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Full text of "Geschichte Lothringens"

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Geschichte Lothringens 



Eugen H T. Huhn 




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I 



Geschichte Lothringe 



Von 

Dr. Eugen U. Th. Huhn. 



Erster Band. 



Mit geuealogischeu TaboUeu uud histurischen Karten. 



Zweite Ausgabe. 



BBBIiIN, 

Verlag von Theodor Hofmann. 



Alle Rechte vorbehalten. 




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Vorwort. 



Der deutschen Gescliichte ist durch die Zurückgewinnung 
von Elsass-Lothiiiigeu eine Erweiterung ihrer Aufgabe geworden, 
da sie jetzt wieder wichlage Länder in ihren Kreis hereinziehen 
musB, äe nach und nach halh in Vergessenheit geratiien waren und 
eine untergeordnete Beracksichtigung nur in der französischen Ge- 
schichte und in der Weltgeschichte &nden. Die Geschichte der el- 
sftssischen Territorien war es allein, welche nicht flbersehen werden 
durfte, weil am Oberrheine verschiedene Gebiete auf beiden Ufern 
zusammenhiDgen und die deutschen Chroniken des Landes über- 
haupt wichtige allgemeine Geschichtsquellen bildeten, wogegen 
das hundert Jahre vor Strassburg mit Frankreich verschmolzene 
Metzer Land mit seinen nur französischen Gest^chtsquellen 
längst ausser Beachtung blieb und auch Lothringen ebenso als 
ein von Deutsehland abgerissenes Glied angesehen wurde. 

Heute hat nun Lothringen wieder vermehrte Wichtigkeit 
für uns gewonnen. Nicht nur die deutsche Geschichte hat künf- 
tig die Schicksale dieses Landes eingehender zu erzählen, sondern 
auch die zahlreichen Deutschen, die jetzt im Lande als Beamte 
oder Gesdffiftsleute leben, fühlen das dringende Bedfirfniss, die- 
selben ausfohrlich und genau kennen zu lernen, um zu einem 
richtigen Verständnisse der Verhältnisse, der Sitten und Gewohn- 
heiten zu gelangen und den Geist zu begreifen, welcher sich 
überall in Land und Leuten offenbart. Dazu ist nun eine den 
heutigen Anforderungen der Wissenschaft entsprechende unpar- 
teiische Geschichtsdarstellung nothwendig, wie das Land solche 
bis heute keineswegs besitzt. Abgesehen von der französischen 
Sprache, in welcher Alles ausschliesslich geschrieben ist, was wir 
über die Geschichte des Landes besitzep, macht auch die Art der 
Abfassung und der Geist, der in diesen Schriften herrscht, die- 



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IV 



Vorwort 



, selben för Deutsche nur schwer geniessbar und ausserdem sind die- 
selben auch im ßuchhandel gar nicht mehr zu haben. Die grosse, 
Yor hundertundfunfzig Jahren erschienene Geschichte von Dom Oal- 
met ist ganz im trockenen Geiste der Bonedictiner geschrieben. Der 
Verfasser beschäftigte sich mehr mit Klosterstiftungen- und kirch- 
lichen Streitigkeiten, zeigte für das bürgerliche und geistige Le- 
ben kein Verständniss, nahm Alles, was Klosterchroniken berich- 
teten, mit treuherzigem Glauben auf und entbehrte besonders der 
Kritik, während sie allerdings für den Gelelirten wegen ihres 
reichen Materials an Urkunden, ( "lironiken- Auszügen und anderen 
Belegen immer die Hauptquelle für die lothringische Gesclüclits- 
forschnng bleiben wird. Das neuere, gut angelegte Geschichts- 
werk von A. Digot, das eltenfiiUs längst im T'>U('li]iandf'l vergriffen 
ist, zeigt uns aber so sehr eine einseitige, durcli und durch fran- 
zösische Auflassung neben gänzlicher Unkenntniss der deutschen 
Quellen, namentlich auch der Pertz'schen Monmncnta Gennaniae 
historica, dass in der Kegel die Wahrheit verhüllt oder ganz 
entstellt ist und es besonderer Mühe bedarf, um die Wahrheit 
vom Falschen zu unterscheiden. Digot ist es wie anderen Ver- 
&88em solcher Schriften auch nur darum zn tbun, die lothringische 
Oeschichte bloss im französischen Sinne erscheinen zu lassen, letz- 
teren auf sie überzutragen, jeden deutsclien Ursprung, jede deutsc]\e 
Vei-wandtschaft zu leugnen und überhaupt Lothringen als Land 
zu betrachten , das immer französisch war und nur zeitweise 
Deutschland untergeordnet wurde, abgesehen davon, dass überall 
der ultramontane Geist vorherrscht, deutsche Kaiser wie Hein- 
rich IV., Friedrich Barbarossa u. A. mit glühendem Hasse verfolgt 
und das Lob der Herrscher fast nur darnach l)eniisst, ob sie auch 
recht viele Klöster gestiftet oder beschenkt haben. Der Hass gegen 
Deutschland und die Verleugnung des Deutschen geht bei ihm so 
weit, dass es fast an das Komische streift. So leugnet er (histoire 
de l'Austrasie, L, p. 10 — J 1) geradezu, dass die Einwanderung 
der fränkisclien Salier und Ripuarier irgend einen deutschen Ein- 
fluss auf Gallien ausgeübt habe ; aber da wirkliehe Gründe gegen 
das Thatsächliche dieses Einflusses nicht beizubringen sind, so 
behauptet er kühn: „Wenn auch verschiedene moderne Institute 
von jenseit des Kheiiis gekommen zu s^in scheinen, so können 
wir nur erwidern, dass der Trspruug mehrerer dieser Institutionen 
sich im Dunkel der Zeit verliert, dass solche ohne Zweifel 
ebenso in Gallien wie in Deutschland existirten und dass unsere 



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Vorwort V 



Unwissenheit allein uns zu dem Glauben brachte, sie gehörten 
■ ausschliesslich dem letzteren Lande an." Wie er zu seiner Auf- 
faRsuiig der (leschichte kam, zeigt eine andere, gleich darauf 
folgende Stelle, worin er sagt, dass er überall, wo ilim Doeamente 
über Lothringen fehlten, diese damit ausgeffillt lial»e, dass er die 
entsprechenden Details den übrigen Reichen Frankreichs entlehnte. 
Ja, noch viel weiter ging einer dieser französischen Historiker 
— schon vor dem Kriege — , denn Godron, Dekan der Facult^ 
des Sciences in Nancy, behauptete sogar, sell)st die heutigen 
Bewolmer des Landes, im sogenannten Deutsehlothringen, seien 
nicht deutschen, sondern gallischen Ursprungs, denn sie hätten „le 
crane brachycephale et arrondi au sommet'* wie bei den Franzosen 
der gallischen llace! 

Unter diesen Umständen wurde eine deutsch geschriebene 
Geschichte von Lothringen, die auf dem heutigen deutschen Stanil- 
punkte der Kritik und der Unparteilichkeit steht, längst zum 
Bedürfniss und wenn <ler Verftisser als Schüler von Schlosser auch 
nicht seit mehr als zwanzig Jaliren sich mit Specialstudien über 
Metz und Lothringen mit Vorlielje beschäftigt hätte, so liätte 
iliii (locli der schon so oft ausgesprochene Wunsch xach einem der- 
artigen Werke veranlasst, solches in Angritt" zu nehmen, nachdem 
LSTö seine Landes-, Volks- und Ortskunde von Deutschlothringen 
vom Publicmn, von der Kritik und der OlM'rln'liörde so gut auf- 
genommen worden war. Line weitere Aufmunterung dazu gab 
ihm ferner die inzwischen in zwei l^änden erscliienenc ..( Jescliichto 
von Metz" von Major Westphal. die guten Absatz fand, obschon 
das Werk bloss auf den hekanntesten gedruckten Chroniken- 
sammlungen und anderen Sclniften gegründet ist, nicht von den 
reichen T'tkundensammlungcn und Manuscripten der Bibliothek 
und Archive, ja nicht einnuil von den zahlreiclien Urkunden zu 
der Geschichte der Benedictinermöuche Franyois und Tabouillot 
Gebraucli gemacht hat und daher sehr reich an irrigen Angaben, 
Auslassungen u. dgl. ist'*'). 

*) Sogar diese ausfShrliche Geschiohte von Mets ist ohne eine Oe- 
schichte von Lothringen nicht überall klar. Dieselbe erfaftlt aber in die- 
sem Werke nicht nur an zahlreichen Stellen Verbesseningeii und Er{^- 

zungen, sondern di^s l\uvh In infft audL Episoden aus der Geschichte der 
Stadt Metz, di<* Wcstplnil <^nv nicht kennt. So weiss (It'rsi ll)c nichts von 
der langen und sehr kfislspielinfcn Ft lidf der Stadt 3Ietz mit Gerhard 
Vogt von Hunolstein und zahlreicbcu Herreu, — 1364, obschon das 



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VI 



Vorwort 



Indem daher der Verfasser hiermit eine solche Geschichte 
veröffentlicht, legte er dafür die praktische Anordnung Digot's zu 
Grunde, al)er er hat immer den Stoff aus der Quelle selbst ge- 
holt, die Zahl derselben erweitert, keine einzige Angahe ungeprüft 
aufgenommen, die von Franzosen nicht benützten deutschen Quellen 
ebenso sehi* herangezogen und immer gesucht, das Verliültniss 
Lotbringens zu Deutscliland hervorzuheben und dem deutscheu 
Standpunkte die Ehre zu geben, wie sich dies fast auf jeder Seite 
in der Darstellung zeigen wü'd; denn wahrend die Franzosen es 
nur darauf anlegten, zu zeigen, Lothringen sei von jeher ein 
französisclies Land gewesen, nur zeitweise durch Gewalt von Frank- 
reich abgekommen und dann naturgemäss zu ihm wieder zurück- 
gekehrt, werden hier die wirklichen Verhältnisse mit völliger 
Unparteilichkeit dargelegt und dann Schritt für Schritt nach- 
gewiesen, unter welchen Uniständen und Kämpfen es Frankreich 
erst im \'erlaufc von Jahrhunderten durch Kriege und diplo- 
matische Schliche gehinir, im Lande festen Bodeu zu fassen und 
es zuletzt ganz in sich aufzusaugen. 

Kiner besonderen Erwägung niusste der Umümg unterzogen 
werden, welchen diese Geschichte einzuhalten hat. um einerseits * 
die Schicksale des Landes und seiner liegentenfamilie m^glichs'; 
vollständig zu erzählen, andererseits aber aucli die Bogen/ulil 
über ein gewisses Maass nicht anschweHen zw lassen. Die Quel- 
len tliessen nicht für alle Perioden gleieli reiclihaltig und durfte 
man sich daher nicht sein* streng an diesen Umstand halten, 
weil sonst eine gewisse Gleichartigkeit in der Vertheilung des 
Stoffs nicht zu erzielen gewesen wäre. Andcrseitig sind alier 
wieder einzelne Perioden von ganz hervorragendem Interesse, so 



Stadtarchiv nodi alle Act«n und Quittini<ron darüber enthält, sogar die 
Benedictinergeschichle Aiiszütfe daraus ^ibt und selbst der Friedens- 
vertraj;: vom l(>. .)uni l.U)4 noch im Archive von Berleburg aufl)c\vahrt 
ist. Die Auslassung beruht wulil darauf, dass in den von ihm allein 
benützteu Hugueninscben Chroniken in acht ZeUen nur eine scbwache 
Andeutung davon g^ben ist. Danelbe ist der Fall mit der nicht 
minder kostspieligen Fehde 1420—1426 mit fast denselben Herren, wo- 
rüber das Archiv ebenfalls die Urkunden reichlicli enthält, und in f^leicher 
Weise Hessen sich nooh zu allen übrigen Theilcn dieses ßuchs solche 
reichliche Erfifänzung-en tmd Verbesserungen liefern, die alle nicht 
nöthig wären, wenn der Verfasser sich die vorhandenen l'rkun<l< n und 
ILaimscripte angesehen hätte, die sämmtlich unbenutzt geblieben sind. 



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Vorwort. Vll 

dasB sie etwas ausfllhrlicher zu behandeln waren, nnd zwar mehrt 
sich das biteresse in dem Grade, als die Geschichte sidi der 
neaeren Zeit nfthert. Es ffthrte dies alsQ den Verfasser nator- 
gemäSB dazu mit dem Fortschreiten der Geschichte in den letzten 
Jahrhunderten dieselbe auch ebenso ausführlicher zu behandeln 
und in Einzelheiten einzugehen, welche in der ersten Hälfte 
des Werks sowohl wegen Mangels an Nachrichten, als auch 
wegen ihres geringeren Interesses entweder ganz übergangen 
oder doch nur kurz behandelt werden mussten. Es ist also 
der Stoff so vertheilt worden, dass der erste Band nicht nur die 
Geschichte Lothringens unter dem Hause Elsass bis zum lieber- 
gange an die Dynastie Anjou enthält, sondern auch die Zwischen- 
regierung der letzteren, so dass er mit dem Zeitpunkte endigt, 
wo auch die mannliche Kachkommenschaft dieser selbst ausstirbt 
und Lothringen durch eine Erbtochter in ganz gleicher Weise 
an die jfingere elsftssische Linie zurfickkehrt, wie es an das 
Haus Anjou gelangt war. Hierdurch ist erzielt worden, dass 
beide Bände den gleichen Cmfong erhalten und für die ausffihr- 
lichere Behandlung der wichtigeren Geschichte von 1478 an 
mehr Baum gewonnen ist. 

Anmerkungen mit Beweisnachweisungen zu geben, hielt ich 
f&r das grossere Publicum nicht fftr nöthig. Bei der grossen 
Seltenheit der gedruckten Werke und Schriften würde es den 
Lesern geradeau unmöglich werden, dieselben nachzuschlagen, 
und ausserdem würde zu diesem Zwecke nur zu oft der vierte 
oder dritte Theil jeder Seite ist Anspruch genommen werden 
müssen. Für den Mann von Fach wird dagegen an der Spitze 
eines jeden Abschnitts die dafür besonders benützte Literatur 
aulQg^efÜhrt, im Uebrigen aber lassen sich alle Urkunden und 
Chroniken-Auszüge im Galmetscheu Werke ohne alle weitere 
Nachweisung nadischlagen nnd auffinden, was keine Schwierig- 
keiten machen kann. Aber für eine Mrage Angaben und 
Notizen wäre es ihm überhaupt &st unmöglich, die. Quellen 
nachzuschlagen, denn sie sind einer Menge seltener Brochüren 
und Au&ätze, Zeitschriften, archivalischen Sammlungen nnd 
anderen Manuscriptea entnommen, die an zahfareichen Orten 
und zum Theil in Privathänden sich befinden. Ich verweise 
hier in erster Beihe nur an die Archive zu Nancy, Paris 
und Metz, an die jetzt aus der Bibliothek Colbert in die fran- 
zösische Nationalbibliothek gelangte Collection lorraine, die 724 



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Vlll 



Vorwort. 



Bftnde und Fasdkel umfiisst und wozu Dnfoumy im vorigen 
Jahrhundert ein brauchbares Repertorinm verfasst hat, und an 
die auf der Metzer Stadtbibliothek befindlichen zwdlf FoHobAnde 
des Inventaire des titres de Lorraine und andere Sammlungen. 
Es ist darin ein so reichliches Material geboten, dass die Orts- 
und Geschlechtergeschichte darin noch auf lange Zeit eine reiche 
Fundgrube finden wird und ich nur wünschen kann, es .mochten 
deutsche Gelehrte sich durch die Schwierigkeit des Somanisdien 
und Patois, wofbr ich ihnen aber in einem an 10,000 Worte 
enthaltenden Glossar des Lothringer und Metzer Patois einen voll- 
ständigen Scblflssel zu geben gedenke, nicht abhalten lassen, 
hier den Stoff zu gediogenen Detaüforsehungen zu suchen, welche 
des Interessanten sehr viel bieten werden. 

Bei diesem Lande, das auf der Grenzmarke zwischen Deutsdi- 
land und Frankreich Uegt, bietet die Schreibart der Eigennamen 
einige Schwierigkeit dar. Von den Franzosen werden die Namen 
des Alterthums durchgängig franzöairt und daher verunstaltet, 
z. B. Plinius in Pline, und hier war es unbedingt nothwendig, 
den wirklichen Namen wieder richtig herzustellen. Ebenso ver- 
stand es sich von selbst, die Vornamen in deutscher Sprache 
zu geben, also z. B. Renaud, Fern, Thi^baut, Raoul, Thieny, 
Kogcr, Etienne, Mathieu, Liebant, Gilles etc. mit Beinhold, 
Friedrich, Theobald, Rudolph, IMetrich, Rüdiger, Stephan, 
Mathias, Liebert, Aegidius etc. Aber i&r die Ortsnamen mussten 
die im Lande gebräuchlichen französischen Namen beibehalten 
werden, weil sie sonst in der Topographie und auf den Karten 
vergehlich gesucht wflrden, ausser bei denjenigen Orten, wofQr 
allbekannte deutsche Namen vorhanden sind, wie z. B. Rixmgen 
för R^chicourt, LOrchingen fibr Lorquin u. dgL 

Zum besseren Verständnisse der .Geschichtserzählung sind 
einige fibersichtliche genealogische Tabellen an den betreffenden 
Stellen in den Text eingedruckt und wird eine genauere genea- 
logische Uebersicht der Familie der Herzoge von Lothringen bei- 
gegehen, auch historische Karten die Umgrenzung und Ein- 
theflung des alten und späteren Lothringen darstellen. Ein 
Register endlich wird mit grösster Vollständigkeit die im Texte 
genannten Orte und Personen nachweisen. 

Möge nun dies Buch dem vorhandenen Bedflrfiusse genfigen, 
die Geschichte des Landes in unparteiischem Sinne erscheinen 
lassen und zeigen, mit welchen tiefen und festen Wurzeln es 



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Vorwort. 



IX 



immer an Deutschland hing, wie diese nur allmSlich dnreli die 
welsche Politik der französischen Autokraten abgerissen wurden 
und nur die Schwäche der habsbnrgisehen Ksuser Deutschlands 
es uns verloren gehen liess. Möge es aber auch zeigen, wie 
sehr es die doppelte Pflicht Deutschlands ist, das wieder zurück- 
gewonnene Deutschlothringen wenigstens jetzt um so mehr und 
kräftiger festzuhalten und es nicht bloss militärisch, sondern auch 
politisch und geistig mit dem neuerstandenen deutschen Beiche 
zu verschmelzen, sowie es ebenso zum gemeinsamen Mitarbeiter an 
unseren grossen Zielen und Bestrebungen zu machen, die heute 
alle Deuischen erföllen! 

Metz, im Februar 1877. 



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* 



Inhaits-Yerzeichniss. 



I. Buch: 58 vor Chr. G. bis 1048 nach Chr. G. 

1. Die Zeiten der Römerherrsehaft 

2. Die Zeiten der Volkerwanderung und des austnwischen 

Reichs, 
rt. Die Zeit der Karolinger. 

4. Herzoge von Lothringen und fränkisch-deutsche lieber» 

pangszeit, 

IL Buch: I04<S— l'jor). » 
J, Hcrzorr (xerliiinl 11)70). 
Ik-r/og Dieiricli (lnTO- 1 1 1.")). 

Herzog Siiii..ii 1. ( 1 11.'.— 1 1.?!»). . 
4. Herzog ilatthias I. (Ii:»!» 11 70). 
f). Hersog Simon IL C1I76— 120r>). 
6. Innere Verhältnisse. 

III. Buch: 1205-1303. 

1. Herzog Friedrich L und Friedrich IL (120r)— 1213). 

2. Herzog Theobald L (1213-^1220). 
.3. Herzog Matthias IL (1220—1251). 

4. Herwig Friedrich III, (1251—1.303). 

5. Innere Verhältnisse. 

IV. Buch: 1303- 11 

1. Herzog Tii( Ml,aI.l U. ( l.HlH— l.ü i). 

2. Herzog Friearicli IV. (l.ü'J l.'.'JS). 

3. Herzog Uiulolpli (I'.VS- I.Mti). 

4. Herzog Johann I. i LUC I3!M)). 

5. Herzog Karl II. U3S-»<>— 1 l^iJ j. 

6. Timere Zustäiitle. 

V. Buch: Zwischonregierung des Hauses Aiijou, 1431 — 1»«3. 

1. Herzog Renatus I. und I»a)>ella (1431-1453). 

2. Herzog Johann II. (1453—1470). 

3. Herzog Nicolaus (1470—1473). 

4. Innere Zustände. 



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* 



Geschichte Lothringens. 



Literatur. 

Neben den Specialgesohichtswerken über Deutschland und Frank- 
reich, den Regesten von Böhmer und der grossen Ferts'schen Saimnlnng 
der Monomenta Ctermaniae historica sind für die Hauptgeschichte von 
Lothringen vorzugsweise benützt und zu Ghrunde gelegt worden: Dom 
A. CahiH't , histoiro ccclrsiastique et civile do Lorraine» Nancy J745 ft"., 
'i. Auflaffe in ^T^^oliobändeu. Die erste Auflaore erschien 1728 in 4 
Bänden . und es tfil)t noch einiirc Exemplare, in wrlchcii sich hinten 
eini<,n' l^liittcr an}refii<rt fiiuh'n . die lieransfjesclinitten und mit neu- 
«^t'di-iickten liliittern orset/t wurden, weil der Tensor den Abdruck meh- 
rerer Actenstücke beanstamlete. Es ist dies das Hauptwerk mit dem 
vollständigsten Urkundenbnchf den wichtigsten Chroniken und Chroniken- 
aussBügen und wird hier für alle einzelnen Kapitel darauf verwiesen, da 
es stets die Belege dafür enthält. — Daneben ist für die Localgeschichte 
ebenso wichtig: Dom A. Gal^met, Notice de la Lorraine, Nancy 1756,-^ 
2 Foliobände, — Chevrier, histoire civile. militaire, ecclesiastique, 
politique et litteraire de Lorraine et Bar, 4 Bde., ist l>e80nders wichtig 
weorpu der Auszü<fe ans den 3[emoires von Michel Errard , Remond 
Messein, Louis d'Harouconrt, Bouriinn uiul Thierriat. Bruxelles J ?ü8t_. 
7 Bde; — Aufj. Di<;ot, liistoire de Lni-iaine, Xaiicy JS.")(.i, (1 Bde: — 
C 1 o u e t , histoire ecc lesia stiiiue de la proviuce de Treves et pa^s p' f " ' i 
linutrophes, comprenant les Dio^^eses de Treves, Hetz, Tool, Verdun, \0\[{ \ 
Keims et GhAlons, ~- Verdun 1844^, 3_Bde; — Menrisse, histoire des 
eveques de TEglise de Hetz, 1634; — Histoire gßn^ale de Hetz par les 
religieux Benedictins de la congregation de Vannes (Dom Francis et Dom 
Tabouillot), 1775, 15 Bde. — H n gu en i n , les Chroniques de la ville de Metz, 
1 838 ; — B e n o i t Pijc a r t , histoire de Toul, 1 7Q7 ; — R o u s s e 1 , histoire 
de la ville de Verdun, publice par Tabbe Lebeuf, I7i."> ; — (rrav ier. histoire 
de la ville ei)ise(»piile et de rarrondissomont de St. Die, l^iJO; — Liennois, 
histoire de villes vit'ille et neuve de Nancy, ISO.') — ISII, 'Jvol.; — Bert- 
holet, histoire du duche de Luxembourfj, J74J, 8 vol. — Histoire de la 
ville de Toul et de ses eveques pur Ad. ThiÄrry, 184^2 vol. — La ^ 
Lorraine: Antiquites, chroniques, legendes, histoire des faiUet personnages 
Hnhn, 6«iehlcihte Lothringen*. 1 



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2 



Literatur. 



celebres, descriptiou des sites et des uionunieus reuiartjuables de cette 
province, par Leupol et Eug. de Mir^court. 1839 — 1840, 3 vol.; — 
Honth«im, histoiia Trevireneis diplomatica et pragmatica; — Histotre 
des Lorrains par Hugoes de Toni, extrute des Annales de Hainaut par 
Jacqnes de Guyse, r^gee et commentte par M. le Marquis de Fortia 
d*Urlian; — dieSanualuiigder Concilien von Labbe; — die Acta Sanc- 
torum der Bollandisten ; - Mabilloui Acta Sanctorum ordinis Sancti 
Bcneilicti und dessen Annaies Benedietorum ; — Schoepfliu's Alsatia 
dipluniatica I7<)'2j '2 Bde. ; — G r a n d i d i e r, lüstoire ecclesiastiqiie. militaire. 
civile et litteraire de la proviiu-p de rAlsaee: — die 3Iemniri s der 
Aeadeniie d(; Stanislaus in Nancy; ■ — di'' Bulletins d<'r Sucicti- 
d archeologie lorrainej — die histürisch-statistischen Beschreibungen der 
Departements der Meurthe undVogesen von Lepage. — Dietionnaire 
historique des ordonnances et des tribunaux de la Lorraine et du Barrois^ 
par F. D. 6. de Bog^vUle, 1777. 



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1. Euch. 

Ton der ältesten Zelt bis zu Gerhard 

vom Elsasse. 

58 vor Chr. bis 1048 nach Ohr. 
It Die Zeit der Römerheirschafti 

Literatur: Amadöe Thierry, histoire des Oaulois soiu la 
domination des Romains, Paris 1840—1842, 3 toL; DuriTal, desmption 

de la Lrirraino et du Barrois, Nancy 17 J 8, .1 vol.; ITeauHiMi. Archäo- 
logie de la Lorraine, 1840 — 1842, 2 vol.; H. Howard, dcscription 
tnint'ralogitiue et geolonfi<iue du systenie des Vosges: Coup d'oeYl sur la 
Geologie de la Lorraino par M. Lovallois: Troj)l(>iig. Coiip (Toeil 
sur IV-tat de la Lorraine »4 des trois Eveches pendant la doiniiiaTiini 
romaine (Revue de Lorr. I.j; K. Wasserbourg, Antiquiles de la gaule 
Belgique, royaulme de France, Austrasie et Lorraine, Paris 1549, 2 vol. 



Lothringen verdankt seinen Namen nicht einem Volke oder 
einem alten Landesgebiete, sondern dem Könige Lotiiar von 
Anstrasien (einem Sohne des Kaisers Lothar), welcher dies Land 
zugeschieden erhielt nnd ihm den Namen Lothars Boich, Lotharü 
regnnm, gab, der dem Lande auch femer verblieb, obschon Lothar 
selbst, nach seinem im Jahre 869 erfolgten Tode, keine legitimen 
Kinder hinterliess und das Land an seinen Oheim Karl den Kahlen 
und bald darauf an Ludwig den Deutschen fiel. Der Namen 
eines Königreichs Lothringen selbst erhielt sich nur noch unter 
einigen Sprösslingen der Karolinger und erlosch sodann; um als 
ein Herzogthum fortzuleben, nachdem Karl der EinMtige dasselbe 
912 gegründet und dem Herzoge Reginar verliehen hatte, das 
sodann bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts bestand. Der 
Ländemm£EU)g, weldien dies Herzogthum in der Folge um&sste, 
bildet den Bahmen für die nacldfolgende Geschiditserzählung, 

1* 



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4 I* Buok: Von der ältesten Zeit bia zu Gerhard vom ElsMse. 



welche daher auch für die vorhergegangene Zeit den Namen 
Lothringen beibehält, obschon diese Länder damals mehrfach 
andere und verscliiedene Namen trugen. 

Das Land J>(»tliringen wurde begrenzt westlich von der Thani- 
pagne, südlieb von I^urginid. südöstlich von der Franche-Comte, 
östlich vom Elsasse und nördlich von Luxcnd)urg. dem Knrfürsten- 
thume Trier oder jetzt der Ilheinprovinz und der rheinischen Pfalz, 
und breitete sich also aus zwisclieu dem 22. und 2f). Grade öst- 
licher Länge und 47. bis 50. Grade nördlicher Breite. Es lüldete 
daher die (irenzscheide zwischen Deutschland und Frankreich und 
diese Lage ))estimmte auch durch alle Zeiten die Geschicke von 
Land und Leuten , wodurch es von allen Kämpfen zwischen 
Frankreich und Deutschland sofort berülirt und mit in ilieselben 
gezogen wurde, bis endlich der Verfall des deutschen Kaiser- 
thums dem östlichen Gegengewiclit die nötliige Kraft und Macht 
benahm und so das Land endlich eine Beute der französischen 
Vergi'össerungspolitik werden Hess. 

Ein vollständig abgerundetes (Janzes sttdlte Lothringen üb- 
rigens nicht dar, Ausläufer des Gebiets ragten da und dort tiefer 
in die Grenzländer hinein und schon selir frühe lagen in der 
nördlichen Hälfte Gebietsstrecken, welche bloss geographisch zu 
Lothringen gehörten, im Uebrigen aber politiscli von demselben 
ganz unabhängig waren, wie die Stadt Metz, das zerstreut lie- 
gende Gebiet des Bisthums Metz, sowie einige reiclisunmittelbare 
deutsche Herrschaften, wie Kriechingen, Kollingen. Püttlingen, 
Dachsburg u. s. w. Im siebenzehnten Jahrhunderte wurde sogar 
Lothringen in eine südliche und nördliche Hälfte durch die 
Militäi*strasse nebst sclmialem Gebiete geschieden, welches Frank- 
reich allmälich zu erwerben wusste, um mit dem von ihm er- 
oberten Elsasse in ununterbrochenen Zusammenhang zu gelangen. 

Im Süden und Osten ist das Land gebirgig und die Kette 
der Vogesen erhebt sich hier in einzelnen Bergen, wie der Bel- 
eben oder Ballon d'Alsace, der Gresson, Drumont und Donon, bis 
zu bedeutenden Höhen von 1000 — 1465 Meter über die Meeres- 
flfiehe. Im Westen und Norden bildet es eine Ebene, aber nur 
mit wenigen wirklichen Fläcben, denn überall ist es wellenförmig, 
von Hügeln durchzogen, die an einzelnen Punkten wie in den 
Höben Ton Dehne, Mousson, Amance, Le<$mont, St. Michel bei 
Toul, M^mI*Ia*Horgne, Ligny und dem Bergkegel von Sion den 
Charakter von wirklichen Bergen annehmen. Die Haupthöben- 



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1. Die Zeit der KomerherrschafL 



punkte liegen nicht immer in der Centralkette und auch die 
Yerschiedenen Ausläufer derselben steigen mehmialH wieder be- 
deutend oiiipor. Sie sind aber so ziemlich abgerundet und keine 
eigentlichen Spitzen. In uralter Zeit haben offenbar die Vogesen 
auch eine Gletscherbildung gehal>t, denn noch sind za hlreiche ' 
Spuren davon erhalten, wie bei Gebweiler (Elsass), Gir('in:tgaj_^ 
und selbst in der Gegend von Keiuirempnt, und ihr verdanken 
offenbar die See'n von G^rardnier, Longemer und Fondrom^ ihre 
Entstehung, indem Muränen daselbst den Wasserablauf versperrten. 

In der Gebirgskette herrscht der Vogesensandstcin vor, wäh- 
rend die benachhaiteu Ebenen dem Tertiargebilde aii<;("li9ren; 
Mergel, Muschelkalk und bunter Sandstein sind üborgclagert. 
Ueber denselben treten Lias und oolitliische Lager auf luid über 
diesen wieder Diluvium und Alluvium. An Metallen ist das 
Land recht reich, aber die gi-osse Zahl der früliereirUergwerke'"" 
ist verlassen, wie jene auf Silber, B}^ und Kupfer im Leber^ ^',f y 
thale, bei Tliillot, Fresse und Remiremont und auf Blei bei^St. 
Avold und Hargarten unweit Bolchen. Dagegen gibt es gi'osse 
Lager von Eisen^ besonders auf dem linken Moselufer, das in ^ "^^ ^ 
starker Ausbeutung sich befindet, und noch weiter ausgedehnte ' ^ 
Lager von Salz, das besonders im alten Meurthedej»artcment 
eine Bank von etwa 20 Meter Dicke bildet, auch im Saarthale 
ziemlich reichlich vorhanden ist. Ausserdem ist das Land reich an 
anderen Mineralien, besonders an Steinen für Bauzwecke. ^laterial 
für Ziegelbrennerei, Porzellanmanufactnr und Glas, an Gyps und 
Sand. 

Im Ganzeil genonunen gehört Lothringen dem Stromgebiete 
des Kheins an, jedoch sendet es Gewässer auch nach dem mittel- 
ländischen Meere und dem Westen. Da, wo sich die drei Kan- 
tons von Kemiremont, Plombieres und Xortigny berühren, liegt 
der See Void-de-C6ne, dessen Wasser nach der Nordsee und dem 
mitteUändisclien Meere abfliessen und zwar nördlich venuittelst 
der Mosel, südlich vermittelst der Saöne. Die Hauptflüsse des 
Landes sind die Maas, Mosel, Meurthe, Saar, Nied, Soille, der 
Madon, die Urne und der Omain. Einige noch im Ge))iete des 
alten Lothringen auf den Vogesen entspringende Flüsschen eilen 
durch das Elsass unmittelbar dem Rheine zu. Von diesen ent- 
steht die Maas im Südwesten beim Dorfe Meuse, fliesst in nörd- 
licher Richtung über Bourmont zum Dorfe Bazoille, wo sie sich 
unterirdisch verliert, tritt bei Neufchäteau wieder zu Tage und 



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6 !• Budi: Von der Sltesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 



geht dann in gleicher Richtung über Commercy, St. Mihiel, 
Verdun, Sedan, Mezi^res und Givet, um nach Belgien überzutreten 
und neben dem Rheine in die Nordsee sich zu ergiessen. Die 
Mosel dagegen entspringt im Südosten in den Yogesen, am Ab- 
hänge des Col de Bussange, fliesst mehr nordwestlich über Re- 
miremont, Epinal und Pont St. Vincent nach Toul, wendet sich 
dann nordöstlich nacli Frouard und geht von da über Pont-ä- 
Mousson, Metz, Diedenhofen und Sierck nach Rheinpreussen, wo 
sie bei Koblenz in den Khoin fallt. Bei Frouard nimmt sie die 
Meurthe auf, welche ebenfalls auf der Westseite der Vogesen 
entspringt und in nordwestlicher Richtung über Baccarat, Lüne- 
ville, Rosieres, St. Nicolas und Nancjr fliesst. Die Saar entspringt 
am Nordabhange des Donon in zwei Armen und geht nördlich 
über Saarburg, Saaralben und Saargemünd und sodann nordwestlich 
an Saarbrücken und Saarlouis vorbei und unweit von Trier in 
die Mosel, nachdem sio unterhalb Saarlouis die Nied aufgenommen 
hat, welche aus der Vereinigung der welschen und deutsclien 
Nied entsteht und an Bolchen und Busendorf vorl)eifliesst. Die 
Seille kommt aus dem Lindresee bei Dieuze, fliesst westlicli an 
Marsal, Moyenvic und Vic vorbei, dann in nördlicher Richtung 
und vereinigt sich bei Metz mit der Mosel. Die Orne entsteht 
im Nordwesten beim Dorfe Ornes, westlich von Etain. fliesst öst- 
lich bis Tontlans, dann nordöstlich an den Eisenwerken von 
Moyeuvre vorüber und fiillt bei Kiebemont in die Mosel. Der 
Ornain endlich entspringt im äussersten Westen, südlich von 
Gondreeourt, tj-ebt nordwestlich über Ligny und Bar-le-Duc und 
fallt in die Marne bei Vitry-le-franyais. Die Saöne. welche dem 
Mittelmeere 7,11 fliesst, entspringt zwar auch noch in Lothringen 
bei Darney, tritt aber alsbald nach Burgund über. 

Der frühere Keiclithum an See'n und grossen Weihern ist 
längst sehr vemiindert. Von ersteren sind der See von Gerardmer, 
von einer Länge von 2000 Meter und einer Tiefe von 36 — 40 
Meter, sowie jene von Longeiner, Retournemer, Lispach, Fon- 
drome und der Lindresee zu envähnen; die meisten Weiber liegen 
noch in der Gegend von Etain. Auch MineralqucjUcn besitzt das 
Land. Abgesehen von den zahlreichen salzhaltigen Quellen des 
Seilletbals bat Lothringen die Minerabiuellen von Bussange, 
Contrexeville, Hains und Plombieres, von welchen die beiden letz- 
teren sich eines bedeutenden Kufes erfreuen. 

Wenn man früher das Sprüchwort hatte, in Lothiingen habe 



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1. Die Zeit der Bomerhemchalt. 



7 



Trockenheit niemals Theaenmg erzeugt, so ist dies heute weniger 
wahr, denn die frühere grÖBsere Feuchtigkeit und demgemfiss 
höhere Temperatur im "Winter hat in Folge der starken Ans- 
rodnng der Wälder sich ziemlich viel vi^rnündert. Man unter- 
scheidet zwei Zonen der Temperatur, die Vogesen und die Ebene. 
Erstere haben ein verhältnissmässig kaltes Klima und es wechselt 
die Temperatur daselbst solir rasch, während Kegen sehr häufig 
sind ; in der Ebene wechselt die Temperatur ebenfalls rasch, doch 
ist der Winter gewöhnlich gemftssigt und die Früchte leiden 
meistens erst gegen das Frülijahr, wo die von den Vogesen und 
Ardennen kommenden Winde häufig einen jähen liücksclilag mit 
Kälte bringen, die zwar nicht anhält, aber dafür Reben und 
Saaten erfrieren macht. Dennoch ist das Land recht fimchtbar 
und audi die Gesundheitsverhftltnisse sind besser als es den 
Anschein haben sollte. Ungesund und von endemischen Krank- 
heiten helmgesucht sind nur das Seillethal, sowie die Gegenden 
mit zahlreichen Weihern und morastigen Wäldern. Die alte 
Behauptung, dass Lothringen noch mehr Getreide erzeugt habe 
als jetet, scheint niclit begründet zu sein und auf dem Umstände 
zu beruhen, dass das Land seine Bevölkerung lange Zeit hin- 
durch vermindert sah. Während das Gebiet der Vogesen wenig 
Felderzeugnisse liefert, sind dagegen das Vaud^ont, Vormois 
nnd die Yoivre-Ebene sehr fruchtbar. Ausser in den Thälem 
Termisst man zahlreiche natürliche Wiesen, weil man viele der- 
selben dem Ackerbau dienstbar gemacht liat. Weinbau treibt 
man in der Ebene und besonders im Moselthale, man hat al)or 
leider demselben auch viele Gelände gewidmet, welcl^e dafär 
nicht geeignet sind, und selbst schlechten Rebensorten aus dem 
Grunde den Vorzug gegeben, weil sie mehr Wein lie^sm, obschon 
derselbe sehr schlecht ist. In den Vogesen findet man zahlreiche 
und grosse Waldungen mit uraltem Bestände, weil der Mangel 
an Verkehrsanlagen hier die Abfuhr verhinderte. Erst in- neuester 
Zeit ist dafür Abhülfe geschehen und gehen grosse Mengen Holz 
theils in Flössen, theils auf dem Landfuhrwege in den Handel, 
während zahlreiche Sägemühlen die Bäume in Bretter zerschneiden. 
Die Vogesen mit ihren hohen und dicken Eichen, Buchen, Tannen 
dnd Fichten liefern seit langer Zeit der französischen Marine die 
besten Holzsorten. Die Ebene enthält Eichen, Buchen, Hain- 
buchen, Birken, Eschen, Espen und Weiden. In letzterer hat 
man in dem vorigen Jahrhunderte zu viele Wälder ausgerodet. 



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3 L Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerliard Tom Elsasse. 

lim Ack<'rl)aufl;i( li(ni dafür zu j^^ewiniu'ii un<l ans d»'r Verwertbuüg' 
des Holzes (U'iiicindescluildt'n zu til<;('n. docli ist noch immer 
ein auselmlicluT Ji»'stand vorluindt'u luid der Waldvcrwüstuiig seit 
fünfzig Jaliie ziendirli Einlialt getlian worden. Der Waldlifstaiid 
gab übrigens auch Veraulussung für die IJegrüudung der Haupt- 
industrien des Landes, wie Sagemühlen . (Ilaslultten, Fa^ence- 
faljriVen, Ziegelhütten, und unterstützte wieder di»' massenliafte 
Ausbeutung der zahlreichen Salzlagcr, deuu sonat heiTücUte eine 
eigentliche Fabrikation im Lande niclit. 

Die älteste oder Urgeschichte des Landes kann man füglich 
den Naturforschern überlassen, denn wir hal>en es liier nur mit 
den Geschicken der liewohner zu thun. Aber auch diese liegen 
für ihre Anfange noch sehr im Dunkel und die (ieschiclite vermag 
keine völlige Gewissheit darül)er zu bringen. Wir wissen nur» 
dasB das Drangen und Treiben der Völker von der unteren Donau 
her ganz Mitteleuropa in Bewegung setzte und s(» eine völlige 
Verschiebung der alten Völker und V(dksstämme veranlasste. 
Zuerst wurden die Gallier hinter die Vogesen zurückgedrängt, 
dann drückten die Germanen auf den ziemlich starken Bund der 
Belgier und diese ergossen sich alsbald über die weite Kbene 
zwischen dem Rheine, den Vogesen, der Marne, Seine und dem 
Canale, verschmolzen sich al)er vielfach mit den älteren Bewoh- 
nern des Landes. So war die Saclie ungefähr um die Zeit ge- 
staltet, als im Jahre r)S vor unserer Zeitrechnung die Kömer 
die Unterwerfung von Gallien erstre))ten und ilir grosser Feldlien* 
Julius Casar daselbst mit seinen Legionen erschien. Seiner 
Kriegsgeschichte verdanken wir die ersten zuverlässigen Nach- 
richten über das Land, von wo an man überliaujit erst die Ge- 
schicke desselben verfolgen kann. Bei seiner Ankunft fand er 
im heutigen Lothringen drei belgisclu' Völker vor. Das erste, 
am nördlichsten wohnende, waren die Treviren, welche die 
Gegenden des heutigen Luxend)urg. des mittleren Moseltlials 
und um Diedenliofen , das untere Saargel)iet und selbst noch 
einige weiter nach Lothringen hinein reichende Theile bewohnten, 
jedoch in weniger dichter Weise, weil die fortwährenden Kämpfe 
mit den rückwärts wolmeiKien Germanen ihre Anzahl verminderten^ 
Den Treviren hatten sich auch die in den Ardeunen wohnenden 
Segni, Condrusi, l^iemani und Uaeresi untergeordnet oder unter- 
worfen, wählend östlich von den Treviren sich die Vangioneu 
und Carates nach Ueberschieitung des Kheins niederUcssen. — 



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Lothrin^ en 

unter der Roemerherrschaft. 




Juiiinkun Yuti 
f^nuiiiniim I 
atuAum 



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J. Die Zeit der Römerherrschaft. 



Südlieh von den Trevirou sassen die Medioniatriker, welche 
sich über ziemlich weite < Jet(«'nden verbriMtctcn. jt'(l<ii li im Osten 
und Westen auch bald etwas zurück<^tMlr;uiL;t wurden. Ihre 
Wohnsitze reichten im Südwesten bis C(»mmercv und Thiaucourt, 
entlani^ der Meurtlie bis Pixerecoiirt, Amance und an die Vezouse 
und vorüber dem Nordal)lianf(e des Donon )>is an den lihein, von 
welchem sie aber in der Folj^e durch die Tril)Ocken zurück^n'thängt 
wurden. Sjciter fol^^ten nördlich davon die \emeter dem Bei- 
spiele der \ angiouen und setzten den Medionuitrikern die ^^|Lresen 
als östliche Orenzsclieide. Im Westen <ci-enztr'M die Catalauni 
und Kemi, ohne al)er das Streben zu halien, sicli ostwärts aus- 
zudehnen. — Südlich von den Medioniatrikern wohnten die Leuci 
auf einem niclit minder ausgedehnten Kaume. Sie «grenzten im 
Westen an die Catalauner von Tsle en Barrois l)is Montier sur 
Sault, im Südwesten an die Lingoiies und oberhalb la Marclie an 
die Sequaner, welche auch die südlichen Grenznachbarn waren 
und bis zum Thale St. Amarin sassen ; von da an waren sie 
durch die Vogesen \(>n den Kaurakern und Tribocken getrennt. 
Zwischen dem Münsterthale und dem Donon drangen übrigens 
von Osten lier ebenfalls Deutsche ein und drängten die Leuker 
etwas zurück. Alle diese Begrenzungen waren jedoch niemak 
selir i^treng gezogen ; sie schwankten zu verschiedenen Zeiten und 
nach beiden Seiten ragte oft eines der Völker mit vorspringenden 
Spitzen in das Oel)iet des andern hinein. 

Nach der Scbilderung Cftsar^s konnte das so grosse Ge- 
biet eine sehr starke BeyOlkening damals nicht ernähren, denn 
die Qebirgsgegenden waren von undurchdringlichen Wäldern, die 
Ebenen von grossen Sümpfen bedeckt, die Flüsse überschwemmten 
häufig die Umgebung und dichte Xebel waren sehr häufig. Auch 
durchstreiften nocl] zahlreiche wilde Thiere das Land, wovon leider 
die Wölfe und Wildschweine noch zahlreich vorhanden sind. Da- 
mals gab es aber hier noch ziemlich viele Bären und wenn auch die 
Anwesenheit des Elenthiers bezw^eifelt werden mag, so zeigen doch 
au^efündene Ueberreste, dass der Auerochs auch hier vorkam. 

üeber die Bewohner selbst geben uns die BOmer nur geringe 
Auskunft. Die Leuci sollen sehr tüchtig im Werfen des gal- 
lischen Wurfepeers gewesen sein, die Treviren den Eri^wagen 
geschickti gelenkt haben und die Belgier nannte man die besten 
Reiter GaUiens, unter ihnen in erster Reihe die Treviren. Wie 



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jO ^ Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

also die kriegerische Boscliäftigiing im Vordergründe -stand, so war 
auch das Halten zahlreicher Mehheerden überwiegend und der 
Ackerbau mehr untergeordnet. I*ferde- und Schweinezucht wurde 
besonders gej)rtcgt und da letztere sich l)esonder8 die Wakhuästung 
angeeignet hatte, so stammen wohl von daher schon die vielen 
Wildsclnvoine , die A'on jeher in l.otliringen heimisch waren. 
Ueber die Beschaft'enheit der alten bewohnten Orte ist wenig mehr 
bekannt und Ueberreste sind gar nicht vorhanden, was auf vor- 
wiegende Holz- und Pfahlbauten deutet ; aber es gab schon einige 
grössere, städteartige Orte und das kleine Solimariaca (lieute 
Soulosse) zeichnete sich sogar durch die Auffindung zahlreicher 
Goldmedaillen ans, die in demselben verfertigt wurden. In religiö- 
ser Hinsicht vertrug sich die Vielgötterei der Gallier uiit der 
Dmidenlehre der Belgier. Genaueres daifiber ist nicht erhalten 
und nur spärliche Funde alter Götzenbilder und anderer Ueber- 
reste veimdgen uns einige Kunde zu geben. Alle drei Völker- 
schaften verehrten hiernach den Gott Tcutates, den man mit 
Mercur vergleicht und dem verschiedene Altäre in den Vogesen 
^ und sonst gewidmet waren. Die Leute verehrten ausserdem ver- 
_ - ^ schiedene Untergottheiten. So war es im genannten Solimariaca 
mit den mehr localen Göttinnen Solimara imd Kosmerte der Fall, 
in Decempagi am Lindresee mit dem GotTe Bugius, in Nasiimi 
und sonst mit den Göttinnen Nehalen und Epona und ähnliche 
Localgötter scheinen die meisten grösseren Orte verehrt zu haben. 
Die Gottesverehrung fand, wie bei allen diesen mehr nördlichen 
, Völkern, vorzugsweise in dichten Wäldern, Hainen und an einsamen 

Orten statt und diese Stellen wurden durch sogenannte ^lonhirs, 
Dolmen^ und Cromlecks bezeichnet, 'Tiohe einzelne Steine. Stein- 
't^\^ häufen und run^ Steinumwallungen.^ Von ersteren sind nur noch 
\^ vorhanden, nämlich bei Obersteigen, im Fossartwald bei 

^ I Remiremont, auf dem Berge von St. Arnould, zu JVIillery und 
; bei Götzenbruck unweit Bitsch, doch sind auch über diese noch 
Zweifel vorhanden. Von Dolmen hat man nm* noch Bruchstücke 
f Vi*'' spärlicher Art, z. B. bei Chazet^, östlich vom Thale Kougcs-Eaux; 
'.'t * von Cromlecks will man Keste bei Baccarat mit ciniu^'n Basreliefs 

\Ctf^^' * gefimden haben, welche letztere aber kaum mehr als solche zu 
. erkennen sind. In Solimariaca fand man noch ziemlich viele 
kleine Monumente, welche Bezug auf diesen Cultus haben, be- 
sonders Grabsteine von ungleicher Fonn, oben meistens in einem 
Dreieck endigend und oft mit sehr rohen Basreliefe versehen. Die 



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1. Die Zeit der HümerherrscUaft. 



11 



(liuiuif al)gebil(leten Versunen pfle<,'on oin Sagiim mit langen 
Aenncln zu tragen, das bis auf die Witte des Schenkels reicht» 
gewöhnlich einen Geldbeutel in der linken Hand. Schon letzterer * 
Umstand entzieht diesen Steinen einen weiteren Werth in Bezug 
auf den Cultus, dagegen belelii en sie allerdings etwas mehr über 
die Tracht der damaligen Belgier. 

Die Treviren kamen von diesen drei Stämmen zuerst mit den 
herannickenden I{()mern in Berührung und zwar im Jahre 58 vor 
Chr., als germanische Schaaren sich ihren Wohnsitzen näherten 
und sie bedrohten. Die Niederlage des Anführers der letzteren, 
Ariovist, y.erstreute zwar diese Furcht und die Treviren schlössen 
sich daher den Galliern niclit an, welche den Kömerfeldherm 
Cäsar um Hülfe gebeten hatten, aber sie gedachten wohl des 
Rückhalts, den er ihnen gewähren konnte, denn als der grös- 
sere Theil der belgischen Stämme ein Bündniss gegen die Römer, 
die för ihre Freiheit bedrohlich erschienen, schloss, hielten 
sich die Treviren und Mcdiomatriker davon fem und lebnteii 
das gewagte Unternelmien ab. Dadurch war Cäsar auf dieser 
Seite gedeckt und konnte seine Gegner unschwer besiegen. Die 
Treviren selbst hatten ihm sogar ein Hfilfsoorps von Reiterei 
gesandt, doch zogen sie dies wieder zurück, als die Römer bei 
Oamaracum gegen die Oallier den Kürzeren zogen. Cäsar tote 
diesen Rücktritt in die Neutralität nicht im feindlichen Sinne auf 
und musste wohl auch in Bezug darauf vertrauliche Erklärungen 
erhalten haben, denn er sah auch jetzt noch die im Osten dtzenr- 
den belgischen Stämme als seine Alliirten an. Freilich erfidir 
er andi von den fortwährenden Aufreizui\gen und Aufstachelungen- 
imter ihnen, welche diese Stämme zu feindlichem Vorgehen gegen 
ihn zu treiben suchten, und er entschloss sich daher, sich ihrer 
noch besser zu versichern. Deshalb drang er im Jahre 54 mit 
Tier* Lt giouen nnd achthundert Reitern in das Land der Trevirai 
ein, wo Induciomarus, ein unternehmender und gewandter Ffihrer, an 
der Spitze der Bewegung stand nnd die Treviren veranlasste, die 
Berathungen der übrigen Belgier zn beschicken und den Befehlen 
OSsar's Widerstand zu leisten, ja sogar die Gennanen zur üeber- 
schreitung des Rheins und HQlfeleistung'aafimfi^rdeni. Wahr- 
scheinlich folgte diesem . Führer nicht der ganze Stamm und 
erkannten Viele das Gefthrliche des Unternehmens, denn Cinge- 
torix, einer seiner angesehensten Führer, fbeilte dem Oftsar die 
Absichten des Indudomaros mit, der sich nach Kundwerdung 



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12 ^ Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard Tom Elsasse. 

derselben im römischen Lager eiligst in die Ardennen zurückzog 
und nun sogar Gesandte an Cäsar schickte, lun ihm friedliche 
Versicherungen zu geben. Cäsar schenkte denselben auch Glauben, 
aber dies machte den Induciomarus, der ohnehin auf den bei den 
■Römern wachsenden Einfluss seines Nebenbuhlt i s ( inp^otorix eifer- 
süchtig war, nur um so sicherer, so dass ov das Hülfsgesuch hei 
den Germanen erneuerte und eine Versanmüung der Belgier veran- 
lasste, den Cingetorix für einen Verräther und Feind zu erklären 
und den Krieg gegen die Römer wieder zu heginnen. Ohne 
grosse Mühe trieb er die an den Ufern der Maas aufgestellten 
Truppen des KömerfeldheiTn Labienus zurück, verheerte das Ge- 
biet der den Kömern befreundeten Kemi und vereinigte sich mit 
den Carnuten und Senonen. Labienus erwartete in seinem be- 
festigten Lager aber nur eine beträchtliche Verstärkung durch 
gallische Hülfstruppen, um dann über Induciomarus herzufallen 
und ihn zu acWagcü, wobei letzterer lunkam. Die Treviren Hessen 
sich hierdurch jedoch nicht beugen, lehnten das Erscheinen auf 
einer von Cäsar nach Lutetia (das heutige Paris) berufenen Ver- 
sammlung ab und schickten sich an, dem Labienus eine zweite 
Schlacht zu liefern. Letzterer traf mit grosser Klugheit seine 
Gegenmaassvegeln, nachdem er inzwischen zwei weitere Legionen 
an sich gezogen hatte, und verschanzte sich am Ufer eines Zu- 
flusses der Mosel, auf dessen anderem Ufer die Belgier sich la- 
gerten. Nachdem er einen Angriff in dieser festen Stellung ver- 
gebens erwartet hatte, grilf er zu einem andern Mittel, um die 
Gegner auf ein ihnen ungünstiges Gefechtsfeld zu locken. Als 
den Treviren nämlich eine Schaar Germanen zu Hülfe gekommen 
war, stellte er sich darüber bestürzt, brach in der Nacht das 
Lager al) und gab sich den Anschein, als trete er einen eiligen 
Rückzug an. Kaum hatten die Belgier dies erfahren, als sie 
sich sofort zur Verfolgung dos Labienus in Bewe<{iin<( setzten, 
den Fluss überscluitteu und auf Labienus an einer Stelle trafen, . 
wo sie die Masse ihrer Streitkräfte nicht entwickeln konnten. 
Da machte Labienus plötzlich Halt und Kehrt, fiel über die 
Belgier her, schlug sie auf's Haupt und Hess sie durch seine 
Reiterei verfolgen. Die Niederlage war so gross, dass die Tre- 
viren sofort allen Muth verloren und Labienus es leiclit fand, 
ihnen den von ilmen verjagten Cingetorix als Haupt einzusetzen. 
Um ihn in seinei- Stellung zu befestigen, hielt er es aber doch 
für gut, zwei Legionen in das Land der Treviren zu legen und 



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J. Die Zeit der Römerhemohafl. 



13 



ihnen dadurch allen Muth zu l)eu('lini(Mi, wioder auf neue Er- 
hebungen zu sinnen. Dennocli sandten die Mediomatriker im 
Jahre W2 den in Alisia von Cäsar besiegten Galliern fünf Tausend 
Mann zu Hülfe, welche aber deren grosse Niederlage nicht ver- 
hindern konnten. 

War nun auch der Hund der gallischen Stämme gesprengt, 
so wollten doch die Trevireii die Waffen noch nicht niederlegen 
und Cäsar beorderte daher den Labienus mit zwei Legionen in 
ihr Gebiet. Derselbe übertiel sie mit seiner Keiterei, brachte 
ihnen grosse Verluste bei und zwang sie so zur Unterwerfung. 
Diese war nun aber eine dauernde , denn diese Stämme kamen 
zur Einsicht, dass ihnen ein weiterer Widerstand nichts nütze 
und verhielten sich fortan ruhig. Cäsar selbst Hess ilmen die 
verschiedenen Erhebungen nicht entgelten und behandelte sii^ mit 
Milde, ja er vertraute auf die neue Haltung der Gallier so sein-, 
dass er aus denselben sogar eine eigene Legion l>i]dete, um die 
römischen Kräfte zu vorstärken, als er selbst im Jahre nO (Pallien 
verliess. um den Schauplatz seiner künftigen Grösse in Italien 
aufzusuchen. 

Gallien war nacli so vielen aufreibenden Kämpfen ermüdet 
und geschwächt und verhielt sich durch eine Anzahl Jahre voll- 
ständig ruhig; ja im Cfcfühle ilirer Schwäche riefen die (jallier so- 
gar den Beistand der Kömer an. als germanische Völker im Nord- 
osten ihr Land zu bedrohen begannen. Kaiser Augustus gab 
dem Lande sodann eine bessere Organisation , ohne an der Be- 
grenzung der Stämme etwas zu ändern, und richtete besondere 
Gemeinwesen (civitates) unter ihnen ein, die jedoch verschieden 
geartet waren , denn während einige Stämme ihre freie Sel))st- 
venvaltung behielten , wurden andere als Verlȟndete l>etrachtet. 
einige erhielten das lateinische Kecht und andere bliel>en in 
einein abhängigeren Verhältnisse. Die Treviren und Leuci er- 
hielten Namen und Vorrechte eines freien Volks, dasselbe wird 
auch für die Mediomatriker angenommen, obgleich aus einer Er- 
wähnung des Schriftstellers Plinius ein Zweifel daran sehr l)e rech- 
tigt ist, endlich wurden einzelnen henorragenden Personen und 
wohl auch Geschlechtern besondfro Vorrechte gewährt. 

Gewöhnte sich nun au<-h (lallien nach und nach an die 
Römerherrschaft und hielt man im Innern die Anwesenheit we- 
niger Truppen und den Dienst der für einzelne Städte errichteten 
örtlichen Wachmannschaften für genügend, während acht Le- 



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14 Buch: Yuii der ältesten Zeit bis zu CTcrhard vum Elsasse. 



gionen die Bhemflbergänge vor dem Andringen der Germanen 
sidierten, so blieb immer noch eine Anzahl muruliiger Köpfe, 
weldie den Verlust der froheren Unabhängigkeit und Freiheit 
nicht verschmerzen. konnten, die Verfolgung des religi()Ben Gattas 
mit Erbitterung ansahen und nur auf eine Gel^enheit warteten, 
um wieder eine Erhebung gegen die Bömerherrschaft zu unter- 
nehme. Unter Kaiser Tiberius im Jahre 21 nach Chr. &nd 
auch eine solche durch einen grossen Theil Galliens unter An- 
fthrung des Julius Florus aus dem Gebiete der Treviren statt, 
welcher, einer angesehenen Familie angeh()rig, eine Abtheilung 
im Lande ausgehobener Be|terei zur Erhebung veimocfate, seine 
Anhfinger bewaffiiete und cbum nach den Ardennen zog, um dort 
den Kampf zu beginnen. Aber zwei unter der Führung von 
Visellius und Cajns Silius stehende Legionen traten ihm sofort 
entgegen und sogar sein Landsmann Julius Indus zog mit an- 
deren Schaaren wider ihn, griff ihn an, zerstreute seine Anhänger 
und Florus selbst tödtete sich, als er sah, dass er dem verfol- 
genden Feinde nicht mehr entrinnen konnte. 

Da die Geschichte dieses Landes nur in jenen Jahren durdi 
die Schriften der Börner Aufkl&rung erhSlt, wo Kriegszfige und 
Erhebungen ihre besondere Aufrnerksamkeit darauf lenkten, so 
ist sie von da an wieder auf längere Zeit in Dunkel gehflllt, bis 
im Jahre 68 wieder eine neue Erhebung unter C^jus Julius.Vindex 
Stattfond, der sich gegen die tyrannische Herrsdiaft des Nero 
erhob. Verschiedene Stftmme, worunter auch die Treviren, blieben 
diesem Kaiser treu, sein Nachfolger Galba, der für die Erhebung 
Vergeltung nahm, behandelte die Treviren aber gerade so schlimm, 
wie die anderen, so dass eine allgemeine Unzufriedenheit entstand 
und die vier Legionen des Vitdlius. denselben im Jahre 69 zum 
Kaiser prodamirten. Die Treviren und andere gallische Stamme 
gaben dieser ErwShlung ihren sofortigen Bei&lL Valens, der 
Unterfeldherr des ViteUius, ging nun mit 40,000 Mann nach 
Italien, um den neuen Kaiser zu unterstützen, und zog das Mosel- 
thal herauf nach Metz, wo er mit seinem Heere gut aufgenommen 
wurde. Nun aber trat daselbst ein Ereigniss ein, dessen Ursache 
nirgends angegeben ist und sich so nur durch die Ungebundenheit 
der Truppen erklären lässt. Sie warfen sich .nämlidi plötzlich 
voll Wuth auf die Einwohner der Stadt, todteten deren vier- 
tausend und Hessen sich nur mit Mfihe von Valens beschwich- 
tigen und weiter fahren. Plinius, welcher diesen Vorfall erzählt, 



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J. Die Zeit der KSmerberracluifL 



15 



nennt die Stadt iiiclit mit di-ni gowOlmlii-lien Niimcn für Metz," 
sondern Divodunini . wcUlior Namen auf kejneni Denkstein unJ 
auch sonst nur einmal v<>rk( »mint, den man aber auf Metz bezielit, 
weil auf diesem Marsclm kcint' andere Stadt lag, wo die WutU 
der Soldaten so viele ()])fer zu tiiidcn venuoclit«'. 

Fortan J^ingen die letzten freiheitlichen Zuckungen im Lande 
nicht nielir von vormdmieii Stammesangehörigen aus, mlw lic- 
gründeten sich auf die alte Freilicitsliebe , sondern von sohdien, 
welche im rümisclien Solde standen und in den Streitigkeiten um 
den Kaiserthron Partei nahmen. Ks waren also auch meistens 
militärische Intriguen . welche ihr Handeln hestinmiten. Als 
unter \'itellius der Kataver Civilis den grossen Aufstand in*s Werk 
setzte , lun die Krauerlierrscliaft zu brechen . waren die Treviren 
auf der gegnerischen Seite und unterstützten die Körner. Zwar 
wussten die Belgier Classicua und Julius Tutor auch die Tre- 
viren für ihre Absichten zu gewinnen und die' aufgestandenen 
Stamme vernichteten auf dem linken Kheinufer die Keste der 
römischen Schaaren, auch erklärten Treviren und Lingonen im 
Jahre 70 wenigstens vertraulich ihre Zustimmung auf der Ver- 
sammlung zu Keims, aber das Unternelimen erschien sofort hoft- 
nungslos, als Vespasian mehrere Legionen in das Gebiet der 
Belgier schickte und die Führer der Treviren sich der Sache 
nicht gewachsen zeigten. Die vor Trier gelagerten Legionen 
zogen sich zu ihrer Sicherheit nur nach Metz zurück , um Ver- 
stärkimgen zu erwarten, und obgleich eine von ihnen zur Auskund- 
schaftung der Strassen ausgesandte Schaar von dem Aufrührer- 
führer Tutor vernichtet wurde, so wurde doch letzterer bei An- 
näherung der Kömer unter Sextilius Kufus von seinen Truppen 
verlassen und musste sich eiligst nach Bingen zurückziehen, wo 
er von Sextilius völlig geschlagen wurde. Tm weitern Verlaufe, 
des Kampfes l>esetzte Cerealis Trier, welches seine Soldaten plün- 
dern und verbrennen wollten, und rettete die Stadt nur mit Mühe 
vor diesem Schicksale, behandelte sie auch mild, um sie für die 
Kömerherrschaft dauernd zu gewinnen. Leider verfolgte Cerealis 
seinen Vortheil nicht weit»^- und Hess sich sogar in Trier von 
Civilis und Classicus überraschen und seine Keiterei in die Flucht 
schlagen. Mit Mühe eroberte er die lyioselbrücke zurück und 
vertrieb seine (iegner, verfolgte sie aber jetzt mit melir Kraft 
und drängte sie bis zu den Kheinmündungen hinab. Damit hatte 
dann auch der Aufstand ein Ende. 



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1$ L Buch: Von der älteste Zeit bis zu Grerhard vom Elsasse. 

Jetzt l)eol)achteten die Jiöiiier plötzlidi eine andere Haltuug 
gegen die Treviren, die schon so oft auf Seite ihrer Gegner ge- 
standen waren, denn sie verloren sogar den Namen der Freien 
und traten in einen niedrigem Kang zurück. Neue Erhebungen 
aus dem Schoosse des Vfdkes seihst fanden übrigens niclit mehr 
statt, da bisher alle Befreiungsversuche sich als vergeblich er- 
wiesen hatten , und die Römer l)ehandelten überhaupt (jlallien 
milder, da sie froh waren, des Landes sicher sein zu können, 
wahrend die herannahenden Wogen der von Osten her drän- 
genden Völker immer heftiger am lilieine und der Ustgrenze 
emporschlugen und sogar die gesammte Komerherrschaft bedrohten. 
Die Gallier gewöhnten sich im Verlaufe der Zeit auch innner 
mehr an die Sitten, die Künste und den Luxus der Uönier, ver- 
WTichlichten sich und erstickten so den Geist der alten Freiheit. 
Die Kömcrlierrschaft umstrickte das Land mit einer strammeren 
Centralisation zur Verstärkung ihrer Maclit, es wurden auch die 
römischen Gesetze allgemein eingeführt und ('ara< alla ging sogar 
noch weiter und ertheilte den verschiedenen unterworfenen Ova- 
tionen selbst das römisclie Bi'irgeneclit. 

Es schien eine fiitMlliclie Zeit bürgerlicher Entwicklung begonnen 
zu haben, als immer lieftiger die(iermanen nach dem Rheine hin 
imd über denselben drängten und die Römer alle Macht aufbieten 
mussten, um sie zurückzuhalten. Sellen beim Beginn der Regie- 
ning des Kaisers Valerianus, *254, l>rachen Franken und andere 
Stämme in Gallien ein und verlun-rten die T'fer des Rheinstroms, 
bis sie Posthumus im Jahre 2()() wieder zurückdrängte. Im Be- 
wusstsein, dass von hier aus die Rruuerherrschaft überhaupt am 
emptindlichsten )>edroht sei , verlegte sogar der Kaiser seine 
Hauptresidenz nach Trier selbst, welches damals als die Haupt- 
stadt von ganz Gallien galt. Trier gewann dadurch ungemein 
an Bevölkerung, Reichthum und l^rachtbauten und wurde sogar 
der Sitz einiger Kunst und Wissenschaften, Der römische Poet 
Ausonius gibt uns ein glänzendes i^ild von dem damaligen Zu- 
stande, W(dches freilich ottenbar übertriel>en ist, wie denn auch 
die Febertragung desselben auf noch andere Städte, wie z. B. 
Metz, nicht angeht, da er dieser Stadt nicht einmal gedenkt. 
Aber diese Blüthe konnte nicht lange dauern , denn bald nahte 
eine schauerliche Katastrophe. Fm das Jahr 2Ü4 — das Jahr 
sel]>st ist nicht gewiss festzustidlen - — brach unter (Jhrocus ein 
gewaltiges Heer der Germanen über den Rhein, verheerte Mainz, 



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1. Die Zeit der Höiuerherrsclial't. 



dessen Bewolmer ziun Opfer fielen, und nahm nicht bloss Metz, 
sondern plünderte und verbrannte auch die Süidt und nietzelte die 
Einwohner nieder. Diese Katastrophe war allerdings nur eine 
vorübergehende, denn Chrocus fiel bald und seine Schaaren zogen 
zum Rhein zurück, aber mit der Ruhe in Gallien war es vorbei 
und neue Einfölle folgten sich nun rascli nach einander. 

Um solche Einbrüche zurückzuweisen, verweilte Constantia 
der Grosse 313 und 314 in Trier und unternahm eine neue Reor- 
ganisation des Landes, das er in siebenzehn grosse Provinzen o 
theilte, wodurch neben den Gebieten der Treviren, Mediomatriker % 
und Leuci auch das neugebildete ^^er^.'lavi\ oder von Verdun ent- ^. /;' 7 , 
stand und zwar wesOTch von derMosel. Die hiernach umge- ]i'^/'}>/ 
bildete militärische und Verwaltungsorganisation sollte der Regie- 
rung mehr Kraft und Stärke geben imd in der That erleichterte sie 
auch den Widerstand gegen die eindringenden Schaaren, da man es 
nicht an Befestigungen fehlen liess. Von Valentinian I. begann man 
bereits die einzelnen Städte mit Wällen und Mauern zu umgeben, 
wozu man vielfach die Steine der heidnischen Tempel, Denk- 
mäler und die Grabsteine verwandte, es wurden Toul, Solima- 
ria^a, Decempagi, Scarpona und Metz besser oder neu befestigt, 
das System der Römerstrassen, die aber schon unter Augustus 
erbani worden, erweitert, verschanzte Lager errichtet und Wart- 
thünne auf den hervorragendsten Höhen hergerichtet, nm überall- 
hin sofort Zeichen zu geben, wenn ein Einbrach bevorstand, nnd 
man versäumte überhaupt nichts, um sieb namentlich gegen 
Osten und Norden zu decken. Aber alle diese Bemühungen 
waren auf die Länge der Zeit vergebens und die Einbrüche ger- 
manischer Volker vermehrten sich. Jovinus schlug zwar eine 
grosse Schaar Gennanen an der Mosel bei Scarpona zurück und 
drang dann noch weiter siegreich vor. Aber ein Erfolg war damit 
nur auf kurze Zeit gesichert und es half auch nichts, dass man 
ganze Schaaren dieser kriegerischen Stänome in Sold nahm, nach 
Gallien verpflanzte nnd in die Legionen einreihte. Die Zeit fQr 
I den Zusammenbradi des Römerreiclis war denn elmiuil gekommen 

nnd der Anstoss davon ging vom Rhein aus, nm in nicht zu 
langer Zeit das Werk der Vernichtung zu beendigen. 

Ueber den Zustand und die Verwaltung dieses Landes 
zur BAmerzeit sind ans nur wenige Nachrichten erhalten, denn 
die r(}mi8chen Schriftsteller berichten vorzugsweise nur über mi- 
litärische Dinge. Gewiss ist, dass die Verwaltung ganz ähnlich 

R ab n, 6«aehidite Lothiingen«. 2 



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1^ I. Buch: Von der ältesten Zeit bis ztk Gerhard Tom Elsassei 



4 



war wie in den anderen römischen Provinzen und dass sie auch 
durch dieselbe Art von Beamten geführt wurde. Doch richtete 
sich ihr Hauptaugenmerk wohl nur auf die militärische Sicherung 
des Landes, die Ausliel)ung des nöthigen Bedarfs von Soldaten, 
den Bau und die Unterhaltung der Strassen und des Postenlaufs, 
und ganz besonders auf die Erhebung der Abgaben, nämlich 
einer Grund- und Kopfsteuer, welche die meisten Beschwerden 
veranlassten , denn die Beamten suchten vom Volke so viel als 
möglich herauszupressen und wahrend ihrer Dienstzeit für sich 
selbst ein ansehnliches Vermögen zusiunmenzubringen. Auch die 
wenigen Städte hatten wohl eine entsprechende Venvaltuug und 
l'nterbezirke mochten in beschränktem Maasse ihre Angelegen- 
heiten selbst ordnen. Namentlich hatten sie Antheil an der 
Kechtsprechung. Wenn aber die einheimischen und französischen 
ilistoriker so weit gehen, auch die Kintheilung in (Jane (pagus). 
deren jed(^m ein Graf (comes) unter dem Gonsularis oder \'or- 
stand der l*rovinz vorstand, schon in diese Zeit zu verlegen, so 
greifen sie jeden (alls späteren Jahrhunderten vor, ol)schon man 
auch in Könierzciteu von solchen (Janen s})rach . die noch nicht 
die si)iitere Bedeutung hatten. In den Städten waren auch noch 
ciniLic andere kaiserliche Beamte . welche besonders für die 
Truitpeiivei'jifiegung Vorsorge zu tretfen hatten. 

AVie erwähnt, galt eine Hauptsorge der Erhaltung guter 
Militärstrassen und das Land war überhaujd damit sehr reichlich 
verseilen und die Strassen selbst vortrefflich angelegt. Nicht 
mehr alle Strassen sind uns aus alten Schriften und durcli ihre 
Ueberreste bekannt, denn mit der Zeit wurde ein Theil wohl in 
die neueren Strassen umgebaut, aber denrioch kennen wir die 
hauptsächlichsten derselben. Eine solche Strasse zog von Beims 
(Durocortorum) über Verdun nach Metz und theilte sich daselbst 
in mehrere Aeste. Auf dem linken Moseluter zog eine meistens 
noch erhaltene Strasse nach der rcuscli, dem östlichen Luxem- 
burg und Trier und eine andere erreichte auf der rechten Mostd- 
seite letztere Stadt. Von Metz ging eine Strasse über Deliue 
und Dieuze nach Saarburg. Zabern und dem Kheine, eine andere 
über Kemilly nach Saaralben, eine dritte zog auf der Hölic nach 
der Nied , Longeville und Saarbrücken um] ferner ging eint* 
Strasse die ^losel hinauf nach Scarpona (Dieulouard) und Toul, 
welche wieder ül)er Jiar-le-duc Keims erreichte. Xm der Mitte 
dieser Sti*asse bei Nasiuin aus war dieselbe durch eine andere 



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1. Die Zeit der Kümerherrschaft. 



19 



über Soulosse und NeutVliatean mit Lan^res verbunden. Endlicli 
zo<!; eine Strasse von Keims aus weit nördlicher über Arlon, Epter- 
nach und Trier nach dem Kheine. Von Basel - Äugst am Ober- 
rhein zog eine Strasse im Süden der Vogesen nach K^miremont, 
Epinal und dem erwähnten Scarpona. eine andere verband end- 
lich Langres mit Strusslturg. indem sie das Breuschthal durchzog. 

Auch auf die Scliilttahrt richteten die Kömer ihr Augen- 
merk und dass es eine solclie auf der Mosel gab , beweist eine 
in Metz anr<(efundene Inst hrift. Nach dem Berichte von Tacitus 
soll sogar der Feldlierr Lucius Verus die Al)sicht gehabt haben, 
durch seine Legionen eine ( 'analverbindung zwischen der Mosel 
und Saöne, also dem mittelländiscben Meere und dem Nordmeer, 
herstellen zu lassen. Ebenso sorgten sie auch dafür, die Flussufer 
zu sichern, jedoch stammt die Bn^uetage der Seille bei \'ic und 
Marsal wolil schon aus früherer gallischer Zeit, denn das schon 
4A nach Christus genannte Marsal ist geradezu darauf erbaut. 
Dieses ungemein starke Werk, das auf Sumptljoden errichtet ist / , 
und sogar die Festungswerke von Marsal zu tragen vermoclite, . < 
wäre also ein Beweis dafür, dass die ältesten Bewohner auch in 
dieser Kunst erfahren waren, obschou aus tlieser Zeit ke in Bau-^ 
werk mehr erhalten ist. ~~ 

Zur Kömerzeit war das Land nicht sehr dicht bewohnt, es 
gab nur wenige Städte und die meisten s]»äteren Dörfer scheinen 
nur aus Villa's der Reichen und Ansiedelungen der Sklaven her- 
vorgegangen zu sein. Schwer durchdringliche Wälder bedeckten 
noch die Vogesen, das Bitscher Land, den Hundsrück und die 
Ardennen und manche grössere Landesstrecke mag noch ohne 
alle Cultur gewesen sein. Die Bewohner, namentlich die freien, 
lebten vorzugsweise in den ziemlich zahlreichen Städten, die 
freilich meistens nur klein waren. Im Gebiete der Treviren, 
deren Mittelpunkt Trier später die Hauptstadt GallienB genannt 
wm-de und sogar zeitweise die Kesidenz einiger Kaiser war, 
lagen etwa vierzehn derselben, wie Epusum, Orolaunum, Ande- 
thanna, Beda, Ausava, Belginum, Salisso, Noviomagus und Kigo- 
dulom. Wie Metz schon kleiner war, so finden wir in dem Ge- 
biete der Medriomatriker auch nur kleinere Niederlassungen, wie 
Judicium, Aspicium, Caranusca, Ibliodm-um, ad duodecim, Pens 
Saravi, DecerapügT und an der Seille Bodesis Vicus und Mar- 
saüum. Im Bezirke von Yerdun lag bloss diese Stadt und zwar 
war auch diese nur klein. Dagegen war das Land der Leuci 

2* 



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20 Buch: Vuu der ältesten Zeit bis zu Uerbard vom Elsasse. 

^ wieder reidier daran, denn wir finden hier, ausser Toul, NasSum, 
Oatarigis, Noviomagus, Solimaiiaea, Scar|)oua, Grandes ina und 
es waren damals schon die B&der von Bains nnd HomMires in 
Benfiteong. Van kleineren Orten (vici) wissen wir nur durch 
die Auffindung alter Uebeneste yon Bauten, Gräbern, Münzen 
u. dgl., deren man an mehr als 200 Plätzen entdeckt hat. 
Grössere Bauten bestanden in der römischen Zeit vorzugsweise 
nur in Trier, Metz und Nasium, wo die hauptsächlichsten Be- 
hörden sich be&nden, Besatzungen lagen und diese auch fOr 
fdnere Bedürfiiisse zu sorgen suchten. Daselbst blühte dann 
natürlich ein gewisser Handel und grösserer Verkehr mit den 
NachbarUndem und es mögen auch schon damals einige Landes- 
erzeugnisse, wie Wein und Salz, Gegenstände einer nicht uner- 
heblichen Ausfuhr gewesen sein. 

Im Laufe der Völkerwanderung und des Mittelalters ist 
leider der grössere Theil der Uebeneste aus der Kömerzeit ffir 
immer vernichtet worden; aber noch enthalten einzelne Städte 
nicht unbedeutende üeberbleibsel. Zu Xngr befinden sich noch 
die Ruinen eines grossen Circus, ein festes Thor, Pfeiler der von 
Agrippa erbauten Brücke und selbst der älteste Theil der Ba- 
silica stammt noch aus jener Zeit. Zu Neumagen sieht man die 
Ueberreste eines grossen Palatiums, zu Igel ein prachtvolles 
Grabmal der Secundini und Metz hatte ein Falatium, alte Thore, 
Bftder und ein Amphitheater. Was man von einer Naumachia 
erzählte, beruht auf einer Fabel. Dagi geu bezog Metz sein Trink- 
wasser durch einen grossartigen Aquaeduct, der fön Gorze nach 
Ars, dann über die Mosel nach Jouv und von da nach Metz 
fOhrte. Ein Theil davon ist noch erhalten. Zu Decempagi 
entdeckte man die Ruinen eines Tempels und andere Ueberreste, 

^ ebenso zu Toul; in Grand sind noch die Ruinen eines grossen 
Amphitheaters zu sehen, wovon nur die gc^iie nicht mehr er- 
halten ist. Manche dieser Bauten sind erst in den letzten Jahr- 
hunderten zerstört worden; in Metz fielen die meisten derselben 
dem Bau der von den Franzosen errichteten Festungswerke zum 
Opfer und andere sind sogar erst im vorigen Jahrhunderte ab- 
getragen worden. In grösserer Anzahl fand man Begi-äbniss- 
stätten und Denkmäler auf. Es wechseln dabei Urnen mit der 
Asche der verbrannten Leichname und l^einisilrge mit einander 
ab und letztere zeigen oft das Bild des Begrabenen mit den 
Zeichen seines Standes oder Geschäfts, wie z. B. eine Waage 



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1. Die Zeit der KömerUerrschaft. 



21 



für den Kaufmann, eine Trompete für den Musiker, einen Hammer 
für den Schmied. 

Auf Riesen Denksteinen sind die Inschriften in hiteinischor 
Sprache ab<^efasst und zwar häutig niit halbbarharischen Worten 
vennengt, was beweist, dass dieses Volkslatein allgemein von 
den Gebildeten gesprochen wurde und ein gutes Latein selten 
war, obschon sich die römischen Schriftsteller Ausouius und Si- 
donius Apollinaris mit ihren lobrednerischen Sclirifteii dazu ver- 
steigen, die Keinheit des gesprochenen Latein zu rülmnm. Diesem 
gegenüber bezeugt der um das Jahr l^flO in Trier lebende hei- , 
lige Hieronymus, dass man dort noch die alte einheimische Sprache . 
redete und dieselbe mit jener der Galater Aelmlichkeit hatte. ^ 
Völlig aus der Luft gegriffen ist auch die Annahme französischer 
Schriftsteller, dass die gebildeteren Klassen in Trier und Metz 
griechisch gesprochen hätten, weil auf einigen Grabmälern grie- 
chische Inschriften gefunden wurden. Dieselben rührten aber of- . 
fenbar von Soldaten aus Unteritalien oder Griechenland her, " / 
welche im römischen Heere dienten und gar nicht vereinzelt waren. ' 

Die römischen Kaiser hatten in Trier auch für Schulen ge- 
^1^, worin wohl, neben dem Lateinischen und vielleicht auch 
Griechischen, Rhetorik, Philosophie nnd die freien Künste gelehrt 
wurden, und derselbe Hieronymus rühmt von ihnen, dass sie recht 
blühend waren. Kaiser Gratian berief an die Trierer Schule 
tüchtige Lehrer aus Italien und es lehrten daran der Bhetor 
Claudius Mamertinus und die Grammatiker Ursolus und Harmo- 
nius, sowie im vierten Jahrhundert der Poet Tetradius. Auso- 
niuB in seinem Lobgedichte ist voll Lob für die Ersteren und 
war selbst Lehrer des Letzteren ; da er aber darin von ähnlichen 
Schulen in Metz nichts weiss und über diese Stadt überhaupt 
stillschweigend hinweggeht, so hatte er wohl auch für seine Zeit 
nichts Bemerkenswerthes darüber zu erzählen. 

Einen sehr bedeutenden Einfluss übte die Bdmerhenrsdiaft 
auf die Religion und den Cultus. Der DruidendioiBt wurde aus 
politischer Rücksicht ganz besonders verfolgt ,^7lemi die Druiden 
mit ihrem geheimnissvollen Dienst an abgelegenen Orten übten 
IproBsen Einfluss auf die Bewohner und hatten wohl anc& M 
den verschiedenen Verschwörungen und Erhebungen die Hand 
im Spiele. Anders war es mit der gallischen Viel götterei der ^ 
Fall, welche vielfach ihren Göttern dieselBen Attribute beilegte, 
wie die Römer, so dass sieh beide Cultus mit einand«: Ter- 



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22 Buch: Vou der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 



schmolzen and die Gallier ihren Gdttem nach und nach die 
rdmisclien Namen gaben. So wurde Teutates von Mercnr, Camut 

^ TonJIaCß, Ardttina von Diana, Belen von Apollo und BS^iSia 
von Minerva vertreten und nicht minder &nden auch die Namen 
der untergeordneten GOtter Eingang. Zuletzt waren die Drui- 
dinnen ganz zu römischen Priesterinnen geworden und dnige 
behielten als solche sogar den Namen bei. Trotz der Verfolgung 
erhielt «sich das Druidenthum noch lange im Geheimen und erst 
dem Ohristenthume gelang es, dasselbe ganz auszurotten. In- 
sduiften, Statuen und Basreliefe sind noch genug erhalten, 
weldie an d ijBsen romisc hen Oultus erinnern. Jupiter wurde 
hiemach verehrt in Metz und Solimariaca, Juno in JRollainville, 
Pluto in Escles, Mars und Hercnles in Lamerey, Venus an vielen 
Orten. T empd hatten Diana in Metz, St. Moritz und Solima- 
riaca, Minerva bei St. Avold, Apollo, Castor und PoUux, sowie 
Erebus zu Metz ; Altftre der Veste fanden sich in Solimariaca und 
' ^andefflna, der Feronia bei St Avold. Auch gab es zahlreiche 
.Lgca lgdtter mit besonderem Gottesdienst, wie Vos^us, Bugiu s, 
lifinmis, Solima ra. Bosmerte, Eppna, Nehalen und Andere. Auch 
Statuetten der bis fand man und selbst germanische Ggiiter, wie Wo- 

^ dan und Irmensul, wurden bei Vand^mont Und Solimariaca verehrt. 
Das Chiistenthum ist jedenfalls schon frfihe durch einzebe 
römische Soldaten eingedrungen, ohne aber Verbreitung zu finden, 
welche erst im Mtteii Jahrhunderte durdi christliche Missionäre 
erfolgte und zwar wohl hauptsächlich von Trier aus, das auch 
die grsten (christlichen hisdidfe hatte. Als ei-ster Bisdiof wird 
hier der gegen l{5p erwähnte hei^e^Eniteius) genannt, welcher 
die heiligen Va|j^us und MatCTnus zu Nachfo^^m hatte. Als 
der Letztere nach Köln ging, hinterliess er den heiligen Agre- 
cius SÜ8 Nachfolger und dieser später den heiligen Mjaxiroinius^ 
welcher aus einer angesehenen Familie von Poitiers stammte 
und den Grund zu der Kathedrale von Trier legte, deren älteste 
TheUe noch erhalten sind und von den späteren Zu- und Um- 
bauten unterschieden werden können. Gegen 385 wurde der 
Jieüige Athanasius, Patriarch von Alexandria, durch Kaiser Oon- 
stantin nädi Trier verbannt und lebte dort einige Jahre. Seinen 
l^emühungen war es wohl zu verdanken, dass der vom Kaiser 
beschfitzte Axmnismus in diesen Gegenden keinen Eingang &nd 
und das unter seinem Vorsitze im Jahre 346 in Köln versam- 
melte Concil den dortigen Bischof Euphrates wegen des Arianis- 



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1. Die Zeit der Bomerhemchaft. 



23 



rniis absetzte. Der daselbst ebenfalls anwesende Maximin ^us hatte 
den heiligen Paulinus zum Nachfolger, der ebenso eifrig dem 
Arianismus auf dem Concüe zu Alles entgegentrat, daför aber 
vom Kaiser nach Phrygien verbannt wurde. 

Der heilige Hieron ymus kam um diese Zeit nach Trier, 
ebenso im Jahre 373 der heilige Mmt inns, der bei Kaiser Valen- ^ 
tinian nm einige Gnaden naehsnchte. Da er noeh zweimal dahin 
kam und in den Geruch als wunderthfttiger Heiliger gelangte, 
so war sein Eifer för die Verbreitung des Christenthums von 
vielem Erfolge. Auch der heilige A mbro sius suchte in Trier 
denselben Kaiser auf. Der BisohofFdix sass zwdlf Jahre auf 
seinem Sitze und zog sich dann in das von ihm gestiftete Kloster 
vor dem Thore von Trier zurück, wie man.ghiubt, wegen der 
damals zunehmenden Sectirerei. üeber die Anfinge des Bisthums ' - 
^Metz weiss man wenig Zuverlässiges. Als ersten Bischof nennt ' ; 
' man den heiligen Clemens, Welchem die Legende allerlei Wunder 
andichtete. Der Bischof Victor wohnte dem erwähnten Kolner 
Concile bei. Von den fibrigen Bischöfen von Metz aus dieser 
Zeit kennt man nicht mehr als die Namen und Fabeln der Le- ^ ^ 
genden. — Der erste Bischof von Verdun war der heilige S^n- ^.l-l 
tinus, der auch auf dem Condle von Köln war und dessen Nach- 
folger nur dem Namen nach bekannt sind« Das Bisthum Toul y^. 
scheint von Grande8in a_dahin verlegt worden zu sein und als 
erster Bischof wird .der heilige Mansuetus genannt , der aus der 
Bretagne- stammen soll und später eine weit verbreitete Ver- 
ehrung &nd. Alle Nachrichten über die ersten Zeiten dieser 
Bisthümer sind übrigens spärlich und es stehen nicht einmal 
die Namen der einzelnen Bischöfe fest, geschweige denn die Zeit 
ihrer Amtsführung. 

So sehr diese Lehrer des Christenthums fQr die Verbreitung 
desselben in diesem Lande wirkten, so erhielt sich das Heiden- 
thum noch sehr lange und es beweist sich dies am besten aus 
der grossen Z^ der alt^ Gräber mit den deutlichsten Anzeicheg.^ 
des Heidenthums. Kaiser Hononus ordnete zwar im Jahre 390 
die Zertrünunerung der heidnischen Idole an, aber in den abge- 
legenen Gegenden hielt es sich viel länger, in Stoßburg stände 
ein Herculestempel sogar noch bis 499 und die gänzliche Aus- 
rottung des Heidenthums war erst um die Mitte des sechsten 
Jahrhunderts erfolgt. 



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24 I* Bach: Von 6er Sliesten Zeit bis su Gerhard vom Elaasse. 

Dass es in diesem Kampfe zwischen dem römischen Ciiltus 
und dem (liristenthume auch hier nicht an Opfern fehlte, IftsBt 
sich hncht denken, aber man weiss von lieftigen Verfolgungen 
und IVIartyrem fast nur von Tner, w&hrend eie in Met2 und 
Verdun wolil gar nicht vorgekommen sein mögen. Dagegen soll 
, r Bischof Eucharius von Toul eingekerkert und beim Dorfe Pompey, 
/ am Zusammenflusse von^Iosel und Meurthe. enthauptet worden 
I sein. Aehnliche Schicksale erlitten nac-li der Tradition Elophius 
Ibei Grandesina, L ibariu s bei Mireoourt und Andere. 

In dieser Zeit besass das Land übrigens auch einige durch 
ihre Schriften bekannte Männer. Ausser dem in ^rier geborenen 
Jieilige n Ambr osius, hinterliessen Schriften der beredte Salvianus, 
St. Vincenz, Lupus, welcher Bischof von Troyes wurde, der hei- 
lige Severus und Andere. Ihre Schriften hapdelten aber mei- 
stens über geistliche Dinge und Streitigkeiten und nur Salvianus 
erliob aueh noch Klage über die Verdorbenlieit seiner ZeSTwefr- 
halb man ihn auch den Jeremias des fünften Jahrhunderts nannte. 
Derselbe war dabei der Einzige, der ein besseres Latein schrieb. 
Ihren Unterricht empfingen dieselben wohl &8t Alle in Trier, 
wo die Schule stark besucht war, denn anderswo gab es solche 
nicht und glöster begann man in diesem Lande jetzt erst zu 
errichten, zuerst bei Trier selbst, wo ein Bischof ein sdehes 
gründete, der wohl keine Ahnung davon haben mochte, wie reich- 
lich diese Anstalten dereinst in Lothringen emporschiessen sollten. 
Es ist aber für die Geschichte des Landes selbst sehr bemerkens- 
werth, dass alle diese Bischöfe und Schriftsteller ihm selbst ei- 
gentlich gar nicht angehörten, sondern von Römern oder fremden 
FamUien abstammten, dass die ganze Cultur eine fremde, bloss 
hereinverpflanzte war und kein einziger Einbeimischer in irgend 
einer Weise sich bemerkbar machte. Der alte Geist der Be- 
völkerung war unterdrückt und gebrochen und es bedurfte erst 
der nachfolgenden Stürme der grossen VölkerzQge, um den Boden 
zu. düngen, auf welchem eine neue Bevölkerung und ein &a die 
Cultur emplänglicherer Geist erstehen oder einziehen sollte. 



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2. Die Zeiteu der Völkerwanderung und tica auätrasischen Keichs. 25 



2. Die Zeiten der Völkerwanderung und des austrasischen Reichs. 

Literatur. Die erwälmten allgemeinen Werke; — Digot, hi-stoire 
du royaume d'Austrasie, Nancy 4 Bde.; — Huguenin (A.), lüstoire 
da royaame lUrovingien d'Aiutrarie, Paris 1862; — die Leben der Hei- 
ligen in den Acta Sanotorum der BoUanditten und Mabillon, Acta 
Sanctorum ordinis Sancti Benedicti; — Heurisse, histoire des eyeques 
de l'Eglise de Mets, 1634; — Benoit Picart, histoire de Toni; — 
Bertaire, bistoria episcoporum Virdunensium (in d'Achery Speeile- 
gium I); — Broweri, annales Trevirensos; — Dom Humhert Bel- 
h Olli nie, historia ^Icdiani Monastcrii ; - Koussel, liistoir«' de Vcrdun, 
])ul>liee ])ar l'abhA Lebeiif; — Hontheim, Historia Trevircnsies diplc»- 
Uiatica et j)ra^rmaticH ; — Felibien, liintoire de Tabbaye de St. Denys ; 
— Floduardi, historia üccleaiae Remensis ; — Hugo de Flavigny, 
Cfanmicon virdnnense (tm Ziabbe, Biblioth. n. M.); — Gregor von 
Tours, historia Franooram; — Fredegarii, Chronicon; — die ver- 
schiedenen Chroniken und Annalen in Perts, Honumenta Oermaniae 
historica. — Einzehie Heiligmleben und eine Keihe von Abhandlangen 
über besondere Punkte und einzelne Städte und Klöster. — Ad. Thierry, 
recits des temps H^rovingiens, Paris 1639, 2 vol. 



Die für Europa anbrechende neue Cultur sollte nicht un- 
mittelbar an die römische sich ausehliessoii , sondern die alles 
Alte über den Haufen werfende Völkerwaüdenmf,^ freien Platz 
schaffen für die von den germanischen Völkern ausgehenden neuen 
Bahnen, auf denen erst das Christenthmn sich recht entwickeln 
imd seinen höchsten f^influss üben konnte. Die Oberherrschaft 
des römischen Kaiserthimis setzte sich jedoch auch noch in dieser 
Periode fort, nur war es bald das oströmisclie Kaiserthum, das 
seinen Einfluss auf diese Gegenden bewahrte, aber freilich mehr 
dem Namen als der That nacli. 

Unter Kaiser Theodosius erfreute sich das lieich noch einer 
grossen Ruhe und nach der Schilderung von Claudianus schien 
die röniisclie Herrschaft in Gallien gesicherter als je, denn er 
erzählt uns, dass die Bewohner die kriegerischen Waffen mit den 
Werkzeugen des Ackerbaues vertauscht hatten, ihre Heerden fried- 
lich bis über den Rhein und im hercynischen Walde weiden 
liessen, mit Eifer den römischen Kiiegsdienst aufsuchten und 



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20 1. Buch: Von der ältesten Zeit bis /.u UerharU vom Elsasse. 

mit Oleichgültigkeit es mit ansahen, dass man seihst an ihre 
heiligen Haine die Axt anlegte. Als aber Theodosins im Jahre 395 
starb und seine eehwachen SOhne an seine Stelle traten, war es 
bald mit der Buhe in diesem Lande Yorhei und wenige Jahre 
',^r^Q darauf (406) setzten sieh die Allemann en, Yandalen und gueven^ 
in Bewegiiug, um den Bhein zu tn)ericit5%lten" iind"m "Öälieai 
einzudringen, worauf die rückwärts sitzenden Ydlker gleich&Us 
nachdrängten und die gleiche Richtung nahmen. Gallien war 
offenbar schwach besetzt und schlecht verthcidigt, denn nirgends 
wurde das Vordringen der östlichen Völker aufgehalten. Sie 
wälzten sich Qber Mainz und andere Punkte des Bheins bis zum 
n Moselthale und hier wurde sofort die blühende Stadt Trier ftber- 
wältigt, geplündert und niedergebrannt. Das besser "Cefestigte 
Metz wollte zwar Widerstand leisten, aber die Werke waren so 
vernachlässigt worden, dass kurz vor dem Anrücken der Barbaren 
ein Theil der Stadtmauer einfiel und sie dann ohne Widerstand 
eindrangen und auch hier das Werk der Plünderung und Ein- 
äscherung vornahmen. Das gleiche Schicksal hatten noch Soli- 
manaca und andere Städte ; überall wurden die Einwohner scho- 
nungslos niedergemetzelt und die Zerstörung und Verödung wurde 
so gross, dass man noch in neuerer Zeit unter alten Trümmern 
eine Menge dort unbegraben gebliebener Leichenreste, Schwerter, 
Lanzen und andere Waffen aufdeckte und alle gefundenen Stein- 
reste die offenkundigen Spuren des grosyen Brandes trugen. Bei 
dem furchtbaren Gemetzel blieb Niemand verschont und die Le- 
gende erzälilt, dass damals die im Lande am höchsten geehrten 
Geistlichen, wie der heilige Donatus, in der Nähe von Yaran- 
g^ville und der heilige Livier bei Marsal getödtet wurden. 

Die Folge dieser allgemeinen Verheerung war, dass das 
Land durch die ganze erste Hälfte des fünften Jahrhunderts mehr 
einer Einöde glich, worin sich die fremden Völker vertbeilten, 
um neue Wohnsitze zu gewinnen. Da und dort kehrten die alten 
Bewohner, so viele ihrer noch übrig waren, auf die Brandstätten 
ihrer Heimath zurück Und suchten sieh neu einzurichten; aber 
schon im Jahre 451 brachen wieder andere Völker mit noch 
grösserem Ungestüm herein und Metz wurde aufs Neue ge- 
plündert und niedergebrannt, wobei nodi zu Grunde ging, was 
das erste Mal verschont geblieben war. Die Hunnen drangen 
bis in die Mitte GaJlienB ein und wenn die Stadt Troyes dieses 
Mal nicht das gleiche Leos wie Metz erlitt, so verdankte sie es 



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2. Die Zeiten der Völkerwamlerung und des austrasischeu Keiclis, ;27 



bloss ilirom Uischofe, dorn lieili^en Lupus, dorn es durcli sein 
flehentliches IJitten ^'dun^; . Attihi zur Schonung zu bewe^i^en, 
wie denn auch von nun an seine iScliuiiren wenif^cr <(rausani er- 
schienen und bald wieder sich über den Rhein zurüi kzof^en. Die 
Römer scheinen nun wieder versuclit zu haben, ihre Herrschaft 
in Gallien wiederlierzustellen , und der im Lande eingeborene 
Kaiser Avitus. welclu^r 4").") - 4")!) eine kurze Herrscliaft führte, ^ ^ • 
kam sogar sell)st nach dem aus dreimaliger l^linäscherung wieder- ' 
erstandenen ^j ier , dessen Rewohn er sogar schon wieder daran 
dachten, die Circusspiele wiederherzustellen. Als er aber hier 
die Ehre der Frau eines Senators antastete . I)rachte er die Ein- 
wohner so auf. dass sie sich von der römischen Herrschaft los- 
sagten und den Franken in die Arme warfen, welche nach und 
nach sich den grössten Theil von ( Jallien unterwarfen. 

Von nun an bildeten die Länder des späteren Lothringen 
einen Theil der fränkischen Monarchie, die jedoch dem 
Namen nach unter dem oströmisclu^n Kaiserthuiue verbliei), bis 
sie sich auch davon ganz frei machte. Die (Jescliicke dieser 
fränkischen Monarchie bestimmten jetzt auch jene dieses Landes, 
ihre Erzählung gehört aber nui* insofern liierlier, als sie dasselbe 
näher betrafen und auf die zukünftigen Gestaltungen Einfluss liatten. 

. Die Franken, welche an den Mündungen des Rheins sassen, 

hatten sich längst nach den fruchtbareren Gegenden der Maas ^ 
und Sambre vorgedrängt und sogar mehrmals' Handelsbündnisse , 
mit den Römern geschlossen, um sie bald wieder zu bekriegen. 
Aus mehreren Stämmen einigten sie sich allnuilich in die zwei • 
Hauptgruppen der Salier und Ripuarier. Die Ersteren sassen 
vorzugsweise im belgischen Gallien bei Dooniik, die Ripuarier 
oder Uferfrankeu hatten sich von Köln bis Mainz und an der , . 
Mosel niedergelassen. Ihre älteste Geschichte ist sehr dunkel / 
und erst ihr König Chlodio machte sich durch seine Kriegsthaten 
bemerklich. Von seinen Sölmen herrschte Pharamund im Westen 
und Meroväus im Osten und liCtzterer wird als Stanunvater des 

» Hauses der Merovinger angesehen. Sein Sohn soll Childerich 

gewesen sein, der zu den Thüringern vertrieben und dann zurück- 
gerufen ward, in Doornik lebte und Vater des tapferen Königs 
Chlodwig wurde. Mit diesem Chlodwig beginnt dann eigentlich 
eist die fränkische Monarchie, da er für dieselbe einen festen 
Qnmd legte und dieselbe für künftig sicherte. Sein Aufenthalt 
war meistens Soissons und dort vermählte er sich auch mit der 



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28 Buch: Yun der alteateii Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

Burgunderin Clotilde (493), welche bereits den Christenglauben 
angenommen hatte. 



TMrick I. 



f 

Tlie«<iebald. 
t SM («»B?). 



Stammtafel der Merovinger. 



CbilMch. 

t 481. 



eiiiodiii?. 

466—611. 



t «M. 



ChOdtkcrtl. 

+ B»4. 



CbloUr 1. 

t 561. 

I .1. 



CloliM«. 

+ 681. 



ChMtwiM. l'harilifrt. Ikitnin. (:hil|i<-Tirli 

1 667. ,1 693. (Q.: rrdefiud«.) (ä.: kukiWe). 

tß»*. tB75. 

i 

' CliUtArll. Ckildelwrt 11. 

t<M. t SM. 



t688. teis. teis. 



CWwliiigliysiibertll^ 
(AuteMien). (Neu- 1 t«l\') 
1 866. Strien). \^ 



l^jjohcrl.if -V^Htlwjn.y ThMerifhIII. tliilderith. TT 
t^078. < y t ö»i. 



t 078. 



I 



ililidwiglli. VbiMobert III. 
t »»6. t ni 




Chlodwig war ein treuer Anhänger des Heidenthums und 
»eine Frau suchte ihn vergebens zum Christenthume zu bekehren 



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2, Die Zeiten iler Völkerwanderung und des austrasisclien Keichs. 29 



und er selbst; willigte nur selir ungern darein, den neugeboreiu ii 
Solln für den Claistenglauben taufen zu lassen. Aber so innig 
er auch an dem Glauben an seine Götter hing, so rasoli bewirkte 
der Kampf mit den Allemannen bei ihm eine gänzlithe I nistim- 
mung. Letztere drangen verheerend und mit grosser .Muclit 
gegen das Land der ripuarischen Franken und bedrolitiMi zunächst 
den in Köln sitzenden König Sigebert, der in seiner Noth Chlod- 
wig um Hülfe anging und mit ihm ein Bünclniss gegen die 
Beide bedrohenden Allemannen schloss. Wohl zog Chlodwig an ^ 
der Spitze des ganzen Frankenvolks herbei , alier bei Toll)iacum^ 
(Zülpich, zwischen Bonn und Aachen) kam es zu einer furcht- 
1>aren Sclilacht, worin beide Theile mit gleicher Erbitterung, 
Tapferkeit und Zähigkeit kämpften, so dass zahlreiche Schaaren 
der Franken fielen und der Kampf sich zu Ungunsten der Franken 
zu wenden drohte. Da gelobte Chlodwig in seiner gewaltigen 
Noth, künftig dem Christenthume zu dienen, wenn es ihm bei- 
stehe. Die Schlacht wurde mit neuer Wuth fortgesetzt und end- 
lieh neigte sich der Sieg den Franken zu, <ler König der Alle- . 
mannen fiel und seine geschlagenen Schaaren eilten, schwer ver- 
folgt, wieder dem Klieine zu. Nach seiner Heimath zurückkehrend, 
verlangte Chlodwig vom Bischof Ursus zu Toni einen Lehrer für 
das Christenthum, der ilmi sodann den heiligen Vedast mitgab, 
und Chlodwig zog feierlich, von seiner Gemahlin und dem Bischof 
Remigius empfangen, in Keims ein, um alsbald die Taufe zu 
empfangen. Doch mit dem (Jliristenthume zog nicht die christ- 
liche Milde in sein Herz ein, das nur rohe Kraft und barbarische 
Härte kannte und damit listige Verschlagenheit verband. Der 
Sieg über die Allemannen bewahrte aber dem Lande für lange 
Zeit Ruhe, die Allemannen erkannten Chlodwig's Oberhoheit an 
und an die Stelle ihrer bisherigen Heerkönige traten nun frän- 
kische Herzoge. 

Als Chlodwig im November oll starb, hinterliess er sein 
Reicli seinen vier Söhnen und das heutige Lothringen fiel dem 
ältesten, Theodorich 1., dem Sohne einer Concubine zu, um nun 
den Namen Austrasien anzunehmen. Dieser neue Herrscher 
war ebenfalls im Cln-istentluime erzogen und den Priestern des- 
selben zugeneigt, ja er soll sogar dem heiligen Nicetius, Bischof 
^yon T rier, eine tiefe Verehrung bezeugt haben, obschon dieser 
es nicht an häufigen Vorwürfen wegen seiner Fehltritte mangebi 
Hess, denn Theodorich war ein heftiger Mann von üblen Sitten, 



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i\0 I. Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 



^ der seine Gemahliu Wisigardis verstiess, oine vornelime Gallierin, 
^ ^»«'X- Deuteria. dafür iial im und es sogar duldete, dass sie ihre Tochter 
" erster Ehe bei Yerdun in der Maas ertränken Hess, weil sie be- 
fürchtete, durch deren Schönheit in der Gunst des Königs ver- 
drängt zu werden. Unter ihm ereignete sich wenig, was unser 
J>and näher betraf, und ist nur zu erwähnen, dass sein General- 
einnehnier dasselbe durch Steigerung der Al>gaben auf das Höchste 
reizte. In der f'urcht, dass die Ivlagen des Volks vor den König 
gebracht würden, suchte er selbst dasselbe zu Trier durch An- 
sprachen zu bescliwichtigen. aber dasselbe stürmte auf ilin ein, 
und obgleich zwei ßiscliöff ihn zu sichern sachten und ihn daher 
in der Metropole in einer Kiste \ erl)argen, so drang es doch auch 
hier ein. entdeckte ihn und band ihn an einen Pfahl, um ihn 
schliesslicli zu steinigen. 

Als Theodebald im Jahi'e 555 starb, vereinigte sein Gross- 
Oheim Chlotar r der in Soissons wohnte, wieder alle Staaten zu 
einem einzigen Keiche, nebst Thüringen und Alb?manmen, und 
führte einige glückliche Kriege, aber das Ende seiner Regierung 
war durch innere Wirren geti'übt und er selbst starb schon I . 
Nach seineni Tode wurde unter den Söhnen Guntram, Chilperichl 
und Sigb ert^ das Reich in die drei Königreiche Burgundien, Neu- 
strien und Au^trasien getheilt und Sigbert erhielt das Letztere 
mit dem Sitze in Metz, den er aber zeitweise mit Reims ver- 
tauschte, um leichter die Unternehmungen seiner Brüder zu über- 
wachen. Die ganze Herrschaft dieser Frankenkönige aus dem 
Merovinger-Geschleehte war nämlich nur eine lange Reihe von 
Freveln und Verbrechen, sowie der Ermordung der eigenen 
Pamilienglieder, so dass die Geschichte der Königsfamilien kaum 
grössere Gräuel aufzuweisen vormag. Sigbert selbst war noch 
der tüchtigste unter den Brüdern; aber er starb schon 575 bei 
^Titrv durch die vergifteten Messer zweier 'Mörder, welche seine 
Schwägerin Fredegunde von Neustrien gegen ihn gedungen hatte. 

Sigberts Tifmahlin war die schöne, über ränkesüchtige Brun- 
hilde, Tochter des Westgothenkönigs Athanagüd und Schwester 
der Gemahliu Chilperich's, die von demselben zu Gunsten seines 
Kebsweibs Fred^unde erwürgt wurde, worauf Brunhild ihren 
Geuiahl zum Kriege gegen Chilperich au&tachelte, in welchem 
Sigbert auf die.erwähnte Weise umkam. Sein erst fünfjähriger 
Sohn ( 'liildeberFwm-de vom Herzoge Gundobald nach I\[etz gerettet 
und alä König anerkann^ aber der Oheim (J hilperich |riB8 einen 



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2. iJie Zeiteu der Völkenvaud-.TUug uiul des austrasisi lien Keichs. 3I 



Theil Ton Anstrasie n an sich, starb jedoch schon auf der 
Jagd in der Nähe Ton Paris, von unbekannter Hanä^ ermordet. 
Brunhilde rei^rte. Anfaugs Sla ihren Sohn ChildebertlSnd dieser 
gewann später die Gunst seines Oheims Guntram von Burgundien 
so sehr, dass dieser ihn auf einer Zusammenkunft bei Pomjnerre am 
Mouzon zu adoptiren gedachte. Sie entzweiten sich zwar bald 
wieder, aber schon 587 fand eine Versöhnung auf einer Zusammen- 
kunft bei Lang res statt und gemeinschaftlich zogen sie sodann 



tigen suchte. Bald darauf entstand auf VeranlassiiDg des Herzogs 
Kaucliiii- eine Verschwörung fränkischer Grossen gegen Childebert{ 
und Brunhilde, aber Guntram u nterrichtete seinen Neffen von diesem 
Plane und liess derselbe den R auchig g und seinen Mitschuldigen 
Guntram-Boso in der Burg Castrum Vabrense im Voivre nieder- 
stossen, die übrigen Theilnehmer, die schon ein Heer bei Metz 
gesammelt hatten, hinrichten und entsetzte den ebenfalls bethei- 
Ügten Bischof Aegidius.jon Reims auf einem zuerst nachVerdun 
berufenen und dann in Mete gehaltenen ConciL Brunhilde wollte 
den BerfcheMed retten, aber derselbe wollte den ürsi o nicht ver- 
lassen, flüchtete in das Oratorium des Bischofepalasts von Verdun 
und wurde darin, weil Bischof Airy den Eingang schützte, von 
Kriegern, die auf das Dach stiegen, mit Steinwürfen getödtet. 
Der Bischof ward über diese Verletzung des Gotteshauses sehr 
erzürnt, aber vom Könige durch grosse Geschoß wieder ver- 
söhnt. Hierauf schlössen G^tram und ChildeberRen ^b^rtrag 
^on^^delot bei_Chaumont. """"^ 

Um diese ZeiCoOO oder 591, erlitt die Stadt Metz aufs 
Neue ein grosses Ungemach. Ein fränkisches Heer, das auf dem 
Wege nach Italien durch diese Stadt kam, liess sich nämlich 
durch den Beichthum der Einwohner verleiten, dieselben zu plün- 
dern und ausserdem noch grosse Grausamkeiten zu verüben. 

Nach Guntram*8 Tod, 593, vereinigte Childeber06urgundien 
mit Aust rasien, starb aber schon drei J^hre darauf und das Erbe 
wurde unter seine Söhne Theudebertnmd Theoderich^getheilt, 
von welchen der letztere Burgundien bekam. Beide waren noch 
sehr jung und die fränkischen Grossen, vor allen Pipin und 
Aimlf, s^^r^Piscl^f vo^ verwalteten das Reich; jedoch 
lEatte ihre Grossmutter Brun hilde den grössten Eiofluss. Als 
grosse Freundin der römischen Literatur war sie bestrebt, der- 
selben Eingang zu verschaffen, sie zog gebildete Römer in ihre 




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v(2 ^ Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 



Nfthe, sorgte für Strassen imd ihre Regierung war nicht ohne 
mancherlei Erfolge und Kuhiii. Aber sie war nicht glikklich 
in dem Kriege, zu welchem Fredeguncle.jhren Sohn Clilotar II. 
gegen sie anstiftete, um uu ihr liache zu üben und einen 'i'lw'd 
des Reichs an sich zu ziehen, denn das anstrasisch-liurgundisohe 
Reich unterlag l)ei Latotao. Fredef;unde starb übiigen.s l>ald 
darauf. Theodeberjjiind 'riieo(ieri(']ijp;ogen Ii02 siegreidi gegen 
das räuberische ßaskenvolk in den i\vrenäen und unterwarfen es, 
abe r bald^ ent /.weiten sie sich durch die Ränke linm^iildens, deren 
frevlerisches Leben inmior mehr ausartete. Wegen der von ihr 
angestifteten I]rm<»rdung des Herzogs \Vint rio war sie nach Hur- 
gundirii zu 'llu-odericd-n^eflüclitet. dem sie ihren römisclieu iiünst- 
ling Protadius zum Hausmeier gab. und nur di«' Krmordung des 
Letzteren ihncli eine burgundisclie Kriegsschaar verhinderte den 
ljrud(Mkrieg. Lin anderer Römer Namens (^hiudius wurde von 
ibr nun an die Stelle des Protadius gesetzt, sie hielt ihren KnhA 
von einer rt'clitniässigen Ehe zunick, um ihn ganz einem aus- 
schweifenden Leben zuzuführen. Hess den Bischof von Vienne 
steinigen mid vertrieb den heiligen Columban, der bei Luxueil 
ein Kloster gegründet und i)ir \'onvürfe ülier ihr Leben geniaclit 
Initte. Im .Jalire UOJ) kam es endlich zwischen den Jii üdern zum 
Kriege, nachdem Theodebert^Pieinem Bruder die allemannischen 
Länder entrissen hatte, und ein grosses burgundisches Heer zog 
heran. Bei 'Foul kam es zur Schlacht, in Folge welcher Tjiemle- 
l)ert nach Metz und Kidn Hüchten musste ; derselbe sammelte 
ein neues Heer, verlor aber abermals eine Schlacht ])t'i Zülpich, 
tiel selbst in die Hände seines Bruders durcl» \'errath und wurde 
nach Chalons gebracht, wo ilm Brunhilde zum ( Jeistlichen weihen 

' Und dann trxlten liess, während man den jungen Sohn ^leroväns 
mit dem Kopfe an einer Mauer zerschmetterte. Theodericn ver- 

- einigte sodann Burgundien und Austrasi(Mi. starb aber l)ald in 
Metz, als er eben daran war. gegen Chlotar IL zu Felde zu 
ziehen. Brunhilde gedaclite nun das Reich an ihren Urenkel, 
Sigbert IL, zu bringen, aber sie hatte die (_lrossen des Landes 
so sehr gegen sich aufgebracht, dass sie den Chlotar 11. herbei- 
riefen und als König anerkannten. Brunhilde suchte sicli diesem 
mit AVatlengewalt zu widersetzen, doeh als es zur Schlacht kom- 
men sollte, zogen die Burgunder und Allemannen, dureh den 
Hausmaier \\ 'ain;irli;ir iM-wngcn, nach Llause und ChIotarI.svurde 
Herrscher über das gesummte Reich. Die Sohne Theoderich's 



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I 



2. Die Zeiten der Völkerwandemiig und des austraslBchea Beichs. 33 

wurden getüdtet oder verschwanden sonst, Brunhilde erreichte 
aber noch ein scliändliehei-es Leos, denn Chlotar der Sohn "Jf 
ihrer Todteindiu Fredeguude, liess sie durch drei Tage furchtbar 
martern und (hmn von einem wilden I'lerde zu Tode sclileifen. 

Chlotar^war ein zwar leutseliger, aln-r schwacher Mann, 
ohne alle Energie und ganz \on seinen Frauen l»eherrscht, so 
dass es den Hausmaiern leiclit war. alle flacht in ihrer Hand 
zu vereiniucn und die Ilegierung allein zu führen, während der 
König sich mit !.iel)haberei»»n und den iilussen Ceremonieii d<'r 
konigliclien <Jewalt vergnügte und überhau})t nur dem Namen 
nach König war. Hh^e Hausmaier nun waren nicht etwa flie 
Schöpfung des Zufalls, sondern durchaus eine Xotiiwendigkeit 
wegen des immer tieferen Versinkens des Königshauses in l'n- 
luacht und Laster aller Art. Sie waren anfangs allerdings nur 
dem königliclien Hauswesen und dei- \'erwaltiuig der Besitzungen 
des Königgeschlechts vorgesetzt, aber allmälicli erweiterte sich 
ihre Macht, sie vergaben auch die Beneticien und ül>eriuihmen 
endlicli selbst die Ileeresfübrung imd ganze Kegierungsgewalt. 
alter sclum nicht mehr im Xamen des Königs, als vielmehr im 
Auftrag dei- (Irossen des Landes. Anfangs wurde diese AVürde 
vom Könige nadi Helieben verlieheji und zwar an Franken wie 
an Börner, jedoch wählten nach und nach die < irossen des Landes 
den ^\'ürdenträger, der damit gleichsam der wirkliche Kegent 
w urde. Wir sahen ))ereits. dass es für jedes der drei Länder einen 
besonderen Hausmaier (major doinus) gab. Ins die Vereinigung ' 
derselben zu einem einzigen Keiche auch nur einen einzigen 
Hausmaier rathsam und uothwendig machte und der Hausmaier 
Pipin von Landen mit dem Beistande des Bischofs Arnulf von Metz 
diese "Würde seiner eigenen Familien dauernd zu sichern suchte. 

Chlotar IL vereinigte zwar die drei Länder in seiner Hand, 
jedoch sah er sich schon 022 auf Drängen der (Irossen, welche 
die Selltständigkeit Austrasiens nur mit \\'iderwillen aufliören 
sahen, genöthigt, das Beich seinem Sohne I)ag(d>ei t~izu übergeben,_ 
wobei er sich bloss die westlichen Bezirke und die Wälder der 
Ardennen und \ ogesen als beliebte Jagdl»ezirke vorl)ehielt. Die • 
^osse Jugend Dagobert'siwar natürlich auch <j:anz geeignet, die 
Macht des Hausnuiiers wachsen zu lassen, zumal der ihm be- : 
freuiulete Metzer Bischof ihn mit seinem grossen Ansehen unter- 
stützte. Dieser Arnulf war zu Lay bei Nancy als der Sohn eines 
Beamten des Königs Childebert geboren, erhielt guten Unterricht 

U u Ii a , üeschichto Luthriugens. ' O 



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34 !• Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 



und lebte zwar anfangs als Anachoret, widmete sich später aber ^ • 
auch dem Kriegsdienste. Seine Verdienste bewirkten dann ^644^ i * ' 
nach dem TikIi» des Metzer Bischofs Tapolus, seine Erwählung ^ 
zu dessen Nachfolger und Arnulf (Arnould) nahm an, nachdem 
er sich von seiner Frau Doda getrennt hatte* In dieser A\'ürde 
war er als L'atligober bei Dagobert bald von grossem Einflüsse, 
erwarl) sich jedoch auch durch den frommen Sinn und Wohlthätig- 
keit die Liebe seiner Gläubigen, ^o dass das ganzo Land sehr 
betrübt war, als er später sich in die Einsamkeit der Vogesen zu- 
j^'^l rückzog. Er sell)st hinterliess von seiner Frau zwei Söhne : Chlodulf, 
'((er später Bischof von Metz wurde, und Ansigiaes, welcher Pipin's 
Tochter^ega) heirathete und Vater von Pipin von Heristal ward. 

Dagobert, welcher vier Frauen und eiiii<ro ( 'oncubinen hatte» 
einen grossen Aufwand dafür machte und deshalb die Lasten des 
/>. Landes erhöhen musste, trat nach dem Tode des Vaters die 

' ganze Erbschaft ab, überliess Austrasien seinem Sohne Sigbert J,7~ 
' ' • und es gab nun wieder drei Hausmaier für die «inzelneii^jLänder, ? 
nämlich Pipin, Cunibert und Adalgises. Nach Dagobert si Tode 
((j:;s), wo der andere Sohn, Chlodwig IL, Neustrien bekam, kehrte 
Pipin wieder nach Austrasien zurfu k, leitete mit Cunibert gemein- 
A(>A schaftlich die Geschäfte und starb -ttin. worauf <nn Sohn (hi moal d 
^ *' ihm im Amte nachfolgte. Derscllic hatte jedoch in Otto, dem 
Erzieher des Königs, einen eiuflussreichen ^«iebenbuhler und schritt, 
unterstützt von (.'uuibert und seinen Vei-wandten, alsbald zu dessen 
Beseitigung, indem er ihn ermorden liess, wie überhaupt derselbe 
ein gewaltthätiger Mann war, der dabei einen grossen Ehrgeiz 
besass und schon die Keime der künftigen Pläne seiner Familie 
in sich trug. Der junge König Sigberi^^ ar ein ruhiger Mann, 
der den Krieg fürchtete und besonders der Kirche gewogen war, 
weshalb es denn auch die Geistlichen nicht schwer fanden, ihn 
zu Klosterstiftungen und Geschenken an die Kirche zu bewegen. 
Mit Ausnahme von St. Martin vor Metz lagen die von ihm ge- 
gründeten Klöster jedoch nicht mehr in Lotlu'ingen, sondern in 
seinen audereii Ländern. (Jegenüber solchem Könige glaubte 
Grimoald sich uieiir erlauben zu dürfen, denn als Sigbert's^e- 
iiiahlin nocli ohne Kinder -war, wurde derselbe von Grimoald zu 
dem Versjn-eclien t;('l)racht. im Falle der Kinderlosigkeit seinen 
Solln ( hildeiiert zum Nachfolger zu erklären. Doch g<'bar die 
Königin einen Sohn l)agol)i'rt)l wodurch sein Plan vereitelt 
wuide. Aber es geschah nur für kurze Zeit, denn als äigbertj]! 



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2. Die Zeiten der yölkerwandenmg und des anstrasischen Reiclis. 35 

im Jalire 656, starb, bemächtigte sich Orimoald dessen noch nicht 

fünf Jahre alten Sohne^liess ihm die Haare scheeren, ihn heim- lF%9A'fl;$i 

lieh nach Schottknd bringen und die Knnde von seinem Tode 

verbreiten, wie er denn auch för ihn prächtige Obsequien halten 

liess, worauf er wirklich seinen Sohn Childebert auf den Thron 

setzte. Dies war aber den Grossen des Reichs nicht angenehm, 

die sich zwar das schwache EOnigsgeschlecht gefiülen liessen, 

aber keinen der Ihrigen an dessen Stelle treten lassen wollten. ^ ^ y 

Sie empörten sich also wider Grimoald, tödteten ihn nebst seinem ßl^ß^^Uj 

Sohn im Kerker und gabe^die Krone an den Merovinger Chlod- " ^' 

wig n., da sie den jungen DagoberAlar gestorben glaubten. 

Chlodwig^tarb balcOdarauf und hinterliess das Land seinen Söhlen y y ^ 

Childerich IL, der Austrasien bekam, und Chlodwig m., der aber ' '* 7 ' ' * 

bald darauf mit Tod abging, worauf die fränkischen Königreiche j 

wieder vereinigt wurden. 

CMhU'iich II. nahm seinen Sitz in Xcustrie ^und Auslnmen ^ ,,^f 1^ 
wurde vom Hausmaier fMfg^ P und der Wittwe Sigbert's ver- ü^'^'l^ 
waltet. Als aber diese Wittwe Mrechilde erfuhr, dass ihr Sohn 
auf der britischen Insel noch am Leben sei, erlangte sie durch 
Wilfried . Metropolitan von York, dessen Zurficksendung und 
Childerich übergab ihm sodann das Elsass und Schwabs. Aber 
DagoberAregierte in diesem kleinen Lande nur wenige Jahre, 
denn als Chüdericlri. J. 673 ermordgL war, wurde sein in St. 
Denis eingesperrter Bruder Theodericr^um König von N eustrien ' j 
ausgerufen und Dagobert auf Wilfried's Betreiben auch m Austra sien 
wieder eingesetzt. Obschon von friedlicher Gesinnung, war er 
doch gegen 678 genöthigt, • gegen Theoderich in Austrasien und 
seinen gewaltthätigen Hausmaier einen Krieg zu fuhren, der die 
Grenzländer mit wilder Verheerung überzog und viele Kirchen 
in Brand aufgehen liess. Dagobert aber wurde wohl auf Betreiben 
Ebroin*s auf einer Jagd in den Wäldern des Yoivre, oder in den ^ 
Ardennen selbst von seinem eigenen Pathen Jean, am 23. De- Q<fi^ . 
cember 678 ermordet. Nach dem Gorzer Ca^toium hiess der / 
Mörder Grimoald. Ebroin gedachte sicherlich die Früchte dieses 
Mordes zu erndten und hatte auch verschiedene Grosse a\)f seiner 
Seite, aber das Volk selbst und die bedeutendsten Lehensträger 
vereitelten seinen Plan, indem sie in Ermangelung eines Sohnes 
von Dagobert IL, der wohl auch ermordet war, die Begierungs- 
gewalt von Austrasien in die Hände Pipin's von Her istal (w^) ' - - 
Martin as. Verwandter desselben und wahrschefSü^^äm^es mefr- " ^ 

3* 



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36 ^* Buch: Von der ältesten Zeit big zu Oerhard vom Elsasse. 

crwälmten Arnulf, legten. ^lieide^nabmen mm den Titel Herzoge 
an. ])estatteten den Dagobert^ feierlich in Stenay, versammelten 
die Grossen des Keichs nnd beschlossen, den Krieg gegen Ebroin 
fortzuführen und möglichst in Neustrien einzudringen. I^ei LocafaG, 
iinweit von Laon, kam es zur blutigen Sclilaclit. worin El)roin 
^it'gte. Pipin konntt^ sich flüchten, aber INIartin. der sich in Laoii 
einscliloss, Hess sich durch das Versprechen Ebroin's, sein Leben 
zu schonen, verlocken, zu ihm in's Lager bei Ecrv sur Aisne zu 
kommen, wo er mit seinen Gelahrten ernmidet wurde. Pipin sam- 
melte inzwischen ein neues Heer in Austrasien. um Ebroin am Vor- 
dringen zu verhindern ; da letzterer aber ein(^m angesehenen Franken 
seine Güter rauben wollte, so erschlug ihn dieser. Aber seine Nach- 
folger waren nicht minder gewaltthätig, viele Grosse und Bischöfe 
sahen sich genöthigt. in Austrasien Schutz zu suchen, und Pipin 
benutzte klug diese Sachlage, um entscheidend gegen die traurig 
Wirthschaft in Neustrien vorzugelien. Pei Testri ^ der Sonm^ 
unweit von St. Quentin. kam es zur Schlacht, (cler Hausmaier 
Berchar von Neustrien wurde getödtet^ König Theoderich III. war 
froii, die königliclien Ehren zu behalten, und Pipin wurde so Herr 
von Austrasien. Neustrien und Burgundien. indem er zugleich die 
iTäusmaierstidle in seiner Familie erblich machte. Die Grossen 
waren um so mehr damit zufrieden, als sie dasKegiment des so lange 
in furchtbarer Verwirrung gelegenen Landes in festen Händen und 
die Ruhe gesichert sahen ; Pipin selbst schlug seinen Sitz im 
Königspalast von Austrasien zu(^Ietz )auf und ernannte einen 
Anderen, Namens Norltert, zum Hausmaier von Neustrien, aber 
nur als seinen Stellvertreter. 

Pipin's Kegierung und wohlthätige Thätigkeit erstreckte sich 
weit über sein (jel)uitsland hinaus und legte den eigentlichen 
Grimd zu der späteren Herrschaft Karl's des Grossen In Austra- 
^sjen zunächst waren seine Erfolge sehr gross. Er regierte mit 
Kraft und Energie im Innern und nach Aussen und während 
er im Lande strenge Ordnung hielt, die Ueliergi'iffe der Grossen 
abwehrte und die rohen Sitten und Gewohnheiten der Einwohner 
zu mildern suchte, brachte er die Allem annen zum Gehorsam, 
die Friesen zu einem Friedensvertrag und siclierte die Grenzen 
nach allen Seiten. Die merovingischen Könige führten nelien 
ilmi nur eine Scheingewalt. Theoderich III. starl) GJM und an 
seine Stelle traten die Söhne Chlodwig III., der schon 695 starb, 
und Childebert HL, der bis ill lebte, worauf Pipin dessen Solin, 



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2. Die Zeiten der Völkerwuideniiig und des austnaischeii Reichs. 37 



l)agol)ert III., auf den Thron setzte. Aber Pipin selbst nahte 
sich seinem ImuIo ; als er schon auf dem Krankenbette lag, wurde 
sein zur Naclifolge bestimmter Sohn Orjjiioald von einem Friesen rj fu 
in der Kirche zu LütticU erschlagen und Pipin selbst starb ani y 
16. December 714. 

Sein Tod seinen für das Land verhängnissvoll werden zu 
wollen und neue StfliTiie brachen über dassell»e lierein. Pipin's 
AVittwe, die ebenso kluge als thatkräftige ^ayerin-lMechtrudis, 
suchte nämlich die NaclüV»]ge ihrem Enkel TlTeudould zu sicliern " 
und sperrte daher Pipin's Sohn Kurl, den er von einer Toncubine, 
Namens Alpheida, besass, in Köln ein ; aber es entstanden darüber 
sofort Wirron und Xeustrien wählte sogar den l^aganfried zuni r '\ 
Hausmaier, der sofort in Austrasien einfiel und siegreich vordrang, "'M 
(^wobei der genannte Theudoald umkam.^ Um die Herrscluift des 
' pipiuischen (iesclilechis schien es schon geschehen zu sein, als 
Karl seiner Haft plötzlich entrann, die Freunde seines Hauses 
vereinigte und mit stets erneuertr'n Kräften den Krieg ^egeii 
Neustrien l)egann. Derselbe dauerte unter wecliseh ollen W'en- 



düngen zwei Jahre lang, aber dann schlug Karl in der 
Entscheidungsschlacht von Yincy be i Oxmbrai den Kaginfried so 
vollständig, dass er seine Gegner bis vor Paris verfolgte. Der 
Tod ihres Sohnes stimmte nun auch die AVittwe Pi]»in's günstiger, 
sie übergab ilirem siegreichen Stiefsohn Köln und ihre Scliätze 
und nun führte JvarJ mit unausgesetztem Glück den Krieg weiter, 
bis er im Jahre T^ü, i^ii vollständigen liesitze der Herrscliaft J'*^^ 
seines Vaters war. Seine Kriegsthaten erwarlten Karl den Namen 
^ Här tel oder der Hammer, denn er besiegte sogar die Aral»er^ 
welche aus Spanien in Frankreich vorzudringen suchten, und da 
er auch gegen seine getreuen Anhänger sehr freigebig war, so 
befestigte er seine Macht so sehr, dass er sogar während der 
letzten Jahre seines Lebens der merovingischen Schattenköiiige 
entbehren zu können glaubte und keine mein- einsetzte. Nach 
so ruhmvoller Tliätigkeit wurde er im Palaste von Verb»'ri(^ 
ki'ank, berief die Grossen seiner Keiche Austrasien und Neustrien 
um sich und vertheilte mit deren Zustimmung die fränkisilien 
Keiche unter seine zwei Söhne, nämlich Austrasien und die Länder « » 
jenseits des Ulieins an Karlomann, Neustrien und Ihirgundien aber j^* 
an Pipin den Kurzen. Er selbst starb am "i'i. October 74 1 und 
wurde im Dome zu St. Denis feierlich bestattet. Seine Srtline 
und Erben setzten nun den Childerich IIL wieder als Scheinkönig 



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38 ^ Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 



auf den Tliron. aber wolil nnv. um da-lurcli die Einheit des Reichs 
darziLstellen und zu l)ewahr('ii. Karloinann eiitsa«"te schon 747 
der Kej]fierunf( zu Gunsten seines Solines Drogoi und u'inLi: in ein 
Kloster; al)ei Pipin fand es schon uacli einigen Jaliifii aus Hhr- 
geiz und politischen Kücksichten für gut, die Dojipelregiorung 
überhaupt zu beseitigen und eine Alleinherrsdiaft herzustellen. 
Er steckte daher Drogon und dessen ßrüder in ein Kloste?)und 



überflüssig, ein Scheinkönigthum nocli neben sich bestehen zu 
lassen, unl er vermochte daher den Papst Zacharias Iciclu, 
seine Einwilligung dafür zu geben, dass seine Dynastie an die 
»Stelle der entarteten und abgeschwächten ]\Ierovinger trete. Er 
verwies daher im" Jahre T")! den König Childericli IIL nebst 
seinem Sohne Theodericli als Möndie in das Kloster St^ Ik'rtin 
und Hess sich vom 3lainzer Erzbischof Bonifacius, dem Apostel 
der Deutschen, zum Könige des Frankenreichs krönen. Das Ge- 
schlecht der Merovinger trat so vom Schauplatze ab und die 
Karolinger erörtheten eine neue, grossartige Epoche. 

_ In dieser merovingischen Zeit spielte das heutige Land 
Lothringen seine grösste und wiclitigste Uolle , denn es bildete 
das Königreich Austrasien, hatte in seiner Mitte dessen Haupt- 
stadt Metz und war öfters massgebend für das ganze fränkische 
Reich. Aber die liarbarischen Sitten der Zeit, die fortwährenden 
Kriege und der Mangel an l^ildungsstätten l)ewirkten, dass diese 
Herrschaft keine dauernden Spuren von Bedeutung und Nachwir- 
kungen hinterliess und der Glanz des Königthums so rasch wieder 
über dem Lande erlosch , als er darüber aufgetaucht war. Die 
Hauptwürkung dieser Herrschaft zeigte sich überhaupt in erster 
Reihe nur in der allmälichen A'erschmelzung der alten römisch- 
gallischen Bevölkerung mit den Franken, die sich in ihrer Mitte 
niedergelassen hatten und zwar als Sieger gekommen waren, 
aber vermöge der mehr hingebenden und empfänglichen germa- 
nischen Natur die Macht der römischen Bildungsformen leichter 
auf sich einwirken Hessen. Letztere bewahrten unter ihren Heer- 
führern ihren kriegerischen Geist und bethätigten ilm wiederholt 
in den verschiedenen Kämpfen, was aber die Künste des Friedens 
betraf, so blieben dieselben in den Händen der Romanen, denen 
daher die Verwaltung und Rechtspflege und der spärliche Beialeb 
der Wissenschaft oblag, wie denn die Mehrzahl der ersten Beamten 
und Bischöfe schon durch ihren Namen ihre rdmische Abstam- 




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2. Die Zeiten der Völkerwandeniog und des auatrasMchen Beichs. 39 

inun<^ zeigte. In der \'f'r\viiltunL( horrsc-litfi die r^mische Sprarli*^ 
so <^ait vor, wie in der Kindie und hei den Vornelunen, das rö- 
iiiisclio (lorichtswosen orliitdt sich zumal in den Städten und im 
»Süden . die l)isherigcii römischen Armizstätten prägten die alten 
Münzen weiter und Königin Brunhilde begünstigte sogar ganz 
einseitig die Kömer und die römische (Jultur und Literatur. Die 
Franken brachten dagegen ihr altes Volksrecht mit und bewahrten 
es weiter, jedoch bildete es fa-^t nur ein Xothrecht zur liegelung 
gewisser besonderer \'erhältnisse , z. B. über Verletzung von 
Personen und Eigenthiim uml Agrarverhältnisse. Bezüglich der 
letztertMi traten die Franken als Eroberer auf und die alten Be- 
wohner wurden genöthigt, ihnen das erforderliche Land abzu- 
treten , häufig zwei Dritttheile dessellien , w'obei wohl auch noch 
grössere Willkflrlichkeiten mit unterliefen , während allerdings 
die freigelassenen und späteren Einwanderer mit weniger zu- 
frieden sein mussten. Es erklärt dies auch den Umstand , dass 
wir in den Städten für die^e Zeit so wenigen fränkiselien Namen 
begegnen, während sie auf dem Lande das Uebergewicht besassen. 
Die Künste des Friedens waren nocli wenig Sache der Franken 
und die Städte für deren Gedeilien weniger geeignet, als das 
Land mit seiner Viehzucht und dem Ackerbau. Es waren übri- 
gens aus der langen Zeit der Verheerung Idoss Trier, Metz, Toni 
und Xasium im Besitze einer stärkeren Bevölkerung gebliebeu 
und die übrigen städtischen Orte ohne Bedeutung. 

So wild und roh die Zeit der Merovingerherrschaft gestaltet 
war, so hob und verbesserte sie doch viele Verhältnisse sehr 
wesentlich und führte in das Chaos wieder einige Ordnung ein, 
welche die Lage der röjnischen Bevölkerung verbesserte. Der 
alte Druck der Besteuerung wurde gemildert und ('afür eine 
Grund- und Kopfsteuer eingeführt, das Eigentluim gesi- hert und 
die römischen Bürger konnten unter dem Schutze der ^'!>rwaltung 
und der Kirche sich den Gewerben und dem Handel hingeben, 
an welch' letzterem damals schon die mit den römiscli^ n Heeren 
eingew^auderten Juden einen hervorragenden Antheil naluuen. 
Daneben wurde auch die Salzausbeutung auf Ilechnung des Fiscus 
ziemlich stark im Seillethale betrieben. Die Begiefung und 
selbst die Könige unterstützten den Handel sogar persönlich und 
es ist uns aus Verdun , wo der Handel durch die Wirren der 
Zeit fast ganz vernichtet win-, bekannt, dass auf Bitten des 
^iscboiä Desideratuä der König Theodebert zur Vertheilung unter 



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40 L Buch: Von der ältesten Zeit bis zn Gerhard vom Elsasse. 



die Geschäftsleute und zu ihrer l'ntorstützung siehentausend GoUi- 
stücke liergab und deren Zurückzahhiug später ablehnte, üeber die 
ii^eofenseitige SteUuncf der Volksklassen gibt uns die Bestimmung' 
des Wergeids ziemlich viele Belehrung. Das höchste Ansehen 
beim Könige genossen die Franken und die Antrustionen oder 
Häupter der J^eudeii oder Lehenstniger nahmen die oberste Stelhuig 
ein, tlenn wer einen solchen mordete, konnte die That nur durch 
Bezahlung von (iOO Solidi ((ioldgulden) an dessen Verwandten 
büssen; doch kostete es bei einem Bischöfe sogar fMK) Solidi^ 
während die gewöhnlichen Priester den Vorgenannten gleichge- 
achtet wurden. Für den Mord eines Kömers im Dienstgeleite 
des Königs wurden !iOO, ffir den eines gewöhnlichen freien Franken 
200 Solidi, bei einem freien romanischen Grundbesitzer 4') und 
bei einem l'nfreien des besseren Hechts gar nur 80 Solidi bezahlt. 
Aehnliche l^nterscheidimgen fanden bei aUen anderen Vergebungen 
jeglicher Art statt. 

Der germanischen Sitte gemäss gab es Freie und Unfreie. 
Die Ersteren allein besassen das Eecht des Orunderwerbs und 
der Theihiabme an den Volksversammlungen , leisteten Heeres- 
folge und bezahlten weder Abgaben noch Steuern, ausser einem 
jährlichen freiwilligen Geschenke an den König. Sie richteten 
ferner über ihre Gutsangeliörigen selbst. Das Land selbst war 
zunächst in Gaue ipagi) und jedes dieser in Hundertschaften oder 
Centene, letztere in Gerneinden, abgetheilt. Unter den freien Be- 
wohnern ]>ildete sich nach und nach auch ein Adel heraus, der 
wegen seines näheren Verliältnisses zum Könige grosse Bevor- 
zugungen erhielt. Er war ein Waffenadel und gründete sich auf 
hervorragende Tliaten der Tapferkeit oder der Treue gegen den 
König, wofür er von diesem mit Zuweisung eroberter Grund- 
stücke, sogenannter B^eficien, belohnt und dann Leudes genannt 
wurde. Zu diesem Zwecke standen dem K(»nige, ausser dem 
fiscalischen Besitze Borns, die zahlreichen Domänen zu Geljot, 
und die Eniptanger gesellten dadurch zu ihrem eigenen Besitze 
(Allodien) nocli grosse Leliensstücke, die freilicli auch unter ge- 
wissen Bedingungen wieder entzogen werden konnten. Band da- 
dmch der König die hervorragenden Männer als seine Vasallen 
oder Lehensträger an seine Person, so konnten letztere diese 
grösseren Güter nicht selbst l)ewirthschaften und gaben dalier 
Stücke ihrer Lehen wieder als Afterlehen an ihnen besonders 
anhängliche, weniger vermögliche Freie, wodurch sieb ein festes. 



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2. Die Zeiten der ySUcerwandening und dea anitnwisdieii Beioha* 41 

Band der Veipflichtung zur Treue von oben nach unten bttdete 
und die höhere Stellung der grossen Lehenstri^^er sicherte. 
KatfirHch musste aber dadurch die alte, auf Gleichheit beruhende 
' Volks- und (rany ftiff^fpnng Dieser gegenftber konnten die 

ünfrden weder üigen^um besitzen, noch im (Berichte und bei 
Vcftsyersammlungen erscheinen. Unter diesen Unfreien unter- 
schied man wieder zweierlei Arten. Der blosse L eibeigen e stand 
ohne tSchutz unter der Gewalt seines Herrn und durfte Ton ihm 
Tdrkauft und sogar straflos getöcttet werden. Die Hörigen waren 
dagegen entweder die Bebauer des Bodens ihres Herrn gegen 
Abgaben und Dienste an denselben, oder sogenannte toen, 
welche für den Dienst des Hauses verwendet wurden und dabei 
sogar bis zu einer angenehmen Lebensstellung gelangen konnten. 
Diese Hörigen, deren Erstere an die Hufe, die Letzteren an die 
Person des Herrn gebunden war^,' wurden gegen Gewattsmiss- 
brauch von Seiten äires Herrn durch ein Weigeld geschützt. 
Von diesett Unfreien wurden auch Viele freigelassen, ohne aber 
v<^ Freie ztt werden, mit Ausnahme jener, deren Freilassung 
der König sefest feieiüch erkiftrte. Die Anderen erhielten nur 
die persönliche Freiheit ohne die weiterm Rechte derselben. 

Die gesammte Macht des Boichs war im Könige^vereinigt, 
der es nach aussen und mnen vertrat, seinen Willen durch 
seine Beamten ausfibte, Gericht hidt uhd Aber Leben und Gut 
des Volks verfögte , sowie einen 'rdci^ Grundbesitz und ein 
grosses Gefolg^e der fmen^Vasalten besass. Nujr bei seiner Er- 
hctag* tn^ eine l^biHlktung und Anei^aäiung des VoBra ein, 
gegentO^ ^ BomanoB^ iiber erschien er als der Nachfeier des 
röiniscfteii^pffirMiorft; Als Zechen 'seiner Wfirde trug er hmges, 
^i^idlendetr- lfittr; ein^ oder Er(me , einen Spiess und 

baid l^i ätti|(^'iM 2n seker Ump^bung 

gdiörtc^'i(iiybäist^r m^fi^^ dar zulebet die 

'vdipy^ '^^^ a&eSn fUirte, der gaAzte r. n^deher 
iB6 Witä^iSäiii^ t^i^^ irar Leitung 

m ^Kmihätm iai^^t^ li^di# 4en S<»)^ vor 'G4- 

ttiM >H^if!;<t''B&Ü^^ Bjegid^ beeifc där -Hbigt iiigentBdh 
%iid '"^h abiv^ %äf den ^üulaeB Bmm 

i^'ib' W^ Pg^^ Versamis^ 
Btfl^ ^?adi^«n ^ BitKS^ hielt nM' m''et>iw^'^ 

äMfiel^ «itfMKy firbAge der dgenen oie^ Ej^ Ab- 



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42 ^ Bndi: Von der SUesten Zät bis za Gerhard vom Elsasee. 

gaben der römischen Unterthanen, freiwilligen Gaben der Franken^ 
Zöllen und Weggeldern, gerichtlichen Bussen und Confiscationen 
und dem Tribute unterworfener anderer Völker. Auch sammelten 
die Könige einen Schatz von Gold und Kostbarkeiten an. — 
Unter dieser Oberleitung verwalteten die Grafen die einzelnen 
Gaue und Städte im Namen des Königs, zumal die Rechtspflege 
und Einnahmen, und sie hielten die Versammlungen der freien 
Gemeindegenoflsen ab, während Schöffen über geringere und 
Privatsachen urtheilten. Die ürtheile selbst beruhten auf Aus- 
sagen von Zeugen, doch ward das Recht auch durch Gottes- 
urtheile und Zweikämpfe gesucht. Ueber eine Anzahl solcher 
Grafen und Gaue stand ein Herzog , doch erstreckte sich dessen 
Machtvollkommenheit mehr auf die Heeresverfassung und die 
Kriegsführung selbst und bezog eich nicht auf das Gerichtswesen 
und die sonstige Verwaltung. 

Wie schon erwähnt, war das Hauptergebniss dieser Periode 
die gänzliche V erschmelz ung dieser beiden iievölkcrungen, woraus 
gleichsam ein neues „V^ljs. und eine neue Ciiltur hervorging. 
Diese Mischung zeigte aber in ihren Anfängen eine fast wider- 
liche Gestalt, denn neben der Lüsternheit und der Genusssucht 
der verfeinerten, aber entarteten Römer ti-at die rohe und unge- 
zügelte Heftigkeit und wilde Gewaltthätigkeit und Grausamkeit 
der Franken auf und den besten Beweis für die an alle Laster, 
Gräuel und Schandthaten gewöhnte Zeit liefert der beste Ge- 
schichtschreiber dieser Zeit selbst, Gregor von Tours, der alle 
die furchtbaren Ereignisse und schauderhaften Vorbreclien seiner 
Zeit ohne jede Entrüstung und mit völliger Gleichgültigkeit ge- 
treulich erzählt, als handelte es sich da um die gewöhnlichsten, 
unschuhligsten Dinge. Trotz des grossen Gegensatzes hal)en 
aber doch beide Völkerschaften bald gegenseitig von einander 
gelernt, leider jedoch mehr das Schlimme als das Gute. Der 
Romane erhob sich in seinem üjtpigen Lelion durch das Beispiel 
der Franken ans der liinlierigon Ohnmacht und skhivischen Ge- 
sinnung, um mutliigt'r, aber auch trotziger und frecher zu werden. 
Der Franko nalim nur durch Einzelne die römische Bildung voll- 
ständiger in sich auf, die Masse wurde nur listiger, ränkevoller 
und fast ül)erlogt grausamer und die Begierden traten rückhalt- 
loser bei ilim auf, so dass er von seinem früheren kernhaften Wesen 
ziemlich viel einbüsste und ziemlicli stark romanisirt wurde. 
Natürlich war dies weniger da der Fall, wo die Franken alsbald 



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3. Die Zeiten der Völkerwanderung und des austrasischen Reichs. 43 

die YorberrBcliende Mehrheit bildeten und sich als solclie orhielten. 
Im Ganzen aber war das Romanische durdi die Vermischimg 
des Bluts und der Charaktere mit der Zeit ein ganz anderes 
geworden, als es im Anfange war, und zwar Ifisst es sich ooch 
bis in die späteren Jahrhundorto ziemlich genau nachweisen, wie 
der ganze Charakter dor l^ewolinor der einzelnen Theile des 
grossen Frankenreichs die verschiedenen Abstufungen hauptsächlich 
durch das geringere oder grössere Vorwiegen der gallg-romani- 
flcben und der fränkischen IJevölkerung empfangen und bewahrt hat. 

Man hätte glauben sollen, dass die christliche Kirche auf 
die ziemlich abergläubigen Franken eine grössere Einwirkung geübt 
hätte; aber sie zeigten vor derselben so wenig Ehrfurcht, 
dass besondere Gesetze und Concilienlu schlüsse bei Strafe des 
Kirchenbauns im Jahre 600 förmlich verbieten mussten, in den 
Kirchen schmutzige Lieder zu singen, die Waffen zu ziehen 
und damit Streitigkeiten auszufechten. Die Bisch öfe dieser Zeit_^ 
waren übrigens selbst so sehr von der bestehenden Begehrlichkeit 
nach Reichthum und Wohlleben angesteckt, dass derselbe Gregor 
von einer ganzen Eeihe derselben erzählt, wie sie ihre Sitze 
lediglich durch die Gunst des Königs und förmlichen Kauf er-, 
langten, und dass er von nur wenigen von besserer Art und 
Gesinnung zu berichten weiss. Dennoch war damals die Kirche ^ 
allein im Stande, für eine Besserung von Sitte, Zucht und Ord- 
nung zu wirken, da in ihrer Hand allein der Unterricht und die 
Pflege der geistigen Cultur lag, weil die von den Kömem errich- 
teten Laienschulen beim Einbruch der fremden Völker zu bestehen 
aufhörten und die bisherigen Lehrer nach den Städten des Sü- 
dens auswanderten. Was an Stelle derselben von der Kirche 
fOr Erziehung und Unterriclit gethan wurde, beschränkte sich 
auf die Errichtung einiger Schulen an den Bischofssitzen und in 
wenigen Klöstern zur Heranbildung des Clerus, kam nur wenigen 
Laien zu gut und konnte nur späi'liche Resultate liefern, da es 
ihnen an tüchtigen Lehrera fehlte. Ausser der S chule zu Trier ^ 
bestanden in dieser Biöcese solche noch in einigen anderen Orten, * 
wie in Yvoj, wo Bischof Gerj von Anas unterrichtet wurde. 
Zu Verdun lehiten nach einander die heiligen Pulchro und 
Firmin us , sowie der heilige Vanjie, und desgleichen war eine 
solche Schule zu Toul. Am besten war wohl jene vo n Me tz, 
wo aucli der mehrerwähnte Arnulf seinen Unterricht bekam und 
wahrscheinlich auch etwas von dem reichen Qütergeschenk des 



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-44 Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. ] 

^ heilige n Trudo zu diesem Zwecke gewidmet wurde. Aber 
inunerhiii waren es nur die Anfänge des Studiums der Theologie, 
die überall gepflegt wurden, und alles Uebrige wurde vernach- 
l&Bsigt oder bÜeb ganz bei Seite liegen. 

• Die Hauptsorge der GeiBÜichen bestand noch in der Aas- 
rottung des Heidenthiims, welches schwer zu besiegen war. 1 
Noch bis zur Mitte des sechsten Jalirhunderts zog eine Statue i 
der D i ana bei Yvoy im Ardennenwald Schaaren von Gläubigen 1 
heran r die christlichen Priester wagten es nicht, dieselbe zu 
zerstören* und die Legende erzfthlt eine ganz cnriose Geschichte 
von einem lombardischen Priester Wulpbilas, der sich um 565 
bei dieser Statue als Einsiedler niedergelassen liatte, um die za- 
strömenden Heiden von der Verehrung derselben abzubringen 
und zum Ohristenthume zu bekehren. Nach Gregor von Tonrs 
hat derselbe zwanzig Jahre daselbst mit dieser Bemühung zuge- 
bracht und er scheint damit nicht gar viel ausgerichtet zu 
haben. Das Volk von Lothringen war flberhaupt so sehr von 
dem heidnischen Aberglauben befimgen, dass man noch heute 
in abgelegeneren Gegenden und in den Yogeseu zahlreichen Ge- 
bräuchen aus der Heidenzeit begegnet und viele derselben, wie 
z. B. die Johannisfeuer u. dergL, flberhaupt nicht ausgerottet i 
werden konnten. 4 
Während dieser Zeit sind die Namen d er Bischöfe in den ' 
vier Diöcesen vollständiger au%ezeiehnet und die Legenden über 
ihr Leben zahlreicher vorhanden. Aber wenn auch eine Beihe 
davon den Heiligen beigesellt wurde und die Legenden die un- 
glaublichsten Dinge flb^r ihre Frömmigkeit, Heiligkeit und an- 
geblichen Wunderthaten berichten, so hat dies Alles dodi för 
die Geschichte keinen Werth und sie hat von ihnen nur aufzu- 
zeichnen, was oben bereits gesagt ist. Der gierus selbst scheint auch 
erst unter dem Metzer Bischöfe ^Ohrodegang festere Regehi er- 
halten zu haben, die dann auch von den anderen Bezirken an- < 
genommen wurden. Die Kirchen der grossen Städte scheinen 
um diese Zeit auch bereits grössere Geschenke und Stiftungen i 
erhalten zu haben, wie z. B. der heilige .Trudo seine Gütei der 

_Cathedrale von .Mete schenkte. Ber erste Zweck" mochte bei 
diesen Vergebungen zumeist der Armenunterstfltzung und Kranken- 
pflege gef^olten haben, aber die Geistliclien wussten bald genug 
den Weräi solcher Gaben und Einkünfte für ihren eigenen Genuss 
zu erkennen und dies vwanlasste sie auch, die Laien, besonders 



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2. Die Zeiteta der Völkerwanderung und des austrasiseUen Beidis. 45 

die Kelchen und die dem Sterben Nahen zu recht reiche Ge- 
schenken an die Kirche zu bewegen. Dies geschah zumal, als 
die Zeit der ElCsterbegründungen anbrach, welche kaum in einem 
anderen Lande so zahlreich wurden, als gerade in Lothringen. 

Wir haben es hier för diese Zeit nur erst mit den ältesten 1 
ElOstem des Landes zu thiin. Es gehören hierher die Klöster 
Maximin zu Trier, St Epvre vo n TouSj^Syrnghonen, Glp^ide 
*un4^ii. Peter in Metz und das Kloster von Longeyille. Andere 
entstanden in den Vogesen, wo der irländische Missionfir Colnmban 
zwei KlosterniederlasBungen stiftete, bis er von der Königin 
Brunhilde vertrieben wurde. Ebenso legte daselbst der italie- 
nische Mönch Amat us mit dem Gutsherrn Rogiaricus den Grund 
zu einem Kloster im einsamen Waldgebirge. An&ngs waren 
dies allerdings mehr Einsiedlerzellen mit wenigen Bewohnern, 
aber diese nahmen zu, sie rodeten grosse Waldbezirke aus, zi^en 
. in die Gegenden der heutigen Städte Epinal. St. 1^ undR^mure- 
mont fremde Ansiedler und riefen dadurch grössere iRederlas- 
sungen in der Nähe ihrer Gotteshäuser hervor, woraus später 
blühende Städte wurden. Man kann sagen, dass diese n jKlöstem 
die Urbarmachung eines grossen Theils des Voges e nlande szu 
verdanken ist, wie auch jenseits des Rheins die Benedictin^ diC 
Colonisation durchgeführt haben, oder doch den hauptsächlichsten 
Anlass dazu gaben. Für jedes dieser Klöster' und ihre Entste- 
hung gibt es besondere Legenden, in welchen Wahrheit mit 
Dichtung verschmolzen ist, und die Kirchenhistoriker zeichnen 
mit treuer Ausführlichkeit alle Einzelheiten auf. Für uns aber 
hat dieses Detail keinen Werth, sondern bloss die Bedeutung 
dieser Niederlassungen för die Cultur und die spätere Geschichte. 

