eine leere Formel ist's geblieben. 
Richard heisst Graf von Poitou und Guienne , 
Fremd aber ist er in dem eignen Land, 
Und nirgends darf er herrschen und gebieten. 


EIN TRAUERSPIEL. 54 


So ist’s auch Dir, mein Sohn : Bretagne heisst 

Dein Herzogthum , doch hat ein Londner Bürger 
Mehr Ansehn dort im Lande, als Du, Herzog ! 

Er spielt mit Euch, er spielt mit Euren Wünschen , 
Ihr seyd der freche Spott der Kämmerlinge ! 

Und ich muss ruhig diese Schande sehn, 

Und muss die Söhne mir verachten lassen! 

Heinrich. Das solist Du nicht, bey Gott, das sollst Du nicht I 
Die Welt soll’s wissen , dass Heinrich der Dritte 
Dem Zweyten nicht an Muth und Grösse weicht! 

Richard, Verachten, sagtest Du, Mutter! verachten ? 
Das ist ein hartes fürchterliches Wort! — 

Verachten ! mich verachten! — O , mir klingt es 
Wie Fluch und wie Verdammuiss in den Ohren, 
(Er verliert sich ganz in Gedanken.) 

Gotifried. Du hast das Blut in unsrer Brust empört, 

Nach grossen Thaten schweifen unsre Geister. 

So leuchte mit den Flammen, die Dein Wort 

In unsrer Seelen stilles Dunkel warf, 

Uns auch voran, dass wir den Weg nicht fehlen ! — 

Eleonore. Was Eurer Güte unbezwinglich war, 

Dies strenge Herz wird Euer Ernst besiegen. 

Zeigt ihm, dass Ihr den Muth habt, viel zu wagen, 
Und gern gesteht er Euch das Kleine zu, 

Wenn Ihr das Grosse kühn erzwingen könntet, 

Er sinnt auf neue Pläne jetzt , er will 

Den letzten freyen Aufschwung Euch verwehren ; — 
Drum flieht nach Frankreich, König Ludwig 

Wird Euch mit offnen Armen gern empfangen. 
Philihp von Flandern , Theobald von Blois, 

Die Grafen von Boulogne und von Eu, 

Erwarten nur von Euch die ersten Schritte, 

Und ihre Macht vereint sich schnell mit Euch, 
Sogar der Schotten König will uns helfen. 

Es kostet Euch die einz’ge kühne That , 

Und Heinrichs Stolz beugt sich vor seinen Kindern. 

Gottfried. Und das ist Euer Rath ? Ihr Mutter, billigt, 
Dass wir den Krieg erklären unserm Vater, 

Wir, seine Söhne: zu dem Feinde fliehn ? 

Eleonore. Was soll ich’s nicht? — Eu’r Glück ist mir das Höchste, 
An ihn hat mich das Nothgesetz der Klugheit 
Herzlos zu seinem Vortheil nur verkauft, 

An Euch knüpft mich das Heiligste im Leben, 
Der Mutterliebe stürmisches Gefühl , 
In Eurem Siege leb’ ich, Eurer Freude ; 


d 


544 ROSAMUNDE. 


Er ist mir fremd , er hat mich nie geliebt, 
Euch will er schaden , jetzt ist er mein Feind, ` 
Und ihn verfolgen kann ich , und verachten. 
Heinrich. Du hast mein Herz getroffen, grosse Mutter , 
Ich fühle mich ergriffen und bewegt, 
Und grosse Pläne stürmen durch die Seele, 
Richard, was sagst Du jetzt? Du blickst so starr, 
Was denkst Du, Bruder ? 
Richard (wie erwachend,) Was? 
Heinrich. Nun , Deine Meynung ? 
Richard. Worüber? 
Heinrich. Hast Du’s denn verhört ? 
Richard, Ich dacht 
Was Bessers, 
Heinrich. Bessers? 
Eleonore, Richard ! 
Richard, Ja; beym Himmel | 
Drum sagt’s nur kurz, wovon die Rede war. 
Heinrich. Die Mutter räth uns, weil der Vater nicht 
Durch Güte sich bewegen lasse, uns, 
Wie sich’s geziemt, ein grosses Feld zu öffnen , 
Wo jeder seine Kraft bewähren kann, 
Ihn durch Gewalt, mit fränk’scher Heeresmacht 
Zu zwingen, das — 
Richard. Pfay über Dich , Empörer! 
Die Waffen tragen gegen Deinen König? 
Dem Vaterland im blutg’en Bürgerkrieg 
Die Greuel der Vergangenheit erneuern , 
Das willst Du, Heinrich? das kannst Du nur denken?! — 
Empörung, Knabe, kennst Du denn die Pest, 
Kennst Du den ganzen Jammer des Gedankens, 
Der mit dem Worte durch die Seele heult ? 
Empörung wider unsern Vater ! — Heinrich | Heinrich ! 
Das Wort kam nicht aus Deiner heitern Brust } 
Eleonore, Aus meiner kam’s. Was schmähst Du, stolzer Jüngling, 
Die grossen Pläne die Du nicht begreift? — ` 
Die engen Grenzen jener Pflichtgesetze , 
Die die Natur gemeinen Menschen schrieb, 
- Und wo sie rasch und glücklich sich bewegen, 
Sind eine zentnerschwere Fessellast , 
Für eines grossen Geistes Adlerschwingen. 
Des Ausserordentliche in dem Leben 
Hat keine Regel , keinen Zwang , es bringt 
Sich sein Gesetz und seine Tugend mit, 
Man darf es nicht mit ird’scher Wage messen , 


EIN TRAUERSPIEL, 


Man zäumt es nicht mit ird’schen Schranken ein. 
Richard. Dass lass’ ich gelten ‚Mutter, nur gestehe : 

Dass jedes grosse , herrliche Gemüth , 

Dem zwar nicht Regel noch Gesetz geschrieben , 

Doch eben , weil es gross und herrlich ist, 

Vor solchem Meineid , solcher That erröthet. 

Die freche Willkühr kann ich nie vergöttern , 

Die nur den grossen Bösewicht beweisst, 

Es steht der Held nur hoch über der Strafe , 

Weil er hoch stehn muss über aller Schuld ! 


— 


DRITTER AUFTRITT. 
VORIGE. ARMAND, 

Armand, Ein Ritter bringt den Brief an Eure Hoheit, 

Und drang in mich, ihn schnell za übergeben. 
‚Richard. Erlaubt mir Mutter Königin! 

(Ex lies’t, und verräth dabey den Aufruhr seiner Gefühle.) 

Eleonore. Was ist Dir? 

Es stürmt das Blut auf die erhitzten Wangen, 

Die Augen glühen. Richard, was ist Dir ? 
Heinrich. Bruder ! 


Richard, Lasst mich , lasst mich! Ich muss fort, fragt mich nicht, 


Ich muss, mit eignen Augen will ich’s sehen, 
Und soll dies Herz im Sturm zu Grunde gehen, 
d (Rasch ab.) 
Eleonore, Was jagt ihn fort in diesem Augenblicke, 
Wo eine Sache solcher Wichtigkeit 
Ihn unentbehrlich macht in unserm Kreise ? 
Armand. Da ist der Brief, der ihm im Zorn entfiel, 
Er wird das Räthsel lösen. ` 
Eleonore. Gebt ! — Von Southwell, 
(Lies’t.) 
« Mein Prinz! die Boten, die wir ausgesendet, sind 
a Zurück , sie melden , dass ein fremder Ritter 
«Fast täglich nach dem Schlosse traben soll, 
«Und dass die wunderschöne Jungfrau ihn 
«Vom Sëller aus mit Kuss und Gruss empfange. 
Am Eck des Waldes sind sie ihm begegnet , 
sEr ritt den wohlbekannten Weg, und jetzt 
eLiegt sie vielleicht ihm eben in den Armen! 
«Mein Prinz entscheide , ob ich handeln soll,» — 
Solch einem kind’schen Abenteuer opfert 
" Fr dieser Stunde wichtige Entscheidung, 
Der Unbesonnene ! Kommt , meine Söhne, 


546 ROSAMUNDE. 


Er soll uns nicht an dem Entschlusse hindern, 
Geht’s an die rasche That, so fehlt er nie, 

Doch taugt er schlecht, mit kaltverständ’gem Sinn 
Der.Möglichkeiten Folge und Gewicht , 

Nach richt’ger Ordnung glücklich abzuwägen, 

Zu solcher Klugheit sind wir mehr gewöhnt, 

Das wollen wir mit scharfem Witze fassen ; 
Doch gilt zuletzt der rasche Augenblick, 

Dann trau’ Sch ihm und seinem Heldenglück , 


Er hasst De er wird die That nicht hassen ! 
À (Alle ab.) 





VIERTER AUFTRITT. 
Der Schlossgarten von Woodstock, Es wird allmählig Nacht, 
NESLE UND GEORG 


(kommen von der Seite.) 


Nesle. Ja, Gottes Segen ruht auf Heinrichs Krone ! 
Du sahst ja selbst, als Du von Irland kamst, 
Wie sich Dein Vaterland mit Friedenskränzen 
Und Freudenblüthen jeder Art geschmückt, 
Nach jener Zeit der Willkühr und des Aufruhrs , 
Brach endlich dieser Stern Plantagenet 
Durch Englands lange Wetternebel durch, 
Er ist der Mächtigste jetzt in Europa, 
Halb Frankreich ist ihm unterthan , gib Acht, 
Das Schottenreich folgt auch noch seinem Scepter. 
Und welch ein König ist es, welch ein Mensch! 
So ruhig gross, so mild und doch so furchtbar 
In seines Zornes blitzender Gewalt. 
Auf diesen Armen trug ich ihn, Du weisst es, 
Drum ist mir oft zu Muthe, wie der Eule, 
Die wissenloss ein Adlerey gebrütet, 
Der kühne Fremdling nimmt den Weg zur Sonne, 
Ich will -ihm nach , doch schnell geblendet senk’ ich, 
Die nachtgewohnten Augen zuckend nieder, 
Indess mein Aar die goldnen Strahlen trinkt. 
Georg. Lass einen düstern Zweifel mich gestehn , 
Der Deines Helden Namen mir umnebelt: 
Wie konnte Heinrich’s offnes , grosses Herz 
So lange Rosamunden hintergehn, 
Und ihr Vertrau’n mit falscher Kunst betrügen ? 
Die Liebe , die in meiner Seele dämmert,, 
Dies treue, klare, selige Gefühl , 


EIN TRAUERSPIEL. 


Ich kann es nicht mit solcher List vereinen; 
Denn wo zwey Hände in einander fassen ‚“ 
Und wo harmonisch Herz zu Herzen klingt, 
Da denk? ich mir des Zutrau’ns heitern Himmel 
Von der Verstellung Wolken nicht getrübt, 
Nesle, O, manchen Kampf hab’ ich ihn kämpfen sehn 
Mit seines Wesens oner Herzlichkeit , 
Und mit der Sorge , das geliebte Weib 
Durch das gesprochne Wort tief zu betrüben: 
Doch selber rieth ich zur Verstellung ihm, 
Denn Rosamundens strenge Tugend kenn ich, 
Und müsste sie aus diesem schönen Traume , 
Zu diesem fürchterlichen Tag erwachen, 
Sie könnte ihrer Liebe nicht entsagen, 
Und in dem Kampfe bräch’ ihr edles Herz. 
Georg. Doch wie erklärt sie sich die Einsamkeit , 
Wo Heinrich seine Liebe klug gesichert ? 
Nesle. Die Rache eines reichen , bösen Oheims, 
Der ihrem Glück zuwider sey, so glaubt sie, 
Erlaubt dem Grafen nicht, sie in die Welt 
Zu führen, auch verachtet sie den Prunk , 
Und ist hier gern allein mit ihrer Sehnsucht. 
George. Doch ihre Diener ? 
Nesle. Keiner kennt den König, 
Und als Plantagenet gilt er im Schlosse, 
Du wirst nun selbst — 
George, Man kommt. 
Nesle. ’S ist Rosamunde, 


FUNFTER AUFTRITT. 


VORIGE, ROSAMUNDE MIT SARA, 
(Aus dem Schlosse.) 
Rosamunde. Wo bleibt mein Herr nur heute, lieber Nesle ? 
Mir ist recht bange. 
Nesle. Seyd ganz ausser Sorgen, 
Ihn hält gewiss ein wichtiges Geschäft, 
Sonst läg’ er lange schon in Euern Armen, 
Rosamunde. Es ist mir diesmal ungewöhnlich angst. 
Nesle. Wenn’s Euch beruhigt, reit’ ich ihm entgegen. 
Rosamunde. Thut das, mein guter Ritter, Ich bin ruhig, 
Sobald ich ihn in Eurer Nähe glaube, 
Der Wald ist gar so einsam , und er kommt 
Zu oft allein, 


% 


- Se 
pr "9 
348 i ROSAMUNDE. 
Nesle. Seyd unbesorgt , ich reite. 


Rosamunde, Ihr seyd so gut! Dank , tausend Dank, mein Vater! 


r nenn’ ich Euch am liebsten so, 

inen in die Gruft getragen. 

Jater , sagt, wie dank’ ich Euch ? — 

yd so lieb, so mild, für Euch sich mühen , 
hieni sigfücklichen Gefühl. 

verdienen. (Ab,) 









ROSAMUNDE (nach einer Pause.) 
Ihr seht mich so mit tiefer Wehmuth an, 
Ihr spottet nicht des leicht hesorgten Weibes, 
Gewiss , Ihr fühlt es auch. Ihr kennt es auch, 
Dies ängstliche , dies schmerzenvolle Glück , 
Um ein geliebtes Leben sich zu sorgen, 
Mit wachsender Empörung der Gefühle 
Der Möglichkeiten scharfgezogne Grenze, 
Im Sturme der Gedanken zu vergessen, 
Und aus dem heitern Tag der Phantasie 
Die Schattenseite marternd vorzusuchen. 
Nicht wahr, Ihr fühlt es? S 
Georg. Ja, bey Gott, Mylady ! 
Ihr habt in meine tiefste Brust gesehn ; 
Ich sorge mich um ein verehrtes Leben, 
Noch liegt ein heitrer Himmel über ihm, 
Doch zweifelnd such’ ich mir am Horizont 
Die kleinsten Wölkchen auf, und messe sie 
Und jede droht mir mit dem nächsten Sturm, 
Zur Wetternacht verderblich anzuwachsen , 
Und ausgelassen auf ein theures Haupt 
Seh’ ich der Willkühr zügellose Bo:hsit. kb, 


Rosamunde. So ist mir's auch, — Wie man doch schnell sich findet , 


Wo ein Gefühl zwey Herzen schlagen lässt. 

Nur weinig Worte haben wir gewechselt, 

Erst kurze Stunde fanden uns vereint, 

Und doch seyd Ihr mir wie ein alter Freund, 
Und recht vom Herzen kommt und geht die Rede. 
Ihr müsst recht lange , lange bey uns bleiben. 
Hört Ihr? recht lange. 





‚Georg. ‚ Gräfin , 


EIN TRAUERSPIEL. 549 


Zu Eurem Glück ein kleines beyzutragen. 
Jetzt lasst mich meinem Vater nach, ich bin 
Besorgt , er ist vielleicht allein geritten. 
Rosamunde, So eilt, Herr Ritter, und bringt gute Bothschaft, » 
GEORG (geht ab.) 





SIEBENTER AUFTRITT. 
ROSAMUNDE, SARA 


Rosamunde. Ich bin so ängstlich, seit sich gestern Abends 
Der tolle Jüngling mir zu Füssen warf. 
Ob ich den Vorfall meinem Herm erzähle? — 
Doch nein, er wäre gleich zu viel besorgt. 
Froh soll er, heiter soll er seyn bey mir, 
Des rohen Tages Lärm und Last vergessen , 
An meinem Herzen laure keine Sorge 
Auf meines Heinrichs grosses edles Herz, — 
Noch immer kommt er nicht, O , liebe Sara, 
Geh’ auf den Söller, sag’ mir, was Du siehst , 
Hörst Du, mein gutes Mädchen ? 
Sara, Gern, Du Holde! 
(Geht ab.) 


— 


ACHTER AUFTRITT. 
ROSAMUNDE (sllein.) 


Wo bleibst Du, Heinrich ? — Meine Arme strecken 
Sich liebevoll nach Dir in leerer Luft, 

Das Auge, das nur Deine Züge sucht, 

Kehrt weinend aus der düstern Dämmrung wieder, 
Und nur vergebens rufen meine Lieder. — 

Was bist Du für ein räthselhaft Gefühl , 
Duszitternde Erwartung naher Freude, 

Gern mit dem Tode mag ich Dich vergleichen. 

Es gilt nur wen’ge Stunden schweren Kampfes , 
Noch einmal will die Erde hart gebieten, 

Doch Muth gefasst, der Himmel ist nicht weit, 
Und aus des ird’schen Lebens rauhen Tönen, 

Frey von den kleinen Sorgen dieser Zeit, 

Schwingt sich die Seele in das Reich des Schönen, 
Wo alle Schmerzen liebend sich versöhnen, — 

Ja! Muth gefasst, der Himmel ist nicht weit! — 


50 


350 ROSAMUNDE. 


Wie eine Sonnenwende träum’ ich jetzt, 

Das matte Auge weinend zugeschlossen , 

In tiefer Nacht, allein mit meiner Sehnsucht ! 

Doch bald geht an dem Himmel meiner Liebe 

Der Mörgenröthe Ahndungsstrahl vorüber , 

Und wie es glühend dort im Osten graut, 

Und ihre letzte Thräne niederthaut, 

Kommt Sammend schon der Bräutigam gegangen , 

Der Gott umarmt die heitre Strahlenbraut, 

Und küsst ihr sanft die Thränen von den Wangen! 

Jetzt kommtiger ‚jetzt, ich fühl’s, er ist mir nah, 

Mit jedem. Pulsschlag weicht der Lüfte Wehen, 

Mit jedem Hufschlag weiht des Bodens Raum, 

Und immer wärmer fühl’ ich seine Küsse , 

Die mir der Lüfte Bücht’ger Wellenschlag 

Als Bothen seiner Sehnsucht zugesendet, — 

Er kommt, er kommt, da fällt die Brücke nieder, 

Es klirrt das Schloss, er ist's, ich hab’ ihn wieder! 
(Sie fliegt ihm entgegen.) 


> 
NEUNTER AUFTRITT. 
ROSAMUNDE, HEINRICH, 


Rosamunde. Mein Heinrich ! 
Heinrich. Rosamunde ! 


Rosamunde. Kommst Du endlich ! 


Drey lange Tage warst Du wieder fern. 
Wird dieser Wechsel sich denn niemals enden ? 
Drey lange Tage I 

Heinrich. Jede Stunde lag 
Mit dumpfer Qual in fürchterlicher Ruhe 
Wie eine Ewigkeit auf meiner Brust, 

O, könnt’ ich’s ändern ! 

Rosamunde. Still, vergiss das jetzt! 

Jetzt bist Du hier , jetzt halt’ ich Dich umschlungen, 
Lass Deine Sorgen in der lauten Welt‘, 

Bring’ sie nicht mit in diesen heitern Frieden, 

Wo nur die Blume weint im Morgenthaue, 

Und Menschenaugen nur die Freude nässt, 

Heinrich. Mag nie das Schicksal diesen Himmel trüben ; 
Dort fürcht’ ich nichts, dort mag das Leben stürmen, 
Ich stehe fest, ich fühle meine Kraft! 

Nicht unbewaffnet zieht der Mann zum Kampfe, 
Der treue ‚Panzer schützt die kühne Brust ; 


ef 


EIN TRAUERSPIEL, 551 
Doch in des Friedens unbewachten Tagen , 
Wo dünne Seide nur die Brust bedeckt, 
Sucht leicht der Dolch sich seinen Weg zum Herzen , 
Und tückisch lauernd bricht das Unglück los, 
Nur hier, nur hier den Frieden, England tobe, 
Und jeden Greu’l verstatte die Natur, 
Und jede Schandthat dränge sich zur Sonne, 

Nur hier den Frieden, draussen steh’ ich fest! 
Rosamunde. Die Kinder haben viel von Dir geplaudert, 
Mich macht das gar so glücklich, wenn die Kleinen 

Mir auf den Armen Deinen Namen lallen , 

Und nach dem Vater fragen, ob er nicht 

Bald wieder komme und mit ihnen spiele. 

’S sind gar zu liebe Kinder. — Richard rief, 

So oft die Thüre schlug: sda kommt der Vater! $ 

Er bringt ein Schwert für mich , er hat’s versprochen!» 
Heinrich. Der Knabe wird ein wackrer Degen werden , 

Ich hoffe mir von seinem Muthe viel. 
Rosamunde. Du bist heut nicht so heiter als gewöhnlich ? 

Sonst sind die Falten gleich von Deiner Stirne 

Wenn Deine Rosamunde Dich empfängt , 

Doch heut gelingt’s mir nicht. Was ist Dir, Lieber ? 
Heinrich. Nichts von Bedeutung. Diese düstre Zeit 

Lässt ja kein Herz in ungestörtem Frieden. 
Rosamunde. Heut ist es mehr als das. O sag’ es mir, 

Dies Recht des Weibes darf ich von Dir forden , 

Da mir das Glück das schönere missgönnt : 

Des- Tages Mühen treu mit Dir zu tragen, 

Ich darf es fordern: Sieh, Du ziehst hinaus, 

Und schlimme Stunden stürmen auf Dein Leben, 

Du stehst allein mit Deinem grossen Herzen, 

Und hältst den Sturm mit Mäunerkühnheit aus: 

Doch wär’ mein Platz auch in dem Kampf bey Dir, 

Dort sollt’ ich seyn, und nicht im müss’gen Frieden 

Die ruh’gen Stunden lächelnd hier vertändeln , 

Wenn mein Gemahl mit List und Zwietracht ringt, 

Sieh jene Eiche , die dem Wetter trotzt, 

Und himmelwärts die mächt’gen Zweige sendet, 

Sie traut auf ihrer Wurzeln alte Kraft, 

Und darf ihr trau’n; doch sieh, da rankt der Epheu 

Mit zarten Armen sich an ihr hinan, 

Und will den Stamm fest an die Erde knüpfen, 

Lass ihm die Freude, wenn er glücklich träumt, 

Die Eiche stche fester in dem Sturme, 

Weil er mit treuer Liebe sie umschlingt , 


352, ROSAMUNDE. 


Lass ihm die Freuds. 
Heinrich. Aber wenn der Sturm 
Der Wurzeln Treue aus der Erde reisst, 
Und ihre Zweige knickt und Donnerkeile 
Des alten Stammes kühne Brust zerschmettern ? 
Rosamunde. So welkt der Epheu und stirbt mit der Eiche ; 
Denn fester schlang er sich um ihren Stamm, 
Als seine Wurzeln an das Leben fussten, 
Heinrich. Darf ich es denn der Welt nie Jaut bekennen, 
Welch eine Seele mich so innig liebt ? 
Rosamunde. Nun, Deinen Kummer ? 
Heinrich. Sieh, ich kam vom Hofe, 
Die Zwyetracht sah ich an des Königs Throne , 
Sah ihn verkannt von seinen liebsten Freunden, 
Das that mir weh. Was hilft's dem armen Heinrich , 
Das England ihn den güt'gen König heisst ? 
Dass die Barone friedlich ihm gehorchen, 
Dass Irland unterjocht ist, und Europa 
Ihn einen grossen Helden nennen mag ? 
Unglücklich ist der arme König, an 
Ein Weib geschmiedet, das er tief verachtet, 
Von seiner Söhne Arglist überzeugt , 
Die stets gerüstet sind, ihn zu verrathen. — 
Wo ist das Glück, das er viellicht verdient ? 
Ja, er verdiente wohl ein bessres Schicksal, 
Sein warmer Eifer für des Landes Wohl , 
Für seiner Unterthanen Heil und Frieden , 
Sein heiss Gefühl für jede gute That, 
Sein reger Wille, überall zu helfen, 
Wenn er auch manchmal, wenn er oft gefehlt, 
Ja, das verdiente wohl ein bessres Schicksal, 
So aber soll er jeden Tropfen Freude 
Sich wie ein Dieb erschleichen,, soll sein Glück 
Das er der Stunde flüchtig rauben muss, — 
"S ist nur ein Schatten — jedem Blick verbergen. 
Sein Wort hat seine Bürger frey gemacht , 
Er aber blieb der Sclave seiner Krone, 
Ein glänzend Opfer für das Vaterland. 
Rosamunde. O, wie bedaure ich den guten König! 
Heinrich. Bey Gott, nicht unwerth ist er dieser Thräne, 
Rosamunde. Du bist ihm wohl von Herzen zugethan , 
Nicht: wahr ? 
Heinrich, Mich rüht sein tiefverborgnes Unglück , 
Das seine Wehmuth oft verrathen lässt. 
Rosamunde, Ich denke mir's ein fürchterlich Gefühl , 


EIN TRAUERSPIEL. 355 


An eine Seele sich geschmiedet wissen, 

Die man nicht lieben und nicht achten kann, 

Vielleicht in einem andern warmen Herzen 

Die gleichgestimmte Melodie zu ahnden , 

Und durch der Kirche unauflöslich Band 

Gezwungen seyn, die Ahndung zu vergessen. — 

Die Tugend ist so freundlich sonst, so mild, 

Doch denk’ ich mir sie schaudernd wenn sie grausam 

Sich zwischen ird’sche Pfiicht und Liebe drängt, 

Ein heilig Band der Scelen zu zerreissen, 

Weil das Gesetz der Menschen es verdammt. 

Wie dank’ ich Dir, Du grosser ew’ger Vater, 

Dass Du mich freysprachst solcher höchsten Qual, 

Wo alle Herzen jammernd sich verbluten, 
Heinrich. O meine Rosamunde! (Fr reisst sie krampfhaft an sich.) 
Rosamunde. Gott, wast hast Du ? 
Heinrich. O schlinge Deine Arme fest um mich , 

Mich packt ein ungeheurer Schauder an, 

An Deiner Brust nur schlägt mein Leben wieder, 





ZEHNTER AUFTRITT. 
VORIGE. RICHARD, WILLIAM. 


Richard. Ha! Teufel! — William , lass mich , las mich los , 
Nicht so soll er den Himmel mir entwenden, 
Und mit dem Schwert nur soll dies Spiel sich enden ! 

(stürzt vor.) 

Verführer , ziehe! . 

Rosamunde. Himmel! welche Stimme ? 

Heinrich. Verrätherey ! — Ich seh’ ein blinkend Schwert, 
In meinen Arm, Geliebte, Dich beschütz’ ich , 
Und ständ’ die Welt in Waffen gegen mich ! 

Richard. So stirb | (Sie fechten.) 

Rosamunde, Ha! Hülfe! Hülfe! 

Heinrich. Meuchelmöder ! 
Nicht werth bist Du durch diesen Arm zu fallen, 


_—— 


EILFTER AUFTRITT. 
VORIGE, NESLE, GEORG UND BEDIENTE, 
(Mit Fackeln und blossen Schwertern aus dem Schloss,) 


Georg. Wat gibt es? 
Richard. Blosse Schwerter | Mutbig Southwell 


55 ROSAMUNDE. 


Nesle. Verräthery ! 
(Er eilt mit der Fackel dazwischen , so dass Richard und Heinrich stark 
beleuchtet werden.) 


Richard, Gerechter Gott! mein Vater! 

Nesle. Prinz Richard! 

Heinrich. Rasender ! 

Richard. Ich bin verloren ! 

William, Der König! 

Heinrich. Kennst Du mich ? 

Rosamunde. Du, König Heinrich ? 


Barmherz’ger Himmel‘! 
(Sie sinkt zusammen A 


Georg. Rosamunde | (Hält sie auf.) 
Nesle. Gott | 

Sie stirbt | 
Heinrich O, Rosamunde ! Rosamunde ! 


Das ist Dein Werk, Verruchter! Fliehe ! fliehe, 

Dass Deines Königs Zorn Dich nicht zermalmt ! 
William. Kommt theurer Prinz! 
Richard. Ihr sollt von Richard hören ! 

(Ab.) 

Nesle, Unglückliche, dein schöner Traum ist aus, 

Und Du erwachst verzweifelnd in der Wahrheit, 

(Der Vorbang fällt während der Gruppe,) 


D 





DRITTER AUFZUG. 


(Ein ganz einfaches Zimmer.) 


ERSTER AUFTRITT. 
ARMAND, (steht am Eingange.) WILLIAM (tritt aus der Seitenthüre,) 


William, Gleich ist er hier! — Die Antwort war die erste , 
Seit gestern Abends, 

Armand. Was ist vorgefallen, 
Das diese Heldenseele so ergriff? 

William, Des Herrn Geheimniss muss ich Euch verschweigen, 
Wenn nicht der Prinz das Siegel selber löst, 
So viel entdeck’ ich : keine bessre Stunde 
Für Euere Pläne schlug die Schicksalsglocke, 
Fasst seines Geistes freye Zügel schnell, 


EIN TRAUERSPIEL. 355 


Eh’ seine sichre Faust sie wieder aufgreift,, 

Ihr könnt ihn leäken , lenk’t ihn gut und ehrlich, 
Armand, Ich folge meiner Königin Befehle 
Willium, Er kommt! 


—_— 


ZWEITER AUFTRITT. 
VORIGE. RICHARD, 


Armand. In dieser Hütte , edler Prinz, 

Muss ich verborgen Englands Hoffnung suchen ? 

Weit jete mit Dir gekommen, Albion , 

Wenn Deine Prinzen nicht frey athmen dürfen , 
Richard. Was bringst Du mir ? 

Armand. Die Kön’gin Mutter sendet 
Mit diesem Briefe mich und den Befehl , 

Dem Helden Richard , nicht dem Königsknaben , 

Der vor des Vaters Ruthe läuft, was sie 

Dem todten Blatte nieht vertrauen wollte , 

Mit kühnem Worte in das Herz zu donnern, 
Richard. Gar stolzen Tous bedient sich meine Mutter. 
Armand. Der Augenblick entschuldige das Wort. 
Richard. Wohlan, wenn Ihr den Königsknaben sucht, 

In dieser Hütte sucht Ihr ihn vergebens; 

Richard , der Held, steht vor Euch! 

Armand. F Heil uns , Prinz ! 
Der Löwe ist erwacht in Eurem Herzen, 

Richard. Was will die Königin ? $ 

Armand, Verrathen ward 
Dem König die geheime Unterredung , 

Von der der Liebe rasche Wuth Euch trieb. 

Nun war das einz'ge Heil noch in der Flucht. 

Heinrich und Gotifried haben sich gerettet , 

Sie sind nach Frankreich, Euch verfolgt man auch, 

Und lange bleibt Ihr hier nicht sicher ; nur 

Zwey Wege gibt's: Ergebung heisst der eine, 

Er führt zum Kerker , führt vielleicht zum Tod. 

Der andre heisst — 

Richard. Empörung ? 

Armand. Nothwehr, Prinz, 
Zeigt Euch der Welt als diesen Heldenjüngling , 
Für den des Volkes Liebe flammend spricht, 
Ergreift die Waffen, und beschützt ein Leben , 

Das Euch nicht, das dem Vaterland gehört. 

Von Euch erwartet England mächt’ge Thaten 

Und seiner Vorzeit Heldengrösse wieder ; 


556 ROSAMUNDE, 


Betrügt den Glauben Eures Volkes nicht, 
Betrügt die Nachwelt nicht nm Euer Beyspiel ,* 
Das seiner Zukunft göttlich leuchten soll, 
Richard. O, spare Deine Worte , Deinen Witz, 
Des Aufrurhs pesterfülltes Schlangenhaupt 
Mit falschen Lorbeerkränzen aufzuschmüken, 
Denkst Du, ich sey ein Kind, liese mich 
Mit buntem Spielwerk fangen, dass ich schnell 
Und lächelnd noch den bittern Becher leerte ? 
Armsel’ger Thor ! Glaub mir, ich bin ein Mann, 
Ich fühl’s in jedem Pulsschlag, jeder Nerve. 
Die eine Nacht, die fürchterliche Nacht 
Hat aus dem Knaben sich den Mann geschmiedet , 
Bey Gott, das Schicksal schwang den Hammer gut! — 
Sag’s grad’ heraus, was wollt Ihr? 
Armand. König Ludwig 
Mit vielen fränk’schen Fürsten und Baronen , 
Der Schotten König, die von Blois und Flandern , 
Sind einen Schutz- und Trutz- Bund eingegangen, 
Den König seines Thrones zu entsetzen, 
Prinz Heinrich soll in England Herrscher seyn ; 
Die beyden Prinzen, Eure Brüder, haben 
Die Akte gestern Abends unterschrieben , 
Nur Eure Schrift fehlt; doch die Fürsten wollen, — 
Solch grosse Kraft vertrau'n sie Euerm Arm, — 
Nichts ohne Euch die Kriegesfackel schleudern, 
Drum gilt es Euern Federzug, und England 
Wird von vier Seiten siegend angefallen , 
Ihr seyd gerächt, und Euer Vater fällt. 
Richard. Der Plan ward jenseits unsers Meers gezeugt , 
Solch Teufelsanschlag trägt kein britt'scher Boden, 
Armand. Entschliesst Euch, Prinz! Das Schiff liegt segelfertig , 
Das Euch nach Friedensufern tragen soll. 
Das Volk in Eurer Grafschaft Poitou 
Und in dem Land Guienne sollt Ihr führen; 
Es ist ein harter Stand, doch Euerm Schwert 
Und Euerm Glück vertrau'n die Bundesglieder, 
Sey Heinrich doppelt auch so stark als Ihr, 
Entschliesst Euch, 
Richard. Was die Hölle doch beredt ist! 
Armand. Wollt Ihr zurück? Nein, vorwärts, vorwärts, Richard , 
Dort ist der Sieg, dort ist das Recht, 
Richard. Das Recht? — 
Warum nicht gar die Ehre | — Armer Schwätzer ! 
Mit Deiner Zunge siegst Du nicht, Du siegst 


EIN TRAUERSPIEL. 357 


Durch dieser Stunde dringende Gewalt. 
Gib mir die Schrift, 
Armand (bey seite.) 
Gottlob , er unterschreibt ! 
Richard, Mit diesem Zug verpfänd’ ich meine Ehre, 
Mit diesem Zug verkauf’ ich mein Gewissen, 
Aufrührer werd’ ich gegen meinen König , 
Verbrecher werd’ ich an dem Vaterlande 
Und frommer Liebe heiligstes Gesetz, 
Die Kindespflicht, ich trete sie mit Füssen , 
Und doch, — ich muss! — Die Welt wird mich verdammen, 
Doch jede andre Seele ruf’ ich auf, 
Sie stelle sich in dieses Kampfes Wüthen 
Und greife sich in's Herz, — sie unterschreibt. 
Nein! kein Gedanke wiss’ es, was ich leide, 
Ich kann nicht rückwärts, vorwärts ist die Schuld, 
Ist das Verbrechen, vorwärts ist die Schande, 
Doch ich kann nicht zurück, Mich jagt das Schicksal , 
Mein Stern ging unter , der mich aufrecht hielt , 
Und tückisch stürzt die Nacht mich in den Abgrund ! 
Muth, Richard , Muth , es ist ein rascher Zug, 
Er endet schnell dies Schwanken deiner Seele , 
Den Weg zum Himmel sucht der Wandrer schwer, 
Doch eine grade Strasse führt zur Hölle ! 
(Er unterschreibt.) 
Es ist geschehn ! — Nun, Armand , ich bin Euer. 
Ihr habt mich ganz. Es war kein kleiner Sieg, 
Schon fühl’ ich’s hier, hier brennt der Hölle Feuer! 
Der Sohu erklärt dem eignen Vater Krieg, 
Empörung , rase schwarzes Ungeheuer , 
Das blutig aus dem Höllenpfuhle stieg ! 
In Flammen geht das Vaterland verloren, 
Zu jeder Greuelthat bin ich erkohren, _ 
(Afle Ab.) 


` 


— 


DRITTER AUFTRITT. 


(Zimmer im königlichen Schlosse.) 
KÖNIG HEINRICH, dann JOHANN. 


Heinrich. Wo find’ ich Ruhe ? Rastlos treibt die Angst 
Um Rosamunde mich durch meine Säle, 
Ohnmächtig lag sie noch , als mich der Bothe 
Des Kanzlers in den Sturm des Lebens rief, 
O nicht mein Herz nur wogt im Drang der Schmerzen , 


358 ROSAMUNDE., 


Das ist dem harten Schicksal nicht genug; 
Nein , auch des Aufruhrs gift’gen Saamen weckt es, 
Mein Volk und meine Krone ist bedroht, 
Ich bin als Mensch gleich elend wie als König. 

Johann (ist eingetreten.) 
Was is Dir, guter Vater ? bist so traurig, — 
Hörst Du mich nicht? Was ist Dir? Lass mich's wissen. 
Hab’ ich veilleicht unwissend Dich beleidigt ? 
Straf’ mich. Zwar wüsst’ ich nicht, warum, doch gern 
Will ich die unverdiente Strafe leiden, 
Wenn ich Dich nur recht heiter schen kann, — 
Du schweigst, und blickst so starr ? — O, sei nicht bös, 
Ich kann Dich nicht betrübt, nicht traurig sehn, 
Mein guter Vater ? 


Heinrich. Ach, bist Du’s, Johann ? 
Nicht wahr, Du bist mir treu ? — 
Johann. Du kannst mich fragen ! 


O, lass mich nur erst grösser werden , Vater , 
Dann legst Du Deiner Sorgen ganze Last 
Auf diese treue Brust , ich trag’ sie willig. 
Warum darf ich jetzt noch nich für Dich kämpfen , 
Ich würfe allen meinen Handschuh hin, 
Die meinen guten Vater kränken können, 
Heinrich. Vor solchen Kampf bewahre Dich der Himmel ! 
Johann. Iältst Du mich nicht für Deinen würd’gen Sohn, 
Warum willst Du Dich meines Schwertes schämen $ 
O, meine Brüder , wie Ihr glücklich seyd ! 
Ihr steht schon in der Kraft der Jugendfülle 
Als tücht’ge Säulen an des Vaters Thron, 
Und ich muss noch in namenloser Kindheit , 
Den Kampf der Zeit vorüberrauschen schen! 
Heinreich, Nenn’ Deine Brüder nicht! Schon wurd’ ich heiter, 
Doch der Verräther Namen packt mein Herz, 
Und wirft mich in die alte Nacht dès Zornes } 
Johann. Was ist Dir, Vater? 
Heinrich. Fort mit Dir! fort, fort, 
Du bist ja auch ihr Sohn, bist Richards Bruder , 
Fort mit Dir, Schlange! Diese Natternbrut 
` Soll mir nicht länger in dem Herzen nisten ! 
Johann. O, Vater , Du bist hart ! 
Heinrich. Könnt’ ich's nur seyn, 
$o recht mit voller, frecher Strenge seyn, 
Ich stände nicht so einsam auf dem Throne , 
Es hätte meine Härte sich erobert, 
Was meine Liebe leichten Spiels verloren, 


EIN TRAUERSPIEL., 559 


Doch noch ist's Zeit, Bis jetzt war ich nur Vater 
Zu meinen Söhnen, ich will König seyn, 
Und will das Herz, das weiche , mit dem Reif ` 
Der Königskrone umbarmherzig zwingen , 
Dass es den warmen Lebensschlag verlernt I 
Johann, Was hab’ ich Dir gethan ? O, sey nicht grausam! 
Wenn meine Brüder, wenn Dich Richard kränkte , 
. Was kann Dein armes Kind dafür? Ich liebe 
Dich ja so herzlich , Dich so warm, so innig, 
Mein Leben ist mir theurer nicht als Du, 
O, sey nicht grausam, Vater, sey nicht hart, 
Ich hab’ es nicht verdient , sey gütig, Vater ! 
Heinrich. Du armer Knabe ! hab’ ich Dich gekränkt ? 
Du weinst? Johann , sey ruhig, ich bin gut, 
Ich habe Dich verkannt, Was Deine Brüder 
Verrätherisch an mir verbrochen haben, 
Bey Gott, Du sollst nicht büssen ihre Schuld, 
Ich weis, Dein Herz ist frey von solchem Frevel, 
Mich überlief des Zornes wilde Gluth. 
Ich kenne Dich, Johann, sey ruhig , Sohn , 
Du bist der Einzige in diesen Mauern, 
Dem ich vertrauen darf, Der König Heinrich 
Nennt wohl das Herz des Vaterlandes seyn , 
Doch fremd ist er im Herzen seiner Kinder — 
Was nenn’ ich sie noch meine ? Nein, 
Sie sind es nicht, sie sind es nie gewesen! 
Nur Du, Johann, nur Du , Du bist mein Sohn, 
Mein einziger, mein guter lieber Sohn | 
Johann. Das hin ich , Vater , doch die Brüder sind's 
Ja auch. Sie sind gewiss nicht gar so schlimm, 
Wie man Dir’s vorstellt, "e sind ja Deine Kinder, 
Heinrich. "8 sind ihre Kinder auch, 
Johann. Der Mutter freylich , 
Und sehr in Gnaden stehen sie bey ihr, 
. Viel mehr als ich, mich mag sie gar nicht Vater, 
Heinrich, Daran erkenn’ ich sie; denn wer mich liebt, 
Dem war sie immer feindlich abgewendet. 
Johann. Zürnst Du auch auf die Mutter ? 
Heinrich. Lass das, Knabe, 
Und grüble nicht, wo Räthsel heilsam sind, — 
Wenn man Dir böse Mähr von ihr berichtet , 
Sohn , glaub’ sie nicht , die Welt ist falsch und hart, 
Erhalte Dir den Glauben an die Mutter, 
Der Mensch ist ein verloruer Ball des Lebens, 
Der an der Eltern Tugend zweifeln muss, 


360 ROSAMUNDE. 


Und willenlos mit frecher Prüfungshand , 
Der Liebe Altar umstösst in dem Herzen, 





VIERTER AUFTRITT. 
VORIGE, `HUMPHY BORUN, 


Bohun. Mein grosser König, stähle Deine Brust 
Mit Deines Muthes Kraft und Heldengrösse , 

Denn einen Dolch stösst meine schlimme Botschaft 
Nach dem Vertrauen Deines grossen Herzens , 
Und meiner Rede giftgerauchter Pfeil 

Dringt Dir mit bittern Schmerzen in die Seele. 

Heinrich. Was bringst Du mir , sonst Bote meiner Siege , 
Dass Du an Deines Herren Kraft verzagst, 

Gilt’s auch der Erde ganze Qual zu tragen ? 

Bohun. Verrätherey in aller Schuld des Worts: 
Nicht am Gesetz allein, dem menschlichen ; 

Ein Frevel ist gescheh’n an der Natur ! 

Heinrich. Zur Sache , Humphry! 

Bohun. Deine Söhne sind 
Nach Frankreich , sind hinüber zu dem Feinde , 
Was hier nur dumpf aus ihren Mienen sprach , 
Im Donner der Empörung zn vollenden. 

Heinrich. Geflüchtet zu den Feinden ? 

Johann. Meine Brüder? 

Bohun, Zum fürchterlichen Bunde fest vereint 
Auf Schutz und Trutz mit Ludwig Valois, 

Den Grafen von Boulogne und von Flandern , 
Heinrich von Eu und Theobald von Blois, 

Und Schottlands treuvergessnem König Wilhelm, 
Erklären Deine Söhne Dir den Krieg. 

Die Lords von Lester und von Chester flohen 

Mit den Verräthern, und von allen Seiten 
Bedroht der Zwietracht Furie Dein Land, 

Heinrich. Brich nicht, mein Herz, in solchem Prüfungssturme! 
Auch Richard , Humphry? 


Bohun. Auch Prinz Richard. 

Johann. ' Gott ! 
Und ich hatt’ ihn so lieb, 

Bohun. Man hat zuletz ! 


Verdächt'ge Briefe glücklich aufgefangen , 
Die uns den ganzen Höllenplan verrathen. 
Hier sind sie, König ! 
Heinrich. Gott! — Von Leonoren ! — 


EIN TRAUERSPIEL. 61 

Bohun, Die Grafen von Boulogne und von Flandern 

Gehn auf die nördlichen Provinzen los, 

Indess Ludwig Verneuil belagern will, 

Und die Bretons in’ Waffen sich erheben. 

Zugleich fällt Lester mit gekauften Flandren 

In Suffolk ein, die schwierigen Baronne 

Durch Glück und Beyspiel zur Empörung fodernd , 

Und Wilhelm dringt mit achzigtausend Mann 

Nach Deines Landes unbewachtem Herzen. 

So ist ihr Plan, und grosse Kämpfe braucht's, 

Dies Werk der Hölle siegend zu zerstören. 

Jetzt, Heinrich, gilt’s, jetzt zeige Dich als König. 
Heinrich. Glainville soll dem Schottenheer entgegen, 

Das treue Volk der nördlichen Provinzen 

Läuft ungerufen seinen Fahnen zu, 

Ich kenne sie. Du, Humphry , gehst nach Suffolk , 

Ich traue Deiner oftgeprüften Klugheit, 

Kein Heer’ hab’ ich für Dich, Du musst es schaffen , 

Doch bau’ ich auf mein edles Albion, 

Nicht wie die Söhne wird es mich verrathen. 

Ich selbst will rasch hinüber, wo der Feind 

Am stärksten ist und die Gefahr am grössten. 

Ich will doch sehn, wie weit die Menschheit frevelt, 

Ob sie es wagen, im Entscheidungskarhpf 

Den vatermörderischen Stahl zu schwingen. 

Lass sechszehn Bothen satteln , meinen Aufruf 

An meine Britten durch das Land zu tragen. 

Ruf Glainville jetzt und den Lord Maire zu mir, 

Dann rasch nach Suffolk. Ich erwarte Dich 

Als Feldherr für die Sache Deines Königs 

Nach tücht'gem Kampf und schnellem Sieg zurück, 

Um Deine Treue würdig zu belohnen. 
Bohun. Du kennst mich, Herr! Die Hochverräther sollen 

Mich kennen lernen, und beym grossen Gott! 

Nicht eher rastet dieses gute Schwert, 

Bis ich Dir Lesters Haupt zu Füssen lege! (Ab.) 


FUNFTER AUFTRITT. 
HEINRICH, JOHANN, 
Johann. O, lass mich mit nach Frankreich, guter Vater, 


Wem treulos meine ehrvergessnen Brüder 
Die Schwerter führen können gegen Dich , 


51 


562 ROSAMUNDE. 


So wird doch Gott mir und das heil'ge Recht 

Die Kraft verleihn, dass ich es für Dich führe, 
Heinrich. Du wackrer Knabe! 
Johann, Sieh, sonst heisst es einst: 

Die Söhne Heinrichs waren Hochverräther , 

Und unbekannt mit meinem reinen Herzen , 

Schreibt die Geschichte mich zu ihrer Schuld. 
Heinrich, Die Zukunft wird Dir nicht die That versagen, 

Die Deiner Nachwelt Deine Unschuld preisst ; 

Jetzt aber bist Du noch zu schwach , ich muss 

Den einz’gen guten Zweig aus meinem Stamme 

Sorgfältig hüten vor dem blinden Sturme , 

Der mir vielleicht die letzte Hoffnung knickt. 
Johann, Wo soll ich aber bleiben? Bey der Mutter ? 

Ich kann’s nicht, Vater, kann die bittern Worte 

Nicht überhören,, ohne dass das Herz 

Sich gegen sie empöre, Nimm mich mit Dir. 

Wenn ich hier bleibe , lern’ ich sie verachten, 
Heinrich. ©, nimmer lass’ ich dich in diesem Kreise. 

Ich bringe Dich an einen sichern Ort, 

Bereitet Dich, wir reiten noch vor Abend, 
Johann. Sieh mich gehorchen, Doch lass mich gestehn : 

Am liebsten möcht’ ich Dir zur Seite stehn , 

Und an des Helden Beyspiel es erkennen, 

Warum die Menschen Dich der Grosse nennen ! 

O, Vater, Vater, dürft’ ich mit Dir gehn! (An) ` 

KL 


— 


SECHSTER AUFTRITT. 
HEINRICH (allein.) 


Wie stehst Du jetzt so kahl, so blätterlos, 

Du stolzer Baum, der England überschattet, 
Sieh, deine Zweige, die du froh gerühmt , 

Sie brechen treulos in dem Sturm der Tage, 

Und Wolken tauchen auf am Horizont, 

Und tragen tief in ihrem Nebelherzen 

Den Donnerkeil, der dich zerschmettern soll. — 
Doch Muth, der Stamm lebt noch, es ist der alte, 
Der kampfgewöhnte sieggeübte Stamm, 

Der manchen Aequinoctien getrotzt, 

Und mit der Wurzel hundertfachen Armen 

Noch stark und mächtig in die Erde greift, 

Die Zweige mögen brechen , mag der Sturm ` 
Den Schmuck der Blätter von den Aesten reissen , 


e 
Eu 


EIN TRAUERSPIEL. 


Und Frucht und Blüthe frevelhaft zerstreu’n ; 
Des Lebens ewig junge Heldenkrag 

Belebt des alten Stammes starke Fasern , 

Der neue Frühling treibt den neuen Keim, 
Und neue Blätter kommen, neue Zweige, 
Die bald als Aeste muthig sich erheben. 
Vergänglich sind die Schrecknisse der Nacht, 
Doch ewig ist der Segen, ist das Leben, 

Die schützend um die Heldeneiche schweben, 
Und sie blüht auf in ihrer alten Pracht | 





SIEBENTER AUFTRITT. 


HEINRICH, ELEONORE 


Eleonore. Ich komme, mich mit Nachdruck zu beklagen. 
Beleidigt fühl’ ich mich, und schwer gekränkt, 
‘s Eier Bothe, den ich nach Paris gesendet, 
“Ward aufgegriffen und in Haft gebracht. 
Ich fordre ihn zurück, so wie die Briefe , 
Die ich dem König, meinem Vetter schrieb. 
Heinrich. Hier liegen sie. 
Eleonore. Erbrochen ? 
Heinrich. Und gelesen I 
Eleonore. Sie sind’s! — Hat Königs Mäjestät vielleicht 
Gedacht, ich würde sie verläugnen,, würde 
Für falsch und für erlogen sie erklären, 
Und es beschwören , keinen Theil 
Dau: ich au meiner Söhne rüst’gem Aufllug ? 
Nein, Heinrich, nein , so feig bin ich noch nicht, 
Dass mich des Augenblicks treulose Wendung 
Zu solcher schlechten Lüge bringen sollte, 
Ich sag’ es laut: ich hasse Dich, ich freue 
Mich an der Söhne grossem Riesenplan , 
Du magst mich jetzt verfolgen , magst mich tödten, 
Die volle Rache, die Dich ewig drückt, 
. Ist gar zu süss und jedes Opfers würdig! 
Heinrich. O, triumphire nicht zu früh; hier steht 
Die Klippe fest, wo Deine Hoffnung scheitert: 
Ich bin der Alte noch, an meine Fahnen 
Hat sieg der Sieg gewöhnt, er bleibt mir treu, 
Und Gottes Zorn kämpft gegen meine Feinde 
Eleonore. Und Du? stehst Du denn aller Sühne frey 
Auf Deinem Throne? reicht die Hand des Rächers 
Nicht bis zum goldnen Reife viner Macht ? 


964 ROSAMUNDE, 


Meineidiger | — Träumst Du Dir, ungestraft 
Bleib’ ein Vergehn am heiliggten Gesetze, 
Bleibe der Treubruch an dem schwachen Weibe, 
Die Deinem Herzen, Deinen Schwüren traute , 
Und sich von Dir in buhlerischen Armen 
Vergessen findet und verachtet sieht ? . 
Auch solchem Meineid droht ein Donnerkeil, e 
Und niederschmetternd DI er auf Dein Haupt! 

Heinrich, Mit freyen Blicken tret’ ich ihm entgegen, 
Denn kein Verbrechen nenn’ ich’s, kann ich’s nennen , 
Der Wahsinn nur verdammt mein menschlich Herz. 
Ich gab Dir meine Hand, Eleonore , 
Für Englands Wohl und Englands Ruhe bracht’ ich 
Mein häuslich Glück zum grossen Opfer dar; 
Ich that’s als König. Was Du von dem König 
Verlangen kannst , hab’ ich Dir nie verweigert: 
Den Glanz der Krone hast Du stets getheilt, 
Als Königin verehrte Dich mein England, 
Das Vaterland bezahlte seine Schuld, 
Denn nur das Vaterland war Dir verpfändet; 
Dem Manne Heinrich warst Du immer fremd, 
Und was der geben konnte, Lieb’ und Treue, 
Das war ja mit der Krone nicht verkauft, 
Ich durft’ es Dir, und will Dir's ewig weigern, 
Sprich, hab’ ich je den Anstand frech verletzt, 
Wie Du wohl einst? denn meines Namens Ehre 
War Dir verfallen als Dein Eigenthum. 
Ich hab’ mein stilles Glück mir still genossen, 
Was ich mir vorbehielt als Mann und Mensch, 
Das durft’ ich frey und lebensfroh verschenken, 
Und keiner wird mich tadeln , der mich kennt, 
Sollt’ ich des Lebens ganze Lust entbehren , 
Weil ich für einen Thron geboren bin ? 
Wer Tausende, sich opfernd, soll beglücken , 
Verliert das Recht nicht an das eigne Glück. 
Als König bin ich Dir stets treu gewesen, 
Wär ich als Mensch Dir treu, ich wäre treulos 
An eines Herzens heiligstem Gefühl, 
Das seine Seligkeit auch mir versprochen ! 

Eleonore. Wie sich die Schlange dreht in glatten Worten, 
Und doch in jeder Sylbe liegt das Gift. 
O, schmück’ Dich nur mit solchen Lorbeerkronen , 
Und nenn’ es noch erlaubt, und nenn’s verdienstlich , 
Und spiele frech den Tugendhelden : Heinrich , 
Die Welt soll doch am Ende Dic® erkennen, 


EIN TRAUERSPIEL. 


Und Dich verdammen, Ich entlarve Dich! 
Heinrich. Mir fehlt die Zeit, auf Eure gift’gen Worte 

Die gift’ge Antwort zielend abzudrücken , 

Denn es erwartet mich ein ernster Kampf, 

Wo ich die Keime schnell zertreten werde, 

Die Eure Tücke aus dem Schlaf gelockt, 

Ihr seyd des Hochverrathes überwiesen, 

Doch gar zu sehr nur muss ich Euch verachten, 

Um als Verbrecherin Euch zu bestrafen. 

Tch lasse Euch zurück , nach eigner Willkühr 

Will ich erlauben, sich das Schloss zu wählen, 

Wo man als Kön’gin Euch behandelnd wird ; 

Doch jeden Eurer Schritte werd’ ich wissen, 

Drum warn ich sehr vor neuem Hochverrath, 

Damit nieht England Euern Tod verlange, > 

Ihr sollt jedwede Siegesnachricht schnell 

Durch meiner Bothen ffücht’gen Ruf erfahren , 

Denn keine grösse Qual kenn’ ich für Euch , 

Als wenn Plantagenet schnell überwindet , 

Und der verhängnissvolle Tag der Schlacht 

Den Hochverrath in seinen Fesseln findet, 

Und seinen Thron im Blut der Söhne gründet, 

Und Gottes Engel über England wacht! (Ab.) 


— 


ACHTER AUFTRITT. 


ELEONORE (allein.) 
Und wenn Plantagenet stolz überwindet, 
Und der verhängnissvolle Tag der Schlacht 
Yır ganzes Heer in seinen Fesseln findet, 
Und seines Thron im Blut der Söhne gründet, 
Er hat ein grässlich Ende nicht bedacht, — 
Das Recht kann schlummern , doch die Rache wacht ! (Ab.) 





NEUNTER AUFTRITT. 
(Garten von Woodstock.) 
NESLE (aus dem Schloss) GEORG (von der Seite.) 
Georg. Wie geht's mit Rosamunden ? 
Nesle. Wunderbar 
Und heilig ist der Schmerz des holden Weibes ; 
Er spricht sich nicht in wilden Thränen aus, 
Die unaufhaltsam aus den Augen stürzen , 
Nicht lautes Klagen macht den Jammer kund , 


366 ROSAMUNDE. 


Zn gross für Worte ist ihr Schmierz, Sie winkte, 
Wir sollten uns entfernen , Sara blicb , 

Und musste drauf die Kinder zu ihr führen. 

Nach einer Stunde , die mich ängstlich drückte, 
Trieb’s mich in’s Zimmer, Gott, wie fand ich sie ! 
Sprachlos, das Auge starr auf ihre Kinder, 

Sass sie in zitternder Ergebung da, 

Wie eine Heilige , so ernst , so mild , 

In schmerzlicher Entzückung anzuschauen, 

Mich sah sie nicht, auch nicht die Kinder sah sie, 
Wohl hing der Blick erschöpft an ihren Zügen, 
Doch nicht der Stern des Auges trug ihr Bild, 

So blieb sie starr und ruhig bis zum Morgen , 
Die Kinder schliefen sanft auf ihrem Schoosse , 
Sie aber sass ein steinern Bildniss da, 

Der Busen nur flog stürmisch auf und nieder, 
Und zeugte laut von ihres Herzens Kampf. 

Als endlich aus des Morgens Nebelschoosse 

Der neue Tag sich klar und heiter wand, 

Da streckte sie auf einmal ihre Arme 

Wie im Gebete still der Sonne zu, 

Sank auf die Kniee , drückte ihre Kinder, 

Die rasch erwacht, die Aermchen um sie schlangen,, 
Mit einem langen Kusse an das Herz, 

Und rief dann sanft zu uns: sbringt sie zu Bette » 
Ich trug die Kinder, Sara folgte mir. 

Bey unsrer Rückkehr fanden wir die Thüre 
Verschlossen, und durchs Fenster sahn wir jetzt 
Das holde Weib auf ihren Knieen liegen, 

Und der verklärte Schmerz der wunden Brust 
Schien sich in stille Thränen aufzulösen, 

"Georg. Und jetzt? 

Nesle. Sie sehnt sich nach Erholung , 
Und will den Garten ungestört durchwandeln. 

So eben rief sie Saren sanft in’s Zimmer. 
Sie scheint gefasst und wundermild zu seyn, 
Ihr stilles Dulden will das Herz mir brechen, 

Georg. Da hör’ ich Sara’s Stimme. 

Nesle. Ja sie sind’s, 
Gehn wir durch das Gehölz in’s Schloss zurück 
Mir ahnet immer, Heinrich bleibt nich lange, 
In jedem Augenblick erwart’ ich ihn. (Beyde ab.) 


Kei . 


EIN TRAUERSPIEL. 367 


ZEHNTER AUFTRITT. 
ROSAMUNDE, SARBA, 


Rosamunde. Lass mich hier ausruhn, liebes Mädchen. So! 
Sara. Wird Dir nicht leichter unter freyem Himmel ? 
Rosomunde. Ja, gute Sara. Meines Zimmers Wände 
Sie schauen mich so starr , so finster an, 
Und das Gebälke drückt die bange Seele, 
Hier ist's so leicht , kein schlimmer Zwang 
Begrenzt die Sehnsucht des entzückten Auges, 
Weit in die blaue Ferne senkt es sich. 
Hin über jenem luft’gen Spiel der Wolken, 
Die flüchtig durch den Sternentempel ziehn , 
Schwingt sich der Geist in schöner Freyheit auf, 
Der Erde Zwang, der Erde Leid vergessend. 
Sara. Sieh, wie Sommer freundlich Abschied nimmt, 
Der Astern spätes, glänzendes Geschlecht 
Bringt uns im bunten Wechsel seine Grüsse , 
Und in der Malve, die dort blühend steht, 
rkenn’ ich froh des Herbstes klare Nähe, 
Rosamunde. Bin ich denn fremd geworden hier in Woodstock ? 
Es ist mein alter Garten nicht, das sind 
Die Blumen nicht , die ich mir selbst erzogen, 
Das sin die guten, treuen Eichen nicht, 
Die oft in heitrer Stunde mich umrauschten. 
Sara. Verkennst Du Deine alten Freunde , Rosa ? 
Ist die Erinn’rung ganz in Dir verwelkt ? 
Rosamunde. Siehst Du die Rose ? ’s war mein Lieblingsstock , 
Ich hab’ ihn alle Tage selbst begossn , 
Heut könnt’ ich’s nicht — da hängt er schon die Blütben 
Und welkt} die Sonne trifft ihn hart, 


Sara, Der Gärtner 
Soll ihn sogleich — 
Rosamnnde. O , lass ihn, gute Sara, 


Es ist doch gar zu süss, so still verwelken , 

Gönn’ ihm den schönen Tod, eh’ ihm der Winter 
Mit strenger Hand den Schmuck herunter reisst. 
Noch einmal sieht die Rose dort die Sonne , 

Dan knickt sie um, der Blätterkranz entfällt, 

Und sanft entführt der West den Duft der Liebe! — 
Auch ich muss ihn noch einmal sehn ; ich weiss es, 
Nicht lange überleb’ ich diese Stunde , 

Wo ich ihn sehe, doch ich muss ihn sehn, — 
Verdammen kann ich diese Liebe nie, 

Ich kann ihr nicht entsagen , sie nicht tödten, 


368 ROSAMUNDE. 


Sie ist unsterblich wie mein himmlisch Theil. 

Ich habe ihn geliebt, ich werd’ ihn lieben, 

Denn keinen Tod gibt's für das Ewige ; 

Doch wie der milde, leuchtende Smaragd d 

Im goldnen Reif sich graut vor jeder Falschheit, 

Dass er zersplittert an des Frevlers Hand, 

So ist ein Herz voll klarer heil’ger Liebe , 

Es muss nach kurzem Kampfe seufzend brechen, 

Wenn bleiche Schuld es giftig angehaucht, 
Sara. Doch wissenlos kannst Du nicht strafbar seyn, 
Rosamunde. Jetzt, da ich’s weiss, geziemt mir auch die Busse, 
Sara. So willst Du denn auf ewig von ihm scheiden ? 
Rosamunde. Auf ewig, Sara? nein, dort bin ich sein. 

Die Erde nur trennt die verwandten Herzen, 

Jenseit des Grabes bin ich wieder sein. 

Dem Leben will ich meine Schuld bezahlen 

Rein trägt der Tod mich zu den reinen Den, 
Sara. Da hör’ ich Heinrichs Stimme, 
Rosamunde. Gott, er ist's! 

Fasse dich, Herz, es gilt den letzten Kampf. 

Noch diesen Schmerz, und ich hab’ überwunden, 

Ruf’ mir die Kinder. 
Sara. O , Dich stärke Gott ! 
Rosamunde. Er lächelt sanft, er ist mit mir zufrieden, 
Sara. (geht ab.) 


— 


EILFTER AUFTRITT. 
ROSAMUNDE, NESLE, DANN HEINRICH UND JOHANN. 


Nesle. Der König kommt. Fasst Euch geliebte Gräfin. 
Der jüngste Prinz begleitet ihn. Fasst Euch! 
Und brecht ihm nicht das Herz mit Euern Thränen, 
Rosamunde. Seyd unbesorgt, ich fühle Muth und Kraft, 
Den bittern Kelch der Leiden rasch zu leeren. 
Nesle. Da kommt der König. 
Heinrich. (tritt auf.) Rosamunde ! Gott! 
Du bist sehr krank, 

Rosamunde, Nicht doch, mein theurer König. 
Schwach bin ich freylich, doch, es gibt sich bald. 
Henrich. Ich bringe Dir den jüngsten meiner Söhne. 

Du wirst ihn nicht verachten , Rosamunde , 
Du wirst dem Mutterlosen Freundin seyn, 
Bey Gott, er ist nicht unwerth Deiner Liebe, 
Rosamunde, Seyd mir willkommen, Prinz ! 


EIN TRAUERSPIEL. 569 


Heinrich. Er bleibt bey Dir, 
Rosamunde. Um so willkommner ist er meinem Herzen, 
Johann, Ihr müsst mir gut seyn, schöne blasse Frau, 
Ich lieb’ Euch schon mit meinem ersten Blick ; 
Verdienen will ich’s wohl, seyd mir nur gut. 
Nesle. Kommt, junger Herr, Ihr seyd vom Ritt erschöpft , 
Ihr mögt Euch oben pflegen. Kommt. 
Johann, Gern , Ritter. 
Leb’ wohl, Du schöne, blasse Frau, leb’ wohl. 
Mir war recht mild in deiner lieben Nähe, 
Rosamunde. Gott segne Euch | 
Johann. Dank für das gute Wort ! 
Es soll auch nicht auf schlechten Boden fallen, ` 
(Geht mit Nesle ah.) 


ZWÖLFTER AUFTRITT. 
HEINRICH, ROSAMUNDE, (Lange Pause) 


Heinrich. O, meine Rosamunde ! 
(Er nähert sich ihr, ergreift ihre Hand, und zieht sie näher.) 
Rosamunde. Herr und König, 
Macht mich nicht weich , ich wollte ruhig seyn. 
Ich muss es seyn, 
Heinrich. Kannst Du vergeben Rosa! 
Rosamunde. Dass Ihr mich’ hintergingt? O, lasst das König! 
Ich kann den Schlaftrunk nicht verdammen, der mich 
Solch bangen Schmerz so sanft verschlummern liess. 
O, hätt’ ich erst im Grab erwachen müssen | 
Heinrich. Und liebst Du Deinen Heinrich wie zuvor P 
Rosamunde. Ich liebe Dich, wie ich Dich immer liebte. 
Heinrich. So stehe nicht so fern, so ruhig da, 
Ich strecke meine Arme Dir entgegen , 
Komm an dies treue, angstgequälte Herz, 
Und heile meinen Schmerz mit Deinen Küssen, 
Rosamunde. Verlang’ es nicht! — Nein ! — lass uns recht besonnen 
Der letzten Rede letzten Wechsel tauschen, 
Heinrich. So weisst Du schon , dass treulos meine Söhne 
Sich wider mich empört, dass ich hinüber 
Nach Frankreich muss, die freche Gluth zu dämpfen, 
Und dass ich Abschied nehmen will ? 
Rosamunde, Was hör’ ich ! 
Dir droht Gefahr ? Du willst nach Frankreich ? Gott! 
Heinrich, Im wilden Aufruhr toben meine Kinder, 
Mein schändlich Weib hat sie zum Fall gehetzt, 


370 ROSAMUNDE. 


Johann nur ist mir treu , drum bracht’ ich ihn 

In meines Nesle’s kluge Obhut, draussen 

Ist er nicht sicher vor der Mutter Beyspiel , 

Und leicht tränk er aus ihren Händen Gift, 

Rosamunde. England in Aufruhr gegen solchen König! 
Heinrich. Du staunst ? Erfuhrst Du’s nicht ? Du sprachst vom Abscheid ? 
Rosamunde. Hat Heinrichs Herz verlernt, mich zu verstehn ? — 

Der Abschied gilt uns, sey nun Krieg , sey Frieden; 

Wir müssen scheiden. Fühlst Duis nicht wie ich P 
Heinrich. Ich von Dir scheiden? Nein, bey'm ew’gen Himmel ! — 
Rosamunde. O, schwöre nicht, es wäre doch ein Meineid, 

Wir müssen scheiden , lass es schnell geschehn 

Lass mich in Englands fernste Thäler fliehn, 

Wo keines Spähers Augen mich entdecken, 

Dort will ich Gott und meinen Kindern leben, 

Und aus der stillen Nacht der Einsamkeit 

An Deiner Liebe schönen Morgen denken, 

Heinrich. Den schnellen Abschied solcher eegen Liebe ! 

Denn unaufhaltsam jagt mich jetzt das Schicksal , 

Das Vaterland ruft seinen König an, 

Ich muss in wenig Augenblicken scheiden , 

Und soll Dich niemals, niemals wiedersehn ? 

Rosamunde, Du kannst Dich rasch in’s wilde Leben stürzen , 

Wo tausend Bilder bunt vorüber drängen , 

Der laute Tag betäubt den stillen Schmerz ; 

Wo aber soll ich Arme Rnhe finden, 

Wenn Deines Lebens schöner Heldenglanz — 

Er steht ja so lebendig hier im Herzen, — 

Mit immer neuen Strahlen mich durchlodert ? 

Wenn ich Dich lieben soll , muss ich Dich fliehen , 

Entfernt von Dir ist sie ein himmlisch Gut, 

In Deiner Nähe bleibt sie ein Verbrechen. 

Heinrich. Nur für das nüchterne Gesetz der Welt, 
Rosamunde. Du lebst auf ihr, Du darfst sie nicht verachten, 

O, Heinrich, diesmal nur besiege Dich! 

Du konntest fehlen, menschlich fehlen , doch 

Du musst aus diesem Brande Dich erheben , 

Du musst Dein eigner Ueberwinder seyn. 

Du stehst als König gross in der Geschichte, 

Die Nachwelt preist den klaren Heldenstern , 

Sey grösser noch als Mensch, Ich weiss, Du darfst 

Als ein Gewaltiger der Erde manches 

Vergessen, was uns andern Pflicht heisst, darfst 

Des Bürgerlebens enge Schranken brechen ; 

Wer aber zog die Schranken ? Ein Gefühl 


EIN TRAUERSPIEL. 371 


Von Recht und Sitte, das im Königherzen 

So deutlich steht, als in der Bettlerbrust. 

Dir jete erlaubt , denn keine Rüge trifft Dich , 

Und keinen Richter kennst Du, als den Ew’gen. 

Doch weil es Dir erlaubt ist, ein Gesetz, 

Das unsre Hände scheidet, zu verletzen, 

Beweise Deiner Satzung Heiligkeit, 

Und bringe dem Gesetze mich zum Opfer. 

Gehorsam dieser stlllen Mahnung seyn, 

Die leise jedem Puls des Herzens zuhorcht, 

Ist für den Schwachen kein Verdienst , er muss; — 

Doch wo die Willkühr einer starken Seele 

Den freyen Nacken dem Gesetze beugt, 

Sich selber opfernd im Gefühl des Rechts, 

Da kommt die Zeit der alten Sitte wieder, 

Und alte Heldenkraft steht mächtig auf, 

Henrich. O, welcher Donner spricht aus diesen Lippen ! 

Du triffst mein Herz, Rosa , Du brichst es auch, 
Rosamunde, Entsage mir! — Vergib Eleanoren, 

Was die verschmähte Liebe nur verbrach. 

Ein grosses Beyspiel fehlt in der Geschichte, 

Den Helden such’ ich, dessen Heldengrösse 

Es nie vergass,, auch menschlich gross zu seyn. 

O, lass mich ihn gefunden haben , lass mich 

Entzückt dem theuern Vaterlande sagen : 

Es ist der Held nicht grösser als der Mensch! 
Heinrich, Gott! meine Rosamunde , Du bist grausam ! 
Rosamunde. Nur wenige sind glücklich auserkoren , 

Der Menschheit Adel in der Brust zu tragen, 

Dem Leben als ein leuchtendes Gestirn , 

Die grosse Bahn der Tugend vorzuwandeln, 

Du warst erwählt , o hülle nicht in Wolken 

Das klare Licht, das Tausenden gehört, 

Durchbrich den Nebel, strahle auf, Du Sieger, 

Auch mein Stern bist Du, auch durch meine Nacht 

Bricht Deiner Seele heldengrosses Beyspiel, 

Entsage mir. 

Heinrich. Dir, Dir entsagen! Nein! 

Der Krone gern, doch Deiner Liebe nicht, 
Rosamunde. Nicht meiner Liebe, o, die bleibt Dir ewig , 

Nur dem Besitz, dem irdischen, entsage , 

Der himmlische ist deines Kampfes Preis. 

Auf Dich legt Gott das Wohl von Millionen , 

England ist Deine Braut, die sollst Du lieben, 

Wir aber sind für dort uns angetraut. 


372 ROSAMUNDE. 


Das Erdenleben ist die Zeit der Prüfung , 

Dort aber ist die Ewigkeit des Glücks, 

Und wenn die Stürme Deine Brust zermalmen 

Dort komm’ ich Dir entgegen mit den Palmen, 
Heinrich. Du Göttliche! — Ja , ich entsage Dir, 
Rosamunde- Er hat entsagt! — Sieg! er hat überwunden! — 
Heinirch, O, segne mich , sich mich zu Deinen Füssen, 

Verleihe mir die Kraft, das rasche Wort 

In langer Marter muthig zu bewähren, 
Rosamunde. Der Frieden Gottes sey mit dir, Du Held ! 

(Trompetenstoss.) 

Was gilt das Zeichen ? 
Heinrich. ’S ist des Schicksals Ruf, 

Wir müssen scheiden, Rosamunde, nur 

Noch einmal komm’ an dies gebrochne Herz, 

Den letzten Kuss darfst Du mir nicht verweigern. 
Rosamunde. Sey stark, mein Heinrich, denk’, ich sey ein Weib, 

Wo fänd’ ich Rast nach deiner Küsse Glüh’n! 

Nein, lass uns ruhig, uns besonnen scheiden, 

Nimm meine Hand, Gott sey mit Dir , leb’ wohl! — 
Heinrich. Nur einen Kuss, 
Rosamunde, Wenn Dir mein Frieden lieb ist, 

Bitte mich nicht. Ich bin zu schwach! Leb’ wohl, 
Heinrich. Leb’ wohl! (will gehn.) 


DREIZEHNTER AUFTRITT. 


(Wie Heinrich gehn will, kommen die beyden Kinder mit Sara 
auf ihn zugelaufen.) 


VORIGE, 
Die Kinder, Ach, Vater! Vater! 
Heinrich. Theure Kinder! 


(Hebt sie in die Höhe.) 
Bringt Eurer Mutter diesen Abschiedskuss, 
Rosamunde. Mein Heinrich | 
(Ihm vacheilend und ihm um den Hals fallend.) 


Heinrich. Rosamunde! 

Rosamunde. Gott, was that ich 1 
Heinrich. Wir sehn uns wieder, (Ab.) 

Rosamunde (Zwischen ihren Kindern niederknieend.) 


Betet , Kinder, betet! 
(Der Vorhang fällt.) 


—— nm 


EIN TRAUERSPIEL, 575 


VIERTER AUFZUG. 
(Zimmer der Königin.) 


_— 


ERSTER AUFTRITT. 
ELEONORE (aus einer Seitenthüre.) UND ARMAND, 


Eleonore. Es wird so laut im Schloss, ich ahne Schlimmes , 
Es schaudert mir wie Jubel in das Ohr. 
Gewiss, ein Bothe ist herein , wo bleibt nur Armand ? 
Mir pocht das Herz. so ängstlich, Ach ! da kommt er, 
ARMAND (tritt ein.) 
Ein Ritter bringt so eben diesen Brief. 
Eleonore. Weisst Du vielleicht — ? 
Armand. Leet nur, Ich mag der Bothe 
Zu solcher Nachricht nicht gewesen seyn. 
Eleonore. Um Gotteswillen! gib (Liest) Graf Lester fiel, 
Der Schotten König, Wilhelm , ist gefangen! 
So stürze ein, Gebäude meiner Wünsche, 
Begrabe mich mit deinen Trümmern , Glück , 
Ihr Säulen meiner Hoffuung, brecht zusammen , 
Ich bin besiegt! 
Armand. Man will von Frieden wissen , 
Den König Ludwig angeboten habe. 
Wir sind verloren, sie verlassen uns, 
Eleonore. Was hab’ ich nun die sträubende Natur 
Von frommer Sitte teuflisch losgerissen , 
Was hab’ ich Erd’ und Himmel angerufen, 
Der Elemente ganzen gift’gen Groll 
Auf sein verhasstes Haupt herabzudonnern , 
Umsonst, umsonst, er sieht als Ueberwinder ! 
Zur Heldin hätte mich das Glück geadelt, 
Das Unglück macht mich zur Verbrecherin, 
Verachtet bin ich, bin verlassen. Ha! 
Wo, Königin, sind deine Riesenplane ? 
Er steht zur fest für deiner Dolche Stoss , 
Zu hoch für deiner Pfeile Gift, ihm hat 
Das falsche Glüek die falsche Brust gepanzert. 
Armand. Doch eine Stelle, wo er sterblich war, 
Hat auch den Peleiden überwunden, 
Eleonore. Ha, Teufel, ich verstehe Dich! Du sollst 
Die Schülerin an mir nicht so verkennen, 


92 


574 ROSAMUNDE. 


Armand. Zu schneller Flucht bereit’ ich Deine Diener, 
Dein reichlich Gold besticht sie leicht, und dann — 
Eleonore, Dann nun, Du stockst? \ 
Armand. Du, Kön’gin, magst vollenden. 
Eleonore. Bebst Du schon vor dem Worte, feiger Knecht, 
Und hast doch Muth gehabt zu dem Gedanken ? 
Armand. Nun dann — 
Eleonore. Dann geht's nach Woodstock , Bube ! 
Die Stelle such’ ich, wo er sterblich ist, 
Armand. Die wilde Rache reisst Euch taumelnd fort, 
Ihr habt vergessen, Woodstock ist zu fest, 
Um durch Gewalt es schnell zu überwinden. 
Eleonore. So rathe, Teufel! stehe nicht so kalt 
Bey dieser Gluth der Hölle, die uns leuchtet, 
Armand. Dankt Euerm treuen Knechte, Königin, 
Er hat den Weg gebahnt zur vollsten Rache, 
Eleonore. Du hast? — Sprich, Armand! 
Armand. Durch Dein Gold geblendet, 
Gelang es mir, den einz’gen Deiner Nesle’s, 
Der, was die Nothdurft heischt, im nahen Flecken 
Auf offnem Markte wöchentlich erhandelt , 
Zum Werkzeug Deiner Rache zu verführem 
Der alte Nesle, denn des Ritters Klugheit - 
War uns der grösste Stein im Wege, trank 
Ein sichres Gift von seiner Hand bereitet, 
Jetzt ists vermuthlich schon mit ihm vorbey; 
Dann auf mein Zeichen öffnen sich die Thore, 
Und ohne Kampf bezwingen wir die Burg, 
Sobald wir rasch zur raschen That uns wenden, 
Eleonore. Wohlan, der Himmel hat mein Herz belogen, 
Willkomm'ner Abgrund, Dir gehör’ ich an! 
Ich ward um meine Seligkeit betrogen , 
Das Thor der Hölle hat sich aufgethan ! 
Da fühl’ ich mich allmächtig hingezogen , 
Die Rache bricht die schauderhafte Bahn, 
Es reisst mich fort, ich kann nicht widerstreben , 
Dolch , ziele gut, und wirf den Tod in's Leben ! 
(Beyde ab,) 


— 


ZWEITER AUFTRITT. 
(Garten in Woodstoek,) 


ROSAMUNDE, SARA, DIE KINDER. 


Rosamunde. Es wird doch nicht gefährlich mit dem Ritter ? 


EIN TRAUERSPIEL, 375 


Sara, Ich fürchte sehr! der alte Ryno schüttelt 
Den Kopf nicht ohne Ursach. 
Rosamunde, Unud so plötzlich | — 
Der Ritter war so stark und kräftig nòch , 
Er schien dem Winter wie ein Berg zu trotzen, 
Und schaute hell durch die beschneiten Locken, 
Sara. Es gehe nicht mit rechten Dingen zu , 
Beliaupten viele. 
Rosamunde. Gott behüte uns 
Vor solchem nahen, schröcklichen Verrath ! 
Du machst mich gar zu ängstlich, eil’ in's Schloss, 
Sieh, wie es mit dem Alten steht, vielleicht 
Hat er der zarten Weiberpflege nöthig. 
O, bring’ mir Nachricht, weisst ja welchen Werth 
Und welche Liebe ich auf Nesle setze , 
Ein zweyter Vater war er mir, O, lass 
Der Tochter schöne Pflicht mich nicht versäumen. 
Sara. Ich hoffe, gute Bothschaft bring’ ich mit. (ab.) 


DRITTER AUFTRITT. 
ROSAMUNDE. DIE KINDER, 


Rosamunde. So nimmt denn alles Abschied, was ich liebe. 
Den einen Freund entführte mir das Leben, 
Der Tod entführt den Andern, — Geht mit Gott! — 
Den einz’gen Wunsch ruft meine Thräne nach, 
Und stirbt dann sanft in klagender Erinn’rung. 
Euch hab’ ich noch , Euch, meine Kinder. — Richard , 
Gottfried! Drängt Euch nicht so in meine Arme, 
Rankt Euch so fest nicht an das Mutterherz ; 
Arglistig sucht mein Auge seine Züge 
In Euern Zügen wieder , und vergisst, 
Was es in heil’ger Stunde sich gelobte, 
Ach, seine Augen sind es, ach, sein Lächeln, 
Es glüht verjüngt auf diesen Lippen auf. 
Wo tind’ ich Frieden vor den sel’gen Träumen , 
An die die glüh’'nde Seele sich gewöhnt! — 
Euch hab’ ich noch! — Wie sich am Horizont 
Im scheidenden Erglüh’n der letzten. Sonne, 
Die strahlenflüchtig durch den Regen lächelt, 
Der Farbenbogen durch die Lüfte schlägt, 
Und seine Brücke aufbaut unterm Himmel , 
So glänzt mir durch des Schmerzes bange Thränen 
Der Mutterliebe stille Freuden zu, 


576 ; ROSAMUNDE. 


Den letzten Abend heiter aufzuschmücken. 
Und doch ist dieses zarte Farbenspiel 

Des mülterlichen Herzens nur ein Schein, 
Ein matter Schein am Himmel der Gefühle, 
Wenn man der Eiebe heitern Aether sucht, 
Und nur den Nebel findet und die Thränen ! 


-— 


VIERTER AUTRITT. 
VORIGE, SARA 


Sara. Fasse Dich, Rosamunde, fasse Dich, 
Es zielt ein harter Schlag nach Deinem Herzen. 
Der Ritter — 
Rosamunde. Nun? 
Sara. Er ist sehr schlecht. 
Rosamunde. Unmöglich!! 
Sara. Noch diesen Abend, also meynt er selbst, 
Erwartet er die Stunde der Erlösung. 
Rosamunde. Gott! nun auch das! 
Sara, Georg ist ausser sich. 
Der gute Sohn verliert den besten Vater, 
Rosamunde. Ach! wer weint nicht um solch ein edles Herz! 
Sara. Johann steht tief ergriffen bey dem Alten, 
Und stille Thränen feuchten seine Augen, 
Rosamunde. Daran erkenn’ ich seines Vaters Geist. 
Sara. Die Luft des Zimmers drückt den Sterbenden, 
Noch einmal will er diese Erde sehen 
In Ihrer Freyheit, noch einmal den Himmel, 
Und Abschied nehmen von der schönen Welt. 
Sie führen ibn heraus, 
Rosamunde. O, liebste Sara, 
Bringe die Kinder fort ; ihr Leben wird ja 
Der Thränen noch genug zu weinen haben. 
Bewahre ihrer Jugend Sonnentag 


Vor diesen Regenschauer der Gefühle. 
(Sara geht mit den Kindern ab,) 


—— 


FUNFTER AUFTRITT. 
ROSAMUNDE, NESLE, gestützt auf GEORG und JOHANN. 


Nesle, Sey mir zum letztenmal willkommen, Sonne, 
Jetzt kann ich Dir in’s glüh’nde Antlitz schaun , 
Schon fühl’ ich mich ‚verwandt mit-Deihen Strahlen , 


EIN TRAUERSPIEL, 377 


Mir ist's, als wär’ der Erdenkampf die Nacht, 
Der Tod die Morgenröthe, und dem Grabe 
Entsteigt die Sonne der Unsterblichkeit. 

Rosamunde. Ach, Vater! Vater! 

Nesle. Meine liebe Tochter ! 
Das wart Ihr mir. O, fasst Euch, Rosamunde ! 
Ich zahle eine längst verfallne Schuld, 

Und meinem Gott dank’ ich, dass er mich 
So schnell und doch so mild zurückefordert, 

Georg. Ich bin ein Mann , ich habe viel ertragen, 

Doch Deine Augen brechen sehn , -die Sterne, 

An die ich meines Lebens Preis gesetzt, 

Dich zu verlieren! — Sieh , ich konnt’ es wissen, 
Dein greises Haupt rief oft die Sorge wach, 

An den Gedanken sollt’ ich mich gewöhnen. 
Doch wer begreift das Unbegreifliche , 

Wer kann den nie gefühlten Schmerz nur ahnen , 
Von einem theuern Leben Abschied nehmen, 

Mit dem man sinkt, mit dem man sich gehoben, 
Und eine kühne Brust voll Lieb’ und Treue, 

Wo alles Edle schlug und alles Gute, 

In kalter Gruft langsam vermodern schen ! 

O, keine Seele ahnet diesen Jammer! 

Nesle. Sey ruhig, Sohn , Du siehst, ich bin es ja. 

Nicht alle Augen sind mit mir gebrochen, 

Wo Dir des Antheils Thräne leuchten darf, 

Sieh, Rosamunde, meine Tochter hat 

Sie sich genannt, sie wird dir Schwester seyn. 
Versprecht mir’s, Rosamunde , seyd ihm Schwester. 
Ja, er verdient's , es sehlägt ein brittisch Herz 
Voll Kraft und Treue mächtig ihm im Busen. 

Rosamunde. Hier meine Hand, Georg, ich bin es Euch, 
Und Bruderliebe für die neue Schwester 
Verkläre dämmernd den gerechten Schmerz. 

Georg. O, Rosamunde! Vater! — Gott der Gnade, 
Mit welchem Donner stürımst Du meine Brust ! 

Nesle. Mein guter Sohn, — Ich fühl’s, bald muss ich scheiden. 
Noch etwas drückt mich schwer: Der König hat 
Mir Rosamunden und den Prinzen hier 
An’s Herz gelegt. Ich gab mein Ritterwort, 

Mit meiner Ehre steh’ ich ein für Beyde. 
Georg, Du musst es lösen, wenn veilleicht 

Ein schwarzes Herz auf schwarze Thaten sönne. 
Versteh’ mich wohl: dann gilt es jedem Kampf, 
Nur mit dem Leben lässt Du Rosamunden , 


378 ROSAMUNDE, 


Den Prinzen hier nur mit dem letzten Blute, 

Das schwöre mir ! 

Geory. i So Gott mir helfen soll, 

Wenn ich im letzten Todeskampf erliege, 

So wahr ich meine ew’ge Zeche glaube, 

So wahr der Herr für uns gestorben ist, 

Mit meinem Leben bürg’ ich für das Ihre, 

Der Dolch , der ihrem Herzen gelten soll, 

Muss erst durch meine Brust die Bahn sich brechen, 
Nesle. Der Himmel segne Dich , mein wackrer Sohn ! 
Johann. O, dass ich hier so ruhig stehen muss , 

Kann für den Freund nichts thun , nicht für ihn kämpfen , 

Nicht für ihn sterben 1 — Fliesst, ihr feigen Thränen, 

Ich wär’ gern fest und kalt, ich kann’s nicht seyn, 

Und weinen muss ich, kann mich nicht bezwingen! 
Nesle. O, nicht der Thränen schäme Dich, mein Sohn, 

Geniesse dieses schmerzlich stille Glück , 

Im Sturm der Tage wird es bald versiegen, 

Johann, Gig deinen Segen mir, Du heil’ger Greis! 
Nesle. Kn.e’ nieder, Sohn ! — Der Himmel mag Dich schützen, 

Du trittst in eine wildempörte Zeit, 

Die Krone seh’ ich licht auf Deinem Haupte, 

Dann, wann Du anf dem Throne stehst, dann , König, 

Dann schäme Dich auch Deiner Thränen nicht, 

Das menschliche Gefühl verklärt die Krone, 

Und der nur, Sohn, der ist der grösste Fürst, 

Der sich den Thron baut in der Menschen Herzen, 
Rosamunde. Die Augen leuchten Dir, wie dem Verklärten, 

Du bist am Ziel, o mein geliebter Vater | 

Jetzt siehst Du hell, ein Bürger jenes Lebens, 

Der ird’sche Nebel trübt den Blick nicht mehr; 

Sag’ mir , kann meine Reue Gott versöhnen ! 

War meine Liebe solche schwere Schuld, 

Wie das Gesetz der Erde sie verdammte ? 

Nesle, Gott ist die Liehe ; wo die Liebe wohnt 

In solchem reinen Herzen wie das Deine, 

Ist Gott nicht fern, und alle ird’sche Schuld 

Lös’t sich verklärt im Morgenroth der Gnade, 
Rosamunde, So segue mich ! — und bitte dort für mich! 
Nesle. Das ird’sche Leben braus’t in rauhen Tönen, 

Es will ein streng Gesetz für seine That ; - 

Die Liebe lebt im Strahlenreich des Schönen , 

Und freye Blumen sprossen aus der Saat. 

Du wolltest sanft den ew’gen Kampf versöhnen , 

Als roh das Glück auf Deine Kränze trat; 


„EIN TRAUERSPIEL. 379 


Doch Muth , nur Muth, die Welt war Dir entgegen 
Dort oben ist das Licht, dort ist Dein Segen! 
Georg. O , Vater! Vater! 
Nesle, Nun zum Abschied, Kinder | 
Lebt wohl , lebt wohl, leb’ wohl! ich fühl’s, ich sterbe! — 
Noch einmal, Sonne! hauche warm mich an, 
Daun trage sanft auf den verwandten Strahlen , 
Die ew’ge Seele in das ew'ge Licht! — 
Gott sey mir gnädigl 


(Stirbt.) 
Georg. Vater! Vater! 
Johann. Still 
Lass ihm den letzten Schlaf, 
Rosamunde. Er hat vollendet ! 


(Sie drückt ihm die Augen zu.) 
(Der Vorhang fällt während der Gruppe.) 





FÜNFTER AUFZUG. 
(Zimmer des Königs zu Dover.) 


— 


ERSTER AUFTRITT. 


HEINRICH (aus dem Kabinet zu einem Offizier.) 


Heinrich. Du eilst nach London ! Diese Briefe da 
An den Lord Kanzler. — Dort verkünd’ es laut: 
Ich hätte Siegesbotschaft vom Lord Stepen, 
Der Hochverrath der Söhne sey gezüchtigt, 
Ludwig geschlagen , Graf Boulogne todt , 
Zum Frieden unterhandelten die Feinde, 
Nicht nöthig sey mein Arm jenseit des Meeres, 
Plantagenet bleibe auf Albion, 
Den Schottenkönig rasch zu überwinden, 
Und den meineid’gen Freyherrn Mann zu stehn. 
Nimm Dir das beste Pferd aus meinem Stalle, 
Schnell sey die Bottschaft, denn der Sieg war schnell, 
(Den Offizier geht ab.) 
Heinrich. (allein.) 
(Tritt an’s Fenster und schaut hinaus, Lange Pause.) 
Wie dort das Meer , als wär’s der Liebe Sehnen , 
Die seine Wellen nach dem Ufer treibt , 


580 ROSAMUNDE. 


Wollüstig um die schöne Insel zittert , 

Und seine weiche Silberarme den 
Willkomm’nen Kreis um die Geliebte ziehn, 
So ist ein junges Herz in seiner Liebe, 

Das gern der Seele heil'ge Sympathie 

Zu einem mag’schen Kranze winden möchte , 
Die holde Braut vor jedem fremden Blick , 
Vor jedem fremden Worte sanft zu schirmen, 
Dass sie einsam mit ihrer Sehnsucht sey, 
Und all ihr Träumen dem Geliebten schenke, 
Dort , wo die fernen Kreidefelsen schimmern , 
Dort geht der laute Tag des Welttheils an, 
Dort zog die grosse Matter keine Grenze, 
Leicht übersprungen ist der Bach, der Berg 
Leicht überklettert , und die heil'ge Mauer 
Des ew’gen Rechtes , die unsichtbar sonst 
Um jedes Eigenthum den Gürtel webte , 
Stürzt in dem Kampf der frechen Willkühr ein , 
Des festen Bodens Treue ist erschüttert , 

Doch schön bekränzt, und wunderbar geschirmt, 
Prangst du , mein Albion , in deinen Mceren, 
Als eine Burg der Freyheit und des Rechts, 
Und jede Welle wird dein Schild, es drängen 
Die Fluthen sich in freyer Luft herzu, 

Dir, blühend Land, das sie als schönen Raub 
Von den verzweigten Bergen losgerissen , 

Mit treuer Kraft ein sichrer Woll zu stehn. — 
Wie man in tiefer Schacht aus tauben Wänden 
-Oft klare, leuchtende Crystalle schlägt, 

Wo man den rauhen Sandstein nur erwartet, 
Und wo der Bergmann uns erzählt, es hätten 
Die feinern Stoffe still sich angezogen , 

Und trotz dem Sturme der chaot’schen Nacht ; 
In der damals die Elemente kämpften, 

Mitten in diesen formenlosen Massen 

Dem heimlichen Gesetze alles Schönen 

Mit wunderbarer Treue sich ergeben , 

Und den Crystall aus dunkler Nacht gelockt. 
Solche Crystallenblüthe bist du, England, 

In der gemeinen Bergart dieser Erde. 

