Skip to main content

Full text of "Phrenologische Bilder : zur Naturlehre des menschlichen Geistes und deren Anwendung auf Wissenschaft und Leben : auch zur Verständigung zwischen Phrenologie und Anthropologie"

See other formats


I 


Iii 


Phrenologische  Bilder 


Gustav  Scheve 


Stovn  tbe  Slbxaxty  of 

Ptofejfot  of  Ff^cholocji^ 


r>art)Ar6  College 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  GoogU 


3nx  ^afurleljre  beö  ttt c n fd) f t d) e tt  <3>ei|!es 

itnb  bercn 

Üwujcndung  auf  das  Stielt. 

ttucfy  ^iir  Ctrftänbiguttfl 

}tmfd)eii  flbrtnologie  anb  ^niljroyologie. 


hirn*  fMitt ,  —  >i*  Qthtmif  brt,  —  h.H  M«  Iftwnclt1  $i< 


iHil  112  ilMifilua|jeii  und  ilrm  $orlriit  lies  flrrfoffcr»  in  8lufil|iiiL 

•   

Tritte,  tiermeOrte  linö  oerbrfferte  ^titffagc. 


fleißig 

$crfcifl  t>on  0.  3.  Selker. 
1874. 


Digitized  by  Googl 


HARVARD  C0LLF6£»  Pp;!l 

FROM  THE  LIBRARY  Of 
HUGO  MÜNSTIRB  RQ 
MARCH  15,  197 


Digitized  by  Google 


Vorwort  gur  erpen  Sfuffttge. 


Sa«  ber  ^Phrenologie  in  ihrem  SSaterlaube  toor  Mein 
uoth  t^nt,  ift  bie  $enntni{$  ihrer  (Sin^eit  in  ihren  mannig- 
faltigen <5ä$en.  3<h  fanb  in  £)entfc$(anb  atfenthaften  höchft 
toerf($iebene,  nach  atten  (Seiten  anSeinanber  ge^enbe,  ftücf* 
toeifeanerfennenbe  unb  a%re<henbe  Urteile  üfcer  biefeSÖiffetu 
fc^aft  ©iefelfce  tritt  uu$  afcer,  »on  toeld^er  ©eite  toir  fte 
immer  Betrauten,  julefct  als  bie  nämliche  Sa^hett  entgegen. 
SM  barjnt^nn,  ftnb  bie  fofgenben  Silber  fcejrimmt,  2fof* 
fa'$e,  roel^e  alle  bie  ^Phrenologie  oon  verriebenen  ©eftd^t^- 
punf ten  aus  klemmten,  bereit  jeber  alfo  bem  ®egenftanbe 
na<h  ein  anberer,  für  ftch  toerftänbH^er  ift,  bie  aber  alle  ein 
unb  baffere  (£rge&ni§  liefern.  2)ie  toorliegenbe  <&ü)xi\t  ijr 
fo  ein  ftreng  folgerichtige«  ©aujeS,  boch  ohne  $ünftelei  unb 
Cmtfö'rmigfeit  ber  2)arfteflung :  fte  toitt  beu  €efer  bur<h  bie 


Di 


VI 


SJortoott  jur  crftcit  mit»  jwcitcn  "Auflage. 


Sttannichfaltigfeit  beS  Stoffe«  auftreten,  ihn  nur  im  Cntb^ 
ergebuifc  oon  jener  einen  Wahrheit  überjeugenb. 

Steinern  oerehrten  grennbe  fthtgenbaS  in  9)?itnd>eu 
fage  ich  meinen  £)auf  für  bie  fchöne  nnb  roerthttellc  Sittbe, 
vorige  burd;  ihn  biefeS  Serfd^en  erhalten  §at. 
DreSben,  fcen  16.  Ort.  1850. 


3m:  jwtlen  Auflage. 


2)ie  oorttegeube  ©chrift,  roelche  in  ihrer  erften  fe^r 
nntooüfommenen  ©eftalt  mit  greger  ^ac^fic^t  aufgenommen 
rourbe,  ift  in  biefer  Reiten  Auflage  ein  neue«  Berf  geroor= 
beu,  an  Umfang  roeit  ausgebender  unb,  roie  ich  ^offe,  ihrem 
3n>ecf,  jur  befferen  Sürbigung  ber  Phrenologie  in  $)eutf(h' 
lanb  beizutragen,  toeit  mehr  entfprechenb.  2)ie  früher  lefe 
jufammengefteüten  unb  nur  bttreh  bie  roiffenfehafttiche  Siu^eit 
©erbuubenen  Stoff  äffe  ftub  in  eine  fr/ftematifche  Drbmmg  ge* 
bracht  unb  an  3ah*  5ur  ^erfteßung  eine«  roiffenfer/aft- 
liefen  ©anjen  oermehrt  roorben.  £)ie  Slnroenbung  ber  ^hres 
nologie,  toe(c$e  früher  ju  roenig,  unb  bie  mebicinifd;c  (Seite 
ber  SBiffenfchaft,  roelche  faft  gar  nicht  Beiiuf  (tätigt  roar, 
haben  nun  ihre  ausführliche  Bearbeitung  gefunben*  (Sin* 
t^eUung  beS  331%$  in  mer  £efte  als  ßauptabthetfungen: 
I.  2)ie^«uoIogieimUmriffe.  IL  £)ie  ©eifteStehre.  III.2)ie 
Drgauenlehre.   IV.  £)ie  Sfttroeubung  ber  ^unoh^k.) 

2)a§  ich  mich  bemüht  ^abe,  in  bem  Buche  allgemein 
oerftänbftch  ju  fein,  brause  ich  dfy  erft  311  bemerfen.  ÜDie 
«Phrenologie,  felbft  baS  93ilb  ber  BieJfeitigfeit,  fc^Iicßt  alle 
(Eiufeitigfeit,  aflen  Äafiengeift  tu  ber  SBiffenfchaft  aus.  ©e* 


Digitized  by  Google 


SJortüort  3tir  jweiten  unb  brüten  Auflage. 


VII 


roiffeu  ^P^tfcfo^en  ift  bie  ^^ilofo^te  ber  ^^renefogie  nic^t 
p9t(of0$$tf$,  geroiffen  SD?ebicinern  bereit  Drganenfehre  nicht 
mebicinifch,  geVoiffeit  3uriften  bereu  <3trafrec^t  nicht  juriftifch 
genug  :c.  216er  bieg  ift  für  bie  ^Phrenologie  nicht  ein  £abel, 
fonbern  ein  £06.  SDenn  ber  ^^i(ofo^  fott  ^gleich  2)?ebU 
einer  :c,  fein,  bamit  er  nicht  einfettig  fei.  $)ie  tyfyxenc? 
logie  in  ihrer  AÜfeitigfett  bereinigt  ba^er  alte  $Btffenf$aften 
3U  einer  einjigen  unb  —  roa«  ü;r  ben  ^iW^ften  Serth  gieBt 
—  ju  einer  fo%u,  roefcf>e  ut^t  beut  28edf)fel  ber  Anflehten 
unb  ber  ©tyfteme  unterliegt,  fonbern  toelche  auf  ben  fterfen= 
gruub  naturroiffenfe^afttic^er  2;^atfa^en  ihr  gunbament  ge= 
legt  ^at  unb  barauf  ihren  grogartigen  33au  errieten  rotrb. 
1852—1855.   (1.— IV.  $eft) 


Sur  briffen  3foffofle. 


3toanjig  3aT;re  liegen  jtoif^eu  ber  vorigen  unb  biefer 
neuen  Auflage  ber  „  ^^renologifc^en  ©Uber  ©rog  i(t  ber  gort* 
fchritt,  toetchen  feitbem  bie  Siffenfcfyaft  in  ©eutfd^Ianb  in 
ber  8fanctyemng  an  bie  ^Phrenologie  gemalt  ^at.  9?od;  im  3. 
1858,  als  ich  gegenüber  einem  Ar$te  bie  groge  gormfcerfchic= 
benheit  bcr  ©ehirne  Betonte,  erroieberte  er  mir:  „3<h  fennenur 
(Sin  ®ehim ! "  2)te  bamalige  Siffenfchaft,  roelche  bie  gorm= 
toerfchtebenljeit  ber  ©ehirne  noch  nicht  fannte  ober  nicht  Be* 
artete,  festen  toon  einer  ©ehirttfehre  noch  toeit  entfernt  gu 
fein.  ABer  fchon  hatte  ftch  im  ©rillen  Söeffereö  toorBerettet. 
3m  3.  1861  traten  in  ©Otlingen  einige  Anthropologen  gu* 
fammen  unb  Beriefen  üBer  bie  Befren  SRethoben,  bie  ©<ha"bel 


•  Digitized  by  Google 


VIII 


2?om>ort  jur  brittcn  Auflage. 


unb  (Gehirne  ju  getanen  unb  ju  meffen,  um  beren  ftombex* 
f3>iebem)etten  ber  Söiffenfchaft  ju  gewinnen ;  fte  fprachen  anc^ 
fchon  fcon  einer  „  ättorphologie "  be«  ®ehirn«,  —  einer  £ehre 
toou  ben  @e^irnformen ,  —  toelcfye  natürlich  an<$  ba«  $er- 
ftänbnifj  ber  SSebeutung  biefer  Sennen  in  fich  Begreift, 
unb  alfe  <8e$trnte$re  felBft  ift.  AI«  ich  ben  Bericht  über 
biefe  33efprechungen  la«,  rief  ich  frenbig  au«,  ba§  ich  bie 
allgemeine  Ancrfennuug  ber  ^Phrenologie  in  ©entstaub  noch 
trieften  toerbe.  $)enn  bie  Anthropologie  unb  bie  ^Phrenologie, 
Bcibe  in  ber  ^au^tfac^e  ®e  hirnlehre,  ftnb  ja  (Sin«  unb 
baffelBe,  nur  bafj  bie  Senologie  Bereit«  ®ehiwlehre  ift, 
bie  Anthropologie  e«  erft  noch  toerben  foll.  £)ber  fönute  toiel* 
leicht  bie  Anthropologie  eine  anbere  (Sehirnlehre  toerben, 
alt  bie  ^P^renotogte  e«  ift?  in  ber  Anthropologie  tfl 

niemal«  nur  toerfitc^t  toorben ,  eine  toon  ber  ^Phrenologie  fcer= 
fd^iebene  ®ehirnlehre  aufjuftellen ;  auch  ift  ber  2Beg  ber  JJor* 
f(hung  in  ber  Anthropologie  ber  nämliche  toie  in  ber  ty^rc* 
nologie,  er  muß  atfo  auch  nun  nämlichen  &izt  führen. 
$ollenb«  aBer  ftnb  Bereit«  einzelne  Anthropologen  nigletd; 
s$hrenelogen,  toie  fjriebr.  fc.  £)elltoalb,  einer  ber  Mitarbeiter  am 
Archt*  für  Anthropologie,  tiefer,  fty  ganj  ohne  ftüityalt 
nir  ^P^renotogte  Befennenb,  fagt  3.  33.  Bei  ber  ^Beurteilung 
eine«  Sönche«  toon  Johanne«  |mBer  (IV.  93.  ©.  171):  „(£« 
ift  üBerrafchenb,  bafj  ber  SBerfaffer  bon  ben  (SrgeBniffen  ber 
teiffenfchaftlidhen  ^P^reuorogie  feine  9fotij  nimmt".  Sahr- 
fcheiutich  ftehen  noch  manche  anbere  Anthropologen  auf  bem 
©tanbpunft  £>elfa>aiV«,  ba  ber  Anthropolog  ohne  ®ehirn= 
lehre  eine  gar  fonberBare  9Me  fpielt.  (2)er  ©attyrifer  hmrbe 
ihn  bem  bitter  toon  ber  traurigen  ®eftalt  vergleichen !)  ÜDoch 
haBen  fich  allerbing«  bie  meiften  Anthropologen  Bi«  jefct  mit 
ben  Blo§en  tobten  ®ehirnfovmen  genügen  laffen,  ohne  überall 


Digitized  by 


$orto«?rt  jur  fcrittcu  Auflage. 


IX 


nach  bereu  ©ebeutimg  jtt  fragen.  Aber  tiefe  grage  muß 
enbtich  gefteüt  uub  beantwortet  roerbcu,  ba  bie  (Srforfchuug 
ber  23ebeutung  ber  ©ehirnf  ormeu  ber  eitrige  ®runb  unb  3tr>ecf 
ift,  roarum  überhaupt  biefe  dornten  totffenfchaftltch 
Beamtet  toerben.  Aud;  für  bie  Anthropologen  fyahen  ja 
bie  ©eljirnformcn  nur  bamm  ba«  h<>hc  3utereffe  nnb  bitben 
ben  üDftttelpuuft  ihrer  Stubien ,  toeil  ba«  ©ehtrn  ba«  Organ 
be«  ©eifte«  ift.  £)er  (#runb,  roe(rf;er  bie  Anthropologen 
(in  ber  großen  yRefoaty)  bitycx  beftimmt  $cit,  utcr>t  nach 
bcm  £eben  be«  ©ehiru«,  uid;t  nach  ber  SBebenrnng  ber  $e* 
hirnformeu  31t  fragen,  ift  ber,  bag  biefe  Banner  ba«  Gebiet 
ber  (55eifte6ler)re  md;t  Betreten  rootten,  roetf  fte  meinen,  bag 
biefe  feine  roatyre  2Biffenfd;aft,  feine  9caturroiffeufchaft  fei. 
Sie  fonberbar :  man  erforfcfyt  bie  ©ehirnformen  um  ber  <3cU 
fte«lehre  roitten,  unb  toitt  bocty  JU  gleicher  Qcit  von  biefer 
©eifte«Iehre  nid)!«  toiffen !  316er  bie  ©ehirntehre  ift  ja  im  Söefeu 
nicht«  aubere«  af«  ®eifte«Iehrc ,  gerabe  tote  bie  Authropo* 
logie  im  Sefen  nicht«  anbere«  al«  ©e^irnle^re  ift.  29?  an 
fann  ba^er  gar  uid;t  Anthropolog  fein  of;ue  $enut^ 
utg  ber  ©ehirn*  unb  ®eifk«Iehre.  2Ber  fuh  ohne 
biefe  $enntnig  Anthropolog  nennt,  maßt  ftc$  unberechtigt 
biefen  Tanten  au,  toa«  mau  nur  in  ber  23orau«fe£ung  aßge* 
mein  entfchufbigt  unb  geftattet,  baß  bie  $enntnig  ber  (Gehirn* 
unb  @eifte«(ehre  roenigfteu«  ba«  3ie*  fei/  nach  roelchem  ber 
Anthropolog  bei  feinen  gorfchungen  ftrebe.  Sürbe  ber 
Anthtopotog  auf  biefe«  3^  förmlich  vernichten,  inbem  er 
3.  33.  jugeftänbe  ober  erftärte,  bag  er  ba«  ©ebtet  ber  Griftes« 
(ehre,  an«  irgenb  roetd;em  ©runbe,  ni^t  betreten  fönne  ober 
roofle,  fo  ginge  er  baburch  be«  fechte«  verluftig,  fich  über~ 
haupt  Anthropolog  31t  nennen.  Auch  beruht  toottenb«  bie 
Meinung,  bag  bie  @eifte«Iehre  feine  toahre  Söiffeufchaft,  feine 


Digitized  by  Google 


X 


Vorwort  jur  fcrttteii  Huflage. 


9taturroiffenfd>aft  fei,  auf  einem  3rrt£um.  ÜDemt  ba§  bie 
^f^ologie,  bie  bi«ljer  al«  ®eifte«(e£re  galt,  feine  toa^re 
Siffenfdjaft  ift,  batf  bocfy  ben  benfenbeu  fEflam  mä)t  31t  beut 
ge£tfdf>(uffe  verleiten,  baß  e«  barum  eine  toiffenfcfyaftttcfye 
®eifte«Ie£re  überhaupt  nictyt  geben  fönne!  Senn  ber 
c^olcg,  ber  fein  Aftern  ber  ®eifre«Ief>re  am  (stubirtifctye 
au«bad£>te,  unb  ber  jumal  oon  einer  ®etyirnteljre  nicfyt«  toufttc, 
eine  ®eifte«Ie^re  3U  fcfyaffen  uityt  im  ©taube  toar,  toirb 
nicfyt  ber  ättamt  ber  9iaturh)iffenfcf;aft  burcfy  ben  freien  $3(icf 
über  bie  ganje  3)?enfd)f;eit  unb  burcfy  umfaffeube  ®etyiru* 
toergfeid;ungcn  53effere«  31t  erreichen  vermögen?  (5«  gab  ja 
au<$  früher  feine  (i^emie,  feine  ^fjtyftf  JC*  toären  aüe 

naturtoiffenf^aftli^en  $enntniffe,  roenu  man  feiner  3eit 
barum,  toeil  jte  noc$  nicfyt  toor^anben  toaren,  fte  £ätte  für 
unmöglich  galten  unb  bie  £)änbe  glitte  in  ben  ©djjoft  tegen 
rootten!  äfltt  (Sinem  Sorte,  nic$t  jtoar  bie  fpecutatioc 
®eifte«Ie$re,  bie  $fy<$ofogie,  too^I  aber  bie  auf  9?aturbeob= 
ad^tung  unb  ®el)irnberg(etc$ung  beru^enbe  ®eifte«fetyre ,  bie 
^Phrenologie,  ift  eine  toaf;re  91aturroiffenfd^aft ,  aßen  übrigen 
sjMurtmffenfcfyaften  burd;au$  ebenbürtig.  3$  toie«  bie«  au«* 
fü^rlid^  in  einem  Sluffafc  nac$,  toe(d;en  tdf>  für  ba«„2lrcfyio  für 
SCnt^ropoIogie  *  beftimmte.  211«  aber  fürjlid^  mein  §err 
Serfeger  mic$  mit  ber  9tacfyrid)t  erfreute,  baß  er  eine  neue 
Auflage  ber  „^renologifd^enSöttber''  3U  toeranftalteutoüufd;e, 
glaubte  id^  beffer  31t  ttyun,  jenen  Stuffafe  juerft  in  biefem33u<$e 
31t  fceröffentf  i$eu :  benn  e«  toar  immer  uugetoiß,  ob  ber  f (eine 
2luffafc,  in  bem  „2fr<$tfc  für  Anthropologie"  allein  fte^enb, 
alle  bie  3a^(rei^eu  unb  mannigfaltigen  äWigoerftänbniffe,  toeldjje 
no$  über  bie  ^Phrenologie  verbreitet  ftnb,  3U  befeitigeu  fcer= 
möchte.  3n  bem  toorftegenben  23u<$e  aber  toirb  jener  2Juffafc 
3ug(eid;  burch  einen  jeben  ber  übrigen  Sluffäfce  nadj>  ber  einen 


Digitized  by 


Vorwort  $ur  brüten  Äuffagc.  XI 

ober  bet  attberu  <Seite  In'u  roeiter  erläutert  unb  fefter  Begrüubet. 
Unb  f  o  bitte  ich  bie  Herren  Anthropologen ,  roetd^e  noch  nicht, 
roie  £>eüroafb,  ungleich  ^^renclogen  ftnb,  biefeö  33uch  in  beut 
©Utile  in  bie  £mnb  311  nehmen,  al$  ob  ber  2luffafc„2(nthropo- 
legte  unb  ^Phrenologie u  ber  erfte  ober  einige  oon  33ebetttung, 
unb  alle  üBrigen  $u  feiner  Erläuterung  gefcfyrieben  feien.  £>a* 
dämliche  gilt  natürlich  oon  jebem  anbern  Slnffa^  biefeg  33u* 
cheä:  ber  Prolog  famt  unb  folf  bieStuffäfce  üBer^)3ft>chologie, 
ber  SKalet  ober  33übhauer  bie  üBcr  Bübenbe  ftunft,  ber  Er= 
3ie^er  ben  üBer  Erziehung  :c.  at«  bie  erften  ober  einigen, 
unb  alle  üBrigen  oft  not^roenbige  Erläuterungen  Betrachten. 
£)a8  auch  ift  erft  bie  rechte  Sa^hett,  rodele  oou  alten 
leiten  Betrautet  als  feiere  erlernt. 


SDtefe  britte  Auflage  ber  „  $$wtobfttföat  ©Uber "  ift  in* 
fefertt  eine  vermehrte,  als  mehrere  2Xuffä^e  neu  ftnb  (IX. 
XIX.  2.  3.  XX.  XXI).  dagegen  ift  auch  ™¥  Weniges 
ausgefallen.  Jaft  ber  ganje  Qxifyalt  be$  erften  £>efte$  ber 
gtoeiren  Auflage  (bie  r/ ^3^renelcgie  iwt  Umriffe")  fonnte  barum 
roegBteiBen,  roetl  ich  *>afur  auf  feeu  »Äatc^ifnut«  ber  ^hrCs 
nelogte"  oerroeifen  barf.  £)en  fttffafc  „^Brenologie  unb  9?e= 
ligien"  t)abt  ich  itt  ber  fütjfidh  erfchienenen  ©dt>rift  „£>te 
Ungöttttchleü  be$  $atftt$um*  unb  bie  Kirche  ber  3ufunft" 
aufgenommen.  2>er  Sluffafc  „Phrenologie  unb  ^olittf"  ift 
roeggefaflen,  roett  bie  perfö'nftchen  SBerhättniffe ,  rr>elct)e  mich 
gu  beffen  $eröffenttichung  nötigten  (meine  SluStoeifuug  aus 
SBür^Burg),  längft  nach  Sunfö  georbnet  ftnb.  SXe  Eiuthei* 
(ung  be$  SöucheS  in  |)efte  ift  nicht  BeiBehalten.  ©chttefjttch 
noch  eine  33emerf uug.  $)ie  $ahlreicheu,  fo  ganj  neuen  8Ba$t* 


- 


Digitized  by  Google 


XII 


Vorwort  sur  britten  Auflage. 


fetten,  tvefc^e  feie  ^Phrenologie  im  33ergtetc$  311  beut,  toaS 
Bisher  als  ättenfcfyenfunbe  galt,  enthält,  ftnb  mcfyt  nur  für 
Stiele  ein  (Stein  be«  Slnftoge«  unb  ein  ®nmb  jur  Saftet* 
fung  ber  ganzen  Siffeufcfyaft,  fonbern  fie  machen  au$  bie 
"ißfjrenologie  für  Me  ertoaS  fd^tüer  oberfangfam  toerftänbücfy. 
Sine  ^renologtfdjje  Safjrtyeit,  nur  einmal  ausgebrochen,  toirb 
enttoeber  nic$t  ober  nur  mangelhaft  toerftaubeu :  fte  muß  brei=, 
viermal,  toomöglicfy  auf  fcerfdn'ebene  SBeife,  toiebertyolt  unb  er* 
läutert  toerben.  ift  ba^er  ein  ^Sorjug  be8  fcortiegeuben 
S3i4e«,  tüeld^eö  aus  ein^tnen,  in  ft<$  felBftftänbigcn  2(uffäfcen 
üerf<$iebenften  3n$alt$  Befte^t,  bafj  baburc$  ©etegen^eit  ge* 
geben  toirb,  bie  ^renotogif^en  Sa^etten  fcon  mögli^ft 
tiefen  leiten  ins  2fage  ju  f äffen,  unb  fo  für  ben  Sefer  bie 
mögliche  Margit  be$  Skrftänbniffee  $u  erretten.  Mein 
^terBei  muß  eine  regelnbe  £)anb  toalten,  bamit  nic^t  eine 
Sa^r^eit  öfter,  ai$  nöt^ig  ift,  Befprocfyett  ober  Berührt  toerbe. 
Unb  in  biefer  iöejie^ung  fönnte  ic$  vielleicht  ben  £efer  toegeu 
Keiner  Unregelmäjjigfeiteu,  BefonberS  in  ber  Reiten  £>älfte 
be$  33u<$e$,  um  dntft^ulbigung  31t  Bitten  £aBeu.  2)enu  bie 
(£rtoeiterung  be$  2lBf<$nitte$  üBer  Anthropologie,  oon  toelctyer 
u$  ©•  462  er^lte,  na^m  mt$  fo  ganj  in  Sinfonie^,  bag 
babnrch  in  betreff  ber  SIBrunbuug  be$  33u<$e$  meüetd^t  Heine 
Orefyler  nnoerBeffert  geBlieBen  ftnb. 
Seidig,  int  ftebruat  1874. 

(Knflttti  Sdjm. 


Digitized  by 


* 

3nljaltBt>erjetd)m|L 


Seite 

»ortoort     ¥ 

L 

jgrngbjfifle  ber  fffrrenoloflie   8 

IL 

,^ur  (Se)d;icfrte  ber  yftr»ioloflie  12 

IIL 

lieber  bic  BWflgjggt  einer  ®eiflc«fefrre  31 

DL 

lieber  bie  ginfreit  bee  ©ciftej ;  ©eele  nnb  ©eift  37 

2)  er  gfflfjj  unb  bog  gftier;  3)arn>tn'e  gefrre  43 

YL 

33erftonb  nnb  «ernunft  63 

SIL 

^lnenotofliffle  gfrorotterifHf :  $.  ftotfre,  ber  9ftnemomfer    ...  69 

¥IIL 

H4o{oflte  nnb  ^frrenoloflte.  (Sftofentrong,  ©cfreibfer,  ^Drobifc^,  8enefe.)  68 

IX. 

(Sine  Pggjtjjjjjfl  über  Mtcnoloflie   152 

2L 

3)  0»  Aftern  172 


XIV  3n6alt*»er*eicbnifi. 


Seile 

XL 

flu«  meinen  unffeufcfcaf tlichcn  33fflegniffen      fyrnitafg  1H2 

XII. 

Dr.  Watffan  191 

XIII. 

25fr  Anatom  flrnolb  202 

XIV. 

(Sine  ©ifrmörberiu  211 

XV. 

Phrenologie  unb  ©trafreebt  219 

XVI. 

Phrenologie  unb  Srjielmng  223 

XVII. 

praftifeber  Unterricht  in  fcer  Phrenologie  307 

XVIII. 

Phrenologie  nnb  bilbenbe  Ännjl  331 

XIX. 

©itbercjaUevie  3f»G 

XX. 

3nr  Prüfung  ber  Pönologie.   In  $mn  prof.  $ird>on>    ....  421 

XXI. 

«ntbro^ologie  nnb  ^^rcnolcgie   441 

XXII. 

Sin«  meinem  ?eben  511 


Digitized  by  Google 


i 


Derjeidniiß  ber  Abbildungen. 


Seite 

2>er  ij^renologif^c  8op\,  4  «nfi^tcn  *  7 

Porträt  ©aU"s  lf> 

Porträt  §.  ÄotbY«  60 

flmicatal  unb  O^ofttal,  4  Umriffe  169 

Sdjabcl  bet  ©iftmörberin  SJecfenbaa),  8  9lnftd)ten  21 6 

©c^äbet  eine«  neugeborenen  Jtinbe«,  4  Slnfidjteu    .......  311 

ftatetatat,  3  Umriffe;  obere  ©a}äbelanfta)t  315-310 

Äfo|>flocf ,  Gonftantin  b.  ©r. ,  ©uflab  Hbolpfc,  25er  b.1.  ©tepban,  «i< 

föof  ©aUer,  @t>inoja,  Äaifcr  Söiltjelm  317-319 

Gautal,  3  «bbtlbungen  322 

Gurtyibe«,  ©roßer  ©ef($lea)tefinn ,  ©a)lecbte  Äotfbilbung ,  ©roße« 
©elbftgcf m ,  ©tarfe  unb  f<fc>ac$e  $)eobart)tung«gabe,  «oltaire, 

S«egct  (Suftaaje,  fcwater,  ©ofrate«   325—329 

SBincfetmaiui,  3af.  »ityine,  $an  2tyct,  SR.,  SRörbcr,  2).,  wenig  (S&a* 

ralterfcfrigfeit   337  -340 

SUeranber  »on  #umboIbt,  lütefliu* ,  $umbolbt  mit  SMteßiu«',  3Ji 

tettiu«  mit  $uinbolbt'«  ©tirn   344—345 

©eberbenfpra^e  be«  ©a^erge«  ober  Sifce«,  ber  Sbealität,  ber  ©org= 
üc&tcit,  ber  geftigleit,  ber  Äinberliebc,  ber  Eeifadaliebe ,  be« 

©egenjtanbrtnn«,  be«  Äunftfmn«   348—355 

1  ©teinbrueftafet  (in  2  «lättern)  mit  24  Äityfen :  <S&rifhi«,  äflabonna, 
£erture«,  Gere«,  ftero,  ©ofrate«,  bj-  $ierom?mu«,  9Röncb\  Wae 
tyaotm,  SRiajel  «ngelo,  $apft  §abrian,  yapft  SÜeranbcr  VI., 
©alitei,  ©uftao  Äbolpb,  Voltaire,  Äatbarina  II. ,  @oetb>, 
GufHue,  Silomat  »u.  9K. .  A,  fteuerlänber,  28.  to.  $umbolbt, 
SWar  JBaier,  @tftmifa)crin  ©ottfrieb,  "45eftalo^i  350 


Digitized  by  Google 


XVI  Skr3eid>nifj  ber  ^bbübuntjen. 

Sofft  mit  adit  Köpfen:  Napoleon  III.,  9Uyv.  «i*maicf,  Robert  TOftttCT, 

gubtoigll.,  &3nifl  toon  ffopetn,  SPiinna  ©flmibt,  gifefter  .    .  361 
itoowifl  äofrfiimriffe   382—383 

2)  tci  2)owcIumtiffc   .   .   .435 

3)  er  mtnjcftlicfte  Nerven  Im»   472 

(geitcnbiudMcftnitt  bt«  OMnrn«  473 


Google 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


ll^renolaglfctie  littet 


» 


Scfjette,  ^tenoIoöMdjc  »Übet.  3.  Kup.  1 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google.  I 


L 

{ßnmdäüge  der  |)hrcnofogic. 

Brevia  esse  laboro. 

Horat. 


1.   Pte  töeifteeUljrf. 

£>ie  Phrenologie  —  (SeifteStefyre  —  ift  bie  Mjxc  bom  Reifte 
unb  »on  feinen  Organen. 

$)ie  erfte  Hufgabe  ber  (SeifteSlefyre  tft,  bie  ®runbfräfte 
be«  (SeifteS  aufjufinben,  b.  i.  bieienigen  (SeifteSfräftc,  welche  ollen 
®etfte«tljättgfeiten  {tan  ®ruub  liegen  ober  auf  toelcfye  ftd?  alle 
(SeifteStljättgfeiten  julefct  jurücffüfjren  (äffen. 

£ie  Phrenologie,  als  ®eifte$lefjre ,  ift  eine  neue  ffiiffen« 
föaf*-  £)enn  obgleich  bou  jefyer  bie  ®etfte«forfc§er  bie  ®nmb= 
fräfte  be«  Reifte«  aufeufinben  fugten,  fo  ift  tfynen  btefe«  bo# 
sorbem  ni$t  gelungen.  <Sie  meinten  alte,  auf  bem  Sege  ber 
<Setbftbeobad&tung  biefe«  3tel  erretdjen  ju  fßnnen.  Allein 
ba$  eigene  (Sefütjl,  bie  ©elbftbeobacfytung ,  ba«  (Selbftbettni&tfein, 
giebt  und  oon  ber  inneren  Söefcbaffenljeit,  gleicfyfam  bon  bem  53aue 
unfere«  (Seifte«  —  toenn  ba$  2M(b  geftattet  tft  —  ebenfo  wenig 
$enntnijj ,  al«  bom  inneren  38au,  bon  ben  Organen  unb  Grin= 
getoeiben  unfereS  Körper«.  Wx  füllen  nur,  b  a  §  toir,  aber  nietyt, 
tote  mir  geiftig  unb  fftrperlicfy  leben. 


Digitized  by  Google 


4  ©runbafige  bcr  ^renologie. 

Die  ganje  ®cfc^td;tc  bcr  ®eifte«lefyre  .ift  nur  ein  fort* 
laufenber  Söetoei«  für  ba«  ®cfagte.  Sitte  ®eifte«forf#er,  toetf  fie 
immer  fugten,  nie  fanben,  loaren  unter  fic$  begebener  Stnftcbt 
über  ben  inneren  ®eifte«bau,  jeber  natmt  anbere  (Srunbfräfte  be« 
Reifte«  an,  ber  eine  jtoei,  ber  anbere  bret,  ber  anbere  fieben, 
ber  eine  biefe,  ber  anbere  jene.  Griner  fagt  j.  Crmpfmbung 
nnb  ®ebäd>tnit?  feien  jtoet  ®runbfräfte;  ein  anbercr,  ba«  ®e* 
bäcfytnifc  fei  nur  bie  SÖiebcrljolung  bcr  (Smpfinbung,  betbe  feien 
bafycr  nur  eine  ®runbftaft.  Gttnige  neuere  ®eifte«forfc$er  meinen 
bem  ewigen  Streite  baburef)  ein  (Snbe  ju  machen,  ba§  fie  gar 
f  e  i  n  e  ©runbl räf te  im  (Reifte  unterfdn'eben  ttriffen  motten,  fonbern 
alle,  wenn  au$  fcfyeinbar  noefy  fo  oerfdfyiebenen  ®eifte«fräftc,  j.  $8. 
SBerftanb  unb  <&emüU),  für  im  Örunbe  eine«  unb  baffelbe  er* 
Karen.  Slber  ber  alte  Streit  ift  bur<$  bie  neue  Meinung  nur 
vergrößert,  ein  Streit,  ber  auf  bem  bisherigen  Sege  nicfyt  eilt* 
fcfyieben  merben  fann. 

Sföeldjer  anbere  benffcare  2Öeg  aber,  aufcer  bem  ber  Selbft* 
beoba^tung,  fßnnte  jur  tenntnif?  be«  ®eifte«baue«  führen?  9ßodb 
weniger,  fbnntc  e«  flehten,  bie  ^Beobachtung  be«  ®eiftc«  anbercr 
3)?enf^en.  (^leictymol  ift  nur  biefer  Söeg  ber  allein  richtige 
unb  mo*glic$e. 

Da  nämlicfy  ber  ®etft  ber  einzelnen  9ttenf$en  ein  feljr  ber* 
fcfyiebencr  ift,  fo  ift  in  biefer  SBerfcfyiebenlj eit  be«  Reifte« 
ba«  2Wittel  jur  $enntnijj  be«  ©eiftc«baue«  gegeben.  Da  g.  Sö. 
ein  9ttenf$  fel)r  biet  23erftanb  unb  fetyr  loenig  ®cmütlj,  ein 
anberer  feljr  wenig  Sßerftanb  unb  feljr  oiet  ®emütlj  Ijaben  tann, 
fo  ift  baburefy  gtei^fam  mathemattfd)  oennefeu,  baß  23erftanb  unb 
®emütty  nidjit  nur  fdtyeinbar,  fonbern  im  ®eiftc«baue  felbft  Oer* 
fd&teben  finb;  gerabe  fo  mic  (oon  ben  Organen  abgefetyen)  ba«  * 
"  Seljoermögcn  oom  £öroermögen  at«  im  ®eifte«baue  babur$  al« 
getrennt  erfctyeint,  bafj  ein  üftenfcf;  gut  feljen  unb  f^lcc^t  hören, 
ein  anbercr  fehlest  fcfycn  unb  gut  hören  tann. 

Die  auf  biefem  Sege  ber  ftorfcfyung  gefchaffene  ®eiftc«lehre 
ift  bereit«  mit  oielem  ftleij?  unb  oielem  Ifrfolg  bearbeitet  roorben. 
§ter  eine  furge  Slnbeutung  über  ba«  ®cfunbene. 

Der  ®etfte«bau  jeigt  fd^on  im  Sittgemeinen  brei  getrennte 


Digitized  by  Google 


©runbäügc  ber  ^tyrenotogte. 


5 


Gruppen  bcr  ®eiftc«fräfte :  bie  „meberen"  ober  wtf;ierifd;en" 
Sinne,  bic  „®emüt(;öftnne"  unb  bie  „3$erftanbc«fmne".  Denn 
irgenb  toeldfye  biefer  (Gruppen  loirb  oft  bei  einem  Üftenfdjen  fcfyr 
ftarf  ober  feljr  fcfymadj  bot  ben  übrigen  gefunben.  (S$  giebt 
9)?enfd)en,  toelcfye  borjugSmcifc  letbenfefyaftücfy  finb,  anbere,  melcfyc 
®efüljt«menfcfyen,  anbere,  n?el(fye  2$erftanbe$mcnf<$en  finb.  3cbocfy 
bte  ttnterfd&cibung  ber  brei  SiuneSgruppen  als  fotd^cr  ift  belegen 
t>on  geringerem  Söertfy,  toetl  toieber  einzelne  Sinne  felbft; 
ftänbig  unb  unter  fid;  getrennt  finb:  eö  fann  3.  33.  bei  einem 
9ftenf$en  bie  Gruppe  ber  tfyicrtfcfycn  Sinne  im  Slllgemeincn  ftarf, 
aber  einer  biefer  Sinne  fcfytoa^  fein,  Grin  2flenf$  fann  oon 
Gtfyarafter  letbenfcfyaftlicfy  in  bcr  einen  33e$icf)ung  unb  tcibcn= 
fcfyaftsloä  in  ber  anbeut  fein. 

Die  aufgefunbenen  einzelnen  Sinne  finb  auf  bcr  folgenben 
£afcf  (S.  6)  genannt.  2lfle  biefc  Sinne  finb  al«  unter  fiety 
getrennt,  als  felbftfta'nbig  im  ©eifte  borljanben  baburefy  na$gc= 
triefen,  baß  jeber  berfefben  enrtoeber  ftarf  ober  f$n>a$  bor  allen 
übrigen  gefunben  trirb.  3eber  behält  fi$  baljer  $u  jebem  anberen, 
irie  $.  Sd.  bie  Seßhaft  fidj>  jur  §&rfraft  berptt.  Ueberljaupt 
fmben  'jtrifctycn  ben  äußeren  unb  ben  inneren  Sinnen  mefyr 
2lermtic$feiten  als  ^erfdjiebenfycitctt  ftatt.  (Stnc  SSerWieben^eit 
ift  aber,  bafe  in  ber  föegel  bie  äußeren  Sinne  in  jiemlid)  gleichem, 
bie  inneren  in  fyßcbft  ungleichem  3)?aße  sorljanben  finb.  (Kit 
9ftenfcfy  fieljt  unb  Ijört  (in  gefunbem  3uftanbc)  StentUc^  fo  gut 
urie  ber  anbere;  bagegen  trirb  feiten  ein  Sftenfcfy  gefunben,  beffen 
ftärffter  unb  beffen  fcfytoäc$fter  innerer  Sinn  unter  fi<$  im  ffliaftc 
nidjt  äufjerft  berfcfyteben  toären.  Dal)er  bic  fo  unenblicfy  grope 
geiftige  SBerfcfyiebenfyeit  ber  2flenfcfyen. 

Diefe  2lrt  unb  Söeife,  bie  (brunbfräfte  be«  Reifte«  aufju= 
finben,  ift,  wie  toir  feljen,  eine  Scfyetbefunft ,  älmlicfy  beteiligen 
ber  $örpertoelt.  9cur  ftnnett  in  ber  teueren  bie  Trennungen  be* 
ttebig  gemalt  »erben,  in  ber  erfteren  tegt  bie  9catur  biefelbcu 
Bereit«  gemalt  uns  fcor.  Slucfy  ift  bic  Sctytoterigfeit  ber  ftor* 
fcfyung  bei  ber  geiftigen  Scfyeibeftmft ,  entfprecfyenb  bem  leeren 
Stanbpunftc  ber  2ötffenfd)aft,  eine  größere. 


Digitized  by  Google 


6 


©runbjüge  ber  ^bjenologte. 


fie  inneren  Sinne. 

1.  fiebere  ©inne. 
(x^ntrital,  „9*abrung*fhtn\) 

1.  ©eneratat,  „©inn  btx  ©ef<$teä>t«ltebe". 

2.  3  n  f  a  n  t  a  1 ,  „ ©inn  btt  Äinbertiebc" . 

3.  (Soncentratat,  „ein&ett«finn". 

4.  «micatat,  „©inn  ber  Bntyänglidjfeit". 
6.  o^ofitat,  „Äampffmn". 

6.  Hctitat,  „3erftörung«finn". 

7.  ©e  er  etat,  w9$er&cimti$ung«ftnn". 

8.  Slcquif ttal,  „(Srtoerbftnn*. 

12.  Gautal,  „@inn  ber  25orfiä>t". 

2.  ©emütMfinne. 

10.  3^)fotoI,  »Gitta  be«  ©elDfigeffibl«". 

11.  «mbitat,  „©inn  ber  «eifaltetiebe". 

15.  ftirmital,  „@inn  ber  gefHgfeit". 

16.  <£onfcien tat,  „@tnnber®ennffen&aftigreit\ 
14.  SJeneratat,  „©inn  ber  $ere$rung". 

17.  ©peratat,  „©Um  ber  Hoffnung". 

13.  ©onitat,  „©inn  be$  2ßo$Itooflen«". 

21.  3tnitatat,  „©inn  ber  9?a$abmuug". 

18.  2Ktraculital,  „@inn  für  SSBunberbares". 

19.  3bcatitat,  „©inn  für  Sbeate«". 

20.  (Somtcatat,  „@inn  für  ©a)erj". 

3.    $erftanbe«finne.   a.  fiebere. 

22.  Realität,  „©cgenftanbfinn". 

23.  gormitat,  „ftortnenflnn". 

(24.  Smtotital,  „töaum*  ober  frernftnn".) 
(26.  ^onberttal,  „@e»ic&>  ober  SBägertnn".) 

26.  (Solorttal,  „garbenftun". 
(29.  Orbttat,  „Orbnungsfinn".) 
28.  9?umeratat,  „3ab. tenfinn". 

27.  Socatat,  „Ortsfinn". 

30.  ftaetttat,  „£$atfaä)enfinn". 
(31.  Semtoitat,  „3eitftnn".) 

32.  SWuficatal,  „£onftnn". 

9.  (Sonflructat,  „Äunfc  ober  Saufinn". 

33.  ©erbotat,  „ffiortfinn". 

b.  §öljere  5Jerfianbe«finne  ober  2)entlräfte. 

34.  Com^aritat,  „2$ergleia)ung8berut&gen". 

35.  (Saufatitat,  „©äjtufjoermögen". 


r 


®runbjfigc  ber  ^tyrenologte. 


7 


Per  »Ijrenologifdje  Hopf. 

2>ie  ftnmmern  ber  Organe  entfyreajen  ben  Hummern  ber  inneren 
©inne  auf  ber  &orfteb>nbcn  fcafel. 


Digitrzed  by  Google 


8  (Srunbjfige  bcr  «Phrenologie. 

2.    Die  törganenleljre. 

Obgleich  biefe  2Betfc  ber  ®eifte«forfcfyung  eine  ftreng  auffen- 
fd)aftlidjc,  genügenbe  ift,  fo  iiutrbc  babei  boefy  aufcerbem  ein 
jtoeitet  $en?ei«,  glcicfyfam  eine  $robe,  für  bie  SRicfytigfett  bcr 
miffenfdjaftltcfycn  Grrgebmffc  baburd;  fycrgeftellt,  ba§  für  jebe  nad; 
genriefene  (9runbfraft  bc«  Reifte«  auefy  ein  befonbere«  Organ  im 
$efyim  neu^getotefen  mürbe.  Daburd;  mürbe  bie  an  fidj  fefyr 
fdnmmgc  2Biffcnfcfyaft  einerfeit«  ergänjt  nnb  erleichtert,  anbrer* 
feit«  umfangreicher,  oermitfclter,  leichter  $ft&berftänbniffen  aus- 
gefegt.   Da«  Scfentlidje  bcr  Organenlefjre  ift  biefc«. 

Da«  (^eln'rn  ift  ba«  Organ  aller  inneren  Sinne.  (5in  Sdc* 
mei«  bafür  unter  triefen  ift ,  baj?  ba«  Öeln'rn  oon  ben  nieberen 
£ljieren  31t  ben  fy&fycren  unb  jum  SD?cnf<$cn  übercinftimmenb  mit 
ben  geiftigen  ftäfyigfeiten  an  (^rij^e  junimmt.  Der  Sttenfdj  l)at 
ba«  größte  ®efyirn,  metl  er  geiftig  am  fy&cfyften  fteljt,  ober  er  ftefyt 
geiftig  am  fye'cbften,  n>cit  er  ba«  größte  ®eljirn  l)at. 

Diefer  Scfyluü  mirb,  wie  im  fangen,  fo  im  (Sinjcfnen  gelten. 
@o  mürbe  nun  erften«  ba«  $tnter-  nnb  Untergcfyirn  in  ber  ®röfcc 
übercinftimmenb  mit  ber  Stärfe  ber  „nieberen"  Sinne,  ba«  Ober* 
gefyirn  in  Ucbereinftimmung  mit  ben  „$cmüt$«finnenÄ ,  ba« 
iöorbcrgefyirn  in  Ucbereinftimmung  mit  ben  „33erftanbe«ftnnen" 
nad;gcmtefen.  Der  obige  Safc  mieberfyolt  fiefy  baljer  im  (Sinjelucn 
5.  53.  fo :  biefer  üD?cnfdj  fyat  .ein  ftarfe«  ^inter-  unb  Untergelnrn, 
meit  er  ftarfc  tfyierifcfye  Sinne  Ijat,  ober  er  Ijat  ftarfe  t^tcrifd^c 
Sinne,  mctl  er  ein  ftarfe«  hinter*  unb  Untcrgeljirn  Ijat. 

Unb  c«- mürben  aud)  jmeiten«  befonbere  c  inj  eine  ®efjirn* 
Ivette  in  bcr  (tyrojk  übercinftimmenb  mit  einzelnen  ®riinbfraftcn 
nacfygcmiefen ,  fo  baß  jener  Safc  fiefy  nod;  meiter  im  (Sinjelnen 
j.  Sd.  fo  mteberljolt:  biefer  üftenfa)  jeigt  ben  unb  ben  beftimmten 
Xljeit  be«  £rintergefytrn«  grofe,  er  befifct  alfo  ben  unb  ben  „nie* 
bereu"  Sinn  ftarf,  unb  umgefeljrt. 

(Sine  gragc  Ijterbci  ift,  ob  aud)  bie  ©etyrngeftalt  unb  bie 
Organengröfee  äufeerlicfy  au«  bcr  fötyfgeftalt  erfannt  unb.  beurteilt 
merben  f&nne.    Sie  ift  fo  }u  beantmorten.    Die  $erfc$iebentyett 
.  ber  mcnfcfylicben  ßopfgeftaltcn  ift  eine  l>cd>ft  bebeutenbe,  fo  ba§ 


Dtgitized  by  Google 


©nmbäüge  ber  «Phrenologie.  ,  9 


j.  53.  ber  .Jrinterfopf  im  23crgleich  ju  ben  anbern  $opftheilcn 
bei  bem  einen  äRcnfttyen  oft  um  jtoei  bi«  brei  £oU  ftärfer,  bet 
Oberfopf  jroei  bi«  bret  3ofl  Wer  gefunbentoirb,  al«  bei  bem  anbern. 
!£>ic  Unregetmäftigfeiten  in  ber  ÜDtcfc  bcr  §trnfctyale  bagegen  finb 
fefyr  gering  unb  betragen  gewöhnlich  nicht  über  eine  bis  $toei 
Linien.  9(n  ber  33erfchiebenheit  ber  menfdtylichen  topfgeftaltcn 
hat  baljer  bie  23erfchiebenheit  ber  £)irngeftalten  einen  minbeften« 
äefmfach  größeren  Xntfett,  al«  bie  Unregelmäjngfett  ber  <S$äbel= 
biete.  Obgleich  man  bafyer  bie  Öröfje  eine«  ®ehirnorgan«  nicht 
matheutattfeh  genau  äußerlich  erfennen  fann,  fo  ift  boch  ein 
großes  ober  ttollenb«  fchr  große«  Organ  oon  einem  fleinen  ober 
fef)r  Keinen  fidler  ju  untcrfchctbcn.  £>ie«  genügt  fchlechthin  für 
bie  ftorberungen  ber  ftrengen  Sfötffenfchaft,  ba  biefe,  als  bie  91  a  cfy  * 
toeifung  ber  ©runbrräfte  be«  (Reifte«  unb  ihrer  Organe,  nur 
auf  ber  Grrfcnnung  großer  Unterfchicbe  beruht. 

§icrau«  ergiebt  fleh  jugleich  ber  3rrthum  ber  Anficht,  al« 
ob  bie  ^^renotogie  ben  ganjen  ßharafter  jebe«  3D?enfchen  au« 
feinet  topfgeftalt  ttriffenfehaftlich  ftc^er  beftimmen  $u  fönnen  be* 
Raupte.  £)enn  bie  {frage,  ob  burch  eine  ljintängttcfye  ga(l  feljr 
att«gefpro<hener  gätle  eine  ©runbfraft  ober  ihr  Organ  im 
3ftenf<$en  überhaupt  nach ge toi efen  merben  f&nne,  tft  fehr  tocit 
oon  ber  berfcjieben,  ob  ber  gan$c  (S^arafter  jebe«  ein» 
$  einen  3ttenfchen  au«  feiner  Äopfgcftalt  jtt  beftimmen  fei. 
!Dtc  erftere  tfrage  ift  unbebingt  ju  bejahen,  unb  barum  ift  bie 
^renofogie  eine  ftrenge  Söiffenfc^aft;  bie  teuere  läßt  nur  eine 
bebingte  ^Bejahung  ju .  unb  barum  tft  bie  ftunft  ber  Phrenologie, 
welche  auf  bie  möglichst  genaue  ®r&ßenbeftimmung  aller  Organe, 
auet)  berientgen  mittleren  3ftaße«,  eingebt,  eine,  je  weiter  fie  geht, 
ftufenwet«  unfichercr  werbenbe,  mehr  bem  Hüthum  au«gefefete. 
Ueberbie«  treten  hier  (Sinflüffe  auf  (Temperament,  Uebung  u.  f.  w.), 
Welche  bei  ben  Organen  ber  äußerften  ßntwicfelung  nidt)t  entfchci= 
benb  in  {frage  fommen.  ®anj  ebenfo  fann  bie  förperltche  <§<heibe* 
fünft  einen  <§toff  at«  oon  allen  anbern  wefentlich  oerfc^ieben  ober 
al«  ®runbftoff  tt>iffenfc^aftti<^  fidler  nadt)weifen,  allein  mathematifch 
genau  $u  beftimmen,  wie  biet  bon  bem  ober  jenem  (Srunbftoffe 
in  einem  oortiegenben  Körper,  j.  33.  einem  SWlneralwaffer,  ent* 


Digitized  by  Google 


10 


©runbjüge  ber  «Phrenologie. 


galten  fei,  bie«  oermag  ftc  nic^t.  Sleljnlicfye«  gilt  oon  aßen 
übrigen  9ßaturmtffenf<$aften. 

£>ie  Organenleljre  ber  Phrenologie,  obwohl  toictfad^  bcfttitten, 
beruht  f$fe$$iti  auf  £Ijatf adjen.  Cmtfletben  mir  fie  auc$ 
aller  ihrer  allgemeinen  <Säfce,  bie  £fjatfadjen  fteljen  feft.  $)ie 
®röj?e  be«  ®ehirn«  fei  ntd&t  ein  üttagftab  feiner  Straft,  bie  ®e* 
himgeftalt  (äffe  fid^  ntc^t  au«  ber  Äopfgeftalt  erlernten,  ba«  ®e* 
htrn  fei  nic^t  ba«  Organ  be«  (Seifte«.  Slber  in  £aufenben  oon 
fällen,  b.  i.  immer  unb  ohne  eine  etnjige  91u«nahme,  mürbe 
j.  ©.  bie  ©teile  be«  f.  g.  $>aarmirbel«  am  Äopfe  10  ber 
pljrenologifcfyen  Organe)  ba  feljr  erh&tjt  ober  feljr  oertieft  gefun= 
ben,  mo  ba«  „<Selbftgefühl"  in  einem  9Wenf$en  fe^r  ftar!  ober 
feljr  fcfytoad)  mar,  unb  fo  bei  allen  Organen.  Söenn  mir  ein 
®elbftü(f  in  bie  §ßhe  murfen,  unb  e«  fiele  jehnmal  auf  biefelbe 
(Seite  nieber,  f o  mürben  mir  ba«  auffallenb  finben ;  menn  e«  aber 
taufenbmal  unb  immer  auf  gleite  Sßeife  meberfiefe,  fo  mürben 
mir  natfy  einer  (Srflärung  biefer  2^atfac^e  fu<$en.  9ßaturforf(her 
SDeutfölanb«!  $ier  finb  bie  ^atfad^en  ber  ^renologtfd&en  £*s 
ganenlehre,  fu^t  $u  ihnen  bie  (Märung,  mel<$e  e«  immer  fei; 
ihr  merbet  ju  benfefben  <5rgebntffen  fommen,  ju  benen  bie  $fyre* 
nologen  gefommen  finb. 


(3u  ben  tafeln  8.  6  u.  7.)  Nähere«  über  bie  33ebeutung 
ber  inneren  ©inne  f.  in  meinem  ,,$atechi«mu«  ber  ^Phrenologie", 
6.  Slufl.  I5>ie  mif fenf ctyaf tli^en  tarnen  ber  @tnne  („Oppo* 
fttal"  ic.)  finb  Ijauptfä^ltcfy  barum  nothmenbig,  meil  bie  au«  ber 
gem^nli^en  Sprache  gern  aalten  tarnen  („Äampffinn",  „3eicf^s 
rung«fmn"  :c.)  faft  alle  bie  ®rimbbebeutung  ober  ba«  Söefen  ber 
betreffenben  Sinne  nur  mangelhaft  ober  unrichtig  bezeichnen.  <So 
ift  3.  33.  ber  9tame  „tfampffinn"  &u  ftarf,  „2Biberftanb«ftnn"  mürbe 
iu  fchtoach  fein;  „3erftörung«ftnn"  ift  ganj  einfeitig  ic.  2luch 
barum  bebarf  e«  ber  miffenfchaftlid&en  tarnen,  meil  bie  au«  ber 
Spraye  gemähten  tarnen  faft  3ebermann  ju  ber  irrigen  2J?ei* 
nung  »erleiten,  bafj  er  mit  bem  tarnen  eine«  ©hüte«  auch  beffen 
8ebeutung  fenne*,  baj?  er  j.        meil  er  meifj,  ma«  $ampf  ift, 


Digitized  by 


®runbjüge  ber  ^renotogie. 


11 


bamit  auch  fchon  hriffe,  tt>a$  bie  SSMffenfchaft  unter  „$ampffinn* 
oerftehe.  SDiefer  Uebetftanb  finbet  ftdt)  nur  in  ber  ^Phrenologie, 
ti>ei(  beren  ©egenftanb  bent  2Ncnfchen  fo  fetjr  nahe  liegt.  Sftie* 
nxanb  toürbe  meinen,  fchon  burch  ba8  SB  ort  ju  nüffen,  n>as 
„Sauerftoff"  fei,  unb  ioaö  bie  Chemie  barunter  oerftehe,  ohne 
fic^  barüber  juoor  triff enfchaftlich  unterrichten  ju  müffen.  2lu$= 
führte«  über  bie  miffenfchaftlichen  Tanten  ber  Sinne  (beten 
ßnbftlbe  furj  $u  fprechen:  „Snfantall",  nicht  „3nfantahH  f.  in 
meinen  „^enologifcben  töeifebitbern",  @.  259  —  272.  2>ie 
(gintheitung  ber  inneren  Sinne  in  bie  brei  ©nippen  ift, 
toie  leidet  ju  erfennen,  eine  mehrfach  mangelhafte.  SBeniger  ift 
j.  53.  ba8,  nüe  man  gemeint  hat,  ein  üttangel,  baß  ,  Opfotal  *  unb 
„Slmbital",  bie  ©runbtagen  be$  Stoljeä  unb  be$  (Shrgeije«,  unter 
ben  ©emüthsfmnen  genannt  finb :  benn„3pfotar  giebt  bem  2Jienfchen 
ba«  ©effiljl  feine«  Söerthe«  unb  feiner  Stürbe,  unb  „Hmbital"  ba8 
Gefühl  für  bie  Slnerfennung  oon  Seiten  feiner  -ättitmenfchen ; 
beibe  bürfen  baher  infofern  unter  ben  ©emüth«fmnen  (®efühl8= 
finnen)  genannt  fein.  Slber  toohl  ift  3.  53.  ba$  ein  großer  Langel, 
ba§  „Slmicatal",  toeil  e$  ber  2ttenf<h  mit  ben  Ztymn  gemein  hat, 
unter  ben  nieberen  ©innen  genannt  ift,  loährenb  e«  zugleich  ganj 
entfehieben  bie  ©ebeutung  eine«  ®emüth$fmne$  ^at.  Manche 
tytyexioioQm  ha&en  anbere  Gsintheilungen,  als  bie  tym  gegebenen, 
gemacht,  bie  aber  alle  mehr  ober  toeniger  mangelhaft  finb.  53e= 
merfenStoerth  ift,  ba§  ©all  felbft  feine  Grinthetlung  ber  inneren 
(Sinne  »erfuebt  hat,  inbem  eine  ttnffenfchaftlichc  5Rothn>enbigfett 
hierzu,  mie  fich  »erfleht,  nicht  oortiegt.  £>te  Grtntheilung  ber 
©eifteSthätigfeiten,  toelche  bie  -iftatur  gemacht  hat —  in  bie  ein- 
zelnen ®eifte8fräfte  felbft  —  hn'trbe  auch  fut  bie  Sötffenfchaft 
genügen.  Sllle  ©ruppirungen  ber  inneren  «Sinne,  beren 
feine  bie  Sftatur  gemacht  hat,  haben  lebigtich  ben  bie 
Ueberficht  ju  erleichtem. 


Digitized  by  Google 


II. 

Sur  (ßcftfuefitc  Atv  $hrenofogi<?. 


Quloonque  a  une  trop  baute  idee  de 
la>  force  et  de  la  justesie  de  ses  rai- 
BonnementH  ,  pour  ae  croiro  obligr  de 
leg  aoumettre  a  une  exp6rience  mille 
et  mille  fois  r£p<H6e ,  ne  perfoction- 
nera  jamaia  la  Physiologie  du  cerreau. 

Call. 


Ueber  bic  Slrt,  tüte  ®alt,  geb.  im  Satyre  1757  ju  Siefen* 
Brunn  bei  ^forjtjeim,  ju  feiner  @ntbecfung  tarn,  erjagt  er  fetbft 
gotgenbe«.  „23on  meiner  erften  Sugenb  an  lebte  tefy  im  @cfyoo§e 
meiner  Familie  mit  mehren  ©rübern  unb  @<$ti>cftem  unb  mit 
feljr  otelen  tameraben  unb  3Witf^ü(em.  3cbe«  bon  iljnen  tjatte 
etma«  ©efonbere«,  ein  Xatent,  eine  Neigung,  eine  ®abe,  bie  e« 
»du  Slnberen  unterfcfyieb.  2öir  beurteilten  batb,  mer  bon  und 
tugenbljaft  ober  tafterljaft,  ftotj  ober  betreiben,  offen  ober  ocr= 
fteüt,  freunblicfy  ober  ftreitfüdt)tig ,  gut  ober  böfe  mar.  3n  ber 
<Scfyute  jeicfyneten  fid^  (Sinige  burefy  itjre  fctyöne  @cfyrift  au«,  8bv 
bete  burdj  bie  ßeicfyttgf  eit ,  mit  ber  fie  regneten,  Rubere  lernten 
leicht  ©efebietyte,  ober  ©eograpfyie,  ober  (Spraken.  ©eljr  SBiete 
Ratten  Neigung  unb  latent  für  Dinge  aufcerfyatb  be«  Unterricht« : 
fie  f^nitten  au«,  jeic^neten f  Slnbere  matten,  fugten  ©turnen, 
Snfeften  k.  ©o  zeichnete  fi<$  jeber  burefy  feinen  befonberen 
Gttjarafter,  feine  befonberen  ftätn'gfetten  au«,  unb  icb  beobaefc 


Digitized  by 


3ur  ©eföicfcte  ber  Senologie.     '  13 


tete  niemals,  baß  ber,  melier  ein  3aljr  borget  ein  betrü&erifcher 
unb  untreuer  tamerab  toar,  ba«  nächfte  3aljr  ein  fixerer  unb 
treuer  ftreunb  tourbe,  ober  baß  ber,  mclcber  fich  ^eute  burch  ein 
große«  töechentatent  auszeichnete ,  morgen  biefc«  mit  bem  für 
(Spraken  bertaufchte. 

3n  ber  ©cfyule  hatte  ich  am  meiften  bie  ju  fürchten,  toelche 
mit  fo  großer  \?cichtigfeit  auStoenbig  (ernten,  baß  fte  mir  oft  bie 
©teile  toieber  abgetoannen,  tccl^e  id;  burch  meine  Aufarbeitungen 
ermatten  ^atte.  Später  änberte  ich  meinen  Aufenthaltsort  unb 
hatte  ba«  Unglücf,  toieber  9)?itfchüler  ju  befommen,  toelche  fich 
burch  bie  ®abe,  leicht  auStoenbig  ju  lernen,  auszeichneten.  9htn 
bemerfte  ich  unb  e«  fiel  mir  auf,  baß  fie  meinen  ehemaligen 
Nebenbuhlern  burch  große,  h^rborftehcnbe  Augen  glichen.  3^ 
3ahre  nachher  ging  ich  ««f  Uniberfttät  unb  richtete  nun  $u* 
erft  meine  Aufmerffamfcit  auf  bie  meiner  ©enoffen,  toelche  eben 
folche  heroorftehenbe  Augen  hatten.  9ftan  rühmte  mir  allgemein 
ihr  gute«  $Öortgebä<htniß.  3ch  tonnte  baher  nicht  glauben,  baß 
bie«  nur  ein  zufälliger  Umftanb  fei  unb  fing  an,  einen  3U* 
fammenhang  jtoifchen  biefer  Augcnbilbung  *)  unb  ber  Veichtigfeit, 
auStoenbig  gu  lernen,  ju  bermuthen.  $)urch  Beobachtung  unb 
Sfachbenfcn  !am  ich  fc^hin,  51t  fließen,  baß  auch  rubere  Xalente 
fich  burch  äußere  SDZerfmale  berrathen  fbnnten,  unb  fitö^tc  nun 
^erfonen  auf,  toelche  befonberc  ©aben  hatten,  um  ihre  Kopf* 
geftalt  JU  ftubiren.  3ch  glaubte  anbere  Kennzeichen  $u  finben, 
toelche  bei  allen  großen  Katern,  bei  alten  großen  üttufifern,  bei 
aüen  großen  2ttechantfern  it.  f.  to.  betnerflich  toaren.  3n  ber 
3toifchenjeit  l)atte  ich  9>icbictn  zu  ftubiren  angefangen.  9ttatt 
fagte  un«  biet  bon  ben  Verrichtungen  ber  SOhtSfeln,  ber  (Singe* 
toeibe  2C.,  aber  gar  Nicht«  bon  ben  Verrichtungen  beS  ®ehirnS 
unb  feiner  einzelnen  Xtyik.  3<h  muthmaßte  anfangs,  toaS  ich 
balb  jur  ®etoißheit  braute,  baß  bie  Verfdn'ebcnheit  ber  Kopf* 


•)  2>a8  ?(nge  ift  *om  ©el?trn  nur  burcty  eine  büunc  tfno#ent>latte  gc* 
trennt;  e«  fle^t  metyr  im  Äopfe  toor  ober  liegt  me^r  in  ber  $ityle  jurücf ,  je* 
na$bem  ber  ®ebjrnn)etl  (bat  Organ)  über  bemfetoen  größer  ober  fleiner  ifl. 


Digitized  by  Google 


* 


14  3»"  ®ef<$i»$tc  ber  ^renofogte. 

geftatt  burch  bie  oerfchiebene  ®efta(t  be«  ®ehirn«  beranfafct  toirb 
imb  ba§  bic  oerfchiebenen  ^ette  be«  ®ehirn«  bie  berfcbiebenen 
Organe  bcr  menf$tt<$en  ftä'higfetten  finb.- 

Scachbem  ®att  bie  ÜRöglichfcit  ber  Stuffinbung  ber  ®runb* 
vermögen  be«  (Seifte*  unb  ihrer  Organe  erfannt,  betrachtete  er 
btefe  Huffinbung,  bie  Schöpfung  ber  9caturn>iffenfc$aft  be«  Reifte«, 
a(«  bie  Hufgabe  feine«  Leben«.  Seit  bem  3ahre  1785  mar  er 
au«übenber  $(r$t  in  SBien.  Grine  paffenbere  Stellung  für  feinen 
3*oecf,  als  bcn  39eruf  eine«  Slrjte«  in  ber  großen  ftaiferftabt, 
fonntc  er  nicht  finben.  (fr  Beobachtete  unb  fammelte  mit  eifement 
gleiße,  ftct«  bor  Willem  auf  SBielfeitigfeit  unb  Unbefangenheit 
feiner  ftorfchungen  bebaut.  £aufenb  unb  mleber  taufenb  Söeob* 
acfytungen  jur  ©eftätigung  einer  jeben  Söahrhett  ju  fammeln, 
toar  fein  SBaljlfprucb.  Orr  befugte  3rrenhäufer,  (Sefangmffe  unb 
«Schuten,  er  betoegte  fich  in  ben  haften  unb  in  ben  niebrigften 
Greifen  ber  (Sefeltfchaft;  too  er  bon  3emanbem  hotte,  ber  fich  a«f 
irgenb  eine  Seife  auszeichnete ,  entmeber  burch  auffallenbe  8te 
gabtheit  ober  burch  fanget  an  berfelben,  ba  beobachtete  unb  ftu* 
bitte  er  in  SSergleichung  mit  bem  (Sharafter  bie  ©eftalt  be«  $opfe« 
unb  bei  Leichnamen  jugleich  be«  ®ehirn«.  9ßicht  minber  al«  ben 
(Sharafter  ber  Sftenfchen,  ftubirte  er  bcn  ber  Spiere,  ba  er  e« 
für  einen  großen  Achter  hielt,  bcn  üDienfchen  auch  in  geiftiger 
^öejiehung  abgefonbert  oon  feinen  SDfrtgefchöbfen  pi  betrachten. 
(§«  giebt  beinahe  fein«  ber  oaterlänbtfchen  Z§icxQe\(f)U$tcx,  Befon« 
bcr«  au«  bcr  Slaffe  ber  23ßgel,  au«  meinem  (Sali  nicht  wenig* 
ften«  ein  3nbiotbuum  felBft  aufgewogen,  beffen  ganje  8e6en«$cit 
hinburch  beobachtet  unb  beffen  (Eharafter  ftubirt  hätte.  £)och  fann 
bei  Xfymn  biel  toentger  at«  beim  SDcenfchen  bic  (Sehirngeftalt 
au«  ber  äußern  Äopfgcftalt  erfannt  merben.  «et  Xfyexm  ift 
baher  in  ber  9ceget  nur  bie  innere  Schäbelfläche  ober  ba«  ®e* 
htm  fetbft  mit  bem  Gtharafter  gu  begleichen. 

(Sleichjeittg  mit  biefen  ftorfchungen  ftubirte  (Sali  bie  jfaa* 
tomic  bc«  Gehirn«,  unb  feine  Cnttbecfttngen  unb  Seiftungen  fytxin 
maren  nicht  minber  Bebeutenb,  al«  feine  (Sntbccfungen  al«  (Set* 
ftc«forfchcr.  früher  nä'mttch  mußte  man  Sfticht«  bon  einer  Orga* 
ntfation,  einem  lebenbigen  Sau  be«  Gehirn«;  benn  baffetBe  geigt 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


* 


Digitized  by  Google 


3«r  ©ef^i^te  ber  ^Phrenologie. 


17 


ftch  im  natürlichen ,  frifchen  3uftanbe  al«  eine  meiere,  faft  brei* 
artige  3Waffe.  ©alt  machte  nun  juetft  bie  (Sntbecfung,  bafc  ba« 
®ehim  au«  Däfern  befielt ,  bie  toom  SDfittelpunfte  au«,  ba  wo 
ba«  (Gehirn  mit  bem  SRücfenmarf  jufammenhängt,  nach  bem  Um* 
freife  laufen,  üflan  fann  ba^er  ba«  ®efnrn  etwa  mit  ber  ©lume 
be«  ©lumenfohl«  begleichen,  welche  au«  einzelnen,  bom  Stiele 
ring«  au«laufenben  Sleftchen  befte^t.  Senn  ba«  @ef}im  baburch, 
bafc  e«  einige  3eit  in  üöeingeift  gelegen,  hart  geworben  ift  unb 
man  jerreifet  e«  nach  bem  tfaufe  ber  ^fern,  f°  erfennt  man  biefe 
fo  beutlich,  wie  man  bie  ^flaujeufaferu  beim  3erreifcen  be«  ©lu* 
menfohl«  in  feine  einzelnen  9left#en  erfennt.  3Bir  fehen  leicht, 
wie  wichtig  biefe  (Sntbccfung  war  unb  Wie  fie  mit  (Sali'«  (int- 
beefung  ber  einzelnen  (Sebirnorgane  wefentlich  jufammen^ängt. 
Sar  ba«  (Se^irn  nur  eine  unorgaiüfdje  2ftaffe,  fo  war  e«  nicht 
möglich,  an  eine  $erf<tyiebentyeit  ber  Verrichtungen  ber  einjelnen 
(Seln'rntheilc  ju  benfen,  aber  bei  bem  ^aferbau  beffelben  fonnte 
ieber  £ljeit  recht  wohl  für  fich  einem  befonberen  ©eifte«t>ermogen 
al«  $ßerf$eug  bienen. 

^achbem  ®all  bereit«  biete  ®runbbermögen  be«  (Seifte«  unb 
ihte  (Sehiruorgane  burch  unjä'htige  gefammelte  £hatfachen  ent* 
beeft  unb  nachgewiefen ,  fing  er  im  3ahr  1796  an,  feine  <£nt* 
bedungen  in  ^rioatoorlefungen  t>er$utragen.  £>iefe  befugten  nicht 
nur  bie  Stubenteu  ber  üftebietn,  fonbem  auch  biele  au«übenbe 
Herste,  bie  meiften  ^rofefforen  ber  $t\U  unb  ber  9caturfunbe, 
oiele  @r^ieher,  Üftaler,  Staatsbeamte,  barunter  Banner  oon  ber 
graten  ®elehrfamfeit  unb  bem  größten  (Sinfluffe.  5luch  biete 
gebilbete  tarnen  fehmueften  fein  $lubitorium. 

ftünf  3ahre  lang  ^atte  ®all  biefe  Vorträge  mit  fteigenbem 
Veifall  fortgefefet.  £)a  machte  pltffeüch  ein  faiferliche«  $anb= 
billet,  welche«  biefelben  unterfagte,  ©alf«  öffentlicher  i&irffam 
feit  ein  @nbe.  Darin  war  unter  ^nberm  gefagt,  bafc  über  bie 
neue  ftopflehre,  bon  welcher  mit  fo  biel  Söegeifterung  gejprocben 
werbe,  bieaeicht  Manche  ihren  eignen  Äopf  berlieren  bürften,  baß 
auch  t>te[c  Öehre  auf  2ttateriali«mu«  $u  führen  fcheine  u.  f.  w. 
Obgleich  nun  (Sali  eine  au«führlichc  Vertheibigung  ber  oon  ihm 
borgetragen.en  SBiffenfchaft  einreichte,  auch  biele  h^he  Staat«* 

S^e»c,  ^nwiXo^W  »Uber.  3.  Stuft.  2 


Digitized  by  Google 


18 


3ur  ®ef$i<$te  ber  ^Phrenologie. 


Beamte  ft<$  für  ifyn  oermenbeten,  fo  berieft  e«  boety  bei  jenem 
©pruetye  fein  Bemenben  unb  bie  Vorträge  ®aU'$  mürben  fo  auf 
immer  in  Sien  eingeteilt.  $>te  Saljl  ftanb  tljm  nun  frei,  ob 
er  bei  einer  auSgebeljnten  ^rariä  unb  in  glanjenben  Berfyältniffen 
in  Sien  bleiben,  ober  ob  er  feine  föulje  unb  fein  ä'ufcereS  ®lücf 
ber  SGBiffenfc^aft  jum  Opfer  bringen  unb  eine  neue  £eimat  für 
feine  tfeljre  auffliegen  follte.  <£x  toaste  ba«  l'cfetere.  3m  3a$re 
1805  oerlief}  er  Sien.  Dr.  @pur#eim,  »eichet  fieb  it)m  febon 
feit  einigen  3a$ren  oerbunben  fyatte  unb  meinem  befonber«  ein 
Xljeil  be$  BerbienfteS  ber  anatomifäen  (Sntbetfungen  jufommt, 
begleitete  Um  auf  feineu  Reifen.  &wrft  menbeten  fty  bie  beiben 
^Teunbe  na#  ©erlin,  too  ©all  bor  ben  Scannern  ber  Riffen« 
fctyaft  feine  l'efyre  mit  großem  Beifall  oortrug.  Sistig  mar  be* 
fonberä  auch  ber  ^öefiict;  ©all'8  in  ben  ©efä'ngniffen  oon  Berlin 
unb  ©panbau,  mo  ©all  in  Begleitung  tyoljer  ©Staatsbeamten 
mehrere  Imnbert  (befangene  unterfucfyte  unb  tiberjeugenbe  Bemeife 
oon  ber  Satyrljeit  feiner  ßeljre  ablegte.  £>te  große  Slnerfennung, 
meiere  ©all  in  Berlin  ju  tljeil  würbe,  bezeugen  unter  Slnberm 
bie  Sorte  £ufelanb'S.  tiefer  fetyrieb  über  ©all  unb  feine  Öeljre : 
„üttit  großem  Vergnügen  unb  Sntcrcffc  habe  ich  ben  mürbigen 
3Ö?ann  felbft  feine  neue  t'eljre  oortragen  tyoxtn  unb  bin  oöllig 
überzeugt  morben,  baj?  er  ju  ben  merhoürbigften  (Srf Meinungen 
be«  3a(?r^unberte  unb  feine  l'e^re  ju  ben  michtigften  unb  fünften 
ftortfehritten  im  Weiche  ber  9taturforfdnmg  geirrt".  Bon  Berlin 
au«  befugten  bie  föetfenben  mährenb  ber  brei  folgenben  3a^re, 
überall  ihre  tfefyre  oortragenb,  bie  hauptfächlichften  ©täbte  £>eutfcfy- 
tanb$  unb  ber  ©chmeij.  Sie  mürben  überall  auf  ba8  &ner* 
fennenbftc  empfangen,  dürften,  SJttnifter,  ©elehrte,  Beamte, 
$tinftler  aller  $lrt  mürben  ihre  Schüler  unb  maren  ihnen  be* 
hilflich,  it)rc  Sammlungen  ju  oerme^ren  unb  ihnen  bie  SDftttel 
ju  neuen  Beobachtungen  $u  bieten.  Bon  einzelnen  «Männern, 
meiere  ber  neuen  i'efyre  anerfennenb  ba«  Sort  fprachen,  nenne 
ic^  nux  Ooetye  unb  Salier  (a(ft  ©eh-  «Webicinalraty  in  München 
geftorben).  Der  Öefctere  förieb :  „Die  Öuftgebäube  ber  rationellen 
^f^ologie  finb  verfallen.  (5$  giebt  fein  ontologifctyeä  Siffen 
mefyr  unb  bie  Bernunft  fer>rt  nicht  mehr  in  fo«mologifdt)en  2ln* 


Digitized  by 


3ur  ©efc$i$tf  ber  ^rfnolegie. 


19 


tinomien  fcinbfelig  ben  Dolch  gegen  fich  felbft.  SDie  £khn  ift 
mal  frei  unb  u?er  tad^t  nun  nicht  übet  bie  felbftgenügfamen 
Träumer,  bte  burch  ihr  fälfchüch  fogenannte«  Söiffen  a  priori 
ber  sJiac$ferfcfyimg  im  unermeßlichen  9?eid^  ber  sJiaturerfdt)einungen 
überhoben  $u  fein  mahnen.  $)ie«  ift  bie  natuTphilofopfufche  ©iir* 
bigung  ber  ©all'fchen  Unterfuchungen". 

£>aß  fich  auch  ©egner  für  bie  £e^re  ©all'«  fanben,  burfte 
man,  menn  man  auf  bie  (Sefcbicbte  aller  großen  (Sntbecfungen  su* 
rücfblicfte,  nicht  anber*  erwarten.  3$  nenne  unter  Zubern 
Siefermann,  ^ßrofeffor  ber  Anatomie  in  $)eibelberg,  unb  Äofcebue. 
?(ber  Slcfermann'S  eigene  Sorte  betoeifen  jugteich  bie  große  %\\* 
erfennung,  melche  bie  neue  £ehre  allenthalben  fanb.  (Sr  beginnt 
feine  im  3afyre  1806  erf  dienen  e  ©ebrift  gegen  (Sali  mit  ben 
Sorten:  „Qr$  ttnrb  oielleicht  Üftanchem  feltfam  fcheinen,  ttrie  icb 
e$  auf  rnic^  nehmen  möge,  gegen  bie  i'ehre  eine«  üftanne«  ju 
treiben,  welcher  in  bem  aufgeflärten  Horben  ton  £)eutjchlanb 
fi<h  nicht  aUein  bei  Ungelegten  unb  ü'aien  in  ber  9caturmtffen* 
fchaft,  foubem  auch  bei  ^erfonen  oom  hoffen  föange,  bei 
Beuten  oon  wiffenfehaftticher  SMfbung,  ia  felbft  bei  Siebten  unb 
l'ehrern  ber  9lr$nettt>tffenfchaft  burch  eben  biefe  £ehre  einen  faft 
ungeteilten  iöeifall  unb  einen  ausgezeichneten  föuhm  ermorben 
hat".  Uebrigen«  finb  alle  <£inn>ürfe  Stcferatann'S  jefct  längft 
miberlegt.  (Siner  berfelben  betrifft  ben  ^aferbau  be$  ®ehirn$, 
»eichen  ber  berühmte  (Seiehrte  burchauS  in  Slbrebe  fteöt,  toährenb 
e$  heu*e  feinen  @tubenten  ber  üttebicin  giebt,  welcher  fich  nicht 
burch  ben  2tugenfchetn  tum  biefer  £hatfa$e  überzeugt  hätte.  9coch 
leichter  al«  Slcfermann'«  Einwürfe  wog  ftofeebue"«  ©pott  über 
bie  neue  &hre. 

®all  »erließ  im  3ahre  1807*  mit  Spurjheim  fein  «aterlanb, 
um  nicht  mehr  bahin  jurücf jufehren ;  bie  beiben  ftreunbe  menbeten 
fich  n<4  ¥«t«.  $>aburch  hauptfächlich  gefchah  e«,  baß  ®all'« 
Öehre  in  ÜDeutfchlanb  batb  faft  gang  in  SSergeffenheit  geriet^ 
£)enn  bte  neue  ßeljre  mar  nicht  ein  pr>ilofo^r>ifc^e«  ©hftem,  welche« 
man  fich  *>ur$  ^etüre  unb  sJcachbenfen  aneignen  fonnte,  fonbern 
fie  mar  "eine  auf  ju  prüfenben  ^^atfac^en  beruhenbe  9iaturwiffen» 
fchaft,  melche  ein  beharrliche«  praftifche«  Stubium  unb  einen 

2- 


20 


3ur  Offerte  ber  <ßbrenologte 


fcharfen  ©lief  in«  £eben  jur  Aneignung  unb  Sföeiterbilbung  tocr= 
langte.  $)a  aber  faft  nur  ©all  unb  Spurj^eim  biefe  SSHffen* 
fc^aft  inne  fyatten,  fo  ift  e«  faunt  ju  oermunbern,  ba§  fich  nicht 
fobalb  2ftänner  fanben,  »eiche  biefelbe  fofort  erf äffen,  burch  tfefyre 
»eiter  fortpflanzen  unb  bent  Söiberfpruch  ber  Gegner  entgegen* 
treten  tonnten,  »eldje  nun  nach  ®alf«  Entfernung  überall  mit 
groMpte^erifc^em  Sftuthe  fich  erhoben. 

3n  $ari«  befugte  unter  Zubern  ber  berühmte  Euoier  ®alf« 
Vorträge  unb  fprach  fich  fehr  günftig  über  bie  neue  Vefyre  au*. 
3u  berfetben  3eit  hatte  ba«  franjofifche  3nftitut  bent  (Snglänber 
SDaoty  für  feine  galoanifchen  (Sntbetfungcn  eine  ^rei«mebaille 
oerliehen.  211«  nun  Napoleon  erfuhr,  bafc  ber  größte  feiner 
oerglcichenben  Anatomen  einen  ßurfu«  oon  Vorträgen  bei  Dr.  (Satt 
befugte,  fuhr  er  bie  Slfabemifer  beim  nächften  Courtage  barüber 
an,  bafc  fie  ß^emie  ton  einem  Crnglänber  unb  Slnatomie  oon 
einem  £>eutfcfycn  lernten.  £te«  toirfte.  (Suoier  änberte  feine 
«Spraye  unb  fein  Bericht  über  bie  neue  Sehre  fiel  jtoeibeutig  au«, 
obgleich  in  ber  $auptfacfce  bie  (Sntbedungen  ®aü'«  anetfaunt 
mürben.  Die  beiben  <$elehrten  festen  übrigen«  bi«  jum  3afyr 
1814  ihre  Vorträge  mit  $eifatt  fort.  Später  blieb  ®all  ju 
«ßari«,  mofelbft  er  bi«  ju  feinem  Xobe  (1828)  jur  meitern  23e* 
grünbung  feiner  Entbedungen  tljätig  »trfte.  ©eine  bänbereichen 
Söerfe,  meiere  noch  lange  bie  unentbehrliche  Örunblage  ber  oon 
t^m  gefdjaffenen  $Biffenf$aft  bleiben  toerbeu,  »aren  nach  unb 
nach  ju  s}>ari«  tu  franjöfifcher  (Sprache  erfchienen.  Sie  enthalten 
einen  Scbafc  oon  unenblich  oielen  gefammelten  £hatfa$cu  unb 
finb  in  flarer,  ben  Stempel  ber  Ueberjeugung  unb  ber  ©ahrhett 
an  fich  tragenber  Spraye  gefd;rieben  unb  burch  foftbare  Tupfer* 
»erfe  erläutert. 

Spurjhetm  »cnbete  fich  im  3ahre  1814  nach  Englanb, 
»eiche«  burch  tyu  ba«  jioeite  SBatcrlanb  ber  (Sall'fchen  Öehre 
»erben  follte.  $alb  mar  burch  Ml  Vorträge,  »eld;e  er  in  mehren 
Stäbten  ©nglanb«  fyelt,  ba«  ganje  £anb  in  $3e»egung  gefegt. 
Ueberall  ging  er  au«  ben  tämpfen,  »eiche  fich  «oer  bie  neue 
Öehre  entfpannen,  fiegreich  heroor.  So  fyattt  j.  Sd.  ein  Slrtifel 
in   einer   Ebinburger   3eitfchxtft  ®all   unb    Spuret»  mit 


Digitized  by 


3«r  ©ef^ic^tc  bcr  Wrenofogic. 


21 


Schmähungen  überlauft,  namentlich  in  ©ejug  auf  ben  ftaferbau 
be«  ®ehirn$  unb  bte  anatomtfchen  (Sntbecfungen.  ©purjheim 
berf Raffte  fich  einen  GratpfehlungSbrief  an  ben  33erfaffcx  jene« 
9lrtifel«;  er  reifte  nach  Grbinburg,  befugte  ilm  unb  erhielt  bon 
ihm  bte  ßrlaubnifl,  ein  (Gehirn  in  feiner  (SJegenmart  unb  in  feinem 
£>ßrf aale  ju  jergliebem.  tiefer  mar  fo  befugt  als  er  es  fein 
fonnte.  $)a  ftellte  ©purjheim  mit  jener  3ettfchrift  in  ber  einen 
unb  einem  (Sehirn  in  ber  anbem  §anb  jenen  Behauptungen 
Ehatfachen  entgegen,  unb  biefer  eine  £ag  gemann  über  500 
3eugen  für  ben  gaferbau  bcr  meinen  ®ehirnmaffe. 

©o  bon  (Srfotg  unterftüfet,  eröffnete  ©pur^eim  in  (Sbin= 
bürg  einen  Gurfu«  bon  Vorträgen  über  bie  neue  ®etfte«lehrc. 
<$x  pflegte  ju  ben  ©Rotten  ju  fagen:  3h*  feib  langfam,  aber 
ihr  feib  fieser;  idt>  mu§  einige  >$eit  bei  euch  bermcilen,  aber  bann 
fann  ich  bte  ^rächte  meiner  Arbeit  in  euern  £änbcn  reifen  (äffen. 
£)iefe  ^orherfagung  ^at  fich  bemährt,  ©purjheim  fehrte  nach 
einiger  %nt  nach  ^ßariS  jurücf.  Slber  batb,  im  3ahre  1820, 
bilbetc  fich  &u  Sbinburg  eine  phrenologifchc  ®efellfchaft,  unb  im 
3ahre  1823  erfchien  baS  erfte  £>eft  be«  ^renologifchen  Journal« 
bon  Öbinburg.  $)enn  ben  tarnen  ^hreitologie  Ijatte  bie  neue 
ßehre  mittlermeile  auf  ©eranlaffung  eine«  engüfehen  2ft$teS  an* 
genommen.  $a«  Söort  <iPh™tologte  ift  beutfeh  ©eifteSlehre ; 
man  mahlte  es,  um  bie  neue  ©etfteSlehre  bon  ber  alten,  ber 
TOchologie,  ju  unterfcheiben.  ©egen  ba«  ©ort  ©chäbellehre 
ober  förantoffopie  hat  ®all  felbft  bon  Anfang  an  proteftirt.  ©eine 
Öehre  hatte  e$  junächft  nicht  mit  bem  ©dt)äbet,  fonbem  mit  bem 
®ehim  $tt  thun;  man  hätte  alfo  (Sehirnlehre  fagen  müffen.  ©och 
mar  es  febenfall«  beffer,  bie  Seljre  (SeifteSlehre  ober  ^ß^renorogte 
ju  nennen. 

3m  ^ahre  1825  fehrte  ©purjhetm  nach  <Snglanb  gurücf, 
mo  ihn  bereit«  gro^e  Triumphe  feiner  Seljre  erfreuten.  3U  ^am* 
bribge  g.  33.  mohnten  allein  57  ^ßrofefforen  bem  (SurfuS  feiner 
Vorträge  bei.  3m  3ahre  1832  reifte  er  auf  bielfeitige  (Sinlabung 
nach  9torbamerifa,  erlag  jeboch  htet  tot  nämlichen  3ahre  feinen 
angeftrengten  Arbeiten.  <£r  ftarb  in  ©ofton.  bleich  ®aü  hat 
©purjheim  nicht  blo«  münbttch,  fonbern  auch  burch  jahlretche 


Digitized  by  Google 


3ur  ©efäid&tc  fc«  ^renologie 


©erte,  Welche  er  theil«  in  franj&ftfcher,  theile  in  englifcher  Sprache 
herausgab,  bic  neue  Setyre  geförbert. 

bem  £obe  ®alf«  unb  Spuraheim'«  galt  ®eorg  (Sombe 
ju  (Soinburg  al«  ber  etfte  ber  ^^renotogen.  93iele  anbete  tücfc 
tige  9J?änncr  in  faft  allen  Vänbern  Gruropa'«  fatmnelten  fich  nach 
unb  nach  um  ba«  ©anner  ber  (Salffchen  l'efjrc.  ^n  fielen 
Stäbten  (Jnglanb«,  ffranfreicfys  unb  Slmerifa'S  »urben  pljreno* 
togifche  ©efellfd^aften  gegrünbet.  &ie  bebeutenbften  mebieintfehen 
unb  populären  3"tf**ijten  (5ngtanb$  Ijaben  fkh  $u  (fünften  ber 
^Phrenologie  auSgcfprochen. 

3m  SBergleich  mit  biefen  (Srfolgen  im  $lu$lanbe  waren  bic 
ftortförittc  ber  Phrenologie  in  $)cutfc$lanb,  feitbem  ®all  e«  Oer» 
laffen,  befto  geringer.  £>ic  Literatur  braute  einige  Uebcrfefeungen, 
aber  wenig  ober  nicht«  Selbftftänbige«.  ffienn  ich  oon  mir 
fprechen  barf,  fo  lann  ich  mich  toiellctcht  rühmen,  juerft  felbft* 
ftänbig  beutfeh  über  ^^renotogie  getrieben  ju  fyabm.  3$  machte 
im  Oaljre  1839  bic  (£ntbecfung ,  bafj  man  burch  einen  $)ru<f  auf 
bie  Stelle  irgenb  eine«  Organe«  einen  biefem  Organe  entfprechen= 
ben  £raum  (eOMVtttfcn  fann.  9ftan  berührt  juerft  leife  ben 
ßopf,  um  ben  Schlafenben  nicht  $u  erweefen,  unb  oerftärft  wäh* 
renb  fünf  ober  jeljn  9Wtnuten  ben  $)rucf  fo,  bafc  ber  «Schlaf enbc 
burch  benfelben  ertoacht.  3dj  [teilte  biefe  Crntbecfung  in  einem 
fleinen  2(uffafce  bar,  unb  überreichte  ihn  ber  93crfammlung 
beutfeher  9caturforfcher  unb  Slerjte  ju  Pyrmont.  Sebodj  mar  bie 
Phrenologie  felbft  in  $>eutfchlanb  noch  gu  wenig  befannt,  al«  ba§ 
biefe  Sache  t>on  erheblichem  (Sinfluffe  auf  bereu  Slncrfennung 
hätte  fein  fönnen.  (£rft  im  Söhre  1842  lenfte  ®.  (Sombe  baburch, 
bafj  er  $u  £eibelberg  einen  Gurfu«  phrenologifcher  Vorträge  gab, 
wobei  er  unter  Ruberem  bie  2lnerfenmmg  einiger  ber  erften  Pro* 
fefforen  ber  Unioerfität  für  biefe  ©iffenfehaft  gewann,  bie  2luf= 
merffamfeit  ber  ÜDeutfchen  wieber  mit  Erfolg  barauf,  unb  führte 
fo  bie  faft  toergeffene  £ehre  in  ihr  ^aterlanb  jurücf.  (Sine  ^olge 
biefer  Vorträge  war  g.  33.  bie  ©rünbung  einer  phrenologifchen  3C^- 
fchrift  in  $eibelberg,  bereu  (Srfcheinen  bie  Gmtftehung  oietcr  Schriften 
für  unb  gegen  bie  ®alffche  ßehre  oerantafcte.  Leiber  mürbe  bie 
3ettfchrift  burch  ben  Stob  be«  ftebacteur«  Dr.  $irfcbfelb  in  ©remen 


Digitized  by 


3ur  ®«f$i#te  fccr  ^renologic.  23 

unterbrochen.  Gr«  ift  ju  hoffen,  ba&  ber  Stampf  um  tote  ©ahrfyeit 
ber  Phänologie  in  $>eutfcfy(anb  fic^>  balb  entleiben  »erbe.  (S.  ba« 
SJormort.)  tiefer  Äampf  hrirb  ton  bieten  (Segnern  mit  festen, 
auch  oft  mit  albernen  Söaffen  geführt.  5Da  es  für  ben  fünftigen  <$e* 
$ichtfchreiber  ber  $  Senologie  Sntewffe  haben  mirb,  <£ta>a«  hier* 
oon  ju  fennen,  fo  mag  ba«  in  ber  $tt>etten  Auflage  biefer  Schrift 
hierüber  9D?itgetheilte  auch  in  tiefer  neuen  eine  (Stelle  behatten. 
93on  ber  erften  Ausgabe  mar  mir  eine  mirflicbe  $ritif  nicht  $u 
(Seficht  gefommen :  aber  bie  „Blätter  für  üterarif che  Unterhaltung" 
hatten  einen  ftuffafe  gebracht,  melcher  unter  ber  ^orm  einer  $ritif 
eine  gröbliche  Berleuinbung  enthielt.  3ch  mied  bie*  in  ben  fol* 
genben  3eilen  nach,  t»etd^c  ich  ^m  Herausgeber  beS  blatte«  als 
„nothmenbige  Berichtigung*  jur  Aufnahme  aufanbte. 

„<5in  Söort  über  bie  #rittf  phrenologtfcher  (Schriften 

in  £>eutfcblanb. 

@S  ift  ein  günftigeS  Reichen  für  bie  Phrenologie,  bafc  bereu 
(Segner  in  SDeutfchlanb  ben  mif  f  enfehafttichen  $ampf  auf* 
äugeben  beginnen  unb  burch  anbere  Littel,  j.  B.  bie  Bernichtung 
Phrenologifcher  Schriften,  ihre  Sache  gu  unterftüfcen  fuchen.  ©n 
folcher  0atl  liegt  mir  oor.  $)ie  „Blätter  für  literarifche  Unter* 
haltung"  (9er.  18  b.  21.  3an.  b.  3.)  enthalten  ehre  („22/  unter* 
jeichnete)  Sfriti!  meiner  „phTenotogifchen  Bitber".  Der  $ritifer 
fchmeigt  nicht  nur  ganj  über  ben  mannichf altigen  Inhalt  ber  18 
2luffäfce  ber  Schrift,  um  nicht  biele  einzelne  Urteile  über  bie 
begebenen  Seiten  ber  Siffenfchaft  geben  unb  begrünben  ju 
müffen;  fonbern  er  berichtet  fogar  in  ber  Hauptfrage,  ob  bie 
Phrenologie  überhaupt  mahr  fei,  auSbrücfltch  auf  ein  Urtheil. 
£>ieS  alles,  um  als  unpartetifch  in  ber  <Sa che  für  einen  befto 
unparteilicheren  unb  competenteren  dichter  über  meine  (Schrift  ju 
gelten.  Um  biefe,  maS  an  ihm  lag,  ju  bemichten,  brauchte  er 
bloS  ju  erflären,  baj$  fie,  abgefehen  bon  ihrem  (Segenftanb,  eine 
merthlofe  fei,  ba§  ihr  Berfaffer  ber  gur  Befprechung  eine*  miffen* 
fchaftlichen  (SegenftanbeS  nötigen  Sogif  entbehre.  Die«  hat  er 
auch  in  fo  feefer  ©eife  gethan,  bajj  bie  Unborfichtigfeit ,  mit  ber 


Digitized  by  Google 


24  3"*  ®t\<S)\6)it  ber  Wrcnologie. 


er  ftcfy  babei  blofegeftellt  fcat,  auffallen  mujj.  ($x  beginnt  bie 
©eurtfjeifung  fo: 

„©er  H  fagt,  mu§  aucty  ©  fagen,  bie«  gilt  nicbt  Wo«  im 
Seben,  fonbern  ebenfo  unb  nocty  mefyr  in  ber  ©iffenfdjaft ,  b.  fy. 
bie  ©iffenftytft  mufe  confequent  fein,  fie  mu§  au«  ben  ®runb* 
fä'fcen,  bie  pe  al«  toaljr  erfanut  tyat,  bie  mit  Slot^menbigteit  au« 
benfelben  fjerborgefyenben  ^otgefä^e  ableiten  unb  anerf  ernten,  roenn 
fte  nidjt  einem  SBater  gleichen  nnll,  ber  feine  eigenen  $inber  ber* 
leugnet  unb  berftöfit.  Sctyebe  mac^t  nun  $n>ar  in  feiner  neueften 
Schrift  w^renoIogifc^e  Jöilber"  barauf  $nfpru$,  für  einen  mif* 
fenf$afttic$en  ^tenologen  $u  gelten,  aber  er  ift  nicfyt«  weniger 
al«  confequent.  <£inerfeit«  jietyt  er  Folgerungen  au«  ben  pfyreno* 
logifctyen  %unbfäfcen,  bie  feine«fteg«  au«  i^nen  Verborgenen,  an« 
brerfeit«  läßt  er  biejenigen  Folgerungen,  bie  mit  Scottymenbigfeit 
au«  Ujnen  Verborgenen,  ganj  im  <§tic$  unb  jiefyt  bie  entgegen* 
gefegten.  ©o  getyt  e«  aber  immer,  menn  man  jumen  $erren 
bienen  null,  bereu  3ntereffen  mit  einanber  in  (Sonfüft  fommen. 
(Scfyebe  mill  nämlitfy  einerfeit«  ber  loiffenfcbaftlicVen  5öa^r^eit 
Vulbigen,  unb  boa)  aucty  anbrerfeit«  ben  mobernen  praftifcfyen 
Xenbenjen,  ben.  Ofartfc&ritt«-  vmD  33efferung«beftrebungen  in  (Staat 
unb  Äirctye  ficty  ausließen,  benen  feine«n>eg«  überall  tinffenfcVaft* 
tidj  ertannte  Söafjrfyett  ju  ®runbe  liegt.  £)aljer  benn  fein 
£>in*  unb  £)erfc$tt>anfen ,  feine  Unfic^ert?ett ,  feine  Snconfequenj, 
bie  tyn  balb  bie  ptyrenologifc^en  ®runbfäfee  burcty  bie  au«  mo^ 
bemen  &uffTärung«tljeorien  gefc^Bpften  Folgerungen,  balb  biefc 
mieber  bur$  jene  aufgeben  lägt." 

3n  biefen  ©orten  ift  ebenfo  fein  al«  entfäieben  ba«  35er* 
mcVtung«urtljeil  über  meine  Schrift  au«gefpro#en.  Die  ©orte 
finb  jugleidfy  fo  geftellt,  al«  ob  fie  auf  bie  ganje  Scfyrtft  ober 
menigften«  auf  $iele«  barin  59ejug  Ijätten.  Stilein  bem  ift  ntebt 
fo.  3n  bem  ganjen  mannigfaltigen  3nljalt  ber  ©cfyrift  tyat  ber 
Krittler  nur  ein  ^lä^cben  jum  ©tanbpunfte  für  fein  SWanober 
aufjufinben  genmjit.  £)a«  ganje  Urtljeil  breljt  fiety  um  ben  ein* 
jigen  ^unft  ber  Slntocnbung  ber  ^renologie  auf  ba«  «Straf* 
re$t.  SDefto  großartiger  aber  geftaltet  e«  fi#  Vier.  £>er  $rt* 
tifer  läßt  mieb  fagen,  ber  Geratter  ober  bie  ®eifte«fräfte  be« 


Digitized  by 


3»v  ®efd)id)te  ter  ^renofoflie. 


25 


SWenföcn  feien  angeboren  unb  un beränberlid),  unb  bie 
SBtaifd^en  ftänben  in  £inftcfyt  be«  9lngcborenfetn«  unb  bet  Un* 
beränberlicfyfeit  ber  (MfteGfräftc  auf  gleicher  Stufe  mit  bem 
Xffkx;  menn  man  aber,  meint  et,  biefer  Slnficbt  fei,  fo  bürfe 
man  nicfyt,  mte  iti),  gerührt  bon  mobernen  pfyüantljropifcben  (Straf* 
tfyeorien,  bie  Xobeäftrafe  ungerecht  finben,  mett  man  fonft  cen* 
fequenter  3Q3ctfc  ebenfo  pljUantljrobifdj  gegen  bie  granfamen,  merb; 
gierigen  Xljtere  fein  müßte.  „3ft  e«  nict)t  abfurb",  fagt  er,  „an 
bem  Schabet  einer  ®iftmorberin  nacfaumeif en ,  batf  fie  jnr  9Wör* 
bcrin  geboren  mar,  unb  bennod?  von  9ftitletb  unb  bon  33effe- 
rung  ju  forectyen?" 

@«  tft  mir  faft  peinltcfy,  micfy  gegen  eine  fo  fämäfylicfye  mi|fen= 
fcfyaftlicfye  SBerleumbung  $u  bertfjeibigen,  ju  bemeifen,  bafj  id&  ba«, 
ma«  mir  ber  Ärittfer  luer  in  ben  3)?unb  legt,  nicbt  gefagt  Ijabe. 
2Wtt  §ilfe  einer  ©ortberbrelntng  mar  e«  iljm  möglich,  feiner 
fonberbaren  flnfdmlbtgung  einen  fcfymad^en  Schein  bon  ©afyr* 
fyett  ju  geben.  3$  fagte,  ber  (Sljararter  ober  bie  geiftige  (Stgen* 
tfyümüctyfett  be«  ÜDtfenfcfyen  fei  angeboren,  roie  ber  23l&bfinn,  fo 
befanntlid^  ba8  ®enie  be«  £)i<$ter«,  be«  9ftatfjematifer«  :c.  unb 
fo  alle  mirfü^en,  (Sfyarafterjüge.  „Dafyer  eben,  füge  icfy  Ijinju, 
ba*  ©ort  (Sljarafter,  meiere«  ju  beutfä  ein  fefte«,  unoerän* 
berücfce«  aWerfmat  bebeutet."  (©.  16.)  £tefe  ©teile  tä&t  bet 
Skittfer  abbrnefen,  legt  mir  auf  ba«  barin  beftnbltc^e  ©ort 
„um>eränberlidr  Inn  alle«  oben  Sflitgetyeilte  fätföHd?  in  ben 
2ftunb  unb  grünbet  fo  auf  biefe«  eine  ©ort  ba«  ganje  SSernicfc 
tungäurtfjeil  meiner  Schrift.  9iun  frage  idj  iljn  aber:  ma«  ift 
feine  Ueberfefcung  be«  Sorte«  (Sljarafter?  ©eber  er  nod)  irgenb 
3emanb  mirb  ba«  ©ort  im  ©efentlicfyen  auber«  ju  geben  miffen, 
al$  baj*  e'$  „unberänberltcfye«  <D2erfma{"  bebeute.  Ober,  bon 
ber  Ueberfefenng  be«  ©orte«  abgefefyen,  roa«  ift  fein  begriff 
bon  bem,  ma«  man  (Sljarafter  nennt?  39efyauptet  er  etma,  ber 
(Sfjarafter  be«  2ttenf$en,  ber  #(5bfinn,  biefe«  ober  jene«  ®ente  ic. 
fei  nietyt  angeboren?  9iein,  meber  er  no#  irgenb  3emanb  mirb 
ben  begriff  @f?arafter  anber«  ju  beftimmen  miffen,  als  idj  e« 
gettyan,  ba&  er  aifgeborene  (Sigentfyümlicbfeit  fei.  ©arum  nun  gct)t 
ber  Krittler  and)  auf  biefen  ber  ganzen  tritif  jum  ®runbc 


Digitized  by  Google 


26  3"*  ®eföi<$te  ber  ^renotogtc. 

liegenben  $unft  mit  feinet  (Silbe  nctyer  ein?  ©o^er  biefe«  auf* 
faUenbe  «ermeiben  jeber  »iffenfc^aftli^en  Erörterung?  Die  Sint- 
bert liegt  nafye:  meil,  menn  er  auf  bie  Sacfye  einging,  ba« 
falfd&c  ©ortfpiet  unb  mit  ifnn  bie  ganje  tritif  unmöglich  mar. 
Die  Sacfyc  ift  nämli($  biefc.  Der  (Sljarafter  ift  ein  unoerä'nber* 
Udje«  iDJcrf  mal,  b.  i.  ba«  SMerfmal  ift  al«  fol$e«  unoeränberlicfy, 
toeil  e«  immer  ein  folcfye«  ift,  immer  jum  ÜWerfen  ober  Unter- 
fctyeiben  bient;  aber  bie  al«  üDierfmal  bienenbe  Sacfye  in  fi(fy 
felbft  ift  m<$t  unb  !ann  nicfyt  unoeränberücfy  fein,  meil  e«  ja  in 
ber  ganzen  9iatur  nid?t«  llnoeränberlicfje«  giebt.  Da«  angeborene 
Xatent  be«  Dichter«  ift  ein  unoeränbcrlic^e«  2Herfmal,  moburcb 
er  ficty  oon  bem  geboreneu  9ii<$tbi$ter,  bem  geborenen  ÜHatfjema* 
tifer  lt.  immer  unb  „ unoer änberlid&"  unterf  Reibet ,  aber  mie  feljr 
fann  ba«  Difyertatent  fi$  in  fic$  felbft  oeränbcrn,  ft$  mefjr 
ober  weniger,  na<$  biefer  ober  jener  «Seite  tyin  enttoicfeln  :c! 

3$  brause  mofyl  nicbt  au«brücfli$  ^injujufügen,  baß  in 
meiner  Sctyrift  oon  bem>  loa«  micfy  ber  £rtttfer  fagen  tagt,  3. 33. 
baß  jene  ©iftmörberin  $um  9)2orben  geboren  mar  (er  fetbft  unter* 
ftreicfyt  ba«  ©ort),  burctyau«  $u  finben  ift.   3a  ic$  fann 

fogar  ein  merftoürbtge«  Söetfpiel  feiner  oben  gebauten  Unoorftdj* 
ttgfeit  im  Söloßftetlen  feiner  felbft  mitteilen,  ein  Söeifm'el,  meldte« 
mofyl  nur  au«  einer  gemiffen  bebad&tlofen  ßetbenfc^aftti^feit  be« 
erbitterten  Gegner«  ber  ^fyrenologte  erftärtid^  ift.  Da  \$  nämltd) 
mußte,  baß  in  ber  ^renotogte  audty  ber  «Schein  eine«  3rrtfyum« 
ben  Gegnern  ein  erfreulicher  ftunb  ift,  fo  habe  ic$,  um  bie 
3tt6glid?feit  be«  ftalle«,  ber  hier  al«  mirfttch  oorliegt  —  ba« 
falfdtie  5luffaffen  be«  ©orte«  „unoeränberlich''  in  jener  lieber* 
fefcung  —  gänzlich  abjufchneiben,  unmittelbar  nach  jenen  (oon 
bem  Äritifer  abgebrucften)  ©orten  hinzugefügt:  „Der  S^arafter 
fann  einigermaßen  ober  bi«  ju  einem  gemiffen  ®rab  burch  bie 
Hebung  (Erstehung)  oeränbert  merben,  ma«  jeboch  ber  £(jat- 
fad&e,  baß  er  al«  foldjer  angeboren  ift,  natürlich  nict)t  toiber* 
fprtdt)t\  (S.  16.)  ferner  Ijabe  ich  ba,  mo  id?  oon  jener  ©ift* 
mörberin  fprach,  unmittelbar  nach  ben  ©orten,  mit  benen  ich 
ihrer  ungünftigen  ®eifte«antagen  ermähnte ,  •  beigefügt :  „Sie 
war  in  $ertyä(tniffen  herangemachfen,  meiere  fie,  ftatt  ben  fanget 


Digitized  by  Google 


3ur  ®efc$i($te  ber  ^tcnotogie.  27 

ber  Anlage  fettig  bie  SOfaty  be«  SBcifpiel«  unb  bct  (Srjic^ung  311 
oetbeffern,  bcn  pfab  be«  i'after«  betreten  mib  barauf  unaufhalt* 
fam  fortioanbcln  lie&en."  (8.  23.)  Qrnbtich  ^abe  ich  in  ber 
©ebrift  an  einer  befonberen  Stelle  ausführlicher  ton  bem  33er* 
hä'Itnifl,  in  welchem  bie  tlebung  ober  Crrjiefyung  &um  angeborenen 
iSharafter  fteljt,  gefprodjen.  (3.  115  f.)  Änrj  überall,  u>o  ich 
baoon  fprach,  bafe  ber  (ifjarafter  angeboren  fei,  fyabe  id)  zugleich 
hinzugefügt,  bafc  er  *ntd|t  unoeränberlich "  [ei. 

»Schließlich  nnb  beiläufig  toill  ich  noch  einen  loiffenfchaftlichen 
unb  loirflichen  3rrtfyum  meine«  ehrenroerthen  ftritifer«  fcertd>- 
tigen.  £>erfelbe  glaubt,  nach  feiner  Wegenüberftcllung  oon  Sttcnfö 
unb  X^ier  $u  f fliegen,  ber  (S^arafter  ber  Spiere  fei  unfceränber* 
lieh-  $)ie*  ift  ganj  irrig.  £>er  ß^arafter  ber  Spiere  ift  ange* 
boren  tt>ie  ber  ber  ÜÄenfchen,  aber  er  ift  auch  ganj  ebenfo  oer- 
*  änberlict)  toie  ber  menfcbliche.  Sßie  ber  ÜNenfch  gebittet ,  fo  fann 
ba«  Xfytx  gelähmt  »erben,  unb  e«  ift  befannt,  lote  meit  man 
e«  in  ber  (Sfyarafteränberung  felbft  ber  retfcenbften  Spiere  gebraut 
hat.  2flan  fenute,  menn  btefe  SSergleie^ung  erlaubt  ftärc,  einen 
gebefferten  Verbrecher  einem  gelähmten  toilben  Z^im  oergleicben. 

geiftig,  24.  3uli  1851.  Dr.  @4«e/ 

3$  erhielt  biefen  Sluffafe  00m  Herausgeber  be«  blatte« 
mit  ber  «emerfung  jurücfgefanbt,  bafi  ba«  «latt  auf  Slntifrittfen 
au«  ®runbfafe  fid^  nicht  einlaffen  fijnne. 

5lucr)  bie  geitungSfämpfe  gegen  bie  ^renologie  finb  etyarafte* 
riftifcb  genug,  um  einen  berfelben  ^ier  aufzeichnen.  211«  ich 
i.  3.  1850  in  i-eipjig  über  $ljrenologie  Vorträge  ^ielt,  fiel  e« 
9ttemanbem  ein,  mich  ober  bie  ^fyrenologie  anjufeinben.  £>ie 
Gegner  beobachteten  ein  ©tillfchmeigen  ber  Verachtung.  Allein 
mittlerweile  Ratten  fid?  einige  berfelben  »er  ber  Phrenologie  fürchten 
gelernt  unb  al«  ich  jroci  3ahre  fpäter  eine  öffentliche  91njeige 
meiner  Vorträge  im  blatte  gab,  la«  ich  in  einer  folgenben 
Kummer  bie  ©orte: 

„©erben  bie  Sflitgliebcr  ber  mebteinifchen  ftacultät  auch 
biefe«  Oahr  ruhig  jufehen,  mie  in  einer  ItnioerfttätSftabt  burch 
Vorträge  über  bcn  phantafiereitben  3rrthum,  welken  man  $hr^ 
nologie  nennt,  bie  ©iffenfehaft  oerhöhnt  toirb?" 


Digitized  by  Google 


28 


3ur  ©e|cf;t<$te  bet  ^reitologtc. 


3n  tiefen  Sorten  mar  nicht  etma  anfeinen  Unf  f  enf  d>a  f  t* 
Itcben  Söiberftanb  fyinfjebeutet ,  ben  mir  bie  ftacultät  entgegen- 
fefeen  ober  oermittelft  beffen  fie  ben  »Srrthum'  befämpfen  fotlte; 
nein,  bie  ftacuttät  foüte  ändere  (bemalt  gegen  mich  anmenben, 
ctma  ba«  Verbot  metner  Vorträge  bon  leiten  ber  5öet)Brbe  er* 
Wirten.  Dafj  erft  baburch  bie  Sßtffenfchaft  oer^ßt)nt  worben 
märe,  bebaute  ber  bünbc  (Siferer  ntdt)t.  3ch  ermtberte  im 
Häuften  statte: 

„3m  ©ommerfemefter  1842  gab  ber  englifebe  ^t)renotog 
(5ombc  einen  (Surfu«  bon  Vorträgen  über  Phrenologie  in  $etbefc 
berg,  „einer  Uniberfität«ftabt" ;  er  tyielt  biefe  Vorträge  in  einem 
StubitorUrai  ber  Uniberfität  fefbft,  welche«  ihm  oon  ber  Uniber* 
fitätsbeh&rbe  bereitwillig  baju  überlaffen  mürbe.  3lufcer  ben  ©tu* 
benten  au«  allen  fächern  befudjten  auch  ^rofefforen  bie  Vorträge. 
8m  bluffe  berfelben  überreichten  bie  äußrer  an  (Sombe  eine 
Danf*  unb  9inerfennung«abre|fe.  Unter  ben  Unterzeichnern  ber* 
felben  ftet)en  bie  üftebietner  Üt)etiu«,  Nägele,  Holter,  Männer 
europäifcfyen  tarnen«,  oben  an.  2öa«  foll  man  folgen 
5i:t)atfaöt)en  gegenüber  }it  ber  Anfrage  be«  namenlofen  §errn 
im  geftrigen  Tageblatt  fagen?  Dr.  (genese." 

£)en  folgenbeu  Xag  ta«  idt)  biefe  3etlen: 

„3UT  gütigen  ©eaetytung.  Obgleich  anzunehmen  ift, 
bafe  in  einer  fo  intelligenten  unb  aufgegärten  <Stabt,  wie  ßeipjig, 
fein  Genfer)  ph™™*0^?  ©orlcfungen  befugen  wirb,  fo  märe 
c«  boch  gewtft  fe^r  wtinfchen«werth ,  wenn  ttnfer  hochberbienter 
.£>err  prof.  $ocf  ober  anbere  fn'efige  Sterjte  ben  Xtyii  be«  ^ie= 
figen  publifum«,  welcher  in  feinem  Urteil  noch  nicht  gan3  ficher 
tft,  über  bie  9licfyttgfeit  unb  gänzliche  ®ehaltloftgfeit  ber  ^hrcuo* 
logte  auffläreu  wollten,  ftrtebrtch  <§ali«." 

$>a«  folgenbe  Sölatt  brachte  zwei  Heine  Sirttfet  zugleich/ 
einen  bon  mir,  ben  anbern  bon  §errn  Prof.  ©ocf.   3<h  fdt)rteb : 

,,5Ba«  $>err  Biebrich  @ati«  für  ßetpjtfl  wünftht,  ift  in 
^eutfehtanb  feit  50  fahren  fchon  bielfach  8?Mehen;  haben 
Herste  bie  „Wchtigfeit  unb  gänzliche  ®ehattlofigfeit"  ber 
nologie  barjutegen  oerfucht,  allein  —  ber  SBerfudt)  tft  eben  nie* 
mal«  gelungen.   £)iefe«  am&ltngen  unb  ba«  Aufblühen  ber  Ph™s 


Digitized  by 


3ur  ©efäufcte  ber  ^renologie. 


29 


nologie  in  mehren  £änbern  Ijaben  anbere  große  unb  beräumte 
Slerjte,  meldte  bie  ^^rcnologie  näher  fennen  (ernten  <n>ie  j.  B. 
(Sheüu«,  Nägele,  Voller  burch  ben  Befuch  ber  Vorträge  (Sombe'«, 
ebenfo  £ufe(anb,  Sa(tl;er ,  ben  Anatomen  $lrno(b)  eine  entgegen* 
gefefete,  günftta?  Slnfic^t  ton  ber  ^renofogie  faffen  (äffen.  Sa« 
folgt  für  ben  Unbefangenen  an«  biefem  3miefpa(t  unter  ben 
^er^ten?  £>oc$  moh(,  baß  einige  biefer  £erren  bi«mei(en  habern 
unb  ftreiten,  o(me  über  eine  ©«che  recht  im  Staren  ju  fein,  fo 
über  Homöopathie,  Allopathie,  Safferheilfuube  :c.  £)er  Eine 
nennt  ba«  lächerlich  nnb  tfyörtdbt,  loa«  ber  Slnbere  al«  Ijofye 
Sei«heit  erfennt.  SDie6  gi(t  noch  mehr  für  bie  Phrenologie,  ba 
biefe  Siffenfchaft  nicht  unmittelbar  in  ber  9J?ebicin  enthalten  ift. 
Sftan  fann  ber  befte  %x\t  unb  Hnatom  fein,  ohne  etma«  t>on 
ber  ^3^rein>Iogie  ju  nriffen.  Cr«  ift  mir  roa^rfc^cinlic^  —  ba  mir 
oiele  ähnliche  ^ä((e  oorgefommen  —  baß  £>err  ^riebrich  Sali« 
nur  belegen  gegen  bie  $(>mu>Iogie  fo  erbittert  ift,  rneif  er  nicht« 
©rünbltche«  oon  if>r  meiß.  Se(cf>e  Vorträge  f^at  er  über  fie 
gehört,  loelctyc  Serfe  über  fie  ftubirt?  meiere«  ift,  fo  barf  id> 
fragen,  feine  Berechtigung,  um  über  eine  fo  große  unb 
oielfeitige  Siffenfchaft  fich  jum  öffentlichen  dichter  aufmerfen  gu 
moUen?  Dr.  Scheoe." 

3)er  jmeite  Sättel  lautete: 

„£)er  ^xmoioQk  bient  bie  Behauptung  al«  ®runblage, 
baß  bie  äußere  Oberfläche  be«  Schäbel«  ber  innem  Oberfläche 
beffelben,  unb  biefe  ber  Oberfläche  be«  (Gehirn«  entfpreche.  Sem 
fehr  baran  liegen  follte,  bie  9Uchttgfeit  biefer  Behauptung  gu  er= 
grünben,  bem  liegen  bei  Unterzeichnetem  zahlreiche  ©chäbel  gur 
Anficht  bereit.  £)er  große  Anatom  §\)xti  in  Sien  treibt:  „£)ie 
einfache  anatomifchc  Sahrnehmung,  baß  ben  Erhabenheiten  be« 
©chäbel«  feine  Erh^n^te»  Gehirn«  entfprechen,  hat  über 
ba«  (Sch'icffal  biefer  23erirrung  be«  menfc^lichen  Reifte«  (ber  ^hre= 
nologie  nämlich)  für  immer  ben  Stab  gebrochen".   Dr.  Bocf." 

3ch  ermiberte  herauf: 

„$x.  Dr.  Bocf  benoitft  bie  ^^Teriologic ,  „meil  ben  Er* 
habenheiten  be«  ©cr/abel«  feine  Erhabenheiten  be«  (Gehirn«  ent* 
fprechen".    üDagegen  erfennt  ber  berühmte  Slnatom  unb  s}5hV; 


Digitized  by  Google 


30  3«r  ©eföi#te  fccr  $&renologie. 

fiolog  Slrnolb  bic  Phrenologie  al«  toafyr  an,  inbem  er  (ßeljrb. 
bei  ^htyf.  ©«  843)  fagt:  „$ie  ©eftalt  be«  Jabels  im  ©anjeu 
unb  feinen  einzelnen  Slbtheitungen  ift  in  hohem  ®rabe  bon  ber 
$orm  be«  £irn«  abhängig;  benn  bie  tnoctyen  be«  topfe«  finb 
nach  bem  (Gehirn  gebilbet  unb  werben  baher  in  ihrer  etgentfyüm* 
liehen  gönn  burch  bie  ©ehirnform  beftimmt.  müffen  atfo 
aud)  bie  geiftigen  @tgenthümltchfeiten  einzelner  üftenfeben  in  be= 
fonbern  formen  be«  topfe«  ju  erfennen  fein".  Söofyer  biefe 
SBerfc^ieben^eit  ber  Slnfichten  unter  jmei  berühmten  Scannern? 
Sie  erflärt  ficf>  leicht  burch  bie  Verfchiebenheit  tu  ben  phrenolo* 
giften  (nicht  ben  anatomifchen)  tenntniffen  biefer  üDtänner. 
§err  Dr.  S&od  !ennt  bie  ^Ijrcnologie  in  ihren  ($runbfäfeen  ju 
menig;  er  meint,  biefelbe  ftüfce  fich  auf  bie  flehten  (Erhabenheiten 
unb  Vertiefungen,  bie  ftdj  am  ©chäbet  finben.  $)icfe  Slnficht, 
obgleich  fie  noch  immer  bei  bieten  9JJebicineru  in  £)eutf ertaub 
(mie  j.  auch  bei  $tyrtl)  fich  finbet,  ift  burchau«  irrig.  ÜDtc 
^tenologie  tr-etß  recht  gut,  .  —  ®all  fetbft  tuar  ja  ein  großer 
Anatom,  —  baß  bie  äußere  Schäbelgeftalt  nicht  mathemattfeh 
genau  ber  £>irugeftalt  entspricht;  fie  legt  baljer  gar  fein  ®ett>icfct 
auf  bic  Keinen  (Erhabenheiten  ober  Vertiefungen  be«  Schabel«, 
fonbent  fie  berüeffichttgt  nur  biejenigen  großen  2$erf Unebenheiten 
ber  menf^lic^en  topf  g  eftalten,  bei  benen  man  fich  über  bie 
Skrfcfytebenfyeit  ber  £)irngeftaften  nicht  tauften  fann.  $lrttolb 
unb  biete  anbere  Sftebicmer  toiffen  bie«  unb  baljer  ihre  beffere 
Anficht  bon  ber  ^Phrenologie.  Dr.  Schebe." 

£)amit  hatte  biefer  Streit  fein  ^etoenben. 


Digitized  by  Google 


m. 

lieber  die  iMüijficfificit  einer  OSeilteslelue. 

To  be  or  not  to  be. 

Hamlet. 


L   i>er  töeiftaleljre  erfte  Aufgabe. 

£)ie  erfte  Stufgabe  ber  ©eifteSlefyrc ,  ofyne  beten  88fung  an 
irgenb  eine  anbete  Aufgabe  ntebt  gebaut  merben  fann,  ift,  bic 
jaljlreicfyen  unb  mannigfaltigen  ®eifteStfyätigfeiten  miffenfctyafc 
tiefy  31t  fixten  unb  }U  orbnen,  b.  i.  bie  gleiten  jufammenjuftellen 
unb  bie  oerfcfyiebenen  gu  trennen.  3)enn  otyne  bie  ßöfung  biefer 
Stufgabe  feljlt  ber  (SeifteSlefyre  bev  ®egcnftanb  ber  gorfetyung, 
ber  (Seift  felbft,  meil  bie  ®eifte«tljätigfeiten  in  tljrer  ®efammt- 
fjeit  gleicfyfam  einen  3au^erfTC^  bilben,  ber  ofyne  Slnfang  unb 
of;ne  (£nbe  ift  unb  ber  ftorfdnmg  ba$  ©nbriugen  roefyrt. 

Slllein  ift  e«  auefy  mogfiefy,  auf  bem  (bebtet  ber  ©eifte«- 
tljätigfeiten  in  biefer  Söeife  £>rbnung  ju  fc^affen?  £)iefe  ^ragc 
fct)eitit  verneint  werben  31t  müffen,  ba  mir  nicfyt  toiffen,  toclcfyc 
©etfteStfyättgfeiten  an  fiefy  gteid),  Kjelde  tocrfcfyieben  ftnb,  ja,  ob 
nicfyt  alle  julefct  bon  berfelben  ®eifte8fraft  ausgeben.  3.  ©• :  wenn 
n>ir  beim  Söefcfyauen  eine«  frönen  ©emälbeS  ein  Vorgefallen 
empfmben,  unb  menn  mir  bei  einer  $erlefeung  unfere«  felbft* 
gefiel«  oon  Unmillen  ergriffen  merben,  fo  finb  jmar  im  ©egen* 
ftanbe  —  objecto  —  ba«  ®emätbe  unb  bie  befeibigenbe  §anb* 


Digitized  by  Google 


32  Uebcr  bic  ütt&ßli<$feit  einer  @eifte«le$re. 

fang  fc^r  oerfcfyiebene  Eilige ,  ob  aber  imfer  2öofy(gefal(en  bort 
unb  unfer  Unwille  t)icr  nicfyt  in  ftcfy  —  fubjeetto  —  burefy  biefelbe 
®eifte«tfyätigfeit  oermittelt  nrirb,  ba«  toiffen  mir,  n?ci(  bie  Statut 
im«  ben  unmittelbaren  33licf  in  ba«  *  (betriebe  unfere«  Reifte« 
üetfagt  fjat,  niefrt  ju  entfdjeiben. 

9Uein  wenn  auefy  fo  eine  Trennung  nnb  Sichtung  ber  an 
fiefy  oerfcfyiebcnen  (^eifteÄtfyätigfeiteu  unmöglich  febeint,  fo  fcfyeint 
un«  boefy  ein  anberer  2öeg  jnr  Vöfung  ber  Aufgabe  übrig  311 
fein.  $öir  fönnen  nämluty,  fo  fcfyeint  e«,  ganj  Don  ber  ftrage 
abfegen,  loeldje  ©eifte«tfyättgfeiten  an  fiety  oerfcfyieben  feien,  ja 
n>ir  f&nnen  eine  fefcte  ©nerleifyeit  aller  Weifte«tljätigfeiten  oorau«* 
fefcen  nnb  bann  beten  Sichtung  nnb  Crbnung  nadj  ber  Stefm- 
liebfeit  unb  23crfd)iebcnfyeit  beioerfftelligen ,  toeldje  ber  gefunbe 
2$erftanb,  ba«  allgemeine  Urtfyeit  an  ifmen  mafyrnimmt. 

3nbeffen  ift,  mic  fofort  bie  nähere  Betrachtung  jeigt,  aueb 
biefe  Hufgabe  eine  uicfyt  ju  löfenbe.  Demi  bie  fämmtlicfyen  (Reifte«* 
tfyä' tigf  etten  (äffen  fiefy  jroar  in  0  i  e  l  e  b  e  f  0  n  b  e  r  e  (Gruppen  trennen, 
allein  biefe  (Gruppen  finb  feine  feften  unb  beftimmten,  beim  fic 
fcfymeljen,  wenn  man  oon  Urnen  auf  ber  Stufenleiter  ber  33er  ^ 
allgemetnerung  emporfteigt,  in  immer  wenigere  mib  allgemeinere 
(Gruppen  gufammen.  3.  :  ba«  latent  be«  3ei$nen«  unb  ba« 
ber  garbenmalerei  finb  jioar  al«  folc&e  gefonbert,  aber  gugteid?, 
eine  Stufe  Ijöljer,  al«  2ttalertalente  überhaupt,  unter  fiefy  Oer* 
einigt;  ba«  üttalertalent  unb  ba«  Talent  gut  Söilbfyauerei  finb 
al«  folcfye  gefonbert,  aber  zugleich  eine  Stufe  fyityct,  al«  Xalente 
$ur  bilbenben  ftunft,  oereinigt;  ba«  Talent  jur  bilbenben 
Stunft  unb  ba«  gut  2)?ufif  finb  al«  folcfye  gefonbert,  aber  gugleicfy 
al«  Äunfttalente  überhaupt  oereinigt;  ba«  Talent  für  ftunft  unb 
ba«  für  SBiffcnfcfyaft  finb  als  folcfye  gefonbert,  aber  jugleidj  al« 
beibe  in  ben  93erftanbe«fräften  begrünbet  oeretuigt.  Unb  fo  finb 
alle  ®eifte«tfyätigfetten  gefonbert  unb  oereintgt  jugtei<$,  ienac$* 
bem  fie  oon  einer  nieberen  ober  leeren  Stufe  au«  in«  ?luge 
gefaxt  »erben.  2öte  tief  ober  toie  fjoefy  auf  ber  Stufenleiter  follte 
baljer  bie  ©nt^eilung  ber  ®eifte«tyätigfeiten  gegriffen,  mie  oiele 
ober  toie  toenige  £fyätigfett«gruppeu  follten  feftgeftellt  loerben? 
Die  roiffenfcfyaftlicfyc  Beantwortung  biefer  $rage  ift  eine  imm&g* 


Digitized  by  Google 


Uefcr  bie  3Köglic$reit  einer  @eifte«le&re.  33 


lic§e,  ba  fie  blo«  ber  Söillfür  anheimgegeben  märe,  ber  SBMÜfür, 
toe(a?c  bie  Verneinung  aller  9SMffenf<$aft  ift. 

Ü)a*  (Srgebnig  unfeier  Unterfuctyung  fctyeint  alfo  bie  Unm&g* 
tictyfeit  $u  fein,  auf  beut  unbegrenzten  (Gebiet  ber  (MfteStfyätig* 
feiten  eine  hnffenfctyaftlicfye  Orbnung  r)er jufteüen ,  b.  i.  bie  erfte 
unerläfelicfyfte  Slufgabe  ber  ®eifteSle!jre  gu  I5fen!  £>ocfy  es  ift 
mit  bem  ©emeife  einer  Unm&glicfyfeit  eine  eigene  @adje ;  e$  gehört 
ba$u  aufcerorbentlicfy  t>tcf  unb  a(l$u  leicfyt  finbet  babei  Xäuföung 
ftatt.  Sit«  eine  War  bemiefene  Unmßgti^feit  mufjte  e«  }.  33.  im 
Bttettfyiftt  gelten,  bon  Italien  ober  ®rie$enlanb  gu  Skiffe  nacfy 
3nbien  ju  gelangen.  Sluf  bem  äöege,  auf  bem  man  biefe  ftafyrt 
für  unmöglich  ^iett,  mar  fie  eS  in  ber  £l;at,  unb  an  einen  anbern 
2öeg  badete  man  ni$t.  Sollte  ni$t  t>ielleic$t  Sletynlictye«  für 
unfere  ftrage  gelten?  3luf  bem  Söege  ber  ^orfd^ung,  ben  mir 
einfügen,  tyat  fi$  allerbing«  bie  Unmöglichen  bet  ©egrünbung 
einer  ®eifte$letyre  ergeben.  Willem  fann  ni<$t  bielletcfct  ein  anberer, 
ni<fyt  gefannter  unb  nicfyt  bermuttjeter  SBkg  bennocfy  ju  ber  ge* 
fugten  9)£öglictyfeit  führen? 

$)er  »on  un$  eingebogene  Seg  mar  ber  ber  unmittelbaren 
®eifte8forfcfyung ,  ber  (Selbftbeobactytung ,  ber  eigenen  inneren 
®eifte$anfc$auung ,  ein  2Beg,  ber,  meit  ber  unmittelbare,  ''aller* 
bingä  ber  näcfyfte  unb  befte,  mo  nicfyt  ber  einjig  mögliche  fdt)etnen 
tonnte,  «tiefen  nur  jefet,  nacfybem  berfelbe  fidt)  gleictymoljl  al$ 
ein  irriger  etmiefen,  bon  unferem  eigenen  Reifte  meg  metter, 
faffen  mir  bie  ®eifte«erfd>emungen  bet  übrigen  9flenf$en  in« 
Sluge,  um  irgenb  einen  §altyunft  ju  erfreu,  auf  ben  geftüfct 
mir  bie  öegrünbung  einer  ®etfte«lefyre  biellei$t  mit  befferem 
Erfolg  berfucfyen  fönnen! 


2.   Sie  geiftige  JJerfd)tebenl)ett  ber  Rlenfdjm. 

Sßenn  mir,  bon  und  fclbft  abfe^enb,  bie  ®eifte$erf$einungen 
ber  3ttenfd&en  überhaupt  in«  Sluge  faffen,  fo  tritt  un«  al«  eine 
unfere  Stufmerf  famfett  t>or  Mem  in  Slnforudt)  nc^menbe  2^at« 
faaV  bie  geiftige  SBerf ^ieben^eit  ber  «Wengen  entgegen. 

Sc^ette,  <p$renoIogtfc$e  »über.  8.  «ufl.  3 


Digitized  by  Google 


34 


lieber  bie  äRBglWcit  einer  ©eitfe«lef>re 


$)icfe  SBerfd&iebenfycit  ift  toieber  erften«  eine  allgemeine, 
feiten*  eine  befonbere. 

Grrften«.  So  tt)ie  einige  9Rcnf$en  int  Äffgemeinen  förpertidb 
grofc,  anbere  Hein  finb,  fo  finb  einige  9Reitf$ett  im  Allgemeinen 
mit  ftarfer,  anbere  mit  f$n>ac$er  ®etfte«tljätigfeit  begabt.  3n 
biefer  £>infi#t  fteljt  bet  geiftig  fyeroorragenbc  üflenfcfy,  gleicfyfam 
ber  geiftige  föiefe,  bem  ©löbfinmgen,  bem  geiftigen  S^erg,  gegen- 
über. 3nnWen  beiben  in  ber  üJiitte  liegt  eine  abgeftufte  SRei^c 
oon  3tMf$enfätten. 

3n>eiten8.  €>o  mie  unter  ben  9)?enfcfyen,  aut$  oljne  ba£  fie 
im  Allgemeinen  an  Körpergröße  oerfd;icbeu  finb,  bo$  eine  ($röj$en- 
oerfdjtebenljett  baburd)  eintritt,  ba§  einige  Körperteile  ober 
formen  bei  biefem,  anbere  bei  jenem  großer  finb,  fo  finbet  aneb 
eine  33erfdfn'ebenljeit  in  ber  ($eifte$ftärfe ,  oljne  eine  allgemeine 
$u  fein,  auf  bie  SBeifc  ftatt,  baß  einzelne  beftimmte  OeifteSfräfte 
in  einem  9ftenf$cn  ftarfer  finb,  als  in  einem  anbern.  3.  SQ.  oon 
.  jtoei  im  Allgemeinen  geiftig  gleidjftefyenben  SWenfcfycn  fann  ber 
eine  einen  befonber«  großen  (Sljrgeij,  ber  anbere  einen  befonbers 
ftarfen  (Srmerbtrieb ,  ober  ber  eine  eine  grope  £>erjen«gtite,  ber 
anbere  oiet  ftefttgfeit  nnb  (Sfjarafterftärfe ,  ober  ber  eine  ein 
tjeroorragenbes  Talent  für  SDtuflf #  ber  anbere  für  3)?aterei 
befifcen. 

$)ie  geiftige  SBcrfctyiebenfyeit  ber  üDfenfcfyen,  fotoofyl  bie  all* 
gemeine  a(8  bie  befonbere,  ift  eine  angeborene,  nnb  baljer  im 
(fangen  eine  fefte,  unroanbelbare.   <So  roie  ein  föiefe  fiefy  m$t 

in  einen  3wcr3  unD  3tecr8  ™fy  *n  c*nen  ^tiefen  um- 
loanbeln  fann,  fo  fann  ein  ©löbfinniger  nidtyt  über  furj  ober 
lang  ein  geiftooller  Sttenfcfy,  nnb  ein  geiftooller  9ftcnf$  (franf* 
IjcttSfälfe  natürlich  ausgenommen)  nietyt  ein  ölöbfinniger  werben. 
Ober  toie  ein  3ttenf$,  ber  fiefy  bon  einem  anbern  bur<$  bie 
®rö§e  ober  Kleinheit  einzelner  Körperteile  unterfcfyetbet ,  nict)t 
mit  biefem  feine  angeborene  Kerperbcfd&affenljeit  med^feln  fann, 
fo  wirb  ein  2ttenf$,  ber  bisher  moljlmotlenb ,  ober  d)arafterfeft, 
ober  mutfytg,  ober  offenherzig  mar,,  ni$t  fünftig  bo^aft,  ober 
manfetmütfyig,  ober  feig,  ober  oerftedt  fein;  ebenfo  ift  befanntlicfy 
baö  ®enie,  3.  33.  be«  £)idjter$,  be$  ftelbfjerrn,  be«  2ftattyemattfer«, 


Digitized  by 


Ue6er  bie  9WflltyfeU  einer  ©eift<«fe*«.  35 


m  •pfjitofo^en  angeboren.  £)atyer  eben  ba$  2öort  @f)arafter, 
»>elc$e«  51t  beutfcty  ein  fcfte«,  unoeränberlicfyeö  ütterfmal  bebeutet. 

Sföenn  mit  bie  geiftige  2$erfc$iebenf?eit  bet  2ttenf$en  mit 
töütffufy  auf  ba«  oben  ausgekrochene  unferer  $o*f$«"fl  in« 
Huge  f äffen,  fo  erfennen  mir  fofort,  baj?  iene  jmeite  5trt  ber 
®eifte«oerfcbtebenljeit ,  bie  befonbete  ober  in«  (Sinjetne  gefjenbe, 
m$  hoffen  tä§t,  mit  ihrer  $itfe  einen  fixeren  $3U<f  in  bie 
Statur  ober  ben  Bau  be«  ®eifte«  ju  thun,  ja  ba§  fie  ba«  bittet 
,$ur  Schöpfung  einer  ®eifte«lehre  ju  n>erben  »erfprtcht.  Qenn 
ma«  fuchen  mir?  eine  beftimmte  unb  fixere,  eine  momSgüch  oon 
ber  iftatur  felbft  gegebene  ©nthetlung  ber  ($eifte«thätigfeiten :  unb 
ftehe,  biefc  tritt  un«  mit  ber  Schärfe  bc«  mat^ematifc^en  Bemeife« 
in  ber  Gfyarafterfcetfdjiebenljeit  ber  SWenf^en  entgegen ;  benn  menn 
mir  5.  B.  jmei  ÜMenfchen  finben,  ton  benen  ber  eine  tief  25er* 
ftanb  unb  menig  ®emüth,  ber  anbere  menig  Berftanb  unb  otet 
©emütt;  h<*t,  fo  finb  bamit  ber  Bcrftanb  unb  ba«  ®emüth  al« 
jmei  »erfchiebene,  im  Reifte  fetbft  getrennte  Gräfte  naebgemiefen. 
2ttit  biefer  Trennung  oon  Berftanb  unb  ®emüth  finb  aber  bie 
beiben  noch  nicht  al«  einfache  ober  al«  ©runbfra'fte  ju  er* 
f  ernten:  mir  haben  meiter  $u  forfchen,  ob  nicht  fotuoljl  im  Ber* 
ftanb  al«  im  ®emüth  neue  SBerfcfyicbenljeiten  unb  Trennungen 
fich  nachmeifen  (äffen.  Unb  menn  mir  ba  j.  B.  finben,  ba§  ein 
äftenfeh  oiel  Berftanb  ober  Talent  im  Sluffaffen  unb  Beurteilen 
oon  gormen,  aber  menig  im  2luffaffen  unb  Beurteilen  oon  &afym 
hat,  ein  anbrer  umgefehrt,  fo  erfennen  mir  ben  ftormenfinn  unb 
ben  3afylenfinn  al«  unter  fich  getrennte  Berftanbe«fräfte.  Ob  nun 
biefe  (Sinne  mieber  meiter  jerfallcn  ober  ob  fie  al«  einfache  ober 
®runbfräfte  $u  erfennen  finb,  Cäft  fich  auch  nicht  auf  bem  SBege 
ber  Theorie  ober  ber  Bermutljung,  fonbem  nur  burch  thatfächltcbe 
Beobachtung  feftftcllen.  Söürbc  bie  ftorfdjung  ergeben,  bafe  ein 
9)?enfch  für  bie  Huffaffung  unb  Beurtfjetlung  gemiffer  formen 
oiel  Berftanb  ober  Talent  ^ätte,  aber  menig  für  bie  Sluffaffung 
unb  Beurteilung  gemiffer  anberer,  fo  mären  auch  im  formen* 
finn  mieber  oerfetyiebene  Gräfte  $u  erfennen :  ergiebt  aber  bie  tljat* 
fachliche  Beobachtung,  bafj  ein  ftarfer  ober  ein  f$mac$er  formen* 
finn  fich  ftarf  ober  fchmach  jeigt  in  Be$ug  auf  Stüe«  ohne  Hu«* 


Digitized  by  Google 


36  Uefcer  bie  2K»fl(i$ffit  einer  ®eitfe«te&re. 

nafyme,  loa«  gorm  ift,  fo  ift  baburd)  ber  ^ortnenfinn  at«  einfache 
ober  ®runbfraft  be*  Reifte«  feftgeftellt.  3n  biefer  ©ejie^ung 
fte^t  bic  Senologie  j.  *9.  übet  ber  Chemie :  ber  ßfjemifer  n>eig 
Hilft,  ob  ein  Stoff,  ben  er  jefet  al«  ®runbftoff  (Clement)  fennt, 
nietyt  oieüeicfyt  fpäter  a(S  weiter  zerlegbar  erfctyeint.  Dagegen  ift 
jebe  bis  iefet  naetygetoiefene  ©runbfraft  be«  (Reifte«,  toie  oon  jeber 
anbern  ®rnnbfraft  getrennt,  fo  in  fi$  fetbft  al«  einfach 
nnb  nntfyeitbar,  at«  jnjeifettofe  (SJranbfraft  nacfygenriefen. 


Digitized  by  Google 


IV. 


Hebet  die  (Einheit  des  (Beifite». 


8»ei  Seelen  »oftnen,  ad»!  in  meiiter  «ruft, 
Die  eine  n>ia  fld)  bou  ber  anbem  Kennen. 

©oetfje. 


$ann  bie  Grinljeit  be$  Reifte«  bejtoeifelt  toerben?  ®enn§ 
nu$t.  3ebem  3flenf($en  fagt  fein  iöettmftfem,  bajj  fein  ®etft,  b.  i. 
er  fetbft  ober  fein  lebenbigeä  3cfy,  eine  Grinljett  ift.  ($Hei$ti>oljt 
fcfyeint  biefer  SBafyrljett  eine  anbere  jn  tütberfpred^en :  bie  SWannidj* 
faltigfeit  be$  ®eifte$.  £)cr  9ttenfc$  befi|t  mannigfaltige  triebe, 
(SJefiNjte,  SBerftanbeSfräfte,  ia  er  glaubt  oft  ben  $ampf  feiner  oer= 
fetyiebenen  ©eifteSfräfte ,  5.  $&.  feiner  Seibenfctyaften  unb  feiner 
Vernunft,  in  fi<$  ftit  füllen.  3Ble  ift  biefer  2Biberfpruc$  $u  l&fen, 
ober  toie  tyat  man  tyn  ju  löfen  geteuft? 