Bekanntlich brachte der Ire Columban fQr seine Klosterstif- 
tungen eine eigene Mönchsregel mit, welche auch von den meisten 
anderen Klöstern angenommen wurde. Aber schon zu Ende des 
siebenten Jahrhunderts erhielt die Regel des heiligen Benedict _ 
den Vorzug vor den anderen nnd wurde zuerst theilweise und 
sodann allgemein eingeführt, so dass schon unter König Pipin 
die Kegel Columban's ganz verdrängt war. 

lieber Kunst und Literatur ist in diesem Abfwhni^ nichts 
zu berichten. Grössere Bauwerke entstanden damals nicht nnd 
die alten waren zertrümmert. In den Klosterschulen lelirte nUiii 
neben der Theologie nur die freien Künste und in den Benedie- 
tinerklöstern schrieb man einzelne der ekuNnschen Werk» des 



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46 !• Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhurd vum EUassc. 

Alterthums ab, oder Ter&sste man Legenden und Lebensbe- 
schreibungen der TerscMedenen Heiligen, zumal des Landes, aber 
in rober und unbeholfener Weise und schlechtem Latein. Die 
einzigen besseren Schriftsteller der Zeit, wie Avitus, Venantius 
* Fortunatus, Gregor von Tours und Fredegar, waren Geistliche 
und zudem gehörten sie nicht dem späteren Lande Lothringen an. 



3. Die Zeit der Karolinger. 

Literatur. Es worden hier besonders benätzt: E. Arnd, Ge- 
scliichto dos T'r [ l uii^'s und der Entwickclunjj: des französischen Volks, 
Leipzijj: Ks44; — lic Ii uö nm . Histoirc drs institutions Carulingiennes, 
Paris 1n4.'.; — (». H. Portz, Cn-schichtc dor Merovin;/ischen Hausniaier. 
.Hann(»v< r iNlH: - die vt'i^ichiedenen AVerke über Karl den Grossen 
von 11 1' (• \v i s r h , J)i|)ji(»ld und ]>(>rentz: — Fr. Funk. Ludwiir 
der Froniiue, Fnmkiurt liS.JJ; — H. llaliu, Jalirbüelier des Iränkiseheu 
Reichs, Berlin ltiÜ3; — Böhmer, He*(csten der Kuroliugcr, Frankfurt; — 
Gfrörer, Geschichte der Karolinger, 2 Bde.; — die schon erwähnten 
Geschichten der Bisthümer Trier, Uetz, Verdun und Toni; — Lebenf, 
Dissertation sur l'etat des sciences depuis la mort de Charlemagne (in 
Kecneil de divers 'ecrits pour servir d'^lairissements a l'hisloire de 
France, I.); — Uabillon, Annales Benediet«)runi, IV. voll.; — lli- 
cheri, Chronicon senoniense (bei Calmet II.); — Calmet, Notes 
inedites sur les titi-es inqiriines dans riiistoire de Lorraiiie ( ilaniisci ipt 
J,^\ der liiI)liotliek ^<n\ Naiiryi; — (jirtulariuni der Ahte i (ior zü (Manuücript 
^ if^^icX Seiuiuius in Nauty, abschritt lieh auch iu ^etzj. 

: 

^ Wahrend der Zeit der Karolinger tritt die politische 

Geschichte Lothiingeiis wieder in den Hintergrund. Unter den 
Merovingem bildete das Land als Austrasien ein selbständiges, 
abgeschlossenes Boich, aber das Reich der Karolinger nahm rasch 
eine ausserordentliche Ausdehnung weit über die alten Grenzen 
hinaus, die grossen Ereignisse vollzogen sich meistens ausserhalb 
derselben und das bisherige Austrasien bildete bei den nach- 
folgenden Theilungen wohl stets den Kern eines der verschiedenen 
Erbtheile, jedoch in anderem üm&nge und stets in Verbindung 
mit noch anderen Lfindem, so dass der eigentliche Schwerpunkt 
nicht mehr wie bisher in Lothringen selbst lag. Die fort- 



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3, Die Zeit der Jvaroliuger. 



4T 



währenden Bruderkriege endlich waren liberhaujtt das Haupt- 
sächlichste, was sich aus dieser Zeit erzäliieu lässt. 




Die Keichsversamniluii<3^ von Soisson^ hatte Pipin als König 
anerkannt und wurde er auch als soh hcr geweiht, zwei Jahre 
später kam sodauu der Tapst Stephan III. selbst über die Alpen 



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48 !• Buch: Von der illte«tea Zeit bis za Gerhard vom ElsMse. 

imd wiederholte nun in der Kirche von St. Denis die Salbang 
und Krönung, sowie die Weihe seiner Söliuc. Aber es gab doch 
auch Grosse, welche damit nicht einverstanden waren, und be 
sonders erhob sich V^oaiU ) dagegen. Pipin zeigte ihm_8ofort 
seine Yolle Energie und behandelte ihn sogar mit äusserster 
Strenge, denn indem er sein Leben schonte, nahm er ihm sein 
Schloss und schenkte es dem Abt Fulrad von St. Denis, welcher 
für das T.('])en des Bestraften gebeten hatte. Pipin regierte nun 
unbestritten im Frankenreiche, schätzte dessen Grenzen und unter- 
stützte den Papst gegen seine Bedränger, weshalb er von ihm 
don Namen Patricius der ROmer empfing, gewährte al)er wieder 
der Kirche zu viel, indem er ihre bisherige Selbständigkeit der 
päpstlichen Oberherrlichkeit unterwarf und dem Papste sogar 
"nüurch die Urkunde TOn Eiersy einen grossen ' Länderbesitz in 
^Ttelien schenkte, woraus dann die weltliche Macht des Papst- 
^thums hervorging. Pipin war dabei bestrebt, die kirchlichen 
Interessen mit seinen weltlichen Absichten zu verbinden und so 
seiner Gewalt Stutzen zu verschaffen ; er förderte aber auch gern 
geistige Interessen, sorgte für Verbesserung des Kirchengesangs 
und that sogar Einiges für Kirchenbau und Ausschmücknng der 
kirchlichen Gebäude. Nachdem er die Sachsen in zwei Feldzügen 
bezwungen, die Araber im Süden zurückgedrängt und Aquitanien 
zu grösserer Abhängigkeit gebracht hatte, fühlte Pipin sein Ende 
herannahen, berief die weltlichen und geistlichen Grossen des 
Reichs nach St. Denis und theilte mit deren Zustimmung das 
Keich an seine Söhne; der ältere, Karl, erhielt die Länder im 
Norden von Aquitanien bis Sachsen, Karlmann aber die südlichen 
Länder von der Grenze des Bayernlandes bis zu den PjTcnäen. 
Pipin selbst starb bald darauf, am 24. September 768 und wurde 
in St. Denis begraben. 

So imgemein reich an Ereignissen die Regierung Karl's 
war, den die Nachwelt den Grossen nannte, so gewaltige Folgen 
sie für die späteren Jahrhunderte und fast ganz Europa hatte, 
so bietet sie für die besondere Geschichte der lothringischen 
Länder fast gar nichts Bemerkenswerthes und darf dalier für diese 
Zeit auf die allgemeine Geschichte verwiesen werden, welche die 
Kriege in Sachsen, bei den Slaven und Longobarden erzählt, 
uns von der Erneuerung des römischen Kaiserthums in der 
Peterskirche zu Rom am Weihnachtstiige T!)fl berichtet und über 
die Verhältnisse zur Wissenschaft, zur Literatur und Kunst und 



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3. Die Zeit der Karolinger. 49 

endlich über seine Familie Nachricht gibt. Seine Thätigkeit 
>rar überhaupt zu gross und mnfiissend, als dass sie sich in be- 
sonderer Weise im alten anstrasischen Kelche geltend machen 
konnte; aber spurlos ging sie auch hier nicht vorüber, nur 
drückte sie sich nicht in politischen Vorgängen aus. 

Durch Geburt und Sj^raclie ein ^ßeutscher blieb es Karl sein 
ganzes Lol)en lang und darum hatte er seine Kaiserpaläste haupt-^ 
sachlich in deutschem (Jebiete, zu Aachen und Ingelheim am 
Kheine. Seine Liebe zur Jagd führte ihn auch gerne in das 
Lothringer Land und hier hatte er zu diesem Zwecke Villen zu 
Diedenhofen, zu Cliamp bei Bruyeres in den Vogesen und ziP 
Kemiremont. Oft hielt er sich hier auf kürzere oder längere 
Zeit auf, versammelte die Grossen um sich, hielt hier Concile 
und erliess von da seine Befehle. In Diedenhofen starb ihm 
im Mai 78;? seine geliebte Gemahlin Hilik'gard, welche er im 
Kloster St. Arnulf zu ^letz l)egral)en Hess, in dem auch ferner 
noch mehrere Fainilioii^diodor ihre Ruhestätte fanden, 805 hielt 
er in Diedenhofen zwei Concilien ab, dann empfing er in Champ 
seinen aus dem Kriege gegen die Slaven zurückkehrenden Sohn 
Karl und verweilte dann mit ihm zu Kemiremont und als im 
darauffolgenden Winter seine anderen Söhne Pipin und Ludwig 
auf seinen Kuf den Kaiser zu Diedenliofen besuchten, erklärte 
er ihnen seine Absichten über die künftige Theilimg des Keichs, 
wobei Karl das austrasische Land erhalten sollte. Aber es sollte 
anders kommen, denn seine beiden ältesten Söhne starben schon 
vor ihm. 

"K^Va Wirken im Lande, in das er wegen dieser Landsitze 
und der Jagd mehrmals kam, betraf zunächst kirchliche Anstalten. 
Er führte in den Klöstern allgemein die Ordensregel der Bene^ " 
dictiner eui nnd bemühte sich, die römische Liturgie und Gesangs- 
weise an Stelle der bisherigen zu setzen. Dies ging aber nicfit 
so leicht und Kar) musste den Papst Hadrian L ersuchen, ihm 
passende Lehrer zu diesem Zwecke zu senden. Derselbe schickte 
ihm sofort zwei ZdgUnge der Schule Gregorys, Theodor und 
Benedict, nebst genau niedergeschrieenen Ghorbflchem mit der 
neuen Notenschrift Von diesen wies Karl den ersten nach Metz, 
den letzteren nach Soissons nnd be&hl, alle Chorsftnger - der 
Kathedrale dahin zu senden, um sich im neuen Gesang aus- 
zubilden. Dadurch erhielt Metz eine Gesangschule, welche bald 
•die berfihmteste im ganzen Frankenreidie wurde, und dies 

Huhn, 0«Mhiohte Lothxingan«. 4 



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50 Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

Kesultat wurde nicht zum geringsten Theile auch der vom 
Jiischofe Chrodegang in Metz eingeführten strengeren Kegel für 
die Domgeistlichen verdankt. Wie es scheint, wurde auch da- 
mals schon das Orgelspiel eingeführt. — Die Klosterschulen, 
welche unter Karl Martel ziemlich heral)gekoninien waren, nahmen 
ebenfalls unter Karl einen neuen Aufschwung, denn er mahnte 
überall, bessere Lehrer heranzuziehen. Wie er selbst noch zu 
lernen suchte, so umgab er sich mit den gelehrtesten Männern 
seiner Zeit und besonders war für ihn der Rath des berühmten 
Bischofs Alcuin aus Kii(,4and maassgebend. Andere tüchtige 
Männer zog er aus Italien heran und Paul Wuniefried oder 
Diaconus scheint sich besonders um die Verbesserung der Schulen 
in Metz verdient gemacht zu haben, denn er wohnte eine Zeit lang 
daselbst und schrieb die Geschichte der. Metzer liischöfe. Ob er 
daselbst auch die Geschichte der Longobarden verfasste und die 
zum Gebrauche der Kirchen bestinmite Sammlung von Homilien 
der Kirchenväter veranstaltete, ist jedoch zweifelhaft. Jedenfalls 
kannte er auch die einzelnen Klosterschiilen und die Kenntnisse 
ihrer Lehrer, denn in einem seiner Briefe erbat er sich für das 
Kloster Epternach die Werke der Grannnatikor Priscian und 
Phocas. Genaues über die Metzer und andere Schulen liegt 
freilich nicht mehr vor; aber wir wissen, dass das neugegründete 
Kloster Gorze bei Metz sofort auch eine gute Schule bekam, 
worin unter anderen der Metzer Bischof Angelram seine Bildung 
erhielt, ebenso wie ein Bischof von Toul und Andere. Am 
höcbsten soll die Schule von St. Mihiel gestanden haben, denn 
ihr Vorstand, der Abt Smaragdus, wurde als ein gelehrter Mann 
und tüchtiger Lehrer bekannt. Derselbe führte die Granniuitik 
des Donatus ein und schrieb dazu sogar selbst einen Commentar. 
worin er jedoch die curiose Idee durchführte, die Beispiele der 
römischen Autoren durch solche aus den Kirchenvätern zu ersetzen, 
was eben nicht geeignet war ein gutes Latein zu fördern. Ausser- 
dem schrieb er unter dem Titel „Via regia*' Erziehungsregeln für 
Prinzen, eine Erklärung der in der Kirche gebrauchten Evan- 
gelien und Episteln und eine Erläuterung der Regeln des Bene- 
dictinerordens. 

An den politischen Einrichtungen des Landes änderte Karl 
nichts. Er liess die alten Rechtsinstitute im Ganzen bestehen 
tmd seine Capitularien oder Gesetze suchten bloss einzelne Ver- 
besserungen zu machen und polizeiliche Yorschrifteo zu geben. 



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3. Die Zeit der Karolinger. 



51 



Die Grafen (comites), welche seine SteUTertreter waren, Btanden 
dem Heere, Beehtswesen ond der Verwaltung der königlichen Güter 
vor und richteten in allen wichtigeren Ffillen, während die Bischöfe 
mit gleicher kaiserlicher MachtroUkommenheit auf kirchlichem 
Gebiete schalteten nnd dabei nach und nach das aufgekommene 
canonische Becht anwandten. Zur Verbesserung des Gerichts- 
wesens beschrftnkte Karl die Gerichtstage dadurch, dass in 
weniger wichtigen Ffillen nicht mehr alle freien Ifibmer der 
Grafechaft* zusammen kommen mussten, sondern Schöffen (scabini) 
das ürtheil sprachen und die grosse Versammlung oder das 
grosse echte Ding bloss dreimal im Jahre abgehalten wurdei 
Auch' das so oft missbrauchte Asylrecht der Kirche suchte er 
zu beschränken, jedoch drang er damit nicht recht durch, indem 
die Geistlichen bei zunehm^der Macht der Kirche das Asykecht 
nur wieder erweiterten. Endlich wachte Karl Aber den Handel 
und Marktverkehr, aber dalEbr fahrte er auch wieder lästige Ab- 
gaben ein, wogegen allerdings wieder auf richtigere Maasse, Ge- 
wichte und Mllnzen gesehen wurde.- Unter ihm wurden nur 
selten mehr Goldmflnzen geprägt und als regelmässige Verkehrs- 
mfUize der Silbersolidus von zwölf Denaren eingeführt. 

So gross Karl als Herrscher in der Geschichte dasteht, so 
^ wenig ist sein Familienleben zu loben und hat die Geistlichkeit 

es wohl nie gewagt, ihm deshalb Vorstellungen zu machen. 
Er hatte viiyrzehn Küider, wo^on acht eheUdier Geburt waren, 
aber in ihrer Erziehung hatte «r k«!n sonderliches Glück und 
darin lag wohl die «nie Ümi^ dass das Boich unter sdnen 
Nachfolgern bald wieder in Verfidl gerietii. Die ältesten Söhne, 
K^inuM^^jV^^^ 

teren Mffe läaclilfetl^ 0^ TestaiiienE jBwei Jahre darauf Hess 
er zu A«M9heii aein^ivMm Ludwig zum jKön%- krönen und rief 
ihBa^^M^^ilc^ Ge^ÜiehtIds8, 
ynt^^iflSl^l^^ KmsA smkr atn 28. Januar 814, 
mS^ ipBii^;^^ MarienMrdw aü 
k ^^^^^^ I^tiHf war few«r<feiwandt in denWi^ 

tber er beMtw^ wenigT lifmwiMikm^^ war;«i$ii^Hicl^^ 

die GeistUchkeit^ >iaiM4B^^ zu>i)#i!d i^> andere^ 

Dingen ti0ljlf$f^i^^t;^^ Lothringen selbst weitep 

4* 



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52 ^- Buch: Von der älteste Zeit bis za Gerhard vom Elsasse. 



Freund der Jagd eben&Ils öfters dahin. Im Jahre 821 kam er 
von Aadien über die Ardennen nachJTrier und Mefe ^nnd hielt 
sich dann während eines Theils des Sommers und Herbstes in 
Bemiremont auf. Tier Jahre sp&ter kam er wieder dahin, um 
seinen Sohn Lothar zu treffen und dann mit ihm nach Aachen, 
zu gehen, und endlich sah ihn das Jahr 831 wiederhoIFdaielbst 
und auch zu Diedenhofen, wo er eine Beichsrersammlung ab|iielt* 
War auch Ludwig selbst wenig in diesem Lande, so sdieinen 
doch andere Mitglieder der Familie eine gewisse Vorliebe für 
dasselbe besessen zu haben. Drogo , einer der natürlichen Söhne 
Earl*s, wurde Canonicus von Me^und 824 zum Bischof erwählt, 
als welcher er bis 855 wirkte und namentlich auch fSr die 
Interessen seines Bruders sehr thätig war. Eine Tante von 
Drogo, die wahrscheinlich eine Schwester £arrs war, lebte als 
Aebtissin in onem Kloster zu Trier und eine Tochter dieses 
Kaisers stiftete die Abtei Bethel an der Mosel, zwischen IHeden- 
hofen und Trier. Nach dem Beispiele der Tor&hren vertheilte 
Ludwig einige Länder an seine Söhne, nämlich 830 an Jarl 
Allemannien und Tom alten austrasischen Belebe die Landes^eile 
von l^er und Metz und das Voivre westlich Ton letzterem; dies 
veranlasste abOT~bald darauf die älteren Söhne zur Unzufrieden- 
heit und zu einer Erhebung, zunächst wegen des wachsenden Ein- 
. flusses der Kaiserin Judiäi auf Ludwig, und sodann weü durch 
diese Verleihung der erste Theüungsplan von 817 u mgeworfen 
wurde. Pipin zog mit den Häuptern der Verschwörung Aber 
Orleans gegen Paris, wo Lndw ig*s Heer stand, Lothar ^ der 
jflngere Ludwig Terban den sidi mit Pipin und da audi die 
Kriegsmannschaft des Kaisers zu den Empörern liberging, so 
blieb dem Kaiser nichts fibrig, als sich zu fägen. Seine Ge- 
mahlin Judith, gegen welche man die schwersten Anklagen der 
Untreue erhob, musste zu Poitiers in ein Kloster gehen, auch 
ihre Brüder Mönche werden und in Lndwig selbst drang , man, 
sich in ein Kloster zurflckzuziehen. Diese Zumuthung war jedoch 
fOr ihn zu stark, er ermannte sich wieder und zeigte eine grosse 
Gewandtheit gegenüber den Plänen seiner G^er, denn er ging 
auf das Verlangen der Einberufung der BeichsTersammlung ein, 
lud solche aber nach Nymwegen, wo. er auf die benachbarten 
Friesen und Sachsen zählen konnte, und die Mehrheit trat auf 
seine Seite. Da yerliess Lotiiar seine Vttfoündeten und versöhnte 
sidi mit dem Vater, die Kaiserin wurde aus dem Kloster wieder 



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3. Die Zeit der Karolinger. 



53 



auf den Tliron berufen und die Tlieilnelimer der Verschwörung 
streng bestraft. Um diese Zeit entwarf der Kaiser einen neuen 
Theilungsplan , welcher den Tlieil seines Lieblingssohnes KarT 
noch bedeutend vernielirte, indem derselbe nun ausser Allemannien 
und dem Mosellande noch den grösseren Theil von Bur^nmdien, 
die Proven(;e, die (legenden von Luon und Keims und noch 
Anderes erlialten sollte. Es waren also bei diesem Theile ger- 
manische und romanische Länder zusammengelegt. Auch dieser 
Plan wurde niemals vollständig ausgeführt, denn der Ue])crnuith 
der Kaiserin und die Bevorzugung des Sohnes Karl trieben die 
Brüder aufs Neue zur Unzufriedenheit, da sich besonders Pipin 
und^Ludwi^j zurückgesetzt fühlten; letzterer rückte mit einem 
bayerischen Heere gegen Allemannien aus und bis Worms, wurde 
aber in seinen Hoflfhnngen auf Beistand betrogen, kehrte nach 
Bayern zurück und untenvarf sich seinem Vater wieder. 
Dagegen trat nun auch Papst Gregor IV. auf die Seite seines 
Sohnes Lothar, der über Italien herrschte, und beide zogen nun 
über die AljK'n nach dem Oberelsasse, wo sich Lothar bei dem 
Krongute Kothfeld, unweit Colmar, mit seinen Brüdern Pipin 
und Ludwig vereinigte. Der Papst suchte nun bei Kaiser Ludwig 
zu verjuitteln, als dieser heranrückte, aber durch diese Verzöge- 
rung kam es, dass im kaiserlichen Heere selbst Viele von den 
Gegnern gewonnen wurden und als es zur Schlacht kommen 
sollte, die Kaiserlichen zu denselben übergingen. Dem Kaiser 
blieb nichts Anderes ülirig als Ergebung und er wurde der 
Aufsicht des Sohnes Lothar unterstellt, die Kaiserin zu Tortona 
in Gefangenschaft gehalten und die Regierung des Keichs selbst 
ging in die Hände des ältesten Solmes über, das Volk selbst 
aber wurde innerlich empört ü])or die Vasallen, welche dem 
Kaiser die Treue brachen, und nannte das Kothfeld fortan nur 
das Lügenfeld. Die siegi'eiclien Söhne theilten alsdann das 
Reich unter sich und Lothar belohnte dabei seine Brüder für 
ihre Hülfeleistung, behielt aber Austrasien und Aachen für sich 
und Karl wurde aller seiner Länder beraubt. 

Lothar war liiermit nocli nicht zufrieden und nmthete daher 
seinem Vater zu, seine Al)dankung zu erklären, was dieser aber 
entscliieden verweigerte, worauf man es auf einem Umwege ver- 
suchte und den Kaiser zwang, im Medarduskloster zu Soissons ^^i» 
im October H;Vi\ ein ötfentliches Sündenbekenntniss abzulegen 
und tlas Bussgewand zu tragen. Diese unwürdige Behandlung 



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54 ^ Bach: Von der äitestea Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

niipörte jedoch zuletzt nicht nur das Volk, sondern auch die 
jüngeren Söhne und wfihrond Lothar sich gegen letztere rüstete, 
erschion eine Anzahl Krzbischöte und Bischöfe bei Kaiser Ludwig 
im Kloster St. Denis; sie baten ihn um Verzeihung, sprachen 
ihn von der Busse los und setzten ihn in seine kaiserliche Würde 
wieder ein. Ludwig feierte dann mit seinen beiden jüngeren Söhnen 
ein Versöhnungsfest zu Kiercy au der Oise, seine Gemahlin kam 
aus Italien wieder zu ihm und ini Juni 834 wurde auch Lothar 
bei Blois geschlagen und musste sich dem Vater ergeben. Zu 
Anfang 83G berief der Kaiser endlich ein Concil nach Dieden- 
hofen, das über die Bischöfe Ebbon von Keims und Agobert 
von Lyon die Absetzung aussprach und dieselbe sodann in der 
Kathedrale von Metz wiederholte, wo Ludwig's natürlicher Bruder, 
der Bischof Drogo, dieselbe feierlich verkündete imd sieben Erz- 
bischöfe den Kaiser aufs Neue krönten. Im nächsten Jahre 
wollte er seinem jüngsten Sohne Karl wieder ein Königreich zu- 
wenden und bestimmte dafür das Land von der Wesermundung 
bis zur Loire, Mastricht, Toul und Auxerre mit Paris als Haupt- 
stadt, wodurch natürlich den Brüdern Pipin und Ludwig nicht 
unbeträchtliche Strecken ihrer Länder entzogen ynirden. Letz- 
terer wollte daher abermals eine Empörung versuchen, wurde 
aber von einem Theile der Seinigen im Stich gelassen und musste 
sich reumüthig ergeben, worauf er auf sein Königreich Bayern 
beschränkt wurde. Nachdem bald darauf Pipin g estorben war, 
. beschloss der Kaiser eine ^ue Theilung im^ Jun_839 , wobei 
Lothar den westlichen Theil mit Italien, Austrien und Alleman- 
nien bekam. Dar&ber ward nun Ludwig wieder unzufrieden und 
wollte einen An&iand Tersuchen, um abermals von den Selnigen 
▼erlassen zu Wiarden. Der schon länger erkrankte Kaiser war 
wegen dieser Gefiihr an den Bhein geeilt, aber bald verschlim- 
merte sich seine Krankheit und er Hess sieh auf eine Bheininsel 
bei Ingelheün in ein Zelt bringen und starb hier, umgeben von 
seinem natflrlichen Bmder Drogo und anderen Bischöfen, am 
20. Juni 840 im zwdmidsechzigsten Lebensjahre. Er wurde 
in der Abtei St Arnulf zu Metz begraben, wo auch die Mutter, 
zwei Schwestern und zwei Tanten, sowie der natOrliehe Bmder 
nach einander die letzte Buhe £uiden. 

Die kireblichen Schriftsteller gaben dem Verstorbenen den 
Beinamen des Frommen und er hat dazu wenigstens dadurch 
einige Berechtigung, dass er die Kirche mit Wohlthaten und 



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3. Die Zeit der Karolinger. 55 

Keichthümern überhäufte und die Macht derselben stei«jferte ; für 
das Wohl des Ganzen war dies aber nicht. Doch hat er auch 
das Schulwesen dadurch gefördert und s<dion in einem der 
r'apitularien ilif Jiischöfe aufgefordert für Vermehrung der 
Schulen zu sorgen, um die jungen Leute und besonders die (leist- 
lichen besser auszubilden. Nicht minder suchte er die schon im 
sechsten Jahrlmndert cnt-standene Hofschulc 7a\ erhalten und zu 
verbessern und als deren Vorsteher Claudius auf den Bischofs- 
sitz zu Turin befördert wurde, berief er zu seinem Nachfolger 
den jMctzer Diaconus Amalarius, zubenannt Symphosius, weil er 
wohl auch Lehi-er der Musik war, und unter diesem Vorsteher 
blühte die Schule wieder neu auf. Die Schule zu Trier wurde 
durch die Erzbischöfe Amalarius und Hetti aufs Neue gefördert 
und unter letzterem soll sogar Theganus, der (ioscliiclitschreiber 
von Ludwig dem Frommen, an der Schule gelehrt haben. Albe- 
ricus, welcher am Kaiserhofe ])isher einen Dienst versah, lehrte 
zu Metz Musik, Grammatik und über die heilige Schrift und trat 
später als Grosssänger an die Spitze der Schulen im ganzen 
Bisthum unter J^ischof Drogo und zwar mit solchem Erfolge, 
■dass der Kaiser selbst wollte, sein Knkel Pipin solle darin unter- 
richtet werden. Unter Drogo erwarb sich ülterhaupt diese Schule 
für den gregorianischen Kirchengesang einen solchen Kuf, dass 
man denselben geradezu den Metzer (besang zu nennen begann. 
Die Schule zu Toul bestand wenigstens fort und der dortige 
Bischof Frotariua machte sich so gut als Kenner der Baukunst 
bemerklich, dass ihm der Kaiser die Oberleitung an den Bauten 
seines Palastes zu Aachen übertrug, wobei derselbe aber den 
Barbarismua beging, die schönsten Kömerbauten des Landes ab- 
zubrechen, um das kostbare Material in Aachen zu verwenden. 
Die Art und Methode des Unterrichts scheint aber schon etwas 
entartet gewiesen zu sein, denn die Sclniften der damaligen Lehrer 
. drehten sich um die unbedeutendsten Kleinigkeiten und spitz- 
findige gi'ammatikalische Fragen ohne allen Werth. 

Nach dem Tode des Kaisei1Pl>rach bald der alte Hader unter ^"^0 
•den Brüdern wieder aus, denn Lothar, der die Kaiserwürde er- 
erbte, strebte darnach alle Länder seines VaterF^n sich zu 
bringen und seine Brüder Ludwig $n Neustrieir)und Karlen Ger- 
manien-) zu verkürzen. Sein Hauptrathgeber und* Aufstachler 
war woiil Adalbert, Gaugraf von Metz, und die Brüder sahen * 
sich genöthigt, Heere autiiubieteu, um sich in ihrem Besitze zu 



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56 I* Buch: Von der Slteaten Zeit bis sa Gerhard vom EUasae. 

erhalten. Als Lothar vernahm, dass sein Bruder Ludwig die 
Waffen ergriff und durch Allemannien nach dem Rhein drang' 
und sicli in Ostfranken and Sachsen festzusetzen suchte, rückte er, 
von den Bischöfen unterstatzt, iluii entgegen nnd beide standen 
Bich bald zwisdien Mainz und Frankfurt gegenüber, doch kam 
es nur zu Unterhandlungen, während dessen T^othar gegen Karl 
sein Glück versuchen wollte und diesem bald bei Orleans gegen- 
überstand, ohne aber eine Schlacht zu wagen. Unterhandlungen 
sollten Lothar zum Ziele führen und diese zu Attigny zwischen 
den Brüdern stattfinden. Allein. Lothar erschien niclit, seine 
Brüder einigten sich gegen ihn, sein Heerführer Adalbert, Graf 
von Metz, wurde im Kiesgau gesclila^^en und getödtet, Ludwig 
setzte über den Rhein und vereinigte sich bei Ohaions mit Karl 
und als sie auch jetzt ihren Bruder Lotliar nicht zu friedlicher 
Theilung zu bringen vermochten, so beschlossen sie, die Schlacht 
entscheiden zu lassen. Diese fand bei Fontanetum, dem heutigen 

jont enoy oder Fontenailles , statt und nach l)lutigem Kampfe 
unterlag Lothar und mit ihm das fränkische Kaiserthum, das 
hier sein Grab fend, um fortan ein rein deutsches zu werden. 

Lothar zog nach dieser Niederlage nacli Aachen und traf 
dann in Metz (^der Worms mit seinem gleichnamigen Sohne zu- 
sammen, der in Sachsen ein neues Heer gesammelt und dem 
Volke so grosse Zugeständnisse gemacht hatte, dass selbst das 
Heidenthum wieder aufzuleben begann. Dieser letztere Umstand 
entfremdete ihm aber die Bischöfe wieder und die Brüder Ludwig 
und Karl schlössen zu Strassburg abemals ein Bündiiiss, nach- 
dem Karl sich Touls bemächtigt und Austrasien durchzogen 
hatte. Lothar wagte keinen Angriff and indem er die Schätze 
von Aachen mitnahm, zog er nach Lyon, worauf sich auch die 
Synode von Aachen gegen Lothar erklärte.- Da des Letzteren 
Macht immer noch stark genug war, derselbe aber selbst den 
Glauben an Erhaltung der Reichseinheit aufgal) und sich zu 
Unterhandlungen bereit erklärte, so fanden solche Mitte Juni 842 
auf einer Insel der Saöne oberhalb Macon statt und es wurde 
vereinbart, auf einer neuen Zusammenkunft am 1. October zu 

' Metz eine Theilung des Boichs vorzunehmen. Dazu bedurfte es 
noch einiger Vorbereitungen, zumal auch erst der Um&ng des 
lieichsgebiets festzustellen war, die Brüder kamen in einer Kirche 
zu Koblenz abermals zusammen und da das ganze Eeicb sich 
ohnehin in grosser Noth be£Emd, sowie Seuchen und Hunger 



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3. Die Zeit der Karolinger. 



57 



lierracliteii , bo wurde auf den iiachlierigen Besprechungen zu 
V^rduD, Metz und Diedenhefen eine Yersammlmig in dem nahe- 
gelegenen Yntz vereinbart, wo unter dem Vorsitze des Bischöfe 
Drogo, ihres Oheims, die letzten Streitpunkte beseitigt wurden. 
J>er Theilungsvertra g selbst wurde im ersten Drittd des Augu st 3^/»^ 0 
zu Verdun abgeschlossen und Lothar als dem Aeltestrai die 
1^£hnSf^r den drei Theüen gelassen. Lotha r wühlte ausser 
seinem Königreiche Italien den mittleren Theil mit dem Kerne 
des alten Austrasien, Ludwig bekam zu Bayern alle rechtsrhei- 
nischen Länder und auf dem linken Ufer die Kirchensprengel 
von Speier, Worms und Maüiz, Karl, genannt der KaUle, aber 
Aquitanien, die südlichen und westliehen Länder und Burgimdien 
westHch, der Sadne . Ludwig's Antheü war somit ganz deutsch^ 
derjenige KarPs fest ganz romanisch, Lothar*s Boich aber ge- 
mischt, da ihm auch das Elsass, die Gaue an der Mosel und 
Maas und die Bheinmflndungen zufielen. Alle drei Brfider re- ^ 
gierten ihre Länder von nun an gemeiqgchaßlichfl'Lotiiar zu 
Aachen hatte mit seiner KaiserwQrde''keine Ober- oder Vor- 
herrschaft mehr, die Schöpfung Karins des Grossen ward aufge- 
löst, Östlich und westlidi bildeten sich das deutsche und fran- 
zösische Boich selbständig aus und das mittlere Lothar*s, welches 
von ihm den Namen Loüiars- Reich [oder Lotharingien erhielt, 
bildete nur eine Art Mittelstfick fOr eine nicht zu lange Zeit 
Ja obgleich die ganze Ländermasse später noch einmal sich <in 
Einer Hand vereinigt sah, so war dies dodi nur vorObergehend 
und die Scheidung blieb fOr immer bestehen. 

Lothar fibertrug Italien seinem ältesten Sohne LudwiglT 3*^'- 
welcher mit Bischof Drogo nach Rom zog, 844 vom Papst Sergius 
zum König von Italien gekrönt wurde und von demselben zu- 
gleich för Drogo die Würde eines päpstlidien Vicars über ganz 
Gallien und Germanien erhielt, die jedoch nie zur vollen Aner- 
kennung gelangte. Sonst litt Lotliar*8 Reich im Süden und 
Norden durch die Baub&hrten der Sarazenen und Normannen 
und da auch die Reiche seiner Brfider ziemlich zerrfittet waren, 
so beriethen sie sich im October 844 Über die [gemeinsame Lage 
wie in den früher gehaltenen Versammlungen zu IMedenhpfen^ 
ja trotz neuer Zwistigkeiten besprachen sie sich 847 gu Morsen, 
zwei Jahre später zu Peronne und 851 wieder zu Morsen über 
die bessere Gestaltung und Sicherheit der Lage. Bald darauf 
fühlte Lothar, dass er seinem Ende nahe, und daher beschloss 



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5B I* Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elaasse. 

er 855^ die Theflimg seines Reichs. Ladwigllbehielt Italien, 
^ Lotlu^ekam Francien und Friesland mit dem Kaisersitz Aachen 
und KailJ^ie Provence und die Rhdnelftnder. Lothar^lbst legte 
Krone und Begiemng nieder und begab sich in das Kloster 
Prüm in der ^el, aber sdion nach achttftgigen klösterlichen 
üebungen starb er am 29. September 855 und wurde in dem 
reich beschenkten Kloster begraben. 

Den Verstorbenen rflhmten die kirchlichen Scbiiflsteller 
wegen seiner Freigebigkeit gegen die Kirche und seiner Liebe 
asur Wissenschaft, sein Privatleben war aber ein unsittliches und 
er erzog auch seine Kinder nicht zu besserer Haltung, ja er 
erlaubte sogar seinem Sohne Lotiuur, noch vor seiner Mündigkeit 
die Waldrada aus einer edlen Familie als Goncubine anzunehmen. 
Die drei Söhne waren denn auch nicht viel besseren Sinnes und 
/SSreits bei ihrer ersten Besprechung zu_Orbe [am Neuenburger 
See wSren sie fiist hinter emander gekommen, wenn nicht die 
^ ^ O \^Vasa]len die Sache beigelegt hätten, denn LudwigJiBatte an seine 
N^rÜder die Anforderung gestellt, ihm noch Theile ihrer Lftnder- 
gebiete zu seinem Italien abzutreten. Anstatt einig zu sein, 
was alle drei befestigt hfttte, waren sie einzeln zu sehr geschwächt 
und nur Lotha^uchte einzelne Grosse und Bischöfe sich näher 
zu verbünden, um mit ihrer HfUfe eine Scheidung von seiner recht- 
mässigen Qemahlin Theutberga zu Stande zu bringen und dafür seine 
Ooncubine Waldrada an deren Stelle zu setzen. Lotha^Jmd Karl der 
Kahle hatten schon 859 in der Nähe der Yogeeen, zu kflaa, eine Zu- 
sammenkunft und erneuerten einen Bund ^egenjKfii^JiUdwig 
den Deutschen und nach einem vergeblichen Yermittänngsver- 
meke mehrerer in Metz versammelter Bis^öfe verbanden sich 
Kurl der Kahle und seine Neffen Lotharlimd Karl>zu Savon- 
ni^res bei Toul gegen Ludwig den Deutschen. Um audi seinen 
älteren Bruder Ludwinen Italien abzuhalten, sich auf die Seite 
des Bruders zu stellen, trat Lotha^an diesen Bruder die Länder 
im oberen Jura und das Waadüand ab, nachdem er schon vorher 
an Karllbie Diöcesen BeQey und Moutiers fiberlassen hatte, ja 
860 schloss er sogar mit Ludwig dem Deutschen einen Vertrag, 
wodurch dieser das Elsas s erhielt und somit Lothar*s Boich we- 
sentlich verkleinert wurde. Im Juni 860 brachte eine auf Ver- 
^ . , anlassung der Bischöfe und Grossen in Koblenz abgehaltene Ver- 
V'* ^ . Sammlung der drei Brüder Ludwig T Lothar und Karl endlich 

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3. Die Zeit der Karolinger. 51^ 

eine bessere TersOhmiiig derselbeii auf Gnmd der Mersener Ver- 
träge vom Jahre 851 zu Stande. 

Es bitte nim Ar das neue Beich Lofbaringien Bnbe ein- 
treten können, wenn nicht die nnbezthmte Sinnlichkeit Lothar's 
denselben in den Strudel der grössten Lasterhaftigkeit gerissen 
hfttte. Schon nach zweijähriger Ehe verstiess er seine Gemahlin 
Theutberffl unter sdiSndlichen Anklagen eines Mntschänderisdien 
Verhältnisses mit ihrem eigenen Bruder. Die Grossen nahmen / 
aber daran Anstoss und nöthigten den KOnig, der Theutberga ^ 
zu gestatten, sidi durdi ein Gottesurthdl und dm BemtÖB des 
siedenden Wassers zu reinigen, den auch Theutberga siegreich 
bestand. Lothar beschuldigte aber seine Frau, sich dabei der 
Zaubermittel bedient zu haben, sperrte sie ein und strebte doch 
auf Trennung. Zu diesem Behufe wandte er Bestechung und 
Gewalt an und obige Länd erabtretnngen sollten ihm auch sei ne 
Brfider willfiihrig machen. Dunji seinen Erzcaplan vermochte 
er die ErzbischOfe G ünter von KOln und ^entgaud^Ton Trier 
sich zum Werkzeuge seiner FlSne herzugeben und diese erpresste n 
sodann ein S<^dbcjkcamtnis8 von Theutberga, worauf sie als 
der Schuld liberfnhrt fOr unwürdig als Königin erUfirt und zur 
ewigen Gefkngensduift verurtheilt wurde. Aber dies genfigte 
Lothar nicht, denn er wollte %mlich mit Wald rada verlieirathet 
werden, um deren Eindem die Nachfolge zu sicESrn, wm äne 
ansdrackliche ErklSrung einer Synode erforderiidi wurde. Die 
Geistlichkeit wSre Lothar wohl dazu behilflich gewesen, aber in 
den Plan KaiTsdes Kahlen, der auf die Erbsehaft lauerte, passte 
dies nicht und Erzbis<£bf Hmcmar v on Keims war auch da- 
gegen und erhob seine Stimme, als Lothar ach mit Waldrada 
eigenmSchiig trauen Hess. Der Papst legte sidi endlich in*8 ^ , 
Mittel und sandte zwei Legaten nach MetTj um der für diese ^^3^^ 
Angelegenheit anberaumten Synode beizuwohnen. Lothar wusste 
aber auch die L^ten und die Synqde zu gewinnen und da 
Theutberga, der man sidieres Geleit verweigert hatte, nicht er- 
schien, so erUftrte man dies als Sehuldbeweis und die Ehe mit 
Waldrada als^gültig. Sobald jedoch die beiden Legaten und die 
Erzbisehöfe von Köhl und Trier mit den Synodalacten nach Bom 
kamen, liess der^apst letztere durch eine Versammlung im ij 
Lateran prfifen und erUfirte dann die Beschlüsse f&r ungfiltiff, ^ ^y^*^* 
unlinsagte den zwei Erzbischöfen jede Amtshandlung und drohte 



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60 I. Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

den anderen tetheiligtea BisdiOfen mit dem Banne, wenn sie 
nieiit Beaserong Tefaprfldien. 

So sehr nun auch das Yerfabren der Erzbischöfe und der Sy- 
node an miasbiUigen war, ao lag dodi in dem Yerfiiliren des 
Papstes eine grundsätzliclie Oefiihr fOr die Sdbatftndigkeit des 
Friestertiumis, denn man &nd es nnerbdrt, dass Erzbiaehl^fe ohne 
Znstimmimg ihrer MitbischOfe durch gpsüichen ürtheilsspmch 
abgesetzt wQrden, und die Erzbischöfe &nden es daher leicht, 
den Kaiser Ludwi^^on dieser Gefiihr zu flberzeugcu und zu 
r^^j, ^^m'~emem 'Zuge naehTBom zu vermögen. In Bom wäre es &8t zu 
o T' < einem Kampfe gekonunen und der Papst war schwer bedroht; 

aber seinen Qegnem fehlte es an Einigkeit und so ward es der 
darüber in ihrem Gewissen bedrängten Kuserin nicht zu schwer, 
eine Yermittelung zu bewirken, welche dahin ftthrte, dass d6r 
^iser die. ErzbisdkOfe aufgab und nach Hause schidEte, selbst 
aber nach Bavemiä zog. Erzbischof Günther, welcher sein Amt 
fortsetzen wollte, wurde bald darauf von Lothar durch einen 
/ >^ Andefn. ersetzt und Lothar selbst schickte Entschuldigungsschreiben 
^l A^Vnach 'Rfm und erkürte sich selbst zur Aussöhnung mit Theut- 
^tr^^fy berga bereit. Aber auch diese Sinnesftndenmg hielt bei ihm 
nicht Stand, denn Sinnlichkeit und Leidenschaft siegten bald 
wieder und der Eh^ireit blieb mibeendigi Als dann Hadrian ü. 
*V<^ zum Papst gewählt wurde, suchte derselbe durch Müde zu 

wirken, absolvirte den Trierer Erzbischof und selbst Waldrada 
J und dies erfilllte auch Lothar jyieder mit Hoffiiung. Nachdem 
r ^A')v die zwei anderen Brüder ^6mln FriedoiSTertrag von 

( fl'ousef yber die ' künf tige Theilung von Lothar*|HErbe erneuert 
\ hatten und Lothar zu Hause nichts zu befürchten glaubte, zog er 
selbst über die Alpen, konnte aber doch vom Papste nichts 
weiter erlangt a, als das Versprechen, die Angelegenheit einem 
allgemeinen Ooncile zu übertragen, nachdem Lothar eidlich er- 
klärt hatte, seit der Bückkehr des Legaten keinen Umgang mit 
Waldrada mehr gehabt zu haben. Mit mancherlei Hoifiiungen 
kehrte nun Lotha^J^ch Hause, aber er verfiel in Placenza in 
eine Krankheit und starb daselbst am 8. August 869. Theut- 
.^C<\ herga eilte mit Thränen an sein Grab und lebte fortan als 
J Aebtissin im Kloster Ste. Glossinde zu Metz, Waldrada aber als 
einfache Nonne zu Bemiremont. 

Da um diese Zeit Ludwig der Deutsche krank und der 
Kaiser in Unteiitalien durch Kriege zurückgehalten war, so ent- 



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3. Die Zeit der Karolinger. 



61 



sclüoss sich Kcirl der Kahle sofort von der Hinterkssonscluift 
Lotliar's Besitz zu ergreifen. Vergehens ersuchten ihn (irosse 
und Bischöfe, sich mit Ludwig dem Deutschen zu vereinbaren; 
andere Herren und l^rälaten, worunter Jiischof Adveutius von 
}>lxi\/., cnnuntcrten ilin al)er in seinem Beginnen, an den Tlioren 
von Verdun l)egrrisstcn ihn ihM- Bischof und jener von Toni, er 
erreichte am Sei>tcinl)er Met/, und l)crief sofort auf den 9. 
eine allgemeine Keiclisversammlung. Krzliischof Hincmar von 
Keims salbte ihn. in Erledigung des J^r/liistliunis Trier, in der 
Kathedrah' zu Metz und Karl zog dann nach der Hau|ttstadt 
Aachen, ungeaclitet der Protestationen des Königs von Deutsch- 
land. Docli kam es zu Ijiterliandhuigen mit demselben, der 
endlicli herbeigekonunen war, zu Heristal und am 9. August 870 
sdilossen l)eide, ohne Rücksicht auf die Itesseren Hechte des 
Kaisers Ludwig}], zu Viersen einen Theilungsvertrag. Hiernach 
sollte alles Gebiet im Osten und Norden der Maas, jenes an der 
Mosel, auf beiden Kheinseiten, im Jura, das Klsass und ein Stück 
von Burgundien an Ludwig den Deutsclien fallen, dagegen alles 
Andere auf der linken Seite der Maas und i\Iosel und rechts 
der Khöne an Karl den Kahlen kommen. - Die Städte Grenoble, 
Valence, Genf und Tarantaise mit ihren Bischofssprengelu sollten 
dem Kaiser verbleiben. Diese Tlieihmg war jedoch keineswegs 
natnrgemäss . denn sie zerriss viele der bisherigen politischen 
und kircidiclien \'erbände, brachte also viele Uebelstänth' mit 
sich und zeigte von vornherein, dass es nur auf ein vorläutiges 
Abkommen, keineswegs aber schon auf eine dauernde Uegeluüg 
abgeselien sein konnte. 

Als im Jahre 875 Kaiser Ludwig;>bei Brescia kinderlos 
starb, suchte der Papst dem ihm geschmeidiger erscheiiu inlen 
Karl dem Kalilen im westliclien Frankenreicb zur Ivaiserwiirde 
zu verhelfen iniil krönte ilm aucli am Weihnachtsfeste .sTf). aln-r 
Lud\Nig der Deutsche maclite alslndd seine besseren Keclite auf 
die Kro^e geltend und liätte dies wohl aucii mit dem Scliwerte 
gethan , wenn er nicht sclion am '2S. August 87() gestorl)en 
HÄre. Die in Folge dieses Todes überall eingetretene allgemeine 
Bestürzung suchte Karl sofort zu benützen, um ganz Lothringen 
und die Länder bis an den Khein an sich zu reissen. Lr nahm 
also rasch Metz und Aachen weg und rückte nach Krdn. wo ilnii 
sofort König Ludwig HL, des \'erstorbenen S(din. mit einem 
WMtöränkischen Heere bei Andernach so entschiedun in den ^\ e 



00/ 



i >veg 



62 1* Baoh: Von der ältetten Zeit bis zo Gerhard vom Elsasse. 

trat, dass Karl eine entschiedene Niederlage erlitt und mit den 
Trümmern seines Heeres über Lüttieh in sein Reich zurfickkehrte. 
Die Sohne Ludwig*s des Deutschen schlössen darauf einen Thei* 
lungsvertrag , wonach Liidwi^Ibstfiranken , Sachsen, Thüringen 
und Friesland, Earf^iilemannien und Karhnann Bayern nebst 
den östlicheren Ländern erhalten, das alte Reich Lothar's aber 
zwischen Ludwigt%nd Karl vertheilt werden sollte. Karl der 
Kahle selbst starb schon im October 877 und sein .-ßobn Ludwig 
der Stammler beeilte sich dann mit König Ludwig'Ton Deutsch- 
I i land Frieden zu schliessen. Als Ludwig der Stammler gestorben 
o«A und ihm sein Solm Ludwig III. gefolgt war, der sich nodi im 
/ Kindesalter be£EUid, en*eichte LudwigJÖIron Deutschland noch 
weiter, dass er auch noch jenen Theil von Lothringen erwarb, 
den Karl der Kahle besessen hatte. 
^ In diese Zeit fielen wieder die mehrfach wiederholten räube- 

rischen EinlUlIe der Normannen, die auf Scliiffen den Bhein herauf 
bis Neuss fuhren, wo sie schon von Lothar geschlagen wurden 
und dann sich wieder entfernten. Allein im Jahre 88J erschienen 
sie wieder im Gebiete der Maas, befestigten sich in einem Lager 
bei Haslou o der Asc hloh und^achten von da aus Kaubzüge nach 
allen Richtungen. Sie verbrannten die Abteien Mahnedy und 
Stablo, die Städte Neuss, Zülpich, Köln und Bonn und zogen 
j?egen Koblenz. Im nächsten Jahre (882) zerstörten sie die Abtei 
Cj' — Prüm und gelangten am 0. April nach Jjier, von wo die Einwohner 
und Geistliclikeit ihre Schätze und beste Habe rechtzeitig nach 
Mainz geflüchtet hatten. Sie zerstörten bis Ostern Kirchen und 
Häuser, tödteten viele Eiiiwolmer und die Mönche und begannen 
dann auch die Mosel heraufzuziehen, um auch Mete dasselbe 
Schicksal '/.n l)ereiten. Es trat ihnen aber bei Reqüch der Bischof 
Wala mit den Grafen Beotulf und Adelhard entgegen, welche 
sich tapfer wehrten; jedoch kamen ihre Leute bald in Unordnungf 
Bischof Wala fiel im Kampfe und die Kriegsschaaren eilten nach 
Metz zurück , das sich schon auf die Verheerung und Zerstörung 
gefasst machte. Die Normannen setzten aber ihren Zug nicht 
weiter fort, weil sie sich von ihrem Lager schon zu weit entfernt 
liatten und noch stärkeren Widerstand zu finden fiOrchteten, und 
kehrten bei Remich wieder um. 

Während dieser Zeit trat ein neuer Bewerber um das 
j ' lothringische Reich auf, nämlich Hugo , natürlicher Sohn Lothar's 

und «der Waldrada, der sich, nur von Wenigen unterstützt, mit 



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3. Die Zeit der Karolinger. 63 

einer Schaar Banditen eines Sclüosses bei Verdun bemächtigte und ^ 
von da aus weiter vorgehen wollte. Aber sobald König LudwigJJT 

ihm Truppen eiitgegonschickto, enttloli Hiit^'o, seine Yeste wurde 
genoninien und seine Anlulnger ereilti* str('nf,'e Strafe Soldie 
Vorgänge erforderten ein besseres Zusaninienluilton^j^uil die Mit- 
glieder der Familie, ausser dem erkrankten Lu(l\vi<^fiM t)o\its('li- 
laud und Lotlu*ingen. versammelten sidi daher zu Uondrceourt 
bei Toni und beschlossen gegen ilire Feinde mit verei in gCen" 
Kräften vorzugehen, zumal Hugo seine Versuclie wieder fort- 
setzte. Es sammelten sich alsbald die vereinigten Heere der ilrci 
Könige uiid zogen gegen Hugo, der selbst in al»geh\gene (Tegen- 
den entwich , wälirend sein Schwager Theol>ahl eine schwere 
Xiederlage erlitt. Als aber König Ludwi^-AiSn Deutsclüand im 
Januar Sß'i gestorben war, keine Kinder hinterliess und sein ' ^ 
Bruder Karl (h'r Dicke Erlie wurde, sowie zum Kaiser gekrönt 'yL^"^ 
war, rief Hugo die Nonuannen zur Hülfe; von allen Seiten er- 
ging also an Karl den Dicken die Aufforderung, das l\eich gegen 
die Xormannen zu schützen. Die beiden Heere Karl's und seines 
Neffen Armüf zogen längs des Rheins nach der Maas und /ajIo 
schlössen endlich das Xormannenlager bei Haslou |Aschloh) ein, ^J*^ 

folgte Kaiser Karl dem llathe seines Kanzlers luid Hess sich auf 
rnterliandlungon ein, um die Normannen friedlich zum Abzüge 
zu bewegen. Die beiden Seekönige waren auch dazu bereit gegen 
Bedingungen, welche man ihnen sofort zugestand. Der Seekönig 
Gottfried Hess sich taufen, )»ekam Lothar's und Waldrada's Tochter 
Jliisela zur Frau und das Kennemerland zu Lehen. Der Seekönig 
Siegfried zog alter zweitausendachtzig l'fiind Sill)ers vor und da 
Karl die Summe nicht sofort finden koimte. so musste der Schatz 
der Glotzer ik^thadi^ß .und einiger anderer Kirchen dafür her- 
halten. V s 

Bald darauf starli Ludwii]^nT.) König des westlichen Franken- 
lands. und sein Bruder Karlmann wurde zu seinem NachAdger 
ünsu'ernfen. Derselbe truij' sich sot^ar ;nicli mit dem (Jedanken. 
selbst Lothringen zum Theil wieder an sich zu bringen, aber er 
konnte sich nicht einmal der wieder eingedrungenen Normannen 
erwehren und musste sich sogar deren Abzug um 12,000 Pfund 
Silbers erkaufen. Bald darauf starb Karlmann auf der Jagd, die 0 
Normannen kehrten sofort wieder um und begehrten nun von 
dem neuen Könige nochmals dieselbe Summe. Da der nächst- 



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9 



^4 I. Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom EUasae. 

boroclitigte Sprössling des westfraiikischen Herrscherhauses, der 
spätere Karl der Eijifältige, nur erat vier Jahre alt war. so 
übertrugen die Grossen des Reichs sofort das iirl>e Karlinaun's 
an Karl den THckeu , der dadurch wieder fast das ganze Reich 
Karl's des Grossen unter sich vereinigte urid über das ganze 
Reich der Franken und Römer herrschte, aber leider nicht der 
Mann war, um dieser Aufgabe zu entsprechen und mit starker • 
Hand die inneren und äusseren Feinde zu ])eugen. 

Nur wo es galt, durch Intriguen und schlaue Staatskunst 
zum Ziele zu gelangen, da wusste auch Kaiser Karl Erfolge zu 
erzielen und Graf Hugo ist dafür ein Reweis. Als Karl den 
Reichstag zu Worms abliielt, trat Hugo mit seinen Ansjirüchen 
auf, wurde aber sofort abgewiesen. Er verband sich daher mit 
einer Anzalü Lothringer Herren wie die (Jrafen Stephan, Robert, 
Vicbert, Theobald und die lirüder Stephan und Alberic, sammelte 
eine Schaar Banditen um sich und begann gräuliche Verheerungen, 
bis die Lothringer sel})8t sich seiner erwehrten und ihn 8S4 zur 
Flucht nach dem Westen zwangen. Um einen dritten ^Versuch |(^*^ 
zu machen, vermochte er seinen Schwager, den (Moseljierzog J^^^ 
jTottfried, an den Kaiser die Forderung zu stellen, ilmi die Orte ^ . 
. u?. K(>hl('nz, Andernach, Sinzig und einige andere Kammergüter zu\" 
'•^f '• ' überlassen, damit er aurh AVcin ziehen könne. Karl gab ihm 

darauf nur eine ausweichende Antwort und die Zusage, einige ' .> 
Bevollmächtigte demnächst zu ihm zu senden. Wirklich gingen .'" 
auch Markgraf Heinrich vom Nordgau, Erzl)ischof A\'illii)ert von " 
Köln und Graf Eberhard mit zuverlässigen Dienstmannen zu ihm auf 
die Insel Betuwe zwischen den Kheinarmen Leck und W aal, als 
die Normannen gerade auf einem Zuge nach Niedersaclisen be- 
gi'iffen waren, und luden ihn zu einer Besprechung ein. Als sie 
ihn nun dabei durch harte Worte zum Zorne reizten, gab ihm 
Eberhard einen Sclilag und die Leibwächter tödteten ihn dann 
vollends. Hugo wurde dadurch wold abgeschreckt, aber der 
Kaiser wollte sich seiner auch endgültig entledigen, Hess ihn 
durch Vorspiegelungen nach Gondreville locken, dort ergreifen 
und blenden und sperrte ihn dann in ein Kloster zu Fulda und 
s]iäter zu Prüm ein, wo ihn der Chiüüist Regino selbst zum 
Mönche schor. 

Um diese Zeit soll Kaiser Karl die Absicht gehabt haben, 
seinen natürlichen Solm Benedicj, durch den l^apst für er])fähig 
erklären zu lassen, aber er Qsimugte nicht zum Ziele. Iiu Juli 



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3, Die Zeit der Karolinger. ß5 

88() zog er der von den Normannen eingeschlossenen Stadt Pa ria 8S b 
zu Hülfe und bewog die Normannen gegen ein schweres Löse- 
geld zum Abzüge, dann aber befiel ihn, der schon \ierzehn Jahre 
zuvor von der Epilepsie befallen wurde, eine schwere Krankheit 
und die Grossen gelangten mehr und melir zu der üeberzeugimg, 
dass er nicht mehr beföhigt sei, das schwere Steuer der llegie- 
rimg zu fühi'en. Sie richteten also auf seinen Neffen, den zwar 
jllegitimen, aber tapferen Sohn Karhnann's, Arnulf von Kärnthen, 
ihre Augen, setzten Karl ab und Arnulf an seine Stelle und 
Karl selbst gab zuletzt seine Sache auf und lebte fortan auf ei- 
nigen allemannischen Kanimergütem. Aber nicht lange, denn <> <? 
er starb schon am 18. .lanuar 888 zu Neidingen an der Donau ^ ^ 
und mirde im Kloster Reichenau begraben. Es ging in jener 
Zeit sogar das Gerücht, er sei nicht eines natürlichen Todes, 
sondern durch Mörderhand gestorben. 

Auf Karl den Dicken folgte sein Neffe Arnulf, der natür- ^ j> 
liehe Sohn bsäaigiaiB^EB^BBiMi^ der schon zu Lebzeiten seines /lü^iifi^n S 
Oheims (887) den Königstitel angenommen hatte, in der Regie- 
rung. Aber sofort zeigte es sich, dass die hergebrachte Ehr- 
furcht vor der Abstamnmng von Karl dem Grossen nicht in 
gleichem Maasse auf den halbblütigen Abkömmling überging, 
und selbst Arnidf schien diesige fürchtet zu haben, denn er suchte 
sich zuerst in den östlichen Reichen zu sichern und dort durch 
grosse Vergabungen Grosse und Bischöfe an sich zu fesseln. 
Nicht so glückte es ihm anderwärts, wo fast jeder Staumi und 
jede Landschaft anfing, sich aus eigener Mitte einen Herrscher 
zu wählen und zwar meistens durch Svuoden, auf welchen die 
Geistlichkeit vorherrschte. So wurde der tapfere Graf Odo von 
_Pari8 in Neustrien zum König erwählt, (Öuido von Sjioleto als 
^^^^König in Langres gi^&f)und der Weife R udolf in den Ländern 
zwischen dem Jura und den Alpen als Herrscher anerkannt, ja 
der erwähnte Guido empfing sogar im Februar 81il von Papst 
Stephan V. den Kaisertitel, ohne freilich die Macht zu besitzen, 
ein italienisches Kaisorthuni zu gründen. Guido, im Besitze von 
Italien, glaubte sogar, auf Burgiuidien und Lothringen Ansprüche 
9,7 machen zu können, drang in das Land ein und selbst bis Metz, 
stiess aber dort nur auf Widerwillen und zog sich daher sofort 
zurück. Rud olf von B urg undie n erhob ebenfalls die gleichen /) 
Ansprüche, aber Arnulf rückte mm heran und trieb ihn nach 
den Gebirgen der Schweiz zurück, wo er sich in den widerrechtlich 

Kulm, Geschichte Lutfaringt'DB. 5 



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50 L Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom £lsasse. 



in Besitz genommenen Ländern behauptete. Es lag nun über- 
haupt zu Tage, dass das Reich Karl's des Grossen nicht mehr 
zusanmienzuhalten und der Augenblick gekoniinen war, wo dessen 
grosse Ländermasse endgültig in Einzeh-eiche zerfallen sollte. 

r/^ ^^jt.,/,( I^eshalb suchte er selbst schon seineniLSoline Z}NiiijtibQld, der 
/2> ' '■ seinen barbarischen Namen von seinem Pathen aus .Alälueu er- 
halten hatte, in Lothringen ein eigenes Reich zu gründen und 
in den entfernteren Ländern wenigstens sein oberherrliches An- 
sehen zu wahren, wie denn auch der neue Kön itz Odo von West- 
franken den König Arnulf als Oberlehnsherrn anerkannte. Als. 
jedoch Odo gestürzt und der Knabe Karl (der Einfältige) 8Jj3^ 
zum König an seiner Stelle ausgerufen wiu'de und nun ebenfalLs 
j Arnulfs Anerkennung nachsuchte, so that er dies erst im Juni 
894, als Karl auf dem Reichst age als Hülfeflehender gegen Odo 
^ erschien. Od o's Tod, im Jahre 898 brachte Karl erst zum ru- 
" higen Besitze. A ipJf selbat kam erst 896 dazu, dass ilm der 
Papst zu Rom im April zum Kaiser krönte. Das Reich von 
den inneren Wirren zu befreien, gelang ihm jedoch nicht, er 
selbst bekam zu Rom Gift und edeehte dahin und starb endlich 
^ in seiner . Heimaih am 8. December 899, worauf sein Sohn Ludwig 
3 das Kind zu Forehheim im Januar 900 zum König gewählt wurde 
und als siebenjähriger Knabe in eine schwere Zeit eintrat. 

Zwentibold, der fiber Lothring en herrschte, brachte es 
auch nicht in Ordnung, hörte auf schlechte Rathgeber und miss- 
brauchte seine Gewalt, weshalb er bei den Vasallen auf energi- 
schen Widerstand stiees. Ein Versuch, sich Westfr ankens zu 
bemächtigen, seheiterte schon an der yergeblichen Belagerung 
von Laon. Er trat sodann den wlderspenstigBten Vasallen, den 
Grafen Steph an, Odoaker, Gerha rd und Matfr ied entgegen, ent- 
setzte sie ihrer Würden und Güter und vergab soklie an seine 
Günstlinge und es kostete seinem Vater Arnulf viele Mühe, ihn 
mit einigen dieser Vasallen wieder zu versöhnen. Sogar seinen 
treuesten und besten Bathgeber, G raf Regina r, vertrieb er vom 
Hofe und entsetzte ihn nicht bloss, sondern verfolgte ihn auch 
aufs Bitterste, so dass derselbe mit dem Grafen QjLosker zum 
König Karl dem Einf&ltifr en floh und zur Belbsthfilfe griff. Beide 
Grafen drangen in Lothringen ein, K^ selbst bemftchtigte sich 
Aac hens, Nymwegens und der Abtei PrOm und Zwentibold selbst 
musste fliehen. Doch sammelte er alsbald wieder Truppen und 
zog gegen Karl, der aber noch vor Ik-glnn einer Schlacht mit 



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3. Die Zeit der Karolinger. 67 

Zweutibold Frieden machte. Dadurch wurde Zwentihold aber 
nicht klüger und sein Vater dachte .SÜH sogar daran, ihm Loth- 
ringen zu entziehen, nachdem er auf der Versamnihmg zu 8t. Goar 
versucht hatte , ihn mit den ( «eguern auszusölmen. Als ArnulF 
starb, war Zwentibold in offenem Kampfe mit den N'asallen und 
Bis( lint'en und soll sogar den Trierer Erzbisehof Katl»ot mit dem 
Hirtenstab auf den Kopf geschlagen haben. Es war daher aucli 
gar nicht daran zu denken, dass beim Tode Arnulfs ihm der 
Vorzug vor dem Knaben Ludwig dem Kinde gegeben würde. 

Kaum war der Vater todt, so begann Zwentibold den Krieg mit 
seinen alten Widersachern auf's Neue, besonders mit den Grafen 
Keginar und Gdoaker. die in der durch Sümpfe und die Maas- 
aniie gesiclierten Veste Difros energiseli widerstanden. Ludwig 
das^Jund bekam dann in Diedenhofen von mehreren Grossen 
Lothringens dies Keich übertragen, that aber nichts weiter in 
der Saclie und kehrte zurück, Zwentibold sammelte aber ein 
neues Heer, sowohl gegen König Ludwig als auch seine bis- 
herigen Gegner und zwang so diese zu einem neuen Bündnisse 
und Kriege. Am \';\. August JMIO kam es endlich mit den o^o 
Grafen Steplian , (ierliard und Matfried an der Maas zu einer 
blutigen Schlacht und hier verlor denn Zwentibold Krone und 
Leben , wor auf Lothringen Ludwig das Kind als seinen König 
anerkannte . Graf Gerhard, welcher Ota, die Wittwe seines. 
Gegners, heirathete, gedachte zwar auf Grund dessen Zwenti- 
bold's Nachfolger werden zu können, aber als Bundesgenosse der 
Babenberger wurde er vom Könige seiner Güter und Lehen ent- 



v 

'/atv ■ Sützt, konnte sich nicht behaupten und fand dann vier Jahre 
^Me^ s]*äter seinpn Tod im Kampfe gegen die Ungarn, worauf Ludwig\VM 
Äef^flfältii^ die Vei*waltung Lotluingens dem Grafen und Sejid^ 
boten ilegina r übertrug. Während dieser nie unterbruclienen Fehden ^ *i 
und Kämpfe der Grossen Lothringens unter einander starb Kw4*eH- ^u**' Ä>i/^^ 
^A"' f Ludwig das Kind im Jahre 911 am '^O. Augnst und wurde 
y/?' ' zu Begensburg begraben als der Letzte der karolingiseheu Ab- 
' kömmlinge in Deutschland. Die Deutschen und namentlicli die 
Bischöfe versammelten sich sofort auf Antrieb des Krzbischofs 
Hatto von Mainz zu Forchheim, um Deutsclüand wieder ein Haupt 
zu geben, aber ihre Wahl konnte unmöglich auf den in West- 
franken lebenden Karolinger Karl den Einfältigen fallen, da 
dieser sich sogar gegen die heimischen Vasallen nicht zu halten 
vermochte, und so wurde denn der Salier Konrud, Herzog 



5* 



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63 Buch: Von der Sltesten Zäi bis zu Gerhard vom ElBasse. 



von Rheinfranke&t emählt und damit zugleich Deutschland TOn 
einem Erbreich zum WahlreicHt an dessen Spitze aber nun auch 
ein tüchtiger Mann trat. Dies wurde denn auch in der Folge 
für Lothringen s elbst wichtig, welches sich zwar für Ka r l den 
Einfä ltigen ejrklärte, aber unter ihm keine Sicherheit fand, war 
er doch nicht einmal im Stande, die sich aeit 889 wieder er- 
neuenden Jiliufälle der Nrnmannen abzuweisen und zu verhindern. 
Dieselben waren nach der vergeblichen Belagenmg von Paris 
nach der Champagne gezogen und hatten Troyes, Toni und 
Verdun nebst dessen Kathedrale verbrannt und drangen 891 so- 
gar im Maasthale herauf, wo am Ki. Juni ein lothringisches 
Heer gegen sie eine schwere Niederlage erlitt und dabei der 
Erzbischof von Mainz und Graf Arnulf fielen. Damals trieb sie 
bloss der aus Deutschland herangekommene Kaiser Arnulf zurück, 
aber mit so wenig dauerndem Erfolge, dass sie im Februar 892 
wieder kamen und die Abtei Prüm zum zweiten Male verbrannten. 
Während das Karolinger - Reich mit energischer Sicherung der 
Ruhe und Ordnung und dauernder Zurückweisung fremder An- 
. griffe begonnen hatte, endigte es jetzt in einem Zustande, der 
nie schlimmer war und fast mit einer Auflösung in eine Menge 
einzelner Theile drolito. 

Im karolingi sehen Zeitalter waren die inneren Umwand- 
lungen und Neugestaltungen ebenfalls fortgeschritten, jedoch 
nicht sehr verschieden Von jenen in den benachbarten Ländern, 
denn zumal der Anfang dieser Periode zeigte überall die starke 
Hand, welche ziemlich gleichmässiu: über das ganze Reich zu 
walten suchte, ohne die provinziellen Institutionen weiter anzu- 
tasten. Man erkannte aber auch sofort an den seltener werden- 
den Reichs- oder öffentlichen Versammlungen, dass die directe 
Antheilnahme des Volkes sich verminderte und die ]\egierung 
selbst eine mehr persönliche .wm'de. Die Sklaverei bestand fast 

zuvor, aber die bessere Rechtspflege verschaffte den Sklaven 
docli t'in etwas milderes Loos und es wurde auch von oben herab 
dit' Ausübung der Rechtspflege mit melir Sorgfalt überwacht. 
Selbst reiche Vasallen mussten sich dersel))en untenverfen und 
Kaiser Arnulf l)elegte sogar die lothringischen (trafen Stephan, 
Gerhard und Matfricd zu Worms mit der Strafe des Hunde- 
tragens und einer Qeldbusse, weil sie sich an den Gütern der 
Kirche von Toul vergriffen hatten. Die häutigen Kriege und 
Raubzüge waren dem Aufblühen der Städte fortwährend schädlich 



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3. Die Zeit der Karolinger. 



69 



und ihre BerOlkerung veimetiite sidi nicht Bloss Metz bewahrte 
als Hanptort einer grossen Grafschaft eine stftrkere Berölkening, 
genoss w^n seiner Manem besserer Sicherheit nnd trieb wohl 
auch einigen Handel und Gewerbe. Dagegen waren Scarpona 
nnd Hattonchfttel mehr Vesten als Stftdte nnd selbst Toni nnd 
Verdnn verdankten den stfidtisdien Namen weniger ihrer Grosse 
nnd Ydkszahl als ihren Bischo&itzen. Trier selbst litt zn sehr 
durch die Kriege, als dass es sich wie frfiher erheben konnte. 
Die Kaiser und KOnige nahmen im Lande ihren Wohnsitz nur 
selten und yorubergehend und Aachen und andere deutsche StMte 
zogen sie mehr an. Es gab übrigens in Lothringen nicht wenige 
kaiserliche Gebftude, weh^ jedoch mehr der Vorliebe dar Fürsten 
für die Jagd ihre Entstehung und Erhaltung verdankten. Ausser 
den zur Aufhahme eines fürstlichen Hofhalts geeigneteren könig- 
lichen Häusern oder Falatien zu Remiremont, C hamp-le -Duc und 
Diedenhofen werden noch solche zu Ytttz« G ondreville, SaTomd^es^ 
Silviaens. Vichery und Yoid erwfihnt und in einigen derselbeir 
landen nicht nur Besprechungen der königlichen Brfider, sondern 
auch andere Versammlungen und selbst Gondlien oder Synoden 
der Bisdiöfe statt Sonst hatte aber wohl weder die Volkszahl, 
noch die Anzahl der bewohnten Orte erheblich zugenommen, da 
die yielen Kriege dafikr nidit gOnstig waren. Die grossen Wfil- 
der waren noch ungelichtet, weite Strecken Landes unbe- 
baut und unbewohnt und die wilden Thiere besassen noch bidte, 
unbestrittene Beyiere. Namentlich Wildschweine, auch Wölfe 
hausten in grosser Anzahl ungestört und bereiteten grosse Ver- 
luste an Thieren und Menschen. Bisdiof Frotarius yon Toni 
meldet sogar in einem seiner Briefe, dass sdt dem Antritte 
seines Amt's allein in den VogesenwSldem yon Moyen-Moutier 
zweihundertnndzwanzig Wölfe getödtet worden seien. 

Als sehr bemerkenswerth ist aus dieser Zeit hervorzuheben, 
dass sich die Anwesenheit einer grösseren Anzahl von Ju den 
bemerUich machte, von welchen ein Theil sogar Ackerbau trieb 
und Grundbesitz hatte. Sie lebten unstreitig als besonderes 
Volk nach ihren Gebräuchen und die G^tlichkeit machte die 
Kluft zwischen ihnen und den Christen noch breiter durch ihre 
Unduldsamkeit Während Bischof Adalbero L denselben zionlich 
viel Wohlwollen erwies und daher auch ihre Zuneigung besass, 
was sogar ein Murren der Bevölkerung erzeugt haben soU, brachte 
es der Metzer Domvorsteher Guntbert 888 auf einer Synode zu 



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70 1* Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

Metz dahin, dasB dieselbe es den Einwohnern der Stadt 'förmlich 
Terbot, mit Juden zu essen oder zu trinken und sonstige Ge- 
meinsdiaft zu haben. Die Juden waren nichts desto weniger die 
Begrfinder des eigentlidien Handels im Lande und dadurch eines 
durch die eigene Selbstanstrengung steigenden Wohlstandes. 
Während nftmlich die christlichen Bewohner mehr an der Scholle 
klebten und neben Ackerbau locale Gewerbe trieben, sowie nur 
selten durch Familienbeziehungen Geschäfte mit anderen, nament- 
lich entlegenen Orten unterhielten, bildeten die Juden ganzer Länder 
eine grosse Volks- und sogar Familiengenossenschaft und dies 
brachte sie mit Leichtigkeit zu weiten, sogar internationalen 
Verbindungen, welche einen eigentiichen Handel erst hervorriefen. 
Vermöglich und selbst reich dadurch geworden, erzeugte dies 
alsbald den Neid der christlichen Mitbewohner und daher audi 
deren Hass und die vielen Bedrückungen, welchen sie sich von 
diesen und den geldbedürftigen Grossen mehr ausgesetzt sahen. 
An Strassen und sonstigen Verkehrswegen war das Land ohnehin 
arm, seitdem man die schGnen Bömerstrassen yer&Ilen Hess, 
Zölle belasteten den Verkehr ohnedies und dann ermangelten die 
Gewässer, zumal die Flüsse, noch stehender Brücken. Es ist 
sehr zweifelhaft, ob die rOmische Brücke über die Mosel zu Metz 
noch bestand, einer hölzernen Brücke bei Mon9on wird allein 
schon 896 gedacht, doch bestand damals wohl noch die Brücke 
bei Scarpona. Wein wurde ^ den Anhöhen der Mosel seit den 
Bömerzeiten erzou^^, a|j) er überall- bereitete man Bier für Klöster 
und den Hausgebrauch und es gab davon sogar mehrere Arten. 
Die Elosterregeln jener Tage geben darüber einige nähere Aus- 
kunft und namentlich das Statut über die Lebensweise im Metzer 
Domcapitel enthält genauere Vorschriften über den Gebrauch 
von Wein und Bier. Nach dieser Bogel Chrodegang's für die 
beiden Mahlzeiten erhielten die Priester und Diaconen Mittags 
drei und Abends zwei ^ass^ Gläser Wein oder Liaueure . 
die ünterdiaconen aber stets nur zwei; an Fasttagen wurde bei 
der einzigen Mahlzeit zu Mittag nur einmal Wein gereicht und 
die Leute mussten auch zufrieden sein, wenn der Wein nicht 
ganz dafür reichte, und in diesem Falle wurde überhaupt Bier 
dafür gegeben. Wo kein Wein erzeugt wurde, wie in Verdun 
und sonst wö, gab es nur Bier und daher entstanden Überall 
Bierbrauereien, wie in der Gorze*8chen Domaine Qmosy* Die 



3. Die Zeit der Karoliuger. 



71 



KUlster und Gnmdheiren machten dann natörlich auch die Bier- 
Erzeugung znm Gegenstande eintrftglieher Besteuerung. 

Der Beichthum des Landes an Salzlagem hatte schon früher 
deren Ausbeutung gefördert, nun aber, wo unter den Karolingern 
mehr Buhe zu herrschen begann, wurde Erzeugung und Handel 
mit Salz viel stärker betrieben. Einzehie Klöster wussten ihre 
Gunst bei Hofe selbst dazu auszubeuten, dass ihnen an den Sa- 
linen der Domaine die Salzansbeutung f&r den eigenen Gebrauch 
erlaubt wurde und daher besassen bald die Abtei St. Epvre und 
die Kathedrale yon Toul Gebäude dafilr zu Moyenvic und die 
Abtei St. Mihiel Salinen zu Marsal und Vic. Dass die reichen 
Eisenhiger auf der linken Moselseite zwischen Noydant und Die- 
■denhofen schon gekannt und ausgebeutet wurden, ist mehr als 
zweifelhaft, aber jedenfalls betrieb man schon die Silberbergwe^ 
im St. Marienthaie 'der* oberen Vogesen, welche die Börner schon 
gekannt zu haben scheinen. 

Von den Bömem kannte man schon den Bau mit Ziegel- 
steinen und mit gehauenen Steinen und man hat damals wohl 
tmch die wichtigeren Gebäude damit au^efährt; aus dem Um- 
stände aber, dass die hereinbrechenden Normannen ganze Städte 
und Kathedralen leicht niederbrennen konnten, ist zu entnehmen, 
dass Holzbauten noch yorherrschten und selbst zu Kirchen noch 
. ein Üebermaass yon Holz yerwendet wurde. Ein weiterer Beweis 
dafOr ist der Umstand, dass yon allen Bauten dieser Zeit so 
ganz und gar nichts mehr auf uns gekommen ist, während wir 
noch so manche Bauttberreste aus den Bömerzeiten zu bewundem 
haben. Nur die erhaltenen schrifOichen Berichte geben uns tSa 
die Karolingerzeit noch einige Kunde. Die in Metz bestandene 
Kathedrale wurde yon Karl dem Grossen mit einigen ThOnnen 
und einer Sacristei fSa Aufbewahrung der Kirchenschätze und 
Ornamente bereichert, was auf Steinbauten sehKessen lässt; auch 
bereicherte er die daneben gestandene Kirche St. Pierreje Vieia 
mit yerschiedenem Schmuck, einem Presbyterium lind einem mit 
Gold und Silber verzierten Pult för das Öiorbuch. Bischof Fro- 
tarius von Toul, dem Ludwig der Fromme die Bauten zu Aachen 
und GondreyiUe fibertragen hatte und der sich besonders auf dies 
F^ch verstand, stellte auch seine eigene Kathedrale wieder her 
und schmückte sie mit Malereien, wofür ihm der Abt Angle- 
mare die besten Farben übersenden musste (pigmentum, folium 
indicum, minium, lazur, prasinum, yiyum argentum) und er sich 



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72 L Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 



eineii fremden Maler yerBeliiieb. Aucli die Goldarbeiterei wnid» 
för den Dienst der Ejrche zu kOnstlerischer Thfttigkeit ange- 
spornt nnd der Metzer ^schof Hess über den Beliqnienschrem 
des heiligen Stephan ans den edelsten Metallen einen Thron- 
himmel oder eine Decke herstellen. Besonders geschiddi war man 
in Lothringen aber in der Verfertigung reicher Decken fär die 
Evangelien- nnd liturgischen Bflcher, die man fürstlichen Per- 
sonen Torehrte, und zum Beweise davon dienen heute noch der 
Kelch, der Hostienteller und das Evangelienbuch, dessen sidi der 
Bischof Gauzlin von Toul im zehnten Jahrhunderte bediente. 

Nicht minder zeugen dafiir die im Louvre zu Paris aufbe- 
wahrten,, aber der Metzer Kathedrale im Jahre 1802 entflihrten 
Manuscripte mit prächtigen Einbftnden und Edelsteinverzierungen 
aus dieser Zeit, die wohl alle im Lande selbst verfertigt waren. 
Es ist zwar gewiss, dass in jener Zeit Alles, was Wissenschaft 
und Kunst betraf, fiist nur in den Abteien und grosseren Klö- 
stern gepflegt wurde und die Mönche darin sich mit Bauten, 
Malerei, Büdhanerei, Schnitzerei und Schönschreiben vorzugswcase 
abgaben, aber jeden&Us wurden die ersteren kfinstlerisdien Be- 
schäftigungen, wenigstens vereinzelt, auch schon ausserhalb der 
Klostermauem betrieben,, da auch andere Leute wie die Grossen 
des Landes hin und wieder Bedarf an solchen Erzeugnissen hatten. 

Dass in dieser an Kriegen so reichen Zeit die Schulen all- 
mSlich verfielen nnd zum Theil wieder ganz eingingen, ist leicht 
erklftrlicL Es fehlte bald an geeigneten Priestern und die meisten 
ermangelten der Sprachkenntnisse so sehr, dass sie sogar die 
hmUge Schrift nicht mehr recht verstanden. Die Gondlien zu 
Meaux 845,' Yalence 855 und Sayonni^ bei Toul 859 waren 
daher eifrig bemüht, die Schulen wieder zu verbessern und neue 
zu grOnden, auf welchen neben dem kirchlichen Wissen und Ge- 
. sang auch noch die freien Kfinste betrieben werden sollten. Dies . 
war freilich besser anzuordnen als auszufähren, aber doch kamen 
bald wieder einzelne Schulen zu Ansehen und erzogen Leute, 
welche vor ihren Zeitgenossen durch Leistungen hervorragten. 
Am meisten war dies mit der Schule der Abtei St. Matthias 
bei Trier der Fall, wo am Ende des neunten Jahrhunderts zwei 
tüchtige Lehrer wirkten. Der im Jahre 885 verstoibene Fiebert 
verfiiaste hier eine Erklärung des Buchs der Sprfichwörter Salo- 
mon's und bildete zahlreiche Schuler aus und sein Nachfolger 
Eberhard versah durch vierundzwanzig Jahre mit nicht geringerem 



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3. Die Zeit der Karolinger. 



7a 



Erfolge daselbst das Lehramt Von nicht minderem Ansehen 
war die Schule zu Prüm, wo der Abt Marquard TerdienstvoUe 
Mönche zum Unterrichte heranzog. Aus dieser Schule gingen 
versdiiedene tüchtige Männer hervor, wie der kaiserliche Käm- 
merer Gerung, Wandalbert, der mehrere Jahre lang die Schule 
leitete, der spätere Erzbischof Aden yon Yiemie, der Geschicht- 
schreiber Begino, der Abt des Klosters wurde, und Andere. Die 
Schule von Verdun hatte- den kenntnissreichen Bernhard zum 
Lehrer und den Bertarius zum Schüler, der die Geschichte des 
Bisthums schrieb und selbst kritischen Geist zeigte, indem er 
die bisherige Entstehungsgeschichte des Bisthums in's Fabelreich 
verwies und kurz abfertigte. 

Der Kreis der Studien war freilich beschränkt und ihre 
Art auf niederer Stufe stehend. Man benutzte die grammati- 
kalischen Hülfsmittel der Alten für das Lateinische und beson- 
ders die Grammatik des Martianus Oapella, über welche Abt 
Begino von Prüm einen Commentar schrieb. Aber man be- 
gann auch schon die griechische Sprache in den Kreis der 
Lehrgegenstände zu ziehen und mehrere Schriften aus dieser 
Zeit geben dafür die Belege. Bischof Adventius von Metz und 
Erzbischof Theutgaud von Trier verstanden jedenfalls schon 
etwas von dieser Sprache, denn sie bedienten sich in einigen 
Briefen auch griechischer Schriftzüge, die sich auch in der Evan- 
gelienabschrift des" Bischofs Arnold von Trier und in einem Ma- 
nuscripte der Abtei Tholey vorfinden. Weit ist aber die Kennt- 
nias der griechischen Sprache gewiss nicht gegangen. Von an- 
deren wissenschaftlichen Kenntnissen zeigen sich kaum schon 
Spuren und besonders scheint die Medicin noch keinen Vertreter 
gehabt zu haben, denn Abt Marquard von Prüm war genöthigt,. 
wenn Mönche seines Klosters erkrankten, deshalb den Abt Didon 
von St. Pierre -le- Vif zu Sens zu Bath zu ziehen. Die Juden 
führten auch dies Wissen offenbar zuerst in Lothringen ein und 
wurden von Christen vielfach in KrankheitsfiUlen berathen. 

4 

Besser war es mit der Schönschreibekunst in den Klöstern 
bestellt. Abt Sigelaus von St. Martin bei Metz liess durch 
seine Mönche ein mit Miniaturmalereien versehenes Evangelien- 
huch für Kaiser Lothar schreiben, das dieser dann wieder dem 
lüoster schenkte, und bald darauf schenkten die Mönche desselben 
Klosters an Kaii den Kahlen eine vollständige Bibel in schönster 
Schrift, ebenfalls mit Miniaturen und einem Lobgedicht auf di& 



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74 ^ Buch: Von der iltesten Zeit bb zu Cbrliard vom Elsasse. 

Bibel und den Kaiser selbsi Wahiaclieinlieli stanunt dalier aueh 
das berähmte Missale des Bischofs Brogo ans dem nennten Jahr- 
hundert, welches wegen der Schönheit der Schrilk auf Velin, der 
goldyerzierten Titel und Initialen und der Elfenbeinrerzierungen 
des Einbands Berfihmtheit erlangt hat und aus der Metzer Ka- 
thedrale -im Jahre 1675 an den Minister Oolbert, sowie mit 
dessen Bibelsammlung später an die Nationalbibliothek zu Paris 
gelangt ist. Seltener sind aus dieser Zeit Manuscripte welt- 
licher Autoren und der Schriften des Alterthums. Doch besass 
die Metzer Kathedrale ein Manuscript des Virgil aus dem 
neunten Jahrhunderte, die Abtei PrOm ein solches von den Briefen 
Cicero*s und den Phanomena des Aratus. Die Kathedralen und 
bedeutenderen Klöster legten Biblothekoi an, die freilich keine 
grosse Auswahl besassoi, und die Abtei Si Epyre hatte dafür 
einen eigenen Bibliothekar unter ihren Mönchen. Immerhin waren 
es nur wenige solcher Schriften, welche vervielfiültigt wurden, 
und zu Studien gebraucht wurden sie wohl noch weniger, denn 
es sind flberhaupt aufibllend wenige solcher Manuscripte aus 
lothringischen Klöstern auf die spätere Zeit gelangt 

Wie in dieser Zeit die Schulen und Studien durch die 
Drangsale der Zeit litten, so auch die Disciplin in den Klöstern, 
welche theils von den Kronprätendenten, theils von den Grossen 
des Reichs oft geplündert und beraubt wurden und daher zu- 
nächst auf Mittel und Wege «innen mussten, ' diesen Plackereien 
zu entgehen. Sie suchten daher den Schutz mächtiger Herren, 
die im Stande waren, sie vor üebergriffen Anderer zu 
sichern, und gewährten ihnen als Entgelt gewisse Rechte und 
Bezfige, ja sie traten ümen selbst Güter und Besitzungen dafür 
ab. Es entstanden daraus die Kl ostervogteien . die später immer 
allgemeiner wurden und zu vielen Streitigkeiten zwischen beiden 
Parteien Anlass gaben. Andere Abteien und Klöster erhielten 
dagegen von den Herrschern selbst grössere Rechte, um »ch 
selbst schützen zu können, besonders im neunten Jahrhunderte. 
Solche Rechte gewährte König Zwentibold der Kathedrale von 
Trier und den Abteien von Eptemach und Prüm und sein Sohn 
Ludwig das Kind der Kirche von Trier und dem Bischof von 
Toni. Wenn aber eine Abtei zu derartigen Privilegien nicht 
gelangen konnte, so maasste sie sich solche aus eigener Macht- 
vollkommenheit an und dieselben wurden später zu völligem 
Rechte, so eigenmächtig sie auch erlangt wurden. 



;J. Die Zeit dvr Karolinger. 75 

Die Biachofeitee Lothringena waren in dieser Zeit von meli- 
reren verdienstvollen Männern besetzt, doch gehOrt ihr Wirken 
mehr in die Kirchengeschichte, als in die Darstellung der poli"* 
tisclien Entwicklung. Der hervorragendste von Allen war un- 
streitig Erzbisehof i^nnigu^luj .y'^" Ma^n^. ^ wdcher für einige Zeit 
auch die Diöcese Trier verwaltete und dessen bereits in der po- 
litischen Geschichte gedacht wurde. Am alarins von Trigr wurde 
noch, von Karl dem Grossen 81B zu einer Sendung nach Eon- 
stantinopel verwendet und 'f ha^t gand spielte, wie wir- gesehen 
haben, eine hervorragende Bolle in dem Ehescheidungsstreite 
des Königs Lothar. Bertulf endlich wurde von Ludwig 
dem Deutschen abgesetzt und konnte einen Sitz nicht mehr 
zurflckgewinnen. Derselbe kam auch in Streit mit dem oft 
genannten Droj^o , Bischof von Metz, der unter Ludwig dem 
Frommen vom Papste den Titel Ensbischof und das Pallium 
erhiislt, wodurch er seinem geistlichen Vorgesetzten gleichgestellt 
wurde. Bertdf sah dies anfangs nur als eine persönliche Aus- 
zeichnung an, welche dem Drogo als Abkömmling EarPs des 
Grossen und seinen Verdiensten um das kaiserliche Haus zu 
Theil wurde; als aber Drogo*s Nachfolger Adalbero sich eben- 
Ms den Titel Archimandrit beilegte, welcher dasselbe wie Erz- 
bischof bedeutete , so erhob Bertnlf Einwand dagegen. Dessen 
ungeachtet verlieh Papst Johann Vm. das Pallium auch dem 
Bischöfe Wal a und nun wideraprach Bertulf noch entschiedener, 
weigerte aich sogar, Briefe dieses Papstes anzunehmen, welche 
den Wala vertheidigten, und es bedurfte der entschiedenen Ver- 
mittelung des Erzbischois Hincmar von Beims, um Wala end- 
lich zur Ablegung des Palliums zu vermögen. Vom Bischof 
Madalve von \ eidun ist bekannt, dass er gegen 773 eine Reise 
nach Jerusalem machte und dabei in Bom und Eonstantinopel 
eine gute Aufiiahme fand. Mehrere der Bischofeitze waren in 
dieser Epoche zeitweise unbesetzt und wurden von den Weih- 
bischöfen verwaltet. Mehrerer in Lothringen gehaltenen Con- 
t ilicii, theils behu& kirchlicher Angelegenheiten, theils zur Bei- 
legung von Streitigkeiten im Herrscherhause, ist bereits gedacht 
worden. Solche Concilien fanden statt zu Metz 753, Dieden- 
hofen 821 und 835, Trier 845, Savonnieres bei Toul 859, Tu- 
sey 860, Metz 863, Gondreville 873 und wieder zu Metz 888. 
Dieselben trugen nicht unwesentlich zur Befestigung und Stei- 
gerung des Ansehens der kirchlichen ffierarchie bei. 



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76 Bach: Von der 'ältesten Zeit bis zu Qerhftrd vom Elsasse. 

• 

Von nachhaltiger Bedeutung war die Refom . welehe Bischof 
Chrbdes^a ng von Metz in seinem Domkapitel einführte. Grosse Hiss- 
bräuche und Anssc hreitungen scheinen darin aUmfilich stattgefimden 
zu haben und eine Keform wirklich nothwendig geworden zu sein. 
Es ;Mir(je schon behauptet, die von Ghrodegang eingeführte neue 
Kegel mit ihren 34 Abschnitten sei nur eine den VerhSliaiissen 
angepasste Anwendung einer schon in Rom eingeführten Regel 
gewesen, andererseits zeigen die Vorschriften eine sehr grosse 
Aelinlichkeit mit der Regel der Benedictiner und es scheint, dass 
Chiodegang mehr diese im Auge gehabt habe, um das Dom- 
kapitel mehr dem Klosterleben anzupassen. Karl der Grosse 
scheint an der Kegel Gefallen gehabt zu haben, denn ein Capi- 
tular von 789 schrieb den Canonikem vor, dieselbe zu beobachten, 
wie sie denn auch bei vielen Kathedralen des Frimkenreichs ein- 
geführt wurde und ganz ähnliche in Toul und Verdun bestanden. 
Die neue Regel war wirklich strenge und beschränkte das bis- 
herige Leben der Canoniker sehr wesentlich, denn ihre Stifter 
wurden geradezu in Klöster imigewandelt. Sie schrieb gemein- 
sames Leben Tags und Nachts vor; weder Laien noch Frauen 
sollten ohne Ermächtigung des IMsehofs Zutritt im Stifte haben 
und es wurden dabei die verschiedenen täglichen Gebete und 
gottesdienstlichen Verrichtungen, die Art der Mahlzeiten zu ge- 
wöhnlicher Zeit und an Fasttagen, die Kleidung und dwen Wechsel 
mit neuer und noch eine Reihe anderer Dinge genau vorge- 
schrieben. Allein die Sache scheint doch da und dort auf Ab- 
neigung und Widerspruch gestossen zu sein, denn schon Ludwig 
der Fromme beauftragte den . Metzer Diaconus Amalarius, eine 
Umänderung der Regel vorzunelimen, die dann 817 allgemein 
eingeführt wurde, aber mit der Zeit noch andere Aendeiungen 
erfuhr und später zum grossen Theü wieder ganz in Abgang 
kam. üebrigens war Karl der Grosse bemüht, auch in das 
Klosterleben mehr Ordnung und Gleichmässigkeit zu bringen, 
i^^Cx und es ist schon erwähnt worden, dass er 779 an Stelle der 
J Regel Columban's jene der Bene^etiner allgemein einführte, 
^ öleichfalls war es eine Neuerung, dass nun auch einzelnen Achten 
ausnahmsweise gestattet wurde, den Titel als Bischöfe anzu- 
nehmen. 

Gegen firäher nahm in dieser Periode die Zahl der neuen 
Klosterstiftungen ab, wie die Zahl der Klöster überhaupt g^en- 
über der Bevölkerung bereits mehr als reich genug erschien. 



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3. Diti Zeit der Karolinger. 77 

Deiiniioch erfolgten einige weitere Stiftun gen. Pipin und seine 
(ienuihlin Bertrade hatten 7(5;) die Abtei Prüm erneuert und ver- 
grössert und 
den. Dies» 
gegen .s; 

niünster durcli iMschnf Adventius von Metz^ St. GeiTiia^ an ^ 
der Maas und St. Martin, ebenfalls an der Maas,|und <jellamont [hrjl(in\*'* 
bei_Dieul()uard. Aber wie wenig eigentlich dafür ein Jkdürf- g 
niss vorhanden war, zeigte schon der Unistand, dass die letzt- 
genannten drei nur einen kurzen Bestand hatten und mit dem 
neunten Jahrhundert wieder verscliwanden. Einzelne Klöster 
besassen übrigens eine sehr grosse Anzalil Mönche und die Al)tei 
von Son(ines soll im neunten Jahrhundert deren au zweihundert 
gehabt haben. Dass manchmal Laien, welche das Leben in dem 
wirren politischen Treiben satt hatten, sidi für den liest ihrer 
Tage in Klöster zurückzogen, liat dagegen gar kein Gewicht. 
Solche Uel)erfüllung der Klöster mit Insassen nmsste natürlich 
auch die Vermögenslage derselben beeinträchtigen, noch mehr 
aber geschah es durch die Nachsicht und Freigebigkeit der 
Herrscher, welche es zugaben, dass die P^inkünfte mancher 
Klöster einheimischen und sogar fremden Bischöfen als Bene- , 
ficien überlassen wurden. (Allein die Kirche von Toni besass J^tc l 
deren ein ganzes Dutzend, wie St. EpvTe, St. Mansuy, Houxieres- 
^ aux-Dames, St. Gengolf zu Varennes, S t. _ Die. Moyen- Montier, 
jenVUn v^Iout ier - en - Der , St. Germain an der Iffaas, St. Pient zu 

Moyenvic, .Po ulangy , Bon-Moutier und O ftonv ille.^ Die Abtei C'^/tHifL 
St. Denis bei l*aris war besonders reich mit solchen Beneticien i» ^ 
bedacht worden und besass in Lothringen die Abteien ^.^pj^ 
mid St. Mihiel und die Prioreien L icpvr e . Celles und SfUonne, 
freilich nicht auf sehr lange Zeit, da sie so ferne lagen und die 
Unterhaltung der Mönche oft viel kostete. Eine Anzahl Abteien 
und Ivlöster mit ihren Gütern wurde geradezu von einzelnen 
Grossen in Besitz genommen, wie es 899 auf einige Zeit mit 
Prüm der Fall war, ohne dass Kaiser Arnulf es verwehren konnte. 
Das Kloster Epternach wurde so von den Mönchen verlassen, 
welche auf den verschiedenen Gütern wie Laien zu lel)en be- 
gannen, die Mönche von Moyen-Moutier zerstreuten sich in an- 
dere Klöster und im Kloster Senones herrschte unter sechs auf 
einamlcr folgenden Achten eine vollständige Auflösung der Zucht, 
bis endlich Abt iiembert im Jahre 939 die klösterliche Ordnung 



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7$ I. Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Geriiard vom Elsasse. 

wieder herstellte. Dass natOriich bei solcher Wirthschaft auch 
die Guter veigendet irarden oder abhanden kamen, ist leidit be- 
greiflich; die benachbarten Grossen griffen eben nur zu, was 
mn so Idehter war, als sie nach nnd nach einzelnen KlOstem 
eigene Familienangehörige als Vorsteher aufzudrängen wussten, 
welche natörlich das Wohl des Klosters dem Besten ihrer Fa- 
milie nur zu ofk unterordneten. 

Wenn man sieht, wie oft und wie sehr die Klöster und 
Stifter theils durch eigene schlechte .Wirüischaft, theils durch 
die Grossen ihr Yermögen Yeiringert sahen, so dftrf man dabei 
doch nicht vergessen, dass mit den Klosterstiftungen ein arger 
Missbrauch getrieben wurde, die besten Gfiter an die todte Hand 
kamen und sich dem lebendigen Verkehr entzogen und dass hier 
ein Bückscfahig nothwendiger Weise eintreten musste , wenn die 
Bevölkerung Oberhaupt zunehmen und sich auf gesunden wirth- 
schafUichen Boden stellen sdlte. Das mflssige Leben und Ver- 
zehren der Mönche und die Aufeaugung des Laienbesitzes musste 
beschrftnkt werden und durfte so nicht mehr Ifinger betrieben 
werden. Uebersehen wir den damaligen Klosterbesitz, so ist es 
erstaunenswerth, wie umi^send er war und wie weit er reichte. 
Die Kirche von Verdnn besass so Gflter bis hinein nach Agui- 
tanien, die Abtei Moyen- Montier hatte allein Aber fiBnfzehn- 
hundert leibeigene Familien und selbst dem Kloster Lorsch jen- 
seits des Bheins, gegenflber von Worms, waren Gflter in Lo- 
thringen vergabt worden. Es war bei solchem Stande der Dinge 
nicht anders möglich, als dass die Herrscher auch von diesen 
Klöstern Abgaben und Kriegsbeiträge an Mannschaft, Material 
und Geld verlangten, denn sie hatten den einträgüdisten Grund- 
besitz &st allein im Besitz. Es war daher nur höchst ungerecht, 
wenn sie solchen Anforderungen gegenflber sich auf die Vor- 
rechte der Kirche bezogen, wäre doch sonst am Ende Alles in 
solchen Vorrechten auiQi^egangen, und so wenig konnten sidi die 
Erzbischöfe den gerechten Anforderungen entziehen, dass sie selbst 
den Stiftern und Klöstern vorschrieben, denselben zu entsprechen, 
denn die Leistung des Kriegsdienstes klebte am Boden und wer 
diesen besass, musste auch för diese Leistung des Dienstes sorgen; 
selbst wenn einzelne Stifter dadurch ihr fippiges Leben ein- 
schränken mussten. Sonst ist von den Klöstern und Kirchen 
nichts zu berichten. Es kam nur die Gewohnheit auf, dass die 
Bischöfe in den Kathedralen ihre Grabstätte suchten, und da 



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3. Die Zeit der Karolinger. 79 

die Lilien in den frommen Wahn versetzt wurden, sie würden 
dadurcli leichter selig wt^-den, so kamen die Reicheren der- 
selben auch dazu, sich gegen Stiftungen und schweres Geld das 
Recht eines J^egräl)nisses in irgend einer Kirche zu erwerben, 
was letzteren viel Geld eintrug. Noch sei einer Eigenthümlich- 
keit jener Tage gedacht. Man hing nämlich die Kcliquienkästeu 
an Ketten und Seilen an der Kirchendecke auf. Endlich gab es 
erst spärlich Thüinie und (blocken in den Kirchen und man rief 
die Gläubigen noch \'iolfach durch starke Schläge auf liretter 
und grosse Klappern zum Gottesdienste. 

Ueber die geistige Thätigkeit im Lothringer Lande ist aus 
dieser Zeit nur wenig zu berichton und dessen ist auch in der 
Erzählung der politischen Begebenheiten schon gedacht worden, 
sowie bei der Würdigung des Schulunterrichts, der natürlich 
nur in den Klöstern stattftmd. Die Lehrer davon waren die 
Einzigen, welche sich mit Sprachen und einigen spärlichen 
wissenschaftlichen Kenntnissen befassten. Der Metzer Diaconus 
Donata s verfasste eine Lebensbeschreibung des heil. Trudo und ^ ^ 
ü^nonr^ jene des heil. Arnul f, in welch' letzterer der Verfasser • 
den vergeblichen Versuch machte, die weibliche Abkunft der 
Karolinger von Chlodw ig herzuleiten, uni dem Geschlechte eine 
gewisse legitime Nachfolge in der Herrschaft nachzuweisen. 
Das Beste leistete der Abt Regino von Prüm, welcher die Ge- 
schichte seiner Zeit bis 907, aber in ziemlich schlechtem Styl 
verfasste und auch noch Einiges über Grammatik, das canonische 
Recht und die den Laien durch dasselbe auferlegten Pflichten 
schrieb. Weit schlechter sind die von 813 bis 819 reichenden 
Jahrbücher des Theganus, Weihbischof von Trier, dessen einziges 
Verdienst darin besteht, dass er der Wahrheit möglichst gerecht 
zu werden sachte. Alles, was in dieser Art geschrieben wurde, 
war natürlich lateinisch und zwar in ziemlich geschraubtem, oft 

dunklem StyL Im täglichen Umgänge war dagegen auch in 

Lothimgen noch die deutsche Sprache geltend und daneben ein ^ 
Romanisch, das noch roher als das Deutsche lautöte. Wir haben ^ 
davon noch einige merkwürdige Üeberreste im Wortlaute der 8^^/ l^ 
zwei Eidsehwüre, die beim Bündnisse zwischen Ludwig und Lothar 
im Frühjahr 842 zn Strassburg geleistet wurden, und den Eid- 
schwüren der romaniselieii und deutschen Yolkshftupter. Wenn 
die beiden Könige $äxik dabei der deutschen Sprache bedienten. 



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so L Buch: Von der ältesten Zeit bis zo Gbriiard vom Elsasse. 

80 i8t dies jedenfalls das sicherste Zeiclien dafür, dass sie in 
Lothringen auch diese Sprache redeten und allgemein verstanden 
wurden, wie denn auch die drei Bisthüiuer Lothringens unter 
dem deutschen Erzbisthum Trier standen, wo man doch nur 
•deatsch sprach. 



4. Herzoge von Lothringen und fränkisch-deutsche Uebergai^gszeit 

Literatur. Aus den Jahrbüchern der deutschen Ueschichte, hei-aus- 
gegeben von L. Kauke, sind hier benützt: Otto L von Röpke und 
Doenniges; — Otto II, von Giesebrecht; —Otto III. von Wilmans; 
— Heinrioh II. von Hirsch. — Femer 'S tenzel, Oesdhichte Deutsch- 
lands unter den fränkischen Kaisern, 2 Bde. ~ H. Flöthe, Kaiser 
Heinrioh IV.. und sein Zeitalter 2 Bde. — Die Chroniken des Bicher 
von Reims, des Flodoard, des Johann von Bayon, Hugo von 
Flavigny und Richer von Senones in den Sammlungen von Labbe, 
Calmet u. A.; Brower, annales Trevirenses ; Benoit Picart, r(tri<rine 
de la trt's ilhistre maison de Lnrraine; — Lebeuf, dissertation sur Tetat 
des scienccH dcjmis \a niort de Charleniagne. — Chronique de Reims, 
pubhec sur les Manuscripts de la Bibhotheque royale pr, L. Paris 1Ö37. 



Nach dem EhiOseheii des HaiiBes def Earotiiiger in Deutseh- 
laiid wurde die Trennmig des grossen Beidis In eine ÖsÜiehe 
nnd westliche H&lfte zur Thatsadie. Die eistere, welche bis 
weit hinab an die Donan, sowie von der Nordsee bis durch 
Italien reichte, gestaltete sieb zmn dentsch-römischen Kaiser- 
reich, die westliche Tom Mittelmeer bis zum Kanal, in dieser 
Ganzheit freilich erst. nach nnd nach, zu Frankreich; was 
dazwischen lag, war das lang zwisidien beiden Theüen bestrittene 
Lothringen, dessen mächtige YasaJlenftrsten bald zmn Osten 
und bald zum Westen hielten, wie es ihnen gerade der augen- 
blickliche yortheü als rathsam erscheinen Hess. Während aber 
im Westreiehe oder dem nea sich bildenden Frankreich die 
letzten Abkömmlinge der Karolinger herrschten, deren eigene 
Kraft- und MachtLosigkeit sieh am besten darin ausspricht, dass 
das Yolk ihnen die Beinamen der „Kahle", der ^.Stammler^, 
der „Einftltige", der „Xleberseeische'* und der „Faule" gab, 



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4. Herzoge vuu Lotlirmgeu uud i'räukisch-deutsche Ueberganggzeit. 31 



>väliltou sich die Deutschen aus noch frischen, unveil)raucliten 
und kräfiigon (leschlechtern ihre Könige und wenn dieselben 
auch noch hinger mit den einzehien eniporstreljenden Vasallen- 
herzogen kämpfen mussten, so gingen sie doch bald siegreich 
hervor und konnten Lotlu'ingen den schwachen, von ihren Grossen 
noch härter bedrängten karolingischen Königen entreissen und 
dauernd behalten. Die Zwischenzeit wurde dadurch für Volk 
und Land Lothringen um so schlimmer, denn die wechselnde 
königliche Maclit war hier nur ein Schatten, die Grossen liausten 
willkürlich mit Land und I^euten, sie bekriegten sich mit kleineren 
Heerschaaren, welche plünderten, raubten und sengten, und die 
häufigen Kriege der beiden um den Besitz Lothringens ringen- 
den Könige von Deutschland imd Frankreicli focliten ebendaselbst 
ihre Kämpfe aus und liessen nur Verheerung, Verarmung und 
Verödung zurück. 



Stammtafel des Sächsischen Kaisergeschlechts. 



K. Heiiricli L 

7 9SG. 



l. mi Idukh TM Brno, — 

t *f8. Btjin. Enbltehof ron Köln. 



Lndolf Uiinxi K. »ttn II. Hnnrirh (hr 

i^m. (6.:Kwnäi/UUirinsw). t8»3. Zänker. 

I t 




(Hill Villi 
KatrutlMB. 



I.Otiilll. KJIeinriclill. 

t 1002. 7 1024. 



L EoDrad itt Saliir. 

t 1039. 



K. Heinrich III. 
t loae. 



IT. 



t 1108. 




t 1101. 



t 1125. 



Huhn, Ofltohldhte LothiiafMu. 



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^2 Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

>Wir sahen, wie nach dem Tode des Königs Ludwig 
KindCdie Lothring er sieh d^ a^ fiänkischen König e Karl dem 
oa'J C ^ * Einf&ltigen züwandten, weil eTUinen nflher war und eher Sicher* 
heit zu bieten schien, aber derselbe f&hlte selbst, wie sehr der 
' Boden unter ihm wanke, und liess deshalb, als er wieder nach 

dem yfjsten zurückkehrte, in Lotbringen als Stellver treter den 
Grafen ^iagmarius (Beinier), zubenannt „Tmi dem langen 
Jjjjs"» Derselbe führte das Regiment im Anhmge mit Umsicht 
imd war der erste der sogenannten Beneficiarherz oge yon Lothringep» 
schrieb sich jedoch in den noch vorhandenen Urkunden nicht 
Herzog, sondern einfach Oraf. Sein JiVirken dauerte jedoch 
^ nicht lange, denn er starb schon 91^^u Mersen an der Maas, 
tief betrauert von Köni g Kar L der zu seinem Begräbnisse kam, 
und erhielt v om König e in seinem Sohne Gi se lbert einen 
^achfo l^er. ohne dass aber dadurdi die Erbfolge der Würde in 
der Familie des Baginarius anerkannt werden sollte, denn die 
Herrscher zogen es noch vor, Herzoge ihrer eigenen Wahl ein- 
zusetzen anstatt die Würde erblich zu machen. Aber diese 
Wahl war eine sehr schlimme, denn Giselbert war einer der 
wohl Terwegensten, aber dabei auch unruhigsten, falschesten und 
heimtückischsten Männer seiner Zeit. Bicher von Beims sagt 
von ihm in seiner Chronik, dass er von mittlerer, gedrungener 
Statur mit immer rollenden Augen war, nie ruhig stehen konnte, 
immer dunkel, zweideutig und falsch in seiner Bede, wankel- 
mflthig in Bdnem-TEiSi und verwegen in seinem Handehi sich 
zeigte, sich den Höheren und Gleichen ergeben und wohlwollend 
bewies, obschon er im Geheimen Neid und Groll trug, nach 
fremdem Gut stets lüstern war und das grösste Vergnügen daran 
&nd, Zank und Streit hervorzurufen. Nach dieser Schilderung 
wäre er einer der verworfensten Menschen seiner Zeit gewesen^ 
doch mag Bicher die Farben in dieser Schilderung auch etwas 
stark aufgetragen haben, da Giselbert mit der GeisÜichkeit eben 
nicht gut umging, sie in ihrem Besitze schädigte und zuletzt 
viel dazu beitrug, dass Lothringen von Westfranken ganz an 
Deutschland gelangte. 

Obschon vom Frankenkönige zum Nachfolger seines Vatera 
erkoren, tre nnte er sich doch bald von demselben, erhob vielerlei 
Ansprüche, wie er denn auch dasBecht verlangte, das erledigte 
3isth umLfittich zu besetzen, trat in Verabredungen mit den anderen 
lothringischen Herren, die er durch Geschenke von Gütern und 



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4. Herzoge von Lotiiringen und frSnkisch-deuüiohe Uebergangszeit ^3 



Ocldsumiuen an sich zu fosscln suchte, und trug sich, wie es 
scljoint. sogar mit der Idee, Lothringen als unabhängiger Hen'schor ^1 j * 
erlangen zu können. Aber er wusste seine Geno>{sen nicht in Ii 
Treue zu ihm zu erhalten und als daher König Karl mit einem 
Heere nach Lothringen zog, um i]m niederzuhalten und zu be- 
straten, konnte (iisell)ert sieh keinem oflenen Kam])te aussetzen 
und sehlnss sieh mit seinen (Jenossen in ihren Bürgen ein. 
König Karl suchte zunächst (iisell)ert's Genossen von demsellten 
abwendig zu nuulien, bestätigte sie in den ihnen von (iiselluMt 
geschenkten Besitzungen und brachte so leicht diese cliurakt^r- 
losen (irossen auf seine Seite, dcrm wie das Land selbst bald 
nach Osten. l»ald nach Westen scliwanktc und selbst die Sprache 
von dieser Art sich gestaltete. s<> l)ildete sich auch der ganze 
Charakter des Volks nach und nach aus. Giselbert sah sich so 
von seinen Parteigängern \ erlassen und zog sich in seine süirke 
Ves^t£__21ail>urg an der (Icule bei Mersen zurück, welche fast als 
uneinnehml>ar ersrliicn. Aiier d(>r König verstärkte sein Heer 
inzwischen. Itegann Giseliiert in Harburg einzuschliessen und zu 
belagern und liess es sell)st durch i)ewatlnete Schille angreifen, 
80 dass diesem nichts ül)rig l)liel). als Nachts zu Schiff mit nur 
zwei Dienern uns der Veste zu entfliehen und eine Zufluchts>^ 
Stätte in Deutsrliland zu suchen. Der deutsche i1u)nig?)imter- "i^y^-- 
nahm esuun, den Giselbert mit Karl zu versöhnen, aberletzterer ^/T ^ 
liatte wohl nicht alle früher besessenen Lehen zurückerstattet 
oder ihm sonst Ursache zu Misstrauen und ünzufriedeniieit ge- 
geben, denn alsbald zettelte er mit den anderen Grossen eine 
neue Verschwörung an, trat an die Spitze dersell)en, lierrschte 
über das Land unumschränkt und vergriff sich ))esonders an den 
Gütern der Kirclu'. Kdiiig Karl selbst kam durch diese Er- 
he])ung nicht wenig in liedrängniss. musste sogar beim Lrz- 
biscliof Heriveus zu h'eims eine Zuthu-htsstätte suchen und bot 
nmi Alles auf, um durch Vermittelung der (Jeistlichkeit die 
Grossen wieder zu versöhnen, was sogar auch l)ei rjisell)ert und 
seinen Genossen ,gelang. Ks that dies üluigens aucli sehr Noth, 1 J) 
' ^ ^ "t Giselbert ^7 



denn Krirl stand in der (icfahr, dass sonst der mit ^ 
verbundene lL'rzo<^ Heinrich von Sachsen Jk^sitz von Lothringen 
nehme. Diese Grossen leisteten nun dem Frankenkönige Heeresr 
folge, als dersellte in den Xahegau uml das Kheintluil gegen 
Worms viurückte. um das heranziehende deutsclie Heer V(Un ^ 
Uebersclueiten des liheiuea abzuhalten. Üeide Heere lücktcu 



^ L Buch: Von der ältesten Zeit bia »a Gerbard vom Elsasse. 



daraut" zu beiden Seiten des Klieins ahwärts. sicli |^n'^^eiis»*it;i<^ l»eol)ach- 
ten<l; da alter der deutselie König nodi grössere Surgen hatte, als 
nach dem JJesitze von l.othringen zu streben, so wurde zwis(-hen 
l)eiden Königen eine Zusammenkunft verabredet, die am 7. \o- 
vend)er irjl zu lioiin auf einem im Klieine ankernden Schifl'e 
zu einem Freundscliaftslnuuhiisse, der deutsclu'n Zusage, Lothringen 
nicht zu behelligen, und der westfränkischen Anerkeniuuig des 
Königs Heim'ich führte, (jiselb crt wurde dadurch wieder in 
TTeiTlljesitz aller früheren Henelicien einges(?tzt, deren" neue He- 
sitzer wieder mit Tod al>gegangen waren , und er erhielt auf 
diese Weise liesiuiders die Domamen und Schlösser Hcris tal, Jujjiü e, 
Alastricht. Viersen etc. 

Der Frieden dauerte nun al»er auch jetzt nicht länger als 
bis zum näclisten Jalu'e, denn Könjg Kay] reizte seiiu^ Viisallen 
besonders dadurcli, dass er dem Ifatlie seines Vertrauten Hagano 
hdgend seine Herrsclu^-gewalt zu verstärken und zu erweiteiTi 
suchte, so dass K^ra»^l{ol)ert von Francien, Bruder des einst 
zum König gewählten Odo, imt. anderen Herren und auch Gisel- 
bert, sowie mit Graf Heribert von Vermandois ein Ründniss 
schloss, mit deren Hülfe den König zm- Flucht aus seiner Re- 
sidenzstadt Laon zwang und bewirkte, dass er sel])st zu Soissons 
zum König ausgerufen und zu Keims vom Krzbischof als solcher 
gekrönt wurde. Doch diese Krone hatte keine Dauer, denn 
König Karl sammelte alsbald ein Heer, zumal aus Lothringen, 
und gritt" den Gegner im .Juni an der Aisne bei Soissons 
so plötzlich an, dass Robert selbst fiel und sein Sohn Hugo nur 
schwer eine gänzliche Niederlage vei-liinderu konnte. Die Auf- 
ständischen schritten sodann zu neuer König^wahl, aus welcher 
jFlerzog Rudolph von liurgnnd hervorging, und der Graf von 
Vermandois übte die Treub)sigkeit sogar so w'eit, den König 
Karl durch rnterhauLllungen und Versprechungen nach St. Quentin 
zu locken, gefangen zu nehmen und auf Chäteau-Thierrv einzu- 
sperren, wälu'end sich die Kiini^in Ogiva mit ihrem jungen 
Sohne Ludwig zu ilirem Rruder Ivönig Athelstan nach England 
flüchtete. Kurz vor seiner Gefangennehmung hatte König Karl 
an den deutschen König um Hülfe geschriel>en und ihm zugleicli 
seine Rechte an Lothringen förmlich abgetreten. Heinrich kam 
daher nun mit einem Heere "TtT das Land, dessen (h-ossen getheilt 
waren, da sogar Gisel]>ert bald zu Heinrich, bald zu Rudolf 
lüelt, und bei dieser Gelegenheit belagerte und nahm Heinrich 



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4. Herzoge von Lothringen luul fränkisch-deutsche Uehergangszeit. ^5 



auch die Stadt* Metz, da der Bischof Vigeric ihm die Aner- 
kennung versagte. Aber Rudotf zog mit einem ansehnlichen 
Heere aus Westfranken an die Mosel, zwang Qiselbert und 
andere Grossen zur Unterwerfung und schloss, als er wegen 
Unruhen in seinem eigenen Lande dahin zurQckkehren musste, 
mit_Iimrich ei^^^^ Er setzte als Stellvertreter 

in Lothringen den }{ yrAi)if Hoinricli v on Frankgn. ein, kaum war 
er aber selbst aus dem Lande, so fingen die Grossen wieder 
unter sich Kriege an und erkubten sich alle möglichen Ueber- 
griffe und daher kam H^njich schon zu An&ng 925 wieder 
herbei , nahm Qiselbert*s Veste Zülpich , zwang ihn zur Unter- 
werfung und Stellung von Geissein und das ganze Herzogthum 
leistete ihm nun die Huldigung. Spftter unterwarf er auch noch-* 
den aufrfihrerischen Grafen Boso, befestigte den Frieden und 
suchte ihn nun dauernd zu sichern, denn Lotiuringen war offen- 
bar un widermflieh für^eutsdiland gewonnen. Da sich Gisel-^ 
hert jetet ver trauensvol l an Heimi ch anschlöss'^ so erwiderte 
dieser demselben audi das Yertrauen und suchte ihn dadurch 
ganz in sein Interesse zu ziehen, dass er ihm seine eigene 
Tochtei- X''p]:^>^rgjLYenPahlte. Es war dies etwa 928 geschehen. 
AnchÜerzog Eberhard ans der Familie der Eonradiner erhielt 
wieder die alten Lehen seiner Familie und das Ehrenamt sds 
Pfiilzgr af in Lothringen. 

Nur wenige Jahre dauerte freilich die Buhe im Lande, 
denn 936 starb Knnig Bndolf von Westfranken und da Herzog 
Hugo von Franken m^t für sich selbst nach der Krone strebte, 
so holte man den j ungen Lud wig fV., KarFs Sohn, aus England 
und übergab ihm cBe Krone. Doch ertrug Ludwig der Ueber- 
seeische die Bevormundung Hugo*s nicht lange, zeigte mehr Selbst- 
stfindigkeit als sein Vater und reizte dadurdi die Grossen wieder 
zu neuem Aufstande, (^iii^n und Heribert von Vermandois zogen 
den Giselber t in das BfincEiBsy gej^en Ludwig und bald stand 
AUes in Kriegsflammen. Ludwig zog g egen Lo thrin^ n heran 
und nahm das Palatium Tusey, aber es kam bald zum Waffen- 
stillstand, der bis 939 dauern sollte, und Giselbert^ der 
neuerdings Lothringen als unabhä ngiges Land zu erringen strebte, 
glaubte seine Bechnung besser zu finden, wenn er auf die Seite 
von Ludwig trete, machte diesem insgeheim Anerbieten, welche 
Ludwig wegen der Wankelmüthigkeit Giselbert*s nicht annehmen 
wollte, und begab sich dann mit anderen Grossen selbst zu 



S6 Bach: Von der ältesten Zeit bis zu Gerbard vom Elsasse. 

Luclwi<^. der sich sodann endlich bereit finden liesH, ihre Hiüdigang 
als König von Lothringen zu empfangen. In Deutschland war 
indessen auf König Heinrich sein Selm (2fcto I. gefolgt und 
dieser wollte dem Reiche Lothringen nicht so leicht entziehen 
hissen und rückte mit einem Heere U39 über den Rhein nach 
Lothringen, das durch den Krieg sehr zu leiden hatte. Er ver- 
band sicli auch mit einigen Grossen des Westens imd veranlasste 
sie, den König Ludwig von Norden und Westen anzugreifen, 
während Otto selbst an die Mosel und Maas rückte, wo sich 
Giselbert in seiner Felsenburg Chevreiiiont hei Lüttich erfolgreich 
vertheidigte. Als Otto nun in sein ]{t i( ]i zurück musste, drang 
K. Ludwig mit Hülfe Oiselhert's in Loth ringe n ein, kam bis 
Verduii uiTJ^ wollte nach dem Bheine vorrücken, als ihn Unruhen 
nach Heustrien zurückriefen und er den Oberbefehl an Giselbert 
übertrug. Dieser zog nun wirklich nach dem Rheine und bis 
Andernach, während ihm von deutscher Seite ein Heer unter 
Odo und Konrad folgte und seine Bewegungen beobachtete. Ais 
j[erade nisel])ert|beini Essen war, brachen die deutschen Truppen 
über den Rhein und grillen unversehens das lothringische Heer 
an, übenvaltigten dasselbe und Giselbert, welcher zu Pferd ent- 
rinnen wollte, ertrank im^^Rheine, ohne dass sein Leichnam ge- 
funden wnrde* Was von den Lothringern im Kampfe nicht 
erschlagen wurde, gerieth in deutsche Gefangenschaft. 

K. Otto I. hatte inzwischen noch andere Verlegenheiten zu 
bestehen, denn sein eigener Bruder Heinrich und der Erzbischof 
Friedrich TOnMainz hatten sich gegen ilin ver})unden, waren nach 
Lothringen gezogen und hatten eine Vereinigung mit Giselbert ge- 
sucht. Da aber letzterer ertrank, so mussten sie den Flau ändera, 
der Erzbischof gerieth in Gefangenschaft des Königs, der ilm nach 
Sachsen in Haft sandte, und Heinrich wollte in der Felsenveste 
Chevremont an der Maas eine Zufluchtsstätte suchen, wo ihn 
aber Gerberga, die Wittwe Giselberts, nicht aufnahm, so daas er 
sich zuletzt auch der Gnade seines Bruders unterwerfen musste, 
als dieser nach Lothringen zu ziehen sich entschloss. Doch 
Ludwig von Westfranken kam ihm zuvor und heirathcte die 
"Wittwe Gerberga , um damit ihren Bruder, den deutschen König, 
zu entwaffnen. Dieser aber nahm keine Rücksicht darauf, drang 
in Lothringen ein, unterwarf sich mit Leichtigkeit das Land und 
nach kurzer Zeit sogar den noch widerspenstigen Bischof Adalbero L 
von Metz, besprach sich mit Hugo und dem Grafen von Yer- 



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i, lierzojre von Lulhringeu und tränkisch-deut^iche Uebergangszeit. g7 



mandois und begann noch im Jahre 940 in die Chainpugne ein- Oif { 
zudringen. In Lothringen selbst hatte Giselb ert einen jungen 
vSohn ]{ ein rieh hinterlassen, den der König von^Vestfiranken ?J 
in sein Land brachte,]^ um ihn erziehen zu lassen und für ihn 
das Begiment zu fahren; jedoch setzte er? jetzt seinen'^Bruder 
Ji .gc^'ljeinrich zum provisorischen Verwalter des Landes ein. Sobald 
^'^/^X Ludwig IV. sich Ton Hugo und dem Grafen von Vermandois 
«twas befreit sah, drang er 940 im Verein mit den Hfll&truppen 
des Bischofs Artaud von Belms nach Lothringen vor, das er 
jetzt mit Leichtigkeit erobern zu können vermeinte. Sobald 
K. Otto davon vernahm, zog er mit einem deutschen Heere 
heran und es wäre zu einer «Schlacht gekonmien, wenn nicht 
^e beiderseitigen Grossen zu Vo^ers an der Aisne einen 
^ . Waffenstillstand bis Neqjahr 941 vennittelt hätten, worin Ludwig 0 ^ | 
^ «bermals auf^othrmgeq^^verzichtete. Ludwig kehrte nun nach ^ 
>W * ^em Westen zurück, die Grossen wandten sich wieder gegen 
Otto, der deshalb auch abzog, und derselbe sah sich dadurch 
veranlasst in so ferne auf die Wfinsche der Grossen einzugehen, 
dass er den Grafen Otto von Verdun^ als Vormund des jungen 
,/,^^;,VLileinrich mit der Regierung des Landes beauftragte. Da dieser aja^i, 
Heinrich aber schon 944 oder 945 starb, so ernannte K. Otto j't^'T* 
seinen Schwiegersohn Konrad den XVeisenAHei-zog vo n Fra nken, _ 
zum Herzoge in Lothringen. 

'Lud wig gerieth in dieser Zeit durch seine Kämpfe mit 
den Normannen in die schlimmste Lage. Als er im Jahre 945 
mit dem Seekönige Harald eine Zusammenkunft hatte, wurde er 
von den l^ormannen überfallen und nach Ronen als Ge&ngener 
gebracht, sodann aber m J[ugo vo nj^rancien jyggeliefert. Er 
wie seine Gem ahlin Gerberg a in Laon sandten darauPboten 
um H ülfe, zu_| ^„ Otto nach Deutschland und dieser zog auch 
mit einem Heere heran und drang nach Belms und Paris yor, 
konnte aber weder Laon noch Paris nehmen und kehrte nach 
drei Monaten wieder nach Hause. Doch vermittelte er fibr 
K. Ludwig einen Waffenstillstand mit dessen Gegnern, berief 
948 zur Erledigung der Streitfiüle eine Synode nach Ingelheim 
und brachte endlich eine V ersöhnun g der gegnerischen Parteien ^ 
im Jahre 950 zu Stande. Aber in seinem eigenen Beiche er- 
hoben sich nun für K. Otto um so grössere Schwierigkeiten. 
Sein Sohn Luitolf und Sehwie geysphn K onrad von Lo^^i rinii[en 
waren schon durch die Bevorzugung Heinrich*8 von Bayern miss- 



3^ 



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§g I. Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

vergnügt geworden und nim befOrchteten sie auch, £. Otto 
mOge seinem Sohne ans zweiter Ehe mit Adelheid die Erbfolge 
smsichem, nnd rOsteten 953 ihre Burgen zum Widerstand und 
zu einer Erhebimg. Otto erfuhr alsbald davon, liess sich aber 
in Mainz durch ihre Versicherung der Treue bewogen ihnen in 
Manchem nicht zu seinem Yortheile nachzugeben; als er jädoch 
von da nach Dortmund gezogen war, wo ihm das Volk mit Liebe 
anhing, da erklärte er das Abkommen fSr erzwungen und un- 
gültig, verlangte die Auslieferung der Yerräther und berief einen 
Beichstag nach Fritzlar, um über dieselben Gericht zu halten. 
Die beiden Herzoge griffen nun offen zu den Waffen und der 
Bürgerkrieg entbrannte wieder in Lothmge n, wo Konrad eigentlich 
niemals recht Fuss &Bßen konnte und ihm nun aucF Giselberts 
Bruder Graf Baginap»vom Hennegau und dessen Vettern Erz- 
bischof Bodbert von Trier und Bischof Balderich von Utrecht 
mit den Waffen entgegentraten, weil er Adel und Volk schwer 
bedrückte. K onrad selbst wurde zu Fritzlar seines Amts ent- 
setzt, sein Herzogthum Loth ringen aber an Otto*s Bruder, Erz- 
Rschof Bruno vo n Köhl, übergeben, der die Glieder der Gisel- 
bert*schen Familie an sich zog und die Leitung der weltlichen 
Geschäfte an Graf Go ttfried übertrug. Konrad zog sich 
flüchtend nach Mainz, das zwei Monate lang vergebens belagert 
wurde, und erbot sich zwar mit Luitolf zur Unterwerfung, wenn 
ihre Freunde und Geehrten unbestraft blieben, kehrte aber, als 
ihm nicht will&hrt wurde, zum Widerstande nach Mainz zurück. 
Ja er benutzte sogar den Stillstand in der Belagerung zu einem 
Simfzuge nach Lotbringen, wo er seinen vollen Grimm an der 
StadtMelzT äusHess und sie plünderte, weil sie mit Bischof 
Adalbero treu zu K. Otto hielt. Erst auf Bitten des Abts 
Einold von Gorze zog Konrad wieder ab. Zur Wied^ i gt w Innung 
von. Lotbringen kam er trotzdem nicht, obschon Mainz nicht 
genommen werden konnte, denn Bruno hatte seine Herrschaft im 
Herzog ihum bereits befestigt. Da ^i^n Luitolf und. i^jonrad 
zu einem schmachvoUen Mittel; sie ermunterten nSmlich die 
lugarn zu ein^^euen Emfalle in das Reich und Konrad be- 
wirtfaete und beschenkte sogar deren Führer zu Worms, um sich 
ihrer gegen seine Feinde inLotiuingen zu bedienen. Plündernd, 
raubend und sengend überzogen nun diese wilden Horden in 
fliegender Eile das Herzogthom und kehrten mit Beute beladen 
südwärts und über Italien in die Heimath zurück, so schnell wie 



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4. Herzoge von Lotliringeii und fräukisch-Ucutsche Uebergangszeit. g}) 

sie gekommen waren. Darfiber wurde das Volk noeli um so 
mebr erbittert, Konrad verzweifelte an jedem weiteren Erfolge, 
suchte die Gnade Otto*s an und sühnte dann seine Schuld durch 
sein tapferes Verhalten in der üngarnschlacht am I^cchfelde, am Oi^'j 
10. Angast Döf) , wo ihm ein Pfeil die Kehle durchbohrte. Er 
ward' in Worms begraben, tief betrauert von K. Otto selbst. 

Es war dies der erste Einfall nicht, den djgJTnijjirn injias^ 
Land machten, und mOge daher hier der früheren Kinfalle ge- 
dacht werden, die nur rasch wie der Sturmwind das Land durch- 
zogen und fiber welche nur wenige Einzelnheiten bekannt and, 
so dass man sogar lange nicht die richtigen Jahreszahlen f&r 

yden Beginn derselben genau bestimmen konnte. Der erste ISn- 
fiill erfolgte vor 917 fiber Bayern und die Schweiz, wo sie 
Basel verbrannten, fiber die Vogesen drangen und die Abteien 
St. Diö, Moyen-Montier , Bemiremont und Etival verheerten. 
Mehr ist fiber einen zweiten Einfiül um 917 — 910 bekannt, wo 
sie der ihnen schon bekannte Weg wieder fiber die Vogesen 
führte. Nach einer üeberlieferung wäre es am 20. August 917 
gewesen, wo sie die beiden Abteien in Bemiremont verbrannten 
und nur durch das angeschwollene Wasser der Mosel verhindert 
wurden, die flüchtigen Mönche, Nonnen und Einwohner weiter 
zu verfolgen. Dagegen drangen sie nun nach der Franche-Gomt^ 
TOT, verbrannten die Abteien Lure und Luzeil, erschlugen den 

* Abt der letzteren und verbreiteten sich dann plfindemd und 
verheerend fiber das platte Land. Der Schrecken ging ihnen 
dabei so weit voraus, dass selbst schon die Mönche der Abtei 
St. Epvre, einer Vorstadt von Toni, ihre Beliquien in die 
Mauern dieser Stadt selbst flfichteten. Im Jahre 926 kamen sie 
sodann wieder auf dem Wege durch die Schweiz und die Vo- 
gesen, verbrannten Verdun und drangen bis zur Abtei Beaulieu 
im Argonnenwald vor. Doch sind weitere Einzelnheiten darfiber 
nicht erhalten. Bei dem oben erwähnten vierten Einfalle durdi- 
zogen'sie das Bisthum Metz, verbrannten die Abteien vor dieser 
Stodt und 220 Kirchen der Diöcese, plünderten ebenso Stadt 
und Diöcese Toul und wollten das gleiche Schicksal Trier be- 
reiten, das aber von Bruno gut vertheidigt wurde, worauf sie in 
Begleitung Konrad*8 fiber Mastricht und das Hennegau berfielen, 
dann bis zur Seine und Sfid-Lothringen zogen nnd von dort 
wieder heimkehrten. Endlich machte dann die Entscheidungs- 
schlacht am Lech ihren Baubzfigen ffir immer ein Ende, da sie 



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<)0 L Buch: Von der ältesten Zeit bis za Gerhard vom Elsasse. 

sich den neugebildeten deutschen geharnischten Reiterschaaren 
nicht mehr gewachsen fühlten. 

Inzwischen suchte Bruno das lothringische Land zu be- 
ruhigen und die zahlreichen Wunden aus den vielen Farteikriegen 
zu heilen. Er war der jüngste Sohn Heiniich's I. und Binder 
Kaiser Otto*8, wurde von letzterem zu den wichtigsten Staats- 
geschäften venvendet und zum Erzbischof jron^Köln befördert 
und wie er ein Freund der Wissenscbaften war, so bemtlhte er 
sich auch in die Geistlichkeit mehr Zucht zu bringen und die 
einflussreichen KirchenwQrden Männern zuzuwenden, welche zu- 
gleich eine Stütze für den König wurden. Es war ein sehr 
glücklicher Griff des Königs, ihm nach Konrad's Absetzung das 
HerzoL^tlmni Lothring en zu übertragen, zu dessen Verwaltung er 
sich ~3es Herzogs Gottfr ied_bediente. Es gelang ihm, die zahl- 
reichen Käuberschaaren zu vertilgen und die Grossen auf einer 
Versammlung zu Köln dazu zu vermögen, dem Lande Entschä- 
digung für die vielen Verluste zu gewähren , welelie ihre Kriege 
ihm zut,^obracht liatten. Ohne Schwierigkeiten ging es im An- 
fange freilich nicht ab und besonders war ihm Ragin ar, I^ruder 
gja^lber t^s. entgegen, da er selbst nach der herzoglichen Würde 
strebte. Bruno nahm ihn aber gefangeiyund schickte den un- 
steten Mann nndi Tiölimen, wo er sein Leben beschloss. Da 
Bruno bald einsah, dass das Land unter den vorhandenen Um- 
ständen sich für einen einzelnen Leiter zu weit ausgestreckt 
zeigte, so be schränkt e er die Thätigkeit des Herzo gs Go ttfried 
auf Ünterlothringen imd setzte den Grafen Fr i e d r i c h in Qber - 
Totbringen ein, beide aber inmier unter seiner eigenen Au&icht* 
Diese r Friedrich erlangte solche Gunst durch seine Treue gegen 
den Kaiser, denn als im Jahre 950 ein gewisser Graf Immo 
das Gerücht verbreitete, Bruno wolle dem Lande neue Lasten 
aufbürden und die Vesten der Grossen brechen, und dadurch eine 
neue Erhebung veranlasste, war es besonders Graf Friedrich, 
welcher diesen Aufstand rasch unterdi*ückte. 

Auf diese Weise begann die Scheidung in Unter- und 
Oberlothringen mit zwei Herzogen. Das erster e 'innfasste 
4as Hennegau, Brabant, Namur. Lüttich, Luxemburg und die 
Gegend am imteren Laufe von Maas und Rhein ; Obciii^th ringen 
reichte aber von Luxemburg und dem Trierer Land südwärts bis 
zu den Vogesen, die es vom Elsasse trennten, und im Westen 
^egen die Champagne bis an die Maas und an einigen Stellen 



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4. Herzoge von Lothringen und fr«nkisch>deutsche Uebergangszeit 91 



sogar noch über dieselbe. Bezüglich der in diesem Gebiete 
liegenden Städte Trier, Metz, Yerdon und Toul wurde jedocli 
betreffs der stiidtiscben Verwaltung und auch jener der bischöf- 
lichen Gebiete in der bisherigen Selbst\'erwaltung nichts geändert, 
sondern dieselbe nur mehr geregelt und die Aufsicht ^er könig- 
lichen Autorität an (irafen und Vögte übertragen, die wahr- 
scheinlich von den Bischöfen ernannt wurden und für ihre Mühe» 
waltung Antheil an den Strafen, Weg- und Geleitgeldern und 
sogar eigene AVohnungen und Güter zum Genüsse fibertragen 
erhielten. Alles aber immer unter Oberau&icht Bruno's und der 
von ihm eingesetzten Herzoge. Der ^^ena nnte Herzog J'ri<.HlridL *'*rr«. 
war Graf von Bar und Chaumontois und mit einer Nichte 
Bruno's, Beatrix, aochter des Grafen Hugo von Paris und Hed- 
wigC Tochter Heinrich'» des Vogle^ verheiratliet und fiUirte 
wegen seiner (nur vorübergehendeQ/ßestaUung den Herzogstitel ^ 
bloss in Acten, die er Kraf^lieses Amtes vornahm. Bruno starb _ 
im October !)6j(<^nnd baldnukch ihm auch^ierzo^ Gottfried, 9G4, ^ 
an der Pest in Italien, worauf K. Otto I 'iiterloÜiringen tu? 
mittelbar mit (h*r Krone selbst verband und Aaelien zur ersten 
kaiserlichen Residenz erklärte. K. Otto II. übertrug später, /^■-ji-y 
im Jahre !ITT, das Herzogthuni Niederlothringen an Karl, /9 j 1 
Sohn Ludwig's des Ueberseeisrln ri und BruderJ von König ( /^^^ 
Lothar von Westfranken, das nach und nach den Namen Frank- ^ 
reich annahm. 

Nachdem K. Otto diese Gunstbenzung dem Bruder Lothar's 
gewährt hatte, wäre zu erwarten gewesen, dass Lothar selbst 
sich Deutschland gegenüber ruhig verhalten werde, aber derselbe 
Hess sich durch des in der.A'erbannung gestorbenen BaginarJT 
Söhn e, Raginarlinmd Lam&tQ<^und andere immhige Grossen 
Lothringens dazu vermögen, die gerade im deutschen Reiche 
herrschenden Wirren zu benützen, um Lothringen zurück zu ge- 
winnen. Lothar drang also im Jahre 978 in Lothringen ein, OH^ 
bemächtigte sich der Stadt Metz, wo eine Anzalil Grosser ihm ^ 
huldigte, und zog nach mach en , wo gerade K. Otto und seine 
Gemahlin das Johannisfest feierten. Seine Ankunft erfolgte so 
rasch und unerwartet, dass das königliche Paar kaum der Ge- 
fahr der Gefangenschaft entging; Lothar liess die Stadt selbst 
plündern und den Adler auf derjfälz von Osten nach Westen 
richten, als wenn Aaclien nun wieder zu Westfraidcen gehöre, 
fiind es aber doch nicht gerathen länger als drei Tage zu ver- 



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<)2 I- Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerlianl vom Elsasse. 

weilen, denn er fand uberall die Stimmung gegen sich sehr feind- 
selig, so dass er es am besten fand, wieder nach Hause zu- 
rflckzukehren. Köiii^ Otto berief sofort seine Grossen nach Dort- 
mund, sammelte ein Heer von fost 60,000 Mann und drang 
verheerend über Keims, Laon und Soissons bis vor T^ir i^^, wo 
er den Montmartre besetzte und die Einwohner schreckte. In 
Folge der schlechten Jahreszeit kehrte er sodann wieder um, 
wurde an der Ajme von Lothar überfallen, der ihm aber nicht 
weiter nachzufolgen wagte, und ging dann gern darauf ein, als % 



an der Grenze beider Beiche, eine Unterredung anzunehmen, iii 
Folge welcher Lotha r im ^ Juni 980 i &rmlich allen Ansprüchen 
an_ Lot toingen j entsagte. Bemerkenswerth ist bei diesen Vor- 
gängen, dass Lothar's Bruder Karl fortAvährend zum deutsch en 
Kaiser hielt und dessen Oberlehensfierrlichkeit anerkannte und 
auch in Oberlothringen Herzog Friedrich dieselbe Treue bewahrte, 
obschon er selbst mit den Oapetingem verschwägert war. 

So lange Kaiser Otto IL_ lebte, hielt Lothar sein Versprechen, 
nach dessen Tod trat aber sofort dessen Treulosigkeit wieder 
zu: Tag , denn sofort suchte er die Jugend Otto 's HI. zu be- 
nützen und mit Hejn rich de m^Zänker von Bayern in Verbindung 
zu treten, der zwar Vormund des jungen Kdnigs war, aber selbst 
den Thron zu gewinnen trachtete. Heinr ich ging darauf ein, 
Lothar im Frühjahre 984 eine Bes^cIiung .am.JUiein zuzusagen, 
und Lothar selbst scheint mit einer^ erheblichen Truppenmacht 
dahin gezogen zu sein, aber Heinrich besann sich eines Besseren 
und Lothar konnte nur mit grosser Mühe sich den Rückzug nach 
seiner Heimath über die Vogesen erkämpfen, denn die Lothringer 
hatten sich gegen ihn erhoben und die Pässe versperrt, so dass 
Lotha r's Heer ungemeine Verluste erlitt. Klug wurde er aber 
dessen ungeachtet nicht, denn sein Sinn strebte immer noch dar- 
nach, wenigstens einige Stücke von Lothringen an sich zu reissen 
und sich dafür Verbündete zu gewifmen. Dies gelang ihm auch 
mit Graf Odo von Burgund und Heribert von Vermandois, mit 
welchem er bald darauf in Lothringen eindrang und Yei du n. be- 
lagei'te. Die obere Stedt walr zwar wohl befestigt und mit Vor- 
räthen versehen, aber der unteren Stadt bemächtigte er sich 
schon nach acht Tagen, da die Einwohner sich nicht weiter ver- 
theidigen zu können glaubten, worauf er nach Laon zurückging 
und sein Heer enüiess, weil er glaubte, das übrige Lothringen 




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i. Herzoge vun Lothriugen und Irünkisch-deutsche Uebergaugszeit. 93 

ohne Wallcngewalt zu gewinnen. Doch Herzog Dietrich .jU9^**^n 
(Tliierry), Sohn do?^ f)S4 gestorhenen Hiirzogs P'riedrich und ein 
treuer Anhänger des Kaisers, sammelte sofort ein Heer, zog 
ge^en Verdun und verjagte daraus die t'ränkisclien Tru]i])en. 
Jlieraut legte er dasell)st grosse Vurrüthe von Proviant an, Iiulte 
Ulis dem Argonner Wahl starke Bäume für Verpallisadirung und 
Masclünen und setzte die Stadt in Verthcidigungsznstand, denn 
man hörte schon, dass Lothar mit einem neuen Heere von 
10.000 Mann heranziehe. Lotha r liess eine gewaltige Maschine 
anfertigen, um die Mauer zu" zertrümmern, und auch die Bela- 
gerten nahmen zu solclier Maschine ihi-e Zuflucht, so dass sich 
der Kampf vor Verdun in die Länge zog und selbst Lothar ein- 
mal an der Lippe verwundet wurde. Endlich brachte letzterer 
einen Thurm zum Einfallen und durch die Bresche drangen dann 
seine Schaaren in die Stadt, wo sie den Herzo g Dietnch und 
eine Anzahl anderer Grafen und Herren zn Q^ngenen machten^ 
Als dann LothaiL von Yerdon abzog, wo er den Oberbefehl an 
den Herzog von Burgund und Qiafen von Y^mandois übergab, ^ 
nahm er die Qrafe n(5ottfried Ton Verdun^fad Hennegau) und .Yf»'*.- 
Siegfried^ sowie noch andere Herren alsjGlefangene^ mit. Indessen ^ -"^ ' 
wurde Otto UI. in Deuteelüand TOn der Bevormundung Heinrich's ^ ' 
von Bayern befreit und seine neuen Vonnfinder erlioBsen an Lo- 
thar eine ernste Aufforderung, Verdun zu verlassen und an Deutsch- 
land zurückzustellen. Dazu war er allerdings nicht geneigt, 
fürchtete aber docb die deutsche Macht und erbot sich, den 
Grafen Gottfri ed ftfii lassen, wenn dessen zum Bischof von 
Verdun erwählter Sohn Adalbero dieser WaM entsage, was aber 
zurückgewiesen wurde, worauf Lo&arjdje Bückgabe ^dUch ver-_^ 
sprach, aber so lange mit der AusfQhiung zögerte, bis er sSD^t 
im Anfang März §86 2U La^^starb. 

Nach dem Tode dieses unruhigen Fürsten kehrte fOr Lo- 
thringen die Buhe wieder zurück, Herzog^ Dietrich und die an- 
deren zu Verdun gefangenen Grossen erhielten die Freiheit und 
In^^go^^liÖe^l blieb >bia zum Mai i}87 in Haft. Dietriches Mutter 
Iß^x veranlasste nämlich den jungen König Ludwig V. und 
andere Verwandte zu Besprechungen in Montfaucon, .an.dsr Grenze 
der Champagne, um die Könige von Deutsddand und Frankreich 
zu versöhnen, und Ludwig willigte daselbst auch ein, Verdun 
zurückzugeben und Gottfried freizulassen, letzteres allerdings nur 
unter erschwerten Bedingungen. Aus Herzog Dietrich*s weiterem 



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94 T. Buch: Von der ältesten Zeit bis zu (T^>rhard vom Elsasse. 



Leben ist weni«_zu })emerken. Er besass als Familienerl)theile 
die Grafschaften Bar und Ajnance, sowie die jfchutzvogtei über 
die Klöster St. J)le, St. Mjhiel, Moyen - Montier , Senones nnd 
Kemiremont und auf seine Regierung übte seine Mutter lange 
^ vorwiegenden Einfluss; endlich war er aber doch der Bevormun- 
^ dung überdi'üssig, ergriff selbst die Zügel und sperrte soga r die 
Mutter^ein, bis die Veniiittelung des Papstes ihre Freilassung 
bewirkte. Auch an den wichtigeren Zeitereignissen betheiligte 
er sich und bediente sich dabei der Mitwirkung des AhVs Nan- 
tere voilä Mjhiel, den er auch an König Robert v on Frankreich 
sandte, weil er der romanischen Sprache sehr kundig war, was 
• f zugleich beweist, dassTlaiiials eben doch ein erheblicher Unter- 
schied zwischen der Sprache in T.otliringen und im Westen lierrschte. 
Unter ihm wurde die Ruhe nur durcli den im Mai J2S7,^o]gten 
Tod Ludwig's V. vonJFrankreich gestört, da Hugo Caj>et^(lraf 
von Paris, sich zum Könige ausrufen Hess, wälu'end doch noch 
Lothar's Bruder Karl in Unterlothringen lebte. Karl wollte diesen 
Kronraub nicht gelten lassen, sammelte ein Heer und bemäch- 
tigte sich Laon's, der gewöhnlichen königlichen Residenz. Er 
/ i< belagerte sodann Reims , das ihm der Priester Aldegarius, dem 
l^^^v ' Erzbischof Arnulf die Stadt anvertraut hatte, öffnete, war aber 
)2«^' damit am Ende seiner Erfolge, denn Hugo Capet nahm ih n MDJ 

durch Verrath gefangen und sperrte ilm in Orleans ein , wo er 
starb ,^ Das Herzogthum Niedeiiothringen gab sodann Könjg Hein- 
k' ^-«^ i i'ich n., an Karl's Sohn Otto, der aber schon 400n kinderlos 
/O I y i starb. Da in Reims auch der Erzbischof Arnulf gefangen wurde, 
der dem Priester Aldegarius heimlich den Auftrag gegeben haben 
sollte, Reims an Karl auszuliefern, so wandte ihm der West- 
frankenkönig seinen vollen Hass zu und zwar um so mehr, als 
dieser Prälat, der ein unehelicher Sohn König Lothar's war, dem 
^Hug-o^ Capet seine Würde verdankte. Letzterer berief daher auch 
in demselben .Jahre zur Aburtheilung des Prälaten eine Synode 
nach der Abtei St. Basle, welche Arnulf absetzte und den ge- 
lehrton (T(>rl)ert zum Erzbischof erwählte. Dieser Schritt erschien 
dej7i c-anonischon Rechte zuwider, rief die Missbilligung des 
Papstes Johann XV. liervor und veranlasste die Bischöfe Deutsch- 
lands, den Papst zum directen Einschreiten zu veranlassen. Der- 
selbe sandte auch sofort dcMi Abt Leon als Legat über die Alpen, 
der sicli mit lothringischen und andei-en deutschen Bischöfen be- 
si>raeli , und diese forderten darauf Hugo Capet auf, ein Concil 



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4. Heraoge von Lothringen und fränkiscli-deutscbe Uebergangazeit. 9r> 



33^ 



zur Erlodif^iiDg der Saclic zu berufen. Sowohl Hugo als sein 
Sohn erkhirten die Absetzung Arnulfs und Wahl Gerliert's für 
miwiderruflieli und weigerten sich , am Juni }»!).') auf dem 
yl'oncil_zii_^Mouzon an der Maas Tlieil zu nelimen. Auf dem vom 
Legaten Le-on geleiteteu ('oneil erschienen von I*rälaten nur der 
Erzbischof Ludolf von Trier. l{isch<d" Sueder von .Münster. IJischof 
Notger von Lütticli und Hiscliof Heimon von \'erduii . w vh-W 
letzterer allein sich in der französisclien (romaniselit'u) S}>rache 
gut ausdrücken konnte und die Sacldage darstellte, worauf Oer- 
bert sich sehr geschickt vertlieidigte, aber sicli ))is zur Kntsdiei- 
dung eines anderen Concils aller Amtshandlungen enthalten zu 
wollen bereit erklärte, liischof Heimon erklärte dann den an- 
wesenden Laien in der J^andesspraclie den iiang der Verhand- 
lungen, da letztere wegen Unkenntniss des Lateinischen (lemstdlH'ii 
nicht folgen konnten. Das verlangte andere Concil fand dann 
S Tage nach Jolumni in der Ahtei St. llemy statt und erklärte 
nacli Anhörunu' di'r Vertheidigung der französisclien Bischöfe die 
Absetzung Arnulfs und Wahl Gerberf s als ungültig. ]Jei beiden 
CoiK ilien waren ziemlich viele (Jrossen aus Lotlu'ingen anwesend 
und Graf Gottfried von A'erdun wurde sogar von denselljcn um 
seine Ansicht gefragt; Herzog Dietrich scheint aber nicht dabei 
gewesen zu sein. r 

Dieser Herzog war seinem Vater nicht ganz ähnlich, denn ^ i." /t ..• 
wenn es ihm auch nicht an Tapferkeit ge])racli, so liess er sich 
doch manchmal zum Missl)rauch seiner Gewalt hinreissen und 

• rief dadurch viele liescliwerden hervor. König Heinrich II. mochte 
schon bei seinem ersten Besuche einiger Gegenden J^othringens, 
namentlich als er im Septem})er \{){Y2 zu Aachen die Hiddigung 
der Grossen des Landes entgegennahm, solche Klagen vernommen 
haben und kam daher zu Anfang des nächsten Jahres auch nach 
Oberlothringen, wo er eine Versammlung der Grossen nach Die- 
denhofen berief und dort auch die Huldigung.Dietri clLij empfing. / " „•'■^ 

~Uie Grossen brachten daselbst allerlei Klagen gegen den Herzog 
vor und da der König ihn auch im Verdachte hatte, dass er 
heimlich geliihrliche Verbindungen mit dem aufrülu-erischen Her- 
zoge Hermann von Schwaben und Elsass unterhalte, so sprach 
er ihm üBeFalles dies semen Tadel aus, ohne ihn aber förmlich 
zu b estra fen, da er denn doch selbst ZweifeT daran hegen mochte, 
dass alle Klagen auch wohl begründet seien, denn gar manclie 
derselben mochten wohl nur daraus entsprungen sein, dass der 



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90 I« Buch: Von der ältesten Zeit bis zu (ierliard vuui ElsasäC. 



Herzog die unrahigen Grossen etwas sirenger fiberwachte, und 
ausserdem wollte ihn der Kaiser nicht anter die Zahl seiner 
Gegner drängen, denn schon in Niederlothringen hatte der König 
die £r&hmng gemacht, dass die Grafen und Grossen nach einer 
selbständigeren Machtstellung strebten und die Nähe von West- 
franken sie zu unruhigem Verhalten und zur Unhotmässigkeit reizte. 
Jdnrich jelbst suchte zu diesem Behufe sich mit dem franzö- 
_ sisclion^Könjo- c^ Kobert in gutes Einvernehmen zu setzen und es 
gelang ihm dies auch so sehr, dass letzterer ihm zur Bändigung 
des aufrührerischen Balduin von Flandern persönlich Hülfe lei- 
stete und sich nicht widersetzte, als der kinderlose Rudolf IE. 
von Burgund mit Heinrich einen Erbvertrag schloss, krafb wel- 
chem dies schöne Land an Deutschland fallen sollte. 
^jr^ In Oberlothringen brachen alsbald wieder Wirren aus, welche 
den König sehr in Anspruch nahmen.* In Metz starb 1005 der 
Bischof Adalbero E., Br uder Diet riches, und dieser gab sofort 
dies Bisthum seinem Sohne A dalbero, welcher noch ein Kind 
^i '^Xj war. Um die allgemeine Entrüstung darüber zu stillen, bat 
Dietrich den foietric h_Yon Luxembur g^ die Verwaltung des Bis- 
thums zu übernehiuen, bis Adalbero %t8 gesetzliche Alter er- 
reiche ; aber der Luxemburger suchte den Klerus und die Beröl- 
kerung für sich zu gewinnen, schickte zwei Jahre darauf den 
Adalbero seinem Vater zurück, liess sich selbst zum Bischof er- 
wählen und verband sich mit Heinrich von Bayern, um sich in 
seiner Würde zu befestigen, jlerzo g. Dietri ch suchte nun den 
ihm angethanen Schimpf dadufcTüi rächen, dass er mit einem 
Heere vor Met? zog, aber der Bischof trat ihm unvermuthet 
rasch entgegen, schlug ihn und machte ihn z um Gefa ngenen. 
Da musste denn König ^Heinrich einschreiten und^s gelang ihm 
. / auch, zwischen beiden Gegnern einen Vertrag zu vermitteln, in 
" > Folge dessen der Herzog frei wurde, das Bisthum von Metz aber 
dem ^etrich von Iiyxemburg)verblieb'!^^n ähnlicher Bischofs- 
I streit ereignete sich lOOSJn Trier, wo des Königs Schwager 
^'(tv' ^' '.'^^ ^.Dietrj ch" seinem jüngsten Bruder Adalbe ro durch Bestechung und 
4 .f . Gewalt die Wahl als Erzbischof verschaffte. Der König versagte 
' / demselben sofort die Investitur und setzte an dessen Stelle den 
Geistlichen Meyinga ud ans der Mainzer Diöcese, ja er belagerte 
Trier selbst durch drei Monate, bis sich Stadt und Burg über- 
gab; aber Buhe gab es deshalb doch nicht, denn über diese Dinge 



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4. Herzoge von Lothringen und fränkisch-deutsche Uebergangszeit. 97 



brach ein Verwandten- und Bürgerkrieg unter dem Hause Luxem- 
burg aus, der ganz Lothi'ingen in Mitleidenschaft zog. 