So blühtest du nach dämmernden Gefühlen 
Umbraust vor einem tiefgesunknen Leben 

Aus rohem Stoff zum Paradiese auf! — 

Und diese schön Welt soll untergehn ? 

lo der Partheyen wild unbänd’gem Frevel 


+ 
EIN TRAUERSPIEL, 


Soll deine Freyheit fallen und dein Thron ? — 
Nein, Albion du wirst} du darfst es nicht! 
Fest, wie du stehst in deiner Fluthen Ansturm , 
Will ich, dein König, diesen Meutern trotzen ! 
Sie hat dich meine Braut ‚genannt, ich habe 
Für dich dem höchsten Erderiglück ensagt , 
Nein , nicht umsonst ‘will ich. das Opfer bringen , 
Ich will im Glanz, will dich im Siege sehn, 
Und müsst’ ich auch für dich zum Tode gehn! 
Dann, England, sag’ es ihr auf meinem Grabe. 
Dass ich mein heilig Wort gehalten habe | 





ZWEITER AUFTRITT. 
HEINRICH, HUMPHY sonn, 


Bohun, Heil Dir, Plantagenet ; Heil meinem König! 

Heinrich. Wie? Du in Dover, und mit solchem Antlitz , 
In dessen Zügen hohe Freude glänzt? 

Was bringst Du mir? 

Bohun. ` Dem Sieger bring’ ich Sieg ! 
Lord Lester fiel, die Schotten sind geschlagen , 

Und König Wilhelm ist in Deiner Hand, 

Heinrich. Unmöglich! — Bohun, träum ich ? Lester fiel ? 
Die Schotten sind geschlagen ? — Herr des Himmels , 
Du bist gerecht, und deine Hand ist schnell. 

Bohun. Lord Lester bot bey Suffolk mir die Schlacht : 
Mein Heer wär klein, doch gross war mein Vertrau’n 
Auf Gott und auf Dein Recht, ich nahm sie an, 

Und nach zehnstünd'gem fürchterlichen Kampf 
Entflohn die fremden Söldner , und der Lord 
Fiel als Gefangener in unsre Macht, 
Er harrt auf Deinen Richterspruch. 

Heinrich. Er sterbe! 

Bohun. Als nun die übrigen empörten Freyherrn 
Den Rödelsführer also enden sahen, 

So warfen sie rasch ihre Waffen nieder, 
Und öffneten die Burgen, Deiner Gnade 
Vertrauend ihre Ehre wie ihr Leben. 

Der Graf von Ferras , Roger von Mombray 
Und zwanzig andre wollen tiefgebeugt 

Zu deinen Füssen um Dein Mitleid Bechen, 

Heinrich. Ich lasse gern den Stern der Gnade leuchten, 
Sie haben mir sich selbst anheim gestellt, 

Und wie sie mir vertraut, vertrau ich ihnen, 


581 


582 . ROSAMUNDE. 


Bohun. Als ich den frecheu Aufruhr so getilgt , 
Wollt’ ich mich eben hin nach Norden “wenden , 
Und dann mit Glainville’s kleinem Heer vereint 
Den Schottenkönig aus dem Land zu schlagen ; 
Doch mir entgegen kam der Siegesbothe. 

Die Feinde träumten sich auf sieherm Platz , 
Da hatte Ralph sie glücklich überfallen, 

Was fliehen konnte , floh, nur König Wilhelm 
Warf sich entgegen mit fast hundert Reitern, 
Doch schnell umzingelt ward er, und gefangen, 

Heinrich. Wo ist der König ? 

Bohun. Unter strenger Wacht 
Hab’ ich ihn in den Tower bringen lassen, — 

Als ich mein Vaterland nun ruhig suh, 

Wollt’ ich der Erste seyn , die Siegesbothschaft 

Aus treuer Brust Dir fröhlich zuzujubeln , 

Drum warfich mich behend auf’s Pferd. Nun denke 
Dir mein Erstaunen, als ich hier erfuhr, 

Du seyst noch nicht hinüber zu den Franken, 
Doch Siegesbothschaft hätt'st Du vom Lord Stepen , 
Und ruhig sey es drüben so wie hier. 

Heinrich. Lass mich Dir danken wackrer treuer Kriegsheld I 
Komm an mein Herz, und fühl’ an seinen Schlägen, 
Wie sehr Dein König. Dir verspflichtet ist. 

Bohun., Mein güt’ger König! 

Heinrich. Nenne mich gerecht. 
Mein Reich soll's wissen, was ich Dir verdanke, 

Bohun, Ist’s wahr , der Franke liess um Friede bitten ? 

Heinrich. Zur Unterredung hat er mich beschieden , 
Wo er dienstfertig uns versöhnen will, 

Mich und die Prinzen, 

Bohun. Und Du nahmst es an? 

Heinrich, Ich that’s, wie sehr sich mein Herz empört, 
Auf meines Feindes Seite sie zu sehn ;. 

Doch meine Söhne sind sie nicht, sie sind mir 
Nicht näher als die übrigen Barone , 

Und gleiche Ahndung hätten sie verdient, 

Ja wohl noch ärgre. 

Bohun. Lass den: Frieden walten, 

Du kannst bedingen, denn die Macht ist Dein, 
Doch nicht zu strenge magst Du sie gebrauchen , 
Der Frieden ist auch eines Opfers werth. 

Doch sprich, hast Du von Richard keine Kunde ? 

Heinrich. Der Tollkopf hat nach Poitiers sich geworfen , 
Und wehrt sich wie ein Rasender. Er hat 


EIN TRAUERSPIEL. 


Des Königs Friedensantrag frech verschmäht, 
Und dreymal fiel er aus und schlug mein Heer, 
Ist’s auch an Zahl ihm doppelt überlegen. 

Bohun. Ein edler Geist ist in dem jungen Löwen. 

Heinrich. Dass Euch die Frechheit immer edel heisst ! 
Hat einer nur den Muth, was heilig sonst 
Und ehrenwerth geachtet wird im Leben, 

Mit frechen Händen tollkühn anzufallen , 

Gleich macht Ihr ihn zum Helden , macht ihn gross , 
Und zählt ihn zu den Sternen der Geschichte, 
O, nicht die Frechheit macht den Helden aus, 
Die ruchlos jedes Heiligste verspottet, 

Leicht übersprungen ist der Menschheit Grenze , 
Die an die Hölle stösst, zu dieser Wagniss 
Bedarf es nur gemeiner Schlechtigkeit , 

Doch jene andre Grenze, die den Himmel 
Berührt, will mit der Seele höchstem Schwunge 
Auf reiner Bahn nur überflogen seyn. 

Bohun. Der Prinz ist ein Verführter. 

Heinrich. Ihm zur Ehre 
Glaub’ ich das nicht, viel lieber will ich, dass er 
In freyer That den Weg zum Abgrund wählte, 

Als dass er schwach genug gewesen , sich als Spiel 
Der fremden Willkühr kraftlos zu ergeben. 
Jetzt komm , und lass uns in vertrautem Rath 


Den Frieden und das Vaterland bedenken, e 
(Beyde zur Seite ab.) ` 


DRITTER AUFTRITT. 
RICHARD. WILLIAM (ia Mänteln.) 


William. Geliebter Prinz ! stürzt Euch nicht in’s Verderben ! 

Richard. In dem Verderben blüht ein ew’ges Heil! 
Lass mich, ich muss zu seinen Füssen liegen, 
Nicht eher kommt das Glück in meine Brust. 

William. Ihr seyd der Vaterstrenge preis gegeben , 
Wenn man Euch hier entdeckt, 

Richard. Das soll man nicht, 
Ich stelle mich ihm selber vor die Augen. 

William. Den alten Löwen habt Ihr schwer gereizt , 
Euch hasst er doppelt! 

Richard, Gut ; verdient’ ich doppelt 
Den Hass, er muss mich dennoch wieder lieben , 
Mich nicht verachten , ich mag sonst nicht leben , 


584 ROSAMUNDE, 


Ich bin gefallen , ich bin schlecht gewesen, 

Ich bin’s gewesen. Richte, wer da will, 

Wenn es ein Mensch ist, er wird gnädig richten ; 

Doch war ich kein gemeiner Bösewicht , 

Drum greif’ ich auch nach ungemeiner Reue. 

Ich will das Leben zum Vergessen zwingen , 

Es soll mich wieder achten , ja, es muss! 

William. Der Sturm der Rache ist schnell ausgebraus't. 
Richard. Du kennst mich doch zu gut, William , um Treubruch 

Und Falschheit meinem Herzen zuzumuthen, 

Der Donner der Gefühle konnte mich 

In rascher That zum Rand des Abgrund schmettern , 

Doch ich erwachte, und der Wahn war aus, 

Die Rache ist ein Erbtheil schwacher Seelen , 

Ihr Platz ist nicht in dieser starken Brust. 

Ja, ich erwachte, und sah mich mit Schaudern 

Von teuflischem Gewebe rings verstrickt ; 

Da galt es Kraft, zu der verlassnen Bahn 

Der guten Sache keck sich durchzuschlagen , 

Wars auch mit Opfern jedes höchsten Guts. 

Die Brüder krochen hinter Ludwigs Thron , 

Und wollen, die Verächtlichen! sie wollten, 

Die Söhne mit dem Vater, Frieden schliessen , 

Wie Feind mit Feind nach unentschiedner Schlacht ! 

Gab’s hier noch einen Zweifel ? Heinrich konnte 

Von unserm@Meutervolk vertrieben werden , 

Er aber war der Sieger vor dem Kampf, 

Und wär’s gebleiben nach verlornen Schlachten, 

Denn bey ihm stand die Ehre und das Recht! — 

Nicht lange konnte Richard sich verirren , 

Nicht diese fremde Zunge zwischen sich 

Und seines Vaters edlem Herzen dulden ; 

Doch auch nicht feig wollt’ er vor ihm erscheinen, 

Nicht als ein Ueberwundner mocht’ er stehn , 

Als Sieger wirft er jetzt sich vor ihm nieder, 

Und glaube mir , den Sohn erkennt er wieder! 
William. Ich höre kommen, Prinz, es wird zu spät. 
Richard, Verlierst Du Dein Vertrau’n auf meine Stimme? 

Fliehe getrost, hier brauch’ ich keinen Freund, 

Der Sohn muss sich den Weg zum Vaterherzen 

Durch keinen Dritten zeigen lassen. 

Wiiliam. Prinz, 

Ich lasse Euch mit Schmerzen hier zurück ; 

Doch könnt’ ich’s nicht ertragen, wenn ich Euch 

Mit frecher Strenge müsste strafen sehn. 


EIN TRAUERSPIEL. 585 


Ich hab’ ein Schwert, das möcht’ ich nicht vergessen , 
Drum. geh‘ ich lieber, Gott beschütze Euch! . (Ab.) 


— 


VIERTER AUFTRITT. 
RICHARD (allein,) 


Sich vor dem Vater, vor dem Rechte beugen, 

Nein, William, nein, das ist kein Schimpf, ich richte 

Nur um so stolzer meinen Blick zu Sonne. 

Ein freyes Auge trägt der kühne Aar; 

Fühl’ ich im Herzen seiner Schwingen Kraft, 

Das schönre Eigenthum muss ich bewahren , 

Dass mich der Strahl des Lichtes nicht verblendet, 

Von grosser Arbeit ward mir prophezeiht, 

Beginne denn der Cyclus meiner Thaten 

Mit meines Herzens eignem schwersten Sieg! — 

Man kommt! — Er ist's! — Nun schlägst du, grosse Stunde! 
(Er zieht sich etwas zurück.) 


— 


FUNFTER AUFTRITT. 
RICHARD, HEINRICH, BOHUN, 


Heinrich. Es bleibt bey dem Entschluss: mit Ludwig Frieden , 
Und meine ganze Macht auf den Verwegnen ! 
Er muss sich mir ergeben, denn nicht eher 
Darf ich mich Sieger nennen , als bis Richard 
Zu meinen Füssen liegt, 
Richard (wirft sich ihm zu Füssen.) 
Nenne Dich Sieger ! 
Heinrich, Du Richard, hier? 


Bohun. Der Prinz ! 

Richard, Ich bin’s, mein Vater, 
Heinrich, Verräther | was trieb Dich ? 

Richard. Das Recht, die Ehre, 


Zu meines Vaters Füssen find’ ich sie, 
Die ich vergebens suchte in den Schlachten, 
Heinrich. Bist Du geschlagen ? Schickt Northumberland 
Dich als Gefang’nen ? 
Richard, Heinrich denkt so klein 
Von seinem Sohne nicht, dass er sich schlagen, 
Dass er sich fangen liesse. 
Heinrich, Unbegreiflich! 


33 


386 ROSAMUNDE. 


“ Richard. Freywillig komm ich her aus Poitiers , 
Northumberland hab’ ich viermal geworfen , 
Zerstreut sind seine Scharen, er gefangen, 

Ich bin der Sieger nach dem Recht des Schwerts, 

Doch hier im Herzen bin ich überwunden, 
Heinrich, Du, Du, der Sieger, und zu meinen Füssen ? 
Richard. Der Weg der Ehre führte mich hieher, 

Von meinem Brüdern hört’ ich, wie verächtlich 

Sie hinter Ludwigs Throne sich versteckt, 

Wie sie von ihres Vaters grossem Herzen 

Durch dieses Frankenkönigs fremde Macht, 

Den Frieden heuchlerisch erschleichen wollen ; 

Das hat in mir das tiefste Herz empört, — 

Was! eine fremde Zunge soll sich kalt 

Und giftig zwischen Sohn und Vater drängen ? 

Ich soll mit meinem Vater die Vergebung 

Behandeln, wie ein schlechtes ird’sches Gut ? 

Sie sind besiegt, sie mögen sich bedingen , 

Ich war der Sieger, ich ergebe mich. 
Heinrich. Ich werde irre an der Menschheit Grenze. 
Bohun, Sagt’ ich es nicht? Es ist ein grosses Herz! 
Richard. Du wirst doch Deinen Richard darauf kennen , 

Dass nicht der äussre Zwang ihn hergeführt;; 

Frey war mein Poitiers, und kam Dein Heer, 

Das die Bretons und Barbencons geschlagen , 

Und König Ludwigs Macht nach Verneuil trieb, 

Vereint auf meine kleine schwache Schaar, 

Mich liebte sie, sie wär’ mit mir gestorben, 

Und die erstürmte Veste wär’ mein Grab; — 

Mich aber zog die inn’re Stimme her; 

Ich bin gefallen, ich bin tief gefallen, 

Das ist der Weg, auf dem ich steigen kann. 
Heinrich. Und was erwartest Du von meiner Strenge ? 

Du hast die Krone nicht allein verletzt, 

Du hast auch frech ein Vaterherz zerrissen, 
Richard. Mein schuldig: Haupt leg’ ich zu Deinen Füssen , 

Mein Leben geb’ ich frey in Deine Hand. 

Und waren’s leere Träume, die ich träumte 

Von meiner Tage lichtem Heldenglanz , , 

Und muss ich sterben , nun, es war kein Traum, 

Der mir vom schönen Heldentod erzählte. — 

Wenn mir der Vater nie vergeben kann, 

Freywillig sterbend muss ich ihn versöhnen, 
Heinrichs Und Rosamunde $ 
Richard, à War mein guter Engel ! 


EIN TRAUERSPIEL. ch 


Der Sturm der Liebe riss mich in den Abgrund, 
Da ging das heitre, selige Gestirn,, 
Das ich im Strudel des Gefühls verkannte , 
Klar in der Wetternacht des Unglücks auf. 
Nicht mehr der rohe irdische Besitz 
War meiner wilden Sehnsucht Ziel und Streben, 
Ich fühlt’ es tief, die Liebe müsse mich 
Veredeln , nicht zertreten, und ihr Bild 
Schloss einen mag’schen Kreis um meine Seele, 
Und ich erwachte aus der wilden Nacht. 
Sie wird als eine Sonne meines Lebens 
Vorleuchtend wandeln meiner Heldenbahn , 
An ihre Strahlen knüpf” ich meine Sehnsucht , 
Rein ist ihr Licht, rein sey auch meine That ! 
Ich darf sie nicht besitzen und erkämpfen , 
Doch meines Lebens Zauber darf sie seyn! 
Heinrich. Auf welche Antwort hast Du Dich bereitet ? 
Wär’st Du jetzt Vater, sag’ mir Deinen Spruch. 
Richard. - Ein grosses Herz führt stets die gleiche Sprache ` 
Ich bin Dein Sohn, ich ahne Deinen Geist, 
Ja, Vater, Du vergibst ! 
Heinrich. Ja! ich vergehe, 
(Umarmung.) 
Komm an mein Herz, Du junger , wilder Held! 
Dein Fall hat mir die stolze Brust zerrissen , 
Doch dieses grosse , selige Gefühl 
Bey Deinem Siege überwiegt den Schmerz, 
Und macht mich zu dem glücklichsten der Väter } 
Richard, Gib, Vater, mir ein Zeichen Deiner Huld, 
Gib meinem Schwerte Raum , es zu verdienen, 
Heinrich. Wohlan ! In’s heil'ge Land gelobt ich einst 
Das fromme Volk der Christen zu begleiten , 
Und zu besuchen meines Herren Grab , 
Von dem ich Kron’ un Reich zum Lehen trage; 
Doch Englands Wohl lässt mich mein Seelenwohl 
Vergessen, Ziehe Du für mich, mein Richard , 
Und bete dort für den versöhnten Vater. 
Richard. Wie stolz, wie glücklich machst Du Deinen Sahn ! 


— 


SECHSTER AUFTRITT, 


VORIGE, EIN OFFIZIER, 


Heinrich. Was bringst Du mir? 
Offizier. Dies Schreiben Deines Kanzlers, 


588 ROSAMUNDE, 


Wohl eine wicht'ge Nachricht schliesst es ein, 
Die höchste Eile ward mir anbefohlen. 


Heinrich. (entfaltet das Schreiben, ) 
Was wird es geben ? 
Richard. Vater, Du wirst blass ! 


Bohun. Um Gottes Willen , theurer Herr !. was ist Euch ? 
Heinrich. Lasst satteln , schnell! es wankt ein theures Leben | 
(Der Offizier geht ab.) 
Eleonore ist entflohn , nach Woodstock 
Nahm sie den Weg. Gott, wenn ich sie errathe. 
Richard, Ha! meine Mutter ! 
Heinrich. Hier braucht’s rasche That! 
Mich fasst der Ahnung fürchterliches Beben , 
Und Todesschauer dringt auf mich herein ! 
Es ist kein Preis zu hoch für solch ein Leben , 
Nehm’t Kron und Reich, sie muss gerettet seyn | 
Werft Euch auf’s Pferd, lasst alle Zügel schiessen , 
Und gält’s mein Blut, nur ihr Blut darf nicht fliessen ! 
(Alle ab.) % 





SIEBENTER AUFTRITT. 


(Eine Halle im Schlosse von Woodstock. Im Hintergrunde der Sarg mit Can- 
delabern rings umgeben, Auf dem Sarge die Zeichen der Ritterwürde : 


Schwert, Schild und Sporen u, se w.) 
RORAMUNDE. JOHANN. GEORG, DAS HAUSGESINDE, 
(Alle in tiefster Trauer,) 
GEORG stürzt sich auf JOHANN, 


Rosamunde. (lehnt an dem Sarge.) 
Verklärter Schatten , schauö freundlich nieder, 
Und löse unsern Schmerz in sanfte Thränen, 

Du hast vollendet, Deine Zeit war aus, 
Und aus dem Kampf gingst Du zum ew’gen Siege. 

Georg. Da liegt nun Alles, was ich hochgeachtet, 
Was ich im heiligsten Gefühl verehrte , 

Da liegt es hingeopfert , todt, todt, todt! — 

Das Herz schlägt nicht , an das ich einst begeistert 
Nach meiner ersten Heldenarbeit sank , 

Die Augen sind gebrochen, die mir freundlich 

Die stille Bahn zur Tugend vorgeleuchtet , 

Die Hand ist kalí, die mich den Weg geführt, 
Und mir den Segen gab auf meine Reise, 

Todt! todt ! Gott! ’s ist. ein grässlicher Gedanke , 


EIN TRAUERSPIEL. 


So ganz geschieden seyn für dieseWelt, 

Nicht mehr der Liebe frommes Wort von den 
Geliebten Lippen küssend wegzutrinken , 
Nicht an des Freundesherzens warmem Schlag 
Den stillen Ruf der Seele zu erkennen, 

So ganz geschieden seyn, so ganz verlassen, 
So ganz allein auf dieser weiten Erde ! 

Es ist ein furchtbar schauderndes Gefühl ! 


Rosamunde. Der Vater bat mich, Dich zu trösten, Komm, 


Gib Deine Hand mir über seinem Sarg. 
Ich liebe Dich mit schwesterlicher Liebe , 
Die brüderliche schlage mir nicht ab, 
Georg. O meine Schwester ! 
Rosamunde, Sieh, wir stehen jetzt 
Allein ! ich bin ja auch verwaist mit Dir, 
Und bir ja auch verlassen! — Lass uns denn 
Vereint den Schmerz ertragen , freuten wir 
Uns doch vereint in seiner Vaterliebe, 
Johann. Nicht mich vergesst in Eurem schönen Bunde, 
Verstosst mich nicht , nehmt meine Liebe an. 
Sie soll euch treu, sie soll Euch ewig bleiben ! 
Rosamunde. Komm, schöner Knabe, lege Deine Hand 
In unsre Hände, — Nun, verklärter Schatten , 


Nun schau’ auf uns und segne Deine Kinder. 
Lange Pause ) 


ACHTER AUFTRITT. 
VORIGE, SARA, 


Sara. Um Gotteswillen, rettet uns Georg! 
Bewaffnet Volk dringt in das Schloss, die Wachen 
Am äussern Thore sind entflohn , sie stürmen 
Schon in den Hof! — O rettet, rettet ! 

Rosamunde, Rettet I 
Gott! meine Kinder ! 

Georg. Ha, Verrätherey ! 

(Aın Fenster.) 
Die Farbe kenn’ ich. Nun beym grossen Himmel, 
Sie sollen einen schweren Kampf bestehn ! 
Ich habe mich mit meinem Blut verpfändet , 
Ich muss sie retten , oder untergehn, 
Kommt, wackre Britten , kommt ! O weine nicht 
Lass mich das Recht, das Du mir gabst, erwerben, 


589 


590 ROSAMUNDE. 


Mich treibt mein Schwur, mich treibt die Kindespflicht , 
Der Bruder soll für seine Schwester sterben ! 
(Ab mit den Knechten.) 





NEUNTER AUFTRITT. 


ROSAMUNDE, JOHANN, SARA, 


‚Rosamunde, (Johann , der folgen will, zurückhaltend. 
Was wollt Ihr, Prinz? 

Johann, Ihm nach ! 

Rosamunde. Seyd Ihr von Sinnen ? 
Nein, nein , Ihr bleibt ! 

Johann, Lasst mich, ich muss ihm nach. 


Rosamunde. Was soll der Knabe in dem Männerkampfe ? 
Ich lass’ Euch nicht I 
Johann. He! hört Ihr’s ? 
(Zum Fenster eilend.) 
Rosamunde. Sara! Sara l 
Hol’ mir die Kinder, schnell um Gotteswillen ! 
Ach meine Kinder! meine Kinder ! 
Sara, (ab.) 
Johann. Hal 
Da kämpfen sie! Georg ficht wie ein Löwe , 
Die kleine Schaar steht kühn und felsenfest } 
Die Feinde weichen, 


Rosamunde. Feig sind alle Buben ! 

Johann. Gerechter Gott! 

Rosamunde. Was ist's? 

Johann, Georg stürzt in die Kniee! 
Rosamunde. Ist er verwundet ? 

Johann. Tödtlich ! Gott, er fällt, 


Und triumphirend brechen die Verräther 
Ueber die Leiche sich die Mörderbahn ! 
Sie stürmen in das Schloss, 
Rosamunde. Ich bin verloren I 
Johann. Noch bist Du’s nicht. Ich fühl’ der Nesle Geist 
In meiner Brust. Ich bin ihr Erbe, Ha! 
(Das Schwert vom Sarge reisend,) 
Der Vater gibt das Schwert, der Sohn das Beyspiel ; 
Sie führen mich zum ersten Heldenwerke ! 
Auch mir kann Gott den Sieg verleih'n, auch mir ! 


Der Arm ist schwach, das Herz fühlt Riesenstärke ! 
(Er stürzt auf die Thüre zu.) 


— 


EIN TRAUERSPIEL. 591 


ZEHNTER AUFTRITT. 
VORIGE, ARMAND MIT KNECHTEN, DANN ELEO@ORE, 


Johann. Zurück, Verräther ! 

Armand, Prinz , ergebt Euch! 

Johann. Nur 
Im Tode! (Sie fechten.) 

Armand. Schont die Knabenfaust ! 


Johann. Du sollst 
Sie fühlen! (Sie fechten.) 

Armand. Rasender ! 

Eleonore. (von aussen.) 


Was hält Euch auf? 
Rasch in die Zimmer ! 
Armand. Prinz Johann vertheidigt 
Wie ein Verzweifelnder die Thüre, 
Eleonore. Lasst doch sehen , 
Ob auch sein Schwert für mich geschliffen ist, 
(Hervortredend,) 
Ergib Dich , Knabe ! g 
Johann, Himmel ! meine Mutter ! e 
(Stürzt zur Tbüre hinaus,) 
Rosamunde. Die Königin ? — Muth, Rosamunde , Muth! 
Eleonore. Besetzt die Gänge , dass uns nichts entkomme. 
Armand (geht ab.) 
Eleonore. Wo ist die Buhlerin ? — Ha! ist sie das ? 
Rosamunde. Wen suchst Du, Königin ? 
Eleonore. Dich , Dich allein ! 
Dich auf der weiten Erde , Dich allein ! 
Rosamunde. Du hast Dir fürchterliche Bahn gebrochen! 
Eleonore. Also, für diese ward ich aufgeopfert'! 
Die Larve machte mich zur Bettlerin ? 
Rosamunde. lch nahm Dir nichts. War das Dein Eigenthum, 
Was Du noch nie besessen und genossen ? 
Mir nahmst Du alles, schuldlos führte mich 
Ein falscher Wahn zum Gipfel alles Glücks, 
Ich bin erwacht, Du hast mich aufgedonnert , 
Und schaudernd stand ich in der Wirklichkeit , 
Bis ich, mich opfernd , meine Schuld verklärte, 
„Eleonore Vergebne Heuchely, Dein Spiel ist aus, 
Der nächsten Stunde weih’ ich Deine Seele! 
Rosamunde. Ich bin in Deiner, Du in Gottes Hand , 
Vollbringe , was Du darfst , ich kann’s nicht hindern, 
Eleonore. Bist Du auch stolz, verwegne Buhlerin ? 


a, 


592 ROSAMUNDE, 


Ich habe Mittel, diesen Stolz zu brechen, p 
Rosamunde, Du nennst es Stolz? nenn’s lieber Eitelkeit. 

Ich weiss, was mich von Deiner Hand erwartet, 

Und nicht den Sieg gönn’ ich Dir, Königin, 

Dass ich als Brittin zittre vor dem Tode ! 

Eleonore. Weisst Du es so genau, was ich Dir will ? 
Rosamunde. In Deinen Augen steht’s mit glüh’nden Zügen, 

Es zittert Dir mein Urtheil auf der Lippe, 

Doch sieh, ein stilles, freudiges Gefühl 

Musst Du mir wider Willen doch gewähren, 

Rechtfert’'gen kann sich Heinrich nimmermehr ; 

Doch Deine That entschuldigt sein Gewissen. 

Nur heller bricht durch Deine Nacht sein Tag! 
Eleonore, Was, Dirne! wagst Dus noch, mich zn verhöhuen ? 
Rosamunde, Du kannst mich tödten lassen, Königin, 

Ich werde niemals mein Gefühl verläugnen. 

Ich felhte, ja, doch wissenlos. Ich brachte, 

Als ich den Wahn erfuhr , mich selbst zum Opfer. 

Die Schuld ist frey, der Himmel ist versöhnt, 

Uud Deinen Dolch erwart ich ohne Schaudern, 

Hast Du gehofft, dass ich um’s Leben bettle ? 

Du irrst Dich, Königin ! ich bettle nicht. 

(Sara tritt mit den Krndern aus der Seitenthüre,) 


Und bin gefasst — Gott | meine Kinder I 


_— 


EILFTER AUFTRITT. 
VORIGE, SARA, DIE KINDER, 


Eleonore. Ha! 
Sind das die Nattern ? Reisst sie von ihr los} 
(Die Knechte wollen ihr die Kiuder entreisen,, die sich fest an die 
Mutter klammern.) 
Rosamunde. Nur mit dem Leben nimmst Du mir die Kinder ! 
Eleonore. Gehorcht ! 
Rosamunde. Gerechter Gott ! — Barmherzigkeit ! 
Du bist auch Mutter! lass mir meine Kinder! 
Eleonore, Ist das Dein Stolz, verwegnes Weib ? 
Rosamunde, Kannst Du 
Spott treiben mit dem heiligsten Gefühle ? 
Eleonore. Nehmt ihr die Kinder! 
Rosamunde. (wirft sich , die Kinder fest umschlingend, Eleonoren zu Füssen.) 
Gott ! Zu Deinen Füssen 
Lieg’ ich, erbarme Dich! lass mir die Kinder | — 


EIN TRAUERSPIEL. 395 


Wenu Du noch menschlich fühlst in Deiner Brust , 
Wenn Dich ein Thier der Wüste nicht geboren , 
Wenn der Hyäne Milch Dich nicht nicht gesäugt , 
Barmherzigkeit! Hat doch einst einen Löwen 
Das Jammern einer Mutter so durchdrungen , - 
Dass er den heil’gen Raub ihr wiedergab , 
Kannst Du grausamer seyn, und bist doch Mütter ? 
Eleonore. Die Nattern sind gefährlich wie die Schlange , 
Ein rascher Druck macht mich von beyden frey. 
Rosamunde. Gerechter Gott! — was ist denn ihr Verbrechen ? 
Noch keinen Traum nur haben sie. beleidigt, 
Lass ihnen doch das arme kleine Leben , 
Nicht weniger kann man den Menschen schenken , 
O lass es ihnen | — Nenne mir ein Thal, 
Wo ich mich vor dem Könige verberge, 
Lass mich in Dürftigkeit, in Armuth schmachten , 
Nur lass mich leben , lass die Kinder mir, 
Und jeden Tag bet’ ich für Deine Seele, 
Und segne Dich im letzten Augenblick, 
Eleonore. Denkst Du mich so zu fangen, Heuchlerin ? 
Reisst ihr die Kinder von der Brust ! 
Rosomunde. Barmherzigkeit ! 
(Es geschieht.) 
Eleonore. Umsonst, Dir hat die Todtenuhr geschlagen ! 
Gebt ihr den Becher! — Trinke! i 


(Ein Kuccht reicht Rosamunden den Becher) 


Rosamunde. Gift?! 

Eleonore, Nur schnell ! 
Denn sterben müsst Du doch! 

Rosamunde. Ich trinke nicht! 


Eleonore. Du trinkst! wo nicht, so stoss’ ich diesen Dolch 
In Deiner Kinder Herzen | 
(Beisst die Kinder an sich, und setzt ihnen dem Dolch auf die Brust.) 


Die Kinder, Mutter | Mutter } 
Eleonore. Wähle! mein Dolch trifft gut. 
Rosamunde. Halt ein! ich trinke! 


(sie trinkt den Becher.) 
Eleonore, Es ist gescheh’n — Was schaudert’s mich ? 
Rosamunde. Ich fühl’« 
Am meines Herzens wildempörtem Schlage, 
Es hat bald ausgeschlagen. Last mich noch 
Die Paar Minuten Mutter seyn, ich werde 
Nur kurze Zeit zum letzten Segen brauchen. 
Eleonore, (lässt die Kinder mit abgewandtem Gesichte loss.) 
Ein Kind, Ach Mutter, bist so blass, 


594 ROSAMUNDE. 


Das Andere, Sey heiter, 
Wir möchten es gern auch seyn, 
(Auf den Sarg zeigend.) 
Sieh nur an, 
Wie dort die vielen Kerzen fröhlich schimmern. 
Rosamunde. (Kniet swischen ihren Kindern nieder.) 
Küsst mich, — es ist das letzemal , küsst mich ! 
So! Kniet auch nieder, faltet, Eure Händchen , 
Und betet still um Gottes emie Huld, 
Er segne Euch mit seiner schönsten Liebe , 
Er segne Euch zur höchsten Erdenfreude , 
Lebt bessre Tage als die Mutter lebte, 
Seyd glücklicher, als Euer Vater war. 
Die Kinder. Weine nicht, Mutter) 
Rosamunde, Ha, Dein Gift ist schnell. 
Ich fühle meine letzten Pulse stocken, — 
Küsst mich noch einmal, Kinder, noch einmal , 
Und dann lebt wohl, der Himmel sey Euch gnädig! 
(Sie sinkt zusammen.) 
Sara. Sie sinkt! sie stirbt! 
Rosamunde. Erbarm’ Dich meiner Kinder, 
Lass sie nicht büssen , was die Mutter that! 
O, lass sie leben und ich will Dich segnen ! 


ZWÖLFTER AUFTRITT. 
VORIGE. ARMAND, DANN HEINRICH, RICHARD, BOHUN UND JOHANN, 


Armand. Wir sind verloren ! König Heinrich kommt! 
Eleonore, Mich wollt’ ich rächen, und ich rächte ihn f 


Heinrich, (kommt mit den Andern.) 
Wo ist sie? Hal 
Sara. Zu spät , sie ist vergiftet! 


Heinrich. Giftmischerin ! 
(Stüszt auf Eleonoren.) ` 
Dafür zahlt dieses Schwert ! 


Rosamunde (rafft sich mit der letzteu Kraft auf, und reisst dem Heinrich das 
` Schwert aus der Hand.) 


Heinrich, vergib ihr, ich..hab’ ihr vergeben, 
(Sie sinkt zusammen.) 
RICHARD und JOHANN 
(fangen sie knieend auf) 
Richard. Welch ein -Geschöpf! 
Heinrich. Sie lebt noch rettet, rettet! 
Rosamunde. Es ist zu spät. 


EIN TRAUERSPIEL. 595 


Die Kinder. © Mutter! Mutter! 
(Sich über sie werfend.) 
Rosamunde. Gott! 


In Deinen Schutz befehl’ ich meine Kinder, 
In Deine Hand befehl’ ich meinen Geist ! 
(Sie stirbt.) 
Richard. Der Himmel siegt! 
Eleonore, Die Hölle steht vernichtet ! 


Heinrich. König der Könige, Du hast gerichtet ! 
(Während der Gruppe fällt der Vorhang.) 


HEDWIG. 


EIN DRAMA IN DREY AUFZUGEN. 


m — 
PERSONEN. 
GRAF FELSECK. ; RUDOLPH , Jäger des Grafen. 
DIE GRAFIN, seine Gemahlin. ZANARETTO 
Wë Fe "L Räuber, 

suLıus, ihr Sohn, Rittmeister. LORENZO, ° 
HEDWIG, (re Pflegetochter. Räuber. 
BERNHARD, ein alter Diener des || Bediente des Grafen. 

Grafen, Bauern, 


(Der Schauplatz ist an der Grenze von Italien.) 





ERSTER AUFZUG. 


(Ein Zimmer nach altem Geschmack , mit Flügel- 
thüren und Bogenfenstern. Eine Harfe und ein 
Pianoforte stehen am Fenster.) 


ERSTER AUFTRITT. 


HEDWIG (in der üblichen, sehr zierlichen Landestracht jener Grenzländer, 
kommt ans einer Seitenthüre.) 


E: folgt mir überall, ich weich’ ihm aus, 
Ich suche seine Grüsse zu vergessen , 

Der Stimme süssen Ton zu übertäuben , 

Der eine schöne Zeit mir wieder ruft! — 
Vergebens! — Er vereitelt jede Kunst, 
Womit ich meine Seligkeit, womit ich ` ` 
Mich selbst bezwingend,, seinen Anblick meide. 
Ach ein Gefühl, dass ich umsonst verbarg , 
Das ich umsonst der eignen Brust verschwiegen , 
Drängt sich allmächtig in die schwache Seele, 
Wenn er sich zeigt, und hält mich so zurück , 


HEDWIG. EIN DRAMA. 


Ob Scheu nnd Angst auch meinen Schritt beflüzeln. 
Da ist er wieder. Hedwig, fasse dich! — 

Du bist die Magd, er ist Dein Herr; vergiss 

Was er die war , und was du ihm gewesen! 


597 


(Versucht es, dem eintretenden Julius mit einem ehrerbietigen Grusse zu 


entgehen.) 


— 


ZWEITER AUFTRITT. 


JULIUS. HEDWIG. 


Julius (hält sie bey der Hand zurück.) 
Wie, Hedwig, hab’ ich das um dich verdient ? 
Gilt dieser kalte , ehrfurchtsvolle Gruss e 
Mir, deinem Julius! — Bin ich’s, denn nicht mehr ? 
Und wär’ ich’s nicht mehr, hat der Jugendfreund,, 
Hat der Gespiele aus der Kindheit Tagen, 
Kein Recht auf einen wärmeren Enipfang ? 

Hedwig. Herr Graf! 

Julius. Herr? — Hedwig, das war hart, 
Und nicht verschuldet hab’ ich die Behandlung. 
Herr, Herr! — so nennt mich meine Hedwig ? 

Hedwig. Graf, 
Sie finden einen Sinn in diesem Worte, 

‘Wie ich ihn nie hineingelegt. Sie waren 
Stets gütig und nie herrisch gegen mich , 
Der Ton verbess’re, was das Wort verdarb» 

Julius. Was soll's mit diesem künstlichen Umgehen ? 
Wo ist die alte Sprache des Vertrau’ns, 

Die unsre Herzen sonst so schnell gefunden. 
Was ist aus dir geworden, Mädchen ? sprich ! 
Hedwig. Ich bitte Sie, vergessen Sie die Zeit, 
Wo wir als Kinder sorglos aufgewachsen , 
Die Welt ‘und ihre Form noch nicht gekannt, 
Wo sich die Seele jeglichem Gefühle 
In.freyem Triebe willig übergab , 
Und nur dem innern Heiligthum gehorchte. 
Sie ist nicht mehr. — Entwachsen diesem Kreise , 
Sehn wir in einer neuen Welt uns wieder, 
Und was der Jugend leichtes Spiel verknüpft, 
Das steht sich fern, der Bund ist aufgehoben, 
Sie sind der Herr geworden , ich die Magd! 
(will gehn.) 


A4 


398 ` HEDWIG. 


Julius. Nein, du entfliehst mir nicht! Nein! wissen muss ich’s, 
Was zwischen diese beyden reinen Herzen 
Das scharfe Gift der Vorurtheile goss ! 

Sieh! als ich vor fünf Jahren dich verliess , 
Der Vater mich zum Regimente brachte , 
Da schwor ich dir, da schworst du eege Treue, 
Und bey dem grossen Gott, ieh hielt den Schwur! 
Dein süsser Name war mein Talisman, 
Der durch der Jugend wild unbänd’gen Sturm, 
Der dusch der Zeit- Verderbniss rein mich führte , 
Und mir das inn’re Heiligthum beschützt‘. 
Manch’ üppige Gestalt trat mir entgegen, 
Manch feurig Auge winkte rasch mir zu, 
Es gruben die verwilderten Gesellen 
An meines Herzens stiller Religion, 
Den zarten Glauben tückisch mir zu rauben, 
Denn der Verdorbne hasst den Unverdorbnen , 
Und jeder Schuld’ge ist der Unschuld Feind; < 
Mich aber hielt dein reines Bild empor, 
Ich dachte dich, ich dachte unsrer Liebe, 
Und all die Brandung der empörten Welt 
Brach sich an meines Herzens heil’ger Treue. 
Da flog die Zwietracht über unsre Fluren, 
Des Ruhmes Tempel that sich krachend auf, ` 
Das Vaterland rief laut nach seinen Helden! — 
Ich war dabey, ich schlug die Schlachten mit. 
Die Regimenter rühmten mein Verhalten, 
Und dieses Kreuz hing mir der Feldherr um. 
Das erste, was ich da gedacht, als ich 
Heraus trat aus der Fronte, und der Mann, 
Der meiner Jugend herrlich vorgeleuchtet , 
Glückwünschend meine Hand ergriff, und laut 
Den Namen Felseck zu den Helden zählte, 
Das, Hedwig, das warst du. Sie wird sich freu’n , 
Wird stolz auf dich seyn! Der Gedanke war 
Lebendiger in mir, als eigne Freude, 
War lauter, als. der Ehre Jubelru£! 

bk HEDWIG (bey Seite.) 
Gott! kaum bezähm’ ich mich. — 

Julius. Der schöne Frieden 
Führt’ drauf die Regimenter in die Heimath ; 
Schnell nehm’ ich Urlaub, werfe mich auf’s Pferd, 
Der Liebe Sehnsucht gibt dem Rosse Flügel, 

Ich reite Tag und Nacht, was gilt Erschöpfung , 
Wenn ich dich wieder sehen soll, — die Stunde , 


EIN DRAMA. 


Die ich versäume, rechn’ ich hoch mir. am, 

Als Raub an meines Lebens schönstem Frühling, 
Ich komme’ an, ein einz’ger Blick von dir 

Erquickt der Nerven abgespannte Kraft, 

Es war ein Blick , wo Seligkeit der Liebe 

In heil'gen Perlen klar und mächtig sprach. — 
Doch nur der eine Blick, — vergebens sucht’ ich 
Die Augen meiner Hedwig ! — Sie verschwanden, 
Die Dämm’rung log den Sunnenaufgang mir, 

Und tiefe Nacht sank über meine Freude ! 


Hedwige Gott! — Ich beschwöre Sie! — Graf, Sie sind grausam ! 


Julius. Noch hofft’ ich; nur die Nähe meiner Eltern, 

Die unsrer Herzen Bündniss nie gewusst , 
Verdunkle mir das Sönnenlicht der Liebe; 
Doch jetzo find’ ich dich allein ! 

Und keine Hedwig liegt in meinen Armen! 

Hedwig. Nein, hier bezwingt sich keines Menschen Herz! 
Umsonst ist's! Denken Sie nicht klein von mir; 
Herr Graf, wenn Ihrer Worte Flammensturm 
Mehr, als er's’sollte, mir die Seele reisst, 

Und die Erinn’rung mich zu mächtig fasste! 
O, ich besehwöre Sie! — — 
Julius. ` Wir sind allein , 
(Sie an sich zieheud.) 
‚Und keine Hedwig liegt in meinen Armen! — 

Hedwig. Barmherzigkeit | Graf! — (Sich losreissend.) 

Brechen Sic kein Herz, 
Dem Lieb’ und Gram den Frieden schon gemordet, 
(Rasch ab.) 





DRITTER AUFTRITT. 
JULIUS (allein.) 


Hedwig! Hedwig! — Unisonst, sie flieht mich jetzt, 
So ängstlich , wie sie ehmals mich gesucht, — 
Mein Herz voll alter Treue bracht’ ich mit, 
Der Kindheit ganzes inniges Vertrau’n, 

Nichts ist verwandelt in der treuen Seele, 
Niehts, als die frühe Gluth der Leidenschaft , 
Die in des Tages Stürmen rein gebrannt, 

Zum Friedenslicht’ der Liebe sich verklärte] — 
Sie aber tind’ ich als ein fremd Geschöpf; 

Mit kalter Strenge meiner warmen Brust , 

Des Lebens nüchterne Gesetze schmiedend, 


490 HEDWIG. 


O Hedwig! Hedwig! was soll dieser Zwang, 

Der unsrer Tage Frühlingslust vergiftet ? 

Denn Zwang war's doch! Zwang war es, deine Augen 
Verriethen, was die Lippe mir verschwieg. 

Du liebst mich noch. — Ich soll ein Herz nicht brechen, à 
Dem Lieb’ und Gram den Frieden schon gemordet! 

So bat’st du weinend | — Wie erklär’ ich mir's? 

Wenn deine Brust den Frieden nicht bewahrt , 

Wo ist ein Herz, dem dieser Trost geblieben ? — 

Was kann sie meynen ? — Wär's vielleicht die Furcht: 
Der Zorn der Eltern treffe unsre Liebe ? — 
Nein, Hedwig, da verkennst du diese Edlen , 
Das Vorurtheil ist fremd in ihrer Brust, _ 

In gleicher Liebe wurden wir erzogen, ` 

Es war kein Vorzug zwischen dir und mir, | 
Und warst du gleich die arme Försterstochter , 
Das angenommene Kind, und ich der Erbe, 
Der einz’ge Sohn vom alten Grafenhaus, 

So sind wir aufgewächsen, und so wuchs 

Die Liebe mit, die in die zarten Seelen 

Der Kindheit erst Erwachen eingepflanzt. 

Der -Vater sah's und freute sich des Kuäben , 
Wenn er der Schwester Shchspragg; den Giesbach. 
Und mit der Seligkeit der ersteng. i 
Den schwachen Arm um die Verlore 
Die theure Last an’s sichre Ufer trag - 
Der Mutter stand die, Thrüne klar im Auge, 

Wenn zu des Bruders übermüth’ger Schuld 

Die sanfte Schwester schnell sich selbst bekennend , 
Die fremde Strafe heimlich litt und schwieg. 

Wir selber wussten’s nicht, wie wir uns liebten, 
Ein Räthsel war sich jedes, ein Geheimniss 

Lag über dem Gefühle unsres’ Glücks. 

Nun sollt’ ich fort; wir trafen uns im Garten, 

Ich zog sie weinend an mein Herz, da brannte 
Der Kuss der Liebe auf den glühnden Lippen , ` 
Und klar in meine Seele fiel der Tag. 

Ich hatte sie schon oft geküsst, doch niemals 

® Fühle ich die schmerzenvolle Seligkeit, 

Die nun auf einmal meine Brust durchzuckte, 
Füblt’ ich den ganzeu Himmel dieses Glücks. 

Auf unsere Lippen schmeltzen Gottes Flammen, 
Und unsre Seelen flogen rasch zusammen! 
Arglistige Erinnerung ! dich freut’s noch, 

Mir den verlornen Himmel vorzulügen , 







i trend ; 


EIN DRAMA. 401 


Wenn ich in der Verbarinung schmachten muss? 
Wo bist du hin, du schöner goldner Traum, 
Der meiner Jugend ganze Nacht’erhellte ? 


— 


VIERTER AUTRITT. 


JULIUS. RUDOLPH (durch die Mittelthüre.) 


Rudolph. Herr Graf! D 
Julius. Was gibts ? 
Rudolph. Es wird zur Jagd geblasen. — 


Julius. Ich komme! — Ist mein Vater schon im Saale ? 
Rudolph. Der gnäd’ge Herr erwartet Sie. 
Julius. ` Sogleich | — 
O dass ich in des Waldes Srhauer , 
Den Frieden wieder fände und den Muth! 
(Geht ab.) 





FUNFTER AUFTRITT. 
RUDOLPH (allein. 


Was war das? Sprach der nicht von wiederfinden ? 
Von Frieden wiederfinden ? Armer Thor! 

Was kann denn solchem Sonntagskind begegnen ? 
Der Seelenfrieden ist ein Kinderspiel , 

Wenn Glück und Zufall an der Wiege lachte $ 
Todsünde nenn’ ich dann den wüsten Traum , 

Der solch ein Schoosskind aus dem Schlummer rüttelt ; 
Wer aber mit dem ganzen-Fluch der Hölle 

Schon in dies feindlich fremde Toben tritt, 

Wer vor der That verdammt ist, vor dem Vorsatz — 
Was soll das, Rudolph ? — Lass die Furien schlafen , 
Ersticke die Erinn’rung deiner Seele 

Mit deines Herzens brünstigem Gebete, 

Lass deine Furien schlafen | — Könnt’ ich jetzt 

Ein neugeborner Mensch in’s Leben treten, 

Könnt’ ich der Jugend sanfte Heiterkeit 

Mit diesem Strahl der Frühlingsliebe kränzen , 

Brächt’ ich dem reinen heiligen Gefühl , 

Ein reines Herz voll heil’ger Unschuld zu. 

Wo bist du hin, du Friede meiner Kindheit , 

Der mich in lichte Träume eingewiegt, 

Arglistig Glück , sollt’ ich sie einmal finden, 

Die meines Leben Räthsel lösen kann , 


e 


402 HEDWIG” 


Was hast du sie mir damals nicht verkündigt , 
Wo ich noch rein in’s falsche Leben schaute, 
Wo mich gewiss ihr sanftes Zauberlicht 
Schuldlos durch diese Strudelwelt gezogen ? 
Was hast du jetzt den Himmel mir geöffnet, 
Wo ich der Hölle schon verfallen bin ? — 
Zum zweytenmal in diesem Schauderleben 
Drängt sich die Liebe in mein wildes Herz; 
Und gleich, als hätte mügßerlich Natur, 

Auch guten Samen in die Brust geworfen, 

Wo bis hierher nur blut’ge Frucht gedieh , 

So wacht ein menschliches Gefühl mir auf, 
Und lügt von Busse mir und von Vergebung! 
Und doch! doch! wenn dies himmlische Geschöpf, 
Ein Abglanz jener Welt, die ich verkaufte, 
Mit ihrem reinen Licht mich läutern will, 
Zwing ich den Himmel zum Vergessen , zwinge 
Der Hölle ihren Schuldbrief an mich ab, — 
Da kommt sie ! — Rudolph , ziehe deine Losung, 
Entscheidend tritt der Augenblick heran ; 

Er fragt die rasche Stimme deines Schicksals ! 


KL — 


SECHSTER AUFTRITT. 
S H . 
RUDOLPH, HEDWIG (aus der Seitenthüre,) 


Hedwig. Fort muss ich, fort, ich hab’ ein menschlich Herz, 
Und nicht ertragen kann ich diese Qual , 
Mit der mich Lieb’ und Dankbarkeit bestürmen,, 
Soll ichs den Eltern so mit Gram belohnen, 
Was sie an dem hülflosen Kind gethan, 
Dass ich den einzigen, geliebten Sohn 
Von ihrer Brust in meine Arme reisse? — 
Zu dieser Höhe ward ich nicht erzogen ? — 
Wohin der Liebe Sturm mich tragen will. 
In einer Hütte ist mein Platz, die Mauern 
Des stolzen Schlosses drängen meine Seele, — 
Wenn Liebe Muth gibt, Schranken zu vergessen, 
Die eine heil’ge Sitte um uns zog, 
So gibt mir Dankbarkeit die Kraft, dem Glücke 
Mit eiger Hand die Pforten zu verriegeln, 

Rudolph. Was träumt Ihr, schöne Hedwig ? welche Thräne 
Der Freude oder Wehmuth füllt das Auge ? 
Ihr seyd ergriffen, o verbergt es nicht, 
Und wenn’s Euch freut, so wisst , hier schlägt ein Herz, 

KL 


EIN DRAMA. 


Das Eure Freude mitfühlt , Eure Schmerzen, 
Ihr seht mich staunend an , Euch stört das Wort, 
Das ungewohnte aus des Waidmanns Munde, 
Das ist des Jägers rauhe Sprache nicht, — 
Lasst’s Euch nicht irre machen , schöne Hedwig , 
Ich bin nicht in den Wäldern aufgewachsen , 
Und wär ich’s auch, so liess mich das Gefühl , 
Das Euch mich nähert, diese Töne finden ; 
Denn Augenblicke gibt's auch für die rauhe Brust, 
Wa dunkle Mächte Melodien wecken! 

Hedwig. Ich hör’ Euch gern und mit Erstaunen an, 
Doch ist es das Erstaunen einer Freude , 
Denn gine Seele sucht’ ich, die empfindet, 
Und mag auch Mancher fühlen, warm wie ich, 
Der , gleich wie wir, im niedern Kreis geboren, 
Der raule Ton verscheucht mir das Vertrau’'n , 
Der zarte Sinn verlangt nach zarten Worten, 
Doch wie erklär ich mirs — seit vielen Wochen 
Sind wir zusammen , Glieder eines Hauses, 
Und noch fand ich den Menschen nicht heraus, 
Und nur den Jäger kennt man hier im Schlosse, 

Rudolph. Mag ich's erröthend Euch gestehn, mich liess 
Der Stolz nicht zeigen, was ich in mir trug, 
Ein feindlich Schicksal stürmte durch mein Leben, 
Nein, nicht geboren ward ich, ale ein Knecht 
In Waldesnacht mein Leben zu verdienen , 
Zu freyen Tagen zog das Glück mich auf, 
Und aufgezogen , seiner Gunst vertrauend , 
Betrog es mich, und liess mich sinken. Lasst 
Mich einen Schleyer werfen auf die Zeit, 
Ich mag nicht falsch, mag nicht ein Lügner seyn, 
Und dennoch graut mir vor der Wahrheit Stimme, 
Lasst das! — Ich ging durch eine strenge Schule , 
Ihr sollt entscheiden, ob ich ausgelernt, 
Die Welt durchstreifend kam ich in dies Thal, 
Und sah , vergebt der Lippe, die es zittert , 
Und ihres Herzens Räthsel Euch verräth, 
Sah Euch , und blieb. — O, wendet Euch nicht ab, 
Denkt, dass Ihr mich aus einem wüsten Leben, 
Wo ich dem Untergange nahe war, 
In dieses Thales Frieden hergezaubert , 
Was Gutes an mir werden kann, ist Euer! 
Verbannt hatt’ ich der Menschlichkeit Gefühl , 
Da fand ieh Euch, und ich erkannte, was 
In meiner Brust längst tief und. still geschlummert. 


404 HEDWIG. 


Hedwig, Was sollen diese Worte ? ` 
Rudolph. Hört mich aus! 

Ich sah Euch , und ich blieb — die frühe Lust, 

In Waldes Nacht mich einsam zu vergraben , 

Hat mir die Jägerwelt vertraut gemacht , 

Das alte Wissen sucht’ ich.sorgsam vor, 

Als Förster bot ich mich dem Grafen an, 

Und bengte meine frey gewohnte Seele 

Zum ersten Mal in’s Joch der Sklaverey. 

Ich that’s für dich. — Hat mich das falsche Glück , 

Das meiner ganzen Jugendwelt geheuchelt, 

Auch dieses letzte Mal betrogen? — Hedwig; 

Ein Mensch liegt vor dir, den das Leben ausstiess , 

© wecke seinen Engel in der Brust ! 

Ich fordre tollkühn ja nicht Liebe — Mitleid, 

Nur Mitleid , das ist alles, was ich will! 

Wohl mag’s ein schönes Glück seyn , edle Seelen 

Mit Liebeslust und Fıühling zu :verklären ; 

Doch den Gefallnen , den in Staub Getret’nen 

Mit rettender , mit engelreiner Hand 

Hinauf in der Vergebung Licht zu tragen, 

Das ist ein heil’ges , göltliches Gefühl , 

Wo sich des Himmels Bürgerrecht begründet, — 

Du sehweigst? — Bedenke , Hedwig, was es gilt, 

Das Urtheil sprichst du über meine Seele ! 
Hedwig. Lasst mich , .nur jetzt nicht, jetzt nur nicht, — 
Rudolph. Ich biete dir 

Ein Loos, bescheiden zwar, doch sorgenfrey ; 

Dort in der Hütte, wo dein Tag erwachte , 

Wo deines Vaters stilles Leben ging, 

Leb’ ich dem Dienste unsers guten Grafen, 

Ich weiss, du.bjst für laute Freuden nicht, 

Nicht für den Ueberfluss, der dich umgibt; 

Erzogen bist du für ein bürgerliches Leben, 

Und wirst du auch als Tochter hier geliebt, 

Dein Anzug ist dem Stande gleich geblieben, 

Für den Natur und Liebe dich bestimmte, 

O meine Hedwig! wüsstest du’s so ganz, 

Wie ich der Hand bedarf, der Führerin , 

(Ergreift ihre Hand.) 
Du würdest nicht so lange dich bedenken. 


EIN DRAMA. 405 


SIEBENTER AUFTRITT. 
VORIGE, BERNHARD (dureh die Mittelthüre.) 
Bernhard. Euch ruft der Graf; Herr Förster. 


Rudolph. ; Tod und Teufel! 
Ich kann jetzt nicht, 

Bernhard. Wie , Herr? Seyd ihr bey Sinnen ? 
Ihr könnt nicht, wenn der Graf Euch ruft? — 

Rudolph, Verdammt ! 


Sogleich — Hedwig ! — (Mit einem Blick auf Bernhard , und sich vor 
den Kopf schlagend,) 
O, die verkaufte Freyheit! 
(Rasch ab.) 


— 


AQHTER AUFTRITT. 


HEDWIG, BERNHARD, 
Bernhard. Was war das ? Hedwig! dieser wüste Mensch ~ 
Darf deine reine Hand vertraulich fassen ? 
Was hat er mit dir ? — was? — 


Hedwig. Nichts , guter Alter ; 
Er bat mich nur. — 
Bernhard. Er darf nicht bitten, Nein ! 


Nimm dich in Acht, — Mir wird so ängstlich , wo ich 

Ihn treffe , mich ergreift ein Schauder ; 

Den" Ach mir nimmer zu enträthseln weiss, 

Hast du den rastlos. wilden Blick bemerkt , 

Als hing die Furie an seinen Fersen ? 

Sahst due, wie’s grässlich ihm durch’s Antlitz zuckte , 

Als ich ihn störte ? — 
Hedwig. j Ihr seyd zu besorgt. 

Er ist kein schlechter Mensch, verwildert wohl, 

Doch ist ein frommer fester Wille da, 

Man muss die Wankenden nicht sinken lassen. 
Bernhard. Der wankt nicht mehr, der ist gesunken! Reich’ 

Ihm nur die Hand, er zieht dich mit hinab, 

O, bin ich denn der einz’ge nicht Verblendete ? 

Er hat das ganze Haus behext. Der Graf : 

Erdrückt ihn fast mit Gunst und Wohlthat, aber 

Die Zeit wird kommen , sais ihn reuen wird. 
Hedwig. Seyd nicht so streng. Ihr seyd ja sonst so gut! 

Ihr liebt so warm , soll Euer ganzer Hass , 

Den Eure heitre Seele sonst verbannte , 

Sich lastend werfen auf die eine Brust ? 


405 HEDWIG, 


Ist das gerecht? dem Einen Euern Hass , 
Und Eure Liebe einer ganzen Erde ?! — 
Nein, nien, seyd billig ! — í 

Bernhard. Eben weil ich’s bin, 
So hass’ ich ihn. Ein innerer Instinkt 
Weckt mir den Abscheu in der tiefsten Seele ; 

Wie eine Schlange, die auf meinen Rosen 

Ihr giftiges Verderben aussprizt, 

Frscheint er mir, in manchem wachen Traum, 
Und traue mir, es ist kein Kinderglaube , 

Der aus des Traumes Seelen-Echo spricht. 

Hedwig. Ist das mein alter Bernhard, den ich höre ? 
Ich kennt ihn kaum, und Ihr verdammt ihn schon ? 
Saht Ihr ihn gestern in den Mühlbach springen, 
Wie er,das Kind mit kecker Hand ergriff, 

Des Wasserrads Zermalmung nicht bedenkend ? 

Saht Ihr den wüt’gen Hnnd von ihm' erlegt ? 

Er ist erst kurze Zeit in unsrer Nähe, 

Und jeder Tag fast rühmt uns seinen Muth, r 

Bernhard. Das eben ist’s , was mich mit Schauder füllt , 
Der hat dag Bess’re schon in sich verloren , 

Der so sein Leben in die Schanze schlägt, 

Dass man den Nächsten rettet, die Gefahr 

Nicht scheut, wenn es ein Menschenleben gilt, 

Das ist .des Starken Pflicht und Schuldigkeit; 

Doch wer verwegen mit dem Tode spielt, 

Stolz auf dies teuflische Gefühl: dass er 

Den Hinimelstag verachtend kann entbehren, 
Verräth des Herzens schwarzen Uebermuth, 

Der Gott und Vorsicht und die Welt verspottet. 

So ists mit ihm, ich hab’ ihn längst durchschaut. *— 
Hedwig, Hedwig! bedenke deinen Frieden! (Geht ab.) 


— 


NEUNTER AUFTRITT. 
HEDWIG (allein.) 


Nein , Alter! Rudolph.ist kein schlechter Mensch, 

Es spricht etwas für ihn in meinem Herzen, 

Nein, Rudolph ist kein schlechter Mensch. — Die Zeit 
Hat ihn misshandelt, das verbirgt er nicht, 

Er hat am Glück verzweifelt, meine Hand 

Kann ihn vielleicht vom sichern Abgrund retten, 

Ich kann sein Engel werden! Was bedenk’ ich's? 
Bleibt mir denn eine Wahl ? Ich bin gewöhnt, 


EIN DRANA. 407 


Des Herzens laute Stimme zu betäuben, 

Doch diesmal bricht sich meine Kraft, Vergebens 

Such’ ich dem Sturm der Liebe zu entgehn, 

Ihn darf ich nicht besitzen., und er darf’s 

Nicht wissen, was mein armes Herz zerreisst, 

Ach Julius ! Julius! seine Eltern würden, 

"Von seines Jammers wildem Ton bewegt, 

Vielleicht zuletzt mit abgewandtem Blicke 

Den Bund laut segnen, dem sie still geflucht, 

Und so dem Sohn die liebsten "Wünsche opfern, 

Nein , wenn ein Opfer seyn muss, so ser ich’s 

Sein wilder Schmerz tobt endlich aus, er kann 

Auch ohne mich einst glücklich seyn. — Gott! == Ich — 
Ich werde an ihn derken, und Erinnerung 

Wird. mir die schönen Tage wieder bringen, 

Wo er mein war, mein Julius, mein Alles! — 

Ja, er wird glücklich seyn, ich auch. Nein, nein ! 

Lüg’ mir nichts vor, arglist'ge Dankbarkeit, 

Er wird nicht glücklich‘, kann nicht glücklich seyn. 

An diesem treuen Herzen ist sein Platz , 

Er muss verwelken an dem fremden Herzen! — 

"Und doch, doch, Hedwig! doch! — Fehlt ihm der Muth, 
Das Glück aus seiner Seele zu verjagen ! 

Ich muss ihn heben , und ich will ihn heben, 

Rudolph erfahre, was mich jetzt bestürmt , 

Denn nicht betrügen will ich seinen Glauben, 

Und gnügt ihm ein gebrochnes Her, so reicht 

Das Unglück der Verzweiflung seine Hand ; 

Und Frieden such’ ich bey dem Friedenlosen. (Gehi ab.) 


—— 


ZEUHNTER AUFTRITT. 
Das Theater verwandelt sich in eine düstre Waldgegend. 


ZANARETTO und RÄUBER (von der rechten,) LORENZO (von der linken Seite.) 
(Man hört, eh’ sie erscheinen , von beyden Seiten pfeifen.) 


Zanaretto. Lorenzo! 

Lorenzo. Zanaretto ! 

Zanaretto. Sprich ! 'was bringst du? 

Lorenzo. Die beste Kundschaft, die ich bringen kann, 
Der Fang wird leicht, Felseck braucht wenig Arbeit, 
Denk" nur, wen sah ich dort im Schlosse ? 

Zanaretto. Nun ? 

Lorenzo, Rudolfo dient als Förster bey dem Grafen, 

Zanaretto. Rudolfo? ist es möglich ! — Was, der wagt's, 


408 HEDWIG. 


Sich tollkübn in der Welt herum zu treiben , 
Der ausgelernte Mörder ? Nein, dich hat 
Ein Traum betrogen. 


Lorenzo. Lern’ mich Rudolph kennen ! - 
Er war’! 

Zanaretto. Er selbst ? 

Lorenzo, _ Rudolph. 

Zanaretto. Unbegreiflich ! 


Lorenzo. Frech war er immer bis zur Raserey, 

Ich kann das Unbegreifliche nicht finden. 

Kurz, er ist hier im Schlosse. — Auf die Jagd, 

Ritt just der Graf, drum schnell in unsre Winkel, 

Vielleicht dass sich der Rudolph her verirrt, 

Da können wir das Nöthige bereden. 

Es wird kein schlechter Fang seyn, denk’ ich mir, 

Denn ein Gewölbe hat man mir gewiesen, 

Das den Familienschatz bewahren soll. 

(Man hört einige Jagdhörner.) 
Zanaretto, Da kömmt die Jagd herauf. “Schnell in die Höhlen ! 
(Alle ab.) ` 





EILFTER AUFTRITT. 


DER GRAF, JULIUS, RUDOLPH. JAGER, 
Graf. Die Jagd ist auf, 


Rudolph. . Die Hunde eingekoppelt | 
Blas’t ab! (Es geschieht.) 
Graf. Ich bin dein Schuldner worden, Rudolph! 


Verwundet läg' ich jetzt auf diesem Boden, 
Vielleicht dass ich den Tag nie mehr gesehn, 
Wenn deine kühne Kraft mich nicht gerettet. 
Der Eber, wüthend durch die erste Kugel, 
Die ihm die harte Borstenhaut zerrissen , 
Stürzt auf mich los, da fehlt mein zweyter Schuss, 
Ich bin verloren, denn wie hatt’ ich Zeit, 
Das Fangemesser an das Knie zu setzen ; 
Da wirfst du dich dem Eber in den Weg, 
Raufst mit dem Unthier, und durchbohrst verwegen 
Mit deinem guten Messer seine Brust. 
Rudolph. Dafür werd’ ich bezahlt, das ist mein Handwerk, 
Es ist des Glückes grösste Gunst, wenn es 
Gemeiner Pfiicht das Ungemeine zulässt, 
Graf. Du hast ein Recht, dir deinen Lohn zu fordern, 
Bestimm’ ihn selbst, und wenn mir's möglich ist, 


EIN: DRAMA. 409 


So will ich doppelt dir den Wunsch erfüllen. 
Rudolph. Herr Graf, Sie können mich sehr glücklich machen‘, 
Der unbescheid’ne Wunsch beleid’ge nicht, 
Sie gaben mir den Dienst, der mich ernährt, 
Ich hab’ nun eignes, Dach und Fach, es fehlt 
Die Eine nur, die mir-das Haus regiere, 
Die mit des Weibes zartem Ordnungsgeist , 
Das rasche Leben still und einfach richte. 
Die eine fehlt mir. ` 
Graf. Gut, such’ dir ein Weib, - 
Für deine Wirtschaft wird dein Schuldner sorgen. 
Rudolph. Des Suchens braucht es nicht; sie ist’ gefunden, 
Doch Ihres Wortes, Herr , bedarf ich. 
Julius. Gott, 
Was werd’ ich hören müssen ? 
Graf. Meines Worts? — 
Wie heisst denn deine Liebe ? 
Rudolph. . Hedwig. 
Julius, Hedwig?! —- 
Graf. Mein Pflegekind? — 
Rudolph. Sie ist’s ! 
Julius, Unmöglich! 
Graf. Hast du 
Mit ihr gesprochen ? 
Rudolph. Ja! 
Julius. Und ihre Antwort ? 
Rudolph. Sie schwieg, und eine Thräne sah ich fallen , 
Ich legte mirs zu meinen Gunsten aus, 
Julius. O Hedwig! Hedwig ! 
Graf. Hm! — Doch, du bist brav 
In deinem Dienste, kein gemeiner Jäger, 
An deiner Sprache merkt man’s, deinen Mienen, 
Das Leben hast du mir gerettet; wenn sie 
Dich liebt, so will ich gern — 
Julius. Vater, halt’ ein! 
Kein vorschnell Wort entschlüpfe deinem Munde, 
Bezahle nicht mit einem fremden Glücke , 
Was dein armselig Gold erkaufen kann. 
Willst du den Demant dir zertreten lassen, 
Den deine sechzehnjähr’ge Vaterliebe 
Zur sonnenklaren Strahlenperle schuf ? 
Kein vorschnell Wort, Hier trag’ ich ein Geheimniss, 
Doch nicht der Ort ist's, wo ich's lösen soll. 
Wenn meine Ruhe, wenn mein Glück dir lieb ist, 


35 


410 HEDWIG. 


Entscheide nichts — Komm, Vater ! dort im- -Schlosse 
Erfährst-du, was in meiner Seelo stürmt, 
Graf. Julius, was ist dir ? 
Rudolph. , Teufel ! 
Julius. Komm , mein Vater! 
O, dass ich mich nicht früher dir vertraute ! 
Graf, Was soll dies räthselhafte Wesen? — 
Julius, Lass mich, 
Bald wird es klar vor deinen Augen seyn, 
Graf. Sa komm, Rudolph, ich bleibe noch dein Schuldner; 
Doch nimm mein Wort, ich Bleib’s nicht lange mehr. 
Nur überlegen lass mich deine „Bitte , 
Sey deines Lohns, sey meiner Gunst gewiss. 
(Geht mit Julius und den Jügern ab.) 
RUDOLPH (allein.) 
Verdammt ! Das ist mein alter Flach, Wenn ich’s 
Errathe! — Tod und Teufel — Nur Gewissheit! — - 
Der Bube sollt’ es büssen ! Rudolph , Rudolph | 
Nimm dich in Acht, das war der Schlange Zischen , 


Die Hölle regt sich noch in meiner Brust | — (Ab.) 
(Der Vorhang fällt.) 





ZWEITER AUFZUG. 
(Das Zimmer des ersten Aufzugs.) 


ERSTER AUFTRITT. 


DER GRAF. BERNHARD, 


Graf. Lass mich zufrieden, alter Grillenfänger! 
Was treibt dich für ein böser Geist, dass du 
Mit deinen Träumerey’n die Sorge aufweckst ? 
Ich halt auf Rudolph viel, sehr viel: heut’ dank’ ich 
Das Leben seinem muthigen Entschlusse ; 
Soll ich nicht billig seyn und nicht gerecht ? 
Bernhard. O, rechnen Sie die That nicht höher an, 
Als sie der Zufall stellt. Seyn Sie dankbar, 
Nur , guter Herr, vertrau’n Sie nicht dem Menschen , 
Weil er den Muth gehabt, für Sie sein Leben 
In glücklichem Entschlusse hinzuwerfen, 


EIN DRAMA. 441 


Was meiner längern Treue zukommt. Graf, 
Sie sehen leicht in solcher schweren Sache, 

Graf. Ich kenne deine Treue für mein Haus, 
Drum will ich dein Geschwätz vergessen ; doch 
Kein Wort mehr über Rudolph, nicht zu mir, 
Und nicht zu andern} Hörst du, alter Träumer ? 
Jetzt geh’ an deine Arbeit! 

Bernhard. Gott verhüte, 


Dass meine Träume nicht zur Wahrheit werden ! e 
(Geht ab.) 


GRAF (allein.) e 
Wo nur der Julius bleibt? — Gleich wollt’ er hier seyn. 
Ein wilder Sturm hob seine kühne Brust, 
Die Augen blitzten! — . Wunderbar! — mir. abnet , 
Was Ungewöhnliches soll ich erfahren, 
Da kommt er. 


ZWEITER AUFTRITT. 


DER GRAF. JULIUS, 


Julius. Vater, ruhig wollt’ ich seyn, 
Doch kann ich’s nicht. Vergebens hab’ ich mir 
Im Garten meine Hitze vorgeworfen, 

Das heisse Blut verspottet die Vernunft, 

Ich kann nicht ruhig seyn ; drum zürne nicht, 
Wenn meines Herzens wilde Wellen- brausen , 
Verzeihe meiner Liebe ihren Sturm, 

Graf. Wie? deiner Liebe ? 

Julius, Ja, mein theurer Vater! 
Ich liebe Hedwig, ich gesteh’ es frey, 

Und bin, beym Himmel, stolz auf diese Liebe ! 

Graf. Das hab’ ich nicht erwartet. — 

Julius. Hör’ mich ganz, 
Dann magst du richten über meine Zukunft, 
Die Liebe wuchs in unsern jungen Herzen 
Wie eine stille Frühlingsblume auf; 

Wir selber wussten’s nicht, glaub’ mir es, Vater, 
Bis ihrer Düfte Balsam uns berauschte , 

Bis jenes Abschieds bittre Seligkeit 

Mit stummer Ueherredung unsre Arme 

Zum ew’gen Bunde in einander schlug. 

Gesunken wär’ ich bey dem grossen Schiffbruch y, 
Der unsre Zeit in Strudelnacht hinab zog, 

Hätte nicht Liebe meinen Muth gestärkt, 


412 Sigg dëi ` 


Dass ich an’s sichre Ufer mich gerettet. 

Kein grösser Glück gibt's für ein junges Herz, 
Als wenn es seiner Träume Ideale 

In eines Mädchens,zarter Seele findet, 

Und so des Lebens Heiligihum erkennt, 

Graf. Heil dir, wenn schuldlos du den Sturm durchbrochen ! 
Julius. Ihr dank’ es, wenn’s dein Vaterherz erfreut , 
Den Sohn, der rein aus deiner Hand gegangen , 

Nach vieler Jahre mörderischem Kampf à 
Noch rein und glücklich an die Brust zu drücken, 
Ihr dank? es, Vater, ihr allein, — Mein Blut, 
Es ist nicht kälter, als das Blut der Andern, 
Versuchte oft das weiche Menschenherz, 
Doch immer trat die Liebe in die Schranken , 
Und liess das’ Herz nicht sinken und nicht wanken| 
Graf. Ich.ehre diese Liebe, dies Gefühl, 
Das alles Heilige im Menschen fest hält, 
Ich ehr’.es, und ich danke dem Geschick 
Für diesen Stern, der deine Nacht gelichtet; 
Doch hör’ auch, deines Vaters ernste Meynung : 
Hedwig ist schön, und was-noch mehr, ist gut, 
Sie ist gebildet, das ist viel, wir haben 
In einer Richtung euch zugleich erzogen, 
Nichts fehlt ihry nichts, als Rang und Adel; Sohn, 
Der Liebe sind &s freylich’eilte Träume, 
Das weiss ich wohl, und fühl’ es auch, doch lass 
Ein Wort zur Gunst des Vorurtheils mich sprechen : 
Verarg’ es ni dem Sohne alten Stammes, S 
Der durch Jahrhunderte die Aeste trieb , 
Wenn er das altehrwürdige Gesetz 
Von der Geschlechter Reinheit nicht- verachtet. 
Es ist ein schönes, herrliches Gefühl; 
Durch lange Reihen seiner grossen Ahnen 
Auf den zurückzuzäblen , der den Adel, 
Dies Heiligthum des Menschenwerths erwarb. 
Willst du verachtend dies Gefühl dir rauben , 
So seg der Preis, dem du es opfern willst, 
Des Abfalls von der Väter Glauben würdig. 
Wär Hedwig deines Standes, ja bey Gott, 
` Sie wäre mir die liebste aller Töchter; 
a glaube nicht , dass ich von Ahnenstolze 
o sehr nu bin, dass ich nicht freudig , 
Wenn es dein Glück gilt, einen Wunsch dir opfre , 
Der doch allein nur dich beglücken soll, 
Wie stehst du jetzt mit Hedwig ? 
y = P n 


+i 


3 


e EIN DRAMA. 413 


Julius, Ach, sie weicht 
Mir sorgsam aus, sie scht ich sie auch suche, 

Sie glaubt, Ihr könntet unsrer.Liebe zürnen , 
Und sie bekämpft sich, um dankbar zu seyn, 

Graf. Gestand sie dir — ? 

Julius. Wie liess ihr Zartgefühl 
Solch ein Gestäudniss zu, Sie schwieg, doch Thränen 
In ihrem Auge sprachen’s deutlich aus, 

Graf. Drauf kenn’ ich sie! Solch eine Heldenseele - 
Wohnt selten nur in einer Weiberbrust, 

Doch prüfe dich noch einmal , theurer Sohn ; 
Es ist nicht blos die Angst des Ahnenstolzes, 
Es ist Erfahrung, , die es mich gelehrt: 
Ungleiche Stände passen schlecht zusammen ; 
Die Harmonie der Herzen reicht nicht aus, 
Es muss auch in des Lebens Glück und Gütern 
Für Liebende ein richt’ger Einklang seyn, 
Wenn sich die Hände so verbinden sollen, 
Ja, prüfe dich, und prüfe deine Hedwig. . 
Doch bast du freye Hand’, ich habe hier- 
Nur eines ältern Freundes Rath und Stimme, 
Jetzt eil’ ich zu der Mutter, überlegend , 
Wie uns die nächste Zukunft finden soll, 

Julius, Und Rudolph.? 

Graf. Das erklärt sich wohl von selbst, 
Ich werd’ ihn wissen anders zu belohnen ; 

In keinem Falle geb’ ich jetzt mein Wort! — 
(Geht ab.) 


` 


DRITTER AUFTRITT. 


JULIUS (allein.) 


Ich soll mich prüfen ? — O, vergiss nicht, Vater, 
Dass da der Forscherblick nicht ausreicht, 

Wo sich des Lebens Räthsel offenbart ! 

Der kalte Mensch , der sich vernünftig nennt, 
Tritt nüchtern in ein Gotteshaus und will 

Des Glaubens ahnungsvolle Dämmerung , 

Der Religion geheime Sympathie, 

Spitzfindig messen und aufs Reine schreiben , 
Wenn sich ein frommes, warmes Menschenherz 
Im sel’gen Sturme der Begeist'rung hinwirft, 
Des Herzens stille Feyer zu begehen, 
Und-unbewusst das Göttliche zu deuten! — 


414 HEDWIG. 


In ihrem Auge les ich’s hell und klar, 
Was soll mir noch der ‘Worte eitles Tönen , 
Wenn Gott in solchen Sternen zu mir spricht? — 





VIERTER AUFTRITT. 


V 
e *' JULIUS, HEDWIG, 


Julius. O Hedwig, dich, dich: sueh’ ich‘, dich allein , 
Dank sey dem Himmel , der dich zu mir führte, 
Es muss hell werden zwischen uns, ich kann: 
Die lange Nacht der Zweifel nicht ertragen ! 

Hedwiy. Vergessen Sie nicht , Graf, warum ich bat, 
Wenn meine Stimme gilt in Ihrem Herzen! 

Julius. Der Förster hat um.dich gefreyt. Sag’ mir, 
Hat er dein Wort? k 

Hedwig. Er hat es nicht, doch werd’ ich 
Dem braven Manne niemals mich versagen, 
Denn was er that, hat mchr als mich verdient. 


Julius. Er hat noch nicht dein Wort? Du bist noch frey ? 


O meine Hedwig, hast du ganz- vergessen , 
Was wir uns sind? Ich kann nicht von dir RN 
Mein Vater weiss — 
Hedwig. Gott, was hast du gethan ? 
Julius. Was Lieb’ und Pflicht und Ehre mir geboten, 
Ich fühl’ es wohl, was du verbergen m 
Du liebst mich noch, 
Hedwig. Graf! — 


Julius. Hedwig ! Iäugn’ es nicht } 


Du liebst mich noch, ich fühl es. Diese Thräne 

Verräth mir deines Herzens grossen Kampf; 

Du willst die gufen Aeltern nicht betrüben , 

Willst ihren Wünschen deine Zukunft opfern I 

O überlege, was dies Opfer gilt. 

Des ird’schen Lebens ganze Seligkeit, 

Keimt in zwey Herzen, wo die Liebe waltet ; 

Brichst du die Blüthen deiner Brust allein, 

Auch meines Frühlings Hoffnung trittst du nieder ! 
Hedwig. Ich habe mir Sie menschlicher gedacht, 

Herr Graf. Ein schwaches Weib bat sie um Schonung , 

Und Sie bestürmen noch die weiche Seele, 

Die eines Mannes Heldenkraft bedürfte, 

Dass sie nicht sinke, wie die Zeit es will. 

Was ich in meinem Herzen für Sie fühle , 

Das muss in diesem Augenblick verstummen , 


EIN DRAMA. 41 


Und nur der Welt vergöttertes Gesetz , 
Mag’s auch. eiskalt in’s warme Leben greifen, 
Hat dieses Tages Stimme und Entscheidung, 
Wohl ward ich wie die Tochter auferzogen , 
Wohl hauchte der Aufklärung milder Geist 
Die lichten Strahlen tief in meine Seele ; 
Doch immer eingedenk blieb ich des Standes, 
In dem ich aufwuchs,, und dem ich bestimmt bin, 
Nicht dem Planeten nur ist's vorgeschrieben , 
Wie er die Sonne treu umwandeln soll; 
Es geht der Mensch auch in bestimmten Gleisen, 
Und wie der Stern , aus seiner Bahn geschmettert, 
Planlos, ein glutverzehrender Komet, 
Im wilden Sturme durch die Räume donnert, 
Bis er zum Aschenhaufen ausgebrannt, 
So geht der Mensch verloren, der verwegen 
Aus seines Lebens Schranken brechen will, 
Julius, Ist denn ein niedres Loos für dich Bestimmung ? 
Hast.du-mit diesem heiligen Gefühl 
Nicht hohes Recht an alles Grosse, Schöne ? 
In jedem Auspruch stehst du über mir. 
Des Kaisers Gnade dank’ ich meinen ‘Adel, 
Dir aber hat ihn Gott in’s Herz geschrieben , 
Und keine Zeit löscht diese Züge aus, 
Nein, Hedwig, du bist mein, ich lass dich nieht, 
An dich weisst mich des Glückes Schuldbrief an, 
Dir hab’ ich meine Seligkeit verpfändet; 
Sträube dich nicht. Komm an dies treue Herz, 
Komm, Hedwig! : 
Hedwig, Julius, Julius , sey barmherzig ! 
Julius, Du bist es nicht! Du quälst mich schonungslos , 
Stehst ruhig da , und lässt mich kalt verzweifeln. 
Treulose , hab’ ich das um dich verdient ? — 
Ja, alles weibliche Gefühl ist Lüge, 
Und jede Thräne, die sehnsüchtig perlt, 
Und jeder Seufzer aus des Herzens Tiefe, 
Und jeder Schwur , der von den Lippen flieht , 
Es ist erlognes Blendwerk der Gefühle, 
Es ist der Sinne flücht'ge Täuschung nur; 
` Nein, warm und treu hat noch kein Weib empfunden ! 
Hedwig. (sich, von ihrem Gefühle hingerissen, an seine Brust werfend.) 
Grausamer Mensch , du brichst ein treues Herz ! 
Julius Hedwig! Hedwig ! 
Hedwig. Gott! was hab’ ich gethan ! 
(Sich losreissend,) 


416 HEDWIG. 


Julius. O ress’ dich nicht aus den verschlungnen Armen , 

Geliebte Braut, denn: meine Braut bist du 

Vor Gott! Mag auch die. Welt , mag selbst mein Vater 

Sich feindlich drängen zwischen unsre Herzen , 

Der Segen Gottes heilt. die Wunde zu, ~ D 

Und als mein Weib soll Alles dich erkennen | 
Hedwig. Nicht weiter, Graf, Sie freveln. Nein ! nicht weiter ! 

Was auch mein überströmendes Gefühl 

In dieser falschen Stunde halb verrathen , 

Vergessen Sie es , ich beschwöre Sie! 

Es konnte sich mein Herz auf Augenblicke , 

Aus seines Weges strengem Gleis verlieren, 

Doch mein Bewusstseyn trägt mich schnell zurück ! 

Kommt’s Ihnen zu, im Sturm der Leidenschaft 

Des Lebens Sue muthig zu verachten , 

Sich dem Gesetz entgegen werfend, eins 

Mit Ihrem Herzen, mit der Welt im Kampfe, 

Geziemt es mir, im Frieden mit der Welt, 

Des Herzens laute Stimme zu bezwingen, 

Und das zu ehren was Sie keck verachten ? 

Drum hören Sie! Des Vaters Liebe mag vielleicht. 

Zu schwach dem Sturm der Bitten wiederstehn , 

Vielleicht von lieben Wünschen trennt er sich, 

Wo Opfer und Entsagung unsre Pflicht ist. 

Doch einst bat ich von Gott, o könnt’ ich’s lohnen , 

Was Sie an mir hülflosem Kind gethan ! 

Gott hat mein Flehn erhört, mit starker Seele 

Briog’ ich vergeltend ein gebrochnes Herz, 

Und keine Thräne perlt in meinen Augen! — 

Mag dies das letzte Wort seyn zwischen uns! — 
Julius. Nein himmliches Geschöpf, ich lass dich nicht ! 

Jetzt erst erkenne ich die grosse Seele, i 

Zu deinen Füssen — 


FUNFTER AUFTRITT. 
VORIGE, RUDOLPH, 


Rudolph. Tod und Hölle ! 
Hedwig. Gott, ich 
Verstehe dich! — 
(ein schmerzlicher Blick als Abschied auf Julius s dann stürzt sie auf Ru- 
dolph los, reicht ihm die Hand und eilt mit den Worten :) 
Rudolpb ! ich bin dein Weib ! f 
(Rasch ab ) 


EIN DRAMA. 417 


SECHSTER AUFTRITT. 
RUDOLPH, JULIUS, 


Julius -(aufspringend.) 


Nein, Hedwig, wein, du bist es nicht! — 
Rudolph. Herr Graf, 
Sie müssen eine Frage hier verzeihn — 
Julius. Ich muss? — Die Rede ist mir fremd! 
Rudolph, Nach dem, 
Was Sie aus Hedwigs Munde selbst gehört , 
Kommt mir die Kühnheit zu. 
Julius. Das wird sich zeigen, 
Rudolph. Das hat sich schon gezeigt, Herr- Graf, Noch einmal, 
Ich muss um die Erklärung bitten : was ist 
Hier vorgefallen ! 
Julius. Welche Sprache) 
Rudolph. Sey 
Das Wort zu kühn , der Augenblick entschuldigt. 
Sie ist mein Weib, Sie find’ ich ihr zu Füssen — 
Julins. Wer ist dein Weib ? 


Rudolph. Hedwig. 

Julius. Sie ist es nicht! 
Das lügst dul 

Rudolph. Herr ! 

Julius. Du iüzst,, Hedwig dein Weib ? 
Was soll der Engel in dem Staube ? 

Rudolph (bey seite.) Teufel ! 

Cant.) 


Vor Ihren Augen gab sie mir die Hand, 
Als Zeugen ruf’ ich sie vor Gott und Kirche : 
Zu meiner Braut hat sie sich selbst bekannt. 
Julius. Das war im wilden Sturme des Gefühls . 
Kein Schwur ist gültig mit empörtem Herzen ! 
Rudolph. Was diesen Sturm erregte, frag’ ich Sie. 
Ich hah’ ein Recht zu diesem ernsten Tone, 
Julius. Verwegner Bursche ! 
Rudolph. Wär ich’s, Herr, so war's 
Doch keine Zeit, mich daran zu” erinnern. 
Ihr Vater ist mein Herr, ich diene, ja, 
Und meine Freyheit hab’ ich ihm verkauft, 
Doch meine Ehre ist noch nicht verpfändet, 
Die hab’ ich als mein Eigenthum bewahrt, 
Was ging hier vor, Herr Graf? 


448 HEDWIG: 


Julius Ein Wort noch, Förster, 
Und Er ist um den Dienst ! 
Rudolph. Was ging hier vor? — 


Hedwig ist meine Braut , Sie sind mein Zeuge, 
Rein muss ich sehn, ich mach auch einen Himmel 
Nicht aus der dritten Hand! Was ging hier vor ? 
Julius. (sich mit Gewalt müssigead.) 
Rudolph, wär’t Ihr nicht meines Vaters Retter , 
Wärt Ihr das nicht —! Doch still, Ihr seyd’s, und somit 
Trag’ ich auch meines Dankes Zoll euch ab; 
Allein, das kann ich nicht in meiner Brust behalten , 
Was mir das Herz abdrücken will : so wisst, 
Niemals wird ‚Hedwig Euer Weib, der Weg 


Geht über meine Leiche zum Altar! 
(Geht ab.) 


— 


SIEBENTER AUFTRITT. 


RUDOLPH (allein.) 


Nun, wenn es keinen andern gibt, mir kommt’s 
Auf einen kleinen Mord nicht an ! Herr Graf, 

Šie werden wohl thun, sich in Acht zu nehmen! 
Wie aber lös’ ich dieses Räthsel ? Wie ? 

Zu ihren Füssen find’ ich ihn , sie reisst 

Sich los, und nennt sich meine Braut ! — Es muss 
Klar werden, sonnenklar! Der Wildschütz 

Soll nicht in meine Jagd, das schwör’ ich theuer! — 
O Geist des Guten, wenn du in mir lebst, 

Wenn dich mein Mörderleben nicht ersäufte, 
Wenn du den Weg mir selbst herauf gewiesen 

Aus meines Lasters Abgrund, o so lass 

Die stillen Kräfte sich zusammen fassen , 

Dass sie mich aufrecht halten in dem Kampfe! 
Denn Eifersucht und Zweifelsjammer hängt 

Der Hölle alte Wucht an meine Seele, 


Und reisst mich wieder der Verdammniss zu, 
(Geht ab.) 


ACHTER AUFTRITT. 


e ep 
DER GRAF UND DIE GRAFIN 
(aus der Seitenthür.) 


Graf So stehn die Sachen jetzt, — Du weisst nun Alles, 


AIN DRAMA. 419 


Auf unsern Ausspruch harr’n zwey bange Herzen , 
Drum lass uns kurz bey der Entscheidung seyn. 
Julius weiss zwar, dass er frey wählen darf, 
Doch lässt sein kindliches Gefühl nicht zu, 

Dass er auf seiner Eltern Wort nicht achte, 

Gräfin. Und dein Entschluss ? 

Graf. Ich wart’ auf deine ‚Stimme, 
In solchen Fällen sieht ein Weib viel schärfer, 
Viel ruhiger ; nur eine zarte Hand 
Kann diese 'zartgeflochtnen Fäden lösen, 

Gräfin. Sieh, lieber Felseck , dass ich’s frey gestehe , 
Ich trug die dunkle Sehnsucht in der Brust, — 
Solch eine liebe Tochter ist mir Hedwig, — 

Es möchten diese beyden reinen Herzen 

Sich still gefunden haben. Legten wir 

Nicht selbst der Liebe Keim in ihre Tiäume ? 
Sie wuchsen mit und für einander auf, 

Und froh sah ich die Blüthen sich entfalten, 
Kaum wussten sie es selbst, Ich aber fühlte, 
Es müsse diese Liebe sich bewähren 

Im Sturm der Zeit, in langer Trennung Schmerzen ; 
Damit von ihrem göttlichen Beruf 

Der Sitte Regelzwang zusammen breche. 

Nun hat sie sich bewährt , sie haben treu 

An ihrem stillen Glauben fest gehalten , 

Und keine bess’re Tochter wünsch’ ich mir. 

Graf. Doch warum hast du sie in solcher Demuth, 
Wie es ihr Stand verlangte , auferzogen, 

- Trugst du den Wunsch schon damals in der Brust ? 
Was ihr jetzt nöthig wäre, fehlt dem Mädchen, 

Gräfin. Wir leben abgeschieden von der Welt, 
Und selten kommt ein Gast in ‚unsre Berge. 