«Wan  tyat  ben  Söiberfpnuty  bteljer  fo  au  löfen  gefugt,  ba§ 
man  nur  bie  ßinljeit  be«  Reifte«  für  nnrftic§,  beten  2Ramuc$* 
faltigfeit  für  f<$einbar  erttärte.  £)ie  3ttanni$faltigfett  be«  Reifte«, 
fagte  man,  fei  metyt«  anbere« ,  al«  bie  (Sinljeit  beffelben  in  iljrer 
oerfdjiebenen  £ljätigfett.  @o  nue  ba«  Huge,  obtooljt  e«  naefy 
oerfcfytebenen  «Seiten  ^inbüefe  unb  SBerfcfytebene«  felje,  immer  eine« 
unb  baffetbe  fei,  fo  feien  bie  »ergebenen  ®eifte«tljättgfeiten  gletc^ 
fam  nur  ©tiefe  be«  ®eifte«auge«  nadj  oerfcfyiebenen  Seiten  fyin, 
oerföiebene  SRtcfytungen  ber  einen  ungeteilten  ®eifte«tljatigfeit. 
2Beit  entfernt  alfo,  im  Reifte  ein  Sßebeneinanber  in  fiefy  getrennter 
Gräfte,  gteicfyfam  eine  ®lieberung  be«  Reifte«  annehmen  au  btirfen, 


38 


Ueber  fcic  Giu^cit  be«  ®etfte«. 


fonne  man  in  ben  »ergebenen  ®eifte«tljätigfctten  nicfyt«  anbete«, 
al«  eine  ungeteilte  Crinljeit  erfennen. 

Mein  biefe  Anficht  ift  eine  irrige.  $ie  2ttanni<$faltigfeit 
be«  Reifte«  ift  nid^t  eine  Bio«  fd^einbare,  fonbern  eine  toirtttetye, 
fo  nne  feine  Gbi^eit  £)tefe  beiben  ©genf^aften  be«  Reifte« 
ftefyen  fi<$  in  ber  SBa^rljeit  gan$  gletcb.  SDamit  aber,  roirb  man 
fagen,  märe  ber  ©iberftorudf)  nidjt  gelöft,  eine  ö&fung,  bie  mir 
eben  fucfyen.  3lttein  bie  (Sinljeit  nnb  bie  3)?annicf>fattigfeit  be« 
(Reifte«  tt>iberfprecfy e n  f  i d&  n i $ t ,  e«  ift  ein  Srrtfnim,  bie«  ju 
glauben.  5tüe  £)inge  finb  nnb  muffen  eine«  unb  biete«  $ugleic§ 
fein:  ba«  ©anbforn  unb  bie  Grrbfugel,  ber  ($ra«fyalm  unb  ber 
menf$lid&e  $orpcr.  ^ie  finb  eine«,  infofern  fic  biefc  unb  jene 
beftimmten  SDinge  finb,  fie  finb  oiele«,  infofem  fie  Söeftanbtfyeile 
fyaben.  Ober  mit  aubern  Korten:  man  oermccbfelte  in  ber  bor* 
liegenben  ©ejtcfyung  Grinfyett  unb  @inf  acfylj  eit  mit  einanber. 
£>er  (Seift  ift  eine  ©nfyeit,  aber  er  ift  itt$i  einfach,  mie  fein 
$)ing  in  ber  9ktur  einfach  ift. 

@«  tagt  fiefy  leidet  naetymeifen,  mie  man  beranlafct  mürbe  ju 
glauben,  bafe  ber  (Seift  eine  2lu«nalmtc  oon  biefem  allgemeinen 
(Sefefe  ma$e,  unb  nur  eine  (Stnfjeit  (einfach)  fei.  £)er  Üttenfdj 
ift  ein  unheilbare«  SBefen,  ein  w3nbtbtbuum*,  meil  er  auf  er 
bem  tfyeübaren  ÄSrper  einen  unheilbaren  (Seift  tjat,  ober  ber 
$5rper  ift  eine  gur  unheilbaren  dinfyeit  berbunbene  SSietljeit  obn 
Zeiten,  ein  „Organi«mu«*,  Neil  er  befeclt  (begeiftet)  ift.  &it6 
biefer  Safyrljeit  glaubte  man  fd&liej?en  ju  btirfen,  baß  ber  Körper 
unb  ber  (Seift  fi<$  in  bie  beiben  <2rigenf$aften  bc«  £)rgani«mu« 
gleicfy  feilten,  bafe  ber  Körper  nur  33ietyeit  unb  ber  (Seift  nur 
(Einfett  fei.  Slllein  bie«  ift  ein  fteWlufe.  £)er  (Seift  felbft  ift 
ein  £>rgant«mu«,  Ijat  ©eftanbtfyeile ,  mie  ber  Körper:  er  befreit 
au«  einer  jur  (Einheit  berbunbenen  93ielljeit  bon  Gräften,  mie 
ber  törper  au«  einer  jur  ©nfyeit  berbunbenen  SBiefyeit  oon 
«Stoffen  befteljt.  5öeit  entfernt  baljer,  bafe  bie  einzelnen  (Seifte«* 
.  fräfte  blo«  at«  oerfcfytebene  £ljätigfeit«meifen  ober  9?tcfytungen 
einer  ungeteilten  5?taft  ju  betrauten  mären,  müffen  fie  al«  jtoar 
jur  (Sinljeit  oerbunbene,  aber  al«  unter  fidty  getrennte,  al«  neben 
einanber  beftefyenbe  Gräfte  gebaut  werben. 


Digitized  by 


0 

Ucbcr  bic  ßintyeit  be$  ©etfle«.  39 


£)er  ©etoci«  für  bicfe  Sahrheit  ift  ein  mehrfacher  ober  [tu» 
fentoeifer.  $cr  ganje  ©eift  ober  tyex  beffer :  bic  ganje  Seele 
be«  2Wenfchen  ift  juerft  eine  boppette,  eine  unbeloußte  unb 
eine  betoußte.  £)ic  unbetoußte  Seelenfraft  begreift  ba«  £ebcn  ber 
förderlichen  Organe  unter  fich.  $)ie  betoußte  Seelenfraft  ober 
®eifte«fraft,  bereu  Organ  ba«  (Gehirn  ift,  umfaßt  außer  ben 
äußeren  Sinnen  bie  nieberen  Sinne,  bie  ®emüth«finnc  unb  bie 
3t5er|tanbee|tnne. 

$>a  ftiemanb  behaupten  möchte,  baß  bie  unbewußte  Seelen- 
fraft  unb  bic  ®eifte«fraft  nur  begebene  Dichtungen  einer  un* 
geseilten  Sfraft  feien,  fo  ift  fchon  bamit  bie  £>oppelhett,  Da$ 
ftebeneinanber,  bic  Organtfation  ber  Seele  unb  be«  Reifte«  be= 
toiefen. 

betrachten  toir,  in«  (Sinjelne  eingeljenb,  bie  (unbewußte) 
Seelenfraft  felbft,  fo  erfennen  toir  auch  tytac  in  beu  gleichzeitigen 
£ljätigfeiten  be«  |>er$en«,  ber  Hungen  :c.  eine  Mehrheit  unter  fich 
getrennter,  neben  einanber  fte^enber  Gräfte. 

33et  ber  $eiftc«fraft  ift  un«  in  ben  äußeren  Sinnen  ein 
befonber«  fpredjenber  Söetoei«  bc«  Sftebeneinanber,  ber  ÖHieberung 
ber  ®etfte«fräfte  gegeben.  Sehen  unb  £i>ren  ift  fo  toentg  eine« 
unb  baffelbc,  al«  bie  §anb  unb  ber  $uß  eine«  unb  baffelbc 
finb. 

Söa«  bie  Wtyti  Stufe  bc«  «etoeife«  betrifft,  baß  au*  bie 
inneren  Sinne  felbft  unter  fich  getrennte  Gräfte  finb,  fo  bertoetfe 
ich,  um  fürjer  fein  ju  f&nnen,  auf  ba«  in  ben  w®runbjügen  ber 
Phrenologie  *  h^eruDer  ®efagte.  Da  j.  S&.  ber  SBerftanb  unb  ba« 
®emüth  int  SDfaße  unabhängig  bon  einanber  finb,  inbem  ein 
üftenfeh  biel  SBerftanb  unb  toenig  ®emüth,  ober  umgefehrt,  höben 
fann,  fo  finb  baburch  bie  beiberlci  <&etfte«fräftc  al«  unter  fich 
getrennt  nachgetoiefen,  ebenfo  tote  ba«  ®eficht«oermogen  bom  ®e* 
hörbernt&gen  baburch  al«  getrennt  erf<$eint,  baß  ein  Üttenfch  gut 
fehen  unb  fehlest  hören  fann.  ©ährenb  baher  bei  ber  Annahme 
einer  unbebingten  Einheit  be«  Reifte«  ba«  theiltoeife  ®enie,  ber 
theiltoeife  «lob-  unb  ©afytftan,  bie  Söiberfprüche  unb  ber  $ampf 
ber  berfchiebenen  ®etfte«fräftc  unter  fich  fchlechthin  unerflärte 
fcheinungen  toären,  fo  finben  biefe  £hat1a$en  in  ber  Organifation 


Digitized  by  Google 


40 


lieber  bie  <ginl>eit  be«  ©eifle«. 


be«  Reifte«  eine  ebenfo  befriebigenbe  (Srflärung,  al«  bie  &ranfyeit 
ober  bie  Sctymäctye  be«  Seljoermogen«  neben  be«  <&efunbfyeit  unb 
©tärfc  be«  $>ikoermbgen«. 

Ucbcrbic«  fann  bie  9)fel)rfacfyljeit  ober  bie  £)rganifation  be« 
(Reifte«  (unb  bei  Seele)  fogar  burefy  ba«  eigene  <&efüljl  tooljl  er* 
fannt  »erben.  SBenn  i<$  rufyig  unb  innerlich  gefammelt  —  etwa 
in  freier  fcfy&ner  9ßatur  einfant  fteljenb  —  mir  meiner  felbft  unb 
ber  Slufcenmelt  füfylenb  unb  benfenb  bemuftt  bin,  menn  ba«  Äuge 
fieljt,  ba«  £)fyr  Ijört,  wenn  icfy  in  ben  (^liebem  ba«  öeben,  in  ber 
S3ruft  ba«  Ät^men  empfinbe,  menn  ity  im  ®emütlj  bie  Siebe  unb 
bie  ®ottyeit,  im  ®eift  bie  9catur  unb  bie  ©iffenf($aft  fityte  unb 
benfe,  fürs,  menn  ^ter  unb  bort,  unb  bort  unb  bjer  ein  ftunfe 
be«  fprityenben  Reifte«  jum  33emu§tfein  auffteigt,  unb  menn  bie« 
2lüe«  mie  ein  ring«  mi<$  umgebenbe«  Söilb  jugleicty  oor  bem 
®eifte«auge  ftefyt,  fo  fütyle  ic$  flar  bie  mefyrfacfye  ®lieberung 
meine«  Reifte«  in  feiner  (Jinfjeit.  * 

$>ie  2lnfi$t  oon  ber  JOrganifation  be«  Reifte«  ift  eine  fo 
na^e  Itegenbe,  fo  notljroenbige ,  bafe  man  fiefy  unmbem  barf,  bajj 
bie  9lnfic$t  oon  beffen  unbebingter  (Jinljeit  fo  lange  al«  »bie 
richtige  galt.  Allein  ba«  föätfjfet  I5ft  fi#  fo.  $)a«  ©efen 
be«  (Reifte«  —  mie  ba«  aller  £)inge  —  ift  unferer  (5r* 
feiuitttijj  unjugängltcfc.  Somoljl  bie  (Sinljeit  be«  (Reifte«,  al« 
feine  Sötctyeit  in  ber  (Stnfyett  fann  jmar  al«  2^atfa$e  nactyge* 
miefen,  aber  ni<$t  irgenbmie  erflärt  ober  begriffen  toerben. 
£)iefe  gro|e  ©a^eU  mürbe  oerfannt.  Sei  ber  ©etra^tung  be« 
Tätljfelljaften  SDinge«,  ba«  mir  ®eift  nennen,  fetyien  e«  bie  erfte 
Aufgabe  ju  fein,  beffen  Sefen  ju  ergrünben.  3e  fcfctoteriger 
bie«  bei  feiner  ÜDop^eleigenfd^aft  al«  Grinljeit  unb  Sttelfyeit  fdbien, 
befto  meljr  glaubte  man  bie  Grinljeit,  al«  bie  einfa<$ere  unb  be* 
ftimmtere  (£igenfc$aft,  juerft  feftljalten  unb  ergrünben  ju  müffen. 
£>a  biefe  (Srgrünbung  aber  nicfyt  möglich  mar,  fo  fam  man  eben 
über  bie  (Sinljeit  be«  ©eifte«  bi«  Ijeute  nt$t  Ijinau«! 

£ie  ^aturmiffenfd&aft  Ijat  in  unferen  £agen  eine  ftolje  unb 
felbftftänbige  £b'lje  erftiegen,  aber  bo#  ift  fie  in  großen  unb 
mistigen  fragen  ben  fjerrf($enben  3been  ber  ^tytlofo^ie  unter* 
tljan.   So  in  ber  Heroen*  unb  ®etytruleljre.   befangen  in  ber- 


Digitized  by 


tieftet  bie  (Siu&ett  be«  ©etftc*.  41 

Slnficfyt  bon  ber  unbebingten  ©nfyeit  be«  ®eifte«,  fud^t  man  in 
ber  Sftertoenletyre  nach  einem  33eretnigung«punft  aller  Herten ! 
(Sin  £aupttljeil  be«  9ieroenbauc«  be«  flttenfdjen  —  in  ber  Öeftalt 
mit  ber  ^flanje  be«  SMumenfoljl«  vergleichbar,  ba«  SKücfenmarf 
unb  bie  in  iljm  jufammenlaufenben  Herten  mit  bem  Stengel  unb 
ben  Söurjeln,  ba«  ®eljirn  in  feinen  einzelnen  Organen  mit  ber 
©lume  m  ifyren  einzelnen  9leftcb>n  —  biefer  £aupttfyeU  be« 
:fterbenbaue«  jerfäöt  in  feiner  Sfjättgfeit  in  &toei  grofee  §älften, 
in  bie  $5rpcrnerbcn  mit  bem  9fücfenmarf ,  unb  ba«  ($elnm. 
£)ie  erfteren  bienen  t^eit*  &ur  (Smbfinbung,  tyeil«  jur  Söetoe* 
gung  be«  törper«,  ba«  leitete  beftefjt  au«  ben  Organen  ber 
inneren  Sinne.  SDiefe  beiben  9cerbenmaffen  finb  nun  jtoar  unter 
fic^  jur  Grinljeit  oerbunben,  aber  iebe  berfelbert  Ijat  u)r  eigene« 
felbftftänbige«  tfeben.  Crine  9)?enge  bon  ^atfac^en  ift  jur  53e- 
ftätigung  biefer  Safjrfyeit  gefammelt.  §ier  nur  bie«  ßrine.  SBenn 
ba«  SRücfenmarf  berlefct  ober  jerftSrt  ift,  fo  finb  bie  (Meifte«fräfte 
ungeftßrt,  unb  toc  man  —  bei  £tn'eren  —  bie  ®efyirnorgane 
toeggenommen ,  blieb  bie  (Smpfinbung  unb  bie  39en>egung  be« 
Körper«  borljanben.  3ttan  Ijat  fi<$  alfo  ba«  Öeben  be«  Serben* 
baue«  fo  ju  benfen.  5Die  einzelnen  in  fiety  felbftftän* 
bigen  GJeljirnorgane  (ber  inneren  Sinne)  ftratylen  alle 
—  auc^  unter  fiefy  bielfacfy  oerbunben  —  bem  Würfen  marf, 
unb  biefe«  ifyncn  jur  33erbinbung  entgegen,  unb  bie 
beiben  SRerbenmaffen  bilben  fo  ein  unheilbare«  ®anje«,  einen 
Organi«mu«.  2tber  einen  S3eretnigung«*w^3unf  t"  für  bie  fämntt« 
liefen  S8en>egung«=  unb  <£mpfinbung«neroen  !ann  e«  fo  toenig 
irgenbmo  fonft  ober  im  ®eljirn  geben,  al«  ein  folctyer  SSereinigung«- 
punft  für  bie  einzelnen  ©eljirnorganc  fetbft  benlbar  ift.  (Sefyr 
2lu«füljrti($e«  herüber  f.  in  bem  Sluffafc  gnrfcfyfelb'«  über  ba« 
®el>irn,  toelctyer  im  3.  £eft  ber  jtoeiten  Auflage  be«  oorliegenben 
$u$e«  au«  ber  w3eitfc^rift  für  ^fjrenologte"  aufgenommen  ift.) 

• 


2Ba«  ift  ber  Untertrieb  $nrifd?en  Seele  unb  ®eift?  £>ie 
Antwort  auf  biefe  ftrage  ift  fachlich  fefyr  flar  unb  beftimmt, 


Digitized  by  Google 


42 


Ucfcer  bic  <5in$eit  bc8  ®fiftt«. 


aber  (eiber  entffcrecfyen  ber  Haren  ©acfye  ntc^t  aucfy  ffare  unb  be* 
ftimmte  SB  orte.  T>\t  ganje  SebenStljätigfett  int  9)Zenfcfyen  ift 
eine  boppeftc,  eine  unbetont  §te,  meiere  ba$  ganje  förfcerlidje 
Seben,  Sltfymen,  3?erbauung  :c.  in  fidj  fajjt  unb  au$  ofyne  unfer 
©etoufetfein,  j.  ©.  aud)  im  ©cfyfafe  ftattftubet,  unb  eine  betoufste, 
n>el$e  im  @mfcfinben,  Sotten,  SDenfen  befteljt.  £)ie  Organe  ber 
erfteren  finb  bie  im  ganzen  Äörtoer  verbreiteten  Herten,  bic 
Organe  ber  lefcteren  finb  im  (Sefjtrn  vereinigt.  2öie  fcfyon  märe 
eS  nun,  loenn  man  bie  fo  Kare  <3ac$e  aucfy  mit  fo  flaren  Sorten 
bejeicfynen  ober  unterfd^eiben  tonnte,  toenn  man  bie  erftere  Xtffc 
tigfett  „<Seclentyättgfeit",  bie  (entere  ,,®eifte«tyätigfeit''  nennen 
fSnnte.  3lüein  bie$  ift  unm&gtttty,  meit  ber  (Sprachgebrauch  un- 
bebingt  ©erbietet,"  bie  benutzte  Sebenätfyätigfeit  be$  £fyiere8 
®eifte$tfjätigiett  ju  nennen. 


Digitized  by 


> 


V. 

Der  jflcnfdi  und  das  ilüor. 

„Srbe,  Hviftoii,  $flanje,  Zfjier,  SRenfcf)  —  \titi  {Jolßenbe 
enthalt  bod^or^erfle^cnbe  flanj,  abet  ba^u anbete«  mein: 
iebe*  Solgcnbe  tft  fpectftfd»  oora  SBortjerflebenben  »erfdbieben, 
aber  nur  bur<$  baS,  toai  es  mebr  bat." 


SWan  fann  bie  Phrenologie  bie  oergteichenb e  ®etfte«Iehre 
nennen,  ba  bie  Dcachmeifung  ber  ®runbbermögen  be«  (Reifte«  au« 
ber  5Berg(eichung  ber  ß^arafterberfc^ieben^ett  (fotooht  ber  2ttenföen 
af«  ber  X^tere)  hergenommen  ift.  £)ie  X^iermctt  liefert  hier  jum 
2^ei(  bie  ft>re<henbften  9fta<hmetfungen.  $)enn  ba«  S^araheriftif^c 
ber  St^tertoett  fceftefyt  eben  barin,  bajj  bie  tfjtetifctyen  Vermögen, 
bte  beim  2D?enfc^en  gewöhnlich  mittelmäßig  unb  Ijannomfch  mit 
ben  teeren  menfd^en  Vermögen  gegeben  ftnb,  ftety  bei  ben 
begebenen  SThiergattungen  nur  in  einfeitiger,  feljr  ftarfer  ober 
(ehr  fd^toa^er  €ntuu<fe(ung  borfinben.  @o  treten  biefe  Vermögen 
in  einzelnen  gieren  gleichfam  petfonifteirt  auf,  mie  j.  SÖ.  3n* 
fantal  im  ttffen,  Hmicatat  a(«  £reue  im  £unbe,  Oppofitat  at« 
2Wutfj  im  §a^ne,  Slctitaf,  jur  Oraufamfeit  gefteigert,  im  £iger, 
3lcquifita(  a(«  $)ie&«finn  in  ber  Alfter  u.  f.  tt>. 

3a,  bie  9iactyit>eifung  fann  ^ier  eine  noch  bünbigere  toerben. 
@o  toie  bie  Trennung  ber  äußeren  @inne,  be«  (Sehen«,  4)ßren«, 
nicht  nur  burch  ba«  gegenfeitig  unabhängige  2ftaj3  berfetben,  fon* 
bem  noch  fchlagenber  burch  ben  gänjttdjen  9)?angel  eine«  Sinne« 


Digitized  by  Google 


44 


2>er  9Weufd>  unb  bfl«  Ztytv. 


beim  93ort)anbenfein  ber  anbern  beriefen  toirb,  fo  tturb  noct)  fdr)la* 
genber,  af«  burd;  ba«  gegenfeitig  unabhängige  Waft  bet  aüen 
SDJcnftfyen  gemeinfci)aftli(ben  SBerm&gen,  beren  Trennung  babutdj 
berolefen,  baß  getoiffe  SBerm&gen,  bie  bei  einigen  Spieren  ober 
beim  Staffen  fd)lecr)tr)in  oort)anben  finb,  bei  anbern  gieren 
fcr)lcd)tt)in  fehlen.  @o  muffen  bor  Willem  bie  Vermögen  ber  t)5t)eren 
£enffräfte  unb  ber  ®emtitt)Sfinne,  u>el$e  bem  2Henf($en  neben 
ben  tyierifäen  Vermögen  autjtyftegfitf  angehören,  eben  baburety 
al«  bon  biefen  roefentlici)  getrennt  errannt  »erben.  <So  enoeifen 
fidt)  femer  ba«  2ttuficatal  ber  9?acr)tigall ,  ba«  (Sonftructal  be« 
iöiber«,  ba«  3mitatal  bc«  Slffen  ic.  baburefy,  bajj  biefe  Vermögen 
bei  bielen  Steteren  f<$lc(!r}tr)in  nict/t  gefunben  roerben,  als  felbft» 
ftänbig  unb  bon  ben  übrigen  getrennt.  Unb  fo  !ann  man,  SBer* 
m&gen  nadt)  Vermögen  abtrennenb,  oon  ben  t)ör)eren  gieren  ju 
ben  nieberen  t)erabfteigen,  bi«  auf  ber  nieberften  <Stufe  ber  £r)ter* 
roelt,  beim  $erfct)roinben  felbft  einiger  <Sinne«tr)ätigfeiten  unb 
felbft  be«  ©eneratal,  nur  no^  ba*  9hitrttal  übrig  bleibt. 

Staut  toir  mit  bem  2ttenf$en  bie  t)  öderen,  it)m  am  näcfyftett 
ftet)enben  £t)iere  oergleictyen,  fo  ermatten  toir  baburci)  oor  Slllem 
über  bie  menfctylidt)e  £5enffraft,  fofern  fie  ficr)  bon  ber  t^ierifc^en 
unterfd&eibet,  unb  alfo  über  bie  SDenffraft  überhaupt,  Karen  Äuf» 
f$lu§.    prüfen  roir  bie«  ettoa«  näljer. 

311«  ba«  niebere  $5enfen  ober  als  bie  erfte  ®runblage  be« 
2)enfen«  roirb  un«  bon  ber  $5enflet)re  (ber  Sogif)  bie  SSorftel- 
hing  genannt.  $)ie  Phrenologie  fommt  un«  t)icr  wit  it)rer  21n- 
fctyaulictyfcit  ju  £ilfe,  inbem  fie  jeigt,  bajj  33orfrellung  biejenige 
®eifte«tr)ätigfett  ift,  burcr)  bie  „  Grrfenntnifebermögen*  (roie  im 
(Segenfafc  $u  ben  „SDenfbermögen*  bie  nieberen  SBerftanbeSfinne 
auep  genannt  roerben)  bermttteit  wirb.  <s?o  rann  icty  mir  eine 
®eftati,  eine  ftarbe,  einen  £on,  eine  3at)l,  einen  Ort,  eine  £t)at* 
fa$e,  ja  eine  ganje  ®egenb  ober  eine  ganje  @d?la<$t  borftellen, 
bei  toeld^er  legten  Sßorftellung  toielleicr)t  alle  einzelnen  (grfenntmfc 
bermögen  jufammen  trjärig  finb.  3tfit  (ginem  Sßorte,  i<$  !ann  mir 
alle«  ba«  borftellen,  roa«  entroeber  in  ber  äußeren  äöelt  borljanben 
ift,  ober  roa«  id^,  toenn  e«  bort)anben  roäre,  bermittelft  biefer 
Vermögen  auffaffen  fönnte. 


Digitized  by 


SDet  9Wenfö  unb  ba«  Ztytx. 


45 


Um  un«  bie«  noch  anf<$auttc$er  ju  machen,  tootlen  toir  un« 
einen  2Renfchen  benfen,  bet  Mo«  bie  niebern  93erftanbe«finne  (unb 
bon  ben  übrigen  ©innen  ntd^t  bie  ®emüth«ftnne ,  fonbern  nur 
bie  tyieriföen  Sinne)  befäge.  (Sin  foldjer  S»enf4  mürbe  einer* 
feit«  ben  Geboten  feiner  £*ebe  folgen,  feine  Nahrung  fu^en, 
um  biefetbe  mit  benen  fämbfen,  bie  fie  ihm  ftreitig  machen 
motlten  u.  f.  to.;  anbrerfeit«  mürbe  er  bie  äußerliche  Bett  nach 
aÜen  ^Beziehungen  überbauen,  er  toürbe  tebtofe  Dinge  unb 
lefcenbe  (Sinjeltoefen  nach  ($eftalt,  g'arbe  erfennen,  er  toürbe  fkfy  in 
Dertlichfciten  jurecbtfmben,  er  mürbe,  toenn  einem  ©enuffe  nahe, 
ficfy  biefen,  unb  toenn  bon  einer  (Gefahr  bebroht,  fich  biefe  nach 
feinen  gemalten  (Erfahrungen  borftetlen.  Dennoch  toürbe  ein 
folcher  Sttenfch  auch  bei  ber  tängften  ßeben«bauer,  toeil  auch  noch 
fo  biete  SBorftetlungen  ohne  oerfnüpfenbe«  Söanb,  bto«  neben  ein* 
anber  geftellt,  nur  ^orfteüungen  bleiben,  fich  nicht  über  bie  nie* 
bere  Bett  berfelben  ergeben  tonnen.  9Kan  toürbe  jtoar  einem 
folgen  ätfenfchen  ein  getoiffe«  Deuten  jufpre^en  müffen,  aber 
boch  nur  ein  oergletchung«toei«  nteberc«  teufen. 

(Sin  fotcfyer  ^ter  gefdnlbcrter ,  geiftig  oerftümmefter  2ftenfch 
fte^t  im  2$iere  oor  un«.  Da«  £hier  tebt  ganj  nur  in  ber  2S3ett 
ber  33orfteüungen :  e«  befifct  in  biefen  gleichfam  nur  bie  erfte 
©runblage  be«  Deuten«;  ba«  eigentliche  Deuten  geht  ihm  ab. 

Ba«  fteljt  über  ben  SBorftellungen  ?  toa«  fehlt  bem  Denfen 
ber  Spiere  ju  bem  fytyexm  menfe^tieben  Denfen  V  Die  Denf* 
lehre  nennt  at«  bie  über  ben  Sßorftelfungen  ftetjenbe  höhere  Denf* 
t^ätigfeit  ba«  begreifen,  ben  «e griff.  Sin  begriff  ift, 
fo  fährt  bie  Denflehre  fort,  ba«  au«  mehreren  SBorftellun* 
gen  abgezogene  Stilgemeine.  3ur  SBeranfchaulichung  biefe« 
richtigen  <Safee«  mögen  toir  toieber  ben  geiftigen  3uftanb  be« 
XfyexQ  ju  £ilfe  nehmen.  3.  SÖ.  ba«  Xtym  hat  oft  einen  ©ach 
gefehen,  e«  hat  alfo  eine  SBorftellung  bou  bem  33ache  unb  zugleich 
bon  bem  Baffer;  ebenfo  hat  ba«  £tn'er  oft  Regentropfen  gefehen 
unb  hat  alfo  auch  unter  ber  ©eftalt  eine«  Regentropfen«  eine 
SSorftellung  bon  bem  Baffer.  Beil  e«  aber  nicht  fähig  ift,  bie 
beiton  SSorfteUungen  be«  Baffer«  unter  biefen  berfchiebenen  ®e= 
ftalten  5ufammen$uftellen ,  fo  hat  e«  feinen  begriff  bom  Baffer 


Digitized  by  Google 


46 


©er  SWenfö  unb  ba«  £fyer. 


a(«  folgern,  fo  fann  e«  nicht  ba«  Söaffer  al«  fotdje«  beuten,  ab* 
gefehen  bon  beffen  beTfchiebenen  ®eftalten;  e«  fann  j.  59.  nicht 
fich  ben  S3ach  in  Regentropfen  aufgeloft  ober  biete  Regentropfen 
a(«  Bach  gnfammen  benfen. 

SDtefe«  äufammenne^mcnr  nun  beffen,  toa«  jmei  ober 
mehrere  Eilige  ober  SBorftetfungen  ®emeinfame«  Ija&en,  ^ei§t 
6  e  g  r  e  i  f  e  n.  £>a«  Söort  ift  bom  3ufammenfaff en  mehrerer  Dinge 
mit  ber  $anb,  oom  3ufammengreifen  entlehnt.  (Sin  anbere« 
Söeifpiel:  ba«  ^ier  meijj  nicht«  bon  ®ut  unb  @<hlimm;  benn 
®ut  unb  (Schlimm  fiub  feine  fichtbaren  ober  erfennbaren  £)  i  n  g  e , 
(fernen  alfo  feine  23orftellungen  fein,  fonbern  finb  begriffe. 
£)a«  Zfyn  fann  unterfd^eiben  $nrifchen  einem  guten  unb  einem 
fdjttmmen  £errn,  jttnfchen  einem  guten  unb  einem  flechten  §ut* 
ter,  »eil  e«  ftdj  beibc«  oorfteflen  fann.  SBeil  e«  aber  nicht  ba«, 
toa«  ber  gute  £err  unb  ba«  gute  ftutter  (Semeinfame«  $aben, 
Sufammenfaffen  fann,  fo  hat  e«  feinen  begriff  bom  ©uten: 
benn  taufenb  gute  SHnge  nebeneinanber  gefteüt  ober  nebenein* 
anber  im  (Seifte  borgeftellt,  geben  nicht  ben  begriff,  ben  abgejo* 
genen  (Sebanfen  be«  (Suten. 

(Sin  begriff  alfo  ift  (nach  ber  ^enfte^tc)  ba«  au«  mehreren 
©ovftellungen  abgezogene  Slllgcmeine.  $)te  Stufgabe  ber  ^^reno» 
logie  ift  e«  nun,  ba«  geiftige  (Srunbbermogen  nacfyjutoeifen,  auf 
tuelchem  biefe  ®eifte«tfyätigfeit  ber  Slbjte^ung  be«  Allgemeinen 
beruht,  Söenufcen  nur  t)iex  toieber  bie  obigen  Söeifpiete.  Um  bie 
(Sigenfctyaften  be«  Söaffer«  im  Söache  unb  im  Regentropfen  ju* 
fammenjufaffen  unb  fo  ben  begriff  SBaffer  ju  bttben,  baju  ge* 
hört  ba«  Vermögen,  ju  erfeunen,  n>a«  ber  iöadj  unb  ber  Regen* 
tropfen  Gleichartige«  unb  toa«  fie  Ungleichartige«  ^aben,  um  fo 
ba«  Gleichartige  im  ©egriff  ©affer  jufammensuf äffen  unb  ba« 
Ungleichartige  bon  biefem  begriff  au«juf(^ttegcn.  ßbenfo  um 
ben  begriff  „gut"  ju  f äffen,  baju  gehört,  alle  bie  berfchtebenen 
(Stgenfchaften  biefer  ober  jener  3)inge  ju  erfennen  unb  einige 
beftimmte  gleichartige  biefer  (Sigenfchaften  für  ben  begriff  gut 
au«$ufcheiben.  $)iefe«  (Srfennen  ber  (Sigenfchaften  eine«  5Dinge« 
aber  unb  biefe«  3ufainmenf  äffen  unD  kennen  gleichartiger  (£i* 
genfehaften  bon  ungleichartigen  beruht  lebigltch  auf  ber  ©er* 


Digitized  by 


3>«  2Renfd>  unb  btt«  £f>ier. 


47 


gteidtjung  ber  Dinge.  Denn  jtoei  ober  mehr  Dinge  oer* 
gleiten  ift  nid^t«  anbete«,  al«  bie  gleichartigen  unb  ungleich* 
artigen  ßtgenfcfyaften  biefer  Dinge  erfennen  unb  unterfcfyeiben. 

Da«  Vorft  eilen  alfo  beruht  auf  einzelnen  unoerbun* 
benen  <£rfenntniffen,  ba«  begreifen  beruht  auf  bem  3ufammen* 
[teilen  unb  dergleichen  ber  einzelnen  (Srfenntniffe  unter  ein* 
anber,  —  jene«  auf  ben  nieberen  Verftanbe«finnen ,  biefe«  auf 
beut  fogenannten  Vergteichung«oermogen. 

Einige  »eitere  SBeifpiele  gur  Veranfchaulichung.  Da«  XfytT 
hat  eine  Vorftellung  oon  bem  Vergangenen  unb  eine  Vorftellung 
oon  bem  ®egemoärtigen ,  b.  i.  bon  ben  Dingen  ber  Vergan- 
genheit unb  ben  Dingen  ber  ®egenn>art.  2Betl  aber  ba«  2$ttt 
bie  Dinge  ber  Vergangenheit  titelt  mit  benen  ber  (^egentoart  oer= 
gleichen  unb  fo  nicht  ben  allgemeinen  ^Begriff  ber  Vergangen* 
heit  unb  ber  ©egemoart  abjiehcn  fann,  fo  fann  e«  auch  ben 
begriff  ber  3"funft  "ich*  faffen.  Denn  ber  begriff  ber  3Us 
fünft  beruht  nur  auf  einer  Vergleich ung  ber  Dinge  ber  3"* 
fünft  mit  ben  Dingen  ber  Vergangenheit  unb  ber  Öegentoart. 
(ibenfo  hat  ba«  Xfjier  eine  Vorftellung  oon  lebenbigen  Dingen; 
e«  fann  aber  au«  bemfelben  genannten  ®runbe  ben  ©egriff 
be«  Seben«  nicht  faffen,  unb  atfo  auch  £obe«. 
(Sbenfo  (at  ba«  Ztyex  eine  Vorfteüung  oon  feine«  (deichen,  2öetl 
e«  aber  fich  felbft  nicht  mit  anbem  oergleichen  fann,  fo  fann  e« 
ben  begriff  ich  nu^*  faffeii  unb  fich  fetbft  nicht  begreifen;  e« 
hat  baher  fein  @  e  1  b  ft  b  c  n>  u  §tf  e  i  n ,  e«  ift  feine  e  r  f  o  n.  3)?an 
beobachte  ba«  $inb,  c«  fpricht  oon  fich  juerft  (in  ber  früheften 
ßlnbljeit)  in  ber  britten  Sßerfon ;  erft  toenn  ba«  $inb  anfängt 
„ich*  $u  fa8cu>  8*$*  tym  gtetchfam  eine  neue  Seit  auf,  fängt 
e«  an,  fich  feiner  at«  3)tenfch  betoujjt  511  werben.  $ant  in 
feiner  Anthropologie  fagt,  bie  (Srflärung  biefe«  $hän°™n«  möcbtc 
bem  ^tychologen  fehler  fallen.  2öir  fehen,  loie  leicht  bie  $fj™s 
notogie  ba«  töäthfel  löft.  Die  V  e  r  g  1  e  i  ch  u  n  g  «  g  a  b  e  be«  tinbe« 
ertoacht,  e«  thut  ben  erften  freien  ©tief  in  ba«  geben,  in  bie  e« 
umgebenbe  Seit,  e«  erhebt  fich  au$  *>ettt  ®eifte«$uftanbe  be« 
Spiere«,  in  beffen  Anfchauung  alte  Dinge  ein  ungeorbuete«  Sirrfal 
bitben,  ju  bem  ®etfte«$uftanbe  be«  3J?enfchen,  beffen  ®abe  ber 


Digitized  by  Google 


48 


2)er  SWenfd?  unb  ba«  £&tcr. 


SBergleictyung  in  bem  SÖ3irrfal  Orbnung  fc^afft  unb  ttyn  baburdj, 
tnbem  er  bor  Slllem  ftcty  felbft  bon  bcr  Slu&entoelt  unterfctyetbet, 
Sunt  Söeltbetoufetfein  unb  sunt  ©e(bftbeh)ii&tfein  ertoecft,  jur 
^erfon  ergebt. 

2»an  glaube  nictyt,  bajj  bie  «photogen  bie  ®abe  ber  23er= 
glet<$ung  ni$t  al«  eine  £auptbebingung  be«  £)enfen«  bon  je^er 
erfannt  Ratten.  STCetn,  btefe  @a$e  ift  gu  Kar  unb  fonnte  feinem 
ftorfctyer  leicht  entgegen,  ©et  3rrttyum  ber  ^3ft$ologen  toar  nur 
ber,  bajj  fte,  toeit  entfernt,  bie  (Sinfac^eit  unb  ©elbftftänbigfeit 
biefe«  Vermögen«  al«  eine«  ®runbbcrmögen«  51t  erfennen, 
btelmeljr  nur  juf antut engefe^te  ober  abgeleitete  begriffe,  j.  Sö. 
ben  €>$ctTffinn,  ben  £tefftnn,  ben  SBerftanb,  bie  Vernunft,  bie 
UrttjeüSrraft  u.  f.  to.  als  einfache  ober  ®runbbermögen  aufteilten, 
bereu  ütterfmale  ober  (Stgenf haften  ober  ÜUtobif  icationen 
fie  bann  befttmmten ,  unter  toel^en  2tterfataleu  bann  freiließ  bre 
SBergteic^iing  al«  eine«  ber  cTften  galt. 

Ueber  ba«  jtoette  ber  bon  ber  ^^renologie  nachgetotefenen, 
fogenannten  eigentlichen  ober  leeren  £)enfbermogen,  ba«  <Schlufe* 
bermBgen,  fönnen  nur  un«  furj  faffen.  (So  tote  ba«  &er* 
gleichung«bermögen,  nach  beut  SDMgen,  bem  begreifen,  fo  liegt  ba« 
<Schluj?bermögcn  bem  «Schliefen  bon  Urfacfye  auf  Söirfung  jum 
@runbe.  5Da  nun,  anerfannter  Seife,  ^Begreifen  unb  @c$liej?en 
bie  ®runblage  alle«  fy&ljereit  ober  menfcblichen  &enfen«  bilben, 
fo  ift  fetyon  in  ber  ^Benennung  be«  @chlufcbermögen«  al«  foldfye« 
feine  (Srflärung  enthalten.  Söenn  ber  Slffe  ftch  n)ärmenb  am 
fteuer  fifet,  fo  fehlt  ihm,  toctl  ihm  ba«  ©chlujjbermögen  fehlt, 
ber  ®ebanfe,  burch  Siegen  *™  $^1  fteuer  i«  unterhalten. 
@o  tote  bafyer  in  bem  33ergleichung«bermogen  bie  erfte  ©ebingung 
be«  <Selbftbetou§tfein« ,  ber  ^erfßnli^feit  liegt,  fo  ift  in  bem 
©cfylufcbermogen  bie  $ebtngung  ber  §anblung,  be«  <$nt* 
f bluffe«,  be«  betonten  Söillen«  gegeben. 

(3n  bem  borftehenben  3luffafe  ^a6e  ich  ba«  SBort  „ Reifte** 
bernlögen"  gebraust,  too  ich  fonft  „®etfte«fraft"  gu  fagen  pflege. 
3<h  ^abc  bie«  abficfytlicfy  nid^t  geänbert,  ba  bie  fceiben  S&rter 
natürlich  gleich&ebeutenb  gebraust  finb.  „©eifte^bermögen"  ift 
ba«  richtigere,  toeil  baburdh  oeffer  al«  burch  „®etfte«fraft"  $u* 


Digitized  by 


$er  9ttenfä  unb  ba«  $bier. 


49 


gleich  ba«  Huf  nehmen  im  (Reifte  bezeichnet  toirb.  3ch  bin 
burch  ba«  Söeftreben,  möglichft  populär  gu  fein  (befonber«  in 
meinen  93orlefungen),  baju  gefommen,  getüB^nlic^  ba«  ©ort 
„Geifte«fraft*  gebrauten.) 


3$  nehme  ^ier  Gelegenheit,  ein  ©ort  über  bie  SDartom'föe 
geljre  ju  fagen,  ju  melier  bie  Phrenologie  in  feiner  näheren  Söe* 
Ziehung  fteljt,  al«  jebe  anbere  SRaturioiffenfchaft.  SWeine  Anficht 
barüber  ift  ba^er  feine  phrenologtfehe,  fonbern  nur  eine  perfonlicbe. 
£)ie  aDarttnn'fcbe  Seljre  ift  befanntlich  älter,  al«  ihr  jefciger  9iame, 
ba  g.  ©.  fd^on  £erber  fie  bem  ©efen  nach  in  feinen  „3been  &ur 
Gefliehte  ber  9Wenfchheit"  bargeftellt  ffoL  9?och  al«  Gtnnnaftaft 
tourbe  ich  bUTCh  ba«  ßefen  biefe«  23uche«  mit  ihr  befannt  unb 
meine  Ueberjeugung  bon  ber  jmeifetlofen  ©ahrljett  biefer  SRatur* 
anfehauung  »ar  bon  Slnfang  an  bi«  heute  fo  feft,  bajj  e«  mir 
immer  fchtoer  fiel  $u  begreifen,  toie  ein  benfenber  9Kenfch  ihr  im 
©efen  (bon  (Sinjelnheiten  natürlich  abgefehen)  nicht  beifUmmen 
fbnne.  ©enn  Gott  bie  töofe  gefchaffen,  bie  am  ©toefe  blüht,  fo 
fönnen  toir  un«  biefe«  «Schaffen  nur  auf  bie  eine  ©eife  benfen, 
bafc  Gott  bie  SRofe  machfen,  fich  enttoicfeln,  tt) erben  liefe;  unb 
nue  au«  bem  fleinften  Äeime  biefe  SKofe  unb  biefen  SRofenftocf  in 
einigen  Monaten,  fo  au«  bem  fleinften  unb  unbollfommenften  Meinte 
alle  oorherigen  föofenftßcfe  in  9ttilliarben  oon  fahren.  3Bir 
finben  ja  überall  in  ber  Sftatur  theil«  ein  fichtbarc«  Getoorben* 
fein,  theil«  ein  fortbauernbe«  ©erben,  ©tr  fehen  an  beu 
©teiugebilben ,  wie  feit  ben  Urjeiten  unfere  (£rbe  fich  f°  ro^e  f*c 
ift  gebilbet  h<*t;  mir  fehen  heute  bei  pflanzen  unb  gieren  in 
toenigen  fahren  ober  Jahrzehnten  ein  (gntmicfeln  unb  ftortfehreiten 
bom  (ginfachen  jum  SWannichfaltigen ,  oom  Unoollfommnereu  aum 
^ollfommneren.  3>iefe«  ©ichentioicfeln  unb  ©erben  ift  ba« 
©efen  ber  iRatur  unb  barum  enrig.  OJktur  ^ c i § t :  ©erben!) 
(Sine  anbere  «Schöpfung,  ein  anbere«  Getoorbcnfein  ift  nicht 
benfbar. 

SBiele  berioerfen  bie  $>arn>tn'fche  &hre,  ohne  nach  ^em,  toa« 

e^eöt,  ^Ijrcnolofltf^e  »über.  3.  Huf.  4 


< 


Digitized  by  Google 


50 


35er  3Kenfä  unb  ba«  Xljier. 


bentbar  ober  nid^t  benfbar  ift,  311  fragen,  unb  ofyne  (Drünbc 
für  ifyre  5(nfi$t  $u  Ijaben:  fie  bermerfen  fie  Mo«  roegen  falber 
Folgerungen,  bie  fie  au«  Ujr  gießen.  SSiele  j.  59.  meinen, 
0*  »iberftreite  ber  menf^tic^en  Söürbe,  anjune^men,  bafc  bie 
SWenfdtyelt  fty  au«  ber  2tyer$eit  entmicfelt  ^abe.  Stacht  jeber 
oon  un«  ift  au«  beut  benfbar  fteinften  teime  jutn  9Vtatf$en  ge= 
morben:  er  gli<$  anfang«  ber  uttboUfommenften  $flan$e,  bann 
beut  unooUfommenften  £fyier,  bann  machte  er  aüe  (Stufen  ber 
Ifyier^eit  bur($  bi«  jum  9Äenf($en  —  unbefcfyabet  feiner  Söürbe. 
Unb  biefen  fetben  SEöeg  ber  Grntmicfelung  fottte  bie  Sttenfcfyfyeit 
in  ©eltaltern  nicfyt  fyaben  bur<$f(fyreiten  fönnen,  ofyne  an  iljrer 
3Bürbc  Schaben  51t  neunten?  Gr«  ift  oielmefyr  ein  fyöcfyft  ttntr* 
biger  unb  erfyebenber  Gebaute,  baß  bie  2)Jenfcfyfjeit  fyoffen  barf, 
immer  toeiter  in  ber  SBerbollfommnung  fortyufcfyreiten,  ~  immer 
fyßfyere  3iele  ju  erreichen,  ©te  traurig  unb  entmutljigenb  bagegen 
ift  bie  9Weinung  ÜDerer,  meiere  annehmen,  baß  ber  üttenfety  al« 
ooltfommen  erf Raffen  morben,  aber  »on  ber  (Stufe  biefer  SBott* 
fommen^eit  Ijerabgefunfen  fei! 

£)erfelbc  ober  ein  älmttd?er  fteljlfdjluS  ift  e«,  menn  SBiele 
meinen,  ba§  nad?  ber  ^artoin'fd^en  Cefjre  jmiföen  2)?enfcty  wnb 
2tyer  fein  mefentlidjer  Untertrieb  fei.  ©erfen  mir 
einen  S8l\d  auf  bie  Cnrbentmufelung.  9k($bem  auf  unferer  im* 
fang«  flüffigen  (£rbe  eine  fefte  Trufte  geworben,  unb  ba«  fteft* 
taub  fid)  00m  SBaffer  gefcfyieben,  bilbete  fieb  juerft  bie  nieberfte 
^flanjenmelt,  bie  nieberften  Skfyimmel«,  ^iljs,  9Woo«arten,  maljr* 
fcfyeinlidj  noefy  tange  oljne  jebe  ©pur  bon  einer  £fH'ern>elt.  könnte 
man  nun  behaupten  toollen,  ba§  gtoifc^en  ber  ^flanjenmelt  unb 
ber  Stemmelt,  jmif^en  bem  tebenbtgen  fätyftall  ber  ^flanje  unb 
beut  tobten  SfrtyftaU  be«  «Steine«  barum  fein  tuefenttietyer  Unter* 
fäieb  fei,  toetl  fi$  bie  $flan$entoelt  au«  ber  <Steinmelt  entmicfelt 
f>abe?  ©etoifc  nid>t :  ber  Unterfc^ieb  &ttnf<$en  beiben  ift  tnelmetyr 
ein  fet)r  mefeutticfyer.  Ctbenfo  fyat  fi$  bie  £fyiermelt  jmeifello« 
au«  ber  ^flanjenmett  entmicfelt;  ja  c«  giebt  fogar  noc$  jefct 
^flanjentfyiere  ober  % Zierpflanzen ,  oon  benen  man  ni$t  fagen 
fauu,  ob  fie  ^ftanje  ober  ob  fie  Xfyier  finb:  unb  boefy  ift  ber 
Unterf^ieb  junfeben  fflan^e  unb  Xfjier  ein  fefyr  mefentltcber. 


Digitized  by 


2>er  9Kenf$  unb  ba*  Jbicr.  51 

<9an$  ebenfo  tt>cfenttic^  nun  ift  ber  Unterföieb  )n>tf(^en  £fyier  unb 
Üftenfcfy.  2öeld?  alberner  @d;luB  fänte  auefy  ju  £age,  MUI  toir 
annehmen  wollten,  bajj  ba«,  loa«  fid?  au«  Ruberem  entnjicfett  §at, 
nidjt  tpefentlicb  oon  tym  t>erfc$teben  fein  fönne:  bann  toäre  ber 
2ßenfö  nic^t  »efenttty  terfdneben  oom  3tyer,  ba«  Sfn'er  nic$t 
mefentlicb  serfcfyieben  oon  ber  s$flan$e,  bie  ^flanje  nt$t  mefentüd) 
verhieben  oom  ©tein,  —  alfo  wäre  auc$  ber  9)fenfc$  ntc^t 
mefentlu}  bom  ©tetn  aerfc&ieben! 

©enn  fcfylie&ttcty  $iele  meinen,  bie  $>armin'fc$e  tfe&re  füljre 
jum  9)?atertali«mu«  unb  miberftreite  bem  (Stauben  an  bie  Un* 
fterblia)feit,  fo  ift  auefy  bie«  nur  ein  &c$(f$(u$.  3$  g.  SB.,  wenn 
ic$  oon  mir  fpred>en  barf,  bin  nicfyt  üftaterialtft,  metl  id>  XfyaU 
fachen  fenne,  meiere  ungefähr  bem  äljnlicfy  finb,  n>a«  3f$offe  in 
feiner  i*eben«befcfyreibung  Don  feinen  SBifiouen  erjäfjlt*),  %\)aU 
fachen,  n>eld?e  mtcfy  gu  ber  $lnficfyt  $n>ingen,  bafj  ber  menfcfylicfye 
(Steift  etroa«  ftnbere«  unb  etwa«  metyr  ift,  al«  ber  Körper, 

*)  3^°^c  erjäbjt,  bafj  ibm  beim  Stublicf  bicler  jum  erftenmal  t«on  ibm 
gefeb.ener  2)ienfd)en  bereit  ganje*  »ergangene*  Üebeu  mit  aßen  (Sinjelnbeiten 
nox  feinem  geiftijjen  &ugc  »orüberfebwebte.  (*ine  «Stelle  hierüber  mag  ^icv 
worttteb.  folgen.  „SSir  fbeiften  an  ber  jablrei^  befefeteu  2Birtt)«tafel  ju  Wafy, 
wo  man  ftc$  eben  über  allerlei  (Sigentbümlia)reit«ru  unb  ©onberbarfeiten  ber 
ecbweijer,  über  3«e«mer'*  2)cagneti*mu*,  fatater'*  ^^ftoßnomif  u.  bgl. 
berjlidj  luftig  machte.  (Siner  meiner  Begleiter,  beffen  ftationalftolj  bie  <5p$t* 
terei  beleibigte,  bat  mia),  (Stwas  ju  erwiebern,  befouber*  einem  bübfeben  jungen 
SDcanne,  ber  un*  gegenüber  fafj  unb  beu  auägelaffenften  ÜBife  trieb,  ©erabe 
ba«  Seben  beffelbeu  war  an  mir  oorbeigcfdm>cbt.  3cfy  wanbte  mitb.  an  ilm 
mit  ber  grage,  cb  er  ebrtia)  antworten  werbe,  wenn  ia)  ifym  ba*  ©ebeimfte 
au*  feinem  Veben  erjäblen  würbe,  wäfyreub  er  miefy  fo  wenig  fenne,  al*  irb 
ihn.  33a*  wiire  benn  bodj  mebr,  meint'  idj,  al*  Saoater'*  ^Imfiognomif. 
(Sr  »erftradj,  offen  511  geftebeu,  wenn  irb  Sabrbeit  berieten  würbe,  ©o  er* 
jäb.Ue  ia>,  waö  mir  mein  iraumgefia^t  gegeben,  unb  bie  ganje  $ifa>gefettfa^aft 
erfuhr  bie  ©cfa;id?tc  be«  jungen  Kaufmanns,  feiner  l'e^r jal>re ,  feiner  fleinen 
Serirrungen,  enblid)  aud?  eine  von  ibm  begangene  Keine  £ünbc  au  ber  (Saffe 
feine*  ^rinci^at«.  befa^rieb  ibm  babei  ba*  unbewohnte  Limmer  mit  ge- 
weiften ÜBanben,  wo  red)t«i  ber  braunen  Sbür  auf  einem  tifaie  ber  frinttarje 
©etbfaften  geftanben,  u.  f.  w.  ö*  berrfa>te  lobtenftitte  in  ber  ©efeflfdjaft 
bei  ber  (Srjäb,  tuug ,  bie  nl>  nur  juwcileu  mit  einer  JVrage  unterbrach ,  ob  ut> 
4Babrb,eit  vebe?  3eben  Umflaub  beftätigte  ber  ©chwerbetroffene,  fogar,  wa* 
ia)  nid^t  erwarten  fonnte,  ben  legten." 

4* 


Digitized  by  Google 


52  2>«r  2flcnfc$  unb  ba«  £f?ter. 

unb  ba§  er  na$  beut  3erfflÖ  beffelben  fortlebt.  (Sa«  bie  menfcfy= 
licfye  Unfterbtictyfeit  gegenüber  bem  Xljier  betrifft,  fo  fann  icfy  mir 
eine  ftufentoeife  Unfterblid^feit  al«  mögtt<§  benfen,  ober  kty 
fann  mir  al«  möglicfy  benfen,  bafc  bie  menf$lic$e  UnfterbUcfyfeit 
mit  bem  menfcfylictyen  @etbftbetouj$tfetn,  biefer  grofcen  ©treibe* 
fcanb  jtoifctyen  äftenfcfy  unb  2tyer,  in  3ufammen^ang  ftcfyt.)  Ser 
£l)atfac$en  ber  ermähnten  3Crt  nic$t  fennt,  unb  fie  barum  al« 
ni($t  oor^anben  betrautet,  ift  in  feinem  föecfct,  allein  er  mu& 
feinerfeit«  au$  ba«  föed^t  Derer  anerfennen,  melden  foletye  I^at* 
fa<$en  befannt  finb  unb  toelcfye  au«  iljnen  bie  notljmenbigen  (Scfylüffe 
jieljen.  darüber  finb  übrigen«  jefct  toofyl  alle  Scanner  ber  Söiffen* 
fttyaft  einberftanben ,  bajj  bon  ber  3(nna^me  fo  ju  nennenber 
„Sunber",  b.  f).  bon  fällen  ber  9lufljebung  ber  ^aturgefe^c  ober 
Seltgefefce,  memat«  unb  nirgenb«  bie  SRebe  fein  tann.  3n  biefem 
(Sinne  nennt  fid&  bie  materialiftifc&e  Seltanfcfyauung  montftifa) 
unb  Ijält  fi($  für  allein  logif<$.  Slüetn  au«  unerflärten  ®egen= 
fäfcen,  Stoff  unb  Ärafr  Körper  unb  (Seift,  bie  Seit  erttären  ju 
motten,  föeint  mir,  ganj  fd^arf  genommen,  meber  moniftifc$  no$ 
logif($  $u  fein.  (Sine  Seltanfd^auung,  meiere  nietyt  materialiftif<$, 
aber  in  Saljrljeit  monifttfety  ift,  unb  meldte  für  in  ber  §aupt= 
facr)e  richtig  ju  Ratten  i$  fefyr  geneigt  bin,  ift  bie  bereit«  in  einer 
SRettje  größerer  unb  fleinerer  Serfe  niebergelegte  ^ßljilofopljie 
meine«  oereljrten  ftreunbe«  2J?ajcimi(ian  Drofjbacfy.  (Deffen 
neuefte  €>c$rift  ift  „Ueber  bie  berfcfyiebenen  (Srabe  ber  Sntelligenj 
unb  ber  ©ittlictyfeit  in  ber  $atur\  «erlin  1873v  ^od^  ginige« 
über  90lateriali«mu«  f.  in  metner  @cfyrift:  „Die  Ungötttia^feit 
be«  ^apftt^um«  unb  bie  Sirene  ber  gufonft*.) 


Digitized  by  Google 


vt 

Ucrthuul  und  Vernunft. 

Um  »orte  IA%t  R*  tteffttd)  flttiten. 

®oet&e. 


1.   #n  ber  JJfndjologie. 

» 

©et  mehreren  <§<$riftftettern  pnbcii  ftc$  3ufammenfteuungen 
ber  2lnfic$ten  bei  $fjüofopf>en  über  bie  begriffe  SBerftanb  imb 
Vernunft,  namentlich  in  tljrem  Unterfd^icbe.  Die  fotgenbe  ift 
$unä$ft  au«  @<$eibfer  (<S.  426  ff.)  entlehnt. 

9iad^  Seibntfc  ift  bie  Vernunft  bie  Verfettung  ber 
Safyrfyeiten,  befonber«  au*  bem  menfcfylidjen  <&eift  felbft  (ntcfyt 
au«  ber  Offenbarung)  gef^öpfte,  int  ®egenfafe  gegen  bie  finn* 
licfye,  tfoUrte  (Srfaljrung. 

ßocfe  erflärt  bie  Vernunft  a(«  ba«  bem  SDtatföen  eigen* 
tlntmltc^e  (grfenntnifjbermttgen  unb  finbet  in  tyr  bier  <Stiufe: 
1)  Die  (Sntbecfung  unb  Srfinbung  ber  #etoei«grünbe ,  2)  bte 
regelmäßige  unb  richtige  Slnorbnung  berfetben,  3)  ba«  Vernehmen 
ifjrer  Verbinbung  in  jebem  Steile  ber  SDcbuction,  4)  bie  (Sinfity 
in  bie  töic$tigfeit  eine«  <§<$tuffe«.  £)tefe  bter  @tücfe  f^reibt 
Öocfe  einer  bereiten  $raft  ju:  bem  <5dt>arffinn  (Urteil«» 
traft),  burc$  melden  bie  Vernunft  bie  SWittetbegriffe  empfinbet, 
unb  bem  ©djliejjbermögen,  bnrc$  meiere*  fie  fie  orbnet. 


Digitized  by  Google 


54 


SJerftanb  unb  Vernunft. 


g^ac^  ©off  ift  bie  Vernunft  bie  <5tnfi($t  in  ben  3ufami 
men^ang  ber  Saljrljeiten ,  toäljrenb  ber  23erftanb  nur  einzelne 
ÜBaljr^etten  ocrbeutli($t,  toefdje  bic  Sinne  unb  bie  ßrtnbil* 
bnng«fraft  nur  ttertotrrt  ober  fyöcfyften«  blo«  ffar  liefern;  Sößolf 
be$og  ben  23erftanb  auf  bie  ©egriffe  unb  Urteile,  bie  Vernunft 
auf  bie  Sc^lüffe,  toetc^c  ®egriff«beftimmung  ftcfy  fefyr  (ange  er; 
Ratten  Ijat. 

&  a  n  t  (ber  ft#  übrigen«  hierin  gar  nic$t  gleid)  bleibt)  nimmt 
im  »eitern  Sinn  SBerftanb  unb  Vernunft  gleid&bebeutenb  für  ba« 
fogenannte  obere  ober  fjöljere  Grrfenntni§»ermbgen ;  im  engem  Sinn 
ift  ifjm  bie  93ernunft  batb  ba«  Vermögen,  ba«  ©efonberc  au«  bem 
Allgemeinen  abzuleiten,  balb  ba«  Vermögen,  ti>el$c«  ^rincipien 
ber  (Srfenntmj?  a  priori  an  bie  §anb  giebt  unb  jum  Söebingten 
ta«  Unbebingte  oerlangt;  ber  SBerftanb  foll  ein  (ftegcnftanb  für 
bie  Vernunft  fein,  melcfye  feine  ©egriffe  fcfyafft,  fonbem  nur  bie 
$erftanbe«begriffe  orbnet  unb  tynen  <5in^eit  giebt.  $er  SB  er» 
ftanb  ift  infonbertyett  ba«  SBermögen,  SBorftellungcn  felbftttyätig 
fjeroorjubringen,  unb  foü  al«  Spontaneität  ber  föeceptioität  ent* 
gegenftefyen.  3m  logif<$en  Sinn  foll  23  er  ftanb  ba«  Vermögen, 
ba«  (Hn$elne  im  Allgemeinen  barjuftellen  ober  ba«  Vermögen  ber 
begriffe,  Vernunft,  ba«  Vermögen,  ba«  Söefonbere  au«  bem 
Allgemeinen  abzuleiten,  ober  ba«  ber  Scfylüffe  fein,  jtoifdjen 
toefctye  eine  befonbere  Urt!jeil«fraft,  al«  Vermögen,  ba«  $3e- 
fonbere  unter  ba«  Allgemeine  ju  fubfumiren,  eingefc^oben  tirirb. 

3acobi  nannte  anfang«  Vernunft  ba«  Vermögen,  au« 
finnlicf»  gegebenen  (empirifctyen)  SBorftellungen  begriffe,  Urteile 
unb  Scfylüffe  ju  bilben,  ober  bloße  23erljältniffc  toafyrjunefymen ; 
fpäter  ben  Sinn  für  ba«  Ueberfinnlid^e  (ober  ba«  Organ,  toomit 
ba«  Ueberfinnlt#e,  bie  3been,  oernommen  toirb,  mie  mit  bem  Auge 
ba«  finnli<$  Sichtbare) ;  fobann  bie  Ueber$eugung  oon  bem  an  fid? 
iföafyreu,  Seinen  unb  (9uten  (3been),  toelc^e  er  anfang«  glaube, 
®lauben«fraft  genannt  unb  ber  Vernunft  entgegengeftellt  fyatte. 

'Jcad)  ^  i  t  c  ift  bie  Vernunft  (ober  ber  ®eift,  bie  3nteüi* 
gen$,  3cfyfyett)  bie  abfotute  Selbfttljättgfeit,  rooburdj  ba«  3cfy  unb 
alle«,  loa«  für  baffelbe  ift,  ba  ift,  ober  ber  unmittelbare  Au«* 
bruef  be«  ©o'ttlic^en,  ja  ba«  ®öttli^e  felbft. 


Digitized  by 


J 

^erftanb  unb  Vernunft. 


55 


Sehnlich  &  $  c  1 1  i  n  g ,  ber  übrigen«  cbcnfatl«  ftch  nicht  g(etd> 
geblieben  ift;  nachliefern  ift  bic  Vernunft  felbft  ba«  ©ein 
®otte«,  ber  2(lie«  in  Allem,  ober  bie  3bentität  be«  3bealen  nnb 
«Realen  ift,  ober  bie  totale  3nbifferen$  be«  Subjectiben  unb  Ob* 
iectiben,  unb  in  toelcher  Alle«,  fo  toie  aufeer  ihr  nicht«  fein  fotl. 
Der  SBerftanb  ift  bie  unentnucfelte ,  nur  ba«  (Sinjelne  umfaffenbc 
Vernunft,  ja  bie  jerfallene  Vernunft.  Später  erflärte  Sctyellina, 
bie  Vernunft  für  ba«  allgemein  9Wenfct>licf)e,  Unperfönlicbc,  Allen 
3ufommenbe,  SBerftanb  für  bie  in  einem  (Sinjelnen  begrünbete' 
unb  au«gebilbete  Denft^ätigfeit ;  bafyer  er  ben  SBerftanb  über  bie 
üBernunft  fefet. 

£>erbart  leugnet,  baj?  bie  Vernunft  ber  allgemeine,  an* 
gebome  SJor^ug  be«  üttenfdjen  bor  bem  X^iere  fei,  meldje«  ledere 
bie  menfehliche  geifrtge  Au«bilbung  nicht  loegen  einer  fpeeififcheu 
$erf$iebcntyett  jtoifchen  X^ier-  unb  3)ienfc^enfeele,  fonbern  blo« 
toegen  be«  üflangel«  ber  §änbe  unb  «Sprache  nicht  erlangen  Efcmt ; 
ber  SB  er  ft  an  b  fei  ba«  Vermögen,  un«  im  Deuten  nach  ber  Quan* 
tität  be«  ®eba$ten  $u  rieten,  bie  Vernunft  ba«  Vermögen, 
ju  überlegen  unb  nach  bem  (£rgebmfj  ber  Ueberlegung  fich  311  be* 
ftimmen. 

9ftt$  § egei  ift  bie  Vernunft  bie  einfache  Obentität  ber 
Subjectibttät  be«  begriff«  unb  feiner  Objeetibttat  unb  AUge 
metnljeit. 

9cacb  ftxxcQ  ift  Vernunft  im  Allgemeinen  bie  ganjc  ©elbft- 
thättgfeit  be«  ®eifte«bermögen«  (im  ©egenfafc  gegen  bie  Sinn* 
lic$fett  ober  föeceptioität) ,  im  «efonbern  bie  ber  (Srfenntnij?;  ber 
SBcrftanb  ift  ba«  Den!«  ober  9fefIerion«bcrmögen,  ba«  kernte; 
gen  ber  DeutUchfeit  ber  (Srfenntnij? ;  aber  jugleic^  auch  (tocgen 
be«  ©nfluffe«  be«  Deuten«  auf  bie  übrigen  ®eifte«bermögen)  ba« 
Vermögen  ber  SelbftbefyerrfdHmg. 

9cach  <S<hul$e  ift  bie  Vernunft  ba«  Vermögen  einer  oon 
ber  <Sinnlichfeit  unabhängigen,  Ü?r  unerreichbaren  drfenntnij?, 
ober  ba«  Vermögen  ber  (£rfenntm§  ber  3been;  ber  SBerftanb 
ift  bornämlich  ba«  ^erm&gen  be«  Denfen«  be«  Gaufaljufammen* 
^ange«  unb  ber  B^ecfe,  manchmal  im  Dienfte  ber  Sinn* 
lichfeit,  ift  aber  auch  für  bie  Vernunft  unentbehrlich,  ba  er  boch 


Digitized  by  Google 


^erftanb  unb  Vernunft. 


immer  SRtcfciter  über  bie  Söoljrljeit  unb  Slnloenbbarfeit  ber  3been 
bleibt. 

Gr.  föetnfyolb  erflärt  ben  SSerftanb  im  »eitern  <5tnn  für 
ba«  £)enft>ermögen  überhaupt,  im  engem  ©inn  für  bie  Urttjetl«* 
traft,  b.  i.  bie  ftäljigfeit,  burety  Prüfung  ber  33eljauptung«grünbe 
ju  einem  Urteile,  beffen  93ertt>irfü<$ung  einer  folgen  Ueberlegung 
bebarf,  ftc$  fetbft  ju  beftimmen;  im  engften  ©inn  für  ba«  em* 
pirifd&e  (^fenntnijftermbgen.  SG&a«  ben  3lu«brucf  Vernunft  be= 
trifft,  fo  müffe  man,  ber  ©eife  unferer  @pra$e  angemeffen,  jtoei 
Söebeutungen  beffelben  unterf Reiben.  3m  toettern  Sinn  fei  $er= 
mmft  bie  allgemeine  Ifraft  ber  geiftigen  8eben«ftufe,  meldte  im 
9flenfc$en  unter  ber  93orau«fefeung  unb  ©ebtngung  ber  ftnnlid&en 
ft$  ergebt.  3n  biefer  Söebeutung  tuerben  geiob,lmlid&  Vernunft 
unb  ©innlictyfett  im  SWenf^entoefen  einanber  entgegengefefct,  unb 
gilt  allgemein  bie  Vernunft  für  ba«  c$arafteriftif($e  Unterfc^ei* 
bung«merfma(  be«  2ftenfcfyengefc$le<$t«  im  23erglet$  mit  ber  tljte= 
rifcfyen  9ktur.  3n  einem  engern  «Sinn  fteljt  bie  SBernunft  al« 
ba«  Vermögen  ber  rein  rationalen  (grfenntniffe  unb  Ueberjeu* 
gungen  bem  empirif<$en  Srfenntnijjoermögen  entgegen. 

2.  3n  ber  |%emilogie. 

Söerftanb  ift  bie  aflgemeinfte  ©ejeic^nung  ber  ganjen 
menf$ü$en  3)enttraft,  b.  t.  be«  SBergleictyungdrierm&gen«  unb  be« 
<Sd)luf?oermÖgen«  fammt  ben  nieberen  93erftanbe«finnen.  3ena<$= 
bem  bie  einen  ober  bie  anberen  biefer  einzelnen  Gräfte  bor$ug«* 
meife  tfjättg  finb,  ift  ber  95erftanb  ein  feljr  berfttyiebener  unb  toirb 
au<$  fcerfcfyteben  benannt.  3ft  ba«  23erglei($ung«oerm&gen  oor* 
3ug«toetfe  tfyättg,  fo  Ijeigt  ber  SSerftanb  @<$arfftnn,  bei  oor* 
mattenber  ^ätigfeit  be«  ©cfylujjberm&gen«  £teffinn.  £)er 
@<$arffinn  unb  ber  £ieffinn  finb  aber  toteber  anbere,  ienad&bem 
fie  mit  biefem  ober  jenem  nieberen  33erftanbe«finne  in  SBerbinbung 
treten.  @o  fpri^t  man  bom  ©^arffinn  be«  5ftaturforfc$er«,  be« 
(5pra<$forfcfyer«  2c,  son  bem  Stteffinn  be«  Sßlu'lofopljen,  be«  ®e* 
f$i$t«forf$er«  ic.  öeibe,  ber  @c$arffinn  unb  ber  £iefftnn,  in 
iljren  berfd&iebenen  SSejiefyungen  merben  auefy  Talent 'genannt. 


Digitized  by  Go 


SBerftonb  unb  Sermmft.  57 

Da«  f>öd?fte  2)?a§  be«  Talente«,  toenn  unb  rcetl  e«  nicht  burd) 
&hre  unb  Uebung  erreicht  werben  tarnt,  fonbern  angeboten  fein 
muj?,  fjei&t  ®enie. 

Da«  ©ort  SSerftanb  tyat  mehrere  Bebeutungen,  toeiteie  unb 
engere.  Die  eben  betrachtete  Bebeutung,  toelche  bie  St^ätigfeit 
bet  ganjen  brüten  (Haffe  ber  ®eifte«oerm&gcn  in  ftch  begreift, 
ift  bie  toeitefte.  ©ne  engere  Bebeutung  ift  3.  B.  bie,  toenn  man 
ben  Berftanb  bem  £alent  entgegenfefct.  üftan  pflegt  fo  00m 
praftifc^en  Berftanb  ju  fprechen.  9flan  oerfteljt  barunter  bie  Xfy'fc 
ttgteit  be«  23ergleichung«oermegen«  unb  be«  <Sc$tu6oermi?gcn« 
mehr  in  Bejug  auf  bie  getoB^nüc^en  Berhättniffe  be« 
Öeben«,  auf  bie  praftifc^e  £ anblung«toeif e  be«  SWen- 
fc$en;  unter  Talent  bagegen  bie  £f}ättgfeit  jener  beiben  ■©ermögen 
in  Berbinbung  mit  ber  ^ätigfeit  eine«  ober  einiger  beftimmten 
nieberen  Berftanbe«finne ,  tüte  toenn  man  3.  B.  00m  latent  be« 
Sftaler«,  be«  9fte$amfer«,  be«  ÜRufifer«,  be«  Rechner«  :c.  fpricht. 

3n  noch  engerer  Bebeutung  ift  ba«  2öort  Berftanb  gebraust, 
toenn  toir  oon  bem  2?erftanb  ber  2^iere  fprechett,  too  alfo  Mo« 
bie  £ljätigfeit  ber  nieberen  Berftanbe«ftnne  barunter  begriffen  ift. 
Der  (gebrauch  be«  SBorte«  in  biefer  oon  ber  gewöhnlichen  fefyr 
abtoetchenben  Bebeutung  fchetnt  baburch  gerechtfertigt,  ba§  bie 
nieberen  Berftanbe«finne  in  fetyr  oerfchtebenem  2Wa§e  bei.  ben  eiu= 
feinen  Xfykxm  unb  fcljterclaffen  oorfyanben  ftnb,  uttb  ba§  man 
alfo,  toie  oon  (Kraben  ber  Dummheit,  fo  and;  oon  (Kraben  be« 
Berftanbe«  ber  Spiere  fprec^en  barf. 

Berftanb  —  fagte  ich  ju  Anfang  —  ift  bie  allgemeinfte  Be- 
zeichnung ber  menfehlichen  Denffraft.  3ch  erweitere  jefct  biefe 
Sorte  burch  folgenben  3ufafe:  Berftanb  ift  bie  allgemeinfte  Be* 
jeichnung  ber  alleinigen  menfehlichen  Denffraft,  b.  i.  ber  Denf* 
traft  ohne  Be$iehung  $u  attbern  ®  etftc«thättgf eiten  be«  9Wen- 
fct)en.  Die  Vernunft  bagegen  ift  ber  Berftattb  in  Be* 
jiehung  ju,  ober  in  gemeinfehaftticher  ^h^tigfeit 
'mit  ben  h&hcten  ®emüth«finnen  be«  3ftenfchen. 

®ehen  toir,  um  bie«  beuttich  ju  machen,  auf  ben  Begriff 
jurücf.  Der  Begriff  toirb  bann  3bee  genannt,  toettn  311  ihm 
eine  Beziehung  311  einem  ober  bem  attbern  ber  h^ten  ®emüth«* 


Digitized  by  Google 


58 


33erftanb  unb  SJcrnunft. 


fhme  fyinjufommt.  3.  33.  man  fagt:  bct  ^Begriff  Stein,  ftarbe, 
ber  begriff  bcS  <$cl)en$  u.  f.  ro.  £)enn  barin  liegt  feine  $e* 
jie^ung  $u  ben  fyityercn  $efüf;(en.  Slttein  man  fagt:  bie  3bee 
ber  Vtebe,  ber  @*6n^eit,  beS  ®5ttli<$en,  bc$  gortfcftttW  u.  f.  to. 
mit  33e$ug  auf  bie  ®emüty«finne:  be«  Bonität,  SScneratal 
u.  f.  u>.,  eines  einzelnen  ober  einiger.  2ttan  fagt  in  gleicher 
Steife  ober  mit  berfelben  ©cjielnmg:  ein  ocrftänbigeä  SWittcI, 
ein  bernünftiger  Biuecf.  38  te  nun  ber  SScrftanb  bafc$Rcid> 
ber  begriffe,  fo  umfaßt  bie  Vernunft  ba«  9?e"id) 
ber  3been. 

(5$  berfteljt  fid;  bon  fetbft,  baj?  man  ofyne  bie  genannte 
iÖe$tefnmg,  b.  i.  at«  bon  Moj?eu  5$erftanbcSgcgenftänben,  auefy 
bon  bem  begriff  ber  Siebe,  beö  ®6ttlid;en,  ber  £ugenb  n.  f.  n>. 
fprec^en  fanu.  Slucfy  ift  ba*  ©ort  „3bec"  oft  in  anberer,  als  ber 
obigen  Söebcutung,  5.  33.  überhaupt  mit  „®ebaiuV  gteictybebeutenb, 
gebraust. 


Digitized  by 


t 


vn. 

J)firciiufugifcfic  (f fuirufitcriltifi. 

ryio&$  oavtov .' 
«erne  biet)  lennen ! 


Sermann  ftotljf,  ber  iHnemomhtr« 

2ttter:  34  3a$r.  Temperament:  fanguinifcfcneroö«.  Der  ftopf 
(b.  i.  bie  (Seljirnljb'ljle ,  abgefcfyen  ton  ber  ®r&fce  be«  ®eft$t$) 
Ijat  über  mittlere  ®röf?e,  oljne  ju  ben  großen  ober  feljr  großen 
{tt  jagten. 

Organenmaße :  ©eneratal  3!/a — 4,  Snfantal  4,  (Soncen* 
tratal  3'/a,  «micatal  4,  Oppofitol  3Va— 4,  Petita!  4,  ©ecre- 
tal  3,  SCcqutfitoI  4Va,  Gautai  5,  Spfotal  4,  Embitat  4Va—5, 
fttrmitat  4»/a,  (Sonfctental  4 — 4'/,,  SBenerataU,  Speratat  4— 4*/s, 
«onital  4 Vi,  Smitatal  4,  SWraculttat  3«/s— 4,  Sbeatital  4, 
domicatal  3,  Realität  3*/a— 4,  sJtumeratal  3V2— 4  (?),  ßocatal 
3\/a,  gactital  3»/a-4,  Sftuficatal  3\'2-4  (?),  (Sonftructat  3«/»  (?), 
«erbotal  8*/«,  ßomparital  4Va-5,  (Saufalital  4%.  (1  —  fe*r 
Kein,  2  =  Hein,  3  =  mittelmäßig,  4  =  jiemtit^  groß,  5  = 
groß,  6  =  fe^r  groß.) 

Die  Organifation  im  ®an$en  ift  eine  feljr  fyarmonifctye  imfc 
glücflt(fye.  $etne«  ber  (Stngetorgane  ift  in  oorragenb  ftarfem  ober 
fäioactyem,  fonbem  bie  meiften  finb  in  gutem,  ooltem  Sflaße  oor> 


Digitized  by  Google 


« 


ÖO  ^renototjifäe  (jtyarafteriftif. 

fyanben,  moburcb  bie  ©Übung  at$  eine  aüfeitige  unb  äug(ei<$ 
fräftige  erjctyeint.  33ei  biefer  $räftigfeit  fommt  nocfj  baä  (eben= 
bige,  fangutnifd^neroöfe  £emperament  fel)r  in  9(nfc§(ag. 

3m  @in$efaen  ift  ®eneratal  etma«  übet  mittelmäßig, 
faß  jiemltcfy  groß.    £>a  e«  mit  gutem  9(mkata(,  au#  überhaupt 


Hermann  Jtotbe. 


mit  jiemüd)  großen  fyöfyeren  ®efülj(en  oerbunben  ift,  fo  toirb  bie 
®efcfy(c$t$ftebe  nur  infofern  wahren  (9enu§  gewähren  unb 
©eelenbebürfniß  fein,  a(8  fie  jug(eid)  Viebe  im  fyöfyern  Sinne, 
b.  i.  auf  tjreunbfcfyaft,  ?(c^tung  unb  SßofytooÜen  gebaut  ift.  3tmi= 


Digitized  by  Google 


Wwnologiföe  (S&aratteriflif.  61 


catal  ift  $temlic§  groß;  §err  ftt^tt  bem$ufolgc  ba«  23ebürfniß 
ber  Slnfcfylicßung ,  bcr  3frcunbf$aft,  be«  gemütlichen  ftamilien* 
toben«;  Slbgeföicbenfyeit,  eiufieblcrtyum  ift  ba«  ®egcntl?ei{  beffen, 
toa«  ilnt  bcfricbtgt.  tiefer  3ug  ber  ®enriHP$lett  mirb  bur* 
ben  für  einen  SWonn  jiemUc^  großen  ©inn  ber  Äinberliebe  no$ 
unterftüfct.  Oppofital  ift  jiemtie^  groß;  trofc  ber  ®emütf>lichfeit 
ift  bafyer  ber  (Sfyaraftcr  ein  mutiger  nnb  männlicher;  muttyig 
auftreten,  gegen  eine  ®efaljr  fiefy  ftellen,  ^3d)nucrigfeiten  über- 
nunben,  ift  §errn  eine  ftreube.  Petita!,  metcfye«  giemüc^  groß 
ift,  oerftärft  toefentltdj  bie  Energie  be«  £)ppofital,  iu&em  e«  bem 
(Sljaraftcr  neben  bem  3>?utt)e  aud;  bie  $raft  be«  $lu«füljren« ,  bie 
Vuft  unb  ben  g^eiß  be«  Schaffen«  giebt.  3uf°^e  eDcn  btefe« 
©inne«  lann  e«,  n>enn  berfelbe  fefyr  aufgeregt  nnrb,  (eidt)t  bafym 
omnten,  baß  §err  jürnt,  ^eftig,  böfe  mirb.  Dodj  gUt  bie« 
iücr>t  für  ben  3uftanb  geifttger  3fuf>c;  beim  toegen  ber  übemrie* 
genben  (Sntnucfelung  ber  ©emütfyefinne  liegt  5.  S8.  falte«  Raffen 
unb  SKactycneljmen  feinem  (iljaraftcr  fefyr  fern.  Da  ©ecretal  nic^t 
eben  fcfymadj,  aber  auch  nic^t  ftarf  ift,  fo  metß  £>err  511  oer- 
fc^meigen,  oljnc  baß  jener  oorraaenbe  ®cljeimtl)un«  ober 

be«  inftinftmäßigen  übertriebenen  Verbergen«  ber  (Scfüljle  unb 
©ebanfen  ifjm  eigen  ift.  9tcquifitat  ift  jiemüc^  groß  ober  groß; 
§err  ift  alfo  auf  (5m?erb  bebadjt,  t)aud^ä(tertfd) ,  fparfam. 
Dicfer  3ll8  wüjj  fl<$  um  fo  getoiffer  finben,  al«  auch  (Sautal 
groß  ift,  ein  <Sinn,  ber  tut«  an  bie  3ufunTt  beulen,  bie  Dinge 
niebt  $u  teidbt  nehmen,  überhaupt  mit  Ucberlcgung  unb  Umfielt 
hanbetn  läßt. 

3pfotal  ift  nic^t  mehr  al«  ziemlich  groß;  alfo  bilbet  bcr 
©tolj  im  tabelnben  Sinne  (§ochmuth,  Sclbftgenügfamfett)  jeben* 
fall«  feinen  e^arafterjug.  Allein  al«  ©etbftoertraucn  nnrb  biefer 
©inn  boch  nicht  gu  fc^n>ac^  auftreten,  ba  er  oon  jiemlich  großem 
©peratal  unb  ©ppofital,  befonber«  auch  oon  fefyr  gut  ent= 
riefelten  Dcnffräften  unterftü^t  ift.  Dagegen  ift  9Imbttal  größer 
ober  entfcfyieben  groß.  Der  (5f?rget$,  ber  nach  9tu$ttt  unb 
$lnerfennung  ftrebt,  ift  alfo  größer  al«  ber  fich  felbft  genügenbe 
<3tolj  unb  bittet  einen  (il^arafterjug.  Da  fotooljl  girmital  at« 
Sonfcicntal  jiemlicb  groß  finb ,  fo  befifct  £>err  ßntfe^ieben^eit 


Digitized  by  Google 


62 


^renologifäe  Gljaraftfriftif. 


unb  ©e^arrli^fcit  im  $>anbeln,  oerbunben  mit  einem  eblen  Sinne 
für  Wahrheit  unb  SRecht,  ober  Da«,  wa«  man  in  bet  gewöhnlichen 
Spraye  „ßhatafter"  gu  nennen  pflegt.    3uf°tflc  M  giemlich 
großen  SBeneratal  ^at  §err  Ä.  Gefühl  für  Autorität,  für  Auer* 
fennung  ftemben  33erbtenfte«,  um  fo  mehr,  ba  Spfotat  nur  mäßig 
groß  ift.    33eneratal  ift  gugtei*  ber  Sinn  ber  föeligiofttät;  ba« 
religiefe  Gefühl  al«  folche«  ift  baher  iebenfall«  in  gutem  3)kße 
»orhanbcn;  ob  aber  £err  Ä.  eine  fetbftbewufcte  reügiöfe  Dichtung, 
einen  feftgcftelltcn  religtöfen  (Glauben  ^abe,  hängt  baoon  ab,  ob 
unb' tele  bie  Denffraft  fich  mit  bcm  religiöfen  ®efühl  abgefunben 
ober  ausgeglichen  h«t.    (Daher  ber  häufig  bemerfte  SBechfel  ber 
9lnfichten  über  Religion  bei  einem  unb  bemfelben  SDfenfchen  in 
oerfchiebenen  £eben«perioben ;  benn  bie  Sharafterjüge  al«  folchc 
finb  unb  bleiben  in  jebem  Sftenfchen  fo  ziemlich  bie  nämlichen, 
aber  bie  Anfichten  fönnen  fich  änbern.)    Speratal  ift  ziemlich  groß, 
betnahe  fo  grojj,  wie  (Sautal;  obgleich  batyx  Der  ^haTa^er  cul 
forglicher  ift,  fo  wirb  boer)  bie  Sorge  in  $erm      nicht  ju  trüber 
Aengftlichfeit  bor  ber  3"*""^;  e*  toattet  vielmehr,  auch  but$ 
ba«  lebhafte  Temperament  unterftüfct,  eher  3uoerfichtli<hfeit  bor, 
welche  fich  *>eT  Sorgen  auch  bisweilen  entfchlagen  fann.  Da  Bonität 
jtemttdb  gro|  ift,  aber  Petita!  ebenfaü«,  fo  jählt  $>err  jmar 
ju  ben  guten,  aber  fetneSweg«  ju  ben  überguten,  b.  i.  fanften, 
weichen,  fdt)wachen  2)?enfchen,  fonbem  neben  ber*®üte  macht  fich 
bie  ®raft,  bisweilen  bie  £>eftigfeit,  ober  wo  e«  nötljig  ift,  bie 
burchgreifenbe  Strenge  geltenb.    Auf  ba«  jiemlich  grofje  3mitatat 
grünbet  fich  e*nc  flcwiffe  ßebhafttgfeit  ber  Darfteöung,  bie  Äunft, 
ba«  (Gefühlte  unb  (Sebachte  lebenbig  unb  anfehaulich  wieber  ju 
geben.    3n  bemfelben  9ttaße  ift  SWiraculital  borhanben,  gufolge 
beffen  ber  ®eift  nicht  gern  in  ben  Greifen  be«  Alltäglichen  ober 
$9efannten  fte^en  bleibt,  fonbem  eine  allgemeine  ©ißbegterbe, 
einen  3ug  nach  Ungewöhnlichem,  bleuem,  bielleicht  ©unberbarem 
geigt.    3bealital  ift  faft  groß;  ber  (Sharafter  be«  #errn  ge* 
hört  baher  nicht«  weniger  al«  ju  ben  profaifc^en,  troefenen;  ba« 
Streben  nach  Schönem,  liblem,  (Jrh^enem,  ^oetifchem  ift  ein 
borwaltenber  3"8  Ul  i^tn.   Dagegen  jählt  Jperr       weil  (Somi* 
catat  nur  mittelmäßig  entwicfelt  ift,  nicht  ju  Denen,  welche  e« 


Digitized  by 


WrenotogiiAe  (SfaraftmfHf. 


03 


lieben,  bie  Dinge  in«  tomifcfye  ju  jie^en,  ober  meiere  ficty  biet 
im  (Schersen  gefallen. 

2öa«  bie  «Sinne  be«  ©erftanbe*  ober  bie  Xalente  betrifft, 
fo  ift  bie  Harmonie  unter  itynen  aüen  eine  nicfyt  getoötynlictye  ju 
nennen,  mie  au«  bent  oben  angegebenen  Stfafie  berfelben  ju  er« 
fennen  ift.  iftietyt  nur  finb  bie  nieberen  $erftanbe«finne  unter 
fi#  im  ®lei(fymaBe,  fonbern  biefe  ©inne  im  fangen  genommen 
ftefjen  au$  mit  ben  Denffräfteu  im  befteu  (SHeidjgemicfyt.  Darau« 
folgt,  bajj  bie  ©rganifatton  be«  $errn  St.  ju  allen  ben  oerfd)ie= 
benen  menfcfyltdjen  ($eifte«tljätigfeiten  ober  $3eruf«arten ,  aber  ju 
feiner  berfelben  einfeitig  ober  auäfcfyltejjlitfy  gefcfyaffen  ift.  Docfy 
ift  Ijier  natürlich  nur  bon  ben  SßerftanbeSfräften  ober  ftäfyigfetten 
al«  folgen  bie  töebe,  abgefefyen  oon  ben  (Sefüljlen  unb  9cei= 
gungen,  meiere  un«  beftimmen,  benfelben  biefe  ober  iene  föicfytung 
ober  Slnmenbung  ju  geben.  Da  bei  §errn  bie  ©efüfyl«finne 
unb  in«befonbere  3bealital  fefyr  gut  entmicfelt  finb,  fo  mirb  er 
ni$t  eine  troefene,  gemütylofe  ®eifte«tljätigfett  lte*en  ober  mahlen, 
fonbern  eine  folc^e,  bei  melier  3bealital  unb  bie  übrigen  ©efitylS* 
finne  jugleicfy  tfyättg  finb  unb  ifyre  iöefriebigung  finben.  Söenn 
i<$  übrigen«  bem  Reifte  be«  £errn  ü.  eine  etnfeittge  9ti$tung 
ober  Jöefäfugung  abfpraety,  fo  gehört  bafyin  g.  53.  nietyt  bie  jur 
QMnemonif;  benn  eben  toeil  bei  biefer  Äunft  bie  fämmtlid^en 
®eifte«fräfte  in  gutem  2J?a§e  oorfyanben  fein  müffen,  fo  t&nnte 
mau  ifyn,  meil  er  biefe«  ®lei$mafc  befifct,  unb  befonber«  auefy 
mit  föücfficfyt  auf  fein  lebhafte«  unb  fetyneüfräftige«  Temperament,, 
einen  geborenen  üDinemonifer  nennen. 

Diefe  Organifation  be«  £>errn  t.  ift  barum  no$  befonber« 
intereffant,  »eil  fie  un«  gugtetc^  über  ba«  Sefen  ber  2ttnemonif 
«Kfftfof  giebt  «ietc,  meiere  bie  ®ebä<$tnipe^re  nity  n%r 
fennen,  glauben,  bafe  nur  Derjenige,  melier  au«naf}m«metfe  »on 
ber  tfiatur  mit  einem  aujjerorbentlidben  ®ebäcfctniffe  b^aht  fei, 
bie  üühiemonif  erlernen  ober  ©rofee«  barin  leiften  fonne.  Allein 
bie«  ift  nufyt  fo.  Obgleich  |)err  Ä.,  toie  3eber  meijj,  ber  ifyt 
geirrt  Ijat,  in  ber  ®ebäc$tntBfunft  ba«  ^lußerorbentlicbfte  leiftet, 
fo  läjjt  fiefy  boeb  mit  ©efttmmtljeit  behaupten,  baß  er  feine  Äunft 
uicfyt  einer  be fonbern  s)caturanlage  oerbanft,   unb  baß  fefyr 

4 


Digitized  by  Google 


64 


^rcnologiföe  <5&ara!terifHt. 


oiele  Sftenfchen,  welche  jefct  nut  ein  getoö^nttd^c«  ®ebä<htnt§  be= 
fifeen,  ebenbaff  elbe,  nrie  er  (elften  mürben,  wenn  fie  bie  ®ebäcfyt= 
ni§funft  fo  toie  er  erlernt  unb  geübt  Ratten.  Denn  fein  (ginjel* 
finn,  meber  SBerbotal,  noch  ^umeratal,  noch  Realität  :c.  ift  bei 
it)m  befonber«  grofe,  alfo  (einer  ber  @tnne  befonber«  ftarf,  roefd^c 
ein  große«  ßinjelgebächtnifj,  Söort*,  3ahlen*,  ^a^engebä^tniB  k. 
begrünben  mürben.  9)Ut  einem  ©orte  alfo,  baS  2taturge  = 
bäc^tnife  bei  §erm  ift  nach  allen  einjelnen  Dichtungen  nur 
ein  gewöhnliche«  unb  feine  @tärfe  ift  allein  fein  #unftge  = 
bächtnifc. 

Söenn  jebodt)  fo  bie  beftrittenc  ftrage,  ob  bie  SDhiemonif  im 
Allgemeinen  bon  Sebermann  mit  (Srfolg  erlernt  »erben  fann,  nur 
bejaljenb  ju  beantworten  ift,  fo  fann  e$  anbererfeit«  nicht  jmei* 
felljaft  fein,  ba§  ber  eine  SWenfdt)  oerm&ge  feiner  natürlichen 
®eifte$befchaffenheit  oiel  mehr  Ealent  ju  biefem  ©tubium  hat,  al« 
ber  anbere,  unb  ba  bie  Phrenologie  allein  hierüber  nähern  2(uf= 
fchluft  geben  fann,  fo  mögen  bie  gur  Erlernung  ber  SThtemonif 
erforberlict)cn  ©eifteSetgenfchaften  ^ier  fürs  befproc^en  unb  fo  ben 
fielen,  welche  ftch  an  ben  Seiftungen  beS  £>erm  B.  unb  anberer 
Sftnemonifer  ftaunenb  ergeben,  für  ihre  Sünfche,  Sehnliches  felbft 
ju  leiften,  baS  £>oroffop  geftellt  werben. 

33or  Allem  fommt  tyier  mehr  bie  Söef chaf f enheit,  als 
bie  (Sröfce  bcS  ®ehtrnS  (mehr  bie  tfebenbigfett  unb  ©eweglichfeit, 
als  bie  Stärfc  ober  baS  SJielfaffenbe  beS  (SeifteS)  in  Betracht. 
(Sin  SRenfch  langfamen  Reifte«,  ein  $$UglttariteT,  unb  wenn  er 
noch  fo  talentooll  wäre,  wirb  boch  weit  weniger  jur  (Erlernung 
ber  2ttnemonif  getieft  fein,  als  ein  <3anguinifer  ober  §hofettf«/ 
wenn  biefer  auch  an  fich. Heinere  Organe,  geringere  Xalente  be* 
fäfce.  §err  würbe  in  ber  Aneignung  unb  wirb  jefct  in  ber 
Ausübung  ber  ©ebächtnif fünft  burch  ein  fehr  lebenbigeS,  fangui* 
nifch-neroöfeS  Temperament  gan$  befonberS  unterftüfct. 

ferner  wirb  jur  Erlernung  ber  2ftnemonif  3ugenb  (ein 
noch  bilbfamer,  elaftifcher  3uftanfe  ®ehtrnS)  erforbert.  3n 
oorgerüefteren  Sahren,  im  bollenbeten  SWanneSalter,  fann  man 
fich  wohl  leicht  neue  $enntniffe  (»ie  bie  Regeln  ber  üttnemo* 
nif),  aber  biet  fehlerer  neue  f^ertigfeiten  (wie  bie  Antuen* 


Digitized  by  Google 


^reiiologifäe  C&aralteriflif.  05 

bung  jener  Regeln)  erwerben.  3ebod?  barf  man  nicht  oergeffen, 
bafe  e«  bisweilen  Scanner  unb  Jrancn  fdwn  in  mittleren  Sauren 
oon  noch  fo  großer  geiftiger  3ugcnb  giebt,  bafe  fie  beim  (Erlernen 
ber  2)fnemonif  bie  leibliche  3ugenb  faum  oermiffen  würben. 

(Silt  weitere*  wefentlichea  (Jrforberntfj  für  ben  genannten 
3n>ccf  ift  außer  einer  nicht  mangelhaften  Üntwicfelung  ber  fämmt* 
liefen  Sßerftanbeäfräfte  befonber«  ein  wenigftend  jiemltcb  gute« 
SDtaß  be$  (Somparitat  (bc«  oergleichenben  ScharffmnS,  hrie  ®all 
ed  genannt),  b.  i.  beteiligen  Sinne«,  weld;er  und  ?lelntltcfyfeiten 
unb  3?er[^ieben^eiten  ber  ^Dinge  leicht  bemerfen  unb  auffinben 
läßt.  £)enn  bie  ganje  ®ebächtni£funft  beruht  fyauptfäcfyüd)  auf 
ber  fchnellen  unb  glücflicben  ütfcrgleichung ,  ober  auf  ber  Sbtffbt« 
bung  ber  2lehntid?feit  unter  ben  fingen  unb  Gegriffen.  95Me 
alle  übrigen  Sinne,  fo  ift  aud;  biefer  bei  ben  einzelnen  2ftenfchen 
in  fehr  oerf^iebenem  üflafce  oorhanben.  x3ft  er  fchwacb,  fo  eignet 
fid?  ber  2ftenfch  wenig  $ur  Erlernung  ber  2ttnemonif,  er  mag  in 
einzelnen  anbern  ©ejielnmgen  mit  noch  fo  guten  Talenten  au«* 
geftattet  fein. 

(Sin  lefcte«,  aber  nicht  ba«  unmichtigfte  Qrrforbernife  ift  ein  • 
tüchtiger,  beharrlicher  $  l  e  i  ß  in  ber  Uebung  ber  ÜRnemonif .  Sie 
ba«  Spielen  eine«  mufifatifchen  3nftrument«,  fo  lange  toir  noch 
feine  ^ertigfeit  bartn  erlangt  h^en,  ttltf  feinen  ©enufc  gemährt, 
fonbern  burch  Schwerfälttgfeit  ba«  Ohr  unangenehm  berührt,  fo 
gewährt  bie  $enntnife  ber  Theorie  ber  2flnemonif  noch  feinen 
praftifchen  Erfolg,  feinen  befriebigenben  ®enufc,  fo  bajj  Stiele, 
weit  ihrer  Ungcbulb  bie  Slnwenbung  ber  Regeln  alljufchwer  unb 
mühfam  fcheint,  bie  ganje  Sehre  al«  unpraftifch  oerwerfen.  Qrrft 
bann  fann  bie  2)cnemonif  lolnienb  unb  mahrhaft  nüfctich  fein, 
menn  bie  babei  erforberte  fel)r  bebeutenbe  ®ctfte«arbett  burch  Uebung 
eine  gleichfam  nnmillfürliche  geworben  ift. 

SBenn  mir  alle«  £)iefe«  gufammennchmen ,  fo  merben  mir 
und  nicht  munbern,  baß  oon  ben  fehr  25ielen,  meldte  bie  üDhie* 
monlf  burch  Vorträge  ober  burch  ba«  Öefen  eine«  2öerfe«  fennen 
lernen,  nur  fehr  Söenigc  fich  biefelbe  311  einem  befriebigenben 
(Gebrauch  aneignen,  menn  auch  ^  cent  ^inen  mehr  ber  eine, 
bei  bem  Slnbern  mehr  ber  anbere  ber  genannten  ®rünbe  mirft. 

6  <t>  e  ö  e ,  ^cenoloflif «c  »Über.  3.  Kuß.  5 


1 


Digitized  by  Google 


66  ^breuolofliföe  GfaraftcrifHf. 

@S  ift  bie«  gu  bebauern  gegenüber  bem  Ijofyen  ®rabe  bon  SSor* 
treffltcfyfeit  unb  Grinfad(>beit ,  auf  ben  bie  SDhtemeitil  in  bet  neue» 
ften  3ett  »on  SReoentlom  unb  tfotljc  gebracht  morben  ift,  fo  ba{? 
au«  biefer  Sefyre  ein  großer  9?ufeen  für  bie  Erlernung  aller  ber 
Dielen  £>inge,  bie  man  jefct  im  l'eben  311  lernen  Ijat,  Ijencorgefyen 
mürbe.  @«  giebt,  hrie  mir  fdjeint,  nur  einen  SBeg,  bie  Üftne* 
moitil  praftifd?  nfifclicö  gu  madben  unb  allgemein  ju  verbreiten, 
nämlicfy:  fie  in  ben  Stuten  311  teuren.  Unb  bagu  mirb  e«  au<$ 
metleicfyt  noefy  fommen,  ba  ba«  mafyrljaft  ®ute  früher  ober  fpäter 
feine  Slufna^me  finbet.  4öci  roöcfyentlidb  einer  l'eljrftunbe  fönnten 
ba  im  Verlaufe  weniger  Saljrc  aujjerorbentlicfyc  (Srfolge  erhielt 
merben,  unb  ntct)t  nur  bie  beften,  fonbern  fdjon  gemölmlicfye  Stüter 
mürben  e«  baln'n  bringen,  roolu'n  mir  e«  in  biefer  ftitnft  iefct 
nur  bon  berühmten  SJinemonifern  gebraut  fefyen.  £>abei  fommt 
uoety  ein  mtcfctiger  ^un!t  in  «etracfyt.  Söäfjrenb  bie  gemöfmlid^e 
SWettyobe  be«  mec$anifd?en  2tu«menbiglernen«  leidet  ben  (Steift, 
bie  £)enfrraft  fcfytoäctyt,  fo  ift  ba*  2krgleid?ung«oermogen  ober  ber 
loergteicfyenbc  Scbarfftnn,  melier  fcorgüglicty  in  ber  aftnemomt 
.  geübt  uürb,  ber  l;auptfä$ltd;fte  23eftanbtl)ctl  be«  menfdjlictyen 
£)enfoerm&gen«  unb  33erftantc«  überhaupt,  unb  e«  ift  alfo  bie 
Uebung  in  ber  üßnemonif  gugleicfy  eine  Uebung  berjenigen  $er* 
ftanbe«fräfte ,  melcfyc  mir  gur  Sluffaffung  unb  ^Beurteilung  aller 
miffenfcfyaftlicfycn  Ü)ingc  bor  Willem  gebrauten.  2Bic  bie  3)iat^e- 
matif  ben  (Seift  feft,  beftimmt,  logifcb  ma$t,  fo  madjt  bie  2)iue= 
monif  ben  ®etft  tebenbig,  umfidjtig,  oielfeitig. 


9ttein  lieber  §err  Dr.  ©cfyebe! 

Sic  münfcfyen  ba«  SRefuttat  3fjrer  an  mir  torgenommenen 
pljrenologtfcbcn  Unterfudjung  ber  Deffentltcfyfeit  31t  übergeben.  3$ 
fyabe  bagegen  fcfyon  be«fyalb  nic$t«  etngumenben,  meil  Sfyre  £)ar* 
legung  einen  rein  miffenfcfyaftlidfjen  ftioed  berfolgt  unb  überbie« 
gang  geeignet  ift,  ba«  noefy  immer  in  meiten  Greifen  fyerrfcfyenbe 
SSorurt^eil,  al«  bebinge  bie  Sflnemontf  ein  fetyon  bon  Dcatur  bor= 


Digitized  by  Google 


^rcnotogtföe  G&ataftcriflif.  67 

treffliche«  ®ebäd}tni§,  stemltcfy  Hat  ju  hriberlegen.  3fyre  ©ctyäfeung 
ber  an  mir  entbetftcn  Steigungen,  ®eifte$finne  unb  latente  fcf>ctnt 
mir  naety  forgfamer  Prüfung  im  2l((gemeincn  eine  fo  richtige  unb 
genaue,  ba§  id)  föon  fytcrnacfy  einer  ffitffenfd&aft ,  bie  fo  in  bie 
Siefen  beft  menf$(i$en  Reifte«  einzubringen  »ermag,  eine  nt$t 
unbebeutenbe  3ufunft  nmnfc&en  mu§  unb  au#  Probeseiten  311 
bürfen  glaube. 

«ufrt^tifl  ber  3f>rige. 

ipermann  $ottye. 


Digitized  by  Google 


VIEL 

})|ijcftofogic  und  ^hrcnofogic. 

3um  ©eginnen,  jum  Soüenbeit 
Sirfel,  lölei  unb  SBinfelroage ; 
tod)  e*  flocft  unb  ftarrt  in  $änben, 
Seiltet  ntdit  bct  Stern  bem  Xagc. 

®oetf»e. 


1,   Per  |ll)ilofopl)  ftofenhranj. 

@S  ift  anjietyenb  unb  beletyrenb,  bie  begebenen  Urt^cife 
ber  beulen  ®etefyrten  über  bie  ^fjrenofogie  fennen  ju  lernen. 
SSäljrenb  natürlich  alle  ^fyrenologen  über  bie  $>aupttoa{jrfyeiten 
tfjrer  ©iffenfcfyaft  —  einer  Sßaturtoiffenf^aft  —  übereinstimmen 
unb  übereinftimmen  müffen,  fo  geljen  bie  2lnft<tyten  atter  Gegner 
biefer  £el)re  feljr  toeit  auSeinanber. 

(Sin  in  feiner  Slrt  merfmürbiger  Gegner  ift  ber  berühmte 
§egelianer  föofenfranj.  tiefer  beginnt  fein  Urtljetf  über  bie 
^renofogie  in  feinem  £anbbucfy  ber  (SetfteSfefyre  (@.  192)  fo: 

„$)en  ®etft,  bie  abfolute  £tjäügfeit,  in  bem  tobten  $nocfyen 
fua^en  ju  tootten,  ift  ba«  2Btberfprea>nbfte ,  loa«  gebaut  toerben 
fann,  aber  biefer  3ufantmenfyang  beruht  barauf,  bajj  ba$  Serben* 
Aftern  ber  Präger  be«  Reifte«,  unb  in  tym  ba«  ®e^irn  beffen 
Stütze  ift.  Da«  ®e^im  ift  nichts  unberänberli<$  ftefteS.  Die 
£trnfd)a(e  beränbert  ft<$,  wie  bie  oergtei^enbe  Anatomie  geigt, 
jugteidb  mit  ber  SSeränberung  ber  §irnbilbung.    Da  nun  ber 


Digitized  by 


^fad&oIoQie  uub  «Phrenologie.  69 

2)?enf#  bte  ganje  ftatltt  ausmalt,  fo  bereinigt  aud?  fein  ®el)itn 
alle  Organe,  melcfye  bei  ben  Rieten  in  etnfettiger  ©ctyrefffyeit 
auftreten.  Der  Sanberfinn  ber  3ngt>ßget ,  bie  9ca$aljmung«luft 
be«  Slffen,  bie  graufame  ©efräftfgfeit  ber  föaubtyicre  u.  f.  f.  brüeft 
fi$  in  ifyrer  £irnbttbung  cutfettig  au«,  unb  toirb  atfo  bei  ben 
3ttenfc$en  fiefy  in  ä'fynlicfyen  33ilbungen  barftellen.  Der  2ftenfcty 
ift  bem  SEtfenfd^eitSbegriffe  naefy  unenblicty,  aber  als  Gjin^elroefen 
ift  er  befcfyränft,  unb  gtoar  ift  e$  bie  Sftatur,  meldte  iljm  beftimmte 
®ren$en  anroeift.  (Sin  3ebcr  empfängt  befonbere  Anlagen  al$ 
angeborene ;  feine  grreiljett  fann  biefelben  meljr  ober  toeniger  aufc 
bilben,  aber  rceber  bernidbten,  noefy  anbere  an  iljre  «Stelle  fefcen. 
Der  Sdjäbel  ift  in  ben  erften  Sinberjatyren  bor$ügli(ty,  allein  auefy 
fpäterln'n  noefy  ir-eid?;  ber  fuocfyen  erhärtet  biHlig  erft  mit  ber 
bßüigen  9feife  ber  Sttannbarfeit.  Unftreitig  ift  nun  ba8  ®eljtru, 
biefeS  fo  forgfältig  in  ben  ftelfentempel  be«  Scfyäbet«  eingegoffene, 
fo  mannigfaltige  Organ  niebt  auf  jebem  fünfte  in  feiner  SBirf* 
famfeit  baffelbe.  Die  Xtyätigfett  beS  Reifte«,  fo  f^ttefet  man, 
roirb  fiefy  atfo  natfy  ifyrer  23erfd)iebenl>ett  auefy  entfprecfyenb  in  ben 
begebenen  feilen  be«  ®efyim$  äußern.  2(ber  bur$  bie  £f>ä= 
tigfeit  üurb  ein  Organ  ftärfer.  ftelglicfy  toirb  bie  §trnfcfyale  burefy 
bie  (Srftarfung  eine«  iljrer  Organe  beränbert  werben,  eine  S3er= 
änberung,  toelcfye  nur  bie  ^orm  einer  (Srfyöfyung  annehmen  fann. 
Der' in  fiefy  müfjlenbe  ($eift  toirft  einen  „2ftautnmrffyüge("  nadj 
bem  anbern  auf.  Durcfy  bie  Grrlje'Ijung  entfielt  unmittelbar  auefy 
eine  Vertiefung,  unb  e$  fommt  fomit  barauf  an,  au«  ben  Hebungen 
unb  Senfungcn  ber  §irnfcfyalc  bie  Anlagen  eine«  2ftenfc$en  unb 
ben  ®rab  i^rer  SluSbilbung  ju  erfennen.  —  5Bon  Seiten  ber 
t>ergleic$enben  2(natomie  unb  ^fyfiologte  §at  bte  ^fyrenofogie  ifyr 
bollfommene«  föed)t;  benn  bie  3unal)mc  ber  geiftigen  ftätjigfeiten 
unb  bie  25erf(^iebenr?eit  berfetbeu  in  ber  ©eftaltung  ber  Äo^ötjte, 
atfo  eine  ©ebeutung  ber  Crrljityungen  am  grogen  ober  Keinen 
®efyiro,  lägt  fiety  nid&t  leugnen." 

5öenn  ber  ^renotog  feine  2ötffcnfd)aft  mit  furjen  Sorten 
erftärenb  unb  bertljeibigenb  «f^ilbem  mottle,  er  fönnte  e«  faum 
beffer  tljun,  als  e«  fyier  bon  SRofenfranj  gefetyeljen  ift.  Mein 
$ofenfran$  bleibt  nidtyt  feft  bei  biefem  feinen  Urteil  ftefyen,  fo 


Digitized  by  Google 


70 


"Pfadjologie  unb  ^Phrenologie. 


entbieten  c«  a\v$  tautet.  Crr  ift  Wtofopl),  unb  at«  foteber 
fennt  et  ettoa«  .^öfyere«,  at«  bte  oergteicfyenbe  Anatomie  unb 
^fytyfiotogie,  in  ber,  hrie  er  gittert  fagt,  bte  ^tjrenotogie  ityr 
fRed^t  f^at.  £)icfe«  §öfjere  W  Unfcfylbarfcit  feinet  Seattle, 
feine«  @tyftem«.  er  Wrt  nämlich  unmittelbar  na*  ben  mitge* 
ttjeitten  Sorten  fo  fort: 

„Unb  bo#  fagt  £eget:  bie  ^ftognonuf,  oollenb«  aber  bie 
trantoffopte  gu  Siffenf  duften  ergeben  511  motten,  ift  einer  ber 
leerften  (Einfälle,  bie  e«  geben  tonnte,  nod>  leerer  al«  eine  signa- 
tura  rerum,  toenn  au«  ber  ^cftalt  ber  $ffott)en  ihre  £eilfraft 
erfannt  werben  foüte.  Slucf)  in  ber  ^fjänomenologic  hat  £egel 
ein  tauge«  fymnoriftifctyea  Kapitel  bagegen  getrieben. " 

SKofenfrang  ficht  jefct  gtoifchen  ber  bon  ihm  eben  al«  tvcfyU 
begrünbet  anerfannten  ^^renotegic  unb  gtoifchcn  bem  2lnfeben 
feine«  9)?ctfter«,  ber  bicfelbc  fpottcnb  bernnrft  —  rathle«,  folitc 
man  meinen  —  mitten  inne.  9Illein  tiefe  Stellung  giebt  ihm 
Mo«  (Gelegenheit  gu  geigen,  toa«  bie  ^fn'tofovfjie  bermag :  nämlich 
Stile«,  hm«  fie  null.  (Denn  bie  sWlofopl)ie  (in  ber  fchltmmcn 
©ebeutung)  ift  ba«  gerabc  ©cgentheil  ber  Scaturmiffenfchaft, 
weit  nicht«  in  ihr  feftfteht,  roeil  man  barin  Stile«  behaupten  unb 
Glicht«  bereifen  fann.  SKofenfrang  beeilt  ftch  bal;cr  lieber  gut 
gu  machen,  toa«  er  gegen  feine  (Schule  gefegt.  £>iefcr  guge* 
ioenbet  erflart  er,  bafe  bie  gu  fünften  ber  ^renotogte  bon  ihm 
gesprochenen  Sorte  nicht  fo  gu  terfte^en  feien,  toie  fie  tauten, 
unb  bekräftigt  biefe  Behauptung  bttreh  $licfe  ber  ®crtngfchä£ung, 
bte  er  auf  jene  gurücfunrft.  §ier  einige  Säfce  au«  föofenfraug' 
weiterer  SRebe. 

„$)er  ®runbmanget  ®alf«  unb  Spurgheim'«  toar  ihre  jäm* 
mertietye  ®eifte«lehre  unb  ^^ilofop^ie ;  man  fann  in  ber  £l)at 
nicht«  SBcrnurrterc«  unb  (Seichtere«  benfen,  al«  biefe  gang  äußer* 
ttche  3crftücfelung  ber  geiftigen  ftähigfeiten,  welche  man  auf  ben 
gebutbigen  ©dhäbelfnochen  ocrttjeilte."  Oben  fpricht  föofenrrang 
fetbft  bon  bem  Sanberfinn  ber  3ugbögct  (£)rt«finn),  ber  9iach= 
ahmung«luft  ber  Slffcn,  ber  (Sraufcmtfcit  ber  föaubthicre  (3er» 
ftBrung«finn) ,  welche  bie  ^^«notogie  at«  ©runbbermogen  mit 
ihren  Organen  nachgewiefen  ffat.    3n  biefen  wenigften«  finbet 


Digitized  by 


«ßl'tydjofogie  unb  ^renofogic. 


71 


er  iilfo  nicfyt«  Söcttpirrte^  unb  Seilte«.  3htb  aber,  frage  ttfy, 
bie  übrigen  pljrenotogifdjcn  Jßermogen  anberer  Statut?  iföer 
fSnnte  in  ber  9cad;n>cifung  eine«  93erm&gen«  ber  Äinberticbe, 
ober  be«  tampffinne«,  be«  ßrtoerbtriebe« ,  be«  Sofjuootten« ,  be« 
Sonfume«,  be«  ftarbenfinne«  *c.  ®ruub  futben,  GM  unb  ben 
^fyrenologen  ^erhurrt^ett  unb  Scictytfyeit  oor$muerf en  ? 

3ebo$  9fofeufran$  geljt  nocfy  näfjer  auf  feinen  $orh>urf  ein, 
inbem  er  ein  «eifpicl  nennt.  „Sie  foüte  3.  53.  —  fagt  er  — 
ber  (^röfienfinu  unb  ber  3afy(enftnn  befonberc  Organe  für  fid) 
Ijabcn,  ba  bedj  bic  ntc^tö  anbere«  ift,  al«  bie  bcftimmte 
©rftfje?"  tiefer  Qrintuaub  ftingt  fcfyarffmnig ,  aber  biefe  5(rt 
Scfyarffinn  ift  in  ber  ^fyrcnotogtc ,  einer  9faturuuffenfcfyaft,  ofyne 
(Geltung.  Sottten  SKofenfranj  nicbt  au«  ber  ®efd)icfyte  ber  9?atur- 
nnffenfcfyaft  biete  ftätfe  befanut  fein,  100  bie  sJiatur  ber  fc^arf* 
finnigften  53orau«fefcungen  ber  s}tyUofepI)en  gemottet?  Den  2cfy 
rem  finb  bic  23eifptcle  nicfyt  fremb,  100  ein  ßitabe  ein  grofcc« 
9?ccfynenta(ent,  aber  ein  geringes  Xatent  für  geometrifdje  Stubien, 
ober  umgefefyrt,  fjatte.  (Sin  armer  $nabc  in  <£nglanb,  erjagt 
Gombe,  &eidmete  fi$  burcfy  ein  ungeu>o(ntli$e«  föefytentaleut 
au«.  Einige  2tfenf$enfreunbe  untersten  Upt,  bamit  ba« 
latent  feine  Stelle  finbe,  unb  beftimmten  ifjn  sunt  Ingenieur- 
fad?.  (Sombe,  ber  ben  Knaben  pfyrenotogifcfy  unterfudjte,  fanb, 
baß  ber  3afy(eitfhm  ftarf ,  ber  Öreßenfinn  bagegen,  ber 
ba«  latent  be«  Ingenieur«  mit  bebingt,  fet)r  fdjtoacfy  euttoicfelt 
toar.  «eine  $orau«fagung,  bafc  ber  $uabc  ben  gehegten  (5r* 
Wartungen  nicfyt  entfprecfyen  toerbe,  ging  fo  n>eit  in  Crrfüt* 
lung,  baß  er  au«  fanget  an  latent  00m  3ngenieurfac§  ju* 
rücftrat. 

„$>ie  Sdjäbeüeljre  bergißt",  fagt  föofenfranj  toeiter,  „bajj 
ber  ®eift  e«  ift,  n>et$er  ben  9)?eufd)en  00m  £ljter  untertreibet, 
unb  bafj  er,  obfcfyon  ba«  (Sefn'rn  ifmt  bie  ^öebingung  feiner  @nt* 
nntfefung  ift,  baffetbe  bocfy  feine«toeg«  jum  ®runbe  feiner  £fyättg* 
fett  fyat.  £>er  ®runb  ift  »telmefjr  er  fetbft  in  feiner  einfachen, 
an  unb  für  fid)  oom  £)rgani£mu«  freien  ^erfönlicfyfett."  §ter 
nennt  9?ofenfran$  ben  ®eift  frei  oom  ®efyirn,  ofyne  toeitcrc  Qcin* 
fcfyränfung.   SDben  l)at  er,  ber  Sa^rt;eit  entfpre^enbcr,  gefagt, 


Digitized  by  Google 


72 


$fo$ofogte  unb  «Phrenologie. 


bafc  befonbere  Anlagen  angeboren  —  mit  bem  ($efyirn  gegeben  — 
feien,  baß  bie  ftreiljeit  btefelbett  mel;r  ober  weniger  auSbilben, 
aber  Weber  »ernteten,  noefy  anbere  an  iljrc  ©teile  fcfcen  fann; 
baß  ba«  ®efytrn  be«  2ftenfcfyen  alle  Organe,  welche  bei  ben  £l)tercn 
tn.einfeitigcr  Schroffheit  auftreten,  vereinigt,  ba§  bie  Grrfyityungen 
be$  (Munt«  unleugbar  iljre  ©ebeütung  Ijaben. 

„$>iefe  ftreifjett",  fä^rt  SRofenfranj  fort,  „mad?t  e«  Ult» 
mögü<$,  bie  einjelnen  Grfyityungen  be«  ©djrnbel«  unb  bie  unter 
ifynen  verborgenen  Organe  mit  ©eftimmtyeit  auf  bie  einzelnen 
(^eifteStf/ätigfeiten  $u  be$tefjen."  föofcnfranj,  ber  fid>  fyier  nidjt 
geiftreid^er  gu  Reifen  weif,  berfteeft  ftd;  hinter  ba«  Söort  „mit 
Sefttmmtljeit".  3lber  wenn,  wie  er  oben  gefagt  Ijat,  bie  ein* 
jelnen  Öeljirntljcile  it)rc  beftimmten  Verrichtungen  haben  (welche 
bie  (Srhityungen  be«  ©ä}äbel$  oerurfad/en) ,  fo  hat  e«  feinen 
©hm  ju  fagen,  baß  biefe  beftimmten  Verrichtungen  mit  33e^ 
ftimmthett  ju  erforfchen  unm&gltch  fei. 

„^a«  (Gehirn,  alfo  auch  ber  ©chabel,  jeigt  eine  Slelmlich* 
feit  mit  bem  ganjen  $Srper,  tote  mit  bem  3(ntlifc.  3m  Äflrper 
unterftbeiben  fich  Unterleib,  ©ruft  unb  ®opf,  als  bie  ©egenben 
be«  (dementen  ober  ©innltchen,  be«  ®emütf)lichen  unb  be$ 
©eiftigen.  (Sbenfo  gliebert  fich  ba«  2(tttlifc;  ba«  untere,  beweg* 
liehe  brüeft  bie  ©innlicbfeit ,  ba«  mittlere,  halbbewegliche  bie  ®e* 
mütf}Ud?fcit,  ba«  obere,  faft  bewegttngSlofc  bie  Ontelltgenj  für 
fich  au«,  ©o  ift  min  aud>  ba«  gittere  ®eln'rn  ber  ©tfc 
ber  ©innlichfeit,  ba«  mittlere  ber  ber  ®emüthlicbfeit ,  ba« 
oorbere  ber  be«  (Reifte«.  Soweit  fann  mau  nach  ^tc^n(icr)= 
feitäfcfylüfjen  mitgeben."  2lffo  (meint  SRofenfranj)  fotoett  bie 
©ad;e  auf  ber  offenen  £anb  liegt,  fotoeit  fte  fein  mühfame« 
^aturftubium  erforbert,  unb  man  am  ©tubirtifche  über  fte  ab* 
urteilen  fann,  fo  toeit  fann  man,  b.  I).  föntten  nur  ^lu'fofo^en, 
mitgeben.  <£x  bergtfct,  baj?  er  oben  fchon  oiel  weiter  mit* 
gegangen  ift. 

„3n  (Snglanb  unb  ftranfreich  madjt  bie  bort  fyerrfd?cnbe 
Wieste  ^eifteöle^re  ba«  Slnfe^en  ber  Senologie  erflärlich." 
Ober,  fo  meine  ich,  in  SDeutfchlaub  erflärt  ber  flechte  3ttftanb 
ber  ®eifte«lefyre  ben  Äampf  gegen  bie  ^renologte. 


Digitized  by 


<Pfbchelogte  unb  ^renologte. 


73 


„So  geregt  nun/  fo  frf>lie^t  Sfofenfranj,  „ber  Äampf 
gegen  bie  flranioffoptc  ift,  trenn  fic  auf  bie  3 ufällig leite« 
ber  Schäbelbifbung  fich  grünbet,  fo  nurb  boch  baburch  bie  all* 
gemeine  Wahrheit  berfelben  nicht  aufgehoben."  Unter  btefer 
allgemeinen  ©afyrfjeit  rerftel;t  SKofenfranj  jene  $)reirt?eilung  be« 
(MehirnS.  9tofenfr<mg  [teilt  fyter  auffallenb  uulogifch  ba$  „3Us 
faütge"  unb  baS  „  Allgemeine"  cinanber  gegenüber.  (5r  hätte  bem 
Allgemeinen  gegenüber  rom  ©ef  onberen  fprec^en  müffen.  £)a$ 
Allgemeine  mufc  aber  fein  SBefonbereS  ^aben,  es  beftefjt  ja  auf 
ümt.  $)a«  Befonbere  ift  bafyer  um  nic^tö  zufälliger,  als  baS 
Allgemeine.  Unb  maß  ift  in  unferem  ^all  baS  33efcnberc  anbere«, 
als  toaS  SRofenfranj  oben  SSanberfinn  ber  3ugbßgel,  Wafy 
afmtuugSfuft  ber  Affen  2c.  nennt? 

((StnigeS  mi)m  über  SKofenfranj,  treiben  ich  fpäter  in 
Königsberg  perfönlich  fennen  ju  lernen  baS  Vergnügen  hatte, 
unb  treuer  meiner  Grinlabung  an  ihn,  meine  SSorlefungen  $u 
befugen,  freunbltd)ft  entfprad?,  f.  in  meinen  ,,^renol.9MfebiIbern\) 

2.  din  (Belehrter  ber  Sdjroei?. 

3n  St.  ©allen,  roo  id?  bor  fchr  sa^tretc^en  3uljBrem  über 
^Phrenologie  Vorträge  fydt,  braute  ber  „(fahler"  bom  5.  £)ct. 
1849  folgenbe  3eilen  oon  einem  ungenannten  Sßcrfaffcr,  tote  td? 
fpäter  erfuhr,  *t>on  einem  geachteten  (belehrten. 

^renofogifc^ed.  Dr.  Schere  hat  toorgeftem  einen  33or= 
trag  über  trantoffopie  gehalten,  in  welchem  er  biefeS  Stubium 
nicht  nur  als  eine  intereffante  naturgefchichtlichc  (Suriofität  ober 
Sammlung  oon  mehr  ober  minber  erflärten  Beobachtungen  bem 
vJ3ubltfum  empfahl,  fonbern  es  otelmehr  rerfünbigte  als  eine 
„ßntbeefung",  eine  „3J?ethobc",  als  bie  gefchmähte  unb  »erfolgte 
Jöahrheit  felbft.  Schäbellehre  foll  gleichbebeutenb  fein  mit  Seelen* 
lehre  unb  9)?enfchenfenntni§.  $>ie  bisherige  Söehanblung  ber 
^fhchologte  als  eine  ber  moralifchen  Sföiffenfchaften  nntrbe  Stuben- 
gclehrfamfeit  unb  Spcculation  genannt  (obwohl  ^Phrenologie  ohne 
^hilofophte  gar  feinen  Sinn  i)at,  unb  irährenb  i^reö  furjen 
33eftehenS  felbft  fchon  oielerlei  Styfteme  erlebte).  2öir  haben  uns 
babei  umoillfürlich  erinnert,  baj?  ^Srofeffor  Scfceitlin  faft  30  3ahre 


Digitized  by  Google 


74 


^fo(§dogie  unb  ^renologie. 


$fty$otogte  at«  ein  i'iebling«fach  in  ©t  (hatten  geteert  hat,  unb 
$toar  auf  bie  eruüfmte  hergebrachte  Seife;  beim  er  war  nicht 
^hrenclog.  Der  gegenwärtige  Öe^rer  ber  ^ilofop^te  am  ©tun* 
nafiiun  foll  fein  ^fjtenolog  fein,  unb  feine  Schüler,  fall«  folche 
^hörten,  werben  ficf>  oernmnbert  &aben,  ilm  al«  einen  ft«C, 
ber  fpeculirt  (nach  ©oetfje'«  2lu«brucf),  auf  bie  bürre  £eibc  ge- 
fegt m  fehen.    3n  ber  $anton«fchule  richtet  man  fogar  einen 

neuen  Cur«  ber  s^h^°f°V^e  c^en  Kfet  em/  unb  $er*  Defan 
(Greith,  ber  bie  ^fbchologie  ju  lehren  gebenft,  ift  unfere«  KBiffen« 
auch  iiufyt  ^hrcno^Ö-  SlUc«  umtäte  Arbeit,  nach  £>errn  behebe ! 
2)?an  glaubte  eben  bt«jefct,  ba«  pftychologifche  Material  laffe  fich 
au«  Beobachtungen  an  fich  felbft  unb  bei  2{nbern,  au«  ($eberben, 
Sorten  unb  Söerfen,  ferner  in  3rrenhäufern  unb  Strafanftalten, 
au«  ber  $ef<$ichte  unb  ben  Dichtem  fchöpfen  (nicht  gerabe  immer 
mit  ben  ftingerfpifeen,  fonbern  mit  offenem  Öeift,  Ofß  unb  2tuge), 
unb  müjste  bann  rationell  verarbeitet  fein.  Unb  toer  hat  un« 
gelehrt,  bie  3ugenb  naturgemäßer  unterrichten,  bie  Verbrecher 
richtiger  beurteilen,  bie  3rren  vernünftiger  behaubetn,  tooburch 
hat  ber  £e£en*,  ®eifter*  unb  £eufel«glaube  aufgehört?  Durch 
bie  gemeine  ^ftychologte,  toeber  burch  ®all  noch  burch  Spursheim. 
Dürfen  n>ir  cnblich,  at«  Schweiber,  nicht  auch  baran  erinnern, 
bajj  ber  SKuhm  einiger  unferer  größten  Schriftfteller  in  ber  ge* 
meinen  Seelenfenntnifc  beruht?  2öir  nennen  nuc  ben  (Genfer 
Bonnet,  ben  Berner  Bonftettcn  (beibc  Schriftfteller  in  ber  $ftycho* 
logie),  SRouffeau  in  ben  (Sonfeffionen  unb  beut  Ghnil,  peftatojji 
in  allen  feinen  Schriften,  l'aoater  ben  $htyfi°a,nomen ,  Scheitltn 
in  ber  SC^ierfcelcnf unbe ,  &\ü}otte  in  ber  Selbftfchau,  ben  ächten 
pfbehologen  Bifeiu«  u.  %.  m.  deiner  biefer  SDiänner  gehört  jur 
3unft  ber  <ßhTCnol°a,ie.  alle«  bewerfen  roir  nicht,  al«  wäre 

etu>a«  bamit  gegen  bie  Phrenologie  gefagt,  oon  ber  Ijter  8ar 
nicht  bieföebe  ift,  unb  welche  bie  W?f^logen  beurteilen  mögen ; 
aber  warum  bleibt  biefe  (probtematifche)  Sehre  nicht  in  ihren 
(Deusen?" 

3ch  gab  hierauf  in  bemfelbcn  Blatte  bie  folgenbe 
„Entgegnung.   3m  borigen  Blatte  be«  Grr$ähler«  finbet 
fich  em  Keiner  Slrtifel  gegen  bie  ^J^renoto^ie  ober  gegen  meine 


Digitized  by 


Wtyctyofogie  unb  ^renologie. 


75 


Seife  ihrer  £>arftellung ,  au*  tem  id;  erfeljc,  tafe  im  Stofaffet 
ein  (Gegner  ber  ^Phrenologie  mir  baä  Vergnügen  gemalt  f;at, 
meine  erfte  2*orlefung  51t  befugen.  Senn  berfelbe  and;  meiner 
geseilten  Söitte,  bie  ganje  !Tarftellung  tor  einem  ju  gebenben 
Urteil  abzuwarten,  nicht  entfpwdfen  hat,  fo  ftimmt  bie*  bod; 
311  feljr  mit  ber  Seife  aller  Segnet  tiefer  ©tffenfäaft,  Welche 
biefelbe  näher  fenneu  511  lernen  fid;  nicht  leiebt  bie  SDMtye  nehmen, 
überein,  alt  bafi  ich  mtd>  befonberS  barüber  befchweren  bnrfte. 

ÜJJetn  (Gegner  —  ich  ^atte  il;n  lieber  mit  tarnen  genannt  — 
würbe  fid;,  wie  er  anbeutet,  gern  mit  ber  ^fyrcnologie  befrennten, 
wenn  biefelbe  nicht  ©eiftetfetyre  felbft  fein  wollte,  fonberu  neben 
ober  hinter  ber  $eifte$lehre  al$  Sdjäbellefyre  eiuherginge. 

2(llein  follte  mein  (Segnet  in  ber  Xfjat  nic^t  wiffen,  bafi  baä 
Sort  Phrenologie  51t  beutfeh  nickte  anbereä  al$  eben  ©elfte*« 
lehre  bebentet,  unb  baft  (Statt  unb  alle  folgenben  pl;renologen 
gegen  baß  ©ort  3rf;ätellehre ,  al$  eine  unrichtige  Ü>orftellung 
oon  ber  Siffenfd;aft  gebenb,  protefttrt  ^aben?  (CSaruS,  ber 
c inj  ige,  melier  fid?  felbft  33efenner  einer  ^anioifofcie  ober 
Sdjäbellefyrc  nennt,  ift  ein  (Gegner  ber  ^rcnologie.)  SHe 
fonberbar  ift  et  alfo  oon  meinem  ®egner,  mir  einen  Vorwurf 
barauS  ju  macben,  ba§  idf>  in  meinen  Vorträgen  lef;re,  bie  ^^reno* 
logie  fei  ba£,  Wafi  fie  fich  nennt,  eine  ®eifteälel;re ! 

Senn  nun  beibe,  fowol;l  bie  bisherige  ©eiftesslchre ,  al<5  bie 
ihr  entgegenfteljenbe  ^Phrenologie,  bie  w  a  1)  r  e  ®eifte$leljre  ju  fein 
behaupten,  fo  ift  bie  grojle  ftrage  bie,  welche  ber  beiten  bie 
wahre  fei. 

Natürlich  fehlt  mir  t?ier  ber  Ütaum ,  biefe  ftrage  erfd;öpfenb 
ju  erörtern.  ?Iber  wenn  id)  bie  bisherige  (^eifteälehre  eine  oer= 
fehlte  ober  niebt  wiffenfcbaftlidje  nenne,  fo  genügt  al«  öetoelfi 
für  biefe  Behauptung  eigentlich  fd;on  bie  eine  £f?atfa$e,  baji 
feiner  ber  bisherigen  ®etfte«forfcher  mit  bem  anbern  auch  nur 
in  ben  erften  $au))tf%it  ber  Siffcnfdiaft ,  in  ber  £ef;re  bon 
ben  ®runbbermi?gen  be$  Reifte«,  nbereinftimmt,  baj?  ber  eine 
mehr,  ber  anbere  weniger,  ber  eine  tiefe,  ber  anberc  jene  (#runt= 
oermtfgen  annimmt.  $)ie  **ß^reitclejjic  aber,  im  ®egenfafcc  ba- 
mit  unb  in  Harmonie  mit  allen  anbern  s7l  a  t  u  r  w  i  f  f  e  n  f  ch  a  f  t  e  n, 


Digitized  by  Google 


76 


!ßfo<$etogie  unb  ^rcnofogie 


ftimmt  fctite$tl)ui  in  aüen  £aubifä(jen  bet  Siffenfcr/aften  mit  fi$ 
fclbft  tiberein,  b.  i.  bon  ©all  an  fyat  fein  "ißljtenofog  anbete 
®tunbbetmegen  be«  (Mciftcö  angenommen,  al«  ber  anbete,  nüe 
bieö  ja  anc^  gat  ntdjt  mcgücfcj  toäte;  benn  e«  fommt  fyiet  ntcr>t, 
mic  in  bet  Mutigen  ®cifte«Iefytc ,  auf  ein  beliebige«  (pt;i(o- 
fopln'fcbe«  obct  fpecutatibe«)  Slnnefymen  an,  fonbetn  auf  ein 
bittet  bie  £fyatfacfyen  bet  Statur  gu  beftätigenbe«  Grntbecf  en  obet 
9luffinben  bet  cinjefnen  ®tuubbetm&gen.  Senn  einmal  ein 
©tunbbctm&gen  be«  ©eifte«  unb  fein  Otgan  butcfy  £aufenbe  bon 
£fjatfacbcn  als  foldje«  nacfc/gemiefen  ift,  fo  ift  e«  nicfyt  mäglicb, 
baj$  aucfy  nut  ein  einiget  untet  allen  ^tenotogen  übet  baffelbe 
abmcicfycnbet  Sfnficfyt  fei,  gctabe  fo  menig,  al«  e«  mtfglicb,  mäte, 
ba|  fric  ßfjcmifet  obct  bie  "ißtjtyfifet  übet  bie  ©tunbmafytfyctten 
itjtet  Siffenfcfyaft  betfcfytebenet  9lnfid?t  traten,  fyreiüc^  giebt  c«  aucfy 
befttittcne  fünfte  in  biefen  Siffenfcfyaften,  toie  aucfy  in  bet  ^ßljteno* 
(ogie,  abet  ben  ©tunbftocf  aüet  biefet  91  atuttoiffenf cfyaftcn 
biltet  eine  gto&e  £aty  feftfteljenbet  unb  unbefttittenet,  untet  allen 
ÜRännern  bom  $a$e  allgemein  al«  fold)c  anetfanntet  Saljtljeiten. 

Diefe  Uebctfegenljeit  bet  pljtcnologie  übet  bie  bi«^etige 
©eifte«lcl)te  tonnte  abet  meinem  (Segnet  ni<$t  unbefannt  fein. 
Sa«  tijut  et  nun,  um  bet  'pfytenologie  biefe  Uebetlcgenljeit  }tt 
nehmen?  (St  taufet  —  letbet  mufc  icfy  tfjn  beffen  auflagen  — 
ben  8efei  butcfy  eine  Untuafjtfyeit ;  et  fagt  nämücfy,  „bafc  bie 
sßl)tenologie  toa'tytenb  iljte«  futjcn  Söefteljen«  fcfyon  bieletlei 
Styftemc  et  lebte",  @«  giebt  nicfyt«  Unroaljtete«  al«  biefe 
33eljauptung.  £>ie  fiebenunbgtoanjtg  ©tunbbetmögen  be«  ©eifte«; 
unb  ifyte  Otgane,  bie  juetft  0>3all  entbecft  unb  nacfygennefen,  finb 
otmc  eine  einige  2tu«na(jme  bon  alten  folgenbcn  ^Ijtcnologen  al« 
in  bet  Saatbett  begtünbet  etfannt  unb  anetfannt  motben.  9hit 
nocb  einige  ©tunbbetmögen  mc|r  hmtben  nacfy  ©aß  entbecft. 
Ueberijaupt  giebt  e«  in  bet  Senologie,  mie  in  aßen  anbetn 
iUatutmiffenföaftcn,  unb  f  ann  e«  gat  feine  betfctyiebenen  «Sbjtcme 
geben,  meiere  in  ben  ©tunbroafytfyeiten  bet  SSMffenfcfyaft  bon  ein* 
anbet  abmieten,  liefen  ftulnu  bet  ©tyftemmatfyetei  unb  be« 
©tyftemtocct/fel«  fann  nut  bie  bi«^etige  obet  fpeeufatibe  Reifte«* 
(ef;te  füt  ftcr»  in  Hnftotucfy  nehmen. 


Digitized  by  Google 


^tydjologie  unb  Senologie. 


77 


2Ba$  nun  nodj  bie  berühmten  tarnen  betrifft,  mit  benen 

mein  (Gegner  bie  btäfyettge  ©cifteälefyte  mie  mit  einet  Scfyufemauet 

ju  umgeben  glaubt,  fo  ift  batübet  golgenbed  ju  fagen.    (5$  ift 

ein  gtojjct  Unter  fdtneb  $n>ifdt)cn  ber^öefetyreibung  unb  (Srflä* 

rung  ber  menfcfyUdt)en  ®eifte$tfyätigfeiten.    £cr  ©eifteSforfdjer 

(¥fo$olog),  tnbem  et  bie  ®eifte$tl>ätigfeiten  nut  betreibt,  ftetyt 

auf  bemfelben  Stanbpunft  mit  bem  £)id?ter,  bem  föomanfctyreiber, 

bem  £iftorifcr.    £)ie  bisherigen  ^ty$ologcn  nun  maten  gum 

£l;eil  «Weiftet  in  bet  «cfdjreibung  bet  ©eiftcStfjättgfeiten ,  abet 

fein  ein  5  ig  et  hat  bor  ®alt  bicfelben  su  etf  täten  bermoebt. 

9ttan  fuetyte  immet  unb  immet  nach  tiefet  Stflätung  (jebes 

fogenannte  ©Aftern  bet  bisherigen  ®eifte€teljte,  b.  i.  jebcS  neue 

Slufftetten  bon  ©tunbbetmögen  bc$  ®etftefc  mar  ein  folget  ä3erfudt)), 

abet  man  fanb  biefe  (Srfläruug  nicht  (jebeS  bet  ©hfteine  geigte 

fich  als  ein  betfefylteS).   £)iefe$  bergebtiche  Streben  nach  bem 

unerreichten  >Jiete  hat  Scbiüet  in  ben  Kotten  gefchtfbert: 
» 

Htteö  Witt  jefet  ben  2Hen[a?en  toon  3nnen ,  üon  Stuften  ergrünben ; 

Safyrfyeit ,  too  retteft  bu  bidj  l)'m  bor  ber  tüüt&enben  3agb  ? 
25iä)  ju  fangen  äie^en  fie  an«  mit  Wefcen  unb  (Stangen : 
4        2lber  mit  @eijte«tritt  fc^reiteft  bu  mitten  funbura). 

3a  ich  fonnte  meinem  (Segnet  eine  grofce  Stnjahl  berühmter 
^fo^elogcn  fetbft  nennen,  toetche  alte  taut  befragten,  ba§  bie 
®eifte«lehrc  fo  toentg  nnrflicheS  iBiffen  biete,  bajj  cä  an  bet 
@rflärung  bet  ®eifteäerf Meinungen,  5.©.  bet  Stbctfptücfye  im 
menfehlichen  ©emüt^e,  be$  tfyeiltoeifen  33töbftnn$,  be$  theiuueifeu 
2Bahnfinn$  u.  f.  m.  fehle.  (£rft  bie  ^fytenotogic  i)at  burch  bie 
Stuffinbung  bet  matten  ($runbberm&gcn  be$  ®eifte$  biefe  (Sx* 
ftäruug  gegeben,  unb  beSmegcn  batf  man  etft  bie  "ßljtenotogie 
bie  mahre  ©if f enf djaf t  be$  Reifte«  nennen. 

3dj  fann  biefen  Untetfdjicb  bc«  ©efe^teiben«  unb  be«  (St= 
f täten«  in  «inet  Üöiffenfchaft  meinem  (Segnet  burdt)  ein  4öeifpiet 
bietteietyt  noch  anf^auüd;et  machen.  ä$or  (Sopetnifu«  gab  e8  be* 
fanntlich  fd?on  eine  fogenannte  3öiffcnfc^aft  bet  3tetnfunbe. 
9Kan  beobachtete  bie  Setocgung  bet  £immetetotpet,  mau  fagte 
bie  ©onuen*  unb  iDionbfinftcrniffc  borau*,  unb  biete  gelehrte 


Digitized  by  Google 


78 


<ßfa($ofogie  unb  ^Phrenologie. 


9)tönner  ettoatben  fic^  großen  9iut^m  burcb  ihre  gorfchungcn  auf 
btefem  gelbe  bcS  ©iffen«.  2öar  aber  barum  bic  Sternfunbe, 
toctdje  beu  £>tmmet  unb  bie  8onne  fid^  um  bic  <£rbc  bretycn  lief;, 
eine  roafyrc  SB  i  f  f  e  n  f  d?  a  f  t  ?  Stein,  beim  bic  richtige  (S r f  1  ä r u n g 
ber  beobachteten  unb  betriebenen  £ha*1aaVn  fehlte.  Grrft  (io? 
pernifuS,  inbem  er  bie  Bewegung  ber  @rbc  um  bte  @onne  lehrte, 
gab  fo  bie  richtige  (£rf(ärung  ber  Xfyatjadjen,  erhob  fo  bte  Stents 
funbe  gur  Siffenföaft.* 

3.  SdjeiMer. 

SöcU  bte  ^fychologte  eine  pr>Uofo^l?ifc^c ,  feine  ^aturmiffen* 
fct>aft  ift,  fo  finb  atte  $fod>otogen  @tyftemattfer.  £tc  (äffen  fich 
im  Slügemetnen  in  ätoei  (Staffen  Reiten,  in  fetbftfa>affenbe  (ori- 
ginale) (Styftcmattfer ,  unb  in  foute,  toefche  fich  begnügen,  bic 
Söiffenfcfyaft  nach  befter  Sßahl  au«  bem  borgefunbenen  ©toff  bar* 
juftetten  (efteftifche  <Styftematifer).  2Bie  (eicht  $u  bermuthen, 
fommen  bie  ^ffychotogcn,  toenn  fic  nur  benfenbe  Männer  finb, 
in  bem  Sftafj  ber  28afjrljett  när)er ,  ober  beffer,  fc^toeifen  fie  in 
bem  SDZafj  weniger  rocit  bon  ber  2öa^r^eit  ab,  ate  fie  weniger 
original  finb.  Denn  reo,  wie  in  ber  ^ftycfyologie,  nict)t  bie  9catur- 
Beobachtung,  fonbern  bte  ©peeufation  bic  gührerin  ber  gorfdntng 
ift,  ba  giebt  e«  aueb  gegen  bic  ärgften  üBertrrungcn  ber  feffet- 
tofen  pjantafie  feine  Bürgfchaft,  wogegen  bie  toäfylenbe  Urtheil«* 
fraft  fote^e  Skrirrungen  leicht  erfennt  unb  bemteibet.  Ute  einer 
ber  wenigft  originalen  unb  babei  als  ruhig  berftänbiger  ©interna* 
ttfer  erfc^eint  mir  (Schetbler  in  feinem  SBerf  über  bie  ^fycho* 
togie  CDarmftabt  1833,  2.  2lu$g.).  £>tefe«  fann  ba^er  als  eine 
&urcbfd)mtt8barfteüung  ir)rcö  je^igen  guftanbeS  gelten,  b.  i.  als 
eine  <Schilbcrung  ihres  neutralen,  ring«  bon  unzähligen  2luS* 
fchweifungen  begrenzten  (Gebietes.  Seil  aber  bicfeS  (Gebiet  ein 
an  roiff enfdt)aftttct)cn  ßrgebniff cn  gänzlich  leeres  ift ,  fo  fann 
Scheibter'S  ^erbienft  natürlich  nur  ein  negatioeS  fein. 