Wegen des Wjtthums der Königin Kunigunde, welches deren 
Bmder zu erben gedachte, der König aber zur Gründung des 
Bisthunis Bamberg verwandte, erhoben alsbald (Adalbero, PiwpÖ*- 
von St. Paulin in Trie^ ^raf Friedrich von Luxemburg und* 
(^iscbof Dietrich von Metz^im Verein mit (geinrich von Bayern, 
Bruder der Königi^ einen offenen Aufstand im Jahre JK)P9._ 
Der König sah sich daher genöthigt, letzteren zu entsetzen und 
selbst nac h Oberlo t hringen zu ziehen, wo er Mete belagerte. 
Sein Heer, dem auchlue heidmsehen Liutizen angebörtenf ver- 
heerte die Umgegend und das ganze Gebiet des Bisthums mit 
Feuer und Schwert, da Metz erfolgreich widerstand, plünderte 
und zerstörte die Abtei St. Martin vor Metz, ohne dass der 
König es verhindern konnte, weslialb er später die Mönche da- 
ftlr entschädigte, und das Land litt dabd so fürohtbar, dass jj 
überall Noth entstand, Öörfer und Flecken in Asche lagen 
und entvölkert waren, die Grossen iäi^weise verarmten, die 
Reben und Bäume niedergehauen waren und Überhaupt ein all- 
gemeines Elend herrschte, in Folge dessen an 800 SUaven&ini- 
lien der Metzer Kathedrale heimlich auswanderten, nachdem viele 
andere dazu schon die Erlaubnis? 'erhalten hatten. Die Stadt 
Metz gerieth dadurch in solche Bedrängniss, dass B ischof Dietrich 
endlich gendthigt war, die Gnade des Königs anzurufen, der ihm 
zwar das Bisthum Uess, sich aber dessen und seiner Brüder Be- 
strofong vorbehielt Der Bischof wandte sich vergebens mit 
Bechtfertigungaschreiben an den Papst und König Heinrich wurde 
darüber so aufgebracht, dass er auf einer im Mai 1012 zu Bam- 
berg abgehaltenen Versammlung sich bitter über den Bischof 
und seine Brüder bddagte und sie vor die im November zu 
Koblen z abzuhaltende Beichsversammluug berief. Da die Ange- 
Idagten daselbst nicht erschienen, lud sie der König vor eine 
neue Versammlung zu Mainz im Jahre 1011, wo dann die Mehr- 
zahl der Angeklagten erschien, aber sich nicht rechtfertigen 
konnte. Sie brüteten dahe r Bache, verlegten mit ihren Truppen 
die Mainzer Strasse und als iierzog) Dietrich mit mehreren Herren 
nach Hause zurückkehren woOtT, überfielen sie ihn bei.0dem*-> 
heim aus einem Hinterhalte, hieben einen grossen Theil des Ge- 
folges nieder, verwundeten den Herzog ziemlich schwer und 
machten ihn zum Ge&ngenen, während die Bischöfe nur mit 

Buhn, Oetehtehte Lothringvns. 7 



98 ^ Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Oerhard vom Elsaase. 

Mühe dem gleichen Schicksale entgingen, üeber solchen Frevel 
entstand natürlich grosser Unwillen, aber der König konnte für 
den Augenblick ihn nicht bestrafen. Der kleine Krieg unter den 
Grossen dauerte also fort und verheerte das Land, indem Adal- 
bero sich sowohl dem kaiserlichen Schwager als auch dem einge- 
setzten Erzl)ischofc Megingaud widersetzte. König Heinrich bo- 
rief daher im Jahre 1017 eiije Reichsversanimlung nach Aachen 
' und da man von derselben strenge Maassregeln gegen die Schul- 
digen erw^artete, so glaubten dieselben, sich endlich beugen zu 
müssen und baten den Erzbischof Heribert um Vermittelung imd 
Fürsprache beim Kaiser. Heribert rieth ihnen unbedingte Unter- 
werfung an und deshalb erschien sowohl Dietrich von Luxemburg 
^Is Heinricli von Schwaben, nachdem sie den Herzog Dietrich 
und die anderen Getangenen freigegeben hatten, vor dem Kaiser, 
beide warlon sieli ihm zu Füssen und dieser verzieli ihnen endlich und 
gab an Heinrich das Herzogtliuni Scliwaben und an Dietrich das 
Bisthuni Metz zurück, während der Trierer Eindringling Adal- 
bero sich damit Ix'gmigon nmsste, dass er die Würde als Abt 
des Pauliiiusklusters zu Trier behalten durfte. Hischof Dietriili 
bewies sich von da an dem Kaiser treu uml aucli als guter Ver- 
walter seiner Diöcese, die durch die langen Kriege einem halb 
verödeten Lande glicli. Lothiingen sollte al)er deshalb doch 
nicht sogleich zu völliger Ruhe kommen. Denn im Westen fielen 
Graf Widric von Clennont-en-Hassigny und dessen Bruder Archi- 
diaconus Amalricus von Langres in Herzog Dietrich's Grafschaft 
J3ar ein, weshalb dieser mit Truppen ihnen entgegenzog und sie 
trotz der geringeren Zahl dei-selben zurückschlug. Dietrich selbst 
'focht persönlich gegen den Erzdiaconus, der ilin schwer verwun- 
. I r\ dete, den er aber schliesslich tödtete, nachdem er ihm noch bit- 
, f , ^ ii-' tere Vorwürfe über seinen Raubzug gemacht hatte. Herzog 
v"' ^? Dietrich lebte aber selbst nur noch einige Jahre und starb wohl 
< •> ^ &n 2. Janua^ 102^wie ein Nekrolog der Abtei St. Mihiel wissen 
i^^^ wilL Er hinterliess in Friedrich II. einenJSfachfolger im Herzog- 
thuni Lothringen und eine Tochter Adelheid, die an Graf Yaleaacl 
von Arlon verheirathet war; seine jüngeren Söhne, Graf Siegfried 
von Briey nnd Adalbero, den er fRr das Bisthum Metz bestimmt 
gehabt hatte, waren schon vor ihm gestorben. Bald _na^ Dietrich 
starb jauch Kaiser Heinrich n. am 13. Juli ' auf seiner Burg 
QxöwL bei Güttingen und es wurde ihm als Nachfolger sein Neffe, 
.Konrad der SaUer, gewählt, zum Aerger der Lothringer Grossen, 



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4. Herzoge von Lothringen und frSnkisoh-deuteche Uebergftngtzeii. 99 



die für den anderen Candidaten gestiiiimt waren, da Herzoge- 
Friedrich von Lotlu'ingen Stiefvater des jüngeren Konrad war, 
welclier jedoch wh zweiter Bewerber um den Thron seinem Vetter ^ 
ebenfalls seine Stimme gab. 

Als König Konrad von Aachen aus seinen Umritt durch das 
Reitih muclite und hier zuerst Lothringen durchzog, brachte seine 
persönliche Enscheiiumg auch die Gegner zum Scliweigen und 
(Gehorsam. Zwar verharrten (lozelojvon Xiederlotliringen und 
Friedrich von Oberlothringen noch auf ihrem Widerstände, zumal 
auf Anreizimg des französischen Königs, der liier jede auirühre- 
rischc Bewegung gern unterstützte, als aber gegen Weilmachten 
1025 König Konrad mit einem Heere Lothringen durchzog und 
auf Zureden des Bischofs \m <'ambrai auch Herzog ^iozeloTvon 
Xiederlothringen zur Huldigung in Aachen erschien, so folgten 
auch Herzog Friedrich£und die anderen lothringischen (irossen 
seinem T^eispiele und huldigten dem Ki'inige. Fried richJ selbst 
liess sich zwar, als Konrad gerade in Italien war, uiit Konrad 
von Kärntlien und Ernst von Schwalten in eine neue Verschwö- 
rung ein. stiirb alter ^s<*hf^n \H>iS,^ bevor ihn König Konrad zui* 
\'erantwortung ziehen konnte, ohne mäunliclu' Nachkoimiien, 
worauf das Herzogthum selbst für mehrere Jahre erledigt bliel). 

In Unterlothringen hatte sich Herzog (I z do,,^ elienfalls 
von Kobert von Frankreich aufstiften lassen, versidiiite sich aber 
bald mit König Konrad, blieb ihm fortan treu und bekam von 
ihm im -lahre lO.lJ aiicli Oberlothringen und die yormundschaft 
ül)er die Töchter r des verstorl)Cnen Herzogs FriedricirUibertragen. 
In (Jberhitju'ingen gab es bald darauf auch wieder kriegerisclie 
Verwickelungen, denn als König lUidolf HI. von Burgund starb 
und König K'oiirad dii's crlite, machte Oraf Odo von der Cham- 
pagne Ansprüche darauf und üel in Burgund ein. Hierauf von 
da vertrieben, drang er lO.W) in Oberlothringen verlieerend vor, be- 
mächtigte sicli der Veste Bar und anderer Punkte und begann 
am October die Belagerung von Toul. Doch kam Konrad 
rasch mit lothringischen uiul anderen deutschen Truppen heran, 
vertrieb l)ei seinem Vorrücken auf St. Mihiel den (irafen, jagte 
ihn na('h der Uliampagne zurück und zwang ilm schon nach drei 
AVochen auf liurgund und jeden Angritl gegen Lotiiringen zu 
verzichten. Dies lünderte den (Jrafen aber nicht, mit dem Be- 
gimie des .laln-es lU^^'wieder in Lothringen ein/.ufalb ii und .l>ar 
zu belagern, das sich nach tapferer Gegenwehl- ergeben musste, 



100 L Bach: Von der ältesten Zeit bis zu (ierhard vom Elsasse. 



und sof^ar in's ÖriK'tluil vorzurücken. Hior traten nun die von 
(iozelo fi^esanimelten Tru]i])en Odo ^•egenül)er [jeiljjwtl/' einem 
jetzt unbekannten Orte, und es entl>rannte ein Kampf vom Morgen 
bis zum Nachmittag, wo die Leute Odo"s im Vortheile zu sein 
schienen; aber plötzlich kam Graf Oerhard mit lothringer Truppen 
und den Schaaren des Bischofs von Metz und der Tag endete 
mit vollständiger Niederlage des Orafen Odo, der hier zwei Tau- 
send Todte verlor und auf der Flucht von einem einfachen Diener 
Namens Dietrich g(!tödtet wurde, während sein Sohn Theobald 
sich mit ]\lühe rettete. Odo's Leichnam wiyde erst am andern 
Tage gefunden und GozeloJ sandte dessen"j51^^^""c^' "'i^li -'Mil- 
deren dessen Baniic'r, als Siegeszeichen nach Italien dem Kaiser 
zu. Es war dies zugleich auf lange Zeit das letzte Kriegsunter- 
nehnien, das von französischer Seite gegen Lothringen i^ngoregt ►fj^ 
wm'de. Gozelolselbst starb nicht sehr. lange darauf im Jahre ^V*^'- 
-^104^ und hinterliess zwei Söhne, frozelo und Gottfri ed?König/. v.V jf 
Heinde 1?? der 10;>}l zum Throne gelangt war, hatte die Nach- v '♦^i^,' 
folge von Oherlothringen dejijt' (Jozekiuversproclien und der \'ateii4 ^»^jp 
ür^terlothringen schon an ^i"(rt'r4ifit*dl%egeben. Dii alter Gozelo/L 
8ic{i als Mann ohne Fähigkeiten erwies, so versagte Koiiig Heinrich 
seinÄ KipWillignn^, imd ühertnig die Verwaltung des Herzogthums 
an Adalbert Ii vom Flsasse. aus fnner J'anülie, die sclion 
seit mehj'eien Generat itnieu in ( llierlotliringen be^üterf\ und mit 
vielen G Vossen des Landes verschwägert war, wie sie denn' auch 
die Grafenwürde von Metz besass und Adalbert L (oder vielmehr 
iV. für Metz) schon \():V,\ die Abtei Bus^'l*^'"^ gestiftet hatte. 

Gottfrie^er Ö!^kü^\ zweiter Sohn ( Jozelo'sJ welcher unter 
seinem Vater Unterlothringen verwaltete, war darülier höchst 
unwillig, l)egann eine Erhebung und drang an den Khein, be- 
reute sie aber alsbald und miterwarf sich im Januar I04r> dem 
Kaiser, der ihn zwar nur auf kurze Zeit in Haft auf der Veste 
Giebichenstein bei Halle behielt, aber für ihn den Sohn als Geisel 
nahm. Sobald letzterer gestorben war, erhob sich Gottfried inj 
Vereine mit dem (irai'en Balduin von Flandern aufs Neue, nalun 
und verbrannte Nymwegen im Octol)er 104|, griff Verdun an, weil 
der Bischof vom Könige die Grafschaft V erdun erhalten liatte, 
plünderte und brannte die Kathedrale nieder und raubte deren 
Schatz. Er hauste hier ül)erhaupt so arg, tlass er alsbald selbst 
darüber Gewissensltisse bekam. Düsse that und Alles dazu bei- 
trug, um die Kathedrale wieder herzustellen, ein Beweis dafür, 



by GoOgI( 



4. iiui ztjgf voll Lothringen und IVänkisch-deutsche L'ebergaugszeit. \(){ 



welch* wilder Geist noch in diesen Abkömmlingen der Franken 
steckte nnd wie sie sieh sofort wieder von den Geistlichen ein- 
schflchtem nnd die HOlle heiss machen Hessen. König Hemrich IH., 
der sich 1046 in Italien be&nd, konnte vorerst nichts gegen 
solche Gewaltth&tigkeiten thnn nnd Adalbert war auf sich selbst 
angewiesen, nm Gottfried zu bekämen] Er drang auch 1047 
in Niederlothringen ein und verheerte dort verschiedene Land- 
striche, hielt aber seine an*s Plfindem gewöhnten Truppen nicht 
gehörig zusammen und so kam es denn, dass er gegen das Ende 
dieses Jahres unversehens von Gottfried flber&Uen wurde und 
dabei umkam. Gottfried selbst war nicht in der Lage, seinen 
Sieg weiter auszunützen, nnd als König Heinrich in Italien die 
Kaiserkrone empfangen hatte und die Angelegenheiten seiner 
deutschen Heimath wieder selbst in die Hände nehmen konnte, 
setzte er Gottfried ab und gab Xiedcrloth ringen dem Grafen 
Friedrich von Luxemburg^Oberlotliringen aber an Gerhard 
^-^om Elsasse, einem Sohne des Snifen Gerhard von Metz und 
^j^l ^ettw des ge&Uenen Adalbert Von da ab wurde die Herzogs- 
/^"wärde.von Lothringen, oder eigentlich von Oberlothringen, in 
*i*y dieser Familie erblich und beginnt eine ganz neue Epoche in der 
Geschichte dieses Landes. 

In dieser Uebergangszeit voll innerer Unruhen und Kämpfe 
änderte sich auch gar Vieles in der ganzen Gestaltung und Ver- 
waltung. Die Eintheilung des Landes war Jahrhunderte lang 
dieselbe geblieben wie unter den Römern sie sich gestaltet hatte 
und die Kirche ordnete darnach auch ihre Diöcesen und ünter- 
abtheüungen derselben. Aber das Aufkommen zahlreicher Grossen, 
wehshe nach grösserer Unabhängigkeit strebten und ihren Besitz 
mehr zusammen zu schliessen suchten, brachte doch schon einige 
Aenderungen in diese Eintheilung und vermehrte die Zahl der 
Abtheilungen. Bemerkenswerth ist es, dass man die ^^uieintlici-^ 
lung des rechtsrheinischen Deutschlands viel genauer kennt, als 
jene Lothringens, das stets einen Theil des Erzbisthums Trier 
bildete. Unter dem Moselgau ^agus Mosellensis), dem grössten 
der Diöcese, begriff man den weiten Bezirk, welcher auch wieder 
pagUB Trevirensis und Mosellensis genannt wurde und umgeben 
war von den pagi Meginensis, Bedensis, Wabrensis, Aralunen- 
sis, Salinensis , NideaaiaL u. s. w. Ihm grenzte westlich der 
Ardennengau an, TE^^sprfinglich auch der pagus Corascus an- 
gehörte, während südöstlich der kleinere pagus Wabrensis, das 



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102 I. Baoh: Von der Sltesten Zeit bis zu G«ibBrd vom Elaaaee. 

spfttere Woivre, sich erstreckte. Nördlich von diesen lag der 
^ pagus Bedensis und Surensia, dann im Norden von Trier der. 
pa^ns Eiflensis, au^_JKiwexen8is genannt und gegen Koblenz 
und Andernach der pagus Meginensia. Oestlicli der Mosel brei- 
^ <) teten sich aus der Nied-, Alb-, untere Saar-, Blies- nnd Nahe- 
r t«-^ * 6*^ ^^^^ pagua Trigorius, der auch Kenthius genannt wurde. 
. Die Diöcese Verdun umfasste nur- sechs Qaue, nämlich den 

pagus Vei^iäünensis, Cannens is. auch Scai mis ge nannt, Ornensis, 
Dulgafinsis, Mosomage nsis und Nongencensis. Alle diese Gaue 
waren nur von kleinem Umfange. Mehr Gaue zählte das Metzer 
Bisthum, welches rechts zunächst den Moselgau, dann den Nied-» 
Albo-, Blies-, oberen Saargau, links den Woivre- und- Omegan 
und nördlich den Yützer Gau umfasste. Auch diese Gaue waren 
im Durchschnitt nicht beträchtlich. Die meisten Gaue goliörten 
zur Diöcese Toul, das selbst im pagus Tullen sis lag. Nordöstlich 
davon erstreckte sich der pagus Scarpon ensis« südlich davon zog 
sich der grosse pagus Calvo montensis, der wieder den kleinen 
pagus Portensiä einsohloss, über ein weites Gebiet bis zu den 
Vogesen, östlich lagen der pagus Vennen sis, Seginte nsis und 
Solooe nsis und nördlich von letzterem ^er pagus Barr ensis, Ojo r» 
'nensis, Blesensis und Bedensis, südlich vom Bärgau Lig der 
pagus Bas^EuScensis, westlich von Toul der kleine pagus Ble- 
siensis, zwischen Maas und Mosel der pagus JV^lJupi, bei Bemire- 
mont der pagus Habendenffls und en(Üich der pagus yrngigDsis, 
der einen Theil der Vogesen um&sste. Diese Gaue wurden wegen 
der Grafen, die ihnen vorstanden, oft auch gerade Grafschaften 
genannt und wenn sich zufällig mehrere solcher Grafen durch 
vermehrten Güterbesitz emporschwangen, so wurden für die ein- 
^ zelnen Theile wieder neue Namen gebraucht, wodurch dann z. B. 
die Grafschaften WalM^vinga und Saraburg entstanden, im 
Woivregau die Grafschi^ Decaster i und ferner die Untergaue 
Segintensis imd Gerbercursi s» Alle diese Namen für solche 
Unterabtheilungen pflegten sich gewöhnlich nicht lange zu er- 
halten und verschwanden wieder mit jeder grösseren Veränderung 
überhaupt. 

Noch viel weniger sind wir über die ^undertschaften (cen- 
An -. tena), die ünterabtheilung der Gaue und Grafschaften, unter- 
''^ richtet und wir kennen überhaupt nur sehr wenige davon, wie 

die von Wandelaincourt, Bellev^ille, Mpn$on, Bra8^n_tTerdunoi?} 
u. s. w. InnerEalb derselben lagen dann die emzehien Orte mit 



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4. Herzoge von Lothringen und frSnlcifloh-deattohe Ueberguigizeit. XQ3 



. ihren Gemarbrngen (fines), deren natfirlich eine reichliclie Anzahl 
ans dieser Zeit genannt wird, da sie in den Vergabungen an 
Klöster nnd in den Gartularien derselben vorkommen mnssten. Mit 
den Namen derselben ist es nun ein eigenes Ding , denn unstreitig 
wurden viele ursprönglich gallische'üder jceltiach e in römische / ^ 
umgeformt und gaben sich bisher Sprachforscher die ve rgebliche (]i > 
Mflhe, in diese Etymologie Licht zu bringen. Solcher pillisch- ^ ^ 
römischen Ortsnamen kennen wir sehr viele und aus Lothringen 
seien nur nachfolgende erwähnt: Acai viUa, Aciacum, Adaca villa, 
Alnetum (mehrere), Angeliacum, Angeriaca villa, Angeriacus, 
Aquosa, Attiniaeus, Attigniacns, Amantia, Argentda, Aspidum, 
Audunum (zwei), Buxeriae, Caipinetum (vier), Carpini ad rupem, 
ad Carpinos, Carisiacum, Cannabariae (zwei), Castinetum, Caulia- 
cns, CaveniacuB, Cimiacum, Commerciacum, Corrubrium, Ciipe- 
donia, Gampaniolae, Cahnosiacum, Concionacum, Gpndatum, Du- 
guliacum, Buodedmum, piinuni , Erpeium, Fagetum (swei), Fagus 
(drei), Flaviniacus, Frania (mehrere), Frumentosa, Gaudiacum, 
Gemmacum, Gavillo, Jauniacus, Joviniacus, Issiacum, Luciacus, 
Luviniacus, Liberdunum, Maceriacum, Maceriae, Maceriola, Mor- 
lacum, Montiacum, Montiniacum, Mosiliacus, Nanceiacum, Nan- 
netum, Nogaretum (vier), Novientnm (zwei), Puteoli (drei), Bo- 
boretum (mehrere), Saponariae (vier), Satanacum, Saviniacus, 
Savinianus, Silviacus, Stirpiacus, Soliacum, Surviacum, Suniacum, 
Troiacnm, Tyriacum, Tdliacum, Yideliacnm (zwei), Villa und 
Villare (sehr viele), Vinciacus, Uhnus (zwei), Üniacus u. A. m. 

Andere Orte haben ihren Namen von ihren Eirchenheiligen, . 
indem neben einer alten Capelle desselben sich eine grössere 
Niederlassung bildete, femer von den ältesten Besitzern des 
Guts, aus dem eine Ortschafb entstand, oder* auch von verschie*- 
denen localen und physischen Verhältnissen. Die ersteren sind 
sofort an dem vorgesetzten Sanct (Saint) zu erkennen und ziem- 
lich häufig; sie setzten aber auch vor den Namen des Patrons 
das Wort dominus, gewöhnlich in der Abkürzung dom, wie Dom- 
basle (statt Domnus ^jg^ns), [Dommartin (Domnus Martinus), 
Domepvre, Dame jevi^y jB (Domna Libaria). Die zweite Klasse 
hängt an den Namen des Herrn ein Wort an, wie villa, 
villare, curia, curtis, .mansile u. s. w., wie Harroucourt, 
JaOaicourt, Alaincourt, ErbeviUers, Someville. Die dritte Art,, 
deren Namen sich auf locale oder physikalische Dinge beziehen, 
ist sehr häufig, wie Belleville, Longevill6, Hunskirch, Pierre- 



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104 !• Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 



TÜlerB, Fraimbois, Charmes, Bonzi^res, Cond^, Conflans, Blftmont, 
CfaeneTtöres, Golombej, Lupcomt, Sayoni^reB 11..8. w. Ein sehr 
grosser Theil der Ortsnamen entstammt geradezu dem Deutschen. 
Dahin gehören die Namen mit den Endungen inv. igniev. ignies 
vom deutschen ingen, mit Hof oder Dorf, rinp;^ an ^e. Weilar, harg 
n. B. w., wie z. B. Bnrgaltroff (anstatt Dorf), Gneblii^, Lan- 
guinsberg, Langatte, Virtsdorl^ Pfalzbnrg, Lfitzelbnrg, Hasel- 
bnrg Q. s. w. Ueberhaupt- herrschte die deutsche Sprache nörd- 
lich von der Orne , ^im Cagasr-?Jbnd Niedth ale, oberen Seille - 
thale und von da bis zu den Yogesen ( Dpnon) vor, indem sie 
durchweg östlich davon gesprochen wurde, wShrend westlich das 
Bomanische sich ausbreitete. 

Die Herzoge von Oberlothringen hatten nach Vorstehendem ein 
sehr weites Gebiet, aber dasselbe um&Bste doch nicht alle Theile 
des so geschilderten Landes, da auch die Bischöfe und Stftdte' 
eine gewisse Unabhängigkeit unter ihnen besassen, und die Her- 
zoge fibten ihre Gewalt über dieselben nur indirect und als 
könii^che Stellvertreter aus. Als solche galten sie noch zur 
Zeit der Karolinger und Merovinger und erst jetzt begann all- 
mfilich die Würde eine andere Gestalt anzunehmen, was erst 
möglich wurde, nachdem sie erblich geworden war. 

Man darf annehmen, dass durdi die vielen Kriege die Be- 
völkerung sich erheblich vermindert hatte, zumal durch die ver- 
heerenden Einige der Ungarn, die in der ersten Hälfte des 
zehnte Jahrhunderts stattfimden. Dazu kamen noch Krank- 
heiten, wie die 934 durch das ganze Land herrschende Epidoinie, 
während eine andere ansteckende Krankheit in der zweiten Hälfte 
dieses Jahrhunderts allein in der Stadt Metz gegen zehn Tausend 
rersonon hingerafft haben soll. Nur wenige Jahre darauf wurde 
Toni von einem gleichen Schicksale heimgesucht, denn kein 
Haus wurde vom Tode verschont und man konnte die Gestor- 
Ix nen nicht mehr alle heerdigen. Bischof Gerhard war so naiv, 
die Wuth der Krankheit durch Processionen und Hermntragen 
der Beliquienkästen durch die Strassen der Stadt und Dörfer 
brechen zu wollen, aber es half eben auch nichts und sogar wäh- 
rend des Zugs fielen neunzehn Theilnehmer todt zu Boden. Etwa 
um 982 herrschte eine solche Hungersnoth im Lande, dass viele 
Einwohner auswanderten und Bischof Gerhard von Toul auf der 
liückkehr von seiner T^Uger&hrt nacli Rom in der Lombardei 
über dreihundert Leute aus seiner Diöcese antraf, welche der 



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Lothringen 




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4. Herzoge von Lothringen und fränkisch-deutsche L ebergaugs/eit. XO-j 

Hunger fortgetrieben hatte und die er dann mit seiner Unter- 
stützung zurückbrachte und aus seinen Vorrätben mit Getreide 
und Wein versorgte. Im Anfange des eilften Jabrhunderts 
gesellte sich bierzu nocb eine weit grossere Hungersnothf weil 
beständiges Regenwetter die Emdten Temiehtet hatte. Es war 
die Notb so furchtbar, dass als einmal der Erzblsebof von Trier 
nadi einer von Hungrigen umlagerten Kirebe ritt und unter diese 
Geld aostheilen lassen wollte, sie üm baten, ibnen lieber sein 
und seiner Begleiter Pferde zn fiberlassen, um solche yerzehren 
zu können. Diese Hungersnoth dauerte auch nicht etwa bloss 
ein Jahr lang, sondern ununterbrochen durch drei Jahre 1028 — 30. 
DieBisdiöfe nnd die Geistlichkeit Terftusserten zwar manche Kirchen- 
schätze, um die Hungernden zu speisen, und Abt Bichard von 
St. Vanne verkaufte deshalb nicht bloss die reichen Ornamente 
seiner Abtei an die Kirche zn Belms, sondern verpfändete auch 
an den Grafen von Bhodez die Abtei St. Amant de Bosset und 
schrieb an fremde Ffirsten und Prälaten um Beisteuern, dies 
konnte aber bei der Menge der Hungernden nur wenig fruchten 
und höchstens för kurze Zeit Htdfe gewähren. Unter solchen 
Umständen war es eine grosse Wohlthat, dass durch die Thätig- 
keit der Bischöfe von Arles und Avignon und des Abtes Odilo 
von Clugny im Jahre 1041 der Gottesfriede (Treuga Dei) zn 
Stande kam, welcher im Namen des ganzen Glerus von Frank- 
reich unter Androhung weltlicher und kirchlicher Strafen ausge- 
schrieben wurde und vorschrieb, dass von der Abendstunde des 
vierten Wochentags an unter allen Christen, Freunden nnd 
Feinden, Nachbarn und Fremden, ein heiliger, unverletzlicher 
Frieden herrsche bis zum zweiten Wochentage, d. h. bis zum 
Sonnenanfgang am Dienstag, so dass Jedermann zu jeder Stunde 
in diesen vier Tagen und Nächten vollkommene Sicherheit ge- 
niesst und frei von jeglicher Furcht vor seinen Feinden unter 
dem Schutz des göttlichen Friedens thnn kann, was ihm gelegen 
ist. Dieser Gottesfrieden wurde dann auch noch auf die Advents- 
zeit und hohen Kirchentage ausgedehnt. Der Gottesfdeden stiess 
zwar anftnglich in Lothringen auf viele Gegner, namentlich unter 
den Grossen und das Zureden des erwähnten Abtes von Clugny 
und des hochgeehrten Bichard von St. Tanne fruchtete nicht 
viel, bis im Jahre 1042 die Brennseuche (mal des ardents) in 
Lothringen verheerend aufbrät nnd die Geistlichkeit sie als gött- 
liche Strafe fiOr die Widersetzlichkeit gegen den Gottesfrieden 



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I. Buch: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 



erklärte. Sie konnte aber sonst nichts gegen die Krankheit 
tfaun, denn dass sie den Knnken in ihrer Einfalt geweihten 
Wein nnd Weihwasser, in welches genannter Richard einen aus 
dem Orient mitgebrachten Stein vom yermeintlichen heiligen Orab 
eintauchte, gab, konnte natfirlidi nichts helfen. 

Mit Ausnahme der ansteckenden &ankheiten, die in den 
St&dten mit engen Strassen und dichter Bevölkerung einen 
Hauptheerd 'fiinden, litten die Stfidte weniger durch Kriege und 
innere Streitfafindel, denn sie waren mit Mauern umgeben, 
wohl befestigt und vertheidigt und dadurch konnte auch der 
darin einmal gegründete Wohlstond leicht gesteigert werden, 
denn sowohl die Grossen als das Landvolk waren darauf ange- 
wiesen sich in diesen Stftdten mit den nothwendigsten Bedürf- 
nissen zu versoigen oder daselbst Geld aufzunehmen. Namentlich 
war dies bei Metz der Fall, wo der Bischof eine Mfinze einge- 
richtet hatte und sich Goldschmiede und andere Handwerker 
niederüessen und z. B. weite Gegenden mit ihren Pflugschaaren 
versahen. Bischof Dietrich 1. von Metz^ gründete auch in der 
Pfarrei Dogn^vi Me bei seinem Schlosse Spinal eine Kirche und 
einen llbjkt und daraus ging die nachher aufblühende Stadt 
Epinal hervor, welche einen grossen EinjQuss auf die weite Um- 
gegend gewann. Mit dem Fremdenverkehr und Handel nach 
auswärts war es aber noch wenig und im ganzen zehnten und 
eilften Jahrhunderte fehlte es auch an Sicherlieit und guten 
Strassen, da man leider die alten Bömerstrassen hatte veitülen 
lassen. Die Sicherheit litt namentlich durch die vielen festen 
Häuser und Burgen, welche die grossen Herren an den Strassen 
errichteten und von welchen aus sie geradezu offenen Strassen- 
raub trieben. Ein solcher Namens Adalbert hatte zwei solcher 
Burgen, in der Nähe von Trier, und trieb die Bäuberfrechheit 
sogar so weit, dass er mit seinen Leuten mehrmals in die Woh- 
nung des Erzbischofe Poppe eindrang und ihm die zubereitete 
Mahlzeit fortnahm. Erst nachdem er dies Unwesen noch länger 
getrieben hatte, ergriffen die Leute des Erzbischofs ihn und seine 
Genossen und erschlugen sie. Aber es gab ausserdem noch zu 
viele raublustige Herren und war es noch lange nicht möglich, 
dem Unwesen gänzlich zu steuern. 

Die Noth zwang allein die Herzoge, Geistlichkeit und 
Städte etwas mehr für die Verkehrswege zu sorgen, zumal sie in 
den Hungerjahren so sehr för die Getreidezufuhr versagten, und 



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4. Ucnsoge von Lothringen und fränkissch-dcutche Uebergangttoit. J()7 

daher that man etwas mebr fOr Verbesserung und Unterbaltung 
der Strassen und die Herstellung yon Brücken Aber die grosseren 
Flfisse, denn über kleinere nnd Bftcbe mnssten die gewöhnlichen 
Fürthen ausrdchen. Metz hatte schon seit der BOmerzeit eine 
Brücke über die Mosel gehabt nnd unter den Karolingern wohl 
auch bereits zwei holzenie Brücken über diesen Hubs, sowie 
über die Seille. Daselbst war überhaupt der Mittelpunkt des 
ganzen lothringischen Handels und Verkehrs sowohl nach deut» 
sehen Ländern (Strassburg, Frankfurt und EOln), als nach Paris 
und dem Süden Frankreichs und es gab auch daselbst schon 
Schiflffiihrt und FlOsserei. Auch Verdun hatte einigen Handel 
und Gewerbe, namentlich Bierbrauereien und es wird sogar be- 
hauptet seine Eaufleute wfiren bis nach Spanien gereist. Die 
Hauptrerkehrswege des Landes waren übrigens durch die Maas, 
Mosel und Meurthe yorgezeichnet und die meisten Handelsgegen- 
stände wurden darauf transportirt , während die Wälder der 
Vogesen reiche Mengen Holz zum Flossen lieferten. 

Leider war der Handelsbetrieb nur die schwächere Ursache 
um Belsen ausserhalb des Landes zu machen; überspannte 
Frömmigkeit und Aberglauben brachten viel mehr Leute dazu, 
Pilgerfahrten und Wall&hrten anzutreten und damit nicht bloss 
die zum Arbeiten besser anzuwendende Zeit todt zu sehlagen, 
sondern auch das vorhandene eigene Vermögen zu vergeuden 
und in die Hände der Geistlichkeit gelangen zu lassen. Am 
Ende des zehnten Jahrhunderts waren die Pilgerfiihrten nach 
dem Orient zur Mode geworden und die Leute wähnten von 
Sünden rein und selig zu werden, wenn sie das angebliche heilige 
Grab in Jerusalem besuchten. Es war noch blosse fromme Ein- (T^^ ^ 
fidt als im Jahre 982 Bischof (Qerhar^ von Toul mit einem IjUiiC^ ^ 
Dutzend MOnche und Kleriker und yoigetragenem Kreuze^ nach' C'f* -Cr: 
Born wall&hrtete. Weiter trieb es schon der Bisch^yon Toul, i 
der sogar alljährlich mit einer Anzahl Leute, einmal sogar mit 
deren fünfhundert, nach Bom wall&hrtete. Um dieselbe Zeit 
pilgerte Bischof Dietrich von Verdun mehrmals nach Bom und 
sogar einmal nach Palästina und der mehrerwähnte Bichard zog 
sogar im Jahre 1026 mit 700 Leuten über Ungarn, Constanti- 
nopel und Kleinasien nach Palästina und wurde von den Maho- 
medanem durchaus unbehelligt gelassen, bis es ihm einfiel die- 
selben zum Christenthum bekehren zu wollen, worauf sie ihm 
mit einem Steinhagel antworteten. 



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108 ^' Buch: Von der altehteii Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

Wie sich die Groteen in immer erhebliclieren Besitz von 
Rechten zu setzen wnssten, so yeratanden es anch die Bischöfe 
und KLöster und besonders waren es weibliche Personen am 
Hofe, welche ihnen zahlreiche Begalien versdiafften. In ganz 
kurzer Zeit hintereinander erwarben sich die Bischöfe das so 
einträgliche Munzrecht, das 974 an Trier und Toul, 977 und 
wiederholt 983 an Metz und 997 an Verdun ertheüt wurde. 
Namentlich nahm der Gfiterbesitz der Eärche zu und leider 
wurden dafür wie überall meistens Schleichwege benfitzt. Dieser 
Besitz dehnte sich so weit aus, dass für die Ackerbauer &st 
keiner mehr übrig war, und ganz gewiss haben die unwirth- 
schaftlichen Verhältnisse nicht wenig dazu beigetragen, dass das 
Landvolk arm blieb oder verarmte und für dasselbe Hungers- 
noth eintrat, während die ^user und Keller der Geistlichen 
vollgelagert waren. Geistliche Chronikensdireiber klagen freilich, 
dass die Bisthümer um einen Theil ihres Besitzes dadurch 
kamen, dass sie ihren Grafen oder Gerichtsherren Güter abtreten 
mussten, wie denn die Abtei St Ma^lmin 2U Trier 6650 Mausen, 
Bemiremont 1400, St Trond 1200, und dass die Bischöfe von 
Verdun genötbigt waren für den Schutz durch die Grafen von 
Bar dieselben mit dem Glermontois zu belehnen; aber sie ver- 
gessen dabei, dass dieses dodi nur eine G^enleistung für ihre 
Dienste war und die Strafgelderantheile solche nicht aufwogen. 
Uebrigens zeugt von dem Beichthum der Kirchen und Klöster 
auch die ungemein grosse Menge ihrer Kleinodien, Gewänder 
und kostbaren Verzierungen, die ausserdem auch beweisen, dass 
damals wenigstens die hierfür arbeitende Industrie schon recht 
Schönes leistete und erheblichen Verdienst &ad. 

Wenn man die grosse Anzahl der damals wie Pilze empor- 
schiessenden Klöster betrachtet, die bei ihrer Gründung immer- 
hin nur einen Vennögensstock bekamen und auf weitere Geschenke 
und Vermächtnisse uigewiesen waren, die oft ausblieben oder 
doch nur spärlich flössen, so kann es nicht aufEeJlen, dass auch 
viele dieser Stiftungen wenig Besitz aufzuweisen hatten und 
dann durch Kriege und Elementarereignisse recht sehr litten. 
Aber sie wussten sich doch meistens zu helfen entweder durch 
Erbschleicherei oder durch Sammlungen. Sogar fömüiche Sub- 
scriptionen wurden zur Erlangung von Beiträgen veranstaltet 
und in dem ürkundenbuch von Calmet ist uns sogar eine solche 
liste aus dem Jahre 1030 zur Wiederherstellung der Abtei 



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4. Herzoge von Lothringen und fränkisch-deutsche Untergangszvit \{}[) 

St. Epvro vor Toni orlialteii. worin nohen vioh'ii l'rivatcn, (MMst- 
liclioii und Herron sogar (J raten und Herzoge mit Heitnigen 
aufgefiilirt sind. Trotz dieser Zeichen von Verehrung vor den 
Mönchen und ( Jeistliehen ging es mit soUdier Krschlcichnng von 
(jähen und (iütern nicht immer ganz glatt al) und iiammtlich 
die benachtheiligten Familien Hessen es sieh manclmuil nicht 
gefallen. So hatte der liiscluif "Wiefried von Verdun im Jahre 
974 einen Herrn Namens Kuihdf veranlasst, der Abtei St. Vanne 
die Domaine Gendouville zu schenken; (iraf Sigbert, ein Ver- 
wandter von Rudolfs Frau. lU'r diese Domaine zu ererl)en hoffte, 
machte aber ?]insprache und da solche nichts half, so erol)erte 
er durch nachtliclien Feberfall die Veste VaiuhTsalt lici Xivrey 
an der Maas und nalnn den Hischof gefangen, was natürlich zu 
einem grossen Geschrei der (leistlichkeit führte. 

Dass überhaupt die damaligen Mönclie nicht nach der an- 
gepriesenen ehristliclien Tugend der Armuth strebten , sondern 
nur nach WolinclH'u und Keiclithuni. zeigt wohl auch der Um- 
stand , dass alle Klöster sich mit liohcn und starken Mauern 
umgaben, um vor Angriffen und Beraubung sicher zu sein , und 
mehrere Klöster wie (iorze waren so stark befestigt, dass sie 
auch einem energischen Angriffe widerstehen konnten. Freilich 
bedurfte es einer Anzahl tüchtiger Vertheidiger, die natürlich 
nur wenige Klöster sich verschaffen konnten, und dieselben wählten 
sich alle ihre Vögte aus den mächtigeren Herrengeschlechtern des 
Landes, was zur Zeit der Karolinger wegen der Ausübung der 
weltlichen (Terichtsl)arkeit nur erst den Uiscliöfen vorgeschrieben 
war. Wollten daluT die Klöster nicht mehr direkt der Gerichts- 
barkeit der (iaugrateu unterstehen und sich eine eigene ver- 
schaffen, so unissten sie natürlich ebenfalls dafür Vögte aufstellen, 
die zugleich auch den Schutz und die Kechtsvertretung der 
Klöster übernaliiiien. Das Metzer Histlmm hatte, wie die Stadt, 
zu Schutz herren die in Lothringen reich begüterten (irafen vom 
Elsasse, welche dies Amt vom Anfange des neunten bis zur / 
Mitte des eilften Jahrhunderts inne hatten. Der Cheyalier vjpn , 
St. Goeric besass die Vogtei der Abtei Epinal und "In gleicher 
Weise hatten alle übrigen Klöster ihre Vögte, welche alle ver- 
schiedene Guter derselben zu Lehen trugen. War das Amt 
anfänglich von den Klöstern nur auf Lebenszeit üliertragen, so 
wurde es bald in der betreffenden Familie erblich und wo die 
Bischöfe nach und nach die liegalien an sich gebracht hatten. 



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Xj^Q L Buch: Vuu der älUistcn Zeit bis zu Gerhard vom EUsasse. 

da wurde das Grafenanit mit der Vogtei vereinigt. Nicht immer 
war das Amt ein wirklicher Schutz für die Klöster, denn wenn 
es auch ein solcher nach aussen war, so missbrauchten es die 
Inhaber nur zu oft gegen die Klöster selbst, um sich zu be- 
reichern. So brachte der Vogt des Klosters St. Nabor (St. Avold) 
dies Kloster in eine so schlimjne Finanzlage, dass es nicht mehr 
so viele Mönche unterhalten konnte als zur Versehung des 
Gottesdienstes nothwendig waren, und der Vogt des benachbarten 
Klosters Basendorf handelte nicht weniger schlimm und benach- 
theiligte es auch dadurch, dass er dessen Leibeigene zwang seine 
eigenen Leibeigenen zu heirathen, was dem herkömmlichen 
Bechte widerstritt und das Kloster benachtheiligte. 

Während es bezüglich der Bisthtimer und Klöster in dieser - 
Weise beschaffen war und die -Beehtsptlegc verwaltet wurde, 
fehlen uns alle Nachrichten darflher, wie es mit der Verwaltung 
in den Siftdten ausgesehen habe. FrauzösiBdie SchriftstoUer 
wollen ans der Thatsadie, dass Bischof Stephan von Verdun vom 
n Trierer Erzbischof Ludolf in HeÜoc im Juni 904 geweiht wurde, 
weil die gegen den Bisdiof aufständischen Einwohner der Stadt 
Trier und diese selbst in Bann gethan- waren, schliessen, dass 
daselbst noch eine Municipalver&SBung seit der Bömerzeit sich 
erhalten habe. Aber die erwähnte Thatsache berechtigt durch- 
aus nicht zu solchem Schlüsse, ebenso wie die für Metz be- 
hauptete Fortdauer der unveränderten römischen Munidpalver^ 
fassung auch meht deu geringsten Grund fOr sich hat. Die Ver- 
heerung und Zerstörung durch die hereingebrochenen barbarischen 
Volker und die wilden Kriege war so gross und gewaltig, dass 
z. B. in Metz kein Stein mehr auf dem anderen blieb, die Ein- 
wohner erschlagen oder ausgewandert waren und es ganzer 
Menschenalter bedurfte, bis wieder eine erheblidie Einwohnerzahl 
zusammen kam. Es wäre in der That das grOsste Wunder dieser 
Welt, wenn durch alle diese StOrme sich die so ziemlich verwickelt 
organiskte rOmische Munidpalver&ssung erhalten hätte, wie es 
in neuerer Zeit Metzer Geschichtsliebhaber auszumalen belieben, 
indem sie einfach das Bild der rOmischen Stadtverwaltung aus 
Italien nach Metz übertragen. Auch darf man mit Sicherheit 
annehmen , dass der fOr die Ordnung und Verbesserung der . ' 
Kecbtspflege und Verwaltung so eifrig besorgte Kaiser Karl der 
Grosse in irgend einem seiner Gapitularien auch solcher städti- 
schen Verwaltungsorganisation ged^t hätte, da er doch Öfters 



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4. Herzoge von Lothringen und fränkisch-deutsche Uebergangszeit. 

in deniselbeu Metz war, wenn er aucli nur eine Spur davon an- 
ge trollen und gesehen hätte. Die Art und Weise, wie nach den 
ältesten Ueberlieferungen das Uegiment in diesen Städten geführt 
wurde, ist von den römischen Grundsätzen so ungemeiii ver- 
schieden und weist vielmehr auf deutschen Ursprung hin, so dass 
ein Vergleich mit den römischen Städten geradezu ausgeschlossen 
ist. Nach der Zertrünnnerung des römisclien Keichs haute sich 
auch hier eine neue und andere Cultur auf und darf man für 
alle diese Städte wolil annehmen , dass sie nach der Zerstörung 
• und Verödung erst unter dem Schutze der liischofsitze und 
Kathedralkirche (die al)er erst klein und unlx-dfiitend waren) 
wieder erstanden, durcli die iiischöfe ihre Förderung und ilii" \\ achs- 
tliuni erliielten und daher auch mehr oder weniger unter deren 
J3otmässigkeit waren, bis nach und nach dieselben es auch als 
ihr eigenes Interesse ansahen, ihnen Marktrechte und verschiedene 
andere Gerechtsame zu verleihen oder von den Kaisern zu ver- 
schaffen und die Städte sich dann auch allmälich von dieser Bot- 
mässigkeit frei machten. 

Durcli die geistlichen Chronikenschreiber und Legenden- 
fabrikanten sind wir natürlich über nichts so gut unterrichtet 
als über die Geschichte der liisthümer und Klöster; aber diese 
bieten für die politische Gescliichte und die CultuiTerhältnisse im 
Allgemeinen keine grosse Ausbeute. Unter Pirzbisdiof Heinrich 
von Trier, aus der Familie der Herzoge von Schwaben, war in 
dieser Diöcese der heilige Wolfgang eifrig bestrebt eine Keform 
für die Geistlichen durchzuführen, die Klöster wieder in besseren 
Zustand zu versetzen und besonders den Canonikern eine strengere 
Regel zu geben, nachdem sie jene von Chrodegang längst wie- 
der ausser Uebung gesetzt hatten. Namentlich aber war es der 
Erzbiscliof Bnmo von Köln, jüngster Sohn Kaiser Hcinricirs I., 
und Träger der obersten Gewalt in Lothringen, welcher unermüd- 
lich darnacli strebte einen i)esseren Geist unter die Geistlichkeit 
zu bringen und die Regel der Benedictiner zu verbreiten, welche 
die verfallene Kirchenzucht wieder herstellen sollte. Aber so 
sehr er auch in der ascetischen Strenge, den Büssungen und 
äusserlichen Keligionsül)ungen der irischen Klostergeistliclien eine 
gesunde lieaction gegen den geistlichen Hoclmnith. der mit 
pharisäiscliem Hochgefühl auf das \ olk niedersah , erkannte, so 
entging ilim dabei doch niclit die Gefahr, dass das \\\'sen der 
Keligiou sich iu äusserlichen Andachtsübungeu , abergläubischen 



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1J.2 BueU: Von der ältesten Zeit bis zu Gerhard vom Elsasse. 

Gebräuchen und Koliquienverelirung verlieren niusfite und dabei 
das Forschen nach dem Göttlichen geradezu verloren gehe. 
Daher benützte er sein uintassendes Wissen, um auch die wissen- 
schaftliche Ausl)ildung eitrig zu pflegen. Er richtete die ver- 
fallene Hofschulc nach Alcuin's P]inrichtung wieder auf. fügte 
zu den allein nocli in Uebuiig gebliebenen drei anderen Dis- 
ciplinen Grammatik, Khetorik und Dialektik auch wieder Arith- 
metik, Geometrie, Astronomie und Musik, zog fremde i.ehrer 
herbei und bewirkte dadurch , dass gerade Lothringen neben 
Italien die besten Kräfte voll wissenschatllichem Sinn an die 
übrigen Schulen des Keichs und den Hof liefern konnte. Hruno's 
Vorgang hatte jedenfalls aucli den Erzbischof Egbert wieder er- 
muntert in seiner Diöcese mit der Kefcmiirung der Klöster 
weiter voranzugehen und auch die Pflege der Wissenschaft zu 
fördern, wie er denn auch selbst mit dem gelehrten Gerbert von 
Reims in brieflichem Verkelir stand. Xach ihiu gerieth aber 
die Diöcese wieder in bedauerliche Wirren durch Adalbero, 
welcher sich den Kirclicnstuhl anmaasstc und darin selbst gegen 
den Kaiser lange iH'luuijitete, wie weiter oben erzählt ist. Von 
Erzbischof Poppo ist ferner noch zu erwähnen, dass er es sich 
angelegen sein liess, den Ausbau eines Theils der Kathedrale in 
Angriff zu nelmien. 

Im Bisthimie Metz zeigten die Würdenträger ein sehr 
schwankendes Verhalten, indem sie sich bald zu den Königen 
des westfränkischen Keichs, bald zu Deutschland hielten. Schon 
K. Heinrich der Vogler musste drei Jahre ringen , bis sich ihm 
02v3 die Thore von Metz öfl'neten. Bischof Ihuuo aus Schwaben, 
der als Einsiedler in den Alpen fast in den Geruch der Heilig- 
keit kam und von diesem Kaiser auf den Metzer Bischofstuhl 
berufen wurde, stiess daselbst auf den entschiedensten Wider- 
stand der Bevölkerung und schon nach zwei Jahren führte der 
Hass dieselbe so weit, dass einige Leute ihn überfielen, ihm die 
Augen ausstachen und so hülflos liegen Hessen, worauf er dem 
Bisthura entsagte und in seine Heimath zm-ückkehrte. Ein 
Concil hielt strenges Gericht zu Duisburg über die Verbrecher 
und der Kaiser liess sie sofort hangen. Sein Nachfolger Adal- 
bero widerstand anfangs auch dem Kaiser, versöhnte sich aber 
dann mit ihm, ordnete die Klosterregeln aufs Neue und ver- 
[»esserte die Schulen. Unter ihm hoben die Aebte von Gorze 
und St. Arnulf bei Metz die Leibeigenschaft auf, das erste Bei- 



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4. Heraoge von Lothringen und iräukisch-dcutsL-he Uebergangszeit. j[ 

spiel dieser Art in &8t ganz Europa. Sein Nachfolger Dietricli 
gründete die Abtei Si Yincenz zu Metz und richtete darin eine 
Schule ein; Adalbero IL suchte* besonders der Strassenrftnberei 
der Grossen zn steuern und nach ihm kam der beklagenswerthe 
Versuch einer Usurpation des Bischo&tnhls fOr den Sohn des 
Herzogs Ton Lothriugcu vor, auch legte derselbe den Grundstein 
fiSr die Metzer Eai&edrale. Unter Adalbero m. endlich besuchte 
Papst Leo IX. die BiOcese und weihte die Kirchen von St AmonJd, 
zu Babas und Busendorf ein. 

Von den Bischöfen von Verdun ist nidits Bemeikenswerthes 
zu sagen. In Toul folgten die Bischöfe Ganzlin und Gerhard 
mehr der ascetischen Biehtimg. Der Erstere grfindete das 
Kloster Bouxi^res-aux-Dames nach der Begel Benedict*8 und sein 
Nachfolger Gerhard gab sich mehr mit äusserlichen Andachts- 
Übungen ab, yerschönerte jedoch auch seine Kathedrale. Aber 
er war nicht beliebt und sogar gehasst, so dass ihn einmal einige 
Herren in Manoncourt-en-Vermois fiberfielen und schwer diirch- 
prügelten. Bruno hatte im Anfonge mit grossen Schwierigkeiten 
zu kämpfen und wurde einmal in Toul vom Grafen von Bar be- 
lagert, der die Vorstadt und Umgebung verheerte. Er entstammte 
aus einer Seitenlinie der Grafen vom Elsasse und wurde bekannt- 
lich unter dem Namen Leo IX. zum Papste erwfthlt, behielt 
aber den Titel eines Bischofs von Toul bei. Er kam später 
auf einer Reise wieder in's Land und ssih dabei auch medec Toul. 

Der Bemühungen, die Kirchenzucht zu heben, ist schon 
mehr&ch gedacht worden und man kann sagen, dass es damit 
in Lothringen besser aussah als in yielen anderen Diöcesen. In 
Toul war sogar das Domcapitel nicht mehr allein mit Klerikern 
oder Well^eistlichen besetzt, sondern es waren auch Mönche 
dabei, da Bischof Gerhard besonders griechische und irische 
Mönche wegen ihrer Klosterstrenge herbeizog. Die Capitel in 
Toni und Verdun hatten in dieser Zeit die grosse Anzahl Ton 
je sechzig Ganonikem, die nach den Klosterregeln lebten. Am 
meisten waren die alten Traditionen der Kirche in Metz beibe- 
halten worden, weshalb von da mehrere Canoniker auf Bischof- 
sitze nach auswärts berufen wurden. Es wurden nun anch ausser- 
halb dieser Sitze Ganonikate eingeföhrt, wie z. B. in Dieulouard. 
Ueberhanpt ist es erstaunenswerth, wie zahlreich damals der 
Klerus im Verhältnisse zur Volkszahl war. Allein der Bischof 
Adalbero H. von Metz hat in den einundzwanzig Jahren seiner 

Huhn, 0«Mhiobte LotlningsDi. 8 



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j|^j^4 I> ^uch: V^ou der ältesten Zeit bis icu Gerhard vom Elsasse. 

AmtsflUunmg Aber tausend Priester ordinirt und nicht minder 
Tiden die niederen Weihen ertheflt. 

Weniger wirksam war die Befoimthätigkeit bei den EKtotenit 
in welchen die ärgsten Missbr&uche zu herrsdien begannen. So 
gab es z. B. KK^ster, welche zugleich zwei Aebte hatten, einen 
weltlichen und einen Ton der BlosterregeL Der Erstere besass 
dann die Güter der Abtswflrde und musste das Militftrcdntingent 
unterhalten und ffihren, während der Andere die Güter des Gon» 
vents verwaltete und daraus den Unterhalt der Mönche bestritt. 
Ja es kam Tor, dass die ElSster einem weit entfernt wohnenden 
fremden Oberen unterstanden und Abteien zeitweise an Laien 
vergeben waren, wie denn der Touler Bischof Gerhard die 
Abteien von Moyen-Montier und St. Di^ an Beatrix, Frau des 
Herzogs Friedridi 1. von Lothringeu, verliehen hatte. Erst im 
zehnten Jahrhunderte begann auch dafifir das Beformwerk und 
Bischof Adalbero von Metz nahm es so emstlich in die Hand, 
dass man ihn nur den Mönchsvater nannte. Derselbe vertrieb 
audi die Canoniker ans dem Metzer Kloster St. Amould und. 
führte mit Hülfe der Benedictiner von Gorze deren Regel da- 
selbst ein. üeberhaupt drang um diese Zeit diese Kegel in &st 
allen Elüstem des Landes durch und deshalb holte das Aus- 
land gerne seine höheren Geistlichen, Bischöfe und Aebte aus 
Lothringen. 

Bei so aufblühendem Mönchswesen ist es nicht zu verwun- 
de, dass der Beliquienschwindel hier bald zur Blüthe kam und 
man von Bom aus densdben gern fiJrderte, weil er viel Geld 
eintrug. Jede Kathedrale, jedes Kloster, ja &st jede Kirche 
suchte in den Besitz von soldien BeÜqnien zu kommen, wdl sie 
wegen ihrer angeblichen Wunderthätigkeit und Heilkraft viele 
Auswärtige anzogen und so Yerdienst brachten. J^ es kam so- 
gar vor, dass ein Touler Mönch dem Kloster Merbec den augeb- 
lichen Körper der heiligen gellende stahl und die Einwohner von 
Yerdun, denen ein Mönch von Tholey eine solche Beliquie ge- 
stohlen hatte, demselben nachsetzten, bis sie ihn endlich ein- 
holten. Sie waren aber dann doch so mitleidig mit dem Mönche, 
dass sie ihm wenigstens einige der Knochen für sein Kloster 
überliessen. Diese Beliquien wurden kostbar eingefasst und in 
prächtige Schreine gethan, bei sllen Processionen mit herumge- 
tragen, in abergläubischer Weise verehrt und wenn eine Epidemie 
ausbrach, so holte man nicht etwa Aerzte herbei, sondern stellte 



4. Herzoge von Lothimgen und fiiSiikiBch-deatsche Uebeiigwigszeit. 115 

die Keliquien öffentlich aus, die dann von den Kranken be- 
rührt und geküsst wurden und so ganz natürlich den Giftstoff 
der Krankheit nur um so leichter weiter verbreiteten. Wie die ro- 
manischen Länder überhaupt den fruchtbarsten Boden für Mön- 
cherei, Aberglauben, Keliquien- und Wunderschwindel und später 
auch noch für Hexerei und Zauberei bildeten, so weiss auch 
kaum ein anderes Land so viele Heiliggesprochene unter seinen 
Bischöfen und Aebten aufzuweisen wie gerade Lothringen. 

Es ist schon oben erwähnt worden, wie die Pilgerfahrten 
nach Horn und Palästina allmälich in die Mode kamen. Dieselben 
führten sodann auch zu wohlthätigen Neuerungen, nämlich zur 
Gründung von Hospitien und Gasthäusern. Anfangs beherbergten 
die Bischöfe die Pilger und ärmeren Reisenden und als dieselben 
zahlreicher erschienen , wies man sie auch den Abteien zu. 
Dies wurde mit der Zeit kostspielig und lästig und daher 
gründete man Hospitien und Spitäler für solche , die mit an- 
steckenden Krankheiten behaftet waren. Solcher offenen Auf- 
nahmshäuser gab es in Metz schon unter Bischof Adalbero L 
und in Toni im Jahre 994. Die Mittel dafür kamen entweder aus 
besonderen Stiftungen , oder wie in Toul aus dem zehnten Theile 
der bischöflichen Einkünfte, welcher dafür überwiesen wurde. 

Noch immer wuchsen neue Abteien und Klöster heran. Es 
entstanden in dieser Periode solche zu Bouxi^res, Epinal, Poussay, 
Vergaville, St. Vincenz zu Metz, Bunendorf, St. Kemy zu Lune- 
ville, St. Maur zu Verdun. Hesse und Bleurville im Saiutois, 
ferner die Priorei Lay-St.-Christophe , die von St. Arnould in 
Metz abhängig war. Es ist schon erwähnt worden, dass mau 
auch Mönche aus Griechenland und Irland herbeizog und einige 
Bischöfe besonders an letzteren wegen ihres ascetischen Lebens 
gi'osses Gefallen hatte. So wurde in Metz die Abtei St. Clement 
von dem Iren___Catli-or' roformirt und von dessen Landsmann 
Finir enius die Abtei St. Synipliorien umgewandelt, ja Kaiser Otto III. 
schrieb auf Verlangen des Bischofs Adalbero H. dem letzteren 
vor, möglichst nur irische Mönche aufzunehmen. Natürlich 
kosteten diese Gründungen vielen Oüterbesitz , der dadurch aus 
dem lebendigen Verkehr in die todte Hand überging imd daher 
das Anfkonmien eines tüchtigen Ackerbaustands sehr erschwerte. 
Aber nicht bloss Güterbesitz widmete man so dem Mönchswesen, 
sondern sogar die persönliche Freiheit, indem Einzelne für sich 
oder für die ganze Familie sich einem Kirchenheiligen für 

8* 



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IX (3 I. Bach: Ton der ältesten Zeit bis zn GerhArd vom Elsasse. 

hörig erklärten und sicli daför zu einer jährlichen Abgabe oder 
Zins verpfliditeten. 

Mit dem Schulwesen war es nach der Earolingerzeit 
ZLemUeh abwärts gegangen und mn fOhlbarer Mangel an Lehrern 
eingetreten, auch der alte Geist verschwunden. Am Ende des 
neunten und Anfimge des zehnten Jahrhunderts hatte auch die 
mehr hervorgetretene ascetische Sichtung und der zur Haupt- 
sache gewordene ftusserliche Dienst die Zahl der Schüler ver- 
mindert und es fehlte auch ausserdem an Büchern. Am besten sah 
es noch mit den Schulen in Trier aus und der Erzbischof Bruno 
von Trier scheint besonders hier seinen Einfluss zu Gunsten der 
-Schule nadihaltig benützt zu haben. Von dieser Schule ver- 
breitete sich dann auch wieder ein besserer Eifer über die 
anderen Didcesen und sie lieferte denselben die meisten Lehrer, 
ja sogar nach Italien wurden solche verlangt und abgegeben. 
Die Schule der Abtei St. Mathias zu Trier stand hierin oben 
an und ihre Leiter Bichard und Diethelm wurden von Zeitge- 
nossen selu: gelobt; besonders der Letztere soll eine gute und 
leichte Lehrmethode gehabt haben, so dass er seine Schüler in 
kurzer Zeit weiter brachte ab Andere. Derselbe besass jedenfalls 
auch ein etwas umflusenderes Wissen, denn er schrieb /. B. 
über die Zusammensetzung, den Nutzen und Gebrauch des 
Astrolabiums und eine ]\Ietrik. Sein Nachfolger Albert war ^ei 
Fortsetzer der Chronik Gesta Trevirorum und verfasste Lehr- 
bilcher für die freien Künste. Die Klöster St. Maximin zu 
Trier, zu Prüm und Metioc hatten auch nach und nach bessere 
Schulen und letzteres Hess sogar Mönche nncli Reims gehen, 
um sich dort unter Gerbert zu Lehrern auszubilden. Beiiierkens- 
werth ist, dass diese Schule auch Laien, sogar aus der Ferne, 
als Zöglinge besass und sich nicht mehr allein auf Mönche und 
Geistliche beschränkte. Nach einem Aiissj^ruche des Kaisers OttoIII. 
soll Botwich von Metioc der beste Musiker seiner Zeit gewesen 
sein. Zu Metz hatte die Gesangscbule zwar 'ihren alten Buf 
bewahi't, mit den anderen Schulen sah es aber weniger gut aus 
und es bedurfte neuer Anstrengung, um sie wieder zu heben. 
Während an der Gesangschule der Diaconus Roland als vor- 
trefflicher Musiker galt, wirkte Sigebert von Gemblours für andere 
Fächer an der neuen Schule des Yincenzklosters und zeichnete 
sich auch als Kenner der hebräischen Sprache aus, was er wahr- 
scheinlich gelehrten Juden verdankte, die ihm sehr wohl wollten 



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4. Herzoge toq Lotbringen und firiiüdsoli-deuiBclie Ueber^ngszeit X|7 

und selbst gelehrte Disputationen mit ihm hielten. Nach längerer 
Wirksamkeit daselbst kehrte er in seine Heimath zurück und 
die Scliule verlor sehr viel mit ihm. Anch die Schule von 
St. Arnould gelangte zu einigem Ansehen, am lindisten aber 
stand die Schule der Abtei Gorze, welche an dem Erzdiaconus 
Blidiüf aus IVIetz einen tüchtigen Lehrer gewann und deren in 
der Folge noch mehrere erhielt. Bb gingen dann auch aus dieser 
Schule viele tüchtige Geistliche hervor, obgleich sonst in Gorze 
ein etwas zu strenger Mönchsgeist die Oberhand gewann. In 
Metz Hessen sich sogar auch einige Nonnen im alton und nouon 
Testament Unterricht ertheilen. Auch zu St. Mihiel und Toul 
gab es bald wieder bessere Schulen, jedoch nicht mit i^^lcit liom 
Erfolge wie bei den vorgenannten. Auf diesen Schulen wurde 
jedoch nicht von Allen der gleiche Antheil an allen Lehrfächern 
genommen und wandten sich Einzelne melir diesem oder jenem 
Gegenstande zu. Auch die griechische Sprache wurde ^ gelehrt 
und Erzbischof Bruno von Köln sclieint besonders wegen dieses 
ünterrichtsgo^renstandes frern Mönche aus Griechenland berufen 
zu haben. In Toul soll dor spätere Cardinal Humbert seine 
Kenntniss des rjricohisclicu erlangt haben, die ihn befähigte, 
als Gesandter des Papstes Leo IX. nach Konstantinopol zu gehen. 
Die Heilkunde allein war überall gleichnifissig vernachlässigt, so 
dass es keine guten Aerzte gab und auch keine solche in ganz 
Frankreich zu finden waren, weshalb Bischof Adalbero von 
Yerdun zu Salemo in Italien Heilung seines Leidens suchen 
musste. Viel mag daran auch der Mangel geeigneter Bücher 
Ursache gewesen sein, wie z. B. Papst Leo IX. in der ganzen 
Diöcese Toul vergebens nach den Schriften des heil. Augustinus 
fragte. Die aus jener Zeit erwähnten bischöflichen und Kloster- 
bibliotheken enthielten nur das Allernoth wendigste und von An- 
derem bloss das, was der Zufall brachte. So besass das Kloster ^ f.* 
Metioc eine Abschrift der Acliilleis von Statins, der Abt von Ih^^^ 
Montierender die Khetorik Cicero's, den Commentar des Servius 
zu Virgil, zwei Exemplare des Terentius, einen Kommentar zu ""^ 
den Bucolica und Georirica des Virgil unti zwei lateinische 
Glossarien. Auch in Metz waren einige Handschriften latei- 
nischer Werke. 

Die Noth wendigkeit des Kirchenbau's verlangte auch die 
Ausbildung von Baumeistern und es scheint, dass häufig Mönche 
die Baukunst erlernten und betrieben, denn es verlautet nicht, 



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L Buch: Von der ältesten Zeit bis ztt Gerhard vom Elsasse. 

dass man ans der Fremde Bamneister kommen Hess. Zwar war 
die Zeit nicht dazu angethan, grossartige Banwerke zu unter- 
nehmen und wirkliehe Eunstleistungen hervorzubringen, aber doch 
wurde zur Erbauung einiger Kathedralen gesehritten, die je- 
doch mehr durch ihre grossen Proportionen und die Massen- 
haftigkeit als durch ihre Kunst hervorragten und daher sp&ter 
meistens anderen Bauwerken weichen mussten. AUe grossen 
Bauten dieser Zeit gehörten dem romanischen Style an und be- 
sonders baute man gern Badüken. In Metz liess Bischof Dietrich 
den Kathedralbau Chrodegang*s niederreissen und eine neue Kirche 
beginnen, die noch zu seinen Lebzeiten theilweise ausgewdlbt 
wurde. Ein Freund der Baukunst war auch Bisehof Gerhard 
von Toni, welcher die Kathedrale erbaute und 981 einweihte und 
dem auch die Gangol&kirche daselbst ihre Entstehung verdankte. 
Wie schon erw&hnt, wurden aber diese älteren Bauwerke meistens 
später djirch neue und schönere ersetzt und sind von diesen frü- 
heren nur wenige theüweise erhalten. Wie auf das Aeussere, 
so sahen die geistlichen Heiren auch auf die Yerschönerung des 
Inneren durch verschiedenen Schmuck und Zieirathen. Sie ver- 
wandten darauf vieles Geld und verschwendeten daran Gold, Silber 
und Edelsteine. Altäre, Kronleuchter, Kreuze, Kelche, Fahnen 
und Kleider strotzten von solchem Beiehthume und Einzelnes, 
was davon da und dort noch heute erhalten isir, zeugt dafär, 
dass die Verfertiger nicht bloss grosse Fertigkeit, sondern auch 
Kunstsinn und Geschmack besassen. Leider hat sich in diesem 
Lande zu der Barbarei vieler Kriege in der Zeit der französischen 
Bevolution auch noch die Wuth gesellt, allen Kirchenschmuck 
zu vernichten und erst damals ist das Meilste der Zerstörung 
öberliefert worden. 

Zu den schon gelegentlich erwähnten Leistungen auf dem 
wissenschafUichen und Hterariachen Gebiete ist hier nur wenig 
mehr nachzutragen, denn Lothringen hat hierin flberliaiq»t nicht 
viel hervorgebracht. Eine gute Biographie des Kölner Eizbischofr 
Bruno lieferte dessen Schäler Ruotger. Der grossen Chronik des 
Regino von Prfim ist schon mehrmals gedacht worden; dieselbe 
wurde im Kloster St. Maiimln zu Trier, wahrscheinlich von 
Adalbert, späterem Erzbischof von Magdebuig, fOr die Jahre 
960 — ^967 fortgesetzt. Sonst zeigte sich fiist nur Sinn fOr Local- 
geschichten, Lebensbeschreibungen, Klosterchroniken und Heiligen- 
legenden. Die Annalen von Metz, im An&nge des zehnten Jahr- 



4* Herzc^ von Jjothringen und fränkiscli-deutache Uebergangszeit. 



liunderts im Kloster St. Arnould goschrieben, entluiltcii zwar 
einzelne wichtige Notizen, sind aber im Ganzen nur dürre Com- 
pilatiouen aus AVidukind und anderen älteren Chronisten. In 
Gorze entstand die Biographie des Johannes von Gorze nebst der 
]3eschreibung von dessen flf)!) unternonnnener Reise zum Cha- 
lifen von Cordova. Im Kloster St. S\Tnphorien zu Metz schrieb 
der Mönch Albert de diversitate temporum und im Vincenzkloster 
daselbst der gleichnamige Mönch über die Geschichte mtdircrcr 
Bischöfe von Metz. Adelhard von Epternach schrieb eine Chronik 
seines Klosters, Abt Adson von MontitM-ender die Geschichte der 
Bischöfe von Toul, sowie eine Anzahl Heiligenlegenden, welche 
überhaupt damals viele Geistliche und Mönche gern beschäftigten. 
Rüdiger von Epternach war der Verfasser von Büchern über die 
Briefe des Apostels Paulus und die Kegel des heiligen Benedict 
und endlich setzte der Mönch Golscher von St. Mathias zu Trier 
die Gesta Trevirorum fort. 

Noch ist unter die Curiositäten dieser Zeit ein Vorfall in 
der Abtei St. Vanne zu rechnen. Kaiser Heinrich II. sei nämlich 
dahin gekommen und von dem frommen Leben der Mönche so 
ergriffen worden, dass er den Entschluss gefasst habe, sich selbst 
unter dem Abte Richard dem Klosterleben zu widmen. Auf den 
Rath des Bischofs Heimon von Verdun habe nun der Abt dem 
Kaiser das Versprechen abgenonmien, ihm in Allem ebenso wie 
andere Mönche zu folgen, und der Abt ihm dann befolden, die 
Hen-schaft über das Reich wie bisher auch ferner zu führen. — 
Zur Zeit des Kaisers Otto T. soll der Möncli Adalbert von 
St. Maximin bei Trier mit noch anderen Mönchen zur Bekehrung 
der Heiden nach der Insel Rügen, nach einer weniger glaub- 
würdigen Mittheilung gar nach Russland geschickt worden sein ; 
man weiss aber nichts Weiteres darüber. — Endlich ist liier 
noch der merkwürdigen Reise des späteren Abtes Johannes von 
Gorze (gewöhnlich Jean de Vandieres genannt) zum Chalifen von 
Cordova zu gedenken, womit er drei Jahre verbrachte. Aber 
für Lothringen hat diese abenteuerliche Reise keine weitere Be- 
deutung, wogegen allerdings seine Klosterrefonn zu Gorze eine 
höchst heilsame Wirkung zeigte. 



n. Buch. 

■ 

Erbliche Herzoge von Gerhard TOin Elsasse 
bis zur Abdankung Siiuou's U. 

(1048 bis 1205.) 

Literatur. Ausser den (^uolli'invt'rkeu vou Calinct umi ('lu-vrirr, 
sowie den Coupures vou Eouriiou und ^klümoires vou Thierriat sind für 
alle AbschnitAe dieses Baches benützt: Benoit Pieart, ti'origine 
de la tris-illustre maiBoii de Lorrainer 1700; — Hasseji La Lorraine an* 
ddnne et moderne; — Louis d'Haraeourt (Bischof de Verdim), Me- 
morial des grands gestes et £edcts de la province de Lorraine (Aussage 
von ^[ury d'Elvauge, regne de Thierry ). Biblioth. Nancy No. 27; — 
Extraits des Memoires de Thierriat; — Thierry Alix. Disours som- 
maire de la natura et qualite de la terre et seigneurie de Bitche et comrae 
( Ue est retournee ä son Altesse, 157') ; — Cartulaire de Lorruine l-iG'2, 
HG'), Bihliotli. Nancy; — AVasscbnu rnr, (Arcliidiaere de Verduu). 
Antitjuitez de la Gaule Belgicqu»- , Koyaunie de France, Austrasie et 
Lorraine etc., Paris 1;)40, fol. j — Frau(;oi8 de Ko sie res (^Graud archi- 
diacre de Tool) , Stemmatum Lotharingiae ae Barri Dueom tomi Sep- 
tem. Paris, Guillaume Chaudidre, 1580; — P. Jacques Salenr, Le 
clef äucalle de la sorenissimei tr^ aaguste et souveraine maison de Lor- 
raine. Nancy, Antoine, Claude et Charles les Charlot 1663, fol.; — 
Origines ICurensis monaBterii. 1718. 4**.; — Louis Chantereau 
de Fe b vre, Considerations historiques sur la grnealogie de la maison 
de Lorraine . Paris 1 Gl Ii, fol. ; — T h r o d o r e G o d < f r o y . G »'ir' alngie 
des ducs de Ijori-aine, fidelement reeueillie de ])lusieur8 llistoires et Til- 
tres auflienti(iues. Paris IGLM, 4".; — Jeronie Vignier, T^a veritalde 
origine des tres illustres inaisnns d'Alsace, de Lorraine, d Austriehe, de 
Bade etc. Le tout verifie par Tiltres, Chartcs, Honuuients et Histoires 
aathentiques. Paris 1649. fbi; — Abb 6 de Biguet, Orandpr^vöt 
de Teglise eoIUgiale de St. Die, Anhang zu M^mpire sur l'origine de 
la maison ducale; — Hugo, trait^ bist, et crit. sur Torigine et la ge- 
Analogie de la maison de Lorraine, 1711. 



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1. Gerhard vom Elsasae (1048—1070). 121 



Gerhard vom Elsasse (1048 bis 1070). 

Lothringen bildet in den l)islier geschildertoii /titen ein 
grösseres selhstständiges Keich, das unter den j\Ieroviiii^t'rn und 
Karolingern sich mit voller (Ueichberechtigung und gb ielier Jie- 
deutung neben die anderen Reiche des grossen Frankenreichs 
stellte. Auch in den letzten anderthalb Jahrhunderten bewahrte 
es noch so ziemlich den alten Umfang, denn wenn aucli Itereits 
eine Scheidung in Ober- und Niederlothringen eingetreten war, 
so wurden doch immer nouh beide Theile als zusanmiengeiiörig 
betrachtet und standen unter Bruno sowohl als unter (iuzelo 
unter demselben Herzoge. Erst in der nun beginnenden T*eriode 
tritt die Scheidung bestimmter zu Tage. Die Schicksale von 
Niederlothringen trennen sicli von jenen ( )l)erlotliringens uiul das 
letztere bildet in seiner engeren l'mgrenzuug allein noch das 
Feld unserer Geschichtserzählung. Doch kann man solche auch 
nicht bloss auf den engeren Kähmen des Herzogthimis Lothringen 
und des Bar beschränken, denn mitten in demselben erstreckten 
sich in zahlreichen Einzeltheilen noch andere Gebiete, welche 
nicht mehr zum Herzogthum Lothringen gehörten, aber hinsicht- 
lich ihrer Schicksale doch nicht ganz von demselben abgetrennt 
erscheinen. Es sind dies Stadt und Landgebiet Metz und die 
drei Bisthümer Metz, V^ndun und Toul, deren politische Selbst- 
ständigkeit fast verschwand gegenüber den fortwährenden Kämpfen 
mid Reibungen, die sie fast ununterbrochen mit den Tferzogen 
von Lothringen zu erleiden hatten. Noch ein anderes Merkmal 
kennzeichnet die fernere Geschichte. Bisher war die Herzogs- 
würde mehr eine personliche und an das Amt gebundene, jetzt 
aber beginnt sie am Lande zu kleinen und hängt nicht mehr 
von Kaisi'r und L'eich al»; das Land luit einen an- und einge- 
borenen Herrn und vererbt sich furtiin in demselben Gesclilechte. 

Es ist schon im vorigen Abschnitte erzählt worden, wie 
Kaiser Heinrich IIL. mit der von Herzog (JozeloXbei seinem 
J ( >4jS|^erfolgten Tode genuichten Theilung von Lotlningen nicht ^ / '\ 
zufrieden war, bloss dessen einen Sohn tirüttfried in Xiederlotliringen (i^ 
zuliess, Oberlothringen dagegen an den Grafeji Adaljiert II. vom 
Elüjasse verlieh. Es war dies bloss als persönliche Verleihung 



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122 ^ Buch: Von Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung Simon's IL 

anzusehen und als dieser Adalbert im Jahre i048 starb (viel- 
leicht schon Ende 1047), so blieb das Rerzogthum Oberlothringen 
eine Zeit hindurch unbesetzt, bis der aus Italien zurückgekehrte 
Kaiser sich genöthigt sah, den unruhigen Herzog Gottfried ab- 
zusetzen und beide Herzogthümer an Andere zu vergeben. An 
(.ffjjJln'i il : ^e tt f ii ed' ^ Stelle kam Graf Friedrich von Luxerabm-g in Nieder- 
o A —"^bthringen^wälirend der Kaiser yberlothringen an Graf_Gerhard 
vom, E lsasse verlieh, beide aber waren vorerst nur persönliche 
Besitzer der Herzogswürde und dieselbe jedenfalls im Anfange 
noch niclit als erblich erklärt oder anerkannt. Die Verleihungs- 
urkunde selbst ist weder im Original, noch in irgend einem Aus- 
zuge auf uns gelangt und dies spricht entschieden dafür, dass 
von einer erblichen üebertragung noch nicht die Rede war, denn 
sonst hätte die Familie gewiss dafür Sorge getragen, die Erin- 
nenmg daran bleibend bei sich zu erhalten. Die Gründe der 
üebertragung an das Elsässer Geschlecht liegen ziemlich klar 
zu Tage. In diesem an der Grenze gegen Frankreich gelegenen 
Lande, auf welches die westlichen Könige noch immer lüstern 
herüberblickten und worin sie so gerne Aufruhrpläne unter- 
stützten, hatten die grösseren Geschlechter schon durch längere 
Zeit nach weiterer Machtvollkoininenheit und Unabhängigkeit ge- 
strebt und konnte ein eingesetzter fremder Herzog sich nur 
schwer behaupten, da die Würde selbst noch nicht die gehörige 
Kraft und Macht gewährte. Die Elsässer Grjifen waren dagegen 
V . die am meisten begüterten des Landes, sie waren im Besitze des 
. \ .Santois und oberen Maasthals, grosser Besitzungen im Thale der 7 
tv^n'' ' vereinigten Nied und dazu das erste Geschlecht im Oberelsasse.'") 
^i'..V''*" ^'^ kettete sie also dieser Besitz schon melir an das deutsche 
^ ' Keich, wo sie stark begüterte Verwandte besassen, und schon 
der erste aus dieser Familie eingesetzte Herzog Adalbert liielt 
treu zum Kaiser und starb in seinem Dienste. ~i]s konnten sich 
also die Augen Heinrich's HI. auf keinen besseren Nachfolger 
ricliten, als auf Adalbert's ^Vetter'jGerhai'd, dessen Ahni^i sich 
bereits seit zweihundert Jahren im Besitze der Grafenwürde von 
Metz befanden und somit auch im Laude sich längst eingelebt hatten. 

üeber die Herkunft_des herzoglichen Geschlechts von Lo- 
thringen waren (ITe''äIiesten Chronikenschreiber nicht im Zweifel, 
sie wurde aber bald verdunkelt durch das Streben . die Familie 
auf Karls des (i rossen Alinen oder gar auf König Priimms von 
Troja zurückzuführen. Die Xarolingische Abstammung sollte ihr 



I 



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1. Gerhard vom Elsaase (1048—1070). 



123 



nämlich ein Anrecht auf den französischen Thron geben und 
daher wurde denn auch der Erzdiaconus Franz von Rosiferes von 
Toul in die Bastille eingesperrt, weil er diese Abstammung zu 
begründen versucht hatte. Erst mit dem Beginne des achtzehnten 
Jahrhunderts wurde mit Hülfe des damals erst zugänglich ge- 
wordenen Urkundenmaterials die wirkliche Abstammung von den 
Grafen vom Elsasse erwiesen und von da an auch allgemein von 
den Historikern anerkannt. 

Der ürspnmg der Familie wird liiernach auf Rigomer zu- 
-[-t^^^g^a^ckgefiihrt, der nach Fredegar's Chronik um (340 gelebt und 
* " . habensoll. 

den wahren 
späteren Nachkommen verzweigte 



Y) gl'l^p züf Frau Gertrude, Tochter IMpin's des Alten, geha 
y''V'" ijlj INach mehreren Generationen tindet man in Ethico 
Stammvater und unter dessen späteren Nachkomm 
sich das Gescldecht in drei Linien,\riänilich die Grafen vom 
Elsasse diireli Eberhard von P^isheim diu^ch HugoN^und 

^Habsburg durch Guntram. Die zweite Linie, aus welcher der 
s]Ȋtere Piipst Leo^ IX. st^inmite, starb schon im dreizehnten 
Jalirhunderte aus,\ <lie dritte gelangte auf den österreichischen 
Thron und endete mit der Kaiserin Mnria Theresia im vorigen 
Jahi'hunderte,\die erste und älteste aber setzte sicli westlich der 
Vogesen fort und gelangte schon zur Würde eines Grafen 
von Metz. Von dieser Linie, deren einzelne Mitglieder bereits" 
mehrmals in der Gesdiiclitserzählung erwähnt sind, machte sich 
/ besonders Adalltert, Graf vom Klsasse, bemerkenswerth, indem 
^^vft^^ er das Kloster Busendorf im unteren Niedthale im Jahre \i);V;\ 
fÜ^'^S, stiftete. Derselbe war mit ,Tiulith, (Schwester des Grafen Sigfried 
^ '».^^ von Luxemburg^und Tante der Kaiserin Kunigunde,^ verheirathet 
und hinterliess bei seinem erfolgten Tode einen Sohn, 

Gerbard , welcher seinen Vater um zwölf Jahre überlebte und 
< ^it Gisela. Nichte des Kaisers Konrad des Saliers, verheirathet 
wa^.^ Von seinen zahkeichen Kindern war Adall)ert der älteste 
und Gerhard der zweite Solm. Der erstere ~erlnelt , wie wir 



1 




oben gesehen haben, vom Kaiser Heinrich III. ilie Herzogawürde ^ 
^iiiU""*'* Oberlothringen übertragen und fiel Ende H>47 oder zu An-^ i.*- 
Y ^ fang des nächsten Jahres im Kampfe gegen Herzog Gottfried^ 
^on Niod^lothringeji); der zweite verwaltete die Grafenwürde von 
Mßtz und dessen ältester Sohn Gerhard vom Elsasse war es sodann, - 
"der nach Adalbcrt's Tod und kurzer Zeit der Erledigung die Her- h 
zogswürde von Oberlothringen bekam und die Erblichkeit derselben ■ „; • ^ 
in seiner Familie begründete, während der zweite Sohn Ulrich ^ 



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124 Buch: Von Gerhard vom EIsMfle bis cur AbdaDknng Simon'a IL 

(Odalricus) die Vogtei über das Clemenskloster in Metz besass 
imd der Stifter des Hauses Le aonco urt geworden sein soll. 
/ c Dieser ßrsta_H£D^g^ flerb^a^^ batte ziir_Frau Hadwide, 

;4,,«"vr.'v Tochter des Graten Albert von Namur und durch ihre Mutter 
k^^jyf- Ermengarde Enkelin Karl's von Niederlothiingen , Bruders von 
Konig Lotliar von Frankreich, wodurch sie also von dem Karo- 
linger-Gesclileclito wenigstens mütterlicherseits abstammte. Zu 
seinen Familiengütern besass er noch die Vogtei von einigen 
reichen Klöstern wie Busendorf, St. Die, St. Fpvre, Kemiremont, 
Moyen-Moutier, St, Mihiel und St. Pierre aux Nonains, was seinen 
l']intluss über weite Kreise erstreckte und ihn bei allen jenen 
Herren gefürchtet machte, die gerne nach jenen Kirchengütern 
lüstern waren. Auch erwarb er zu seinem Besitze noch andere 
Güter, wie lOG") vom Capitel zu St. JMagdalena in Verdun 
einen Tiieil der Hcn schaft Dieuze und ])ald darauf auch diese 
qrt StMt selbst, die durch ihre Salinen sehr wichtig war. Dazu 
*V**1 * 'besass er die AVürde eines J^hirkgr afen der westlichen Keichs- 
* • marken, die wahrscheinlich soweit reichte, als Oberlothringens 
AV^estgrenze , schwerlich aber w^eiter abwärts sich erstreckte, 
a Es war dies ein Keichslehen, wofür er wieder ARerlehensmänner 
•Testelite. Ob die kaiserliche Uebertragungsurkunde auch das 
Verhältniss des Herzogs zu den übrigen Herren in Lothringen 
regelte, ist nicht mehr zu ersehen, doch ist es wahrscheinlich, 
wenn gleich unter ihm keine Versammlung der Herren oder 
Stände stattfand und die erste derselben Uüter Herzog Dietiicb 
berufen wurde. 

I - Es liess sich erwarten, dass der Antritt des herzoglichen 

! ' Amtes für (ierhard nicht ganz unliestritten l)l<'il)en werde. Der 
rjtü^ abgesetzte Herzog Gottfriedjkonnte den Verlust seines Amtes 
nicht verschmerzen und eröft'nete daher von seinem Stiuiimlande 
in den Ardennen aus den lüieg gegen seine .beiden Nachfolger, 
indem er Verdun angriff. Herzog Friedrich von -Lothringen drang 
nicht ohne Erfolg in die Ardennen vor, aber Gerliard wurde ge- 
schlagen und gefangen. Es bedurfte im Jahre 1049 erst der 
Fürsprache des in's Land gekommenen Papstes Leo IX., um 
seinen Vetter wieder aus der Gefangenschaft zu befreien, Gott- 
fried zur Niederlegung der Waffen zu vermögen und denselben 
endlich auch wieder mit dem Kaiser zu versöhnen. Gerhard 
zeigte sich dafür dem ihm verwandten Papste dankbar, beglei- 
tete ihn auf seinen Keisen durch das Land und bewiithete ihn 



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1. Gerhard vom Elsasae (1(^—1070). 125 



ZU Busendorf. Auch gegen die Kirche erwies er sich als Be- 
schützer, (per Herr von Vaucouleurs hatte schon seit Jahren 
die UmgogoTid von TöuI verheert und geplündert und Bischof 

Udo vergebens dessen auf einer Anhohe trflcgono Voste zu 
nehmoii und zu brechen versucht. Auf des Bischofs Ersuchen 
kamen nun Herzog Gerhard und Graf Ludwig von Mömpelgard ^ / 
und Pfirt mit r)00 Manu, belagerten und nahmen die Veste und ^<4,'''^ 
zerstörten sie. Im Jahre 10G7 nahm Rollo von Rollainville mit * 
bUU Abenteurern das dem Domcapitel von Toul gehörige Schloss Vi- 
chere}^ und nun vereinigte Gerhard seine Schaaren mit jenen 
des Bischofs unter Graf Arnulf, nahm es wieder und bestrafte 
die Besatzung^ (^lit auswärtigen Feinden scheint Gerhard nichts 
zu fjchaffen ^habt zu haben, denn die gegen 1057 eingetretenen 
Zerwürfnisse mit dem Herrn von Mömpelgard, Gemahl der Gräfin 
von Bar, wurden durch Bischof Udo sofort wieder beigelegte Da- 
gegen hatte er mit den Grossen des Landes, welche sieli ihm 
nielit unterordnen und fügen wollten, viel zu thun, da sie sich 
sogar offen gegen ilm erhoben. Erst als ihm Kaiser H^in^ 
rieh l\. '^OOO Mann zur Unterstützung schickte, vermochte ' 
er den Aufstand zu unterdrücken. Diese Unzufriedenen gaben 
aber auch dann niclit Ruhe und Gerhard konnte bei aller 
seiner Gewandtheit, seinem Unternehmungsgeist und seiner Un- 
beugsarakeit nicht mit Allem durchdringen, was er für das Land 
zu thun beabsichtigte. Als er schon zwanzig Jahre sein Amt 
geführt hatte, erliob sich abermals eine yerl)indung der Grossen 
gegen ihn, weil er ihre Rechte bescliränkte und ihre Anmaassungen 
zurückwies, und er verlegte deshalb seine Residenz von Chatenoy. 
nach Keiiiiremont , um dieselben von dort besser überwachen i./-^^f r, 



zu können. Aber er starb plötzlidi im Jahre lOTi} und wurde 
in der Kirelie zu Keniiremont l)egral)on. Man l)ehauptete, er 
sei im Auftrage der Grossen vergiftet worden, und in der That 
sollen an seiner Leiclie Anzeiclien dafür liervorgetreten sein. 

Als Gerhard starb, hinterliess er drei noch junge Sölme: 
Dietrich, welcher sein Nachfolger wurde, Gerliard und Ber- 
tricus, der als Abt von ÄIoyen-Moutier starb. Seine AVittwe 
H ad Wide überlebte ihn ziemlich lange. Sie hatte noch im 
"Jahre^^TOOD die l'riorei Chatenoy gegründet, welche anfangs 
von der Abtei von Molesine und dann von St. Kpvre abhängig 
war, und wurde in der Kirche dieser Friorei begiabeu. 




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126 n.Buch: Von Gerliard vom Elsame bis Bur Abdankang Simonis n. 



2. Herzog Dietrich (1070—1115). 

War die Begierung Gerhard*8 ohne Antheilnahnie an den 
grösseren Ereignissen seiner Zeit geblieben, so fiel die Regierung 
Dietriches in die bedentsame Epoche, wo dei; EirehttiBtreit des 
Kaisers Heinrich IV. mit Pap«t Gr^r YD. das ganze deutsdie 
Reich in die tie&te Erregung versetzte. 

Schon der Beginn von Dietridi*s Regierung war nicht un- 
bestritten. Kaiser Heinrich IV. hatte stillschweigend oder 
durch ausdraddiche Anerkennung das Herzogthum Lothringen 
auf Gerhard's Sohn IHetrich flbergehen lassen, denn die Fandlie 
hatte sich dem Kaiserhanse treu erwiesen und es war keine 
andere Famüie von gleicher Macht und Stärke im Lande, welche 

. des widitigen Amts eben so gut und erfolgreich walten konnte. 
Aber kaum war Gerhard gestorben, so erhob anch schon Graf 

JiUdwig vo n Mömpelg^ rd/und Pfirt und Gemahl ypu Sopliie_yon^ 

JBar, "Tochter des ^iS^e&tzten Herzogs Friedrich H. von^ 
Lothringen, Namens %iner GfflOBaM in Ansprüche auf die Herzogs- 

Inrflrde. Schwerlich konnte er ein Erbrecht dafür geltend madien, 
denn damals hatten die Töchter noch nicht das Redit dem 
Vater als Erbe zu folgen. Er berief sich auch wohl nur darauf, 
dass die Familie der Grafen vom Elsasse eben&Us nodi kein 
Erbrecht auf die Würde besass, die Familie von Bar aber schon 

' einmal drei Herzoge dem Lande gegeben hatte und sie nicht 
,J minder zur Führung des Amts Kraft und Ansehen besass. Aus 
diesen Ansprüchen konnte fOr INwtf^ch ein Krieg mit dem Grafen 
. von Bar entstehen, der eine sehr ansehnliche Macht besass und um 

'SO mehr zu fürchten war, als Kaiser Heinrich IV. gerade genug 
mit den aufirOhrerischen Sachsen zu thun hatte und sich um die 
Torgänge im westlichen Grenzlande nicht viel bekümmern konnte. 
/..V*. ■ Herzog ßaedn^ griff daher zu einem erfolgreichen Auskunfts- 
mittel, denn er berief sofort die Grossen des Herzogthums zu 
einer Versammlung und unterwarf seine Erbfolge deren Zu-. 
Stimmung. Wahrscheinlich liess er es dabei auch nicht an Zu- 
geständnissen und Versprechungen bezüglich seiner künftigen 



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2. Herzog Dietrioh (1070—1115). 



127 



Begierung fehlen und die yerBammelteii Grossen hielten für 
gerathener i n Dietri ch einen Herzog zn erhalten, als im Grafen 
von Bar, der im Besitze grosser Gftter wohl im Stande gewesen 
wäre, sie seine Faost fiahlen zu lassen. Die Yersamm elteii 
^Grossen, bei welchen wohl auch der I>ietrich*s Vater senr Ter- 
pflichtete Bischof von Toul war, entschieden daher ^ G^ ten 
Dietrich*8. Nur eine kleine Minderheit war ihm entgegen und 
dieselbe erhob sieb daher auch 107^ gegen ihn. Aber Dietrich /O^iT 
Überwand sie leicht und- da er die Besiegten dann mild behau- / 
delte und zn yersdhnen suchte, so hidten dieselben in der 
nftchsten Zeit Buhe. 

Ein anderer £rieg entstand dem Herzoge alsbald durch 
seinen eigenen Bruder Gerhard , der in seinem Erbtheile ver- /T. . . 
kfirzt zu sein glaubte, eine ziemliche Anzahl raublustiger Aben-^^^-V- 
teuerer um dch Tersammelte und das Land zu yerheeren begann., t^-'« ' : 
Dietrich TCigalt dies reichlich an den eigenen Besitzungen Ger- 
hard's und da letzterer ein sehr abenteuerlicher junger Mann 
war, so Hess sich nicht absehen, wann ddr Verheerungskrieg sein 
Ende nehmen werde. Kaiser Heinrich IV. rieth daher dem 
Herzoge, sich mit seinem Bruder dahin zu vergleichen, dass er ihm 
die räche Grafschaft ^mtois nebst dem Schlosse Xugney zn eigen 
fibergab, womit sich denn auch Gerhard Tollstftndig b^figte 
und keine weiteren Ansprüche mehr machte. Liess er aber nun 
seinen Bruder in Bube, so wurde er für andere Herren eine 
wahre Last. Znnftchst befestigte er seine Besidenz Vauddmont 
auf dem hohen B^ge^on so stark, dass der Platz fost unein- 
nehmbar wurde, und dann flberfiel er bald diese bald jene 
Gegend, verheerte das Land, eroberte einzeke Schlösser und 
zwang den darin Gefiingenen hohe Lösegelder ab. So nahm er 
den jungen Grafen Ludwig von Bar ge&ngen nnd hielt ihn in 
strenger Haft, so dass derselbe, als er endlich durch Bitten und 
Geschenke wieder seine Freiheit erhielt, in Folge der erlittenen 
schlechten Behandlung bald darauf starb. Kaiser Heinrich IV. schien 
gegen diesen Unfug damals nichts unternehmen zu können und 
daher griff Gerhar d die Vesten DeneuTre und Epinal an und 
liess, als er sie nicht nehmen konnte, dafür seinen Groll an 
Kirchen und Klöstern aus. Doch half er wieder der Stadt Toul 
gegen die AngrilFe des Herrn von Commercy, der bei Gerhardts 
Herannahen sofort die Flucht ergriff. Endlich aber fand er 
seinen Herrn an Udo von Burgund, der ihn besiegte und ge- 



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128 ^* Bucli: Von Gerliard vom ElsasaÖ bis zur Abdankung Simon's IL 

fangen nahm, um ihn für seine vielen EaubüberfäUe zu bestrafen. 
Vergebens machte Herzog Dietrich Versuche, um dem Bruder 
seine Freiheit "wioJor zu verschaffen, und erst im Jalire 1089 
gelang es ihm den Grafen Keinhold von Toul, den Verbündeten 
des Burgunders, durch Kriegsbedrohung zu veranlassen, bei Udo 
die Freilassung Gerhard's zu vermitteln. Doch kostete dies ein 
grosses Lösegeld und die Abtretimg von Chätel an der Mosel, 
als £rsatz für Xugney, welches Gerhard vom Elsasse einst dem 
Burgunder entrissen hatte. Diese lange Gefangenschaft hatte 
doch nnn da^; Gute, dass sie bei Graf Gerhard eine vollständige 
Gesinnungsändorung veranlasste, denn er verhielt sich fortan 
ruhig und gab sich bloss nüt den Angelegenheiten seines Länd- 
chens ab. So gründete er zu Anfang des zwölften Jahrhunderts 
Priorei vonBelyal, worin die Abtei Moyen-Moutier seehs Bene- 
dictinennönche unterhalten sollte, reformirte die Prioreien von 
Clerniont, L^oraont, Bomont und Xures und wirkte mit, die 
Abtei Lnro wieder herzustellen. — Gerhard war mit Hadwide 
Yon D ä chsburg^ (oder Egesheim) verheirathet, de ren Oheim Papst 
Leo IX. war, und hatte von ihr zwei Söhne und eine ToS^r. 
Der älteste Hugo folgte ihm in der Herrschaft nach, der zweite 
war Odelric (Ulrich) und die Tochter) an Graf Keinhold L vo n 
Bar verheirathet. Er selbst starb gegen das Jahr 1 1 20 und 
wurde, wie auch seine Gemahlin, in der Priorei lielval bestattet. 
Nach seinem Tode machte Herzog Dietrich keine Ansprüche an 
das Erbe, doch nahm er die Veste Xugney zurück, weil sie nicht 
zu dem Erl)e selbst gehörte, sondern Gerhard nur auf Lebenszeit 
überlassen war. 

Wie GerharJ, so gab es noch eine erhebliche Anzahl Herren 
im Lande, die aus der Wegelagerei und dem Plündern sich ein 
Geschäft machten und des Herzoges nur zu spotten schienen. 
Wollte dersell)e iiiclit das ganze Land durch solche Paubkriege 
verheeren und zu Grnnrlo richten lassen, so war er gcnöthigt, 
ihnen mit l)ewaffneter Hund entge((enzntreten. Im Jahre 1089 
gelang es ihm auch in einem Theiie des Landes die Puhe wie- 
der herzustellen, da er aber doch dem kleinen Krieg der Grossen 
imter sicli nicht so leicht ein Ende machen konnte, so verlangte 
er von ihnen, dass sie weniii^stens sich enthielten die Erndten zu 
vernichten, Bäume und Weinstöcke al>zuhauen. Häuser niederzu- 
brennen und unschuldii^e Leute zu missliandeln. Noch aber 
blieb einer der unruhigsten Herren ungebäudigt, nämlich Widrich 



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2. Herzog Dietrich (^1U<Ü— 1115). 



129 



im Schlosse I'4>inal, der sot^ar hewatlneten Widerstand leistete 
und zwar l>esiei,^t wurde, sieli aber im Schlosse hartnäckig,' ver- '-(^'-^-•^ 
theidigte. Dietrich bekam bald auch Vorstadt und Veste in » 
seine GeAvalt, weil aber die Landleute der Umgegend sich und 
ihre Habe innerhalb der Mauern der Stadt geflüchtet hatten und 
diese bei einem Sturm auf die Stadt zu sehr gelitten hätten, so 
Hess es der Herzog bei diesem Denkzeichen bewenden und Iiielt 
nur das zwei Meilen von Epinal entfernte feste Schloss Arches 
besetzt, das er zwei Jahre zuvor erbaut hatte, um den Einfällen 
Widrich's ein p]nde zu machen. 

Hätte Herzog Dictricli bloss diese inneren 8chwieri<,4eiten 
zu besiegen gehabt, so wäre ihm die Aufgalie weniger schwierig 
geworden, .aber seine Regierung fiel gerade in die Zeit des ge- 
w^altigen Kamj>fes zwischen Kaiser und Papstthum, welcher auch 
nicht das geringste Stückchen deutsclier Erde unberührt liess. 
< iar in Lothringen musste er eine tiefe und dauernde Aufregung 
hervorrufen , zumal die romanischen Völker theils innerlialb der 
Landesgrenzen, theils im weiten Reiche westlich davon im All- 
gemeinen sich mehr zur Dienstbarkeit gegen die klerikalen 
Machtbestrebungen liinneigten und für die Sicherung der staat- 
lichen Macht gegen letztere weniger Verständniss zeigten. Die 
schweren , dadurch erzeugten Kämpfe durch ganz Deutschland 
und in Italien sind durch die allgemeine und deutsche Geschichte 
allseitig bekannt und bedürfen hier keiner Hrzählung; sie ge- 
hören in den Bereich unserer Ueschichte auch nur insoweit als ihr 
Schauplatz das Herzogthum sell>st war. Al)ei* auch so bieten 
sie ein sehr wechselvolles Bild und spiegeln im Kleinen ^ was 
sonst im Reiche im Grossen vor sich ging. 

Herzog _l)ietricli , welcher den Krl)übergang seiner Würde 
dem Kaiser Heinrich_IV^ verdankte, bewahrte die in seiner Familie 
vererbte Tr^iie gegen Kaiser und Reich und kämpfte daher 
neben Gottfried von Niederlotlu ingen mit seiner Reiterschaar tapfer /C /O 
107r> in der Schlacht bei Hohenburg gegen die Sachsen, was ' 
ilim den Heinamen der Tapfere verschafl't haben soll, obschon 
dies wahrscheinlich erst in späterer Zeit geschah. Als dann im 
nächsten Jahre Kaiser Heinrich zu Worms ein deutsches Concil 
abhielt , um die päpstlichen Anmaassungen zurückzuweisen und 
den Papst abzusetzen, waren aucli mehrere lothringisclie Bischöfe 
dabei betheiligt , zumal Krzbischof Tdo von Trier , Dietrich von 
\'erdun, Pibo von Toul und Hermann vpn Metz und es mag 

Huhn, Oeeehiclit« LothringeuB. ' 9 



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* 

130 Bach: Von Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung Simonis IL 

wohl Herzog Dietrich mit veranlasst haben, dass diese Würdenträger 
liier zum Kaiser hielten. Aber als der Papst mit dem Banne 
über den Kaiser antwortete und den Widerstand energisch fort- 
setzte, blieben nur die Bischöfe von^Toul und Verdun dem 
f .-'w ^ Reiche treii^ während der Metzer Bischflf , einem Gesclilechte 

'^•"^ "j^ des stets aufrührerischen Sachsenhmds entstammt und schon seit 
der J074 nach Rom unternommenen Reise dem Papste wieder 
mehr zugethan, sich vor den Folgen des Bannes scheute, seine 
Mitwirkimg am Wonuser C'oncil der Irreleitung und einem 
Zwange zuschrieb und nebst dem Erzbischofe von Trier sich 
mit demselben wieder zu versöhnen suchte. Er wandte sich 
daher an den Papst, indem er ihm seine Bedenken vortrug, ob 
es erlaubt sei, den Kaiser Heinrich zu bekämpfen, sowie darüber, 
ob es denn wirklich dem Papste zustehe, Könige abzusetzen, und 
fugte sich sofort, als Gregor VH. ihm in einem merkwürdigen 
Schreiben das volle System seiner Anmaassungen mit allen 
Folgerungen desselben auseinander setzte. Dies brachte dann den 

, ,.^.,(^*\, ^etzer Bischof so vollständig auf die j)äpstliche Seite, dass er sogar 
das gegebene Manneswort verletzte und die seiner Obhut an- 
vertrauten sächsischen Grossen aus ihrer Haft entliesa; ja er 
verpfändete sogar bischöfliche Güter, um Truppen gegen den 
( Herzog anzuwerben. Dieser hatte nun selbst die Stadt Metz 
angegriffen , verheerte die bischöflichen Besitzungen und de^ 
König selbst würde Metz belagert haben, wenn ihm die Ange- 
legenheiten des Reichs dazu Zeit gelassen hätten. Bischof Her- 
\mann nahm sodann am Reichstage zu Tribur Antheil, welcher 
auf Veranlassung des Papstes gegen den König gehalten wurde, 
konnte sich dann aber nicht mehr in Metz halten, sondern wurde 
daraus vertrieben und musste zuerst nach Verdun und dann in's 
Kloster St. Tron bei Lüttich flüchten. Als Erzbischof U^p von 
Trier, der sich mit dem Papste versöhnt hatte, im Jahre 1078 
10/-' gestorben war, liess Kaiser Heinrich ungeachtet des Widerspruchs 
j eines Theils des Klerus ja Egjlbert einen neuen Erzb ischof 
wählen, der sogar von den drei Bischöfen der Diöcese ange- 
nommen wurde; aber die Bischöfe von loul und Verdu n hatten 
sich inzwischen eines Anderen besonnen und sich heinilicli ent- 
fernt, was den König veranlasste, wie erwähnt, den Metzer 
Bischof zu vertreiben. Kgilhert selbst versah das erzbischöfliche 
Amt sodann mehrere Jahre, obschon seine Diöcesanbischöfe ihn 
nicht anerkennen wollten. Nach Metz zurückgek ehrt wurde Bi- 



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2. Herjsog Dietrich (1070— 1 1 15). 131 

schof Hermanti bald darauf von den zu Kaiser Heinrich lialtenden 
Bischöfen gel)annt und musBte dann zur Gräfin Mathihle von 
Toscana nacli Italien fliehen, gefolgt vom Canonicum Kichard ^--'^ f 
und dem Abt des Yincenzklosters. An seiner Stelle wurde, *.v ^''^^t* 
sodann JValo, Abt von St. Arnould, erwählt und nachdem dieser 
sich nach Gorze zurückgezogen liatte. Bruno aus dem Hause 
_^*löi, ohne dass man d ie Metzer selbst darüber fragte. Letztere ^h^^^^r'-^^J 
überfielen ilm daher wäTireiid des Gottesdienstes in der Käthe- ' 
drale, hieben seine Leute sogar vor deiii Altare nieder und ver- ♦ 
jagten Bruno selbst. Nach zehnjähriger Abwesenheit kellrie 
Hennann nach j\Ietz zurück, vom l'apste mit dein Pallium und '''."^ 
den Titeln als Legat und päpstlicher Vicar beschenkt, aber or ' 
fand auch jetzt keine Kuhe. das Volk vertrieb ihn aus der Al>tei 
St. Tron, Hermann musste 1 OSO bei der Ankunft Kaiser Heinrich's 
in Metz seinen Sitz wiederholt verlassen und staxb endlich im 
nächsten Jahre 

Die Einwohner und der Klerus von Metz, welche auf päpst- 
liclier Seite standen, wählten ihm zum Nachfolger zuerst Burkard, 
der gar nicht nach Metz kam , und dann den Trierer p]rzdiaconus 
Poppo, der vom Riscliofstulile Besitz nahm, ohne von Kaiser Hein- 
rich die Zustimmung und die Investitur zu verlangen. Heinrich 
liess daher in Adalbero einen neuen Bischof wählen, der zwar 
nicht in der Stadt wohnen konnte, aber sicli weilien liess und 
den Biscliot'stitel fülirte, aucli sich im Besitze der meisten 
bisehöfliehen (rüter behauptete. Boppo konnte ilmi gegenüber 
kein Ansehen gewinnen und starb 110,'^, worauf Adalbero zur 
vollen Ausübung seines Amts gelangte. Herzoj^ JDietrieli hielt^ 

in dieser .ganzen Zeit zum Könige, fülirte Krieg gegen die Stadt ^ ^ 

^fetz, verheerte die Umgegend, verbrannte die Kirche von St. Martin 
und schadete seinen (iegnern so sein-, dass Bapst ürbaa U. sogar^ 
das Herzogthnm mit dem Interdict belegte. 

Ein Blick auf die einzelnen Kirchen und Klöster des Herzog- 
thums zeigt, dass der grosse Kirclienkampf überall Spaltungen 
und Verfolgungen hervorgerufen hatte. In Verdun hatte Bischof 
Dietric h sieh auf einige Zeit mit dem Papste ausgesöhnt . aber 
dessen steigende Anmaassungen trieben ihn bald wieder auf die 
.Seite des GegenjiHjistes (iuibert. Deshalb wurden ihm sofort die 
^lönche von St. Mihiel, St. Vanne und sellist von St. Airy zu 
Verdun feindlich gesinnt, zumal die Gräfin Sophie von Bar. eine 
eatschiedeue Anhängeria des Papstes, sie in ihrem Widerstreben 

9* 



9' ^ ^ 



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j^32 ^uch : Von Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung Simonis IL 

imterstfitzte , so dass die Mönche des ersteren Klosters 1084 
sogar die Absicht zeigten, sich von der Diöcese Verdun loszu- 
sagen und unter jene von Toul zu treten. Als der Bischof die 
ihm anhängenden Fulcrad, Abt von St. Paul, und Richer, Decan 
der Kathedrale, absandte, um den Gottesdienst im Kloster zu 
untersagen, leisteten die Mönche thatlichen Widerstand, trieben 
die Abgesandten aus der Kirche und lieferten sie als Gefangene 
an die Gräfin Sophie zu Bar-le-thic. Der Bischof sandte aber 
sofort Kriegsleute nach St. Mihiel, welche die meisten Mönche 
znr Flacht in die Priorei Laitre unter Amance zwangen. 

Ln Jahre 1085 versuchte Abt Rudolph von St. Vanne seinen 
Bischof auf die päpstliche Seite herüber zu ziehen und als ihm 
dies der Bischof streng verwies, flüchtete sich die Hälfte der 
Mönche in die Priorei Flavigny an der Mosel und in die Diöcese 
Toul, während der Rest der Mönche zur Anerkennung des 
Gegenpapsts Guibert aufgefordert wurde und Einer derselben anf 
seine Weigerung mit schimpflicher Strafe aus dem Kloster gejagt 
ward. Die Anderen zogen sich sodann nach der Abtei St 
Benignus zu Dijon zurück, bis der Bischof 1088 starb, nachdem 
Abt Rudolph durch zwei seiner Mönche den vergebliehen Veisach 
gemacht hatte, denselben vor seinem Tode zn bekehren. Sein 
Nachfolger Richer, Domdecan yon Metz, hielt zwar auch zmn 
Kaiser, versOlmte sieh aber 1095 mit dem Papste. 

JHCTzog Dietri ch, welcher dem Kaiser seine Trene stets 

erhielt, sachte do äi im Jahre^l07i einen Aasgleich zwischen 
jKaiier und iPapst herbmzof&hren nnd ^machte letzterem einen 
I'VOTschlag dazu, den selbst die bekannte Grftfin Mathilde von 
Tosoana im Än&nge gebilligt zu haben schien. Aber Papst 
Gregor YII. blieb imerBchfltterlicJi in sein^ Yerhalten mid 
bedrohte sogar den Herzog mit dem Banne , weil er die Be- 
sitzungeu des Bisthuma Metz verheert hatte. Der Herzog scheint 
sich dies wenig haben anfechten lassen, war aber deahilb nicht 
minder fromm gesinnt und als später unter K. Heinrich Y, eine 
verBöhnlichere Stimmimg bei beiden Parteien eintrat, hörten in 
Lothringen anch die Wirren nach und nach anf. Er selbst be- 
dachte die Priorei zu Chätenoy, eine Stiftung seiner Matter, 
mit Geschenken, erbaute in dem erst kleinen Flecken Nancy . 
die Priorei Notre-Dame, die er dem Abte von Molesme unter- 
ordnete, nnd beschenkte auch die Abteien von Busendorf, St. 
Epvre, Si Denys und Booxi^es, sowie die Kirche von St. Di^. 



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2. Herzog Dietrich (iO?0— 1115). 



133 



Wir haben schon früher erwähnt, wie es nach und nach 
zur frommeu (Jewohnlieit wurde, l*il<(errahrten nacli Pahistina zu 
unternehmen, und solche von einzehien iiisehöiVu und Geistliclien 
des Landes aus^a'fülirt wurden. Die Erzälihuigeu der zurfick- 
gekehrten Pilger von der Unterdrückung der Christen durch die 
Molumnnedaner enttiunnuteu dann besonders die (Jläubigeu von 
Frankreich und als nun auf dem Concil von Clemiont der erste 
Kreuzzug gepredigt wurde, Hess sich auch Herzog Dietrich über- 
reden, das Kreuz anzunehmen, und versprach nach Jerusalem 
zu pilgern. Aber bald machte si('h der nüchterne Verstand 
wieder . l)ei ihm geltend und unter Vorschützung, dass er nicht 
mehr kräftig genug sei, die Keise selbst zu unternelunen, liess er 
sich vom Bischof von Toul und von dem päpstlichen Legaten \ om 
(Gelübde entbinden und schickte an seiner Stelle vier Kitter und 
einen Schützen ab. Er selbst hatte auch Wiclitigeres in seinem 
eigenen Lande zu thun, wo die Theilnehuier des ersten Kreuz- 
zugs im Mosel- und Maastliale sofort ihren Muth an den Juileu 
zu külilen suchten und dieselben in Metz, Verdun und in anderen 
Städten massenweise absclilacliteten und sie ihrer Keichthümer 
beraubten. Es war jedoch rein unmöglich gegenüber dem 
Fanatismus der Kreuzfahrer und Avas sich bei dieser Gelegenlieit 
an sie hing zu steuern und die Tausende unschuldiger Opfer 
zu retten. 

Ueber die innere A'erwaltungsgeschichte unter Herzog Dietrich , 

liegen uns keine näheren Angaben vor. AVie er beim Antreten 
seines Erbes die Entscheidung seiner Ansprüche einer Versamm- 
lung der (irossen des Landes unterbreitet hatte, so ist aus 
späterer Zeit bekannt, dass er einmal wegen einer Kloster- 
stiftung , die vom Erben des Stifters angegritten wurde . eine 

ähnliclie Versammlung berief und dieselbe über ilie Kcchtmässig-,^ 
keit der Ansiirücbe entsclieideu liess. Es wäre aber zu viel 
daraus gesclilossen. wenn man deshalb annelimen w^ollte, er liabe 
überhaupt zu wichtigeren Kegierungshandlungen die Zustimmung 
der (J rossen verlangt und sie darüber berat hen. Ob er seinen 
Güterbesitz durch Neuerwerbungen vermehrt habe, ist nicht be- 
kannt; dagegen that er viel für die Stadt Neufchäteau, die er 
mit einem ganz neuen Stadttheile versah. Auch war er bemülit, 
die Angelegcnlieiten der seiner Schirmvogtei unterstehenden 
Klöster zu ordnen und die Streitigkeiten derselben beizulegen. 
So scheint er also im Ganzen für das Wohl seines Landes be- 



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134 ^ Buch : Ton Gerbard vom Elaaaae bU zur Abdankung Simon'« II. 

dadit gewesen zu sein, nm die Tielen ärnfäi die Eiiege entstan* 
denen Schäden zn heilen. 

Endlich ffihlte er, als er etwa im siebzigsten Lebensjahre 
stand, seine Srfifte schwinden, machte ein Testament und traf 
Anordnungen Aber seine Beerdigung. Er starb im Laufe des 

' — Jahrs 1115 und soü in der Prioreildrche Kotre-Dame zu IStaiey 
begraben sein , jedoch steht dies Iceineswegs fest und der Ge- 
sohichtsforscher Gähnet wollte sogar sein Grabmal in der Priorei 
Ghatenof aufgefünden haben, wo auch seine Mutter begraben 

^ war. Im Jahre 1079 beabsichtigte er die Wittwe des Mark- 
• grafen PetroniJ zu heiiathen, wozu aber der Papst seinen Dispens* 
nicht gab, weil er dem Herzoge gram war. lin Jahre darauf 
TermShlte er sich sodaun mit Gertrud, Töchter des Grafen 
Kobert von Flandern, welche ihm vier Söhne und vier 
Tochter gebar. Der ilteste Simon 1. folgte ihm in seiner 
wurde nach, Dietrich eiMelt Bitsdi, Gerhard die Guter im 
Elsasse und Heinrich wurde Bischof von Toul (1127—1167). 
Von seiuen Töchtern traten zwei in Klöster, nfimlich Hara zn 
Bouxikes, wo sie Aebtissin wurde, und Veronioa in Bemiremont; 
Mathide (oder Mathilde) heirathete den Grafian Folmar von 
Metz und LuneTÜle und eine vierte Bernhard H., Herrn von 
Brandon und üxelles. Ein glänzendes Leos war dem zweiten 
Sohne Dietrich Ton Bitsch beschieden. Als sein GrossTater* 
der Graf von Flandern, und dessen Söhne Arbert und Balduin 
gestorben waren (letzterer 1127' zu Brfigge ermordet), stritten sich 
Wilhelm, Sohn des Herzogs der Normandie und Vetter von 
Dietriches Grossrater, mit Dietrich um das flandrische Erbe. 
Im Anfange war der Erstere im Vortheile und Dietrich hatte 
einen blutigen Krieg zu bestehen, worin er unterlag, so dass er 
nach Alost flächten musste. Als aber Wilhelm ihn in Alost 
belagerte und dabei tödtlich verwundet wurde, so kam Flandern 
1128 an Dietrich von Bitsch, der sodann bis 1168 im Lande 
regierte. Bitsch aber gab er bei seinem Begiemngsantritt an 
den filteren Bruder zurück. 



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3. Herzog Simon JL (1115—1139). 



435 



3. Herzog Simon I. (mS— 113|^). 




Weniger laug und bedeutungsvoll war die Kegieruugszeit / 
des Herzogs Simon , manchmal auch Sigismund gcheissen , der ' 
durch seinen Lehrer Annuntius eine gute Firziehung erhalten 
hatte, besonnen und gerechtigkeitslielx^nd war, nicht minder 
aber auch die Uebergriffe und Herrschsucht der Geistlichkeit 
niederzuhalten suchte. Der Güterbesitz seines Vaters ging nicht 
uiigetheilt an ilm über, denn die elsässischeii Besitzungen 
fielen an den jüngeren Bruder und auclij^[t3ch ward erst 1T28^ 
wieder mit dem Herzogthume unmittelbar verbunden. Sonst 
aber gingen auch die Klostervogteien seines Vaters auf ihn über 
und damit eine Reilie von Verpflichtungen, die seine Thätigkeit 
oft in Anspruch nahmen. 

Gleich in der Anfangszeit seiner Kegierung hatte er eine 
Streitigkeit wegen der von seinem Vater in der Neustadt von 
Keufchäteau gegründeten Nicolauskirche beizulegen, welche von 
Bischof Pibo von Toul zur Pfarrkirche ^e> Bewohner des neuen " 
RtaJttheils erklärt war und nun von Herzog Simon der Abtei 
von Molesme unter der Bedingung übergeben wurde, dafür eine 
AnzahFMönche zu unterhalten. Mit letzterer Uebertragung war 
Pibo's Nachfolger Kiquin von Commercy aber nicht einverstan- 
JenT^untersagte den erwähnten Mönchen den Gottesdienst und 
verlangte, dass auch die Bewohner der Neustadt zur Christophs- 
pfarrei der alten St^idt gehören sollten. Sei es, dass Simon das 
Verlangen für gerechtfertigt hielt, oder keinen weiteren Streit 
wollte, er legte einfach die Sache in der Art bei, dass auch die 
Nicolauskirche der Abtei St. Mansuy unterstehen sollte, die 
schon die Christophskirche besass. Etwas später stellte er die 
vielfach verletzten Privilegien der Kirche von St. Die wieder 
her, worül)er er mit deren Prevot Kaimbaut (Kheinbold ?J einen 
besonderen Vertrag schloss. 

Trotz seines friedfertigen Charakters gerieth er doch in 
einen mehrjährigen Krieg, dessen eigentliche Ursachen nicht 
inehi- bekannt sind. Es verbanden sich nänüich später der Erz- 



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j^36 Irlich : Von Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung'Simon's IL 



bischof vo n Trier, Albero von Montreuil, Graf Reinliold von Bax 
und der M etzer Bischof Stephan von Bar mit einander nm den 
Herzog zu bekriegen. Der Herzog gewann bald gegen sie zu 
^ ["jj^ Verbündeten den Grafen IMDndi_Yon_§al|o und Wilhehn von 
Luxemburg, Pßdzgraf am Bhein, »welche eine ansehnliche Kriegs^ 
Schaar zusammenbrachten. Die Gegner hatten sich im Mosel- 
thale bei Sierck vereinigt und begannen dies Schloss zu be- 
lagern, waren aber ihrer üebermacht zu gewiss, um vorsichtig 
genug zu sein. Als sie das Herannahen des Herzogs vernahmen, 
zogen sie ihm eine Strecke entgegen und es kam sodann bei 
dem Dorfe Mac keren an der Mosel (dem späteren Königsmachern) 
zu einem Treien, worin Sunon^ obsiegte. Wenige Tage darauf 
griffen ihn seine Gegner wiede? an, wurden aber auch wieder- 
holt geschlagen und Herzog Simon benützte die Bestürzung der 
Gegner rasch, um in das Trierer Land vorzudringen und mehrere 
Schlösser des Erzbischofs wegzunehmen. Vielleicht hfttte' der 
Krieg noch Iftnger gewShrt, aber des HerzogsSphwager, Kaiser 
Lothar II., Hess seine Vermittlung eintrei^ETm Folge' w^^^^ 
'Simon dlir eroberten Plfttze wieder herausgab. Brzbischof Albero 
(von Montreuifj scheint sich aber nicht damit zufrieden gegeben 
zu haben, denn er drang nun allein wieder nadi dem südlichen 
Moselthale vor und verheerte die Gegend. Dann sammelte der 
Erzbischof noch ein grösseres Heer, dessen Führung er seinem 
Neffen Gottfried von Falkenberg, einem zwar erst achtzehn- 
jährigen, aber gewandten und tapferen jungen Mann anvertraute. 
Spielte der Krieg bisher mehr in Deutschlothringen, wodurch 
die angrenzenden Trierschen Besitzungen stets bedroht waren, 
so fasste Gottfried ..von. .Falkmberg nunmehr den Plan sofort 
in*8 Herz von Lothringen selbst einzudringen und die Verheerung 
ausschliesslich dahin zu tragen. Er durchzog also das Metzer 
^ ^ Land, das ihm freundlich gesinnt war, und rückte durch das 
»■'"^r-X'i^ Moselthal bis vor das feste Schloss Fronard, das auf einem 
y ' y#ffl Hügel liegend das Mosel- und ^eurlfiethal beherrschte 
und einerseits zur Vertheidignng gegen das Cond^ des Grafen 
von Bar und die Besitzungen des Bischöfe von Metz, anderer- 
seits aber als Schlüssel zum eigentlichen Lothringen diente. 
Für die damalige Zeit konnte dieser Platz als sehr fest gelten 
und daher hatte Herzog Simon nichts Eiligeres zu thun, als in 
den Hauptplätzen an der Grenze Garnisonen zu lassen und 
Frouard zu Hülfe zu kommen. Aber der Hauptmann Bichard, 



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3. Herzog Simon I. (1115— 1139 j. 



137 



"svelclier darin bofelüigte, fürditoto sich nicht hinge haiton zu 
könuen und <i;al> das vcrahrcdcti' Zeichen, worauf der hei Jiouxieres 
kaum eine Meile davon gtdag'ertt« Her/.ofr Simon die henachharten 
Garnisonen an sich zog, die Memtlic überschritt und die Erz- 
biseheflichen an<xrift". während die Besatzung von Frouard einen 
Ausfall maclitc. Allein an diesem Tau:e war das <jlück dem 
Herzoge ui(dit günstig^sein l^undesgcnossc (Iraf von Salm wurde 
im Kampfe crstuchen, der Herz(|g selbst verwundet und seine 
Tmppen geöchlag(Mi. Daraufhin zogen sicli seine Leute wieder 
in ihre Garnisonen zurück, der Herzog aber stdbst suchte eine 
Zufluchtstätte in der Veste Nancy , di«« nelx'u dem kleinen 

_ ■ 4> 

Flecken erbaut war, denn die Stadt selbst bestand damals noch 
nicht. Du Gottfried von ralkenferg wusste, dass dieser Platz 
nicht gehörig vcr]»roviantirt war. so folgte er dem Herzoge so- 
fort dahin nach und scldoss ihn in der Veste ein. Zu gleicher 
Zeit entstanden dem Herzoge aucli wieder neue Feinde, indem 
der Graf von Bar und der Bischof von Metz des Herzogs \'cr- 
legenheiten Itenützten. um mit Ansprüchen auf einzelne TheiU' 
seines Gebietes hervorzutreten und dieselben sofort in Besitz zu 
nehmen. Der Graf von Bar gedachte sicli aber zugleich aucli 
dafür zu rächen, dass sich der Herzog einige Jahre zuvor ge- 
weigert hatte ihm im Kriege gegen Albero von Cliiny. Biscliof 
von Yerdun . Hülfe zu leisten. Der Herzog kam dadurch in 
ein grosses Gedränge und geistliche Schriftsteller jener Zeit be- 
haupten, er habe in jener Notli das Gelübde gethan. einen Kreuz- 
zug nach Palästina mitzumaclien . wenn er aus dieser Xotli 
eiTettet würde. Aber so sclilimm stand es doch eigentlich nicht 
um seine Sache , denn er hatte ja den Kaiser Lothar H. zum 
Schwager und als dieser von Simonis I^age erfuhr, so scliickte 
er sofort ein Heer von achttausend Mann ab, um dem Herzoge 
zu Hülfe zu kommen. Solchen Streitkräften fülilten sich die 
Gegner nicht gewachsen, zumal die Herzoglichen bei der Kunde 
vom Herannahen der Hülfsannee sich wieder sammelten und 
auch zum Angriffe zu schreiten drohten, und daher zogen die 
feindlichen Schaaren alsl)ald wieder aus dem Lande. Lothar 
suchte nun zu vermitteln und fan<l auch den Grafen von Bar 
und den Metzer Bischof bereit, sicli gegen eine Sunmie Gelds 
auszugleichen; der Erzbischof von Trier wies jedocli jede Ver- 
mittelung von der Hand. Dies braclite dnnn aber den Kaiser 
so auf, dass er dem Herzoge erlaubte sich der von ihm ge- 



13ö ^ Buch: Von Gerhard vom Blsasse bis zur Abdaukiing Simon's II. 



schickten Hülfsarmee gegen den Erzbischof zu bedienen. Herzog 
^imon vertrieb nun die Trierischen nicht nur von Nancy , ^^on- 
dem drang auch weiter vor, schhig die Truppen Gottfried's von 
Falkenberg zwei Mal, befreite Lothringen und drang nun selbst 
in's Trierschc vor, das er zur Vergeltung verheerte. Da musste 
endlich der Erzbischof nachgeben, aber er schwor trotzdem dem 



erschien der Erzbischof ebenfalls daselbst, sprach den Jvirchen- 
bann über den Herzog aus und zwang ilm sogar am Ostertage 
die Kirche zu verlassen als der Diaconus das Evangelium zu 
verlesen begann. 

Gewiss war zur Aussprechung des Banns keine gerechte 
Ursache vorhanden . denn der Erzbischof hatte den Krieg und 
die Verheerung l)ogonüen und durfte sich unmöglich beklagen, 
wenn er mit gleicher Münze bezahlt wurde. Allein solcher 
Bann war doch in jener Zeit eine unangenelmie Sache und als 
im Jahre J J36 der Kaiser mit Simon nach Italien ging, um 
dem Pajtste Innocenz gegen den König Roger von Sicilien bei- 
zustehen, bat der Kaiser den Papst, die unleidliche Saclie beizu- 
legen, und letzerer hob nach gehöriger AusL'inaiidersctzung des 
SacliN eihaits den Bann auf unter der Bedingung, dass der Herzog 
den Bischof für das etwa erlittene Unrecht entschädige. Dazu 
war der Herzog auch bereit , schrieb darüber an den Erzbischof 
und dieser musste sich auf die erhaltene Weisimg aus Kom 
fugen. Die Kirche war ja auch bei dieser Gelegenheit gegen 
alles Kecht wieder zu Geldsummen gekommen, was leider nur 
zu oft auch das geheime Ziel war, wenn die Geistlichkeit einen 
Bann aussprach. Wenn übrigens in dieser Angelegenheit Kaiser 
Lothar seinem Schwager zu Hülfe kam, so hatte doch letzterer 
schon im Jahi'e 1125 dem Kaiser Dienste in Keichsangelcgen- 
heiten geleistet und war auch 1127 mit seinem Bruder, dem 
Bischöfe von Toul, und einem Theil der Lotluinger Grossen auf 
dem Reichstage zu Speier erscliienen, welcher die wegen Lothar's 
3^ahl entstandenen Wirren beseitigen sollte. 

Von da an verfloss die Regienmg Simon's ziemlich ruhig 
und er widmete sich mehr inneren Angelegenheiten, an welchen 
ihn leider die erzählten Kämpfe gehindert hatten. Als im Jahre 
1131 der heilige Norbert, Erzbischof von Magdeburg und 
Stifter des Prämonstratenserordens , durch Lothiingen auf das 




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9 



3. Herzog Simon I. (1115-113^) 



139 



Concil zu Keims reiste, hewirtliete ilui der Herzog' auf seinem 
Schlosse i^ny im Moseithale mit grossem Aufwände. Auch 
fasste er zu dem Erzbischofe solche Zunei^i^unf^, dass er pxnz in 
der Nähe von Preny eine Prämonstratenserabtei stiftete und 
ausstattete, welcher dann auch benachbarte Klöster beisteuerten. 
Das neue Kloster St. Marie-aux-I^ois erhielt in Xorbert's Schüler 
Eichard den ersten Vorsteher. Auch der lu'ili^^c Bernhard be- 
suchte während Simon's Kegierungszeit mehrmals das Land, 
meistens um den gestörten Frieden herzustellen. Derselbe soll 
auch Simon's Frau , die ein ziemlich loses Liebeswesen führte, 
zu besserem Lebenswandel gebracht haben und die geistlichen 
Schriftsteller versäumen nicht auch damit eines der vielen Wun- 
dermärchen zu verltinden. Bernhard stand auch später noch 
mit dem herzogliehen Paare in Briefwechsel und veranlasste 
1 185 den Herzog, der wegen der Jagd gerne in dem gebirgigen 
und waldreichen Lande Bitsch verweilte , in dichtem, einsamem 
Walde das fisterziensf^rkloster Stürzel)»ronn zu gründen und gut 
auszustatten. Da AVirich von Valcourt schon 1130 ein ähnliches 
Kloster zu Freisdorf bei Busendorf gestiftet hatte, so beschenkte 
der Herzog 1 L'IT auch dieses TCloster mit einem Hause daselbst. 
Aus der letzten Zeit seines Lebens ist von Herzog Simon nichts 
bekannt, denn es ist eine spätere Ertindung oder Verwechslung, 
dass man ihn auch noch nach Palästina ziehen Hess, weil er 
aus dem Lande niemals so lange abwesend war, als eine solche 
Keise Zeit erfordert hätte, y« " . ') 5,5^ 

Simon starb am Ii, jÄnuar W'.W) im- Kloster Stürzelbronn, 
in welchem er alljährlich einige Zeit zu verweilen pflegte. 
Verheirathet war er mit Adelaide, Tochter des Grafen Geb- 
hard von Supplinburg und Querfurt /uml ^Schw^gter des 



Kftiserfr-Lüthar^T.j welche ihm eine ganze^lieihe von Kindern 
gebar, nämlich sechs Söhne und drei Töchter. Der älteste 
Mathias (Mathieu) wurde Nachfolger seines Vaters, der zweite 
Balduin war schon 114'i gestorben, der dritte Bol>ert 
erhielt Florange bei Diedenhofen als Erbtheil und verheirathete 
sich mit der Tochter des (xrafen Oalde von Bolchen, Adalbero 
trat in den Gisterzienserorden , Walther (Gauthier) erbte die 
Herrschaft (lerbeviller und hatte Anna von Haraucourt zur Frau 
und der jüngste Sohn Johann wird nur einmal, im Jaln-e L14S, 
genannt, wenn derselbe wirklich ein Sohn Simon's war. Von 
den Töchtern heirathete die älteste Agathe den Grafen Kein- 





140 ^ Buch: Von Gerhard vom Elsaase bis zur Abdankung Simonis IL 

hold TU. von Burgund und wurde Mutter der lioatrix, Ge- 
malilin von Friedrich BarbarosHa ; die zweite Helvide oder 
Hadwide vermählte sich mit dem (Irafen Friedrich von Toul 
und die dritte Bertha ging mit ilirer Mutter später in das 
Kloster Tart. Nach einigen Chroniknaciirichten hätte die Wittwe 
ein sehr loses Leben geführt und wäre vom heiligen Bernhard 
genöthigt worden, den Schleier in der genannten Abtei zu 
nehmen. Aber von einer Frau, die neun Kinder geboren hatte, 
sind doch derartige späte Ausschreitungen nicht zu erwarten 
und mag sich die Erzälilung bloss darauf begründen, dass sie 
wegen früheren unregelmässigen Lebenswandels zur Busse in ein 
Kloster ging. Wann sie und ihre Tochter darin starben, ist 
nicht mehr bekannt, doch mag sie noch bis 1148 gelebt haben, 
da ihr Sohn diesem Kloster lj42 einen Antheil an der Saline 
zu Vic schenkte und sie selbst 1 1 4S das Cisterzienserkioster 
Etanche^ zwischen Neufchäteau imd (Jkäteuoy stii'tetie. 



4. Herzog Mathias 1. (1139—1176). 

Herzog Mathias oder Mathieu führte eine viel längere Ke- 
gierung und seine Stellung wäre eine bedeutungsvollere, als die 
(irösse seines Landes erwarten liess , geworden , wenn er eine 
entschiedenere Thatkraft liesessen hätte, denn er vermählte sich 
mit Bertha, Tochter (h^s Herzogs Friedrich von Schwa])en 
und Schwester des Kaisers Barbarossa, einer stolzen und ziemlich 
herrschsüchtigen Frau , welche ungeachtet der sechs oder acht 
Kinder, welche sie ihrem Manne gebar, doch seine Liebe nicht 
ungetheilt erhalten konnte. 

(Jleicli nach seinem Regierungsantritte besuchte er die von 
Kaiser Konrad IIL in Strassburg abgelialtene ]{eic1isversamm- 
lung zur Beilegung verschiedener innerer >\'irren und half dann 
dem Bischof von _Metz, der so oft ein (Jegner seines Vaters ge- 
wesen war, den Vogt der Stadt Ljdnal zum lieliorsam zurück- 
zuführen. Derselbe trotzte nänilicli in seinem sein* festen 
Schlosse allen Mahnungen und Drohungen des Bischofs und 
dalier rückte nun der Herzog vor das Schloss und zwang den 
Vogt zur Unterwerfung. Wie es scheint, war der Herzog über- 



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4. Herzog Mathias 1. (1 13U— 1170}. 



141 



haupt durch die Einwirkung der in seinem Elternhause viel ver- 
kehrenden geistlichen Würdenträger der Kirche günstiger gesinnt 
als sein Vater und willfahrte leichter deren Wünschen. So 
gab er an die Abtei St. Epvre die Domäne Gerbecourt zurück, 
welche Herzog Simon an sich gerissen hatte, und ftgte diesem 
noch als freiwillige Gabe die Schlosscapelle von Chätenoy und 
das Fischereirecht zu GondreviUe hinzu. Er bestätigte femer 
nicht nur die Gründung der Abtei St. Marie-aux-Bois bei Pr^ny 
und Termehrte die Güter des Klosters von Bon&y, das kurz 
vorher Ton Wilhelm d'Arches und dessen Gemahlin Valence 
gestiftet wardf sondern schenkte solche auch der Abtei Bouxieres, 
der seine Tante Hara als Aebtissin vorstand, begabte in «gleicher 
Weise die Abteien von Beaupr^, Bnsendorf, Molesme, Orval und 
Tart und schenkte an die Priorei Notre-Dame zu Nancy das 
dortige Hospital. Es ist später sogar überliefert worden, er habe 
1147 das Kreuz genommen und von Metz aus unter Ludwig VH. 
von Frankreich den zweiten Kreuzzug mitgemacht. Aber weder 
Chroniken, noch auch andere Actenstücke wissen etwas davon 
und hätte der Herzog an diesem Kreuzzuge Antheil genommen, 
80 hätte er sich gewiss eher zu Begensburg den deutschen 
Bittem unter Kaiser Konrad ITT. angeschlossen und wäre unter 
den dortigen Theilnehmern aufgeführt worden. 

Schon im Anfange seiner Regierungszeit entstand ein Zwie- 
spalt mit dem Metzer Bischof St§p^ von Bar, welcher ver- 
schiedene Besitzungen in Anspruch nahm, die von Lothringen 
gewaltsam an sich gerissen sein sollten. Der Herzog verweigerte 
die Rückgabe, worauf der Bischof gewaltsam von Homburg , 
JJIzdsteiii, Mirebanx^E^enberg, Benenvre, Thiconrt, Yatlmont 
und anderffli Plätziöi Bäitz nahm. Mathias rfickte deshalb mif 
einem Memen Heere demselben entgegen und war zwar in 
mehreren Treffen siegreich, der Bischof zog aber vor das Schloss 
Pr^ny, umsehloss es und brachte schon einen Theil der Mauer 
zum EinMen, als der Graf von Bar seine Yermittelung ein- 
treten Hess und einen Vergleich zu Stande brachte, worin sich 
beide Theile gegenseitig Zugeständnisse machten. Es war dies 
unge^ um das Jahr 1140. Nach einer Jüigabe des Historikers 
Calmet habe Kaiser Friedrich Barbarossa bei dieser Gelegenheit 
den Bischof von Metz unterstützt, es kann dies aber unmöglich 
der FaU gewesen sein, denn der Vorfall fiel noch in die Zeit 
von Kaiser Konrad HI. und Friedrich Barbarossa, welcher des 



[42 Buch: Vüu Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung Simon s II. 

Mathias Schwager war. liätte gewiss nur diesen und nicht seinen 
Gegner unterstützt, wie er ihm ja stets sein Wohlwollen bewies 
und Mathias dagegen ihiu wieder in den meisten lüiegen zur 
Seite stand. 

Der Herzog tbat manches (iute für die Verbesserung der 
Landesverwaltung, gal> eine Anzahl einsiclitsvoUer Vorschriften 
und Verordnungen und beschränkte die Processkosten . wodurch 
sich die Kichter und deren ünterbeamten zu berei( Ihth siu hteu. 
Für das Herzogtluim war es ferner besonders wichtig , dass er 
eine bestimmte Hauptstadt dafür schuf, nachdem die Herzoge 
bisher aUwechselnd^irT (Jiatenoy . Neufchateau und im Scldosse 
von Xaiu-y gewohnt hatten. Kr wählte dafür Nancy, das damals 
noch keine Stadt war. Es befand sicli (hiselbst nur eine herzog- 
liche Veste , etwa an der Stelle der heutigen Münzstrassc und 
daneben ein Flec-ken, welcher den Xachkonunen von Odelric 
(Uh-icli)'. Bruilers von (Jerhard vom l^lsasse und von Herzog 
Adalbert, verliehen worden war. Im Nordwesten von diesem 
Flecken stand die Priorei Xotrc-Damt? und etwas ferner, am 
Fasse des Hüui'ls. das lh>d" St. Dizier, das auch Houdonville ge- 
nannt mu'de und dem Touler Bischof Hodo-Leudin im siebenten 
Jahrhunderte gehört hatte. Fiidlich stimd südlich, aber in 
grösserer Entfernung an einem mit AVeiden besetzten Bache eine 
weitere herzogliche Veste Saulru. Herzog Mathias erwarb nun 
JAJl) von Drogo. einem Xachkommen jenes Odelric, den Flecken 
Xancy im Austausche gegen Schloss und Kastellanei h'osieres- 
aux-Salines, Lenuncourt, Moyen und Haussonville und brachte so 
die ganze Stätte an sein Haus. 

Wahrscheinlich um seinen Besitz besser sichern zu können, 
erbaute der Herzog um diese Zeit eine Vesta zu (Tondreville, 
eine Meile von Tuul. und legte in dieselbe eine Besatzung, 
welche öfters Züge in's iJebiet des jBisthunis Toul nmchte. 
Letzteres wollte nun schon von Kaiser. Dagobert I. das Recht 
besitzen, dass im Umkreise von vier >M(dlen um den Bischofsitz 
keine Veste erbaut werden dürfe, und ol)Wolil diesen Sitz damals 
der Oheim von Mathias inne hatte, so verlangte der Bischof 
doch die Xiederrt'issung der Veste und sprach nach deren Ver- 
weigerung den Hann über den Herzog ans. Dieser rächte sich 
nun durch eijien Kriegszug gegen den Bischof und das Dom- 
capitel, luihm mehrere Schlösser, wie Vicl]£.rey, weg und richtete 
in deren Besitzungen grossen Schaden an. Darüber erhoben sofort 



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I 



4. Herzog Mathias 1. (113U-1J7Ü). 14?) 

diese Geistlichen Beschwerden bei Papst Hadrian TV. und dieser^ v/^ 
liess darauf durch die Bischöfe von Metz und Verdun und die ^ ; 
Verweser des Erzstifts Trier den grossen Hann über den Herzog -t ' 
aussprechen und sein Land mit dem Interdict belegen. Da letz- 
terer, wie erwähnt, mehr im Sinne der Kirche erzogen war und 
auch weniger lOntschiedenheit besass, so liess er sich zuletzt zu 
Unterhandlungen mit der Geistlichkeit von Toni herbei und er- 
langte die Freisprechung vom Banne unter der Bedingung, dass^ 
er yMieiiijy und einige andere Selüösser zurückgebe und eine Wall-^ 
fahrt nach Compostella in ( Jalizien (Spanien) unternehme. Schloss 
Gonilreville hliel) aber bestehen. Der Herzog trat wirklicli später 

die Wallfahrt an. verfiel aber in der Abtei Clugny in Burgund ' ' » 

in eine schwere Krankheit und erlangte sodi»nn Erlass der wei- 
teren Wallfahrt, indem er an die Abtei (lugny das Dorf Dom- 
basle schenkte, so dass also die Busse der Geistlichkeit wieder 
Gewinn brachte. 

Wie schon erwähnt, konnte sich Mathias' Frau die Liebe 
ihres Gemalils nicht fortwährend erhalten. Der Herzog verliebte 
sich vielmehr in (ix£Säilie_AUain, die Tochter seines Goldarbi'iti rs, 
die nicht bloss von grosser Schönheit und Sanftheit war. sondern 
auch innig am Herzoge hing und ihm zwei scliöne Jvnalien gebar. 
Ls wird von dieser Zuhälterin versicliert, dass sie sehr freigebig 
gegen die Armen war, nicht nach Keichthum und Khreri trachtete 
und sich dadurch die allgemeine Achtung erwarb. Ueber die 
Schicksale dieser beiden Söhne ist niclits l)ekannt und wahr- 
scheinlich blieben sie im bürgerlichen Stande. 

Dies Liebesverhältniss konnte nichts an den engen Bezie- 
hungen ändern, welche der Herzog zum^JGiiscrluuiäü hatte. Im 
Jahre 1147 sehen wir ihn nel)st dem Trierer Erzbischofe auf 
der Keichsversannnlung zu Frankfurt, auf welcher König Konrad III. 
seinen Sohn zmn Könige und Nachfolger erheben liess : J I W> 
war er auf der Versammlung zu Aaclien und 117)4 auf einer 
anderen zu Colmar, wo hauptsächlich ül)er kirchliche Angelegen- 
heiten verhaiiilelt wurde. Im Jahre 11;').') liegleitete er Kaiser 
Friedrich Barbarossa nach Italien und wohnte zu Kom dessen 
Kaiserkrönung bei und endlich erschien er I IT)! lauf der Ueichs- 
versammlung zu Worms . auf welcher ein neuer Zug nach der 
Lombardei vorl)ereitet wurde. Ob bei einer dieser Gelegenheiten 
der letztgenannte Kaiser seinem Schwager das Recht verlielien 
hatte, den kaiserlichen Keichsadler im Wappen zu führen, umss 



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144 Buch: Von Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung Simon's IL 

dahingestellt bleiben und ist jedenfells sehr zweifelhaft, denn der 
Herzog hätte gewiss von diesem Bechte auch Gebrauch gemadit, 
während weder seine noch seines Sohnes Simon n. Mfinzen 
eine Spur dieses Emblems zeigen. 

Der nach dem Tode des Papstes Hadrian IV. im Spätjahre 
jl^JßO ausgebrochene Eirchenstreit brachte sofort auch sdiwere 
Verwickelungen &lt das Herzogthtim Lothringen. Drei Oardinfile 
erwählten nimlich alsbald Vic tpr IV , zum Papste, während die 
anderen Cardinäle am 7. September in Alexande r HL eiaen an- 
deren Papst wählten. Der Kaiser, welcher gerade Oremona be- 
lagerte, berief sofort Beide Tor sich, um ihre Bechte zu unter- 
suchen und die Sache zu entscheiden, wie dies früher immer so 
gehalten wurde. Alexander weigerte sich zu erscheinen, aber 
Victor kam und wurde sodann Yon Kaisex^j^edridbals^apst 
anerkannt. Daraus ging dann ein gewaltiger KirchenstreiB h^or, 
denn während Victor in Deutschland ziemlich allgemein aner- 
kannt wurde, fielen die romanischen Länder und eine Anzahl 
geistlicher Orden dem jPapste Alexander zu. Der Zwiespalt wurde 
nach und nach überall hingetragen und namentlich in Lothringen 
stritten und bekämpften sich bdde Parteien sehr heftig. Geist- 
liche und Laito standen hier oft sehr schroff gegen einander und 
darfiber hörte sogar in zahlreichen Orten aller Gottesdienst auf. 
^rzog Mathias selbst hielt mit den De utschen z u Papst Victor, 



aber wohl nicht, wie Lothringer Geschichtschreiber erzählen, weil 
Papst Eugen HI. ihn wegen seiner Beschädigung der Kirche 
Ton Bemiremont durch die Bischdfe des Landes hatte bannen 
und yerurtheilen lassen, denn diese Angelegenheit war ja schon 
lauge vorher, im Jahre Hol, durch Kaiser Konrad HL gät- 
lich beigelegt worden und schwerlich hatte auch der Herzog 
vor der Erwähluug der beiden Gegenpäpste mit einem derselben 
irgend etwas zu thmi gehabt oder sie gekannt Mathias war 
ja ohnehin kein grundsätzlicher Gegner des Klerus und gab sich 
vielmehr Mühe, den Bedrückungen der Klöster durch ihre Vögte 
möglichst Einhalt zu thun. Es ist von ihm noch eine Verord- 
nung bekannt, worin er die Bezüge der Vögte ordnete und er- 
mässigte, die Üebertreter dieser Verordnung aber mit seiner 
Ungnade und ihrer Absetzung bedrohte. 

Obschon der MetgerJSischof Stephan von Bar durch viele 
Jahre ein hartnäckiger Feind des Herzogs war, so versöhnte sich 
dieser doch später mit ihm und half ihm Saarwerden belagern 




5. Herzog Simon H. (_lJ7t> — 1205), 



145 



und zerstören, worauf sie dessen Herrn auf der J.ützelburg ge- 
fangen liielten. Ja er unternahm es sogar, für den liischof 
dessen ungehorsamen Vogt zu JEjiinal zu bestrafen, indem er das 
Schloss nahm und den Vogt absetzte. Der Bischof iibertrug 
ihm sodann diese Vogtei, die aber nur wenige Jahre in den 
Händen des Herzogs verblieb, denn als sein Sohn Dietrich 1171^ 
zum Bischöfe j Uli Jletz cmälilt wurde, übergäl) der Vater diesem 
bei der Besteigung des Bischofsitzes nicht bloss wieder diese 
Vogtei, sondern fügte auch das Schloss Sierck an d er Mosel hinzu. 

Auch unter Herzog Mathias besuchte der heil. Bernh^d" 
mehrmals das Land und verweilte in Toul, Trier, Rethel, Sierck 
und anderen Orten. Er genoss hier eine grosse Verehrimg und 
die abergläubigen Legendenschreiber haben ihm eine gewaltige 
Keihe von Wundem angedichtet. Seine beste That war 1153 
seine Vermittelung im Kriege zwischen dem Grafen von Bar 
und der Stadt Metz, die nach der blutigen Niederlage der letz- 
teren, nur durch die Mosel getrennt, wieder kampflustig einander 
gegenüber standen. Auf Ersuchen des Erzbischofs HiUin von 
Trier kam nun Bernhard, obschon krank und dem Tode nahe, 
herbei und stiftete endlich zwischen den Gegnern Frieden. ' 

Ob Bernhard bei diesen Gelegenheiten mit dem .Herzoge 
selbst in Berührung kam, ist nicht mehr bekannt. Letzterer 
hatte aber eben&Us wie sein Vater einige Vorliebe für den 



hard n. von Vaud^mont zu Bitai ne in Burgund gestiftete Kloster 
in den besser gelegenen Forst ,Ton Haye, wo es den Nam^iu^ 
Amelen (AmerTlien) erhielt Der Herzog stattete es reichlich 
ans und gab ihm audbTdie Mflhlen von Naney, zu deren Bann 
fünfzehn Orte gehörten. Er schenkte ebenso an die to bl seinw 
Mütter gestiftete Abtei Etench e versehiedene Qflter. Als er 
älter wurde, schien er melir in^eine religiöse Kichtung yerfaUen 
zu sein, denn amserdem, dass er täglich sechzig Arme gespeist 
und selbst bedient haben soll, was übrigens noch sehr zu be- 
zweifeln ist, begab er sich 1176, als er sein Ende nahen sah, in 
die Abtei dairHeu, wie inzwischen die gsterzienser ito Kloster 
Amden_mnt^ und schenkte derselben seinen Weinberg m 
Nanc}veine Mühle am Madon und andere Güter, auch überredete 
ihn auf dem Todesbette der Bischof von Toul zur Herausgabe 
mehrerer Güter an sein Stift. 

Herzog Mathias starb am 14. Mai 1176 und ist in dem- 

Hnhn, OeBchJchte Lothfiageaa. |0 




146 ^ut-'li- Von Gerhard vom Elsasse bto sur Abdankung Simon's II. 

selben Kloster begraben worden, wo ihm auch ein Denkmal ge- 
setzt wurde. Er hatte von seiner Frau Bertha vier Sohne und 
zwei T(k3hter. Simdn folgte ihm nach, Friedrich bekam 
■{ j Bitsch, Math ias heirathete Beatrix von Foatojs welche ihm 
{Jjßif jie jjhrafechaft^bul mit brachte und ywgi^ Säi^i^p (¥rifl<^|^j*f^ y^^n 
v.^^^^ Toiü mid^^einhold^on Boussey) gebar. Dietrich, der Bisidiof 
Yon Metz wurde, sich jedoch nicht behaiq^ten konnte, Alix, die 
Gemahlin des Herzogs Hugo EI. von Burgund, und eine schon 
als ^d gestorbene und in der Priorei Fbivign} begrabene 
Tochter. Noch schreiben ihm einige Genealogien zwei weitere 
Töchter zu: Judith, vermShlt an Graf Wilhelm H. von Auxonne, 
und Sophie, Gemahlin des Herzogs Heinrich HI. von Burgund. 
Doch stehen diese Angaben nicht fest 



5. Herzog Simon II. (1176 — 1205). 

Für den jungen Herzog Simon führte im Anfange seine 
Mutter die Regierung, denn sie war eine stolze und herrsch- 
Büchtigo Frau, wähi'end ihr Sohn schwacli und unentschlossen 
erschien. Der letztere, obschon bereits im re(,nerungsfähigen 
Alter, liess sich diese Vormundschaft anfaii<,^s gefallen und seine 
Mutter sogar iMünzeu mit ihrem eigenen lülde prägen; aber die 
• — Grossen wollten nicht dem Willen einer Frau gehorchen , for- 
derten den jungen Herzog auf, selbst die Regierung zu über- 
nelimen, und traten, als derselbe zu zaudern schien, im Schlosse 
Oonilreville zusammen, wo sie besclilossen, dass Rertha die Vor- 
nmndschaft sofort niederzulegen luibe. Sie uuisste natürlich ge- 
horchen, aber nur höchst widerwillig und nicht ohne den Versuch 
zu machen, ihren Solm unter einer Art Vormundscluiit noch 
* weiter zu erhalten. Zu diesem Rehufe liess sie den damals weit 
bekannten Troubadour Hngucrrand , der zugleich im Gerüche 
stand, die Magie zu verstehen und zaubern zu können, zu sich 
konmien und verabredete mit ihm einen geheimen Plan. Am 
Weihnachtstage verbreitete sie das (ierücht, es sei ihr ein Geist 
erschienen, und als sie am andern Tage sich in ihre (Jemächer 
zurückziehen wollte, musste der versteckt gehaltene Knguerrand 
mit klagender, wie von ferne kommender Stimme die Worte 
rufen: „So lauge Herzog Simon sein Land allein regiert und 



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5. Herzug Simon IL (1176—1205). 