Wie uns das freut, so freut’s die Kinder auch ; 
Mit unsern Bäumen sind sie gross geworden , 
Mit unsern Blumen siod sie aufgeblüht , 

Und ihre Heimath liegt in diesen Thälern. 
Was soll das eitle Schnitzwerk jenes Lebens 
Am Laubengange ihres stillen Glücks ? 

Hat sie nicht alles schnell erlernt, was uns 
Das ubgeschied’ne Leben oft erheitert ? 

Die Saiten klingen unter ihren Fingern, 

Und was ein deutscher Dichter Grosses sang, 
Das ist nicht fremd in ihrem vollen Herzen. 
Mag ihr auch fehlen, was die grosse Welt 
Mit lautem Prunk als höchste Bildung ausschreit, 


420 HEDWIG. 


Mag sie- ihr vaterländisches Gefühl 
In jene Sprache nicht zu drücken wissen , 
Die ihrer Zunge, wie dem Herzen fremd ist, 
Ich tadl’ es nicht sie bat sich rein hewahrt ; 
Denn mit den fremden Worten auf der Zunge "` 
Kommt auch der fremde Geist in unsre Brust, 
Und wie sich mancher, von dem Prunk geblendet, 
Der angebornen heil’gen Sprache .schämt, g 
Und lieber radebrechend seiner Zunge, 
Zum Spott des Fremden Fesseln aufzwingt: 
So lernt er auch die deutsche Kraft verachten, 
Und schwört die angeborne Treue ab. 
Graf. So bist du ihrem Bunde nicht entgegen ? 
Gräfin. Ich harre deines Ausspruchs Meinen kennst du. 
Graf. O lass dich fest in meine Arme drücken, 
Denn eiune schöne Stunde winkt uns zu, 
Sie mögen glücklich seyn , wie wir es waren, 
An diese Berge ist das Glück gebannt. 


_— 


NEUNTER AUFTRITT. 
VORIGE. JULIUS 


Graf. Willkommen Sohn ! die Eltern seguen dich | 
Gräfin. Ja, lieber Julius, bring’ uns deine Hedwig, 
Wir segnen Euch! * 
Julius, Darf ich don Ohreu trauen, 
Die meinem Geist die Himmelsbothschaft bringen? 
Grat, Komm an dies Herz und fühl’s an seinen Schlägen, 
Wie es dem Augenblick entgegen pocht, 
Der deines Lebens Seligkeit hegründet ! 
Julius. O meine Eltern ? — Doch, wass soll der Rausch ? 
Noch liegt ja Hedwig nicht in Euren Armen! 
Gräfin. So rufe sie, 


Julius. Ihr wisst nicht, was geschehn, 
Gräfin. Nun? 

Graf. . Sprich ! 

Julius. Vergebens hat’ ich sie bestürmt , 


Der Liebe ganze Kunst umsonst, verschwendet ; 

Sie blieb bey ihrem Ausspruch , nimmermehr 
Mein Weib zu werden, von dem Wahn befangen , 
Ihr brächtet Eure Wünsche uns zum Opfer, 
Verhasst sey Euch das Band, des wir goschlossen ! 
Sie ist entschieden , bricht ihr auch das Herz, 

Zu ihren Füssen warf ich mich, da trat 


EIN DRAMA, 421 


Der Förster in den Saal, sie riss sich los, 
Wild in Verzweiflung Bogis in ihrem Blicke, 
Ich bin dein Weib , Rudolph! Und mit dem Worte 
War sie verschwunden , leblos stand ich da! 
Gräfin. Ich habe diesen Kampf schon längst bemerkt, - 
Wohl kenn’ ich meine grossgesinnte Hedwig, 
Drum überlasst es mir , ihr zu beweisen‘, 
Wie unser Glück an ihrem Glücke hängt, 
Lasst mich mit ihr allein. — Der Baron Werneck 
Hat Euch zum Fest geladen, dass er gibt, 
Ihr habt es einmal zugesagt, so reitet; 
Ich unterdess besänftige ihr Herz 
Und stifte Frieden in dem Sturm der Seele, 
Julius So lange soll ich warten ? 
Graf. Ueberlege , 
Was dieser kurze Aufschub dir gewinnt, 
Komm, komm, mein Sohn, der Mutter Rath ist gut. 
Vor Mitternacht sind wir zurück. 
Julius. Ich folge. 

Graf. So lass uns eilen, denn- der Weg ist weit, 
Gräfin. Werneck liess dich auch bitten, deine Leute 
Ihm zur Erleicht’rung mitzubringen, grosse Tafel 
Will er heut’ geben, und ihm fehlt's an Dienern, 

Graf. Von Herzen gern. Bernhard } Philipp ! 


= 


ZEUNTER AUFTRITT. 
VORIGE, RUDOLPH. BERNHARD UND MEHRERE BEDIENTE, 
Graf. Die ganze Dienerschaft sitzt auf. Ihr sollt 
Mit mir nach Werneck. Rudolph bleibt zurück , 


Und hütet unterdessen uns das Schloss, — 
Du bleibst doch gern allein ? 


Gräfin. Was wär zu fürchten ? — 
Bernhard. Herr, lassen Sie mich hier, 
Graf. Nein, du musst auch nach Werneck, 


Bernhard. Was soll ich dort? Ich hab’ nicht Rast noch Ruh, 
Weiss ich die gnäd’ge Frau allein im Schlosse. 
Graf. Der Rudolph bleibt ja, 


Bernhard. Das ist meine Angst, 
Graf. Pfuy , alter Träumer! 
Bernhard. Lassen sie mich hier, 


Ich kann ja so das Reiten nicht vertragen. 
Herr, lassen Sie mich hier! 


56 


422 HEDWIG. 


Graf. Bernhard, weisst du e 
Was ich dir heut’ befahl ? i 
Bernhard, Vergeben Sie's, 


Das alte Herz will sich nicht zwingen lassen. 
Graf. Nun, wenn dir gar so viel dran liegt, so bleibe. 
Bernhard, Das wälzt mir einen Stein vom Herzen, Graf, 
Ein Bediente. Die Pferde sind .gesattelt, gnäd’ger Herr. 
Graf. So komme, Julius. — Leb wohl , mein gutes Weib , 
Ich wünsche dir viel Glück zu deinem Vorsatz. 
Julius. Und ich soll ohne Abschied — ? 


Gräfin. Um so schöner 
Wird Euer Wiedersehn ! Lebt wohl! 
(Geht ab.) 
Graf: à Komm, Julius ! 


Rudolph, Verzeih’n Sie mir, Herr Graf, wenn ich beläst’ge. 

Ich bitte um Entscheidung meines Wunsches , 

Nur Ihres Worts bedarf’s zu meimem Glück. 
Graf. Das schlag dir aus dem Sinne , wack'rer Rudolph, 
Rudolph. Wie ? 
Graf. Die Blume. blüht für dich nicht auf, du magst 

Dir eine andre suchen; aber sey 

Des reichsten Dankes nochmals überzeugt ; 

Ich zahl’ dir eine schöne Summe aus, 

Mit der kannst du dein weit’res Glück versuchen, 


Leb wohl, und hüte mir die Frauen gut, 
5 (Alle ab bis auf Rudolph.) 


—— 


EILFTER AUFTRITT, 
RUDOLPH (allein,) 


Mit der magt du dein weit’res Glück versuchen ? — 
Ha, wenn ich dich verstanden habe ? Mensch ! 
Reize den Tieger nicht, so lang’ er schläft, 

Er möchte sonst erwachen, 


— 


ZWÖLFTER AUFTRITT. 
RUDOLPH HEDWIG. 


Hedwig. Sie sind fort. 

Rudolph, Ja! 

Hedwig. Und weisst du’s nicht, wohin ? 

Rudolph. Nach Werneck sind sie, 
Jetzt aber lass sie, fort seyn, oder hier, 


EIN DRAMA. 423 


Was kümmert’s uns P Sag mir, was war das vorhin, 

Als ich in's Zimmer trat? Was trieb so schnell 

Dich zum Geständniss deiner Liebe ? sprich ! 

Viel kömmt mir jetzt auf die Entscheidung an, 

In meinem alten Kampfe lieg’ ich wieder, 

Du bist’s allein, die mich noch aufrecht: hält. 
Hedwig. Ich bin der Wahrheit Sprache nur gewöhnt, 

Und wüsst’ ich auch, dass dir ein süsser Trug 

Erwünschter wäre als die herbe Wahrheit , 

Ich darf doch dein Vertrauen nicht betrügen. 
Rudolph. Was soll das, Hedwig? 

Hedwig. Hör’ mich ruhig an: 

Der junge Graf liebt mich, er meyat es ernst; 

Doch seiner Eltern Friede ist mir heilig, 

Und nimmer geb’ ich seiner Bitte nach , 

Denn nicht undankbar soll die Welt mich nennen, ` 

So bring’ ich denn diess schwere grosse Opfer dar, 

Denn ich verberg’ es nicht, das ich ihn liebe, 
Rudolph. Du liebst ibn ? — Teufel! 

Hedwig. a Ja, ich liebe ihn, 

Von meiner Kindheit frühsten Seelenwegen 

Hat sich mein Herz an dies Gefühl gewöhnt, 

Es ist mir wie der Athem unentbehrlich , 

Und sterben würd’ ich, sollt ich ihm entsagen, 
Rudolph, Und Du willst mein seyn ? : 
Hedwig. Ja, ich will es seyn! 

Und will dein treues Weib seyn, jede Pflicht, 

Ich will sie sorgsam , will sie gern erfüllen , 

Bis einst der Liebe übertäubter Schmerz 

Die Seele aflös't in dem letzten Kampfe. 

Rudolph. Ha! grässlich wird es Tag in meiner Brust! 

Ich Rasender, dass ich vom Glücke träumte ! 

Fahr’ hin, du letzter Glaube an die Menschheit , 

Welt! wir sind quitt, du hast dein Spiel verloren ! 

(Stürzt ab.) 
Hedwig, Rudolph! wohin? Gott! ich beschwöre. dich I 
(Ihm nach.) 


DREIZEHNTER AUFTRITT. 
(Wald.) 


ZANARETTO, LORENZO, BRAUBER, 


Zanaretto. Noch hat der Rudolph sich nicht sehen lassen , 


424 HEDWIG, 


Doch bleibt er nicht mehr lange , ahnet mir, 

Lorenso. Das Försterhaus im Wald dst seine Wohnung, 
Er muss bey uns vorbey, wenn er vom Schloss kömmt. 

Zanaretto. Noch immer ist mir's unbegreiflich! Rudolph 
Wagt’s an der Grenze frey herum zu wandeln ; 
Tausend Zechinen stehn auf seinen Kopf, 

In Fiume hängt sein Bildniss an dem Galgen, 
Und er lebt hier als wäre nie sein Dolch 

In einem Menscheuherzen warm geworden, 
Wie kam er doch zu uns ? 

Lorenzo. ’S war in Rialto, 
Wir hatten eineu Plan auf den Marchese , 
Und gut bezahlt war uns der Dolch ; doch fehlt’ e 
Den unsern allen an der Lust zum Morden , 
Denn sehr behutsam war der Feind und stark. 
Da trat der Rudolph plötzlich unter uns. 

Er wisse, sprach er, um den ganzen Auftrag, 
Es gält’ ein Probestück , er wolle sich 
Mit dieser That in unsre Bande’ kaufen. 

Zanaretto, Ja, nun eriunr’ ich mich. — Man gab es zu, 
Und noch dieselbe Nacht fiel der Marchese, 

Lorenzo. Vom Lohne nahm er nichts , er schob’s zurück , 
Doch hör’ ich noch den Eid, den er geschworen, 
Dem seinen Dolch in’s Herz zu stossen, der ihn 
Verhindre an dem blut'gen Rächeramt , 

Denn der Marchese sey ihm selbst verpfändet, 
Und keinem Andern gönn’ er diesen Mord. 

Zanaretto. Er ist der letzte eines grossen-Hauses, 
Wohl nicht erzogen, seines Lebens Preis 
Banditenmässig mit dem Dolch zu kaufen , 

Wir waren immer sehr vertraut zusammen, 
Ich kenne seines Unglücks ganzen Weg, 

Lorenzo. Nun, Bursche , lass doch hören, 

Zanaretto. S Sieh, er war 
Schon früh verwaist, der Marquis war sein Vormund, 
Und schickte ihn auf viele hohe Schulen, 

Indessen brütete die Schurkenseel’ 

Dir einen Plan , der mich Bänditen roth macht, 
Es lechzte ihm nach seines Mündels Gold. 

Da hiess es plötzlich, der Marchese habe 

Ein schändliches Komplott entdeckt, sein Mündel 
Sey der Verschwörung Mitglied, viele Briefe 
Hätt er gefunden, uud so müsse er, 

Wenn’s auch sein Herz zerrisse , seines Freundes 
Verwaisten Sohn, den er als Vater liebe, 


EIN DRAMA, 425 


Des Hochverraths anklagen. Es geschach. 
Die Briefe, die der Marquis selbst geschrieben , 
Und endlich für des Mündels Schrift erkannte, 
Verdammten Rudolphs Unschuld , denn sein Leugnen 
Galt gegen seines Vormundes Schwüre nichts, 
Er ward verbannt , ward für infam erklärt, 
Und mit den Gütern des Geächteten 
Belohnte das betrogne Vaterland 
Den hochgepreisnen Retter, den Marchese. 
Lorenzo, Wenn ich nicht irre, kommt er dort! — 
Zanaretio. Er ist's! 
Zieht Euch zurück , noch darf er uns nicht finden. 
(Alle ab.) 


VIERZEUNTER AUFTRITT, 
RUDOLPH (allein.) 


Was pochst du Herz, was beben meine Schritte ? 
Was start das Auge unbeweglich drein ? 

Ha, spürt ihr schon die Hölle, wittert Ihr 

Den gift’gen Athem der Verdammniss schen ? — 
Zum letzten Male raff’ ich es zusammen, 

Was mir wie Busse klang und wie Vergebung , 
Zertretne Keime meiner Himmelswelt , 

Die meines Lebens Mördersturm zerknickte, 
Band ich an leiser Seelenhoffnung auf, 

Und hab’ mit meinen Thränen sie begossen. 
Umsonst, umsonst, der Himmel stösst mich aus ; 
Die zarten Fäden reissen , die mich banden , 
Und schaudernd in der Hölle wach’ ich auf! 
Was faselt ihr von losgesprochnen Sündern , 
Betrogne Thoren! Hat je eine Seele 

Mit solcher Inbrunst im Gebet gelegen , 

Mit solcher Reue sich im Staub gewunden ? 
Und doch verdammt, und doch verstossen ! Ha! 
Zum letzten Male glaubt’ ich an ein Herz, 
Zum letzten Mal traut ich dem Lügenglücke , 
Es ist vorbey ! Fluch jeder stillen Ahndung , 
Die mir von einer bessern Welt geschwatzt, 
Fluch jedem warmen , menschlichen Gefühl , 
Fluch dem Gedanken , der von Busse träumt , 
Fluch jeder Seelenhoffnung der Vergebung! 
Und aller Flüche höchster Fluch zurück 

Auf meine Brust, dass ich im Staub gekrochen I 


426 HEDWIG. 


O Hedwig, Hedwig ! — Komm , Du altes Rohr, 
Du bist gewohnt, das warme Herz zu‘treffen,, 
Trif gut, es gilt heut keinen schlechten Preis, 
Der Meister zahlt den Schuss mit seinem Blute, 
Was soll ich mich vom Leben necken lassen ? 
Der Hölle bin ich, ihr gehör’ ich zu, 
Sie ist die einzige, die treu geblieben , 
Mit diesem Druck besiegl’ ich unsern Bund, 

(Er setzt die Pistole an den Mund.) 





FUNFZEHNTER AUFTRITT. 


RUDOLPH, ZANARETTO, LORENZO, RAUBER, 


Zanaretto. (fällt ihm in den Arm.) 
Bist du von Sinnen, Rudolph ? 
Rudolph. Zanareito ? 
Zanaretto. Kennst Du mich noch ? 
Rudolph. Wass wollt Ihr? 
Zanaretto. Dich Bandit } 
Rudolph. Mich wollt Ihr? wie? 
Zanaretto, Gleich weisst Du Alles. 


Was aber hat Dich, Rasender , bewegt, 

Hand an dich selbst zu legen ? — Wüthender , 

Wie kommt denn ein Bandite zur Verzweiflung ? 
Rudolph, Wie soll ich’s Euch erzählen, Ihr begreift's 

Doch nicht, nein, nein, Ihr kennt die Seligkeit 

Des Wahnsinns nicht, nein , Ihr begrzift's nicht. 

Schweigt! 

Lorenzo. Ach, lass die Faxen! 
Zanaretto, @ Sprich , was packto Dich! 
Rudolph. Ihr wisst’s , wie man mir drüben nachgestellt,, 

Als ich die Senatoren expedirte , 

Ich floh in diese Berge. Unbekannt 

War meines Names Schande diesen Hütten. 

Hier, wo die Unschuld ihre Tempel hat, 

Hier ist der Argwohn fremd in allen Herzen, 

Ich lebte viele Wochen in der Gegend. 

Da fand ich Euch ein Mädchen, lacht nicht, Räuber, 

Ihr kennt mich noch ; — sie, war aus Felseck, Seht, 

Es wachte eine menschliche Empfindung 

In meiner Seele auf, als könnt ich einst 

Durch Busse ste verdienen und besitzen , 

Zum Jäger bot ich mich dem Grafen an, 

Ich ward sein Förster, alles ihr zur Lieb, 

Und nun — j 


EIN DRAMA. l 427 


Zanaretto. Nun? 
Rudolph. Brüder , lasst das, lasst mich schweigen , 
Weckt die Erinn’rung nicht in meiner Seele, 
Ihr wisst's , wohin sie mich geführt. 
Zanareito, Du bist 
Betrogen ? 
Rudolph. Tod und Teufel, ja, ich bins | 
Ich glaubte mich von einer edlen Seele 
So warm geliebt , ich glaubte mir ein Herz, 
Dem ich des Lebens raschen Puls erhalten, 
Zur ew’gen Dankbarkeit verfehmt, und jetzt 
Erkenn’ ich mich varrathen und verlacht, 
Und dieser Doppeltreubruch an der Menschheit 
Reisst meiner Seele letzte Schuld entzwey. 
Zanaretto. So räche Dich. Du hast die Macht dazu. 
Rudolhp, Versteh’ ich Dich ? 
Zanuretto. Gewiss! uns trieb die Nachricht 
Von Felsecks grossen Schätzen hier in’s Thal, 
Denn drüben ist jetzt nicht mehr viel zu holep. 
Ein Hauptanschlag auf’s Schloss liegt uns im Sinn , 
Du führst uns an. Ein Drittel von der Beute 
Gestehen Dir die Brüder zu, wenn Du 
Uns ohne Kampf dein Felseck überlieferst, 
Rudolph. Ha! Teufel! Wohl erkenn’ ich Deinen Gruss, 
Schon mahlst Du mir mit gift'gen Phantasien 
Das Schloss in Flammen, die Banditenbraut 
Sich sträubend unter meinen starken Armen, 
Ja, sie muss mein seyn , das hab’ ich geschworen |! 
Zanaretto. Und ein Bandite hält sein Wort, 


Rudolph. Er hält’s! 
(Paus) 

Lorenzo. Was überlegst Du? 

Rudolph. Nichts, ich bin entschlossen ! 


Ihr sollt mich rächen, und ich will Euch führen. 
Um neun Uhr seyd am Schloss. Das alte Zeichen 
Gilt uns, wie sonst, Ich öffne Euch die Thore, 
Die Männer sind nach Werneck, mir vertrant 
Ist Schloss und Riegel, doch kommt nicht zu spät, 
Denn schnelle Rückkehr hat der Graf versprochen, 
Zanaretto. Warum nicht gleich ? 
Rudolph. Erst muss die Abendglocke 
Die Fröhner in das Dorf gerufen haben , 
-Dann ist es Zeit, 
Lorenzo. Wir folgen Deinem Rath, 
Rudolph. So gebt mir Eure Hand: ich schwöre Euch 


428 , HEDWIG, 


Banditentreue und Banditeneid. — 
Vergebung lächelte, ich liess die Brüder , 
In’s reine Leben stahl ich mich herein, 
Das Laster will der Unschuld Buhle seyn, 
Da stürmt die alte Schlange auf mich ein; 
Der Himmel sinkt, die Hölle hat mich wieder, 
Wohlan, ich kann auch ganz ein Teufel seyn ! 
(Alle ab.) 
(Der Vorhang füllt.) 





VIERTER AUFZUG. 
(Das Zimmer im Schlosse.) 


ERSTER AUFTRITT, 


HEDWIG (sitzt und spinnt.) DIE GRAFIN steht am Fenster, Es brene 
nen Lichter.) ! 
Gräfin. Welch’ eine heitre Sommernacht! — So ruhig! 
Des Mondes Strahl webt wie ein goldner Traum 
Auf der entschlummerten Natur , es flüstern 
Die alten Linden sanft und heimlich drein , 
Und nächtlich schimmert durch des Waldes Nebel 
Das bleiche Licht der Eisgebirge her. — 
Wenn ich so einsam an dem Fenster stehe, 
Da wachen tausend Bilder in mir auf 
Die längst das rauhe Leben mir entführte. 
Des Herzens erster Traum kommt mir zurück , 
Und die Erinn’rung zieht mit ihren Freuden 
Im klaren Reihentanz an mir vorüber. 
Hedwig. Nur mit der Freude? 
Gräfin. Nur mit ihr, der Schmerz 
Bleibt still zurück in der vergangnen Stunde, 
Ein Sohn der Erde, die ihn sterblich zeugt ; — 
Doch Freude lebt, die zarter Himmelstochter , 
Klar als ein ewiger Gedanke fort, 
Und jeder neue Morgen bringt sie wieder. 
Die Nebel jagt der Sturmwind aus einander, 
Der Wolken schnell sich bildendes Geschlecht, 
Das uns das blitzende Verderben sendet, 
Zerreist im leichten Kampfe mit der Sonne, 
Und spurlos geht die schwarze Wetternacht 


HEDWIG. EIN DRAMA. 429 


Vorüber an dem grossen Sternentempel , 
Denn ewig steht des Himmels heitre Kuppel , 
Und jeder Abend bringt die Goldnen wieder , 
Die sanft sich gürten um die ird’sche Welt, 

Hedwig. Und wenn im Leben keine Freude reifte ? 
Ach Gräfin ! viele Kränze sind verdorrt! 

Gäfin. Des Lebens Frühling ist ein flüchtig Wesen, 
Will schnell bemerkt, will rasch ergriffen seyn, 

In alle Thäler pflanzt er seine Blüthen, 

Sein ist die Schuld nicht , wenn der Keim verdirbt 
Die Schuld nicht seyn, wenn viele Zweige welken, 
Es muss der Mensch mit klug bedachter Sorgfalt , 
Was aus dem Jangen Winterschlafe bricht, 

Zur schöuen Sonmerpflanze sich erziehn, 

Wer nicht äre Strahlen lockt in seinen Garten 
Darf nicht den Kelch verlangen und die Frucht. 

Hedwig. Doch Augenblicke gibt es, theure Gräfin, 

Wo man der Sonne selbst entfliehen muss, 

Ob alle Blüthen auch nach ihr geschmachtet,, 

Weil ihre Gluth des Nachbars Glück verdorrt, 
Reicht denn des Menschen heitrer Blick nicht weiter, 
Als an die Mauern seines Eigenthums? 

Sind die vier Pfähle, die sein Feld begrenzen , 

Der letzte Markstein , wo sein Weg verschwindet, 
Fliege Wunsch und Liebe, Dankbarkeit ud Pflicht 
Nicht über alle Gärten dieser Erde ? 

Gräfin. Kind, ich verstehe Dich! — Was sollen Räthsel , 
Wenn’s hier und hier in reiner Klarheit webt! 
Lass uns nicht spielen mit dem ersten Leben, 
Wir beyde fühlen , welchen Preis es gilt, 

Dein Herz verräth dich, deine Augen, perlen. 


Hedwig. (Ihr zu Füssen sinkend.) 
O meine Mutte ! — 
Gräfin. Ja, das bin ich dir ! 


(Sie ans Herz ziehend.) 
Mit diesem einen Worte sprichst Du’saus, 
Was ich gern langsam Dir entlockt, was ich 
In Deinen Seufzern längst errathen habe. 
Ich wollt’ es künstlich in's Gespräch verflechten , 
Und mit dem zarten Spiele der Gedanken 
Dich dahin führen, wo mein Herz dich will, 
Doch allzumächtig war mir das Gefühl, 
Der Mutteiliebe,, zärtliches Erwachen 
Liss mich vergessen, was ich klug bedachte, 
Und schnell an meinem Herzen lag das Kind, 


450 . HEDWIG 


Ja, meine Hedwig, meine theure Tochter! 
Hedwig. Sie brechen mir das Herz mit Ihrer Liebe, 

O, ich verdiene diese Schonung nicht | 
Gräfin. Hast Du nicht kühn gekämpft mit Deinem Herzen, 

Hast Du Dein bestes beiligstes Gefühl 

Für uns nicht opfern wollen? Ich weiss alles, 

Der Vater segnet Dich, ich segne Dich , 

Und Julius küsst Dich heute noch als seine Braut, 
Hedwig. Gott! meine Mutter! — Ich Unwürdigel 
Gräfin. Fasso Dich, Mädchen. 

Hedwig. Mich ergreift ein Zittern 

Bey dem Gedanken dieser Seligkeit. 

Nein, nein, es ist ein Traum, das arme Leben 

Hat keine wahre Ahndung dieses Glücks. 

O, wecke mich, doch wecke mich nicht grausam , 

Sanft führe zu der Wahrheit mich zurück ! 

Gräfin. Es ist kein Traum, du wachst. Ja, Du bist glücklich, 

Und keine noch verdiente so das Glück. 

Ich lasse Dich allein! — Bete zu Gott, 

Und dieser Rausch der Seele wird sich legen, 

Und Himmelsfrieden kommt in deine Brust, 

Und lös’t in sanft verhallenden Accorden 

Des Herzens wilde Leidenschaften auf. 

Gott sey mit meiner Tochter! 

(Umarmung.) 
Hedwig. Thüre Mutter! 
(Gräfin geht ab.) 





ZWEITER AUFTRITT. 


HEDWIG (allein.) 


(Sie wirft sich mit freudeglühenden Blicken zum Dankgebete nieder , dann richtet 
sie sich langsam auf, drückt die Hände vor die Brust, wie zum Zeichen, 
dass ihr das Wort fehle, ihr Gefühl zu nennen. Nach einer Pause fällt ihr 
Auge aufs Clavier (Harfe), sie eilt darauf zu, greift rasch in die Seiten, 
und siagt:) 

Worte such’ ich mir vergebens 

In des Herzens vollem Drang ; 
Jede Seligkeit des Lebens 

Hat nicht Worte, nur Gesang. 


Nur in Tönen kann ich's zeigen, 
Nur dem Liede sey’s vertraut ; 

Was die Lippen dir verschweigen, 
Meine Thräne sagt es laut. 





EIN DRAN Ä, 451 


Und von zauberischen Wehen 
Fühl’ ich meine Brust bewegt, 
Der allein kann mich verstehen , 
Der mein Glück im Herzen trägt! 


DRITTER AUFTRITT. 


HEDWIG, RUDOLPH, (ist während des Gesanges "hereingetreten, und bat 


seinen Antheil an dem Liede bemerkbar gemacht,) 


Rudolph. Ich trage nichts von Deinem Glück im Herzen, 
Und doch versteh’ ich Dich! — 
Hedwig. Ihr, Rudolph, hier ? 
Rudolph. Erschrickst Du vor dem unwillkommnen Gaste ? 
Hedwig. Was blickt Ihr mich so starr und grässlich an? — 
Rudolph. Wem galt das Lied? Lüg’s nur, ’s hätt’ mir gegolten. 
Ich setzte meine Seelenhoffnung dran , 
Wenn Du mich’s überreden könntest ! 
Hedwig. Rudolph ! ; 
Rudolph. Wenn mir's gegolten| Bey dem Fluch der Hölle ! 
Läg’ die Verdammniss zehnfach über mir, 
Um diesen Preis hätt’ ich sie abgeschleudert , 
Wäre noch einmal in den Staub gekrochen, 
Und hätte Gott um Gnade angeächzt | 
Hedwig. Was ist Euch ? Seyd Ihr von Sinnen ? 
Rudolph. Wär’ ich's 
Mir wäre besser. 
Hedwig. Goit , was habt Ihr vor? 
Ihr seyd nicht bey Euch, Euch durchglüht ein Fieber, 
Und ganz wahnsinnig rollen Eure Augen, 
Rudolph. Du hast den Fackelbrand hineingeworfen , 
Was packt Dich jetzt die Ahnung der Gefahr ? 
Noch einen Augenblick, da fasst der Funken, 
Und in die Wolken kracht das Pulverfass, 


Hedwig. Um Gotteswillen, Rudolph | 
(Es schlägt neun Uhr.) 


Rudolph. Horch , es schlägt, 
Das ist die Stunde. 

Hedwig. Welche Stunde ? 

Rudolph. Bebst du ? 


Zur Brautnacht schlägt's, gleich sind die Gäste da, 
Am Fackeltanz wird es uns auch nicht fehlen, 
Hedwig, Was soll das, Rasender ? 
Rudolph, Sieh, wie Du zitterst, 


432 HEDWIG, 


Und hast noch keine Ahndung von der Wahrheit ; 
Denn bis zu dieser Höllenwirklichkeit 
Wagt keines Menschen Traumbild sich hinunter. 
In wenig Augenblicken brennt das Schloss A 
Was Leben heisst in diesen alten Mauern, 
Stürzt in die nackten Dolche der Banditen ; 
Ich bin ihr Hauptmänn,, und Du bist die Braut, 
Und Felseck lodert uns zum Ilochzeitjubel , 
Hedwig. Gerechter Gott! — Nein, nein, es ist unmöglich, 
Solch teuflisch Wüthen ras’t in keiner Seele, 
Die eines Menschen glücklich Antlitz trägt 
Rudolph. Bebst Du vor des Gedankens Riesenhülle,, 
Was bleibt Dir noch, wenn er in’s Leben tritt? — 
Und zweifelst Du, dass er zur Wahrheit würde ? — 
Du kennst mich schlecht, wenn Du Dir träumst , ich könnte 
Ein halber Teufel seyn, 
Hedwig. Unglücklicher! 
Wenn Dich ein menschliches Gefühl bewegt, 
Wenn Dich der Hölle Gift noch nicht ersäufte , 
Wirf Dich freywillig nicht in ihren Pfuhl , 
Ruf’ Deine. Menschlichkeit, ruf’ Deine Engel 
In die zerriss'ne Seele wieder , noch ist’s Zeit, 
Noch bist Du frey der ungeheuern Blutschuld , 
Noch ist Dein Arm von fremdem Morde rein , 
Noch steht das Schloss, noch regt sich — 
Rudolph. Arme Thörin 
Du weinst vor einem ausgelernten Mörder ; 
Es ist das Argste nicht, was ich gethan | 
Hedwig. Gott! Gott, erbarm’ Dich mein! 
Rudolph. Jamm’re , winsle , 
Ring’ die Häude, raufe Deine Locken, 
Mich lässt Dein Jammer kalt, wie Deine Angst! 
Hedwig Und wäre jeder Mord der Erde Dein , 
Und wärst Du Meister jeder höchsten Blutschuld , 
Noch ist die Reue nicht zu spät , Du trägst 
Noch einen Funken Gutes in der Seele, 
Kein Mensch kann so ganz Teufel seyn, dass er 
Des Lichtes letzten Strahl in sich ersticke. 
Noch ist es nicht zu spät, der Himmel kann sich, 
Doch keine Hölle kann sich Dein erbarmen, 
Rudolph. Umsonst! In meine Nacht dringt keine Gnade! 
Einmal kehrt’ ich zurück , nie komm’ ich wieder. 
Aus meinem Mörderleben taucht’ ich auf, 
Du stand’st ein klarer Stern an meinem Himmel , 
Dein falsches Licht zog mich allmächtig an, 


EIN DRAMA. 455 


Ich streckte meinen blutgefärbten Arm 
Nach Deinem blassen Zauberbilde aus, 
Und jeder Strahl band sich an meine Seele, 
Ich wollte mit der Dämmerung des Morgens 
Hinauf in Deines Lichtes- Heimath fliehn, 
Da hast Du mein Gewebe mir zerrissen 5 
Hast tückisch meinen kühnen Wahn vernichtet S 
Und vou der kaum erflognen Himmelshöhe 
Nur um so tiefer in den Pfuhl geschmettert,, 
Dass der Verzweiflung blut’ge Wogenbrandung 
Hoch über meiner Nacht zusammenschlug. 
Wenn ich der Teufel bin ‚vor dem Du zitterst: 
Es ist Dein Werk. Es galt ein Wort von Dir, 
Es hätte mich der Himmel aufgenommen, 
Da schwiegst Du! und die Hölle triumphirte ! 
HEDWIG (auf ihren Knieen,) 
So sieh mich jetzt zu Deinen Füssen liegen! 
Rudolph! wenn mein Besitz, wenn meine Liebe 
Einst Dich heraufzog aus des Abgrunds . Tiefen, 
Warum ist's jetzt zu spät, warum willst Du 
Dein himmlisch Erbtheil an die Nacht verkaufen , 
Und jenseits Dein unsterblich Seelenlicht 
In mattervoller Finsterniss ersticken 5 — 
, Ich will Dein seyn, Rudolph, ich will Dein Weib seyn, 
Mit des Gebetes Inbrunst will ich Dir 
Den guten Engel in die Seele rufen, Gott 
Wird Deine Reue, meine Thränen sehn, 
Er wird vergeben; und das Leben ‚blühe 
Versöhnt im heitern Glanze um Dich her, 
Noch weiss kein Herz um Deine Schuld, ich kann sie 
Zur ew’gen Nacht in meiner Brust begraben. 
Gebrauch zum letzten Male Deine Macht a 
Lass die Banditen unsere Thäler räumen, 
Und meinen ganzen Himmel werf ich hin, 
Und will den Fluch der Hölle mit Dir tragen, 
Bis unsre tiefe Reue Gott versöhnt! — 
Rudolph. Arglistige, verführe nicht das Laster , 
Dass es sich treulos zu der Tugend wendet, 
Du reisst vernarbte Wunden wieder auf. 
Da stehst du, Mörder! schaudernd vor dem Himmel, 
Der sich auf ewig deiner. Seele schloss! — 
Hedwig. Er kann sich öffnen | der zermalmte Sünder, 
Der seiner Blutschuld ganze Hölle fühlt, 
37 


434 HEDWIG. 


Ist gleich willkommen, wie der Niegefallne, 
Rudolph. Schwöre mir das, und ich will — 
u (Mau hört pfeifen.) 
Ha, sie sind’s, 
Und grässlich pfeift der Ton in meiner Seele } 
Hedwig. Wer ists, Unglücklicher ? | 
Rudolph. Die Hölle ! 
Sie mahnt mich an den fürchterlichen Schwur, 
Den ich ihr auf Verdammniss zugesohworen.' 
HEDWIG (umfasst ihn.) 
So halte Dich an mich und meinen Glauben , 
Und trotze den Banditen, 
RUDOLPH (sie von sich stossend.) 
Nein, nicht gönn’ ich 
Der Hölle diesen Vortheil über mich, 
Dass ich treulos ihr selbst den Eid gebrochen ; 
Sie hat mein Wort, und ihr gehör’ ich zu! 
Hedwig. Gerechter Gott! sey meiner Mutter gnädig! 


VIERTER AUTRITT. 


VORIGE, BERNHARD, 


Bernhard. Um Gottes willen, Förster , rettet, rettet, 

Es brechen Räuber in das Schloss, sie dringen 

Vom Gartenthor herein, zeigt eure Kraft, 

Und stürzt Euch unter sie, ich unterdess 

Will auf den Thurm und die, Nothglocke Laien, 

(Er will abeilen.) 
Rudolph. Den Weg’ erspar' ich Dir! 
(Springt ihm nach , und stösst ihm den Dolch in die Kehle.) 

Ha! Mörder! Mörder } 


(Zusammenstürzend,) 


Bernhard. 


Hedwiy. Gerechter Gott! 
(Siokt auf den Stuhl nieder, den Kopf n die Hände Jdrückend,) 


Bernhard. O meine Ahnung! 
(Stirbt.) 


Rudolph. j Nun ist 
Mir leicht, nun bin ich gleich der Alte, 
Blut musst’ ich sehn ! — Mit diesem raschen Stoss 
Kommt mir der angeborne Geist zurück. 
Die Hölle glüht mir wi:der in dem Herzen ! 
(Lärm von aussen.) 
Banditenbraut ! schmück’ Dich, die Gäste kommen , 
Ihr Mordjo donnert schon durch’s Schloss. — Da sind sie! 


EIN DRAMA,» 455 


FUNFTER AUFTRITT. 


VORIGE, ZANARETTO. LORENZO, DIE RAUBER (mit Winds 
lichtern,) BERNHARD (wird hinausgetragen.) 


Rudolph. Willkommen ‚auf dem Schloss , Banditen! 


Lorenzo. Warst schon fleissig ; 
Wen schleppen sie denn da hinaus ? 

Rudolph. Den Bernhard ; 
Ich hab ihn quitt gemacht. 

Zanaretto. Kannst Du’s noch , Bursche ? 


Budo nh, So was verlernt sich nicht sobald, wenn man 
Das Schuldgeld mit der Seele abbezahlte. 

Lorenzo. Gibt's sonst noch Arbeit, Rudolph ? 

Rudolph. Keinen Mann, 
’S gilt allerhöchstens noch ein Weiberleben. 

Lorenzo. Nun rasch zur That, Ist’s etwa die, Bandit ? 

Rudolph. Willst Du das Messer durch den Schurkenleib ? 
Kerl, das ist meine Braüt ! 

Hedwig. O, ew’ger Himmel! 

Lorenzo. Sey nur nicht rasend gleich und bärenwüthig ; 
Sah ich’s dem Mädel an den Augen an ? — 
Das wär’ was rechts, um einer Dirne willen 
Mich übern Haufen stechen , bist Du toll? — 

Ruio!ph. Ich biu’, nimm Dich in Acht, mich d'ran zu mahnen, 


— 


SECHSTER AUFTRITT. 


VORIGE, DIE GRAFIN, 
GRÄFIN (aus der Seitenthür.) 


Was gibts? was soll der Lärm ? 


Hedwig. Gott! meine Mutter! 


(Stürzt in die Arme der Gräfin.) 
Gräfin. Wer sind die Männer, Rudolph ? 
Rudolph. Gute Freunde , 
Ich habe sie zur Hochzeit eingeladen. 
Hedwig. Banditen sind’s, und Rudolph ist ihr Hauptmann, 
Gräfin. Das wolle Gott nicht! 
Rudolph. Werd’ ihn viel fragen, 


Lorenzo. Ist’s die? 
(Er zieht den Dolch , und schleicht sich hinter die Gräfin.) 


Rudolph. Ja, Bursche. — Lustig, schöne Braut! 
Du ziehst mit uns, Du wirst die Räubenfürstin | 


456 HEDWIG. 


Hedwig. An diesem Herzen ist mein Platz , und keine 
Gewalt der Ilölle trennt mičh von der Mutter. 
Rudolph. Du willst nicht mit uns ziehn? * 


‘Hedwig. Gott schütze mich 
Vor der Gemeinschaft mit Banditen ! 
Rudolph. ~ Gut! 


So bleibst Du hier, — Lorenzo, frisch ans Werk ! 
Die Alte soll uns nicht verrathen können ! 


Lorenzo. (zukt den Dolch auf die Gräfin.) 
Gräfin. Gott sey mir gnädig! 
Hedwig (fällt ihm in die Arme.) 


Teufel , sey barmherzig , 
Und nimm mein Leben für ihr Leben an! 
Gräfin. O meine Tochter! 
Rudolph. s Kümmert’s Dich so viel , 
Es gibt ein leichtes Mittel, sie zu retten! — 
Hedwig, Was ists! 
Rudolph, Wenn Du freywillig folgen willst, 
Und meine Braut willst seyn, so mag sie leben, 
Hedwig. Gott! deine Braut — ? 
Gräfin. Nur rasch den Dolch in’s Herz, ` 
Um diesen Preis verlang’ ich nicht zu leben, 
Rudolph. Du zauderst noch ? Stoss zu, Lorenzo! 
Hedwig (die Mutter umarmend und zugleich dem Lorenzo den Dolch aufhaltend,) 
Halt! 
Um Gotteswillen ; halt! Ja, du musst leben ! 
Mutter, du musst! Bandit, ich bin Dein Weib ! 
(Gibt dem Rudolph die Hand.) 
Gräfin. Nein, Hedwig, nimmermehr! — 
Hedwig. Mach’ mich nicht weich ! 
Entreisse mir nicht meine letzte Stütze, 
Dass ich in dieser teuflischen Gemeinschaft 
Mein himmlisch Erbtheil mir bewahren kann ! 
Rudolph. Nun, Himmel, frag’ ich Dich, sollt’ ich dir treu seyn ? 
Sieh, was Du felsenherzig mir verweigert, 
Die Hölle wirft's nach kurzem Dienst mir zu | 
Jorenzo. Nun rasch, Banditen , sprengt die Schlösser auf! 
Rudolph, Der Arbeit brauchts nicht, hab’ ich doch die Schlüssel. 
Folgt mir, ich führ’ Euch zu dem rechten Mammon, 
Komm , schöne Braut, Du sollst den Weg uns zeigen. 
Da, nimm die Fackel! — Nun, besinnst Du Dich ? — 
Gräfin. O meine Hedwig ! (Sie an sich drückend.) 
Rudolph. ` Wird’s bald ? 
Gräfin. Meine Hedwig ! 
Hedwig. (hat die Fackel ergriffen, es durchfährt ein Gedanke ihre Seele.) 


EIN DRAMA. 437 


Mutter ! — Leb wohl! — lebe für Deine Tochter I 
Gräfin. Was ist Dir? 
Hedwig. Mutter! siehst Du dort die Raben, 
Sie krallen ängstlich sich an’s Fenster an, 
Die Augen glühn , die Hölle grinzt mich an! — 
Banditen , folgt! — sie soll ihr Opfer haben! 
(Schnell ab , die Räuber ihr nach , die Gräfin in’s linke Zimmer.) 


SIEBENTER AUFTRITT. 


(Der Schlosshof, Im Hintergrunde links das Thor, rechts eine Scheune, Links 
eine eiserne festverschlossene Thüre, die zu einem Gewölbe führt, Rechts 
das Schloss mit einem Balkon.) j 


Hedwig. (stürzt mit der Fackel aus dem Schlosse heraus, RUDOLPH und 
die Räuber ihr nach,) 


Rudolph. Wir sind zur Stelle. (Zu Hedwig.) Leuchte I 
Zanaretto. Schliesst der Schlüssel ? 
‚Rudolph. Der ist's. Nun rasch hinein, und sprengt die Kisten ! 


(ZANARETTO schliesst die Thüre auf, und steigt mit den Räubern , die 
auch Fackeln tragen , hinein. HEDw IG bleibt, wie im Gebete versun« 
ken, an der Thüre stehn, die Augen gen Himmel gewandt.) 


Rudolph. Steig’ mit hinein, Lorenzo , dass sie nicht 
Im wilden Eifer unsrer Beute schaden. 
Ich will zum Garthenthor, es steht noch auf, 
Wir müssen sicher gehn , und uns verschliessen ! — 
Macht schnell , das Schloss muss rein geplündert seyn 
Und ganz in Flammen lodern, eh’ der Graf kömmt, 
Lorenso. Verlass Dich nur auf mich. Du kennst mich Rudolph, 
(Rudolph ab.) 
Lorenzo (in das Gewölbe rufend.) 
Sind alle drin ? 
Zanaretto. (aus dem Gewölbe,) Ja , alle! 
Lorenzo. Nun , so will ich 
Mich auch zu Gaste laden bey dem Grafen. 
(Zu Hedwig.) 
Du bleibst mit deiner Fackel ruhig stehn , 
Bis wir den ganzen Schatz heraus gezogen. 
(Er steigt in das Gewölbe.) 


458 HEDWIG, 


ACHTER AUFTRITT. 
HEDWIG (allein.) 

(Sie sieht sich schaudernd um, wirft einen Blick nach oben, hebt mir grose 
ser Anstrengung die eiserne Thüre, schmettert aie zu, schiebë Schloss und 
Riegel vor, fasst die Fackel, und wirft sie in die Scheune, die nach und 
nach ganz in Flammen steht, dann eilt sie ganz vor, kniet nieder, hebt-die 
Hände empor , und ruft :) -» 

Gott !. Gott ! ich danke Dir, wir sind gerettet | 
$ (Pause, ) 
Die Flamme fasst ! — Schon lodert’s durch das Dach, 
Im nächssen Dorfe sehen zie das Zeichen, 
Sie kommen uns zu Hülfe — 
(Die Banditen toben an der eisernen Thüre,) 
Gott, so lange nur 
Lass diese Schlösser glücklich widerstehn , 
Lass diese Riegel ihre Kraft vereiteln, 


— 


NEUNTER AUFTRITT. 


VORIGE, RUDOLPH, 


Rudolphe Das brennt zu früh, das macht die Nachbarn stutzig. 

Löscht, löscht! Wir sind verloren, wenn sie kommen, 

Was seh’ ich? — Soll ich meinen Augen trau’n ? 

Die Thüre zu und fest in’s Schloss geworfen, 

Die Riegel vor, und dort das Dach in Flammen, 

(Hedwig erblickend.) 

Ha, nun ist's klar! — Wir sind verrathen, Teufel ! 
Hedwig. Was hör ich! Rudolph! — Gott, ich bin verloren ! 
Rudolph. Hast du geglaubt, ich wär’ auch in der Falle ? 

Das sollst du grässlich büssen. Her die Schlüssel ! 
Hedwig. Umsonst! Nur mit dem Leben lass ich sie ! 
Rudolph. Ohnmächtige ! die Schlüssel ! 

Hedwiy. Gott der Gnade ! 
(sie ringen mit einander.) 
Erbarm’ dich meiner! 
Rudolph, Gib die Schlüssel , Dirne ! 
(Er entreisst ihr die Schlüssel.) 
Hedwig. O Mutter ! Mutter | 


ZEUNTER AUFTRITT. 
VORIGE, DIE GRAFIN (am Fenster.) 


` Gräfin Hedwig! meine Hedwig! 


EIN DRAMA. i 459 


Rudolph. Du hast Dein Loos geworfen , wie das ihre; 
Ich bin des Wortes quitt, in jene Flammen 
Lass ich die Mutter werfen, und Du sollst, 
Der ganzen Schaar ein Opfer frecher Lust, 
Im fürehterlichsten Qualentod verschmachten; 
(Er wirft die Flinte hin, und will auf die Thüre zu , um aufzuschliessen ) 
Hedwig. (wirft sich vor die Thür.) 
Nur über meine Leiche geht der Weg. 
Gräfin. Gerechter Himmel ! 
Rudolph (schleudert sie weg») 
Fort, Banditendirne | 
(Die Sturmglocke des nächsten Dörfer hört man läuten.) 
Hörst Dü die Feuerglocke aus den Dörfern ? 
Die Beute hast Du uns vergällt, so sollst Du 
Doch an der blut’gen Rache uns nicht hindern, 
Ein Druck, und die Banditen sind befreit , 
(Er steckt den Schlüssel in’s Schloss.) 
Und was Euch dann erwartet , wisst Ihr. 


Gräfin. Himmel , 
Erbarm’ dich mein! 
Hedwig. Nun, so sey mir Gott gnädig! 


(Ergreift die Flinte, und schmettert den Rudolph, der sich so eben zum Scosse 
herunterbückt , mit dem Kolben nieder.) 


Rudolph Ha Teufel | 
(Stürzt zusammen.) 
Gräfin. Hedwig! Hedwig! Gott, was war das ? 
(Eilt vom Fenster.) 
Hedwig. Ein Mord! 


(Sie bleibt nun bis zu Ende des Akts ganz bewegungslos , immer auf Rudolph 
starrend, und auf die Flinte gelehnt, stehn. Die Scheune stürzt mit Geprassel 
ein , Hedwig rührt sich nicht. =~ Lange Pause į nur von den Feuerglocken der 
fernen Dörfer unterbrochen.) 


—— 


EILFTER AUFTRITT. 


DER GRAF. JULIUS, BEDIENTE UND BAUERN (var dem Thore, 
auch mit Windlichtern.) HEDWIG, DANN DIE GRAFIN, 


Graf. Das Thor ist zu. Gott! Gott! was wird das geben ? 
Frisch , Kinder sprengt es auf 
(Sie versuchen , das Thor zu sprengen.) 
Julius. Das rieth der Himmel, 
Dass wir so früh zur Heimath aufgebrochen, 
Graf. Es stürzt 
(Das Thor wird ausgehoben , es stürzt, sie dringen herein, ) 


440 HEDWIG. 


Julius. Gottlob ! 


Graf. Hülfe zur rechten Zeit. 
Julius. Hedwig! Hedwig! wo. bist Du? 
Gräfin (aus dem Hause.eilend.) 


Felseck ! Gott sey Dank! 
Ich seh’ Dich wieder. 
Graf. Wie ? Dn warst gefährdet? 
Gräfin. Ermordet läg’ ich jetzt zu Deinen Füssen, 
Wenn Hedwig’s rasche That mich nicht befreyt. 
Graf. Wo ist der Engel P 


Gräfin. Dort! 

Julius. Himmel, was seh’ ich ? 
Erschlagen liegt der Rudolph vor ihr. 

Graf. Hedwig, 


Was ist die? Gott} 

(JULIUS und der GRAF umfassen sie, sie scheint wie zu erwachen , blickt 
sie freudig an, dann füllt ihr Blick auf RUDOLPH, und sie sinkt mit ei» 
nem Schrey zusammen.) ` 

Julius. Sie sinkt, sie stirbt ; — o rettet! 

(Er hält die obnmächtige Hedwig ’knieend auf) 

Gräfin. \ (sich über Hedwig beugend.) 

Lass ihrer Seele diesen kurzen Schlummer, 
Sie kehrt Dir bald in’s frische Leben wieder, 
Dann wache sie an Deinem Herzen auf, 
Und Gottes und der Liebe heil'ger Segen 
Mag Eure Hände in einander legen. 
(Wärend der Gruppe füllt der Vorhang‘) 


JOSEPH HEYDERICH, 


ODER: 


DEUTSCHE TREUE. 


EINE WAHRE ANECDOTE, ALS DRAMA IN 
EINEM AUFZUGE. 


S 


PERSONEN. 


Ein HAUPTMANN von den Jägern. || Ein KAUFMANN 

Ein oBERLIEU- d von einem Li- || Ein wunpanzt } von Voghera. 
TENANT nien-Infanterie- || Ein BURGER 

Ein CcoRPOoRAL | ARegimente. 


Die Handiung geht in Voghera am Abend nach der Sehlacht von Montebello 
vor (9. Juny 1800.) 


ERSTER AUFTRITT. 


Eine einsame Strasse in Voghera. Ein Haus mit Lauben, wo Thüre und Fenster 
verschlossen sind, macht den Hintergıund. Links ein Haus mit einer Stiege, 


Der HAUPTMANN, schwer an der rechten Hand verwundet, sitzt neben dem OBER- 
LIEUTENANT, der besinnungslos auf der Stiege liegt. 


DER HAUHTMANN, 


Kein Zeichen des Lebens. — Kamerad , du hast es überstanden ! 
— Und doch! — Das Herz schlägt noch. — Bey Gott! ich weiss nicht, 
ob ich mich darüber freuen soll, — Ja, das Herz schlägt woch, — 
Wenn ich Hülfe schaffen könnte ! — Nein, nein , ich darf es nicht 
wünschen , seine Martern dauern nur länger, ’s ist doch mit ihm aus. — 
Alle Häuser sind zugerammelt, die Bürger wagen sich aus Furcht vor 
den plündernden Franzosen , nicht auf die Strasse, vergebens hab’ ich 
an alle Thüren ‚geschlagen , niemand will öffnen , niemand uns auf- 
nehmen. Mit meinem linken Arm kann ich ihn nicht weiter. schlep- 
pen, er muss hier sterben! — — Seine Prophezeihung trifft ein. — 


442 JOSEPH HEYDERICH. 


Heute früh , als er mit seiner Compagnie an mir vorüberzog , rief er 
mir den grossen Abschied zu; ich lachte, aher er hat doch recht ge- 
habt. — Vor meinem leichtern Blute müssen sich die Ahnungen scheu- 
en, sonst hätte ich diese Nacht viel Erbauliches erfahren müssen von 
meiner Hand und meiner verlornen Freyheit, Aber ich bin mit so 
frischem und fröhlichem Muth in’s Feuer gegangen, als gäb’s gar keine 
Kugeln für mich, und nun sitze ich hier , gefangen , verwundet und 
noch nicht einmal verbunden | — Ich mag nicht in’s Spital, bis ich 
weiss, was aus Diesem da wird; er hätte mir’s auch gethan. — Ge- 
fangen ! ’s ist doch ein verwünschtes Wort! — Gefangen ! ich gefan- 
gen ! — Ach was! der Kriegswürfel fällt wunderlich, heute mir, 
morgen dir. Sie hätten mich auch nicht bekommen ohne den ver- 
dammten Schuss, aber der Henker mag. sich mit einem linken Arm 
durch sieben rechte schlagen ! — Still! da kommt einer die Strasse 
herauf, wahrscheinlich ein Bürger, vielleicht hilft er meinem Ka- 
meraden, 


ZWEITER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN, EIN BURGER. 


Hauptmann. Halt, guter Freund} — 

Bürger. Was solls? 

Hauptmann. Seht her! hier liegt ein Sterbender. Er ist veilleicht 
noch zu retten. Seyd menschlich und nehmt ihn auff — 

Beier, Geht nicht! 

Hauptmann, Warum nicht ? — 

Bürger, Weil’s nicht geht — Habe zu Hausse dreissig lebendige 
Gäste, die nichts zu essen haben, und keinen Platz obendrein, wo 
soll ich mit dem Todten hin ? 

Hauptmann. Er ist nich nich todt. 

Bürger. Wenn er schon im Sterben liegt, braucht er nichts weiter 
als den Platz, wo er sterben kann; an Hülfe ist jetzt in der Ver- 
wirrung nicht zu denken, Den Platz zu sterben hat er aber hier 
weit bequemer als bey mir; haben sie mich doch selbst aus meinem 
Hause getrieben , und weiss Gott, aus was allem weiter ! 

Hauptmann. Ist denn kein Wundarzt in der Nähe $ 

Bürger. Mein Gott, die haben alle Hände voll zu thun , auf den 
Markte wimmelts von ` Sterbenden, Oestreichern und Franzo- 
sen. — Alles durch einander! — 

Hauptmann. Es ist einer der brävsten Soldaten der ganzen Armee, 

Bürger. Und wenn er der allerbrävste wäre ‚ich kann ihm doch 
nicht helfen. . 

Hauptmann. Kann euch Geld bewegen P — was verlangt ihr wenn 
ihr ihn aufnehmen sollt, ich geb’ euch alles, was ich habe, 


EIN DRAMA. 445 


Bürger. Wird wohl nicht viel seyn | — Aber, wenn ich’s gut be- 
zahlt kekäme — ein Hinterstübchen hätt ich wohl, — 

Houptmann, Herrlich! herrlich! 

Bürger: Ja herrlich hin, herrlich her! Nur erst das Geld, sonst 
ists mit der ganzen Herrlichkeit nichts. 

Hauptmann. Hier! (sucht nach der Börse.) Element! hab's ganz ver- 
gessen , die Voltigeurs haben mich rein ausgeplündert | — 

Bürger. Also kein Geld? — 

Hauptmann. Geld nicht, aber Gotteslohn! . 

Bürger. Damit kann ich die dreyssig hungrigen -Chasseurs auch 
nicht satt machen. Hat der Herr kein Geld, so lass er mich un- 


geschoren, > 
Hauptmann. Mensch | hast du denn gar kein menschliches Gefühl 


in die? 

Bürger. Warum denn nicht, und obendrein ein- verdammt lehen- 
diges, das heisst Hunger. Erst muss ich satt seyn, dann kommts an 
die Uebrigen, 

Hauptmann. Er fiel für sein Vaterland , er blutete für euch und 
ihr verschliesst ihm grausam eure Thüren 1 — 

Bürger. Wer hat’s ihn geheissen? — 

Hauptmann. Seine Ehre, sein Kaiser! — 

Bürger. Da mag er sich von der Ehre füttern; und vom Kaiser 
kuriren lassen — mich geht’s nichts an ! 

Hauptmann. Schändlich! Schändlich! — Der Mensch. gebt den 
Menschen nichts an | e 

Bürger. Treibt's nur nicht so arg , sorgt lieber für euch ‚ihr seyd 
ja auch verwundet. Geht auf den Markt zu den Chirurgen, 

Hauptmann, Ich gehe nicht von der Stelle, bis ich weiss, wasaus 
meinem braven Kamaraden wird, — Wenn Hülfe möglich ist, will 
ich sie ihm bringen, ist sie nicht möglich , so soll ihm wenigstens 
eine österreichische Bruderliand die Heldenaugen zudrücken. — 

Bürger. Nach Belieben, Nur verlangt nicht, dass ich euch Gesell- 
schaft leisten soll, Gehabt euch woll, ich muss sehn , wo ich alt- 
backenes Brod und sauren Wein bekomme, sonst fressen mich die 
dreyssig Vielfresser in einem Tage zum Bettler, (Ab.) 


— 


DRITTER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN, ohneden BURGER, 


Hauptmann. Schurke! — Weiss Gott, wäre ich des rechten Armes 
mächtig gewesen, nd hätte ich meinen Degen noch — hätt’ ich 
meinen Degen noch — Donner und Wetter, was ein Paar Stunden 
thun 1 — Heut früh stand ich an der Spitze von 120 braven Burschen , 
die meinen Winken gehorchten , und jetzt darf mir solch eine Krä- 


444 JOSEPH HEYDERICH. 


merseele das. bieten! — Der verdammte Schuss! — Und wie der 
Kerl jubelte, als mir der Degen aus der Hand sank! — ‚Element , 
e fängt jetzt an abscheulich in der Wunde zu brennen. — Wie höl- 
lisches Feuer! — Der Arm wird wohl drauf gehn !— Nun ! was iss 
weiter ? — Hat mancher alte Vater sein einziges Kind zu den Fah- 
nen geführt, hat manche- hülflose Mutter ihre letzte Stütze, ihren 
Sohn , dem Vaterlande geopfert , was soll ich mich sperren , wenn’s 
an einen Arm geht.‘ Müsste mir’s ja auch gefallen lassen, wenn sie 
mit’s Leben genommen hätten , und weiss Gott! ich hätt’ es für mei- 
nen Kaiser ‚für meinen guten grossen Kaiser , rasch und freudig hin- 
geworfen! — Still, rührt er sich nicht? — Ja ja, er kömmt zu 
sich, — er schlägt die Augen auf, — Kamerad, willkommen im Le- 
ben! — Was siehst du so starr um dich? — Besinne dich! — Er- 
kenne deinen Waffenbruder! Ich binn’s , dein Freund , das ist deines 
Kaisers Rock, das ist das Feldzeichen deines Vaterlandes. Wir sind 
zu Voghera, du kannst eerettet werden , der. Feldherr wird uns 
auslösen, 

Oberlieutenant. Bin ich gefangen ? 

Hauptmann. Ja! — Wir sind in Feindes Gewalt ! 

Oberlieutenant, Gefangen | 

Hauptmann. Nun! lass dir kein graues’ Haar darüber wachsen, 
das ist dem bräysten Soldaten schon passirt, die Kriegsfortuna ist 
ein wunderliches Weib! — 

Oberlicutenant. Warum nicht todt ? — Warum nur gefangen P— 

Hauptmann. ’Sist doch um einen Grad besser. Der Tod lässt kei- 
nen wieder auswechseln, 

Oberlieutenant, Wir sind geschlagen? — 

Hauptmann. Nur zurückgedrängt, Der General Lannes hatte die 
Uebermacht zu sehr auf seiner Seite. Unser Corps musste über die 
Serivia zurück] — 

Oberlieutenant. Zurück über Scrivia? — 

Hauptmann. Still davon! — Wie fühlst du dich jetzt ? Schmerzt 
dich deine Wunde sehr ? 

Oberlieutenant. Hättest du mich mit einem Siegesworte geweckt, 
ich glaubte an Rettung; jetzt fühle ich, das der Schuss tödtlich ist, 
und hab’ auch keinen Wunsch mehr zu leben. 

Hauptmann. Schone deine Brust, — Sprich nicht. — Vielleicht, — 
Ein Wunder wäre nicht unmöglich, deine Natur ist stark, 

Oberlieutenant: Der Körper ist's gegen körperliche Leiden, aber 
er beugt sich dem Seelenschmerze, 

Hauptmann. Still, folge meinem Rath , sprich nicht so viel, 

Oberlieutenant. Soll ich die paar Minuten, $i: ich noch leben 
will und noch zu leben habe , in stummer Qual verjammern ? Nein, 
lass mich zum Abschied aus vollem Herzen zu dir sprechen, Das 
scheidende Leben drängt die letzten warmen Blutströme-nach meiner 


EIN DRAMA. 443 


Brust ; und gibt mir Kraft zum Reden. — Wie stcht's mit unsern 
Kameraden ? 

Hauptmann. Wie ich dir schon sagte , sie zogen sich zurück über 
die Scrivia, Casteggio und Voghera sind in des Feindes Hand. 

Oberlieutenant. Wars ein ehrenvoller Rückzug ? 

Hauptmann. Das will ich meynen | Die Truppen haben sich wie 
Löwen geschlagen. Nur diese Uebermacht konnte sie zum Weichen 
bringen. : 

Oberlieutenant, ’S ist doch ein braves herrliches Volk, meine 
Oesterreicher. Meine Leute hättest du sehen sollen! Helden waren’s 
Gestanden sind sie wie die Felsen im Meere. Gott lohne ihre Treue, 
es werden nur wenige von ihnen übrig seyn. 

Huuptmann. Du hattest die Vorposten ? — 

Oberlieutenant. Ja, Bruder. Als wir heut Mittag’bey Casteggio 
anlangten und abkochen wollen, kam, wie du weisst, die Nach- 
richt, Marschall Lannes sey nicht mehr weit, und drohe, uns an- 
zugreifen. Ich ward mit meiner Compagnie und einem Zug leichter 
Reiter-von Lobkowitz vorgeworfen, um den Feind so lange zu be- 
schäftigen, bis das ganze Corps schlagfertig sey. 

Hauptmann. So gut ward mir’s nicht! — 

Oberlieutenant. Jch merkte bald, worauf es hier ankam, und 
dass das Wohl des gauzen Armeekorps, vielleicht noch mehr auf 
dem Spiele stehe. Kaum war ich an dem Deßilee augelangt , wo 
ich Halt machen sollte, als ich den Vortrab der Franzosen im 
Sturmwarsch anrücken sah, Mir hatte es schon den ganzen Morgen 
wurderbar schwer und ahndungsvoll auf der Brust gelegen, als wäre 
meine Zeit aus, als müsste ich heute dem Tode meine Schuld be- 
zahlen. Als ich jetzt die feindliches Bajonnette die Schlucht herunter 
blinken sah, ward miı’s zur Gewissheit, heute würde meine Kugel 
geladen. Gedrängt von dem Gefühle meiner Todesnähe , rief ich 
meinen treuen Corporal, du kennst ihn ja, den alten erlichen Hey- 
derich, übergab ihm die Compagniekasse und meine eigene Börse, 
mit dem Bedeuten, jene dem Obristen, diese meinen guten Eltern 
zuzustellen , als das ganze Vermächtniss ihres Sohnes, der für seinen 
Kaiser gefallen sey. Damit schickte ich den alten Mann fort, dem 
die hellen Thränen in den Augen standen, und der mich fast fuss- 
fällig bat, ihn in der Todesgefahr bey mir zu behalten. Der gute 
ehrliche Joseph! — Er ahndete auch, was seinem Oberlieutenant 
bevorstand ! — Der Abschied von dem alten Freund war mir schwe- 
rer geworden , als ich dachte; zu rechter Zeit weckten mich die 
Schüsse der Franzosen. Nun als! Meine Leute fochten wie die 
Eber und wichen keinen Fussbreit zurück. Die Leichen der Feinde 
thürmten sich vor uns, denn meine Bursche zielten gut; aber rich 
um mich her sanken viele, Meine Ofhiziers waren mit die ersten. 


38 


446 JOSEPH HEYDERICH. 

Zuletzt stand ich .noch nach einem stundenlangen Kampfe mit eilf 
Mann, eilf Mann von neunzigen , den anstürmenden Feinden gegen- 
über. Da bekam ich diesen Schuss, sank zusammen und weis nicht, 
wua weiter mit mir geschehen, Ich erwachte ia deinen Armen zum 
erstenmale. 

Hauptmann. Darüber vermag ich dir Aufklärung zu geben. Deine 
Leute zogen sich zurück , als der gefallen war, der ihnen vorgefoch- 
ten hatte; die Lieutenants Stambach und Ottilienfeld , die von einer 
andern Seite vom Feinde geworfen, an dir vorübereilten, hoben 
dich auf und trugen dich eine Strecke weiter, bis sie von franzö- 
sischen Chasseurs eingeholt, dich deinem Schiksal überlassen muss- 
ten, Die Feinde wollten dich plündern, da brachen einige Croaten 
aus dem nahen Gebüsche, trieben sie zurück legten dich auf ihre 
Gewehre, und brachten dich so nach Casteggio, von wo dich 
F. M. L, Graf Oreilly durch einen Mann von Naundorf Husaren nach 
Voghera schaffen liess. Dieser war's auch, der mir die Fortsetzung 
deiner Taggeschichte lieferte. 

Oberlieutenant. Und du ? 

Hauptmann, Obwohl wir durch deine heldenmüthige Aufopferung 
in den Stand gesetzt worden waren, uns aufzustellen, so vermoch- 
ten wir doch nicht, der Uebermacht, die jetzt von allen Seiten auf 
uns losbrach, zu widerstehen, Wir verliesen Casteggio und zogen 
uns durch Voglera zurück, Am obern Thore bekam ich den Schuss 
in den rechten Arm, wurde gefangen , schleppte mich hierher , fand 
dich und beschloss sogleich, mit dir gemeinschaftlich das Schicksal , 
das uns bestimmt ist, abzuwarten, 

Oberlieutenant. Wie? du bist verwundet? — Doch nicht gefähr- 
lich ? 

Hauptmann. Glaube nicht! 

Oberlieutenant. Bist du noch nicht verbunden ? 

Hauptmann. Nein! 

Oberlieutenant. So eile dich doch, 

Hauptmann. Nein! 

Oberlieutenant. . Dein Zaudern kann dir tödlich seyn | 

Hauptmann. Erst muss ich wissen, was aus dir wird, 

Oberlieutenant. Freund, ich sterbe! — 

Hauptmann. Das ist nicht gewiss, Rettung wäre möglich! 

Oberlieutenant, Mir wird keine, und ich mag auch keine, 

Hauptmann. Das heisst gefrevelt! 

Oberlieutenant. Erhalte deinem Kaiser einen braven»Ofhizier ! 

Hauptmann. Deswegen bleibe ich, 

Oberlieutenant. Nein! deswegen sollt du gehen! — Lass mir 
nicht das bittere Gefühl, das mein zaudernder Tod den deinigen 
beschleunigt habe. — Noch ehe die Sonne sinkt , bin ich erlös't, 

Hauptmann. Meine Hand soll dir wenigstens die Augen zudrücken, 


EIN DRAMA. 447 


Oberlieutenant. Der-Genius meines Vaterlandes drückt sie mir zu. _ 

Hauptmann. Ich sitze nun schen drey Stunden bey dir! 

Oberlieutenant. Deswegen verliere jetzt keinen Augenblick mehr 
und rette dich | i 

Hauptmann, -Wenn dir zu helfen wäre! 

Oberlieutenant. Mir ist nicht zu helfen! Lass mich. ruhig ster- 
ben, und gehe. ` 

Häuptmann. Bruder! 

Oberlieutenant. Geh, und rette dich. Dein alter Vater lebt noch» 
rette dich ihm, rette dich deinem Kaiser! 

Hauptmann. Was gelte ich, wenn du stirbst ! 

Oberlieutenant. Grüsse meine Freunde und geh! — 

Hauptmann. Hast du-gar keine Hoffnung des Lebens ? 

Oberlieutenant. Keine} — rette dich! — 

Hauptmann, Drücke mir noch einmal die Hand, die, rechte ist 
zerschmettert, musst schon mit der linken vorlieb nehmen. 

Oberlieutenant. Bruder — Leb wohl! — 

Hauptmann, Gott tröste dich in deiner Toddesstunde — leb wohl! 

(Ab.) 


u 


VIERTER AUFTRITT. 
OBERLIEUTENANT (allein.), 


Der letzte Abschied! — Tod! ich zitire dir nicht, aber wenn ich 
mir's denke, das war das letzte Menschenauge , das mir leuchtete , 
so schauderts doch durch meine Seele. — Also meine Rechnung 
ist abgeschlossen , mein Testament ist gemacht. — Möge Gott die 
guten Eltern trösten, wenn der ehrliche Heyderich ihnen mein Ver- 
mächtniss bringt ; ich bin ruhig, dem Himmel sey Dank, ich darf 
den Augenblick der Auflösung nicht scheuen. — Hab’ es nicht. ge- 
dacht, als ich in der Schule den Horaz übersetzte, dass ich das dulce 
pro patria mori an mir selber prüfen könnte, — Ja, bey dem All- 
mächtigen, der unsterbliche Sänger hat recht, es ist süss, für sein 
Vaterland zu sterben ! — .O könnt’ ich jetzt vor allen jungen-treuen 
Herzen meines Volkes stehn, und es ihnen mit der letzten Kraft 
meines fliehenden Lebens in die Seele donnern: es ist süss ,. für 
sein Vaterland zu sterben | Der Tod hat nichts Schreckliches, wenn 
er die blutigen Lorbeern um die bleichen Schläfe windet. — Wüss- 
ten das die kalten Egoisten, die sich hinter den Ofen verkriechen , 
wenn das Vaterland seine Söhne zu seinen Fahnen ruft, wüssten das 
die feigen niedrigen Seelen, die sich für klug und besonnen halten, 
wenn sie ihre Redensarten auskramen, wie es doch auch ohne sie 
gehen werde, zwey Fäuste mehr oder weniger zögen nicht in der 
Wagschale des Siegs, und was der erbärmlichen Ausflüchte mehr 


448 JOSEPH HEYDERICH. 


sind — alındeten sie- die Seligkeit, die ein braver Soldat fühlt, 
wenn er für die gerechte Sachs .blutet, sie drängten sich in "de 
Reihen, Freylich wird’s auch ohne sie gehen ; freylich geben zwey 
Fäuste den Ausschlag nicht; aber hat das Vaterland nicht ein glei- 
ches‘ Recht auf alle seine Söhne? Wenn der Bauer bluten muss, 
wenu der Bürger seine Kinder opfert, wer darf sich ausschliessen ? 
Zum Opfertode für die Freyheit und für die Ehre seiner Nation ist 
keiner zu gut, wohl aber sind viele zu schlecht dazu ! — Schnell 
zu den Fahnen, wenn euch dıe innere Stimme treibt; lasst Vater 
und Mutter, Weib und Kind, .Freund und Geliebte entschlossen 
zurück , stosst sie von Euch, wenn sie euch halten wollen — den 
ersten Platz im Herzen hat das Vaterland! — Was fasste: mich für 
ein.Geist, — will die kühne Seele mit diesen heiligen Worten Ab- 
schied nehmen D — ich werde schwach! — . die Stimme bricht, — 
Wie du willst ,. mein Gott und Vater! — ich bin bereit | (Er wird 
obnmäch‘'ig.) - a 


—— 


FUNFTER AUFTRITT. 


DER VORIGE. DER CORPORAL, (ein Tuch um dem Oberarm, sehr 
erhitzt und abgespannt, dann sich Gewalt anthuend bis seine Kraft 
endlich stufenweise zusammenbricht.) 


Corporal. Kaum kann ich weiter! — Wenn ich in nicht bald, 
nicht gleich finde, sind alle meine Anstrengungen umsonst, Die 
alten Knochen wollen zusammenbrechen! — Auf dem Markte liegen 
viele hundert Sterbende , aber mein guter Oberlieutenant ist nicht 
dabey. — Der Schuss im Arm da fängt auch an gewaltig zu bren- 
nen, — Hielten mich doch dis eigenen Leute für einen Deserteur ! 
Ich desertiren! — Ich! — Diene meinem Kaiser nun.35 Jahre, "und 
` ich desertiren ? — Habe ich nur meinem Oberlieütenant gerettet, 
den Weg zu meiner Fahne will ich schon wieder finden! — Elc- 
ment! — ein Offizier von unserm Regimente! — Gott! je ist mein 
Oberlieutenant ! 's ist mein Oberlieutenant! — (Es wirft sich bey ihm 
nieder.)-Allmächtiger! ich danke Dir, er ist gefunden, ich hab’ ihn 
wieder } — Ja! wieder hab’ ich ihn, aber wie? — Todt! — Todt! 
— Nein, nein ; er kann nicht todt-seyn, er darf nicht todt seyn, — 
Hätte mir Gott mein Wagstück nur darum gelingen lassen, um sei- 
nen Leichman zu finden ? — Er muss wieder wach werden, damit 
ich ihm wenigstens die Augen zudrücken kann. — Das Halstuch 
muss auf! — So! — Nun will ich sehen, wo ich Wasser finde ! 
Gott , lass mich alten Kerl nicht verzweifeln ! (Eilt ab.) 

Oberlieutenant (Wacht aut.) Ah! kann ich denn noch nicht sterben ? 
— Noch immer nicht! — ‘Tod, mach’s kurz, wie lange soll ich 
mich quälen ? — 


EIN DRAMA: 449 


Corporal (Kommt mit Wasser im Heime) Dem Himmel sey Dank, 
da bring ich Wasser, — — 

Oberlieutenant. Was seh’ ich ? — Heyderich? — sollte ich mich 
auch in deiner Seele betrogen haben ? — Deserteur ? — Pfui! Pfui! 

Corporal, Gott! er bewegt sich! — er lebt! — Herr Oberlieu- 
tenenant, mein theurer Herr! — Ach die Freude! — 

Oberlisuțenant, Weg vor mir, verbittre mir nicht den letzten 
Augenblick. 

Corporal. Nun ist alle Qual vergessen] — 

Oberlieutenant. Bist du gefangen ? — 

Corporal, Nein, Herr Oberlieutenant I — 

Oberlieutenant. Wie kamst du hierher? — 

Corporal, Gott sey Dank! — ich bin desertirt! — 

Oberlieutenant. Fort, Schurke , lass mich nicht in meiner Todes- 
stunde fluchen I! 

Corporal. Um Christi willen, Herr Oberlieutenant , was ist Ihnen ? 

Oberlieutenant. Elende Seele! — lässt sich durch eine Handvoll 
Ducaten verführen, seine fünf und dreyssigjährige Treue zu brand- 
marken | — Aus meinen Augen! 

Corporal. Herr Oberlieutenant! Sie sind sehr hart, das habe ich 
bey Gott nicht verdient! — 

Oberlieutenant, Hast Recht! Du verdienst eine Kugel vor den 
Kopf, Deserteur ! — 

Corporal. Wenn Sie wüssten, warum ich desertirt bin ! 

Oberlieutenant, Kein Schurke ist so dumm, dass er nicht einen 
Grund für seine Niederträchtigkeit fände, 

Corporal, Herr Oberlieutenant, der Schuss, den ich da im Arme 
habe, thut weh, aber der Stich, den mir Ihre Worte in's Herz 
drücken, der thuť’s zehnmal mehr! — 

Oberlieutenant. Kerl! mach’ nicht solche ehrliche Augen, spiele ` 
den Schurken frey vor mir, ich bin gefangen und verwundet, und 
kann dir nichts thun, 

Corporal, Brechen der Herr Oberlieutenant einem alten ehrlichen 
Kerl das Herz nicht; ich bin desertirt,. ja, aber um Sie zu retten! 
Ich habe all’ Ihr Geld bey mir, womit kann ich Ihnen am schnell- 
sten helfen ? 

Oberlieutenant. Mensch! — 

Corporal. So wahr mir Gott helfe in der Todesstunde, deswegen 
bin ich da, deswegen hab’ ich den Schuss im Arme, Wie sind Sie 
zu retten ? — 

Oberlieutenant. Heyderich ! — 

Corporal. Ich meinen Kaiser um schnödes Gold verlassen! — 
Ich! — Her Oberlieutenant! das war hart! — 

Oberlieutenant. Freund! Camerad! — Was soll ich dir sagen, 
wie soll ich’s wieder gut machen | — 


450 JOSEPH HEYDERICH, 


Corporal. Ist schon wieder gut! —- Wenn mich der Herr Ober- 
lieutenant nur wieder freundlich ansehen, und mich den alten 
treuen Heyderich nennen, 

Oberlieutenant. Alter treuer Heyderich ! e 

Corporal. So, Herr Oberlieutenant ! so — uun ist alles wieder 
vergessen. Wie kann ich Sie retten | — 

Oberlieutenant. Rettung ist nicht möglich! — 

Corporal. Doch, Herr Oberlieutenant , noch — lassen Sie mich 
nur machen! — Erst müssen Sie in ein weiches Bette , dann den 
Wundarzt her, und gute, gute Pflege! ’s soll schon gehen | — ich 
komme keine Nacht von Ihrem Bette, e 

Oberlieutenant. Treue Seele! — , 

Corporal. Lassen Sie mich nur machen! — Das Haus da sieht 
leidlich genug ans. — Die Leute haben sich eingeschlossen, aus 
Furcht von den plündernden Franzosen, Sie werden schon guf- 
machen müssen. — Aber der Herr Oberlieutenant hötten mich doch 
nicht für einen Deserteur für’s Geld halten sollen, Hätten’s doch nicht 
thun sollen | 

Oberlieutenant. Vergieb mir, alter Freund! — 

Corporal. Ist ja schon längst vergeben, ist ja nicht mehr der 
Rede werth! — Sie sind doch mein guter Herr Oberlieutenant. — 
Nun rasch an die Thüre. pocht: Heda, macht auf! mein sterben- 
der Oberlieutenant muss Hülfe haben. Macht auf, ich bitte euch 
bey allen Heiligen ! Macht auf!.seyd barmherzig ! — 

Oberlieutenant. Es hört dich niemand. 

Corporal. Sie hören mich wohl, sie fürchten sich nur, Ich höre 
drinnen flüstern. — Seyd barmherzig! — Macht aaf! — Ein sterben- 
der ruft nach euch, Macht auf! — Element, wenn’s nicht in Guten 
geht, so probiren wir’s auf Soldaten-Manier. 

Oberlieutenant. 'Es hilft dir nichts. 

Corporal. ’S soll schon helfen. — Donnerwelter macht auf, oder 
ich zerschmettere die Tbüre, und dann G’nade Gott Euch allen, 
Macht auf! — Ich will euch lehren, Respect für meinen sterbenden 
Oberlieutenant zu haben. Macht auf, oder ich breche auf, 

Stimme im Hause, ‚Gleich soll geöffnet werden , schont nur un- 
sers Lebens. 

Corporal. Sehn Sie, Herr Oberlieutenant,, es hilft schon ! — Euch 
soll nichts geschehen. Macht nur auf! — Nun, wird’s bald? 

Stimme im Hause. Gleich! Gleich ! 

Corporal, Muth, Herr Oberlieutenant, des Schlüssel knarrt schon 
im Schlosse. 

Oberlieutenant. Rettung ist doch nicht für mich. 

Corporal. So ist's wenigstens Erleichternng | — 


EIN DRAMA. 451 


SECHSTER AUFTRITT. 
DER KAUFMANN (aus dem Hause.) DIE VORIGE 


Kaufmann. Womit kann ich helfen? Ich will alles thun, was in 
meinem. Vermögen steht, 

Corporal. Herr! nehmt da den töduich blessirten Offizier in-eu- 
rem Hause auf, sorgt für einen Arzt, und euch soll dafür alles ge- 
hören, was ich geben kann , diese Börse, 

Kaufmann, Sie.sind ja Oesterreicher ! - 

Corporal, Gefangene und blessirte Oesterreicher | 

Kaufmann, Ach, wie gerne wollt’ ich helfen, aber ich ka 
nicht, 

Corporal. Warum nicht ? 

Kaufmann, Die Feinde sind in der Stadt, ich könute — 

Corporal. Ungelegenheiten haben ? Pfui, Herr, was gehn euch 
Ungelegenheiten an, wenn ihr einen Menschen retten könnt. 

Kaufmann. Aber — 

Corporal. Ist euch das Geld nicht genug? — ’S sind über hun- 
dert Ducaten. - 

Kaufmann. Alles gut, aber — 

Corporal. ’S ist euch nich genug ? 

Kaufmann. Das Gold — 

Corporal. Halt! Geld hab’ ich nicht mehr, aber . — hier hab’ 
ich eine ‚silberne Uhr, ’s ist mein ganzes Vermögen — nehmt sie, 
und rettet meinen Oherlieutenant ! 

Kaufmann. Braver Manu ! 

Oberlieutenant. Heyderich, alte treue Seele | — 

Corporal. Besinnt euch nicht lange, nehmt. — Ich brauche sie 
doch nicht mehr, meine Zeit hat so bald ausgeschlagen I 

Kaufmann. Herr Corporal! Ihr Oberlieutenant muss ein trefllicher 
Mensch seyn, da er sich solche Liebe, solche Treue verdienen 
konnte, Behalten Sie ihr Gold, behalten Sie Ihre Uhr ; ich nehme 
Sie beyde auf, geschehe mir auch deswegen , was da wolle! 

Corporal. Eure Hand, wackerer Herr! Gott sey Dank, mein 
Oberlieutenant wird gerettet. 

. Kaufmann. Sie sind Menschen, das sollte mir schon genug seyn s 
aber Sie sind edle Menschen, und Oesterreicher obendrein , und es 
ist gewiss keiner besser östreichisch im Herzen , als ich. — Mein Haus 
ist Ihnen offen. 

Corporal Ja, Herr! Oesterreicher sind wir, Gottlob! wir sind 
noch Oesterreicher! — Die Hand drauf. Der Krieg mag ein anderes 
Feldzeichen hier aufstecken , wir bleiben doch Landsleute! — 

Kaufmann. Topp! — Nun lassen Sie uns eilen, Sie in's Haus 
zu schaffen , Herr Oberlieutenant, dann such’ ich einen Wundarzt 

auf, der Sie verbinden soll. . 


452 JOSEPA HEYDERICH. 


Oberlieutenant. Lassen Sie mich unterdess im Freyen; es ist mir 
leichter in der frischen Luft, als drinnen im engen Zimmer. Lassen 
Sie mich hier , bis der Wundarzt entscheidet, ob mein Leben mög- 
lich sey. Mus ich sterben, so ‘möcht’ ich gern unter diesem schö- 
nen Himmel sterben! 

Kaufmann. Ich eile nach dem Wundarzt. — Herr Corporal , ge- 
ben Sie in’s Haus und lassen Sie sich Erfrischungen geben. Wenn 
meine Kinder die östreichischen Farben sehen, bringen sie Ihnen 
alles , was sie haben. — 

Corporadi. Nur schnell den Wundarzt, - 

Kaufmann, In fünf Minuten bin ich mit ihm zurück. (ab.) 





SIEBENTER AUFTRITT. 
DER OBERLIEUTENANT, DER CORPORAL 


Corporal. Nun, Herr Oberlietenant, nun ist alles schon gut. 
Ziehen Sie die Furierschützen zurück, die auf dem Kirchhof Quartier 
machen sollten, der grosser General-Quartiermeister da droben lässt 
Sie noch nicht aufbrechen, 

Oberlieutenant. Geh in's Haus, guter Heyderich, und stärke dich, 
micht däucht, du thust dir Gewalt an. Joseph, du bist alt. Mach 
dich nicht muthwillig krank. 

Corporal, Sorgen, Sie nicht, Herr Oberlieutenant, ich hab’ eine 
starke Natur; mag der verfluchte Schuss immerhin, brennen , das 
kostet denn Hals nicht. 

Oberlieutenant. Mein Gott! deine Wunde! wie habe ich das 
vergessen können | — . 

Corporal. Es hat nichts auf sich ’s ist nur ein Streifschuss ich hab’ 
dergleicher Dinger mehr auf dem Leibe. — Jetzt aber will ich hin, 
und einen frischen Trunk für Sie holen , das soll Sie stärken — Erst 
geben Sie mir noch einmal die Hand, so; danke vom Herzen, Herr 
Oberlieutenant, Sie sind doch ein braver, kreuzbraver Herr! und 
hätte mir's auch das Leben kosten sollen, ich hätte Sie wieder ha- 
ben müssen. — Non, der Himmel hat ein Eiusehen gehabt, liess 
solch alten Kriegsmann nicht verzweyfeln, der es so ehrlich mit sei- 
ner Fahne und seinem Kaiser meynt! — (Ab in’s Haus.) 

Oberlieutenant, Treues, herrliches Herz! Und ich konnte dich 
verkennen ? Der Gedanke, dass solehe Menschen unter dieser Sonne 
lebend ‚macht mir ihr Licht fast wieder wüncheswerth. — Und warum 
sollte ich nicht leben wollen? Warum sollte ich ein Daseyn verwün- 
schen, wo mir vielleieht noch manche Freude blüht, wo ich noch 
manchs Gute beginnen und vollenden kann ? — Sind alle Plane mit 
einem verlornen Treffen untergegangeu ? Beym ew’gen Gott, ich 
fühl’s „ich habe noch Ansprüche an dieser Erde, ich habe noch eine 


H 


EIN DRAMA. 453 , 


Stimme a der Entscheidung des Lebens: — Wer edle Menschen 
um sich sieht, die seinem Herzen verwandt sind, der muss ja un- 
gern aus-ihrer Nähe in die Einsamkeit des Grabes gehn, 

Corporal? (Aus dem Hause mit einer Flasche Wein und eine Glases) Hier ` 
Herr Oberlieutenant, einen frischen kräftigen Trunk Wein, Der 
wird neues Feuer in ihre Adern giessen, Nur zul —-So.— Hats 
geschmeckt ? 

Oberlieutenant,. Ein erquickender Zug. — Du hast doch schon 
getrunken ? — 

Corporal. Kann warten. 

Oberlicutenant. Noch nicht getrunken ? Warum ? 

Corporal, Ich habe keinen rechten Durst, ’smag wohl von der 
Müdigkeit herkommen, es wird sich schon wieder geben! 

Oberlieutenant. So setze dieh. — Hast du Fieber? — 

Corporal. Goit behüte l’ 

Oberlieutenant. Gib mir noch einen Schluck! — So! ich danke, — 
Nun erzähle mir doch endlich, wie kamst du nach Voghera? 

Corporal. Ich war schon mit-über die Scrivia hinüber, als ich 
den völligen Rückzug unsers Corps erfuhr: Jetzt -musst du zu dei- 
nem Oberlieutenant , das war mein erster Gedanke. 

Oberlieutenant. Wackerer Kamerad. 

Corporal. Ich machte also rechtsum , ging zurück und fragte alle 
vorbey ziehenden Regimenter nach dem unsrigen, bis ich es endlich 
fand. Wo ist mein Oberlieutenant, rief ich? Todt, schrie mir einer 
entgegen ; todt, schrie ein andrer , ich habe ihn fallen sehn — Er 
liegt mit 80 Mann seiner Compagnie in den Defileen ‚Gott -tröste.ihn,, 
rief ein Dritter. Mir wollie das Herz brechen, aber ich’hoflte immer 
noch ; wusste ich doch, wie viele noch leben, die alle für todt 
RE Een wurden, 

Oberlieutenant. Viel besser ist’s doch nicht, 

Corporal. Endlich sah ich einen Mann "von unsrer Compagnie, 
Wo ist unser Oberlieutenant, schrie ich ihn an. Der hats über- 
standen, war die Antwort, sie haben ihn im Streit zurückgetragen , 
nachher ist er auf dem Felde todt liegen geblieben. _ Dennoch gab 
ich Sie nicht verloren, ich war fest überzeugt, Sie müssten noch 
leben, Wie wahnsinnig lief ich nun durch alle Reihen ; habt ihr mei- 
nen Oberlieutenant nicht gesehn ? war meine ewige Frage. Ueberall 
ein «Nein» oder ein «todt ə — Schon wollte ich verzweifeln, da 
rief endlich ein herbeysprengender Husar, ein Offizier von unsern 
Regiment liege in Voghera tödtlich verwundet und werde die Sonne 
wohl nicht mehr untergehen sehn. Das mussten Sie seyn , schnell war 
mein Entschluss gefasst , Sie zu retten, und wäre mit Gefahr mei» 
nes Lebens, 

Oberlieutenant. Edler Mensch | — 

Corporal» Die Compagnie-Kasse übergab ich dem Major, der eben 


454 JOSEPH HEIDERICH. 


vorüberritt , und lief zur Scrivia zurück, Dort schlich ich mich durch 
unsere Vorposten, sprang in den Strom, und schwamm durch! — 

Oberlieutenant. Heyderich, Heyderich, wenn ich dir das je ver- 
gosse, — .. . 

Corporal. Schon gut, Herr Oberlieutenant , schon gut! unsere 
Leute am Ufer, die mich für einen Deserteur hielten, feuerten auf 
mich; einer streifte mich da am Arme, aber was thats? ich kam 
doch hinüber. — Ich ein Deserteur! ich übergehn ? da hätte ja der 
Herr im Himmel mit dem Blitz drein schlagen müssen, wenn ich 
alter Kerl noch zum Schurken werden wollte. 

Oberlieutenant, Und ich habe dir das zutrauen können ? 

Corporal, Sapperment} ja! — Nun sehen Sie, Herr Oberlieute- 
nant, das hab’ ich richtig schon vergessen , sonst hätte ich’s? ich 
nicht erzählt! — Kurz, ich kam doch hinüber. Qui vit , schrie mich 
ein französischer Posten an ; Deserteur , antwortete ich , und man liess 
mich ungehindert weiter. Ich lief mehr, als ich ging. So kam ich 
` nach Voghera,- wo ich lange Zeit vergeblich auf dem Markte unter 
den Todten und Sterbenden suchte , bis mioh das gute Glück in diese 
Strasse zog. Und jetz hab’ ich Sie wieder, und Sie werden gerettet, 
Herr und Gott, ich will ja nun herzlich gerne sterben, weiss ich 
doch , mein Oberlieutenant ist versorgt. 

Oberlieutenant. Kamerad!ich bin dein ewiger Schuldner! — Gib 
mir die Hand — ach was — lass dich lieber recht brüderlich umar- 
men, du treues ehrliches Herz! komm | 

Corporal. Herr Oberlieutenant! — — e 

Oberlieutenant. ‚Komm, Kriegskamerad! 

Corporal. Wird sich nicht schicken! 

Oberlieutenant, Mach keine Faxen, und komm an mein Herz, 
alter Knabe. 

Corporal. Nun, wenn’s denn einmal so seyn soll (Umarmt ihn.) 
Herzensoberlieutenant , lachen Sie mich nicht aus, aber den Kuss 
geb’ich nicht für all’ Ihre Ducaten!. 


_— 


ACHTER . AUFTRITT, 
DIE VORIGEN, DERKAUFMANN UND DER WUNDARZZ, 


Kaufmann. Hier , Freund, hilf, wenn du noch helfen kannst , es 
ist ein Ehrenmann! — 

Wundarzt. Das weiss ich voraus, wenn ich den Rock sehe, — 
. Herr Oberlieutenant ? 