2öaS  bie  üJ?ctc)obe  ber  $orfd)img  betrifft,  fo  betrachtet 
©cheibter,  wie  a(le  ^f^otogen ,  bie  (öelbftbeobachtung  als 
ben  erften  unb  eigentlich  einjigen  Seg  ber  ftorfchung.  SOicm 
frricht  jroar  in  ber  ^ftjdwtogic  auch  bon  einer  »Beobachtung 


Digitized  by 


^ftoc^ofogte  unb  ^renotogie. 


79 


3lnberer",  aber  nur  als  bon  einer  Ausnahme,  in  hätten,  h)0  btc 
.  ©etbftbeobachtung  nicht  auörcicbenb  ober  nicht  unbefangen  genug 
fcheint,  j.  SQ.  beim  3uftanbe  be$  3ornc§-  &er  Gebaute  an  eine 
SSergteichung  ber  ßfjaraf ter & c r f  chiebenheit  blieb  hier  natürlich 
ebenfo  fem,  als  bei  ber  ©elbftbeobachtnng  fetbft.  ©chetbler  fagt 
(©.  278):  „£)te  £aubtquette  ber  ^fychotogie  ift  bie  <Selbft= 
beobachtung,  innere  Erfahrung,  bie  Huffaffung  ber  £h«W™ 
be«  eigenen  BemufetfeinS,  fobann  bie  (auf  Analogie  gebaute) 
Beobachtung  Slnberer,  namentlich  für  fotdje  ©eetcimiftänbe ,  mo* 
bei  eigene  Beobachtung  nid?t  ftattfinben  fann".  @.  236,  2lnm.  2: 
„Der  Sprachgebrauch  befchränft,  loie  bei  ben  Söörtern  Anatomie, 
s^ht;fioIogie,  ^h^topic,  Pathologie  u.  f.  &>.  bie  pftychologie  auf 
bie  menfehliche  <Sectc ,  unb  bie«  mit  um  fo  gröperm  Sftecht,  alä 
oon  einer  roiff  enfcb  a  f  tl  i  d;en  «Seetenfunbe  ber  Spiere  bei  bem 
SDcangel  aller  eigentlichen  Bafiä  (3etbfterfcuntntf$)  nie  bie  9iebe 
fein  fann".  $)amit  ift  alfo  ba«  große,  fo  hö<hft  nichtige  ftelb 
ber  ©eelenforfchung,  ba8  ber  thierifchen  ©eelcnerfcheinungen,  gänj* 
(ich  per  Sßiffenfchaft  auSgefchloffen !  £at  <Scheibler  nicht  an 
bie  oerglcichenbe  Anatomie  u.  f.  ro.  gebaut ?  (Sr  fefct  tyinju : 
„3ebod?  foffetl  fich  einige  allgemeine  pf^ifche  ®efefee  ($.  B.  ber 
fogenannten  Sbeenaffociation,  be«  ®ebächtmffe« ,  ber  triebe  ober 
Begierben  u.  f.  to.)  aöerbingS  auch  auf  bie  thierifchen  Seelen* 
erfcheinungen  amoenben".  (!) 

35on  ber  miffenfchaftlichen  Begrünbung  ber  ^ftychologie  fagt 
©cheibfer  (©.  22):  „3eber  Üttenfch  hat  &on  fich  fetbft  eine  ge= 
hriffe  $enntni&  feine«  Innern:  er  meuj  5.  B.,  bafe  er  nicht  nur, 
toenn  feine  Sinne  gereijt  loerben,  oerfchiebene  Grinpfinbungen  er* 
hält,  fonbern  aud/,  bafe  er  fetbft  bei  Berfchloffenheit  be$  äußeren 
Sinne«  berfchtebene  SBorftellungen  gu  erzeugen  bermag;  ferner, 
ba§  gemiffe  £)inge  ihm  angenehme  ober  unangenehme  (Gefühle 
erregen  u.  f.  m.  £>iefe  unmittelbare  $enntni§  unfere«  eigenen 
Innern  ift  aber  nicht  fchon  <pf  Ökologie.  'Cafe  fie  biefe« 
merbc,  baju  ttnrb 

erften«  eine  möglichfte  Bollftänbigfcit  unb  ba«  ftirirthaben 
jener  Borftellungeu  in  beftimmten  Begriffen  erforbert.  £)ie  ein* 
jetnen  Seelenerfcheinungen  müffen  mit  einanber  berglichen,  ba« 


Digitized  by  Google 


80 


*ß|>djo(ogie  unb  ^Phrenologie. 


®emeinfc$aftlicfye  in  ßkuppirungen  vereinigt  ober  unter  begriffe 
gebraut  werben  (3.  33.  SinneSanfcfyauung ,  ®eba$tni§,  (Sin* 
bilbuugäfraft,  Deuten,  SBife,  Sa^arffinn,  £ieffinn,  ®enie,  (#e- 
füljle,  Slffefte,  $3egierben,  £eibenfd;aften ,  (Sfyarafter  u.  f.  tu.), 
weil  nur  burefy  §ütfe  biefer  in  begriffe  gefaxten  Qrrfenntntjj  eine 
Ueberficfyt  be$  ®an$en,  fotote  fttjirung  ber  (Srfenntntj?  im  ®e= 
bädjtmfe  unb  Sflittfyeilbarfett  berfelbcu  an  Anbete  möglicfy  wirb. 
£)ic$  ift  jeboety  nur  ba$  eine  unb  erfte  ®ef$äft,  311  welkem  fo= 
bann  nod) 

ba«  3  weite,  bie  3urü<ffüfyrung  biefeS  Mannigfaltigen  auf 
bie  ifjm  jum  ©runbe  Itegenbe  ßinfyeit,  ober  bie  (Srftärung  bet 
pft$ifc§en  £fyatfa<$en  au«  ifyren  ®efefceu,  I>in3ufommen  mujj, 
trenn  eigentliche  Söiffenfcfyaft  ton  ber  menfcblicfyen  Seele  entfielen 
fotC.  @8  genügt  mithin  nicfyt  bie  fyiftorifcfye  3luffaffung,  bajs 
wir  3.  $8.  empfinben,  uns  erinnern,  mit  $3ilbern  fpieleu,  füllen, 
begehren;  fonbern  e8  mut$  gejeigt  werben,  warum  bie«  fiefy  fo 
3utragt,  ober  meldte«  finb  btc  ($efcfce  3.  33.  be8  (5rfennen$  burc$ 
ben  Sinn,  ober  bie  be$  ©ebäcfytniffeS,  ber  (SinbtlbungSfraft,  be« 
DenfenS,  ber  ®efüf)le  unb  triebe  it.  f.  w." 

Mein  bie  beiben  Stufen,  auf  bie  l)ter  Scfyeibler  bie  ^ftycfyo; 
togie  ergebt  ober  31t  ergeben  fucfyt,  finbnicfyt  oorfyanben,  unb 
bie  $ft$otogte  finft  bei  näherer  33etracfytung  oon  biefer  £>öl?e 
gang  fjerab.  JDfe  erfte  Stufe  —  ba$  gieren  ber  pfycfyologifcfyen 
SBorftellungen  in  begriffe  —  ift  nid^t  bie  ScJ^pftmg  unb  ba« 
S3erbienft  ber  ^fyctyofogie ,  fonbern  ber  Spraye.  Die  ^ft$o* 
logen  begnügten  fiefy,  bie  33ebeutuug  ber  SBorte  311  erflären,  in 
welche  bie  fcfyaffenbe  Sprache  längft  bie  begriffe  ber  Seelen* 
tljätigfeiten  gefaxt.  Sin  33ewei$  bafür  ift  fdt)en  barin  gegeben, 
ba§  bie  ^ftydtwlogie ,  jenacfybem  ein  $3erf  über  biefelbe  in  biefer 
ober  jener  Spraye  gefcfyrteben  ift,  allemal  mel;r  ober  weniger 
aft  eine  anbere  erfcfyeint.  ®erabe  bie  für  ben  Stanbpunft  ber 
^ftycfyotogie  wicfytigften  ©orte,  bie  ber  leeren  33egriff$ftufeu, 
finb  in  ben  oerfcfytebenen  Spraken  nie  gait3  übereinftimmenb, 
fi$  nie  gan3  entfprcctyenb.  Man  überfefee  3.  23.  bie  Söortc  ®eift, 
®emütl>,  Salent,  SBerfranb,  Vernunft,  Sctyarffinn,  Siefftun, 
£rieb  u.  f.  w.  in'«  ftrai^fifcfye,  Gngttfte  ober  Öatcimfc^c.  De« 


Digitized  by 


iMvcMogie  uiib  Wrenologie. 


81 


®egenfafeeö  megen  oergleiche  man  in  btefer  ^infic^t  mit  ben  ptycbo* 
logifdjen  Serfen  bie  in  oerfchiebenen  (Spraken  getriebenen  Serfe 
über  Phrenologie  (ober  über  irgenb  meiere  anbere  SR  aturmiffen= 
Waft).  3n  ber  ^renolcgie  ift  bie  Sache  überall  bie  gleite; 
beim  Uir  gegenüber  bienen  nnr  bie  Sorte,  toelche  in  ber  Pftycho* 
logic  ^errfc^en. 

2luf  ber  erften  @tufe  alfo,  bie  ©cheibler  für  bie  triff  enfehaft* 
liehe  ^ffychotogie  in  Slufprudh  nimmt,  fteht  fd?on  jeber  (Sebilbetc 
als  folcher,  inbem  er  oon  ben  Gegriffen  (3ebä$tmf{,  (Gefühl  :c. 
deutliche  ftenntnifj  ^at.  $>tefe  Stufe  fann  ba^er  nicht  ba«  (Jigem 
tlntm  irgenb  eine«  befonberen  toiffenfehaftlichen  (Gebiete«  fein. 

£>ie  jtoeite  Stufe  aber,  toelche  febetnbar  bem  $orf$er  toeit 
mehr  nnb  Namhafte«  bietet,  ift  nicht  minber  leer  an  magren 
gebniffen.  Sann  unb  oon  toem  ift  ba«  grofje  3ie(  erreicht,  finb 
bie  ®efefee  ber  ®cifte«thätigfeiten  aufgefunben  Korben?  3n  mel* 
$en  nnbefannten  Serfen  finb  biefe  Schäle  be«  Siffen«  nieber* 
geregt?  Stein,  ber  gelehrte  Prolog  hatte  bi^er  ton  bem  Sarum 
nnb  Sie  be«  Kenten«,  ber  Gefügte,  ber  l'eibenfchaften  feine  tie= 
fere  Äenntnife,  als  jeber  £>enfenbe,  ber  niemal«  einen  «lief  in 
ein  pft$olegtfd?e$  Sert  getoorfen.  @3  ließen  fid^  auch,  Scheibler 
gegenüber,  eine  SHeifye  oon  3lu$fprüchen  älterer  unb  neuerer  $fty$0' 
logen  gufammeuftellen,  meiere  bie  pftychologie  al«  eine  in  ben 
gebniffen  ber  gorfebung  feljr  arme  Siffenfc^aft  bezeichnen. 

Sa«  Scheibler  in  ben  mitgeteilten  Sorten  oon  ber  „$uxM= 
füfyrung  beö  Tännich  faltigen  auf  bie  üim  jum  ($runbe  liegenbe 
<Sin$eit"  fagt,  loft  ^gleich  treffenb  ba$  ganje  föäthfel  beS  bis* 
herigen  3ufta»bc$  bet  ^ftychologie  unb  ihres  jefeigen  gebauten- 
lofen  Kampfe«  gegen  bie  ^Phrenologie,  £>och  e$  fei  mir  erlaubt, 
hier  ftatt  einer  troefenen  5tu«fü^rung  ba$  folgenbe  Söilb  gu  geben. 

3unä#  ber  breiten  Straße  fteht  baS  große  Sunbergebäube. 
9eur  beffen  fleine  SBorberfeite  mit  fünf  oerfchtebenen  architefto* 
nifchen  gelbern  ift  ber  Straße  jugetoenbet.  föing«  fteigen  9ln= 
honett  auf,  meiere  bie  übrigen  leiten  be«  ®ebäube«  ben  Slugen 
ber  Sauberer  entziehen.  £)a«  offene  Xtyox  labet  gum  Eintritt 
in'«  3nnere  ein.  Sßiele  £aufenbe  ber  Pilger  führte  oon  jeljer  ein 
natürlicher,  untoiberftehtichet  ©rang  in  ba$  ®ebäube,  um  bie 

Scheue,  $1jtenoloj}ifd)e  »Übet.  3.  «ufl.  6 


Digitized  by  Google 


$fo$ologie  «nb  ^tyrenologie. 


©unbex  femer  SÖaufunft  lernten  $u  lernen,  $u  ftubiren.  3iitgenb», 
fo  fchetnt  e«,  fann  toiefeö  ©tubium  beffer  unb  grünblicher  ge* 
fd^en,  als  int  Innern  be«  ©ebäubc«  fctbft.  Den  ®runbrip,  bie 
3bee  be«  ftunbament«  »or  Mem  nmnfcht  nnb  trautet  man 
tarnen;  benn  bamit,  fo  fcheint  ce ,  ift  ba*  SRäthfel  be«  #aue« 
felbft  gefunben.  Unb  im  langen  Vaufe  ter  &titen  glaubten  fchon 
gar  lüele  forföente  3)?äuner  ben  (Skunbriß  erfannt  unb  au«ge* 
funben  $u  haben,  immer  mit  fünftlichen  ©trieben,  wa«  fic  bafür 
gelten,  aufjeichnenb.  Allein  —  bie  ®äuge  be«  ®ebäube«  finb 
tamfel  unb  tounberbar  Verfehlungen.  Die  Höfling  ber  Aufgabe 
war  alljufchtver,  fie  ift  feinem  ber  ftorfcfyer  bi^er  gelungen.  3eber 
ber  tielen  aufgejeic^neten  ®runbriffe  ift  toefentlid)  ein  anderer, 
jum  fixeren  Söetoeife,  bafe  feiner  ber  richtige  ift. 

Siehe!  oor  etwa«  mehr  al«  einem  falben  3ahrhunbert  jog 
bie  Strajje  ein  2)2ann,  oon  Nation  ein  Deutscher,  bem  ®ott  ben 
ftunfen  bc*  ®enie*  in  bie  Seele  gelegt,  2luch  er  betrachtete  ba« 
^Bunbergcbäube.  3uug  unb  unbefangen,  artete  er  nicht  be«  be* 
tretenen  Sege«  unb  ber  ernfteu  9ftänner,  bie  barauf  ju  bem 
£fyore  be«  $ebäube«  $ogeu;  er  ftieg  feefen  9Wuthc«  auf  fteilem 
abgebrochenen  $fabe ,  ben  fein  meufcblichcr  ftujj  t>or  ihm  betreten, 
feitroärt«  jut  £i>he  m<t>  betrachtete  uon  ^iet  au*  ba«  <&cbäube. 
Der  Slnblicf,  umnberbar  unb  ^errttd^^  überwältigte,  verwirrte  ihn 
juerft ;  aber  balb  gewöhnte  fich  fein  ?luge  an  bie  fremben  formen. 
(£r  »erfuchte,  Einige«  fcon  bem,  loa«  er  fah,  einzelne  Xtyile  ober 
leiten  be«  umfangreichen  ®ebaube«  in  farbenreichen,  treu  ent= 
morfenen  Silbern  mieber^ugeben.  SBiele,  benen  er  bie  Silber 
jeigte,  betouuberten  fie,  aber  jene  ernfteu  flWänner,  al«  fie  bie 
bunten  färben  unb  feine  mit  bem  gtneal  unb  bem  3irfel  gc= 
jogenen  Linien  fahen,  toenbeten  fich  geringfchä'feenb  baoon  ab. 
Der  (Sntbecfer  be«  ^fabe«  ftieg  fort  unb  fort  barauf  jum  ©tubium 
be«  Söauc«  jur  $d$e,  lauge  oon  feinem  ber  trägen  SBanberer  be* 
gleitet.  (Sin  ®enoffe  enblich  unb  bann  balb  mehrere  unb  mehrere 
theilten  mit  ihm  ÜDtuhe  unb  <$cnufj.  Schon  ift  ber  2öeg  gang* 
barer  geworben,  unb  obgleich  iener  f ühne  (£  r  ft  e ,  nachbem  er  fein 
Veben  bem  Schauen  ber  Wahrheit  geunbmet,  mit  bem  ßorbeerfran$e 
auf  bem  greifen  Raupte  bereit«  feine  irbifche  föeife  oollenbete,  fo 


Digitized  by 


^fodjologie  nrtb  v4tyrenologie. 


83 


ift  boc$  fcfcon  bie  3atyl  ber  flei&tgen  unb  treuen  $ilger  be«  neuen 
Söege«  eine  grofe  unb  immer  machfenbe. 

£)ie  9)?änner  ber  alten  SBeife  be«  ^orfc^en«,  be«  ftorfctyen« 
nach  bem  ©runbrtfe  be«  (Sebäube«,  bie  biefe  SBeife  btfrch  3ri*  unb 
£erfommen  für  geheiligt,  für  bie  einjige  mahre  unb  mögliche 
Ratten,  blicfen  mit  Unmillen  unb  3$erac$tung  auf  jene  teuerer  Ijin, 
fie  Seute  ohne  phtlofophifchen  Sinn,  ohne  ®rünblichfeit  nennenb. 
©05U,  rufen  fie,  bie  bunten,  abgeriffenen  ©Uber  bon  ben  einjel* 
nen  Reiten  be«  ®ebäube«,  mo$u  bie  3erfptttterung,  bie  3^nriffen= 
heit,  ba  mir  nach  ber  Grinheit  ftreben  muffen! 

3n  ber  %$at,  man  irrt  nicht,  menn  man  ba«  föa'thfel  be« 
bi«hertgen  merfroürbigen  3uftanbe«  ber  sPfochologie  *>er  Anficht 
aller  ^tychologen  bon  ber  Einheit  be«  Reifte«  gelöft  finbet.  Sllle 
gelten  bie  Stnheit  unb  bie  Tännich  faltigfett  be«  Reifte«  für  in 
nnberfprechenb  unb  meinten  fo,  bie  (entere  gegen  bie  erftere 
aufgeben,  fie  in  biefelbe  bermanbeln  ju  müffen.  Sflan  fann  bie 
(Stnfyeit  unb  bie  Sftannichfalttgfett  be«  ®eifte«  jtoet  g  (einlaufen* 
ben  Sutten  (^arallelltnien)  oergleichen.  (Statt  baß  in  ber  ^ßfyreno* 
logie  ber  SHaum  uotfchen  ben  gmei  fiinien  gleichfam  bie  Strajse 
ober  ba«  (bebtet  ber  SSHffenfcbaft  ift,  fo  fugten  bie  ^f^ologen 
bie  beiben  hinten  in  eine  ju  berwanbeln,  ober  fie  leugneten  ba« 
$>afetn  batb  ber  einen  balb  ber  anbern.  £)aburch  ging  natürlich 
ba«  gange  Gebiet  ber  3Biffenfchaft,  alle  üftögltchteit  ber  trgebniffe 
oerloren.  Xtyite  *>iefc  unenbliche  Seere,  theit«  bie  fic^tbare  8elbft= 
qual  ber  bon  jenem  bafür  gehaltenen  SBiberfpruch  f)\n  unb  tyx 
gezogenen  Schriftfteiter  macht  ba«  Öefen  ber  pftycfcologifchen  Söerfe 
äufcerft  ermübenb,  fo  bajj  e«  nicht  befremben  barf,  bafc  bie  $fh<ho* 
logte,  noc^  wehr  &  fpeculattoe  ^ßhifofaPh^  fefbft ,  immer 
eine  fet)r  unpopuläre  ^Biffcnfct)aft  gemefen  ift. 

$5a«  (Sefagte  ju  beranfehaulichen,  gebe  ich  h*er  Stetten 
au«  Scheibler.  @.  305  fagt  er,  ba«  feinem  inneren  2öefen  unb  ' 
ber  ^orm  feiner  2Btrfung«art  nach  auf  gleiche  5öeife  oorfyanbene 
^rtneip  ber  Seele  müffe  urfprünglich  at«  überaü  qualitativ 
gleich  angefe^en  werben.  ?ll«  ©egrünbttng  biefer  Sluftcht  folgen 
bie  ©orte:  „gemäß  ber  2J?arjme  ber  Sftaturforfchuug ,  bei  ber 
grojjten  9J?annichfaltigfeit  ber  Grrfchetnungen  ber  työtym  (Einheit 

6* 


Digitized  by  Google 


84 


$fo$ofogie  unb  ^reuologte. 


ihrer  ^rinctpien  nach$ufpüren\  T)tefc  fonberbaren  Sorte  Scheib 
ler'ä  5cigen ,  tt>tc  weit  btc  ^ftychologte  entfernt  ttar,  StatuttDlffetu 
fdjaft  ju  fein.  ®ie  liinheit  ber  SRaturerfcheinungen  tft  eine  ganj 
anbere,  al«  '©cheibler  toorau«fefct.  9focfy  feiner  Anficht  müBte  5.  33. 
bie  Aufgabe  be8  @hemifer$  bie  fein,  bic  (Einheit  ber  Qualitäten 
ber  Körper  nachjuroeifen.  sJtetn,  bie  (Sinfyett  ber  Statur  ift  nicht 
eine  (Stn^eit  ber  Dualitäten,  fonbem  eine  Ciin^eit  ber  ©efefce 
in  ben  toerfd^iebenen  Qualitäten.  ÜBir  fyaben  baljer  otelmehr  in 
ber  Grinfyeit  ber  9catur  neben  ben  ocrfchiebenen  Qualitäten  ein 
anbereö  39itb  oon  ber  (5htt>cit  ber  <Scele  neben  ihrer  9ttannich= 
faltigfcit.  Ueberbie«  ift  eS  ein  logifcbcr  fteljler,  ben  (Schetbter 
macht,  menn  er  fcfyüefet,  weit  man  ber  (Sinhcit  in  ber  SOiannid)^ 
faltigfeit  nachfpüren  muß,  fo  mujj  man  fie  als  oorhanben  an- 
nehmen. SBaS  man  Jucht,  mujj  man  e«  finben  ober  gefuubeu 
haben? 

3m  2ötberfprud;e  mit  ben  mitgethcilten  ©orten  fagt  <Sd^eib= 
(er  unmittelbar  barauf:  „T>amit  tft  nicht  geleugnet,  ba§  eö  in 
ben  Gattungen  unb  2(rtcn  für  unfere  menfchlicbe  Gntfenntnitf 
nnrflich  qualitative  Unterfchtebe  giebt,  bei  benen  unfere  SBiffenfchaft 
fielen  bleiben  barf;  eine  folche  SSerfchiebenarttgfeit  mufr  otelmehr 
ba,  tt>o  fich  burchau«  fein  ftetiger  Uebergang  jeigt,  angenommen 
werben  \  Sehr  bejeid^nenb  für  ben  3uftmu>  ber  ^Jft^otogie  ftellt 
Schcibler  hier  „unfere  mcnfchttche  Grrfenntnijj"  ettoaä  anberem,  in 
ber  oorigen  Stelle  burch  ba«  Sßort  „urfprfin  glich"  Angeben- 
tetem  an  bie  (Seite.  Stiles  ohne  Ausnahme,  toa«  aufcer  „unferer 
menfdjüchen  (Srfenntnhr  liegt,  ift  ia  nicht  ©iffenfehaft ,  fonbem 
Specutation,  btefe«  ©ort  in  feiner  fchlimmen  ©ebeutung  ge- 
nommen. Sticht  minber  bejeichnenb  finb  bie  ©orte,  „wo  fich 
burch  au«  fein  Uebergang  aetgt",  b.  i.  wo  bie  (Speculation  trofc 
aller  Bemühung  nicht  bie  (Erfahrung  bewältigen,  fich  anpaffen  fann. 

(Scheibler  fagt  ferner  (@.  40) :  ,,@«  ift  ein  großer  Srrthum, 
wenn  man  bie  öehre  oon  ben  fogenannten  (Srunboermogen  ber 
Seele  bahin  mijjttcrfteht ,  al«  mären  biefe  Vermögen  ober  Gräfte 
unabhängig  oon  einanber  beftehenbe  unb  einanber  gleichgeordnete 
£>mge,  unb  als  fonnte  man  bie  einjelnen  ®etfte$thätigfeiten  unter 
ba«  iSrfenntnifc,  (Befühle  unb  £h«tbermögen  fo  rubriciren,  wie 


Digitized  by 


Wpdjologte  unb  ^rettologie.  «5 


man  bie  Xfyexc  ober  ^flanjen,  bie  neben«  nnb  au  fjereinanber 
beftefjen,  cfaffificirt ,  ba  bo<h  im  ®egentheil  jene  Vermögen  mir 
in  nnb  burch  einanber  finb*. 

SWetn  an  einer  anbem  Stelle  («.  382)  oertheibigt  Scheibler 
bie  toefentüd^c  SBerfchiebenhett  ber  ®runbbermBgen.  „£)aji  jene 
®runbbermögen  ©runbbeft  immun  gen  finb,  bon  benen  feine 
in  ber  anbem  gan$  enthalten  ift,  mithin  nicht  an«  iljr  abgeleitet 
werben  fann,  ift  offenbar.  (£«  liegt  nicht  in  bem  (Srfcnnen,  ba§ 
ein  ftfyUn,  nnb  nicht  in  bem  fttihlen,  bafc  ein  §anbeln  notf?* 
toenbig  mit  itjrn  berbunben  ift,  nnb  bie  Erfahrung  jeigt  auch  eine 
feljt  berfchiebene  2lu«bilbung  biefer  Vermögen,  e«  giebt  bloße  33er* 
ftanbe«*,  ®emüth«;  nnb  £f; atmenden ,  ober  bto«  braftifchc  Na- 
turen". 3n  biefer  Stelle  bejaht  Scheibler  gerabeju,  ma«  er  in 
ber  oorigen  gerabejn  berneint.  $aum  bafe  eine  ÜDHlberung  be« 
Siberfpruch«  in  bem  Sßörtc^en  „ganj"  („feine  ©runbbebingung 
in  ber  anbem  gan$  enthalten")  gegeben  ift.  Slllein  Nenn  auch 
noch  mehr  folcher  2ttilberung«tt>Brter  bei  ben  übrigen  S%n 
(„ntebt  an«  ihr  abgeleitet"  n.  f.  tt>.)  angebracht  toären,  ber  ®egen* 
fafc  al«  folcher  Hiebe  berfelbe.  3n  «Streitfragen  über  %f)at\atyn 
ober  9taturgefefce  (äffen  fid)  feine  ^ergteic^e  f(^(iejsen.  Sa«  nicht 
ganj  in  einem  Slnbern  enthalten  ift,  ba«  ift,  fotoeit  e«  niebt 
in  üjm  enthalten  ift,  nicht  in  nnb  burdb  baffelbe,  fonbem  neben 
ober  aujjer  ihm,  ilmt  gl eicfygeorbnet,  u.  f.  to. 

93or$ug«toeife  aber  mad)t  fich  biefer  Äampf  ber  Speculation 
gegen  bie  (Erfahrung  in  ber  s$ftycfyologte  bei  ber  £arftellung  ber 
®cifte«oermBgen  felbft  bemerfltcb.  Schetbler  (Nie  faft  alle  ^3ftycfyo= 
logen)  beginnt  bie  £>arftellung  ber  ®eifte«berm£gen  mit  einer 
ausführlichen  33efchreibnng  ber  einzelnen  befonberen  Sinne«-- 
thätigfeiten ,  be«  ®eficht« ,  ®ehör«  n.  f.  tt>.  Unmittelbar  baranf 
aber  geht  bie  SDarftellnng,  plöfcltch  ihten  (Sharafter  änbernb,  bom 
befonberen  gum  Allgemeinen  über,  inbem  Scheibler  au«füht* 
lieh  *w  bem  atigemeinen  ©ebächtniB,  ber  allgemeinen  Grinbilbung«* 
fraft  u.  f.  to.  fpricht  unb  nur  ganj  furj  unb  nebenbei  be«  Untere 
fchiebe«  jmifchen  3Bort«,  Sach*,  ätth^fl^ächtnitf  u-  f-  ertoähnt. 
SZBarum  fprach  Scheibler  nicht  auch  blo«  oon  ber  allgemeinen 
Sinne«thätigfeit,  nebenbei  be«  Unterfchieb«  jtoifchen  bem  ®efkht«finn, 


Digitized  by  Google 


86 


©efyörfinn  :c.  ern>al;nenb?  ober  otefatefyr,  tuaruut  fefcte  Siebter 
bie  befonbere  £)arftcllung ,  tote  er  fic  Bei  ben  äußeren  ©innen 
begonnen,  ni$t  bei  ben  übrigen  ©eifteSocrm&gen  fort?  $)a§  ber 
Tiare  Slugenfcfyein,  ber  in  ber  Trennung  ber  äußeren  (SinneSttyätig* 
feiten  für  bic  Trennung  ber  ©etftesoermcgen  gegeben  ift,  für  bie 
©eifteSlefyre  fo  gänjttcfy  oerloren  blieb,  fdjeint  mir  ntdjt  gan$  leicht 
$11  erflären. 

9io$  merftoürfciger  ift  Sdbetbler'S  SDarftetlung  ber  inneren 
©eiftcSoermögen  felbft.  üfta<$  tljm  befifet  ber  SWenfcty  bie  Vermögen 
ber  ©efüfyle,  ber  Xricbe  unb  ber  ßctbenfdjaften.  $on  biefen  S3er= 
mögen  giebt  e$  fefyr  mele  2lbn>eicfyungen  (9ttobiftcattonen). 

311$  2ttobificationen  ber  ©efüfyle  nennt  ©cfyeibler  unter 
anbern :  bie  burefy  bie  äußeren  Sinne  (£aften,  <Sc$me<fen  :c.)  ent- 
ftcljenbeu  8uft*  ober  Unluftgefüljle ;  ba$  ©efüljl  ber  Öffnung  unb 
ber  fturctyt,  bie  ©efüljte  be$  Scfy&nen  unb  (Srfjabenen;  ^uft  am 
Semen,  Unluft  am  oölligen  9^icr)t«t^un ;  Suft  am  (Spielen;  ba« 
Wohlgefallen  am  bleuen,  Unerwarteten;  ba«  Wohlgefallen  am 
(Sanken,  ©tjftematifd&en  «SinheitStrieb  ?) ;  ba*  Wohlgefallen  an 
ber  Orbnung;  ba$  Wohlgefallen  am  Wiegen,  ©^arffinntgen,  Sief* 
finnigen,  ©enialen;  ba«  Wahrheitsgefühl ;  ba«  Wohlgefallen  am 
fittlich  ®uten,  an  £ugenb,  @h™  u.  f.  m. ;  ba«  föechtSgefühl,  eine 
befonbere  2ftobiftcation  (eine  Üftobificatton  ber  3Jiobificatton ! ) 
ift  ta«  S3illtgfeit$gefühl ;  ba$  ©efühl  ber  3Us  wb  ^oneigung, 
be$  SDKtleibenS  unb  ber  5D?itfreube ,  ber  Siebe  unb  be8  $)affe$; 
ba$  religiSfe  ober  ^römmigfeitägefühl. 

Unter  ben  3ttobtficationen  ber  triebe  finb  unter  anbern 
genannt:  ber  £rieb  nach  <Sinne«rei3en ,  ©inneSftfcel;  ber  9cahj 
rungStrieb;  ber  Xrteb  nach  £fyätigfeit,  enhoeber  Arbeit«*  ober 
Spiettrieb,  ber  <£igentf;um$trieb ;  ber  ©efchlechtätrieb ;  ber  STrieb 
nach  geiftiger  Nahrung  unb  ^ätigfeit;  ber  Web  ber  SRachah* 
mung;  ber  £rteb  nach  töeichthum,  Slnfehen,  äußerer  (S^re  ober 
föutnn;  ber  Srieb  $u  (grfinbungen,  ber  tec^niföe  tunfttrieb,  ber 
äfthetifche  £rteb  nach  Sluffaffung  unb  £)arftetlung  be«  Schönen, 
ber  moralifche  Briefe  nach  ber  töealifirung  be8  ©uten,  b.  h-  ber 
Qfyxe,  ber  ©erecfytigfeit  unb  ber  ftrömmigfett. 

Unter  ben  SDiobificationen  ber  ßeibenfd^aften  werben  unter 


Digitized  by 


<Pfydjologie  unb  ^renefogte.  87 

anbcrn  aufgellt:  bie  grobfinnttcfye  ®enufefucbt  iftrctlfuctyt,  txxmh 
fuc^t,  SMerei),  bie  <BpkU  ober  2^ättg!eit0fu(^t ;  btc  <5rmerbfud;t 
unb  ber  ®eir,  bie  Vcibenf^aft  be«  $cfeWgfcit$trieb«,  ijicrfyer  ge* 
tyört  bic  ßetbenföaft  *er  ®efellfcWt$fi4t  mit  bieten  SMobificatio 
neu  bet  Sctymafc*,  ©treit*  unb  anbcrn  Sutten  (!) ;  bic  Veiben* 
fd^aft  be«  ©efc^le^tötrieb« ;  bic  Setbcnföaft  *>cr  9tadMmung$; 
f uc^t ;  bic  ßetbenfdjaft  ber  äftfyettfcfycn  Öcnitffe;  bic  @$r*  unb 
.«perrfcfyfucfet ;  ber  leibcnfcfyaftücfye  Xrteb  $u  uüffenfcfyaftlicfyer  ober 
fünfttcrifcfyer  Xljätigfcit;  bie  i'eibcufcfyaft  be$  moralifcfyen  £rieb* 
ber  Söürbc,  Stotj,  §od)mutfj,  (Sitelfeit ;  bic  ßeibcnfdjaft  bc<5 
föedbtSgefüfyte ,  \.  $8.  }Jro$ej?fuc$t ;  bic  £cibcnfcfyaft  ber  £iebe  unb 
bc«  §affe$;  bte  Öeibenfcfyaft  be*  religiösen  £riebe$,  rcligiofer 
Fanatismus.  ' 

S<$cibler  (tri  au§er  beu  angeführten  einzelnen  (^cfüt)lcu, 
Striefen  unb  fcetbenfcfyaften  nodj  biete  auberc  genannt.  Obgteicty, 
une  mir  fe$cn,  bie  ©orte  ®efityt,  £rieb  unb  tfetbenföaft  bei 
Scbeiblcr  nur  ben  ®rabunterfcfyicb  be$etc$nen  unb  fiefy  a(fo 
bie  Slufeäfytuug  ber  begebenen  ®eifte«eigenfctyaftcn  unter  beu 
brei  (Haffen  im  (Sausen  nur  nriebertyott,  fo  barf  man  boefy,  ba 
biefe  ©genf c^aften  btofte  Sttobiftcattonen,  gteicfyfam  3uf ä ttiflf citcn 
fein  fotten,  babei  feine  (Senautgfeit  ober  Sßollftänbtgfett  ermarten. 
So  fyat  ^etbter  ben  iftaljrungStrieb ,  ben  @c$onljeit$finn ,  bafc 
(Sfyrgefüfyl,  ben  rcligiöfen  Sinn  u.  a.  unter  ben  ®efüljten,  ben 
trieben  unb  ben  ßeibenfctyaften  genannt,  bagegen  bte  ®efd)lcd;ts* 
liebe  unb  ben  (Sigentljumsfinn,  bie  er  unter  ben  trieben  unb  ben 
Veibenfctyaften  aufsäht,  unter  ben  ©efitylen  511  ermähnen  t>er= 
geffen  u.  f.  n>. 

3>ic  äujjerften  fünfte  berühren  ftety;  eine  übermannte  »it* 
fiebtigfeit  mu§  jur  $ ur$fi<$tigfeit  toerben.  £)ie  Speculatton  ift  in 
ber  mitgeteilten  Darfteüttng  ber  ©etfteSbermögen  ju  einer  Gin» 
tyett  gefommen,  bie  metyt«  als  eine  fomiföe  Ucbertrcibung ,  eine 
(Saricatur  berfetben  natürlichen  üWanntctyfaltigfeit  ift,  bic  fie  fo 
eifrig  ju  leugnen  ober  ju  umgeben  fliegt.  Scfyon  ber  ®runb=» 
gebanfe  jener  Gmttfyeilung  ift  ein  (ogifc^er  ^et)ter.  3$or  ber  9(n= 
nafnnc  b  i  e  t  e  r  ©runboermogen,  ber  $u  erftrebenben  (Sinljeit  gegen* 
über,  einen  nuffenfctyaftlictyeu  Stbfc^cu  fütylenb,  na^rn  man  gtetcfc 


Digitized  by  Google 


88    .  Wtydjoloflte  unb  qtyrenologic. 


tüofy  brei  (^runboetmögcn  an,  toeil  biefe  3ah*  ber  Einheit  näher 
(ag,  ohne  ju  bcbcnfen,  baß  brci  gerabe  fo  toenig  ein«  fmb,  al« 
breiig  ober  bierjig.  2öie  merftoürbig  ift  aber  ooflenb«  <§<fyetb* 
ter'«  breimat  nriebethotte«  Slufjählen  berfelben  einzelnen  (Seifte«* 
thätigfett  unter  ben  brei  »ergebenen  X^ätigfcitdgraben, 
unb  tote  folgerichtig  ift  boch  biefe  Söiebcrfyolung  infofern,  a(«  bie 
brei  allgemeinen  Vermögen  ber  (Gefühle,  ber  triebe  unb  bcr 
tfeibenfchaften  al«  ®runboermögen  ober  al«  bie  £auptfache,  bie 
einzelnen  befonberen  Gefühle,  triebe  unb  geibenfchaften  bagegen 
al«  bie  ÜKobipcationen  biefer  (Srunboermögen ,  al«  bie  3ufaüig' 
feiten  biefer  ^auptfache,  bargefteüt  »erben  foüen.  Sllfo  ba«  811* 
gemeine  folt  ber  ©runb  be«  Jöefonberen,  bie  (Stgenfchaft,  ber  ®rab 
foll  ber  ®runb  ber  «Sache  fein !  3n  toelch  fonberbarem  ^uftcmbe 
mujj  fid;  eine  SBiffenföaft  befinben,  in  ber  fo  auffallenb  ba«  Sßefen 
ber  ÜDtnge  oerfehrt,  ©djein  unb  SSJa^r^eit  oertoechfelt,  furj  ba« 
(Segenthetl  oon  bem,  ma«  ber  einfache  $erftanb  al«  richtig  er* 
fennt,  geteert  toirb! 

2ttan  fann  ben  bisherigen  3uf*ÄnD  ber  ^ßfocfyologte  mit  bem 
ber  Slftronomie  bor  (Soperntfu«  »ergteichen.  2öa«  Giopemtfu«  al« 
betoeglich  nachtoie«,  backte  man  ftch  oor  ihm  al«  feftftehenb,  unb 
umgetehrt,  unb  bie  ®eifte«toermogen ,  toelche  bie  Phrenologie  al« 
toirflich  nachtoetft,  gleiten  bie  Prologen  für  9ftobtficattonen,  unb 
umgefehrt. 

3$  habe  oben  bemerft,  bog  bie  ©chriftfteller  über  $tycho= 
logie  in  bem  SWajje,  al«  fie  mehr  originale  ©tyftemattfer  finb,  fich 
*  toeiter  oon  ber  SBaljrheit  entfernen.  £)ie  fhftemotifcf>e  Einheit  ber 
Siffenfchaft  ift  ein  fo  locfenbe«  £itlr  ba§  oon  manchen  Schrift* 
ftellern  über  ^ftychologie,  in  ber  Slbficht,  biefe«  3*c*  8U  erreichen, 
alle«  SCnbere  htotangefefct,  alle  Erfahrung  unb  Wahrheit  oerleug^ 
net  mürbe.  £>iert>on  uritl  ich  e*n  ftetae«  ©eifptel  anführen,  im 
(SJegenfafce  ju  ©chetbler,  bem  fidj  biefer  35ortourf  nicht  machen 
läjjt,  unb  ber,  toie  toir  gefehen  haben,  bie  thatfächliche  Erfahrung, 
fo  fehr  er  baburch  beengt  unb  beirrt  mar,  nicht  oerleugnete. 

@ine  befannte  2$atfa$e  ift  bie  geiftige  ®eburt«oerfchteben= 
tyett  ber  Sftenfchen.  $r.  2lug.  (Saru«  bagegen  hat  in  feinem  ©erfe 
über  ^f^ologie  (Seidig,  1808.  2  *Bbe.)  feinem  @tftem  &u  Siebe 


Digitized  by 


•  * 

^fed>logi<  unb  ^renologic.  89 


alle  SWcnfc^en  ohne  Ausnahme  für  o  o  n  (M  e  b  u  r  t  g  e  i  ft  i  g  g  l  e  i  ch 
erflärt.  $)a$  angeborene  $enie,  ber  angeborene  33l8bfinn,  bie 
geifttge  ^eburtsoerfdnebenheit  fcer  fcerfchtebenen  9ttenfchenraffeu, 
ber  befannte  fbtfllif,  ben  ber  Hugcnblicf  ber  3cu8ull8  auf 
merbenben  SWenfchen  ^at  (©löbfinn  burch  £runfenheit  im  Slugen* 
Wirf  ber  3cu8unS)  «•  f-  _  aüc  fcu1e  ^atfacben  müffen  nach 
(SaruS  geleugnet,  anbere  (Srflärungen  müffen  für  baS  Scheinbare 
gefugt  merben.  <§r  fagt  (@.  98,  1.  ©b.):  »Angeboren,  toic  an= 
gejeugt  fann  bem  3)Jenfchengeifte  nichts  merben,  alfo  auch  bem 
fogenannten  gentaüfehen  SOTenfchcn  nicht  mehr  (als  anberen). 
(Der  ®eift  fte^t  nämlich  über  bem  33ebingten  beS  Organismus, 
unb  er  ift  überall  nur  Griner  unb  in  jebem  3nbir>ibuum  ein 
menfe^tieber.  SBMr  finben  feinen  (tyrunb  auf,  in  ihm  eine  ange^  , 
bornc  3?erfchiebenhett  anzunehmen,  meber  ber  Quantität,  noch 
ber  Qualität  nach-  —  3eber  3tfenfch  ^at  alfo  urfbrünglich  fo 
met  unb  fo  menig  ®eift,  als  ber  anbere".  ©ehr  bejetchnenb 
finb  bie  ©orte:  mir  finben  (b.  i.  in  ber  ©peculation !) 
feinen  ®runb  auf,  anzunehmen.  £>aft  ber  ©peculation 
gegenüber  bie  Erfahrung  ein  folcfyer  ©runb  fein  f&nne,  lag 
(SaruS  fehr  ferne. 

4.  frobtfdj. 

£)robif ch  *)  ift  fein  ^^renolog,  aber  in  einem  ^unft  fthnmt 
er  bolllommen  mit  ber  ^Ijrcnologie  überein,  in  bem  Urteil  über 
bie  bisherige  ^ßftychologie.  Söährenb  manche  ^ftydjologen  bie 
©chroäche  ihrer  ©iffenfcfyaft  mögtichft  ju  bemänteln  fuchen,  ge- 
hört Drobifdh  jur  3ahl  berjenigen,  meiere  laut  unb  offen  bie 
Öeerfyeit  ber  bisherigen  $ft$ologie  an  uürflichen  (Srgebniffen  an* 
erfennen  unb  barjiitljun  bemüht  finb.  £)robifch  fagt  im  25ortoort : 
„tiefes  Söuch  mag  e«  oerfucheu,  faftifa)  ben  SBefceiS  ju  führen, 
feaf  eine  anbere  unb  ^öffentlich  natürlichere  unb  gefünbere  Hn= 
ficht,  als  bie  noch  immer  gangbare,  oon  ben  (Srfcheinungen  unb 


•)  <&m$m\d)t  ^fv^ologtc  na<$  naturtotffenföaftlt<$er  SWetyobe.  (£etyjig, 
1842.) 


Digitized  by  Google 


90 


l.*' '  t!1  et)  T  1 C  \  [  C    1 L 1 1 1        h  V  C 11 L'  1  V  \  1 ( 


uurflicbcn  Vorgängen  be$  geiftigen  bebend  ol;ne  £ülfe  ber  2)Jeta* 
p^fif  unb  ber  $^t(ofov^tc  überhaupt,  c^tc  3ujtehung  ber  Sttathe* 
matif,  burdt»  Mof?c  unbefangene  Beobachtung,  3erglieberung,  $er 
gleidmng  unb  Berfnübfuug  ber  2f>at|'acfycn  unferer  inneren  (£r* 
fahrung,  ben  n>efentlid;en  ®runblinien  nach  ftch  gewinnen  tä§t. 
Senn  bie  ^fyctyologie  nod)  immer  rücftoärt«  gefehrt,  balb  ben 
alten  abgeworbenen  Stamm  ber  9lriftotelifchen  ©eelenoermögeiK 
burd)  ^fropfreifer  gu  oerjüngen  fich  abmüht,  balb  in  platonifiren* 
ben  HaturVf;i(ofop^tfc^eu  Träumereien  ftch  umhertreibt,  bie  gu 
mefenlofc  finb,  alä  bap  fic  bie  Ohrfaljruug  ju  enträtseln  unb  $u 
befyerrfcfyen  bermßchteu,  —  fo  mu|s  fie  fid)  enbltcb,  fo  gut  ttric  alle 
anbern  ^caturnnffenfehaften  et  mufften,  entfchliejjen,  mit  ihrer  ®e- 
(  Wichte  }u  brechen,  bie  nun  einmal  oon  wenig  mehr  al«  bon  einer 
SReihe  unbollfommencr  ober  verfehlter  Begebungen  gu  ergäben 
weife".  £>robifch  berwenbet  einen  großen  Xfjcil  feine«  SBerfcd 
barauf,  biefefc  Urteil  näher  }u  begrünben,  inbem  er  biete  ^ft^o- 
logen  namentlich  aufführt,  5.  B.  Slriftotele* ,  Söolf,  Äant,  #rie«, 
Bcnefe,  Stiebenroth,  CS.  ®.  (SaruS,  Säubert,  §egel  —  unb  bie 
3rrigfeit  ihrer  pfpchologifchen  flnficfyten  nachjumeifen  fucht.  SDiefe 
9cachwcifung  ift  $)robifcfy ,  wie  faum  einem  ^ftycfyologen  bor  ihm, 
trefflich  gelungen. 

Allein  förobifch  ift  ^ftycholog,  nod)  mehr,  er  ift  (S^ftclnat^CY/ 
inbem  er  im  SefentUctyen  beut  Styfteme  £>erbart'$  folgt.  Damit 
ift  e«  ausgebrochen,  bafe  feine  ftorfchung«  weife  bie  ber  bi$= 
herigen  ^ft^chologen  ift,  unb  ba|  er  belegen  unmöglidt)  $u  wirf* 
lieh  befferen  (£rgebnt[f  en ,  al«  fie,  gelangen  fonnte.  Drobifch  er* 
Hart  gleich  allen  fotogen  bie  @el bftbeobach tu ng  al«  bie 
erfte  unb  eigentlich  einzige  Cuelle  ber  8eelenforfdning ,  tote  er 
bie«  fchon  in  ben  oben  mitgeteilten  Korten  ausbricht:  „Durd; 
blofce  unbefangene  Beobachtung,  3erglieberung,  ^Begleichung  unb 
ißerfnüpfung  ber  Xhatfachen  unferer  inneren  Erfahrung". 
Die  #eburt«oerfchiebenheit  ber  2)ienfchen,  ba«  thetlweifc  ®enie, 
ber  theilweife  Blöb*  unb  Söahnftnn  :c.  werben  oon  ihm  nicht  nur 
nicht  erflärt  ober  ju  erklären  berfudfc»t,  fonbern  mir  finben  auch 
bei  ihm  biefe  X^atfatym,  weil  fie  feiner  folgerichtig  burchgeführten 
Setbftbeobachtung«wetfe  aüjufern  liegen,  feltner  al«  bei  anbent 


Digitized  by 


^fo^ologic  unb  Wrenologie. 


91 


^ftychelogen  erwähnt.  Sahrfcheinttch  hat  £)robifch,  nachbem  er 
einmal  burch  baS  Eingeben  an  fein  @hftem  ben  freien  S3licf  ber 
ftorfchung  bcrloren,  gar  nicht  an  jene  X^atfac^en  gebaut ;  beim  er 
hätte  fonft  fofort  erfennen  muffen,  bafe  gerabe  baS  .£crbart'fcbe 
Aftern,  meil  ihm  jene  Sfyatfachen  fc^lcd^t^in  uuberfprec^en ,  am 
menigften  baS  ü>a^re  fein  fönne. 

dämlich  baS  Sßcfentliche  beS  £>erbart'fchen  ©Aftern«,  ober  ber 
magren  Seelenlehre  nach  $)robifch'  Anficht,  ift  bte  nnbebingte 
Einheit  ber  Seele,  bie  bermeintliche  Söahrheit,  baj$  es  feine 
berfchiebenen  See!  enb  er  mögen  ober  in  fich  getrennte  Seelen- 
fräftc  giebt.  Snbem  X>rofcifc^  biefe  Slnftcht  mit  bielem  Scharffinn 
nnb  bielem  (SHücf  berftcht,  hat  er  nur  (Sine«,  bie  §auptfacfye,  über- 
fein, baj?  baS  SBort  Seelenbcrmögen  eine  boppelte  ©cbeutimg 
hat,  eine  faifc^c  unb  eine  mahre.  Die  falfche  S3ebeutung,  bie 
ber  bisherigen  ^fochotogte,  berftetjt  unter  bem  ©orte  bie  abgc^ 
jogenen  ©genf^aften  ber  unrflichen  (^runboermogen ;  bie  n>al;rc 
iöebeutung,  bie  ber  ^renotogie,  berftcht  unter  bem  Sorte  bie 
inneren  Sinne  beS  9ttenfchen,  benen  jene  (gtgenf^aften  gemein* 
fd^afttid^  jufommen.  3nbem  alfo  $)robtfch  bie  9ci$tigfeit  jener 
fallen  Seelenbcrmögen  nachtoeift,  tljut  er  nichts  Ruberes,  al* 
maS  bie  ^^renotogie  tyut,  meiere  feit  einem  halben  3ahrhunbert 
biefelbe  Sahrhett  ber  ®elehrtcmuelt  begreiflich  ju  machen  fudt)t. 
3nbem  er  aber  mit  ber  ^ictytigfeit  ber  falfc^en  Seelenbermögen 
bie  9iichtigfeit  aller,  auch  ber  magren,  nachjumeifen  glaubt,  fo  ift 
bie«  bamit  ju  begleichen,  als  menn  er  burch  bie  iJtactyroeifung, 
bafe  bie  Sänge,  breite  unb  $>i<fe  ber  Körper  feine  in  fi<h  trenn= 
baren  gigenfe^aften  finb,  auch  nachgeroiefen  ju  f)aba\  glaubte,  baß 
alle  Körper  felbft  in  ihren  (Sigenfcbaften  bie  gleichen  feien. 

Stujer  bem  grojjen  SBerbienfte,  bte  9c«htigfeit  ber  fallen 
Seelenbermögen  bom  Stanbpunfte  ber  ^ftychotogie  felbft  aus  nach* 
gemtefen  311  h^^en,  gebührt  Drobifch  no<h  ein  befonbereS  Sob 
toegen  ber  Klarheit  unb  ©eftimratheit ,  mit  ber  er  bte  Trennung 
ber  Scelenlchre  als  einer  üftaturmiffenfehaft  oon  ber  fpeculatiben 
s^P^iIofopt)ie  —  ober  bie  Trennung  ber  ^rage  nach  *>en  <5rfchei= 
nun  gen  ber  «Seele  bon  ber  ^rage  wach  ihrem  Söefen  —  als 
nothmenbig  erfennt  unb  ausbricht,   <5r  fagt  (S.  3) :  „So  toie 


Digitized  by  Google 


92 


^fodjolcgie  unb  ^renologie. 


feine  Erfahrung  ber  ^ß^i^fif  barüber  2Ut«funft  geben  fann,  loa« 
Shaft  ober  Materie  fei,  fo  mie  feie  ^fiotogie  smar  bie  ZfaU 
fachen  ber  organtfirtcn  Materie  unb  be«  Seben«  anerfennt,  ofnie 
fie  jeboch  ju  begreifen,  ebenfo  giebt  e«  eine  föeifje  oon  pf^otogif^en 
fragen,  auf  bie  auch  bie  aufmerffamfte  ©elbftbeobacfytung  feine 
Stnttoort  giebt,  obgleich  fie  fich  täglich  aufbrängen.  hierher  gelten 
bie  Etagen  nach  bem  SBefeu  ber  Seele  fetbft,  ihrer  3mmaterialttät 
ober  Subftantialität,  ihrer  gcrtbaucr  ober  Vernichtung,  ihrem  gl* 
fammenhang  mit  bem  Vetbe"  u.  f.  m. 

Stuf  ber  (rabern  Seite  mürbigt  £)robifch  ganj  rüstig  bie  Ober= 
ff äd^ltc^feit  bcffen,  toa«  man  btöfycr  (5rfah™ng«fcelcnlehre  genannt 
(@.  17  f.).  2tuch  loa«  j.  Scheitlin  unb  ©Urbach  in  ber  £ljter- 
feetenfunbe  geteiftet,  genügt  nad)  feiner  Anficht  ben  ftorberungeu 
ber  SBiffenfchaft  ni^t  (©.  12). 

2Äit  einem  SBorte,  £>robif<h  geigt  ftch  in  2U(em  al«  einen 
SWann  ber  ächten  SSMffenfchaft.  ©enn  ein  $f>renolog  fein  SBerf 
tieft,  fo  mufi  er  bebauern,  baß  fo  otet  gefimbe  $raft  hier  oer= 
loren  gef>t  —  toeit  fich  eben  au«  lofem  ftlugfanbe  fein  ®ebäubc 
errieten  läßt.  3$  gehe  nicht  auf  £robtfch'  £arftellung  ber 
Seetenthätigfetten  fetbft  ein,  ba  bie«  für  bie  <Sacbe  ofme  Serth  unb 
für  ben  Öefer  ermübenb  fein  mürbe.  SDrobifch  giebt,  toa«  ftch 
immer  oermittelft  ber  <Selbftbeobachtung«meife  geben  lä&t.  (Sr  geht 
oon  ber  23orftellung  au«  unb  reiht  an  fie  alte  übrigen  (Seelen* 
tfyätigfeiten ,  fo  gut  e«  geht,  an.  Sllle«  ift  fein  beobachtet,  fa)arf 
beurteilt,  moht  ertoogen:  aber  nrie  toenig  fann  $)robifch  ben 
Langel  einer  feften  Unterlage  feine«  ganzen  Söiffen«  oerbergen, 
mie  oft  mufe  er  bie  Halbheit  feiner  Untertreibungen  beoortoorten ! 
2öa«  mürbe  $5robifd)  ber  Sßiffenfc^aft  fein,  toenn  er  an  bem  ®e* 
bäube  ber  ®etfte«lehre  oermittelft  ber  «aufteine  ber  mähren  ®runb* 
oermögen  mitarbeitete! 

3eboch  $>robifch  ^at  mehr  al«  irgenb  ein  Pföcholog  in  $>eutfcfc 
lanb  für  bie  Phrenologie  getyan:  er  hat  bie  $f^o(ogie  3 um 
(Snbe  geführt.  2flan  fann  bie  $fty$o(ogie  unb  bie  ^hTen°s 
togie  jtoeten  SBegen  oergleichen,  oon  meutert  nur  ber  eine  jum 
3tet  fü^rt.  SDrobifd)  ift  nun  auf  bem  falfchen  äöege  bi«  $um 
legten  (Snbe  oorgegangen  unb  hat  gezeigt,  baf  er  in  ben  Sanb 


Digitized  by 


$foc$Qlogte  unb  ^renologie. 


ausläuft !  3efct  ift  ba«  aligemeine  Umfchren  ber  Söanberer  imb 
ba«  betreten  be«  aubem  $öege«  ju  ertoartcn  —  toenn  biefer  ben 
zücmrerern  nur  erjt  oetannt  Ware ! 

Sie  wenig  aber  bic  Pfhdwlogen  oon  beut  2) afein  biefe« 
SegeS  ber  (ScifteSforfchung  ftenntnift  haben,  jetgt  wieber  auf* 
fallenb  SDrobtfch  fctbft.  (£r  weift  bic  9ft$tigfett  bet  (fallen) 
Seelenoermttgen  fo  nad>,  bafc  er  jeigt,  wie  $.  53.  ba$  itforftellcn 
zugleich  011$  ein  tßXfftm,  ba«  fühlen  sugleich  auch  ein  SSorftellen  :c. 
in  fieb  begreift;  ganj  fo,  wie  man  uaebweifen  würbe,  bajj  bie 
(£igenfchaft  ber  Vänge  ber  Mörocr  zugleich  mit  in  ber  (£igcnfcf>aft 
ber  breite  :c.  enthalten  fei.  titlein  oon  biefer  Urt  ber  9Ja$n>cU 
fung  macht  er  beim  ®ebädjtnijj  eine  Ausnahme,  inbem  er  fyier  — 
ein  fcf>r  feltener  ^a«  bei  ihm!  —  auf  bie  ®eifte$oerfchie* 
benfjeit  ber  Sflenfchen  gu  foreeben  fommt  imb  meint,  ba«  ®e* 
bächtniB  fonnc  bewegen  fein  ®runboermögen  fein,  weil  ein  SWcnfö 
ein  gute*  3ahlengebächtnifc ,  aber  ein  fcblechteS  Sortgebäcbtntß, 
ober  nmgefe^rt,  ein  anberer  ein  gute«  ©rtsgebächtnij? ,  aber  ein 
fehlere«  £ongebächtni& ,  ober  umgefehrt,  haben  fonnc.  (@.  97.) 
3u  ber  ^renotogie  ift  aber  feit  50  3af;ren  gang  berfclbe  @afc 
bi«  jur  (Srmübung  immer  unb  immer  wieberhott  worben,  um  bie 
92icfytigfeU  ber  (SeelenoermÖgcn  ber  bisherigen  pftychotogie  bar- 
Uit^un,  unb  ben  ©eweiä  oon  einem  @runb oermögen  be$  3ahlcn= 
finn«,  beS  Söortfinn«,  be$  £onfinn«  :c.  ju  führen.  £)aj?  £>ro* 
bifcb,  ber  auf  biefe  SBeife  febon  mit  einem  ftujse  im  ©ebict  ber 
Phrenologie  fte^t,  bie«  nicht  einmal  weijj,  erflärt  fich  barau«, 
bafc  er  feine  Ahnung  oom  £)afein  ber  Phrenologie  at«  einer 
®eifte«lehre  hat.  Sc  hält  bie  Phänologie  lebtglich  für  eine  ber 
„ alten*  öehre  oon  ben  ©eelenoermögen  angehängte  £typetyefe  oon 
bem  Sifc  biefer  Vermögen  im  Gehirn,  eine  ^>^pot^efe,  bie  ja  mit 
ber  nachgennefenen  ^i^tigfeit  biefer  Vermögen  oon  felbft  falle. 
(©.  16.)  „fochten  boch  diejenigen,  welche  mit  fo  freigebiger  £anb 
(^ebachtnif,  (SinbilbungSfraft,  ^erftanb  :c.  unter  bie  oerfchiebenen 
iötlbungen  be$  (Gehirn«  oertheilen ,  ftch  bor  allen  fingen  in  ber 
pfm^ologie  belehren,  waS  e$  mit  ihren  ®aben  eigentlich  für  eine 
Söewanbtnifc  hat,  bamit  fie  nicht,  in  ihrer  Untotffenheit,  mit  alten 
Slffignaten  h^noriren,  bie  fich  nicht  mehr  realifiren  laffen." 


Digitized  by  Google 


94 


«ßfocfalogie  «nb  ^Phrenologie. 


3$  halte  e$  nicht  für  unmöglich ,  bafe  £>rebifch,  wenn  er 
tote  ^^renotogie  fennen  lernt ,  ihre  5öahrhett  gern  anerfennen 
werbe.  <£r  ift  bon  ©eruf  juglcich  üftathematifer.  <Sr  fctbft  unter* 
Reibet  aber  jtmföen  ber  £anblung«foetfe  ber  2Jcathematifer  unb 
ber  ^^itofop^en  beim  (Srfennen  einer  neuen  Sahrheit.  <£r  fagt 
5.  ®.  bon  ftrte«  (@.  225):  »Sir  muffen  bef  lagen,  ba§,  al« 
£)erbart  baä  ©effere  gefunben  hatte,  $rie$,  anftatt  ein  3eu8nife 
für  ihn  abjutegen  unb  mit  ilmt  ju  wetteifern,  fich  nur  ber  Dppo* 
fitton  gegen  ihn  anfchlojj.  $öie  anbere  Gewohnheiten ,  als  bei 
ben  ^^ilofop^en,  fyerrfcfyen  boch  bei  ben  ÜRathematifern !  $11« 
tfagrange  burch  feine  rein  analtytifche  33egrünbung  ber  35arta* 
tionärechnung  bie  »orangegangenen  bortreffü^en  Arbeiten  (Suler'S 
überboten  hatte,  war  biefer  fo  weit  entfernt,  noch  bei  feinen 
eigenen  9ftetfyoben  ^artnäefig  beharren  ju  wollen,  bat  er  btetmehr 
Öagrange'S  (Srfinbung  in  mehreren  Slbhanblungen  ju  erläutern 
fuc^te  unb  ihr,  fie  gleichfam  an  $inbe*ftatt  annehmenb,  ben 
men  beilegte,  ben  fie  noch  jefct  führt".  2tteine  Erfahrung  ftimmt 
Inet  mit  ber  bon  SDrobifd^  überein.  3$  fenne  einen  ^^Uofop^en, 
ber  früher,  ehe  er  bie  ^Phrenologie  rannte,  it)r  (Segner  war; 
nact}bem  er  fie  aber  fpäter  genauer  fyatte  fennen  unb  tt)re  2Öar)r* 
t^ei t  erfennen  lernen,  ift  er  it)r  erbittertfter  ^einb  geworben. 

3c^  bitte  ÜDrobifcb  um  eine  öffentliche  ^Beurteilung  ber  bor= 
liegenben  (Schrift,  wenn  er  fie  anberä  berfelbeu  für  wertt)  $ätt 
CDrobifch  hat  biefer  ©Ute  nicht  entfproeben.) 

5.  i'cnrhf , 

„Sdjon  bei  ber  (Etflfitung  bet  flemöbnlidjfien  tttfabtungen 
böten  mit  bie  $f  belogen  übet  unlö«bate  SRdtbfel  nagen; 
nid)t  einmal  übet  bie  SRetbobe,  nad)  tucldjer  bie  Untetjucbimg 
anjafiellrn  fei,  ift  man  einig;  unb  bat  man  bie  üütfen  bet 
tteobaa)tung  balb  butdi  pfncfioloßtf c^c ,  balb  buräi  plinfio 
U>gif$e  $npotbefen  auÄsufülTen  oetfudjt,  fo  finb  bodj  bie 
meiften  biefet  ^bpotbefen  ebenfo  untauglitb  \ut  dtflätung 
beä  in  bet  (ftfabtung  Botliegenben,  al*  ibte  «nnabme  un* 
begtunbet."  »enefe,  $fb(bol.  S«»en  U,  65. 

1. 

Unter  allen  9fcaturwtffenfct)aften  ift  bie  (SeifteSlehre  biejenige, 
bon  welcher  ju  erwarten  ftanbe,  weil  fie  bem  9ttenfct}en  am  nachften 


Digitized  by 


vJ}ty(fyotogie  unb  ^Ijrenologte 


95 


liegt,  ba|?  fie  bte  allgemeinft  gefannte,  populärfte  wäre.  Slllein 
bie  (hfafyrung  jeigt  und  fuerbon  bad  <£egentfyeil.  <S*  gab  bon 
jeljer  in  Deutfölanb  feine  unpopulärere,  unter  aUen  (Staffen  ber 
®efelff$aft  weniger  gefannte  Söiffenföaft ,  ald  bte  $ft$ologie. 
S8on  einet  praftifdjen  ?Xuwenbung  berfelben  auf  bie  »ergebenen 
Siffenfdbaften  be«  i'ebend,  auf  (Srjiefmng,  Straftest  :c.  war 
oollenbd  nicfyt  bie  SRebc. 

Jpietbon  macfyt  bie  ^fbcfyologie  iöenefe'd  eine  Sludnafyme. 
Diefelbe  ift  nidjt  nur  bereits  in  »eiteren  Greifen  gefaunt  unb 
gerühmt,  fonbem  fie  ift  audj  in  ber  tfeljrerwelt  populär  geworben, 
fie  Ijat  auf  bie  (£r$ie(ning«M  unb  Unterria^tälefyrc  praftifcfye  $ln* 
wenbung  gefunben.  Dtefc  törfcfyetnung  Ijat  iljren  ©runb  tu  bem 
itfefen  biefer  s}$ft$ologte  fetbft  unb  in  ifjrem  Unterfcfyieb  bon  ber 
frühem  Seelentefyre.  Die  vJ$fbctyologie  Söenefe'd  ftimmt  närnüc^ 
in  einigen  wichtigen  fünften  mit  ber  sJtyrenologte  überein  unb  nmf 
fyierburcfy  große  ^orjüge  bor  ber  beengen  ^ft$ologte  barbieten. 
Die  Scbmädjen  unb  hänget  aber,  welche  ifyr  eigen  finb,  rühren 
nur  baljer,  bafc  fie  fi$  in  anbem  fünften  meljr  ober  weniger 
weit  oon  ber  ^Phrenologie  entfernt. 

(Smer  ber  wia^tigften  fünfte,  wegen  beffen  bie  Phrenologie 
mit  ber  alten  ^ßftyctyologic  im  Kampfe  liegt,  betrifft  bie  5lnficfyt 
oon  ber  (Sinfacfyfyett  bed  GMfted.  Die  bisherige  pffycfcologie  be= 
fyauptete,  bajj  ber  ©etft  einfach  fei,  wad  bie  Phrenologie  be* 
ftreitet. 

Stuf  ber  Seite  ber  Phrenologie  fämpft  auch  ©enele,  obgleich 
tlnu  nicht  bie  Haren  ®rünbe  ber  s)iatur(ehre  für  feine  Anficht  &u 
$ebot  flehen,  gegen  bie  falfc^e  Anficht  bon  ber  (Einfachheit  bed 
Reifte«  («enefe  fagt  „ber  Seele")  für  bie  «ietfacb^eit  feiner 
ßinjetfräfte. .  „Sttchtd  $at",  fagt  er,  „bie  Sludbilbung  ber  SKatur* 
erfenntniffe  bom  ©eiftigen  mehr  get;inbert,  ald  bie  oerfefyrte  S5or- 
ftellung,  bie  man  ft$  bon  ber  Grinf  adrett  ber  Seele  gemalt  hatte." 
„3n  betreff  ber  jenigen  Dualitäten  unb  Sfcrhältntffe ,  welche  und 
unfer  Selbftbewuftfetn  barftellt,  ift  bte  Seele  ni<htd  weniger  ald 
einfach,  ja  weit  entfernt,  bajj  burtfy  eine  3ufammengefefctheit  biefer 
XUrt  ihrer  Roheit  irgenb  ^Ibbrucb  gesehen  foüte,  tritt  btelmehr 
bte  Roheit,  in  welker  fie  fic$  über  alle«  anbere  bon  und  erfenn* 


Digitized  by  Google 


96  $fo<$ologie  unb  ^renologie 


bare  ©ein  erhebt,  gerabe  in  nicht«  Slnbenn  entfchiebener  §ex*ox, 
al«  barin,  baß  fic  in  ihrer  Grntwirfelung  einen  ohne  allen  $er= 
gleich  größeren  SRei^t^uui  bon  (dementen  unb  ^rojeffen  barbtetet." 
„Diefe  3ufammengefefcthcit  gie^t  fich  burch  bte  gefammte  (Reifte** 
eutwicfelung  in  fo  großer  9(u«behnung  unb  mit  fo  großer  £nt= 
fcfyiebenljeit  Junkurch,  ba§  man  fid^  fchon  »on  ben  frä^eften  3citen 
her  ihrer  Huffaffung  nicht  ^at  entfdtilagen  fönnen.  Ungeachtet 
jener  bis  an  bie  gegenwärtige  ^til  ^erau  feftgehalteneu  2khaup* 
tung  oon  ber  abfohlten  Einfachheit  ber  Seele  ift  in  einer  eigenen 
3nconfequen$  auch  bie  bisherige  ^ftychologie  fchon  fortwährenb  mit 
ber  3er^dun8  0Der  m^  &eni  Stücfgangigmachen  ber  Pfeifchen  3"s 
fammenbilbungen  befchäftigt  gewefen.  Stber  wa$  fich  in  biefer 
Dichtung  gcltenb  machte,  gefchalj  eben  nur  in  ^olge  einer  3n* 
confequenj,  war  nur  eine  9lrt  bon  geheimem  Strtifel,  unb 
tonnte  be^^atb  auch  nur  unbeftimmt  unb  nebelhaft  gefaft  »erben 
unb  nur  f$u>ä$ü$  f  ortwirf  en."  „Dop  wir  auch  im  Gebiete  be« 
©eifrigen  oon  „Elementen",  ton  „3ufammenbilbungen"  tc.  reben, 
bem  fönnen  mir,  wenn  mir  bie  Sfyatfa^en  oorurtheil«frei  auf* 
faffen,  in  feiner  Söeife  entgegen/'  ,2>a*,  womit  wir  eS  tyex  ju 
tljun  haben,  bie  praftifche  Sluffaffung  unb  ©ehanblung  ber  ©eele 
unb  bie  Slufftetlung  oon  pragmatifeben  33orfc^riften  bafür,  ift 
rui'duutf  uici>t  mit  ©enauigfett  unb  Söefttmmtheit  aufführen, 
al«  inbem  wir  foweit  in  bie  Üiefe  ber  pfty$tf$en  Grntwicfelungen 
eingeben,  bafc  wir  fie  in  ihren  Elementen  unb  beren  3ufanmen* 
bilbungen  faffen ;  unb  mau  wirb  fich  affo  fchon  an  biefe  $luf* 
faffungen  gewonnen  muffen,  Wie  fehr  fie  audb  liefen  ober  3enen 
bid^er  noch  frembartig  gewefen  fein  mögen."  (Jöenefe,  Slrchib  L 
&  9  ff.,  IL  $.  €>.  253.) 

(Sine  jweite,  bie  Hauptfrage  ber  @etfte«lehre,  mit  ber  eben 
befprocheneu  nahe  berwdnbt,  ift  bie  nach  ben  ©runbfraften 
be«  ©eifte«.  Sludt)  rn'er  finben  wir  »enefe  mit  ber  $f>renofogie 
gegen  bieStnftc^t  ber  bisherigen  «ßf^otogie  anfämpfenb.  £>iefe  führt 
al«  folc^e  ®runbfräfte  j.  baS  Empfinben,  ba«  Erfennen,  ben 
Sitten,  ba$  $ebächtnijj  u.  f.  w.  auf.  ©enefe  fpric^t  fich  eben  fo  ent=- 
f Rieben  Wie  bie  ^Phrenologie  gegen  biefe  Sinnahme  au$.  „2öer 
fagt  un«,  bat  wir  (wie  man  gewöhnlich  behauptet)  Eine  Ein* 


Digitized  by 


$fod>o(o9ie  unb  sJtyrenoto3te.  97 


btlbung«rraf*/  Sineti  33erftanb,  bitten  Sillen  Ijaben?  Dann 
müßten  äffe  Gräfte,  an«  melden  @inbilbung«borftellungen  $«• 
borgeljen,  alle  $erftanbe*fräfte,  aüc  Sillen«fräfte  n.  f.  \i\  im  3n* 
nern  ber  (Seele  unmittelbar  $u  (Sincm  (^efammtganjen  berbunben 
ober  mit  cinanber  berfcfymoljen  fein.  3tjre  Weiterungen  jeigen 
$n>ar  bie  gleite  ftorm:  aber  (Sinftimmigf eit  ber^orm  unb 
(£in«fein  in  (5  in  er  ©efammtfraft  finb  boefy  Jtoci  burctyau« 
berfcfyiebene  Dinge."  „Orbncn  fiefy  a(fo  ienc  Mräfte  au$  für 
unfer  SBorfteUcn  oberDenfcn  unter  (Sine  (Gattung,  fo  Ijaben 
wir  be«ljalb  feineu  ($rimb,  anzunehmen,  bajj  fie  auefy  in  ber 
SBirflicfyfeit  unmittelbar  Sind  finb  ober  (Sin  Vermögen  au«macben. 
Der  SWenfcty  hat  nid;t  (Sine  CSinbilbuug«fraft ,  (Stnen  33erftanb, 
©inen  Sitten  u.  f.  w.,  fonbern  unzählige."  ((Sr$ielning«lehre 
I,  77  ff.) 

Die  ^fjrenofogie  maebt  für  bie  ^efyauvtung,  bafe  jene  all* 
gemeinen  ®eifte«fräftc  feine  ©runbfräfte  feien,  jtoci  «eweife 
geltenb..  Der  erfte  ift  oon  ber  (i^arafteroerfc^ieben^eit  ber  9#enfdjen 
hergenommen.  Der  eine  iWenfch  j.  33.  erfennt  beffer  formen, 
ber  anbere  beffer  £6ne.  Denfelben  fo  nahe  liegenben  23ewei« 
nimmt  auch  ©enefe  für  fiefy  in  Slnfprud).  „SÖir  feljen  benfelbeu 
Sftenfcben  ba«  (Sine  gut,  ba«  Slnbere  fcblccht  berftehen,  ba« 
Sine  träft  ig,  ba«  2lnbere  unfräftig  wollen  u.  f.'  W.  Sie 
läßt  fiety  bie«  mit  (S  i  n  e  m  Sßerftanbe  u.  f.  w.  $ufammenr ebnen?* 
(pftychologie  @.  46.)  „3?on  einem  unb  bemfelben  3)?enfcfyen 
werben  Sachen  oon  gewtffer  2lrt  leicht  unb  oollfornmen  gefaxt 
unb  behalten,  aber  tarnen  nicht,  ober  oietteicht  Tanten  auch 
mit.  ähnlicher  SSirtuofität,  aber  3af;len  ^ann  er  ™fy  behalten 
unb  fo  fort.  2öot;er  nun  biefe  berfchiebenen  ®ebächtniffe?  Särc 
ba«  ®ebächtniB,  tote  wenigften«  bie  SMeiften  annehmen,  (Sine 
Äraft,  fo  müfcte  oon  bemfelben  üttenfehen  Sitte«  mit  bemfelben 
®rabe  oon  SBollfommenljeit  aufgenommen  unb  behalten  werben/' 
(Die  neue  ^ftydjologie  8.  130.) 

Der  zweite  Söewei«  ber  Phrenologie  ift,  bafe  jene  allgemeinen 
($eifte«rräftc  barum  feine  Öftuubfrafte  fein  f&nnen,  weil  fie  nur 
fety einbar  unter  fid;  oerfc^i ebene,  in  ber  Xl;at  aber  bie 
nämlichen  Gräfte  finb,  b.  i.  weil  bie  Sorte  (Srfeuncn,  (Smpftnben, 

Sfleoe,  Wirenoloflifdje  »Uber.  3.  «uff.  7 


Digitized  by  Google 


98  $ftäo(ogic  «nb  ^renologie. 


Sollen  ic.  nur  berfd;iebene  <5igcnfd?aften  ober  üDZcrfmale  einer 
tttlb  berfet 6en  £fjätigfeit  bejeiebnen.  Denn  jebe  (Seifte** 
t^ätigfett  olme  Stu«naf?me  tft  (Srfennen,  (impfinben,  ©ollen  :c. 
51t gleich,  nur  je  naefy  bem  Stanbpunfte,  bon  »eifern  au«  man 
fic  betrautet,  berfdn'eben  benannt,  gunt  Söetfpiel :  Seim  icb  an 
irgenb  (Stwa«  benfe,  fo  Ijeißt  tiefer  (Sctanfe  entmeber  ein  Orrfcnncn, 
mit  25ejug  auf  ben  (Segenftaub  (ba«  Object)  be*  Denfeu«, 
ober  er  heißt  ein  (Smpfinben,  infofern  tety,  bie  bentenbe  ^3erfon 
(ba«  @ubject),  mir  feiner  bewußt  bin,  ober  ber  (Gebaute  heißt 
ein  Sollen,  infofern  er  eine  £fyätiajeit  ber  ^erfon,  alfo  bom 
sBiüen  abhängig  tft ,  ober  er  fycifet  ein  Erinnern  (®ebächtniß), 
infofern  er  ein  tote  bereiter  tft  u.  f.  ro.  3Ufo  fo  wenig  bie 
gemeinfamen  <£i g enf  d?  a f  t en  aller  Körper  (9lu«bchnung,  Schwer* 
traft  :c.)  (^runbftoffe  ber  ftörper  finb,  fo  wenig  tonnen  jene 
allgemeinen  CaeifteSeigenfdjaften  ©runbfräfte  be«  Reifte«  fein. 
Der  3rrtfmm  ber  bisherigen  ^fyd;otogie  ^ierin  mar,  beiläufig 
bemerft,  ein  boppclter.  3o  wie  biefelbe  jene  bloßen  (Stgenfchaftcn 
für  bie  Sache  felbft  hielt,  fo  hielt  fic  gleicherweife  umgefehrt  bie 
Sache  für  bie  (5i$enfchaftcn :  beim  fic  gab  bie  (jefet  al«  wirflid;e 
(Srunbträfte  ertannten)  Gtnjclfräftc  be«  (Seifte«,  5.  bie  Gräfte, 
bcrmittelft  beren  mir  formen,  Bahlen,  Söotte,  £«me  ic.  erfennen, 
behalten  ic. ,  für  bloße  Crigenfcfyaften  (ober  SDJobtficationen)  jener 
termeintlicheu  (Srunbfräfte  au«.  ^cimlich  fo  hielt  bie  ?lftronomie 
oor  (Sopernieu«  bie  ftillftel;enben  £immcl«förper  für  bemegt,  bie 
bewegten  für  [tillftctjenb.  ©enefe  fd;ließt  fid;  auch  biefem  *öe* 
meifc  au«brücfltch  an.  „2)fan  ficht  leicht,  wie  Inerburd;  bie  gan^e 
bisherige  93orftellung«weife  au«  ben  Ingeln  gehoben,  ia  gleicfvfam 
umgefehrt:  ba«  fälfchlid)  Subftautiirte  al«  ein  nur 
Slbjecübifcfye«  unb  bagegen  ba«  abjectibifd/  (Siugcorbnetc 
at«  ba«  pftya)if3>  Subftantiel  Ic  erfaunt  wirb.  Die  alte 
^ftycfyologie  ^at  bem  sJ)ienfc^cn  j.  Sb.  ein  (Scbächtniß  jugef abrieben, 
in  meiere«  bie  erworbenen  SEorftellungen  aufgenommen  unb  fo 
aufbehalten  werben  follten.  Sllfo  ba«  ©ebäc^tniß  follte  ba« 
eigentlich  Subftantielle ,  bie  SBorftcllungen  ba«  Slccibentielle  fein. 
Die  neue  sßftyd)otogie  (©enetc'«)  bagegen  jeigt  unwtberfprechlid;, 
baß  ba«  (Scbächtniß  gar  nict)t  eriftirt  al«  etwa«  neben  ben 


Digitized  by  Google 


^fpcfyofogie  unb  ^brcnotoflic. 


93orftellungen,  fonbern  nur  an  ober  in  Unten:  al«  ettoa«  2lbjectt- 
»ifcfye«  an  Unten  ober  bestimmter  al«  ifyre  innere  SöefyatrungG* 
traft.  3ebe  ^orftellung ,  n?enn  fic  attö  beut  ©enuifttfein  ent- 
fcfynunbet ,  e r i  ft  i r  t  l mit  mein*  ober  minber  #raf  t)  im  inneren 
3eelenfein  fort:  bie*  ift  ba«  ®ebäd?tnifc,  unb  auf?erbem  (ober 
für  ft*)  ift  ba$  <$cbctytmg  nid;t«."    ^rjielningsle^re  I,  77  ff.) 

£>ie  ftrage  na*  ben  magren  ®runbfräften  bes  (Reifte«  ift 
ni*t  nur  an  unb  für  fi*  bie  erftc  unb  Hauptfrage  ber  ganjen 
©etfteSleljre:  ifyrc  ©eauttoortung  entfd;eibet  au*  nedj  toeiter  über 
bie  praf tif*e  91  n  n>  c  n  b  b  a  r  f  e  i  t  ber  ®  etfteSlefyre.  Bo  lange  man, 
tote  oon  ber  bisherigen  (Mftcölefyre  gefdjaty,  nur  jene  allgemeinen 
(5Mfte«eigenfcf>aften  für  bie  (^runbfräfte  be«  (Reifte«  fyielt,  fo 
fonnte  natürlich  bie  ®eifte«lel?re  nur  eine  abftracte  ober  pfyilo* 
foptyifctye  fein;  an  eine  praftifcfye  Seite  berfelben,  an  ifyre  ?(n- 
loenbung  auf  ba«  l'eben,  auf  bie  äiMffenfdjaften  ber  (*r$iefyung, 
be«  Strafrecbt«,  ber  OrteiftcSfycilfunbe  :c.  tonnte  nicfyt  gebaut 
roerben.  ®an5  anber«,  toenn  bie  ÖeifteSleljre  bie  nnrflicfyen 
®runb*  ober  (£tnjelfräfte  be«  Reifte«  nadnoie«,  bereu  Äenntnig 
ba«  föättyfel  ber  menf*ltd?en  (Sl?araftereigentf;ümlid?feiten  l&fte, 
ba  mußte  biefe  £etyre,  toie  bie  Phrenologie  in  i^rer  reiben  %\\* 
loenbung  jeigt,  fofort  in  U?r  natürlid;e«  föed)t,  bie  ®runblagc 
aller  Öebeu6miffenf*aften  51t  bilben,  eintreten,  ©cnefe  fonnte  biefe 
Seite  ber  &Mffenfd;aft  nidjt  oerborgen  bleiben:  In'er  eine  Stelle, 
roclcfye  feine  (£tnficbt  in  bie  3lntoenbbarfeit  ber  uatumuffenfebaft* 
liefen  ®eifte$lcfyre  auf  (Srjie^ung  ober  Unterricht  bartlnit.  „(£« 
ergiebt  fi*  augenfcbetnlich,  ba§  e«  feine  allgemeine  formale 
©ilbung  geben  fann;  feine  allgemeine  ©ebä*tniBbilbung,  $er* 
ftanbcäbilbung,  UrtheilSbilbung  :c.,  fonbern  jebe  formale  ©Übung 
reicht  nur  fo  toett,  al«  it>r  ©egenftanb  reicht.  £)a«  2lu«- 
toenbiglernen  oon  lateinifcfyen  3?ocabeln  5.  33.  übt  feineäioeg«  (tote 
man  oft  behauptet  fjat)  ba«  ©cbä*tni{j  überhaupt,  fonbem  eben 
nur  für  23ocabeln,  ber  matfyematifcfye  linterriebt  bie  ?lnf*auung«^ 
bie  ©eurtfyciumgSfraft  nur  für  mat^ematif*c  $crhältniffc,  aber 
nicht  für  fpra*li*e  ober  für  (Sf?araftere,  für  ?eben«oerl;ältniffe  2c. 
Denn  inbem  ba«  0»5ebä*tniB  überhaupt  nur  an  ben  $or  = 
fte  l  hin  g«f»  hären  ejiftirt,  al*  il;re  innere  Beharrung«* 


Digitized  by  Google 


100 


<ßfpdjologie  unb  ^Phrenologie. 


fraft ;  in  welcher  %xt  fottten  wofyl  bie  für  33orftettimgcn  latcinifctyer 
Setter  gewonnenen  Gräfte  für  ba«  fräftige  Stuf  f  äffen  unb  $luf= 
behalten  pfyrjfifalifcfyer  Slnfcfyauungen ,  ober  5lnfcfyauungen  ton 
^ßflangen,  bon  SWenfcfyen  :c.  fruchtbar  werben  fennen?  Unb  in* 
bem  ba«  Urteilen  burd)  bie  ©cgriffe  gefdn'efyt,  fo  fann  ja  aucfy 
bie  burdj  ben  (Srwerb  gewiffer  begriffe  hierfür  gewonnene  föraft 
nicfyt  weiter  al«  ber  3nljatt  biefer  begriffe  reiben.  Unb 
fo  in  altem  Uebrigen."   ((Srgiefyunggleljre  I,  81.) 

2. 

Senefe  ftimmt,  wie  wir  fefyen,  mit  ber  Phrenologie  gegen 
bie  bisherige  pffydjologie  in  einigen  fefjr  wichtigen  fragen  überein. 
(Sfje  wir  aber  noefy  einige  weitere  wenig  bebeutenbe  fünfte  biefer 
Uebereinftimmung  erwähnen,  müffen  Wir  SSietcö  unb  Sichtige«, 
worin  Jöenefe  bon  ber  Phrenologie  abweist,  befpre^en. 

Unter  biefem  ftefyt  bie  3Jiet^obe  ber  ®etfte«forfchung  obenan. 
£)ie  bisherige  ©eiftesleljre  fannte  al«  9flet(;obe  ber  $orfcbung  nur 
bie  einfeitig  ^ilofobln'fc^e  Selb  ft  Beobachtung,  wet^e,  weil 
fie  im«  nur  einen  2ftenfcfyen  ober  nur  ba«,  wa«  alle  2ftenfd?en 
unter  fich  gemein  haben,  fennen  lehrt,  gu  feinem  Grrgebnij?  führen 
fonnte.  tiefer  3)?ethobe  gegenüber  ftefyt  bie  naturwiffenfc^aftlic^e 
ober  phrcnologifc^c,  welche,  inbem  fie  bie  gange  3)?enfchhett  in  bie 
ftorfdmng  gieljt,  in  ber  geiftigen  Sßerfcbteben^eit  ber  9tten= 
feben  ben  2öeg  gur  sJkcfyweifimg  ber  ®runbfräfte  be«  (Seifte«  auf* 
gefunben  t;at. 

©enefe  nun,  weit  entfernt,  fich  auf  ben  naturwiffenfdjaftlicfyen 
«Stanbpunft  gu  ftellen,  fennt  biefen  nicht  einmal,  (ix  ift,  weil 
einfeitiger  Phitofoph,  ba«  (Segentheit  eine«  92aturforfc$er«.  (Sin 
©ewei«  hierfür ,  bereit  wir  oiele  fennen  lernen  werben,  ift,  bafj 
er  an  ber  2)?etl)obe  be«  Selbfrbeobachten«  Wroff  fefthält.  (5r 
fagt:  „$)ie  auSneljmenbe  S3erwicfelung  ber  Pfeifchen  Stete  unb 
ber  In'erauS  ^erborge^enbe  weit  abweictyenbe  unb  anfeheinenb  wun* 
berbare  Ctfyarafter  mancher  berfelben,  ftellen  un«  bei  biefer  Stuf* 
faffungSweife  (ber  ber  Selbftbeobacfytung)  fein  ^inbernifc  mehr 
entgegen  für  bie  Gewinnung  einer  burcfygängtg  ftar  beftimmten 


Digitized  by  Google 


Wröologie  wub  ^rcnologie.  101 

Grrfenntnifj ;  inbem  aud;  I)ier  nue  überaß  nur  bic  einfachen,  tag* 
ti$  unb  ftttnblic^  uncberfebrenbcn  (Srfolge  ju  umfaffcnben  9latur< 
gefefeen  führen.  Die  au  feerorbenttidjen  (Srfctyeinungen  finb, 
fctyon  mett  fie  bie  jufamm en gefegte ften  finb,  auch  bie  uw* 
flarften,  unb  bie  atfo  nic^t  otme  ©eitere«  über  ifyre  Statur 
9ic($enf$af t  geben  f önnen ;  unb  überbieä  fefyren  fie  ju  fetten 
uuebcr,  unb  berftatten  bafyer  nicfyt  fo  biete  unb  bon  fo  fielen 
ju  bottjietjcnbe  Beobachtungen,  nn'e  fie  fitr  eine  gegcnfeitige  ion* 
trete  unb  bie  bierburcb  allein  51t  erwerbcnbc  Sicberfjcit  über  bie 
töictytigfcit  bcr  Beobachtung  unb  Verarbeitung  uncrtäfctich  finb." 
f  (^f^ot.  8.  13.)  Sie  bejeictynenb  finb  biefe  Söorte  für  ben 
©tanbbunft  be«  einfeitigen  ^^itofop^en,  ber  Da«,  tuaS  i^m  aU^u 
berttricfett  ober  tuunberbar  ober  au&erorbentlich  föchtt,  b.  i.  loa« 
itjm  nicht  loo^t  in  fein  Softem  pafet,  umgebt,  um  ftch  an  baß 
ihm  ftügfamc,  teic^t  Grrftärtiche  ju  Ratten.  Uebrigen«  ift  BenetYS 
Behauptung,  „bie  amjerorbentltchcn  (Hjaraftererfchctnungen  feien 
bie  jufammengefetjteftcu  unb  unttarftcn",  burchau«  irrig.  2Öa8 
tonnte  er  beut  ^tjrenotogen  antworten,  toctcfyer  behauptet,  bafc  3. B. 
ein  bei  einem  BlBofinnigen  borragenbe$  Grtnjeltatcnt  (ber  Sftuftf, 
beä  3cichncn$,  ber  Nachahmung)  bcr  fterfchung  gegenüber  biet* 
mehr  eine  fetjr  „einfache  unb  ftare"  ß^araftererf Meinung  fei.  5luch 
teuren  bie  ftältc  auffattenber  (S^aratterberf^ieben^eit  bcr  Sflenfcfyen 
nicht«  weniger  at«,  mie  Bcnefe  meint,  „ju  fetten  nneber".  @S 
ift  im  ©egentbeif  eher  eine  Ausnahme  bon  ber  SReget,  toenn  bei 
einem  Sttenfchcn  alte  ©eifteSfräfte  ^armontfc^  entmiefett  finb,  toetm 
nicht  irgenb  ein  3US  latent,  eine  Neigung,  eine  £eibenfd)afO 
borragenb  ftarf  ober  fchtoach  bei  ihm  bor^anben  ift. 

,  Noch  mehr!  Unfercr  Behauptung,  baf?  Bencfe  bic  Selbft- 
beobachtung  für  bie  einjig  richtige  Üftethobe  ber  (&eifte$forfcfyung 
halte,  fennte  e«  ju  miberfprcchen  fc^einen,  bajj  berfetbe  in  einer 
oben  angeführten  ©tette  bie  Sahrhett,  baß  ba«  (Sebächtntjs  fein 
©runbbermögen  be«  (Seifte«  fei,  burch  bie  SBerfcfyiebentjcit 
bcr  Sharaftcrc  nachreift,  ba  j.  B.,ber  (Sine  ein  beffere«  SBort^, 
ber  Slnbere  ein  beffere«  vgachgebächtnijj  jc.  habe.  $lltcin  biefer 
Siberfpruch  geftaltet  fich  nur  ju  einem  neuen  fehleren  SBornmrf 
gegen  Beuefc,  ju  bem  ber  auffattenbften  Halbheit  unb  3nconfe* 


Digitized  by  Google 


» 


102  ^ftcMogie  unb  ^rcnelogie. 

quenj.  ©cncfe  oermtrft  für  bie  ®eifte«forfchung  au«brücfttch  bie 
grunbfäfcliche  Beobachtung  ber  (Sharaftereigenthümlichfeiten  bct 
SDtaifehen,  unb  bod)  mad>t  er  oon  btcfer  Beobachtung  (Gebrauch, 
um  eine  SBctfjrfycit  barjuthun,  toelche  ihm  nur  burch  biefe 
33cobad;tung  allein  $ur  Grrfenntntft  fommt  unb  fommen  fann. 
ftemtt  Bcncfe  nicht  felbft  biefe  feine  3neonfcqueiu,?  s}teiu,  er  ift 
meit  entfernt,  auch  nur  51t  ahnen,  bafc  faft  ber  gange  Jöertfy  feiner 
®eifte«lehre  fammt  bereu  praftifebem  Grrfofge  auf  ber  untoillfür* 
liefen  Benufeung  eine«  oon  tt)m  au«brücflich  0  entworfenen 
®runbfafce«  beruht. 

3a  noch  mehr!  (S«  ift  heutzutage  allgemein  anerfannt,  bafe 
bie  Serben  unb  ba«  ®chmt  bie  Präger  ober  ©erzeuge  (Organe) 
ber  ®eifte«thätigfettcn  fiub.  SBenn  nun  bie  alte  ®eifte«lehre  früher, 
fo  lange  man  faum  oon  biefen  Organen  ctioa«  nnifcte,  biefelben 
nicht  beamtete,  fo  toar  bie«  t>er$eihlich.  3n  unferen  £agen  aber 
toenbet  nach  unb  nach  fogar  bie  bi«herige  ober  pfyUofopfyifcfyc 
®eifte«lehre  ben  Organen  be«  ©etfte«  ihr  5lugenmerf  gu  unb 
fncf;t  ftch  baburch  jur  9kturuuffcnfchaft  3U  ergeben,  ©anj  anber« 
Benefe,  ber  in  biefer  §>inficht  fogar  noch,  fotoett  er  fann,  hinter 
bie  alte  ©eifte«lehre  jurüefgeht.  ©tatt  bie  2Iufflärungen  ju  be= 
nufeen,  ioelche  bem  ®eifte«forf<her  bie  $enntnift  ber  ?Reröen*  unb 
©e^irnle^re  geben  fann,  ober  ftatt  nur  bie  2lbfi($t  ju  hegen,  ben 
Blicf  in  ba«  (betriebe  be«  Reifte«  burch  bie  Beachtung  ber  Or* 
.  gane  beffelben  ju  erweitern,  oertoirft  Benefe  fogar  au«brücflich 
biefe  Erweiterung.  (Sr  fagt:  „3toar  (äjjt  man  nach  ber  fjMffto 
liefen  Anficht  bie  äußeren  Ginbrücfe  junächft  burch  bie  „  leiblichen 
Organe"  aufnehmen  unb  erft  oon  biefen  au«,  oermtttelft  ber 
Serben  unb  be«  (Gehirn«,  auf  bie  ©cele  übertragen.  5>ierbon 
aber  fagt  un«  unfer  ©elbft  bemüht  fein,  welche«  nur  al«  ben 
einigen  ($runbqueü  für  bie  pfhchologtfdjc  (5rfenntnij$  bezeichnet 
haben,  nicht  ba«  3}?inbefte. "  w2W$gen  alfo  Slnatomie  unb  5$hhfi°5 
logie  ba«  auf  ihrem  (Gebiete  beobachtete  aufflären  unb  begrünben: 
für  bie  ^tychologte  l)atten  \otr  baran  feft,  bajj  un«  unfer 
8  e  1  b ft b  en) u t f  e  i n  oon  einer  folgen  SBermittelung  nicht«  fagt." 
(W$oI.  ©.  21  f.)  gürtoahr,  echte  üföorte  be«  einfeitigften  $$Uo* 
fo^hen,  nicht  be«  9caturforfcher« !  Benefe  gehört  $ur  £ahl  Derer, 


Digitized  by  Google 


^Vdjeleste  unb  ^rcnologie.  103 


meldte  bie  Äugen  bebecfen,  in  ber  2tteimmg,  bat)  Da«,  loa«  fie 
nicht  fehen  looüen,  ntct}t  ba  fei.  Sie  tocit  ift  er  bon  bcr  (5infid?t 
entfernt,  bafc  es  mir  e  i  n  e  Sat)rt;eit,  mir  eine  2öiffeufd;aft  gtebt 
unb  geben  faitnl  Sic  merftonrbig  ift  bollenb«  feine  21rt  gu 
fchüefjen!  Seil  un«,  fd)lieijt  er,  unfer  <Selbftbenui§tfein  bon  ber 
$crmittelung  bc«  $eifte*  burdj  .bic  Organe  nicht«  fagt,  fo  fbnncn 
biefe  Organe  fein  ®egenftanb  ber  (#eiftc«forfchung  fein ;  ftatt  bap 
er  umgerührt  fo  hätte  fc^Uef?en  muffen:  roeil  un«  unfer  @elbft= 
beroufjtfein  oon  jener  33crmittelung ,  einem  {ebenfalls  wichtigen 
gelbe  ber  ®cifte«forfchung ,  nichts  fagt,  fo  ift  fa>n  barum  ba« 
.  ©clbftbenuifctfein  nicht  al«  bcr  einjige  ®runbquell  ber  ®eifte«* 
forfd)ung  ju  erfennen. 

3. 

Senn  ©euere  mit  ber  alten  ©cifte«lchrc  an  bcr  üDiethobe 
bcr  (Sctbftbcobacfytung  fefthält,  311  welchen  anbero  (Srgcbniffen  t)at 
üm  feine  $orfduing  auf  biefem  nämlichen  Sege  geführt?  Ober 
beftimmter:  n>ie  unterf Reibet  fid)  im  (Singetnen  bie  ©eifte«lehre 
©enefe'«  einerfett«  bon  bcr  früheren  pfhcbologie,  anbererfeit«  bon 
ber  ^t)reno(ogic  ? 

Sie  bic  Phrenologie,  fo  berroirft  ©enefe  bie  ®runbbermßgen 
bcr  alten  Pftychologie  (ßrfenntnifjbermogen,  @inbilbung«fraft,  ®e- 
bächtnift)  at«  irrig.  Die  Phrenologie  berroirft  fie,  geftüfet  auf  bie 
Beobachtung  ber  geiftigen  ©erfchiebenheit  ber  2ftenfchen.  ©cnefc 
aber  ftcllt  fykx  —  merfioürbigertocife !  —  jtoei  einauber  ganj 
frembe  ©errocrfnng«grünbc  auf,  einen  ihm  unberourjtcn  unb  einen 
ihm  beroujjten.  Der  unbcrour}tc  ©ertterfung«grunb  ©enefe'*  ift 
ber  ber  PhTeno^3^e»  toi*  l^ben  oben  (§  2)  ©enefe  benfelben 
geltenb  machen  fer)en.  Da  biefer  ©erroerfung«grunb  aber  auf  bem 
Örunbfafee  ber  Grrforfct)uug  ber  Gharafterberfdnebenheit  beruht, 
unb  ba  ©enefe  an  bie  ^pifce  feine«  ©hftem«  im  ®egentheil  ben 
©nmbfafc  ber  alleinigen  ©elbftbeobachtung  ftellt,  fo  mufc  fein  be= 
taugtet  ober  fhftemattfcher  ©ertoerfung«grunb  ein  anberer  fein. 
Sir  muffen  ^iex  einen  ©lief  in  ba«  Sefen  be«  ©enefe'fd>en 
Aftern«  tlmn. 


Digitized  by  Google 


104 


^tyctyologic  unb  ^tyrcnologic. 


Um  bic  loafyre  SNatur  be«  ®eifteS  $u  erlernten,  fagt  Söenefe, 
müffen  nur  $ur  (Sntftefyung  unb  SBilbung  ber  $eifte#fräfte 
jurücfgcfyen ;  toit  inäffen  fragen,  nrie  bet  SBcrftanb,  bie  Vernunft, 
bie  Cnnbtlbungäfraft  :c,  bie  bollcnbeten  $eifte$fräfte,  Don  t  \)  r  e  nt 
erften  Sin  fang  an  im  üDJenfcfyen  ftcfy  gebilbet  fyaben.  So  biel 
berfpredjenb  biefe  Slnficfyt  ©enefe'S  auf  ben  erften  S8i\d  freuten 
f  Bunte,  fo  Ijätte  er  boefy  tv>or)f  fclbft  feine  große  Hoffnung  barouf 
gebaut,  wenn  er  fid>  erinnert  fyätte,  bafe  im  Sßefen  biefelbe  2tn= 
fid;t  fdjon  früher  ben  Zubern,  i.  Sd.  oon  (Sonbillac,  aufgeteilt, 
bajj  aber  auety  fte,  loie  ade  anbem,  als  unbegränbet  erfannt  unb 
toieber  berlaffen  tourbc.  £>a  e«  aber  bei  ©cnefe  al«  Slriom  feft*  . 
ftanb,  baß  bie  ®eifte«lel?re  ifyre  Weugeftaltung  nur  oon  ber  (burd; 
Selbftbeobacfytung  $u  etflärenben)  Crntftefyung  ber  ®ciftc$fräfte  ju 
ertoarten  fyabe,  fo  glaubte  er  fo  tief  al«  ra&glid&  erflären  ju 
müffen  unb  fd^rieb  bem  3J?cnfd)en  mSgücfyft  menig  ange- 
borene ®eifte«fräftc  ni.  Waty  tfjm  ift  bem  SDieufcfyen  nicfyt« 
weiter  angeboren,  alä  bie  Gräfte  beä  Seijens,  $i>ren$,  SEaften«  ic.  ; 
baä  Uebrige,  S3erftanbe£fräf te ,  Xalcnte,  ®efül)le,  Steigungen, 
t'eibcnf^aften ,  alle«  bieö,  behauptet  er,  bilbet  fiety  erft  naefy 
unb  naefy  au«  jenen  angeborenen  einfachen  Gräften  fjerauS. 

üDiefe  33e!jauptung  $3enefe'S  fällt  mit  bem  oon  uns  gefugten 
betoufeten  ober  ffyftematifcfyen  ®runbe  jufammen,  warum  er  bie 
in  ber  alten  ^ftycfyologie  aufgehellten  ©runbbermögen  al«  irrig 
berwirft.  Denn  ba  einfache  ober  ®runbbermßgen  be«  Reifte« 
natürlich  bem  ÜNenfcfyen  angeboren  fein  müffen,  fo  finb,  behauptet 
Senefe,  jene  ®runbbermögen  ber  alten  ^fi$ologen  belegen  al« 
irrig  ju  erfennen,  weil  fie  bem  SDZenfd&en  nt d) t  angeboren  finb. 
Den  mistigen  JöeweiS  btefe«  Sftidjtangcborenfeinä  fucfyt  JSenefe 
fo  nt  führen:  „Unftreitig",  fagt  er,  „ift  e«  eine  ganj  unbegrün* 
bete  Wnnaljmc,  baß  bie  GrinbilbungStraft,  ber  33erftanb,  bie  33er* 
nunft  unb  bie  übrigen  gelneiniglicfy  aufgeführten  Vermögen  ber 
menfcfyli<$en  Seele  angeboren  feien.  95Me  wenig  nur  aud) 
oon  ber  Seele  be$  jum  £eben  erwacfyenbcn  ftinbeft  wiffen  mögen, 
fo  lägt  fi$  bo<$  fo  biel  al«  unzweifelhaft  nactyioeifen,  ba§  baffelbe 
noa)  feine  (SinbilbungSborftellungen,  unb  no<$  biel  weniger  S3e= 
griffe,  Urteile,  Stt)lüffe  :c.  311  erzeugen  im  ©taube  fei.  >Jwar 


Digitized  by 


W^ofogie  unb  ^rcuologi«. 


105 


f  ollen  jene  23ermSgen  unentfaltct  «tcr  uncnttrirfett  angeboren  fein. 
Hbcr  woher  ift  man  benn  r>or  ihrer  (Sntfaltung  unb  Crntwicfeluug 
ihrer  Qrjciftena  gewiß?  Slnf  biefc  ftrage  bürfen  wir  fchon  be«halb 
feine  befriebigenbe  Antwort  erwarten,  weil  auch  für  btefe  (Snt* 
faltung  nnb  Grntwicfelung  lieber  alle  9lnfchaulid)fcit  fehlt,  ba  fidj 
wohl  9liemanb  bei  biefen  fo  vielfältig  gebrannten  9lu«brücfen  etwa« 
deutliche«,  ja  überhaupt  nur  etwa«  $u  benfen  oermag."  O^fycbel. 
^fi^en  II,  22  f.) 

£)iefe  33ewci«führung  Söencfe'«  ift  ganj  nichtig.  fta«  neu* 
gebornc  Ämb  ift  freiließ  „noch  feine  (£inbtlbung«oorftellungen,  #e* 
griffe  :c.  }ti  erzeugen  im  Staube".  9(ber  alle  biefe  ®cifte«fräftc, 
Wenn  fic  auch  bem  2J?enfd?en  angeboren  wären,  f&nnten  ja  natür- 
lich erft  nad)  unb  nach  in  ilmt  jur  (Sntwicfelung  unb  uir  Xhätig* 
feit  fommen.  fluch  bie  £)änbe  unb  ftüße,  bie  ber  SDfcnfd?  ton 
(Geburt  au«  Ijat,  weiß  er  anfang«  nicht  ju  gebrauchen.  (£«  hat 
ba^er  feinen  Sinn,  barau«,  baß  jene  $eifte«fräfte  fich  anfang« 
noeb  nic^t  ttjättg  jeigen,  folgern  ju  wollen,  baß  fie  noch  flar  Hwtyt 
üorhanben  feien,  (Sbenfo  wenig  liegt  barin  ein  39ewci«  für 
iöcnefe'ä  Anficht,  „baß  für  bie  Entfaltung  unb  (Sntwiefelung  ber 
®eiftc«fräfte  alle  5lnf  cha'ultchf  cit  fehlt",  ober  „baß  wir 
feinen  näheren  fluffdjluß  barüber  &eben  f&nncn".  3n  einem  ph^°* 
foptu'fchen  Aftern  freilich,  einer  felbftgcmachtcn  Söiffenfchaft  wirb 
alle«  geh&rig  „ anfehaulich  gemacht  unb  crflärt",  wir  erhalten  über 
ade«  „3luffd;luß".  3n  ben  thatfächltchen  ^aturwiffenfehaften  aber 
müffen  wir  SMele«  al«  wahr  anerfennen ,  wofür  e«  noch  an  aller 
(Srflärung  fehlt.  Warum  gfefy  ber  Magnet  ba«  (Sifen  au?) 
Nimmermehr  fann  baher  au«  bem  bloßen  ÜKangel  ber  Erflärung 
einer  %%o\\<x§t  beren  Unwahrheit  gefolgert  werben. 

Huf  biefc  2öeife  ^at  fich  alfo  ber  bewußte  ober  fhftematifd)e, 
ber  au«  bem  (^runbfa^  ber  ©elbftbeobachtung  hingenommene  33ct= 
werfung«grunb  Jöenefc'«  gegen  bie  (^runbtocrm&gen  ber  alten 
^ft;dt)oIogie  al«  ein  burchau«  irriger  ergeben , .  unb  c«  bleibt  nur 
Jöenefe'«  unbewußter,  auf  ben  (Srunbfafc  ber  ^Beobachtung  ber 
menfehlichen  ßharaftertoerfchiebenheit  geteilter,  alfo  ph^eno? 
logtfeher  $crwerfung«grunb  al«  ber  richtige  übrig. 


Digitized  by  Google 


106  W^ologie  unb  Wreuofogte. 

4. 

Sehen  mir  $u,  loa«  Söenefe  an  bte  Stelle  ber  bon  ttjm  ber* 
morfenen  $TunbOermegen  ju  fefcen  ober  tute  er  auf  feine  9lrt  bie 
(Sit t ft e$ Uli g  ber  ®etfte«fräf tc  }u  ctflären  toeijj.  3llle  (Gattungen 
oon  ®etfte«thättgfeiten,  fagt  er,  (Sinbilbung«oorfteüungen,  begriffe, 
Schlüffe  jc.  finb  im  $et$ättnt$  gu  ben  finnüdjen  Wahr* 
Hemmungen  al«  abgeleitete  311  erfcmien.  Denn  bie  Sahrtteh* 
mungen  geben  ben  Stoff  für  bie  eitibitbung«borftellungen  unb 
für  bie  begriffe,  bie  begriffe  finb  mieber  bie  (^runblage  für  bie 
Urteile,  Schlüffe  unb  alle  $ufammcngcfcfcteften  Denfthätigfeiten. 
Die  Wahrnehmungen  erfebeinen  un«  bafjer  al«  bie  urfprünglichften 
unb  einfaßten  unter  ben  ®cifte«thättgfeiten.  9lu<h  fchetnt  über* 
fyaupt  faum  eine  einfachere  ©ilbung  al«  eben  bie  ber  Wahrnehmungen 
gebaut  merben  ju  fönnen.  Denn  ma«  ift  nach  bem  äeugnifc  be« 
unmittelbaren  ©emufctfein«  für  bie  Söilbung  einer  ®eficht«roahr= 
uefnnung  weiter  nöthig,  al«  ba|?  HWt  ben  und  bon  Slujjen  fom- 
menben  tftchtreij  mit  bem  Vermögen  unfere«  ®eficht«ftnne«  auf* 
f äffen  V  toa«  für  bie  SMlbung  einer  $ehermahrnehmung ,  »al«  bie 
Aufnahme  be«  Schallre^e«  burdj  unfern  ®efy&rfmn? 

Unb  bennoch,  fät>rt  ©enefe  fort,  muffen  mir  biefe  Einfach* 
heit  ber  Wahrnehmungen  al«  eine  nur  fcfyeinbare  erfennen.  Die 
Erfahrung  jeigt  un«  nämlich,  ba§  ein  SEReitfö  fehen  unb  babet 
nicht  ma^r nehmen  fann,  bat?  alfo  ba«  Wahrnehmen  au«  smet 
Dingen,  au«  bem  Sehen  unb  nod?  au«  einer  anbern  ®etfte«* 
tfyätigfeit,  Befielt.  Die  tilgen  be«  augefbannt  ^aebbenfenben  finb 
nicht  feiten  fo  entfe^ieben  auf  einen  s]5unft  gerietet,  ba§  man 
glauben  folltc,  er  müffe  ben  bort  oorhanbenen  Öegenftanb  mit 
au«nehmenber  Schärfe  auffaffen ;  fein  Wahrnchmung«bermögen  ift 
völlig  gefunb,  bie  Erleuchtung  be«  ®egenftanbe«  fjell  genug  für 
eine  flarc  finnltcbe  Slurcgung;  unb  bennoch  entfielt  bielleicht  gar 
•  feine  Wahrnehmung  ober  nur  eine  fehr  unbollftänbige  in  ihm. 

Sehnlich  fo  bermag  ba«  Ä'inb  in  ben  erften  Wochen  bie  umgeben* 
ben  Dinge  nur  fehr  unflar  aufeufaffen,  e«  oermag  nur  finnliche 
„(Jmpfinbungen",  noch  feine  finnüchen  „Wahrnehmungen"  gu  er* 
jeugen.    £unbcrtmal  fäüt  ba«  ?lugc  be«  Säugling«  auf  ben 


Digitized  by  Google 


^ty^ologie  unb  ^rcnologie. 


107 


Stoter,  ehe  ein  Siebererfcnucn ,  alfo  ein  n>irfli<he«  (bemußte«) 
©ahrnehmen  ftattfinbet.  —  9Ufo  e«  muß  jum  (•unbemnßtcn)  (5  m* 
pfinben  noch  etma«  ^injufommen ,  bamit  e«  ein  (bewußte«) 
Sahrnehmen  werbe.  £)a«  Sahrnehmung«oermögen  ift  alfo 
nicht  eine  einfache  $raft,  fonbern  jufammengefekt  au«  ber  @m^ 
Vfinbung  unb  einer  weiteren  ®eifte«fraft.  Selche«  aber  ift  biefe 
($eifte«fraf  t  ?  —  eine  ftrage,  hinter  Welcher  ba«  9iäthfel  ber 
ganzen  ©eifte«lehre  verborgen  liegt. 

£>ic  Erfahrung  lehrt,  —  fo  beginnt  $enefc  bie  33eant> 
wortung  biefer  $rage,  —  baß  eine  finnliche  Wahrnehmung  um 
fo  botlf ommener  oon  un«  gebtlbct  werben  fönnc, 
je  öfter  biefelbc  fonft  fchon  in  un«  gebilbet  korben 
ift.  £)er  in  irgenb  einem  SftaturgeMet  geübte  Beobachter,  ber 
>W)fifer,  ber  (Shemifer,  ber  ?lrjt,  bemerft  fo  SSiele«,  wa«  bem  bie 
gleiten  ©egeuftänbe  beobachtenben  tfaien  entgeht;  warum  bie« V 
weil  gleite  ober  ähnliche  Wahrnehmungen  fcljr  oft  oon  il;m 
oolljogen  worben  finb.  (Srft  burch  öftere«  Seijen  muß  ber  33linbc, 
bem  ber  ©eficht«finn  geöffnet  ift,  muß  auch  ba«  Äinb  in  ben 
erften  £eben«wochen  feljcn  lernen.  3e  Weiter  wir  hierbei  auf  ben 
Hnfang  uirücfgchen,  um  befto  uitooUfommcuer  werben  bie  (Um* 
liefen  Wahrnehmungen;  gelten  nur  weit  genug  juruef,  fo  hören 
fic  auf,  eigentliche  Wahrnehmungen  $u  fein  unb  erfcheiuen 
al«  bloße  (Smpftn  billigen.  Sa«  aber  oerftärft  nun  je  ba« 
fpätere  Wahrnehmen  gegen  ba«  frühere?  2)?an  antwortet',  bie 
ttafjrnelnuenbc  Äraft  werbe  geübt  unb  au«gcbilbet.  eine  fetyr 
richtige  unb  ^wertmäßige  Slntmert  für  ba«  Denfen  be«  gewöhn- 
liefen  geben«;  bie  Wiffenfchaft  a^r  barf  fich  fn'erbei  nid)t  bc* 
ruhigen,  fonberu  muß  weiter  fragen,  worin  benn  biefc  Uebung 
unb  2lu«bilbung  ber  $raft  beftcl;e,  wa«  babei  eigentlich  pfijdnfcfy 
gefchehe,  wa«  bei  ber  tyateren  Wahrnehmung  ju  ber  früheren  fyiti' 
jufomme? 

£>ie  gewünfehte  9(u«funft  hierüber  finbet  Benefe  in  ber  fol~ 
genben  (Erfahrung  gegeben.  Senn  wir,  fagt  er,  eine  Wahrneh; 
mung  macben,  fo  bauert  biefelbe  jmar  nur  fo  lange,  al«  bie  33er* 
anlaffung  berfelben  mä'hrt  (al«  5.  33.  ber  oor  bem  2luge  bef inb- 
liche ®egenftanb  bleibt);  fic  geht  oorüber,  fobalb  ber  ®egenftaitt 


108 


$f9$e(ogie  unb  Wrcnologie 


bem  Sluge  cntfd)wtnbet :  aber  —  f i e  gefyt  nidjt  ganj  bor* 
über,  beim  nur  bermögen  fic  ja  ju  reprobuciren ,  in  bet  93er* 
fteüung  ju  wieberfyeten.  erhält  ficfy  alfo  etwas  bon 
ber  Söaljrnebmung  inber  Seele.  £>iefe«  <3icfy*Grrf)alten 
ntufj  aber  aucfy  fcfyon  bei  ber  borigen  unb  fo  weiter  jurücf,  unb 
aud;  bei  ber  erften  ©afyrneljmuug ,  bie  nur  erft  (Smpfinbung  war, 
ftattgefunben  Ijaben;  benn  man  fiefyt  nicfyt,  wie  unb  warum  ba«* 
fetbe,  wenn  e«  ber  erften  Chnpfinbung  gemangelt  fyätte,  bei  irgenb 
einer  fpäteren  fyätte  beginnen  follen.  DiefeS  Si<$*(Mjaltetj  aber 
ift  SDa«,  Iba*  wir  fucfyen,  bie  Safcfyeit,  welche  un«  ba«  föätyfel 
ber  ®eifte*lef>rc  löft.  «uf  biefc  ©a^cit  nämlid>  geftüfct,  tonnen 
wir  ben  gerammten  (*ntwicfelungeprocefe  ber  ®eifte«bcrmogen  bon 
Anfang  fyer  folgenbermafcen  crflären. 

Der  menfcfylidjen  Seele  angeboren  finb  einfache  finnlicbc 
(£mpftnbuug$bermBgen,  nod>  burcfyauS  unerfüüt.  Diefe  Vermögen 
eignen  fiefy  bie  litten  angemeffenen  finnlid>en  SKeije  (i'icfyt,  Scfyatl  2c.) 
an  unb,  inbem  fic  einen  £fyeit  berfelben  bauernb  feftljalten,  wer* 
ben  fie  erfüllt  unb  tfyrer  Statur  nad)  auSgebilbet.  2ttan  fe^e, 
ba8  £i$t  ber  rotten  ftarbe  fyabe  auf  baä  ®eficfytbermogcn  eine« 
fo  eben  jum  ßeben  erwarten  ftinbes  gewirrt,  fo  ift  biefeä  $er^ 
mögen  baburet)  infofern  ausgebildet  worben,  al«  e«  biefen  Wv5 
nict)t  nur  augenbltcflict)  aufgenommen  l)at,  fonbem  auet)  (etwa« 
babon)  bauernb  feftt)ält.  >Jiun  laffe  man,  nad;  einer  3wtfct)enseit, 
ba«  rott;e  &d?t  &um  zweitenmal  auf  ba$  SHnb  cinwirfen,  biefe 
neue  (Smpfinbung  wirb  ber  Sacfye  nad)  ber  erften  gleict),  aber  an 
Starte  bon  ifjr  berfdt)ieben  fein.  Denn  bei  biefer  neuen  (Smpfin* 
bung  fanb  fid),  außer  bem  urfprünglicfyen  (unerfüllten)  (£mpfin* 
bungSbermögen ,  in  ber  Seele  be«  $inbe«  bon  jener  erften  (£m= 
pfinbung  l)er  ein  gleichartige*  erfülltes  (SmpfinbuugSbermSgen  bor, 
weld)e$  feiner  ®leid)artigfeit  wegen  mit  ber  neu  gebtlbeten  (5m* 
pfinbung  ju  Crinem  5lct  äufammenfliejjt.  Die  zweite  Grmpfinbung 
alfo  muß  ber  erften  um  jenen  3u*m$$  an  Starte  überlegen  fein. 
(5benfo  bei  bem  britten,  bterten,  fünften,  t)unbertften,  taufenbftcn 
OrmpfinbungSacte;  ber  91  rt  na<$  finb  fie  bem  erften  gleict},  aber 
inbem  fie  ba«  je  in  ben  borfyergetjenben  (SmpfinbungSacten  Singe* 


Digitized  by 


<Pfodjo(ogie  unb  ^renologie. 


109 


bilbete  als  Söeftanbtheü  in  fidt}  enthalten,  rnüffen  fic  an  ©tärfc 
ftetig  june^men.  ,  s 

(5$  giebt  alfo  ^iernac^  jmeierlei  3eelcnoerm&gen,  angeborene 
unb  fpäter  gebilbete.  £)te  angeborenen  Vermögen  I^aben,  n>cit 
gänzlich  unerfüllt,  feine  anbere  ©eftimmtheit ,  a($  bajj  fie 
eben  Vermögen  für  biefe  ober  iene  Gattung  oon  finnlichen 
ßmpfinbungen  (für  ®eftcht*,  ®chor*,  ®efchmacf=  k.  empfinbungen ) 
finb.  sJteben  biefen  unauSgefüllten  ober  ungebilbeten  Vermögen 
aber  entfielen  fpäter  gebilbete  Vermögen,  nämlich  bic  mehr  ober 
meniger  boüfommenen  ©puren,  melche  oon  allen  einmal  er* 
geugten  Grmpfinbungen  aurücf  bleiben.  £>iefe  ©puren  fonnen  unb 
rnüffen,  inmiefem  fie  mit  ben  neu  erzeugten  gleichartigen  Grmpftn* 
bungen  ju  Grinem  ®efammtacte  äufammenfliefcen ,  unftreitig  eben* 
falls  Vermögen  für  biefen  ®cfammtact  genannt  merben.  $ür  iebe 
(nicht  erfte)  Grmpfinbung  alfo  rnüffen  mir  jmei  oon  einanber  ge- 
trennte Vermögen  untertreiben,  ba$  unerfüllte  unb  unauSgebilbete, 
roclc^eö  äunächft  ben  finnüchen  9tei$  in  fich  aufnimmt,  unb  ba$ 
ober  bie  auSgcbilbeten ,  meiere,  oon  früheren  gleichartigen  (Smpftn* 
bungen  ftammenb,  bie  neu  gebilbeten  burch  ihren  3ufluj3 
ftärfen. 

„£)ie  Vermögen  ber  lederen  (Gattung*  —  fo  enbigt  Söenefe 
mörtlich  feine  £)arftellung ,  bie  mir  im  ©irrige"  nur  abgefürjt 
nriebergegeben  ^ben,  —  „bie  Vermögen  ber  lederen  (Gattung 
haben  mir  auch  Slngelegtheiten  genannt:  Slngelegtheiten, 
nic^t  Einlagen,  um  fchon  burch  bie  Ableitung  oom  partieipium 
perfecti  ba8  (Üemorbenfein^ichtangeborenfetn)  biefer 
Vermögen  pi  bezeichnen.  £)a«  ©efefc  für  biefe«  SBerbeu,  fo 
meit  mir  bie«  testete  bi«  jefct  rennen  gelernt  haben,  ift  Überaua 
einfach:  inbem  bafür  nicht«  meiter  oorauSgefefct  mirb,  al$  bajs 
fein  mit  einem  gemiffen  <$rab  bon  $räfttgfeit  erzeugte«  pffychifcheS 
®ebilbe  gänjlich  mieber  entfehminbe.  £)a«  auägebilbete  $er 
mögen  ber  ©eele  befielt  bann  in  ber  ®efammthett  be$  ton  ben 
früheren  pf^if^en  Hüblingen  mehr  ober  meniger  bollfommeu 
Erhaltenen.  £)a$  ift  freilich"  —  fo  föftegt  «enefe,  unb  mir 
rufen:  f)$xt\  hBrt!  —  „nur  eine  £typothefe,  melche  burch  bie 
unmittelbare  Erfahrung  nie  mirb  botlfommen  beftätigt  merben 


Digitized  by  Google 


HO  $fpd?ologie  unb  ^Phrenologie. 

fönnen:  beim  unfercr  unmittelbaren  (Erfahrung  liegt  ja  nur  ba« 
bemühte  Seetenfein  offen,  unb  iene«  SmVGrfyalten  be$  früher 
(tyebilbeten  tmijj  im  UnbenuitHfein  gebaut  werben.  2lber  biefc 
£Mn?otfyefe  ergiebt  ftcfy  au«  ben  unmittelbaren  (Erfahrungen  k>ra 
beut  2Hiebercrfd>einen  früher  gebilbetcr  Scelentfjätigfeiten  mit 
ber  lüften  ^aljrfdieinttcbfeit ,  \a  mit  ^otfm>enbigfeit.''  ($fl$. 
m^m  II,  50.) 

9llfo  eine  £tjpotf>efe  ift'«,  fcaö  ber  ©eiftc«ler/rc  «euere'« 
mm  (Stamb  liegt,  roa«  ifm  bie  (Entftelnmg  ber  @etfte«fräftc  auf 
feine  9lrt  erflären  unb  ba«  9ctcr)tangeborenfem  berfelben  behaupten 
läj?t,  eine  £>typott)efe,  ton  it)m  felbft  bafür  erfannt  unb  an* 
erfannt!  9lber  Söenefe  vergißt  al«balt>  biefe«  gugeftäubniB,  beim 
er  fprtdjt  burd?  feine  ganjc  ^arftellung  ton  Söemeifen,  bie  er 
für  feine  33el)aubtung  von  ber  (Sntftelnmg  ber  $etfte«vermcgen 
gegeben  fyabe.  („3£ir  fyabeu  naebgemiefen",  „mir  r)aben  im«  über* 
jeugr  ic.) 

5. 

Unferer  Prüfung  ber  "ntybotfjefe  Söenefe'«  fdn'cfen  mir  baffenb 
eine  borläufige  furje  Slubeutuug  über  $)a«,  ma«  Söeuefe  auf  biefe 
£Vpotr)efe  gebaut  t)at,  b.  i.  über  fein  Softem  ber  ©cifte«lel)re, 
voran«.  2öie  mir  mtffen,  finb  nacb  iöenefe  bem  iUtenfctyen  nur 
allein  bie  Vermögen  bc«  <Set)cn«,  £ören«  :c.  angeboren,  alle 
übrigen  ©eifte«vcrm&gcn  entftel)en  erft.  £>iefe«  (Sntftet)en  gef$iel;t 
fo,  baft  fict)  juerft  bie  Saljrnelmumgcu ,  bann  bie  ^orftellimgen, 
^Begriffe  :c.  bi«  m  ben  ®efüt)len,  Neigungen,  Vcibenfdjaften  :c. 
ber  Seele  anbilben.  33cnefe  fagt:  „Die  elcmentartfdjen  ©ebilbe 
ber  3cele^  (bie  9lngelegtt)eiten)  tverben  im  8auf  it)rer  Vorteilt- 
mitfelung  vertauf  eubf  ad)  t  unb  taufenbmal  vertaufenbfacfyt.  @o 
mirb  bie  (Entmtcfelung  in«  Unenblicbc  verftärft  unb  buret)  bie 
Kombination  jvoifcr}en  jenen  ©ebilben  bie  manuid?facr)ften  qualitativ 
eigentümlichen  ^robuete  erjeugt,  mie  man  -f ic  in  ben  bi«t)er  an« 
genommenen  abftraften  (Seelen  vermögen  ((Sinbilbungöfraft ,  Ü$er* 
ftanb,  Vernunft  IC.)  fubftantiirt  t)at.  2lur}erbem  gehören  fyierfyer 
alle  ©emütl^befctyaffenfyeiten,  Neigungen,  gertigfeiten,  Talente  ic." 


Digitized  by  Google 


! 


^fodjologie  unb  ^renofogie.  111 

„@S  giebt  feine  angeborene  Neigungen,  SöillenSbeftimmungen, 
ober  fonft  beftimmte  praftifche  Anlagen.  3a  bie  Öcmüth«*  nnb 
CS^arafterbtlbung  finbet  fieb  im  Allgemeinen  fclbft  noch  »eiliger 
präbetertmnirt  (angeboren)  al«  bie  Bitbung  ber  (frfcitntnijstalcntc." 
„£)ie  neue  Pftychologic  jetgt,  baj?  in  moralifdjer  Beziehung 
gar  nicht«  angeboren  ift:  inbem  alle  formen  bc«  2)?oralifcfyen 
einen  fo  ^o^en  ($rab  oon  Söilbung  ober  foldbe  3u1ammcngcfcfct* 
l;ett  enthalten ,  bap  fich  in  bem  Angeborenen  «uch  nicht  einmal 
ctma«  Analoge«  finben  fann."  (Orr$iefning«(efyre  I,  51.  23Ü.  32.) 
@«  giebt  batjer  in  Söcnefe'«  Aftern  eine  getoiffc  Stufenleiter 
unter  ben  ®etfte«oermögeu,  inbem  fie  bem  Angeborenen  näher 
ooer  entfernter  liegen  unb  ba^cr  —  loa«  für  gleitete  oon  großer 
Sichtigfeit  ift !  —  leichter  ober  fetterer  ju  erflären  finb.  ®e$eti 
nur  sur  Prüfung  oon  Reliefe'«  £hpothefc  fclbft  fort. 

Sie  loir  gefehen  fyaben,  ftcllt  23cnefe  bei  (Gelegenheit  Oer 
£>arftellung  feiner  §hpothcfe  oon  ber  Crntfteljuttg  ber  ®eifte«= 
oermogen  bie  Behauptung  auf,  baß  bie  ($ctfte«thätigfeiten  ju- 
famm  enge  fester  Statur  finb,  ba§  5.  B.  fclbft  bie  fo  einfact) 
fcheinenoen  finnlic^en  Sahrnehmungcu  jioei  loefentlich  ju  unter- 
fcheibenbe  (Elemente  enthalten,  prüfen  loir  juerft  biefe  53e- 
Häuptling  ®cncfc'&,  fie  einerfeit«  mit  ber  Anficht  ber  alten 
chologie,  anbererfeit«  mit  ber  ber  Phrenologie  oergleic^enb.  £ie 
alte  pföchologie,  welche  ftd?  bie  Seele  nicht  anber«  at«  einfacl) 
benfen  fann,  ftefyt  natürlich  im  oolleu  Siocrfpruch  mit  ber  frag* 
liefen  Behauptung ;  fie  hat  bei  biefem  Siberfpruch  allerbing«  ba« 
geioölmüchc  menfehtiche  SBetoufjtfein  auf  ihrer  Seite.  Auf  ben 
erften  Blicf  ober  oberflächlich  betrachtet  Kirnte  man  e«  wohl  für 
unnatürlich  unb  unioahrfcheinlich  Ratten,  baß  alle  ®eifte«thätig= 
feiten  bt«  ju  ben  Wahrnehmungen  heraD  boppelt,  ja  mehrfach 
jufammengefe^t  feien.  Allein  gleichioohl  ift  nur  biefe  Anficht 
bie  richtige.  £)ie  Phrenologie  tritt  hier  Benefe  entfehieben  uir 
Seite,  gcftüfct,  loie  bei  allen  ihren  Sä^en,  auf  beioeifenbe  XljaU 
fachen,  wie  bereu  auch  Bencfe,  wenn  aua)  in  minberer  Sülle, 
hier  anzuführen  weife.  £)af$  Semanb  einen  ®egcnftanb  fehen, 
ihn  burch  ba«  ihn  auffaffenbe  Sehoermögen  empfinben,  ihn  aber 
bennodh  nicht  wahrnehmen  fann,  ober  umgefehrt,  baß  3emanb  einen 


Digitized  by  Google 


112  ^fac^ologie  unb  «Phrenologie. 


®egenftanb,  melden  et  (äufjerlidj)  nicfyt  fielet ,  bennoefy  getftig 
(innerlich  roafyrnefymen  b.  i.  fiefy  borftellen  fann,  bie«  finb  XtyaU 
fachen,  loelcfye  ben  oollgiltigen,  n>cit  matfyematiftfyen  ©etoei«  liefern, 
bafc  (unbetoufetc«)  „Sefycn"  unb  (bemujjte«)  „Söafjrnelmten"  jroet 
oerfcfyiebene  ($eifte«tfjätigfeiten  finb,  ober  bat?  bie  ®eifte«tl;atigfcit, 
in  melcfyer  Seijen  unb  Söafyrnefmtcn  jugleid)  erfreuten,  eine  gtt« 
fammengefefcte  ift.  2öa«  getrennte  üDferfmale  fyat,  fann  ntc^t  einfach 
fein.  Die  ^ßtjrewlogie  al«  Organenlefyrc  oerftärft  jum  UeberfluB 
biefen  ©etoet«  burd)  ben  ber  getrennten  Organe  ber  beiberlci  Xfyätig- 
feiten,  inbem  fie  bie  Organe  be«  bloßen  (unbcrouBten)  Qrmpftnben«  in 
ben  Sinne«nerben  be«  Seiend,  §>cren«  :c.,  bie  Organe  be«  benmjjten 
Söaljrnefymen«  in  bent  ®efjirn  (bem  ^orbergefjirn)  nadjmetft. 

$)icfe  (5ntfc$etbung  ber  oorliegenben  ftrage  |tt  (fünften  Söenefe'« 
ift  natürlich  nietyt  auefy  maBgcbenb  für  bie  (£ntfdjetbuug  über 
<8enefeT«  ftypotfyefe  oon  ber  (£ntfter/ung  ber  ®eifte«fräfte. 
tiefer  £typotfyefe  tritt  befthnmt  unb  febarf  bie  Senologie  ent- 
gegen ,  meiere  jmar  bie  beiben  getrennten  (demente  ber  ®eifte«* 
tfyätigfeiten  al«  folcfye  anerkennt,  aber  entfcfyieben  fie  beibe  für 
angeboren  erftäTt.  3Bie  begrünbet  33enefe  feine  9lnficfyt  be«  sJMcfyt* 
angeborenfein«  ber  ®eifte«i>ermb'geu,  oor  allen  be«  äöafjrnefymung«^ 
oermegen«?  $öir  finben  mit  (frftaunen,  baj?  tiefe  53egrünbung 
bei  ifym  gänjlidj  fefylt.  33enefe  füfyrt  in  feinen  jafylreicfyen  Herfen 
nirgenb«  ben  Söemci«  bafür,  bap  ba«  Saljrnelmuing«t>ermBgen 
im  Reifte  entftanben  unb  nicf>t  angeboren  fei. 

6. 

©h  geljen  gti  ben  ®rünbeu  fort,  melcbe  bie  Phrenologie 
für  ba«  Slngeborenfein  ber  ®eifte«bermcgen  anjufüfyren  weife. 
£iefe  ®rünbe  finb  oon  gireiertet  Slrt:  ©afyrföctnltd?fett«grünbe 
unb  33eh>ei«grünbe.   beginnen  wir  mit  ben  erfteren. 

£)a«  0nb  mirb,  wa«  ben  Körper  in  allen  einzelnen  Steilen 
betrifft,  ganj,  al«  ganjer  üftenfcfy  geboren;  e«  bringt  felbft 
bie  $aare,  bt«U)ei(en  fogar  fcfyon  £<xi)\\c  mit  jur  Seit.  (Sollte 
bie«  in  33e$ug  auf  bie  borpglicfyftc  £älfte  be«  9Wenfcfyen,  auf 
ben  ©eift  unb  feine  mefentlicfyen  Gräfte,  fo  gauj  anber«  fein? 


Digitized  by 


113 


fottten  biefe  träfte  ctft  »erben  muffen?  £>ie«  ift  Ijöctyft  im« 
toafyrfcfyetnlicty.  Unb  man  betraute  ba«  ©efidjt  be«  Äinbe«:  fprid&t 
nid&t  au«  bem  tfeben  feiner  £üge  fcfyon  bei  geiftige  2)cenfcf>  un« 
an?  9)? an  frage  bie  9)Jutter,  tote  auf  ben  Säugling  in  tfjrem 
Scfyofee  niebcrblicft :  gilt  ü;r  füjje«  (Sntjücfen  einem  SBefen,  ba« 
au  allem  ®eiftigen  noefy  leer  ift,  ba«  nur  erft  Jjören  unb  feljen 
fann  unb  bie«  nicfyt  einmal ,  einem  SBefen  alfo,  ba«  geiftig  nodj 
fein  2ftenf<$  ift,  fonbern  erft  ein  folcfyer  »erben  foll?  onein, 
bie  üflutter  weife,  bajs  fie  in  tfyrem  $inbe  fcfyon  ben  ganzen 
iDienfctyen  an  ifyr  £er$  brüeft  mit  allen  feinen  menfdjlicfyen  SRel* 
gungen  unb  Weben  unb  SßMinfcfycn,  wenn  biefe  auefy  noefy  erft 
tote  im  SCraume  unentmicfelt  fdjtafen.  Unb  toer  ferner,  ber 
Äinber  in  tfyrer  @nttoicfetung  beobachtet  fyat,  fyätte  fie  ni$t  in 
bem  frübeften  Hilter  Gtyarafterjüge  unb  ®eifte«fräftc  äußern  fetyen, 
meiere  unmöglich  bon  äugen  in  fie  fnn^iugefemmeu  fein  fönnen, 
fonbern  toetcfye,  naetybem  fie  bon  (Geburt  au«  in  ifynen  gelegen, 
nur  jur  £fyätigfeit  ermaßt  finb! 

©neu  jroetten  3Baf;rfcr)einüc^fcitögTiinb  für  ba«  2lngeborcm 
fein  ber  ®eifte«bcrmögen  giebt  un«  bie  23ergleidjung  be«  9)?enfd;cn 
mit  ben  gieren.  DJiemanb  (eugnet,  unb  gennj?  au$  Söenefe 
nicfyt,  bafc  ber  (Sfyarafter  ber  Xln'ere  angeboren  ift.  SÖeldje  fyolje 
&Wjrfcfyeinlid;feit  aber  liegt  fyierin  für  ba«  9(ngeborenfein  toe 
uigften«  berjenigen  (ifjarafterjüge  beim  2)?enfd)en,  toelcfye  biefer 
mit  ben  gieren  gemein  l)at.  £)enn  mir  müjjten  ja  fonft  5. 
bie  ®efctylecfyt«Kebc,  bie  3ungem  ober  $inberliebc,  bie  8bi(ätlg* 
lidjfett,  ben  Sttutlj,  ben  Sinn  ber  93er(Kimlid^ung ,  bie  $orfid&t 
ober  bie  8tft,  ben  9cadjafymung«fiun  tc.  beim  £fjier  für  ange* 
boren,  beim  üttenfdjen  für  getoorben  erflären.  Söie  uuenbUcfy 
grojj  ift  bie  Stufenleiter  ber  £ljiere  bon  ben  niebrigften  bi«  ju 
ben  fyocfyften,  eine  Stufenleiter,  in  ber  immer  ba«  Ijoljere  Sln'er 
je  einen  ober  einige  (ifyaraftcrjüge  meljr  befifct  al«  ba«  niebrigere. 
SQXe  biefe  (Sfyaraftcrjüge  finb  alfo  ben  Unteren  taufenbmal  (in 
taufenbfacfy  berfdjtebenen  Skrbtnbungen)  angeboren,  unb  bem 
üftenfcfyen  allein,  infofern  er£ljicr  ift  unb  alle  (£t;arafter$üge 
ber  X^iere  beftfct,  fotlten  biefe  Sljarafterjügc  jum  erftcnmal  n  i  cfy  t 
augeboren  fein  ?    Die«  ift  niebt  benfbar.    ftreiltcfy  ift  ber  9J?enfcfy, 

S die » e,  *ßl)reiioloflifd)c  «Übet.  3.HufI.  8 


Digitized  by  Google 


114  $ftK$ofogie  unb  ^^rcnotogic. 


eben  roeil  er  SOfenfdj  ift  unb  bie  mcnfcfy tiefen  Gfjarafterjüge 
metyr  befifet,  ein  mefenttid?  anbere«  (Sefd&öpf  al«  bie  Spiere, 
nnb  man  leimte  baljer  fyier  meiter  fragen,  ob  ber  »orüegenbc 
3Öafjrf$eiuli$fett«grunb  fiefy  auefy  auf  ba«  9Jngeborenfcin  ber 
ntenf$fi$en  Sfyarafterjüge  erftreefc.  Obgleich  biefe  ftrage  un&c* 
bingt  $u  bejahen  fein  motzte,  fo  fimnen  mir  fie  Ijier  bodj,  ofyne 
auf  fie  tiefer  em$ugefyen,  ganj  unentfcfyieben  (äffen.  Denn  menn 
ba«  5lngeborenfetn  ber  tfyierifcfyeu  (S^araftergüge  beim  9)?enf$cn 
als  mafyrfcfyeinlicb  erfaunt  ift,  fo  ift  bamit  mentgften«  Öenefe 
fcfyon  genugfam  miberlegt.  Denn  ba  biefer,  mic  oben  angebeutet, 
bie  Neigungen,  triebe  unb  Vcibenfcbaften  bc«  3J?cnfcfyen  für  noc$ 
meniger  angeboren  fyält,  al«  bie  (menfcfylidjcn)  33erftanbc«fräfte  :c, 
fc  tonnte  er,  menn  er  »om  9lugeborcnfcin  ber  erfteren  überführt 
mürbe,  fieb  gegrn  ba«  9lngcborenfetn  ber  (enteren  nicfyt  länger 
fträuben.  Dodf>  lote?  —  fyito  icb  Ijier  beiläufig  ben  ßefer 
fragen,  —  foltte  Söenefe  in  ber  Xfyat  glauben,  bafe  5.  39.  ber 
dfjarafterjug  ber  ®ef<btecbt«liebe  bem  Sftenfcfyen  nicfyt  angeboren 
fei?  ftllerbing«  mufj  bie»  leitete  glauben,  menn  er  feinem 
Aftern  confequent  fein  mtll,  unb  er  glaubt  e«  aud?  unb  be= 
Rauptet  e$  mit  Maren  unb  au«brüdftic$en  Sorten.  28er  an  biefer 
SftSglicfyfeit  jtoeifeln  tonnte,  fyat  nicfyt  genutzt,  ma«  ein  Softem 
ift  unb  ma«  e«  fcermag. 