147 



nicht auf die weiBen Bathsehläge seiner Mutter hört, wird Alles 
sehlecht gehen, bald kein Stein mehr auf dem andern bleiben 
und Krieg, Hunger und alles Seu jnme darin herrschen." Diese . 
Bqfe und das Geschrei der Frauen riefen Alles im Schlosse herbei, 
aber Herzog Simon liess sich dadurch nicht erschrecken, zog den 
Troubadour hinter einer Ta|ietenwand hervor und dieser gestand 
bestörzt und zitternd die That. DerHerzog aber machte kurzen 
Frocess und liess ihn am andern Tage hängen. Von da an 
scheint auch die Mutter sich nicht mehr in die Begierung ge- 
mischt zu haben. 

Unter seinen ersten Begierungshandlungen wird die Heraus- t 
gäbe mehrerer Domänen an die Kirche zu Toul genannt, welche yj^»^ ^ 
sein Vater in seinem Testamente angeordnet hatte. Berichte ' 
aus dieser Zeit melden aber, dass es mit diesem Testamente so 
freiwillig nicht hergegangen sei und der Touler Bischof, Peter 
von Brixey, der den Sterbenden nicht verlassen und auch das 
Testament geschrieben hatte, die Lage des Herzogs benätzt habe, 
mn seine Kirche zu bereichern. Olerical gesinnte Historiker 
wollen dagegen in diesen Angaben nur eine Verleumdung 
durch missgünstige Hofleute erblicken, da doch dieser Bischof 
sich nicht gefürchtet habe, selbst Souveräne mit strengen Worten 
an ihre Pflicht zu mahnen, aber es ist nicht einzusehen, wie dap- 
durch die erstero Angabe widerlegt werden kann, zumal wenn 
man die Grösse des so dieser Kirche zugewendeten Besitzes in 
Anschlag bringt. 

Schon mehrmals sahen wir, dass an die jüngeren Söhne 
Apanagen in Landbesitz gegeben wurden und dadurch das Erbe ti,\K\\^ 
in Gefiihr gerieth zersplittert zu werden. So hatte nun auch • ' 
Friedrich als seinen Antheii die kleine, aber waldreiche Herrstdiaft 
Bitsch zügetheilt erhalten. Diese wollte aber dem jüngeren 
Bruder nicht genügen und daher ging er seinen Bruder darum 
an, ihm diesen Besitz zu vermehren. Da ihm dies durcli gute 
Worte nicht gelang, so suchte es Friedrich mit den Waffen zu 
erzwingen, wahrscheinlich zu Anfang des Jahi os l J 77, und rückte 
auf das Schlots Araance log,^.W(3L sich das Famiüeüaichiv Ix'fand. 
Herzog Simon zeigte jedoch eine unerwartete Energie, zog ihm mit 
überlegenen Streitkräften entgegen und schlug ihn im 'i'hale der 
^me gule, bei der Priorei Lay St. Clu-istoph, anderthalb Meilen 
vonSaney. Viele Leute Friedrich's fielen und er selbst fluchtete 
sich nach Deutschland, wahrscheinlich zum Kaiser. Dieser nahm 

10* 



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j48 ^ Buch: Von Gerhard vom Elsasae bis zur Abdankung Simon's IL 

sich seines Netten an. verschaffte ihni die Verzeihung seines 
Jkuders Simon und vermochte diesen auch dazu, an Friedrieli 
noch Neufchateau. Chatenoy und noch einige andere Plätze unter 
\lcr liedingung zu ülierlassen, dass er dem Herzoge bei aeineii 
Kriegen ein Hülfscurps stelle. 

Simon bedurfte recht bald dieser Hülfe, denn damals zeigten sicli 
im Norden des Landes ganze Schaaren von beutelustigen Kriegern 
und Abenteurern, die sich langst über einen Theil Frankreichs ver- 
breitet hatten und nun auch Lothringen l)edroliten. Der Herzog 
versannnelte sofort die Grossen des Landes, welche selbst durch 
diese Banden l)edroht waren und deshalb gern ilire Mithülfe zu 
deren Vertreil>ung anl)oten: aucli leistete ihm Friedrich einen 
Zuzug mit zweihundert Mann. Bei Remicli am linken Mosel- 
ufer und einige Meilen unterhall) Diedenhofen stiess er sofort 
auf die Cotteraux sich nennenden Händen (UrTj und l>rachte 
ihnen eine vollständige Niederlage bei. Auch deutsche Herren, 
die sich in diesem Theile des Landes niedergelassen hatten, sollen 
im Bunde mit den Cotteraux gestanden haben, oder standen 
"svenigstens im Verdachte davon. Der Herzog veranlasste sie aber 
imr, ihm das Versprechen zu geben, in Zukunft sich ruhig zu 
verhalten. 

Des Herzogs Bruder Friedrich glaiibte nun wegen seiner 
erfolgreiclien Hülftdeistung und wohl auch wegen seiner bewie- 
senen Fapterkeit Ansprucli auf weitere Vergrösserung seines Erb- 
theils zu haben und stellte in dieser Richtung seine Forderungen. 
Herzog Simon h-hnte dieselben jedoch ab. worauf Friedrich, eine 
weitere Niederlage durch seinen Bruder befürclitend, bei seinem 
Verwandten, dem (hafen Fliilipp von Flandern (11 TS), Schutz 
suchte. Letzterer, der Touler Bischof und Andere wollten ver- 
mitteln, aber Simon verwies einfach darauf, dass er das Testa- 
ment des Vaters treu ausgeführt habe, und wies auch die Mah- 
nungen seiner Mutter zurück, indem er ihr erklärte, er sei jetzt 
Herr und wolle es bleil)eii. Da der ( Jraf von Flandern die Partei 
Friedrich's nahm und diesem Truppen aid)ot, wenn letzterer zu 
den ^Vatt'en greifen wollte, so zeigte sich Simon abermals nach- 
giebig und trat dem Bruder weiter das Allod Ormes, Schloss 
Gerbeviller. Diancev. das Land an der Saar und zwischen MeU 
und Trier nebst der Oberleln'nsherrliclikeit über die an den Krz- 
biscliof von Trier und den (irafen von Saarbrücken verlieheni'n 
lachen unter der Bedingung ab, dass Friedrich ihm für alles dies 



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5. Herzog Simon IL (117ü— 1:^15). - 149 



den Lehenseid leiste, das Scbloss 13riiv«'res lierau.sgebe. iiidits an 
der (Jerichtsverfassnng des Landes ändere und ilim in Kriegen 
Hülfe leiste. Dieser zu Kibeniont im Verinandois am 'i. Ma|_ J / ^ ^' 
J171> gesclilossene Vergleich, wofür (iraf l^liilipp die Bürgschaft ^ 
übernahm. b<'endigte die Streitigkeiten /wisclien den lirüdeni, 
zmnal auch Her/og Simon, welcher keine Kinder hatte, seinem 
Bruder Friedrich tiie Nachfolge im Herzogthume in Aussicht 
stellte. Simon war nämlich zwar mit Ida, Tocliter des <lrafen 
(Jerbard von Macon. verheirathet, liatte aber von ihr entweder gar 
keine Kinder, oder diese waren gestorben und Aussidit auf wei- 
tere Naclikonimeiischaft nicht vorhanden. Dies gelit schon aus 
dem erwähnten Vertrage von Kibeniont liervor: Herzog Simon 
suchte aber die Erl)folge nocli l»esser zu sichern, indem er die 
Grossen im August im Kloster von Xeufchäteau versammelte und ^ 
sicli von diesen die Zustimmung dazu gel>en Hess, dass Friedrich 
ihm nachfolge, wenn er sell)st ohne Kinder sterben sollte. 

Auf diese Weise war das Land in zwei grosse Hälften ge- 
scliieden. Der Herzog waltete besonders über den südliclien imd 
westlichen Theil , oder das französische Lotln-ingen, Friedrich 
aber über Deutsch - Lothringen , (h'nn im ganzen Umfange des 
Landes bis in's Seilletlial und über Dieuze hinaus herrsclite da- 
mals noch die deutsch»' Sprache vor, wie dies heute nodi die 
alten Ortsnamen beweisen. Dieses Land belierrsdite Friedrich 
auch nicht in der Weise, wie es sonst Inn den Apanagen der 
jüngeren Brüder der Fall war. sondern gab sidi ganz das An- 
sehen eines unal)hängigen Herrschers und soll sich sogar manch- 
mal den Titel als Herzog angemaasst haben, was aber freilich 
keineswegs feststeht. 

Konnte Friedrich nadi diesen Vorgängen und seiner l)e- 
stimmten Aussicht auf die Erbschaft von ganz Lotliringen von 
seinem Bruder nichts mehr fordern, so sudite er anderwärts Ver- 
grösserung. wozu ilim das nahe Frzstift Trk'r (telegenheit bot. 
Er bemächtigte sich also mehrerer < >rte dieses Obiets und da 
Erzl)ischof Arnold ein Ivulie liel)ender Manu war, der den Krieg 
scheute, so suchte derselbe seinen kriegslustigen Xadibar durcli 
freundliche Worte und Bitten zur Kuiie zu vermögen, Iiis er 
dann einsah, dass dies alles nichts half, und den ( Jrafen Theo))ald 
von Bar lierbeirief, um den Oberbefehl über die Trujtiien des 
Erzstifts zu übernehmen und sellist ein Hülfscor]>s zu stellen. 
Theobald griÜ alsbald den Herrn von Bitsch im unteren Nied- 



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150 ^ Buch: Ton Gerhard vom EUasse bis zur Abdaoknng Simonis IL 

thalo hoi Siorsbor(( an, l)Osio<^te ihn und nahm ihn selbst mit 
seinem ältesten Soline gefimgen. Beide wurden auch niclit eher 
freigehissen, als bis Friedrich an den Erzbischof das Schloss 
S|ers])e]i( abgetreten und alle weggenommenen Orte zurückge- 
geben hatte. 

Inzwischen hatte auch Herzog Simon einen Krieg mit den 
Metzern zu füliren, über dessen Ursache aber nichts weiter bp- 
"tj, kannt ist. Im Anfange waren die Truppen des Herzogs im 
Nachtheile und erlitten bei verschiedenen kleinen Zusammen- 
stössen entschiedene Niederlagen; dann aber schlössen sie sich, 
wie es scheint, besser zusammen und schlugen die Metzer in der 
Ebene von Bolcli(m, so dass solche sich nicht mehr aus den 
Mauern der Stadt wagten. Herzog Simon belagorte und nahm 
dann Freiadorf, wo die Metzer eine Gai'nison hatten, brach dessen 
Mauern und Befestigungen und kehrte mit den Gefangenen und 
grosser Beute nach Hause. In welcher Weise dann der Frieden 
wieder hergestellt wurde, ist nicht mehr bekannt. 

Von da an war die Regierungszeit Simon's eine dm-chaus 
firiedliche und wandte er sich besonders der Verbesserung der 
inneren Verhältnisse zu. Namentlich soll er bemüht gewesen 
sein, die bestehenden Kechtsgebräuche und Gewohnheiten zu 
einem Gesammtcodex zusammenzufassen; aber seine Absicht schei- 
terte an dem Widerspruche der versammelten Grossen, welche 
darin für sich eine Beschränkung ihrer Rechte und Freiheiten 
zu sehen glaubten ; ferner suchte er den Handel zu begünstigen 
und die Sicherheit der Strassen zu wahren, weshalb er, so oft 
Bich Gelegenheit bot, den Strassenräubem nachsetzte und die- 
selben aufhängen liess. £2r gab auch Verordnungen fiber den 
Rang imd die Kleidung der verschiedenen Stände, so wie über den 
Luxus, verbot das Fluchen und Schwören, Gotteslästerung und , 
Zänkereien und vertrieb alle Troubadoure und Taschenspieler Yom 
Hofe. Endlich erliess er eine scharfe Verordnung gegeu die 
Juden, die er mit Vertreibung und Vermögensstrafe bedrohte, 
wenn sie in ihren Synagogen den christlichen Gottesdienst ver- 
spotteton. T,( tzteres war aber gewiss eine übertriebene Maass- 
regel und konnte nur dazu föhren, unbegründete Anschuldigungen 
zu erheben, um dadurch sich an den Gütern der Juden zu be- 
reichern. 

Auch Herzog Simon soll das Kreuz genommen und einen 
Kreuzzug mit gemacht haben; es ist dies aber durchaus unwahr- 



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ti. luucre Zufitäude. 



151 



scheinlich, denn er war gar niemals so lange aus Lothringen 
abwesend. Dagegen erwies auch er sich dem Clerus sehr freund- 
lich und scheint gegen das Ende seiner Regierung sehr froimn 
geworden zu sein. Namentlich beschenkte er die Kirchen von • 
Remiremont und St. Di^, die Abtei 8t. Mansuv und die Prio- 
reien zu Chätenoy und Neufchriteiui und bestätifj:te der Abtei 
Beauprc ihren Besitz. Da er von seiner Frau Ida keinen Erben 
hatte, also auch nicht mehr grosses Interesse am Lande besass 
und sein Bruder Friedricli als Nachfolger fest bestimmt war, so 
ward ihm die Regierung selbst zuletzt lästig und er zog sich 
mit Zustimmung seiner üeuiahlin im Jahre 12()5_in^as Cister- 
zienserkloster Stürzelbronn zurück, zwar die Regel des Klosters 
TeoBacEtend, aber ohne Äblegung eines Gelübdes. Sein Bruder 
Friedrich übernalun für ihn die Regierung, er selbst starb aber 
.schon 1207 und wurde seinem Verl;in<,^en gemäss an oder unter 
der Kirchenthür begi-aben, wo nocli lunt^e sein Grabstein zu sehen 
war. Er wollte nämlich seine Erniedrigung dadurch ausdriicken, 
dass alle Kirchenbesucher über sein Grab schreiten mussten. 



6. Innere Zustände. 

Literatur. Cliroiiicfin von Richer de Senoiies; — Laurent do 
Liege, Historia eiti.sco])orum virdunensium (Calmeti; — Royt, Re- 
cherches des sainctes autiijuitez de la Vosge, edit. Ambroise; — Voigt, 
Geschiclite des Papste Gregor YU.; — Opera tancti Bernardi ed. 
lUhüloii; — Dom Humbert Belhomme, Historia Mediani in monte 
Yosago IConasterii; — Hugo M^tel, Sacrae autiquitatis^monumenta; 
— Hugo de Flavigny, Ghrcmique bei Labb6; — Hugo de Toul, 
Annales de Hainaut ed. per Jaquea de Ghaiee. 



In dieBem Zeitabschnitte bildete Lothringen yoUständig einen 
Bestandtheil des denteehen Beichs und seine Herzoge wohnten 
nicht bloss den Reichstagen bei, sondern leisteten dem Beichs- 
oberhaupte anch Kriegsfolge. Vergebens suchen die französischen 
Historiker diese Thatsache zn leugnen oder zu ?erdunkehi und 
Lothringen als ein bloss dazwischen liegendes unabhängiges Land 
darzustellen, das nur wegen der persönlichen Beziehimgen der 
Herzoge immer zum Beiche hielt. Die wirldiche Thatsadie steht 



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j^52 I-^' ^i^cli- ^ on Gerhard vom Elsasse bis zur Abdaiikuug Simon s II. 



aber zu fest, als dass sie widersprochen werden könnte, und die 
persönlichen Beziehimgen waren nur Folge des YerhiQtnisses zum 
Beiche, nicht umgekehrt. Die Obliegenschaften der Herzoge 
erklftren sich auch nur durch ihre Stellung als Vertreter des 
Kaisers im Lande und erstreckten sich auf Wahrung des Land- 
friedens und der aUgemeinen Ordnung, die An&tellung und Ftlh- 
rung der Enegsmannschaft im Dienste des Reichs und die Wah- 
rung der kaiserlichen Bechte fiberhaupt. Solche Stellung fOhrte 
denn auch dazu, dass die Herzoge Ehebündnisse mit FQrsten- 
tOchtem aus dem Reiche suchten und ein Herzog Mathias sogar 
Schwager des mächtigsten deutschen Kaisers werden konnte. 
Eine weitere Folge dieses yerhälteisses war dann, dass das 
Reichsoberhaupt die Erblichkeit des Herzogsamts in der Elsässer 
Familie begfinstigte und schfitzte und so den sonst so häufigen 
Theilungen vorbeugte. Zwar fehlte es auch in Lothringen noch 
an einer genauen Erbordnung, weldie das Erbe ungetheilt zu-* 
sammen erhielt; aber wenn auch noch immer die jüngeren Brüder 
mit Apanagegütem und Stücken des alten Erbes ausgestattet wurden, 
so geschah dies doch stets nur in der Form, dass bloss der 
Rentengenuss an den zeitweiligen Lihaber überlassen wurde, sonst 
aber alle Erbstücke als untrennbar yom Ganzen angesehen blieben 
und nicht weiter davon getrennt werden konnten. 

Ein zweiter Fortschritt lag darin, dass die Residenz bald 
nicht mehr da oder dort beliebig aufgeschlagen wurde, sondern 
in dieser Zeit der kleine Flecken Nancy mit seinen zwei Burgen 
zur Stadt und Residenz erhoben ward, so dass Lotbringen dadurch 
, . einen festen Mittelpunkt erhielt Durch . diese Stetigkeit des 
^ ''J Wohnsitzes bildete sich nach und nach auch ein eigentlicher Hof 
/ aus und Herzog Simon L besass einen Hausmeister, Kfunmer- 
herm, Marschall unOSndschenk und 1142 — 1159 werden sogar 
dazu noch die drei Aerzte Jordanus, Walterus und Samson ge- 
nannt. ' Die VerwandtschaftsverhältnisBe mit dem Hofe von Bur- 
gund hatten erwarten hissen, dass sich beim Hofe auch Sfinger 
oder Troubadours versammelt hätten, aber wir sahen schon, dass 
Herzog Simon H. solche sogar vom Hofe ausschloss« Nur das 
lockere Liebesleben scheint auch hier schon eingedrungen gewesen 
zu sein, wie wir dies bei einer Herzogin sahen und die Unter- 
haltung einer Maitresse durch Herzog Mathias es bewies. 

Derselbe Herzog setzte ünterbeamte oder Pr^vdts für die 
einzelnen Districte ein, um darin in seinem Namen Recht zu 



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(>. Innere Zustände. 



153 



sprechen, die Ordnung zu erhalten und über das Gebahren der 
Grossen zu wachen, sodann aber auch für die Unterhaltung der 
nüthigen Kriegsmacht in den einzelnen Garnisonen zu sorgen. 
Ein soleh«r Ft^vOt Yon Nancy Namens Walther (Gualterus oder 
Ganthier) wird uns ausdxücUiehiii einemActen stücke vom Jahre 1 142 
genannt» 0er Hofhalt zog ferner die grösseren Grandbesitzer 
des Landes Öfters in die NShe der Herzoge und diese erkannten 
in ihnen aneh eine Stütze bei wichtigen Vorgängen, so dass sie 
zu Rath gezogen wurden und durch ihre Zustimmung den Be- 
schlüssen und Anordnungen grösseres Gewicht verliehen. Meh- 
rere solcher Fälle sind bereits in der GesehiditserzflMung er- 
wähnt worden und es bildete sich daraus der Anfang für eine 
künftige Vertretung dör Stünde. Bemerkenswerth ist es, dass 
in dieser ganzen Zeit Lothringen in gar keinen Beziehungen zu 
Frankreich mehr stand, und es ist nicht anzunehmen, dass da- 
ran bloss der zufolge Unmtand Ursache war, dass das Gebiet 
der Grafen von Bar und der Champagne zwischen beiden Län- 
dern lag. Der wahre Grund ist viehnehr das bestimmte Ver- 
hültniss Lothringens zum Beiche, welches allmülich die Könige 
Ton Frankreich daran ^'i wöhntoy den Ausdehnungsgelüsten nach 
dem Osten zu entsagen. 

Wir werden im sp&td^n Verlaufe der Geschichte noch meh- ' 
rerer kleinerer Herrschaften zu gedenken haben, die allmSlieh 
mitten in Lothringen entstanden. Es sei hier nur der Grafen 
^L^il^ gedacht, welche ihren Ausgang • in rden Ardennen von 
Hermann , dem jüngsten Sohne des Grafi^V(üi Luxem burg, nahmen, 
sich am Ende des eilften Jahrhunderts im nördlichen Theile der 
Vogesen niederliessen und 1 104 zuer st als Grafen von Salm auf- 
traten. Nach einer Vermuthung kam Herma nn vpn^Salm ^rch 
seine Verheirathung mit Agnes, der Erbtochter vo n Langstei n oder 
Pierre-Perc^ -der in der S^lacht bei Frouard fi el, in den Besitz 
der lothringischen Güter und benützte seine schöne Vogtei des 
^Klosters Senones, um den Bischöfen von Metz Abtrag zu thun, 

ii -weshalb ihn Bisdiof Adalbero IV. 1111 mit dem Banne belegte. 

^Sein Ejgkel ^ fan erich^IL heirathQ,tp Judith, Tochter Friedrich*s 
xon Bits ch. unS hatte zwei Söhne,T^gnerich und Friedrich. Der 
ältere davon ging bald darauf damit um^ seine Eltern aus ihrem 
Besitze zu drängen und in Klöster emzusperren, fiel aber vor 
Ausfuhrung dieser That in eine schwere Krankheit und wurde 
von seiner Mutter als gestorben rasch begraben. Aber er war 



154 Buch: Von Gerhard vom Elsasae bis zur Abdankung Simon'« II. 



nur seheintodt, man vernahm in der Nacht Geräuscli aus dem 
Grabe und als die Mönohe am andern Morgen dasstdbe öffneten, 
so bestäti<^t(' sicli iluT Vermutlumg. Der Scheintodte hatte sieh 
im Grabe umzudrehen versucht, war aber dann wirklicli ^^est^rben. 
Sein Bruder Friedrich liess sich dm'ch diesen fürditerlichen Vor- 
gang nicht abhalten, seinen alten Vater hinauszustossen, der zu 
Fusse mit einem alten Diener eine Zuflucht suchte und endlich 
solche im Kloster Sendnes fand, wo er bald auch starb und l>e- 



irraben wurrlF. Von den Nachkommen dieses (leschlechtä fanden 
noch mehrere in demselben Kloster ihre Grabstätte. 

Die Bisehöfe und Aebte nahmen in dieser Zeit sehr häufig 
zum Kirchenbann ihre Zuflucht, wenn sie sich gegen Laien 
helfen oder solche zur Unterwerfun«; unter ihren Willen zwingen 
wollten. Während des Kirchenstreits , wo sich der Clerus in 
zwei feindliche Hälften theilte, bannten sie sich in der Kegel 
ge<^enseitig und dies hatte nur zur Folixe, dass an vielen Orten 
der Gottesdienst ganz aufhörte und Herren und Volk die Bann- 
sprüche verachteten, kam es ja doch nur zu vielfach vor. dass 
kein Mensch zu erkennen wusste . wer aus der zwiespältigen 
Wahl eifjentlich der echte und der unechte Papst war, zumal 
auf beiden Seiten Fürsten und die höchsten (leistlichen standen. 
Für gewöhnliche Vergehen wurden die Laien mit Geld und Ge- 
fätijxniss bestraft, für schwere war das Hängen an der Tages- 
ordnung. Für Störung der öftentlichen Bulie und Sicherheit 
wurden auch noch das Hundetragen und ähnliche Strafen ange- 
wendet. Sie kamen aber auch in anderen Fällen vor. So hatte 
das Domkapitel den bekannten Friedensstörer Dudo von ('lermont 
in den Ardennen eingesperrt, der Adel aber protestirte dageijen 
als eine Beschimpfung' seines ganzen Standes und das Kajdtel 
musste sich dann dieser Strafe unterwerfen, indem die Canoniker 
dem Dudo ein grosses Chorbuch auf hundert und zwanzig Schritte 
voraustragen mussten. Es soll übrigens auch noch bis zu dieser 
Zeit sich ein gewisser Unterschied zwischen den fränkischen I*]r- 
oberern und den Nachkommen der alten Landeseingeborenen 
erhalten hal)en, der sich bekanntlich auch in einem verschiedenen 
Strafmaasse aussprach. 

Für verschiedene Handlungen und Acte waren noch die 
alten Zeichen und Svmbole beibehalten. Als im Beirinue des 




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6. Innere Zustünde. 



155 • 



Übergabe durch Messer, Strohhalm, HandHcliuli. eine Erdscholle 
und einen Baumzweijr. B(4 der Schenkun«^ von Gütern an die 
Kirche pflegte man den SL-hriftlichen Act auf den Altar nieder- 
zulegen. Es kam um diese Zeit auch noch vor, dass sich ein- 
zelne Personen und Familien dem Dienste der Kirche -widmeten 
und dies dureli Tehergabe einer Haarlocke bekräftigten. Im 
Allgemeinen Imtte sieli in der Lage der Sclaven oder Hörigen 
nichts ircändert und war es ihnen noch immer verboten, sich 
mit Sclaven anderer Herren zu verheirathen. Ausnahmen davon 
fanden selten statt und es wird ausdilicklich her\ orirehoben, dass 
Papst Leo IX., als er die Klosterkirche von Busendorf einweihte, 
aus besonderer Gunst den Sclaven dieses Klosters erlaulite, sich 
mit Sclaven des Herzogs von Lothringen, deß Klosters Ketbel 
und der Kirche von Mouzon zu verheirathen. 

Ein sehr schlimmes Leos hatten in dieser Zeit die Juden» 
welchen man allerlei Märchen andichtiite. um sie aus ihrem Ei- 
genthume zu vertreiben. Sie waren damals ziemlich zahlreich 
in Trier, Metz und anderen Städten und legten daselbst den 
eigentlichen Grund zum auswärtigen Handel, was ihnen zwar 
Vermögen und selbst Reichthum brachte, aber auch die härtesten 
Verfolgungen zuzog. In ersterer Stadt verlangte Erzbischof 
Eberhard von den Juden, dass sie sich innerhalb gewisser Zeit 
bekehren müssten, widrigenfalls sie aus Stadt und Land vertrieben 
würden. Als nun am Samstag vor Ostern IOC 7 der Erzbischof 
bei Ausübung des Gottesdienstes von einer Krankheit überfallen 
wurde und daran starb, sprengte man das Märchen aus, die 
Juden hätten aus Wachs eine kleine Statue des Erzbischofs ge- 
macht, von einem Cleriker sie taufen lassen und dann ange- 
zündet, wodurch sie die Krankheit und den Tod des Erzbischofs 
veranlasst hätten. So albern das Märchen ist, so tischen es doch 
heute noch französische Historiker als sichere Wahrheit auf und * 
erzählen sogar deren noch mehr. Dieser christliche Fanatismus 
kam dann zur vollen Entzündung als die ersten Kreuzfahrer- 
schaaren das Moselthal herauf zogen. In allen Städten wurden 
die Juden geplündert und erschlagen und in Trier konnte Erz- 
bischof Egilbert nur einem Theile, der in sein Haus flüchtete, 
das Leben dadurch retten, dass sie sich bereit erklärten, sich 
taufen zu lassen. Dies geschah denn auch, hatte aber so wenig 
. Bestand, dass die Trierer Chronik selbst erzählt, im nächsten 



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• 156 i^ucli : Von Gerhard vom Elsasse bis zui- Abdankung Simon s II. 

Jabre seien Alle wieder zum Judenthume zurückgekehrt mit 
Ausnahme des Babhiners Michäus. 

Um der Zunahme des Luxus zu steuern, machte Herzog 
Simon n. eine besondere Ordnung, welche jedem Stande seine 
Kleidung vorschrieb. Er verbot auch das Glücksspiel und ver- 
trieb Seiltänzer, Taschenspieler und Sänger. Aber dieser Luxus 
war jedenMs nur in den grösseren Städten vorherrschend, wäh- 
rend auf dem Lande noch die grOsste Ein&chheit und selbst 
Bohheit herrschte. Das nOthig gewordene strenge Verbot gegen 
Schimpfworte, Einehen u. dergl. zeigt, wie schlimm es noch in 
dieser Hinsicht aussah. Ueberhaupt konnte das Christenthum 
in vielen Gegenden heidnische Sitten und Gebräuche noch lange 
nicht ausrotten und die es mehr auf das Aeusserliche absehende 
Religionsübung war einer Besserung nicht günstig. Nur die 
Städte ragten hier hervor, denn ihre Mauern sicherten sie in 
den vielen. Eli egeu und Parteikftmpfen und es bildete sich ein- 
besserer Bürgerstand aus, der Gewerbe und Handel betrieb und - 
zu Wohlstand gelangte. Natürlich ist hier haaptsädilich nur 
von den vier Bischo&tädten die Bede, welche auch die ZeiÜage 
benützten, um sich von den Bischöfen frei zu machen, die eine 
Art Herrschaft über diese Städte geübt hatten. Der Investitur- 
streit mit so vielen Ein- und Absetzungen der Bischöfe gewährte 
den Bürgern Gelegenheit, sich die Parteinahme für den einen 
oder andern durch grössere Zugeständnisse vergelten zu lassen, 
und wenn gar der Sitz auf längere Zeit erledigt war, so han- 
delten sie überhaupt auf eigene Faust und der Nachfolger musste 
das inzwischen Geschehene anerkennen. So benützten sie im An- 
£Euige des zwölften Jahrhunderts die Gelegenheit, ihre städtischen 
Angelegenheiten nach eigenem Wjllen zu ordnen, und als Bischof 
Theodger sich von Metz entfernen musste, nahmen sie sogar 
bischöfliche Güter in Besitz, so dass Theodger's Nachfolger, 
Stephan von Bar, mit Hülfe seines Bruders und d^ E^isers Lo- 
thar n. die Wiederherstellnng des alten Zustands und der ent- 
rissenen Güter fSrmlich. erzwingen musste. 

Ausser den vielen Fehden und Kriegen litt das Land öfters 
auch durch Elementarereignisse. So zerstörten beständige Regen 
im Jtihre 1099 alle Emdten und verursachten eine furchtbare 
Hungersnoth, sowie epidemische Krankheiten (feu sacr^), in 
Folge welcher in wenigen Tagen Arme und Ffisse der Ange- 
steckten anschwollen, brandig und schwarz wurden und der Tod 



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G. Innere Zustünde. 



157 



sofort eintrat. Im Jahre llf)! I»rat li eine neiu' Jliijigersiiotli an>', 
wck-lie aucli dio Aufoi)f('run<^ vorschicdi'mM' (irosseu nicht viel 
niiklerii könnt»', dorm was koiinto os boi den theueren Cu'trcide- 
preisen viel helfen, wenn ein Bisehof nehen seinen vertlieilten 
Vorräthen aneh n(»eh sein Mohiliar verkaufte, um den Leuten 
Nahioin^fsinittel zu verschallen, war docli die Notli über zu irros<e 
' Strecken verbreitet un«l konnten Vorräthe aus weiter Fej iie bei 
den man<^elnden Verkeluswe^M'n erst nach sehr lanj^er Zeit herbei- 
geschatlt Averden. Endlich wiederholte sich eine ähnliche Hini- 
gersnotli I I!) 7 und 1 HIS in i^anz Lothrinjj^en. Unter ^oldien 
T'mständen starben viele Tausende, Andere wanderten aus und 
die J^evölkerunij; nahm reissend ab. Oanze Gegenden schienen 
entvölkert zu sein . das Thal von Senones liatte nur noch eine 
ganz kleine Anzahl Bewohner und erschien wieder so einsam 
und öde , wie vor Jahrhunderten. Leider half auch der religiöse 
Aberglauben diese Uebel nur noch vermehren ; anstatt für 
Vorräthe rechtzeitig Vorkehrungen zu tretten. vergeudete man die 
beste Zeit mit Processionen und Ausstellung von Heiligenre- 
liquien, wo durch das Zusammendrängen der Menschen Lpidemien 
oft erst ihre rechte Verbreitung fanden, und kein Mensch dachte 
daran, tüchtige Aerzte ausbilden zu lassen. Eine Anzahl besserer 
medicinischer Kenntnisse nuisste in dieser Zeit Erfolge erzielen^ 
welche wie Wunder erschienen , und viele Heiligen zuge- 
schriebene Wunder mögen einfach auf solche Heilcuren zurück- 
zuführen sein. 

Während der häufigen Kaubzüge und kriegerischen Ueber- 
ftUe sah es auf den Laiidorten schlimm aus, denn sie waren 
nicht wie die Städte durch Mauern geschützt. Sie sahen sich 
daher genöthigt wenigstens Kirchen und Friedhöfe mit hohen 
und dicken Mauern zu umgeben, um im Falle der Noth Fersonen 
und Habe dahin zu flüchten und darin Widerstand zu leisten. 
AVir linden daher in lothringischen Dörfern nocli viele in Fried- 
höfen stehende Kirchen, welche ein kastellartiges Aussehen 
haben, z. B. in Bademenil bei St. J)'\^ und Chazelles bei Metz. 
Selbst einzelne Klöster bauten sich solche Schutzmauern und 
jenes von St. Die glich fast einer Veste , w elche durch ihre 
höhere Lage den Ort beherrschte. Auf dem Lande konnten die 
Kriege nicht so andauernde Folgen erzeugen, denn die zur Zeit 
der «iefahr in solche Kirchhöfe und Wälder gefiücliteten Be- 
wohner kehrten alsbald wieder zur Bestellung der Felder zurück. 



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lüÖ Buch: Von üerliard vom EUasse bis zur Abdankung Simon's II. 

Dagegen Upt der Handel und Verkehr sehr bedeutend durch die 
Unsicherheit und oft huge ünterbrediuiig. Ausfuhrartikel hatte 
Lothringen damals nur in geringer Anzahl, wogegen es eine 
Menge Bedfirfnisägegenstände aus der Feme beziehen musste. 
Ein reger Verkehr gründete sich auf die zahlreichen Salinen, 
besonders im Seillethale bei Dieuze, Yic, Moyenvic und Marsal, 
bei Rozikes etc. und die meisten Klöster wussten nach und 
nach gewisse Bechte an denselben zu erlangen, wodurch sie das 
Salz für ihren Bedarf selbst erzeugten. Wahrscheinlich trieben 
sie auch damit Handel und versorgten andere Abteien und 
Gegenden mit Salz. In den oberen Vogesen betrieb man femer 
eiuigc Silberbergwerke, so zu St. Di4 und im Leberthale, und 
der Ertrag war damals nicht gering, denn er lieferte das nöthige 
Silber f&r die lothringischen Mfinzen und jene des Cäpitels von 
^St. JM. Eisenerzbergbau wurde im Vaud^mont schon im 
zwölften Jahrhunderte betrieben, dagegen noch nicht im Ome- 
und Fenschthale. 

Der Weinbau &nd in dieser Zeit grössere Ausdehnung und 
wurden zu Gunsten desselben zahlreiche Waldausrodungen unter- 
nommen. Aber man wfthlte dafür auch zu oft ungünstigen 
Boden und sah mehr auf die Menge als die Güte des Erzeug- 
nisses. Die Biererzeugung wurde ziemlich überall betrieben, 
namentlich aber da, wo kein Weinbau stattfond, wie 'in den 
Vogesen. Hier yerwandte man dann auch bei Bemiremont 
Hafer dazu, weil es dafür zu wenig Getreide und Gerste gab. 
Bei dem Beiehthum an Klöstern und den yieleu vorgeschriebenen 
Fasttagen war die Anlage zahlreidier Fischteiche eine Noth- 
wendigkeit und wir finden daher in Lothringen eine reiche An- 
zahl von Weihern, die grosse Mengen Fische auch zur Ausfuhr 
lieferten. Die Flüsse hatten ausserdem auch noch einen grossen' 
Beiehthum an Fischen und lieferten Arten, die heute gar nicht 
mehr vorkommen. Namentlich gab es viele Sahnen und es 
wurde von den Sahnenfilngem sogar ein besonderer Zehnten 
bezogen. 

Zur Unterhaltung und Belebung des Handels waren viele 
Märkte errichtet, die besonders bei Klöstern und Städten starken 
Besuch erhielten. Fast alle Klöster tfosserhalb der Thore von 
Metz hatten solche Märkte gegründet und jene von Verdun 
waren sogar berühmt und zogen Händler aus entfernt gelegenen 
Gegenden herbei. Letztere sanken aber durch die zunehmende 



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6. Innere Zustände. 159 

Uodcherheit herab, als Beinhold von Bar daselbst einen festen 
Thurm errichtete und Ton da ans Ober die Händler herfiel. 
Selbst die Zerstörung dieses Thurms konnte die alte Bedeutung 
des Markts nicht wieder herstellen. Diese Märkte dauerten in 
der Bogel acht Tage und waren daftlr besondere Vorschriften 
gegeben, denn es &nden dabei audi Wettrennen und Volksbe- 
lustigungen statt und musste fQr genaue Handhabung der Qe- 
widits- und Maasspolizei gesorgt werden. Es lag nun besonders 
dem Herzoge ob, dem Handel Sicherheit zu Yerschaffen und die 
Strasaenrftuber streng zu bestrafen. Waren es gewöhnlichere 
Leute, so wartete ihrer das Loos, gehängt zu werden, während 
man mit den Edelleuten glimpflicher umging. So hatte Graf 
Heinrich von Grandprä im Gebiete des Bischofb von Verdun 
reiche Handelsleute Ton Huy ausgeplündert und wurde deshalb 
Ton dem Bischöfe und seinem Vogte, dem Grafen von Bar, be- 
kriegt. Doch kam er mit geringer Strafe und einigem Schaden- 
ersatz davon. 

Eine grosse Schwierigkeit war dem Handel durch den 
Mangel an Brocken bereitet Gewöhnlich setzte man ftber Flfisse 
nur vermittelst Nachen und grösserer Fähren. Nur hier und 
da hatte man auch schon hölzerne Brücken erbaut, die aber 
auch oft durch Hochwasser wieder zerstört wurden. Die Herren 
und Abteien, welche solche Fähren oder Brücken unterhielten, 
bezogen dafür ein Brückengeld, wie denn auch Strassengelder 
erhoben wurden. Bei Metz gab es damals wahrscheinlich schon 
zwei hölzerne Brücken über die Mosel, da die römische Brücke 
mit steinernen Pfeilern jeden&Us schon lange zerstört war. 
Gegen 1070 errichtete die Abtei Bouzikes eine Brücke über 
die Meurthe und es mögen ausser diesen nur erst wenige be- 
standen haben, da die Chroniken vollständig darüber schweigen. 

Längst war es zur frommen Mode geworden, Pilgerfahrten 
nicht bloss nach Bom, sondern auch nach Palästina zu unter- 
nehmen, da letzteres damals noch ni^ht im Besitze der Mo- 
hammedaner war. Als aber letztere überall den Obsieg erlangten, 
wurde es für eine fromme Pflicht der Christenheit gehalten, 
Palästina unter christlicher Herrschaft zu erhalten. So entstand 
der allgemeine Buf begeisterter Mönche zu Ereuzfohrten nach 
dem heiligen Lande und da^derselbe an der Grenze des Landes 
erschoU und die Hauptzuzüge sich in Lothringen versammelten, 
so nahmen auch viele Lothringer daran TheiL Schon mit Gott- 



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IGO ^* Buch: Von Gerhard vom Elsaftse bis zur Abdankung Simonis II. 

fried von Bouillon zogen Graf Reinliold III. von Toul und sein 
Bruder Peter nach Palästina und zeicluieten si< li im Kampfe 
gegen die Sarazenen aus. In den ^ erzeichnissen der Theilnehmer 
solcher Züge werden uns aus Lothringen folgende genannt: 
Archidiaconus Adalbero von ^letz, Sohn des Grafen Konrad von 
Lätzeiburg, Balduin von (iiand]nv. Bartulf von Briey, Heinrich 
von Ormes , Hugo von Hriey , tsvard von Mouzon , Erzdiaconus 
Ludwig von Toul , Kadulf von Mouzon . Reinhold von Verdun, 
Prior Beinhold von Mihiel und Wilhelm von Ferrierea, ohne 
dass aber angegeben ist, in welches Jahr ihre Antheilnahme 
fieL In den Jahren ILU und 1140 machten die Geistlichen 
Kuno und Hugo aus der Diöcese Toul die Fahrt und selbst der 
Bischof von Verdun, Albero von Ghiny, begann 1 143 denselben 
AVeg einzuschlagen, erhielt aber zu Korn vom Papste Cölestin II. 
den Befehl, in seine Diöcese zunickzukehren, weil dort seine An- 
wesenheit nöthiger sei. Am zweiten grossen Kreuzzuge (1147) 
nahmen unter Anderen Antheil der Touler Bischof Heinrich von 
Lothringen, der Bischof von Metz, Graf Stephan von Bar, Graf 
Keinhold 1. von Bar, Graf Hugo von Vaud(?mont, Simon von 
Parroye, Haimon und noch andere Herren. Graf Iloimith I. von 
Bar zog 1179 zur Busse nacli Palastina, verweilte dort mehrere 
Jahre und starb 1191 in St. Jean d'Acre. Als die Sarazenen 
Jerusalem wieder erobert hatten und Papst Gregor YHL zu 
einem neuen Kreuzzuge aufforderte, nahmen besonders zu Metz 
viele Borger das Kreuz. Im Jahre 1189 zog der Toider Bischof 
Peter von Brixey denselben Weg mit Graf Heinrich IL von 
Salm , Gobert von Apremont . sowie Karl und Keinhold von 
Montreuil, aber der Bischof kehrte nicht wieder zurück, sondeni 
starb 119'2 in Palästina. Sein Nachfolger Udo von Vaudemont 
nahm trotzdem mit seinem Neffen Hugo 119G auf dem Keichs- 
tage zu Speyer das Kreuz und starb während der Heise. Im 
Jahre zuvor hatte auch der Metzer Bischof Bertram fünfzehn 
Eccicsiastiker seiner Diöcese, welche während ihrer Abwesenheit 
ihre Pfründen beibehalten sollten, zwölf Kitter und zweiund- 
dreissig Bürger mit dem Kreuze bezeichnet. 

In Folge dieser frommen Begeisterung fanden auch die 
Kitterorden der Tempelherren und Johanniter in Lothringen bald 
Eingang. Die Ersteren ^gründeten schon 1133 in Metz eine 
Niederlassung, erwaiben viele Güter in der Ülngcgend und er- 
bauten sich später ein grösseres Kloster mit Kirche. Sie hatten 



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6. Innere Ziutfinde. 



161 



Häuser in Kattffl hofen. ^ifihgpiont, Gelucourt, ^0[ercy and r^^^^. I > , 
sonst. In der Diiksese ron Yssdun besassen sie nicht bloss ein S^i'^r' 
Hans in der Bischofrtadt selbst, lindem aach noch in vier V 
anderen Orten, zn Longuyon nnd Pierrevillers im Barrois und 
erhielten die altoi Prioreien von Doncoort, Marbode, Warge und 
St Jean bei Etain. In der To uler D iCcese hatten sie nicht 
weniger als zwölf Niederlassungen, die sie freilich theilweise 
erst in der folgenden Periode erwarben, zu Libdeau bei Toul, 
St. Georges bei Luneville, Cercueil, Couvert Puits, Dagonville, 
J^zainYiüe, Baru oder Bru, Brouvelieures, Reussanville, Xugney, 
Norroy nnd Virrecourt. Es mag sein, dass auch die Herzoge 
von Lothringen zu diesen Stiftungen beitrugen, wie deren naber 
Verwandter Wilhelm von Haraucourt diesem Orden um 1ir)0 
angehörte. Die Templer im Barrois^ standen unter der Baillie 
von Champagne, die übrigen aber bildeten die Lothrin ger Baillie , , . 
welche unter dem Grossmeister in Deutsclüand standT — Fast ( \ v • . 
zu gleicher Zeit traten die J ohanni ter in Lothringen auf, hatten i^vi.-- 
*aber nur wenige H&oser daselbst. Bas bedeutendste war wohl • 
jenes in Metz, fenier bei Nancy (St. Joan-le-Vieil-Aitre). Die ^ 
Bestimmung ihrer Häuser war noch mehr als bei den Templern, 
neben der Aufnahme der Ritter und ihrer Diener, der Beher- 
bf^rgung der Pilger, Reisenden und Kranken gewidmet und er- 
füllten sie dalier so ziemlich denselben Zweck wie sp&ter die 
Hospitien oder Hospitäler. 

Letztere waren in dieser Zeit zur Nothwendigkeit geworden » / 
durch die grosse Zahl der Pilger und Fremden, welche Reisen j • C ' 
durch das Land machten. Nancy besass ein solches schon im t 
12. Jahrhundejrt nnd 1091 war sogar schon das zu Toul bei der 
Abtei St. Leo gegründet worden. Das Spital zu ver- 
dankte einem reichen Laien Namens Constaiitin seine Ent- 
stehung, der anch die steinerne Brücke über die Maas auf seine 
Kosten erbauen liess, und zwar waren es zwei Hospitien für 
Kranke und für Reisende. Sa igbur^ erhielt 1 1 73 ein Hospital 
durch Bischof Heinrich von Pluvoise in Metz und em ähnliches 
besass auch Mousson. Daneben entstanden ferner L eprosenhäus er 
für Leute, welche an ansteckenden Krankheiten litten und daher 
abgesondert gehalten werden mussten. Schon im 12. Jahr- 
hundert entstand ein solches zu Valcourt bei Toul, worin nebst 
einem Priester ein Dutzend Leprosen wohnte, denen täglich, 
Brod, frisches Fleisch, Wein und Geld gereicht wurde. Derartige 

Uuhn, Geschiolit« LotltringeiM. 11 



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162 ^* Bucli: You Gerhard vom Ebasse bis zur Abdankiui|r Simcm'a II. 

Häuser gab es in der \ orstadt St. Mansny zu Toul, zu Velaine 
bei Ligny, Madelaine l>ei Nancy, Varangeville , Neufcliäteau, 
Vaucouleurs, St. Aubin bei Conimercy, Gondrecourt und vor 
Metz. Man nannte sie in Lothringen gemeiniglich Bordes mid 
wenn sie grösser waren oder meluere zusammenlagen auch 
o Berdel, woraus später Häuser für otreritliche Frauen ihren Namen 

bekamen. Walirsclieinlicli entstanden diese Hrmser durch die 
aus dem Oriente zurückgebrachte Seu<*he dos Aussatzes. 

Wie der grosse Kirchenstreit unter Papst Gregor Vll. ver- 
derblich auf das Land einwirkte, ist schon in der politischen 
Geschichte gesagt worden und trugen auch einige Anhänger 
dieses Papstes vorschiedeno Belohnungen davon. Es erhielt 
Z. B. der Metzer Bischof Steplian von Bar das l'allium und 
nannte sich deshalb iiirzbischoi', so (hiss der £rzbischot' Bruno 
von Trier 1 1 1 f) von einem Condl zu Keims es auswirken musste, 
dass dem Biscliofc die Anmaassung solchen Titels untersagt 
wurde. In Verdun hielten die Bischöfe zu Kaiser Heinrich V. 
und es wurde deshalb Bischof Richard II. von den Mönchen von* 
St. Vanne nicht anerkarmt. Sein Erzdiacon Guy versöhnte sich 
aber mit liom und begab sich in die Kathedrale von Verduu, 
wo er ein päpstliches Schreiben gegen den Bischof auf dem 
Altar auflegte. Aber die Canoniker fielen über ihn her und 
obschon er die Reliquienschreine umfasste, zogen sie ihn 
an den Haaren und mit Fusstritten aus der Kirche und 
faiu^ten ihn vor den Bischof, der ihn im Schlosse Grandpr^ ein- 
sperren Hess. {Später floh Guy nach Kom. Die Canoniker ge- 
riethen auch später noch in directen Streit mit den Mönchen 
von St. Vanne, welche ihr Kloster verschlossen un^ den Eingang 
verwehrten, wobei ein Mönch schwer verwundet wurde. Der 
Bischof setzte deshalb den Abt ab, der sich mit einigen seiner 
Mönche hierauf in eine Priorei seines Klosters begab, wo er 
blieb bis Bischof Richard auf einer Reise 1114 im Kloster 
Monte Cassino in Italien gestorben war. Derartige Ereignisse 
fielen in der Zeit des Kirchenstreits auch noch anderwärts vor 
und schadeten natürlich am meisten nur der Sache der wahren 
Humanität und Frömmigkeit. Ein ähnlicher Zwist brach 
unter dem nächsten Bischöfe Heinrich ans Winchester in En<^'- 
land aus, welchen das Volk als Kindrinf^ding erklärte und nicht 
anerkennen wollte. Der Bischof erhielt nnn zwar, als er nach 
Mailand reiste, die Bestätigung des i'apstes, aber die Bewohner 



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ü. liuiere Zustände. 



163 



von Yerdmi wallten ihn trotzdem doeh nicht .einlassen und der 
Bischof rnusste in der Yeste Hattonch&tel sich niederlassen. 
Derselbe verband sich dann mit dem Qrafen Reinhold L von Bar 
gegen die Stadt und als die Bfirger einen Aus&ll machten und 
zurückgeworfen wurden, drangen die Leute des Bischöfe und 
Grafen mit in die Stadt und es entstand darin ein Brand, der 
drei Kirchen in Asche legte. Endlich wurden auch die in die 
Kathedrale geflüchteten Einwohner fiberwftltigt. Kaiser Heinrich 
gaj) nun die Grafschaft an Heinrich von Grandprä mit dem 
Auftrage, den Bischof und Beinhold zu vertreiben. Da ihm die 
Bürger nachgemachte Schlüssel zu den Thoren gaben, so drang 
Heinrich von Grandprä ein und der Bischof musste sich durch ' 
Schwimmen über die Maas retten und nach dem Barrois fliehen. 
Endlich versöhnten sich Reinhold und der Bischof durch einen 
Vertrag mit der Stadt, behielten ihre SteQungen, Heinrich von 
Grandprä wurde durch Kirchengttter wegen der wieder ver- 
lorenen Grafenwürde entschftdigt und auch sonst musste die 
Kirche mehrere Güter in Folge dieses Streits abtreten. Nur 
die Abtei St Yanne wollte si<di nicht recht fSgen, verklagte 
den Bischof in Rom und endlich Hess sich letzterer durch den 
heiligen Bernhard bewegen, auf den Bischo&itz zu verzichten. 

In der Diöcese Toul gab es gleich&lls arge Kämpfe. Hier 
hatte der vornehme Sachse Pibo, bisher Kanzler des Kaisers 
Heinrich lY., die Bischofswürde erlangt, aber 1074 klagten ihn 
die Custoden der Kathedrale beim Papste Gregor YH. an, er 
habe das Bisthum erkaufk, Stellen verkauft, eine Concubine 
unterhalten (obschon er bereits alt war!) und der Bischof 
weigerte sich deshalb vor einem Condl zu Rom 1075 zu er- 
scheinen, weil ihm die Anschuldigungen zu Ificherlich erschienen, 
üeberhaupt hielt er mehr auf die Seite des Kaisers. Doch ver- 
söhnte er sich später mit dem Papste und zog sich 10S6 in 
die Abtei Si Benigne bei Dijon zurück. Auf Bitten der Diöcese 
und des Papstes Yictor HI. selbst übernahm er sein Amt wie- 
der und versah es bis 1107. Nach seinem Tode wühlte ein 
Theil der Canoniker den Ricuin von Commercy, die anderen aber 
den Konrad von Schwarzenburg zum Bischof. Ein pftpstlicher 
Legat wollte nun den Streit vermitteln und erschien in Toul, 
wurde aber vom Yolke verjagt. Später versöhnte sich der Bi- 
schof zu Cluny mit Papst Calixtus H. Auch Peter von Brixey, 
' der 1167 den Bischofsitz einnahm, gerieth wegen des neuer- 

11* 



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I(j4 n. Bach: Von Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung Simonis IL 

wSMten Trierer B^bischofs Folemar in Streit und wollte ihn 
nicbt in Toul einlassen , wofi&r er und der Bisebof Ton Verdun 
gebannt wurden, allein ersterer versöbnte sich anf einer Beise 
nach Kom leicht mit dem Papste und lebte sodann in Buhe. 

Wie . schon erwfthntf hatte der Eiiehenstreit auch sehfidUche 
Folgen fSr die alte Disciplin in den Abteien und Klöstern. Di 
Yeidun wurden allein noch die Bggdn Ton Chrodegang und 
AmalariuB beobachtet, andi in St JM von den Canonikem noch 
das gemeinschaftliche Zusammenleben beibehalten, sonst aber 
hörte es allmfiUch auf. Selbst die Pr orindalByn oden wurden 
selten mehr gehalten und auch dann scheint es nur geschehen 
zu sein, um för den Gfiterbesitz der Kirche zu sorgen. So ist 
von der im Jahre 1140 vom Trierer Erzbischofe Albero von 
Montreal! nach Dieulouard berufenen nur bekannt, dass.sie den 
Dietrich von Lnbercourt zwang, gewisse Güter an die ^che 
von Toul herauszugeben, welche Angelegenheit erst auf der 1147 
zu Toul abgehaltenen ProTlncialsynode endgültig beigelegt 
wurde. — Am Schlüsse dieses Jahres kam übrigens auch wie- 
der ein Papst nach Lothringen, nämlich Eugen IIL mit einer 
Anzahl von Kardinälen und Bischöfen, der einige Wochen zu 
Trier verbrachte und an Weihnacht feierlichen Gottesdienst in 
der Kathedrale hielt. Er weihte am letzten Tage des Jahres 
daselbst die Paulskirche und eröifnete am 13. Januar 1148 ein 
Concil, lun die Lehren und Schriften der heiligen Hildegarde, 
erster Aebtissin auf dem Kupertsberge bei Bingen, zu prüfen. 

Die Kämpfe zwischen Staat und Kirche und die von den 
Päpsten beanspruchten neuen Kechte hatten zur natürlichen 
Folge, dass einzelne gebildete Männer und Gelehrte sich wieder 
mehr in der Bi bel u nd den ältes ten Kirchenschriften umsahen, 
ob denn die neuen Lehren auch in iler That begründet seien, 
und die weitere Folge davon war, dass sie erkannten, wie die 
ursprüngliche alte Lehre des Christenthums nach und nach zu 
Gunsten der Herrschaft des Clerus und besonders des Papstes 
umgestaltet wurde und das alte Kecht der Gemeinde dabei 
verloren ging. Es Hess sich auch nicht vermeiden, dass noch 
über andere Kirchenlehren Zweifel entstanden, diese in engeren 
Kreisen mitgetheilt wurden und die Ansichten zu weiterer Ver- 
breitung gelangten. Schon zu Anfang des zwölften Jahrhunderts 
bildeten sich daher im Geheimen_Conventikel und Secten und 
besonders in der Diöcese Trier, namentlich in der Gegend von * 



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6. Innere Zustände. 



165 



Yvoy , sclieiuen sie bosoiulers verbreitet «gewesen zu sein. Wenn 
man den kirchlichen Chronisten Gkiuben sdienken flürfte, so 
hätten sie die wirkliclie Anwesenlieit Gottes in der Hostie ge- 
leugnet und die Taufe der Kinder für unnöthig gehalten, Lehren, 
welche auch später innner wiederkelu'ten und namentlich die 
Keforniationszeit bewegten. Wie dem auch sei, die Anhänger 
solcher Secte wurden dem Erzbischof Bruno angezeigt und dieser 
Hess zwei Geistliche und zwei Laien verhaften , welche die 
Hauptverbreiter dieser Lehre sein sollten. Ein Priester und ein 
Laie entkamen, der zweite Laie widerrief die Lehre als in- 
thümlieh und ein Priester leugnete überhaupt die Theilnahme, 
worauf beide wieder entlassen wurden. Der letztere soll aber 
später wegen Ehebruchs auf der That ertappt worden sein und 
erlitt die Todesstrafe. 

Wie dem auch weiter sei, so zeigen Synodalstatuten des 

^J[ouler Bischofs Udo von Vaudemont aus dem Jahre i\ dass . • ^ r 
aus dem Waadtlande die Lehren der Waldenser in manche cid 
Theile Lothi'ingens eingedrimgen waren. Diese Statuten sjigen, 
dass nicht nur Mönche damals aus den Ivlöstern flüchteten und 
den Gelübden untreu wurden, sondern auch die erwähnten Lehren 
Anhänger gefunden hätten, denn sie geboten, solche Leute anzu- 
halten und nach Toul zu liefern. Sechs Jahre später drangen 
dieselben Lelu-en auch aus dem Süden Frankreichs in das Mosel- 
thal ein und es wurden hier besonders Uebertragungen der Bib el 
in di e Volk ssprache verl)reitet, sowie in gewissen Vereinigungen 

^vomfärmern unT Frauen gelesen und erklärt: ja es wurden in 
denselben förmliche Predigten gehalten und man fand es nicht 
einmal für nothwendig es geheim zu halten. Es geschah dies 
unter Bischof Bertram in der Stadt Metz und verbreitete sich 
von da in die Umgegend und bis nach Verdun. Der Klerus 
mahnte ab, ohne Erfolg zu haben, und der Bischof schrieb 
darüber selbst an Papst Innocenz III. Der Papst fand eine 
übereilte Strenge für nicht gut und richtete zwei Schreiben 
nach Metz. In dem einen ermahnte er die Anhänger der Secte 
in die Gemeinschaft der Kirche zurückzutreten , in dem andern .11 ( ^ 
verlangte er von Bischof und Domcapitel nähere Aufklärungen - ' 
über die Bibelfiberseteung , die Absichten der Uebersetz^^juuL. 
den CharakteT^er ~Yersammlungen und Predigten. Der iföflohof 
erwiderte darauf, dass die Anhänger der Secte zunehmen und 
kAhuer wfirden, sowie auf die Ermahnngen des Eleius antwor- 



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II. Buch: Von Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung Simon'» IL 

teten, man mfisse Gott melir gehorchen als den Menschen. 
Daranfhin beauftragte der Papst nochmals die Aebte von 
Citeanx, Morimond und hi Cr^te sich nach Metz zu begeben 
und eine noch genauere Untersuchung anzustellen; aber deren 
flbereifirige JBemfihungen sduideten mehr als sie nfitzten. Ohne- 
hin fiinden die Sectirer eine Stfltze an einer sehr einflussreichen 
Familie in Metz selbst und als der Bischof einem ihrer Mit- 
glieder das kirchliche Begrftbniss wegen Wuchers versagte, ver- 
folgten sie den Bischof sogar bis in die Kirche, wo er sofort 
zwei der angeblichen Waldenser sah, sie dem VoUce als Priester 
des Teufels bezeichnete, die in Montpellier als Häretiker ver- 
urtheilt worden seien, dann aber von diesen sofort einen ent- 
schiedenen Widerspruch erhielt und bis zur Mitte der Kirche 
verfolgt wurde. Nach dem Gottesdienste hielten diese Fremden 
dann Fredigten im^eien, erwiderten den Geistlichen, welche 
fragten, wer sie dazu ermächtigt habe, ein&ch, dass es der 
heilige Geist sei, und verbreiteten dann ihre Lehren weiter im 
.LandiB, bis endlich Herzog Simon H. alle solche Zusanunenkfinfte 
streng verbot Die Sendung der erwähnten Aebte hatte unter 
solchen Umständen natürlich keinen anderen Erfolg als die 
Wegna hme einiger Exemplare der Bibelübersetzung und die 
Secte erlosch erst gegen Ende der "l&egi^nn^ des Bischöfe 
Konrad I. im Jahre 121^* Es war eben fOr eine Beformation 
die Zeit noch zu frfiEe und es mussten noch dreihundert Jahre 
bis dahin vergehen, wo sie glücken konnte. 

Die Waldenser hatten zu einem Hauptangriffe den Beich- 
thum der Bischöfe und Klöster an weltlichen Gütern gemacht, 
weldier die übrige Bevölkerung sehr beschränke, und sie fügten 
diesem auch noch den Hochmuth und das weltliche Treiben der 
geistlichen Würdenträger hinzu. Es waren allerdings durch 
Kriege und Uebergiüffe der Grossen der Kirche wieder manche 
Güter abgenommen und ihnen ebenfalls Lasten auferlegt worden; 
aber sie waren im Ganzen reich genug, fortwährend auf weitere 
Vermehrung des Besitzes bedacht und die schönsten Güter der 
vornehmeren Familien kamen allmälich mehr und mehi* an die 
todte Hand. Zu dieser Verweltlichung der ol)erou Würden- 
träger traten dann manche Missbräuche und Ausschreitungen in 
den Klöstern und es kam z. B. 1201 in jenem von Senones 
so weit, dass die Mönche einen reichen Weltpriester Namens 
Conon (Cuno) wählten, der zwar nicht einmal die Benedictiner- 



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6. Innere Zustände. 



167 



Ordensregel kannte und lieber dei- Vo((el])eize nachgin<jf. aber dem 
lierabüfekommenen Kloster verspracli ilmi wieder aiifzulielfeu. J!l.^_— ^ 
Die jilanneji von Ij^min'niont benutzten den l>rand ihres Klosters 'T?^^^^- 
von iOiu dazu, um die Henedictinerreofel zu verlassen und sich 
srdbst zu säcularisiren , indem sie beiiau]»teteii. ihre Mittel er- 
laubten den Wiederaufbau des Klosters nicht mehr, und Privut- 
\vohnuno\Mi bezogen. Später als auch die Kirche noch abl)rannte, 
empfalil zwar Papst Eugen III. auf ihre Bitten den Erz})ischöfen 
von Trier und Köln für Heiträgn zum Wiedeiaufbau zu wirken, 
aber nicht ohne das Benehmen der Xonniai zu tadeln. Die Bi- 
schöfe von Toul versuchten zwar einzuschreiten, a))er das Kloster 
war wie andere in den Vogesen si-hon durch Papst Pascal TT. 
von dessen Gerichts))arkeit befreit und dem Bischöfe war es 
sogar untersagt, ohni; Erlaubniss der Aebtissin im Kloster eine 
feierliche Messe zu lesen. Auch bezflglicli der anderen Ver- 
hältnisse stand das Ivloster direct imter dem Kaiser und sein 
Vogt hatte nur geringe Keehte! Ja Kaiser Buihdf von Habs- 
l)urg ertheilte der Aebtissin sogar später (l'iSO) den Titel einer 
Keichsfürstiu. Als solche erhielt sie ein grosses \Va]^)eu und 
vom Kaiser eine Art Scepter, welches cüe Tebertragung der Ke- 
galien an sie bedeuten sollte. Nahm sie an einer Procession 
oder öllentlichen Cereiuonie Theil, so trug ihr der Seneschall^ 
einen entblössten Degen voriuis als Zeichen der weltlichen Macht^ 
des Kapitels. Sclion in diesem einzigen l'mstande hätten übrigens 
die französischen Historiker, welche hartnäckig zu behaupten 
versuchen, Lotln'ingen luibe niemals wirklich als ]\Iitglied zum 
deutsclien Keiclie gehört, ihre beste Widerlegung finden können. 

Erzeugte das Zeitalter des grossen Kirchenstreites viele 
Zweifel an den neuen Lehren und regte es an . zu den echten 
(Quellen über das Christentlumi zurückzugehen, so entsand aucli 
unter den auf wahre Frömmigkeit sehenden Klostergeistlichen 
das Streben vom Hochmuth und der weltlichen IJeppigkeit des 
Klerus zurückzukeliren zu der früheren Einfacldieit und Strenge 
und es fand dies vielen Beifall und Förderung. Zuerst fand der 
von Bruno von Köln, Domschulvorsteher zu lleinis, gestiftete 
Orden der Karthäuser rasch Anklang. Derselbe suclite das 
Einsiedlerleben mit dem Klosterleben zu ver])inden und führte 
daher ein aT)geschlossenes schweigsames Leben in Zellen mit 
spärlicher und geringer Nahrung, härenem Büsserkleid über deni 
blossen Leib, Enthaltsamkeit vom Weinti-inken, stienge Andachts- 



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163 n. Buch: Vcni Gerhard vom ElsMse bis ZOT AbdankuDg Simonis II. 

Übungen und Handarbeit ein , ohne dabei die Wissenschaften 
und die Anlegung von Bibliotheken zu vernachlässigen. Wähi-end 
dieser Orden 10S4 entstand, erzielte Robert aus der Champagne 
und Benedictinerniönch mit seinem 1098 zu Citeaux bei Dijon 

' ' '. *■ gegründeten Cisterzienserorden eine weit grössere Bedeutung. 

Er bestand in einer Zürückführung zu den alten Vorschriften 
von Cluny mit grösserer Enthaltsamkeit und Einfachheit, reli- 
giösem Ernst und ärmlicheni Leben überhaupt und die Mönche 
vertauschten dabei die schwarze Benedictinertracht mit einer 
weissen Kutte. Dieser Orden verdankte ausserdem der Abtei 
Clairvaux seinen Aufschwimg, als Abt Bernhard dieselbe leitete 
und ihr durch seine eigene heiTorragende Stellung und Thätig- 
keit eine fast welthistorisclie Bedeutung verlioli. Bernhard war 
es vorzüglich, der diesen Orden nach Lothringen veryiflanzte, die 
Herzoge und Grossen zur Stiftung von Cisterzienserklöstern ver- 
anlasste und so die weitere Verbreitung des Ordens beförderte. 
Ausser den schon erw^ähnten Abteien entstanden noch folgende 
andere in Lothringen: das CoIIegium St. Sauveur zu Metz, die 
(Abtei Beaupre, J130 vom Grafen Folmar von Metz und Lune- 
gestiftet>j( die Abtei AjUcrs Betnach im Kannerthal, deren 

• V«' erster Abt Graf Heinrich von KärntheiV wurde, nachdem er zu 

Morimond Mönch geworden wara die Abtei von JJhalade, 1 1'28 
von einem HeiTe im Argonnenwald errichtet; die Abtei von 
Chätillon. gegen i 184 vom Bischöfe zu Verdun. Albero von 
Chiny, gestiftet; die Abteien von Tsle-en-Barrois, Vauz, Moa-> 
•i tier-en-Argonne und St. Bernhard im Woivre. 
■ Nicht minder ^jjross waren die Erfolge des Pränionstratenser- 

ordens, dei' vom Norddeutschen Norbert 1120 im waldigen Thale 
von Premontre bei Laon gestiftet und l>ald ein berühmtes Bei- 
spiel der Entsagung auf Reichthümer und Ehren und Strenge 
der Ordensregeln wurde. Norbert wurde später Erzbiscbof von 
Magdeburg und verschaffte seinem Orden besonders auch in 
Norddeutschland Eingang. Auch in Lotlii-ingen entstand alsbald 
eine Reihe solcher Klöster, wie zu St. i^aul in Verdun, Belval 
f ^ bei Beaumont in den Argonnen (1L57), Etanche bei Hatton- 

' . . chatel (1140) Flahemont im BaiTois und von Graf Hugo von 

- V'* Vandemont gestiftet, von Rieval, einer Stiftung des Grafen 
Reinbold von Bar, zu Jandoeure am Sauhbache (1140), zu 
Mareaux und Rengeval (iläO), Boüfa> bei Mirecourt (llöö). 



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6. Innere Zustfinde. 



169 



Justemont (1150) und Salival (IlOO), eine Stiftung tod Mathilde 
Yon Homburg, Gemahlin des Grafen von Salm. 

Auch der Augustinorordcn &ad im Lande vielseitig Eingang. - 



Gründung des Trierer Erzbischofe Peter von Montreuil, zu Autrey^ 
vom Metzer Biachof Stephan von Bar gegründet, za Val de 
8te. Marie in der Didceso Yerdun; Chatrix im Argonnenwald 
und St. Pierremont. Nicht alle diese ElOster bewahrten aber 
die Strenge ihrer Kegeln, verweltlichten und verweichlichten wie- 
der und musaten daher später einer Reform unterworfen werden, 
wie dies bei dem letztgenannten der Fall war. Manche der 
Regeln bewegten sich aber auch um recht nichtige Klein- 
lichkeiten und streiften dadurch sogar bis an's Lächerliche, 
z. B. dass die Mönche im Sommer alle vierzehn Tage, im 
Winter aber alle drei Wochen rasirt werden sollten, dass die 
Oanoniker sich viermal im Jahre schröpfen lassen mussten und 
zwar an bestimmten Tagen etc. 

Haben wir schon eine sehr stattliche Anzahl von Klöstern 
so im Lande entstehen sehen, so zeigt es sich auch, dass einzelne 
derselben eine übergrosse Anzahl von Mönchen besassen, wie 
z. B. Chaladc im Jahre 1130 deren an drei Hundert zäldte. 
Manche derselben gaben sich dem Ackerbau liin, besonders die 
Cisterzienser, denn es war dies nothwendig, um die vielen Mönche 
zu ernähren, andere aber suchten, um nicht selbst solche Arbeiten 
unternelmien zu müssen, einen einfachen Ausweg darin, dass sie 
ihnen unterstehende Prioreien errichteten imd den Mönchen der- 
selben die Arbeit allein überliessen. Daher sehen wir in dieser 
Zeit viele solcher Prior eien entstehen wie von Land<5court, 
Gondrecourt, Fröville, Breuil bei Conmiercy , St. Jacob zu 
Neufchäteau, St. Theobald zu Vaucouleurs, St. Mont, St. Nicolas- 
de-Port und St. Christoph zu Vic. Die Priorei zu Erivul wollte 
anfangs weder Kirche , noch Altäre , Liturgie und Sacraiiiente 
haben und erhielt auch später eine recht sonderbare Regel, die 
eine Art Einsiedlerleben einführte, aber um 1216 von I'apst 
Honorius m. gemildert wurde. Solcher Einsiedler gab es endlich 
noch eine grosse Anzahl, besonders in der Umcfebimg von 
Remiremont, und in einzelnen Klöstern lebten sogar Mönche 
und Nonnen , die sich für ilir ganzes Leben in eine Zelle ein- 
schliessen Hessen, wie z. B. im Kloster St. Amould bei Metz. 




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170 ^* Bach: Von Gerhard vom Elflasse bis zur Abdankung Simonis IL 

Es war dies nur Fol^^e der vorherrschenden religiösen Schwärmerei 
lind an eine heilsame Gegenströmung gegen solche Uel)ertrieben- 
heiten und sogar Menschennnwürdigkeit war damals leider noch 
lange nicht zu denken. 

In solcher Zeit war ein rascheres Aufbhlhen der Schulen 
und besseres Studium der Wissenschaften nicht zu erwarten. 
Die fraher ausgezeichnete Trierer bis chöfliche Schule scMen recht 
znr&cl^egangen zu sein und nur jene des Mathiasklosters hatte 
einige bessere Lehrer, wie Lambert von Lüttich, welcher das 
Leben des Erzbischofs Agrecius beschrieb und die Gesta Tre- 
virorum fortsetzte, und den Musiker und Liturgisten Johann. 
Zu Ej)temach wurde auch Griechisch und Hebräisch gelehrt und 
Abt Tliiotfried soll sich auf diese Sprachen gut verstanden 
haben. Metz bewahrte seinen alten Kuf bloss bezüglich des 
gregorianischen Gesangs und wurde sonst von der Schule von 
Gorz e überflügelt, welclie viele Lehrer nach auswärts lieferte. 
Verdnn hatte eine Schule , an welcher Erzdiaconus Hermanfried 
wirkte, der Griechisch, Lateinisch, Französisch, Deutsch und 
Italienisch verstanden haben soU. Ausser der bischöflichen 
Schule gab es daselbst noch eine beim Magdalenencoiieg. Auch 
die Schule von St. Vanne, welcbe sdion ganz junge Knal)cn 
aufnahm, hatte einige gute Lehrer und Schüler und lieferte an 
St. Mihiel mehrere kenntnissreiche Lehrer. Unter dem Bischöfe 
Brunn hob sich die Schule wieder melir und hatte zu den besten 
Schülern Ludolf, Gründer der Leosabtei. Wiebert, welclier das 
Leben des Papstes Leo TX. l>eschrieb, den gelehrten He/elin und 
besonders den Krzdiaciuuis HunaW. der sich zu seiner Zeit einen 
weiten Kuf verschattte. Dessen Nachfolger war Odo, ein 
Dialektiker, der nach der Methode des Boethius lehrte und die 
alten Philosophen, besonders Plato , den Kirchenvätern vorzog. 
Ausser diesen hatten nocli bessere Schulen die Abteien Senoues, 
wo der Italiener Anton neben den gewöhnlichen Gegenständen 
auch die Baukunst lehrte, und Moyen-Moutier. das sich zugleich 
auch durch den prachtvollen Neubau des Klosters auszeiclinete. 

Der rmfang der Studien war natürlich in dieser Zeit etwas 
grösser geworden . denn schon die Pilgerfaln ten und Kreuz- 
fahrten mussten den Gesichtskreis etwas erweitern. Es wird im 
Leben des Bischofs Udo von_l'oul erzälilt , dass derselbe von 
seinem Leiner nicht bloss in der Grammatik , sondern auch in 
den Lehren von Pythagoras über Mathematik und Musik, in der 



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6. Innere Zustände. 



171 



heiligen Sclirift und in den Civilgesetzen unterrichtet wurde, 
welch' letzterer Tnistand eine grosse Neuerung war. Auch 
gingen von Tvtul einige tüclitige Kechtskenner hervor, von 
welchen sich hesonders der Kleriker Arnulf auszeichnete. Der 
Unterricht in diesem Fache schloss sich in der Kegel an das 
sogenannte Triviimi an. In der Theologie begann ebenfalls ein 
fast neues Studiuin . namentlich Iiis durcli den benilunten Be- 
rengar der grosse Streit über die Abendiiiuhlsb'hre angeregt 
wurde. Zu Metz war der Domdekan 1 'aulin nicht nur mit 
Berengar in Briefwechsel und AMeiaungsaustausch, sondern scheint 
auch einigermaassen seiner Richtung angehört zu haben und 
jedenfalls gehörte lange zu seinen Anhängern der Canonicus 
Gerland von St. Paul zu Besanyon, bis er genöthigt war gegen 
die Kirche nachzugeben oder wenigstens zu schweigen. Be- 
zfiglich der mathematischen Studien ist zu erwähnen, dass man 
flieh damals schon bemühte die Quadratm* des Cirkels zu finden 
und dass auch über Astronomie gelehrt wurde. Sehr weit her 
mag es mit letzterer aber nicht gewesen sein , da z. B. Yom 
Lehrer Udo in Toumay gerühmt wird, er habe vor der Kathe- 
drale den Schülern mit den Fingern den Lauf der Sterne ge- 
wiesen, die Oonstellationen des Zodiakus bemerkt und die Mileh- 
strasse gezeigt. 

An Bflchem war allmäUch nicht mehr so grosser Mangel 
und verschiedene KlAster legten Ülir die damalige Zeit recht an- 
sdmliche Sammlungen Ton Bflchem an. Eine solche hatte das 
VincenzUoster m Metz und das Kloster Senones, die Abtei 
Moyen-Moutier besass 67 Bände, fünf Manche schrieben in fönf 
Monaten die ganze Bibel ab und im Amnl&kloster zu Metz 
beschäftigte man sich gleichfiiUs eifrig mit dem Bflcherab- 
schreiben. Die neu aufgetauchten Orden brachten auch in den Betrieb 
der Schulen und Wissenschaft etwas mehr Wetteifer und der Unter- 
ridit in der Grammatik dehnte sich so ziemlich Aber alle 
grosseren Stftdte und Flecken aus, ohne aber deshalb andere 
Lehrer als • Geistliche aufzuweisen. Nur nahmen jetzt auch 
mehr Laien am Unterrichte Antheil und derselbe wurde nach 
den Bedfirfiiissen in verschiedene Fächer geschieden. Die Heran- 
bildung von Geistlichen bildete natürlich immer die Hauptsache 
und dafür entstanden neben den gewöhnlichen Schulen auch 
noch besondere Seminarien zur praktisdien Ausbildung und für den 
Unterricht in den Gebräuchen und Ceremonien. Je nach dem 



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172 ^ Bach: Von Gerhard vom ElsasBe bis zur Abdankung Simonis IL 

Alfcer war der l'nterricht jetzt an verschiedene Lehrer vertheilt 
• und auch Bischöfe Hessen es sich manchmal nicht neluiien, 
selbst einen Theil des Unterrichts zu leiten . namentlicli für die 
schon älteren Schüler. Als tüchtiger Lehrer in Trier galt 
Balderich von Lüttich, der Biog'raph des Erzbischofs Albero von 
Montreuil, und in Metz der Erzdiaconus Gauthier (Walther), 
dem auch der nachmalige Metzer Bischof Dietrich von Bar seine 
Bildung verdankte. Der aus St. Georgen im Schwarzwalde be- 
rufene Bischof Theotger von Metz war selbst eiu guter Musik- 
kenner, schrieb mehrere theoretische Schiiften über die Musik 
und scheint namentlich diesen Unterricht gefördert zu haben. 
Es wurden übrigens bei demselben auch oft mehr Spielereien ge- 
trieben und der Prümer Abt Poppo ging sogar so weit , die 
neun Formen oder Arten des Gesangs mit den neun Engel- 
chören oder anderem Unsinn zu vergleichen. Es fehlte eben an 
tüchtigen ])raktischen Musikern und die einseitige Theorie ver- 
fiel dadurch nur zu leicht auf solche Abwege. Die Schule zu 
Verdun scheint es vorzugsweise nur auf Ausbildung von Geist- 
lichen abgesehen zu haben, von welchen in der That eine Anzahl 
wegen ihres Wissens gerühmt wird. An der Schule_zu Toul 
/ wurden mehr Lehrstellen als bisher errichtet und um Mittel 
^ dafür zu gewinnen nicht bloss die Zahl der Präbenden an der 
Kathedrale von 60 auf ÖO vermindert, sondern einige derselben 
auch den Lehrern selbst vorbehalten. Es wirkten dort drei 
Lehrer für Theologie, Recht und Philosophie imd zwei oder drei 
andere für die sogenannten Humanitätsstudien, alle unter eineiu 
Scholaster oder Kector, welches Amt der Erzdiacon und Bis- 
thumskanzler Ripert unter Bischof Udo von Vaudemont versah. 

Der Scholasticismus heiTschte damals noch nicht vor und 
fand an Hugo und Richard im Leokloster zu Toul entschiedene 
Gegner. Hugo Metel scldoss sich diesen an und kämpfte heftig 
gegen die Schüler des Aristoteles, denn er war mehr für eine 
moralische und praktische Richtung. Das Ansehen der griechischen 
Sophisten und der Dialektiker jener Zeit war für ihn nicht vor- 
handen und seine Fundgi'uben bildeten hauptsächlich die Kirchen- 
väter, von welchen er besonders Hieronymus, Ambrosius, 
Augustinus, Gregor den Grossen, Boethius und Beda benützte 
und in seinen Schriften anzog. Das merkwürdigste Buch diest;r 
Zeit , welches viel abgeschrieben und stark verbreitet wurde, war 
jedenfalls das vom Metzer Domscl^ojagter Gauthi er (Walther) im 



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G. Innere Zustände. 



17a 



zw^^Iften Jabrhnnderte in firanzOsiscIien V ers en verfiisste Bneh 
je Mappe monde^ eine Art Welt>- und NatarbesS reibimg, gegi-ündet 
anf das Werk von Ptolemftus und mit Benützung der damals 
allgemein zugänglichen Kenntnisse. Er behandelt darin nach 
dem Ptolemäischen Systeme die verschiedenen Mondsphasen, die 
Sonnen- und Mondecdipsen, den Thierkreis etc. und erl&utert 
Alles durch Zeichnungen. Aber er geht in der Darstellung der 
Geographie npch weiter, gibt uns Bilder Terschiedener wilder 
und missgebildeter Völker, die er nach Indien verlegt, beschreibt 
seltene Thiere und Pflanzen, erinnert an die In sel Meroe , wo es 
Mittags keinen Schatten gibt, und an die Insel Quanont illeT^ 
wo sechs Monate Nacht und sechs Monate Tag herrscht, spricht 
von der verlorenen und vom heiligen Brendan wiedergefbndenen ^lei 
Insel, womit er Irland meint, und vt^sammelt also in diesem 
Buche Alles, was man damals von der £rde wusste oder meinte. 
Dadurch wurde das Buch allgemein als Lehr fauch der Astronomie 
und Geographie gebraudit und der Verfiisser selbst galt allge- 
mein als ein sehr guter Philosoph. Vielleicht noch wichtiger 
als durch seinen Inhalt ist dies Buch für die Idteratorgesdiichte 
dadurch, dass es, als im Jahre erschienen*, das erste in 
rornan jscher Sprache geschriebene und bekannt gemachte^ 3&^k^ 
ist, das der 1160 auch frimzOsisch geschriebenen Geschidite der _ 
Normandie ziemlich lange voraus ging. — Nur die Medidn war 
eine Wissenschaft, welche in dieser Zeit noch nicht gepflegt 
wurde, obschon in der That das dringendste Bedfirfhiss vorlag. 
Wir sehen nirgends eine Pfl^e derselben, es herrschte überhaupt 
ein gftnzlicher Mangel an christlichen Aerzten und die Einzigen, 
welche sich mit diesem Wissen nfiher beschftftigten, waren Juden^ 
die theüs gewisse Kenntnisse darin in ihren Familien fort- 
pflanzten, thdls sich dieselben in Spanien oder Italien ver- 
schafften. Der Erzbischof Bruno von Trier hatte den Juden 
JoBua zum Arzt und die drei Aerzte, denen wir am Hofe der 
Herzoge von Lothringen b^egneten, waren wahrscheinUch II»- 
liener, der Eine davon vielleicht auch ein Jude. 

Es ist schon erwähnt worden, dass die Bttcher in dieser 
Zeit weniger selten wurden und dass einige Klöster schon er^ 
hebliche Sammlungen besassen. Besonders war der Domdekan 
Wilhelm von Verdun bemOht, Bücher zu kaufen, und schrieb 
solche selbst ab oder Hess sie mit erheblichen Kosten abschreiben. 
Auch Abt Ouno von St. Vanne war in dieser Bichtong eifrig: 



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j[74; ^* Von Gerhard vom ElaasBe bis zur Abdankung Simonis II, 

bemüht, machte Bficlieraiikfiufe imd liess «^r ein eigenes Ge- 
bäude för die Bfichersammimig herstellen. Merkwürdig ist aber, 
dass eifrige Forscher ans dem Anfange des achtzehnten Jahr- 
hunderts üftst nichts mehr von diesen alten Büchersammlongen 
aaf£stnden nnd so ziemlich Alles wieder spurlos verschwunden 
war mit Ausnahme einiger reich eingebundenen kirchlichen Bücher 
mit Initialen und Miniaturen, welche man mehr wegen ihrer 
Eigenschaft als Baritäten und Curiositäten besser durch die 
Stürme der Zeit zu erhalten wusste. 

Das Bedürfiiiss hatte dazu gezwungen, etwas mehr für die 
Architeotur zu thun, welche überhaupt mancherlei Fortschritte 
machte. Verschiedene £athedralen waren schon früher in An- 
griff genommen und mussten nun fertig gebaut werden. Eine 
solche aus dem vierten Jahrhunderte befand sich in l^rier und 
da sie baufiülig wurde, sah sich Erzbischof Bruno genöthigt, ihr 
mehr Festigkeit zu geben und den Bau weiter zu führen. Leider 
ging er aber von dem ursprünglichen Plan und Baustyl ab, 
machte neue Anbauten in ganz anderem Charakter und gab so 
dem Baue ein ziemlich buntes Gefüge. Zu Toul wurde die schon 
im zehnten Jahrhundert begonnene Kathedrale in der Mitte des 
zwölften Jahrhunderts beendigt imd von Papst Eugen m. im . 
Jahre 1148 eingeweiht. Kurz vorher geschah dies auch mit 
der Kathedrale von 'Verdun, die nur noch die Abseite und die 
zwei östlichen Thürme erhalten musste. Diese Arbeiten wurden 
von dem Baumeister Garin ausgeführt, dessen Herkunft man 
aber nicht inohr kennt. Der reiche Bürger Constantin liess den 
fertigen Theil mit Blei decken. Wenn der Erzählung des Abts 
Bicher aus dem Kloster St. Martin vor Metz zu glauben ist, so 
war die iu der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts erbaute 
Kirche dieses Klosters ein wahi-er Prachtbau. Sie war 160 Fuss 
lang, 60' breit, 04' hoch, hatte 8 Thore und 70 Fenster und die 
Wölbungen wurden von 120 Säulen getragen. Diese Angaben 
selbst mögen richtig sein, jedenfalls stark übertrieben war jedoch 
die Behauptung, keine Kirche in Rom, Antiochien, Jerusalem 
und Constantinopel habe sich mit ilir vergleichen lassen, denn 
in diesem Falle wäre denn doch auch in anderen Schriften dieser 
Zeit solchen Prachtbaues gedaclit worden. Von allen solchen 
Bauten ist leider fast Alles zerstört worden, oder sonst zu Orund 
gegangen. Viele davon mnsHten später auch der A'orliebe für 
den gothischen Spitzbogenstyl weidien und endlich setzte man 



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6. Innere Zustände. 



. im An&Dge des achtzehnten Jahrhunderts an ihre Stelle ganz 
geschmacklose Bauten ohne Styl und Wfirde. In dieser Weise 
erging es der grossen, durch Anton von Favia zu Senones er- 
bäuten Kirche im romanischen Styl. 

Die meisten Kirchen waren den ältesten Basiliken fihnlich 
und hatten drei parallele Schüfe, geschlossen durch ein Tran- 
sept, auf welches drei meistens halbrunde Abseiten geöffnet waren. 
Hilnfig waren die kleinen Abseiten nicht in der Achse der Seiten- 
schiffe und oft gab es nur eine einzige viereckige Abseite. Ei- 
gentiiche Säulen fehlen, dagegen lehnen sich Pfeiler und Pilaster 
an die Mauern. Zu St. Die und Ch amp-le-Du c toritt man vom 
Hauptschiff in die Seitenschiffe durch hohe und breite Arkaden ; 
oft waren Abseite und Transept allein gewölbt und das Schiff 
wie die Seitenschiffe hatten ein Dach von Holz. Fenster waren 
sparsam angebracht und klein, oft sich nach innen und aussen 
erweiternd und ohne weitere Verzierung. Die Strebemauern be- 
standen in ein&chen, wenig hervortretenden Pilastern. Die Ca- 
pitäler erinnerten meistens an die romanischen Bauten des Bhein- 
thals. Im Allgemeinen gehören also die Kirchen dem späteren 
romanischon IJaustyl an, sind einfach und in ihren Verhältnissen 
harmonisch und der Hauptschmuck ist in der Kegel auf das 
Portal verwendet, das man gern reich aussehend haben wollte, 
üm die Mitte des zwölften Jahi'hunderts änderte sich dieser 
Styl merklich. Die Viereck i<((Mi oder halbrunden Abseiten wurden 
rund, wie zu Blanzey tmd Morlanges, die Säulen wurden im In- 
nern der Kirche seltener, die Cai>itäler der Säulen, Pfeiler und 
Pilaster trugen weniger Sculpturarbeit an sich, die Strebepfeiler 
traten weiter hervor und man sielit daran sclion, wie der Spitz- 
bogenstyl auch in den romanischen Styl überhaupt eindrang, die 
Verzierungen reicher und mannichfaltiger wurden und an die 
Stelle der alten traten solche, die dem Pflanzenreiche entnommen 

' sind. Vorn oder um die ganze Kirche be&nd sich ein zu Be- 
gräbnissen bestininiter freier Platz und vor mehreren Kirchen 
auch ein Vorliof, in welchem man gewisse Ceremonien abhielt 
oder auch Kecht sprach. £in Beispiel davon bietet die Pfarr- 
kirche von Laitre mit ihren zwei auf den Hinterfussen sitzenden 
Löwen. * 

Von anderen Bauwerken ist wenig mehr übrig, zumal die 
ältesten Bauten vollends in der Revolutionszeit barbarisch ver- 
nichtet wurden. Der noch im zwölften Jahrhunderte erbaute 



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176 ^ Buch: Von Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung Sinion's II. 

Thurm vo n Vaudemont ist libeilweise noch erhalten, viereckig, 
aus Steinen Ton mittlerer Gr^Jeae, an den Ecken aber von unge- 
wöhnlicher Stärke angeführt und die Ifauem haben 12 Fuss 
Dicke. Die Thürme bUdeten den Mittelpunkt der Befestigungen, 
die von Gr&ben umgeben waren. Solche des Schlosses Savigny 
waren 15 Fuss breit, 90 Fuss tief und ausgemauert. Von ge- 
wöhnlichen PriTatbauten hat sich uichte mehr erhalten, weil auch 
die Bauart im Allgeirieinen nicht so sehr auf Feslägkeit und 
Dauer sah und in ganz Lothringen kaum ein Ort zu finden ist, 
der nii^t wenigstens einmal vom Feuer ganz verzehrt wurde. 

Auf die innere Verzierung der Kirchen verwendete man 
viel Geld. Jene von Toni hatte drei Altftre und einen silberaen 
Kronleuchter. An Festtegen wurden dann g^en dreihundert 
Kerzen gebrannt. Dieselbe besaas auch einen prachtvollen Schrein 
för die Beliquien des heiL Mansuy, welchen der Metzer Gold- 
arbeiter Gobert verfertigte, weil es in Toul keinen hiniflnglieh 
geschickton Kfinstler dafür gab. Einen nicht minder reichen 
Beliquiensclfrem besass die Abtei Moven-Mou tier und es be&nden 
sich darauf silberne Platten, auf welchen man die Hauptthaten 
des heiL Hidulf , GrAnders des Klosters, verzeichnete. Auch in 
dieser Hinsicht hat die firanzOsische Bevolution furchtbar aofge- 
rftumt, die Edelsteme verkauft, die werthvoUen Metalle einge- 
schmolzen, Marmorsfirge zu Gips vermählen und zu Metz warf 
man die im Amulfskloster unter reichen Monumenten begrabenen 
Gebeine von Mitgliedern der KM ^lingerfam ilie und anderer, später 
• Lebender, sowie die Beliquien sonst ganz ein&ch in die Mosel. 

Die schriftstellerische Thfttigkeit nahm auch in dieser Pe- 
riode ihren Ausgangspunkt vorzugsweise in den Klöstern, denn 
unter den Laien mangelte es daf&r noch an der rechten wissen- 
schafUichen Ausbildung. Wie die ersten Anfinge in der Samm- 
lung der Legenden und Heiligenleben lagen, so galt es jetzt 
besonders der Darstellung der Geschichte der Bisthfimer und 
Klöster, welchen die übrigen Ereignisse angereiht wurden. Eine 
solche Chronik der Bischöfe von Verdun verfasste Laurentius 
von Lüttich, Mönch der Abtei St. Vanne, der an seine Vorgänger 
anknüpfte und die Geschichtserzählung bis 1144 fülirte. Für 
die älteste Zeit der Stadt verfiel er aber auch auf Fabeln. Eine 
wirkliche Weltchronik schrieb ebenfalls zu Verdun Hugo, Abt 
von Flavigny in Burgund, die schon etwas melu- Wertli hat und 
bis 1102 reicht. Mit den Bischöfen von Toul beschäftigte sich 



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6. Innere Zustände. 177 

Adson von Montietfei^or , indem er zu den schon vorliandenen*^'' -^'v^^ 
Lebensbeschreibungen einzelner Bischöfe noch einige weitere an- 
fertigte. F^in anderer Namens Hugo aun Toul uchrieb auch eine 
Bischofsgeschi eilte, aber mit zu vielen Fabeln vermischt. 

Nicht minder beschäftigte man sich mit der Heiligenge- 
schiclite und Lothringen kann in dieser Hinsicht mit allen an- 
deren Ländern wetteifern. Dahin gehOrt das Leben des heil. 
Gerhard . Bischofs von Toul, von Abt ^N^dric im Kloster St. 
Epvre, auf ziemlich gute Nachrichten gegründet, nebst Berichten 
ilber die Heiligsprechung des Bischofs und die Ueberführung 
seiner Ueberreste. Vom lOrzdiaconus Wibert besitzen wir das 
Leben Bruno's, des nachmaligen Papstes Leo IX., das anfangs 
nur bis zu dessen Wahl zum Papste reichen sollte, später aber 
dennoch von Wibert noch bis zu seinen zwei Nachfolgern fort- / ' 

geführt wurde. Abt Nizon von Metioc schrieb das Leben des /A-^' ' • 
Trierer Erzbischofs Basin, mit Sorgfiilt das Begründete von dem 
Unerwiesenen unterscheidend. In Metz schrieben zwei Bicher; 
der Eine war A))t von St. Syniphorien und verfasstc eine Lebens- 
beschreil)ung des Bischofs Adalbero H., der Andere Abt des 
^lartinsklosters und verfasstc sowohl in Versen die Geschichte 
desselben, als jene in Prosa von Bischof Sigebaud. In Moyen- 
Moutier scluieb der Mönch Valcandus die Leben der heil. Hidulf 
und Die. 

Weniger bedacht ynirden die anderen Zweige des Wissens, 
doch hat sich darüber auch schon deshalb weniger erhalten, weil 
die früheren Schriften immer durch spätere überholt und der 
Vergessenheit überwiesen wurden, während die vorgenannten 
Schriften als Quellen besser erhalten wurden. Manches ist schon 
gelegentlich erwähnt worden, wie auch die Schriften des Metzer 
Bischofs Theotger, der unter Anderem' Homilien zum Unterricht 
imd eine Erklärung der Psalmen schrieb und sich Mühe gab, 
den Text der heiligen Selirift von Fehlern zu leMgen. Auch 
sind von ihm Briefe an verschiedene Zeitgenossen bekannt. Sehr 
Vieles schrieb Hngo M^tel, Canonikns zu St Le6 in Toul, von 
welchem aber wenig mehr übrig oder gedruckt ist. *Er war im 
Besitze ziemlieh grosser Gelehrsamkeit, ein genauer Kenner der 
Bibel, etwas mit dem Griechischen vertraut und las verschiedene 
römische Dichter, wie er denn leicht und viele Verse machte. 
Aber seine Sprache ist nicht gut, bilderreich und unklar. Nach 
den erhaltenen Ueberresten zu urtheilen, war seine Hauptbeschäf-^ 

Huhn, OMdiidile Lotfirlngvni. 12 



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«^78 ^^cl^- Von Gerhard vom Elsasse bis zur Abdankung Simon's II. 



tigung fibrigens das Yersemaclien, obselion Alles, was wir voa 
ihm besitssen, durchaus keine Spur YOn wirklichen poetischen An- 
lagen zeigt 

Von grosser Wichtigkeit fiir die Geschichte der Literatur 
ist der Umstand, dass gegen das Ende dieser Periode, unter der 
Verwaltung des Bischöfe Bertr am v on Metz, eines S achs en von 
^ Geburt (1179 — 1212), in "^sem Bisthume auf einmal Theile 
der heiligen Schrift in die römische Yolkssprache übersetzt^ 
wurden. Es waren dies .besonders die EyangeKen, Briefe dea 
Apostels Paulus, die Psalmen, Bficher der Moral u. s. w., welche 
sodann vom Yoülb begierig gelesen und ausgelegt wurden. Die 
Verbreitung dieser üebertragungen war so allgemein und der 
Zudrang zu den Predigten über diese Schriften war so gross» 
dass der Bischof sich veranlasst sah, darüber nach Born zu be- 
richten. Papst Innocenz IV. wusste offenbar anfengs nicht, wie 
er sich dazu verhalten sollte, denn in seinen nach Metz gesandten 
Briefen erklärte er, er sei weit entfernt, den Wunsch, die hei- 
ligen Schriften zu lesen und daraus den Predigtstoff zu nehmen, 
zu .tadeln, es sei die Wissenschaft den Priestern sogar sehr noth- 
wendig und erhöhe nur ihr Ansehen. Leider ist nichts von 
diesen üeb ersetzungen auf die spätere Zdt übägegan|;en und 
Bo wissen wir nichts Näheres darüber, sowie ob wirklich die 
üebertrogung zu Missdeutungen des Sinnes dieser Schriften bei- 
getragen habe. Auch waren dies nicht^e ersten.üebersetzungen 
in die romanische Volkssprache, da solche Im Süden schon vorher 
ver&sst waren. Aber für uns ist besondOTSMier Umstand bemer- 
... kenswerth, dass gerade hier an der Grenzscheide des Deutschen 
' und Bomaoischen, ja sogar auf einer Sprachinsel des letzteren, 
^ wai'ja 'Metz damals war, ^uecst die jroi^anisjphe Volkssprache in 
^ solcher Weise für den Dienst des Wissens verwendet wurde. 

Nicht minder bedeutungsvoll ist eine andere Erscheinung 
auf demselben Sprachgebiete. Gegen das Ende des zwölften 
Jahrhunderts verfasste nämlich Hebert oder Hebers, Cisterzienser- 
/' .Münch von Oberseille bei Badonviller, eine romanisc he Ueber- 
' Setzung defi ^^Qlopathos oder Roman der sieben Weoisen, welche 
er 1184 demselben Bischöfe Bertram widmete. Die Uebersetzung 
erfolgte übrigens nicht nach dem griej^hichen Text, sondern nacli 
der lateinischen UeHertragung und in Keimen. Das Werk ist 
noch vorhanden, aber nicht gedrncki Eine weitere Arbeit He- 



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6. Innere Zustände. 



179 



beit's soll der Roman der si('l)en liichter gewesen sein, doch ist 
darüber nichts Weiteres })ekannt. 

Schliesslich ist noch zu erwälmen, dass dtMsellM* Bischof in 
der Municipalordnung der Stadt Metz grosse Verändcnini^n'n vor- /)// ■fj' 
genommen hat. Es ist nic)it mehr ersichtlich, wie es damit bi^ • a-* 
dahin stand und in wie weit der "Riscliof Rechte ril)er die Sta^ ^ 
besass; nur wissen wir, dass an der Siat/.c dersell)en ein Schöffen- 
meister stand, der dies Amt auf Lebenszeit führte, seine Gewalt 
oft jnissi »rauchte und daher häutig zu Unzufriedenheit und Zer- 
würfnissen Veranlassung gab. Der liischof, welcher die Stadt- 
verfassungen in Deutscliland kannte und in Kechtssachen erfahren 
war. vereinliartc dalier mit den Bürgern aller Stände eine neue ^ 
Städtcorduuiig , welche zur Verliütung fernerer Misslu'äuche die ^ f^tv^CV* 
alljährlicdie Wahl des Schötl'en meiste rs feststellte und auch diese, ^ "/^ S ' 
um dal)ei möglichst alle Reibungen im Volke zu vermeiden, sowie ^ i T 
die Wahl zu einer unparteiischen zu machen, in die Hände des \ 
cI)oindedumten/'und der Aebte der fünf ü^^MQtHlii^iuq^^uht von 
St. Arnulf, Clemens, Vincenz, Symphorien und von Gorze legte, 
weil diese am meisten Bürgschaften für eine gute Wahl zu ge- 
währen schienen. Dieses Statut wurde zwar llSf vom Kaiser 
Friedrich und I KS(> vom Papste Url)an III. ausdrücklich b.estä-_^ 
tigt, kam al)er doch erst nach einigen Jahrzehnten zu vollstän- 
diger Durclifülirung. Uebrigens l)egnügte sich Bertram nicht 
allein damit, sondern er w^oUte überhaupt die Rechtssicherheit 
mehr befestigen und daher führte er 1197, die A-f»tti üUi- ode r 
^entliehen Notare ein, welche alle Verträge und Urkunaen ab- /lu^j^L — 
zufassen und in den Archiygcln-änken ihrer Stadtviertel aufzube- ^ * 
wahren hatten, so dass also nicht i)loss Garantie für die rieh- 
tige Abfassung dieser Actenstücke durch sachverständige Männer '\ 
gegeben war, sondern dieselben auch nicht mehr verloren gingen 
und zu jeder Zeit wieder zu Rath gezogen werden konnten. Of- 
fenbar folgten alle diese Einrichtungen den von Bertram gekannten 
Vorbildern in Deutschland, wofür denn auch der Umstand spricht, 
dass sie in den anderen Städten und Bischofsitzen Lothiingens 
nicht gleichmässig Naciuihnmng fanden. In diesen blieb es noch 
länger bei dem bisher Gewöhnten und Hergebrachten und daher 
entwickelte sich auch nirgends hier als in Metz ein freies reichsstäd- 
tisches Gemeinwesen, das so lange bestand, bis es einige Jahr- 
hunderte später you den französischen Königen gewaltsam unter- 
drückt wurde. 

12* 



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in. Buch. 

Ton Herzog Friedrich (Ferri) L bis zu 
Herzog Friedricli m. 

(1205 bis 1303.) 
1. Die Herzoge Friedrich I. UfMl Friedrich II. (1205--1213). 

Literatur. Dom Humbert B e U h o m m e , historia 3Iediani Monft- 

sterii ; - — A Iii e r i c i Clironicon : — R i c h e r i de S e ii o n e s (^hronicnn : — 
Die Auszüge aus Thierriat, Bouruou und Louis d'Haracuurt. 



In der nun folgendon Periode, welclic ein volles Jalirliundert 
imifasst, tritt die Geschiclite mehr selbständig hervor, die Scliick- 
sale des Herzogthums werden weniger von äusseren \'erliältnissen 
bedingt und wir nähern uns allmälich der Zeit, wo die Ereignisse 
in den benachbarten oder zwischen lothringischen Landestheüen 
liegenden fremden Besitzungen nur mehr vom lothringischen 
Standpunkte und Interesse in Frage und zur fh'zählung kommen. 

Xach der Abdankung des Herzogs Simon II. sah sich dessen 
Bruder Friedrich T. am Ziele seiner langen AVünsche und Be- 
strebungen und trat die Regierung des Herzogthums an. Aber 
er führte sie nicht lange und dies gal) sjtäter selbst Veranlassung 
zum Zweifel, ob er fd)erhaupt selbst regiert habe. Verschiedene 
Urkunden lösen aber diesen Zweifel und Friedrich l. hat jeden- 
falls 120^) und während der ersten Hülfte des Jahres 12()6 die 
Kegierung selbst gefülirt. Da er aber schon im Alter vorge- 
rückt, sein Sohn Friedl ich Tl. längst im Staude» war, die l^\gie- 
rung zu führen, und der Graf Theobald I. von Bar, Schwieger- 



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1. Die Herzoge Friedrich L und Friedrich IL (1205— 1213j. 181 



viittT voll Friedrich II., dem Herzoge empfahl, die Kegierim^ 
dem Sohne zu überlassen, so willigte Friedrich 1. ein und blieb 
in Bitscli, bis er im Jahre 1207 starb und zu Stürzelbronn be- 
graben wurde. Von seiner Kegieruug selbst ist nichts weiter 
bekannt und auch bezüglich seiner engeren Herrschaft Hitsch 
imd Deutschlothringen nichts, ausser dass er noch im Jahre liÜ(> 
das erwähnte Ivloster in seinem Besitze l)estätigte. 

Er hatte sich etwa um das Jahr 1 1 70 mit der Tochter aus 
einem fern gelegenen (iesclilechte verheirathet, was beweist, dass 
er dieselbe bei seiner Anwesenheit im Innern des deutschen Keichs 
oder gar auf einem Zuge weiter nach Osten kennen gelernt hatte, , , 
denn es war Ludmilla, Tochter des Königs M i c i s las III. Jii'. -./c 
von Polen und dessen Frau Gertrude, Tochter des Uugarn- 
königs Bela XI. Der erstgenannte Schwiegervater Friedrich's I. 
konnte aber seinem Schwiegersohne wenig nützen, denn er wurde 
bald darauf aus seinem Keiche vertrieben und starb dann zu 
Batibor in Schlesien. Diese Ehe wurde sehr kinderreich, denn 
Ludmilla gebar ilirem Gemalile mindestens sechs Söhne und zwei 
Töchter. Die Söhne waren der Beihe nach Friedrich IL, 
der Nachfolger des Vaters, Dietrich der Teufel oder aus ^, ^ 
der Hölle, welcher die Abtei Belange gründete und durch seinen 'Jli ^ 
Sohn Simon den Teufel die Familie Chatelet stiftete, Philipp, 
Herr von Gerbeviller, Mathias, Bischof von Toul, Simon» 
Erzdiaconus daselbst, und Heinrich der Lombarde, welcher das 
Schloss Bayon erluiute und in der Abtei Senones begraben wurde. 
Die Töchter w^aren Agathe, Aebtissin von Bemiremont im 
Jahre 1231, und Judith, Gemahlin des Grafen Heinrich ü. 
von Salm. 

Der erste günstige Erfolg der Thronbesteigung Friedrich's IL 
war, dass die unter seinem Vater bestandene Tbeilung des Her- 
zogthums in die zwei grossen Hälften Bomanischlothringen und 
Deutschlothringen wieder aufhörte und somit die Gefahr besei- 
tigt wurde, dass das Land auf die Dauer in diese zwei Hälften 
aus einander falle. Friedrich I. hatte nämlicli entweder selbst 
das Gefährliche solcher Tbeilung für seine Familie t'rkaiint, oder 
Graf Theobald von Bar im Interesse seines Schwiegersohnes den 
alten (irafen von solcher neuen Ai)theilung abgehalten. Friedrich H. 
war mit A^ n e s , der Tochter des genannten G r a f e n v o n Bar, c . • 
verheirathet und es war letztcrem natürlich daran gelegen, seinen 
Schwiegersohn im Besitze eines möglichst grossen Herzogthumji 



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1^2 Ul. Buch: Von Fjiedricb L bis zu Friedrich Ul. (1205— 1303> 



zu AvissHii, weil »lann beide zusaniiiien etwaigen <iegnern besser 
<,^ewarhsen wären. Diese verwan«ltsebaftlieheu (Jefühle hielten 
aber gar nicht lange Stand und schon 12<l2 wurde ein Streit 
zwischen den Jieiden durcli einen Vertrag beendigt, worin sich 
Friedrich dem Scliwiegervater zur Hülfeleistung gegen Jeder- 
mann verpflichtete und für den Weigerungsfall auf die Mitgift 
seinerja:aiu l>estehend in den Städten Longwy und Stenay und 
dem früher zu Bar gehörigen Theile von Aniance. entsagte, wo- 
gegen Theobald wieder seine Mitwirkung für alle Fälle und zur 
Erlangung der Xaclifolge Simon's Tl. zusicherte. Der (Jraf von 
Bar gewährleistete trotzdem dem Grafen von Toul den Besitz 
von Chätenoy und iiondrevillo. das demselben als Apanage ver- 
liehen war. auch gestiittete ihm Friedrich das Recht, Besatzungen 
in die Vesten Gerbeviller und Omies zu legen, denn der Graf 
schien seinem Scliwiegersohne nicht sonderlicii viel Vertrauen zu 
schenken. Wie sehr er dazu berechtiurt war, zeigte wirklich auch 
die Zukunft, denn kaum war Friedrich im Besitze des Herzog- 
thums, so suchte er sich von diesen lästigen ]Jedingungen los 
zu machen, sali sich nach einem Verbündeten um und land diesen 
in dem Bischöfe Bertram von Metz. Graf Tlieobald ergriff so- 
fort im Jahre FiOT die Wallen, nahm eine grosse Anzahl Aben- 
teuerer aus Burgimd, der Gascogne und Frankreich in Dienst 
und übte zuerst seine Bache an den Besitzungen des 15ischofs 
aus. Bevor Letzterer nur ein Heer gesammelt, belagerte der 
Graf schon die Stadt ^Ic, den Hauptort der bischöflichen Be- 
sitzungen, nahm sie, zerstörte sie theilweise und machte eine 
Anzahl Bürger zu Gefangenen. Da sodann Frietliich und die 
Bischöflichen heranrückten, so zog sich der Graf westwärts gegen 
sein Fand zurück, ül>erHel auf dem Wege die wichtige lothrin- 
gische Veste Preny im Moseithale und l)rach deren Mauern, ohne 
dass ilnii sein (Jegner offen entgegen zu treten wagte. Der 
Winter unterl)rach die Feindseligkeiten. si»bald er aber vorüber 
war, nickte Friedrich sofort in's Feld und rächte sich liuich Ver- 
heerung der Besitzungen der Abtei Gorze. deren Schirmvogt 
Graf Theobald von Bar war. Letzterer nickte also unversehens 
dem Herzog am Februar 1 208 entgegen und schlug ilm voll- 
ständig. Friedrich und seine Brüder Dietrich und Philipp 
wurden dabei gefangen und im Schlosse Bar eingesperrt. Nun 
lag es in der Macht des Grafen, an Lothringen Vergeltung zu 
üben, er verlangte aber nur eine lieihe Zugeständnisse, die ihm 



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1. Die Herzoge Friedrich I. und Friedrich IL (12U0— 1213). 183 



orst Friedrich vollständig verwcigorto, Ins ihn ondli(*!i die l:iii<^e 
Haft mürbe niiichte und Friedrich durch den Vertrag vom 
2. Novem])er 1208 seine Freiheit wieder erlangte. 

Dieser Vertrag enthielt sehr liarte Bedingungen für den 
Herzog. Vor Allem musste derselbe sich für sich und alle seine 
Vasallen verj>tliciiten, keine Feindseligkeiten mehr gegen den 
Grafen und seine Leute zu begehen. Letzterer behielt sich das 
Eigenthum alles dessen vor, was er bei Beginn des Kriegs be- 
sass, und es sollte dies auch auf die Erben des (Jraien übergehen, 
die Herzogin nach seinem Tode aber nur Longwy, Stenay und 
^mance zurück erhalten. Der gegenseitige Schaden sollte nicht 
vergütet werden, Friedrich mvisste versprecln^n, das Schloss Uoinon, 
das einem Feinde des Grafen gehörte, zu zerstören und Theo^ 
bald eine Besatzung in Chätenoy lassen, bis dieser Vertrag voll- 
ständig ausgeführt sei. Die härteste Bedingung bestand ül)ri- 
gens in der Bezalilung von zweitausend iMai'k an den Grafen. 
Da der Herzog solche Summe nicht sofort aufbringen komite, 
so stellte er eine Keihe \on Bürgen und zwar Udo III. von Bur- 
gund, Simon von Joinville, Philipp von Florenges, Friedrich von 
Toni und Alberich von Darney für je zweihundert Mark und 
Gilon von Cons, Alberich von Kosieres, Werich von Freny, Simon 
von Passavant, Simon von Parroye, Simon von Ville, Karion von 
Gondreville, Arnold von Volkerange und Arnold von Sierck für 
je hundert ^lark und zwar unter der damals gebräuchlichen Be- 
dingung der Haftbarkeit ihrer eigenen Güter. Noch verptiichtete 
sich Friedrich dazu, seiner Tochter Alix nicht zu gestatten, den 
Gauthier (AValther) von Vignory zu heirathen, weil derselbe Feind 
des Grafen war. Auf dies hin erhielt Friedrich zwar seine Frei^ 
heit wieder, nicht aber seine zwei Brüder Dietrich und Philipp, 
die erst später frei wurden. Znr besondem Sicherung der Aus- 
fuhrung des Vertrags wurde ausgemacht, dass bei den geringsten 
Feindseligkeiten gegen das Barrois die als Aussteuer der Herr, 
2ogin_ bestimmten Plätze sofort an den Grafen für immer zurück- 
fallen sollten, der Graf einstweilen Besitz von der Veste Sierck 
nehme und endlich der Herzog den Vertrag noch vom künftigen 
deutschen Kaiser garantiren lasse. Ebenso sollten Udo von Bur- 
gund und die mit Friedrich gefangen genommenen lothringischen 
Vasallen als Bürgen dafür einstehen.*) Dieser Vertrag wurde 

*) Diese Vasallen wami lV)l<rci)(le : (irat Ifciiirich von Z\vt'i!irii<*ken, (lilon. 
VüU Cons, Graf Friedrich von Toul, Siuiou von Joiiiville, Hugo de la Fauche, 



■ 1Ö4 lU- ßuch: Von Friedrich 1. bis zu Friedrich lU. (1205— 1303> 

auf das Evangelium beschworeiif es gelang dem Herzoge aber 
bald, die eingegangenen Yeipfliclitangen zn erfüllen mid so alle 
Ge&ngenen zu befreien. 

Um die deutsche Kaiserfarone stritten sicli damals Otto lY. 
und Friedrich n., Sohn Heinrich's VL und der Constanze Ton 

^S^waEeuT Derlietztere zog 1212 aus Italien nach Deutschland 
und erschien bald in Constanz, Basel und Cohnar, wohin sein. 
Verwandter, Herzog Friedrich IL, sofort eilte und ihm nebst einer 
Menge Lothringer Grossen seine Dienste anbei Friedrich nahm 
solche nidit bloss an, sondern versprach dem Herzoge -dafür auch 

"3600 l^TSilber fttr ihn selbst und 200 Ar seine Hauptleute, 
woflSr er dem Herzog das im Elsasse gelegene BQfihfiisL ver- 
pfiLndete. Als Friedrich das Elsass weiter herunter und nach 
Niederdeutschland zog, übertrug er dem Herzog die Belagerung 
von Hagenau und Friedrich gelang es alsbald, diese Stailt zu 
nehmen und deren Thorschlfissel an K. Friedrich zu fibersenden. 
An weiterer Theilnahme wurde er jedoch dadurch al^ehalten, 
dass sein eigener Schwager Graf Heinrich H. von Salm arge 
Gewaltthaten gegen das Kloster Senones beging und der Herzog 
genöthigt war,, denselben wieder zur Ordnung zu bringen. 

Im nächsten Jshre wollte K. Friedrich H. mit EOnig Phi- 
lipp August von Frankreich eine Znsammenknnfl; halten, gelangte 
zuerst nach Toul, wohin ihn der Herzog geleitete, und begab sich 
sodann mit Beinhold von Senlis, Bischof dieser Stadt, dem Metzer 
Bischof von Scharfeneck und dem Herzoge nach Tau coulems an 
die Grenze beider Beiche^ wo aber anstatt SüEOnigs nur sein 
Sohn Ludwig eintraf, weil sein Vater durch dringende Angele- 
genheiten zurückgehalten worden war. Hier schlössen nun beide 
Theile ein Schutz- und Trut^findniss, wodurch bald K. Friedricli 



(iraf Heinrich II. von Salm, Simon von Parroye, Philipp von Florenges, 
Milon voll Vandieres, Alberich von Rosieres, Gerhard von Alot, Karion 
von (Joiulrevillo, Alberich von Darnoy, Olry von Offroieourt, Gerhard von 
Villacourt, Siniitn der junge von Parroye, Simon von Villa. AVerich von 
Preny, Arnold von Yolkcrange, Arnold von Sierck, Simon, Vog^t von Metz, 
Geoffroy von Albe, Simon von Passavant, Johann von Monteclair, Albe> 
rieh Ton VoUcerange, Valeran von Limbuig, GKlon von Ber<,aies, Fried- 
rich von Triererbrilolr, Werioh von Fontoy, Tancred von Bitsch, Dietrich 
von Chambley, Olry von Nenwiller, Yaothier von F^y vnd Alberi; 
von Parroye. 



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1. Die Herzoge Friedrich L und Friedrich IL 0^05— 12 Uj. 



die I'artei seines Gegners vollständig nieder zu werfen im 
Stande war. 

Friedricli II. überlebte diese Zeit nicht liin<,'e, denn er starb _ 
schon am 10. Oetober zu Nancy und wurde in der Kirclie von 
Stürzelbronn begraben, wo auch sein Vater und Grossoheim 
ruhten. Seine Mutter lebte noch bis zum Jahre ri'ili, erhielt 
aber, wohl auf ihren Wunsch, ihr Begräbniss in der Abtei Ikaupre. 
Von dieser Frau hinterliess der Herzog vier Söhne und zwei 
Töchter. Von den Krsteren folgten sich Theobald 1. und 
Mathias II. nach einander in der Regierung; Jakob wurde 
später liischof von Metz und Keinhold erhielt die Herrschaft 
Bitscli als Apanage , aber in der frühern engen Begrenzuncr. 
Von den Töchtern heirathete die ältere, Laurette, den (iratVii 
Simon von Zweibrücken; die zweite, Namens Alix, welcher durch 
oben erwähnten Vertrag die Heirath mit AValther von Vignory 
aus«.lrücklich untersagt war, heirathete zwar in erster i]lie einen 
Grafen von Kyl)urg, bekam al)er doch später in zweiter Ehe diesen 
Herrn von Vignory /um Gemahl, sei es, dass der Grossvater in- 
zwischen überluiujit naclii^iebiger wurde, oder dass inzwischen 
dieser Vignory sich mit dem Grafen wieder ausgesöhnt hatte. 

Die Regierungszeit beider Herzoge FrieJiicli war zu kurz, 
als dass die Gescliichtc Vieles von ihnen zu erzählen wüsste, 
denn der zweite Friedrich hatte allein durch seine Zwistigkeiten 
mit seinem Schwiegen^ater zu viel zu thun, welcher überhaupt 
ein ebenso herrschsüchtiger als geiziger Mann gewesen zu sein 
scheint, denn aus den erwähnten Verträgen geht sehr klar her- 
vor, dass er von dem Streben erfüllt war, die seiner Tochter, ^ 
gegebene Mitgift wieder zurück zu erhalten, sowie dass ihm ,an 
den dadurch ausbedungenen Geldsummen mehr gelegen war als 
an dem Wohlergehen seines Schwiegersohnes und dessen Landes. 
Jedenfalls hat die Bezahlung dieser Summen nicht minder wie 
die Kriegsverheerungen den Herzog abgehalten, mehr für sdn 
Land zu thun als er wohl im Sinne hatte. Französisch nnd so- 
mit clerical gesinnte Historiker haben ihm einen Vorwurf daraus 
gemacht, dass Friedrich H. zu E. Friedrich Barbarossa gehalten 
hat; aber er handelte dabei wohl aus der üeberzeugung, dass 
die fortwährenden Uebergriffe und Anmaassungen der römischen 
Curie sich mit dem Wohle des deutschen Reichs nicht vertrugen, 
daaa die weltlichen Rechte nicht weiter gekränkt werden durften 
und daher alle Fürsten zum Kaiser halten müssten. DafQr dass 



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lyy III. Buch: Von iViedrich I. bis zu Friedrich IIL (^1200— J 303). 

er dieser Ansicht folgte, spriclit wohl auch der Umstand, dass 
der PIcrzog sonst im (lanzon von fronmier Gesinnung war, die 
Ivirclion seines Landes gegen die Tehergritte seiner Grossen zu 
beschützen suchte und selljst Kirchen und Klöster beschenkte. 
Kr ertlii'ilte so der Abtei St. Epvrc die Jk^freiung vom Wege- 
geld in seinem gan/t n Gebiete, ordnete 1211 die Kechte der 
Schirmvogtei dieser Abtei und nahm sogar die Abtei Senones 
gegen seinen eigenen Schwager Heinrich II. von Salm iu Schutz. 

Noch ist zu erwähnen, dass die Herzoge von Lothringen in 
dieser Zeit noch kein bestimmtes, feststehendes Wa])peii führten. 
Auf einem Siegel des ersten Friedrich erscheint dieser ganz ge- 
wappnet zu l'ferd mit Lanze und Schild und auf letzterem und 
dem Lanzenfähnleiu sind drei junge Adler abgebildet. Aehnliche 
Wappen sind auch vom zweiten Herzoge Friedrich und dessen 
Sohn Theobald bekannt, während dessen Bruder Mathias, Bisch(^f 
von Tool, bloss einen zur Kechten schauenden Adler mit ausge- 
breiteten Flügeln führte. 



2. Herzog Theobald (Thiebaut) I. (1213—1220). 

L iteratur. Aiusw den zum voi i<^en Abschnitt erwähnten Quellen: 
Noel, Memoire« poor servir ä Thiatoire de Lorraine. 



Die Kegierung des Herzogs Theobald dauerte auch nicht 
sehr lange f obschon er beim Antritt derselben noch ziemlich 
jung war. Ein Chronist seiner Zeit sagt von ihm, er sei nicht 
bloss der schönste Mann des Herzogthums, sondern auch vieler 
anderer Länder gewesen, und dabei war er doch wieder heran- 
gewachsen genug, dass er mit hräftiger Hand die Begierung 
fahren konnte. Solche Eigenschaften waren von der Art, dass 
sie auch manche Fehler yerduukeln konnten, und sodann war er 
auch im Besitze einer ansehnlichen Macht, denn er hatte 120G 
in Gertrude von Dachsburg die Erbin dieses Hauses gehei- 
rathet, welche ihm nidit bloss Gflter auch im Elsasse zubrachte, 
sondern zugleich noch die Würde eines Grafen von Metz, die 
ihm grossen Einfluss in dieser Stadt und im Bisthume gewährte. 



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2. Herzog Theobald (^Thiebautj I. (121J— 122Ü> 187 



iSo<(iir Mit^be seiner ^Futter A^es von Bar fi<'l ilim zu, 
als deren Vater gestorben war und sie dem 8<>1hh* am 2»S. Juli 

1214 die damit verlumdenen Güter abgetreten hatte, da sie sich^ 

nicht nur bloss deren Kinkünfte auf Lebenszeit vorl)eliielt, sondern 
sich auch vertragsmüssig veriiHiditete, nicht wieder zu lieirathen. 

Es wäre also der Beginn von Theobald's Regierung recht 
gut gewesen, wenn niclit traurige Verhältnisse anderer Art in 
seiner Familie dieselbe getrübt hätten. Es geschah dies durch 
seihen Olieim Matliias, der gegen 1170 geboren war und, um 
nicht deuTamilienbesitz zu früh zu zerstückeln, der Sitte jener 
Zeit gemäss als jüngerer Sohn sclion in früliester elugend zum 
geistlichen Stand bestimmt wurde, ohne nur seine Neigungen 
selbst zu kennen. Im weltlichen Stand wäre er vii^lleiclit ein 
recht tüchtiger Mann geworden, al)er als Geistlicher, wozu schon 
seine ganze Anlage nicht passte, musste er mit dieser nur zu 
bald in Zwiespalt gerathen und war eine Aenderung darin auch 
gar nicht zu hoffen. Die Verantwortung für seine späteren 
Felller und Vergehen fjillt also mehr seiner Familie und Erzie- 
hung als ihm selbst zu und von diesem Standpunkte ist auch 
sein Leben zu betrachten. Schon als sechsjähriger Knabe wurde 
der wider seinen Willen in den geistlichen Stand gedrängte 
Mathias mit zwei Canonikaten zu Toul und St. Die begabt und 
im achtzehnten Lebensjahre schon Erzdiaconus an beiden Kirchen. 
Natfirlich erfolgte diese Ernennung und Beförderung lediglich 
wegen seiner einflussreichen Familie und nicht wegen seiner per- 
sönlichen Eigenschaften, die ihn ja melu* zum weltlichen Leben 
gedrängt hätten. Es war daher kaum zu verwundern, dass er 
schon frühe mit einer Nonne des Klosters Epinal ein Liebes- 
verhältniss anfing und mit dieser eine Tochter erzeugte, die er 
^dele nannte und im Geheimen erziehen liess. Als der Tonler^ 
Bischof Udo von Yaud^mont dann im Jahre 1198 starb und 
Mathias aehtondzwanzig Jahre alt war, brachten es die Bemü- 
hungen seiner FamUie dahin, dass er za dessen Nachfolger er- 
wfthlt wurde. Vielleicht stiess er dabei doch schon aiiTOegner, 
denn er wurde erst einige Zeit später bestätigt, doch war viel- 
leicht sein bisheriges Verhältniss noch nicht so allgemein be- 
kannt, da er sich weniger in Toul als in den Vogesenländem 
an&nhalten pflegte. Solche Liebesverhältnisse waren ohnehin bei 
den höheren geistliehen Würdenträgern damals gar nichts Sei- 



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Iö8 nL Buch: Von Friedrich I, bis zu Friedrich III. (^1200— i;iua> 

tenes und Warden wenig beaehtet, wenn nur yermieden wurde, 
dass dadnreli öffentlicher Scandal entstuid. 

Mathiaa hatte denselben wohl so lange vermieden, als er 
in dem Biaehofe einen geistlichen Vorgesetzten hatte; als er nun 
aber selbst Bisdiof nnd dadurch Herr der Gewalt war, so liess 
er sdnen Leidensäiaftoi mehr offenen Lauf und der Kanzler des 
Herzogs selbst, Michael Errard, nannte diesen Bischof, den Oheim 
seines Herrn, in seinen Aufzeichnungen ohne Scheu den griJssten 
Hurer und M&dchenverffthrer seiner Zeit Die Befnedigimg soläier 
Leidenschaften kostete ausserdem Qeld und um sich solches zu 
verschaffen, vergeudete er die Besitzungen seines Bisthums. Die 
Canoni][er, welche bisher geschwiegen hatten, erkannten sofort 
darin eine Verletzung ihrer eigenen Interessen und daher wandten 
sie sich erst vom Jahre 1202 ab mit Beschwerden fiber ihren 
^schof an den Papst, um dessen Beseitigung herbei zu fahren. 
Per Ardiidiaconus Peter begab sich sogar selbst nach Bom, um den 
Bischof des SteUenverkaufii, der Verschleuderung und des Eid- 
bruchs anzuklagen, und erbot sich, alle geistlichen Strafen über 
sich ergehen zu lassen, wenn er seine Anklagen nicht gehörig 
beweisen könne. Der Papst mochte allerdings der mächtigen 
Stellung der lothringischen Familie Rechnung getragen haben, 
jedeuMIs hielt er es aber for gerechter, die Sache im Lande 
selbst untersuchen zu lassen, und verwies sie daher vor ein be- 
sonderes geistliches Geridit, das aus dem Gardinalbischof von 
Palftstrina, päpstlidiem Legaten in einem Nachbarlande von Lo- 
thringen, und den Achten von BeauUeu in den Argonnen und 
St. Benedict im Woivre bestehen sollte. Geistliche Chronisten 
behaupten nun wieder, auch dieser Gerichtshof w&re zu sehr 
unter dem Einflüsse des Herzogs Simon H. gestanden, um ener- 
gisch vorzugehen, und deshalb hätte er sich begnflgt, zwischen 
dem Bischöfe und den C&nonikem ein Abkommen zu vereinbaren, 
worin Mathias versprach, in Zukunft vorsichtiger und zurfidc- 
haltender zu sein und unter Vermeidung der Exeommunication 
kein bischöfliches Gut mehr zu veräussem. Dies habe aber nicht 
viel geholfen und der Bischof bald sein früheres Leben wieder 
fortgesetzt Der Domdecan erhob also bald wieder die AnUage, 
der Bischof habe gegen sein eidliches Versprechen zweiundzwanzig 
Gfiter des Bisthums verkauft, wodurch die EinkQnfte des Bis- 
thums von tausend Touler Livres auf fast nichts herabgesunken 
seien. Mathias wandte dagegen ein, diese Verkäufe seien durch 



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2. Herzog Theobald (Thielwat) L (1213— 1220> 



189 



<liis Capitol selbst erfolgt, und liess durch seinen Bruder Simon, 
der Erzdiaconus des Stifts war, den Decan gefangen nehmen. ,v>^!. ' 
Simon soll ihn hierauf mit gebundenen Füssen auf einen Esel ' ^ ' , 
gesetzt und vor Mathias geführt lialien, der den Decan in's Oe- v * ' * 
tangniss sjterrte und erst dann Avieder freigab, als der Legat 
damit drohte, die gesammte Diüct'se mit dem Interdict zu be- 
legen. Der Legat hielt endlich die Sache für aufgeklärt genug, 
suspendirte den Bischof von allen geistlichen Functionen, entzog 

ihm die Verwaltung des Bisthums und belegte ihn mit dem 

Banne. Als sich Mathias wenig darum bekümmerte und nun 
das Capitel den zweiten Erzdiaconus Geoffroy (Gottfried) nach 
Bom schickte, um den Spruch des Legaten bestätigen zu lassen, 
sandte auch der Bischof seinerseits Abgeordnete nacli Rom, um 
dort seine Sache zu vertreten. Der Papst hörte beide Theile 
an. bestätigte den Spruch des Legaten und beauftragte sodann 
im Juni I20r) den ersten lOrzdiaconus von Paris, den Pönitencier 
(Bussi)riester) von St. Victor und den Robert von Courzon, da- 
mals Canonikus zu Noyon, sich nach Toul zu verfügen und den 
Spruch in Ausführung zu l)ringen. Diese untersuchten also die 
Sache nocluiuils selbst, setzten den Bischof ab und ermächtigten 
das Cai>it(d zu neuer Bischofswahl. Inzwischen hatte aber Ma- 
thias Berufung an den päpstlichen Stuhl eingelegt und seinen 
Bruder Simon nach Kom gesandt, um neuen Aufschul) zu er- 
* langen. Der Papst Hess sich auch bewegen, die Ausführung des 
Spruchs zu vertagen, die Commissäre zu beauftragen, dem Biscliof 
zu erlaul)en, sich gegen die Anklage, er habe nach der Bannuug 
noch geistliche Handlungen ausgeübt, zu rechtfertigen, und er- 
nannte sogar neue Commissäre , um die Sache wiederholt zu 
prüfen. Endlich erschien Mathias zu Anfang 1507 sogar selbst 
zu Kom, vertheidigte seine Sache, stellte einige Entlastungs- 
zeugen gegen di(^ Anklagen des Erzdiaconus Gottfried und der 
Papst hol) daher den Sjuiuli auf, erklärte aber den Bischof der 
Vermögensvergeudung und des Wortbnudis für verdächtig, be- 
stätigte das Interdict gegen ihn und beauftragte den Abt von 
St. Urban Gauthier (Walther) mit der Verwaltung des Kirchen- 
sprengels. Die nun angestellte neue Untersuchung zog sich so 
in die Länge, dass Erzdiaconus Gottfried nochmals nach Rom 
musste und dann der Papst ein endgültiges ürtheil dahin lullte, 
der Schuldige sei abgesetzt, die Canoniker zur Neuwahl ermäch- 
tigt und der Bischof Ton Chälons an der Marne, sowie die Aebte 



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190 - Von Friedrich I. bis zu Friedrich III. (12i<ü -131)3), 

von Isle im Barrois und Flahemont beauftragt, selbst einen Bi- 
schof zu erwählen, wenn dies die Canoniker nicht innerhalb der 
vierzehntägigen Frist gethan hätten. Damit schloss sich diese 
traurige Angelegenheit nach dieser Seite hin, denn alsbald wurde 

^_Reinhöld_TOn,^enli8^ zum Bis^w^ erwählt. 

Aber nach anderen Seiten hin war die Sache noch lange 
nicht beendigt und wenn auch die clericalen Berichterstatter die 
ErzShhmg etwas flbertrieben haben mögen, so ersdieineii doch 
die Haiq[>tÜiat8adien als wahrseheinfich. Man hatte dem Erz- 
bisehof nicht auch die Frerot^ Si Die genommen mid deshalb 
zog er nun dahin, erbaute sich beim Kloster ein Haus und 
berief dahin seine Tochter, mit welcher er in. Bhitsehande gelebt 
haben soll. Diese letztere Besdiuldigung scheint denn aber 
doch auf arger üebertreibung zu beruhen und man der Anhäng- 
lichkeit des Vaters an die Tochter die schlechteste Auslegimg 
gegeben zu haben. Letztere kann unmöglich frflher als im 
Beginn der neunziger Jahre geboren sein und hatte also um 
diese Zeit schwerlich ein höheres Alter als etwa 10—12 Jahre 
erreicht, so dass sie -also für die erwähnte Beschuldigimg noch 
viel zu jung gewesen wäre. Aber die Feinde von Mathias 
suchten denselben jeden&IIs ganz zu vernichten und sprengten 
solche Gerflehte aus, so dass der Herzog sich endlich genöthigt 
sah, seinem Bruder ernstliche Vorstellungen zu machen und 
jcgsen Tochter Adele ^ nach Böllstein, einem Schlosse seines * 
Sohnes Theobald ULJEilGUuee, verbringen zu lassen. Mathias 
selbst zog sich nun in die Vogesen zurfld^ und bewohnte einige 
Gebäude lieben der Kapelle • auf dem Oermontberge , wo er 
ziemlidi unbeachtet mehrere -Jahre lebte, dem Jagdvergnfigen 
nachging und audi seine Tochter wieder bei sich hatte». Plötzlich 

* ward ihm die Anstiftung eines Verbrechens zugeschtieben, das 
Ende März am neuen_Touler Bischof Bemli^ld von SenUs jn 

~~;^en_yogesen begangen wurde. Letzterer machte nämlich eine 
- Bundreise in seinem Sprengel in nicht zahlreicher Gesellschaft 
und hier soll nun Mathias durch zwei Spione sich im Kloster 
Senones Aber die beabsichtigte Seiseroute des Bisdiofe haben 
erkundigen lassen. Als der Bischof sich von da Aber Moyen- 
Montier und £tlval nach der Abtei Autrey begeben wollte, wo 
er zu flbemachten gedachte, wurde er bei dem Weilet.Bourgonce, 
wo der schmale Weg am Fusse eines steilen Bergs und'neBen 
einem Sumpfe weiter zog, plötzlich von einigen Personen Aber» 



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2. Herzog Theobald (Thiebaut) L ^213— i220> 191 

fallen , A)>t Steplian von St. Mausny vom Pferde gerissen . der 
Kleider beraubt und verwundet und der Bischof selbst niiss- 
liandelt, bis ein junger Menseh Namens Johann, der im Dienste 
des Mathias stand, denselben mit drei Dolchstichen tödtete, 
worauf die Mörder enttlolien , naebdein sie unterwegs noch den 
^fatbias getroffen luid ihm den Leichnam des Bischofs gezeigt 
liatten. Ks winl liinzugesetzt. Adele habe diesen Jobann zu der 
Mordthat aufgestaehelt. Von da au zog sich Mathias nach dem 
Schlosse Bilstein im Klsasse zurück, suchte aber, als sein NeÜe 
Herzog Theobald Ostern in St. Die feiern wollte, dessen Ver- 
zeihung zu erhalten, indem er vom Clennontberge aus Leute 
abschickte um Zugang zu ihm zu erhalten. Theobald war jedoch 
um 80 mehr aufgebracht, als Geiüchte verbreitet wurden, er 
selbst begünstige die Mörder, und als er daher am Mittwoch 
nach Ostern bei Nompatelize seinen Oheim Matthias erblidc te, 
hiess er zuerst^ seisen Begleiter Simon von Joinyille densäben 
nieder za stechen mid als dieser sich dessen weigerte, dnrch- 
' bohr|g_ff selbst adne n Oheim mit seiner Lanze und lieaa den 
l^chnam liegen. Nachdem man dem Todten zuerst ein kirch- 
liches BegrftbnisB versagt, warf man ihn später in einen W0I&- 
graben nj^id bedeckte ihn mit Steinen und Holz. Adele, die 
Tochter von Mathias, soll nachher einen Annbrustschützen von 
Gerbeviller geheirathet haben und mit diesem nach Deutschland 
gezogen sein, wo sie wenige Jahre später starb. Was mit den 
eigentlichen Thätem geschehen ist, wird nicht gesagt, sondern 
bloss beigesetzt, die Vergeltung habe die meisten derselben ereilt. 

Machten diese Ereignisse in seiner Familie dem Herzoge 
Theobald sdion beim Beginn seiner Hegierung unangenehme . 
Stunden, so -bekam er auch alsbald Streit j^e^n der JE^Uid::^ 

Schaft Bosheim, welche Kaiser Friedridi IL seinem Vater ve > 

liehen hatte und nach dess en Tod z mrflck zogt obschon eiTdie 
Geldsumme daf&r noch nicht zurückbezahlt hatte, wie von Einigmi 
behauptet wird. JedenMs wollte Theobald die P&ndschaft auf 
gütlichem Wege nicht wieder herangehen, denn er sammelte eine 
Anzahl Truppen, um das Städtchen zu besetzen, und sandte die 
Fuasgänger unter Lambyrin Ton Arches einstweilen nach dem 
BreuBchthale yoraus, wo er warten sollte, bis Theobald mit den 
Beitem bei ihm eingetroffen sei. Aber Lambyrin gelfistete es, 
auf eigene Faust das Städtchen zu nehmen, das nur durch einen 
Graben geschfltzt war, und er bemächtigte sich desselben, ohne 



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192 Iii- Buch; Von Friedrich I. bis au Friedrich HL (1205—1303). 



Widerstand von den Einwohnern zu finden, die sieb in die Kirche 
und den ummauei ttm Kirchhof zurückgezogen hatten. Nun ge- 
schah es, dast^ die Soldaten keine Disciplin hielten, in die Häuser 
drant^en , plündei ton und sich an Speise und Trank so lange 
gütlicli thaten, l)is die ^loisteu betrunken und widei*standsunfühig . 
waren. Ein angesehener Kitter des Städtchens Namens Otto, 
der dies bemerkte, forderte nun die Einwohner auf, die Eothringer 
zu verjagen, und so fielen denn die Bürger über die Soldaten 
lier, verwimdeten deren au hundertundzwanzig, trieben die anderen 
zur Flucht in 's Breuschthal und in die benachbarten Wälder 
und erschlugen den Kest, den sie in den Häusern noch fanden. 
Als inzwischen Theobald herankam und den traurigen VorfeU 
erfuhr, zog er rasch wieder in die Heimath zurück. Es geschah' 
dies Ende 1213. 

^ Hierüber erkaltete die Freundschaft des Herzogs mit dem 
^ Kaiser, während letzterer wahrscheinlich geglaubt hatte, die oben 
erwähnte Snnmie f&r die F&ndsebaft nicht mehr erstatten zn 
mflssen, weil I Mser Fri edrich von der grossen Geldsomme, die 
EiOnig Philipp Angnst von Frankreich an ihn fOr die zuge- 
^ sagte EriegshOlfe zahlte, auch an den Herzog einen erheblichen 
Theil gegeben hatte. Ingleichen erkaltete Theobald's Freund- 
schaft mit dem Könige von Frankreich und dies ging sogar so 
weit, dasB er zum Gegenkaiser Otto lY chielt nnd demselben 
eine Truppenschaar zuführte, womit Theobald an der Schladit bei 
^^vines am 26. Juli j214 Theil nahm und ebenfalls unterlag, 
Während der Graf von 3ar kjafranzgsischen Heere diente. Erst 
diese Nieder&ge brächte den Herzog zur Besinnung und er gab 
sich Mfihe, diesen Schritt in Vergessenheit gerathen zu lassen, 
als Friedrich aus Burgund kommend im Januar 1215_zu Metz 
^ - einen Reichstag hielt, wo er eben&lls erscheinen mnsste. Kaiser 
Friedrich zeigte sich hier sogar gegen seinen Vetter sehr freund- 
GcET indem er ihm und dem Erzbischofe yon Toni das Schiedst 
richteramt in einem Streite zwischen dem Metzer Domcapitel 
und den Kaufleuten der Stadt Huy übertrug, die behaupteten 
im Metzer Land kein Weggeld schuldig zu sein, weil sie Häuser 
in Metz besassen. Der Schiedsspruch vom 29. December 
lautete fär die Stadt Huy audi ungünstig, da diese Kanfleute ihre 
Häuser in Metz nur zeitweise benützten und keine Wache thaten 
. wie die Bürger der Stadt. Dies konnte aber doch den Herzog 
nicht von seinen Absichten auf Bosheim ganz abbringen, zumal 



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2. Herzog Theobald (Thi^bautj L (1213— 1220> 



193 



er niclit die Mö<,dichkeit sah, seinen Lrintlerl>esitz andt rswo als 
nach dem Elsasse zu erweitern, weil sich in und uni Ldtluin^^en 
iiielits erobern Hess und jeder Versuch dazu sofort auf eine 
Vereinigung der J^edrulitfii stiess. Dies war ülterliaupt aueh für 
später die verwundl»arste Seite für das Herz(»gthuni , das ver- 
gebens nach einer für die künftige Machtstellung ringsum ent- 
8pre<'1iendeu Vergrösseruug strebte und <laher zuletzt so vielfach 
wiederiiulte Anstrengungen zur Besitznalime von Stadt und Land 
Metz luachte, was natürlich auch eine bessere und entsprechendere 
Kesidenz geliefert hätte. 

Die Treulosigkeit TlieobakVs zeigte sich sdion wälu-end dos 
Aufenthalts in Metz , denn sein Sinn strebte noch immer nach 
dem l^\-!itze von KosIumui und er wartete dafür nur auf liundes- 
genossen und gelt>gene Zeit. Er vermochte bald in Metz den 
dortigen Bischof Konrad von Scharfeneck zu einem Bünjinisse 
gegen Jedermann mit Ausnalime des Beichsoberhaujits. des Erz- 
bischofs von Trier und des Grafen Heinrich von Bar und im Jahre 
r^ lH schloss er einen gleichen Vertrag mit dem Grafen Stephan 
von Auxonne. dem er für seine llült'eleistung siebenhundert J.ivres 
Besanyoner Münze versprach. Als Theobald nun im Jalire I"ilS 
den Kaiser Friedrich II. in Deutschland so voll beschäftigt * 
glaubte , dass er sich um die Dinge im Elsasse nicht wohl be- 
• kümmern könne, samiuelte er im Stillen ein Heer, zog über die 
Vogesen und bemächtigte sich Bosheims, wo er keinen Wider- 
stand fand. Aber er Hess es nicht bei der Besetzung dieses 
Städtchens bewenden , sondern beging grosse Verheerungen in 
der Gegend und rief dadurch den Zorn Friedrich's II. hervor, 
der seinen Verwalter im Elsasse Namens Wülfel veranlasste,^ 
schnell Truppen zu sammeln, und dann selbst mit einer Keiter- 
schaar zu demselben stiess. Die Macht Theobald's selbst war 
gering, die Lothringer Grossen hatten sich geweigert ihm bei 
so geföbriicliem ünternebmen zu helfen und so hatte er nur ein 
schwaches Heer aufgebracht. Davon liess er nun vierhundert 
Mann in Rosheim und zog sich rasch über das Gebirge nach 
Lothringen zurück, wo er in dem festen Amnce. .^sdaclifi]^ 



auf dem Fusse nachfolgte. Dieses Sdibss lag auf einem sich 
ziemlich steil erhebenden Berge, bildete ein nnregefanässiges 
Achtelt mit Thürmen in jeder Ecke und hatte in der Mitte 
noch einen Hanptäninn, bo dass es allerdings guten Widerstand 



Nancy und der Seille Schutz 




Httbn, Qetehiehte Lothringens. 



J3 



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j 94 UL Buch: Von JThedrich I. bis zn Friedrich lU. (1205—1303). 



zu loist^^n vermochte und nicht durch einen ersten Sturm zu 
nelimen war. Da Kaiser Fr iedrich ausserdem nicht wusste, ob 
nicht die Verbündeten Theobald's ihm zu Hülfe kommen wür- 
den, ging er den Grafen lieinrich II. von Bar und die Gräfin 
von der Champagne au. ihm gegen ihren gemeinschaltlichen 
Feind Hülfe zu leisten. JDiese Gräfin war nämlich von Herzog 
^Theobald schwer dadurch verletzt worden . dass derselbe , ohne 
dass es ihn etwas anging, in ihrem Krbschaftsstreit mit Erard 
von Bricune zu ihrem (Jegner gehalten hatte. Beide rückten 
also mit ihren Truppen gegen ^Amance aus und da Theobald 
davon Kunde bekam und den Gegnern keinen festen Punkt 
lassen wollte, von wo aus sie ihren Angritt" leiten konnten, so 
schickt-e er seinen Haiq^tnumn Simon mit einigen fünfzig Mann 
ab, um den Flecken Nancy niederzubrennen, was derselbe denn 
auch so gut besorgte . dass kein Haus mehr ganz blieb. Als 
sich Simon jedoch von Nancy wieder wegbegeben wollte, wurde 
er von den (iegnern gefangen und in Haft abgeführt. Diese 
von einem Gleichzeitigen gegebene Erzählung lautet zwar in der 
Kicher'schen Chronik von Senones anders, denn diese, behauptet, 
der Graf von Bar und die Gräfin von Champagne hätten in 
Nancy übernachtet und am andern Tage bei ihrem Abzüge den 
Ort anzünden lassen : aber sie ist nicht begründet und ohne 
Zweifel nur erfolgt, um diese That von Theobald auf die 
Gegner überzuwälzen , wie denn diese geistliehen Chroniken* 
Schreiber voll Hass gegen Kaiser Friedrich II. erfüllt waren. 

Nach seiner Vereinigung mit diesen Hülfstruppen begann 
nun Kaiaer ^edricb die J^elaj^erung von Amance, das auf 
mefarnrntiges Eraüciieii Theöbald*B keine ünt^tfltzung fiind, weil 
der Metzer Bischof und der Graf von Anxonne sich nicht mehr 
in die gefährliche Sache einhissen wollten, während im Gegen- 
tiieile mehrere Lothringer Herren das Lager Kaiser Friedrich*s 
verstärkten. Der Herzog verHieidigte sich also mit seiner 
Abenteurerschaar aüein, wies zwei Mal die Ergebung ab, da er 
nur ehrenvollen Abzug eingehen wollte, sah aber endlich docht 
dass er sich nicht mehr halten kOnne, und zog also entwaffiiet 
aus, im sich Friedrich bittend zu Pässen zu werfen. Eine 
andere Erzählung will jedoch wissen, die Veste wäre erstürmt, 
die Besatzung niedergehauen nud der Herzog gefangen und in 
einen Thurm eingesperrt worden, der später davon den Namen 
Theobaldsthurm erhalten habe. Erstere Erzählung ist jeden&lls 



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2. Herzog Theobald (^Thiebautl I. (^I'^13-l22ü> 195 

die wahrscheinlicliere. Der Herzog also in Friedrich'^ • 

Gewalt und musHte am I . Juni oinen Vertrag eingehen, der ihm - — 
sehr harb^ Bedingungen auferlegte. Vorerst musste er auf 
Kosheim und jede Entschädigung für die erwähnten dreitausend^ 
I^lark verziditen, sodann aber eine kaiserliche Besatzung in 
Amance zulassen. Der Gräfin von (_ jiam ]iagne musste er ver- 

s]>rechen , niemals ihren Gegner ErarJPvoü^Brienne oder dessen 

Gemahlin zu unterstützen, und ihr zur S icheru ng z wei Lehen 
überlassen , welche der Graf von Bar und Hugo Herr de la 
Fauche von ihm trugen, auch sollte Herzog Udo von Burgund 
Chätenoy mit Truppen belegen. Mit den übrigen Gegnern ver- 
trug sich der Herzog in leichter Weise. Zwei Tage später 
entband er alle Leute der Grafschaft Champagne ihrer Verbind- 
lichkeiten gegen ihn und versprach ihnen innerhalb vierzehn 
Tage alle Lehensreverse zurflek zu geben. An und fUi sidi wäre .«^.^ 
dieser Friedenssehliiss nicht gerade sehr Iftstig gewesen, aber der ^ ' ^yi 
Eingang des Vertrags mit der Grftfin von der Champagne war 
in solchen Worten abgefiuast, welche später *zn selur unange- 
nehmen Folgen fahrten. Indem nSmlich in diesen Einleitongs- 
'werten der Herzog anerkannte, dass er gegen die von seinen 
Vor&hren her schuldige Treue gegenüber der Herzogin sieh 
verfehlt habe, zog man später daraus den Schluss, dass er da- 
mit anerkannte T jN ^Vasall d er Heizogüi..zu sejna Diese Verträge 
.wurden flbrige ns ^sowohl von K. Friechrich II. als vom Herzoge 
^^^^S^jM^ugdEucklich bestätigt. 

Kaum war K. Friedrich über den Rhein zurückgekehrt und 
Herzog Theobald wieder frei, so begab sich letzterer nach N ancy. 
um den Ort ans seinen Trümmern wieder herzustellen, und sann 
dann sofort auf Rache. Er beschloss also, die Verträge wieder 
zu zerreisseu, und da er glaubte, der Herzog von Burgund sei 
auf einer ErenzfiEihrt begriffen und kehre nicht so bald zurück, 
so vertrieb er dessen Garnison aus Chätenoy. Dasselbe hätte 
er geni auch mit Amance gethan, aber er wagte einen so kühnen ^ 
Streich doch nicht. Indessen hatte K. Friedrich zii Wfirzb urg ^ 
Nachricht von der abermaligen Treulosigkeit des Herzogs er- 
halten und wurde selbstverständlich über denselben sehr aus- 
bracht. Lothringer clericale Chronisten behaupten nun, K. Frie- 
drich habe dem Herzog eine Milderung des Vertrags von Amance 
in Aussicht gestellt und denselben auf diese Weise heimtückisch 
nach Würzburg verlockt; aber dies stimmt weder mit dem beider- 

13* 



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196 Iii. -Butii: Von Friedlich 1. bis zu F riedrich IIL (1.205—1303). 

seitigen Ghaiaktor, noch hfttte der Herzog in irgend einer Weise 
naeh seinem scbmfthlichen Betragen und dem begangenen Wort- 
bmche eine solche Ifilderung erwarten können nnd die Wahrheit 
dfirfte wohl nur sein, dass er Tom Zorne Friedrich*s yemahm, 
dessen abermaliges Einrücken in Lothringen befürchtete und nun 
Ton selbst nach Wfirzburg ging, um den Kaiser wieder zu be- 
sänftigen, woYon ihm übrigens seine treuen Freunde abgerathen 
hatten, in Würzburg empfing K Friedrich seinen Vetter an- 
fangs auch wohlwollend, hielt ihn aber schon vom zweiten Tage 
nebst seinen Begleitern in Haft, nahm soldie auch bei verschie« 
denen Beisen mit sich, versorgte sie jedoch mit allem Ndthigen 
und liess sogar läglich seinen Vetter an seinem eigenen Tische 
speisen. Das widerlegt wohl auch das von K. Friedrich*s Geg- 
nern ausgesprengte Gerficht, Friedrich habe versucht, seinen 
Neffen vergiften zu lassen, was ohnehin für Friedrich nicht den 
mindesten Zweck oder Vortibeil haben konnte. Es widerspricht 
diesem sogar audi die ErzShlung des dericalen Bicher, Chro- 
nisten von Senones, der von seinem Abte w^en eines Streits 
seines Klosters mit Philipp von.Gerbeviller, Oheim des Herzogs, 
ausgeschickt wurde, um des Herzogs VermitHung anzusuchen, 
diesen in Wfirzburg in einem Gasthause ( Hosterfra nk) traf, acht 
Tage wohl aufgenommen bei ihm verweilte und dann nach Er- 
reidiung seiner Absicht wieder in sein Kloster zurückkehrte. 

Während der mehrmonatlichen Abwesenheit des Herzogs soll 
sich nun ein VorM zugetragen haben, wovon die gleichzeitigen 
Chronisten nichts wissen und nur ein einziger späterer Chronist nach 
Memoiren dieser Zeit mfthlt und zwar in keineswegs sehr klarer 
Weise. Der unnihige Geist und die Treulosigkeit des Herzogs, 
sowie seine lange Abwesenheit soll nfimlich die Lothringer und 
besonders die Grossen in ihrer Treue wankend gemacht und eine 
Verschwörung hervorgerufen haben, welche nichts weniger be- 
zweckte, als den Herzog selbst abzusetzen und, da sein Bruder 
Mathias noch zu jung erschien, in Theobald's Oheim, Philipp 
von Gerbeviller, einem energischeren Manne, einen Nachfolger 
oder neuen Herzog zu wählen. Pl^lipp, dessen Ehrgeiz die Quelle 
solcher Verschwörung war, habe deshalb eine Versammlung der 
Grossen, wie solche üblich gewesen, berufen und selbst die Her- 
zogin ihre Zustimmung dazu gegeben, wozu übrigens ein späterer 
Chronist bemerkt, dass sie ihrein Gemahl durchaus nicht zuge- 
than war, .dieser nie mit ihr gelebt und sie überhaupt ein ziem- 



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2. Herzog Theobald (ThiS^aut) I. (1213—1230). 197 



lieh freies Liobesloboii gefülirt luibe. Auf dieser Vcrsainnilimg, 
an wolclier übrigens Lanibyriu von Arelies, der gar nidit zuni 
alten Lothringer Adel gehörte, einen Hauptantheil nahm, wurde 
nun ausgesprengt, der Horzog werde wulil gar nicht mehr zu- 
rückkehren, Lothringen in eine schlimme Lage kommen, die über 
Theobald's Tutreue erzürnten Herreu von Bar und der Cham- 
pagne über das Land herfallen und deshalb wäre bloss Philipp 
von Gerbeviller der rechte Mann, um das Steuer in so schwie- 
riger Zeit zu führen. So lautet die Lrzillüung, welclie noch bei- 
fügt, dass besonders emäluiter Lambvrin und (iraf Runo von_ 
Lunevillc für Philipp sprachen, von wtdchen der l(»tztere auch 
"darnach strebte, gewählt zu werden, und dass man nacli vierzehn 
Tagen zu weiterer Verhandlung wieder zusammenkommen wollte. 
Bevor es aber zu einer Entscheidung kam, habe der Bischof von 
Metz die alsbaldige Kückkehr des Herzogs angemeldet und da- 
rauf habe das ganze rnternehmen scheitern müssen. Was hieran 
Wajires ist, lässt sich heute nicht mehr entsclieiden, aber so 
viel steht fest, dass wenigstens eine solche Versammlung der 
< Trossen stattfand, welclie sich nach dem Tode des ersten Erb- 
lierzogs ja auch für dessen Nachfolger ausgesprochen hatte und 
nun vielltdcht wieder zusammentrat, um über die Lage des ver- 
waisten Landes zu beratlien. 

Herzog Theobald hatte inzwischen am Hofe zu Würzburg 
verweilt und vergebens auf seine Freilassung gehofl't. Endlich 
vermochte er den ihm befreundeten Bischof von Metz, sich in's 
Mittel zu legen, und diesem gelang es im Mai 1219, endlich 
den K. Friedrich mit seinem Vetter zu versöhnen, wobei der 
Herzog versprach, an K. Friedrich die Summe von 1200 grober 
Livres zu ])ezahlen, unter Verbürgung des Bischofs dafür, weil 
Theobald'« Finanzen damals in sclilechtem Stande waren und die 
Bezahlung Zeit erforderte. Die clericalen Chi-onisten, wtdrhe 
von Hass gegen K. Friedrich IL erfüllt waren, können nun auch 
hei dieser (lelegenheit nicht umlün, denselben zu verleumden 
und in den Verdacht zu bringen, als habe er den Herzog aus 
dem Wege räumen wollen. Sie sagen nämlich, weil der Herzog 
sehr verliebter Art war und gern lose Frauenzimmer unterhielt, 
habe ein solches auf Friedrich's Anstiften bei einrM- soh-lien Zu- 
sammenkunft dem Herzog heimlich (Jift in den Wein getlian, 
das ihn langsam dem Tode entgegenführte, das Frauenzimmer 
sei aber am Morgen nach dieser Liebesuacht verschwunden. 