Oberlieutenant. Wollen Sie mir helfeu? — 

W undarst. So viel ich kann, 

Corporal. Nur rasch , nur rasch , da ist keine Zeitzu verlieren I-— 

Wundarzt. Wa ist die Wunde? 


EIN DRAMA. 453 


Oberlieutenant. "Hier, 

Wundarzst. War der Blutverlust stark ? — 

Oberlieutenant, Darüber kann ich nichts bestimmen, da ich erst 
vor einer halben Stunde wieder zur Besinnung gekommen bin.» 

(Der Wundarzt knieet vor ihm nieder, und untersucht die Wunde.) 

Corporal. (Zum Kaufman,) Herr, was halten Sie davon ? macht er 
ein bedenkliches Gesicht? — wird mein Oberlieutenant gerettet wer- 
den? 

Kaufman, Ich hoffe! — mir scheint, der Wundarzt ist nicht ängst- 
lich ; übrigens ist der‘junge Mann sehr geschickt in seinem Fache , 
und wird gewiss alles anwenden , um den braven Offizier zu retten, 

Corporal. Warum ich das nicht auch kann! — Herr Gott ! das 
sollte ich verstehen! — das wär’ eine Freude! — Herr , fragen Sie 
doch, — was er denkt, ob er glaubt. — — 

Kaufmann. (Zum Wundarzt.) Nun? 

Wundarst. Gefahr ist wohl da, doch Rettung wahrscheinlich ; 
ich glaube versichern zu können , der Herr Oberlieutenant kommt davon ? 

Corporal. Victoria! mein Oberlieutenant kömmt davon — Her- 
zensdocter, ist's wahr ? — Victoria, Vietoria! Nun, so danke ich 
dir , grosser Gott, dass du mir mein bischen Kraft noch so- lange ` 
gelassen hast; jetzt mag's zusammenbrechen! Ist doch mein Ober- 
lieutenant gerettet. Victoria! er kömmt davon! — 

Oberlieutenant. Gute, treue Seele! 

Wundarst. (Zum Kaufmann.) Eile jetzt, Freund , uud bereite für 
den Oberlieuteniant ein Stübchen mit einem guten Bett; dann wollen 
wir ihn hinauf schaffen, und gute Kost, gute Pflege und die gute 
Natur sollen gewiss ihr Recht behaupten, 

Kaufmann, Ich eile. (Ab in’s Hans.) 

Oberlievtenant, Herr Doctor, vor allem andern untersuchen Sie 
meinen braven Corporal da Er bat einen Schuss im Arm, und hat 
ihn für mich bekommen, Verbinden Sie ihn auf’s Beste ! 

Corporal. Erst Sie, Herr Oberlieutenant! 

Oberlieutenant,. Sobald ich im Zimmer bin, nicht eher. 

Wundarzt.` Lassen Sie doch sehn , Herr Corporal. 

Corporal. ’S ist nichts, (Der Wundarst untersucht die Wunde ) 

Oberlieutenant, Nun? — 

W undarzt. Die Verletzung ist.bedeutend. 

Corporal. Gott behüte! — (Leise, Stille. 

W undarzt, Gefährlich, 

Corporal, (Leise.) Stille doch, still. 

Wundarzt. Ihr Puls ist sehr angegriffen, 

Oberlieutenant. Mein Gott, der alte Mann, die Erhitzung und der 
Sprung in die Scrivia | 

Corporal. (Leise.) Element, schweigen Sie doch! — 

Wundarzt, Nein, Herr, hier ist viel auf dem Spiele, winken Sie 


456 JOSEPH HEIBERICH. 


mir, wie Sie wollen, Ihre Lebenskräfte sind zerrüttet, 
Oberlieutenant., Und das alles für mich. 
Corporal. Seyn Sie ausser Sorgen , ich habe eine tüchtige Natur, 
Oberlieutenant. Herr des Himmels, Heyderich , da wirst blass, 
Heyderich ! 

JV undarzt. Es wird ihm schwindlich! — 

Corporal Einbildung, ich stehe noch fest auf den Füssen! 
Wrundarzt Sie zittern jal — setzen Sie sich. 

Oberlieutenant. Joseph, was jet. dr? — 

Corporal. Ich glaube, ’s wird mir nicht viel mehr seyn, 

Oberlieutenant. Gott, wie verstehst du das? — 

Weundarzt. Ich fürchte, ich fürchte! — 

Corporal, Grad heraus, lügen mag ich doch nicht zu guter letzt, 

` mir wird so schwarz vor den Augen, ich glaube, ich hab’ es bald 
überstanden, 

Oberlieutenant Heyderich! 

Zë under st, Ich hab's geahndet. Der alte Körper, die ungeheure 
Anstrengung , die plötzliche Erkältung , der Schuss , der Blutverlust. — 

Oberlievtenant. Retten Sie , Herr Doctor, retten Sie! — 

MW undarzt. Ich glaube, es ist vergebens. Das Grab fordert eine 
längst verfallne Schuld. 

Oberlieutenant, Er war so ein braver, braver Soldat, und soll 
so elend sterben, nicht in rühmlicher Schlacht bey seiner‘ Fahne; 

Corporal, Rühmlich? — Herr Oberlieutenant, ich sterbe zwar 
nicht bey meiner Fahne, aber ich sterbe doch für meine Fähne; 
denn ich habe meinem Kaiser einen wackern Offizier erhalten, und 

„ich bin stolzer darauf, als wenn ich das Feldzeichen gerettet hätte, 
Fahnen lassen sich wieder sticken und vergolden , solch einen Hel- 
` den, wie meinen Oberlieutenant, findet man sobald nicht wieder, 

FF undarst. Fühlen Sie ‘Beängstigungen auf der Burst ? 

Corporal. "8 will mir fast das Herz abdrücken! — 

FW under zt, Deuken Sie an Gott! — 

Corporal. Mit meinem Heiland hab’ ich heute früh schon abge- 
rechnet, ich brauche nur Abschied von meinem Öberlieutenant zu 
nehmen. 

Oberlieutenant. Joseph, Joseph, du stirbst für mich! — 

Corporal. Meine Augen werden schwach ! — Wo istIhre Hand, 
Ihre Hand, Herr Oberlieutenant ? — Geben Sie mir sie zum letzten 
Male. — So — leben Sie wohl! — Ein Testament brauch’ ich 
nicht, Kinder hab’ ich nicht, habe nichts, als die Uhr, Herr Ober- 
lieutenant , nehmen Sie sie als ein Andenken von einem alten ehr- 
lichen Kerl, der Ihnen treu gewesen ist, treu bis in den Tod] — 

Oberlieutenant. Muss ich um diesen Preis gerettet werden ! 

Corporal. Und wenu Sie-wieder in’s Vaterland kommen, sagen 
Sie‘ es meinen Kamaraden,, das ist mein letzter Wille, sagen Sie 


EIN DRAMA, 4537 


es meine Kameraden, ich sey kein Deserteur, ich sey gut öster- 
reichisch geblieben bis in’s Grab, und habe meinem Kaiser brav 
gedient, und sey als ein ehrlicher Kerl gestorben ! — 

Oberlieutenant, Du wirst leben im Gedächtnisse, aller Guten, ` 

Corporal. Herr Doctor, versprechen Sie mir's noch einmal, dass 
mein Oberlieutenant davon kommen soll, 

Wrundarst, Mit Gottes Hülfe zweifle ich nicht an seinem Auf- 
kommen. 2 

Corporal. Nun, so brecht, ihr alten Augen, brecht, Victoria, 
ich“habe meinen Oberlieutenant gerettet! (stirbt) 

Oberlieutenant. Um Gottes willen, er sinkt zusammen. 

Wundarzt. Um nie wieder aufzustehen ! — 

Oberlieutenant. Hat er vollendet ? 

Wundarzt. Seine Zeit ist aus! — 

Oberlieutenant. Lassen Sie mich zu ihm! — Da knie ich in 
Schmerz und Begeistrung vor dir, du todter Freund! — Vaterland, 
sieh her] solche Herzen schlagen in deinen Söhnen , solche Thaten 
reifen unter deiner Sonne, — Vaterland, du kannst stolz seyn! 

(Der Vorhang lt 
> 


39 


TOND 


EIN DRAMA IN DREY AUFZÜGEN. 


PERSONEN. 
CONJO HOANGO , ein Negerhaupt- || FERDINAND, F 
seine f. Si 
mann, ADOLPH, S in fransös. 
` : Söhne, d - 
BABECKAN , eine Mestize. EDUARD, Diensten. 
TONI, ihre Tochter. austav von der Ried, l 


OBRIST STRÖMLY , in französischen || NANKY , ein Negerknabe. 
Diensten. Strömly's Diener. 
Zwey Neger. 
Der Schauplatz ist auf St. Wmingo. Die Zeit der Handlung das Jahr 1803. 





_ ERSTER AUFZUG. 


ERSTER AUFTRITT. 
(Nacht. Es blitzt und donnert, Der Hof von Hoango’s Hause. Das Thor steht offen.) 


BABECKAN UND TONI MIT LATERNEN, 


Babeckan. "S ist eine fürchterliche Nacht! — ich habe. 
Seit meiner Jugend keine so erlebt. 
Der Sturm heult grässlich durch das Haus, 
Toni. Ach Mutter, 
Lass uns zu Beit gehn. Mir erstarrt das Blut 
Bey dieser Stimme des gerechten Himmels! — 
Hu! wie es blitzt! — Sieh, das ist Gottes Zorn, 
Der Donner gilt den schwarzen Mördern, 
Babeckan. Was ? — 
Bejammerst du die weissen Buben? — Pfuy! 
Hast du denn kein Gedächtniss für Verbrechen ` 
Reine für die Qualen einer Mutter ? — Macht 
Die weisse Haut, das Erbtheil meiner Schande , 


TONIL. EIN DRAMA. 459 


Ganz unempfindlich für gerechten Schmerz , 
Und für der Rache Wollust ? Soll ich’s dir 
Noch tausend Mal erzählen , wie sie mich , 
Ein schwaches Weib, mit schonungsloser Wuth 
Gegeiselt , meine Unschuld nicht erwägend , 
Bis ich ohnmächtig in die Kniee sank, 
Und nun ein sieches Leben jammernd ende ? 
Toni. Nein, Mutter, nein, nein, nimmermehr vergess ich's! 
Doch was Ein Bube grausam hier verbrach , 
Warum es rächen an dem ganzen Volk? 
Warum schuldloser Menschen Blut verspritzen , 
Weil sie nicht schwarz, wie eure Brüder, sind; 
Weil ihre Sonne güt’ger sie bedachte, 
Und klar die Farbe ihres mildern Tags 
Auf ihren weissen Zügen wieder leuchtet ? 
Babeckan. Kannst du es ändern ? — Lass die Männer ziehn. 
Wir sind die Weiber, wir gehorchen. — Wenn sie 
Für's Vaterland das Leben muthig wagen, 
So liegen uns die leichtern Pflichten ob. 
Du kennst Hoango’s letzten Spruch ` wir sollen 
Den weissen Flüchtling, der das Haus_betritt, 
Auflalten, sey’s durch List, sey’s durch Gewalt, - 
Bis er zurückkehrt, und den Franken opfert, 
Wir dürfen nicht des Vaterland-s Recht 
Im offnen Kampf mit Männerfaust behaupten , 
Doch also nützen Schwache auch dem Staat 
Und haben Theil an der erkämpften Freyheit. 
Toni. O Mutter, Mutter! sey barmherzig , denke, 
Dass ich die Farbe dieser Opfer trage. 
Der Männer blut’gen Grimm will ich verzeihen , 
Doch eines Weibes mörderische List 
Hat Gott verworfen als die höchste Schandthat. 
Wenn Franken jammerud an der Schwelle liegen , 
Lass sie nicht ein, bewahre deine Brust 
Vor solchen Blutgedanken. — Hör’ es nicht, 
Wenn sie um Gotteswillen dich beschwören , 
Sie aufzunehmen in dies Mörderhaus. 
Verschliesse deine Ohren, wie die Thore! — 
O denke meines Vaters! Trug er nicht 
Die Farbe seiner unglücksel’gen Brüder? — 
Babeckan. Woran erinnerst du mich ? Weisst du’s nicht ? 
Dein Vater war ein Bube ! — Er allein 
Verdient die ganze Rache meines Volkes; 
Um dieser einz’gen Schaudthat willen büssen 
„ Die weissen Buben schuldig mit .dem Tod, 


460 Ton 


Was Conjo’s Spruch befahl, das sey vollzogen £ 
Erbarmen würde hier nur zum Verbrechen, 
Gilt dir die Mutter denn so wenig, sprich! 
Dass du ihr Leben wagst für jene Tieger ? 

Toni. Mein eignes gib ihm, Mutter, ach, nur tauche 
Der Tochter Hände nicht in Menschenblut , 
Zerdrücke nicht die zarte Mädchenseele 
Mit dem Bewusstseyn einer That, die blutig 
In des befleckten Lebens Fäden greift. 

Babeckan. Still, ich mag nichts mehr davon hören, 

Toni. Mutter! 

Babeckan, Still, ich befehl’ es dir. — Hoango soll 
Mit mir zufrieden seyn, — Die Weissen haben 
Sich Blut gesäet, die Saat ist aufgegangen | — 

Jetzt, Kind, ins Bette! Diese Schreckensnacht 

Ist keines Menschen Freund, nicht räthlich wär’s , 
Im Freyen solchem muth’gen Sturm zu trotzen, 
Komm , komm, zp Bette, X 

Toni. Werd’ ich schlafen können ? — 

Babeckan. Mach’s, wie du willst, gehorchen musst du doch. 
Und somit gute Nacht. 

(Geht ab in’s Hause.) 





ZWEITER AUFTRITT. 
TOons (allcio,) 


— Mir gute Nacht ?. — 

Kann man denn schlafen , wenn’ Verrath und Mord 
Durch die gequälte Seele schleicht? — Der Schlummer 
Ist ein Friedenshauch vom Himmel, schlummern 
Kann nur ein spiegelklares Herz! — Es wäre 
Kein Unterschied mehr- zwischen Gut und Böse, 
Wenn in der Brust, wo Mörderträume stehn , 
Des Schlummers friedlich Reich gedeihen könnte, 
Ich kann nicht schlafen, keine gute Nacht 
Darf ich mir wünschen! — Arme, arme Toni! — 
Wer reisst den Frieden aus der stillen Brust? 
Wer scheucht den Schlummer. vom verstörten Auge ? — 
Gott! — Meine Mutter! meine eigne Mutter 
Zwingt mir den Dolch in diese reine Hand , 
Und zieht die Seele in den Kreis des Mordes! — 
Sonst schlief ich sanft! Bin -schöner Frühlingstraum 
Flog freundlich um denjugendlichen Schlummer. — 

- Jetzt träum’ ich von Verrath und von Verbrechen ! 


EIN DRAMA. 461. 


Tch- kann -nicht schlafen! — Keine gute Nacht 
Darf ich mir wünschen! — Arme, arme Toni! — 
(In’s Haus ab.) 


DRITTER AUFTRITT. 


GUSTAV (in dereinen Hand einen gezogenen Säbel, zwey Pisiolen im Gürtel, 
durch das Holfthor.) 
Ich kann nicht weiter! — Hier entscheide sich’s, 
Hier will ich bleiben, hier auf Tod und Leben, ` 
Die Freunde reiten, oder willig selbst er a 
Der erste seyn, der Gott anheim gefallen! — 
Die Elemente sind in Aufruhr, Sturm 
Und Blitze kämpfen mit der Nacht der Wolken e 
` Jetzt müssen Menschen sich erbarmen , jetzt, wo 
Erbarmungslos des’ Himmels Donner wüthen, ‚ 
Und Gott den Unglücksel’gen von sich stösst. — 
Lieber gefallen unter Negerkeulen, 
Lieber des Mörders’ Dolche in der Brust, 
Als Freund und Bruder so verschmachten lassen ! 
Drum sey’s gewagt! Vielleicht find’ ich ein Herz ! 
Warm schlägt das Blut ja überall , die Sonne 
Färbt nur die Haut, die Seelen färbt sie nicht, 
` Und Lieb’ und Mitleid hängt an keiner Farbe. — 
(Mit dem Säbel an die Thüre schlagend.) 
Macht auf, ich bit? euch bey dem ew’gen Gott, 
Macht auf, macht auf, es gilt zehn Menschenleben! 
Reisst in dem Herzen alle Thüren auf, 
Das Mitleid-siegend seinen Einzug halte. 
Es gilt zehn Menschenleben! — Seyd ihr Menschen , 
Beweis't es laut mit eurer Menschlichkeit, 


VIERTER AUTRITT. 
DER VORIGE BABECKAN (durchs Fenster‘) 


Babeckan. Wer lärmt in dieser schreckenvollen Stunde 
Vor meiner Thür ? i 
Gustav. Ein Unglücksel'ger, der 
Zu deinen Füssen um dein Mitleid jammert. 
Ach, sey barmherziger, als Nacht und Sturm, 
Vergiss, dass mich die Sonne nicht verbrannte, 
Und öffne mir dein Haus, und lass mich ein, 
Dabeckan. Bist du allein ? 


462. TONIL 


Gustav, ` Allein! — d 
Babeckan. ` Es ist gefährlich , 
In dieser Zeit des Aufruhrs und des Mords 
Dem Flüchtling wirthlich seine Thür zu öffnen, 
Doch gar zu grässlich ist der Sturm der Nacht, 
Ich will’s auf deine Jammertöne wagen, 
Gustav.. Darf ich dir trau'n ? darf ich? 
Babeckan. Sey unbesorgt ! 
Niemand wuhnt ausser mir und meiner Tochter 
In diesem Haus, und meine gelbe Farbe 
Wirft einen Strahl von eurem Licht zurück, 
Ich schicke dir die Toni. 
° (Geht vom Fenster wegs) 





FUNFTER AUFTRITT. 
GUSTAV allein.) 


Gott sey Dank ! 

Ich fand ein menschlich Herz , sie sind gerettet , 

Und der Verzweiflung hat sich Gott erbarmt, — 

Doch traw ich niché dem falschen Spiel der Worte 
, Zu leicht? War das des Mitleids sanfte Stimme? — 
Wie? — soll ich bleiben ? — Ich verderbe ja 

Die Freunde*mit, wehn ich mich selbst nicht rette. — 
Was ist zu thun ? 


SECHSTER AUFTRITT. 
DER VORIGE, NANKY (der das Hofihor schnell zuschliesst.) 


Gustav. Halt, Bube , was beginnst du P 
Nanky. Das Hofthör schliess’ ich zu, so will’s die Alte, 
Gustav, Das*Hofthor ! — Warum jetzt? — Sprich! 
Nanky. Fragt sie selbst. 
Wenn Conjo nicht daheim ist, führt die Alte 
Das Regiment im Haus, 
Gustav, Wer ist der Conjo ? 
Nanky. Ein Negerhauptmann,, der erst gestern früh 
Zum Dessalines mit hundert fünzig Männern 
In’s Lager zog. Den Conjo kennt Ihr doch, 
Den bravsten Streiter für die. gute Sache ? 
Gustav. In welche Mördergrube wagt’ ich mich! — 
Den Schlüssel her, öffne das Hofthor ! > 
Nanky. Nein, 


EIN DRAMA. 463 
Das darf ich nicht, f 
Gustav, Man kömmt die Stiege schon herab , 
Hier gilts das Leben! Gib den, Schlüssel , Bube ! 
Nanky. Ha! Hülfe! Hülfe | 
Gustav, Gott, es ist zu spät | — 
Wohlan, sie sollen keinen schlechten Preis 
An das verkaufte Leben setzen müssen 





SIEBENTER AUFTRITT. 
TONI (mit einer Laterne in der Hand , aus der Hausthüre.) DIE VORIGER, 


Gustav (ihr das Pistol entgegen halten.l.) 
Zurück, wenn dir die Sonne lieb ist! — Wage 
Den letzten Kampf mit der Verzweiflung nicht. 
Toni (indem das gauze Licht der Laterne auf ihr Gesicht fillt.) 
Was ist dir Fremdling ? 


Gustav. Welch ein Engel ! — 
Toni. Fremdling , 

Was ist dir ? . . s 
Gustav. Träum’ ich? Wach ich ? Mädchen, sprich , 


Bist du kein flüchtig Bild der Phantasie ? 
Bist du im Leben? in der Wirklichkeit ? — 
Ein schwarzes Herz in einer schwarzen Larve 
Hab’ ich mit Furcht erwartet, und entzückt 
Erkenn’ ich hier die Farbe meines Volkes, 
Und klar aus deinem Auge spricht die Seele 
Toni. Manch weisse. Brust trägt doch-ein falsches Herz , 
Vertraue nicht dem leichten Spiel der Farbe. 
(Bei Seite.) O könnt’ er mich verstehen ! . 
Gustav. Wie ? soll ich zweifeln , 
Sey unbesorgt! — Misstrauen wäre Sünde 
An Gottes Wort, Auf jeder Stirne ist's, 
In jedem -Auge deutlich eingegraben. 
Mit deinen Zügen schrieb die Hand der Liebe 
Ein herrlich Meisterwort von, Frauenmuth , 
Und ich soll zögern , fürchten ?. Nimmermehr ! 
Toni, Gefährlich wird's im Haus zu übernachten , 
Die Negerbanden streifen rings umher , i 
Wir sind nicht sicher vor den schwarzen Gästen, 
Du wagst dein Leben. (Bey seite.) Gott, er hört mich nicht, 
Er will mich nicht verstehen! 
Gustav. Sie mögen kommen) 
Ich weiche nicht! — Die Mutter hat mir schon 
` Herberge zugesagt. — Du hast kein Mitleid ? 


464 TONI 
Soll ich hinaus in dieser Stürme Nacht, 
Allein durch die empörten Elemente, 
Und die noch schlimmern Menschen mich zu schlagen ? 
Toni. Dass ich dich retten könnt’ — Nanky, geht hinauf, 
Und hilf der Mutter. Sag’ ihr, dass wir folgen 
Nanky. Ich gehe, Toni, (ab): ` 
Toni. (heimlich) Fremdliug, sey. behutsam , 
Du bist nicht sicher, traue mir! .- 
Gustav. i Was soll das? 


ACHTER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN. BABECKAN (durchs Fenster,) 


Babeckan. Ihr zögert lange ! 

Toni, (bey Seite.) ` Gott, die Mutter! 

Babeckan. Kommt, 
Das Licht kann leicht der Wandrer Neugier reizen, 
Kommt, kommt ! = 

Foni. (bey Seite.) . Das war die Stimme seines Schicksals, 
(Laut,) Wir kommen, Mutter ! 

g (BABECKAN verlässt das Fenster, 3 
Fremdling , folge mir! — 
Du glaubst an mich, dein Glaubst soll nicht lügen, 
Ein reiner Sinn geht rein durch Blut und Mord. 

Gustav. So nimm die Hand, und fuhrst du in's Verderben , 

Schön muss es seyn, in diesem Traum zu sterben. 
> (Beyde ab in's Haus,) 


en 


NEUNTER AUFTRITT. 
(Die Bühne verwandelt sich in ein Zimmer, mit einer Mittel-und awey Seitenthüren.) 
BABECKAN (allein) 


Was zögert er? Wie? hegt er wohl Verdacht ? 

Misstraut er meinem Mitleid ? — Ja, beym Himmel , 

Er tbäte recht, sein Werk ist abgelaufen, 

Sobald er über diese Schwelle tritt. 

Die Thüre , die er freudig sich geöffnet , 

Greift hinter ihm für immer in das Schloss ; 

Kein Weg zurück zur Freyheit und zum Leben , 

Nur schaudernd vorwärts zu der Schlachtbank. -— Horch ! 
Sie sind’s, sie kommen ! — Freue dich ,-Hoango ! 





EIN DRAMA. 465 


"ZEUNTER AUFTRITT. 


DIE VORIGEN, GUSTAV UND TONT. 


Gustav {sich vor Babeckan niederwerfend.) 
So lass mich danken, recht aus voller Brust ! 
Ihr habt mich der Verzweiflung abgestritten. 
Ich hatte keinen Glauben mehr an Gott 
Und Menschen, Hoffuung, Glück und Leben 
Warf ich verachtend in die Welt zurück, 
Da führte mich mein ausgesöhnter Engel 
Zu euch, und Glück und Hoffnung bleibt mir theuer. 
Babeckan. Ihr seyd ein rascher unvorsicht'ger Jüngling, 
Setzt euer Leben auf der Weiber Herz, 
Nicht wissend, wer sie sind, und unbesorgt 
Dem bösen Zufall Glück und Gut vertrauend. 
Gustav. Ich sah auf diese, und vergass-den Hass, 
Vergass den Kampf der Schwarzen und der Weissen, 
Wer kann sie sehn , und hatte ein Gefühl 
Im Herzen übrig, das nicht Glauben wäre ? 
Babeckan. Was jr auf eurer Augen Bürgschaft gabt, . 
Seht , dies Vertraun soll mein Vertraun verdienen. 
Dies Haus gehört dem Negerhauptmann Conjo. — 
Als der Convent die Worte rief: Zerbrochen 
Ist aller Sklaven Joch auf unsern Inseln} 
Da fasste jene mörderische Wuth 
Auch unsern Neger. Seinem eignen Herrn, 
Der ihn mit Wohlthun überhäuft, ihm Freyheit 
Und Geld und Gut mit offner Hand gegeben ; 
Jagt’ er die erste Kugel durch den Kopf, verbrannte 
Die ganze Pflanzung, bis auf dieses Haus, 
Wo ich im magern Gnadensolde hung’re , 
Und zog hinaus, auf blut’ge Menschenjagd, 
Die weissen Brüder grausam todt zu hetzen, - 
Seit gestern ist er fern, dem General 
Durch eure Posten Pulver zuzuführen, — 
Wësst er, dass ich mitleidig euch behaust,, 
Mit meinem Leben könnt’ ich es bezahlen. 
Toni (leise) O Mutter , Mutter ! 
Gustav. Keinen Undankbaren 
Sollt ihr verfluchen an dem, weissen Gast 
Viel Frevelthaten sind gescheh’n , es haben 
Die Europäer manches reich verschuldet , 
Doch werft mich nicht zum Abschaum meines Volks ; 
Rein ist mein Herz von dieser grossen Sünde. 
Babeckan, Wer sed Dr P — sprecht! — Legt erst die Waffen ab, 


466 TONI.. 


Und macht es euch bequem , hier seyd ihr sicher, 
Ihr habt euch fürchterlich gerüstet, 

Toni. (ängslich.) SCH Lasst ihn , Mutter , 
Die Waffen sind des Mannes ertser Schmuck , 
Und ich mag Männer gern gepufzt. 

Bobeckan, ` Einfältig Mädchen | 

Gustav (Die Pistolen auf den Tisch legend.) 
Wenn ihr’s vergönnt, so mach’ ich mir es leicht ; 
Wohl ist's ein Schmuck, doch ist’s auch eine Bürde, 

Toni è (bedeutend.) 

Ein nützlich Ding ist nie ein leichtes Spiel. 
Babeckan, Still, Toni. — So erzälilt uns. 

Gustav, Gern ! — Ich bin 
Kein Franke, wie ihr bald bemerkt ; Helveltien F 
Nenn’ ich mein Vaterland. Von Jugend auf 
Fühlt’ ich den wilden Trieb nach Abentheuern , 
Mit ungestümer Sehnsucht wünscht’ ich mir 
Das weite Meer verwegen zu durchschiffen , 

Und fremdes Land und fremdes Volk zu sehn. 
Da warben die Franzosen ihre Truppen; 

Mein Oheim stand mit dreyen seiner Söhne 
Schon bey den Adlern eines Regiments, 

Das nach Domingo seine Segel suchte, 

Da liess ich schnell mein väterliches Gut 

In eines Freundes treuer Hand, vertauschte 
Die Friedenspalme mit dem blut’gen Schwerdt, 
Und liess mich von den bald durchflognen Welten 
Herüber tragen, in das Land des Mords, — 
Wir fanden ‚euer Volk in wilder Gährung, 

Mit Blut erkauften wir die Spanne Land, 

Mit Blut den Tropfen Wasser, den wir brauchten, 
Die Schwarzen siegten überall , jetzt steht 

Nur Cap Francois, das einzige von allen, 

Im Kampf noch unbesirgt, — Wir aber lagen, 
In St, Dauphin belagert, fest entschlossen , 

Die letzte Hand voll Erde zu vertheid’gen, — 
Da ging die Festung über durch Verrath, 

Da Neger schwelgten in dem Blut, der Unsern , 
In Feuer lag. die ‚Stadt ; an dreyzehn Ecken 
Zugleich schlugen die Flammen-Zeichen aus, 
Und alle Schiffe, die im Hafen lagen, i 
Schoss man in Brand , die letzte Hoffnung, uns 
Die Flucht, mit unerhörter Wuth zerstörend, 
Schnell rafften wir das Köstlichste zusammen, 
Mein Oheim , seine Söhne , und fünf Diener, 


EIN DRAMA. 467 


Zehn Männer , kühn bereit, das Aeusserste 
Zu wagen. Glücklich. kämpften wir uns durch 
Die blutgefüllten Gassen, glücklich durch - - 
Das schwach besetzte Thor. Verzweifelnd wählten 
Wir unsern Weg in das empörte Land, 
Mitten durch seine schwarzen Mörderbanden , 
Um Cap François, wo General Rochambeau 
Der Weissen letzten Zufluchtsort vertheidigt , 
Vor seiner Uebergabe zu erreichen. 
Babeckan. Welch’ tollkühn Wagstück! — Mitten durch den Feind 
Ein schwaches Häuflein sich den Weg zu bahnen, 
"Ton, Renne Heldenmuth ! 
Gustav. Nein , nennt’s Verzweiflung, 
Seit vierzehn Sonnen irren wir umher , 
Des Tag’s der tiefsten: Wälder Dunkel suchend, 
Und langsam vorwärts ziehend in der Nacht, 
Wir sind erschöpft! — Am nahen Mövenweiher 
Liess sich die andern. Wenn’ ein menschlich Herz 
In eurem Busen lebt, schickt ihnen Nahrung, 
Nehmt wirthlich sie in eurem Hause auf, 
Ihr rettet zehn vom Glück verstossue Menschen! 
Seyd ihre Engel, wie ihr meiner wart, °. 
Babeckan. (bey Seite.) 
Zehn Männer? — Nein, dass kann gefährlich werden. 
Hier gilts Entschlosserheit. — (Laut) Freund , ihr verlangt 
Zu viel, zehn Männer kann ich jetzt im Hause 
Nicht ohne Aufsehn unterbringen ; jetzt nur nicht. 
Seht ihr die Feuer dort am Horizont? — 
Das sind Wachtfeuer von den grossen Haufen, 
Und klein’re Banden schwärmen ringsumher. 
Ja, wenn es sicher auf der Strasse wird, 
Dann — — — 


Gustav, O , so schickt den -Freunden nur Erquickung 
Und dieser Hoffnung schöne Botschaft zu, 
Toni, (bey Seite.) 


Bey allen Heiligen, was ersiunt die Mutter ? 
Gott! meine Ahndung! 

Babeckan, Gut, ich gebe nach. 
Noch heute Nacht soll unser Bube Nanky ` 
Den Unglücksel’gen Trank und Speise bringen, 
Am Mövenweiher also? 


Gustar. Rechts im Walde, 
Wo jene grosse Eiche steht. 
Bobeckan. ` Schon gut. 


Seyd unbesorgt! — Zehn Männer, sagtet ihr ? 


468 . TONL 


Gustav. Ich bin der Zehnte, 
Toni. (leise.) Ist das meine Mutier, 
Die so ein arglos Herz verrathen kann? — 
Babeckan. Nun, Toni, rasch, und zeig’ dem jungen Fremdling 
Den Zufluchtsort, den ich ihm bieten darf, 
Ich will indess das kleine Mahl besorgen, 
Auf diesem Tische deckst du auf, 
Toni. "\Gustavs Mantef uad Pistolen auf den Arm nehmend,) 
So komm } 
Gustav. Ich folge dir. i 
Toni. Fremdling , sey unbesorgt. 
Die Mutter übergab dich meiner Pflege. 
Komm , weisser Gast, ich will dein Engel seyn. 
(Ab mit Gastav in die linke Thüre.) 





EILFTER AUFTRITT. 

BABECKAN (allein.) 
Sein Engel seyn? — Einfältiges Geschöpf! 
Die Engelschaft wird wenig Stunden dauern, 
Jetzt gilt es, Babetkan, jetzt, Weiberlist, 
Jetzt steh mir.bey! Das eine Opfer mag 
Ich nicht allein, der ganze weisse Haufen 
Sey Conjo’s mörderischem Dolch geweiht. 
Auf Toni darf ich nicht vertrau’n, sie ist 
Ein Kind, nicht fähig grosser Pläne, 
Es hängt ihr Herz an ihres Vaters Volk; — 
Wohl, so vollend’ ich’s ganz allein ; Hoango 
Hat eine würd'ge Freundin sich gefunden , 


Er soll mit meiner That zufrieden seyn. 
(Ab.) 


— 


ZWÖLFTER AUFTRITT. 
GUSTAV und TONI (aus der Thüre links.) 


Toni. (in die Thüre hineinzeigend.) 
Da bist du sicher. Ehmals wohnte hier 
Der Hetf der Pflanzung. — ’S war ein wackrer Herr , 
Er hatte mich so lieb er waf so gut, 
Gab sich viel Mühe mit der kleinen Toni, 
Vergelts der grosse Gott! — Jetzt steht es leer , 
Weit abgelegen-von der lauten Strasse ; 
Da soll dich keiner suchen. 


EIN DRAMA. 469 
KL 

Gustav. Tausend Dank 
Für deine Sorge , gutes, holdes Mädchen. 

Toni, Jetzt bring’ ich dir noch éin erquickend Mahl, 
Wie es das Haus vermag, dann magst du schlafen , 
Recht sanft und ruhig schlafen, — Toni wacht. 

Gustav. Du liebes Kind | (Toni geht ab und zu, das Mahl bereitend,) 

Welch’ guter Genius 

` Hat mich zu diesem Engel hergeleitet. 

Mir ist so wohl, wenn ich sie sehe; wenn ich 
Der Stimme Zauberklang vernehmen darf. 
Vergessen ist dann alle Noth des Lebens , 

Der Tage düstrer,, mörderischer Kampf 

Liegt dunkel hinter mir, ein schwerer Traum ; 
Hat darum mich des Schicksals strenge Hand 
An die empörte Insel hingeworfen , 

Dass in des Zufalls buntem Wunderspiel 

Der ersten Liebe goldne Frühlingsträume 

Mir auf dem blutgedüngten Boden blühn — 
Ach Toni! Toni! 


Toni. Rufst, da mich ? 

Gustav. Ich rufe 
Dich immer , weng ich denke. - 

Toni. Sieh, hier ist 


Das kleine Nachtmahl freundlich dir bereitet. 
Verlangt dich sonst noch etwas? sag’ es bald, 
Eh’ Mutter Babeckan zu Bette geht. 
Gustav. (ihre Hünde ergreifend.) i 
i Sorgt du 
Für jeden fremden Gast mit gleichem Eifer? 

Toni. Den guten Menschen dien’ ich allen gern, 

Gustav. Sprich, hältst du mich für gut ! 

Toni. ` Du hattest Glauben 
An mich, eh’ wir ein freundlich Wort gewechselt. 
Du hattest Glauben an ein menschlich Herz. 

Nur gute Menschen haben diesen Glauben, 
Wer noch vertraut, der kann nicht böse seyn, 

Gustav. Ich bin auch gut, ich kann es freudig sagen , 
Die Zeit liegt schuldlos hinter mir; ich trete 
Der letzten Stunde ohne Furcht entgegen ! 

Toni. Du sollst nicht sterben , nein! ich habe dich 
In dieses Haus geführt, du folgtest mir , 

Dein Leben auf mein ehrlich Auge setzend ; 
Ich führe dich hinaus, beym grossen Gott! 
Und will dich retten, oder mit dir sterben, 


40° 


470 TONL 


. 
Gustav. Was fasst dich für ein Geist? Was packt dich an ? 
Bin ich gefährdet, hat man mich verrathen ? . 
Toni (sich fasseni.) 


Sey ruhig , Fremdling, sorge nicht um dich, 
Ich bürge dir mit meinem eignen Leben, 

Gustav. Würdest du weinen, wenn des Mörders Dolch 
In dieser Brust nach meinem Herzen suchte ? 
Sprich, hättest du der Thränen süssen Schmerz 
Für den gefall’nen Jüngling ? 

Toni. Gott im Himmel ! 

Gustav. Antworte mir ! Es ist doch gar zu schön, 
Wenn Jemand lebt, der Todtenkränze windet, 
Wenn man es weiss, es gibt noch gute Seelen, 

Die trauernd um die frühe Leiche stehn. 

Toni, O quäl’ mich nicht! 

Gustav. Du weinst! — Lass diese Perlen , 
Die köstlichsten, dir von dem Auge küssen! — 

Du weinst um mich? — Sprich, hast du je geliebt , 
Hast du der Erde höchste Seligkeit, 
Der Erde höchste Schmerzen schon empfunden ? 
Hast du geliebt? — Sieh wie du mir erscheinst , 
Ein Engel aus der bessern Welt, da war mir's, 
Als ging ein neues Leben in mir auf, 
Ich wäre dir gefolgt, hätt’ ich die Dolche 
Der Mörder schon in meiner Brust gefühlt. 
Ich hatte Ein Gefühl nur in der Seele, 
Und wunderbar, wie in des Frühlings Zauber, 
Was mir das ungestüme Herz bewegt. 
Drum konnt’ ich's nicht in meiner Brust behalten , 
Nicht stumm versenken in der Seele Grund, 
Was mich so froh gemacht, so wunderselig! — — 
Du weinst noch immer ? — Nur ein einzig, Wort, 
Um Gottes willen, nicht das dunkle Schweigen! — 
Hast du geliebt? Liebst du? — Ein Wort nur Mädchen, 
Bey deines Herzens Reinheit! 
Toni (reist sich, von ihrem Gefühle überwältigt, mit einer Pantomine , die 


ihre Angst und Liebe verräth, aus Gustav’s Armen, und eniflicht 
durch die Thüre.) 


Gustav ihr nacheilend.) Toni! Toni! 
(Der Vorhang fallt.) 


EIN DRAMA. 471 


ZWEITER AUFZUG. 


ERSTER AUFTRITT. 


(Das Zimmer vom Ende des ersten Aufzugs.) 
GUSTAY (aus der linken Thüre.) 


Noch niemand hier? — Es ist zu früh am Tage, 
Mich floh der Schlaf, ich bin allein erwacht ! — 
Doch gern geb’ ich des Schlummers sanfien Frieden , 
Für jene goldnen Frühlingsträume hin, 

Die ich mit wacher Lebensfreude träumte, 

"Ach Toni! Toni! — — Still und wunderbar 
Führt doch der Geist die anvertrauten Herzen 
Durch ihrer Tage sinkendes Geschlecht. 

In fernen Welten sucht er gleiche Seelen, 

An Küsten, wo kein Traum sich hingedacht , 

In Thälern, die kein fremder Schritt betreten, 
Im Sturm der Schlacht, am Sonnenstrahl des Glücks , 
Und tief an der Verzweiflung letztem Rande, 
Führt er dem Herzen das Verwandte zu, 

Und trägt die Liebe siegend in das Leben {| — 
Es war ein wildes Drängen in der Brust, 

Ich nannt’ es Sehnsucht nach entfernten Welten, 
Der Abentheuer wunderlichen Trieb, 

Und zog hinaus, die kecke Lust.zu büssen. — 
Doch war's nicht blos der übermüth’ge Sinn, 

Der wilden Jugend Wagen und Gelingen, 

Es war des Herzens Zauberton, es war 


Der stille Ruf der engverwandten Seele. 
(Steht in Träumen versunken.) S 


— 


zu 
ZWEITER AUFTRITT. 


DER VORIGE TONI, 


Toni. Darf ich euch stören ? 


Gustav. Ach, bist due, mein Mädchen ! 
Toni. Seyd ihr schon wach ? 
Gustav. Sprich, hätt’ ich schafen sollen ? 


Konnt’ ich mit dieser heissdurchglühten Brust 
Noch an des Schlummers leeren Frieden denken? — 
Toni. Doch ihr bedurftet der Erholung, 


72 TONE 


G ustav. Mädchen , 
Wenn in dem Herzen so die Pulse schlagen, 
Gehorcht die widerstrebende Natur 
Dem grossen Meisterwort der Seele willig! 

Hast du geschlafen ? 

Toni. Nein, ich konnt’ es nicht, 
Die schwarzen Banden zogen unaufhörlich 
Bey unserm Haus vorbey, der General , 

So hört’ ich, hat die ganze Macht der Neger 

Zum Sturm auf Cap Frangois versammelt, morgen 
Soll der Entscheidung blutgeweihter Tag 

Der weissen Herrenschaft ein Ende mach:n, 

Gustav. So ist’s die höchste Zeit, kein Augenblick 
Daf jetzt verloren ‚gehn. — Wo ist die Mutter, 
Der Rettung schweres Wagstück zu berathen, 

Ich muss sogleich hinaus, 

Toni. Um Gottes willen f 
Noch schwärmt der ganze Nachtrab unsers Heeres 
Hier in der Nähe! Jetzt nur nicht, du bist 
Verloren , deine Freunde sind’s, wenn dich 
Der rasche Muth zu diesem Schritt verleitet. 

Gustav. Wie aber rett’ ich sie ? — wie rett ich dich? 
Willst du denn bleiben in dem Land des Mordes, 
Mit deinem zarten , jungfräulichen Sinn , 

Ein fremder Gast bey diesem blui’gen Volke, 
Nein! komm mit mir, komm in dein Vaterland, 
Knüpfe dein Leben an des Freundes Leben , 
Vertraue mir, komm, Toni ! 


Toni. Meine Mutter 
Soll ich verlassen ? 
Gustav. O, sie geht mit uns! 


Toni. Dem fremden Jüugling soll ich mich vertrau'n,, 
Der gestern’mir zum ersten Mal erschienen ? 
Gustav. Die Liebe hat kein Maas der Zeit; sie keimt 
Und blüht und reift in einer schönen Stunde, 
Mir ist’s, als hätt’ ich dich schon längst geliebt, 
So lang ich denken. kann! — Ich kenne’ dich, 
Seit ich das Schöne und das Gute kenne. 
Sag’, hab’ ich mir das mächtige Gefühl, 
Das gestern dich ergriffen , falsch gedeutet? 
Hast du des Mitleids Thräne nur für mich, 
Erbarmen nur, und Liebe nicht für Liebe ? 
Toni. Sey doch barmherzig mit dem schwachen Mädchen ! 
Du siehst , ein überströmendes Gefühl, 
Lässt das Geheimniss nicht in meinem Herzen, — 


EIN DRAMA. 475 


Sey doch barmherzig! — Ja „ich folge dir — 
Ich habe keinen Vater, meige Mutter‘ 

Stöss’t ihre Tochter kalt zurück, o nimm 
Mich mit Dir in das Land der Liebe, nimm 
Die ganz Verlassne an des Freundes Brust. 

Gustav. Gott! — meine Toni! — welche Seligkeit - 
Reift doch auf dieser armen Welt! — Nun, Toni, 
Weit ist der Weg, den wir zusammen gehen, 

Hier hast du meine Männerhand , ich weiche 

Nicht von dir, nicht in Lust und Schmerz. Du bist 

Mein Weib! — Jetzt schnell, die Rettung zu vollenden ; 

Sogleich entdeck’ ich mich der Mutter. 
Toni. Gott! 

Das wär‘ der schnellste Weg, uns zu verderben, 

„Hör mich, ich will dich retten, höre mich, 

Ein fürchterlich Geheimniss hab’ ich noch 

In meiner arggequälten Brust verschlossen ! 

Du bist — — — ach Gott, die Mutter! — Stelle dich 

Ganz unbesorgt, und blindlings ihr vertrauend, 
Gustav. Was soll das ? sprich! 
Toni. Still, ich beschwöre dich ! 


DRITTER AUFTRITT. 
BABECKAN. DIE VORIGEN, 


Babeckan. Ey, Fremdling, gilt euch eurer Wirthin Wohl 
So wenig, dass ihr doch so unbedachtam ` ` 
In dieses vordre Zimmer kommt, — Ihr weisst, 
Wie unser Mitleid uns das Leben fährdet, 
Wenn man’s erführe ! 

Gustav. O, verzeiht der Freundschaft ! 
Mich trieb’s , zu wissen, wie's den Freunden geht, 
Ihr habt hinaus gesendet ? 

Babeckan. Und zurück ist schon der Bote , Worte heissen Danke 
Für meine milde Sorgfalt mir verkündend, 

Gustav. Sonst keinen Auftrag ? 

Babeckan.' Keinen ! 

Gustav. Gott vergelt’ es, 
Was ihr an uns Unglücklichen gethan. 

Babeckan. Nur schnell in euren Zufluchtsort , ich werde 
Euch rufen lassen , wenn es sicher ist, 

Gustav. Ich gehe. (Leise) Soll ich, Toni? — H 

Toni (leise.) Sorge nicht, 


474 TONI. 


Vertraue deiner Braut, sie wird dich retten, 
Gustav (leise.) Ich glaube dir! — Gett ist ja überall 1 — (ab,) 


VIERTER AUFTRITT. 


TONI UND BABECKAN, | 


Babeckan. Dor Unvorsichtige! — Da geht er hin, 
Die Schritte denkt er bald zurück zu messen, ` 
Er träumt sich noch in frischem Lebensmutlh , 
Sorglos das Land vergessend,, wo er steht, 
Und ist den blut’gen Göttern schon verfallen. 
Ist das der Weissen hochgepriessner Witz? — 
Pius, pfuy , ihr Stümper | lernt es von den Negern, 
Lernt die Barmherzigkeit der Rache hier, 
Lernt des Verräthers Mitleid in Domingo, 

Toni (sich BABECKAN zu Füssen werfend,) 


Mutter) s 
Babeckan, Was fällt dich an? 
Toni. Erbarmen , Mutter) 
Babeckan, Mit wem? 
Toni. Mit deinem weissen Gast | — Hast du 


Denn kein Gefühl in dir, als Hass und Rache? — 
Wenn dir was heilig ist auf dieser Welt, 
Bey meiner Pflicht, bey deiner Mutterliebe , 
Bey dem vergoss’nen Blute deines Volks, 
Erbarmen für den weissen Gast! — Willst du 
Mit Meuchelhand die offre Brust durchstossen , 
Die sorglos deinem Dolch entgegeu tritt ? 
Mutter, bey der gehofften Seligkeit des Himmels! 
Erbarmen für den Fremdling ! 

Babeckan, Faselst du ? 
Soll ich der Rache, der Vergeltug Wollust , 
Aufgeben für die Thräne eines Kindes, ` 
Den Augenblick, den ich seit sechzehn Jahren - 
In meine heissen Blutgebete flocht, 

"Den mir unwiederbringlichen vergeuden , 
Weil mir ein Mädchen zu den Füssen schluchzt? — 
Hab’ ich die nicht erzählt, wie mir dein Vater, 
Als unser Herr mich mit nach Frankreich nahm, WË 
Durch tausend Künste Sinn und Herz verblendet , 
Und schmeichelnd mir die Gunst der Liebe stahl ; 
Wie er mich dann der Schande Preis gegeben , 
Dich, Toni, seine Tochter, vor Gericht , 
Im ungeheuern Meineid abgeschworen ? 


e ‚EIN DRAMA. 475 


Hast du’s vergessen, hat das Bubenblut, * 
Das Erbtheil deiner väterlichen Schande 

So viel entnervende Gewalt für dich, 

Dass du an Mitleid denkst and an Erbarmen ? 

Toni. Mutter, bey dem allmächt'gen Gott dort oben, 
Nimm mir den Glauben nicht an Menschlichkeit , 
Das letzte Band , das Kind und Mutter fesselt, — 
Vernichte mich , nur, Mutter, lass es nicht 
So weit mit dir und deiner Tochter kommen , 

Dass sie den Schoos verfluche , der sie trug, A 
Dass sie der Mutter heil’gen Namen schände ! 

Babeckan, YVerwegne! 

Toni Gott vergebe mir das Wort] — 
Rein muss es werden zwischen dir und mir! ra 
Sieh, hier zu deinen Füssen lieg’ ich, deine Kniee 
Umfass’ ich krampfhaft, Mutter, hab’ Erbarmen , 

O tauche deine Hände nicht iu Blut, 

In schuldlos früh verspritztes Blut. Es bringen 
Die blut’gen Saaten eine blut’ge Frucht, 

Des Mitleids Himmelsblume lass gedeihen, 
Zwinge mich nicht, da schaudernd zu verachten, 
Wo ich verehren, wo ich lieben soll. . 

Baheckan, Nichts mehr , Verräth’rin,, soll ich nicht dem Neger 
Den saubern Spruch verrathen, Still ! nichts mehr ! 

Toni. Und mag Hoango’s ganze Wuth mich treffen ; 
Mag ich gewissen Tod entgegen gehn, 

Nichts kann mich zwingen, keine Macht der Erde , 
Ich setze Leben, Glück und Liebe ein,, 

Der fremde Flüchtling muss gerettet seyn, 

Und sollt’ ich selbst das kühne Opfer werden! — 

Babeckan. (mit fürchterlicher Kälte.) 

Sprichst da aus diesem Tone ? Nun, wohlan , 
An mir lieg’s nicht, es ist nicht mein Versehen , 
Wenn er den Weissen nicht lebendig fängt ! 

Toni. leise.) Gott! Was ersinnt sie? — Nicht lebendig gefangen! 
Todt alsa, todt! — O fürchterliche Ahnung 
Die eine Mutter mir ins Leben führt ! 

(Laut,) Nun, Mutter, Mutter! Rechte der in Himmel 
Mir dir und mir, ich zahlte meine Schuld, 

Zerrissen hast du jedes Band der Liebe, 

Des Mutternamens Klang in Blut erstickt; 

Du hast dich losgesagt vom Menschenherzen, 

Und so sag’ ich mich los von meiner Pfücht. 

Das Kind, das du mit Schmerzen dir geboren, 

Du zuckst den Dolch, es ist für dich verloren | (ab,) 


476 TONI. - è 


FUNFTER AUFTRITT. 


BABECKAN. (allein,) 
War das mein Kind | — Was für ein Feuer glühte 
In ihres Brust? — Ist das des Mitleids Stimme ? 
Nein, nein, das war die Angst der Leidenschaft, 
Der weisse Fremdling hat ihr Herz verblendet, — 

(Sie öffnet den Schrauk und schüttet ein Pulver in einen Milchkrug.) 

Toni's erwachte Liebe könnte leicht 
Verderben , was die Mutter klug ersann | == 
Zuerst das Mädchen aus dem Spiel. — Im Keller 
Ist Platz für tausend widerspenst’ge Töchter; 
Dann nur zwey Stunden Zeit, und kommt Hoango 
Noch nicht zurück , so trinkt der weisse Gast 
In dieser Milch ein schnelles Gift bereitet, 
Fünf andre Krüge send’ ich in den Wald, 
Und baue so am Haus der Freyheit mit, 
Und will die Bürgerkrone mir verdienen, (Ab.) 


D 
—— 


SECHSTER AUFTRITT. 


(Die Bühne verwandelt sich in ein anderes Zimmer ia Hoango's Hause , mit einem 
einzigen Ausgang und einem Fenster.) i , 
(GUSTAV liegt schlafend auf einem Ruhebettee TONI tritt herein, einen 
f Strick in der Hand.) 
Toni. Er schläft! — Sa sanft, wie das Vertrauen schlummert , 
So ruhig, wie nur Unschuld schlafen kann. 
Ein belger Frieden schliesst die klaren Augen, 
Und liebe Bilder gaukeln um ihn her, 


Vielleicht mein Bild, vielleicht derbiebe Wehen. 
Es muss ein schöner Traum sey rträumt , 
Denn heiter strahlen seine Züge Br 1 


So mag er schlummern , nicht mein. zitternd Wort 
Soll ihn aus seiner Seligkeit erwecken, 

Ich will ihn nicht in’s rauhe Leben ziehn ! — 

Er mag noch träumen von des Himmels Frieden , 
Wenn der Verrath schon seine Schlingen legt, 
Und ihm den blut’gen Untergang bereitet, 

Wacht doch die Liebe! — Tritt der Augenblick, 
Des Zufalls rascher Sohn , dann schnell us Leben, 
Wo ich die kühne Rettung wagen darf, 

So weck’ ich ihn. — Dies Seil trägt uns hinunter , 
Und auf verborg’nen Pfaden führ’ ich sie 

Nach Cap Francois zu dem verwandten Volke, 


EIN DRAMA. 477 


Ein grässlich Leben lag vor meinen Augen 
Es schreckte mich aus schön geträumter Welt, 

Der Städte Trümmer sah ich flammend rauchen , 
Die blut’ge Nacht in blut'ger Glut erhellt, 

Sah Menschenhand in Menschenbrust sich tauchen , 
Und wider Brüder Brüder aufgestellt , 

Und mitten in dem Morde sollt’ ich hausen ! 

Da fasste mich ein fürchterliches Grausen. 


Doch wunderbar, , wie mit des Lichtes Beben 
Der.Sterne Glanz die Wetternacht durchbricht , 
So trat aus einem unbekannten Leben 
Ein schönes Bild im reichen Zauberlicht, 
Es ruft mir zu, ich kann nicht widerstreben , 
Und eine Stimme gibt's, die in mir spricht, 
Dass bleibt dir treu, wenn Alle dich verliessen, 
An diese Seele hat dich Gott gewiessen, 


Wohlan, so halt’ ich in dem vollen Herzen 
Den Muth , den Glauben und die Liebe fest; 
Die Gunst des Glückes kann der Mensch verscherzen , 
Wenn nur die bess’re Gunst ihn nicht. verlässt, — 
Frisch in den Kampf! was gelten alle Schmerzen, 
Was gilt die Thräne, die der Sturm erpresst ? 
Und hab’ ich keine Mutter zu umarmen, 
Die Liebe hat, der Himmel hat Erbarmen! 


In meiner Brust fühlt’ ich zwey tiefe Wunden, 
Die Vaterhand und Mutterhand mir schlug. 
Ich hab’ es früh, sehr früh hab’ ich’s empfunden, 
Des Schicksals Zorn sey eines Gottes Fluch! — 
Da fand ich ihn, die Erde war verschwunden , 
Ich wusste nicht, was mich zum Himmel trug, 
Und in dem Wechsel unbekannter Triebe 
Verklärte sich der Zaubergruss der Liebe! 


Gustav. (träumend.) Toni ! Ton.) 
Toni, Er ruft mich, und er schlummert doch so süss! ` 

Ob ich ihn wecke ? — klüger wär’ es wohl, 

Mit ihm der Rettung Wagstück zu bedenken, — 

Gut; weck’ ich ihn! mit einem leisen Kuss 

Will ich ihn führen in das rauhe Leben, 

Dass er der Unbarmherzigen verzeiht , 

Die ihn herabzog aus dem Reich der Träume, 


(Sre beugt sich über ihn, um ihn zu küssen, in dem Augeublicke veroimmt 
sie ein Geräusch.) 


478 TONL 


Was hör’ ich !' Welche Stimme! — (an’s Fenster eilend.) 
Gott im Himmel! 
Hoango ist’s mit seinen Negern, — Babeckan : 
Berichtet emsig schon die Mörderbotschaft, 
Ha! wie er teuflisch lacht! — Wie er den Dolch, 
Den bluthgewohnten, zückt! — Gott sey barmherzig | — 
Er zeigt heraufl — Sie treten schon in’s Haus. 
Es bleibt nichts übrig, als vereint zu sterben ! 
Nichts? Nichts auf dieser ganzen weiten Welt? 
Nichts, was uns retten könnte ? Nichts ? — Gott, Gott! $ 
Ich höre sie schon auf der Stiege! — Conjo wühtet ; 
Und keine Rettung , keine? — Ha, da fährt’s 
Mit Blitzesklarheit durch den Geist, das war 
Des Himmels Wink , und Gott ist noch barmherzig! 
(Sie ergreift den Strick und windet ihn mehrere Mal um Gustav und das Ruhe- 
bette herum, so das dieser festgebunden liegt.) 
Gustav. (erwachend.) 
Was machst du, Toni! Gott was soll das ? 


Toni. Still! 
Gustav, Ich bin verrathen !: 
Toni. Still! es gilt das Leben! 


Wenn du mich liebst, so glaubst du auch an mich 





SIEBENTER AUFTRITT. 


HOANGO UND BABECKAN mit zwey Negern, die sich bewaffnet an die 
Thüre stellen.) DIE VORIGEN, 


Hoango. Wo ist die weisse Bubenbrut ? — Wo ist 
Die Schändliche,, die uns verrathen wollte ? — 

Hal find’ ich dich! — Sprich , ist er schon entflohn ? 
Woʻist er hin ? Bey meines Volkes Rache, 

Wo ist der Fremdling ? — dies Geständniss ist 

Das letzte, was du unsrer Sonne beichtest, 

Toni. Was fällt euch ein, Hoango? — Bast ihr’ Herr, 
Dass ihr mich wüthend packt? — Was hab’ ich denn 
Verbrochen ? welcher ungeheuren Schuld 
Klagt man mich an ? 7 

Babeckan. O grenzenlose Frechheit! — 

Hoango. Hast du dich nicht verschworen mit dem Franken ? 
Warst du nicht hülfreich seiner Flucht ? — 

Toni. Die Wuth 
Macht euch wohl blind? — Seht dorthin, und bedankt 
Euch bey der Toni, 

Babeckan, Was, der Franke ? 


EIN DRAMA. 479 


Hoango. Was soll das heissen ? — Warte, weisser Gast ! 
Du bist mir grade recht zur Nachtmahlswürze, 

Wie sich das Blut im Herzen gleich empört, 

Wenn ich des Feindes Farben nur erkenne, 

Mach’ deine Rechnung mit dem Himmel | 
Gustav. Gott! 

Soll ich von diesen Mördenhänden fallen ? 

Ach Toni! Toni! 

Hoängo. So erkläre dich, 

Wer hat den Feind gefangen ? Längst geflüchtet 

Glaubt ich den Franken. Mutter Babeckan 
` Hat als Verrätherin dich angegeben. 

Toni. Mich ‘dauerte des Flüchtlings Jugend , ich 
Vergass,, dass ich Domingo angehörte, 

Und wollt’ ihn retten. — Als ich von der Mutter 

Herüber eilte , blieb ich: vor der Thür 

Wie angezaubert stehn, wo die Auffod’rung 

Von Dessalines hängt, unserm General, 

Das weisse Volk der Nattern zu ermorden , 

Freyheit verkündend Haiti's wackrem Volk 

Das fiel mir schwer auf die betrog’ne Seele, 

Geschmäht hatt’ ich die Mutter, dich beleidigt, 

Gut machen musst’ ich, solltet ihr verzeihn, 

Ich fand den Fremdling schlafend ; zu entflieh’n 

Gedacht’ er bey der Dunkelheit der Nacht, 

Das wusst’ ich. — Da ergriff ich diese Stricke, 

Und band ihn fest, — Jetzt schmäht mich wacker aus, 

Wenn ihr das Herz habt, wenn ich es verdiene, 

Bey Gott! es war nicht meine schlecht’ste That ! 
Hoanyo. Brav, Mädchen , brav! — Der Himmel hat dich freylich 

Mit einer Bubenfarbe angemahlt , 

Doch ist der Geist nach deiner Mutter worden. 

Was sagst du, Babeckan ? 

Babeckan. Herr! ich begreife 
Das Mädchen nicht. Hättest du sie nur gehört, 
Sie war ganz wie verwechselt. 

Hoanyo. Lass das, Mutter I 
(Zu einem Neger.) Dalmara, such’ die ganze Bande auf, 
Ein lustig Schiessen soll uns noch ergötzen , 
Der weisse Gast soll unsre Scheibe seyn. 

Gib mir die Büchse , Omar! (Er schlägt an.) 
Gustav. ` Herr des Himmels ! 
Toni (sich dazwischen werfend.) 

Halt , Conjo, halt! nicht diese rasche That! 

Bey aller Rache deines Volks! — Zerstöre 


480 l TONI 


Nicht eines grössern Plans geheimen Gang! 
Hoango. Was! soll der Hund denn ewig leben? — Lass mich, 
In die verdammte Brust! 
Toni. Bey Haiti's Freyheit,, 
Halt! — Ist Ein Opfer dir genug ? willst du 
Neun andre Buben dir entwischen lassen ? 
Frist’ ihm das Leben, zwing ihn morgen früh , 
Die Freunde zu der Herberg’ einzuladen. 
Gefährlich wäre mit den Verzweifelnden 
Am Mövenweiher sich herum zu hau’n, Er schreibt 
Drey Worte nur und sorglos kommen sie, 
Und ohne Kampf mög’t ihr die Opfer schlachten. 
Hoanyo.. Ein kluger Rath} — Ja, ja! ich folge Un: 
Was, Babeckan , was denkst du ? 
Babeckan. Das NER 
Gerechter Rache ist nicht wohlgethan, 
Doch du bist Herr, gud so magst du entscheiden. 
Hoango. Es bleibt dabey! 
Toni, \leise.) Gott, deine Macht ist gross | 
Hoango, Dalmara , sag’s den Brüdern, unser Tagewerk 
Sey aus, sie mögen sich erquicken und erfrischen, 
Und morgen früh des Winks gewärtig seyn, y WW: 
Du aber, Bube , schicke dich zur Reise , ` 
Der nächste Morgen macht dein Leben quitt, 
Und diese Kugel ist für dich ! < 
Gustav, Drück’ ab! 
Sey nun zum ersten Mal barmherzig , denke: 
Ich sey ein Weisser , sey ein Feind Domingo’s , 
Durchbohr’ ein Herz » das’ Jene grausam brach, 
O Toni! Toni! 
Toni. (leise.) Gott, er glaubt mir nicht! 
Hoango, Dein Jammer ist Musik für meine Ohren, , 
Des Feindes Angstgeheul mein Lieblingslied. ` 
Das Leben ist dir Marter, du willst sterben’? 
So magst du leben bis zur neuen Sonne, 
Ich späte dich für meine Rache auf. — 
(Zu einem Neger.) 
Du haftest mir für ihn mit deinem Kopfe, — 
(Zu Babeckan und Toni.) 
Jötzt kommt, es lüstert mich nach Speis und Trank , 
Und manches Stückchen hab’ ich zu erzählen , 
Denn reich gesegnet war der kühne Streich, 
? (Mit Babeckan ab.) 
Toni (den Augenblick wahrnehmend zu Gustay.) 
Gott ist barmherzig ! Trage’ deine Ketten 
Und trau’ auf Gott, die Liebe soll dich retten ! (Rasch ab.) 


D . EIN DRAMA, 481 


DRITTER AUFZUG. 


— 


ERSTER AUFTRITT. ` 
Walldichte Gegend, 


OBRIST STÖMLY, FERDINAND, ADOLPH, EDUARD, 
(und vier Diener, alle hewaffaet ; im Hintergrund geht ein fünf- 
ter als Wache auf und ab.) 
Strömly. Noch immer ohne Bothschaft] — Sollte Gustav 
Denn keinen Ausweg finden, Bis nach Cap 
François kann’%s wenig Stunden seyn, Der Knabe 
Sprach auch von schneller Wiederkehr. Ich kann 
Mir’s nimmermehr erklären, 
Adolph. Vetter Gustav 
Wird wohl die Nacht erwarten, denn es zish’'n 
Viel schwarze Banden die belebte Strasse, 
Und leicht gefährlich wär’ der Weg. 
Ferdinand. = , Ich denke, 
Es sey am klügsten , wenn ein kühner Fuss 
Sich westlich an des Waldes Ende wagte, 
Dort muss ein Blick auf’s weite, ebne Land 
Der Feinde Stellung uns verrathen, 
Eduard. ‚Vater, 
Da schick’ mich hiy, ich habe so noch nichts 
Allein gethan. , 
Strömly. Der Rath ist gut und weise, 
Doch er verlangt auch den erfahrnen Mann, 
Drum will ich selbst — 
Adolph. Nein, Vater , nimmermehr. 
Sey kein verwegner Spieler, setze nicht ` 
Das höchste Gut auf eine einz’ge Karte, 
Was du verlierst,, ist unser Eigenthum , 
Wir alle haben Rechte an dein Leben! 
Eduard. Adolph spricht wahr, lass mich mein Heil versuchen , 
Begegnet mir ein menschliches Geschick , 
Was liegt an mir, ihr könnt euch glücklich retten ; 
Doch was dich trifft, das trifft uns mit, Hier ist 
Die Stelle, wo wir alle sterblich sind! 
Ferdinand. Gib nach, mein Vater ! 
Adolph. Lass ihn doch gewähren. 
Strömly. So mag es seyn. Zich hin, mein wack’rer Sohn , 
Dort westlich an des Waldes feruster Ecke, 
A 


D 


482 TONIL 


Sey deiner Wand’rung Ziel. Dort schau umher 

Und forsche nach der Stellung der Em }pörer. 

Gott sey mit dir! — Mit diesem Vaterkuss 

Scheid’ ich von meinem heldenmüth'gen Sohne, 
Eduard. Vater, leb’ wohl, lebt wohl , ihr Brüder! Bald 

Bin ich zurück , Gott SCH mit froher Bothschaft, 
Strömly. Triffst du uns nicht am Weiher mehr , so sind 

Wir aufgebrochen nach der sichern Pflanzung , 

Du weisst den Weg. Leb’ wohl! 
Eduard. Auf Wiedersehen ! 

(Ab.) 


ZWEITER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN, OHNE EDUARD, 


Strömly. Ein wacker Junge! — Wunderbares Schicksal , 
Wie du dir deine Männer ziehst ! Sprecht, Kinder, 
Habt ihr’s in diesem leichten Sinn geahndet, 

Welch’ reicher Schatz in ihm verborgen liegt? — 

Ihr seyd mir alle so viel lieber worden , 

Es webt sich jetzt ein stärker Band um uns, 

Als Blutverwandschaft je um Herzen knüpfte, 

Drey Söhne führt’ ich in den Sturm der Welt, 

Und mit drey Freunden kehr’ ich glücklich wieder! — 

Ferdinand. Vergiss nur unsern wackern Velter nicht; — 
Wenn du an uns dein volles Lob verschwendest , 

Was bleibt dir übrig für den Helden , der 

Ein schönes Leben zehn Mal hingeworfen,, 

Wenn es den Freunden galt, Der Gustav war 

Der Erste stets im Kampf, und war der Letzte, 

Der seine Klinge in die Scheide schlug. 

Wer von uns dankt ihm nicht das Leben ? — Hieb er 
Dich nicht zweymal heraus, als Fort Dauphin 

Am jenem blut’gen Abend überging? — 

“Wenn wir so leicht schon unsre Pflicht erfüllten, 

Wie nenn’ ich das, was Gustav kühn vollbracht. 

Strömly. Bey Gott! — er hat gefochten, wies dem Schweizer, 

Der Winkelriede tapferm Enkel ziemt; 
Er hat sich eingekauft in meine Liebe, 
Er hat den Vater sich an mir erkämpft. 
Und so an wackern Söhnen , wie an Freunden 
Ein reichgewordner Mann , preis’ ich den Gott, 
Der mich in diesen blut'gen Kampf geworfen. 
Die Wache. Ein Mädchen fliegt den Fuss-Steig dort herab, 


EIN DRAMA. AN 


Grad’ auf uns zu! e 
Strömly. — Ein Negermädchen ? 
Die Wache. Nein, 
Der unsern eine; jetzt erblickt sie mich, 
Sie winkt mir zu — sie flüzelt ihre Schritte. 
Stromly. Was wird das geben? — Kinder, macht euch fertig. 
(Sie stehen auf, und gehen Toni entgegen, ) 


DRITTER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN, TONI, 


Toni (fast athemlos.) R 
Seyd ihr vom Fort St. Dauphin? Ja, ihr seyd Franken, 
Ihr seyd’s | Gott sey gedankt, ich bin bey euch , 

Ich bin bey seinen Freunden ! 

Strömly. Sprich , was willst du ? 

Toni. Auf, zu den Waffen! Keinen Augenblick 
Vergeudet! Ach, ein theures Leben hängt 
An dem treulosen ‘Fluge der Minuten. 

Auf, wer im Herzen Muth .und Liebe trägt, 
Er ist verloren mit der nächsten Stunde ! 
Fragt mich nicht lange, fragt nicht! rettet, rettet ! 

Adolph. Gott, welche Ahndung! 

Strömly. Sprich , erkläre dich ! 
Wer ist zu reiten? Wer bedarf der Hülfe ? 

Toni. Ist denn der Name : Mensch, euch nicht genug ? 
Muss ich’s noch sagen , euer Bruder ist's, 

Dem jungen Franken gilt es! 

Strömly. Gott im Himmel ! 
Mein Gustav ! 

Ferdinand. Unglücksel’ger Freund ! 

Adolph. Sprich , Mädchen ! 
Ist er zu retten, und um welchen Preis, 

Wird er mit Menschenleben aufgewogen ? 
Was kann ich thun? hier ist ein Arm, ein Herz, 
Und beydes geb’ ich freudig für den Bruder ! 

Toni, Er ist gefangen von den Schwarzen. Heut’ 
Schon sollt’ er sterben, doch den kurzen Aufschub 
Erheuchelte mein fürchterlicher Rath, — 

Auf euch vertrauend, eurer Hülfe denkend , 
Entkam ich glücklich, Gott beschützte mich, 
Und nun folgt mir, folgt mir, er ist zu retten. 
Die Uebermacht der Neger schreck euch nicht, 
Ich führ' euch durch die hintre Gartenthüre , 


484 TONI 


Die Schwarzen schlafen, nicht des Kampfs gewärtig , 
In ihren Stillen, Ihre Büchsen stehn 
Im Hofraum aufgethirmt, Mit wenig Schlägen 
Vernageln wir die Ställe, retten ihn, 
Und dann führ’ ich euch auf geheimen Wegen 
Nach Cap François Kommt, kommt! was zaudert ihr ? 
Steht euch der Freund nicht höher, als das Leben ? 
Strömly. Auf, Kinder , auf! es gilt die bravste That, 
Und sollten wirs mit unserm -Blut bezahlen , 
Wir zahlen nur verfallne Schuld! — Er warf 
Für uns sein Leben muthig in die Schanze , 
Leben für Leben, Blut für Blut. Der ist 
Ein Niederträcht’ger, der noch zaudern könnte, 
Toni. Gebt mir ein Schwert! — Auch in des Weibes Hand 
Drü:kt die Verzweiflung eines Riesen Stärke, 
Und bey der Liebe ist der Heldenmuth , 
Und bey der Liebe ist der Sieg. 
(Adolph reicht ihr einen Säbel und Pistolen, die sie in den Gürtel steckt.) 
Ich dank’ euch ! 
Nun, wack’re Freunde, kommt! Der blanke Stahl 
Jagt muth’ge Flammen durch die hange Seele, 
Und zwischen Lieb’ und Leben steht die Wahl, 
Was gilt der Tod, wer fragt mich, ob ich wähle? — 
Wenn auch der Muth dem Schicksal unterliegt, 
So muss der bess’re Glaube uns erheben , 
Es gibt ein edler Gut noch als das Leben, 
Und freudig sey es dafür hingegeben! — - 
Gott ist barmherzig, und die Liebe siegt. 
(Ab.) 
Aille. Gott ist barmherzig , und die Liebe siegt! 


— 


VIERTER AUFTRITT, 
(Das Zimmer vom Ende des zweiten Aufzugs.) 


Gustav (gefesselt, ein Neger an der Thüre Wache.) 
Hinweg mir dir, du falsches Bild, hinweg! — 
Zerstöre nicht des Herzens letzten Glauben , 
Das eiuz’ge Gut, das mir noch übrig blieb. 
Ein nie erdachtes Bubenstück: — Ein Weib 
Heuchelt des Herzens sanfte Zaubertöne,, 
Spielt schändlich mit dem heiligsten Gefühl 
Und sinnt im Arm der Liebe auf Verderben ! 
Und dies, dies konnte Toni? — Sie, für die 
Ich Glück und Leben freudig hingeworfen, 


EIN DRAMA. 485 


Sie konnte diesen grässlichen Verrath 

In ihrer Seele reifen sehn ? — Nein! nein! 

So weit reicht keines Menschen ganze Schande , 
Das ist jenseits der Grenzen der Natur, 

Das ist der Schöpfung Markstein übersprungen , 
Zu dieser Teufelshöhe reicht kein Weib, — 
Gefährlich blieb’s, ein Tanbenpaar zu pflegen, 
Verderblich wär’ der Lilie Frühlings-Duft. 

Des Lammes Sauftmuth würde zum Verbrechen, 
Wenn diese Augen heuheln, wenn dies Herz + 
Der Unschuld Zauber künstlich vorgelogen. — 
Nein, Toni, nein! das kannst du nicht, dein Wort 
Kam aus den Tiefen deiner Brust. Errathen 
Hab’ ich dich nicht, doch glauben will ich dir. 





FUNFTER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN, HOANGO, 
HOANGO (zum Neger.) 
Geh’ in den Hof, und dort erwarte mich , 
Der Weisse wird des Wächters nicht bedürfen , 
Er soll noch heute sterben ! — (Der Neger abı) ` 
(Zu Gustav.) Nun, Herr Gast, 
Gefällt’s euch in Domingo ? Habt euch wohl 
Solch’ freundliche Bewirthung nicht vermuthet« 
Ja, ja! wir sind ein höflich Volk, 


Gustav. Weh euch , 
Da ihr auch des Gefangnen spottet. 
Hoango. Spotten ? 


Habt ihr das nicht verdient ? wie | habt ihr euch 
Nicht frech gerühmt , das schwache Negervolk 
Schon mit dem Blitz der Augen zu bezwingen ? 
Nein, bey dem ganzen Fluch der Hölle, nein ! 
Das sollt ihr nicht, das sollt ihr nicht! Verderben 
Der Natterhrat! Die weissen Hunde fallen 
Den Geistern eines teifgetret'nen Volkes 
Als blut’ge Sühne für die blut’ge Schuld. 

Gustave Will ich denn Mitleid ? — Red’ ich von Erbarmen ? 
Die Franken haben theures Blut gesäct, 
Ein früh Geschlecht hat späten Grimm verschuldet. 
Jetzt stehen wir, der Enkel bess’res Volk, 
Auf diesem Boden, Blut ist aufgegangen, 
‘Und schuldlos fallen wir für fremde Schuld, 
Des ist das ewige Gesetz des Lebens, 
Vollziehe seinen Spruch , hier ist mein Herz, 


486 TONIL 


Wenn du den Muth hast, mit dem Mörder-Dolche 
Ein unbeschülztes Leben zu verletzen. — 
In offner Schlacht verzeih’ ich deine Wuth , 
Und fällt der Bruder von des Bruders Streichen , 
Doch der gefangne Feind — — 

Hoanyo. Es ist kein Krieg , 
Wie ihn die Könige der Erde führen ; 
Hier gilt der Menschheit ganze Loosung nichts, 
Vernichtet müsst ihr werden , ganz vernichtet , 
Denn wo’s noch Weisse gibt; da gibt’s noch Sklaven, 
Und frey soll’s unter diesem Himmel seyn ! 

(Es füllt ein Schuss.) 

Was war das? — 


SECHSTER AUFTRITT. 
DER VORIGE, BABECKANM 


Babeckan. Schnell, Hoango, schell, es stürmt 
Ein weisser Haufe unser Haus ; die Unsern 
Sind in den Ställeu eingesperrt. — Hinab 
Mit deinem Schwert, die Buben zu verjagen, 
Gustav, Ha, das sind meine Brüder! Wackre Freunde, 
Vergelt’ euch Gott die kühne That, 
Hoango (am Fenster.) Verdammt ! 
Sie dringen in den Hof, O in die Hölle 
Mit euch, ihr europäischen Hunde | 
Babeckan. Gott, ich höre 
Sie auf der Stiege schon. O rett’ uns, rett’ uns, 
Eh’ es zu spät wird ! 
Hoango (den Säbel ziehend und auf Gustav losstürzend.) 
Weisse Natterbrut, 
Lebendig kriegen sie dich nicht, du sollst 
Den Frevelsieg der Deinen nicht erleben, 
Mach’ deine Rechnung mit dem Himmel! 
(Ex schwingt den Säbel , um Gustay niedersubauen.) 
Toni (stürst herein , sieht Gustav’s Gefahr und drückt ihr Pistol auf Hoango los) 
Gott ! 
Hoango- (stürzt zusammen.) Verdammt, das hat getroffen ! 
Gustav. Toni ! 
Toni, Gustav! 
(Sie fliegen sich in die Arme.) 
Babeckan, Ach, dass die Erde mich verschlingen wollte I 


EIN DRAMA. 487 


SIEBENTER AUFTRITT. 
STÖMLY, FERDINAND, ADOLPH, DIE VORIGEN, 


Strömly. Mein Sohn! 


Gustav, Mein Vater , Freunde, Waffenbrüder I 
Ich bin befreyt ? hg 
Strömly. Dank’s Gött und diesem Engel! — 


Gustav. So hab’ ich dir vertraut, du Heldenmädchen! 
Errathen konnt’ ich deine Liebe nicht, 
Doch glauben konnt’ ich dran, und hoffen konnt’ ich. 
Strömly. Ist das der Conjo ? — Wer hat den bezwungen ? 
Wer rühmt sich dieser That? 
Gustav. Der Mörder fiel 
Von ihrer Kugel, als er wüthend schon 
Den Streich begann , der mich zerschmettern sollte. 
Strömly. So hat sie uns beschämt und doppelt dich 
Gerettet! 
Toni (zu der abgewendeten Babeckan.) 
Mutter, Mutter, fuch mir nicht! 
Ich hab’ gethan, was ich nicht lassen konnte! 
Babeckan. Aus meinen Augen, du Nichtswürdige! 
Ich weiss von keiner Tochter mehr; zieh’ hin 
Mit deinen Franken in das weisse Land , 
Dass ich vergesse, was du mir gewesen, 
Und nimmermehr will ich dich wiedersehn, (Eilt ab.) 
Toni. (ihr nacheilend, und weinend anderzugeschlagenen Thür stehen bleibend.) 
Nein, Mutter ! Mutter | 
Gustav. Toni ! 
Strömly. Lass sie weinen, 
Die Thräne ehrt ihr kindliches Gefühl , 
Mit diesem Schmerz begräbt sie ihre Mutter, 


ACHTER AUFTRITT. 
EDUARD. DIE VORIGEN. 


Eduard. Gottlob, da seyd ihr! — Ihr habt blut’ge Arbeit 
Vollbracht, ich weiss schon alles. — Hört, ich bring euch 
Die frohe Bothschaft zu dem schönen Sieg, 

Die Feinde ziehen sich mehr westlich , ihre 
Gesammte Macht auf einem Punkt vereinend, 
Die Strassen werden leer , wir mögen leicht 
Noch heute Abend Cap Frangois erreichen. 
Bis an die Mauern zieht sich fast der Wald, 
Uud ich entdeckte einen sichern Fuss-Stieg , 


488 TONI. EIN DRAMA. 


Der glücklich zu der Festuug führen soll. 
Strömly. Nimm diesen Händedruck für deine Bothschaft, 

Auf, Kinder, auf! dass wir nach langem Kampf 

Des schönern Friedens bess're Früchte kosten ! 

Noch eine kurze That, dann ist’s gescheh’n , 

Dën segeln wir auf vaterländ’schen Schiffen 

Der stillen Heimath frohen Muthes zu , 

Und freuen uns des überstandnen Kampfes. 
Gustav ` j (Toni umfassend.) 

Komm , Toni, komm! — In ein verlor'nes Leben 

Hast du den Freund geführt. So folg’ mir jetzt; 

Ich führe dich in’s Zauberland der Liebe , 

Ich führe dich zum Giplel eines Glücks , 

Wo uns des Lebeus schöne Blüthenkronen 

Dir deine That, und mir den Glauben lohnen, — 
Toni (an seinem Halse.) 

Du bist gerettet, du bist mein. Nichts mehr 

Hab’ ich auf dieser weiten Welt zu hoffen. 
Strömly (tritt zwischen sie und fasst ihre Hände.) 

Die Erde schweigt der Himmel steht euch offen, 

Drum sagt es laut durch alle Zeiten fort, 

Von euern Enkeln sey es nachgesungen : 

Gott ist barmherzig, war das Loosungswort, 

Und kühner Liebe ist der Sieg gelungen ! 

(Der Vorhang füllt.) 


DAS FISCHERMAÄDCHEN. .| 


ODER: 


HASS UND LIEBE, 


EIN LYRISCHES DRAMA IN EINER ABTHEILUNG. 


EE EE e | 


PERSONEN, 


GREGORIO GALVANI, ein vorneh- || FRANZESKO , ein junger Fischer. 
mer Genueser. BALANDRINO, ein genuesischer 

FERNANDO, sein Sohn. Hauptmann. 

ANSELMO LANCIA, eîn alter Fischer. || Genuesische Soldaten. 

FLORENTINE , seine Tochter. Fischer und Fischerinnen, 


(Dieses Singspiel ist nıch der Composition des bey dem Königl, Seehandlungs- 
Institut in Berlin angestellten Herrn Hofraths J. P. Schmidt zu Berlin , 
Breslau, Dresden und Leipzig aufgeführt worden.) 


ERSTER AUFTRITT. 
Eine Fischerhütte, 
ANSELMO, FLORENTINE, FERNANDO, 


ANSELMO schniiz ein Ruder; FLORENTINE arbeit an einem Netze; 
FERNANDO spielt die Guitaire, 


ROMANZE 


Florentine. Die Königstochter so sanft, so gut , 
Ging dort am blühenden Strande , 
Da sass ein Fischer, ein junges Blut, 
Die Augen nicht von ihr wandte , 
Und seit er die Königstochter gesehn , 
Da wollt’ er in liebender Sehnsucht vergehn, 


Anselmo. Einst sass er wieder am Meere dort , 
Es braus’te der Sturm in den Wellen, 
Ein Schiff, es hatte den König am Bord, 


490 DAS FISCHERMADCHEN. 


Sah er an den Klippen zerschellen, 
Da sprang er in's Meer mit begeistertem Muth, 
Und theile mit rüstigen Armen die Fluth, 


Fernando. Und Gott ist dem Muthigen zugewandt, 
Die der Sturm in den Wogen gebettet, 
Er ergreift sie kühn mit sicherer Hand, 
Er hat die Geliebte gerettet ; 
Und aus der ewigen Grabesnacht 
Ist sie glücklich zum Leben und Lieben erwacht. 


Alle drei. Und sie wurde sein Weib, und sie lebten still , 
Den ganzen Himmel im Herzen, 
Wer das Glück der Liebe gewinnen will, 
Muss wandeln durch Nacht und durch Schmerzen, 
Und wer sich sehnt nach dem höchsten Gut, 
Der schlage sich kühn durch Sturm und Flinth. 


Anselmo. Ein gutes Lied aus vollem Menschenherzen 
Hat eine stille wunderbare Kraft, 
Und wenn der Friede in den Tönen flistert , 
Kommt auch der Friede in die wunde Brust. 
Fernando. Wenn ich so Abends in dem Nachen setze, 
Und mich der Wind zum lieben Ufer treibt, 
Da wird das Lied erst recht in mir lebendig, 
Und schöne Träume spielen um mich her, _ 
Und jeder Traum malılt mir mein süsses Mädchen, 
Florentine. Du gute Seele! 
Anselmo. Als ich draussen noch. 
Im bunten Weltgetümmel mir gefiel , 
Da kannt’ ich nie das friedlich stille Glück, 
Das diese kleine Hütte mir gewährte, 
Ihr wisst, hoch stand ich einst in Genua, 
Zum Siege hatt’ ich oft das Heer geführt, 
Mich neideten die stolzesten Geschlechter," 
Doch keiner wagte sich an meine Macht. 
Nur einen überwältigte der Hass 
Und ihm gelang’s im günst’gen Augenblick 
Mir Vaterland und Freunde, Ehr’ und Gut 
Zu rauben. — Da verzehrte mich der Grimm, 
Die weite Welt durchstreift’ ich heimathlos, 
Und keine Ruhe hofft’ ich, als im Grabe. 
Doch seit ich hier , ein armes Fischersmann, 
Ein ärmlich , aber ruhig Loos gewonnen, 
Dank" ich dem Herrn an jedem neuen Tag, 


EIN LYRISCHES DRAMA. 491 


Dass er mich dir, dass er mich euch erhalten, 
Und segne seiner Güte dunkles Walten, 

Florentine. Ja, recht, mein Vater, jener Prunk der Welt 
Gemahnt mich jetzt nur wie ein schwerer Traum. 
Zwar war ich damals reich an Schmuck und Pracht, 
Und viele Frauen dienten meinen Wünschen ; 

Doch immer war ich einsam , blieb es ewig — 
Hier hab. ich dich, mein Vater, dich Fornandoe, 
Und gern vergess’ ich all den bunten Tand, 

Fernando. Mein herzig Mädchen. seit mein gutes Glück 

Mich in die liebe, alte Hütte brachte , 
Seit ich in Eurem Kreise bleiben darf 
Und Euch von ganzem Herzen angehöre, 

Kenn’ ich des Lebens volle Freuden erst, 

Anselmo. Sieh, junger Freund — 

Fernando, Nein, Vater, nennt mich Sohn! 

Anselmo. Gut, lieber Sohn — wenn du es noch nicht bist, 
So seh’ ich doch auf Florentinen’s Wangen, 

Dass du cs werden sollst, — Nun denn, mein Sohn, 
Mir ward die Zeit der Lehre drückend schwer, 
Eh’ ich der Lebens Meisterschaft erkannte, 
Ein falscher Schimmer hatte mich geblendet, 
Als er verschwand, und als ich hoffnungslos 
An diese stillen Ufer fiüchtete, 
Fand ich mein Ziel. — Ihr habt noch nicht gesucht, 
Euch trat die holde Göttin selbst entgegen, 
Und warf das Glück an Eure junge Brust. 

(Er legt ihre Hüude zusammen,) 
Und was ich erst nach langem Kampf gewusst , 
Habt Ihr in Eurem Frühling schon empfunden. 
Bewahrt es wohl, denn treulos sind die Stunden, (Ab.) 


ZWEITER AUFTRITT. 
FERNANDO. FLORENTINE, 


Fernando. Ja, liebes Mädchen, treulos sind die Stunden, 
Wer weiss , was uns die nächste grausam bringt? 
Florentine. Was sie auch bringt, wir lieben treu nnd innig, 
Und schwere Zeit hat unsern Bund geprüft, 
Entsagtest du mir nicht zu Lieb’ dem Glanze, 
Der deines Vaters stolzes Haupt umgiebt, 
Seit er den meinen in’s Verderben stürzte. 
Ach glaube mir, zwar scheint mein Vater ruhig, 
Zufrieden mit dem Loose das ihm fiel ; 


492 .„ DAS FISCHERMADCHEN. 


Doch tief in seiner festverschlossnen Brust 
Wird er es nie und nimmermehr vergessen, < 
Was er durch deines Vaters Hand verlor, 
Er kennt.dich jetzt, er weiss, welch’ eine Seele 
Voll Muth und Tugend in der lebt und wirkt; 
Doch wie er dich jetzt relich lieben kann, 
So würde dich der Name des Galvani 
Mit aller Kraft aus seinem Herzen reissen , 
Und ew’ge Feindschaft gält’ es zwischen Euch, 
Fernando, Ich darf ihm also nie entdecken, nie, 
* Dass mich die Liebe nur zum Fischer machte ? 
Nie nennen meiner Väter edlen Stamm ? 
Florentine, Nein, nimmermehr, willst du nicht unser Glück 
Mit rasendem Beginnen selbst vernichten, 
Der ist sein Todfeind, der Galvani heisst, 
Ich habe oft sein still Gebet belauscht ; 
Er bat um Rache , bat mit heissen Thränen — 
Fernando. © wird denn nimmer diese Wuth erkalten, 
Die Genua’'s Glück und unsrer Liebe droht ? 
Nein, nein, ich geb’ die Hoffnung nicht verloren, 
Stolz ist dein Vater, doch ein edler Mann, 
Von alter Treue, alter Redlichkeit , 
Und unversöhnlich ist kein grosses Herz. 
Florentine. Dass nicht der Hoffnung Schimmer dich betrogen, 
Ist ja das Liebste , was ich wünschen mag, 
Zwar bin ich glücklich, überglücklich schon , 
Bin dein für immer, was ich nie mir träumte, 
Doch macht’s mir Kummer , dass noch dieser Wurm 
An meines Vaters edlem- Herzen nagt, 
Dass ein Geheimniss zwischen uns und ihm, 
Der Seelen stillen Frieden stören könnte. 
Fernando. Getrost! das Heilungsmittel ist gefunden ; 
Durch Liebe wird der Hass noch überwunden. 
Duett, Liebe führt durch Nacht und Dunkel 
Uns zur höchsten Erdenlust, 
Liebe lös’t und Liebe bindet, 
Liebe sucht und Liebe findet 
Ihren Weg zu jeder Brust. 
Was die Herzen feindlich trennte , 
Trotzt vergebens ihrer Macht, 
Und es schmücken öde Tluren 
Herrlich sich auf ihren Spuren 
Mit erneuter Frühlingspracht, ' 
Und so mag sie freundlich walten , 
Lieblich ihre Myrthe blühn, 


EÎN LYRISCHEN DRAMA, ‚495 


Wo sich einst in schönen Stunden 
Reine Seelen fest verbunden, 
Bleibt sie ewig jung und grün. 





DRITTER AUFTRITT. 


ANSELMO., DIE VORIGEN., 
Anselmo. Mein letztes Wort, was ich so eben sagte, 
Scheint nur zu schnell sich zu bewähren. g 

Florentine, 
Mein Vater? 


Fernando, Sagt, was soll uns dies? 
Anselmo. 


Wie, 


Schon längst 
Was mir’s, als hätte mich Galvani auch 


In dieser armen Hütte aufgefunden, 
Sobald er weiss, wo ich noch Ruhe fand , 
Wird er auch dieses letzte Gut zerstören, 
Was mir noch übrig blieb, 
Fernando. Unmöglich , Vater, 
So grausam, nein, so ist er nimmermehr. 
Anselmo. Lehr’ mich den stolzen Genueser kennen, 
Und wenn er nicht an Tugend mich besiegt , 
Im Hass, im unersältlichen besiegt er mich. 
Er weiss es jetzt, dass ich hier glücklich bin ; 
Genug , um seiner Rache mich zu opfern 
Ich bin verrathen. Genueser Reiter 
Umschwärmen schon die freundlich stille Bucht, 
Die mir den letzten Zufluchtsort gewährte, 
Es gelte den Corsaren, meynen alle, 
Doch ich bin überzeugt, es gilt nur mir. 
Fernando. Da kommt der Nachbar. Der wird Nachricht bringen, 


_— 


VIERTER AUTRITT. 


DIE VORIGEN, FRANZESKO. 
Franzesko. Anselmo, rettet Euch, sonst ist's zu spät, 

Galvani’s Reiter sprengen schon in’s Dorf, 

Man fragt nach Euch , Ihr alle seyd verloren, 

Wenn schnelle Flucht nicht Euer Leben schützt, 


Fernando. Wisst Ire gewiss? Sind es Galvani’s Reiter ? 
Franzesko. Sie sind’s. 


Anselmo. Sie sind’s , daran erkenn’ ich dich ; 


42 


494 DAS FISCHERMADCHEN. 


Gregorio. Auch nicht das kleinste Glück 

Dem Ueberwundenen zu lassen , ganz 

Mich zu vernichten, ganz in meinem Blute 

Die rachedurst’gen Hände dir zu baden — 

Fluch sey dir Schändlichen,, Fluch deinem Hause , 

Fluch deinem ganzen wüthenden — 
Fernando. Halt ein ! 