(5in  britter  3Öaljrfcfyemlicfyfeit$grunb  enblicfy  für  ba«  9ln~ 
geborenfein  ber  ®cifte£oermögen  liegt  in  ber  $lrt  unb  SÖeife, 
tote  mir  uns  ben  ®eift  ober  bie  Seele  be«  üftenfdben  befebaffen 
beuten  m  ü  f  f  e  n ,  menn  mir  irgenb  einen  (Stebanfen  barüber  f äffen 
molteu.  $)er  menfcfclicfye  ®eift  fann  nur  einer  $raft  ju  oer= 
gleiten  fein,  etma«  ßebenbigem,  Sßirfcnbem,  ftcfy  39emegenbem, 
nicfyt  einer  £>üllc,  bie  ba«  öebenbige,  bie  ®raft  umfcfyliefct;  ber 
(Steift  fann  nur  Snfjalt,  ntty  ®efäfe  fein.  £>ie«  mirb  oietteity 
am  beften  baburety  oeranfcfyaulicfyt,  bafe  mir  bie  3iatur  ber  ©inne«* 
tyätigfeiten  unb  ifyrer  Organe  näf;er  in'«  %uqq  faffen.  $)a«  <3efy= 
oerm&gcn  3.  $3.  ift  nidjt  ein  offener  2öcg,  auf  meinem  bie  Äenntnifc 
ber  ftcbtbaren  9Iuj$enmelt  jum  (Steift  gelangt,  ba«  3luge  nidjt  eine 
Oeffnung  im  $opfc  be«  SWenfcfyen,  mobureb  ber  in  bemfelben 
moljnenbc  (Steift  Siebt  unb  ftarbe  empfängt  unb  emppnbet.  Son* 


Digitized  by  Google 


Wö($ologie  nnb  ^brcnolcgie.  115 


bern  fo  tüte  ba*  liefet  eine  Bewegung  be*  9letfycr*  ift,  fo  befifct 
bet  ätljeräbnlid)e  (Seift  unter  feinen  Gräften  eine,  wcl<$e  fi<$  bem 
Vierte  entgegenbewegt,  Welche  alfo  lidnaljnltd)  ift  unb  welche  man 
Vid&tfraft  nennen  (Stinte.  (*in  3d?tag,  ein  £>rttcf  auf*  2luge  (auf 
ben  Selmerben)  bringt  bcfanntltcb  eine  t'icfytemvftnbung  ^ert>or. 
Grbenfo  bei  ben  übrigen  Sinnen;  ein  9*et$,  eine  $ranff?cit  be* 
£6rnerben  berurfacfyt  ein  £>Sren,  ein  SReij  be*  ®efctymacf*nert>en 
(j.  33.  bur$  (Sleftrieität)  ein  Scfcmecfeit  u.  f.  w.  2Ufo  bie  ©in* 
ne*tljätigfeiten  finb  gleidjfam  Bewegungen  ber  Sittne*frafte. 
Unb  ba*  93erljättuiB  ber  inneren  Sinne,  al*  wirtlicher  lebenbiger 
Gräfte  ber  5lufjenwelt  gegenüber,  ift  in  fetner  ?Jrt  ganj  baffelbc 
wie  ba*  ber  äußeren,  9ßämlicfy  fo  wie  bie  33erfyältniffe  unb  Be- 
dienungen ber  9tuj?enwelt  }tim  Üftcnfcben  fcfyr  mannigfaltig  fttib, 
fo  ift  ber  9ftcnfdj  felbft  nidjt*  anbere*,  al*  eine  fold?e  mannigfaltige 
flcitte  Seit,  b.  i.  fein  (Seift  ift  ein  Organismus  bcrfcfyiebener 
Gräfte,  wcldje  ben  oerfdn'ecenen  SBcr^ättniffett  ber  2lufcenwett  je 
in  entföre^enben  Bewegungen  fidj  entgegeitfe^rcn.  T)ie  ttinber* 
liebe  ift  eine  befonbere  ®eifte*f  raft ,  Welche  in  tyrer  £tyättgfett 
ober  Bewegung  im*  gu  tfinbertt,  bie  (Sefdjled)t*ltebc  eine  fotct>c, 
welche  um*  31t  ^erfonen  be*  attbent  ®cf$(ecfyt*  tyinjicfyt,  ber 
«ampffinn  eine  ftraft,  roeld&e,  gleicfy  einer  jifc^enben  stamme,  tut* 
ber  (Scfafjr  al*  einem  (Scnitjj  entgegenf  übrt ,  bie  $orfid)t  eine 
traft,  wehte  gleichwie  in  baugenber  Bewegung  unö  na$  3a)ufe  unb 
Sicfyerfyeit  umblicfeu  läftt,  ba*  Sclbftgef üljl  eine  ftraft,  wclcbe,  glcid>fam 
fwcfy  auflobcrnb,  tut*  über  anbere  2)fenfcfycn  im  (Sefüljle  erfycbt,  u.  f.w. 

Benefc  behauptet,  baß  bie  angeborenen  (Seifte*bermögen  an 
fang*  „gänjlicfy  utterfüUt"  feien.  SUlcin  Wenn  wir  utt*  ben  (Seift 
fo  benfen ,  wie  wir  Um  un*  altein  beuten  f  ö  n  n  e  n ,  al*  eine  tebenbige 
Mraft  (ein  93crmögcn)  ober  einen  Organtemu*  0011  fträfteu,  fo  ift  eine 
unerfüllte,  b.  i.  in^alttofe  (Sciftc*fraft  fcbled^in  unbenfbar.  T>enn 
eine  traft  al*  foldje  ift  felbft  Snbalt,  it;re  (Siaenfd)aft  ift  Ü;r3tu)alt; 
fie  faiin  bafyer  wofyl  noefy  ungeübt  ober  nod)  fd^waefy,  aber  fic 
fann  nia)t  unerfüllt  fein.  £)er  Snljalt  ber  Sefjfraft  ift  bie  (Sigen* 
fcfyaft  be*  i<ia}tcTfenncii* :  Ijätte  bie  Scfyfraft  biefe  @igenfd;aft 
niebt,  fo  wäre  fie  unerfüllt,  aber  fic  wäre  aud)  feine  traft.  Unb 
fo  fyat  jebe  anbere  ($eifte*fraft  eutweber  eine  (5igenfcfyaft,  nnb 

8' 


Digitized  by  Google 


116 


^fpt^ologic  unb  ^t?rcnofogic. 


bann  ift  fte  nicht  unerfüllt,  ober  fic  tyit  feine  Qrtgenfchaft,  unb  bann 
ift  fie  feine  ßraft.  9iach  SSenefe  müßten  wir  uns  ben  ®eift 
gleichfam  als  einen  ©ehälter  mit  fächern  benfen,  bie  anfangs 
leer,  b.  i.  nichts  als  £ülle,  ftnb,  unb  fpäter  mit  etwa«  erfüllt, 
b.  i.  etwas  werben.  Allein  man  müßte  ja  bann  3.  *ö.  niebt 
einmal,  Warum  ein  3nfjalt,  ber  in  baS  eine  ftadj  beftimmt  tft, 
fich  nicht  tu  ein  anbereS  verirrte.  9öenn  leitete  bagegen  behaupten 
wollte,  baft  jebeS  ftach  eben  bie  Grigcnfchaft  habe,  nur  biefe  ober 
jene  beftimmte  (MeifteSfraft  aufzunehmen,  fo  wäre  ja  biefe  ©gen* 
febaft  ber  3nhalt  beS  ftadjeS,  baffefte  alfo  nicht  unerfüllt.  3Benn 
wir  uad>  ber  9ft5glid)f eit  fragen,  Wie  $enefe  eine  folcf>e  nad; 
allen  Seiten  Inn  unhaltbare,  gan>  unbenfbare  Anficht  attfftcllen 
fonnte,  fo  liegt  bie  (irflärung  bafür  abermals  barin  (infandum 
renovare  dolorem!),  baß  ^Öcucfe  £tyftematiter  ift.  sJ0ian  fann, 
um  einen  fct)ev^l?aftcn  5>crgleid;  511  jielwn,  bie  3hftematifer  bie 
3efuiten  ber  Siffenfay  ft  nennen.  3o  wie  bie3efuitcn  bem^runbfafc 
folgen,  ber  gweef  heilige  bie  Littel,  fo  machen  bie  Stoftcmattfer,  blinb 
für  alle«  Rubere  als  für  ben  Aufbau  ihres  Suterns,  bon  ben  im«  _ 
logifebften  unb  unmiffenfehaftlichften  Behauptungen  unb  (S^lüffeu 
Gebräu*,  wenn  fte  nur  für  jenen  Aufbau  bienlidj  ober  nothwenbig 
ju  fein  f feinen. 

7. 

£>er  ©eweisgrünbe  für  baS  Slngeborenfein  ber  ®eifteS- 
fräfte  finb  jwet,  welche  mit  ben  ^auptfäfcen  ber  Phrenologie  jtt^ 
fammenfallen.  £>er  erfte  <Safc  ber  Sp^renologic ,  bajj  ber  SWenfdj) 
berfchtebene  unter  fid}  felbftftänbige  ©cifteSfräfte  befifct,  ift  burch 
bie  thatfächlicbe  (Sharaftertterf  Rieben  fett  ber  2)?enfchen 
nachgewiefen.  Söenn  eS  aber  einmal  einen  Chatafter  giebt,  fo 
muß  er  angeboren  fein:  wenn  er  nicht  angeboren  wäre,  fo  fßnntc 
er  nicht  fein.  Tenn  was  ift  Gharafter?  Diejenige  fefte  geiftige 
©genthümlichfeit  beS  Stfenfchen,  woburdb  fieb  biefer  bleibenb 
unb  für  immer  bon  anbern.  2J?cnfchen  unterfcheibet.  9Mjmen 
wir  an,  alle  2flenfchen  wären  bon  (Geburt  aus  einanber  geiftig 
gleich,  unb  ftßc  Neigungen,  Talente  jc.  entftünben  erft  burch  bie 
äußeren  3?erhältnif|c,  fo  müßte,  weit  biefe  93erhä(tniffe  ewig  wechfeln, 


Digitized  by 


$fy$elcgie  unb  ^rcnologic. 


117 


eine  ewige  ^cifttQc  93eränberung  in  ben  sH?cnfchcn  ftattfinben. 
©er  ^ente  burch  oorragenben  £>tolj  ober  flftuth  ober  Sohlwollen  , 
oor  Hnbcrn  fiefy  anzeichnete,  (tarnte  in  $ur$cm  burch  ba«  (Segen« 
tl;cit  ober  burch  ganj  2lubere$  fid^  oon  ihnen  untertreiben.  2)?an 
tonn  bagegen  nicht  fagen,  biefer  ewige  SBechfel  fänbe  nur  in  ber 
3ugenb  ftatt,  wo  fid?  eben  ber  (Sfyarafter  erft  bilbc,  beim 
enbeten  SHeitfc^ctl  aber  feien  bic  £ügc  feft  geworben ,  [ei  ber 
rafter  oorhanbeu.  $)enn  welche«  ift  bic  3ugenb  be«  fteftwerben« 
ber  3üge?  bilbet  fid^  ber  tSfyarafter  in  bem  erften  l'ebenSjafyr 
bc«  2ttenf<hen,  ober  in  ben  fünf  erften,  ober  in  ben  jtoanjlg  erften  V 
$>iefe  ftragc  mag  beantwortet  werben  wie  fie  wolle,  immer  muß 
bie  Antwort  eine  unrichtige  fein.  Sföirb  behauptet,  bafc  ber  tya- 
rafter  früh,  etwa  in  ben  erften  fünf  £ebcn«jahren,  fidr)  fchon  al« 
foldjer  feftftelle,  fo  wiberfpriebt  bem  bie  3tuftdt)t  ton  ber  @nt- 
ftefjung  be«  (Sharaftcr«  felbft,  ba  ja  bann  bie  wichtigen  9lufeen- 
oerljältniffe ,  in  welchen  ber  2)?cnfch  oom  fünften  bi«  jum  ^wan* 
jigften  3a^re  lebt,  feinen  wef entließen  2(ntfyeil  an  ber  (Sha*afttts 
bitbung  !ja&en  follten.  SSMrb  im  ®egentljeU  gefagt,  baß  ber  ($$a* 
rafter  erft  fpät,  beim  erwachfeuen  SWenfchen,  ftd)  al«  foldt)er  feft- 
gefaßt  frtbc,  fo  wiberfpriebt  bem  bie  Erfahrung,  ba&  fich  bei 
ftinbern  oon  fünf,  \a  oon  oier,  \a  oon  brei  Saferen  fetyr  oft  fchon 
ein  entfdt)iebener  (Sharafterjug  finbet^  Wetter  bem  3flcnfchen  burd> 
fein  ganje«  £eben  bleibt.  3cnen  SÖechfel  in  ben  ®ctfte«$ügcn 
alfo,  welcher  nacb  ber  Anficht  oon  ber  Crntfteljung  be«  (Sharafter« 
wenigften«  einige  $eit  fuuburd;  beim  ÜDfrnfcfyen  gefunben  Werben 
müßte,  giebt  e«  gar  nicht,  auch  in  ber  frühften  3ugenb  be« 
3)?enfchen  nicht :  beim  f  o  b  a  l  b  fich  beim  $tnbe  ein  wirf  lid)er  (5ha; 
rafterjug,  b.  i.  eine  fehr  ftarfe  ober  fchr  febwache  ®cifte«fraft 
jeigt,  fo  ift  fie  immer  eine  fefte  unb  bleibenbe.  3Benn  e«  alfo,  — 
bie«  ift  ber  ©chlufefafe  biefer  Betrachtung,  —  einen  Gljarafter, 
eine  fefte  unb  bleibenbe  geiftige  Grigcnthümlichfeit  be«  9fleufd;cn 
giebt,  fo  mujj  biefe  dtgenthümltchfeit ,  weil  fie  eine  fefte  unb 
bleibenbe  ift,  eine  angeborene  fein. 

Sine  @harafteroerfchiebenheit  ber  9#enfchen  fonntc  benfbarer* 
weife  aud;  gar  nid;t  entfteheu,  wenn  nicht  fchon  oon  Geburt 
au«  eine  Trennung,  eine  ^erfchiebenheit  be«  ®eifte«  in  ben 


Digitized  by  Google 


118 


$fy$o(ogie  unb  ^l)renologie. 


einzelnen  Gräften  Vorlauben  toäre.  Venn  toenn  ber  Greift  in 
,  feinem  Sefett  nur  eine  ungeteilte  allgemeine  traft  bejahe,  fo 
f &nnten  berfebiebene  Xfyeile  biefer  traft,  bie  e«  tticfyt  gäbe,  audj 
niebt  geübt  toerben,  unb  bie  Hebung  ober  Stärfung  be«  ®etfte« 
tonnte  nur  eine  allgemeine  fein:  fo  tote  etwa  bie  äufjere  Scfy* 
fraft  eine  feiere  allgemeine  traft  ift,  toelcfye  burefy  bie  Betrachtung 
eine«  ®egenftanbe«  juglcicfy  für  bie  Betrachtung  aller  anberu 
geübt  toirb.  £affelbe  gälte  natürlich  bon  ber  $nfu$t,  ba§  ber 
2)?enfcfy  nur  b  r  e  i  allgemeine  ®eifte«träfte ,  bie  ber  ßeibenföaften, 
ber  ®efütjle  unb  be«  ^erftanbe«,  befäfce.  Senn  alle  geben* 
fctyaften  oon  9ktur  auf  einer  allgemeinen  traft  beruhten,  fo 
fönnten  nidjt  begebene  Seiten  biefer  traft,  toettn  fte  nidjt  ba 
toären,  au«gebtlbet  toerben,  unb  bie  Uebung  ober  Wartung  in  ber 
einen  £mtft$t  müßte  auefy  bie  in  ber  anbern  jur  ^olge  fyabett: 
furj  e«  fönttte  nur  eine  l'etbenfcfyaft  geben.  SSIemi  e«  nur  eine 
allgemeine  33erftanbe«fraft  gäbe,  fo  f&nnte  bie  Uebung  in  ber 
iWatf;emattf  ober  in  Spraken  ober  in  ber  9ttufif  :c.  nicfyt  Mos 
bie  33erbollfommnung  be«  Berftanbe«  in  biefen  einzelnen  Xalenten, 
fonbem  jebe  einzelne  Uebung  müßte  bie  allgemeine  33er* 
bollfommnung  be«  33erftanbe«  mit  fiefy  führen:  e«  tonnte  nur 
einen  S3erftanb,  nur  ein  Talent  geben.  Sllfo  fcfyon  bafj  bie 
Xrennung  be«  Reifte«  in  bie  einzelnen  ®eifte«träfte  beftefjt, 
betoeift,  baß  fte  in  ber  Watur  be«  Reifte«  borgefcilbet,  alfo  an* 
geboren  fein  mußte.  Senn  aber  biefe  Xrenttung  in  bie  ein* 
$etnen  ©etfte«fräfte  angeboren  ift,  fo  finb  natürlich  biefe  ein* 
jetnen  <$etfte«fräfte  felbft  angeboren;  benn  bamit  ertoa«  g  etr  ennt 
fei,  mufe  e«  in  ber  Trennung  oorljanben  fein. 

$5a§  ber  j to e i t c  $auptfa$  ber  ^Phrenologie,  ba«  Dafein 
ber  ®el)irnorgaiie  ber  ®etfte«fräfte ,  ba«  Slngeborenfein  biefer 
lefeteren  betoeift,  berfteljt  fiefy  bon  felbft  unb  bebarf  faum  eine« 
erläuternben  Sorte«.  Soljer  toeiß  Bettete  ober  toarum  giebt  er 
ju,  bajj  bie  Seljtraft  bem  9ttenfcfycit  angeboren  ift?  ©eil  ba« 
3luge,  ba«  Organ  biefer  traft,  biefe«  tlngeborenfein  betoeift. 
Senn  ber  attettfefy  ol;ne  biefe«  offenbare  Organ  fä'lje,  fo  toürbe 
Bettete  in  feiner  Seife  au<$  bie  (£ntftefyuttg«art  ber  Seßhaft 
„nac$getmefen"  Ijaben.    Bo  ift  ttun  in  ber  Seife  ber  Matur* 


Digitized  by 


^)>d?elpijie  unb  Ityrcnologie. 


119 


miffenfctyaft  burcty  ba$  ®elnrn,  ben  Präger  ber  inneren  Sinne  bc« 
SDJenfctyen,  bereit  Slugeborenfein  nac$genncfeu.  Senn  Söeuefe  mir 
einigermaßen  9caturforfd?cr  märe,  menn  er  nur  einmal  ein  ®efyirn 
betrachtet  unb  bie  grofce  üKaffe  ber  Organe  ber  inneren  Sinne 
gegen  bie  feljr  geringe  ber  Organe  be$  SeljenS,  $örcn$  :c.  ber* 
glichen  hatte,  fo  hätte  c$  i^in  titelt  einfallen  tonnen,  ju  behaupten, 
bafc  $n>ar  bie  Sehfraft,  bie  §erfraft  :c,  aber  nicht  bie  inneren 
Sinne  ober  ®eifte$fräfte  be«  9)tenfchen  angeboren  feien. 

8. 

bringen  nur  nun  meiter  in  ba«  Sefen  unb  bie  Crrgebniffe 
ber  ®enete'f$en  ^ft^ologie  ein.  3U  fünf  äußeren  Sinnen 
ober  „(Smpfinbungen*  be«  Seiend,  $5tenf  :c.,  nach  ©enefe  ben 
einzigen  bem  SRenfchen  angeborenen  ®etfte$fräften,  fommt  ber 
iöoüftäubtgfeit  megen  noch  einige«  3lnbere  fyin$u.  Denn  obgleich 
©enefe  in  ber  'jßftydjotogie  oon  9lllem,  ma$  nicr)t  bie«  ©eift, 
loa«  Körper  ober  Organ  ift,  grunbfäfettch  abfielt  (§  3) ,  fo  ^aben 
nur  bodj  auch  im  ©eifte  eine  (Smpfinbung  oen  unferem  $i>rpei, 
unb  fo  jä^lt  alfo  öenefe  ju  ben  fünf  Sinnen  noch  bie  „33ttat= 
finne"  (bie  Grmpfinbung  ber  SBerbauung,  ber  Slt^nung)  intb  ben 
Sinn  ber  2ftu«felbeu>egung  hln$n.  Da  nun  ©enete  au«  biefen 
Sinnen  ober  „®runbfhftemen*  be«  geiftigen  ütfenfehen  alle  35er* 
ftanbeSfräfte ,  <$>efüh*e,  Seibenfehaften  k.  abzuleiten  hat,  fo  läßt 
fich  ermarten,  meliertet  eigcntfyümlicfyer  35orau*fcfcungen  unb  Sin* 
nahmen  er  hierju  bebarf. 

S5or  Hllem  macht  er  ju  feinem  B^eef  bon  ber  Seljre  ber 
Temperamente  (Gebrauch.  Seil  er  aber  feinem  ®runbfafe,  in 
ber  $fty$o(ogie  ben  Äßrper  unberiieffic^tigt  }u  laffen,  möglichft 
treu  bleiben  toill,  fo  oermanbelt  er  fy$cfyft  fettfamer  Seife  bie 
IBrperltcfyen  Temperamente  in  rein  geiftige!  xkbodj  um  ilm  In'er 
in  feinem  ®ebanfengang  gu  oerftehen,  muffen  mir  einen  furjen 
gefdjichtlichen  öltet  auf  bie  Öeljre  oon  ben  Temperamenten  unb 
bie  föolle,  meiere  fie  in  ber  s]5f^ologie  gefpielt  fyat,  jurüefmerfen. 

Die  3)tethobe  ber  alleinigen  Selbstbeobachtung  in  ber  $fochc* 
logie  mar  auch  baburch  fchon  al«  eine  unrichtige  unb  einfettige 


Digitized  by  Google 


120 


$u  erlernten,  bajj  fic  eine  inconf equente  mar.   £)  cnu  toaf  ber 
^fh<holog  burch  bie  Mo§e  ©elbftbeobachtung  ton  ber  9catur  bc« 
®eifte«  erforfcht  hatte,  ^ätte  er  auch  wieber  mir  jur  Grrffä* 
ruitg  be«  eigenen  Setbft  benüfcen,  fo  wie  umgefehrt  bie  (5r* 
flärung  ber  menfchlidjen  (iharafteroerfchiebenheit  aud)  nur  auf 
fcic  torau«gegangene  grünbliche  Grrforfchung  biefer  Ü>erfchteben* 
heit  grünben  bürfen.    Mein  fo  folgerichtig  fyanbelte  man  nicht. 
Weil  bie  GharafteTfcerfdnebenbett  ber  9)2enfdt)en  fo  mächtig  im 
geben  hervortrat,  meit  fic  felbft  bem  ^fhchotogen  im  ©tubirjimmer 
uiS  Sluge  fiel,  erlang  fie  fich  einige  ©eachtung  nnb  forberte  eine 
Grrflärung.   T)a  aber  für  biefe  ba«  einfeitig  burch  Selbftbeobach* 
tnng  (Srforfchte  fic^  natürlich  al«  nicht  au«reichenb  ertote«,  fo 
nahm  man  in  biefer  felbftterfchulbeten  s)coth  be«  Softem«  jnr 
Veljrc  oon  ben  Temperamenten  feine  3upucht,  einer  ?cfyrc,  melche 
bte  ^ftychologie  an«  einer  sJfaturmiffenfchaft  jn  fi<h  hereinholte. 
9Wan  glaubte  bie  gan^e  (£harafter=  unc  ®ctfte«oerfchiebenheit  ber 
SDtenfchen  auf  bie  23erfd)tcbeiü)eit  be«  Temperament«  ober  ber 
$örperbefcfyaffenl)eit  3urücfführen  ober  barau«  erMären  ju  tonnen. 
$)er  ^legmatifer  follte  nicht  blo«  tangfam  unb  träge,  fonbern 
auch  getft*  unb  talentlo«,  ber  (S^otertfer  nicht  Mo«  heftig,  fonbern 
auch  bo«haft,  ber  Sanguinifer  nicht  blo«  lebhaft,  fonbern  aud; 
charafterlo«  unb  leichtfinnig  fein  u.  f.        unb  u>o  man  mit  ben 
einfachen  Temperamenten  jur  (Srflärung  nicht  ausreichte,  nahm 
man  oietfache  SÜiifchungen  berfelben  an,  oermittclft  bereu  alle 
benfbaren  Sharafterjüge  fcharffinnig  erflärt  mürben.    T)iefe  l'ehre 
oon  ben  Temperamenten  fanb  nun,  nrie  faft  bie  ganje  alte  ^ftycho* 
togte,  in  ben  klugen  ©euefe'«  feine  ®nabe,  jumal  ba  fie  an 
fich  einer  ^aturnriffenfehaft  angehört,  unb,  toie  mir  gefehen,  ana* 
tomifche  unb  phhfiologifche  Wahrheiten  oon  ihm  in  ber  ^ftychologie 
oerpönt  finb.  %{k\n  ba  aud)  oou  ihm  bie  allenthalben  hertortretenbc 
menfehüche  Sharatteroerfchiebenheit  eine  (Srflärung  Ijeifc^te,  bie  ihm 
bod)  au«  ber  regten  Duelle  nicht  ju  ®ebot  ftaub,  fo  mußte  er  fich  lU£^t 
beffer  ju  helfen,  al«babttrch,  ba|  erbte  ßefjre  uon  ben  Temperamenten 
jmar  beibehielt,  aber  fie  nach  feinen  ^meefen  umgeftattete,  b.i.  fie  au« 
einem  Thetl  ber  ^aturmiffenfehaft  in  einen  Theü  feine«  @hf^* 
oermanbefte.   Söeuefe'«  tfeljre  oon  ben  Temperamenten  ift  biefe. 


Digitized  by 


$f94efogie  unb  ^renologie.  121 

* 

jDic  Temperamente,  fagt  Söenefe,  finb  Tljätigf  eit«arten 
bcr  ®eiftc«fräftc.  Solcher  Tl}ätigfeit«artcn  giebt  c«  bret :  Ä  r  ä  f  - 
t ig  feit,  töei$einpfänglicfyfeit,  8  eben  bigfeit.  3e  nad) 
bem  <&rabc  bcr  träftigfeit  ift  bie  ®cifte«tfyätigfett  eine  mefyr  ober 
loeniger  ftarfe  unb  oielfaff  enbe ,  ic  naefy  beut  ®rab  bcr  9icij* 
empfänglicfrteit  ciue  leidster  ober  fernerer  erregbare,  je  naefy  beiu 
$rab  bcr  Sebenbigfcit  eine  mefyr  ober  weniger  fdmelle  unb  tafd>c. 
£>er  SWcnfö  tonn  aber  nietyt,  mie  ua$  bcr  bisherigen  2lnfia)t, 
nur  ein  einzige*  Temperament ,  ober,  loa«  baffclbe  loärc,  eine 
einzige  9)fif<$ung  au«  ben  brei  Temperamenten  traben,  fonbern 
j  c  b  e «  bcr  einzelnen  g  e  i  ft  t  g  c  n  ®  r  u  n  b  f  ft  e  m  e  '  3ct)haft, 
.s^örfraft  k.)  ^at  fein  eigene«  Temperament  ober  tarnt  e«  fyaben. 
sJllfo  mäfyrcnb  5.  33.  bic  3efyfraft  eine«  9)2enf$cn  ba«  Tempera* 
ment  ber  fträftigteit  ober  ein  fo  ober  fo  gemifdjtc«  Temperament 
t?at ,  fann  bie  £>örfraft  ba«  Temperament  bcr  ^ci^empfängüc^feit 
ober  ein  fo  ober  anber«  gemifötefl  Temperament  fyaben.  £icfc 
oerfetyiebenen  Temperamente  ober  Tfyätigfeit«artcn  ber  (Sfailtb* 
ft^fteme  be«  Reifte«,  fügt  ©enefe  (itigu,  finb  bem  Sftenfcijen  gleich 
ben  ®runbfoftemen  felbft  angeboren. 

Unfcre  erfte  ftragc  an  Söenefe  ift  natürlich  bic,  tootyer  er 
alle«  ba«  toiffe,  loa«  er  im«  fjier  erjählt.  Seitbem  00m  Hilter* 
tlntm  her  fo  unenblicf)  oielc  8irfteme  ber  ^ftydjologic  ju  Tage 
getreten,  ift  alle«  über  bic  "Natur  be«  Reifte«  deutbare  fd?on 
erbaut  unb  oon  bem  einen  ober  bem  anbem  ftorfcher  al«  Söahr* 
heit  aufgeteilt  luorben.  3n  ben  fpäteren  Reiten  fonntc  taum 
mehr  eüoa«  9ßeue«  au«gefonucn  toerben,  man  fam  immer  nrieber 
auf  fchon  SBerfudjte«  jurücf.  Stuch.  ber  ©runbgebanfe  ber  ^fydjo- 
logte  ©encre'«,  ba«  herleiten  aller  ®ctftc«fräfte  au«  ben  äußeren 
Sinnen,  ift  nicht  neu,  foubern  fchon  in  ähnlicher  2öeifc  oon 
Sintern  jur  £)arftellung  gebraut  toorben.  SÖenn  alfo  Söenefc 
eüoa«  ganj  9ceue«  bringt,  —  unb  bie«  ift  feine  !*cl)re  oon  ben 
Temperamenten,  —  fo  finb  mir  berechtigt,  grünblich  nach  bcr 
Quelle  biefer  neuen  Sahrljeit  ju  forfd^en.  3eboch  toir  ^aben 
fchon  au«  einem  großartigen  ©eifpiel  auf  bie  ©eföaffenfjeit  oon 
©enefV«  $Biffcn«quette  fchlicfcen  gelernt,  inbem  er  felbft  ba«  gim*  ' 
tament  feiner  ganzen  ßetyre,  bie  (Sntftehung  ber  ($eifte«rtäfte,  für 


Digitized  by  Google 


122  W>($ologic  unb  ^^rcnologic. 

eine  £typothefe  ertlärt.  2öir  bürfen  bafyer  nlc^t  hoffen,  in 
weniger  wichtigen  Dingen  auf  einen  reineren  Örunb  bei  ihm  ju 
ftoRcn.  3)?an  würbe  fich  in  ber  Xfyat.  bergeblich  nach  einem 
33  e  w  e  i  «  ©enefe'«  für  feine  neue  9lnficht  bon  ben  Temperamenten 
umfehen:  btefer  fehlt  gänjlich.  (5r  nennt  bie  %nfi$t  jwar  ntc^t 
au«brücflich  eine  £>typothcfe,  aber  er  betrachtete  wohl  bie  Sieber- 
holung  be«  fchon  in  höherer  ©ejtehung  abgelegten  ©eftänbniffe« 
at«  ftd^  ^ier  ftiüfchweigenb  bon  felbft  fcerftehenb. 

§ierbei  ift  noch  eine  fettfante  ^rage  ju  beantworten  übrig, 
welches  nämlich  bie  wahre  unb  eigentliche  Anficht  leitete«  bon 
ber  gewBh«*i<h  *n  Temperament«lehre  unb  bon  bem  93erhältni§ 
btefer  $u  ber  feinigen  fei.  hierüber  bleibt  ber  l'efer  ber  33e* 
nefe'fchen  Serfe  im  Dunfeln.  Denn  einerfeit«  tabelt  öeuefe  au«* 
führtich  bie  gewöhnliche  Temperament«lehre  wegen  ihrer  9flängel, 
au«  beren  23erbefferung  bann  feine  i'ehre  ^erttorge^t ;  anberer* 
feit«  theilt  er  in  einem  feiner  Söerfe  (^ftychol.  Sfijjen  II.  ©b.) 
bie  gewöhnliche  Anficht  bon  ben  Temperamenten  mit,  ohne  fie 
ju  mißbilligen  unb  }U  wiberlegen.  üttan  barf  mit  Stecht  behaupten, 
baß  39enefe  über  bie  Sache  feine  flare  Anficht  gefaßt  hatte. 
Diefe  Unbeftimmtheit  unb  Dunfetheit  in  ben  Schriften  Jöenefc'« 
ift  aber  für  ben  ©eurtheilcr  feiner  ®eifte«lehre  fciel  mißlicher  al« 
iene  fühnen  griffe  ©enefe'«  in  ben  offenbaren  3rrthum.  Denn 
ba  ich  mir  bom  tiefer  ba«  £ob  berbienen  möcbte,  in  ber  burd; 
ihre  Schwerberftänblichfeit  befannten  $tydM°3ie  «enefe'«  bei  ber 
«eurtheilung  fein  buntte«  ^läfechen  gelaffen  ju  ha&c-n,  fo  fürchte 
ich,  e«  möchte  jene  Schulb  ber  Unflarheit  «enetV«  am  <£nbc 
boch  mir  jur  tfaft  bleiben.  Um  biefer  Gefahr  ju  entgegen,  will 
ich  b**  33erhältniß  ber  SBenefe'fchen  Temperament«lehre  jur  ge= 
wöhnlichen,  wie  JÖeuefe  e«  nicht  abgewogen  unb  abgegrenzt  fyat, 
aber  bom  richtigen  Stanbpunft  au«  hätte  abwiegen  unb  abgrenzen 
müffen,  Rar  ju  machen  fuchen. 

Die  Temperamente  ber  gewöhnlichen  tinficht  ftnb  eine  tfyat* 
facbliche,  naturwiffenfehaftliche  Wahrheit.  Obgleich  in  berühre 
»on  ben  Temperamenten  unter  ben  Scannern  ber  ©iffenfehaft  in 
einzelnen  fünften  Unbeftimmtheit  ober  9fteinung«\>erfchtebenheit 
fich  finbet,  fo  ift  e«  boch  eine  allgemein  anerfannte  Tljatfache, 


Digitized  by  Google 


*ßfo<$ologie  uub  ^renologic.  123 

bafc  bic  fttopcrbefchaffcnheit  ber  cmjehien  2)?enfchen  eine  fetyr 
ocrfdjtebcne  ift ,  fich  aber  auf  einige  allgemeine  (Sigenfdjaften  ju^ 
rücfführen  läßt ,  unb  ba|  biefe  Äorpcrbefchaffenbett  je  nad)  ihrer 
93erfchiebenheit  einen  oerfchiebenen  Qrinflujj  auf  ben  ®cift  unb 
feine  X&ätigfeit  übt.  Ober  mit  antern  Korten :  c$  ift  eine  allge 
mein  anerfannte  Xhatfache,  ba§  ed  ^^egmatifer,  3anguinifer  :c. 
giebt,  unb  baj?  bie  ©etftcsthätigfctt  be«  ^legmatiler«  eine  anbcr*= 
befchaffene  ift,  ate  bic  be$  SangutniferS  ober  ßholerifer«  :c. 
£iefe  Wahrheit,  n^eit  e«  eine  folche  ift,  burfte  ©enefe  unter 
(einer  Söebiugung  verwerfen.  SDafc  er  e«  bennech  tyut,  gereift 
ihm  jum  fchmerften  nnffenfchaftlichcn  Sßornuirf,  noeb  mehr,  als 
bajs  er,  mie  mir  gefeiert  (§  3),  bie  Organenlcfyte  als  fold)e  ver- 
wirft. £enn  mährenb  er  ton  ben  Organen  vermöge  feiner  ftetmt* 
niffe  wenig  ober  nichts  toiffen  fonnte,  fo  beburfte  e$  ber  größten 
®en>altfamfeit  unb  Siüfürtic^feit  von  fetner  ©eite,  bie  ftcb  ihm 
in  bie  9tugen  brängenbe  £emperament$ocrfdnebenhett  ber  3Rcnf£hcu 
$u  verleugnen  ober  aus  feiner  totff enf c^aftlic^en  ftorfdntng  au$= 
Sufchlie&en.  £)ie  Ur  fache  biefer  £anblung$wetfe  «cnefe'S  ift 
fe^r  Mar:  er  wollte  grunbfäfelich  bie  'pftyctyologie  ™»  erhalten 
von  allen  naturwiffenfehaftlichen  dementen,  bie  feinem  fo  fünftlid? 
aufgebauten  Softem  ®efahr  bringen  mufften.  £enn  gerabe  bie 
Ve^rc  von  ben  Temperamenten  Unit  augenfc^einli^er  als  alles 
Rubere  bie  Sattheit  !unb,  baft  es  eine  einfeitige,  eine  f^ftema^ 
tifche  *ßtychologie  gar  nicht  geben  fann,  ba{?  namentlich  bic  ©elftes* 
befchaffenheit  o  h  n  e  bie  Äorperbefcbaffenhett  grünblich  jii  erf erfreu 
fct)lec^t^tn  unmöglich  ift. 

demnach  fragt  es  fich  alfo  nur  noch,  fa^  ©enefe,  n>ie  er 
im  Siberfbruch  mit  fich  fclbft  auch  ju  thun  fcheint,  bic  gewöhn* 
liehe  XemperamentStehre  n  i  d?  t  verwerfen  wollte,  tt>  i  e  w  e  i  t  feine 
neue  XemperamentSlehre  neben  jener  sßlafc  finbe.  3m  2lUge* 
meinen  ftimmen  bie  geiftigen  Temperamente  SBenefYS  fo  ziemlich 
mit  ben  befannten  förperlichen  Temperamenten  überein.  8enefeT« 
Temperament  ber  Äräfttgfeit  ift  ungefähr  baS  cholerifche,  fein 
Temperament  ber  föeijempfänglichfeit  baS  nervöfe,  fein  Tempera* 
ment  ber  £ebenbigfeit  baS  fanguinifche.  (Näheres  über  bie  Sem* 
peramente  in  meinem  „Katechismus  ber  ^hrenoto9ie"-)   Wf»  ber 


Digitized  by  Google 


124 


Unterfchieb  $u>ifchen  beiben  Seiten  ift  nur  ber  folgende  jmeifachc: 
mährenb  bic  gewöhnlichen  Temperamente  förperliche  (5ißenfd;aften 
ftnb,  ftnb  bic  ©ende**  rein  geiftige,  unb  mährenb  nach  ber  ge- 
möhnlichen  Temperamentälehre  bet  ÜNenfch  nur  c  i  ti  Temperament 
ober  eine  Äörpcrbefchaffenheit  ^at  unb  haben  fann,  fo  fann  nach 
iöeuefc  ber  ÜDfenfdj  mehrere  ober  viele  Temperamente  zugleich 
unb  neben  einanber  fyaben.  Uebrigcn«  ftnb  bic  Temperamente 
8enete'6,  eben  meil  e«  geiftige  finb,  bon  ber  Äörperbefchaffenhett, 
alfo  bon  ben  förderlichen  Temperamenten ,  gan$  unabhängig;  fo 
bafe  nach  39encfe  \.  $8.  bei  einem  ^ßh^gmatifer  ba«  Sehberm&gen 
(mit  ben  au«  ihm  entftanbenen  ®eiftc«fräften)  ba«  Temperament 
ber  Sfräftigfeit,  ba«  £örbermögcn  (mit  feinen  ®eifte«fräften)  ba« 
ber  9fei$empfänglichfcit  :e.  ha&en  fönnte. 

Uufcr  Urtivit  über  ©enefe'«  TemperamentStchre  mufe  unter 
jeber  ber  beiben  33orau«fet<ungen  ba«  folgenbe  fein.  Schon  baf? 
Reliefe  befonbere  g  e  i  ft  i  g  e  Temperamente  annimmt,  ift  nicht  nur 
burch  nicht«  gerechtfertigt,  fonbern  ift  in  ber  That  begriff«roibrtg, 
berftöfct  gegen  alte  natürliche  unb  naturmiffenfehaftttche  Anficht 
bon  bem  föefen  ber  ®cifte«fräfte.  £enn  ®etfte«fraft  unb 
(Reifte«  e  i  g  e  n  f  chaf  t  ift  für  ttne  ganj  baffelbe,  fäCCt  in  benfelben 
begriff  jufammen;  mir  fennen  eine  ®eifte«fraft  nur,  metf  toir 
fie  al«  ßtgenfehaft,  unb  eine  ®eiftc«eigenfchaft  nur,  loci!  mir 
fic  al«  traft  fennen ;  eine  ®eifte«fraft,  bic  nicht  (§igcnf<haft,  ober 
eine  ®eifte«eigenfchaft,  bic  nicht  traft  märe,  ift  unbenfbar.  Senn 
baher  eine  ®eifte«fraft  eine  mirfltcbe  ®ruubfraft  be«  ©eifte«, 
b.  i.  eine  einfache  traft  ift,  fo  ift  fie  auch  c"lc  einfache  ®eiftc«* 
eigenfehaft,  unb  e«  märe  ein  Siberfpruch  in  fich  fclbft,  eine  folchc 
einfache  traft  ober  (Eigenfehaft  für  mehrfach  erflären  ju  mollen. 
Senn  5.  39.  bie  Sehfraft,  mie  39enefe  jufttmmt ,  eine  folchc  ein« 
fache  traft  ober  Grigenfchaft  —  bie  bc«  Ötchtempfinben«  —  ift, 
fo  fann  fie  nicht  jugletch  eine  mehrfache  fein,  b.  i.  fie  fann  nicht 
bei  bem  einen  3)2enfchen  biefe,  bei  bem  anbem  jene  noch  anbere 
Eigenfehaft  haben,  benn  fie  märe  ja  fonft  feine  einfache  Origen* 
fchaft  mehr.  @ine  fofer/c  traft  ober  (Sigenfchaft  fann  jeboch  na* 
türlich  ftarf  ober  fchmach  borhanben  fein:  aber  bie«  ift  feine 
ötgenfehaft,  fonbern  ein  9)?chr  ober  Weniger  (fein  quäle,  fonbern 


Digitized  by 


» 

vJ>fad>ologie  unb  ^renofoflie. 


125 


ein  quantum).  5B3etf  mm  aber  —  fo  füge  icfy  fyinju,  um  bie 
dlatux  ber  imrflicfycn  ober  förperlicfyen  Temperamente  511  erfla'ren,  — 
ber  ®cift  an  ben  Körper,  bic  C^eifteöfräfte  an  Organe  gebunben 
finb,  unb  n>et(  ftikper  unb  Organe  als  foletyc  au$  tyrerfeit«  ifyre 
(gtgenfcfyaft  Reiben,  fo  tarnt  biefe  (Sigenfctyaft  ber  Organe  einen 
Gtinffofc  auf  bie  ®eifte«fräftc  felbft  ausüben,  unb  bie«  ift  bann 
bat,  toa«  toir  Temperament  —  Stimmung  —  be«  Reifte« 
ober  ber  ®eiftc«fräftc  nennen.  Seil  aber  bic  &ikperbcfd;affeuf>cit 
be«  Sftcnfcfyen  au«  pfytyfielogtfdjen  Urfacben  nur  eine  allgemeine 
ober  eine  unb  biefelbe  burefy  ben  ganzen  Körper,  burefy  alle  Or* 
gauc  fein  fann,  fo  fann  ber  SOtcnfd)  nur  c  i  n  Temperament  (ober 
eine  Tempcrament«mifcfyung),  niebt  mehrere  jugleicfy  ober  neben 
einanber  fyaben. 

9. 

$on  feiner  XcmperamcntSlcfyre  macfyt  Söenefe  einen  jtoci^ 
facben  ®ebraucb,  tfycil«  um  bie  SBerfc&iebenljeit  ber  menfcblidicn 
Cljarafterc  unter  ft$,  tfyeif«  um  ben  geiftigen  Unterfdjieb  jnnfd>en 
9D?enfcfy  unb  Tfyicr  ju  erflären.    fernen  mir  biefe  ledere  Gxtlä 
rung  JBenefe'«  werft  fennen.    (SBergl.  oben  ©.  50.) 

Die  <5rflärung  be«  geiftigen  Unterfcfyieb«  mnfdjen  9ttenfd> 
unb  Tfyier  machte  oon  jefyer  ben  ^ftycfyologen  grojje«  ^opfbreeben. 
Die«  mußte  fo  fein,  ba  jene  (Srftärung  in  bic  ^ftycfyologie  mit 
ifjrcm  oberften  (Shnmbfafe  ber  Sei  bftbeobaebtung  ctgentlid? 
nicfyt  gehörte:  fie  n>ar  fyier  eine  Snconfequcn, ,  nod)  mefyr  al« 
bic  (Srflärung  ber  Sfyarafterocrfdn'ebenfyett  unter  ben  üftenfcbeu 
felbft  (§  9).  3u  ber  'Phrenologie  bagegen,  too  man  naefy  natur* 
nnffenfcbaftttcfyem  ©runbfafc  bie  (Sljaraftcre  foloofyl  aller  Sftenfcfyen 
al«  ber  Tljiere  in  bie  ^Beobachtung  fyereinjeg,  ergab  ftcfy  aud) 
bie  (SrUärung  be«  Unterfäieb«  snnfdjcn  2)?enfd>  unb  Tln'er 
oon  fclbft.  Der  üflcnfd?  befifct  alle  tljiertfdjen  Sinne  mit  bem 
Xfjier  gemcinfcfyaftltch ,  aber  bem  Xfyiex  fehlen  bie  leeren  2>er* 
ftanbe«*  unb  ®efityl«ftnne  be«  ^enfe^en.  Die«  ift  bie  ebenfo 
einfache  al«  oollftänbige  (Märimg  be«  geiftigen  UntcrfdnVb« 
Sn>ifc$en  SDttnfö  unb  T^ter.  Sie  ertfärte  man  nun  oor  ber  f\)xc 
nologie  biefen  Unterfcfyieb? 


Digitized  by  Google 


126 


$f9$ofogie  unb  ^hrcnofoflic. 


Der  5D2enfd>  hat  ®eift,  fagt  bie  $fty$ofogie,  ba«  X^icr 
nicht.  3n  biefem  2lu«fpruch  ftitnmcn  natürlict)  ^ßftchologie,  ^re* 
nologte  unb  ©enefe,  2llle  ohne  9lu«nahme  übereilt;  benn  bte« 
ift  nicht  bie  $ltt«funft  irgenb  eine«  befonberen  Seffent  über  bie 
borltegenbe  Sache,  fonbern  ber  einfache  9lu«bntcf  ber  Sprache. 
Sa«  ber  gefüllte  9)?enfchenberftanb  am  inneren  ober  fcelifd>cn 
9Wenfchen  me|t  fanb,  al«  am  Xtyex,  ba«  fafjte  er  unter  bem 
Sorte  (Seift  $ufammen.  9flit  biefem  Sorte  ift  alfo  nicht« 
weniger  al«  ba«,  wa«  wir  fuchen,  eine  ßr  Harting  be«  Unter- 
fdn'eb«  jwifchett  3)?enfch  unb  £f;ier  gegeben.  Die«  fc^eint  fich 
jmar  bon  fclbft  ju  berftehen,  mußte  aber  au«brü<flich  gefagt 
werben,  weit  fcljr  biete  'pf^otogen  mit  bem  Sorte  (Steift,  welche« 
fie  ben  ber  menfchlichen  Scelenbefchaffenheit  jum  Unterfchieb  bor 
ber  thierifchen  gebrauchten,  eine  wirfliche  (Srflärung  ber  Sache 
gegeben  ju  ^aben  glaubten.  S3enefe  aber,  ber  barm  mit  ber 
"Phrenologie  £>anb  in  £>anb  geht,  bafc  er  biefem  Spielen  mit 
allgemeinen  Sorten  ben  trieg  erflärt  hat,  uub  ber  ftolj  barauf 
ift,  ben  Dingen  unb  Begriffen  felbft  nad;$uforfchen ,  fragt  auch 
nach  bem  Wirtlichen  Unterfcbieb  jwifcheu  9ftenf<h  unb  Zfyex.  <£r 
erflärt  nun  biefeu  wirtlichen  Unterfcbieb  —  t>ert !  hört!  -  tebiglich 

uub  allein  für  einen  £emperament«unterf chteb! 

3a  fc  ift§,  es  ift  hnrNtch  fo;  er  bat  e«  anrochen! 

Da«  Xfyex  tyA  mit  toesn  9ftenfchen  ganj  bte  gleichen  äußeren 
Sinuc,  unb  weil  bie  äußeren  Sinne  nach  ©enefe  bie  einzige 
©runblage  ber  Seelen«  ober  ®etfte«frä'ftc  finb,  fo  alfo  ba« 
3T^ier  mit  bem  SDJenfchen  an  fid)  biefelben  Seelenfräf  te ;  allein, 
fährt  Bettete  fort,  bie  Sinne  be«  ^h^crc^  ha&en  lu(h*  baffelbe 
Temperament  tote  bie  be«  9)?cnfchen,  benn  e«  fehlt  ifmen  ber 
holje  ©rab  bon  fträfttgtett,  welchen  bie  menfchlichen  Sinne 
befifecn,  wogegen  bie  SReijempfänglichfeit  ober  bie  Vebenbigfeit  ber 
thierifc^en  Sinne  bicfelbe  ober  felbft  eine  h&herc  KM  tann,  al« 
bie  be«  9tfenfchen. 

fragen  mir  bor  Willem  mieber  nach  bem  ©e» ei«  btefer  Be- 
hauptung, fo  fehlt  biefer,  wie  mir  bie«  bei  ©enefe  fchon  gewohnt 
finb,  auch  fyex  gänzlich.  Sitte«  überhaupt,  wa«  fiel)  ©enefe, 
bietleicht  mit  3>2n^e  unb  Slnftrengung ,  au«benrt  al«  ©aumaterial 


Digitized  by 


^fp^orogic  unb  ^prcnotoflie.  127 

für  fem  Softem,  ba«  ift  für  ihn  eine  Sahrhctt  unb  Sebarf, 
toie  er  meint,  feine«  vetteren  Söeioeife«.  Sie  (5rtoä'gung  ftört 
ihn  nict>t ,  ba§  Rubere  fich  oietleicht  ganj  Rubere«  au«benfcn 
loürben,  ja  bie«  fogar  ton  feinem  eigenen  Stanbpunft,  bem 
feine«  Aftern«,  au«.  Sa«  f&nnte  $.  33.  ©enefe  Dem  entgegnen, 
toelcher  behauptete,  nicht  ba«  Temperament  ber  Sftäfttgfeit  fei 
e«,  welche«  bie  menfehliche  Seele  bor  ber  tln'erifchen  au«$cicbne, 
fonbern  oielmehr  ba«  ber  Oteijempfänglichfeit ;  ba«  Thier  f^abc 
gleich  fräftige  Sinne  toie  ber  9)Jenfcb,  allein  bie  9?et$cmpfäng- 
lichfeit  ber  menfeblichen  Sinne  für  33iele«,  gegen  meiere«  bie 
tfyierifcfyen  ftumpf  feien,  jeidbne  bie  elfteren  oor  ben  teueren  au«. 
Ober  toenn  ein  Ruberer  behauptete,  nicht  bie  Sfraftigfeit  ned? 
bie  föeijempfängtichfeit ,  fonbern  nur  bie  £ebenbigfeit  fei  ba«, 
toa«  ^icr  in  ftrage  fomme;  bie  menfehliche  Seele  fei  lebenbiger, 
beweglicher,  fchnellcr,  unb  ftcfye  nur  barum  unb  baburch  ^B^cr 
äff  bie  tl>iertfcr>e.  Ober  loa«  fennte  33enefe  überhaupt  Dem  ent* 
gegnen,  meiner  behauptete,  e«  gebe  nicht  Mo«  brei  ju  unter- 
fc^eibenbe  geiftige  Thätigfeit«arten  ober  Temperamente ,  fonbern 
fed?«  ober  jioölf,  ein  oierte«  Temperament  5.  ©.  fei  ba«  ber 
^ein^eit  ber  (&eifte«fräfte ,  ein  fünfte«  ba«  ihrer  Schärfe  :e. 
23enefc  müfjtc  aüen  biefen  9(nficr)ten  it)r  oollc«  stecht  (äffen,  fic 
finb  ganj  fo  begrünbet,  toie  bie  feinige.  So  nur  Stilfür  gegen 
Sülfür  ficht,  ba  giebt  e«  (eine  Gnttfcbetbung.  Daher  gilt  au* 
oon  33enefc'«  Temperamenten  al«  einem  (5rflarung«grunb  be« 
Unterfcbieb«  stoijjhen  3J?enfch  unb  Thier  ebenbaffelbe,  toa«,  iric 
nur  oben  gefe^en,  oon  bem  Sorte  ®eift  al«  einem  folgen  (&r- 
flärung«grunb  gilt.  So  toie  bie  früheren  $fhcf>ologen  jur  33c- 
Zeichnung  beffen,  loa«  bie  9(J?enfchenfecle  oor  ber  t^icrifc^en  oorau« 
hat,  ba«  in  ber  Spraye  oorgefunbene  Sort  d^eift  wählten  unb 
c«  für  eine  (Srflärung  hielten,  fo  wählte  Söenefe  gu  bemfelben 
3mecf  ba«  Sort  Sfräftigfcit  be«  Temperament«,  e«  für  eine  @r- 
flärung  hattenb.  ©enefe  ^at  ftch  bei  biefem  Sort  gerabe  fo  toiel 
ober  fo  toenig  gebadjt,  al«  bie  "ißfh^ologen  bei  bem  Sorte  ®etft. 
Doch  hatten  bie  ^ftycbologcn  ba«  bor  Söenefc  oorau«,  ba§  ba« 
oon  ihnen  gewählte  Sort  ba«  richtige,  ba«  oon  Senefe  ein  unrich* 
tige«,  nicht  in  biefer  ©cbeutung  geltenbe«  ift. 


Digitized  by  Google 


128 


^fo^Mogic  imt>  ^brenofogtc. 


9iacfy  bem  33orau«gegangenen  finbct  alfo  na<$  ©encfe  jtoifdjeir 
bem  äftenfcfyen  unb  beut  Xfyiex  fein  mefentficfyer  (fpecififcfyer), 
fonbem  nur  ein  Unterfcfyieb  be$  (ftrabeS  ftatt.  £)a  ba$  £em* 
perament  ber  tfräfttgfett  auef?  unter  beu  emjetnen  9ftenf$en  in 
fefyr  »ergebenem  ®rabe  borfyanben  ift,  fo  fommen  alfo  bie* 
jenigen  9ttenfdbeu,  bei  metcfyen  btefe  ßräftigfeit  eine  fefyr  geringe 
ift,  ben  £fn'eren  fct>r  nafy,  ja  bie  ©töbfinnigen  fommen  ifnien 
fogar  gteicfy,  fo  baß  Söenefe  feinen  getftigen  Unterfcfyieb  be«  331&b* 
finnigen  bom  Spiere  fennt  unb  fennen  fann.  ßum  Ueberfluji 
fyricfyt  bie«  33cnefe  auäbrücfttdb  au«.  (£r  fagt  (^ragm.  ^ftycfyot. 
I,  28):  „'Sie  $räftigfeit  ift  in  ben  menfcfytidjen  «Seelen —  bie 
$Möbfinntgen  ausgenommen,  meldte  eben  feine  toafyr* 
fyaft  meüfcfyUcfyc  ©runbnatur  Ijaben,  —  mefcntücfy  in 
fyefyeren  (Kraben,  in  ben  Seelen  ber  £f)iere  mefentlid&  in  nieberen 
(Kraben  gegeben".  £>a$u  fommt  noefy  weiter,  bafe  SPenefe  bon 
bem  $erljättnifi  be«  ^ölBbfinn«  $ur  oodfommenen  ®eifte«ftärfe 
bie  in  ber  ^ßfycfyologie  nidfot  tjäufig  gefnnbene  gan$  richtige  %\\* 
fic^t  l?at.  £tefe«  ^ertyättniB  ift  nämüc^  fein  bur<$  eine  ©ren&e 
geriebenes ,  fonbem  nur  ein  Stufenberljättniß.  £)er  JötÖbfinn 
ift  nur  ber  nieberftc  ®rab  ber  bei  ben  etngetnen  9)fenfctyen  in 
ftufeutoeifem  SMafee  borfyanbenen  (^eifte«fraft.  ©enefe  fagt.-  „Die 
äujjerfte  Scfymäctyc  in  ben  menfcfyltcfyen  ®eifte«fräftcn  bietet  ber 
^ötöbfinn  bar.  9tber  bie  (^runbantage  beffelben  ift  feineämeg« 
a(«  ermaß  fpecififcfye«,  burefy  eine  fcfyarfc  ©renje  gegen  bie  ma^r= 
fyaft  menfcfytidje  Anlage  ®efcfyicbene«  anjufeljen,  fonbem  mir 
Ijaben  bon  iBm  auf  biß  $ur  mittelmäßigen  unb  meitcr  bi«  ju 
ber  botffommenften  ®ciftc«entn>icfehmg ,  ber  ©runbanlage  ober 
ber  SÖefcfyaffcnfyeit  ber  UrbermBgen  naefy,  nur  eine  ftetige  21  b* 
ftufung".  OJkagm.  $ft$ol.  I,  109.)  <£)a§  bie«  bie  richtige 
9lnfid>t  fei,  geigen  befonber«  fcblagenb  bie  ftätfe  be«  tfj  eilte  ei  feil 
Sölb'bfmn*-  @in  fogenannter  ©töbfinniger  fann  irgenb  eine 
$eifte«fraft  (eine  Seibenfdjaft ,  ein  latent  «.)  in  bottem,  ja  fo= 
gar  in  gegen  bie  mittlere  ®eifte8entmufehmg  fefyr  Ijeroorragenbem 
SOtfajje  befifeen,  unb  ebenfo  fönnen  bei  einem  im  3U(gemeinen  auf 
mittlerer  ober  fyofyer  «Stufe  ber  ®eifte«entmicfc(ung  fteljenben 
9)?enfcfyen  irgenbmetcfye  ehtgedie  ®eifte«fräftc  in  einem  bis  jur 


Digitized  byGoogle 


^IV^ologic  unb  ^renotogic. 


129 


Stufe  be$  Sölöbfinn«  nieberem  3Wa§e  oorfyanbcn  fein,  tiefer 
Söafjrljett  gegenüber  ift  aber  bie  9{nftd?t  Jöenefe's,  uaefy  mefctyer 
ber  geiftig  nieber  fteljcnbe  üftenfcfy,  ber  ©töbfinmge ,  mit  bem 
Xl}\n  gleich  fteljt,  na$  welker  e$  alfo  feinen  fpecififd&en  Unter* 
fd^ieb  smifetyen  2)fenfd&  unb  £fner  giebt,  eine  Ij&d&ft  unmürbige, 
unb  bie  Stfenfd^eit  fann  fi$  bei  Söenefe  für  ben  SRang,  auf 
ben  er  fie  ftellt,  bebauten.  Silber«  bie  Senologie !  9ia$  i^r 
ift  ber  9ttenfc$  bom  £fn'er  mefentlicty  (fpecififö)  belieben,  benn 
er  befifct  aujjer  ben  tljiertfctyen  Seelenfräften  anbere,  mefentltcfy 
menf($tt<$e.  £>afyer  bleibt  au<$  ber  $3(öbfinnige,  ber  »erfümmerte 
9)?enf<$,  immer  noefy  2tteufcfy,  benn  bie  nietyt  3ur  Gmtmufefung 
gefommenen  $eime  feiner  ($etfte$fräfte  finb  mefentücty  anbere 
af«  bie  be«  Xfjier«. 

2Äan  fönnte  glauben,  SSenefe  fyabe  fiefy  gegen  ben  ifym  fyier 
mit  9te$t  geworbenen  SBormurf  beffer  beroaljren  fönnen,  menn  er 
nic^t  Mo$  eine  £emperament«eigenfc$aft,  bie  $räftigfeit,  fonbern 
n>emgfteu$  aüe  bem  3Eenf$en  in  fyöfjerem  Sttafc  al«  bem  £fjier 
jugefd^rieben  r>ättc.  «enefe  Ijätte  bie«  genujj  getrau,  menn  er 
gefonnt  fyätte.  5(üein  e«  giebt  £tyatfa$en,  ju  bereu  „Srflärung" 
Reliefe  eine  ober  einige  £emperament«eigenfc$aften  au#  für  bie 
Xfyiere  jurüefbe^atten  mußte,  bie  £(jatfacfye  5.  baß  manche 
Stn'ere  einige  8iuue  (®eft$t,  ®erucfy  ic)  in  ftärferem  2fta&e  ate 
ber  Sttenfdb  befifcen.  ©enefe  fagt  j.  38.:  „£>iermit  (mit  btefer 
im  Untcrfdneb  M  Temperaments  ber  föräftigfeit  gefunbenen 
ftärung  be$  Unterfcfyieb«  jungen  SDtenfcfy  unb  Xfyier)  ftefyt  e« 
feinesmeg«  im  Siberfprucfy,  baj?  ber  ®eficfyt$finn  M  Slbter«  feine 
^Öeute  in  größerer  Grntferuung  erfpäfyt,  afö  in  meiner  ber  3Kenfd; 
biefetoe  malzunehmen  im  ©tanbe  ift;  biefc  unb  älmlid(>e 
fommenfyeiten  geljen  nur  au«  ber  größeren  9fet$empfängltc^ 
feit  fjeroor".    «Srjie^ungStetyre  I,  53.) 

Wd&t  glütflu^er  als  in  ber  ßrflärung  be$  Unterfd&tebS  jmifc^en 
3ttenfö  unb  £fyier  mar  natürlich  $enefe  in  ber  oermittelft  feiner 
£emperament«lefyre  berfud&ten  Grrflärung  ber  Gtfyarafterocrfctyieben* 
fyeit  ber  ÜKeufd^en.  $)o$  mirb  tym  l)ier  bie  3ad?c  tief  feister: 
beim  wäfjrenb  er  ben  (Sfyarafter  ber  Sfyiere  jebeufatt«  für  einen 
angeborenen  erfennen,  alfo  Uni  auf  ben  angeborenen  Sempera- 

Sd>e&c,  $l)renoIoflifd>o  «Übet,   a.  «nfl.  9 


130 


^ftxftofogir  unb  "Jtyrenefogie. 


meutSuntcrfctyieb  jurücffüljren  inufs,  fo  Ijat  er  bagegen  freie  £>anb, 
benienigen  Untcrfctyieb  unter  ben  mcnfd>ücben  (Sfyaraftereu,  loeldjen 
er  niebt  burd?  einen  Xcmpcramentsunterfcbier  ber  einzelnen  „®runb' 
tyfteme"  erflären  faun,  für  einen  fpäter  <>ermtttefft  ber  »finge« 
legtfjeiten",  §  5^  entftanbenen  }tt  erflären.  (Sin  Söeifpiel  ift 
feine  Veljre  t>om  ftebädjtniK.  (ir  fagt :  „ric  angeborene  Anlage 
für  ba«  ©ebäcbtnifc  ^at  nur  bie  ©efenberfyeit  oter  5>crfd?icbenhcit, 
metebe  burd>  bie  ^rfebicbenfycit  ber  „törunotyftcme"  unb  if>rer 
orci  Temperamente  bebingt  ift;*  unb  toa«  man  t>on  einem  am 
geborenen  befonberen  Tanten*,  ®cfta(ten*,  Gegebenheiten*,  gaffen«  ic. 
®ebädjtnifc  gefagt  tjat,  ift  unter  bie  ptydjologifd>en  SMdjtungen 
;u  rennen.  2im  meiften  begrünbet  ift  nod>  ber  Unterfcbieb  oon 
angeborenem  ©ort*  unb  &  a  cfygcbacfytnifi:  benu  ba#  erfte  gcfyt 
altcrbingS  au$  einer  befonberen  Uranlagc  ((^runoftyftem),  au*  ber 
be*  ©efyerfinueS,  fjeroer".  ^tycfyot.  97  f.)  33enefe  ift  meit 
entfernt,  bie  u>irf(id>e  SBerfcfyiebcnbeit  ber  befonberen  (Stusetgebädjt* 
niffe  in  9(brebe  |tt  fteücn,  nein,  er  nimmt  ein  befonberen  9laQtCSl*# 
®eftatten*,  3abten=  2C-  ftcbäcbtnift  an ;  nur  angeboren,  f o  be= 
bäumtet  ct  ,  ftnb  tiefe  (Sin^clgcbäcbtniffe  nid>t,  meil  fte  fidj>  »i<$t 
auf  bie  angeborenen  Ökuubfafteme  jurücffütyren  faffen.  (Sin  be= 
fenbere«  Scrtgcbäcfytnifc  unb  3adjgebäcfytui§  jebodj,  meint  er, 
fbnncn  mir  mofyl  nod>  al«  angeboren  gelten  taffen,  beim  beibe  be* 
ruben  auf  ben  befonberen  (Ürunbftyftcmen  be«  ©etyörfinn«  unb 
be«  ®efid()t«finn*.  Sefyr  bc$eid;ncnb  für  ©enefe'«  ganje  £efnre  ift 
ber  $u«brucf  „am  meiften  begrünbet":  er  (aßt  erraten,  bafj 
in  biefer  £>Wotfyefenlefyre  roofyl  3ßafyrf<$ein(icfyfett$*  (unb  Unmatyr* 
fcbeinlid?feit$^  ®rünbe  ju  £>aufe  ftnb ,  um  bereu  Üiang  cd  fidj 
Rubelt,  baß  barin  aber  t>on  Gerne  ifen,  n>ie  in  einer  Sftatur* 
nnffenfdjiaft,  nid^t  bie  9iebe  ift. 

£>a  nac^  öenefe  bie  angeborene  Ctharaftcroerfcfyicbenhett  bc$ 
Sttenfctyen  allein  auf  btc  Xemperament«t>erfdjicbenfyeit  ber  einzelnen 
(ikunbffyfteme  mrücfjuftthren  ift,  fo  ift  biefe  Gerfctyiebenljeit  eine 
fo  meffacfye,  aläeS  ®runbftyftemc  giebt.  Sir  fennen  biefe  bereit«: 
e«  finb  außer  ben  geroehnüd;  fogenannten  fünf  Sinnen  nod?  ber 
Sinn  ber  9ttu«?e(bemegung  unb  bie  SBitatfinne  beö  Siemen«,  ber 
Gerbauung  :c.    Genefe  jäfjlt  bie  2$itatftnne  nidjt  au«brü<ffid>  alte 


Digitized  by 


^fochologie  unb  ^renofogif. 


131 


auf,  weil  er  ftc  für  gu  unwichtig  hält.  £>ie  £<i\}{  biefer  Sinne 
ober  ©runbfhfteme  toürbe  fieh  baljer,  wenn  Senefe  uodb  einige 
SMtalfinne  weiter  als  bie  auSbrücflich  genannten  annehmen  wollte, 
auf  hWen*  getut  bi«  jw'clf  belaufen.  9hm  aber  finbet  fidj  bei 
Senefe  tu  einem  fetner  Serfe  (pragm.  9ft$*t.  *>  88^  *a  ^o 
er  bon  ben  einzelnen  $runbfyftemeu  fpricht,  bie  folgenbe  ^e*ft 
auffallenbe  Stelle:  ,,3cbc«  ®runbfhftem  Conti  eine  toon  ber  be« 
anbern  uerfchiebene  ftrunbbefchaffenhett  (Temperament)  haben;  fc 
bajs  fich  alfo  bie  3fteglichfeit  krauSftellt ,  bafe  ein  unb  berfetbe 
3Renf  $  b  r  e  i  $  t  g  biä  t>  t  e  r  $  i  g  »erfchiebene  Temperamente  in  fich 
bereinigen  fann.  tie  berfdbiebenen  ®runbfhftemc  fönnen  aller* 
biug«  auch  g  ( e  i  geftimmt,  fie  f&nnen  aber  audj  jebe«  in  oer- 
fchiebenem  (Srabc  geftimmt  fein".  3$  bin  Jöenefe  aufmerffam 
burch  feine  Serfe  gefolgt  unb  glaube  Um  oollfommen  in  feinem 
ganjen  ®ebanfengang  unb  in  ber  @efammtheit  feiner  9lnfichten 
\n  oerftehen;  er  Ijat  gleichfam  bor  meinen  tilgen  nochmal«  ba« 
#artenhau«  feine«  Styftem«  aufgebaut,  nocbmal«  jebe«  einzelne 
Slättchen  balb  mit  feefer,  balb  mit  jaghafter  £anb  angelegt: 
aber  boch  enthält  ein  Heiner  Siufet  in  biefem  Saue  etwa«,  ba« 
mir  oerbeeft  geblieben  ift:  c«  ift  bie  obige  Stelle,  e«  ftnb  bie 
brei§ig  bi«  oierjig  Temperamente.  Sföarum  fonberbarer  Seife 
gerabe  biefe  %aty?  Ttcfelbe  wie  bie  ber  Phrenologien  ®runb- 
frafte?  Sollte  Söenefc  beim  ^Jcieberfdjretben  jener  Stelle  bie 
Phrenologie  im  5luge  gehabt  ha*>cu?  Allein  ich  glaube  au* 
Ruberem  überzeugt  31t  fein,  bafj  ©enefe  bie  Phrenologie  nicht 
fennt.  Ober  follte  er  in  einem  liebten  Slugcnblicf  $wifd;en  feinen 
ftyftematifchen  ^Dichtungen  unb  Träumen  bie  h^P^^^^^to 
menfehlichen  (Ehatafterjüge,  wie  fie  und  ba«  i'eben  entgegenbringt, 
bor  feinem  (Seift  haben  borübergehen  (äffen  unb  baburch  auf  jene 
3al;l  gefommen  fein  ?  SBenn  Senefc  auf  beu  oorliegenben  grttnb* 
liehen  unb  fchweren  Angriff  gegen  feine  ®eifte«lehrc  ausführlich, 
tote  ich  Wfc  U"D  -wnt  wa«  ich  ty«  ottte,  —  benn  au«  biefem 
Kampfe  fann  ein  fehr  großer  (Gewinn  für  bie  Söiffenfcbaft  her- 
vorgehen,  —  antworten  wirb,  fo  bürfeu  mir  bon  ihm  wol?l  auch 
$luffchlujj  über  biefe  räthfeltjaftc  Sache  ju  erhalten  hoffen.  (23e- 
nefe  h«t  weine  Sitte  nicht  erfüllt.) 


Digitized  by  Google 


132  WpcMoflie  unb  Wrcnoloflie. 

10. 

SDte  geifttge  SSerfcbiebenfyeit  ber  üftenfcfyen  tarnt  nacb  ©enefe 
entmeber  in  bei  eben  bargefteüten  iöeife  eine  angeborene,  ober 
aber  eine  entftanbene,  angebUbete  fein,  ©etracfyten  mir  bafjer 
au$  bie  anbere  Seite  ber  ®ebäd>tm§(efyre  Söenefe'«,  [ein  ent* 
ftanbene«  ober  angebUbete«  ®ebäc&tni§.  Sir  tyaben  bereits  oben 
(g  2)  93enefe  uac$meifen  feljen,  bat?  ba«  (9ebä<$tmfe  fein  ®runb* 
term&gen  be«  Reifte«  fein  fonne,  meil  e«  berföiebene  befonbere 
®ebäc$tniffe,  ein  $#ert-,  3at)lenßetäc^tnig  :c.  gebe,  ©enefe  ber* 
ftetjt  fyier  ntc^t  angeborene,  fonbern,  mie  er  au«oriufli<$  fagt, 
angebilbete  (£tn$etgebäcfytniffe.  T>enn  urfprüngücfy  ober  bon  ©e* 
burt  an«  ift  nadj  ir)m  alle  ©ebäcfytnifefraft  (fefern  fie  nidjt  auf 
berfcbicbeuen  „(ttrunbftyftemen*  beruht)  nur  eine  unb  tiefetbe; 
bie  Herfcfytebenfyeit  unter  ben  (£in$elgebä($tniffen  entftefyt  erft 
burcfy  bie  23erfcfyiebcnfyeit  bcr  (^egen  [täube,  metcfye  in« 
©ebäcfytnij?  auf  genommen  merben. 

Diefe  9lnfidf>t  Söenefe'«  ift  eine  burctyau«  irrige,  ©enn  bie 
©ebäcfytnifcfraft  oon  (Geburt  au«  nur  eine  einjige  allgemeine  ftraft 
märe,  fo  fönnten  ftdt>  iitd>t  beftimmte  abgegrenzte  Gruppen  bon 
@itn,elgebäd)tntffeu  bitten ,  bie  unter  ficf>  jufammcnfytugen  unb 
einanber  unterftüfeten.  Gr«  fennte  bann  nur  einerfeit«  eine  altge* 
meine  ©ebäcfytnifefraf t,  anbererfeit«  einzelne  ®ebäd)tni§ g e g e n * 
ftänbe  geben.  3ebe«  einzelne  2öort,  jebe  QaXji  :c,  bie  mir  be= 
fetten,  Ijätte  bann  itjr  eigene«  ©ebäcfytnip.  $eine«  biefer  im* 
$ät)ügen  (9ebäcfytniffe  fyinge  mit  einem  beftimmten  anbem  enger 
}ufammen,  a(«  mit  allen  übrigen.  T)ie  ftraft  ober  bie  Uebung 
im  ©ehalten  eine«  (Megenftanbe«  mitjjte  gleidb  biet  ober  gteieb 
menig  auf  bie  Shaft  ober  bie  Uebung  im  SBeljalten  irgenb  eine« 
anbem  mirfen :  furj  e«  f&nnte  moljt  biete  berfcfytebene  einzelne  ©e* 
bädnniffe,  aber  nict>t  oerf^iebene  beftimmte  ©nippen  ben  ein* 
^etilen  ©ebäcfytniffen  geben,  ©enefe  nun  pflichtet  au«brücftidj 
ber  Slnficfyt  bon  bem  SSortyanbenfein  un^Iig  tiefer  einjefner  ®e= 
bädbtniffe  bei.  <5r  faßt:  „®euau  genommen  fyat  iebe  e  inj  eine 
$orfte(tung«angefegtfyeit  Ujr  eigentln'hnltdje«  ®ebä^tni§,  fo  baß 
oon  mehreren  Xaufenben  bieüeid)t  feine  einjige  eine  b&lttg  gleite 
Stärfe  beffetben  mit  einer  anbern  l>at".    („®enau  genommen"! 


Digitized  by 


«Pfad^ologic  unb  ^Ijvenologie.  133 

Bei  Behauptungen  über  Xhatfa^en  ber  s)tatur  follte  fich  ba« 
©enaunehmen  »du  felbft  terftehen.) 

Allein  u>ic  fommt  Benefe  auf  biefem  Sege  gleichwohl  ju 
befttmmten  ©nippen  ton  ©ebächtnifjfräf  ten  ?  $laä)  fetner 
ficht  tnacht  fich  biefe  ©rupptrung  ton  fetbft  burch  bie  ©nippen 
ber  ©ebädjtmggegenftänbe.  <5ine  fotehe  ©nippe  ton  ©egen* 
ftauben  finb,  meint  er,  j.  B.  bie  ©orte,  ba^er  ein  Sortgebächtnife ; 
foldje  Gruppen  finb  3ahlen,  ESne,  Satyrn,  Begebenheiten  jc, 
baher  ein  Bahlen-,  2)?ufif»,  Sachen»,  ©efchtcht$gebächtni&.  «(lein 
Benefe  ift  auch  fax  lieber  in  einem  grofcen  gehlfölufe 
befangen.  @«  giebt  gar  feine  beftimmte  (Gruppen  ton  ©egen* 
ftänben  unb  fann  bereu  feine  geben.  £enn  alle  ©ruppirungen 
biefer  3(rt  finb  nur  ba«  Crrgebnifj  unferer  bloßen  Sitffür:  e« 
giebt  feine  (Gruppen,  weil  e«  unzählige  Gruppen,  fo  tiefe  al« 
©egenftänbe  felbft,  giebt.  (Einige  Beifpiele  jur  (Srläuterung. 
'  £>ie  9Äathematif  begreift  bie  ?lrtthmettf  unb  bie  (Geometrie 
unter  fich,  bie  festere  ift  roieber  auf  bie  Slnfchauungen  ber 
formen*,  föaum*,  Ort«terhältniffe  gegrünbet.  Selche  Gruppen 
gelten  nun  hier?  ©iebt  H  nur  ein  mathematifche«  ©ebächtnit?, 
ober  giebt  e«  ein  befonbere«  (^ebädbhü^  für  Slrithmetif  unb  ein 
befonbere«  für  Geometrie,  ober  cnblich  giebt  e«  mieber  in  ber 
Geometrie  ein  befonbere«  formen»,  töaum»,  OrtSgebächtnifc  ?  Born 
Staubpunft  ter  Selbftbeobachtung  au«  ift  bie  Beantwortung 
biefer  ^rage  eine  unm&gliche.  Ober :  eine  beftimmte  Gruppe  ton 
©egenftänben  fcheinen  bie  Sorte  ju  fein;  aber  in  biefer  (Gruppe 
finb  tiele  anbere  enthalten,  bie  lateinifchen,  beutfehen  Sorte  jc, 
unb  in  biefen  (Gruppen  bilben  nrieber  bie  terfchiebeneu  (Haffen 
ton  Sorten,  unb  in  biefen  ttieber  bie  Unterclaffen  ihre  ©nippen, 
unb  fo  fort  bi«  in«  (Sinjelfte.  Daffelbe  Berhältntfj  finbet  fich 
nach  *>er  anbern  Seite  ffxn.  Sinb  wohl  bie  Sorte  unbebingt 
ton  ben  3«h^u  terfchieben?  nein;  ober  ton  ben  X&nen?  ebenfo 
wenig;  Sorte,  3ahl™>  £&"c  gehören  alfo  einer  unb  berfelben 
©nippe  an.  Sinb  femer  Sorte,  Rahlen,  £i>ue  unbebingt  ton 
Begebenheiten,  ton  Sachen  terfchieben?  nein,  ein  Sort,  eine 
3af>l,  ein  Xon  ift  im  aügemeinften  Sinn  eine  Begebenheit  unb 
eine  Sache;  baher  bilbet  auch  bie«  jufammen  eine  ©nippe  unb 


Digitized  by  Google 


134 


^iwdjologic  imb  ^^renclpgie. 


fo  fort.  So  fitiben  fidj  alfo  bei  beit  Örupptrungen  nacfy  bem 
Grinjetnett  fyin  SBerfdn'ebenfyeiten  bi«  jur  unenbttcfyen  33ietlyctt,  unb 
nacfy  bem  Mgemeinen  fyin  $lefjnti(tyfetten  bi«  jur  (Sinljeit.  sM\t 
einem  iB5orte  atfo:  trenn  Söcnefe  toeiß,  baj?  e«  ein  befonbere« 
Sort*,  Xon-,  3afylen=,  ^onnengebäc^rniß  :c.  giebt,  fo  fyat  et  biefe 
ÄenntniB  nicfyt  au«  ber  Statut  ber  (Webacbtniß  gegen  ft  Sit b e  tont 
Stanbpunft  ber  Setbftbeobacfytung  au«  geköpft,  fonbern  allem 
bie  in  ber  (Srfatyrung  gegebene  unb  in  ber  ^fyrenotogte  nac$ge* 
ttnefene  £fyatfa$e,  baß  ein  üttenfö  ein  ftarfe«  SBort*,  aber  ein 
fctytoacfce«  Xongebäd;tmj?  :e.  fyabcn  fann,  nur  biefe  £fyatfacfye  au« 
einem  t>on  tlmt  gruttbfä'kltcty  verworfenen  2öiffen«gebtct  tonnte 
Um  m  biefer  ftenntnifc  führen. 

11. 

Um  au«  ben  bloßen  äußeren  <Sinne«tfyätigfetten  ben  gattjen 
geiftigen  3J?enfcfyen  mit  allen  feinen  latenten,  Neigungen,  Sün*  * 
fcfyett,  Vetbenfdjaften  511  erttären,  bam  bebarf  Söenete  natürlich 
ein  große«  (berufte  t>on  s2(unaljmen  ober  SSorerHärungen.  311« 
eine  |>älfte  baoon  fyaben  nur  feine  fcefjre  t>ott  ben  Temperamenten 
feinten  getentt,  oermittetft  roefcfyer  er  in  feiner  SSeife  bic  $er* 
föiebenfyeit  ber  Ctyaraftere  erflärt.  Stbcr  auety  abgefeilt  bon  biefer 
(Sfyarafteroerfdn'ebenljeit  unb  Mo«  in  £)infi($t  auf  ben  2)?enfd)en 
int  Mügemeinen  ift  ber  Sföeg  bom  Seijen  unb  £i>ren  je.  bi«  ju 
ben  menf$ü$en  Neigungen  unb  l<eibenfcf>aften  tocit  unb 
für  39enefe  fefyr  fteil.  £>tefer  menbet  bafyer,  um  un«  mit  tym 
ben  28eg  nehmen  51t  (äffen ,  ein  großartige«  $eförberung«mtttel 
an.  (5«  ift  ba«  fofgenbc  ©eftetle  (man  t>erjeÜje  ba«  2öort!), 
toelcfye«  un«,  toie  er  meint,  bi«  an«  3iet  ber  (5r!enntnig  bringt,  uttb 
toe(a)e«  toeitau«  feine  toicfytigfte  uttb  umfangreiche  SdjBpfung  ift. 

£)ie  <$etfte«oerttt5gen  be«  Sefyen«,  £ören«,  fagt  Söenefe, 
finb  nur  ein  Factor,  um  bie  ®etfte«tt?ättgfeiten  fyerborjubringen ; 
e«  bebarf  baju  noc$  eine«  5 weiten,  ttämttcfy  be«  äußeren 
9? eise«,  tiefer  fattn  im  33ert?ä(tniß  mm  Vermögen  metyr  ober 
weniger  ftarf  fein,  unb  ber  oerfetyiebene  ®rab  biefer  fteijftärfe 
fjat  oerföiebenarügc  ®eifte«tyätigfeiten  ober  ®eifte«jUftänbe  mr 
3o(ge.    <§«  giebt  fotgenbe  fünf  ®rabe  ber  ^eijftärfe.    1)  Der 


Digitized  by 


135 


töcij  tft  ju  gering  für  ba$  Vermögen ,  ma$  mir  £>albrcijung 
nennen  f&nnen.  £)urch  tiefe  entfielet  eine  (Smpfinbung  ton  Un= 
befriebigung.  58tr  fönnen  alles  ^ier^cr  (gehörige  unter  besn 
Sluäbrncf  „Unluft"  jufammenfaffen.  3-  man  ticktet  feine 
2(ugen  auf  einen  ©egenftanb,  beffen  Siebt  nicht  mit  gehöriger 
Stärfc  auf  int*  mtrfen  fann,  etma  lueil  er  im  Tmnfcln  fteht 
ober  $u  n>cit  entfernt  ift ;  man  horcht  auf  ein  ®etyrä$,  Neffen 
£aute  nur  noch  fo  eben  unfer  Ohr  erreichen  unb  \d)on  jum 
2$eU  unbcrftänbltch  merben;  man  müht  fich,  ben  angenehmen 
Geruch  einer  ©turne  $u  empfinben,  bei  einer  biefer  %xi  oon 
SBcrbünftungen  ungünftigen  Stimmung  ber  Sltmofphäre.  2)  £>er 
SHeij  ift  bem  Vermögen  g  e  r  a  b  e  a  n  g  e  m  e  f  f  e  n ,  btefe*  mirb 
burrf)  tlm  bollftänbig  erfüllt,  otjne  bafe  er  boch  trgenbmie  über 
baffelbe  überftänbe.  X)ie*  ift  baß  SBerhältntB  ter  23  ol  frei  jung. 
£>ier  burd^bringen  Vermögen  unb  9tet$  einanber  auf*  33olt- 
fommenfte;  mir  finb  und  feiner  befonberen  Slffcction  unfere* 
Seht*  benmfct,  unb  be^atb  fann  fich  befto  ungefdfmtälerter  unb 
reiner  bic  (Sigentlnimlidfjfeit  bc*  objectioen  Factor*  für  unfer 
©emuBtfein  funb  geben.  So  entfielt  ein  flarc«  Sahtnchmen, 
ein  33  orft  eilen.  Söei  gerabe  angemeffenem  Sichte,  bei  nicht  ju 
ftarfem-  unb  niebt  gu  fchmachem  Spalte  :e.  merben  bic  färben, 
bie  ®eftatten,  bit  Jene  :c.  bon  im«  wahrgenommen ,  oorgeftcllt. 
3)  £)er  föeij  tft  im  33crt?ältnig  junt  Vermögen  in  au«n  ernten  - 
ber  ftülte  ober  überfließe  ub  gegeben,  jeboch  ohne  bajj  er 
noch  irgenbmie  ein  übermäßiger  für  baffelbe  märe.  £)te«  ift 
ba«  93erhältniß  ber  Suftreijung  unb  ba*  ©runbberhältnij*  für 
bie  fcuftempf inb ungeu.  tiefem  33err>ä(tuiB  geboren  bte  @in- 
brüefe  bon  allen  fräftigeren  unb  tebenbigeren  färben  unb  %h 
neu ,  bon  ben  angenehmen  ®efchmacf*  unb  ©cruebreijen ,  oon 
bem  ba*  Jaftbcrmögen  angenehm  ^clnben  unb  bem  Sanften  ic. 
an.  4)  £)er  föeij  ift  im  SBerhältniß  jum  93ermi>gen  ein  über* 
mäßiger  unb  jmar  fo,  bafe  er  plofclich  auf  baffetbe  mtrft. 
3n  biefem  33erhältntß  merbeu  bie  Schmerjcmpf  inbungen 
begrünbet,  mie  j.  bie  (Smpfinbungen  bon  einem  blettbenben 
Sichte,  bon  einem  betäubenben  Schalte,  bon  }u  fcharfen  ®e* 
fchmacf>  ober  ®eruchrci$en ,  bon  ber  Berührung  burch  ^ci^c 


Digitized  by  Google 


136 


®egenft«nbe  ic.  5)  Der  Wv5  überfüllt  in  a Untätiger  Steige- 
rung  ba«  Vermögen.  Dann  entfteht  eine  Grmpfinbung  be« 
Ueberbruff e«,  ber  Stbftumpfung ,  be«  (Sfel«;  j.  B.  bei  bem 
reichlichen  <$enuß  bon  ?tebling«fpeifen ,  bei  ju  häufiger  Siebet* 
holung  angenehmer  3)?ctobien ,  bei  ju  lange  fortgefefcten  ($e* 
nüffen  be«  ®eficht«finne« ,  j.  B.  in  einer  fetjr  au«gebehnten  ($c* 
mätbegallerie  :c.  (^f^ol.  Sfi$jen  II,  74  ff.  ^ftychologie  S.  52. 
(SrjiefyungSlefire  I,  85.    s$ragmatifche  ^ftycfyolcgie  I,  48.) 

Die  "ißfhchologen  Ijaben  fchon  Biele«  unb  SWancherlei  auf 
bent  ftelbe  ber  ßrfinbungen  geleiftet.  9lber  unt  Untuft,  Bor* 
ftetlung,  Suft,  Schmer$,  Ueberbrufj  $ur  Grrflärung  auf 
eine  Stufenleiter  unb  in  biefer  töetye  3ufammensuftelten,  fo  weit 
hat  e«  außer  Benefe  noch  fein  ^fyctyolog  gebraut,  tUtcin  bon 
einem  Softem  ber  ©eifte«lehre,  nach  meinem  bem  3J?enfchen  nicht« 
$etftige«  al«  bie  äußeren  Stnne«thätigfetten  angeboren  ift,  nach 
welkem  alfo  alle«  Rubere,  auch  bie  2)teglichfett  ber  ßuft,  ber 
Untuft,  be«  Schmerle«  :c.  erft  im  (Reifte  entftehen  nun},  läßt 
fidb  Rubere«  unb  Beffere«  nicht  erwarten.  Soll  aber,  fo  r)brc 
ich  ben  Vefer  fragen,  bie  l*uft,  welche  ber  ^reunb  am  ^reunbe, 
bie  2Wutter  an  ihrem  $tnbe  ^at,  bie  8uft,  welche  ber  Äampfluftige 
am  kämpfen  finbet,  bie  Unluft  bertefeter  (Sitetf  ett ,  ber  S<hmer$ 
getäufchter  Hoffnung,  oerratljener  Siebe,  fotlen  biefe  ®etfte«thätig* 
feiten,  nach  Benefe'«  3(nfic^t,  auch  au«  jener  bezeichneten  Ouelle 
entfpringeu?  3a,  nach  Benefe  entfielen,  —  e«  muß  wieberhott 
werben,  bamit  e$  geglaubt  werben  fßnne,  —  alte  ®etfte«thätig* 
feiten  ohne  2lu«nahme  au«  ben  urfprüngtich  teeren  („gänjtich 
unerfüllten")  Stnne«thättgfeiteu ,  unb  eben  jur  Begrünbung 
biefer  merfwürbigen  Behauptung  h<»t  er  jene«  gleich  merfwürbige 
Schema  ausgebaut,  in  tr>e(ct)cö  bon  ihm,  fo  gut  ober  fo  fehlest 
e«  geht,  atte  ®cifte«thätigfeiten  eingepaßt,  b.  i.  nach  tyYCt  Qärt1 
ftehung  erftärt  werben.  Bon  ben  Borftcltungen ,  u>ie  wir  fie  in 
bem  Schema  au«  ber  Bollretsung  entftehen  fahen,  geht  er  jur 
Grntftehung  ber  Begriffe  unb  be«  Berftanbe«  fort,  bon  ber  Suft* 
reijung  ju  ben  Begierben  unb  ßetbenfehaften  u.  f.  to.  §äuftg 
macht  er  bei  biefen  Grrflärungen  bon  feiner  Xemperament«lehre, 
feiner  flräftigfeit,  9tei$empfänglichfeit  je.  Gebrauch-   Die  gaitje 


Digitized  by 


137 


fcfyr  weitläufige  £>arfteÜung  ift  nicht  nur  eine  burebau«  tyatttefc, 
ioeil  fie  auf  falfdjetn  (Srunbe  beruht,  fontern  fie  urintmelt  aurf) 
bon  3nconfequen$en  unb  bon  Unrichtigteiteu  in  fich  felbft.  3>nn 
leitete  ift,  beiläufig  bemerft,  äufeerft  oberflächlich  unb  nachäfft) ; 
bon  einet  oetbftfritif ,  tote  fie  ber  tüchtige  S^tiftfleOet  üben 
foü,  toeife  er  nicht«;  ba$u  fommt  ein  breiter,  marflofer,  oft  bunfter 
&tii,  fo  ba§  ba«  Gefeit  feiner  umfangreichen  Schriften  uueublich 
ermübenb  ift.  <5«  fann  ba^cr  fcfyon  um  be«  l'efer«  mitten  nicht 
meine  Slbficht  fein,  $enefe  in  bie  (5in$eU)citcu  feiner  £>arfteltung 
$u  folgen:  nur  (Stnjetne«  tljeite  ich  im  5«>igenben  $ur  ^ßrobe  unb 
$ur  Söegrünbung  meine«  ftrengen,  aber  nur  aufgerechten  Itr« 
theit«  mit. 

33on  ber  (5ntftel;ung  be«  93erftanbe«  gilt  nach  SÖenefe  $et= 
genbe«.  3m  3Wenf(^eu  fann  fich  au«  ben  3mne«thätigfeiten 
ein  Söerftanb  bifben,  im  Spiere  nicht,  meil  biefe  Xfyätigfeiten 
beim  üKenfchcn  eine  ^&t>ere  „Äräftigfett"  tyaben.  Die  33 er  = 
fdMebentyeit  bei  ^erftante«  bei  ben  emjeluen  Sftenfchen  ift 
infomeit  angeboren,  at«  ber  ÜBerftanb  auf  berfchtebenen  „®runb* 
ftflemen*  bon  terfchiebenem  Temperament  beruht.  2(Ue  anbern 
nicht  ^ierau«  abjuteitenben  33erfc^iebenr)etten  be«  Stferftanbe«  flttb 
fpäter  entftanben  unb  berufen  auf  ber  SBerfcfn'cbenbett  ber  Jh\ 
getegthetten",  mefche  für  ben  einen  ober  für  ben  anbern  $e= 
genftanb  gefammclt  finb.  Gr«  ergiebt  fich  fomit  leicht,  fagt  ©ende, 
„mie  ein  unb  berfelbe  üü?enfch  einen  fefyr  reiben  unb  Karen  93cr= 
ftanb  für  ba«  eine  (5rfenntni§gebiet ,  einen  feljr  armen  unb  im« 
Karen  für  ba«  anbere  mirb  befifcen  fönnen.  £)at  3emanb  ton 
menfcfylicfyen  ^araftcreigent^ümlic^feiten  fcfyr  biete  SBorfteltungen 
unb  begriffe,  bon  ®emätben  aber  ober  bon  mufifattfetyen  Äunft- 
elementen  fcfyr  menige  gebübet,  fo  mtrb  er  über  jene  Itar  ober 
berftänbig,  über  biefe  unttar  ober  unberftänbig  beuten/  ($ft$o(. 
^Rjjen  II,  175.)  «föir  fe^en,  bafc  biefe  ßcfjre  ©enefc'«  bom 
23erftanb  gan$  mit  feiner  Sefyre  tom  ©ebächtnifc  übereinftimmt ; 
mir  fitanen  bafjer  für  ihre  ©eurt^eitung  unb  theilmei«  nottnge 
ÜBibertegung  auf  bie  obige  ausführliche  ©efprechung  ber  teueren 
(§  11)  bertoeifen. 

39ene!c  geht  bei  ber  Sehte  tom  $>erftanbe  auf  biete  Örinjel* 


Digitized  by  Google 


13« 


Reiten  ober  Söefonbcrljeiten  ein  unb  fomntt  auc^  auf  bie  ftcinfyett 
be«  SBerftanbe«  511  fprecfyen.  3Bie  ift,  fragt  er,  bie  fteinfjeit  be« 
beobacfytenben  SSerftanbe«,  5.  *8.  beim  Äiinftler  $u  erflären,  welcher 
fogleid?  bie  feineren  2$erfd;tebenfyeiten  in  ben  ®eficfyt«$ügeu ,  beu 
Lienen  ber  SWenfc^cn,  ocer  bie  parieren  Ättancen  ber  ftüibm* 
gebung  unb  be«  £ellbunfel«  bei  ftemätben  auffaßt?  £)a  SBenefc 
fyier  $ur  (Srflarung  nietyt  ba«  Temperament  ber  Äräftigfeit  benufcen 
fann,  toetdje«  er  fd?on  bem  menf<$lic$en  33erftanb  a(«  folgern, 
feinem  Umfang  unb  feinem  SMetfaffen,  ju  ®runb  gelegt  Ijat,  fo 
bleibt  ifjm  bafür  nur  ba«  Temperament  ber  9iei$empfäng(i$teit 
ober  ba«  ber  l'ebenbigfeit  übrig.  (Sr  mäfylt  ba«  erftere.  „T>ic 
übermiegenbe  33egrünbttng  biefer  ^einfyeit  be«  $5erftanbe«  in  ber 
$Kei$empfäng(icf;feit  ber  Urbermögen  fäüt  leidet  in  bie 
Slugcn.  £)er  mit  einer  ausgezeichneten  9tei$empfäng(ictyfeit  be« 
®cficht«finn«  au«geftattete  2flaler  wirb  in  einer  meufd)lid)eu  *jtyt)* 
fiognomic,  in  einer  ßanbfcfyaft  ic.  eine  SWenge  bon  feineren  3ttgen 
unb  ©d^nfyeiten  bemerfen,  melcfye  einem  bl&bercn  ®efi$t«finne 
gärijüct)  entgehe».-  ®ßft«i  II,  177.)    ©cnefe  hat  hier 

ntd>t  bebadft,  bajj  er  bie  Schärfe  be«  ®eficht«finn«  mancher  Totere, 
mie  be«  Slbler«,  auch  toxxü)  bie  $Kei$empfängtichfeit  erttärt,  unb 
bajs  biefe  beiben  <5rf  förmigen  einanber  gcrabeju  ioiberfpreä>n. 
Denn  jene  ju  erflärenbe  Reinheit  ber  Beobachtungsgabe  ift  ja 
ein  b^ere«  ÖJeiftige«,  ift  ba«  ®egentfjeU  be«  T^ierifc^en.  iRoch 
meniger  ^at  53enefe  erioegen,  bajj  biefe  (Srflärung  aller  Erfahrung 
nnberftreitet.  (Sin  2)?enfch  mit  bem  febärfften  äußeren  Selber* 
mögen,  mit  einem  9(blcrauge,  ^at  bielletcht  wenig  ober  nicht«  bon 
jener  Reinheit  ber  gc  ift  igen  33eobacfytung«gabe,  mährenb  umge* 
fefjrt  ein  9)?enfch  mit  fc^mac^em  ober  bl&bem  äußeren  ®eficht«finne 
biefe  Reinheit  in  ^o^em  TOa^e  befifeen  fann. 

Sä^renb  ber  SSerftanb  nach  Bencfe  au«  ber  feiten  (Stufe 
ber  föeijftärfe,  ber  ^ollreijung,  entfielt,  fo  nehmen  bie  Selben« 
f haften  ihren  Urfprung  eine  Stufe  ^b^er,  au«  ber  Öufrrcigung. 
3ft  ber  9tei$  bem  SBerm&gen  gerabe  angemeffen,  fo  entfielt  ein 
^orftellen,  unb  au«  bielen  Slngelegtheiten  foleber  Verkeilungen 
entfte^t  ber  Vcrftanb;  ift  ber  9?ei$  ein  „überfltefcenber"  (aber 
noch  fein  „übermäßiger''!),  fo  entfielt  eine  Suftempfinbung ,  unb 


Digitized  by 


au«  melcn  2lngelegtl;citeu  fold;er  i'uftempftnbungeu  entftefyen  bte 
i'eibenfcHt™-  ?llfo  23erftanb  unb  t'etbenfdjaft,  toeld>e  ber  Weufcb 
in  feinem  3nnern  fid}  befämpfen  fitylt,  entspringen  naefy  ©enefc 
nid>t,  lote  man  ermatten  follte,  au«  begebenen,  fonberu  au« 
einer  unb  berfelben  Ouelle,  nur  bafe  biefe  im  lederen  ftall  um 
einen  ®rab  ftärfer  fließt.  2W<m  fonute  fonadj  ©enefe'«  &tben- 
fcf»aft  einen  gefiederten  SBerftaub,  ober  ©enefe'«  SBerftanb  eine 
fcfytoädjere  l'etbenfcfyaft  nennen!  Sine  jebe  Veibenfcfyaft  ift  alfo 
lu'ernacfy  ntttytf  anbere«,  al«  ba«  Grrgebnife  einer  Waffe  oon  „Vuft* 
Teilungen"  trgenb  eine«  Sinne«,  bie  bereit«  auf  beu  9)fenfd)cn 
eingennrft  Ijaben.  „£ie  8uft  be«  ftarbenfdnnel^e« ,  orer  rer 
frönen  ftormen,  ober  ber  angenehmen  Welobie,  toelcfyc  nur  oon 
Beuern  &u  genteBen  begehren,  Ijaben  mir  früher  fcfyon  in  iljrer 
ganjen  SBollfommenljeit  genoffen/  „2öürbe  ebt  üftenfö  nie  in 
ba«  5öer^ältnip  ber  £uftrei$ung  gefegt,  fo  tonnte  er  auefy  feine 
Veibenfc^aftcn  bilben:  je  meniger  alfo  3emanb  in  biefe«  SkrljältniB 
tritt,  um  befto  fc$loä(ber  werben  im  Allgemeinen  bie  Veibcnfd;aften 
in  ifmt  fiefy  cuttoicfeln.  9flan  fönnte  hiergegen  bie  i'eibenfcbaf* 
be«  $ef#tecfyt«tTiebe«  anführen,  meiere  ja  fefyr  oft"  —  eil?  — 
„oor  allem  ®enuffe  fid)  bilbe.  5lber  in  biefen  fällen  »erben 
bie  Vuftgebilbe  bafür  anber«mofyer  entlehnt,  auf  eine  älmlicfye 
Seife,  une  Hur  Silber  bc«ienigen,  loa«  mir  nie  gefeljen  fyaben, 
au«  anbern  5?orftclluugen  jufammenfcfcen. "  offtydjol.  Sft^en  II, 
93.  216.)  £)a«  Staunen,  wie  nur  fefyen,  müffen  mir  bei  Söenefe 
oerlernen.  255  o^  er  anber«  bie  l'uftgebtlbc  für  beu  ®efd?led?t«* 
trieb  entlehnt  merben,  fagt  Söcnefe  nicfyt;  er  mei&  e«  auefy  ntcfyt; 
er  brauet  e«  au$  —  fo  ift  ungefähr  babei  fein  (^ebaufengang  — 
toeber  $u  miffen,  nod)  ju  fageu,  ba  e«  in  jebem  ftaüe  fo  ift: 
benn  loäre  e«  ntcr>t  fo,  fo  märe  ja  ba«  ganje  Softem,  au«  n>eld;em 
e«  nur  eine  einfache  Folgerung  ift,  falfcfy:  ba  aber  bie  ©afyrfyeit 
be«  Softem«  über  aUen  3mcifel  ergaben  al«  5l^iom  baftetyt,  fo 
müffen  mir,  ^öenefe  unb  feine  \?efer,  un«  aud)  ofyne  nähere« 
3Biffen  über  bie  oollfommene  Söafyrljeit  ber  obigen  SPeljauptung 
beruhigen.  (£«  ift  fefyabe,  ba§  Söenefe  nicfyt  aud)  eine  Q*x> 
flärung  barüber  beifügt,  —  benn  biefe  märe  nodj  origineller 
geworben,  —  loarum  er  j»ar  beim  Sftenfcben  ben  ®efc$led?t«= 


Digitized  by  Google 


140 


$fa<§ofogie  unb  «Phrenologie. 


trieb  für  entftanben,  beim  Xtyn  aber  boch  jebenfaü«  für  an* 
geboren  halt. 

Diefe  benumberitng«müroige  3utoerfi($t  leitete'« ,  mit  ber 
er  alle  feine  Behauptungen  aufftellt,  olme  jemal«  an  eine  mirf* 
liehe  Beu>ei«führuna,  su  beulen,  begleitet  ihn  bureh  feine  ganje 
Darftellung.  (5r  fennt  eigentlich  unb  forbert  ton  fid^  leine 
anbere  Bewei«führung  für  bie  Sahrhett  irgenb  eine«  Safce«,  at« 
bafe  biefer  mit  feinem  ©Aftern,  melche«  tlnn  bie  Wahrheit  felbft 
ift,  übereinftimmt.  Dabei  nimmt  er  gutn  Ueberfluffe  eine  feljr 
hohe  @pradjc  an,  giebt  laut  unb  offen  feine  Verachtung  gegen 
alle  anbern  ^ftychologen  funb,  roett  fie  ein  anbere«  Softem  hüben, 
al«  er ;  er  nennt  feine  <ßfty$o(ogie,  obg(cirf)  ü)r  noch  fein  anberer 
^chotog  beigetreten,  nicht  ettoa  „eine  neue",  fonbem  »bie 
neue  ^ftychologie",  unb  ^at  fetbft  eine«  feiner  Serfe  unter  biefem 
Xitel  erfcheinen  laffen.  9iur  fehr  feiten  fommen  in  feiner  Dar= 
ftellung  febmache  ^nbeutungen  eine«  (Gefühl«  r>on  mangelhafter 
©etoeteftihmng  für  feine  ©äfce  ober  oou  Reifet  an  feiner  Un= 
fehfbarfeit  oor.  Deicht  meit  J.  B.  bon  ber  obigen  ©teile  über  ben 
®ef<htecht«trieb  brauet  er  in  Bejug  auf  eine  anbere  ©a$e  bie 
Sorte:  Dafc  biefe  (Srflärung  „fein  blofeer  Einfall,  fonbem 
in  ber  Sirflichfeit  begrüntet  ift,  erhellt"  :c.  Da«  Sort  Einfall 
flingt  eigentümlich  unb  faft  niebrig  in  Benefe'«  troefener  unb 
hochgehenber  Darfteilung;  allein  ba«  Sort  £)typothefe,  melche«  er 
in  ber  fteber  fyatte,  burfte  er  nicht  in  biefem  tabelnben  «Sinn  ge= 
brauchen,  ba  ja  alle  feine  £fypothefen  mohtbegrünbet  unb  mit 
3elbftbetv>ci«fraft  auSgeftattet  finb. 

• 

12. 

Senn  Benefe  fagt,  ba§  Borftellung,  Segriff,  Berftanb  im 
menfehlichen  ®etft  au«  ben  b(o§cn  äußeren  @inne«bermogcn  herau« 
fich  bilbeu,  fo  fönnte  biefe  Behauptung  bem  Unbefangenen  tooht 
auf  ben  erften  ©lief  al«  möglicher  Seife  begrünbet  erfcheinen,  fo 
fchneü  auch  ein  tiefere«  Einbringen  bie  3rrigfeit  biefer  Behauptung 
erfennen  läfjt.  Senn  aber  Benefe  auch  noch  weiter  behauptet, 
bafs  etenfo  bie  ®  cmüth«f  räf  te  be«  üDtatfchen,  5.  B.  Sohl* 


Digitized  by  Google 


^facftofogte  unb  «ßfjienologie.  141 

wollen  unb  XfyeUnaljtne ,  au«  ben  äußeren  @inne«bermi>gen  t>er* 
borgeljen,  baj?  alfo  ba«  Xfjter  nur  be«wegen  fein  ®emütfy  befifce, 
weil  feinen  äußeren  ©innen  ntcfyt  bie  fttäffigfeit  jufomme 
wie  ben  tnenfc$ttc$en ,  fo  liegt  bie  Unnatürlictyfeit  unb  ®ewatt* 
famfeit  biefer  2lnnalnne  für  jeben  Unbefangenen  fofort  ju  Xage 
unb  brauet  nia)t  erft  bewiefen  ju  werben.  Seit  t<h  aber  nid^t 
blo«  für  Unbefangene,  fonbern  auch  für  ^Befangene,  ja  auch  für 
©enefe  fctbft  frf?rcibe,  welcher  gewife  feine  Behauptung  für  feljr 
wohlbegrtinbet  unb  für  fet>r  natürlich  f)ättf  fo  müffen  tt)ir  auch 
auf  btefen  ^unft  noch  etwa«  näher  eingeben. 

üBä'hrenb  ber  eine  3)Jenfch,  fagt  ©enefe,  ooll  uneigennüfetget 
£hetlnahme  anbetet  9J?enfcfyeu  ^teuben  unb  i'eiben  nüt  beinahe 
gleitet  t'ebenbigfeit  unb  ftrifdje,  wie  feine  eigenen  Sd^icffate  fühlt, 
unb  mit  gleichem  (Stfcr  wie  gegen  jene  fo  gegen  biefe  jurücfwirft ; 
fcfyetnt  ein  anbetet  nut  füt  ba«  auf  ifyn  felbet  fidj  Söejieljenbe 
(Smpfmbung  ju  Ijaben  unb  weift  jebe  2luff otberung ,  für  frembe« 
Sohl  mitjuwitfen,  mit  unbeweglicher  Sclbftfucht  ben  ficfy.  Softer 
biefe  33etfd^ieben^eit  ?  Unftteitig  au«  ben  inneren  Sutgelcgtfjeiten, 
welche  bei  ben  einzelnen  3J?enfd?en  berfcbieben  gebammelt  finb. 
®efefct,  3emanb  fei  feljr  wenig  mit  anbern  2J?enfd?en  jufammcn* 
gewefen,  er  tjabe  eine  gewiffe  Vuftempfinbung,  3.  S&.  ba«  Betrachten 
bon  ®emälben,  ba«  Anhören  bon  Sftuftf,  feljr  oft  mit  fia>  f elber, 
feiten  ober  gar  nicht  in  Skrbinbung  mit  anbern  SDtotftyn  ge* 
noffen,  fo  wirb  bei  ihm  für  jene«  einfame  Crmpfinben  eine  grofce 
9ttenge  bon  Slngelegt^eiten,  für  biefe«  gemeinfchaftltche  werben  fcljt 
wenige  ober  gar  feine  fid)  angefammelt  ^aben.  (Sine  Seele  bon 
biefer  Slngelegtheit  wirb  bähet  bei  bem  teufen  einer  fremben 
l'uft  ober  Untuft  nur  einen  flüchtigen  Slugenblicf  berweilcn  unb 
al«balb  sunt  teufen  be«  bem  eigenen  ©ein  anget;crigen  8wft- 
ober  Unluft*3uftanfrc$  hinübergezogen  werben.  Uebrigen«  giebt 
e«  in  btefen  Hngetegtheiten  infofern  eine  gewiffe  Stufenleiter,  a(« 
fie  in  Be$ug  auf  weniger  ober  auf  mehr  Snbtoibuen  angefammelt 
finb.  (Sine  fefyr  grofje  9ftenge  oon  Sntereff eingelegtsten  für 
einzelne  3nbibibuen  conftttuirt  ben  wefentlic^en  Sharafter  ber 
ftreunbfcfyaft,  weniger  inbtotbuelle,  fchon  in  einem  größeren 
Greife  bewegliche  ®ebilbe  biefer  Art  finben  fich  in  ber  Anhang* 


Digitized  by  Google 


142  <ßfac$o(ogte  wtb  <ßf?rfnologic. 

ücfyfcit  an  l'anbSteute,  in  bcr  33aterlanb$ltebe  ic;  bie 
größte  ®el&ftfjch  nnb  33en?cgücfyfeit  ber  3ntereffebitbung  enblicfy 
jeigt  ft$  in  bcr  <$ ered? t igfeit  unb  in  ber  allgemeinen 
9Wenfrtcn  liebe.   ($fycb.  Sfijjen  II,  292  ff.) 

So  trie  man  %Uc$f  tt>a$  man  roiU,  behaupten  fann,  fo  !ann 
man,  wie  ber  ?e[er  «n  bem  fcorliegcutcn  ©eifpiel  fiefyt,  Mc«, 
n>a$  man  will,  erflären.  .  Sc  wie  aber,  wa$  ftcfy  t>on  felbft  Der 
ftefct,  fd?wer  ju  beweifen  ift,  fo  aurb  allen  Crrflärungen  $cncfe'ö 
gegenüber  bie  wiffcnfAaftlicfye  Söioerlegung  babnrcfy  febwer,  bafe 
fie  ju  (cict>t  ift.  (Difficile  est,  satyram  non  scrihere!)  Um 
ton  allen  inneren  (9rünbcn  afcjufetyen,  weld>e  fiefy  ©cnefc  am 
Stubirtifcbc  gegen  bie  obige  Crrflärung  auferängen  mußten, 
warum  Ijat  er  c$  mfdnnäljt,  mir  einen  einigen  ©lief  anf  bie 
alltägliche  (Srfafyrung  gu  werfen,  wobureb  er  fid>  fofort  ton  ber 
Srrigfcit  biefer  ßrflärung  überzeugt  fyättc?  dx  erftärt  ben  Sinn 
für  ftrcunbfcfyaft  nnb  bie  allgemeine  90?cnfcfyenltebe  gcwiffermajjcn 
für  (^egenfa^e,  ba  boeb  bie  Grrfafyrung  iüd>t^  weniger  als  ein 
umgefcfyrteS  Stärfcocrljältntfc  $wifcfycn  tiefen  beiben  ®efüfyfeu 
jeigt;  bei  einem  ftarfen  Sinn  für  ftreunbfcfyaft  n>irb  oft  eine 
grofee  allgemeine  3)Jenfcbenlicbe  gefnnben  nnb  bei  einem  febwadben 
ftrcunbfcfyaftSgcfüfyl  eine  fcljr  geringe.  3Zocb  weniger  finbet  fid» 
eine  Uebereinftimmung  $wifct/eu  ber  geführten  VebenSweife  be« 
ÜMcnfcfycn  nnb  ber  Stärfc  ter  fraglichen  Ö^cfüfjte.  sBer  »on 
$inbl>cit  auf  in  ber  öinfamfeit  gelebt,  (jat  oft  ein  wärmere«  £>er; 
für  bie  s0)2enfcr)^ettf  als  wer  ftet«  in  ben  glücfüdjften  2>crl?ältmffen 
in  ®efcllfd)aft  oieter  9J?ctifc^cn  gewefen  unb  fo  eine  SDienge  33c* 
nctc'fcfyer  2(ngclcgtf)eitcn  für  2ftenfcbenlicbc  gefammclt.  9(m  aller- 
wenigften  aber  finbet  fiefy,  wie  Söcnefe  bei  feiner  Crrflärung  i>or^ 
auäfcfct,  eine  Uebereinftimmung  $rotfd>en  ber  Stärfc  bc$  33 or* 
ftcltenS  unb  ber  be$  ©cfüljU  in  ber  fraglichen  $>infid)t. 
derjenige,  welcher  fief;  ba$  Unglücf  Ruberer  vermöge  feinet  Karen 
:2>erftanfce$  am  lebfyafteften  t>orft  eilen  fann,  Ijat  feine$weg6 
belegen  auefy  ba$  ftärffte  ®efü$I  für  Söofylwoücn ,  ober  3Ren« 
fdjenlicbe:  im  @egentl>ett ,  bei  fcfywacfyem  $orftellung«t>crmögcn, 
befebränften  SScrftanbeSfräften  wirb  oft  eine  (Mtc  bc«  $cr$cn* 
unb  eine  9lufopfcrung*fäfngfeit  für  Rubere  gefnnben,  bie  man  bei 


Digitized  by  Google 


143 


SJZcnfcbcn  bon  Harem  (Reifte,  lebhafterem  3?orftcllung$bermögen 
bergeblia)  fudjen  mürbe.  Äurj  jebe  einzelne  ber  unenblidb  laty* 
reiben  Xfyatfacben,  meldje  bic  ®eiftc£lcljre  ber  Phrenologie  bon 
bem  felbftftänbigen  TOaßc  ber  ©efüfjlSrräfte  be$  üftenfaVn 
gefammeft,  einem  SRape,  meines  fotvo^l  bon  bem  ber  5>erftanbeS= 
fräftc  als  -ben  (£r$ielning  unb  Vebensmetfe  fid)  unabhängig  $eigt, 
jebe  fotd^c  X^atfad^c  würbe  genügen,  bie  ^rrigfett  ber  (Srflärung 
Reliefe'«  bon  bem  (Sit tfte^en  biefer  ®cfü#«frafte,  unb  bolleubS 
bon  ihrem  (Sntftefyen  au«  ben  folgeren  StnneSbermögcn  bar* 
$utlmn. 

(Sine  anberc  (5rflärung  ®cnefc'ö,  bic  mir  uns  näl;er  anfehen 
motten,  ift  bic  ben  ber  (Sntftctning  ber  Neigung  jum  (|5etbe  ober 
be$  ®ei$e£.  „Sie  feilen  mir",  fragt  39enefc,  «bic  fo  meit  ber* 
breitete  Neigung  311m  (Selbe  erflären?  3m  Allgemeinen  ift 
bie  5lntmort  hierauf  fel;r  leicht.  Die  Surjel  ber  V-uftempfinbung 
liegt  Incr  in  ber  Horftcllung,  nicht  bc$  (Selbe«,  fonbern  berjenigen 
Dinge,  für  metdje  ba«  (Selb  iDi  ittel  merben  fann.  Der  £ab* 
füdjtige  begehrt  ba«  (Selb  bielleicht,  um  feinen  (Säumen  auf 
mannigfache  Seife  ju  fifeeln;  juglcich  aber  mill  er  aud?  fein 

mit  SKufif,  fein  2(uge  in  bem  (Senuffe  einer  reiben  Statut 
eber  in  bem  (Senuffe  bon  (Semälben  ergeben ;  er  mill ,  für  "bic 
(Srgöfeung  burch  (SinbilbungSborftcllungen ,  bic  auSgefuehteften 
2fteiftcrmerfe  aller  Helfer  anlaufen,  null  burch  (Slair,  unb  bracht 
@l;rc  fieb  ertberben,  mill  3lnbem  mitt^cilen  fönnen".  „^abfuc^t 
unb  (Seij  fann  etnerfeit«  au«  ber  SSegierbe  nach  einem  reiben 
unb  luftigen  £cben«genuff e ;  anbrerfeit«  au«  ftux&t  bor  (Sutbety* 
rangen  entfpringen.  Da«  Streben  babei  fann  ferner  mehr  ober 
meniger  ebel  fein:  balb  finnlidbe  (Senüffc,  balb  äft^etifc^e,  balb 
intellectuelle  :c. ;  e«  fann  fich  auf  imfer  eigene«  Sein,  ober  auf 
anbete  9flenf<$en  bejict;cn,  ba«  tefcte  j.  23.,  menn  3emanb  für 
feine  föinber  ober  für  eine  mehr  ober  meniger  au«gebelmte  (Saft* 
frcunbWaft,  ober  für  mohlthättge  Bmccfc  geijt."  (^f^.  Sfijjen  II, 
313  ff.)  Stilein  nun  entftc^t  bie  ftrage,  fährt  öcnefe  fort,  mannt! 
beim  bie  Neigung  nicht  auf  biefe  begebenen  Dinge,  fonbern 
eben  auf  ba«  (Selb  belogen  mirb,  ober,  ma«  baffelbe  ift,  marum 
bie  Sßorftetlung  be«  (Selbe«  in  fo  fjotyem  (Srabe  ^erbor-,  bie  SBor* 


Digitized  by  Google 


144 


ftellung  ber  burcfy  baffelbe  |ti  erreicfycnben  £>tnge  fo  weit  jurücf- 
tritt,  ba§  wir  un«  ber  Unteren  faum  ober  gar  ntcfyt 
bewußt  werben?  £)ie  Urfactye  ift  bie,  antwortet  33enefe,  baß 
bei  aUen  ben  »ergebenen  Neigungen,  welche  burcfy  ®elb  $u  be= 
friebigcn  finb,  ba«  ®elb  bie  gerne  infame  ober  9)?  itteloor* 
ftellung  ift.  3ebe  einjeine  Neigung  ift  im  ®etft  nur  einfach, 
bie  ütforftcllung  be«  ®elbe«  aber,  we%  bei  allen  einjelnen  Nei- 
gungen ficb  wieberfyolt,  fe^x  oielf aä)  gegeben,  unb  biefe  $iel  = 
facfyfjeit  ober  biefe«  3ufammenf  ließen  ma$t  bie  Starte 
biefer  Neigung  au«,  um  fo  mefyr  .ba  bie  fcerfcbiebcncn  einzelnen 
Neigungen  notfy  burcfy  ifyren  ©egenfafc  ei  na  über  oer- 
bunte  In  muffen.  (Crbenbaf.) 

^luct;  biefe  2Ut«etnanberfefeung  Jöenefe'«  bebarf  woljl  unb 
tterbient  {ebenfalls  feine  ausführliche  ©curtljeUung.  Nur  wenige 
Sorte  barüber.  23enefe  will  ben  ®eij  erflären  unb  meiß  nicfyt 
einmal,  wa«  ®eij  ift.  Vielleicht  Ijat  tyn  ba«  Sort  „getjen"  ine 
gemalt,  welche«  eine  anbere  Söcbeutung  hat,  al«  ba«  Sort  „®eiä". 
3n  bem  ©orte  geilen  ift  ein  außerhalb  liegcnber  £)md  au«* 
gcfprochcn,  bcr  ®ei$  aber  ift  nur  etwa«  in  fich  felbft,  er  ift 
fid;  felbft  3wecf.  Ser  $u  irgenb  welchem  3wccfc  gct$t,  mit  feiner 
3eit,  mit  feinem  Vermögen  unb  feinem  (Mbe,  ift  nicht  geijig, 
fonbern  nur  fparfam.  Sie  unterfchctbet  23enefe  <&ei$  unb  Spar* 
famfcit?  Nach  feiner  (^flärung«weife  würbe  er  woljl  oem  einen 
begriff  mehr  ba«  Temperament  ber  Nei$cmpfänglichfeit ,  bem 
anbern  mehr  ba«  ber  Mftigfeit  jum  ©runbe  legen.  Senn  öe* 
nefe,  wie  er  nicht  getrau,  auf  ben  magren  Unterfchieb  ber  betten 
begriffe  jurttcfgegangen  wäre,  fo  fyätte  er  bie  richtige  Söebeutung 
be«  Sorte«  ®ei$  unb  ba«  Sefen  ber  Sacbc  erfannt.  Die  Spar* 
famfcit  ift  nicht  etwa  ein  nieberer  (&rab  bc«  ®ei$c«,  fonbern  ge= 
wtffermagen  ein  ®egeufafc  beffelben.  Semanb  fann  auf«  |)&chfte 
fparfam  fein,  um  fich  ein  Vergnügen  $u  beschaffen  ober  au«  furcht 
*or  ber  3ur>unft  ober  um  Zubern  wohltun.  Senn  unb  fo* 
weit  er  au«  biefen  ®rünben  fparfam  ift,  ift  er  nicht  geizig. 
Geijig  ift  3emanb  nur  au«  bloßer  reiner  (man  f&nnte  fagen  fpe* 
eififc^er)  Neigung  junt  £aben,  eine  Neigung,  bic,  Weil  fie  eine 
feiere  ift,  feinen  anbern  3wecf  haben  fann,  al«  ifyrc  Selbft- 


Digitized'by 


145 


befriebigung.  $)er  (Seigige  berfagt  fich  ja  bie  (Sentiffe,  unb 
oft  bie  nothtoenbigften,  tocit  er  nur  am  £aben  fctbft,  am  (Selbe 
feCbft  hängt.  $)er  ®etg  ift  ba^et  bie  h&#e  «Stufe  ober  ba« 
Uebermafc  ber  Neigung  gum  §aben,  toelttye«  ein  (SJrunbberm&gen 
be«  menfehlichen  Reifte«  unb  al«  fotchc«,  obtoohl  in  »erfchiebener 
(Stärfe,  allen  SDienfchen  angeboren  ift.  Schon  ba«  $mb  n>ill  haben 
um  gu  ^aben.  ©enefe  leugnet  bie«  freiließ ;  et  fagt,  ba« 
Streben  ber  $inber  nach  bem  Jöefife  oon  £)tngen  gu  anberem 
Btoecf,  al«  um  augenbttcfUdjen  9cufcen  baoon  gu  gießen,  fei  um 
natürlich  unb  im  (Segenfafc  gu  ihrer  @rfenntni§ftufe ,  weit  fte  ja 
noch  feine  roeittei^enbe  93orftellungen  bon  bem  Sftufcen  ber 
£)inge  Ratten;  toenn  baljer  £abfucht  bei  ben  ftinbern  fich  finbe, 
fo  müfjten  bie  t^r  gum  (Srunbe  liegenben  $orftellungen,  toeü 
fie  feine  natürlichen  feien,  ihnen  bon  Zubern  „etngebilbet 
(hineingebilbet)  ober  eingeimpft*  fein,  „üftan  §at  ihnen 
empfohlen,  forgfam  für  fi<h  gu  begatten,  loa«  man  ihnen  gegeben 
hat;  b,at  ihnen  baffelbe  heimlich  gugefteeft,  mit  ber  Söarnung,  e« 
bor  Slnbern  nicht  feljen  gu  (äffen;  fyat  ihnen  <Sparfamfeit,  2fttj^ 
trauen,  furctytfame  Klugheit  unbebmgt  unb  unberftänbig  ange* 
priefen  jc."  ((£rgiehung«lehre  I,  381.)  $Me  arm  geigt  fich  überaß 
Jöenefe'«  (Sh«tafterfenntnij? ;  toie  toentg  mufc  er  Äinber  beobachtet 
haben !  2Beit  früher  al«  ba«  $inb  jene  vermeintlichen  lehren  nur 
f äffen  fönnte,  feljen  n>ir  befanntlicb  bei  ihm  bie  £uft  gum  §aben 
oft  in  ooller  «Starte  auftreten. 

Wur  biefer  Langel  an  (Sharafterfenntnitf,  ben  mir  bei  mannen 
^f^ologen  finben,  maebt  e«  begreiflich,  tote  btefe  Männer  über- 
haupt an  eine  (Srflärung  be«  £  afein«  ber  menfehlichen  @harafter- 
güge  beuten  tonnten.  (Sin  eingiger  freier  ©lief  auf  ba«  reiche 
£eben  be«  menfehlichen  Reifte«  hatte  f*e  tyten  3rrthum  erfennen 
laffen.  £er  (Seift  be«  SDtenfchen  ift  bie  Heine  2öelt.  $)a«  ÜDa- 
fein  ber  berfchiebenen  Gräfte  be«  (Seifte«  erflären  gu  toollen,  ift 
bem  gu  vergleichen,  al«  toenn  ber  Sßaturforfcher  ba«  $)afein  be« 
ßifen«  ober  be«  (Solbe«  ober  be«  (Sauerftoff«  ober  ber  SWenfchen 
felbft,  ober  ber  betben  (Sefchlechter  ber  9)cenf<hen,  ober  ber  gangen 
SCugentoelt,  ober  ber  SBerhältniffe  be«  SWenfchcn  gur  Slu&emoelt 
erflären  tooüte.    (So  tote  ber  Waturforfcher  biefe  gange  Söelt  bet 

Sdjeoe,  $!>renolofltfd>e  «Übet.   S.  «ufl.  10 


Digitized  by  Google 


146 


Grföetnungen,  mie  bie  (Srfaljrung  fie  tljm  als  oorfyanben  geigt, 
t>ergtci^t  unb  orbnet  unb  betreibt,  unb  bie«  feine  Biffenfd^aft 
nennt,  auf  bereu  ftutfe  unb  föeic^um  er  ftolj  ift,  fo  toirb  ber 
mafyre  ®etfte$forfa)er  bie  ©ett  be«  Reifte«  unb  feiner  utanni<$* 
faltigen  Gräfte,  —  ®efa)te$t«trieb ,  @igentl)um$fmn ,  Äampfftnn, 
@to(j,  SBo^lmotten  zc  —  nicfyt  erft  fcfyaffen  motten,  benn  fie  ift 
fcfyon  oorfyanben,  fonbern  er  mirb  oerg(eid)enb  unb  befctyreibenb 
unb  orbncnb  bie  einjetnen  (5rfa)einungen  ober  £l)atfa<$en  fammetn 
unb  i^re  Harmonie  unter  ftcfy  fetbft  unb  mit  ber  Stufentoclt  nacfy= 
jutoetfcn  fucfyen. 

13.  . 

Weitere  «eifptefe  mitjutyeUen,  mie  «enefe  na$  feiner  Seife 
bie  nteitföttdten  ®ei|te«fräftc  .entfielen"  (aßt,  mürbe  überflüffig 
unb  für  ben  Sefer  ermübenb  fein.  <3o  toie  naa>  ©cnefe  ber  ®eij 
auf  ber  SBorfteUung  oon  bem  ©ebraucty  be«  ®c(be«  beruht, 
fo  beruht  ber  @tot$  auf  ber  SSorftetlung  be«  eigenen  Sertfye«, 
mornatfy  ^Derjenige,  tt>etc^cr  bie  flarfte  35orfteüung  oon  feinem 
teeren  SBertfy  Jjätte,  au$  ber  ©toljefte  märe;  fo  beruht  ®rau= 
famfeit  unb  33o«!jeit  auf  ber  ©ergfeictyenben  SSorfteUung  fremben 
($lüc&  unb  eigenen  Ungtücf«,  mornaa)  ber  Ungtücfu'ctyfte  ber  S9o8* 
fjaftefte  fein  mürbe;  u.  f.  m.  3a  53enc!e  fa)eut  fia)  nictyt,  fetbft 
(Sittficfyfeit  unb  £ugenb  auf  bie  fatte  SBorfteUung  unb  3öer% 
fa^äfeuug  ber  £>tnge  unb  SSerljättntffe  jurüdfüljren  }it  motten! 
(0  temporal  o  —  systeniata!)  @o  ift  ©enefe'S  ganje  £)ar* 
fteüung  im  ©runbe  eine  fortmä^renbe  Negation,  unb  mtrb  eben 
babura?  matyrljaft  unfyeimüd?.  £)er  menfc$fta>  ®eift  oerliert  unter 
feinen  Rauben  SÖJärme  unb  geben  unb  oermanbett  fi#  in  ein 
©erippe. 

Unb  im  2lngefia)t  biefer  SDarftettung ,  im  Sfngefia^t  feine« 
Aftern«,  meld&e«,  mefyr  ate  irgenb  ein  anbere«  »or  ifym,  blinb 
unb  fcfyroff  ber  9ktur  entgegenfteljt,  erflärt  23enefe,  um  ba«  9J?af? 
ber  ©eltfamfeiten  ju  füttert,  feine  ^ftyd&ologie  fü*  eine  Statur* 
mtffenf<J)aft!  3n  aßen  feinen  Schriften  fybren  mir  iljn  bi« 
jur  (Srmübung  feine  ®eringf$äfeung  gegen  bie  bisherigen  ^ßfi$o= 


Digitized  by 


147 


logen  ausbrechen,  tt>cil  fic  in  leeren  Speculationen  befangen 
gewefen,  fiten  wir  ihn  fich  felbft  rühmen,  ba§  et  bie  ^ftychologie 
$ur  sNaturwiffenfchaft  erhoben;  einem  feiner  ©erfe  hat  er  fogar 
ben  £ttel  gegeben:  gehrbueb  ber  ^fochotogte  als  9caturWtffenfchaft. 
Dies  oeranlajjt  uns,  grünblich  bie  grage  ju  unterfuchen,  welches 
bie  Stellung  einerfeite  ber  bisherigen,  anbrerfeits  ber  ©enefe'* 
Wen  ^ftychologte  &ur  Statut  ober  gur  Sftatnrwiffenfchaft  ift.  23on 
ber  Phrenologie,  welche  SBenefe  nicht  tarnt,  fefyen  wir  cinftweilen 
bei  biefer  SBergleidning  ab. 

Den  (S^rafter  ber  bisherigen  pftychologte  fönnen  wir  im 
ungemeinen  unb  abgefehen  oon  bem  wenig  nichtigen  Unterfd^ieb 
$wifdhcn  ben  unenblich  oielen  einzelnen  Styftemen  als  ben  ber 
Unnuffentjeit  bezeichnen.  ?Ule  pfi$ologen  gefangen  in  bem 
Söeftrcben,  jur  fahren  9iatur  beS  ©eiftes  oorjubringen ,  nur  bis 
ju  ben  SB  orten,  mit  benen  bie  Spraye  bie  mannigfaltigen 
®eifteSthätigfeiten  beseitet;  fich  glcichfam  in  biefem  ©ortnefce 
fangenb,  galten  fie  baffelbe  für  baS  gefudjte  3iel  felbft.  93er* 
loirrt  burch  bie  unenbliche  3ahl  ber  ©orte  unb  ben  in  ihnen 
niebcrgelegten  ©toffreichthum  ber  ©iff enfd^af t ,  fitzen  fie  erflä* 
renb  unb  orbnenb  biefe  ©orte  ju  bewältigen  unb  meinen  fchon 
bamit  auch  über  bie  S  a  ety  e  ju  herrfchen.  Grin  großer  9tangftreit 
ber  ©orte  beginnt.  Die  allgemeinften  unb  umfaffenbften  (93er* 
ftanb,  ©emüth,  ®cbächtnij?  jc.)  werben  als  „©mnboermögen  beS 
®eifteSM,  mit  prächtigen  ©ewänbern,  Definitionen,  angethan, 
an  bie  «Spifcc  beS  ©örterreichcS,  beS  jeweiligen  Softem«  ber 
pfhehologie,  geftellt,  unb  alle  übrigen  je  nach  ihrem  richtigen 
9fange  unb  in  forgfältiger  SlmtSfteibung  angereiht.  3n  ber  £hat, 
toenn  mir  oon  ben  »ergebenen  föangorbnungen  unter  ben  ©orten, 
ben  oerfchiebenen  @hftcinen  abfehen,  fo  finb  bie  meiften  pfacbo* 
logifchen  ©erfe  im  ©efen  nicht«  anbereS,  als  pfochologtfche  ©örtcr* 
bücher.  Da  man  aber,  um  feine  3Wutterfprache  51t  oerftehen, 
fein  ©brterbuch  brauet,  unb  ba  überbieS  aus  begreiflicher  Ur* 
fache  iene  ©ortcrllärungen  oft  gelungen  unb  unrichtig  waren, 
fo  enthielten  biefe  ©erfe  im  ®runbe  ©enig  ober  Vichts ;  was 
fie  Nichtige«  an  ©orterflärungen  gaben,  oerftanb  fich  oon  felbft, 
unb  bie  föaugorbnung  ber  ©ikter,  baS  ©ttftem  als  folchcS,  mar 

10* 


Digitized  by  Google 


«Pfpc^otogic  unb  $&renologie. 


{ebenfalls  bebeutungSto«.  3nfoferu  alfo  fann  man  bic  bisherige 
sßftycfyotogtc  fdjled^tmeg  eine  unmiffenbe  nennen. 

®an$  anbei«  iöenefe'«  ^ßfycfyologte.  <S0  bleibt  ba«  SBerbtenft 
$enele'6,  baß  er  mit  mehreren  anbeut  'Photogen  richtig  er* 
famttc,  baß  btefe«  Rieten  mit  SBorten  unb  tieffimüge  Specu* 
Uren  über  i^re  ©ebeutung  merttylo«  unb  nutytig  unb  nichts  meniger 
at«  eine  SBiffcnf^oft  ber  ®etfte«lehre  mar.  «enefc  fü^rt  aus* 
brücftid)  einige  jener  <ßfocf>ologcn  auf.  ($ft$ol-  @ftgjcn  II,  577.) 
Mein  er  fu'elt  im  heitern  £fnm  unb  Waffen  nidjt  gleiten  Stritt 
mit  Unten.  Sie  alle  fucfyten  einen  ÜDtamant:  fetner  fanb  iljn. 
3ene  anbern  ^ftyctyologen  belieben  fiefy,  nuffenb,  baj?  man  nicfyt 
$lllc«  finbet,  ma«  man  fuc^t.  JBenefe  belieb  ftety  ntcfyt,  er  grub 
mit  Orifer  einen  fcfyledjten  Hiefel  au«  bem  Sanbe  unb  glaubte 
unb  erflärte  taut,  bajj  bic«  ber  gefugte  Diamant  fei.  $u  folgern 
beginnen  gehört  fürftatjr  aueb  ein  Spielen  unb  Speculiren,  aber 
meit  großartiger  unb  meit  fcfytimmer  al«  jene«  anbere.  £)ie  frü* 
tyeren  sßtycbologen  fpielten  unb  fpecultrten  nur  mit  Korten,  ©e* 
nefc  mit  ber  Sac$e.  (£r  ift  ein  §elb  im  Spielen  unb  Specu» 
liren,  bie  Slnberu  Sctymächtinge  gegen  ifnt.  3n  ber  ganjen  Sßfy* 
ctyologie  ift  niemal«  au<$  nur  etma«  entfernt  fo  Unberftänbige« 
unb  ftaturmibrige«  mic  $enefc'«  Öeljre  bon  ber  ©runbbefctyaffen* 
feit  unb  ben  inneren  Vorgängen  be«  ©eifte«  erträumt  morben :  — 
biefc  Sefyre  mit  iljren  $lngelegtl)etten  unb  gän$licfy  unerfüllten  Ur* 
bcrm&gen,  mit  iljren  geiftigen  Temperamenten  ber  Äräftigfett  unb 
ber  föeisempfanglicfyfeit ,  mit  tljrer  33ollrei$ung  unb  t^rer  £uft* 
reijung!  3dj  Ijätte  gern  leitete,  »eil  id)  tljn  ber  Phrenologie 
gegenüber  fo  fcfyfter  tabeln  muß,  ben  übrigen  Pfr/cfjologen  gegen* 
über  ioeniger  niebrig  geftellt,  aber  um  geregt  ju  fein,  fann  tety 
e$  nid^t.  Söftyrcnb  ®robifcfy  unb  föofenfranj  Scanner  bon  ®eift 
ftnb,  mäfjrenb  namentlich  ^robifc^  bie  ^f^otogte  fo  $0$  geftellt 
^at,  al«  fte  auf  bem  Stanbpunft  ber  Sefbftbeobactytung  möglicher* 
metfc  fte^en  fann,  mäfyrenb  Scheibler,  ohne  ®etft  311  Ijaben,  ein 
üflann  bon  miffenfchaftltcher  ©npty  ift,  zeichnet  fidt>  «enefc  burch 
einen  fchr  großen  fanget  an  gefunber  Urtheil«fraft  au«,  hat  er 
bie  $fty$o(0gie  in  feinem  Softem  fo  niebrig  geftellt,  al«  fie  bor 
ilmt  mental«  geftellt  morben  mar.    9iicht  blofje  Uunuffenheit  alfo, 


Digitized  by 


^fa^ofogie  mib  ^Ijrenologic. 


149 


fonbern  ettoa«  tt>eit  ©flimmere«  ift  ber  ßljarafter  feiner  <ßty' 
cfyologie. 

Unb  biefe  feine  $ffycfyotogte,  melctye  nid^t  mir,  toic  bie  frühere, 
nicfyt«  bon  bet  Diatitr  toeife,  fonbern  iljr  Ijßlntenb  in«  9lntlifc 
fcpgt,  nennt  ©enefe  eine  9laturn>if f enf<$af t!  Qx  fütyrt 
fotgenbe  Sorte  ©oettyc'S  an.  (^ragrn.  $fod)ol.  I,  300.)  „KB* 
gefd&macfte  3Wenfc$en!  3t;r  mac$t  es  wie  genriffe  bentfdje  ^ito* 
foppen,  bie  fid^  eiubilben,  menn  fie  fic^  breijng  3aljre  in  iljr 
©tubirjimmer  etufdpffeu  unb  fiefy  lebigltcfy  bamit  befestigten, 
bie  Obeen,  toeld&e  fic  au«  ifyrem  armen  ®et?irn  fierau^jic^cn ,  ju 
fieben  unb  311  beuteln,  fo  würben  fie  einen  uncrfcfyöpflidjcn  Oucll 
bon  Originalität  erlangen !  Sipt  tljr,  toa«  babei  fjcrauöfommt  ?  — 
Solfen,  ntcfyt«  at«  Solfen!  —  3a)  n>ar  tauge  genug  fo  tfyiktd;t, 
mid)  über  biefe  $lbgefd)macftfyciten  gu  betrüben,  fo  baß  mir  nun 
in  meinen  alten  £agen  toofjt  geftattet  werben  mag,  und)  barüber 
luftig  ju  machen  unb  barüber  ju  tacken."  Senn  biefe  Sorte 
oon  ber  früheren  ^ftyd}ologie  gelten  Wunen,  fo  gelten  fie  in  nod) 
weit  leerem  2ftaj?e  oon  S3enefe  felbft.  fragen  mir  tyn  jum 
Ueberflu§,  ob  er  irgenb  e  i  n  e  n  ©etoei«  oon  naturtoif|enfc^aftli^en 
©tubten  gegeben,  ob  er  eine  neue  £fyatfad)e,  bereu  bie  Berniter, 
bie  Wfifer,  bie  ^renologen  fo  biele  £aufenbe  gefammelt,  nad> 
gemiefen  Ijabe?  9tein,  neue  £fyatfad)en  311  gemimten  lag  Söencfe 
fo  fent  al«  mflgüd);  er  mar  fo  feljr  in  ber  @elbftbeobad}tung, 
in  abftracten  £)id)tungen  unb  träumen,  befangen,  ba§,  menn  fid) 
ifmt  eine  £fyatfad)e  bon  felbft  bargeboten  Ijätte,  er  an  iljr,  oljne 
fie  gu  beachten,  borübergegangen  märe.  Sir  Ijaben  bereit«  oben 
(§  8)  gefefyen,  tüie  er  über  9caturforfd)ung  unb  über  neue  ober 
merfioürbige  £l)atfad)cn  benft.  3tt  einer  anbern  ©teile  legt  er 
ein  nod)  entfd)iebenere«  ©eftänbnip  in  biefer  ©egicljung  ab;  er 
fagt:  „Od)  weife  gu  tooljl,  toie  biet  in  ftolge  ber  fteten  Sin- 
fpannung  in  abftracten  ©tubien  mir  felber  in  allen  biefen 
(praftifd^en)  «egielwngen  abgebt",  ((JrjiefumgSfeljre ,  33orr.  V.) 
(Sollen  Sorten  gegenüber  nennt  33enefe  feine  ^ßfocfyologte  eine 
^aturmiff  enfd)af  t ! 