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198 ^uch : Von Friedrich L bis zu Friedrich IIL (1205—1303). 



Offenbar spricht hieraus nur der Hass und die Verleuindung der 
päpstlich Gesinnten und wenn irgend etwas daran wahr sein 
mochte, so war es ^'ewiss nur die Tbatsache, dass Theobald 
durch ausschweifendes Leben sich selbst die Gesundheit ruinirt 
hat, wie denn wohl diese seine Neigung ihn auch von vorn herein 
von seiner Frau entfremdet hatte. 

Tlieobald kehrte nun in sein Land zurück, wo es sehr viel 
zu ordnen (,'ab. denn seine Nachbarn hatten au dvr Grenze neue 
Vesten aufgeführt, welche Lotliringen l)edrohten. wie die Grätin 
von der Champagne zu Monteclair und der Graf von Bar zu 
Foug, nachdem derselbe Stenay hatte schleifen können. Theo- 
bald selbst konnte aber nicht viel dagegen thun, ordnete einige 
Streitigkeiten mit dem Capitel von Reniircmont, dem er ver- 
schiedene Zugeständnisse machte, und führte ein sieches Leben, 
bis er im Anfang des Jahres starb und in der Kirche zu 

Stürzelbronn begraben w\inle. Die clericalen Chronisten loben 
den Herzog, von dem sie auch ein weiseres Kegiment erwartet 
hätten, wenn er länger gelebt liütte, rülmien ilmi Gerechtigkeits- 
sinn nach, der einem Yerurtheilten nie die Strafe erliess, und 
heben besonders hervor, wie sehr er die Kirche von St. Die 12 Hi 
beschenkte und im nächsten Jahre begünstigte, obschon er 1215 
genöthigt war, die dem Bischof von Toul gehörige Veste Bouvron 
zu brechen. Aber in ^^'a]lrheit war er ein eigensiimiger. will- 
kürlicher, heftiger Mann, von ausscliweifendem Leben und ohne 
Treue und Glauben und seine That an dem ei*renen Grossoheim 
von Toul, den er ja hundert Mal gefangen nehmen und ein- 
schliessen lassen konnte und doch eigenhändig durchbohrte, war 
ein gemeiner Faniilienmord, den die dem Bischof gehässigen Mön- 
che vergebens zu beschönigen versuchten. 

Der Herzog und seine Gemahlin, Gertrude von Dachsburg, 
lebten in zwistiger Ehe, meistens in Feindschaft, ihre Charaktere 
passten nicht zusammen und daher gewannen sie auch keine 
Kinder. Kaum war daher der Herzog todt, so nahm seine Wittwe 
alle beigebrachten Güter, das Erbe von Dachsburg, wieder in 
Besitz, wodurch diese Güter selbst wieder dauernd von Lothringen 
getrennt worden. Sie selbst verheirathete sich schon 1220 
wieder mit Graf Theobald von der Champagne und Brie, von 
welchem sie im Jahre 1222 wieder geschieden wurde, und im 
letzteren Jahre mit dem Grafen Simon von Leiningen, an dessen 
Familie sodami die Daehsburgisehen Gfiter übergingen, starb 



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:i. Herzog Mathias (iJljU l.^DJ). 

aber schon am 19. März 1225, ohne eigene Kinder zu hinter- 
lassen. 



3. Herzog Mathias (1220-1251). 

Literatur. Aiuaer dea allganeinen Sohriften und den Torer» 
wihnten, besondere die AuMüge von Thierriat und Loiiis d'Hara- 
court über die Regierung von Mathias U. 



Als Mathias seinem Bruder Theobald nachfolgte, war er 
noch ziemlich jung und daher Yorsnchte es seine Mutter Agnes 
von Bar, die Zfigel der Kegierang möglichst in ihre Hand zu 
bekommen, während Philipp von Gerbeviller sich jetzt ganz 
ruhig verhielt und seine Anspräche völlig aufgab. Gegen seine 
Mutter war jedoch der neue Herzog, wahrscheinlich angetrieben 
von einigen Grossen, die kein Weiberregiment haben wollten, 
sehr rasch entschlossen, denn er erklärte ihr ein&ch, er sei jetzt 
Herr und gedenke es auch zu bleiben, ja er war wohl schon da- 
mals entschlossen, ihr das ihr als Wittwensitz angewiesene Nancy 
zu nehmen. 

Gleich nach seinem Begierungsantritt machten sich die mit 
der Gräfin von der Champagne eingegangenen Vertragsbestim- 
mungen in ihren schlimmen Folgen bemerkbar, denn sofort kam 
sie mit ihrem Sohne Theobald IV. unter dem Vorwande, zwischen 
der Mutter und dem Sohne zu vonnitteln, und brachte auch wirk- 
lich ein Abkommen zu Stande, das hauptsächlich ihr Vortheile 
brachte. Sie vermittelte hier zuerst die Heiratb zwischen Theo- 
bald's Wittwe Gertinde und ihrem eigenen Sohne, welche diesem 
den Besitz der Grafschaften Metz und Dachsburg sichern sollte 
und ihr selbst Gelegenheit darbot, sich in die Angelegenheiten 
Lothringens zu mischen. Dann vermochte Graf Theobald den 
Herzog, an Gertrude als Witthum Nancy und Veste Gondreville 
zu überlassen, nachdem seine Mutter Agnes durch Vertrag vom 
Juni 1220, den der Erzbischof von Trier ausfertigte, auf Nancy 
entsagt hatte. In weiterem Vertrage von demselben Tage ver- 
sprach Mathias, keine Beschwerdon mehr gegen seine Mutter 
wegen der bisherigen Streitigkeiten zu erheben, wobei sich die 



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^ m. Bach : Von Friedrieh I. bis ni Friedrich HI. (1205—1303). 



Gräfin von der Champagne und ihr Sohn für die treue Haltung" 
dieses Vertrags verpflichteten. Endlich einigten sich der Graf 
und der Herzog über die Schulden Tbeobald'Sf indem sich der 
Herzog verpflichtete, die in Lothringen gemachten Schulden ganz 
und die Anlehen bei Bürgern von Metz zur Hälfte zu bezahlen. 

Schon im Mai war Matliias in Troyes erschienen, um dem 
Grafen von der Champagne für die gemäss dem Vertrage von 
Amance von diesem zu Lehen gehenden Orte Lothringens zu 
huldigen, und es wurde am 25. Mai ein Vertrag daselbst ge- 
schlossen, worin Mathias sich dem Grafen zu Hülfe gegen Jeder- 
mann, ausser Kaiser ^Friedrich und seinen Sohn , verpflichtete. 
Es wurde aber nun ein neues Abkommen verabredet, worin Ma- 
thias vorsprach, keine Leute des Grafen in seinem Staate auf- 
zunehmen, ihm für immer mehrere in der Kastellanei von Gon- 
drecourt liegenden lothi-ingischen Lehen abtrat und gelobte, alle 
auf die Grafschaften Metz und Dachsburg bezüglichen Actenstücke 
herauszugeben. Ja man ging sogar so weit^ ihn am 30. Juli 
zu einem noch weiteren Vertrage zu vermögen, worin Mathias 
erklärte, Stadt und Kastellanei Neufcbateau nebst Zugehör als 
von der Champagne herrührendes~Tiehen anzusehen, während er 
dies doch bisher als freies Allod besass. Die Folge davon war. 
dass der .Herzog .diese Stadt mit Zugehör dem Grafen von der 
Champagne offen halten musste, und so wurde denn der Herzog 
Vasall des Grafen füi* Neufcbateau, Chätenoy, Frouard und dje. 
Hälfte von Gand, ja später so^'ar auch für die Veste Montfort» 
die von der Champagne zu Lehen ging und vom Herzoge 1250 
y erworben wurde. 

Dennoch erntete der Graf von der (.'hanipagne nicht alle 
Vortheile dieser Verträi^e, denn als nach zwei Jahren seine Ehe 
mit Gertrud wegen zu naher Verwandtschaft als ungültig aufge- 
löst wurde, niiisste er auch die Grafschaften Metz) und Dacl^s- 
burg wieder licraustreben. Nach dem Tode Gertrud's. die sich 
naclilier mit dem Grafen von Leiningen wieder veilieiratliete, 
wurden auf einmal verscldedene Anspriiclie auf Dachsburg er- 
hoben, da der Bischof von ^letz behauptete. Daclisburg sei ur- 
sprün,f(Iicli Lehen seiner Kirche gcAvesen, und mit Hülfe des 
Grafen von Bar sich der Städte Saarburg und Saaral})en. sowie 
der Herrschaften Türksteiri und Eruestein nebst anderen Domänen 
bemächtigte. Ja er bedrohte sogar Sehloss Dachsburg selbst, 
als HugOj^^Bru)lex_de8je^^n Grafen von Dachsburg, sich daselbst 



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H. Herzog Mathias (1220—1251). 201 

fostsct/tr iinfl behauptete. Bischof Johann von Apremont konnte J. i, i , 
das auf t iuem steilen Felsen gelegene ScliloHs nicht nehmen und 
erbaute daher auf einem l)ena('libarten Berge eine Veste, deren 
Besatzung die Zufuhr für Dachsburg al)schneiden sollte. F]ndlieh 
setzte sich auch (Jraf Simon von I.einingen sell)st zur Wehre, 
als man an sein Erbe iimuer weitere Ansprüche, erhob, und lu achte 
endlich so seine Gegner durch seinen Widerstand zu einem fi-ied- _ 

liehen Abkonunen. Hiernach behielt Siiuon von Leiningeu da^ 

Schloss Dach sburg unter der Bedingung, dass er eine Nichte des 

Bischofs heirathe, letzterer blieb im Besitze dessen, was er schon 

selbst genommen hatte, der Bischof von Strassbur wurde mit 

den SchlAssem Girbald und Bernstein abgefunden und der Bischof 

von Lfiji&li erhielt die Yeste Moha. Dieser Streit wurde also / ^ 2 / ' 

dniüh den Frieden vom 29^ August 1227 beigelegt. I 

Andere ünannefamlichkeiten hereitete dem neuen Herzoge iiurci- 
der Graf von Lpnevüle, der auf Mathias eifersfichtig war, jedodi '^'^'y^r''\ 
selbst k^ne^LnsprücEe machte und bloss den Herzog, wo er 
konnte/nSefehdeteT Derselbe brachte Ihn erst mit Gewalt zur 
Buhe, ohne ihn aber weiter zu bestrafen. Ueberhaupt ging der 
Herzog sehr schonend gegen die Grossen zu Werk und erliess 
sogar in deren Interesse eine besondere Bestimmung, wonach 
die Tochter oder Schwester eines Edelmanns, die sich gegen den 
Willen des Vaters oder Bruders yerheurathete, durch den herzog- 
lichen Amtmann bestraft werden soUte. Diese Bestimmung hatte 
nftmlidi zum Zweck, dass nicht m Theil der adeligen Guter in 
andere Hände falle. 

Wie wir in dem vorigen Zeiträume gesehen haben, erhielt ^' \ ' 
die Stadt Metz durch ihren Bischof die erste Municipalverfossung, ' 
welche ihre Freiheit befeslogle! Andere Städte mit ähnlichen 
Verfiissnngen gab es im Lande nicht, aber es zeigte sidi doch 
bald die Nothwendigkeit, auch sonst die Stadtrechte zu ordnen, 
wo nämlich Oberhaupt eine Art von wirklicher Stadt vorhanden 
war. Aus welcher Ursache es geschah, ist nicht mehr genau 
zu ermitteln, aller Wahrscheinlichkeit nach aber auf Veranlassung 
von Graf Theobald von der Champagne, dass der Herzog im ^ , 
Monat September 1231 der Stadt Ne^^^teau^^eine.^-Stadtvfir±...^ 
fiissung verlieh. Hiemach sollten al]|jäErlich lum j. October oder 
innerhalb vierzehn Tagen darauf dreizehn Magistrate oder Ge- 
schworenen (wie die Dreizehner in Metz) von den Bflrgem er- 
wählt werden, die wieder aus sich einen Oberen oder Maier 



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202 -tU- -Buch: Von Friedrich L bis jsu Friedrich UL (1205—1303). 



(Mairc) erkoren, um der Stadt iu alleu Verhältnissen gegenüber 
dem Souverän vorzustellen. Dieser Magistrat sollte über alle 
Streitigkeiten unter den Bürgern in letzter Instanz entscheiden, 
auch in allen Strafsachen die l^ürger aburtheileu und die am 
2. October vom (irafen von der Cliamjiagne eingeholte Bestäti- 
gung dieser neuen Stadtordnung fügte nocli weiter bei, dass die 
Herzoge von Lothringen ohne Krmächtigung dieses Stadtraths 
weder einen Einwohner von Neufchateau verhaften, noch seine 
(lüter mit Beschlag l)eh'gen durften und dass l)ei Uebertretung 
dieser Vorschrift von Seiten des Herzogs dieser vom (irafen zur 
Befolgung dersell)en gezwungen werden sollte. Letzterer machte 
sich durch Veranlassung dieser Verfassung bei den Bürgern so 
beliel)t, dass der Herzog aLsbald sogar in ihre Treue gegen ihn 
Zweifel zu setzen begann. 

Im Septeml)er 122') verlieirathete sich der noch sehr junge 
Herzog mit Katharina. Tochter des Herzogs Valeran von 
Liml)urg. (Jrafen von iAixemburg und Markgrafen von Arlon, 
welche als Aussteuer 3(XX) Livres Metzer Münze im Jahre 1220 
erlialten sollte, sie alicr erst 1220 bekam. Das junge Ehepaar 
verzichtete 1227 auc h gegen tausend Livres auf das Erbe von 
Katliarinens Mutter Ermenson, die in diesem Jahre mit Tod 
abging. Auch die Mutter des Herzogs, Agnes von Bar, war 
122l> gestorl)en und in der Abtei Beaupre begraben worden. Ihr 
Testament vom S. Juni ist jedenfalls unter dem Einflüsse von 
<leistlicben abgefasst, deim sie bedachte darin verscliiedene Klöster 
überreichlich. So erhielt die Abtei Freisdorf den Zehnten und 
das Patronatsrecht von Kemplich und den Zehnten von Harche- 
reng, die Peterskirche zu Trier die Domäne Kemplich und die 
Abtei Viller-Betnach den Zehnten von Fontaines, die Tempelherren 
aber, weil sie die versprochene T*ilgerfahrt nach Jerusalem nicht 
ausführen konnte, die Mühle von Longwy. Endlich l)ekamen 
die Abtei St. Vanne und die l'riorei Mont- Saint- Martin einige 
Vermächtnisse. Dem Herzoge Mathias überliess sie Ajnance und 
Jiongwy, die nach dem Tode Theobald's I. ihr zugefallen waren, 
jedoch mit der Bedingung, dass ihi* Sohn Jakob die Einkünfte 
davon beziehe, bis er ein Bisthum erhalte. Keinhold erbielt Schloss 
und Städtchen Stenav und den liest ihres Eigeuthuuis vertheilte 
sie an die Töeliter Laurette und Alix. 

Da die damalige Zeit niemals ganz der kleinen Kriege ent- 
behrte, so würde es eine Ausuahnie geworden sein, weun nicht 



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3. 'Uerxog Mathias (1220— 125X). 



uuch tler H>M-/og von Lotlirii)<(t'n (Uircli solche melirfacli in An- 
spruch ^ononinien worden wäre, denn so ziemlidi alle Nachl)arii 
waren von sehr unruhiger Natur. Eigentlich stand er nur mit 
wenigen derselhen auf guteni^Fusse, wie mit dem MetzerJiischQf 
Konrad von Scharfeneck und dem (irafen Joha nn von Chalo ns 
an der Saone und von Auxonne. Der Erstere übertrug dem ]QMJ^ 
-jlerzog im Jahre .die Schirinvogtei über die Stadt Saar- ^/HcAf^ 

liHij' '''^^^ bekannt isFT wie er damals sclion dazu benM-li- b a ct-t^ 
tigt war. da zwar das Bisthum schon von früheren Zeiten lier 
diese Stadt als ihm angehörend ansah, dieselbe aber damals nocli 
mibestrittenes Kigenthum von Gertrud, Gräfin von Dachsburg 
und AV' ittwe des Herzogs Theobald, war. Mit dem Zweiten ging 
er ein vollständiges Hündniss zur Kriegshülfe ein, wobei bloss 
Simon von Joinville und zwei andere Ilerren ausgenommen blieben. 
Im Xorden beunruhigte der Herr von Kodemachern das Grenz- 
gel liet des Herzogthums, was Matliias veranlasste, unter Bürg- 
schaft seines Scliwagers (ierhard eine Sunuue aufzunehmen, um 
diesen Kaubzügen mit gehörigen StreitkrätVn ein Ziel zu setzen. 
Auch belagerte er um diese Zeit von der Pfingstwoche bis zum 
S. September r>'i() das l)ei Mo^en- Montier liegende Schloss 
Haute-Pierre der Familie von Parroye, das er einnahm und 
brach. 

Waren dies eigene Händtd, so zog ihn sein Verluiltnisf? zu 

dt'iii ( Ii afen Theobald von der Champagne auch in fremde liinein. 

Dieser Graf hatte wegen eines Streits den Lyoner f^rzbischof 
Kol)ert von der Auvergne gefangen und einges]terrt und dadurch 
den allgemeinen l'nwillen erregt, zunuil des Grafen II einrieb H. 
von Bar, der endlich Mittel fand, den Krzbischof wieder zu be- 
Treien, was den (irafen Theobald von der Gliampagne gewaltig 
gegen ihn aufbrachte. Sicli zu räclien war jedocli für denselben 
schwer, da zu seinem Gegner eine erhebliche Anzald Herreu und sogar 
Vasallen der ('hami>agne hielten und ihre Streitkräfte zu Tonnerre 
vereinigten, während Theoltald eine geringere Zahl zu Tioves 
besass. Vm einem offenen Kampfe vorzubeugen . Hess sich 
Blanka von (,'astilien, die Vormünderin des minorennen Königs 
l.udwig iX. von Frankreich, herbei, ihre Vermittelung eintreten 
zu lassen und brachte auch einen Waffenstillstand zu Stande, der 
dann bis Ende 122}) verlängert wurde. Tlieobald rüstete in- 
zwischen heimlich, bot zu seinem Beistand den Herzog Mathias 
auf und dieser nahm weiter die Hülfe des ihm verbündeten 



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204 Biel» : Von Friedrich I. bis ku Friedrioh'in. (1205— 1303> 

« 

Grafen von Chdlons in Anspradi, um unTerselienfl fiber den Grafen 
_ Theobald von Ba i- herzufallen. Zuföllig erfidir dieser aber durch, 
die Yerrfttherei des Arztes Bechet, der im Dienste des Grafen 
von ChSlons stand, von der Sache und konnte rechtzeitig an seine 
Yertheidigung denken, beyor seine Gegner gehörig gerflstet waren. 
Der Graf versammelte rasch seine Truppen, fiel gegen Weih- 
nachten zuerst in Lothringen ein und Hess an siebenzig Dörfer 
in Flammen aufgehen. Dafür drangen aber seine Gegner in das 
Barrois ein, fibten Vergeltung und legten zu Montier- sur- Sank 
eine Teste an, um von da aus ihren Gegner besser im Zaume 
zu halten. Aber kaum waren sie wieder fort, so fiel Graf Heinrich 
über die Yeste her und zerstörte sie, wogegen die Metzer, welche 
jetzt zur «Gegenpartei hielten, die Moselbrflcke von Mousson zer- 
störten, welche das östliche Barrois mit dem westlichen verband. 
Die Verbündeten des Grafen von Bar Hessen sich durch einen 
gegnerischen Einfiill in das Gebiet des Grafen von Si Pol nicht 
abhalten, in die Champagne einzudringen, dort Epemay, S^zanne, 
VertüB und viele Orte anzuzünden und unter unsSglichem Schaden 
den Krieg im Jahre 1230 fortzufahren, bis endlich 4er Graf von 
Bar im August sich zu einem bis zum 1. September verlängerten 
"^Waffenstillstand herbeiliess unter dem Vorbehalte fireien Durch- 
zugs für sich durch die Champagne und für den Herzog Mathias 
durch das Barrois, um beide Theile in Verbindung mit ihren 
Eriegsgenossen zu erhalten. Endlich kam es in den letzten Tagen 
des pecember zq Vitrj zu einem wirUichen Friede n durch Ver- 
mittelung Theobald^s IV. und des Grafen, Philipp von Boulogne. 
Derselbe bestimmte die Zurückgabe d^ Theüs von Ama nce, der 
Heinrich II. zu eigen gehörte, die Zurückstellung der Wa£fen 
und Leute von Pierrepont, die Ernennung von Schiedsrichtern 
bei etwa entstehenden Streitigkeiten, den Wiederaufbau der Brücke 
von Mousson und endlich die Ausfolgung der Ge&ngenen und die 
Angelegenheit der Tochter des Gerhard von Tandon, die entfuhrt 
worden war und dem Vater zurückgegeben werden sollte, wenn 
sie der Entführer nicht heirathe. 

Hatte der Herzog nicht selbst Streitigkeiten, so wurde er 
bald in firemde hineingezogen, die sidi an den Grenzen seines 
Landes ergaben. In Metz hatte sich schon durch einige Zeit 
ein Zwiespalt zwischen der G eistÜeh keit und ihrem Bisehofe 
einei-seits und der Bürgerschaft andererseits gezeigt, Ssk erstere 
wohl an allen Vortheilen und Rechten Antheil nehmen, aber nicht 



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3. Herzog Mathias (1220—1251). 



205 



rV 



gleicbmftssig zu den Al)ga))eü beitragen wollte und gänzliche 
Befreiung davon beanspruchte. Auf dem Metzer Bischofstulde^ 
sass damals der Lothringer Johann von Apremont. welcher Ver- < /-/ 
wandte in der Par aige P orte-Sjiüll hatte. Letztere war eine "^^M 
der (A^lMenossenschaften der Stadt, deren es damals f ünf gab tST 
und welcne die eigentlichen Besitzer des Metzer Lajtcis (Pays 7 / ^ 
messin) waren, sich nach ihrem (Giyifirbesitze'^^upprrben und 5^ 
schon seit einiger Zeit das Regiment der Stad t ganz in ihrer 
Gewalt hatten. War nun wegen der Abgaben schon seit Mitte 
der zwanziger Jahre ein Zwiespalt vorhanden, so scheint zu dessen 
Steigerung noeh der Umstand beigetragen zu haben, dass die 
genannte Para ige, deren Besitzungen meistens auf dem Unken 
Moselufer bis zur Grenze des Barrois lai:en.( ^ das Bisthulg) die 
Metziflchen Orte Ancy, .tot Chfttel und Bcy abtrat und so das 
Gebiet d er Stadt selbst verkleinerte. Aus Aerger zogen di§ 
Hetzer unter ihrem Schöffenmeiater M afeias le G aillard naeh 
dem Dorfe Chätel unter der alten Yeste und damaligen Priorei 
St. Germain und yerbrann^n es, ja sie sollen einem Geistlichen 
sogar die Augen ausgestochen und noch andere Missethaten voll- Ao\i 
führt liaben. Es war dicis im Jahre 1231. Der Bischof ver- f^^'' 
langte dafür Genugthuung und da er sich nicht mehr aus seinem 
Palais herauswagte und das Volk in seiner drohenden Haltung 
verharrte, so belegte er es mit dem Banne und liess denselben 
vom Erzbischofe von Trier bestätigen. Endlich entfloh er auf 
die erwähnte Burg St. Geiinain und bald wurde auch die zu ihm 
haltende Pardge^P^rte-Saillvj^dw Güter in derselben Gegend 
lagen, a ii&^er Sta dt Yerjagt und deren Häuser vom Volke ge- 
plündert.*" Wahrscheinlich wurde damals, um di e Fünfzahl dff^ 
Paraiges zu erhalten, die Berechtigung einer Anzahl andere;^ o 
angesehener und reicher Bewohner zur Begründung der neuen v^*''f 
Paraige Commun zugelassen und die Kraft der herrschenden 
Partei dadurch verstärkt. Mit der blossen Vertreibung genügte 
es aber den Metzem nicht mehr, als die Pandge Porte-Sailly 
sich zum Schutze und zur Verstärkung des Bischofs mit ihren 
Mannschaf ken auch nach dem Schlosse St. Germ altt begeben hatte, 
und die Städter beschlossen dies anzugreifen und zu belagern. 
Doch konnten sie es weder nehmen, noch im Felde viel aus- 
richten und zogen sich nach Verheerung der gegnerischen Güter 
in die Stadt zurück. Während dessen sah sieh der Bischof naeh 
Hülfe um und jgf_ den Herzog Mathias und den Grafen von ^^ar - 



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206 IQ- Buch: Von IViedrieh L bis sn Friedrich IIL (1205- Vmy 

herbei, welche 1232 mit ihren schwachen Kräften Metz einzu- 
schliessen suchten, aber nichts auszurichten Teimochten. Aber 
die Metzer kannten den Werth iliros Geldes zu gut, um nicht 
mit Hülfe desselben den Graben jon Bar vom Bischöfe zu^trfi^en 
und auf ito e ei gene Seite zu'ziehen. Der Graf suchte also aueh 
den Herzog zum Kückzuge zu bringen, drang in die bisohöf* 
liehen und lotliringischen Besitzungen ein und nahm sogar nach' 
siebentägiger Belagerung die nicht genug mit Vorräthen ver- 
sehene Sltadt Neufcliateau. Dadurch wurde Mathias veranlasst, 
an den Schutz seines eigenen Landes zu denken, und der Bischof 
musste sich in seinem Sclüosse St. Gormain eingeschlossen halten. 
AVähi'end der Graf von Bar Florenges und noch andere lothrin- 
gische Testen angriff, brannte der Herzog die lJurg Mousson 
(späteres Pont-ä-Mousson) nieder und zog so den Grafen wieder 
in diese Gegend, wo er zunäclist daran dachte, Froiuird zu be- 
lagern und sich so den Eingang in das obere Lotliringen zu 
erzwingen, l in dies zu verlundcrn. Hess sich der Herzog hin- 
reissen. im nahen Thale bei Chani])igneules in offi'ueni Felde 
den Kampf aufzunelimen. Aber die St'iiiigen imterlagen und 
wenn auch der Herzog persönlich am Kampfe Theil nalini und 
mit der Lanze eines seiner Soldaten kämpfte, so konnte ihm 
dies nichts mehr helfen und ihm selbst wurde das Leben nur 
durch einen Metzer Kriegsknecht Namens Frisson j^TM-ettet. der 
ihn mit seinem eigenen Leibe deckte. Mit ^Iiihe entkam der 
Herzog durch den Forst von Hay«' nach (ion(heville, wo er sich 
einscliloss. Endlich machte die Verniittelung des <jrafen Hugo IV. 
von Burgund dem Kampfe zwisclien Bar und Lothringen ein 
^^^) Ende, wobei der neue Frieden sich wenig von dem vorhergegau- 
genen vom .Talirc Vl\\{\ unterschied. 
" ' " ' Tiizwisclien danertcn die Feindseligkeiten zwischen den 
Metzern und dem Bischöfe fort und erstere zogen nun auch den 
Herzog von Lotliringen auf ihre Seite, um das Schloss besser 
zu belagern. Der Bischof vertheidigte sich mit seinen Leuten 
sehr tajtfer, machte Ausfölle, Inachte den (iegnern viele Verluste 
l»ei und nahm sogar einige lothringische Herren gefangen, so 
dass es der Herzog bald aufgab, sich an diesem Kampfe weiter 
zu l)etlieiligen. Damit ward aber die Lage des Bisciiofs nicht 
gel)essert und deshall) sandte er seinen Bruder Gobert von Apre- 
mont aus, um Hülfe anderwiiits zu suchen. Von den französi- 
schen Herren wollte sich keiner da/u herbeilassen, der durch 



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a Herzog Mathias (12Jü~12öl). 207 

einen Aufruhr selbsfe bedrohte Biscliof ym Yerdnu konnte keinen 
Beistand leisten und dalier wandte sieh Gebert endlicb an seine ^]^'/ • 
Verwandten und Freunde im Ostlichen deutschen Gebiete, wo er . 
auch einige bereitwillige Hfilfe fismd. Es stand sohlecht im * ^ : 
Schlosse St' Qermai n und Hfilfe musste rasch kommen, deshalb 
drängte auch dw Bischof auf beschleunigten Uebergang über die 
Mosel, deren Wasser im Steigen begriffen war und bei längerem 
Warten ein üebersetzen über den Fluss unmöglich gemacht hätte. 
Nun standen sich endlich beide Theile im Felde feindlich gegen» 
über und ein offener Kampf sollte ^en Streit entscheiden. Aber 
gerade weil Tom Augenblicke so Tiel abhing, der Bischof schwer- 
Udi mehr auf weitere Hülfe zählen konnte und die Metzer auch 
schon viel Geld auf den Krieg verwendet hatten, zögerten sie 
mit dem Angriffe und diesen Augenblick benützte nun der Touler 
^chof Rüdiger von Marcey, der vorher schon vergebens zur 
YersOhnung gemahnt hatte, um zwischen beiden Theilen zu ver- 

mittein. Es kam auch 1 235 zu ei nem Frieden, in Folge^dfigSfiu^ /X 3 ^ 

der Bischof in Manchem nachgab, eine~Amnestie ertheUte und 
den Bann aufhob, während die Metzer eini|g Wünsche dea 
Hschofii in stadtischen Angelegenheiten gev^^Erten, die Ge&n» ^ 
genen in Freiheit setzten und der Paraige Porte^Saillj die Rück- i/f^*- 
kehr in die Stadt und ihre alte Stellung erlauhten. Die neu- Jl. ^ri»vL 
gebildete Paraige ( Vnumun bj^b als sechst e Paraige bestellen 

und erhielt wegen der grosseren Anzalil ihrer Mitglied er eine^ ^ 

verhältnissmässig stärkere Vertretung. 

Solche Kämpfe mussten das Herzogthum hart mitnehmen 
und brachten nidit einmal die Aussicht, im glücklichsten Falle 
demselben einige Vortheile zu bringen. Deshalb suchte der Her- 
zog jetzt sich von fremden Streitigkeiten fem zu halten, cUe er- 
littenen Schaden wieder gut zu machen und auf friedlichem Wege 
seinen Besitz zu vergrOssern. Es gelang ihm auch im Juli 1243 JZ^'^ 
auf diese Weise die Schlosser Ge itevillei{ Tju ge yHIe^und Valfiaag- 
court zu erwerben. Für Lunevifle er an' Grafjjugo von ''i'.: *f 
Luneville in Tausch Sdiloss Spitzemberg und er zu S t. Di^ , 
StUEflU-MojceaTMouto und BouigQn^ 

besass, wodurch der Graf einen recht ansehnlichen abgerundeten 
B^tz bekam. Deshalb bereute der Herzog auch drei Jahre 
später den Tausch, zumal er darüber in Zwistigkeiten mit diesem 
Grafen gerieth, der inzwischen den Titel dnes Grafen von IMx^^zl^ 
steiiyingeno^ hatte, und es erfolgte daher am 4. August 1246^ 



jti- 



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-^i- But^^ii: Von Friedricli 1. bis zu Friedrich III. (^i20j— 13U3). 

# 

ein neuer YertragBabschlass, dnrch welchen er gegen dreitausend 
Metzer Livres die abgetretenen Schlosser und Landestheile wieder 
zurücker hielt» Als Bürgschaft für die Bezahlung liess er Schloss 
ISpitzemberg einstweilen in den Händen von Guno . und Burnig 
von Einsängen. 

Im Jahre 1240 hatte er schon gegen ^,00 Livres Provencer 
Münze die G ratschäft Toni erlangt, welche %r lothringer Seit en- 
linie gehörteXund 1248 versetzte Friedric h, der^^ef der Linie, j ^ * ^ 
die Grafechafran Mathiaa uni Livres derselben Münze mit ' ^ 
der Bedingung, dass sie in der lothringischen Familie verbleiben 
müsse. Es war dies aber nur für kurze Zeit der Fall, denn der 
Touler Bischof Küdige r_Yon ^arcei: wollte dies LilLu i des Bis- 
thums wieder zurückziehen und der Herzog gewährte dies auch 
im Februar 1249 gegen Vergütung der dafür bezahlten 500 Livres. /^-f' > 
Doch behielt der Herzog immer noch innige Beziehungen zur ^ 
Stad t Toni, die sich und ihre Güter unter den Schutz des Her-_. . 
zogs stellte und ihm dafür jährlich hundert Livres Touler Münze 
zu bezahlen versprach. — Um 4|esß Zeit fiind auch eine Ausvjij^ ' 
'^icliung mit dem GMen von Bar statt, mit welchem 1245 ' 
■beimals ein Krieg auaznbieclieiil^te. Es handelte sich im 
Grunde um eine ziemlich geringfügige Sache, nämlich um den 
Vorsitz bei allen ZwgikSiDpfen zwischen Ehein und Maas, den 
der Herzog als Markgraf beanspruchte, der Graf aber als unab- 
hängiger Herr in seinem Lande nidit zugestehen wollte. Schliess- 
lich kam man jedoch darüber überein, dass jeder Theil bei Zwei- 
kämpfen seiner Landesangehdrigen auch den Vorsitz besitzen solle. 

Wie oben erwähnt wurde, erhielt Neufchäteau vom Herzoge 
Stadtrechte und wurde im !&iege v(äri232 voti Grafen von 
Bar genommen. Der Herzog wurde darüber der Stadt bOse, 
denn er glaubte, sie habe sich freiwillig ergeben, und als er 
daher in Folge des Friedens von 123 3 N^c häteau zurückerhielt, 
nahm er ihm die ertheilten Stadtrechte wieder. Erst einige Zeit 
später wurde er darüber eines Besseren belehrt und auf Veran- 
lassung des Grafen von der Champagne stellte er die aufgehobene 
Stadtverfessung wieder her. Im üebrigen waren aber weder der 
Herzog, noch die Grossen des Landes solcher Entwicklung des 
Städtewesens günstig, weil es einestheils ihre Willkür beschränken 
i^iusste und anderntheils sie selbst noch nicht recht die Vortheüe 
für das Land zu beurtheilen wussten. Doch sah er sich zur 
bessern Regelung der Justiz und Eigenthumsverhältnisse veran- 



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3. Herzog Maüiias (1220-1201;. 209 

lasst, in seinem Lande auch Notare, die er Tabellions nannte, 
einzuführen, um die öffentlicheii Uilaiiideii in richtiger Form ab- 
zuflEissen und aufzubewahren, wie es Bischof Bertram einige Jahr- 
zehnte zuTor in Metz gethan hatte. Soleher Notare sollten es 
vier in Nancy und zwei in jedem Amte (Fr^vötä) geben, von 
den Amtleuten ernannt nnd beeidigt werden. FrQher bestanden 
nur kaiserliche und kirchliehe Notare, aber Toreinzelt nnd spar- 
sam und ohne staatliehe Anfideht nnd ControUe. üebrigens be- 
hielten Einzelne, wie der Maire von Neufchätean, die ihnen er- 
theilte Ermftchtigung znr Ab&ssung sokher Sdniftstfleke beL 
In der Orgamsation der Aemter der Baillis (Amtleute), welche 
schon zur Zeit yon Herzog Theobald eiugefuhrt waren, wurde 
nichts geändert 

Hemgjfo^das war hn papistischen Sinne erzogen und Ter- 
hielt sich demgeznäis anchln Iteichsängelegenheiten. Erersdnen 
j231 anf zwei Beichstagen zn Worms, welche K Friedrich's H. 
Sohn K. Heinrich abhielt. Als aber im Jahre 1245 Papst In- 
noeoiz IV. aus Herrschsncht den Bann gegen E. Friedrich E. 
schlenderte, ihn für abgesetzt erUfirte nnd seine Anhänger in 
Dentschland veranlasste, eine neue Eaiserwahl vorzunehmen, da 
war auch Herzog Mathias bei den in der Kirche von Wflrzbnrg 
erschienenen Beichsständen und stimmte iör den vom Papste 
empfohlenen Landgrafen Heinrich Baspe von Th£bringen, der zum 
Gegeuköuige erwählt wurde. Lothringisclie Chronisten fobeln 
nun davon, dass Priedrich wegen dieser Theilnahme des Herzogs 
den Letzteren habe in Lothringen bekriegen wollen nnd wegen 
gefundenen Widerstands sich zurfickzog, sowie dass aus dem- 
selben Gmnde der Herzog mit dem Bischöfe von Strassburg und 
Grafen von Dachsburg einen Erlog bestanden habe; aber beide 
Erzählungen stimmen nicht mit den Berichten der Zeitgenossen, 
sind offenbar reine Erfindungen und schwerlich hätte sich auch 
E. Priedrich H. bemüssigt gesehen, mit dem an und f&r sich 
unbedeutenden Herzog sich in solchen Streit einzulassen, hatte 
er doch weit Wichtigeres anderwärts zu thnn. 

Als der QegenkOnig schon 1247 bald nach der vergeblichen 
Belagerung von Ulm auf der Wartburg starb, setzte der Papst 
wieder alle Hebel an, um einen neuen OegenkOnig^in Wilhehn 
Graf von Holland auf einer Versammlung zu Neuss wählen zu 
lassen. Wahrscheinlich war auch Herzog Mathias bei seinen 
Gesinnungsgenossen, denn der päpstliche Legat Cardinal Peter 

Huhn, Gevehiehte Itotiirfngau. 14 



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210 ni. Bach: Von Friedlieh I. bis m Friedrich III. (1205— 1303). 

war ganz besonders bemfiht, ihn den päpstlichen Bestrebungen 
dienstbar zu erhalteUt und sparte daftbr weder Worte noch Geld. 
Er schloss sogar am 23. April 1248 mit dem Herzoge einen 
Vertrag, worin derselbe seine Hülfe gegen K. Friedrich H. ver- 
sprach, wogegen der Legat und der Gegenkönig denselben nicht 
bloss schadlos halten wollten, sondern ihm noch dreitausend 
Mark Geld gaben. Mathias sollte den Eaufleuten der Städte 
Worms und Speier und allen anderen Anhängern des Kaisers 
den Durchzug versagen, dagegen vom Legaten des Versprechens 
einer Pilgeneise nach Palästina enthoben sein, was nebenbei 
aneb die lothringische Fabel von einer solchen stattgoliabten 
Pilgerfahrt widerlegt. Endlich verpflichtete der Legat den Her- 
zog, das Schloss Kaisersberg im Elsasse fünf Jahre lang zu be- 
hüten nnd zu schützen. 

Für alle diese Versprechungen scheint der Herzog nicht 
mehr viel gethan zu haben, denn es ist nichts mehr darüber 
bekannt. Dagegen fühlte er sein Ende nahen und war er daher 
bemüht, seinem ältesten Sohne durch eine Heirath einen starken 
Beschützer zu gewinnen, indem er eine Eheberedung zwischen 
diesem und Margaretha, der Tochter des Grafen Theobald TOn 
der Champagne, veranstaltete, denn zur sofortigen Heirath waren 
' I beide Verlobte noch zu jung. Der Herzog lebte auch nicht mehr 
\ lange nnd starb am 16. Juli 1242, worauf er zu Stürzelbronn 
' begraben wurde. Lothringer Historiker rühmen den Herzog, 
denn er gehörte ja ihrer clericalen Farbe an, und erzälüen dafür, 
er habe so sehr die Gerechtigkeit geübt, dass er den Hauptmann 
eines Schlosses, der einem armen Bürger einen Garten in unrecht- 
mässiger Weise wegnahm, mit Ruthen öffentlich peitschen lassen 
und davongejagt, wie er denn auch über der Thüre des Gerichts- 
saals solche Ruthen habe abbilden lassen. Aber das Leben von 
Mathias zeigt in der That wenig lobenswertbe Eigenschaften 
und ist von ihm hauptsäclüich nur hervorzuheben, dass er seinen 
Besitz um Luneville, Gerbeviller, Valfroicourt und Moutfort ver- 
mehrt hat. 

Vier Kinder überlebten ihn. Der Sohn Friedrich wurde 
sein Nachfolger; von den Töchtern heirathete Laura zuerst den 
Jobann von Danipierre und dann den Wilhelm von Vergy; 
Katliarine vennäblte sic.li mit Kichard Graf von Mömpelgard 
und lsal)ella Martjaiethe mit Graf Heinrich von Vienne, der 
für Heinrich mancherlei Dienste versah und auch obige Ebe- 



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3. Herzog Friedrich UL. (1271—1303). 



211 



beredung für <1ori ültcston Sohn cinloitcte. Es Hclieint nicht, 
dass diese Töchter orlu'liliclio Mitgal)en ausser in Geld bekamen. 
Die Gemalüin des Herzogs, Katharine von Limburg, über- 
lebte diesen. 



4. Herzog Friedrich III. (1251—1303). 

Literatur. Mory d'Elvange, Fragments historiques sur les 
Jltats-tite^nx en Lorraine; — Eder ie Glay, Histoire des oomtei de 
Flandre, jiuqu^i ravenement de la maiton de Bonrgogne; — Brüssel, 
Usage general des fiefs; — Jo in Tille, Histoire de St Louis (1826); — 
Beaupr4,'De la captivite de Ferri III., dit le Chaave, doo de Lorroine, 
•dans la toor de lfax6yille (Maney, 1839). 



Herzog Friedrich, der beim Tode seines Vaters noch sehr 
jung- und wolil kaum sechs/.elin Jahre alt war, hat eine Kegie- 
rungszeit von mehr als einem halben Jahrhunderte aufzuweisen; 
aber trotzdem ist dieselbe an wichtigeren Ereignissen und Er- 
gebnissen nicht selir reich und auch darüber liegen wieder nur 
spärliche und mangelhafte Nachrichten vor, weil es in dieser 
Zeit an besseren und ausfühidicheren Chroniken fehlte. Es führte 
also im Anfange für ihn seine Miitter^Katharine von Limburg^ 
die Kegierung und zwar wahrscheinlich unter Zustimmung und 
Beirath der Stände, welche schon bei verschiedenen Gelegenheiten 
ihren Eintluss auf die Handlungen der Herzoge gezeigt hatten. 
Doch ist damit wohl zn viel gesagt, wenn ein späterer Chronist 
behauptet, die Stände selbst hätten der Wittwe die Vormundschaft 
übertragen. 

Eine ihrer ers^n Handlungen war geradezu durch die Lage 
Lothi'ingens geboten, denn sie bedurfte der Verbündeten, um den 
oft so rasch hereinbrechenden Ereignissen und Streitigkeiten 
.■ gegenüber Stärke zu zeigen. Sie schloss also ein Schutz- und 
Trutzbündniss mit den Grafen von Bar und Luxeinl)urg und dem 
fö'J C r^^Bischofe von Tmil gegen die Bürger von Metz und Toul, die 
sich selbständig fühlten und der ewigen Eingrille ihrer Bischöfe 
überdrüssig waren. Metz hatte erst wenige Jalu'e vorher einen 
solchen Streit durch einen längeren Krieg mit seinem Bischöfe 

U* 



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212 ni. Buch: Von Friedrich I. bis su Friedrich IIL (1205—1303). 

auszufediten gehabt, der sich dabei auf eine ihm verwandte 
GesclüechtergenosHpnHchaft stützte, und die Touler strebten gerne 
dem Beispiele der Motz«M- nach und wollten sich die Eingriffe 
ihrer Bischöfe in Gemeindeangelegenheiten auch nicht mehr ge- 
lallen hissen. Bischof Küdig;er (Hoger) von Mareey unternahm 
es nämlich 1243, ein neues Keglement für die Tucliinacher der 
Stadt aufzustellen, und da diese zu den reichsten Bürgern der 
Stadt gehörten, so wollte die Stadt solchen Eingriff in ihre Kechte 
nicht dulden, denn sie behauptete, solches Keglement könne bloss 
vom Kaiser erlassen werden und auch dann habe die Bürger- 
schaft das Hecht, zuvor darüber befragt zu werden, da diese ja 
ihre betreffenden Interessen besser kenne, als der Bischof. Es 
ist wahrscheinlicli, dass dieser Streit im Anfange ))lo8s zu fried- 
lichen Verhandlungen Veranlassung gab; als aber der Bischo 
auf seinem behaupteten Kechte bestand und nicht nachgab, 
•wandte sich im Jahre der Schöffennieister Nemmery Barat 

an die Stadt Metz und schloss mit ihr durch Vermittelung von 
Isambert ( Jromont, eines Aletzer Kathsherrn, ein Bündniss gegen 
alle Feinde linder Städte, wobei auch König "Wilhebu, Gegner 
des K. Friedrich II., genannt war. Ein sol>enaimtes Metzer Ge- 
schlecht, das wegen der Magistratswürde unstreitig einer der 
Baraiges von Metz angehören musste. ist zwar in der Liste der 
letzteren gerade von diesem Jahre nicht zu finden, aber es hat 
einige Wahrscheinlichkeit, dass damit der unter der Commun 
genannte Ysambairs Ii Drapiers gemeint ist, wie denn die Touler 
Tuchmacher in ihm einen (leschäftsverwandten erkannten. Der 
Bischof mochte sich dadurch bedroht fühlen, hoffte nicht mehr 
auf friedlicliem Wege etwas zu erzielen und verliess daher die 
Stadt, um auswärts Hülfe zu suchen. Solche fand er denn in 
dem ol)en erwähnten Bündnisse mit Lothringen, Bar und Luxem- 
burg, die sofort Truppen stellten, mit welclien Graf Theobald von 
Bar die Stadt Toul zu belagern begann. Aber während die 
Metzer starke und feste Mauern besassen, selbst in den Waffen 
geübt waren imd durch ihr Geld stets genug auswärtige Ver- 
bündete zu gewinnen wussten, waren die Touler im Waffenhand- 
wcrk unerfahren, die Vorräthe waren gering und auch die Metzer 
Hülfe Hess auf sich warten. Sie glaubten daher nicht einer 
Belagerung widerstehen zu können und unterwarfen sich dem 
Bischöfe, von dem sie mildf Htdiandlunur erltateii. am Mai 
Die Folgö für die Touler war aber schlimm, denn nicht nur 




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4. Hersog Friedrich IH. (1251—1303). 213 

muBsten sie alle ihre Forderungen fahren lassen und wurde die Tof^ 
Stadtverfassung aufgehoben, sondern sie mussten aueh dem Hund- f<^^ 
^msse mit AIctz entsagen und den deutschen Gegenkönig Willielni^-^ 
'von Holland auerkeunen. Der Aufstand war somit unterdrückt, 
aber die Büi'ger nur um so mehr im ötillen gereizt und warteteu 
bloss auf bessere Gelegenheit. 

Da nirgends erwähnt ist, dass der IJischof seine Verbün- 
ileten für ihre Hülfe und Kosten entschädigte, so ist anzuneh- 
men, dass sie selbst hinlängliche Heute gemacht und einer An- 
zahl Touler Kauf- und Gewerbsleuten, die in ihre Hände tielen, . 
erhebliche Lösegelder auferlegt hatten. Auch hatte die Lo thrin ger 
Voniiünderin durch eine Erklärung vom 11. April 1252 nicht y *^ 'J C 
bloss den Lothringern jede Hülfeleistung an die Touler unter- 
sagt, sondern auch ihrem Sohne den vierten Theil der in diesem 
Kriege zu machenden Beute vorbehalten. Dieselbe schloss auch 
am Tage zuvor in Gegenwart des Grafen Theobald von der 
Ghami^^agne und Königs von Xavarra einen Vertrag mit Bar imd 
Luxeml>urg über die Beilegung etwaiger zwischen ihnen ent- 
stellender Streiti<^keiten, über welche besagter Graf von der 
(.'hampagne Scliiedsrichter sein sollte, und zwar bei Strafe von 
i^wölftiiusend Mark Silber für denjenigen Theil, der dessen 
Spruch nicht anerkenueu sollte. Der VertniL^ verbot ferner den 
Abschliessenden, Unterthanen des andern Thnls Schutz oder 
Hülfe zu gewähren und die Städ te Toul und Metz unter ihren 
Schutz zu nehmen, was eigentlich bezüglich der ersteren Stadt <^ , 
dem bestellenden altcji Vertrage entgegen w'ar, der dies"elbc '^'^^z n» 
^j'Z,^ f geradezu gegen eine Jahresrente von hundert Toider Lh res unter ^ "^t' , 
, ^ ^den Schutz von Ltitliringen gestellt hatte. Dieses Aufgeben^ 
I ft» eines herkömmlichen Rechts gründete sich daher wohl auf die^ 
1^ ^Hahrung, dass dasselbe die Touler wesentlich in ihrem Ringen/ 

^ nach Unabhängigkeit bestärkt hatte. Zur Bekräftigung dieses 
Vertrags verbürgten sich nicht bloss die Städte Nancy und Neuf- 
chuteau, sondern auch die Lothringer Vasallen von Bayon, Beau- 
fremont, Cons - la - Grandville, Darney, Dombasle, Florenges, 
Haussonville, Nauviller, Parroye, Passavant und Vandi^res. Vor- 
erst hatte dieser Vertrag übrigens keine Folgen und der Graf 
von der Champagne starb auch schon im Jahre 1254, während 
Herzog Friedrich um dieselbe Zeit volljährig wurde, cKe Regie- 
rung selbst antrat und sie mit einem Schutz- und Trutzbünd- 
nisse mit dem Grafen von Bar, seinem Vetter, eröflöiete, von 



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214 lU. Buch: VonFriedrichl. bis zu Friedrich 111.(1205— 1303). 

welehem ausser den benachbarten Bischöfen nur der König yoa 
Frankreich, Graf von Fhmdem und Graf von der Champagne 
ausgenommen waren. Bald darauf nahm der Herzog auch An» 
theil an der Expedition von Karl you A^jou, Bruder des Königa 
Ludwig von Frankreich, zur Eroberung des Hennegau. 

Im folgenden Jahre wurde die schon yon den Eltern Ter- 



J j abredete Heirath des Herzogs mit Margarethe, Tochter dies 
Grafen Theobald IV. yon der Champagne, yoUzogen. Die* 
selbe hatte schon yoii ihrem Täter zwölftausend liyres Pro» 
. yencer Mfinze zugesichert erhalten und der Herzog Mathias yer- 
schrieb ihr dagegen als Witthum NeuM tateau, C häten oy, .Nancy, 
Port und Yarang^ille, wSche "minclestenB dreitausend Liyrea 
jsSüTcher Einkaufte ergeben sollten, beide unter der Zusage yon 
je dreitausend Mark Silbers im Falle der Nichtausfäirung. 
Diese Eheberedung yom Jahre 125Q^erhielt nun noch einige Zu- 
sätze, worin Friedrich bestimmte, dass seine Gemahlin, wenn sie 
ihn f&berlebte, die Emkfinflie der Castellaneien Gerbe viller und 
LuneyjH e yon etwa tausend liyres erhalten solle, bis die erwähnte 
Mitgabe yon zwidffcausend liyres zurückbezahlt sei. Sterbe 
dieselbe yorher, so solle ihre Mutter die Einkfinfte des Witthums, 
aber ohne Nancy, die zweitaasend Liyres betrfigen, erhalten, 
bis die Mitgabe ausgeglichen seL Femer wurde auBgemacht, 
dass die erwähnte Mitgabe zur Hälfte am 7. December 1258 
und zur Hälfte ein Jahr später auszubezahlen sei und Margarethe 
dagegen auf Jeden Anspruch an ihre Eltern yerzichte. 

Schon mehrmals ist erwähnt worden, wie der Einfluss der 
Grafen yon der Champagne auf lothringische Angelegenheiten, 
besonders aber auf die Verhältnisse yon Neufchäteau, ein sehr 
bemerU>arer wurde und namentlich die Priyilegien dieser Stadt 
vorzugsweise demselben zu yerdanken waren. Schon 1 252 h atte 
die Eegentin und 1257 nun auch der Herzog selbst dieselben 
wie dei holt bestätigt, der Letztere fQgte aber unter Garantie 
Theobald's Y. yon der Champagne, seines Schwagers, noch neue 
Hechte hinzu, worüber verschiedene Actenstücke von beiden Seiten 
yorliegen. Die Gnmdzüge dieser Art von Stadtverfassung ent- 
sprechen der Richtung jener Zeit und den anderen Stadtrechten, 
welche in der Champagne verliehen wurden ; zunächst aber zeigen 
sie, dass sie im Allgemeinen auf dem Beeilte von Beaumont 
J)6ruhen, weTches in der Folge allgemeiner zur Geltun'g^^gelangte. 
Der Herzog behielt sich darin die Bechtspflege und den Schutz 




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4. Herzog Friedrich III. (1251—1303). 



215 



der Kirchen und ihres Eigeiitliiinis, der Kitterschaft und ilires ' {/ 
Besitzes, der Lehen und Juden bevor, in welche sich die Stadt ','u1j ' 
nicht zu niisclion liatte. Dagegen gehörten dieser seihst die 'c^-'- . 
innere Verwaltung und die Uechtsplh'ge für die Bürgerschaft an, .J 
wofür ein CoUegiuni von dreizelui Bürgern von den Einwoh- 
nern selbst erwählt wurde. Es sind dies dieselben Dreizehner, 
denen wir lange vorlier schon in Motz begegneten und deren 
Ursprung auf Stadtrechte im Innern Deutschlands zurückzuführen 
sein dürfte. Diese Dreizelm hiessen Geschworene, waren je auf 
ein Jalii", wie in Metz, gewählt und erkoren wieder aus sich den 
Vorsitzenden, der Maier oder Maire (Schöffennicister) genannt 
wurde. Ein Lothringer durfte sich in der Stadt nur mit Er- 
laubfliss des Herzogs niederlassen, jeder Bürger bis zum secbszig- 
sten Jahre war zum Waffendienste auf den Ruf des Herzogs 
verpflichtet, doch konnten die Kaufleute und Wechsler, die wegen 
des Besuchs der Messen oft abwesend sein mussten, einen Stell- 
vertreter für sich halten. Die Stadt erhielt zweierlei Einkünfte 
oder Steuern; die Gnmdsteuer betrug zwei Deniers für jedes 
Stück Land, das zwanzig Sous ertrug, die Mobiliarsteuer war 
aber etwas höher und betrug sechs Deniers vom Livre. Aus- 
genommen von dieser Steuer waren die Waffen, Kleider und das 
Handwerkszeug. Die Steuern wurden vom Schöffenmeister und 
den Geschworenen auferlegt und erhoben. Gewisse Kechte waren 
den Armen versagt, weil man von ihnen Missbrauch derselben 
befürchtete, und es durfte Niemand Waffen in seinem Hanse 
haben, wenn er nicht zwanzig Livres Vermögen besass. Ans^ 
drftcklich war das Bannrecht des H erzo gs für seine Mühlen und 
Backöfen vorbehalten. Der Herzog behielt sich auch seine eigene 
Prevotei, Rechtspflege und die Strafen bevor, worüber aber auf 
den Antrag des Prevot vom Schöffenmeister und den Geschworenen 
na^eli dem Herkonunen der Stadt bestimmt wurde. Auch einige 
Bestimmungen über das Strafrecht enthielt das neue Stadtrecht. 
So war der richterliche Zweikampl^atUbt und der Unterliegende 
hatte eine Strafe zu bezahlen. Wer einen Mann schlug, wurde 
mit fünf Sous gesühnt, floss dabei aber Blut, so konnte die Strafe 
bis auf sechszig Sous gesteigert werden, zumal wenn dabei Ton 
einer Waffe Gebrauch gemacht war. Eine Verwundung mit ge- 
ssflektem Messer galt dem Morde gleich. Für Beleidigungen und 
Schmähungen gab es verschiedene Sätze; die Bezeichnung als 
Spitzbube (larron) kostete zehn Sous, wem es aber gerade mcki 



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21(5 HL Buch: Von Friedricli 1. bis zu Friedrich III. (120D — 130;j). 

auf das Qeld ankam, der konnte sich noch weit ehrenrührigerer 
Worte bedienen. Durch diese . Stadtrerfiissnng wollten übrigens 
die Grafen Yon der Ch^gag^e ni<^t bloss ihre oberhoheitUdien 
Bechte geltend machen, sondern auch für ihr Land und was 
damit in Verbindung stüid ein mehr einheitlicheres Recht schaf- 
fen und es geschah dies vielleicht auch nicht ohne den weiteren 
Hintergedanken, die Stadt Neufchäteau spftter noch ganz mit 
ihrem Staate vereinigen zu können. 

Diese Bemtühnng^ des Herzogs Friedrich f&r sein Land 
waren sehr anerkennenswerth, wenn sie gleich mehr unfreiwillige 
^ waren. Er suchte sich 1255 auch mit der Abtei j^ miremon t 
' ' .r '.i ^ zu verständigen, welche darüber unzufrieden war, dass seme 
; j S' Mutter in ihrem Yhs^mBmjhTeA und dem Dorfe JBtraye» ein 
' ^ Octroi eingefohrt undje9an Hause des Besitzes dieses Capitels 

eine Taxe von zwanzig Sous auferlegt hatte. Er schaffte nicht 
bloss diese Abgaben wieder ab, sondern sprach der Abtei auch 
sechshundert Livres Entsdifldigung fiir die Zwischenzeit zu und 
als einiger Besitz derselben durch den "Kneg gegen den Bischof 
von Metz gelitten hatte, verpfibidete er ihr im Jahre 1274 gegen 
vierhundert Livres die Einkfinfte zu Broy eres, Arches und einigen 
anderen Orten, was der Abtei erheblichen Gewinn brächie>^Einen 
Streit mit dem Grafen Heinrich von Luxemburg wegen der An- 
sprüche seiner Mutter auf das Erbe ihrer Eltern sichtete er 
dahin, dass der Graf ihm Alles Übertrag, was derselbe zu Metz, 
Marsal, Stenay und sonst besass, was aber nicht viel gewesen sein 
kannr^weiter stattete er im December 1255 seine Schwester 
Kathanna mit tausend Livres aus, als sich dieselbe mit Bichard, 
Sohn des Grafen Dietrich von Mdmpdgard, vermiOdt^d end- 
lich schloss er mit Graf Theobald IL von Bar ein Bünäniss zur 
Begelnng aller künftigen Zerwfirfiiisse, indem beide Theüe dazu 
stets zwei Schiedsrichter wählen sollten, bei deren Nichteinigung 
der Herzog von Burgund oder der Graf von CMlons an der Sa^^ne 
endgültig zu entscheiden hfttte. 

Eine wichtige Erwerbung für Lothringen bildeten die Sa- 
linen von Kosi^res, welche der Familie Lenoncourt gehörten und 
sich auf die einzelnen Linien derselben vererbt hatten. Die Er- 
werbung erfolgte nur nach und nach von den einzelnen Besitzern, 
1257, 1282, 1291, J294, 1296 und 1301 und zwar theils gegen 
eine baare Kaufsunime, tbeils gegen Austausch von Besitzungen 
zu Charmes und Fontenoy. Die betreffenden Linien waren die 



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4. Herzog Friedrich HL (12äl>-130a). 217 

von Haussonville, Jkaulriinont und Kosit'ros.V Im Jalir«' 12r)7 
war er •»'onötlii'^t, dem Touler i^iscliof At'i,ndiiis f(jilleH) von 
Sorccv /.II Hülfe zu kommen, um eine Sdiaar aus Huri(uiid ein- 
gefallener Abenteucrer, die raubte, plünderte und 8ell)st das Sclilos.s 
von Brixey ])ehi<4erte, aus dem Lande zu treiben, wobei er den- 
selben an zweihundert Mann tödtete. Zu gleicher Zeit verstän- 
digte er sich mit Hudolf von Habsburg wegen gewisser Diffe- 
renzen desselben mit dem Herzoge und Johann von Parrove. 
üeberliaupt stand der Herzog mit verschiedenen Fürsten jenseits 
des Rheins in Verljindung und er hatte 12r)S audi Veranlassung 
zu Xürnl>erg und P'rankfurt den Herzog von Bayern mit dem 
Grafen von Württemberg auszugleichen. Später brachte er auch 
zwischen dem Trierer Erzl)ischofe Heinrich von Finstingeu und 
dem Adel seiner Diöcese einen Vergleich zu Stande. 

Friedrich, der ganz im päpstlichen Sinne erzogen war, wurde 
wahrscheinlich von der römischen Partei dazu gebraucht, Ver- 
bindungen mit gleichgesinnten Fürsten jenseits des Rheins zu 
unterhalten, und war daher nach dem Tode Wilhelm's von Hol- 
land im Jahre 12')? auf dem Fürstentage zu Frankfurt, wo der y 
König von ßölmien, Herzog von Sachsen, Markgraf von Pranden- f 
bürg und Frzl)ischof von Trier, welche die Wahl des Ri(diard 
vonCornwallis nicht anerkennen wollten, dem Könige vonCastilien, 
Alphons X., die deutsche Krone zu übertragen gedachten. Be- 
zahlte nämlich der Engländer schon viel Geld für seine Wahl, 
80 gedachten sie eben bei dem Castilier noch mehr herauszu- 
schlagen und da Herzog Friedrich durch seine Mutter mit dem- 
selben verwandt Nsar, so wurde derselbe mit den betreffenden 
Unterhandlungen betraut. Ob dies nun von deutscher Seite oder"' 
dem (.'astilier geschah, erhellt nicht aus den Nachrichten, aber 
das Letztere ist um so mehr wahischeinlich, weil derselbe nach 
der Annahme der W^alü den Herzog nicht nur am 24. März 12r)ll_^. 
mit den Reichslehen belehnte, sondern auch iliu in allen seinen 
Würden und Aemtern bestätigte. Es heisst, Friedricli sei sogar 
deshalb selbst in Toledo bei Alphons gewesen, der ihm auch 
12;")!) einen Jahresgchalt von tausend Mark Silber auf die Ein- 
künfte aus der Stadt Burgos angewiesen hat. Diese Reise ist _ 
von den Historikern bestritten und es lässt sich dafür auch nicht 
viel aus einer Stelle in Friedrich's späterem Testamente beweisen, 
worin er noch im Jahre V2\\l, also fast vierzig Jahre später, 
für das Hospital in Ronceval in den Pyrenäen hundert Sous ver- 



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218 III» Bach: Von Friedrich I. bis m Friedrich m. (1205—1303). 

machte, denn dies konnte wohl auch einen anderen Grund ge- 
habt haben als die Erkenntliclikeit für die bei dieser Heise in 
gedachtem Hospiz genosHcne Gastfreimdlichkeit. Wie dem aber 
auch sei, Alphons kam überhaupt nicht nach Deutschland und 
um der kaiserlosen Zeit endlich ein Ende zu machen, wurde 
scliliesslich im Jahre 1273 auf dem Furstentage zu Frankfurt 
Kudolf von H;ilis)iurg zum Kaiser erwählt u?id in Aachen ge- 
krönt. Dem Herzoge blieb nichts übrig, als sicli ebenfalls die- 
sem unter dem I^eifall des Papsts Gregor X. gewählten Herr- 
scher anzuscbliessen, und er w^ar sodarm 121") auch in dessen 
Gefolge, als Kaiser Kudolf mit dem Papste eine Zusaumienkunft 
in Lausanne hatte. Auch der Bischof von Verdun, Gerhard von 
Granson, war dabei und die Anwesenheit der Fürsten von AVest- 
deutschland scheint den Herzog mehr zur Keise dahin veranlasst 
zu haben, als Kaiser Kudolfs Alistanmumg von einem gemein- 
samen Ahnen, die dem Herzoge vielleicht gar nicht einmal be- 
kannt war und auch heute noch nicht so ganz felsenfest steht. 

Verwandtschaftliche Verhältnisse hatten inzwischen für den 
Herzog verschiedene Verwickelungen gel)racht. Als nämlicli der 
Bischofsitz von Metz 12150 erledigt wurde, brachte er es dahin, 
dass sein Vetter, Philipp von Florenges, zum Bischöfe erwählt 
t ^ < wurde und sich gegen einige Feinde in den Besitz des Gebiets 
• * setzen konnte. Es war alier dazu der Beistand der Metzer und 
des Grafen Theobald IL^von^Bar nöthig, mit deren Hülfe der 
Herzog den Grafen Heinrich IV. von Salm und den Herrn von 
TJc]it<'nberg bekämpfte und das Schlnss Lützellturg zerstörte, um 
^j' sich dagegen in der Veste Conde, am Zusammenflnss der Meurthe 

und Mosel, einen sicheren Haltepunkt zu verschaffen. Aber (naf 
Heinrich I. von Vaudemont verheerte das Bisthum weiter, schlug 
ein Corps von Lothringern und Metzern bei Vaxoncourt, unweit 
Chätel, machte viele Gefongene und trieb bei der Verfolgung 
an hundertundvierzig in die Mosel, wo sie ertranken. Der Herzog 
und BiSf^of verwüsteten nun zwar das Gebiet des Grafen von 
Vaudemont, dieser aber verheerte zu gleicher Zeit mit seinen 
Scbaaren die Gegenden von Bruy^res und Epinal zur Vergeltung. 
Solche Eriegahlilfe kostete Geld und der Graf von Bar ver- 
, . ' > langte daher vom Bigghofe Entschädigung, welche dieser nicht 
leisten wollte oder aneh nic^t recht konnte. Der Graf, um sich 
zu rächen, verklagte daher den Bisehof bei Papst Urban lY. 
wegoi Simonie und ging deshalb selbst nadi Born, liberliess aber 



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4. Herzog Friedrich III. (1251— 13a3). 



219 



^ning der Kluge einigen Domherren von Metz. Der ^ . 
'ante also den Erzbiachof von Keims, Thomas von V-^-^ 
r, mit der üntersuchung und verbot den Metzer Klö- 



die Verfolgung der Klage einigen Domherren von Metz. Der 
Pa])st betraute 
Beau7uanoir 

stern die Anerkennung des Bischofs. Als jedoch inzwisdien dieser 
Erzbischof starb und Bischof Philipp Anerbietungen zum Aus- 
gleiche an den Grafen von Bar richtete, ging dieser darauf ein, 
es kam ein Vertrag zu Stande, in welchem Phili])p dem (irafea 
das sehr einträgliche 8chkliu*e(-ht über das Bisthum ültertrug,. 
und beide Theile neitst der Stadt Metz schlössen dann ein Bünd-_ 'j}lifx 
niss mit einander , worin sie sich gegenseitige Hülfe ver- ,/ 
sprachen. Dies gefiel nun aber wieder dem Herzoge nicht, der 
grosse Summen für die Erwählung seines Vetters aufgewendet 
hatte und die Zurückerstattung derselben nicht erlangen konnte. 
Herzog Friedrich setzte sich also in den Besitz von Homburg 
und Türkstein, um sich daran zu entschädigen. Vom Bischöfe 
aufgefordert, rüstete sich nun der (iraf von Bar, um dessen Hechte . 
zu schützen. Darauf hin fiel der Herzog mit seinen Truppen 
und Verlnuideten in das bischöfliche Gebiet und selbst in das 

Barrois ein, worauf der Graf von Bar in Lothringen cindran<j 

und Scliloss l^rt'iiy zu nehmen suchte. Aber eine fünfwöclient- 
liche Belagerung desselben blieb erfolglos und so zog er 
sich wieder zuriick. Letzterer nuichte nun aber auch dem Bi schöfe^ 
seine Kostenrechnung und da der Bischof, dessen Mittenfuch zu 
Ende waren, den Grafen damit zurückwies, weil er ja zu solchem 
Zwecke im Genüsse der entsjirechenden Einkünfte aus dem Bis- 
thume sei, so wurde auch der (iraf der Sache überdrüssig, liess 
durch einige Lothringer Freunde dem Herzoge Aneridetungen 
zur Versöhnung machen und die Folge davon war ein im 
Jahre j2l>4 zwisclien beiden abgeschlossener Friedensvertrag. ' 
Dem Lothringer Herzog war nämlich ganz besonders deshalb 
dieser Ausgang willkommen, weil er gerade genug mit dem 
( Trafen Heinrich von Vaudemont zu thun hatte, der seine Kaub- 
züge fortsetzte und es nun besonders auf die Stadt Neufchäteau 
abgesehen hatte, wo er viele Reichthümer zu gewinnen hoflfte. 
Zu diesem Beliufe nahm er einen sehr verschlageneu Abenteuerer 
aus Burgund in Dienst, der sich auf alle Schliche verstand. 
Dieser nahm einige gewandte Spiessgesellen mit sich, verkleidete 
sich mit diesen als Kaufleute und zog mit einer Anzalü Waaren- 
ballen, in welchen Watten verborgen waren, in diese Stadt, wo 
»ie alä Kaufleute gastireuudliche Aufnahme fanden. Aber auf 



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220 ^ i^ttc*» ' Von Friedrich L bis zu Friedrich XU. (1205— 13U3> 

ein v('ra))reJetes Zeichen zogen sie ihre Waffen hervor, plünderten 
die Häuser, jagten die Einwohner in die Fhicht, beluden ihre 
Wagen mit dem kostbarsten Raube und zogen davon. Sobald 
aber andere Lothi"inger davon hörten, jagten sie den Käubern 
nach, überfielen sie unerwartet und sclüugen sie nieder. Dass 
das (iesindel vom (irafen von Vaudemont geduii^^'n war, konnte 
dem Herzoge nicht lange verborgen bleiben und daher sanunelte 
er eine stärkere Trupitenschaar, fiel in das Gebiet des Graten 
ein, verlleerte es und verjagte den Grafen, der, das Vergebliche 
eines Versöhnungsversuchs einsehend, nach dem Königreiche Neapel 
floh und später dort Margarethe, Tochter des Herzogs von Athen, 
heirathete. 

Unterdessen war die Lage des Bischofs von Metz nicht 
c . besser geworden und das Domkapitel setzte seine Klagen in Rom 
• , ®^ ®^ seinem Interesse für gerathen hielt, im 

*.*^» * Jahre 1264 selbst nach Rom zu gehen. Aber Papst CrbanIV., 
Y ' der dem Grafen von Bar befreundet war, liess sich nicht um- 
stimmen, sondern erklärte den Bischof der Simonie für schuldig 
and das Bisthum für erledigt, das der Papst sodann dem Wilr 
heim TOnJTmsnel, Vetter des Grafen von Bar, gab. Philipp 
selbst^'lSSiieir bloss die Stelle als Domschatzmeister und ^e Do- 
mäne Remilly und lebte in dieser Zurückgezogenheit noch drei- 
unddreissig Jahre zu Metz* Naeh Au&eiehnmigen seiner Zeit- 
genossen wäre Obrigens die Beschuldigung der Simonie eine un- 
begründete gewesen und er wäre sogar Oberhaupt nur sehr gut- 
müthig und so freigebig gewesen, dass er immer gab, was er 
hatte und vermochte. 

Der neue Bischof entschädigte sofort den ihm verwandten 
Grafen für seinen Aufwand, versprach ihm die Summe von 
, ( zwanzigtausend Li.Yxes, die er auf die Einllinfte von Yic^ nnd 
I ; ^ ' ^' .! 1'-' der Salinen von Maiaal versicherte, und schloss sogar im Jahre 1265 
• ' mit ihm ein Schutz- und Trutebündniss. Diese so vereinigte 
Macht seiner Nachbarn machte den HerzoglMedrich dafür be- 
sorgt, es mochten die alten Streitigkeiten, die 1264beigelegt waren, 
wieder erneuert werden und ihm ein unerwarteter Angriff bevor- 
stehen, und deshalb sah er sich nach einem Verbündeten um, 
den er sofort im Grafen Heii^chn. v^J<uxemburg fand, welcher 
auch nicht gut mit Theobald von Bar stand, obschon Beide mit 
einander verwandt waren. Jetzt erschien dies Bündniss wieder 
dem Grafen von Bar als Besorgniss erregend und wider ihn ge- 



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4. Herzog Friedrich UL (L2ul-|13ü3> 221 

ri(^ht('t und <laher heschloss er mit dem Bischöfe, dem Herzoge t ^ 
zuvor zu kommen. Er rückte also im Anfange des Jahres rJHG 
in das Luxemburger Gebiet ein und verl)rannte das kleine Stüdtclien 
Ligny, worauf der Herzog sofort ein Heer sammelte, um das 
bischöfliche Gebiet zu bedrohen, gegen das er übrigens noch 
nichts Feindseliges uiiternalini. denn er wollte >:uerst die Ver- 
einigung seiner Trujiiien mit den Lothringern abwarten, welche 
nun heranrückten. Graf Heinrich traf nun nicht weit von der 
Veste_P|iii^i_seine Gegner Theobald und den Bischof, gritf solehe (|^y^.. 
am 14. September an und es entspann sich ein langer und blu- f 
tiger Kampf. Das Ergebniss des fünf und einhalbstündigen Kingens ^ 
war jedoch für die Luxemburger nicht günstig, denn sie wurden 
in die Flucht geschlagen und Graf Heinrich selbst verwundet 
und gefangen, worauf man ihn nach dem Schlosse von Mousson 
abführte. Die Nachriclit von dieser Niederlage vrirkte vollständig 
niederschlagend auf den Herzog und dieser wagte nun nicht mehr 
zum Angriff zu sdiieiien. Er that vielmehr, als ob er nicbts 
mit dem Luxemburger Grafen zu thun hätte, und schlickte sogar 
den Herrn von HaussonTÜle zum Grafen Ton Bar, um sich dar 
rfiber zu besehweren, dass derselbe mit seinen Truppen das Her- 
zogthum zum Schauplatz seines Kampfe mit dem Luxemburger 
gemadit habe. Der Graf von Bar erwiderte darauf jedoch ein- 
fach, dass er weder den ünterthanen, noch dem Besitze des Her- 
zogs einen Schaden zugefügt habe, noch dies je thun wollte, dass 
er sich aber nicht abhalten lassen konnte, seinen Feind zn ver- 
folgen, in welches Land hinein dies auch sei. Der Graf schlug 
also den Herzog. in der Kunst der Verstellung und des Aus- 
rodens und Letzterer musste sich zufrieden geben und auf bessere • 
Zeiten warten. 

Nun suchte zwar König Ludwig von Frankreich den Streit 
zwischen den Forsten seiner Nachbarlftnder zu vermitteln und 
schickte auch sainen Kammerherm P^n zu diesem Zwecke ab; 
derselbe konnte aber nichts ausrichten und deshalb kam es bald 
darauf wieder zu einem neuen Kriege, der aber in anderer Ge> 
stalt erschien, denn nun geriethen sich die bisherigen Verbün- 
dete, der GiaLjauUSiUr. nnd der Bischof^ selbst in .^e Hgaifi^ 
weil Letzterer dem Ersteren nicht^ erlauben wollte, die bei Pr^ny 
Ge&ngenen ohne seine Zustinmmng freizugeben, und die Theilung 
der Lösegelder verlangte. Da nun der Graf dies Verlangen 
zurfickwies und den Grafen von Luxemburg gegen ein Lösegeld 



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222 III. Buch: Von^Viedrich I. bis zu Friedrich IJX (1205— i303> 

frei gab, so fiel der Bischof in das BaiTois, das Land seines 
Verbündeten, ein und ze^löHe~meTirere Dörfer in der Umgegend 
von Briey. Darüber erzürnt trat der Graf von Bar auf die Seite 
des Herzogs von Lothringen und deren vereinigte Truppen schickten 
sich nun an, in dem Gebiete des Bischofs Vergeltung zu üben. 
Sie schlössen sogar am 21. Juli 1267 einen fönnlichen Vertrag, 
worin sie sich gegenseitig versprachen, nicht eher die Waffen 
niederzulegen, bis sie vom Bischöfe Ersatz ihres Schadens er- 
halten hatten, der B ischof aber erhielt Hülfstruppen vom Kölner 
Erzbischof Engelbert H. und dem Lftttie^er BiscEof Heinrich von 
Geldern und rief auch alle seine Vasallen im Saarthale und El- 
sasse zur Contingentstellmig auf. Es entbrannte also ein hef- 
tiger Kampf zwischen beiden Theilen, worin zwar die Lo- 
thringer und Barer zu Dom^vre ond bei Epinal geschlagen 
und ihre Länder verheert wurden, aljer die Truppen von 
Lothringen und Bar das Bisthmn nicht minder arg mit- 
nahmen, die Stadt Moyenvic verbrannten und die dortigen Sa- 
linen zerstörten. Im Ganzen jedoch kam auch dabei kein Be- 
sultat heraus und da nun der Graf von der Champagne (König 
Theobald von Navarra) seine Yennittelung anbot, so kam endlich 
am 1. Februar 1268 ein Friedensvertrag zu Stande, worin der 
Bischof versprach, am 1. April das Schloss Con^ an der Mosel 
seinen Gegnern ausmlietoi, wenn er bis dahin no<äi muM f&r 
alle Gegenstände des Streits volle Genugtuung geleistet habe. 
Bis dahin sollten der Bisehof von Verdun, Bobinrt von IGlan, und 
Graf Heinrich lY. von Salm dies Schloss besetzt halten und 
dann die beiden Gegner es erhalten, wenn ihre Ansprüche nicht 
befriedigt w&reii, nur durften sie es nicht zerstören. Der Bischof 
flberlebte diese Zeit aber nicht lange, denn er gerieth mit den 
Achten seiner DiOcese in Streit, diese verklagten ihn in Born, 
von wo er gebannt worden sein soll, und darauf hin entschloss 
er sich, zu seiner Beehtfertigung selbst dahin zu gehen, nach- 
dem er dem Domcapitel die Verwaltung des Bisthums Uber- 
trägen hatte. Nach einigen Nachrichten sei er auf der Heise 
dahin zu Ghftlons vom Grafen von Bar festgehalten worden und 
1269 an einer Krankheit daselbst gestorben, nach Anderen wftre 
er aber noch nach Born gelangt und erst dort mit Tod abge- 
gangen. Der Streit zwischen den Grafen von Bar und Luxem- 
burg wurde schon im September 1268 durch Vermittelung des 
Königs von Frankreich geschlichtet und im Anfange des nächsten 



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4. Herzog Friedrich III. (,1251 — J3U.j). 223 

Jahres verglich sich auch der Herzog mit dem Grafen von Luxem- 
hurg über die bei Pr^ny gehabten Verluste, denn der Graf war dort 
dem Herzoge zur HtUfe gekommen und letzterer war nach der 
Sitte der Zeit yeipflichtet, den ersteren fär seinen Aufvrand und 
die Verluste schadlos zu halten; da aber auch der Herzog noch 
an den Grafen zu fordern hatte, so waren die noch Abrigen Ent- 
schftdigungen leicht festzustellen. 

Da unter den beiden Vorgängern im Metzer Bisthume die • * ; . . 
Einkfinfte desselben sehr gemindert waren und das Land au sser- ' ^ 
dem durch die Kriege viel gelitten hatte, so bekam der neue , ^ 
Biachof einen schweren Stand. Als solcher wurde der aposto- 
lische Notar Graf^orenz L cistemberg aus dem E lsass g ewählt, 
der gerade vom Papste mit der Verwaltung der Tirierer DiOcese . / 
betraut war. Sofort verlangten sowohl der Graf von Bar als der l^^j 
H ^Qg ^ von dem neuen Bischöfe dringend die Befriedigung ihrer 
Ansprüche und der Bischof kannte wohl noch nicht recht die 
Lage seiner Finanzen, denn er versprach fttr dieselben zu viel. 
Der Herzog sollte achttausend Livres Provencer Münze in meh- C^'iv'- 
reren Zielen , beginnend an Weihnacht 1271 , erhalten, wogegen der f^/ ( 
Herzog die ver^i^imleten und in Besitz genommenen Metzer Lau- ' ^ 

desth^e und Ort» herauszugeben hatte. Somit schien diese An- 
gelegenheit geregelt, aber es kam nun auch der Gratmit seinen 
Forderungen, welche der Bischof in einem neuen Vertrage roU- 
ständig zu bezahlen versprach. Doch er konnte seine Ver- 
sprechungen nicht halten und daher drohten die Glftubiger, sich an 
den Besitzungen des Bischofs zu erholen. Der Bischof griff nun 
zum Mittel des Banns, den er über Beide verhflngte. Dieser 
fiuid jedoch nur bei einem Theile der Geistlichkeit Billigung, 
während ein anderer ihn fär ungerechtfertigt erklärte; es kam 
so weit, dass die Dominikaner für den Herzog und den Grafen, 
die Franziskaner aber füa den Bischof Partei nahmen und pre- 
digten, und dem Bischof half es nichts, dass er den ersteren die 
Ausübung des kirchlichen Amts untersagte. Im Jahre \^2^ 

nahmen der Herzog und_Graf das Schloss Cond(§ und schickten 

sich an, Epinal zu belagern. Der^^Biscfibf rief nun den Strass- 
burger Bischof Konrad von Lichtenberg und seine Verwandten 
im Elsasse zu Hülfe lud rückte mit diesen nach Hadigny bei 
Chätel an de r Mosel. Hier kam es zum Treffen und der Bis^of 
wurde gescblägen~~ünd gefangen. Ein gleiches Schicksal hatte 
bald darauf der Strassbui-ger Bischof mit seinen Neffen Heinrich 



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224 III- Buch: V'on Friedrich I. bis zu Friedrich lU. 0205—1303). 

und Ludwig und anderen Elsasser Herren und es zeichnete sich 
beim letzten Treffen besonders der Graf von Bar aus. Nun 
hofften die Leute zu^^inal nicht mehr auf Entsatz und öffneten 
dem Xctgt cren die Thore unter der Bedingung der Zurückgabe 
der Stadt nach erlangter Bezahlung, während Herzo g Friedrich 
deh der Städte Marsal uad YiiLnnd der Schlösser Dene nyre und 
B^m^vOle als P&ndschaft bemächtigte. 

Diese Vorgänge bezeichnen sehr genau den Charakter dieser 
Zeit, wo das Raubritterthum eine so grosse Kolle spielte und 
selbst Bischöfe sich mehr mit Krieg als mit den Angelegenheiten 
ihrer Kirchensprengel abgaben. Die lange kaiserlose Zeit war 
in dieser Hinsicht vielleicht am verhängnissvollsten für diese 
westlichen Keichsländer und selbst die Thätigkeit des neuen 
Kaisers Rudolf von Habsburg hatte sogar viel später noch lange 
zu thuo, hier Ordnung zu schaffen, weil die Macht seiner Vor- 
gänger nicht einmal dahin gereicht zu haben scheint. Die Ge- 
fangenschaft des Bischofs Lorenz dauerte also gegen achtzehn 
Monate uncTTerdankte ihr Ende zunächst mehr dem Zufalle, dass 
, Papst Gregor X. im Mai 1274 zu Lyon ein Concil abhielt. Da- 

hin lichtete also der Bischof durch seine Abgeordneten bittere 
/ Klagen fiber seine eigene Lage und die seines Sprengeis, so dass 
der Papst den Herzog Friedrich und Grafen Theobald mit ihren 
Gefluigenen zu sich besehied und dieselbeii ennalmte, mit dem 
Bischöfe ein annehiubares Abkommen zu treffen. Er * £Euid die- 
selben auch dazu -um so mehr geneigt, als de aelbet sich nicht 
wegen der Gefimgenen und deren LOsegelder einigen konnten 
und verschiedene Vorschläge keine Annahme fenden, da der 
Herzog dem Grafen nicht die Hälfte der Lösegelder überlassen 
» 'Y wollte. Erst Ende Juni liess sich der Herzog herbei, die Schlosser 
U ^ Deneuvre und B^m^^ville heraus zu geben und die von den Städten 
' ''unirTäsaQen c[eB^]ffiSClio& zur Sicherheit ihrer Neutralität ge- 
stellten Geiseln wieder zu entlassen, wogegen er aber Marsa l 
und Vic noch als {j^uuU für die zu bezahlenden Summen und 
gegen etwaige Racheyersuche der Geiseln behielt. Er versprach 
femer, dem Bischöfe bis zum 1. October hülfireiche Hand zu 
reichen, wogegen derDomdekui Bohemund von Metz und Johann 
von Wamesberg Bürgschaft leisteten. Der Graf von^B^ir war 
mit seinen Forderungen etwas zäher und entUess erst am 6. .Au- 
gust den Bischof aus der Ge&ngenschaft, nachdem derselbe sich 



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4. Hensog Friedrieb UL (1251—1303). 225 

eidlich verpflichtet hatte, die Suimiie von zwauzigtausend Livres 
zu bezahlen und zwar in zwanzig Jahresraten. 

Der Graf von Bar gab nun auch Schloss Conde u nd die 
Stadt _E])inaL wieder heraus und der Herzog entliess den Strass- 
hurgei" Bischof un(T"seilie Mitgefangenen aus der Haft, naclKicm 
sicli liudolf von Habsburg des Strassliiirgor Bischofs angenonunon ^j- f//) 
und die Höhe der Lösegelder geregelt hatte, die jedoclj zienilicli C^iLi^^C*^ 
hoch waren, da aliein Graf Burkhard von Geroldseck für sicli -^^"i s/ 
IT)!? Mark Silber bezahlen musste. Es waren nun aber noch die 
gegenseitigen besonderen Ansprflclie de.s Herzogs und Bischofs 
zu ordnen und es kam erst arn 7. December ]'274 darüber ein 
Vertrag zu Stande und zwar unter Vennittlung der päpstlichen 
Commissäre, wonach der schiedsricliterliclie Aussprucli darüber 
von beiden Tlieilen dem Vogt von Wasselnheim und Liel)ert von 
Haute-Pierrc übertragen wurde. Aber bevor noch dieser erfolgte, 
veranlasste eine unvorsichtige Handlimg des Bischofs im .lalire 1 'JTG ^ 
den Ausbruch eines neuen Kriej^s zwischen Beiden. Es war / ' ' 
nämlich ( iraf l(einhold von Blieskastel (Castres), Oheim des Her- f\r / j ^ 
zogs, gestorben, die Wittwe heirathete in ^weiter Ehe den Grafen Z^'^-^. 
Heinrich von jalm und der Bischof^^el^ehnte nun denselben Y^, ' y'^^^ 'f. 
mTr'fc ^mfschaft Blieskastel unter der ausdriicklichen Bedin- ' 
gung, dieselbe niemals an den Herzog von Lotbringen zurück- 
zugeben, lieber diese Bedingung wurde nun der Letztere aufge- 
l)racbt, da er darin eine Feindseligkeit für sieb erblickte, und er 
erklärte desbalb dem Biscbofe auf s Neue den Krieg. Letzterer 
batte dafür den Biscbbf von Strassburg und den Grafen Heinrieh 
von Zweibrücken als Yerbtodete, der Herzog aber den mebrer- 
wähnten Grafen Heinrieb von Vaud^mont, dem die Eückkebr in 
sein Ländeben unteir d^ Bedingung gestattet war, dem Herzog 
mit seinen drei Söbnen Beinhold, Heinrieh und Jakob Kriegs- 
folge zu leisten, sowie' den Johann von ChoiseiiL Der Graf von 
Bar lehnte ffti'sieh die Beteiligung ab und nur sein Sohn Hein- 
rich schloss sich mit hundert Edelleuten dem Herzoge an. In 
dem nun ausbrechenden neuen Kriege schlug der Graf YO^Zwei^ 
brücken alsbald nach hartnäckigem, aber mit grossen eigen^^Vw^ 
lusten yerbundenem Kampfe die Lothringer in die Flncht, wah- 
rend noch in einem andern Gefechte auch die Bisch^^flichen im 
Vortheile waren und sogar den Herrn von Ghoiseul zum Gefan* 
genen machten. Aber In einem dritten Gefeebte, an welchem 
auch seine Yerbfindeten Theil ^nahmen und wo der Herzog sdbst 

Hahn, GtaiehlobteLothiingeiu. ^5 



l 



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226 UL Btteh: Von Friedrich I. bis na Friedricli m. (1205—1303). 

])efeblif(to. gewannen die T.othringer den Sieg und nahmen sogar 
einen Tbeil des Gepäcks des Strassburger l^isibofs weg. Dies 
Alles geschab noch in den letzten Monaten des Jahres 1 ??? und 

;f^^^ da hierbei ein eigentliches Ergebniss doch nicht herauskam, so 
*^ I j wurden zu Anfang des nächsten Jahres der Herzog und Bischof 
des Kampfes ülierdriissig und baten den Gobert IV. von Apre- 
mont, als »Schiedsrichter über die gegenseitigen Beschwenlepunkte 
zu entscheiden. Da der letzteren nicht wenige waren, so erfolgte 
der Schiedss^)ruch erst am August und der Streit erledigte 
sich dahin, dass Interdict und Bann aufgehoben, die Gefangenen» 
ausser dem Herrn von Choiseul, der an den Bischof ein Löse- 
geld zu zahlen hatte, gegenseitig herausgegel)en werden, der 
Herzog jedem Kechte an Lay-Saint-Christophe, Leyr und Viller- 
le-Sec entsagen, llemereville und Velaine unter Amance dem 
Bischöfe zurückstellen, letzterer je tausend Livres iMetzer Münze 
an Ostern 1279 und 1280 an den Herzog bezahlen und endlich aller 
Schaden, Verluste u. s. w. als gegenseitig ausgeglichen angesehen 
werden sollten. Damit war also der Streit vor])ei, aber die Be- 
w^ohner der verheerten und niedergebrannten Dörfer und Höfe 
hatten das Nachsehen und trugen fast allein den ganzen Schaden. 
Dies AUes machte endlich dem Bischöfe sein Amt überdrüssig, 
er legte seine Würde nieder und zog sich gegen Ende des Jahres 

' u 12TtS nacli Italien zurück, wo er bald darauf zu Rom starb, wo- 
*]•*. , rauf der Papst selbst in dem Canouikus Graf Johann von Flau- 

• dern einen neuen Bischof einsetzte, der aber erst im April 1280 

\ ' von dem Bisthume Besitz nahm. 

Unter den vorhandenen Verhältnissen war in diesen Gegenden 
an eine dauernde Buhe nicht zu denken und in der That brach 
bald wieder ein anderer Krieg aus, aber mit einigem Wechsel 
unter den Kämpfenden, denn er erfolgte seitens des Herzogs 
gegen die Stadt Metz selbst. Die eigentlichen Ursachen des 

7» C;t Krie^^s sind nicht mehr bekannt, aber es ist anzunehmen, dass 
'j ^ ' sie theilweise sich auf die Unterstützung der Biscliöfe in den 
letzten Kiiegen bezogen, theilweise in dem Streben des Herzogs 
lagen, Metz in seine Hand zu bekommen. In diesem Kampfe 
standen die Metzer nicht allein, sondern hatten einige deutsche 
Herren zu ilirer Hülfe gewonnen, aber der Anfang des Kriegs 
war für sie nicht günstig, denn sie unterlagen l)ei Villers-Geni- 
vaux, dem heutigen Villers-en-Bois, nordwestlich von Gravelotte. 
Bald darauf besiegten sie aber den Herzog bei Morsberg ,-<^e£^ 



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4. Herzog Friedrich III. (1251—1303). 227 

Marimont und hier hatte Herr von Choiseul wieder das Unglück, % ^ ^«»". 
gefangen zu werden. . Da der Krieg für beide Theile keine be- * *" 
stimmte Aussicht bot, so kam es zwischen den Streitenden bald f^^ '- * 

zu Unterhandlungen und am 2Ö. Juli 1281 auch zu einein Frieden, 

in welchem kein Theil von dem andern Entschädigung verlangte 
und nur für Herrn von Choiseul von den Metzern ein erhebliches 
Lösegeld ausbedungen wurde. Da derselbe Bundesgenosse des 
Herzogs war, so verlangte er natürlich von demselben Ersatas 
dieser Summe und seines Schadens, weil er bei Morsberg auch 
sein Gepäck verloren hatte, und es wurde wegen der darüber ent- 
standenen Meinungsverschiedenheit durch den Schiedsspruch des 
Marsehalls von der Champagne die betreffende Entseliftdigung auf 
zweitausend Livres festgestellt. Aiisserdem bekamen die Mitge&n- 
genen Liebert von B^ufir^mont und Philip]) von Bayon ihren 
Schaden ersetsi Nach Einigen hätte auch der neue Bischof den 
Metzem Hülfe geleistet, aber es scheint, dass es in dieser Hin- 
sicht nur zu einem Versprechen, aber nicht zur That gekommen 
ist, obschon der Bischof am 27. Mai 1281, als er seine Vasallen 
zur Stellung der schuldigen Dienstmannen aufforderte, vom Her- 
zoge sowoU wie vom Grafen von Bar die Zusage erhielt, dass 
sie die festgesetzte Zahl — der Graf von Bar zwanzig Miinn — 
zu stellen bereit sein wlirden. Diese Hülfeleistung war nach 
dem inzwisdien erfolgten Frieden natürlich nicht mehr nOthig, 
der Bisehof &nd aber' in seinem Amte sich jedenMs unbehag- 
lich, denn er verliess im nächsten Jahre Metz gern, um eine 
Wahl fiQr das Bisthum Lüttich anzunehmen. 

Der neue Metzer Bischof war ein Verwandter des vorigen, /< ; ^ f - 
Bon< ^rd _d*Ave8 ne8 , natürlicher Sohn des Grafen vom Henne- Ji ' / 
gau, entschlossener, energischer Mann, der sich vornahm, die 
Veriifiltnisse des Bisthums wieder etwas in Ordnung zu bringen. 
Um in seiner Besidenz eine feste Stütze zu erhalten, schloss er mit 
der Stadt Metz ein alljährlich zu erneuerndes BiSndniss, ordnete 
die VerhftltDisse mit Lothringen 12S4, um die bisherigen Strei- 
tigkeiten zu beseitigen, und brachte auch seine Vasallen wieder 
zum Gehorsam. Mit seinem eigenen Vermögen kaufte er die j^ r^ 
Grafschaft Blieskastel zurfidc, ve rpfiln dete tde aber zwei Jahre 
Imk imtwVÖÄehalt deg BOddbfüSi aa den Bgmig. von Lo- . 
thrin gen, der nicht glaubte, dass dieser Bückkauf je oder so bald 
ewigen werde. Ueber diese Verpf&ndung wurde zuerst der 
Graf von Bar unwillig, überhäufte den Bischof mit aigen Schmä- 



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22b ^"^1' • Friedrich 1. bis zu Friedrich III. (1205—1303). 

I <j t' ' buDgen und es wftre sogar zwischen heiüm Theilen schon zum 
\ Krieg gekommen, wenn nicht der Graf vom Hennegau selbst die 

'^"c Sache vennittelt hätte. Unterdessen brachte der Bischof die nO> 
H,[tliigen Mittel auf und yerhmgte die WiedereinKtoung der Graf- 
ik* Schaft EflieskasteL Dies war aber dem Herzog sehr unerwünscht, 
er weigerte sich, die Grafschaft herauszugeben, verband sich mit 
Heinrich, ältestem Sohne des Gfafen Theobald lüTv on Bar , und 
fiel mit demselben in das Gebiet des Bischö fe ein. Dieser schloss 
sich in der Veste Homb urg ein und rief sofort seine Vasallen 
und Verwandte um Hfilfe an, während auch der Stiassburger 
Bischof Konrad von Lichtenberg die Gelegenheit gerne ergrif!', 
um sich an' dem Lothringer Herzog zu rächen. Der Bischof 
machte namentlich mehrere Einfälle Aber die Vogesen in*8 Land 
und brachte stets eine ansehnliche Beute zurfick, ohne erheblich 
dabei belästigt zu werden. Herzog Friedrieb nahm nun di e bi-^ 
schöfliche Stadt St. Avold, plfinderte sie und fährte die vor- 
nehmsten Emwohner mit dich fori Aber der im benachbarten 

• 

Hgri nirg sich befindliche Bischof sammelte rasch seine Truppen 
md legte im " Warentwal dt zwischen St. Avold und der Saar, 
in Hinterhalt. Als nun die Lothringer hier unbesorgt durch- 
zogen, fiel der Bischof beim alten Dorfe Be uvange unter Beirain 
fiber sie her^ schlug sie in diOlucbt und machte viele Gefan- 
gene, unter diesen eine Anzahl Edelleute, die mit dem Herzoge 
verbfindet waren, wie Wilhelm von Manderscheid, Graf von Wer- 
neberg, Dietrich von Kirberg und den Grafen von Leiningen. 
Der Bischof verfhhr besonders gegen letzteren sehr hart, sperrte 
ihn zuerst in St. Avold und dann in Marsal ein, entzog ihm 
alle bischöflichen Lehen und Hess ihn nur gegen ein hohes Löse- 
geld los, das der Herzog für ihn und seine Mitgefimgenen später 
bezahlen musste. Der Bisdiof wollte dann den Ki ieg nach Lo- 
thringen selbst tragen und rfickte im Moseithale herauf, wo er 
Preny mit aller Gewalt zu belagern begann, während der Herzog 
durch d^ letzten Verlust noch zu geschwächt war, um diese 
Belagerung sofort zu verhindern. 

Da Kaiser Eudolf sich um diese Zeit gerade in Mainz ein- 
fimd und der Bischof die kaiserliche Investitur noch nicht 
geholt ha^te, so wusste der Herzog es beim Kaiser zu bewirken, 
dass dieser den Bischof zur Livestitureinholung nach Mainz ent- 
bot. Der Herzog ho£fte nämlich, dass der Bischof während 
die serZeit weniger Truppen vor Pr^y unterhalten und daher 



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4. Heraog Friedrich HL (1251—1303). 



229 



dercu Yertreibiirifi; leichter werde. Ahvr der Bischof liesa in 
vorsielitiiier Weise seine ^esaminte Mamuschaft — viertausend 
Mann Fussi^än^er und hundert j^ut, wenn auch verschieden aus- 
gerüstete Kelter — vor Preny und im Lothringischen, nahm nur 
eine schwache Bedeckung, dabei aber eine Musikbaude von vierzig 
Mann, mit sich und zog so in Mainz ein, wo er bald das Wold- 
wollen des Kaisers erhmgte und dieser ihn nur ermahnte, dem 
Kriege mit Lothringen l)ald ein Ende zu machen. Nach der 
Kückkehr von Mainz setzte der Bischof die Belagerung von Preny _ 
fort, konnte jedocli nichts weiter gegen das Schloss unternehmen 
und Hess sicli dalier gegen l^nde des Jahres 1288 zu einem 
Waftenstillstande licrbei. I'.in gleiclier wurde mit dem Grafen 
von Bar gescldo^^scn. der ebenfalls die Verlegenheiten des Bischofs 
bem'ltzte und in seinem Gebiete vielen Schaden anrichtete, aber 
von diesem sofort zurückgewiesen und bis in sein Land verfolgt 
w'urde. Die Feindseligkeiten gegen Lothringen begannen schon 
im nächsten Jahre wieder, es stand nun auch Met ^ auf des 
Biscliofs Seite und die. Lotlu'inger erlitten eine emidindliche 
Niederlage, wobei eine Anzahl Lotlu'inger Vasallen, wie Johann 
und Vautrin von Bosieres, Kobert von Berus, Dietrich von Frei- 
storf, Friedrich von Sierck, Konrad von Saarbrücken, Johann 
von Bourbones, Johann von Dameleviere zu Gefangenen gemacht 
und in ^letz festgehalten wurden, bis es dem Grafen Simon von 
Saarbrücken und Gobert von Apremont gelang, ihre Freilassung 
nach kurzer Zeit zu erwirken. Die verschiedenen Misserfolge 
veranlassten nun den Herzog, sich nach weiteren Bundesgenossen 
im Elsass und über dem Kheine mnzusehen, und ))ald zählte er 
als solche den Grafen von Freiburg, Markgrat Heinrich von Hoch- 
berg, Friedlich von Fürsteuberg, Walter von Geroldseck, Burk- 
hard von Horburg, den Herrn von Blamont nebst einer Anzahl 
sonstiger streitsüchtiger Ritter, die sich ihre Hülfe mit klin- 
gender Münze bezahlen Hessen. Allein da auch der Bischof dureh 
Herren und Bischöfe des Kheiu- und Moselthals Zuzug gesandt 
erhielt, so wurden keine Erfolge erzielt, der kleine Krieg zog 
sich in die Länge und endlich kam es im November Fi!)! zu 
einem Frieden, worin sich der Herzog zur Zurückgabe von Ram- 
bervil ler. Deneuvre und des Schlosses Cond^ verstand und auf 
aUe Ansprüclie an diej per r^ieTfaft Blieskastel, verzichtete. Doch 
nur ungern Hess sich der Herzog auf diese Bedingungen ein 
und schon im Jahre 12ü3 kam es zu weiteren Feindseligkeiten, 




230 ni. Buch; Von Friedrich L bis zu Friedrich HL (1205— 130<i> 

worüber aber nur die kurze Nachricht vorliegt, das3 der Herzog 
in einem Kampfe zwisclien Bitsch und Stürzolbroun unterlag* 
selbst schwer an der Hand verwundet und nieliiore seiner Ge- 
nossen gefangen wurden. Dieser Misserfulg brachle dann endlich 
durch einen neuen Vertrag dauernde Kuhe in das T/and und am 
19. October erhielten aucli die Gefangenen ihre Freilieit wieder. 
Der Bischof selbst starb mehrere Jahre darauf, r2fl(), und Hess 
sein Land in etwas geordneteren Verhältnissen zuriii k, die Metzer 
aber ehrten sein Andenken noch lange, indem sie am Himmel- 
fahrtstagc sein Banner und seinen Panzer bei der Procession 
mit herumtrugen. 

Von geringer Bedeutung war 1293 der Streit mit der Stadt 
_TouJ, über dessen Ursaclie nicht eimnal etwas bekannt ist. Die 
Touler wurden darin l)eim Dorfe Dommartin zwischen der Stadt 
und dem AValde Haye vollständig geschlagen und mussten sich 
im November zu einem Frieden bequemen, worin sie auf allen 
Schadenersatz verzichteten und das Lösegeld für iliren gefangenen 
Mitbürger Joliann Viard zu bezahlen versprachen. Für die Ge- 
schichte ist die Sache-aber insofern von Interesse, als in dem 
Friedens^^ertraue die Stadt ganz selbständig und unabhängig auf- 
^•ät und keine Spur von einem untergeordneten Verhältnisse 
unter dem Bischöfe ersichtlich war. Die Touler hatten näm- 



lich das Bois])iel von Metz und Verdun befolgt, ihre Stadt- 
verfasaung weiter ausgebildet und sich unabhäni^ig ge- 
macht, ohne dass der Bischof dies hindern konnte, weil es ilim 

"an Macht fehlte, die reich^^r gewordene Stadt zu unterwerfen. 

^IfsL er bedurfte manchmal sogar der Hülfe und Unterstützung der 
Stadt selbst und erkannte, dass deren zunehmende Macht und 
Stärke auch ihm unter Umständen zu gut konune. Es war über- 
haupt damals das Streben nach Unabhängigkeit in allen Städten 
bemerkbar geworden und selbst ihre Herren mussten einselien, 
dass es für sie gut sei, wenn ihre Städte durch Selbstverwaltung 
zm- J^lüthe und grösserem Reichthume gelangten. Hatte daher 
der Herzog in seinem Lande auch nur wenige kleinere Städte, 
so gewährte er diesen doch ebenfalls grössere Freilieiten und 
wurde er darin wahrsclieinlicli durch den Grafen von der Cham- 
pagne ermuntert, welcher in weiter Gegend zuerst die Wohlthat 
freier (iemeindewesen erkannte, während man die den Vasallen 
gehörigen Städte in ihrem gleichen Bestreben sclion deshalb 



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4. Herzog Friedrich lU. (1251—1303). 231 

«interstfitzte, well dadurch die Macht dieser Herren ein atarkes 
Oegengewicht' erhielt. 

Die Grundlage aller dieser Stadtrechte bildete das Recht 
▼on jeanm ont. Der KeimsgE. Bischof Wilhelm von der Cham- 
pägne hatle^nftmlich im Jalire 1182_an der Grenze des Biurer 
Jiandes die Stadt Beaumont gegründet and för dieselbe ein be- 
sonderes Sta^ dttfight ausgeärbeitet nm fremde Ansiedler heran- 
zuziehen und diesen durch Begünstigungen zu steigendem Wohl- 
stand zu yerheUen. Da es damals an Vorbildem zu Stadtrer- 
fiiBBungen fehlte und jene Ton Moj^^ji^schon wegen Mangels 
einer grösseren Anzahl reicherer Gesdilechter i^ht wnhl n ach 
anderen Städten ube rtragen liesa , so griff man allseitig nach 
dem Bedit von Beaumont und'Snderte dasselbe nur in einzeken 
Punkten gemäss der Verschiedenheit der Yerhäl^issejab, Jbe-^ 
^. f y / sonders in Lothringen, wo • schon^unter Hei^ogj1fothias| neun^ 
:WjV<AA gtj^j^ Qjte, ausser^eufchiSeau, derarti^e^Gemeindeverfas- 
snngen erhielten. ^ ' ZOto 

Das erste St^trecht nach Neufchftteau erüät Mrecourt 
12g^ durch Hm^. Friedlicherer sich aber einige. f&r diTBürg^ c/iui > 
lästige yorrecKt6T<^behielt, wie z. B. das.Beeht, jeden Bllrger/^'^^J^% 
um zwölf Deniers zu bestrafen, der sich weigere, fftr ihn dieW:^ 
Waffen zu ergreifen, wenn er zu einem Beutezuge sich anschicke. ^ ^ 
STJahre 1243 ertheüte Graf Theobald IL Yon^ an die Stadt 
yarennea das Becht, bei sich das Becht Ton l^umont einzu- 
fahren. Drei Jiihre später erhielt C lermont in den Argonnen 
Stadtredite und wahrscheinlich auch die gleiche Ermächtigung r. ^'^^ 
von demselben Grafen, 1246 yeuyilly (wohl Neuvill e im Yer - 
dun^schen), 1247 Cens-larGrandviUe, Aubrerllle und Bunt-am - 
Bonais und endlich 1248 ein Flecken Villers , das man unter den 
zahlreichen Orten gleichen Namens nicht mehr herausfinden kann, 
und zuletzt ^gnoont, dessen Stadtrecht jenem Ton Mirecourt 
ähnlich gelten ist. 

Während somit im Lande Bar zahlreiche solche Gemeinde- ^ * • 
Ter&ssungen sch on frühe r gegeben wurden, folgte Lothringen , 
grst unter Herzog Friedrich III. nach. Derselbe führte das Becht 
von Beaumont allmäUch, jedoch mit einzelnen Abänderungen, in 
Montfort bei Mirecourt, Chätenoy, ^ches und Bruyeres 1263 
und zu Ntmcy, St. Nicolas de Port, Luneville, GM)eviller und 
Amance 126:*) ein. Friedrich von Charmes that 1270 dasselbe 
in seiner Stadt Charmes und zwar mit dem oben erwähnten Vor- 



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232 Von Fricdricli I. bis sa Friedrich IIL (1205—1303). 

behallie bei Mirecouit, indem dieser kleine Herr auch hier die 
Yeraftgong der lüthnlfe zu seinen Banbzfigen mit einer Strafe 
Ton zwölf Sons bedrohte. Im Jahre 1274 ertheüte der . Herr 
von Slorenges der grossen Gemeinde Buzy bei Etain dies Recht 
und 1276 verlieh Friedrieb IIL an Lon jpry das Recht von Beau- 
^^{^1 mont nnd zwar mit^UiTbes^deren Bedingung, dass alle anderen 

o^^^'/j / Lothringer Städte sich nach dem Geb raache jonJLpngw;. richten 
^ sollten, was eine sehr Unge Vorschrift war nnd f&r die Bechts- 
gleichheit im Lande einen sicheren Boden bereitete. 

Sehr bemerkenswerth ist weiter, dass anch in dieser Zeit 
noch neue Stfidtegründungen versncht worden. Als der Graf 
Hngo ni. von Vaademont von seiner Beise nach Palästina zu- 
rfickkehrte, verabredete er sich mit den Mönchen von St. Mansuy 
zur Gründung einer Stadt an Stelle des Dorfs Saukerot te, die 
' auch durch das Becht von Beaumont zum Aufblühen gebrächt 
werden sollte. Allein der Graf starb schon 1246 und Niem^d 
nahm sich seines Projects an, so dass es unausgeführt blieb. 
Aehnlidies beabsichtigte im Jahre 1279 der Herzog Friedrich 
mit den Mönchen von Moyen-Montier, indem er bei BaoQ:ll£tape 
eine Stadt Neuveville vor Baon gründen wollte. Er b^bte den 
• Ort auch mit versdiiedenen Bechten, derselbe kam aber nicht 
zu erheblicher Yergrösserung und blieb ein unbedeutender Flecken. 
Der Fehler bei diesen Versuchen lag aber nicht bloss in der 
verspäteten Zeit, die denselben nicht mehr günstig war, sondern 
anch in der verfehlten Wahl des Platzes, da Städte die Lage 

. ' . . \ an einer erheblichen Handels- und Verkehrsstrasse verlangen. 

Y ' . V Da auf diese Weise das Stadtrecht von Beaumont die Grund- 
. - , . läge für alle StadtverfassuDgen von Lothringen bildete, so müssen 
j- • wir einen Blick auf die einzelnen Bestimmungen desselben werfen, 
0 . ohne freilich aJUe^dieselben hier hervorzuheben, denn dieses Stadt- 

recht entbehrt der eigentlichen Scheidung der besonderen Gerecht» 
samc und wirft straf- und civilreclitliche Vorschriften mit jenen 
für die Verwaltung bunt durch einander und versammelt in seinen 
dreiundfünfzig Artikeln einen sehr reiclibaltigeu Stoff. Der Landes- 
herr behielt sich in Artikel 52 das Becht vor, dass die Bürger 
ihm Kriegsfolge h'isten, aber immer nur so, dass sie höchstens am 
nächsten Ta''e wie(h'r nach Hause zurückkehren könnten. Femer 
wurden nach Art. 50 die Strafgelder in zwei Theile getheilt, wovon 
die eine Hälfte dem Herrn und die andere der Stadt gehörte, 
über die Verwendung der letzten Hälfte entschieden zwei Ge- 



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4. Herzog Friedrich HL (1351— 1303> 233 

schworene und ein Bedicnstt'tcr des Herru. Das Stadtrefnniout 
wurde nach Artikel}) einem Maier oder ^Faire und einer Anzald ^t4l<»:'r 
Gesdiwprenen anvt^rtraut, die von den liürgern auf ein Jahr er- 
wählt wurden, dem Herrn Treue schwuren und für die Einkünfte 
verantwortli(!h waren. Dieselben waren zwar audi im nächsten 
Jahre wieder wählbar, aber nur mit Einstimmigkeit. Diese Ma- 
gistratspersonen übten die Rechtspflege über die Einwohner aus 
und dieselbe konnte niclit von ilmen abgeleluit werden (Art. 2S). 
Grosse Gerichtstage fanden drei Mal im Jahre statt und erliielten 
. die Magistratspersonen dafür einige Vergütung (Art. ')';\). Gegen 
die so erfolgten ürtheile konnte zwar Berufung eingelegt werden, 
aber nur sofort (Art. 27, 31. .'V2) und wer eine unbegründete 
Berufung anzeigte, ward mit zehn 8ous bestraft. W'er den An- 
ordnungen auf dem Gebiete der Verwaltung nicht Folge leistete, 
hatte zwölf Deniers Strafe zu erlegen (Art. nl). 

Art. 1 1 s])rie]it sich über die Niederlassung in der Stadt 
aus. Wer zu diesem Zwecke neu dahin kam, hatte dem Maire 
und den Geschworenen je einen Denier zu geben, erhielt aber 
dafür vom ^laire nach dessen Anordnung Hausplatz und Garten 
kostenfrei. Diese Bestimmung galt aber jedenfalls nur für Beau- 
mont selbst, welche Stadt ganz neu angelegt wurde und wo 
wahi'scheinlicli nur noch alte Häuserül)erreste standen, die her- 
renlos waren. In anderen Städten konnte diese Bestimmung 
schon wegen Mangels solcher verfügbaren Plätze gar nicht ein- 
geführt werden, wäln-end ausserdem jene ganz neue Stadt der 
Bürger bedurfte uml dafür noch in Art. 41 eine Bestimmung 
dahin gegel)eii wur(h>, dass der Bürgerannahme nur Diebstahl 
und Mord entgegenstanden und auch dagegen dem Betreffenden 
die Rechtfertigung nebst sicherem Geleit gestattet war. 

Die Herrenabgaben waren nicht schwer und es bezahlte 
Jeder, der ein Haus oder einen Garten hesass, jährlich zwrdf 
Deniers \md zwar je zur Hälfte an Weihnacht und Johanni; 
eine Verspätung der Zahlung von drei Tagen kostete zwei Sous 
Strafe. Es war dies eine feste Abgabe (Art. 1) und zwar auch 
nur für Beaumont selbst, wo jeder liürger Haus und Garten er- 
hielt, wtdche ursprünglich gleichwerthig waren, nicht aber für 
andere Städte mit solcliem Besitz von sehr verschiedenartigem 
W'erthe. Für alles anden? Land war die Abgabe verhältniss- 
mässig angesetzt. Nach Art. bezahlte man für ein Tagewerk 
Wiese am Bemigiustag (1. Octoberj vier Deniers, von Ackerland 



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234 ^ Buch : Von Friedrich L bis zu Friedrich HZ. (1205—1303). 

i^*^^ (Art. 4) von zwölf Garben zwei, winn es aber neu gerodetes 
Land war, erst von vierzehn Garben zwei, was offenbar dazu er- 
muntern sollte, die zu grossen Wälder auszuroden und Heide- 
land in Cultur zu nehmen. Die HeiTschaft behielt sich nach 
Art. 5 — 7 den Bann ihrer Mülilen und Backöfen vor und musste 
vom Getreide deF zwanzigste, vom Brode der vierundzwanzigste 
Theil abgegeben werden. Wurde Jemand der Verletzung dieses 
Gebots beschuldigt, so konnte er sich durch einfachen Eid rei- 
nigen. 

Solchen Verpflichtungen standen nun wieder verschiedene 
Begünstigungen und Freiheiten gegenüber. Art. 2 gestattete 
Jedermann das Recht des freien Kaut's und Verkaufs ohne jedes 
Octroi oder andere Abgabe. Art. 8 erlaubte einem jedeu JJiirger 
den freien Gebrauch des Wassers und Waldes, also den freien 
Bezug des Holzes zum Brand und zmn Bauen, was freilich in 
jener noch so waldi-eichen Zeit lange nicht denselben Werth 
wie später hatte. In Art. 22 wurden die Bürger in ihrem Privat- 
eigenthume bescluitzt, namentlicli auch bezüglich der Erbschaften, 
und es ruhte eine Strafe auf der Anmaassung fremden Guts. 
"Wenn ein Eigenthum von Land verkauft wurde, so hatten Ver- 
käufer und Käufer zwei Deniers an den Maire und die Geschwo- 
renen zu entrichten (Art. 10) und nach Art. 28 konnte Jeder 
einen Verkauf bis zu drei Solz durch Handschlag erweisen. Der 
Zeugeneid reichte in Civilsachen bis zu einem Werthe von zehn 
Sous aus, bei höherem Werthe stand es dem Schuldner frei, den 
gerichtlichen Kampf zu bestehen (Art. 29). Wer ein Stück Land 
als P&nd erhalten hatte, konnte es wegen Mangel an Zahlung ein 
Jahr lang nicht zu seinem Eigenthum machen und auch dann 
erst hatten der Maire und die Geschworenen zu bestimmen, wie 
es damit gehalten werden solle (Art. 33). Die Wirthe hatten 
nach Art. 39 das Becht f&r das, was de in ihrem Hause ver- 
kauften, ein P&nd zn nehmen, aber nieht fOr den Verkauf naeh 
aussen. Erlitt ein Fremder in der Stadt Schaden, so hatte er 
auf Ersatz an Geld Anspruch, der aber dnrdi die Gesehwerenen 
festgesetzt wurde; war dagegen der Schaden nicht genau festzu- 
stellen, so wurde dem Verklagten darüber ein Eid auferlegt 
<Ari 34). Wenn eine Kuh in^ einem Weinberge angetroffen 
wurde, so kostete es zwölf Deniers, ein junges Thier im Getreide- 
feld angetroffen aber sechs Deniers (Art. 47). Wer eine Erb- 



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4. Henog Friedrieb m. (1251— 130a> 



235 



Schaft ein volles Julir lang obiie \Vi(lprs})riuii eines Anderen 
besass, konnte sie luuh ferner unl)ehelligt behalten (Art. 28). 

Zwei Dutzend Artikel beziehen zieh auf Verbrechen, Ver- ^ * 

« 

gehen und deren Bestrafung und zwar ganz den Gewolinlieiten 
jener Zeit entsprechend. Ducli sind einige Punkte darunter des- 
halb l)eHonders bemerkbar, weil si«* dem Angeklagten gewisse 
Bürgschaften und selbst Begünstigungen gewähren. Se bestimmte 
Art. dass Jeder, der olme Watten an Jemand Hand an- 
legte, fünfundvierzig Solz zu bezahlen hatte, wovon achtund- 
dreissig Solz dem Herrn, zwölf Deniers dem Maire, zwölf den 
Geschworenen und fünf Solz dem Geschlagenen zu gut kommen 
sollten. Hatte der Geschlagene keinen Zeugen, so konnte sich 
der andere durch zwei rechtliche Zeugen und seinen eigenen 
Schwur reinigen. Wenn aber nach Art. 17 der Angritt" mit ent- 
blösster Watte erfolgte, ohne zu treften, und wm-de dies durch 
rechtliches Zeugniss erhärtet, so betrug die Strafe sechzig Solz 
und zwar achtundfünfzig Solz an den Herrn und je zwölf De- 
niers an den Maire und die Geschworenen. AVar kein rei litliclies 
Zeugniss zum Beweise vorhanden, so konnte sich der Andere in 
ganz glciciier Weise von der Schuld reinigen. Gab es l>ei dem 
Angrifte Blut und Wunden, m kostete es hundert Solz und zwar 
vier LivTes weniger zwei Solz an den Herrn, je zwölf Deniers 
an den Maire und die Geschworenen und zwanzig Solz an den 
Verwundeten. Ausserdem hatte der Verurtheilte die Heilkosten 
zu tragen. Waren dafür keine Zeugen vorhanden, so konnte das 
Zeugniss von sieben Bürgern den Angeklagten reinigen. Wenn 
aber der Angreifer ein Glied abgehauen oder den Angegriff'enen 
getödtet hatte und dafür rechtliches Zeugniss vorlag, so stand 
der Thäter unter der Verfügung des Herrn, der weiter über ihn 
zu bestimmen hatte. 

Im Art. ist bei Brandstiftung, Kaub, Mord oder Ent- 
führung die lleinigung durch die Wasseri)ro))e erlaul)t. Endlich 
haben einige Artikel Bezug auf verscliiedene Arten der Be- 
schimpfung. Wenn eine Frau gegen eine andere sich eine In- 
jurie erlaubte und wurde dies durch zwei Zeugen erwiesen, so 
hatte die Beleidigerin fünf Solz zu bezahlen und zwar vier Solz 
an den Herrn, seths Deniers an den Maire und ebenso viel an 
die Beleidigte. Wenn aber die N'erurtheilte nicht bezahlte, so 
hatte sie nach Art. 42 bei der rrocessioii am Sonntag im ]>lossen 
Hemde Steine zu tragen. Solche Beleidigungen vou Mämieru 



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236 Buch: Von FHedrich I. bis zu Friedrich IH. (1205—1303). 

* 

ahndete Art. 48 mit filnf Solz, in gleicher Weise vertheilbar, 
\ aber es ist nicht gesagt, was zu geschehen hat, wenn die Strafe 
^»^ \ nicht bezahlt wird. — Besonders bemerkenswerth bei solchen 
Bestrafungen ist der ungewöhnliche Löwenantheil an den Straf- 
geldern, welcher dem Herrn vorbehalten blieb, während Verletzte 
und Beleidigte nur eine' geringe Vergütung erhielten. 

So unvollkommen und in seiner Anlage roh auch das Becht 
von Beaumont erscheint, so musste es doch den Rechten wie 
dem Ansehen des Adels grossen Abträg thun, wfthrend die Städte 
und der Herzog da lurch wesentlich gewannen, je mehr dies Becht 
verbreitet wurde. Es war daher nicht wohl anders zu envarten, 
als dass der Adel das neue Gesetz nur mit grossem Missver- 

^gnügen sah und demselben entgegen zu wirken suchte. Wäh- 
rend er Versammlungen über die gewöhnlichen Gegenstände der- 
selben hielt, berieth er nun im Geheimen über Schritte dagegen - 
und es scheint dabei der Beschluss gefasst worden zu sein, den 
Herzog heimlich aufzuheben und für seine Lebenszeit in irgend 
einem Schioase ebenso geheim gefangen zu halten. Verschiedene 
Umstände lassen die Ausfüluning dieses Beschlusses in die Jahre 
1269 oder 1270 setzen, da er gerade vor dieser Zeit alle er- 
wähnten Stadtrechte ertheilt hatte und die mit der Ausfuhrung 
verbundenen Umstände und Einzelheiten zugleich zeigten, dass 
der Herzog damals noch ziemlich jung gewesen sein musste. 
Ueber die That selbst erzählt Ludwig von Haracourt ungefähr 
Folgendes. Weil der Herzog kriegslustig war und die Rechte 
des Adels beeinträichtigte, zumal durch seine an die Städte er- 
theilten Freiheiten, machte der Adel eine Verschwörung und als 

. eines Tags der Herzog im Walde beim Dorfe Laxou, unweit 
Nancy, jagte und sich bis in die Nacht Terspiitete, überfiel ihn 
Andrian von Armoises, dessen junge Er:ui mit dem Herzoge ein 
Liebesverhältniss hatte, mit einigen Bewaffneten, führte i)m auf 
langen Irrwegen durch den Wald und spen-te ihn im Thurme 
des Schlosses Maxäville ein, ohne dass der Herzog ahnte, wo 
er war, so dass auch die Seinigen, als sie ihn vermissten, seine 
Spur nicht auffinden konnten. Wie lange nun diese Gefangen- 
haltung gedauert hat, lässt sich nicht mehr bestimmen. Von Ei- 
nigen wurden fünf Jahre angegeben, doch ist dies unmöglich, 
weil nach den erhaltenen Urkunden eine so lange Unterbrechimg 
der Begienmgshandlungen des Herzogs überhaupt nie statt£uid; 
aber allzu kurz kann diese Zeit auch nicht gewesen sein, weil 



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4. Herzog fViedrich III. (1251—1303). 237 



in (Iciscllx'ii ♦'in diese (Jefangenscliaft beklagendes Volkslied ent- 
stand und sich ii]»er das Land veilucitete, was doch aueh nicht so 
raseh t^esclielien sein kann. AVie dem auch sei, so wird von 
deiiisclhen ( 'lironisten darüber Folgendes weiter berichtet. Eines 
Tages erscliiitterte der Sturm den Thurm von Maxeville so sehr, 
dass das Dacli und ein Theil der Mauer zusanmienbracli. Da 
sei dann zutallig ein gewisser Petit-Jean, der einäugig war, auf 
die Mauertrümmer emporgestiegen und hal)e das neue Volks- 
lied über den Herzog gesungt'n. Als letzterer dies hörte, rief 
er dem Petit-Jean zu, gab ilim seineu Siegelring und versprach 
ihm eine grosse Belohnung, wenn er zur Herzogin gehe und ihr 
anzeige, wo ihr Mann gefangen gehalten werde. Dies gesidiali 
denn auch und auf Veraiihissung der Herzogin ritt Herr von Tillon 
mit zehn vertrauten Kittern eiligst nach dem nahen Maxeville 
und befreite den Herzog, worauf der Tlnirm niedergerissen und 
Andriaii von Armoises seiner Lehen beraubt, dem Herrn von Tillon 
aber zum Dank das Vorrecht bewilligt "wurde, beim höchsten 
Kirchenfeste den Vortritt zu haben. — Diese Erzählung ist frei- 
lich von Einigen angefochten worden, aber es sprechen für die- 
sell)e nicht nur ol)t!nerwähntes Volkslied und das erhalten ge- 
bliebene Vorrecht der Familie Tillon, sondern auch eine auf 
einer alten Tai»ete befindliche bildliche Darstellung des Vorgangs. 
Ausserdem spricht dafür die Strenge, womit der Herzog gegen 
den Adel nun vorging. Er beschränkte sogar die Macht und 
Befugnisse der Adelsversammlung und bestinmite, dass deren 
Besclüüsse erst dann Gültigkeit erlangen aoliteu, wenn sie vom 
Herzoge bestätigt worden waren. 

Während er so seine Macht stärkte, war er auch darauf be- 
bedacht, sie raunilii'h auszudehnen und besser al»/urunden. Er ^ , 
erwarb von der (4rätin Isal)elle von Toul, der Erbtocliter , 

dieses Geschlechts, die Stadt Mirecourt, die nun Mittelpunkt seiner 
Besitzungen in den Vogesen wurde, und verkaufte dagegen an 
den Grafen Heinrich III. von B^r Stadt, Schloss und Kastel- 
lanei Longw^% weil solches zu weit von seinem Lande abgelegen / 
war. Mehrere Städte umgal) er mit ^Mauern und vereinbarte 
sich J'26H mit dem ("apitel von St. Die über die Befestigung 
dieser Stadt, zu welchem Zweck sie eine besondere Steuer er- 
hoben, und als er später bei Frouard die Veste wieder aufbaute, 
welche auf dem Eigenthume der l^riorei. Lay-St.-Christophe lag, 
80 verptlichtete er sich dafür dieser gegenüber zu einer jährlichen 



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238 HL Buch : Von Friedrich L bis za Friedrich IIL (1205— 1:K)3). 



Kente von scclizif,^ Sous. Im Jahre 1270 erl)aiite er eine Veste 
bei Raon TEtape und 1202 eine solche bei l*lonil)ieres, um die 
Besucher des damals schon vielgelirauchteu Bads besser schützen 
zu können. Endlich hatte er sich mit dem Capitel von Remire- 
mont wegen der Anlage eines AVeihers zu Biecourt und der 
letztgenannten Veste aus einander gesetzt, da beide auf dem 
Eigentlmnie dieses (,'apitels lagen. 

Der Herzog hätte nun gerne bei seinem vorgerückten Alter 
lieber in Kulie sein Land verwaltet, aber nochmals wurde er in 
einen Krieg verwickelt, der nicht einmal sein T>and sel))st an- 
ging. Es entstand nämlicli zwischen König F Iiilipp dem Schönen 
von Frankreich und dem Grafen vonjF^ Streit über ihre Landes- 
grenze, als welche erstcrer die as\Jetzterer aber den Buch 
^Biesrne, >binen Zufluss der Aisne, ansah. Der Streit selbst ent- 
stand nämlich darüber, ob das Kloster Beaiüieu in den Argonnen 
zu Frankreich oder zum Lande Bay gehören sollte, zu welchem 
es bisher immer gerechnet wurde. Die Sache kam selbst bis 
vor Kaiser Rud olf und es wurden darüber mehrere üntersuchuDgen 
und Zeugenvernehmungen angestellt, die sich zu Qunsten von 
Bar aussprachen. Da der König von Frankreich nicht nachgeben 
wollte, der Herzog von Lothi-ingen aber den Grafen von Bar 
zu schützen entschlossen war, so sandte der König von Franko 
reich ein Heer bis nach Chälons, um dem Lothringer zu wider- 
stehen, worauf der Herzog, welcher sich ohne Unterstützung sah, 
sich Ende ^l289^^ friedlich mit dem Könige vertrug. Letzterer 
setzte mdess seine Ansprüche fort, weil der Graf von Bar_sich 
mancherlei Gewaltthätigkeiten gegjdopjpnanntes Kloster zu Schulden 
kommeii Hess, aber Graf Thg£Ü)al^von Bar war zu vorsichtig, 
nm es zu einem Bmche mit Fran]a3<ä kommen zu lassen, und i!ni)%ul 
jtarb auch Bchon\l2^42 Sohn Heinrich HL, der in^ Alieiior /A.':)^ 
eine Tochter des mit Frankreidbr im Krieg beBhäHdien Königs ^ 
Eduard L von England geheiratfaet hatte, liess sich rm diesem 
dagegen leicht flberreden, sich ihm anznschfiessen, zumal auch 
der neue deutsche Kj.iger iVdolf von Nassau und der Graf von 
Flanjfirn sich auf die Seite von Bm- stellten. K. Adolf , der 
selE^ nch noch nicht befestigt hatte, warb nun zunächst um die 
Ifitwirkung des Herzogs FriedrichlBVon Lothringen und sandte 
den ünterbftndler Grossb jilz zu ihm, aber der Heczog. erkannte 
das Gefährliche semer Lage gegenfiber von Frankreich und ver- . 
sagte auf den Batii des Herrn von Haussönville seine Mitwir- 



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4. Herzog Friedrich lU. (1251— ia03). 239 

kling, wozu sich nur Heinrich II. von Bhimont gegen zweitausend 
Livres Entschädigung verstand. Ja der Herzog konnte sicli so- 
gar nicht weigern, dem Könige von Frankreich 8])ater seine Hülfe 
zu versprechen, die er ihm als Vasall von der ('hamjiagne, frei- 
lich nur mit einer sehr geringzilbligen Mannschaft, schuldig war. 
' „ Während der König von Frankreicli mit der Jkda«r<'runj( von Lille 
J*U.i,i]\m Jahre beschäftigt war, errang der Graf von Bar einige^, / "i^j ; 

J Erfolge und die Ivönigin Johanna, die l-]rl)in der Chamjtagne, j 
eilte herbei, um die Trnppcn von Bar zurückzudrängen und einen 
Waffenstillstand abzuschlicsscn. Als dieser aber sein Ende er- 
reichte, grill" der Graf von Bar irnfs Neue zu den Waffen, aber 
er unterlag alsbald im Kampfe gegen das in das Barer Land ein- 
gedrungene französische Heer u nter Gauthier (Walter) von Crecj^ 
und wurde sogar selbst gefangen und nach Paris gebracht. Der 
König nahm ihn dann mit sich nach Flandern, sperrte ihn in 
^^Prügge ein und behielt ihn bis zum Jahre 1301, nachdem sich / / 
Heinrich zu dem harten und eniiedrigenden Friedensvertra g ' ^ 
von|3jL.Iyw.lvlOJLl verstanden hatte. In demselben trat er an T-A»«'".' 
'den König, ausser einigen in Frankreich gelegenen Gütern, die !z':: \ "»t- 
KasteOaneien von C onflan s, OhätiUon und la Marche ab)^erkannte 
sich als Vasall von Frankreich für den westl icli der ]|^aä geld? 
genen Theil a^ep LandeB\verpfyichtete sich, das von ihm zer* 
SehloBB Ton Wassy wiedier berziistellen, zehntausend livres 
an das Kloster BeauHen als gitseha digung zu bezahlen nnd sich 
vor Weihnacht nach der Insel Cj^em zu begeben, wo er so 
lange bleiben sollte als es der König wollte. Der Graf reiste 
anch wirklich dahin nnd erhielt 13Q2 . in Folge des Friedens 
zwischen Frankreich und Englrnj endlich die Erlanbniss zur 
BfldA ehr, starb aber auf der Reise bei Neapel. Sein Sohn 
Eduard musste nun, obgleich der Adel^desJUndes gegen den 
Vertra g von Brügge Widerspruch eingelegt hatte, weil derselbe 
ohne die erforderliche Mitwurkung der Stfinde abgesdilossen war, 
dem Könige von Frankreidi huldigen, doch zeigte sich der letz- 
. tere nun gegen ihn wohlwollend, indem er ihm die KasteOaneien 
von Conflan s, C hätillo n ufid la Marche zurückgab und selbst in 
der . Champagne .die Stadt Gondreville aj8.^äen verlieh. Aber 
die anerkannte^asallenschfSTTerärafen erzeugte m der Folge 
fortwährend Einmischungen Frankreichs in die Angelegenheiten 
der Gra&chaft Bar, die von da an gleichsam vollständig in zwei 

Theile geschieden war. 
» -» ■ •.,...* »• * 1* 



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240 üLBuch: Von Friedrioli I. bis zu Friedrioli m. (12(^—1303). 



Wie oben erwälmt, hatte allerdings der deutsche Kaiser Adolf 
von Nassau sich der Partei des Grafen von Bar angeiiouniion, 
* aber es fehlte ihm die Kraft, um auch that??ächlich Hülfe zu 
.leisten. Ein Theil der deutschen Fürsten erklärte sogar 121)8 
^ ' zu Mainz den Kaiser für abgesetzt und erwählte in Herzog AI- 
. j^i brecht von Oesterreich, Sohn von Kudolf von Hiiltsburg, einen 
l '"'-^' ^ Gegenkönig. Herzog Friedrieh war anfangs nocli für K. Adolf, 
wandte sich aber l)ald auf die Seite \ oii Albrecht, weil K. Adolf 
im Jahi'e 1 ihm das Scliirmamt über Toiü abgenommen liatte 
und zwar auf Wunsch des dortigen BischoE' Johann von Sierc k. 
Der Herzog sandte nun unter Tbeobald von Kumigny eine Scliaar 
Truppen nach dem Rhein, welche an der Entsiheidungschlacht bei 
Göllheim Theil nahm. Dieser Theobald selbst begleitete dann den 
K. Albrecht nach Frankfurt und erhielt von demselben am 20. 
October 12f)S fiir den Herzog das ]\rünzrecht in der Stadt Yve, 
was wohl die heutige von Y voy in Carignan umgetaufte Stadt sein 
mag. Auch diese Thatsache beweist nun wieder, wie unbe- 
gründet es ist, W(^nn französische Historiker es bestreiten wollen, 
dass Lothringen wirklich einen fe&teu Bestandtheil des deutschen 
Keichs bildete. 

Xachdoiu sich der Herzog 1209 niit dem Könige von Fi-ank- 
' \ reich über die irenaue Feststellung der (irenze vereiiiliart hatte, 
war der Herzog auch daltei, als K. Albreclit zur Zusammenkunft 
mit dem Könige von Frankreich nach Toni reiste, der Zusanuuen- 
_J[unft selbst auf der grossen Wieseneltene von Quatre-Yanx 

4<1,(A hei Vaucouleurs komite er aber nicht beiwohnen, weil er in Toni 

krank wurde, weshalb er sich durch seinen Sohn Th('ol)ahl ver- 
treten liess, denn in seiner Würde als Markgraf des Keiclis war 
er zu solcher Theilnahme verpflichtet und deshalb war er auch 
dem ankommenden K. Albrecht schon auf einer weiten Strecke 
entgegengereist, um ihn bis zm* Grenze zu begleiten. 

Der HiTzog genas zwar bald wieder von dieser Krankheit, 
aber bei seinem hohen Alter bedurfte er grosser Schonung und 
endlich starb er am 81. December 130;^ an Altersschwäche und 
im Alter von etwa 70 Jaluen. Fr wurde seinem Wunsche ge- 
mäss in der Abtei von Beaupre begi'aben, denn er hatte schon 
1207 sein Testamont gemacht und darin eine Menge Verfügungen 
getroffen. Er machte darin Yemiächtnisse an verschiedene Klö- 
ster und Spitäler, seine Umgebung und Dienerschaft, vergass 
auch der Templer und Johanniter nicht und setzte für seine 



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4. Herzog Friedrich' IIL (1251—1303). 



241 



Kinder die yencMedenen Gaben fest Er war ja von Jugend 
an in streng kircblicher Biehtong erzogen und bewährte dies 
wShrend seiner Regiening (öfters dnrcb Freigebigkeit an ElOster 
nnd Kirehen. Er erbante so zu Neufchftteau das Minoritenkloster 
und später das der Clarisserinnen, ennfichtigte die Dominikaner 
zur Niederlassung in Toul, wo er ihnen ein Haus schenkte, und 
rftomte ihnen später sogar «zu einer neuen Ansiedlung in Nancy 
das alte Schloss daselbst ein. Ebenso beschenkte er mehrmals 
die Abtei Beaaprö. Eine Verordnung gegen alles Fluchen und 
Lästern erliess er am 5. Februar 1289, was beweist, dass die 
früheren Yerordnungen nichts nützten, auch sah er sich genö- 
thigt, zu gleicher Zeit den Verkauf von Aemtem und Würden 
zu verbieten, der dem Wortlaute der Verordnung gemäss damals 
ziemlich allgemein betrieben worden zu sein scheint. 

Seine Frau Margarethe von Navarra und der Cham- 
pagne überlebte ihn und starb erst 1310. Sie wurde bei den 
Bominikanernonnen zu Nancy begraben. Von ihr hatte der 
Herzog ziemlich viele Kinder erhalten. Der älteste Sohn Theo- 
bald n. wurde sein iSaclifolger, der zweite, Namens Mathias, 
^Herr von Belrouart bei liaon TEtape, der sich mit der Gräfin 
Alix von Bar verheirathete und um 1281 — 82 durch Zufall er- i , ^ > 
trank; Friedrich wurde ft^yot von St. Diö, Herr von Plom- ^V^^^•. -i'. 
bi^es, Bremoncourt und Einvaux, sollte Bischo f von Orleans ' ' 
werden und staa-b 1299 oder 1812, worauf er zu Beaupr^ be- 
graben wurde. Joliann, welcher den Titel eines Grafen von 
Toul erhielt, starb 1306 und ist ebendaselbst begraben; Niko- 
laus ist bezüglich seiner Lebensumstände nicht weiter bekannt, 
Isabella heirathete zuerst den gleichnamigen Sohn des Herzogs 
Ludwig von Bayern und in zweiter Ehe den Grafen Heinrich HI. 
von Vaud^mont, Katharina wurde Gemahlin des Grafen Konrad 
von Freiburg und Agnes trat in das Nonnenkloster Longchamp 
bei Paris. Ausserdem werden als Töchter des Herzogs von Ei- 
nigen noch Margarethe und Agnes genannt, wovon die letztere 
den Johann von Harcourt heirathete, es liegt al)€r keine nähere 
Naehweisung für sie vor. Alle diese zahlreichen Kinder wurden 
offenbar nm* mit Geld und der Nutzuiessun<^ einiger (lüter aus- 
gestattet, vom herzotrlichen Gebiete wurde aber dadurch kein 
Stück mehr abgetrennt. 



Huhn, 0«tcliicht6 Lotliringent. 



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242 III- ' "V'on Friedrich L bis zu Friedrich HI. (1205- 1303). 



5i Innere Verhältnisse 

Literatur. Kichard, Essai chronologique sur les inoeurs, cou- 
tiuncs et uaages anciens les plus remarquables dans laLorraiue; — Du- 
mont. Justice oriminelle des dachte de Lorraine et de Bar; — Buyt, 
Beoherohes des sainctes antiquites de la Vosgfe, iä, Axnbroise; — Bog^ 
Tille, DictioiiDaire historique des ordommnces et des tribunaux de la 
Lorraine et du Barrois; — Baugier, K^moirea historiques de la pro- 
vinoe de Champagne. 



Das dreizehnte Jahrhundert konnte in den inneren YerhSlt- 
niiBsen Lothringens nidit grosse Veränderungen veranlassen und 
der Umschwung und Fortschritt war gering; aber es liegen da- 
rin die Anfibige f&r manche sp&tere Ent?ricklung. und hier kommt 
zun&chst das YerhSltniss Lothringens zum deutschen Beiche und zu 
dem angrenzenden Frankreich in Betracht. Die Wirren in Deutsch- 
land und die lange kaiserlose Zeit, wo die Krone an Leute ver- 
schachert wurde, die sich um die Beichsangelegenheiten wenig 
bektlmm^rten oder sogar nicht einmal nach Deutschland kamen, 
waren nidit geeignet, die Macht und Eisft des Boichs zu stär- 
ken, und es herrschte nur zu lange ein wildes Treiben der Landes- 
herren, ein BaubritterÜram und gänzlicher Mangel jeglichen Ein- 
schreitens durch das Oberhaupt^des Boichs. Als dann endlich 
Budolf von Habsburg zum Kaiser » gewählt wurde und am Schlüsse 
des Jahrhunderts die deutsche Krone an das habsburgische Haus 
kam, um, durch Wahl freilich, bei demselben auch kflnftig zu • 
verbleiben, da war es mit dem Fortschreiten des deutschen Boichs 
vorbei, denn die Habsburger dachten nicht an die Interessen des- 
selben, sondern suchten nur den eigenen Hausbesitz zu mehren, 
mochte dies Streben auch noch so sehr den Keichsinteressen 
schädlich sein. Wir sahen daher schon mehrmals, dass in Lo- 
thringen Kriege fortwährend mit einander abwechselten und das 
Keiclisoberhaupt niclits that, um diesem Treiben Einhalt zu tlum. 
Die Herzoge von Lotliriogen nahmen zwar auch an denKeichs- 
angelo «Tollheiten Tbeil, so oft es ihnen eben passend erschien, 
. leisteten hier und -da auch dem Beiche militärischen Zuzug, im 



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5. Innere YerhaltnisBe. 245 



\ 



fianzoii aber verstan<len sie es uiebt, grösseres Gewicht s besser, 
Keicbsta<^n^ und in l\t'ichsiui<{elegenheiten zu erwerben. einen 
"Während dessen l^efestigte sicli die französische MonarcJen 
langsam. al»er siclier unter König Ludwig IX., den sie aucb 
den Heiligen nennen, da er mit den vortrefflichsten Herr- 
Bchereigenschaften besonders auch grosse Frönmiigkeit ver- \^ 
band und mit der Geistlichkeit gut stand. Er erwarb die nö- 
thigen Gebiete, um sein llei<'h besser abzurunden, förderte das 
Aufblühen der neuen Residenzstadt Paris; das Parlament daselbst 
wusste sieii l)ald die höchste Autorität in Keclitssachen zu er- 
"sverben und das begonnene Werk wurde weiter von den Königen 
Philipp HI. und IV. fortgesetzt. Diese begannen nun auch die 
Blicke wieder mehr nach Osten zu richten und besonders war ^ 
es dem Letzteren, der die Erbin des Grafen von der Champagne 
geheirathet hatte, darum zu thun sich in dieser Kichtung weiter";; 




Cr ; ' auszudehnen und die Landesgrenze bis an die Maas zu verlegen. 
ic^'C^ Wie wir gesehen haben, beging Herz og Theobald I. den grossen 
^ Fehler, für gewisse Städte seines Landes die Oberhoheit des 
Grafen von der Champagne anzuerkennen, und als nun durch 
Heirath von dessen Frbtochter Johanna dies Land an Philipp IV.' _ • 
gekommen war, so musste Friedrich's Sohn, Theobald, für die 
' ^ihm vom Vater übertragenen westliclien Städte Neufchäteau, 
''2 Clultenoy. Afontfort, Frouard und die Hälfte von Grand im Juli j -i^ ^ 
* ^1H()0 dem Könige von Frankreich den Lebnscid leisten. Noch ' 

schlimmer aber war die Lage der Grafen von Bar diesem Kö- 

" ■« 

nigc gegenüber, denn gerade in Bezug auf die Grafschaft Bar ^ 
mischte er sich weit mehr ein und der Graf nmsste i:U4 und y,. . 

zwei Verträge über sein Vasallenverhältniss eingehen. Aber" . ** ' 
schon 1284 hatte König Philipp III. oder der Kühne es beim 
Papste Martin IV. durchzusetzen gewusst, dass dieser ihm den 
Kirchenze hnten in den Bisthümern Metz, Verdun, Toul, Lüttich 
und Basel verlieh, wogegen selbst der Einspruch des Kaisers 
Budolf nichts half. Endlich förderten auch die Ausschreitungen 
des Grafen Heharich I._Y g Vaid faiont die EämiiiBehiuig der - 
Grafen ?on der Champagne und deren Rechtsnachfolger. Diese 
Gra&chafb Vaudänont gehörte unmittelbar zum deutschen Beiche 
und war als solche schon von den Grafen vom Elsasse besessen 
worden; im Jahre 1217 bequemte sieh aber Graf Hugo )fi. if 
' dazu, dem Grafen von jar den Lehenseid zu leisten, und als ^ 
Graf H einrich L in der Mitte dieses Jahrhunderts sich durch 

' 16* 



r • 



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m. Baob: Von Friedrich L bis zu Friedrich HL (1205—1303). 



seine Kriege tief in Scliulden gesteckt hatte, blieb ihm kein 
Mittel übrig als das V^udemont ngbs t den Gütern von 
an der Mosel) und Bainville-anx-Miroirs an den Qrafe^n von der 
Champagne zu verpfänden, mit Ausnahme der nach den Ver- 
trägen zwischen Hugo ^PPfJInnd Heinrich TT. den (irafen von Bar 
gehörigen TIechte. Frankreich liatte also schon im dreizehnten 
Jahrhunderte wichtige Vorposten in Lothringen erworben und es 
war dann in den kommenden Zeiten ein Hauptziel seiner Politik, 
diese Vorposten inmier weiter vorzuschieben, um so nach und 
nach bis an den Rhein zu kommen. 

Die Verhältnisse des Landes zu den Feudalherren änderten 
sich in dieser Zeit nicht weiter und im Ganzen waren aucli die 
Abgaben an dieselben mässig, so dass die Ackerbauklassc ihre 
Lage wesentlich verbessern konnte, zumal wo die Kriege ihre 
Verheerungen seltener hintrugen. Dagegen hatten die Bewohner 
der Orte, wo sich feste Schlösser befanden, eine weniger gute 
Lage und mussten mehr Lasten tragen. Zum Entgelt dafür, 
dass sie in den häutigt-n Kriegszeiten sich und ihre Habe flüchten 
konnten, mussten sie in diesen Sclilössern nicht nur die Wache 
übernehmen, sondern auch sich am Bau und der Unterhaltung 
der Befestigungen betheiligen und das zur Vertheidigung Nöthige 
liefern, PaTlisaden errichten, die Brunnen unterhalten u. dgl. 
Die Wache wurde gewöhnlich so geleistet, dass ein Dorf sie 
immer ein Jahr und einen Tag hielt und dann ein anderes folgte. 
Die Feudalherren stellten übrigens auch noch ganz andere For- 
derungen an ihre Untergebenen und manche derselben grenzten 
sogar an's Lächerliche. Während z. B. bei der Anwesenheit dea 
Herzogs von Lothringen in seinem Schlosse Vr^nj die Bewohner 
des darunter liegenden Dorfs J^agny nur einmal die Wache in 
der Teste zu leisten hatten und in die herzogliche Küche das 
nöthige Geflügel liefern mussten, waren die Bewohner von Mon - 
tnreux genOthigt, so oft ihr Herr, der Abt von Lnxenil . Im Orte 
verweilte, in das Wasser des Bachs und Teichs zu schlagen, 
damit die FrOache nicht durdi Qoaken die niehtlidie Kuhe des 
geistlichen Herrn stOrten. Uebrigens gab es sonst noch eine 
Menge von Leistungen an die Herren, die aber immer als eine 
gewisse Gegengabe fOr ein Amt oder Bezüge galten, wie z. B. 
wenn der Maire von Bruyires bei der Einsetzung in sein Amt 
dem Prevot des Capitek von Bemiremont einen weissen Hahn» 
zehn Hühner und fünfzig Eier darbringen mnsste. 



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5. Innere Verhältnisse. 



245 



AVurde iiii Ganzen das Loos der Landbewohner etwas besser, 
80 hatte dies auf die Milderun<( der Sitten dock erst nur einen 
sehr geringen Einfluss und Bericlite aus dieser Zeit erzählen 
noch Züge von grosser Koliheit. Namentlic-li sclicinen die Frauen 
sehlecht von ihren Männern behandelt worden zu sein und Herzog 
Mathias n. sah sich daher genöthigt, in einer eigenen Verord- 
nung solche Härte zu verbieten. Die erlassene Verordnung ist 
zu bezeichnend für die damaligen Sitten, um ihr nicht einer 
näheren PJrwähnung zu thun. Wenn eine Frau von ihrem Manne 
misshandelt wird, heisst es darin, so kann sie beim Richter 
klagen. Als Misshandhmg wird angesehen, wenn der Mann ihr 
genügende Nahrung versagt, nicht die ihrem Stande und den 
Verhältnissen entsprechenden Kleider und Schuhe gibt und wenn 
er sie mit Ruthen schlagen lässt, was er nur thun darf, wenn 
sie noch sehr jung ist, sowie auch wegen muthwilliger Liebes- 
streiche und J^öswilligkeit, aber dann auch soll es bloss mit ^iaass 
geschehen. F]ine Verordnung des Herzogs Friedrich bestimmt 
für die Entführung einer Tochter oder Wittwe ohne Einwilli- 
gung ihrer Eltern eine Strafe von zwanzig Sous und das Verbot 
des Kirchenbesuchs an den drei folgenden Sonntagen. Auch 
die Geistlichkeit beschäftigte sich mit solchen Dingen und das 
Provinzialconcil zu Trier vom Jahre 1238 unterwarf einer öll'ent- 
lichen Bestrafung Alle, welche des Ehebruchs überführt wurden, 
welche sodann dafür im Rettlergewand einen Krug auf der 
Schulter und einen Stock in der Hand tragen nuissten. I'oly- 
gamie muss damals noch sehr oft vorgekommen sein und es 
wurde dieselbe gewöhnlich mit dem Tode bestraft; an anderen 
Orten machte man es aber gelinder ab, denn der F eberführte 
musste seine erste Frau wieder nehmen, nachdem er eine öffent- 
liche Ausstellung durchgemacht hatte, wobei er so viele Kunkeln 
tragen musste, als er Frauen genommen hatte. 

Schon seit den Karolingerzeiten waren die Juden zahlreich 
und erfreuten sich anfangs auch einer besseren Behandlung, 
denn man erkannte recht wohl ihre Bedeutung für den Handel 
und als Lieferanten. Später nahm K. Heinrich IV. die Be- 
drängten in Schutz und hatten sie als kaiserliche Kammerkneclite 
gegen eine Abgabe ein Recht darauf. Aber nach und nach 
half dies nicht mehr und die Judenverfolgungen nahmen über- 
hand, woran übrigens auch die Geistlichkeit grosse Schuld trug, 
da sie Unduldsamkeit gegen sie predigte und nach ihren Beich- 



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246 ^"ch; Von Friedrich L bis zu Friedrich IIL (1205—1303). 

thümeiu lüstern war, trug doch selbst der hl. Bernhard kein 
Bedenken, es für zulässig zu erklären, den Juden wenigstens 
einen Theil ihres Vermögens zn nehmen, angeblich um ihn zu 
kirchlichen Zwecken und den Kosten der Kreuzzüge zu yer- 
wenden. Abgeschlossen vom Verkehr mit den Christen mussten 
sie in besonderen Strassen leben, eine besondere Kleidung tragen, 
konnten keine Gftter besitsen und waren so allein auf gewöhn- 
lichen Handel und Geldverleihen angewiesen, wobei man nur zu 
oft Ton ihnen einen Solinldnachlass erzwang. Es ergab sich 
daraus von selbst, dass sie sich durch höhere Zinsen und Wucher 
zu entschädigen suchten. In diesem Zustande lebten die Juden 
in diesem Jahrhunderte in dem Gebiete des Herzogthums, wo 
sie recht yiele Niederlassungen hatten. Sie waren ziemlich zahl- 
reich in Nancy und besassen in dem nahen Orte Laxou einen Fried- 
hof, wozu ihnen die Commende St. Johann le-YieU-Altre den Boden 
im Jahre 1286 überlassen hatte! Herzog Mathias TL nahm schon 
eine grossere Anzahl meistens reicher jüdischer Händler zu St. 
Di^ auf^ wo man ihnen die Princikestrasse zur Wohnung über- 
liess. Am zahlreichsten waren sie aber wohl in Metz, denn da- 
selbst hatten sie schon damals eine weit bekannte Babbiner- 
schule und der Babbi Eleazar war wegen seiner Gelehrsamkeit 
sogar durch ganz Frankreich bis an den Bhein bekannt. Es 
scheint, dass man schon unter Bischof Bertram von Metz die 
bedeutenden Sprachkenntnisse dieser Juden zu Bathe zog, als 
man damals in Metz und Frankreich die Bibel in's Französische 
zu übersetzen begann, und es* mag dies nicht wenig dazu mit- 
gewirkt haben, dass die Geistlichkeit den Juden noch mehr auf- 
sätzig war, denn sie haben jeden&lls bei nicht wenig Stellen 
des alten Testaments nachgewiesen, wie der alte hebrftische Text 
in der lateinischen Vulgataübersetzung vielfoch gef&lscht worden 
war. Als dann die Finanznoth den König Philipp .August von 
Frankreich veranlasste, nach dem Bathe seiner Vertrauten den 
Juden ihre Beichthfimer abzunehmen und sie selbst aus dem 
Eeiclie zu vertreiben, so folgten die benachbarten Herren dem 
Beispiele nur zu gerne und die Geistlichkeit wusste dafür noch 
neue Gründe au&ubringen, indem sie die Märchen erfand, die 
Juden begingen am Osterfeste allerlei gotteslästerliche Hand- 
lungen und Verbredien, sclilacliteten Christenkinder u. dgl. Sie 
wurden daher nicht nur in Metz, sondern auch in Lothringen 



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b. Innere Verhältnisse. 



247 



aUenthalbeu verfolgt und konnten fast durch das ganze Jahr- 
hundert sicli nur nocli in wenigen OvUm forterlialten. 