Ich bin sein Sohn. 
Florentine. Fernando, Gott! was machst Du ? 
Anselmo. Sein Sohn! 
Fernando. Ich bin’s 
Anselmo. Galvani's Sohn ? 
Fernando. Sein Soho, 
Anselmo. So treffe dich des Himmels ganzer Fluch! 
Florentine. Mein Vater! 
Anselmo. Wie ein Dieb hast du dich eingestohlen,, 

Hast dich in meine Liebe kühn gedrängt, 

Hast mir der Tochter schuldlos Herz entwendet, 

Jetzt bin ich ganz vernichtet. Eile dich, 

Die Zeit ist da, der Vater wird dir lohnen. 
Fernando, Verkennt mich nicht, Anselmo, nein, bey Gott! 

Ich liebte eure Tochter, Ohne sie 

War mir die Stadt, war mir die Welt verödet. 

Ich zog Euch nach. Mich traf der Vaters Fluch, 

Da ich die kühne Liebe ihm gestanden. 

Er hat kein Recht mehr an des Sohnes Liebe, 

Ihr seyd mein Vater, Euch gehört es nun. 

Seyd unbesorgt. Was jene Reiter wollen, 

Ich fecht’ es aus, mein Arm ist Euer Schild. 

Und hat Galvani Euch den Tod geschworen, 

So muss er erst des Sohnes Brust durchbohren, 
Anselmo. In deinen Augen glüht der Wahrheit Feuer, 

Ich ehre dich und schätze dich als Mann ; 

Doch ist dein Name nicht der Seinige? 

Hat dich Gregorio nicht Sohn genannt? — 

Nein, ich vertraue nicht der Schlangenbrust, 

Und bin ich dir und ist dir diese theuer, 

Erfülle meinen letzten Wunsch, verlass uns. 

Und ist’s entschieden , mir der Tod gewiss, 

So will ich nicht Galvani’s Sohn zum Zeugen, 

Und kämpfend fall’ ich unter fremden Streichen. 
Franzesko. Kommt, ehrt den Schmerz | 
Florentine, Fernando! 
Fernando, Gott im Himmel! 
Fiorentine. Verlass uns nicht, du bist mein letzter Trost, 


EIN LYRISCHES DRAMA. 495 
Du kannst uns retten, du, nur du allein, f 
Anselmo., Schweig Mädchen, denk’ an deines Vaters Ehre. 
Graf, Ihr verlasst uns, nochmals bitt ich — 
Fernando. Wohl ! 
Es sey! ich gehe, doch ich gehe nur 
Für Euch die letzte Rettung zu begründen, 
Ihr sollt mich mitten in dem Streite finden, 
Ein Opfer will der Vater, nun wohlan, 
Ich geh’ voraus auf Eurer blut’gen Bahn. 


QUARTETT. 
FLORENTINE, FERNANDO, ANSELMO, FRANZESKO, 


Mitten aus des Lebens Fülle , 

Mitten aus der Liebe Glück 

Reisst des Schicksals strenge Wille 

= zur alten Nacht zurück, 

Sie 
Anselmo. Nun verlasst uns, 
Fiorentine. Mich 
Fernando. Dich 
Beide. Ach ich kann es noch nicht fassen, 


Fee, Hütte , 


? verlassen ? 


Alle. Friedlich war’s in f 


dieser 
Freundlich war der Sonnenschein, 
Doch es tritt mit wildem Schritte 
Das Verderben schnell herein, 

Und kein Mensch darf glücklich seyn. 


(Fernaudo und Franzesko hinans, Anselmo und Florentine in die Pammer.) 


— 


FUNFTER AUFTRITT. 


(Das Theater verwandelt sich in den Platz vor Anselmo's Hütte, Im Hinter- 
grunde das Meer.) 


FERNANDO und FRANZESKO treten aus der Hütte, nachher mehrere Fischer, 


Franzesko. Wohin du Rasender? willst du allein 
Die ganze Schaar der Reiter überfallen ? 
Tollkührheit der Verzweiflung kann nicht retten , 
Der Einzelne bekämpft die Menge nicht. 
Willst du dich ihnen zu erkennen geben ? 
Dies würde nur des Vaters ganzen Zorn 
Vordoppeln, sie nicht retten, und du selbst .«.. 
Fielst als ein Opfer für Galvani's Rache. ` 
Fernando. Dank dir , Franzesko, Dank! Du hasst den Sinn ` 


495 DAS FISCHERMADCHEN 


Von dem Unmöglichen zurückgewendet. 

Sie rächen kann ich, wenn der Streich gefallen , 
Jetzt gilt es Rettung. Dies sey unser Ziel. 

Und schnell muss sie auf Windesflügeln eilen , 
Soll dem Verzweifelnden das Wagstück frammen, 
Komm zu den Treuen , die dies Thal bewohnen , 
Ich wecke sie mit meiner Stimme Ruf. 

Anselmo ist geliebt, Des Feindes Wuth 

Wird jedes tiefere Gefühl empören , 

Bis sie entflammt für heil’ger Unschuld Recht, 
Das Leben für des Freundes Leben wagen, 

Und seine Mörder kühn zu Boden schlagen. 


(Während der letzten Rede versammeln sich im Hintergrunde mehrere Fischer; 
Fernando erblickt sie.) 


ARIE. 


Bewaffnet Euch, ihr Thalgenossen , 
Reisst sie von ihren flücht’gen Rossen, 
Rächt ihre mörderische Lust ! 

Wer Recht und Tugend liebt, der folge, 
Und bohre seine spitzen Dolche 

In die verfluchte Räuberbrust, 

Ich kann sie nur im Tod erwerben — 
Hier will ich freüdig für sie sterben , 
Wo ich den Himmel nah’ gewusst. 
Bewaffnet Euch, ihr Thalgenossen , 
Reist sie von ihren flücht'gen Rossen , 
Ein Dolch in jede Mörderbrust ! 


FRANZESKO UND CHOR DER FISCHER, 


"aan? 


Wir waffnen uns als Kampfgenossen , 
Wir reissen sie von ihren Rossen , 
Ein Dolch in jede Mörderbrust ! 
(Fernando und Franzesko ab mit den Fischern,) 


(Man hört erst in der Entfernung und dann näher den Marsch der genuesischen 
Soldaten, welche zuletzt aufmarohiren und von Balandrino geordnet werden.) 


— 


SECUSTER AUFTRITT. 
BALANDRINO, GENUESISCHE SOLDATEN, 


Balandrino, Halt! — wenn mich nicht des Spähers List betrogen , 
Ist diese Hütte unser letztes Ziel, 
Besetzt sie also schnell von allen Seiten , 
Dass nichts entflieht, Ihr wisst, dem Grafen gilt 


EIN LYRISCHER DRAMA. 497 


Es viel, den alten Lancia zu haben. 

Und wenn wir ihn lebendig überliefern , 

So können wir auf seine Grossmuth bau’n, 

Und reichen Lohn verdienen treue Diener, 

Habt Ihr's besetzt ? a Nun gut, so geh’s zum Ende, 
Heh! macht die Thüre auf! Wir haben Eile, 

Und suchen Anselm Grafen Lancia. 


—— 


SIEBENTER AUFTRITT. 


DIE VORIGEN. ANSELMO, FLORENTINE, 
{zitternd in der Thüre.) 


Anselmo. Ich bin’s, 
Balandrino. Verzeiht, ich thue meine Pflicht. 
Auf den Befehl des Ratlıs zu Genua, 
Graf, Ihr seyd mein Gefangner, 
Anselmo, Jetzt noch nicht. 
Todt bin ich nur in des Tyrannen Macht, 
Doch theuer kauft Ihr mir das Leben ab. 
Ihr wisst, Genueser, was der Arm vermag, 
Der Eure Fahne fünf Mal siegen machte. 
’S ist noch derselbe, 
Balundrino, Graf, wir sind befehligt , 
Lebendig Euch dem Rath zu überliefern, 
Was soll die nutzlos’ schwache Gegenwehr ? 
Ein Mann wie Ihr ergiebt sich in sein Schicksal , 
Beisst nicht die Ketten im ohnmächt'gen Zorn, 
Folgt mir, Anselmo ! 
Anselmo, Nein, eh’ sollt Ihr mich 
Zerreissen , eh’ ich lebend diesen Platz verlasse. 
Balandrino. So thu’ ich denn, was ich nicht lassen: kann. 
Ergreift ihn ! 
Anselmo. Wagst es nicht! 
(Er greift auf sein Schiessgewehr.) 
Balandrino. Was zaudert Ihr! 
Anselmo. Zurück, Verweg’ne ! 


(Sie dringen auf ihn ein, er schiesst, einer stürzt, doch bald wird or erguilfen 
und entwaffnet.) 


Balandrino. Schreibt’s Euch selber zu, 
Ich hätte gern gelinder Euch behandelt. 
Florentine, Mein Gott, was ist gescheh’n ? — Ein Schuss — mein Vater! 
Anselmo., Ich lebe noch, 
Fiorentine. Du wirst gauz bleich , du sinkst 
In deine Kniee, Grosser Gott! Erbarmen ! 


498 DAS FISCHERMADCHEN. 


Anselmo. Nichts liebes Kind. Ein Schlag am Kopf nichts weiter. 
Ach hätt’ er mich mit Todeskraft gefasst } 
(Er wird ohnmächtig.) 
Florentine. Er stirbt! Er stirbt | 
Balandrino. Beruh'gen Sie sich , Gräfin ! 
Es ist.nicht von Bedeutung, Dort im Kloster 
Wird man ihn leicht zum Leben auferwecken. 
Florentine. Nein, nein, das Auge ist gebrochen, er ist todt ! 
(Sinkt auf ihn nieder, Man hört den sich nähernden Chor der bewaffneten Fischer.) 
Gewaiffnet sind wir Kampfgenossen , 
Wir reissen sie von ihren Rossen ! 
Ein Dolch in jede Mörderbrust ! 


BALANDRINO (während des Gesauges,) 
Was hör’ ich dort? Ein wüthendes Geschrey 
Dringt immer näher. Ha, was wird das seyn ? 
Es ist ein Haufen wilder Fischer. Grad’ hieher 
Geht’s wie im Sturme, Sagt, was wollen die ? 


—— 


ACHTER AUFTRITT. 


DIE VORIGEN. FERNANDO. FRANZESKO. Die Fischer bewaff- 
nct, Die Genueser umgeben ANSELMO und FLORENTINEN, so 
dass sie nicht gesehen werden, 
Fernando. Wo sind die Mörder ? Ha, ich hab’ Euch nun, 
Lebendig sollt Ihr nicht von diesem Boden, 
Sprecht , fiel der Edle schon durch Eure Hand ? 
Balandrino. Ich stehe hier im Namens Genua’s, 
Und fodre Achtung für die Herr’n der Meere. 
Fernando, Ich stehe hier für’s Recht und für die Tugend. 
Sonst giebt’s nichts Heiliges auf dieser Welt. 
Balandrino, Was wollt Ihr, kecker Jüngling ? 
Fernando. Lancia’s Freyheit. 
Balandrino, Gefangen führ' ich ihn nach Genua. 
Fernando. Der Weg dahin geht über unsre Leiber, 
Für ihn zu sterben, fassten wir die Waffen , 
Und Eure Brust sey unsres Dolches Scheide, 


QUARTET UND CHOR, 


Fernando. Wo ist der Graf? 

Balandrino, Zurück , eh’ es Euch seul 

Fernando. Frey muss er seyn. Auf, Brüder, in den Streit ! 

Chor. Frey muss er seyn. Auf, Brüder, in den Streit! 
(Gefecht, Die Fischer siegen, Die Soldaten fliehn.) 


EIN LYRISCHES DRAMA: 499 


Fernando. >» (verwundet den Balandrino und entwafnet ihn.) 
Ihr seyd gerettet, ich kehre zurück, 
Florentino. Fernando! 
Fernando. Geliebte | 
Balaudrino. Treuloses Glück! 3 
Franzesko, O welch’ ein Glück ! H 
Florentine. Aber sieh, des Vaters Leben 
Wird uns Niemand wiedergeben. 
Er ist hin für diese Welt, 
Franzesko, Noch fühl’ ich des Herzens Pochen, 
Und der Blick ist nicht gebrochen , 
Bald ist er Euch hergestellt, 
Fernando. Legt ihn auf den Rasen nieder, 
Mädchen , sieh ! er athmet wieder, 
Unser Glück wird nicht vergält, 


Zugleich. 


FLORENTINE, FERNANDO, FRANZESKO, 


Mächtiger dort oben! 

Nie vergessen wir 

Deiner Güte Proben 

Dank sey ewig dir } 

Balandrino, Meine Schaar zerstoben , 

Ich gefangen hier, 

Stelt'ner Treue Proben 

Schützen ihn vor mir, ` 


Z ugleich. 


CHOR UND FLORENTINE, 


Muthig ward das Werk begonnen , 
Glücklich. ist es nun volbracht. 


Der Gefahr eg Nir 


seyd Ihr ? entronnen, 
Fürchten 


i i ht. 
Fürchtet R nichts , die Treue wac 


(Ein Fischer sagt etwas heimlich dem Franzesko.) 

Franzesko. So eben kommt die Nachricht , dass nicht fern 

Im Walde oben , noch ein andrer Trupp 

Genueser streifet Drum nichts halb gethan ! 

Nicht eher können wir Anselmo retten 

Und glücklich bringen auf die Friedensinsel , 

Bis jene Schaar noch schneller Kampf zerstreut. 
Fernando. Wohlan ! Wir eilen, Lebe wohl noch einmal L 

Ich will dich doppelt heut verdienen. — Sie Herr Hauptmann , 

Lass ich zurück. — Du sorgst für seine Wunde, 

(zu zwey Fischera.) 


Dann führt Ihr beyde ihn in diese Hütte, 


500 DAS FISCHERMADCHEN. 


Bewacht ihn wohl !Ihr andern frisch aus Werk I 

Wer für das Recht und für die Tugend streitet, 

Der wird von höh’rer Macht zum Sieg geleitet. 
(Ab mis Franzesko und den Fischern.) 


— 


NEUNTER AUFTRITT. 


FLORENTINE, ANSELMO, BALANDRINO. 


(Zwrey Fischer.) 


Florentine. Gott sey mir dir, da wack’rer junger Held! 
Balandrino, Behüt’ ihn Gott! das ist ein derber Kriegsmann, 
Wo der hinschlägt, da mag kein Gras gedeihn, 
Fiorentine. Mein Vater scheint sich zu erholen, — Vater! 
Wie ist dir? Wir sind frey, wir sind gerettet, 
Galvani’s Reiter sind zerstreut, entflohn , 
Und frey wird uns die Flucht zur Friedensinsel. 
Anselmo Bin ich erwacht aus einem schweren Traum ? 
Mir war's, als wär’ ich in des Feindes Händen , 
Als hätten mich die Mörder schon gefasst. 
Florentine. Es war kein Traum, war böse Wirklichkeit. 
Du warst gefangen von den Genuesern , 
Doch sind wir frey durch unsrer Freunde Arm. 
Die muthig Glück und Leben für uns wagten. 
Anselmo. Vergelt’ es Gott, 
Bolandrino. Sie schlugen wacker drein, 
Und meine Schurken, die für's Geld nur fechten, 
Sie rissen aus, eh’ sie noch Stand gehalten, 
Seht, lieber Herr, mich hat es selbst gefreut , 
Wie Eure Freunde alles an Euch setzten. 
Ihr müsst ein wack'rer, guter Vater seyn. : 
Denn nicht umsonst wagt man sein theures Leben. 
Drum rath’ ich Euch: flieht, flieht, sobald Ihr könnt, 
Galvani selbst kommt mit der ganzen Macht. 
Er schiffte sich vor wenig Tagen ein, 
Nehmt Euch in Acht, Das tapfrn Fischervolk 
Kann gegen solche Menge nicht bestehn, — 
(In die Scene zeigend,) 
Seht ihr das Schiff, das nach dem Strande lenkt? 
Erkennt Ihr wohl die Genueser-Farbe? 
Das ist Galvani, — Flieht mein theurer Graf, 
Ich wësst: Euch gern in Sicherheit geborgen, 
An Eurem Schicksal nehm ich grosser Theil. 
Die Unschuld Desst man klar in Euren Zügen, 


EIN LYRISCHES DRAMA. 501 


Wer solche Freunde hat, muss sie verdienen, 
Lebt wohl! 
Anselmo. Lebt wohl! Ich danke für die Nachricht. 
(Balandrino ab mit den Fischern in die Hütte.) 


—— 


ZEHNTER AUFTRITT. 


ANSELMO. FLORENTINE. 
(Musik-Ritornel.) 
(Es umzieht sich der Himmel, und ein heftiger Sturm erhebt sich.) 

Ansalmo Dort also schwimmt Galvani, und das Meer, 
Das seine Schiffe trägt, ist nicht so falsch , 

Als er. Er hat den Wellen sich ergeben 
Und treulich führen sie sein stolzes Glück 
Zum sichern Port, wo neue Rache winkt. 
Florentine., Sieh, Vater, sieh, wie sich der Himmel dunkelt, 
Ein Wetter ist im Anzug. Stolzer Mann, 
Vertrau’ den Wogen nicht in deinem Glücke, 
Anselmo, Sprich Tochter, fliehen wir? 
Florentine. Erst warten wir noch ab, 
Zu welchem Wege uns die unsern rathen, 
Sie kommen bald zurück, Ein kurzer Kampf 
Hält ihre rüst’gen Schritte länger auf, 
Als sie gedacht. 
(Es blitz häufig. — Musik.) 

Anselmo. Der Sturm wird schrecklich werden, 
Die Blitze leuchten schon. Der Herr sey denen gnädig 
Die schuldlos dort auf jenem Schiffe sind, 

Wenn sie nicht schnell zu unsern Hafen treiben , 
So mögen sie auf Gottes Gnade bauen, 
Denn klippenvoll ist dieses seichte Ufer. 
(Es donnert stark.) 
Und das Verderben lauert überall. 
Florentine, Der Donner rollt schon fürchterlich. 
(Musik.) 

Anselmo. Gott! Gott! 
Ist das ein Zeichen wider meinen Feind? 

Soll dass Gericht so furchtbar ihn ereilen ? — 
Doch still, Anselmo , still , frohlocke nicht. 

Ich hass’ ihn wie die Nacht und wie den Bösen — 
Im Kampfe most ich ihm entgegenstehn. 

Jetzt aber ist's ein armer sünd’ger Mensch, 

Den Gott mit seinem Strafgerichte heimsucht. 

Denn fürchterlich ist, was ihn jetzt bedroht, 


502 DAS FISCHERMADCHEN. 


Unvorbereitet aus dem Leben scheiden , 
Und untergehn in einer schlechten That. 
Florentine. Schon hat der Sturmwind grässlich sie gepackt , 
Er wirft sie an das grosse Felsenriff, — — 
(Hier sieht man das Schiff unter Blitz , Donner und Sturm scheitern.) 
RECITATIV, 


Florentine. Gott sey barmherzig ! 
Anselmo. ‚ Kind , er ist's, 
Florentine. O weh! 
Sie sitzen fest, sie kämpfen nur mit Müh’ 
Noch gegen Sturm und Fluth. — Die Unglücksel’gen I 
(Anselmo geht in den Hintergrund auf eine Anhöhe, um nach dem Schiffe zu 
sehen.) 
O könnt’ ich retten, wie das Herz verlangt, 
Und mögte lauter noch der Donner krachen, 
Ich wagt’ es doch in meinem kleinen Nachen. 


ARIE 


Gott der Güte, rette , rette 

Sie vom grässlichen Geschick! 

Nicht im tiefen Wogenbette 

Breche der verstörte Blick ! 

Aber umsonst ist mein heisses Flehen, 
Ich sehe sie stranden und untergehen. 
Der Strudel fasst sie mit neuer Wuth , 

Und über sie weg geht die die stürmende Fluth. 
Wohlan ! Will der Himmel die Rettung vollbringen, 
So kann’s auch dem schwachen Arme gelingen, 
Vater! — Gott wird barınherzig seyn. 

Vater leb’ wohl! Ich muss hinein. 
(Ab in den Kahn.) 

Anselmo. (schnell von der Anhühe herabkommend.) 
Florine, Mädchen ! Welch ein Geist treibt dich ? 
Bleib, bleib! — Umsonst, schon tragen sie die Wellen 
Ein einz’ger Schlag kann ihren Kahn zerschellen, 
Gott! Schütze mir mein Kind! Erhöre mich! — 
Sie lenkt den Nachen künstlich durch die Woren, 
Jetzt sch’ ich sie nicht mehr. Verwaister Vater ! 
Vor deinen Augen sank dein letztes Glück, — 

MELODRAM. 
Doch nein, da kommt sie muthig wieder vor, 
Sie bückt sie nieder, gleich als hülfe sie 
Dem Mcere sein geraubtes Gut entwenden. — 
(Musik.) 
Jetzt lenkt sie nach dem Ufer == rudert Kohn — 


EIN LYRISCHES DRAMA. 505 


Der Nachen fliegt durch die empörten Wellen. 
(Musik.) 
Florine , lebst du ? Ist’s kein täuschend Bild, 
Das dich noch einmal meinen Augen zeigt ? — 
Nein , nein, sie ist's. Auf und ihr entgegen! 
Solch eine Tochter, Himmel | welch ein Segen ! 


EILFTER AUFTRITT. 


ANSELMO, FLORENTINE, erscheint mit GREORIO im Rachen, 


Florentine, Kommt, alter Mann, wärmt Euch#in unsrer Hütte. 
Kalt ist das Meer, die lange Todesangst e 
Hat Euch entkräftet, Kommt, ich führe Euch. 

Anselmo. Florine, grosses Herz , in meine Arme ! 

Du machst mich stolzer als ganz Genua 

Mit allen Ehrentiteln je vermochte. 

Galvani mag mir Rahm und Grösse rauben , 
Der Eine Schatz wiegt seine Schätze auf. 

Gregorio. Was hör’ ich? Welche Stimme P Gott! wo bin ich? 

Anselmo. Ihr seyd bey armen Fischern von Lovano, 

Gregorio, Und Euer Name? 

Anselmo. Einst— Graf Lancia, 
Jetzt— Vater Anselm, doch ein glücklicher, 

Gregorio. Garf Laucia ! Ist's möglich ? 

Anselmo, Was ergreift Euch ? 

Florentino. Sprecht 

Gregorio, Und dieser Engel- der mich kühn gerettet ? 

Anselmo. Ist Florentine, meine einz’ge Tochter, 

Gregorio. So sclmettre Blitz, auf meine Brust herab , 
Ibr Wogen drängt euch über eure Ufer, 

Versinke Erde , wo der Frevler steht! — 

Wisst Ihr, wen ihr dem sichern Tod entrissen ? — 
Galvani war's, dein fürchterlicher Feind , 

Von dem Gericht des Himmels schwer getroffen , 
Als er auf neue Blutgedanken sann, 

Florentine. O meine Ahndung! 

Anselmo. Gott wie wunderbar ! 

Gregorio. Hier steh’ ich vor dir, Lancia, ergreife 
Den Dolch und stoss ihn nach dem Herzen. 

Ich bitte dich bey unserm ee Een Hass, 
Vernichte mich , verachte mich nur nicht I 

Anselmo. Gott hat in meine Hände dich gegeben ; 

Soll ich gemeiner denken als die Fluth, 
Die nicht mit deinem Tode sich besudelt ? 


504 DAS FISCHERMADCHEN. 


Geh’? eile fort nach Genua zurück , 
Wo dich die Pracht erwartet und das Glück. 
Dort steh'ts in deines Herzens tiefster Falte: 
Anselmo Lancia sey noch der Alte. 
Florentine, Ach, Vater, du bist grausam. 
Anselmo. «Bin ich das? 
Gregorio. Anselmo, waren wir nicht Waffenbrüder 
Und Freunde, ehe der unsel’ge 
Zwiespalt die jungen, wilden Herzen trennte ? 
Mein ganzer Hass liegt dunkel hinter mir, 
Und vor mir leuchtet jetzt ein holder Schimmer. — 
Sey wieder Freund mit mir! Komm, komm zurück! 
Ganz Genua empfängt dich im Triumphe. 
Du sollst erstehn in deinem alten Glanze, 
Mein Sohn Fernando liebte deine Tochter , 
Er war mit dir verschwunden, er ist hier, 
Lass dieses Bond den alten Hass versöhnen, 
Und Lancia und Galvani sey Ein Haus, 
Anselmo. Vergebens brauchst du deine glatten Worte, 
Ich traue nicht der schöngefleckten Schlange. 
Von Herzen gönn’ ich dir ein Genua, 
Ich bin beglückt in mener armen Hütte , 
Ich war’s und werd’ es künftig wieder seyn, 
Dein Sohn Fernando hat mich hintergangen ; 
Nichts mehr von ihm, 
Florentine, O lieber, guter Vater! 
Anselmo, Still, Kind , die Zeit wird diese Thränen trocknen. 
Florentine. Nein, diese Thränen nie. 
Gregorios Grausamer Mann ! 
Zu Boden trittst du den besiegten Feind, 
Schont deine Rache nicht dein einz’ges Kind ? 
Anselmo, Die Rede geb’ ich dir zurück. — Dein eignes Leben 
Hättst du für volle Rache hingegebon, 
TERZETT. 


Anselmo. Was mir unter Schmach und Qualen 
Tief sioh in die Brust gewühlt, 
Hat in milder Sonne Strahlen 
Nie der Giückliche gefühlt. 


Florentine., Glühend sind des Mannes Triebe, 
Kämpfend ohne Unterlass , 
Doch zuletzt besiegt die Liebe 
In der edlen Brust den Hass, 


Gregorio, Blickt er auch mich an mit Grauen, 
Hört er nicht der Tochter Flehn; — 


EIN LYRISCHES DRAMA. 505 


Seinem Herzen darf ich trauen — 
Dieser Groll wird nicht bestehn. 


Florentine., Vater kannst du nicht verzeihn ? 
Gregorio.. Kann dich nichts erweichen ? 
Anselmo, Nein, 

FLORENTI UND GREGORIO, 


Ach! er hat zu viel gelitten. N 


Unversöhnlich ist sein Herz. 
Dieser Augenblick der Rache 


Gilt ihm mehr als unser Schmerz. 
ANSELMO (für sich.) Zugleich. 


Nur umsonst sind Eure Worte, 

Doch der theuren Tochter Schmerz, 

Dringt bey allem Widerstreben 

Tief in mein verwundet Herz, S 

(Man hört aus der Entfernung einen Marsch,) 

Anselmo. Still, Mädchen, hörst du nicht den Siegesklang , 

Der aus dem Walde dort hinüberdringt? 
Florentine, Recht deutlich , Vater, "e sind die Unsrigen. 

Da kommt Franzesko. 


Anselmo, Er bringt gute Bothschaft, 


ZWÖLFTER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN, FRANZESKO, Nachher FERNANDO und die Fischer 


Franzesko. Sieg mit den Freunden unsers guten Vaters, 
Schmach und Verderben über die Galvani’s ! 
Anselmo, Still, Freund, und schmäche nicht, Was gabs? 
Franzesko, Wir trafen oben 
Am Walde auf die Genueser Reiter. 
Wie wüthend sprang der Ferdinand auf sie. 
Er hielt sich brav, als wie ein Rittersmann,, 
Wir andern halfen auch nach allen Kräften. 
So ward der Feinde stolze Macht zerstreut, 
Wir jagten sie bis an des Thales Grenzen, 
Und pflanzten dort ein Siegeszeichen auf. 
Jetzt kömmt Fernando mit der ganzen Schaar. 
Er hat sein Wort gehalten , wie er sprach. 
Hörst du, dort jauchzen sie dir schon entgegen, 


45 


506 DAS FISCHERMADCHEN. 


CHOR 
(Erst hinter der Bühne, dann auftretend.) 


FERNANDO, DIE FISCHER UND FISCHERINKNEN, 


Wir haben kämpft, $ Wir baben i 
Ihr habt nun A 8ekampft Ihr habt*nun A BEI: 


Ein Gott belohnt f kas H Wagen! 

Wa das Herz voraus in die Feinde fliegt, 

Da müssen die Schwerter schlagen ! 

Und geht es für Tugend , für Freyheit und Recht, 
So ist es kein Streit — , ’s ist ein Gottesgefecht. 


Fernando. Nun, Vater, du bist frey. Was ich versprach , 
Hab’ ich als Mann gehalten, Aber nun 
Gewähre mir auch diese kleine Bitte, 
Vergiss, das mich Galvani Sohn genannt, 
Ich habe keinen Vater mehr, als dich. 
Gregorio (der bisher seitwärts unbemerkt gestanden,) 
Halt ein, mein Sohn, zerreisse nicht ein Herz, 
Das mit der Liebe sich versöhnen wollte, 
Fernando, Wie ? Grosser Gott! mein Vater? 
Gregorio. Ja, dein Vater, 
Der unglücksel'ge, den der Sohn verschmäht. 
Sie jenen Engel, er hat mich gerettet, 
Mein Schiff ergriff der Sturm. An jenen Klippen 
Ward es zertrümmert, alles war verloren, 
Da schwamm sie her auf ihrem leichten Kahn, 
Und wagte kühn ihr Leben für das meine. — 
Florentine. O Vater, rührt dich nicht sein herzlich Wort, 
Nicht seines tapfern Sohnes Heldentugend ? 
Er hat dein Leben wunderbar beschützt , 
Wir lieben uns so innig und so treu, 
Geht denn der Hass nicht unter in der Liebe? 
Gregorio. Anselmo! Waffenbruder ! 
Fernando. Theurer Vater! 
Habt Ihr kein Ohr für Eurer Kinder Flehen ? 
Florentine. Kannst du der Tochter Glück der Rache opfern ? 
Du kannst es nicht, bey Gott du kannst es nicht. 
Anselmo. Ich bin besiegt. Kommt alle an mein Herz, 
Auch du, Gregor. — Wir bleiben Waffenbrüder , 
Und Eines Hauses engvereinte Glieder. 
(Die Fischer drängen sich um Anselmo, der von ihnen herzlich Abschied 


nimmt. — Abendroth. Helle Beleuchtung. Die Sonne geth unter in 
den Meeresfluthen, 


EIN LYRISCHES DRAMA. 507 


SCHLUSS-CHOR, 


Seht wie der Himmel sich entschleiert , 
Wie Luft und Meer den Frieden feyert, 
Der Euren alten Hass versöhnt, 
Die lange Winterstürme schweigen , 
Ein Frühling blüth auf allen Zweigen ; 
Der edle Dulder wird gekrönt, 

(Der Vorhang fallt.» 


DIE BERGKNAPPEN. 


EINE ROMANTISCHE OPER IN ZWEY ABTHEILUNGEN. 


——n— 


H 
PERSONEN. 
ALBERGA, die Geisterköniyin. RÖSCHEN, seine Tochter. 
RUNAL, der Geist des Feuers, KONRAD, ein Bergknappe. 
WELLA, eine Sylphe. SYLPHEN und BERGGEISTER, 


WALTHER , Steiger auf einem Berg- || BERGKNAPPEN und MÄDCHEN, 


gebäude. 

(Herr Musik-Director Helwig in Berlin hat diese Oper in Musik gesetzt, und 
hey ihm ist die Partitur dieser Composition zu haben, welche zur Auf» 
führung in Dresden berets gebraucht worden, und für das nene Theater 
in Berlin bestimmt ist.) 





ERSTE ABTHEILUNG. 


Morgen. Berggegend. Im Hintergrunde Berggebäude, 
mit dem Fahrschachte Rechts im Vordergrunde das 
Haus des Steigers. Man hört die Beryglocke läuten. 





ERSTER AUFTRITT. 


BERGKNAPPEN, unter denen KONRAD, treten vom allen Seiten mit 
ibren Werkzeugen herein, 


CHOR 


Gräsk auf! Glück auf! Glück auf! 
Der Tag ist schon herauf. 

Sey uns gegrüsst, du liebes Licht, 
Du lieber klarer Morgen. 

Wie’s freudig aus den Wolken bricht! 
Drum frisch und ohne Sorgen ! 

Denn fröhlich ist des Knappen Loos, 
In seiner Erde tiefem Schous, 

Da blüht die Freude auf! 

Glück auf, Glück auf, Gück auf! 


DIE BERGKNAPPEN. EINE ROMANTISCHE OPER. 509: 


Walther (aus dem Hause.) Glück auf ihr Knappen ! 
Alle (durch ein ander.) Viel Glück auf, Herr Steiger! 
"alther. Nun, seyd ihr alle fertig ? 
Conrad. Alle, Vater Walther. 
Walther. Ey, bist du auch schon da, du fröhlicher Gesell ? 
Aus dir kann ’mal ein tücht'ger Bergmann werden, 
Wenn du hinfort hübsch treu und fleissig bist, 
Wie du’s mit Ernst gar rühmlich angefangen, 
Gott segne dich auf deinen Bergmanns-Wegen! — 
Nun, wenn wir alle da sind, möchten wir, 
Eh’ wir zur schweren Arbeit rüstig geht, 
Nach altem guten Brauch und alter Weise, 
Den Herrn um Gnade flehn für diesen Tag, 
Dass er uns freundlich in der Grube sey, 
Und seine Engel für uns wachen lasse, 
Denn wohl gefährlich ist des Bergmanns Treiben, 
Und mancher fuhr früh morgens freudig aus, 
Denn wir zerschmettert Abends raufgezogen. — 
Drum betet leise zu dem höchsten Gott 
Und bittet ihn: auf euren dunklen Wegen 
Um seinen Schutz und seinen grossen Segen! 


GEBET. 
WALTHER, KONRAD UND DIE KNAPPEN, AUF DEN KNIEEN, 


Du heiliger Herr , der die Berge gemacht, 

Lass unser Mühen gelingen I 

Wir wollen deine verborgene Pracht 

Aus der Tiefe zu Tage bringen. 

Beschütz’ uns auf unsrer gefährlichen Bahn, 

Wir baben’s zu deiner Ehre gethan, 

(Nach beendigtem Gebete einige Augenblicke tiefe Stille , dann;) 

Walther. Und nun zum Tag’werk, treue Berggenossen ; 

Nun soll die Arbeit frisch und fröhlich munden, 


(Walther und die Bergknappen gehen in den Hintergrund , wo man das ganze rege 
Leben eines Berggebäudes sieht, Einige fahren an. Der Göpel fängt an zu 
gehen. Die Bergjungen laufen mit Körben hin und her u, s, w, Hierzu ist 
Musik so lange , bis alle, zum Schacht hineingefahren sind.) 





ZWEITER AUFTRITT. 


KONRAD, BALD DARAUF RBÖSCHEN. 
Konrad. Wie das auf einmal so lebendig wird, 
Und durch einander emsig webt und treibt! — 
’S geht doch bey Gott nichts über’s Bergmannsleben ! 


510 - DIE BERGKNAPFPEN, 


Ein jeder eilt mit frischem Muth zum Tag’werk , 

Und alles rührt so keck die fleiss’gen Hände, — 

’S ist eine Lust, den vollen Gang zu schaun. 

Nun ich mag auch nicht gerne müssig stehn, 

Doch‘ noch so lange muss die Arbeit warten, bé 
Bis ich dem Liebchen meinen Gruss gebracht. 


(Ruft in Walthers Haus,) 
Süss Liebchen bist du wach ? 
Röschen (inwendig.) 
Wart’, Konrad, komme gleich. 
Konrad. Ach ’s ist doch gar zu hold, soleh liebes Ding 
Im Arm zu balten , wie mein Röschen ist, 
Kein feinres Liebchen gibt's auf allen Bergen, 
Sie ist so engelsgut, so lieb und herzig ! — 
(ins Haus rufend :) 
Wird’s bald , treu Röschen ? 
Röschen (herauskommend.) Sieh, da bin ich schon! 
Konrad. Nun Gott zum Gruss, mein süsses holdes Lieb ! 
Röschen. Verzeih nur, dass ich dir so lange blieb , 
Doch hatt‘ ich für den Vater noch zu sorgen, 
Du weisst, der schafft gar viel am frühen Morgen ; 
Erst muss ich ihm die Milch zum Frühstück bringen , 
Und bey der Andacht dann ein Liedchen singen, 
Er sagt mir immer, ’s mache frohen Muth, 
Ich folg’ ihm gern , er ist ja gar zu gut. 
Konrad. Du liebes Kind! Ach was dein guter Vater 
Sich für ’ne liebe Blum’ erzogen hat , 
& Und wie er sie gepflegt und treu gewartet , \ 
Das sie zu Aller Freude blüht und prangt, 
Röschen, Hab’ ihn auch herzlich lieb, doch dass mir’s Gott verzeiht, 
Ich kenn’ ihn nun schon alle meine Zeit, 
Dich kenn’ ich erst ein Jahr , je ist wohl kaum darüber , 
Und hab dich auch so lieb, vielleicht noch lieber. 
Konrad. Du bist mein süsses, liebes, treues Röschen , 
Wie ich dir gut bin, ist dir keiner mehr. 
Röschet. Wenn ich nur immer, immer bey dir wär’! 
Ich fühle mich so frolı in deiner Nähe, 
Konrad. Und mir wird’s frisch und leicht, wenn ich Dich sehe. 


DUETT. 


Konrad, Ach wie klopft mit heissen Schlägen 
Dir dies volle Herz entgegen, 
Wenn mein Auge dich erblickt. 
Weinen möcht’ ich, wenn wir scheiden , 
Doch das Kommen , welche Freuden ! 


EINE ROMANTISCHE OPER. 
Ach wie fühl’ ich mich beglückt. 
Röschen. Weisst du noch den Fleck im Thale, 
“Wo ich dich zum erstenmale 
An dem Wege sitzen sah , 
Wie ich dich zum Vater brachte ; 
Und seit dem an dich nur dachte š 
Weisst du noch ? 

Konrad. Ja, Röschen , ja! — 
Kennst du wohl noch jene Bäume , 

Wo versenkt in süsse Träume 
Ich dich einsam sitzen sah ; 
Wie du mir mit stillem Beben 
Dort den ersten Kuss gegeben? — 
Kennst du sie! — 

Röschen. Ja, Lieber , Ja ! 

Beide. Welch ein Glück , geliebt zu werden, 
Glaube mir, dass nichts auf Erden , 
Nichts im Himmel drüber geht. 

Mag sich alles feindlich trennen , 
Wenn nur wir uns nicht verkennen , 
Wenn die Liebe nur besteht. 


_— 


DRITTER AUFTRITT, 


DIE VORIGEN, WALTHER, 


IFather. Ey was Gesell? ist das ’ne Knappenart, 
Wenn’s lange schon zur Frühschicht ausgeläutet,, 
Noch hier mit Dirnen sich herumzukosen ? 

Das Fäustel soll er in den Armen halten , 

Und nicht mein Mädel ; hört er's junger Fant ? 
Hab’ ihn wohl stolz gemacht mit meinem Lobe, 
Denkt, weil ich ihn ’nen fleiss’gen Knappen nannte, 
Er könnte lässig werden in der Arbeit. 

Ja, wart’ er nur, noch wär mir das zu zeitig, 

Da wär’ es mit dem Doppelhäuer nichts. 


Konrad, Ey, Vater Walther, seyd doch nicht so streng , 


Ich bring’ es doppelt ein, was ich versäumte , 

Mit Röschen war ich so in’s Plaudern kommen, 

Da hab’ ich an die Frühschicht nicht gedacht, 
Röschen. Der Vater meint’s gewiss auch nichs so bës, 
Walther. Was hat das Gänschen da hinein zu plappern ; 

Und ob ich's böse meine oder nicht, 

Für ein und allemal, es schickt sich schlecht 

Mit jungen Knappen Morgens an der Thür 


S511 


512 DIE BERGKNAPPEN. 
Die schöne Zeit unnöthig zu verschwatzen, * 
Da drin am Heerde ist dein rechter Platz, 
Und wenn ich’s zuliess, dass ihr junges Volk 7 
Euch liebt, weil ich für brav den Konrad halte, 
Und wenn ich eurer Bitte willig war, 
So müsst ihr auch mein Wort in Ehren halten, 
Und somit fort. Du, Konrad, in die Grube, 
Und du zum Heerd , damit du uns heut Mittag 
Was gutes in die Weitung bringen kannst, 
Denn dort gedenk’ ich meinen Tisch zu halten, 
Konrad. Hör’ Röschen, nimm dich ja in Acht beim Stoll’n. 
Ich möchte lieber dir entgegen gehn, 
Und dich bis in die sichre Weitung führen. 
Röschen. Ja, Konrad thu das doch! 
Walther, Ist gar nicht nöthig. 
Der Konrad mag bey seiner Arbeit bleiben , 
Du bist den Weg wohl hundertmal gegangen, 
Auch ist der Stollen trocken und gefahrlos, — 
Nun marsch zur Arbeit! — Soll das ewig dauern? 
Röschen. Leb’ wahl! 
Konrad. Leb’ wohl, und denk’ an mich süss Liebchen ! 
Walther. Das junge Volk ist doch ein wunderlicher Schlag! 
(Röschen ab ins Hause Walther und Konrad fahren an.) 


VIERTER AUFTRITT, 


(Grosse Felsenhalle, eine sogenannte Weitung. Im Hintergrunde der Fahre 
schacht, Man sieht überall Spuren thätiger Menschenhünde,) 


ALBERGA, RBRUNAL. WELLA., SYLPEN UND BERGGEISTER, 
(Alberga tritt erst nach dem Anfange des Chors auk) 


CHOR DER GEISTER. 


Sey uns wilkommen Osten und Westen 
Freundliche Königin ! Hat dir die Besten 
Yon deinen Treuen Zu deinen Füssen 
Jubelnd begrüsst. Willig gestellt, 
Freut euch ihr Berge, Vier Elemente 
Freut euch ihr Hallen, ‚Folgen behende, 
Freue dich Felsen , Regen die Hände, 
Der sie umschliesst. Wenn dire gefällt, 


RECITATIV. 


‚Alberga. Ich dank’ euch meine treue Geisterschaar , 
Ich dank’ euch Allen, die ihr hier erschienen , 


EINE UOMANTISCHER OPER. 513 


Die Königin mit Liedern zu begrüssen. 

Seyd meiner Gunst , seyd meiner Huld gewiss — 

Doch viel verändert find“ ich hier den Berg ; 

Seit ich zum letztenmale ihn besucht. 

Hier seh’ ich Spuren fleiss’ger Menschenhände , 

Hat sich der Mensch so tief zu’ euch gewagt, 

Dass er herabstieg in die Nacht der Felsen ? 
Runal. Wohl grub er sich verwegen seine Bahn , 

Leichtsinnig ward ihm unser Reich eröffnet , 

Und manch’ Geheimniss hat er schon entlockt, 

Ich sehe nun zu spät, was uns bedroht. 

Es ist der Mensch der Elemente Feind, 

Er ist mit der Natur im ew’gen Kampfe, — 

Darf’s dahin kommen dass der grosse Bau, 

Der durch ‘Aeonen siegend sich erhalten, 

Durch einen schwachen Menschenarm zertrümmre ? 
Alberga. Runal , sey ruhig! Was der grosse Wille 

Der über uns und jenem Volke wacht , 

Seit Ewigkeiten streng und .ernst beschlossen, 

Das mögen wir trotz aller Kraft nicht hindern, 

Doch ist der Mensch noch weit von seinem Ziele 

Das Wahre und das Inn’re kennt et nicht , 

Und was er fand, dass kann ihn nur verblenden. 

Unendlich ist das Räthsel der Natur , 

Verborgen selbst für uns, die mächt’gern Geister — 

Nur staunend ehren wir den höchsten Meister. 


ARIE. 


Es zieht um alle Lebensquellen 
Der ew’ge Wille seine Nacht. 
Mit Flammenschrift sie zu erhellen , 
Glüht dort umsonst der Sterne Pracht. 
Schau nur hinauf und schau hinunter, 
Wie dich ein endlos Meer umkreis’t, 
Sey ewig wie das ew’ge Wunder , 
Nur dann begreifst du diesen Geist. 
(Alle ab , ausser Runal.) 
Ki 





FUNFTER AUFTRITT. 


RUNAL (allein.) 
Wohl glaub’ ich’s gern, was mir Alberga sagt, 
Doch ist’s das nicht was mich sô heimlich quält, 
Dass ich nicht Rast und Ruhe weiss zu finden ; 
Ob jene arme Erdensöhnlein hier 


544 DIE BERGKNAPPEN. » 


In unserm Berg sich mühen oder nicht , 
Dass kann mir wohl gleichviel seyn, denk ich mir, 
Sobald ich will, kann ich sie all’ verderben, 
Jetzt.aber kenn’ ich nur den einzigen 
Den glühenden Gedanken meiner Liebe! 

\ CAVATINE, 


Du schönes Bild im vollen Reiz des Lebens , 

Du bist mein einzig Ziel, du fliehst vergebens | 
Dich muss ich mir erkämpfen , dich besitzen , 
Und wenn dich alle Erdenmächte schützen. (Ab:) 


SECHSTER AUFTRITT. 


DIE BERGKNAPPEN, unier ihnen WALTHER und KONRAD, 
fahren den Schacht hinunter; sie kommen mit ihren Grubenlichtern und Ge- 
zähe „ (Handwerkszeug) nach und nach in den Vordergrund, , 


(Musik, bis alles den Schacht hinunter gefahren ist,) 


Walther. Glück auf, Bergknappen, zu der fiühen Schicht ! 
Knappen, Glück auf! Glück auf! 
Walther. Nun Kinder, frisch zum Tagewerk. 
Ein jeder weiss den angewies’nen Ort 
Und was ihm ziemt, Das Fäustel hoch geschwungen, 
Dass sich das Eisen in die Felsen drängt, 
Und uns des Goldes reiche Adern öffnet. 

Macht g’sunde Schicht. 

Knappen, Will’s Gott, Herr Steiger ! 

(Die Knappen vertheilen sich; überall sieht man arbeiten, Es wird gefördert, 
Konrad arbeitet im Vordergrunde, Walther geht bey allen umher, und 
bleibt zuletzt bei Konrad stehn.) 

Konrad. ’S wird mir so wunderbar in diesen Bergen, 

So freudig und eo schauerlich zugleich, 

Die Felsen sind mir alte treue Ereunde, 

Ich-fühle mich der stummen Welt verwandt, 

Wie reich verschlungen sind die lichten Adern | 

Ein Goldgewebe schimmert durch die Berge, 

Von unbekannter, stiller Hand gewebt, e 

Wie's mich so freundlich anblickt und so sänft, 

Als wollt’ es mir ein heimlich Wort vertrauen 

Von seinem stillen wunderbaren Leben ; 

Und wie die Geister kräftig es umschweben, — 

In mir erwacht ein unbekanntes Sehnen 

So oft ich also vor dem Felsen sitze , 

Gleich muss ich an mein liebes Röscben denken, 

Und immer voller wird dass volle Herz. 


EINE ROMANTTSCHE OPER. 515 


Walther. Mir ist's auch so gegangen ! 

Konrad, Nicht wahr, Vater Walther ? 
Man träumt gar süss in diesen heil'gen Bergen , 
Flink geht die Arbeit von den rüst'gen Händen, 
Und Liebchens Bild ist hier und überall. 

Walther. Drum bleibt auch immer Kraft und Muth lebendig, 
Und was du anfängst, das gelingt dir gern. 


LIED, 


(Walther hört anfangs zu, bis Konrad ausgesungen, dann stimmt er mit ein.) 


Selig, selig, wenn die Liebe 
Still nach wunderbarer Weise 
Aus des Lebens buntem Kreise 
Sich zum Jünger auserwählt. 
Wie sich tausend schöne Triebe 
In dem Herzen still verbreiten ! 
Ach der Liebe Glück und Freuden 
Hat kein Sterblicher gezählt, 
Walther. Du singst ja recht erbaulich deine Weise , 
Dass er gar lieblich durch die Felsen klingt. 
Wer lehrte dich denn all’ die schönen Lieder ? 
Konrad. Wenn ich so einsam vor dem Felsen sitze, 
Da wird mir immer wunderbar zu Muthe, 
Und was mir denn in voller tiefer Brust 
Wie leise Ahnung durch die Seele weht, 
Das könnt’ ich nicht mit kaltem Worten nennen ; 
Da treibt es mich von selbst zu Reim und Sang , 
Und also komm’ ich denn zu meinen Liedern, 
Walther. Du wackerer Gesell ! Das wahre wohl, 
Denn eine Brust, wo Sang und Lieder hausen , 
Schliesst immer treu sich vor dem Schlechten zn, 


FINALE 


DIE MÄDCHEN (von weitem.) 


Freundlich zu dem lieben Ziele 
Wandern wir, dem Herzen.treu 
Ohne Furcht und ohne Scheu, 
Ist die Liebe mit im Spiele , 
Hat ja auch ein Mädehen Muth; 
. Ach was richt die Liebe thut ! 
Walther. Doch horch mein Sohn, hörst da nicht unsre Mädchen 

Mit ihren Liedern durch den Stollen ziehn ? 

Ja, ja, sie sind’s, ich sehe schon die Lichter. 

Macht Schicht, ihr Knappen, eure Mädchen kommen , 


D 


516 


DIE BERGKNAPPEN. 


Der Hunger will auch seine’ Rechte haben, 
Und nach dem Essen geht es frischer dran, 


(Freudige Bewegung unter den Koappen. Sie verlassen ihre Arbeit, und- kommen 


in den Vordergrund; Durch den Stollen sieht maa die Mädchen mit Grus 
benlichtern und Körben und Krügen kommen.) 





SIEBENTER AUFTRITT. 


DIE VORIGEN, RÖSCHEN MIT DEN MADCHEN, 
Knappen. Willkommen, willkommen in unsern Hallen, 
Willkommen im grossen felsigten Haus, » 
Wir hoffen, cs soll euch bey uns gefallen, 
Packt nur eure freundlichen Gaben aus. 
Mädchen Zwar nur geringe sind unsre Gaben , 
Doch soll’s genug für uns alle seyn. 
Die vollen Krüge sollen euch laben, ` 
Lasst uns nur schaffen , wir richten uns ein 
(Die Mädchen packen ihre Körbe ans und bestellen das Mahl,) 
Konrad. Wie war es mir so einsam hier unten, 
Wie oft hab’ ich nicht an dich gedacht ! 
Ich hab’ es in tiefer Seele empfunden , 
Das nur die Liebe glücklich macht, 
Röschen. Ach wie so langsam schlichen die Stunden, 
Seit ich heut früh dich one Herz gedrückt , 
Auch ich hab’s in tiefer Seele empfunden , 
Dass nur die Liebe den Menschen beglückt. 
Walther. Freut euch immer der herrlichen Stunden , 
Sterne sind’s in des Lebens Nacht, 
Heil dem, der’s Gef in der Seele empfunden , 
Dass nur Liebe glücklich macht, 
Alle Drei. Ist auch der Himmel oft düster und trübe, 
Kämpf im Leben wohl mancher Schmerz ; 
Bliebt uns Allen doch noch die Liebe; 
Glücklich allein ist das liebende Herz. 
Walther. Aber nun mögen wir länger nicht säumen , 
Seht, schon stehen die Krüge bereit, e 
Lasst uns ein fröhliches Ständchen verträumen , 
Freude thut Noth in der schlimmen Zeit. 


(Alles lagert sich in verschiedenen Gruppen.) 
Alle. Nichts ist doch dem Knappen lieber 
Als oe ächte Bergmannslust, 
Was geht wohl auf Erden drüber, 
Für ’ne volle Menschenbrust. 
Kuss und Hand darauf! 
Immer zu Glück auf! 


EINE ROMANTISCHE -OPER. 517 


Denn mit Liebe, Sang und Wein 
Muss der Knapp’ im Himmel seyn ! 
Röschen. Lieb’ Vater, Abr "wisst so ein schönes Lied 
Vom Knappen aus der Ferne. 
Ach wenn es euch nicht zu sehr bemüht ; 
Wir hörten’s alle so gerne, e 
Konrad. Ja, Vater singt! 


. Alle. Erst trinkt, erst trinkt! d 
Dann sich’s wohl tausendmal besser singt. 
e 


WALTHER (nachdem er getrunken.) 


Es kam ein Knapp’ aus fernem Land, 
Er kam aus Norden gezogen 
Er war im Gebirg’ mit Keinem verwandt, 
Doch waren ihm Alle gewogen, 
Ach armer Knappe, wie dauerst du mich, 
Viel böse Geister lauern auf dich! 
Alle. Ach armer Knappe, wie u. s. w. 
Walther, Einst sass er im tiefern Felsenschacht 
Und sang viel köstliche Reime, 
Und sah hinaus in die düstre Nacht, 
Und dachte aus Liebchen daheime, 
Ach armer Knappe, mich dauerst du sehr, 
Zum Liebchen kehrst du dich nimmermchr, 
Alle. Ach armer Knappe u. s, w. 
Walther. Auf einmal da wird’s ihm so eisig und kalt, 
Als sollt’ er nie wieder. erwarmen, 
Weit hinter sich sieht er ’ne dunkle Gestalt, 
Die fasst ihn mit langen Armen! — 
Ach armer Knappe, wie dauerst du mich ! 
Die bösen Geister umlagern dich, 
Alle, Ach armer Knappe u, s. w. 
Walther. Und somit ist mein, Liedchen aus, 
Wer weiss, was ihm weiter geschehen, 
Der Knapp’ fuhr nicht weiter zu Tage aus, 
IS hat keiner ihn wieder gesehen. 
Ach arme Knappe , wie dauerst du mich, 
Dort unter den Felsen ist's fürchterlich, 
Alle, Ach armer Knappe n. s. w. 


IS 
ES 
, 


518 DIE BERGKNATPEN. 


ACHTER AUFTRITT. 


RUNAL, DIE VORIGEN, 


RUNAL (noch ungesehen.) 
Da seh’ ich sie wieder, die schöne Maid, 
Und willst du dein Glück umarmen , 
So fass’ es mit kräftigen Armen, 
Jetzt, Runal, jetzt ist es Zeit, 
Konrad. "5 geht über’s Singen doch keine Lust. 
Rüschen, Mir ward bei dem Liede so eng um die Brust,- D 
Wär’ gern von der Weitung ferne! 
Walther. Und doch hörst du’s Liebchen so gerne. 
Röschen. Ach weil das Gewölbe so wiederhallt, 
Klingt's wunderbar in die Ohren, 
Runal, (stürzt hervor und ergreift Röschen.) 
Mein musst du seyn, du Himmelsgestalt ! 
Röschen. Ach helft mir, ich bin verloren } 
Alle, Der Berggeist ! 
Runal. Ich bin’s, drum zittert vor mir! 
Röschen. Ach rettet mich ! 
Konrad, Räuber, ich trotze dir! 
Für Röschen Kämpf" ich mit Riesenmuth. 
Sieh Frevler, dass Liebe noch Wunder thut! 


(Er stürzt auf Runal los.) 

RUNAL (schleudert ihm Feuer entgegen, Konrad sinkt leblos nieder.) 
Vergeb'ne Müh’, die Dirne bleibt mein. e 
Wer mit mir kämpft, muss unsterblich seyn, 

(Er versinkt mit Röschen, Flammen fahren nach ihm auf.) 
Alle. Welche Stunde voll Entsetzen ! 
Wild verzweifelnd schlägt das Herz : 
Welch ein Wechsel der Gefühle , 
Von der Lust zum tiefsten Schmerz | 
(Der Vorhang fällt.) 





ZWEITE ABTHEILUNG. 


ERSTER AUFTRITT. 


(ALBERGA und ihr Gefolge aus SYL5 HEN bestehend ‚„ worunter WELLA, 
in einer anmuthigen Waldgegend, in Hintergrunde ein Teich.) 
CHOR DER GEISTER 


Flüstert ihr Winde, viel liebliche Träume , 
Fröhlicher walle, du silberner Teich , 


EINE ROMANTISCHE OPER. "519 


Duftet ihr Blumen , rauschet ihr Bäume , 

Denn eure Königin ruht unter euch. 

Frühling, wehe ihr freundlich entgegen , 

Schmücke dich festlich , stille Natur 

Schmücke mit Rosen die heilige Spur, 

Alberga. Dank euch für eure freundlichen Lieder , 

Sie ziehen mich bald wieder zu euch her, 

Ich scheide ungern , doch gern komm’ ich wieder ; 

Der Liebe vergess ich nimmermehr. 

Wohl lieblich rauschen die hohen Bäume, 

Es flüstern die Winde, die Blume blüht, 

Und bald versink’ ich in schöne Träume, — 

Auch singt mir noch einmal das freundliche Lied! 
Chor. Flüstert ihr Winde u. s. w. i 
Alberga, Denn oft ergötzen auch uns nur Träume , ? Zugleich, 

Sind wir die Höchsten auch unter euch ! 

Auch wir bedauern zerstörte Keime , 

Auch- wir sind an Wünschen und Hoffen reich. 

Wir wandern auf höhern , helleren Wegen , 

Doch oft vergeblicher Sehnsucht entgegen, 

Das grosse Gesetz der ganze Natur, 

Wir geben’s nicht, wir gehorchen nur, 


REZITATIV, 
ALBERGA (nach einer Pause, in welcher sie in Gedanken verloren scheint.) 


Wer schleicht dort durch den Wald, wie still verzweifelnd 

Verstört und bleich das schöne junge Antlitz, 

Die Schritte wankend, wie ein matter Greis ? 

Er ist's — es ist der Jüngling,, den ihr kennt. 

Ihm raubte Runal freventlich die Braut , 

Und störte Menschenglück mit frecher Hand, 

Das soll er mir mit schwerer Strafe büssen, 

Doch still! — der Knappe kommt. Jetzt mag er hier 

Noch einmal ungestört sein Leiden klagen , 

Bald wird seia Herz voll süsser Hoffnung schlagen. 
(Sie zieht sich mit ihrem Gefolge zurück.) 


ZWEITER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN. KONRAD (kommt bleich und verstört aus dem Walde.) 


Konrad. So ganz vernichtet, ganz! Mit einemmal 
Der volle Himmel grausam mir zerstört , 
Den mir die Zukunft freundlich zugesprochen, we 
Mein armes Röschen! Theures, süsses Kind | 


520 DIE BERGKNAPPEN. 


Auf dieser Erde war für uns kein Hoffen, 
Auf dieser Erde war kein Glück für uns! 

Kein Hoffen und kein Trost ist mir geblieben, 
Mein Sehnen geht zu jener Welt hinauf! 


CAVYATINE UND DUETT. 


Hier kenn’ ich nur den Schmerz, dort drüben , 

Und nicht auf Erden ist mein Lieben ! — 

Welt! fahre wohl! Ihr Fluthen nehmt mich auf! 

(Er will sich in Theich stürzen.) 

Alberga {tritt ihm entgegen.) 

Zurück! was suchst du in den Wogen? 

Dis Hoffnung lebt, zurück, zurück ! 

Dich hat ein falscher Wahn betrogen, 

Vertraue mir, ich will dein Glück ! 


Konrad. Wer bist du, wunderbares Wesen, 
Mich fesselnd an des Lebens Rand ? 
Hast du in meiner Brust gelesen, 
Bist du zur Retterin gesandt ? 


Alberga. Erkenne, Jüngling, deine Meister, 
Mit Freuden segne dein Geschick. 
Ich bin die Königin der Geister, 
Und lenke gern der Menschen Glück! 


Konrad (auf den Knicen.) 
O grosse Königin! vergebeus 
Ist jeder Trost für meinen Schmerz, 
Ach ! schon am Ziele meines Strebens , 
Bricht ohne Hoffnung jetzt mein Herz. 


Alberga. Ich halte dir, was ich geschworen, 
Dem Zweifel will ich gern verzeihn, 
Dein Röschen ist dir nicht verloren, 
Du selbst sollst ihr Erretter seyn ! 


Konrad. Wie? Röschen ist mir nicht verloren , 
Und ich soll ihr Erretter seyn ? 


Beide. Gross und siegend bricht die Freude 
Ihm 
Mir 
Au Ce L Hoten, all zZ ? Streben 

meja mein 


War verzweifelnd aufgegeben , 


R in's volle Herz hinein. 


EINE ROMANTISCHE OPER. 52 


ich soll 
Und das Glück ist wieder ‚ser 


mein. 


d 
Doch } a solls ? gerettet seyn , 


Alberga. Nun schnell in eure Höhlen wieder, 
Dir folgen freudig deine Brüder, 
Und in der Berge tiefsten Gründen, 
Da magst du die Geliebte finden. 
Die Felsen weichen deiner Hand, 
Die Königin hat dich gesandt ! 


Konrad. Mein Entzücken kennt keine Schranken , 
Die letzte Fessel zerreist ; 
Wie soll ich dir lohnen und danken, 
Du guter, du himmlischer Geist! 


Beide. Gross und siegend bricht die Freude u, s. w. 
(Ab auf verschiedenen Seiten.) 


DRITTER AUFTRITT. 


(Das Theater verwandelt sich in die Dekoration vom ersten Auftritte der ersten 
Abtheilung. Walther mit den Knappen und Mädchen, Sie setzen sich in 
verschiedene Gruppen traurig und weinend , rings herum auf das Bauholz, 
Walther bleibt im Vordergrunde.) 


Walther. Ihr guten Leute, weint doch nicht so sehr, 
Ich alter Mann muss sonst vor Gram noch sterben, 
War doch so glücklich, so ein reicher Vater, 

Wie noch mein Röschen blühend vor mir stand, 
Nun hat der arge Sturmwind es gebrochen , 

Ich hatt’ es doch so lange treu geschützt. — 
Hab’ keinen Schritt mehr in. das Grab zu thun, 
Schon öde, wie das Grab ist meine Wohnung. 
Mit Röschen bin auch ich dahingegangen. 

“Ach! Röschen, Röschen | ach mein armes Kind! 





VIERTER AUFTRITT. 


DIE VORIGEN. KONRAD, 
Konrad. Ruft nicht verzweifelnd unsers Röschen’s Namen , 
Ich bringe Trost! Verstummt mit euren Klagen, 
Ich Ueberseliger , ich bring euch Trost. 
Die Freude kehrt auf’s neu’ in unsre Kreise, 
Denn Röschen lebt, und retten soll ich sie. 


522 DIE BERGKNAPPEN. 


Fragt mich nicht lange wie, und wo — mir selber 
Ist's wie ein Traum , doch soll’s zur Wahrheit werden! 
Walther, Sie lebt! sie lebt! sie soll mir wiederkehren ! 
O , sag’ mir Konrad, welch ein Engel hat 
Die Himmelsbotschaft dir in’s Herz geflüstert , 
Die mich Verzweifelnden in's Leben ruft! — 
Konrad, Lasst mich erzählen, wenn das Werk vollbracht, 
Wenn sie gerettet uns am Herzen liegt. 
Nur so viel jetzt; ein Wessen bess’rer Welten , 
Fee oder Engel , wie ihr’s nennen wollt, 
Ist mir in jenem Walde dort erschienen , 
Verhies mir, dass ich Röschen wiederfinden , 
Dass ich aus Räubers Macht sie retten sollte, 
In einer Höhle unfern uns’rer Weitung, 
Da hält der freche Räuber sie verborgen ; 
Doch seine Felsen weichen unsrer Hand, 
Denn eine Grössere hat uns gesandt ! 
Walther. So eil’ dich, Sohn, hinab in unsre Berge, 
Dein Röschen wartet auf den treuen Freund. 
o bring” ihr Rettung aus verhassten Ketten, 
O bring’ ihr Hülfe in der höchsten Noth ! 


ARIE MIT CHOR, 


Konrad. Hinab, hinab in unsre Berge, 


Wo die Geliebte schmachten muss. 

Uns helfen gute Geister droben , 

Drum muthig eure Faust gehoben ; 
Bringt ihr der Rettung Himmelsgruss] — 
Ach wüsstest du in deinem Kerker , 

Wie Liebe alles für dich that. 

In freche Räubersmacht gegeben , 
Verzweifelst du an Glück und Leben, 
Nicht ahnend , dass die Rettung naht. — 
Doch siegend soll sie dich begrüssen , 
Die Liebe kommt, die Hülfe naht. — 
Wie ? Röschen schmachtet noch in Ketten ? 
Auf, lasst uns eilen, sie zu retten , 

Auf Brüder , auf zur schönsten That ! 


CHOR DER BERGKNAPPEN, 


Wie ? Röschen schmachtet u, s. we 
(Alle ab, Die Knappen fahren an.) 


EINE ROMANTIS-CHE OPER. 525 


FUNFTER AUFTRITT. 


(Eine kleinere Höhle, als wie im ersten Act.) 
RUNAL und RÖSCHEN. RöüSCHEN (setzt sich weinend auf ein Felsenstück.) 


Runal, Kann dich denn nicht der Liebe heisses Wort, 
Die tiefe Sehnsucht meiner Brust bewegen , 
Und hast du kein Gefühl für mich als Hass ? 
Sieh , ich bin dieses Berges Fürst und Herr, 
Bin einer von den vorgezognen Geistern , 
Die frischer Jugend ewig sich erfreun, 
Und tief sehn in das Räthsel der Natur. e 
Das heil'ge Feuer ist mein grosses Reich, 
Und glühend wie ein heisses Element, 
So ist das Herz und seine volle Liebe , 
So bet’ ich dich aus tiefer Seele an. 
Mit meinem Glücke will ich dich begaben , 
In ew’ger Jugend sollst du blühn wie ich; 
Viel hundert Geister sollen treu dir dienen , 
Du nennst dich künftig Herrin dieses Berg's, 
Und alle seine Pracht soll dir gehören I 
Du schweigst? — Wie? bin ich keiner Antwort werth ? 
Und kann denn nichts in dieser schönen Brust 
Das Bild des armen Sterblichen vernichten , 
Das zwischen mir und meinem Glücke steht ? 
Röschen. YVerräther , schmähe nicht den theuren Namen, 
Der mir im Herzen ewig bleiben soll. 
Ein Blick von ihm wiegt alle Schätze auf, 
Die du und deine Geister bieten können, 
Willst du ein Herz mit Golde überwiegen, 
Und Licbe kaufen mit dem Glanz der Macht ? 
Nein , armer Geist, du fehlst in deiner Rechnung, 
Ein liebend Herz ist nicht um Schätze feil, 
Denn Liebe nur kann um die Lieben werben. 
Und so bist du mir ewig der Verhasste , 
Und ewig theuer bleibt ner Andre mir. 
Runal. Nun, willst du nicht auf sanfte Bitten hören, 
So sollst du zittern vor des Geistes Zorn, 
Ich will dich quälen, bis du den Verhassten 
Auf deinen Knieen um Erbarmen flehst. 
Den Buhlen will ich auf der schwanken Fahrt 
Mit raschem Stosse in den Abgrund stürzen, 
All’ dein Geschlecht, es soll vernichtet seyn, 
Denn keine Schranken kenn’ ich, wenn ich hasse , 
Austoben will ich den gewalt'gen Schmerz , 
Verliöhnter Liebe ihre Opfer bringen, — 


524 DIE BERGKNAPPEN. 


Nur zwei Gefühle hab’ ich in der Brust, 

Hass oder Liebe, beide ohne Grenzen , 

Und wie ich dich jetzt glühend lieben kann , 
Und alles bieten mag für deine Liebe , 

So wüthend ist mein Hass, wenn du mich höhnst. 
Noch ist mein Herz nie ungerächt geblieben, 
Nun wähle! Soll ich hassen oder lieben ? 


DUETT, 


Röschen. Drohn und Bitten ist vergebens, 

Liebe hält, was sie verspricht, 

Bis zum letzten Hauch des Lebens 

Brech’ ich meine Treue nicht, 

Runal. Wag es es nicht, mich zu verhöhnen ; 

Kennst du meines Zornes Macht ? 

Reue kann ihn nicht versöhnen ; 

Was er brütet, wird vollbracht, 

Sprich, willst du noch widerstreben ? 
Röschen. Ewig bleibst du mir verhasst ! 
Runal. Nun, so sollst du vor mir beben. 
Röschen, Liebe hat mir Muth gegeben, 

Wüthe nur, ich bin gefasst, 

Beyde. Welch ein Toben hier im Herzen , 

Welche stürmenden Gefühle 

In der qualzerrissnen Brust! 

Ach, so nahe schen am Ziele, 

Und nun all der Liebe Schmerzen 

Für des Lebens schönste Lust. 


— 


SECHSTER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN, WELLA, 


Wella, Mich sendet unsre grosse Königin , 
Und lässt dich jetzt zu ihr hinauf entbieten. 
Doch magst du keinen Augenblick verweilen , 
Denn ungeduldig wartet dein die Herrin, 
Drum folge mir. — 

Runal. Sogleich, ich zaudre nicht. — (Bei Seite.) 
Was ist der Fürstin , dass sie mich so schnell 
Zu sich entbieten lässt? Hat sie den Raub 
Vernommen ? Wär’ ich vor ihr angeklagt? 

Röschen (bei Seite) Was mag der Geisterruf bedeuten ? 
Bestürzt und zaudernd steht der Berggeist da, 
Wär’ es wohl Rettung ? 


EINE -ROMANTISCHE OPER. 29 


Wella (leise zu Röschen.) 
Hoffe nur! du darfst ! 
Dein Retter naht; er wird dir bald erscheinen, 
Röschen (leise) O goldne Hoffnung, kehrst du freudig wieder, 
Die ich verloren gab in meinem Schmerz ? 
Wella. Du weilst noch, Runal ? auf und folge mir, 
Du hörst es , dass die Königin dein wartet ; 
Was hält dich ab, was stehst du zaudernd da ? 


TERZETT, 


Runal. Nein, ich darf nicht länger weilen , 
Wella , sich, ich folge dir | 
Wella. Nun wohlan , so lass uns eilen, DR 
Runal komm, und folge mir. 
Röschen. Warum mag er doch verweilen ? 
Ach ich wünscht’ ihu weit von hier. 
Wella. Doch du zauderst ja noch immer. 
Runal. Ach, ich mach’ es nur noch schlimmer, 
Röschen. Hoffnung, lass mir deinen Schimmer . 
Wella. Nun, so geh’ ich denn allein, 
Runal. Wella, nein, dies darf nicht seyn | 
Röschen Doch wird Rettung möglich seyn ? 
Wella (zu Röschen.) 
Freue dich der Hoffnung wieder, 
Fürchte nichts, dein Retter lebt; 
Drückt dich auch der „Zweifel nieder , 
Wenn der Muth dich nur erhebt. 
Röschen. “Weh! der Freche zaudert wieder. — 
O, du hast mich neu belebt, 
Doch der Zweifel dıückt mich nieder, 
Wenn die Hoffnung mich erhebt, 
Runal’ (für sich Röschen betrachtend , zugleich mit Beyden.) 
Sieh ! ihr beben alle Glieder , 
Da sie Muth zu heucheln strebt, A 
Mehr noch drückt die Furcht sie nieder , 
Als die Hoffnung sie erhebt. 
Nein , ich darf nicht länger weilen, 
Wella sieh , ich folge dir | 
Wella. Nun wohlan u, s, w. ës 
Röschen. Warum mag er u. s. w. } Rn 
Alle Drei. Was die Zukunft bringen mag, 
Nur Geduld, bald wird es Tag! 
(Alle ab zu verscheidenen Seiten.) 


Zugleich, 


526 DIE BERGKNAPPEN. 


(Bey der Aufführung in Dresden ist hier folgende ARIE von fremder Hand ein- 
gelegt worden.) 

Röschen, Auf der Ungewissheit Wogen 

Schwankt mein Herz in bangem Zagen , 

Bald zur Sonn’ hinaufgetragen , 

Doch im harten Widerstreit , 

Weiss ich nicht, wer Rettung beut. 

Liebe, ja, dir soll vertrauen : 
i leines Herzens fester Muth , 

Auf zu dir will froh ich schauen , 

Du, des Daseyns höchstes Gut. 

Wenn mich alles will verlassen , 

Jede Stätze schwankt und bricht; 

Will ich deine Hand noch fassen , 

Den wer liebt, verzaget nicht. 

(Röschen ab.) 





SIEBENTER AUFTRITT. 
(Die Weitung, wiein dem letzten Auftritt der ersten Abtheilung.) 


WALTHER, KONRAD UND DIE KNAPPEN (fahren den Schacht hie 
nab , mit Grubenlichtern und Gezähe, und kommen in den Vordergrund.) 


Konrad. Wir sind zur Stelle, wackre Berggenossen , 
Und wie die Geisteskönigin verhiess, 
So müssen wir hier jene Höhle finden, + 
Wo mir ein edles. Erz verborgen liegt, 
Als ich mir je aus diesem Berg gewonnen. 
Walther. Auf, wackre Knappen, schwingt die Fäustel hoch , 
Uud lasst sie fall’n auf diese Felsenwände , 
So spüren wir das Nest des Räubers aus! 
Denn leicht mag es ein Bergmaunsohr ergründen , 
Wo eine Höhle seyn kann im Gebirg. 
A (Er schlägt an einen Felsen.) 
Horch , da klingt’s hohl, recht hohl, ’s geht auch ’ne Kluft, 
Ganz seiger durch die hohle Felsenwand. 
Konrad. Ach, Vater, lasst mich sehn.. Gewiss, gewiss, 
Hier ist der Zugang zu des Räubers Höhle, 
Die Ahndung sagt es mir in meiner Brusst, 
¿Ruft in die Spalte:) 
Röschen! 
FINALE, 
Treuliebes Röschen! hörst du meine Stimme. ? 
Röschen. (von innen.) 
Ich höre dich , ich höre dich , 


EINE ROMANTISCHE OPER. 527 
Komm , löse meine Ketten. 
Befreye mich , befreye mich, 
Jetzt kannst du mich noch retten. 
Konrad. Ich folge dir , ich folge dir, 
Und bist du noch zu retten, 
Vertraue mir , vertraue mir, 
Ich löse deine Ketten, 
Ihr Knappen auf, frisch an und drauf, 
Die Fäustel hoch geschwungen 
Die Wand muss auf, Glück auf, Glück auf, 
Nur keck hineingedrungen 
Alle. Glück auf, Glück auf, 
Die Wand muss auf, 
Und läg’ die ganze Erde drauf, 
Der Berg wird doch bezwungen. 
(Sie arbeiten heftig an der Wand.) 


KONRAD UND WALTHER, 
Der Felsen bricht, die Mauer sinkt, 
Glück auf, die gute That gelingt, 
Setzt eure leteten Kräfte ein, 
Denn Röschen soll gerettet seyn ! 
Alle. Ja Röschen soll gerettet seyn! 


WALTHER UND KONRAD, 


Da stürzt die Wand} Der Berg ist auf. 
Die Rettung naht ! 


Alle . Glück auf, Glück auf! 
(Konrad stürzt durch die Oeffaung in die Höhle, und äert Röschen auf den Armen 
heraus.) ‘ 


RÖSCHEN, KONRAD UND WALTHER, 


Bin ich euch 
Bist du uns 
SE sie ? der Liebe zurück ? 
Sind es nur Träume vom Leben, 
Ist es denn Wahrheit, dies Glück ? 
Röschen. Ach wie so selig an eurer Seite , 
Fühl’ ich die Freyheit in meiner Brust ; 
Kaum ertrag’ ich die Fülle der Freude , 
Zu gross, zu unendlich ist diese Lust. 
Konrad. Sieh, da kommen die treuen Mädchen, 
Dich zu begrüssen mit festlichem Lied, 
Rosen bringen sie mit und Kränze, 
Nar für die Liebe aufgeblüht, 


) wiedergegeben , 


528 DIE BERGKNAPPEN. 


CHOR DER MADCHEN, 
(die durch den Stollen daherziehn.) 


Sey uns willkommen im Kreise des Lebens , 
Liebliche Schwester , blühende Braut! 
š Sieh , wir flochten den Kranz nicht vergebens 
Glücklich , wer seiner Liebe vertraut, 
Röschen. Dank euch ihr Schwestern , Dank euch allen , 
Die ihr den freundlichen Kreis um mich zieht ; 
Wenn alle Töne im Leben verhallen , 
Mir klingt doch im Herzen dies treue Lied. 
Walther. (indem er Röschen den Kranz aufsetzt.) 
Wohl flochten die Schwestern den Kranz nicht vergebens, 
Der Vater begrüsst dich als Konrad’s Braut, 
Zieht fröhlich.hin durch die Stürme des Lebeus , 
Wohl euch, ihr habt der Liebe vertraut. 


RÖSCHEN UND KONRAD 


Ach Vater, so gebt uns eurem Segen! 
Walther, Der Herr sey mit euch auf euren Wegen! 
(Lange Pause, dann ) 


RÖSCHEN, KONRAD UND WALTHER, 


'elch ein Augenblick der Freude, 
r Welchsel, welches Glück | 


siegt; nacl angem Streite 
Se, der Frie zurück! 
dÉ au elch ein Atgenblick u. s. w. 


x Sh... AUFTRITT. 


DIE VORIGEN, RUNAL ugitt aus der Felsenöffnung.) 






Runal, Wie, meine Höhle ist erbrochen , 
Und die Geliebte ist geraubt ? 
Das werde fürchterlich gerochen , 
Den Frevel hätt’ ich nicht geglaubt, 
(tritt hervor.) 
~ Verwegne , wäs habt ibr begangen, 
. Das sollt ihr büssen mit grässlicher Pein , 
In meinen Bergen seyd ihr gefangen, 
Gebt das Mädchen zurück, die Dirne ist mein. 
Konrad. Das Mädchen ist mir und der Liebe treu A 
Wir sind nicht gefangen — wir sind frey | 
Röschen. Und magst du uns auch all’ verderben , 
Wir werden uns lieben und sterben, 


EINE RCMANTISCHE“ OPER. u 


Alle. Ja, wir sind frey, und wissen zu sterben. 
Runal, Ihr wollt noch trotzen, und höhnt meine Wuth, 
Nun , so verschlinge sie , feurige Gluth ! 
(Von allen Seiten stürzt und regnet’s Feuer nach gewaltigem Donner auf die Berg- 
leute und ıhre Mädchen, Sie fallen auf die Kniee und bilden so betend eine 


= 
grosse Gruppe.) 


ALLE BERGLEUTE UND MADCHEN, e 


Welche Gluthen , welche Flammen, 
Schlagen über uns zusammen, 
Hör’ uns Gott in unsrer Noth! Zuyleich mit 
Nimm uns auf in deine Arme, Runal. 
Unsrer Seelen dich erbarme, 
Rett uns, rett uns, Herr und Gott! 
Runal. Immer höher schlagt ihr Flammen 
Ueber diese Brut zusammen , 
Tausendfach sey jeder Tod. Zugleich mit den 
Ihr verschmähtet mein Erbarmen , Bergleuten. 
Könnt nun recht in Lieb’ erwarmen , 
Und nun spott’ ich eurer Noth. 


— 


NEUNTER AUFTRITT. 

(Ein heftiger Blitz und Donnerschlig , ‚lie Höhle spaltet sich oben, man sieht den 
freyen Himmel , und Alberga schwebt auf einer Wolke mit ihren Sylpen durch 
die Luft.) 

Alberga (noch in der Luft schwebend.) 

Für euch ist Rettung bereit , 

Frevler , du bist gerichtet — 

Das Werk deiner Wuth sey vernichtet , 
Die Königin gebeut, 

Runal, Das Element weicht der höheren Macht, 

Empfange den Sohn , allgewaltige Nacht, 
(Er versinkt unter Flammen und Donner, 
Alberga. Wie jetzt die Herrin zu begrüssen, 
Der Himmel freundlich sich verklärt, 
So mögen eure Stunden fliessen , 
Bis ihr der bessern Welt. gehört. 


(Während dieser Worte schwebt sie schon langsam empor , dach so, dass man sie 
bis zum Schlusse sehen kann.) 


Alle (auf den Knieen,) 
Du kannst in usern Augen lesen, 
Wie jede Seele still dich preisst ! 
Fahr’ wohl, fahr wohl, du höh’res Wesen , 
Fahr’ ewig wohl, du guter Geist, 
(Der Vorhang füllt.) 


DER VIERJÄHRIGE POSTEN. 


Dr 


EIN SINGSPIEL IN EINEM AUFZUGE. 


"EE Ek tegen 


PERSONEN, 
DER GENERAL, DUVAL, ehemals Soldat. 
DER HAUPTMANN, VEIT, ein Bauer, 
WALTHER, Dorfrichter. Soldaten, Bauern und Bänue- 
KATACHEN, seine Tochter, ver- rinnen. 


heirathet an 


(Div Handlung spielt in einem deutschen Grenzdorfe.) 


m 


(Die Absicht des Dichters war, dass dieses Singspiel durch- 
gängig wie ein Finale componirt werden sollte. Auf diese 
Art ist es in Wien von dem verstorbenen Steinacker in Musik 
geselzt, und auf dem dortigen Theater aufgeführt worden.) 


— 


ERSTER AUFTRITT. 


Freier Platz im Dorfe, Links Waliher’s Haus » rechts ein Hügel. Weite Aussicht 
in die Ferne, 


. D . 
WALTHER, DUVAL, KATHCHEN, BAUERN UND BAURINNEN 
(kommen zur Feldarbeit gerüstet aus Walther's Haus.) 


Chor. Heiter strahlt der neue Morgen, 
Luft und Himmel webt sich klar, 
Und der Tag verscheucht die Sorgen , 
Die die dunkle Nacht gebar. 
WALTHER, DUVAL, RATHCHEN, 
Draussen stürmt das Kriegsgetümmel 
Durch die seufzende Natur, 
Aber friedlieh liegt der Himmel 
Ueber unsrer stillen Flur, 
Chor. Draussen stürmt das u, s w. 


DER VIERJAHRIGE POSTEN. EIN SINGSPIEL. 551 


Walther. Frisch zur Arbeit! auf dem Felde 
Sey das Tagewerk vertheilt. 
Wohl dem, der die Saat bestellte, 
Eh’ der Krieg ihn übereilt, 
Chor, Frisch zur Arbeit! u. s. w. 
(Walther mit den Bauern ab.) 


—— 


ZWEITER AUFTRITT. 


KATHCHEN, DUVAL 


Käthchen. Ach lieber Mann, du bist so geschäflig, 
Verweile doch nur ein wenig bey mir, 
Wir sind jetzt so gar selten beysammen, 
Und das liegt doch nur immer an dir. 
Düval. Du gutes Weib! kann ich es ändern ? 
Ich wäre freylich licber bey dir; 
Doch soll ich dem Vater die Arbeit lassen ? 
Im Geiste bin ich ja immer hier. 
Käthchen. Nun sind es vier Jahre schon, das wir uns lieben, 
Und seit zwey Jahren sind wir vermähle ! 

Aber mir ist es hier im Herzen geblieben , 

Als hätt ich dich erst gestern gewählt, 
Düval. Wie hat mich die kurze Zeit verwandelt! 

Als ich noch im Regimente war, 

Da wurde mir’s wohl im lust’gen Getümmel, 

Ich freute mich immer auf Kampf und Gefahr ; 

Denn damals hatt’ ich nichts zu verlieren, 

Doch seit mich zu dir das Schicksal trieb, 

Da ist mir die wilde Lust vergangen, 

Da hab’ ich auch mich und mein Leben lieb, 
Käthchen. Du guter Heinrich ! bk 
Düval. Mein süsses Kind ! 
Beide. Ach, was wir beide doch glücklich sind! 

Nein, es lässt sich nicht erzählen , 
Diese stille Lust der Seelen, 

Die heitre Seligkeit! 
Unter freundlichem Gekose , 
Der Natur im blüh’nden Schoose , 

Eilt sie fort die gold’ne Zeit, 
Doch für Herzen, die sich lieben, 
Ist das Leben jung geblieben , 

Ist der Himmel nicht mehr weit! 


— 


H 


552 DER VIERJAURIGE POSTEN. 


DRITTER AUFTRITT, 
VORIGE. WALTHER (athemlos.) 


Walther, Kinder! erschreckt nicht! Ihr musst Euch fassen, 
Käthchen. 
Düval. 
Walther, Ach, es wimmelt auf allen Strassen ! 
Kinder! die Feinde rücken ein. 
Wir glaubten sie lange noch nicht in der Nähe, 
Doch wie ich jetzt dort hinüber sehe , 
Da kommt ein ganzer Soldatenhaufen 
Grad’ auf uns zu. — Wie bin ich gelaufen ! 
Ach! wenn sie dich finden , lieber Sohn, 
Um dich ist’s geschehn , dass weiss ich schon , 
Denn wie sie uns vor vier Jahren verliessen , 
Da bliebst du heimlich bey uns als Knecht, 
Der Tochter wegen! Das musst du büssen , 
Sie üben das alte Soldatenrecht, 
Es hilft nicht einmal dich loszukaufen, 
Ach gern gäb’ ich alles für meinen Sohn , 
Du bist ihnen aber davon gelaufen , 
Und da erhältst du keinen Pardon, 
Käthchen. Ach Gott! Ach Gott! 
Düval. Nur ruhig! besonnen! 
Lieb Weibchen ! vertraue deinem Mann ! 
Noch nichts ist verloren, doch viel ist gewonnen , 
Wenn man die Fassung behalten kann, 
Käthchen, In meine Arme will ich dich schliessen, 
Und wenn du für ewig verloren wärst, 
Und wollten dich die Barbaren erschiessen , 
Durch meine Brust muss die Kugel zuerst, 
Dival, O stille deines Herzens Pochen , 
Ich sehe nicht, was. ich verbrochen , 
Da ich nicht von der Fahne lief, 
Dort oben stand ich als Verdette, 
Ja, wenn mann mich gerufen hätte, 
Als der Befehl nach Hause rief; 
Doch meine Post ward ganz vergessen , 
So blieb ich, dem Befehl gemessen , 
Den ganzen Tag lang ruhig stehn, 
Und als ich mich herunter wagte, 
Und spät nach meinen Brüdern fragte, 
War von Soldaten nichts zu sehn, 
Da bin ich denn zu Euch gekommen , 
Hab statt des Schwerts den Pflug genommen , 


} Vater , was gibt es, was wird es seyn ? 


SE 
QI 
QI 


EIN SINGSPIEL, 


Glaubt mir, ich werde nicht erkannt. 
Und sind es nur nicht meine Brüder 
Vom zweyten Regimente wieder, 

Bey andern ward ich nie genannt, 


WALTHER, KATHCHEN. DUVAL 


mich e e a 
Mag N dich b die Hoffnung nicht betrügen , 


k S halt’ ich mich, 
An diesen Glauben halte dich, 
Das Glück war gar zu schön gestiegen, 
Der Wechsel wär’ zu fürchterlich, 


— 


VIERTER AUTRITT. 
VORIGE, FEIT, 


Veit. Freund, eilet, Euch zu retten, 
Das zweyte Regiment 
Kömmt in das Dorf gezogen ; 
Fort, fort, Ihr seyd verloren , 
Sobald man Euch erkennt! 


WALTHER, KATCHEN, 


Ach Golt, er ist verloren, 
Sobald man ihn erkennt. 
Düval. Mein Regiment ? — Unmöglich ! 
Veit. Glaubt mir , ich kenn’ es gut. 


WALTHERr, KATCHEN 


Es ist um dich geschehen ! 
Düval. Nun gilt es List und Muih , 
Still, lasst mich überlegen ; 
° Rettung kann möglich seyn ! 


WALTHER. KATCHEN. VEIT. 


Der Himmel mag dich schützen, 

Mag dein Erretter seyn! 
Alle Hier, Wie soll $ Ge 3 der Gefahr entspringen ? 
wählt er sich 
wähl’ ich mir 


Wie f i den kühnen Plan ? 


ibm? .. `. 
Wird $ mir € die Rettung wohl gelingen ? 


S er fängt er 
Was soll $ ich H thun , was fang’ich } an ? 


554 DER VIERJAURIGE POSTEN 


Düval. Freunde! ich hab’ es gefunden ; 
Bald kehr’ ich Euch wieder zurück. 
Was Gott zur Liebe verbunden , 
Trennt selten ein widrig Geschick. 
VEIT. WALTHER KATCHEN, 
Was hast du dir listig erkoren , 
Wodurch du gerettet bist ? 
Düval. So kommt, keine Zeit sey verloren , 
Ich erzähle Euch drinnen die List, 
Käthchen. Mein Heinrich ! 


Düral, Vertraue der Stunde, 
Käthchen. Ich wills } 
Düval. Und vertraue dem Glück ! 


Alle Vier. Was Gott zur Liebe verbunden , 
Trennt selten ein widrig Geschick ! 
(Alle in's Haus ab , bis auf Käthchen.) 


— 


FUNFTER AUFTRITT. 
KÄTHCHEN (allein,) 
Gott! Gott! höre meine Stimme , 
Höre gnädig auf mein Flehn! 
Sieh, ich liege hier im Staube ! 
Soll die Hoffnung , soll der Glaube 
An dein Vaterherz vergehn ? 


Er soll es büssen mit seinem Blute , 
Was er gewagt mit freudigem Muthe , 

Was er für mich und die Liebe gethan ? 
Sind all’ die Wünsche nur eitle Träume ; 
Zerknickt die Hoffnung die zarten Keime , 

Ist Lieb’ und Seligkeit nur ein Wahn ? 
Nein! nein! das kannst du nicht gebieten, 
Das wird dein Vaterherz verhüten, 

Gott, du bist meine Zuversicht ! 

Du wirst zwey Herzen so nicht trennen, 
Die nur vereinigt schlagen können ! 
Nein, Vater. nein, das kannst du nicht! 


SECHSTER AUFTRITT. 
: KATHCHEN. DUVAL 
(ia Uniform mit Gewehr und Tasche,) 


Diürval. Sich, liebes Weib, was ich ersonnen: 


EIN SINGSPIEL. 355 


Jetzt nehm’ ich meinen Posten ein , 
Und glaube mir, ich hab’ gewonnen, 
So nur kann ich gerettet seyn, 
Käthchen. Versteh' ich dich ? 
Düval. Ja es muss glücken | 
Ich stelle mich, die Flinte in der Hand, 
Und den Tornister auf den Rücken, 
Dorthin, wo ich vor vier Jahren stand. 
Den Posten hab’ ich nicht verlassen , 
Nach ehrlicher Soldatenpflicht! 
Vergass man micht auch abzulösen , 
Ich stand die Wacht und wankte nicht, 
Käthchen. Ach, Heinrich , kann die List gelingen ? 
Nein , zu verwegen scheint es mir: 
O leichter wär’ es zu entspringen , 
Komm, flüchte dich , ich folge dir. 
Düval. Das müsste erst Verdacht erregen, 
Die Unschuld muss verwegen seyn , 
Man suchte mich auf allen Wegen, 
Und holte bald den Flüchtling ein. 
(Marsch in der Ferne.) 
Horch! sie kommen, ich muss auf den Posten ! 
Fort , Liebste , eh’ man dich hier belauscht! 
Käthchen. Ach, darf man nur von dem Glücke kosten , 
Und ist es verschwunden , wenn man sich berauscht ? 
Düval. Leb wohl! und traue auf mich und die Liebe, 
Und bete für mich ! 
Käthchen,. Wohlan, ich traue auf dich und die Liebe 
Und bete für dich ! 
(BEIDE umarmen sich.) 
Nun , Schicksal , komm , wir erwarten dich ! 
(Käthchen in’s Haus ab. Düval steigt auf den Hügel,) 


— 


SIEBENTER AUFTRITT. 


DUVAL, DER HAUPTMANN KOMMT MIT SEINEN SOLDATEN 
UNTER FOLGENDEM 


CHOR, 


Lustig in den Kampf, 

Lustig aus dem Kampf, 

Frisch durch Sturm und Pulverdam! 
Rose bäumen , 
Becher schäumen, 


556 DER VIERJAHRIGE POSTEN 


Geld und Lieb’ und Freude ! 
Junge Weiber , alter Wein 

’S ist all’ Soldaten-Beute ! 
Mädchen schenkt die Gläser ein, 
Lasst die Alten grämlich seyn ! 
Geld und Lieb’ u. s. w. 