3tod?  ein  töätyfet  bleibt  im«  fd)tte§ltd)  }u  töfen  übrig. 
Sie  fonnte  33enefe'«  ^ftyd)ologie,  fo  befd)affen,  fo  in  fid)  toert^ 


1 


Digitized  by  Google 


150 


$foc$ofogte  unb  «ß^reitorogie 


lo8,  ürie  mir  fic  fennen  gelernt  fyctfren,  fotc^c  Verbreitung  unb 
Slnerfennung  unter  ber  Vehrcrmclt  finben?  £ie  Vöfung  biefeS 
SRäthfcl«  ift  bereit«  51t  Anfang  biefer  £>arftcllung  (§  1  unb  2) 
angebeutet.  GrtmaS  anbereö  fommt  ffixqvi.  Da*  (Srtoachen  ber 
Denffraft  in  unferer  £eit  ift  auch  in  ber  t'ehrermelt  ftd;tbar 
herborgetreten.  Söä'hrcnb  bor  Rimbert,  bor  fünfjig  3a^reu  bic 
meiften  VolfSlchrcr  geiftig  felbft  fttnber  maren,  unb  ifjre  Schüler 
nicht  fomohl  ju  unterrichten,  at«  meebauifeh  abzurichten  timfeten, 
finb  in  unferer  >5ett  bie  VolfSlchrer  benfenbe  Männer  geworben, 
bic  mit  .$er$  unb  mit  Seele  ihrem  Berufe  leben,  unb  fich  ein 
ftitleä  aber  unenblich  großes  23erbienft  um  bie  beutle  SBolfä* 
bilbung  ermorben  haben.  Slber  eben  ber  erwachte  (Gebaute  mufitc 
fie  einen  großen  fanget  in  iljrem  eigenen  2ß3tffcn  erfenneu  (äffen. 
Um  gut  )it  unterrichten,  um  ben  ®etft  beö  Äinbeä  ju  bilben, 
baju  bebarf  e$  bor  2111cm  ber  tenntntj?  be$  Reifte«,  einer 
tenntnifc,  —  meld;e  eö  Bt«^cr  nicht  gab.  Denn  bie  bis* 
herige  fogenannte  ®etfte$lehrc  tonnte  natürlich,  wie  in  jeber  anbern 
Beziehung,  fo  auch  für  ben  fiehret  nur  burchauS  unfruchtbar  fein. 
Da  trat  ber  s13fh<h»>fo8  ©enefe  mit  ber  Skrficherung  auf,  feine 
($eiftcStehre  biete  Slnbcre«  unb  ©effercs  als  jene  !*öort=  unb  Sdc 
griffSerflärungeu ,  fie  gehe  ber  Sache  auf  ben  ®runb,  fie  ber* 
folge  ben  ®eift  bis  ju  feiner  Cmtftehung  unb  Qrntnricfelung  jurtief, 
furj  fie  fei  eben  baS,  was  ber  Lehrer  bebürfe  unb  fuche.  Diefe 
23crftd;eruug  ^ätte  für  fich,  unb  wie  Benefe'S  £ehrc  im  Uebrigen 
befchaffen  mar,  ben  gefunben  Sinn  ber  i'ehrer  nicht  ju  tauften 
oermocht.  Allein  SSencfe's  ^ftychologie  enthielt  ein  wichtiges 
naturttüffcnfchaftücheS  ober  ^hrenologtfcheS  (Slement.  Söir  $aben 
gefehen,  wie  Söenefe,  olnic  bafe  er  c$  fich  f*W  belauft  mar, 
feinen  ausgekrochenen  (SJnmbfafc  ber  Selbftbeobachtung  bcrläfct 
unb  bie  Beobachtung  ber  menfehlichen  (Sharatteruerfchiebenheit 
jur  Stnwenbung  bringt.  Die  Wahrheit  hat  eine  fo  überwälttgenbe 
traft,  baß  fie  bura)  ben  bichteften  Srrthum  ihre  Strahlen  wirft. 
Da§  ber  ®eift  nicht  einfach  ift.  «erftanb,  ®ebächtm&  2c. 
nicht  ungeteilte  Gräfte  finb,  fonbern  mehrfache  Elemente  in  ft<h 
tragen,  fchon  biefe  eine  aus  beut  ßeben  geköpfte  unb  befonbcrS 
für  (Srjiehung  unb  Unterricht  fo  fruchtbare  Söahrheit  mujjte  bie 


Digitized  by 


Vfotyfoflie  unb  ^renefogie.  151 

tfetyrer  ju  Stn^ängern  einer  ®eiftc$Ie^re  machen,  u>eld)e  tynen  fo 
»tätige  2foff$ltiffe  mefyr  bot,  al«  jebe  anbete.  Söeu^c  ftreube 
nnrb  unter  ben  Syrern  fein,  menn  fie  ble  Duette  felbft,  au« 
toelctyer  «enefe  mit  unreinem  ®efäji  gefc$b>ft,  in  tyrer  Wehu>it 
unb  in  iljrer  ganzen  reiben  ftüüe  fennen  fernen  werben! 


Digitized 


IX. 

(&\nc  IWfcfung  über  Phrenologie. 

Siel,  ntd)t  «telftlei! 


T)ic  $l}rcnologif<$en  Silber  böten  einen  2ftangel  bar,  toenn 
i($  nntcr  ben  berfcfyiebencn  9(uffäfeen,  roel($e  bie  ^Phrenologie  näljer 
begrünben,  ober  bie  2Wtj$berftänbmffe  über  fie  aufflären,  ober 
i^re  2tnn>enbung  auf«  öeben  jetgen,  nicfyt  auc$  toenigften«  ein 
«eine«  ®ru$ftü<f  ber  ^^renotogic  felbft  gur  Earftellung  brächte. 
3u  biefem  3n>ecf  labe  idj  ben  freunbli<$en  Sefer  ein,  miety  in 
eine  33orlefung  $u  begleiten,  toie  tc$  fie  bor  3u^örern  ju  galten 
pflege,  toetd^e  <£ttt>a$  über  ^Phrenologie  ju  ty&ren  toünföen,  aber 
bietfei^t  nur  biefe  eine  33orlefung  befugen  toollen  ober  fönnen, 
fo  ba§  i$  alfo  ba«  (Sange  ber  2öiffenfc$aft  in  ben  Vortrag  bon 
einer  <Stunbe  jufammen$ubrängcn  beranlafct  bin.  3$  beginne 
mit  ber  furzen  £)arftellung  ber  b  e  i  b  e  ti  £  a  u  p  t  f  ä  <j  e  ber  ^fyreno* 
logte,  bajj  1)  ber  9ttenf<$  befonbere  unter  fi<$  getrennte  innere 
©inne  ober  (Srunbfräfte  be$  Reifte«  Ijat  (Stuftä^ung  berfelben, 
(Sintljeilung  in  brei  (Gruppen,  ungleiche  <3tätfe  berfelben  al$ 
Urfadje  ber  menf^tic^en  Gljarafterberf($iebenljeit  jc),  unb  ba§ 
2)  biefe  <3inne  Organe  fjabeu,  toetd^c  im  (Seljtrn  bereinigt  finb 
((Srflärung  ober  23eranfc$auttc$ung  be«  ®eljirnbaue$ ,  bie  tfage 
ber  [je  boppelten]  Organe  ober  ®efyirnäft<$en,  i^re  unter  fic$  ber* 
fetyiebene  ®rö§e  bei  ben  (Hnjetmenfchen  als  Ur[a<$e  ber  55er* 


Digitized  by  Goog 


Sine  SSorfefitng  ü&er  ^Ijrcttofogic. 


153 


fcfyiebenljett  bct  $opfgefralten,  ic).  £iefe  furje  £>arftettung  festlege 
i$  mit  ber  33emerfung,  baft  e«  meine  Aufgabe  für  ben  heutigen 
Vortrag  (et,  biefe  beiben  £>auptfäfce  ber  ^Phrenologie  näljer  ju 
erläutern  ober  ju  begrünben,  unb  bafc,  mett  naturioiffenfcfyaftlutye 
Erläuterungen  am  beften  burefy  39etfpte(e  gcfcfyefyen,  mir  au« 
ben  inneren  «Sinnen  einige  ljerau«Ijeben  motten,  für  ben  heutigen 
Vortrag  ba«  Slmicatal  unb  ba«  Oppofttal,  bamit  idj  an  biefen 
©eifpielen  be«  SRäljercn  jeige,  ma«  bie  ^Phrenologie  unter  inneren 
binnen  berftefjt  unb  mic  fie  jur  ßntbeefung  unb  9kc$n)eifung 
berfelben  gefommen  ift. 


Slmicatal,  Sinn  ber  3(nljängli(tyfett ,  ber  $lnfc$lie§ung, 
ber  Xreue,  ber  ^reunbfd^aft.  3e$ci$ming  be«  Organ«  an  ber 
pfyrenologiföen  ©üfte:  $interfopf  9^r.  4  (S.  7)  jmifc^en  Oppo* 
fitat  unb  Snfantal. 

(StaU  tarn  baburc§  jur  Grntbecfung  biefe«  «Sinne«  unb  feine« 
Organ«,  bag  er  ben  $opf  einer  SDame  naety  Ujrem  £obe  ju  unter* 
fuetyen  beranlafct  mürbe,  meiere  ein  dufter  oon  £reue  unb  $ln* 
!>änglic$fctt  mar,  bie  fie  in  ben  berföiebenften  SBerfjältniffen  be« 
t'eben«  gegen  iljre  greunbe  bemiefen  t>atte.  ®all  fanb  an  bem 
Äopfe  nt$t«  Slnbere«  bemerfen«toertl?,  al«  eine  fetyr  ftarfe  <£nt* 
micfelung  ber  bezeichneten  ©teile,  ma«  iljn  bie  $ermuttyung  faffen 
lieft,  e«  möge  biellet<$t  einen  befonberen  Sinn  ber  SlntyängUcfyfeit 
im  9ftenfdt)en  geben,  ber  an  biefer  Stelle  fein  Organ  Ijabe.  SDiefe 
SJermutljung  betätigte  fiety  im  Verlaufe  ber  &\t  burety  £aufenbe 
gefammelter  Sinjetfäüe.  $>er  Sinn  mit  bem  Organ  ftefyt  miffen* 
föaftlid?  feft. 

S3ei  ber  ÜDarfteüung  be«  Sinne«  müffen  mir,  um  bon  born* 
herein  bie  mögliche  tlarljeit  in  unferer  bielfacfy  mijberftanbenen 
©tffenföaft  ju  magren,  bie  beiben  $>auptfäfce  ber  Phrenologie,  — 
ben  <Safc  bon  ben  «Sinnen  unb  ben  bon  ben  Organen  ber  Sinne, 
—  ftreng  getrennt  galten,  ©ir  fetyen  batyer  juerft  bon  Allein, 
toa«  Organ  ift,  ab  unb  fragen :  hat  ber  üftenfcfy  einen  befonberen, 
bon  allen  übrigen  «Sinnen  getrennten  Sinn  ber  Slnfyängüdjfeit? 


Digitized  by  Google 


154 


(Sine  Sgorlefung  über  «Phrenologie. 


ÜDie  $ftyd)otogte,  tDctd^c  bi«ljet  ai«  (9eifte«lel)te  galt,  —  wm 
auf  fte  einen  ©lief  jutücfattüetfen,  —  hwjste  nicfyt«  bon  einem 
folgen  «Sinn,  n>ie  fte  überhaupt  oon  feinen  befonbeten  ©innen 
etwa«  nnt§tc.  @ie  leitete  oiefatefyt  bie  betriebenen  Gifyataftet* 
$üge  be«  2JJenfd)en  bie  einen  au«  ben  anbeten  ab,  ober  etftätte 
bie  einen  au«  ben  anbeten  ober  au«  fonftigen  Umftänben:  unb 
jeber  $fod?o(og  bie«  in  anbrer  Seife.  Gtnet  fagt  j.  33.  (toenn 
et  übetfjaupt  untet  ben  menfcfyficfyen  £fjataftet$ügen  eine«  3uge« 
füt  2lnf#liefeung  unb  greimbfe$aft  geben«),  bet  Sttenfdfr  fcfclie§e 
(idj  au«  £Uf«bebütftigfett  an  feine  2ftitmenf<$en  an ;  ein  anbetet 
füf;tt  tiefen  3ug  auf  eine  allgemeine  <SJemütt)üc$fett  obet  ®ut* 
müujtgfeit  jutücf,  u.  f.  tt).  £>ie  ^ßljtenologie  bagegen  behauptet, 
baß  biefe«  (Stftäten  obet  Ableiten  bet  G^ataftetjüge  au«  einanbet 
in  je  bet  Söejteljung  ittig  ift.  Sie  toeift  im  (Sinjelnen  naefy, 
baft  —  um  ju  unfetem  Xljema  jutücfjufeljten  —  bet  3U8  bet 
3lnfyänglid;fett  ni$t  anbet«N)ol)et  abgeleitet  toetben  fann,  fonbetn 
auf  einem  fetbftftänbigen  Sinn  betuljen  mu§,  »eil  biefet  3ug  fai 
Rieten  unb  bei  SDfotftyeit  in  bet  Statte  gan$  unabhängig  bon 
allen  anbeten  Gfyataftetjugen  gefunben  nutb. 

©ei  oielen  £fyieten  »om  octfdn'ebenften  fonftigen  (Sfjataftet 
finben  tott  eine  fefyt  gtofee  Slnfjänglictyfeit.  ^fetbe  unb  O^fen  finb 
oft  fo  anfyängti($,  bafc  fte  ftanf  metben,  toenn  man  ba«  an  einanbet 
geto&tnite  ^ßaat  ttennt.  attan  fennt  bie  2ltt  Papageien,  bie  ben 
tarnen:  bie  Unttennbaten  (Insöparables)  Ijaben,  toeit  fie  ge* 
loitynlicfy  ftetben,  wenn  man  fie  ttennt.  Sine  SRobbe  toat  fo  an* 
fyängltcfy  an  (&all,  bafe,  toenn  et  wegging,  fie  in  intern  £tog  alle 
Slnfttengungen  machte,  um  iljm  ju  folgen.  9ttan  Ijat  fcfyon  oft 
bie  Ofteunbfcfyaft  311  betinmbetn  ®etegenljett  gehabt,  toetcfye  jtoif^en 
einem  ^ßferbe  unb  einem  §unbe,  einem  88u>en  unb  einem  £mnbe  :c. 
befteljt.  ÜDet  £unb  ift  buttty  feine  £teue  unb  Slnljänglicfyfeit  an 
feinen  §ettn,  ioobon  bie  tnfytenbften  unb  metftoütbtgften  JSeifpiele 
befannt  finb,  jum  <Spttd)toott  getootben.  (S^äfjmte  Söölfe  tyaben 
in  Slbtoefenfjeit  be«  §ettn  aüe  jWa^rung  oettoeigett  unb  finb 
junget«  geftotben.  5tuf  bet  anbeten  Seite  finb  bie  ftätle  fefyt 
fyäüftg,  tt)o  bei  Rieten  betfelben  %xt  unb  fcon  gleichem  fon* 
ftigen  ßtyataftet  bie  SfatyängUdjfeit  fefyt  ungleich  ftarf  ift. 


Digitized  by  Googl 


(Sine  «ortefung  über  ^Phrenologie.  155 

Söä'ljrenb  33.  »tele  £utnbc  fo  treu  finb,  fidj  bon  tljrem  £errn 
nicfyt  trennen  taffen  unb  ftetö  lieber  ju  ifym  juruiffetjren,  taufen 
anbere  bon  einem  §au«  in«  anbere,  ton  einer  "perfon  jur  anbern 
unb  finb  Sftiemanbem  treu.  Grbenfo  bei  aßen  anbern  Spieren. 
33on  ben  bieten  Sögeln,  <5i<$r)8rncfyen  u.  f.  tt>.,  toe(c$e  ®atf,  um 
ifjren  (Sljarafter  gu  ftubtren,  aufeog,  geigten  einige  ®leicfygittig* 
feit,  anbere  bie  tebtjaftefte  3uneigung  unb  2lnt>ängti$feit  für  it)n. 

£)iefetbe  Unabtjängigfeit  be«  3ug«  ber  ?lnr?ängtic^eit  bon 
atten  anbern  £t?arafter$ügen  finben  nür  beim  9flenfc$en  toieber. 
3Me  Slntjänglicfyfctt  ift  bei  mannen  2)?enfcfyen  ein  bor  atten  anbern 
ftarfer  (Sbarafterjug.  $alt  ergäbt  bon  einer  Bäuerin,  n>et$c 
au«  2liü)äugUcfyfeit  breimat  oerrüeft  toar,  einmal  beim  Job  ttjre« 
©ruber«,  bann  bei  bem  itjre«  2$ater«,  jutefct  beim  Job  itjrer 
9ftutter.  Dlacfybem  fie  jum  brittenmat  Ijergeftettt  toorben  toar, 
fragte  fie  ®att  um  9?atlj,  unb  ftagte,  ba  fie  feljr  religtä«  toar, 
über  tr)re  ungtücfticfye  Neigung,  fid^  über  ben  SBertuft  getiebter 
^erfonen  metjr  gu  grämen,  at«  e«  bie  Religion  ertaube.  SMdje 
Stn^änglic^feit  fyaben  oft  üDtener  an  ifyre  Herren  unb  toc(d?er 
Aufopferungen  finb  fie  au«  biefer  9(n$ängtid?feit  fätjig!  2öie 
groß  ift  bie  2lnfyängU<$feit  mancher  grauen  an  tyre  Männer, 
n>etc$e  btefe  2tn^ängli$feit  oft  nicfyt  einmat  berbienen,  toelcfye 
itynen  mit  #ätte,  £ärte,  ®ertngf$äfeung  begegnen,  bereu  Untreue 
ttjnen  befannt  ift,  bie  fie  nittyt  einmal  achten  fönnen.  3n  aßen 
biefen  unb  ätjntic&ett  gälten  fann  bie  $nfyä'ngti$feit  au«  irgenb 
tt>et(fyen  anbereu  Gfyarafterjügen  nict)t  crflart  toerben.  <So  J.  33. 
ntcr)t  au«  bem  äßoljltüollen,  ber  atigemeinen  §erjen«gütc:  benn 
bie  2(nfyängli$feit  ift  oft  ftarf  bei  ÜWenfdjen,  toetcfye  fonft  feine«* 
toeg«  liebreich  unb  menfcfyenfreunbltd)  finb.  @o  ljat  man  nament* 
lidj  oft  bei  großen  unb  graufamen  Verbrechern  eine  2lnr;änglicf>* 
feit  unb  SEreue  an  tyre  greunbe  gefunben,  bie  eine«  befferen  <5tjaraf= 
ter«  toerty  getoefen  märe.  äftarty  3ttac  3nne«,  bie  in  @ngtanb 
ben  £ob  einer  23crbrec$erin  ftarb,  af  no<$  auf  bem  <§c$affot 
eine  fyalbe  Orange,  bie  fie  bon  ifyrem  beliebten  ermatten,  unb 
tpar  no<$  im  Slugenbticf  be«  £obe«  glücfttcty  burety  ba«  ^efti^t 
itjrer  ^reunbfd^aft.  Sludb  im  reltgtofen  ®efüfyt  fann  bie  Mjäng* 
ticfyfeit  nic$t  iljre  Qrrftärung  finben,  benn  bie  @ef$tdt}te  ber  SReli* 


Digitized  by  Google 


156 


(Sine  Sorlefung  ttfccr  ^renologic 


gionen  jeigt  an  ben  Söeifpieten  ber  (Sinfiebfer,  ba§  bie  ©tärfe 
ber  5tnljängücfyfeit  mit  ber  ©tärfe  be«  retigtSfen  ®efüljt«  oft  fo* 
gar  im  umgefetyrten  33ertjältm§  fteljt.  Slutfy  au«  bem  ^flictytge* 
füljt,  ber  ®etoiffcnljaftigfeit  lä§t  fi<$  bie  Stntjänglictyfeit  nietyt  er* 
Wären.  3n  ben  ebelften,  getoiffenb^fteften  Staffen  ift  oft  ber 
3ng  ber  8n1?ängtt$!eU  f($toac$.  3$  hatte  al«  ©tubent  einen 
ftreunb,  ber  ein  toortrcffü<$er,  getoiffenljafter,  auefy  fefyr  tatent* 
ooltcr  2ttenf<h  toar,  ben  e«  aber,  toie  er  mir  fagte,  ni$t«  foftetc, 
fid?  oon  benen  ju  trennen,  mit  benen  er  fein  ganje«  Sebeu  su- 
fammengetoefen  toar;  er  toar  am  liebften  allein,  ging  aHein  fpa* 
Steren,  nannte  fi$  and?  felbft  einen  gebornen  (ginftebter. 

SBir  fönnen  bie  bt«ljerigen  Slnbeutungen  in  biefen  ©orten 
jufamutenf  äffen :  toenn  toir  einen  2)2enfc^en  in  allen  feinen  fon* 
ftigen  @harafter$ügen  genau  Umtun,  toenn  toir  toiffen,  ob  er  toofyl* 
toottenb  ift  ober  nidjt,  religio  ober  md^t,  eitel  ober  nicht,  ob 
er  biefe«  ober  jene«  latent  ^at  ober  nicht,  fo  toiffen  toir  bamit 
noch  nicht  jugleich,  toie  ftarf  ber  3U9  ber  Slnhangltchfeit  in  ihm 
ift.  Grbenfo  umgefehrt,  toenn  toir  bie  <Stärte  btefe«  3ufl8  xn 
einem  3ftenfchen  fennen,  fo  Hüffen  mir  bamit  noch  nicht«  oon  feinem 
übrigen  Sharafter.  Der  3ug  ber  Slnhänglichfeit  ift  atfo,  —  nnb 
bie«,  oerehrte  Slntocfenbe,  ift  ba«  thatfächliche  ober  toiffenfehaft* 
liehe  <£rgebnijj  an«  bem  ®efagten,  ober  ba«,  toa«  @ic  an«  bem 
bisherigen  Vortrag  9teue«  gelernt  hätten,  toenn  3^nen  bie  tyxeno* 
logie  noch  nicht  befannt  getoefen  toäre,  —  ber  3"S  ber  Slntjäng* 
lic^feit  ift  ein  befonberer,  felbftftänbiger,  oon  allen  übrigen  ge* 
trennter  (Sinn,  gerabe  fo  toie  bie  @>ehfraft  nnb  bie  §örfraft 
fetbftftänbige  unb  unter  fich  getrennte  ®inne  finb. 

Die  Phrenologie,  toelchc  un«  bie  felbftftänbigen  inneren 
@inne  im  2flenfchen  fennen  lehrt,  ift  fo,  toie  toir  feljen,  sugteidt) 
bie  2öiffenf<haft  ber  praftifchen  3ftenfcfyenfenntmj$.  Denn  bie  häufig* 
ften  3rrt!jümer,  bie  toir  im  Seben  bei  ber  23eurtheitung  unferer 
9J?itmenfchen  begeben,  entftehen  barau«,  bafc  toir  au«  einem  ober 
einigen  toenigen  un«  gerabe  befannt  toerbenben  Sharafterjügen 
eine«  3ftenfc$en  auf  feinen  e^arafter  überhaupt  fchtte§en,  unb 
un«  fo  immer  unb  immer  täufd^en  mtiffen.  2öer  bie  ^^enotogie, 
toer  bie  fetbftftänbigen  inneren  ^inne  be«  9ttenfchcn  fennt,  oer= 


Digitized 


Sine  Sorfcfung  über  ^renotogic 


157 


fällt  in  biefe  Srrtfyumcr  nit$t.  SBenn  et  einen  3ug  eine« 
Sftenföen,  einen  befonberen  Sinn  fennen  lernt,  fo  fragt  er,  efye 
er  über  ben  ganjen  3J?enfc$en  urteilt,  nacty  ber  Stärfe  ber  an* 
beten  (Sfjarafterjüge ,  ber  anberen  befonberen  Sinne.  31?m 
ift  mit  ber  tenntnifj  ber  begebenen  inneren  Sinne  ba«  gtojje 
aftenfd?enrätyfel  gelöft,  ba«  Kaufet  ber  S5Hberfprüc$e  im 
9Wenf$en,  ba«  föätljfcl,  bafc  unb  inwiefern  ein  üftenf<$  jugtetct) 
gut  unb  bb*fe,  $ugleicfy  ftarf  unb  f<$u>a$,  $uglei<$  betftänbig  unb 
unbetftänbig,  ja  felbft  sugleidj  bei  gefunbem  33erftanbe  unb  n>alni- 
finnig  fein  fann.  — 

3$  fjabe  nun  nocfy  einige  Sorte  fu'nsujufügen,  um  3fjnen 
ba«  $öefen,  bte  ®runbfrebeutung  be«  fogenannten  Sinne«  ber 
9Infyängü$fett  War  gu  machen,  ®er  Sinn  jlefyt  ba«  £ljier  jum 
Spiere,  ben  9J?enfc$en  jum  SNenfctyen  in  (Sefelügfcit  ^inju  unb 
ift  fo  beim  £fu'ere  unb  beim  2ttenf#cn  bie  ®runburfadje  be« 
3ufammenfein«  unb  3ufammenleben«,  unb  be«  ®enuffe«  unb  ber 
ftreube,  bie  fn'erau«  entftoringt.  So  mie  e«  £f>tere  giebt,  bie 
allein,  unb  anbere,  bie  in  (Sefellfc^aft  kpen>  f°  {&nntc  man  ftaäen 
unb  man  fyat  gefragt,  ob  ber  2)Jenf$  bon  Sftatur  ein  gefellige« 
ober  ein  uugefellige«  Siefen  fei.  £>er  ^Ijttofopfy  3.  3.  SRouffeau 
Ijat  befanntltcfy  behauptet,  ber  Sttenfcfy  lebe  im  ^iaturjuftanb  allein, 
unb  nur  bte  9iotljn>enbigfeit  füfyre  ttjn  mit  feine«  ®tci<$en  Jtt- 
fammen.  ?iein,  fagt  unfere  SBiffenfd^aft,  ber  SDJenfd?  ift,  toeil  er 
ben  Sinn  ber  Slnfyänglic^feit  fyat,  bon  9tatur  ein  gefellige«  Sßefen. 
$)ie  menf<$li$e  ®efettfd?aft,  ober,  toie  toir  fagen,  ber  Staat,— 
fo  unbollfommen  ober  fo  bollfommen  er  im  einzelnen  $att  fein 
mag,  —  ift  alfo  ber  ^aturguftanb  be«  9ftenfc$en.  Uebri* 
gen«  fucfyt  ber  9ttenf$  noefy  anbere,  engere  SSerbtnbungen  auf, 
tt>et$e  ben  Sinn  mefyr  beliebigen,  al«  bie  allgemeine  menfcfylicfye 
®efeUf$aft  bie«  $u  tfyun  bermag.  £)a  finb  bie  Äamerabfctyaften 
ber  tnaben  auf  ben  Spulen,  bie  SBerbinbungen  ber  Stubenteu 
auf  ben  Uniberfitäten,  bie  $erbtnbung  ber  Freimaurer  u.  f.  id. 
ÜDie  befte  Söefriebtguug  finbet  ber  Stnn  ber  $nljängli$feit  natflr* 
lidj  in  ben  engften  91nfd)tie§ungen,  in  ber  Slnfdjliejjung  an  bie 
^reunbe,  an  Söetb  unb  Äinb,  5(nfd)liefjungen ,  bei  melden  jum 
£fyetl  noety  anbere  Sinne  tfyätig  finb,  meldte  batyer  befto  fefter 


Digitized  by  Google 


158 


(Sine  SJorlefung  über  <ltyrenologie. 


gufommenljalten  ,  unb  welche  ber  allgemeinen  menfcfylicfyen  ®e* 
fellfdjaft  ben  fefteften  £>att  geben  Reifen. 

£>iernadj  wirb  bie  berföiebene  ©tärfe  be«  ©inne«  ber  9ln* 
tyängUctyfctt  in  einem  üttenfcfyen  [eine  gr&ßere  ober  geringere  Wu 
gung  jur  ®efeüigfeit  erflären.  (Sin  2)?enfdtj  mit  ftarfem  Sinn 
ber  3ln^ängü^!eit  wirb  fic^  in  ber  (Sinfamfeit  fe^r  unglütfltcty 
füllen.  Slber  e«  ift  md?t  bie  große  Seit,  bie  große  ®efeüfc$aft, 
na$  ber  e«  tyn  gietyt.  3m  ®egentheil,  8eute  mit  ftarfer  2ln= 
hängli<$fett  ^aben  gewötynli^  eine  Abneigung  gegen  ba$  unruhige 
nnb  wecfyfelnbe  betreibe  oieler  9ftenfd)cn,  wo  U)r  £rieb  ber  %n* 
fcfylicßung  feine  ©efriebigung  finben  !ann.  5)ie  ®efetlf(fyaft,  na$ 
ber  fiefy  ein  fotd&er  3Renf$  hingezogen  füfylt,  finb  wenige  auder« 
wählte  $reuube  ober  feine  Siebe.  $)aljer  finb  oft  Seute,  welaV 
in  bem  engeren  $ret«  ihrer  üBefannten  nnb  föreunbe  al$  fehr 
liebeuäwürbig,  fehr  gemüthli<h  gelten,  in  ber  großen  <$efcflf$aft, 
unter  fremben  3Wenfd^en  falt  unb  jurücf^attenb ;  neue  ©eftc^ter 
fönnen  für  fie  unangenehm  fein.  Slnbrerfeit«  giebt  e«  Üftenf<hen, 
wel^e  fi$  beffer  in  ber  großen  ©efellföaft  gefallen  unb  ba  tieften* 
würbig  finb,  bie«  finb  fol#e  e^araftere,  in  benen  ber  ©inn  ber  Sin* 
tjängtic^eit  otelteicht  fc^wach,  aber  bie  Sinne  be*  ©elbftgefühl« 
unb  ber  «eifatlsliebe,  be«  ©tolje«  unb  be«  e^rgeige«  ftarl  finb, 
meiere  (entere  3«ge  mehr  in  ber  großen  ®efellf#aft  ©efriebigung 
finben. 

§ier  mag  noch  bie  ungleich  ftarfe  Neigung  ber  Üftänner 
jum  S^eftanb  mit  einem  ©orte  ermähnt  werben.  9ftanc$e  junge 
Scanner,  bereu  SBerhältmffe  fo  geftetlt  finb,  baß  fie  fiefy  red?t 
wohl  bcrfjeirathen  tonnten,  t^un  bie«  gleichwohl  nicht;  man  weiß 
nicht  warum,  fie  felbft  wtffen'S  am  (Snbe  nicht:  währenb  bagegen 
biete  anbere  junge  SWänncr  äußerft  ungtücflich  barüber  finb,  baß 
bie  ^erhältniffe  ihnen  oerbieten,  in  ben  ©tanb  ber  <5^c  gu  treten, 
eine  ftreunbin  für'«  Öeben  §u  gewinnen,  tiefer  Untertrieb  fommt 
neben  ben  oerfetyiebenften  fonftigen  (Sharafterjügen  bor,  unb  ftnbet 
feine  ßrflärung  in  ber  oerfetyiebenen  ©tärfe  be*  ©Urne«  ber  2ln= 
hänglichfeit. 

Wati)  ben  bisherigen  Slnbeutungen  tonnte  e«  oielleicht  fcheinen, 
a(«  ob  bie  2$ättgteit  be«  ©inne«  ber  3lnl;änglichfett  fich  Mo« 


Digitized  by  Googl 


Sine  Borlefung  über  ^renologie.  159 

auf  ^erfonen  ober  auf  lebenbe  ©efen  begehe:  allein  btefc  $or* 
au«fefcung  märe  eine  irrige.  3Me  ©ebeutung  eine»  jeben  @inne« 
ift  getoitynltch  toeit  umfaffenber,  al«  ber  mangelhafte  iftame  auf 
ben  erften  Sölicf  anjubeuten  fcheint.  Diefe  «ebeutung  reicht  immer 
ganj  fo  toeit  uub  fo  tief,  al«  betifbar  ift.  <So  ^at  ber  (Sinn 
ber  $lnljängli<$feit  ebenfotoohl  ©ejie^ung  ju  teblofen  (Segen* 
ftänben,  al«  ju  ^erfonen.  Gr  ift  e«  3.  ber  und  nach  ber 
Stätte  jteht,  too  toir  geboren  unb  erjogen  tourben,  ofjne  9?ücf- 
ficht  barauf,  ob  bic  9£atur  ober  bie  ftunft  fie  reich  au«geftattet, 
ber  un«  bie  (£rinncrung«$eichen  ber  33ergangenhett,  bie  (Stube, 
bie  mir  betoohnt,  bie  9ft$bel,  bie  nur  benufet,  bie  £3ücher,  bie  nur 
oft  gelefcn,  bie  ©Uber,  bie  toir  oft  betrautet,  manchmal  lieber 
unb  toerther  macht,  al«  9tote«  unb  bteüetcht  ©effere«. 

£)er<Stnn  ber  Slnhänglichfeit  hrirb,  jenac^bem  er  mit  biefem 
ober  jenem  anbem  <Sinn  in  SBerbinbung  tritt,  ftch  oerftyebenarttg 
thätig  jeigen.  3n  Sßerbinbung  mit  ©attenliebe  unb  tfinberliebe 
bitbet  er  bie  ®runblage  be«  ehelichen  unb  be«  Familienleben«. 
3n  55erbinbung  mit  bem  (Sinn  ber  SSerc^rung  ober  ber  Religio* 
fität  ift  er  bie  ©runblage  ftrehlicher  Vereine.  £)cr  (Sinn  ber 
Slnhänglichfeit,  abergläubifch  übertrieben  ober  mitjoerftanben,  liegt 
ber  f$recfli<$en  (Sitte  jum  ©runbe,  bajj  bie  inbifc^e  Söitttoe  fich 
überreben  läfet,  mit  ber  Seiche  ihre«  ©atten  oerbrannt  ju  toerben. 
SBa«  totr  ftreunbfchaft  in  ber  eigentlichen  ©ebeutung,  menfchlichc 
^reunbfehaft  nennen,  ift  etwa«  anbere«  unb  ettoa«  mehr,  al«  bie 
Shätigfett  uufere«  „nteberen"  (Sinne«  ber  ^nhängli<hfeit.  33ei 
ber  ftreunbfd;aft  mujj  gur  SC^ätigfeit  biefe«  «Sinne«  auch  eine  gc* 
toiffe  Harmonie  ober  Uebereinftimmung  ber  übrigen  (Sinne  Inn* 
jufommen;  bodj  befteljt  biefe  Uebereinftimmung  nicht  in  ber 
<$  l  e  i  ch  h  e  i  t  ber  ßharafter$tige :  im  ®egentheil,  too  ba«  <S  tr  e  ng  e 
mit  bem  garten,  'too  <Starfeö  ftd?  unb  2JHlbe«  paarten, 
ba  giebt  es  einen  guten  $lang.  3Mefc«  Sßort  unfere«  dichter« 
gilt  nicht  blo«  oon  ber  ehelichen  ^reunbfehaft,  fonbem  auth  bon 
ber  greunbfehaft  überhaupt.  —  Ü)ic  j&eit,  ^reunbfehaften  ju 
fchltefjen,  ift  bie  Sugenbjeit:  e«  liegt  i)kx  ein  allgemeine«  ®efefc 
au«  ber  (Seifte«*  unb  Organenlehre  jutn  (Sntnb.  SfiMe  ba«,  toa« 
toir  in  ber  Sugenb  gelernt  haben,  un«  biet  f efter  unb  beffer  bleibt, 


Digitized  by  Google 


160  @i«e  «orlefung  über  ^rcnofogie. 

* 

af«  ba«  im  fpäteten  Seben  (Metntc,  fo  ift  au$  bie  in  bet  3ugenb 
geföfoffene  ftteunbfctyaft  bie  feftefte.  2J?an  barf  bet  Sugenb  bcn 
föatlj  geben,  Wo  nnb  h)ie  fie  fönne,  ftteunbföafteu  ju  fd&üefeen. 
£at  man  bie«  in  bet  Sugcnb  berfäumt,  fo  läfet  e«  fi#  im  faäteten 
hieben  f$Wct  nad^jolen. 

£)ie  ^tenofogte,  wie  fie  fo  manche«  menfd&fid&e  SRät^fel  loft, 
fucbt  audj>  bie  «etfcbiebenfjeit  be«  Gtjataftet«  bet  beiben  ©e* 
fctyfed&tet  butc$  bie  betriebene  Stätte  bet  einzelnen  Sinne  gu 
etftäten.  ©et  Sinn  bct  ^inbetliebe  j.  Sd.  ift  butdrfc$mttli<$ 
ftätfet  bei  ben  Stauen,  bet  Sinn  be«  Sefbftgefüfyf«  bei  ben  2)?än* 
nctn.  SSom  Sinn  bet  2lnljängtt<$feit  behaupten  bie  'pljtenologen, 
bafc  et  butcfyfdjnittficfy  bei  ben  Stauen  ftätfet  fei.  ÜHefe  $3e= 
fyauptung  betufjt  gewtfc  auf  SZÖafytfjeit.  95Mt  fennen  ja  bie  aufcet* 
otbentlid&e  Snnigfeit,  mit  bet  bie  fttauen  gewöljnli($  an  ben 
©cgenftänben  ifytet  3une*pn9  Rängen.  £>et  tyocfyfjetjigfte,  lieb* 
teicbfte  3)*ann  ift  felbftfüd&tig  in  bet  Siebe,  im  3Betglei<$  jut 
fttau.  ©et  SDZann  fann  lieben,  abet  et  tfnit  e«  mit  einem  ge* 
toiffen  @goi«mu«,  mit  einem  £inblidf  auf  fi$  felbft:  wenn  abet 
eine  $tau  tljte  Siebe  fäenft,  fo  tljut  fie  e«  bon  ganjem  £et$eu 
unb  bon  ganjet  Seele.  2Öet  bie  ftteunbfcfyaft  einet  fttau  ge- 
wonnen, fann  ficbet  fein,  in  bet  Sa$e,  in  bet  fie  ifmt  bient, 
ben  Sieg  babon  ju  ttagen. 

9ta$  biefen  (£tläutetungen  übet  ben  Sinn  bet  $lnJjängtid>- 
feit  geljen  wit  ju  unfetet  ^weiten  $tage  fott,  gut  ^tage  nacfy  bcm 
Dtgan  biefe«  Sinne«.  3öit  fennen  beteit«  "bie  Stelle  biefe« 
Dtgan«  am  £intetfopfe.  (S.  bie  Umtiffe  S.  169.)  $)et  £intet* 
fopf  im  (fangen  läjjt  ft<$  in  jtt>ei  ^äfften  Reiten,  eine  obete  unb 
eine  nntete.  £)ie  obete  £älfte,  ungefaßt  bie  Stelle  be«  foge* 
nannten  £aatwitbel«  unb  etwa«  weitet  abwärt«,  befd&äftigt  un« 
Ijiet  nicbt,  fonbctn  nut  bie  untete  $>älfte.  £)ie  meiften  9ttenfcben 
tyaben  an  bet  fnntetften  unb  untetften  Steüe  be«  §intetfopf« 
eine  (feine,  bo<$  metfli<$e  tnod^enet^o^ung,  welche  genau  bie 
(Stenge  gwif<$en  £tntetfopf  unb  £al«  obet  Untetfopf  (bet  un« 
fytet  aucfy  nicfyt  befcfyäftigt)  begeicfynet.  SSon  biefet  (Stenge  an  auf* 
Wätt«  geregnet  l)at  nun  bie  untete  ©äffte  be«  ©intetfopfe«,  mit 
bet  Wit  e«  l)ier  gu  tljun  fyaben,  ungefäljt  bie  öteite  t>on  3  obet 


Digitized  by  Googl 


(Sine  berief  ung  über  qtyrenofogie.  161 

oier  Ringern  unb  toagrccfyt  fang«  ber  §al«grcnse  nicfyt  gang  bie 
l'änge  einer  £anb.  Sotten  toir  nun  btefe  $opfftellc  in  tyrer 
(Jnttoicflung  fennen  lernen,  fo  legen  toir  bie  fyoljle  £>anb  auf  bie* 
felbe,  ni$t  oon  unten  naety  oben,  fonbern  toagredjt,  unb  nu$t 
mit  au«gef  preisten,  fonbern  mit  (ofe  jufammcngelegten  Ringern, 
unb  fuetyen  nun  burefy  toicberfyolte«  toagredjte«  §in*  unb  £>er* 
betoegen  oermittelft  ber  toeiefy  aber  fatt  aufgebrüeften  inneren  Ringer* 
fläzen  burety  ba«  Äopffjaar  fyinburcfy  eine  5lnfdjauung  oon  ber 
$opfgeftalt  ju  getotnnen.  Slnfang«  nun,  bei  ben  erften  Äftpfen, 
bie  toir  betaften,  Ijaben  toir  nod&  fein  Urt^cit  über  bie  fragliche 
Äopfftelle  unb  toiffen  nid^t  ju  fagen,  ob  biefelbe  ftarf  ober  fd>toacfy 
enttoicfelt  fei:  benn  toir  fennen  noefy  feinen  Unterfctyieb,  au« 
beffen  tenntnig  erft  ein  Urtfyeil  tycroorgeljt.  ©o$l  balb  aber  — 
jenaetybem  ber  gufaU  im«  $&pfc  unter  bie  £>anb  bringt,  — 
fangen  toir  an,  im«  gu  tounbem,  toie  bie  ftopfgeftalt  an  jener 
Stelle  fo  feljr  oerföteben  ift.  2öäf>renb  jtoar  bie  meiften  #b*pfe 
eine  mcfjr  ober  toeniger  mittlere  (Snttoicflung  jeigen,  finb  einige 
toenige  an  jener  Steile  fefyr  fcfytoacfy  enttoicfelt,  feljr  flad>,  anbere 
fefyr  ftarf  enttoicfelt,  fcljr  au«getoi>lbt,  unb  unter  ben  festeren 
geigen  toteber  bie  einen  eine  fptfce  (fcfymale),  bie  anberen  eine 
breite  9lu«toölbung.  ^tc  ^renologie  belehrt  un«  nun,  bafj 
an  jener  Stelle  3toei  Organe  liegen,  ba«  ber  Äinbcrliebe  in  ber 
9Jtttte  unb  ba«  ber  9lnljänglia)feit  311  beiben  Seiten.  3ft  jene 
gange  Stelle  flacfy,  fo  finb  biefc  beiben  Organe  Hein,  bei  ber 
fpifecn  ober  fd) malen  2lu«toötbuug  ift  nur  ba«  Organ  ber 
toberliebe,  bei  ber  breiten  auety  ba«  ber  Slnfyänglictyfeit  grofj. 
Soffen  toir  aber  fyier  blo«  ben  Sinn  unb  ba«  Organ  ber  Smfyäng* 
lic&feit  in«  Sluge  unb  formuliren  ben  Safc  ettoa«  genauer  fo. 
3Btr  finben  ben  3ug  ber  3lnfyängüc$feit  bi«toeilen  fefyr  ftarf, 
biStoeilcn  feljr  fefnoad),  in  ben  meiften  fällen  in  mittlerer  Stärfe 
oorljanben,  ebenfo  finben  toir  jenen  Xfyeil  be«  £rinterfopfe«, 
toclcfyen  bie  Phrenologie  al«  bie  Stelle  be«  Organ«  ber  9lnljäng= 
licfyfeit  bejeicfynet,  balb  ftarf,  balb  fcfyroaa?,  in  ben  meiften  fällen 
mittelmäßig  enttoicfelt.  253enn  toir  nun,  toie  toir  au«  Dielen 
(^rünben  tfmn  müffeu,  oon  allen  fällen  mittlerer  Stärfe  fotooljl 
jene«  eijarafterjug«  al«  jener  topfftetle  abfegen,  unb  nur  bie 

SdK.uc,  ^rcnolofltfdje  Silber.  3.  «uff.  11 


Digitized  by  Google 


162  Gine  SJorrcfting  üb«  ^renofogic. 

ftäfle  ber  entföieben  ftarfen  ober  ffyoac$en  (Sntancftung  im  $ugc 
begatten,  fo  jagt  un«  bie  "^renotogte,  baß  ofme  Bittitafytic  in 
aHetl  ptfen  bic  ftarfe  (Snttoicflung  be«  Gtyarafterjug«  mit  ber 
ftarfen,  unb  bie  fcfyioacbe  (Sntnricftung  bc«  Gifjaraftersug«  mit  ber 
fc^ma^en  (gnttoicftung  ber  ^opfftette  jufammenfäflt,  unb  fie  grünbct 
auf  biefe  au«nafym«(ofe  Uebereinfttmmung  ben  <Sd)tufc  unb  bie 
Söetyauptung,  bafe  iencr  ®etjirntl)etf  ba«  Organ  jene«  Gtyarafter- 
jug«  ift.  ©tauben  <Sie,  bereite  Slntoefenbe,  nic^t  biefer  öe= 
Häuptling  ber  ^Phrenologie,  —  n?o  man  miffen  fann,  foll  man 
nidjt  Mo«  glauben,  —  fonbern  prüfen  @ie!  ftinben  «Sie  einen 
einigen  goß,  h>o  jene  behauptete  Uebcreinftimmung  ättMfdjen 
(^^arafterjug  unb  topfgeftatt  nicfyt  bor^anben  ift,  fo  haben  «Sie 
bamit  bie  Unroafyrfyett  ber  ^renotogie  barget^an. 


Oppofttat,  „$ampffinn",  tfage  be«  Organ«  (5),  SBeran* 
f^autic^ung  burd?  Äopfabgttffe. 

©atf  lam  auf  eine  eigentümliche  Steife  jur  (Jntbecfung 
biefe«  Sinne«  unb  Organ«.  35on  feinen  umfaffenbeu  ß^arafter» 
ftubien,  toorin  er  wahrhaft  grofc  ift,  ^aben  £)ic ,  treibe  bie 
^P^renotogic  nicht  tennen,  feine  2U)nung.  (5«  genügte  ihm  nicht, 
jum  3roecfe  biefer  (Stubien  Schulen,  ©efängniffc,  3rrenhäufer 
$u  befugen,  fonbem  er  pflegte  Öeute  au«  ber  niebeten  (Haffe 
ber  ®efeüfc$aft  unb  oon  ber  (Strafe  meg,  bei  benen  fia>  getoöfyn* 
lieh  bie  S^arafterjüge  am  natürlichen  unb  ungefchmtnfteften  au«- 
fprechen,  ßutfcfyer,  iöebiente  k.,  in  ziemlicher  3a^(  in  feiner  Soh* 
nung  ju  bcrfammeln,  unb  nac^bem  er  bic  Seutc  burdj  (^elbge* 
fc^enfc  unb  Söein  ^traulich  unb  gefprächtg  gemalt,  fragte  er 
fie  über  ba«  au«,  loa«  fie  gegenfcitig  über  ihre  guten  unb  fcfylim= 
men  (Sigenfchaften  ju  fagen  urnftten.  £)abei  fam  einmal  bie  föebe 
barauf,  bafj  fich  (Sinige  i^re«  Sftutye«  unb  ihrer  Strettluft  rühmten, 
mährenb  Slnbere  ihrer  ftriebferttgteit  ober  ^urcfytfamfeit  falber 
berfpottet  waren.  ®atl  ftellte  bie  ftreitluftigen  Scanner  jufammen 
unb  ebenfo  bie  ^ftiebferttgen ;  biejenigen,  bei  benen  toeber  ber 
eine  noch  ber  anbere  3U3  fyeroortrat,  tief  er  unbeachtet.  Grr 


Digitized  by  Google  i 


I 


eine  ©orfefung  Über  $&ren©Iogie.  163 

fanb  nun,  bafe  bei  aller  fonftigen  93erfa)iebenfyeit  bte-  Äöpfc  ber 
©treitfücfytigcn  fid^  baburefy  auszeichneten ,  bafe  fic  hinter  bem 
oberen  £fjett  be$  OljreS  breit  unb  ooll  maren,  mäljrenb  bie  $öpfe 
ber  {^rtebfertigen  an  berfetben  Stelle  fdjmal  unb  fladt)  erfdjienen. 
®all  faßte  ba^er  bie  Sßermutljung ,  bafj  an  jener  «Stelle  be$  ®e* 
fytrn«  ein  Organ  be8  ftampfftmtö  ober  be«  Üftutfyeä,  ober,  ttrie 
er  e$  anfangt  unrichtig  nannte,  bc$  SKauffinn«  liege.  $)icfe  SBer* 
muttjung  jeigte  ftdt)  balb  al«  begriinbet :  ber  Sinn  unb  ba«  Organ 
finb  erliefen. 

©ei  ber  £)arftellung  be«  „Äatnpffinn*"  trennen  totr  mteber 
bie  ftrage  naefy  bem  <Sinn  fetbft  bon  ber  ^rage  naefy  bem  Organ. 
SBtr  fragen  juetft,  abgefetyen  oom  Organ:  Ijat  ber  ÜWenfcty  einen 
felbftftänbigen,  *on  allen  übrigen  ©innen  getrennten  Äampffimi 
ober  Sinn  beö  SDhit^c«  ?  Dajj  bie  frühere  ®eifte$leljre  oon  einem 
folgen  Sinn  nidt)t$  loufcte,  ift  unä  befannt.  £)te  Grrfaljrung  ba* 
gegen  läßt  un«  biefen  Sinn  als  einen  felbftftänbigen  feicfyt  ba^ 
burd?  erfennen,  baß  berfelbe  bei  £ljieren  unb  bei  üflenfe^en  in 
ber  Stärfe  unabhängig  bon  allen  anbem  (Sfjarafterjügen  ge* 
funben  toirb. 

Unter  ben  £fneren  fyält  man  getoöljnlicty  bie  fleifcbfreffenben, 
bie  föaubtfn'ere,  für  mutiger,  al«  bie  pflanjenfreffenben ,  b.  Ij. 
man  feitet  nadj  ber  alten  SlbleitungSiueife  ben  2JJutf;  oon  ber 
Oftgenfäaft  be«  ftleifcfyfreffenS  bei  ben  Stieren  Ijer.  £>ie«  ift 
irrig.  £er  Söolf  j.  ©.  ift  fura^tfam ;  menn  tyn  niety  ber  äufeerfte 
junger  treibt,  fliegt  er  bor  ber  geringften  ®efafyr.  $)er  mächtige 
£iger  fliegt  oft  *or  bem  ©üffel.  £aum  fielet  eine  $eerbe  Jöüffel 
ben  £iger  ljeranfd)tei$en,  fo  ftellt  ft$  ber  «Stier  ooran,  um  mit 
iljm  gu  fämpfen,  unb  fiegt  geto&ljnlidt).  ©ei  einer  Xljierljefce  in 
SÖten,  erjäljlt  ®all,  fotlte  ein  $irfc$  mit  einer  ßöroin  fämpfen; 
fofrie  bie  Sötern  auf  iljn  losging,  fprang  er  auf  fie  ju  unb  jer* 
trat  tljr  bie  «Seiten  mit  feinen  §ufen,  ba§  fie  an  tljren  Sßunben 
ftarb.  Sflancfye  fleifcfyfreffenbe  £§tere,  mie  g.  SQ.  ber  Xljurm* 
fatfe,  alte  Hrten  be$  ^euntöbter*  u.  a.  finb  mutljtg  unb  ftreit* 
(uftig,  ber  große  Söei^e  ober  £>ütjnergeier  bagegen  fo  furdt)tfam, 
baß  er  bor  SRabcn  unb  föcäfyen  fliegt.  $)er  föabe  ift  feljr  mutljig. 
Unter  ben  flehten  ^aget^ieren  ift  feine«  bem  §amfter  an  SMutlj 

11  • 


Digitized  by  Google 


164  <5ine  »orlefung  über  ^brenofogie. 

unb  93ert»egenfjeit  gleich,  mäfjrenb  ba«  $kerfd;mein$cn  oon  gleitet 
®röfee  fefyr  friebttd^  unb  furdjtfam  ift.  Kein  Xfyicr  ift  mutiger 
al«  bcr  $atyn,  cm  pflanzen feeffenbe«  Xfyter. 

<3o  ungleich  ftart  ift  ber  9Jhttlj  bei  ben  oetf$iebenen  Xljictcn, 
fo  unabhängig  bon  jebem  anbeni  ßljataftetjug.  3a  btefe  Un* 
gletcfyljeit  finbet  fiefy*  fogar  bei  gieren  oon  übrigen«  gleichem 
@tjarafter.  @«  gtebt  j.  33.  große  unb  Keine  Jpunbe,  bie  fcl?r 
mittag  unb  ftreitlufttg  finb,  unb  felbft  CSbcr  unb  ©tiere  mütljenb 
angreifen,  anbere,  bie  furcfytfam  finb,  unb  allem  Kampf  au«* 
meinen.  Gr«  giebt  23ikfc,  SBibber,  (Stiere,  Küfye,  Üaubcn,  Kana* 
rienbögel  u.  f.  to.,  bie  unaufhörlich  ftreiten,  anbete  Spiere  ber= 
felben  9lrt,  bie  metyr  ober  »eiliger  friebfertig  unb  furttytfam  finb. 

(5ben  biefelbe  Unabfyängigfeit  be«  Kampfftnn«  ober  be« 
9)iutf?c*  oon  alten  anbern  (Sfyatafterjügen  finben  mir  beim  3Kenfd;eu 
miebet.  3ttan  Ijat  ben  2flutf>  bom  ®eift,  oom  latent  ableiten 
motten,  unb  gemeint,  ein  gcifrooller  2ftenfcf>  metbe  au$  mutfyig, 
unb  ein  geifttofer  furcfytfam  fein.  SWein,  benn  ebenfo  oft  mirb 
ein  getftoolter  9)Jenfdj  furcfytfam  unb  ein  gciftlofet  ututytg  ge- 
funben.  (Sbenfo  menig  tagt  fi$  bet  2)hitl;  bon  ben  motaltfcfyen 
(Sigenfcfyaften,  ber  65cmiffeu^aftig!cit,  bcr  SReligiofität  :c.,  ableiten. 
(im  eblcr,  tctigi&jcr  ÜDfenfcfy  ^nn  füljn  unb  mutljig,  aber  er 
fann  auefy  furdjtfam,  unb  ein  faftetfyafter  9J?enfcfy  fann  mutln'g 
fein.  Slua)  au«  bem  £tol3  ift  bet  2Äut$  nicfyt  abzuleiten:  ein 
ftoljer  aJicnfc^  bim  furd)tfam  unb  ein  bemütfyiget  fann  mutljig 
fein.  2lu<$  Körpergröße  ober  Körperftärfe  ift  nidjt  bie  ®runblagc 
be«  flftutlje«.  ($rope  unb  ftarfe  üftenfdjen  merben  oft  meniger 
mutln'g  gefunben,  at«  förperlid?  fd)mä$cre,  obmoljl  natürlich  Kör* 
perfraft  jur  Sleu&erung  be«  SDhitlje«  beitragen  fann.  2luc$  au« 
bem  ®ef<$le($t  ift  bcr  2)?utl>  m$t  ju  erflären:  bcr  3)?ann  ift  in 
bcr  töegel  mutiger  af«  ba«  Sßeib,  aber  in  mannen  gfcaueit  ift 
bcr  Sttutlj  bi«  gur  ßiebc  an  Kämpfen  unb  ©<$la<$ten  cntmicfelt 
gefunben  toorben.  £acitu«  ermähnt  in  feiner  <äef$i$te  be« 
Krieg«  bon  Skfpafian  unb  SBitelliu«,  baß  fclbft  grauen  ftcfy  in 
bie  Söurg  mit  emfcf  (offen  unb  ben  Krieg  mitmachten.  Unter 
biefen  mar  bic  bcmetfen«n>ertf?efte  SBerulana  ®racilia,  eine  ftrau, 
bie,  mie  £acitu«  fagt,  nidjt  Kiubern,  gamilie  noety  SSertoanbten 


Digitized  by  Google 


eine  SJorfefung  ü&cr  ^renologie. 


anfing,  fonbern  einjig  bem  Kriege.  <5«  finb  au«  ben  grogen 
SRapoIeonifdbcn  Kriegen,  unb  aud^  nueber  au«  ben  jüngften  Kriegen 
gätte  Mannt,  baj?  grauen  au«  9ttutfy  unb  Äampfluft  fidj  in 
2ttännerfleibern  ben  Sotbaten  anfctyloffen  unb  an  SRuty  ben 
mutytgften  Männern  nu$t  na#anben.  Sbenfo  ift  ber  2Rut^ 
unabhängig  bom  £eben«aüer  be«  2Renfd&en.  ©ertranb  bu  ®uc«* 
clin,  Sonnetabte  bon  granfreid;,  feinte  fid^  oon  ber  garteften 
3ugenb  an  nur  nadj  $ampf.  (5r  bifbete  au«  ttnbern  feine« 
SKter«  ein  Regiment  unb  ftettte  e«  in  Sdjtadjtorbnung.  (£«  giefct, 
fogte  [eine  SDhittcr,  feinen  ungerateneren  Hungen  auf  ber  SBeft, 
er  ift  immer  berttnmbet  unb  im  ®eftcfyte  jerfratst,  immer  geprügelt 
ober  trüget  au«t$eifenb. 

3)?it  einem  Sorte  a(fo,  menn  toir  einen  Üttenföen  naety  aßen 
feinen  übrigen  @fyarafter$ügen  genau  fennen,  loenn  nrir  nn'ffen, 
oB  er  tafentbofl  ift  ober  nid?t,  ftotj  ober  ba«  ©egentfyetf,  retigiö« 
ober  ni$t  u.  f.  to.,  fo  miffen  nrir  bamit  ntctyt  jugleicfc,  ob  er  mefjr 
ober  toeniger  mutfjig,  ober  mefyr  ober  weniger  furd&tfam  ift ,  unb 
ebenfo*  umgcfefyrt,  menn  nrir  ba«  2fla&  be«  2Wutf;e«  in  einem 
attenfefcn  fennen,  fo  nriffen  u>ir  bamit  noa?  nic$t«  bon  feinem 
übrigen  (Sljarafter. 

%i\o  bie  jtoeite  Sftottj  für  unfer  ©ebäcfytnif;,  bereite  5ln* 
loefenbe,  über  ba«,  n>a«  nrir  au«  bem  heutigen  Vortrag  9ßeue« 
gelernt  hätten :  fo  nrie  ber  Sinn  ber  3(tü)äng(i$feit,  fo  ift  aud) 
ber  $amj>ffinn  ober  ber  Sinn  be«  üDJutlje«  ein  befonberer,  felbft« 
ftänbtger,  bon  aßen  übrigen  getrennter  Sinn  im  9ftenfcfyen. 

20?an  fyat  mtcfy  oft  gefragt,  nrie  nrir  un«  biefe  Trennung 
ober  Selbftftänbigfett  ber  Sinne  unter  fi<$  erflären  fotten? 
£)cr  menf<$lic$e  ®cift,  fagt  man,  ift  unrettbar  Sin«:  nrie  fann 
er  aber  Sin«  fein  unb  bo$  berfd&iebene  unter  fi<$  getrennte 
Gräfte  fyaben?  anttoorte:  bie  Trennung  unb  Sefbfrftänbig* 
feit  ber  inneren  Sinuc  unter  fia)  ift  eine  naturttriffenf<$aftlic$e 
£fyatfa<$e,  baburety  bettriefen,  baf?  ein  innerer  Sinn  ftarf,  unb 
baneben  ein  anberer  fdjtoacfy  fein  fann.  Sine  ttrirfttctye  (Srftärung 
für  biefe  £ljatfad?c  giebt  e«  nic^t  unb  fann  e«  ntcfyt  geben :  benn 
feine  naturnriffenfctyaftlicfye  £fyatfa#e  fann  erffärt  toerben.  3n« 
innere  ber  Statur,  fagt  £aüer,  bringt  fein  erfdntffener  ®eift. 


Digitized  by  Google 


166 


(Sine  SJcrlefung  üfcer  ^Phrenologie. 


2öir  roiffen  nicht«  »om  Söefen  be«  menf  glichen  Reifte«,  mir  be* 
greifen  roeber  feine  Gtinhett,  noch  feine  2)?annichfaltigfcit  in  ber 
(Sinhett,  ebenfo  wenig  al«  mir  irgenb  fonft  ein  Ding  ober  eine 
$ljatfad?e  bet  9ktur  begreifen.  2ftan  ftellt  rooht  neben  eine  &hats 
fache  eine  anbere  ähnliche  Xf)at\aty  nnb  nennt  bie«  ein  (5t* 
Hären,  toa«  e«  nicht  ift.  2tfan  fagt  5.  SB.:  ba«  Sinken  bc« 
<£tfen«  bürde)  ben  2ttagnct  wirb  baburd?  erftärt,  baß  ber  Stein, 
ben  mit  in  bie  £itye  werfen,  lieber  herabfällt:  tote  bie  (£rbc 
ben  Stein  angießt,  fo  ber  Magnet  ba«  (Sifcn.  Oft  ba«  eine  <5t= 
ftämng  ber  ^iijie^img  be«  £ifen«  burch  ben  2)fognet?  ®emiß 
nicht :  e«  ftnb  smei  neben  cinanber  gcftellte  unerflärte  J^atfacben. 
Da«  ©unber  bleibt  für  un«  immer  unb  überall  flehen.  Uebri* 
gen«  eine  folcfye  fo  genannte  Grrflärung  ^aben  mir  auch  für 
bie  Trennung  nnb  Selbftftänbigteit  ber  inneren  Sinne:  nämlich 
bie  änderen  Sinne  in  ihrer  Trennung  nnb  Selbftftänbigfeit.  3öic 
bie  Sehfraft  unb  bie  §örfraft  unter  ficr)  getrennt  unb  felbft* 
ftänbig,  unb  boch  in  ber  Einheit  be«  (Reifte«  ju  einem  r>erbunbcn 
ftnb,  ä^nlic^  fo  ftnb  auch  bie  inneren  Sinne  unter  ftch  getrennt 
unb  bo<h  in  ber  Gruujeit  be«  Reifte«  ju  Grtnem  oerbunben. 

9coch  einige  Sorte  jut  S3eranf^aulic^ung  ber  ©runbbe* 
beutung  be«  tampffinn«.  Derfelbe  ift  in  gehörigem  2tfaß  ein 
fe^r  mefentlic^er  3ug  be«  mcnf^li^en,  befonber«  be«  männlichen 
ßlj<rcarter«.  Ucberall  im  2eben,  in  flehten  unb  in  großen  Dingen, 
geigen  fich  §inbemiffe,  bie  ju  befämpfen  unb  burch  tampf  ju 
überminben  finb.  3ttan  fann  nicht  fetten  Sftenfchen  finben,  bie 
SSerftanb,  ©eift  %abmf  aber  im  33erhältniß  baju  boch  nur  roenig 
würfen,  roeit  fie  bor  jebem  Siberftanb  ju  leidet  äurücfmeichen, 
meil  ihnen  ber  Sttuth  jum  ©irfen  fehlt.  Unb  je  höher  bie 
Stellung  ift,  bie  ein  üflenfeh  einnimmt  ober  einzunehmen  ftrebt, 
befto  mehr  bebarf  er  be«  SDhtthc«.  Denn  gerabe  bei  SBerfolgung 
ebler,  großer  3toe(*e/  M  ©eförberung  menfehlicher  Sohlfahrt, 
bei  SSertretung  ber  Wahrheit  ift  oft  ber  ©iberftanb  am  größten, 
unb  ber  tampffmn  muß  ben  üDknn  mit  jener  Kühnheit  befeeten, 
bie  ihn  befähigt,  mit  Unroiffenhcit,  93orurthcil,  Schlechtigfeit  in 
bie  Staufen  ju  treten  unb  ben  tampf  fiegreich  ju  beftchen. 

Oft  ber  Äampffinn  in  einem  2ttenfchen  bor  ben  höheren 


(Sitte  SJorlcfung  über  ^rcnologic. 


167 


(Sinnen  aßju  ftarf,  atfo  bon  biefen  nt^t,  hrie  er  fett,  $u  Ijöljeren 
3t»ecfen  gefeitet,  fo  Ijat  er  niebere,  unebte  ©treittuft  jur  ftolge. 
jDer  (Streit  nnrb  bann  um  be«  ©treite«  mitten  gefugt.  Sotd^e 
ätfcnfcfyen  finb  jene  emigen  Söiberfacfyer,  bie  immer  nnb  über 
Sitte«  Ijabern  nnb  ftreiten,  ftcfy  mir  im  (Streit  tooljl  füllen,  eine 
Öeibenföaft  für'«  Streiten  tyaben  (Ärafefyler). 

3n  ber  3ugenb,  bei  fprubelnber  $  Srperfraft,  ift  ber  $ampf* 
finn,  menn  er  grojj  ift,  loie  überhaupt  bie  nieberen  «Sinne,  manefy* 
mal  ganj  befonber«  ttyätig.  2Betd&e  £eibenf$aft  Ijaben  btelc 
Snabcn  für«  kaufen!  ©efannt  finb  bie  bieten  £)uefle  ber  @tu- 
benten,  bie  feinc«tt?eg«,  tote  man  motyl  gegtanbt  Ijat,  bto«  eine 
«Sactye  ber  2ttobe  ober  be«  £erfommen«  finb.  3$  fyatte  noefy  auf 
ber  (S^iUe  einen  ftreimb,  einen  Merjelmiäfyrigeu  3nngen,  ber  mir 
einmal  fagte,  e«  treibe  Ifyt  bajn,  bei  abenblicfyen  ® äugen  bur<$ 
bie  ©trafen  irgenb  men  mit  ©erlägen  anjufallen,  um  nur  feine 
unbejnungtid&e  «Streitluft  ju  befriebigen.  «Später  auf  ber  Uniber* 
fität  beftanb  er  eine  grofce  3^  bon  Duetten,  unb  ift  noefy  freute, 
menn  auefy  natürlich  in  anbrer  Sßkifc,  ein  9Wann  be«  «Streiten«. 
(£«  oerfteljt  fiefy,  bafc  ber  Kampffinn,  mic  jeber  anbere  «Sinn,  ob* 
flleicfy  beim  $inbe,  beim  3üngling,  beim  Spanne  immer  ein  unb 
berfelbe  3ug,  fi$  boefy  in  ben  berfdn'ebenen  2eben«altern  auf  ber* 
fcfyiebene  Seife  tfyätig  jeigen  toirb. 

bon  öerlidnngen,  mie  tfm  ®oetfje  fd^tlbert,  bietet  eine 
fprecfyenbe  SBerfinnlicfyung  be«  Kampfftnn«.  £roJs  ober  bielmeljr 
gerabe  in  ftolge  alter  ber  ®efaljren,  tt>c(ct)e  ®b>n  im  Öauf  ber 
erften  bier  Slcte  be«  «Stücfe«  umgeben,  ift  er  Ijeiter  unb  frolj, 
unb  niebt«  ftctyt  ifyn  an.  Söie  er  aber  bie  Urfefybe  gef^moren 
fyat,  auf  feinem  (Scfyloffe  bleiben  foll  unb  feine  ®ef<$i$te  ju 
fd^reiben  aufgeforbert  nnrb,  fagt  er  ju  feiner  ^rau:  „9%  «Schreiben 
ift  ein  geftyäftiger  Sftüjjiggang,  e«  fommt  mir  fauer  an.  Snbem 
i<$  fdtyrctbe,  loa«  i$  getfyan,  ärgere  icfy  miefy  über  ben  23erluft 
ber  3e*1'  DCr  1$  enoa«  ttjun  fßnnte".  fennt  feine  anbere 
$ef$äfttgung  al«  kämpfen,  feine  anbere  giebt  iljm  (Senujj  unb 
©efriebigung.  ®öfe  ift  fo  ein  fprectyenbe«  Jöilb  be«  Sftittelatter«, 
gleid^fam  be«  Knabenalter«  ber  menfctyttctyen  ®efellf$aft,  Wo  man 
fiefy  raufte,  um  fiefy  ju  raufen.  3cfct  ift  bie  .gett'eine  anbere 


168 


ßinc  2?or(efung  über  ^I;reno(ogie. 


gerootben,  bei  SBctftanb  ift  meljt  in  ber  SWenfc^eit  etn>a<$t. 
2ftan  tauft  ft<$  nicfyt  mefjt,  man  fäutpft  ntefyt  getftig,  ober 
rcenn  man  fiety  tauft  —  toeiui  man  $tieg  füljtt,  —  fo  roiü 
man  toiffen,  toatum.  £)ie  üftenfcfcfyeit  batf  bet  3C^  entgegen* 
feljen,  n>o  fic  bem  setnünftigen,  gefitteten  üftanne  gleicht,  too 
ba$  kaufen  ganj  wegfällt. 

$loä)  meljt  als  in  ben  tetfcfyiebenen  ÖebenSaltetn  be$  3J?en- 
f$en  mitb  bet  tampffinn  na$  bet  23etf Rieben fycit  bet  übrigen 
geiftigen  Grigenfdjaften  fidj  Detfcfytebenattig  tljatig  seigen,  n>itb  bet 
©egenftanb  be$  kämpfen«  ein  oetftyebenet  fein.  3-  ^ 
gtofcem  Äampffinn  in  23etbmbung  mit  gtojjcm  @rttetb$finn  ent* 
fte^en  kämpfe  um  baö  9ftein  unb  £)ein,  obet  bic  Neigung  baju 
($tocejjfuc$t),  in  35etbinbung  mit  9teligiofität  fti&rt  bet  ßampf* 
finn  ju  teligiofen  @tteitigfeiten,  bet  ©elefytte  mit  gtofeem  $ampf* 
finn  neigt  ju  gelegten  8tteitigfeiten  Inn,  bet  Dichtet  mit  gtofeem 
$ampffinn  mitb  totjugömeife  ftiegetifcfye  ©ebicfyte,  bet  SWufifct 
tootjug&ocife  fticgetifcfye  üDhifif  lieben  unb  fcfyaffen,  u.  f.  m. 

Sftacty  bem  ®efagten  nntb  bic  ^ebeutung  bc$  ÄampffinnS 
3Ijnen  äiemltcfy  Hat  fein:  c$  ift  bet  tfyätige,  bet  actittc  ü)?utf), 
beweif e  et  fieb  nun  in  bet  ©cfyladjt  obet  im  Äampf  mit  ben  SBct- 
Ijaltniffen  be«  bebend.  @o  maten  £coniba«,  GolumbuS,  Öutfyet 
in  gleitet  Söeife  mutfjig  ju  nennen,  dagegen  fptictyt  man  aud> 
ton  einem  gteictyfam  paffioen  SDhtty,  $3.  einem  ÜJhitlj  im  @t= 
ttagen  bc$  Unglütfs.  Diefem  9Jhitl)  liegt  ni#t  bet  tampffinn, 
fonbetn  Stnbete«,  3.  «.  föeligtofität,  fteftigfeit  ic,  $um  ®tunbe. 

<S*  bütfte  nidjit  übetflüffig  fein,  iu'et  nod?  ein  pufig  gc= 
funbene«  ©tijfoetftänbnij?  ju  etmälnicn.  SBiete  t>etn>ed/feln  üttutfy 
unb  £apfet!eit  mit  einanbet  unb  meinen,  bet  ©olbat  mit 
gtogem  ftampfftnn  metbe  in  bet  (Schlad)*  tapfer  fein,  bet  mit 
flcinem  tampffinn  nicfyt.  SDte«  ift  fo,  als  wenn  man  fttommtg* 
feit  mit  Äitc^engcljen ,  2öoI)lrootlen  mit  Sttmofengeben  »etwcctyfctn 
Wollte.  $)et  SDfutlj  ift  ein  (S  Ij  a  t  a  f  t  e  t  j  u  g ,  bie  £apfetf eit  ift  eine 
$ a n b  f  ttttgftto elf t,  jtoei  fo  ganj  Betriebene  $)inge,  bo§  man 
feinen  nötigen  @$titt  in  bet  *|3ljtenologie  tfyun  fann,  ofyne  fic 
ftteng  au«  einanbet  gu  Ratten.  (Sin  (S^ataftetjug  ift  immet  (Sin« 
unb  £)affelbe,  abet  eine  £anblung«tocife  fann  feljt  »etfcfyie* 


(Sine  $orfefung  über  ^Ijrenofogie. 


169 


bene  Gtljarafterjüge  $ur  ®runb(agc  Ijaben.  9W$t  alle  ©otbaten 
finb  mutljtg,  aber  alle  ©olbaten  (in  bct  SRegel)  finb  tapfer:  bie 
e«  nictyt  au*  SWutfy  finb ,  finb  e«  au«  'tßflicfjtgefiifyf  ober  au« 
£etoftgefü^  ober  au«  ©eifaü«liebe  ,#  ober  au«  Wotytoenbtgfeit 


1.  2. 


«mtc.  (4)  fltoß,  Oppof.  (5)  grofj.  Kufe  fleiii,  C^of-  nein. 


8.  4. 


KttfC*  Hein,  £ppo\.  fltofe.  «mic.  ßtoj»,  Cppo\.  «ein. 


u.  f.  to.  SDie  ^l^renologie  tyat  eben  baburefy  ©erty,  bajj  fie  bic 
loatyren  $eu>eggrünbe  ber  Apanbtungen  nadjtoetft. 

Ueber  ba«  Organ  be«  ^amtffinn«  fann  id?  mit)  fe$r  fur$ 
faffen,  toeit  baoon  ba«  SRämttctye  gilt,  n>a«  t$  oben  beim  Organ 


170 


ßtne  SJorlcfung  über  ^renclogic. 


bct  91nfyängltcfyfeit  gefagt  Ijabe.  (<S.  bie  Untriffc  S.  169.)  9Zur  über 
bic  $(rt  ber  Unterfucfyung,  bie  eine  etma«  anbere  ift,  al«  bort,  ift 
©enige«  ^injujufügen.  ©äljrenb  ber  ju  Unterfucfyenbe  ben  topf 
in  natürlich  gcraber,  roeber  tor*  noefy  jnttiefgeneigtet  «Stellung 
Ijätt,  legen  nur,  hinter  feinem  (Stuljle  ftefyenb,  bie  (Spifcen  ber 
brei  mittleren  Ringer  beiber  §änbe  unmittelbar  über  bem  Öeljör* 
gang  auf  feinen  topf  auf.  Söir  bemegeu  bann  bie  Ringer,  fie 
immer  metc$  aufbrütfeub,  magrecfyt  naety  rücfroärt«,  bi«  etma  brei 
fingerbreit  hinter  ber  (Stcüe,  mo  mir  fie  juerft  aufgelegt  (tyinter 
bem  (S&eljörgang),  unb  ebenfo  uueber  na#  »ortoärt«,  unb  uueber* 
fyolen  bie«  §in*  unb  £erbemegen  brei*,  bier»,  fe$«mal,  bi«  mir 
un«  bie  topf  geftalt  brei  fingerbreit  (intet  bem®efyörgang  (bie  <Steüe 
be«  Organ«  be«  tampffinn«)  burety  ba«  t opfljaar  Ijinburcfy  jur 
beftimmten  Slnfcfyauung  gebracht  ljaben.  (Sir  müffen  un«  Ijicr* 
bei  bor  einem  f  eljler  fyüten,  ben  alle  Anfänger  machen,  beim  5öe* 
taften  In'nter  ba«  Ofyr  fyerab  31t  fommen:  bie  finger  müffen, 
wie  fie  über  bem  (Belj&rgang  aufgelegt  merben,  fo  naefy  rüefmärt« 
auf  ber  gleiten  £>elje  bleiben.)  £)cr  menfefyticfye  topf  ift  in  ber 
föegel  gcrabe  über  bem  (^efyßrgang  am  breiteten,  unb  mirb  a\U 
mälig  naefy  tn'nten  fc^mätcr,  ober  er  runbet  fidj  naefy  hinten  im 
£albfreife  ab.  ©enn  bie«  ber  fall  ift,  fo  ift  bie  Stelle  brei 
fingerbreit  hinter  bem  Vorgang  (Oppofital)  mittelftarf  entuucfelt. 
$9i«tt>eilen  aber  ift  ber  topf  an  jener  (Stelle  ebenfo  breit  ober 
fogar  no$  breiter,  al«  gerabe  über  bem  (SetyÖrgang,  bann  ift 
Oppofital  grojj  ober  fe^r  grofe.  fällt  bagegen  ber  topf  an  jener 
Stelle  feljr  fctymal  ab,  fo  bafe  ftatt  ber  föunbung  be«  £albfreife« 
eine  fläche  ober  fogar  eine  Vertiefung  erfc^eint,  fo  ift  Oppofital 
Hein  ober  feljr  flein.  (Scfyliejilicfy  bemerfe  icfy,  bafc  ba«  Stubium 
be«  Oppofital,  folool;!  ma«  ben  (Sinn  al«  toa«  ba«  Organ  betrifft, 
merflicfy  leitetet,  al«  ba«  be«  9lmicatal,  unb  baljer  bem  Anfänger 
bor  bem  festeren  gu  empfehlen  ift.  $Öir  fönnen  nicfyt  lauge 
3eit  mit  Semanbem  in  näherer  Söerüfyrung  fein,  oljne  ju  roiffen, 
ob  er  ein  Streiter  ober  ob  er  frieblicfyen  Sinne«  ift:  aber  biel 
leichter  tonnen  mir  un«  über  bie  <Stärfe  be«  f  reunbfcfyaft«gefüJ)l« 
eine«  9ftenf$en  tauften,  meil  biefe«  ftcfy  weniger  al«  jener  3ug 
in  ©orten  unb  §anblungen  au«fpri$t.    Semanb  mit  ftarfem 


(Sine  SJertefimg  über  ^renofogte.  171 


Secretat  ober  Spfotal  fSnntc  bem  oberflächlichen  Beobachter  (oft 
in  ber  ftreunbfchaft  fc^etnen,  mäljrenb  er  feljr  marm  ift. 


3$  habe  e«  oerfucht,  oerchrte  Slmocfenbe,  3^ncn  in  biefer 
einen  furjen  93orlefung  eine  Kare  Slnfchauung  oon  bem  SBefen 
ber  ^renotogie  31t  geben.  £)iefe  Aufgabe  mar  bei  ber  33ictfcittQ= 
feit  unferer  SBiffenfchaft  eine  fehr  fdnoierige.  Gr«  fam  barauf  an, 
nicht  Vielerlei  ju  bringen,  nicht  alle  cinjelncn  Söahrheiten  ber 
^^renotogie  Ofnten  vorzuführen,  bic  ja  in  fo  furjer  %e\t  nicht 
Ratten  flar  bargeftellt  merben  f&nnen,  fonbern  bic  Aufgabe  war, 
3^nen  bie  ©mnbtoafyrfyeit  ber  ^renologte  flar  vor  Sittgen 
ju  ftcllen.  £)iefe  ®runbtoahrheit  ift  bie  Selbftftänbigfeü 
ber  inneren  «Sinne.  £)ic«  ift  bic  3Öa^rt)cit ,  um  bie  fiel) 
imfcrc  ganjc  2öifj"enfd;aft  brer)t,  mit  ber  fie  fteljt  unb  mit  ber  fie 
fällt.  Sinb,  toic  man  bi«f)er  meinte,  bie  verriebenen  (Sharafter* 
jüge  be«  2)?enfchen  bic  einen  au«  ben  anbern  $u  erflären  ober  ab- 
zuleiten, fo  ift  bie  ^fyrenotogie  ein  Srrthum :  fyat  aber  ber  üftenfd) 
felbftftänbige  innere  Sinne,  welche  nicht  an«  einanber  erflärt 
ober  abgeleitet  werben  fßnncn,  fo  ift  bic  ^renotogie  eine  Söahr* 
*  $ctt,  ganj  abgefetyen  oon  allen  ihren  übrigen  Säfeen,  meiere  biefer 
SBa^eit  gegenüber  nur  eine  untergeorbnetc  Stelle  einnehmen, 
fragen  Sie  ba^cr,  bitte  ich,  nicht  nach  ben  bieten  fingen,  bie 
ich  ^eutc  ni ct> t  gegeben,  unb  bon  benen  Sie  vielleicht  erwarteten, 
bafc  ich  ftc  geben  mürbe  ober  geben  f elfte,  fonbem  fragen  (Sie  nur, 
ob  ba«,  wa«  ich  gegeben,  —  unb  ich  ^abe  ja  faft  nur  bon  ber  Sclbft* 
ftänbigfeit  ber  inneren  Sinne  gef proben,  —  3tynen  flar  geworben. 
SGBenn  biefe«  ift,  fo  barf  idt)  tynen  bcrfprcchcn,  bajj  um  biefe 
Sßa^eit  at«  um  ihren  SWittelpunft  alle  übrigen  SÖahrheiteu  ber 
s^rcnotogie  fich  leicht  unb  Aar  anreihen  merben.  freilich  ent» 
hält  bie  ^renotogie  biete  unb  verriebene  SSahrhettcn:  aber 
gcrabc  weil  bic«  ift,  fam  e«  barauf  an,  ein  gute«  unb  fefte« 
ftunbament  für  biefc  tenntniffe  jii  legen.  £eute  ^aben  mir  ben 
©runbftein,  ben  (Scfftem  jum  SScrftänbnife  ber  ^^renotogie  gelegt. 


Digitized  by  Google 


X. 


3)a8  SyJWm. 

Eig  xoiquvos  lotta! 


Sie  jebe  iRaturtmffenföaft  eine  mefenttitty  boppcttc  Aufgabe 
hat,  jucrft  ju  trennen  (9iaturgefdjichte,  9ßaturfel)re)  unb  bann  baö 
Getrennte  hiebet  im  einem  ®anjen  ju  vereinigen  (9?aturphifo* 
fopfu'e,  biefeS  ©ort  nic^t  in  ber  fpeculatioen ,  fonbem  in  ber 
naturtuiifenföaftti<$en  Jöebeutung  genommen),  fo  au$  bic  Reifte«* 
te^rc.  $)tefe  t^ut  bar,  bajj  ber  ®eift  neben  ber  (Stntyeit  eine 
loirfüc^e  SWe^eit  oon  Straften  ift,  aber  fie  hat  bann  bie  oft 
getrennt  nadjgetoiefenen  ®eifte«fräfte  wieber  gur  phUofophif<hc» 
(Sinhett  aurücfjuführen ,  wenn  man  null,  jum  ©Aftern  $u  ber* 
einigen.  £)a$  ©ort  Aftern  hat  eine  boppette  ©ebeutung:  e$ 
ift  3uf  anraten  ftcthmg  $u*  Qrinheit.  SDa  man  enttoeber  etma$  ©c* 
gebenes  unb  33orgefunbene$ ,  ober  aber  etwa«  ©elbftgemad?te£, 
etwa«  ®ebachte8  jur  (Sinheit  gufammenfteUen  fann,  fo  giebt  eö 
bem  entfprectyenb  naturnüffenfchaftüdhc  unb  fpecu(ath>*phüofophifche 
©fyfteme.  brauet  faum  bemerft  ju  »erben,  bafc  tuenn  i<$  in 
ber  bisherigen  ©arfteltung  bie  ©tyfteme  ate'fotctye  tabelnb  ber= 
ioorfen,  biefeä  ©ort  in  ber  (enteren  Söebeutung,  unb  menn  ich 
jefct  oon  einem  ©Aftern  ber  Phrenologie  fprectye,  baS  ©ort  in 
t>er  erfteren  ^9ebeutung  genommen  ift. 


2>ae  @pft«n.  173 

$to«  (Srgefcnifj  ber  Hoengen  ^ßftyctyologte  war  belegen 
bon  iefcer  ein  mutige« ,  Weil  bie  Speculation  bet  9fty$ofogie 
nietyt  bon  ber  (finfyeit  gur  wahren  ütfeljrljeit  gelangen  tonnte. 
9J?an  mm)  befennen,  ba{?  bem  gegenüber  ba«  (Srgebmfr  bet  Ij  r  e  = 
nologte  bi«l)er  tnfofem  ein  mangelhafte«  war,  al«  biefe  SSMffen* 
fcfyaft  bon  ber  9ftefyrl)eit  ni<$t  $ur  pljilofopljifcfyen  Grinljeit  gelangt 
ift.  $)amit  ift  jebo$  gegen  bie  ^Phrenologie  fein  £abel  au«ge= 
fproctyen;  benn  e«  war  gang  in  ber  @a<fye  begrünbet,  baft  bie 
ScfyiJpfer  ber  neuen  Söiffenfcfyaft  juerft  fammelten  unb  fic^teteu 
nnb  fctbft  ba«  ®efammelte  praftifcb  anmenbeten,  nnb  bafc  erft 
fpäter  ba«  ®an$e  jur  työtyeren  Sföiffenfc^aft,  jum  Aftern  vereinigt 
mürbe.  Obwohl  i$  batyer  ba«  Aftern  ber  Phrenologie,  ba« 
wahre  ©Aftern  ber  ®etftc«tehre,  juerft  aufgeteilt  ju  haben  glaube 
(qui  si  non  tenuit,  magnis  tarnen  excidit  ausis!),  fo  bin  icb 
boa?  gang  überzeugt,  baf  biefe«  ©Aftern,  bie  nothwenbige  gofge 
be«  einmal  betretenen  richtigen  Söege«  ber  Siffenfchaft,  früt?cv 
ober  fpäter  bon  Zubern  aufgeteilt  korben  wäre.  (3$  werbe 
mich  hierüber  im  gofgenben  feljr  furj  faffen  nnb  mir  bie  itfttylg« 
ften  ©runblinien  anbeuten.) 

$5er  (Seift  —  bie  bewujjte  Seele  —  ift,  wie  alle  Dinge 
ber  -Watur,  nicht  in  feinem  Sefen,  fonbetn  nnr  in  feiner  (fr* 
f Reinting  für  im«  erfennbar.  Die  Grrfcheinung  be«  Reifte« 
fallt  mit  feiner  Xfyätigtett  jufammen.  ($)cr  (Seift  ruht  aber 
im  Schlafe.  (£«  ift  ein  3rrtlmm,  wenn  man  glaubt,  bafj  ber  (Seift 
im  Strafe  ftet«  träumenb  tljätig  ift.  3n  ber  töeget  ober  im 
getoß^nti^en  3ufta»*>c  £räume  nur  beim  (Sinfchlafen  unb 

ermaßen  ftatt  (Ofen),  weil  bie  oerf^iebenen  <Seifte«berm&gen 
nicht  aöe  ju  gleicher  3eit  gur  föulje  ober  au«  ber  töuhe  jur 
^ätigfeit  fommen.) 

So  wie  ber  menfcfylicfye  ®6rper  ber  wiffenf^aftlic^en  23e* 
tradt)tung  jwei  Seiten  ober  ©ejie^ungen,  bie  anatomif^e  unb 
bie  phhfiologtfche,  barbietet,  fo  ift  auch  ber  (Seift  thetl« 
hinfichtlich  feiner  Organifation  ober  (Stieberung,  ober  in  ana= 
tomifc^er  SSejiehung  (wenn  man  ba«  33ttb  geftatten  will),  thetl« 
hinfichtlich  feiner  innem  Statur  unb  ©efchaffenheit ,  ober  in  phty5 
fiologifcher  ©ejie^ung,  gu  betrauten.    $)er  (Seift,  abgefefyen 


Digitized  by  Google 


174 


2>a«  ©öflem. 


oon  feiner  STfyätigfcit,  ift  in  ber  erfteren  JBejieljung,  bie  (Steifte** 
tätigtet t  ift  in  ber  leiteten  (Stegenftanb  ber  Untcrfucfyung. 

L  Die  Drgantfation  be*  (Steifte*  (ber  (Steift  in  anato^ 
mtfe^er  2te|tetyung)  läßt  fid^  jum  3roccf  ber  Söefcfyretbung  t>ietfcicbt 
am  Beften  mit  ber  ©rganifation  be*  menf$ü$en  Körper«  oer* 
gleichen.  @o  tote  ber  $Brper  ein  toefentüdj  einiger  nnb  untyeü« 
barer  ift,  aber  toefentlicfy  unterfcfyiebene  Steile  nnb  (SHieber  fyat, 
fo  ift  aud;  ber  (Steift  einerfeit*  ein  toefentlicfy  einiger  unb  untl)eü= 
barer,  anbererfeit*  aber  ein  in  fi<$  geteilter,  mit  toefentttefy  oer* 
fcfyiebenen  Vermögen  ober  Gräften  begabter.  Die  ©Kebe- 
rnng  be*  Reifte*  tä^t  fiefy  nicfyt  genau  mit  ber  äußeren  (SMieberung 
be*  Körper*  Dergleichen.  Denn  bie  änderen  ÄBrperglieber  (%xmc, 
^3eine)  fiub  toteber  in  fiety  felbft  abgeftuft  (Oberarm,  Unterarm, 
£>anb,  Ringer),  wogegen  bie  einzelnen  (Steifte*t>ermBgen  un  mittel* 
bar  in  ber  (Sintyeit  be*  Reifte«  unter  ftcfy  jufantmcnljängen. 

Die  ctnjelnen  (Steifte*oermBgen  finb,  ben  Streifen  be«  Körpers 
barin  gleid/enb,  in  il?rer  befonbern  @nttotcfetung  ton  cinanber 
unabhängig.  <§o  toie  im  einjelnen  ftalle  ein  ober  einige  ftBrper- 
tljeile  groß  ober  in  regelmäßigem  3uftan*V  cin  ^nbercr  ober  einige 
anbere  Hein  ober  in  unregelmäßigem  3uftanb  fcul  Wunen,  fo 
!ann  auefy  ein  ober  einige  (Steifte«\)ermBgen  ftarf  ober  in  regel- 
mäßigem 3uftanb,  ein  anbere*  ober  einige  anbere  fcfytoacfy  ober  in 
unregelmäßigem  3uf*anp  feul-  ®°  m  91u*nal)m*fällen  ein 
ober  einige  ÄBrpertfyeile ,  fo  fann  anefy  ein  ober  einige  (Steifte*^ 
oermBgcn  (toie  ber  äußeren,  fo  matjrfcfyeutficfy  audfc*  ber  inneren 
(Sinne)  gan$  fetten. 

II.  ©a«  bie  p  ^  f  i  o  1 o  g  i  f  cfy  e  Betrachtung  be*  Reifte«  ober 
bie  ©eifte*t^ätigfeit  al«  folc^e  betrifft,  fo  fommt  hier  toieber 
3toeierlei  ht  ftrage,  bte  S3ef chaf f  cnt)ett  unb  ber  ®rab  biefer 
2:§ätig!ett,  ober  biefe  Styätigteit  in  qualitativer  unb  in  quantt« 
tattoer  £inficht. 

A.  Die  «ef^affen^eit  ber  Gteifte&hätigfeit  ift  lieber 
enttoeber  mit  föücfficht  auf  bie  2^ättgfeit  ber  einzelnen 
(Steifte*oerm5gen,  ober  mit  föücfftcfyt  auf  bie  £t)ättgfeit  ber  (Steifte** 
oerm&gen  in  it)rer  ©efammtheit  gu  unterfuc^en. 

1.  Die  9ef$affeitfeit  ieber  einzelnen  ®eifte*thätigfeit 


175 


ift  eine  toefentßd}  br  et  fache,  ober  jebe  ®etfte«thätigfett  fann 
oon  breifachem  ®eficht«punft  au«  betrachtet  derben,  erften« 
infofern  fie  ein  Subject  hat,  feiten«  infofern  fte  ein  JDbiect 
hat,  unb  britten«  infofem  fie  bie  Bereinigung  be«  Subiect« 
mit  betn  Object  ift. 

a.  3nfofern  eine  ®eiftc«thättgfeit  ein  Subiect  hat,  ift  fie 
eine  empfinbenbe  J^ätigfcit.  3- ®-  Wh  empfinbe  bie  Regung 
ber  $hü)änglicfyfcit  an  3emanben,  bie  Regung  be«  SßMberftanbe« 
gegen  ^ßerfonen  ober  33erhättniffe  Oöppofital) ,  bie  SRegung 
be«  3UTürfhaften«  °^cx  Berbergen«  meiner  ©efüljtc  unb  (^ebanfen 
(Secretaf),  bie  SRegung  be«  Söunfche«  nach  ^öefife,  ober  be« 
Vergnügen«  an  bemfelben  (Stcquifital) ,  ich  empftnbe  bie  Regung 
be«  „Selbftgefühl«\  ber  „Berehrung",  be«  „©ohfooflen«",  ich 
empfinbe  enblidt)  (ber  Sprachgebrauch  fagt  hier:  ich  erfenne) 
bie  Berhättniffe  ber  Orte,  ber  ®  eftalten,  ber  Bahlen,  ber  Xbne. 

Stuf  gleiche  Söctfc  ift  bie  Xh^tigfeit  ber  Vermögen  aller 
äußeren  Sinne  ein  (Smpfmben,  obgleich  bie  Sprache  bie  einzelnen 
Sinne«thätigfeiten  oerfchieben  benennt. 

b.  3nfofern  bie  ©eifte«thätigfeit  ein  Ob  je  et  hat,  ift  fie 
eine  ertennenbe  ^ätigfett.  So  roic  nämlich  bie  äußeren  Sinne 
un«  t>or  Altern  bon  bem  £)  a  f  e  i  n  ber  SC ufj  tnto  et  t  $unbe  geben, 
fo  geben  un«  bie  inneren  Sinne  Äenntnij?  oon  ben 
BerhäCtnif f en ,  ^Beziehungen  unb  Sagen  ber  ÜDtnge 
unb  ber  üDtenfchen  $u  einanber  unb  ju  un«  felbft,  j.  38. 
oon  bem  SBerhältnijj  be«  ÜDienfdjen  gu  ben  ^erfonen  be«  anbem 
^efchlecht«,  ju  ber  tinbermelt,  bon  bem  Berhältnifc  ber  Spam 
nung,  be«  SBiberftanbe«  gegen  bie  anfämpfenbe  Slufeemoelt ,  bon 
bem  Berhältntfe  ober  ber  ©ejiehung  ju  ben  fingen  be«  Eefifce« 
unb  be«  flrigenthum«,  bon  bem  üBerhättnip  ober  ber  Sage  ber 
Gefahr  ((Sautat),  öon  ber  Sage  be«  ^öljerftehen« ,  ber  SBürbe, 
einem  ST^ett  ber  Slu&emoelt  gegenüber  (Opfotat),  bon  ber  Sage 
be«  iftiebrigerfteheu«,  ber  Untertoürftgfeit,  einem  anbern  Zfyti  ber 
Siufcentoelt  gegenüber  (Beneratat) ,  oon  bem  Berhältnijj  ober  ber 
Sage  be«  SRenfchen  bem  ftreunbltchen  unb  ®uten  gegenüber  (Jöo* 
nitat),  enblich  bon  bem  Bcrhältnit?  ber  üDinge  felbft  in  JBejiehung 
auf  9toum,  3«t,  ©eftatt,  ftarbe,  ®etoicht,  3ar)(. 


176 


Sföie  mir  batjer  in  fubjectioer  iöejiefyimg  bic  £fyätigfeit  aller 
®eifte$oermögen  cht  (impfinben  nennen,  fo  müffen  mir  in 
objectioer  ^ejiefyung  bie  Xljätigfeit  aller  ®eifte«oermögen  ein  (Sr* 
!ennen  (ber  £)inge  nnb  Berfyältniffe  bet  ^nfcemoelt)  nennen. 

c.  Snfofern  eine  ©eifteStfyätigfeit  bie  Bereinigung  be« 
SubjcctS  mit  bem  Dbject  ift,  ift  fie  eine  begef>renbe  Sistig* 
feit.  <£e  ift  flar,  ba&  bie  meiften  ®eifte*tljätigf eiten ,  j.  33.  bie 
be«  @ef(tyfa$t«rrie**,  ber  tfinberliebe,  ber  Stn^ngli^feit ,  be« 
Äampffinn«,  be«  fctoeäfnutft,  ber  SeifallSliebc ,  in  bicfer  Seife 
ein  «egefjren,  ein  Streben,  ein  ©ollen  finb.  Sllfein  au#  bic 
£f}ätigfettcn  ber  $erftanbe«fräfte ,  bei  benen  c$  weniger  nafyc  liegt, 
finb  ganj  cbenfo,  infofem  au<$  fie  einen  j&tocd  ober  ein  3ict 
fyaben,  ein  ©egeljren  ober  ein  Sollen.  Söcnn  icfy  an  eine 
ober  einen  Xon  ober  ein  föaitmocrfyältntj;  benfe,  fo  ift  biefe 
®eifte«tljätigfeit  (btefer  (Sebanfe)  ebenforooljl  eine  SBillenäfyanb* 
lung,  al«  bie  ®eiftc$tljätigfeit  (ber  ©ebanfe)  be$  38unfc$e*  na* 
(Sigentljum  ober  nac$  (Sfyre  ober  na$  ftrambfctyaft. 

$)a  bie  beiben  3tterfmale  bc$  begriff«  ber  begeljrenben 
tigfeit  —  b.  i.  ba$  ©egeljren  nnb  ba$  Sfynn  —  ber  2lnf* 
faffnng  gleid?  natye  Hegen,  fo  fann  jebe  ©eifteStljätigfeit ,  in* 
fofern  fie  eine  begetyrenbe  ift,  entmeber  ein  ©egetyren,  ein 
(Streben,  ein  Sollen,  ober  eine  £f?ätigfeit  fälectytyin,  ein  Sfym, 
ein  £anbcln  genannt  »erben.  £fnm  nnb  Sollen  als  ©etfteS" 
tyätigfeit  ift  fc$lectytl>in  (Sin«  nnb  ©affefee;  jeber  ®ebanfe  ift  £$at 
unb  Sitte  jngleidj. 

9)?an  Ijat  bie  fämmtlicfyen  ®eifte«oermBgen  in  brei  Staffen 
eingeteilt,  in  bie  fogenannten  nieberen  ©innc,  bic  ®emütfy$= 
finne  nnb  bie  23erftanbe$finne.  tiefer  überhaupt  mangelhaften 
©intfyeilung  gegenüber  fteljt  nac$  bem  Ijter  ©efagten  (1,  a.  b.  c) 
in  ber  gleiten  <$tgenfcbaft  alter  ®eiftc$tfyättgfetten  al$  Qrmpfin* 
ben,  (Srfenncn  nnb  Sollen  eine  große  ßinfyeit  atter  ®eifte«= 
oerm&gen  gegenüber  ober  liegt  iljr  jnm  ©rnnbe. 
£>er  befannte  @afe,  ba§  ber  3Kenfd(>  bie  Heine  Seit  fei,  ift  be* 
fonberfi  andj  infofern  matyr,  als  fein  ®eift  in  ber  @umme  feiner 
Berm&gen  ein  ©pieget  ber  Seit  nnb  tyrer  «er^ältniffe  ift,  — 
baS  S  e  1 1  b  e  m  n  t  f  e  i  n  giebt.  3ft  irgenb  einer  ber  (folgeren  ober 


2>a«  ©pftem. 


177 


ber  inneren)  8inne  mangelhaft  ober  gan$  fefytenb,  fo  ift  ba« 
SÖ3ettbctt>u§tfein  meljt  ober  weniger  unbollfommen.  9(uf  bet  anbern 
(Seite  giebt  e«  natütlicty  feine  ®eifte«tyätigfeit ,  bie  nic^t  in 
bet  genannten  SOÖcife  ein  tSmpfinben,  (Erlernten  unb  Sollen  toäte. 

hierbei  ift  jebocb  bie  Söafytljcit  recfyt  feft  $u  Ratten,  baß 
jene  Dreifache  ^öefd^affen^ctt  bet  ®eifte«tfyätigfeit ,  meit  entfernt, 
in  einer  mirflicfyen  SBetfcfyiebenljeit  ober  gar  in  einem  ®etrenntfeiu 
bet  ®eifte«tljätigfeit  $u  beftefyen,  bietmeljr  nicfyt«  Sfnbete«  ift,  a(« 
eine  betriebene  S9ejei($nung  einer  unb  berfelben  Sadjc, 
jena$bent  fiebon  biefem  obet  einem  anbetn  ©tanb  = 
punft  au«  bettac^tet  roitb.  ®tei$  rote  jebet  Ä&rper  9lu«* 
befynung  in  bie  Sänge,  Söteite  unb  £>icfe  fyat,  unb  fi<$  feine« 
biefet  2ttetfma(e  bon  bem  anbern  aueb  nur  getrennt  benfen  lagt, 
fo  tft  jebe  (augcnbluflic$e  ober  f^wä^fte)  ®eifte«tl>ätigfett  ein 
(gmpfinben,  (Srfennen  unb  ©otten  (£fjun)  sugletcty,  ober  fo  ift 
ba«  ßmpfinben  fetbft  jugteiety  ein  (Stiemten  unb  ein  SSMcn,  ba« 
Crrfennen  fetbft  jugteid)  ein  (Srnpfmben  unb  ein  95Men,  ba« 
Statten  felbft  jugleicty  ein  Ghnpftnben  unb  ein  ßrfennen.  ©etyon 
an  eine  berfetyiebene  töicfytung  ber  ®etfte«tt)ätigfeit  Ijier  ju  benfen, 
toäte  ein  3rttlntm. 

9tud^  in  bet  Seife  leibet  bie  fttenge  ^olgericfyttgfett  biefet 
SÖtatjtljeit  feine  ©eftfytänfung ,  bafj  man  behaupten  bürfte,  in 
einigen  ®eifte«bermögen  fyerrfcfyc  tneljr  biefe«,  in  anbern  mcl)r 
jene«  üfterftnaf  bor,  5.  23.  im  ®c)"c§le<$t«tTicb  ober  bem  (Srroetb* 
finn  meljt  ba«  JBegeljten,  in  bem  Ottfinn  obet  in  bem  ^aljlenftnn 
meljt  ba«  (Stfemten.  £)iefe«  fd^eint  tooljl  infofern  ber  ftall  ju 
fein,  a(«  nur  bie  Sorte  Smpfinben,  (Srfennen  unb  Sotten  in  ber 
©ebeutung  be«  getoitynüc^en  ©pracfygebtaucfy«  auffaffen.  Hl  lein 
mir  müffen  fytet  ganj  bom  <5ptac$gebtau$  abfegen 
unb  nut  bie  Sa(fye,  nrie  fie  oben  (1,  a.  b.  c)  batgeftettt  ift, 
betrauten.  £>o<§  bie«  fitytt  un«  $u  einem  neuen  ®eftc$t«punfte, 
bon  bem  im  gleidj  ftolgenben  51t  fpred^en  ift. 

2.  £)ie  STfyätigfett  bet  einzelnen  ®eifte«bcrmögen  behält 
ftcfy  jut  ®efammttfyätigfeit  bet  Vermögen  (bie  toir  jefet  betrauten 
lootten)  mie  bie  £fjeorie  $ur  ^ßtarj«  obet  tute  bie  Siffenfdjaft  gum 
Veben.  SDie  ©eifte«betmBgen  finb  nämücfy,  nne  fiefy  berftefyt,  tfyat- 

S^eöe,  ^renologitd&c  »Uber.  3.  Hufl.  12 


)igitized  by  Google 


178  2>a*  Aftern. 

fädt}lich  nie  eingeht,  fonbern  immer  meljr  ober  toeniger  in  ®e* 
fammtfjett  tljätig.  ®(eidt)nne  nun  bie  SKe^eit  ber  ®eifte«oer* 
mögen  ate  fotct)er  $ur  t^atfäd^tid^en  (®etfte«*)(£inheit  berbunben 
ift,  fo  mujj  fi<h  auch  bie  SWe^eit  ber  ®etfte$berm&gen  in  ihrer 
Xfyättgfett  $u  einem  einzigen  ßrgebnife  bereinigen.  £>tc 
qualitatib  begebenen  einzelnen  ®eifte$tyätigfeiten  finb  berfchie* 
benen  3ah(en  iu  vergleichen,  au«  benen  bie  Einheit  be«  ©eifte« 
ba$  (Srgebnijj  ber  Rechnung  jic^t.  bie  einzelnen  £atyen 

aber,  fonbern  nur  ba«  (Srgebnife  ber  Rechnung  ift  e«  gen>&^n(ic^, 
roaS  a(S  fceh>u§tc  (BcifteSthätigfeit  ju  £ag  tritt,  n>a$  alfo,  ba  bie 
Spraye  ihrer  9iatur  nach  nid)t  ber  SBiffenfchaft,  fonbern  bem 
Öeben  ju  entfbrechen  pflegt,  getoitynlicty  (Stnpftnbung ,  (5rlenntni§ 
ober  Siüe  genannt  toirb*).  Da  aber  bottenb«  eine  beftimmte 
(Staffe  bon  (SetfteSbcrmßgeu,  bie  ®emüth$ftnnc,  in  intern  ®cgen* 
ftanb  »otjugStoeife  bem  fubjectiben,  eine  anberc  beftimmte 
(Slaff e,  bie  S3erftanbe$finne,  bor$ug$u?eife  bem  o  b  i  e  c  t  i  b  e  n ,  unb 
bie  britte  beftimmte  (Haffe,  bie  nieberen  'Sinne,  bor$ug$toetfe 
bem  ^ertlichen  begriffe  ber ©eifte^ätigfeit  entfernt  (1,  a.  b.  c), 
fo  h«t  fich  ber  Sprachgebrauch  fegar  fo  gefteüt,  bafe  bie  ©orte 
(Smpfmben ,  Erlernten  unb  Söoüen  ganj  im  ©egenfafc  ju  bem 
obigen  (Gebrauch  oorjugätoeife  bon  ben  entfprechenben  befon* 
bereu  (Staffen  ber  ©eifteäbermögen  gebraust  tuerben.  «Statt 
ba^er  in  jebe.r  ®eifte«thätigfeit  bie  breifache  tbentifche  öefchaf* 
fenljeit  be«  (Smpfinbens,  be$  (Srfennenä  unb  be«  SSMen«  ju 
erfennen  unb  burch  bie  ^Bezeichnung  anjuerfennen ,  pflegt  man 
untoiffenfchaftHch  ober  unfhftematifch  3.  $9.  bie  X^ötigfeit  be« 
Srmerbfinn«  nur  fd>ted^t^in  als  ein  öegeljren,  bie  be«  Schön* 
hett«ftnn«  nur  fchtedt)thin  at«  ein  dmpfinben,  bie  be«  Schluß 
oermögen«  nur  fd^ted^t^in  al«  ein  Getonten  $u  bejetchnen. 


*)  Ober  man  fann  bie  ©efammtljeit  ber  ©eifieStoermögen  mit  einem 
Parlament  toergfetd&en,  unter  bem  SBorftfc  ber  Sinfyeit  be«  3dj«.  9ftdjt  bie 
(Stimmen  ber  einjelnen  Sftitglteber  af«  fofcfye,  fonbern  nur  ba«  (Srgefenif?  ber 
äbftimmung  fyat  ^raftifc^cn  SSertt),  fommt  als  ba«  @efiu)I  ober  bie  (Sinfidjt 
ober  ber  SßiUe  ber  Skrfammlung  jur  ©eltung.  2)oa>  »erben  in  btefem 
Parlament  bie  «Stimmen  nu$t  geaalt,  jonbern  gewogen. 


179 


(§S  berfteljt  fta)  oon  felbft  r  baft  baS  ^efagtc  ntc^t  bem 
«Sprachgebrauch  a(S  folgern  entgegentreten  foll,  eS  foö  baburdj 
nur  ber  Unterfcfyieb  steiften  ben  betbettet  ©eben  tun  gen 
ber  Sorte  (Smpftnben,  (Jrfennen  unb  Sollen  bargetljan  »erben. 
3a  es  ioärc  bielmefyr  iene  erftere  a(S  ttuffenfd)aftlic$  ober  tyfte* 
matifä  bejeicfytete  ©ebeutung  biefer  Sorte  (1,  a.  b.  c)  $u  tabetn, 
toenn  eS  m&gttc$  tyäre,  für  jene  neuen  unffenfdjaftttctyen  ^Begriffe 
fofort  bie  au*Wlie(;tt4  bejettytenben  Sorte  gu  topfen  ober 
ju  f^affen. 

£)a  baß  SBerftänbnifj  eine«  ttnf}cnfd?aftttdt)en  ©fyftemS  ent* 
toeber  ein  boüftänbiges  ober  feine«  tft,  fo  barf  idt)  tootjt  bei  ber 
Si$tigfeit  ber  @a<$e  nochmals  auSbrücfftcty  barauf  Ijintoetfen, 
baji  tljeits  auf  ber  Waren  2tuffaffung  ber  Grmljctt  aßer  ®eifteS* 
bermögen,  tl)ei(S  auf  ber  mofytbcrftanbenen  Trennung  ber  bei* 
bertet  SSebeutungen  jener  brei  Sorte  baS  SBerftanbnijj  beS 
«Softem«  ber  Phrenologie  Ijauptfächlich  beruht.  Olme  boüftän* 
bige  Ätarljeit  hierüber  tum  fein  fixerer  «Schritt  in  ber  ^itofo* 
^r>tfd^en  ®ctfteS(chre  gctfyan  toerben. 

B.  Sir  ge^en  jur  ^Betrachtung  beS  ®rabeS  ber  ®eifteS* 
t^ätigfeiten  fort,  vorüber  feljr  SenigeS  ^ier  genügen  fann. 
Sie  bie  $orperbeioegung ,  fo  ift  bie  ®eifte$tyätigfeit  theitS  eine 
ftufenmeis  fa>äd?ere  ober  ftärfere,  theils  eine  mehr  befchränfte 
ober  mehr  allgemeine.  <Bo  toie  ein  ober  einige  Steile  beS  fb> 
perüa^en  Organismus  ruhen,  ein  anberer  ober  einige  anbere 
5Tr)ei(c  mehr  ober  weniger  in  ©emegung  fein  femnen,  fo  fann 
auch  ein  ober  einige  ®eifteSbermögen  ruhen,  ein  anbereS  ober 
einige  anbere  mehr  ober  weniger  in  ^ätigfeit  fein. 

($S  berfte^t  fich,  baß  ber  ®rab  ber  öeioegung  nicht  mit 
ber  Stärfe  ber  üßermögen  jufammen  geht.  <©o  toie  ein  fdjmacher 
$$rpertheil  in  Bewegung  fein  unb  baneoen  ein  ftarfer  ruhen 
fann,  fo  fann  ein  f$twi$c6  ©eifteSbermögen  in  ST^ätigfeit  unb 
baneben  ein  ftarfes  in  Stühe  fein. 

SDie  X^ätigfeit,  mie  eines  ftfttpertyeitt ,  fo  eines  Reifte«- 
Vermögens,  fann  nie  eine  ganj  abgefcfytoffene  fein.  @o  tote  ich 
nicht  ein  #örperglieb  bemegen  fann,  ohne  bajj  ber  ganje  übrige 
Körper  biefe  ©emegung  fühlt  ober  baran  Xf)tH  nimmt,  fo  fann 

12* 


180 


Xat  ©uftem. 


auch  fein  ®eifte«bermögen  unbebingt  thättg,  bie  übrigen  VtnU* 
bingt  untätig  fein. 

Der  ®rab  ber  ^ättg!eit  jebe«  $eifte$oermögen«  im  gege* 
benen  ftall  tt>irb  burch  jtoei  Urfachen  beftimmt,  einesteils  burch 
bie  natürliche  Starte  be«  Vermögen«  fctbft  ^  anberntheil«  burd; 
bie  Stärfe  ber  Anregung  be«  93ermögen8  burdt)  bie  Slußentoelt. 
3ft  ein  93ermögen ,  $.  53.  £autal ,  oon  9ßatur  fchtoach ,  unb  bie 
ändere  Anregung,  bie  ®efaljr,  eine  geringe,  fo  tpirb  bie  £fyätig* 
feit  beS  SBermögen«  unbebentenb  fein.  Oft  ba«  Vermögen  ftarf 
nnb  bie  äußere  Anregung  fchmach,  ober  umgefehrt  baS  Vermögen 
fchtoach  unb  bie  äußere  Anregung  ftarf,  fo  toirb  bie  ^ätigfeit 
beS  SBermögenS  mittelmäßig  ftarf  fein.  3ft  bas  SBermögen  ftarf 
unb  bte  äußere  Anregung  ftarf,  fo  toirb  bie  ^ätigfeit  be«  33er* 
mögend  eine  bebeutenbc  fein. 

Der  23jätigfcit$grab  eines  ®eifte$oermögen$  (ober  ber  ®ei* 
fteäoermögen  überhaupt)  beftimmt  rücftoärt«,  nach  bem  ®efefc  ber 
Uebung  (ober  ber  Grr$ieljung  in  ber  toeiteften  ©ebeutung  beS 
SBort«)  in  gemiffem  2ftaße  bte  Stärfe  be«  SSerm&gen«  felbft.  So 
tote  nämlich  bie  Körperteile,  fo  toerben  bie  ©eiftesoermögen 
burd?  eine  ihrem  natürlichen  Stärfegrab  entfprechenbe  Uebung 
bis  $u  einem  gegriffen  Ottaße  geftarft.  3ft  bagegen  bie  Uebung 
geringer,  als  es  bem  natürlichen  Stärfegrab  entf priest,  fo  entfte^t 
Schwäne  au*  9ttange(  an  Uebung,  ift  bie  Uebung  ftarf  er,  fo  ent* 
fteht  Sdtnoäche  burdt)  Ueberanftrengung. 

Der  (Shtfluß  ber  äußeren  SBerhältniffe  auf  bie  Chtttoicfelung 
ber  (SetfteSbcrmögen  burdt)  Uebung  ift  nicht  ein  bei  allen  ®et= 
fteSbermögen  g  l  e  i  dt)  regelmäßiger.  So  toie  ein  jeber  SDienfdt) 
in  ber  fltegel  gehen  lernt,  aber  nicht  ein  jeber  bie  jum  Spielen  * 
eine«  3nftrumentS  ober  jum  Schreiben  nötige  ftingerfertigfeit 
ertotrbt,  fo  toerben  jufolge  ber  eigentümlichen  Hußenoerhältniffe 
unb  im  gewöhnlichen  £auf  beS  geben«  bie  fogenannten  nieberen 
Sinne  —  ©ppofital,  Slcquifital,  Secretal  —  regelmäßiger  geübt, 
als  bie  SBerftanbeSfinne ,  gormital,  (Solorital  (beim  30?alerberuf), 
SRuftcatal  (beim  ©eruf  beS  SDhtftferS)  u.  f.  to.  Die  «erfdtueben* 
heit  ber  9ttenfchen  toirb  baher  in  #e$ug  auf  bie  nieberen  Sinne 
eine  oergletchStoeiS  mehr  angeborene,  in  ©c^iig  auf  oiele  $er= 


£a«  ©Wem. 


181 


ftanbe«finne  eine  meljr  burd&  Uebung  (bur$  @r$ieljung)  erworbene 
fein.  £>o$  gilt  biefe«  nur  bon  bem  3"ftanb  unfern  ©Übung«* 
ftufe,  n>o  bie  fogenannte  33ertljcUung  ber  Slrbciten  eine  fo  au«* 
gebeljnte  Slmocnbung  finbet ;  e«  gi(t  nietyt  bon  bem  3wftanb  bietet 
fegenannten  toitben  SBBtter. 

(5«  (äffen  fi$  brei  (Srabe  ber  ®etfte«tljätigfeit  unterfd^etben. 
$)er  f^iräcfcfte  ®rab  ift  ber  ber  bfoßen  Regung  einer  Reifte«* 
traft,  g.  SB.  be«  ®eneratal,  be«  3pfotal,  be«  @omparita(  ic.  £)iefe 
Regung  nrirb  bei  ben  oerfäiebenen  dtaffen  ber  <$eifte$berm&gen 
aerfcfyieben  benannt;  bei  ben  nieberen  93erftanbe«finuen  l?eißt  bie*  • 
fetbe  (Srfennen,  SBatyrnefjmen,  Sluffaffen.  £>er  mittlere  ©rab  ber 
©eifte«tf>ätigfeit  ift  ber  ber  g  e  ( ä  u  f  t  g  e  n  ober  g  e  to  o  n  t  e  n  £f?ä* 
tigfeit.  tiefer  ®rab,  oergtetetybar  ber  uttinUfürü$en  ©etoegung 
ber  ÄBrpergtteber  beim  ©eljen  ober  beim  Spielen  eine«  Snftru* 
ment«,  ttrirb  bei  ben  t^ierifd^cn  ©innen  £rieb,  Neigung,  bei 
ben  ^ityeren  ober  ®emüty«finnen  ©efüljl,  bei  ben  23crftanbe«* 
finnen  ^ebäd)tni§  (leidet  51t  nneberlj otenbe  £l)ätigfeit)  genannt. 
£)ic  fy&cfyfte  «Stufe  ber  £Ijätigfett  ber  ©eifte«&ermogen ,  bie  ber 
ftärfften  Xljätigfeit,  roirb  erreicht  entiocber  au«  innerer  ober  au« 
äußerer  33erantaffung,  b.  i.  enftoeber  burefy  feljr  bebeutenbe  Stärfe 
ber  ®eifte«oermögen  felbft,  ober  burefy  bie  9flac$t  ber  äußeren 
Urfadfyen :  äljnlicfy  tote  eine  ftarfe  f&rperlidtye  Söetoegung  (Springen, 
Saufen)  cntioeber  au«  innerer  $raftfütte  be«  ß'örper«  unb  ofyne 
äußeren  j&teed,  ober  bur<$  äußere  33eran(aj"jung,  um  eine«  äußeren 
3tt>e<fe«,nnflen  ftattfinben  fann.  2)ic  nieberen  Sinne  auf  biefer 
£ljätigfeit«ftufe  Reißen  ßeibeufd^aften,  bie  Weren  ober  ©emüty«* 
finne  S3egeifterung,  Sdjtoärmerei,  (Snt^uf  ia«mu«, 
bie  25erftanbe«ftnne  ®ente,  f d&öpf erifd^e  <5inbitbung«* 
traft,  an  tafle.  (SSergl.  meinen  ,,#ate$i«mu«  ber  $tyre* 
nologie".  6.  «ufl.  S.  87  ff.) 


1 


♦ 


XL 


Mm  meinen  wiffcnfAnftfiAcn  Jicgqjnillcn  511 

Hamburg. 

Ter  alte  kämpf  belebt  fifft  neu; 
3efct  fomtnen  erft  bie  rcdjten  Tage, 
■&o  ftotn  firf)  foiiberu  wirb  »011  Spreu. 

Urlaub. 


£)te  Vorträge  über  fjtywiiofogic,  ioc(d)e  idj  in  Hamburg  im 
9ftär$  1851  ^ie(t,  tiefen  bafelbft  einen  fc^r  lebhaften  Streit  für 
unb  unter  unter  ÖMefyrten  nnb  Sfticfytgclefyrten  Ijeroor.  2(fS  tety 
in  ber  „Sefefyiitfe"  jtoet  Vorträge  tor  mehren  Rimberten  ton 
3utjörern  gehalten,  trat  ein  5lr$t,  §err  Dr.  $8  .  .  .,  in  berfelben 
®efeflf($aft  mit  einem  Vortrag  gegen  biefe  Setjre  auf.  £ie 
2öiberlegung  feiner  (Stntoürfe  ift  ber  ©egenftanb  btefer  3«iten. 
3dj  gebe  benfetben  bamm  eine  allgemeinere  Verbreitung,  weit 
bie  lu'er  befangenen  SWi^erftänbniffc  fe^r  fyäuftg  bei  Sterjtcn 
gefunben  werben ;  mie  benn  autty  für  §errn  Dr.  «ö.  alsbalb  nodj 
ein  anberer  Slrjt  ctnftctyt. 

§err  Dr.  SB.  Ijatte  „über  ben  nuffenf^af tilgen  Serty  ber 
^Phrenologie*  jn  fprectyen  ange!ünbigt.  @<$on  biefe  SBorte  ent= 
galten  einen  fogiftfyen  fteljler.  3n  ber  SBiffenf^aft  atö  fol<$er 
giebt  e«  ntcfyt  SCBert^  ober  ttmoertf?,  fonbem  nur  SBafyrfyett  ober 
Umoaljrfyeit :  benn  auefy  ba$  fc^einbar  Unbebeutcnbe  lann  ben 


Digitized  by  Google 


Stn«  meinen  n>iffenf<$aftti$en  SBegegniffen  ju  $amfcurg. 


183 


#etm  $um  Größten  unb  St^ttgften  in  fiety  tragen.  2)ie  erfte 
ftrage  mar  atfo  fyter:  ift  bic  ^Phrenologie  loaljr?  eine  streite 
tonnte  fein:  melden  praftifcfyen  ©ertl)  Ijat  biefefbe? 

Mein  §err  Dr.  33.  fünbigte  h>ol)lbeba($t  ni<$t  einen  Vortrag 
„übet  bie  Unioafyrfyett"  ober  „über  bie  totffenfctyaftttttye  9ßtdjtig= 
feit*  ber  ^Phrenologie  an,  toeil  er  füllte,  baß  biefe  ntcfyt  fd^Cec^t- 
Ijin  umoaljr  genannt  toerben  bttrfe;  auc$  bei  ben  3u^tern  war 
er  fi$  beffclben  ©cfüfyte  benutzt.  £>aljer  toicberljolt  fu$  aiufy 
jener  fogifctyc  ftetyfer  in  bem  Vortrag  fetfrft.  3n  biefem  oertoarf 
ber  SRebtter,  n>eit  er  $ttr  3a^  ftrengften  Gegner  ber  fftetto« 
togie  gehört,  aüe  itjre  @%  imb  £tjatfactycn  otyne  Stitfnatyme,  nnb 
filmte  <Punft  für  <Punft  bereit  9ci$tigfeit  mit  <5rnft  nnb  Spott 
barjntfjnn.  Allein  aljnenb,  baß  fjinter  biefem  Slüen  bo$  eine 
SBJaljrljeit  berborgen  fein  mochte,  Heß  er,  glctc$fam  ju  beren  S?er= 
fbfntung,  in  feinen  Vortrag  einige  allgemeine  ©orte  ber  2tner* 
fennnng  einfließen,  lote  j.  SB.  „©aß  loar  ein  ©citie",  „bie  ^tyre* 
nologic  f}at  eine  große  3u^tnP  to0T  W- 

3$  Ijikte  einen  Sfteunb  be$  .fScrrn  Dr.  J8.  naefy  bem  Vortrag 
fagen:  „23.  Ijat  gut  gefprodtyen,  aber  er  Ijat  ntd^t  überzeugt". 
3$  meine  aber,  §err  Dr.  ©.  ^at  m$t  gut,  n>ei(  nic^t  folge* 
richtig,  geftorocfycn,  ba^cr  fonnte  er  ntcfyt  tiberjeugen.  ©eiftrei^c 
Sluffaffungen,  SMfec,  machen  ben  9febuer  nidtyt,  fonbem  bie  £ogif, 
ba$  fefte  Steden  auf  ftar  erfanntem  @tanbpunft.  £err  Dr.  ®- 
Ijattc  at«  ®egner  ber  ^Phrenologie  jioei  Sßege  oor  ftcfy:  er  fonnte 
biefe  Setyre  enttoeber  ganj  unb  fc^fe^t^in,  ober  aber  er  fonnte  fte 
blo«  tfjetuoetfe  oermerfen.  <£r  ging  ben  erfteren  2Beg,  moflte  i^n 
toentgften«  gehen:  er  beftritt  bie  ^^renologie  im  ©anjen  unb  in 
alten  ihren  ©itjefn^eiten  ate  eine  Srrfehre.  «fleht  tote  fann  at«* 
bann  ®afl  ein  ®ente  fein?  toie  fann  bie  ^fyrenotogte  eine  große 
3ufunft  oor  ftch  I?aben?  £er  töebner  mußte  biefe  allgemeinen 
©orte  ber  Hncrfennung ,  roenn  unb  fotoett  fie  einen  <Stnn  tjabett 
foflten,  auch  im  ©injelnen  begrünben,  ganj  loie  er  auch  fein  aflge« 
meine«  9$ertoerfung$urtfyeit  im  ©njetnen  51t  begrünben  fitste:  er 
mußte  bann  bie  betbertet  fünfte,  bie  ber  93ermerfung  unb  bie 
ber  Slnerfennung,  —  fo  geringe«  ©etoicfyt  er  auch  auf  bie  festeren 
legte,  —  ftar  einauber  gegenüberfteflen,  fc^arf  gegen  etnanber  ab* 


184 


2tu«  meinen  toiffenfäafta^en  »egcgniffcn  ju  Hamburg. 


grenjen.  £>a«  allein  mar  ber  miffenfchaftliche ,  jur  Ucberaeugung 
führenbe  Seg. 

Sffein  bet  Sttangel  an  ftolgerichttgfeit  ift  nicht  bcr  einige 
23orrourf,  melden  ich  beut  Vortrag  be«  £errn  Dr.  39.  machen  ju 
muffen  glaube.  iftoch  mehr  üermifjtc  ich  in  bemfelben  bic  föufye 
unb  Unbefangenheit  be«  2ftanne«  ber  Söiffenfchaft.  §crr  Dr.  <8. 
ift  nicht  fomohl  ein  ®egncr,  er  ift  ein  leibenfehaftlicher  geinb  ber 
^^renofogie,  unb  bie«  ma^t  fein  Urteil  befangen.  Denn  hn'e? 
nicht  Mo«  bie  eigentlichen  pfyrenotogtfcbeu  fcljatfachen,  b.  i.  bie 
ctnjelnen  ®eifte«oermbgen  unb  ihre  Organe,  fonbern  auch  alle 
allgemeinen  ©äfcc  ber  $fyreno(ogte  f ollen  nach  £>errn  Dr.  $8. 
blofce  Unwahrheiten  fein? 

Sßerfen  mir  einen  oerglcichcuben  ©lief  auf  bie  ptyrenotogifcfyen 
9(nfid^ten  ber  Sierße  £eutfchlanb«.  £>iefe  Hnfic^ten  finb  mir  in 
golge  mehrjähriger  Säuberungen  burch  £eutfchlanb  in  großer 
3lu«behnung  betannt  gemorben.  Sic  bilben  eine  ununterbrochene 
(Stufenleiter  oon  ber  fehreffften  33crtoerfung  bi«  jur  wolligen  2lu* 
erfennung.  Gebe  auch  mx  erbenfbarc  Anficht  r)at  ba  ihre  3?cr* 
treter.  (Sehr  eigentümlich  ift  e«,  baf  nicht  blo«  über  ba«  SDcchr 
.ober  Weniger  ber  Slnerfennung  bie  ütteimmgen  getheilt  finb,  fon* 
bem  baf  auch  bic  im  Slllgcmeinen  auf  gleicher  Stufe  ftehenben 
3lnfichten  fich  mieber  vielfach  im  einzelnen  freuten.  <So  gilt 
3.  53.  bem  einen  2(r$te  bcr  Safc ,  bap  bic  ®eftalt  be«  ©ehirn« 
im  ®an$en  au«  ber  äußeren  ®opfgeftalt  erfennbar  fei,  al«  au«* 
gemalte,  unbeftreitbarc  Salach,  mährenb  ihm  ber  Sat&,  baj? 
bic  ®rö{je  be«  Gehirn«  feiner  $raft  entfpreche,  al«  oölligcr  Orr* 
thum  erfcheint;  ein  anberer  bagegen  ift  ber  umgetehrten  Anficht, 
ftür  ben  einen  Slrjt  fteht  c«  über  allen  3^1^  f eft ,  baj?  ba« 
Organ  be«  <$efchlecht«finn«  im  fleinen  (Sehirn  liege,  ber  anbere 
hält  biefc  Anficht  für  eine  ganj  irrige.  2öa«  bie  ©timmenjahl 
betrifft,  fo  merben  bie  äußerften  9lnfichten,  bie  ber  gänzlichen  93er* 
merfung  unb  bie  ber  gänzlichen  Slnerfennung ,  am  feltcnften  ge* 
funben.  S9ei  ioeitem  bic  größte  SDcchrjahl  ber  2ler$te  möchte  fich 
in  ber  flflittclanficht ,  toelche  juerft  \>on  £aru«  öffentlich  au«gc= 
fprochen  mürbe,  bereinigen,  bafc  jmar  bie  (Singelorgane  auf 
Orrthum  beruhen,  bafj  aber  ber  oorbere  Xfytil  be«  Gehirn«  im 


3tu«  meinen  n)iffenf$aft(i$cn  93egegniffen  ju  Hamburg.  \S6 


®an$en  ben  33erftanbe^fräften ,  ber  obere  ben  ($efü$(6finncn  unb 
ber  Wintere  unb  untere  ben  nieberen  Sinnen  ober  tfeibenfehaften 
jum  Organ  bienc.  ÜDiefc  Anficht  fchttefet  bie  9Inerfennung  ber 
allgemeinen  Säfee  ber  ^Phrenologie  in  fid),  unb  man  ift  tnertn 
oon  Seiten  ber  $(er$tc  Oer  >p^rcno(ogic  entgegengefommen ;  boeb 
erwartet  man  nun  auch,  bafe  btefe  oon  ihrer  „thörtchten"  <5in= 
feitigfeit,  ben  (Sinjelorganen ,  ju  jener  „oernünftigen"  Anficht  ju* 
rücffe^re. 

«ei  biefem  Staube  ber  ärztlichen  Hnfichtcn  ift  eö  föftet  ju 
begreifen,  wie  ein  %x$t  fich  ber  großen  2Hchrjahl  feiner  ©enoffen 
in  ber  ©eife  feinblich  gegenüberftellen  mag,  bafe  er  ba$,  wa«  fo 
otcle,  unb  jutn  Xtyil  ^od^gefteUte  2)?änner,  at«  wahr  anerfennen, 
gerabeju  irrig  nennt.  £iebemann,  eine  europäifche  Autorität,  ^at 
in  feinem  berühmten  Serf  über  ba$  SJJegergehirn  ben  Safc,  bafe 
bie  (Mroßc  be«  ®ef;irn«  feiner  $raft  entfpreche,  für  fo  über  allen 
Bwetfet  feftfte^enb  betrautet,  ba§  er  benfelben,  obgleich  fein  ganje« 
Serf  barauf  ruht,  nicht  erft  ju  begrünben  notljig  hielt.  2Bte 
mag  nun  £>ert  Dr.  ©<  c&en  tiefen  Safe  fpottenb  al$  irrig  ber* 
toerfen?  $)aj5  er  c$  tl)at,  erflärt  fich  nur  au8  fetner  alles  Ur= 
tljeil  trübenben  tfeibenfehaftlichfeit.  Grr  bebaer)tc  nicht,  bafe  wer  $u 
biet  beweift,  nicht«  betoeift. 

2lllein  betrauten  wir  bie  unbebingte  Verwerfung  ber  s£hve* 
nologie  ned)  oon  einer  anbern  Seite.  3ft  c$  glaublich,  ift  c* 
wiffenfcbaftlieh  wahrfcheinlieh,  fo  frage  id)  §errn  Dr.  S&.,  baj? 
bie  unenbliche  33erfd^ieben^eit  ber  menfrtüchen  Stopfgcftaltcn  fo 
gänjlidf;  jufätlig  unb  bebeutungSlo«  fei?  (Saru*  ^atte  bor  etwa 
jm&lf  fahren  in  feinem  Söerf  über  ^fhdwtogic  bie  ^renotogie, 
gerabe  wie  e«  je^t  oon  £errn  Dr.  <ö.  geflieht,  gänjlid;  berworfen 
unb  fie  mit  ber  §aubwafyrfagefunft  auf  gleite  Stufe  gcftellt. 
£)a  führte  ilnt  einft  Ücoel  in  £)re$ben  in  fein  f<h$ne$  vhrcncfD£ 
gtfd?e$  Qtabtnet  unb  jeigte  u)m  au  bieten  ^obfabgüffen  bon  Ver= 
brevem,  wie  bereu  $o£fgeftalt  oon  ber  gewöhnlichen  fo  übereilt 
ftimmenb  berfebieben  fei.  $)a  wich  bie  borgcfafcte  Meinung  bor 
bem  einfachen  ©tief  auf  bie  9?aturwahrheit ,  unb  GaruS  fd^rieb 
fein  SBerf  über  $rantoffo£ie,  worin  er  bie  gute  §älfte  ber  $hrCs 
nologie  al«  wahr  anerfennt,  3n  §amburg  befugte  ich  ba«  Straf* 


186 


2lu«  meinen  fciffenfct)aftlichen  33egegniffen  ju  Hamburg. 


hau«,  fto  eine  große  3atjl  toon  SSetbrechern ,  toofy  Rimbert, 
9)cann  bor  9ftann  an  mir  botübetgingen.  Obtoohl  ich  baffelbe 
fcfyon  oft  gefehen,  -fo  ift  mit  ber  Stnfcücf  immer  neu,  lote  bie 
$öbfe  biefet  Unglücf liehen ,  im  Tittcbfchnitt  aUe  oorn  fchmal  unb 
niebrig,  erft  gtoiföen  unb  hinter  ben  O^ren  fic^  gut  ©reite  unb 
£&he  auSbeljnen.  Söäre  £>err  Dr.  53.  jugegen  geioefen,  ich  glaube 
nicht,  baß  feine  teibenfehaftliche  Befangenheit  ber  überjeugenben 
Sal^cit  ber  ^atfac^en  gegenüber  Staub  gehalten  hätte. 

$>ie«  führt  mich  auf  ben  britten  unb  lefeten,  aber  auch 
fchtoerften  SSottoutf,  ben  ich  §crrn  Dr.  33.  matten  muß,  e«  ift 
ber  feiner  gänzlichen  Uli! enntniß  ber  ^renotogie.  Söie  mag 
ein  Sflann,  toelcfyer,  ben  ©tanbbunft  ber  Siff enfeh aft  *)  für  ftdt> 
in  Aufbruch  nehmenb,  gegen  bie  ^Mjreuofogie  öffentlich  auftritt 
bie«  fo  gänjüch  unvorbereitet  ju  t^un  mageu!  3ft  nicht  bie 
Phänologie,  a^  ^rc  ntenfehlichen  (Reifte  unb  feinen 
Organen,  jebenfall«  bie  fchunertgftc ,  ba$  grünbltchfte  @tubium 
forbernbc  sJtaturmiffenfchaft  ?  3ft  c$  ertaubt,  über  beten  toichtige 
©afee  fich  nur  nach  eignem  ®utbünfen  eine  (Jrflärung  felbft  }tt 
machen?  §at  nicht  §err  Dr.  53.  ®all  ein  ®enie  genannt? 
mußte  er  alfo  nicht  toenigften«  beffen  grünbltthe  (Srorterungcn 
über  bie  Söiffenfchaft  fennen?  Unb  boch  hat  §«r  Dr.  ©.  nicht 
nur  nicht  ®all,  fonbern  nicht  einmal  (Sombe  ober  irgenb  ein  an* 
berc«  ^anbbuch  über  ^hreni?to8ic  getefen,  fonbern  er  !ennt  nur 
—  meinen  Keinen  Öeitfaben  für  meine  Vorträge  unb  (ginige«, 
ma«  gegen  bie  Phrenologie  gefchrieben  ift,  3.  $3.  bon  SBotfmann. 
3ch  fann  biefe«,  nachbem  ich  feincn  Vortrag  gehört,  mit  bollfter 
Gewißheit  aufrechen. .  3$  tonnte  nur  ftauneu  über  ben  fanget 
an  tenntmffen,  ben  ber  Vortrag  in  jebem  Sorte  funb  that. 
Der  föebnet  gab  feinen  3uWrern>  ftatt  cul  wahre«  53i(b  bet 


•)  (Slje  $err  Dr.  gum  ©predjen  auftrat,  näherte  id)  mid)  u)m,  be* 
grüßte  ihn  fytfflid)  unb  äußerte ,  e«  gereiche  mir  gum  Vergnügen,  baß  er  über 
bie  ^breuologie  fored)en  toerbc.  <5r  erwieberte  meine  Begrüßung  burd)au« 
nicht  unb  fagte  fe^r  ftolg:  er  ttme  ba«  nid)t,  um  mir  ein  Vergnügen  gu 
machen,  fonbern  ber  2Biffenfd)aft  mitten.  3n  btefem  Ülugenblic!  mußte  td), 
baß  id)  einen  fet>r  fdjmachen  ©egner  »or  mir  b.atte.  2>a«  Sort  SMffenfd)aft 
war  ein  <2>d)Iagmort  in  feinem  Vortrag. 


Slu«  meinen  toiffenf^aftlit^en  ^egcgiiiffett  ju  Jpamfcurg.  187 

Phrenologie,  nur  ein  lächerliche«,  ihr  in  nicht«  ähnliche«  JJmbttb. 
3$  nenne  ba«  bie  $crteumbung  in  ber  Sölffenfchaft. 

@«  berringert  nid^t  ben  fchweren  Vorwurf  gegen  £errn 
Dr.  $8. ,  baft  biefe  Unfenntniß  ber  ^renologie  bei  allen  ihren 
Gegnern  gefunben  wirb.  3$  in  Deutfchlaub  unter  fo  bieten 
Gegnern  ber  Phänologie  f  e  i  n  e  n  e  i  n  \  i  g  c  n  g  e  t  r  o  f  f  e  n ,  welcher 
Gtollgefefen  ^atte;  e«  ift  mir  bon  einer  ber  größten  Uniberfitäten 
Deutfchlanb«  befannt,  baß  ®aü"«  Serfe,  feitbem  fic  erfreuen 
finb,  nicht  ein  einjige«  ÜM  berlangt  würben.  Allein  e«  ift 
immer  etwa«  anbere«,  Ho«  ju  urteilen,  etwa«  anbere«,  wie  £err 
Dr.  mit  feinem  Urteil  in  öffentlichem  Vortrag  unb  im  tarnen 
ber  Siffenfchaft  aufzutreten. 

(Sine  feljr  allgemeine  ©eite  biefer  Unfenntniß  ber  phrCi 
notogie  ift  e«,  baß  man  biefe  3öiffenfd;aft  nicht  al«  ©elfte«* 
lehre,  wa«  fie  bor  Willem  ift,  fonbern  nur  al«  Organenlehre  }u 
betrachten  pflegt.  Die  (^eifte«lehre  ift  aber  namentlich  für  biele 
5(er$te  ein  gar  wenig  gelaunte«  Otelb.  £>err  Dr.  glaubte,  baß 
nach  biefCT  ^eitc  hin  ein  geiftreicher  @<herj  jum  @ieg  über  bie 
^renotogic  genüge.  3n  meinem  fleinen  tfettfaben  finben  fich  bei 
(Srflärung  be«  Grigenthum«ftnn«  bie  SBorte:  „Der  £>unb  bewacht 
ba«  £au«  wie  fein  ©genthum;  er  berfteeft  feinen  Knochen  unb 
tertheibigt  ihn  mit  ber  größten  §artnäcfigfeit,  wä'hrcnb  er  bagegen 
im  begriff,  etwa«  ju  ftehlen,  unb  im  Söewußtfetn,  baß  bie«  nicht 
fein  (Sigenthum  fei,  bon  einem  $inbe  bertrieben  werben  fann". 
§err  Dr.  *ö.  meinte  nun,  biefe  (Srllärung  fomme  ihm  gerabe  fo  bor, 
als  wenn  man  e«  au«  bem  (£igenthum«fmn  be«  f>unbe«  herleiten 
wollte,  baß  er  fchreit,  wenn  man  ihm  auf  ben  ©chwanj  tritt. 
Die  merfwürbigfte  unb  wichtigfte  Seite  be«  ®alTfchen  ©erfe« 
finb  bie  barin  ntebergelegtcn  umfaffenben  @tubien  be«  großen 
Spanne«  über  bie  menfehlichen  unb  thierifchen  (Shatoftere.  ®*cfe 
machen  ba«  Serf  $ur  anjiehenbftcn  unb  werben  e«  —  wenn 
man  e«  erft  fennen  wirb!  —  jur  getieften  Seetüre  machen. 

Diefe«  ^eurtheilen  unb  Verwerfen  ber  ^Phrenologie  olmc 
Sachfenntntß  läßt  fich  etwa  mit  jener  (Srfchctnung  begleichen, 
al«  bei  ber  Gmtbecfung  Galilei'«  ton  bem  Sauf  ber  Crrbe  um 


188  meinen  toiffenfd?aftlid>en  ^egegniffen  ju  Hamburg. 


bie  @onne  bie  ganje  ®e(e^rtentt>c(t *)  ftcfy  mit  einem  <2>cfytet 
bagegen  erl?ob,  otyne  erft  biefe  Xijatfacfye,  roeit  fie  einmal  al« 
unfinnig  unb  reügion«gcfcü;rli(fy  galt,  bet  näheren  $enntni§na(jme 
unb  Prüfung  rocrtlj  }tt  atzten. 

$lm  ©cfyhtffc  feine«  Vortrage«  berttue«  ber  SRebner  bie  3Us 
fyftrer  auf  einen  Sluffafc  bon  |>errn  Dr.  9ktfyan  in  ben  Äritifd&en 
33tättern  ber  Söörfenljafle  (Satjrgang  1843),  toorin  „geiftretetyer 
unb  beffer,  a(«  er  e«  bermo$t"  berfetbe  ®egenftanb  beljanbelt  fei. 

8H«  £err  Dr.  feinen  Vortrag  beenbigt,  ertjob  i<$  miety 
unb  fprad^  bie  Söittc  gegen  iljn  au«,  ben  Vortrag  bem  $)rucf  ju 
übergeben;  toenn  er  biefe«  ni$t  tyun  toolle,  fo  toerbe  i<$  meine 
2>erttyeibigung  ber  ^tjrenotogie  gegen  bie  bon  itym  gemalten  3ln= 
griffe  auf  bie  Arbeit  be«  $>errn  Dr.  9ßatljan  grünben,  mit  teelc^er 
er  fo  entfetyieben  feine  Uebereinftimmung  erftärt  habe.  (Segen  bie 
Buljörer  äußerte  ich,  baß  §err  Dr.  $3.  bie  Sßiffenfdjaft,  über  bie 
er  gefproetyen,  nicht  fenne,  ba§  bom  (Stanbpunft  foteher  Glicht* 
feuntnifc  an«  bie  ^Ijrenofogie  fchon  oft  angegriffen  unb  ber- 
meintlich  „tobt  gemalt"  tt>orben  fei,  bafc  i^r  aber  biefe«  toenig 
angehabt,  inbem  fie  noch  frifety  am  ßeben  fei  unb  borau«fichtlid> 
auch  bleiben  merbe. 

£>e«  folgenben  £age«  fragte  ich  bei  §errn  Dr.  53.  fchriftüd) 
in  Setreff  be«  Drucfe«  feine«  Vortrag«  an.  £n'e  Hnttoort  ttar 
eine  verneinenbe.  3ch  werbe  atfo  jur  ßrgänjung  beffen,  ma« 
ich  über  ben  münbUctyen  Vortrag  be«  §errn  Dr.  SB.  fagte  unb 
nur  fagen  fonnte,  ben  Sluffafe  be«  £errn  Dr.  Nathan  einer  etma« 
mehr  in«  (Stnjelne  gehenben  ©eurtyeUung  unterbieten. 

tye  ich  teboch  baju  fortgebe,  muß  ic^  ber  SMftänbigfeit  ber 
Grrjählnng  wegen  noch  eine«  anbem  Gegner«,  welcher  offentüch 
gegen  bie  ^Phrenologie  auftrat,  erwähnen.  (Sin  9lr$t,  melier  ben 
einen  Vortrag  be«  £errn  Dr.  33.  $ur  Vernichtung  ber  ^Phrenologie 
nicht  für  Ijinreicfyenb  erfannte,  fünbigte  gleich  eine  ganje  töethe 
Vorträge  gegen  biefe  Setyre  an,  meldte  er  auch  in  bem  <3aat  be« 
(Stymnaftum«  bor  $unberten  oon  3u^rer,t  gehatten  (at  3ch  war 
nur  bei  ben  beiben  erften  gegenwärtig:  meine  Slbreife  bon  £am* 


•)  @.  SEB^enoetC  ©efc^te  ber  inbuetifcen  Stffenföaften. 