Besondere AufiiiHrksauikeit ricliteten die Herzoge auf die 
Bestrafung der zalilrciclicn tagliclieu Vergelien. Wer seinen 
Jagdhund oder Falken für die Jagd einem Andern vorenthielt, 
hatte solche innerhalb drei Tagen zurückzugeben oder dreissig Sous 
Strafe zu bezalilen ; das Gleiche geschah jenem, welcher einem 
Andern die Fische aus dem Netze stahl, wenn er es nicht vor- 
zog, die Netze zurückzugeben und drei Nächte zum Vortheile 
des Eigenthümers zu hschen. Sogar die Maires der Städte mit 
dem Kechtc von Beaumont müssen damals einen harten Stand 
gehabt haben, denn eine Strafe von hundert Sous wurde dem- 
jenigen auferlegt, der einen solchen Maire schlug. Dass Wirths- 
leute allein Ffänder nehmen durften, ist sclion erwähnt. Aber 
eine andere Bestimmung galt dem Sohne, der seinem Vater 
Pferd und Waffen zu einem legitimen Kriege versagte, denn sie 
entzog ihm je nach Belieben des Herzogs einen Theil seiner 
Erbschaft. Wer einem Edelmanne vorwarf, er habe im Kampfe 
die Flucht ergriffen, musste die Tliatsache durch seclis Zeugen 
erweisen oder dreissii; res Strafe bezahlen. Aucli die Schirm- 
vögte der Klöster bedurften strengerer Aufsicht, denn wenn ihnen 
auch schon durch Herzog Friedrich's Vorfahren die Bezüge be- 
schnitten waren, so wussten sie dieselben doch in anderer Weise C 
wieder zu erhöhen und aus Sous Livres zu machen. Graf Hein- 
rieh in. von Salm bedrängte die Abtei von Senones so sehr, 
dass trotz des yerhängten Banns die Mönche sich doch nicht 
anders zn helfea wussten, als indem sie auszogen und in Moyen- 
Montier eine Zuflucht suchten. Die Ermahnungen des Touler 
Bischöfe halfen nichts und erst Im Noremher 1263 erzielte der 
Metzer Bischof einen Vergleich, der aber dem torfen immerhin h^^^O 
noch die reichffL gsenwerke von Fr&Diont auf SmGtobietsLjdfic--^^ ^ , 
^Abt^ fiberliess. Dessen ungeachtet 'genossen die Abteien noch Y^2^ 
sehr grosse Vorrechte und Einkfinfte und gerade jene von Se- ^ 
nones besass solche in reichem Maasse. Der Abt berief jIül. 
Gerichtsversammlungen, hatte darin den Vorsitz und erkannte 
die Strafen; er ernannte die Maires und alle Beamten und An- 
gestellte in mehreren Orten und übte noch zahlreiche andere 
Rechte, die alle mit erheblichen Einkünften Terbunden waren. 

Liest man die Schriften der Zeitgenossen, so wSre damals 
Lothringen durch die Fruchtbarkeit seiner Felder, die Schönheit 



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248 in. Buch: Ton FHedrioh I. bis za Friedrich m. (1205— 1303> 



des Landes und die Intelligenz seiner Bewohner ausgezeichnet 
gewesen; aber man darf dieses Gemälde natürliih nicht mit der 
neueren Zeit in Vergleichung bringen, die darüber andere An- 
schauungen hat. Doch geht so viel daraus hervor, dass trotz 
der vielen Kriege schon vielfach Wohlhabenheit herrschte und 
auch die Bevölkerung genügte. Wie schon erwähnt, gaben sich 
die Herzoge viele Mühe, ihre Städte durch bessere Qemeindever- 
fiissnngen und erweiterte Rechte emporzubringen, welchem Bei- 
spiele dann doch auch noch andere Herren nachfolgten. Das 
Gute dabei bestand ferner in dem Umstände, dass die frühere 
Willkürlichkeit in der Besteuerung aufhörte und an deren Stelle 
genau festgestellte Auflagen traten, welche aucli alle einzelnen 
Fälle regelten. Einzelne Orte erhielten gewisse IJedite für den 
Holzbezug aus den Wäldern, das Reclit der Jagd und der 
Fischerei und St. Di^ hatte z. B. die Erlaubniss, dass die Bin- 
"wohner den Fischbedarf an Mittwoch, Freitag und Samstag selbst 
fischen und an Fasttagen überhaupt so viel ilache nehmen 
durften, dass jf'dt i- noch so viele übrig hatte, um solche an sechs 
Nachbarn anzubieten und dafür ein Brod und einen Schoppen 
Wein zu kaufen. Endlich durfte der Mann 80 lange frei fischen, 
als seine Frau im Woclienbette zubrachte. 

Es wird behauptet, die damalige Bevölkerung des Landes 
sei so ziemlich der heutigen gleich gewesen, was aber schon 
deshalb nicht sein kann, weil erst in neuerer Zeit die grossen 
Ausrodungen zahlreicher Wälder stattfanden. Die Städte hatten 
jedenfalls weniger Bewohner als in späteren Jahrhunderten, wo- 
gegen allerdings die Landoi*te stärker bevölkert gewesen sein 
mochten. Abgesehen von Metz mit seiner alten Maueruniwal- 
lung, sowie besserer und geschützterer Lage waren bemerkens- 
werthe Städte Bar-le-Duc, Toul, Neufchateau, Kemiremont, Epinal, 
St. Die imd besonders Verdun, das damals wabrscheinlich stärker 
bevölkert war als später. Es beweist dies die grosse Zahl der 
Streiter, welche damals die Stadt ihrem Bischöfe entge.i^enstelleu 
konnte, wenn auch eine Clironik stark übertreibt, indem sie die- 
selbe auf dreizelintausend angibt. Für Metz will man als Maass- 
stab die Mensclienmenge gelten lassen, wclclie I HOB an der Pro- 
cession vom Arnulfskloster nach der Stadt AntheU nahm, als 
bei dieser Gelegenheit der Bischof in guter Manier wieder in 
die Stadt zurückkehrte. Die Cki-onik des Pfihtners von St. Theo- 
bald gibt die anwesende Menschenmenge auf sechszigtausend au, 



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5. Innere Terhältnitse. 



249 



-wogegen eine andere nur Ton vierngtansend erzählt; a))er man 
darf dabei nicht vergessen, dass zu dieser Zoit Jahrmarkt bei 
dem Kloster stattfand und sich die Bewohnerschaft der gesammten 
Umgegend eigens deshalb einfand, um dem Spectakel zuzuseheiiy 
wie der Bischof sich vermittelst der Procession gut aus der 
Schlinge zog, die er sich sel})st angelegt hatte, als er sich ver- 
schwor, nicht eher in die Stadt zurückzukehren, als bis er voa 
der ]?ür«Terscliaft feierlich zurückgeführt werde. — In jener Zeit 
gab es. wie aus zahlreichen Urkunden erweisbar ist, offenbar 
noch eine Menge Orte, von welchen jetzt nur noch eine Kirche, 
ein Hof oder eine Mühle übrig ist oder bloss der Namen er- 
halten hliel), und man hat uocli 200 Ortsnamen, von denen man 
nicht einmal mehr weiss, wo der ))etrett'onde Ort selbst einst ge- 
legen war. Der dreissic^jährige Krieg und die langen Kämpfe 
mit Frankreich hatten nämlicli eine Menge Orte später gänzlicli 
zerstört imd viele wurden ganz verlaääen, verödet und nicht mehr 
aufgebaut. 

Die Industrie zeigt sich in dieser Zeit nicht stärker ent- 
wickelt, denn es fehlte dazu noch der rechte Handel und die 
.Sicherheit der Strassen. Die Hauptproduction ))estand in jener 
von Salz, da das Land an Salzlagern sehr reich ist und diese 
schon den Kömern bekannt waren. Es wurde Salz an zahlreichen 
Orten erzeugt, namentlich in Dieuze, Vic, Movenvic, Marsal, 
Salonne. Eosieres, All>e, Mörcliingen. Amelecourt. bei der A))tei 
Tholey und sonst und es waren an dieser Ausbeutung niclit bloss 
die Herzoge, andere Herren und Bist hofe. sondern auch verschie- 
dene Klöster ])etluMligt und wenn die HentMi Oeldanleihen be- 
durften, so verpfändeten sie häutig Kentenhezüge von diesen / 
Salinen. Auch Hisenhergwerke wurden bei Fromont betrieben e^ '^c" 
und dieselben seheinen ebenfalls älteren UrspruiTfgs^^.u sein; die '^Sai:} \. 
grossen Eisenlager l)ei Metz waren aber noch unl)euützt und es 
sclieint, schon die obigen Werke haben mehr Ausbeute geliefert 
als für das Land selbst damals erforderlich war. so dass wohl 
auch Ausfulu* von Eisen stattfand. Die Vogesen konnten damals 
für die Industrie nur wenig liefern, ausser Tannen, welche weit- 
hin verliracht wurden, weil die vielen Flüsschen und die grösseren 
Flüsse Mosel und Meurthe das Flössen von Stämmen und Bret- 
tern erlaul)ten. Es wurden daher auch viele Sagemühlen und ^ 
Kohlenbrennereien in den dichten Wäldern dieser (lebirgsthälcr ^ 
angelegt. Die Silberbergwerke des Leberthals standen im fortge- 



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250 ni. Buch : Von Friedrich I. bis zu Friedrich lU. (1205—1303). 



setzten Betriebe und Herzog Mathias IT. erliess deshalb auch 
eigene Bestimmungen für die Werke im Thale v_oii_St. Die. 
Wir erselien diinuis, dass sie sich vielfacli auf Vorscliriften und 
Einrichtungen in deutsclien Bergwerken bezogen, wie auch daher 
die Aufseher und Arbeiter gekommen waren. 

Die Vogesen boten ferner Stoff noch für eine andere Indu- 
strie durcli die vielen Bienen, die daselbst von den Bewohnern 
gezüchtet wurden oder sich auch wild in liolilen Bäumen ein- 
nisteten, sowie durch die Viehzucht, indem man die Heerden 
den ganzen Sommer auf den Bergen weiden Hess und aus der 
Milch Käse zum Eigengcl)rauche und \' erkaufe bereitete. Man 
erzeugte zwar auch in den Vogesen Bier, da es aber an Wein 
fehlte, so bereitete man aus Wasser und Honig ein (ietränke, 
das man Miessaude oder Miessaule hiess; ja um melir in einer 
schwächeren Sorte zu erhalten, so füllte man die Honigwaben, 
nachdem der Honig ausgelaufen war, mit Wasser und Hess solclies 
einige Tage stehen. Frülier war der Bienenreichthum des Landes 
bedeutend stärker ;ils in neuerer Zeit und besonders die Klöster 
bezogen dadurch eine erlu.'))Uche Rente. Weil man diesen hohen 
Nutzen der Bienen zu würdigen wusste, so bemächtigte sich auch 
der Aberglaube der Sache, um den Honigreichthum zu schützen. 
So befestigten die Bewohner des Thals Ajol am Charfreitag auf 
jedem Bienenstock ein geweihtes kleines Kreuz von Wachs, da- 
mit die Bienen den Stock nicht verlassen sollten, wäln-end mau 
zu Menil und Banioiu hanip dazu einen geweihten Palmzweig ver- 
wandte. Wieder an amleren Orten fürchtete man, ein bei den 
Bienenstöcken ausgesprochener Fluch vertreibe die Bienen oder 
gar es geschehe dies, wenn der F^igenthümer nicht in gutem 
Einvernehmen mit seiner Frau stehe. 

An besonderen Xachrichten über den Handelsbetrieb des 
Landes fehlt es uns zu sehr, um ein genaues Bild davon zu er- 
halten. Die Bewohner von Verduu waren dafür bekannt, dass 
sie ausgedehnte Handelsverbindungen unterhielten, auch trieb 
Neufchäteau einen erheblichen Handel mit der Champagne, wes- 
halb gemessene Befehle ertheilt wurden, denselben nicht zu be- 
lästigen und ihm Schutz angedeihen zu lassen. In Saarburg 
förderten die Metzer Bischöfe den Handel und gestatteten sie 
sogar die Errichtung eines Wechelergeschäfts. Aber zu einer 
gedeiblichen Entwicklung konnte der Handel hier nieht kommen, 
weil 80 Tielerlei Gebiete btmt unter einander lagen, jedes der- 



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5. Innere Verhältiuflse. 



251 



selben boBOuderc V'orscbriften gab und verschiedene Wegegelder 
und Zölle erhob, welche die Waaren wesentlich vertheuerten. 
Mit. ferner gelegenen Gegenden war daher der Handel noch mehr 
gelienmit und nur einzelne Städte verlegten sicli auf denselben. 
So geschah dies in Metz, das auch mit Huy Verbindungen hatte 
und im Verkehr mit Frankfurt, Krdn, Hasel und selbst mit Nürn- 
berg stand. Aber die später gemachten glänzenden Schilderungen 
dieses Metzer Handels entspraclien der Wahrheit durchaus nodi 
nicht und es war nichts zu finden, was dem mächtigen Handel 
in den deutschen Reichsstädten zu vergleichen war. Erst später 
entwickelten sicli auch in Metz nifdir (leschäfte dieser Art. wäh- 
rend in dieser 7At das liaubrittertlmni die Sicherheit der Strassen 
überall bedrolite und <len rnternehmun<;sgei8t nicht aufkommen 
Hess. Doch sucliten dit; grösseren Landesherren dem Kaubwesen 
nach und nach möglichst zu steuern, erzwangen oft von den 
üebelthätern Ersatz und sorgten etwas mehr für die Unterlial- 
tung der Strassen und Brücken, wofür sie sicli aber wieder sehr 
lästige Strassen- und Brückengelder bezalüen Hessen. Einen 
wichtigeren Schritt für die kiuiftigen Handelsverbindungen mit 
auswärts tluiten die Metzer, indem sie am o. Januar \'My,S mit < 
den Handelsstädten Nürnberg, ArleSj Cambrai, Fr^mkc^dierg, St. Ü^^i'^f^^ 
^ VTrou) b ei ]\Iastricht und Diedenhofen die gegenseitige Befreiung 
des Handels V(»n allen Abgaben (droit de trmneau) vereinbarten. 

Der verschiedenen Kreuzzüge ist schon gedacht worden und 
auch aus Lothringen betheiligte man sich zahlreich. Aber mit 
der Zeit suchten auch Viele, die das Kreuz schon genommen 
hatten, sich von dieser VerpHiclitung wieder frei zu machen, denn 
sie sahen alhnälich ein, dass diese Kreuzzüge zu keinem andern 
Kesultate fülirten, als dass die Theilnehmer Vermögen, Gesund- 
heit und oft auch ihr Leben verloren. Einen solchen Ausgang 
besonders für Lothringen nahm der Kreuzzug von 1230, an wel- 
chem, unter der Führung des Grafen von der Gliamiiagne. Graf 
Heinricli U. von Bar, Hugo von Vaudemont, Prevot Hugo von 
St. Die und Andere Tlieil nahmen, alier bei einem vereinzelt 
unternommenen Angriffe auf die Sarazenen grösstentheils von 
denselben verwundet und gefangen wurden, so dass von dem 
Grafen von Bar nichts weiter gehört wiu'de.*) 



*) Zu Ilixingen (Recliicourt ) hat sicli eine Lefjendo erhalten, welche 
Uli diesen Kreu//.ug anknüpft. Kuno von Rixingen sei damals in Gefan- 



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252 ^ * Von Friedrich L bis zu Friedrich HL (1205—1303). 



In der Folge zogen die Lothringer nicht mehr so weit, 
sondern nahmen Antlieil an den blutigen und bar])aris( ]ieu Kreuz- 
zügen gegen die Albigt'iiscr im Süden Frankreichs. Simon 
von Montfort war bei der JJehigerung des Sclilosses Teriiies und 
wäre l>hitig zurückgeworfen worden, wenn ihm nicht Lotliringer 
zu Hülle gekommen waren, und als er Lavaur behigertc unter- 
stützte ihn der (jraf Theobald I. von Bar, der übrigens nicht 
freiwillig Antlieil nahm, sondern auf Befeld des i'apstes, der ilmi 
dies wegen seiner Einfälle in das Jiisthum Metz als Kirchen- 
busse auferlegte. Nach der Einnahme von Lavaur kelu-ten sie 
daher auch wieder zurück. vSonst nahmen an diesen Kämpfen 
noch Autheil Graf Theobald L von Chälons, der Touler Bischof 
Reinhold von Senlis und Johann von Apremont, Bischof von 
Verdun. Grosse Heldenthaten scheinen sie aber alle daselbst 
niclit vollführt zu haben. In dieser Zeit zogen dagegen wieder 
fremde Abenteuerer unter dem Vorwande eines Kreuzzugs ver- 
beerend durch die Länder von Bar und Toni und der obenge- 
nannte Bischof Keinhold von Senlis war genöthigt, sie mit Waffen- 
gewalt aus der Gegend zu vertreil)en und zimi Schutze gegen 
sie Garnisonen nach Bouvron und Liverduu zu legen. 

Die Tempelherren breiteten sich in dieser Zeit noch mehr 
im Lande aus und vennehrten ihre Niederlassuni;"t'n. Graf Hein- 
rich von \jiudemont, der älteste Sohn des Grafen Hugo HL, er- 
baute ein Templerhaus zu Norroj' bei Mirecourt im Jahre 
etwas später der Graf Keinhold von Bar, dritter Sohn Heinrich's H., 
zu Braux bei Chälons an der Marne ein solches und ausserdem 
enveiterten sie ihren Güterbesitz, aber am Ende dieser Feriode 
brachte sie ihre Ueppigkeit und Verweltlichung nach und nach 
um das alte Vertrauen und es dauerte nicht mehr lange bis ihre 
Stande schlug. Auch die HospitaUter von St. Johann vermehrten 
ibre Commenden mit Niederlassungen zu Cuite:Feve».J[illün^^ 

genschalt der Sarazenen gefallen und vier Jahre in Fesseln gelegen; da 
habe er einst zum hl. Nicolau s, dsm Patron von Lothringen, inlurfinstig 
gebetet' und siehe da, am andern Abend sei er plötzlich mit seinen Ketten 
zu Hause vot dem Thore der Priorei St. Nicolaus gestanden. Zum An- 
denken daran wurde in letzterer bis zur Kcvolutioiiszcit jährlich am r>. 
December eine Abeiulprocessinn al)<^ehalten und die Ketten waren daselbst 
aun)e\vahrt, die mau al)cr ilaiin zcrschlucr. wohl in der AhinuiLT. dass da- 
durch in der künl'tii^-cn kirchlichoii Keactionszeit die neuesten l'ruducte 
des Aberglaubens i^esser i^lat/j hal>en suUten. 



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5. Innere VOThältnisae. 



und Kohecourt, aber sie erlangten nicht gleichen Reiclithiinu 
Wegen ihrer Geringzäliligkeit bildeten sie keine eigene Provinz, 
sondern gehörten zur französischen Zunge und Grosspriorei der 
Champagne. Der Deutschorden, dessen Mitglieder man nur die 
Weissmäntel nannte, hatte an diesen westlichen Grenzen nur 
wenige Niederlassungen und zwar zu Metz, Trier und Saarburg. 

In Folge der Pilgerfahrten und Ivi'cuzzüge waren schon in 
der vorigen Periode verschiedene Hospitien entstanden und dann 
bedurfte es auch für die Abschliessung Aussätziger und mit an- 
deren ansteckenden Krankheiten Behafteter eigener, abgelegener 
Gebäude, denn man war gegen diese rathlos und wusste sie nicht 
zu heilen. Die Zahl solcher Häuser vermehrten sich nun zuse- 
hends und namentlich die der letzteren zeigte, wie sehr diese 
Krankheiten zunahmen. In Metz unterhielten die Johanniter und 
der Dentschorden solche Herbergs- imd Krankenhäuser, die Stadt 
emchtete ein gleiches in grosserem Maassstebe und es gab meh- 
rere Leprosenhäuser oder Bordes . In Verdun befimden sich zwei 
grosse Hospitäler, zwei kleinere, jedoch mehr Annenhäuser, zwei 
Leprosenhftuser und einen Ahnosenkasten. Herzog Friedrich HI. ' 
Ton Lothringen bedachte in seinem Testamente eine Anzahl sol- 
cher Anstalten und es gab dergleichen bei Maldiöre, zu Pont-ä- 
Mousson, Toul, LuneriUe, Gerbonraux, in der Abtei St. Epvre,. 
zu YeigaTille und an anderen Orten. AUe dieselben entstanden 
meistens um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts und Ter- 
mehrten die Zahl der schon bestehenden. Daneben gaben die 
Kloster an gewissen Tagen an Arme Brod und auch Geld und 
suchten selbst die H&user der Bedürftigen auf. Ffir die Auif- 
nahme und Abschliessung der Leprosen^^uchJ^Saafils genannt, 
gab es sogar besondere Feierlichkeiten in Löäuringen. Erklärte 
ein Arzt eine Person för einen Leprosen, so ordnete der geist- 
liche Richter die Yerbiingung desselben in das Leprosenhaus an 
und am bestimmten Tage begab sich der mit einem schwarzen 
Tuch bedeckte Leprose unter dem Geläute aller Glodcen Tor das 
Thor der Ptekiidie. Hier besprengte der Geistliehe im Or- 
nate denselben mit geweihtem Wasser und ffthrte ihn dann in 
eine Art Verschluss in der Mitte der Kirche, wo auf einem Tische 
ein langes Gewand, Handschuhe, ein Fässchen, eine Handklapper 
und ein Körbchen lagen. Er hörte die Messe, empfing das Abend- 
mahl, dann segnete der Geistliche diese Gegenstände und sprach, 
zu dem Leprosen: „Nimm und ziehe dieses Kleid als Zeichen. 



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254 Von Eriediich L bis zu Friedrich IIL (1205 - 1303). 

der Xiedrigkeit an, ohne welches Du dieses Haus nicht mehr 
verlassen darfst, im Nanion dos Vaters, des Sohnes und des 
heiligen Geistes; nimm dieses Geföss, worin Du Deinen Trank 
erhältst, und ich verbiete Dir Flüsse, Bäche, Quellen und Brunnen 
zu verunreinigen, und Du sollst darin Dich, Deine Kleider, Deine 
Hemden und was Dich bedeckt, waschen; nimm diese Klapper, 
damit Du eingedenk seist, dass Du mit Niemand reden darfst, 
ausser wer mit demselben Üebel behaftet ist. Kannst Du dies 
nicht umgehen uud bedarfst Bn einer Sache, so verlange es 
beim Ton dieser Klapper, indem Du Dich fern von den Leuten 
und hinter dem Winde hältst Nimm diese Handschuhe zur Er- 
innenmg, dass Du nichts mit hlosBen Hinden berühren darfst, 
ausser iras Dir gehört und nicht unter die Hftnde der Leute 
konmot. TSimm dies Körbchen, um das hineinlegen zu lassen, 
was Dir gute Leute geben, und vergiss nicht zu Gott ffir Deine 
Wohlthäter zu beten/* Sodann gab der Ftiester dem Leprosen 
ein Almosen, bat die Anwesenden das Gleiche zu thun und fDhrte 
ihn dann mit dem Kreuze und Weihwasser nach dem Leprosen- 
' hause unter Begleitung der Leute, welche Litaneien und Psalmen 
sangen. Vor diesem Hause angekommen, sprach der Geistliche 
weiter: t,Haec requies mea in saeculum saeculi; hic habitabo, 
quoniam cdegi eam'S dann flQhrte er ihn hinein, schloss die Thfire, 
steckte ein hölzernes Kreuz in die Schwelle und wandte sich 
mit einer Ansprache an die Anwesenden mit der Bitte, fBr den 
nun Ton der Welt Abgeschiedenen zu beten, dem Verbote ihn 
zu beleidigen oder zu misshandeln und mit der dringenden Auf- 
forderung an die Eltern und Freunde des Leprosen, bei ihm 
dreissig Stunden zu verweilen, um ihm die ersten Augenblicke 
der Abgeschlossenheit weniger bitter zu machen. 

Wo immer ein neuer geistlicher Orden auftauchte, da fiuid 
'i er gewiss auch bald in Lothringen Eingang. Die Dominikaner 
Hessen sich 1221 unter Bischof Konrad von Schaiffeneek in Metz 
nieder und Guerric gilt als ihr erster Prior. Nach Verdun kamen 
sie aus Paris unter Bischof Johann von Apremont und g^n 
1240 nach Toni unter Bischof Rüdiger von Marcey. Der weib- 
liche Dominicanerorden oder die Dames-Pr^heresses waren schon 
1*280 in Metz und unter Herzog Friedrich HI. in Nancy. Der 
Hauptzweck dieses Ordens war die Aufsuchung und Bestrafung 
der Häretiker, wozu sie aber damals in Lotliringen noch wenig 
Gelegenheit fonden. Nach ihnen kamen die Franziskaner, hier 



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5. Innere Verhältnisse. 



2ö5 



gewOhnlidi Cordeliers genaimt, und sie erscheinen am frühesten • ^ 
im Jahre 1230 zu Metz, dann auch zu Toul, Neufchftteau und 
Verdun. Beide Orden suchten sich besonders bei den Grossen ^ 
des Landes t>eliebt zu machen und widitige Vertrauens^ 
stellen einzunehmen. Im Gegensatze zu denselben und der von 
ihnen zur Schau getragenen FrCnmiigkeit nahmen die alten Orden 
ab und schon wegen der steigenden Mehrzahl der Orden flössen 
auch die Gaben für sie weniger reicUich. Manche derselben 
yemiditeten auch ihren Wohlstand durch Verschwendung, Ver- 
geudung und schlechten Haushalt und es kamen dadurch meh- 
rere Klöster sogar in Noth. So &nd Widric aus dem Kloster Se- 
nones, als er Abt von St. Epvre wurde, darin wohl StSlle*, aber 
nur einen einzigen Esel zum Holztragen, die Mobilien waren Tor- 
ftQssert, Kelche und Ornamente von Seide und anderem Werthe 
bei einer Frau .in Metz versetzt und was you den Maierhöfen 
und sonstigem Eigenthume nicht verpfibidet war« das war schon 
yerkauft, wie ein Berichterstatter aus dieser Zeit sagt An eine 
Aufhebung oder Zusammenlegung mehrerer solcher herabgekom- 
mener Klöster dachte man damals leider noch nicht. 

Messen in dieser Zeit auch die Vergabungen an die Kirchen 
und Klöster sparsamer und yerslegten sie da und dort ganz, so 
wussten sich letztere dodi manchmal auf eine leichte und ein- 
gehe Art reichlichen Ersatz dafür zu verschaffen, wozu namenlr- 
lich die Püger&hrten und Kreuzzüge Gelegmheit boten. Die 
PUger brachten nfimlich aus Born und dem Orient allerlei Beli- 
quien mit, theils Knochen und Gebeine vermeintlicher Heiligen, 
iheils Stücke vom ai^ebliohen Kreuze Christi und andere Er- 
innerungszeichen aus den heiligen Stfttten von Palästina. Biese 
wurden dann zu Hause in schönen Kästchen und Schreinen in 
einer Kirche niedergelegt und der Verehrung der gläubigen 
Menge ausgestellt, die damit nicht bloss ein gottgeMliges Werk 
zu vollfuhren glaubte, sondern von den Geistlichen bald auch in 
dem Wahne bestärkt wurde, schon die Berührung dieser Reli- 
quien bringe Heilung aller möglichen Krankheiten. Bald ver- 
breitete sich der Kuf solcher Stätten und zog eine Menge frommer 
Wallfahrer herbei, die niemals mit leeren Händen kamen, son- 
dern stetR Geschenke für die Kirche auf den Altar niederlegttti. 
Dadurch entstand eine mehr oder weniger reiche Einnahmequelle 
und zu manchen dieser Stätten zogen unablässig, besonders an 
einzelnen Festtagen, ganze Schaaren Wallfahrer, die oft aus 



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256 Buch ; Vou Friedrich I. bis zu Friedrich III. (^1205—1303). 



weiter Feme kamen. Dies ist der Ursprung der nicht wemgen 
Wallfiihrtsorte des Landes. So ward, um nm* ein Beispiel zn er- 
wSlmen, von dem Lothringer Albert zn Binde des eilfben Jahr- 
hunderte ans PalSstina ein solcher Heiligenfinger mitgebrachi 
nnd in der Marienbipelle des Do rfe Port an der Me nrthe nieder- 
gelegt. Bald entstand hier dadurch eine Wall&hrt zum hL_Ni- 
colaus von Port, so dass sich die Priorei YarangeviUe TeranlassE^ 
sah, einige Mönche bei der Kapelle zu unterhalten, um die Gaben 
f&r sich in Empfang zu nehmen. Am Ende des zwölften Jähr- 
hunderte war diese Kapelle sdion zu klein und der Toulw Bischof 
Odo von Yaud^ont erbaute didier 1193 an der" Steife nicht 
bloss eine grossere Kirche, sondern es entstand dabei auch eine 
Priorei, die ebenso wie Yarangerille von der Abtei Gorze ab- 
hängig war. Wie gewöhnlich erwuchs der Ort zu einem Stficlt- 
chen und es Hessen sich besonders Tuchmacher und Goldarfoeiter 
daselbst nieder, weil die aus Burgund, Deutschland und Frank- 
reich kommenden Wall&hrer auf dem neuen Markte gerne Ein- 
käufe machten, geschah dies oft auch nur, um einige Andenken 
von der Wäll&hrtsstätte zurückzubringen; ja im dreizehnten Jahr- 
hunderte zogen die Wallfehrer oft haufenweise mit Kreuz und 
Fahnen zu der Stätte, so dass sich die Aebte von 6K>rze yeran- 
lasst sahen, ftr die Handelsleute des Orts besondere Privilegien 
bei den Herzogen Mathias H. und Friedlich HI. nachzusuchen. 

Yon neu^ Klosterstiftungen sind aus dieser Zeit nur we- 
nige bekannt. Zuerst wurde von einigen Yomehmen Frauen das 
CisterzienBerUoster von Ste. Hould oder HoÜde und um 1226 
vom Bischöfe Johann von Apremont die Abtei St. Nicolaus des 
Pr^s gestiftet, welche er mit regulirfcen Canonikeru aus der Abtei 
St. Victor zu Paris besetzte. Ein Wilhemiterkloster stiftete 1243 • 
die Gräfin Elisabeth von Blieskastel und die Trinitarier, welche 
schon 1198 eine Niederlassung in Metz besassen, erriditeten eine 
solche 1239 auch zu la Marche im Lande Bar. 

Die Domcapitel hatten in dieser Zeit längst die alte strenge 
Bogel und das gemeinsame Zusammenleben verlassen ; dafür hatte 
man aber da und dort besondere Ceremonien und Festlichkeiten 
eingeführt, welche in den Gottesdienst Mannichfaltigkeit bringen 
und die Leute anziehen sollten. In Verdun hatte auch der Pfarrer 
von St Amand zuerst die Feier des Frohnleichnamstags mit 
Procession aufgebracht, lange bevor dieselbe allgemein in der 
katholischen Kirche eingeführt wurde. Dagegen ÜEUid in den 



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5. Innere Verhältnisse. 



257 



Sitten und mancherlei kirohliclien Dingen ein sichtliclier Yerfiill 
statt und namentlich das 1232 zu Trier gehaltene Provinzial- 
coneil sah sich genöthigt, durch yerschiedene Anordnung da- 
gegen zu wirken. So wurde den Geistlichen der Besuch der 
Wirthshäuser ausser auf der Beise yerboten, ebenso das Abhalten 
der Messe ohne Schuhe oder Sandalen und in weltlicher Klei- 
dung. Wenn ein Pfiirrer oder Vikar acht Mark' Einkünfto be- 
sasst sollte er einen Sdiullehrer unterhalten. Mit den Sdiulen 
selbst sah es um diese Zeit Uftglidi aus und ölericale Histo- 
riker schieben yergebens die Sdiuld auf die damals entstehenden 
Universitäten, welche die meisten Schfiler an sich gezogen hätten, 
was doch nur bei einer kleinen Anzahl erwachsener junger Leute 
der Fan sein mochte. Kur die bischöfliche Schule zu Toul 
hatte noch Terdienstrolle Lehrer, wozu der nachmalige Bischof 
Aegydius von Sorcy gehörte. Von den Sdiulen zu Metz wird 
aus dieser Zeit nichts Bemerkenswerthes berichtet und ebenso 
waren jene yon Verdun und Saarbuig im Bückgange. 

"iska. schreibt die Ursache dieses Sinkens der gelstlidien ^^i^Jt 
Schulen nicht ohne Grund theüweise dem allgemeinec gewordenen 1 
Gebrauche der ro mmiiBchen (alt&anzösischen) Sprache zu, 
welche in diesem Lande ebenfiJls rasche Foriaehiitte machte, 
natOriich nur in den Gegenden westlich Ton Metz, der Mosel. 
und Meurthe. Da bisher alle Schriflstacke, Urkunden und Bücher 
nur in lateinischer Sprache abge&sst wurden, so musste man 
die Kenntniss dieser Sprache vorzugsweise in den geistlichen 
Schulen holen, die daher grösseren Zuspruch hatten. Nachdem 
aber im dreize lmten Jahrhunderte die roma nische Sprache nicht 
bloss bei der Ab&ssung von Actenstücken angewendet und nach 
und nach zur allgemeinen Schriftsprache erhoben worden war, 
fiel ein Hauptgrund zum Besuche der geistlichen Schulen weg. 
Es ist übrigens merkwürdig, wie rasch diese Umwandlung vor . o , 
sich ging. So hatte der Beneficiarherzog Dietrich (i 1024) •^vq^my 
zu seinen Verhandlungen mit den mehr westlichen Nachbarn sich 
der Vermittelung des Abts Nantere Yon _St.. M ihiel bedienen 
müssen, weil dieser aBein das giJlische oder romanische Idiom 
zu reden verstand, wogegen der ans Deutschland gebürtige Touler i v.. 
Bischof Pibo (1070—1107) sich schon nicht mehr seinen Diö- 
cesanen verständlich machen konnte, weil diese das „früher nie 
gehörte*' Bomanische sprachen. Diese vollständige Umwandlung 
brauchte somit nicht mehr als ein halbes Jahrhundert und haben 

Hvha, 0«Mliid>te Lothringens. 17 



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258 Bttc^: Friedrich L bis zu Friedrich IIL (1205—1303). 

wohl das Meiste auch die Mönche und LandgeiHtliclien dazu bei- 
getragen, weil sie des Lateinischen weniger kundig hauptsäclilich 
das Romanische handhabten, das ja ohnehin nur aus einem ver- 
dorbenen Lateinischen entstand. 

Es ist sehr benierkenswerth, dass die ältesten Schriftstücke 
in jomanischer Sprache nich t im westlichen Frankreich, sondern 
in Metz abgefasst wurden, während doch vor dessen östlichen 
Thoren immer die deutsche Sprachgrenze begann. \Vestphal i n 
seiner Geschichte von Metz behauptet zwar, die etwa um 1107 
von Bischof Bertram verfasste ('harte von ^fetz sei in roma- 
nischer Sprache geschrieben und wäre somit das erste romanische 
' Actenstück; dies ist aber einfach nicht walir und diese Charte 
wie ihre Bestätigungen sind in lateinischer Sprache abgefasst. 
Dagegen gibt es in Metz ejn in Abschriften des 14. Jahrhun- 
derts erhaltenes Actenstück (über die Kechte von Kaiser, Bischof, 
Graf und Sta^ und einen sogenannten Friedensbrief in romanischer 
• Sprache, der etwa 1212 — 1220 abgefasst sein soll und wahi- 

scheinlich von Weslpbäl mit dieser Charte selbst verwechselt 
' I wurde. Aber wir besitzen diesen Friedensbrief auch nur in viel 

späteren Abschriften und der Anfang des anderen Actenstücks ist 
jedenfalls im Interesse der Bischöfe später gefälscht worden, in- 
4 dem man mitten in die Rechte des Kaisers das angemaas ste Kecht 
jiesjiischofs auf den V&mn'^ einschob, und beide Urkunden sind 
_o^enbar üebersetzungen aus dem Lateinischen. Die ersten romaDi- 
^ K "scten Worte sind in einer Urkunde bei Calmet vom Jahre 1204 in 
JI^'>^T den lateinischen Text emgeflochten. Dagegen beginnen mit den 
zwanziger Jahren des ^meh nten Jahrhunderts die roma nischen 
SoliriftstQcke zdilreicher za werden und in Lothringen ist das 
älteste im December 1230 abgefasst. Wie wir in der vorigen 
Periode sahen, wurde die romamsche Sprache schon etwas früher 
in Bfichem als in Urkunden angewendet und wir erwähnten da- 
mals als ersten Erzeugnisses dieser Art des Buchs Ifoppemonde 
von GfauM ei- von Metz, sowie eini^r Üebersetzungen von.BibeK. 
^ stucken und wir begegnen hier dem seltsamen Zusammentreffen, 
dass vorzüglich diese Üebersetzungen es waren, welche die roma- 
nische Spradie zur Schriftepraohe machten, wie im sechszehnten 
Jahrhunderte die Bibelflbersetznng Luther's die deutsche Spradie 
zur allgemeinen Schriftsprache erhob. Wir besitzen ttbrigens 
auch, wenigstens in BruchstAcken und spfttgjc^r üeberarbeitung 
aus der ersten HUfte des dreizehnten Jahrhunderts, noch ein 



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5. Innwe Verhältoitse. 



269 



anderes rom anisch es Buch, nämlich die Denkwürdigkeiten, wclclio 
Mjx?^liaelJ^]n;ard, Kammerherr des Herzogs Tlieohahl'L. über dessen 
Regierung hinterliess. Ks wurde jedoch die hiteinische Sprache 
nach wie vor in den SchuhMi l)etrieben, da sok-lie nicht bloss 
für die Geistlichen und den Jvircliendienst. sondern auch für das 
Verständniss der bisherigen Urkunden und Actcnstücke und nament- 
lich der gelehrten Werke notlnvendig war. Ja es lüsst ein in- 
teressanter Umstand uns die Gewissheit, dass jedenfalls noch um 
die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts so ziemlich alle gebil- 
deten Leute das Lateinische verstanden. Us hruclite numlich im 
Jahre ein Italifli^r ein lateinisches Gedicht nach Lothringen, 
das nur unter dem Namen Schule von Salerno bekannt war und 
eine Sammlung von medicinischen und Gcsundlieitsvorschriften 
enthielt. Dies Buch erlangte bald solchen Huf, dass alle Welt 
davon Abschriften haben wollte, und die Aerzte und Arzneimacher 
fühlten sicli durcli die Uoncurrenz dieses Buchs, das ihnen die 
Kunden raubte, so beeinträclitigt, dass sie allgemein Klagen er- 
hoben, den Italiener mit Gefängniss und Verbrennen bedrohten 
und ihn endlich zur Fluclit veranlassten, welche sie dann wieder 
mit grosser Freude erfüllt haben soll. 

Von Fortschritten der Wissenschaft ist in dieser Zeit nichts 
Besonderes zu sagen. Der Touler Bischof Johann von Sierck ist 
bekannt als gelehrter Canonist und Verfasser eines Commentars 
zu dem sechsten Buche der Decretalien, der Jurist Jakob von 
iiumigny sclirieb Commentarien zu den Digesten und dem Codex 
Theodosianus, der Metzer Dominikaner Peter einen solchen ül)er 
das Buch der Sprüchwörter und endlich verfasste der Mönch 
Kicher vom Kloster Senones eine Chronik dieser Abtei, die leider 
noch nicht einmal ganz yerOffentlicht worden ist. Im Uebrigen 
ist aus dieser Periode nichts Erhebliches dieser Ait bekannt. 

Mehr leistete diese Zeit im Gebiete der Baukunst und zwar 
zunächst nur der Kirchen, wofifar aber jetzt Laien als Baumeister 
auftraten. Wir wissen leider die Namen der letzteren in Lo- 
thringen nicht mehr, aber es ist mit Sicherheit anzunehmen, 
dass sie Ton auswärts kamen, wie auch sp&ter die Erbauer dar 
grösseren Kathedralen. Der Dom von Toni wurde gegen Schhiss 
des dreizehnten Jahrhunderts zn Ende geführt nnd daf&r ver- 
wandte man zunächst die Einkönfte der erledigten Pfirfinden.« 
Zu Metz wurde 1248 der Grundstein zu der YincenzkirGhe ge- 
legt, die aber in jener Gestalt nicht mehr auf uns gelangt ist 

17* 



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260 J^««^- Von Friedrich 1. bis zu iViedrich Iii. (1205— 1JU3). 

und in Folge eines Brandes später umgebaut wurde. In Verdun 
führte man den Dombau weiter, auch wurden in Nancy einige 
kii-chliche Gebäude liergestellt. V^on Klöstern ist das zu Senones 
aus dieser Zeit stammend. Von dem romanischen Style ging 
man aber in mehreren Abstufungen auf den gothischen Spitzbogen- 
styl über, als dessen Hauptrepräsentant die allerdings erst yiel 
später vollendete Kathedrale von Metz gilt. Fehlte es zu diesen 
Bauten an Geld, so begann man mm zu Sammlungen in Stadt 
und Diöcese seine Zuflucht zu nehmen und dies that man be- 
sonders für die Frauenkirche zn Trier, die Earmeliterkirclie in 
Metz und das Capitel zu Mflnster. Wie das Aeussere tiheuer zu 
stehen kam, so aber auch das Innere, denn man yerzierte mm 
allmäUch die Gotteshäuser mit gemalten Fenstern und auch die 
Wände wurden mit Gemälden versehen. Ebenso sehmftckle man 
das Inneie bereits mit Seulptoreii und Denbnllem ans und nahm 
zu Yerzierungeu aneh die Goldarbeiterknnst in Ansprach. Leider 
ist auch auf diesem Gebiete das Meiste später umgebaut und 
zerstört worden und kam nur sehr wenig auf uns. Für die in- 
neren Verzierungen und Sculptarwerke zeigte sich endlich noch 
die franzOsisclie Bevolntion am barbarischsten, denn sie Temich- 
tete auch den Best, der noch übrig war. 



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rV. Buch. 

Von Herzog Theobald II. bis zum Tode 
Herzog Karl'» IL 

(1303 bis 1431.) 
1. Herzog Theobald II. (1303—1312). 

Literatur. Thier riat. Memoires , regne de Tliielmut IL; — 
C'oupurus ile Boiirnun, re;,nit' de Thiebaut Tl. ; — Mory d'Elvange, 
Recucil etc., rc'jfnc de Thiebaut U.; — Edward de Glay, Histoire des 
comtes de Flandre II- ; — Summaria brevis et compendiosa doctrina 
felids expediticmis et abbreyiationifl gaerranim ao litium regni Franco- 
ram» auf der Farisw Bibliothek, Hjpt. No. 6222; Auszug daraus von 
N. de Wailly in den HUmoires de l'Acadömie de« inscriptiona et bellet- 
lettres, XVIII^ pars 435 ff. 



Herzog Friedrich IQ. hatte dd&on bei seinen Lebzeiten da- 
ran gedacht, die Erbfolge in seiner Familie sicherer zu gestalten, 
und als sich sein sehoo^ erwachsener ältester Sohn Theobald um 
5281 mit Isabella von Bnmigny vermählte, wofür er sechstausend 
Liyres Tumosen verbUrgt auf IN^gufchäteau, 
und andere yon der Champagne zu Lehen gehende Orte anwies, 
so traf er die Bestimmung, dass, im Falle dieser Sohn ^eobald_ 
vor ihm sterben und einen Sohn hinterlassen sollte, djeser Enkel 
ihm dann in der Kegierung unmittelbar nachzufolgen habe. Er 
berief sich bei diesem Schritte auf das im Lande best ehende 
Herkonmuen und Hess dasselbe ausdrücklich von den Grafen von 
Jülich, Sahn, Blieskastel, Zweibräcken und Leiningen und dem 



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262 iV. Buch: Von Theobald IL bis zum Tode Karl'a II. (1303-1431). 

Herrn Ton Blamont bestätigen. Ausserdem fibergab er diesem 
Sohn bei dieser Gelegenheit NegfcM teap and die anderen ge- 
nannten Orte zu Eigenthum, um daför nicht dem Könige Phi- 
lipp IV. von Prankreich huldigen zu müssen. Theobald huldigte 
demselben auch im Juni 1800 und bei/dieser Gelegenheit stellte 
^ ihm der König aJs_G emah l d[y_Erbgrafin^^on der Champagne 
eine ürkunäe aus, wonaefa alle zwischen ihm, den Börgem von 
NeufiMteau und dem Prinzen entstehenden Streitigkeiten von 
den Assisei' von Andelot und in höherer Instanz von dem Gross- 



ra&e (G rand-jours) vonJ IiiLigB abgeurtheilt werden sollten. Er 
verBprach femer in der Champagne keine Unterthanen Theobald^ 
die dessen Land Teriiessen, an&nnehmen, und sprach ihm in 
diesem Falle auch das Becht zu, die Gflter solcher Ausgewan- 
derter in Beschlag zu nehmen und zu confisciren ; auch sollte der 
Prinz Juden und Lombarden in Neufchfttean halten dfirfen, um 
daselbst Mfinzen zu schlagen, die aber kein Umlau&recht in 
Frankreich hatten. "Hieobald musste sogar bald darauf dem Kö« 
nige als Vasall im Kriege gegen die Flam&nder seine Tmppen 
ziälhren und mit diesen nahm sodann Theobald am 11. Juli 1302 
an der Schladt von Qaate? Antheil, wo die Franzosen voU- 
ständig geschhigen wurden. Hier soll nun der Prinz, als im 
Kampfgemenge sich ein französischer Soldat aus den Bänden der 
Flamfinder befreite und einige derselben mit deren eigenen Waffen 
tOdtete, aus Bewunderung vor dessen Tapferkeit vom Pferde ge- 
stiegen sein und demselben eine Agraffe mit Bubinen geschenkt 
haben. Der Prinz gerieth. Übrigens in Gefimgenschaft und wurde 
nach Lille abgeführt. Um das verlangte LOs^eld von sechs- 
tausend Livres kleiner Tumosen zu bes»hlen, musste sein Vater 
mehrere Gflter verpftnden und* auch seine Frau Isabella, die das 
Lösegeld selbst nach Fkndem bradite, dies mit ihren Gfltem 
zu Martigny und Bures thnn. 

Bald darauf starb Herzog Friedridii und sein Sohn Theobald H. 
folgte ihm in der Begierung. Diesen Augenblick mochte der 
von seinem Vater niedergehaltene Adel Qbr gfinstig erachtet haben, 
um mit seinen alten AnsprOchen aufiEutreten und die firftheren 
Bechte wieder zurfick zu erhalten. Aber Theobald war nicht 
der Mann, um davor zurück zu weichen, und bestand auf seinem ^ 
Herrscherrechte, vielleicht auch auf Anrathen und nach dem Bei- 
spiele des Königs von Frankreich, der ebenfidls den Adel ge- 
demflthigt hatte. Theobald zeigte sich sogar noch entschiedener, 



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1, Herzog Theobald II. (13üa-1312j. 



263 

« 



denn er erliess sofort an alle Herren, welche eine Veste oder 
ein Lehen hatten, das Verbot zu waflfnen und Krieg zu führen 
ohne ErlaubnisB des Herzogs, und befahl femer, dass kein Ur- 
theil der Herren irgendwie in Kraft treten könne, wenn nicht 
zuvor der Herzog es mit Siegel und Unterschrift versehen habe. 
Dies brachte den Adel in grösste Aufregung, denn es wurden 
ihm dadurch seine grössten Vorrechte genommen, und besonders 
wollte er sich dem Verbote des bisherigen Fehderechts nicht 

ftigen. Die Herren schlössen sich also zusammen, griffen zu 

den Waffen nnd erklärten dem Herzoge den Krieg. Dieser aber 
war darauf gefasst und vorbereitet, versammelte aus seinen ei- 
genen Vasallen und fremden Söldlingen ein Heer, rückte den 
Adeligen entgegen und besiegte sie bei Ltmeville vollständig, 
80 dass damit ihr Widerstand und ihre Kraft gebrochen war. 
Aber der Herzog Hess es nicht dabei bestehen, sondern bestrafte 
nun auch die Widerspenstigen. Ein Tkeil wurde verbannt, ein 
anderer TheÜ durfte wohl bleiben, es wurden aber seine Vesten 
gebrochen und er so seiner sicheren Schltq^firinkd beraubt Er 
ging sogar noch weiter, nm den Adel zu demüthigen, verbot 
ihm ohne seine Erlaiibnias Duelie anzuordnen nnd bedrohte jede 
Zuwiderhandlung mit Tod oder Verbannung; far jeden neuen 
Versuch einer ^hebimg wurde schwm Strafe von sechstausend 
Livres kleiner Tumosen und Verlust der Lehen angedroht 

Kaum war dieser ZwischenfiiH vorflber, so musste der Herzog / a . 
im Jahre 1304 aufs Neue dem Könige von Frankreich HtU&- * 
trappen gegen die FlamSnder zuftthren und er trug durch seine 
Tapferkeit am 18. August 1304 nicht wenig zum Siege von 
Ifons-en-Pucelle bei Hierauf war er übrigens in Gemehsehaft 
mit dem Herzoge von Brabant und dem Qnifen von Savoyen be- 
müht, dem Kampfe durch einen WaffenstOlstand ein Ende zu 
machen, worauf im nächsten Jahre auch ein Frieden geschlossen 
wurde. Nach der Bfickkehr von Flandern zog der König trium- 
phirend in Paris ein und bald darauf entschloss er sich auch, 
dem Herzoge von Lothringen in seinem Lande einen Besuch zu 
machen. Es gab da zu Nancy glänzende Feste, es wurden hier 
Turniere, Wettläufe und andere Festspiele abgehalten, Knegs- 
spiele dargestellt, Sänger Hessen sich hören, Feuerwerke wurden 
abgebrannt und nichts versäumt, um dem hohen Gaste Vergnügen 
zu bereiten, wie sich denn derselbe auch sehr anerkennend da- 
rüber aussprach. 



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264 IV. Buch: Von Theobald II. bis zum Tode Karl s II. (1303— 1431> 

Dem schlauen Franzosen war dies jedoch nur Nel)onsache, 
der tiefere Grund seines Interesses an l.otliriugen lag in dem 
Plane, seine Macht nach und nach über dies Land ausdehnen 
und Frankreich nach Osten vergrössern zu können. Der erste 
Schritt dazu bestand schon in der Erwerbung der Champagne 
dnrch Heirath mit der Erbtochter dieses Landes. Dann wusste 
er nach und nach das .^a^tel von Toul dazu zu bringen, seine 
Besitzungen unter seinen Schutz zu stellen, und diesem Schatz 
unterwarf sich die St|^t selbst im Jahre 1300. Die Umgebung 
des Königs kannte seine Pläne- und Absicliten genau und be- 
strebte sic^ sogar, demselben noch zu schmeichel nund ihm dar- 
zulegen, wie er sie am besten verwirklichen könne. Wir be- 
sitzen daiflber noek eine in der Nationalbibliothek zu Paris auf- 
bewahrte DenlBchrift, welche Feter dn Bois, Adrocat. am Amte 
y^^Ckmtanc^s, im Jahre ISÖO Ter&sste und die aasdrflcUidi 
▼om König e sdbet gebilligt wg rdc* Sie ist zu interessant und 
är die kfinl^e Poläik der französischen Autokraten bezeichnend, 
als dass wir sie iddit dem wesentiücben Inhalte nadi hier wie- 
dergehen sollten, zumal jene Stellen, welche insbesondere fiber 
Lothringen bandeln. 

„Wenn es wsihr ist**, heisst es hier, „dass Eure Majestät ent- 
sdilossen ist, das Königreich Arles und die Lftnder die sseits des 
Rheins und der LjMnb ardei vom^eere im Sflden bis zum Nord- 
meere zu behalten, so gibt es hier eine Menge Herzogthömer, 
Gfrafechaften und Provinzen, deren Bewohner immer so kriege- 
risch gesinnt und an den Kampf gewöhnt sind, dass der Krieg 
för sie nur eine naturgemfisse Sache ist, wovor sie keine Furcht 
haben, und die Söhne und Nachkommen jener, die ge&Uen sind, 
wurden durch den Tod ihrer Ahnen nicht gebessert, fSrchten sich 
nicht aufs Neue Krieg und Verschwörungen anzufangen und werden 
darin nicht eher aufhören, als bis sie durch neue und schreck- 
liche Mittel dazu gezwungen werden. Diese Schrift soll nun 
dem Könige das Mttel zeigen, seine Eroberungen festzuhalten und 
ihnen noch wichtigere anzufügen. . 

Um zur Sache selbst zu kommen, stellt der Verfasser die 
Annahme auf; dass der Herzog von Lothringen sich weigern wird, 
dem Könige zu gehorchen, und fahrt dann fort: „Man wird ihn 
zuerst auffordern, zur Pflicht zurackzukehren, chum wird man 
sich an die grossen Barone des Herzogthums wenden und ihnen 
erklfiren, dass man, im Falle sie widerspenstig seien, ihre Güter 



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1. Henog Theobald II. (1303— 1312> 265 

yerheeren und sie an ihrem Besitze und ihrer Person bestrafen 
werde. So lange sie aber diese Drohnngen nicht ausgeführt 
sehen, werden sie nicht daran glauben und sie nicht beachten; 
es ist in der That auch besser, diese Drohungen in allgemeinen 
Worten zu halten. Nach diesen Einleitungen wird der König 
in das Lothringer Land zu der Zeit eindringen, wann das Ge- 
treide zu reifen beginnt, und zwar mit einem grossen Heere von 
Heitern und Fussgängern, die sich vor allen Städten und festen 
Pl&tzen zeigen werden. Weigern sich die Garnisonen die Thore 
zn Offnen oder sich sofort in einen Kampf im offenen Felde ein- 
zulassen, so wird man alle Heben ausreissen und die Ernte im 
ganzen Lande niederbrennen. Doch das Leben der Leute ist zu 
schonen, so lange sie nicht angreifen, und selbst in diesem Falle, 
wenn kein anderer Ausweg bleibt, wird man sich begnügen, 
ihnen eine Hand oder einen Fuss abzuhauen, damit ihre Seelen 
nicht in die Hölle faliren. Einige Vorsichtsmaassregeln sind je^ 
doch nothwendig, um den Erfolg dieser neuen Taktik zu sichern. 
Der König wird das Getreide, Vieh und die Ernte, die man 
im feindlichen 'Lande aufhebt, nach den näclisten Vesten Lo- 
thringens bringen lassen und wenn die königliche Armee sich 
znrfickzieht, wird sie in diesen Festungen ausreichende Garni- 
sonen unterhalten, um die Strassen und Uebergänge zu über- 
wachen, die in das Herzogthum führen, alle Verbindungen zu 
unterbrechen und den Herzog wie sein ganzes Volk mit einer 
Hungersnoth zu überziehen. Den Einwohnern und Herren der 
benachbarten Gegenden wird man ausdrücklich und unter Andro- 
hung einer gleichen Verwüstung verbieten, den Besiegten Le- 
bensmittel zu liefern, sie bei sich aufzunehmen oder ihnen Durch- 
lass zu gewähren. Die Himgersnoth wird sie also zum Gehorsjun 
bringen und man sich nicht den Tod ihrer Seelen vorzuwerfen 
haben. Dies ist noch nicht Alles; diese exemplarische Bestra- 
ft mir Avird ihnen für immer den Geist der Empörung nehmen 
und da sie auch anderen Völkern eine heilsame Furcht einjagen 
wird, so kann der König, wenn er von seinen Feinden Bürgschaft 
für ilire Unterwerfung erlangt hat, kühn an die Arbeit gehen, 
auch die anderen Nationen sich zu unterwerfen." — Dem Ver- 
fasser stellte sich hier nun der Einwand entgegen, ob man ein 
so ausgedehntes Herzogthum verwüsten könne, ohne Widerstand 
Y.n finden und ohne gezwungen zu sein, den Krieg mit den ge- 
wöhnlichen Mitteln zu fuhren, und der Verfasser sagt sich, dass 



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266 OL Buch: Von Theobald II. bis cum Tode Karl's IL (1303—1431). 

dies wohl mö<(lich, aber nicht "wahrscheinlich sei. ,,Wie sollte 
man in der That j(lauben'% fährt er fort, „dass der Herzog von 
Lothringen einer Armee trotzen werde, welche keiner der le- 
benden Fürsten, wenn er nicht von Sinnen ist, in oifenem Felde 
zu erwarten die Kühnheit hätte? Wenn aber der Herzog ver- 
messen genug wäre, um vor solchen Streitkräften nicht zu fliehen, 
so müsste man der Justiz ihren Lauf lassen und den Spruch der 
heiligen Schrift ausführen: Wer dem Fürsten niclit geliorcht, 
der wird umkommen. Um mit wie viel mehr Grund wäre es 
bei dem der Fall, der sich bestrebt, ihn zu tödten und seine 
Armee zu besiegen."*) 

Es scheint nicht, dass Herzog Theobald die Absichten des 
französischen Königs zu durclischauen vermoclite. da diese weniger 
auf den Augenblick, als auf lange hinaus angelegt waren; auch 
mochte wohl die rersünlichkeit des Fürsten bestechend auf ihn 
gewirkt haben, denn er folgte olfenbar in manchen Dingen dessen 
Rath und zeigte auch sonst Freundschaft gegen ihn. Das Erste 
offenl)arte sich in manchen Schritten zur Beschränkung der (Geist- 
lichkeit in ihrem Streben, reclit viel Besitz an sich zu bringen 
und sich Erbschaften zuzuführen, indem sie einfacli auf aHes P^rbe 
Anspruch machte, wehhes einem Mönclie oder einer Nonne zu- 
fiel. Er verordnete dalier, dass solche Ordensleute, sobald sie 
einmal Jahr und Tag einem Kloster angehörten, kein Kecht mehr 
auf eine Erbschaft haben und dieselbe ungestört an die nächsten 
Verwandten übergelien solle, eine Verordnung, die nur heilsam 
genannt werden konnte, aber den Zorn der Geistlichen heraus- 
forderte. Dagegen traf er aber wieder eine Bestimmung, welche 
der Geistlichkeit nur willkonmien war; es sollte nämlich jede 
Frau, die den Schleier genommen, ohne ein Gelübde abzuh?geu, 
und sich dann verheirathe, ihr ganzes Vermögen verlieren und 
vom Herzoge bestraft werden. Als Folge seiner Freundschaft 
mit dem Könige ist der Umstand anzusehen, dass der Herzog 
bald nacli dem erwähnten Besuche sich nach Paris begab und 
daselbst noch verweilte, als der König nach der Wahl des Papstes 
Clemens V. sich zu dessen Weihe nach Lyon begab, wohin ihn 

*) Sollte man beim Losen dieses Memoires niclit glauben, König 
Ludwig- XIV. habe dasselbe vor Augen gehabt und befolj^t, als er g(^gen 
Ende dt 'S siebenzehnten Jahrhunderts seinen Generalen Duras und Mclac 
den Auftrag zu dem Mordbrennerkrieg in der Pfalz und iu Baden er- 
theilte? 



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1. Henog Theobald II. (1303>-1312). 



267 



der Herzog begleitete. Bekanntlich erfolgte bei dieser Gelegen- 
heit am 14. November j30r> ein groBses Unglück. AIb der Zug 
die ICirche verliess und eine grosse Menschenmenge sich zum 
Zuschauen auf einer Mauer daneben befand, stürzte diese jilötz- 
licli ein und mehrere Edelleute wurden dadurch getödtet, wie der 
' Herzog von Bretagne und der Bnider des Papstes ; Andere wurden 
gefährlich verwundet und der Herzog Ton Lothringen selbst er-> 
Htt einen Arm- und Beinbruch. 

Nach seiner Heilung envarteten ihn wieder Wirren. Graf 
Heinrich HL von Vaud^ont, Enkel jenes Heinrich, der vom Herzoge 
vertrieben worden war, erklärte an Herzog Theobald im Jahre 
1306 den Krieg und fiel ohne weiteren Grund und unversehens 
in Lothringen ein, wo XQan auf Derartiges gar nicht gefasst war. 
Der Graf wagte es zwar nicht, die Stadt Nancy selbst anzu- 
greifen, aber er verwüstete die T'mgegend und brannte die Orte 
Vandoeuvre, Laxou, Max^ville und Champigneules nieder. Der 
Herzog sammelte sofort in Eile einige Truppen und verheerte 
das Vaud^mont, der Graf aber setzte seine Verheerungen im 
Lothringischen fort und war gerade in ll^mereville, als der Herzog 
heranrückte. Kasch zog der Graf Hülfe lieran und schlug nicht 
nur die Lothringer, sondern widerstand dem Herzoge wenige 
Tage darauf \vie<lerholt bei PuUigny und brachte ihm nocli eine 
zweite Niederlage bei, wo der Herzog sogar selbst verwundet 
wurde. Dennoch hätte der Gi-af schliesslich imterliegen müssen, 
hätte sich nicht der Touler Bischof Otto von Gransou iu's Mittel 

gelegt und zwischen den Streitenden Frieden gemacht, wobei der ^ 

(iV'df es sofTiiv erreichte, dass der Herzog ihm die Hand seiner äl- 
testen Sclnvester l8a])ella gab. welche in erster Ehe dem Pfak- 
grafen Ludwig von Bayern vennählt gewesen war. 

In demselben Jahre dachte der Herzog daran, die Erbfolge , " / 
in seiner Familie besser und bestimmter zu ordnen, und daher ^^-^^ 
benützte er dazu die gerade zu Colpmbey stattgefundene regel- 
mässige Adelsversammlung, an welcher auch einige geistliche 
Würdenträger Antheil nahmen. Nach eingeliender Berathung ^o^. /T 
der Vorlage des Herzogs beschloss hier die Versammlung am J ^ 
27. August 1301), dass, im Falle der Sohn des Herzogs vor 
dem Vater stirbt und legitime Kinder, männliclie oder weil)liche, - - 
hinterlässt, diese im Herzogtlnmie die Nachfolge erhalten sollen 
und zwar mit Ausschluss jedes anderen Erben und' sel1)st ihrer 
Oheime. Sie erkannte dabei nicht nur an, dass die^ das Her- 



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268 Bach: Ton Theobald EL. bis zum Tode EarVs n. (1303—1431). 

kommon im Hcrzogtliume sei, sondern verpfliclitete sich auch 
zu dessen strenger Befolgung. Dadurch wurden zwei wichtige 
Grundsätze festgestellt, einmal das Recht der Nachfolge in di- 
recter Linie und dann das Erbrecht der w eibliclien Mitglieder, 
selbst wenn noch männliche vorhanden sind, die dem gemein- 



schaftlicheh Stanmivater näher stehen. Letztores geschah offen- 
bar mit liücksicht auf den vor fünfundzwanzig Jaluen von Herzog 
Tlieoluild eingegangenen Heirathsvertrag, welcher l)eim Tode des 
ältesten Sohnes des Herzogs vor dem letzteren bloss die männ- 
lichen Nachkommen zur Nachfolge zu berechtigen schien. Ein 
nicht minder wichtiger Punkt wurde dabei aber vergessen, näm- 
^ lieh auch die Untheilbarkeit des Herzogthums zu erklären, und 
. es scheint fast, der Herzog habe dies absichtlich gethan, um 
seiner jüngsten Tochter Agnes, die an den Grafen Eberhard von 
— Zweibrücken verheirathet und wolil seine Lieblingstochter war, 
— Herrschaft Bitsch zuwenden zu k^nen. 

Das Jahr ll>Ö6^verwickelte den Herzog in einen anderen, 
sehr unangenehmen Streit, obschon wohl gegen seinen Willen. 
Papst demens V. wollte nämlich dem Johanniterorden, welcher 
die Insel lihodus zu erobern suchte, die nöthigen Geldmittel 
dazu verschaffen und daher schrieb er einen Zehnten auf die ganze 
Christenheit aus. Da er den Herzog zu Lvon hatte kennen 
lernen, so übertrug er ihm die Erhebung dieses Zehntens nicht 
bloss in seinem Herzogthume, sondern auch in den benachbarten 
kleineren Herrschaften, unter andtTn el)enso im Gebiete des 
Bischofs von Metz. Dieser fühlte sich dadurch beleidigt, dass 
ein Laie in seinem Lande diesen Auftrag zu erfüllen habe, und 
« setzte dem Herzog Widerspruch entgegen. Da sich nun letz- 
terer nicht darin stören liess, seinen Auftrag auszuführen, wurde 
der Bischof gereizt und dieser erklärte dem Herzoge den Krieg, 
zu welchem er den Beistand seines Neffen, des Grafen Eduard L 
von Bar, und des Grafen Nicolaus von Salm gewann. Der T^ischof 
\\ y stützte sein rnternehmen auf die Anschuldigung, dass der Herzog 
einen Tlieil des Zehntens zu seinem eigenen Vortheile verwende, 
und eröffnete alsbald die Feindseligkeiten im Sommer j;308. 
. • . Sofort nahm der Herzog die Veste AV armerange. die er zerstörte, 
.i'^ und Bischof lleinhold nahm dagegen Luncville und liess die 
*• »«»' Stadt }dünderu, worauf er im October zur Belagerung der Veste 
' ^ Frou ard schritt. Aber der Herzog bot nun vermehi-tc Streitkräfte 
auf, um diesen Platz zu schützen, bekam Beistand vom Herrn 




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I. Herzog Theobald U. (1303—1312). 269 

Ton Blamont und erschien am 7. November vor Frouard. Die 
gadigflic hen stellten si«^ beim Herannahen des viel sehwftdieren /cj ^ :* 
Serzogsin der Ebene des Mosel- nnd Menrthethals anf, nm den An- . • ^ ^ 
giilf an&nnehmen, und der Herzog war nahe daran, sein rasches \ ' ''C'^}'' 
Vorgehen mit so geringen Streitkrftften zu bereuen. Aber da . ^ 
er nicht wohl mehr dem Kampfe ausweichen konnte, so beschloss 
er durch Geschicklichkeit zu ersetzen, was ihm an Macht ab- 
ging. Er besetzte also die Spitzen des Hfigels zur Linken, wo- 
durch sein Oegner seine Stellung zu findem genötkigt wurde, 
und als nun die Truppen des Bischöfe und Grafen die Anhöhe 
hinanstiegen, Hess er seine Reiter absitzen imd dann eine Menge 
grosser Steine und Felsen auf die Gegner hinabrollen. Dadurch 
geriethen letztere in Bestörzung, es wurden viele derselben ge- 
tOdtet oder verwundet und in diesem Augenblicke drangen die 
Lothringer den Hügel hinab und trieben die Feinde in Unord- 
nung zur Flucht. Etwa zweihundert derselben blieben auf dem 
Platze, andere ertranken in der Mosel und Meurthe und der Sieg 
war ein vollständiger; die Grafen von Bar und Salm selbst ge- 
riethen in Gefiu^enscfaaft. Damit war aber auch der Wider- 
stand und die Eriegslust des Bi schofs gebro chen und er liees 
dem Herzoge Vorschlüge zu gütlichem Abkommen machen, ihn 
auch um Freilassung der beiden Grafen ersuchen. Letzteres 
schlug der Herzog sofort ab und liess die Gefangenen sogar in 
strengerem Gewahrsam halten, im üebrigen nahm er den Vor- 
schlag an, über den Streit Schiedsrichter entscheiden zu lassen. 
Dies war jedoch eine sehr schwierige Arbeit, da sich die g^en- 
seitigen Ansprüche zu schrolf gegenüber standen, und es kam 
daher am 4. Juli 1311 zuerst nur zu einem provisorischen Ab- 
kommen über einzelne der Streitpunkte, indem die Schiedsrichter, 
Errard von Bar und Graf Johann von Sahn, beiden TheUen die 
Herausgabe der Ge&ngenen ohne Lösegeld, sowie der wegge- 
nommenen Güter vorschrieben, im Uebrigen aber bestimmten, 
dasB über die Entschfidignng wegen der Zerstörung von Waime- 
range nicht vor dem 15. August entschieden werden solle. Der ^ 
Herzog selbst fuhr fort, den Zehnten zu erheben, bis der Fall 
von Bhodos die fernere Erhebung unnöthig machte, der endgül- 
tige Frieden kam aber zu Lebzeiten Theobald's nicht mehr zu 
Stande und wurde erst von seinem Nachfolger unterzeichnet 

Hätte der Herzog grösseren politischen Scharfblick besessen, 
so hätte er die französische VergrOsserungspolitik besser durch- 



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270 IV. Buch; Von Theobald IL bis zum Tode Karl's U. (J 303—1431). 

schauen mflssen und einen Stützpunkt dagegen im engeren An- 
scblieBBen an das deutsdie Beich gesuclit. Aber er befolgte eine 
in solchen Grenzl&ndem nur zu leicht sich aufdrängende Politik, 
wollte es nach keiner Seite verderben, sondern überallher Nutzen 
ziehen und yerlor so den festen Boden unter sich. Seine spft- 
y teren Nachfolger haben dann nur zu sehr die traurigen Folgen 
davon geemtet und für ganze Menschenalter dadurch das ün- 
gltlck des ganzen Landes heraufbeschworen. Während er also 
in Freundschafk mit dem fiilschen Herrscher an der Seine stand, 
wurde sein Verkehr mit dem deutschen Eaiserhause nicht einmal 
ein so inniger. Als Heinrich YH. zum Nachfolger des Kaisers 
Albrecht am 29. November 1308 erwählt wurde, b^fab sich der 
Herzog nach Aachen, um dessen Krönung am 6. Januar 1309 
beizuwohnen, da er nicht wohl von einer Feier wegbleiben konnte, 
die so nahe an seinen Grenzen statt&nd. Er wollte dann auch 
den neuen Kaiser auf seiner Beise nach Italien bereiten und 
ernannte zu diesem Zwecke einen aus sechs Personen bestehenden 
Begentsehafbsrath, aber schon in Mailand wurde er krank, er 
glaubte an eine Vergiftung durch Vorsatz oder Zu&U und kehrte 
daher sofort nach Lothringen zurück^ wo ihn eine zunehmende 
Entkräftung befiel. Doch gab er sich fortwährend den Begie- 
mngsgescbäften hin, besorgte in Gemeinschaft mit dem Touler 
Bischöfe Johann von Arzili^res die Erhebung des vom Papste 
dem deutschen HerrsdieT bewilligten Zehntens und schloss mit 
demselben Bischöfe einen Vertrag über den SchirmJLer Stadt 
Toul, den ihm Heinrich YIL übertragen hatte. Die Toider sahen 
nämlich dies ungern und audi der Bischof fürchtete daraus Ver- 
legenheiten für sich selbst hervorgehen zu sehen, weshalb ihn 
der Bischof veranlasste, d arauf zu vem dtten, gegen eine jähr- 
liche Kente von hundert Livres, und den Toiüem eidlich die 
Aufirechterhaltung ihrer Freiheiten zu garantiren. 

üm diese Zeit bekam er noch einen anderen unangenehmen 
Handel, obschon offenbar ohne sein Verschulden. Nachdena sieh 
nämlich der König von Frankreich eine IVIunzverschlechterung 
hatte zu SchuldenHcommen lassen, hatten ihn die Bewohner von 
Neufchäteau im gleichen Verdacht, klagten ihn der Münzver- 
schlechterung an und nannten ihn sogar offen einen Falschmünzer, 
worüber der Herzog nicht wenig aufgebracht wurde,^ während 
die noch heute erhaltenen Münzen dieses Herzogs durchgängig 
ihre Vollgewichtigkeit bezeugen. Die Bewohner von Neufchäteau 



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1. Herzog Theobald IL (1303— 1312> 



271 



gingen aber noch weiter und begannen einen förmlichen Auf- ^ , 
stand, 80 dass der Horzog sich genöthigt sab, mehrere Bürger iJ^-^i^ 
als dessen hauptsächlichste Anstifter gelangen zu nehmen. Die ^ (rr^S " 
andern aber wandten sich sofort an König Ludwig den Zä nker, , ' ' 
den Besitzer der Champagne seit dem To^^^ner Mutter, und 
da der Herzog auf die Aufforderung des lOinigS den Beschwerden 
der Bürger nicht Becht geben wollte, so ordnete letzterer eine 
strafrechtliche Untersuchung an und beauftragte verschiedene 
Grosse, in Lothringen einzudgngen. um den Bgrzog zum Nach- 
geben zu zwingen. Sie drangen auch bis in die Nähe von 
Dame j: vor und der König selbst Hess NeufcMtean militärisch 
besetzen und die Bürger aus dem Gefi&ngnipae frei. Dagegen 
konnte der Herzog freilicli nichts machen und er musste sich 
zu Unterhandlungen und Zugeständnissen herbeüassen, in JTolge 
welcher am 13. Januar 1312 ein Vertrag zu Stande kam, wo- y «^^ *^ 
rin der Herzog die Bejcohner von Neufchätean zu entschädigen 
und die Vesten Montfort, Frouard und Chatenoj zur Sicherung 
des Vertrags dem Sohne des Königs zur ^Besetzuugj zu über- 
lassen v erspr ach. Bis , I'fingsten , sollte dann der Streit ruhen 
und dann "Her Herzog den (Irafen-Jvon der Champagne für Neuf- 
chät^ und andere Orte den Lehenseid leisten, worauf die Gar- ^' 
nisonen zurückgezogen werden sollten. Der bald darauf erfolgte 
Tod des Herzogs liess jedoch diesen Vertrag mcht z ur^ Ausfah- 
rung gelangen. 

"Während dieser Zeit beschäftigten den Herzog auch die 
gegen den Tempelherrenorden durch den Könio[^ \m Frankreich >■<''' '•.'., 
eingeleiteten Gewaltschritte. Unzweifelbaft war dieser Orden 
arg im Verfall begriüen und hatte sicli durcli Ueppigkeit, Stolz 
und Aumaassung verhaast gemacht, aber der König liatte ein- 
mal dessen Vernichtung beschlossen und die Zustiimmmg des 
Papstes erlangt, er suchte sich durch seine Güter zu bereichern 
und bei dem nun gegen den Orden angestrengten Prozesse sind 
unstreitig viele übertriebene und sogar falsche Angaben gemacht 
worden. Der Untersuchungsrichter für die drei Bistbümer und 
selbst das 1310 in Trier abgehaltene Ooncil konnten die Be- / ' 
schuldigungen nicht für begründet erachten und nur das Gericht / ^ 
in Paris hielt die Beschuldigungen für erwiesen. Nachdem der 
Orden in Frankreich unterdrückt war, schritt man auch in Lo- 
thringen dazu und die Ordensmitglieder wurden vertrieben. Zu 
Metz vertheilte mau die Güter des Ordens an die Johanniter 



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272 IV. Buch: Von ThtMil)ald 11. bis zum Tode Karl's 11. ( l.}u;{- 1431). 

und den Deut schorden, zu y^un an Entere nnd die Abtei 
"Chltillon nnd es wnrden nach und nach ihre Häuser zu Yirre- 
court, Li^eville, Norroy, Xugney, Libdeau, Qfluoourt und sonst 
eingezogen. Der Herzog ^^SET mehrere Bitter eingesperrt nnd 
elend haben umkonun^lassen, jedoch wurden die meisten nur 
^e£^€;^en. iin^.erstreut. Dass Einif fe verbr annt wurden, ist nur 
Vermuthung, abeT' unwahrscheinlich. Eine Anzahl Ritter zog 
sich in ihr Haus zu Br ouveliur es mitten in den Vogesen zurück 
und glaubte hier yerborgen leben zu können. Aber im Jahre 
1313 umstellte man Nachts das Hans, die Angieifer drangen 
hinein, hieben die darin Befindlichen nieder, plfinderten die Nie- 
derlassung und machten de dem Boden gleich. Es darf aber 
keineswegs dabei yergessen werden, dass alle diese Angaben nur 
auf vereinzelten Notizen beruhen und über dem Schicksale der 
Lothringer Bitter noch ein tiefes Dunkel und üngewissheit liegt. 
Der Herzog selbst erlebte auch das Ende dieser Katastrophe 
nicht mehr. 

Schon seit seiner Büi^ehr aus Italien nahmen seine Erftfte 
ab und er siechte dem Tode entgegen, der ihn auch am 13. Mai 
1312 ereüte, worauf er in der Abtei Beaupr^ begraben wurde. 
Schon vier Jahre zuvor hatte er die CoUegialkirche zu Damey, 
wo er öfters verweilte, gestiftet und mit Gütern und GefiÜlen 
reidilich bedacht. In seinem Testamente vom 24. April 1312 
ftlgte er diesem noch andere Geschenke bei, warf solche für eine 
Anzahl Klöster und seine Diener aus und' ordnete in einem 
Nachtrage dazu nicht nur an, dass ein Bitter für ihn die Bdse 
nach Palästina unternehme, sondern auch, dass mehrere Ein- 
wohner von Nancy und Einville dafor entschftdigt vrfirden, weil 
er Güter derselben zur Yergrösserung des Parks in Anspruch 
genommen hatte. Zwei andere Nachtrüge sind zu undeutlieh abge- 
üisst^ um ihren Sinn genau zu erk^men. Der erste scheint 
sagen zu wollen, dass die Lothringer künftig alle ihre Abgaben 
in jeder Art von Münzen bezahlen können, der andere aber, dass 
die ürtheUe des Adels künftig auch ohne Unterschrift des Her- 
zogs Geltung haben sollen und seine Bechte nicht mehr von der 
Willkür des Herzogs abhftngig zu machen seien. Doch iSsst 
sich dies Alles nicht so genan bestimmen, weil diese Anord- 
nungen überhaupt nicht vollständig ausgefohrt worden zu sein 
scheinen. 

Von seiner Gemahlin Isabella von Bumigny hatte der 



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2. Herzog Friedrich IV. (1312— 1326> 



273 



Serzog eine Reihe toh Kindern. Der älteste Sohn Eriedrich 
wurde sein Naehfolger; der zweite, Mathias, heiiathete 1311 
Mathilde, Tochter des Grafen Bobert HL von Flandern, erhielt 
Teintm, den Ban yon Sapt nnd Passayant, starb aber ohne 
Sinder ; Hugo erhielt- die mütterlichen Güter Bnmigny nnd 
BoTes, yerheirathete sieh 1317 mit Margarethe von Beanmetz 
nnd starb auch kinderlos. Von den Töchtern vermShlte sich 
Marie mit Guy von ObätiUon, Margarethe 1311 mit Graf 
Ludwig y. von Ghiny, Isabelle mit Erard Ton Bar und 
Agnes mit dem Grafen Eberhard von Zweibrücken, dem sie die 
Herrschaft Bitsch zubrachte. Ein achtes Eind, wovon Einige 
spredien, ist nicht nachweisbar und daher wahrscheinlich schon 
in früher Jugend gestorben. 



2. Herzog Friedrich IV. (1312—1328). 

Literatur. Amaer den Hauptwerken: Auszüge am dem verlorenen 
lateinischen Gedicht eines Zeitgenosse über die £8mpfe Friedrichs, wo- 
Taos B^noit Picart in seiner „Origine de la maison de Lorraine** nnd 

Oescliichte von Toul Vieles entnommen hat; — Coupures de Bournon, 
rögne de Ferri IV.; — Thierriat, Memoires, regne de FerrilV. ; — 
Mory d'Elvange, Recueil potir servir ä l'histoire metallique &., repfne 
de Fern IV.; — Mory d'Elvanpfo. Memoires sur la maison de Lc- 
noncourt, Bibliothek Nancy; — A al Ixmnays, Histdire de Dauphine, 
II.; — Duchesne, Histoire de la maison de Bar-le-Diic; — Laguerre 
de Metz en 1324. Poeme du XIV. siecle, public par £. de Bouteiller, 
Paris 1875. 



Tn die Kegierungszeit des Herzogs Friedrich fiel eine Keihe 
von Verwicklunj^en, in welche sich der König von Frankreich 
immer mehr einmischte und wodurch er in diesen Gegenden zum 
Herrn der Lage wurde. Der neue Herzog, welcher ])ei der 
Thronbesteigung etwa dreissig .lahre zählte, war zwar sofort 
bemüht, sich von Frankreich möglichst wieder frei zu machen, 
alter er war überhauj)t mehr Krieger als Regent und daher den 
welschen Schlichen der Franzosenkönige nicht sehr gewachsen. 
Dies zeigte schon die Angelegenheit von Ncufchäteau, welche 
noch unerledigt auf ihn überging und worin er sich vergebens 

Hohn, Geschichte Lothringens. 18 



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274 iV. Buch: Von Tixeobald II. bis /.um Tode K&rVa II. (1303-1431). 

„ Tjon den bisherigen Verbindlichkeiten loflzumachen suchte. Er 
• ' ' ' Hess anfangs die ganze Angelegenheit liegen, aber die Bürger 
J ' ^ von Kenfchätean ruhten ihrerseits nicht, drSngten den Grafen 
; ^ ^ > . jon der Champagne zu ihrer ünterstfitznng und wandten sich 
:f ' " "dann anf deag^n Batfa^ an den Konig LM wig selbst Dieser 
^ konnte keine bessere Gelegenheit finden, seine Oberhoheit zum 

!, Ansdmck zu bringen, lud den Herzog Yor den Gerichtshof in 

f i l'}'^ ™^ wenngleich er sich am 17. Juni vor demselben 

^ '. ' ,^ geschickt vertheidigte, so wurde er doch verurthd lt. bezfiglich 
« ' der Beschwerden sich nach dem Willen des Königs zu richten. 

Die ihm auferlegten Bedingungen waren die schon ror fünf 
Monaten aufgestellten. Der Herzog musste fär Neufcbäteau und 
^dere von der Champagne abhängende Lehen huldigen, diese 
(2^Ee als Bürgschaft dem Könige in die Hand geben, den 
Bürgern von Neufchäteau Schadenersatz yersprechon und die 
Trösten des Processes tragen. Von letzteren wiir lt n der Archi- 
cliaconus Philipp von Sierck, Arnulf von Sierck und der Herr von 
Florenges nur deshalb verschont, weil sie im ausdrücklichen Auf- 
trag des verstorbenen Herzogs gehandelt hatten. Durch diesen 
Erfolg wurden die Bewolmer von Neufchäteau nur um so mehr 
zudringlich und, um weiteren Wirren zu entgehen, gab er Neuf- 
^ chateau als Witthum an Marie von Lothringen, Gemahlin des 
^ Guy von Chätillon, dessen Vater Gaucher die Mutter des Her- 
zogs im Jahre 1314 geheirathet hatte. Dieser Tausch des Herrn 
war den Bürgern willkommen und sie hielten sich von da an 
ruhig; Herzog Friedrich kam aber doch bald mit Gaucher von 
Chätillon in Streit, weil dieser nun in Neufchäteau eigene Münzen 
zu prägen begann, wozu ihm das Recht nicht zustand. Endlich 
kamen aber beide Theile doch über diene leidige Sache Übereins, 
indem durch Vortrag vom 20. Septemi)er i;US dem Gaucher 
das Recht zugestanden wurde, Münzen von demselben Gewicht 
und Namen wie Friedrich zu prägen, wozu am 28. Juni 1321 
noch die weitere Bestimmung trat, dass sie ganz denselben 
Stempel wie die herzoglichen tragen sollten. 

Trotz dieser Ueberlassung der Stadt war doch der Herzog 
fortwährend bemüht, weiteren Ansprüchen des Königs auf die 
Suzeräniüit über Neufchäteau vorzu})eugen, und Hess daher zu 
diesem Bebufe sich im Jahre 1;V18 von Heinrich von Rlamont, 
• Graf Heinrii li IH. von Vaudemont und Mathias von Beaufremont 
beurkunden, dass Neufchäteau niemals von Frankreich abhängig 



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2. HerzoiT Friedrich IV. (1312—1328). 275 

« 

war, König Ludwig daher darüber keine Hoheit besass, keine ) 9 
Abgaben auferlegen konnte nnd die Einwohner der Stadt nicht 
nur dem KOnige nicht Terpflichtet seien, sondern auch gftnzlich 
ausserhalb seiner Gerichtsbarkelt stehen. Diese Beurkundung 
hatte durchaus nicht zum Zweck, Etwas in den bisherigen Bechts- 
nnd Yertragsverhältnissen zu bestreiten oder zu findem, sondern 
sollte nur erweisen, dass diese Verhältnisse bloss gegenüber der ^ 
Champ agne bestanden, aber keinen Bezug auf Frankreich haben, '^'^ 
dess^ König diese Suzerfinitftt gern für sich selbst in Anspruch 
zu nehmen suchte, obsc hon er nui V ormund der ErbjjiJfiiLj^l;^. 
jDham^agnejssur. Für die Bürger von Neufchätean war übri- 
gens ihr DoppelverhiQtniss in mancher Hinsicht auch nicht ohne 
Unannehmlichkeiten und daher suchten sie auch ihre Siteren 
Privilegien hervor, um sich gegen mancherlei PlackereiBn zu 
sichern, zumal in jener Zeit es noch allgemeine Sitte war, bei 
erhobenen Ansprüchen sich sofort durch Gefiuigennehmung von 
Bürgern gleichsam dafür Geisehi zu verschaffen. Sie Hessen sich 
daher von Johann von Saarbrücken, dem Touler Bischof Thomas 
Yon Bourl^mont, Theobald von Blamont, Erhard von (Mtelet 
und Liebert von Beaufr^mont beurkunden, dass die Bürger von , 
Neufchätean niemals far Schulden oder Verbindlichkeiten der 
Grafen von der Champagne oder der Könige von Frankreich oder 
Herzoge von Lothringen festgehalten werden dürften, obschon 
sie dabei anerkannten, dass sie innerhalb gewisser Grenzen unter 
den letzteren ständen. 

Einheimische Geschichtsquellen vermuthen, dass der Lo- 
thringer Adel bei diesen Dingen die Hände im Spiele hatte, 
um seinen Herzog anderwärts zu beschäftigen, wie denn diese 
Vorgänge sich bis in's Jahr 1324 hinein erstreckten. Aber es 
ist nur gewiss, dass selbst die vom verstorbenen Herzoge in 
seinem Testamente empfohlene grössere Milde in der Haltung 
gegen den Adel denselben nur wieder um so begehrlicher machte 
und dessen Unzufriedenheit sich steigerte. Noch im Todesjahi-e 
Theobald's trat diese Widerspenstigkeit offen hervor, indem die 
ersten lothringischen Vasallen, Graf Johann von Dachsburg und 
Graf Ludwig von Rixingen, sich weigerten, den neuen Herzog 
als ihren Lohensherru anzuerkennen. Aber Friedrieh TV. war 
ein rasch entschlossonor Mann und rückte sofort gegen Blamont 
vor. Zwischen Lorcliintrpn und der Abtei Hesse kam es /.um 
Zusanmiensto^s und der Herzog warf seine Gegner vollständig 

.V - 16* 



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27G I^'- ^ttch: Von Theobald II. bis zum Tode Karl's II. (1303—1431). 

m 

nieder. Es lag nun in seiner Hand, sie entschieden zu demü- 
tbigen, doch ging er milder vor nnd verlangte nur, dass sie 
selbst nach Nancy kSmen und ihm persönlich huldigten. Da- 
gegen war er mn so strenger darin, seine Rechte fest zn behaupten 
und zu sichern und zugleich das Volk selbst gegen Missbr&uche 
und Uebergriffe des Adels zu schfitzen. Eine seiner ersten Ver- 
ordnungen ging deshalb dabin, zu Terbieten, dass Hörige und 
Landleute von dem Adel wegen Schuldverbindliehkeiten u. dgl. 
festgehalten werden dürften, zumal Leute, welche sich mit Acker- 
und Weinbau beschftfbigten, wie denn auch deren Werkzeuge 
und Ackergerftthe nicht mehr gep&ndet werden soUten. Eine 
andere Verordnung belegte mit erhöhten Strafen Vergehen gegen 
den Besitz und die Diener des Herzogs und eine dritte erhöhte 
die Strafen gegen Falschmünzerei, da sich dieselbe von Frank- 
reich aus leider auch über Lothringen zu erstrecken begann. 
Der Adel selbst verhielt sich übrigens von jetzt an eingeschüch- 
tert und ruhig, weü er die Energie des Fürsten hinlänglich 
kennen gelernt hatte. 

Noch war eine noch immer nicht entschiedene Sache zu 
schlichten und der Graf von Bar wartete vergebens auf seine 
^r« :(■ Freilassung. Beide Theile liessen sich nun auf Katli des Metzer 

^'iu'itll Bisch<^ herbei, den S^iedsspruch des Grafen JLud.wig von der 
Champagne (und Königs von Navariu\ anzurufen, der Beider Le- 
t ^ hensherr war. Es währte auch nicht lange, so erfolgte der Ab- 
. \t. schluss der Verhandlungen und am 20. Mai 1314 ein^^Olirag, 
' V • der alle Streitpunkte regelte. Nachdem zwei ^fitgefangene schon 
durch Sonderabkommen ihre Freiheit erlan<,4 hatten, veipflich- 
tete sich jetzt der Graf von Bar zur Bezahlung von neunzig- 
tausend Livres Turnosen, welche in jährlichen Raten von zwanzig- 
tausend Livres an .Tohanni 1314, sowie Weihnachten 1314, 1815 
und 13 JG zu bezalüen wären, während für den Kest von zehn- 
tausend Livres der Herr von Blamont mit seinem Lehen haftete. 
Als Bürgschaft setzte der Graf die Castellanoi(*n La Mothe, La 
Marche, Gondrecourt, ChatiUon und Conflans nebst dem Vaude- 
mont ein. AVe<,^en des S(']iad<MiHrsatz(^s sollten Graf .loliann L 
von Salm und der Herr von La Fauche nach Ljenaiior Prüfung 
•'" » , ein Urtheil abgeben. Endlich wurde liestimnit, dass der Herzog 
■ > : r dem Bischöfe von Metz wegen seiner Idschöflichen Lehen hui- 
• ' ' f digen solle, und bloss die Anf'elegcnheit der Salinen von 
Amel^court blieb unerledigt. Der Herr von Blamont erhielt 



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2. Herzog Friedrich IV. (1312—1328). 



277 



vom Grafen von Bar ferner fünftausend Livres Turnosen, zwei 
ihm genommene Dörier und das Recht, auf einer Domäne der 
(irafsilrnft liar eine Veste zu erbauen, während ilmi der Metzer 
Biscliof nielit bloss , viertausend Livres und die Zurückstelhmg 
der eingezogenen Lehen zugestand, sondern auch die beiderseitigen 
Gefangenen fi'eigegeben und die Wälder von Türkstein, lilumont 
und Bon-Moutier getheilt werden, sowie mehrere Orte ungetheilt 
gemeinschaftlit-h besessen werden sollten. Dieser Vertrag kam -r. jl^., 
alsbald zur Ausführung und der Graf von Bar ])eza]ilte auch am » • 
Verfalltemiine \ '.\ H) die Summe, wofür die Grafschaft JVaudthiiont 
eingesetzt war, da er letztere nicht an Lothringen verlieren wollte. 

Eine Nii'derlage mit ilircu Folgen pth'gt in der Kegel aucli 
nacli dem Frieden eine tiefe Verstininumg zwischen beiden 
Theilen zu hinterlassen ; der Graf von Bar und Herzog Friedrich 
scheinen aber doch eingesehen zu haben, dass ihnen der sich 
immer mehr aufdrängende französische Einfluss lästig und selbst _ 
gefährlich zu werden begirine'-Tmd es besser sei, wenn sie zu 
einander hielten. Sie schlössen also im Juli 131f) eine n Vertrag /3/d 
über gegenseitige rasche Hülfeleistung, worin sie aller emzelneh 
Fälle und Punkte gedachten, ihi*en Unterthanen imd Yäflallen die 
gegenseitige Befehdung untersagten und zum Voraus auf jeden 
Ersatz des Schadens Yerzlchteten, der Urnen aus den Folgen dieses 
Vertrags henrorgebe. In diesen Vertra g schlössen sie den 
Bisc hof Ton Metz und den Herrn yon Blainont ei n und vs fe 
wiesen alle kfinfügen Streitigkeiten auf den Ausspruch yon 
Schiedsriditem. Der Graf jronJSMr war zur Erfüllung seiner 
Verbindlichkeiten genöthigt, grosse Abgaben zu erheben, doch 
versprach ihm der nachmalige Metzer Bis chof Ade mar 
Monthil im Jahre 1328 zu den bisherigen zehntausend Livres 
noch weitere vierzigtausend, da der Graf den Schaden haupt- „ 
"sIcEEch inflSMpfe' für cien J|letzer Bischof erlitten, hatte, und der ' • 
f^^raf erhielt daher einstweilen^ als Pfand dafar die Gastellaneien 
Congans lind^ Oonde, die aber^ oichC mehr eing<d[9st wurden und 
daher de m Gra fen verblieben. * 

Zu emer weiteren Begehmg musste Herzog Friedrich be- 
zü^ch der Anspräche seines Bruders Mathias schreiten, welcher 
seinen Erbantheil verlangte. Der Herzog gab ihm als solchen 
Passavant, Bainville und einige kleinere Orte, aber als Lothringer 
Lehen und unter Entsagung auf alles weitere Erbe von Vater 
odeor Mutter her. Dies geschah im Juni. Vorher hatte er flbri- 



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278 ^V. Buch: Von Theobald IL bis zum Tode Karra IL (1303—1431). 

gens schon seinen Bruder Hugo mit dem Sc]ilo>;se Saulru und 
einer Tiente von tTmfhundert Tiivres abgefunden, nachdem derselbe 
aucli die mütterlichen Güter Kumigny und Boves erhalten hatte. 

Schon im Juni 1 'M)A hatte sich Friedricli nocli zu Lebzeiten 
seines Vaters mit Isal>elle, Tochter des Königs All>reclit von 

"TJeutschhmd und Enkelin von Rudolf von Habsburg, vermählt, 
die damals den herzoglichen Antheil an der Stadt St. Die und 
die Schlösser Belrouard und Spitzemberg als Witthum zuge- 
sicliert erliielt. Als aber seine Mutter im Jahre lo'JG starb, 
vertauschte er seiner Gemahlin dies Wittlium mit der von der 
^Futter bisher innegehabten Stadt Neufchateau. Diese Heiratli 
braclite den Herzog niichher in engere Bezieliungen zu den 
deiitsclien Angelegenheiten, aber auch in Verlegenheiten von 
manclierlei Art. Als nämlich K. Heinrich VH. |;U3 in Ittilien 
gestorben war, wälilte ein Theil der l\ei(disfürsten am IS. October 
1314 den Herzog Ludwig von Bayern zum Xaclifdlgt r, wälirend 
die übrigen sich für den Erzherzog Friedricli von Oesterreich 
erklärten, den Sdiwager von Herzog Friedrich, der natürlich 
sofort für den Oesterreicher eintrat und sich nacli Süddeutsch- 
land mit einem Truppencontingent l)egali. Dies kämpfte mit 
Auszeiclinung i;)2(> bei Strassburg mit. als alier dasselbe zwei 
Jahre später aucli bei Mühldorf käm])fte und die Niederlage des 
Königs theilte, wurde auch der Herzog gefangen und auf die 
Burg Trausnitz gebracht. Aber diese Gefangenschaft währte nicht 
lange, denn als König Karl TV. von Frankreich sich um die 
Freilassung des Herzogs als seines Vasallen verwandte, erfolgte 

"^diese sofort gegen das einfache Versprechen, sich dem Streite 
um die deutsche Krone fernzuhalten. Seine Bückkehr in die 
Heimath war auch dringend nöthig, denn es herrschte daselbst 
nicht nur Unordnung, sondern in Folge ungemein starker Regen- 
güsse und Verlust der Ernten eine steigende Hungersnoth. 
Dieselbe begann im Jahre 1814 und war von ausserordentlich 
grosser Sterblichkeit begleitet. Tu rasender Eile stiegen die 
Preise aller Lebensmittel, denn dasselbe Elend herrschte auch 
in ganz Frankreich und es erreichte den Höhepunkt im Jahre 
ISIT). wo sogar die Wölfe aus Hunger bis in die Dörfer drangen. 
Erst im Jahre 1319 erreichten Noth und Sterblichkeit ihr Ende 
und die Chronisten wissen sich keiner Zeit zu erinnern, die ein 
grösseres Elend über dies Land gebracht hätte als diese Hunger- 
zeifc, wo die Menschen sogar die Körper der Todtcn verzehrten. 



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2. Herzog Friedrich IV. (1312—1328). 



279 



In diese Zeit fielen nun auch die Wirren wegen der deut- 
schen Königswahl, worflber sieh die Fürsten in zwei feindliche 
Lager theilten. Bis nach Lotiningcu hinein verbreitete sich der 
Zwiespalt; zu I^edrieh Ton Oesterreich hielt der Henog;^ zu 

"^lAidwig von ^a^em standen der Graf TOn^Bar und der llen 
Y<m Commerey und audi die jtftdte neigten bald'aitf diese, bald ^ 
auf jene Seite. Kein Wunder, dass auch die kleineren Herren 
die Gelegenheit, als der Herzog abwesend war, benutzten, um 
über einander herzu&llen. An ftofzig derselben vereinigten sich 
im Jahre 1320, um die Borger "v STlonl zu bekriegen und deren Li'^ 
Lftndereien zu verwüsten, und nicht nur bemühten sich der Herr ^^^* 
zog und der Graf von Bar vergebens, diesem Treiben an ihren 
Grenzen Einhalt zu thun, sondern auch der Metzer Bischof ver- 
mochte nichts bei denselben auszurichten. Endlich nahmen sich 
die Metzer der ihnen befreundeten Stadt an und schickten ihr 
eine kleine Armee zu Hülfe. Aber die rauflustigen Herren 
Hessen sich nicht durch ihre Niederlage bei Dieidouard ein- 
schüchtern und wiesen jede Yermittelung ab, bis sie von den 
Metzem bei GondreviUe noch nachdrücklicher geschlagen wurden, 
80 dass sie nun selbst mit Friedensvorschlägen kamen, die dann 

- auch wirklich zur Beilegung des Krieges führten.*) — An diesen 
Krieg schloss sich &st unmittelbar ein anderer des Grafen von 
Bar. gegen den Grafen Johann von Luxemburg und Künig von 
Böhmen an, der überhaupt ein unrahiger Nachbar war. üm der 
Neutralitat des Herzogs von Lothringen sicher zu sein, trug der 
Graf dem Herzog die Schlosser Avant-Garde, Pierrefort, Boncon- 
ville, Nonsard und Sommedieu zu Lehen auf, wodurch er filr 
dieselben lothringischer Vasall wurde. Der ^eg war jedoch 
nur von kurzer Dauer (bis 28. Mai 1323) und schloss mit einer 
Hochzeit, indem des Grafen Ältester Sohn die Tochter des Grafen- 
KOnigs heirathete und mit ihr eine Mitgift von sechszehntausend 
Livres Tumosen erhielt. Bemerkenswerth ist dabei aber noch 
die Thatsache, dass König Karl lY. von Frankreich, der a uch_auf _ 
die deutsche Krone speculirt hatte, die Gdegenheit sich nicht 
entgehen liess, sich in den Streit zwischen Bar und Luxemburg 



Die Westphal'sche QeBohichte yon Uetz weiss auch über diesai 
Kriqgr niohts, wahncheiiilich weil deren Grundlage, das Hugaenin'sche 
Gluronikenragout» ans diesen Jahren keine Nachrichten enthalt. Das 
Nähere steht in BenoSt Picart's Geschichte von Tool. 



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280 IV. Buch: Von Theobald H. bis mm Tode KarVs IL (1303—1431). 

za miBchen und dnrcli seiiie Vennitteliiiig den Frieden wieder 
herziislieUexi. Dieser Luxemburger befehdete aber sofort den 
Bischof Ton Lüttich und wnsste dafür sogar die Hülfe des 
kriegerisch gesinnten Herzogs von Lothringen zu gewinnen, der 
sich sofort des Städtchens l^ranchimont bemächtigte, das diesem 
Bischof gehörte. Heldenthaten anderer Art scheinen aber dabei 
nicht Yorgekommen zu sein, denn der Krieg war nur von kurzer 
Dauer und der Luxemburger ging sofort an ein schwierigeres 
Unternehmen. 

. » . Es brach nämlich eük Krieg der vier benachbarten Herren 

. gegen die Stadt Metz ans, weklier vom Ende August 132^ bis 
. ' * Aüfang März 1326 dauerte und ein wahrer Verheeni5gs-^und 
Eäuberkrieg genannt zu werden verdient, denn beide Theile ver- 
heerten sich nur gegenseitig die Länder, brannten Alles nieder 
und wagten es dabei niemals, einander offen im freien Felde zu 
einer Schlacht gegenüber zu treten, woran wolü auch zum grössten 
Theile der Umstand Ursache war, dass beide Theile hauptsächlich 
mit Söldlingen und Freibeutern kämpften, denen das Meiste an 
.•> der Beute lag, ohne das Leben dabei zu sehr auf das Spiel zu 
. setzen. Es war der sogenannte Vier-Hen-enki-ieg, der auf ein- 
i' mal Metz von allen Seiten bedrohte. Die Theilnehmer daran 
J ; } waren der König Johann von Böhmen, welcher im Besitz von 
> .' ' * Luxemburg war, dessen Bruder Bahhiin, Erzbischof von Trier , 
Graf Eduard 1. von Bar imd Herzog Friedrich IV. von Lothringen. 
Die Lothringisclieii Historiker wissen es nicht recht zu erklären, 
/•' weshalb letzterer daran Tlieil nahm, und geben es dem Historiker 
, • ' Chevricr nicht zu, dass er es aus persönlicher Gereiztheit und 
Begierde nach dem Besitze der Stadt Metz that. Aber die 
Gründe lieg-en sehr often dar, wenn man die Vorgänge in den 
vorausgegangenen Jahren etwas näher betrachtet. Zunächst 
machte der steigende Keiclithum der ]\Ietzer ihn; Naclibara nach 
dem Besitze dieser Stadt begehiiich. Die zahlreiche Einwolmer- 
schaft hutt(! sich während dieser laugen Zeit voll unaufhürliclier 
Fehden und Kriege gegen alle Angritle und Drohungen gesichert 
und das Errungene wurde nicht durcli Plünderung und Brand- 
achatzung wieder vermindert oder vei loreii ; die an der Sidtze 
der Geschäfte stehenden Patriziergeschlechter, wek-he aus den 
Grundherren der Dörfer des Gebietes oder eingewanderten frem- 
den, beuiebsainen Leuten hervorgingen, hatten die Juden ver- 
trieben und dann deren Geldgeschäfte in die Hand genommen 



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2. Henog Friedhcli IV. (1312—1328). 



281 



und machten sich durth Vorscliiisse und Anleihen nlh Herren 
in weiter Umgebung dieusthar. 8ie nalnnen dafür nieht hlosH ; / 
hohe, sondern auch wuclierisehe Zinsen, die Metzer Wucherer • ^• 
wurden öprttchwörtlich und wir halx'u sogar gesehen, dass ein 
Streit mit einem der liiscliöfV h'diglich daraus hervorging, dass 
der Biscliof einem sohdien Patrizier, der (k^n Wucher üher alles 
Maass übertrieben hatte, das kirclilielie IJegrabniss versagte. Es 
wurden da Zinsen auf Zinsen gehäuft, die Beträge mit Strenge 
eingezogen und der Adel in weiter Umgegend seufzte schwer 
unter dieser Last und verarmte sogar. Wir erzählten schon, 
dass der Abt von Senones in den Vogesen alle seine Kirchen- 
gerätlie aus Kdelmetall an eine Metzer Frau versetzt hatte, imd 
in dergleiclien Weise geschali es mit ganzen Ortschaften und 
adeligem Grundbesitz, der so in die Hände von Metzern kam, 
die dagegen sich wieder auf die Privilegien und Stärke ihrer 
Stadt stützten, um den daraus entstehenden Verptlielitungen gegen 
Uue Lehenslierren zu entgelien. Alle vorgenannten vier Hei'ren, 
die nun Metz bekriegten, waren den Metzer Pürgern stark ver^ 
schuldet und der Sitte der Zeit gemäss hoftten sie durch eine 
Pesiegung der Metzer und Verheerung ihres Gebiets dieser Schuld- 
verpttichtungen wenn auch nicht ganz ledig zu werden, so doch 
sie heral)mindern zu können, ja es stand ihnen sogar die Aus- 
sicht otten, zuletzt noch von den Metzern eine grosse Summe 
für die Ivriegskosten lierauszupressen. Waren dies Gründe zur 
Feiudscliaft für die weltlichen Herren, so waren auch die geist- 
liclien 'Würdenträger von den Metzern zu gleichem Unnmthe 
gedrängt worden. Hier hatte nämlich die Geistlichkeit die Er))- 
sclileicherei und Vermügensansammlung längst üiiertrieben und 
(h'ui Pürgerstande viele Nachtlieile gebracht und die Metzer 
Iralen diesem Unfug mit verschi< denen Verordnungen entschie- 
den entgegen. Tu den drei Jaliren vor diesem Kriege setzten 
sie nicht l)loss aUe frülieren Pescliränkungen der (jeistliciikeit 
wieder in Kraft, sondern fügten diesen nocli neue liinzu. Ks 
wurden den Geistlichen nicht bloss alle Tlieilnalmie an Vor- 
mundschaften und Testamentsvollstreckungen untersagt, sondern 
auch geradezu W'rmächtnisse an die Kirclien und (leistlichen, 
jede Kentenstiftung an dies(dben verboten und die Amänner mit 
Strale bedrolit, wemi sie zu solchen Schriftstücken die Hand 
reichten. Kndlicli durften Geistliche auch nicht mehr in welt- 
licher Ivleidung erscheinen und au weltlichen Vergnügungen Theil 



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282 Buch: Von Theobald II. bis zum Tode KarFs IL (1303— 1431 ). 

nehmen. Es war also kein Wunder, dass sich diese vier Herren 
in ihrem gemeinschaftlichen Hasse ge<,^en die Stadt Metz ver- 
einigten und sie dafür ernstlieh zu bestrafen gedachten. 

^ / Die erste Verabredung zu diesem Kriege erfolgte zu Dieden- 

• I ' hofen mKriYTirdf als Ziel festgesetzt, <lie Stadt Metz zu über- 
wältigen, ihre Mauern zu lirechen, sich deren Vermögen zu l»e- 
mächtigen und die Stadt in gemeinsaiiiem Besitz zu erlialten : 
der König von Böliinen sollte d<^n Olierbefehl führen. Keiner 
ohne den Andern Frip(|('n maclien und das Weitere auf einer 
andern Versamndung zu Kemich an der Mosel am 2.>. August 
festgesetzt werden. Schon bevor dieser Tag kam, hatten die 
Metzer Nachricht von der drohenden Gefahr erhalten, die Mauern 
und Festungswerke in guten Zustand gesetzt und für Verthei- 
digungsmannscluift gesorgt. Um aber keinen Weg der Güte 
zu versäumen, so schickten sie nun auch noch eine Abordnung 
an die Herren nach Diedenhofen, um ihnen, wenn sie Beschwer- 
den gegen die Stadt zu haben vermeinten, das Anerbieten zu 
machen, sich dem Schiedssprüche des Papstes und deutschen 
Keudis oder des Königs von Frankreich* ) und seines Parlaments 
zu unterwerfen. Es wurde ihnen darauf nur mit Ausreden ge- 
antwortet und eine fernere Verhandhing nach Pont-a-Mousson 
verlegt und zwar im September; aber auch hier kam keine 
Versöhnung zu Stande, obschon die Metzer den Gegnern in's 
Gedächtniss zurückriefen, dass Heinrich von T.uxemliurg nur mit 
Hülfe der von den Metzern erhaltenen fünfzigtausend Livres 
kleiner Turnosen sich zum König von Bölmien krönen lassen 
konnte, dass die Metzer den Grafen von Bar im Kriege gegen 
den Bischof von Verdun mit Gold, Silber und Mannschaft un- 
terstützt liatten und sie ferner dem Herzoge von Lothringen die 
Geldsumme vorschössen, mit welcher er sich kurz vorher aus der 
Gefangenschaft Ludwig's des Bayern loskaufte. 

*) Es ist die müssige Fnge aufgeworfen worden, weshalb Uetz nicht 
den deutschen Kaiser, sondern den König von IVankreich als Schied»- 
riohter Torsohlng; aber dies war selbstverständlich und gar nicht anders 

möglich, weil Deutschland damals zwei GegenkSnige hatte und gerade 
die fünf Bet heiligten hinsichtlich der Anerkennung derselben gespalten 

waren. AVclclien von Beiden also auch die ^fetzer vorgeschlagen hatten, 
so wäre er von einem Theile /urückgewiesen worden und duher blieb 
ihnen nur übrig-, da^ Kelch selbst als solches nebst dem K.önig von Frank- 
reich zum Schieilsrichter zu wählen. 



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2. Herzog Friedrich IV. (J312— 1328). 



283 



Die jMotzor suclitcn sieli nun sofort des üt'istands einiLfor 
anf^esehener Herren zu versieliern und selilossen Büudiiissverträi^e 
mit dem Graten von Saarl)rürken, dem Herrn von Bitsch, dem 
Kbeingrafen und anderen Herreu und l>racliten so siebenhundert 
AvoliT lierittene und l}e\vaffnete Söldlinge uud au siel»en- bis acht- 
lumdert Heiter aus der Stadt mit den nötliigen Fussgängern 
zusammen, was für die <lamalige Zeit eine erliehlielie Anzahl 
war. Den Landleuten wurde geluussen, ilir ( Jetreide zu dreschen 
und nebst ihren übrigen Vorrätlien, dem \'ieh und der besten 
Habe in die Stadt zu führen. Die verbündeten (Jegner hatten 
ihrerseits eine noch stärkere Macht zusammengt bracht : der 
König von IJöhmen \uul der Erzbisdiof je dreihundert Mann, 
der Herzog von Lotliringen und der (Jraf von Bar je fflnfliundert 
Mann Berittener und für jeden zwei Kiu'clite, aussenk^m hatten 
sie auch noch eine starke Anzahl Fussgänger, so dass ihre 
Stareitmacht sich über fünftausend Mann behiufen mochte. 

Wir können hier nicht in alle Einzelnluuten eingehen wie 
sie die Beimclironik über diesen Krieg und daraus die Chronik 
von Praillon erzälilt und müssen uns auf den allgemeinen Ver- 
lauf desselben beschränken. Die Metzer waren sehr entrüstet 
dariilier, dass die Herren von Luxemburg und Bar alsbald nach 
Uebersendung ilirer Absagebriefe mit den Feindseligkeiten be- 
gannen und niclit die damals übliclu* Zwischenzeit von vierzig 
Tagen*) verstreichen Hessen. Die genannten Herren ])esetzten 
alsbald Mancourt und brannten es nieder und dasselbe thaten 
sie mit den Orten Malroy, Houconcourt, Ollexey, Argancy und 
Antilly, als sie auf dem rechten Moselufer heraufzogen. Der 
Luxemburger liess auch von Diedenhofen aus ein grosses Schiff 
mit Kriegsmaterial herauf fahren und nach der Entladung vor 
Metz die noch unreifen Trauben längs der Mosel abschneiden 
und solche in das zurückgehende Schiff einladen. Am 18. Sep- 
tember rückten diese Feinde sodann näher gegen die Stadt vor 
und zwar Ms in die Nähe der Vorstadt St. Julien. Aber sie 
mussten es sofort bereuen, nicht erst den Anschluss auch der 
Lothringer Truppen abgewartet zu haben, denn die Metzer unter 



*) Westphal trilit, (•iitg-c'^eii den Chroiiikcn, üafür nur viorzi^^ S t n Il- 
de n an, aber irrthüiuhch, denn tliutsächhch verbring bis /.u den wirkbehcn 
Peindseligkeiteu eine längere Zeit und vierzig Stunden wären in der dft- 
malB so Terkehrsschwierigen Zeit eine fast lidierlich kurze Frist gewesen. 



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284 ^* Baoh : Von Theoliald IL bii zam Tode KarVs II. (1303—1431). 

FfihniDg des Heirii von Bitsch machten einen Ausfall anf die- 
selben, tödteten and verwundeten eine Anzahl nnd trieben sie 
wieder zorficdr. Nnn erst nahten auch die Lothringer, zehn 
Fähnlein stu'k, verheerten die Dörfer im Seillethale und vereinig- 
ten sich mit ihren Verbfindeten. Ihre Ankunft hatte sofort 
einen Kriegsrath zur Folge und es wurde darin beschlossen, 
die bisherige Angriffsweise aufzugeben, südwärts von der Stadt 
ein Lager zu beziehen und ihr möglichst alle Verbindungen nach 
aussen abzuschneiden. Sie lagerten also zwischen der Seille und 
Moulins, wurden aber unaufhörlich durch die Ausfälle der Metzer 
belästigt, verbren dabei einige ihrer besten Kittor als Todte 
oder Gefangene und rächten sich dafür durch Mordbrenncrcien 
in der Umgegend, sowie Zerstörung des Galgens vor der Stadt, 
die übrigens ihre südlichen Vorstädte nocli rechtzeitig geräumt 
hatte. Bei dieser Gelegenheit nahmen die Metzer den Ritter 
Heinrich von Finstingen gefangen, dem sie anfangs ein Löse- 
geld von zehntausend Livres auferlegten, dasselbe aber luif sieben- 
tausend Livres ermässigten, als die deutschen Söldlinf^e der Stadt 
sich für ihren beliebten Landsmann emstlich verwendeten. Letzterer 
versprach diese Summe, beziihlte sie aber nicht und hielt auch nicht 
sein gegebenes Wort, am Kriege keinen Antheil mehr zu nehmen. 

Waren die Metzer innerhalb ihrer Mauern gesichert, so 
konnten ihre Gegner, deren beste Kräfte in der Reiterei be- 
standen, auch einen Angriff auf Festungswerke nicht unterneh- 
men, weil es ihrer Infanterie an allen Belagerungs- und Sturm- 
maschinen fehlte und sie bloss im freien Felde kämpfen konnte. 
Daher erregte es auch im Lager der Feinde grossen Schrecken, 
als der im Metzer Dienste stehende Ritter Wühelm von Verey 
mit einem Schilf voll Wurfinaschinen und Geschossen die Mosel 
hinauf fuhr und sie in ihrem Lager sehr wirksam beschoss. 
Üeberhaupt sahen die Gegner bald genug das Unausreichende 
ihrer Macht ein nnd zogen im Spätherbst in ilire Winterquar- 
tiere ab, nicht ohne überall noch Alles verlieert zu haben, aber 
nicht ohne dass die Metzer ihnen mehrmals in den Rücken fielen 
und einen Theil der gemachten Beute wieder abjagten. Letztere 
benützten auch sofort die Zeit, um die Festungswerke noch mehr 
zu verbessern, die Gräben zu vertiefen und die Vorstädte zu 
sicliern. Im Uebrigen wurde ein Theil der Söldlinge auf Zeit 
wieder entlassen. Ganz hörte der Kampf für den Winter jedoch 
nicht auf und die Feinde scheinen auch in der Stadt selbst ge- 



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4 



2. Hensog Friedrich IV. (1312—1328). 285 

hoime Vorldndungeu geliaht /u Laben, denn es gälirte unter der . / 
liürgers(rhaft, ein Theil iiiaelite den Patriziern starke \'or\vürfe ,/J 
weisen des Krieges und die <ienieinde))eh5rde musste, um <lie t 
Uülirung raseli zu unterdrüeken, zu strengen Massregeln greifen, 
so dass sie den Hauptführer (iroj^iiat in der Mosel ertränken 
liess. Zu erheblichen Kämpfen kam es aber zunächst nicht mehr. 
Die Luxemburger fielen vor Allerheiligen in's Metzer Gebiet 
ein, wurden jedoch sofort wieder vertrieben, die Metzer ver- 
heerten das ( Jcbiet von Bar und Lothringen, eine Anzald feind- 
licher Keiter setzte einmal über die Mosel und drang l)is an 
die westliche Stadtmauer vor und um Weihnachten versuchteü die 
Lothringer abermals vergebens einen Kinfull. 

üm im Frühjahr mit mehr Kraft vorgehen zu knunen, zogen '^^•(•* * 
die vier Herren noch weitere Kitter in ihr Interesse und ganz ct-H v 
besonders war es ihnen auch darum zu thuu, den Rischof von ^\ 
Metz, H einri ch IJauphiu, zu gewinnen, der ohneliin den .Metzern | 
aufsässig war, da sie die Geistlichkeit erheblich beschränkt hatten. 
Es gelang ihnen auch, denselben im November zu einem form- - 
liehen Bündnisse zu bringen, welches im Sclüosse Beirain zwi- j(t 
sehen Bolchen und Vaudrevange (Vaudreching ?) ratiticirt wurde*), 
worauf des Bischofs Gouverneur Amev den vier Herren so viele 
Soldaten zuführte, als er aufbringen konnte, aber auch dafür im 
Bisthum erhebliche Summen vom Klerus eintrieb. Darüber kam 
Fastnacht V.V2\) herbei, wo wieder gegenseitige Einfälle gemacht j '^ o 
wurden. Der Bischof, welcher noch nicht in den geistlichen 
Stand selbst eingetreten war und es auch nicht beabsichtigte, 
aber dafür gern Geld in Empfang nahm, woher es auch kommen 
sollte, sah bald genug ein, dass ihm die Geistlichkeit keine' 
Gelder mehr bezahlen wollte, dagegen mit den Metzem selbst 
leicht ein gutes Geldgesehfift za machen wäre, und daher trat 
er mit ihnen nun in Unterhandlungen ein und bat ihnen seine / 
AlÜMiz gegen Tersdiiedene Gegengewfthnn^fen an, worauf die / 
MB&r natflrlich gern eingingen, weil sie dem Worte des vor- l 
nehmoi geistlichen Oberhirten roUes Yertranen selienkten. Die 
Metzer versprachen die Pradhommes wieder abzoschaffen, das [ ^ 
. Erbrecht der Geistlichen zu gestatten, eingezogene Kirchengüter 



r 



*) Der Yertrag telbtt steM in Valbonnsys Histoire de Dauphin^ n, 
200—202; die Ratification meldet Oalmei Wertphal kennt beide nieht, 
weQ in der Chronik iron P^ndllon nichts davon stdit. 



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2bG IV. Buoh: Von Theobald« II. bia mm Tode Karl's II. (1303—1431). 



wieder heraus zu geben, die geistliche Gerichtsbarkeit anzuerkenneu 
und dem Bischof in kirchliehen Dingen überhaupt willfährig zu sein; 
Letzterem wollten sie ausserdem fünfundzwanzigtausend Livres 
bezahlen. Dies Alles wurde durch die Metzer Abgesandten zu 
Vic abgemacht, gegenseitig feierlich beschworen und dem Bischof 
das Geld ausbezahlt; der Bischof aber nahm das Geld, reiste 
' nach Avignon, wo er dem Papste die Bischofswürde zurückgab, 
* jimd liess die Metzer im Stich, ja er gab ihnen nicht eimnal 
'T' auf ihr Hülfegesuch eine Antwort. 

Es war dies für die Stadt Metz ein sehr empfindlicher 
Schlag, da ilir ohnehin die Söldlinge bedeutende Kosten Ter- 
ursachten, und liätte sie gerne in einen billigen Frieden ge- 
. willigt. Au^ der andern Seite war auch der Graf von Bai*, 
\ dessen nahe angrenzendes Land schon öfters gelitten hatte, des 
sussichtBloBen Krieges müde, da er wohl einsah, dass sie alle 
zusammen das wohlbefesti^te Metz nicht einnehmen, ja nicht 
einmal die Stadt von ihren Verkehrsverbindungen ganz abschnei- 
den konnten, und daher ritt er am 2. April 1325 selbst gegen 
Metz und suclito far sich und den Herzo^f von Lothringen einen 
. Wafitenstillstand zu erreichen. Es glückte ihm nicht, zog ihm 
aber von Seiten seiner Verbündeten Vorwürfe und Verdächtigun- 
gen zu. Zwar versöhnten sich die vier Herren alsbald wieder 
und setzten ihre Streifzüge fort, aber offenbar war es mit der 
Festigkeit ihres Bündnisses nicht mehr zum Besten bestellt und 
ihre Truppen handelten in zwei besonderen Gruppen. Dies ver- 
anlasste die Metzor zu einem Streifzuge bis Hespringen im Luxem- 
burcfischen und zu ähnlichen Einfallen in die Gebiete von Bar 
und Lothringen. Da vernahiu man, dass der bislierige Bischof 
^ . von Langres, Ludwig von JPoitiers, vom Papste zum Bischof von 

^Jr.$^ ^Metz ernannt worden" sei, und man hoffte durch diesen endlich 
?*' y den Streit l)eigelefrt zu erhalten. Sie sandten daher sofort Ab- 
gesandte an den Papst und baten denselben, dem neuen Bischöfe 
die Metzer Angelegenheit warm zu empfehlen und die baldige 
Ankunft desselben in seinem Bisthum zu veranlassen, worauf ihn 
/ auch Metzer Abgesandte zu Marsal feierlich empfingen. Der 
Bischof begann alsbald sein Vermittelungswerk, aber die vier 
Herren glaubten Metz schon als halb besiegt ansehen und deni- 
gemäss ihre Bedingungen stellen zu können. Sie verlangten 
nichts weniger als dreihunderttausend Livres als Entschädigung 
für innegehabte fremde Lehen, hunderttausend Livres Kriegs- 



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2. Herzog Friedrich IV. (1312— i;i2b). 2Ö7 

entschädigung, Abschaffung der Notare und der Bestimmung, 
woruach böse Schuldner aus den Ländern der vier Herren von der 
Stadt verhaftet werden konnten, und Verzicht auf jeden Schaden- ^ 
ersatz von Seiten der Stadt. Solche Forderungen waren natür- / 
Uch der Stadt zu arg, welche ihren eigenen Kiiegsschaden auf 
sechshunderttaiuiend Livrefl berechnete, den Herren nichts schuldig ( 
zu sein erklärte, da die Metzer Bürger ihre Lehen rechtmässig ) 
erworben hatten,' die Absduiflfung der Notare verweigerte und^ 
anf ihren alten, rechlichen Schnldfordemngen bestand. .1 
Diese Festigkeit der Stadt Metz, sowie der ümstand, dass {j 
auch der Erzbischof von Trier vom P^ste die Mahnung emp&n- 
gen hatte, zur Beilegung des Streits beizutragen, stimmte den 
Uebermuth der vier Verböndeten sidhtliGh herab, sie sahen, 
dass ihre Kriegsanstrengungen niehtB Emstliches ausrichteten, ihre 
Geldmittel versagten, um die Söldlinge und Verbündeten zu 
bezahlen, und dabei litten ihre eigenen Gebiete nicht minder als 
das Meiner Land. Sie beriethen sich also in Pont-I^MousBon, 
wohin auch der Touler Bischof Amad&us. von Genf einen Ver- 
mittler geschickt hatte, und als nun der Metzer Hauptmann Johann 
de la Court insgeheim und während der Nacht mit den Metzer 
Bannern vor Pont-ärMousson ersdiien und alle D<^rfer in der 
Umgegend in Feuer aufgehen Hess, da b rach vollends d et^ Trot z 

^M^ÜJO&i ^]eci^und sie Hessen den Metzem Vorsdüäge zu einem 
^ Vergleichstage machen, da insbesondere der Graf von Bar seinen 

"«GTenossenlras^ander setzte, dass er diesen Krieg nicht weiter 
ertragen kdnne und nicht mehr Lust habe, die Leiden desselben 
allein auf sich zu nehmen, während die Gebiete von Luxemburg 
imd Trier dem Kriegsschauplatze fem lägen und also auch nicht ^ , 
viel zu leiden hätten. Unter Vermittelung des Bischoä von /«j 

_^Toul wurden also die Friedensbedingungen vereinbart und der 

. ZofideiLselbst schon am B. März 1326*) abgeschlossen. Derselbe 

*) Die AVestphal'sclie Geschichto von ^^fctz, die für diesen Kric}^ 
auch nur »die Huguenin'sche Cbronikenauslese heiüitzte, behandelt auch 
diese Vorgänge mit der gleichen Oberflächlichkeit. Das Kostbarste 
aa seiner • Darstellung ist aber der Umstand, dass er der Chronik von 
Praillon alle Ammenmärchea über diesen Kii^ nacherzählt und die 
Anekdo te von der Wirkunnf der HÜringe auf der Me taw _T af<d in 
F^tr^Kousson auftischt» ja sogar für den Frieden selbst deg. Nau^ 
J^ring8frieden_erfiiideJt/ Er kannte durchaus nicht die einzifje Haupt- 
quelle für diesen Kri^, la guerre de Metz en 1324, eine Beimchr^nik,. 



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288 IV. Buch: Von Theobald U. bis zum Tode Karl s IL (1303—1431). 

; i ' y bestiinmic die Henuif^gabe der Eroberungen, die gegenseitige 
' ^ \r Terziciitleistung auf Kriegskosten und Kriegsscliaden , die Be- 
i 'j^ ' freiung fremder l'ntertlianen von der Metzer Gerich tsbar- 
^ ' keit, wenige Fälle ausgenonmien, die Verpflichtung für die 
Metzer Bürger, fremde Lelien nur mit Erlauhniss der Lehens- 
herren zu erwerben, die Regelung verschiedener Schulden und 
cndlicli, dass die Stadt an die vier Herren die Siunme von 
fünfzelinfeiusend Livres kleiner alter Turnosen in zwei Terminen 
(1. ()ctol)er \:V2i) und 3. Februar 1827) bezalilen sollte, bis 
f'l^ wohin vier angesehene Metzer Bürger als Geiseln zu haften 
hatten. Der neue Me tzer J3igfi]iof_gal) auch sofort seine Zii- 
t Stimmung zu dem Vertrage, der auch der Geistlichkeit manche 

"fech te zurückgab und^em Bischöfe selbst gestattete, stets mit 
zweihundert Bewaffneten in Metz einzuziehen, ^ 
•""^ Die Metzer hatten sich während dieses Krieges mehnnals 
an Kaiser Friedrich III. gewendet, um sich duich seine Ver- 
mittelung die Feinde Tom Halse zu schaffen, und es scheint, 
. ' dass 816 sieli zuletzt .audi zu gleidiem Zwecke an den Kdnig 
^^^on Frankreich wandten, da sie sich schon 1315 nin den Schutz 
"des Königs Philipp beworben hatten. Dieser KOnig hatte nftmÜcSi 
nicht aufgehört, sidi möglichst yiel in die Angelegenheiten seiner 
Osäichen Nachbarn zn mengen, und Herzog Friedrich selbst, ä&c 
ein echter Banfbold war, hatte die Unvonlichtigkeit, sich nnr 

die bald iiaeliher verfasst wurde und alle wahren Eiiizelnheiten umständ- 
lich erzählt. Praillo hat dieselben für seine Chronik beuützt, aber allerlei 
unbegründete und später erfundene Anekdoten beigesellt, deren völlige 
Unwahrheit für Jedermftim offen zu Tage liegt, wie s. B. die Herbei- 
adiaffmig Midier HSringe gewiss Ni^nand«! hatte aoffiülen könneui der 
ans den Yorgiingen weiss, wie die Metier ungdundert Stoei&Sge weit in 
Feindes Land machten, ungestört Gesandte nach Vic, Toni und Rom 
liin- und hergehen Hessen und überhaupt die östliche deutsche Seite gar 
nicht von tlen Feinden besetzt wurde. Westphal fol^rt ü])orall ohne Kritik 
dem Wortlaut der von Huguenin l)unt <lurcheinander <re\vürt'elten Chroniken, 
die doch erst nach ilu*er Glaubwürdigkeit und den (^uellrti Lr<r])rüft und 
von allem Fabel- und Anecdoten-Kram gereinigt werden müssen. Dies 
ihat aber Westphal nicht und daher das viele lösche und die grosse Oher- 
flSchUchkdt des Buches; Ifisst er doch z. B. II, 367, den Herzog von 
Nassau 1789 Beamte und ein Kloster in der „Wadgasse** zu Hetz be- 
sitzen, während dies doch rein unmöglich war, das Kloster "Wadgassen 
über 20 Meilen von Metz entfernt im alten Lande Nassau-Saarbrucken lag 
und es in Metz niemals eine nWadgasse" gab. 



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2. Herzug Friedrich IV. (1312—1328.) 2bü 

zu sehr den tVanzosisclien Intoresseu hinzugeben. So soll er 
kurz vor dem Metzer Kriege, etwa um die Mitte des .luhr«'^! 
1324, dem Könige Karl IV. eine Truppeuscimar persönlich für ■ ' 
den Krieg in Guyenne zugeführt und schon einig(5 Jahre zuvor 
diesen König zum Vollstrecker seines Testaments ernannt haben. 
In ähnlicher Weise suchten die Bürger von Verdun und der Bischof \ 
von Verdun den französischen Schutz nach, weil von deutscher v 
Seite dieses westliche Grenzland zu sehr vernachlässigt wurde, 
ja die Bürger von Verdun erkannten sogar an, dass ihr Gebiet 
innerhalb der Grenzen des Königreichs Frankreich liege, was 
jie leider schon 1 337 b itter bereuten, als dieser König sich that- 
flftchlich zum Hemi der Stadt za ^machen suchte. 

Es ist wahrscheinlich, dass Herzog Friedrich, dessen Finanzen 
sich durch seine TeracMedeaen kriegerischen üntemehnraiig^ 
nicht im besten Zustande be&nden, f&r seine Beihlttfe sidi fran- 
zdBiflches Geld bezahlen liess, und vielleicht bewog ihn dies auch, ^ ^ ; ^ 
im Jahre 1328 am Kriege des Königs Philipp gegen die Flandrer, / ^ ' 
welche ihren Grafen Lndwig verjagt hatten, Antheil zu nehmen. 
Es wurde dies aber für ihn mid veischiedene Lothringer Herren 
sehr verhängnissvoll, denn er fiel am 23. August mit Johann 
von Lenonconrt, seinem Seneschal, und Anderen in der Schlacht 
von Jüflflsel. Er hatte es, da er am 16. April 1282 geboren 
war, nur auf sechsundvierzig Jahre gebracht und wurde am 2j. 
April 1329 in der Abtei Beanprä beigesetzt 

Er hatte aus seiner Ehe mit Isabelle von Oesterreich sieben 
Kinder erhalten. Der Aelteste, Bndolf, wurde sein Nach- 
folger, Friedrich Graf von Luneyille, Theobald Ganonikus 
von Lüttich und Trier, Albert Ganonikus von Lüttich, Anna 
starb schon als Kind, Margaretha war zuerst an Wenzeslaus 
von Böhmen verlobt, heirathete aber den Olry von Bibaupierre 
und die jüngste Tochter Blank a wurde Aebtissin von Andlau 
im Elsasse. Ausserdem ist von ihm noch ein unehelicher Sohn 
Aubert bekannt, der sich mit Alix von Haraucourt vermählte. 

Von seinen eigentlichen Hegierungshandlungen ist wenig 
überliefert worden^ ausser dass er den Dorfiiotaren ve rbot ein 
Inventar an&unehmen, ohne die Anwesenheit eines Maires oder 
Geschworenen, sowie Nachts Vertrage zu machen, natürlich 
Testamente und eilende Sachen ansgenonunen. Seine ganze 
Thätigkeit war vielmehr durch Streitigkeiten und Kämpfe in 
Anspruch genommen, weshalb ihm auch die Zeitgenossen den 

Huhn, QMohlehta Lothriageng. j^g 



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290 Theobald II. bis zum Tode KaxVa IL (1^3—1431 ). 



Beinamon h lutteur gaben. Er war unstreitig ein tapferer Krie- 
ger, wie denn auch ein verloren gegangenes lateinisches Gedicht 
seine Kriegsthaten besang. Aber er war dabei auch heftig und 
eigensinnig und suchte durclizuführen, was er sich einmal in den 
Kopf gesetzt hatte, ohne dabei die Gefahr und die Folgen zu 
überlegen. Als Beispiel davon wird erzählt, dass er, als ihm 
der Bischof von Toul das Schutzrecht über die Stadt versagte, 
mit nur vierzig Leuten in die Stadt einritt, in der Kathedrale 
abstieg und den Magistrat sowie einen Tlieil der Bürger zwang, 
ihm feierlich den Huhligungseid zu leiateii, so sehr auch der 
Bischof dagegen protestirte. 

^lau kann nicht sagen, dass Herzog Friedrich die Interessen 
seines Landes gefördert habe, denn seine Kämpfe l)rachten Ver- 
heerung in verschiedene Land estheile, sie kosteten viel Geld und 
haben nacli keiner Seite (jewinn gebracht. An eine Vergrösse- 
rimg des Gebiets war unter ihm nicht zu denken, dagegen kam 
er immer mehr unter den Eiulhiss der französischen Könige und 
Politik und entfremdete er sich dem deutschen Keiche, was für 
die Zukimft viele Verwickelungen und selbst Gefahren herauf- 
beschwor. 



3. Herzog Rudolf (1328—1346), 

Literatur. Louis d'Haracourt, Memorial, rigne deBaouI; 
Benoit Picart, Histoire de Toul; — Thierriat, U^moireStrÖgne de 
Baonl; — E. Le Olay, Histoire des comtes de flandre; — Lobinau, 
Histoire de Bretagne; — Bournon, Coupurt'?:, re^e de Raoul; 
H. Lepage, Noticro siir Vinsigne ('gUse colli'giale Saint Georges (Bulletin 
de la socit'tt' (Varcht-ologio Lorraiiip, T.) — Browerii Annales trevirenses. 
Hugueuin, Chrouiques de la ville de M.etz. 



Als Herzog Bndolf zur Nachfolge bernfen wurde, zählte er 
wohl nidit mehr als zwölf bis Tierzehn Jahre, aber sein Vater 
hatte nicht ftr eine Regentschaft yorgesorgt und so traten denn 
die Stände nebst der hoben Geistlichkeit in der Neustadt Nancy 
zusammen und fibertrugen die Regentschaft der Mutter Isabelle, 
die sich aber dabei des guten Raths des Touler Bischöfe, Thomas 



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3. Herzog Eudolf (1328—1346). 



291 



Ton Bonrlämont, bedienen sollte. Isabelle hatte jedoch keinen 
Gefallen an dem Dareinreden dee Buehofo nnd bekam mit dem- 
selben soger bald Händel, an welchen der Letztere jedoch nicht ganz 
nnsehnldig war. Um zwei widerspenstige Vasallen, Erard Ton 
Thelod und Pons YOn Aoraigan, die ihm sein Schloss Maizi^es 
verbrannt hatten, zu zfichtigen, schickte der Bischof gegen die- 
selben Truppen aus, diese aber plfinderten dabei auch lothringische 
Orte und es brach zwisohen der Herzogin und dem Bischöfe ein 
Streit aus, der 1331 durch ein Schiedsgericht dahin yermittelt 
wurde, dass der Bischof an sie zweitausend Lims Schadenersatz 
m bezahlen versprach, wofßr Graf Peter von Bar Bürge wurde, 
der dann auch f&r den Bischof eintrat, als das Schiedsgericht 
ihn verurtheüte, weitere zweitausend Livree, die er für Herzog 
Budolf erhalten hatte, zu bezahlen. Ein dritter Streit zwischen . 
beiden Theilen entstand durch die Garnison des bischöflichen 
Schlosses Liverdun, welche lothringische Unterthanen schädigte, 
und er fand seinen vorläufigen Abschluss dadurch, dass Isabelle 
dies Schloss nehmen und zerstören liess. 

Schon im Jahre 1323 hatte Kvuiolfs Vater die Verlobi mg 

desselben mit Eleonore, Tochter des Grafen Eduard von Bar, 

verabredet und bestimmt, dass die Heirath bei Strafe von fanfzig- 
tausend Livres nach sechs Jahren erfolgen solle, was denn auch 
geschah. Aber die noch sehr junge Gemah lin starb schon 1332 
ohne KinderVind RinlDir orkor sich dann im Mai 1334 Marie_ 
ymi Blois als zweite G^emahlin, nachdem kurz vorher der Papst 
(lie Dispensation wegen naher Verwandtschaft ertbeilt hatteTlÖie" 
Eltern Mariens versprachen als Ausstattung eine Kente von zwei- 
tausend zweihundert und fünfzig Livres Turnosen und Kudolf seiner 
Gemahlin ein Witthum von sechstausend Livres ;iuf die Herr- 
schaften Boves und Kumigny. In demselben Jahre übemahjiL — 
dann Rudolf auch die Regierung selbständig auä der Hand^ 
der Mutter, die erst im Jahre 1341 starb und dann in 
der Collegiatkirche St Georg begraben wurde, nachdem sie in 
den letzten Jahren nur noch zurückgezogen gelobt li.itto und 
offenbar von der Geistlichkeit beherrscht war, denn ihr kurz vor 
ihrem Tode verfasstes Testament enthielt fast nur Vermächtnisse 
an drei Abteien und etwa ein halbes Dutzend anderer Klöster 
und neben ihrem Sohne und dem Jobann von Bayon waren der 
Abt von Beaupre und ihr Beichtvater, ein Franziskanermönch 
aus Metz, zu Testamentsvollstreckern ernannt. 

19» 



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292 ^on Thieobald IL bis zum Tode KarFs IL (1303—1431 ). 



Rudolf war zwar durch seine Mutter mit dem deutsch ea 
Kaiserhause der Habshurger verwandt und nalim dadurch an den 
Interessen des Reiches Antheil, aber seine verschiedenen Ver- 
wandten in franzOsisclien Gegenden, sein Verhältniss zum fran- 
- • zösischen Hofe wc<jfeii seiner Lehen von der Champagne und der 
tägliche Umgang mit nur französisch redender Gesellschaft, viel- 
^ leiclit aucli das in derselben herrschende lockere Leben zogen 
\h.n mehr nach dem Westen als nach dem Osten, zumal an den 
nördlichen und östlichen Grenzen Lothiingens nur kleine imab- 
hängige Städte und bischöfliche Gebiete lagen und ihm die Re- 
sidenzen der grösseren deutschen Fürsten und Herren zu fern 
waren, als dass er mit denselben vielen Verkelir pflegen konnte. 
Gerade diese Verhältnisse waren es hauptsächlich, welche die 
westlichen Grenzländer so leicht an Frankreich verloren gehen 
Hessen, denn die freien Städte waren zu isolirt, zu klein und 
hatten keine Macht, die Kirchenfürstcii bosassen keinen deutschen 
Patriotismus und Hessen sich von fremden Interessen beherrschen 
und Lothringen war zu klein, um einen gehörigen Grenzwall zu 
bilden und dem andrängenden "Westen naclidriicklich Widerstand 
zu leisten. Wir selien daher schon, ^vie Herzog Rudolf Frank- 
reich nicht bloss Vasallendienste leistete, sondern sich von ihm 
sogar Demüthigungen gefallen lassen musste. 

In der ersten Zeit schien sich der junge Herzog mehr den 
Regierungsgeschäften widmen zu wollen und eine seiner ersten 
Verordnungen galt der Regelung des Rechts der Untersiegelung 
von Verträgen oder Notariatsakten; aber da er einen fehde- 
lustigen, kriegerischen Greist von seinen Vorfahren ererbt hatte 
und es an Ursachen zu Kämpfen nicht fehlte, so wurde Rudolfs 
ganze Regierungszeit hauptsächlich mit Kriegszügen ausgefüllt. 
Zunächst gab daza die Angelegenheit von Liverdun Veranlassung. 
• * Um nSmlich dies feste Sehlon wi eder anfe ebant zu erhalten, 
gab der Bischof von Toni dasBelbe~dem Grafen ?on Bar zu 
Lehen. Aber als dieser 8ch(m eine Besaisimg in dassett^egelegt 
hatte, drohte der Herzog dem Bischöfe mit Krieg und dieser sah 
sieh genöthigt die Bar'sdie Besatzung dureh eine List ans dem 
Schlosse zu ziehen und dasselbe dem lothringischen Kapitän Brönel 
zu fibergeben, der vierzig Mann auserlesener Krieger hinein- 
legte. Darüber wurde nnn wieder der Graf von Bar unwillig, 
der deshalb den Bischof zu einem neuen Vertrage drängte, worauf 
letzterer die Lothringer durch eine List aus dem Schlosse 



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3. Herzog Budolf (1328—1346). 



2y3 



lockte und dies Yon den verborgen gehaltenen Soldaten von Bar 
besetzen Hess. Wfihrend der Bischof in dieser Weise treulos 
bandelte, verlangte der Graf von Bar nur das Becht, das er 
sieh durch den Wiederaufbau der Yeste erworben hatte, der Herzog 
von Lothringen hielt sich aber nur an letzteren mid erkljbrte ihm 
den Krieg, weil der Graf sich auch geweigert hatte, fttr seine- 
lothringischen Güter jenT Lehenseid zu leisten. Doch kam der 
lOi^^liidit zum Ausbruch, König Philipp von Frankreich yer-_^ 
mittelte zu Anfang 1337 einen Waffenstillstand und als die vor- \j / 3 3 7 
geschlagenen Schiedsrichter die Entscheidung auf den KOnlg ' 
selbst übertrugen, so traf er diese dahin, dass Graf Heinrich IV. / 
von Bar dto Lehenseid wie sein Vater Bduard leisten solle und ' 
Schiedsrichter die Höhe der Entschädigung zu bestimmen hätten, 
die sich wahrscheinlich auf sechstausend Livres belief, da 
der Graf dieselbe Summe vom Bischöfe zurückforderte und auch 
versitrochen bekam. 

König Philipp von Frankreich, der durch die Erwerbung von ^ 

^JSZaacouleuiB an der Maas schon wieder etwas weiter gegen Osten 
vorgedrungen war, ging in seinen Einmischungsbestrebungen sehr / 
klug voran und suchte es weder mit dem Herzoge noch mit 
dem Grafen zu verderben, weil er in dem Kriege mit England 
dieser Nachbarn bedurfte. Als die Engländer im Jahre 1340 
Toumay zu belagern sich anschickten, Hessen sich der Herzug 
und der Graf von Bar, sowie die Bischöfe v on Metz und Yerdun 
durch Geschenke und Versprechungen dafür gewinnen, mit Hülfs- 
truppen sich dem Könige anzuschliessen, doch gelang es auf Zu- 
reden der Johanne von Valois, die beiden Streitenden nahe ver- 
wandt war, diese im September zu Unterhandlungen zu vermögen, 
bei welchen der Herzog Einer der fünf Vertreter Philipp's war. 

Sobald hier ein Waffenstillstand abgeschlossen war, begab 
sich Rudolf mit einer Anzalil Krieger nach Spanien, wo König e 
Alphons von Castilien hart von dem Kaiser von Maroi co be- 
drängt war. Er nahm an der Spanien rettenden Entscheidungs- 

Schlacht bei Tariffa am W. November 1340 Antheil, ohne dass 
aber etwas Näheres darüber berichtet wird. Nach Lothringer 
Berichten habe der Herzog schon im Jahre 1333 dem Paitste zu 
Avignon versprochen sich an solchem Kriegszuge zu betheiligen, 
es ist dies jedoch sehr unwahrscheinlich, da Rudolf damals 
noch zu jung war. über eine Reise desselben nach Avignon niclits 

. bekannt ist und ohnehin erst sieben Jahre später der Kaiser 



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294 ^V. Bach: Von Theobald II. bis zum Tode Karra II. (J303— 1431). 



von Marocco nach Spanien kam. Wie lange seine Abwesenheit 
dauerte, ist nicht bokannt, aber im nächsten Jahre schon finden 
wir ihn in der Bretagne an der Seite seines Verwandton Karl 
Yon Blois, des Erben dieses Landes, wo er der Belagerung Ton 
Nantes beiwohnte. Im December 1341 war er von da wieder 
zu Hause. 

Hier hatte er schon vorher mit der Stadt Toul einen 

I U I II ^ l.^ 

streit gehabt, welche ihm die jähiüfihe Zahlung von hundert 
Livres för den Schutz der Stadt versagte, durch den Reichsvikar 
'^aber dazu angehalten wurde, und ebenso hatte er sich mit dem 
Erzbischofe Balduin von Trier überworfen und einen kleinen 
Krieg geführt, den beiderseitige Freunde durch den Vertrag von 
Hommarting (15. November 1384) wieder beendigten. Im Jahre 
J|^3^Q_begann sodann eine neue Fehde mit dem Metzer Bischöfe 
Ademar von Monthil, einem energischen Manne, welcher sein 
Bisthum besser zu sichern suchte und daher schon 1H31 mit 
der Regentin Isabelle ein Schutzbündniss abschloss, nun aber 
wegen der von ihm beschützten Herren von Belrouard mit Rudolf 
im Jahre 1340 in Streit gerieth. Diese Kaubritter hatten sich 
nämlich mehrfach an Kauf leuten vergangen, weshalb Rudolf nicht 
nur ihr Schloss nahm, sondern auch das bischöfliche Städtchen 
Baccarat angriff, während der Bischof ersteres Scliloss Belrouard 
"wieder zu gewinnen suchte. Mitte Februar 1342 entschlossen 
sie sich zur Beilegung des Streits denselben durch je zwei Ver- 
treter dem Grafen Simon von Salm unterbreiten zu lassen, aber 
es scheint nicht, dass dies Letzterem gelang, denn die Fehde 
nahm alsbald wieder ihren Fortganq" und zwar wegen einer 
neuen Ursache. Isabelle hatte nämlich zum Schutze der lothrin- 
gischen Salinen von Chäteau-Salins bei Amel^court eine Veste 
erbauen lassen, die dem Bischöfe für sein nahes Gebiet bedroh- 
lich erschien, so dass er ebenfalls in der Nähe die Veste Beau- 
Repaire erbauen liess. Rudolf, der um diese Zeit «gerade in 
Frankreich war, ta-hob sofort darüber Beschwerde beim Bischöfe 
und da dieser erkannte, dass die bisherige Waffenruhe doch nicht 
zum Frieden führe, so gewann er diu*ch sein Geld den Grafen 
Heinrich von Bar und dessen Vettern zu Verbündeten, sammelte 
seine Vasallen und setzte seinen Bruder Gaucher von Monthil 
an die Spitze seiner Truppen, welche verheerend in's Lothringische 
eindrangen und Chäteau-Salins angriffen. Herzog Rudolf rückte 
sofort mit seinen Truppen herbei und schlug die Bischöflichen 



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3. Herzog RudoU (,1328— 1346> 



295 



so naclulrücklicb, dass er an zweiliiiii<ii'rt derselben gefangen 
nahm und der Hiscliof Hclbst mit Nofcb entkam, während die 
Besatzung von (.'batoau-Salius einen Auslall inaclite, die Zelte 
der BiBcböflicben verljrannte und die Veste Beau-h'('])aire zer- 
störte. Nach kurzem Watleiistillstand trieb Kuduli' die IJiscliöf- 
lichen Idn nach St. Avold zurück. Hess sich a])er am andern Morgen 
von letzteren überraschen und sah seine Trui»pen lliehcn ; er 
selbst verlor sein Pferd und fioh dann auf einem andern mit 
den Grafen von Salm und ^^audemont nacli seinem Schlosse 
Amance. Nun aber legte sich der König von Frankreich, der 
zu seinem Kriege mit den Engländern des Beistands seiner ' 
Nachbarn bedurfte, in's Mittel und entscliied dann am 2'.'^ August 
1344 durch seine Vertreter zu Metz den Streit daliin, dass der / 
Herzog die Kastellaneien ]{aml)erviller und Moyen au den ^ 
Bischof zurückgab, dieser aber dem Herzoge eine Entsduidigung J 
von zebnt^msend Livres bezahlte und die Kastellunei Türk^ 
stein a))t"rat. 

Unmittelbar im diesen Krieg knüjtft sich ein anderes Er- 
eigniss. Herzog Budolf hatte nämlich beim Beginne desselben 
auch die Veste Vandieres angegrilleu, die von Alix von Champey, 
Wittwe des Kastellans, kräftigst vertlieidigt wurib». Allein da 
ilir keine Hülfe wurde, so war es nicht länger möglich, die 
Veste zu lialten, und Alix verlangte daher den Herzog selbst zu 
spreclien. Obgleich sie bereits eine Frau von vierzig Jahren 
war, so war sie noch eine liervorrag<Mub' Schönheit und es 
gelang ihr alsbald durch ihre Thränen, den Herzog nicht bloss 
zur Milde zu stimmen, sondern sogar mit einem Liebesnetz zu 
umstricken. AJs er daher nach J^eeudigutiu; des Kriegs nach 
Nancy zurückkehrte, Hess er sofort Alix dahin kommen, richtete 
ihir im nahen Schlosse Saulru eine Wohnung ein und behandelte 
sie als seine anerkannte Geliebte, obschon er eine mit vorzüg- 
lichen Gaben des Geistes und Herzens ausgestattete Gemahlin 
besass. Die Maitresse muss übrigens in alh'u K'iuusten der Liebe und 
V Verführung ungemein erfahren und gewandt gewesen sein, denn sie 
fesselte den so viel jüngeren Mann unwiderstehlich an sicli und 
wusste ihm, wenn er sicli wegen Kriegszüge entfernen musste, 
so einnehmende und reizende Briefe zu sc]ireil)en, dass dieselben bei 
Zeitgenossen und selbst später als Muster von Liebesbriefen galten, 
wofür drei derselben, die noch erlialten sind, wii klicli auch sprechen. 
Sie scheint sich in KegierungsangelegenheiLen nicht gemischt 



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296 iV. Buch: Von Theobald 11. bis zum Tode Karl s II. (1303—1431). 

ZU haben, gebar ihrem GeUebten einen Sohn Albert, soll aber 
viel dazu beigetragen haben, den Herzog gegen seine Frau zu 
nusastuDmen, die sie im Verdachte hatte, ihren Sohn aus dem 
Wege rftnmen zu wollen. Das Yerhältniss dauerte jedoch nur 
einige Jahre, denn es worde schon 1846 durch den Tod des 
Henogs beendigt Als nftmHch der Krieg zwischen Frankreich 
und England wieder ausbrach, wurde er vom Könige und auch 
von seinem Schwager Karl yon Blois zum Beistand aufgefordert 
und obgleich er lieber zu Hanse geblieben wäre und seine Ge- 
liebte Alles aufbot, um ihn zurückzuhalten, so konnte et doch 
nicht umhin, sich dem Könige von Frankreich anzuschliessen. 
Seine Geliebte hatte das YorgefQhl, den Herzog nicht mehr zu 
sehen, und zog sich in ein Kloster zurück. Letzterer selbst machte 
am 25. August zu Abb^?ille sein Testament und setzte darin 
seine Gemahlin als Yormünderin seines Sohnes ein. Er machte 
Terschiedene Yermftchtnisse an seinen natOrlichen Sohn Albert, 
gewährte eine jährliche Beute von sechszig Liyres an seine Ge- 
liebte und bedachte auch einige Kirchen und KlOster. Das Auf- 
fallendste daran ist, dass er neben seiner Tante und den Achten 
von St. Epvre und Beaupr^ auch seine Gemahlin mit der Aus- 
führung dieses Testaments betraute und dieselbe also nöthigte, 
seine Ooncnbine und deren Sohn zu belohnen. 

Am Abende des 26. August kam es zu der blutigen Schlacht 
TonJ^recy, wob^i Budolf grosse Tapferkeit zeigte; aber seinem 
.Pferde wurde das Auge von einer Lanze durchbohrt, es bäumte sich 
auf, stürzte auf den Herzog und dieser wurde Ton den Feinden ge- 
tödtei Mit ihm fielen hier noch zahlreiche Herren aus Lo- 
thringen und Metz und mehrere wurden ge&ngen. Nachdem 
man den Leichnam des Herzogs aufgefimden, wurde er von 
seinen Dienern nach Lothringen übergeführt und neben anderen 
Familienmitgliedern in der Kirche der Abtei Beaupre begraben, 
obschon er sich im Testamente sein Begräbniss in der Georgs- 
kapelle zu Nancy erwählt hatte. 

Obschon Budolf so yiel mit Kriegszügen zu thun hatte, so 
beschäftigte er sich doch auch mit den inneren Angelegenheiten 
des Landes, wobei er sich mehrmals des Baths und der Zustim- 
mung der Stände bediente. Er erliess strenge Yerordnungen 
gegen die Brandstiftungen, den Wucher und die Quacksalber, 
yerbot den Salinen, ohne Erlaubniss der Forstrerwalter Holz 
schlagen zu lassen, und schützte die Waldungen vor den Yer- 



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4. Henog Joliaim I. (1346— 1390> 



297 



heerungen durch die Viehheerden, erliess eine bessere Polizei- 
ordnung für die Landorte und den Ackerhau und verbot jede 
tliätlichc Aüssliandlung. Ein Gegenstand besonderer Für- 
sorge war für ihn die Errichtung des CoUegiatstifta St. Georg 
zu Nancy, das zwar schon vorlior angofano-en war, aber von ihm 
weiter gefördert und mit den nuthit^en Kiukünften begabt wurde. 
Er machte bezüglich desselben aui-h die liestinmiung, dass jeder 
neue Herzog sich beim ersti'n Eintritt in die Stadt \ancy in 
die Kirche St. Georg begeben und dort die Rechte und Frei- 
heiten derselben und der (.'anouiker beschwören solU\ Die Kirche 
war jedoch nach iiu üau und wurde erst gegen Ende des Jahr- 
hunderts fertig. 

Seine Kriege und Bauten sclieineii den Herzog in verscliie- 
dene Geldverlegenlieiten gebracht zu haben, denn er vei^tfandete 
in Metz eine Krone, Schnalle und andere Gegenstände von Gold, 
deren Einlösung er in seinem Testamente anbefahl. < ' 'f(f;;: 

Von seiner Gemahlin hatte er einen einzigen Sohn Johann, , j,:; 
der etwa um J344— 4i2, geboren war. Sein natürlicher Sohn «^^^'JC 
Albert verheirathete sich später und hinterliess Kinder, aber über . 
ihre Schicksale ist nichts weiter bekannt, ebenso wenig über 0«. '^v 
Alk von (jhampey, die wahrscheinlich in einem Kloster starb. 

4. Herzog Johann I. (1346—1390). Zi^iia'lX 

Literatur. Tliierriat, Memoires, reo^iie de Jean 1. : — Bour- 
non, Coupures, rogue de Jean 1. ; — Hugo, Remanjues sur le traite hist. 
et ciit. de Toriginc et la genealogie de la maison de Lorraine ; ~ Du- 
chesne, Histüii'e de la maison de Chätillon sur Jilarue; — Bonamy, 
B^flemona sur Vaateur et Tepaque de l'ereetion du Gomte de Bar en 
DttcM (in Memoires de Tacadtoiie des isscriptioiui, XX.) j — H. Le- 
page, Kotice sur Si Georges; — Huguenin, Chroniques de la YÜle 
de Hetz; — Strassburger Chronik von Königshoven;. — Les Grands- 
Bretons dans le val de Metz, in Annuaire de la Moselle, IS,'."); — 
Zarlauben, Histoire d^Arnaut de Cervolle, dit l'Archipretre, in Me- 
moire« de raoadoinie des inscriptions, XXV. ; — Hermann, Dissertation 
8iir rancicnuo chrvalcrie et noblesse de Lorraiue : F. Tocpfer, T^r- 
kundenljucli für die Ueschichte des gräÜ. und treiherrl. Hauses der V ögte 
von Hunolstein, I. läÜG. 



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298 I^* Bach: Von Theobald IL bia snm Tode Karra II. (1303—1431). 