Hauptmann. Halt! Hier ist das Nachtquartier , 

Brüder, halt , wir bleiben hier! — 

Aber wenn ich mich nicht betrüge , 

Ich bin nicht zum erstenmal hier im Ort! 
Der Kirthurm blickt wie aus alten Zeiten, 
Und ich kenne die Bäume dort ! 

Ja, auf einmal wird mir’s klar, 

Wir sind unter alten Bekannten, 

Es ist jetzt gerade das vierte Jahr , 

Dass wir hier im Dorfe gestanden, 
Willkommen , willkommen im alten Quartier , 
Willkommen Ihr Brüder, wir bleiben hier, 

Chor. Willkommen u, s. w. 

Hauptmann, Ein jeder wählt das alte Haus, 
Doch stellt mir erst die Posten aus, 
Gefreyter, vor! — Du weisst das Wort, 
Besetze mir die Höhen dort, — 

Aber! was seh’ ich ? — Da steht eine Wacht! — 
Was soll ich zu diesem Vorfall sagen ? 

Schon Freunde hier? wer hätt’ es gedacht! — 
Wie mag das zugehn, ich muss ihn doch fragen ! 
Landsmann! sprecht! wie kommt ihr hieher ? 
Ey, bekannt sind mir diese Züge. 

Ich wollte wetten , das es Düval wär’, 

Gewiss , dass ich mich nicht betrüge } 


Düval ! Düval | — 


Düval, Wer ruft mich ? 

Hauptmann. Verräther ! 
Herab mit dir! 

Düval. Ich stehe Wacht! 


Und gehe nicht von meinem Platze, 

Denn ich schon seit vier Jahren bewacht. 
Hauptmann. Tollkühner Bube! — Auf! nelımt ihn gefangen. 
Düval. Die Wacht ist heilig! — wagt es nicht! 


HAUPTMANN UND CHOR, 


Er hat seine Adler treulos verlassen , 
Fort mit ihm! fort! zum Kriegsgericht, 
Hauptmann. So packt ihn! 


EIN SINGSPIEL. .537 


Düval. Ihr wisst's, Kameraden ! 

Dass ich erst abgelös’t werden muss, 

Unyerletzlich bin ich auf diesem Platze , 

Wer sich mir naht, den trifft mein Schuss ! 
Hauptmann. Trotze nur , dich erwarten die Ketten, 

Dich erwartet ein grausam Gericht. 

DUVAL tfür sich.) 
Nur die Verwegenheit kann mich retten, 
Es gilt ein Leben, ich wanke nicht! 


— 


ACHTER AUFTRITT. 


VORIGE, WALTHER, KATUCHEN, VEIT (aus dem Hauses BAUERN 
UND BAUERINNEN, die die Soldaten zurückhalten, den Hügel 
zu stürmen, 


WALTHER, KATHCHEN. VEIT. BAUERN, 


Um Gotteswillen ! 
Hauptmann, Herab mir dir! 


WALTHER KATHCHEN, VEIT, BAUERN. 


Er ist verloren ! 
Düval. Ich bleibe hier 
Walther. Herr Haaptmann ! lasst Euch bedeuten. 
Er ist mein armer Sohn, 
Er hat ja nichts verbrochen ! 
Erbarmen , gebt Pardon ! 
Bauern. Erbarmen , gebt Pardon ! 
Hauptmann, Umsonst sind Eure Bitten ! 
Im Kriege schont man nicht, 
Der Bube wird erschossen , 
Das ist Soldatenpflicht. 
Soldaten. Das ist Soldatenpflicht. 


WALTHER KÄTHCHEN. VEIT, 


© lasst das Mitleid sprechen | 

Nehmt unser Hab und Gut, 

Lasst’s mich im Kerker büssen , 

Nur schont des Sohnes Blut. 
Hauptmann. Umsonst sind Enre Bitten | 
Soldaten, Dich erwarten die Gesetze , 

Dich erwartet Tod und Qual! 

Ja, du bist für sie verloren, 

Nirgends blickt ein Hoffnungsstrahl. 


558 DER VIERJAHRIGE POSTEN. 
Bauern. Welch ein Augenblick des Schreckens, 
Welch ein Augenblick der Qual! 
Ach! er ist für uns verloreu , 
Nirgends blickt ein Hoffnungsstrahl ! 
Diüval. Der General ! j 
dlle., Der General. 
Düval. Ha, nun wird es sich entscheiden , 
Was die Stunden mir bereiten, 
Alle, Ja, nun wird es sich entscheiden, 
Was die Stunden dir bereiten, 


— 


NEUNTER AUFTRITT. 
VORIGE, DER GENERAL, 


General. Was gibt es hier ? was ist geschehen ? 
Was muss ich Euch in Aufruhr sehen P 
Hat ‚man je solchen Lärm gehört ? 
Wer hat den Frieden hier gestört? 
Hauptmann. Den Posten befahl ich auszustellen, 
Ich war der Erste hier im Ort ; 
Und finde den Düval, der vor vier Jahren 
Von uns desertirt, an dem Hügel dort, 
Verwegen vertheidigt er sein Leben , 
Man Kennt "bn, keiner wagt sich hin. 
Düval. Ich will mich ja sogleich ergeben, 
Wenn ich nur erst abgelös’t worden bin, 
So lang aber bin ich unverletzlich, 
Den Posten behaupt’ ich ich , den man mir gab. 
General, Nun, das ist billig und gesetzlich , 
Herr Hauptmann , lös’t die Vedette ab. 
(Düval wird abgelös’t.) d 
Nun bist du Arrestant. Doch will ich fragen: 
Was kannst du mir zu deinem Vortheil sagen ? 
Düval. Ich gebe mich, wie ich versprochen, 
Doch seh’ ich nicht, was ich verbrochen , 
Da ich nicht von der Fahne lief ? 
Dort oben stand ich als Vedette, 
Ja! wenn man mich gerufen hätte , 
Als der Befehl nach Hause rief, 
Doch meine Post ward ganz vergessen , 
So blieb ich , dem Befehl gemessen , 
Den ganzen Tag lang ruhig stehn; 
Und als ich mich herunterwagte , 
Und spät nach meinen Brüdern fragte , 


EIN SINGSPIEL. 


War von Soldaten nichts zu sehn , 

Da bin ich in das Haus gekommen, 

Hab’ statt des Schwerts den Pflug genommen. 
Küthchen. Und weil er fleissig war und treu — 
Düval. Nahm mich der Richter dort zum Sohne , 

Gab hier die Tochter mir zum Lohne. 

Vier Jahre sind’s! — Herr lasst mich frey ! 
Bauern. Ach, habt Erbarmen, lasst ihn frey! 
General. Ja, wenn das alles Wahrheit wäre — 
Düval. Bey Gott und bey Soldatenehre ! 
Hauptmann. Ich selbst gesteh’ es freylich ein, 

Er mag vergessen worden seyn. 

General, Und hast du sonst dich brav geschlagen ? 
Düval. Herr, die Medaille darf ich tragen; 
Hauptmann. Auch dass muss ich ihm zugestehn , 

Ich hab’ ihn immer brav gesehn, 

Soldaten. Wir haben ihn stets brav gesehn, 


WALTHER, VEIT. KATCHEN (auf den Knieen.) 


Herr General! ach habt Erbarmen ! 
Habt Mitleid mit dem armen Sohn 1 
Ach, reisst ihn nicht aus unsern Armen . 
Gebt ihm Pardon! 
General. Es sey! — Pardon ! 
Alle. Pardon! Pardon! Pardon | 
General. Verzeihung wäre nioht genug, 
Nun, so verdoppl’ ich meinen Spruch : 
Ich lass dir einen ehrlichen Abschied schreiben , 
Ich störe nicht gern ein Menschenglück. 
Die Freude kehre Euch wieder zurück, 
Alle. Schöne Stunde, die uns blendet! — 
Glück wie hast du dich gewendet, 
Kühnes Hoffen täuschet nicht, 
Der nur kennt des Lebens Freude , 
Der nach wildempörtem Streite 


Ihre schöne Blüthe bricht, 
(Der Vorhang fallt.) 


559 


DIE BRAUT. 


EIN LUSTSTIEL IN ALEXANDRINERN, IN EINEM AUFZUGE, 


MÉ tt —— 


PERSONEN, 


GRÄF HOLM , der Vater. l GRAF HOLM, der Sohn. 


(Ein Zimmer in einem Gasthause, Rechts zwey und links eine Thüres 
' Im Bintergrunde der Haupteingang.) 


— 


ERSTER AUFTRITT. 


DER’VATER (kommt aus der Thüre links.) 


Tiiumph: sie willigt ein, will Herz und Hand mir schenken , 
Will meine Gattin seyn! Ach, wie mich das entzückt} — 

Doch warum wund’r ich mich? — Wer kann ihr das verdenken ? 
Wenn sie mich glücklich macht, ist sie nicht auch beglückt? — 
Ich bin ein reicher Mann, jetzt eine seltne Waare ; 

Erst fünfzig, und das sind der Mäuner beste Jahre. 

Mich schätzt und liebt der Fürst, hey Hofe el? ich viel. — 
Ich frage, spielt sie wohl mit mir gewagtes Spiel? 

Ja, wollte sie auch jetzt mit ihrem Jawört kargen, 

Ganz unbegreiflich wärs! — Mir könnte man’s verargen. 

An Stand und Reichthum ist sie mir durchaus nicht gleich ; 
Doch ist sie denn nicht schön ? ist das nicht mehr als reich ? 
Und gilt denn vornehm seyn so viel als Reiz der Jugend ? 

So viel als gutes Herz? — Ja, apropos , die Tugend ? 

Daran denk’ ich zuletzt ! — O du verdorb'ne Welt! — 

Ich will ja eine Frau, ich suche ja kein Geld, 

Mit einem Stammbaum kann ich mich doch nicht vermählen , 
Und ist denn Weibeskuss nicht mehr als Thaler zählen ? 

Ich geb’ ihr Geld und Stand, sie gibt mir ihre Liebe : 

Die Frage wär’ nicht leicht, bey wem das Wagstück bliebe? — 
Die Sache ging so schnell, man wird bei Hofe staunen ; 

Da heisst's gewiss: «Das ist so eine seiner Launen. » . 
« Er bleibt ein Sonderling.» — Ja, staunt und wundert Euch, 


DIE BRAUT. EIN LUSTSTIEL. 54 
. ` 2 

Ich werde glücklich seyn, das Andre gilt mir gleich. — 

Was Fritz wohl sagen wird! — Ey, eben denk ich dran 

Mein Sohn — der Fritz — ja, ja, der kommt schon morgen an, 

Nun, ieh bin recht gespannt, — Ich liess im zweyten Jahre 

Ihn auf dem Schloss zurück, Mein Weib lag auf der Bahre, 

Verzweifelnd wollt ich mich in Einsamkeit begraben.» 

Zum Glück erbarmte sich die Schwägerin des Knaben , 

Und zog ihn liebreich auf, Ihr Mann war Offizier; ~ 

Sie ging nach Preussen mach, das Kind liess nicht von ihr. 
"Mir war das herzlich lieb, denn alles Kindersorgen 

Ist mir im Tod fatal! da wuss? ich ihn geborgen, 

Liess ihn mit Freuden da. Er hat drei Jahr studirt, 

Doch schreibt man eben nicht, ob er viel profitirt, 

Von losen Streichen mag er wohl das meiste wissen , 
` Denn Schulden hab’ ja ich genug bezahlen müssen. 

Zwar ist er auch nicht ganz wie ich mir ihn gedacht, 

Wenn er nar übrigens dem Vater Ehre macht. — 

Wie er wohl ausseh’n mag? — Ei nun, das wird sich zeigen, 
Er kann nicht hässlich seyn, er soll dem Vater gleichen. 

Doch hab’ ich jetzt die Zeit, so mit mir selbst zu plaudern ? 

Freund, mit dem Elıkontrakt ists nicht galant zu zaudern, 

Die erste Liebe traut der Schwüre leichtem Eis; A 

Doch bey dem zweyten Mal will man’s gleich Schwarz auf Weiss, — 

Ein schriftlich Instrument! Man kann’s ja nicht verdenken , 

Warum nicht Sicherheit, will man ein Herz verschenken , 

Wenn man’s beim Geld verlangt? Ach du gerechter Gott, 

Die Herzen machen ja noch oft genug bankrot. 

Drum , will ein weiser Mann unangefochten bleiben , 

Er lässt die Zärtlichkeit sich im Kontrakt verschreiben! + 

In andre Forderung will ich mich nicht verwickeln , ` 

Doch Zärtlichkeit gehört zu meinen Hauptartikeln, 

(Er geht in die Thüre rechts ab.) 





ZWEITER AUFTRITT. 
DER SOHN "kümmt durch die Hauptthüre.) 


Pack’ meine Sachen aus, Johann ! Auf Numro Achte ; 

(Er wirft den Mantel ab.) 
Ich bin noch früher hier, als ich mir selber dachte, 
Mein Vater trifft gewiss erst morgen Abends ein; 
Wie er mich finden wird, — er wird betroffen seyn ! 
Ich bin passabel hübsch, das kann mir niemand nehmen, 
Bin immer gut gelaunt, er brauch sich nicht zu schämen , 


46 > 





i 


542 DIE BRAUT. 
KE d 
Und kurz, der Herr Papa legt Ehre mit mir ein, . 
Das wird ihm an enehm, mir nicht zuwider seyn. w 
Doch etwas Wie rs hab’ ich mit mir zu reden — 
Wie "will ich heute nun die langen Stunden tödten? Wk 
Was fang’ ich Aermster an, in dieser- kleinen Stadt, 
Die weder Kaffeehaus, noch ein Theater hat, 
‘Wär’ nur ein schönes Kind wo irgend aufgetrieben , 
"Aus Langerweile wollt’ ich mich sogleich verlieben, 
Wer weiss, ob der Papa nicht schon’für mich gewählt, © 
Dann sind dio Stunden meiner Freyheit schon gezählt, 


= Und hohe Noth ist es, wenn ich eg recht bedenke, 


Dass ich mein Herz bevor ein Paar Mel noch verschenke , 
Eh” es der Herr Papa, Macht seines Amts, gethan, — ` 
Ein armes Männerherz gleicht einem Kraftroman ! 
Wie ist.man erst gespannt, wenn er ganz neu erschienen, 
Man reisst und zankt sich drum in Lesemagaz) Lë 
Doch diese Wuth ist kurz, bald lässt der E 
Und müssig steht er da, das währt wohl Jahr und Tag 
Dann fC: wohl einem ein , das alte Werk zu Tesal 
d E hört erstaunt s €$ sey so miegant gewesen ; 
rum ist nicht selten noch die Freude herzlich gross y 






> Wird man das Ding zuletzt bey Käseweibern los. 


Für alle Zeiten bleibt ein ausgemachter Saiz : 

Ein Schatz im Kasten ist kein eigentlicher Schatz ; 
Man muss sein Exemplar viel tausend Mal verborgen , 
Und für das Uebrige lässt man den Himmel sorgen. 


(Man hört im Zimmer links folgendes Lied zum Pianoforte singen +) 


Muthig durch die Lust des Lebens, 
Mutbig durch des Lebens Qual! 
Deine Sehnsucht ist vergebens 
Nach dem höhern Ideal. 


Gern gehorsam jedem Triebe, 
Trotz allein der Leidenschaft ; 
Selbst nicht die Gewalt der Liebe 
Zügle deine freye Kraft. 


Vorwärts zu dem neuen Glücke 
Durch der Tage bunte 'Reih’n, 
Greife kühn zum Augenblicke , 
Nur die Gegenwart ist dein. 


Sohn (während des Gesanges.) 
Was hör ich? welch ein Ton! — welch’ liebliches Organ ! 
Die Stimme klingt so voll ans volle Herz heran, 


EIN LUSTSPIEL. 543 


Mit welcher Leichtigkeit vermählt sich Herz und Klang ! 
Ein wahrer Ohrenschmaus! das nenn’ ich doch Gesang ! 
Das Lied gefällt mir wohl ; der wahre Weg zum Glücke 
Ist kühn , das Leben folgt dem raschen Augenblicke. 
Wer nach der Zukunft hascht, der kann nicht glücklich seyn 
Und freudig ruf’ ich’s nach , die Gegenwart ist mein! 
Wer wohl die Säng’rin ist? Aus welchen schönen Munde 
Die süsse Stimme spricht ? — Ich bin zur guten Stunde 
Hier angelangt ; bey Gott! ich seh’ es deutlich kommen , 
Es wird in kurzer Frist ein Herz mit Sturm genommen! 
Könnt ich das Himmelskind von Angesicht nur sehn] 
Da ist das Schlüsselloch — Gewiss, so muss es gehn, 
Solch’ Augenkontreband sind Amors schönste Rechte, 

` Dass ich nur ungestört ein wenig lauschen möchte ! 

(Er will durch’s Schlüsselloch sehen.) 





DRITTER AUFTRITT. 
DER VATER (aus dem Kabinette rechte.) DER SOHN. 


Sohn, Verdammt, es kommt Jemand! 
(Er sieht sich von der Thüre zurfick, doch behält er sie immer im Auge.) 
Vuter (bey Seite.) Ich höre laut hier sprechen, 
Was mag’s gewesen seyn ? 
Sohn (bey Seite.) Den Hals möcht’ ich’ ihm brechen ! 
Vater (bey Seite.) 
Sieh doch, ein junger Mann, Er blickt mich finster an, 
Als hätt’ ich wirklich ihm was Böses angethan, 
Sohn (bey Seite,) 
In diesem schlimmen Fall erlaub’ ich jede Waffen, 
Denn mir liegt alles d’ran, ihn aus dem Weg zu schaffen, 
Wie fang’ ich's an? 
Vater bey Seite.) Er sieht mir sehr verdächtig aus. 
Was er im Saale will? Ich hätt’ es gern heraus. — 
Wie? hab’ ich recht gesehen? Er schielt nach jener Thüre. 
Sohn (bey Seite.) 
Ob er am Ende geht, wenn ich ihn recht fixire ? 
Probiren könnte man’s, 
(Pause, in welcher der Sohn den Vater scharf ansieht.) 
Vater (laut.) Was seh’n Sie mich so an ? 
Sohn. Es ist nun meine Art, und Keinem liegt daran. 
Vater (bey Seite.) Das ist ein Grobian , ein wahrer Eisenfresser'! 
Ich werde höflich seyn , veilleicht gelingt mir’s besser. 
(Laut,) 
Es, soll mich herzlich freun, wenn ich Sie int’ressire, 
Sohn. Mich int'ressirt nur Eins. 


544 DIE BRAUT. 


Vater. Dies Eins ist? 
Sohn, Eine Thüre, 
Vater. Recht wunderbar! (bey Seite.) Verdammt , der Mensch gefällt 
mir schlecht! 
Sohn (hey Seite.) Was er nur überlegt ? 
Vater (laut.) Sie sind gewiss nicht recht? 
Berichten könnt’ ich Sie, 
Sohn, : Ich bin recht sehr verbunden. 
Vater. Sie suchen sicherlich — ? 
Sohn. Gesucht, und schon gefunden, 
Fater (bey Seite.) 
Gefunden? — Ey verwünscht! (Lant.) So sind Sie schon bekannt ? 
Und wünshen nur — ? 
Sohn, Ganz recht! (Bey Seite) dich selbst in’s Pfefferland ! 
Vater, Was wäre denn Ihr Wunsch ? und könnt’ es mir gelingen? 
Sohn. Das glaub’ ich gern. — Ich will’s in eine Fabel bringen. 
(Bey Seite.) 
Vielleicht behorcht sie uns, und weiss dann was ich meine. 
Fater, Ich bin ganz Ohr, 
Sohn (sehr laut, und manchmal der Thür zugewandt.) 
Wohlan! — ich sass im Buchenhaine, 
Der Abend war recht schön, als mir ein Zauberklang 
Von unbekanntem Muud zum tiefen Herzen drang, 
Es war ein Himmelston, ja, ganz Gefühl , ganz Seele ! 
Und unverkennbar blieb das Lied der Philomele, 
Vater (bey Seite.) 
Wie er das Wort betont! — Und er erzählt so laut, 
Als hätt’ ich kein Gehör — Galt es wohl meiner Braut ? 
Sohn (bey Seite.) Gewiss, er merkt den Spass. (laut) Ich war ganz 
wonnetrunken 
Und in den schönsten Traum des schönsten Glücks versunken ; 
Da kam ein alter Spaiz zum Unglück mir dazwischen, 
Fing an, nach seiner Art zu feifen und zu zischen. 
Vater. Ein alter Spatz? So, so! (Bey Seite.) Verdammt! das geht auf mich. 
Sohn. Wenn sonst ein Sperling singt, so ist mir's lächerlich , 
Nur jetzt verwünscht’ ich ihn, die süssen Töne schweigen , 
Vergebens such’ ich auch den Sperling zu verscheuchen, 
Die Nachtigall singt wohl, fliegt nur der Spatz zurück , 
Doch unbekümmert pfeift er sein Trompeterstück, 
O du verdammter Spatz! — Hier ist die Fabel aus. 
Man suche die Moral sich gütig selbst heraus. 
Vater. Für das Geschichtchen bin ich Ihnen sehr verbunden, 
Ich denke auch, dass ich den rechten Sinn gefuuden. 
(Bey Seite.) 
Er meint dach meine Braut. Das wär ein dummer Streich! 


EIN LUSTSPIEL. 545 


Ich hole den Kontrakt, sie unterschreibt sogleich , 

Dann ist sie mir gewiss, ich kann mit Ruhe schweigen ! 
Sohn, Sie sind nun wohl so gut, den Sperling zu verscheuchen ? 
Vater. Mit Freuden, junger Herr! doch noch ein Wort zuvor: 

Ergötzt die Nachtigall mit süssem Lied Ihr Ohr, 

So rath’ ich Ihnen, sich bei Zeiten zu bequemen, 

Das Spatzen-Pfeiferlied mit in den Kauf zu nehmen, 

Die Hoffnung wär’ umsonst, und nur auf Sand gebaut, 


Denn Philomele wird des alten Sperlings Braut. 
(Er geht in die Thüre rechts ab.) 


VIERTER AUFTRITT. 
DER SOHN (allein,) 


Des älten Sperlings Braut ? — Der Spass wär’ ohne gleichen ! 
Er denkt in seinem Sinn, ich soll die Segel streichen ! 
Doch prosit, bester Herr ! das taugt in meinen Plan, 
Erwünschtes Ohngefähr ! vortrefllicher Roman | 

Drum war er so erzürnt auf meine schöne Fabel! 

O wunderbares Glück ! der Streich ist admirabel ! 

Und käm’ ein ganzes Heer von Sperlingen dazwischen, 
Jetzt hab’ ich erst recht Lust, die Schöne wegzufischen. 
Doch , hin ich nicht ein Thor ? Ich schlage mich herum, 
Und weiss am Ende ja nicht eigentlich, warum ? 

Vorher muss ich sie sehen ! das wird man billig finden , 
Und ist sie schön , so kann ein Blick mein Herz entzünden. 
Wie aber muss sie seyn, wenn sie mich fesseln soll ? 

Ich will kein Ideal , der Wunsch wär’ gar zu toll! 

Doch soll ein Mädchen mich mit Liebesgluth entzücken, 
Drei Dinge müssen sich vereinen , sie zu schmücken, 
Zuerst ein kleiner Fuss. Seh’ ich ein Mädchen gehn! 

So wird vor allem nur auf ihren Fuss gesehn, 

Und ist der nett und klein, und zierlich ausgeschmückt , 
So folg’ ich ihr gewiss, und bin schon halb entzückt, — 
Sodann ein schöner Arm. Er darf durchaus nicht fehlen , 
Soll ich das Mädchen mir zu meiner Gattin wählen, 
Denn , wen ein solcher Arm , wenn er Guiitare spielt , 
Nicht schnell begeistern kann , der hat noch nie gefühlt ! 
Das Dritte , was ich will , ist's Wichtigste von Allen ; 
Denn ohne dies kann mir nicht Fuss, nicht Arm gefallen : 
Ein schönes Auge bleibt der Reize höchstes Glück , 

Und Venus ist nicht schön mit einem matten Blick, — 
Also ein kleiner Fuss, ein seelenvolles Auge , 

Ein schön geformter Arm ist alles, was ich brauche. 


546 DIE BRAUT, 


Und wenn dies Kleeblatt sich in Philomelen eint, 
So setz’ ich alles dran, bis mir das Glück erscheint, — 
Jetz kann ich ungestört das Feld rekognosciren , 
Den Posten nehm’ ich ein, will keine Zeit verlieren. 
(Er sieht durch’s Schlüsselloch.) 
Sie ist allein, und schreibt , den Rücken hergewandt. 
Wie ist's mit Numro Eins? — Der Fuss ist ganz charmant , 
Und jeder Tadel schweigt. Er ist so zierlich klein, 
Bei Amors gauzer Macht, er kann nicht schöner seyn | 


Und Numro zwei? — der Arm? — Er scheint so voll geründet, 


Er hebt sich graziös , wie man nur wen’ge findet. — 
Nun,fehlt noch Numro drei, das Andre wär’ geprüft; 
Doch sieht sie sich nicht um , und scheint mir sehr vertieft, 
Wie wär's? — ich poche an, sie wird das Köpfchen drehen , 
Dann kann ich ihr ja leicht in’s liebe Antlitz sehen, 
Und ist das Auge schön, und könnt’ es anders seyn — 
So setz’ ich alles dran. — Ich poche, 
(Er thut es.) 
{Eine weibliche Stimme im Kabinet.) 
Nur herein ! 
Sohn. Welch’ wuuderschöner Blick ! Ein ganzer Himmel tagt 
In diesem Augenglanz, — Nun sey der Sturm gewagt! 
(Er eilt in das Kabinet links ab.) 


_— 


FUNFTER AUFTRITT. 


DER VATER (durch die Thüre rechts.) 
Das Feld ist leer, der Feind hat sich zurück gezogen, 
Vorüber ist die Furcht , ich athme wieder frei. 
Der Augenblick ist da, die Stunde mir gewogen , 
Wer weiss, bleibt mir das Glück noch lange so getreu. 
Der unverschämte Mensch mit Fabel und Moral, 
Stand unbeweglich da zu meiner grössten Qual, 
Mit einem alten Spatz mich höhnisch zu vergleichen! 
Wie brachte mich das auf, und dennoch musst’ ich schweigen; 
Den hätt’ er meinem Ton den Aerger angemerkt, 
Der freche Uebarmuth wär’ nur dadurch gestärkt — 
Ja, unsre jungen Herrn! Man muss die Achsel zucken, 
Sie haben nichts zu thun , als Andern abzugucken , 
Wo ihre Perle liegt. Solch windiger Patron 
Träumt sich, wenn er nur komt und sieht, da siegt er schon. 
Er prahlt mit Gunst und Glück , das er doch nie genossen, 
Schimpft Treue , Redlichkeit und Tugend Kinderpossen ; 
Denn keiñe Tugend gibt's , so raisonirt der Held, 
Die, wenn der Rechte kömmt , nicht wie die andern fällt, 


EIN LUSTSPIEL. 547 


Und keine Treue gibt's für eng’ verschlung’ne Hände , 

Die ihren Preis nicht hat, um dən sie brechen könnte ; 

Vortreflliches System ! War’s doch zu meiner Zeit 

Mit der Philosophie noch lange nicht so weit, — 

Begreifen sie es denn, wie ein gesetzter Mann 

Für junge Mädchen noch Int’resse haben kann ? 

Soll nur ein Milchbart sich mit Siegeszeichen schmücken ? 

Liegt etwas Tief’res nicht in ernster Männer Blicken ? 

Wohl zum Verlieben ist ein solcher Fant genug; 

Doch Ehestand will Ernst , das ist ein alter Spruch. — 

Mein Sohn ist sicherlich nicht frei von dummen Streichen, 

Doch solchen Gecken wird er ganz gewiss nicht gleichen, 

Das liegt Au seinem Blut. Wenn auch der Apfel bricht, 

Und weit vom Stamme fällt, vom Stammbaum fällt er nicht, 

Er könnte, würd’ er sich an alles auch gewöhnen, 

Doch keinen Mann, wie ich, mit Sperlingstiteln höhnen, 

Er und der Fabelmann ! — Wie das mein Herz erfreut! 

Der Unterschied ist gross! Nur gross? Nein himmelweit! — 

Da komm’ ich willenlos schon wieder in das Schwatzen , 

Am Ende glaub ich selbst die Fabel von dem Spatzen, 

Der schöne Augenblick ist mir vielleicht entflohn. 

Ich soll zu meiner Braut , und denk’ an meinen Sohn! 

Ich kann recht albern seyn | — Wenn es das Fräulein wüsste , 

Ich frage , ob ich nicht vor ihr erröthen müsste ? 

Ein schöner Bräutigam! — Drum jetzt nur schnell hinein! — 

Man spricht im Kabinet, — Sie ist nicht ganz allein. 

Fataler Streich! Doch still, ich höre heftig sprechen I 

Sie scheint mir sehr erzürnt! — Wer mag sich doch erfrechen ? 
(Er sieht durch das Schlüsselloch.) 

Wie? Was? der Fabelmann ? O treuvergessne Braut ! 

Ich alter Practicus hab’ einem Weib getraut ! — 

Er ist ganz ausser sich , er sinkt zu ihren Füssen, — 

Zwar sch’ ich recht, — darf ich nach ihren Mienen schliessen 

So (helt sie keine Schuld. — Sie wendet stolz sich weg , 

Und ihre Blicke sind so streng wie seine frech, 

Beleidigt springt er auf. — Sie aber bleibt gelassen, — 

O unvergleichlich Weib! In Gold soll man dich fassen | — 

Er rast — sie lacht — er droht — still weist sie nach der Thür, 

Der Fabelmann zieht ab! Und ich, ich triumphir’! 





SECHSTER AUFTRITT. 
DER VATER, UND DER SOHN (aus dem Kahinette.) 


Sohn (für sich,) Verdammt! der Sturm misslang, und ich bin abge- 
schlagen ! 


548 DIE BRAUT. 


Doch warum ärgr* ich mich? Wer wird nach so was fragen, 
Wenn man erobern will! Ey nun , man siegt nicht gleich. 
Und eine Eiche fällt nicht auf den ersten Streich. 
Vater. Ich find’ es nicht galant, Vortrefllichster, mit Eichen 
Und Stämmen andrer Art ein Mädchen zu vergleichen, 
Viel glücklicher doch wär's, mein bester Herr Rival, 
Sie sagten : Rosen bricht kein Zephir auf ein Mal, 
Sohn (bey Seite.) 
Sieh da, der alte Spatz, der will noch witzig seyn, 
Ich glaube gar, er lacht? das soll er mir bereun ! 
(Laut.) 
Der Zephir bräche wohl die Rosen allenfalls ! 
Doch ich bedarf des Sturms für meines Gegners Hals! 
Vater. Ei, ei, der arme Mann! und doch verdient er Lob, 
Da er solch wackern Herrn keck aus dem Sattel hob. 
Sohn. Ja wohl verdient er das; doch lern’ ich ihn erst kennen, 
Will ich beim nächsten Gang ihn auch zu Boden rennen; 
Water: Ei, das verbiet’ er sich, er will es nur gestehn : 
Er hat das hohe Glück vor dem Rival zu stehn, 
Sohn. Wie? Sie ? 


Vater, Ja, ich! 
Sohn. Sie selbst ? 
Vater, Nun, ist's etwa nicht möglich ? 


Sohn. Das wär’ der grösste Spass | ich gratulire höflich. 
"ater, Mein Herr! ich frage Sie, was ist denn da zu lachen ? 
Was soll der spött’sche Blick und das Gesichtermachen ? 
Sohn. Theilnahm’ an Ihrem Glück, Wenn ich recht fröhlich bin, 
So recht aus voller Brust, muss ich Gesichter ziehn, 
Vater. Ich frage Sie im Erst; bin nicht gelaunt zum Spasse ` 
Was geht mein Glück Sie an, was rümpfen Sie die Nase ? 
Sohn. Sie fragen mich im Ernst ? 
Vater. Zum Teufel, ja! 
Sohn. Recht schön! 
Sie wollen wieder Ernst , Ihr Wille soll gescheh’n, 
Dass ich aufrichtig bin, davon gab ich schon Proben, 
Vater, Ja, was zu loben ist, muss man am Feind’ auch loben, 
Sohn, Zur Fabel von dem Spatz und von der Nachtigall, 
Geh ich zurück, und Sie verstehn’s auf jeden Fall, 
Die Kunst belohnt sich schlecht in unsern kargen Tagen. 
Noch immer bleibt der Geist gefesselt an den Magen. 
Und Philomele — hat verloren im Gesang — , 
Des Irdischen nicht Acht, es fehlt ihr Speis und Trank , 
Und darum schweigt sie wohl, da kommt der Spatz geflogen, 
Der alte Sperling ist der Nachtigall gewogen, 
Und bietet ihr sein Nest voll reicher Beute an, 


EIN LUSTSPIEL. 549 


Wenn sie aus Dankbarkeit ihn treulich lieben kann, 
Drauf singt Frau Nachtigall im Busch gedankenvoll, 
Ob sie den alten Spatz zum Gatten nehmen soll ? 
Zuletzt von Hunger matt, trägt sie die Göttergabe 
Des wonnevollen Lieds mit Thränen still zu Grabe , 
Das rauhe Leben siegt, die Sängerin verlässt 
Den freyen Buchenwald, und fliegt in’s Sperlingsnest, — 
Der Töne volle Lust, kann sie sie je vergessen ? — 
Der Sperling gibt ihr. ja nichts weiter als zu essen, 
Drum Sperling merke dir, du bist kaum aus dem Haus, 
Bricht die verkalt'ne Lust in vollen Tönen aus, 
Den keine Seele lässt dnrch eitle Convenienzen 
Der Liebe grosses Reich im Herzen sich begrenzen! — 
Verstanden Sie mich wohl? — 
Vater, Ich danke in der That 
Für ihren langen Spruch , und für den guten Rath, 
Man mag auch immerhin den Sperling nur verhöhnen , 
Die Nachtigall wird sich an seinen Ton gewöhnen , 
Die Sehnsucht nach Gesang kann ja nicht ewig seyn, 
Und fängt sie an, der Spatz wird schon da zwichen schreyn! 
So gut ist übrigens der Sperling in der Fabel, 
Als manches andre Thier mit einem gelben Schnabel. 
Sohn. Herr! ` 
Vater. Stille ! noch muss ich ein Wort im Ernste sprechen : 
Ich war auch einmal jung, und auf ein Hälsebrechen 
Kamm mies durchaus nicht an, Jetzt bin ich’s nicht gewohnt ; 
Doch hab’ ich einen Sohn , mit dem's der Mühe lohnt, 
Sie haben nicht allein mich selbst sehr keck beleidigt, 
Auch werde meine Braut vor jedem Schimpf vertheidigt, 
Der Himmel weiss, dass ich ungern dies Mittel nahm, 
Das sey mein letztes Wort auf Ihren Fabelkram, 
Sohn. Sie kamen mir zuvor. Ein Spass war meine Fabel, 
Doch ich verstand den Ernst: — Ein Thier mit gelbem 
Schnabel! — 
Impertinentes Wort! Kaum kenn’ ich mich vor Wuth! 
‘Schnell, Herr! wo ist Ihr Sohn? Bei Gott , das fordert Blut ! 
Vater. Er kommt erst morgen an, dann soll er Ihnen zeigen, 
Dass Männer unsrer Art nicht solchen Gecken weichen, 
Sohn. Herr | reizen Sie mich nicht, dass ich mich nicht vergesse 
Ich hab’ nicht Rast noch Ruh, bis ich mit ihm mich messe ! 
Vater. Nur nicht so arg geprahlt. Sie werden es beren’n | 
Sohn. Der Erste ist er nicht, wird nicht der Letzte seyn. 
Ich kenne ja das Volk, die weltbekannte Race, 
Das tobt, und renomirt auf jeder weiten Gasse , 
Doch kömmt’s auf einen Platz , wo es nicht weichen kann , 


550 DIE BRAUT. 


Ist’s mäuschenstill. Nicht wahr, ich kenne meinen Mann ? 
Vater. Herr! Achtung für den Sohn, der mehr als Sie gewagt, 
Und fünfzehn Ihrer Art leicht durch ein Knopfloch jagt. 
Sohn, Führt er den Degen, wie der Vater seine Zunge, 
So hab’ ich viel Respekt , dann ist’s ein derber Junge. 
Doch glauben Sie mir, wenn er auch unsterblich wäre, 
Ich mach’ in einem Tag dem meinigen mehr Ehre, 
Als für die ganze Zeit er seinem Vater macht, 
Vater, Die Frechl.eit geht zu weit! dass hätt’ ich nicht gedacht! 
Ich armer Vater ! Ja, solch einen Sohn zu haben , 
Das ist das grösste Glück | — Eh’r liess ich mich begraben, 
Doch ich bin überzeugt , er sieht es gar nicht ein, 
Und wie das Söhnchen ist, so wird der Vater seyn, 
Sohn, Herr, ich vergesse mich, wenn ich das wieder höre ! 
Mein Vater ist ein Mann von unbefleckter Ehre, ` 
Es bleibt nicht ungestraft, spricht man dem Edlen Hohn, 
Denn brav, beim eegen Gott! wie er, ist auch sein Sohn, — 
Doch Zungenfechterei ist mir im Tod zuwider ; 
Und gern darin besiegt, leg’ ich die Waffen nieder; — 
Sobald Ihr Sohn ®rscheint , bestimme man die Zeit, 
Denn jeden Augenblick bin ich dazu bereit. 
Es kocht das wilde Blut, ich kann es kanm erwarten , 
Und käm’ er jetzt schon an, man trifft mich in dem Garten, 
Vater. Sobald er angelangt, soll er zum Kampfe gehn, 
Bis dahin nur Geduld, 
Sohn. Auf blut’ges Wiedersehn ! 
(Er geht durch die Hauptthüre ab.) 


— 


SIEBENTER AUFTRITT. 
DER VATER (allein.) 

Wie bin ich echauffirt! Wer könnte sich auch fassen P — 
Da bleib’ ein Andrer kalt! Man sieht mir’s sicher an; 
Ich kann mich vor der Braut jetzt gar nicht schen lassen , 
Ob ich auch, was ich that, allein für sie gethan, 
Sobald ich mich erholt, mach ich sogleich Visite, 
Und bring’ ihr den Kontrakt mit still bescheidner Bittel 
Vielleicht hat sie’s gehört, dann lohnt ein einz’ger Blick 
Von ihr den ganzen Streit mit süssem Liebesglück I 
Mein Sohn — ja apropos, was wird der Fritz nur sagen , 
Muss er, kaum angelangt , für den Papa sich schlagen ? 
Zwar ist's ihm Kleinigkeit, denn, wie mein Freund geschrieben , 
Hat er zwei jahre lang nichts emsiger getrieben , 
Und so den Ruhm erlangt, dass er im vierten Jahr 
Auf der- Akademie der beste Schläger war, 


EIN LUSTSPIEL. 551 


Ich habe sonst das Geld für’s Fechten oft verschworen , 
Doch seh’ ich’s deutlich ein , es war nicht ganz verloren ; 
Und er bezahlt es mir auf einem Bret zurück, — 
Mit Freuden denk’ ich setbst an jener Tage Glück, 
Voll frischem Lebensmuth und freudigem Gelingen, 
Wo mir es Freude war, den blanken Stahl zu schwingen , 
Zwar endlich still davon. — Es wird bei mir zu Klarheit; 
Die Fabel von dem Spatz war nicht ganz ohne Wahrheit, 
Ja, ja, das merk’ ich wohl , und will es gern gestehn ; 
Ich überlege nur, wie da sich vorzusehn ? — 
Ich werde den Kontrakt noch etwas ändern müssen , 
Damit ich sich’rer bin, doch wie? das möcht’ ich wissen, 
So jung, so hübsch , ja, ja, es ist wohl viel gewagt | 
Ich hör’ noch seinen Spruch. Wie hat er doch gesagt! 
Ja! — keine Seele lässt durch eilte Convenienzen 
Der Liebe grosses Reich in ihrer Brust begrenzen, 
Der Mann hat recht, gewiss, ich seh’ es deutlich ein ; 
Am Ende muss ich für die Fabel dankbar seyn. 
Wo Herz mit Herzen nicht allein den Bund geschlossen , 
Sind alle Schwüre doch nur arme Kinderpossen ; 
Wenn in die volle Brust die Liebe strahlt, da brennt’s , 
Und jede Heirath bleibt.nur eilte Convenienz, 

(Er geht durch den Hintergrund ab,) 





ACHTER AUFTRITT. $ 
(Die Bühne verwandelt sich in einen Garten.) 
DER SOHN (allein,) 


Ich hatte mich erhitzt, war recht in voller Wuth, 

Nun bin ich abgekühlt, und leichter fliesst das Blut, 

Drum kann ich nicht umhin , mich herzlich auszulachen, 

Das ist mehr als zu viel, das nenn’ ich Streiche machen ! — 
Erst wollt’ ich voll Verdruss, mir gar den Kopf zerbrechen, 
Was fang’ ich , fragt’ ich mich, den ganzen Tag nur an? — 
Doch kurz darauf soll ich mich schiessen , hau’n und stechen, 
Und spiele obendrein den herrlichsten Roman; 

Denn immer geb’ ich noch die Hoffnung nicht verloren, 

Ich bin ja ausserdem nicht ohne Glück geboren. — 

Mein Vater wird sich freu'n, wenn er die Streiche hört, 
Man sagte mir , dass er nie ein Vergnügen stört. 

Er ist sogar ein Freund von solchen lust’gen Streichen , 

Und was das anbetrifft, da such ich meines Gleichen, 

Er soll zufrieden seyn, an seinem eignen Sohn 

Wird für die Toleranz ihn ein gewünschter Lohn. — 


559 "DIE BRAUT. 


Ich bin doch recht gespannt auf meines Gegners Miene , 

Wie der sich wundern wird, — Wenn er nur bald erschiene! 
Treff’ ich das Bübchen , nun, es soll erbärmlich schrein ! 

Ich weiss es schon, es wird ein Muttersöhnchen seyn, 

Mich ennnyirt der Spass mitt solehen armen Mücken , 

Doch will ich ihn geflickt dem Vater wieder schicken , 
Damit sich's der Patron wohl in's Gedächtniss schreibt , 

Dass von dem Grafen Holm nichts ungerochen bleibt, 





NEUNTER AUFTRITT. 
DER SOHN, DER VATER (mit einem Briefe in der Hand.) 


Water. Da ist er jal — Mein Herr! ich hab’ es erst vernommen, 
Mein Sohn ist unverhofft schon heute angekommen, 
Er soll im Garten seyn, ich selbst sah ihn noch nicht, 
Doch schickt’ ich Leute aus, und er kennt seine Pflicht, 
Sohn. Mir ist es angenehm , die Sache zu beenden , 
Eh’ noch mein Vater kommt. Ich muss nach Hause senden , 
Sie sehen, Herr, es fehlt noch jede Waffe mir, 
Doch braucht das kurze Zrit. Gleich bin ich wieder hier. 
(Will gehen.) 
Vater. Noch eins, mein Herr! mir ist] dies Briefchen zugekommen, 
Es hat mein Fräulein Braut den eignen Weg genommen, 
Um mir zu zeigen, dass auch nichts sie int'ressire , 
Was mir noch unbekannt. Die Aufschrift ist die Ihre, 
Sie schickte mir den Brief, 
(Die Addresse lesend.) 
` «Herr Woldemar von Stein.» 
Ich denke wenigtens, das werden Sie wohl seyn ? 
Sohn. Mir ist das böse Glück nicht so voll Gunst geblieben, 
Dass eine solche Hand den Brief an mich geschrieben, 
Vater. Sie heissen nicht vou Stein ? 


Sohn. Ich habe nicht das Glück. 
Vater. Der Brief ist nicht an Sie? 
Sohn. Hier geb’ ihn ihn zurück, 


Vater. Und doch schickt sie ihn mir. Was hat das zu bedeuten? 
Was geht der Brief mich an? 
Sohn. Herr , Sie sind zu beneiden) 
Ihr Glaube steht so fest Sie ahnen keinen Fall: 
Mir deucht, das ist ein Lied von der Frau Nachtigall ; 
Der Brief ist sicherlich in falsche Hand gegeben, 
Doch, brechen Sie ihn auf, das wird den Zweifel heben. 
Vater. (bey Seite.) 
Wenn’s möglich wär’, bei Gott warum könnt’ es nicht seyn ? 


EIN LUSTSPIEL. 55 


Was hat die Fräulein Braut mit diesem Herrn von Stein ? 
Ich sah das Mädchen , das den Brief mir gab, erschrecken, 
Sobald sie mich erblickt, und etwas schnell verstecken. 
Sohn. Sie überlegen, da Sie einem Weib getraut? 
Vater. Um jeden Zweifel an die Treue meiner Braut 
Zu unterdrücken, wohl! so will ich ihn erbrechen; 
Doch soll mein wack’rer Sohn den Zweifel blutig rächen. 
Den Inhalt ahn’ ich schon , Geschäfte werden’s seyn, 
Sie hat ein Kapital bei diesem Herrn von Stein. 
Sohn. Ein Kapital? ei, ei! 
Vater. Es soll sogleich sich weissen. 
(Bey Seite.) 
O Licbe, lass mich nicht in saure Aepfel beissen | 
(Er erbricht den Brief und lies’t.) 


(Laut,) 
«Mein theurer Woldemar !» 
Sohn, Das fängt erbaulich an. 
Vater (bey Seite.) Verdammt! 
Sohn. Nur weiter, da ist nichts Verdächtiges daran. 
Vater (liess) «Graf Holm, der eilte Geck — » 
Sohn. Aha! das geht auf mich. 


Vater. Wie, ich ein eitler Geck? Was untersteht sie sich? — 
Sohn. Ei, warum seh’ ich Sie so in die Wuth gerathen ? 

Dass Ihre Braut mich meint, kann Ihnen wenig schaden, 
Vater. Wie, Herr, was denken Sie? der eitle Geck bin ich! 
Sohn. Unmöglich , ich bin's! 
Vater. Nein, der Titel geht auf mich, 
Sohn. Nun, schreibt sie nicht, Graf Holm ? 
Water (für sich) Ach, dass ich’s läugnen müsste ! 

Graf Holm, ja, ja, Graf Holm! 


Sohn. Was mehr ? Wenn ich nur wüsste 
Wie Sie das ärgern kann ? 
Vater. Sie sollten sich doch schämen! 


Mir gilt der eilte Geck, das lass ich mir nicht nehmen, 
Sohn. Sie sind Graf Holm ? ` 
Vater. Nun ja! 

Sohn, Das ist um toll zu werden | 
Vater. Nun, Herr, was lachen Sie ? was sollen die Geberden ? 
Sohn. Der junge Graf also , er traf so eben ein, 

Das ist Ihr Sohn ? - 
Vater. Ja, ja! Was soll denn mit ihm seyn ? 
Sohn. Und mit dem nehmlichen soll ich mich duelliren ? 
Vater. Zum Teufel, ja! 

Sohn. Da muss man den Verstand verlieren ! 


47 


554 DIE BRAUT. EIN LUSTSPIEL. 


Vater. Herr! sind sie etwa toll? 
Sohn. Dass kann ich selbst nich sagen, 
Doch werd ich mich, Herr Graf, mit Ihrem Sohn nicht schlagen, 
Vater. Sie müssen ! 
Sohn. Nimmermehr ! 
Vater, Was hat man gegen ihn ? 
Sohn. Mein einz’ger Grund ist der: weil ich es selber bin! 
Vater. Wie? Sie mein Sohn ? f 
Sohn. Darf er in Ihre Arme fliegen ? 
Die Stimme der Natur hat lange zwar geschwiegen , 
Doch jetzo schweigt sie nicht, 


Vater. Ja, ich erkenne dich I 
Sohn. Mein theurer Vater! 
Vater. Komm, mein Sohn, umarme mich ! 


Wir haben beide zwar uns seltsam kennen lernen, 

Doch soll der frühe Streit die Herzen nicht entfernen, 

Und hast du mir den Text auch noch so sehr gelesen, 

Durch dich bin ich befreit, es ist mein Glück gewesen, 
Sohn. Mein Vater, Sie verzeih’n ? 


Vater. Von Herzen , lieber Sohn! 
Sokn, Ich war ein bischen derb, 
Vater. Recht derb! doch still davon. 


Sohn. So brauch’ ich also nicht mich mit mir selbst zu schlagen ? 
Vater. Ich gebe den Befehl, dich friedlich zu vertragen, 
Sohn. Und ihre Fräulein Braut ? 
Water (zereisst den Brief.) Von ihr weiss ich genug, 
Und ich verachte sie ! — Du, merke dir den Spruch, 
Dein eigner Vater hat das Beispiel dir gegeben, 
Magst du den Schleier nie so spät, wie ich, erheben ; 
Die Liebe winkt allein dir in der Jugend Lenz, 
Ein and’res Bündniss bleibt blos eilte Convenienz ; 
Nur en die Liebe blüht, da reift die wahre Treue, 


Sonst schliesst der kurze Traum mit einer langen Reue, 
(Der Vorhang fällt.) 


DER GRÜNE DOMINO. 


EIN LUSTSPIEL IN ALEXANDRINERN, IN EINEM AUFZUGE, 


beet Am 


PERSONEN. 
MARIE, I PAULINE, 
(Eia Zimmer mit einem Haupteingange und Thüren auf beiden Seiten.) 


ERSTER AUFTRITT. 


MARIE UND PAULINE, 


(Sitzen an einem Tische mit weiblicher Arbeit beschäftigt, Eine Guitaire 
e Li 
liegt auf dem Tische.) 


Pauline. Ei , läugn’ es nur nicht mehr ; warum willst du dich zieren ? 
Der grüne Domino schien dich zu int'ressiren , 
Das hab’ ich wohl gemerkt. 
Marie. Wenn ich dir sage, nein! — 
Pauline. Ereif’re dich nur nicht! Kann das nicht möglich seyn ? — 
Die Maske war galant, hing fest an deinen Blicken, 
Und sprachst du nur ein Wort, sie lauschte mit Entzücken, 
Warum gestehst du nicht, dass das dir wohl gefiel? — 
Wir Mädchen treiben gern mit Männern unser Spiel, 
Das bleibt num ausgemacht. — Die unsre Fesseln tragen , 
Den’n muss man doch zum Dank ein freundlich Wörtchen sagen ; 
Und läuft ein armer Narr sich unsertwegen lahm, 
Nun, wir verzeihen gern, und sind ihm gar nicht gram, 
Marie. Ich kann dasselbe dir mit Recht zurücke geben; 
Der grüne Domino schien nur für dich zu leben, 
Ihr weart ja recht vertraut! — 


Pauline. Die pure Eifersucht ! 
Marie. Ich wüsste nicht ? 
Pauline, Mich hat er aufgesucht ? 


Marie, O, es entgieng mir nicht, 


` H 


556 DER GRUNE DOMINO, 

Pauline. Nun ja, er sprach-mit mir, ` 
Doch bin ich nicht drauf stolze Er sprach — — — 

Marie. Wovon ? 

Pauline. Von dir, 

Marie. Von mir? 

Pauline, Von dir ! 

Marie. Das hätl’ er sich ersparen können, 


Pauline. Nun , diese kleine Lust musst du ihm doch vergönnen. 
Marie Ei ja, von Herzen gern. Doch find’ ich’s nicht galant 

Für dich, dass sonst kein Stoff ihm zu Gebote stand, 

Dies Thema machte dir natürlich kein Vergnügen. 
Panline. Was du bescheiden bist! Ich müsste wirklich lügen. 

Es amusirte mich, Wer sich nur drauf versteht , 

Ein jedes Wort ist gut, das aus dem Herzen geht, 

Und dieses grosse Lob muss ich der Maske schenken, 
Marie, Was sprach er denn von mir? — Zwar, das kann ich mir 

denken! 

Pauline. Das glaub’ ich schwerlich, nein, so eitel bist du nicht. 
Marie. Ei nun, man weiss ja schon, was eine Maske spricht, 
Pauline. Vor allem rühmte sie — — doch still mit dem Geschwätze, 

’S ist Noth, dass ich mich auch einmal zur Arbeit setze | 

Das Plaudern thut nicht gut, man wird zu sehr zerstreut, 

Drum dächt ich, schweigen. wir. 


Marie. * Sieh, das hat ja noch Zeit, 
Sprich, was vertraut er dir ? 
` Pauline, Wer denn ? 
Marie. Nun er! 
Pauline. Der Grüne? — 


Marie. Ei, welcher Andre denn ? Erzähle doch , Pauline, 
Pauline. Ach nun, man weiss ja schon, was eine‘ Maske spricht. 
Marie. Ich hab’ dir’s ja gesagt, nein, nein, man weiss es nicht. 
Pauline.., Wenn man es auch nicht weiss, so kann man sichs doch 
denken, 
Marie. Du machst mich ernstlich bös, 
Pauline. Das kann dich ja nicht kräuken, 
Vor zwei Minuten hast du mich's ja selbst gelehrt. 
Marie, Doch sieh, ich bitte dich, 
Pauline. Wohlan , es sey gewährt: 
Er rùhmte, wie gesagt, der Füsse leichtes Spiel, 
Der Stimme Lieblichkeit, das tiefere Gefühl , 
Das — seine Worte sinds — in deinen Augen glüht, ? 
Wo ihm — o Schärmerei — sein ganzer Himmel hiüht. 
Er sagte mir, dass er dich unaussprechlich schätze , 
Das ist in einer Nuss sein albernes Geschwätze. 
Marie. Nun, albern find’ ich’s nicht, 


EIN LUSTSPIEL, 557 


Pauline. Da er es mir gesagt, 
So musst due eingestehn. Wer es nicht einmal wagt, 
, Die Komplimente uns keck ins Gesicht zu sagen, 
` Der ist ein Tropf, und längst schon vor dem Sturm geschlagen, 
Marie, Er wusste sicherlich, er sah’ mirs an, ich wette, 
Dass ihn ein strenges Wort zurück gewiesen hätte, 
Wenn er es kühn mir selbst in's Angesicht gestand , 
Was er so dir vertraut, 
Pauline. Da hat er mich verkannt | 
Denn ich war strenger noch , als du wohl selbst gewesen, 
Und hab’ ihm seinen Text recht aus dem Grund gelesen, 
Damit er die Lection nicht gar zu bald vergisst 
Ich hatt’ ein Recht, da du nicht nur mir Freundin bist, 
Als meines Bruders Braut darf ich dich Sıhwester heissen , 
Und also war mir’s Pflicht, den Herrn so abzuspeissen, 
Marie. Du warst doch nicht — — — 
Pauline, Zu sanft? — O darum sorge nicht. 
Ich sprach gehörig derb, wie eine Tante spricht 
Es galt der Freundin Ruf, und die Familien-Ehre , 
Drum fragt’ ich grad heraus: ob das die Achtung wäre, 
Die jeder edle Mann den Frauen schuldig sey ? 
Und wir verbäten uns dergleichen Schmeichelei, 
Es wär’ Beweis, das man uns gar zu eitel fände, 
Versuchte man sein Glück durch solche Komplimente, 
Marie. Und das , das sagtest du — — — 


Pauline. Ihm grade ins Gesicht. 
Er schien auch sehr bestürzt. 
Marie. Nun , höflich war es nicht, 


Ich kann dir auch nicht sehr für deinen Eifer danken , 

Man bleibt bei jedem Fall doch in gewissen Schranken ; 

Und hat er gegen dich auch gar zu viel gewagt, 

Was geht das mich denn an? Mir hat @r’'snicht gesagt. 

Ist er in mich verliebt, und zeigt er sich bescheiden, 

Und artig gegen mich‘, was soll ich das nicht leiden ? 

Ich bin ja auch ein Weib, und dass man uns verehrt, 

Und unsre Fesselu küsst , hat Keine noch verwehrt, 

Und mögen sie es denn zu allen Winden sagen: 

«Ihr Ritter möcht’ ich seyn, und ihre Farbe tragen !» 

Die Männer woll’n wir kühu, und für Gefahren blind , 

Wenn sie-demüthig nur zu unsern Füssen sind. 
Pauline. Wie kommst du mir denn vor? — Mein Gott, dn wirst 

ganz heftig | 

Marie. Und kurz und gut, du warst für mich gar zu geschäftig ! 

Anbeter gelten viel in dieser theuern Zeit. 

Die Freundschaft trieb dich nicht, gesteh’s, dich trieb der Neid, 


558 DER GRUNE DOMINO. 


Pauline. Marie , bist du klug! Die Redensart war bitter 
Du bist doch zu besorgt für deinen neuen Ritter, 
Und war's die Freundschaft nicht, die mich den Text gelehrt, 
So that ich doch , was mir als Schwester zugehört, 
Ich soll dich Schwägerin in wenig Tagen heissen , 
Und solchem fremden Gast hab’ die Thür zu weisen! 
Marie. Das wäre doch zu früh, es wird so schnell nicht gehn , 
Denn deinen Bruder hab’ ich ja noch nie gesehn ; 
Wer sagt mir denn voraus, dass wir uns lieben können ? — 
Was Zwang verbinden will, wird sich gewöhnlich trennen, 
Mein Vater — der befichlt’s, noch widerstreb’ ich nicht; 
Doch Lebenszlück gilt mehr als blosse Tochterpflicht. 
Dein Bruder ist ein Mann von Geist und Herzensticfe , 
Und Witz und reinem Sinn , das zeigen seine Briefe; 
Doch sonst kenn’ ich ihn nicht, und was die Schwester sagt, 
Das sah der Schwester Blick, und zu viel blieb’'s hewagt, 
In diesem krit’schen Fall der Freundin blos zu trauen, 
Und auf ein Schwesterlob sein Lebensglück zu bauen. 
Darum erlaube mir bis zur bestimmten Zeit, 
Wenn mich der Name Braut nicht, wie du wünsch'st , erfreut ; 
Soll ich mit deinem Karl zu dem Altare gehn, 
So muss ich ihn vorher mit eignen Augen sehn. 
Bis dahin lass es zu, wenn es mich noch vergnügt, 
Dass auch ein Anderer zu meinen Füssen liegt. 
Pauline. Wenn dir es Freude macht, — mein Kind, ich weiss zu leben, 
Ich dachte dich dadurch der Müh’ zu überheben, 
Er hätte dich geplagt mit seinem Ungestüm : 
Und übrigens verlierst du sicher nichts an ihm. 
Marie, Wer hat dir denn gesagt, dass ich den Schritt bereue,, 
Den du für mich gethan ? Im Gegentheil ich freue 
Mich herzlich , dass dein Wort so eifrig mich vertrat. 
Er ennuyirte mich gewatig ! 
Pauline, In der That? — 
(Bey Seite.) Die Lügnerin! (Laut) Ja, ja, man hat dir’s angesehen , 
Das Unterhalten schien er gar nicht zu verstehen ; 
Die leere Schmeicheley genügt nicht jeder Frau , 
Sein Witz war sehr verbraucht, und das Organ zu rauh, 
Marie. Du tbust ihm gar zu viel, die Schwester mach dich hitzig- 
Es schien ein Mann von Geist, gebildet , klug und witzig, 
Und seine Stimme — nein , wo hattest du dein Ohr ? 
Pauline sich, mir kam sie recht harmonisch vor. 
Pauline. Du bist hier Richterin, ich mag nicht widerstreben, 
Auch hab! ich so genan, wie du, nicht Acht gegeben. 
Marie. So? ich gab also Acht. Mein Kind, da sey nur still , 
So etwas merkt man ja, wenn man es aucht nicht will, 


EIN LUSTSPIEL. 559 


Pauline. Gut, gut! — Doch nun der Wuchs , und sahst du, wie 
er lief, 
Und dir den Shawl geholt ? sein linkes Bein ist schief, 
Marie. Schief? ach du bist nicht klug, er hat ganz grade Beine, 
Ich weiss nicht, was du willst, 
Pauline. Ei liebes Kind, ich meine , 
Du gabst durchaus nicht Acht? — Jetzt musst du doch gestehn, 
Du hast den Domino dir recht genau beschn, 
Marie. Ich soll mir das Gesicht wohl gar verbinden lassen, 
Beym Reden muss man doch etwas in’s Auge fassen, 
Soll ich, um ja nicht in der Lebensart zu fehlen, 
Wenn Einer mit mir spricht, die Feusterschreiben zählen ? 
Pauline. Ei, wer verlangt denn das ? — Den Nachbar auszusehn , 
Ist Pflicht der Höflichkeit, nur muss mann’s auch gestehn. 
Unzeit’ge Sprödigkeit kann nimmermehr gefallen, 
Das Ansehn ist erlaubt , bei Masken nun vor allen. 
Ich räum’ es selber ein; ich brauchte alle List, 
Um zu erfahren, wer de grüne Schäfer ist. 
Doch musst’ ich meinen Witz an ihm umsonst verlieren, 
Denn er bestand darauf, sich nicht zu demaskiren, 
Verdächtig bleibt mir das, und liebes Kind, gib Acht, 
Der grüne Domino ist hässlich wie die Nacht; 
Ein hübscher Mann lässt sich wohl nimmermeht so bitten ; 
Die liebe Eitelkeit, die hätt’ es nicht gelitten, 
Marie. Was für ein falscher Schluss. Du kannst recht boshaft seyn : 
Erst ist die Stimme rauh, dann gibt’s ein schiefes Bein, 
Witz , Geist, Gestalt und Herz wird reinweg abgesprochen, 
Was hat er denn an dir so Schreckliches verbrochen ? — 
Pauline. Nichts liebes Mädchen , nichts; doch seh’ ich den Gelan 
Nur wie ein Menschenkind, nicht wie ein Wunder an. 
Was hätt’ ich wider ihn ? Ist’s nicht uns Mädchen eigen, 
Dass die Verliebten nur in unsrer Achtung steigen ? 
Und sind die Herren auch nicht in uns selbst verliebt, 
Zufrieden sind wir schon, wenn’s noch Liebhaber gibt, 
Die ächte Sorte geht doch nach und nach verloren, 
Windbeutel werden jetzt, und kaum noch die geboren, 
Es ist ein Fischgeschecht, im Menschenhaut gebannt, 
Liebhaber zu brutal, und Helden zu galant, 
Verlieben kommt gewiss in Kurzem aus der Mode, 
Man prägt die Männer jetzt nach gar zu leichtem Schrote, 
Marie. Nie kannst du billig seyn , nur immer in Extremen 
Musst du nichs auch einmal solch einen Fisch dir nehmen ? — 
Doch still, Pauline, still, mir war's, als hört’ ich Schu, 
Pauline, Mir auch, — Im Vorsaal wohl! 
Marie. Ich eile, nachzusehn, WAN 


560 DER GRUNE DOMINO. 


ZWEITER AUFTRITT. 


PAULINE (allein.) 


Sie liebt ihn, ja, liebt! — Ein Mädchenherz verhehlt 
Nichts schlechter, als wenn sie sich icren Freund gewählt , 
Und, was mein Bruder sich kaum in den Träumen malte, 
Die Sonne -geht ihm auf, noch eh der Morgen strahlte, 

In Liebeszauber ist sein Mädchen eingewiegt , 

Das alte Sprichwort gilt: er kömmt, er sieht, er siegt, 

O dürft’ ich ihm nur gleich die frohe Bothschaft schreiben , 
Doch nein, es ist sein Wunsch , noch unbekannt zu bleiben, 
Ich lass es lieber seyn , damit sie nichts erfährt, — 

Marie ist so gut, so schön , so liebenswerth ! — 

Des Vaters ganzer Schatz kommt hier nicht in Betrachtung , 
Denn neben diesem Preis verliert er jede Achtung. — 

O wie des Glückes Macht so wunderbar sich zeigt , 

Noch Keinem hat es sich mit halber Gunst geneigt, 

Wem es sich einmal giebt, dem giebt es sich auf immer, 
Mein Bruder webt und lebt in seinem reichsten Schimmer, 
Er ist ein Mensch von Geist und frischer Lebenslust , 

Die Liebe fehlte nur in seiner treuen Brust, 

Der Vormund hat ihm langst die Tochler zugesprochen, 
Und unbekannt hat er sich selber ausgestochen, 

Die Väter haben zwar die Hände ausgesucht, 

Doch bleibt’s nicht Convenienz, es wird zur schönen Frucht, 
Und ihre Herzen fliegen sich entgegen , 

Wie sich die Hände in einander legen, 


—— 


DRITTER AUFTRITT, 
MARIE (mit einem Brief in der Hand.) PAULIN E. 


Marie. Sieh, Linchen , hier ein Brief vun anonymer Hand. 
Das Siegel ist mir fremd, die Schrift ganz unbekannt. 
Pauline. Für wen? — 
Marie. Da lies nur! 
Pauline, Wie ? — «Der schönen Amazone, 
Des Balles erstem Schmuck, und aller Frauen Krone! —» 
Das klingt ja sehr galant, und zärtlich obendrein. 
So brich doch auf! 
Marie, Wie , ich? 
Pauline, An wen soll er sonst seyn ? 
Marie. An dich, denn warst du nicht ganz wie ich selbst gekleidet? 
Pauline. Wohlan, dass Keine drum die Andre beneidet, 
So lesen wir zugleich, 


EIN LUSTSPIEL. 561 


Marie. Recht gern! 
Pauline (bricht den Brief auf.) 
Was! gat in Reimen? 
Ein schön bekränzt Sonnet!’—- das liess ich mir nicht träumen. 
Die Verse sind jetzt rar, ein Brief selbst unterbleibt, 
Weil mancher Elegant nicht ortographisch schreibt. 
Doch Steller dieses hat sich wirklich nicht zu schämen, 

Marie. So lies doch endlich! 

Pauline. Gleich! muss nur den Anlauf nehmen, 
Solch’ eine Schmeichelei , die lest man gern gescheidt , 
Und vierzehn Zeilen sind doch keine Kleinigkeit 

(Sie liess’t Fo'gendes :) 
Ich freute mich am bunten Wirbeldrehen, 
Ich freute mich am Blühen der Gestalten , 
Sah manche Reize freundlich sich entfalten , 
Doch immer kalt musst’ ich vorübergehen, 


Da blieb ich plötzlich angezaubert stehen , 

Den festen Blick an einen Stern ‘gehalten ; 

Es zog mich nach , es war der Liebe Walten , 

Ihr schönes Wort füh't ich im Herzen wehen, 
Verzeih’s der Liebe , stolze Amazone , 

Spricht Sehnsucht dir im zu verweg'nen Tone ; 

Ein muth’ger Sinn greifft nach der höchsten Krone, — 


Was hilft es dir , ein Herz nur zu besiegen ? 
Zu deinen Füssen lass mich einmal liegen, 
Und alle Himmel will ich überfliegen. 


Ei das geht hoch, mein Kind , da nimm dich wohl in Acht, 
Im Fliegen hat’s der Mann gefährlich weit gebracht, 
Erhör’ ihn ja recht bald, vergönn’ mir das Vergnügen, 
Ein grüner Domino muss gar zu herrlich fliegen, 
Marie. Du glaubst, es sey von ihm? — 
Pauline. Hast du ihn noch verkannt? — 
Sieh , nur ein Dichter ist so unverschämt. galant. 
In lauter Blumenwust spazierten seine Reden , 
Der grüne Prinz passt sich durchaus nur zum Poeten, 
Marie. Die Verse sind nicht schlecht, Der Silbenfall ist leicht. 
Pauline. Man hört es doch zuletzt, wie er gewaltig keucht, 
Drei Reime fand er zwar auf: Siegen , Liegen , Fliegen, 
Den besten liess er aus, sonst hätt’ er wohl geschwiegen. - 
Marie, Sey nur nicht gar zu streng. Du musst doch selbst gestehn, 
Ist’s ein Vergehn , so ist's ein artiges Vergeln, 


562 DER GRUNE DOMINO. 


Ein Name klingt recht süss in wohlgesuchten Reimen , 
Wir sehen unser Bild gern in des Dichters Träumen , 
Und was in Prosa nicht die kleinste Wirkung thut, 

Ist nur ein Vers dabei, so klingt es doppelt gut. 

Kurz unser Domino weiss nach. Gebühr zu leben, 

Und wär’ der Brief an dich, du hättest längst vergeben. 

Pauline. Gewiss nicht! All der Kram schmeckt nach Empfindsamkeit , 
Und damit kommt man jetzt, Gott Lob und Dank, nicht weit, 
Ich wüuschte nur einmal den Leutchen zuzuschauen , 

Wenn sie begeistert sind, und an den Nägeln kauen, 
Da wird der Silbanflug an Fingern hergezählt , 

Und wider Lust und Glück der Muse Gunst gequält, 
Bis sie zuletzt, nachdem sie Wort für Wort gefoltert, 
Mit barbaresker Wuth in falschen Reimen poltert, 
Gezwung’ner Wortet Schwall statt freier Phantasie , 
Und diese Sudelei heisst ihnen Poesie, _ 

Marie. Bei vielen hast du recht, doch muss du auch gestehen , 
Dass Phantasie und Kunst noch manche Brust durchwehen ; 
Wenn mann der Liebe Keim in edlen Boden legt, 

So reifft ein goldner Baum , der zarte Früchte trägt. 

Der einen Schönhet ist die andre zugegeben, 

Und wo die Liebe blüht, da muss die Dichtkunst leben. 

Oft sey’s ein kaltes Spiel, oft nur Galanterie, 

Doch wenn man wahrhaft liebt, wird alles Poesie, 

Ob es von Herzen kommt , das magst du leicht verstehen , 
Denn was vom Herzen kommt , muss dir zum Herzen gehen , 

Pauline. Das ist's auch, wass ich will, doch sie die Verse an, 
Ist denn von diesem Geist auch nur so viel daran ? 

Marie. Ich meine doch, mir ists, als läg in diesen Worten 
Ein ganzer Zauberkreis von geisligen Accorden , 

Und alles reimt dazu, was ich von ihm gedacht. 

Pauline. Verse stecken an, du, nimm dich wohl in Acht ! 
Ein wenig Eitelkeit ist doch bey dir im Spiele ? — 

Marie, Hier sch’ ich keinen Zwang , nur Freiheit nur Gefühle, 
Des Herzens lauten Raf, und den verstellt man nicht, 

Es ist nicht Schmeichelei‘ die solche Worte spricht. 

Wird man der Liebe Glüh’n so leicht erkünsteln können] 
Es will empfunden seyn, sall man’s in Worten nennen, 
Und wenn ich recht gehabt, und wenn der Satz besteht , 
So kommt’s von Herzen weil es mir zu Herzen geht, 

Pauline. Marie , bist du klug? — Wie glühen deine Wangen ? 

Dein ganzes Wesen ist so wunderbar befangen , 
Bedenke, was du selbst, und was der Vater will, 
Mein Gott, du bist verliebt! 

Marie. Ich bitte-dich sey still! 


EIN LUSTSPIEL. 565 


Was soll ich’s nicht gestehn ? Ich hab’ es klar empfunden, 
Wie ich denn Mann mir will, == Vielleicht ist er gefunden! 
Dass also jetzt mein Herz in Furcht und Hoffnung glüht , 
Daran erkennst du ja das weibliche Gemüth. — 

Ich fühlte gestern schon, als er mit mir gesprochen , 

Der Pulse schnell’res Gehn , des Herzens laut’res Pochen, ` 
Zwar hat die -Maske mir noch sein Gesicht verhüllt, 

Doch solcher Seelenwerth hat auch ein reines Bild ; 

Und hätt’ er mir auch nicht den lieben Brief geschrieben , 
Mein Herz spricht laut für ihn. Ja! ja, ich muss ihn lieben, 

Pauline. (sioh vergessend.) 

Du herrlich Mädchen, komm, komm an die Schwester-Brust } 

Marie, Was ist dir, Kind? — 

Pauline. Verzeih, Ein Traum vergangner Lust 
Ich konnte plötzlich dem Gedanken nicht entgehen, 

Den theuern Bruder so von dir geliebt zu sehen, 
Und deinem Herzen dann so nahe zu gehören. 
Doch still davon, ich will nicht deine Freude stören. 

Marie. Du gutes, liebes Kind! — Recht, schweigen wir davon, 
Was braucht’s des neuen Band’s, wir lieben uns ja schon, 
Sieh, ich verhehlte dir, was mich so selig machte , 

Weil ich zu streng dafür, zu kalt dafür dich dachte ; 

Doch fühlst du warm, wie ich, ich irrte mich in dir, 

Und kein Geheimmniss sey nun zwischen dir und mir, 

Klar, wieim Spiegel, siehst du deiner Freundin Seele , 

Und wenn ich wählen darf du weisst es, wen ich wähle, 
(Ab in die Thüre rechts,) 


— 


VIERTER AUFTRITT. 
PAULINE (allein,) 


O wunderbares Glück! geträumte schöne Zeit! — 

Man freut sich erst, wenn man der fremden Lust sich freut. 
Erhörte Leidenschaft mag Seligkeit gewähren, 

Dies friedliche Gefühl wird jene Glut verzehren. 

Im Kampfe kann der Sieg, doch nie die Freude seyn, 
Nur in der klaren Brust wird ihre Frucht gedeihn, 

Es ist doch in der That das schönste Glück vor allen, 
Solch einem Mädchen schon als Maske zu gefallen. 

Doch wissen möcht’ ich, wie sie ihn im Geist sich malt, 
Und ob ihr Ideal auch seine Züge strahlt. 

Hat nur das Schmeichelwort der Liebe sie bestochen , 
Hat nicht des Herzens Ruf dem Herzen zugesprochen ? — 


564 DER GRUNE DOMINO. 


Vielleicht hat sie sein Bild. ganz anders sich gedacht, 

So dass er unmaskirt kaum jenen Eindruck macht, 

Ich gäbe viel darum, könnt’ ich es nur ergründen, 

Doch möchte man dazu nicht leicht den Schlüssel finden, 
Zwar möglich wär es wohl! — doch seh’ ichs noch nicht ein 
So? — schwerlich! — aber so? — das könnte besser seyn! — 
Ja, ja , so muss es gehn! — sie mag ihr Herz benachen; 
Und wenn’s auch nicht gelingt, so gibt's doch was zu lachen, 
Mein zweiter Bruder gab mir Kleider ‚aufzuheben , 

Als er uns jüngst verliess! das soll mir Mittel geben , 

Er wird nicht grösser seyn , wir sind von gleichem Bau, 
Der grüne Ueberrock passt mir auch ganz genau. 

Ich präsentire mich sogleich als der Bewusste, 

Der ihr als Domino bezaubert folgen musste ; 

Die Stimme wird verstellt, man malt den Bart sich blau, 
Man ist recht unverschämt , kurz , man kopirt genau; 

Ich will mich ganz gewiss des Standes werth benehmen , 
Und an Brutalität die jungen Herrn beschämen , 

Bis sie zuletzt gesteht, auf’s Aeusserste gebracht , 

Sie habe sich von mir ein andres Bild gemacht, — 

Mein Bruder ist gesetzt im Handeln und im Reden, 

Ich will mit fadem Witz und seichtem Spass sie tödten, 

Er ist bescheiden , gut , ich will verwegen seyn, 

Und ihr. mit kecker Stirn den gröbsten Weihrauch streu’n ; 
Hat nur die Eitelkeit den Mädchensinn verblendet , 

So bleibt sie auch dem Pfad im Herzen zugewendet, 

Doch wenn der bessre Geist die edlern Früchte trägt, 

So wird dem Sansfacon das Handwerk bald gelegt , 

Dann zieht er freudig ab mit einer langen Nase, 

Und ein gediegnes Glück. wächst aus dem leichten Spasse, 
Wohlan, es sey gewagt! Gott Amor steh’ mir bei 

Mit Petitmaitre-Witz und fader Schmeichelei, — 

Still, hör ich recht, sie kommt. Nun schnell zum Kabinette, 


Jetzt gilt es deine Kunst, jetzt hilf mir, Toilette ! 
(Ab in die Thüre links,) 


FUNFTER AUFTRITT. 
MARIE allein (aus der Thürs rechts ) 
Pauline nicht mehr hier? — Ich hätt’ ihr viel zu sagen, 
Mir ist's, als hätt’ ich’s längst in meiner Brust getragen, 


In’s dunkle Heiligthum der -Seele mir gesenkt, 
Was jetzt mit einem Mal sich zu dem Herzen drängt. 


EIN LUSTSPIEL. 565 


Wenn sich des Mädchens Geist in Träumen sonst verloren, 
Und im Gedankenspiel die bessre Zeit geboren, 

Was da, wie Ahndung, still die Seele mir durchbebt , 

Es war kein Nebelbild , kein Wahn, es liebt, es lebt! — 
Das Heissersehnte aus der Hoffnung Zauberhöhen 
Soll jetzt vor meinem Blick in reicher Blüthe stehen, 
Zukunft wird Gegenwart, ein Traum wird Wirklichkeit, 
Und an den stillen Wunsch hat sich das Glück gereiht. — 
Ich bin mir wie vertauscht! So froh , so wunderselig, 

Und warum soll ich’s nicht ? — Ist’s denn nicht recht und fehl’ ich, 
Weil ich dem innern Ruf, der mir im Herzen spricht, 
Nicht widerstehen mag? — Man sagt, es schickt sich nicht, 
Ein Mädchen hätte nicht sich Rechenschaft zu geben, 

Ob’s Lieb’ und Sehnsucht sey, die ihr den Busen heben ; 
Doch ist's ein leeres Wort, das sich wohl sagen lässt, 
Wenn Gouvernanten-Zwang die zarte Seele presst, 

Doch immer kann man nicht das freie Herz begrenzen, 

Und wenn die Liebe spricht, vergisst man die Sentenzen. 

So deutlich, wie ich ihn mir denke , dacht’ ich nie. 

Es steht sein ganzes Bild vor meiner Phantasie , 

Ich könnt’ ihn zeichnen, Zug für Zug ! -— die dunklen Augen, 
Die wie mit Zauberkraft sich in die Secle tauchen, 

Das goldne Lockenhaar, die Stirne ernst und frei, 

Und seines Mundes süss beredte Schmeichelei, 

Das alles reich beseelt, im vollen Schmuck der Jugend, 
Von Männerkraft und Stolz und Muth und Männertugend, — 
Doch bin ich nicht ein Kind! — Geschäftig mal’ ich jetzt 
Ein kühnes Ideal, in’s Leben nie gestetzt. 

Was ich verlange, ach! das kann die Welt nicht geben, 
Und was der Geist sieh denkt, das wandelt nicht im Leben. 
So wie ich ihn geträumt, so ist er nicht, nein, nein } 

Und wenn er anders ist, kann ich da glücklich seyn ? — 
Ach, dass die Phantasie die Wahrheit überflogen , 

Dass mir das volle Herz vin schönes Bild gelogen ! 

Was mir der Traum versprach , hält nur die bessre Zeit, 
Und einsam steh’ ich da, in leerer Wirklichkeit, — 

Doch nein , nein, dies Gefühl , das ich im Herzen trage, 

Ist ohne Wahrheit nicht! — Wenn ich die Stimme frage, 
Die stille Richterin, die in der Seele lebt, 

Und wie ein reiner Geist um unsre Träume schwebt , 

So hör’ ich laut ihr Wort in meines Herzens Pochen : 

«Die Liebe hält gewiss, was Sehnsucht dir versprochen , 
Und wenn zum Ideal auch manche Gabe fehlt, 

Der Blick der Liebe hat noch nie genau gezählt, 


48 


566 DER GRUNE DOMINO. 


Wenn man den Fleck nicht sieht, so kann er nicht betrüben. 
Wer die Vollendung sucht , verzichte hier auf’s Lieben : 
Ich bin nicht fehlerlos, er kann es auch nicht seyn, 
Und wenn er treu mich liebt, so mag ich das verzeihn, 
(Nimmt die Guitare und greift einige Accorde.) 
Ach, wie bedeutungslos steht jetzt vor meinem Blick 
Vergangner Tage Lust, oft hochgerühmtes Glück. 
’S ist alles schaal und leer, kein Werth und keine Freude 
Erkenn ich jetz, wo mir die Stunde Rosen streute, 
Nach langem Schlaf seh’ ich den Morgen schön erwacht, 
Und kaum erinn’r ich mich, was ich im Traum gedacht. — 
Das, Liebe, ist dein Werk, du hast den Tag gegeben, 
Du gabst der Sehnsucht Sinn, und gabst dem Leben Leben. 
(Sie greift noch ein Paar volle Accorde , dann singt e :) 
Freud’voll und Leidvoll , 
Gedankenvoll seyn , 
Hangen und bangen 
Iu wechselnder Pein, - 
Himmelhoch jauchzen, 
Zum Tode betrübt , 
Glücklich allein ist die Seele , die liebt! — 
(Sprechend.) 
Glücklich allein ist die Seele, die liebt ! — 
(Sie versinkt in Träume.) 


SECHSTER AUFTRITT. 


PAULINE (in Münnerkleidung) MARIE, 


Pauline. (bey Seite.) 
Da sitzt sie ! — Nun wohlan ! — doch wird das Plänchen scheitern, 
Denn mir ist gar zu schlecht in den fatalen Kleidern. 
Ich halt’s nicht lange aus; der leichte Mousselin , 
Und dieses schwere Tuch ! — man fühlt’s gleich in den Knie’n, 
Ach, unsre jungen Herrn! Nun, dass sic Gott bewahre! 
Solch schweres Packpapier , und doch so leichte Waare ! — 
Drum um so schneller denn zu unserm alten Zweck. 
Nur Muth , und unverschämt, und gegen Weiber keck , 
Das ist die ganze Kunst, und dass ich nichts verfehle 
Setz’ ich ibr lieber gleich das Messeı an dic Kehle. 
(Eilt auf Marie zu, und fällt ihr zn Füssen ; laut:) 
Du himmlisches Geschöpf! 


Maris, Mein Gott, was wollen Sie? — 
Pauline, Erschrick nicht, schönes Kind | 
Marie. Mein Herr! noch sah ich nie = — 


Pauline, -Mich ? o da irrst du dich, 


EIN LUSTSPIEL. 567 


Marie. Wie, du? das klingt vermessen } 
Pauline, Den grünen Domino hast du doch nicht vergessen ? 
Marie. Den grünen Domino ? 
Pauline, Derselbe , der dir heut 

In schön gefügtem Reim sein zärtlich Herz geweiht , 

Der alle Himmel will begeistert überfliegen , 

Darf er ein einzigmal zu deinen Füssen liegen ! 
Marie, Unmöglich , Sie ? 


Pauline. Ja, ja! dein Auge kennt mich schon. 
Marie. Sie wären ? 
Pauline. Was du willst, doch stets dein Seladon. 


Marie. Sie unterstehen sich — (bey Seite.) Ach , wie bin ich betrogen ! 
Pauline. Ich unterstand mir nichts, du bist mir ja gewogen. 
Mar.e. Sie faseln , Herr, 
Pauline. Nein, nein , du selbst verriethst mein Glück. 
Auf deiner Wangen Roth, in dem verschämten Blick 
Hab’ ich dein Innerstes in klarer Schrift gelesen , 
Als ich gestand , ich sey der Domino gewesen, 
Verstelle dich nicht mehr , ich weiss, das du mich liebst. 
Marie, Verwegner! — e 
Pauline. Wohl, ich bin’s, bis du die Hand mir gibst, 
Mich an den Busen ziehst, und unter süssen Thränen 
Mir das Geständniss machst, nach mir geh’ all dein Sehnen, 
Marie. Verlassen Sie mich gleich ! 
Pauline, O nicht so bës, Marie 
Und ist mein Blut zu heiss, du weisst, warum ich glühe. 
Marie, Wenn man uns überrascht, ob’s nichts das Ahnsehn hat — — 
Pauline. Dass du mich liebst? — Mein Kind, das weiss die ganze Stadt. 
Movie. Wie? 
Pauline. Nach dem Maskenball blieb unser Kreis zusammen , 
Und da erzählt’ ich denn von deines Herzens Flammen , 
Vom stillen Händedruck , und süssem Liebesblick , 
Man gratulirte mir, beneidete mein Glück ; 
Ich liess sogleich darauf zehn Flaschen Rheinwein holen, 
Und auf dein Wohl erklang's bis zu den fernsten Polen. 
Marie, O welche Schäudlichkeit! 
Pauline. Kind! ziere dich doch nicht, 
Und wende nicht von mir dein liebliches Gesicht; 
Als Maske nahm ich schon dein kleines Herz gefangen, 
Jetzt sieh mich unmaskirt! — Was kannst du mehr verlangen ? 
Die ganze Residenz denkt in der Sache gleich , 
Ich sey der schönste Graf im ganzen Königreich. 
Sieh dieses goldne Haar, wo Amoretten lauschen ; MN 
Hör’ ihre Flügelchen im Goldgewebe rauschen, 
Sich diesen Feuerblick , dem Keine widerstand, 


568 DER .GRUNE DOMINO. 


Sieh diesen kleinen Fuss, sieh diesse weise Hand! — 
O, glaube mir, ich weiss ein Mädchen zu 'erweichen,, 
Vor solchen Reizen muss man gern die Segel streichen 
Du widerstehst umsonst, die Burg kapitulirt , 
Und unser Friedensschluss wird eu ratifizirt. 
(will sie küssen.) z 
‘Marie. Fort, Unverschämter! sonst werd’ ich nach Hülfe schreien, 
Von solcher Zumuthung kann ich mich schnell befreien. 
Entfernen Sie sich gleich ! — Doch hören Sie noch an , 
Dass mich Verachtung nur an Sie erinnern kann, 
Ja, ich verachte Sie, das will ich laut gestehen ! 
Und lassen Sie Sich nie vor meinen Augen sehen. 
Pauline. (bey Seite.) 
Triumph! Triumph! nun will ich mich sogleich empfehlen, 
(Laut.) Wie Grausame , du kannst so meine Seele quälen ? 
Dies Herz zerreissen , das für dich allein nur schlägt ? 
Hat nicht der Liebe Flehn dein Kieselherz bewegt? 
Fällt brennendheiss auf dich nicht meine letzte Thräne ? 
Boshafte Tiegerin ! Blutlechzende Hyäne ! 
Sprich! willst du meinen Tod ? ich wart’ auf deinen Blitz, 
Hier ist mein Herz ! i 
Marie, Was soll der Komödiantenwitz ? 
Ich bin zufrieden, wenn Sie sich sogleich entfernen. 
Pauline. Entfernen will ich mich , doch nur zu bessern Sternen, 
Dort oben blüht mein Glück! — Nein Blut komm’ über dich ! 
Dis Donau ist nicht weit! — Wohl, ich ertränke mich! 


(Eilt ab, schleicht sich aber gleich wieder zur Thüre herein, hinter 
Mariens Stuhl.) 


Marie. Glück auf den Weg!— Gottlob, das ich ihn los geworden! 
Wie hab’ ich mich getäuscht ; ich glaubte leeren Worten , 
Und eitler Schmeichelei! — Ich träumte doch so süss, 
Und jetzt bewein’ ich ein verlornes Paradies, 

Er schien so sanft, so gut, wer mochte ihm nicht trauen ? 
Wer nicht auf solchen Grund ein schönes Lustschloss bauen ? 
Die Hoffnung grüsste mich mit ihrem schönsten Gruss , 

Ich suchte einen Mann, und fand den Hasenfuss. — 
Wenn nur die Frauen nicht die Männer so verzögen! — 
Gleich bilden sie sich ein, man komme schon entgegen , 
Sie stellen jedes Herz sich als erorbert vor, 

Und dass man widersteht, begreift kein sulcher Thor, 

Aus diesen Kindern soll man nun den Mann sich ..lesen } 

O wär’ ich nimmermehr auf diesem Ball gewesen ! 

Der schöne Traum , den sich mein armes Herz geträumt, 
Wird aus der Phantasie so leicht nicht weggeräumt. 

Ich fühl’ es in der Brust, ich kann nicht wieder lieben, 
Und doch ist tief in mir die Sehnsucht wach- geblieben. 


EIN LUSTSPIEL. 569 


Pauline, Vortrefllich, liebes Kind! 

Marie, Mein Herr, Sie sind noch hier? 
Pauline (mit unverstellter Stimme.) 

* Ereif’re dich nur nicht, Pauline spricht mit‘ dir, 

Marie, Wie, du? — du warst — —? 


Pauline. Ja, ja, ich war das junge Herrchen. 
Marie. Wie hast do mich erschreckt! 
Pauline, Glaub’s wohl, du armes Närrchen ! 


Ich setzte dir recht zu. Du- hast dich brav gewehrt, 
Wie sichs für eine Braut von gutem Schlag gehört. 

Marie. Und unser Domino ? — Gottlob, ich darf noch hoffen 
Es ist kein solcher Thor. — Noch steht mein Himmel offen! — 
Doch sag’, wie viel dir's ein, mich so zu quälen, ‚sprich ? 

Pauline. Sich, Kind, mir schien’s ein wenig lächerlich, 

In eine Maske sich so plötzlich zu verlicben ; 

Die Eitelkeit, glaubt’ ich, die hätte dich getrieben. 

Für einem fremden Mann gabst du den Bruder auf, 
Und obendrein maskirt war dieser neue Kauf. 

Drum prüfen wollt ich dich, das hatt’ ich mir versprochen , 
Ob nur die Schmeichelei dein schwaches Herz bestochen ; 
Doch da du mir als Fat den rechten Abschied gibst, 
Gesteh' ich’s selber ein, dass du jetzt wahrhaft liebst. 

Ich durfte in dein Herz mit klaren Augen schen, 

Und nun’versprech’ ich dir, nach Kräften beizustehen , 
Dass, wenn der Domino dir unmaskirt gefällt, 

Wie ich nicht zweifeln mag, er deine Hand erhält. 

Marie. O gutes, liebes Herz, wie soll ich dir es danken ? — 
Wenn mir die Freundschaft hilft, wie kann die Hoffnung wanken? 
Schon seh’ ich ihn erfüllt, den Traum der schönsten Lust, 
Schon sch’ ich dieses Herz an seiner treuen Brust, 

Pauline (eilt zum Fenster.) 

Still, Mädchen, still, wer kommt dort oben um die Ecke? 
Kennst du den blauen Rock? — 
Marie, Es gibt viel blaue Röcke! — 
Pauline. Ja, aber diesen da , ‚betracht' ihn nur genau, 
Erkennst du’s nicht ? 

Marie. Nun ja! 

Pauline. Was denn ? 

Marie, Der Rock ist blau! 

Pauline. Ja meinetwegen gelb. Was kann dich’s int'ressiren ? 
Den Mann betrachte nur, Fängst du nichts an zu spüren ? 

Marie. Soll ich den Augen traun? Ganz die Gestalt! — 

Pauline. Wie.so? — 

Marie. Auch ganz,der Gang! Mein Gott! — das ist der Domino ! 

Pauline. Nun, hab’ ich’s nicht gesagt ? 


570 DER GaUNE’DOMINO. EIN LUSTSPIEL. 


Marie. Er kommt heraufgegangen! 
Er kommt zu mir, ach Gott! wie soll ich ihn empfangen ? 

Pauline. Was sagt dein Herz, da du auch sein Gesicht geseh’n? 

Marie (Pauline umfassend.) $ 
Es sagt das alte Wort, Was soll ich’s nicht gesteh’n ? 

Pauline. Nun denn, Triumph! Triumph! schön ist der Liebe Siegen, 
Ich darf als Schwester jetzt in deinen Armen liegen. 

Marie. Wie, ist es mözlich? — 

‚Pauline. 2 Ja, der grüne Domino 
Macht eine sel'ge Braut, und eine ‘Schwester froh. 

Marie. Dein Bruder Karl? 

Pauline. Er ist's; er ist's; auf, ihm entgegen, 
Der Freundin liebe Hand in Brudershand zu legen | 

(Sie eilen ab, dər Vorhang füllt.) 





DER NACHTWÄCHTER. ` 


EINE POSSE IN VERSEN, IN EINEM AUFZUGE. 


———rrHt— 


PERSONEN. 