Hu«  meinen  wiffenfc!baftlid>en  23egegniffcn  ju  Hamburg.  189 

bürg  beraubte  mich  be$  Vergnügen«,  n>cl^eö  mir  ber  ©cfuch  biefer 
Vorträge  gemährte.  $)cr  3u^ret  ^atte  DU?  Den  ®cif*  angenehm 
befchäftigenbe  SSahl,  ob  er  ben  SHebner  wegen  feiner  gar  gu 
fchmachen,  ja  oft  fomifchen  (Sinroürfe  enttoeber  für  einen  geheimen 
Anhänger  ber  ^renologte  Ratten  foüe,  weiter  U)r  burch  ironifc^e« 
©efämpfen  ju  nüfcen  fuche,  ober  aber  für  einen  üftann,  meinem 
bi«  ju  einem  faft  unbegreiflichen  ®rab  alle  tenntnijj  ber  ^h™* 
notogie  abging.  3n  ber  ^ef^ic^te  ber  ^fjrenofogte  j.  SB.  jeigte 
fich  ber  £err  föcbner  fo  bezaubert,  bafc  er  behauptete,  biefe  ßehre 
fämpfe  fc^on  feit  achtzig  fahren  um  ihre  Slnerfennung.  9luf 
bie  Anatomie  legte  er  befonbere«  t&mify ;  er  ben>ie$  }.  38.  burch 
ein  oorgejeigteS  menfchü<he$  ®ehtrn,  bajj  baffelbe  in  jioci  ge* 
trennte  XljeUe,  bie  f.  g.  $>atbfugeln,  verfalle,  baß  alfo  unmög- 
lich i"  ber  Mittellinie  be8  $opfe«,  tt>o  gerabe  bie  Trennung  fei, 
einfache,  unpaarige  Organe  liegen  fonnten,  tüte  fie  auf  ben 
phrenologifchen  lüften  angetrieben  feien  *j.  ^cr,lcr  geigte  er  ben 
Schabet  eines  SöafferfopfcS  oon  fcl)r  großem  Umfang  unb  baneben 
einen  t»iel  Heineren  ^etrö^ntic^en  Schabet,  unb  bewies  barau«, 
weil  ber  Sßafferfopf  im  ?eben  oiel  weniger  SSerftanb  gehabt,  al« 
ber  anbere,  bafe  bie  ®rofje  be«  $opfe«  (er  fagte  nicht  einmal :  betf 
©ehini«)  lein  flttafcftab  ber  ©eiftetfraft  fein  fßnne.  Huch  auf 
bem  ftelbe  ber  ®eifte$lehre  jeigte  ftch  ber  £err  föebner  fehr  bc* 
wanbert.  <äx  fagte,  ber  tinterfchieb  in  ber  Schäbelgeftatt  ber 
oerfchiebenen  Götter  unb  SWenfchenraffen  fei  fehr  gro§,  fo  bafe 


*)  Stffo  eine  bbjrenologifche  Süfie  $atte  ber  9tebner  gefe&en!  $a«  er* 
innerte  tni^  an  einen  Hrtifel  ber  „freien  f  reffe",  welchen  id)  einige  Sage 
früher  gelefen  OieHeid)t  war  unfer  #err  3iebner  ber  $erfaffer),  wo  3emanb 
erjagte,  er  fei  früher  ein  Slntjänger  ber  ^brenologie  geWefen,  naa)bem  er 
aber  bie  ptjrenologifche  ©Ufte  genauer  betrautet,  fei  er  von  feiner  günftigen 
Meinung  jurürfgefornmen,  benn  c«  feien  aud)  auf  ber  9iafenn?urjct  Organen* 
nummem  angetrieben:  ba  aber  bort  gar  feine  Organe  liegen  fännten, 
Weil,  wenn  man  ba  binburd)fted)eu  würbe,  man  gar  fein  ©ebirn  träfe,  fo 
folge  barau«  u.  f.  w.  Sllfo  man  fragt  nid)t  nad),  wa«  bie  Mummern  auf  ber 
SNafenwurjel ,  auf  ber  2Hitteüinic  be«  Äoöfe«  bebeuten,  fonbern  man  mad)t 
fid)  bie  Antwort  felbft,  unb  wenn  biefe  unvernünftig  ausfällt,  fo  ift  bie  tyxt< 
nologie  unvernünftig ! 


190  meinen  imffen|*c$afHic$en  Segegniffen  ju  §am6urg. 


fein  anberer  Unterfctyieb  in  bet  menfcfyüdjen  ©eftalt  iljm  gleich 
fomme,  unb  bo$  (fyBrt!  tyört!)  —  fei  fcefanntüa)  ber  Gereifter 
aller  biefer  betriebenen  TOfer  gang  ber  nämliche.  £)erglei#en 
foüte  nun  einem  meift  au«  ßaien  befteljenben  3uljßrerfreife  unter 
bem  Tanten  ber  Siffenfctyaft  ntcfyt  geboten  werben,  bamit  bie 
3ufyörer  nitfyt,  ftatt*  an  toiffenf$aft(i$en  Dingen  ®ef$macf  ju 
gewinnen,  bon  ber  £l)eUnaI/nie  baran  juri'ufgefcfyrecft  »erben. 


XII. 

Dr.  lathan. 


34  bin  bcr  «eift,  ber  fiel«  verneint, 
Unb  baS  mit  9Jed)1  ;  benn  vu .  roaä  cntftrfct, 
3ft  wertl),  boft  e*  &u  «ninbe  ge^t ; 
Trum  bcfier  wir'«,  bo6  nidjt«  cnrftimbe. 

Http  |  i  ft  o. 


£)er  £abel,  todc^en  icb  gegen  ben  Vortrag  be«  §errn  Dr.  33. 
ausgebrochen ,  trifft  in  jeber  ©ejieljung  noch  mehr  bie  Arbeit 
be«  $>errn  Dr.  Nathan;  biefe  ift  noch  Wroffer,  toegtoerfenber, 
felbftgefälltger  gehalten.  $err  Dr.  nennt  ben  Sluffafe  geift* 
reich,  beftod^en  burch  bie  ®eftnnung«gteuhheit  be«  SJerf.:  aber 
®eift  in  n>iffettfc^aftac^en  Dingen  ift  nur  ba,  too  Sogtf  ift.  3n 
bem  Sluffafce  ^errfd^t  nur  ber  blinbe,  untDtffenfd^aftüc^e  ®eift  ber 
55cm einung.  ÜDabei  ^at  ber  33erf.  in  großartigem  Seifpiete 
gejeigt,  toaS  au8  bcr  ^renologie  totrb,  wenn  ein  ©egner  fie  fich 
nach  eignem  ©utbünfen  anfertigt.  Orr  fagt  (©.  478):  w3n  ber 
SBMffenfdjaft  ftanb  bie  ^ß^renotogie  oon  »orn  herein  al$  8üge  ba". 
X)iefe$  üo n  oorn  herein  23crurtheilen  Ijat  er  con  amore 
burc^gefü^rt.   9iur  Einige«  baoon. 

Sin  oieten  (Stellen  be«  SluffafceS  behauptet  ber  93erf.,  bie 
p^renotogifc^en  Organe  feien  /,®no$enljöcfer'',  er  fpridt)t  oom 
©chaben  berfelben,  um  ein  Drgan  ju  oerf (einem  jc  9ftan  fann 
hier  natürtid?  meber  eine  Umotffenheit ,  noch  bie  Slbficht,  Sin* 


192 


Dr.  mafyan. 


bere  ju  tauften,  bei  ihm  borau«fefeen.  Slber  e«  ift  djarafteri* 
ftifch  für  feine  SDetitroetfe,  baß  er  ftch  barin  gefällt ,  biefen  geift- 
lofen  ©cherj  06  jur  (Srmübung  ju  nrieberfjofen. 

(©.  477.)  w$iclleid;t  nur  al«  eine  Liebhaberei  unb  (Surio* 
fität  ^atte  fi<h  ®all  eine  Heine  9feil)c  ton  Beobachtungen  ge- 
fammelt,  in  welchen,  n>ie  er  meinte,  gcrriffe  äußere  Schäbelformeu 
nüt  gennffen  ®eifte«anlagen  ober  Neigungen  jufammenfielen." 
$)iefe  Söorte  bebürfen  feiner  SBMberlegung ;  fie  mürben  fchon  allein 
bclocifen,  bafc  £err  Dr.  Nathan  ®alt'«  grofje«  2öerf  nicht  einmal 
gefeljen  $at. 

£)er  SSerf.  nennt  e«  (3.  478)  „bie  Beobachtung  eine«  mo* 
bernen  Phrenologen  t  eine  Slblernafe  9)?uth  bebeute".  31(fo 
er  fcertoechfelt  fogar  Phrenologie  mit  ^hhf^gnomü,  jtoei  fo  fehr 
berfcbiebene  £>tnge.  (93ergl.  ben  ÄatedjiSmuS  ber  Phänologie  <&.  95.) 

$)er  SSerf.  fagt  (ebenbaf.):  „9Ucht  in  ftranfretch,  auch  nicht 
in  Sonbon,  fonbcm  erft  in  ben  £anbftäbten  ©nglanb«,  fo  toie 
in  Slmertfa,  n>o  ber  3ufta"b  be«  Unterricht«  ber  ftäglichfte  mar, 
—  erft  an  biefen  £>eerben  ber  Untoiffcnheit  über  (Seelenleben 
fchlug  bie  'P^renoto^te  2öur$el".  Söie  untoahr  btefe«  ift,  mögen 
einige  SThatfachen  (au«  ber  £eit,  ehe  ber  93erf.  feinen  $uffafe 
fchrieb)  geigen.  Slbernethh  fagte:  „3d?  geftelje,  bafe  ich  mich  nicht 
im  staube  fühle,  irgenb  gehaltvolle  ®rünbe  gegen  bie  Wahrheit 
ber  ^Phrenologie  borjubringen"  *).  Dr.  (Sonoüty,  profeffor  an  ber 
tfonboner  Untoerfität,  fagte :  „3$  gewahre  in  ber  nrirflichen  ober 
affectiven  (^eringfchä'feung,  melche  fo  manche  Anatomen  unb  phh* 
fiologen  gegen  bie  Söiffenfchaft  ber  Phrenologie  bilden  laffen, 
burchau«  nicht«,  h>a«  barauf  Slnforuch  machen  fonnte,  ^Uofo^ifct; 
genannt  ju  werben**).  Slnbral,  eine  ber  haften  ärjtlichen  Huto^ 
ritäten  Europas,  war  Präfibent  ber  ph*enologifchen  (^efeüfchaft 
ju  Pari«.  $)a«  Medico  -  Chirurgical  Review,  ba«  British  & 
Foreign  Medical  Review  unb  The  Lancet,  welche  unter  ben 
englifchen  mebicinifchen  3eitfchriften  mit  ben  erften  Wang  einnehmen, 1 
erfennen  fchon  lange  bie  Phrenologie  al«  wahr  unb  begrünbet  an. 


*)  Reflections  on  Gall  and  Spurzhcim's  System,  p.  48. 
*•)  On  the  Indications  of  Insnnity,  p.  135. 


Dr.  9?<ttf>an. 


193 


(@.  478.)  „£)ie  ^rcnofcgen  t^eitcn  bic  (Seele  wie  ba« 
£>irtt,  ober  bielmehr  ba«  £Mrn  tote  bie  Seele;  ihre  Jöilbttttg«* 
gefliehte  ber  (Seele  ift  eine  mechanifchc  äufammenfefcung."  ©er 
$erf.  bringt  auch  biefett  alten  unbegfrünbeten  Vorwurf,  bafj  bte 
^hrenologett  bie  (Seele  Reifen,  ohne  wiffen,  wie  grünbliche 
uttb  genügenbe  Erörterungen  hierüber  bon  ben  ^renologett  ge* 
macht  fmb.  £>er  Anatom  Hrttolb,  welcher  gewiß  für  ihn  eine 
Autorität  tft,  fagt  (^rbiich  ber  ^^ftotogie  @.  874) :  „Obgleich 
bte  Seele  ein  Einige«  uttb  Unheilbare«  ift,  fo  werben  bie  inneren 
Vorgänge  bcrfelben  boch  nicht  burd)  einen,  fonbern  burch  mehre 
unb  oerfchiebene  £irtttheile  vermittelt.  £>iefe«  ©ebingtfein  ber 
oerfc^iebenen  ^rojeffe  be«  inneren  (Seelenleben«  burch  bcrfchtebcnc 
£nrnthcile  fann  ange-nommeit  werben,  ohne  ba§  baburch,  wie 
mehre  ^ftychologett  uttb  ^ßljtyfiologen  glaubten,  bte  Einheit  ber 
*Scele  aufgehoben  wirb ;  benn  auch  bie  £eben«rraft  ift  ein  ©attje« 
unb  Einige«  unb  fyat  gleichwohl  nicht  ihren  Stfc  in  einem  ein* 
jclnen  ©ebilbe,  fonbern  tritt  tiberall  in  befonberen  formen  auf, 
welche  auf  eine  beftimmte  Seife  sunt  Seben  bettragen ". 

(S.  479.)  „3c  ttachbem  $ttr  nominellen  Erflarung  ber  (Seelen* 
erfcheinungen  eine  föubrif:  ein  Ort«*,  Sprach*,  Sort*,  33er* 
el?rung«ftttn  tc.  erforberlich  tft,  Werben  bem  £>trn  befonbere  ©r* 
gane  angebietet."  Um  ba«  Wilbich  ten  &u  lernen.,  hätte  ©alt 
bei  £erm  Dr.  Nathan  in  bie  Schule  gehen  müffcn.  Stein, 
©all  war  Laturforfcher  in  ber  bollften  Söebeutung  be«  Sorte«. 
Lüsternheit  War  fein  Eljarafter,  unb  mit  ber  ftrengften  ftolge* 
richtigfeit  unb  mit  eif entern  ftleijje  fyklt  er  an  feinem  ©a$f- 
fprttch  feft,  taufettb  unb  wieber  taufenb  Beobachtungen  jttr  ©e- 
ftättgttng  einer  iebett  ^hTCno^°8^Wen  Wahrheit  &u  fammeln.  E« 
beburfte  für  ihn  immer  iahrelangen  Dörfchen«,  *he  er  trgenb  eine 
neue  Entbccfung  (ein  neue«  Organ)  als  feft  erwiefen  betrachtete. 

£)amtt  finbet  zugleich  feine  Erlebigung,  wa«  ber  SBerf.  weiter 
äußert  (ebenbaf.):  „©all  blieb  babei  noch  einigermaßen  in  feinem 
fechte,  fo  lange  er  feine  Eombinatiotten  jwtfchen  gewiffen  Seelen* 
fräften  unb  gewiffen  £>irnpartten  für  ©ermuthungen  unb  ihm 
wahrfcheittliche  §^pot^cfen  hielt,  bic  ber  Unterfudning  unter* 
worfen  werben  follten;  feine  3ünger  aber  warfen  bie  hhPothe* 

S$e*e,  «HtwbalMe  «Uber.  8.  «ufl.  13 


194 


Dr.  9Jatt)cm. 


tifd^c  9totur  übet  öorb ,  numerirten  fid^  einen  ©djäbcl"  it.  f.  n>. 
2öer  au#  nur  SÖenigeä  bon  Cfafl'*  Herfen  fennt,  toeijj,  bafe 
biefer  bon  ber  Söaljrljeit  fetner  ßntbetfungen  gang  fo  feft  über- 
zeugt h>ar,  al«  C^afitei  bon  ber  üBafjrfyett,  baß  bie  (£rbe  unt  bie 
Sonne  taufe.  9)ian  begreift  bie  tecffycit  ber  fteber  faum,  tt>clcbc 
alle  biefe  Grrbictytungen  al«  Söafyrfyeiten  nieberf ^reiben  tonnte. 
9d(  toäre  begierig  gu  frören,  tootjer  £>err  Dr.  9?atyan  feine  Staute 
ntffe  über  ®ef(fyi<$te  unb  Siefen  ber  ^fjrenologic  geköpft  511 
fyaben  sorgtebt. 

<5eljr  aitSfüljrlid?  berbreitet  ftcfy  ber  $erf.  über  bie  Greifte«* 
lefjre  ber  $l)renologie ;  er  fprtd?t  ben  ifyrcr  „tfeicfytfertigfeit",  ben 
ber  „entfefcliÄen  9ln$afyl  ber  Phrenologien  ©eelenelentente". 
„£)ie  ältere  Gmtpirie",  fagt  er,  „Tjatte  mit  bem  7.  ober  10.  Tfyeil 
genug/  $)te  ?(rt  ber  Crintfyeilung  felbft  ift  ifym  bie  „ungerehm 
tefte".  (@.  487.)  „®erabe  toetl  allen  (£intfyeilungen  ein  bc- 
ftunntted  TfjeilungSprincip  gutn  ©runbe  liegen  mu§,  ift  bie  pljre- 
nologifefye  fo  abftojjenb  unb  toafyrfyeitsfeinblicty ,  fte  bennengt  feljr 
äJerfdn'ebeneS  unb  fonbert  anbererfeita  ba«  Gleichartige."  Als 
Sonberung  be«  Gleichartigen  begegnet  ber  üBerf.  g.  Sd.  bie  Tren- 
nung be«  „ÄantpffinnS"  unb  be$  „3erftBrung$finn8\  (ir  urteilt 
natürlich  nach  bem  bloßen  tarnen  ber  SSertn&gen,  bie  öebeutung 
ber  tarnen  fennt  er  nicht;  fonft  loürbe  er  huffen,  bajj  g.  ®.  eine 
einfeittg  ftarfe  Cmttoicfelung  be«  „ßampffinn«*  gu  üttuth  unb 
Äü^eit  führt,  be$  w3crf^rimfl^n^1'  ju  Graufamfeit,  baj?  alfe, 
roeit  ein  SDienfd^  mutfyig,  aber  gut  unb  milbe,  ein  anberer  graufam, 
aber  feig  fein  fann,  eine  Trennung  jener  beiben  Vermögen  als 
in  ber  s3catur  gegeben  borliegt. 

£)er  SJerf.  fotnntt,  tote  fich  erwarten  läfct,  auch  auf  bie  bon 
ben  Gegnern  feljr  ^äufig  int  SJhmbe  geführten  „$>interthürcn" 
.ber  Senologie  gu  fprechen.  (£r  fagt  (©.  485  f.) :  „£)ic  T(;at 
ift  ein  SRefttttat  ber  gangen  (Seele  unb  ihrer  (Bnflüffe,  unb  man 
fann  nicht  einmal  Hüffen,  ob  ber  fätocfyenfyöcfer ,  ber  bei  einem 
SJWrber  oorherrfcht,  gu  befd)ulbtgen  fei,  ob  nicht  bielmehr  bie 
Untljätigfeit  ber  übrigen  Seelenfräfte  Jenem  Trieb  bte  Obcrhanb 
gab.  ftotgt  ein  9ttann  mit  9tr.  6  (3erftörung«trieb)  bem  £>5cfcr 
nicht,  toohtan,  fo  toirb  Kt.  6  oon  Mx.  10—19  (ben  ^ö^eren 


Dr.  9?atfalt. 


195 


Gefüfjfen)  überhnmben:  fjat  er  einen  ©djäbel,  too  9lx.  10—19 
oorljerrfcben ,  nnb  morbet,  fo  gingen  (entere  einen-  Hugenblicf 
51t  $9ctte.  $)er  abgefetmtefte  93erbrecf>er  ttritb  batyer  feister  in 
Verlegenheit  fonunen,  al«  bie  ^ijrenologen :  benn  obgleid?  it)rc 
M;re  letzter  al«  <5eifenbfafen  ift ,  fo  ift  fie  gerabe  toegen  ihre« 
etr-igen  $lu«weichung«oermögen«  unangreifbar.  Tie  mahre  SÖiffen* 
fa^aft  aber  berfchmäht  jebc  X^eorte  mit  ljunberttaufenb  §intcr= 
thüren".  $)ie  Sattheit  ijt  fyiex  btefc.  £)ie  menfcfytidjen  §anb* 
lungen  f&nnen  an«  einer  bereiten  Urfac^c  Verborgenen,  entmeber 
mehr  an«  bem  (Sharafter,  ober  mehr  au«  ben  äußeren  Verhält* 
niffen.  Senn  5.  33.  ein  Sttenfch  ftiehlt,  fo  fann  er  e«  entmeber 
au«  §ang  junt  ^Diebftat)^  ober  aber  au«  §unger  nnb  Sftoth  tljun. 
Senn  ba^er  ein  ^renofog  ben  topf  eine«  £)iebe«  unterfuhr, 
fo  loirb  er,  wenn  ber  £)iebftatj(  au«  £ang  jum  ©tehlen  be* 
gangen  ift,  biefen  §ang  in  ber  Organisation  au«gefpro<hen  finben, 
im  anbem  ftall  nicht.  Sltfo  —  toofjtberftanben !  —  bie  ^fjreno-- 
logte  ^at  e«  nicht  mit  ben  bloßen  £anblungcn  al«  folgen, 
fonbern  mit  bem  &harafter  ju  thun.  freilich  Hüffen  bie 
Gegner  biefe«  nicht,  unb  menn  baljer  ein  ^renofog  über  bie 
£anbhmgen  eine«  9)?enfchcn  al«  folche,  toeit  fie  nicht  fein 
Gegenftanb  finb,  feine  3lu«funft  giebt,  fonbern  anbere  Urfacben, 
al«  bie  Geln'rnorganifation,  in  bie  Crrflärung  jieljt,  fo  befchulbigt 
man  ihn  be«  ßntmifchen«  burefy  eine  £nnterthür!  £>iefe  Runter* 
Untren  finben  fich  alfo  nicht  an  bem  toafyren  Söau  ber  'pfyreno* 
logic,  fonbern  an  ben  fatfehen  "P^autafiebauten  ihrer  Gegner. 
£)a  entflicht  eine  foldje  ^nnterthür  immer  einet  fallen  Vorber* 
feite  be«  Gebäube«.  Unfer  Verf.,  ber  im  Albanen  fo  Groß- 
artige« geteiftet,  leimt  fogar  hnnberttaufenb  Winterbüren! 

3eboch  (äffen  mir  e«  genug  fein  mit  biefen  ©eroeifen  ber 
Unfenntmß  be«  Verf.  im  Gebiet  ber  ^Phrenologie.  (Sehen  mir 
einmal  ju,  wie  e«  mit  feinen  flenntmffcn  unb  Urzeiten  auf 
feinem  eignen  ftelbe,  bem  ber  Anatomie  unb  ^^fiotogie,  befteüt 
ift,  einem  ftelbe,  meld;e«  ber  ^renofogie  gemeinfehaftlich  mit 
biefen  Stffenfchaftcn  angehört. 

(<3.  493.)  „Sa«  ben  erften  <3afe  ber  «Phrenologie,  baß  ba« 
Geln'rn  ba«  Organ  be«  Geifte«  fei,  betrifft,  fo  ttuffen  e«  fchon 

13» 


196 


Dr.  9*atb>n. 


unfere  Sctyüler,  baj$  bie  peripljertfctyen  (Snben  ber  Letten  mit 
ben  Ctentralenben  im  £>irn  in  ©csietjung  fteljen,  unb  bafe  bie 
^eripfyerie  rocber  für  baS  (Zentral  *  Organ ,  nocfy  beSljatb  für  bic 
Seele  inbifferent  fei,  ferner  auefy,  ba§  ber  ®eift  ben  ganjen 
empfinblt($en  Organismus  burctyroofynt  unb  nicfyt  im  §im  ab= 
gefperrt  fei.  91u$  baS  Unempfinbltcfye ,  &.  bie  Oberhaut, 
gehört  $u  ben  Organen  beS  ®etftcS"  u.  f.  tt>.  ®er  S5erf.  meifc 
alfo  nid)t,  bat*  baS  <8e$lrn  baS  auSfc§ltej3lic$e  Organ  ber  be* 
nnifjten  Seefentyättgfeit  ober  ber  ©eifteStyätigfeit  ift!  dx  fdjeint 
ntd&t  ben  Unterfcfyieb  jmifc^en  ®etft  unb  Seele  unb  iljren  Or* 
ganen,  ja  felbft  niebt  bie  ©ebeutung  beS  Portes  Organ  511 
f ernten.  SWacty  iljm  nütrbc  es  unrichtig  fein,  baS  $luge  baS  aus* 
fcfyltefllidlje  Organ  beS  Seijens,  bie  SöeroegungSneroen  bie  aus* 
fcfyliejjitdben  Organe  ber  23emegung  511  nennen,  beim  audj  biefe 
Xtjätigfeiten  finb  nietyt  abgefperrt,  rote  ja  feine  (Sinseltljätig* 
feit  im  ättenfctyen.  Senn  Xiebentann*)  bie  ®eifteSfraft  beS 
Negers  na<$  ber  SDiaffe  feines  ÖelnrnS  meffen  roill,  fo  müfjte 
ber  93erf.  biefeS  fcfyon  barum  für  unvernünftig  erffären,  roeil  ber 
®eift  nic^t  im  ®e^irn  abgefperrt  fei. 

(S.  494.)  „m  Uuroaf^eit  unb  Unflarljeit,  bie  im  erften 
Safee  liegt,  ift  inbefc  nichts  gegen  bie  SBcrroorrenljeit  unb  Öügen* 
Ijaftigfcit  beS  itoeiten  (bafe  baS  ®efyim  in  mefjre  Organe  jer* 
fällt).  93or  Hllem  fctyeint  er  oom  §irn  ju  fprectyen,  roä^renb  es 
barauf  anfäme,  bie  £ljcilbarfctt  ber  Seele  ju  begrünben.  SWan 
toergeffe  aber  ni$t,  roas  man  nicfyt  glauben  mürbe,  ba§  naefy 
allen  ^fyrenologen  fein  anatomifd^eS  SRcffcr  bie  Organe  ju  finben, 
b.  Ij.  bie  pljrenologtfctyc  Teilung  beS  $irnS  toorjuneljmen  im 
Staube  ift.  Söenn  aber  fein  objectioer,  anatomifd^er  ©runb  für 
bie  äfteljrljett  ber  Organe  oorljanben  ift,  fo  ift  bie  entfefelid^c 
2öillfürlt$feit  eingeräumt,  mit  ber  jene  9)W?rl?ett  angenommen 


*)  3$  nenne  fyier  belegen»  Xiebemann  »or  Slnbern,  h>ei(  ber  Skrf. 
felbfi  an  einer  ©teile  be«  Inffa^c«  (@.  478)  ifyn  „einen  SKann"  nennt, 
„welken  2)entfä)lanb  wegen  feiner  Seifinngen  in  natnrforfd&enber  Anatomie 
toere&rt,  unb  werter  a(8  eine  erfle  3nf»anj  jur  S8enrtb>Uung  ber  £e$ren  ber 
«Phrenologie  betrautet  »erben  barf". 


Dr.  Weithin. 


107 


tritt»/  SWaii  fann  fyter  jioeifeln,  ob  e«  tuirfttc^c  Unfenntnig 
ober  nur  augenbtieftiche  Aufregung  (ber  3uftanb  bc«  „(Sntfefeen«") 
ift,  loa«  ben  23erf.  fo  Wft  untotffenfc$aftltc$  urteilen  unb 
fliegen  lägt.  SBcig  er  ntd^t ,  bag  Slnatomie  unb  $fafiologte 
gang  oerfd;tebene  Dinge  finb?  bag  bie  Anatomie  cbenfo  toenig 
ben  33eloei«  für  alle  pfMtologifctyen ,  al«  bie  Ätiologie  ben  für 
alle  anatontifetyen  ©afyrfyeiten  geben  fann?  Grrfennt  er  nic^t  au«- 
brüeflid;  an,  bag  bie  "pljrenologen  bie  Trennung  ber  Organe 
nicfyt  auf  anatontiftfjem,  fonbern  auf  anberem  (pfytyfiologifctyem) 
3öege  gefunben  fya&eu  toollen  unb  bereifen  ju  tonnen  behaupten  ? 
Seig  ber  ^erf.  ooflenb«  nid^t  —  loa«  ifyn  gerabeju  fc!t)lägt  — 
bag  in  ber  tljatfäcfylicfyen ,  aber  anatoinifcty  auc$  nidjt  na$n>ei«* 
baren  Trennung  be«  SRücfenmarf«  in  bie  Heroen  ber  ©eioegung 
unb  bie  ber  (£ntyfinbung  etloa«  ganj  3leljnlidt}e«  loie  bie  ©elu'rn* 
trennung  oorliegt?  3$  behaupte  Ijter  feine«toeg«,  bag  in  ber 
Organentreunung  be«  SKücfenmarf«  ein  birecter  Betoei«  für  bie 
Organentrennung  au$  be«  ®etyirn«  gegeben  fei;  benn  bie  erftere 
Trennung  Ahmte  oorljanben  fein,  bie  festere  nicfyt:  aber  fooie( 
behaupte  ic$  gegen  ben  SBcrf.,  bag  fein  auf  bie  Slnatomie  fiety 
berufeuber  33etoci«  gegen  bie  Organentrennung  bc«  ®ctytrn« 
fc^red^t^in  nichtig  ift  unb  at«  nid/tig  oon  iljm  fyättc  erfannt 
loerben  müffen.  2htf  bie  pljrenologtfcfyeu  SSeloeifc  felbft  für  bie 
Organen  trennung  be«  ®eljirn«  gelje  i<$  Ijier  nidt)t  ein ;  ich  bemerfe 
nur,  bag  unter  biefe  Söelocife  audt»"bie  ftäfle  ber  Äranf Reiten  unb 
ber  Verlegungen  be«  ®el)irn«  gehören.  $)er  Sßerf.  fagt  jioar 
(@.  502):  „(5«  ift  eine  notorifetye  toiffenfd^afttic^e  £üge,  bag 
tfyetüoeifc  Verlegungen  be«  (^eln'rn«  eine  entfpredjenbe  tljetlloeife 
Beeinträchtigung  ber  ®eifte«oermogen  jur  ftolge  Ijaben  follen". 
3Ulein  loie  liege  fiety  enoarten,  bag  in  be«  Verf.  grünblid;er  Un* 
fenutnig  ber  Phrenologie  fiety  eine  tfücfe  finben,  bag  iljm  bie  ja$l* 
reiben  fycxtyx  gehörigen  Xfyatfatyn  ober  nur  bie  Erörterungen 
®alf«  über  glouren«'  Verfuge  befannt  fein  follten? 

(@.  494.)  „©a«  ben  britten  Safe  ber  ^reno(ogie  (bag 
bie  ®roge  be«  (SJelH'rn«  bei  übrigen«  gleiten  Verljälmiffen  ein 
Stfagftab  feiner  traft  fei)  anlangt,  fo  fommt  er  unglaublicher 
Seife  auf  bie  neue  SSafyrljeit  ^inau«,  bag  ein  tlnfertau  ftärfer 


198 


Dr.  Kation. 


fei  al«  ein  £>anfbratyt.  (5t  ift  c«  übrigen«,  ber  bic  ©eele  aller 
9taturforfcfyer  erbitterte;  beim  er  ^at  in  ber  organifdfoen  3ßatur 
nic^t  feine«  ®teic$en  unb  nid^t« ,  toa«  für  ifm  fpridt)t.  «Revuen 
loir  au$  „alte  übrigen  Vedjältniffe"  als  gleuty  an,  fo  bleibt 
bennodt)  bie  ®röße  be«  Organ«  bebeutung«le«.  Söenigften«  Ijaben 
fämmtli^e  afleffungen  be«  §irn«  nnb  aller  anbcrn  &6rpertfyeite 
al«  SKefuttat  ergeben,  baß  bie  ®rb"ße  unb  ber  Umfang  ber  Xljeilc 
ebenfo  bebeutenb  fdt)tt)anfe,  al«  bie  ®röße  unb  ber  Umfang  ber 
ÜJttenfcfyen  überhaupt,  unb  baß  ein  großer,  bicfer  ober  langer  Ringer 
ntd)t  burdfy  feine  ®rßße  audt)  ber  gea>anbtere  fei."  (SUfo  bi«  |u 
SBortberbrefyungen  läßt  fic$  ber  falfdt)e  Slnfläger  ber  ^fyrenologie 
Ijerab,  inbem  er  Ijier  ba«  2öort  „gercanbt"  bem  Sorte  „ftarf" 
unteriuf Rieben  berfudt)t.)  „Ruberen  Männern,  al«  'pljrenologen, 
mürbe  man  e«  jur  @dt)anbe  rennen,  baß  fie  eine  (Sigenfcfyaft  ber 
Materie  ober  allenfali«  be«  ftleifäe«  auf  bie  ©eele  übertragen 
(al«  f%  man  mit  großen  Singen  beffer,  al«  mit  flehten),  bei  ben 
^Ijrenologen  hingegen  muß  man  fidt»  an  ben  fraffeften  SDtecfyani«* 
mu«  gemeinen.  3^Ötc  in  *>cr  Mtim  freiliefe,  alle  £fncre 
etngefdt)loffen,  um  fo  biet  meljr  intelligent,  je  großer  ba«  §irn 
ift,  bann  märe  ber  @afc,  na$  bem  ÜDurc^meffcr  ober  mit  ber 
Grlle  bie  Seele  ju  meffen,  einigermaßen  unerfdt)ütterlidt)."  „5ötr 
wollen  unfere  ©Verlegungen  au«  Sichtung  bor  ber  SBaljrljeit  nütyt 
metter  fortfefcen ;  man  ficljt  fetyon,  n>ic  biete  naturfunbige  Umftäubc 
bei  ©eurtljetlung  ber  p^renologifdt}en  3rrleljrc  in  ©etracfyt  fommen 
unb  marum  biefe  in  ßänbern  unb  Snbibtbuen,  bie  in  natur*  unb 
feelenfunbigem  Unterrichte  jurücffteljen,  am  meiften  Slnflang  finben 
mußte.  9htr  fei  nodt)  bemerft,  baß  Vergrößerung  be«  Volumen« 
unferer  Organe  mit  Langel  an  Energie  weit  inniger  aufammen* 
tjänge,  al«  mit  <3tärfe.  (So  null  e«  bie  btmamifc^c  Natur  be« 
Organi«mu«."  ftürtoafyr,  toenn  e«  jemal«  einen  ungtücfltctyen 
2lu«teger  beffen,  loa«  bie  Sttatur  mill,  gegeben  fyat,  fo  ift  e«  ber 
Verf. !  £em  legten  @afe  j.  23.  gegenüber,  baß  bie  Vergrößerung 
ber  Organe  mefyr  iljrer  3<$h>äcfye  entfpredt}e,  l)i?rt  alle  ©iber* 
legung  auf.  SBeiß  ber  Verf.  übrigen«  nidt)t,  baß  bie  ®röße  be« 
ganjen  Slugentorper«  be«u>egen  nidt}t  ein  Üttaßftab  ber  ©tärfe  ber 
Seßhaft  fein  faun,  roeil  nietyt  ba«  Sluge  al«  folcfye«,  fonbent  bie 


Dr.  ftttyOX. 


199 


SWcrtaut,  ber  Sehnerb  ba«  Sehen  »ermittelt?  Oft  c*  ferner 
bem  23erf.  in  ber  Zf)at  unbefannt,  bap  ba«  £>irn  ber  Stiere  mit 
bereu  fyitycrer  Stellung  an  ©rBfje  junimmt?  Xiebemann,  bc« 
Sßerf.  Autorität,  fccrmenbetc  in  feinen  Vorträgen  über  bie  Anato- 
mie be«  ®ehtrn«  bret  »ölte  Stunbcn  auf  bie  ^Beweisführung,  bafj 
ba«  ®ehim  ba«  Organ  be«  Reifte«  fei,  nnb  grünbete  biefen 
23eü>ei«  anf  bie  ausführliche  9cacfymetfnng ,  nuc  »on  ben  niebereit 
Xljierclaffen  31t  ben  Theten,  »on  ben  Snfectcn,  ftifchen,  SBogeln, 
Säugetieren  bi«  jnm  SRenföen,  bat  (Gehirn  in  bcmfelten  2ttafte 
mie  bie  3ntelltgen$  an  ®rßjje  stmimmt.  Unb  £iebemann  fitste 
babet  ben  Safe,  ba&  bie  ^röße  be«  ©ehirn«  ein  2tfa&ftab  feiner 
traft  fei,  nicht  einmal  31t  begrünben,  fonbern  er  fefete  bie  ©ahr* 
heit  biefe«  Safec«  al«  felbftfccrftän  blich  borau«.  Unb  bie 
Aufteilung  ober  Anerfcnnutig  biefe«  Safee«  bon  Seiten  ber  Ph™* 
nologen  foll  „bie  Seele  aller  ftatnrforfctyer  erbittert"  ^aben! 

£)er  Sßerf.  tfjut  noch  einen  Stritt  au«  ber  (allgemeinen) 
^^ftotogie  in  ba«  (Gebiet  ber  ^renologie.  Grr  fagt  (S.  495): 
„$)iefer  (julefet  befproc^enc)  Safe  märe  fctbft  bann  noch  ganj 
ttnamoenbbar  (in  ber  ^^renologic) ,  memt  er  auch  af«  roaljr  ju* 
gegeben  mürbe;  beim  bie  „Gleichheit  ber  übrigen  SSerhältmffe", 
ber  üDftfdntng,  ber  Drganifatton ,  Uebung,  föetjung  u.  f.  m.  ift 
nie  31t  ermitteln".  3<h  mufj  bem  93erf.  ^ier  bie  ®erechtigfeit 
unterfahren  laffen,  ba§  er  feine  Unfenntnij?  ber  Phrenologie  in 
biefem  ^unft  mit  allen  anbern  (Segnern  tfjeift.  3<h  fyafo  nie- 
mal«  auch  nur  einen  Arjt  gefunben  —  anbercr  (Gegner  ju  ge* 
febmeigen  —  melier  gemußt  ^ätte ,  worauf  e«  bei  bem  oor* 
liegenben  Safee  in  ber  >ßh™™togtc  aufommt.  Alle,  toenn  fie 
aud),  nüc  am  häuftgften,  ben  Safe  al«  maljr  annahmen,  glaubten, 
biefer  fönne  ben  Stachen  ber  Pönologie  be&oegen  nicht 
jur  feften  (Srunblagc  btenen,  meil  er  ja  eine  Söebingung  — 
wmenn  bie  übrigen  SBcrhältntffe  gleich  feien"  —  etnfchlie§c,  eine 
©ebingung,  meiere  nie  fcorhanben  ober  nie  al«  fcorhanben  nach* 
jununfen  fei.  Allein  hätte  man  ba«  erfte  beftc  $anbbuch  ber 
Phrenologie  nachgelefen,  fo  ha'tte  man  barau«  erfchen,  bafi  bie 
Organenlehre  mit  allen  ihren  Xhatfachen  nicht  auf  ber  93er- 
gleichung  jmeier  Gehirne  »erfchtebener  9)2enfchen,  fonbern  auf 


200 


Dr.  9tatf>an 


ber  SBctgUic^uiiö  ber  bcrfchiebenen  £heüc  etncä  unb  beffet* 
ben  ®ehime8  unter  fich  beruht.  ^Dic  berfchicbenen  Xtyiie  eine« 
unb  beffctben  Gehirne«  finb  aber  in  bem  £emperamcnt,  ber 
2flifchung  :c.  unter  fich  gleich-  £)er  ^renoleg  fann  baher 
mit  oollcr  nuffenfchaftlicher  Sicherheit  j.  bie  ©röße  be«  $orber* 
fopf«  eine«  SWenfr$en  mit  ber  be$  £interfopf$  begleichen,  unb 
ba8  Urteil  nürb  im  23erhältniffe  ganj  baffelbe  bleiben,  ob  ber 
topf  einem  ©angutntfer  ober  (Sljolerifer  ober  ^Jcamatifer 
angehört. 

(@.  495.)  „£)cr  bierte  <Safc  ber  ^Phrenologie  —  bafc  bie 
©djäbelgeftalt  im  (Standen  ber  (Seljirngeftalt  entfpricht  —  ift  be^ 
merfenSipcrth  alä  ein  Söeifpiel  bon  bem,  *oa$  ftch  ein  ^ubttfum 
aufbinben  läj?t,  toettu  e$  frech  unb  oft  genug  behauptet  toirb. 
Die  fogenannten  phrenotogifchen  §irnorganc  finb  nichts  al« 
Biegungen,  Stiftungen,  §Öcfcr  ber  ©chäbelfnochen ,  bie  theil$ 
burch  bie  befonbere  Grntnncfelung  unb  ^erbinbung  ber  einzelnen 
(Schäbclfnochen,  theils  burd)  üftu$felanfäfee ,  ioe^atb  fid^  an  allen 
Knochen  £i*cfer  oorfinben,  bebingt  loerbcn."  „3>ie  £rirnfapfet, 
ber  Sd;äbel,  untertreibet  fich  bei  einzelnen  burch  müoef  entliche 
Biegungen  unb  £5cfer.  Untvahr  ift  bie  i'eljre,  ba§  baä  £nrn 
ftch  feine  Zapfet  Mibe."  „£)er  ©chäbel  bilbet  ftch  nach  ©efefeen 
be«  ÄnochcnftyftemS,  nicht  nacb  tenen  be«  9cerbenfhftem«;  bie 
englifche  $ranfheit,  aber  nicht  bie  englifcbc  ^^renotogie  l)at  ©e* 
loalt  über  ihn."  $um  @chluffc  ift  ber  SBerf.  noch  einmal  au« 
btinbem  Söa^r^eit^affe  recht  tief  in  ben  Orrtfuim  fymetngeratljen, 
inbem  fich  aud)  fycx  feine  Unfcnntnife  ber  "Phrenologie  mit  ber- 
jenigen  allgemeiner  naturtoiffenfchaftlicher  Xhatfa^en  berbinbet. 
(5r  bemerft,  bafc  fich  ber  (Schabet  bei  Grin^elnen  burd;  „umoef ent- 
liche" Biegungen  unb  §ö<fer  unterf Reibet,  unb  glaubt  mit  biefer 
Sattheit  ettoaS  gegen  bie  ^P^rcnotogic  gefagt  $u  haben;  er  loeifc 
nicht,  baj?  biefc  „umoef  entlichen"  ©ehäbefunebenheiten ,  ioelche 
burch  bie  ftähte,  burch  2)cu«fetanfäfce  :c.  entftehen,  in  ber  ^xe> 
notogie  fehr  toohl  gerannt  finb,  aber  gerabe  belegen  nur  in* 
fofern  in  ^Betracht  fommen,  als  fie  bei  ber  Söeurtheilung  ber  35er* 
fchiebenheit  ber  ßopfgeftalten  abgerechnet  merben.  «Sollte  eS 
aber  bem  SScrf.  unrflich  unbefannt  fein,  baj  es  auper  biefen 


Dr.  Nathan.  201 

„umoefentüchen"  ^chabel  Unebenheiten  noch  anbere,  fe^r  loe- 
fentliche  3$erfchicbenheiten  ber  ® chi* ngeftaü  giebt?  £er  3$erf. 
Brandet  nidjt  auf  btc  fcerfchiebenen  üDfcnfchenraffen  jurücfjufle^en, 
er  fann,  wenn  ihm  bie  33eoböd;tung«gat?e  nid^t  ganj  fehlt,  unter 
ber  täglichen  Umgebung  33erfdn'ebenhciten  ber  Äopfgcftalt  auf- 
finben,  toclchc  um  fehr  SBtele«  größer  fiub,  al«  baß  fic  mit  jenen 
„uMoefentlichen"  <Schäbelunebenhciten  oertoechfelt  werben  f&nnten. 
35on  gleicher  Unfenunuß  in  ber  ^tyfiofogie  jeigt  e«,  toemt  ber 
33erf.  behauptet,  baß  ba«  Gehirn  fich  nicht  feine  Stapfet  (ber 
®eftalt  nad>)  bitte.  «efannttich  giebt  e«  ein  ®efym,  ehe  c« 
einen  «Schabet  giebt.  Sßötc  fann  alfo  bie  ©cftalt  be«  ®ehirn«, 
toelche«  fcorhanben  ift,  ton  ber  ®eftalt  be«  <Schäbel«,  welcher 
nicht  fcorhanben  ift,  abhängen?  33efannttich  nimmt  @chäbel  unb 
(Gehirn  im  Ijoljen  3lltcr  ab ,  ma«  unmBgtid;  wäre ,  wenn  bie 
ftorm  be«  (Gehirn«  ton  berjenigen  be«  @d;äbcl«  abginge.  33ei 
®efyirnfranfljeitcn,  j.  5B.  bem  2Saffcrfopf,  wirb  ber  Schäbel  fogar 
bt«meilen  3U  einer  ungewöhnlichen  ®rÖßc  au«gebclmt.  Oft  biefc 
2lu«behnung  audj  burd?  SÖulftungen  unb  $nod;enhöcfer  veranlaßt? 
Söenn  eine  franffyafte  33ef<haffenheit  be«  (Mjtrn«  eine  franffjaftc 
2tu«behnuug  be«  <§chäbel«  $ur  ftolge  ^at,  fo  fann  bo<h  wofjl  eine 
gefunbe  unb  natürliche  2lu«behnung  be«  ®chirn«  auch  eine  ge* 
funbe  unb  natürliche  HuSbefynung  be«  Schabet«  jur  ftolge  haben, 
üttit  einem  SBorte,  fo  gewiß  bie  Phrenologien  Organe  feine 
^noeben^efer  finb,  fo  gewiß  ber  Knochen  tobt  (nicht  actib)  unb  ba« 
®ehtrn  lebenbtg  ift,  fo  gewiß  richtet  fich  bie  ©eftatt  ber  tobten 
tnochenfapfel  nach  ber  ®cftalt  Ü)xc%  lebcnbtgen  Inhalt«,  be«  Gehirn«. 

^Der  ©chluß  be«  5(uffa^e«  enthält  bie  Sorte:  „@o  fei, 
liebe«  SBaterlanb,  Inp^burch  getarnt,  fo  weit  e«  in  meinen  Gräften 
ftanb,  unb  h"*e  ^4  s>or  bem  töetj  ^  SBunberbaren  unb  \>or 
aller  SSahrfageret".  Sftit  bem  SBarnen  ift  e«  wie  mit  bem  £abeln. 
©o  wie  ber  £abel  oon  3emanbem  jum  £ob  gereichen  fann,  fo  tann 
eine  Söarnung  *>or  ber  ^renotogte,  wie  bie  be«  $erf.,  eine  3luf^ 
munterung  jum  @tubium  biefer  SBiffettfcbaft  fein. 


xm 

3)cr  Anatom  Hrnofcl. 


„3<fj  flftBotirc  in  ber  ttrirfltdjen  ober  affectiven  Öctinfl; 
fcfiabitug,  roeldje  fo  manche  Stiiotomcn  unb  $I)t)fioloßen 
gegen  bic  SBiffenfdjaft  ber  ^Ijrenoloflic  bliden  laffen, 
burcf)au$  nid)«,  was  barauf  «nforudj  machen  lönnte, 
pfjilofopljifdj  genannt  ju  werben." 

Dr.  Co  n  o       $rof.  a.  b.  Untocrfität  j.  Sonbon. 


£>ie  ®ef<$icfyte  .foirb  eS  einft  Slrnolb  junt  gebütyrenben  $er* 
bienft  rennen,  bafc  er  ju  einer  3ett,  fco  fo  biete  anbere  berühmte 
®eletyrte  £)eutfc$(anb$  bie  Phrenologie  at«  Irrlehre  verwarfen, 
gerabe  al«  Anatom  offen  unb  ungeteilt  al«  beren  SSert^cibigcr 
auftrat.  SBohl  Hebt  auch  Hmolb  no<$  SBteleS  bon  ber  @chtoäc$e 
an,  tuetc^e  bie  meiften  (Mehrten  bei  ber  ©eurthetlung  ber  <{tyrc* 
nologie  barthun:  au<h  er  glaubt  über  biefe  2Btffenf<$aft  ab* 
fttnmten  ju  fönnen  ohne  nähere  unb  namentlich  ohne  praftifdbe 
Kenntnis  berfelben.  SMlein  gerabe  bajj  Slrnolb,  ohne  ^rcnolog 
ju  fein,  bie  ^Phrenologie  im  ®an$en  als  toahr  anerfennt,  be* 
loetft,  ba§  biefe  ße^re  —  oon  ihrer  thatfächtichen  SÖafyrljeit 
^ier  abgefehen  —  aud?  fo  u>iffcnf$aftU$  loahr  fd/einltcb  ift, 
bafe  ihre  2$ertoerfung  oon  Seiten  bieler  belehrten  feineötocgö 
bur<h  beren  Langel  an  grünblicfyer  Äenntnijj  berfelben  entfd^ul^ 
bigt  toerben  fatut. 

2>ie  fogenannten  bier  ®runbfä'fee  ber  <Phrmofogie  —  1)  ba8 
©e^im  ift  ba$  Organ  be$  Reifte«,  2)  bie  ®röj?c  be«  ®ehirnS 


2>er  Staaten  Slntolb.  203 

tft  bei  gleicher  Skfcbaffenljett  ein  9)cafeftab  feinet  Äraft,  3)  bie 
©eftaft  be«  ®efyirn«  tft  int  ©an$cn  an«  ber  Äopfgeftalt  jn 
erlernten,  4)  ba«  ®efH'nt  ift  eine  2)*el)rfyeit  bon  Organen  — 
fyat  3lrno(b  boüfommen  anerfannt. 

3n  öejufl  anf  ben  jtoetten  <Safe  ttnrft  Slrnolb  (ec^rBud^ 
ber  Biologie  be«  2)?enfc$cn,  II,  S.  858)  ber  «Phrenologie  in* 
tfjümlic$  bor,  otyne  ßinf ^ränhtng  behauptet  ju  fyaben,  ba§ 
bie  ®rö§e  be«  (9el>irn«  ein  HHafeftab  feiner  Äraft  fei.  Sföic  oft 
nntrbe  biefer  ^ommrf  fcfyon  bon  ber  ^Phrenologie  at«  unbegrünbet 
Surütfgetoiefcn I  9htr  bei  gleicher  ©cfctyaffenljeit  ift  nnb 
fann  bie  ©ruße  be«  ®eJn'rn«  ein  Sftafcftab  feiner  Sraft  fein.  (Sa« 
5lrno(b  über  ben  britten  «Safe  fagt,  f.  oben  S.  30.  Grbenfo  bom 
bierten  Safe  <S.  193.) 

«Seiner  Unterfud^nng  über  bie  einzelnen  pfyrenoJogifcfyeit  3ÖaIjr* 
Reiten  fd^ieft  Slrnolb  bie  ©orte  borau«  '(<S.  856):  „SBir  motten 
bei  ber  2(u«emanberfefeung  ber  inneren  Sinne  be«  SKenfcfyen  an* 
geben,  in  uueioeit  biefe  nach  ben  Erfahrungen  ber  ^ßfyrcnofogen 
au«  genüffen.  formen  be«  Schabet«  ju  erfemten  finb,  ba  nur  e« 
für  unftatthaft  Ratten,  in  einer  (5rfa^rung«toiffenfc^aft  bie  ©cob* 
ac^tungen  au«gejeicljneter  Männer,  ohne  fie  ttuberfegen  511  fönnett, 
für  nt<htig  31t  erftären,  unb  ba  nur  überzeugt  finb,  bajj  in  ben 
ftorfcfyungen  ber  ^hrenologen  (Ötott,  «Spurjheim,  ßombe  u.  St.) 
biete  begrünbete  9ca#n>etfungen  fich  finben. 

Sine  ftotge  biefer  allgemeinen  5ltterfettnung  ber  p^renolo* 
gifeben  X^atfa^en  bon  Seiten  Strnotb'«  ift  e«,  bafc  er  t>or  Mein 
eine  richtige  Slnficht  bon  ben  ©runbbermijgen  be«  ©eifte«  gc* 
ioonneit  ^at.  So  finb  ihm  j.  33.  (Jrfennen,  Sölten,  ©ebächtnifi 
feine  berfdjicbenen  ©runbfräftc  be«  ©etfte«,  fonberu  allgc* 
meine  ©etfte«thätigfeitctt,  bie  nicht  burch  berfc^tebene  ©ehtrn* 
theite  bermitteft  toerben  fimnen.  dt  fagt  (S.  862):  „Sitte 
£hätigfeit  be«  Sitten«  fann  fich  nur  auf  ein  er  fa  nute« 
Object  begießen,  unb  ebenfo  tft  fein  (Srfennctt  ohne  (Sinfluft 
be«  Sitten«  möglich-  <Somit  fönnen  fich  beibe  auch  nid>t  in 
befonberen  unb  betriebenen  formen-  be«  §irn«  offenbaren". 
Ebenfo  fagt  er  bom  ©ebächtniB:  „£)erfetbe  2$eU  ober  ^unft 
be«  ®ehirn«,  bura)  ben  eine  beftimmte  (Smpftnbung  unb  #or* 


204 


2)er  Slnatom  Strttolb. 


ftetfung,  eine  ßrfenntnifc  ober  SBUteiuStfyätigfeit  vermittelt  wirb, 
tjat  auefy  bie  $raft,  biefetbc  311  betoafyrcn  unb  31t  toi  e  ber* 
Ijoten.  liefern  nacb  ioäre  c«  unftatttjaft ,  bem  ®ebäcfytni&  ein 
eignes  unb  befonbere«  ©ebitbe  im  ®etjirn  ober  eine  beftimmte 
«fctyeifong  beffetben  anjutoetfen,  tote  bie«  oielfacfy  oon  ^ttfio-- 
logen  unb  Wtycfyotogeu  geffiefen  ift".  9hm  aber  fäfyrt  Strnotb 
gegen  bie  ^fyrenotogie  fo  fort:  „So  fjaben  mehrere  ^fjrenotogen 
«Stoß  u.  2t.)  ben  @tfe  be«  ®eba*c$tntffe«  in  ber  Orbitafportion 
ber  5$orbertappcn  be«  großen  Ökfytrn«  angenommen  unb  fyter 
felbft  ein  @pra(fy=  unb  sJkmengebäd6tnife  unterf  Rieben".  Triefe 
fonberbaren  Sorte  ?lmotbr«  finb  nur  au«  einer  fefjr  mangel- 
haften ftenntntfj  ber  ^fytenotogte  erftä'rticfy.  £cnn  biefe  teuere 
fttmmt  ja  gerabc  mit  ber  5(ufirf?t  ^trnolb'«  überetn,  inbem  fie 
ba«  <$ebä$tmR  ni$t  at«  ein  befonbere«,  burdty  einen  befonbem 
®eljirntfycit  termittettc«  ÖrunboermÖgen  be«  Reifte«  anerfennt, 
fonbem  in  jebem  einlernen  (^runboermtfgen  ein  ®ebäcbtnij?  at« 
mit  bemfetben  gegeben  annimmt.  3um  Ueberfluft  fn'er  eine  «Stelle 
au«  ®all:  „3$  t?abc  feit  meljr  at«  breiig  Sauren  geteert, 
ba|  ba«  ®ebäcfytnif?  uicfyt  at«  eine  ®runbetgenfd;aft  ber  (Seele 
betrautet  »erben  tarnt,  ba  e«  ein  attgemeine«  Attribut  jeber 
®runbeigenfd)aft  ift;  bafc  c«  fo  biete  ®ebäc$tniffc  geben  mujs, 
at«  e«  oerf<$icbenc  Vermögen  gtebt,  unb  atfo  fein  oerfcfyiebcne« 
\  Organ  für  ba«  (#ebäcfytnife  oortjanben  fein  fann". 

©ei  ber  Unterfucfyung  über  bie  bcrfdjiebenen  Verrichtungen 
be«  ®etM'ru«  fd&tagt  Strnotb  einen  eigentümlichen  SBeg  ein,  ber 
&ugletd)  ba«  9fätl)fet  erftären  tu'lft,  toarum  bie  Hnatomcn  im 
ungemeinen  fiety  fo  fctyioer  in  bie  Phrenologie  tjineinfinben  unb 
ba^er  fo  ^äufig  (Gegner  biefer  Siffenfd^aft  finb.  £ic  Sefyre 
oon  ben  Verrichtungen  be«  ®etjim«  ift  nämlich,  loie  fich  Oer* 
ftcl;t,  sugletch  bie  £et)re  00m  Reifte  fetbft.  ©e^irnte^re  unb 
®eifte«tef;rc  fatten  im  (Srgcbnijj  in  Grin«  jufammen.  9hm 
giebt  e«  aber  faum  einen  großem  ®egenfafe  in  wiffenfc&aftti^eit 
Stubien,  at«  ben  jungen  ber  (Srforfdmng  be«  tobten,  mit  bem 
Keffer  ju  jertegenben  förper«  unb  ber  ßrforfchung  be«  leben* 
bigen,  beweglichen,  au«  Neigungen,  Gefühlen,  23erftanbe«fräften 
jufammengefefcten  ©eiftc«.  @«  nurb,  ein  ganj  anber«artige«  %a* 


2>er  Anatom  flrnolb. 


205 


(ent  ju  beut  einen  unb  ju  bem  anbem  ©tubium  erfotbert:  ber 
größte  nnb  talentoollfte  Anatom  fann  möglicher  SÖeifc  mir  ein 
fe^r  geringe«  latent  jitr  ©eifteSforfityung  mitbringen,  nnb  über= 
bteS  fann  baS  eine  latent  burdj  ©ctoofmfyeit  nnb  Vorliebe  nodt) 
»erftärft,  baS  anbcrc  bnrcty  Abneigung  gef$toä<$t  fein.  £)aljer 
bürfen  mir  und  mcfyt  numbern,  baf?  oon  jeljer  t>icte  Anatomen 
fcfyoactyc  ®eifteSforfc$er  getoefen  finb.  Unb  bo$  f ollen  bie 
Slnatomen,  feitbem  man  baS  ®efn'rn  als  baS  Organ  beS  Reifte« 
crfannt  fyat,  als  (Sefyirnjergltebcrcr  $ugtetc$  ®eiftcSforfdjer  fein. 
(So  feljen  mir  benn  oielc  Anatomen  befangen  unb  fctyroanfenb 
»erfcfyiebene  oerfe^lte  SBege  etnfctylagen,  um  mit  ber  ßetmtmfs 
beS  @efyirnS  bie  ®eifteSfenntnife  31t  oerbinben.  Oogamie«  üttüller 
j.  SB.  giebt  neben  ber  Seljre  00m  ($e$irn  bie  ®eifteSleljre  <Spi= 
noja'S,  inbem  er  auf  eine  nrirftid^e  Vereinigung  beiber  nocfy 
gänjü^  oer$tcfytet.  Rubere  Anatomen  tootlen  bie  ßeljre  r>on  ben 
Verrichtungen  ber  Heroen  jugleicty  jut  tfetjre  fcon  ben  Serrig 
tungen  beS  ®eljirnS  machen ;  fie  erflären  bie  fämmttictyen  (MfteS* 
tljä'tigfetten  für  ein  (Srgebnifc  beS  Sefyenfc,  £)5renS  u.  f.  h>.  ober 
aucfy  für  ein  (Srgebnip  ber  Vereinigung  oon  (Sntyfinbung  unb 
Söetoegung,  rote  nur  biefe  beiben  Gräfte  in  ben  Bensen  ber 
ßorperglieber  unb  im  föücfenmarf  rennen.  Slrnolb  get)t  mieber 
einen  anbem  2öeg.  Seil  er  fi$  im  Allgemeinen  auf  bie  $t)re* 
nologie,  b.  i.  bie  ^aturtoiffenfcbaft  beS  Reifte«,  ftüfet,  fo  ift 
feine  Slnfidjt  00m  (Reifte  unb  feinen  einzelnen  Gräften  eine  un* 
gleicfy  beftimmtere  unb  ber  Sat)rr)eit  mel)r  entfpre^enbe,  als  bie 
aller  übrigen  Anatomen.  Qen  (Steift  in  feinen  mannigfaltigen 
Gräften  erfaffenb,  crfennt  er  richtig  ben  ganzen  $Rei$tr)um  beS* 
felben  in  ben  oerf<$iebenen  £eibenfc$aften ,  (Stefüljlen,  Talenten 
u.  f.  n>.,  unb  fucfyt  bie  Organe  berfelben  in  ben  oerfcfytebenen 
Steilen  beS  ®et)irnS  auf.  Slber  gleich  rote  um  aucb  burd?  fein 
-Ssöeif^iel  ju  betoetfen,  toie  fcfytoer  es  bem  Anatomen  falle,  eine 
tl)atfäc$lic$e  9taturlet)re  beS  (Reifte«,  meiere  eS  bisher  niemals 
gab,  jum  trften  9M  in  ber  $t)renologie  als  oortjanben  an$ucr* 
fennen,  roiberruft  Slrnolb  bur#  bie  £t)at  fein  oorljer  auSbrücflid? 
ausgekrochenes  Urteil,  bafc  bie  Senologie  eine  (SrfafjrungS* 
toiffenWaft  fei:  benn  anftatt,  toie  er  hiernach  Ijätte  tfyun  muffen, 


20G 


35er  2tnatom  «rttotb. 


(Jxfafyxung  nur  buxcb  (frfaljximg  ut  pxüfen,  benft  ex  fi($,  na* 
Kit  bex  ^ftydjotogen  unb  abgefcljen  oon  bcx  ßxfafyxung,  ein 
<Styftem  *>ex  ®eifte«(etjxe  auö  unb  n?tü  bte  SÖaljxljeit  bex  pljxeno* 
fogif($en  £ljatfa$en  an  beut  2Wa&ftabe  biefeS  ausgebauten 
«Softem«  meffen.  (Sin  fjatbe«  3afyxfyunbext  fnnbuxd?  fjat  eine  Sin« 
jatjt  toacfexex  9»ännex  bie  $raft  tyre«  Gebens  auf  bie  natur* 
nuffcnfcfyaftftctye  Prüfung  bcx  pfjrenotogifctyen  £ljatfa$en,  auf  bte 
(Sntbetfung  unb  Jöeftätigung  bex  eingeben  ©e^ixnoxgane  oer* 
menbet,  unb  nun  unternimmt  e«  2(rno(b,  meljre  biefer  triff  en* 
fcfjaftücfyen  drgebniffe,  burer)  Xaufenbe  bon  ©njelfäüen  begxi'tnbct, 
ate  unrichtig  jtt  bcxtoexfen,  nia^t  tr>cit  er  fie  geprüft  unb  unrichtig 
gefunben  Ijat,  fonbem  tr>ct(  fie  nicfyt  in  fein  ausgebaute« 
ftem  paffen. 

fernen  mir  in  furjer  Hnbeutung  9trno(b'«  Softem  unb  ba* 
bei  feine  %nfi$ten  über  einzelne  pbrenotogifebe  $l)atfa<$en  fennen. 
2fotolb  untexfcfyeibet  eine  bxeifattye  £>auptrid)tung  ber  ÖciftcS* 
tljätigfeit  be«  SWcnfcben,  jenacfybem  biefe  fiefy  euttoeber  auf  bie 
ÄuSenmctt,  ober  auf  ein  fyofyere«  HbfoUtte«,  ober  auf 
ba«  geiftige  3$  bejieljt. 

1.  3n  ber  «Be^ung  bc«  Reifte«  auf  bte  Hufjentoeft  Hegt 
j.  SB.  ber  <3<$arffinn,  oorragenb  bei  tüchtigen  praftifeben 
®ef$äft«männern,  toetc^c  bie  fiety  ifmen  bietenben  ©egenftänbc 
f^nett  unb  richtig  überbauen  :c. ;  er  giebt  fiefy  meiftenS  in  einem 
£>erbortreten  be«  untern  £fjcU«  ber  (Stirn  gu  erlernten.  „$üx 
biefe  ttnnafyme  fpxecfyen  bie  @xfaT;xungen  bex  ^bjenologen ,  beim 
Unten  jufotge  finben  fidj  an  biefex  @tefle  bex  «Stirn  biejenigen 
SDrganc,  toefetye  ftdj  auf  bie  (Jxfenntnip  äujjcxex  <$egenftänbe  . 
besiegen,  SQ.  ®egenftanb«finn ,  £t)atfacfyenfinn ,  (Seftattftnn, 
Saxbenftnn,  Ortfinn,  3a^cnf^nn  ®0($  tabeft  9(rnotb  bte 
^Phrenologie  toegen  bex  Untexf Reibung  fo  bieter  Organe,  ba  es 
„offenbar  auffattenb"  fei,  toenn  man  aufter  einem  Organ  fftx 
©egenftänbe  unb  fttx  Xljatfa<$en  noety  befonbexe  Organe  für  bte 
©eftatt,  für  3a$(en  tc.  aufftefite.  Süfo  ^ter  t*rt  tra$  Slrnotb 
bie  „dxfafyxung  bex  $fyrenofogen  }u  fprec^en"  auf,  meit  fie 
ettoa«  „Stuffalfenbe«"  bringt.  Allein  toenn  ba«  Sluffaffenbe  ein 
3tterfmat  ber  Untoa^rfjeit  märe,  fo  mürbe  aüc  ftaturtoiffenföaft 


2)er  Stnatom  Slntofb.  207 

itnb  ber  gortfcfyritt  in  berfetben  bafb  ein  (£nbc  Ijaben.  So 
2Me(e«  in  ber  Statur,  ja  atte«  roef entließ  Reite  at«  fo($e«  „fällt 
auf*.'  £>ie  Grrfafyrung  ber  ^fyrenologcn,  bafc  ein  üDcenfcfy  einen 
fefyr  großen  (Skftaltfimt ,  aber  einen  fefyr  geringen  3al>(enfinn, 
ober  umgefetyrt,  tjaben  tarnt,  „fpria^t  tfjatfacfylia)  bafür*,  bajj 
j.  biefe  Beiben  ®eifte*träfte  a(8  in  ber  Statur  getrennt  erfannt 
werben  muffen. 

gerner  gehört  In'ertyer  ber  £icffinn,  ober  ba«  Vermögen, 
gebotene  ©egenftänbe  in«  fteine  unb  Seite  geiftig  ftu  anafyfiren 
unb  ba*  SSefonbere  auf  allgemeine  Säfee  suri'uf juftt^ren ;  er  giebt 
ficf>  äufjerlicfy  in  einer  etioa«  bortretenben  SÖMbung  be«  obem 
£ljeU«  ber  Stirn  31t  erfennen.  £>ie  "ißfjrenotogen  nennen  ^tcr 
ba«  Organ  be«  $erg(eic$ung«oermcgcn$  unb  ba«  M  Scfy(u§* 
bermegen«.  £)amit  ift  aber  ?(rno(b  nic^t  ganj  aufrieben,  „toeü 
ba«  (Sigentfyümttcfye  unb  ßtjaraftertftifcfye  be«  Xicffinn«  niefct  oor* 
SugStoeife  in  biefen  beiben  Organen,  fonbem  aud?  nod;  in  anberen 
(Sigcufcfyaften  begrünbet  ift".  Slrnotb  bleibt  fyter  bic  GrrHärung 
fdmlbtg,  in  „toeteben  anberen  (Stgenfdjaften  110$"  ber  £tcffinn 
begrünbet  fei;  a(fo  feljlt  feiner  Unjufriebenljeit  bteiöcgrttnbung, 
ebenfo  toie  Ujr  batyer  bic  nähere  Söiberfegung  fehlen  mu&.  Uebrt* 
gen«  ift  bie  ^Phrenologie  nic^t  ntinber  unjufrieben  mit  biefer 
Untcrfdjeibung  unb  (Srttärung  9(mofb'$  bon  Sctyarffinn  unb  £ief= 
(bin.  £)er  Sctyarffinn  beftcfyt  feincSroeg«,  h)ie  Strnolb  meint, 
b(o«  in  einer  großen  GrntnncfeUtng  ber  SöafjrneljmungSfinne  (®egen= 
ftanbfinn,  $eftattfinn  jc.);  e«  giebt  roofyl  einen  tyierfyer  gehörigen 
Scfyarffinn  be«  Üftaler«,  be«  Slaturbeobad&tcrö  ic. ,  aber  c«  giebt 
auefy  einen  auf  anberer  ®runb(age  berutjenben  Scfyarffum  be« 
^i(ofopt?eu,  be«  Scfyrtftftefler« ;  SlrnolV«  ganje  obige  Untere 
fcfycibung  unb  bereu  SSegriiubung  ift  bafyer  unrichtig. 

ferner  nennt  9lrnolb  Ijier  ben  niebern  Äunftfinn,  naety 
tfym  ba«  £a(ent  be«  9ttea)anifer« ,  5lrcfyiteften ,  3cufytet*> 
I;auer«  unb  $in>ferfted?cr«,  ober  be«  2Jca(er«,  Üttufifer«  :c.  be* 
grünbenb:  er  ift  an  einer  ©reite  be«  untern  £<jeite  ber  (Stirn 
unb  ber  borbern  Sd&töfengcgenb  ju  erfennen.  Slmofo  jieljt 
fyierfyer  au«  ber  ^l)reno(ogie  ben  £onfinn  unb  ben  „Söautrteb", 
tabett  aber  im  lefetern  ©ort  bie  Stylbe  „trieb",  morin  er  an 


208 


2)er  Stnatom  flrnofb. 


fich  ganj  9?cd?t  hat  unb  ftch  nur  irrt,  menn  et  meint,  ba«  fei 
Setter  alter  ^htenotogen.  Söeber  ®att  noch  Spurjheim,  weber 
Orngtänber  noch  ^ranjofen  ^aben  biefen  fteljler  gemacht,  fonbern 
nur  in  SDeutfchtanb  n>urbe  bi«meüen  au«  Sftachföfftgfeit  ber 
Jöaufinn  £3autrieb  genannt,  ©ehr  fonberbar  ift  e«  übrigen«, 
ttenn  5(rnofo  alle  bie  Iner  genannten  latente  unb  ihre  Organe 
in  Grtn«  jufammenf  äffen  ttriö,  ba  e«  ihm  boch  gettrij?  befannt 
ift,  ba§  Semanb  ein  fehr  grofje«  Talent  für  9Merei  ((^eftatt* 
finn,  garbeufinn  jc),  aber  ein  fehr  geringe«  für  ÜÄuftl  (£on* 
finn,  3citÜ«n)  ob«  umgefehrt  ^aben  fann. 

ferner  ber  „h  ö  h  e  r  e  $  u  n  ft  f  i  n  n ,  ftarf  enttoiefett  bei  großen 
Dichtern,  töebnern  unb  Schriftftettern ,  giebt  fich  burch  eine  be* 
trächttichc  ©reite  be«  obern  <Stirntf;eilS  gu  erteilten*.  9lrno(b 
Sicht  tn'er^er  ba«  phrenologifdhe  Organ  ber  3beatttät,  tabett  aber 
„bie  ©ejei^nung  at«  offenbar  nicht  ^ier^er  gehörig  unb  unftatt* 
r>aft".  (!) 

ÜDie  ^uffaffung«*  unb  $DarfteÜung«gabe  be«  2)?enfchen  fpre* 
d^en  fich  nach  5lrno(b  aufterbem  „noch  burch  getoiffe  öefonber- 
fyetten  in  bieten  $äüen  au«,  hne  namentlich  in  ber  (Sabe  be« 
SSMfee«  unb  im  mimifd^en  latente".  (Segen  bie  betreffenbeu 
phrenotogifchen  Organe  Ijat  3(rno(b  nicht«  einjutoenben. 

2.  £)ie  fttytung  be«  (Seifte«  auf  ein  t> öftere«  SIbfo* 
tute«  betrifft 

ba«  @c$one  unb  fabelte,  äftfjcHfctyer  ©tun.  9(mo(b 
Sieht  ^ier^et  abermal«  ba«  phrenofogifche  Organ  ber  3beatität, 
unb  ift  ^ier  mit  bemfetben  beffer  jufrieben  at«  oben;  (!) 

ba«  ®ute  unb  «Sittliche,  ethifcher  (ginn.  Sfrnotb  sieht 
hierher  bie  Organe  be«  Söohhoolfen«  unb  ber  (Seroiffenhaftig* 
feit,  meint  aber  (oom  <3tanbpunfte  feine«  «Softem«  au«),  bajj 
bie  oon  ben  ^h™10^"  angenommenen  ^Bezeichnungen  einfettig 
unb  ungenügenb  feien; 

ba«  fechte  unb  SÖa^re,  poltttfdherSinn.  Orr  begrünbet 
nach  Ätnolb  fefyr  »erfchiebene  £)inge,  j.  ba«  Stecht«*  unb 
3Bahrhett«geftthf  unb  sugletch  bie  Klugheit  unb  Stforficht,  jroci 
SHnge,  meldte  Slrnolb  burch  einen  einzigen  2Muf  auf  bie  (ix- 
fahrung  al«  getrennt  hätte  erfennen  müffen; 


2) er  Anatom  »rnolb. 


209 


baä  ®i?ttlid;e  unb  £)ö$fte,  rettgißfer  <Sinn.  Ueber  bie* 
fen  Sbtn  unb  fein  Organ  ftintmt  Slrnolb  mit  ben  sJtyreuo(ogen 
überein. 

3.  £)ie  ba$  geiftige  3dj  betreffenbe  §aiu>tri<$tung  ber 
(SMfteStljättgfeit  feegreift  ben  «Setbftfinn  unb  ben  9 enteilt* 
finn  unter  fic$. 

3(u«  bem  SBorljerrfcfyett  be«  «Sctbftftnn«  entfpringen  naefy 
Slrnofb  nid?t  nur  ©to($,  ßitelfeit,  §ocfymutfy,  ©elbfttertrauen, 
Selbfoufriebenljeit,  Stnmajnmg,  @got«mu$,  fonbern  auc$  geftig* 
feit,  Gntfd^offen^eit,  3)httf>;  femer  ^begierbe  unb  £abfud&t, 
targ^eit  unb  ®ei$.  (!)  „frür  oerfdjiebene  In'erfyer  gehörige  (£igem 
tfyümlic^feiten  be$  menfcfyücfyen  ®eifte$  fyaben  bie  ^Ijrenofogen 
befonbere  Organe  angenommen,  nämlich  ba«  ber  3e(bftacfytung, 
ba«  ber  «eifallstiebe  unb  bat  be«  @infyeit$trieb$."  Slrnotb  be* 
ftreitet  biefe  5lnnafyme  nicfyt.  £)efto  entfcfyiebcner  aber  beftreitet 
bie  ^^renotogte  bie  SRicfytigfeit  ber  Ijier  bon  3lrno(b  gemalten, 
aöer  Grrfaljrung  miberfprecfyenbeu  3wfantmcnfaffWTI8  getrennter 
©etfteStfjättgfeiten. 

$)er  ©emeinfinn  ftimmt  naefy  Slrnolb  mit  ben  pfyreno- 
fogt[cr)en  Organen  be$  9(nljänglic§fett$finn$ ,  ber  Äinbcriiebc  unb 
au<$,  toenigften«  jum  Xljeif,  be«  @inf)eit$fmn$  überein. 

9cac$  bem  SftitgettyeUten  ift  tooljf  eine  meitere  unb  befonbere 
9?ac$meifung  ber  Sctymäcfye  be«  ganzen  2(rnolb'fdj>eu  ©Aftern«  ber 
®eifte«tetyre  ttberftüffig.  £)ie  ungrünbü^e  Sfrt  unb  Seife ,  mit 
ber  Slrnolb  bei  ber  Slufftetfung  biefe«  @t)ftem$  ©erfahren ,  jetgt, 
bafc  aud?  er,  menngfet<$  ein  großer  9lnatom,  nichts  weniger  ate 
ein  großer  ®eifte«forfctyer  ift.  (£r  mußte  überbieä,  bat?  &°m 
SHtertfyum  fyer  bi«  auf  unfere  £age  £aufenbe  bon  miUfürfidjen 
Styftemen  ber  ®etfte$(eljre  gefcfyaffen  morben  finb :  burfte  er  ba^er 
an  einem  bon  Umt  gef<$affenen ,  menn  au$  mit  §Ufc  pljreno* 
togifetyer  Sbeen  meniger  tuftig  geratenen  taufenb  unb  erften 
©Aftern  bie  ffiafyrfyeit  ber  ^ßfyrenotogte  prüfen  motten?  Söarum 
bertäßt  Strnotb  gerabe  ber  ^Phrenologie  gegenüber  ben  ©oben 
ber  naturnnffenfdjaftlicfyen  (Srfaljrung,  melden  er  bo<$  fetbft  tfjr 
juerfannt,  unb  auf  metd^em  auefy  er  at«  Slnatom  fte^t  unb  feinen 
töuftn  gewonnen?  Diur,  fo  fc^etnt  c3,  um  $u  geigen,  tote  ferner 

ScfKtte,  «U^tcnoloflü^c  ©Über.  3.  «ufl.  14 


210 


2>er  ftnatom  ?lrno(b. 


auch  er  al«  Anatom  fich  in  bcn  (Sebanfen  'ju  finben  weift,  ba§ 
ber  menfcbltche  ©elft  eine  «Sache  innerhalb  ber  Statur,  bajj 
atfo  bie  Phrenologie  eine  mit  ber  Anatomie  ganj  ebenbürtige 
^aturtoiffenfchaft  ift. 

Ueberbie«  gereicht  Arnolb  feine  fo  geringe  $enntnifj  ber 
Phrenologie  jum  fehleren  SBortourf.  (Sr  $at,  nüe  fict)  an«  feiner 
ganjen  $)arftetlung  ergiebt,  nicht  einmal  (Sali  gelefen,  fonbern 
er  fennt  bie  Phrenologie  nur  au«  irgenb  einer  mangelhaften  $ar* 
ftellung  berfelben.  Glicht  minber  &u  rügen  unb  mahrhaft  ju  be* 
ftagen  ift  e«,  bafe  Arnolb  nicht  felbft,  mie  er  unbebingt  ntufjte, 
bie  Phrenologie  praftifch  geprüft  hat.  ©n  9taturforf<her  barf 
in  ber  Darftetlung  einer  9ktiiTtoiffenfc$aft  oon  beren  SBertretern 
nicht  in  ber  britten  Perfon  fprechen:  bie  Phrenologen  glauben, 
bie  Phrenologen  nehmen  an,  bie  phrenologen  h«fa"  gefunben. 
SDie  Phrenologie  beruht  entioeber  auf  Xäufchung  ober  auf  2öahr^ 
heit.  2Öer,  nüe  Arnolb,  ber  lefctern  Anft<ht  ift,  barf  über  bie 
^^renologie  nur  at«  ^tenolog  fprechen. 

SSergeffen  toir  jeboch  bei  allem  liefen  nicht,  nüe  fehr  bie 
Phänologie  Arnolb  gu  £>anf  oerpflichtet  ift.  Wify  nur  ber= 
bient  er  rühmliche  Anerfenmmg  toegen  be«  geifte«freien  ©liefe«, 
mit  bem  er  gegenüber  fo  manchen  anberen  Anatomen  bie  2Öahr= 
heit  ber  Phrenologie  erfannt  1fatf  fenbern  biefe  (grfenntnijj  ift 
auch  gerabc  belegen,  meil  fie  bon  einem  großen  Anatomen 
fommt,  bon  befonber«  höh™1  Serth-  (5«  gieht  fo  biete  2Wen= 
fa>en,  bie  Autorität«gtäubige  finb.  £)ie  Phrenologie,  \}M  man 
oft  fagen,  fann  nicht  auf  Wahrheit  benihen,  ba  ja  bie  Anato- 
men, benew  ba«  erfte  unb  nächfte  Urtheit  über  fie  juftehe,  fie 
toertoerfen.  £)a  Arnolb  an  Autorität  tooht  taum  irgenb  einem 
Anatomen  nachfteht,  fo  ift  burch  feine  Anerfenmmg  ber  Phre* 
nologie  bie  gegnerifche  Autorität  ber  Anatomen  gebrochen. 


XIV. 


din*  (ßiftmürilcrin. 

XaS  üid)t  bc3  m\M  tfl  ein  Cueü  ber  lugeiiD, 
Xaö  üaflft  ftommt  aus  3inftfrni6  unb  Wacftt. 


$)er  „3erfterung«finn"  im  nötigen  3)?age  ift  beftimmt,  bem 
Reifte  bie  nBttjige  £fattrafi  ju  geben,  um  afle  bie  §inberniffe, 
bie  fidj  un«  im  Selen  entgegenftetten,  au«  bem  Söege  ju  räumen, 
ba«  $5fe,  ba«  Scfylcdjte  511  jerftören.  £>te  Ij&cfyfte  2iu«artung  . 
biefe«  SBerm&gen«  ift  bie  $um  3erf^Ten  ?xn&  S0fenf<$enteben«, 
511m  3)forbe  füfyrenbe  ®raufamfett  be«  ßfyarafter«.  9tf#t  jeber 
2)forb  geljt  au«  (Uraufamfeit  Ijerbor:  aUetn  ein  (SHftmorb  ift 
immer  borbeba<$t  unb  a(fo  mit  au«  (Sraufomfeit  berfibt.  Da 
e«  bie  ^Phrenologie  ntcfyt  mit  ben  oft  meljr  burdj  ben  3ufflß  ^4 
ftimmten  $anbhmgen  be«  üftenf^en,  fonbern  "mit  feinem  GHja*" 
Tafter  ju  t$un  Ijat,  fo  ttegt  in  einem  (Siftmorbe  immer  ein  für 
bic  ^l)reno(ogtc  bebeutfame«  ©&arafter$eugnij$  oor.  §ier  bie 
fur$e  ®eföi<$te  eine«  foulen  2)torbe«. 

®eorg  ©eefenbaety,  tfanbmann  bon  SöityetmÄfelb  bei  Reibet* 
berg,  tourbe  am  10.  Hpril  1843  untoeit  feine«  Sofynorte«  mit 
bem  5Tobc  ringenb  gefunben.  (Stne  Sicherung,  bie  er  am  2ftor* 
gen,  fiety  unmoljf  füfjtenb,  getrau,  ba§  er  eine  „böfe"  Suppe 
gegeffen,  aud)  ba«  ©erücfyt,  ba§  er  mit  feiner  ftxau  nid/t  gut 
gefebt,  beranfafcte  bie  iöefyörbe,  bie  Unterfucfyung  be«  ßeittynam« 
unb  bie  SBerfyaftung  ber  $rau  be«  Verdorbenen  anjuorbnen.  Die 


212  Ginc  ©tfttniJrberin. 

i 

- 

Unterisling  ergab  eine  unzweifelhafte  Slrfenifoergiftung ,  unb 
obgleich  bie  ©eefenbaety  fyartnäcfig  leugnete,  fo  üefjen  bot$  bie 
©emeife  fie  t>atb  at«  bie  getoiffe  Xljäterin  erfctyeinen.  <5iu  £euge 
j.  $&.  fagte  au«,  bajj  fie  tym  einige  3eit  juoor  einen  (Sarolin 
unb  bie  Äteiber  ifyre«  SDfanne«  oerfpro^en  Ijabe,  toenii  er  biefen 
au«  ber  Söelt  fc^affc. 

£)ie  ©eefenbatty  (geb.  1815)  n>ar  eine«  unter  mehren  un* 
e^eüd^en  ftinbern  tljrer  ÜDfutter.  Sie  befugte  bie  Schute  ton 
iljrem  fiebenten  3aljre  bi«  gu  ibvent  Grinfegnung«tage,  (ernte  aber 
barin  nic$t«,  nic^t  einmal  tefen,  loa«  fie  fetbft  „U;tein  bunimen 
#opfe"  fcfyulb  gab.  3nnerljatb  12  3aljren  gebar  fie  5  unetjelicfye 
#inber,  ba«  erfte  fetyon  in  iljrem  16.  ober  17.  3aljre;  nur  ju  ben 
jioei  ätteften  loufcte  fie  einen  SBater  ju  bejeic^nen.  3m  October 
1842  »erheiratete  fie  fic§  auf  3ureben  ifjrer  Butter  mit  «eefen* 
bac$.  3m  SBerfyafte  gebar  fie  ein  efyeüctye«  Stinb.  ©eefenbaeb  toar 
ein  2ttann  in  ben  beften  3afyren,  ber  nic^t  über  feine  $rau,  fon* 
bem  über  ben  fie  bie  $errfc$aft  geübt  ju  tyaben  fctyeint.  9tf«  er 
j.  an  feinem  £obe«tage  auf  bem  Sege  $ur  Arbeit  fi$  imrool>i 
füllte,  weigerte  er  fic$,  »on  feinen  ^Begleitern  baju  aufgeforbett, 
m  naefy  §aufe  jurüd sufefyren ,  au«  fturcfyt,  mie  er  fagte,  »on  feiner 
grau  mit  äSorioürfen  toegen  feiner  £rägfyeit  empfangen  gu 
loerben. 

%m  3.  3uni,  faft  brei  SJKonate  naefy  iljrer  (Sinferferung, 
lourbe  bie  befyarrticfy  teugnenbe  ©eefenbaety  im  ©efängniffe  bc* 
taufdjt,  al«  fie  mit  einer  anbern,  baju  aufgeteilten  befangenen 
über  Ujre  £ljat  fpraety,  loobei  fie  fiefy  rolj  fctyerjenb  änderte.  2tf« 
nun  ber  Unterfu$ung«ricfyter  eintrat  unb  fie  fic$  glei^fam  auf 
ber  £tyat  ertappt  faty,  toeigerte  fie  fi#  ni#t  meiter,  ein  ßejfötfb« 
nifi  abzulegen,  unb  ttjat  bie«  in  fotgenber  Seife.  Sie  ijatte  ba« 
®ift  (Strfenif,  ba«  af«  Rattengift  oerfauft  tyr  gugangüd^  loar) 
auf  ben  Detter  geftreut,  au«  bem  tyr  9)*ann  feine  2ttorgenfuppe 
effen  foltte.  <Sf>e  biefer  in  ber  frritye  $ur  Arbeit  ging',  fdjüttetc 
er  bie  (Suppe  in  ben  Setter,  unb  fie  fafy  im  ©ette  üegenb  ju, 
tote  er  aß. 

$U«  ©eioeggrunb  ifyrer  Zfyat  gab  bie  SSerbrecfyerin  Sibnei* 
gung,  §afj  gegen  iijren  3Wann  an.  Obgleich  fie  n>ieber(;o(t  oor 


(Sine  ©iftmtfrberin.  213 

bem  töidbter  änderte,  baß  fie  taufenbmat  tt)re  $t)at  Bereut  r)abe, 
fo  geigte  bo$  2töe«,  baß  bie«  feine  ®cmütr)«reue  mar.  2öenn 
bie  £t)at,  of)ne  an  ben  Sag  gu  fommen,  il)r  gegtüdft  toäre,  fo 
fjättc  fie  fätocrtidf)  föeue  barüber  gefügt.  3^re  93erftanbe«frä'fte, 
fo  f$toa($  fie  toaren,  toaren  burct)au«  gefimb;  an  geiftige«  3rr* 
fein  toar  nid^t  gu  benfen:  aüein  in  bem  gangen  (St)arafter  tag 
eine  fetyauberootte  @ittenrotjr)eit  gu  £age.  <g«  toirb  in  ben  Steten 
at«  fetjr  merftottrbig  begeicfynet,  baß  fid^  fein  einigermaßen  ge* 
nügenber  Söetoeggrunb  ber  Xljat  ergab. 

Sßerfen  toir  nun  einen  S&üd  auf  bie  ©etjtrnbitbung  ber 
33erbrecberin.  £)er  ©cfyäbet,  burety  bie  ©ä'ge  geöffnet,  geigt  bie 
ungetDofjnticfye  SMcfe  oon  burc$f(^nittlic^  ftarf  3  ßinien.  $)enno<$ 
laufen  bie  innere  unb  bie  äußere  föto<$enflätfye  mit  geringer  tlb* 
toei<$ung  gtei#.  9iur  an  ben  ©teilen  be«  Slctttat  unb  uurmttat 
ift  ber  $noc$en  bebeutenb  biinner:  fetbft  an  ber  ©d&fä'fengegenb' 
betjätt  er  bie  ootte  oon  3  Linien.  £>ie  genommenen  2)c*aße 
be«  im  (fangen  mittelgroßen  topfe«  finb  biefe:  ber  Umfang  be« 
(grabet«  über  bie  SRitte  ber  ©tirn  unb  ben  £tnterfopf  19"  3'" 
(t-artfer  aftaß),  oon  ®cr)ergang  gu  ®et)Brgang  über  bie  ©d&a'bet* 
mBtbung  13"  9'",  ber  Sängcnburd&meffer  be«  @c$äbet«  6"  8'", 
ber  ©retteburcfymeffcr  über  bem  Oljre  5"  6"',  ber  ÜHrntymeffer 
oon  ©d&läfe  gu  ©cfytäfe  4"  2"',  oon  einem  @autaf  gum  anbem  5"  2"', 
oon  (Saufatitat  gu  Cauta(  4"  3'"  (beibe  auf  ber  Slbbitbung  @.  216 
mit  f  begegnet),  oon  (Sautaf  gu  Snfantal  3"  11'",  oom  ®er)ör* 
gang  gur  SOfttte  ber  Stirn  4"  1'" ,  oom  ®er)i}rgang  gu  (£aufa= 
titat  3"  10"' ,  oom  ®er)örgang  gu  (Sautat  3"  1"',  oom  ©erjBr* 
gang  gu  Snfantat  4"  2"'.  (fciefe  3Raße  mit  bem  Eaftgirfet  ge* 
nommen.) 

$)ie  ®roße  ber  eingefnen  Organe  tjabe  i$  fo  gefunben: 
®eneratat5*),  3nf  antat  5,  Stmicatat  3*/8,  ©poofitat  4Vi*,  3teti* 
tat  6**),  ©ecretal  5,  Slcquifitat  4,  gautat  4,  Hmbitat  3  (er* 


•)  1  -  fe&r  «ein,  2  -Kein,  3  -  mittelmäßig ,  4  —  jtemti^  groß, 
5  —  grofi,  6  —  feljr  grefe. 

liefen  Sluffafe  fdjrieb  id)  i.  3.  1843,  n>o  meine  £l?renotogif($en  Sr* 
fabrnngen  nod)  ju  wenig  rei<$  maren:  idj  mürbe  »ob!  jefct  ba«  SDtafi  be« 
Serital  an  biefem  fto\>\t  at«  6'/j  bejeiebnen. 

r 

t 

« 


Digitized  by  Google 


2H 


(Sin«  ©iftmörbettn. 


fd^etnt  bon  außen  etu>a«  ftärfcr,  at«  c»  fi$  bon  iunen  jeigt),  3pfo* 
tat  3,  ftirmitat  5,  Gionfcientat  2iji  (bon  außen  ettoa«  großer,  als 
bon  innen),  SBeneratat  2,  ©peratal  3i/2,  Bonität  3;  ber  ganje 
borbere  (DefyirnfaWen  auffallenb  Hein,  fein«  ton  beffen  einzelnen 
Organen  ftc$tü($  bot*  ober  jurüeffte^enb. 

Die  X$at  ber  ©ecfenba<$  mo^te  fic$,  mit  «erücffid&tigung 
tyrer  ©eljirnbUbung ,  fo  al«  in  intern  ®eifte«$uftanb  begrünbet 
erftären  (äffen.  Cr«  Hegt  feljr  nafye,  bajj  fie,  fo  (ange  an  ein 
b&üig  jügcltofe«  2eben  getoitynt,  batb  am  Dafein  ifyre«  Sftanne« 
9infto|$  ftnben,  iljn  entfernt  toünfcfyen,  Üjn  Raffen  mo$te.  3cbocfy 
ber  5aB  ift  nur  ein  ®ebanfe,  unb  ber  ©ebanle  be«  ©ijfen  fann 
faft  einen  jeben  9ftenfcfyen  bef<fy(eicfyen.  Sagt  boeb  ber  eble  Sa* 
bater:  „Senn  bu  bir  ni<$t  gefielen  fannft,  ba§  bu  bie  ©ur^el 
aüer  Saftet  in  beinern  $erjen  füfytft,  fo  n>irft  bu  lein  guter, 
nmrbtger  2)ienfc$enbeoba<$ter  unb  9JJenfdjenfenner  toerben*.  Da« 
SRätfjfetyafte  im  bortiegenbeu  $aü  ift  ber  Stritt  bom  toimf^en* 
ben  ©ebanfen  gur  bottbracfyten  £fyat.  Sarum  fyat  bon  bieten 
Xaufenben,  bie  einen  3ftenf#en  Raffen,  benen  btelletd&t  ber 
fcfytoarsc  Gebaute  auffteigt,  ben  £ob  be«  ®efyafcten  $u  toünföeu, 
bie  38ecfenbac&  allein  bie  £anb  jur  färecfitd&en  Erfüllung  it>re« 
Sunfctye«  erhoben?  Die  ^renotogie  fann  auf  biefe  ftrage, 
bieüeicfyt  in  folgenber  Seife,  eine  genügenbe  $(nttoort  geben. 
SBäljrenb  ber  beffere  2)tenfd),  toenn  er  ft<$  auf  einem  ®ebanfen 
überraf^t,  ioetcfyen  augenblicflicfy  unbetoacfyte  niebere  Neigungen 
in  iljm  entfteljen  Keßen,  bor  fic$  fetbft  erfcfyrtdft,  unb  bie  SBer* 
m&gen  be«  23erftanbe«  unb  be«  ®emütf)«  fdmeü  in  iljre  red;t= 
mäßige  £errfd&aft  toieber  eintreten,  erioeeften  in  ber  Söetfenbadj 
m$t  nur  ifjre  nieberen  Neigungen,  befonber«  ber  jügettofe 
fcfy(edjt«trteb ,  ben  Sunfcfy,  fia)  be«  hatten  enttebigt  ju  fefycn, 
fonbern  ba«  fefjr  große,  afle  befferen  ®efüfyfe  befycrrfdjenbe  „Sic* 
Mal*  leitete  fie  fogar  ju  bem  ®ebanfen  an  bie  grmorbung 
be«  hatten  unb  tief?  fte  babei  ofyne  Sctyrecfen  bertoeiten.  ©lcid^= 
mo^  bebarf  e«  genjßlmlicty  auefy  bon  bem  ©ebanfen  eine«  9J?or= 
be«  jur  bottbringenben  Styat  eine«  nietyt  Keinen  ©dritte«,  beffen 
2)coglic$feit  fyier  barin  gegeben  toar,  baj?  jebe«  <£egengehuc$t 
gegen  bie  übertoältigenbe  §errfd^aft  be«  petita!"  fehlte,  bafj  aüe 


(Sine  @iftmtfrberin. 


215 


ebleren  Anlagen  unb  ®efüljle  in  bcbauerndnmrbigcr  S>$toä$e 
barnteberlagen.  SDenn  oft  fann  fdjon  burcty  einen  getoriffcn  ®rab 
bon  $erftanb  unb  9iac$benten  eine  fold^e  Xljat,  bie  inuner  m* 
gleich  eine  unberftä'nbtge  ift,  berhinbert  werben.  $lfein  bie  23er* 
ftanbefcfräfte  bet  ^öccfeubach  n>aten  überaus  fehtoadt).  Ober  e« 
fann  neben  bem  Slctitaf  ein  einigermaßen  fräftigeS  ©onital  bie 
SBagfchalen  ©emtith«  im  nötigen  Gleichgewicht  erhalten. 
2tbcr  auch  ba«  Bonität  toat  ^ier  nur  fümmerlich  entwicfelt.  Ober 
ba«  lebenbigc  Gefühl  bet  SBerehrung,  bie  <Scheu  bor  göttlichen 
unb  menfehlichen  Geboten  fann  eine  folchc  llnthat  behüten.  9lllein 
2$eneratal  war  bei  ber  $erbrccherin  bebauerlich  «ein.  Ober  enb* 
Heb  bie  Gewiffenhaftigfeit,  baS  Gefühl  für  ftedjt  unb  Unrecht 
fann  bor  ber  Xljat  be$  9)Jorbc$  jurüeffchaubern  (äffen.  Slber  auch 
(Sonfciental  entbehrte  Üjier  aller  fräftigen  Grntwicfelung.  ftirmttal 
bagegen,  welche«,  wenn  e«  fchwach  gewefen  wäre,  bie  Xfyat  burch 
Unentfchloffenhett  wohl  nicht  hätte  jur  2lu«führung  fommen  laffen, 
untcrftüfcte  burdt)  feine  bolle  <8tärfe  ba«  SBoIlbringen  ber  Xljat. 
3nbem  alfo  bie  SSeränbemng  ber  borliegenben  G^araftcrbilbung 
in  einem  einjigen  fünfte  btefelbe  m  einer  etwa«  günftigern  ^ätte 
geftalten  fbnnen,  bereinigte  fid>  ?Ule«,  fie  ju  einer  ber  ungün= 
ftigften  ju  machen,  bie  gefunben  werben  fann,  m  einer  S^arafter^ 
bilbung,  bie  auch  gegen  bie  fchrecfllchftc  Unttyat  feinen  Schüfe  in 
fich  felbft  finben  fonnte.  <§o  erflärt  e«  fich  beim  eine«thei(«,  wie 
bie  fcfcat  ber  SSecfenbach  in  ihrem  ß^arafter  ihre  nothwenbige 
©ebingung  fanb,  anberntheü« ,  warum  ein  fofeher  (Sfjarafter 
glüeflicher  Seife  nur  feiten  im  Öeben  und  begegnet. 

2öa«  bie  Slbbilbung  betrifft ,  fo  ift  e«  wohl  überflüfftg ,  auf 
bie  einjelnen  Organe,  bereu  üftafee  meiften«  genügenb  fenntticr) 
finb,  befonber«  aufmerffam  ju  machen.  3dj  fyebe  nur  bie  beiben 
fünfte  ^erbor.  Grrften«.  $)ie  feljr  niebere  SBMbung  be«  Ober* 
fchäbel«  (ober  be«  Schäbelthetl«,  Welcher  über  ber  Sinic  liegt,  bie 
man  fich  burch  bie  t  t  tingd  um  ben  $opf  gebogen  benft)  ift 
ba«  ftänbige  9fterfmal  eine«  nieberen,  gemüt^lofen  Gihctrafter«. 
£>a«  SBerhältuift  ftellt  fid?  für  unfern  ^aH  noch  bebeutenb  ungün= 
ftiger,  wenn  man  bie  beträchtliche  £)i<fe  be«  ©ehäbelfnochen«  in 
Unfchlag  bringt.   $ie  £öhlung  ber  obern  ^chäbelwölbung  ift 


216 


(Sine  ©iftmcrbcrin. 


t>on  innen  betrachtet,  befonberS  an  ber  borbern  ©efytrnljälfte, 
anfcrorbentlicb  gering.  3^e^en*-  SWdjt  ntinber  bcmcrtcnerocrty 
ift  bie  Äi'trje  bcS  borbern  $cf)trntappens ,  bie  freilieft  erft  *>on 
innen  unmittelbar,  aber  anncUjemb  andj  bon  anfcen  jnr  Wnfcfyannng 
tommt.    s)tämlid>  bie  ßlnif  a  b  (ftig.  1)  ift  bottt  2)?tttefpun!tc 


S«g.  l.  $er;Sd)äbel  ber  öiftmörbedn  SJrtfentatf»  mm  ber  Seite. 


eJifl.  2.  35erfelbe  Sdjäbel  toon  born,  gig.  3.   Setfelbe  St^fibel  ooit  oben. 


ber  (Stirn  bis  311m  roeiteft  fcorftetjenben  XljetI  beS  |)interfopfeS 
gebogen;  jie^t  man  mm  fenfrecfyt  anf  btefe  Sinie  nnb  bnreft  bie 
•äflitte  beS  ©eljörgangS  bie  Sinic  c  d,  fo  geigt  fidt)  ber  borbere 
Xtyil  ber  Sinic  a  b  (bie  Stnie  a  e)  für&er,  als  ber  Wintere  Xty'ti 
biefer  &nie  (als  bie  ßinic  e  b),  ber  SBorbcrfopf  fürger,  als  ber 


Digitized  by  Google 


(Sine  ©tftmörberin.   .  217 

$>interfopf.  Diefe«  33erhältniß  be«  Borbet*  unb  £ interfopfe« 
tt>irb  ebenfo  getotß  nicht  bet  fehr  oerftänbtgcn ,  al«  ba«  toorige 
bet  niebem  »Schäbeltoftlbung  nicht  bei  fe^r  gemüthoollen  9)Zen* 
fc^cn  gefunben.  Die  SBcrfchtebenheit  ber  Sänge  beö  toorbern 
©ehimlappen*  giebt  jugleich  Huffchluß  übet  ben  imbegTünbcten 
Grintourf,  bet  oft  gegen  bie  ^Phrenologie  gemacht  toirb,  baß 
w^o^c"  «Stirnen  bei  toentg  oerftänbtgen  2)ienfcben  gefnnben  toerben. 
Die  bloße  „$tyc"  einer  «Stirn  ift  fein  ®ehirnmaß,  fo  toenig, 
als  bie  bloße  „©reite".  üttan  follte  bafjer  rtrenologifd^  nur  toon 
leeren  unb  ootten,  ober  flacben  unb  geto&lbten  Stirnen  al«  allge* 
meinen  ®egenfäfeen  fprechen. 

3$  ^abe  bie  ©eefenbach  im  Sehen  gefannt.  <Sie  war  ein 
ftarfe«,  gefunbe«  Jöauerntocib,  fanguinifch<cholerifchen  Xempcra* 
ment«.  Die  regelmäßigen  (SJefichtfyüge  erhielten  auf  ben  erften 
33ticf  nicht  unangenehm:  boch  frei  näherem  Slnfchcn  bemerfte 
man  einen  äußerft  rohen  3U8  um  ben  9ttunb,  befonber«  aber 
fiel  ein  unheimliche« ,  i(h  mochte  beinahe  fagen,  tljierifch  toilbe« 
Revier  ihre«  tiefliegenben  bunflcn  2lugc«  auf.  SSom  2flaßc  ihre« 
33crftanbe«  mag  ba«  ^olgenbe  3cu8n*fc  geben.  2(1«  icb  i^r 
loährenb  ber  phrc«o^0tWen  Unterfucbung  fagte,  fie  fei  nicht 
fromm,  ba«  iöeten  fei  nie  ihre  «Sache  getoefen,  fo  entgegnete 
fie:  o  boch,  fie  %abe  ba«  Unfer  SSater  unb  ben  (glauben  beten 
f  ernten.  Hl«  ich  ty*  bemerfte,  ich  nuune  ba«  innere  Söeten,  fo 
ertoieberte  fie:  nein,  im  „®'müth"  h«*e  fie  „nicht  brei  ©orte" 
octen  tonnen. 

Die  iöecfenbach  tourbe  am  22.  3anuar  1844  ju  £eibelberg 
mit  bem  «Schtoerte  ^ingertd^tet.  Die  SBerbrecberin  oerbtent  unfer 
SJHtleib;  fie  toar  mit  einer  höthft  ungünftigen  ®etftc«anlage  jur 
3Belt  gefemmen,  fie  toar  in  33erhältniffcn  h^rangetoachfen,  toclcbc 
fie,  ftatt  ben  SDiangel  ber  Anlage  burch  bie  Stacht  be«  ©eifpiel« 
unb 'ber  (Srjiehung  ju  oerfreffern,  ben  ^Jfab  be«  ßafter«  betreten 
unb  barauf  unaufhaltfam  forttoanbeln  ließen.  Da«  ($cfcfc  ift 
nicht  folgerichtig,  toelche«  eine  Uebelthat,  burch  fehlerhafte  J8il= 
bung  ber  $Berftanbe«finne  (burch  Srrfinn)  oeranlaßt,  unjurech* 
nung«fähig  nennt,  eine  Uebelthat  bagegen,  burch  fehlerhafte  SBil- 
bung  ber  ®emüth«finne  (ben  flimmeren  3rrfinn)  h^roorgerufen, 


218 


Cine  ©iftmerberin. 


beÄ  2flitleib$  für  un»erth  fytiü.  (Sine  (Strafe  fann  nur  bann 
geregt  fein,  »enn  fie  nicht  ju  bem  Unglticf  be«  93erorechen$  nur 
blo«  ein  neue«  Unglücf  hinzufügt,  fonbem  wenn  fie  gugteic^ .  für 
ben  Uebelthäter  eine  Söohltljat  ift,  b.  h-  »enn  pe  i^n  beffert. 
Daher  ift  bie  £obe$ftrafe ,  weit  fte  nur  nimmt ,  ohne  ju  geben, 
unb  »eil  fie  fogar  bie  ÜDJSgficbfeit  ber  SÖefferung  be«  Verbrecher« 
ausliefet,  bot^elt  ungerecht.  Ueberbie«  liegt  in  ber  £obe«ftrafe, 
infofern  in  ihr  gleichfam  ein  9Korb  burch  einen  2Korb  gefügt 
»erben  foll,  etwa«  fitttich  h&#  Unheimliche«.  <£«  giebt  nun 
$»ar  33iete,  meiere  bie  fyex  au«gefprochene  Anficht  teilen,  »eiche 
aber  glauben,  ba§  bie  £obe«ftrafe,  obgleich  an  fid^  eine  ungerechte, 
eine  noth»enbige  fei,  um  bon  Verbrechen  abjufchrecfen.  Slllein 
fc^toerlid^  mochte  biefer  ®runb  faltbar  fein.  (*«  f&nnte  btelmehr 
burch  bie  £obe«ftrafe  leicht  ba«  ®egentheil  bon  bem  bewirft 
»erben,  »a«  baburch  be»irft  »erben  foll.  (Sine  Einrichtung  ift 
et»a«  fürchterliche«,  unb  baß  menfchliche  ©emütt)  ift  befonber« 
für  fchtimme  Crinbrücfe  allju  empfänglich-  2lu«  einer  3^  &on 
169  ^erfonen,  bie  in  (ärnglanb  innerhalb  einer  ge»iffen  3ett 
hingerichtet  »urben,  »aren  164  jubor  bei  Einrichtungen  gegen» 
»artig  ge»efen.  SWan  fann  bem  2ttenfchen  bie  ®raufamfeit  an* 
lernen.  3n  biefer  gnftyt  fann  man  nur  beftärft  »erben,  »enn 
man  gefehen  hat,  »ic  %.  ®.  bie  Einrichtung  ber  JBecfenbach  für 
biete  taufenb  2flenfchen  ein  $eft  »ar,  »ie  Huftritte  ber  töohheit 
fich  hänften,  »ie  @ch»elgereien  ben  ftreubentag  ausfüllten.  Allein 
»enn  »ir  auch  bie  Srage  unentfehieben  taffen,  ob  burch  eine  Ein* 
richtung  mehr  ein  guter  ober  mehr  ein  fchlimmer  (Sinbrucf  her* 
borgebraebt  »erbe,  fo  geht  bo<h  »oht  ber  irrenbe  üWenfch  am 
ficherften,  »enn  er  ben  ®runbfafc  ju  bem  feinigen  macht,  ba§  ber 
3»ecf  niemal«  bie  Littel  ^eilige. 


XV. 


jPfrrinofogic  und  Strafwcfit. 

ßin  Clotri  Uber  (ütltdje  ^retljett  unb  jtorrtytungafhljigkeit. 

Xer  SReitfrfi  ift  frei  wie  bet  SBoßri  im  ftäfig. 

Satioter. 


SBenn  man  nadt»  ber  fittttdjen  ober  $ÖUien«freityeit  be$  9ften* 
f$en  fragt,  fo  fragt  man  nadt)  ber  SWenf^eit  be«  9ftenfdt)en : 
benn  olme  fittticfye  ftreifyeit  ift  ber  2)?enf$  ein  £ljier  ober  eine 
9J2afcfytne.  9)Zan  tljut  immer  gut,  eine  {frage  ber  3SMffenf$aft 
fcon  Ujrer  m&glicfyft  proftifc^en  Seite  aufeufaffen.  £)ie  $rage 
ber  SöiüenSfreiljcit  fjat  iljre  praftifcfye  Seite  im  Strafre^t  in 
ber  i'etjre  oon  ber  3ure$nung.  2$enn  ein  33erbre<fyen  begangen 
ift,  fo  ift  bie  erfte  $rage  be$  SRecfytegcfeljrten,  ob  ber  SBerbredjer 
$ure$uung$fctytg  ift,  b.  i.  ob  er  ttHflenSfret  gefyanbeU  ijat.  3n 
früheren  3"ten  fefete  bie  Straf  gefefegebung  in  atten  ftäüen  »ott* 
fommene  SBtßenäfreiljeit  oorau«.  fcafyer  bie  §ä'rte  unb  ®ar* 
barei  ber  Strafe.  3n  unferen  mitberen  unb  oerftänbigeren  Sagen 
fing  man  an,  unter  anbern  gätte  ber  fogenannten  2ttonomante 
(be$  ©njelmatjnfinnS),  $3.  ber  2tforbmonomanie,  gu  beobachten, 
i«  »erben  gcWe  toie  ber  fotgenbe  erjagt.  £)a$  ©efic^t  be$ 
tfeibenben  rötete  ftet)  oor  bem  2lnfatte,  bie  Äopfabern  fd?n>otten 
an:  berfetbe  bat,  ifym  bie  $änbe  51t  binben.  9ia<$bem  ber  Sin- 
faß  3tt>ci  £age  gebauert  fyatte,  forberte  ber  Seibenbe  felbft  auf, 
feine  Ueffeln  ju  tßfen,  ba  jefct  bie  ®efaljr  oorüber  fei.  <5r  Ijabe, 
fügte  er  ljtn$u,  toäljrenb  be$  2(nfaü$  unenbtic^  gelitten,  boefy  banfe 
er  ®ott,  bafe  er  feinen  SDienfcfyen  getßbtet  fyabe.   9)2an  ernannte 


Digitized  by  Google 


220  ^rettofogte  unb  (Strafet. 


leicht,  ba§  es  ungerecht  märe,  ben  Unglücken,  ber,  bon  einer 
feigen  2flonomame  befallen,  einen  9J?orb  begangen,  gleich  mie 
toenn  er  unbebingt  .Sperr  feine«  SöillenS  märe,  ju  beftrafen;  man 
fefete  a(fo  (n'cr  au«nahm«n>eife  eine  Aufhebung  ber  ©illcnSfrei* 
heit  borau«  nnb  berfügte  «Straflofigfeit  au«  Unzurechnungsfähig* 
feit.  Mein  e«  ergab  fiefy  ^ier  balb  eine  befonbere  Schmierigfeit 
baburch,  ba§  man  in  ber  Sinnahme  bon  fällen  mangclnber  ©tllen«* 
freiljett  faiun  eine  Örenje  51t  ftnbcn  tonnte  unb  faft  baljin  ge* 
fommen  märe,  bie  meiften  Verbrecher  für  unzurechnungsfähig  unb 
ftraflo«  ju  erflären.  @in  SSeifpiel  ift  ftrieb  reich  in  feinem 
fronen  unb  berühmt  geworbenen  253erfe  über  bie  gerichtliche 
®eifte«funbc.  9ttit  ber  ganjen  Straft  gefunber  tfebenSanficht 
fämpft  er  gegen  bie  ftarren  formen  eine«  tobten  föechtS.  $)iefeS 
SBerf  allein,  gleich  einer  haderen  £$at,  fonnte  bie  Ueberjeugung 
geben,  baj?  baS  8trafrecbt  ber  3ufutift  ein  anbereS  fein  »erbe, 
als  baS  ber  Vergangenheit,  ©leichmohl  aber  ift  eS  ihm  nic^t 
gelungen,  bie  rechte  ©eife  ber  Abhilfe,  ben  mähren  2öeg  junt 
Seffern  borjujeichnen.  ©einer  funbigen  SWenfchlichfeit  erfcheinen 
bie  ftätte  bon  aufgehobener  SBillenSfrciheit  als  äufeerft  zahlreich- 
9Hd>t  nur  bie  Sftorbmonomanie ,  fonbem  auch  bie  <S  t  e  1)  1  mono« 
manie,  ber  ©ranbftiftungStrieb ,  bie  <3inneStäufchungen  (gallu* 
cinationen),  bie^eimmehfranfheit,  bie  Schtoangerfchaft,  bieXrunfen* 
heit,  ber  Slffect  unb  bie  ßeibenfehaft ,  ber  Slberglaube  unb  biete 
anbere  3uftänbe  f&iww  nad^  feiner  9itft<$t  bie  SöillenSfreiheit 
aufgeben  unb  fo  Unzurechnungsfähig!  eit  unb  @traflofigfeit  begrünben. 
<5ben  baburch  aber,  ba§  bie  ßeljre  bon  ber  3"te($nung  auf  biefe 
Sföeife  folgerichtig  Durchgeführt  ift,  —  unb  toenn  man  fie  über* 
haupt  als  bie  richtige  anerfennt,  mu§  man  fie  fo  burchführen, 
—  hat  fte  fi$  als  eine  unhaltbare  unb  irrige  gezeigt,  ©eiche 
Sürgfd^aft  für  ben  (Staat,  ben  ®runbfäfeen  eine*  fo  fyalbm  unb 
fchmanfenben  <Strafrechts  ju  folgen! 

ÜDie  ßehre  bon  ber  3urechnung  ift  barum  eine  irrige,  weit 
fie  bem  9J?enf<$en  in  bem  einen  ^aüe  unbebingte  SöillenSfreiheit, 
in  bem  anbern  unbebingte  Unfreiheit  beS  3öillenS  zumißt.  £>ic 
menfehfiche  SBillenSfreiheit  ift  niemals  eine  unbebingte,  fonberu 
immer  eine  mehr  ober  meniger  bebingte.    ©onft  märe  ber 


^renotogie  utib  @trafre<$t. 


221 


3Wenf<$  nicht  länger  ein  Üttenfch,  fonbem  ein  ®ott,  fonft  mußte 
au<$  ba«  Äinb,  au$  ber  £hiennc»W  unbebingt  frei  fein.  Ober 
träte  ba«  tyerantoadhfenbe  Stnb,  ber  ^erangefcitbete  £fn'erntenf$ 
ptb$i\$  $ur  unbebingten  Freiheit  über?  i'aoater  in  fetner 
^fiognomif  fagt:  ȣ5er  2Henfc$  ift  frei,  toie  ber  SBoget  im 
£äfig.  (£r  fyat  feinen  beftimmten  unüberfchreitbaren  Strfung«* 
nnb  (Smpfinbung«frei«.  3eber  tyat,  nüe  einen  befonbern  Umriß 
feine«  törper«,  fo  einen  beftimmten  unoeränberlichen  Spielraum \ 
Unb  ®aft  fagt:  „Pflicht  alte  SOJenfc^en  genießen  gleite  fittticfye 
Freiheit,  je  nach  itjrer  metjr  ober  weniger  gtiufüchen  ©eifte«- 
bitbung,  ben  äußern  Umftänben,  ber  (Srjieljung,  9ieügiou  unb 
ber  Äenntniß  ber  ©efefce  unb  Pflichten  ber  ($efettf$aft  £>te 
üttenfcben  mit  großen  ©aben  fyaben  bie  größte,  bie  iötöbfinnigen 
bie  geringfte  Freiheit".  23om  Äinbe  jum  SWonne  atfo,  oom  Um 
gebUbeten  jum  ®ebübeten,  oom  Sporen  jum  Seifen,  vom  2ftono* 
mancn  jum  Seibenfchaftötofeften  ift  eine  ununterbrochene,  mannte^ 
faltig  oerfcbtungene  ftette,  bereu  ©lieber  fich  nur  burch  bie  ft  u  f  e  n  * 
weis  größere  ober  geringere  SUtenSfreUjcit  unterfctyeiben.  %n 
ben  (Jnbpunften  ber  Äette  finbet  fid?  einerfeit«  niemat«  unbebingte 
Sitfen«freifyeit,  anbererfeit«  aber,  toie  j.  in  ber  früfyeften 
tinbljeit  ober  in  ben  äußerften  gätfen  ber  Monomanie,  unbebingte 
Unfreiheit  be«  Siüen«. 

£)ie  Phrenologie  macht  biefe  Satjrfyeit  im  (Sinjetnen  unb 
in  i^rer  ganjen  3)?annichfa{tigfett  recht  anfd)auttd^.  3rgenb  ein 
Sinn  ober  eine  Sinne«gruppe  iö.  fann  in  richtigem  üftaße 
oorhanbcn  unb  bie  anbem  ju  ftarf  ober  31t  fchtoach,  ober  irgenb 
ein  Sinn  fann  gefunb  unb  anbere  fönneu  franf  fein.  deicht 
Mo«  ber  fanget  ober  bie  tranfheit  ber  S3erftanbe«finne  alfo, 
toie  man  Ijaufig  glaubte,  thut  ber  Sitteu«freitjeit  ©intrag,  fom 
bertt  ebcnfotoofyl  ber  SOknget  ober  bie  Äranfheit  ber  ®emüttj«* 
finne,  ba«  ju  große  2)iaß  ober  bie  Äranfheit  ber  thicrifchen  Sinne. 

Senn  nun  alfe  Vergehen,  00m  geringften  bi«  jutn  fötoer* 
ften,  in  einer  größern  ober  geringem  Söefchränfung  ber  Sitten«» 
freiheit  iljre  Urfache  Ijaben,  fo  finb  atte  Verbrecher  geiftig  ftranfe, 
fie  fte^en  nicht  auf  ber  Stufe  ber  fttttichen  traft  unb  ftretyeit, 
auf  ber  bie  9)?eljr$aht  ber  3)?enfd;en  gtucflicjer  Seife  fteht.  X)ie 


222 


$krtttofogie  unb  ©trcifrfdjt 


einzige  menfättdHrcaftiföe  §tagc  fann  fyier  nur  bie  be«  $>i(fe* 
bringen«,  ber  £ei(ung  fein.  Die  ptaftifö  ganj  feere  ftrage 
nacfy  ber  3urecfynung,  nnb  batnit  au$  ber  ©egriff  ber  föactye  in 
ber  ©träfe,  mufc  notf)tt>enbig  faßen.  Dagegen  fonnte  man  nun 
chwenben,  e«  gehöre  $ur  SBürbe  be«  @efefee«,  ba§  e«  gleicfy  tote 
im  tarnen  eine«  £>o>rn  ba«  ©&fe  beftrafe.  9(ber  angemagtc 
Sfirbe  ift  feine  ©ürbe.  Der  2ttenfc§  begefjt  eine  Slnma&ung, 
wenn  er  bie  ©$ulb  feine«  üttttgefc$o>fe«  mägen  miü.  9tur  ®ott 
fiefjt  in«  £er3,  nur  ba«  (betriff en  ftraft  auf  Crrben  geregt;  ein 
äu&erttcfy  große«  «ergeben  fann  eine  Heine,  ein  äußerli^  Heine« 
SBergefjen  eine  große  Scfyutb  fein.  Ober  man  fönnte  eine  ju 
große  ÜDWbe  toon  biefem  Straf  gtunbfafce  fürchten.  9tber  bie 
9J?Ube  ift  nicfyt  ba«  SBefen  ber  fittlicfyen  £cütoeifc.  <So  mie  ber 
<S(fymer$  beim  Hbnefymen  eine«  franfen  (Stiebe«  burety«  innerfte 
2J?arf  bringt,  fo  fönnen  bie  au«gearteten  triebe  unb  ®en>otjn* 
Reiten,  bie  bem  SKenf <$en  fo  feft  terbunben  unb  ifym  fo  (ieb 
geworben  finb,  baß  fte  tyn  jum  «erbrecfyer  maebten,  nur  burc$ 
bie  beljarrti^fte  Stfüfyc  unb  unter  großen  ®c$mer$en  oon  tfjm 
getrennt  merben.  Ueberfjaupt  aber  gilt  ber  Ijier  gegen  ba«  ©traf* 
red&t  au«geforo$ene  Jabel  ni($t  ber  $rarj«.  3m  ©egentyeif, 
e«  ift  in  ber  testen  3eit  in  ben  meiften  Öänbern  fo  oiel  für  bie 
SBerbefferung  ber  ©efängniffe  unb  bie  SSeljanbtung  ber  Straf* 
gefangenen  gefcfyeljen,  baß  man  beffen  nur  mit  Ijofyer  2lnerfen= 
nung  gebenfen  fann,  unb  no$  fcfy&nere  Hoffnungen  für  bie  3U* 
fünft  barauf  grünben  barf.  Oiur  bie  S5Mffcnf$aft ,  bie  noeb 
immer  feft  an  ber  £eljre  oon  ber  3ure$mm8  fy^ngt,  W  Vl*x 
hinter  bem  $ortf$ritt  be«  ßeben«  jurütfgebtieben.  Unb  bo$  ift 
e«,  bamit  ber  (Segen  einer  naturgemäßen  ©eljanbfang  ber  «Straf- 
gefangenen auefy  auf  bie  Sittücfyfeit  be«  ganjen  SBotfe«  juriief* 
toirfe,  nottyoenbig,  f$on  im  ®runbfafe  (auLau«$ufpre$en,  baß 
bie  Strafe  eine  9ttaßregel  ift,  bie  ben  9ttenf<$en  bann  trifft, 
menn  er  ton  ber  (Stufe  ber  toa^ren  2ftenf$ü<$feit  ^erabfinft, 
b.  fy.  oon  ber  Stufe,  auf  toefcfyer  er  über  ben  Xfn'eren  baburety 
fteljt,  baß  ifym  Den  ber  9htur  bie  ebteren  ©efityte  unb  bic  «er* 
ftanbe«fräfte  jur  ©etyerrfcfyung  feiner  nieberen  (Sinne  gegeben  finb. 


XVI. 


JMircnofogie  und  dr^icliung. 

In  Ifr/iietyunfiälefjre  golbne  »örner  fmbrt, 
«Set  ber  WenMenfunbe  tiefen  e^adjt  erflrünbet. 


^Dcr  ?l^jffl  fftßt  mcfjt  totit  vom    towini . 

1.  ntWWtit  luMtn  @»era  nitb  ftinbcriu 

£)ie  tteljnli^feit  jungen  eitern  unb  tinbern  ift  nidbt  Mo« 
eine  ftrperlitfye,  fonbern  auc$,  tueif  ba«  ®efyiru,  ba«  Organ  be« 
Reifte«,  ein  Xljeil  be$  ÄSrper*  ift ,  eine  geiftige.  3ebe*  $inb, 
obgleich  geiftig  au$  UrbUb  (Original),  ift  bo$  $ugteitf)  ntetyr  ober 
weniger  baS  geiftige  (SbenMfo  ber  Ottern,  balb  meljr  be«  Katers, 
ba(b  metyr  ber  ÜDhitter.  SDhn  follte  bei  ber  ®attentoafyl  mefyr, 
als  geioöfnilidj  gefdf>iefyt,  auf  bic  geiftige  ober  ©cljirnorganifation 
9ttuffi$t  nehmen.  SBenn  eine  gute  Organifation  mit  einer  ganj 
niebrigen  (too  bie  nieberen,  tljierifcfyen  (Sinne  bebeutenb  bie  IjBfyeren 
überragen)  fi$  oerbinbet,  fo  ift  nid>t  nur  ein  ©tücf  ber  Crttern 
felbft  unmöglich,  fonbern  audj  bie  Äinber  »erben  meljr  ober 
weniger  eine  niebere  Organifatton  al«  (Srotfjeil  überfommen. 

2.  Sie  mmttlt  ber  Qüm. 

©er  Ginflufe  ber  ®eifte$beföaffenVtt ,  ja  ber  jeittoeifen 
©eifteSftimmung  ber  Altern  auf  bie  ©eifte«bef($affenfjeit  ber 


224 


^Ijretiofogie  unb  (Srjieljung. 


Ätnber  reicht  toeiter,  als  man  geroBIjnlicfy  glaubt,  toeiter  g.  ©.  al« 
baft,  tote  befannt,  Xrunfenfyeit  im  Slugcnblicf  bcr  3cu8unS  ©Wb* 
finn  be$  ÄinbeS  }ur  golge  fyat.  £)ier  einige  ^äüc  ber  (Erfahrung, 
toie  beten  »tele  äljnltctye  aufgezeichnet  finb.  Sin  ^reunb  feilte 
mit  mit,  erjagt  (Sombe,  ba§  et  in  jüngeren  3a!?ren  in  einet 
©egenb  gelebt,  too  bie  jungen  Spännet  feljr  an  ftarfe«  Xrtnfen 
gemofynt  getoefeu  toären,  unb  ba§  au$  et  nut  ju  Ijäufig  an  iljren 
(Belagen  £fyeil  genommen.  9We$rere  feinet  3ö^ne,  bie  ju  jenet 
3eit  geboten  toaren,  legten  einen  großen  §ang  jum  £runf  an  ben 
£ag,  obrooljl  fic  fbäter  in  einet  Ijorfylicty  betriebenen  ftttfic^en 
Umgebung  exogen  ttntrben;  bafyingegen  neigte  feine«  bet  ftinber 
gu  jenet  Veibenfcfyaft ,  bie  geboten  toaren,  na$bem  er  jenen  Ott 
berlaffen  unb  eine  jtoecfmäBtgere  8eben«att  angenommen  Ijatte. 
Q'm  anbret  feljr  begabtet  Sttann,  cr$äljlt  ßombe  weiter,  befcfyrieb 
mit  bie  milben,  unbänbigen  3lu«fcfymeifungen,  benen  et  gut  3e^ 
feinet  33erljeitatfning"  ergeben  mar,  unb  toünfcfyte  fi$  felbft  ju  feinet 
^äuältcbfeit  unb  fittlictyen  SBerboUfommuung  ©Iticf.  Sein  ältefter 
Sofyn,  ber  in  jenen  toüften  £agen  geboren  mar,*crn>ie$  fid)  trofc 
einet  ftteng  moratifcfyen  Grrjie&ung  als  ber  berfonificirte  $ater  in 
feinem  bamaligen  Sufta"W  Ullb  f"nc  jüngeren  Äinbcr  toaren  in 
bemfelben  $ertyättni&  fittli<$er,  je  metyr  fie  ftcb  oon  ber  3eit  jener 
t>erberblic$en  Sittentoftgfett  entfernten. 

3.  mmUmmt  ber  «Item;  «enorm  Wtfaft  )toifc^cn  tfcttcn. 

Da  ber  SSaljnftnn  in  feinen  begebenen  ©eftalten  immer 
auf  einer  ©efytmfrantyeit  beruht  unb  fo  befanntlicfy  erblich  ift,  fo 
f ollteu  @oldje,  beren  (Sltern  geifteäfranf  waren,  ober  in  bereu 
Familie  häufige  $älle  bon  ©eifteSfranfljeit  oorfamen,  fic$  ber 
$tnber  wegen  nidjt  berfyeirattjen.  £)ie  (Srfaljrung  Ijat  auefy  gejeigt, 
bafc  ^etratfjen  jwifcfyen  naljen  SBerwanbten  bon  mefyr  ober  minber 
nachteiligem  (Sinftuft  fowoljl  auf  bie  forderliche  als  bie  geiftige 
©efc^affen^eit  ber  Äinber  ju  fein  pflegen.  9iid?t  feiten  ift 
Schwadt»finn,  Xaubftummfyeit  :c.  ber  ftinber  als  golge  beobachtet 
worben. 


^renoloaie  imb  erjic^ung. 


II.  drnftljrttng  unb  Ifladjstljuin. 

Sciebcr  &ur  Ifrbc  gebeugt  unb  m u: Ii i oti  trauert  bie  cr%im>.ntic : 
aber  bie  feurige  ftroft  ioudtjet  sum  Gimmel  empor. 

1.  Sie  Bett  unb  ba«  Biel  De*  ^ndjetljimt*. 

ÜDet  -Dfenfd?  loäcfyft  oon  ber  ©eburt  an  ungefähr  18  —  20 
3aljre.  9lur  biefe  3 ei t  be«  2öac$«fljum«  ift  oorau«befthnmt, 
ni#t  cbenfo  ba«  3tel  beffelben,  b.  fy.  nid^t  ba«  Wlai  ber  för* 
periidjen  unb  getftigen  traft.  £>iefe«  2tta§,  berf  Rieben  na$  bet 
befferen  obet  minber  guten  (Srätefjung,  ift  mit  bem  beenbigten 
2öa$«tyum  fcftgefteüt.  Söa«  babei  berfäumt  ift,  lägt  fid>  fpäter 
nietyt  nac^olen  ober-  erfefeen. 

2.  2>er  Stoff  unb  bie  ftrtft. 

£er  Sftenfcfy  toättyft  an  Stoff  unb  an  traft.  £>te  traft  ift 
an  ben  <5toff  gebunben.  Söenn  bet  3er8^ccereT  *>e«  £ei<$nam« 
einen  %xm  $ertegt,  fo  fann  et  beffen  traft  beurteilen:  tljeU« 
au«  ber  Sftaffe  ober  (SfrÖjje,  inbent  ber  Hrm  eine«  3ttanne«  ober 
eine«  liefen  meljr  traft  ^at ,  al«  ber  eine«  tinbe«  ober  eine« 
3toerge«;  tljeit«  au«  ber  üöcfcfyaffenljett,  inbem  ein  Sirnt  oon 
feften  üttu«fe(n,  tnod;en  :c.  ftärfer  ift,  al«  ein  2lrm  oon  (ofen 
2ttu«feln  :c. 

3.  ftörperrrnft  unb  ©cif*e3Iraft. 

£>te  traft  be«  9flenfcfycn  ift  eine  mannigfaltige,  beftefyt  au« 
tbrper*  unb  ® eifte«fräften.  T)ie  erfteren  ftnb  $.  38.  bie 
traft  be«  Verbauen«,  be«  Htfmten«,  bie  3ttu«felfraft  j  bie  (enteren 
ftnb  bie  Gräfte  be«  teufen«,  be«  ptyten«,  be«  Söoüen«. 

SDic  törperfräfte  fyaben  tyren  <Stfc  im  ganzen  törper,  bie 
®etfte«fräfte  b(o«  im  ©e^trn,  n>el<$e«  il?r  Organ  (^öerfjeug)  ift. 
£)af>er  ift  au#  ba«  2flat?  bet  ®eifte«fräfte  t^citö  bon  ber  SWaffe 
(®röj?e),  ttyeil«  oon  ber  öefc^affen^eit  be«  (Sefyirn«  abhängig. 

4.  ©toffwcflfcl,  2>a$  »Int. 

$)er  Stoff  be«  3)?enf$en  (üttu«fe(n,  ©elnrn  tc.)  toed^felt  be* 
ftänbig.    Verbrauchte  £fyeüe  f Reiben  fiefy  ab,  neue  fefeen  fiefy  an 

Sdjeoe,  ^renologijd^e  «Uber.   3.«up.  16 


226 


^«nologie  unb  (Srjte^ung. 


3enachbem  bte  neuen  Zweite  bie  abgefchiebenen  (an  9Waffe  unb 
2)efchaffenheit)  mehr  ober  weniger  übertreffen,  ift  ba«  SBachfen 
ein  mehr  ober  minber  gebeihltche«. 

Da«  Crrnähren  unb  Söachfen  geflieht  burch  ba«  ©tut,  toetche« 
im  ftret«(auf  burch  ben  Körper  fliefct,  ifmi  neue  <3tofftheUe  $u* 
führt  unb  bie  »erbrausten  aufnimmt  unb  austreibet.  Da«  ©lut 
erhält  feine  «eftanbtheüe  unb  (Sigenföaften  theit«  aus  ©peife 
unb  Xxant,  theü«  au«  8uft  unb  iHd^t. 

5.  ©jiciic  unb  2ram\ 

3ur  guten  unb  reichlichen  ©lutbübung  fei  ©peife  unb  £ranf 
be«  Ätnbe«  toohlnährenb,  nicht  mager  unb  bürftig:  Wity,  iörob, 
reife«  Obft,  ©uppe,  ®cmüfe,  ftleifch,  bi«tt>eUen  28ein,  $9ier,  nicht 
Kaffee,  £hce-  9flUch  ift  für  alle  Ätnber  eine  treffliche  Nahrung ; 
ftarfe,  mu«felfräftige  Äinber  mögen  mehr  £)bft  unb  ®emüfe, 
fchioächliche  Ätnber  foßen  mehr  $(eifch,  auch  ctma«  Söein  genießen. 
3u  häufiger  ober  alleiniger  $artoffe(genu§  ift  al«  fchtoächenb  nach* 
geunefen,  befonber«  auch  in  Söejug  auf  bie  Ernährung  be« 
®ehtrn«. 

3Bie  bie  Nahrung  nicht  bürftig,  fo  folt  fie  auch  ""h*  «ber* 
mäjjtg  fein.  9ttan  (äffe  baS  $inb  nicht  ben  ganzen  Sag  effen, 
reije  es  auch  nicht  burch  Secfercicn  jur  Unmäjjigfeit.  2ftan  ge* 
toöfme  eS  an  beftumnte  9ftahl  J  e  1 1  e  n  unb  taffe  eS  bann  effen,  fo 
biet  es  mag:  baS  ©atteffen  föabet  nicht. 

6.  2>te  mt;  WeiuliWcft. 

Sttachbem  ba«  ©tut  in  feinem  Kreislauf  bie  oerbrauchten 
Stoffe  in  fich  aufgenommen,  tritt  eS  in  ben  Hungen  jur  i'uft, 
wirft  jene  ©toffe  aus  unb  empfängt  bafür  neuen  ßebensftoff 
(©auerftoff).  Der  ®enuf  ber  freien  reinen  ßuft  ift  baher  bie 
jtoeite  Nahrung  für  baS  #inb.  Sluch  bei  ber  beften  ©peife  gebeiht 
eS  nicht,  wenn  e«  ber  freien  Suft  entbehrt.  §Bchft  fchäbüch  ift 
oerborbene  ßuft;  eine  feuchte  SBofmung  $.  S&.  ift  für  ba«  $mb 
eine  Strt  Vergiftung. 

Die  £uft  toirft  nicht  nur  burch  bie  ßungen  auf  ben  Körper 
ein,  fonbem  auch  bu«h  bte  gauje  $>autftäche.  Daher  hat  mangetnbe 


227 


SReinlichfeit  biefetbcn  folgen,  tote  mangelnber  £uftgenujj:  fchle^te 
Gmtät)rung,  blaffe  |>aut,  fc^Iaffe  -sDhiöfeln,  mangelnbe  ®eifte«= 
frtfehe  trofe  reichlicher  Speife.  (Halte  Söafchungen,  lautoarme  ©aber.) 

7,  2>o«  ©omtcttlitft. 

9luch  ba«  «Sonnenlicht  nttb  bie  Sonnemoärme  finb  al«  all- 
gemeine  $Öelebung«mittel  nott)toenbig  jum  fSrperlichen  unb  geiftigen 
©ebett)en  bc«  $tnbe«.  X)a«  Ätnberjimtner  fei  ba«  fomtigfte  be« 
£>aufe«.  ©tele  fd^n^äc^Ud^c  unb  fränfltche  $tnber  toürben  gefunb 
unb  fräftig  fein,  toenit  bie  falte,  bunfle  SBolmung  mit  einer 
toarmen,  fonnigen  oertaufcht  tottrbe.  („2öo  bie  «Sonne,  fein  Sltat.") 

8.  Sic  gmngfte  tfraft  unb  ba3  ftärlftc  2ßad)$nnim. 

9llle  biefe  Regeln  be«  gebeit)ttct)en  2Öa<h«thum«  l)aben  eine 
befto  tyityexe  (Bettung,  ttjeil«  je  getinger  bie  $raft,  tt)eil«  ie 
ftärferba«2öach«thumbe«  tinbe«  ift.  Die  geringfte  färaft 
unb  ba«  ftärffte  2öach«thum  fallen  im  früt}eften  Seben«atter  JU* 
fammen.  ©efottber«  auch  ©et)im  toächft  befamttlich  im  erften 
Satyre  fel)r  ftarf,  toogegen  bie  ©erbauuttg«fraft  am  fchtoächften  ift. 
$>at)er  fantt  hier  burch  fcblechte  ober  fchtoere  Nahrung,  mangelnbe 
9tottti<hfcit  ic  bem  ®ebeifjen  be«  Körper«  unb  be«  ®eifte«  aufeer» 
orbentlich  gefchabet  toerben.  ÜÄilch  fei  §iex  bie  Hauptnahrung 
unb  fann  bie  einzige  fein.  Schlechte  Nahrung  ift  5.  ©.  rohe 
SDfeblfpeife,  Mehlbrei  unb  Hehnliche«,  tooburch  ber  fceib  be«  $inbe« 
aufgetrieben  unb  ®et)irn,  Hungen,  ®  lieber  am  gefunbett  Söach«» 
tlnim  oerfür jt  toerben. 


III.  flftueguna,. 

9etra<f)tc  idi  be«  SReitfdjett  (Skjtalt,  tagte 
gtiebric^  bet  ®tof»e,  fo  fdjetttt  et  mit  me&t 
jutn  öetiif  bed  $oftiCon4  auf«  üßfetb,  ol4 
jum  Setuf  be*  ÜWcbttcn  an  ben  StfttibHffl 
flefdjaffen. 

1.  2>a«  richtige  9Ka&  ber  öctocpng. 

£)a«  ©tut  in  feiner  £rei«betoegung  muß  oon  ber  ©etoegung 
be«  Körper«  im  richtigen  9)iafee  unterftü^t  toerben. 

15* 


Digitized  by  Google 


■m 


^renologie  unb  (Srjic&iutg. 


3ft  bic  Körperbewegung  gegen  bie  Jölutbetoegung  ju  gering, 
fo  fliegt  ba«  $lut  liiert  rafd&  unb  reietyliety  genug  burety  ben 
Körper.  $)te  ftolge  ift,  baß  bie  neuen  ©tofftljeile  tljette  ntcfyt 
retetyliefy  genug  juftrömen,  tfyctls  nur  ju  tofem  ®ebilb  fiefy  anfefeen: 
beibed  Urfacfyen  geringeren  2Ba$6t$um6,  minberer  Kraftfteigerung; 
bann,  bafc  bie  oerbraucfyten  Stofftljeile  nietyt  oollftänbig  genug  ab* 
gefcfyieben  toerben  unb  tijetttoetfe  im  Körper  jurticfbletben :  bie 
Urfacfye  ber  Kranfljeit. 

3ft  bie  Körperbewegung  gegen  bie  Sölutbetoegung  gu  ftarf,  fo 
toerben  ju  biete  ©tofftfyeile  berbraucfyt,  unb  neue  fönnen  ftt$  nietyt 
reiepety  genug  anfefcen:  bie  Urfactye  berfümmerten  2öa<$«tfyum$, 
oermtnberter  Kraftfteigerung. 

£>te  Körperbewegung  foU  alfo  fo  ftar!  fein,  bafc  ber  (5rfa^ 
rung  jufotge  babur<$  bie  mögliche  Kraftfteigerung  errcid&t  wirb. 
£)ie  Grrfafyrung  fpricfyt  für  eine  jiemlicty  ftarfe  Bewegung. 

5lucfy  ift  bie  ftarfe  ©etoegung  ein  Naturtrieb,  ©etyon  ba$ 
Keine  Kinb  ift  ben  ganjen  Jag  auf  ben  $üfjen,  oljne  ju  erntüben. 
£)en  Knaben  treibt  e«,  im  freien  ju  laufen,  ju  fpringen,  $u 
flettern.  £>er  3üngling  toenbet  mit  £uft  im  Junten  feine  fyöctyfte 
Kraft  auf.  ^eljlt  einem  Kinbe  ber  Jricb  ber  Körperbewegung, 
fo  ift  e$  mc$t  gefunb,  unb  biefer  £rieb  mufc  burefy  (Gewöhnung 
in  itym  getoedft  »erben. 

3.  2>ie  ©ttoeßnng  im  9ta&äitot|  jtur  Kraft, 

Senn  auefy  ba$  Kinb  faft  ben  ganjen  £ag  bei  feinen  «Spielen 
gef?t  ober  läuft,  oljne  ju  ermüben,  fo  fott  es  bo$  in  feiner  SBeife 
angeftrengt  werben,  ^er  Knabe  möge  wilb  toben  unb  feine 
ganje  Kraft  oerfuetyen,  aber  es  ift  ein  Unglücf  ber  $rmutlj  ober 
ber  Unwiffcnljeit,  wenn  Knaben  ju  anftrengenber  Sirbett  angehalten 
toerben.  £)er  ßanbmann  würbe  e«  für  einen  Trebel  galten,  ein 
'Pferb,  elje  e$  erwachen  ift,  jttr  Arbeit  aiijiiftrcngen ,  überzeugt, 
ba§  cd  baburefy  berfttmmertt  unb  bor  ber  3ett  altern  mürbe.  Da$ 
Kapital  ber  Kraft  barf  nicfyt,  elje  e$  gefammelt  ift,  angegriffen 
unb  oerbraucfyt  toerben.    3Jttt  bem  erreichten  3üitgling$alter  (naefy 


Digitized  by  Googl 


^renofoflie  unb  <5r$ie$ung. 


bot  (5iita>icf(uii0)  Ijat  bie  3cit  bcr  SWbeit  begonnen.  Die  $raft 
be«  3üngling«  Wirb  bur$  bte  2lnftrengung  bet  Slrbeit,  bur<$ 
antyaltenbe  nnb  ftarfe  Bewegung  nid^t  oerringert,  fonbern  erljityt, 

4.  Sie  nW  ermübenbe  ©ctoegititg. 

Die  Bewegung  fott  wäfjrenb  be«  £age«  (im  2Bacben)  faft 
ununterbrochen  fein.  Der  <S$laf  ift  bie  Öhrtje  unb  er  genügt 
bafür.  3ft  aber  bie  ^Bewegung  eine  unterbrochene,  fo  fott  fie 
wenigften«  eine  täglicb  regelmäßige  (ein.  sJhir  bann  fann 
ftc  Ijtntänglich  ftarf  fein,  ofyne  ju  ennüben.  9ßur  bie  ni<$t* 
ermübenbe  ^Bewegung  ift  eine  fraftfteigernbe.  Die 
Aufgabe  ift  bafyer,  ba«  $inb  (ben  Knaben)  immer  ftärferer  53e- 
Wegung  fäfyig  ju  machen,  oljne  baß  c«  baburety  ermübet.  Die« 
fann  nur  burety  bie  tägliche  föcgclmäßtgfeit  ber  Bewegung  ge* 
fct)e^en.  £>cx$ft  jweefwibrig  wäre  e«,  (angbauembe  förderliche  Um 
tyätigfeit  burety  barauffolgenbe  befto  anftrengenbere  Bewegung  au«= 
gleiten  $u  motten. 

5,  2>ie  nttttrlitfje  ober  freitoittige  »ctoegmtg. 