Marje^ von Blois trat die Voniiundschaft nicht unter gün- 
^' stigen UmstäiideTi an und os erhohen auch sofort die Stände ver- 
schiedene Ansprüche, wofür sie ihre alten Privilegien geltend 
machten, so dass die Kegentiu ihnen das Versprechen gab, letztere 
wieder herzustellen. Auch mit den französischen Beamten in 
der ( lianijtague bekam sie sofort Widerwärtigkeiten, denn die- 
selben niaassten sich das Kecht an, die Bewohner von Neuf- 
chäteau als Lehen der Champagne zu l)esteuern. ^as sie mehr- 
mals wiederholten, bis endlich der König auf die Beschwerden 
der Kegentin, deren Geniabl im Dienste Frankreichs gefallen 
war, ihnen solche Uebergritfe und wiederholt l^öO unter- 

sagte. Als bald darauf die noch junge AVittwe den Grafen 
^Friedrich von Leiningen heirathete, musste sie die Kegeutschaft 
mit dem Grafen Eberhard von Württemberg theilen. der den 
^""^urkbard von Finstingen zu seinem Stollvertreter ernannte, wozu 
""Sie Stände ihi-e Zustimnumg ertheilten und letzterem zugleich 
den Titel eines Generallieutenants des Herzogthums verliehen, 
was übrigens damals ein Civiltitel war; zugleich sollte der Graf 
von Leiniugen mit seiner Gemahlin die Regentschaft theilen. 
Die Regentin blieb in Nancy wohnen und auch Burkhard in 
Finstingen, letzterer nahm aber sofort den jungen Thronerben 
zu sicli, um dadurch den Einfluss der Regentin etwas zu massigen. 
Die Münzen trugen danuils den Namen der Regentin wie auch 
ihres Sohnes. Die Herzogin führte die Regentschaft olme grosse 
Besonnenheit und Vorsicht, aber manchmal mit um so mein- Eigen- 
sinn, ihr Gemahl stand ihr wenig bei, da er mehr ein tapferer 
Krieger war, und Thomas von Bourlemont, Bischof von Toul, 
wurde von ihr nur hier und da zu Rath gezogen. 

f • Die Herzogin, welche mit der Regentin von Bar, Yolanthe 

U , von Flandern, Wittwe des Grafen Heinrich IV., ein Bündniss 

; schloss, wurde zuerst mit Biscdiof Ademar von Metz in Streitig- 

♦ , t*^^ keiten verwickelt, weil letzterer es nicht verscbmerzen koimte, 
dass man in Chateau-Salins ein festes Schloss erbaut luitte. Seine 
Residenz Vici lag ganz in dessen Nähe,imd sie war gut befestigt, ^ 
'V^j aber der Bisehof lag mit den Bürgern im Streit, weil er ihnen'' 

'/^ • ' / hohe Kriegssteuern auferlegt liatte, weshall) ibn diese beim Papste 
verklagten und dieser den Bischof durch den Bischof von Verdun 
zur Ordnung verw^eisen liess. Da sie deshalb dem Bischöfe 
Ademar misstrauten, stellten sie sich sclion 1.^4") unter den 
Schutz des Herzogs Rudolf und versprachen ihm dafür eine jähr- 



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4. Henog Johann I. (1346— 1S90). 



299 



liehe Rente von fünfzig Livres guter kleiner Turnosen. So / , . . . 
lange Rudolf lebte, schwieg Ademar und brachte die Sache auch , ^' 

nicht zur Sprache, als die Regentin im Juli 1H47 in der Abtei '.'* ' ; 
Autrey für ihren Sohn die bischöflicliou Lehen empfing. Aber ' 
nur weui<]fe Tage darauf Hess der liiscliof die Regentin durch 
seinen Bruder auffordern, keine SclilöHser mehr auf bischöflichen 
Lehen zu erbauen und auch das Schloss ('hateau-Salins als bischöf^ 
liebes Lehen anzuerkennen, was aber die Regentin rundweg ab- 
schlug. Sofort sandte Ademar Truj^pen unter Anführung seines 
Rruders Gaucher nach Lothringen, wo sie das Land verheerten 
und alsbald vor Chäteau-Salins erschienen. Aber der Platz war 
wohl besetzt, die Garnison machte sofort plötzlich einen Ausfall 
mid der bischöfliche Anführer Gaucher wurde umringt und ge- 
fangen. Darauf zogen sich die Bischöflichen gegen Metz zurück, 
die Lothringer hielten den Platz gut besetzt und sandten Gaucher 
zur Herzogin nach Nancy und die Feindseligkeiten blieben für 
die noch übrige JahreBzeit und während des Winters unter- 
brochen. 

Die Zwischenzeit wurde von der Regentin dazu benutzt, 
um Bündnisse mit Graf Friedrich von Luneville, ihrem Schwager, 
Graf Johann IL von Salm und dem Herrn von Rodemachern zu 
schliessen, die im April l.'US \erheercnd in das Bisthum ein- 
lielen und das Städtchen Bolchen aiigritten, das aher von den 
wenigen Truppen nicht zu nehmen war, weshalb die drei Ver- 
l)ündeten die Regentin um Verstärkungen ersuchten. Der Bischof 
seinerseits suchte diesen sofort von St. Avold aus zuvorzukommen, 
fiel über die Belagerer her und brachte ihnen eine so grosse 
Niederlage bei, dass viele Hunderte der Lothringer, ein Bericht ,r>rffy 
übertreibt diese Zahl sogar bis auf zweitausenddreihundert, fielen / ^"f C 
und sich grosse Bestürzung im ganzen Herzogthunie zeigte, zu- 
mal der gegen ein Lösegeld inzwischen wieder frei gewordene 
( Jaucher von Monthil alsbald in dasselbe eindrang, mehrere Be- 
zirke verheerte und sich anschickte, Chäteau-Salins zu belagern. 
Die Regentin von Lothringen war nicht im Stande, sofort ein 
entsprechendes neues Heer zusammenzubringen, und liess daher 
dem Bischöfe den Vorschlag zu einem Waffenstillstände machen, 
worauf letzterer auch einging, obgleich sein Bruder Gaucher 
dringend widersprach und deshalb unwillig nach Hause zurück- 
kehrte. Gegen den Schluss des Jahres KU^S nahm der Bischot 
den Vorschlag Mariens an, ihm das Schloss Chäteau-Salins zu 



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300 IV. Buch: Von Theobald XL bia mm Tode Karra IL (1303— 1431). 

'V' * verkaufen, imd ülKTliesa ihr zur Bczahluni' des Kiiufpreises 
|t^o als Pfand die wiederauft^^cbaute Vcsto lieau- Ropaire. Die Re- 
gentin gedachte dieselbe ganz zu heliaiten und nahm zwar 1351 
die Kaufsumme an, verschol) aber unter allerlei Austlüchten die 
Rückgabe der Veate und licss sie endlich ganz zerstören. Dies 
veranlasste den Bischof, dem nun auch die IVl etzer beistanden, 
wieder in"s J^otluingische einzurücken, Chäteau-Salins zu nehmen und 
dies wie die benachbarten festen Schlösser zu Amelecourt, Donjeux, 
"^"ATthieuville und St. EpvTe zu zerstören. Nun aber legten sich 
" — tlie lothringischen Stände, welche dem Ehrgeize und der Wankel- 
müthigkeit der Kegentin die Leiden des Landes in Folge dieses 
Kriegs zuschrieben, in's Mittel und nutliigten sie, mit dem 
Bischöfe Frieden zu schliessen, in Folge dessen sie dem Bischöfe 
mehrere streitige liehen zurückgab und die Garnisonen aus den 
. au f bischöflichem Boden erbauten Schlössern entfernte. 

Zu den Verheerungen dieses Kriegs waren seit 1IU9 noch 
- ^ viel gi'össere Leiden getreten, denn die schwarze Pest hatte sich 
• / auch über das lothringische Land A'erbreitet und überall zalü- 
reiche Opfer verlangt. Dazu kamen noch die Durchzüge der 
Flagellauts oder Geissler in Gruppen von mehreren Hunderten, 
die jnit rothen Kreuzen auf ihren Hüten und Achseln von Ort 
zu Ort zogen, nirgends länger als einen Tag verweilten und sich 
täglich zweimal in Kirchen und auf öffentlichen Plätzen geis- 
selten, sangen und predigten. Sie thaten dies in Folge des 
durch diese Kranklicit erregten Fanatismus, der in der schwarzen 
Pest nur eine Strafe des Himmels erkannte, verbreiteten aber 
gerade durcli ilir Herumziehen die Epidemie noch weiter. Yer- 
gel)ens suchte Papst Clemens YL diesem Treiben zu steuern 
und mit iMühe konnte der Erzbischof Balduin von Trier dazu 
gelangen, diese Banden aus seinem Sprengel zu vertreiben. 
Hatte sich zu den (teisslern schon nuuiches Gesindel gesollt, das 
plünderte und raul)te. so machten sich nun aucli die Kaubritter 
l)reit und verheerten die Umgegend, so dass die Metzer sich 
genöthigt sahen, Söldner in ihre Dienste zu nehmen und dem 
Unwesen ein Ende zu machen. Sie nahmen deshalb ihren Haupt- 
schlupfwinkel, das Schloss Dudelange bei Forbach, und machten 
vierzehn dieser Spiessgesellen zu Gefangenen, worauf sie eilf 
derselben vor dessen Thor aufhingen, den zwei Anführern aber 
den Kopf abschlugen. 

Um vor weiteren Angrifien duich Lothiingen sicher za sem, 



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4. Herz.)g Johann 1. (JiUÜ— liWO). 301 

befestigte der Bischof St, Avqld und Nojmeny, erbaute zu La r»" \ 
Garde eine Veste und erwarb vom Vogte von Baccarat dessen ^ ' 
Thurm, den derselbe neben dem Schlosse erbaut liatte. Die CiiJ\/x 
Begentin .Hess daher den Bischof in Buhe, wollte sich aber da- 
für an dessen Verbfindeten, der Stadt Metz, rächen. Der Graf 
von Württemberg sandte ihr zu diesem Unternehmen eine Schaar 
Krieger und bald erschienen ihre Truppen vor den Mauern von 
Metz, um sich aber ebenso bald davon zu Uberzeugen, dass diese 
Stadt nicht von ihnen zu nehmen sei. Nachdem sie mehrere ^ 
Orte wie Cberoinot, Pleury und andere auf dem Wege nieder- /,^/^' .7 
gebrannt, zogtii sie nach Lothringen zurfick, die Metzer drangen 
aber schon drei Tage später bis Frouard vor, das nur schwach^ 
besetzt war, nahmen den Flecken, machten Gefangene, drangen 
sogar bis in die Nähe von Nancy und kehrten unbelftstigt und 
mit grosser Beute nach Hause zurflck. Hierauf machten wieder, 
dreihunder t Metze r unter dem Befehle von Theobald von Bla- 
mont einen EHegszug nach Lothr ingen, verbrannten Bositoes- 
aux-Salines und "anSölte ÜÜteTverwüsteten das herzog liche Schloss 
^EiQville, misshandelten selbst die Vorstädte von Nancy und 
kehrten reich an Beute heim. Der Graf von Leiningen hatte 
sich allerdings bei Pont-äcMousson mit siebenhundert Mann in 
den Hinterhalt gelegt und überfiel nun die Zurückkehrenden 
plötzlich, aber die Metze r bekamen durch eine andere Schaar 
Unterstützung und der Leininger musste sidi mit einem Ver- f.^ • 
luste von hundert Mann zurückziehen. Endlich veranlasste Köftig . ^ ^ 
Joh ann von Fra nkreich gleich nach dessen Thronbesteigung beide ^ 
Theile zu einem Waffens tillstände und legte auch den Streit des 
Erzbischofe von Trier mit Lothringen wegen nicht abgelegten 
Lehenseids für einige erzbis chöfliche Lehen gegen eine Geldent- 
Schädigung an den Erzßischof bei; im Jahre 1352 kam femer 
ein fi^rmlicher Friedensschluss zwischen Lothringen und Metz 
zu Stande. Die noch zwischen Lothringen und Bar bestehenden 
Lrrungen führten nicht minder zu einem Vergleiche vom 2. Mai 
1352 und der Einsetzung eines beständigen Schiedsgerichts, das 
sich aJjyShrlich einmal in Nancy und Pont-ä-Moosson versam- 
meln sollte, um über jeden ferneren Streit zu entscheiden. 

Ungeachtet dieser &st beständigen Eiiege und Händel wid- 
mete sich die Begenlon doch auch der inneren Verwaltung und 
erliess sie theils aus eigenem Antriebe, theils auf Anregung des 
Begentschaftsgenossen und der Stände mehrere bemerkenswerthe 



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302 i^'- -^^u^i»- ^'o^ Theobald iL bis zum Tode Karl's U. (1303—1431). 

TerordniiDgeii. Sie befreite als Gegendienst för die üeberlas- 
suiig des Zehntens von EinviUe schon im Jannar 1350 den Jo- 
hanniterorden for seine Güter im Lothringischen von allen Ab- 
gaben und Leistungen. Bald nachher erliess sie einige Verord- 
nungen Aber den Luxus, der durch französischen Einfluss sich zu 
sehr gesteigert hatte. Darin verbot sie das Tragen seidener 
Kleider, erlaubte nur Schärpen Yon Atks oder Damast, behielt 
Gold- und Silberstickereien nur den Prinzessinnen vor, gestand 
den adeligen Frauen bloss das Tragen von Perlen zu, da Zier- 
rathen und Agraffen mit Diamanten und Bubinen aUein die Her« 
zQgin tragen sollte, und verbot die Glücksspiele. Im Juni des- 
selben Jahres beschäftigte sie sich mit den Heirathen. Ohne 
Zustimmung der Eltern sollten sich die Kmder nicht verheirathen 
dürfen, Männer erst mit dem fünfrindzwanzigsten, Mädchen mit 
dem sechszehnten Lebensjahre und üebertretungen dieser Be- 
stimmung sollten streng geahndet werden. Auch gegen ünsittr 
lichkeiten, persönliche Verletzungen und Angriffe auf das Eigen- 
thum wurden scharfe Verordnungen erlassen. 

Auch der Streit mit den Ständen kam wieder zum Vor- 
schein, da die Begenidn nichts dafür that, tun ihre Versprechungen 
an dieselben zu erfäUen, ja sie zog nach ihrer Wiederverheira- 
thung sogar einige der gemachten Zugeständnisse wieder zurück. 
Die Stände wandten sich daher an den Gi'afen Eberhard von 
Württemberg, der sich nun seiner eingegangenen Verpflichtung, 
an ßßi Begentschaft Theil zu nehmen, erinnerte und die Begentin 
nachdrücklich entfahnte, ihr Verspredien einzulösen. Mit Wider- 
willen bestätigte sie daher endlich im Namen ihres Sohnes die 
Privilegien der Bitterschafb, nachdem auch der Herr von Fin- 
stingen ein ernstes Wort darein geredet und sogar die Herzogin 
bedroht hatte. Derselbe Württemberger übernahm es dann auch, 
die Beschwerden des Königs Johann von Frankreich über die 
Begentin zu erledigen, denn er reiste zu ihm nach dem Schlosse 
von Poissy, empfing für seinen Pflegebefohlenen die französischen 
Lehen und versprach sogar dem Könige, sich mehr um das Land 
Lothringen zu bekümmern. 

Im Januar 1354 entschloss sich Kaiser KaiUV., auch die 

^^^^^^^^^ 

westiicbcn Grenzmarken zu besuchen und ^*?_M^^g^ einen Keiclis- 
tag abzuhalten, was denn auch mit grosser Pracht und unter 
Zudrang vieler Herren und geistlichen Würdenträger bald da- 
rauf geschah. Ob ihn dazu auch der Umstand bewegte, dass der 



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4. Herzog Johaun i. i^hi4Ü— 1390). 

franzOsiBclie EinfliuM hier inmier Btftrker geworden war und sem 
Besuch denüdben ein Gegengewicht geben sollte, Itat sich nicht 
mehr ermittehi und jedenfiUls hat er bei seiner Anwesenheit in 
Metz nicht viel dafftr gethan, obschon ihm die mehr&chen ^' \j} 
Streitigkeiten der Bürger in Metz und namentlich das Auftreten ' " 

der Metee r daselbst gegen die mehr französisch gesinnten 
trizier Örund genug dazu hätten geben kOnnen. Seine Anwesen- 
heit daselbst hatte f&r das Land auch keine weitere Bedeutung, ^ ^ , v^^^ 
als dass der Kaiser nach allen Seiten. zu friedlichem Verhalten. * ^ "'^^ 
und Vertragen mahnte, sowie die Qmfechaften Luiembuig und /? 
J ki zu Herzogthfl mem und die^tadt^^ont-ä^Mqusson z^ * "'"^ 

^[iiisat erhobt iSch die Vormün^^x ji^i^g^n Lothringer Her- 
zogs bestätigte. Sogar seine Ermahnungen zum Frieden waren 
ohne Erfolg, Torgebens erliess er am 2Ö. September desselben 
Jahres ein Mahnschreiben an die Stftdte Metz, Toul und Verdun, 
die Grafen von Luxemburg und Bar, die Qrafen von Saarbrücken, 
Zweibrficken und Bitsch und die Herren von Apremont ihre 
Friedensveraprechungen zu halten, denn die Feindseligkeiten er- 
neuerten sich in den folgenden d^ei Jahren mehrmals und erst ^ 
im Februar 1358 kam ^ Friedensvertrag zu Stande, in welchem 'J'i* 
beide Theile auf die Eroberungen und Schadenersatz entsagten 
und die Ge&ngenen gegenseitig herausgaben. 

Der Winter des Jahres 13Si£.£lhrte den ^iser wieder nach / : <^ 
Metz, wo im December ein noch weit zahlrei<jier besuchter und 
glänzenderer Reichstag abgehalten und die gcldene Bulle ver- 
kfindet wurde, der Kaiser auch scharfe Edicte gegen das Un- 
wesen der Raubritter erliess und alle Stftnde aufforderte, zur 
Aufrechthaltung des Landfriedens beizutragen. Für diese west- 
lichen Beichslfinder hatte die Anwesenheit des Kaisers aber 
keine Folgen und wenn auch ein Theil der unzufriedenen Metzer ^ ^ ^ . .^ 
Bürgerschaft in den Kaiser drang, gegen die Alleinherrsehafb /iV '^ 
leFP ^izier aufrutreten und das siegiment über die Stadt selbst 
m die Hand zu nehmen und in Metz ein festes Bollwerk der 
kaiserlichen Macht zu errichten, so schrack er doch über dieses 
demokratische Ansinnen zurück und sein BaChgeber, der Cardinal^ _ 
P^rigord, ermunterte ihn sogar, die Sache dem Magistratel^;:.«^ 

zuzeigen, welcher sodann die Betheiligten, namentlich Leute. 

vom Metzgerhandwerk, verhafben und unmittelbar nach der Äb- 
reise des Kaisers in der Mosel ertränken liess. 

Finanzielle Noth veranlasste im December die beiden Be- 



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304 IV. Buch: Vun Theobald Ii. bis zum Tode Karl s 11. (i;U);{ -J431> 

gentschaftsfBhrer, die Herzogin Marie und Burkhard von Pin- 
stingen, die Stände einzuberofen, mn f&r das Land Bath zu 
schaffen, denn abgesehen von den Verlusten und Leiden des 
Landvolkes war auch die Herzogin fortwahrend genOthigt ge- 
wesen, bei Kirchen, Elöstem und St&dten Anleihen zu machen 
/^ ' . ^afjmä zahlreiche Domftnen zu rerpffinden, von welchen ein Theil 
' r/i ^Jl ^'^^ eingelöst wurde. Die Stände beschlossen nun, 
ibil ' y die Lombarden, Wechsler, Bankiers und Wucherer aus dem Lande 
^C*ß*M"l .zu jagen, nachdem man ihnen ihr Vermögen theilweise confis^ 
lj»rt hatte. Grossen Erfolg mag dieser Schritt aber wohl nicht 
/gehabt haben. Die Begentschaft selbst nahte damit ihrem Ende, 

,j . '^ denn Jni Jahre 1360 erreichte der junge Herzog Johann I. sein 

' v'i- ^era ehntes Lebensjahr, wurde für volljährig erklärt und über- 
nahm die Begierung selbst, wofür aber die Mutter noch auf 
mehrere Jahre hinaus den leitenden Einfluss behielt. 

Die herrschende allgemeine Unsicherheit und das Baubwesen 
erforderten um diese Zeit dringendes Einschreiten durch die 
Mächtigeren und daher schlössen im März 1361 die Herzoge 
von Lothringen, Bar und Luxemburg, die Graien von Leiningen, 
Sahn, Saarbrficken, Vaud^ont und Zweibrflcken und einund- 
dreiasig Herren aus diesen Gegenden ein BQadoiss. auf zwei 
< I . I / Jahre, um alle gegenseitigen Feindseligkeiten zu verhindem und 
' ' ein allgemeines Schiedsgericht von fiönf Ifitgliedem zur Schlich- 

tung aller Streitigkeiten einzusetzen, so dass wieder einige Buhe 
eintrai Diese benützte der junge Herzog auch, um seine Fi- 
nanzen in bessere Ordnung zu bringen, versetzte Güter einzu- 
lösen und unrechtlich von dnigen Herren in Besitz genonunene' 
Domänen dem Herzogthume zurfickzugeben, was natürlich bei 
den Betreffenden grosse UnzuMedenheit erregte. 

Im Jahre 1363 suchte der Herzog seine ersten Sporen zu 
/ verdienen, indem er in den Beihen des DeutBchordens in Li tt h auen 

eine Zeit hindurch kämpfte. Doch kam er bald wieder zurück, 
denn er wohnte schon im Mai 13J4 zn JParis der Weihe des 
, . Königs Karl IV. bei, da er for seine Lehen der Champagne 
dazu verpflichtet war. Diese fieise^hat dann auch wahrschein- 
lieh dazu beigetragen, dass er mehr dem französischen Wesen 
zuneigte, obschon er seine Jugend im deutschen Hofhalte seines 
Vormunds Burkhard von Finstingen zugebracht hatte. Bald 
darauf kämpfte er in den Beihen seines mütterlichen Oheims 
Karl von Blois gegen dessen Gegner, den Sohn des Grafen von 



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4. Herzog Johann L (i;i40 ~131>0> 505 

Montfbrt, in der Bretagne, hatte aber das ünglQck, bei der Nieder- 
lage KarFs am 29. September 1364 gefkngen zu werden, worauf 
er nacb karzer Haft wieder in sein Land zurQckkebrte, wo seine 
Anwesenheit bald nötbig wurde. 

Bie in den westlicben Ländern fortwährend geführten Kriege 
hatten nämlich ein üebel erzeugt, das nun aneh fftr die deut- 
schen Grenzmarken gefährlich werden sollte. Frflher führte man 
die Siiege mit wenigen tausend Mann, wozu die Vasallen mit 
ihren Dienstmannen genügten ; aber schon seit längerer Zeit er- 
forderten die Kriege in diesen westlichen Ländern grössere Heere 
und diese konnte man nur dadurch zusammenbringen, dass man 

die Zahl der in Dienst genommeneu Söldlinge bedeutend ver- 

mehrte. Die an den Westkflsten wohnenden Abkömmlinge der 
alten SecTÖlker, Normannen und Bretonen, boten dafür eiu ge- 
eignetes Material, denn sie hatten den alten abenteuerlichen Geist, 
die Kühnheit und die Lust an Raubzügen von ihren Yoreltem 
geerbt und nahmen nun um so lieber Kriegsdienste, als zugleich 
die Aussicht auf entsprechende Beute für sie sehr verlockend 
war. Die Kehrseite trat nun aber sofort zu Tage, wenn ein 
Krieg beendet war und sie verabschiedet wurden, denn zu ruhiger 
Arbeit in der Heimath waren sie nicht mehr geneigt und daher 
bUeben sie gern beisammen, suchten anderwärts Dienste oder 
führten auch Kriegszfige auf eigene Faust. Als im J ahre 1563 
der Graf von Yaud^fimont einen Angriff durch den Herzog von 
Bar befürchtete, rief er mehrere Banden solcher. 3ietonen_zn_ 
seiner Unterstützung herbei und sie drang^tfei dieser Gelegen- 
heit bis in*s Metzer Gebiet vor, durchzogen die Dörfer von 
Nov^ant bis Moulins und verbrannten mehrere Häuser. Zwei Jahre 
später rief dann Peter von Bar, Hgg_von_Pierrefortj der mit^ 
den Metzem im Sfareit lagr ebenfiills diese Sö klner oder Bretonen 
zu Hülfe und es rückten nun deren an vierzigtausend Ifonn 
unter ihrem Anführer Arnold von^rvoUe, genannt der Erzpriestsr , 
(Archipritre), heran, um weüe Baubzüge nach dem Osten zu 
machen und dabei reiche Beute zu gewinnen. Nachdem sie dem 
Herrn von Bar gedient, zogen m bis vor Metz, das nicht wenig 
darüber erschrack, weil es im Augenblicke zu einem Kriege gegen 
ein so starkes Heer nicht gerüstet war. Der Magistrat besdiloss 
daher am 23.- Juni zu versuchen, ob er den Abzug der Bretonen 
nicht durch andere Mittel bewirken könne, unterhandelte mit dem 
Anführer und bewog ihn endlich durch Zahlung der Summe von 

Huhn, GaaeUoht« LoUulngeni. 20 



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306 iV. Buch: Von Theobald H. bis zum Tode KarFs H. (1303— 1431> 

achtzehntausend Goldguldeii dazu, das Land wieder zu verlassen, 
nicht aber ohne dass der Erzpriester zuvor sich noch der Saclie 
seines Verbündeten, des Herrn von Bar, in der Streitnache über 
Norroy anf,'enommen hätte, denn er bedang mit der Stadt, dass 
sie sich darüber dem Schiedssprüche des Graten von Saarbrücken 
unterwerfe.*) Der Bischof entledij^te sich dieser Banden eben- 
falls durch reiche Geschenke und dies Beispiel ahmte dann auch 
der Herzog von Lothringen nach, der aber mit Mühe die nöthige 
Geldsumme zusammenborgte und auch vierhundert Goldgulden 
dazu von den Canonikern von St. Die entlieh. 

Diese l^retonen, welche ni der Geschichte auch unter den 
"Namen Ecorclieurs, Schinder und weisse Compagnien genannt 
"^werden, zogen von Lothringen aus in das Elsass und an den 
Oberrhein bis in die Gegend von Basel, veranlassten aber dann 

* den Kaiser Karl IV., eine Armee gegen sie aufzubieten, worauf 

sie es für gerathen fanden, über die südlichen Vogesen zurück- 
zugehen, um nicht zu gleicher Zeit von den Kaiserlichen und 
Lothringern angegrilfen und vernichtet zu werden. Sie erschienen 
aber nur zu bald wieder und zwar im Luxemburgischen, woraus 
sie aber bald wieder vertrieben wurden, während auch Herzog 
Johann sie von Tliionville in das Barische drängte. Nicht lange 

V / ^jtt^'^är^uf erklärte der händelsüchtige Graf Heinrich V. von Vaud^- 
i'::'-^'" mont an Lothringen den Krieg und da der Herzog sofort mit 
ansehnlichen Streitkräften in die Grafschaft einfiel, so nahm 
Heinrich einen Theil der Bretonen mit ihrem Anführer, dem 
Erzpriester, in seinen Dienst und bemächtigte sich mehrerer 
Schlösser, zog aber dann nach der Champagne mit etwa fünf- 
tausend Mann. Herzog Johann rückte ihm dahin bis in die 
Nähe der Priorei St. Blin bei Boiinuont nach und brachte ihm 
eine solche Niederlage bei, dass (Jraf Heinrich sich nacli der 
Seite von Joinville zurückzog. Endlicli legten sich der Kaiser und 
^ König Karl V. von Frankreich in's Mittel und brachten zwischen den 
Streitenden einen Vergleich zu Stande. Die Bretonen warfen sich 
darauf in diis Gebiet von Bar und die Champagne und erhielten 
solchen Zuzug von allem Gesindel der Gegend, dass im Mai 1367 



*) Die AVestpharsche (Jescliichto von Motz verloj^t diesen Vorfall in 
das Jahr 1376, wo es län^'-st keine Eeorclieurs und weissen Compagnien 
mehr g^ah, nachdem er wenige Seiten vorher ihn auch richtiger scheu zu 
1365 erzählt hatte. 



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4. Herzog Johanu 1. (1346— laüOj. 



3Ü7 



sich der König von Frankreich mit den Herzogen von Lotliringen 
und Bar verband, um diese Banden zu vertreiben und die Ruhe 
wieder herzustellen. Es war dies aber nicht so leicht und kostete 
noch vf^le Mühe, da in dieser Zeit sich gar manches Schloss in 
eine wahre Räuberhöhle verwandelt hatte und man nun auch 
noch diese zerstören mnsste. Im Jahre 1368 belagerten die 
Metzer gemeinschaftlich mit den Grafen St. Pol und von Ligny ^^^J^ 
eine solche Burg bei Gondrecourt, worin sich Colard des Armoises «^z) . 
und Franck de l'Aitre festgesetzt hatten, fünfzehn Tage lang, 
bis sie sich ergab, worauf dreizehn Banditen gehängt, Colard 
des Armoises aber geköpft wurde. In Gemeinschaft mit dem 
Herzoge von Lothringen nahmen die Metzer im nächsten Jahre 
nach dreiwöchentlicher Belagerung auch das Schloss Belleville, wo- 
rin sie wieder zwanzig Banditen anfhingen. Als die Metzw, die 
Lothringer und der Henr von Finstingen Ende September aber 
auch das Sc hloBS des ranflnst igen Pe ter von Bar nehmen wollten 
nnd schon zwanzig Tage lang^Käiselbe belagert hatten, wies 
dieser den Angriff , so nachdrlleklieh zuzficky dass die Belagerer 
sieh znrflckzogen und selbst ihre Artillerie im Stiche liessen. 
In dieser Weise mxissten noch mehrere Schlösser angegrifESon 

nnd genommen werden, mn das Banditenwesen auszurotten, aber 

auch noch in den nächsten Jahren "j^Di^^ es nicht gaus i^^^^ 
und noch im Jahre 1371 rOckten 1300 derartige berittene Aben- 
teuerer durch Lothringen, um in die Dienste des Grafen von 
Sponheim zu treten. Die Stadt Metz hatte übrigens dazwischen Q*^. . ///. 
auch noch andere Fehden auszufechien, unter anderen 1363 — 64 
mit Gerhard, Vogt von Hunols tein aus dem Trierischen, d^r 
eine solche Anzahl Genossen mit udh verband, dass die Stadt 
Metz mit sehr bedeutenden Kosten zur Abwehr den ganzen Adel 
auf der deutschen Seite in seine Dienste nehmen musste, bis 
dann endlich am 16. Juni 1364 zwischen den Streitenden ein 
Frieden zu Stande kam. 

Herzog Johann, der sich 1368 verpflichtet hatte, zur Aus- 
lösung des im Kriege mit den Metzem bei Ligny in GefimgeA- 
schalt gerathenen Herzogs Bobert von Bar vierz^e^usend Gold- 
gulden vorzuschiessen, gerieth wegen des genannten rauflustigen 
Peter von Bar bald seÄst mit den Metzem in Streit, da letz- 
tere dem Baubwesen zu steuern suchten, der Herzog sich aber 
des Herrn von Bar Rnnft hm , Die Metzer nahmen sofort einige 
unternehmende Anführer von Kriegsbanden in ihre Dienste, bevor 

20» 



« 



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3UIS I^'- ßuch: Von Theo])ald II. l)is zum Tode Karl's II. (1303—1431). 

der Herzog noch genügende Streitkräfte zusammenbringen konnte, 
nahmen L^tricourt und andere Schlösser, brannten die Vorstadt 
von Neufchäteau und die Hälfte von Rosieres-aux-Salines nieder 
und kehrten fast ohne Verlust wieder zurück. Der Herzog zog 
ihnen sodann nach, erschien wiederholt auf der Seilleseite vor 
Metz und schloss es ein, konnte aber nichts weiter gegen die 
Stadt thun. Während dieser Zeit liess sich der Herzog von 
Veit von Pontarlier, Marschall der Grafschaft Burgund, zum 
Ritter schlagen. Der Krieg gegen Metz konnte unter solchen 
Umständen keinen rechten Fortgang nehmen und als mit October 
die ungünstige Jahreszeit begann, suchte der Herzog einen ehren- 
vollen Rückzug dadurch herbeizuführen, dass er die Metzer durch 
einen Herold zum Kampfe herausforderte. Wirklich fand dann 
auch ein Zweikampf zwischen einem Lothringer und Metzer Edel- 
knecht statt, die je drei Gänge mit Lanze, Streitaxt und Degen 
machten, ohne sich wehe zu thun, und es vnirde darauf ein 
Waffenstillstand bis Pfingsten geschlossen, so dass die Lothringer 
heimkehren und die Metzer ihre Söldlinge entlassen konnten. 

Bedeutendere Kriegsuntemehmungen hatte der Herzog von 
da an nicht mehr, denn die übrigen Zwistigkeiten dauerten nicht 
lange. Die erste entstand wieder mit dem unruhigen Grafen 
Heinrich von Vaudemont, welche aber am 11. September 1373 
der Vertrag von Bayon beilegte. Eine zweite währte noch kürzere 
Zeit. Die drei lothringischen Edelleute Bertrand von Noveant, 
Simonin von Max^ville und Gerhard von Autrey bemächtigten 
sich nämlich am frühen Morgen des 23. Januar 1369 mit etwa 
150 als Bauern verkleideten Soldaten eines der Thore des bischöf- 
lichen Städtchen s Ma rsal und behaupteten sich in dem Platze. 
~Sobald^^n der im ganz nahen_Vic wohnende Bischof Dietrich 
von Boppard davon hörte, schickte er seinen Schwager mit 
zwanzig Reitern und einer Anzahl Schützen ab, um das Städtchen 
wieder zu nehmen. Dieselben di*angen durch eine den Lothrin- 
gern unbekannte Pote rne ein, überfielen die gerade mit Plündern 
beschäftigten Lothringer, hieben siebenundachtzig nieder und 
machten siebenzig gefangen. Der Herzog beachtete diesen 
Zwischenfall nicht weiter, er gab aber zu dem Sprüchworte Ver- 
anlassung : C'est la joie de Marsal (So kurz wie die Freude von 
]\Larsal). 

Herzog Johann hatte sich wenige Jahre vorher mit Sophie 
W ü r 1 1 e m b e r g , der Tochter seines Vormunds Eberhard, 



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4. Herzog Johann L (1346— 1390> 309 



yerheiiathet, bei welehem er wahneheiDlicb öfters verweilii hatte, 
zumal als er nocli unmfindig war. Es biaehte diese Heirafh ihn 
aber nicht in weitere, engere Beziehungen zum Beiohe, irielmehr 
zog es ihn zu öftercon Aufenthalte am französischen Hofe, in 
dessen Politik es lag, die benachbarten deutschen Ffirsten immer 
mehr in sein Qam zu ziehen und durch einen Strudel von Ver- 
gnügungen festzuhalten. Doch war er auch in den kurzen Frie- 
denspansen für sein Land thätig, sachte die Justiz zu verbessern 
und zu Überwachen, die Lage der Landlente besser zu gestalten 
und ahmte seinen französischen Nachbarn darin nach, dass er 
einen Bitterorden stiftete, dessen Mitglieder Chefaliers aux blanr^ 
dies manches Messen. Er vergrösserte auch die Stedt.!SanG9L. 
durch eine Vorstadt, aber Nancy selbst hatte deshalb doch wenig 
Einwohner und ein Theil des inneren Terrains war noch nicht 
einmal fiberbaut. Endlich schlug er zuerst Goldstücke, Giüden 
(Florins) genannt, und begann Familien in den Adelstand zu 
erheben, worin er unstreitig dem Herzoge von Bar nachahmte. 

Im Jahre 1374 trat auch im Lothringischen die Epidemie ^ 
des V.£ijtgl;anzes auf, welche kein Mensch zu heilen verstand. 
Alle Leute jeglichen Standes ergriff plötzlich die Wuth zu tanzen, 
zugleich mit einem heftigen WiderwiUen gegen die rothe Farbe. 
Nachdem die Aerzte mit Medicinen und die Geistlichkeit mit 
dem Teufelaustreiben und anderem Hokuspokus nichts dagegen 
ausgerichtet hatten, verbanden sich die Fürsten zu sirengeren 
Maassregcln gegen diese herumziehenden tanzenden Banden, denen 
sich bald allerlei Lumpengesindel beigesellt hatte, und der Herzog 
Hess sogar einen der Führer hängen und einen andern aus ,dem 
Lande hinaustreiben. 

Im Jahre 1 379 führten den Herzog Zwistigkeiten mit der f 3 7^) 
Familie von Müllenheim mit einem kleinen Heere in das Elsass, 
wo er Scherrweiler und St. Hippolyt nahm -und letzteres später 
seinem Schwieger \rater überliess, und im Jahre darauf verband er ^ , * 
sich mit Herzog Robert von Bar gegen den Bischof von Metz^^ i • " ' 
der ihrem vereinigten Heere b ei Briey eine Niederlage bei- ' 
brachte. Dagegen drangen im Jahre 1381 die Lothringer mid 
Barer in das Bisthu m ein und führten die Ernte von fünfzig ' 
Dörfern fort. Da sich der ganze Streit nur um das Eigenthum 
der Salzqut llen auf den Gemarkungen von Salonne und Amele- 
court handelte, so kam schon am 23. Mai 1381 wieder ein 
Frieden zu Stande. Endlich zog er im Jahre 1382 dem Könige 



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310 IV. Bach: Von Theobald II. bis zam Tode KmxVb IL (1303—1431). 



von Frankreich im flandrischen Kriege zu Hülfe, wo er im No- 
vember an der Schlacht bei Koesbeke Theil nahm, worin die 
Flandrer an vierzigtausend Mann verloren haben sollen. Diese 
Ziffer beruht aber wohl nicht minder auf Aufschneiderei, wie die 
Angabe eines Andern, der Herzog Johann selbst habe davon 
nicht weniger als fünftausend mit eigener Hand getödtet. Auch 
dem Herzog Ludwig von Anjou versprach er zur Ei o])erung des 
Königreichs Neapel beizustehen, aber er kam nickt mehr dazu, 
dies auszuführen. 

Zuletzt beschäftigten ihn noch Zwistigkeiten mit den Be- 
_w(ihnern _:i'on Neufchäteau. Da diese Stadt dem Herzoge ge- 
.[,'*•* hörte, aber als Lehen der Champagne auch in einem Verhält- 
'r? - nisse zu Frankreich stand, so benützten die Einwohner diese 

• Doppelstellung gerne dazu, keinem Theile zu gehorchen und den 

Einen zum Schutze gegen den Andern anzurufen. Als im 
Jahre 1871) französische Beamten in Neufchäteau Verordnungen 
verkünden und ausführen wollten, wurden sie aus der Stadt ver- 
triohen, das Gleiche scheint abor nach und nach gegen den 
Herzog geschehen zu sein, denn er trug seit einen wahren 
Hass gegen die Stadt zur Schau, als sie an ihn gewisse Ab- 
gaben zu zahlen sich weigerte. Er drang daher mit Bewaff- 
neten in die Stadt ein, Hess die Einwohner sich im Schlosse 
versanmieln und hielt eine drohende Strafpredigt an dieselben, wo- 
rin er ihnen vorwarf, dass sie zum Könige von Frankreich hielten, 
und mit dem mitgebrachten Scharfrichter drohte. Die einge- 
scliürhrr-rfeii J-Jinwohner bewilligten sogleich die Forderungen des 
Htn-zogs. zahlten ihm sofort dreitausend Franken, versprachen 
weitere dreitausend Franken und der Herzos^ Hess das Scbloss 
gut befestigen und mit besonderem Ausgange vorsehen. Kaum 
aber war der Herzog fort, so verklagten ihn die Einwohner beim 
' Könige von Frankreich, der die Stadt besetzen und die Sache 
■"vor sein Parlament bringen liess, das dem Herzoge Unrecht gab. 
' Dieser legte Widerspruch ein, starb al)er schon am 'Jl. September 
i'iVM) zu Paris an Schwäche, wie Lothringer Historiker behaupten 
aber an Gift, das ihm Emissäre ans Neufchäteau beigebracht 
haben sollen. 

Der Herzog wurde in der Georgskirche zu Nancy begraben. 
In seinem Testamente von l.'VIT hatte er zahlreiche Stifter und 
Klöster bedacht und Verfügungen über sein l^egräbniss getroffen ; 
an das Wohl seines Landes und der Unterthanen zu denken, war 



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5. Herzog Karl II. (1390— 14:JJ ). 311 

ihm aber nicht eingefiiUen. Nach dem Tode seiner wttrttem- 
bergischen Gemahlin hatte er sich noch mit Margarethe 
Ton LooB, Tochter des Grafen Ludwig von Ohiny und Loos, 
verheirathet. Aber nur die Erstere gebar ihm drei Kinder, zwei 
Söhne, Karl und Friedrich, und eine Tochter, Isabelle, 
die sich mit Enguerrand, Herrn von Goucy nnd Graf xon Sois- 
sons, 1386 yerheiratheto und bei dieser Gelegenheit allen 
Ansprüchen an das Hersogthum entsagte. 



5. Herzog Kari II. (1390^1431). 

Literatur. Ht)urnon, Coiipures, rt'giie di' Charles II.; — Thier- 
riat, Mt'iiioires. regne de Charle« II; — M. de Baraiite, Tlistoire des 
ducs de Büurgogiie, 1839; — Benoit Picart, Histoire de Toul; — 
Dnmont, Kittoire de 1a Tille et dei seigneun de Gommercy, I.; — H. 
Lepage, Jeaime d*Arc est^elle Lorraine? — Denys Godefroi, Hi- 
stoire de Charles YL, roy de France et des choses mö^orables — 
Oeuvres oompletes da roiBen^ publiees par H. de Quatrebarbes, L; 
— Die erwähnten Metz er Chroniken; — H. Wal Ion, .Teanne d'Arc, 
1867; — 0fr. fiysell, Johanna d'Aro, genannt die Jungfran von Or- 
leans, 1864. 



Herzog Earl, welcher mit Bücksicht auf den frflheren Bene- 
fidarherzog (S. 91) gleichen Namens der zweite genannt wird, 
stand beim Tode seines Vaters im ffinfundzwanzigsten Jahre, 
berief für seinen Begierungsantritt die Stönde des Landes und 
machte im M&rz 1391 eine Theilung des Erbes dahin, dass er / 
seinem Bruder die Güter Bu migny un d Boves, sowie einige Be- 
Sitzungen im Henn^gau» dor Vic^rdieünd^ sonst übergab, welche . 
nicht zum Herzogthume selbst gehörten, sondern durch Heirathen 
an das Haus gelangten und di^er schon mehrmals zu Apanagen 
dienten. 

Für die Eirziehung des jungen Prinzen war es kein glück- 
licher Umstand, dass dieselbe am Hofe des Herzogs •YQiL.But:.^ 
gund, Philippus des Kühn en, erfolgte, da dort die üppigeren Ver- 
hältnisse des Südens auf ihn einwirkten und er von Jugend an 
mehr äsm Waffenhandwok zugefBhrt wurde. Philipp nahm ihn 
schon frühe in seine Ejiege mit und so nahm Karl 1382 an 



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312 IV. Buch: Von Theobald IL bis zum Tode Karl's H. (1303—1431). 

der Schlacht bei KooHhckc . dann in Fhindorn und IHSS gegen 
den Herzog von Geldern Antlieil. J)ies verlieh dann auch seinem 
('haralvter etwas Leidensehaftliehes und Heftiges und daraus ent- 
'.•>'- f sprang auch sein gewaltthatigea Vorg(dien gegen die Htadfc 
^^^evilbliäteau, wodurch eine lange Zeit seiner Kegierung verbit- 
tert wur(Je. Sein Kegierungsantritt fiel gerade in die Zeit, wo 
die Angelegenheit vor dem ]*arlainente zu Paris verhandelt 
wurde, und da die öftentliche Meinung sidi dahin ausspracli, die 
Einwohner von Xeufchäteau hätten seinen Vater vergiften lassen, 
so wurde er lilier diese Stadt so erbittert, dass er sich heftig 
über ihre liewohner aussprach, sie der Jacqueric bezichtigte und 
für Revolutiiinäre erklärte. Doch kam der Si)ruch des Parla- 
ments zur Ausführung, die Stadt bekam dadurch ihr Kicht und 
sie machte dann sogar dem Herzoge und seiner Gemahlin Ge- 
schenke, so dass es schien, diese Angelegenheit sei dadurch bei- 
gelegt, was aber in der That nicht der Fall war. 

Der Herzog dachte alsbald daran sich zu verheirathen und 
i'^.'. »y richtete sein Auge zunächst auf Ma^^^1ret]le, die Erbtochter des 
' ' 1 Grafen von Yaudemont, welche nach zweimaliger Verheirathung 

. j jedesmal nach kurzer Zeit Wittwe geworden war. Aber als er 
, , seinen Bruder Friedrich mitteler Werbung um ihre Hand be- 

^ traute, freite dieser die Wittwe iür sich sell)st und Karl, der 

* sich aus der Sache selbst nicht viel zu machen schien, war da- 

* mit zufrieden und heirathete 1393 Margarethe von Bayern, 
Tochter des Kurfürsten Kuprecht von der Pfalz. 

Ausser einem friedlich beigelegten Streite mit Philipp dem 
Kühnen wegen der Einfälle mehrerer burgundischen Edelleute in 
lothringisches Gebiet, verliefen die ersten Jalire seiner Regie- 
rung in Ruhe und der Herzog ging nicht einmal 1896 nach 
Ungarn zur Abwehr der Türken, als viele Edelleute aus Lo- 
tbringen, Burgund, Bar und Frankreich dahin gezogen waren, 
wo ein grosser Theil derselben in der Schlacht von Nicopolia 
fiel. Dagegen begab er sich Ende 1399 nach Preussen, wohin 
ihn neun Metzer Patrizier begleiteten, sie alle scheinen aber 
dort keine Lorbeeren errungen zu haben und waren am nächsten 
Palmsonntag schon wieder zurück. Er fand hier auch alsbald 
Beschäftigung genug, indem die deutschen Kurfürsten in dem- 
, ^ selben Jahre den unföhigen König Wenzel absetzten und dafür 
\ . J den Kurfürsten Ruprecht erwählten, welcher Karl's Schwieger- 
Tater war. In ^esen westlichen Ländern waren die Herren und 



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5. Herzog Karl IL (1390— 1431> 



313 



Städte darüber fretheilter Meinun«^ und sowohl Wenzel wie 
Kuprecht hatten ihre Anhänger. Karl warb natürlich für den 

" letzteren und d;i die Städte Metz und Toul auf seine Auffor- 
derung nur ausweichende Antworten gaben, er auch mit Toni 
selbst in einem Streite lag, so verband^ (ü sich mit dein^Hei 'zoge — / 
von Ba r, dessen Sohn Eduard, dem Marquis von Pont-ä-Mousson, JcrU t 
und seinem Bruder Friedricli, um Toul anzugreifen, zu bela<>'ern_ ^ 
und sogar durch eine Batterie Artillerie zu beschiessen. Trotz 
der tapfern Gegenw'ehr der Touler sahen diese doch ein, dass 
sie ohne fremde Hülfe bald unterliegen würden, und wandten 
sich daher an deiijerzog von Orl^^ans^ der im Xamen des Kö- ^ 
nigs von Frankreicli regierte und sofort auch als Anhänger von ' > -'-^(iiu 
Wenzel gegt'n den Herzog Partei nahm und dessen Lehen mit 
^^Beschlag belegen Hess. Herzog Karl kehrte sich Jedoch nicht da- 
rah7"^ieTouler mussten sicli nach zweimonatlicher l^inschliessung 
ergeben und dem Herzog sechstausend Franken, sowie seinen 
Verbündeten andere Summen bezahlen , wogegen Karl wieder 
auf den grössten Theil seiner erhobenen Ansi»rüclu^ verzichtete. 

Blieb in diesen ersten Jahren das Lothringer Land auch 
durch Kriege verschont, so litt es desto mehr durch Krankheiten 
und Hungersuoth. hn Jahre 1400 rafl"te eine F]pidemie sehr 
viele Menschen weg, am meisten in Metz und Pont-ä-Mousson, 
welches Städtclien allein über 2000 Einwohner dadurch verlor, 
und diese Krankheit kehrte im Jahre 1404 wieder, als die letzte 
Ernte versagte und eine ungemeine Theuerung entstand. Erst 
die reiche Ernte des Jahres 1405 gestattete dem Volke, sicli 
wieder etwas zu erholen. Aber bald gab es wieder kriegerische 
Verwickelungen. Der Herzog liatte nämlich mit Verdruss ge- 
sehen, dass in der .V^ste Avant-Garde bei Pompey, gegenüber 
von^Frouard und nur w^^nige Stunden von seiher ResitUuiz ent- P^^i' 
fernt, durch den Marquis von Pont;-ä-Mou3Son eine französische v 

^Garnison zugelassen war, l)emächtigte sich des Schlosses und 
zerstörte es theilweise; auch liatten in den Jaliren 140") — i40() 
lotliringische Herren mehrmals Einfälle in die (.'hampagne ge- 
macht. Darüber wurde der Herzog von Orleans sehr erzürnt J 
und schickte sofort dreitausend Mann ab, um Xeufchäteau zii^ 
besetzen und gegen die wegen mehrerer Einfälle beschuhligteu 
Lothringer Herren vorzugehen. Da der Herzog einen oft'enen 
Krieg zu vermeiden suchte, so ersuchte er seinen sich gerade 
am Hofe KarPs VL befindenden Bruder Friedrich, den Streit zu 



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314 IV. Buch: Von Theobald n. bis zum Tode KwrVs H (1303—1431). 




voriiiitteln , worauf auch wirklich ein provisorisches Abkoimuen 
stattfand und der Befehlshaber der französischen Truppen im 
Juli 140ti die Weisung erhielt, nicht weiter vorzugehen. Aber 
obschon der Herzog dabei versprach, an Weihnachten sein Ver- 
fahren persönlich beim Könige zu rechtfertigen und die Lothringer 
Herren selbst zu bestrafen, so hielt er doch Beides nicht und 
nur innere Verlegenheiten hielten den König ab. die Sache sofort 
weiter zu verfolgen, obschon sich die erwähnten üUnfalle im 
Jahre 1407 wiederholten. 

Als aber um diese Zeit der Herzog von Orleans durch 
König Wenzel das Herzogthum Luxemburg verpfäudet erhielt, 
benützte er dies sofort, um seinem Hasse gegen Herzog Karl 
freien Lauf zu lassen. Er veranlasste nämlich ein Bündniss des 
Herzogs j'on Bar, Bischofs von Verdun. Edelknechts von Commercy, 
der Grafen von Salm. Saarbrücken und Saarwerden und anderer 
Herren gegen Lothringen und im Sonmier 1407 rückten deren 
Truppen unter dem Oberbefehle des Marschalls des Herzogthums 
Luxemburg in den nördlichen Theil von Lothringen ein. Ohne 
sich durch die Besetzung von Frouard einen festen Stützpunkt 
zu sichern, zog der Marschall ge_gen Nancy weiter, Hess den 
Herzog durch einen Herold ziun Kampfe herausfordern und hatte 
sogar die Unverschämtheit, für sich und alle Anführer seiner 
Truppen im Schlosse ein Essen zu l)estellen. Der H(nzo<( empfing 
den Herold freundlich und bot einen Kampf zwischen Nancy und 

pTTiampigneules an. Inzwischen hatte er seine Streitkräfte ver- 
einigt und die überfromme Herzogin eine Prozession zu Gunsten 
eines Sieges veranstaltet, an welcher sie selbst barfuss Antheil 
nahm. Die Lothringer griffen die do])pelten Reihen der Gegner 
mit dem Schlachtruf: Priny ! Priny ! an, es gab ein blutiges Ge- 
fecht, die erste Reihe der Gegner wich, die Luxemburger folgten 
nach imd erlitten eine vollständige Niederlage, bei welcher der 
Marschall selbst wie die Grafen von Salm. Saarbrücken und 

- S^aarwerden gefcingen wurden. Der Herzog verwüstete nun die 
Landereien seiner Gegner und drang selbst bis in das Bisthum 
Verdun ein, bis endlich Graf Stephan von Bar und andere Freunde 
der Gefangenen sich für deren Freilassung verwandten und gegen 
schweres Löse^^eld erhielten. Ein Frieden erfolgte am '2'). Juli 1408» 
dtT den alten Stand wieder herstellte, aber seine Gegner dachten schon 
im nächsten Jahre wieder an Rache, bis sie bei Pont-ii-Mousson 
eine zweite Niederlage erlitten, der endlich der Frieden folgte. 



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5. Herzog Karl II. (1390—1431). 215 

Der Hauptanstit'ter aller dieser Feindseligkeiten gegen 
Lothringen war der Heizog Ludwig von Orleans, der aber am (]t/iu*'^j 
2i^. November 1407 zu Paris ermordet wurde und zwar auf An- 
^'lififten dos Herzogs J oLann ohne Furclit von Burgund. Der Letztere 
hatte ball] nach der That sogar die Kühnheit, selbst nach Paris 
zu konmien, um dieselbe zu rechtfertigen, und bei dirsoi- Ge- 
legenheit wurde er vom Herzoge von Lothringen bc^lritct. w(d-_ 
eher sich durch den Tod des Herzogs von einer grossen Last 
und Gefahr befreit fühlte und seine Zufriedenheit über den Tod 
des Gegners dadurch ausdrückte. Das J^enehmen des französi- 
schen Hofs gegen ihn seit Beginn seiner Kegierung hatte ihn 
überhaupt so von Hass gegen Frankreich erfüllt, dass er in 

seinem Testamente vom 4. Februar 141)!) ausdrücklich festsetzte/"] 

wenn er nuL Mädchen hinterliesse, dürfte keines dersell)en sich 
mit einem Unterthan des Königreichs Frankreich verheirathen. 
Es wäre allerdings weit besser gewesen, wenn er sich zu diesem 
Zwecke besser und enger an das Reich angeschlossen und darin 
hini'eichende Stützen gesucht hätte. 

Bald nachher ging der schlimme Handel wegen Neufchäteau ^' 
wieder los, gegen welches er immer grossen Hass zeigte. Gegen / /fj C 
Fastnacht 14J0 verbreitete sich in dieser Stadt das Gerücht, 
der Herzog wolle sie militärisch besetzen, eine Anzahl Bürger 
verhaften und einige derselben köpfen lassen, so dass mehrere 
der angeseliensten Familien die Stadt verliessen und nach der 
Champagne auswanderten. Als der Herzog einige Tage darauf 
durch Neufchäteau kam und davon erfuhr, liess er sofort ver- 
kündigen, dass das ausgesprochene Gerüclit unwahr sei und die 
Urheber desselben strenge bestraft werden sollten, worauf die 
meisten der Ausgewanderten wieder zurückkehrten. Am 27. 
Februar kam der Herzog von Köthel nach Neufchäteau zurück, 
übernachtete daselbst vmd schien am andern Morgen mit seinen 
I^ewaflTneten wieder fortziehen zu wollen. Aber plötzlich hielten 
dieselben auf einem öftentlichen Platze, schlössen die Thore, 
verhafteten sechsunddreissig bis achtundreissig Bürger und der 
Herzog liess verkünden, dass die Verhafteten dem Tode ver- 
fallen Avürden, wenn ihre Angehörigen eine Klage w den 
König von Frankreich odei- dessen Beamte bringen würden. 
Ausserdem liess er die königlichen AVannonschilder abnehmen, 
seinem Pferde an den Schweif binden und so durch die Stadt 
schleifen. Seine Soldaten nahmen nun, was sie fortschaffen 



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316 IV. Buch: Von Theobald IL bis zum Tode Karl's IL (1303—1431). 

f ^ \ ö konnten, und brachten os in's Schloss und in dieses wie in die 
J' ^ Stadt legte er fünf- bis sechshundert deutsche Reiter und andere 
erprobte Leute. Die meisten Drohungen geschahen allerdings 
nur zur Einschüchterung der Leute, doch wurde von seinen 
Leuten Einer der Gefangenen, der sich lange zuvor unter fran- 
zösischen Schutz gestellt hatte, in der Maas ertränkt. 

Der königliche Anitmann_V(Hi_Chauinf3nt, der davon gehört, 
sandte zwar sofort ein Schreiben nach Neufchäteau , aber die 
üeberbringer wurden nicht eingelassen und Herzog Karl fuhr 
mit seinen Gewaltniaiissregeln fort, indem er vierzolm Ihirger in 
einer Veste von Deutsch-Lothringen einsperren liess, die anderen 
Gefangenen nur gegen erhebliclie Lösegelder frei gab und die 
Bürger nöthigte, durch einige in Frankreich Ix^tindliche Mitbür- 
ger vom Könige die Ermächtigung zu erlangen, dass sie mit 
dem Herzoge definitiv ihre Streitigkeiten erledigen könnten. Zu- 
gleich beugte der Herzog jedem Aufstands- und Entrinnungs- 
versuche vor, indem er das französische Thor schliessen liess, 
zur (larnison bloss fremde Soldaten verwandte und tiefe (iräben 
um das Schloss zog. Der König von Frankreich liess nun tU'u 
Herzog durch seinen Amtraaun auffordern, die Sache wieder in 
den alten Stand zurück zu versetzen, vor das Pailanient vor- 
laden und ihn mit Entziehung der französischen Lehen bedrohen. 
'Allein man liess die Botschaft nicht ein und so wurde denn der 
Herzog auf den 2. Mai vor das Parlament geladen und seiner__ 
Lehen entsetzt erklärt. Der Herzog liessS sich aber dadurch 
nicht stören, setzte die Gewaltthätigkeiten und Befestigungen 
fort und zwang die Einwohner, auf alle Einsprache zu entsagen. • 
Letztere Hessen sich jedoch nicht einschüchtern, drei in 
Paris befindliche Bürger verfolgten die Sache weiter und am 
2. Mai sollte sie wirklich verhandelt werden, musste aber noch 
dreimal und zwar bis zimi 17. December 1411 vertagt werden, 
wobei der Herzog nie erschien. Endlich sprach das Parlament 
am 1. August 1412 das Urtheil. welches den Herzog und eine 
il ' ' Anzahl seiner Gehilfen verurtheilte, ihnen erhebliche Strafen und 
Schadenersatz auferlegte, sowie die Zurücksetzung in den alten 
Stand und die C^fiscation der französischen Lehen aussprach. 
" Die Ausführung wurde dem Herzoge Eduard von Bar und dem 
ersten Parlamentspräsidenten übertragen, ward aber um so 
, » ■ ' sohwierigeri als der König krank war, innere Wirren in Frank- 
reich hemcliten und ein Krieg mit England drohte. Der Herzog 



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5. Herzog Karl U. (1390— 14Ül> 317 

gab daher den Math noch nicht suf^ sondern entschloBS sich 
sogar, selbst naöh Fttris zu gehen, wo der Herzog Ton B ugrund 
Alles Yonnochiie . Herzog Johami von Buig und^a ^ dessen Qe- 
leitsbrief Karl kam, wollte letzteren am nftchsten Morgen nach 
der Messe dem Könige selbst Torstellen, aber sobald das Parla- 
ment davon erfhhr, beauftragte es die Advoeaten und Procurar 
toren des Kdnigs, zu demselben zu gehen nnd die Vollstreckung 
des ür&eils zu yerlangen, und es Hess sich von diesem Schritte 

aach vom' Herzoge Yon Burgund nicht abbringen. Herzog . 

Karl bat also den König um Yerzeihnng nnd verspradi G ehor- 
^amT Der König gewährte diese, hob Verbannung und ConS^-^:- 
^tion auf und im üebrigeu mnsste sich der Herzog fügiii.. . -'^ 

Nach dieser erlittenen starken Demüthigung verliess der 
Herzog Paris, kehrte in sein Land zurück, hielt um so mehr zu 
johann ohne Furcht und vergass die Behandlung in Paris in sei* 1,(1, 
nem ganzen Leben nicht mehr. Er verweilte nun mehr in ^ 
Lothringen selbst, wohnte im November 1414 der Krönung K. 
Sigismund*s in Aachen bei und besuchte im Mftrz 1415 das 
Ooncil zu Ck>nstanz, wo er nach seiner Bflckkehr zwei Stellver- 
treter, Heinrich Bayer von Boppart und Johann von Haussonville, 
zurflcUiess. Zu äiuse £uid er aber bereits wieder einen Streit 
vor, den die Streifereien seiner Garnison von Pr^ny in*s Metzer 
Land und die Plflnderung des Dorfe Xonville veranlassten. Die 
Metzer hatten nftmlich darauf, zweitansendf&nfhundert Mann 
stark, den Flecken Pr^ny verbrannt und der Herzog zog nun 
gegen die Metzer, wagte aber doch keinen Kampf und ging 
einen von letzteren vorgesdilagenen Waffenstillstand ein. Auch 
folgte er nicht der vom König von Frankreich, als Heinrich von 
England in der Normandie gelandet war, erfolgten Einladui^, sich 
der französischen Armee anzuschliessen, weil er zu dieser Zeit 
überhaupt nichts von Frankreich wissen wollte, aber zahhreiche ; ^ • 
Herren aus sein^ Lande und selbst s ein Brud er Friedrich nah- ^ >*' ••. 
men an der verhängnissvoUen Schlacht von ^zimx^uri^heil und_ ; 1 ^ ' -^^ 
es fielen hier unter Anderen der fierzog von Bar^dessoEL Bruder, 
der Graf jn^n Vaud^oni\and der Herr von Blamont, sowie der 
Metzer Patrizier Jakob von Heu. Wfihrend der darauf folgenden 
Wirren in Frankreich hielt Karl stets zum Herzoge von BDurgund_ 
nnd war auch bei demselben, als er mit der K^üginJ^beau 
Paris einzog. 

In der Folge wurde Herzog Karl doch wieder auf die fran- 



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318 IV. Buch: Von Theobald II. bis zum Tode Karls U. (^13ua-J4Jl> 

zOsische Seite gezogen und zwar durch eine Familienverbindung. 
f^^fi^^ Schlacht bei Az inconrt waren die mfionlichen Mitglieder 

ÖrJf-S herzoglichen Familie von Bar gestorb en und nur der Bischof 

Ton Chftlons an der M arne, ^'ardinal Ludw ig yon gar, noch übrig. 
Dieser übernahm das ^^fz^t^^ versprach aber die Nachfolge 
der Nachl^ommenschaft seiner Sdiweeter Jo lanihe, welche den 
Don .Tohann, König von Aragonien, geheirathet hatte und n^ 
eine Tochter Jdanthe besass, die sich an Herzog Ludwi£v on_Antr 
vermählt hatte. Des Letzteren zweiter SohUf RMatu^on Anjou, 
wurde zum Erben Ton Bar eingesetzt und zugleich vom Herzoge 
Ton Bar demselben in der ältesten Tochter des Herzogs Karl von 
Lothringen, Isabelle, e ine^Bra ut erworben, die demselben zugleich 
dies Herzogthum zubringen und dadurch die Familien Bar und 
Lothringen verschmelzen sollte. Die Schwester des Herzogs 
BenatusT Mari^ vo n Ai i joip hatte nun aber den Danphin von 
Frankreich geheirathet und so ergab es sich von selbst, dass 
Renatus wie sein Schwiegervater, Herzog Karl, zu Frankreich 
halten mussten. Die Heirath wurde am 20. Iförz 1419. ver- 
abredet, es sollte dies aber um so mehr noch geheim gehalten 
Verden, als Renatus damals nur erst elf Jahre alt war. 

Der König von England erftahr nicht sobald von diesem 
Frojecte, als er es auch schon zu vereiteln sudite, indem er um 
die Hand IsabeUens fOr den Herzog von Bedford warb. Herzog 
Karl lehnte den Vorschlag höflich ab, unterhielt aber nach wie 
vor Freundschaft mit König* Heinridi von England, so lange 
Herzog JcAann ohne Furcht von Burgund lebte. Inzwischen 
trat der Herzog von^gnr am 13. August 141$^ das Herzogthum 
unter wenigen Vorbehalten an Renatus ab und am 14. Oc tober 
&nd endlich die Verm ählung statt, worauf jedoch H erzog |Karl l 
auch die Regierung über ggf in seine Hand nehmen musste, da 
das Erbe nicht ganz unbestritten blieb und Kui sogar einen Ein- 
&U des Herzogs Adolf vonBerg mit Gewalt^zurückweisen musste. 
, z'/}- Ebenso war er genöthigPini Herbste 1424 gegen den Grafen 
> ' ^ Robert von Saarbrücken zu Feld zu ziehen, da dieser eine Rente 
von hundert B'ninEen Münze von Bar ans der Frevotei Si Mihiel 
. V . beansprudite und mit Gewalt zu erzwingen suchte. Herzog 
'^[\''' JCarl schlug ihn bei Gommercy und der Herzog von Burgund 
\ K t'^ vennitteltefitr den Grafen, aber dieser brach sein Wort und Hess von 
Commercy aus Einfiülle in das Land von Bar machen, bis der Her- 
zog energischer ^griff und sidi hier endlich Ruhe verschaffte. 



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5. Herzog Karl U. (1390—1431). 319 

In demselben Jahre, am 1. August, hatte des Herzogs '.'i'^^/i 
^Tochter Isabelle./ihrem Gemahle, Kenatus y^n Anjoojmd Graf 
• YonJQas:, ^ij^^^m geboren, der Joliaiur beniumt würde nnd 
dem der Herzog m seinem z weiten j Testamente von 1425 noch , . 
eimnal ausdrücUich die Nad^fogß^im Hei^r^nme][]^]Enn^e2) ^♦^^'^ 
zasicherte. Darüber wurde seufg roderBaoh n Am vo nVaud^ont 
sehr ärgerlich, da er das nächste inSinliche Familienmitglied 
war und daher vor der weiblichen Nadi&ommenschaft das Erbrecht 
in Antfpruch nahm. Er sdiwieg zwar an&ngs, aber bald ftnaserte 
er sich laut darüber nnd der Herzog stellte ihn deshalb zur 
Bede. Anton antwortete zuerst ausweichend, erhielt dann die 
Aufforderung zur schriftlichen VerzichtleistuQg innerhalb vierzehn la«* ^* 
Tagen und endlich am 1. Juni 1425 noch eine dritte Mahnung, 
kam aber weder nach Nancy, noch gab er eine 
^^^(y^^Herzog_sachte daher die Erbfolge seiner ypchterf ^roch nach- 
* drflcklicher zu sichern, indem er dieselbe im Decembe r. durch ; ^ 
die Stande ausdrücUich anerkennen und beschwören Hess, wobei / ^^^U >■ 



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letetere nur noch die Bedingung hinzufügten, dass Isabelle, wenn y ^ 
ihr Gemahl sterben sollte, sich nicht wieder verheirathen dürfe ^* 
ohne Erlaubniss des Herzogs oder nach dessen To4&olme ZuHtiiu- 
mung der Stände selbst. Dennoch suchte der Herzog%tt^Sf^ohn 
der verlangten Y erzichüeistung zu bringen und sandte eine kimne 
Tnq[»p6nschaar in die Gra&chiift "^dänont, aber sie konnte die 
Hauptstedt Ve^eÜse nicht nehmen und das feste Schioes Yaud^ont^ 
auf einem ~Ba^gipfer^rgab sich erst 1428 nach dreijährige^ 
Binschliessnng. 

Während sich der Herzog Karl auch nach der am 4. August * 
14^4 erfolgten Vol^ährigkeit des Herzogs Renatus von Bfu r noch ^ 
immer viel mit dessen Ax^egenheiten beschäftigen musste, hatte 
er wieder einen neuen Kampf zu bestehen, der ans einer an und 
för sich unbedeutenden Ursache entsprang. Er war nämlich Herr 
der Abtei St. Martin auf d er Westseite dicht vor jfetz und dies 
E oster w ie das darum liegende Dorf unterstanden dem lothrin- 
gischen Zoll- und Besteuerungsrechte. Der Elosterabt Ki^Süal^ 
Cbaillot, welcher wegen Streites mit seinen Mönchen in Metz 
wohnte. Hess nun im September 1427 eine Tragbutte oder Hotte 
voll Aepfel aus dem Klostergarten nach Metz bringen und die 
Mönche denuncirten ihn deshalb bei den lothringischen Ein- 
nehmern, weil er für die Aepfel die Ausgangssteuer nicht be- 
zahlt hatte. Der Abt wollte wohl dieselbe entrichten, aber die 



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320 IV. Buch: Von Theobald IL bis zam Tod« Karrt IL (1303—1431). 

Metzer verboten es ihm, obschon die Zeit für sie nicht darnach 
angethan war, sich unnöthigerweise Händel zuzuziehen, denn im 
'w'^^l Prülgahr waren die Reben erfroren und im Jahre zuvor hatte 
' y] (V / £pidemie sehr schlimm in der Stadt gebaust. Aus der 

gegenseitigen Erbitterung erfolgten feindselige Handlungen 
*' der Lothringer in Corny und der Metzer in Beirain und der 

Herzog begann sofort den Krieg. D ie Metze r überfielen nun 
die Ahtei. /erstörten sie und das Dorfund Hessen nur die bei- 
den Kirchen "besteheir Darauf hin untersagte der Herzog jede 
• Zufuhr nach Metz, das dieselbe aber von der Luxemburger Seite 
her erhielt und sofort Söldlinge in Dienst nahm. Im Juni brachte 
der Herzog ein Heer von eintausendfunfhundert Keitern und fünf- 
tausend Fussgängern zusammen, das vor Metz rückte, den Galgen 
zerstörte und die Umgegend verheerte, aber sonst nichts aus- 
richtete. Am 10. Juli erliess auch Renatus eine förmliche 
Kriegserklärung, welche auch von Seiten der Verbündeten er- 
folgte und Tags darauf zog Herzog Karl, wegen seines Gicht- 
leidens in einer Sänfte getragen, mit zehntausend Reitern und 
zwanzigtausend Fussgängern vor die Stadt, auf welche er sogar 
einige EanonenBChüsse abgeben lio^^s. Aber zu eig^tiichen Kriegs- 
thaten kam es nicht, denn als die Metzer Moyeuvre und Rode- 
madiem verbrannten, wurden sie von den Lothringern wieder 
zurückgetrieben und ein lebendiges Handgemenge vor dem Thore 
St. Symphorien brachte keine Entscheidung. Endlich suchte der 
Metzer Bischof Conrad Bayer von Boppart in Verbindung mit 
"SeirT Grälen von Salm wiederholt zu vermitteln und es kam zuerst 
* ein Waffenstillstand und am 1. Januar 1430 endlich auch ein 
* Frieden zu Stande, dem aber Herzog Karl nicht zustinunte, wes- 
halb die gefangenen Metzer, die man nach Nancy, Luneville 
und Neufchäteau gebracht liatte, erst nach des Herzogs Tode 
wieder frei gegeben wurden, obschon die Feindseli^eiten inzwi- 
schen nicht mehr fortgesetzt wurden. f i ^r^*^ 

Renatus von Bar war schon vorher in seih. Ij-and zurück- 
gekehrtTum der Krönung des Königs Karl VIT. von Frankreich 
zu Reims beizuwohnen. Er kam zwar zu spät, Hess sich aber 
daselbst durch die Jungfrau von Orleans bewegen, die Partei 
Englands zu verlassen und sich der Partei Frankreichs anzu- 
schliessen, worauf er an verschiedenen Krio<,^wzügen in der Picardie 
und Tsle-de-France Theil nahm, sich im August J42fl zu St. Denis 
der königlichen Armee anschloss und mehrere Vesten nehmen half. 



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D. Herzog Karl IL (1390—1431). 321 

Wahrscheinlich hatte er die Jungfrau Johanna d'Arc in^ .o / 
Reirns^nicht zum ersten Male gesehen. Da dieselbe z u Domremy ^ 
geboren war, das durch die Maas, in zwei Hälften geschieden 
ist, wovon die östlicl^e zu.Bar und die westliche zur Champagn e ^oni^Ufi^. 
gehör^ es aber nicht zu erforschen ist, in welcher Hälfte ihr 
Geburtshaus stand, bo ist die Frage, ob sie eine Lothringerin 
war, nicht zu entscheiden, jedoch rechnete sie sich selbst nicht 
zu den Franzosen, da sie bei ihrem Fortgange erklärte, sie wolle, 
MiJj L Frankreich ziehen. Qewiss ist, dass sie, als sie zu Chinon 
eine Unterredung mit dem Kdnige nachsuchte und einige Zeit 
auf die Gew&hrung warten mnsste, in der Zwischenzeit eine 
WaOfahrt nach .St. Ni colaB-de-Port madite und dabei auch dureh 
Nancy kam, wo^fürSS^^dTauB Coriodtftt sprach und ihr 
ein Pfierd nad eine Siminie Geldes schenkte. Alles Üehrige, was 
die Chroniken aus Nan<7 weiter über sie berichten, wie dass 
der Herzog von ihr die Heilung seiner Oicht verlangte und sie 
* ihn zur Versöhnung mit seiner .Gemahlin zu überreden suchte, 
gehfirt in*s Fabelreich. 

Natürlich hat das Auftreten dieser Jungfrau Johanna auch 
ganz besonders in Lothringen grosses Aufsehen erregt und wollten 
es die Leute Anfangs gar nicht glauben, dass sie in Ronen ver- 
brannt worden sei. Es traten daher später auch mehrere fiilsche 
Jungfrauen von Ori^ans auf. So. gab sich ein Mädchen in der 
Armee des Ulrich von Manderscheid, als derselbe sich mit Babanus 
von Helmstadt um das Erzbisthum Trier stritt, als diese Jung- 
frau aus, bis der Inquisitor von Koln sie als Hexe verhaften 
lassen wollte und sie desshalb entfloh. Es war dies 1-134; zwei 
Jahre später erschien aber zu Grange-aux-Ormes bei Metz und 
dann in dieser Stadt selbst eine andere Jungfrau, welche vielen 
Glauben fimd, von der Herzogin von Luxemburg als die wirk- 
liche Jungfrau anerkannt wurde und dann zu Arlon den Bobart 
des Armoises heirathete, mit dem sie nachher zu Metz lebte 
und sich Joanne des Lys la PnceUe de France selbst in einer 
Urkunde nannte. Doch sei dies nur des Zusammenhangs wegen 
hier erz&hlt, da es eigentlich in die Zeit nach dem Tode 
Earrs fiel. 



Es ist schon früher erwähnt worden, dass der Herzog am / * 



Hofe des Herzogs von Burgund erzogen wurde, wo ein ziemlich 
üppiges Leben herrschte. Er mag dann auch spftter dasselbe 
selbst geführt haben, wie er denn auch bald an der Gicht litt. 

Kuhn, OMwUehte LotMiigsiM. 21 



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322 Buch : Von Theobald TL bis zum Tode Karr« II. (1303—1431). 



Sem YerhiUtniss zu seiner GemahÜD, von welcher er nur zwei 
Töchter bekam, die er sehr liebte, war schon frflhe geMbt 
worden und führte sp&ter sogar zu grosser Uneinigkeit und 
Widerwillen. Die Ursache dazu gab die Tochter eines ein&chen 
HOkerweibes, das in einer Bude unweit des herzoglichen Schlosses- 
Obst und Gemüse Terkaufte und diese Tochter yon Demange 
Colin le Par&it^ Canonikus und Sftnger von Si Georg, erhalten 
hatte. Diese Alison Mav . so hiess dies Mfiddien, war sehr 
schön und geistvoll und wussto den Herzog so f&r sich zu ge- 
winnen, dass sie ihn vollständig beherrschte. Das Terhältniss 
dauerte viele Jahre, der Herzog beschenkte sie und ihre Ange* 
hörigen reichlich und er liess sogar ihr Bildniss in einem Altar- 
gemälde for die Capelle St. Georg in einer Anbetung Maria'a 
anbringen. Sie gebar ihm nach und nach drei Söhne, Friedrich, 
Johann und wieder Friedrich genannt, und zwei Töchter und 
der Herzog soll sogar die Absicht gehabt haben, diesem ältesten 
Sohne, Fr iedrich _vo n Bilstein, die Nachfolge im Herzogthum 
zuzusichern, woran ihn aber die Stände verhinderten. Im zwei- 
ten Testamente setzte er diesen Kindern verschiedene Legate 
aus. Der erste Röhn erhielt das Schloss Bilstein und eine 
Beute von zweihundert Gulden, der zweite, Johann Phillelipille 
genannt, eine Beute von hundert Gulden, der dritte, Friedlich, 
die Summe von dreihundert Gulden auf einmal, die Töchter 
Katharine und Isabelle Aussteuern von tausend und sechshundert 
Gulden. 

Alle diese Vermächtnisse zu Gunsten seiner natürlichen 
Kinder gelangten zur Ausführung, deren Mutter traf aber ein 
erschreckliches Leos, da nach dem Tode der Unwillen des gan- 
zen Landes über sie zum Ausbruch zu kommen schien. Eine 
wüthende Volksmenge stürzte über Alison„ JfaaL lee, zog sie 
unter Misshandlungen aus ihrer Wohnung, setzte sie auf einen 
Karren, führte sie durch alle Strassen der Stadt, warf ihr Koth 
in*s Gesicht und unter solchen Misshandlungen gab sie ihren 
Geist auf. Alison selbst erwartete wohl, dass sie nach dem 
Tode des Herzogs nicht mehr im Lande bleiben könne, und hatte 
sich desshalb 1427 im Hospitale zu Metz schon eine Präbende 
erkauft. Eine Lothringer Chronik will übrigens wissen, Alison 
sei nicht sogleich an den Misshandlungen gestorben, sondern 
man habe sich ihrer insgeheim entledigt. 

Herzog KmI starb am 25. Januar 1481 und sein Testament 



b. Hensog Karl IL (1390— i4ai> 



323 



<*nthielt wieder wio die Testamente seiner Vorfahren verseliiedene 
Vergabungen an Klöster. Doch hatte er auch schon J-iOO in Luue- 
ville ein Spital und dann das Spital Notre-Dame zu Nancy gegrün- 
det. Er war wohl Einer der ersten Herzoge von l.othriiigen^ der 
auch die Wissenschaften achtete und sogar eine Hibliothek besa ss ; 
er hielt mehrere Musiker in seinem Dienste und verstand aucli Latei- 
nisch, denn er liebte die Schriften von Livius und Cäsar sehr, 
führte iiimier irgend eine Schrift derselben mit sicli und erklärte 
öfters, dass ihm besonders Cäsar zuiu Kriegshandwerk sehr nütz- 
lich gewesen wäre. 

Seine Wittwe Margarethe von der Pfalz zog sich nach 
des Herzogs Tode auf das Schloss Einville zurück, wo sie ein 
Spital gründete. Dasselbe that sie in Sierck imd sie errichtete auch 
ein Clarissenkloster zu Pont-a-Mousson und ein Karthäuserklosfcer 
zu Kethel. Ihr Gemahl hatte von ihr nur zwei Töchter hinter- 
lassen. Die älteste I s a b e 1 1 e wurde Erbin von Lothriu''en und 
so die Ursache, dass die Häuser Par luid FiOthringen vereinigt 
wurden und an Stelle des Hauses Elsass das Haus Anjou trat*j._^ 
Die _ z w ei te Toch ter Katharina lieirathete j42() Jakob, Sohn 
des Markgrafen von Traden, dem derselbe in der Kegierung nach- 
folgte. Zur Aussteuer hatte dieselbe die Städte Bruyeres, St. 
Die, Arches und Raon und ausserdem als Pfandschaft das Gebiet 
in den Vogesen, mit Ausnahme der Bergwerke, erhalten, welche 
um sechzigtausend Gulden wieder eingelöst werden sollte. . 



Also regierte das Haus Elflaas im erblichen Besitze 883 COtviMo, 



Jahre lang über Lothring en, dwn es von 1048 bis 1431 vier- ^ 
zehn Herzoge gegeben hatte, und es schien eine ganz fremde 
Familie an die Stelle dieses fSut eingeborenen Geschlechts treten 
zu sollen, welohe sogar königlichen Qlam mit der Herzogswflrde 
za yerbinden Tersprach. 

*) In alleo dieaen weatUehen Landern hemohte lüfanlioh noch das 
Erbrecht, wonadi Erbtöchter den männlichen Seitoiverwandten vorgingen.^. :0 

Sonst hatte von Karl II. -ich Lotliringt-n an dessen BnidtT Friedrich l^^tDr ^fvtt 




vererben miissenj der durch Heirath 
geworden war. 




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324 I^'- Bich: Von Theobald II. bis zum Tode Karra II. ( 1303—14,31). 



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326 1^'- - ^'«n Theobald II. bis zum Tode Karl s IL (1303— 1431> 



6. Innere Verhältnisse. 

Literatur. Ausser den in den vorbeigehenden Abschnitten er- 
wähnten Schriften: Lepage, Recherches sur Vindustrie en Lorraine, 
Nancy IS'»!; — Lepao;e, Sur le droit d'asile en Lorraine im Journal 
de \i\ sfxirti- d'Archeologie 1855; — Dumont, Justice rriiiiinelle des 
duches de Lniraiiie et de Bar; — Ro^^eville, Dictionimire historique 
des ordounauces et des tribunaux de la Lorraine et du Barrois, 1777 ; — 
Boalay , Historit unimvitatu Parisiensis, t. V; — Die Hetzer Chroniken ; 
— H. Klippfei, Metz, cit6 episcopale et imperiale, 1867, (auch in 
Itenoires de TAcad^ie royale de Belgiqve, t. XUL.) 



Während dieses ZeitabsclmittB verftnderte sich viel in der 
allgemeinen Lage. Die Wahlstreitigkeiten nm den deutschen 
Thron konnten die Beichsmacht nur schwachen, föhrten zu Un- 
einigkeit und Kriegen unter den BeichsstSnden und veradassten 
sogar anslfindisehe Fürsten, sich um die deutsche Krone zu be- 
werben, wie dies namentlich Karl IV. von Frankreich that. Ein 
kräftigerer Ami schien in Budolf von Habsburg die Geschicke 
Deutschlands leiten zu wollen, aber derselbe dachte mehr an 
sich selbst und seine Familie, gründete im fernen Osten eine 
Hausmacht und entzog so nach und nach den Westen der 
scharfen Üeberwaohung, während die LandesfOrsten selbst sich 
Tom Kaiser unabhängig und selbständig zu machen suchten. 
Dagegen befisstigte sidi das Königreich in Frankrtich immer 
mehr, erweiterte dessen Grenzen, drängte die Feudalherreh zu- 
rück, indem dieselben dem Parlament und dem juristiBchen Bathe 
unterworfen wurden, und die königliche Gewalt, obsdion lange mit 
den Grossen und mit England ringend, fimd noch besonders 
darin eine Stärkung, dass die Erbfolge befestigt war und mit 
Sicherheit fortrererbt wurde. Die habsburgische Besidenz war 
als zu fem im äussersten Osten imd an der Reichsgrenze ge- 
legen kein Anziehungspunkt für die deutschen Fürsten imd bot 
ihnen auch sonst keine Annehmlichkeiten, wogegen der fran- 
zösische Hof mit seiner mehr südlichen Ueppigkeit, den Ver- 
gnügungen und dem genussreichen Leben überhaupt die deut- 
schen Fürsten westlieh des Bheins viel leichter und häufiger 



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Ü. limere Verhältnisse. 



327 



4uizog und er selbst noch dazu alle Mittel und Wege aafsuchte, um 
rathend und venoittelnd in deren Landesangelegeidieiten und Strei- 
tigkeiten sieh einzumischen. So breitete sich der französische Ein- 
fluss bald mfichtig Aber die westlichen Grenzmarken Deutsch- 
lands aus, lange bevor Frankreich daran denken konnte, seine 
Hand nach diesen Landestheilen selbst auszustrecken. 

Hfttte Frankreidi in dieser Zeit nicht gerade selbst mit 
inneren Eftmpfen und dem Entscheidungskriege gegen England 
zu thun gehabt, so wSre ihm dies gegenüber der Ohnmacht der 
deutschen Kaiser sehr leicht gewesen, da besonders in Lothringen 
und den benachbarten Gegenden yoUstandigeünsidierheit herrschte 
und das Baubritterthum auf der Höhe seiner Blüthe stand. Als 
eimnal der Bisdiof von Metz durch seine Diözese reiste und 
gerade in St. Ayold yerweilte, griff der Herr von Rodemachem 
plötzlich dies Stftdtdien an, um den Bischof zu fangen und von 
ihm ein hohes Lösegeld zu erzwingen, und nur ein kflhner Aus- 
fall des Bischofs trieb den Baubritter wieder mit Verlust zurück. 
Koch weit ftiger trieb es der schon mehr genannte P eter Ton /f /<r ' ' 
Bar, der mit semer ganzen Nachbarschaft in fortdauerndem 
Streite lag und es besonders auf die Stad ^lfete abgesehen hatte. f'iJ^ 
Als im Jahre 1372 die romehme Welt dieser Stadt einmal ^ 
auf dem C faamp-ärPann e vor der Südseite der Stadt sich dem 
Tanzvergnügen fingab, fiel er plötzlich über sie her, beraubte 
besonders die Frauen aller ihrer Schmn^achen und war Ifingst 
mit seinen Spiessgesellen wieder davon gesprengt, bevor die 
Metzer sich von ihrem Schrecken erholten und an Yertheidiguiig 
dachten. Ja sogar als im Jahre 1414 das OoncU von Constanz 
zwei Bischöfe und einige geistiüdie Herren an den König von 
Frankreich und den Gegenpapst sandte, fielen zwischen Foug und 
dem Flecken Yoid einige Lothringer Kaubritter unter Führung 
des Heinrich de la Tour und Charlot von DeuiUy über diese Ge- ^d^^cd 
sandtschaft her, tödteten einen Caplan und führten die I'ebrigen ]^ftT 
als Gefangene nach dem Schlosse Sancy. Diese letztere That 
machte dann solches Aufsehen, dass auf Auffordern des Königs 
Karl von Frankreich sofort die Herzoge von Bar und Lothringen 
und die Bischöfe von Metz, Toul und Verdun Truppen aufboten, 
um Sancy zu nehmen und die Gefangenen zu befreien, worauf 
zwar der grösste Theil der Uebelth&ter gehängt wurde, die An- 
führer sicli aber der verdienten Strafe zu entziehen wussten. 
Besonders im Bisthume Verdun herrschte damals solche Unsicher- 



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328 I^'- J^^^i»: ^'«^» Theobald II. bis zum Tode Karls U. (1303—1431), 

heil, dass die Canoniker keine Einkfiiifte mehr beziehen konnten 
und sich dahin und dorthin zerstrenten. Endlidi schloss im 
Jahre 1416 eine grössere Anzahl Herren ans Lotiiringen und 
dem Bar eine Art Bond unter Protection des Gardinal-Herzogs^ 
Ton Bar, dessen Mitglieder dn eigenes Abzeichoi trugen und 
sich veipflichteten, einander gegenseitig zu nnterstfitzen und das 
Verhalten der Mii^lieder selbst zu fiberwachen, denn einige der- 
selben waren selbst als berfiditigte Raubritter bekannt, wie der 
Herr Yon Commercy, Bobert Ton Saarbrficken. 

Diee Alles hfttte nicht so kommen können, hfttten nicht die 
jk<^ Herzoge und die Bischöfe stets mit einander Krieg gefllhrt, 
sich dazu mit den kleineren Herren verbunden und diese an die 
Bauferei und das Bentemachen gewöhnt und wire Einer der 
Herzoge im Besitze solcher Madit gewesen, um die* anderen 
niederhalten und zur Buhe zwingen zu können. Die Herzoge 
von Lothringen waren siehtiich bestrebt, freilich mehr im eigenen 
Interesse, die Privilegien des Adels zu besohrftnken, aber es gmg 
damit nur langsam und mussten dafür gftnstige Gelegenheiten 
anijgresucht werden. So hatte Herzog Friedrich dem Baubritter 
Bumequin von Kiste zweitausendvierhundert Livres und ein 
Quantum (Getreide geborgt, da aber dieser solche nicht zurück- 
erstattete, so liess der Herzog Rudolf 1348 nach dessen Tod 
seine sämmtlidien Güter in Luneville, Xermamenil, Blainville, 
Moncel und sonst gerichtlich aiisl>ieten und versteigern. Auch 
selbst in die Familienverhältnisse griffen die Herzoge ein und 
Theobald II. scliritt sogar entschieden gegen Heirathen zwischen 
Angehörigen des Adels und Unadeligen ein, indem er verordnete, 
dass jede Wittwe oder Tochter eines fidelmanns, welche einen 
ünadeligen heirathe, alle Standesvorzüge verlieren und das Erbe 
einer solchen Tochter an deren dem Adel treu gebliebene Schwester 
fallen solle. £in Dritttheil der Aussteuer sollte femer einer 
Tochter verloren gehen, die nicht den ihr vom Vater oder Bru- 
der dargebotenen Bräutigam lieirathen wollte. Dieses Vorgehen 
der Herzoge bewog dann auch den Adel selbst zur Abschaffung 
einiger eingerissener Missbräuche und da die F^delleute sich nicht 
mehr um die KeelitspÜege bekümmerten nud dadurch ihre Leute 
nöthigten, bei den herzoglichen Beamten Kechfc zu suchen, so ver- 
ordneten die Stände im Jahre 13G0, dass jeder herzogliche Lehens- 
träger nach altem Herkommen selbst die Gerichtsbarkeit ausüben 
und alle Klagen von ihren Maires in £mpfang nehmen lassen sollte» 



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6. Innere Verhältmaw. 



829 



Auch die vielen an Städte und Flecken gewährten Freiheiten 
beeinträchtigten den Adel sehr, denn viele seiner Unterthanen 
zogen desshalb in solche bevorrechtete Orte, so dass Herzo»^^ 
Karl auf erhobene Beschwerden des Adels demselben versi mv 
chen niusste, dessen I'nterthanen solche Büro^errechte nicht mehr 
ertheilen zu wollen. Dennoch blieben auch dafür Ausnahmen 
bestehen, denn in Orten, welche zur Hälfte dem Herzoge und 
einem Adeligen gehörten, konnte Jeder, der sich verheirathete, 
während eines Jahres sich entscheiden, zu welcher der beiden 
Gerichtsbarkeiten er gehören wolle. In dem ganzen Zeiträume / f f 
wurden an imme r meh r Orte verschiedene F reiheiten e rthei^t t^**'* 
imd dieselb^en erlangten dadurch den Vorzug, dass sie nun für 
ihre Häuser, Ländereien und den Viehb^tand nur re^elniässij^^e^ 
und bestimmt festgesetzte A})gal)en am jährlichen üericiifcbtage 
(plaids annaux oder les assises) zu bezahlen hatten. Solche 
lueilieiten erhielten unter Anderen in dieser Zeit Vignot an der 
Maas i;iOB, Vienne-le-Chätel KiOT, Chätel-sur-Moselle und 
V^zelise i:M 7, Stenay i:V23, Commercy und Breuil i:}24, Fresne, 
ikauzemont und Aulnoy 1320, Neuville-sous-Kepy VX^'a, Saar- 
^gemünd 1380 und Fontenoy-le-Cliateau I^fif). Diese Befreiungen ^ 
"erfolgten meiste ns auf Grimd des Stadtrechts vOn Beaumont, J^Cft^m.-^ 
doch mit mancherlei Veränderungen im Einzelnen, besonders be- 
züglich der für die Verwaltung und Kechtspflege bestimmten 
Beamten, da neben den Schöffen und den Geschworenen auch 
nodi einige andere Bürger beigezogen zu werden pflegten. In 
grösseren Orten wie Toni erfolgte die Rechtsprechung auf dem 
Marktplatze, in den meisten Gemeinden aber u nter den Gerichts« 
jftumen vor jier JgXrche. Wo dieselben Linden waren, ist mit 
Sic^rheit za behaupten, dass deutsche Beehtsgewohnheiten da* 
selbst Torlierrsdkten, denn die Unde ist der deutsche Baum und man 
&nd und findet sokhe nicht nur in ganz Deutschlothringen, sondern 
selbst in Metz und noch auf der linke n B^jgfilseite; wo es aber 
ülmOT i waren, ist dies ein Anzeichen för das Vorwalten des 
rornämisch en Mements, denn die Ufane ist der romanische odei^ 
fränzOsisdlie Gerichtsbaum. 

Die Herzoge, welche sich so bald von den französischen 
Sitten beherrscheii liessen, räumten ziemlich bald auch mit den 
deutschen Bechtsgewohnheiten auf und ahmten die französische 

Verwaltung nach. So gab es bald Marsebälle, Seneschalle, Amt> 

leute (bailHs), Preyots, Kastellane, Sergeanten, Generaleinnehniei:^ — 



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330 IV. BucU; Von Theobald U. bis zum Tode Karl's IL (1003—1431). 



u. s. w. und besonders im Steuerwesen folgte mau gerne dem 
westliclien 15eispiele. Ks gab in Lothringen drei^rosse Bailliagen 
^l, zu Nam-v, zu ^lii ccuurt t'ür die Vogesen und zu Vauldrevange 
für Jjeutsehlotliringon oder, wie man es nannte, rAllemagne. 
Gewölmliche Strafsaclien urtlieilteu die (ienieindel)ehörden und 
Prevots ab, die Bailli s dagegen prüften niclit nur die Urtheile 
der Letzteren, sondern übten auch die Keehtspflege über den 
AdeL Civilsachen und sassen den jäluiicheu ( Jerichtssitzungen 
vor. Mit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts wurden ge- 
wöhnliche Advokaten gegen besondere Vergütung mit den An- 
klagen betraut, bald wurden aber besondere herzogliche Advokaten 
dafür aufgestellt und man kennt noch die Namen mehrerer der- 
selben. Trotz der französischen Nachahmungssucht zeigte sich 
doch in Allem, dass hier fast überall noch deutsche Rechts- 
gewohnheite n Torherrschten, und zumal bei den Klöstern, welche 
, Sfeeges^^te Gerichtsbarkeit besassen, tritt dies offen hervor. 
, Y ' Äif den Gerichtstagen, welche der JKämmerer abhielt, wurden 
.^ »^/^^ aus den von den Bürgern gewählten Schiedsmännern ( prud'homme s) 
X ein Maire nel>8 t Schöffm und Beisitzer erwSlilt und ^ese nrtheil- 

i ten sodann ttber Font-, Ja^* und FisehereifireTel, nahmen die 

Steuern und SLbgaben und Zehnten in Empfang und pflogen dar- 
' über Abrechnung. Um diese Zeit hatten sidi sogar noch Beste 
der alten gerichtlichen Entscheidung di qch Zw Ml ampfe erhalten, 
jedoch nur bei sehr schweren und todeswfirdigen Verbrechen und 
wenn man in anderer Weise die Wahrheit nicht erf<Nrschen 
konnte. An manchen Orten sprach der Prerot das ürtheil nicht 
selbst, sondern es wurde über den Angeklagten abgestimmt, aber 
der I^Tot hatte das ürtheil zu vollziehen. Da manche Geri chte 
das Bec ht au f jie ^^öder des zum Tode YerurtheÜten hatten, 
so wur3e~ er na^T dem Prevot übergeben und erst nach und 
nach ihm noch das Hemd gelassen, nur Frauen wurden der 
Kleider nicht beraubt. Aber so streng wurde dieses Becht aus- 
geübt, dass das Gericht des Klosters Moyen-Moutier, als ein 
Sdiwein, das ein Kind aufgefressen, Tsrurtheilt und dem ProTOt 
überliefert wurde, ausdrfiddich sich das Becht auf den Strick 
vorbehielt, an welchem das Schwein geführt wurde. Geftngniss- 
strafe konnte wegen Mangels an Gefingnissen nur selten aus- 
gesprochen werden und bewachte man einen dazu YerurtheÜten 
oft in seinem eigenen Hause ; minder wichtige Vergehen wurden 
mit Geldstrafen gebüsst und fahrte dies daher oft zu Vergleichen 



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6. Innere Verhältnisae. 



331 



'/wisclien den f^cLfiieriscliPn Parteieu. Wurde, wie so oft, auf 
Verbaiiiumg" erkauiit, so erstreckte sich dieser Bann auf den 
ganzen Gerichtsbezirk. Da in diesen Gegenden die verschiedenen 
Oebietsstrecken sehr bunt durcheinander gewürfelt lagen, so ent- 
gingen die Uebeltliäter nur zu leicht der Bestrafung. Ausserdem 
behauptete die Geistlichkeit noch für ihre Kirchen und manch- 
mal selbst für die Friedhöfe das Agylreckt und da und dort gal) 
€8 sogar noch ein Haus, z. B. in Arches, welches im Besitze 
desselben für eine gewisse Anzahl von Tagen war. Schliesslich sei 
noch envähnt, dass namentlich in Metz noch die b arbar ischsten 
JStra|en vollzogen wurden. Das Ertränken in der Mosel kam 
"dortniciit bloss sehr häufig vor, sondern fand auch auf ver- 
hältnissmässig gar nicht so schwere Verbrechen, ja auf Ver- 
gehen Anwendung; man hieb dort Hände und Arme ab, riss die 
Augen heraus, verbrannte weibliche Verurtheilte und sott die 
zum Tode Verurtheilten in einigen Fällen sogar in Oel. In 
jenen Gegenden stellte man leichtere Ueb^lthäter auch an dem 
Pranger aus und junge Leute Avurden auf oHeiitliclieni Platze mit 
Prügeln abgestraft. — Bezüglicli <h^r Kechtsptlege in (Jivilsachen 
ist bereits nudirerer Verordnungen der Herzoge gedacht worden, 
welche zum Theil darauf hinwirkten, das Xoüiriats w egen zu ver- 
bessern und grössere Rechtssicherheit zu schaffen. Herzog Karl IV. 
erliess 1391 auch eine Verordnung über eheliche Trennung, 
wonach eine Frau, welche ihren Mann verlässt, als Hure betrachtet 
und ihrer Mitgift verlustig werden sollte. 

Bei allen diesen Gerichtsverfahren gab e» in der Kegel nur 
eine einzige Instanz und nur die Mitglieder des Herrenst andes 
hatten ein gewisses Berufungsrecht. Zu Metz konnte ausnahm»- ']]\\ 
weise der Oberschöffenmeis ter eine dvilaache noch einmal an 
das Ck>2l6giimi der Dreizehner zu wiederholter Frfifang innerhalb 
weniger Tage zorüclgehen lassen, in Strafsachen aber stand 
ihm nicht einmal die Befogniss zu, der Oeriehtsaitzong beizn- 
wohnen, und nur wenn er einem Verurtheilten zufiUig begegnete, 
konnte er auf dessen Anrufen seine Angelegenheit in zweiter 
Instanz Butscheiden. 

Die Kriege und unsicheren Verhiltnisse in dieser Zeit waren 
dem Aufblähen der Stftdte nicht gfinstig und man erzielte eine 
Zunahme der Einwohnerzahl meistens nur dadurch, dass Leute 
aus den Landorten und den Gebieten des Adels in cBeselben ein- 
wanderten. In der besten Lage befand sich Metz durch seine 



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332 -LV. Buch : Von Theobald II. bia zum Tode Karl's II. (laOa— 1431). 

ungemein starken, dui'ch zwei Flüsse gesicherten Maaern, seine 
grosse Einwohnerzahl, die allein schon mehi-ere tausend Be- 
waffnete lieferte, den steigenden Keichthinu durch Gewerbe, 
Handel und Geld Wucher, die Ansammlung und Selbstverfertigung 
guter Waften und selbst Kanonen und die Fähigkeit durch seine 
grossen Gekbnittel zu jeder Zeit Verbündete und zahlreiche, in 
iü'iegen schon geübte Söldlinge, so oft es nöthig erschien, in 
den städtischen Dienst zu ziehen. Dies vor Allem bewirkte, dasa 
die grossen Epidemien von 1390 und 1426, welche letztere 
allein sechszehntausend Menschen hingerafft haben soll, nur 
vorübergehend die Einwohnerzahl beeinträchtigten und da die 
Metzer, die überhaupt sich nicht als Helden zeigten, so klug 
waren, alle ihre Kriege nur durch bezahlte Söldlinge ausfechten 
zu lassen, keinen oftenen Kampf mit starken Schaaren im freien 
Felde anzunehmen, sich, wenn die Feinde nahten, in ihren festen 
Mauern einzuscldiessen und nur dann Ausfälle und Kaubzüge in 
Feindesland zu machen, wenn sie auf keinen erheblichen Wider- 
stand zu stossen befürchteten, so konnte natürlich Volkszahl und 
Reichthum der Stadt nur zunehmen. Weniger war dies schon 
mit Toul der Fall, welches sich nicht in gleicher Weise zu 
schützen vermochte, aber auch diese Stadt soll um 182") bereits 
gegen zwölftausend Einwohner gezählt haben. Noch kleiner war 
Verdun, das aber einige Industrie, Handel und selbst Wohlhaben- 
heit besass. Alle übrigen Städte des Landes traten weit hinter 
diese zurück und die Hauptstadt Nancy hatte am Ende dieser 
l*eriode noch nicht vierta usend Bewohner, obschon die Herzoge 
regehnässig daselbst wohnten. Noch kleiner waren die Städtchen 
Pont-ä-Mousson , Bar-le-Duc, St. Mihiel, Mirecourt und St. 
Nicolas-de-Port und nur die bischöflich metzische Stadt Epinal 
soll um diese Zeit schon vierzehntausend Einwohner gehabt 
haben. Sie fühlte sich dafür aber auch selbst für wichtig 
genug, dass die Biirger den Bischof Conrad Bayer von Boppart 
darum angingen, ihnen auch Stadtreclite zu verleihen, wie sie 
andere Städte belassen, und als dieser es abschlug, erklärten sie 
sich sogar für unabhängig, bis der Bischof mit Truppen und 
Kanonen heranrückte und die Stadt wieder unterwarf. Aber es 
brach doch bald wieder eine Erhebung aus, welche erst das 
Concil von Basel durch zwei Urtheilssprüche beendigte, und 
die unkluge, fortwährende Weigerung des Bischofs hatte nur 



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6. Lauere Yerhaltmase, 



338 



zur Folge, dass die Stadt der bischöflichen Herrschaft noch 
mehr überdrüssig wurde und sie zuletzt an Lothringen gelangte. 

Dass der Keichthum von Metz fortwährend zunahm, obschon 
die Stadt durch die vielen Kriege oft ungemein grosse Summen 
aufurenden musste und auch die Patrizier ihre Güter dabei stets 
verwüstet bekamen, hatte seinen hauptsächlichsten Gnmd auch 
in der Thatsache, dass dies bis auf weite Entfernungen hinaus 
die eins^^e grössere Handelsstadt ivar, welche dadurch für ganz 
Lothringen, Bar und Luxemburg maassgefoend wurde. In der 
früher erwähnten Metzer Keimchronik über den Vierherrenkrieg 
von 1324 ist in der Einleitung eine ausführliche Schilderung des 
Metzer Handels und Wohlstandes enthalten und daraus ersichtlich, 
dass Metz der Hauptstapelplatz für alle (liegenstände des täg- 
lichen Verkehrs wie des Luxus war. Metz allein trieb Handel jjf^i 
mit Strassburg, Nürnberg, frankfiirt, Köln, Paris und dem süd- " 
liehen Frankreich und schon aus dem Jahre 1303 hat sich noch 
ein Handelsvertrag der Stadt mit Nürnberg, Arles, Cambray, 
Fra nkenber g, Diedenhofen und St. Troi^bei Mastricht erhalten, 
worin sich diese Städte gegenseitige Befreiung des Handel^ von 
allen Abgaben zusicherten. In gleicher Weise bedang sich Metz 
durch Verträge nach allen Seiten freien Durchgang aller Emte- 
erzeugnisse und Waaren aus. 

Eine Hauptquelle der Bereicherung für die Metzer waren 
di<' Geldgeschäfte und der Geldwucher. Man hatte hier, um 
diese Geschäfte allein in die ifäncTzii bekommen, die Juden aus^ 
getrieben und sogar die Zahl der Wechsler beschränkt und selbst 
die ersten Familien gaben sich mit solchen Geschäften ab. Wer 
immer von den hohen und mittleren Herren der Umgegend oder , , 
von Klöstern und Stiftern Geld bi"auchte, wandte sich an Metzer //•*'«' 
und daher waren dieselben auch so oft den Metzer Familien ver- ^ 
schuldet. Ein Abt von Senones hatte so allen Kirchenschmuck, 
Kostbarkeiten u. dgl. an eine Metzer Frau versetzt und selbst 
ein Herzog von Lothringen hatte seine goldene Krone und an- 
dere Kleinodien in Metz verpfändet, lauter Verhältnisse, welche 
der Stadt viel Ungemach zuzogen, weil diese Herren die Metzer 
gern durch Kriege zwangen, ihre Geldforderungen theilweise oder 
ganz nachzulassen. Die vielerlei im Lande umlaufenden Münzen 
machten es auch weiter erforderlidi, dass auch sonst noch Wechsler- 
geschäfte entstanden, deren wir um diese Zeit noch in Toul, 
Verdun, Nancy, Neufchäteau und Valdrevange finden. Herzog 



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;]34 IV. Buch: Von a^heobald IL bis zum Tode Karr» II. (ia03— 1431). 

Friedrich IV. erliess 1325 eine VeioiJuung ril)er Maasse uml 
Gewichte, für die Märkte wurde das iiöthige freie (ieleite 
währt und Herzog Karl verordnete \:\\)\) sogar, dass einem 
ordentlichen Kaufherrn, der aus eigenem Nichtverscliulden seinen 
Verbindlichkeiten nicht genügen könne , aus der herzogliehen 
Kasse sechs Mark Silber für sein Geschäft verabfolgt werden 
sollen. Wegen Schulden gab es damals noch keine Haft, ausser 
wenn die Schuld dem Herzoge gehörte, aber die Herren halfen 
sich leicht in anderer Weise, um zu ihrem Geld zu kommen, 
denn Gläubiger des Grafen vrui liar nahmen z. B. i;U(i einfach 
einige Bürger aus seinem Städtchen Pont - ä - Mousson gefangen 
und sperrten sie bei W asser und Brod ein, um dadui'ch ihren 
Herrn zur Zahlung zu bringen. 

Wenn in dieser Zeit mandmial weite Reisen, namentlich 
nach dem Morgenlande, unternommen wmden. so geschah dies 
Kumeist aus Frömmigkeit, denn so weite Handelsverbindungen 
konnte man in diesem Lande noch nicht anknüpfen und wurden 
die Waaren stets nur aus Zwischenstapelplätzen und nicht direkt 
Ton ^en Seehäfen oder Productionsorten bezogen, waren doch 
sogar die Metzer tind Lothringer Kaufleute darauf angewiesen, 
die Producte ans dem Süden in B leurville bei Darnev aufzu- 
kaufen. Aber auch die erwähnten mehr frommen Reisen blieben 
nicht ohne Böckwirkwig, denn sie machten Erzeugnisse und 
Gegenstände, ferner Weltgegenden im Lande bekannt. Von ei- 
nigen solcher Belsen haben mr nähere Nachrichten, wie z. B. 
diiss der ffischof yen Yexdun, Hugo von Bar, um 1362 in 
Aegypten starb, und Aber die BeisQ des Simon Yon Saarbrficken, 
der 1395 in Pidfistina und Kairo war, hahen wir aogar nodi 
eine Art von Tagebuch. Um dieselbe Zeit war Johann ron M4- 
Yille, Amtmann des VogesenbezirlES, in Jemsal^ und im De- 
cember 1428 waren zwei Metzer Patrizier, Nicolaus Louve und 
Martin Georges, ebenfiüls in Palästina, woher sie zwei Papageien 
mitbrachten, die in Metz ebenso angestaunt wurden, wie drei' 
Jahre zuvor das Dromedar, welches im Hofe Si Martin ftr 
einen Denier zur Schau ausgestellt war. Die Metzer Chroniken 
erwähnen auch zum ersten Male zum Jahre 1430, dass damals 
einhundertundflänfidg Sarazenen aus Aegypten mit Frauen und 
Kludem und unter einem Herzoge und zwei Anftthrem, die aber 
alle getauft miren, in Metz erschienen, worunter man aber na- 



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6. Innere YerMltnisse. 



335 



türlich nicht Sarazoneu, sondern Zigeuner vei*stehen luuss, die 
damals ihre westlichen Wanderzüge antraten. 

Bemerkenswerth für das Land ist, dass die Herzoge schon 
seit Beginn des vierzehnten Jahrhunderts daran dachten, die 
Gewerbe dadurch zu fordern, dass sie dieselben zur Gründung 
von Corporationen unter sich und nach den einzelnen Hand- {')^/. 
werken veranlassten. 1341 — 43 entstanden solche z u Nancy für_ 
die Hauptgewerbe und auch in anderen Städten wurden sie ge- 
fördert, wobei man eine gewisse Verbindung mit der Kirdie und 
kirchliche Feierlichkeiten einführte. Es ist nicht mehr ersicht- 
lich, ob Herzog Rudolf damit einen gewissen politischen Zweck 
verband und unter Umständen in diesen Corporationßn-Jödsr^ 
Zünften eine Stütze suchte. Für Metz, wo dieselEen schon 
länger bestanden, jede Zunit einen bestimmten Thurm der Stadt- 
mauer zu erhalten und zu yertheidigen hatte und sich dadurch 
ein gewisser Corporationsgeist bildete, wurden dagegen die 
Patrizier auf dieselben eifersüchtig, denn sie erblickten in 
ihnen eine steigende Gefahr für ihre eigene politische Allein- y 
herrschafli und desshalb benützten die Patrizier im Jahie 1382 jf^» / 
einige Streitigkeiten unter diesen Corporationen, um alle G e- Ö 
werksgenosaenschaften aufzuheben und den Gewerken nur noch 
zu erlauben, unter Aufsicht der Patrizier jährlich eyuQsi_&ine^ 
Versammlung zu halten, nm ihre Geschworenen zu erwählen-_ 
Dadurch wurde natürlich das Entstehen eines kräftigen Mittel- 
standes in Metz verhindert und so der 170 Jahre später erfolgte 
Verlust der Freiheit angebahnt, die in dem verkommenen Pa- 
triziat keine Vertheidiger, sondern nur noch verkäufliche Ver- 
räther fand. 

Mehrmals ist schon erwähnt worden, dass ungeachtet man- 
cherlei vorhandenen Vorbedingungen für die Industrie sich die- 
selbe in Lothringen doch nicht recht ausbilden wollte. Die 
Glasindustrie, welche so billiges Holz vorfand, lag noch in ihren 
Anfingen und wurde nur erst in Pont-ä-Mousson und einigen 
vom Donon auslaufenden Thälem schwach betriehen. Hetz 
lieferte für das ganze Land die Pflugschaaren, Leder, einige 
WoUwaaren und die meisten Qoldarbeiten. Ein ordentlicher 
Glockengiesser war im ganzen Lande nicht zu finden und als 
die Bflrgerglocke 1427 neu und grösser gegossen werden sollte 
(man verwandte dazu 19,000 Pfond QussmetaJl und ITOO Pfünd 
Zinn), musste man die Arbeit durch zwei Fremde aus Luxem- 



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336 Buch: Von Theobald IL bis zum Tode Karl s II. (1303—1431). 

bürg vollführen lassen, wie auch s})iiter nielirmals Strassluirger 
Giesser dies ))esor<i^en iiiussten. Der Bergbau auf Blei und Silber 
und nur weni^^ auf Eisen wurde fortgesetzt und Freilioifceu und 
Privilegien dafür 1;U7 von Herzog Friedricli und J^hS von 
Johann I. verliehen. Im Jalue 1 ; > 1 f) veipachtete der Erstere in 
Gemeinschaft mit Kitter Burnequin von Kiste die Silberberg- 
werke von St. Die an mehrere Gewerke, die lauter ^u_Mie 
Bergleute verwandten und auch die deutschen bergrechtlichen 
Grundsätze hier einführten. Das Münzwesen machte damals den 
Herren viele Sorgen. Metz hatte schon längere Zeit zuvor die 
bischöfliche Münze an sich gebracht und in Lothringen wurden 
Münzstätten zu Nancy, Neufchäteau, Preny und Sierck errichtet, 
aber um tüchtige Münzmeister zu erhalten, mnsste man ihnen 
zahheiche Befreiungen und A'orrechte ertheilen. Trotzdem reidite 
bei dem schwerf^gen und langsamen Gange des AufflntnieiiB 
diese Zahl nicht, um die Tielen Bchlacliten, namentMeli framO- 
sischen Mflnxen umzuprägen, und Herzog Theobald n. sah deh 
daliet genOthigt zu veiordiien, daaa ftbr Steuem und Abgaben 
nur die als eursfähig erklärten Mflnzen anzunehmen seien. 

Mit dian Ackerbau .sah es in dieser unruhigen Zeit sehr 
Abel aus, denn die Einwohnerzahl auf dem Lande nahm ab, ebenso 
die Zahl der bebauten Lftndereien und an neue Urbarmaohungen 
dachte kein Mensch mehr, da es an Absatz fehlte. Mit der 
grösseren Aiisdehnung des Weinbaus ging auch die Bierbrauerei 
zurfick, wogegen der Beidithum an Obst zur Einführung der 
Bereitung von Aepfelwein fUorte. 

Was noch von den firflheren Schulen übrig war, verfiel in 
dieser schlimmen Zeit ebenfiEÜls und nur die bischöfliche Schule 
zu Toul erfreute sich noch einigen Ansehens, zumal unter der 
Iioitung des Johann von Molan; es gab an derselben sogar auch 
zwei Lehrer fEür di e Becht swissenschaft. In Metz bestanden nur 
'm^den Benedictinerklöstern einige gewöhnliche Sdiulen und die 
nur auf Gelderwerb und Yergnflgen bedachten Patrizier bekfim- 
merten sich um das Schulwesen ganz und gar nicht, wie denn 
auch Metz in seiner reichsstädtischen Zeit keine städtische oder 
Laienschule besass und den Unterricht der Jugend lediglich den 
Mönchen und Nonnen fiberliess. Ebenso bestanden im Herzog- 
thume Lothringen keine solche Schulen und wurde mehr für 
einen Beichtvater als einen Lehrer Sorge getragen. Unter diesen 
Umständen war es gut, dass die Universität zu Paris sich zu 



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6. Innere Veriiältnisse. 



337 



hohem Ansehen an&chwang, obachon gerade sie nngemein viel 
ZOT Yerwelschnng von Lothiingen beitrug. Wer immer etwas 
Besseres lernen und eine höhere Bildung gewinnen wollte, wan- 
derte zu diesem Behnfe nach Paris, wo die Studenten nach ihren 
Heimathlfindem in Gruppen zusanunen wohnten. Wilhelm von 
la March e miethete deshalb zu Paris das nieht mehr benützte 
alte Coliegium von Gonstantinopel und stiftete darin f&r arme 
Studenten a us Bar und dann auch aus Lothringen das^Colle^ 
gium la TtfftT^ ft mit sedis Bursen, welche aber später verdop* 
pelt wurden, und trug dadurch nidit wenig dazu bei, dass zahl- 
reiche Lothringer hier ihre Ausbildung fimden. Dies Colleg 
bestand bu Jl<mlution^eit Auch Toul besass ein solches 
in Paris, welches aber schon im Anfimge des f&n&ehnten Jahr- 
hunderts wieder einging, die Metzer aber dachten an solche 
Fflrsorge durchaus ni^t und konnten daher auch niemals in 
ihrer Mitte Jemanden finden, der fähig war, Stadtsyndicus oder 
politischer Batii zu werden, weshalb man immer Fremde dazu 
berufen musste. Von jungen Leuten aus Bar und Lothringen, 
die sich in dieser Zeit einen Namen machten, werden genannt: 
Franz von St. Mihiel, der 1368 zum Bector erwAhlt wurde, 
Peter von Metz, Nicolaus von Vaud^ont, Johann ym Foug und 
Ludwig von Nancy, die Meister der fireien Künste wurden, Ni- 
colaus von Gondrecourt, Hugo von Yand^ont, Hugo ron Verdun, 
Aegydius von Etain, Dominik ton Luneville, Johann Ton Si 
Mihiel, Johann und Lambert von la Marche, die sich sonst oder 
als Beamte horvorthaten. — Als die bischöflichen Schulen in 
solcher Weise fast alle eingegangen waren, sahen sich einige 
Kirchen sogar genOthigt, an ihren Schulen Laien als Lehrer zu 
yerwenden, wie zu Metz den Meister Charbin an der Kirche 
St. Yjt und Wiry d'Ardenne an der Kathedrale. 

Auch für den Elrchenbau konnte die Bischöfe und Capitel 
keine Kräfte mehr unter den Geistlichen finden und daher waren 
sie genöthigt, dafär ebenfalls Laien als Baumeister zu ver- 
wenden, wie überhaupt aus den grossen Bauhütten zu Strass- 
bürg, Köln und sonst nur weltliche Baumeister hervorgingen 
und die erforderlichen Fähigkeiten mitbrachten. In dieser Zeit 
wurde die Kathedrale von Verdun vollendet und, um die nöthigen 
Mittel dafür zu erhalten, bedurfte es der Opferwilligkeit des 
Vorstandes dos Gemeindegerichts, Johann Waltrac. Um die 
Kirche der Abtei 8t. Vanne zu vollenden, steuerten alle davon 

Hvhn, QMohicIite Lothringons. 22 



338 IV. Buch: Von Theobald U. bis zum Tode Karl's II. (1303—1431). 

abhängigen Prioreien bei, indem jede derselben zur Unterhaltung" 
von zwei Arbeitern und zweier Wagen mit Pferden die nöthigen 
Nahrungsmittel und das Geld zum Lohne beitrug. — Der Kathe- 
dralbau zu Metz rückte in dieser Zeit auch wesentlich voran 
und erhielt eine andere Gestalt und Ausdehnung, namentlich 
seit 1330 unter Bischof Ademar. Derselbe übertrug die Lei- 
tung des Baus einem Laien, dem erfahrenen Baumeister Peter 
Perrat, der 1400 starb und in der Kathedrale selbst begraben 
wurde. Derselbe Baumeister führte nicht nur auch die schöne 
Karmeliterkirche zu Metz auf, die erst in unserem Jahrhunderte 
in barbarischer Weise zerstört wurde, sondern führte auch den 
Bau der Kathedrale zu Toul weiter. Zu Nancy entstand in 
dieser Zeit die Collegiatkirche von St. Georg im späteren Spitz- 
bogenstyl, welche aber zur Vollendung einer grösseren Keihe 
von Jahren bedurfte. Alle diese grossen Kirchen wurden auf 
Kosten der Bischöfe und Geistlichkeit erbaut und nur für die 
Karmeliterkirche in Metz gab Herzog Hobert von Bar, der da- 
mals zu Metz in Gefangenschaft lebte, die nöthigen Gelder. 
Doch Hessen auch einige Metzer kleinere Kirchen auffuhren, 
wie 1427 Johann Georges die Minoritenkirche daselbst. — Von 
weltlichen Bauten aus dieser Zeit ist wenig zu melden, denn 
die meisten derartigen Gebäude zeichneten sich nicht son- 
derlich aus. Zur Erbauung von festen Mauern um die Städte 
wurden meistens die Bürger selbst verpflichtet. In Metz war 
jedem der Gewerke ein Thurm zur Vertheidigimg und Unter- 
haltung zugewiesen und die anderen grossen Arbeiten wurden 
gemeinschaftlich besorgt. Als Herzog Robert von Bar die Neu- 
stadt von Bar 1368 mit Mauern umgeben Hess, ordnete er an, 
dass jeder Bürger nach seinem Vermögen dazu beitrage. Um 
die südliche Moselbrücke zu Metz aus Stein ausgeführt zu er- 
halten, gewährte der Magistrat dem Hospitale St. Nicolaus das 
Recht, von jedem Gestorbenen das beste Kleid in Anspruch zu 
nehmen, wogegen sich dasselbe verpflichtete, diese Brücke aus 
Stein zu erbauen, weshalb sie auch Pont des Morts genannt 
wurde. 

Eine erhebliche Umänderung fand bei dem Kriegswesen 
statt. Die Vasallen mit ihren Angehörigen reichten nicht mehr 
bald der Krieg mit grösseren Massen geführt werden 
und da man die Landleute nicht für so lange Zeit vom 
^<?fnehnien konnte, so grilf man zum Systeme der Söld- 



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6. Innere Verhältnisse. 339 

liiige, wofür sich in diesen unruhigen Zeiten immer ein reich** 
liches Material Yorfimd. Aber ganz besonders wirkte Mar die 
Erfindung des Pulyers und der Schiesswaffen ein, da man dafiOr 
besonders geübter Leute bedurfte. Es wurde also schon der Grund 
zu einem stehenden Heere gebildet, dessen Kern als Garnisonen 
in den verschiedenen Yesten lag. Noch mehr aber trug die 
Einfährung der Wallbüchsen und Kanonen zu einer Umge- 
staltung im Eriegswesen bei, denn vor letztere^ konnten die 
bisherigen Mauern und Thfirme nicht mehr Stand halten. Die 
Metzer rfihmen sidi, die ersten Kanonen eingeführt und ange- 
wandt zu haben, und richtig ist es auch, dass sie ein reiches 
Material an soMen Waffen und Geschützen in dieser Periode 
zusammenbrachten. Wenn sie aber, wie in neuerer Zeit von 
den Metzem behauptet wird, wirklich die ^ten gewesen wSren, 
welche die Feuerwaffen und Kanonen bei sich einführten, so 
hätten die doch sonst so ruhmrednerischen Metzer Chronisten, 
dies gewiss nicht verschwiegen. Uebrigens besassen auch andere 
Herren damals schon Kanonen, wie dies vom Herzoge von Lo- 
thringen schon berichtet wurde. Was die Anwendung der Ka- 
nonen zur Stadtvertheidigung betrifft, so ersehen wir aus den 
Metzer Berichten, dass man in den Mauern noch keine Schiess- 
scharten hatte, sondern die Kanonen auf der Plattform der 
ThÜrme und selbst der Kirchen aufteilte. 

Das grosse Schisma in der katholischen Kirche musste auch 
auf Lothringen um so eher zurückwirken, als Avignon, der Sitz 
des Gegenpapstes, dem Lande so nahe lag. Es war daher die 
Geistlichkeit hier sehr getheilt und hatten beide Gegenp&pste 
Anhänger. Der Erzbischof von Trier hielt zum Papste Urban VI. 
in Bom, die Bischöfe von Metz, Yerdun und Toul dagegen zu 
Clemens VH. in Avignon und trug hierzu wohl ganz besonders 
der Einfluss des nahen Frankreich beL Dies verhinderte aber 
nicht, dass trotzdem der Metzer Weihbischof mit einem Theile 
der Geistlichkeit zum Papste von Bom hielt und auch die Bürger 
von Metz, wiewohl vergebens, für denselben zu gewinnen suchte. 
Die Touler dagegen traten entschieden für den römischen Papst 
auf und zwangen die Canoniker sogar, sich nach Vaucouleurs 
zurückzuziehen. Da sich das deutsche Beichsoberhaupt der 
Touler ftnypahm und in seinem Auftrage der Seneschall von 
Luxemburg das bischöfliche Gebiet besetzte, so wandten sich 
die Canoniker zur Yermittelung an König Karl YL von Frank- 

22* 



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340 Buch: Von Theobald II. bis zum Tode Xarl s II. (J3ü3— 1431). 

raich, der auch die Bflckkehr der Canomker nach Tool bewirkte, 
dessea Biscbof aber in Avignon verblieb. Erst im Jabre 1409 
madite das Condl von Pisa einstweilen der Yerwirrung ein Ende 
und es erschienen anf demselben ausser dem Cardinal Ton Bar 
die drei Bischi^fe Ton Metz, Toni nnd Yerdun nnd für den Herzog 
Ton Lothringen zwei Geistliche als SteUvertreter. 

Bei solcher Spaltung riss auch viele Unordnung in den 
Klöstern ein und jenes von Si Ttfa-Timifi zu Trier wShlte sich 
nach und nach drei Aebte, deren jeder seine Anhänger darin be- 
sass. Hemnann von Og^viller, Abt t. St. Eipvre, suchte daher 
im Benedictinerorden eine Beform der Begeh einzuführen und 
berief 1422 die Aebte desselben in die .Kathedrale von Toul, 
wo sie dieselbe annahmen. Eine noch zahlreichere Versamm- 
lung zu gleichem Zwecke fimd bald darauf in der Abtei Si 
Maximin statt, aber die Aebte der Abteien St. Amul( demens, 
Symphorien, Vincenz und Martin von Metz, sowie von Si Avold 
und Longerille wollten auf die Aenderung nicht eingehen und 
nachdem Bischof Conrad Bayer von Boppud die Convention von. 
Bursfeld vergebens zur Annahme vorgesehlagen, vermochte er 
zuletzt nur die Beform des Hermann von Cgdviller durdizu- 
ÜBbren. Nicht minder hatten sich die WeltgeistUchkeit und die 
Ganoniker dem Einflüsse der Bischöfe entzogen und es kostete 
Mflhe, die Kleriker von der Theilnahme an ^valcaden und Tur- 
nieren mit den Kriegsleuten abzuhalten. Dabei wurden auch 
noch andere Missbrftuche und lächerliche Ceremonien in den 
Kirchen geduldet, wie man z. B. in der Kathedrale von Tbul 
das Narrtest feierte und mit lächerlichen Verkleidungen und 
Ceremonien das Begrähniss des HaUeliga abhielt, wie heut zu 
Tage man noch da und dort den Fasching am Aschermittwoch 
zu Grabe trägt Unter solchen Umst&nden erlaubten sich die 
Kirchenpatrone auch allerlei Eingriffe in die Bechte und das Ver- 
mögen* der Kirche und es fehlte nicht an Gewaltthätigkeit ein- 
zelner Herren gegen GeistUcbe. 

Als sehr bezeichnend ist in dieser Periode das Aufkommen 
und die Verbreitung des Mariencultus in Lothringen hervorzu- 
heben, der aus Frankreich herfiberwanderte, wo man Maria als 
Schutzheilige des Landes verehrte. Der Touler Bischof Heinrich 
de la ViUe führte in seiner Kathedrale zuerst den Gesang des 
Ave Maria, gratia plena (heilige Maria, du bist voller Gnaden), 
em und gegen das Ende des vierzehnten Jahrhunderts stiftete 



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6. Innere Verbältaisse. 



341 



Graf Friedrich von Vainlf'nuint, Brader des Lothringer Herzogs 
Karl IV., in der Fraueukirclie von Sion, einem bekannten 
Wallfahrtsorte, eine Marienbruderschaft mit I)esonderen Stiituten 
und Abzeichen. Von da an verbreitete sich d»M- Mariencidtus 
immer mehr durch das Land, welches Maria ebenfalls als seine 
Schutzheilige ansah, so dass man nnr äusserst selten an Strassen, 
Kreuzwegen und selbst in Häusern ein Kreuz mit Christus, wohl 
aber überall Marienbilder in Menge und Yon jeder Art antrifift. 
Mit diesem Cultus ging aber natfirlich nach und nach das eigent- 
liche Wesen def christlichen Beligionsrerehrung unter. 

Neue Klosterstiftangen kamen weniger Tor, ausser in St&dten, 
doch hatten die Herzoge von Lothringen und Bar die schon 
vorhandenen stets reichlich in ihren Testamenten bedacht. Zu 
Metz Hessen zwei Borger 1320 und 1370 die Klöster der 
Gisterzienser und Celestiner erbauen und zu Bar Hessen sich 
Antoniter nieder, dagegen hatte die Abtei Senones im Jahre 1420 
nur noch sechs Mönche. Wie schon erwähnt, saecularisirte sich 
die Abtei zu Bemiremont selbst und gestaltete sich in ein ade- 
liges Frauenstifl; um, dem Papst Benedict XTTT. im Jahre 1394 
die Statuten mit der Bestimmung best&tigte, dass zur Au&ahme 
vier Täterliche und mütterliche Ahnen nöthig seien. Die Ca- 
noniker von St. Peter zu Bar, welches Stift 1315 für funfidg 
Canoniker gegründet war, machten später unter sich eine Ver- 
einigung, wonach das Vermögen Aller zusammengeworfen wurde, 
das dann die Üeberlebenden zusammen erbten, so dass am Ende 
dieser Periode nur noch sechszehn Canoniker Übrig blieben, die 
so auf sich die Ptäbenden fSa sechszig Tereinigten. — Die Wirren 
der Zeit, Krankheiten und öftere Noth veranlassten die Grün- 
dung verschiedener Spitäler. Das Kicolausspital zu Metz war 
in dieser Zeit schon reich, es wurden solche femer gegründet 
in Nancy, nämHch von St. Julian und St. Vincenz, in Bar und 
in den meisten andere Städten des Landes, wogegen die Lepro- 
senhäuser abnahmen, da wohl auch die betreffenden Krankheiten 
sich verminderten, üebrigens richtete sich auch der zunehmende 
Aberglauben gegen dieselben, da man die Leprosen öfters be- 
schuldigte, die Brunnen zu vergiften, wie denn im Jahre 1390 
zu Metz die Leprosen wegen solchen Verdachts geradezu ver- 
brannt wurden. 

Mit dem Verfalle der Schulen hörte auch die wissenschaft- 
liche Thätigkeit auf und hat das Land aus dieser Zeit nichts 



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342 I^- Bvoh: Von Theobald II. Ms zum Tode Karra IL (1303— 1431> 

ßemerkenswerthes aufzuweisen. Nur im Kloster Moyen-Moutier 
schrieb auf Vorlangen des Abts Bencelin der Dominikanernionch. 
Johann von liayon eine Chronik dieses Klosters, welche sich. 
auch~ül)er dielürngen Ereignisse in Lothringen verbreitete. la 
Metz entstand die sogenannte grossejChronik der Celestiner, vom 
Prior JS^icolaus de Luttange über die Jahre 1396 — 1439 ge- 
schrieben und später von Anderen fortgesetzt, ein ziemlich dürres 
Journal von Ereignissen im Kloster und in der Stadt. Es begann 
dagegen die Zeit der Reimchroniken und eine solche CShronik wurde 
bald nach 1324 V ierherrentrieg von Metz geschrieben, 

die freilich ^ne^iu von Poesle^zeigt und neben der Erzählung 
dieses Kriegs nur eine lange Lobeserhebung für die Stadt Metz 
enthält. Kleinere Reimereien über denselben Gegenstand sind 
auch noch erhalten, die jedoch noch weniger Werth besitzen. 
Erwähnt sei auch eines in romanischer Sprache verfassten Ge- 
dichts „I^duchasse djL_Lgurainne", das in diese Zeit faUt und 
^schon hesser ist. ^Ver es verfasst hat, ist übrigens nicht be- 
kannt. Dieser Mangel an geistiger und wissenschaftlicher Thätig- 
keit in dieser Periode erklärt sich sehr leicht durch den Umstand, 
dass in der grössten Stadt Metz es an guten Schulen fehlte und 
man nur am Geldwucher und Vergndgungen hing, die Klöster 
des Landes durchgängig ihr altes Ansehen verloren hatten, im 
Bürgerstande es noch an besserer Bildung fehlte und so diese 
Zwischenzeit entstand, wo die Wissenscliaften die ElOster Tor^ 
lassen, aber noch nidit den Laienstand er&sst hatten, welcher 
kfinffcig dieselben vorzugsweise vertreten- und zu neuem Auf- 
schwünge bringen sollte. 



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V. Buch. 

Zwisehem^egiernng des Hauses Ai^oii. 

(1431 bis 1473.) 

1. Herzog Renatus von Anjou (1431—1453). 

StanuitafBl der Herioge ai» den Hanse A^joii» 



I. m li^M. 

(t 1480). 

1. fi.: laabellft toi LothrugM. 
2. (L: Jibm th Iml. 



1 



Lilffi|. Mann. UngmOi. T«ln(li. 2MMnd 

tU44. t 1470 a.:llMiikkTL ().: rriefrielifM ZTitUw. 

0. : Man« t»i ItoinwL |. M^lmL 



Hicolans. 3 Söhne, 
t 1473. t ttob». 



Literatur, ffistoire de BenS d'Aigou par II. le Ibrqms de 
VilleneuTe^Trans; — De Quatrebarbes, Oeuvres compUtes du 
roi Ben6; — Ohronique de Lorraine bei Calmet; — Die Renatus 
betreffenden Auszüge aus Bournon, Thierriat und Haussonville; 
— Lepage,' Recueil de documents sur Thistoire de Lorraine; — Papon, 
Histoire genorale de Provence ; — Dumont, Histoiro de Commercy; — 
Memoires de C o ra m y n e s , edit. Lengl<'t du Frcsnoy II. ; — Houssel, 
Histoire de Toul ; Paulcy et Hu^^uenin, Relation du siegfe de Met« 
en 1441; — Bourdipno, Hystoire agregatine des Annales et cronicques ^ ^ 
Daniou (dAnjouj, Mauuscript; — A. Fahne, Urkundeubucii und Gre- J^'*^^ 
schichte der Grafen von Salm. 



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344 V*. Buch: Zvischenregierung des Hauses Anjou (1431—1473). 



Da naeh dem lotbringischen Herkommen die Xlkshter eines 
regierenden Herzogs entfernteren männlichen Verwandten vor- 
gingen, so nahm nach KarPfl H. Tod seine Tochter Isahella 
mit ihrem Gemahle Renatus von Anjou sogleich Besitz vom. 
Herzogthmne und Beide zogen sofort in Nancy ein. Obschou 
nun aber ihr Vetter Anton yon Vaud^ont damals fast ganz 
ohne Land und Hfil&mittel war, so Hess sich doch sicher er- 
warten, dass er alsbald Ansprüche auf das Land erheben wurde, 
und daher fanden es Isabella und Benatos für gut, die Stände 
auf ihrer Seite zu haben, und machten denselben ungemein starke 
Ooncessionen, die sie durch Eid und Urkunden erhärten mussten. 
Darin erkannten sie nicht bloss die bisherigen Rechte der Stände 
an, sondern unterwarfen sich auch deren oberstem und endgül- 
tigem Urtheile in allen Angelegenheiten des Landes, wie solches 
in diesem üm&nge noch kaum irgendwo geschehen war. Rena- 
tus bereiste nach dieser Anerkennung durch die Stände das Land 
und nahm die Huldigung der Vasallen entgegen, ersuchte den 
Touler Bischof um seine Unterstützung in Regiernngäangelegen- 
heiten und hielt dann eine Versammlung der Stände ab, welche 
ihre schon 1425 ertheilte Zustunmung zu der Eegierungsnach- 
folge wiederholten, 

_ Obschon "KaxVs Bruder, Friedrich von Vaud^ont^ jJieseg 
Ländchen selbst nur durch das weibliche Eibsehafterecht eriangt 

' hatte und wusste, dass dasselbe ebcmso in Bar, Luxemburg, Bra- 
baut und den anderen Nachbarländern in Geltung wax, so kehrte 

__Anton doch gleich nach Karl's Tod auf sein Schloss Vaud^mont 
zurück, nahm Titel und Wappen als Herzog von Lothringen an, 
erschien vor dem Tbore von Nancy mit dem Verlangen, ihn als 
rechtmässigen Erben einzulassen, und erklärte die Anerkennung 
der Stände für nichtig. Anton war kühn und hartnäckig und 
als solcher kein zu verachtender Gegner, weshalb Kcnatus sofort 
suchte, ihn mit Gewalt zu unterwerfen. Da VaudrHiont ein 
_Lehen von J^ar war, so Hess Kenatus als Herzog von Bar ihn 
zur* Unterwerfung auftordern und als er keine Antwort gab, so 
drang Renatus in sein Land ein und begann am 1. Juni die 
Veste Vaudemont zu belagern, die aber so sicher durch die Natur 
geschützt war, dass er die Veste nicht nehmen konnte, sie bloss 
einschloss und dann die Umgebung verheerte, sowie die Kebeu 
ausreissen und die Obstl)äunie umhauen Hess. 

Anton verweilte uocli in Flandern, als seine Gemahlin Marie 



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1. Herzog Banatas Ton Anjou (1431—1453). 345 

vonHaraconrt, die vierzehn Tage zuvor in Joinville niedergekommen 
war, zu ilim eilte und die Nachricht von dem erfolgten Einfalle 
überbrachte. Sofort sammelte er eine Menge gedienter Söldlinge, ^ ^ 
56rzog_J^hilig£ von Burgund, der ihn gerne im Besitze von 
Lothringen gesehen hätte, weil er ihm ein Verbündeter gegfln 
Frankreich zu werden versprach, sagte ihm seinen Beistand zu_^ 
und erlaulito auch einigen Vasallen ihm ebenfsills UäfiezüTieisten 
und so brachte er mindestens viertausend Kelter und zwei- bis 
dreitausend Fussgänger zusammen, mit welchen er alsbald in 
Qar ei nfiel und das Land verheerte, nicht ohne die Hoffnung, 
dass Benatus sofort das Vaud^mont verlassen und dahin eilen 
werde. Aber ^ Renatus war vorsichtiger, rief seine Freunde und 
Verwandten um ihren Beistand an und bokam dadurch starken 
Zuzug, z. B. fünfhundert lioiter aus der Pfalz, zweihundert vom 
Bischof von Metz, fünfhundert aus Baden, sogar zweihundert 
Lanzen und viele Schützen von seinem Schwager, dem Könige 
von Frank reich, so dass sein Heer mit den Leuten aus Lothringen 
und Bar etwa zehntausend l'ussgftnger und fast eben so viele * / 
Beiter zählte. Doch war der grösste Theil im Kriegshandw erk " ^ 
ungeübt, w&hrend Anton langgediente und an Strapazen ge- 
wöhnte Truppen hatte und dadurch den Unterschied der Zahl 
vollständig ausglich. 

Am 1. Juli war Antons Heer mit dem Mi^rflfi«>ii vo n Bur- 
gund auf dem Marsche in*s Vaud^mont in die Nähe von ( Mtenov 
im Thale des Mouzon angekommen und übernachtete in S tindau- 
oourt, einen Angriff der heranrückenden Lothringer für den uideren^ 
Tag erwartend. Als diese nicht kamen, hielt man Knegsrath 
und wenngleidbi Anton darauf drang den Kampf anzunehmen, so 
waren doch verschiedene Offidere und der Marschall von Burgund 
dagegen die Lothringer in dem sdiwierigen Terrain anzugreifen 
und riethen, da es auch an Lebensmitteln zu mangeln begann, 
nach Burgund zurückzugehen und dort Fourage und neue Trup- 
pen zu sammeln. Aber kaum hatten sie sich demzufolge auf 
den Bückmarsch begeben und waren im Wiesengrunde von 
leevi lle angelangt, als die Lothringer herannahten und den 
ipf untermeidUch machten. Sofort stellten sich Anton*s Trup- 
pen hinter dem Bache auf, die englischen und flamändischen 
Schützen errichteten auf beiden Flügeb vor sich mit Pfählen 
Fallisaden, die burgundischen Reiter sassen ab und man bildete 
mit den Fuhrwerken und rasch angeworfener Erde eine feste 




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346 Buch: Zwisohenregienuig des Hauses Ai^ou (1431—1473). 



ümwallung. Als die Lothringer nun heran kamen, forderten sie 
durch einen Herold vAim Kampfe heraus, der audi angenommen 
wurde. Nun aber waren die lothringischen Officiere und zumal 
der französische Befelilshaber Barbazan dagegen, weil das Kampf- 
feld nicht günstig sei, doch drang nach heftigem Hin- und Her- 
reden Herzog Kenatus auf sofortigen Angritl". Eine von Graf 
Anton verlangte Unterredung mit dem Herzoge wurde noch zur 
Vermeidung des Kampfs versucht, blieb jedoch erfolglos. Vor 
Beginn des Gefechts schlugen beide noch Einige zu Rittern. 

Kaum war zum Angriff geblasen worden und die Lothringer 
standen bereits nur einen Büclisenschuss weit von den Ver- 
schanzungen der Burgunder, als plötzlich ein aufgescheuchter 
Hirsch zwischen l)eiden Heeren erschien, einen Augenblick ver- 
blüfft Halt machte, dann auf die Lothringer losrannte, einige zu 
Boden warf und so wieder entkam. Die abergläubischen Lothrin- 
ger kamen darüber in Scluecken und einige Unordnung, da sie 
dies für ein sclilimmes Anzeiclien ansahen, der Graf von Vaud4- 
mont aber nahm es für eine Ermuthigung und begeisterte da- 
durch seine Leute zum Kampfe. Dieser begann sofort und den 
Lothringern gelang es durch heftigen Anprall sogar einen Theil 
der Wagen umzuwerfen, aber als nun der Graf einige bisher 
verborgen gelialtene Kanonen auf die Lothringer spielen Hess 
und die Schützen eine Menge Pfeile auf dieselben sandten, so 
^vichen die Lothringer Fussgänger zurück, die Reiter, welche 
die Gräben nicht zu übei*springen vermochten, sahen die Un- 
möglichkeit ein, die Pallisaden zu nehmen, und folgten auch 
diesem Beispiele und bald war die Entmuthigung eine allgemeine. 
Weder der Herzog, nocli Barbazan vermochten es, die Reihen 
wieder herzustellen und gerade jene Officiere, welche am lautesten 
zum Angriff aufgefordert hatten, wie Johann von Haussonville 
und Robert von 8aarbrücken-(v0mmercy. flohen zuerst. Sofort 
setzte sich der Graf von Vauderaout an die Spitze der Seinigen 
und drängte den liest der Lothringer bis zum Bache zunlck, 
wo noch einmal ein blutiger Kampf sich entspann und viele 
Lotliringer Herren Helen, worunter auch der tapfere Barbazan, 
welcher vom Kampfe abgerathen hatte. Renatus wollte den 
Kampf mit dem Reste fortsetzen, weil er hoffte, dass die Ge- 
flohenen inzwischen zurückkeliren würden, aber er wurde immer 
dichter eingeschlossen, sah w ie seine Herren nach und nach ge- 
fangen wurden, erhielt Wunden an Nase, Lippen und am Arm 



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1. Herjsog Benatus von Aiyou (1431 — 1453). 347 

und musste sich endlich einem Martin Foucars, Edelknecht des 
Herrn von Enghien, gefangen geben, der ihn nicht kannte und 
ihn auf Geheiss des Grafen von Yaud^mont in ein nahes Ge< 
hölz fahren sollte, bis ihn eine Escorte nach Joinville bringen 
könnte. Aber in diesem Augenblicke kam der Marschall Von 
Burgund hinzu, entriss den Qe&ngenen dem Foucars und forderte 
den Grafen von Yand^ont auf Lothringer zu verfolgen, was 
dieser, obsdioiL nngern, auch that. In diesem Kampfe fielen von 
Seiten des Grafen nur neriuindert Hann, von den Lothringern - 
waren ab«r etwa eintansenddreilinndert todt oder schwer ver- 
wnndet nnd ^st hnndert Herren und Soldaten gefangen. Der 
Herzog Renatus wurde dann sofort ron den Burgun dern nach 
Ghätillon an der Seine gebracht 

Am 3. Juli kehrte Graf Anton zurflek, der die Lothringer 
nicht mehr erreichen konnte, und war sehr unzuMeden darfiber, 
dass man dem Herzog mesh Burgund geschickt hatte, denn dies 
musste dem Herzog von Burgund den ganzen Erfolg des Sieges von 
BulgneeviHe zuwenden, da er dadurch die Entscheidung des Streits 
in die Hand bekam. Noch mehr aufgebracht wurde aber Anton, 
als Ihm mm der Marschall anzeigte, dass er mit seinen Truppen 
nach Burgund zurückkehren müsse. Der einzige Erfolg des Siegs 
bestand ^er für Anton darin, dass sein Vaudtemt wieder befreit 
wurde. Als nSmlich die vor der Veste liegenden Lothringer den 
Ausgang des Kampfes vernahmen und bef&rchteten, der Graf werde 
mit seinen siegreichen Truppen über sie herfiülen, gaben sie die 
ISnschliessnng der Teste so rasch auf, dass sie ihr Gepäck im 
Stich liessen und ein TheU der Birigen von der ausfiillenden 
Besatzung in Stücke gehauen wurde. In gleicher Weise gaben 
die Lothringer Y^zelise und die anderen Plätze auf und auf diese 
Weise wurde das Ländehen ohne Kampf befreit. 

Die Nachricht von der Niederlage und der Ge&ngenneh- 
mung des Herzogs versetzte ganz Lothringen und Bar in grosse 
Bestürzung, zumal auch die Meisten Familienmitglieder unter 
den Todten und Ge&ngenen zählten, das Yolk aber einen Ein- 
&U des Gegners erwartete. Die Herzogin bewies bei dieser Ge- 
legenheit sofort grosse Entschlossenheit und Festigkeit und nahm 
die Zügel der Begierung kräftig in die Hand. Sie Tcrsammelte die 
Stände, beide Theile mahnten die Städte, an Renatus und Isabella 
festzuhalten und keine Befehle vom Grafen von Yaud^ont an- 
zunehmen, das Heer wurde neu organiairt und verstärkt und 



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348 ^* Buch: Zwischenregienmg des Hauses Aiyon (1431 — 1473). 



bald konnte es 'nieder in das Vaud(^mont eindringen, wo es nach 
Böchstägigem Angriffe Vezelise nahm und v(>rl»rannte und bald 
alle Plätze in seine Hand bekam. Dies veranlasste dann den 
Grafen Anton, am 1. August mit der Herzogin einen AVaffVn- 
stillstand abzusehliessen, der bis zum 2r). Januar 1432 dauern 
sollte, und als der Graf wieder an sechstausend Mann unter seinen 
Fahnen zum Angriff versammelt hatte . bcwog ihn Tsabella zu 
einer Zusammenkunft, auf welcher sie ilim so eindringend die 
-ttrohenden Verheerun|j:t'ii beider Länder schilderte , dass der 
""^AVaffenstillstand verlängert wurde und Anton darauf einging, die 
Entscheidung des Erbstreits einem Schiedsgerichte der drei 
liischöfe und dreier Herren zu übertragen, worauf Anton seine 
Soldaten entliess und das Land wieder etwas aufathnien konnte. 

Herzog llcniatus war inzwischen von einem Gelangniss zum 
andern geführt worden und nachdem er nacli einander in den 
Veaten Chälons an der Seine. Talent. Bracou und Kochefort bei 
Hole eingeschlossen war, brachte man ihn endlich in einen 
Thurm des herzoglichen Schlosses zu J}iipn , der davon den 
Namen Tliunn von Bar bekam, denn der Herzog von Burgund 
erkannte ihn nur als Herzog von Bar und nicht von Lothringen 
an. Seine Mitgefangenen erliielten nach und nach die Freiheit 
und Renatus selbst wandte die ihm von seiner Frau zugesandten 
Gelder dazu an, um das Lösegeld einiger Herren zu bezahlen. 
Nur seine eigene Freilassung konnten weder Tsa)>ella, noch die 
Biscliöfe von Metz und Toul erlangen. Endlich kam der Herzog 
von Burgund im Februar 1432 nach Dijon, um ein Capitel des 
Ordens vom goldenen Vliess abzuhalten, und l)ei dieser Gelegen- 
heit hatte er eine Unterredung mit Renatus, die einen solchen 
guten Eindruck auf ihn machte, dass er bescliloss, seinen Ge- 
fangenen freizugeben, aber unter sehr harten Bedingungen, welche 
der burgundische Kanzler Rolin von Poligny entworfen und da- 
bei auch noch sehr zweideutig al»gefasst hatte. Renatus ging 
auf Alles ein und wurde auf ein Jahr freigelassen, nach dessen 
Ablauf er sich aber auf den ersten Ruf des Herzogs Philipp 
wieder stellen musste. Renatus musste sich verbindlich machen 
als Abschlag auf die noch festzustellende Loskautssnnmie zwanzig- 
tausend Saluts zu bezahlen, in die Städte Clianin s. Bounnont, 
Chätillon an der Saone und Clerniont in (U'u Argoiuieu burgun- 
dische Besatzung autzunehnien, seine zwei Söhne Johann und 
Ludwig als Geiseln zu stellen und seine Tochter Yolanthe mit 



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1. Herzog Renatas von Aigoa (1431—1453). 



349 



Friedrich, Sohn des Grafen von Vaudemont, zu verloben. Zur 
besseren Sicherung des Abkommens mussten sich ferner dreissig 
Vasallen des Kenatus verbindlich machen, sich am 1 . Juni 1433 bei 
dem Burgunder als Gefangene zu stellen, wenn ihr Herzog nicht 
bis zum :l. Mai sich als solcher wieder in Bijon eingefunden 
hätte. — So hart diese Bedingungen auch waren, so ging sie 
der Herzog doch ein, um nur wieder jfrei zu werden. Der Ver- 
trag wurde am 20. April abgeschlossen, fünf Tage darauf wur- 
den die beiden jungen Prinzen nach Djjjon gebracht und EenatoB 
traf schon am 1. Mai in Bar-le-Duc ein. entledigte sich eines 
Gelübdes zu St. Mcolas-de-Port, traf mit seiner Schwiegennntter 
und dem Grafen von Vaudemont in der Abtei Bouiiäres-aux- 
Dames zusammen und begab sich nach Nancy. 

Auf Andringen des Grafen Anton ging der Herzo g zu An&ng jhXl, 
des nächsten Jahres nach Brüssel zum Herzo g vo n Bui guad und 
that hier den übereilten Schritt, den letzteren zum Sc hiedsrichter 
über seinen Streit mit Anton zu wählen. Der Burgunde r glaubte 
am besten zm- Beilegung desselben zu f^elangen, wenn er zuerst 
die Heirath zwischen Anton' s Sohn Frie dric h und Yolanth e von 
Lotliringen zum Abschlüsse bringe, und Renatus machte sich ver- 
bindlich seiner Tochter achtzehntausend rheinische Gulden als 
Mitgif t und an Anton von der Verlobung an eine um elftausend 
rheinische Gulden ablösbare Beute von jätarlidien zwölfhundert 
Gulden zu gewähren, wogegen der Burgunder yersprach, spätest ens 
bis zu Weihnachten 1 434 se inen Schiedsspruch zu Men. Nach 
der Bückkehr von Brüssel, wo Anton von den Metzem ehrenvoll 
aufgenommen und beschenjd; wurde, verainlgten beide ihre Trup- 
pen und zerstörten nach einander die BaubscHösser Ton Affincourt, 
Grandpr^, Passayant und sonst, um den Landfirieden wieder herzu- 
stellen. Benatusgab sodann seinemVerbfindeten, dem Metzer Bischof 
Conrad Bayer yon Bopparcl, als Entschädigung die Orte Nomeny, 
S t. Avold. Baccarat, Dehne und andere Pfandobjekte geg^ die ^4-34^ 
Summe ron nur funfzehntausend rheinischen Gulden zurück und 
Bchloss im August 1433 ein sechsjähriges Bfindniss mit den 
Metzem, so dass nun wieder Buhe in das Land zurückzu- 
kehren schien. 

Inzwischen blieben die Ansprüche Anton's auf das Lösegeld 
des Benatus, das der Burgunder beanspruchte, bestehen und da 
das bestellte Schiedsgericht sich fär incompetent erklarte, so 
wurde die ganze Sache vor den Kaiser Sigismund gebracht, der 



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350 Buch: ZwiBchenregieraiifl^ des Haases A^Jou (1431—1473). 



im Ajtril J4'U zu Basel, wo das Concil tagte, die Parteien an- 
liörte und durch einen jnmisorischen Ausspruch Lothringen der 
Prinzessin _Isabell a zuerkannte. Renatus war darüber so erfreut, 
dass er in Pont-ä-Mousson grosse Festlichkeiten gab, welchen 
auch Metzer Patrizier beiwohnten. Als letztere aber auf der 
Kückkehr aus einem Hinterhalte von Kol)ert von Saarbrücken- 



nöthigt, im Verein mit den ^Ii?tzcrn denselben in seinem wohl 
' J befestigten Schlosse zu Commercy zu belagern. Die Saclie be- 
~y werkstelligte sich aber nicHFso schnell und den Metzern gingen 
sogar mehi'mals Pulver- und andere Yorrätlie aus, so dass end- 
lich auf Bitten des Saarbrückers der französische Connetable, 
Artus von Richemont, welcher gerade in Chälons an der Marne 
verweilte, zu Bar eine Vermittelung versuchte, bei welcher der 
Saarbrücker versprach, sich aller Räubereien künftig zu ent- 
halten, die Gefangenen herauszugeben, die Kriegskosten zu tra- 
gen und sein Schloss dem Herzoge zur Verfügung zu stellen. 
Der Saarbrücker hielt aber sein Wort nicht und erklärte sich 
vom Vertrage für entbunden, weil die Metzer vor ihrer Rück- 
kehr die Häuser, welche sie besetzt gehalten, \ erbrannten, und 
der Herzog ward genöthigt, abermals zur Belagerung des Schlosses 
von Commercy zu schi-eiten, bis endlich der Saarl)rücker das 
Tjand vei*Iiess und dessen Freunde für ilin am 1;^. December 
abermals einen Friedensvertrag vermittelten. In demselben be- 
ging aber Renatus die Unvorsichtigkeit, dem Saarbrücker nicht 
auch die Fortsetzung des Krieges gegen den Grafen von Vaudemont 
zu untersagen, und letzterer wurde darüber so unwillig, dass er 
sich deshalb an den Herzog von Burgund wandte, der ohnehin 
^ich_ dadurch verletzt sah, dass der Streit zwischen Lothringen 
und Vaudemont vor den deutschen Kaiser ge])racht worden war. 
(5bschoü seit dem Tage, wo sich Renatus in Dijon wieder hätte 
stellen sollen, bereits achtzehn Monate verflossen waren, hatte 
ihn der Burgunder doch in Ruhe gelassen, nun aber liess er 
den Herzog durch einen Herold zur Rückkehr auffordern und 
dieser erschien daher auch schon am 1. März 1485 wieder vor 
seinem Gefängnisse in Dijon, wo er, imi die Langeweile zu ver- 
treiben, sich wieder mit Malerei beschäftigte, worin er ziemlich 
geübt war, wie denn auch einige Biographien behaupten, dass 
er darin Unterricht bei den Brüdern Hubert und Johann van 
Eick genossen habe. 