TOBIAS SCHWALBE, Nachtwächter || ERNST WACHTEL , 
SE SE ~ Studenten. 
in einer Provinzial-Stadt. KARL ZEISIG , 
RÖSCHEN , seine Mulme, 
Des Nachtwächters Nachbarn, unter welchen der Bürgermeister. 


- 
I 


Das Theater stellt den Markt einer kleinen Stadt vor. In der 
Mitte ganz im Vordergrunde ein kleines Brunnenhäuschen. 
Links des Nachtwächters, rechts des Bürgemeisters Haus. 


—— 


ERSTER AUFTRITT. 
SCHWALBE UND RÖSCHEN (sitzen auf der Bank vor ihrem Hause.) 


Schwalbe. Ei, da muss man den Kopf verlieren! — 
Röse, sey doch nicht wunderlich I ` 
Was hilft das ewige. Sperren und Zieren d 
"Und damit Punctum! — Ich nehme dich. 
Röschen. Kein Punctum, Herr Vetter, "o wär’ alles‘ vergebens , 
Weil ich Ibn nun einmal nicht leiden kann, 
Und sollt’ ich Jungfer bleiben Zeitlebens, 
Lieber gar keinen, als solch einen Mann. 
Schwalbe. Mädel, de machst mich am Ende noch böse, 
Schau mich doch an, potz Element! — 
Was verlangt denn die Jungfer Röse, 
Was Tobias nicht alles erfüllen. könnt’ ? 
Röschen. Ich verlang’ einen hübschen Jungen , 
Von öffnem Sinn und g’radem Verstand, 
Geliebt will ich seyn, und nicht gezwungen , 
Dann geb’ ich freiwillig Herz und Hand, 
Schwalbe. Ach, das sind ja alles Bagatellen, 
Nun, wenn die Röse nicht mehr prätentirt — 


572 DIE NACHTWACHTER. 


Ich merk’ schon, du Schalk; du kannst dich verstellen, 

Du bist in mich ganz abscheulich charmirt, 

Röschen. Da schoss der Herr Vetter gewaltig daneben! — 

Zum Dritten und Letzten , ich mag ihn nicht, 

Schwalbe, Ei was, du wirst dich doch endlich ergeben , 

Mach’ nur kein gar so böses Gesicht, 

Es kann dire ja keine Seele verdenken — 

Sprich, bin ich nicht ein Mann bei der Stadt, 

Ist mir’s nicht gelungen , trotz allen Ränken, 

Dass mich ein edler hochweiser Rath 

Vor dreizehn Jahren zum Nachtwächter machte , 

Und behaupt’ ich nicht diesen Ehrenplatz , 

Was selbst die Fraa Bürgermeist’rin nicht dachte, 

Mit grösstem Rubme ? — Was nun, mein Schatz? — 
Röschen. Deswegen kann ich ihn doch nicht brauchen, 

Wenn’s auch die Frau Bürgermeist'rin spricht, 

Zum Nachtwächter mag der Herr Vetter taugen, 

Zum Ehemann taugt er nun einmal nicht, 

Schwalbe. Ich weiss schon , was dir den Kopf verdorben, 

Der alte Herr Pastor, Jet dich erzog, 

Als dein seliger Vater, der Küster, gibba ` 

Der alte Herr wollte ja immer zu hoch, 

Röschen. Will’s der Vetter bei mir nicht ganz verschüften , 

So rath’ ich ihn , dass er davon schweigt. 

Schwalbe. Nu, warum denn so heftig? — Ne, da muss ich bitten! 

Die Jungfer erhitzt sich doch gar zu leicht, ` 

Das studirte Wesen, das Verseschreiben | — 

’S fällt mir nur nicht immer was G’scheidtes ein, 

Sonst würde sie auch nicht so kalt dabei bleiben, 
Röschen, Der Vetter versteht's, das könnte wohl seyn. 
Schwalbe. Nu, nu, das liesse sich wohl noch erlangen , 

Wenn's weiter nur kein Hinderniss gibt. 

Ich bin ja auch in die Schule gegangen, 

Und hab’ mich im Lesen und Schreiben geübt, 

Die mathematischen Hirngespinnste, 

Das Einmaleins, freilich, da gieng es knapp, 

Was helfen aber die Bettelkünste ? 

Ich lief sie mir längst an den Schuhen ab, 

Röschen. Nun, wenn auch das alles so Spiel gewesen , 
` Warum habt Ire denn nicht weiter gebracht ? 
Schwalbe. Hätte wohl gekonnt , hab’s oft gedacht! — 

Da hab’ ich aber beim Bibellesen 

Einmal einen dummen Streich gemacht. 

Ich war als Bube wild ; wie ein Teufel , 

Und wenn im Dorfe was Dummes gescheh'n , 


EINE POSSE. 


Da war ich dabei, da war kein Zweifel, 

Und immer hatte man mich geseh’n, 

Drum mochte endlich geschehn, was da wollte, 
Das musste der Tobies gewesen seyn, 

Und damit ich’s gleich gestehen sollte, 

So pflegte Papachen mich durchzubläun, 
Versucht’ ich’ nun gar zu appelliren , 

So wurden die Streiche doppelt gezählt. 

Einst wollte der Schulmeister katechisiren , 


Und ich 


ward auch mit dazu erwählt. 


e Wer hat die Welt erschaffen, du Eümmect? » 
So frug er mich mit strengem Gesicht, 

Ich fiel darüber wie aus dem Himmel , 

Und stotterte endlich , ich weiss es nicht, 

Da zürnte der Schulmeister: «Schlimmer Geselle , 


« Sprich, 


wer hat die Welt erschaffen ? sprich, 


e Und sagst du mir’s nicht gleich auf der Stelle, 
«So zerhau’ ich den Bücken dir jämmerlich'! 
Jetzt glaubt’ ich natürlich, ich wäre verlesen , 
Rief schluchzend: Lass er den Ziemer nur ruhn, 
Ich will’s ja gesteh’n,, ich bin’s gewesen, 
Ich will's auch gewiss nicht wieder thun. 
Die ganze Schule fing an zu lachen, 
Der Schulmeister aber im höchsten Braus, 
Warf, ohne viel Komplimente zu machen, 
Den armen Tobies zum Hause hinaus. 
Röschen. Der arme Herr Vetter! — Er war zu beklagen , 
Man hat ihn abscheulich grob traktirt. . 


Schwalbe. 


Der Teufel mag so was ruhig vertragen | 


Ich hab’s dem Herrn Vater sogleich denuneirt, 
’S war ein feiner Mann, ein Schuhmachermeister, 


Er hielt 


etwas auf sein eignes Blut, 


Und merkte bald, für die schönen Geister 
Sey ich , sein Tobieschen , viel zu gut, 
Ich avancirte sogleich im Sprunge , 

Er schickte mich in die Residenz , 

Und ich ward wirklicher Küchenjunge 
Bei einer höchstseligen Excellenz 


Röschen. 


Warum ist er nicht in der Küche geblieben ? — 


Er war ja im letzten Krieg Musketier. 


Schwalbe. 


Mich hat ein feindliches Schicksal vertrieben, 


Und wenn dir’s gefällt, so erzähl’ ich’s dir, 


Röschen. 
Schwalbe. 


Nur zu! — 
Sieh, ich ear nicht blos in der Küche, 


Ich kochte nicht Suppe allein und Brei, 


573 


574 DER NACHTWACHTER. 


Der junge Herr batte geheime Schliche , 
Und ich war sein dienstbarer Geist dabei. 
Einst, ich deuk’ es noch jetzt mit Graussen , 
Stieg er zu Einer durch’s Fenster hinein, 
Ich hielt die Leiter, und passte hausen , 
Es mocht in der zwölften Sjunde seyn; 
Da kam auf einmal ein weisser Mantel, 
Der fragte mich wüthend , wer ich sey, 
Was das für ein nächtlicher Diebeshandel , 
Und drohte mir gleich mit der Stadt-Vogtey. 
Er that schon zwei verdächtige Schritte, 
Da sagt’ ich’s ihm lieber gleich heraus : 
«Mein junger Herr mache oben Visite, 
«Der Herr Ehemann sey richt zu Haus. » 
Drauf fing er ganz teuflisch an zu lachen , 
Und sagte mir leise, uud gab mir was darauf, 
Er wollt’ eine heimliche Freude machen , 
Ich sollte nur halten , er steige hinauf, 
Ich hielt geduldig. — Wer war's gewesen ? — 
Ich half dem Herrn Gemahl in’s Haus, 
Und der warf ohne viel Federlesen 
Meinen jungen Herrn zur Thüre hinaus, 
Röschen, Der Grobian. 
Schwalbe. Das sag’ ich selber , 
Und mir musst’ es grade am schlimmsten ergehn , 
Der junge Herr schlug mich grüner und gelber, 
Als Schwefel uud Knoblauch je ausgesehn. 
Ver Schrecken versalzt’ ich die Weinkaltschale , 
Man schwärzte mich bey dem Herren an, 
Und ich fiel, ein Opfer der Küchencahale , 
Aus meiner rühmlichen Ehrenbahn, 
Röschen. Da ging der Herr Vetter zu den Soldaten 3 — 
Schwalbe. Ja, mir zum Graussen, ich will’s gestehn , 
Kaltblütig sollt’ ich statt Hammelsbraten 
Lebendige Menschen am Spiesse drehn, 
Vor der ersten Schlacht kekam ich das Fieber; 
Was konnt’ ich für meine Constitution ? — 
Gefochten hätt’ ich freilich lieber , 
Es ging ja aber auch ohne mich schon. 
Der Hauptmann erklärte , ich sey eine Memme , 
Und versprach mir die Kur, den Stock in der Hand; 
Drauf ritt’ ich sein Reitpferd in die Schwemme , — 
Und kam glücklich.in mein Vaterland. 
Der Magistrat zauderte nicht das mind’ste, 
Als ich mich zum Nachtwächter melden liess, 


EINE POSSE. 575 


Und eingedenk der bedeutenden Dienste , 

Die ich dem König im Felde erwies, 

Bekam ich die Stelle. — Sie nährt uns beide, 

Wie ich dir stündlich beweisen kann , 

Drum sey gescheidt , und mach" mir die Freude, 

Und nimm den, Tobies Schwalbe zum Mann. 

Röschen. Das lasse sich der Herr Vetter vergehen ! — 
(Leise, indem sie sich umsieht.) 

Wo bleibt nur Karl , warum kommt er nicht ? — 
Schwalbe. Was hast du dich denn so umzusehen ? — 
Röschen. Was kümmert Ihn das ? — 

Schwalbe. ’S ist meine Pflicht, 

Du bist meine Muhme, ich muss dich bewachen. 
Röschen. Das thut er -auch treulich, wie jedermann sieht, 

Ich darf ja kaum eine Miene machen, » 

Worüber Er nicht die Nase zieht. 

Damit Er mich nicht aus den Augen verliere , 

Gönnt Er des Tags mir keine Ruh, 

Und Nachts liegt Er hier vor nnsrer. Thüre, 

Und bewacht die Stadt, und mich dazu. 

Schwalbe. Schon gut, ’sfängt an zu dämmern , 

Du solltest schon längst am Spinnrade seyn. 

Hier hausen gibt’s Wölfe zu solchen Lämmern. 

Es wird schon spat ! — Marsch, marsch , hinein, ` 
Röschen. Ich gehe ja schon! — (Leise.) Ich muss ihm gehorchen , 

Er schöpft sonst gar zu leicht Verdacht. — 

Nun List wird ja für das Ende sorgen , 


Wo herzliche Liebe den Anfang gemacht. 
(Ab in Schwalbes Haus.) 


ZWEITER AUFTRITT. 


BI 


SCHWALBE (allein.) 


Ein hübsches Mädchen zu bewachen, 
Wenn's in die Sommermonde schon , 

Ist unter allen schlimmen Sachen 

Die allerschlimmste Commission. 

Aber mich soll man nicht betrügen , 

Da ist der Schwalbe zu pfiffig dazu, 

Ich hab’ eine Nase , Verliebte zu reichen , 


Mir macht man so leicht kein x für ein u. 
(Ab in sein Haus.) 


DER NACHTWACHTER. 


Ce 
Gi 
E? 


DRITTER AUFTRITT. 


ZEISIG (allein.) 
Verdammt, da kriecht der alte Drache 
Schon wieder vor meine Himmelsthür. 
Das verdirbt mir die ganze Sache ; 
Was ist da zu {hun ? — wie helf ich mir ? 
Röschen hat mir gewiss geschrieben, 
Wenn ich nur erst das Briefchen bekäm’! 
’S ist doch sonst kinderleicht , sich zu verlieben , 
Warum hab’ ich's nur so unbequem ? 
Der alte Philister quält sie unaufhörlich, 
Sie hat keine Ruhe, Tag und Nacht, 
Zum ersten Mal meint’s ein Studente ehrlich , 
Zum ersten Mal wird's ihm schwer gemacht, 
Da möchte man den Verstand verlieren, 
Man verliert im Ganzen wenig daran, — 
Was hilft mir nun all’ mein Fleiss, mein Studiren, 
. Mit dem ich mich immer so gross gethan ? — 
Ich kenne alle Juristen beim Namen, 
Ich disputirte drei Gegner todt, 
Ich gehe mit Ehren aus dem Examen, 
Ich bekömme ein Amt, ich bekomme Brod, 
Bei Knifen und Pfiffen , die ich producire, 
Schreit jeder Richter : — Miracula ! 
Und doch steh’ ich jetzt vor dieser Thüre, 
Verzeih' mir’s Gott, wie ein Pinsel da! — 
Ich schimpfte sonst oft auf lockere Jungen , 
Die nicht, wie ich in den Büchern gewühlt, 
Die ein leichtes Leben fröhlich versungen, 
Und in List und Liebe sich glücklich gefühlt; 
Vor allen war der lustige Wachtel , 
Mein Stubenpursche, mir immer ein Gräul , 
Und jetzt gäb’ ich viel, würde mir nur ein Achtel 
Von seinem Mutterwitze zu Theil. 
So was lässt sich nicht hinterm Ofen erlangen , 
Und nicht aus Büchern zusammendrehn I 
Doch still, da kömmt ein Fremder gegangen , 
Man darf mich nicht hier auf der Lauer sehn, 
(Zieht sich zurück.) 


VIERTER AUFTRITT. 


WACHTEL UND ZEISIG 
Wachtel. Da bin ich denn wieder im alten Neste , 


EINE POSSE. 577 


Das ich seit sieben Jahren nicht sah. 
Wie die Sehnsucht darnach mir das Herz zerpresste , 
Und nun steh’ ieh kalt und trocken da. — 
Ich hab” mich mit der Zeit nicht verglichen , 
Die mir" die alten Gedanken gab. 
Die Häuser sind alle neu angestrichen, — 
Und drüben ist meiner Mutter Grab, 
Wie, nasse Augen? — Pfuy, schäme dich, Wachtel , 
Es lebt dir ja noch ein stilles Glück ! 
Wie die Hoffnung blieb in Pandorens Schachtel , 
So bleibt ja im Herzen Erinn’rung zurück. 
Leicht bin ich durch’s leichte Leben gegangen, 
Ich habe mich nie gegrämt und gehärmt, 
Nur nach dem Möglichen ging mein Verlangen , 
Und überall hat mich die Sonne gewärmt. 
Drum geht auch ein düstrer Moment durch’s Leben, 
Ist’s licht im Herzen, wird’s bald wieder hell, 
Und wer sich den fröhlichen Stunden ergeben , 
Der ist dem Glück ein willkommner Gesell. 
Zeisig (hervor eilends) Wie, Wachtel ? 


Wachtel, Was seh’ ich ? 

Zeisig. O lass dich umarmen! 
Wachtel. Gott grüss dich! — 

Zeisig. Was das fürne Freude gibt! 


Wachtel. Herr Bruder, du siehst ja aus zum Erbarmen! 
Was fehlt dir, zum Teufel ? 
Zeisig. Ich bin verliebt! 
Wachtel. Verliebt? — verliebt? — O du crasser Philister! 
Und wer ist den deine Charmante, sprich? — 
Zeisig, Ihr Vater war der selige Küster. — 
Als er gestorben, erbarmte sich 
Mein Vater der armen verlassenen Waise , 
Er nahm sie in’s Haus und erzog sie mit mir ; 
Erst sprachen natürlich die Herzen nur leise, 
Doch endlich ganz laut! — Ich erzähl’ es dir 
Nachher ausführlich. — Jetzt sage mir, Lieber: 
Welch’ guter Genius bringt dich hierher? 
(es wird nach und nach dunkel.) 
Was führt dich aus deiner Bahn herüber ? 
Seit lange erfuhr ich von dir nichts mehr. 
Wachtel. Erinn’re dich, Bruder, welch’ lockeres Leben 
Der lockere Wachtel von jeher geführt, 
Du hast mir zwar immer Leviten gegeben, 
Doch hat mich das immer sehr ‘wenig genirt. 


49 


578 DER NACHTWACHTER. 


Du weiste ich konnte nicht viel studiren , 
Weil ich alle Wochen im Carcer war; 
Wer soll da Collegia frequentiren ? — 
So verstrich nach und nach das dritte Jahr, 
Da wurde unser Decan begraben , 
Man machte mich zum Chapeau d’honneur , 
Wir waren alle schwarz wie die Raben, 
Und ich ging g’rad hinterm Rektor einher. 
Die Leiche wurde hinaus getragen, 
Und wie wir stehen vor dem offnen Grab, 
Muss mich der leibhafte Teufel plagen, 
Und ich schneide dem Rektor den Haarbeutel ab. 
Das Ding wurde ruchbar. — Ich war ein Fressen , 
Wonach man schon lang Appetit gespürt , 
Und nachdem ich ein halb Jahr im Carcer gesessen , 
Ward ich in perpetuum relegirt, j 
Zeisiy. Wie? relegirt? — du armer Junge! — 
Wachtel. Was fällt dir ein? — Das Ding war charmant, 
Aus dem Carcer war ich mit einem Sprunge , 
Und nahm den Wanderstab in die Hand. 
Von meinem Mobiliarvermögen 
Hatt’ ich schon längst keinen Span gesehen , 
Um’s Packen war ich daher nicht verlegen, 
Und federleicht konnt’ ich von dannea gehn. 
Vorher kam noch, das Ding war zum Malen; 
Der Mäuichäer mit Häscher Macht, 
Und prätendirte, ich sollte bezahlen , 
£ Ich hab" ihn aber derb ausgelacht. 
“Zeisig. Das war nicht recht | 
Wachtel, Verdammter Philister , 
Du sprichst ja ganz wie ein Syndikus; 
Wenn man keinen Kreuzer hat im Tornister,, 
Da frag’ ich, ob man bezahlen muss ? 
Es war mir doch wirklich nicht zuzumuthen , 
Dass ich noch einmal in’s Garcer kroch ? — 
Und kurz und eut, ich prellte die Juden, 
Und freu’ mich darüber heute noch. 
Darauf bin ich weit durch’s Land gezogen , 
Und habe gesungen , gespielt und gelacht, 
Da ward mir ein reicher Pächter gewogen, 
Der hat mich erst zum Schreiber gemacht , 
Bald aber gefiel ich seinem Mädchen , 
Ich trieb die Sache recht fein und schlau, 
Und in vier Wochen wird Jungfer Käthchen 
Des glücklichen Wachtel glückliche Frau, | 


SCH Gw } 


EINE POSSE, 


Zeisig.. Nun, dazu mag ich gern gratuliren , 
Ich hoffe, du wirst doch endlich solid. 

Wachtel. Gott geb’s! — Doch um keine Zeit zu verlieren, 
Sprich , wie ist das Leben dir aufgeblüht ? 

Zeisig. Du weisst's, ich war kein lockerer Zeisig , 
Gesetzter bin ich schon von Natur, 

Wenn du lustig warst, so war ich fleissig , 

Und glücklich bekam ich die erste Censur, 

So ist es mir dann auch bald gelungen, 

Ich bin im Buchensee Actuar, 

Und was ich in Träumen mir vorgesungen, 

Das, hoff’ ich, wird auch heute wahr. í 
Ich liebe Röschen noch unverdorben , 

Wir schrieben uns fleissig manch zärtlichen Brief, 
Doch als mein guter Vater gestorben „ 

Ein alter Verwandter sie zu sich rief, 

Er nennt sich Schwalbe, ist Raths-Nachwächter , 
Und wohnt hier nahe, — in diesem Haus. 

Der Schuft lässt die liebste der Evastöchter 

Auch nicht eine Stunde allein heraus, 

Das Mädchen ist mündig, hat frei zu wählen, 
Doch will sie der Vetter durchaus zur Frau, 

So bleibt denn kein Mittel, ich muss sie stehlen, 
Und du sollst mir helfen, Bruder Schlau ! 

Wachtel. Von Herzen gern, ich liebe dergleichen , 
Und hasse nichts, als die nüchterne That. 

Das rechte Glück muss man immer erschleichern , 
Und zum Gipfel führt nur ein krummer Pfad, 

Zeisig. Ein Freund in der Nähe will uns kopuliren, 
’S hat dann weiter keine Schwierigkeit, 

Doch dürfen wir keine Zeit verlieren, 
Denn alles verlieren wir mit der Zeit. 

Wachtel, Weiss denn das Mädchen von deinen Plänen ? 

Zeisig, Ich warf ihr heut’ ein Briefchen hinein, 
Wie sie mich sah, da schwamm sie in Thränen ! 

Wachtel. Nun, die sollen bald getrocknet seyn, 
Vertraue mir! — Ihre Antwort zu wissen , 

Ist jetzt das Nothwendigste] - 

Zeisig. Ganz recht! 

Wachtel. Da werden wir recognoseiren müssen , 
Und darauf versteh’ ich mich nicht schlecht, 
Herrn Schwalbe kenn’ ich. Nur frisch ons Fenster, 
Die Mädchen sehen auch in der Nacht, 

Und erkennen bald dergleichen Gespenster, 
Gewiss hat sie schon auf Mittel gedacht, 


379 


\ 
580 DER NACHTWACHTER. 


(Sie gehen zu dem Fenster, das erleuchtet, ist, ) 
Zeisig. Da sitzt mein Röschen | — Sie scheint zu stricken, 
Wachtel. - Ey Wetter, das ist ein gar licbliches Kind f 
Zeisiy. Herr Tobias Schwalbe dreht uns den Rücken, 
Wachtel. Gott sey Dank, so ist er für uns blind, 
Zeisig, Jetzt blick sie auf! — Sie schien zu erschrecken! — 
Wachtel. Nun, desto besser, sie hat dich erkannt, 
Zeisig. Wir sollten uns doch lieber verstecken. ` 
Wachtel. Ey, bist du toll? es geht ja charmant, 
Zeisig, Ich’merk es wohl, mir fehlt die Routine, 
Wachtel. Ich will dir schon helfen , jetzt aber hübsch still. 
Dein Mädchen macht so eine listige Mienne , 
Bei Gott, ich errathe schon, was sie will. 
Zeisig. Was denn ? 
Wachtel. Ey, wie sie ihn caressirte, 
Der alte Narr wird abscheulich geneckt! — 
Sieh nur, ohne dass er das Mindeste spürte, 
Hat sie ihm den Brief an den Zopf gesteckt, 
Zeisig. Den Brief? — 
Wachtel, Ja, ja, — o Weiber, Weiber! 
Was geht über euch, und eure List | — 
In einem Schaltjahr beschreiben drei Schreiber 
Die Kniffe und Pfffe nicht, die ihr wisst, 
Zeisig. Sie winkt uns, 
Wachtel. Nun gut! da giebt’s was zu lachen. 
(An Schwalbens Thüre pochend.) 
Herr Nachtwächter Schwalbe , auf ein Wort! 
Zeisig. Was fällt dir ein ? 
Waehtel. Lass mich nur machen, 
Das Spiel ist begonnen , jetzt muthig fort, 





FUNFTER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN. SCHWALBE (mit einem Brief am Zopfe aus dem Hause.) 


Wachtel (leise) Nun , Zeisig, den Vortheil wahrgenommen, 
Schwalbe. Was steht zu Diensten, meine Herrn ? 
Wachtel (indem er von Zeisig den Brief bekommt, welchen dieser Schrralben 
vom Zopie losgesteckt hat.) 
Wir haben da eben ein Briefchen bekommen 
Von lieber Hand , und den lesen wir gern, 
Nun kenn’ ich aber von alten Zeiten 
Herrn Schwalbe als ein fidele Subjeckt, 
(gibt ihm Geld.) 
Darum denk" ich, wird er's nicht übel deuten, 


EINE POSSE. : 581 


Und davon schweigen, was man ihm entdeckt. 

Schwalbe. O stumm wie das Grab. Dergleichen Affairen 
Sind gerade mein eigentlich Element, 

Wachtel. Nun gut, das übrige soll er hören, 
Wenn er die Laterne angebrennt. 

Schwalbe. Sogleich ! (Geht in’s Haus.) 

Wachtel. Was meinst du, Bruder, versteh’ ich die Karten ? 
Das Erste gelang uns, wir haben den Brief. 

Zeisiy. Ach Wachtel, ieh kann es kaum noch erwarten , 
Nimm dich in Acht, sonst geht.es noch schief. 

Wachtel. Sey ruhig, wass kannst du denn mehr verlangen ? 
Ich freu’ mich, wie auf einen Doctorschmaus ; — 
Er ist nnn einmal in’s Netz gegangen , 
Und ich wette, er kommt nicht wieder heraus, 

Schwalbe. (aus seinem Hause mit einer brennenden Laterne.) 
Hier, meine Herrn ! 


Wachtel, So lass mich Lesen) 
Zeisig (leise) Um Gotteswillen ! 
Wachtel, Was fallt dir ein, 


Herr Schwalbe ist oft mein -Vertrauter gewesen , 
Er soll es auch heute Abend seyn. 
Schwalbe. O! seyn Sie ohne Sorgen, mein Herrchen , 
Nicht wahr! Herr Wachtel, wir kennen uns, wir ? 
Wachtel. Nun also, was schreibt denn das kleine Närrchen ? 
Herr Nachtwächter Schwalbe, leucht’ er mir. 
Zeisig "eise? Du bist von Sinnen, 
Wachtel (leise) Vergönn’ mir die Freude. 
(Laut lesend.) «Mein Karl, ich bin auf alles gefasst, 
a Den Himmel beschwör’ ich, dass er dich leite !» 
Zeisig, O herrliches Mädchen ! 
Wachtel. Still , aufgepasst ! 
«Mein Vetter, der alte widrige Drache — — 
Swalbe. Ich merk’ schon das ist der Störenfried! 
Wachtel. Ganz recht, er versteht sich auf die Sache. 
«Ist zwar nach allen Kräften -bemübt , 
«Mich zu einer Heirath zu überreden ;» 
Schwalbe. Der alte Pinsel ! 
Wachtel. Sehr richtig bemerkt! 
«Doch eher wollt’ ich mich selber tödten , 
«Die Liebe hat mir den Muth gestärkt. 
sIch folge dir, Karl. Auf ewig die Deine!» — 
Was meint Er, Herr Schwalbe, zu dem, was ich las? 
Schwalbe. Ey nun, Herr Wachtel, was ich meine? — - 
Ich meine , es sey ein verteufelter Spass ` 
Kein grösseres Gaudium giebt’s unter dem Himmel, 


582 DIE NACHTWACHTER. 


Das muss ich aus eigner Erfahrung gestehn , Dk 
Als solch einem alten verliebten Lümmel * 
Eine ungeheure Nase zu drehn. 
Der alte Herr Vetter ist ohne Zweifel 
So einer , mit dem man die Thüren einbricht? 
Wachtel. Natürlich ist es ein dummer Teufel. 
Er weiss die Geschichte, und merkt es nicht. 
Schwalbe. Er merkt es nicht? 
Wachtel. Ey Gott behüte ! 
Schwalbe. Das muss ein rechter Stockfisch seyn. 
JVachtel, Der welke Strauss und die frische Blüthe ! 
Schwalbe. Da muss man ein Wort dazwischen schrei’n. 
Wachtel, So denken wir auch | 
Sphwalbe, Nur frisch geschrie'n, 
Und wenn ich wo nützlich werden kann, 
Will ich mich von Herzen gerne bemühen, 
JFachtel, Das nehmen wir an, 
Schwalbe, Ein Wort, ein Mann! 
WACHTEL (zu Zeisig.) 
Vor allen Andern musst du ihr schreiben , 
Du wüsstest von keiner Schwierigkeit. 
Wir würden die Sache bestmöglichst betreiben, 
Und bestimmen dann die gehörige Zeit, 
llier hast du Papier, Herr Schwalbe wird leuchten, 
Das Briefchen geht den gewöhnlichen Gang; — 
Du brauchst keine halbe Seite zu beichten , 
Vier Zeilen sind dafür schon viel zu lang. 
(Zeisig schreibt auf Schwalbens Schulter und steckt ihm dann das Briefoben 
an den Zopf.) 
Nun, Schwalbe , noch ein Wort im Vertrauen , 
Dort drüben wohnt ja ein schönes Kind ; 
(auf des Bürgermeisters Haus weisend,) 
Ich sah sie heut aus dem Fenster schauen , 
Gar hübsch und schlank , wie die Grazien sind. 
Ich weiss, ihr Wiegenfest feiert man morgen, 
Das passt gerade in meinen Sinn, 
Ich werd’ für schöne Blumen sorgen , 
Die stellen wir ihr votre Fensters hin, 
Er hilft mir doch , Schwalbe ? 
Schwalbe. Mit tausend: Freuden , 
Ich lege sogleich die Leiter zurecht, 
Wachtel, Ich will unterdess die Blumen bereiten , 
Ich denke der Einfall ist gar nicht schlecht. 
Sckwalbe. O herrlich! . 
Wachtel, Nun wohl, schon ist os ganz finster, 


EINE POSSE. 5835 


In kurzer Zeit bin ich wieder zurück , 
Und wäre das Fenster der Strassburger Münster, 
Und bräch’ ich beim ersten Schritt das Genick, 
, (Leise zu Zeisige) 
Ist der Brief besorgt? ` ` 
Zeisig (leise.) Er steckt schon am Zopfe. 
Wachtel. Schon gut! — Herr Schwalbe , auf Wiedersehn,, 
Ich vertrau unser Glück Ihrem feinen- Kopfe ! 
Schwalbe. Nur unbesorgt, es soll schon gehn! 
(Ab in sein Haus.) 


SECHSTER AUFTRITT. 
WACHTEL UND ZEISIG, H 


Wachtel. Vortrefllich , Herr Bruder, er geht in die Falle, 
Heut’ Abend noch ist das Mädchen dein, 
Ich lade hiermit mich zum Hochzeitsballe 
Und zur ersten Kindtaufe bei euch ein, 
Zeisig, ` So sey es| — Ach Freund, wie soll ich dir danken ? — 
Ich hätte mirs kaum in Traume gedacht, 
Meine Freude kennt keine Schranken ! — 
Du hast zwei Menschen glücklich gemacht. 
Wachtel. Nun, so was verlohnt sich schon der Mühe — 
Jetzt aber komm’ in den weissen Schwan, 
Da entdecke ich dir ohne lange Brühe 
Mit wenigen Worten den ganzen Plan, 
Mein Schwiegervaters muthtge Schimmel 
Spannt unterdessen der Hausknecht an, 
Das Mädel im Arm, im Herzen den Himmel, 
Geht's pfeillschnell dann zum Freund Kaplan. 
Ibr gebt euch die Hände vor dem Altare, 
Er spricht den Seegen über euch aus, 
Und bald; nach kaum vollendetem Jahre, 
Fliegt euch der klappernde Storch in’s Haus, 
Zeisig. Gott lohne dir deine Freundschaft, ich habe 
Nichts. mehr für dich, als ein dankbares Herz, 
Das soll dir bleiben bis zum dem Grabe. 
Wachtel. Mach’ doch nicht so viel aus dem blossen Scherz, 
Zeisig. Ich kann es kaum tragen , dies volle Entzücken, 
Röschen wird frei, Röschen wird mein ! 
Wachtel. Nur frisch und fröhlich, der Spass- soll glücken , 
Oder ich will selber ein Nachwächter seyn, 
Zeisig, So lass uns eilen, Ich kann’s nicht erwarten , 
Es gilt ja das Höchste im Leben, 
Wachtel. Nur zu! 


584 DIE NACHTWACHTER. 


Gott Amor mischt uns selber die Karten, 
Du hast ihr Herz, und Herz ist atout. 
(Ab.) 


SIEBENTER AUFTRITT. 


SCHWALBE (in voller Nachtwächter-Rüstung«) 
(Kommt aus seinem Hause , und schliesst die Thüre hinter sich 'zu.) 


Das gibt heut’ Abend ein herrliches Spässchen , 
Ein gutes Trinkgeld bleibt auch nicht aus, 
Und dafür bring’ ich dem lieben Bäschen 
Ein Stückchen vom besten Kuchen nach Haus, 
Die Mamsell dort drüben wird sich wundern , 
Ich hab’ schon die Leiter zurecht gelegt. — 
Das junge Volk muss man immer ermuntern, 
Wenn sichs nur mit Amt und Gewissen — verträgt: 
(Es schlägt zehn Uhr.) 
Da schlägt's! — Nun müss ich mein Amt vollbringen , 
Bald bin ich um mein Viertel herum, 
Ich will recht zärtlich zum Horne’ singen, 
Das nimmt mein Rösehen gewiss nicht krumm, 
Das Lied werd’ ich ein wenig modeln, 
Damit sich’s auf mein Mädel passt, 
Zuletzt fang ich noch an zu godeln, 
Und darauf ist sie nicht gefasst. 
Komm’ ich dann morgen früh zu Hause , 
Sinkt sie mir schweigend an den Hals, 
Und nichts unterbricht die schöne Pause , 
Als der Wasserfall vom Thränensalz, 
(Er bläst) 
Hört ihr Herrn , und lasst euch sagen , 
Die Glocke hat Zehne geschlagen, 
Bewahret das Feuer und das Licht, 
Dass Niemand Schade geschieht, 
(Er Mäe 
Mädel in der stillen Kammer, 
Höre meine Reverenz ; 
Schütze dich der Herr vor Jammer, 
Und vor Krieg und Pestilenz. 
Lass’ dich nicht in Sünden sterben , 
Weder Seel’ noch Leib verderben ! 
(Er.geht blasend ab, man hört ihn immer ferner und ferner.) 





EINE POSSE. 555 


ACHTER AUFTRITT. 


WACHTEL UND ZEISIG (letzterer mit Blumenstöcken.) 
Wachtel. Herr Bruder , hörst du die Schwalbe singen? 
Die deutet den Sommer deines Glücks. 
Der Wagen ist fertig, es muss gelingen, 
Nur mache zuletzt mir keinen. Kicks. 
Zeisig. O sorge nicht, zwar sagt mein Gewissen , 
Dass ich heut’ auf krummen Wegen bin, 
Wachtel. Ach, Larifari , bei ihren Küssen 
Schlägst du den Spuk dir bald aus dem Sinn, 
Wer wird sich in diesem Falle bedenken ? 
Zeisig. Das seh’ ich ein, drum geb’ ich nach, 
Ein Eigenthum lässt man sich ja nich schenken , 
Man nimmt es weg, wo man’s finden Mag. 
"achtel. So nimm es, Herr Bruder, und rasch in den Wagen, 
Und rasch in die bräutliche Kammer mit euch, 
Das Glück hat sich nie mit dem Zaudern vertragen, 
Es fällt am liebsten auf einen Streich. 
Zeisig. Die Schwalbe kommt ! 
Wachtel. Nun , lass mich machen, 
Ich ziehe ein recht verlicbtes Gesicht , 
Und platze ich heute nicht vor Lachen, 
$o platz’ ich in meinem Leben nicht. 


— 


NEUNTER AUFTRITT. 


DIE VORIGEN, SCHWALBE. 
SCHWALBE (nachdem er an der Ecke noch einmal geblasen.) 
Das hätt’ ich nun wieder einmal überstanden, 
Gesungen hab’ ich , wie "oe Nachtigal , 
Und Röschen hörte meinen Gesandten , 
Der stillen Seufzer harmonischen Knall, — 
Sieh da, meine Herrn ! 
Wachtel. Wir lassen nicht warten , 
Ich kenne des alten Webers Sohn., 
Die Blumen sind aus dem gräflichen Garten , 
Nicht wahr , die versprechen viel Sensation 9 
Schwalbe. Ach, excellent! — Das gibt eine Freude } 
Mamsellchen wird sicherlich dankbar seyn. 
Wachtel. Meint er? 
Schwalbe. Ey freylich! Solch’ artige Leute — 
Die Mädchen sind überall schlau und fein. 
Wachtel, Was aber wird der Papa dazu sagen, 


586 DIE NACHTWACHTER. 


Wenn morgen der Garten vorm Fenster steht? — 
Schwalbe. Ey, wer wird denn nach dem Alten fragen ? 
Dem wird natürlich ein Näschen gedreht, 
Wachtel. Nun, ’s wird doch eine ziemliche Nase. 
Schwalbe. Je grösser, je besser, nur immer her. 
Wachtel. Was sagte er wohl zu dem Spasse, 
Wenn er der Esel von Vater wär’ ? 
Schwalbe. Es würde mich freileich verdriessen müssen , 
Doch bald vergäb’ ich es solchen Herrn. 
Wachtel. Freund, er erleichtert unser Gewissen , 
Und seine Meinung vernehmen wir gern. 
Nun rasch zum Werke! — doch still, in dem Fenster 
Dort oben ist ja noch Licht zu sehn; 
Da möcht’ es der Art Nachtgespenster 
Nicht gar zum allerbesten ergehn ; 
Wäre der Herr Papa noch im Zimmer , 
Er würde sogleich nach der Wache schrein. 
Schwalbe. O unbesorgt, das schwache Geflimmer 
Wir sicher nur vom Nachtlichte seyn, 
Wachtel. Doch der Vorsicht muss man sich immer befleiss’gen , 
Drum mag er nur nach der-Leiter gehn, 
Er steigt dann hinauf auf das Brunnerhäuschen, 
Von da kann er !eicht in die Stube sehn. 
Schwalbe. Ganz richtig , das werd’ ich sogleich besorgen, 
Die Leiter steht drinnen an der Wand, 
Wachtel (zu Zeisig.) 
Freund, besser wär's, du hieltst dich verborgen, 
Doch sey mit den Blumen ja bei der Hand, 
Es möchte sonst zu viel Aufsehn machen , 
Stell dich unterdess in Schwalbens Haus, 
Und gelingen hier unsre Sachen , 
Kommst du auf mein Zeichen sogleich heraus, 
Schwalbe. In’s Haus ? — das lass’ ich nicht gerne offen, 
Es schleicht sich gar leicht ein Dieb hinein, 
Wachtel. Wenn wir hier stehn? — Ich will doch hoffen, 
Herr Schwalbe, er werde vernünftig seyn. 
Mir liegt daran , keinen Verdacht zu erregen. 
(Gibt im Geld;) 
Nicht wahr, den Gefallen thut er mir? 
Schwalbe (leise) Zwei harte Thaler! (laut) Nun, meinetwegen ; 
Stell’ sich der Herr nur-hinter die Thür, 
(Zeisig und Schwalbe in das Haus ab.) 


EINE POSSE. 587 


ZEUNTER AUFTRITT. 
WACHTEL, dann SCHWALBE, mit der Leiter. 


Wachtel. Der Spass ist für tausend Gulden nicht theuer, 

Mein Schwiegerpapachen lacht sich krank, 

Erzähl’ ich ihm bei einer Flasche Tokayer 

Mit lustigen Worten den lustigen Schwank, 
Schwalbe, Hier ist die Leiter. 
Wachtel. Nun ohne Bedenken, 

Auf dem ganzen Markte ist's Mäuschenstill. 

Gott Amor mag unsre Wege lenken. 

Wenn er dabei was verdienen will; 

Er hat doch Courage ? 
Schwalbe. Davon gab ich Proben. 
Wachtel. So steig’ er hinauf und lass er es sehn, 

Ich halte die Leiter, 

(Schwalbe steigt hinauf, und setzt sich auf das Dach, H 

Schwalbe. Da wär’ ich oben, 

Doch ist’s nicht lange hier auszustehen, 

(Wachtel schlägt in die Hände.) 

Schwalbe. Was soll das ? 
Wachtel, Mich friert's verdammt an die Hände. 
Schwalbe, Ein Verliebter darf nicht so frostig seyn. 

Hübsch stille ! 
Wachtel. O edler Tobias ! sende 

Die Blicke nach Liebchens Kämmerlein. 

Was siehst du? 


EILFTER AUFTRITT. 


DIE VORIGEN, ZEISIG UND RÖSCHEN (aus dem Hause.) 


Zeisig (leise) Komm, Liebchen! 
Röschen (leise.) Gott! Lass es gelingen ! 
Zeisig. Traw mir , die Liebe verlässt uns nicht! 
Schwalbe. Der Papa mag eben sein Abendlied singen , 
Er macht ein gewaltiges Schaafsgesicht. 
Wachtel. Das wäre ! (Leise) Lebt wohl , geleit euch der Himmel , 
Cant? Der Kerl ist ein Schaaf bei Nacht und Tag. 
(Leise) Am untern Thore stehen die Schimmel , 
Ich sprenge sogleich mit dem Rappen nach 
Zeisig (leises) Lohn’ es dir Gott. 
Röschen (leise) Gott mag’s vergelten , 
Wie sie uns als Schützer zur Seite stehn ! 
Wachtel (eise) Nur fort, nur fort, so wäs kommt selten , 
Lebt wohl ! i 


588 DIE NACHTWACHTER, 


Röschen 
und } (lefte) Lebt wohl ! 
Zeisig. 
Wachtel gleise.) i Auf Wiedersehn ! 


(Röschen und Zeisig ab.) 

Wachtel (laut.} Siehst du noch nichts von meiner Dame ? 
(Leise.) Gott Lob und Dark , das wäre vollbracht! 
Schwalbe, Sie sitzt am Tische mit stillem Grame, 

Ich glaube, sie hat an Sie gedacht, 

Wachtel. Das wäre ja herrlich ! 
Schwalbe. Wir müssen doch harren , 

Bis endlich Papachen zu Bette geht. 

Wachtel. Was kümmern wir uns um den alten Narren, 

Dem wird nun einmal die Nase gedreht. 

(Zieht die Leiter weg.) 
Schwalbe. Was soll das, zum Teufel? ich muss erst herunter ! 
Wachtel. Für heute nicht, aber morgen vielleicht, 

Sey der Herr Schwalbe die Nacht hübsch munter, 

Wenn ihm der Wind um die Nase streicht. 
Schwalbe, Herr, sind Sie verrückt? 

Wachtel. Er soll es noch werden, 

Sein Röschen ist ihm listig entflohn, 

Und jagt so eben mit raschen Pferden, 

Und in des Bräutigams Armen davon, 

Schwalbe, Was Teufell 

Wachtel. Warum sich vergebens erhitzen ? 

Schwalbe. Die Leiter her, ich setze nach! — 

Wachtel. Für jetzt bleibt der Herr dort oben sitzen. 
Gott geb’s, dass er sich amüsiren mag. (Eilt ab.) 


ZWÖLFTER AUFTRITT. 


SCHWALBE (allein auf dem Brunnenhäuschen, Dann seine Nachbarn zu den 
Fenstern heraus.) 
Schwalbe. Ich bin geschlagen , ich bin verrathen ! 
O ich verlurner Nachtwächter , ich ! 
Es zwickt mich im Herzen es drückt mich im Magen , 
Herr Gott im Himmel, erbarme dich ! 
Vor. Wuth möcht’ ich mich selber erstechen , — 
Da unten wächst auch kein Hälmchen Gras, 
Und ich risquire, den Hals zu brechen! — 
Das wäre doch ein verteufelter Spass. 
Mein Mädel läuft mit lockern Zeis'gen 
So mir nichts dir nichts auf und davon, 


‚ EINE POSSE. 


Und ich sitze hier auf dem Brunnenhäuschen 
In der allerfatalsten Situation | 
Ich Unglücksel’ger | — Wenn’s nur was hälfe, 
Ich hätte mich lieber zar Hölle verdammt. 
In wenig Minuten schlägt es elfe, 
Und wenn ich nicht blase, so komm" ich um’s Amt! — 
Ist denn Niemand da? — Will mich Niemand retten ? 
Soll ich sitzen bis zum jüngsten Gericht ? 
Das Volk liegt alles schon in den Betten! 
Ich schreie, — ich rufe, — man hört mich nicht. 
Nun, so will ich denn blasen, will blasen, 
Dass man’s für die letzte Trompete hält, 
Bis alles zusammen läuft auf den Strassen, 
Und der Schornstein von dem Dache fällt! 
(Fängt an zu blasen.) 
ERSTER NACHBAR, 
Was Teufel, Herr Nachtwächter , sieht er Geister ? 
ZWEITER NACHBAR, 
Herr Tobias, was soll das seyn ? 
DER BURGERMEISTER, 
Was stört er mich, den Bürgermeister ? 
DRITTER NACHBAR, 
Nachbar Schwalbe, was fällt ihm ein? 
VIERTER NACHBAR. 
Bläs’t er denn zum jüngsten Gerichte ? 
FUNFTER NACHBAR, 
Was quält er uns Christen, er schlechter Cojon ! 
SECHTER NACHBAR, 
Um Gottes willen, was soll die Geschichte ? 


SIEBENTER NACHBAR, 
Sind’s Mörder ? 
ACHTER NACHBAR, 
Wo brennt’s denn ? 
NEUNTER NACHBAR, i 
Gibt’s Revolution ? 

Schwalbe. Ich wollt mich im nächsten Bach ersaufen , 

Wär’ ich nur nicht hier auf das Häuschen verdammt ! 

Die Röse ist mir davon gelaufen! 

Ich komm’ um den Dienst! Ich komme ums Amt! 

(lz, 


50 


590 DER NACHTWACHTER. EINE POSSE. 


BURGERMEISTER, 
So hör’ er doch endlich auf zu blasen ! 
ERSTER NACHBAR, 
Der Kerl muss morgen in’s Carcer hienein! 
ZWEITER NACHBAR, 
Tobias, so heule er doch nicht durch die Strassen ! 
DRITTER NACHBAR, 
Der Lümmel muss ganz von Sinnen seyn ! 
VIERTER NACHBAR. 
Was scheren uns seine Muhmen und Basen! Unter- 
FUNFTER NACHBAR, einander. 
Hör’ er auf, sonst prügel’ ich ihn kurz und klein! 
SECHSTER NACHBAR, 
Ey, eine verwünschte Art zu spassen! 
SIEBENTER NACHBAR. 
Ich bitt’ ihn, stell’ er den Spektakel ein! 
ACHTER NACHPAR, 
, Ich glaube, der Kerl ist im besten Rasen ! 
NEUNTER NACHBAR, 


’S ist doch ein recht versof’nes Schwein! 

Schwalbe. Die Röse zum Teufel, da möchte man rasen , 
Und ich auf dem Häuschen obendrein ! 
Sprach immer so gern von feinen Nasen, 


Und musste doch so ein Esel seyn! 
(Der Vorbang füllt.) 


DER VETTER AUS BREMEN. 


EIN SPIEL IN VERSEN UND EINEM AUFZUGE. 
—a gd 


PERSONEN. 


PACHTER VEIT, FRANZ, ein Junger Bauer, 








GRETCHEN , seine Tochter, 


ERSTER AUFTRITT. 


(Platz vor Veit's Haus.) 


GRETCHEN (sitzt in Träumen versunken am Spinnroċken; wie erwachend, ) 


D. sass ich schon wieder in Träumen verloren, 

Die Spindel hängt müssig in der Hand, 

Es klingt mir noch jetzt in den glücklichen Ohren 

Wie freundliche Stimmen , lieb und bekannt. 

Ich dachte an ihn! — Es ist doch das Denken 

Ein gar zu köstliches,, süsses Gefühl, 

Sich ganz in der schönen Erinn’rung versenken, 

Was geht wohl über dics heitere Spiel? — _ 

Kaum kenn’ ich mich noch. — Das lustige Mädchen 

Sitzt jetzt oft stundenlang ernst und stumm, 

Und dreht auf einmal das goldne Fädchen 

Um die sausende Spindel wehmüthig herum, — 

’S wär alles gut. wenn’s nur so bliebe, 

Nur nicht der Wechsel! — Ja blieb es nur so! 

So aber macht die verwünschte Liebe 

Heute mich traurig und morgen mich froh, — 
(Sie spinnt.) 

Da schnurrt es wieder! es dreht der Faden 

Die Spindel voll und den Rocken leer, — 

Die Leinewand, die wird wohl gerathen, 

Wenn’s nur auch so weit mit der Liebe wär, 

Denn wenn’s walr ist, was die Leute reden , 

Uni was man sogar zum Sprichwort gemacht, 


e 


592 DER VETTER AUS BREMEN. 


So nelime man’ sich vor ünglèièhen- Fäden , 
Besonders bei der Heirath, in Acht, 

Die Leinewand lässt sich durch Kunst verzieren , 
Die Sonne bleicht und die Rolle klemmt, 

Doch bei der Liebe hilft kein Appretiren, 


Wenn sie nicht schon glänzend vom Webestuhl kömmt. 
(Sie spinnt.) 


ZWEITER AUFTRITT. 
GRETCHEN. FRANZ (der sich leise über ihre Achsel beugt und sie küsst.) 


Franz. Mein liebstes Gretchen ! 


Gretchen (erschreckend.) Um Gotteswillen ! — 
Frans, Erschrick nicht, ich bin’s ja ! 
Gretchen, Ah, du bist’s, Franz! 


Frans. Ich glaube gar, dich plagen Grillen, 
Das wär’ doch zu früh, vor dem Hochzeitkranz. 
Gretchen. Ach wenn wir darauf warten wollen, 
So kommt keine Grille vom jüngsten Gericht, 
- Ich soll ja — s 
Franz. Mit deinem verwüuschten Sollen) 
Man soll wohl, aber man thut es nicht, — 
Da plagen sie uns schon in der Wiegen ` 
Mit Sollen und Müssen die Kreuz und Quer, 
Und wenn wir einmal im Pfeffer liegen, 
Da darf man endlich und kann nicht mehr, 
Du sollst 1 du sollst] — "8 ist. doch von allen 
Das albernste Wort, das ein Mensch nur spricht , 
Du willst, ja, das liess ich mir wohl gefallen , 
Aber liebes Gretchen, du willst ja nicht! 
Gretchen. Das wird den Vater sehr wenig grämen, 
Denn hat er nun seinen Kopf drauf gesetzt , 
So muss ich den Vetter Schulmeister nehmen ; 
Gib Acht, mich fragt er gewiss zuletzt. 
Franz. Ey eben deswegen lässt du ihn liegen , 
Schulmeister hin , Schulmeister her. 
Recht fröhlich selbander durch’s Leben zu fliegen, 
Da ist ja ein Schulmeister viel zu schwer, 
Gretchen, Mein Vater aber hat ganz andre Gedanken ; 
Auf's Fliegen hält er dir gar nicht viel, 
Und der Vetter wird sich gewiss auch bedanken , 
Das Fliegen ist ihm ein brodloses Spiel, — 
Du kennst ja doch meines Alten Grille, 


Und seinen eisernen festen Sinn, „ 


EIN LUSTSPIEL. 5953 


Es bleibt sein unveränderter Wille, 
Er macht mich durchaus zur Schulmeisterin. 
Franz. Doch sprich nur, was kann ihm d'ran liegen, 
Er ist sonst so ein vernünftiger Mann, 
Was gibt's ihm für Nutzen oder Vergnügen, 
Was verspricht er sich denn von dem Schultyrann ? - 
Gretchen. Sieh, Franz, unsre Väter und Urgrossväter 
Sind Magister gewesen seit ewiger Zeit, 
Meit Vater wurde zuerst zum Verräther,, 
Gott Lob und Dank ! er hat’s nie bereut, 
Fr hatte keine Lust zum Studiren , 
Das passte nicht zu dem raschen Muth, 
So liess er sich denn, wie er sagt, verführen, 
Und wurde Bauer, es ging ihm gut, 
Sein seliger Bruder, oder Onkel Peter, 
Blieb aber dem alten Berufe treu, 
Und bekam, wie Väter und Urgrossväter, 
Zum Stolz der Familie die Schulmeisterei. 
Franz. Ich besinn’ mich auf ihn noch aus frühern Tagen , 
Ein kleines Männchen , ganz feuerroth, 
Er hat mich oft genug braun geschlagen ! 
Gretchen, Der ist nun wohl über zehn Jahre todt, 
Da mochte der Vater die Meinung fassen , 
Er dürfe den gelehrten Geist 
Von unsrer Familie nicht aussterben lassen , 
Und so beschloss er dann, was du weisst, 
Es fand sich zum Unglück nicht weit von Bremen, 
Ein weitläuftiger Vetter, der Schulmeister ist, 
Denn soll ich durchaus zum Manne nehmen, 
Er bedenkt nicht, dass du mir alles bist ! 
Franz. Nun, sey nur ruhig, das steht noch im Weiten , 
Aus Bremen kommt man so schnell nicht her. 
Und wenn wir nur nicht von einander scheiden , 
Die Menschen scheiden uns nimmermehr, 
Drum frisch hinein , nnd mit frohem Muthe| 
Mit Sorgen und Thränen kommt man nicht weit; 
Und wenn man das Rechte will und das Gute, 
Gelingt’s am besten der Frölichkeit. 
Wir Menschen sind nun einmal Narren , 
Die Fröhlichsten sind doch am glücklichsten dran , 
Drum frisch gewagt, — Mit Muth und Beharren 
Hat man das Unmögliche oft gethan. 
Wo ist der Vater ? 
Gretchen. Er ging in den Garten. 
Franz. So versuchen wirs keck , was die Ehrlichkeit thut. 


594 DER VETTER AUS BREMEN. 


Ich will hier gleich auf den Alten warten, 

Und sag’s ihm grad ’raus, ich sey dir gut, 

Ich wollte dich gern zum Weibe nehmen, 

Und böte dir ein freundliches Loos. 

Er braucht sich des Schwiegersohns nicht zu schämen , 

Meine Scheuern sind voll, meine Felder sind gross, 

Das sind doch alles recht artige Sachen‘, 

Legt auch erst die Liebe den Werth hinein ! 

Und um ein Mädchen glücklich zu machen, 

Da muss man doch grade kein Schulmeister seyn. 
Gretshen. Da kommt der Vater just aus dem Garten, 
Franz. Nun gutes Glück, nun bleib mir treu, 

Und versch’ ich’s diesmal , das Spiel zu karten, 

So ist's mit der ganzen Hoffnung vorbei. 





DRITTER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN, YEIT aus der Scene links, 


Veit. Ey Grete, das sind mir feine Manieren , 
Ich finde das wahrlich sehr wunderlich , 
Mit jungen Burschen herum zu spazieren, 
Wenn der Vater ausging. Pfuy, schäme dich ! 
Gretchen. Herr Vater ; was ist denn da zu schämen ? 
Syd nur nicht gar zu zornig gleich , 
Iar müsst doch alles so böse nelımen , 
Der Nachbar Franz wollt’ ja zu Euch, 
Veit. Zu mir, Herr Nachbar ? 
Franz. Ich bin deswegen, 
Herr Pachter , so früh schon vor Eurer Thür, 
Sagt's unverholen, komm’ ich gelegen ? 
Veit. Das kommt Ihr immer! — Was bringt Euch zu mir ? 
Franz. Herr Nachbar Veit, Ihr wisst es, ich sitze — 
Veit, Gleich, gleich ! — Hör’ Grete, das Sountags-Zeug, 
Das leg mir zurecht, und die sammtene Mütze — 
Frans, Herr Nachbar, ich sitze im Trocknen — 
Veit. Gleich , gleich I 
(Zu Gretchen.) S 
Magst auch das Zimmer nicht vergessen, 
Nur richt’ es recht hübsch , und nimm dir Zeit. 
Franz. Ich sitze — — 


Veit. Und schlachte zum Mittagsessen 
Drei junge Gänse, — _ 
Franz, Herr Nachbar Veit! 


Veit, Ich höre. (Zu Gretchen) Nun Mädel, was soll das Zaudern ? 


EIN LUSTSPIEL, 595 


Frans. Wie gesagt — — 
Gretchen. (zu Veit.) Erlaubt mir! 


Veit. Was denn , mein Kind ? 

Gretchen. Ich möchte so gern hier — 

Veit. 8 Die Zeit verplaudern ? 
Das wäre mir recht, 

Frans. Herr Nachbar I 

Veit. Geschwind ! 


Hier sind die Schlüssel zu allen Schränken , 

Schaffe nur, was dir gefallen mag, 

Du darfst dir die besten Kuchen erdenken , 

Denn Gretel, je wird heute dein Ehrentag ! 
Gretchen, Ach Gott, Herr Vater! 
Veit, i Das dumme Gejammer ! 
Frans, Zum Teufel, Herr, Veit ; nur ein einziges Wort! 
Veit. Gleich! gleich! (Zu Gretchen.) Ey weine in deiner Kammer ! 
Gretchen. Barmherzigkeit, Vater ! 
Frans, Herr Nachbar ! 
Veit. 3 Jetzt fort ! 

(Veit schiebt Gretchen in das Haus hinein.) 


— 


VIERTER AUFTRITT. 
FRANZ UND VEIT, 


Frans. Nach dem, was ich da eben vornommen, 
So stehn die Sachen für mich sehr schlecht , 
Ich bin freilich sehr spät gekommen , 
WË ist’s noch nicht zu spät, 

Ve, So sprecht 

Frans. Herr Nachbar Veit, Ihr wisst es, ich habe 
Ein hübsches Vermögen, ein schönes Gut. 
Ich bin ein lustiger, leichter Knabe, 
Und sonst auch ein ehrliches,, treues Blut. 
Ich habe noch niemand gedrückt und betrogen , 
Fragt nur , was das ganze Dorf von mir spricht, 
Ich lieb’ euer Gretchen , sie ist mir gewogen , 
So verweigert uns Euren Segen richt. 

Veit. Herr Nachbar, ich danke in Gretchens Namen 
Für euren Antrag, er freut mich sehr, 
Aber leider! darf ich nicht sagen: Amen ! 
Ich habe meinen freien Willen nicht mehr, 

Franz. Herr Pachte: ! 

Veit. Ich hab’ schon mein Wort gegeben, 
Der Vetter aus Bremen trifft heute ein ; 


596 DER VETTER AUS BREMEN. 


Es bleibt nun mein liebster Gedanke im Leben , 
Mein Eidam muss ein Schulmeister seyn. 
Des hab’ ich meinen Bruder versprochen , 
Als er schon auf dem Todbette lag, 
Und wer ein solches Wort gebrochen , 
Dem gereut es oft bis zum jüngsten Tag. 
Die Veite haben seit ewigen- Zeiten 
Das Scepter in der Schule geführt, 
Nun kann ich’s doch wirklich nicht dulden noch leiden, 
Dass unsre Familie den Ruhm verliert, 
Franz. Aber der Tochter Glück und Frieden ? — 
Gilt denn der, Vater , nichts bei Euch? — 
Soll sie von Lieb uud Hoffnung geschieden , 
Einsam verwelken am Dornengesträuch P 
Wenn sie mich liebt mich recht innig,, 
Warum wollt Ihr, dass ihr das Herze bricht ? 
Ist sie nicht die einzige Tochter und bin ich 
Nicht besser als solch ein Perückengesicht ? 
Veit. Ihr empfehlt Euch schlecht, wenn Ihr den so verachtet. 
Respekt für den künftigen Schwiegersohn I 
Ich hab’ ihn zwar noch nie selber betrachtet , 
Doch ist er sauber, das weiss ich schon, 
Franz. Was? Ihr habt in selber noch nicht gesehen , 
Und verlangt von dem armen Gretchen gar, 
Sie soll mit ihm zum Altare gehen ! 
Vater , seyd doch kein solcher Barbar ! 
Denkt nur an das elende Stubensitzen 
Hinter'm Ofen auf weicher Bank ,- 
Bei den latein’schen Vokabeln zu schwitzen , 
Schwach auf der Brust, und im Magen krank, 
Kann keine derbe Speise vertragen, 
Nimmt sich vor Zug und Regen in Acht, 
Sieht nur in traurigen Wintertagen 
Wie die Sonne aufgeht in heiterer Pracht, 
Liegt nicht wie wir, mit Morgens Grauen 
An dem warmen Herzen der grossen Natur, 
Kann den Herrn nicht in seiner Verklärung schauen , 
Im Blüthenschmucke der jungen Flur, 
Mit alten Geschichten, längst todt und begraben, 
Da ist er bekannt und wohl vertraut, 
Aber was wir jetzt Grosses und Herrliches haben , 
Das hat er noch niemals angeschaut, — 
Und neben der trocknen verschwitzten Seele 
Soll Euer blühendes Gretchen stehn ? 
Wollt Ihr sie in der vergifteten Höhle 


e | 


EIN LUSTSPIEL. 597 


Der Bücherwürmer verschmachten sehn ? 
Nein gebt sie mir, mit frendigem Muthe 
Fähr ich sie stark durch Sturm und Gefahr ; 
Ich hab’ ein Herz für's Gesunde und Gute, 
Vater, macht uns zum glücklichsten Paar. 
Veit. (gerührt) Ihr seyd ein braver ehrlicher Junge ! — 
Bei Gott, mir wurden die Augen feucht; 
Das ging ja wie Wettersturm von der Zunge! 
Franz. Wenn das Herz dictirt , spricht’s die Lippe leicht, 
© lasst Euch erbitten! — Mein ganzes Leben 
Sey Euch zum Danke kindlich: geweiht , 
Nur müsst Ihr mir Euer Gretchen geben, 
Sonst stehlt Ihr mir meine Seligkeit, 
Veit. Ja, lieber Nachbar, da sjtzt der Knoten, 
Da sitzt der Fehler, da drückt der Schuh» 
Hätt’ ich’s nicht versprochen dem seligen Todten , 
Ich gäb’ Euch gern meinen Segen .dazu, 
Nun müsst Ihr aber selber bedenken , 
Dass ich dem Vetter mein Wort schon gab, 
Ich kann doch das Mädel nicht zweimal verschenken , 
Und der Schulmeister holt sie noch heute ab! 
Franz. Aber Nachbar, habt doch mit der Liebe Erbarmen , 
Wenn’s menschlich Euch im Herzen schlägt , 
Thut’s nicht , Vater Veit, bringt mich Armen, 
Nicht zur Verzweiflung! — Das überlegt. 
Und Lost Euoh-gar so vicl am Schulmeister, 
Da fragt das Dorf und das ganze Land, 
„ Auch in unsrer Familie gab’s grosse Geister , 
Der jetz’ge Magister ist mit mir verwandt, 
Ganz nahe Vettern | 
Veit. ’S ist doch vergebens! 
Der andre kommt heut noch aus Bremen her. 
Der wär’ ja beschimpft auf Zeit seines Lebens, 
Wenn die Braut vor der Hochzeit zam Teufel wär”, 
Nein, lasst's Euch vergehen | 
Franz. Gott — mags Euch — vergeben, 
Ihr bringt mich — um mein ganzes Glück! — 
Und gebt nur ‘Acht, ich werd’ es erleben, 
Ihr wünscht Euch den armen Franz voch zurück, 
» (Rechts ab.) 


Ae 
FUNFTER AUFTRITT. 
VEIT (allein.) o 
Herr Nachbar ! so hört doch! — Der arme Teufel ! 


598 DER VETTER AUS BREMEN 


’S ist freylich hart, das gesteh' ich ein ; 

Er liebt sie recht herzlich , da ist kein Zweifel , 
Auch möchte sie mit ihm glücklich seyn, 

Aber da ist das verdammte Versprechen ! — 

Ich bin ein armer geplagter Mann! 

Was hilfts — Ich mag mir den Kopf zerbrechen , 

’S is doch kein Mittel das retten kann, 

Der Vetter, ich hab’s woll mit Schrecken erfahren , 
Soll eben nicht der Sauberste-seyn , 

Auch ist er schon längst aus den Bräutigamsjahren, 
Wenn ich’s recht überlege — es geht nicht! — nein ! 
Des anne Gretchen! — Wenn ich nur wüsste, 

Ob ihr der Franz denn gar so viel gilt, 

Und ob sie wirklich verjammern müsste , 

Wenn sie den Wunsch des Vaters erfüllt. — 

Der Plan war freilich recht schön ersonnen ! 

Doch hab’ ich mit mir der Tochter Glück . 

Nicht eine bessere Freude gewonnen ? — 

’S ist Pflicht , ich nehme mein Wort zurück. 

’S wär doch zu hart , mit dem alten Knaben 

Zu wandern bis in’s traurige Grab! — 

Der Vetter soll nichts dagegen haben, 

Den find’ ich mit ein paar Thalern ab. —. 

Nur ist’s vor allem die erste Frage : > 

Wie ergründ’ ich am besten Gretchen’ Herz? — 
So? — nein das geht nicht | — Doch sa? =a nh ich’e wage ? 
Ey nun, es ist ja ein harmloser Scherz, 

So setz’ ich das Mädel leicht auf die Probe, 

Und habe noch was zu lachen dazu. 

In der Kammer ist ja die ganze Garderobe , 
Perücken , Röcke und Schnallenschub, 

Vom Bruder wird mir zwar wenig passen, 

Den machte die Weisheit zu klein und schlank 

Ich muss den Grossvater spielen lassen , 

Der war noch beleibter als ich, Gott sey Dank! 

Es braucht kein Kollege sich meiner zu schämen, 
.Mit der Atzel‘ kommt auch die Weisheit an. 

Und sie hält mich gewiss für den Vetter aus Bremen , 
Wenn ich nur die Stimme verstellen kann, 

Jetzt schnell , ich will sie recht quälen und schrauben, 
Damit sie den Vetter sobald nicht vergisst. 

Man kann sich solche Spässe erlauben , 

Wenn nur der Grund dazu redlich ist. (Ab in's Hans.) 


EIN LUSTSPIEL.. 599 


SECHSTER AUFTRITT. 
FRANZ (von rechts.) 


Da bin ich wieder! — Doch wie ? — wie zerrissen , 
Betrogen um all das geträumte Glück , 

So ganz vor der Hoffnung scheiden müssen ! 

So ganz in dass alte Nichts zurück , 

An den Teichen bin ich -vorbeigegangen , 

Sie spiegelten sich im Morgenroth , 

Da fasste mich’s, ein heimlich Verlangen , 

Als müsst’ ich hinein in den nassen Tod, 

Wass bin ich denn auch hier oben noch nütze, 
Wass soll ich denn in der nüchternen Welt ? 
Wenn ich meine Liebe nicht besitze , 

Ist mir doch alle Freude vergällt. 

Du armer Franz | — Doch was hilft das Grämen ? 
Nichts hilft es mir, nichts , das ist wohl wahr! — 
Es steht ja auch der Magister aus Bremen 

Mit Gretchen noch nicht vor. dem Hochaltar. — 
D’rum wieder Muth, der Mensch soll hoffen ; 

So lang noch ein Fünkchen Kraft ihm glüht, 

Sind auch die Thore des Glücks noch offen, 

Sind auch .die Freuden nicht abgeblüht, — 

Der redlichen Bitte ist’s nicht gelungen, 

Ich habe gesprochen als ehrlicher Mann ; 

Nun, da die Offenheit nichts gezwungen, 

So lasst uns sehn, was Verschmitztheit kann, 

Die Liebe lässt ‚sich doch nicht befehlen , 

So weit reicht keines Vaters Gewalt, 

Er darf ihr rathen , er darf sie nicht quälen, 

Nur Geduld! — ein Plänchen erdenk’ ich bald. 
Ein solcher Betrug ist kein Verhrechen , 

Da bleibt das Gewissen ruhig, und schweigt. 

Erst muss ich aber mit Gretchen sprechen , 

Wenn sie mit mir eins ist, geht's doppelt leicht. 
Da kommt sie! — Nun , das ist mein Trost geblieben , 
Der oben hat uns gewiss nicht verkannt. 

Und wenn sich zwei Herzen nur redlich lieben, 
Das Schicksal kommt doch zuletzt zu Verstand, 


SIEBENTER AUFTRITT. 


FRANZ, GRETCHEN (aus dem Hause.) 


Gretchen, Nun Franz, wie ist es, darf ich hoffen, 


600 DER VETTER AUS BREMEN. 


Drückst Du eine glückliche Braut ans Herz ? 
Du bist so stille ‚du stehst betroffen ? 
Franz, treibe keinen grausamen Scherz ! 
Franz. Sey ruhig Gretehen! Zwar hat der Alte 
Ganz and're Wünsche, als ich uud du; 
Aber wie ich in den Armen dich halte, 
Dn wirst doch mein Weib, das schwör’ ich dir zu. 
Gretchen, O quäl’ mich nicht länger, ich will’s ertragen , 
Treib’ nur die Angst aus dem Herzen fort, 
Er hat dirs randweg abgeschlagen , t 
Er zürnte über dein ehrliches Wort ? 
Frans. Nein, nein , er beklagte nur sein Versprechen , 
Er schien sich sonst über den Antrag zu freu’n, 
Er meinte sogar, das Herz könnt’ ihm brechen , e 
Aber Zusage müsste ihm heilig seyn. 
Gretchen, O dann ist's noch gut, dann lass uns noch hoffen , 
So spricht er nicht, wenn er’s ernstlich meint ; 
Da ist die Thüre zum Glück noch offen, 
Und wenn sich nur List mit der Liebe vereint, 
So mag uns der einzige Wunsch noch gelingen, 
Sein Wort gereut ihn. ` 
Frans. Ja, das war Klara 
Er schien sich mit Mühe nur zu bezwingen, 
Gretchen. O Franz! dann sind wir ein glückliches Paar! 
Franz. Ich hab’ mir so eben ein Plänchen ersonnen , 
Und eh’ sich der Vetter dazwischen legt, 
So haben wir sicher das Spiel gewonnen, 
Wenn Mitleid das Vaterherz schon bewegt, 
Gretchen. Lass hören! i 
Frans. Dein Schultyrrann aus Bremen 
' Ist dem Vater nnr durch Briefe bekannt. 
Er wird einen Andern auch dafür- nehmen , 
Und dem Falschen verhandeln Herz und Hand, 
Aber zu kühn und zu lange bliebe 
Das Spiel, zu bedenklich wäre der Zug, 
Darum so erlaube sich die Liebe 
Nur einen leichten, kleinen Betrug. 
Mein Vetter, der -Schulmeister hier im ‚Flecken, 
Ist trotz der Perücke ein lust’ger Patron, 
Der soll migh in seine Kleider stecken ; — - 
Ich spiele den künftigen Schwiegersohn , 
Und will mich dumm und so albern benehmen , 
Dass er zuletzt im gerechten Groll 
Den alten ‚Magister wieder nach Bremen, 
Und den Franz zum Eidam sich wünschen soll, 


EIN LUSTSPIEL. 601° 


Gretchen, Franz, Franz, dass heisst betrügen ! 
Frans. Bedenke, 
Das man uns sonst um die Zukunft betrügt, 
Und dass doch durch alle die losen Ränke 
Nur die allerunschuldigste Liebe siegt. 
Gretchen, Er wird dich erkennen | 
Franz. Da lass mich sorgen, 
lch male mir die Falten in’s Gesicht , 
Die Perücke macht mich nun vollends geborgen, 
Meine eigene Mutter erkennt mich nicht. 
Gretchen. Ach Franz, ich muss es dir frei gestehen , 
Der krumme Weg behagt mir schlecht, 
Franz. Willst du mit dem Vetter zum Altare gehen ? 
Gretchen. Nein, um Gotteswill’n, je ist mir ja recht. 
Nur recht behutsam und nicht verwegen! 
Franz. © sorge doch nicht, ich Geib es schlau, 
Und geh'n wir auch jetzt auf krommen Wegen, 
Wirst du nur auf geradem Weg meine Frau, 
Der Vater wird endlich selbst mitlachen , 
Es gilt ja ein dreifaches Menschenglück. — 
Nun will ich mich schnell zum Schulmeister machen , 
Bald komm’ ich als Vetter aus Bremen zurück, 
Gretchen. Ach, dass meine Wünsche dir helfen sollten! — 
Franz. Vertraue mir, es gelingt uns der Scherz, 
Wenn’s dem Glücke unschuldiger Liebe gegolten , 
Hat der gute Gott immer ein offenes Herz! (Rechts ab.) 


— 


ACHTER AUFTRITT. 
GRETCHEN (allein.} 


Geleit ihn der Himmel! — Er hat ja Erbarmen 
Mit dem ärmsteu Wesen der ganzen Natur; 
Und führt uns an seinen Vater-Armen 

Durch Glück und Unglück die beste Spur. — 
Wie bin ich auf einmal so freudig geworden, 
Das Herz ist mir so muthig und leicht. 

Es sagt sich gar nicht so mit Worten 

Was Frühlingsheiter die Seele beschleicht, 

Ist's Ahnung? ist's Hoffoung ? ich kann’s Euch nicht sagen , 
D’rum so neme sich das Gefühl , wie es will, 
Kann ich’s doch in meinem Herzen tragen, 
Und Freude kommt über mich wundersiill. 


51 


602 DER VETTER AUS BREMEN. 


NEUNTER AUFTRITT. 


GRETCHEN. v EIT (als Schulmeister verkleidet, schleicht op: seinem 
Hause heraus.) 


Veit (bey Seite.) Da ist sie!! — Ich darf keine. Zeit verlieren, 

Mein guter Stern führt sie zu mir her, 

Nun wollen wir unsere Künste probieren , 

Und schnell! — Die Perücke ist gar za schwer! 
(Lau) Mein schönes Kind ! 

Gretchen (bey Scite.) Ach Colt im Himmel ! 
Das ist der Vetter! — Hoffnung fahr’ hin! 

Veit. Ich komme so eben auf meinem Schimmel 
Aus Bremen an, wo ich Schulmeister bin, 

Und such’ meinen künftigen Schwiegervater, 
Den Pachter Veit. — 
Gretchen, Ach Gott! er ist's ! 
Veit. Und nebstbei meine goldene Ader, 
Das Jungfer Gretchen. — 

Gretchen (bey Seite.) Er ist's, er ist's! 
Umsonst sind alle die schönen Pläne, 

Kein Plätzchen mehr, wo die Hullnung scheint, 
Vertrocknet. ist die Freudentlräne , 
Die ich vor wenig Minuten geweint | 

Veit (bey Seite.) Sie steht erschrocken, es schwimmt in den Augen, 

Dem Vater wird die Verstellung schwer. 

Doch still , sie mag vielleicht noch wozu taugen, 

Viel schöner tritt dann die Freude- her. 

(Laut) Nun Jüngferchen, kann sie mich nicht berichten, 
Wo find’ ich den Pächter, wo find’ ich die Braut ? 

Gretchen (bey Seite.) 

Wohlan! ich erzähl’ ihm die ganzen Geschichten , 
D’rauf hab’ ich die letzte Hoffnung gebaut, 

Der Mann wird mich doch zur Frau nicht nehmen , 
Wenn er weiss, dass Franzen mein Herz gehört. 

Veit (bey Seite} Was überlegt sie? 

Gretchen. Herr Vetter aus Bremen, 
Lass Er mich ausreden ungestött! ` 
Ich bin das Mädchen , für die Er verschrieben , 
Mein Vater ist der Pachter Veit, 

Doch grad’ heraus, ich kann Ihn nicht lieben , 
Ein Anderer hat schon um mich gefreit, 

Den werdet Ihr in die Verzweiflung jagen , 
Doch hilft’s Euch nicht, Ihr bleibt mir fatal, 
Der Vater kann zwingen, Ja zu sagen, 

’S ist aber zu Eurer und meiner Qual. 


EIN: LUSTSPIEL. 603 


Wie möcht’ ich dem Braven  wiedersprechen , 
Er ist sonst gar zu lieb und gut, 
D’rum werd’ ich gehorchen , das Herz wird brechen, 
Aber, Herr Vetter! auf Euch kommt meiir Blut, 
Veit (sich vergessend.) 
Du liebes, gutes — Ey still, nicht verräthen, — 
Gretchen (bey Seite.) Was hör’ ich? — das war ja des Vaters Ton ! 
Wär’s möglich ? — Verkleidung? — ja glücklich errathen ! 
Der Vater spielt seinen Swiegersolin ! 


ZEHNTER AUFTRITT. 
DIE VORIGEN, FRANZ (auch als Schulmeister.) 


Veit (bey Seite.) 
Potz Blitz! da kommt der wahre Herr Vetter, 
Das jet ein verwünschtes Vergnügen das ! 
Franz (bey Seite.) = 
Da ist schon der Rechte, ey Donnerwetter, 
Ich komme zu spät! was mach’ ich nun, was ? 
Gretchen (bey Seite.) 
Wer kömmt denn da? wenn die Augen nicht lügen, 
Das ist ja der Franz, der Bösewicht ! 
Kaum kannt’ ich ihn selber! In allen Züzen 
Ein eingefleischtes Mazistergesicht. 
Veit. Das gibt eine ganz verwünschte Geschichte. 
Franz. Ich bin in der grössten Verlegenheit! 
Veit, So ein Spass hat doch immer saure Früchte. 
Franz. Franz, Franz, nun sey doch einmal geschied, 
Gretchen. (bey Seite.) Wie die sich einander furchtsam beschauen , 
Es fehlt der Muth, dass nur einer spricht. 
Sie mögen nicht dem Landfrieden trauen, — 
Sie winken mir, ja, ich versteh’ euch nicht, 
Veit (halblauı.) Jungfer! 


Gretchen. Was soll ich? 

Frans. Mein Kind! 

Gretchens Sie befehlen ! 
Veit (leisey Gretchen, ich bin’s ja 

Frans. Ich bin’s ja, dein Franz ! 


Gretchen (thut; als ob sie nichts gehört habe, bey Seite.) 
Wart nur, ich will euch beide quälen , 
Ibr denkt mir gewiss an den Maskeutanz, — -> 
Der Vater ist willig, was fehlt noch zum Glücke ? 
Der leichte Sion stellt sich wieder ein, 


r 
“m 


604 DER VETTER AUS BHEMEN. 


Und in dem freudigsten Augenblicke 

Kann der Uebermuth auch willkommen seyn, 

Die mögen sich die Zeit vertreiben , 

Damit ieh nicht die Gefoppte bin ; — 

Wo der Grossvater und der Magister bleiben, 

Da gehört auch der Onkel Peter noch hin. 
(Schnell ab in's- Haus.) 


EILFTER AUFTRITT. 
FRANZ UND VEIT. 


Franz (bey Seite.) Verdammt! die lässt mich nicht im Stiche, 
Nun bin ich mit dem Herrn Vetter allein. — 
Ich wusste sonst immer viel hübsche Sprüche , 
Und jetzt fällt mir auch nicht der kleinste ein, 
Veit (bey Seite.) Das Wettermädel, das | wie ich spüre, 
Zog sie aus der Schlinge bei Zeiten den Kopf. 
Ich aber steh’ hier und simulire, 
Und nichts fällt mir ein ; ich alter Tropf! 
Franz (nach einer Pause s worin sie sehr verlegen auf und abgehen ; bey Seite. ) 
Nun endlich muss ich doch wohl anfangen , 
Ich bin doch sonst nicht stumm, wie ein Fisch. 
Veit (bey Seite.) Ich fühle freilich kein grosses Verlangen, 
Aber gered’t muss doch einmal werden. 
Franz (bey seite.) Nur frisch! 
Ich bin doch sonst kein dummer Teufel. 
Veit (bey seit.) Wie er mich ansieht, fast macht er mich roth. 
Franz (laut) Sie sind wahrscheinlich — 


Veit. Sie sie ohne Zweifel — 
Franz. Ein Herr Kollega ? 

Veit. Ein Schuldespot ? 

Franz. Zu dienen. 

Veit. Gleichfalls. ` 

Franz (bey seite.) Wie wird mir bange, 


Er macht mir ein gar zu gelehrtes Gesicht, 

Veit (bey seite.) Das Ding dauert hoffentlich nicht mehr lange, 
’S ist grauslich,, was der vernünftig spricht. 

Franz (lau) Also Kollegen ? 

Veit. Es freut mich unendlich, 
(Bey seite) Nun, das wird kein Vokativus seyn! 

Franz (bey seite.) Um Gotteswill’n, der Kerl ist schändlich 
Gelehrt, nun spricht er mir gar Latein, 

Veit (laut) Sie hatten sehr weite Wege zu nehmen ? 


EIN LUSTSPIEL. 605 


Frans. Das geht wohl an, ’s ist ein Spass für mich. 
Yeit. Wo denken Sie hin — wie weit ist denn Bremen ? 
Frans. Kollega, das wissen Sie. besser als ich. 

(Bey Seite) Nun wird meine Weisheit auf’s Haupt geschlagen , 

Ach Gott! er kommt schon in die Geographie | 
Veit (bey Seite.) Er führt verwünscht verfängliche Fragen, 

Ich hab’ da die allerschlimmste Parthie, 

Franz (laut.) So viel ich weiss, sind Sie aus Bremen, 
Veit. Nein Sie sind aus Bremen, so viel ich weiss. 
Franz (bey Seite.) 

Nein , nun wird’s Zeit , meinen Abschied zu nehmen. 
Veit (bey Seite.) 

Die Angst — die Perüske — was macht mir denn heiss ? 
Frans laut.) Doch wo ist nun der verschriebne Magister ? 
Veit. (auf ihn zeigend.) Nun da! 
Franz. Gott sey dafür! 
Veit. Wunderlich 
Frans. Aber Herr Schulmeister oder Küster. 

Wer ist's denn von uns beyden ? 


— 


ZWÖLFTER AUFTRITT. 


DIE VORIGEN. GRETCHEN (auch als Schulmeister , kommt aus dem 
Hause geschlichen , und tritt zwischen beyde.) 


Gretchen. © Ich! 
(Sie geht mit grossen Schritten auf und ab.) 


Veit (bey Seite) Um Gotteswillen, was soll uns der Dritte ? 
Frans çbey Seit) Nun, wer ist denn nun der Rechte ? wer? 
Veit (bey Seite.) Der macht verwünschte Schulmeister-Schritte ! 
Frans (bey Seite.) Das ist ja ein kleiner Perückenbär ! 
Weit (bey Seite.) Da geht es noch einmal an’s Examen, 
Nun alter Knabe , da kannst du dich freun. 
Frans (bei Seite.) Ich möchte doch jetzt in des Teufels Namen , 
Lieber ein Kalb, als ein Schulmeister seyn. 
Gretchen. Ihr Herrn, ich lad’ euch zum Mittagsessen 
Bei meinem künftigen Schwiegerpapa. 
Kollegen soll man nie vergessen , 
Am allerwenigsten in der Gloria. 
Veit, Sie sind also — 
Franz. Also Sie sind — 
Gretchen: Aus Bremen , 
Der Dachier Veit ist mein Vetter hier, 
Sein Gänschen will ich zur Frau mir nehmen , 


606 DER VETTER AUS BREMEN 


Der alte Narre versprach sie mir. 

Frans. „Herr, das lass er mich nicht wieder körön 5 

Sonst vergess ich den friedlichen Stand, 

Pfuy, weiss er sich selber nicht besser zu ehren , 

Und so ein Kerl bulhlt um Gretchens Hand ? 

Gretchen. Was sch’ ich euch so in Wuth gerathen ? 
Veit. Brav, Herr Kollega, nur immer zu! 
So eine Lektion kann gar nicht schaden, 
Gretchen. Herr Magister ! 
Franz. Ey, halt er sein Maul! 
Veit, Nur zu! 
Gretchen. Herr Kollege , ich bitte die Wuth zu zügeln, 
Weit. Der Vater ein Narr! 
Franz. Dass ‘soll Ihn gereu’n } 
Gretchen, Ach, wenn sich im Dorfe die Schulmeister prügeln , 

Das wird doch ein schönes Exempel seyn ! 

Gemach , gemach , verschont mich Armen ! 

Ich kehre gleich um, ich versprech’ es gewiss 

Vielleicht hättet ihr mit mir mehr Erbarmen , 

Wenn ich die Perücke vom Kopfe riss ! 

(Sei thut es.) 
Veit. Wie, Gretchen! 
Gretchen, Ich trieb’s wohl ein wenig munter, 
Franz (umarmt sie.) Du liebes, gutes , schelmiches Kind! 
Veit. In des Schulmeisters Armen. O Wunder auf Wunder f 

Ich weiss noch immer nicht , wer wir sind ! 

Gretchen. Du brauchst dich länger nicht zu verstellen, 

Weg , guter Franz, mit der Mummerei. 

Siehst du’s in dem Auge nicht väterlich quellen, 

Und erräthst noch nich, wer der Schulmeister sey ? 
Frans. Wär’s möglich Vater! — und könnt Ihr vergeben ? 
Veit. Du bist ein braver Bursche du, 

Das bleibt doch der beste Stand im Leben, 

Drum ninm sie und. meinen Segen dazu, 

Franz. Vater! 
Gretchen, Vater ! 
Franz, Mein Trost ist geblieben ! 

Der dort im Himmel hat uns nicht verkannt, 

Und wenn sich zwei Herzen nur redlich lieben , 

Da kommt das Schicksal doch noch zu Verstand, 

Veit, Das merkt Euch, Kinder! wenn Leiden drücken , 

Schaut muthig nur zum Vater hinauf ! 

Jetzt basta und lustig! — unsre Perücken 

Häng’ ich alle drei in der Stube auf, 

Da könnt Ihr’s euren Kindern erzählen, 


EIN LUSTSPIEL. 607 


Und fehlt Euch nur sonst nie Zufriedenheit , 
Su mögen die Schulmeister bei Euch fehlen , 
Zum Glücke braucht’s keine Gelehrsamkeit. — 
Aber um mein Versprechen zu ehren, 
Und den seligen Bruder — Franz, Gretchen, schlagt ein ! 
Das erste Kind , das die Engel bescheeren , 
Ist ein Sohn — 

Alle Zwei, Er soll Schulmeister seyn ! 

(Der Vorhang fällt.) 


DIE GOUVERNANTE, 


— 


EINE POSSE IN EINEM AUFZUGE. 


PERSONEN, 
DIE GYUVERNANTE, | LUISE, 
FRANZISKA. 


Ein Zimmer mit einer Mittelthüre und zwey Seitenthüren. Rechts und links 
ein Fensler, 





ERSTER AUFTRITT. 


FRANZISKA und LUISE (stehen an den heyden gegenüber stehenden Fenstern, 
jede mit einem Fernglas bewaffnet ; auf einem Tische im Hintergrunde liegen 
Bücher und ein Atlase) 


Franziska, Siehst du noch nichts ? 


Luise (zum Fenster hinaussehend,) Gar nichts P 

Franziska, Ich auch nicht] 

Luise. Ach, wir Armen ! 
Fransiska, Auch nicht ein Wölkchen Staub ? 

Luise, Gar nichts! 

Fransiska. ’S istzum Erbarmen! 
Luise. Ich bin recht unglücklich ! 

Franziska. Was hab’ ich nur verbrochen ? 
Luise. Entschieden ist's | 

Franziska, Gewiss? 

Luise. Sio haben längst gesprochen, 
Franziska, Gewiss, gewiss! 

Luise. Und wie? 

Franziska; Wir wissen noch kein Wort, 
Luise. ’S ist nur fünf Posten weit. 

Franziska Vor Abends konnt’ er fort, 


Luise, Siehst Du noch nichts ? 


DIE GOUVERNANTE. EINE roseg, 609 


Franziska, (wie eben.) Gar nichts, 

Luise. Das ist doch ärgerlich. 
Franziska. Und Du ? 

Luise, i Auch nichts. 

Franziska. Gottlob, Du siehst nicht mehr als ich. 
Luise. Das ist ein schöner Trost. 

Fronziska. Und doch ein Trost. — Ich dächte, 


Gesetzt, dass sein Jokei Dir jetzt die Nachricht brächte : 
Der Vormund habe Ja zu seinem Wunsch gesagt. 

Ich fühlte mich dabei gewiss vom Neid geplagt , 

Hätte mir Karl zugleich die Botschaft nicht gesendet: 
Mein Vater habe sich uns nicht abgewendet ` 
Gesteh’,-es würde Dir wohl nicht viel besser gehn, 

Luise. Warum sollt’ ich nicht gern die Freundin glücklich sehn , 
Wenn ich’s auch noch nicht bin. Kann ich vom Glëck nicht kosten , 
Missgönn’ ich’s Dir darum ? 

Fransiska. Still, still! auf unserm Posten, 
Der Himmel gebe nur dass jetzt die Boten kommen , 

Bevor die Bonne noch das Frühstück eingenommen, 
Umstände machte sie — 

Luise. Sie hat uns wirklich lieb ; 

Wenn sie den Anstand nur nicht bis zur Tollheit trieb, 
Wie mag man nur so gern im Sande vegetiren , 
Wo die Clarisse herrscht, und Grandisons regieren. 

Franziska. Wie fangen wir's nur an, damit sie nichts erfährt, 
Mein Bruder fehlt uns jetzt, darin war er gelehrt, 

Luise Gott gebe nur, dass sio die Briefe nicht empfange , 

Du kennst ja ihren Spleen. 

Franziska, Du machst mir wirklich bange, 

Luise. Ach wenn die Boten jetzt nur kämen, grade jetzt, 
Eh’ sie den Milchkaffee noch an den Mund gesetzt, 
Dann ist umsonst. 

Franziska. (wie oben.) Nun ? 


Luise. Was! 

Franziska, Siehst Du noch nichts ? 

Luise. Ach nein! 
Und du ? 

Franziska, Ich auch noch nichts, 

Luise. ’S ist doch 'ne rechte Dein, 


Franziska (wie oben.) 
Dort, wo der Wiesengrund sich in den Forst verliert , 
Dort schlängelt sich der Weg, der nach Burg Oerner führt, 
Da sprach mein Karl gewiss den Vater gestern schon, 
Es ist in Richtigkeit, und ich weiss nichts davon, 
Luise, Dort auf dem Berg, man sieht's ganz deutlich in dem Glase, 





610 DIE GOUVERNANTE,. 


Hart an der Eiche weg, da geht die Schleizer Strasse, 
Der Vormund speis’te da beim Grafen Stein zur Nacht, 
Da hat ihn Fritz gesehn, und alles abgemacht. 
Er gab gewiss sein Wort , und ich darf glücklich seyn , 
Und dennoch sitz’ ich hier in zweifelsvoller Dein, 
Franziska. (wie oben.) Ach Gott, Luise! 
Luise. (ohne vom Fenster wegeügöhn.) Nun ? 


Franziska, Sieh nur! 

Luise. Was soll der Schrei? 
Franziska. Er ist's! 

Luise, Wer? 

Franziska. Er! Ach nein! es ist ein Wagen Heu! 


Luise. Kind , liebstes Kind | ei, ei, Dir hat man’s angethan; 

Siehst einen Wagen Heu für einen Reitknecht an} 

Wer so verliebt kann seyn, gehört doch zu den Tollen, 
Franziska. Ach Gott — die Angst - der Staub — ich hätte wetten wollen. 
Luise (wie oben.) Du ! 

Franziska, Was ? 

Luise, Sieh! 

Franziska, (nähert sich Luisens Fenster.) Wo ? 

Luise. Nun dort ! 

Franziska, Ist's auch eia Wagen. Heu? 
Luise. Nein , nein, Er! 

Fransiska. Wer ? 

Luise, Nun, Erf 

Franziska, Wer heist Er ? 

Luise. e Der Jokei, 
Franziska... Wo? 

Luise. Sieh das rothe Kleid, sieh nur, die gold’ne Mütze, 

Just bei dem Baum. 

Franziska. . Mein Gott, das. ist "oe Kirchthurimspitze. 
Zuise. Fränzchen! 8 
Franziska. Besinn’ dich nur, doft ja Olbernhau‘, 

Das ist der Thurm davon, der Kirchthurm jete, 

Luise. 3 ; Schau, schau! 
Franziska. Mein Wagen Heu war zwar auch nicht das Allerbeste , 

Doch wird ein Ziegeldach dir gar zur Jokeisweste, 

Und einen Kirchthurmknopf machst du zum- Tressenhüt , 

Das ist ein wenig org, Was doch die Liebe thut! 