Die  praftifc^e  grage,  wa«  Grrmübung  unb  wa«  t^r  richtiger 
SDfafeftab  fei,  wirb  am  beften  burety  bie  ^atur  fetbft  beantwortet. 
Die  Bewegung  ift  fomett  eine  jweefmäßige,  ntc^t  ($u  fe^x)  ermü* 
benbe,  a  l «  fie  immer  eine  natürliche  oberfrei mittige 
ift.  @o  wenig  batyer  bem  ßinbe  eine  anftrengenbe  Bewegung 
aufgen&tln'gt  Werben  fott,  fo  menig  fott  e«  oon  ber  ^Bewegung  ober 
Jtnftrengung,  bie  es  ftd;  fetbft  auflegt,  jurücfgeljalten  werben:  e« 
ift  oietme^r  auf  alte  SBeife  jur  freiwilligen  Bewegung  ju  ber* 
antaffen  unb  ju  ermuntern.  3n  biefer  §inftcht  fann  außerorbentlidjy 
biet  erreicht  unb  ebenfooiel  oerfäumt  werben.  Denn  ba  ba«  (Sa* 
pitat  ber  Äraft  ftufenwet«,  gleichwie  bur$  gilt*  bom  3tofe,  Ott' 
wächft,  ba,  wa«  heute  gewonnen  wirb,  f$on  morgen  ju  neuem 
©ewinn  fetbft  mitarbeitet,  fo  wirb  bte  ftufenmeife  (Steigerung  ber 
5haft  ju  einem  bebeutenb  Theten  Grnbjiete  führen,  wenn  bie  Jöe* 
wegung  fortwäfyrenb  eine  ^intanglic^  ftarfe,  als  wenn  fie  eine 
bürftige  ift.   Sie  groß  j.  ©.  ift  ber  Unterföteb,  ob  ba«  Amb 


230 


^renologie  mib  (Srjie&ung. 


in  ber  freien  Statur,  ober  ob  es  in  einem  gefchloffenen  kannte 
fi$  ju  belegen  ermuntert  ift! 

6.  $te  ©twtgunö  im  ^ciiinliiiii";  jitr  yiahrmtn- 

Da  bie  ©emegung  nur  bie  gleite  unb  mittelbare,  Nahrung 
unb  £uftgenuft  bie  erfte  unb  unmittelbare  ©ebingung  ber  Grna> 
rung  unb  Kraftftcigerung  finb,  fo  fann  bie  Söetoegung  nur  tnfo* 
fern  ihrem  3tt>ccf  entsprechen,  al«  bor  HUem  bie  9to$rung  eine 
$toecfmäjnge  ift.  Oft  bie  Nahrung  eine  bürftige,  fo  fann  auch 
bie  ©etoegung,  roenn  ihr  nicht  <£rfchöpfung  folgen  foü,  nur  eine 
geringe,  unb  bie  Kraftftetgerung  mufc  eine  fcfyr  berfüminerte  fein. 

7.  SlUßtmcint  Äraft  ift  cm  4  ©cifteSfraft. 

Da  an  ber  allgemeinen  Kraft  natürlich  aud)  ba8  (Gehirn 
Zijdi  nimmt,  fo  mirb  in  gleichem  2)?a$,  tote  bie  allgemeine  traft 
(burch  Nahrung  unb  Körperbewegung)  gefteigert  roirb,  auch  bie 
®eifteäfraft  —  b.  h-  bie  Kraft  be«  Sillens,  be«  ©emüth«,  bie 
(5inbilbung«fraft ,  bie  Kraft  ber  5Iufmerffamf  eit ,  ba$  ®ebacfytni£, 
bie  Denffraft  —  gefteigert  werben.  Daher  fann  39.  ein 
9ttenfch  mit  fteinerem  aber  fräftigem  (Gehirn  an  ®eift  unb  ®e* 
mütl)  h°he*  flehen  unb  mehr  leiften,  at«  ein  3flenfch  mit  größerem 
aber  minber  fräftigem  ®eljim.  ©efannt  ift  auch  ber  3ufammen= 
^ang  ber  $erbauung$fraft  mit  ber  ®emüth«ftimmuug  unb  ber 
Denffraft. 


IV.  Pie  Perfdjteknlieit  ber  Plenfdjen. 

3ebet  Slenfa)  &at  fein  $funb  empfangen, 
ber  eine  ein  arö&ere*,  bet  anbete  ein  Hei- 
nttti.  um  bamit  nu  toutfiern. 

1.  2)a3  ungleiche  fflJnff  ber  Strafte. 

Die  Körper*  unb  bie  ©eifteäfräfte  finb  bon  9ktur  feljr  im» 
gleich  bertheilt,  deicht  nur  ift  bei  bem  einen  2Henfchen  ber  Körper 
im  Allgemeinen  ftarf,  ber  ®eift  fchmacr),  bei  bem  anbem  umge* 
fehrt,  fonbem  auch  bie  einzelnen  Körper*  unb  ®eifte«fräfte  finb 
unter  fich  felbft  ungleich  ftarf.  Der  eine  Sttenfch  h^  bon  Geburt 


^renologie  unb  (grjic^ung. 


231 


ftärfcre  (Stiebcr,  bcr  anbete  ftätfere  Cungen  ic,  ber  eine  ift  meljr 
(Sefüljte*,  ber  anbete  mefyr  33erftanbc«menf<$ ,  bei  eine  Ijat  meljr 
Talent  ju  ©prägen,  ber  anbere  511m  Steinen  k. 

2.  ©in  aWuftcrmcnfdj. 

tiefer  großen  Ungteid^eit  ber  mcnfctyUcfyen  törper*  nnb 
(SeifteSfräfte  entftridit  bie  23erf<$iebeiu>it  ber  menfd&licfyen  ©e* 
rufearten.  £>er  ßttnftler  bebarf  anberer  Slitfagen,  a(«  ber  (Se* 
teerte,  ber  (Setefjrte  anberer,  at«  ber  Kaufmann  2c.  (5«  fann 
ba^er  feinen  9tegel*  ober  9Jhtftermcnföen  geben,  meinem  aße  an 
Körper  nnb  (Seift  g(eid)  [ein  fottten.  (Sin  fotetyer  9J?uftermenfd), 
loenn  e$  einen  geben  Knute,  loürbe  in  feinem  Berufe  (SrofteS 
teiften  fßnncn. 

3.  Tic  SHannüttfaUigfeit  öcr  UcDunji. 

$>ie  Ue &nng  ober  33  Übung  be$  $&rper«  nnb  be$  Reifte« 
fann  eine  fefyr  manniebfattige  fein.  SKan  fann  fcfyon  im  Jansen 
entioeber  ben  Körper  ober  ben  (Seift  bitben.  Unb  überbie« 
fann  foloofyt  bie  Körper*  a(8  bie  (SeifteSbUbung  in  fi<$  felbft  fo 
oerfdn'eben  fein,  als  bie  ßörbertyeUe  unb  <Seifte«fräfte  biefe«  finb. 
3rgenb  ein  $örpertyetf,  eine  (SeifteSfraft  fann  geübt  loerben,  unb 
baneben  irgenb  ein  anberer  ßorpertfyeit,  eine  anbere  (Seifte«* 
fraft  ni<$t. 

• 

4.  $ic  Hebung  eine  Wienerin  ber  SRahir. 

2M$e  ßßrpertljetlc  ober  loefctye  (Seiftc«fräfte  fotten  geübt 
werben,  ober  toa«  foü  bie  Uebung  ben  oerfefuebenen  ^aturantagen 
gegenüber  tlnin?  tiefer  ^rage  loirb  paffenb  bie  oorangcfteUt : 
loa«  ober  loieoief  fann  bie  Uebung  ber  Sftaturanfage  gegenüber 
tytnt? 

$)ie  Uebung  oermag  gtoar  an  unb  für  fi#  bief,  aber  boefy 
loeit  10 eniger,  al«  bie  Sftatur  felbft.  $)ie  Uebung  fann  nur 
ber  SRatur  bienen,  nie  über  fie  Ijerrfd&en.  Die  ^atur  fttyafft  unb 
giebt,  bie  Uebung  benufct  nur  ba«  (Segebene.  £)aljer  fann  bie 
Uebung  ntcfyt  ba«,  loa«  bie  ^atur  ftein  gefc^affen,  gro§  machen, 
unb  nicfyt  ba«,  loa«  bie  Statur  gro|  gef Raffen,  Hein.   (Sin  ge* 


Digitized  by  Google 


232 


^renologic  unb  (grBtc^unß. 


borener  3*wrg  tarnx  nictyt  burc$  anfyattenbe  torperübung  ein  föiefe 
»erben,  ein  geborener  SRiefe  nictyt  bur<$  bernadjläffigte  Äörper* 
Übung  ein  3*^*8  *»  cin  9latur  befd&ränfter  3)Zenfdj  nt<$t  bur$ 
©eifte«übung  ein  ©emc,  ein  ®enie  nid)t  burcfy  bernactyläffigte 
Uebung  ein  befctyränfter  aftenfö. 

SBa«  fotl  bie  Uebung  ber  berfd&iebenen iflaturanlage  gegen* 
über  ttyun?  Raffen  wir  gur  ©eanttoortung  biefcr  ftrage  guerft 
bie  fBrperli^e  Grrgietyung  in«  Sluge. 


V.  Pte  uter  $emj>framentf. 

@ie  gleiten  föft  ben  fvntjcr  angenommenen 
oter  Elementen .  i5«uer,  XJuft,  »onet,  irrbe. 

£)ie  für  bie  (Srgteljung  »id^tigfte  $5rperberfi$iebenljeit  ift  bie 
Temperament«berfcfyiebenljeit.  Sttan  nimmt  bier  Temperamente  an: 
ba«  nerbßfc,  fanguiniftye,  pfytegmatifcfye,  d?oferif#e. 

1)  £errfc$t  ba«  9ierbenfyftem  bor,  fo  ift  ba«  Temperament 
ba«  nerböfe.  £)ie  $opff>«tyle  ift  berfyältntBmäftfg  gr&jjer,  al«  bie 
©ruft*  unb  bie  ©auc^ityfe.  T)ie«  Temperament  ift  überbie«  er* 
fennbar  burcfy  feine«  £>aar,  garte  |>aut,  Heine  9ttu«feht,  &<$\\cU 
ügfeit  ber  2ftu«fe(ben>egung ,  btaffe  ®eftcf>t«farbe,  feine  3üge,  oft 
garte  ©efunb^cit.  £)a«  Stteroenftyftem  (®efH'rn  unb  Serben)  ift 
borgug«toeife  tfyätig,  bie  Steigerungen  be«  (Reifte«  finb  lebhaft,  bie 
Grmpfinbungen  rege,  bie  ©etuegungen  fcfynett. 

2)  £>errfcfyen  bie  Hungen,  ba«  §erg  unb  bie  ©lutgefäße  bor, 
fo  ift  ba«  Temperament  ba«  fanguinifcfye.  (5«  gicbt  fic$  gu  er* 
fennen  burcfy  eine  berJjctltnijmtäßtg  grofce  5lu«beljnung  ber  ©ruft* 
Wie,  mäfnge  ^üüe  be«  Körper«,  gtemtictye  fteftigfeit  be«  ftletfdje«, 
ljeübraune«  ober  rßt^U^e«  §aar,  btaue  Slugen,  frifd&e  ®cfid)t«* 
färbe.  @«  geictynet  ftc§  burcty  eine  große  Tfyätigfeit  ber  ©lutgefäfje, 
einen  boüen  unb  raffen  <ßu(«,  Suft  an  förperücfyer  ©ewegung 
unb  ein  lebhafte«  Slnfe^en  au«.  2fa$  ba«  ©efytrn,  ber  (Seift 
nimmt  an  ber  allgemeinen  Öebenbigfeit  Tfjeü. 

3)  ©ei  ber  bormaltenben  @ntoncf(ung  ber  <5rnä$rung«organe 
ift  ba«  Temperament  ba«  ptytegmatiföe.   <$«  ift  erfennbar  an 


«Phrenologie  unb  (Srjiehung. 


233 


einer  berhältnitlmäfeig  großen  ^luSbelmung  ber  JBauc^öhfe,  einer 
gemuteten  $orm  be«  ßorper«,  Söcicbheit  ber  fleißigen  Steile, 
hellem  #aar,  einer  fchlaffen,  Waffen  §aut.  <S«  ift  bon  matten 
geben«äufjerungen,  mit  <§($n>äc$e  unb  £angfamfeit  im  «lutumtauf 
begleitet. 

4)  £>a«  cholerifche  Temperament  wirb  erfannt  an  fchmar$em, 
hartem  §aar,  bunften  $ugen,  bräunlicher  £>aut,  mäßiger  ftülte, 
aber  großer  ftefttgfeit  be«  ^teifd^e«,  (Warfen  unb  au«brucf«bollen 
<&eficht«$ügen,  ftarf  gezeichneten  Umriffen  be«  Körper«.  ÜDie  $raft 
be«  $8Tper«  unb  be«  ®ehirn«  ift  groß  unb  au«bauernb. 

£>iefe  Temperamente  finben  fich  nicht  oft  fo  genau  unb  fdjarf 
gerieben  in  ber  Sftatur  bor ;  gettjb^nlic^  finb  einige  bermifcht.  3n 
ben  aftifcfyungen  fmb  jeboch  bie  ©runbtemperamente  ju  untere 
Reiben  unb  e«  lä&t  fi<h  beftimmen,  in  meinem  2Ha§e  ba«  eine 
ober  ba«  anbere  oor^anben  ift. 


VI.  Pas  (Temperament  fces  fiinbtt. 

Äinb  ift  bem  Sögel  gleüfi, 
2ctd|t  ift  fein  »lut, 

Jü(l£  llllD  t reit DtMl Ettffl  , 

$erj  ift  »Ott  SKuttj. 

L  3)ü«  ttertiöfc  Semöcrament. 

$at  ba«  $inb  ein  ncrb&fe«  Temperament,  b.  h-  ein  große« 
®ehim,  feine  2J?u«feln  tc,  fo  ift  ber  ®eift  borherrfchenb  thätig, 
bie  23erftanbe«rräfte  unb  (Gefühle  ermaßen  früh,  bie  Fähigkeiten 
jeigen  fich  groß.  SDte  Grltern,  erfreut  über  bie  £ebenbtgfeit  be« 
Reifte«  unb  ber  (Befuge  be«  $Hnbe«,  finb  berfucht,  e«  in  feiner 
cinfeitigen  geiftigen  Thätigfeit,  feinem  (gifer  311m  Semen  gefeit 
ju  (äffen  ober  felbft .  anspornen.  Slflein  wenn  bie«  geflieht,  fo 
toirb  bei  ber  übermäßig  angeregten  ©ehirnthätigfeit  ber  noch  nicht 
au«gebitbete  tikper  be«  $inbe«,  Hungen,  9J?agen  :c.  in  ber  Grnt* 
toicflung  jurttcfbleiben ,  unb  fo  balb  in  franfhafte  <§chtt>äche  ber= 
fallen.  (Solche  Äinber  müffen  baher  neben  ihren  geiftigen  33c* 
fchäftigungen  ju  aßen  Slrten  oon  ^Örperbetoegungen  im  {freien, 
mm  Turnen  ?c.  beharrlich  angehalten  werben,  fonft  geht  mit 


234 


«Phrenologie  unfc  (Erhebung. 


ber  natürlichen  Harmonie  ätoifcfyen  ®eift  unb  t&rper  ni$t  nur 
bie  ®efunbfyeit  unb  Äraft  be«  Körper«,  fonbern  mit  biefer  äugleid? 
bic  be«  Reifte«  berloren,  ba  ba«  ®eb,irn  Bei  ber  ©cfyoäd&e  be« 
übrigen  Äorper«  nidt)t  gefunb  unb  fräftig  bleiben  !ann.  Solche 
äinber  nerböfen  Temperament«  entfprecfyen  bafyer  oft  ben  (Srtoar* 
tungen  nicfyt,  bie  man  bem  ifnten  ^egte.  T)a«  frühere  SÖunber* 
finb,  ba«  junge  gfatlf  geigt  ftd^  a(«  Üttann  mittelmäßigen  ®eifte« 
—  eine  Trcibfyau«pflanje,  meiere  fcfycme  ©lütten  treibt,  aber  feine 
ober  geringe  ftriicfyte  bringt. 

2*  Sic  9lcrbe«f$n>äd)e. 

sJ)iit  bem  (angeborenen)  nerböfen  Temperamente  ift  bie  (an- 
geborene)  9ierbenfd?n>ä<$e,  eine  franfr/afte  «Scfymäcfylicfyfeit  be«  $ör= 
per«  unb  be«  Reifte«,  ittcr)t  ju  bervocctyfetn.  tinber  nerböfen 
Temperament«  finb  at«  fo(d/e  nicfyt  nerbenfcfytoacfy  j  im  $egcntljeU, 
wenn  it)re  körperhaft  ttict)t  burd;  eine  fefyterfjafte  (5rjieb,ung  ber* 
loren  gegangen",  fie  niebt  nerbenfebroaeb,  geworben  finb,  fo  fyaben 
fie,  toenn  auefy  fc^r  regfame,  boeb,  ftarfe  Heroen,  eine  jmar  jarte, 
boefy  elaftifdje,  innerlich  fräfttge  ®efunbb,eit.  23on  Geburt  nerben* 
fc^roadbc  $inber  bagegen  finb  (nerbö«*)pb,(egmatifcb,en  Tempera* 
ment«,  fie  b>beh  nid^t  ein  große«,  fonbem  ein  mittelgroße«  ober 
Heine«  ®efyim,  fie  ftnb  fcfyroädu'icty  unb  fränfUcty,  fie  fyaben  bie 
9tetjbarf  eit ,  aber  nicfyt  bie  geifrige  öeoenbigfeit  ber  Äinber  ner* 
böfen  Temperament«.  (5«  finb  Ätnber  fcfytoacfyer,  entnerbter  <5(tern, 
ober  $inber,  bereu  Gütern  btut«bermanbt  finb  ic.  £)urc$  genti* 
genbe  Körperbewegung  tc.  fann  bie  förper(i$e  unb  geiftige  ®e* 
funbljeit  fotd^er  $inber  —  faÜ«  ntcfyt  entfcfyicbenc  ®efyirnfd)tuäcfyc 
ober  ®elHTnfranffyeit  borttegt  —  toefenttieb;  gefräftigt  toerben. 

3.  5)a«  faiifliitiiifdic  Temperament. 

£>at  ba«  fitnb  ein  fangutnifcfye«  Temperament,  b.  b,.  Ijerrföt 
bie  Tfyättgfett  ber  Sungen  unb  ber  ©fotgefäfje  bei  Ujm  bor,  fo 
ift  biefe«  bie  naturgemäße  Söefctyaffenfjeit,  ba«  roafyre  Temperament 
be«  $ inbe«.  £)enn  ba«  rafcb,  unb  lebenbtg  ftrömenbe  33tut  be* 
wirft  bie  mögftcbjt  boüfommcnc  unb  fyarmonifäe  (Srnärjrung  atter 
Körperteile,  au<$  mittelbar  baburefy,  baß  ein  Eint»  biefe«  Zern* 


235 


perament«  fich  gern  unb  biet  im  freien  bewegt,  mit  Slppettt  ij?t, 
gefunb  fchläft.  £>iefe«  Temperament  führt  bafyet  beim  Äinbe  jum 
(Guten,  unb  ba«  2(ugenmerf  bet  (Jrjie^ung  muß  nicht,  wie  beim 
nerbb'fen  Temperament,  barauf  gerietet  [ein,  e«  ju  mäßigen  ober 
Surücfäubrängeu,  fonbern  e«  ju  unterftüfcen,  unb  gu  bereuten,  baft 
e«  nic^t  aurüefgebrängt  unb  berfümtnert  wirb.  2öenn  5.  33.  ein 
fotehe«  $inb  mehrere  ©tunben  be«  Tage«  in  ber  ©dnitc  ftiU 
ftyen  [oll,  fo  wirb  ba«  öebürfnift  nach  9)?u«felthättgfett  fich  batb 
mächtig  regen.  T)a«  Ätnb  fann  e«  mit  bem  beften  Söiüen  nicht 
unterbrtiefen.  (5*  wirb  unruhig  unb  berfäUt  auf  allerlei  foge* 
nannte  Unarten.  T>er  l'efyrer  [traft  bann  ba«  $inb.  Mein  bie 
33ebürfniffe  ber  sJcatur  regen  fich  trofc  ber  ©träfe,  beim  [ic  tonnen 
burch  tiefe  nicht  be[eitigt  werben.  ÜDJan  fürje  bielmcljr  bie  3eit 
be«  ©ifeen«  ab  unb  gebe  bor  Ädern  bem  tinbe  (Gelegenheit,  neben 
ben  geiftigen  Untmt$t*ftunben  [eine  9)hi«fe(fraft  ju  üben.  3{t 
biefe«  ©ebürfnifc  bef riebigt,  fo  wirb  e«  ruhig  fifeen  unb  —  ba 
auc^  ba«  (Gehini  be«  fanguinifchen  $inbe«  feinen  Sinket!  an 
Thattgfeit  forbert  —  mit  freute  fich  geiftig  befchäftigen.  fttyt 
fetten  geflieht  e«,  bafe  man  nüttelft  beharrlicher  ©trafen  unb  be* 
fonber«  burch  beharrliche  (Gewöhnung  be«  $inbe«  an  bie  fifeenbe 
tfeben«weife  feinen  übten  3wccf  erreicht.  T)urch  ba«  anhattenbe 
Si^en  leibet  bie  S3erbauung,  ba«  Äinb  berltert  feine  natürliche 
tfebhaftigfett  unb  (ernt  e«,  bie  borgefchriebenen  ©tunben  ruhig 
ju  fein.  ÜDie  Ottern  unb  ßehrer  wünfehen  fich  (Gtücf.  Gittern  fie 
foflten  trauern,  bem  Äinbc  an  feinem  für  ba«  fpätere  Ceben  fo 
niJthigen  Kapital  an  Körper*  unb  (Geiftc«fraft  Abbruch  gethan  gu 
haben. 

4.  Tai  piiicnmntti'fiic  Temperament. 

3ft  ba«  $mb  phtegmatifchen  Temperament«,  fo  bewegt  fich 
fein  Sötut  tangfam  unb  regt  Weber  bie  9ttu«fe[n  noch  ba«  (Ge- 
hirn genugfam  an.  T)a«  $inb  t)at  Weber  für  fßrpertiche  noch 
für  geiftige  ST^ätigfeit  Vorliebe,  unb  fein  Verlangen  ift  befonber«, 
gu  effen,  ju  trinfen  unb  ttufye  ju  genießen.  T)iefe«  Tempera* 
ment,  wenn  e«  fich  beim  finbe  entfehieben  au«gefprochen  finbet, 
ift  ein  jfyeMfyn  fbrperticher  unb  geiftiger  Schwache.  T)enuoch 


236 


^rcnotogic  unb  Crjie^ung. 


glauben  m'ele  (Srgieher,  auch  biefe  SRaturanlage  burch  ©trafen  be* 
fettigen  gu  tonnen,  al«  ob  biefelben  ©trafen  gang  entgegengefefcte 
Sötrfungen  herbeiführen,  ba«  fanguinifdjc  #inb  beruhigen  unb 
ba«  phlegmatifche  beleben  fonnten.  @«  ift  biefmehr  auf  $er* 
minberung  be«  phlegmatifchen  Temperament«  unb  Srroecfung  ber 
nerböfen  unb  fanguinif^en  Temperament«beftanbtheile  hingunurfen. 
£)iefe«  fann  baburch  gefchehen,  bajj  man  folcbc  $inber  in  bie  ®e* 
feüfcfyaft  lebhafter  ßinber  bringt  unb  bafj  man  fie  nicbt  mit  ®e* 
matt  gum  langen  ©tfcen  unb  fernen  anhält,  moburdt)  ba«  Uebel 
nur  bermehrt  werben  min),  fonbem  bajj  man  bie  ©tunben  be« 
geiftigen  Unterricht«  mftglichft  abfurgt  unb  befonber«  burdt)  alle 
91rten  *>on  $5rperübungen  bie  £ebcn«fraft  unb  £eben«thättgfett 
gu  fteigem  fud&t,  moburch  nad>  unb  nach  audt>  ber  ®eift  leben* 
biger  unb  tljättger  »erben  mirb.  Ueberhaupt  reift  ber  ®eift  bei 
^Ic^en  tinbern  fpäter  unb  hrirb  fpäter  gur  Thätigfeit  gefehlt. 
Oft  finb  ba^er  biefe  tftnber,  menn  nur  bie  ®efunbheit  gemährt 
bleibt,  al«  2Wänner  tüchtiger,  al«  fie  al«  ßtnber  gu  fein  er* 
marten  liefen. 

5.  $a«  t&olerifdjt  Temperament. 

®a«  cfyoleriföc  Temperament  mirb  bei  tfinbern  feltener  ge- 
funben,  unb  meun  e«  gefunben  mirb,  fo  führt  e«  al«  fold&e« 
meniger  auf  Slbmege  unb  bebarf  toemger  einer  befonberen  Söerücf* 
fid^tigung.  <5«  ift  ba«  Temperament  ber  foaft  unb  ber  2lu«= 
bauer.  bereinigt  e«  fich  ieboch  mit  »orragenben  nieberen  ©innen, 
fo  trägt  e«  gur  <pefttgfeit  unb  £artnäcfigfeit  ber  ßeibenfd^aften 
bei  (be«  Oähgorn«,  ber  ©treitfucht  tc).  3n  biefen  fällen  ift  auf 
bie  SWäfeigung  be«  cholerifchen  Temperament«,  befonber«  burch  bie 
geeigneten  Nahrungsmittel,  «Bebaut  gu  nehmen.  £>ie  Nahrung 
fei  milbe,  nicht  reigenb:  Dbft,  ®emüfe,  menig  ftleifch,  feine  ®e* 
mürge,  feinen  Söein,  fSrperltche  liebungen. 

Obgleich,  wie  fdfyon  gefagt,  feiten  eine«  ber  genannten  Tem= 
peramente  —  mit  3lu«nahme  be«  fanguinifchen  —  beim  St inbe  rein 
für  fich  gefunben  toirb,  fo  laffen  fich  bo<h  bie  ©eftanbtheile  ber 
a^ifchungen  erfennen  unb  banach  bie  gegebenen  Regeln  ber  <Sr= 
giehung  abmeffen.   


237 


VII.  (fin  drjteljunijsfeliler  unfern  Jett. 

©öttlid)  ljarmonifd}  flcbaut  iff  ber  SRenfäenleib :  flelje,  bie  Ititnfunfl 

VmLUE  UL1II  1 1 u  1 1]  1 U  [ 1 1  Hl  1 1 1 1      1 1 U  llllCli  LMl  Dill  IE1 L lllv  oCImTI 

1.  »iangcl&aftc  ftörjjcrii&ung. 

iöei  allen  Temperamenten  be«  Äinbe«  finb,  toie  mir  gefcf;cn 
tjaben,  förderliche  Uebungen  an  ifyrer  Stelle,  al«  ba«  befte  SDfittel, 
ba«jenige  ®teict)getr>icr)t  unter  ben  tßrperfräften  ju  erhalten  ober 
Ijer&uftellen,  bei  meinem  allein  bie  förderliche  unb  geifttge  ®c* 
funbljeit  beftefjen  fann.  ($U\ä)Wf>fy  toirb  befanntlia)  gegen  biefe 
0orberung  b«r  (Jrjieljung  biel  unb  oft  gefehlt.  $)a!jer  jum  Zffcxl 
bie  33ern>eichli<$ung  (^eroenfctytoäche)  ber  heutigen  ®efc$lec$ter. 
3lüe  tüchtigen  Slerjte  brängen  feit  lange  auf  geringere  geiftige 
Slnftrengung  unb  oermefyrte  törperübung  bei  ber  @rsiel;ung. 
2Heiften«  bergeben«!  SBo^er  biefe«  ^ic^tbeact>ten  ber  belferen 
(Sinftty? 

2.  3>a«  ©tfefc  ber  ftraftftcigemnß. 

33tele  Srjie^er  fuc$en  bie  ®efefce  ber  (Srjiefyung  nietyt  ba, 
too  fie  allein  ju  fuetyen  finb:  in  ben  ^aturgefefeen.  $>a«  erfte 
9iaturgefefc  ber  Ziehung  ift  bie  «Steigerung,  ba«  jmette  bie  N 
SMlbung  (Uebung)  ber  Körper*  unb  ®eifte«fraft  be«  tinbe«. 
Allein  anber«  meinen  oiele  Grrsieljer.  £)te  Statur,  meinen  fie, 
gebe  ba«  (Sine,  bie  traft,  ber  (5rjtel)er  ba«  Rubere,  bie  SMlbung ; 
bie  Sftatur  Ijabe  it)re  Aufgabe,  ber  (Srjieljer  bie  feinige.  So  f äffen 
fie  nur  it)re  oermeintlic^  einfeitige  Hufgabe  in«  $luge  unb  feljen 
ba«  erfte  unb  grojje  ®efefe  ber  (£r$iel?ung,  ba«  ®efefe  ber  traft« 
fteigcmng,  al«  für  fie  nietyt  oorfyanben  an. 

3.  3>ie  ©e&irnlcfore, 

SMele  (Srjiefyer  fennen  titelt  ba«  5BJecr>fc(t>ert)tiltnt§  $toifa?en 
Körper  unb  (Seift,  finb  ftremblinge  in  ber  (Mn'rnlefyre :  fie  motten 
ben  ©eift,  ben  ßfyarafter,  ©emütl?  :c.  bc«  tinbe«  bilben, 
ofyne  an  beren  Serfgeug,  ba«  ©eljirn,  unb  an  bie  (Sefefee  feiner 
£l;ätigfeit  ju  benfen.    Sie  miffen  nia)t,  bafc  bie  traft  unb  ©e* 


238 


^renofogte  unb  ßrsie^uitfl. 


funbljeit  be«  ftörper«  äugletcty  (burd>  ba«  ®efyirn)  bic  ftraft  unb 
©efunbljett  be$  Reifte«,  be«  <5f?arafter«,  M  ©einü^S  ic.  ift. 

4.  Set  9Rawi,  Da?  2ßtü>  im  »t«Ue. 

35ielc  Crrjieljer  Ijaben  bei  ber  Crrjieljung  be$  $inbe$  ni#t 
genug  ben  ÜDcann,  ba«  Söeib  int  9(uge.  £)er  9ttann  brauet  im 
tfeben  $eift,  Gfyarafter,  £fjatfraft,  Xltfbmiet.  Sitte*  biefe«  erhält 
ba«  Äinb  nietyt  babureb,  ba§  e«  ben  größten  %%t\{  be«  Xage« 
geiftig  angeftrengt  in  ben  8cfyut$tmmcrn  jubringt.  $)ur$  bie 
torjeitige  Ueberanftrengung  be«  Reifte«  tüirb  beffen  ftraft  gc* 
bTocfyen,  burefy  ba«  ?Ui«tocnbiglernen  gefyt  bie  ftrifctye  unb  ^Selbft* 
ftänbigfeit  ber  $)enffraft,  be«  ßtyarafter«  werteren.  $>er  ©ud&ftabe 
tßbtet  ben  ©etft,  ba«  tobte  SBMffen  In'nbert  bie  Sfjat. 

£)a«  3Wäbcfyen  bebarf  at«  einftige  Butter  neuer  ®ef$te<$ter 
ber  Ä&rperfraft  unb  ®efunbfyeit  eben  fo  fe^r,  at«  ber  SWann, 
unb  boc§  »erben  bie  jarten  Stinber  *on  8,  10,  12  Safyren  einen 
grojjen  £ljeil  be«  Xagc«  geiftig  angeftrengt  in  ben  Schimmern 
eingefcfytoffen.  @rt)o(ung  unb  Störperbetoegung  ift  fyatbftunben* 
ober  oiertelftunbentoei«  jugemeffen,  ftatt  bafc  in  biefem  3Uter  bie 
tfßrpcrbetoegung  bie  §auptfad&e  fein  unb  ber  geiftige  Unterridtyt 
nur  toentge  3ett  in  9lnfprucfy  nehmen  foüte. 

5.  VlugtnDlitflidjcö  ^oiilüciinöc»  unb  «adtöalttgc  Straft. 

SSiete  Grrjietjer  hnffen  jnnfctyen  augenbttcfücfyem  3öoljlbefinbcn 
unb  nachhaltiger  Straft  nt$t  \\x  unterfdjetben.  £)a«  Kapital  ber 
Straft  ift  in  ber  SRcget  in  iebem  9ttenfcfyen  fo  groß,  ba§  baburd; 
iventgften«  in  ber  3ugenb  trofe  bieter  fcfyäblid&en  Qrtnnnrfungen 
bat  förpcrttd&e  ©ofytbcfinben  ermatten  bleibt.  SBcnn  batyer  bei 
ber  iefet  üblichen  @rätef}ung«toeife  ber  $nabe,  ba«  9ttäb$en,  ber 
Jüngling,  bie  Jungfrau  ntcfyt  erfranfen,  ja  bon  blityenbem  9(u8* 
fefjen  finb,  fo  Ijält  fiel)  ber  (Sr^iefjer  leidet  ber  Unfd?äb(idtfeit  biefer 
(Sr$ieljung«toeife  berftdjert;  er  bebenft  nid&t,  tote  groß  ber  Unter* 
fdn'eb  ift  ^teufc^en  bem  2ttaj$  ber  Morper*  unb  ®eifte«fraft,  toeldje« 
ber  38gltng  Mo6  erreicht  fyat,  unb  $totfc$en  beut  9ttafj,  toelcfye« 
er  bei  einer  tnöglicfyft  gh>ecftucu)igen  (Srjiclmng  fyätte  erreichen 
fonnen;  n>ie  fetyneß  unb  batb  ba«  feljr  oerfümmerte  Kapital  ber 


^renologie  unb  (Srjiefjmtg. 


239 


$raft  erfctyöpft  fein  tt>irb,  ftatt  bajj  ba8  erteilte  bolle  Kapital  bie 
©efunbljeit  unb  baS  ®lücf  bc«  OttanneS,  be*  Selbe«  auf  bie  ganje 
«eben«seit  begrtinbet  Ijätte. 

6.  Sic  Waffe  ber  Äciumuffc. 

£)ie  Slnforberungen  be«  gebend  an  bie  Äenntniffe  be$  9)?en* 
fc^en  finb  in  neuem  &eit  Ijocfy  geftetgert :  bie  9J?affe  be$  ju  8«* 
nenben  ift  feljr  groß.  (£$  fönnte  (feinen,  als  ob  ber  £efyrer, 
wenn  et  biefen  §tnforberungen  entfprecfycn  toolle,  auefy  gegen  feine 
beffere  Ueberjeugung  genötigt  fei,  ba$  Äinb  getftig  alljufeljr  an= 
3uftrcngen.  3m  ®cgentl)eil !  £)ie  <S$äbltd)fett  ber  geiftigen  lieber* 
anftrengung  be$  $inbe$  befielt  ja  mc$t  bloä  in  ber  <S<$toädf?ung 
ber  Äörperf  raf  t,  fonbern  bamit  jugleicty  auety  in  ber  <3cfyn>äctyung 
ber  ® eifteöfraf t.  ÜDer  (£rjiel)er  uurb  bafyer  gerabe  barum, 
weil  bie  9ftaffe  ber  oom  Öeben  geforberten  tenntniffe  fo  grofc 
ift,  biefe  @d&toäc$ung  behüten.  <£r  toirb  ben  ®eift  be«  tinbe* 
nifyt  bur<$  ben  33ud&ftaben  tßbten,  er  mirb  ba«  $inb  nit$t  lehren, 
toa&  ber  2flann,  ba$  2Betb  oergeffen  mm),  toirb  e«  nietyt  3al;re 
lang  5um  SluStoenbiglernen  bon  ©egenftanben  anhalten,  toeld^e 
fi$  jum  SluStoenbiglernen  tüctyt  eignen,  er  toirb  enbütfy  unb  fyaupt* 
fä<$ücfy  mit  bent  geiftigen  Unterrid&t  auefy  bie  entfprecfycnbe  Körper» 
Übung  berbinben. 

7.  Hoffnung  auf  Stfferung. 

3ft  tooljl  ju  fyoffen,  baj?  ber  traurige  Uebelftanb  ein  (Snbe 
finben  toirb?  3a,  beim  bie  Sßtffenfctyaft  bom  9ftenfcfyen  formtet 
mächtig  fort ;  auefy  bie  Senologie,  ber  9J?ittefyunft  ber  9)tenfd)en= 
lefyr-e,  geljt  ber  allgemeinen  Verbreitung  entgegen.  #alb  toirb 
bafyer  bie  (&c$ieb,ung«leljre  al«  ba«,  toa«  fie  ift,  als  ein  praftifcfyer 
arbeit  ber  Sftaturlefyre  be«  üflenfdjen,  allgemein  erfannt  fein,  tiefer 
befferen  einfielt  toirb  unmittelbar  bie  beffere  £§at,  bie  fjar* 
monifetyere  (grjiefyung  be«  2ftenfc$en  folgen. 

8.  2>a$  Snrnen. 

$)iefe  Hoffnung  toirb  no$  baburd)  unterftüfet,  bafc  ein  möc$* 
ttgeS  Littel  ber  jmecfmäpigften  Üörperübung  gefannt  ift:  baö 


240 


^tyrtnologie  unb  ßrjie^utig. 


Eurnen.  $00  Surnen  beruht,  tote  bie  ganje  @rsietyung$le$re, 
auf  ber  3bee  ber$>armonie  ber  ÜRenfäennatur,  unb  ift  fo 
eine  große  £ätfte  ber  (Srjtetyung.  &  mar  bisher,  too  es  m$t 
einmal  täglicher  Unterricht  mar,  faft  nur  ein  <Sptel  ober  ein 
<5a>er$ :  e«  mirb  einft  eine  große,  fettige  @a<$e  fein. 


VIII.   ^örperkraft  unt>  «eifteskraft. 

Stuf  büjj  mit  Bfftetn  IBcficS  fidj  ttermdljle, 

t  U»ßlcicWrit  im  gWajj  ber  Reiben  fträfte. 

£ie  2ftenfc$en  finb  meit  ungleicher  unter  fi$  an  (gefunber) 
®etfte$fraft,  at«  an  (gefunber)  Äörperfraft.  #on  $mei  (geiftig 
gefunben)  SDJenfchen  fatdi  ber  eine  feljr  biet  mefjr  ©eift  haben, 
al«  ber  anbere,  mährenb  ber  Unterfchieb  in  ber  (gefunben)  Körper* 
traft  lange  nic^t  fo  grofc  fein  fann.  £)er  ®eift  eine«  Sttenfchen 
fann  fehr  fchtoach  unb  babei  immer  noch  gefunb,  immer  noch  für 
einen  fefjr  engen  SSerufäfrete  auöreic^enb  fein,  bie  törperfraft 
bagegen  fann  nicht  unter  ein  gemiffeS  üftittelmafj  h^abfinfen, 
ohne  baß  tränfüa^feit  ober  Äranfljeit  babon  bie  not^toenbige 

m&  ift. 

.  !öcrute»cna)icueni)eit. 

$)ie  (Jrjie^ung  foü  bie  $ßrpertraft  unb  bie  ®eifte«fraft 
gleichmäßig  ober  ^armonifc^,  alfo  in  bem  ®rabc  ju  enttoicfeln 
fuc^en,  als  immer  bie  angeborene  Slnlage  ber  beiben  Gräfte  es 
juläfet.  ÜDiefe  für  bie  Grrjiehung  be$  $inbe$  unb  beS  tnaben 
gettenbe  föegel  behält  ir)re  unbebingte  ©eltung  nur  bis  ju  bem 
3eitpunfte  ber  Söerufstoahl.  3e  nach  ber  $eruf$berfc$iebenljeit 
toirb  bei  bem  einen  9Jtenf#en  bie  $8rperfraft,  bei  bem  anbern 
bie  ®etftesfraft  mehr  geübt  unb  cntmicfelt.  £)a  aber  bie  töegel 
immer  ihre  allgemeine  (Geltung  behält,  fo  ift  eS  eine  $luf* 
gäbe  ber  Grrjtehung  beS  3ünglingS  —  unb  eine  Lebensaufgabe 
beS  9ftenfchen  überhaupt  —  bie  burdt}  ben  39eruf  berfürjte  traft* 
Übung  mbglichft  neben  ober  trofe  bem  ©eruf  $u  pflegen. 


<Pfyrfnofogie  unb  (Srjietyung. 


241 


3.  Sic  »crufSmabl  (im  9lHgcmeinen). 

©et  ber  ©eruf&uafyl  im  5lttgemeinen  fommt  weit  mefyr  baä 
2)?ajj  ber  ©etfteSfraft,  als  ba$  ber  törperfraft  in  ©etractyt.  3eber 
gefunbe  9Wenf<$  beftfct  in  ber  föegel  oon  ©eburt  bie  $u  irgenb 
»eifern  Öettif  nötige  tförperfraft.  @S  ift  ein  3rrtr/ttm,  wenn 
man  glaubt,  bafe  ein  för^ertie^  fctywäc^ltc^eS  ßinb  ju  einem  ©e* 
rufef  mit  welchem  eine  ftpnbe  l'ebeuSweife  oerbunben  fei,  beftimmt 
»erben  müffe.  <S«  bebarf  im  ©egentfjeil  &u  einem  folgen  ©eruf, 
bamit  babei  bie  ©efunbfyeit  erhalten  bleibe,  einer  größeren  Körper* 
unb  9iert>enfraft ,  wäljrenb  ein  fcfcwäd&licfyer  Körper  bur<$  eine 
etwa«  ftarfe  ©ewegung  gefräfttgt  wirb.  (Sin  oierjefynjäljrigcr 
fcfywäc^licfycr  Änabe  wollte  einen  förperlicfy  fefjr  anftrengenben  ©e* 
ruf  wählen.  $)ie  besorgte  üJiutter  Tu'elt  bie«  ntc^t  für  tfjutüicfy, 
gab  aber  auf  bie  3uftiwtmw"Ö  e*ne$  berftänbigen  Slrjteä  enblicty 
bem  SBunfcfye  naefy.  $)er  $nabe,  ben  sotten  £ag  über  fßrperltdj 
fyart  angeftrengt,  flagtc  einen  Sftonat  lang  über  heftige  @$mer$cn 
im  föücfen  unb  in  ben  ©liebem :  allein  bamit  mar  bie  Schmierig* 
feit  übermunben.  -iftaefy  jwet  3at)ren  waren  bie  fäwacfyen  ©lieber 
ftart  geworben,  bie  ©ruft  Ijatte  fi$  ausgebest,  ber  junge  SRann 
war  blüfycnb  unb  fräftig.  5lucb  jene  ^merjen  mären  gu  »er- 
meiben  gewefen,  wenn  ber  $nabe  juoor  bur#  Turnübungen  ge= 
fräfttgt  gewefen  märe. 


IX.   Ute  töeifteekräfte       ty"  Q^ant. 

3e  J)5l)et  ein  ©efäöp?  fteljt,  befto  reibet  bte  ®Iie* 
bcning  beS  OrgoniSmu«.  1er  SRenfd)  ift  ba*  l>öd)ft; 
fteljeube,  alfo  aud)  —  fötpcrlidj  unb  flcijüg  —  metft- 
gcgliebettc  ©efen. 

1.  Sie  äußeren  mtb  bie  inneren  Sinne. 

$)ie  angeborene  ©tärfeoerfc^teben^eit  ber  einzelnen  ©eifteä* 
fräfte  unter  fi$  ift  fefjr  groß  unb  für  bie  (Srsietjung  oon  ber 
lüften  ©ebeutung.    £>er  9Jlenfc$  fyat  äußere  unb  innere  (Sinne. 

Sdjebe,  ^tcnoloflifd)e  »Uber.  3.  Kufl.  10 


242 


$$renologic  unb  (grjie^ung. 


£)ie  erfteren  finb  bie  fogenannten  fünf  Sinne  be«  Seijen«, 
Spören«  :c.   $)ie  testeten  f.  oben  S.  6. 

2.  2>fe  Organe  ber  äufeeren  unb  bcr  inneren  Sinne. 

$)ie  Organe  ber  äußeren  Sinne  finb:  ba«  9luge  mit  bem 
Seljnemn,  ba«  Ofyr  mit  bem  §örnert>en  :c.  unb  bie  <^cftil>I*- 
ober  Qhnpfinbung«nerben  im  ganzen  Körper. 

$>ie  Organe  ber  inneren  Sinne  finb  im  ©efyirn  bereinigt. 
$)a«  ©elu'rn  beftcl)t  au«  ^erbenf  afern,  meldte  bon  ber  unterften 
mittelften  Stelle  au«,  ba  too  baß  ®efyirn  mit  bem  föütfenmarf 
jufammenljäugt,  fä<$erförmig  nadj  bem  Umfrei«  Ijin  au«ftraljlen, 
fo  baß  ba«  ®eljirn  etiua  mit  ber  ©turne  be«  ©lumenfofyt« ,  unb 
bie  einzelnen  Organe  ber  inneren  Sinne  mit  ben  9leftc$en  (ba« 
SRücfenmarf  mit  bem  Stengel)  biefer  'pflanje  bergticfyen  werben 
fonnen.  £)ie  Organe  ber  nieberen  Sinne  finb  bie  ®rtjirnäftcfyen 
am  Unter*  unb  £tnterfopf,  bie  Organe  ber  ®emütlj«finne  bie 
am  Obcrfopf,  bie  Organe  ber  93erftanbc«finne  bie  an  ber  Stime. 

^^^r  t  mtm^  ^^^^  * 

- 

Sie  bie  äußeren  Sinne  bon  ben  inneren  getrennt  finb,  fo 
fmb  ntcfyt  nur  bie  einzelnen  äußeren,  fonbern  au<$  bie  einzelnen 
inneren  Sinne  unter  ficty  fetbft  getrennt.  £te  Trennung  ber 
Organe  ber  äußeren  Sinne  bon  ben  Organen  ber  inneren  (bie 
Trennung  be«  Seljnerb«,  be«  §öroerb«  tc.  bom  (Sefyirn)  liegt 
bor^ugen;  ebenfo  bie  Trennung  be«  Seljnerb«,  be«  §örnerb«  :c. 
unter  ftcfy.  Scnigcr  augenfällig  ift  bie  Trennung  ber  Organe 
ber  inneren  Sinne,  ber  ©elnrnäftc^en,  unter  ficfy,  me«^alb  biefe 
Trennung  lange  unbefannt  bleiben  fonnte.  SDoc^  ift  biefe  £ren* 
nung  ber  Organe  ber  inneren  Sinne  unter  ficfy  au«  ber  ber* 
fc^iebenen  ®röße  berfetben  gu  erfennen.  ©ei  einem  SWenfctyen 
fann  biefe«,  bei  einem  anbem  jene«  Organ  (®eljirnäft<$en)  gegen 
bie  übrigen  fetyr  groß  ober  feljr  Kein  fein. 

4.  Tic  ©tärleberföjtebenbeit  ber  ©eifteSträfte. 

SÖcgen  ber  allfeitigcn  Trennung  ber  fämmtli^en  Sinne  fann 
bie  Stärfeoerfctyicbentyeit  ber  @eifte«fräfte  bon  mefjrfacfyer  Slrt 


^renologte  unb  Qrtfehmtg. 


243 


[ein.  «Sie  fann  juerft  eine  allgemeine  fein  jnnfcben  ben  äufereu 
unb  ben  inneren  «Sinnen:  ftarfc  äufeere  «Sinne  neben  flachen 
inneren  (neben  menig  (Seift),  ftarfe  innere  «Sinne  (biet  ®eift) 
neben  fd;ti)a(^cn  äußeren.  (Sbenfo  f5nnen  triebet  fotoohl  bie  äuje* 
ren  als  bie  inneren  «Sinuc  unter  fich  felbft  bon  feljr  ungleicher 
Stätte  fein,  £)och  ift  biefe  Ungleichheit  bei  ben  äußeren  ©innen 
toeit  geringer,  als  bei  ben  inneren.  3m  gefunben  3uftanp  fietyt, 
hört  2C.  ber  üDZenfch  ungefähr  gleich  gut:  benn  bie  Stärfe  ber 
äußeren  Sinne  fann  nicht  unter  ein  Üftittelmafc  $erabfinfen,  ohne 
bafj  biefe  franf  finb.  dagegen  ift  bie  Stärfeberfchiebenheit  ber 
inneren  «Sinne  unter  fich  —  ber  einzelnen  triebe,  Neigungen, 
latente  —  auch  bei  boüfommenet  geiftiger  ©efunbheit  eine  fehr 
bebeutenbe. 


X.   J)te  inneren  Sinne. 

£cid)tftunig  reblid)  SJlcinn  uub  SHub  jugleid) 
Soll  Ucbrrmutb,  unb  Xeumtli,  ftart  unb  toeid), 
SSon  Sinnen  toilb  unb  ftet«  bamit  im  (Streit, 
Verfolgt  bon  fiieb'  unb  bod)  in  £iebeSleib, 
flu  SBonbcroogcl  ooü  Begehr  nad)  9iub/, 
Sin  SBclttinb,  ba«  fi di  fefjnt  bem  Gimmel  )u  — 
D  SUb  beo  *ßiberjpnid)3,  wann  tommt  ber  %aq, 

L  L   iltlt  II     1 1  ]  1 1 1 1  ^ 1 U 1 1 '  ^Ht  1 1  t  Iii)  ILt  El   llltli^  • 

«eitel. 

1.  Sic    tiaraftcröcridiicöcnlicit  im  »Üßcmtinei!. 

$)ie  angeborene  Stärfeberfchiebenheit  ber  inneren  «Sinne 
unter  fich  W  fa$T  8ro&;  fie  ß*8*  *er  unenblich  großen  (Sharafter* 
berfchiebenheit  ber  2flcnfchen  junt  ®runbe. 

SDiefe  ^harafterberfchiebenheit  fann,  je  nach  ber  begebenen 
Stärfe  ber  bret  (Staffen  ber  inneren  Sinne,  fchon  eine  allge* 
meine  fein.  <Sinb  bie  „meberen  (Sinne"  bei  einem  Sttenfchen 
oorragenb  ftart,  fo  ift  berfelbe  ein  leibenfehaftlicher  9Wenf<hi  bei 
bem  SSortoatten  ber  „®emüth«finne"  ift  er  ein  ®emüth«*,  bei 
bem  ber  „©crftanbcSftnne"  ein  23ctftanbe$menfch.  3eboch  biefe 
allgemeine  Unterfcheibung  ber  G>haraftere  hat  toentg  praftifchen 
Söerth,  toeil  ba«  23ortualten  einer  ganzen  (Sfaffe  ber  Sinne 

16* 


244 


«Phrenologie  unb  grjiehung. 


fetten  ober  nie  gefunben  mirb.  2öenn  ein  9ttenfdj  einige  2a= 
(ente  $at,  fo  fjat  er  barum  nit$t  alle,  menn  er  eine  tfcibenföaft 
l;at,  fo  Ijat  er  barunt  nic$t  audj  eine  anbere. 

2.  Sie  Gfarafteröerfätt&enljeit  im  ©meinen. 

Um  bie  Aufgabe  ber  (Jrjiefyung  gegenüber  ber  Stärfeber* 
fdjiebenljeit  ber  einzelnen  inneren  Sinne  moljl  $u  serfteljen,  ift 
e«  n&tljig,  baß  mir  biefe  33erf<$iebenl?ett  etmaS  näljer  in«  $uge 
f äffen.  95Mr  mollen  nur  tton  ber  äußerften,  felljr  ftarfen  unb  fefyr 
f^mat^en  Grntmicftung  ber  Sinne  fpredjen,  obmofyl  natürlich  in 
ben  meiften  ^äüen  bie  Grntmicftung  eine  mittlere  Ift. 

I.  „fiebere  Sinne."  ©ei  feljr  ftarfem  3nfanta( 
ift  ber  üftenfcfy  ein  großer  ßtnberfreunb ,  bei  fefyr  fcfymacfyem  Ijat 
er  feine  Vorliebe  für  ftinber. 

Grin  fefyr  ftarfe«  9Imicatal  ma$t  fefjr  mann  nnb  treu  in 
ber  ftreunbfcfyaft,  ein  fefyr  fcfymacfye«  ma<$t  falt,  abgesoffen. 

@in  fefyr  ftarfe«  Dfcpöfitat  ma#t  fct)x  mutfjig,  fütni, 
fampflufttg,  bei  fömactyem  fefylt  bie  2öiberftanb8fraft  gegen  ®efafyr 
unb  Angriff,  ber  p^fiföc  2flut$. 

Petita!  giebt  bie  Äraft  unb  ben  £rieb  $um  £>anbeln,  jum 
SSMrfen  unb  Staffen,  alfo  au$  jum  SSeränbern,  jum  3erftören, 
unb  begrünbet  fo  jugleicfy  bie  £eftigfeit  be$  (Sljarafterä.  £)enn 
$raft  be«  $anbefttd  in  ber  9htlje  ift  in  ber  Hufregung  §eftig= 
feit  be$  £>anbeln$,  Born,  £>a§-  ®er  tljatfräfttge  2ftenfcfy 
mirb  teidjt  heftig,  Ija&t  lebhaft  (ba«  Scfylecbte  unb  ©öfe).  Oft 
9lctita(  bormattenb,  befonberS  vor  ben  „®emütfy8finnen",  fo  ftifyrt 
es  ju  nieberer,  ttyierifctyer,  milber  £ljätigfeit,  b.  Ij.  ju  allgemeinem 
Xrieb  $u  jerftßren,  ju  allgemeinem  $>ajj,  auc$  be«  ®uten  unb 
(Sblen.  £)er  Sinn  fann  bann  fogar,  menn  ^Bonität  fefyr  febmadj 
ift,  Xxich  ber  3erftörung  be«  SebenS,  £rteb  $u  tobten,  ®rau* 
famfeit  merben.  Oft  Hctital  gegen  bie  übrigen,  befonber«  bie 
„®emüty«ftnne",  Wtoa#,  fo  ift  Langel  an  ftraft,  föulje 
unb  ®(ei$mutfj,  Sanftmut^,  ®ebulb,  S$mäc$e  au«  ©utljett  ba= 
bon  bie  ftofge. 

<$in  fc^r  ftarfe«  S  e  c  r  e  t  a  1  begrünbet  SBcrfc^loffentyett,  25er« 
ftellung,  ein  fet)r  fetymadje«  511  große  Offenheit. 


^Phrenologie  unb  Grjicfyung. 


245 


(5in  fefjr  ftarfeS  Scquifital  macfyt  fct^r  fparfam,  bah* 
füa^tig,  geijig,  ein  fe^r  fc^ti?ac^c«  gleicfygiltig  gegen  @clb  unb  ®ut, 
jur  23crfcfytr>enbung  geneigt. 

(Sin  fefjr  ftartcö  Gautal  macfyt  furcfytfam,  ängftltä),  ein 
fe^r  fc^toac^e«  untorficfytig,  übereilt,  leiefytfinnig. 

II,  „©cmütrjdfinnc."  9luS  fc^r  ftarfem  Opfotal 
entfpringt  $e$tmit$,  9lnmafhmg,  ^errfcfyfucfyt,  au«  feljr  fd(>«?ac^em 
Unfelbftftänbigfett,  ^elbfterntcbrigung. 

Stmbital  begrünbet  fe^r  ftarf:  (Sitetfeit,  ^rgeij,  föufyut; 
fucfyt;  fc^r  fcfyioadj:  ÖHcicfygilttgfeü  gegen  baö  Urteil  Slnberer 
über  im«. 

ftirmitat  fttb/rt  fc^r  ftarf  511  (Sigenftnn,  .£>al«ftarrigfeit, 
fe^r  fcfyroacfy  511  üföanfelmutfy,  Unentfcfyloffenfyeit. 

(SoufcUntal  fann  fcljr  ftarf  ju  unbilliger  $eredjtigfeit, 

fetyr  fd>tt>ad?  p  llurcblidtfcit,  ^euüffcnlofigfeit  führen. 

Venera  tat,  fefyr  ftarf,  begrünbet  blinbe  £)emutty,  blinbe 
ftrbmmigfcit ;  fet)r  fdnv<ad> :  Uucljrerbtetigfeit,  ©leicfygiltigfeit  gegen 
Religion. 

^Spcratal  fitr)rt  fetjr  ftarf  ju  überfdni>ängtid>em  {»offen, 
jiun  Sauen  ton  ßuftf aSlöffcm ,  fefyr  fduuad;  511  $offmmgölofig^ 
feit,  Xroftlofigfeit. 

©onttal  füf)rt  fcl;r  ftarf  511  felbftfcergeffenber  $tx$n& 
gute,  fet)r  febteatty  JU  Srf>ctlnat?mötefigfeit,  $efül;lloftgfeit. 

ÜJMraculital  begrünbet  feljr  ftarf  9}cuenmg8fucfyt,  2Bun* 
berfner/t,  &tcr)tgläubigfcit ,  fefyr  febtoaeb  blinte  2lbneigung  gegen 
9ieue£,  kleben  am  Sitten. 

3b  ea  Ii  tat  füfyrt  fefyr  ftarf  ju  8d;roärmcret,  Segeiftcrung 
für  Scfyöneö  unb  Sbcaleö,  fefyr  fdjtuacfy  ju  all$unücfyternem  Sefeu, 
$u  23eracfytung  bc8  ^cfyimen  unb  3bealen. 

III.  „23erftanbc«finnc."  £)ie  folgen  ber  fel)r  ftarfen 
ober  fcfyr  fcfyroadben  (£uhtncflung  ber  33erftanbe#finne  finb  btc  ein- 
zelnen Birten  einerfeite  be«  ®cnie$  —  für  Malerei,  SDZufif, 
Sttecfyanif,  3)iatf;emattf  :c.  — ,  anbrerfeitö  ber  gänjlicfyen  Xalent^ 
lofigfeit. 


246 


«Phrenologie  ltnb  (Srjie^unß 


XI.   Pie  inneren  Sinne  unb  ber  Gljaranter. 

ttt  SRenfdj  ift  fdjroer  ju  etflrünben,  aber  un* 
erfltünblid],  rote  man  gemeint  fjat,  ift  er  nid)t. 

1.  HeWi*!eit  unb  Unä&nli<*!eit  Der  Sinne. 

£)ie  inneren  Sinne  finb  tljetl«  einanber  cifynlicfy,  ÜjeUS  ein* 
anber  entgegengefefct.  $)ie  äljnlicfyen  unterftttfeen,  bie  unähnlichen 
befämpfen  fiefy.  So  unterftüfcen  {tc$  5.  SB.  Snfantal  unb  ©onital, 
Slmicatal  unb  Bonität,  Secretal  unb  Sautat,-  Oppofital  unb  3p* 
fötal.  (5s  befämpfen  fid&  j.  53.  Slcquifitat  unb  3bealttät,  Umi* 
catat  unb  Spfotal,  Oppofital  unb  23eneratal,  3pfotal  unb  33enc* 
ratat.  Sin  (SljarafteTäug  ift  bafyer  ntd^t  bie  Trjätigfett  eine» 
einzelnen  Sinnes,  fonbern  ba$  Grrgebnijj  ber  3ufammenhnrfung 
mehrerer  ftety  enttueber  unterftüfcenber  ober  befämpfenber  Sinne. 
Söenn  5.  in  einem  3tfenfc$en  3pfotal  ftarf  unb  SBeneratal 
fetytoach  ift,  fo  nrirb  in  ü;nt  ber  (Styarafterjug  be«  StofjeS  bon 
anberer  SCrt  fein,  al«  toenn  neben  ftarfem  3pfotal  anäf  23eneratal 
ftar!  märe, 

• 

2.  2>te  inneren  Sinne  im  «cr&iütni&  sum  Semjjeranient  unb  jnr 

©eftmb&eit. 

£)te  ßenntnitf  ber  Stärfe  ber  inneren  Sinne  giebt  nietyt 
einen  ooÜftanbigen  Äuff<$tu|j  über  ben  GHjaraftcr.  Stüter  biefer 
Stärfe  fommt  bor  allem  ba8  Temperament  in  Söetractyt.  (Sin 
Sanguinifer  ift  in  gennffer  ^)inftdt)t  ein  geiftig  anberer  3Äenfdj, 
als  ein  ^ßtylegmatifer.  Allein  bie  gegenfeitige  (Starte  ber 
einzelnen  Sinne  bleibt  bei  jebem  Temperament  gleich :  benn  biefe« 
ift  immer  ein  allgemeine«,  ift  ba$  gleite  in  bem  ganjen 
(Se^im,  alfo  in  SBejug  auf  alle  inneren  Sinne,  ffienn  ba^er  in 
einem  2ftenf<$en  j.  ©.  ba«  2ttalertalent  bor  bem  2tfuftftalent  bor- 
ragt, fo  bleibt  biefe«  Vorragen  gan$  ba«  gleite,  ob  ber 
2Kcnfc$  ein  Ctyoferifer  ober  ein  ^r/legmatifer  ift.  ©o^l  aber 
mirb  ber  üflenfcb  mit  feinem  Talent  mefjr  nnrfen  unb  leiften, 
menn  er  ein  S^olerÜer,  al«  foenn  er  ein  ^legmatifer  ift. 

SlefynlidjeS  ttne  bon  bem  Temperament  gilt  bon  ber  ®efunb= 


^rcnologte  unb  Srjtc^ung. 


247 


Ijeit.  Äranffycit  unb  $ränf(i<$feit  fann  fefyr  bebeutenb  auf  bcn 
(Sljarafter  einnrirfen. 

3.  SBaftnfiun  unb  ©löbfimt. 

(So  fet)r  grojj  aucfy  bic  ©tärfe&erfdjiebenfycit  ber  ©inne, 
bon  bet  wir  Ijicr  gefprocfyen,  föon  ift,  fo  begnügt  ficfy  bocfy  bic 
9tatur  bamit  nocb  nic^t ,  fonbern  fie  gtebt  bi«toeilen  einen  ©inn 
tljeU«  in  franfljafter  HuSattung  (^äüc  be«  Orrfinne  ober  2öar)n= 
finn$),  tycite  bis  ju  einer  ©<$tt>äc$e  Ijerab,  tt>efc$c  ©erfrüppefong 
ift  (bie  ftäüe  be«  ©c$to>ac$finn$  ober  «lebfinnS).  Segen  ber 
Trennung  ber  ©tnne  fann  fotootyf  ber  Söatynfinn  al«  ber  ©cfytoacfc 
ftnn  ein  tfjeitoeifer  fein.  (Sin  2ttenf$  fann  geifteflfranf  in  ber 
einen  *8e$ie*jung  unb  bei  gefunben  ©innen  in  ber  anbcm,  f($toad^ 
finnig  in  ber  einen,  tatentooü  in  ber  anbern  ©ejie^ung  fein. 
Üiatürtid^  giebt  eä  audj  einen  allgemeinen  ©aljnfinn,  einen  aflge* 
meinen  ©cfytoacfyftnn. 


XII.   Jpte  ?roa,e,  was  ®ugenb  fei. 

3eber  SRenfcb,  w  e  i  6 ,  mai  gut  unb  böfe  ift, 
aber  e«  fage n  tiu  erflätcii,  su  begriinben) 
baben  mancfje  $b«'ofopb,at  unb  Itjeologen  uer- 
gebend  berfudjt. 

■ 

L  $er  Swcd  ber  (?rjtt&uii8. 

SBa«  ift  bie  Aufgabe  ber  (Srstefcung  gegenüber  ber  großen 
©tärfe&erfctyiebcnfyett  ber  inneren  ©inne?  Um  biefe  ftrage 
grünblicfy  gu  beantworten,  müffen  toir  auf  bie  ftrage  na$  bem 
3n>ecf  ber  ©rjieljung  jurücfgeljen.  £)ie  ftragc  n>irb  im  öeben  auf 
oerfttytebene  Sßeife  beantwortet  werben.  ÜDie  SÖJutter  in  ber  ßiebe 
ju  iljrem  tinbe  wünfcfyt,  bafe  e«  fi$  einft  be$  Öeben«  freue,  fie 
würbe  e$  gur  frreube,  jum  ®lücf  erjieljen  wollen;  ber  ju  ergic* 
Ijenbc  2ttenfc§  felbft  würbe  wofyl  ebenbiefetbe  Antwort  geben; 
ber  ©ittenleljrer  wirb  bie  ©ittlictyfeit,  bie  £ugenb,  ber  {Religion** 
teurer  bie  föeligiofität ,  bie  ®ottfeltgfcit  al«  ben  3wecf  ber 
Sieljung  nennen.   3ebo$  wir  Wollen  auf  bie  üBerfätebenljeit  biefer 


igitized  by  Google 


248 


^Phrenologie  utib  (Srjirljiung. 


Slnficfyten  ut$t  }tt  oiel  $etoicfyt  legen,  toir  tootten  annehmen,  ba§ 
jene  oerfcfyiebenen  3wecfe  im  ($tunbe  in  Criu«  $ufammenfaüen : 
toir  motten  bie  Sitttidjfeit  ober  bic  £ugenb  al«  bert  &med  bet 
(£r$ieljung  betrauten,  inbem  mir  oorau«fefcen,  ba§  mit  bicfem  3»ecf 
jugleicfy  bte  übrigen,  ftreube,  ®lücf,  GMtfeligfeit,  erreicht  feien. 

2.  Titflcitö  unb  Unhigrnb  uinictrti. 

£ie  Aufgabe  ber  errjieljung  ift  alfo:  bie  jnr  Sitttittyteit, 
}tn  Xugenb  füfcrenbe  Cmttoictfung  ber  einjetnen  Sinne  anju* 
ftreben,  nnb  bie  jur  Untugenb  füfyrenbe  (Jnttoicfhmg  ju  behüten. 
?Ittein  bie  frrage,  mctcbe  Crntmicftung  ber  Sinne  jur  £ugenb 
nnb  Cetebe  jnr  Untugenb  fitere,  läßt  eine  beftimntte  ^Beantwortung 
nicfyt  $u,  benn  fotootyt  bie  ftarfe  al«'  bie  fctymacfye  Grntnutflung 
eine«  jeben  Sinne«  ift  für  ben  ^medt,  für  melden  fie  gefcfyaffen 
ift,  gut  ober  füfjrt  jnr  £ugenb.  £a  aber  biefer  3wecf  Da^  »or- 
liegt,  balb  nicfyt,  fo  füfyrt  fomofyt  bie  ftarfe  al«  bie  fcfymad)e  Ghtt- 
micfliuig  balb  jur  £ugenb,  balb  jur  Uiitugenb,  ift  balb  ein 
Cwjug,  balb  ein  ^eljlcr  be«  (Sljarafter«.  3um  öeifrlel:  ein 
ftarfe«  Ctypofital  ift  ba  ein  23orjug  be«  G>  Ijarafter« ,  »o  e«  ju 
famofen  nnb  ju  ftreiten  gilt,  ba  ein  fteljler,  mo  Dtattygiebigfeit 
nnb  ftrieben«liebe  am  iUa^e,  fo  mie  ein  fcfytoacfye«  Oppofitat  in 
jenem  ftall  ein  ftefylev,  in  biefem  ein  33orjug  ift;  ein  ftarfe« 
Seevetal  ift  ba  ein  &or$ug,  mo  bie  SBerljältniffc  3urücf(jaltung 
nnb  SBerfctymiegen^eit,  ba  ein  genfer,  mo  fie  Offenheit  forbem; 
ein  ftarfe«  3pfotal  ift  ba  ein  93or$ug,  too  ber  attenfö  Stolj  unb 
£errfcfyertatent  bebarf,  ba  ein  genfer,  mo  er  fi#  fügen  unb  unter* 
Herfen  foll;  ein  ftarfe«  ©onital  ift  ba  ein  SBotJUfl,  mo  ®ttte  unb 
üttilbe,  ba  ein  freier,  mo  rücffktyalofe  Strenge  geübt  »erben 
mu§.  9J?it  einem  Sorte :  meber  bie  ftarfe  noefy  bie  fd?madf>e  Gmt* 
mieflung  eine«  Sinne«  füljrt  unbebtngt  311m  (#uten  ober  jum 
Schlimmen ,  fenbern  fie  fann  nacb  ben  3>erfyältntffen,  na$  Ort 
unb  $eit,  }U  bem  (5inen  unb  311  bem  Slnbern  führen. 

$öenn  aber  auf  biefe  SBetfe  ntcfyt  beftimmt  »erben  fann,  ma« 
ein  93or$ug  unb  ein  fteljfer  be«  ßfjarafter« ,  ma«  £ugenb  unb 
ma«  Untngenb  fei,  auf  meld&e  anbere  Söeife  fann  e«  beftimmt 
»erben? 


249 


XIII.   JUttroort  auf  bie  frage,  toa*  fcugenb  fei. 

SBenn  bu  baö  grofte  Spiel  bet  «8elt  flefetjen, 
So  fdirft  bu  votier  in  bl$  (elbft  jutüd: 
$enn  »er  ben  Sinn  auf*  (ftanae  I)ält  gerietet, 
Xem  ift  bet  6tteit  in  feinet  «tuft  ßcf^Ii^tct. 

Stillet. 

1.  3>er  SRtnftf  bic  Heine  m\t. 

2Wan  fyat  ben  Stfenfcfyen  bic  Heine  Söett  genannt.  <£r  ift 
biefe«  im  boüen  Sinne  be«  SBorte«.  So  lote  fein  Körper  bie 
Elemente  ber  tyn  umgebenben  $5rpern>elt  in  ftd&  bereinigt,  fo  ift 
fein  ($eift  nicfyt«  anbcree,  a(«  gfeicfefam  ber  geiftige  Riegel  ober 
bic  Söiebertyolung  ber  Stujjenroeft.  £ie  änderen  Sinne  entfpre^cn 
ben  materieflcn  fingen  nnb  Gräften  fclbft,  bie  Seljfraft  bem  Ctcfyte, 
bie  £orfraft  bem  Scbaüe  :e.  £>ie  inneren  Sinne  entfprecfyen  ben 
berfcfytebenen  3krl)<tftntffcn  ober  \*agen  ober  Söejieljungen  in  ber 
Hu&enmelt.  Snfantal  entfpricfyt  bent  $erfyältni§  be8  2ftenf$en 
jur  $inbertoelt,  ©ppofitat  ben  Angriffen  be$  VebenS,  3lcqnifita( 
bem  ©gentium,  ßautal  ber  Sage  ber  ©efafjr;  bie  58erftanbe#* 
finne  entfprecfyen  ben  Söejiefynngcn  ber  £>ingc  nad)  SRaum,  3eit, 
®eftalt,  ftarbe,  3a^  JC-  SWit  einem  Sorte,  naefy  allen  föidjtungen 
mieber^oü  fiefy  bie  Slufjcntocft  im  3)?enfctyen,  bie  grofce  ©elt  in 
ber  Keinen.  (5$  giebt  feine  $e$ielHmg,  fein  Eer^äftnij?  ber  Slufjem 
meft,  toetefieö  fieb  ni$t  im  menfölid?en  ®eift  toieberfjotte,  fo  toic 
e*  anbererfeit«  feinen  inneren  Sinn  giebt,  ber  nicfyt  eine  lieber = 
Ijoiung  ober  Spiegelung  ber  Hutfenwclt  toäre. 

2.  2>er  9Wcnfdj  in  Harmonie  mit  H  fclbft. 

Söie  bie  $fu§enh>eft  in  fiefy  felbft  ein  IjarmonifcfyeS  ®anje« 
ift,  fo  ift  e$  au<$  ber  2ftenfcfy,  a(«  #itb  ber  Slu&emoelt,  in  för= 
perlictyer  hrie  in  geiftiger  §infic$t.  £)ie  inneren  Sinne  finb  unter 
fiefy  auf«  ScfyBnfte  in  Orbnung  unb  (Sletcbgetotcfyt  gefteüt:  bem 
3pfotaf  j.  33.  fteljt  ba$  Slmtcatat  $ur  Seite,  bem  Oppofital  ba« 
@auta(,  bem  Secretat,  bem  Stcquifital  ba$  CSonfciental,  bem  93ene* 
rata!  ba«  Spfotal,  bem  üttiracutttat  ba$  ßaufatitaf,  ber  falten 
2>enffraft  bie  „®emütb,$finne"  mit  iljrer  ©arme  unb  «egeifterung. 


250 


$ur$,  ntdjt  minber  al«  ber  ft&rperbau  be«  9ftenf$en,  jeigt  bie 
(Slieberung  feinet  inneren  Sinne  eine  munbertolle  (Jin^eit  nnb 
Harmonie. 

3.        9Knn'cfi  im  Sttttfoalt  mit  fid)  fclDft. 

Ü)tc  Harmonie  bc«  3)2enf$en  mit  ber  Slufjenwelt  unb  mit 
fiety  felbft  beftefyt  jetoeb  nur  infofern,  al«  mir  ben  2ttenfcfyen  al« 
©egenftanb  ober  im  Söübe,  b.  i.  im  3«ft«wb  ber  töufce  be* 
trauten.  2)ie  föufje  ift  aber  nic$t  ber  3uftanb  be«  2tfenfc$en, 
fonbem  ba«  geben,  meiere«  bie  Unruhe  ift.  3n  bem  ßeben  liegt 
ba^er  bie  2J?öglt$feit  ber  2lbmei$ung  bon  ber  boUfommenen 
Harmonie,  meldte  Seit  unb  3Renf<$,  biefe  im  ©ilbe  ober  im  3u* 
ftanb  ber  föufye  gebaut,  jeigen.  $)a«  tfeben  mirb  ftufenmei«  ein 
Ijityere«  im  fttyftatf,  in  ber  $flan$e,  im  Styer,  im  9ttenf$en. 
Da«  ßeben  be«  Sßenföen  ift  ba«  Wfte,  ift  ein  geiftige«  Seben. 
3n  biefem  Ijikfyften,  geiftigen  ßeben  ift  aud>  bie  SfloglüfyfeU  ber 
$lbmeic$ung  oen  ber  allgemeinen  Harmonie  am  gr&jjten  unb  in* 
fofern  ift  ba«  «eben  be«  9J?enf(fyen  bielmeljr  ba«  ®egentl}eil 
biefer  Harmonie,  ein  beftänbiger  3roiefpatt  unb  Äampf  mit 
ber  ttußoitoeß  unb  mit  fid>  fel&ft. 

«Hein  trofe  biefe*  3aHefpaltc«  be«  attenföen  mit  fu$  felbft 
ftefyt  ba«  «eben  bc«  2flenfc$en  in  ber  Harmonie  nu$t  niebrtger, 
al«  ba«  «eben  ber  übrigen  9iatur,  troft  biefe«  3totefpalte«  $at 
ba«  «eben  be«  SRenföen  feinen  9f  ücffdjritt ,  fonbern  fogar  einen 
ftortfd&ritt  in  ber  Harmonie  gemalt.  Denn  im  Öeben  be«  üften* 
fd?cn  ift  in  einer  fyofyeren  Seife  bie  Seit  mieber  ju  ber 
Harmonie,  bon  melier  fie  im  3uftan*>  *>er  8hu?e  ausgegangen, 
jurücfgefeljrt.  3m  «eben  be«  9)?enfcfceu  Ijat  fiefy  bie  Harmonie  ber 
9tul)e  in  eine  leben  big  e,  geiftige  Harmonie  bermanbelt,  bie 
Harmonie  ift  eine  begriffene,  eine  erftrebte,  eine  £ar* 
monie  ber  Xfyat  gemorben.  £)iefe  Harmonie  ber  £ljat,  ba« 
felbftbemufcte,  gelungene  Streben  be«  üttenf(fyen  na$  ber  $>ar= 
monie  mit  fiefy  felbft  ift  ba«,  ma«  mir  £ugenb  nennen.  ÜDer= 
jenige  2ftenfdj  ift  tugenbljaft,  beffen  £anblungen  m$t  bur<$  einen 


^Phrenologie  unb  (Srjie^ung. 


251 


(gerabe  angeregten)  eilt) eitlen  ©hm  —  ba8  Slcquifttal  ober 
ba$  Sbeatttal  ober  ba«  Opfotal  ober  ba8  Bonität  ic.  —  fon* 
bem  burch  bie  fä'mmtltdjen  (Sinne  in  ihrer  Harmonie  —  burch 
ba«  SImtcatal  nnb  ba$  3bealital  nnb  ba«  3pfotat  unb  ba$ 
Bonität  unb  bie  £)enfrräfte  it.  —  beftimmt  unb  geregelt  toerben. 
Diefeö  ^arntonif^e  ©leichgetoicht  in  ber  X^ätigfeit  ber  «Sinne  ift 
e«  auch,  roa«  bem  üttenfdjen  bie  £errfchaft  über  fich  fetbft,  roa* 
ihm  bie  fittücfye  ^ret^eit  giebt.  2öenn  baher  bie  Aufgabe 
ber  (Srjiehung  (roie  bie  Aufgabe  beö  trbifchen  tafeln«  bc$  Wen* 
fchen)  in  ber  «Sprache  beä  getoö^ntic^en  Gebens  bie  £ugenb  ift, 
fo  ift  in  ber  (Sprache  ber  SRaturnnffenfchaft  (ber  ^renologie) 
biefe  Aufgabe  bie,  baß  ber  üflenfeh  gur  h^chft möglich cn  §ar  = 
mouie  mit  fich  fclbft,  gur  h ^möglichen  f ittlichen 
Freiheit  herangebildet  toerbe. 


XIV.   Ha*  Pafj  Der  fittlidjen  Ireiljfit. 

Kampf  ift  ba«  flanke  SRenfdjenleben, 
lenn  otjnc  Kampf  fein  trb'fdjc«  Streben. 

1.  2>ie  Stufen  bicfe$  9Ka&c$. 
£a«  2>faj3  ber  fittlichen  Freiheit  be$  3)ienWen  fte^t  mit 
feiner  allgemeinen  ®eifte$entmi<flung  im  3Scrr>attnig.  £>ie  $rei* 
heit  bc«  3ttenfdjen  im  2ttutterfchofce  ift  bie  ber  ^flanje,  bie 
ftretheit  be«  neugeborenen  Äinbe«  bie  be«  Eh^reS-,  erft  nach  unb 
nach  enoac^t  bie  menfölicfye  ober  fittliche  ftreihett,  fie  ftetgt  ftufen* 
ü>ei$  mit  ber  allgemeinen  ©ilbung  be«  ®eifte$  (be$  (SharafterS, 
®emüth$,  33erftanbefc) ,  unb  erreicht  bie  gleite  £öhe  mit  biefer. 
(5$  giebt  ertoachfene  2J?enfdjen,  bereit  (#eifte$bitbung  faum  über 
bie  be$  SHnbeS  hinaufreicht,  tl)rc  fittliche  Freiheit  fteljt  auf  ber 
nieberften  (Stufe.  ÜDie  geiftig  pchftgebilbeten  Üttenfdjen  haben 
bie  grö&te,  bie  geiftig  roenigftgebilbeten  bie  geringfte  Freiheit. 

2.  3>te  fütlitie  ftreibeit  feine  nn&cötnQte. 

$)ie  fittliche  Freiheit  ift  natürlich  niemals,  auch  nic^t  beim 
geiftig  höchftgebilbetcn  Sttenfchen,  eine  unbebingte  ober  unbefchränftc, 


252 


^tyrcnologie  uub  ßrjic^ung. 


unb  foli  es  nic^t  fein.  Söäre  fte  e«,  fo  tyätte  ber  tamof  be« 
2J?enf<$en  aufgehört  unb  fo  fein  Streben:  ber  üDienfcfy  märe  fein 
9D?enfö  meljr,  fonbern  ein  £ngel  ober  ein  ($ott.  £)er  ftttltd^e 
Äampf  be$  SRenföen  ift  ein  enbtofer  unb  foü  es  fein.  ' 

3.  $ic  UitgleicMeit  ber  Starte  bcr  Sinnt. 

3n  ben  meiften  ^äücn  ftnb  bic  fittli^en  Sctytoäcfyen  fcfyon  in 
ber  Unglcid(>fyeit  ber  Starfe  ber  Sinne  begrünbet.  ©alb  $.  23., 
bei  fefyr  ftarfem  Oppofitat,  ift  ber  üDfenfcfy  ftreitfüctytig  unb  Ijat 
beftanbig  gegen  biefen  fteljter  auf  ber  $uit  ju  fein,  ober,  bei  fefyr 
fctyioac^em  Oppofital,  fet)lt  tym  ba,  too  eä  gilt,  ber  nßtljige  9)Jutlj; 
balb,  bei  fefyr  ftarfem  ober  fcfyi»ad;cm  Secretal,  fyat  ber  Sföenfcb 
gegen  ju  grofje  33erfc$loffenfyeit  ober  gegen  ju  grofee  Offenheit, 
bei  feljr  ftarfem  ober  fetyr  fdbtoacfyem  Spfotat  Ijat  er  gegen  Selbft* 
Übergebung  über  2tnbere  ober  gegen  Üflangel  an  Selbftoertrauen 
einen  immertotebcrfcfyrcnbcn ,  eubtofen  $ampf  mit  fidj  felbft  ju 
beftefyen. 

4.  2>te  ©lei^mäfeigleit  ber  Sinne, 

2öenn  anbererfeit«  bic  Stärfe  ber  Sinne  eine  meljr  gt etcr>  = 
mäßige  ift,  fo  fann  e«  nicfyt  festen,  bafe  bcr  3ftenf#  oermöge 
feine«  Berufs  ober  feiner  Stellung  im  &ben  biefen  ober  jenen 
Sinn  enttoeber  ftärfer  ober  f et) tt? ä c r  befifcen  foßte,  unb 
auf  tiefe  Söeife  mit  fiefy  ober  ber  $luj?cntoett  in  3®iefpatt  gerä'tr). 
ÜDenn  jeber  33eruf,  jebe  Senbcrftcflung  im  £eben  ift  tocfentlicfy 
cinfeitig  unb  forbert  ni$t  ein  gleite«  2Jca§  alter  Sinne,  fonbern 
eine  ©orragenbe  (Snttotcftung  enttoeber  biefer  ober  jener  Neigungen, 
Talente  :c. 

5.  2>er  mm  bcr  ©erfrälnriffe. 

Slber  au<$  angenommen,  bie  ®eifte«bilbung  be«  Sittensen 
ftimmte  mit  feinen  VebenSoerc/ättniffen ,  toic  fie  jefet  finb,  ooß* 
f ommen  überein,  f 0  10  e  cfy  f  e  1  n  boefy  bie  S3er^äUniff e :  fie  toecfyfetn 
oft  im  ©roßen  unb  me^fetn  jeben  Slugenbücf  im  steinen,  fo  bajj 
eine  jc^t  mit  aßen  23err}ctftniffen  im  (Sinflang  fteljenbe  (Seiftet 
bitbung  im  nädjften  Stugenblitf  mit  fid)  ober  ber  Slufceffloett  in 
$ampf  geraten  fann.   £)afyer  ift  aiid^  ba«  9D?af$  ber  fittli^en 


253 


ftreifjeit,  ioeld^e«  ein  üftenfcb  errettet  fjat,  niemate  genau  51t  be* 
ftintmen.  (Sin  üflenfdj,  toclc^er  5.  39.  a(«  Sofbat  im  Kriege  in 
feiner  ^fad&terfüüung  fittlidfr  $od?  fte$t,  hrirb  bietteiebt  int  $a* 
milienCeben  grojje  Gtyarafterfefyler  seigen,  unb  umgefefyrt.  £>afyer 
auefy  bie  mangctyafte  fittüd&e  (Selbftfenntniä  bet  meiften  9ttenfc$en. 
Ser  fyätte  im  roecfyfetooUen  ßeben  nietyt  £anblungen  begangen, 
bie  er  bon  fiety  ni$t  ertoartet,  fic§  nid^t  jugetraut  ljätte! 

6.  D6  $üfe  in  htm  fttttflt. 

Au«  bem  fdnoeren  Kampfe  felbft  erflärt  fid^  auefy  bie  eigen* 
tljümü^e  Grrfcfyeinung ,  baft  nic^t  feiten  bie  Wengen,  burefy  ba« 
enblofe  fingen  unb  tä'mpfen  faft  jur  33erjn>eiflung  gebraut, 
baffetbe  babur<$  auf  ein  geringere«  9)?ajj  ju  befcfyränfen  fugten, 
ba§  fie  fi<$  einer  gfttUc^en  ober  menfebücben  Autorität  bUnb  unter* 
warfen  unb  f 0  b  t  e  ( e  r  einen  Xljeil  iljrer  5^i^eit,  iljrer  SSerant* 
wortftcfyteit  für  iljr  §anbehi  ju  übertragen  hofften.  23ergebücfye« 
$>offcn !  Söofyt  barf  unb  foll  ber  3JJcnf<^  ft$  ieber  Autorität  al« 
folcfyer  unterwerfen,  aber  ntcfyt  btinb,  nic^t  fo,  ba£  er  auefy  nur  ben 
fteinften  £IjeU  feiner  fittlictyen  ftreiljeit  an  fie  oertöre:  er  behält 
btefe,  auefy  hriber  feinen  Söiüen,  ganj  unb  bott.  £enn  wenn  ber 
2ttenf$  au$  niebt,  wie  oft  gefd&iefjt,  jtoifc^en  jtoei  ober  mehreren 
einanber  toiberftreitenben  Autoritäten  fetbft  ju  toä^en  fyat,  fo 
nnberftreiten  ftcb  bodj  oft  bie  Auslegungen  ber  ®ebote  einer  unb 
berfefben  Autorität,  unb  ber  attenfdj  muß  unter  biefen  Au«* 
Tegungen  toasten:  iebe  SÖafyt  aber  ift  ein  $ampf,  ein  fittlicfy 
freier  $ampf. 


XV.   Pie  förbernbe  Cfrfieljung. 

tet  »öfc  ift  bet  $fitft  bet  5iuftetnifj  genannt: 
Sßon  Je  ift  ®eifte*lid)t  o«  Suaenbquea  ettaimt. 

Söenn  bie  Aufgabe  ber  (grjielnmg  bie  ift,  ba§  ber  3ttenf$ 
jur  mBgttctyften  Harmonie  mit  fi<$  felbft,  gum  fj8#en  2tfaB  ber 
fittti^en  ftreibeit  ^crangebilbet  werbe,  treffe  prafttföe  Regeln 
ergeben  fi<$  au«  biefer  <£rjie$ung«aufgabe? 


254 


(5  r  ft  e  a  ( l  g  c  m  e  i  n  e  9*  e  g  e  t.  33or  Klient  follen  bie  inneren 
Sinne  in  ihrer  (Sefammtheit ,  in  ihrem  ^amionifc^en  3ufammen« 
Wirten  jrnn  mögltc^ft  hofften  9)*a§  ber  <£ntwicfelung  gebraut 
werben,  bamit  ber  ÜWenfö  bem  Äampf  ber  fittlichen  Freiheit  fo 
wetyl  als  mSgtich  ausgerüstet  entgegengehe.  £)ie  (Srjtehung  foll 
alfo  eine  mBgltchft  aUfetttg  f5rbernbe,  entwicfelnbc ,  nicht  eine 
hemmenbe,  befebränfenbe  [ein.  ©iefe  ftegel  ift  befottber«  in  im« 
ferer  &e\t  bon  großem  (Gewicht:  benn  bie  heutige  ü)Jenfchenwelt 
hat  burch  bie  9?aturnrif|enfcfyaften,  bie  Grifenbahuen,  bie  ®ewerb$* 
thättgfeit,  bie  Rettungen  nnb  SBolf^biidher  :c.  eine  aufjerorbentüch 
grofce  Umwanblung  erfahren  unb  ift  noch  *n  biefe*  Gegriffen:  fie 
ift  bie  3e^  ber  Äufftärurig.  3)?an  ha*  barüber  gefttitten  unb 
fann  ftreiteu,  ob  bie  üftenfctyen  burch  biefe  Slufflärung,  wie  fie 
befchaffen  ift,  fittltcher  geworben  ftnb,  ober  nicht.  £)te  richtige 
Antwort  auf  biefe  ftrage  möchte  bie  fein,  bajj  bie  heutige  9ttenfch* 
heit  in  manchen  Beziehungen  ^ortfehritte ,  in  manchen  anbern 
SRücffchritte  in  ber  ©tttlichfeit  gemacht  hat.  (.3.  B.  ftortfehritte 
in  ber  allgemeinen  9)fenfchlichfeit,  SRücffchritte  in  ber  fittlichen  Ein- 
fachheit unb  ©enügfamfett,  burch  bie  gefteigerte  3erftreuung3*  unb 
SBergnügungöfucht.)  Httein  wenn  wir  auch  biefe  ftragc  unent* 
fchieben  (äffen,  ober  toenn  toir  fogar  einen  allgemeinen  föücffchrttt 
ber  heutigen  2ften[<hheU  in  ber  «Sittüchfeit  annehmen  wollten,  fo 
folgt  barau«  für  bie  Grr$iehung  fehteSweg«,  —  wa$  manche  (Sr* 
jieher  barau«  ha^en  folgern  wollen,  —  bafc  bie  (Srjtehung  eine 
hemmenbe,  befchränfenbe  fein  folle,  bamit  bie  9ttenfchheit  bon  ber 
fallen  Slufflärung  toieber  ju  ber  früheren  Sittlichfeit  $uriicfgc= 
führt  werbe.  Vichts  weniger!  9ttcht  bcSwegen  finb  ja  bie  3tten* 
fchen  jefct  (in  einigen  Beziehungen)  weniger  fittlich,  weil  bie  (£r* 
jiehung  eine  allju  aufflärenbe  geworben,  $u  fchnell  ober  ju  weit 
oorgefchrttten,  fonbern  im  ®egenthei(,  Weil  bie  <£r$iehung  gegen 
bie  mächtig  fortfehreitenbe  SMelfeitigfeit  be«  SebenS  ju  weit  ju  = 
rücf geblieben,  weil  bie  Hufflarung  feine  genügenbe 
ift.  m  neue  3cit  ift  ber  9Wenfchheit  gteidt>fam  über  ben  £opf 
gewachfen:  biefe  unterliegt  nur  allzuoft  in  bem  ftttüchen  Kampfe 
mit  ihr,  weit  fie  baffir  nicht  gerüftet  genug  ift,  weil  ba«  grofie 
Veben  bie  9)?enfchen  unoorbereitet  unb  unreif  au«  ber  $anb  ber 


^renotogte  unb  @r$ie$uitg. 


255 


einfeittgen,  mangelhaften  <£rjiefjung  empfängt.  $>ie  ftorberungen 
unferer  3eit  an  btc  <£#ietyung  finb  batyer  grofc  unb  bringcnb  unb 
unter  tiefen  ftorberungen  ift  bie  etftc  bic,  ba§  bie  (Srjteljung  eine 
iraljrljaft  aufflärenbe,  b.  Ij.  eine  mogltctyft  otetfeitige,  ffcrbernbe, 
entuutfetnbe  fei.  dx\t  bann  nrirb  bie  Sfofflärung  ber  Bett,  tüte 
fie  tljrem  Söcfen  nadj  foll,  auefy  eine  allgemeine  Steigerung  ber 
fittü($en  ftreiljeit  ber  2Wenf(fyen  werben. 


XVI.   Pie  «riteljung  ?ur  fHenfdjHdjkttt 

Xeine  Staturen,  o  SWenfö,  ftnb  jroei:  be*  Iljier*  unb  be«  9Renjcf>en ; 
Cinet  nur  ift  bein  »eruf:  ftet*  fei  unb  überaU  9»enf$. 

1.  $tr  gebcnäbcnif  tiro  v.'icnfriir n. 

(Sine  jtoeite  allgemeine  Sieget,  meldte  ft$  au«  ber 
bon  un«  erlannten  <£rjtelmng$aufgabe  ergiebt,  ift  bie,  baj?  bie 
f) öderen  menf Alicen  Sinne  be«  2ttenfc$en  jur  £errf<$aft  über  bie 
nieberen  tyiertfctyen  befähigt  »erben  follen.  Obgleich  nämlid&  bie 
$erljältmffe,  in  melden  ber  ju  erjie^enbc  2Wenfö  einft  leben  nn'rb, 
ober  fem  iffta  t>om  Sd&itffal  beftimmter  2eben«beruf,  tljeil«  un« 
nic$t  befannt,  tyeit«  bem  Söed^fet  unterworfen  finb,  fo  finb  bo$ 
in  einer  SBejteljung  bie  ßeben«berljältniffe,  ber  ßeben«beruf  be« 
•INenfcfyen  un«  ebenfo  beftimmt  Mannt /  al«  oon  allem  9ß3etfyfet 
au«gefc$loffen:  e«  ift  ber  8eben«beruf  be«  Sittensen,  Ü)ienf(fy  ju 
fein.  £)er  SWenfd?  ift  aber  baburefy  ein  3ftenf$,  ein  fittlicfy  freie« 
SBefen,  bafc  er  neben  ben  nieberen  tlnerifd^en  Sinnen  bie  fyßfyercn 
menfcfctictyen  Sinne  befifct,  unb  ba«  9fta§  feiner  fittltctyen  ftreitjeit 
fte^t  mit  ber  ßraft  im  SBerljältnijj ,  roomit  feine  leeren  menf$= 
liefen  Sinne  feine  nieberen  tljierifcfyen  feiten  unb  befyerrfäen. 

2.  2>a«  meiere  mtb  ba«  mtxt  Scben. 

£>a«  Öeben  be«  2Henföen  tft  tljetf «  ein  ntebere«,  tyterifdje«, 
ttyetl«  ein  fjotjere«,  tnenf<$ti($e«.  (Sin  niebere«  ift  e«  immer, 
ein  Ijöfjere«  ift  e«  ni$t  immer.  £)enn  bie  nieberen  Sinne  be« 
2Renf$en  werben  iebenfatt«  unb  immer  burd;  ba«  £eben  angeregt 


25G 


^rcnofogic  unb  Srjte^ung. 


imb  geübt.  £)urc$  Xaufenbe  immerwteberfeljrenber  Söegegniffe 
be$  täglichen  geben*  wirb  ber  üttenfö  jum  2Biberftanb(eiften  unb 
kämpfen,  311m  Raffen  ober  3erftören,  junt  93er(jeimlic$en,  sunt 
Erwerben  2c.  angeregt,  barin  geübt.  £tc  bereit  ©inne  bagegen, 
bie  ®ewiffem>ftigfeit,  bie  23eretyrung  ober  föeligiofität,  ba$  tooty* 
wollen  ic.  (ftnnen  wof?l,  aber  fie  müffen  nietyt  bom  geben  angeregt 
unb  geübt  werben:  fie  »erben  e«  bann,  wenn  ba*  umgebenbe 
geben  ein  fyöljere«  unb  fie  werben  e«  nic$t,  wenn  baffelbe  ein 
niebereS  ift.  SBtele  SDienfcfyen  (eben  weniger  ein  Ij&(jere$, 
menfcfylidjeS ,  meljr  ein  nicbercS  fittlicty  unfreies  geben.  Senn 
bafycr  ba$  ju  erjietjenbc  ®inb  mit  9Wenfcfyen  biefer  3lrr  jit* 
fammenlebt ,  fo  werben  [eine  Ijityeren  Sinne  n  i  6)  t  angeregt 
unb  geüfrt. 

3.  $a<?  cniclicnöc  Vcücn. 

£ierau$  ergtebt  fid^  felbftoerftanblicty  bie  Sfufga&e,  ba«  Äinb 
mit  fittlic$  m&gli$ft  fyoctyftcfjenben  SWenfd&en  jufammenteben,  ober, 
wa8  baffelbe  ift,  oon  ilnien  erjte^en  5U  (äffen.  $)enn  ba«  er* 
äiefyenbe  geben  unb  bie  eigentliche  Ziehung  finb  eine«  unb  baf* 
felbe.  @S  giebt  feine  anbere  (Srjicljung,  al«  ba«  erjieljenbe  geben, 
unb  c$  giebt  fein  geben,  welche«  für  ben  31t  erjtefyenbcn  SWenfcfyen 
ni#t  ^rjte^ung  ift.  3eber  ü)?enfd^ ,  ob  er  biefe«  will  ober  nid^t, 
jebe«  $inb,  ob  e$  biefe«  weiß  ober  nicfyt,  ift  für  feinen  ju  er* 
jie^enben  3ftitmenf<$en  ein  örjieljer.  ÜDiefe«  erjter/enbe  geben 
fann  entweber  ein  jufälltgeS,  ober  ein  für  ben  $wecf  gewallte« 
fein,  Weltes  (entere  bann  (£r$ielntng  genannt  wirb.  $ln  ftety 
ift  e$  ganj  gleicfygitttg,  ob  bte  (Srjte^ung  bon  ber  einen  ober  ber 
anbern  5(rt  fei.  Oft  fann  bte  sufälltge  (5rjie^ung  eine  gute,  bie 
(unweife)  gewägte  eine  fetyleetyte  fein. 

4.   Sie  geifriße  ©ebiirtStoerWe&enljeit  ber  ftiitber. 

^Dic  (Srjiefjung  barf,  wie  fi<$  r>erfter/t,  meljr  bem  3ufall  u&ers 
(äffen  bleiben,  ober  muß  mefyr  eine  weife  gewägte  fein,  ie  naefy 
ber  angeborenen  ®eiftc«bef$affenfyeit  be$  311  ergtefyenbcn  ÄinbeS. 
ein  £inb,  bei  wettern  bie  fämmtltctyen  höheren  Sinne  bon  Ge- 
burt in  ttorragenbem,  bie  fämmtlicfyen  nieberen  in  untergeorbnetem 


^tyrenofogte  unb  Gsrjte&ung. 


257 


ÜJttajje  oorfyanben  finb,  wirb  faft  bei  jeber  Grr$te!uing,  faft  unter 
jebet  Umgebung  ju  einem  fittlidj  tjocfy  ober  ^iemlicty  fyocfyftefjen* 
ben  9ftenfcfyen  tjerantr»ac$fen.  (£«  giebt  fotctye  befonber«  günftigc 
©eifteSbitbungen ,  fotd^c  unter  faft  allen  $Bertjältut|feu  ficfy  felbft 
erjieljenbe  Äinber,  aber  fie  finb  feüen.  Äinber,  beren  (Seiftet 
bilbung  eine  gemifcfyte  genannt  »erben  fann,  wo  im  ®anjen  bie 
teeren  Sinne  oor  ben  nieberen  borragen,  aber  einer  ober  ber 
anbere  ber  erftercn  fcfyr  fdnoacfy,  einer  ober  ber  anbere  ber  tefcteren 
fetyr  ftarf  ift,  finb  mit  Sorgfalt,  bur$  meife  Söafyt  ber  Umgebung 
ju  erjie^en.  $>ie  Sdnuäcfye  eine«  einjigen  ber  fyöfyeren  Sinne, 
i>ie  oorragenbe  Stärfe  eine«  einjigen  ber  nieberen  fann  ben  äßen* 
fdjen  auf  ber  Stufenteiter  ber  ftttlicfyen  {fret^eit  um  biete  Stufen 
f?erabjiet)en.  Oft  bie  ®eifte«bitbung  be«  fltnbc«  eine  rntföieben 
ungünftige,  inbem  bie  nieberen  Sinne  im  ®anjen  oor  ben  tjßtjeren 
oorragen,  fo  ift  bie  QrrjieJjung  oon  ber  früljeften  $mbljeit  an 
mit  ber  fjöcbften  Sorgfatt  ju  überwachen,  bamit  ber  2)?enfcb  toe* 
ntgftenä  bie  Stufe  ber  fittücfyen  ^rei^eit  erreiche,  baß  er  ein  ®tieb 
ber  menfdjlicfyen  ®efeltfcbaft  }U  fein  nicfyt  umoertlj  befunben  »erbe. 
Äeine«  33?enfcben  angeborene  ($eifte«bitbung  ift  eine  fo  niebere, 
bafc  er  nictyt  meuigften«  bi«  ju  biefem  9)?a§  ber  fitttictyen  ftretljeit 
erjogen  werben  fönnte.  üBotjt  ift  ber  eine  üDfenfcfy  bon  (Geburt 
menfd?lid?er,  füttiety  IjBtjer  ftetjenb,  ber  anbere  tljiertfcfyer,  fitttidj 
nieberer  ftefyenb,  aber  be$  giebt  e«  feine  geborenen,  fonbern  nur 
geworbene,  erjogene  fcbtccfytc  2ttenfc$en,  23erbred;er. 


XVII.   Pte  feibenfdjaft. 


2«tben  fdjafft, 
Xfjatenfraft 
greuben  fcfjofft. 

1.  »a«  ift  Scibenfarnft? 

(Sine  britte  attgemeine  SReget  enbticb,  wetcfye  fiefy  au« 
unferer  GrrjiefyungSaufgabe  ergiebt,  ift  bie,  bajj  bie  Qrrjtelnmg  bem 
(Sntftefyen  r?on  Reiben f cfyaften  im  2)?enfcfycu  entgegentoirfen 

S^eue,  «Mrtttoloflifäe  «Uber.  3.  «uft.  17 


258 


$l?renofogte  unb  (Srgtefeung. 


unb  oorfreugen  fofl.  Der  2ttenfch  ift  jur  ST^ätigfeit  gcfc^affen, 
bie  fämmtücben  Sinne  finb  nur  infofern  Reifte« f rä f te,  a($  fie 
thätig  finb.  Die  fittlicfye  ^rei^eit  beS  -tDJeufchen  beruht  auf  ber 
freien,  ungehemmten  ^ätigfeit  feiner  fämmtltchen  (MfteSfräfte. 
Die  Veibenfchaft  bagegen  ift,  wie  fcfyon  ba$  ©ort  anbeutet,  ba$ 
$egentfyeU  ber  ^ätigfeit,  ift  ein  3uf*anD  Reiben«.  Die 
i'eibenfchaft  ift  berjenige  3uftan^  meiifcbtid^eu  ®eifte$,  wo 
nicht  mehr  bie  fämmtttdben  ®eiftc$fräfte  in  Harmonie  jufammem 
wirfen,  fonbern  wo  eine  ober  einige  biefer  Gräfte  burch  ihre  maß* 
lofe  X^ätigfeit  alle  übrigen  überwältigen  unb  betyerrfctyen.  Der 
3uftanb  ber  Veibenfchaft  ift  ba^er  ba«  ©egentyeit  ber  fittüchen 
^rei^eit. 

2.  2>ie  Jötrfdjiebcnbcit  ber  Kcibtnfdjaftcii. 

Da  jebe  ®eifte$fraft  gu  mafctofer  £fyättgfeit  ausarten  fann, 
fo  giebt  eä  fo  biete  unb  im  ©efen  oerfchiebene  tfeibenfehaften,  als 
(SeifteSfräfte.  Doch  bezeichnet  bie  Sprache  nicht  alte«  ba«,  Was 
äufeerfte  ^ätigfeit  einer  ®eifte$fraft  ift,  mit  bem  Sorte  i'eibem 
fd?aft.  ®ewBhnltch  wirb  nur  bie  äujjerfte  X^ätigfeit  ber  meiften 
nieberen  Sinne  unb  einiger  „(SemütfySfinne"  (beS  3pfotat  unb 
Slmbital)  ßeibenfdmft  genannt.  9)Jan  fagt:  bie  Veibenfcfyaft  ber 
®efchlecht$(iebe ,  ber  Streitfucht,  ber  3crf*örung$fu$t  ober  ber 
§efttgfeit,  ber  £abfucfyt  ober  be$  ®ei$e$,  beä  Stolpe«  ober  $)och' 
muth$,  ber  ©efaßfucht  ober  beS  ^hrgeijes.  9tber  man  fpricht 
nicht  oon  ber  l'eibenfcfyaft  beS  föechtSgefühl«  ober  ber  ©ewiffen* 
haftigfeit,  ber  Verehrung  ober  ÜMtgtofität ,  ber  Hoffnung,  be« 
©ohlwoüenS,  ber  Realität.  SSon  ber  überwättigenben  X^ätifl= 
feit  biefer  fyityeren  Sinne  gebrauebt  man  gewöhnlich  bie  ©orte: 
©egeifterung ,  Schwärmerei  :c.  (Sben  fo  fetten  wirb  ba«  ©ort 
Öeibenföaft  t>on  ber  haften  £hätigfett  ber  93erftanbeSfinne  ober 
Talente  gebraucht;  man  fpricht  hier  biehnehr  oon  ®enie,  ^han* 
tafie,  j.  S8.  be«  2»ater«,  2)<ufifer«,  Rechner«,  2tfechaniferS  k. 

3.  ©infadjc  unb  uifammcnacfcBtc  Sctbcnfcnaftcn. 

Die  ^eibenfehaft  fann  eine  einfache  ober  jufammengefefcte 
fein,  jenachbem  ein  ober  einige  Sinne  burch  i^rc  übermäßige 


259 


^ätigfett  feie  übrigen  bemälttgen.  $)ie  Strettfucht  faitti  au« 
übermäßiger  2^ätig!eit  be«  Oppofital  allein,  ober  be«  Oppofital 
unb  3pfotal  (^Rechthaberei),  ober  be«  £tyVofita[  unb  ftirmitat  (eigen- 
ftnn)  hervorgehen.  $)er  ®eij  fann  auf  ber  übermäßigen  £$ättg* 
feit  be«  Slcquifital  allein,  ober  jugteich  be«  (Sautal  berufen.  X>er 
9ieib  ift  jufammengefefct  au«  ber  ba«  Bonität  ttbertoältigenben 
J^ätigfeit  be«  Opfotat  (@goi«mu«)  unb  jugleich  ber  be«  9lcqui= 
fital,  be«  91mbita(  k.  —  fenaebbem  (S^ctb  unb  ©ut  ober  9hu)m 
unb  $lnerfennung  ber  ®egenftanb  be«  9ieibe«  ift.  @benfo  ift  bie 
@iferfua)t  (eine  anbere  $orm  be«  *fteibe«)  eine  berfcfyiebene ,  je- 
nad>bem  fie  eine  (Siferfucht  ber  <&efchlecht«liebe,  ber  ^reunbfd^aft  jc. 
ift.  %uti)  bie  übermäßige  2^ätigfeit  berjenigen  Sinuc,  toelcbe 
fonft  ntc^t  l'eioenfc^aft  fycißt,  toirb  bann  fo  genannt,  wenn  |n 
biefer  ^ätigfeit  noch  bie  eine«  ober  einiger  nieberen  (Sinne  fyinju* 
fommt.  So  fann  man  j.  Sd.  bon  einer  tfeibenfehaft  ber  föeli* 
giofität  forechen,  menn  mit  einer  übermäßigen  ^atigfeit  be«  23e* 
neratal  noch  bie  be«  Oppofital  ober  bie  be«  Petita!  fich  berbinbet. 

4.  2ßa«  öttfct  Sctbenfcfpaft? 

@«  ift  feine  Unfofgericfytigfeit  ber  Sprache,  baß  bie  über- 
mäßige ^ätigfeit  nur  einiger  Sinne,  Ijauptfädjücfy  ber  nieberen, 
getbenfehaft  genannt  mirb.  £>a«  Sßefen  ber  l'etbenfchaft  ift  bie 
Beeinträchtigung  ber  fittüd^en  Freiheit.  £)iefe  Beeinträchtigung 
ift  aber  bei  ben  berfchiebenen  Sinnen  oerfchieben,  fie  ift  fefyr  be* 
beutenb  bei  ben  nieberen  Sinnen  unb  finbet  nicht  ftatt  ober  ift 
ioeit  geringer  bei  ben  ®emütlj«-  unb  ben  55erftanbe«finnen.  $)a« 
Sort  £etbenfchaft  mirb  ba^er  nicht  einfeitig  oon  ber  ^ätigfeit 
ber  nieberen  Sinne  al«  folc^er  gebraust,  fonbem  ganj  allgemein 
oon  ber  X^ätigfeit  aller  Sinne,  u>enn  unb  fomeit  baburch  bie 
fittlidje  ^ei^eit  beeinträchtigt  ift.  So  toirb  ba«  SBort  Seiben* 
fc^aft  oon  ber  I^öttglett  ber  tt)iexifc^cit  Sinne  bei  ben  gieren 
felbft  nitmal«  gebraust,  toeil  bei  ben  £lucreu  bon  fittlicher  ftrei* 
fyeit  nic^t  bie  föcbe  fein  fann.  2lnbererfeit«  toirb  ba«  äöort  ganj 
ebenfowohl  bon  ben  ®emüth«=  ober  3?erftanbe«finnen  bann  ge* 
brauet,  menn  burch  bereu  übertoältigenbc  ^hätigfeit  bie  fittliche 
,  greiheit  gefährbet  erfcheint.   9ttan  fpriebt  nicht  mohl  bon  einer 

17* 


260 


^renologic  mib  Örjte&unfl. 


£etbenfc$aft  ber  ®emiffenljaftigfeit ,  ber  föeligiofität ,  bc«  $öoljl* 
wollen«  ic. ,  weil  bicfe  ®eifte«tfyätigfeiten  innerhalb  ber  fittlictyen 
ftreiljeit  fe^r  groß  fein  f&nnen.  Wenn  aber  $.  $8.  bie  ©oljl* 
tfjätigfeit  eine«  üflenfd^cu  3J?aß  unb  Vernunft  überdrehet,  fo 
fann  man  ton  ifym  fagen,  ftc  fei  bei  ü?m  eine  Öeibenfc^aft. 
2J?an  fpric^t  beim  9ftater,  beim  SRufiSn  :c.  nt#t  ton  einet 
fceibenfd&aft  ber  Malerei,  ber  SRufif,  »eil  bie  äußerfte  £&äu> 
feit  biefet  Sinne  in  ben  entfprec$enben  Söeruf  «arten  fogar  eine 
geforberte  ift:  allein  man  fann  j.  $8.  oom  Kaufmann  fagen,  er 
treibe  mit  Vcibenfefyaft  bie  2)Jälerei,  wenn  unb  fobalb  er  baburefy 
feine  Pflichterfüllung ,  feinen  Söeruf  al«  Kaufmann  ocrnacfyläffigt. 

5.  ^errfäte  Scibenft&aft  ift  feine  Scibcnfajaft. 

(Sine  Vetbenfcfyaft  al«  folcfye  ift  niemal«  angeboren,  fonbern 
erworben  unb  anerzogen.  Sßo^l  fann  burefy  ein  angeborne« 
große«  9ftaß  eine«  Sinne«  bie  Anlage  ju  einer  Scibenfcfyaft  an* 
geboren  fein,  abeT  e«  ift  bie  Aufgabe  ber  Crrjielnmg,  unb  e« 
fteljt  in  iljrcr  3)?acbt,  ju  oerljüten,  baß  biefe  Anlage  jur  Reiben- 
fcfyaft  werbe.  Sef;r  oft  ift  ba«  größte  3)^a^  unb  bie  ftärffte 
£fyätigfeit  eine«  (nieberen)  Sinne«  oorljanben,  oljne  baß  barum 
biefe  Xl;ättgfeit  bie  aller  übrigen  Sinne  überwältigt  unb  be* 
Ijerrföt,  b.  i.  ofme  baß  fie  Veibenfc^aft  ift.  £)enn  nietyt  fetyon 
ba«,  wie  fi$  oerftcfyt,  ift  Seibcnfcfyaft /  baß  ein  ftarfer  Sinn  ju 
ftarfer  £fyätigfeit  bei  entfpred^enber  SBeranlaffung  augenblicflicty 
angeregt  wirb,  —  bicfe  Anregung  ift  naturgemäß  unb  finbet 
immer  ftatt  — ,  fonbern  erft  ba«  ift  tfeibcnfcfyaft,  wenn  ber  9J?enfd} 
burefy  eine  folcfye  Anregung  51t  Ajanblungen  oeranlaßt  ober  in 
bauembe  ($emütfy«ftimmungen  oerfefct  wirb,  welche  mit  feinen 
($efammtftnnen  in  iljrer  Harmonie  (mit  feinen  fyöfjeren  $5enf= 
haften  unb  ®emütl)«finncn)  im  s&Mberfpru$  ftefyen.  ©er  feine 
Streitluft,  feine  23egicrbc  ju  fyaben,  feinen  Stolj  :c.  —  feien 
audj  biefe  Xfyätigfeitcn  noefy  fo  mächtig  —  bcfyerrfcfyt  unb  fie  in 
ben  richtigen,  oemünftigen  Scfyranfen  fyält,  bei  bem  ift  bie 
tfeibcnfcfyaft  Per  Strcitfucfyt,  ber  £abfu$t,  be«  £>ocfymuttyß  ntcfyt 
oorfyanben. 


^Phrenologie  unb  erjlefang. 


261 


XVIII.   drjieljttmjsmittfl  gegen  bie  £eibenf(ijttft. 

%aS  «rftc  unb  fiefrte  om  SRenfdjen  ift  t^ätiflfeit. 

©oetlj  e. 

1.  ©efnnb&eit  unb  «br^trfroft. 

Um  bcr  (Sntfteljung  bon  Ceibenfcfyaften  borjubeugen,  Ijat  bie 
(Srjiefyung  bor  3l((em  auf  bie  (Sefunbfycit  unb  $raft  be«  Körper« 
(be«  (Seln'rn«)  ©ebacfyt  51t  neunten.  3n  einem  fbrpcrticfy  gefunben 
unb  fräfttgen  9J?enf<$en  bttbet  fiefy  biet  weniger  leidet  eine  Reiben* 
fctyaft  au« ,  al«  in  einem  förper(i$  fcfyroäcfyücfyen  unb  retjbaren. 
£)enn  mie  ber  frä'nfftd^e  Körper  at«  fo(d)er  leidet  ben  fd&äblicfyeu 
Grinbrüdfen  unterliegt,  leicht  erfranft,  fo  ber  Ä&rper  al«  (Seifte«* 
organ,  ba«  (Seln'rn.  Söoljl  ift  bie  tfetbenfcfyaft  no<$  feine  (Seifte«* 
(ober  (Sefyirn*)  ftranffjeit  (fein  3rr*  ober  SÖaljnfinn),  aber  fie 
nähert  fid&  biefer,  fie  ift  (Seifte«fränf  liefert,  fcie  ftrantyeit,  ba« 
Reiben  be«  (Seifte«,  bie  einem  ftieber  ober  einer  gntjünbung  gu 
toefgleicfyenbe  auflobernbe  £fyätigfeit  eine«  @in$elfinne« ,  fteltt  ftety 
bei  jeber  SBeranlaffung  ein.  9ftan  tyat  bafycr  bie  ßeibenfd&aft  einen 
oorüfcergefjenben  (acuten)  SSafynfinn  genannt,  £)atyer  ift  auety  bie 
Öeibenfcfyaft  bann  boppelt  gefätjrttcfy  unb  oerberfclicfy,  menn  auefy 
fie  iljrerfett«,  rote  j.  33.  bie  £eibenfc$aft  be«  (Seneratal,  bie  (Se= 
funbfycit  unb  $raft  be«  Körper«  untergräbt.  Sit«  allgemeine« 
93orbeugung«mittel  gegen  bie  £eibcnf$aft,  ober  al«  Heilmittel 
ftellt  fiefy  au«  biefen  (Srünben  bie  möglicfyft  umfaffenbe  Uebung 
unb  «Stärfung  be«  Körper«,  ober,  um  ba«  ljauptfäcf>lic§fte  bittet 
biefer  Uebung  unb  ©tärfung  ju  nennen,  ba«  turnen  bar. 
£)ie  ^errfcfyaft  be«  Sftenfcfyen  über  feinen  $5rper  unb  bie  über 
feinen  (Seift  finb,  frei!  ba«  (Seifte«organ  ein  Xfyeil  be«  terper« 
ift,  im  5öefen  niebt  getrennt,  iöeibc  fallen  audj  im  innerften 
(Sefüfyl  be«  3)?enfcben  in  @tn«  jufammen.  3n  gleichem  3D2af?c 
bafyer,  toie  burefy  ba«  Xurnen  ba«  ^Öenju^tfcin  ber  £errfd?aft  be« 
9J?enf$en  über  feinen  Körper,  fo  nrirb  baburd)  ba«  ©etoujjtfein 
feiner  §errfcfyaft  über  feinen  (Seift  gefteigert.  £uer  finben  @df)iller'« 
SBorte  eine  ©teile: 

Oönnc  beut  Änafcen  3U  fpicfcit,  in  h>i(ber  ©enterbe  ju  toben; 
Rur  bie  gejättigte  Äraft  !et>ret  jur  Slnmutl?  jurücf. 


262 


$brenotogU  uub  (Srjie&ung. 


©a  bie  umfaffenbfte  unb  oollenbetfte  Sättigung  ber  traft  im 
Surnen  erreicht  wirb,  fo  ift  tiefe«  ba«  erfte  unb  mäctytigfte 
ypHttet  bet  ©elbftbefyerrfctyung ,  ber  ftttlicfyen  ftteifyeit.  Die  Sln= 
mutfy,  Don  ii)etct>er  ©dn'tler  fpricfyt,  ift  eben  bie  Slnmutfy  bc$  9flafee« 
unb  ber  §>artnomc  m  SWenfäen  naefy  innen  unb  außen,  bie  $ln= 
mutlj  ber  ©Ute  in  ber  oollften  ©ebeutung  be8  Sporte«. 

2.  Sie  SlrbeU. 

(Sin  toeitere«  Stferptung«*  ober  Heilmittel  ber  Seibenfcl?aft 
ift  bie  ®emitynung  be«  9Jfcnf$en  $ur  geregelten  £fjätigfeit,  $ur 
Arbeit.  SBie  nadj  beut  teuren  ©orte  bie  Untyätigfeit,  ber  üttüßig* 
gang,  ber  ßafter  unb  i'etbenfd?aften  Anfang  ift,  fo  ift  bie  Arbeit 
bie  «ebinaung  ober  bie  ©runblage  ber  fittlictyen  ftrei&eit,  ber 
Harmonie  be$  ÜDfenfctyen  mit  ß$  unb  ber  Slufeemoelt.  Die  gan$c 
sßJett  ift  eine  lebenbige,  ununterbrochen  tätige,  unb  au<$  ber 
üftcnfcfy,  ti>ei(  er  lebt,  ift  jur  £ljättgfeit  flefcfyaffen,  genötigt. 
Diefe  notfyroenbige  Xljätigfeit  be«  9)fenfcfyen  ift  enttoeber  eine 
Ijoljere  (menfdjlicfyc)  ober  eine  niebere  (tfjiertfcfye).  Die  fyöljere 
geregelte  £l)ätigfeit,  in  n?c(cr)cr  alle  ©inne  be$  SDtenfdjen  fyar- 
monifefy  jufammennjirfen,  ift  Arbeit ;  bie  niebere  ungeregelte  3$ätig* 
feit,  koo  bie  Harmonie  aller  ©inne  be$  9J}cnf$en  feljlt,  ift  bie 
£ljätigfeit  ber  fceibenfcfyaften,  ber  haftet.  (Die  leibenfcfyaftslofe 
^räg^eit,  toenn  fie  gefunben  nrirb,  ift  $ranfl?eit,  geiftiger  £ot>, 
unb  in  biefer  Seife  baö  ®ecjentfycil  ber  Harmonie  beS  2Kenfcfyen 
mit  ber  lebenbigen  SluBentoelt.)  9tur  in  ber  Arbeit  unb  burefy 
fie  fann  fiel;  ber  3J?enf$  in  Harmonie  mit  fiefy  felbft  unb  ber 
Hufeemoelt,  fann  er  fk$  als  9ftenf$  an  feiner  ©teile,  in  feiner 
äöürbe  füllen  nur  in  ber  Arbeit  erfreut  ft$  ber  SDtenfä  feine* 
SDienfcfyentljums ,  feiner  fittlicfyen  ^rei^ett,  fo  n>ie  er  anbrerfeits 
in  ber  l'etbenfcfyaft  fiefy  feiner  Sftenfcfyenftellung  umoürbig  füljlt. 
2ttan  fann  baljer  bie  Arbeit  bie  Xljat  ber  fittlicfyen  ^rei^eit  ober 
bie  t(?atfäc^licr)e  fittlic^e  ftrettjeit  nennen.  (5$  oerfteljt  fiety,  bafc 
fyier  unter  bem  Söorte  Arbeit  bie  mcnfcr)lict)  lebenbige,  »frei» 
unllige"  Slrbeit  (bie  £fyätigfeit  be$  „freien  2ßillen$")  oerftanben 
ift.  Die  ©flauenarbcit  al$  folcfye  ift  für  ben  ©flatoen  eine 
tobte  Arbeit,  feine  fittUctye  #xetytit  ift  tym  bur$  biefelbc  nidjt 


Digitized  by  Google 


^rcuologic  uub  (Stji^uiig.  263 

betätigt,  fonbern,  fo  t»eit  es  möglich  ift,  berfürjt,  ge* 
nominell. 

3.  $ie  »Mimg. 

^üblich  ift  al«  toichtigeä  Verhütungsmittel  ber  ?eibenfd)aften 
bic  geiftige  ©ilbung  ju  nennen,  Schon  bie  ®efd)ichte  ber  93er= 
brechen  nnb  ber  Verbrecher  jeigt,  bafi,  je  ungebildeter  nnb  Ott*, 
roiffenber  ber  Sftenfch  ift,  \t  mehr  er  fiel)  bem  <$eifte$5uftanbe 
beä  X^iere«  nähert,  er  befto  leichter  feinen  borherrfchenben  ©innen 
unterliegt.  £>a  jebod)  eine  mnfoffenbere  (MfteSbilbung  ben  meiften 
3)?enfcfeen  ittct)t  ju  £ljeit  werben  (asm,  fo  fragt  e$  fid^ ,  toe(d)e 
<$eifte$bilbung  als  Schufcmittel  gegen  bie  Seibenfd)aften  bor  allem 
ober  toenigften«  geforbert  werbe,  trer^c  für  biefen  3roc(* 
irtd?tigfte  fei.  $>te  erftc  Steife  ober  nimmt  l)ier  in  jeber  $e* 
jichung  bie  ^l)rcnotogie  ein,  fd)on  weil  fie  ba«  allgemetnfte 
©ilbungSmtttel  ift.  Sie  giebt  bem  9ftenföen  triebt  nur  über  fic*> 
felbft  IHcht,  fonbern  als  Littel*  unb  VeretnigungSpunft  ber  ge* 
fammten  ^aturroiffenfchaft  (als  Körper  -  unb  al«  ®eifte$lehre) 
erweitert  fie  feinen  ©lief  nad;  allen  ^Richtungen  l)in.  £>abei  ift 
fie  in  ihrer  naturgefcfytd)tlic*)eii  ^(nfcbaulidjifeit  fo  letd)t  oerftänbtid), 
audj  ber  gew?hnlichften  $affung8fraft  zugänglich.  3öer  baljer 
immer  bie  Sttcnfcbenfenntnil  unb  Selbftfenntnife  befi^t,  n?ic  bie 
^Phrenologie  in  ihren  umfaffenben  Stjarafterbilbern  fie  lehrt,  ift 
nicht  länger  „ungebübet",  feien  auch  feine  übrigen  $enntmffe 
nod)  fo  unbebeutenb.  Slllein  noch  ungleich  wichtiger  ift  biefe  £el)re 
baburd),  bafc  fie  felbft  unmittelbar  praftifd)e  (Sittenlehre  ift.  £)ie 
Sftenfcfyennatur  ober  ba«  Sftenfchenthum  ift  nichts  anbere«,  n>ie 
wir  gefeiten  l)aben,  als  bie  Sittlid)feit,  bie  fittlidfjc  Freiheit.  3n* 
bem  alfo  bie  Senologie  bem  2ttenfchen  im  Grinjelnen  jeigt  unb 
nad)weift,  burch  welche  Sinne,  —  Confciental,  Veneratal,  öo* 
nital  ic.  —  er  2ttenfch,  fttttici?  frei,  ift,  fich  über  bat  unfreie 
£l)ier  ergebt,  fo  frridjt  fie  ihm  eben  baburch  ba«  ®ebot  au«, 
immer  weiter  auf  biefer  Stufenleiter  ber  äftenfd)ltchfeit,  ber  fitt* 
lid)en  ^reil)eit,  emporjufteigen,  immer  fytyex  über  ba«  Xlu'er  fid; 
ju  ergeben.  £)iefe$  iftaturgebot  ber  Sittlichfeit,  biefer  Unterriebt 
ber  Phrenologie  in  ber  ftttlid)en  Freiheit,  —  in  ber  SGßa^r^afttg* 
feit,  ber  ®ered)ttgteit,  ber  föeligtofität,  ber  2ftenfd)enltebe  k.  — - 


Digitized  by  Google 


1 


264  ^rcnologic  unt>  (Srjte&ung. 

ift  bon  befto  größerer  SBirffamfeit,  al$  er  jugteich  in  ber  Seben* 
btgfeit  unb  bem  ftteichthum  ber  naturgefchichtlichen  J^atfac^en  bem 
üttenfehen  fein  eigenes  fittlid>e$  #Mlb  n>ie  im  Spiegel  jeigt,  ben 
2)?cnfcheu  untviberftehlich  jur  Selbftprüfung  unb  Selbftfenntnij? 
führt.  Senn  bifyex  fo  biele  üttenfehen,  befonberS  folche,  benen 
anbere  SöilbungSmittel  festen,  ofnte  ©elbftfenntntfe  unb  Selbft* 
Prüfung  nur  ein  äußere«  t'eben  führten,  faum  jemals  einen  ©lief 
in  ihr  eigene*  3nncre  marfen,  unb  menn  bie  (jauptfächltchfte  Ur* 
fache  ber  i'aftct,  tfetbenfehaften,  Verbrechen,  biefe«  ftch  felbft  nicht 
fennenbe,  fittlich  gebanfenlofe  £afem  ift,  fo  nurb  man  leidet  bie 
Ucberjeugung  teilen,  bafc  ber  Unterricht  in  ber  ^renofogie,  *l« 
einer  anfd?auli$en  unb  thatfächltchen  Sittenlehre,  wenn  er  erft 
ein  allgemeiner  geworben,  bie  2}?enfctyl?eit  auf  eine  Mißt  nicht 
geahnte  Stufe  ber  fttttichen  SEMlbung,  ber  ftttüchen  ^rei^eit  er* 
heben  mirb. 


XIX.   Pas  «lUdt. 

©lätf  tf*  8"Weben^eit  allein, 
$enn  e*  mufe  in  bit  feitet  fein. 

■ 

2ßir  haben  oben  angenommen,  ba§  bie  begebenen  mSg* 
liehen  Btoecfc  ber  Erstehung  —  ftreube,  ®tücf,  Sittltchfeit  ober 
£ugenb,  föeltgiofttät  —  forooht  unter  fich,  als  mit  bem  bon  ber 
^htenologie  erfannten  (Srjiehung^toecf :  Harmonie  be«  SDtatföen 
mit  fich  unb  mit  ber  Slu&enwelt,  in  <Sin8  snfammeufallen.  prüfen 
mir  fürs  biefe  Annahme.  2öaä  ift  ®lücf?  3m  Jöefen  nicht« 
Steuerliches.  (Sin  2ftenfch  !ann  alle  äußeren  ®üter  ber  ©elt 
beftfeen  unb  unglücflidt)  fein,  £>a«  (Blücf  ift  mefentlich  etmaS 
innerliche«:  e«  ift  bie  3ufr^ebe»^e^-  £iefe«  ©ort  fommt  bon 
triebe:  bie  3ufriebenhett  ift  ber  triebe,  bie  Harmonie  beS 
2ftenf<heu  mit  fid;  unb  ber  Slufeemuelt ,  baffelbe,  ma«  mir  auch 
als  Sittlichfeit  ober  Xugenb  erfannt  haben,  £)er  SDtfenfch  ift  ber 
glücflichfte,  jufriebenfte,  fittlich  freiefte,  melier  fich  ^er  bollfom* 
menften  geiftigen  ©efuubheit  erfreut,  melier  einen  flaren  23er* 


Digitized  by  Google 


Senologie  unb  (Srjtefjung.  265 

ftanb  fyat,  ba«  Wichtige  ju  erlernten,  ein  warme«  ®emütfj,  ba« 
®ute,  <5ble,  @cfyone  $u  füllen,  eine  frifd&e  Sfyatfraft,  um  ftet« 
nadt)  [einet  (Srfenntniß  unb  feinem  ®efüfyl  ju  fyanbeln.  Unglück 
lu},  mit  fidj  unlieben,  fifflity  unfrei  ift  jener  geiftig  äränf* 
li$e,  wel^eut  enttoeber  bie  gefunbe  Grinft^t  fetylt,  ober  ba«  warme 
©emtitfy,  ober  bie  fctyatfraft  be«  richtigen  ©anbeln«.  Unb  gerabe 
biefe«  maljre,  innere  ®lüdf,  biefe  geiftige  ©efunbljeit  wirb  bem 
Üftenfcfyen  Ijauptfäcfylidj  burefy  bie  (Srjielning  enttoeber  gu  Xtyti. 
ober  tücfyt  ju  £fjeil.  Söofyl  giebt  e«  audj  ein  äußere«  ©(tief, 
toeldfye«  in  ber  (Srfüllung  ber  meufcbltdjett  Sttnfcfye  oon  «Seiten 
be«»  ©cfyicffal«  befielt.  2lber  biefe«  (Slücf  ift  überall  ein  unooll* 
fommene«  unb  toetfyfelnbe« :  überall  Ijat  ba«  <Scfykffa(  bafür  ge* 
forgt,  baß  bie  (5rbe  ntcfyt  ber  £immet  fei.  Ü)ie  Aufgabe  für 
ben  Sftenfcfyen  ift  eben,  baß  er  trofe  ber  Uuoollfommenfjeiten  be« 
äußeren  ®lttcfe«  fein  toafyre«  ®lticf  in  ftc§  felbft  trage,  in  fid& 
unb  mit  fid^  aufrieben  fei.  2luc$  ba«  erfte  unb  oorjügtiebfte 
äußere  ®lücf,  baß  ber  9Wenf<$  in  feinem  menfcirttcfyen  ©eruf  an 
feiner  ©teile  fei,  baß  er  fi$  na$  allen  Stiftungen  feine«  Reifte« 
unb  §erjen«  au«leben  fönne  (f.  meinen  „$ atec$i«mu«  ber  ^fyreno* 
togie",  6.  Slufl.  §  71),  biefe«  äußere  ®lücf  fann  ber  2Wenf<$ 
am  leietyteften  burd)  ba«  innere,  bur<$  bie  geiftige  (Sefunbfyeit  unb 
£ü$tigfeit  erringen. 


XX.   Wxt  Jfteüöioptiit. 

SRit  bit  felbft  in  ^rieben 
Unb  mit  bfiiiem  ®ott  — 
3ft  bein  Olüd  bienieben, 
3ft'«  im  fel'ocn  Xob. 

1.  ©lottöc  ober  WcdjttoaffenljcU? 

3Ba«  ift  töeltgtofität?  fctefe  ftrage  wirb  oft  burtf  jtoei 
einanber  entgegengefefcte  Hnfict)tcn  beantwortet.  }ia$  ber  einen 
(ultra*ort^oborcn)  Slnftd&t  fann  ber  9ttcnfdf>  nur  allein  burdj»  ben 
(Stauben,  b.  i.  bura)  bie  wafyre  Slnbadjt  unb  ®otte«oereljrung, 
fcurd?  ba«  geiftige  ©idjljingeben,  ^i^ueigengeben  an  bie  (Sottfyeit 


Digitized  by  Google 


266 


^Phrenologie  unb  CSrgiebung. 


mafyrbaft  rctigtöö  fein.  tDiefe  21nfi*t  behauptet  moljl  au*,  ba* 
mit  ber  Olaube,  bie  mafyrc  2lnba*t  im  üflenf*en  re*t  lebenbig 
werbe,  müffe  biefer  plle  übrigen  geiftigen  Regungen  in  fi*  tßbten ; 
um  ($ott  511  (eben,  müffe  ber  8Äenf*  ber  Söelt  fterben.  2ia* 

* 

ber  jmeiten  (ultra*rationaliftif*en)  Stnfid^t  bebarf  e«  $ur  Religio* 
fität  ni*t  biefe«  (Glauben«,  fonbern  nur  ber  $Re*tf*affenfyeit ;  ber 
2flenf*  ift  religie«,  behauptet  biefe  3lnft*t,  wenn  er  na*  ®otte« 
(Geboten  fyanbelt,  trenn  er  9?e*t  t^ut. 

2.  $ei  ©laubc  unb  bie  SHcditfdiaffcnbeU. 

©tc  einfeitig  finb  oft  bie  9J?enf*en  in  iljrer  (Streitluft!  ©ie 
mu§  man  oft  bie  einfaßten  ©a^eiten  in  ber  SWitte  jroif*en 
jtoei  ftreitigen  (SJegenfäfeen  fu*en!  ©ie  leicht  maT  e«,  ju  erfennen, 
bafc  feine  biefer  einseitigen  ?lnfi*ten  bie  matjrc  fei,  fonbern  bajj 
nur  beibe  in  ifyrer  Bereinigung  bie  ©aljrfyeit  bilben!  Der 
S*ßpfer  Ijat  bem  3Renf*en  ben  Sinn  ber  9teligiofität  unb  neben 
biefem  au*  anbere  Sinne  gegeben.  $ann  e«  fein  ©ille  fein, 
bafc  ber  2ttenf*  entmeber  jenen  Sinn  allein,  ober  ba§  er  biefe 
Sinne  allein  gebraute?  $tein,  jener  Sinn  unb  biefe  f ollen  beibe 
•im  9Wenf*en  tljätig  fein;  bie«  um  fo  meljr,  ba  bie  beiberlei  Sinne 
ft*  ni*t  nur  ni*t  miberfpre*en ,  fonbern  fi*  oielmefjr  ergänjen 
unb  unterftüfeen.  <S«  märe  fetyr  ferner,  ja  unmögli*,  ben  Sinn 
ber  föeligiofität  in  feiner  £fyätigfeit  oon  ben  übrigen  Sinnen  ju 
trennen.  üftan  benfe  fi*  in  bie  Seele  eine«  üttenf*en,  mel*er 
alle  übrigen  menf*li*en  ®efüf>le  in  fi*  töbten  unb  nur  religiös 
nur  anbä*ttg  fein  trollte,  ftürmafyr,  ba«  märe  eine  gelungene/ 
eine  unnatürliche,  gleidt)fam  eine  tobte  9feligiofität.  Die  föeli* 
giofität  be«  9)?enf*en  bagegen,  mel*er  religio«  unb  au*  S^enf* 
ift,  toirb  oon  allen  übrigen  mcnj*lt*en  ©efüljten  no*  gehoben, 
fie  ift  eine  freubige,  eine  lebenbige,  fie  ift  bie  maljre  SKeltgiofität. 
Slnbrerfeit«  fann  ber  SRenf*  ebenfo  menig  blo«  bur*  föe*t* 
j*afrei*eit  religio«  fein,  ©enn  au*  alle  übrigen  Sinne  in  ilnn 
tljätig,  alle  übrigen  £ugenben  in  tljm  lebenbig  finb,  unb  e«  fefylt 
tfmt  bie  £ljättgfeit  be«  «Sinne«  ber  flteligiofität ,  bie  maljre  Sin* 
ba*t,  ber  ©lief  na*  oben,  fo  feljft  tym  eine  n>efentli*e  rnenf**  * 
ti*e  Sugenb  unb  er  ift  ni*t  gan$  tugenbtyaft,  ni*t  religiö«. 


Digitized  by  Google 


267 


2lu#  bie  töeligtofttät  alfo  befteljt  in  ber  Harmonie  ber  menfcfy* 
ticken  ®eifte«tl)ätigfctt ,  eben  tarin,  worin  ba«  (Mitf  unb  bie 
£ugenb  befteljt.  OJiäfyere«  hierüber  f.  in  meiner  <S$rift:  „Xrte 
Ungöttlicfyfeit  be«  ^alpfttljum«  unb  bie  fir^e  ber  3ufunft"  3.74  ff.) 


XXI.   Ge^e  ber  «eiflejtljttttgheit. 

»ift  bu,  «rjteljer,  bo<$  oft  ritt  »ilb  be*  ftiitlettbeti  8otett: 
©ielje  bu  tommft,  aber,  a$l  Wieb«  unb  triebet  ju  \pät. 

h  2>fc  reiben  ©Raffer  Her  ©ctftcSt&ätiflfrft. 

9Bir  ^aben  gefefyen,  ba§  ber  3ftenfcfy,  wie  förperlicty,  fo  geiftig, 
bie  flehte  5ffie(t  ift,  baß  bie  einzelnen  inneren  «Sinne  nt#t«  an* 
bere«  finb,  al«  SBieberljotungen  ober  Spiegelungen  ber  oerfcfyle* 
benen  Söerfyältniffe  ber  großen  3tu§entt>ett  in  ber  Weinen  Stuten* 
weit  be«  ÜRenfcfyengetfte«.  3ebe  £fyätigfeit  eine«  inneren  Sinne« 
ift  alfo  ba«  (Srgebniß  jweier  Raffer  (^actoreu),  eine«  befthnmten 
2$erljältniffe«  ber  2lufjenwelt,  unb  ber  btefem  Sßerljältniß  ent- 
fprecfyeuben  ©etfte«fraft.  Sleljnlicfy  fo  Wie  bei  ben  äußeren  Sinnen. 
5öie  bie  £fjättgfeit  be«  Seijen«  ba«  Grrgebniß  be«  Sickte«  außer* 
fyatb  unb  ber  Seßhaft  innerhalb  be«  menfdjltcfyeu  ®etfte«  ift,  fo 
wirb  j.  33.  bie  Sfyätigfett  be«  ©ppofttal  angeregt  burefy  einen 
Singriff  auf  bie  ^erfon  ober  ba«  3ntereffe  be«  9tfenf$en,  bie 
Styätigfeit  be«  Slcquifitat  burd?  bie  bem  «efife  ftd?  barbietenbeu 
2Bertfyfac$en ,  bie  be«  (Sautal  burefy  eine  entfteljenbe  <&efafyr,  bie 
be«  Realität  burefy  fcfyöne  ober  erhabene  £>tnge  ober  £>anblungen, 
bie  be«  gorwital  burety  gortnen,  bie  be«  üftuficatal  burefy  2)?ufif  k. 
£)iefe  beiberiet  ©Raffer  reijen  ftcfy  immer,  fuc&en  unb  finben  fidj 
immer;  feboefy  fo  fel;r  fte  ftet«  im  üßkfen  (qualitativ)  überein* 
ftimtnen,  fo  feiten  ift  bie«  in  ber  Stärfe  (quantttatio)  ber  gall. 
39ei  ben  äußeren  Sinnen  jwar  entfprecfyen  ftdj  gcwityulicfy  bie 
beiben  Schaff  er,  $.  39.  i*ict)t  unb  Sefyfraft,  in  ber  Stärfe;  33et 
ben  inneren  binnen  bagegen  ift  balb  ber  äußere  Scfyaffer  ftärfer, 
al«  ber  innere,  g.  Sd.  ber  Angriff  ftärfer,  al«  Oppofital,  Mb 
ber  innere  ftärfer  al«  ber  äußere,  Oppofital  ftärfer,  al«  ber 


Digitized  by  Google 


^Phrenologie  unb  <2rjic&ung. 


Angriff,  fo  bafe  ettoa  ber  9J?enfch  *ine"  Singriff  nicht  abmartet, 
fonbern  fclbft  angreift.  2lu«  biefet  Ungleichheit  ber  beiberfei 
©Raffer  in  ber  Starte  geht,  toie  mir  mtffeiv  ba«  geiftige  Veben 
unb  Streben,  ber  fittliche  ftamtf  be«  3»enf*en  tywox. 

2.  2>te  aerrettttte  Xbätiafcit  ber  inneren  Sinne. 

•  »        JJ%*»»*****V  »f  »*  *  »         *  V  »  »         WV*         *****  V  •  »  ^   '»HIV  i 

911«  eine  mefentliche  (Sigenfdjaft  ber  inneren  Sinne  (toie  ber 
äußeren)  fyabm  toir  beren  Trennung  unb  Selbftftänbigfett  rennen 
gelernt.  $5iefe  Trennung  liegt  nicht  nur  ber  unter  [ich  berate* 
betten  Stärfe  ber  inneren  Sinne  bei  ben  einzelnen  ÜDJenfchen, 
alfo  ber  menfdjlictyen (5r)araftcrt>erf  cr)tebent)ett  jum  ©runbe, 
fonbern  auch  ber  unter  fich  getrennten  %  h  ä  t  i  g  f  e  i 1  ber  einzelnen 
Sinne  bei  einem  unb  betnfelben  Sflenfehen.  So  mie  bie  Sehfraft 
(bei  gesoffenem  Sluge)  ruhen  unb  bie  £c-rfraft  in  S^ätigfeit 
fein  fann,  ober  umgefehrt,  fo  fann  bei  einem  SWenfchen  jeber 
einzelne  Sinn  in  £hätigfeit  unb  baneben  jeber  anbere  in  föuhe 
fein.  £)aher  bie  ßeroß^nlidhe  Srfchetnung ,  bafc  ein  unb  berfelbe 
SWenfch  ju  terfchiebenen  ßeiten  oerfchiebenartig  geiftig  thätig  fein, 
gut  unb  böfe,  oeruünfjig  unb  tetbenfehaftlich,  menfehlich  ebel  unb 
thierifch  niebrig  hobeln  fann.  (Sin  2»enfdr)  j.  beffen  Slctital 
burch  eine  ©cleibigung  auflobert,  fann  bie  niebrigften  5lu«brüche 
be«  3ornc*  hQWn'  un°  berfelbe  ÜWenfch  fann  ju  einer  anberen 
Seit,  inbem  fein  SffiohlrooUcn  unb  üDtttleib  burch  ba«  Unglücf  eine« 
SWitmenfchen  angeregt  roirb,  Xhaten  be«  (Sbetmuth«  unb  ber  Un= 
eigenntifctgfctt  thun.  $)ie«  ftnb,  rote  toir  fcljen,  !lar  oerftänbltche 
®cifte«thätigfeiten ,  nicht,  tote  man  fo  lange  ohne  bie  Äenntnifj 
ber  n>ahrensJcatur  be«  menf^licben  Reifte«  meinte,  unerflarte  unb 
unerflärbare  ©iberfprüche  be«  menfehlichen  £er$en«:  biefe«  fo 
toenig,  al«  roenn  ber  Sttenfch  ohne  $u  fehen  h<M,  ober  roenn  er 
bei  ruhenbem  ftu&e  bie  £anb,  ober  bei  ruhenber  §anb  ben  ftufe 
bewegt. 