^ 



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i. Herzog Renatus von A^jou (1431^1453). ^* 35 j 

UnterdeBsen trat ein folgenreiches Ereigniss ein. Die kinder- 
lose EOmgin Johann a II. v on Neapel aus dem Hauso AnjoUj^jait 
welcher die Familie von Karl von JkauB ansstarh, hatte den ^ 
Herzog Ludwi^ZZi^on Anjou, Bruder von" Tlenatus|radoptirtjind_^ ^ 
fi^BT dessen Tod^^ November 14H$\ihre Länder dem Letzteren , 7 
\erma cht, als sielmi Winter 148!l Srarb, wodurch Renatus f ast 
zu gleicher Zeit das Königreich N ea])ol , das tfterzogth uni.^Anion_^ v/i 
nnd^die tjjrafschaft Pro\^nce erbte. Als ihm zwei Edelleute aus T^''^J^\ 
letzterem Lande das Ereigniss in D^on verkändeten, schien dies ÜHi^^' 
Anfangs keinen Eindruck auf ihn zu machen, dann abisr beauf- ^(^7' 
tragte er die Abgesandten, zu seiner Gemahlin Isabella zu gehen und ^ . 
sie anfzufordern, sofort alle nöthigen Schritte zu thun nm festen ' 
FnsB in Neapel zu fassen, sowie den Abschluss eines endgültigen 
Vertrages mit dem Burgunder zu fördern, der aber wirklich 
unannehmbare Bedingungen aufstellte. IsabeUa machte sich be- 
reit, um nach Neapel zu gehen, vertraute die Regierung von 
Lothringen und Bar den Bischöfen von Metz und Yerdun an, 
berief die Stände und diese erklärten sich zu allen Opfern &a 
die Auslösung des Herzogs bereit. Aber der Burgunder war 
zäher als je, wagte zwar nicht die Fällung des Schiedsspruchs, 
düsD. er verschob, Hess aber den Herzog Renatus der grosseren 
Sicherheit wegen in andere Yesten und endlich nach Lille 
bringen, wo letzterer ruhig seine Malerarbeiten fortsetzte und 
damit sein Gefibigniss ausschmflekte, als ob er nichts mehr mit 
der Welt zu thun habe. 

Die Herzogin Isabella gab sich die grösste Mühe, das König- ^ . 
reich Neapel, welches (^önig Alfo ns V. von Aragonien und ^^M^'-^^ 
^iclliey fiir sich beanspruchte, ihrem Gemahle zu erhalten, begab ^( U 
sich im September nach der PrQxgnce, wo ihr die Stände erheb- * v 
liehe Hül&gelder gewährten, und schiffte sich am 18. October 
mit ihrem Sohne Ludwig, der Tochter Bfargarethe und einer 
kleinen Anzahl Herren aus Lothringen und der Provence nach 
Italien ein, wo Alfons gerade Gaöta blokirte. Da der Herzog 
Visconti von Mailand den genuesischen Admiral veranlasste,- mit 
seiner Flotte die Schiffiß des Aragon iers zu vertreiben und der 
Admiral seinen Gegner in einer i^hlacht am 5. August 1435 
besiegte, so konnte IsabeUa ungehinde rt in Neapel la nden, wurde 
"s^^ vom Adel, dem ^33rus und ein^ Tfieüe der Städte an- 
erkannt und erhielt auch vom Papste Eugen TV. ein Hül&heer 



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352 * ^* Buch: Zwisohenr^gierung des Hauses Anjou (1431— 1473). 



f 



-i 



von viertausend Manila worauf Michael Attendolo auszog, um 
iJalabricn zu erobern. 

Trotz ihrer Entfernung- wachte Isabella auch über die An- 
gelegenheiten in Lothringen, wo das Kaubritterwesen wieder 
einen neuen Aufschwung genommen hatte. Die Bischöfe und 
mehrere Ritter sclilossen sich daher zusammen, um diesem Unwesen 
zu steuern, und brachen auch mehrere solcher Kaubnester. Als 
jpit Anfang 1436 eine Bande Abenteurer aus Frankreich gegen 
» 'V 7 v^Jg£i^J_^vortong, setzte sich der Bischof von Verdun mit einer 
* ; lothringischen Kriegsschaar gegen sie in Bewegimg und hieb sie 
• ' * bei Sercour nieder. Eine andere französische Abenteurerschaar 
• unter Pothon von Xaintrailles plünderte seit December 1434 
im Norden bis gegen Metz, wurde aber von den Hetzern zurück- 
getrieben imd yerliess im Anfang 14:35 wieder das Land, aber 
Ende 1437 kamen wieder an viertausend solcher Abenteurer, 
die man wegen ihrer Grausamkeit nur Ecorcheurs (Halsab- 
schneider) nannte und welche bisher im Dienste des französischen 
Königs standen, der erst nach mehrmaligem Ersuchen denselb^ 
Befiehl gab, sich wieder aus Bar und Lothringen zurückzuziehen, 
wo sie arg genug gehaust hatten. Dadurch war das Land in 
eine um so üblere Lage gerathen, als auch noch eine Epidemi» 
in Metz und der Umgegend ausbrach und eine Menge Menschen 
dahinraffte. 

Ungeachtet der schwierigen Iiage des Landes wurden doch 
jlie^Bemühungen der Landesverwaltung für Herbeischaffung des 
Lösegeldes fortgesetzt, da die Beiträge des Adels nur für einen 
^^Theil ausreichten, und man verhandelte mit Philipp von Burgund 
wiederliolt über einen Ausgleich. Seine Fordenmgen waren aber 
unmöglich zu erfüllen, denn abgesehen von Anderem verlangte 
er eineJVIillion Saluts. Erst als nach mehreren Conferenzen im 
Mai 1436 Herzog Kenatus selbst den Burgunder darauf auf- 
merksam machen liess, wie diese übertriebenen Forderungen zu- 
letzt nur ihm selbst Schaden bringen könnten, da er beim Tode 
TOn Kenatus ganz und gar nichts bekäme, gab Philipp nach und 
den Gefangenen am 8. November 1436 für die Zeit bis zum 
26« D ecember frei, um inzwischen ein endgültiges Abkommen 
zu vereinbaren. Nachdem sich Kenatus in Pont-ä-Mousson einige 
Wochen mit den Angelegenheiten seines Landes beschäftigt, 
reiste er in Begleitung der Bischöfe von Metz und Yerdnn 
nach Flandern und wurde endlich am 28. Januar 1437 die An- 



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1. Herzog Renatus von Aiijou (1431—1453). 



353 



gelegenhf'it mit Burt^und durcli einen Vertrag zu Lill<* ahgc- 
scLlosseu. Die Bedingungen desselben waren immer iiocli liart, 3 > 
aber doch annehmbar. Der Herzog trat hiernadi seine Besi- 'l<^ J 
tzungen in Fkndern ab. bezahlte ein Löse^ld von tausend <Jold-_ / 
thalern, von welchen die Hälfte in zwei Fristen je Knde Mai 
14i)T und 1438 und die andere nacli Besitzergreitiuig von 
Neapel 7Ai berichten waren und wofür einstweilen die Vest^ 
Pren}^ und die Städte Long^vy, Olermont und Xeufchateau als 
Pfand dienen sollten, und stellte vierzig Vasallen als Bürgen, 
auch versprach er, dem Burgunder für Pont-ä-Mousson zu huldi- ^ 
gen, wejin Philipp sein Recht darauf erweisen konnte, und end- 
lich seine Tochter Yolaritlie an Graf Friedrich von Vaudemont^^^^ 
zu vermählen. Bei dersell)en Gelegenheit einigten sich Ijeide 
Theile auch über das Lösegeld für den Herrn von Rodemachern 
und Renatus beeilte sich sodann, die Stände in Pont-ä-Mousson 
zu versammeln, um von ihnen eine Auflage zur Deckung der 
ersten Zahlung auf das Lösegeld gewährt zu erhalten. Sie 
gewährten auf jede Haushaltung zwei Saluts, die drei Bischöfe 
ebenso je einen Sou und dadurch kam endlich die Summe zu- 
sammen, die für die damalige Zeit ungeheuer hoch war, denn 
da ein Goldthaler von 70 auf die Mark gleich 10 Livres P) Sous 
f) Deniers Turnosen (zur Zeit Ludwig's XVI.) war, so betrugen 
die 200,000 Thaler etwas mehr als 2,:}})2,r)00 Livres Turnosen. 

Sobald es nun möglich war, suchte Renatas das nöthige 
Geld aufzutreiben, um selbst nach Neapel zu gehen, und er 
l)orgte dafür bei Freunden und nahm auf die Pfandschaft Lup^^ 
Geld auf. Nachdem er eine Regentschaft eingesetzt, begab_er^ 
sich nach. Aujöu, das er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, 
und von da im November nach der Provence, deren Stände ihm 
1 00,(X)0 Gulden bewilligten. Aber anstatt Zeit und Geld mög- 
lichst zu sparen , gab er Feste mit vielen Kosten und ging 
erst im April 1438 zur See, um am 9. Mai im Hafen von Nea- 
pel auszulangen. Mit ilmi kamen ziemlich viele Herren aus Anjou, 
der Provence und Lothringen. Er zog am 9. August mit einem 
Heere von zwanzigtausend Mann gegen den König von Arago nien _ 
aus und bemächtigte sich auch verschiedener Plätze, aber Letzterer 
erschien alsbald vor Neapel, machte die Treue der Neapolitaner 
gegen Renatus wankend und schloss Neapel ein. Vergebens 
bot ilmi Renatus seine Entsagung an, wenn der damals noch 
idnderlose Aragonier seinen ältesten Sohn Johann adoptiren 

Huhn, Oeachiohtc bolhringena. 23 



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354 ^ * -Buch: Zwischenregierung des Hauses Aiyou -1473j. 

wollte, in der Stadt herrschte bald Hunger, lieuatus sandte seine 
Frau und Kinder nacli der Provence zurück und als der Aragonier 
in Neapel selbst durch Verratli eindrang, konnte der Herzop^ nur 
noch mit Mühe zu Schill" nach der Küste von Toacana und dann 
nach Marseille fliehen. 

Jfährend dieses fruchtlosen rntornehmens hatte die Kegent- 
"""Ichaft zu Hause (dnen scliweron Stand, weil der Graf von Vaude- 
""luunt von den Lothringei'n JOntschädigung für verschiedene Ver- 
heerungen verlaugto und desshalb Feindseligkeiten begann, wofür 
er eine Bande Abenteuerer in Dienst nahm. Anfangs war der 
Krieg für Anton glücklich, denn er vertrieb die Belagerer des 
Schlosses von Mandres-aux-Quatre-Tours und auch Vaud^mont 
widerstand einem Angriffe; er schlug mit wenigen- Leuten die 
Lothringer zwischen Ormes und Charmes in die Flucht, ver- 
wüstete die Besitzungen seiner Gegner und sammdte um sich 
eine erhebliche Anzahl Leute aus aller Herren Länder. Die 
^^Regentsc^ft wandte sich aber dann an König Karl YH. von Frank- 
rei<Ait deiffScb wager des Herzogs, und der König sandte sofort an- 
sebolielie"' Streitkräfte unter La Hire zur Hülfe, die alsbald 
VMise, Charmes und Mireoourt wieder nahmen, aber leider 
fMshan im Febnnr 1439 «mn Btatemaehen nach dem Metzer 
Land mid dem Maasse abasogw. Im Frühjahr ging daher der 
Vemklitungskrieg wieder auTs Nene an,~bi8 ihm endlidi ein 
Waffenatilhtand im August eine Ende machte. 

Kaum hatte Bisehof Conrad Bayer von Boppart auf diese 
Weise die Bnhe ideder hergestellt, so wandte slöb eine Intrigue 
gegen- ihn selbst. Er hatte nftmlidi als Mitglied der Kegent- 
scbift eine kleine Umlage gemacht, um seine Vorschllsse ge- 
dedct zu erhalten. Dies veranhisste dann den Pfiurrer Vautrin 
Hazard von Cond^ an der Mosel nacii Neapel zu gehen und 
behn Herzoge eine solche Sehildenmg Ton der Regentschaft und 
dem Gebahren des Bischöfe zu machen, dass Benatns sofort Be- 
fehl gab, den Bischof zu verhaften. Zwei damit betrante Edel- 
leute bewogen nun den Letzteren zu einer Verhandlung nach 
Amance zu kommen, fielen in der Nacht Ober ihn her und ffthr- 
ten ihn als Gefangenen nach Condö, wo er sechs Wochen fest 
gelnlten wurde. Die übrigen Mitglieder der Begentschaft wagten 
nicht ihn freizugeben und nOthigten ihn daher zu einem Tertrage, 
worin er auf die Bfickzahlung der vorgesdiossenen Summen ent- 
sagte und die Pfiindscbaften Nomeny, Bambervillers, la Garde, 



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1. Herzog Renatus von Anjou (J 431— 1453). 355 



Baccarat und die Salinen zurückstellte. »Sobald der Bischof aber 
frei und in Sicherlieit zu Metz ^var, erklärte er den \'ertraf^ für 
ungülti<,^ protestirte ge<?en die Gewalttbat und widersetzte sich 
der Herausgabe der Pfandscliaften, worüber eine Fehde ausbrach 
und w^ährend eines Theils des Jahres 1 440 dauerte. Ein Waffen- 
stillstand machte ilir J441 ein Ende \jnd erst als die Herzogin 
Isabella Anfangs 1442 nach Lothringen zuriickkelute und der 
Bischof sidi gegen die Verleumdung rechtfertigte, gestand Isabella 
das Unrecht zji und gewährte dem Bischof eine Entschädigung von 
t?}),(XK) Gulden. Ausser diesen Feindseligkeiten kamen in dieser 
Zeit noch andere vor. Der Herr von Bolchen brach mit einer 
Anzahl Abenteuerer aus Deutschland in das Gebiet des Bisthums 
Verdun ein, wurde aber wieder znrückgetriel)en und Anfangs 
1440 liatte auch der Bastard von Bourbon mit einer ähnlichen 
Si'haar sich der Teste la Mothe bemächtigt und Raubzüge in 
die Umgegend gemacht. Sie drangen Ende März J441 in den 
Flecken St. Nicolas-de-l'ort ein, raubten Alles, was sie erhaschen 
konnten, und wollten dann nach Langres weiter ziehen; aber 
eine Schaar sclinell zusammengeraffter Lothringer setzte ihnen 
sofort nach und nahm ihnen alle Beute wieder ab. ' 

Trotz aller gemachten Erfaluungen nahm der (iraf von fJi^A 



Vaudemont im October 1440 ebenfalls die Feindseligkeiten wieder ' ' * 
auf. l)raclite mehrere Tausend Mann zusammen, drang verheerend 
und plündernd durch Bar und kehrte dann wieder in sein Land 
zurück , ohne dass die Regentschaft ihm Widerstand leistete. 
Endlich machte Karl VIL von Frankreich diesen Wirren ein 
Ende, indem er im Februar 1441 mit zwanzigtauseud Mann in 
dip Herzogthümer einrückte, den Herrn von Sjuirbrücken-Commercy 
zur Unterwerfung zwang und den Grafen von Vaudemont nöthigte, 
vor ihm zu St. Miliielet^und Reims zu erscheinen. Hier sprach ^ ,^ 
daiui tler König nach langer Bemthung sich dahin aus, dass der / / 
(iraf allen Anspcüchen auf Lothringen zu entsagen habe mit Au§- • 
"nähme, wenn die Nachkommenschaft ICarl's H. aussterbe. Der 
Graf und sein Sohn Friedricli unterwarfen sich diesem Aus- , - 
Spruche, entsagten iluen Projecten und versprachen fortan Ruhe 
zu halten, da sie einsahen, dass alle bisherigen Hollhungen ver- 
geblich waren. Wirklich hielt der Graf fortan Ruhe, zog sogar 
dem Könige von Frankreich während dessen Kriegs mit England 
mit dreitausend Mann zu Hülfe und starb 1447, während seine 
Wittwe, Marie von Haracourt, noch bis 14 <G lebte. 




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356 Buch: Zwischeiiregieruug des Hauso^ Anjuu (14.U — 141 oj. 

Nachdem der lange Streit mit dem Qrafen Anton von Vand^- 
.. '^O- inont beendigt war, kam auch die Heiratii zwischen dessen Sohn 
'rV ' ' «.-'-'''"Fnedrich undYohinthe zu Stande, aber Renatas &nd es sdiwer, 
die versprochene Mitgabe znsammenzabringen, da ihm sogar die 
Metzer ein Anlehen Ton filnfisigtansend Qnlden abschlugen. Aber 
Friedrich^ der ohnehin die Besidenz in dem kleinen Yaud^mont 
zu langweilig fiuid, hielt nun treu zu seinem Schwiegervater 
und wurde von ihm auch zum Seneschall der Provence ernannt. 

Leider wurde nun das Land von anderen Luiden heimge- 
sudit. Im Jahre 14SS brach eine heftige Epidemie aus und 
raffte allein im Metzer Land, zwanzigtausend Menschen hinweg 
und alsbald verband sich damit eine zwei Jahre lang dauernde 
. - Theuemng und Noih, welche den Eingang der so sehr noth- 
V^ I wendigen Steuern erschwerte. Der Herzog hatte wfthrend seiner 
. ' ' ' vAbwese nheit seinen jÜtesten vSohn Ludwig, Marqnis%on Pont-ä- 
' "MouBSon, zum Lieutenant von ^thringen^^B^bestellt, aber 
V die alten Administratoren musstäT^Hoch die Begierung nodi 
weiter ffthren helfen, um den Frieden und die Buhe übinaU zu 
sichern. Der Bischof von Toul, Ludwig von Haraoourt, grfindete 
desshalb im August 1441 eine Vereinigung des Adels, worin der- 
selbe sich zur Erhaltung des Friedens verband und versprach, 
alle Streitigkeiten vor den Marquis Ludwig und seinen Bath zu 
bringen und sich dessen Ausspruch zu unterwerfen. 

Benatus^ zog fortan den Aufenthalt in der sfidlieheren 
' Provence vor und beschäftigte sich mit dem Projecte einer Hei- 
rath seiner zweiten Tochter liDugarethe mit Kurl Herzog von 
Burgund und Graf von Nevers, wobei er, aus altem Groll gegen 
die Familie Vaudämont, in den Heirathsvertrag die dausel setzen 
wollte, dass die Kinder der Margarethe vor denen semer ftlteiren 
Tochter Yolantbe dra Vorgang in der Erbschaft haben sollten. 
Darfiber war natfirlich Graf Anton unzufrieden geworden und 
erst die Einspra^die des K(»nigs Karl VH. zu Gunsten des letzteren 
machte den Herzog davon abstehen. Dieses Heirathsproject 
zog sich jedoch in die Länge und wurde schliesslich wieder auf- 
gegeben. Im Lande selbst begann 1443 der unverbesserliche 
Herr von Saaibrflcken-Oommercy wieder neue Händel und zwar 
mit der Stadt Metz, wobei seine Scbaaren das Leprosenhaus von 
St. Privat plünderten und selbst die Abtei St. Clemens aus- 
raubten. Die Metzer und Lothringer rückten alsbald gegon ihn 
und im Februar 1444 begann der Marquis von Pont-^Mousson 



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1. Herzog Benttas von Anjou (1431— 145:{). 



357 



sogar Commercy zu belagern. Aber derselbe und der Bischof 
von Toni zogen es naeh Tierzebntftgiger Belagerung vor, mit 
dem Saarbrücker Frieden zn schliessen, da der Marquis zu glei- 
cher Zeit ton einer andern Linie des Hauses Saarbrücken das 
untere Schloss Oommercy um zweiundvierzigtausend Gulden kaufte 
und Ton demselben aus durch eine Lothringer Garnison den Saar- 
brficker im Zaum zu halten und an weiteren Raubzflgen zn ver- 
hindern Tormochte. Marrinifl' Ludwig starb bald darauf und wurdfi- 
Yon Benatus der Tod dieses seines .^tgsteji Sohnes sehr schmerz- 
lich empfunden. " 

Benatus hielt sich damals gerade in Tours auf, wo zwischen j/jj.^ J\ 
Frankreich und England ein Waffenstillstand abgeschlossen wurde, 
und Köni g Karl Vn . von Frankreich wusste-hier den Herzog in ein 

Unternehmen zu ziehen, dem der Letztere ans politischen (TrOn- . 

den und im Interesse seines Landes entschieden hfttte entgegen- 
treten mlissen. Der König hatte nftmlich ftr den Krieg mit 
England eine grosse Armee aus Söldlingen und Abenteue rerh 
in seinem Solde, konnte dieselbe nicht enthissen, ohne sein eigenes 
Land den Bftiü)ereieii tlieser Söldlinge auszusetzen und suchte 
daher fAr dieselben eine andere Besi^ftigung. . Ejl fiEwste idso^_ 
viellei^t gar von Benatus dazu ermuntert,- den E^Mddussjeine.^ ^ 
Armee im Osten zu verwenden und mit ihr die drei Bischofs- 
Städte Metz, Toul und Verdun zu erobern. Dass Renatu8^go^eii__ 
Mete Neid und Groll in sich trug, ist bekannt, denn ej:_ 
war nicht nur der Stadt ziemlich verschuldet, sondern sie hatte ^ 
ihm erst neulich sein Ansuchen um ein Anlehen abgeschlagenT 
Nun aber trat im März 1444 noch ein Vorfall hinzu, der ihn 
noch weit mehr persönlich gegen die Metzer aufbrachte. In 
tiiesem Monate sollte nämlich in Pont-a-Mousson ein von Papst 
Eugen IV. ertheilter grosHor Ablass verkündet werden und die 
Herzogin Isabella wollte sich zu dieser Feierlielikeit selbst dahin 
begeben. Die Aletzer. welche dies erfuhren und vom Herzoge 
für ihre Schuldforderungen kein Geld zu erhalten vermochten, 
suchten nun dafür ein Pfand zu erlangen imd waren so ungalant, 
die Herzogin auf ihrer Keise überfallen und alle ihre Kleider . . - 
und Schmucksaclien wegnehmen zu lassen. Sie schrieb darüber 
sofort an die Metzer und ersuchte um Rückgabe, erhielt aber 
eine ablehnende Antwort und drang desshalb in den Herzog, an 
den Metzern dafür ^'ergeltung zu üben, was ihn dann auch wirk- 



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358 ^« ^^<i^' Zwischenregierung des Hauses Aigou (1431 — 1473). 



lieh veranlasst haben mag, den Plan des Königs von Frankreich 
m fordern. 

\ Während ein Armeecorps unter dem Oberbefehle von Feter 

^n Breze. Seneschall von T'oitou, abgeschickt wurde, um Toni 
und Verdun yai nehmen, rückten Karl und Renatus über Darney 
in Lothringen ein, bei welcher Gelegenheit sich die Stadt Epinal 
dem Könige Karl unterwarf, um vom Bisthum Metz loszukommen. 
^^^,'-^011 da begaben sie sich nach Toul und Nancy, machten eine 
Wallfahrt nach St. Nicolas-de-Port und rückten nur langsam 
voran, um die Metzer in Sicherheit einzuwiegen. Diese aber 
hatten kaum von der Absicht des Heeres gehört, als sie sofort 
mit grösster Thatkraft sich zu entschlossener Vertheidigung 
rüsteten, die Vorstädte und die vor der Stadt liegenden Klöster 
imd Lusthäuser niederrissen, die Bäume abliieben . die ^lauern 
verstärkten, die (jräl)en vertieften und selbst neue Werke vor 
dem Pont-des-Morts und Serpenoisethor errichteten. Man ver- 
proviantirte die Stiidt auf lange Zeit, zog die Landbewohner mit 
ihrer Habe in dieselbe, kaufte Vorräthe von Kriegsmaterial an, 
wies jedem Gewerkc einen Thurm und gewisse Strecken der 
Wälle für die Vertheidigung zu und stellte überall Vorposten aus, 
um durchaus nicht überrascht zu werden. 

^ Am 22. September erscliien die Armee, zehntausend Mann 

l stark, vor der Stadt, nachdem sie vorher aUe Schlösser und festen 
"Däuser genommen und besetzt hatte, und eine Abtheilung, welche 
sich vor dem westlichen Thore aufstellte, richtete sof<.>rt einige 
Kanonenschüsse auf die Stadt. Doch wurde vor Beginn der 
Feindseligkeiten selbst von Karl und Renatus ein Waffenlierold 
in die Stadt geschickt, um dieselbe aufzufordern einige Vertreter 
nach Nancy zu senden, wo man ihnen eine wichtige Mittheüung 

, machen werde. Am 27. September gingen auch wirklieh fünf 

' Metzer Patrizier mit dem Herolde in das Hauptquartier vun Karl 
und Renatus ; hier hielt nun Johann Kaboteau, JPxäsident des 
^riser Parlaments, eine lange Ansprache an dieselben, worin 
er zwciunddreissig Vorscliläge entwickelte , die sich aUe auf 
Rechte bezogen, welche den beiden Königen Karl und Renatus 
zustehen sollten, und mit der Aufforderung an die Stiidt Metz 
schloss, ihre Thore den französisch-lothringisdien Truppen zu 

öffnen, beiden Königen zu huldigen und solche als ihn' recht- 

mässigen Herren anzuerkennen. Nicolaus Louve antwortete darauf 
im Namen der Metzer: sie wüssten nicht, wodurch sie die Un- 



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1. Herzog Kenattts von Aigon (1431—1453). ' 359 

gnade de« Königs von Frankieicli verdient hätten, denn sie wären 
niemals seine Feinde oder Verbündete seiner Feinde gewesen, 
oft hätten Franzosen, die von den Engländern und Burgundern 
verfolgt wurden, bei ihnen Schutz gefunden und Metzer Ritter 
hätten als Freiwillige in den Reihen der Franzosen gefochten ; 
Metz sei immer vom deutschen Reiche abhängig gewesen, sei 
mit einem Worte eine freie kaiserliche Stadt, Karl Vll. könne 
nicht verlangen, dass Metz seine Autorität anerkenne, im üebrigen 
seien die Metzer bereit, alle mit ihrer Ehre und Unabhängigkeit 
vereinbaren Opfer zu bringen, und wenn der König in ihre Stadt 
kommen wolle, so wäre Alles bereit, ihn feierlich zu empfangen, ^ j^jl^ ^ 
vorausgesetzt, dass sein Gefolge keiner Armee gleiche. Raboteau 
erwiderte darauf und bemerkte, Urkunden und Historiker be- ''V*'// 
wiesen, dass Metz vom Königreiche Frankreich abhängig sei. die 
Bewohner dieser Stadt hätten die Behauptung selbst aufgestellt, _ 
so oft sie sich einer vom Reiche auferlegten Last entziehen 
wollten, die Frage selbst könne später mit dem Rtüche verhandelt_ 
werden, für den Augenblick verlange aber der König eine ein- 
fache und vollständige Unterwerfung. Darauf erklärte denn J^ouve 
laut: „Wir thun Euch zu wissen für und im Namen der Stadt, - 
dass wir es vorziehen zu sterben, als dass man uns vorwerfe, [(i' '^Vi t 
wir hät ten de n grossen Adler des Reichs .besudelt I" cL-'t^li^'.- 

Hatten Karl und Renatus geglaubt, schon ihr Erscheinen 
mit einer so beträchtlichen Armee werde sofort Metz zur Unter- 
werfung bringen, so sahen sie sich sofort getäuscht, zumal sie 
wohl auch erkannten, dass ihr Artilleriematerial durchaus nicht 
hinreiche, eine so stark durch Mauern, Wälle, Gräben and Flüsse 
gesicherte Stadt zn belagern und zu erobern. Zudem waren die 
Metzer Söldlinge auch sehr kriegsgewandt und verwegen und 
machten daher öfters erfolgreiche Ausfälle und Raubzüge. Diesen 
allein keimten die Angreifer mit einigem Erfolg Widerstand 
leisten mid sie errangen sogar mehrere Siege über solche Streif- 
abtheilnngen mid machten selbst einige hundert Ge&ngene. 
Grosse Bedeutung hatte dies aber nicht und ak der Herbst 
kam, wagten sich sogar Nachts die armen Winzer ans der 
Stadt und sehaffien die Tranben aus den Weinbergen nach Metz, 
wo sie sehr gut bezahlt wurden. Barflber verging der Herbst 
und begann der Winter und da König Karl VE. über die Lftnge 
der Üinschliessung ohne weiteren Erfolg unwillig wurde, so £uid 
er sich bereit, unter annehmbaren Bedingungen Frieden zu 



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360 V. Bucli: ZwischeuregieruQg des Hauses Anjou (,1431-^1473). 



f^chliessen, wesshal bam 14. Januar 1445 zu Pont-ä-Mousson eine 
IJesprecbun«,' mit den Metzern veranlasst wurde, die abermals 
fünf Mitglieder ihres Kriegsamts dafür absandten. Anfangs 
wiederholte der Kanzler Raboteau die früheren Bedingungen, 
dann aber ermässigte er sie und da -kein Theil VoUmachten zu 
einem Abschluss auf solcher Grundlage hatte, so nahmen die 
Metzer Vertreter dieselbe zur Vorlage an den Magistrat mit. 
Letzterer erwog nun seinerseits die Lage der Stadt, die Kosten 
für die yielen Söldlinge und in die Stadt gezogenen Landbewohner 
und die Möglichkeit durch die Länge der Zeit doch an*s Ende 
der Mittel zur weiteren Vertheidigung zu gelangen, und ent- 
schloss sich, einen andern Weg zu beschreiten, nämlich durch 
Geld die Bathgeber des Königs Karl zu Gunsten von 'Uetz zu 
bestechen, Wie es seh^t, gelang ihm dies aiieli Yermittelst 
grosser Summen und es werden in dieser Hinsicht besonders der 
'--^itaarsl von Frankreidi, der Grosshofineister, OberstaDmeister, 
-^^er Farlamentspifisident und Feter Yon Br^ genannt, welche 
daför ihre gutcsL Dienste zusagten. Der Krieg schleppte sich 
-^in dieser Weise langsam bis in den Februar hinein, daneben 
liefen Unterhandlungen her und die Minister riethen endlich 
dem Könige, sich lieber mit einer grossen Loshau&Bumme zu 
begnügen als den lästigen theueren Krieg weiter fortzusetzen. 
Am 22. Februar nahm man in Nancy die Unterhandlungen 
wieder auf und mit Ausgang dieses Monats kam man endlich 
zu einem Friedensvertrag, dessen Bedingungen folgende waren: 
sollten die Feindseligkeiten sofort aufhören, Alles in den Zu- 
stand wie vor dem Kriege znrflckkehren, die Gefangenen gegen- 
seitig herausgegeben und die besetzten Schlösser geräumt werden, 
die Eigenthfimer könnten ihre im Besitze der Belagerer befind- 
lichen Mobiliargegenstände einlösen und der^ Magistrat sollte in 
verschiedenen Fristen 84,000 Gulden oder nach jetzigem Gelde 
^tO4S,000 Gulden bezahlen und dem Könige eine Anzahl goldener 
'un^ silberner Gegenstände geben. Bemerkenswerth war dabei, 
dass den Metzero dreihundertftlnfhndf&n&ig von den Belagerern 
gemachte Gefhngene herausgegeben wurden, die Metzer dagegen 
nur zweiundzwanzig zurflcklieferten , da sie alle anderen Ge- 
ÜBuigenen schonungslos gehängt oder erschlagen hatten. Am 5. 
März wurde unter ähnlichen Bedingungen auch mit Renatus ein 
Frieden geschlossen, der sich aber auch auf die Schulden desselben 
und seiner Unterthanen an Metz bezog. Hiemach wollte Metz 



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1. Herzog Renatus von Aig'ou (1431—1453). 301 

keino Rückstäntle för Schulden, die vor Pfingsten zurückbezablt 
würden, und für andere Schulden bis zum 5. März ebenfalls 
keine Bückstände verlangen. Schuld vorschreibungen aus der Zeit 
von mehr als dreissig Jahren und wofür keine Zinsen bezahlt 
worden waren, sollten nichtig sein, ebenso andere, wofür kein 
schriftlicher Akt, kein Pfand und keine Hypothek ^^ogeben war. 
Nach der darüber gepflogenen Abrechnung sollen dem Herzoge 
Renatus noch fast hunderttausend Gulden oder mehr als sieben 
Millionen Franken verblieben sein, abgesehen von zwei Zah- 
lungen von je zwanzigtausend Gulden, welche ihm die Metzer 
machten und wovon nichts im Vertrage steht. Ausserdem war 
die Stadt genOthigt noch Geschenke an Peter von Br^z^ und 
Andere zu machen. Es ergibt dies, wenn man noch den Auf- 
wand der Metzer für die Söldlinge und die auf dem Lande er- 
littenen Verluste dazu rechnet, eine ungeheuere Summe, welc he 

• dafür zeugt, dass damals die Metzer einen un gemein j^rossen^ 
Beichthum in ihrer Stadt angesammelt hatten. Als am 15. März 
die Thore der Stadt wieder geöffnet wurden, strömten allon 
fünfünddreisaigtausend Landlente wieder nach ihren Dörfern zu- 
rück, abgesehen von jenen, welche Metz nicht sogleich yerliessen, 
denn flbeiaU waren die Häuser und Landereien verwüstet und 
einen Theil der von den fremden Soldaten besetzten Schlösser 
wollten diese sogar nicht eher verlassen, als bis sie durch Trup- 
pen und Kanonen daraus verdrängt wurden, wobei man eüie 
Anzahl sich Widersetzender ein&ch aufhing. 

Diese Oelderpressung gefiel dem FranzosenköDig so sehr,,.^^ 
dass er sie auch an der Stadt Toul verincTien wollte. "S5:"Ti(M8 / 
ihr sagen, dass er wie Einige seiner Vorgänger den Schutz der oC-^ ' 
Stadt übernehmen wolle und sich zur Entschädigung damit be- ^ / / . 
gnfige, eine jährMche^Pension von zweitau send Franken, sowie 
ein- und für aJl emal d ie Sunime von zwanzigtausend Franken für die 

^Rück at^nde aus den letzten z ehn Jahren anzunehmen. Vergebens 
beschworen die Bürger den König, von solcher sie zu Grunde 
richtenden Bedingung abzustehen, er blieb unerschütterlich und 
Peter von Br^z^ begann die Belagerung der Stadt, indem er die 
Vorstädte St. Epvre und St. Mansuy niederbrennen liess. Darauf- 
hin öffnete diö eingeschüchterte Stadt die Thore, versprach der 
. Anforderung zu genügen und der König kam selbst in die Stadt, 
wo der Bischof vergebens eine Herabminderung der Forderung 
zu erlangen suchte. Als der König aber mit seinen Truppen in 



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362 ^* Buch: Zwischenregierungf des Hauses Axiym (1431—1473). 



das Bar sich entfernt hatte, erklärten die Büi'ger den Vertrag 
für erzwungen und nichtig und schon sollte Peter von Br4z^ 
Tool aufs Neue belagern, als der Bischof den König endlich be- 
wog, nsi^noch auf der Pension zu bestehen, den Rückständen 
aber zu entsagen. Die Stadt Verdiin, welche wirklich früher 

'* mebmals den König um Schutz angegangen hatte, konnte sich 
dessen Forderungen weniger leicht entziehen und muflste sich 
zu den» Versprechen hergeben, ihm auf Verlangen zwanzig^ _Be- 
waftnete und ebenso viele Schützen zu stellen, eine Pension von 
fünfhundert Livres zu bezahlen und dem Vertreter des Königs, 
der zur Ausübung der J^kdiutzrechte in diöt. Stadt wohnen sollte, 
jährlich 200 Livres zu geben, nachdem sie dem Könige sofort 
schon über dreitausend Gulden als Rückstände bezahlt hatte. 

Man kann billigerweise fragen, wie denn das deutsche Reich 
diesen frechen Eaubzügen des Franzosenkönigs so geduIdig~~iBa- 
sehen mochte, ohne ihn mit seinen Truppen sofort wieder aus 
dem Lande zu jagen. Aber so sehr Kaiser Friedrich IV. darüber 
aufgebracht war, so fehlte ihm damals zu thäikigem Eingreifen 
die nöthige Macht und er begnügte sich dem Könige bemerklich 
zu machen, dass er mit Unrecht die bischöfliche Stadt Spinal in 
Besits genommen habe und seine fbrpressnngen an den Städten 
Metz, Toul und Yerdun gegen alles Völkerrecht seien. Aber 
was machte sich auch ein König von Frankreich aus dem Völker- 
recht? Bei ihm galt nur das Becht der Gewalt, bloss auf Grund 
dieses baute sich die starke französische Monarchie auf und dess- 
halb war auch die Antwort des Königs an Friedrich IV. nur 
eine ausweichende Entschuldigung voll Phrasen. Auch Benatus 
erhie lt vom Beiche wegen seiner Theilnahme am Zug^ gegen 

'^Metz strengen Tadel, scheint aber auch nur in ausweichenden 
''lEedensarten geantwortet zu haben. Die drei so schwer mitge- 
nommenen Städte zogen sich übrigens durch ihr eigenes Ver- 
Eälten solche Strafe selbst zu. An der äussersten Westgrenze 

- — des Beichs gelegen, woUten sie sich wohl des Schutzes des 
Boichs erfreuen, wenn man ^e aber auch an ihre Pflichten 
malmte und an sie Forderungen stellte, so suchten sie diesen 
immer dadurch zu entgehen, dass sie sich an Frankreich an- 
lehnten, dessen Veimittelung und Schutz suchten, ihre Söhne im 
französischen Heere, nie im deutschen, mitfechten Hessen und so 
gleichsam vaterlandslos wurden, wie denn in diiesen Verhältnissen 
und Zuständen die sich hier immer mehr einbürgernde politische 



i. Herzog Renatus vön Anjou (1431—1453). 3G3 



Cliavakterlosigkeit vorzugsweise wurzelte und als die französischen 
Könii^e wirklich die Hand auf dies Land legten, es an jeder 
ordentlichen Widerstandskraft fehlte. \ ^J" \h^i^ 

Herzog lienatas, der seit der Erbschaft von Neapel/^den ^ / ' 
Königst itel annahm und seinem Sohne^enen eines Herzogs von Cd 'J . 
Calabrien zutheilte, hatte nun wieder etwas Geld und bescluiftigte 
sich mit der Verheirathung seiner Tochter Margarßtlhfi»JllLNamen__ 
des englischen Königs Heinrich VI. erscliien der Herzog von SuffoDi 
in Nancy und warb um ihre Hand und da Renatus der Tochter keine 
entsprechende Geldsumme als Mitgift geben konnte, so kam er 
auf den genialen* Gedanken, ihr däs Königreich Ma^iorca, das aber 
vom Könige von Aragonien besetzt gehalten wurde, zu ver- 
schreiben und es den Engländern zu überlassen, wie sie dies Insel- 
königreicli auf ihre Kosten selbst erobern könnten. Während er von 
Ch^ns an der Marne aus, wo er mit dem Könige von Frankreich 
verweilte, diese Angelegenheit betrieb, suchte er auch die An- 
gelegenheit mit dem Herzog TOn Burgund endgülti<:^ vw ordnen, 
der von der Loskaufssumme noch achtzig tausendsechshundert 
Thaler und weitere vierzigtausend als Strafe für verzögerte 
Zahlungen zu fordern hatte, und der Burgunder, der doch nicht 
wusste, wie er zn seinem Oelde kommen konnte, craV) endlich 
die ganze Forderung auf und begnügte sich damit, dass der 
Lothringer die den burgundischen Garnisonen von Pr^ny, Longwy, 
Neufcliateau und Clermont in den Argonnen schuldigen Summen zu 
bezahlen versprach. Dann feierte er mit grossen Festlichkeiten 
die Hochzeit seiner Tochter in Tours*) und begab sich nach 
Angers, weil er seinem Gelturfcslande Anjou den Vorzug gab. 

Nachdem er am 1. Juli 1445 seinen Sohn Johann, Herzog l^'-*^ 
von Calabrien, zum Stellvertreter von {Loth ringen und JBaJ)ein- . 
jifesetzt hatte, wobei er sich nur ^venige Kochte vorbehielt, ver- . ' ^ • 
weilte er fortbin nur in Anjou und dann in der Provence und 
gal) sich ganz seinen Lieblingsbeschäftigungen hiii. denn er hatte 
besondere Vorliebe für die Literatur und schönen Künste, ver- 
saiiiiiiolte um sicli die TroubadjKirs und bekümmerte sich ferner 
kaum :n('lir um andere Kogierungsgescliäfte. Kr selbst war ein 
guter Musikus, dichtete in französischer und italienischer Sprache , ■ 
beschäftigte sich vorzugsweise mit dem Leben und den Dich- 



') KiiiiL^o wnllon wiKRen, dass dies in Nancy geschehen sei, was aber 
nicht walirscheinlich ist. 



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304 ^* ^ch: Zwischenregierung des HAuaes Anjau (1431 — 1473). 

tungen der proven^alischen Troubadours und verfasste sogar im 
Style jener Zeit eine Anzahl Romane, wie La conqueste de la 
doQceMercy, Le mortifiement de vaiiie plaiBance, Dialoge und 
andere Dinge. Als Maler genoss er eines gewissen Hofe und 
nocli lange konnte nian von ihm Malereien in Avignon, Aix, 
Marseille und selbst in Lyon sehen. £in Geschichtschreiber 
seiner Zeit sagt von ihm: „Sein Haus war der Chor der Musen, 
die Schule der Redner, der Kampfplatz der Dichter, die Akademie 
der Philosophen, das Heiligthum der Theologen, der Senat der 
Weisen, der Versammlungsort der Edlen, der Koord aller guten 
Geister, die ^^'ohnung der Gelehrten und der Tisch der Armen" 
und in der That bildete sein Hof einen der wichtigsten geistigen 
Mittelpunkte seiner Zeit. 

Der jnnge Prinz Johann, welcher damals kaum zwanzig 
Jahre alt war und in seinem Charakter mehr der Matter als 
dem Vater glich, widmete sich den Begienmgsangelegenlieiten 
sehr eifrig und erhielt daher vom Herzoge bald nach seiner 
Verheirathung mit Marie von Bourbon das Marggisat Pont^ ä- 

jlongson mit dieser Stadt und der ganzen Eastellanei znm Gennsse 
angewiesen. Seine erste Hauptsorge galt der guten Erhaltung 
des Waldbestands, wesshalb er einen obersten Forstmeister mit 
den nötlugen Bediensteten anstellte und eine neue Waldordnnng 
und Forstgeriehtsbarkeit schul Aber es fehlte ihm vor Allem 
an Geld, denn die Einkünfte der lothringischen Domainen hatten 
sich von f&nfzigtausend Barer Franken auf fünftausend, jene 
von. Bar von zwanzigtausend auf dreitausend vermindert, da viele 
Domainen verftussert oder verpfimdet und die anderen schlecht ver- 
waltet waren. Er verfügte daher zunächst« dass kftnftig kd^e fiomaiiia^ 
mel^ verpfibidet werden soUte, und vermochte dann seine Eltern 

Itazif, am 29. December 1446 ein^Edict zu erlassen, wodurch 
sie alle von ihnen und ihräi Yor&hren gegebenen Gfesdienke, 
Uebertragungep, Pfuidschafken und andere Verftusserungen jeder 
Art widerriefen. Die Maassregel war in dieser Allgemeinheit 
jedenfalls Ubertrieben und daher ungeredit, weil derartige Ver- 
leihungen theilweise doch auch ftur erhebliche Dienste und Gegen- 
leistungen gegeben waren und die ünverftusserlichkeit der Domai- 
nen im Herzogthum nicht bloss nicht bestand, sondern von jeher 
durch zahlreiche Fälle widerlegt war. Daher entstand auch im 
Lande unter den von diesem Edicte Betroffenen grosse Un- 
zufriedenheit und Aufregung, so dass es der ganzen Ent- 



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1. Hurzog lleuatus von Aajou (1431 — Ua-I). 365 

8chlo8senbeit Johannis bedurfte, luu einen wirklidien Aufstand 
zu verhindern. Nur Jacquemin von Beaiunont setzte sich förm- 
lich zur Wehr, bemächtigte sich der Yeste Bitsch und verkaufte 
sie an den Grafen von Lützelstein, worauf er nach Frankreich 
ging. Jobann erzwang die Rückgabe aber sofort durch Anwen- 
dung von Gewalt und veranlasste auch den ECnig von Frank- 
reich, den Herrn von Beanmont zur Verantwortung vor das 
Parlament zu ziehen. 

Herzog Renatus snelite den Adel auf eine andere Weise 
zu bemhigenrindem er am 11. August 1448 den Orden du 
Oroissant ^ ^dbmo nd) fttr fllnfiEig Mitglieder, die alle aus gutem 
und altem^del sein mussten, stiftete und dafOr ein ausführ- 
liches Statut Terfasste. Unter den mit diesem Orden beehrten 
Lothringern finden wir in den ersten vier Jahren den Grafen 
Friedrich von Yand^mont, Gerhard von Harancourt, Dietrich 
von Lenoncourt, Johann von Finstingen, Gerhard von Ligneville 
und Andere. Bald nach dieser Stiftung wurde Renatus auch * 
durch K. Karl VH. yeradasst, an seinem Knege gegen England 
Theil zu nehmen, wobei Renatus mit seinem Sohne, Schwieger- 
sohne und f&nMg Rittern in zwei Feldzfigen sich röhmlichst 
auszdchneto und 1451 dem Könige auch nach Gnyenne folgte. 

Die ^izogin babdla, weldie durch viele Anstrengungen .^ t 
und Kummer schon feidend geworden war, starb bald nachher ^ r ... 
am 27. Februar 14r)a_zu Angers und ihr Verlust ging dem ^ ' 
Herzoge ungemein nahe, so dass er sich darflber gar nicht 
trOsten wollte. Da Lothringen eigentlich auf sie vererbt war_ 
jind nur Bar dem Renatus selber gehÖrteTso' lfräf~9iB Letzteren 
erste Handlung nun die Abtretung Lothrmgens an seinen' Sohn ^ 
t, Johann, wodurch die seit mehr als zwai^ig^Jahren vereinigten J-' . T' 
beiden Etorzogt hflmer Lothringen unjB^wieder von einande r i **' ■ 
.jgeteeDntTwirden", ohne dass aber die inzwischen geschaffenen [ j/, . 
Bande zwischen Beiden sich dadurch lösten. Doch wurde Jkyu"' ^ 
im Jahre 1461, als die Metzer in das Land einfielen und Gon- 
drecourt im Woivre verbrannten, von Lotiiringen in keiner Weise 
unterstfitzt. Renatus hatte dann noch einen zweiten Kummer 
zu erleben, denn König Heinrich VI. von England wurde vom 
Herzoge von Tordc enttiiront, bei einem Versuche die Krone 
zurückzugewinnen besiegt und getödtet und die Königin Marga- 
rethe zu London in einen Thurm eingesperrt, bis man sie 1476 
freigab, worauf sie nach Frankreich ging und von ihrem Vater 



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366 ^ - i^^^^' Zwiscliunregieruiig des Hauses Anjou (J43J — M73). 

KenatoB im Schlosse Dampierre bei Saumur ein Asyl erhielt, 
worin sie bis zu ihrem Tode lebte. Da sich Renatus Aber diese 
Vorgänge sehr dem Kummer hingab, so drängten ihn die Stände 
sich wieder zu yerheirathen und bald darauf wurde Johanna von 
Laval seine zweite Frau. Aber er that es nur, um eine legi- 
time Frau zu haben, denn er selbst hatte in der jungen^ schönen 
und im Malen und in anderen Künsten gewandten d'Albertaz eine 
Geliebte gefunden, die ihre Gunst zwar auch noch Anderen 
schenkte, der er aber zeitlebens anlüng. Aus diesem Verhält- 
nisse gingen dann auch drei natürliche Kinder hervor, Johann, 
Bianca und Magdabnia. von denen man freilich nicht wusste, ob 
sie wirklich von ihm waren, die er aber später legitimirte. 



2. Herzog Johann II. (1453—1470). 

Literatur. Die Au8züg:e aus Bournon, Haussonville und 
Thicrriat, reg-iie de Jean II. ; — Hufj^o, traite bist, et crit. sur l'ori- 
jrine de la maisoii de Tjnrraine; — 3lory d'Elvaiiffo, Etats, Droits, 
l'safres en Lorrraine , sowie dessen Frag^iients liistoriques sur les 
Etats - (reneraux en Lorraine; — Chronique de Lorraine l»ei (Mal- 
met ; — die schon zu vorigem Abschnitte er^vähnten Sclirifteu über Ke- 
natus von Villeneuve-Tranb und Quatrebarbes. 



Mit der Erbschaft des Königreichs Neapel, das erst erobert 
werden sollte, war dem Hause Anjou ein sehr verhängnissvolles 
Geschenk gemacht, das von Lothringen nur grosse Geldopfer 
verlangte und seine Kegenten ihren Hauptobliegenbeiten entzog, 
wie denn Kenatus und Isabella für dieses Königreich bedeutende 
Summen aufwandten und meistens auswärts lebten und dafür doch 
nichts weiter als einen leeren Königstitel gewannen. Die Lo- 
thringer sahen es daher sehr gerne, als Renatus nacli IsabeUens 
Tod Lothringen ganz an seinen Sohn Jobann abtrat, von dem 
das Land lioffte, dass er nun ihm wieder ganz angehören, aus- 
wärtigen eitlen Projecten entsagen und wohl gar in die Fuss- 
tapfen seines Grossvaters Karl II. treten werde. Johann selbst 
war seit J448 Wittwer von Marie, Tochter des Herzogs Karl 1. 
von Hourbon, welche ihm drei Söhne geboren hatte, von denen 
aber nur der jüngste den \ ater überlebte, und hielt am 22. Mai 



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2. Herzog Johanii II. (1453— 14 lO). 367 

1453 seinen feierlichen Einzug in Nancy, wo er sofort die Pri- 
vilegien der Städte zu erhalten vei-sprach. 

E|p wurde sogleich veranlasst, einen Vertrag mit dem Pfalz- 
grafen Friedri^ I. atenaeliliessen, den er fOnf Jabre vorher wegen 
eines Einfidls in die Gebiete der Grafen Ton Salm und Nassau 
bekriegt hatte, und beide yerspracben rieh in allen Fällen Hflilb /^^^ 
zu leisten. Sein Vater Renatus ta at sodann _ diesem Bündnjase ^« 
auch te Bar bei. Aber schon nacÜ zwei Jahren zogen ihn die ^'5««- 
italienischen Angelegenheiten wieder aus dem Lande. Aus Mai- 
land und FlorMiz hatte nftnüich Benatns die Aulfforderang er- 
halten, dorthin zu Hfilfe zu kommen, wogegen man ihm allen 
Beistand gegen den König von Aragonien yerspraeh, auch ging 
er wirklich dahin und erlangte einige Erfolge; da ihm aber die 
Hülfsgelder nicht richtig bezahlt wurden, so kehrte er bald wieder 
nach Hause, gab jedoch seine Zustimmung dazu, dass sein Sohn ^ 
Johann an seine Stelle trete. Letzterer schloss also am 20. Fe- v'<?/.' 



bruar 1455 einen Vertrag mit dem Herzoge von Haihud und 
den Florentinern, worin er sich zu ihrem Dienste yerband und a !■ 
die Florentiner ihm daf&r monatlich zwöUtausend Gulden zu be- ^ . ^ 
zahlen versprachen. Vor der Abreise fibertmg er die Begierüng /r 
Lothringens den Herren von Finstingen und Lenoncourt, ging j ' ' ; 
dann mit zweihundert Edelleuten nach. Toscana und führte den 
Krieg mit solchem Erfolge, dass der König von Aragonien fortan 
die Florentiner in !Ruhe liess. Letztere zahlten an Johann ^ ^ 

siebzigtansend Gulden und als er zu Anfiuig 14 56 nach Lo- /4$0 
thringen zinflcttehrte, verwandte er dies Geld da^, um'Has 
Amt der Vogesäi, ^dessen Einkünfte an den Markgraf von Baden 
veip&ndet waren, wieder einzulösen, so dass die für diesen Zweck 
beabsichtigte Umlage auf das Land nicht mehr nöthig war. 
Einen Theü des Geldes verbrauchte er übrigens auch zu einem 
grossen Turnier, ' das er beim Dorfe Nenveville bei Nancy hielt, 
welches vierzehn Tage unter grossen Festlichkeiten dauerte und 
woran viemndswanzig Edeüeute Antheil nahmen. 

Im nftchsten Jahre bereitete Johann den Gesuidten des 
Ungamkönigs Ladislaus V., welche um die Tochter des Königs 
von Frankreich werben sollten, auf ihrer Durchreise einen festr 
liehen Emp&ng. Nancy selbst erhielt in dieser Zeit einen er- 
heblichen Au&chwung, die Nicolaus- und Theobaldsvorstadt, das 
Thor Notre-Dame mit zwei Thfirmen, einige öffentliche Gftrten 
und in der Umgebung verschiedene Landh&user. 



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i>Ü8 ^' iiiit^li: Zwisclieurejfieruug des J^rases Anjou (l-i;{l~i473). 



Es schien Alles dazu angeühan zu sein, dass die Regierung 
des Herzogs für das Land erspriessliehe Folgen haben werde, 
als pldtzlich dessen Ehrgeiz und Thatendrang wieder neue Nah- 
rung erhielten und die Sehnsucht nach der Eroberung des König- 
reichs Neapel alles Andere flberwog. Die Bepublit Ge nua unter- 
IßS^. warf sich nämlich im Jahre 1458 dem Könige von Fr ankreicb 
L '^** veranlasste den Herzog, von diesem die Uebertragung 

^ % >u'* der Befehlähaberstelle in G^a zu erlangen. Natflrliehsah der 
König'von Aiagonien die^usdehnnng des französischen Ein* 
ilusses jenseits der Alpen nur ungern und desshalb beschloss er« 
Genua anzugreifen und zu belagern. Johann vertheidigte die 
Stadt mit grossem Erfolge und da der König von Aragonien 
schon Ende Juni starb und nur einen natürlichen Sohn hinter- 
liess, so richtete Renatus seine Augen sofort wieder a uf Neapel 
und ging den Papst darum an, sich fOr ihn auszusprechen. 
Dieser lehnte es ab und erkannte des Aragoniers natürlichen 
Sohn Ferdinand an, auch scheint Benatns selbst keine Lust ge- 
habt zu haben, sein glänzendes Hofleben mit dem Bestehen 
eines neuen Abenteuers zu vertauschen, aber Johann ergiiff die 
Gelegenheit mit Eifer, &nd eine Anzahl Herren im Königreiche 
sogleich bereit auf seine Seite zu treten und segelte von Genua, 
wo er seehszigtausend Ducaten Hül&gelder erhielt, nach Castella- 
mare und zog sofort weiter in das Land, wo ihm viele Unzu- 
friedene zuströmten und er eine Beihe von Plätzen in seine 
Gewalt bekam, so dass die Sache des Aragoniers fiist verloren 
schien. Aber dieser, welcher schon den Papst für sich hatte, 
wandte sich an die Fürsten und Republiken Italiens und Florenz 
und Venedig versagten Johann weitere Subsidien. Johann ver- 
lor sem Vertrauen in seine Sache desshalb ^och nicht und schlug 
|j: : ,[ andi im Juli 1460 das Aragonische Heer am Samo, aber er 
I' wagte nicht Neapel selbst anzugreifen und als dann der Papst 

den Fürsten von Albanien, Georg Castriota, bekannt unter dem 
Namen ^anderbeg, veranhustei^ den Oberbefehl über die Truppen 
des Aragoniers zu übernehmen, verlor Johann einen Platz nach 
dem anderen und vermochte kaum von 'seinem letzten Zufluchts- 
orte aus nach der Provence zurückzukehren. 

Ii _ I III ^- ^ • 

Hier verweilte er nur kurze Zeit bei seinem Vatet, begab 
sich dann 1461 nach Lothringen und hierauf an den franzö- 
^ siachen Hof, mit welchem er der Krönung des Königs Ludwig*a XI^ 
'am 15. August zu Reims beiwohnte und dann nach Paris 



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gißg, wo er neue 




Vinnen suchte und wohl auch schon den Plan fasste, die Hand 
Ton Anna, der ältesten Tochter des Königs, für seinen Sohn zu 
erhalten. Nachdem er in Kancy noch ein Turnier abgehalten, 
erlangte er von den Ständen für sein neues Unternehmen eine Bei- 
hülfe Yon hunderttausend Li\Tes und machte auch sonst An- 
lehen, da er in Paris nichts bekommen konnte, und nachdem er 
seinen Sohn Nicolaus als Stellvertreter eingesetzt imd ihm einige 
Käthe beigegeben hatte, begab er sich über die Provence im 
jähre 14Sk nach _Jtalien. Genua hatte ihm Schiffe und Geld /J^fj'j 4* 
zur Verfügung gestellt, aber nach verschiedenen blutigen, jedoch 
nichto entscheidenden Kämpfen, die sich bis 1463 hinzogen, sah 1*^^ 



er, wie nach und nach seine Anhänger von ihm abfielen und 
vom Gegner gewonnen wurden, und kehrte daher zu Anfang 

^1464 in sein Herzogth im i zurück^ 

Durch diesen Misserfolg nicht abgeschreckt, dachte JohamL 
alsbald wieder an einen neuen Zug nach Italien und legte dafür 
im Marquisat Pont-^Mousson eine Steuer um; als er dies aber 
auch in Lothringen thun wollte, erhoben sich diö Stände da- 
gegen und Johann musste von seinem Vorhaben abstehen, üm 
aber doch zu seinem Ziele zu kommen, verfiel er auf einen sehr 
abenteuerUchen Plan, der zwar von mehreren lothringischen 

^eschichtsclireibern in Zweifel gezogen wird, aber von einigen 
Chroniken ziemlich gleichartig erzählt ist und bei dem Cha- 
rakter des Herzogs auch ganz glaubwürdig erscheint. Er wollte 
sich nämlich der Person seines Gegners selbst bemächtigen und 
ihn dann zur Abdankung zu seinen Gunsten zwingen. Daher 
begab er sich in Verkleidung als Münch an desse n_Hof. wurde 
auch von Ferdinand von Aragon ien empfangfia,udak^.J!EifidfilUb-.^ 
anerbietongen zu bringen vo^b, und "Wäre sogar nahe daran 
gewesen, seine Absicht zu erreichen, als er einen Italiener, der 
ihn von Neapel her kannte, bei Ferdinand sah, von diesem er- 
kannt und verrathen zu werden befOrchtete und daher mit seinen 
Begleitern auf schnellen Bossen -nach einem sicheren Orte ent- 
floh. EOnig Ludwig XI. von Frankreich, welcher von Johann*8 

' Absieht erfibhren hatte, soll an Ferdinand einen Courier mit der 
Anzeige und Warnung vor seiner Bedrohung abgeschickt haben, 
dieser Courier mit dem Schreiben aber zu Orgon in der Pro- 
vence angehoben worden und das Schreiben so zur Kenntniss 
von Benatus gekommen sein, wie auch schon ein früheres Schreiben 

Hahn, Oesckiohto LoCbringciii. Ol 




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370 Buch: Zwiflohenregienmir des Hauae« Anjou (1431—1437). 

dieses Kömgs an Ferdinand bekannt wurde, worin er domselben 
anzeigte, dass er dem Herzoge seinen Beistand abgeschlagen 
habe. Kenatiis musste den König jedoch schonen, da er seiner 
Tochter Margarethe eine Summe von zweiimdzwanzigtausend 
Thalern geborgt hatte und auch sonst ein gutes Einverständniss 
zwischen Beiden herrschte, aber Johann sah sich dadurch ver- 
anlasst, a uf die Se ite der TTerren zu treten, welche sich an- 
schickten, den König i.udwig XL. zu bekriegen, und erschien 
"Selbst in deren Lager mit einer auserlesenen Truppenschaar. 

Es lag nun ganz besonders im Interesse von König Ludwig, 
den Herzog von Lothringen von seinen Verbündeten zu trenneot 
und desshalb liess er ihm durch Bertrand von Beauvan schöne 
Versprechungen machen und veranlasste auch Kenatus, bei 8ei-> 
nem Sohne in gleicher Kichtung zu wirken. Joh ann beklagte 
sich bei seinem Vater mit Recht darüber, dass ihn der König 
schon 80 oft betrogen habe und er daher auf seine Schwfire 
nicht mehr vertrauen könne, sah abei- doch bald ein, dass seine 
Verbündeten auch nur ihr Eigeninteresselm Auge hatten, und 
trat daher dem im October 14^5_zwischen dem Könige und 
seinen Gegnern zu St. Manr-dei-Foss^ abgeschlossenen Vertrage 
bei. In Paris erhielt er dann auch voni^nige dessen schrift- 
liche IhifBagung auf alle Hoheiterechte fiber Neufchftt mn. ChjU 
Umoj, Montfort, Frouard, Passavant und die Hälfte, von Grand, 
sowie die Zusage von 2()0,000 Öoldthalem, 500 Reitern unä 
BOO^hützen zu einem neuen Zuge nach Neapel und endlich 
eine f ranzösische Pension von 24,000 Livres und das Gonveme- 
\meni^von Vaucouleurs. 

Von da an hielt Herzog^Johann zum Könige von Frank- 
reich, der ihn mit der Ordnung mel^ereir Angelegenheiten mit 
seinem Bruder Karl betraute , und ' bald darauf erfdgte auch 
die Verlob ung des Prinzen Nicolaus und _Anna, welcher der 
König eine Aussteuer von 487,50(J~IiivreB Tnrnosen aussetzte. 
"Ton dieser Bumme sollten 137,500 Livres dem Herzoge ange- 
wiesen, der Rest aber auf Ghaumont-en-Bassigny, Nogent, Goüfy» 
Montigny, Mont^dair, Si Menehould, St. Dizier, Vaucouleurs, 
Vassy, die Einkünfte der Grafechaft P^z^nas und den Rhonezoll ' 
versichert werden. Am 1. August 1466 wurde der Ehevertrag 
abgeschlossen, die H$jraih aber wegen der noch zu grossen Ju- 
gend beider Theile vi^igdLoben. Da König Ludwig sich in den 
erwähnten Plätzen das Besatznngsrecht vorbehielt, Johann ihm 



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2. Herzog Johann II. (1453 — i470j. 



371 



aber docli uicbt recht traute, so licss er sicli :ini l'i. Januar 
141)1 vom Könige die schriltliclie Versiilieruug' gelien, dass das 
BesatKUügarecht nur bis zum Ende des damaligen Kdegä dauern 

solle. fVf''* '(»iytu . 

Eine weitere Erwcrliung machte der Herzog an der Stadt et ^ 

Epinal. Der Krmig von Frankreich liattt'^zwar die ( nterwerfung hJ^^,^^ 
■^irflolhen angenommen, aber sich wenig oder gar niclit um die- » " 
selbe l>ekümniert, weder Garnison, nocli einen Vertreter daselbst 
gelullten und so bewegte sie sich so frei und unabhängig wie 
die drei Bischofsstädte Metz, Toni und Verdun, nur mit dem 
Unterschiede, dass sie nicht daran dachte, sich so wehrhaft zu 
machen, um die l'naMiängigkeit auch zu behaupten, denn sie verliess 
sich eben auf den Schutz von Fiank reich. Desshall) hatte schon 
im Winter 141)2 --ü3 eine Anzahl Alienteuerer die Stadt zu er- 
obern gesucht und war auch bereits in der Xaclit liber 
INlauer eingedrungen, worauf nur die rasch zusaiuiiicn get iitcii 
Einwoliuer den Anschlag vereitelten. Der Aberglauben jener 
Zeit schrie!) diese Kettuug dem Stadtheiligen Goeric zu, zu dessen^ 
Ehre die Stadt daher eine besondere Feierlichkeit einführte. 
Allein nun warf im Jahre 1 465 T heobald von Neufchätel, Mar- 
schall von Bm-gund, der in der Gegend Chätel an der Mosel, 
BainviUe-aux-Miroirs, Chaligny und andere Güter besass, sein 
Auge auf diese Stadt. Derselbe bat den Köni g Ludwig XI._ TOa_ 
Ueberlassung yon Epinal und dieser gewährte aneU das GSq^T' 
aber die Einwohner wollten daTon nichts wissen und als Theo- 
bald Ton Nenfdifttel mit einer kleinen Axmee und Artflierie 
vor die Stadt rückte, um sie gewaltsam zu nehmen, so erlangte 
sie vom Köni ge die^rlaubniss, sidi selbst einen Herrn_ zu wählen,, 
und erkor auch *abf Anerbieten des Herzogs Ton L othring en, der^ 
gerade zu Montargis verweilte, diesen da^ Kaum hörte der" 
Herr Ton Keufch&tel davon, so stand er davon ab und des 
Herzogs Sohn Nieolaus, Marquis von Pont-ä-Motuson, nahm von 
der Stodt Besitz und Hess die Einwohner huldigen. Zwar glaubte 
Theobald von Neufch&tel noch einen Versuch zur Besitznahme 
machen zu können, aber Nicolaus berief die Miliz des Vogesen- 
amts zusammen und dieser gegenüber musste der Marschall von 
Burgund jeden weiteren Versuch anheben. 

Noch eine andere Angelegenheit beschäftigte den Herzog 
seit Ende 1460, nSmlieh der Streit über die Bischo&wahl von 
TouL Die französischen und burgnndischen Mitglieder des Dom- 

24* 



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372 ^* Buch: Zwisohenregiennig des Hauses Ai\jou (1431 — 1473). 



f ^ capiteU wählten näiiilich deu noch jnngen Anton von Neufchätel, 
^^^j I Sohn des Marschalls, die lothringischen aber den Pjzdiaconiis 
\ " ' Friedrich von Clezentaine. Der Herzog von Bnrgund, der König 
^ von Frankreich und der Papst selbst erklärten sich für Ersteren 

und daher bat auch der andere Gewählte die Domherren, von 
ihm abzuseilen und sich zu unterwerfen. Aber die Gegenpartei 
de.-< Domcapitels that dies nicht, floh nach Xancy und selbst tler 
damals in Italien verweilende Herzog Johann bat den König 
Ludwig, sich für letzteren auszusprechen. Er that dies aber 
nicht, Anton von Neufchätel selbst kam nach Nancy und ver- 
sprach gute Nachltarschuft und so nahm er denn auch ohne 
weitere Schwierigkeit Besitz vom Bisthmne. Als dann aber der 
Streit wegen Epinal ausbrach, der Bischof burgundische Be- 
satzungen in seine Vesten Brixe}%Liiyerdun und Maizi('res auf- 
— nahm und diese Pl^derüngszugeilHV Lothringische unternahmen, 
80 entstand eine Fehde, worin beiderseitig Verheerungen ge- 
macht und Vesten angegriffen und auch genommen wuiden, ohne 
dass es zu einer Entscheidung kam. Der Herzog, welcher inmier 
noch auswärts verweilte, hiess nun die Stände desshalb zusam- 
mentreten und diese riethen daher dem Domcapitel zu einer 
neuen Bischofswahl, weil Anton von Neiifehfttel niobt die nöthigeu 
Eigenschaftea m seiner W&rde besitse. Aber der Marschall 
von Burgund naihm sieb seines Sohnes an, rückte mit sechs- 
tanisend Mann in Lothringen ein nnd pifinderte und yerbrannte 
an ^anj^undert Ortschaften, bis der Herzog endlich den Ober- 
Fefefal seiner Truppen dem Marschall von Finstingen fibertrog, 
dieser ein stattliches Heer zusammenbrachte und damit das Ge- 
biet des Bischö fe von Tog zur Vergeltung arg verheerte. Der 
Marschau von Burgund liess sidi dadurch jedoch nicht einschfich- 
tom, sammelte in Fhmdem neue Truppen und brach verheerend 
in Bar ein, wo er J4ll^^ nahm, jedoch nicht lange behielt, 
denn der Marschall von Finstingen nahm es durch einen Hand- 
streich wieder. Die Lothringer bemächtigten sich 1468 dann 
der Schlosser Chaligny, ^anville, Brixey und Maidkes und der 
Graf von Salm, der'nacb dein 1467 erfolgten Tode Hes Herrn 
von Finstingen den Oberbefehl Ober die Lothringer f&hrte, ver- 
trieb den Burgunder aus allen Plätzen und stellte endlich die 
Buhe wieder her. 

Der Herzog forderte nun das Domcapitel von Toul auf, 
eine neue Bischofewahl vorzunehmen, obschon der König von 



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2. Herzog Johann IL (1453 — 1470). 



373 



Frankreich, der Papst, der Erzbischof von Trier und die Bi- 
schöfe von Metz und Verdun es davon abzuhalten sucliten. ?]s 
versuchte zuerst bei Anton von Neufchätel den Weg der (lüte, 
indem es ihm vorstellte, dass er in der ihm vom Papste ge- 
setzten Zeit die geliörigeu Weihen noch nicht erlangte und sein 
Verbleiben das Elend des Landes nur vermehre, und ihn bat, 
freiwillig abzudanken, was auch Anton, al>er nur ausweichend, 
erwiderte. Das Capitel wandte sich nun abermals an den Herzog, 
der gerade in Catalonien verweilte, wie wir gleich näher er- 
zählen werden, und dieser erklärte, nur eine Neuwahl könne die 
Sache glücklieh zum Austrage ])ringen. In der nun abgehal- 
tenen Versammlung des Domcapitels nahm zw^ar der Erzdiaconus 
von Port Partei für Anton, aber sowohl der Generalprocuratur , 

-~ y„ f^*- 

von Lotbringen als auch der Erzdiaconus Vittel sprachen sich 
entschieden für eine Neuwahl aus und diese fiel dann auch zur 
Freude des ganzen Landes auf Johajin_von - Lam balle, aposto- 
lischen Procurator, Grosserzdiaconus von Toul, Abt Yon.St . Mansuy^ 
Prior von Notre-Dame in Nancy und Kath des Herzogs von 
Lothringen. Natürlich sprach dann Robert das Interdict über 
die Diöcese aus, verlegte seinen Sitz nach Luxeuil und auch 
der Papst bannte den Gewählten und seine Wähler; aber wenn 
auch Robert's Bruder, Heinrich von Neufchätel, verheerend mit 
dreitausend Mann in Lothringen einfiel und der Papst selbst 
einen Legaten absandte, so erhielt er doch keine Unterwerfung 
als bis man die Nachrieht vom Tode des Herzogs erhielt. 

Bevor wir die Beise des Herzogs nach Catalonien erzählen, 
ist noch des weiteren Verlaufs der Ereignisse wegen Epin^ zu 
gedenken. Der Metzer Bischof Geoi]gjron^a^n, welcher tliese 
•Stadt nur nngem von seinem bischöflichen Besitze losgetrennt 
sah, vermochte nämlich 1469 auf seiner Heise nach Rom den 
Papst Paul II. dazu, einen Befehl zur Rückgabe der Stadt an 
den Bischof zu erlassen. Der Herzog verbot jedoch die Ver- 
kündigung dieses Befehls und schrieb dem Papste, dass diese 
Stadt sich selbst vom Bisthume losgetrennt, mehrma ls zwanzig. 
Jahre z u Frankr eich gehört und dann freiwillig ihre Einverlei- 
bung in Lothringen verlangt habe. Da dies^so dem Bischöfe 
nichts half, so wandte er sich an den Kaiser Frie drich IV., 
welcher die Sache untersuchen Hess und auch dem Reichstage 
von Speier unterbreitete, und letzterer selbst ordnete die provi- 
sorische Zurückgabe von Epinal an. Aber zu einem Ürtheile 



374 Buch: Zwisohenregierung des Hauses Aigou (1431 — 1473). 

in der Stu lio kam es nicht und so blieb denn Epinal auch femer 
bei Lothringen. 

Wie schon erwälint. verweilte Herzog Johann währcud 
dieser Zeit in^'ataloiiien. Diese zu Aragonien gehörige Pro- 

^' vinz hatte sicli nänilicli empört \uu\ die Krone deni Herzog Re- 
natus angeboten, welcher aber die Abgesandten an seinen Sohn 
verwies, der noch jünger und dureli seine Kriegsthaten bekannt 
sei. Die CJatalonicr gingen ancli sofort darauf ein. Dies ge- 

~~schah schon inl Jahre 1467. Als Johann sich bereit machte, 
dem Kufe 14(38 zu folgen, berief er die Stände nach Pont-ä- 
Mousson und diese bewilligten ihm auch eine ziemlich grosse 
Sunmie, wozu Alles gern beisteuerte. Da diese Summe nicht 
reichte und der Herzog nicht auf seiner fidflinge Rath einging, 
das Herzogthum selbst zu yerpfanden. so ging er den König 

^ von Frankreich um die versprochenen Hülfsgelder an, aber dieser 
gewährte nur die Erlaubniss, eine Anzahl Truppen in den süd- 
lichen Provinzen anzuwerben. Dagegen gab ihm sein Vater 
hunderttausend Livres und zweihundert Schützen und ausserdem 
traten viele aus Lothringen, Anjou und der Provence als Frei- 
willige in seine Dienste. Friedrich von Vaudemont und der 
Öardehauptmann Jakob Wisse führten das lothringische Heer 
an. Zu Ende 14()S überschritt Johann die PjTenäen und drang 

__JlL_{iattilonien ein, brachte sein Heer bald auf funfimdzwanzig- 
tausend Mann, Barcelona öffiiete ihm die^TTiöre' mfd J^'riedfich 
von Vaudemont schlug am I. Mai 1469 den Don Juan bei 
Taragona, worauf bald mehrere Städte genommen wurden und 
des Herzogs Saclie ein glänzendes Aussehen bekam, so dass auch 
König Ludwig XI. von Frankreich den Thomas Basin, Kanzler 
von Roussillon, als Gesandten zu ihm nach Barcelona sandte. 
Gegen Ende dieses Jahres kehrte Friedrich von Vaudemont wegen 
Ki-ankheit nach Hause und starb dort bald in seinem Schlosse 
Joinville, Herzog Johann wartete aber nur auf den Frühling, 
um üi Aragonien einzudringen. Er wurde jedoch daran durch 
. einen von Don Juan angezettelten Aufstand verhindert und Hess 
seine Befehlshaber gegen diesen marschiren, denn es befiel ihn 
in Barcelona eine Ejankheit. Noch machte er von da eine 
Wallfohrt nach Montserrat, kehrte aber krSnker zurück, ftihlte 
selbst sein Ende nahen, machte sein Testament und starb am 
13. Becember 1470, worauf er in der Kathedrale daselbst 
begraben wurde, üeber seinen Tod verbreiteten sich alsbald 



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2. Henog Johann H. (14&3— 1470). 375 

die flbelsten Gerüchte und selbst die Lothringer Chroniken halten 
es für sehr glaubwürdig, daas er auf Veranlassung des Königs 
von Aragonien Tergiftet worden sei, wozu namen^ch aach die 
Baschheit des Todes&lls viel beitrug. Gewissheit ist aber da^ 
rüber niemals erlangt worden. . In seinem Testamente, zu dessen 
Vollstrecker er den Bischof von Angers, Johann von Beauvau, 
ernannte, bedachte er auch seine vier natürlichen Kinder, zwei 
Söhne, über deren Schicksal nichts Näheres bekannt ist, und 
zwei Töchter, die sich mit Johann von Ecosse und Achilles Ton 
Beauvau verheiratbeten. 

Joh ann war der zweite Herzog aus dern^ Hause Aqjou, der_ 
über LothringenThenrsääie, aber seine Regierung ^war dem Lande 
ebenso wenig günstig wie die seines Vaters. Die bei seinem 
Regierungsantritte auf ihn gesetzten Hoifnungen erfüllten sich 
nicht, er war wohl tapfer, aber sein abenteuerlicher Sinn, sein 
Ehrgeiz, der nach unerreichbaren fre mden Kronen strebte, und^ 
die ununterbrochenen Fehden und Kriege, welche das Land ver* 
beerten und immer wieder zu neuen Geldleistungen zwangen, 
waren ein Unglück für das Land, das seinen Herrscher sogar 
nur selten bei sich sah. Gegenüber von Frankreich benahm 

sich dieser Herzog aber geradezu unwürdig und ^hmachvoll, 

denn ungeachtet aller von dessen Königen ihm bewies ener Falsch- 
heit und Lügenhaftigkeit schämte sich der Herzog nicht, bei 
ihnen dennoch so oft um Hülfegelder für seine abenteuerl ichen 
Züge zu betteln und sich immer wieder mit nichtigen Vorwän- 
den abspeisen zu lassen. 

Von seiner Gemahlin Marie von Bourbon, welche ihn 
ül)erlebte und 1 4<S8 starb, hinterliess er nur einen einzigen Sohn 
Nicolaus, welcher sein Nachfolger wurde. Ausserdem sollen 
ihm noch zwei Söhne geboren worden sein, die aber jedenfalls 
frühe starben. Man hatte zwar von mehreren Seiten die Be- 
hauptung aufgestellt, es wäre beim Tode Johannis noch ein äl- 
terer Sohn Johann vorhanden gewesen, welcher nur einige Mo- 
nate regiert habe, es ist dies aber nicht bloss gründlich wider- 
legt worden, sondern auch geradezu eine unmögliche Annahme, 
da immer nur von Nicolaus als Erbe die Rede war und auch 
der König von Frankreich niemals seine älteste Tochter einem 
nachgeborenen Phnzen zur Gemahlin versprochen hätte. 



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376 y* Buch: Zwiiohenregienrng des Hause« Anjoü (1431—1473). 



3. Herzog Nicolaus (1470—1473). 

Literatur. Die Auszüge aus üournon, Tliierriat und Hau s- 
sonville, regne de Nicolas; — Chrouique de Lorraine; — Dialogfue 
de Joannes Lnd, M. par la soeidtö d^Arcli^Iogie Lorraine; — Com- 
mynes, iäit deLenglet duFresnoy; — Picart, ffistoire de Toni; — 
die Scliriften fib«r Renatus und Johann. 



Der Tod des Herzogs Johann gab dem Kriegsznge nacli 
Catalonien eine ganz andere Wendung. Zwar flbemahm Ger- 
hard Ton Harauconrt sofort den Oberbefehl über die Truppen, 
aber man verlangte dringend das Erscheinen des neuen Herzogs 
Nicolaus, der jedoch entschieden sich dessen weigerte. Nur der 
sogenannte Bastard Ton Galabrien, Sohn von Renatus, erschien, 
wurde aber nicht beachtet. Es wurde daher beschlossen, Uber 
die Pyrenäen zurückzugehen, wof&r Heinrich von ligniville den 
Oberbefehl übernahm, und die Rückkehr war nicht ohne Ge&hr, 
weil der EOnig von Aragonien mit stärkeren Sireitkräften den 
Rückzug fortwährend belästigte, bis ihm seine Gegner einmal 
entsdiieden entgegentraten, worauf dies Heer um die Mitte 1471 
wieder nach Hause kam. Es folgte ihm auch eine Anzahl 
Spanier, die sich dem Heere angeschlossen hatten, um nicht 
der Rache des Königs von Aragonien sich auszusetzen, und diese 
liessen sich nun zum Theil in Lothringen nieder. 

KieolauB, der am fiianzdaischen Hofe^ sich aufhielt, wurde 

" auch vergebens ersucht, sich nach Lothringen zu begeben, aber 
seine Weigerung beruhte nicht etwa darauf, dass er seine Ver- 
lobte nicht verlassen wollte, sondern es steckte eben das süd- 
liche Blut seiner in Liebesabenteuern erzogenen Familie in ihm 
und er verliess Paris nicht, weil er dort in der schönen und 
anmuthigen Anna, Tochter eines Kaufmanns Robert^ von Amiens, 

""eine Geliebte gefunden hatte, die freilich nach dem Zeugnisse 
von Zeitgenossen zugleich auch noch anderen Herren ihre Gunst 
schenkte. Diese Person umstrickte ihn so, dass er den Ständen 
auf ihre dringende Einladung nicht einmal eine Antwort gab, 
wessbalb man denn im Lande allgemein murrte, denn es hatte 
einen thatkrrifti<(en Herrn sehr nöthig, waren doch die Raub- 
ritter wieder so übermüthig geworden, dass der Graf von Salni, 



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3. Herzog Nicolai» (1470*-1473> 



377 



welcher das Amt des Marschalls verwaltete, ausziehen musste, 
um das Schloss La Boehe und das Städtchen Marmoutier mit be- 
•waffneter Hand zu nehmen. Noch ärgere Verwüstungen liess 
sich fortwährend der Marschall von Burgund, Theobald von 
Neufehätel, zu Schulden kommen, indem seine in Chätel lie- 
gende Garnison öfters in den Süden und Südwesten des Landes 
einfiel, so dass sich endlich der Adel zusammenthat, um Chätel 
zu belagern. Vergebens suchte Jakob von Haraucourt vom nahen 
Charmes aus das Schloss zu nehmen, machte lange keine Fort- 
schritte in den Arbeiten und der Burgunder suchte endlich sogar 
durch eine List die Lothringer von der Belagerung abstehen zu 
machen. Er veranlasste nämlich den Grafen von Clermont den jungen 
Herzog um die Abtretung von Chätel zu bitten und dieser lies.s 
sich aucli durch seine Zuhälterin dazu bewegen, ja er gab sogar 
Befehl, die Belagerung einzustellen. Der Graf von Salm leistete 
aber dieser Weisunir nicht Folge und erklärte dem Herzoge selbst, 
dass er die Jkdagerung nicht aufgebe. Endlich erbot sich der 
Beft'lilsliaber von Chätel zu einem Abkommen, wonach Alles, 
Avas zum Schlosse gehörte, mit Ausnahme von Komont, an Lo- 
thringen kommen solle, und als nun die Lothringer abzogen, 
halfen ihnen die Belagerten S(>i]far die Artillerie, Zelte und das 
Gepäck auf die Wagen zu verladen, um solche nach Charaies 
zu l)ringen. Die Burguiuier erschienen nun achttausend Mann 
stark, um die Lothringer anzugreifen, als aber der Befehlshaber 
von Charmes die Kanonen aufführen Hess, zogen sich die Bur- 
gunder nach Chatel zurück, bis sie bei der Nachricht, dass der 
Bath von Lothringen das erste und zweite Aufircliot einl)erufen 
habe, es für gerathen hielten, vor so starken iu'äfteu zu weichen 
und nach Burgund zurückzukehren. 

Unter solchen Umständen wurden der Kegentschaftsrath und 
der Adel immer unwilliger über das Ausbleiben ihres Herzogs 
und schickten endlich den Johann Wisse, Verwalter von Deutsch- 
lothringen, an ihn mit dem Auftrage, ihn endlich zum Erscheinen 
in seiner Hauptstadt zu veranlassen. Endlich kam er am 1 . Au- 
gust 1471 nach Bar und reiste am andern Tage weiter nach 
Nancy, wo er am 7. feierlich emi)fangen wurde, den Eid leistete, 
dem Adel ein Fest gab und dann nach und nach die hauptsäch- 
lichsten Orte des Landes besuchte. Aber da er sah, wie sein 
langes Ausbleiben so viele Unzufriedenheit erregt hatte, die 
Stände schlimme Keden über ihn fährten und man in dem eben 



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378 ^* Buch: Zwischenregierung des Hauses Anjou (1431 — 1473). 



erwälinteii Vertrage von Chätel mcht einmal den Namen des 
Herzogs erwähnte, so beschwerte er sich darüber. Doch Simonin 
des Armoises erwiderte ihm einfach: ,.Wir haben immer treu 
und offen gekämpft und unser Leben und unseren Muth für 
unsere Herren Herzoge dargebracht, dieselben wussten al)er auch 
stets an der Spitze des Heeres zu sein." Solche Sprache war 
der junge Nicolaus nicht gewöhnt und daher ergriff er alsbald 
den Yorwand eines neuen Zugs nach Catalonien, um schon nach 
^vcnigen W ochen wieder Lothringen zu verlassen und nach Paris 
zurü ckzukehren, wohin ihn auch seine Zuhälterin zog. 

" Hier hotl'te er wirklich vom Könige Ludwig XL zu solchem 
Zwecke Truppen und Ilülfsgelder zu erhalten und der König 
war auch mit dem Versprechen sehr freigebig, um solches später 
doch nicht zu halten. Gegenfiber der wachsenden iMacht 
Karl's des Kühnen von Burgund war ' es ihm natürlich 
sehr erwünscht, Lothringen und Bar auf seiner Seite zu 
haben, und er hatte schon 14GiS die Bewohner des Bar ge- 
gel>eten, den Truppen des Herzogs von Burgund, die gegen die 
Champagne geschickt werden soUten, den Durchmarsch zu ver- 
bieten. Auch hatte er 1471 lothringische ilülts trappen ver- 
langt, als der Graf von Salm gerade mit der Belagerimg von 
Chätel beschäftigt war. Der junge Herzog, den seine Verlobung 
mit der französischen Königstochter bisher immer auf die Seite 
des Königs gezogen hatte, wurde nun aber doch gewalir, wie 
derselbe diese Heiratli inmier mehr hinausscliol», ilin nur hin- 
hielt und für sich zu beuützen suchte und ihn zuletzt in Allem 
betrog. Dossliall) entschloss sicli Nicolaus endlich, Frankreich 
zu verlassen, zumal der Herzog von Burgund, der von dieser 
Absicht des Herzogs hörte, ihm die Hand seiner Tochter Marie, 
der Erbin Burgunds, für den Fall anbieten Hess, dass er sich 
von Frankreich trennen wolle. Auf dies hin stand sofort des 
Herzogs Entschluss fest und da er nicht wohl ohne Erlaubniss 
des Königs Frankreich verlassen konnte, so veranlasste er mit 
seinen Freunden eine Lustbarkeit im Walde von Vincennes, 
hiess dort heimlich Pferde bereit halten und eilte auf diesen 
mit seinen Vertrauten so rasch als möglich nach dem Schlosse 
Joinville und von da über die Grenze von Lothringen. In Nancy 
hielt er sodann eine Berathung mit den Ständen, theilte den- 
selben den günstigen Vorschlag des Herzogs von Burgund mit, 
dem die Stände ihren Beifall zollten, nnd zeigte dem letzteren 



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3. Herzog Nicolaus (1470—1473). 



379 



seine baldige Ankunft an. Er liess aber darüber noch einige 
Wochen vergehen, um den Grafen von Saarbrüdcen zu besuchen 
und mit ihm einen Vertrag zu schliessen, und verliess Nancy 
erst Ende März 1472 unter dem Vorwande einer Wallfahrt 
nach St. Nicolas-de-Port , um dann heimlich von Tomblaind. 
au8 den Weg nach Flandern einzuschlagen. 

Hier fand er beim Herzoge von Burgund die beste Auf- 
nahme und am 25. Mai schlössen beide zu Arras nicht nur ein 
Schutz- und Trutzbündniss , sondern es schwur Karl meh. die 
besprochene Heirath so bald als möglich vollziehen zu lassen. 
Die Berichterstatter aus dieser Zeit glauben nicht, dass es dem 
Herzoge von Burgund mit diesem Verlöbnisse Emst war, sondern 
er es nur benützte, um Aber Lothringen eine direkte Verbhidung 
zwischen seinen Ländern Burgund und Niederlande zu erhalten, 
und um den Herzog Nicohius noch sicherer zu machen, sei es 
dann geschehen, dass auf seine Veranlassung beide Verlobte sich 
am 13. Juni schiiftliefa das Heirathsverspreehen gaben. Allein 
es steht doch nicht so fest, dass Herzog Karl mit dieser Ver- 
lobung damals nur ein ScheinmandTer machte, denn unter allen 
sich ihm darbietenden Verlfibnissaussichten bot ihm diese mit 
Herzog Nicolaus die besten und wenigstens bessere Erfolge als 
jene spätere mit dem Oesterreicher Max, denn die Verbindung 
zwischen Lothringen und den beiden burgundischen Ländern 
hätte den Qrund zu einem kräftigen Beiche gebildet, welches 
am besten die französischen Könige im Zaum halten konnt^. 

Nach dieser Reise galt es auch, die Angelegenheit des Bis- 
thums Toni zu ordnen, wo er wie sein Vater bisher zu dem 
neugewählten Bischöfe gehalten hatte. Die Touler Burger selbst 
waren des Streits flberdrflsBig, der Bischof Anton von Neuf- 
chätel durch die bisherigen Widerwärtigkeiten klüger geworden 
und da Nicolaus als Verbündeter des Herzogs von Burgund nun 
auch zum Vater des Bischöfe, dem Marschall von Burgund, in ein 
besseres Verhältniss trat, so kam es zu Verhandlungen zwischen 
den Betheiligten und am 22. December zu Luxeuil zu einem 
Vertrage, worin Nicolaus versprach, den Johann von Lamballe 
zum Rücktritte zu bewegen, die Archive, Artillerie und Mobilien 
des Bisthums zurückzustellen und dem Wiederaufbau der Vesten 
kein Hindemiss in den Weg zu legen, während Bischof Anton 
seinen Gegnern nicht bloss völlige Vergessenheit und Zurück- 
nahme des Bannes versprach, sondern auch auf jede Entschädigung 



360 ^< Buch: Zwisdieiiregianing des Hauses Aigon (1431 — 1473). 

entsagte. Die Frage wegen der zwölQährigen Einkünfte des 
Bkünmis, welehe das Capitel mit den Herzogen getbeilt hatte, 
blieb dabei noch unerledigt, aber Bischof Anton verzichtete 
gegenüber dem Bomcapitel auf Recbnungsablegung und begnügte 
sich mit den secbstaasend Gulden, welche ihm Herzog Nicolaus 
als Entschädigung ausbezahlen Hess, worauf endlich der lange 
Streit geschlichtet war. 

.Nicolaus nahm sodann Theil an dem Zuge des Herzogs von 
Burgund in die Normandie und seine Leute sollen sich iti iiieli- 
reren Scharmützeln bei Ronen ausgezeichnet haben. Ein AN affen- 
stillstand machte diesem Kriege mit Frankreich ein vorläufiges 
Ende und beide Herzoge kehrten in ihre Länder zurück. Xicolaus 
nahm den AV'eg über den damaligen Wallfahrtsort der Lothringer 
Schutzheiligen St. Barbe bei Metz, lehnte aber die Einladung 
dieser Stadt sie zu besuchen ab, indem er für dies ^lal es nicht 
thun könnte, aber in Kürze zu kommen hoffe. Die Stadt ver- 
ehrte ihm bei dieser Gelegenheit einige herkömmliche Geschenke 
und Nicolaus besuchte im folgenden Februar Toul, dessen Bischof 
er gerne in sein Interesse zog, zumal derselbe bei Karl dem 
Kühnen von Einfluss war. Inzwischen scheint nämlich die Heiraths- 
angelegenheit zurückgegangen zu sein und es ist wahrscheinlich, 
dass das Verhältniss des Herzogs Nicolaus zu seiner Zuhälterin 
Anna Robert und sein sonstiges liederliches Treiben schon der 
französischen Heirath im Wege sbmd. nun aber auch auf die 
neue Verlobung einen nachtheiligen Einfluss übte, denn nachdem 
er die genannte Pariser Geliebte inzvrischen yerahschiedet hatte, 
schaffte er sich zu Nancy in der Person einer gewissen Simonin, 
Tochter des dortigen Stadtsergeanten, eine neue an, die zwar 
ebenso schön wie die vorige, aber dafQr um so vergnügungs- 
süchtiger war und den Herzog ganz beherrschte. Es ging dies 
so weit, dass Feste, Tanz und Turniere hinter einander folgten 
und der Herzog ganz in den Strudel eines ausgearteten, lieder- 
lichen lA'bens verfiel, so dass man in Nancv und besonders in 
Metz Spottlieder über ihn sang und sein Treilien nngoscheut in 
den ärgsten Farben s(hiLiert(\ Dies erfuhr man denn gewiss 
auch am Hofe des Burgunders und es kam in Folge dessen zu 
einer solchen Erkaltung zwischon den Verloltten, dass Nicolaus 
am f). November 147*} seiner JJraut ihr Jawort zurückgab und 
sie solches am 8. Deceniher erwiderte. Doch blieb sonst das 
politische Bündniss beätehen. Der Herzog gab übrigens auch 



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3. Herzog Nicolaua (1470—1473). 



381 



deu Ständen reichliche Gelegouheit zur Unzufriedenheit. Er 
hatte nämlich kurz vor seiner Heise nach Flandern dieselben 
zusanuuenberufeu untl sicli von ihnen Hülfsgelder zu einem neuen 
Zuge nach Catalonieu genelmiigen lassen, jetzt aber dachte er 
nicht mehr an einen solchen, sondern verwandte die Gelder zu 
Festlichkeiten, gab sich damit ab, seine ihn umgebenden Herren 
zu verheirathen und verputzte die Hauptsumme mit seiner neuen 
Zuhalterin. 

Es ist nicht mehr erklärbar, wie Nicolaus auf einmal den 
Metzeru so gram wurde, denn es war dies offenbar schon vor- 
her der Fall, bevor in Metz ebenfalls sein Treiben zum Gegen- 
stande des Spottes gemacht wurde. Er hatte schon bei der 
Bückkehr des Tonler Bischöfe in seine Residenz denselben zu 
einem Unternehmen gegen Metz gewinnen wollen, was nnr daran 
scheiterte, dass die Tonler mit den Metzem verbflndet waren, 
und auch die bei seiner Anwesenheit in St. Barbe den Metzem 
gegebene Antwort war eine ziemlich zweideutige. Was aber 
auch zunächst ihn gegen Metz aufgebracht haben mochte, zu 



einen zuftUigen Umstand gebracht Ein aus Deutschlothringen 
stammender Hauptmann Namens Berthdd KrantZjjgnbena nnt mit 
de m langen Ba rt, welcher sich gern an Metz rächen woHter erbot 
sM namiicr~dem Herzoge durch Ueberrumpelung vermittelst 
einer Maschine die Stadt in die Hand zu spielen und dieser 
Plan wurde nicht nur vom Bathe gebilligt, sondern moh. die 
sofortige AusfQhrung vom Herzog beschlossen. Während man 
die Maschine in. der Veste von Pont-ä-Mousson herstellte, Hess 
der Herzog sich genau in Metz umsehen, indem er mehrere 
Eäelleute unter dem Yorwande dahin sandte, um dem Magistrat 
fiber gewisse Schmähungen des Herzogs Beschwerden vorzutragen. 
Im Stillen waren am Abende des 8. April d473 bei Pofit:!b, 
Mousson an zehntausend Mann zusammen gebracht und da der 
Herzog die Metzer Aber deren Bestimmung täuschen wollte, so 
hatte er auch mehrere Metzer, die seine Vasallen waren, dazu 
aufgeboten, sie al)er mit der Spitze des Heeres gegen Gondre- 
vilie vorausgesandt. In der Nacht rückte nun das Hauptcorps 
gegen Metz aus, aber es blieb bei St Privat stehen und zunächst 
gmgen nur zwei Wagen vor, hinter welchen in geeigneter Ent- 
fernung der erste \'ortrupp marschirte. Auf dem ersten Wagen 
befanden sich FischQUser, in weichen aber Soldaten versteckt 



einer wirklidien That gegen 




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382 ^* Buch: Zwiachenregiemng des Hause« Axgou (1431—1473). 



waren, im zweiten ebenfalls Fässer und die Maschine, die Wagen 
selbst aber begleiteten in Tracht von Händlern Berthold Krantz, 
(.'onrad Kretzer, der Prevot von Sierck, und noch fünf andere ent- 
schlossene Leute. Als sie am Serpenoisethore ror Tagesanbruch 
Halt machten und Krantz die Pförtner um Einlass ersuchte, wie 
dies so oft vorkam, so öffneten sie das Thor und die Wagen 
fuhren ein, der zweite Wagen aber bloss bis unter die Stelle des 
Fallgatters. Sofort hieb einer der Leute den Pförtner nieder, 
die Soldaten krochen aus den Fäsaem herfor und man begann 
die Maschine aufzurichten, abor sie versagte zum Theil und 
hielt den Wagen selbst fest. Die Soldaten, welche den Streich 
nun fitir gelungen ansahen, eilten sofort diu-ch das Thor mit dem 
Hufe: vive Calabre! Tille gagn^, tue! tue! in die Strasse 
TSOTpeiioI'se und drangen sogaFISls zur Strasse vieille Boucherie 
vor. Dieser Lärm weckte alsbald die Leute, sie stürzten mit 
Waffen und anderem Wehrzeug herbei und der Bä cker Harelle^ 
der ganz in der Nähe wohnte und am frühen Morgen seinem 
Gescliäfte oblag, eilte sofort nach dem Thore, übersah rasch die 
Sachlage, stieg in die Höhe des Thurmes und Hess schnell das 
Fallgatter auf den Wagen herab, so dass der Thoreingang ganz 
versperrt war und man nur unter dem Wagen durchkriechen 
konnte. Dies allein rettete die Stadt, denn die allmälich vor 
dem Thore erscheinenden Lothringer Truppen konnten ihren 
Genossen in der Stadt keine Hillfe bringen, letztere aber auch 
nicht mehr fliehen und da die Metzer in inmier grosserer An- 
zahl herbeikamen, zumal auch das ganze Gewerke der Motzger, so 
vermochte sich nur eine kleineAnzahlLothringerv^^rmittelst Durch- 
kriechens unter dem Wagen zu retten und der Kest fiel unter den 
Streichen der Metzer, zuletzt Berthold Krante selbst, welcher 
sich bis zum Aeussersten wehrte. Die Metzer verloren dabei 
nur drei Leute, die Lothringer funfunddreissig Edelleute, wonmter 
den Bannerträger Jakob von Helmstädt, imd an zweihundertftlnfzig 
andere Soldaten, sowie vier bis fänf Falmen, welche die Metzer 
dann in der später erbauten Lothringer Kapelle neben dem Dome 
zum beständigen Andenken aufhingen. Als Herzog Nicolaus 
von dem traurigen Ausgange erfuhr, hielt er noch vier Stunden 
in der Nähe, weil er hoffte, die Metzer würden einen Ausfall 
machen. Aber als diese bloss das Thor schlössen und sich ruhig 
verhielten, zog Kicolaus gegen Pont-ä^ousson zurück, von wo 



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3. Rermg NicoUus (1470—1473). 



383 



er v('i<4('liens dii» Mct/.er auffordern liess, die Gefangenen und 
Fahnen lieruuszuj^n'bHn. ^ 

Da die Metzor eine Erneuerung der Feindseligkeiten beturcli- 
teten. so ergriffen sie all«- mögliehen Vorsichtsmaassregeln, nacli- / U^A. 
dem sie von dem Vorfalle dem Kaiser und dem Herzoge von Bnrgnnd ^ 
Mittheilungen gemacht hatten, und gingen sogar so weit, einen 
Möneh und eine Nonne aus der Stadt anszuu eisen, weil sie Ver- 
wandte eines lothringischen Herrn waren. Sie hatten ganz 
Recht dies zu thun, denn der Herzog war üher das Missglücken . 
seines Versuclis ungemein aufgebracht. Er liess jedoch inzwi- 
schen auch eine andere Anlegenheit nicht aus den Augen. Karl 
der Kühne drängte ihn nämlich dazu, das Bündniss zwisc hen 

Lotliringen und Burgund nun öffentlich bekannt zu uuichcn, und 

versprach ilim (higegen abemials die Hand seiner Tochter, sobah]^ 
Nicolaus um dieselbe werben würde, wozu dieser denn nun auch 
am 4. Juni dem Johann Wisse, Amtmann von Deutschlothringen, 
und Hugo von Eulmont, seinem Generalprocuratur, Vollmacht 
gab. Inzwischen rüstete er ein neues Heer, sammelte Belage- 
mngsmaterial, sechs bis sieben Bombarden und Kanonen, sowie 
zahlreiche Wallbüchsen und hatte um die Mitte Juni an zwanzig- 
tausend Mann zusammen, mit welchen er gegen Ende des Monats 
den Krieg zu beginnen beabsichtigte. Am 24. besuchte er eine 
nahe Kapelle, um für den Erfolg des Kriegs zu beten, aber 
kamn naeh der Stadt zorückgekehrt, überfiel üm ein ünirohlseln 
mit Erbredien und nach kurzer Zeit gab er seinen Geist anl 
Das Volk, welches von der Vergiftnng des Herzogs hdrte, rottete 
sich sofort zusammen, die Tomehmsten Herren kamen so rasch 
• als möglich in die Stadt und sie hatten Mfihe, dass das Volk 
nicht die Diener des Herzogs, namentlich Einen Namens le 
GHlorieuic, in Stfloke zerriss, denn es gab diesem die Schuld, den 
Herzog vergiftet zu haben. Man musste Letzteretf, um ihn der 
Qe&hr zu entreissen, einige Tage in den Thurm la Graffe ein- 
sperren. Dass eine Vergiftung statt&nd, ist freilich gewiss, 
aber da man schon damals dieselbe nicht den Hetzern zuschrei- 
ben mochte, so schob man die Schuld auf den firanzOsischen 
EOnig Ludwig XL, der allerdings grosses Interesse daranhatt e, 
sich, des Herzogs Nicolaus entledigt zu sehen, zumal als dieser ^ 
nun die Erbtochter Burgunds heirathen sollte und dadurch Flai F'^ 

dem, Brabant, Holland, Burgund, die Franche-Comt^ und Ober-, 

elsass mit Lothringen-Bar zu einem grossen und zusammen- 



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3^ V. Buch: Zwischenregierung des Hauses Aujou ^1431 — 14« 3). 



liäugoudeu Keiclie vereinigt worden wäre. AufYallend ist es 
jedoch, dass man die Schuld nicht auch der Zuhälterin von 
Nicolaus zuschob, welch? vor der neuen Herzogin weichen zu 
müssen befürchtete. 

Herzog Xicolaus starb unvermählt und wurde in der CoUegiat- 
kirche begraben. Von seiner ersten Zuhälterin, A nna Bobert , 
hatte er eine Tochter, die nocb in der Wiege lag und die- er 

^„.^^^ [Margarethe von Calabiien nannte. Dieselbe beirathete spftter 
den Jobann von Cbabannes, Grafen Ton Dammartin, denn die 
franzSslBelien Yomebmen flehenten sieb nicbt unehelicbe TOciiter, 
deren Mfitter dem gemeinsten Stande angehörten, als Frauen zu 
nehmen. Ungeachtet seines unleugbaren liederlichen Lebens 
gibt es doch einige Historiker, die dem Herzoge edlen und ge- 
rechten Sinn zuschreiben wollten, und die GeistlicUceit yerzeichnete 
auf ihrer Bechnung wenigstens die 1472 von Nicolaus gemachte 
Stiftung eines Franziskanerklosters in dem VogesenstSdtchen Baon- 
TEtape. Grossen Ehrgeiz kann man ihm nicht absprechen und 
es beweisen dies yerschiedene Anlftufe, die er zu dessen Be- 
Medigung machte. Die einzige Landerwerbung seiner B^erung 
bestand in der bischöflMJfefads^eii^ Stadt jaarbnrg, welche 
y ichon lange das geistliche Joch abzuschfltteln Tärsuchte und mehr- 

/ . , mals sich dagegen erhoben hatte. Die Burger hatten schon 
1464 den Herzog Johann H. als ihren Herrn anerkannt, BSesSr- 
aber nicht um die Stadt bekümmert und erst Nicolaus 

, nahm am 2. NoTomber 1422^nDlidiJ2esitz von derselben und 
versprach, die Stadtschulden zu bezahlen. Doch fugte sich Bischof 
Georg Yon Baden nicht und yerband sich mit dem Herzoge von 
Burgund, als Nicolaus gestorben war, was aber erst in die nach- 
folg^de Zeit ffilli 

Mit Nicolaus endigte f&r Lotbringen die Zwischenregierung 
des Hauses Anjou, denn er war der Letzte desselben, ein anderer 
Sprössling nicht mehr yorhanden und wenn auch der Grossvater 
— Renatus I. noch bis zum 10. Juü 1480 L^bte, so besass _et doch 
J^ii^ noch Anjou, die Provence und Jjo^und Lotl^ngen ging 
^. durch die Erbtochter Yolanthe wicdef*^u die jü^eri» Linie des 
Hauses Elsass über. Auf diese Weise herrschte diÄ Dynastie 
^r-über Lothringen von 1431 bis 1473. aber wahrlich nicht zu 

V. dessen Glück und Gedeiheii. Die Mitglieder des Hauses AnjoiL^ 
hatten zu viel südliches Blut in ihren Adern, liebten zu selur 
Abenteuer, Yergnägungen und alle Ausschweifungen des Liebes* 



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4. Innere VeryUtniite. 



385 



lebens, waren von grossem Ehrgeiz erfüllt und konnten für ihr 
lothringisches Land keine rechte ZuneigULg gewinnen. Die Ver- 
wandtschaft mit dem französischen Königshause zog sie mehr 
und mehr in das französische Interesse, das häufige Verweilen 
am französischen Hofe war für sie nur ein l'nterricht in der 
fiüschen, treulosen und heimtückischen Politik der dortigen Könige, 
entfremdete sie dem deutschen Keiche und entzog sie geeigne- 
teren Bündnissen und endlich hatten die wiederholten Züge nach 
Italien und Spanien nur zur Folge, dass die Herzoge um ihr 
eigenes Land sich kaum mehr bekümmerten, meistens im Aus- 
lande waren, die Dinge zu Hause gehen Hessen, wie sie wollten, 
und dem Haschen nach einer doch nicht zu erreichenden oder 
zu behauptenden Krone ungemein grosse »Summen opferten, welche 
dem ohnehin nicht reichen Volke ohne Unterbrochung al)gepres8t 
werden mussten und dann im Auslande verbraucht wurden. Auf 
diese Weise war das Haus Anjou für das Land ein Unglück 
und leider starben mit demselben auch noch nicht die Jb'olgen 
desselben aus. 



4. Innere Verhältnisse. 

Literatur. RofTt viUc, Dictionnaire historique des ordonnances 
et des tribttOMlx de la Lorraine et du Barrois: Beaulieu, Archeologie 
de la Lorraine; - Lepacre et (Miarton, Statisti(|ue du departement des 
Vosges; — Lepage, Statisli<pie du departement de la Meurthe; — 
Diimont, .Tusticft criminelle des duehes de Lorraine et de Bar; — 
Kichard, Traditious populaires, croyances superstitieuscs, usages et 
oontumes de rancienne Lorraine; — Richard, Contume particuliere, 
moeun et nsages de U commune de Bresse; — Biekard, Notioe rar 
Vancienne justice seigneuriale du bau de Longchamp; — Lepage, 
Hecherchea aur l'industrie en Lomune. 1851; — Bejkupri, Les 
geotiUiommes verriers ou recherches sur Tindustrie et les priTilögeB des 
verriers dans l'ancienne Lorraine au XV., XVL et XVIL siecles; — 
Michel, Notice sur Vorfevrerie mcssine, in Mem. Acad. Meaaine 1847 — 48> 
— Die verschiedenen Chroniken von Metz. 



Während in den Nacbbarlftndeni die Regenten ancli in 
^ dieser Periode fortführen, ihre Madit zn verstärken nnd das 
Gewidit der Vasallen zu Termindem, machte Lothringen unter 

Hahn, OeMhlehte LothrlngviM. 25 



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886 ^* Bach: Zwisohenr^enmg des Hauses Ajgoa (1431^1473). 

der Herrschaft des Hatues Anjoii in dieser Richtung nicht 
Fortschritte, sondern eher Rückschritte. Zunächst waren es 
die Erbansprüche der Linie Vaudemont des Hauses £lsa88, 
welche die Forsten nöthigte, den Beistand des Adels zu suchen 
nndj durch entgegenkommende Bewilligungen zu gewinnen und 
zu erhalten, und dann das Bedürfniss ausreichender Geldhülfe, 
zunächst um das Lösegeld von Eönig-Herzog Kenatus L zu be- 
zahlen, denn die bisherigen Einkünfte ans den Domainen, Sa- 
linen, der Münze und dem Antheile an den Strafgeldern, sowie 
die Weggelder und sonstigen Einnahmequellen reichten nicht 
mehr wie früher dafQr aus und auch das Schuldenmachen ver- 
sagte, weil die reichen Städte wie Metz zu den alten schuldigen 
Summen nicht noch neue borgen wollten. Als nun aber gar 
der blendende Glanz der erst zu erobernden Krone von Neapel die 
Herzoge zu abenteuerlichen Zügen und kostbaren Unternehmungen 
veranlasste und sie desshalb wenig mehr im Lande selbst ver- 
weilten, so war ihnen die ( J eidhülfe und der persönliche Dienst 
des A4 eis nur um so nothwendiger und veranlasste fast regel- 
' massige Steuern von Seiten der Vasallen. Ausserdem bildeten 
' auch Mitglieder derselben stets die während der Abwesenheit 
der Herzoge eingeführte Regentschaft und diesen war es natür- 
lich mehr darum zu thun, ihre Vorrechte zu erhalten und sie 
zu sichern, als sie preis zu geben. 

Die Gelegenheit wäre nun sehr günstig gewesen, um einen 
dauernden Grund zu einer politischen Organisation der Stünde 
zu schaffen, welche dem Volke eine Antheilnahme an der Kcgie- 
rung und Sicherung der Rechte und Freiheiten gewähren konnte. 
Allein an etwas Derartiges war hier nicht zu denken, wo auch 
der Adel noch so ungebildet war, keinen ordentlichen Unterricht 
genoss und sich so sehr von der (jcistlichkeit beherrschen Hess. 
TJeberhaupt sind romanische Völker dafür nur sehr wenig be- 
fähigt, Lothringen war aber damals schon so verwelsch t, dass 
es eines schweren Gegengewichts bedurft hätte, um es für andere 
Bahnen wieder fähig zu machen. Es lag den Ständen damals 
keine andere Sorge am Herzen als jene für ihren Geldbeutel und 
wurde bierin ihr Recht beachtet, so lag ihnen an allem Anderen 
sehr wenig. 

Leider verstanden es auch die Städte nicht, von der Gunst 
der Zeit Gebrauch zu machen imd lag der Hauptgrund wohl in 
dem Umstände, dass die drei Bischofstadte sich d^ politischen 



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4. Innere Verhältnisse. 



387 



Selbständigkeit erfreuten, die anderen Städte aber nur klein und 
oline Zusammenhang waren. Von Metz, welche Stadt damals 
fünfzig- bis sechszigtausend Einwohner zählen moclitc und die 
ausserdem in ihrem Gebiete wolil noch weitere fünfund vierzig- l)is ^'1 ' 
fünfzigtausend hatte, wäre vor allen anderen Städten zu envarten 1 1 
gewesen, dass sich ein freies politisches Leben ausgestaltet und 
auf die weite Umgehung zurückgewirkt hätte, aber gerade hier starb 
das eigentliche politisclic Leben und die freiheitliche Fortent- 
wickelung schon sehr frühe ab, da die Patrizie r die Alleinherr- 
schaft an sich rissen, die Gewerke ihrer Organisation IjerauLTeiT" 
und daher gar kein Wetteifer mehr vorhanden war. Schon als 
die Kämpfe mit den Bischöfen für die Stadt keine grossen An- 
strengungen mehr nothwendig machten, ging es damit bergab 
und es entstund eine wahre Oligarc hie, in welcher eine nur 
geringe Anzahl Familien sich in das Regiment theilte, die 
anderen Bürger nur noch zu Yertkeidigungszwecken und Steuer- 
beiträgen herangezogen wurden, das Landvolk aber gar keine 
Vertretung besass. Am Ende des vierzehnten und Eingange 
des fünfzehnten Jahrhunderts zählte das Patriziat noch 
hundertsechsundfunfzig Familien und Mitglieder, in dieser 
Periode war diese Zahl jedoch schon auf neunundsiebzig herab- 
gesunken und bald sollte sie noch viel bedeutender zusammen- 
schnu'lzen. Diese Familien waren weitaus in der Mehrzahl 
romanischen Ursprungs und wenn sie lange Zeit hindurch zum 
Reiche hielten, das fast gar keine Anforderungen an si e stellte 
imd daher leider auch die Stadt sich ganz überliess, so geschah 
dies mehr- aus Eigemiutz und dem instinktiv en Gefühl, dass ihre 
Unabhängigkeit nur von Frankreich her bedroht würde. Ausser den 
alten Geschlechtern kamen dazu nun noch andere aus Frankreich, 
Lothringen und Flandern und damit bekam nach und nach die 
französische Partei das Uebergewicht, Metzer Patrizier kämpften 
an der Seite der Franzosen, ja nu^hrere derselben nahmen sogar 
vom Könige Pensionen und Ehrenstellen an und gerade dieses 
französische Wesen erstickte den alten reichsstädtischen Geist 
vollends, da sich beide nicht mit einander vereinigen lassen. — 
Verdun und Toul entwickelten ihr Gemeindewesen noch weniger 
und standen auch nicht so frei da wie Metz, suchten sie doch 
sogar in den Kegenten von Frankreich und Lothringen ihre 
Schutzherren zu erhalten. Sie nahmen allerdings an Woldstand 
und Einwolmerz^ahl zu, litten aber gerade in dieser Epoche zu 

25* 



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388 Bocli: Zwiaohfliiragiening dei Hftuses Anjou (1431—1473). 

oft durch epidemische Krankheiten, die sich besonders in den 
Jahren 1426, 1438, 1451 nnd 1462 sehr heftig zeigten. Allein in 
Verdnn sollen in den Jahren 1451 nnd 1452 gegen dreitausend 
Personen gestorben sein; Metz mit Gebiet yerlor deren 1426 an 
sechszehntansend, 1438-— 39 etwa zwanzigtausend und 1462 wie- 
der yiertansend. Die lothringischen Stftdte waren nur von ge- 
ringem üm&nge, hatten aber alle ihre Gemeindever&ssungen 
erhalten und audi die neu hinzugetretenen Städte Epinal 
und Saarburg erhielten alsbald ihre besonderen Freiheiten und 
^ PriTÜegien. 

1}ie.DGrftr verblieben w&hrend dieser Zeit meistens in der 
/. bisherigen Lage und nur eine kleine Anzahl derselben bekam 
wenigstens einen Theil derBestinunungen desBechts von Beaumont. 
Dieselben schafften einige alte Beschränkungen, Frohnden und 
andere Dienste ab und f&hrten da gegen bestimmt e Geldabgaben ein; 
doch behielten die Herren vijBle d er alten Bech^ wie den Bann 
der Mjhlen und B acköf en, das Becht, dass Häuser, welche der 
Sechsgroschenabgabe unterworfen waren, nur wieder an Leute 
desselben Herrn verkauft werden durften u. dgL Aus alter Zeit 
hatten sich die Bewohner der Vogesengegenden, in welchen es viele 
Wölfe gab, das freie Jagdrech t erhalten, auch durften sie am 
Mittwoch, Freitag und Samstag ihren Bedarf an Fische n fangen, 
wobei jedoch die Anwendui^ von gewissen sehädliclen Fischerei- 
arten verboten war. Der Weinve rkanf war mit einer Taxe be- 
legt, doch durfte vom Samstag nach Ostern bis Pfingsten jjot 
der herrschaftliche Pächter Wein verkaufen. Wer in ein Dorf 
zog, das zwei Herren gehörte, durfte sich den Herrn selbst 
wählen; heirathete er aber und zog er in den Dorftheil des 
anderen Herrn, so blieb er immer noch dem ersteren untergeben, 
während die Kinder zum Herrn der Mutter gehörten. Nament- 
lich war OS den Dorfbewohnern auch streng verboten, ohne Ein- 
willigung iliies Herrn sich unter den Schutz eines fremden Herrn 
ziT stellen. 

Mehrere Orte genossen ihrer Lage wegen l)esonderei* Kochte. 
vSo w^ar zu Norroy-le-Vcneur der Gemeindebehörde die volle Ge- 
richtsbarkeit übertragen, weil dieses zu Bar gehörige Dorf an der 
äussersten Grenze gegen die Mosel lag~und fast ganz von fi-em- 
dem Gebiet umgeben war, und damit sie sich selbst zu ver- 
theidigen vermochten, wurde den Einwohnern auch das freie 
Jagdrecht gewährt. In ähnlicher Weise besass das mitten im 



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4. luuere Verhiiltuisse. 



389 



Hochgebirge der Vogesen liegende einsame Dorf Bresse die volle _ 
Gerichtsbarkeit, welche die Gemeindebehörde nach nrältem Her- 
kommen unter der Ulme verwaltete nnd aiudi in Lon ^cliamp bei 
Kemhremont war die .Rechtsprechung fthnlich geordnet, wobei 
jedoch der Gross-Prevot des Capitels den Vorsitz führte. Die ^ 
Geric htebeiri tBer dieser Orte hatten als Zeichen der Würde einen 
wdsse^I^ib. In den Gebirgsgegenden herrschte die alte Ein- 
fachheit und Derbheit immer noch wie früher, denn es gab da- 
selbst &8t keine zusammenhängende Dörfer, sondern die Häüser 
waren oft Stunden weit fiber Thal und Höhen zerstreut, man 
hatte zwei bis drei Stunden bis zur Kirche zu gehen und 
auch nur am Sonntag kamen die Leute zusammen. Im Winter 
vereinigten sich die Bewohner einer gewissen Häusergiuppe Abends 
abwechsehid in den Häusern derselben bei Spinnen und anderen 
Arbeiten, während abenteuerliche Geschichten und allerlei Geister- 
sjiuk erzählt wurden. Doch pflegte ein Theil der ärmeren Bewohner 
sieli auch auswärts, zumal in der Ebene, zu verdingen, um später mit 
dem ersparten Lohne heimzukehren und sich zu verheirathen. 

In den Städten hatte sich längst ein erheblicher Luxus ein- 
gebürgert imd WHirde auch die Tracht darnach gestaltet. Nament- 
lich die Adeligen hielten sehr auf Schmuck und reiche Kleider 
und machten bei besonderen Festlichkeiten imgewöhnlichen Auf- 
wand. Die Lotliringer Chronik erzählt uns aus dem Hause 
Finstingen, dessen Hen-schaft aus vier Seigneurien bestand und 
das häufig die Marschallswürde von Lothringen verwaltete, dass 
bei der Vermählung einer Tochter mit dem Grafen von Saar- 
werden zu Bockenheim die Braut ein Kleid so voll von Gold, 
Silber, Edelsteinen und Perlen trug, dass man die Farbe des 
Kleides selbst nicht mehr zu erkennen vermochte, dass man aus 
einem Brunnen zwei Tage lang weissen und rotlien Wein laufen 
liess und der Herzog mit seinen Sängern und viele adelige 
Herren nielirere Tage lang daselbst zechten. Selbst unter dem 
Bürgerstande der Städte, namentlich von Metz, wurde ein gleich 
grosser Aufwand getrieben und in letzterer Stadt, die sich so 
gern vergnügte und nicht bloss im Freien vor der Stadt (Champ-ä- 
Paune), sondern auch in den Kirchen tanzte, trug die Frau 
Catharine Baudoclie aus der Familie Gournais im Jalu-e 14G8 die 
ziemlich erlieblichen Kosten für die Aufführung des Mysteriums 
der hl. Catharine von Sienia und Andere waren so reich und 
prächtig eingerichtet, dass si^ Fürsten und Könige behe;:bergen 



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390 Buch: ZwisclienregieruDg des Hauses Ai\jou (1431—1473). 



und fremdon Grossen reicliliclie Festlichkeiten darbieten konnten. 
Daneben schritt dann auch das ausgelassene, liederliche Leben 
einher, die Städte hatten ihre besonderen Hurenhüuser und sogar 
lliirenviertel und die jüngere Welt gab sich mit Saufgelagen und 
Glücksspielen gerne ab. 

Die hässlichste Erscheinung in dieser Zeit war unstreitig 
der ^Glauben an Hexerei und Zauberei, denn er beweist, wie sehr 
"Sie^ Geistlichkeit die Dunnnlieit und den Aberglauben im Volke 
zu erhalten pflegte und nichts für dessen Aufklärung geschah. 
Freilich hätte dadurch die Geistlichkeit eine Haupteinnahme aus 
den Teufclsbe schwörungen und anderem Hokuspokus verloren und 
das Volk sich von ilir unabhüngit^nn- gemacht. Es gibt wohl kaum 
ein Land, in welchem der Aberglauben überhaupt so vorherrschend 
wurde und zmn Theil noch ist wie Lothringen, das sich auch 
nihmen darf, die meisten Hexenprozesse gehabt und die meisten 
Personen wegen angeblicher Hexerei verbrannt zu haben. Man 
war nicht zufrieden mit einem einzigen Versammlungsort der 
Hexen, sondern hatte deren drei ; auf dem St. Quentin bei Metz, 
am Südende des See's von Retournemer in den Vogesen und im 
Thale südlich vom Berge Parmont, und die auf der Folter er- 
zwungenen Aussagen angeklagter Fronen über das, was bei diesen 
Hexenversamralnngen vorgegangen sei, überateigt Alles, was die 
kühnste Fantasie an blühendem Unsinn erzeugen kann. Die 
Metzer Chroniken berichten über eine Menge solcher Anklagen 
und die älteste Erzählung ist aus dem Jahre 1372, wo die 
Metzer Bürgerin Bietris, Tochter des Simon von Helferdingen, 
ihr Mann und zwei andere Frauen an der Mosel zwischen den 
beiden Brücken verbrannt wurden. Ein Wilhebn de Chambre, 
der ebenfalls angeklagt war, erhängte sich im Gefängnisse, aber 
doch wurde sein Leichnam ebenfalls auf jdemselben Platze ver- 
brannt. Das, was diese Leute hinterliessen, fiel der Kirche an- 
heim und hatte sie daher auch ein grosses Interesse daran, dass 
viele Verortheilungen vorkamen. In Lothringen wurde im Jahre 
1408 ein gewisser Romario Bertrand , der eine Burg in den 
Vogesen hatte und ein grosser Liebhaber des weiblichen Ge- 
schlechts war, angeklagt, durch Hexerei und Teufelskünste die 
Frauen der Gegend zu verf&hren, und nachdem er auf der Folter 
dies eingestanden, aber Bene gezeigt und Besserung versproclien 
hatte, wurde er vom Herzoge insoweit begnadigt, dass er vor 
seiner Hinrichtung noch des Trostes eines Geistlichen gemessen 



4. Lrnere VerhSltniase. 



391 



BoUte. Gegen Höherstöliende war man in dieser Hiiudcbt etwas 
milder und als man 1437 den Bombaidiw Commouffle, Ton wel- 
chem der noch erhaltene Thurm in der Festongsmaner Ton Metz 
den Namen hat, beschuldigte, er stehe im Bunde mit dem Teufel, 
verstehe Zauberkünste und habe täglich drei Freikugeln zu ver- 
schicssen, so schickte man ihn nach Bom, um vom Papste für 
diese Sünde Absolution zu holen, denn wahrscheinlich wollte man 
durch seine Bestrafung sich nicht seiner wichtigen Dienste be- 
rauben. — Aus Verdun berichtet man vom Jahi'e 1445 eine 
ganze I'iihp solcher Anklagen von Weibern, welche Donner, 
Blitz und Hagel zu veranlassen verständen, jede mit einem beson- 
deren Teufel fleischlichen Umgang hätten u. s. w. Sogar die Frau 
des Schöffenmeisters war unter diesen Angeklagten, wurde aber 
freigelassen, während man die anderen verbrannte und einen 
Mann von Xeulle, der ebenfalls mit diesen Weibern im Bunde 
gestanden haben sollte, im Bache ertränkte. Den Frauen, die 
man wieder frei Hess, pflegte man aber in der Kegel mit glühen- 
dem Eisen das Gesicht zu brandmarken mit der Drohung, dass 
sie im Wiederholungsfalle verbrannt würden. 

Man kann diesen Hexenglauben unstreitig nicht als eine 
Art Epidemie ansehen, welche auf einmal die Leute ergriff, denn 
er dauerte über zwei Jahrhunderte lang und nahm nicht ab, 
sondern zu. In der vorliegenden Epoche war man noch lange 
nicht auf dem Höhengrade angekommen, sondern theilweise sogar 
noch mild. Eine im Jahre 1448 als Hexe angeklagte Frau von 
Gorze kam mit di-ei Brandmalen im Gesicht davon und ein 
Mann sogar mit Verbannung auf zehn Meilen Entfernung. Aber 
schon 145G, als im April die Reben erfroren, mussten dies wie- 
der Hexen gethan haben und auf Anzeige eines jungen Menschen 
aus Pont-ä-Moiisson zog man vier Personen aus diesem Orte, 
einen Mann nnd drei Frauen aus Nomeny, drei Frauen aus Toul 
und einen Mann aus Yic ein, die natüiiicli auf der Folter ge- 
standen, was man nur haben wollte, und dann verbrannt wurden. 
Im Jahre darauf verurtbeilten die Metzer schon wieder wegen 
Verbindung mit dem Teufel drei Frauen und einen Mann ; 1482 
wurde eine Frau von Menil vom Gerichte des Klosters Senones 
ebenso zur Verbrennung verurtheilt und als gar das Jahr 1488 
ungemein vielen Regen brachte, übergab man in Metz nicht 
weniger als drei Männer und fünfimdzwanzig Frauen den Flammen, 
weil sie daran Ursache gewesen seien. Noch mehr Verurthei- 



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392 V. Buch: Zwisclienregierung des Hauees Aigou (1431—1473). 

luDgen solcher Art werden wir ia der Folge zu erwähnen 
haben. 

Da dor Aberglauben und die achlimnien I.eidenschaften des 
Volkes sk'li gewölinlkli nur nach einer Richtung erstrecken, 
so kam der Hexenglauben jetzt auch den Juden zu gut, denn 
die Verfolgung derselben nahm ersichtlich ab. Aber man darf 
desshalb nicht etwa glauben, dass die Kirche darauf einen wohl- 
thätigen Einfluss ausgeübt habe, denn sie verliielt sich immer 
noch ebenso ausschliesslich und abweinend gegen dieselben, schlug 
doch im Jahre 143,') Jas Concil von Basel der Stadt Verdun die 
Bitte, wegen des Handels die Juden wieder zulassen zu dürfen, 
geradewegs entschieden ab, so dass sogar Kaiser Sigismund es 
für nötliig hielt, den Bittstellern in anderer Weise entgegen zu 
kommen, indem er allen Keichsständen bei Strafe von zwanzig 
Mark Silber gebot, die sich nach Verdun begebenden Kaufleute 
unbehelligt und frei reisen zu lassen. Er sprach damit offen 
aus, worin das wahre Hinderiiiss für die Entwickelung des Handels 
liege, und die Städte waren desshalb eifrigst bemüht, für denselben 
möglichst überall freien Verkehr zu schaffen, ja die Metzer zogen 
sogar 1440 mit bewaffneter Macht aus, um diese Verkehrsfreiheit 
zu sichern. Zwei Edelleute, Andreas von Varroye und Philibert 
von Chätelet, hatten nämlich den Metzer Kaufmann Franz le 
( 'ousson aufgehoben, um von ihm ein Lösegeld heraus zu pressen ; 
der Metzer Magistrat aber, der auf seine Aufforderung zur 
Freilassung nur eine ausweichende Antwort erhielt, nahm dann 
sofort einige Lothringer ünterthanen in Haft und erklärte, sie 
nicht eher wieder frei zu geben, bis ihr Mitbürger wieder frei- 
gelassen sei. Beide Edelleute glaubten mm die Metzer dadurch 
einschüchtern zu können, dass sie einen Einfall in ihr Gebiet 
machten, zwei Höfe niederbrannten und eine Anzahl Vieh weg- 
führten, al)er die Metzer rückten sofort ins Thal von Faux, 
führten Kühe, T^ferde und anderes Vieh weg und zwangen so die 
Lotliringer zur Freigabe des Metzer Bürgers und zum friedlichen 
Austrag der Sache. Wie schon früher erwähnt, waren die Metzer 
überhaupt die Ersten im Umfange des Landes Lothringen, welche 
sich beniüliten mit anderen Verkehrs- und industriereichen Städten 
Handelsverträge abzuschliessen, da sie einen recht erheblichen 
Handelsverkehr nach Frankfurt und Nürnberg, Flandern, Frank- 
reich und dem Süden unterhielten und ilire Stadt zum Stapel- 
platz des groBäea Waarenverkehrs für das ganze Land zu machea 



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4. Innere YerhältniMe. 



393 



Buchten. Soloho Verträge schloss sie unter anderen 1430 mit 
der damaligen Herzogin von Luxemburg und andere folgten 
1494, 1498 u. s. w. nach. 

Da der Hnndel grössere Städte verlangt, so fand er im 
eigentlichen J^othriiigen weniger Boden; dagegen waren die Ht^r- 
zoge bestrebt, die vorhandenen Anfänge der Industrie zu ent- 
wickeln und neue hervorzmnifen. .Si-hon viel früher waren Glas- 
hütten entstanden, zunächst in der Gegend von Darney, und die 
Besitzer derselben erhielten am 21. Juni 1448 neue und erw^ei- 
terte Privilegien und Steuerfreibeit und fünfundzwanzig Jahre 
später wurden dazu noch neue Glashütten errichtet. Herzog lle- 
natus I. dachte auch an einen besseren IJetricb der Bergwerke 
und scliloss desshalb am ?7, October 14G8 mit AN'ilhehn \m Ha- 
raucourt, Bischof von Veidun, einen Vertrag über den gemein- 
schaftlichen Betrieb aller künftig zu entdeckenden Gold-, Silber-, 
Kupfer-, Zinn-, Eisen- und anderer Metall - Bergwerke in den 
Prevoteien von 8t. Michael, Trognon, La Chaussee, Etain, Hatton- 
Chätel. Fraisnes, Cliarney und Margienne. — Audi die Bie- 
nenzucht bildete noch eine ansehnliche Einnahme für den Herzog, 
denn nach den Rechnungen des Generaleinnelmiers wurden 1440 
an Zahlung 18(3 Quart Wachs bezogen und noch 1470 und später 
reichte dies nicht nui- für den Bedarf des Hofbalts, sondern lie- 
ferte durch Verkauf aucli noch eine recht schöne Geldsumme. 
Endlich war der Ertrag durch flössbares Holz ansehnlich. In 
Metz wurde die Goldarbeiterei immer emsig betrieben und man 
arbeitete auch für auswärts. Daneben bereitete mau viel Bier 
und Liqueure aus Obst und an der Mosel stand die einzige 
Papiermühle des Landes, welche in gutem Betrieb gewesen zu 
sein scheint. • 

In dieser Zeit regte nur der Handel noch einen Keisever- 
kehr an, denn die Lust an Pilgerfahrten nahm sehr rasch ab 
und nur aoB dem Jahre 1441 wird von drei Metzem berichtet, 
dass sie Jerusalem besuchten und zwei davon als Bitter des 
heiligen Graba zurQckkehrton, irftbrend 1463 nur noch ein einzelner 
Metzer Patrizier diese Reise machte. Den Leuten war nfimlich 
allmfllicb der Glauben an die YerdiensäichkMt und Wirtomg 
solcher Fahrten abhanden gekommen und alles Fredigen der 
Geistlichkeit konnte die frühere Lust nicht mehr erwecken. Es 
zeigten sich nämlich schon sehr entschieden die Anfinge der 
Reaction gegen die bisherige Friesterherrschaft und die langen 



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394 Buch: Zwischeoregierung des Haniei Anjon (1431 — 1473). 

Kämpfe zwischen Staat und Papstthuni balinten die Zeit an, wo 
ein halbes Jahrhundert Hpüter die Kefonnation begann. Nament- 
lich die Stadt Metz war es, welche die päpstlichen Uebergrilfe 
nicht dulden wollte und entschieden dagegen Stellung nahm. 
Es kamen aucli dahin einige Inquisitoren aus dem Dominikaner- 
orden und namentlicli Johann von Alixey nahm sich heraus, ei- 
nige Frauen aus Metz wegen angeblicher Ketzerei und Hexerei 
vor sein Forum zu ziehen. Aber der Magistrat untersagte ihm 
dies und erklärte in einem Atour, dass kein Metzer, der wegen 
Häresie angeschuldigt werde, anders als im städtischen Gefäng- 
nis« festgehalten werden dürfe und dass bei allen Verhören und 
Processverhandlungen in solchien Dingen immer zwei Magistrats- 
mitglieder anwesend sein müssten, woraus dann der Inquisitor 
ersah, dass für ihn keine Geschäfte in Metz zu machen seien. 
In dem Streite wegen des Erzbischofs Diether von Isenburg zu 
Mainz, dem die päpstliche Partei den Adolf von Nassau entge- 
gengestellt hatte, nahm zwar der Metzer Bischof für letzteren 
Partei und büsste dies nach der verlorenen Schlacht bei Secken- 
heim mit Gefangenschaft und hartem Lösegeld, aber die von 
Papst und Kaiser ebenfalls zur Theilnahme aufgeforderte Stadt 
Metz lehnte dies ab, was in Rom schon erbitterte. Als dann 
aber das Metzer Domcapitel eifrig für Adolf von Nassau Partei 
nahm, untersagte dies der Magistrat und das Domcapitel drohte 
die Stadt zu verlassen. Der Magistrat gab jedoch nicht nach und 
vienmdzwanzig der Domherren zogen dann nach Pont-ä-Mousson, 
wo sie in der Antoniterkirche Gottesdienst hielten; sieben Dom- 
herren nahmen aber nicht Antheil, sondern blieben in Metz und 
setzten den Gottesdienst fort. Die ausgewanderten Domherren 
wandten sich nun mit Beschwerden an Kaiser Friedrich IV., den 
König von Frankreich und die Herzoge von Burgund und Lo- 
thringen und die Päpste Pius II. und Paul IL sprachen wieder- 
holt den Bann über Metz aus, die Stadt jedoch beachtete dies 
wenig, schrieb sogar dem Papste einen Brief voll Vorwürfe, weil 
er den Frieden störte, und Hess nicht einmal mehr päpstliche 
Legaten ein, so dass die päpstUdie Bolle im Jahre 1463 heim- 
lich eingeschmuggelt und angeschlag^ werden musste. Ja der 
Herzog von Lothringen musste sogar auf dringendes Ansuchen 
der Stadt den Domherren befehlen, sich aus Pont-ä-Mousson zu 
entfernen und nach Vic überzusiedeln. Endlich als noch eine 
Anzahl ziemlich derber Briefe zwischen dem Papste und der 



« 

4. Innere VerhSltniBse, 



395 



Stadt auBgetauscht und bis 1467 mehrere Yermittelungen ver- 
sucht waren, gingen die Domherren auf die Forderungen der 
Stadt ein, für den Wachtdienst in Friedenszeiten jährlich sechs- 
nnddreissig Franken zu bezahlen, in Kriegszeiten den zehnten 
Thell der Jahreseinnahmen beizutragen und in gleicher Weise 
wie die Bürger das Octroi zu bezahlen, worauf die Domhenren 
am 5. Mai 1467 wieder nach Metz zurückkehrten. 

Zu Verdun sab es mit den Bischöfen nicht besser aus. 
Ludwig von Haraucourt, der zn dieser Wurde erhoben war, zeigte 
bald eine leidensohaftliche Liebe zu einer schönen Fran der 
Stadt, zu welcher unglückseliger Weise der Erzdiaconus Wil- 
helm Huin schon in einem Liebesyerhältnisse stand, so dass der 
Bischof über ihn eifersüchtig wurde. Er liess ihn desshalb beim 
Verlassen der Kathedrale von einer Schaar Leute überfallen, so 
dass der Erzdiaconus sich in die Crypta flüchtete, worauf diese 
Leute nicht bloss sein eigenes Haus, sondern auch die zweier 
Canoniker anzündeten. Da hierüber grosser Scandal und viele 
Feindseligkeiten entstanden, liess sich Ludwig von Haraucourt 
auf den Bischofstuhl von Toul versetzen. Sein Nachfolger 
Wilhelm Fillutre bekam aber anch Streit mit dem Capitel, rief 
den Herrn von Saarbrücken-Commercy zu seinem Beistande auf 
und dieser verwüstete darauf die Güter der Canoniker. Das Concil 
von l^asol forderte den Bischof zwar zur Entschädigung auf, 
aber er kiinmierte sich nicht darum und erst nach weiteren Ver- 
handlungen gab er den ( 'anonikern fünfhundert Gulden. Nun aber 
verdarb er es mit den Bürgern, die ihn sogar nicht mehr aus den 
Thoren der Stadt lassen wollten, und dies machte ilun dann seine 
Stelle so unleidlich, dass er mit seinem Vorgänger einen Tausch 
einging, dieser wieder nach Verdun zurückkehrte, er selbst aber 
den Sitz in Toul einnahm. Die Bürger von Verdun sahen An- 
fangs ihren Bischof nicht gern zurückkehren, doch vertrug er 
sich nun mit den Domherren und diese wählten ihm sogar 1451) 
zmii Nachfolger seinen Vetter Wilhelm von Haraucourt, der 
bald darauf sich nach Frankreich begab, an den Intriguen des 
Cardinais Balue Antheil nahm und ebenso wie derselbe in einen 
eisernen Käfig der Bastille eingesperrt wurde, worin er vier- 
zehn Jahre zubrachte. Natürlich wm'de die Diöcese in dieser 
Zeit durch Suffragaue oder Weihbischöfe verwaltet und dies ge- 
schah überhaupt in den drei Diöcesen fast regelmässig, da sich 



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396 ^* ^uch: Zwischeoregienmg de« Hauses Aigou (1431—1473). 



die Bischöfe lieber mit weltlichen Dingen abgaben. Meistens 
waren diese AVeihbischöfe Dominikaner- oder Franziskanermönche. 

Längst war man im Laufe der Zeit von der alten Sitte 
a))gekommen, bei der Wahl der Bischöfe auch die Gemeinde zu 
befragen. Selbst die Wahl durch die Capitel drang nicht immer 
durch, da der Papst oft das Recht in Anspruch nahm, selbst die 
Bischöfe zu erneiuien, wie denn auch die Fürsten ihren Einfluss 
darauf häufig ^^oltend machten. Um hier wieder eine bestimmte 
Ordnung einzufüiuren, erliess König Karl VH. von Frankreich 
eine pragmatische Sanction, welche am 7. Juni 1441 auch das 
Domcapitel von Verdun annahm. Dieselbe sollte auf das fnihere 
Herkommen zurückgreifen, schuf die Keserven und Expectanzen 
ab, hob die Annaten auf und verbot an den Papst zu appelliren 
ohne die unteren Instanzen durchgemacht zu haben. In ähn- 
hcher Weise lautete auch das zwischen dem Kaiser Friedrich 
und Papst Nicolaus V. vereinbarte deutsche Concordat, welches 
dann in Metz, Verdun und Toul eingeführt wurde. Aber leider 
wurde es nicht lange beobachtet und in den drei Bisthümern 
wurden niclit bloss die Wahlen durch die Domcapitel seltener, 
sondern sie geradezu vom Ermessen des Papstes abhängig, was 
nur zu allgemeinem Sclmden gereichte. Ausserdem machte sich 
in diesen Bisthümern der Einfluss Frankreichs immer mehr be- 
merklich und die daher als Inquisitoren geschickten Domini- 
kanermönche wachten nicht bh^ss über etwaige Häresie, sondern 
überwachten auch geradezu die Bischöfe sel])st. 

Durch den ganzen geistlichen Stand ging in dieser Zeit 
eine ungemeine Verdorbenheit und von der alten Zucht und 
Ordnung war keine Kedc mehr. Der alte Glauben und Aber- 
glauben schwand dahin, man fühlte das Bedürfniss einer Reform 
immer mehr, aber es fehlte an Solchen, welche die Kraft dazu 
besassen, solche zu verlangen und durchzusetzen, um zu einem 
geläuterten Glauben zu gelangen, der mit dem sich vollziehenden 
grossen Umschwung in der christhchen Welt wieder in Einklang 
stand. Die Concilien zu Constanz und Basel yerliefen nur frucht- 
los, die höheren Stifter wurden blosse Versorgungsstätten für 
nachgeborene Söhne der Fürsten and vornehmen Herren, mit 
dem Aufhören der IQosterschulen ging auch die geistige Aus- 
bildung des Clerus verloren und an die Stelle rehgiösen Sinnes 
trat weltUches Treiben. In Metz mussten Bischof nnd Magistrat 
den Mönchen und anderen Geistlichen geradezu verbieten, in 



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4. Lmere VerluiltnitM. 



397 



weltlicher Tracht herumzugehen, sowie Wirthshänser, Tanz- 
belustigungen und Bordelle zu besuchen und als zwei deutsche 
Aebte aus EOln und St. Georgen im Schwarzwalde nach Lo- 
thringen kamen, um die BenedietinerklORter zu inspiciren und 
sich von ihrem Zustande zu überzeugen, liesB sie die Aebtissin 
Ton YergaYille gar nicht ein und appellirte an den Papst. Die 
Canoniker von Toul hielten in der Fastenzeit ein Gastmahl im 
Chor der Kathedrale ab, die Klosterfrauen von Remiremont 
tanzten nach dem Essen in der Wohnung der Aebtissin, welcher 
der erste Tanz gehörte, und in Metz tanzte die Tomehme Welt 
sogar regelmässig in den Kirchen. 

Während in dieser Zeit Niemand mehr daran dadite, sein 
Geld für neue IQosterstifkungen herzugeben, war man bemüht, 
für die Annen und Kranken in anderer Weise zu sorgen imd 
Hospitäler zu errichten. Herzog Renatus 1. imd seine Gemahlin 
Isabella erliessen 1438 für dieselben eine eingehende Yerordmmg 
und wiesen ihnen gewisse Einnahmen zu, auch sorgten die er- 
heblicheren Städte selbst für solche Kranken- und Armenhäuser, 
aber an das Landvolk wurde dabei nicht gedacht und dasselbe 
ermangelte auch der Aerzte. Der herzogliche Hof und einige 
andere grössere Herren nahmen allein solche in Dienst, audi 
hatte Metz einen solchen angestellt, dem die Stadt j&hrlieh 
dreissig Lims bezahlte. 

Von den alten Elosterachnlen war nur wenig mehr übrig 
geblieben und wer eine hühere Bildung erlangen wollte, besuchte 
die üniTersitftt von Paris, wodurch sich natürlich der firanzü« 
sische Einfluss im Lande um so mehr Terstftrkte. Dabei aber 
brachten die jungen Leute aus den dortigen Hörsälen doch 
auch einen freieren Geeist zurück. Die bischöfliche Schule zu 
Yerdun bestand noch fort und in Toul führte Bischof Eillätre 
auch das Studium der Theologie wieder auf einen besseren 
Stand, indem er an SteUe eines Dominikanennönehs einen Zög- 
ling der Pariser Hochschule als Lehrer berief; auch lehrte man 
dort noch die Bechtswissenschaft, Die Schule der Caimeliter zu 
Baccarat, welche im Jahre 1441 gegründet wurde, diente auch 
den NoYizen der nahen Klöster Senones und Etival zum Unter- * 
rieht in der Theologie. Dagegen ist die Schule zu Metz in 
dieser Zeit ganz TerschoUen und gaben sich mehrere der Bene- 
dictinerklöster fast nur mit dem Elementarunterricht und etwas 
Lateinisch ab. Das LandTolk blieb natürlich unter solchen üm- 



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398 Buch: Zwiacheuregierung des Hauses Anjua (1431 — 14 ?3). 

stündeü noch ganz ohne allen Unterricht und kümmerte sich 
kein Mensch darum. 

Es erklärt sich aus diesem Umstände sehr einfach, dass es 
in dieser Zeit in Lothringen fast gänzlich an wissenschattlichen 
Leistungen fehlte, denn die wenigen Ausnahmen, welchen man 
l>egegnet, sind nicht einmal geeignet, in dieser Hinsicht die 
Mittelmässigkeit zu überragen. Der in Etain geborene Wilhelm 
Hiiin, welcher in Verdun f^rzdiaconus und dann in Metz Dom- 
decan wurde, auf dem Concil zu Basel war und später wegen 
seiner daselbst geleisteten Dienste zum Cardinal befördert wurde, 
ist auf dem Gebiete der Wissenschaft nicht bekannt und für 
seine wissenschaftliche Bildung spriclit nur der Umstand, dass 
ihn das erwähnte Concil zum Generalpromotor ernannte. Da- 
gegen schrieb der mehrfach erwähnte Bischof von Verdun und 
Toul, Ludwig von Haraucoui't, eine Chronik von Lothringen 
seit den Zeiten des Gerhard von P]lsass unter dem Titel 
„Memorial des grands gestes et faicts en la province de Lor- 
li'aine", wovon leider nur noch einige Auszüge \on Mory d'El- 
vange und Bournon erhalten sind. Dieselben sind für die Zeit 
von Gerhard bis zu seinen Tagen oft die beste und einzige 
(Quelle für viele Theile der Geschichte Lothringens. 

Eine merkwürdige Erscheinimg bildet in dieser Zeit die 
Aufführung theatralischer Stücke zu Metz unter dem Namen 
Mysterien, welche Begebenheiten aus der Bibel und den Heiligen- 
leben darstellten; die Verfasser gehörten jedoch nicht dem Lande 
Lothringen an, mit Ausnahme des Verfassers der Leidensgeschichte 
Jesu, welcher Einer der Sieben des Kriegs gewesen sein soll, 
der aber wohl nur die Maschinerie dazu herstellte. Wahi'schein- 
lich wurden sie von Paris nach Metz verpflanzt, denn am er- 
steren Orte werden solche Mysterien schon im Jahre 1398 er- 
wähnt und in Metz wurde das erste Stück 1412 aufgeführt. Es 
war das Spiel aus der Apokalypse des hl. Johannes; im Jahre 
1420 brachte man das Leben des hl. Vitus, am 1. August 1425 
jenes vom hl. Victor zur Darstellung, am 25. Juni 1434 das 
Leben der hl. Catharina, im Jahre 1437 das Mysterium der 
Vergeltung unseres Herrn und die Zerstörung von Jerusalem, 
am 3. Juli desselben Jahres die Leidensgeschichte, am 1. Sep- 
tember 1437 das Leben des hl. Erasmus und 1468 ein anderes 
Stück über das Leben der Id. Catharina. Mehrere dieser Vor- 
stellungen dauerten drei Tage und aie fanden theils auf eigens 



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4. Innere Verhältuiase. 



399 



dazu erbauten Schaubühnen auf öffentlichen Plätzen, theils in 
Klosterhöfen und Kirchen statt. Von allen diesen ist nur noch 
ein einziges Stück erhalten, das aber selir l)reit und ohne alle 
Poesie ist. Aus anderen Städten Lotliringens ist von ähnlichen 
theatralisclien Aufführungen wenig bekannt und scheinen die- 
selben sich ausserhalb der Mauern von Metz uui" nach Nancy 
verbreitet zu haben. Aus Metz besitzen wir aus der Zeit der 
Herrschaft des Hauses Anjou endlich eine Anzahl von Reime- 
reien, welche meistens Spottlieder auf die Lotliringer und König 
Renatus 1. sind und nach dessen vergeblichem Angriffe auf die 
Stadt verfasst wurden. Vielleicht waren es auch ähnliche Spott- 
lieder auf das lockere Leben des Herzogs Nicolaus, welche den- 
selben so erbitterten, daas er dafür Genugthuung von den Metzern 
verlangte und kurz vor seinem plötzlicliem Tode Rüstungen zu 
ihrer Bekriegung traf. Wie wenig sogar auch in Metz an wis- 
genschaftlicher Bildung vorlianden war, beweist der Umstand, 
dass die Stadt zu allen Verhandlungen mit dem Reiche und den 
Fürsten, sowie für alle Staatsgoschäfte überhaupt niemals eine 
passende Persönlichkeit selbst liefern konnte, sondern sich die 
Männer dafür stets von auswärts kommen lassen musste. In 
dieser Stellung als Conseillers et orateurs waren: 1418 Johann 
von Louvenot mit sechszig Livres Gehalt, 1422 Meister Hugo 
Poncelet von Neufchätel mit dreissig Livres, 1428 Johann Gralley 
von Orleans mit fünfzig Livres und 1467 Sixtus Bernard, maitre 
des arts, bachelier en droit et lois, mit vierzig Livres Gehalt. 
Dieselben waren alle aus romanischen Ländern und auf franzö- 
aisehen Hochschulen gebildet. 

Zum Bau der Metzer Kathedrale hatte man noch im vier- 
sehntoD Jabihundert den Meister Perrat toh auswärts kommen 
lassen mflaaen, jetset aber hatte man sehen tägem Sjftfte im 
Lande. Meister Johann Ton Commercjr, der auch Bildhauer war, 
vollendete unter BIsehof Conrad Bayer Ton Boppart die Kapelle 
in Baccarat, sowie die Bischo&kapelle an der Kathedrale von 
Metz; Hamich von Banconval war in derselben Penode slftdti- 
Bcher Baumeister daselbst, welcher die Kicolansicapelle in der 
Kirche Si Enchaire erbaute und auch die Befestigungsarbeiten 
leitete. Es entstand damals nicht bloss die Antoniterldrche zu 
Pont-drMousson, sondern der schon erwähnte Cardinal Huinliess 
auch die Pfarrldrche von Etaan aufßihren. Zu Verdnn arbeitete 
man wieder eifrig an der Vollendung der Basilika der Abtei 



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400 V. Bnoh: ZwisdieiiT^gieriiiig de« Hauses Aigon (1431—1473). 

St. Vanne und Jacquemin von Commercy mit seinem Sohne 
arbeitete am Aufliau des Portals und der beiden Thürme der 
Kathedrale von Toul. Jacquemin Kogier endlich entwarf den 
Plan znr Kirche St. Martin zu Pont-ä-Mousson, In Nancy da- 
gegen fehlte es an Geld und tüchtigen Kräften, um die Pfarr- 
kirche von St. Epvre zu vollenden, ebenso zu V^zelise. Alle 
diese kirchlichen Gebäude waren im gothischen Flamboyantstyl 
erbaut, aber in bescheideneren Verhältnissen wie sonst und mit 
möglichster Vereinfachung der Zierrathen, da es in Lothringen 
an den ausreichenden Mitteln fehlte, so dass man vielfach von 
den Wölbungen abstehen und sich mit einer Holzdecke begnügen 
musste. 

Von erheblichen bürgerlichen Bauten ist aus dieser Zeit 
wenig zu berichten, zumal dieselben in den nächsten Jahrhunderten 
durch Neubauten ersetzt wurden und die nipistons geistlichen 
Chronikonschroibor nur der kirchlichen Gebäu<le erwiihnen. Doch 
geschah offciiliar auch dafür gar Manches, zumal iu den Städten. 
Metz sorgte eifrig für gute Unterhaltung und Verbessenmg der 
Festungswerke und in dieser Zeit wurden mehrere der stärkeren 
Thürme, wie Commoutfle, erbaut und 1445 begann man die 
Erl)uuung des licute noch erhaltenen Thors vor der Rue des 
AUemauds, welche der erwähnte Meister Heinrich von Ranconval 
leitete. Fünf Jahre später scliritt man dazu, unterhalb des Pont 
des Morts ein neues Wehr über die Mosel zu erbauen und zwar 
wahrscheinlich mit Benützung der Ueberreste des Fundaments 
der alten römischen Brücke, um dem durch die Stadt laufenden 
Moselarm auch dann genügendes Wasser zu sichern, wenn auch 
das weit oberhalb gelegene Wehr Wadrineau durch Feinde zer- 
stört würde, denn wegen der entfernten Lage in der Ebene 
konnte man dies nicht so leicht verhindern als von dem Stadt- 
walle aus man das neue Wehr vollständig zu bestreichen ver- 
mochte. Letzteres wurde jedoch bald vom Hochwasser zusanuuen- 
geriasen. Ebenso wurden von 14ti(i an vor mehreren Tlioren 
sogenannte Bollwerke angelegt, um den unteren Theil der Stadt- 
mauern vor der Zerstörung durch Geschützfeuer zu sichern. 
Ueberhaupt sorgte man in dieser Zeit mehr für Verbesserung 
des Kriegswesens , man besass in Metz eine eigene Geschütz- 
giesserei und die Magazine enthielten damals zwanzig Bnmbarden, 
hundertvierundfünfzig Hakenbüclisen und zweihundertundlünf Feld- 
schlangen; eine eigene Pulverfabrik war ebenfalls vorhanden. 

• 



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4. Innere VerHälteiiwft. 



401 



Bemerkenswerth ist jedoch, dass man die grosae Glocke la Matte, 
als sie 1427, 1442 und 1447 zersprang, nicht selbst nmgiessen 
konnte, sondern dies ein Strassburger besorgen musste. 

Ans dem Qebiete der Malerei sind keine bemerkenswerthen 
üeberreste mehr vorhanden. Die Fresken im alten Templerhause 
zu Metz stammen aus viel früherer Zeit, die wenigen Spuren 
von Malereien in der dortigen Kathedrale sind so zerstört, dass 
sie kein ürtheil darflber mehr erlauben, alle anderen Üeberreste 
stammen jedoch aus späterer Zeit, ebenso die Qhismalereien 
derselben Kathedrale und die zsihlreichen Bildsäulen von Heiligen, 
welche unter der ZerstOrungswuth der Bevolution zertrümmert 
wurden. 

Wie aus der politischen Qeschichte schon ersichtlich ist, 
war die Zwischenregierung des Hauses Anjou f&r das Land eine 
höchst unglückliche, welche namentlich die materiellen Verhält- 
nisse tief erschütterte, das Ansehen nach aussen sehr verminderte 
und dem französischen Wesen alle Thore öflhete. Dies prägte sich 
auch in den inneren VerhSltnissen ans, in welchen nirgends ein 
erheblicher Fortschritt zu erblicken war, zumal sich die Herzoge 
um dieselben nur in geringem Maasse oder fest kaum be- 
kümmerten. Es war daher nur günstig, dass dieses Haus schon 
nach dreiundvierzigjähriger Dauer wieder ausstarb und die jüngere 
elsässische Linie Vaud^mont nun in das alte Besitzthum seines 
flauses zurücktrat , um die neuere Geschichte Lothringenä zu er- 
öffiien. 



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BerioktlgiiByeB« 

S. 33, Z. 2: Chlotar IL, anstatt Chlotar lY.; 8. 107,. Z. 31: 
hinter Bischof ist Bruno zu setcen; S. 126, Z. 29: Dietrich, an- 
statt Friedrich. 



Sroek Ton C. H. Sohuls« in OxttfenhAiniolien. 



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