Luise. Die Spitze sieht man nur. — Wie man sich täuschen lässt ! 

Mir war's, als lief’ er, 

Franziska, Nein, der steht. so ziemlich fest, 
Der Liebesbote mit dem gold’nen Wetterdrachen, 
Und einem Ziegelrock. 

Luiso. Nun gut, es ist zum Lachen , 


EINE PÖSSE, 611 


Und wir sind quitt, 
Franziska. Noch nicht; dein Gleichniss war zu fremd. 
Luise. Mein Gott, die Thüre geht, die Gouvernante kömmt, 
Franziska. Schnell, ruhig hingesetzt | 


Luise, Ach, der verwünschte Bote f 
Franziska, Die Arbeit in die Hand! 
Luise. Ich ärg’re mich zu Tode ! 


Franziska, (wie oben.) Sichst Du noch nichts ? 
Luise, (wie oben.; Sie kömmt. Ich sehe nichts. 


Franziska, Ich auch nichts, 
Luise. Ach ! 
Fransiska, Der dumme Wagen Heu! 

Luise. Fatales Ziegeldach | 


Franziska. Wenn sie uns müssig trifft, gib Acht , dass sie nicht zanke. 
Luise. Da nimm das Buch und lies ! 
(Gibt ihr ein Buch und nimmt selbst eines.) 
Franziska. Ein glücklicher Gedanke. 
(Wie oben) Nichts ? 
Luise. (Wie oben.) Nichts! 
Franziska. ' ‚Still, still, sie kommt ! 
Luise. Vertrauen wir den Göttern, 
Franziska, (ihr Buch betrachtend.) Ich hab’ mein Buch verkehrt, 
Luise. (ebenfalls.) Gott, das sind greich’sche Lettern. 





ZWEITER AUFTRITT. 
VORIGE, DIE GOUVERNANTE, 


Gouvernante. Bon jour Mesdames. — Ey, ey! schon in dem grössten 
Fleisse ? 
Ah, cest charmant ! charmant! Das ist vernünft’ger Weise 
Ein achtes Wunderwerk, Fräulein, was lesen Sie ? 


Franziska Es ist — 


Gouvernante, Doch kein Roman ? 

Franziska. Nein. 

Gouvernante. Paul et Virginie ! 
Franziska, Nein, nein ! 

Gourernante. So geben Sie, 

Franziska, Nur müssen Sie nicht spotten, 


Gourernante, ` (nimmt das Buch ) 
sGründlicher Unterricht , die Hamster auszurotten, » 
Wie kommen Sie, mein Kind, zu der Lectüre ? 
Franziska. Ei, 
Der Vater hat gemeint, dass es von Nutzen sey, 
Da ich so grosse Lust zur Landwirthschaft bekommen, 





612 DIE GOUVERNANTE. 


Gouvernante. Die Leidenschaft hab’ ich noch niemals wahrgenommen, 
Und Sie, mein Fräulein ? 


Luise. Ich — 
Gouvernante, Was lesen Sie? 
Luise. Nicht viel, 


Der Gegenstand ist fad, mir ist's nur um den Styl. 
Gouvernante. Wird man den Namen nicht davon erfahren können ? 
Luise. Nicht gern, 


Goüvernante, Warum ? 

Luise. ’ Ich weiss ihn selber kaum zu nennen, 
Gouvernante, Eh bien! 

Luise, Das Buch — 

Gouvernante, Nun ja! 

Luise. Sie werden mir’s verblättern. 


Gouvernante, (nimmt das Buch.) 

So zeigen Sie, Ah ciel! Das sind ja griechsche Lettern! 
Wie, schämen Sie sich nicht, solch heidnisch Buch zu lesen ? 

Luise. Ich hab’ — ich wollte uur — 

Gouvernante. Heraus , was ist’s gewesen P 

Luise, Ich hielt es gern geheim , doch Wahrheit heisst mir Pflicht, 
Und also beicht ich’s denn : gelesen hab ich’s nicht, 

Sie können ganz getrost auf meine Einfalt zählen , 
Stickmuster wollt’ ich nur aus diesen Blättern wählen, 
Sie würden gar zu gut als Arabesken stehen ; 

Ein Morgenhäubchen wollt’ ich meiner Freundin nähen, 
Um sie am Namenstag damit zu überraschen , 

Allein sie muss mich just bei meiner Wahl erhaschen. 

Gouvernante. So hab’ ich nichts gesehn , und weiss nichts , ma petite, 
Sie machen sie mir doch nach meinem alten Schnitt ? 

Luise. Sie wissen nun davon, und mögen selber schalten. 

Gouvernante, Ich bin so frey, — Eh bien , wir werden Stunde halten, 

“Franziska. Ach Gott! 

Gouvernante. Sie seufzen? Wie ? 

Franziska. Ist's etwa denn erlaubt, 
Wenn mann wie Kinder uns noch an den Sultisch schraubt ? 
Gross, alt und hübsch genug , um in der Welt zu glänzen, 

Was soll die Weisheit uns, was helfen die Senteuzen ? 
Nicht ein vernünftig Buch gibt man uns in die Hand , 

Nun soll ich, gar. gauz fremd nicht auf der Welt zu bleiben , 
Noch im achzehnten Jahr die Erdbeschreibung treiben, 

Da ist zu arg! 

Gouvernante, Ah ciel! was hab’ ich hören müssen | 
Gottlose Frevlerin! dass soll der Vater wissen, 

Solch Wort hätt’ ich an meine Bonne richten sollen , 
Ich hätte diesen Lärm nicht mit erleben wollen, 





EINE POSSE. 613 


Gesunkne Kinderzucht! Abtrünniges Geschlecht! 
Eh voilà ton ouvrage ! 
Luise. Franziska hat ganz Recht, 
Es ist gewiss zu viel, in unsern schönsten Tagen 
Mit trockner Wissenschaft so planlos uns zu plagen; 
Das Lernen schmäl’ ich nicht, denn niemals lernt man aus, 
Was aber kommt für uns bei der Lection heraus ? 

Gouvernante. Auch Sie empören sich ? — O undankbare Schlangen | 
Ist in dem Frevel je ein Paar so weit gegangen ? 

Auf meinem Arme hab’ ich Sie als Kind gewiegt, 
Hab’ alles gern vermisst, was sonst ein Herz vergnügt, 
Nur ihrem Wohl gelebt, manch schlummerlose Nacht, 
Les dieus men sont témoins, an Ihrem Bett gewacht. 
Ist das der Dank ? 

Franziska. Mein Gott, wer hat es denn bestritten, 
Dass Sie für unser Wohl so manchen Schmerz gelitten ? 
Auch sind wir Ihnen treu und herzlich zugethan , 

Und sehen Sie gewiss als unsre Mutter an, 
Nur übersehen Sie auf Rechnung jener Tage 
Nicht, was uns ennuyirt, und unsre jetz’ge Plage. 

Luise. Ja, ja, ma bonne, wir sind gewiss nicht undankbar. 
Verziehen Sie, was nur im Scherz gesprochen war. 

Gouvernante. Was, Scherz, was? wollen sie Komödie mit mir spielen 8 
Gibt's keinen andern Stoff, Ihr Müthchen abzukühlen ? 

Ah les ingrates! 


Franziska, Mein Gott, wir wollten Sie nicht krönken, 
Luise. Wir meinten.es nicht bös. 
Franziska. Wie können Sie nur denken, 


Es sey uns Ernst darum. Und zum Beweis davon 
Woll’n wir ganz ruhig seyn, und halten die Lection. 
Luise. Wenn Sie uns böse sind, ich kann es nicht ertragen, 
Franziska. Ich bettle, bis Se uns ein gutes Wörtchen sagen, 
Luise. Ma bonne ! 
Franziska, Mademuiselle ! 
Gouvernante. So mag’s vergessen seyn, 
Und nun die Charten her, wir wollen uns zerstreu’n, 
Franziska. Ach Gott! 
Gouvernante. "ite! Vite! 
Luise (hat zum Fenster hinausgeschen und thut, als suche sie diè Charten , 
Frünzchen begegnend, die ebenfalls an’s Fenster kömmt,) 
Nichts ? 
Franziska, Nichts } 
Gouvernante. Allons, woran gebricht‘? 
Franziska. Die Charten find’ ich nicht. 
52 


614 DIE GOUYERNANTE. 


Gouvernante, Ey dort! ` 

Franziska, Ach ja! 

Luise (wie oben.) Nichts ? 
Franziska. Nichts ! 


Gouvernante. Den Tisch fein zugerückt, die Charte aufgeschlagen ; 
Wo blieben wir denn, wo? — Nun? soll ich ewig fragen? ` 
Franziska. Ja — 


Luise. Bei — 

Gouvernante, Den Namen ! — nun — wo fehlt’s denn noch? 
Franziska, Bei — 
Luize, N In — 


Gouvernante, Bei—In — To — Bei! Mein Gott, das hat ja keinen Sinn, 
Mesdames! Attention! Hab’ ich Sie so erzogen ? 
Wo blieben wir ? 
Franziska, Bei — 
Luise, > In — 
Gouvernante. In Katzenellenbogen, 
Luise. Ja, ja! 
Franziska. Ganz recht! 
Gouvernante, Wie liegt's? ; 
Luise. i Das weiss ich ganz genau, 
Gouvernante. Nun wo? 
Franziska (ldse zu Luise.) Siehst Du noch nichts ? 
Gouvernante. Wo denn? 
Luise. Das Feld war blau, (Sie sucht'ia der Charte.) 
Gouvernante. Der Fingerzeig ist gut. Wie mich Ihr Fleiss vergnügt! 
’S ist doch gewiss, dass es im blauen Felde liegt ? 
Luise. Mein Gott, ich tind’ es gleich. 
Franziska. Ich sitze wie auf Kohlen. 
Luise (bey Seite.) Siehst Du noch nichts ? 
Franziska (eben so.) Noch nichts. 
Gouvernante. Wie? suchen Sie’s in Polen ? 
Hätt’ ich den Streich erzählt, man hielt’s für eine Fabel, 
Ah ciel! Sie sind zerstreut, Soyez done raisonnables. 
(Die Charte nehmend.) 
Hier ist's, in Deutschland hier, Wo liegts? Nun frag’ ich Sie, 
Luise. `S war doch ein blaues Feld. 
Gouvernante. Voilà, mon &tourdie ! 
Nun, Fräulein Fränzchen, sind Sie etwa eingeschlafen ? 
Nun kommt’s an Sie, 
Franziska (bey Seite.) Siehst da noch nichts von meinem Grafen ? 
Gouvernante. Was? wie? ein Graf? Was geht ein Graf Sie an? Heraus! 
Ich hab’ es wohl gehört, Sie reden’s mir nicht aus. 
Franziska. Ein Graf? Ma bonne, ich glaub’, jetzt haben Sie geschlafen. 
Ich sprach — 


EINE POSSE. 615 


Gouvernante. Sie sagten Graf, 
Franziska. Ich sprach von Geographen, 
Gouvernante. Ah sol 
Luise (teise) Gottloses Kind! 
Franziska (bey Seite) Man hilft sich, wie man kann, 
Gouvernante. Nun woll’n wir weiter gehn. So, rücken Sie heran ! 
Hier nehmen Sie das Buch, den Einband nicht verbogen, 
Pagina hundert drey, von Katzenellenbogen. 
Franziska Geen? «Ein alter Thurm e — 
Gouvernante. Nur zu! 
Franziska, Mir flimmerts vor den Augen, 
Ich werd’ heut’ sicherlich nicht zum Prolector taugen. 
Gourernante (zu Luise.) So nehmen Sie das Buch, 
(Zu Fränzchen.) Mein Kind, das kommt vom Blut, 
Luise. Auch mich verschonen Sie, mir ist gewiss nicht gut, 
Ich schlief in dieser Nacht, ich schwör's, nicht die Minute, 
Gouvernante. Das ist derselbe Grund. Mein Kind, das kommt vom 
Blute, 
Man gebe mir mein Glas, mein Blut ist nicht so warm, 
Die lieben achtzehn Jahr, Ach dass sich Gott erbarm | 
Nun, vite ! vite ! 
Franziska. Hier, ma bonne. (Gibt ihr die Brille.) 
Gouvernante (Sie sucht im Buche-) Also — sein alter Thurm» — 
Fransiska (bey Seite.) Siehst du noch nichts ? 
Luise (bey Seite.) Gar niehts. 
Gouvernante, Da stehts: «ein alter Thurm 
«Aus einem mäss’gen Berg, von allen Seiten frei, 
«In seinen Fenstern steht» — 
Franziska (springt auf, laut, mit dem Gesicht auf das Fenster gewandt.) 
Der Reitknecht! 
Luise (eben so.) Der Jokei! 
Gouvernante. Mesdames ! sind Sietoll? Ein Reitknechtin dem Fenster ! 
Franziska. Es ist's! 
Luise. - Bei Gott, er ist's! 
Gouvernante (zieht sie auf den Stuhl zurück,) Was! sehen Sie Gespenster ? 
Das Näschen nur in’s Buch, und nicht zum Fenster ’naus, 
Sonst ist's, Dieu le sait, mit unsrer Stunde aus, 
Franziska. Sieh, wie der Schimmel dampft ! 
Er kommt als Pfeil geflogen, 
Gouvernante. Wo sind Sie denn? 
Fransiska. Mein Gott, in Katzenellenbogen, 
Gouvernante. Also: sein alter Thurm ganz frei von allen Seiten s— 
Luise. Er springt vom Pferd. 
Gouvernante, «Der Thurm» — 
Franziska. Er hält, 





616 DIE GOUVERNANTE. 


Gouvernante. O Albernbeiten ! 

Franziska, Nun halt’ ich’s nicht mehr aus. 

Luise. Mich fasst ein ganzer Sturm , 
Ich muss ! 

Gouvernante. Sie müssen ? 

Luise, Ja! 

Gouvernante. Wen denn ? . 

Luise, Nun, ihn ! 

Gouvernante. Den Thurm? 
Mein Kind, Sie sind wohl krank! Was hat Sie denn bewogen P 
Zu solch verkehrtem Wunsch nach Katzenellenbogen ? 

Franziska, Ach Gott, wer spricht davon ? 


Gouvernants, Vom Thurme ? 
- Franziska. Nein! 
Gouvernante, Nein? Ja? 
Was gibt's? Heraus ? 
Franziska. Es sind zwei Boten für uns da, 


Am Thore halten sie. Wir warten schon seit lange, 
O lassen Sie mich gehn, dass ich den Brief empfange, 
Gouvernante. Ein Brief? Gott sey dafür | das lass ich niemals zu. 
Ich brech’ ihn selber auf, und somit — taises-vous ! 
Luise. Der Brief ist ja an uns und nicht an Sie, und müssen 
Sie jedes Wörtchen denn, an uns geschrieben, wissen P 
Nein , das ist unerhört, 
Franziska. Abscheulich ! 
Luise. Grausam ! 
Gouvernante. Stille! 
Die Briefe les’ ich selbst, das ist des Vaters Wille. 
Ich geh’ und hole sie. 
Franziska, Wie? Sie bemüh’n sich noch 
Für uns? — Das leid ich nicht. O schicken Sie mich doch, 
Gouvernante. Das wäre Ihnen recht. So hintergeht man mich, 
Ah, voilä les ingrates ! Man unterfange sich , 
Und man wird seh’n! ich bin kein Langohr in der Fabel, 
Restez ici, Patience, et soyez raisonnables, 
(Geht durch die Mittelthüre ab.} 


DRITTER AUFTRITT. 


LUISE, FRANZISKA 
Luise. Sie geht. 
Franziska, Ach ja, sie geht. 
Luise, Und wir? 
Franziska. Wir müssen. bleiben f 


EINE POSSE. 617 


Luise, Kann man die Grausamkeit wohl jemals weiter treiben ? 
Fransiska, Die Boten sind herein — 


Luise, Die Briefe übergeben — 
Franziska, Und wir, wir wissen nichts. 

Luise, Ist das erhört im Leben? 
Franziska. Nun reisst mir die Geduld. 

Luise. Das Reissen hilft nicht viel ; 


Durch Bitten kommen wir jetzt ganz allein zum Ziel, 
Sie kann nicht widerstehn. A 
Franziska, Da hoffst du ganz vergebens, 
In dem Fall bleibt sie Dir ein Kieselherz zeitlebens. 
Luise. Wenn’s nicht mit Bitten geht, so geht's vielleicht mit List, 
Franziska. Auf Proben kam" es an. 
Luise. Ob’s wohl nicht klüger ist, 
Dass wir auf kurze Zeit die Brille ihr verstecken ! 
So kann sie wenigstens den Inhalt nicht entdecken, 
Franziska (versteckt sie irgendwo.) 
Ganz recht! Gib her, Hier ist sie sicher aufgehoben, 
Der kleine Liebesgott soll seine Schüler loben, 
Luise. Sie kommt | 
Franziska, Die Briefe sind in ihrer Hand. 
Luise. Wohlan , 
Die Bitte rückt zuerst, und dann die List heran. 


— 


VIERTER AUFTRITT. 
VORIGE. DIE GOUVERNANTE (zwey Briefe in der Hand, aus der Mittelthüre,) 


Gouvernante, O, ungerath’nes Paar| ach, hätt’ ich’s nie vernommen! 
’S ist nicht genug, dass man solch’ Billet-dour bekommen, 
Nein, man lässt obendrein die allerschönsten Phrasen 
Durch einen Reitknecht, Cie! ! sich in die Ohren blasen, 

Wenn das zu meiner Zeit, durch mich geschehen wäre! 

Durch einen Reitknecht! Gott! tems, voild les horreurs! 
Franziska. Mein Gott, was ist denn da so gar zu streng zu nehmen ? 
Gouvernante. Sie fragen noch ? 


Luise, Ich will mich gleich von Herzen sehämen, 
Nur wüsst’ ich gern, warum ? 
Gouvernante. Warum? Gerechter Gott ! 


Ist denn das Heiligste jetzt in der Welt ein Spott? 
Gilt denn die Tugend nichts ? 
Luise, Das sind kuriose Waffen: 
Was hat die Tugend denn mit einem Brief zu schaffen ? 
Muss darum unser Herz gleich rettungslos verderben , 
Wenn uns ein Herrchen schreibt, er würd’ aus Liebe sterben ? 


618 DIE GOUVERNANTE. 


Gouvernante. Ah, welch ein Brief ist’s nicht! Der ist von lieber Hand! 
Der Postillon d’Amour schien auch im Schloss bekannt, 
Franziska. ‘Nun ja, wir wissen es, von wem die Briefe kommen. 
Und wüssten alles, wenn Sie sie nicht weggenommen, 
Nachricht vom Vater ist's. 


Luise. Der Vormund lässt mir schreiben , 
Ich soll — 

Franziska, Wir sollten doch — 

Gouvernante. Gottlose Kinder bleiben ! 


Mir machen Sie nichts weiss, es ist unnöth’ge Müh, 
Um mich zu hintergehn , wär's heute viel zu früh. 
Luise. Wer denkt an’s Hintergehn ? Wir kommen nur und bitten, 
Hat je Ihr gütig Herz solch harten Spruch gelitten ? 
Franziska. Und wenn wir jetzt gefehlt, es sey das letzte Mal. 
Befreien Sie uns nur von dieser harten Qual. 
Luise. Sie haben schon so oft uns Ihre Gunst bewiesen , 
Wir dürfen Sie mit Recht als zweite Mutter grüssen, 
Franziska, Was uns in dieser Welt nur schön und gut begegnet, 
Von Ihnen kam’s, es war von Ihrer Hand gesegnet. 
Luise, D'rum lebt die Dankbarkeit klar in des Herzens Tiefe. 
O nur ein gutes Wort ! — 
Franziska, Und nach dem Wort die Briefe, 
Gouvernante. Die Schmeichelkatzen kennt man an dem leisen Strich ; 
Man streiehle zu, doch bin ich unerschütterlich, 
Und der Entschluss in mir ist nie so fest gewesen, 
Die Briefe bleiben mein, bis ich sie selbst gelesen ; 
Dann schick’ ich sie petschirt den beiden Vätern zu, 
Franziska, Das leid’ ich nicht, 


Gouvernante, Silence ! 
Luise, Ich auch nicht. 
Gouvernante, Taisez-vous! , 


Was war das für ein Wort? wief. was? nicht leiden wollen ? 
Ich werde Sie wohl erst geziemend fragen sollen ? 

Wo bleibt denn der Respekt ? Je wose pas le dire, 

Ich leid' ee nicht, Ah ciel! Man widersetzt sich mir ? 
Nun bleib’ ich felsenhart. Bin doch auch jung gewesen, 
Doch hab’ ich nimmermehr ein Billet-douz gelesen, 

Zum Fenster flogen sie oft dutzendweis herein. 

Das Lesen stand mir frei, wie viel war ich allein ; 

Allein ich brachte sie zu meiner Gouvernante , 

Die in dem höchsten Zorn beim Kaffee sie verbrannte , 
Sie war wohl fast zu streng, zwar eine gute Frau, 

Doch nahm sie’s in der That ein Bischen zu genau, 

Wenn ich mich, auch manchmal vor meiner Milde schäme , 
Ihr wär's jetzt noch nicht recht, wenn ich Billets bekäme, 


g 
e 





EINE POSSE. 619 


Sie zankte sicherlich den halben Tag mit mir, 

Die gute St. Alm&, sie wohnt nicht weit von hier, 

Fünf Posten ungefähr. Nun sind es dreissig Jahre , 

Dass ich sie nicht gesehn ! Ich habe graue Haare , 

Und sie trat sicherlich schon in die siebzig ein, 

Die würde hier@ewiss an ihrem Platze seyn. 
Franziska. Unnöth’ze Müh, wir sind mit Ihnen schon zufrieden. 
Luise. Sie brauchen keine sich zur Hülfe zu entbieten. 
Franziska. Ma bonne! die Briefe | 


Gouvernante, Nichts | 
Luisa, Die Briefe! 
Gouvernante. Taisez-vous ! 


Ich geh’ in’s Kabinet, die Thüree riegl’ ich zu, 

Der Vater soll es sehn , auf wen er sich verliess , 

Respect, patience , silence , ne faites pas des bötises, 
(Zur Seite ab.) 


— 


FUNFTER AUFTRITT. 
LUISE FRANZISKA 


MN 
Luise (ihr nachrufend.) Barmherzigkeit! 
Fransiska, Ma bonne! 
Luise. Sie geht. 
Franziska. - Sie hört ung nicht, 
Luise, Die Thür ist zu. 
Franziska, Ach! 
Luise, Ach! 
Franziska. Geduld, o heil'ge Pflicht 
Luise. Nun, Gott sey Dank, dass uns der Einfall zugekommen, 
Dass wir zur rechten Zeit die Brille weggenommen , 
Zum wenigsten kann sie die Briefe jetzt nicht lesen, 
Fransiska. Der Streich ist ganz gewiss sehr klug von uns gewesen, 
Doch sich , die Bitte hat nichts für das Glück gethan , 
Wie ich's voraus gesagt, nun rückt die List heran, ' 
Doch wie? und wenn? und wo? das sind drei grosse Fragen | 
Luise, Ich habe hier im Kopf längst einen Plan-getragen , 
Doch ist er noch nicht reif, 


Franziska. Just so ergeht es mir. 

Luise, Wenn man — 

Franziska, Wie wärs — 

Luise. Vielleicht — 

Franziska, Ki Man sollte — , 
Luise. Könnten wir 


Nicht eine — 


620 DIE GOUVERNANTE. 


Franziska. Was? : 


Luise. Ach nein, das geht nicht 

Fransiska, Schade! — Hal 
Luise. Hast due? 

Franziska, ’S geht auch nicht! 

Luise. N Still, das ®eht ! 

Franziska. Aucht das geht! 
Luise. Jal 


Es ist wohl viel gewagt, doch dazu hab’ ich Herz. 

Und wenn es auch misslingt, am Ende war’s ein Scherz , 

Und so ein Scherz, gewiss , macht keinem Mädchen Schande, 
Franziska. Mein Fall. 
Luise, So höre denn. 
Franziska. Still, still, die Gouvernante, 
Luise, Sie ist's. — In’s Kabinet , rasch , eh’ sie uns vermisst. 

Dort sag’ ich dir den Plan, du nennst mir deine List, 

Und wenn hier Lieb’ und List nicht ihren Sieg erwerben , 

So wollen wir getrost als alte Jungfern sterben, 

(Beyde zur andern Seite ah.) 


——— 


SECHSTER AUFTRITT, 

DIE GOUYERNANTE (allein.) 
Ich hab’ mein’ Glass verlegt, vielleicht ist’s hier geblieben. 
Die Liebesbriefe sind auch gar zu fein geschrieben, 
Kein Wörtchen nehm ich aus. — Wo uur die Fräuleins sind P 
Das Suchen fällt mir schwer , denn ich bin gar zu blind, 
Mesdames ! — Ecoutez ! da kann ich lange schrein ; 
Sind die einmal davon, holt sie kein Rufen ein, 
Das schwärmt und schweift gewiss schon wieder in dem Garten, 
Geduld! verlass mich nicht! So lange muss ich warten ! 
Es ist doch sonderbar. Wie dieser Liebesbrief 
Den ganzen Jugendtraum in mir zurücke rief. 
Ach Gott, wo hist du hin, du schöne gold’ne Zeit 
Des glücklichen Triumphs gekrönter Zärtlichkeit , 
Wo ein Liebhaberschwarm den ganzen langen Tag 
Iu apfelgrünen Fracks zu meinen Füssen lag $ 
’S war meine Leibcouleur, und jeder von Geschmack 
Trug meiner Vorschrift nach den apfelgrünen Frack, 
Ging ich des Sonntags früh zur Kirche aus, da standen 
Von meinem Haus bis hin in Reihen die Amanten , 
Erschien ich’ auf dem Ball, so gab es oft Duelle 
Um einen Tanz mit mir, und vollends um die Stelle, 
Bei Tische neben mir, brach man sich Hals und Bein, 
Du schöne goldue Zeit, du kommst nicht wieder, nein ! 


EINE POSSE. 621 


Einst war ich sehr erhitzt, mir blutete die Nase, 

Da kam das ganze Corps Anbeter in Extase, 

Essenzen flogen und Parfumes und Tücher her. 

Und Jeder träumt sich au comble du bonheur , 

Konnt’ er ein Tröpfchen Blut im Schnupfiuch nur erjagen ; 
Manchester, roth gefärbt, ward allgemein getragen 

Zum Angedenken dieser heiligen Trophäen ; 

Auch hat kein solches Tuch das Wasser mehr gesehen. 
Jetzt — du gerechter Gott! die Zeiten sind vorbei , 

Jetzt ist die Welt verkehrt, die Henne lernt vom Ey, 

Das junge arge Volk wird alle Tage schlimmer , 

Das greift nur nach dem Schein, und freut sich nur im Schimmer! 
Die Männer wälzen sich gemächlich durch die Welt, 

Wer am bequemsten liegt, der ist der grösste Held, 

Erst kommt ihr liebes Ich, dann kommt es noch einmal , 
Und dann das Ur»brige aus ihrem Bildersaal. 

Wer noch will artig seyn , und höflich und galant, 

Der wird ein armer Wicht , ein Wasserkopf genannt, 

Wer aber jeden Kreis der Sitte frech zerschmettert, 
Heisst man Genie, und wird bewundert und vergöttert. 
Das man heirathen soll, kommt sicher in’s Vergessen , 
Ein Bräutigam gehört schon zu den seltnen Essen. 

Wär’ es der Mühe werth , so forderte die Noth , 

Die Mädchen schlügen sich für ihre Männer todt, 

Nun , Gotte sey Dank , ich bin jetzt aus den Frühlingsjahreu; 
Da war noch gute Zeit, als wir die Jugend waren, 

Doch als wir nach und nach auch grau geworden sind, 
Hat sich die Welt verkehrt; das ganze Volk ist blind , 
Und die Verderbniss ist in vollem Gange da, 

Nun , mich verfuhrt sie nicht, Dieu me protögera ! 


—— 


SIEBENTER AUFTRITT. 
GOUTERNANTE:- FRANZISKA (als junger Elegant mit Brille und 
Schnurrbärtchen.) 

Franziska (bey Seite.) Aha, da ist sie ja! die Sache wird schon gehn, 

Des Bruders Kleiderschrank hat uns ganz gut versehn , 

Und sie erkennt mich nicht, da ihr die Brillen fehlen , 

Frisch , auf ein Dechen Glück kann jedes Wagstück zahlen, 

(Lau) Madame ! 
Gouvernante, Wasgibts? — Mon Dieu! ein fremdes Mannsgesicht! — 
Franziska. Madame — 
Gouvernante, Monsieur ! 
Franziska. Mich triebt die Liebe und die Pflicht, 
Gouvernante. Die Liebe ? 


622 DIE GOUVERNANTE. 


Franziska, Ja, Madame! Mein Reitknecht sagt mir eben, 
Er habe meinen Brief in falsche Hand gegeben. 

Gouvernante., Dieu men préserve ! Sie sind — ? 

Franziska. Ich bin Graf Karl von Gleichen , 
Und werde eher nicht von diesem Platze weichen , 
Bis ich ganz unversehrt den Brief zurück bekam , 
Den eine falsche Hand zu falschem Zwecke nahm, 

Gowvernante, Monsieur ? 


Franziska. Madame ! 
Gouvernante, Sie sind in einem falschen Haus. 


Franziska. Was diesen Punkt betrifft, bleibt meine Antwort aus. 
Gouvernante. Sie drängen sich so keck in diese Zimmer ein — 
Franziska, Ich läugn’ es nicht, ich mag wohl im Kee A seyn. 
Gouvernante. Das thut kein Ehrenmann. 


Franziska, Das werd’ ich nicht bestreiten. 
Gouvernante. Sie sind kein Calavier. 

Franziska. Ich kann es nicht entscheiden, 
Gouvernante. Das ist ein Kinderstreich. 

Franziska, Sie beugen mich zu tief, 


Gouvernante. D'rum schnell aus diesem Schloss. Was woll’n Sie noch ? 
Den Brief, . 


Fransiska. 
Gouvernante Den Brief? 
Franziska, Ja , ja, den Brief} ich weiche nicht von dannen, 


` Gouvernante. Die Saiten bitt’ ich nur nicht gar zu hoch zu spannen. 
Franziska. Ich kam deswegen her, dass ich den Brief mir hole, 

Und weiche nicht , ich schwör’s bei Cavaliers Parole, 

Hier bleib’ ich sitzen, hier. Sie handeln nach Belieben, 
Gouvernante. Impertinent! das heisst die Frechheit weit getrieben. 

Doch still! dergleichen Herra sind jederzeit Poltrone , 

Ich schaff’ ihn gleich hinaus ; den Grafen mit dem Sohne 

Erwarten wir, mein Herr, fast jeden Augenblick 

Von einer Jagdpartie im nahen Forst zurück, 

Wenn er Sie trifft, main Gott, es ist um Sie geschehn, 
Franziska. Und dennoch werde ich nicht von der Stelle gehn, 
Gouvernante, Er ist ein Hitzkopf, Gott, der keine Seele schont , 

Er schiesst Sie vor den Kopf. 

Franziska. Das bin ich schon gewohnt, 

Gouvernante. Er hetzt in seiner Wuth die Hunde auf sie ein I 
Den ganzen Stall ! 

Franziska, Es soll mir eine Ehre seyn, 

Gouvernante. Der Vater ist noch mild, doch erst der Sohn, der Sohn , 

Der schlägt Sie todt! 

Franziska, Das ist just meine Hauptpassion, 
Gouvernunte. Da scheitert meine Kunst. Ein rechter Eisenfresser 
Ich werde höflich seyn, vielleicht gelingt's mir besser. 


EINE POSSE. 625 


Monsieur ! je vous en prie, verlassen Sie dies Haus, 
Franziska, Den Brief in meine Hand, und ich bin gleich hinaus, 
Gouvernante, Allein den Brief? — 
Franziska. Mein Gott, was ist da zu besinnen ? 
Ich geb’ mein Ehrenwort, ich weiche nicht von hinnen, 
Gouvernante. Quel embarras ! 
Franziska. Den Brief! deswegen bin ich da. 
Gouvernante. Das darf ich nicht, Grand Dieu, ayez pitié de moi. 


ACHTER AUFTRITT. 
VORIGE. LUISE (als ganz alte Dame angezogen.) 
Luise. Ah ciel, was für ein Lärm! Was wird hier vorgenommen , 
Ein Rendezvous? Mein Gott, ist es so weit gekommen ? 
Umsonst hab’ ich gelebt, wenn das die Früchte sind ! 
Ein Rendezvous ? Fi donc! Sie ehrvergessnes Kind ! 
Gouvernante, Je suis toute consternee! Hat man mich so genannt? 
Ein ehrvergessnes Kind ? 
Franziska. (bey Seite.) Luise spielt charmant. 
Gouvernarte. Noch weiss ich nich; Madame — 
Franziska. ibey Seite.) Der Einfall war nicht schlecht, 
Luise. Wie? kennen Sie mich nicht? — Abscheuliches Geschlecht! 
O undankbare Welt, wie keine noch verbrannte ! 
Ich bin — verzweifeln Sie f — die alte Gouvernantel 
Gouvernante, Wie? Sie, Sie St. Almd? 
Luise. Ich bin es. Je le suis. 
Gouvernante, O, sehr willkommer Gast | wie lang erwart’ ich Sie l 
Doch haben Sie sich sehr , sehr wunderbar verwandelt. 
Luise Die Zeit hat nach und nach das Bischen Reiz verhandelt, 
Gouvernante, Allein in der Figur , sonst war die Taille schlank! 
Luise. Das Alter zog mich krumm, sonst bin ich Gotte seg Dank 
Trotz meiner siebzigen , noch ziemlich auf den Füssen. 
Gouvernante. Was macht Monsieur 3 
Luise, Milles graces ! er lässt gehorsamst grüssen, 
Gouvernante, Und la Petite! — Sie kann fast Aeltermutter seyn. 
Luise. Das ganze Haus ist voll von Kindern gross und klein, 
Gouvernante. Wie lange ist es wohl — 
Luise, So an die dreissig Jahre, 
Ah ciel! mein Kind, Sie haben graue Haare. 
Die Taille taugt nicht viel, verschrumpft sind alle Finger, 
Gouvernante. Mein Gott! So dreissig Jahr, die machen selten jünger. 
Und vor dem Alter schützt nich Weisheit, nicht Gebet, 
Luise. Hélas, c'est vrai! ils sont passés ces jours de fête, 
Doch was sah ich, als ich hereingetreten bin? 
Ein junger Herr allein mit meiner Schülerin ! 


624 DIE GOUVERNANTE. EINE POSSE. 


Hat man so leicht den Eid der Modestie gebrochen ? 
War jedes Wort von mir nur in den Wind gesprochen ? 
Ah scelerate ! 
Gouvernante,. Mon Dieu! Sie thun mir Unrecht. Ja, 
Das junge Herrchen ist aus andern Gründen da. 
Luise, Gilt einerlei. Wie leicht ist nicht der Muth verschwunden, 
Die Tugend ist ein Glas, der Mensch hat schwache Stunden, 
Franziska. Seyn Sie ganz ausser Angst, wenn Sie der Wahn bethärt, 
dIchswill nur eiñen Brief, der mir durchaus gehört, 
Luise. Wie? Einen Brief? Ah ciel! Ein Brief von dieser Dame ? 
Adica, Reputation, fahr’ wohl, du guter Name | 
Sie , meine Schülerin | nein‘, aus den Augen fort! 
Grand Dieu, mir bebt der Fuss. Tenez moi! — Je suis morte! 
Gouvernante. Mein Gott, so hören Sie ! der Brief kommt mir nicht zu, 
Er ist auch nicht von mir — Sie glauben — 
Leise. Taisez - vous ! 
* "Und ist er nicht durch Sie, und nicht an Sie geschrieben , 
Er war in Ihrer Hand, das Gift ist drin geblieben; 
Und kein vernünft’ger Mensch kann mir sein Ja verweigern, 
Besteh’ ich drauf, den Brief als Pestbrief zu durchräuchern, 
Les Dieus mwen sont témoins , solche Correspondenz 
Ist schädlicher, sans doute , als Krieg und Pestilenz, 
Wo sind die Briefe ? 


'Gouvernante, Mais — 
Luise, Sılence ! Wo — sind sie? 
Gouvernante. (gibt ihr die Briefe.) Hier. 


Franziska. Deu fordre ich zurück, den der Brief ist von mir. 
Luise, Da, junger Herr! 
Gouvernante, Mein Goit, Sie wissen ja noch nicht — 
Es ist Betrügerei, man führt mich hinters Licht, 
An meine Mädchen sind die Briefe augekommen. 
Ich dankte Gott, dass ich sie glücklich weggenommen, 


Franziska (den Brief erbreebend , lies't.) 
Der Vater gab sein Wort! 
«Luise. Der Vormund willigt ein ! 


Franziska. Geliebte | 

(Breitet die Arme aus) 

An mein Herz! 
(Beyde umarmen sich,) 
Wir dürfen glücklich seyn ! 
Gouvernante, Ma bonne ! Junger Herr! O Wunder über Wunder! 
Sie liegt in seinem Arm! Grand Dieu, die Welt geht unter ! 
(Det Vorhang füllt.) 


mg 


ZUGAbE, 


— O Gm 


Gedichte u. e w. 


AN: 


THEODOR KÖRNER. 


-3 


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THEODOR KÖRNER, 


Hoch prangte schon der Stamm der jungen Eiche , 
Wohl festlich schwebt" um ihn das junge Grün ; 
Und anmuthreich , und kräftiglich und kühn, 
Hob er sein Haupt empor zum Wolkenreiche. 

Es sollte Herrliches an ihm erblühn, 

Und Grosses: darum drang der Kronenreiche 
So schnell hervor aus allem Waldgesträuche. 
Melodisch tönte das bewegte Grün , 

Wie Liebeshauch ; und seine Zweige klangen, 
Als hätt’ Apoll, der Musengott und Held, 
An dies Gezweig die Leyer aufgehangen, 

Doch ach ! er sank! — Ein Sturm hat ihn gefällt, — 
Mein Jüngling sank , zu früh vom Tod’ umfangen, 
Im Jugendkranz, ein Sänger und ein Held, 


YY. habt ihr meinen Jüngling hin begraben ? 
Bezeichnet mir zu seiner Gruft den Pfad, 
Er schlaf’ im Nachhall seiner Liedergaben , 
Im Nachglanz seiner schönsten Heldenthat, 
Sein Herz war gross, sein feier Geist erhaben, 
Sein Leben Wechselklang von Lieb’ und That. 
Bezeichnet mir zu seiner Gruft und Pfad | 
Wo habt ihr meinen Jüngling hin begraben ? 
« Der Jüngling schlummert , wo das Waffenfeld 
o Des edlen Blutes viel, ach viel verschlungen. e 
Da werde deinem Geiste , junger Held, 
Das letzte Lied, das deiner Harf” entklungen : 
«Du segne mich, o Vater! nachgesungen. 
Dies war dein Gruss in einer stillern Welt, 


628 GEDICHTE U. & W. 


Die ihr so viel in dem Geliebten hattet, 
Begleitet mich zum Hügel seiner Grufil 
Begegnen wird uns die geweihte Luft 
Der Eiche, die das iheure Grab beschattet. 
Die Freundschaft hat ihn weinend dort bestattet ; 
Sie führ’ uns ein in die geweihte Luft. — 
e Wohl grub die Freundschaft, wo die Eiche schattet, 
«Dem Unyergessnen dort die stille Gruft. 
«Doch wo die Flamm’ entbrannter Wuth gelodert, 
«Wo , schrecklich todt, das Graun der Schlacht vermodert , 
«Da durfte nicht die theure Hülle ruhn, 
«Ein hoher Sinn, das Würdige zu thun, 
«Ein deutches Fürstenwort hat sie gefordert ; 
sIn einer Fürstenhalle soll sie ruhn. » 


Da schtummert dann der Zögling der Camönen, 
Vergiss ihn nicht, mein deutsches Vaterland! 
Die Krone, die sein Jugendhaupt umwand, 
Kann nicht mehr ihn, nur seine Urne, krönen, 

Du Hirtin fragst nach seinen Liedertönen ? 

Sein Geist ist mit uns, seine Hülle schwand, 
Und’ihr, ihr Edleren von Deutschland’s Söhnen , 
Hier schwört euch fester an das Vaterland | 

Im heil’gen Reitungskampf hat er vor Allen, 
Begeistert, sich zuerst den Weg gebahnt, 

Bei seiner Urne fühlt, was er geahn’t | 

So freiert ihn, indess aus nahen Hallen 
Der Laubgewölb' ein Chor von Nachtigallen 
An seine lieblichen Gesänge mahnt. 

C. A. Tıeper. 


THEODOR KÖRNER. 


Ein Flammenross sah'n wir dich mächtig zügeln , 
Du hoher Sänger, treuer Gottesstreiter | 
Für’s Vaterland ein rächend. schwarzer Reiter ! 
Hell gläuztest du voran mit Serapsflügeln, 
Nun steht die Freiheit hoch. auf. Sonnenhügeln ; 
Sieg strahlt, durch Strumgewölk, ihr Blick so heiter. 
Das war’s, was du gesungen, o Geweihter! 


"AN TH. KÖRNER. 


Und mit dem Schwert im Tode wollv’st besiegeln, 
Du baste erreicht, erreicht mit Schwert und Leyer ! 
Du lichter Schwan, der seine Heldenseele 
Verhaucht mit seinem Herzblut in, Gesängen, 
So ward dein Tod des Lebens höchste Feier ! 
Dass sich an deinem Bild die Nachwelt stähle , 
Lebst du nun ewig fort in Dichterklängen. 
WOLFART, 


THEODOR KÖRNER. 


Verstummt ist deine kriegerische Leyer ; 
In seiner Scheide ruht dein tapfres Schwert. 
Doch schau herab, du Vaterlandsbefreier : 
Befreit ist Deutschland , wie dein Wunsch begehrt. 
Triumphgesang sey deine Todtenfeier | 
Und diese Gluthen, die dein Herz verzehrt, 
Sie rollen fort, ein Strom vom lichtem Feuer, 
In deinem Liede, welches ewig währt, 
Und, tritt aus seiner Phantasie Bezirken 
Hinaus der Dichter in’s lebend’ge Wirken , 
So leche dein Beispiel der ungläub’gen Welt: 
Wer mit Begeist'rung schlug die goldnen Saiten , 
Kann muthig auch den Kampf des Lebens streiten ; 
Ein wahrer Dichter ist ein wahrer Held, 
Franz finnen, 


— 


AN THEODOR KÖRNER. *) 


Nach der alten Felsenwaldung , 
Die da steht auf Nordlands Bergen, 
Sah ich früh, ein zarter Knabe , 
Schnend fort und fort empor. 


Wollten Leute, zwar bericht’gend , 
Mir zu rechtem Weg verhelfen , 
Sprachen: sSüdwärts liegt Athänä, 
Südwärts Rom und Kunst, » 





+) Antwort auf Körner's Gedicht: «Au den Heldensänger des Nordens. » 


629 


650 ` GEDICHTE U. S. W 
Aber mir im Herzen zog es 
Nordwärts, wie magnetisch Eisen, 
Und vom Gängeln frei geworden , 
Trug zur Waldung mich mein Fuss, 


Vor den alten Forsteshallen 
Stand ein Frau'nbild, ernste Drude, 
Willenspäherin der Götter, 
Schön von Lieb, doch riesig gross. 


Durch die alten Forsteshallen 
Sah’s wie Feuerblitz herüber , 
Prächt'ges Nordlicht, Räthsel streuend 
Auf der Zweige dunkles Grün. 


Und die Drude winkte "neinwärts , 
Und die Tempelwaldung rauschte, 
Und der Sturm zog durch die Wipfel, 
Ein vielstimm’ger Heldensang, 


sFahre wohl, du Welt dert unten, 
«Sey gegtüsst , mein ernstes Leben!» 
` Und so drang ich in die Waldung 
Schau’r umwehten Muthes ein. 


Was ich da geseh’n, erfahren, 
Musst’ ich laut in Harfen singen — 
Harfen hingen viel an Zweigen — 
Singen in die Welt hinaus, 


Denn die alten Haingewalten 
Lieben tapf’rer Jugend Gluthen , 
Drum, wer Priester dort geworden , 
Lockt Verwandte mit Gesang: 


Tont sich nach in seine Lauben , 

e Nach an seine heil'ge Seefluth , 
Nach in seine Felsenthäler 
Manch ein deutsches Sängerherz, 


O, wie froh die Elfen rauschten , 
O, wie külın die Aare flogen, 
O, wie hell das Nordlicht glühte, 
Als mein Lied dich uns gewann ! 


AN TH. KÖRNER. > 651 


Als du tratst in unsre Hallen , 
Dichter, mit dem Gruss der Lieder , 
Laub’ge Zweige schon sich neigten 
Ahnend, deiner Stirn zum Kranz | 


Schau’st du dort den alten Burgbau ? 
Drinnen sind die Heldenbücher, 
Edda, und viel andre Sagen, 
Komm', und bildre drin und lies, 


Schau’st an Aesten du die Harfen ? 
Nimm die eine Harf’ herunter, 
Sing’ auch du mit JI-ldeuliudera 
Deines gleichen uns herein, 


DE LA MCTTE-FOUQUBS 





AUF THEODOR KÖRNER’S TOD. 


Wen von des Kampfes blutbefleckter Stätte, 
Wen trägt die schwarze Schaar zum stillen Grab ? 
Wen senkt in freier Erde weiches Bette 
Der Bruderliebe letzte Hand hinab ? 

Der treuen Kampfgenossen dunkle Reihe 
Gibt ihm des ausgerungnen Kampfes Weihe, 
Und an dem Grabe, das den Helden deckt, 
Wird hohen Muthes Edelsinn geweckt, 


Steht Rede mir , ihr schwarzen , stummen Träger , 
Wenn schliesst des Sarges düstre Rüstung ein ? 
Ein wild verweg’ner,, schwarzer Freiheitsjäger 
Schläft hier, es dorrt sein markiges Gebein , 
Der Sänger ist's, der mit der Lyra Tone 
Uns rief zu unsers freien Königs Throne, 
Zu kühner Heldenthat uns angefacht , 
Ein Ungewitter in der Freiheit Schlacht, 


So brach denn , sahndungsgrauend , todesmuthig , 
s Auch, Körner, dir der grosse Morgen an , 
«Es leuchtete die Sonne kalt und blutig 
«Dich zu den Jenseits lichter Sternenbahn, 
«Und was du hier als Heiligthnm erkanntest , 
«Wofür du rasch und jugendlich entbranntest , » 
Das Freiheitsland , der Liebe süssen Lohn, 
Siehst du verklärt vor deines Vaters Thron, 


63% GEDICHTE U. S. W. 


Auch dein Gesang 


Die Heilige, die du im Lied gepriesen , 
Sie naht sich dir in ihrem Sternenlicht , 
Und diese Thränen , die dir heisser fliessen , 
Sie mahnen uns an eine theure Pflicht. 
Auch in der Erde Schoos ruht weich gebettet, 

Wer Vaterland und Freiheitssinn gerettet, 

Denn Gott gebeuts, Gott ist mit ihm, 
Drumm frisch in Kampfes Ungestümm, 


NACHRUF AN KÖRNER, 


Q» du es Freiheit, ob du’s Liebe nanntest, 
Frommer Jüngling! was so mächtig dich bewegte , 
Was hohen Muth in deiner Brust erregte, 

Wohl dir, dass du den Seraph früh erkanntest, 
Dir schwebend vor, in Tagen früher Jugend, 

Sah er dein Herz und deiner Seele Schwingen, 
Die goldnen Bilder, die dich oft umfingen , 
Die Lieb’ iu dir, die Freiheit und die Tugend, 
Und , dass dein Muth hiernieden nicht erkalte, 
Das Göttliche sich früher noch entfalte, 

Dein frommes Herz Befriedigung erhalte, 

Trägt er dich neu zu morgenrothen Höhen, 
Dass, wenn die Sinne langsam dir vergehen, 
Die Freiheit und die Liebe dir bestehen, 


Da wird der Vater, dem du dich ergeben , 
Der nicht verlässt, die nimmer von ihm weichen , 
Die wohlverdiente Siegespalm’ dir reichen ,.. 
Dass du mit Wonn’ erkennst der Freiheit Leben, 
Und wass die Liebe dir nicht gab auf Erden, 
Was in Verheissung hier sie dir verhüllet, 
Was hier nur Sehnsucht war, wird dort erfüllet, 

g, er wird dir neu gegeben. 

Denn was du hier als Heiligthum erkanntest, 
Wofür du rasch und jugendlich entbranntest, 
Was Liebe schon und Freiheit hier du nanntest - 
Der Ew'ge hat’ berührt mit seinen Schwingen , 
Das nun, (dein Glaub’ allein konnt’ es erringen ‚) 
Die Lieder deiner Brust in Himmelshöh’ erklingen, 


Und wenn hiernieden nun 'ertönt der Brüder Klage , 
Um dich, der fromm den heil’'gen Kampf begonnen , 


AN TH. KÖRNER. 655 


Dass du so früh von ihnen bist genommen , 

Ein theures Opfer dieser blut'gen Tage. 

Und wenn der Traum , der heiter uns entzückle, 
Die Ahnung jener gold’nen Freiheitsstunden , 

In hartem Kampf und mitten unter Wunden, 
Auf fern’re Zeiten noch, sich uns eutrückte, 
Dann lass uns fest und immer dein gedenken, 
Muth! Muth! was wir so treu im Herzen tragen , 
Dass muss ja doch hiernieden auch noch tagen, 
Vereint in Gott wir hoch der Sieg errungen, 
Und vielen soll, wie dir , noch hier auf Erden 
Der Lorberkranz , die Siegespalme werden, 


DEM ANDENKEN KÖRNER’S UND SEINER 
TODESGENOSSEN. 


S schlaft nun sanft, geliebte, tapfre Brüder, 

Im kühlen Schatten dieser huhen Eichen ; 

Im Liede will ich euch die Hand noch reichen, 
Vor allen dir, du Mund voll süsser Lieder, 


Mein Theodor, dich seh’ ich nimmer wieder ; 
Denn nicht gelang’s, den Orcus zu erweichen: 
Das Auge bricht, und Lipp’ und Wang erbleichen, 
Und ach! die Stimme sinkt auf ewig nieder ! 


So klagend hört’ ich's mächtig mich umrauschen , 
Und volle Töne hört’ ich’s aufwärts schweben ,. 
Und in den Wipfeln sich melodisch wiegen: 


«Auf Brüder , schwingt das Schwert zu neuen Siegen, 
«Dem Vaterland gehöret euer Leben, 
«Uns aber freut es, Ruhm für Lust zu tauschen,» 
Bencnrt, 


NACHRUF AN THEODOR KÖRNER. 


Ach ‚'dass du nicht den heil’gen Tag "geschen, 
Den Tag des Ruhms, und seine Huldigungen! 
Als der Tyrann, im Innersten bezwungen, 
Machtlos versank von seinen Schwindelhöhen ! — 


634 GEDICHTE U. S. W. 


Ja, edler Barde! endlich ist's geschehen , 
Was deine Helden-Muse uns gesüngen, 
Germaniens Freiheit „ blutigheiss errungen , 
Lässt ihre Zeichen an der Seine wehen. 


Erhebe dich! du fielst nicht ungerochen, 
Dein Opfertod belebte deine Lieder, 
Dein Eisenarm schlug noch verblutend fort, 


Die Ketten deines Volkes sind gebrochen , 
Ein langer Friede kehrt den Deinen wieder, 
Und deutscher Muth beschirmt dein deutsches Wort, 
Fa. Krug von Nıvoa, 


AN THEODOR KÖRNER. 


D, bist am Ziel, nach dem die Sänger streben ; 
Dir scheidet sich die Gabe der Camönen 
Vom falchen Schein, den Meng’ und Mode loben, 
Du schaust des Lebens Bühnenspiel von oben, 
Und weil das Leben ist im wahren Schönen, 
So lebest du, und todt sind die da leben, 
Weil todt der Geist ist, der dem Stoff muss fröhnen, 
Darum, wenn mir ein Ton nur ist gelungen, 
So sey er dir, du Liederheld, gesungen. 

A. MÜLLNER, 


— 


AM GRABE THEODOR KÖRNERS 


Wis arm, wie karg erscheint an deinem Hügel 
Das Leben, dass sich still dahin bewegt, 
Wie schön der Tod, wenn auf dem gold’nen Flügel , 
Der Ruhm ihn zu erfernten Zonen trägt! 


Wer hätte deine Leyer nicht vernommen, 
Wen hätten deine Töne nicht gerührt ? 
Dir rief Apoll ein freudiges Willkommen , 
Als dich der Gott des Krieges ihm entführt. 


Auf, in den Kampf! erscholl’s in deinem Bussen — 
Für Gott, für Freiheit und für Vaterland ! , 
Hold blieben auch im Kampfe dir die Musen , 
Dee Leyer ist zunächst das Schwert verwandt, 


AN TH. KÖRNER, 655 


Die Wunde brennt , die matten Glieder sinken, 
Es fliesst dein theueres Blut in Strömen hin , 
Da tritt mit tröslich liebevollem Winken 
Die Muse vor den edlen Sänger bin, 


Der Schmerz entfliehet mit der Leger Tönen , 
Im Liede lös’t die letzte Kraft sich auf. 
Im Bunde mit dem Grossen und dem Schönen 
Vollendest du den kurzen Heldenlauf, 


Hier, wo die Hand der Freundschaft deine Hülle 
Der freigeword’nen Erde wieder gab, 
Senkt ihren Kranz in majestätscher Fülle 
Die Eiche auf dein blumenreiches Grab, 


Jahrhunderten , die ihr vorüber schweben , 
Nennt sie den Namen, den die Mitwelt ehrt, 
Doch nicht durch sie — du wirst unsterblich leben ı 


Durch deine Leyer und dein Schwert, 
Pa, Bn..xm 


AN DIE FRAU APPELLATIONSRATHIN KÖRNER, 


Nein! nicht trocknen will ich Deine Thränen, 
Das kann Niemaud zu vermögen wähnen , 
Nicht erleichtern Dir die bange Brust. 

Aber mich zu Klag’ und Leid vereinen , 
Tiefgebeugte Mutter, mit dir weinen 

Will ich den unendlichen Verlust. 


Wenn im Innern heil’ge Schmerzen wüthen, 
Darf die Freundschaft keine Tröstung bieten ; 
Jedes Wort verletzt ein wundes Herz, 

Jeder rauhe Angriff macht es brechen. — 
Doch die Mutter darf zur Mutter sprechen, 
Sie versteht am besten Deinen Schmerz. 


Sie weiss, was Dir das Geschick entrissen, 
Was wir Alle mit Dir weinen müssen : 
Einen einzigen, und welchen ! Sohn ; 
Aufgeschossen stolz in Jugendblüthe , 
Rein und stark, mit kräfiigem Gemüthe 
Der Entnervung seiner Zeit entflohn! 


656 GEDICHTE U. 8. W. 


Also stand er, hoch vor Deutschlands Söhnen ; 
Weckte mächtig mit des Liedes Tönen 

Die Begeisterung, die ihn durchglüht, 

Denn ein schön Geschenk war ihm gegeben : 
Auf der Dichtung Flügel aufzuschweben 

In der Menschheit herrlichstes Gebiet, 


Nie hat er sein Saitenspiel entweihet, 

Nie der Macht, dem Weltsinn , Lob gestreuet , 
Nie mit heiligem Gefühl gespielt. 

Nur sein Vaterland , das Recht, die Tugend , 
Und die Gluthen unverdorbner Jugend, 

Sang er, wie ein reines Herz sie fühlt, 


Und er handelte , wie er gesungen ! 

Als der Vaterlandes Ruf erklungen, 

Riss er los sich aus der Freunde Kreis , 
Flog dahin , wo Schrecken und Gefahren , 
Wo zehn Streiter gegen hundert waren , 
Aber Freiheit auch des Sieges Preis. 


Und er ist gefallen — Wie! gefallen? 
Nimmer lasst dies feige Wort erschallen, 

Das des Muthes Spitze lähmend bricht, — 
Für ein heilig Recht ist er gestorben , 

Hat der, Menschheit schönsten Kranz erworben. 
Winkelried und Dacius fielen nicht! 


Ewig lebt der ‚Fre.heit edler Fechter, 
Ueberdauert schwächliche Geschlechter ; 
Aller Welt nnd Zeit gehört er an, 
Wenn im Staube Millionen kriechen , 
An des engen Herz Nöthen siechen : 
Schwebt er frei auf heller Sternenbahn, 


Sieh ! es tritt mit Bruderkuss und Segen 

Ihm der Held von Sigeth *) dort entgegen, 
Blickt mit Achtung seinen Sänger an; 

«Du auch hast das Wort, deg uns gebunden , 
«Tief in fester. Heldenbrust empfunden : 

«Bis zum Tod, bis auf den letzten Mann » 





*) Der tapfere Vertheidiger dieses Schlosses, Graf Nikol, Zriny, der Held von 
Kömer’s Trauerspiel 


AN TH. KÖRNER 637 


o Lass es fort durch Deutschlands Kreise klingen , 
sLass die Herzen dran sieh aufwärts schwingen , 
sAngeflammt von deiner heil'gen Club, 

«Was du sangst, du hast es treu geübet , 

« Recht und Freiheit bis zum Tod geliebet. 

«So strömt für Jahrhunderte dein Blut! « 


Ja, das ist der bessern Geister Walten ; 
Nicht geknüpft an irdische Gestalten, 
Wirken sie, wenn auch die Hülle sank. 

In die Zukunft strahlen sie, gleich Sternen, 
Und entzünden in der Zeiten Fernen 
Herzen noclı durch ihres Namens Klang, — 


So wird Dein Verklärter ewig leben ! 
Wie er fromm sich seinem Gott ergeben, 
War er eine Gottesgabe Dir. 
Gott hat wieder ihn zurückgenommen, 
In die Heimath ist er früh gekommen ; 
Dieser reine Geist war nicht von hier, 
CAROLINE PICHLER, 


THEODOR KÖRNER’S GRABSTATTE 


W shbelin , ein Dorf im Herzogthume Mecklenburg , von Lud- 
wigslust eine Meile entfernt, war der Ort, wo sich ein grosser Theil 
der Lützow’schen Freischaar beisammen fand , als Theodor Körner’s 
Leiche dahin gebracht wurde, Unweit der Strasse, die durch dieses 
Dorf von Ludwigslust nach Schwerin führt, steht eine Eiche von 
hohem und kräftigem Wuchse,, noch unberührt von der Axt, Dieser 
Baum wurde Körner'n, der oft in seinen Liedern der deutschen Eichen 
mit Liebe gedacht hatte, von seinen Waflenbrüdern gewidmet. Unter 
den herab hangenden Aesten bereiteten sie sein Grab, und seinen 
Namen gruben sie in den Stamm, 

Eine solche Beerdigung war ganz im Geiste des Vollendeten, und 
dafür erkannte sie der traureude Vater mit innigster Danbarkeit, Nur 
für die Sicherheit dieser Grabstätte blieb eine Besorgniss übrig, und 
dies vermochte einen edelmüthtigen Fürsten, den Erbprinzen von Mek- 
klenburg-Schwerin, eine ehrenvolle Stelle auf dem Kirchhofe zu 
Ludwiglust dafür anzubieten ; aber der Vater bat um die Eiche, 
die von den tapfern Freunden seines Sohnes geweihet war , und um 
einen kleinen , sie ztnächst umgebenden Raum. Seine Bitte wurde 


54 


658 GEDICHTE U. S. W. 


gewährt, u:i auf eine Art, die das fürstliche Wohiwollen deutlich 
zu erkennen gab. š 

Das Grundstück gehörte zu einem herzoglichen Kammergute, und 
ein Theil der Benutzung war der Gemeinde zu Wöbbelin überlassen 
worden, Von Sr. Durchlaucht dem regierenden Herzoge zu Mecklen- 
burg Schwerin wurde jetzt die Eiche nebst einem Flächenraume von 
48 Quadrat-Ruthen dem Vater Theodor Körner’s geschenkt, und ihm 
zur Aufführung einer Mauer um die Grabstätte Steine und Kalk unent- 
geldlich überlassen, auch der Finwohner zu Wöbbelin entschädigt, 
der einen zeither benutzen Platz durch diese Veräusserung einbüsste, 

Durch die Siege der verbündeten Mächte waren auch die Gräber 
der deutschen Krieger geschützt, und Achtung für ihre Denkmale 
durfte man dem geretteten Volke zutrauen, Ein solches Denkmahl 
gebührte auch Theodor Körner’'n. Eisen schien dazu das rechte Ma- 
terial, und nach einer Zeichnung des Hofbaumeisters Thormeyer 
in Dresden wurde von der königlichen Eisengiesserei in Berlin ein 
sehr gelungenes Werk geliefert, 

Leyer und Schwert, von einem Eichenkranze umwunden, sind 
auf einen vierseitigen Altar gestellt, Die Inschrift der Vorderseite 
des Altars ist: 


Hier wurde 


CARL THEODOR KÖRNER 


von seinen Woaffenbrüdern 
mit Achtung und Liebe 
zur Erde bestattet, 


Auf der Rückseite stehen folgende Worte : 
CARL THEODOR KÖRNER, 


geboren zu Dresden am 23. Septbr, 4794 
widmete sich zuerst dem Bergbau, 
dann der Dichtkunst, 
zuletzt dem Kampfe für Deutschlands Rettung. 
Diesem Beruf 
weihte er Schwert und Leyer, 
und opferte ihm 
die schönsten Freuden und Hoffnungen 
einer glücklichen Jugend. 

Als Lieutenant und Adjutant 
in der Lützow’schen Freischaar 
wurde er bei einem Gefecht 
zwischen Schwerin und Gadebusch 
z am 26. August 1843 ` 
schnell durch eine feindliche Kugel 

getödlet. - 


AN TH. KÖRNER. 659 


Die Inschriften der beiden übrigen Seiten sind Stellen aus den 
Gedichten des Verstorbenen, Es waren folgende gewählt: 


Dem Sänger Heil, erkämpft er mit dem Schwerte 
Sich nür ein Grab in einer freien Erde! 


Und für die entgegengesetzte Seite: 


Vaterland! dir woll’n wir sterben, 

Wie dein grosses Wort gebeut. 
Uns’re Lieben mögen’s erben , 

Was mir mit dem Blut befreit, 
Wachse, du Freiheit der deutschen Eiche, 
Wachse empor über unsere Leichen, 


Das Denkmal steht vor dem Grabe in der Mitte eines länglichen 
Vierecks, das von einer Mauer umgeben, und theils von der Eiche 
beschattet wird, theils mit Gesträuch und Blumen bepflanzt ist. 
Durch eine eiserne Gatterthür kann es gesehen und die Schrift der 
Vorderseite gelesen werden. Zu dieser Thür führt von der Strasse 
eine Pappel-Allee, 

Dass alles dieses zur völligen Zufriedenheit des Vaters, ungeach- 
tet der weiten Entfernung seines Wohnortes, aufgeführt werden 
konnte, verdankt er dem edlen Eifer und der verständigen Tbätig- 
keit zweier deutschgesinnten Männer. Der herzogliche Richter und 
Hofgerichts-Advokat Wendt, und der herzogliche Garten-Inspector 
Schmied betrieben dieses Geschäft als ihre eigene Sache, Auch 
wurden sie von allen dortigen Behörden, insbesondere von dem Herrn 
Drost v. Bülow, kräftig unterstützt, Ueberhaupt können die Hin- 
terlassenen Theodor Körner’s nicht genug rühmen, „wie sehr die 
schmerliche Empfindung, mit der sie das Mecklenburgische Gebiet 
betraten,, durch das echte Mitgefühl gelindert wurde, das ihnen dort 
von allen Seiten entgegen kam. Dies gilt sowohl von den Personen 
des regierenden Hauses, als fast von allen Klassen der Einwohner 
bis zu den gutmüthigen Landleuten in Wöbbelin, Besonders rührend 
war die Feierlichkeit, die von dem ersten Geistlichen in Ludwigs- 
lust, und der herzoglichen ‚Kapelle — die in der musikalischen Welt 
den durch Naumann’s Zeugniss begründeten Ruf noch immer behaup- 
tet — bei Errichtung des Denkmahles auf der Grabstätte veranstaltet 
wurde. In Gegenwart einer zahlreichen Versammlung aus allen Stän- 
den der ganzen Gegend begann eine ausdrucksvolle Trauer-Musik , 
auf diese folgte eine herzerhebende Rede des Herrn Oberhofpredigers 
Studemund, und den Beschluss machte ein frommer Gesang aus 
Körner’s Gedichten, 

Am Stamme der Eiche, über dem Grabe , fanden -sich vorher schon 
einige Strophen ohne Namen des Verfassers, blos durch seinen Wohn- 
ort; Ludwigslust, bezeichnet. Körner’s Hinterlassene konnten sich 


640 GEDICHTE U. S. W. 


nicht versagen, unter die Kränze, womit die Eiche geschmückt war, 
auch einen Theil dieses Gedichtes aufzunehmen, Auf einer am 
Stamme befestigten Tafel stehen folgende Zeilen : 
Deutscher Baum, du Liebling seiner Lieder , 
Du umschattest jetzt sein stilles Grab, 
Siehst stolz auf den deutschen Sohn hernieder , 
Neigest freundlich dich zu ihm herab. 
Unverbrüchlich im labenden Schatten 
Schwöre hier Treue die Gattin dem Gatten, 
Treue dem Jüngling die liebende Braut! 
Dies gilt dir höher als Leichengepränge, 
Höher als Hymnen und Sterbegesänge , 
Dein Geist dann segnend herab auf sie schaut, 





DIE KÖRNERS-EICHE. 


PHANTASIE VON FRIEDRICH KIND, 


Abenddämmerung. Der Himmel ist ganz mit trüben Wolken überlaufen. Unter 
einer alten Eiche ein frisch aufgeworfnes Grab. Ein Greis, der, in ein dunk- 
les Gewand gehüllt , am Stamme der Eiche lehnt. Aus der Ferne nähert sich 
bey dumpfen Gesange ein Zug Krieger mit einigen Fackeln, einen aufgebahr „ 
ten Sarg in der Mitte, 


CHOR DER KRIEGER (endet:) 


D Got, dir ergeb’ ich mich ! 
Wenn mich die Donner des Todes begrüssen , 
Wenn meine Adern geöffnet fliessen , 
Dir, mein Gott, dir ergeb’ ich mich! 
Vat@r , ich rufe dich!» 
DER GREIS. 

Steht, Männer ! Gebt Bericht, wess ist der Staub, 

Den ihr bei lieblich schaurigem Gesang 

Zurückgeleitet in der Mutter Arm? 

Mir theurer ist der Eiche Schattenraum — 

Erkoren hat mich eine tapf’re Schaar, 

Dies Grab zu hüten , für ein Heldenherz , 

Wie kein’s noch grösser schlug in Jünglingsbrust — 
FÜHRER DES ZUGES, 

Sagt, wer beschied ihn zu des Grabes Wacht? 
MEHRERE STIMMEN, 

Wir nicht ! Nicht wir | — Entweich’, du Geist der Gruft I 

FUHRER, 
Das Alter ehrt! — Halt! — Setzt die Bahre ab! — 
Wer du auch sey’st, dess Wort zermalmend fast 


AN TH. KÖRNER. G4l 


Durch’s Dunkel hallt — wohl schlag ein grosses Herz 
In des geliebten Waffenbruders Brust ! 
Siehst du den Eichkranz auf des Sarges Haupt ? 
Wem dieser ward, ist freier Erde werth! 

GREIS, 
Doch wehr’ ich Euch den Eingang in das Grab! 
Auch ich lebt’ einst nicht ruhmlos meinen Tag — 
Doch, was ich sah, als ich das Schwert noch schwang , 
Was ewig lebt in Schlacht-und Siegsgesang , 
Hat wunderbar die Zeit zurück gebracht ; 
Die Vorwelt lebt, die Väter sind erwacht! 
Wohl Mancher ward des Laubs der Eiche werth ; 
Doch der, dess hier die Mutter Erde bart 
War grösser — 

FUHRER, 

Ja, er wars! — Du ernster Greis , 
Erwecke nicht den Zorn der Brüderschaar! — 
Kennst du den Jüngling hier im Leichentuch ? 
Dem edlen Flügelross der Fabel gleich 
Genügt ihm nicht der Erde enger Kreis, 

Und höher, zu den Sternen ging sein Lauf. 
Sprecht, Freunde ! dass aus meh’rer Zeugen Mund 
Die Wahrheit schöpfe dieser Rhadamanth ! 

EIN KRIEGER, 


Ihn birgt der Sarg, der zu des Ruhmes Hallen 
Sich in des Lebens Frühlingsschimmer schwang, 
Vor allen Jünglingen der Zeit, vor allen, 
War ihm verliehen Wohllaut und Gesang ; 
Was Herrliches der Götterhand entfallen, 
Ward reizender durch seiner Saiten Klang; 
Verklärter noch in wundervollen Tönen 
Schien Lust und Scherz, und die Magie des Schönen, 
EIN ZWEITER, 


Doch kaum, dass , wachsend gleich dem Ungeheuer 
Lernäa’s, der Verderber , uns bedroht, 
Da glüht’ er auf im heil’gen Zornes-Feuer , 
Und pries beneidend Zriny’s grossen Tod ; 
Da stürmt’ er mächtig in Alcäus Leger, 
Und deutete der Flammenzeichen Roth , 
Und fern uud nah , so weit die Töne hallten , 
Erblitzten Waffen, und Paniere wallten! 
GREIS. 


Nicht mir verborgen ist der Saiten Macht. 


642 GEDICHTE U, S: W. 


Die alten Barden , glaub’ es, junger Mann! 
Sie waren auch nicht müssig , 
Und wohl ist's auch zu meinem Ohr gehallt, 

Wie, da die Ernte reif war, Schlachtgesang 

Durch Feld und Wald, aus Berg und Thal erklang — 
Traun! ibrer Ahnen sind die Sänger werth , ` 
Doch der, dess hier die Mutter Erde harrt, 

War herrlicher! Es weckt das Flammenwort 

Des Sängers Brust zwar auf der Männer Schwert, 

Doch ist’s kein Schwert und Schwerter will die Schlacht. 


wenn es galt — 


FÜHRER, 
Das kannt’ auch er, der Schläfer hier im Sarg — 
EIN DRITTER JÜNGERER KRIEGER, 
Und flog in Dampf nnd Feuer 
Voran voll Kampfeslust; 
Es kreuzte Schwert und Leyer 
Sich auf der tapfern Brust, 
Wie jene Seraphinen , 
Die fromm mit Harfenton 
Dem Gott des Himmels dienen , 
Wenn Höllenmächte drohn , 
Mit leuchtendhellem Speere , 
Mit Flammenschwertes Macht, 
Des Abgrunds freche Heere 
Zerstreu'n in ew'ge Nacht; 
Mit eines Cherubs Mienen , 
Und doch so himmlisch mild , 
So ist er uns erschienen, 
So lebt in uns sein Bild! 
GREIS, l 
Wer Grosses würdig singt, ist Ruhmes werth ; 
Noch Höheres, wer Liedesthaten übt ; 
Doch wehr’ ich euch den Eingang in das Grab, 
Erhob fär Freiheit, für den bei gen Heerd, 
Nicht Greis und Jüngling rachentglüht das Schwert ? 
Zog nicht entbrannt zu fahrvoll hartem Strauss 
Der deutsche Knabe mit dem Vater aus? 
Doch jedem ward die höchste Weih nicht — 
FÜHRER, 
Der Phönix stürzt sich ahnend in die Gluth, 
Sucht Tod , und findet ihn! — Ehrwürd'ger Greis! ` 
Sieh unsern Todten , sieh sein rothes Blut ! 
Er sang, er stritt, starb für’s Vaterland | 


(Er wirft die Decke des Sarges zurück, Einige Krieger mit Fackeln treten näher 
Man erblickt den blutigen Leichnam, mit Eichenblättern umgeben.) 


i AN TH. KÖRNER. 643 
GREIS, 


(Nach einer Pause,) 

So legt den Edlen hier zu edlem Staub , 
Und — gebt ein Schwert dem Tapfern mit hinab , 
Dass einst, nach mancher Sonne trägem Lauf, 
Wenn Deutschland jemals Joch und Schande droht, 
Das Schwert ein Pflüger ack’re aus dem Feld, 
Und wisse, was die Ahnen einst gethan ! 
Doch nicht sein Schwert — kein Schwert ist jetzt zu viel 
Des Spitz’ und Schärfe noch zum Kampfe taugt! — 
Ein and’res wird sich finden , auch erprobt — 

EIN GRABER 

(zu dem Führer.) 
Ja, Herr! im Zwielicht gruben wir dies Grab, 
Und trafen tief versunken Stein bei Stein, 
Und hofften schier auf einen reichen Schatz; 
Doch fanden wir nur dieses Eisenschwert , 
Gewichtig , stark , doch fast vom Rost zernagt. 


(Der Greis neigt langsam und bedeutend das Haupt, weicht einen Schritt zu= 
rück , und steht dann unbeweglich.) 


FUHRER, 
Das ist doch wunderbar. — Gehorcht dem ernsten Greis! 


(Man legt das Schwert in den Sarge Wührend dieser hinab gelassen, und mit 
Erde bedeckt wird, singt das 


CHOR, 


«Gott weckte uns mit Siegerlust 
Für die gerechte Sache. 
Er rief es selbst in uns’re Brust: 
Auf, deutsches Volk , erwache | 
Und führ’t uns, wär's auch durch den Tod, 
Zu seiner Freiheit Morgenroth, 
Dem Herrn allein die Ehre!» 
FÜUHRER, 
Jetzt haut des Todten Namen in den Stamm , 
Dass auch der Enkel Körner’s Eiche kennt! 


Ihr Zimm’rer, vor! und Fackeln , Fackeln her! 
- (In diesem Augenblicke , bevor die Fackeln noch beren kommen , tritt der Mond 
hinter den Wolken heryor , und beleuchtet die Rinde des Stammes ; der Greis 
ist versehwunden,) - 


_ FUHRER. 
Wo kam der Alte hin ? 
MEHRERE STIMMEN, 
Zerronnen wie in Luft! — 
Im Augenblicke, da der Mond erschien! — 
Ich sah’s, da er zerrann! Sein grauer Bart 


644 GEDICHTE U. S. W. 


Floss silberweiss zur breiten Brust herab , 
Und eine Harfe dröhnt’ in-seiner Hand! — 
Seht, wie der Stamm erbebt! Die Zweige fasst 
Ein Sturm, und nirgends regt sich sonst die Loft, — 
STIMME AUS DER EICHE 
(indem der erste Schlag in die Rinde geschieht.) 
Zwey Barden deckt nun dieser Eiche. Laub I 
EINIGE 
Hört, hört! der Boden spricht! 
ANDERE, 
’S tönt in den Wipfeln, 
Wir Geisterlaut, wie Windes-Harmonie! 
(Wunderbar liebliche Musik, die sich bald mit Gesang verschmilzt.) 
EINE STIMME VON OBEN, 
Höret auf, um mich zu klagen, 
Wisst, ein lichtes Kreuz-Panier 
Gab der Herr der Sterne mir, 
Euch’s im Streit voran zu tragen! 
CHOR VON OBEN, 
Es flammet, wie Sonnen, das heilige Zeichen ; 
Der Himmel wird siegen, die Hölle muss weichen! 
Ehre sey Gott! 
STIMME, 
Freudig, freudig, meine Brüder ! 
Schwert und Lanze in der Hand, 
Blitz und Flammen ihr Gewand, 
Steigen Streiter Gottes nieder ! 
S CHOR, 
Wir steh'n euch zur Seite im heiligen Kriege, 
Wir führen die irdischen Brüder zum Siege! 
Ehre sey Gott ! Gloria ! Gloria ! 
(Musik und Gesang verhallen.) 
FUHREN, 
Vernahmt ihr, was das Chor der Engel sang ? 
(Er wirft sich zur Erde, und erhebt betend sein Schwert gen Himmel, 
Alle knieen um ihn im weiten Kreise.) = 
So fürhr' uns Herr, und wär's auch durch den Tod, 
Zum Sieg des Rechts, zum Freiheits-Morgenroth ! 
(In der Ferne ein lang aushaltender Donner, Aufspringend 
mit hoher Begeisterung.) 
Hurrah! die Schwerter ’raus! Mit uns ist Gott ! 
ALLE 
(wildfreudig mit Gesang einfallend.) 
« Der Hochzeitmorgen graut — 
Hurrah, du Eisenbraut ! 
Hurrah ! » 


— 








Inhalt. 





Lebensgeschichte des Dichters, 





I. LEYER UND SCHWERT. 

















: . Seite 
Andreas Hofer’s Tod, > 2 2 o 2 2,3 5, l 
Dis Rich: s- g o a a ec 
Vor Rauch’s Büste der Königin Luise. . » .. 2 
Auf dem Schlachtfelde von Aspern e e e e e J 





Hoch lebe das Haus Oesterreich. e « 2 e.. 6 
Dem Sieger von Aspern, . . säi 
Bei der Musik des Prinzen SCH GE Ee? 
Mein Vaterland. © o > o > è o ù 0 e o 
Moskau. © o o ù o o s où où où où o o s o 10. 
Lied zur Feyerlichen Einsegnung des Preussischen 
Freycorps , in der Kirche zu Rogau in Schlesien. 10. 
Ba a ai ng ga, ie 
Three a. 2 A em a ne ee je Je 
Abschied von Wien. e e > à 






































Aufruf. e D s s e s s s s s s 8 s s s 15. 
Der Preussische Grenz-Adlers e e e e e e e e l6 
An die Königin Luise, © e 2 e 2 e 0 00. 1% 





EENEG, 
Lied der schwarzen Jäger. e e e 2 2.2.0. ID 
Am Hedwigsbruunen bey Jauer. . . e e . . 1% 
Letzter Trost, e . o PETO a 
Bundeslied vor der Schlacht. DEE 

















INHALT. 





























Seite. 
Gebet während der Schlacht, e e e e e e e 2% 
Mismi a-e aana a a 
An den König o e e 2 2 2 2 2 2 00. 25 
Boitarbiel. s s r s e on idl u en 
Trost. s s 8 s s s $ + s s . s s s . 26. 
Abschied vom Leben. e e . .. SE 
Lützow’s wilde Jagd. . e . s we: 
E 5-4 a aa Dan 8 
Oestreich’s Doppeladler. e e e e 2 0 20. 29% 
Unsere Zuversicht © © e e 2 e e o 0000. 
Was uns bleibte e 2 e s e 2 o ss e o e Bl. 


NACHTRAG AUS DES DICHTERS 


Männer und Buben. 


Trinklied vor der Schlacht; s 3 3 . 


Schwertlied.. . . 


Il. VERMISCHTE GEDICHTE UND 


ERZÄHLUNGEN. 


Bergmannslehen, . 


NACHLASSE. 


D D D 
D zs e D 
zs e D D 


55. 
35. 
55. 





Der Traum, . . o 


H H e . H D . 





Das Wunderbliimchen, e e e e 





Der Schreckenstein 


und der Elbstrom. 





Die Liebe. . . » 





























ERINNERUNGEN AN SCHLESIEN. 


An meine Zither, © e e e e e e. SÉ 
Bm Giba s s os es os da Se e pn k 
‚Berglied, . 2 2 2 oor as > a DN 
‚Wechsel. © e 2 e 2 e o o o o ww zs wv Dä, 
‚Klotars Abschied. © . .» » BD 
Poesie und Liebe e en e e o e 0. 5% 
Amphiaraos. A a e e a a 
Das wat ich e sa neos e ee Di 
Ts warst Die. e c a oa a a e d 
Sehnsucht der Liebe., e 2 2 2 2 s 0 o.s.. 56 





Am Elbbrunnen, e è e o où s ù e o o e e 



































INHALT, 

Seite, 
Der Zackenfall, p s 2 5 2 oa 0a. D 
Buchwald, > r e a a e s roae 5 BE 
Naa P owd Pion E alala ar O 
Sonnenaufgang auf der Riesenkoppes e e. e.. » 6L 
Auf der Riesenkoppe. ee E e a Gl 
Geistliche Sonnette, 0 e 0 e o e e o e 0. ÔÈ 
Dio Ehebrecherin. e > 2 2 0 10 0 20 02,5 62. 
Das Abendmahl, s a 2,20 22274. 
Christi Erscheinung in Emaus e e e e... 6 
Christi Himmelfahrt. e 0 0 0 0.0 o s œ 64. 
Mit den. Knospen 2.2 2 ece e e s e eœ DÄ 
Friedrichs Todtenlandschafte e e.e e 2 e . » 65 





Zwerg Sonnette, nach. Kiigelchens Gemählden. 





Saul und David. . . . 


ES 













































































Die menschliche Stimme, 0.0 e e s e s.e > 67. 
Kai Much. u. sus a ei a u 
An Gustav Zedlitz 2 e s. e rege, Di 
An den .Heldensänger des Nordens. ons G8. ` 
Tetee Tal EE 
Wiegenlicde o» so .ecse e 0 e sess e>’ 70. 
Bey einem Spriogbrumen . e s.. eeo ZIL 
eem eege, or eed oaa aa a a e E 
Worte der, Lil, u i ri read ac h 
Die drey Sternes e o o s o» 74. 
Harras. Da BE BE er. a a ZB 
Graf Hoyer. von Mansfeld, oder die Schlacht am 

Wöl fesh olze. D = 58 ee N EEEN 0 0 © 7 Kë 
Bu Wilhom us: ua a a a 
Aus der- Ferne. -e e au lr ie Ee 
Als sie -cine Kornkhre ; in SS Hand zum Blühen 

brachte, s s 58 s s s s s s s 8 , 80. 
Das gestörte Glück. © ese e e o e oseo Q 
ETIA EE E E E E a E 
Weini EE EE a a a o A 
eege E Da ee E EE 
Des Singers Lied zu den Sternen. e e e - e JL 
Der Kynast. TED III ETIEFFER :? 
Die heilige Cecilia. e e e e e e o e e o» 102 


INHALT, 


Die heilige Dorothea. e e e e» e. eo 
St. Medardus., 2 e o ə e 2 0 2 o o e œ 
Die vier Schwestern e » e o 2 0 e è P 
Bundeslied. . . EE E ee 
Der Teufel in CSS EE 
Der Makaria., à e 0 0 0 2 2 2 2 oe o o 
Im Frühling 1810. e e 2 2 2 2 0 00. 
Erinnerungen an Karlsbad. . o 2. 2 s e. 
Vom Dreykreuzen Berges e e 2 2 000. 
Der Sprudel. ea a A 
Dorf Hammer, `, e ə oe 2 e o è e oe o 



































Co 
kel g] 
w e Ei 
bs 


ISHBEBEESRE 






















































































Dorotheens Tempel. sce e e e 2 e o e o .12% 
Die Prager Strasse è e o o e o e e e o „12% 
Dir Obeliks u 4 paaa a et 
Ch iew acam a im a a ee a 
Dor Bauen Plate, o 5 e s 5 o s re i o iik 
Von Weyrotbers Ruh bey Ellenbogen. . . . . 126, 
Das Kreuz auf dem Felsen vor dem Egerthore. . 127. 
Das Tölpel-Thal. . e e e e 2 e eco e 0 „12% 
Findläters-Tempei. — bea are e a A 
Die fünf Eichen vor Dallwitz. 0. 0 0. 2 150. 
Friederichens-Felsen. . ... i ece idl 
Am Kreuze unfern Mariannens Ce E KC 
Hans Heilings Felsen. e e-e o o e e e „132% 
Der Per EE Ee E 
Beem Tanze im Sächsischen Saale. EE 
Als sie von dem Brunnen Abschied nahm, —— „134 
Auf der Bank am Sauerbrunnen, . e e e „13% 
Rundgesang auf dem Belvedere. e e e e . „155. 
Abschied vom Lesen 2 o s ocs 2 o e 215% 
Sängers Wanderlied » o.e e e.o e o e 215% 
Sehnsucht nach dem Rhein, 20 o o o où e e 137. 
Vor Raphaels Madonna. e e e e e e.s 0 215% 
An den Frühling. e.e 2.2 2.2 e 2.0 o e Lä. 
Schilleried, „ a acini 2, 32.45 EE, 
Morgenlied für Schiffer. e e e e xs ..140% 
Auf dem Greifenstein. ..» o o où où où e è 141. 
Vor dem Bilde zweyer Schwestern e e e — . 142 





INHALT. 


Vaolenblau:: u 5.8 = & wa EB D ee 122. 
An den verewigten Künsten e e e e e e «143. 


Phantasie. . e è >ù» >o o >o ù ù o òo o o o 144. 











Im St. Sthephan . e e e e e e e e e e 14 
Im Prater e 2 2 2 o o o o e o e s.o e Lä 
Die Augen der Geliebten, e e o e e e o 147 
Vor den Bilde ihrer Mutters e e e e Lä 
Morgenfreude, 2 e o e es o o s.o e D 
Bitte e e 0 2 0 0 2 2 soe oe o 14% 
Döblingen. e e e s e e seses e o e 150 
Moth; p ocea ia "Pene RNR 
Der Dreyklang des Ee EEE: 
Vor dem Grabmal in Fenzingen . » e x. e 153, 
Der Todtenkranz. s.e e o e e. e e e .15% 
VC s s rer ie a a a DA 
Die Harfe. . e 0 s 0 » o où où où o o o >œ 167. 









































III. NACHLESE 


ZU,DEN VERMISCHTEN GEDICHTEN 
UND ERZÄHLUNGEN. 


Brutus Abschied. . e es òè e e o o o o o >o 170. 
Der Morgen des Glaubense . . » ee A 
Prolog zu einen dramatischen Behandlung des 
Conradins von Schwaben. e è e e e . 173. 
Der Kampf der Geister mit den Bergknappen. . 175. 
An Göthe. . e e se e ess LT Tr Te 187. 
Ån Ebene „4 3 3 a se ng a u a a a Ee 
Am Grabe Krafts. P ENEP CENE E E A E S EE 189. 


























Der Morgenstern. . » s + SEET 3 





An Adelaiden am Tassen, . 190. 
Die Harmonie der Liebe. . e 2 e e s . 191. 


Schön und Erhaben . a o e e e o e o LS, 











Liebeständeley. s k w ne 8 . 192» 
Sängers Morgenlied. © e e e e eeso e 195. 
Liebesrauschh . e e 2 2 e 2 ee o> e .19 














INHALT. 


An ihrem Wiegenfest. e s.. ee. 





An Brocksmanns Freunde. e 2» 2 e o 





Beym Alexander-Feste. e e è o.o... 





Der geplagte Bräutigam. e 





Di do. D D D e e . e œ . e e e s- 





Erinnerung. e e e e e e eesse 





eher ó e u acr 5 Ar 





Dresden. e e œ D D | 0. D D D D D D 





Tum Abschied, 3... 40 ae 





Eduard und Veronika, oder die Reise in’s Riesen- 





sengebirge. 1809. . e oro 0 e-e e 





Die Verlobung. 1811. e e e wa pg e e o 





D 


Charaden , Rähtsel , Logogryphen. . 3 . 





Ünterlegte Verl 4 "e e AR a 





Russisches Lied, cicci p wi Se a 





Wiegenlied. SÉ a a Re ge 





Zu der Romanze des Tronbadonr. Das 





Sen oiber Melodie, s e. 4%... 5 





Au Schönberg und Louisen, am Tage ihrer Ver- 





bindung. 1807. EEE 





An RK e Bi s 0 0 8 RER RR 





Atum, e Lee DEER 





Am 16 Rogembert, e e'a > wie ap e 





Mit den Knospen. e e e e esee 





Zum 5 Febroars 24 s s e e gy osa 





An H. D Be wg 2 2 e we 8 





Seite, 
e. e 195. 
e a 196 
v e 196 
. . 19. 
re 
e. 4 22, 
a a 202, 
s . 25. 
e . 205, 
e a 20 
. . 212, 
e e 218. 
+2 
. + 227. 
a e 226. 
SE 
ES 
5.229, 
a a CAE 
e e 234. 
e e 209: 
e s 2i 
s a 200. 
a . 25h. 





Au: Didon e a a oa a aaa aa aaa 


An das Volk der Sachen; von ihren Freunden. . 237. 


IV. AUS DEN KNOSPEN., 




















Anden Leser, =» e o è o oe o o D a o H 239. 
Die Gewalt der Schönheit. e e . . e e . .239 
Das Reich des Gesangess «e s e 2 e e e e Zä, 
Die Weisung Apoll ’se e e e o s^% s e e 0.24. 
An Adelaiden. © e o o o wee o èo o o +24 
Nähe des Geliebten. . . . . . . ..... 244. 
An den Frühling. >» o.e o 2 e e e o » 2244 





INHALT. 


An Rosine Bürger © 2 e e e e e e e e e 245° 
I EEEN EENET 
An Auguste. . . . e E EK e 8 ee 
In der Neujahrsnacht 1800, SN e NR er:i! 
An die Prinzessin Dorothea von Kurland, . . . 249. 

















Vergangenbeit. e e e s o 2 e E o e e 048. 
Gegenwart und Zukunfts e e 2 e e e e 0.250. 
Zukunft. D . s e s» oe >ù o ù où où o o 250. 











THEATER. 


zrıny. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. . . 255 
ROSAMUNDE, Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. . 326. 
wepwıc. Ein Drama in drey Aufzügen. . . . 596 
JOSEPH HEYDERICH» Eine wahre Anecdote , als 
Drama in einem Aufzüge e e e e e e Ai 
roxı. Ein Drama in drey Aufzügen. - » « . 45% 
DAS FISCHERMADCHEN. Ein Iyrısche Drama in 
einer Abtheilung e e e e e e e o > e 48D 
DIE BERGKNAPPEN. Romantische Oper in zwey 
Abtheilungen. e © e 2 e 2 e e e'e o e 508. 
DER VIERJAHRIGE POSTEN, Ein Singspiel in 
einem Aufzuges 2 2 e a s o a e e eg 550 
"np sRaut, Ein Lustspiel in Alexandrinern , in 



































einem Aufzuge e 2 e e e e e e e e e 540. 
DER GRÜNE pomıno, Ein Lustspiel in Alexandri- 

nern in einem Aufzuge. e e e 0 0 00 e 55% 
Der machtwacuren. Eine Posse in Versen, in 














einem Aufzuge e e e e e 00.00. e AN 
DER VETTER AUS BREMEN, Ein Spiel in Versen 

und einem Aufzug e e e e 2 e e e e e 591. 
DIE COUVERNANTE, Eine Posse in einem Aufzuge, 608. 














ZUGABE. 
GEDICHTE U, S. W. AN THEODOR KÖRNER. 


Von enen, vier Sonnetter . e» e e «627 
m WOLPART. e e e où o» o e o o o o DÄ 








z INHALT. 
EZ Be D ! d Seite. 
»Von THEREMIN © e èe è e è sw . e è o . 629, 
—— DELA NOTTE FOUQUE, e e:e è o a o» s 629, 
= Auf Theodor Kömer’s Tod, ©» e 2 2... L 
Nachruf an Theodor Kömer e e 2 . . e ew 652. 
Dem Andenken Körner’s und seiner Todesgenossen. 633. 
- Nachruf an Theodor Körner, von Krueo von NIDDA, 633. 











An Theodor Körner, von A, wüLLNeR e e o 65% 
Am Grabe Theodor Körner’s, von F. BR. um e 654. 
An die Frau Appellationsräthin Körner „ e - 655 

d t ? F: . . H H . . 637. 
Die Körners- Eiche. e ee ù o ù ù o ù o o 640. 











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