3.  Tic  getrennte  (^nrtoitflung  ber  inneren  Sinne. 

$)er  2Bechfefrei$,  ba«  gegenfeitige  Sichfuchen  unb  Sichfinben 
ber  beiberlei  Schaffer  ber  geiftigen  üthätigfeit  be«  Sftenfchen  be* 
ginnt  natürlich  mit  beffen  (Geburt,  jeboch  nicht  gleichmäßig  bei 


Digitized  by 


^fjrenologie  unb  (Srjie^utig.  269 

aßen  (SeifteSfräften  jugleicfy.  $)enn  bte  Trennung  imb  Selbft* 
ftänbigfeit  ber  einzelnen  inneren  ©inne  macfyt  fiefy  auefy  baburd? 
geltenb,  baß  nid^t  alle  jugteid^  ermaßen  ober  gteid^  fd?neü  fief; 
enttoicfeln.  £>ie  nieberen,  tr)tcrifc^en  (Sinne  fommen  früher  al« 
bte  fjityeren,  menf(r)lic$en  }itr  (gntmidflung.  Scutrital,  ba$  (Sefüfyt 
be*  Söebürfniffe«  toon  Stoeife  unb  Xranf,  tritt  gleich  bei  ber  ©e* 
burt  in  tooller  Xtyätigfett  auf.  Hümätig  fommen,  einer  na<$  bem 
anbern,  bte  übrigen  nieberen  «Sinne  jur  (Snttoicflung :  Hctital 
(beim  ßinbe  no$  „3erftörung«finn",  Sinn  ber  £eftigfeit),  ©totoo* 
fttal,  Hmicatat  tc.j  ebenfo  —  jugleid^  mit  ben  äußeren  Sinnen 
—  töealital,  gormital,  ftactital  ic.  <£tn>a«  ftoäter  ober  (angfamer 
entmidfeln  fidj  bie  (SemütfySftnne ;  nodj  fpa'ter  unb  notfy  tangfamer 
bie  fyityeren  T>enrrräfte  ((Somtoarital  unb  (Saufalitat). 

4*  $te  trübe  ©rjic&ung. 

§ierna<$  beginnt  bie  getftige  Grrjtetyung  be«  üttenföen  mit 
beffen  (Seburt  unb  erreicht  feljr  balb,  ftfyon  innerhalb  be«  erften 
£eben«jaJjre«,  it)re  tooüe  unb  fyo$c  ©ebeutung.  Söenn  au$  einige 
Sinne,  hrie  bie  Weren  $)enffraftc,  fo  früfye  no<$  loenig  in  ber 
(gnrroicflung  toorgefdyritten  ftnb,  unb  an  ber  ®eifte«tyä'tigfeit  nur 
geringen  Stntfyeit  nehmen,  fo  finb  boety  bie  meiften  übrigen  Sinne 
fcfyon  fefjr  tt>ättg  unb  bilbfam,  ja  früher  bilbfamer,  al«  fpäter. 
£>enn  eben  n>eil  bie  Grrjiefnmg  eine  ©Übung,  bie  no$  nieijt  ift, 
föaffen  foll,  fo  ift  bie  frülje,  bie  erfte  Qrrjieljung,  bie  roaljre. 
5Der  (Setft  ((Sfyarafter,  (Semtttl))  fann  eine  richtige  ©Übung  «icr)t 
erft  bann  ermatten,  wenn  er  fcfyon  eine  unrichtige  erhalten  t)at, 
ba«  $inb  tann  nid^t  erft  bann  erlogen  merben,  toenn  e$  fcfyon 
toer^ogen  ift.  UeberbieS  nnrfen  natürlich,  je  iünger  ber  (Seift  unb 
fein  Organ  ift,  bie  äußeren  9?eije  befto  mächtiger  auf  bie  inneren 
Sinne  ein.  Huer)  trägt  ba«  toiel  rafcfyerc  §eranbilben  be$ 
(Seiftee  unb  ©a$fen  be«  (SefnrnS  in  früher  3ugenb  jur  Sistig* 
feit  ber  frühen  Grrjiefyung  bei.  3n  ben  reie  brften  ßeben«jat)Ten 
entfaltet  fi#  ober  toät^ft  ber  (Seift  too^t  ebenfotoiel  (toa«  @f;arafter 
unb  (Semütty,  nic$t  n>a«  bie  leeren  £>enffräfte  betrifft),  at«  in 
ber  ganjen  übrigen  3ugenb.  £>at)er  fönnen  fctyeinbar  unbe* 
beutenbe  SSer^ältnlffe  ober  ^atfactyen  ^ier  mächtiger  bitbenb 


Digitized  by  Google 


270  ^renofoflic  uitb  erjtfbmtä- 

auf  ben  ®etft  euifoirfen,  al«  i>ie(  bebeutenbere  in  fpäterctt 
Oahren. 

5.  3)te  allfeitige  (frjidning. 

$)a  bie  einzelnen  inneren  Sinne  unter  ftch  getrennt  finb,  fo 
bajj  einige  ttjätig  fein  ober  geübt  werben  fönnen,  mährenb  anbere 
ruhen  unb  ber  Uebung  entbehren,  fo  töft  ft<h  bie  allgemeine 
geifttge  Ziehung  gleichfam  in  fo  biete  einzelne  (Srjiehungen 
ober  Ucbungen  auf,  als  e*  fetbftftänbige  innere  Sinne  giebt. 
<S«  ift  baljer  bie  erfte  unb  unerläfclichfte  ftorberung  an  ben  (£r* 
Sieker,  baß  er,  um  feine  jener  Uebungen  ju  bernacfyläffigen ,  um 
nicht  einfeitig  in  ber  (*rjiel;ung  ju  fein,  bie  inneren  «Sinne  be* 
3)2enfd^en  fenne.  $)er  £>auptgrunb,  roarum  bie  bisherige  (£r* 
giehung  oft  eine  fo  mangelhafte  toar,  ift,  baß  bie  Phrenologie, 
bie  &hre  oon  ben  inneren  ©innen,  eine  neue  SBiffenfctyaft,  ben 
meiften  (£r$ietyem  M*her  fremb  geblieben  mar.  So  lange  mau 
oon  einer  Selbftftänbigfeit  ber  einzelnen  Sinne  nicht*  mußte  unb 
nur  eine  einfache  Straft  al«  im  menfehlichen  Reifte  oorhanben 
annahm,  fo  glaubte  mau  unb  mußte  man  glauben,  bat  bie  J8il= 
bung  be*  ^erftanbe*  unb  be«  ®emütfye$  im  ©ruube  (Sin*  unb 
baffelbe  fei,  baß  baher  ber  2ttenfö  nur  oermittelft  feine*  S3er* 
ftanbe*  erlogen  werben  fönne  unb  muffe,  unb  terna^täffigte  fo 
bie  Uebung  unb  ©Übung  ber  ®emüth*fmne  oft  faft  gänjlia). 
£)iefelbe  Anficht  mar  zugleich  eine  Urfache  be*  großen  3rrthum* 
me^r,  baß  man  bie  fyoty  SBichtigfeit  ber  frühen  unb  frfiheften 
(Srjiehung  oerfannte,  ba,  nue  man  meinte,  ba*  t leine  tinb  noch 
nicht  ben  nötigen  SUerftanb  jur  Ziehung  habe.  .  Sin  anberer 
ähnlicher,  ebenfo  oft  gefundener  Srrthum  ift  ber,  baß  man  glaubt, 
ber  ganje  ®eift  be*  3Kenfchen  beftehe  nur  au«  ben  äußeren 
Sinne*thätigfetten  ober  gehe  nur  au*  biefen  h^toor.  3>on  biefem 
©eficht*punfte  au*  ift  man  jioar  auf  bie  frühe  Srjiehung  be* 
baa)t,  aber  man  bitbet  nur  bie  äußeren  Sinne  unb  baburch  bie 
ihnen  entfprechenben  35erftanbe«finne  au*,  unb  bie  mistige  $il= 
bung  be*  (Sharafter*  unb  be*  ®emüth*  bleibt  auch  rnnacfc 
««Igt 


Digitized  by  Google 


271 


XXII.  Pie  gonblung. 

Selbft  ift  ber  Itaini  —  benn  felbft  ift  bie  Ztjat  unb  felbft  if!  bie  liiflenb. 
«Ja*  bu  ju  legten  ba«  irinb?  tfraflft  bu  »od*?  —  IW  e«  ba«  Selbf» ! 

1.  3)ic  «tlöftcrjicljung. 

ÜDie  SMenfctyennatur  be«  TOenfd^eu,  oon  toelcfyer  bie  (Srjielning 
ntcfyte  wegnehmen  unb  ju  toelc^er  fic  nicfyt«  fyingutfyun  fann,  foH 
bur<$  fie  bie  mögüctyft  oollftänbige  (£ntnncflung  ermatten.  $)iefe 
(Sntwitflung  gefd^ie^t  burdj  bie  möglictyft  jioecfmäBtge  £fyätig* 
feit  (Uebung)  ber  fämmttid?en  ®etfte$fräfte.  2Ule  geiftige  S^ättg* 
feit  Ijat,  toie  mir  miffen,  jmet  ©Raffer,  bie  (Sinroirf ung  ber 
Slujjentoelt  auf  bie  Sinne,  unb  bie  ©egenmirfung  ber  Sinne 
auf  biefe  (£tnn>irfung.  £)ie  (Sintoirfung  ift  ba$  SÖHttel,  meldte« 
bem  (£rjiefyer  ju  ©ebote  fteljt,  um  bie  ©egentoirfung ,  feinen 
3*oecf,  fyeroorjurufen.  3Me  gange  (£r$iel)ung  felbft  be* 
fteljt  in  biefer  ©egenunrfung.  2Btr  f&nneu,  um  uns 
biefe  mistige  föa^eit  no$  beffer  ju  oeranf$auli<$en ,  bie  i£r* 
jiefyung  mit  ber  Leitung  oergleicfyen.  2öte  unmittelbar  nu$t  ber 
5lr$t,  ni$t  bie  Slrgnei  tyeilt,  fonbern  bie  ÖebenSfraft  felbft,  inbem 
fie,  bur<$  bie  Slrjnei  angeregt,  in  ©egemoirfung  gegen  bie  Sfranf* 
Ijeit  tritt,  fo  erjie^t  unmittelbar  ntdjt  ber  £r$ie$er,  ntyt  bie  (Sin* 
mirfung  ber  lujjemoelt,  fonbern  ber  ®etft  fi$  felbft,  inbem  er 
ber  (Stnmirhtng  entgegentritt. 

2.  2)ie  ©cfommtwtrtiing  Her  ©eifttäträfte. 

5Dtc  SinncStfyätigfeU  ift  boppelter  2lrt.  £)ie  inneren  «Sinne 
finb  tljeilä  naefy  aujjen,  naefy  ben  äußeren  (Sinnnrfungen  Ijin  tfjätig, 
tl)eil$  nadj  innen,  inbem  jeber  «Sinn  in  feiner  £ljätigfeit  auf  bie 
iljm  bertoanbten  «Sinne  eimoirft,  unb  biefe  mieber  auf  bie 
Grintoirfung  jurücfttnrfen.  üDa  ber  menfd)lidje  ©eift  ein  leben» 
bige*  unb  IjarmomfcfyeS  ©an$e$  ift  unb  fein  fotl,  fo  foll  ieber 
Sinn  möglkfyft  toenig  abgesoffen  für  fic$,  fonbern  er  foll  mb> 
li^ft  in  S5erbinbung  unb  in  Harmonie  mit  ben  übrigen  Sinnen 
tfjätig  fein.  $)iefe  naturgemäße  ©efammttoirfungber  ®  etfteS* 
fräfte  ift  baS,  ma«  mir  £anblung  nennen.   CDiefe«  Söort  in 


^Phrenologie  unb  (Srjictyung 


ber  roeiteften  Söebeutung  genommen,  monac^  auch  jebe  &um  W>* 
fe^fuB  gekommene  ®etfte«ftlmmung  ober  ®efinnung  £>anblung  ift.) 

3.  2>ic  £anblung  ift  Hirtel  uab  &mä. 

Da  bte  harmonifche  unb"  naturgemäße  Xhättgfeit  ober  Uebung 
ber  fämmtlichen  ©etfteSfräfte  nur  im  ©anbeln  beftefct,  fo  ift  baä 
einjige  bittet  ber  @r$ielnmg,  ba$  #inb  ftc$  im  $>anbeln  üben 
ju  laffen.  Unb  bie  £anblung  ift  nid^t  nur  ba«  einjige  Sftittel 
ber  (Srjieljung,  fonbem  au$  ber  einjige  &wed,  ba«  ehtjige  $iel 
berfelben.  Denn  biefe«  Biet  befielt,  mie  mir  Hüffen,  eben  in  ber 
harmontfthen  3:^ätig!eit  aller  <3inne.  Die  (£rjiehung«lehre  läßt 
ftdt»  baljer  in  biefe  jmei  Sorte  jufammenf äffen:  ber  Btoecf  ber 
(Jrjie^ung  ift,  baß  ber  2J?enfcfy  richtig  (b.  i.  naturgemäß  ober  fyar* 
monifch  ober  fittfidt)  frei)  Ijanbeln  lerne;  ba«  einjige  Sftittel  ju 
tiefem  ■  $mt&  ift,  baß  ber  ju  erjtefyenbe  9Henfd)  ftdi  in  biefem 
richtigen  §anbeln  übe. 

4.  C^infeittgc  Cf-rjicij min- 

Dte  ausgekrochene  ©atyrhett  ift  fo  flar,  baß  fie  fidt)  ton 
felbft  ju  berfteljen  fd^eint.  Allein  man  erfennt  unb  befolgt  all* 
gemein  bte  in  biefer  Wahrheit  für  bie  (£rjiehung  gegebene  2$or* 
fchrtft  nur  in  gemiffen  ein  je  Inen  Sejtehungen.  Um  j.  23.  bem 
tinbe  bie  Äunft  be«  Schreiben«  ober  be«  Singen«  ju  lehren, 
läßt  man  c«  fich  in  biefen  Äftnften  üben;  man  toeiß,  baß  bte« 
ba«  einjige  Littel  ift,  biefelben  ju  erlernen.  Söo^l  macht  ba« 
Ätnb  anfang«  biete  ftehler,  aber  man  fyäit  biefe,  tote  fie  e«  ftnb, 
für  unoermeibltcfy :  benn  bamit  ba«  $inb  irgenb  eine  $raft  ge= 
brausen  lerne,  muß  e«  erft  biefe  Straft  burd?  ben  (Gebrauch  fennen 
lernen,  fie  in  feine  (bemalt  befommen.  Die  gemalten  ftetyzt 
ftnb  nicht«  anbere«,  al«  noch  ungeregelte  X^ättgfeiten  biefer  Äraft: 
biefelbe  bleibt  enttoeber  hinter  bem  erforoerten  9)£aß  ber  X^ättg* 
fett  jurücf,  ober,  gewöhnlicher,  bte  noch  ungezügelte,  lebenbige 
^raft  überfchreitet  biefe«  üftaß  unb  fchmanft  ftberbte«  allenthalben 
feilroärt«  bon  ber  SRegel  ab.  Die  ©triebe  finb  ju  ftarf  unb  un* 
gleich,  *™  £°ne  r°l?/  unfid^er  :c.  Sllletn  biefe  richtige  (Srfenntniß 
in  gemiffen  einzelnen  fünften  ber  (Srjtehung  erftreefte  fidt)  nic^t 


Digitized  by  Google 


Uübrencloatc  unb  ©riiefunta 


273 


auf  ba«  gro§e  (^ange,  bie  §auptfa$e  ber  Grräiefyung.  Die 
<£rjieljung  mar  gemBfntüd?  eine  euifeittge  unb  mußte  e«  fein,  tt>eil 
man  bie  oerfdjnebenen  einzelnen  ®eifte«rräfte  ni$t  fannte,  alfo 
ifyre  atifettige  ober  ©efammtarirfung  ni$t  in«  Stoße  faffen  fonnte. 
Söeit  man  }.  S&.  SSerftanb,  Gtyarafter,  ©emüty  für  gule^t  Sin« 
unb  baffelbe  fjielt,  fo  meinte  man,  ben  S^arafter,  ba«  ©emütty 
fc$on  bur$  unb  mit  bem  SBerftanb  ju  bilben.  Die  (grjie^ung 
gli<$  fo  —  ba  bie  23erftanbe«finne  fi<$  ju  ben  übrigen  ©innen 
ettoa  begatten  mie  bie  2^eotie  jur  ^rarte  —  ber  2lu«bi(bung 
eine«  fünftfer«,  njel^em  man  bie  £fyeorie,  aber  ntd^t  bie  ^ßrari« 
fetner  Shtnft  gelehrt,  eine«  3Ka(er«  3.  53.,  meiern  man  auf« 
befte  gefagt  unb  gezeigt,  tote  man  malen  müffe,  bor  beffen  Slugen 
man  bie  färben  gemifa^t,  meinem  man  ben  (Stift  unb  ben  ^ßinfet 
in  bie  §anb  gegeben  unb  bie  £>anb  geführt  Ijätte,  oljne  baß 
biefer  jemal«  fctbft  unb  felbftftänbig  ft#  im  Sparen  oerfucfyte. 
2Bel$  $n  fünftler!  ©erat  er  felbft  feine  fünft  ju  üben  be* 
ginnt,  meiere  große  unb  ftnbifttye  geiler  mirb  er  in  ber  3ufant* 
menfefcung,  in  ben  ^ormenberfyättniffen ,  in  ber  ^arbenmifc^ung 
machen ! 

5.  ©iffen  unb  Sonnen. 

SGßeun  man  einem  9ftenf<$en  bie  große  fünft  be«  Seben«, 
bie  fünft  ju  Ijanbetn,  in  ber  betriebenen  Söetfe  geteert,  ift  e« 
ein  JBunber,  toenn  er  trofc  atte«  ÜBiffen«,  n>ie  er  Ijanbefa  foU, 
boefy  bie  fünft  &u  fyanbeln  ni^t  oerftebt!  toenn  er  trofcbem,  baß 
fein  ftuß,  fo  lange  er  geführt  ttntrbe,  mental«  ftraucfyctte,  bann, 
toenn  er  allein  geljen  fotl,  allenthalben  unb  gerabe  an  ben  ge* 
fä^rtid^ften  ©teilen  anftößt  unb  00m  regten  Söege  abirrt?  9ftan 
!ann  baljer  ben  $ortfd)tttt  oon  ber  bisherigen  einfeitigen  <$r* 
Sieljung,  Ijerborgegangen  au«  ber  mangelhaften  fenntniß  ber 
menf$li$en  ®eifte«natur,  ju  ber  umfaffenben  ober  atlfeittgen  <£r* 
jie^ung,  tote  fie  al«  ein  prafttfd^er  2$tü  ber  Phrenologie  fi$ 
barftellt,  unter  anbern  at«  einen  ftortfdjritt  oom  (einfeitigen) 
©iffen  jum  (atlfeittgen)  tonnen  bezeichnen.  Die  bisherige  St* 
jie^ung  tt>ar  eine  Ziehung  jum  ©iffen,  bie  Grratehung  ber  $u* 
fünft  mirb  eine  Stjtehung  jum  können  fein.   Da«  SSiffen  aber 

@d)et>e,  $t>renoIo9ifdje  »Uber.   3.  «ufl.  18 


274  Wrenofogie  unb  <Sr$iefcung. 

ift  ©enig,  ba«  Tonnen  ift  93iel,  —  ba«  ©iffen  ift  bem  9Henf#en 
ton  Anbeten  geteert,  ift  geliehene«  $ut,  ba«  Tonnen  ift  t>om 
9ftenfc$en  felbft  gelernt,  fein  (Sigentlnim,  —  ba«  Sötffen  ift  ber 
Liener,  ba«  fthuten  ber  £>err,  —  ba«  ffiiffen  ift  <S($n>ä($e,  ba« 
können  @tärfc,  —  ba«  ©iffen  fann  ba«  tfafter  fein,  nur  ba» 
können  ift  bie  lugenb,  —  ba«  Söiffen  fann  ber  Job  fein,  nur 
ba«  können  ift  ba«  tfeben. 


XXIII.    Pte  Trciljrit  ber  ganMung. 

Ia8  »inb  mag  immer  finbifd>  Rubeln, 

So  tinbifcb,  wie  ba#  ffinb  Ol  tarnt: 

60  tuirb  ba*  Mino  jum  Wann  fidj  »anbei«,  — 

(Sin  rechte*  ttinb,  ein  redjter  iRann. 

1.  Tic  eigene  <£rf abrang. 

£)te  Uebung  in  ber  tunft  ju  ijanbeln,  ber  ffyoierigften 
unter  allen  fünften,  tnujj  au<$  am  frtiljeften  beginnen.  ÜDie 
®cifte«fraft  —  nüe  bie  $8rperfraft  —  muß  frity  fic$  „fälligen-,, 
bamit  fie  frity  $um  üflaB,  jur  Harmonie,  jur  „Slnmuty"  jurücf* 
fefjre.  £>te  ®eifte«tyätigfeit  be«  tinbe«  fei  baljer  bon  tyrem 
erften  <£rma$en  an  na$  aßen  Seiten  fytn  meg(i<$ft  frei,  unbe* 
föränft:  man  (äffe  ba«  tinb  felbft  Ijanbeln,  gebiete  ober  berbiete 
itnn  fo  menig  al«  mflgltcfy,  toenn  ntcfyt  ein  befonberer  unb  fcrin* 
genber  (&runb  für  ba«  ©egentljeü  fpricfyt.  3ft  eine  Leitung  n&t^ig, 
fo  (äffe  man  fie  ba«  $tnb  nic^t  füllen,  e«  glaube,  felbftftänblg 
ju  fyanbefn.  3Bol)l  Ijanbelt  ba«  $inb  finbtfö  tfjöricfyt,  aber  foü* 
e«  männlich  toeife  ljanbeln?  3ft  nietyt  bie  eigene  (£rfa!jrung  bie 
befte,  ja  bie  einjige  toaljre  Celjrmeifterin  be«  Seben«  ?  2flan  neljme 
bodj  bem  $inbe  ntc&t  biefe  Öe^rmeifterin,  jumal  ba  fte  bom  #inbe 
feinen,  bom  3üngling,  bom  Spanne  einen  allju  tjoljen  Sekrete 
forbert.  3Me  Unbefonnenljetten  unb  fc^orfyeiten  be«  SHnbe«  fwb 
itiiftyMty,  toeil  fie  natürlich  finb,  meif  biefe  3a$re  bie  SeWaljre 
in  ber  Sfcmft  be«  $raftgebrau<$en« ,  be«  §anbetn«  fmb.  £>at 
aber  ber  Süngling,  ber  9ttann  biefe  Äunft  no$  mc$t  erlernt, 
bebarf  e«  für  tyn  jur  Selbft*  unb  Seben«fenntnijj,  jur  Sättigung 


Digitized  by  Google 


«Phrenologie  unb  (Srjie^ung. 

unb  {Regelung  ber  föraft  erft  nodj  ber  unbefonnenen  unb  ttyöric^ten 
£anblungen,  toelcfye  tn«  $inbe«*  unb  Knabenalter  gehören,  fo 
Rängen  fidj  fyteran  f#toere  unb  üble  folgen,  ungerechnet,  baß  bie 
»erfäumte  ßefyrjeit  !aum  nacfygeljott,  bie  $unft  be«  felbftftänbigen 
£anbcln«  nur  ferner  no<$  toom  9ftanne  erlernt  nrirb. 

2.  $er  e$arafter. 

9toc$  ein  anberer  ©runb  fommt  tjinju.  3e  großer  bie  Kraft 
be«  Reifte«,  be«  (^araftcr«-  ift,  befto  me^r  mac$t  fic  fu}  fc$ou 
beim  Kinbe,  nac$  «Sättigung  brängenb,  auf  naturgemäße,  finbifdje 
Seife,  in  £anblungen  ber  Unbefonnenljeit  unb  be«  ättutljnriüen« 
geltenb  —  trofe  $afyfreidt)er  (Gebote  unb  Verbote,  ja  jum  SJT^eit 
gcrabe  in  ftolge  berfelben.  (Spfotal,  Oppofitat.)  £>urcfy  foletyc 
Gebote  unb  Verbote  ttrirb  bafyer  ba«  tinb  veranlaßt,  feine  an 
fidj  Ijarmlofen  §anblungen  für  unerlaubt,  für  böfe  $u  galten, 
unb  toirb  fo  feine«  foftbarften  ftttltcfyen  ®ute«,  feine«  reinen  ®e* 
Hüffen«,  f$on  frül)  beraubt,  liefern  SBerluft  folgen  unmittelbar 
anbere  naefy.  £)a«  Ktnb  fuebt  feine  §anblungen  ju  oerbergen: 
feine  9lufri$tig?eit,  feine  Söaljrfyaftigfeit  geljen  berloren.  (§«  muß 
beftraft,  toicberljolt  beftraft  »erben,  unb  e«  fcfytotnbet  mit  ber 
fteigenben  0ur$t  sor  bem  (Srjiefyer  bie  Siebe,  ba«  Vertrauen  ju 
ifym  :c.  So  nimmt  bie  ganje  ®eifte«tfyätigfeit  bie  falfctye  tötefc 
tung,  fie  toirb  eine  niebere,  ftatt  eine  Ijoljere-sn  »erben.  Gr«  ift 
ber  3toecf  ber  Sraie^ung,  baß  bie  nieberen  Sinne,  Dppofitaf, 
Petita! ,  «Secretal  it.,  toetc^e  burety  ifyre  oorragenbe  <5nttoicflung 
beim  ftinbe  ber  finbiföen  Kraft  unb  £ljätigfeit  $um  ®runb  liegen, 
fo  früfy  als  m&glt<$  unter  bie  Leitung  ber  fyityeren  <Sinne,  (Son= 
fciental,  SBeneratal,  ©onital  :c.,  treten.  Unb  bie«  gefdjieljt,  toenn 
ba«  Kinb  offen  unb  frei,  in  ftreube  unb  ßiebe,  in  Unfcfyulb  unb 
Vertrauen  feine  finbifcfye  Kraft  ju  Ijanbeln  unter  ben  Hugen  be« 
Srjie^er«  oerfucfyt,  toclctyer  gleicfyfam  bie  Xfjätigfeit  ber  pfyeren 
Sinne  beim  Kinbe,  fotoeit  biefe  noefy  feljtt,  erfefct  unb  oertrttt, 
unb  fo  ba«  Ktnb  burety  bie  ungeregelte,  unoerftanbene  jur  ge* 
regelten,  »erftanbenen  Kraft,  jur  freien  Sitte,  Einleitet.  Sinber« 
bei  jener  tjemmenben  Grr$ieljung«toetfc  be«  Gebieten«  unb  35er* 
bieten«,  SBertoetfen«  unb  ©trafen«.   §ier  gefyt  jugleu}  mit  bem 

18* 


Digitized  by  Google 


276 


3mecf  bet  ßtjiebung  au$  bie  9)?oglt$fctt  bet  notfjmcnbigen  9luf- 
ftc^t  übet  bic  #anblungen  be«  ätnbe«  betloten.  Unb  fo  metben 
nic&t  feiten  getabe  bic  tücf>tigften  Reiftet,  beten  fptubelnbe  Sftaft 
bei  einet  tid&ttgen  Leitung  ben  SSotjug  unb  ba«  <$lücf  be«  ÜWenfctyen 
begttinbet  Ijättc,  but<$  eine  falfctye  <£tjieljung  gebeugt,  mtfcleitet, 
oetbetbt.  3ft  im  anbetn  $all  bfr  ®eifl  be«  Äinbe«  ein  minbet 
ftäftiget,  fo  tuitb  butefy  bie  gebadete  (&r$ieljung«tt>eife  bic  <3elbft= 
ftänbigfeit  fetyon  im  Äinbe  obet  im  Änaben  etbtücft,  beten  Grt* 
machen  gefyinbett;  c«  ttitt  niemat«,  mebet  fräßet  noeb  faßtet, 
eine  3eit  bet  felbftftänbigen  $taf täufcetung ,  ein  ©ebütfnijj  bet 
Ätaftfätügung  ein,  eben  mett  bie  $taft  feljlt.  £)ie  %ol$e  ift  bie 
gleite:  ©d&mäd&c,  Unfelbftftänbigfeit,  SWangel  an  X^atftaft.  $üt= 
toa^t,  eine  $öljetc,  fitttify?  Staft  tljäte  bet  SWcnf^^cit  noty,  be* 
fonbet«  in  unfetet  3eit,  ba  mit  bet  fo  mett  ootgefötittenen  Sil* 
bung  be«  SBetftanbe«  feine«meg«  au$  bie  fittlic&e  Silbung  gleid&en 
ec^titt  gehalten.  Det  G&ataftet  ift'«,  bet  allenthalben  fe^lt. 
üflan  bliefe  in«  geben ;  ni#t  fölety,  nidjt  böfe  finb  bie  3ttenf$en, 
fie  finb  e«  ni<$t  unb  finb  e«  nie  gemefen,  abet  fie  finb  f($toa($, 
unfetbftftänbig.  «Sie  motten  nic^t  ba«  8<$lecfyte,  ba«  fiebrige, 
abet  fie  geben  iljtn  naety,  roeil  fie  batübet  311  Ijettfcfyen  nietyt  bie 
ittaft  tyaben.   Untugenb,  Saftet,  ©ünbe  —  e«  ift  <S($mäc$e! 


XXIV.    Die  üilbung  be«  «fmütljs. 

SBet  bie  Siebe  be«  ftinbe*  burdj  fliebe  getoeeft, 
Ter  |rt  ber  drjietjuna  ®el>eimmft  entbeift. 

1.  2)ie  öielfö^e  <£rjte&ttii8. 

$)ie  menWlüfye  ®eifte«tbätigtcit  ift  immet  eine  mefjt  obet 
roeniget  allgemeine,  infofetn  jebe  (Sintoitfung  bet  SluBenmett 
au*  nut  auf  einen  einzelnen  Sinn  utdu  blo«  biefen  jut 
©egenroitfung  antegt,  fonbetn  butefy  bie  333e$felttntfung  biefe« 
Sinne«  mit  ben  ifym  oettoanbten  ben  ®cift  im  Allgemeinen  in 
X^ätigfeit  bringt.  Riefet  allgemeinen  ®etfte«t!jätigfeit  gegenübet 
ift  au$  bie  Aufgabe  bet  (£t$ieljung  eine  allgemeine,  e«  ift  bie* 
jenige,  t>on  meldtet  mit  bi«ljet  gefttod&en.  Allein  bie  Reifte«* 
tfyätigfeit  ift  au$  infofetn  eine  befonbete  obet  einzelne,  al«  ein 


Digitized  by  Google 


^renoloflie  unb  (Srjiel^ung.  277 


einzelner  Sinn  bur$  bie  (£intt>irfung  ber  Slufeentoelt  unmittelbar 
unb  borjugÄtoeife  $ur  £l?ätigfeit  fommt.  3n  Segug  auf 
biefe  (£in$eltl?ätigfeit  be«  (Reifte«  ift  audj  bic  Aufgabe  be«  (Sr* 
jieljer«  eine  einzelne  ober  befonbere,  b.  i.  eine  fo  btelfacfye  als 
e«  einzelne  Sinne  giebt.  SDtol  fann,  toie  nur  eben  getljan,  bie 
Sinne  in  bret  Staffen  einteilen,  toornadj  bie  Hufgabe  be«  @r* 
jietyer«  im  (fangen  eine  bretfaetye  märe.  Slüein  ba  wir  bon  einer 
befonberen  2)etra<$tung  ber  nieberen  Sinne  tyier  abfegen  tönnen, 
fo  ift  bie  Aufgabe  ber  (Srjietyung  im  fangen  eine  jtoeifadje:  bic 
«Übung  ber  ®emüfy«finne  unb  bie  ber  SBerftanbe«fhmc.  ©iefc 
Trennung  ift  fetyon  ber  Spraye  geläufig,  tnbem  man  bie  erftere 
Mbung  @r$iefjung  (in  engerer  «ebeutung),  bie  (efetere  Unter* 
rietyt  gu  nennen  pflegt. 

2.  ©o&ltooflen. 

©a«  $inb  mirb  tljeil«  bon  feinem  Qrrjieljer  (bon  SBater, 
SJhttter,  Seljrer),  tljett«  bon  feinen  Spietgenoffen,  anbem  ßinbern, 
erjogen.  93or  Altern  metfe  ber  (Srjieljer  felbft  bie  ®emütlj«fmne 
be«  ßinbe«  jur  £tyätigfett.  ©er  Grrgte^er  fei  loo^tmoflenb,  gut 
gegen  ba«  $inb,  er  liebe  ba«  $tnb:  bie  Siebe  ift  bie  Seele 
ber  <5r$teljung.  Siebe  fc^afft  8ie*e,  ®«te  ma$t  gut.  ©er  <£r* 
Sieker  fann  nid^t  ju  liebebott,  ju  gütig  gegen  ba«  $inb  fein, 
©er  üttenfa)  entbehrt  für  fein  ganje«  Seben  biet,  toenn  er  at« 
Äinb  bie  innige,  tiefe  Siebe  ber  SWutter  entbehrt  $at.  <S$rtftu« 
t)at  an  bie  Spifee  feiner  Se^re  ba«  ®ebot  ber  Siebe  geftetlt. 
Söelcfye  geiler  au$  unferer  &\t  Wulb  gegeben  werben  fennen, 
bie  3D?enf^eit  ift  gütiger,  menfd^li^er  geworben,  al«  fie  mar. 
28ie  biet  aber  Ijter  noefy  $u  tljun  übrig  bleibt,  geigen  bie  fronen 
unb  ebten  ©emüljungen  gur  SBerfyütung  bon  Tierquälerei. 

« 

3.  ftcfttflfcit. 

©er  (Srgieljer  fei  feft,  entf^ieben,  fi<$er  in  feinem  Söenefymen 
gegen  ba«  ßinb.  So  wenig  er  au$  gebiete  ober  berbiete,  loenn 
ba«  ®ebot  ober  Verbot  gegeben  ift,  fei  e«  unwiberrufli<$.  Otyne 
®etyorfam  ift  jebe  (Srjieljung  unmftgft$.  Unb  ber  ®e^orfam  muß 
ein  unbebingter  fein,  benn  ein  bebingter  ®efyorfam  ift  fein  ®e* 


Digitized  by  Google 


278 


^Phrenologie  unb  erjiefcung.  * 


fyorfam.  Slbgefeljen  baten,  bafe  vernünftige  fteftigfeit  feft  mat$t, 
fo  roirb  aud>  bem  ftinbe  bet  (#cf>orfam  fcfjr  erleichtert,  toenn  e« 
biefen  al«  einen  unbebingten  fennt,  toenn  e«  ni(fyt  mit  fi$  erft 
&u  föatlj  gu  geljen  terfucfyt  ift,  ob  e«  geljordfyen  ober  ntcfyt  ge- 
Ijorctyen  foll.  So  tiele  (Srjieljcr,  befonber«  9Wütter,  obiooljl  im 
Uebrtgen  toll  ©emütlj  unb  33erftanb,  machen  fi<$  ba«  Grräiefyen 
unb  bem  Äinbe  ba«  ßrjogemoerben  nur  baburefy  fd^toer,  bafe  fic 
nicfyt  feft  ju  fein  hriffen.  SDicfer  in  ifyrer  Sltlgcmcinljeit  nidjt 
naturgemäßen  ©d(m>ädje  liegt  tfyeil«  bie  irrige  2(nfictyt  jum  <&runbe, 
bafe  bie  gute  (Srsietyung  in  meglictyft  tielem  Gebieten  unb  35er* 
bieten  beftetyc  (ftatt  umgefefcrt),  tooburd?  eine  feftc  Durchführung 
ber  (Gebote  unb  Verbote  unmöglich  »erben  nun),  theil«  ber  3rr* 
trnim,  ba§  bie  (£r$iefyung  erft  mit  bem  toll  entioicfelten  Söerftanbe 
be«  Äinoe«  beginne,  ttoburch  man  e«  terfäumt,  früh  genug  gegen 
ba«  ttinb  feft  $u  fein,  unb  fpäter  natürlich  ba«  33erfäumte  nicht 
nac^^olen,  ba«  ^erborbene  nicht  leicht  gut  machen  !ann.  2£a« 
ton  bem  Gebieten  ober  Verbieten,  baffelbe  gilt  auch  tom  Drohen. 
(Sine  Drohung  ift  ein  $efefc.  ü)can  brofyc  bem  $inb  fo  ttenig 
al«  möglich,  aber  bie  au«gefprocbene  Drohung  mufj  unnachfi<htlich 
ftolge  ermatten. 

4.  ©ettiffcnWtiflifit. 

Der  Grjieher  fei  getoiffenhaft,  b.  i.  n>afyr  unb  geregt  gegen 
ba«  tinb.  Der  (Steher  fei  toahr  gegen  ba«  äinb,  menn  er 
toünfcfyt,  bafe  biefe«  maljr  gegen  ihn  fei.  Die  häufigen  Säuföungen, 
bie  fith  manche  <5r$ieher  (grjie^erinnen)  gegen  ba«  $tnb  gum 
3toecf  ber  Leitung  beffelben  ertauben,  finb  fefjr  tertoerflich.  Da« 
Einb  terfteht  tto^l  Anfang«  bie  £äufchung  nicht,  aber  e«  fühlt 
fie,  unb  fcfyon  biefe«  (Gefühl  genügt,  um  bem  $inbe  ba«  £äufchen 
anzulernen.  sticht  einmal  im  ©djerje  foüte  man  bem  $tnbe  bie 
Unwahrheit  fagen:  ba«  Äinb  lernt  im  @<her$e  baffelbe  tlnm 
unb  tljut  e«  im  (Srnfte.  Der  Crr^ieljer  fei  geregt  gegen  ba«  $inb : 
Unrecht  erbittert,  empört  fd)on  ba«  Ätnb;  ber  (Srjie^er  termeibe 
baljer  auch  ben  Schein  be«  Unrecht«,  er  begünftige  nicht  ba«  eine 
Hinb  tor  bem  anbem,  er  ^alte  bem  $inbe  fein  33erfpre$en ,  er 
belohne  unb  beftrafe  nach  93erbienft.  Belohnungen,  nicht  $u  häufig 


Digitized  by  Google 


^rcnofogic  unb  ßrgie^ung.  279 

gegeben,  entfprectyen  beut  &tt>ed  ber  Grrjieljung  beffer  unb  finb 
urirffamer  al«  Strafen.  $)a  bie  Strafe,  ein  ÜWittet,  bie  Stimme 
be«  finblid^en  ®cttriffen«  ju  toerftä'rfen,  ein  beut  finbe  gefügte« 
liebet  ift,  fo  barf  fie  nur  feiten,  nur  in  ber  SftoUj  in  5tnmenbung 
fommen.  3n  ben  meiften  gatten,  befonber«  ioenn  ntd&t  ein  »er* 
jogene«  tinb  crft  erjogen  »erben  foll,  genügen  bie  ntilbeften 
(Strafen.  £>er  @r$ietyer  Ijat  ba«  $ß#e  erreicht,  menn  f$on  fein 
Umritte  sur  Strafe  genügt.  £u  häufige  ober  ju  ftrenge  Strafen 
brücfen  ba«  ®emütlj  be«  f  tnbe«  nteber,  f$ma$en  ba^er  bie  £$ä* 
tigfett  ber  ®emtity«finne,  ftatt  fie  gu  oerftärfen.  3u  Ijäußge  ober 
ju  ftrenge  Strafen  finb  $u  bieten  ober  $u  ftarfen  Slrjneien  ju 
tergleid^en :  biefe  machen  ben  ÄBrper,  jene  ben  (Seift  nur  fränfer. 
£>ie  ftätte  ftnb  fo  Ijäufig,  baf?  finber  bur<$  eine  Ijarte  (Srjietyung 
miberfpenftig ,  bo«ljaft,  Ijeimtfitfifcfy  geworben  finb.  ©ie  fönnte 
ber  $>rucf  anbcr«  at«  nieberbrücf  en ! 

5.  $ere$ntng. 

3nbem  bet  Qrrjiefyer  tiebebotl,  feft,  maljr,  geregt  gegen  ba* 
tinb  ift,  fo  bitbet  er,  mie  er  foll,  für  ba«  finb  ben  (Segenftanb 
ber  SBereljrung.  £)ie  Gritern  fotlen  beut  ftnbe  ni<$t  fagen 
müffen,  baß  e«  feine  $fli$t  fei,  fie  ju  eljren :  aud)  ermetfen  ©orte 
ni<$t  ba«  ®efü*l,  meit  fie  fein  ©efü^l  finb.  %n  bie  SBere^rung 
gegen  bie  (Sltem  rei^t  ft<$  beim  finbe  bie  3Sere^rung  gegen  ®ott, 
ben  SSater  2111er,  an.  befonber«  aucfy  $ier  toede  man  ba«  ®e* 
füljl  bur$  ba«  (gefiel,  bermeibe  bloße  ©orte,  «et  paffenben 
33eranlaffungen  ftimme  man  ba«  §erj  be«  finbe«  jur  33ere$rung 
gegen  ben  23ater  im  Gimmel.  üflan  fprecfye  be«  borgen«  unb 
be«  9lbenb«  au«  ber  Seele  be«  f  inbe«  mit  üjm  einige  ©orte  be« 
lebete«,  be«  £)anfe«,  ber  Söitte.  (5«  ift  ni<$t  gut,  ba«  finb  ein 
®ebet,  menn  au<$  no<$  fo  fur$,  au«menbig  lernen  unb  fagen  $u 
laffen.  $)a«  finb  mag  ber  SWuttet  einige  ©orte  nacfyfprec^en 
ober  blo«  Juroren,  bt«  e«  fetbft  au«  bem  £erjen  einige  ©orte 
fpre^en  lernt. 

9luc$  bie  Anregung  unb  £fyätigfeit  be«  Sinne«  ber  Hoffnung, 
ber  $>eüerfeit  be«  (Semütfy«  ift  für  bie  (Srjteljung  mistig,  ©ir 


Digitized  by  Google 


^tfnotogie  unb  (Sqiefang. 


^aben  oben  gefefyen,  ba§  C^tücf,  ftreube,  £ugenb  ein*  unb  baffetbe 
finb.  So  tote  nun  bie  Xljätigfeit  ber  ljityeren  Sinne  jur  Reiter* 
felt,  jur  ^reube  ftimmt,  nüe  ®utfjeit  frolj  ma<$t,  fo  regt  tljrcr* 
fett«  bte  $*cube  tene  Sinne  jur  £fjätigfeit  an,  fo  mac^t  bie 
ftreube  gut.  3Wan  trage  bafyer  Sorge  für  bie  ^reube  be$  Äinbe«, 
für  bie  ^eiterfeit  feines  ÖJemütfyS.  (5in  $inb,  ba$  immer  frofy 
ift,  toirb  nic$t  leidet  ein  böfer  9)Jenfc$  »erben. 

7.  Wadjalmtuiifl. 

SSon  großer  ©iebtigfeit  für  bie  (Eqitymg  ift  ber 
afjmungsftnn,  toeld?er  beim  äinbe  fetyr  frity  ermaßt  unb  bie  In'er 
beftorodbene  SRegel  ber  <£r$ieijung,  —  bie  Sinne  bur$  beren  tä- 
tige Anregung  ju  enttoufeln,  —  no<$  ganj  befonber«  unb  toefeut* 
ltcf>  unterftüfet.  Seit  früher,  al«  ba«  #inb  bur#  ben  Eerftanb 
ju  unterfcfyetben  oermag,  ma$  gut  unb  böfe,  ebe(  unb  niebrig, 
tugenbljaft  unb  lafterfyaft  ift,  lernt  e«  bur$  ben  bltnben  Sinn 
t>er  9ia<$afymung  füllen  unb  beuten  unb  fyanbetn,  mie  fein  Grr= 
jieljer,  feine  Umgebung  fti^lt  unb  benft  unb  Ijanbelt. 


XXV.    Die  dniehuna  brs  Tttntirs  burdi  ba»  fitnb. 

-  «in  IKnb  ift  gflttüd&et  Statut; 

^rü^ettig  cht'  es.  $a(f  e«  wie  ben  ««gel. 

Scopol  b  Sdicf  er. 

1.  Tic  yiotötocitbigtctt  ber  gefelltgen  Cvrueliuns. 

$>a$  tinb  toirb  tfjeit«  bon  feinem  (Srjteljer,  tljeilS  oon  feiner 
übrigen  Umgebung,  oon  feinen  2lfter«=  unb  Soiefgenoffen,  erjogen. 
Unter  biefen  ©rjietyungen  ift  bie  lefctere  bie  mistigere,  ba  nötigen* 
fall*  luoljl  jene,  aber  nitfyt  btefe  entbehrt  toerben  fann.  <£«  märe 
einem  Crrjietyer  unmögu'd),  ein  tfinb  allein  gut  ju  erjie^en, 
trä^renb  man  anbererfeit«  oon  (SItem,  toelcfye,  bur<$  Jöeruf«- 
gefcfyäfte  oertnnbert,  um  bie  ßrjiefyuug  tyrer  jaljfreittyen,  aber  boefy 


Digitized  by  Google 


^Phrenologie  unb  (frjie^iutg. 


281 


moljlgeratyenen  Ämter  fi$  nur  menig  fümmerten,  m$t  fetten  ba« 
ma^re  2öort  au«ftre#en  fy&rt,  mit  ba«  etfte  flinb  bebürfe  bet 
<5r$iefmng,  *K  anbeten  erlogen  ft$  felbft.  £ie  Sftot^menbigfeit, 
baj?  ba«  Äinb  in  ©efellföaft  mit  anbevn  tfinbern  lebe,  ift  barin 
begrfinbet,  bajj  ba«  ©efen  ber  <£rjiefnmg  in  ber  Uebung  jttm 
$anbeln  beftefyt.  $)a«  $inb  foll  burety  Uebung  lernen,  einft  unter 
feinen  ÜÄttmenf^en  ri^tig,  b.  1).  in  allen  ©ejieljungen  menfc$li<f> 
mürbig  —  fittlicfy  frei  —  ju  Ijanbeln.  3Mefc  Uebung  aber  mürbe 
bem  $inbe,  menn  e«  allein  märe,  fehlen;  faft  feiner  feiner  Sinne 
fönnte  ft$  au«leben,  fi$  fättigen;  bie  praftifcfye  Selbftfeimtnifi 
unb  ÜDfenfd&enfenntntj?  ginge  für  ba«  Äinb  berloren.  Grtn  #inb, 
meld&e«  allein  erjogen  mürbe,  mürbe  j  u  tn  Meinfein  erjogen  mer* 
ben,  ma«  eben  im  bollften  Siberfprucfy  mit  bem  $wed  Der  ^ts 
Jteljung  ftünbe.  $)a«  3ufammen^e^en  mehrerer  ßinber  ift  baljer 
eine  ©runbbebingung  ber  guten  (Srjteljung.  3c  jafylret^er  bie 
ßinber  unb  je  berföiebeneren  Sljarafter«  fie  fmb,  befto  beffer. 
SBenn  batyer  in  einer  ftamilie  m  menig  tinber  etyntittyen  2llter« 
fmb,.  fo  fotten  fi<$  mehrere  Familien  bereinigen,  tyre  Äinber  tag* 
li$  einige  Stunben  —  am  beften  im  freien  —  aufammen  fein, 
jufammen  ftrielen  gu  laffen. 

*        ^tr'W    *"Vv»V*»V*        »  V  •    •*  »■    V  ♦ 

£)ie  Aufgabe  be«  Orrjiefyer«,  melier  bie  fpielenben  Äinber 
beauffietytigt ,  ergtebt  fiefy  na$  bem  Bi«r)ex  ®efagten  bon  felbft. 
£>a«  $inb  Ijat  jtoeierfei  Neigungen,  niebere  unb  ^5t)ere.  Cr«  fyat 
bie  Neigung  ju  ftreiten,  Ijeftig  ju  fein  unb  $u  jerftören,  oerfteeft 
unb  ^interliftig  $u  fein,  bie  Sttnge  au«f$üefctic$  fic$  anzueignen, 
ftolj  unb  abftojjenb  ju  fein  jc.  Slber  e«  $at  au<$  bie  Neigung, 
fügfam  unb  ehrerbietig  $u  fein,  geregt  unb  mafyr  m  fein,  gut, 
ttebeboll,  mUtfjcitenb  ju  fein,  ba«  ßble  unb  «Schöne  $u  lieben  ic. 
SBürbe  ba«  Ätnb,  ober  mürben  alle  Äinber  nur  jenen  erfteren 
Neigungen  folgen,  fo  mären  fie  einer  &aty  fleiner  milber  £ljiere 
äfjnli<$,  e«  mürbe  fein  allgemeine«  3ufantmen(eben  /  fonbem  eine 
allgemeine  Trennung,  ein  Kriegen  unb  Streiten  aller  gegen  alle 
ftattfinben.   golgen  aber  bie  tinber  ben  teueren,  leeren  SRei* 


Digitized  by  Google 


^«nofogie  unb  (Brjietyung 


gutigen,  fo  gleiten  fie  3D?ciifcf»cii ,  eblen  2ftenfctyen,  toelctye  in  ge* 
fettiger  Bereinigung  gufantmen  leben,  toeldjie  fidt}  achten  unb  lieben, 
gerecht  unb  toafyx  gegen  einanber  finb,  ftreub  unb  Selb  in  Siebe 
unb  triebe  mit  einanber  feilen,  —  alle  mit  allen  unb  ieber 
mit  fidt)  felbft  in  Harmonie.  Sollte  e*  fd&toer  fein,  bie  Äinber 
auf  ben  teueren  Seg  ju  leiten?  SKein,  fte  lernen  ja  balb  er* 
f  ernten,  bafe  biefer  ©eg  jugleidt)  ber  be«  ®lücfe«,  ber  $reube  ift. 
Sinber  lernen  lei$t,  menfcfylidt)  —  fügfam  unb  geregt  unb  toafyr 
unb  Itebeoott  —  gegen  einanber  fein  unb  tyanbeln,  toeil  fie  in 
biefen  <&eftmtungen  unb  §anblungen  iljrc  eigene  ftreubc  finben 
lernen.  Die  $inber  finb  gern  gut,  toeil  fie  gern  frolj  finb, 
toetl  fie  $tt>ifdt)en  £ugenb  unb  ®lticf  einen  Unterfdt}ieb ,  ber  nic$t 
ift,  nict)t  fennen.  SBoljl  fcerfctyttnnben  anbererfeitä  bie  nieberen 
Steigungen  be«  ÄinbeS  nidt)t  unb  f  ollen  nic$t  fcerfdjtoinben,  aber 
ba$  $inb  lernt  e$,  fie  mit  ben  Ijöljeren  Neigungen  in  ßtnflang 
ju  bringen-,  iljncn  unterjuorbnen.  Da«  $inb  barf  unb  fott 
ftreiten,  aber  für  ba«  ®ute  unb  9tedt)te,  e$  barf  unb  fott  oer* 
heimlichen,  aber  in  ebler  Slbficht,  g.  53.  um  2(nberen  eine  frohe 
Ueberrafchung  ju  bereiten,  e«  barf  unb  fott  ©gentium  beftfeen, 
aber  nicht  frembe«  beeinträchtigen,  e*  barf  unb  fott  ftolj  unb 
abftofccnb  fein,  aber  gegen  ba«  fiebrige  unb  Schiebte  zc. 
SBoljl  ift  e«  eine  eble  unb  Ijofye  Äunft,  ba$  $lei<hgen>icht,  bie 
Harmonie  unter  atten  biefen  mannichfaltigen  Neigungen  ju 
finben  unb  gu  galten;  aber  toeil  bie  Äunft  eine  menf  dt)  liehe 
ift,  fo  ttnrb  beren  (Friemen  bem  9)?eufd)en  nicht  att$u  fchtoer. 
Doch  lernen  tnufc  ber  Sftenfch  biefe  Äunft,  burch  frühe  eigene 
Uebung  lernen.  Der  <5r$ieher  fyaite  unoerrüeft  im  Sluge,  bafc 
er  bem  $inbe  biefe  tunft  nicht  unmittelbar  lehren,  bafc  er  tl)m 
nur  Anleitung  geben  fann,  fie  felbft  ju  lernen. 


r 

— 


Digitized  by 


^bjenologie  uub  ©rjieljung. 


283 


XXVI.   Pir  lilbung  b«  UrrRanbrs  ober  ber  »nterrt^t. 

9Jenne  be*  (ttjie^eri,  nenne  mit  bei  ßetyrer*  fjobe  $flid>ten, 
Taft  pir  mit  QJcic&e*  £$ärfe  bet  »erufe  «kttftteit  fd|li#teii. 
$er  Crftteber  unb  bet  Sebrer  beben  nur  bie  eine  $flid)t, 
In  JBerufe  inn're  Sinbeit  burd»  bie  Xbat  ju  trennen  nidjt. 

1.   Uiitcrfrfjicb  jtutfrljcn  (?rjtclntmj  unb  Untcrrirfit. 

Der  Unterfdneb  jw?ifct)en  ben  ®emütlj$ftnnen  unb  ben  5$cr- 
ftanbe«finnen  ift  in  93e$ug  auf  bie  (5rjieljung«frage  fein  mefent* 
fidler.  Die  ©emütljäfinne  tonnen  gemiff  ermaßen  auc$  SBerftanbeä* 
finne,  bie  SBerftanbeSfmne  audj  ®emüth$finne,  alfo  bie  (Srjteljung 
fann  genriffermagen  aiu$  Unterricht,  ber  Unterricht  auch  Grrjtefyung 
genannt  toerben.  Denn  inbem  5.  ©.  ba«  $tnb  bürde)  ba«  $ei-- 
fbiet.unb  bie  Anregung  feiner  Umgebung  mohlmoüenb,  religio, 
genriffenhaft  tc  ju  fein  lernt,  fo  erhält  e$  bamit  jugfeich  einen 
Unterricht,  e$  lernt  bie  betreffenben  SBerljättniffe,  feine  eigenen 
(Gefühle  unb  beren  Sicherungen  fennen.  HnbrerfeitS  ift  j.  $3. 
SRealttal  (baS  unter  9lnberm  bie  Neigung  begrünbet,  (Sammlungen 
bon  Sachen  anzulegen)  gemifferma§en  ein  ($efüfyl  für  «Sachen; 
ober  e$  fann  9ftuficatal  ein  ©efüljl  für  X8ne,  für  2)iufif  genannt 
merben,  auch  abgefehen  baoon,  baft  biefer  Sinn  bie  ®emüt^§finne 
jur  X^ätigfeit  anregt.  3n  53ejug  auf  ben  3  * e  ^  *>er  ©rjietyimg 
finbet  ooüenb«  jmifchen  ber  33tlbung  ber  ®emüth«finne  unb  ber 
3?erftanbe$finne  gar  fein  Unterfchicb  ftatt.  Denn  biefer  $a>td  ift, 
toie  n?tr  roiffen,  eben  bie  ^armonifc^e  Efyätigfeit  ber  fämmttic^en 
bereinigten  «Sinne,  als  ®runblage  ber  fittlichen  Freiheit  be« 
SRenften.  Die  fittliche  ftretheit  märe  ebenfotoenig  m&gltch,  menn 
ber  aWenfcty  außer  ben  nieberen  ©innen  bto«  bie  $erftanbe«finne 
hätte  unb  ihm  bie  ©arme  bc$  ©cmüth«  fehlte,  als  menn  er  bloS 
bie  ©emütfjSfinne  befäfee  unb  baS  ßidfrt  ber  2?erftanbeSfinne  ent* 
beerte.  (SS  mar  einer  ber  SDfangel  ber  bisherigen  Grr$tehung,  baß 
bie  mefentttdje  (Einheit  beS  3toe(^c*  üon  (Srjietyung  unb  Unter* 
rieht  nur  ju  häufig  berfannt  mürbe  ober  unbeachtet  blieb. 

2.  MtaUtal 

3n  SBejug  auf  bie  Uebung  ober  <£nttt>icffung  ber  33erftanbcS* 
finne  ift  es  —  mie  bei  ben  ®emüty«finnen  —  bie  Hufgabe  beS 


Digitized  by  Google 


284 


^rcnofegie  unb  (Srjie&unfl. 


(Srjieher*  ober  SehrerS,  bem  Grnoachen  ber  einzelnen  Sinne  ju 
folgen  unb  für  bie  naturgemäße  T^ätigfett  berfelben,  gleichfam 
für  ihre  sJiahnmg  unb  (Sättigung,  (Gelegenheit  unb  23eranlaffung 
ju  geben.  (£iner  ber  tticbttgften  unb  beim  $inbe  am  früheften 
erroachenben  93erftanbe«fmne  ift  Realität,  bie  hauptfächlichfte  ®runb* 
läge  ber  Beobachtungsgabe.  So  trächtig  biefer  Sinn  ift,  fo  groß 
ift  ber  föeicfytljum  an  Stoff,  ber  ftch  beut  (Srjteher  jur  Anregung 
M  Sinne«  barbietet  ober  aufbringt.  3n  ber  erften  3eit  finb 
bie  Spiere  bie  aiyie^enbften  Gegenftänbe  für  ba«  $inb:  man 
gebe  il)m  ba^er  früh  Gelegenheit,  ttele  unb  oerfd^iebene  X^iere 
ju  fetyen,  mad^e  e$  auf  bereu  St&rpertheite,  Belegungen,  Stimm/  :c. 
aufmerffam ;  ein  #unb,  ein  ^ferb,  eine  fliege  geben  reiben  Stoff, 
um  bie  Beobachtungsgabe  f<hon  be$  ganj  Weinen  Äinbe«  ju  be= 
fchäftigen.  Balb  bienen  auch  tebfofe  Oegenftä'nbe,  Blumen, 
Steine  ic.,  jur  Nahrung  für  ba«  Realität  be$  $inbe$.  2luch  in 
geiftiger  Bejieljung  ift  baher  ber  Aufenthalt  be$  ÄinbeS  in  ber 
freien  SRatur  borjug«meife  anregenb  unb  nüfclich. 

3.  ftormital,  (Sonftructal,  ftattital,  SRnflcatttl,  Kttmerattl. 

ftormttat  mirb  beim  ßinbe  sunt  £heil  fchon  burch  Realität 
angeregt,  inbem  bie  »ergebenen .  ®egenftänbe  auch  oerfchiebene 
®eftalten  bem  tinbe  &ur  Slnfchauung  bringen.  Balb  jeboch  fann 
man  ba8  tob  bie  ®eftalt  als  folche  erfennen  laffen,  bie  äugel, 
ben  Sürfel  ic.  in  $M&ernen  gönnen  jum  3ufammenfefeen  unb 
Sauen,  tooburch  jugletch  (Sonfrructal  geübt  nnrb,  meldte«  burch 
bie  (Srtoecfung  ber  Selbftthätigfett  beS  $inbe$  fo  BieteS  ju  beffen 
geiftiger  föegfamfett  beiträgt,  gactital  ertoacht  fehr  früh  ^m 
$inbe:  £)inge  unb  Sachen  genügen  ihm  nicht,  e$  miß  auch 
mit  (Sreigniffen  unterhalten  fein,  e$  miß  Xfyaty&tfyütyS  erleben: 
boch  ift  baS  9lßtägltchfte ,  n>a$  geflieht,  für  baS  Äinb  eine  in« 
tereffante  £hat[ö$c-  Später  finb  Crrjähfangen  ein  oortreffltcheS 
Wittel,  bem  Sinne  Nahrung  ju  geben.  3Jcuficatat  ift  ein  toich= 
tigeS  Littel  für  bie  (grjiehung  unb  fchon  früh  beim  #inbe  au* 
juregen,  theil«  burch  3Jaifif,  toelche  e$  f)M,  theil«  burch  Heine 
lieber,  bie  e«  in  Äefeflfäaft  mit  feinen  Gefpielen  fingt.  9lume= 
ratal  ift  baburch  anjuregen,  baß  man  bem  tinbe  £)inge  ,511m 


Digitized  by  GoO; 


^renologic  unb  (Srjie&ung. 

• 


285 


3äJjfcn  giebt  unb  c«  praftifcij  bur$  S^len  "n*  Äfytylen  ber 
Dinge  in  ba«  töed&nen  einführt. 

4.  «erbotal. 

Stuf  bie  Anregung  be«  ©erbotal  beim  Äinbe  brauet  nicfyt 
fon>o^t  Ijingettriefen ,  al«  ton  beffen  ju  ftarfer  ober  einfeitiger 
Slnftrengung  abgemahnt  $u  merben.  Sfticfyt  ba«  ift  ein  Sttifcbraucfy 
be«  SSerbotal,  bajj  bie  SMutter  ju  bem  Äinbe  fpri<$t,  efye  e«  bie 
Sorte  oerfteljt.  Denn  ttjctl«  fpridjt  bie  9Jhitter  nic$t  bie  Sorte 
ftu  bem  Äinbe,  fonbem  bie  <$cfülj(e  burtfy  ben  Zon  ber  Sorte, 
unb  bie  ®efüfyle  berftefyt  ba«  fönb;  tljeil«  mufc  ba«  £inb  bie 
Sorte,  elje  e«  fie  berfteljt,  berfteljen  lernen,  ©onbern  ba«  ift 
ein  9W&braud&  be«  Sortfinn«,  ba§  ba«  Äinb  ©orte  au«toenbig 
lernen,  b.  gebrauten  foll,  roetd^c  e«  nietyt  ober  nur  tyalb  ber* 
ftetyt,  ober  an  bereu  ©ebeutung  e«  toätyrenb  be«  Semen«  ni$t 
benft.  SBerbotal  muß  immer  3uglei($  mit  ben  übrigen  ©innen 
tfyätig  fein,  ba  e«  nur  aüein  jur  ©ejetctynung  ber  ST^ättgfett  biefer 
©inne  bient.  Da«  $tnb  toerbe  baljer  nie  jum  ®ebrau<$  bon 
Sorten  bcranlaßt,  oljne  bafc  e«  bereu  ©ebeutung,  b.  Ij.  bereu 
beftimmte  ©ejteljung  ju  irgenb  melden  anberen  ©innen,  fennt 
unb  [itif  Ujrer  betoußt  ift.  9D?an  nu'Ü  bur$  ba«  9(u«roenbtglernen 
ba«  ©ebäctytntjj,  ba«  Sortgeb äcfytnifc  üben;  aüein  ba«  roafyre 
Sortgebäcfytnifj  toirb  bur$  ba«  9Iu«tt>enbiglemen  nur  beeinträd)tigt. 
Da«  toaljre  Sortgebäcfytnifc  befielt  bartn,  bajj  un«  bie  Sorte 
leidet  unb  fidler  ju  ®ebot  ftetjen,  roenn  wir  fte  gum  (Sprechen, 
b.  Ij.  um  bie  £l)ätigfeit  unferer  übrigen  ©inne  ju  bejeicfynen, 
brausen.  Diefe«  Sortgcbäctyhüfj  fann  aber  nur  barunter  leiben, 
toenn  bie  Sorte  au«menbig  gelernt,  b.  ty.  aufcer  tätiger 
SBerbinbung  mit  unferen  ®cfityl«*  unb  23erftanbe«finnen  gebraust 
toerben.  Die  toa^rc  Uebung  be«  Sortfinne«,  be«  Sortgebä^t* 
niffe«  befielt  baljer  barin,  bafc  toir  ba«  $inb  über  eine  ©aetye, 
über  ein  (Jreignijs,  über  ein  ®efüljl  in  iljm  fprectyen,  un«  bon 
tljm  ettoa«  betreiben,  etwa«  ersten  (off au  Die  Sorte  bienen 
5 um  Sprechen:  bafyer  mu§  auc$  ber  Sortfinn,  ba«  Sortge* 
bäd^tnifc  burdj  ba«  Spre^en  geübt  merben.   Shirj,  ba«  Sort* 


Digitized  by  Google 


28<> 


^fyrenotogte  unb  öryefyung. 


letnen,  tote  jebe«  anbete  Kenten,  barf  fein  *  SluStoenbigtetnen", 
fonbetn  rnufc  ein  „  Sntoenbigletnen"  fein. 

5.  <£omjiariral  unb  (Eaufalttal. 

©btootyl  biefe  betben  Sinne  frei  bem  tfinbe  fpätet  jut  2lu«* 
bilbung  femmen,  fo  beginnt  boefy  beten  (Snttoicflung  fttty  ge= 
nug  unb  ift  baljet  oom  (Jtjieljet  toofjl  3U  betücfftctyttgen.  9ftan 
oetanlaffe  ba$  Ätttb,  bie  ÜDinge,  bie  ®eftalten,  bie  Crteigniffe, 
bie  3Botte  jc.  mit  einanbet  ju  oetgteidjen,  tljte  9leljnli($feiten  unb 
SBetfcfyiebenljeiten  aufjuftnben ,  na<$  bent  ®tunb  unb  bet  Utfacfye 
bet  Xinge,  bet  <£teigmjfe  jc.  ju  fragen.  £>et  abet  ift  bet  toaljte 
Vefytet,  »et^et  beut  Äinbe  auefy  bie  Slnttootten  auf  beffen  fttagen 
abutftagen  toet§. 


XXVII.   Pas  IHafj  bes  Kntffttdjts. 

9tid)t  ju  wenig,  nidjt  \n  ütcl 
tfuijn  am  Dreien  an  oa«  yici. 

1.  Die  llcDuna  im  süctbäitntft  utr  Alraft. 

$)ie  Slntegung  bet  93etftanbe$finne ,  bet  Untettic^t,  mu§  bet 
natittltcfyen  ®taft  bet  ©inne  entfptecfyen,  batf  webet  ju  fcfytoacb, 
no$  ju  ftatf  fein.  ©etoofntlicfy  ift  bie  Slntegung  ju  febtoaefy,  gc^ 
fcfytetjt  füt  bie  geiftige  Gntttotcflung  be«  $tnbe$  ju  toentg,  inbem 
bet  tfefytet  bie  gto§e  9ftannt<$faltigfeit  bet  33etftanbeäftnne  ntcfyt 
betücfftcfytigt.  9flanc$e«  fc^5ne  £alent  getyt  nut  belegen  oet= 
toten,  toctl  man  an  beffen  Slntegung  unb  (Snttoicflung  nic$t  ein* 
mal  benft.  Allein  ni$t  feiten  ift  auc$  bie  Slntegung  $u  ftarf, 
toitb  bie  geifttge  Grnttoicflung  be«  $inbc«  babutety,  bafc  ju  oiel 
obet  baf  Gmtfetttge«  bafüt  gefcfyieljt,  oetfümmett.  SBentt  ba« 
Äinb  natütlictye«  Talent  jetgt,  fo  toill  man  biefe«  moglicfyft  pflegen, 
unb  ubetfefüttet,  übetfättigt  ba«  ßinb  mit  geiftiget  sJcafytung,  be* 
fonbetä  ba  getoöljttlicfy  ein  (5tn$eltalent ,  —  ba$  ber  üühtfif,  beS 
Wehnen«,  be$  SöottfintteS  :c.  —  gepflegt  toetben  foll. 


Digitized  by  Google 


«P&renotogie  unb  (£r$ie&ung. 


2.  Ta*  leöcnbtac  2ßiffcn. 

Die  {frage,  fretche«  ba«  nötige  9ftafe  ber  getftigen  Anregung 
fei,  fteljt  in  genauer  öejte^ung  ju  bet  ©ahrheit,  bafj  ber  einzige 
3ti?ecf  nnb  ba«  einzige  bittet  be«  Unterricht«,  —  gleichwie  ber 
(Srjiehung,  —  ba«  $anbetn  be«  ftinbe«  ift.  Da«  $inb  foll 
bie  oom  ßehrer  erhaltenen  Äenntntffe  einft  im  Seben  gebrauten. 
Diefe  ftunft  be«  Gebrauchen«  fann  aber  ba«  $inb  nur  baburcb 
lernen,  bajj  e«  [ich  barin  übt,  eine  Uebung,  tueCd^e  fo  fcör}  be* 
ginnen  muß,  at«  ber  Unterricht  felbft,  eine  Uebung,  metche  ber 
Unterricht  felbft  ift.  SBie  ber  @rjieher  ba«  tinb  nicht  unmittet* 
bar  ersieht,  fo  unterrichtet  e«  ber  Selker  nicht  unmittet&ar,  fonberu 
ba«  tfinb  unterrichtet  fich  fetbft,  inbem  bie  Anregung  ber  25er* 
ftanbe«finne  in  SBechfetwirfung  mit  ben  übrigen  ©innen  tritt  unb 
eine  harmontfche  3:t)ätiötctt  ber  fämmtlichen  (Sinne,  be«  ganjen 
Gcifte«,  hervorruft,  b.  h-  «tbem  ba«  ©iffen  lebenbig  in  bem  äinbe 
n>irb,  fein  $erj  ermärmt,  —  inbem  ba«  SBiffen  in  ihm  jum 
tiJnnen  mirb.  §ierau«  ergiebt  fich  nötige  üftafc  ber  geiftigen 
Anregung  be«  Äinbe«  von  felbft..  Die  Anregung  irgenb  melier 
35erftanbe«ftnne  ift  fo  lange  eine  naturgemäße,  gebcihtiche,  al«  fie 
ein  geiftige«  £anbeln  be«  Äinbe«  jur  f^otge  hat,  b.  h-  al«  ba« 
$inb  bie  Anregung  verarbeitet,  gleichfam  bie  geiftige  Nahrung 
verbaut.  Die«  mirb  (eicht  barau«  erfannt,  ba§  ber  ®eift  be« 
tinbe«  ber  Anregung  mit  Öuft  entgegenkommt,  fie  lebenbig  auf* 
nimmt,  von  ber  Nahrung  mehr  begehrt.  Unb  nur  bi«  $ur  <5ätti* 
gung,  nicht  bi«  jur  Ueberfättigung  barf  bie  Anregung  fortgefefct, 
barf  bie  Nahrung  gereicht  merben.  Dabei  lege  man  nicht  ben 
SWaBftab  ber  ®eifte«fraft  be«  (Srtoachfenen  an  bie  ®etfte«fraft 
be«  Äinbe«:  biefe  ift  fehr  biet  geringer,  für  anfjattenbe 
feit  biet  meniger  geeignet. 

3.  5>er  «Bechfel  be«  Umtrritft«. 
©ei  ber  gebotenen  großen  SSorficht  in  ber  gebachten 
jiehung  fomntt  (Sine«  bem  ßeljrer  fehr  ju  ftatten,  bag  nämlich  ber 
S3erftanbe«ftnne,  bereu  aller  naturgemäße  Anregung  feine  Hufgabe 
ift,  fo  biete  finb:  fo  bajj  fchon  ber  notljtoenbigen  3tüfeitigfeit 


288 


^ßbrenofagie  unb  Cir^iebun^. 


be«  Unterricht«  wegen  ein  häufiger  Söecbfet  in  ber  Anregung 
berfelben  ftattfinben  rau§.  ©ei  biefem  3öechfel  wirb  natürlich 
eine  (Srfchepfung  ober  Ueberfättigung  eine«  ©njelfinne«  nicht  fc 
leicht  ftattfinben.  SBenn  man  betn  &inbe  fur$e  3eit  ©ac^en 
(Spiere,  ütttneralien  ic.)  borgejeigt  unb  erflärt  ^at,  mag  e«  mit 
friföer  ßuft  fingen,  ober  wenn  e«  geregnet,  ober  bem  Sehrer  etwa« 
erjagt  ober  eine  förjählung  gebort  hat,  mag  e«  gern  etwa«  ju- 
fammenfefcen,  eine  £anbarbeit  machen  :c.  Uebrtgen«  oerlangt, 
wie  fich  oerfteht,  bie  ßorperbewegung  beim  ßinbe  immer  bie  erfte 
©erücffichttgung.  körperliche  Uebungen  ober  geiftige  Anregungen, 
bie  mit  förderlichen  Uebungen  oerbunben  ftnb,  foüen  baljer  bei 
bcm  Seifet  am  Ijäufigften  in  ber  SReihe  fein. 

4.    Sit  Wctnöljmmfl  ,ur  Arbeit. 

$)ie  geiftige  Selbfrthätigfeit  be«  Äinbe«,  ba«  tcbenbige  €>elbft= 
lernen  im  ©egenfafc  jum  tobten  ®clehrtwcrben  ift  noch  au«  *>em 
befonbem  ®runbe  föäfit  wichtig,  Weil  barin  jugleich  eine  Anlei* 
tung  be«  fänbe«  jut  Arbeitfamf eit  liegt.  2öir  Wtffen,  welchen 
SSerth  für  ben  3tfenfchen  bie  Arbeit  hat:  fie  ift  gleichfam  bie 
thatfachtiche  fittüche  Freiheit.  2öa«  aber  für  ben  <£rwa<hfenen 
bie  Arbeit,  ift  für  ba«  fttnb  bie  f  inbliche  Ztyitigfett,  beftehe  fie 
im  fielen  ober  in  irgenb  welkem  förderlichen  ober  geiftigen 
Z1)\m.  <So  lange  ba«  tinb  ty&tig  ift,  ift  e«  gut,  froh,  fltütf- 
lieh-  3ft  e«  ohne  Ihätigfett,  fo  wirb  e«  unjufrieben,  „unartig", 
unglücflich.  2ßeil  ba«  £hätigfein  be«  tinbe«  feine  Arbeit  ift, 
unb  weil  ba«  Arbeiten  ein  Tonnen  ift,  welche«  burdt)  Uebung 
erlernt  werben  mufj,  fo  erziehen  wir  ba«  $tnb  gur  Arbeit 
famfeit  ober  unterrichten  e«  im  Arbeiten,  inbem  wir  für  feine 
fortwährenbe  Xifäti^Uit  «Sorge  tragen. 


Digitized  by  Google 


^renofogie  unb  (Srgieftung.  £89 


XXVIII.   Sröbfl's  ütnbera.artm. 

Stört  ba8  iiinblein  md)t  in  (einem  (aßen  Zraunte, 

Sid)  mit  «Hern  teilt«  ju  füllen  in  bem  ©eltenraume. 

Sknn'4  ben  flrm  entoeflenftmft  bem  €onnenltd)t, 

SJenn  e*  feine  @$tanfe  fennt, 

Xie  e«  Don  bem  Gimmel  trennt, 

3n  bem  fel'gen  Iraume  ftört  ba«  JHnbletn  ntd&t. 

L  $it  »inUctgörtncrin. 

3nbem  id?  oon  ber  Grrgielntng,  befonberd  ber  frühen  (Srgiefyung 
fprcdje,  toic  fic  als  ber  praftiföe  £fyeU  ber  ^Phrenologie  ftcfy  bar* 
[teilt,  barf  icfy  ftr&bel  in*  feinem  Äinbergarten  gu  ermähnen  nidjt 
unterlaffen.  3dt)  erlaube  mir,  ein  bon  einer  Äinbergärtnerin  ber- 
öff  entließe«  Slatt  „ftriebrich  grt&ef«  tfinbergärten*  (gebrueft  in 
2fteiningen  unb  unterzeichnet:  „Ä.  .  .  I.  £).  @<$."),  toetcfye«  ben 
©etft  ber  ^r&bel'^en  (^iefnmgStoeifc  (c^x  gut  anbeutet,  ^ier 
mtebergugeben. 

„  2öir  werben  in  unferem  gangen  ©encljmen  gegen* 

über  ben  ftinbem  bon  bem  Gebauten  geleitet,  ba§  nur  gute  Strafte 
in  ben  9Eenf$en  niebergelegt  finb,  in  bereu  3ufammentoirfen 
feine  Söcftimmung  nu?t:  baft  bie  in  bie  Gsrfctyeinung  tretenben 
8>efyler  unb  ®ebre<$en  nur  bie  ^olge  einer  einfettigen  Qrnttuicflung 
finb.  @o  erfenne  ic$  in  ber  fogenannten  Ungegogenljeit ,  bem 
ausgearteten  Uebermutlj,  nur  einen  tteberfcfyujj  einer  $raft; 
fetyon  ba$  Sßort  begeietynet  e$:  tlcbermutlj.  Die  p^fifc^e  ftraft 
ift  ber  geiftigen  übertoactyfen ,  man  gebe  iljr  eine  gute  SKicfytung 
unb  ®ebanfen.  3U8W  tufe  t$  gern  eine  enttoicfelte  gute  ©gen* 
fcfyaft  in  bem  Äinbe  mir  31t  £ilfe  auf  gegen  feine  fteljler,  bor* 
^tigtict)  aber  ben  eigenen  guten  SBillen,  inbem  i#  ba«  ®ute  lebenbig 
in  tfmt  mac^e.  @o  gelang  eS  mir  in  ^urgent,  einen  äu&erft 
milben,  unbänbigen  ftnaben,  bem  eine  ruhige  ©cföäftigung  ober 
ein  georbnete«  Spiel  eine  Unmßgttctyfeit  fetyien,  511  bänbigen.  «Sein 
treue«,  leicht  fi$  färbenbe«  ®cficf>t  berrietty  mir  balb  ein  gu 
toeefenbe«  9te<$t»*  ober  ^rgefü^l  in  ifmt.  3$  (teilte  tyn  an 
mir  gu  Reifen,  föedjt  unb  Drbnung  fycrjuftellen ,  ilmt 
geigte,  tote  ityre  Slbmefenfyett  ba$  ®ange  fte-rc ;  idlj  ließ  i^n  bie  im 

SdK»e,  $l)renoIoflifdj<r  «Über.  3.  Hufl.  19 


290 


©arten  ficfy  berfüegenbcn  ftinber  fyerbeitjolcn ,  ober  mit  <Sorge 
tragen,  baß  fte  an  iljren  $(ä$en  blieben,  üorjügücl)  burcty  eigene« 
gute«  ©cifpiet:  baß  bie  33efcfyäftigung«mtttet  rein  gehalten  unb 
gut  au$*  unb  eingepacft  mürben;  icfy  lieft  tyn  beim  kommen  unb 
beim  gortgetjen  oorau«gefyen ,  mit  bem  Auftrage,  at«  93orbitb 
guten  betragen«  gu  bienen,  unb  e«  mar  munberbar,  tote  plöfclicfy 
ba«  gange  SBefen  biefe«  Knaben  gebügelt  mar.  3Wit  ma^r^after 
«egeifterung  fyiett  er  ficfy  im  3aume,  unb  biefe  öegetfterung  über* 
trug  er  gugteidfc  auf  micfy;  meinen  Stugen  laufctyte  er  mirflicij  ab, 
ma«  i#  bon  tym  münfd&te.  Ocfy  bin  öfter«  gefragt  morben,  melier 
3auber  bie  Äinber  fo  rafcfy  an  midj  fcffctc  unb  fie  gum  ©efyorfam 
gminge,  ofyne  bafj  idj  fie  in  gurc^t  unb  «Strenge  tjatte?  9flein 
unerfd&ütterüd&er  ©taube  an  ba«  ®ute  in  iljnen  ift  e«!  unb  in* 
bem  id?  e«  ifynen  gum  eigenen  ©cfüfyl  unb  gur  Grrfcfyetnung  bringe, 
merben  fie  mir  banfbar  unb  liebreicty." 

„drin  einziger  $nabe  mad^te  mir  mirflicfy  einen  2)?onat  Sorge: 
er  fcfyien  förmlich  ^reube  baran  gu  finben,  anbere  Äinber  gu 
quäten;  er  ftac^  unb  fniff  fie  ljeimti<$,  menn  fie  gang  ruljig  unb 
unbefümmert  ba  fajjen.  £)abct  mar  ifmt  mie  ein  böfe«  ©emiffen 
in«  ©eficfyt  getrieben,  unb  mir  ging  er  mBglid>ft  au«  bem  SBegc. 
SRatürlicty  fonnte  icfy  foldje  Uebettfyaten  an  anbern  kinbern  nictyt 
otnie  23ormürfe  fyingeljen  laffen,  i$  mufjte  aber  motyl,  bafc  biefe 
nur  bie  anbcrn  Äinber  beföüfeten,  aber  ben  ^äfjlictyen  Erieb  in 
ifmt  nid&t  aufhoben,  nur  fein  berftetfte«  Sßkfen  nodj  begünftigten. 
3$  fuc^te  mir  batbigft  über  bie  Urfad&e  feine«  Söefen«  flar  gu 
merben.  3$  bemerfte,  bafj  er  für  fein  Sitter  fetyr  unentmicfelt, 
geiftig  gang  gurücfgebtieben  mar;  bie  körperhaft  Ijatte  ftcfy  aud? 
einfeitig  entmicfett  unb  mirfte  nun  oljne  ©emütlj  unb  oljne  SBer- 
ftanb;  bie  ©trafen  aber,  bie  fein  Sßefen  iljm  gugegogen,  fyatten 
iljm  nur  $)intertift  geteert.  9J?eme  Stufgabe  mar  nun,  fein  ©e* 
mütlj  gu  ermannen  unb  SBerftanb  in  iljm  gu  ermecfen,  i<$  gog  tyn 
in  meine  9lätje,  icfy  heftete  mein  Slugc  auf  iljn,  menn  tc$  etma« 
erftärtc ;  menn  idj  ©Uber  Ijerumgeigte,  mie«  it$  fie  itjm  guerft,  i($ 
fragte  itjn  guerft  bei  ben  ©emegung«fpieten,  ob  er  mit  unter  ben 
$)arftettenben  fein  motte;  ba«  gab  tym,  ber  matyrf#einlic$  fcbon 
tange  nur  an  «Strafen  unb  3urücffefeung  gemeint  mar,  ben  (Sin- 


Digitized  by 


^renotogie  unb  (Srjiefcung. 


291 


brucf  einer  ^eoorjugung  oon  metner  Seite  unb  frtföte  sugtetc$ 
immer  feine  Slufmerffamfeit  an.  Grs  mäbrte  ni$t  fange,  baß  er 
mi$  nt<$t  mefjr  mieb,  fonbertt  mid;  inntgft  liebte,  un$  inbem  fein 
®emüty  marm  mürbe  unb  jugtetcf>  3ntereffe  in  ttmt  rege,  Nörten 
oon  fetbft  jene  Weinen  ©Odetten  auf.  Sein  ®eftd)t  Karte  ficb 
förmüd)  auf.* 

„3$  fyatte  nocfy  ein  Hebte*  SWä'bd&en  mit  einem  f?ä§tid^cn 
9tu«brucf  im  (&efid?tcfyen:  e«  mar  ber  einer  entfcfyieben  rof)en  Stnm 
licfyfeit ;  babet  mar  fie  tj efttg,  teibenfcfyaftticfy  in  aüm  Weiterungen 
unb  geigte  für  jebcn  ®egenftanb  entmeber  eine  ungebänbigte  9fcel* 
gung  ober  Abneigung.  Stuf  ba$  (Sffen  fyattc  fie  eine  mafyrfyaft 
mitbe  ®ier;  menn  ifyr  ba$  ^rü^ftücfen  einfiel  unb  e$  mürbe  itjr 
nocfy  oermeigert,  mottle  fie  ficfy  ober  ein  anbercs  &inb  beiden,  3ljr 
SBefen  mar  burc$  eine  fetjr  lebenbige  unb  ungesitgette  $f)antafie 
oerantajjt,  unb  e$  galt,  biefe  in  eine  angemeffene  ®aljn  ju  teufen, 
inbem  fünftterifc^e  (Stemente  in  iljr  gemetft  mürben ;  tcfy  fanb  unb 
regte  befonberS  Stift  unb  latent  jum  S3aueu  in  tyr  an,  mte  ju 
ctynttcfyen  «einen  «efdjäftigungen ;  fie  mirb  fpäter  mit  ®efö"* 
jeidmen.  SBorjügltc^  fwfyte  icfy  fie  ju  eigenen  (Srfinbungen  auf-- 
gumuntcrn,  inbem  i$  $ugtei#  ben  Sd&&m>it$finn  in  ifyr  anregte. 
So  mürbe  tfyre  ^antafte  gebitbet  unb  gefeffett,  inbem  fie  bo$ 
Sugleitty  ben  töaum  getoann,  ftd?  frifdj  auSjuteben.  ÜDie  (Sntmtcf* 
tung  ber  georbneten  ^ßrobucttonäfraft  unb  beä  äfttjetifdfyen  ®efüt)l8 
tft  ber  Söeg  jum  moratifcfyen  9J?enf$en.  £)a$  Heine  9ftäbc$en 
mürbe  gefitteter  in  iljrem  ganjen  $öefen  unb  aucfy  ifyre  $üge  8C= 
mannen  einen  ebteren  2lu$brurf.  bei  einem  Knaben  tjabe  i<$ 
SRofyfyeit,  menn  aucfy  tu  anberer  ftoxm,  burtfy  fünfttertfd^e  (5ttt* 
mirfungen  bedungen.  (5r  fanb  nur  Vergnügen  im  Schreien  unb 
£oben;  i$  bemühte  micf>,  aucfy  in  itjm  ba«  äfttycttfctye  ®efül)(  gu 
mecfen,  burcty  (Sefang,  burdj  ©auen,  ftnnmetrtfctye  Figuren  u.  f.  m., 
inbem  i$  tyn  übcralt  auf  ba«  S$5ne  aufmerffam  machte,  unb  fo 
mährte  e«  nid^t  tauge,  baß  itjm  ba«  Schreien  unb  atte«  rol;e 
£)ur#etnanber  $umtber  mürbe.  Unb  jur  Anregung  ber  einen  $in* 
ber  bienen  bie  $)arfteüungen  ber.  anbem:  ba$  oon  einem  fönbe 
©eteiftete  mirft  am  tebenbigften  mieber  auf  ein  fttnb.  So  gelingt 
e«  mir  immer  mefyr,  bei  einem  fefyr  gebanfentofen  Knaben,  inbem 

19* 


292 


icty  bei  allen  33efcfyäftigungen  feine  9(ufinerffamfett  auf  bie  pfjan= 
tafiereitfyften  ftinber  lenfe,  <{$l?antafie  in  ifym  felbft  $u  meefen. 
Bugleic^  Ott  er  an  Vertrauen  $u  fid>  felbft;  aber  ba*  ©eifpiel 
an  anbern  ftinbern,  bafc  fie  etma*  (elften  fönnen,  giebt  ifmt  mefyr 
üfluty  unb  aöiUenSfraft." 

fyaben  nur  ein  <ßaar  gäUe  ftattgefunben ,  too  i<$  mit 
mitflutyer  Strenge  berfabren  bin.  (Sin  noeb  jiemlicfy  Heiner  tnabe, 
energifefy  in  feinen  formen,  in  offen  ^Bewegungen,  ging  immer* 
fort  feinen  eigenen  $ßeg  im  $inbergarten,  feine  unferer  $pf$äf* 
tigungen  rührte  ifyn;  icfy  richtete  aber  auefy  feine  unmittelbare 
ftufforberung  an  iljn,  bt$  er  3clt  fle^abt  fyatte,  fiefy  ju  geronnen 
unb  fein  SSiberftanb  Grigenfinn  nmrbe.  £)a  Ijiclt  icfy  iljn  einmal 
bei  einer  befonberen  äBtberfefclicfyfeit  fo  lange  in  einet  (Scfe  ge= 
fangen,  biä  er  fidj  bereit  crflärte,  511  tljun,  toaä  icfy  bon  ifym  ber- 
langte,  n>a«  erft  naefy  unjäljligen  abfcfyläglic^en  Slntroorten  gefcfyafy. 
iBon  biefem  Slugenblttf  an  Ijat  biefer  $nabe  nie  toieber  eine  «Spur 
t>on  Ungeljorfam  gejeigt,  er  ift  ber  eifrigfte  bon  allen,  unb  no<$ 
baju  liebt  er  mic$  unbef$reibli#  feit  jener  «Scene.  <Solc$e  (£§a* 
raftere  gewinnt  man  nur,  inbem  man  fiety  ftärfer  jeigt,  als  fie  felbft 
finb;  aber  man  $üte  fic$,  ju  frity,  »enn  ifyr  Söiberftanb  no$  in 
tyrer  urfprüngticfyen  Sflatur  begrünbet  ift,  mit  Strenge  einui* 
f breiten :  bann  »irb  man  nie  einen  toofyltfyätigen  (Sinflujj  auf  fie 
üben,  benn  fie  Ijaben  ben  (Sinbrurf  einer  Ungerectytigfeit  empfangen. 
Sin  anbrer  ftaU,  too  icfy  »Strenge  anmenben  mußte,  tt>ar  bei  einem 
Knaben  gatu,  entgegengefefcter  Slrt;  e$  toar  eine  entfcfyiebene 
Äünftlernatur,  ber  es  fo  ferner  nrirb,  mit  ifyrer  reiben  ^fjantafie 
fitfy  an  ®efe§  unb  Orbnung  ju  fnüpfen.  3$  überlief?  iljn  erft 
einige  3e*r  feinen  eigenen  3been  unb  eö  mar  toirflidj  reijenb,  iljn 
in  feiner  ganjen  Unmittelbarfett  an$ufc$auen:  er  nimmt  gern  an 
Spielen  £fjett,  bie  irgenb  eine  fünftlerifdje  ftorm  Ijaben,  aber 
unroillfürlic^  trifft  er  überall  Slbänberungen,  e«  ift  ifym  gar  nicfyt 
m&gli$,  fi<$  ganj  in  fremben  ©ebanfen  ju  bewegen,  er  mufj  überall 
eigene  lu'nutfügen,  bie  fremben  bienen  ifjm  nur  jur  Unterhaltung, 
nur  jur  Anregung  eigner.  £ier  laffe  i<$  i$n  ftet«  gewähren: 
boeb  feine  ftreiljeit  muß  genau  ifyre  ©renjen  fyaben:  ba  namlid), 
reo  beu  ©cfyorfam  nietyt  ®ebanfcn  erfefeen,  fonbern  Saune  unb 


Digitized  by  Google 


^renologie  unb  erjie^uuß.  293 

(Sigentoille  eintritt.  3*  kartete  aber  too^l  ab,  bi«  i*  ber  giebe 
btefe«  ftinbe«  gang  fi*er  mar,  elje  i*  mit  Strenge  gegen  feine 
Zäunen  eintritt:  inbem  er  mi*  aber  liebte,  mar  er  au*  oon 
meiner  £iebe  no*  in  ber  «Strenge  übergeugt,  imb  fo  füllte  er  ba* 
bei  feine  rautye  $>anb." 

„  3*  füfjre  bte  tinber  au*  felbft,  fo  meit  i^re  einfielt  reicht, 
mit  ein  in  ba«  93erftänbnife  eine«  für  ba«  anbere,  i*  geige  tljnen 
bie  S*toä*c  be«  einen  unb  laffe  fie  in  Hjrem  ®efütyle  9fltlbe 
mit  mir  üben,  unb  geige  ilntcn  bie  Gräfte  anberer  unb  laffe  fie 
meine  5lnfprtt*e  mit  er!enncn.  $u*  roeljre  i*  ilnten  nt*t,  hn'c 
e«  geioBfynti*  in  ben  S*ulen  ber  ftall  tft,  bafe  eine«  ba«  anbere 
unterfrüfce,  fonbern  forbere  fie  bagu  auf;  bie  gange  ©elt  befteljt 
ja  au«  ben  Unterftüfeungen ,  bie  Shter  bem  Hnbem  leiftet:  fie 
forbern  fi*  aber  fetbft  auf,  auf  eigenen  ftüfeen  gu  ftefjen,  unb 
nehmen  gegenfeitig  Slntljeil  an  ifyren  Seiftungen.  So  regen  fie 
ft*  gur  ^ätigfeit  an.  3nbem  faft  «de«  gemeinf*aftlt*e  21tt= 
gelegenljeit  toirb,  verbreitet  fi*  über  ben  tinbergarten  immer  metyr 
®emtitfjli*fett,  unb  fie  ift  grofeentfjeil«  mit  ber  Sauber,  ben  er 
über  bie  tinber  übt.  (5«  ift  tounberbar  gu  flauen,  meiere  SBer* 
änberung  in  ba«  freie  Spiel  ber  tinber  tritt.  3m  Anfange,  in 
iljrer  freien  &eit,  toben  fie  nur  toüft  unb  oereingelt  untrer,  jebe« 
eigener  £aune  folgenb;  balb  aber  fommen  ®ebanfen  in  iljre 
Spiele  unb  fie  oereinigen  ft*,  fie  geben  ben  Qrgoi«mu«  auf,  um 
gu  einem  (fangen  gu  gelangen.  3Bie  ber  (§goi«mu«  ben  $inbern 
überhaupt  bei  biefer  <&emeinfamfett  oerf*toinbet ,  baoon  Ijabe  i* 
f*5ne  Söeifpiele  erlebt,  rote  benn  oon  Xag  gu  Xag  meljr  fittli*e« 
Streben  in  iljnen  rege  mirb.  So  giebt  e«  au*  feine  35er^eim* 
li*ung  eine«  £$ergefyen«  bei  un«,  inbem  feine  $ur*t  bie  kleinen 
irgenb  mir  fem  fyält;  fie  fommen  unb  flagen  mir  e«  glet*fam, 
toenn  fie  ctma«  begangen,  bamit  tfynen  ba«  §erg  mieber  lei*t 
toerbe,  inbem  i*  e«  ilmen  oergetye  unb  tfmen  aftutfy  gu  fi*  fetbft 
gurütfgebe,  inbem  i*  für  bie  jjutonft  an  tfjren  guten  SfötHen 
appclltre.  Cr«  ift  lotrfli*  rüljrenb,  tote  f*on  na*  einigen  £agen 
bie  SHnber  mir  am  SWorgen  mit  ber  freubigen  23erfi*erung  ent* 
gegenf ommen :  fie  tooüett  gut  fein.  ?llle  Talente,  alle  SMlbung 
gelten  mir  nirgenb«  al«  ftmed,  fonbern  al«  Littel  gur  Sittlt** 


Digitized  by  Google 


294 


^renofogie  unb  (Srjte&ung. 


feit.  Dtefe«  ®efüljl  atfymct  aucfy  in  meinen  äinbern,  unb  mit 
jebem  Jage  fingen  fie  ifyr  ((eine«  fromme«  3ftorgenlieb  mit  mefyr 
$lnba#t,  mit  fid>tlid)erer  Hebung.  <S«  taucht  jumeiten  ba«  35er- 
urteil  auf,  ber  ^übergärten  fei  atfjeiftifctyer  ftatur.  SWan  mufe 
nur  bie  ßinber  iijx  s3)torgenlieb  fingen  työren  unb  man  toirb  ben 
3rrtfyum  erfennen.  Uebrigen«,  ift  ein  itinbergarten  au$  äujjerlicty 
nadj  ftr.  gröber«  ^orfdbrift  au«geftattet,  fo  fcbmücft  tyn  ba«  be* 
fannte  SBilb,  mo  Gljrtftu«  oie  &inber  um  fic$  oerfamtnelt  mit  bem 
Spruche:  „Vaffet  bie  ftinblein  ju  mir  fommen  unb  mehret  üjncn 
nkfy,  benn  folcf>er  ift  ba«  föeicfy  ©otte«"/ 

2.  Gräbel  unb  bie  Wrcnoloßie. 

3n  ben  oorfteljenben  3üa,en  fyat  bie  Söerfafferin  ben  C^cift 
einer  wahren  (5r$iefyung  gejetcfynet.  9)?an  fonnte  oft  glauben, 
ftri>bel  muffe  bie  Phrenologie  gefannt  ^aben,  loa«  nicfyt  fo  mar. 
ftröbel  hat  mit  genialem  23licf  bie  (Sinfjeit  ton  Grrjieljung  unb 
Unterricht  erfannt  unb  burch  feine  SBefctyäftigungen  unb  Spiele 
in«  Veben  geführt.  3eber  (hjtefjer  follte  tenntnifc  toon  biefer 
§actye  nehmen.  (Sin  $inbergarten  fann  natürlich  jebe  ftamilic 
fein,  mo  eine  3a^t  oon  $inbern  auf  oernünftige  ©eife  erlogen 
toirb.  Da  probet  bie  Phänologie  nicht  fannte,  fo  verfiel  er  in 
einige  (Jinfeitigfeiten.  So  ift  $.  ^encratal  al«  ber  @inn  be« 
religiBfen  ©efühl«  oon  ihm  gar  nicht  beamtet,  ma«  otelfach  ge= 
tabelt  ift.  Unfere  2?erfafferm  meint  jtoar,  ba«  $inb  finge  mit 
5lnbact)t  fein  üDJorgenlieb ;  allein  ba«  Singen  ift  für  ba«  $mb 
nur  eine  allgemeine  ®ef ü^I«anregung :  für  ba«  befonbere 
(Gefühl  ber  9lnbacht  aber  bebarf  e«  auch  eine«  befonberen  £ei$en6 
ober  2lu«brucf«,  ctma  täglich  einiger  furzen  ©orte  ber  8tnbad;t 
au«  ben  §erjen  ber  Sinber  gefprochen:  benn  toicl  foü  nicht  unb 
c-arf  nicht  gegeben  werben.  Da«  ftormitat  unb  ßonftruetat  t)at 
probet  berhältmfemä&ig  $u  biet,  ba«  Realität  ju  menig  berücf* 
ficfyttgt.  Da«  ßinb  brauet  jur  geiftigen  Nahrung  juerft  bie  Dinge 
felbft  in  ihrer  großen  2ftanntchfaftigfcit ,  bann  erft  bie  formen 
unb  ba«  «Schaffen  mit  ben  Dingen.  @«  müffen  in  einem  tinber* 
garten  paffenbe  Dinge  alter  2trt  gefammelt  fein :  jeben  Jag  müffen 
bie  fttnber  ctma«  ihnen  3ntereffante«  fehen  unb  erflä'rt  befommen. 


Digitized  by  Google 


^renologie  uub  erjic^ung.  295 

£)ie  Sache  be«  Sinbergarten«  mirb  feljr  gefördert  merben,  menn 
man  fidt)  enbtich  toon  ber  b  I  i  n  b  e  n  Nachfolge  ftröbef«  frei  macht. 


XXIX.  $ut  (6rl)irnlcl)Vf. 

©elf  «nb  SHciifdien  bcticrrft^t,  o  ©etoo&Hljeü,  bcin  typtet :  —  nur  Chuet, 
.  t  l  >  i  t1  i  C_  i  *]  i  l  .  1 1 i  n  LI t  t  n  n  Lh  t    du  n  1 1  11  In  i  D  i  rt  *  * 

1.  $ic  »cwepng  m  (WrnS. 

$öir  Ijaben  gefehen,  nrie  genau  bic  ®ctfte«fraft  (bic  Äraft 
be«  SBerftanbe«,  be«  ©emütt}«,  bie  SBMllenSfraft  ic.)  burcfy  ba« 
©ehirn  mit  ber  allgemeinen  körperhaft  $ufammenhängt.  9lüe« 
baljer,  ma«  toir  jutefet  ausführlich  über  bie  Jöilbung  be«  (Sha= 
raftcr«,  be«  ®emüth«,  be«  SBerftanbe«  beim  Äinbe  gefagt,  fte^t 
in  ber  engften  Begehung  $ur  allgemeinen  $raft  nnb  ®efunbl;eit 
be«  törper«.  2)ie  ftrage  liegt  hier  nahe  nnb  mirb  oft  geftettt, 
ob,  menn  ber  ©eift  burd)  bie  (Srjie^nng  einen  oeränberten  <5in* 
flufe  erfährt,  auch  ba«  ©e^irn  ein  biefem  ©nffojj  entfyrechenbe« 
38  ad?  «thum  jeige?  3a:  benn  ba«  Gehirn  at«  Xtyii  be«  $ör* 
per*  unterliegt  aßen  förderlichen  ®efefeen.  £)a&  bie  Uebung  be« 
©ehtrn«  in  einer  Bewegung  beffelben  befteht,  oerfteht  ftch  oon 
felbft:  im  ©ehirn  ift  eine  Bemegung,  inbem  mir  motten  ober 
füllen  ober  benfen,  mte  im  Sluge  beim  ©ehen,  im  Ohr  beim 
Spören  eine  Bewegung  ift.  ü)ian  ^at  bei  «Schäbelberlefcungen, 
menn  ba«  (Gehirn  blojj  lag,  Beobachtungen  über  biefe  Belegung 
gemalt.  2öenn  ber  kranfe  fchüef  ober  ru^ig  mar,  fo  jeigte  ba« 
■  ®efyim  feine  befonbere  Bewegung:  mar  er  aber  geiftig  aufgeregt, 
fo  f  a^  man  eine  gemiffe  befonbere  Bewegung  be«  Gehirn«.  2öenn 
mir  angeftrengt  nac^benfen,  fo  füllen  mir  —  wenn  mir  auf  un« 
aufmerffam  finb  —  bafc  biefe«  9cachbenfen  im  Borberfopf  an  ber 
oberen  ©tirne  geflieht,  mir  fügten  babei  uns  förderlich  marm 
merben,  ba«  Blut  un«  nach  ^«>Pf«  fernen.  £>aj  aber  biefe 
Bewegung  be«  ®ehtrn«,  metche  eine  größere  Blutjuftrömung  gur 
ftolge  hat,  auch  tim  ftärfere  (Srna'hrung,  ftä'rfere«  Sad?«* 
thum  beffelben  jur  golge  haben  mirb  unb  mu§,  ergiebt  fich  bon 


Digitized  by  Google 


296  ^reitolegie  unb  erjic&ung. 

felbft.  SStttl  hat  wohl  gemeint,  ba«  ($ehitn  fönne  be«  Ratten 
©chabelfnochon*  wegen  iiic^t  warfen,  fich  nicht  au«behnen.  $(bcr 
ba  ja  auch  bct  Schäbel  wächft,  ba  ber  bc«  2)Janne«  grefcer  ift, 
al«  ber  be«  ttnbc«,  f  o  tutrb  et  etwa«  mehr  ober  w  e  n  i  g  e  r  warfen, 
jenacbbcm  ba«  (Gehirn  mehr  ober  weniger  wächft. 

2.  Sic  ©cwolm&eit. 

Die  Uebung  ober  ©cwegung  be«  (Gehirn«  untcrftüfet  nicht 
blo«  in  ber  eben  betrachteten  Seife  Ernährung  unb  28ach«thum, 
unb  ift  folglich  eine  .©ebingung  ber  traftftetgerung,  fonbern  bie 
Uebung  ober  ©ewegung  fyat  auch  einen  Serth  für  fich,  inbem  fie 
bie  ©ebingung  ber  (förderlichen  unb  geiftigen)  ©ilbung  ift, 
ober,  toie  man  fagen  Kamt,  inbem  bie  ©Übung  in  ber  Uebung 
befielt,  Uebung  unb  ©ilbung  (Sin«  finb.  3Bcnn  wir  eine  fbrper* 
liehe  ©«wegimg  jum  erftenmal  machen,  fo  foftet  und  biefelbe  biet* 
leicht  einige  Slnftrengung ;  wicberljolen  wir  fie,  fo  wirb  fie  leichter 
unb  letzter,  bis  fie  bei  lange  fortgefefcter  ©ieberfyolung  faft  ohne 
alle  $luftrengung  gefdjefyen,  faft  $ur  unwillfürUchen  werben  fann. 
©eint  tlamerfptel  $.  ©.  bebarf  c«  jwar  eine«theil«  ber  traft 
als  folcher,  aber  anberntheil«  borjügltch  auch  ber  Uebung  ober  ber 
©ilbung  ber  traft.  33om  Reifte  gilt  ganj  baffelbe.  @«  bebarf 
|u  allen  geiftigen  ^ätigfeiten  oor  allem  ber  traft,  aber  biefe 
traft  wirb  befto  mehr  letften,  je  mehr  fie  burch  ©ieberholung 
b*>r  Shätigfcit  geübt,  gebilbet  ift.  SDiefe  Uebung  ober  ©ilbung 
nennen  wir  auch  (Gewohnheit.  Die  befannte  unb  biet  berufene, 
aber  boch  für  bie  Grrjtehung  lange  nicht  genug  benufetc  Sftacht  bet 
(Gewohnheit  ift  nicht«  anbere«,  al«  bie  2)tocfyt  ber  Uebung  ober 
ber  ©ilbung.  £)ic  ganje  Qrr$iehung  beruht  bafyer  neben  ber  traft« 
ftetgerung  auf  ber  (Gewohnheit.  3Bie  ba«  £after,  fo  ift  bie 
Xugenb,  unb  fie  foll  eine  (Gewohnheit  fein.  ÜDa«  (Gefefc  ber  (Ge* 
wo^n^cit  ift,  wie  au«  beut  (Gejagten  erhellt,  bajj  Jebe«  (förderliche 
unb  geiftige)  £hun  ba«  folgenbe  gleite  Xtntn  erleichtert,  unb  ba« 
folgenbe  entgegengefefcte  ober  anber«artige  £fjun  erfchwert.  3n 
biefen  ©orten  ift  bie  2tfacht  unb  bie  Pflicht  be«  (Richer«  au«* 
gefproc^en.  2öenn  man  ergehen  will,  fo  ergehe  man  früh- 
3Ean  übertaffe  nicht  ba«  erfte  Sfym  ber  Leitung  be«  Bufalt«, 


Digitized  by  Google 


^tyrenotogie  unb  (Srjtc^ung.  297 

bcnn  btefe  Leitung  fömtte  eine  fatfetye  fein,  unb  eine  fpätere  ri<h* 
tige  Leitung  f&nnte  f#tt>er  ober  auch  unmöglich  toerben. 

3.  2>ie  Organcntetre. 

£>ie  ^tenologte  at«  Organ  enterte  ift  in  mehreren  53e= 
jungen  für  bie  (Srjiehung  ton  h*h«  ©ichtigfett.  1)  Vlify 
toenige  Hinber  fjaben  oon  (Geburt  eine  mehr  ober  mtnber  un* 
günftige  Organisation ,  b.  h-  ein  ober  einige  niebere  (Sinne 
finb  bei  Unten  oorragenb  [tat!  unb  fo  bie  Anlage  ju  biefer  ober 
jener  l'eibenfchaft  sorhanben.  £>ter  ift  e«  wichtig,  btefe  Zutage  früt) 
genug  ju  fennen,  um  mit  aller  Sluftnerffamfcit  ber  SluSbilbung  ber 
Ceibenfchaftcn  vorbeugen  gu  fönnen.  2)  33iele  $tttber  haben  eine 
jtoar  nic^t  ungünftige,  aber  mehr  ober  minber  eigentümliche 
Organifation,  fo  baß  ifyr  (Sfyarafter  oom  Crrjieher  nur  fd^toer  unb 
oft  unrichtig  oerftanben  nnrb,  ma8  bann  leicht  jtt  einer  fester« 
haften  Söehanbluttg  be$  $inbe$  füfyrt.  <So  fann  j.  ©.  ba$,  toa8 
man  beim  fönbe  „(Stgenfinn*  ju  nennen  pflegt,  au«  großem 
ftirmital,  ober  großem  3pfotal,  ober  großem  ßonf dental,  ober 
großem  Oppofital,  ober  geringem  SBeneratat  :c.  ^eroorge^en  unb 
mirb  fo  in  beut  einen  ober  bem  anbern  ftalte.bie  eine  ober  bie 
anbere  Jöehanblung  beS  tinbe«  forbertt.  Uc&erfyaupt  totrb  in 
alten  fällen  bie  grünbliche  ftenntnifj  be*  ^aratter«  be«  tinbe* 
für  bie  (grjie^ung  große  (grletthterung  gewähren.  3)  ftür  ben 
Unterricht  föon  beö  finbeS,  unb  noch  mehr  für  ben  be«  5hta* 
ben  unb  b«S  SüngtingS,  atfo  für  bie  ©erufStoahl ,  ift  e$  not^ 
toenbig  ju  toiffen,  ob  mehr  eine  gleichmäßige  ober,  hnc  nicht 
feto,  eine  mehr  einfei  tige  Organifation  oorliegt,  b.  h«  ob  bie 
befonbere  Starte  einiger  Neigungen  ober  Talente  ba$  $inb  »er* 
$ug«toetfe  gu  einem  beftimmten  ^Kiif  befähigt,  ober  ju  einem  be* 
ftiramten  Jöeruf  unfähig  macht. 

$)a  in  allen  entfcfyieben  ausgekrochenen,  atfo  in  atten  p  r  a  f  • 
t  i  f  ch  toic^tigen  hätten  bie  Organentehre  über  bie  geiftige  Dich- 
tung be*  ßinbe«  toiffenf<hafttich  fixere  2lu$funft  giebt,  fo  toirb  ber 
©egen,  ber  l^rau«  für  bie  (£r$tefnmg  in  atten  ben  genannten 
Beziehungen  hervorgeht,  grofe  unb  oielfeitig  fein. 


Digitized  by  Google 


298 


'■Phrenologie  unb  <5r$ie&ung. 


XXX.   3ur  tffiftotytt, 

■ciitu  t|t  Dt»  «uniaKiie  uno  oee  vonrn»  cpiri 
3n  vrget  Vtenfdjfngeifter  buntem  fieben ; 
«in«  tft  sulefct  bet  beißet  einig  8icl, 
«ad?  oben  ift'*,  »ob,in  fle  aDe  ffteben. 

Dem,  wa«  wir  bi«l)er  über  bie  (Srjiefyung  be«  Keinen  Sinbe« 
gefagt,  möge  ne$  Senige«  über  bie  (Jrjiefyung  —  bie  ßntwtcfhmg 
ber  inneren  @inne  —  metyr  be«  reiferen  Stube«  folgen. 

(Sin  gewiffer  niebererSinn  erwacht  befanntüfy  bei  ben&inbern, 
bei  weld&en  er  fe^r  ftar!  ift,  oft  ungewelmli^  fdty.  £ier  ift  bie 
grö&te  «Sorgfalt,  unb  früfy  genug  anjutoenben,  um  für  ba«  #inb 
Unglücf  JU  oerpten.  lluabläffige  SÖefcfyäftigung  be«  tinbe«, 
fikperttcfye  Bewegung,  wenig  3D?orgenfcf/laf,  feine  reijenben,  erln'feen* 
ben  ^Speifen  unb  ©etranfe  —  ©eljtttung  oor  fd&limmer  (Sefeüf^aft. 

£>em  Oppofitaf,  welche«  ftcfy  beim  Knaben  früfy  geltenb  %\\ 
machen  pflegt,  wefjre  man  nidfyt  aüjufe^r:  ber  $nabe  möge  ftdj 
bi«weiten  raufen.  9Weljr  at«  Oppofitat  bebarf  Slctital  ber  erjieljen* 
ben  Leitung  beim  Knaben,  ba  biefe  Leitung  ton  Statur  gew&ljnliify 
etwa«  fpät  eintritt.  Der  tnqbe  ift  jerftßrimg«f listig,  au<$  grau* 
fam,  $.  Sb.  gegen  ©d^mettertinge.  Dafyer  fott  ber  Änabe  nitfyt 
fotcfye  ©ammtungen  anlegen,  ©ei  gutgearteten  (Sljarafteren  bebarf 
c«  tyier  nur  eine«  Söorte«  ber  Vernunft  unb  ber  2ttenf$li#feit. 
richtige  Leitung  be«  gdital  ift  fe^r  gut  baburd&  bejeidjnet,  bafc 
biefer  ©inn  im  Sefen  £$ätigfeit«finn  ift.  3erftören  unb  Schaffen 
ift  in  ©ejug  auf  ben  baju  fü^renben  Naturtrieb  (Sin«  unb  ba«* 
felbe.  Da«  unvernünftige  £inb  jerft&rt,  ber  oernünftige  2ttann 
fdfrafft.  Senn  ba«  ßinb  ni$t  ben  3Kutytoiaen  be«  3erft8ren« 
fyat,  fo  n>trb  ber  2ttann  ber  Sfraft  be«  ©Raffen«  entbehren.  Da« 
$inb  mujj  aber  nid^t  jerftören,  e«  muj?  nur  tljätig  fein.  SBenn 
ba«  $inb  feine  Äraft  red^t  frtitj  an  richtig  geleiteter  £ljätigfeit 
fättigen  lernt,  befto  beffer. 

Um  ba«  Stcquifitat  beim  Äinbe  fitfy  entwicfeln,  fiefy  ^fättigen" 
ju  (äffen,  gebe  man  ifym  früfoetttg  ®e(b  in  bie  §änbe.  2ttit  bem 
®e(be  richtig  umjuge^en,  ift  eine  ftimft,  welche  ber  Sftenfcfy  fernen 
muj?.    Die  (5rfafyrung  jeigt,  bajj  wenn  erwacfyfene  junge  Seute 


Digitized  by  Google 


Wrenofoflic  unb  ersic^ung.  299 


^l&felicty  btefc  Shmft,  ofyne  fie  gelernt  gu  Ijaben,  üben  f  ollen,  fie 
oft  barin  fd^tec^t  befte^en. 

SBenn  (Sautat  oon  9iatur  fetyr  groß  ift,  fo  tritt  e«  Beim 
ftütb  oft  at«  (unbeftimmte)  gurd^t  auf.  Aucty  ba«  f<$on  ältere, 
berftänbtgere  Ätnb  fürchtet  ficfy  j.  ®.  im  £)unfetn  $u  fein  ic, 
ofme  baß  eine  falfcty  geleitete  $tyantafie  (burcfy  Ammenmärchen  ic.) 
bte  Urfacfye  Neroon  ift.  Sftan  fdjrette  tyier  nidjt  getoaltfam  ein: 
biefe  fturctyt  oerliert  fid?  fpäter  bon  fetbft.  3ft  Sautal  bei  einem 
$inbc  fefyr  fcfyioacfy,  fo  fyalte  man  baffelbe,  »0  e«  fein  fann,  ntcfyt 
oon  feinen  Ueberetluugen  ab,  fonbern  taffe  e«  felbft  beren  ^»(gen 
erfahren. 

Spfotat  ift  bie  ©runblage  ber  <Selbftftänbigtett.  $)er  SWenfcty 
ift  im  ßeben  £)a«,  toa«  er  felbft  au«  ftcfy  fcfyafft,  er  ift  fein 
eigener  ©ctyßbfer.  8<$on  ba«  Ätnb  muß  biefe«  ©etbftfcfyaffen, 
biefe«  fingen  nacfy  feiner  richtigen  «Stellung  üben.  Unb  nur  ba« 
£fyätigfein,  ba«  können  giebt  bem  9ftenfc$en  ba«  richtige  ©etbft* 
gefügt,  toelctye«  ftcty  felbft  achtet,  ofyne  Anbere,  bie  au<$  felbft* 
ftänbige  ©lieber  in  ber  großen  Äette  ber  menf^lic^en  £l?ättgfctt 
finb,  ju  oerac^ten.  £>a«  ©elbftgefüfyl  be«  bloßen  Siffen«  ift  oft 
ein  fatföe«,  tturb  oft  (Sigenbünfel. 

tlmbital,  ber  <5!jrgei$  be«  tinbe«,  erhält  oon  mannen  eitern 
oorjug«toeife  eine  $Rt<$tung  na$  Außen;  ba«  Äinb  toirb  ange* 
leitet,  im  äußern  (Schein,  in  fcfy&nen  Kleibern,  in  iooljlgefefcten 
^Borten,  in  einer  richtigen  SSerbeugung  tc.  fein  Öob  ju  fucfyen  unb 
px  finben.  Slnbere  Altern  meifen  ba«  $inb  meljr  auf  ben  inneren, 
n>a!jren  Söertlj  be«  2ttenfc$en  fyin,  auf  ba«  tfob  ber  eblen  ®efin- 
nungen  unb  «£>anblungen.  $)a  Slmbital  eine  große  9Me  im 
®eifte«leben  be«  3ttenfd&en  fm'elt,  fo  ift  e«  nrid;tig,  toelcfye  9tt$tung 
e«  beim  #inbe  erhält. 

(Sonfciental  ift  al«  SBertreter  ber  Harmonie  ber  fämmtlicfyen 
©inne  bie  fy&cfyfte  unb  jugleicty  bie  geringfte  menfctylicfye  Eugenb. 
2)fan  le^re  ba«  $inb,  in  allen  ©ejie^ungen  tocntgften«  gegriffen* 
fjaft  $u  fein,  feinen  $fltc$ten  ber  ®erec$tigfeit  nad^ufommen.  <*« 
giebt  fogenannte  gute  2flenf<$en,  beren  (SHttfjeit  toenig  fittlictyen 
SOBertfy  tyat  unb  nur  <3$toä$e  tft,  toeil  fie  nicfyt  einmal  geregt  ju 
fein  Hüffen. 


Digitized  by  Google 


300  ^renologie  unb  örnehung. 

$enerata(  ift  ein  (Sinn  ber  ®emüth$melt,  ein  (Gefühl.  <&e* 
fühl  fann  nur  burch  (Gefühl  angeregt  werben,  unb  In'et  bor  Sülem 
gilt  ba«  Sort,  bafc  nur  baS  jutn  §erjen  fpricht,  ma*  bom  £er$en 
fommt.  Nux  ber  <£rjieher  bafyer,  in  meinem  fetbft  baS  religiofe 
C&efühl  lebenbig  ift,  fann  baffelbe  beim  ßinbe  anregen  unb  aus* 
bilben.  «ismeilen  Jüchen  SRetigionSlehrer  ba«  ihnen  fe^lenbe  re* 
ligiofe  Gefühl  burch  eine  anbere,  fatfe^c  Statt  gu  erfefcen.  3met 
Bester  »erben  in  biefer  #inficht  oft  begangen.  Einige  Religion«* 
tehrer  bringen  ben  (Sinn  ber  Weligtofität  nicht  mit  ben  übrigen 
beeren  ©innen,  mit  Bonität,  (Sonfctental,  ben  SDenffräften  ic, 
fonbern  mit  nieberen  ©innen,  mit  Obpofital,  Aichtal  it.,  in  23er= 
binbung,  inbem  fie  mit  Grtfer  gewiffe  befonbere,  bon  ihnen  für 
mahr  gehaltene  ßehrfäfee  al«  bie  unbebingt  richtigen,  unb  getoiffe 
befonbere  anbere,  bon  Zubern  für  toafyr  gehaltene  <Säfce  als  ber* 
folgung«*  unb  bernichtung«mürbig  barftellen.  ©abucch  mirb  bie 
Religion,  melche  ben  SWenfcben  jur  ^öe^ften  9)?enfchlichfeit  —  oor 
Willem  jur  Viebe,  n>ie  (Shriftu«  fagt,  —  emporheben  foll,  $ur 
nieberen ,  ben  SÄenfchen  abmärt«  jie^enben  tfeibenfehaft  berührt. 
Rubere  9Wigion«lchrer  glauben  ba«  Urnen  fetjlenbe  religiöfe  ®e* 
fühl  baburch  ju  erfefeen  ober  JU  heben,  ba§  fie  bei  fidh  fetbft  unb 
ihren  «Schülern  ben  SSerftanb,  meil  biefer  ia  ba«  religiöfe  Gefühl  * 
beeinträchtige,  auf  ba«  allergeringfte  üflafc  gu  befchränfen,  ober 
mohl  ganj  gu  unterbrüefen  fuchen.  £>amit  ift  aber,  ba  ba« 
religiöfe  (Gefühl  natürlich  etmaS  anbereS  ift,  als  bic  Verneinung 
beS  33erftanbeS,  nichts  gewonnen,  fonbern  nur  noch  mehr  verloren. 
Sohl  ift  eine  Religion  ohne  (Gefühl  nichtig  unb  merthloS,  aber 
eine  Religion  ohne  (Gefühl  unb  ohne  33erftanb  ift  meniger  al« 
biefe«,  fann  ctma«  fcl)r  Schlimme«  »erben.  £)er  Lehrer  ber 
Religion  fteht  an  (S^rifti  Stelle:  er  lehre,  mie  jener  gelehrt,  er 
lehre  fo,  als  ob  nod;  sJttemanb  beffen  ßehrc  fenne  unb  er  juerft 
ber  2ttenfchheit  (Sbangclium  oerfünben  folte.  £)er  Räuber, 
»ooburch  btefe«  bie  geiftig  höchftftehcnbcn  «ölfer  ber  (Srbe  fid) 
geioann  unb  noch  alte  33ölfer  gewinnen  mirb,  ift,  bafc  es 
mit  allen  ®cmüth«finnen  unb  23erftanbe«finnen  bcS  9)?enfchen 
fe  fchön  jufammenftimmt ,  bap  e«  bie  Religion  ber  $Ktytal  unb 
fünften  OWenfc^tid^feit  ift.  £>er  Lehrer  ber  Religion  lehre  bief  es 


Digitized  by  Google 


4^renotogie  unb  (Srjichung 


301 


S^riftent^um  unb  feine  Schüler  derben  U)n  fegnen  unb  ihm  nach* 
folgen.  (§r  bleibe  ferne  ienem  fogenannten  ßljriftentfyum ,  nach 
loelchem  bie  Sttenfchen,  n>enn  fie  ihm  nachlebten  unb  nicht  glücf* 
licher  Seife  beffer  toärcn,  at«  bie  8e$te  felbft,  fidj  gegenfettig 
betagten  unb  Raffen,  in  ternt^teubem  3tt>tefpalt  unb  Äampf  i^r 
irbifc^e«  SDafein  Einbringen  mürben. 

Sbealital  mirb  ^äufig  bei  ber  ßrjiehung  nicht  fo,  mie  e« 
follte,  beamtet.  SJflanche  maefere  2ttenfdjen  fdjäfeen  mety  bie  Züfy 
tigfeit  unb  ben  (Sbclmutb  eine«  CStyarafter«,  aber  fie  beraten  ba« 
(Schöne,  ba$  Sbeale  in  Äunft  unb  Söiffenfctyaft  al«  unnüfc,  al« 
unpraftifefy.  £)ie8  ift  ein  ©iberfpruch.  Hin  fch&neS  Söilb  5. 
ein  fernes  ®ebicbt,  eine  fchöne  SDfufif  —  unb  eine  fd^Önc  Xljat 
finb  fid;  feljr  nahe  bertoanbt,  entfpringen  $um  ST^eit  einer  unb 
berfetben  geiftigen  Duelle.  (5$  ift  bafyer  für  bie  allgemeine  ©itt* 
lid;fett  be$  $inbe$  bon  großem  SÖSerth,  menn  cd  in  einer  frönen, 
gefälligen  äußeren  Umgebung  $eranroäc$ft.  @tn  &eiä)m,  to™  fch* 
).  23.  ber  beutle  23olf$charafter  in  ber  neueren  3e^  w  2lUge* 
weinen  fich  gehoben,  ift  ber  allgemeine  gortfehritt,  ben  ber  ®e* 
fehmaef,  ber  <Sinn  für  ba«  ©c^öne  gemalt  $at.  £)ie  ®ebicfyte 
Schillert,  be«  Vertreter«  ber  Sbealitat  unter  ben  SMchtern,  finben 
ftch  in  jebem  £>aufe. 

3mitatal  ift,  n>ie  fc^on  früher  angebeutet,  für  bie  (Srjiefnmg 
oon  befonberem  ®etm$t.  3Waiu$e  (Srjtcher  pflegen  ben  ®inbem 
gleichfam  ^rebigten  barüber  $u  galten,  mie  fie  ^anbeln,  ma$  fie 
tlnm  unb  toaS  fie  laffen  müßten.  £>te$  ift  nicht  gut.  £)te  sJcach* 
ahmung,  ba«  lebenbige  23eifpiel  ersieht  meit  mehr,  als  ba$  tobte 
SÖort.  Stenn  (Sltern  mollen,  bafc  ba«  $inb  gute  ßetjren  empfange, 
fo  bürfen  fie  nur  felbft  fo  hobeln,  nne  fie  ba$  $inb  ^anbeln 
Ichren  mollen:  e$  bebarf  bann  ber  ^rebigten  nicht.  £>anbeln  fie 
nicht  fo,  fo  nüfcen  bie  $  rebigten  nicht  unb  führen  nur  gu  einem 
genüffen  ©c^eintoefen. 

föcalital  ^at  nicht  bloß,  tt>ie  früher  angebeutet,  beim  Keinen 
fiinbe,  fonbem  e«  behält  burd?  bie  ganjc  3ugcnb  feine  bor$ügliche 
Berechtigung  für  bie  (£r$iefntng  ober  ben  Unterricht.  Htfei  Unter* 
riebt  nmg  nilefct  auf  biefen  <§inn  fieb  grünben,  muß  ein  gegen* 
ftänblicher  (obiectiber)  fein.    £a«  teufen  (ba$  dergleichen  unb 


Digitized  by  Google 


302  $&renotogic  unb  <Sr}ie$img. 

(Schliefen)  be«  SWenfchen  wäre  merthto«,  wenn  e«  ein  Mo«  fubjec* 
tioe«  (ein  teere«  pfn'tofophifche«)  märe,  toenn  ihm  ber  @egenftanb 
fehlte.  Die  ^Bereinigung  alter  ®egenftänbe  ift  bie  9catur.  2lUe 
Sßiffenfc^aft  ift  baher  SRaturmiffenfchaft.  Sttiffenfchaft  fteht  heut* 
jutage  hauptfächlich  belegen  gegen  früher  fo  §0$,  »eil  fie  jur 
ßrfenntnifj  ihrer  felbft  gefommen,  »eil  fie  felbftbemuBt  SRatur* 
miffenfehaft  getoorben  ift.  Der  bollfommenfte  ©egenftanb,  ba« 
bollfommenfte  (5in$elmefen  in  ber  9latur  ift  beT  9Jfenfch.  Der 
Sflenfch  al«  bie  Heine  Seit  vereinigt  in  fich  aUe  ©egenftänbe  ber 
Statut  unb  bilbet  fo  bie  (Einheit  unb  bie  ©pifce  aller  ©tffenfehaft. 
2öa«  tu'er  »on  ber  SSMffenf^aft  gefagt  ift,  gilt  auch  oon  beut  Untere 
ri^t,  »elc^er  niebt«  anbere«  ift,  al«  eine  (Einführung  be«  ftinbe«, 
be«  Knaben,  be«  3üngling«  in  bie  föiffenfc^aft.  Silier  Unterricht 
ift  julefet  ein  naturnriffenfehaftlicher.  3$on  ben  nieberen  unb  ein* 
jelnen  9laturgegenftänben  au«gchenfc  unb  baburch  jum  SBerftänbnij? 
ber  ^ö^eren  unb  ber  vereinigten  borbereitenb,  fc^reitet  ber  Unter* 
rieht,  alle  Dinge  unter  ftety  felbft  unb  mit  bem  SWittelpunft  in 
SBerbinbung  bringenb,  biefem  feinem  2)ttttelpunft  unb  feiner  3pifce 
—  ber  SWenfchentehre  —  ju.  Seit  ba«  Sefen  ber  üftenfcfyenuatur 
bie  fittliche  Freiheit,  bie  ©ittti^feit  ift,  fo  fällt  in  ber  flttenfehen* 
lehre  —  b.  i.  in  ber  Sittenlehre  ober  £ugenblehre  —  ber  Unter* 
riefet  mit  ber  (Srjieljung  in  (Sin«  jufammen.  33i«her  ift  befannt* 
lieh  oon  jeher  ein  großer  ©treit  über  ben  lüften  @runbfafc  be« 
Unterrichts  geführt,  finb  biete  unb  oerfcfyiebene  fogenannte  ©chul* 
ptäne  aufgeteilt  toorben,  inbem  einige  ßehrer  ben  gegenftänblichen 
ober  naturmtffenfchaftlichen,  anbere  ben  menfchlichen  ober  menfc^(icr) 
bitbenben  Unterricht  mehr  herborljoben.  Durch  bie  ^3r)Tcnoloöie 
ift  biefer  au«  ©nfeitigfeit  hervorgegangene  unb  ju  (Emfeitigfetten 
fü^renbe  (Streit  für  immer  befeitigt. 

Oformital  toirb  am  beften  burch  ba«  3etchnen  geübt.  Diefe« 
fei  h«uptfächtich  unb  gleich  *on  Anfang  an  ein  3ei<h"en  nach  ber 
Statur  unb  gehe  bom  (Einfachen  gum  3uf<Hnmengefefceu  fort;  &rtyftaU, 
^flange,  tym,  2Kenfch.  Stuch  bie  ©eftalten  ber  tfunftgegenftänbe 
Iaffen  fich  befanntlich  auf  bie  formen  ber  nieberen  ober  höheren  9catur* 
gegenftänbe  gurücf  führen.  Da«  Zeichnen  hat  in  imferer  3ett  beT  objec* 
tioen  Siffenfchafteii  eine  toeit  größere  ©ereutung  at«  früher  erhatten. 


Digitized  by  Google 


$&reno(ogie  unb  örjietyung. 


303 


Socatat  ttirb  ^auptfäc^lic^  burch  ben  Unterricht  in  ber  (5rb* 
befchreibung  geübt  nnb  gebildet,  tiefer  Unterricht  muß  mit  bem 
^äc^ften  unb  öinfachften  beginnen.  £)er  Schüler  jeid^ne  bie  ©runb- 
fläche  be$  3tnunerdf  in  ttelchem  er  fich  befinbet,  be$  §aufe$,  be$ 
£of«  unb  (Martens,  ber  Stabt,  ber  Umgcgenb,  fo  tteü  er  fann. 
hieran  reiht  fid),  ttaä  anbere  gefeljen  unb  gezeichnet  f)abex\,  an, 
bie  ftarte  beS  «ejirfe,  be*  2anbe$,  be«  @rbthei(S,  ber  <£rbe,  unb 
hieran  bie  tarte  unfereS  Sonnenfoftem«  unb  be«  onjfternhimmete. 
Wit  beut  Unterricht  in  ber  (Srbbefchreibung  ttirb  am  beften,  bor 
fehr  großen  unb  umfaffenben  ganbfarten,  ber  erjähfcnbe  Unterricht 
in  ber  ©efchichte  oerbunben. 

£)te  Uebung  be$  9htmerata(  ift  einfacher,  aU  oft  geglaubt 
tttrb.  9Ule$  Rechnen  ift  gäfyen,  enttteber  3"äähum  ober  äbjätyen. 
33ermehren  ift  mehrfaches  3uia^en/  Reiten  ift  mehrfache«  %fc 
&ä$trn.  $)a«  $inb  (ber  $nabc,  3üngltng)  terne,  um  ein  oott= 
fommencr  Rechner  gu  »erben,  oottfommen  jähten.  £)a$  jjfifyUn 
beginnt  mit  bem  einfachen  3&$tetl  (bem  3&$fat  mit  ber  einfachen 
3aht)  unb  fteigt  nach  unb  nach  in  bem  jufammengefefcten  3^h^cn 
(in  bem  3ah^cn  m^  jufammengefe^ten  ober  ÜUaff  engten)  h$her 
unb  h&her  a*lf.  Äinb  jä^tt  juerft  einfach :  1,  2,  3,  4  .  .  . 

bis  100  unb  jurücf.   £>ann  folgt  ba$  jufammengefefete  3&Wcn: 

2,  4,  6  bis  100  unb  gurücf.  Unb  fo  fort:  3,  6,  9  , 

4,  8,  12  ,  5,  10,  15    10,  20,  30   ,  je  biß  100 

unb  jurücf.  3ft  btefe«  3ählen  bem  Äinbe,  bem  Knaben  geläufig, 
fo  geht  man  gu  ben  größeren  2Waffena<u)lcn  fort:  11,  22,  33  .  .  . ., 

12,  24,  36   ,  13,  26,  39   u.  f.  tt.,  juerft  bit  200  ober 

300  unb  enbtich  bis  1000  unb  jurücf.  £>er  Schüler  $at  ba* 
§öchfte  erreicht,  wenn  er  bon  ieber  3«hJ  (unter  fogIett(  ju 
beftimmen  toeife,  in  ttelcher  3äh*reu?e  fie  liegt :  er  ttirb  bann  im 
Rechnen  HujjerorbentlicheS  reiften.  Erreicht  er  auch,  bei  geringerem 
angeborenen  £alent,  nicht  biefe  h^f*^  fonbern  nur  eine  mittlere 
«Stufe  in  ber  Äunft  be8  &äf)Uni,  fo  bleibt  ber  (Dettum  biefer 
UnterrichtStteifc  immer  ein  f ehr  großer  für  ba$  praftifc^e  Rechnen. 
£)enn  nur  hierburch  ttirb  ba«  fonft  tobte  unb  troefene  3ä$(en  unb 
Rechnen  im  (Seifte  tebenbig.  £)a$  fogenannte  (SinmaleinS  barf 
ba$  ftinb  nicht  „austoenbig"  lernen,  beim  eben  bie«  mit  noch 


Digitized  by  Google 


304 


^tyrenoloflie  unb  (Sraie^ung. 


manchem  Sfnberen  in  ber  geu>6^n(icben  SRechenfunft  ift  ein  tobte« 
fernen. 

2Ba«  mir  oben  übet  bie  Uebung  be«  SBerbotal  beim  $inbe 
gefagt,  gilt  auch  oon  ber  fpateren  3ugenb.  (bleich  toie  ein  53fci- 
getoicht  hing  faft  an  altem  bisherigen  Unterruht  bie  einfeitige  unb 
unrichtige  Uebung  be«  Sßortrtnn«,  „ba«  9tu«n>enbigternen\  9ttan 
!ann  in  biefer  ©ejieljung  bie  bi«fjerige  (Srsiehung«*  unb  Unter* 
rtcht«n?eifc  eine  boppett  einfeitige  nennen.  Glicht  nur  tourbe  bie 
felbftftänbige  Uebung  ber  ®emüth«finne  ju  fünften  ber  einfeitigen 
Uebung  ber  33erftanbe«finne  oernachläffigt  (nicht  nur  mar  bie  (fr* 
Siehung  eine  (Srjiehung  gum  ©iffen  ftatt  jum  können),  fonbern 
bie  Uebung  ber  weiften  33erftanfce«finne  felbft  tourbe  $u  ©unften 
ber  einfeitigen  Uebung  be«  ©ortfinn«  oerfäumt.  9ttfo  beftanb  bie 
Qrrjiehung  mit  fammt  bem  Unterricht  in  tiefen  Beziehungen  in 
ber  unrichtigen  Uebung  be«  ©ortfhm«.  SSon  ber  Religion  bi«  ju 
ben  Regeln  ber  (Srammattf  herab  mürbe  faft  9U(e«  ,>au«n>enbig* 
.gelernt!  iftatÜTUch  mürbe  t)icx6et  nicht«  anbere«  mebr  oerfäumt, 
at«  eben  ber  toahre  unb  richtige  ©ertunterricht,  ba«  *3ntoenbig* 
lernen"  ber  ©orte.  3um  3lüec*c  b\c\rt  überau«  toichttgen  Unter* 
rieht«  müffen  oom  tinbheit«*  bi«  jum  oollenbeten  3üngling«alter 
umfaffenbe  unb  bietfeitige  Uebungen  im  «Sprechen  ftattfinben.  £)er 
Schüler  mu|  über  bie  berfebiebenften  ©egenftänbe  unb  auf  bie 
berfefciebenfte  ©eife  frei  fprechen,  theil«  inbem  ihm  3eit  gegeben 
ioirb,  feinen  ®egenftanb  $u  überbenfen,  theil«  inbem  er  fofort 
über  feine  Hufgabe  ju  fprechen  $at.  $)amit  mirb  für  öftere 
Schüler  jtoecfmajjig  ber  Unterricht  in  ber  SchneÜfchrtft  (Steno* 
graph^)  oerbunben.  ©a«  ba«  (Erlernen  ber  fremben  ©brachen 
betrifft,  fo  mujj  natürlich  auch  biefe«  ein  „Sntoenbigtemen"  fein, 
b.  i.  ber  ©ortfinn  muß  in  febenbiger  SBerbinbung  mit  ben  übri* 
gen  S3erftanbe«finnen  geübt,  bie  (Sprache  mu§  im  Gebrauche  ber* 
felben  erlernt  werben.  Ü)er  Safc  befteht  au«  bem  Subject  (9fe* 
alital),  bem  fich  ba«  ^ßräbicat  in  ftaetttat,  £empitat,  Öocataf  :c. 
anreiht.  £)er  Sprachunterricht  fann  unb  foll  fogleich  mit  biefem 
(gebrauchen  ber  Sprache  beginnen.  Sir  befifcen  feit  einiger  $eit 
Lehrbücher  in  biefem  Reifte  gefchrteben,  mie  3.  SB.  ba«  bortrefflichc 
f  leine  33ud)  oon         311m  Erlernen  be«  #ran$efifchen. 


Digitized  by  Google 


<P&rettofogic  unb  (Srjic^ung. 


305 


(Sonftructal  follte  allgemeiner,  al«  getr>&hnlicb  gefcbieljt, 
geübt  toerben.  Cr«  toäre  fc^Sn,  n>enn  jeber  Gfüngltn^  neben  feinem 
fonftigen  39eruf  ein  £anbmerf  lernte.  Die«  mürbe  audt)  511t  all= 
gemeineren  9lnerfennung  ber  Arbeit  beitragen.  Unfere  $eit  fräntelt 
an  ber  fallen  ©telfeit,  bafc  man  fid^  in  gehriffen  Greifen  ber 
Arbeit  nm  ®elb  föättt  Unb  bodj  ift  ba«  (Selb  ba«  Littel  $ur 
Geltung,  $ur  <5elbfrftanbigfeit,  affo  |ttx  (Sittlichfeit,  «efonber«  bie 
meibliche  Söett  trifft  biefer  55ormnrf.  Weht  bfo«  ber  Jüngling,  auch 
bie3ungfrau  foll  arbeiten,  für  (Selb  arbeiten,  um  felbftftänbig  $u  fein. 
2Bir  feljen  fo  oft  nur  ein  £änbeln  ber  Jungfrau  unb  ein  Slbmarten 
ber  ©elbftftänbigfeit  burch  eine  33erbinbung.  SÖohl  ift  bie  35er* 
binbung  bie  eine  Lebensaufgabe  ber  Sungfrau,  aber  bie  anbere 
gleichgeltenbe  ift  bie  Arbeit.  Unb  gerabe  bie  Grrfülluug  biefer 
(enteren  Aufgabe  führt  am  leichteften  jur  (Erfüllung  ber  erftcren. 
£>er  üttenfety  foll  nicht  müßig  auf  ba«  ®lü<f  rcarten:  biefe«  ift 
bem  ftteifce  ^o(b. 

3m  (Somparital  unb  (Saufalital  lehrt  ber  Unterricht,  in« 
bem  er  Bttrt  umfaßt  unb  sufammenfaßt ,  inbem  ba«  (Subiect 
zugleich  Object,  ba«  Object  @ubject  mirb,  511  ftch  fetbft  jurücf; 
ber  Unterricht  mirb  fid)  al«  foleber  fefbftbcmußt ;  ber  ^erftanb  ber- 
einigt fich  mit  bem  ®efüf?l  unb  mtrb  jur  Vernunft.  £>cr  lefete 
föing  in  bem  großen  Greife  ber  Harmonie  fdt)ließt  fich  ab:  bie 
äöiffenfcfyaft  mirb  jur  ^itofop^ie. 


(Schlußwort. 

£>ie  fcorfteljenbc  £>arftellung  ber  Grr$iehung«lehre  al«  eine« 
praftifeben  ober  angetoanbten  2$eif6  ber  ^J^renologie  ift  infofern 
eine  mangelhafte,  al«  ich  fo  oft,  moJjl  jur  Grrmübung  be«  ßefer«, 
auf  bie  (Sin^cit  ber  ganzen  Grrjiehung  unb  alter  ihrer  3mecfe  hin- 
gemiefen  (a$e,  —  unb  bodt)  nicht  oft  genug!  Sftie  fyabc  ich  fo 
lebhaft  mie  hier  gefügt,  mie  biet  bor  bem  <S<hriftfteller  ber  bil* 
benbe  $ünftter  borau«  $at  tiefer  giebt  bie  ©nhett  feine«  ®egcm 
ftanbe«  auch  in  einem  Silbe,  er  fagt  gleicbfam  2Hle«  auf  einmal. 
£)em  <3chriftftefler  mirb  bie  Darfteilung  feine«  ®cgenftanbe«  befto 
fernerer,  je  größer  bie  Einheit  bcffelben  ift,  je  weniger  er  bei 

©c$ct>e,  ^tcnoloflif^e  »übet.  3.  Mufl.  20 


Digitized  by  Google 


306  *Pf>renefegtc  unb  (5rjic6ung. 

jcbem  einjeuten  fünfte  auf  beffen  innere  (Shujeit  mit  jebem  an* 
bern  einjefaen  fünfte  ljtnroeifen  fann.  £ie  Harmonie  be«  SWert* 
fd&en  mit  fi*  unb  ber  8ug«ttBCft,  —  bie  2Hcnföfid>feit , 
3ttenföentyum ,  —  bie  geiftige  ^efunb^eit,  —  bie  «ilbung  be« 
Reifte«  unb  be«  £erjen«,  —  bie  fittfi<$e  ftretyeit,  —  bie  <§itt* 
Ud&feit,  £ugenb,  —  bie  $etnünftigfeit,  —  bie  <öefi>ftkf>errf*ung, 
—  bie  3ufrieben^cit,  —  bie  Brbeitfamfeit ,  ber  $(ei§,  —  bie 
©elfcftftänbigfeit,  —  bie  greube,  ba*  GM»,  —  bie  Religio* 
fität,  —  atfc  biefe  3iete,  na*  treiben  ber  junge  (Jrbenbürget 
an  ber  £anb  be$  GrrjiefyetS  wanbett,  finb  ein  gtil  unb  auf 
einem  Sege  gu  erteilen. 


Digitized  by  Google 


xvn. 

PrafttifAer  Unterricht  in  der  fMrtnofogtt. 

Äöl>n  unb  groft  ift  ber  TOenfä:  et  miftt  am  fflctoölbe  be«  Gimmel« 
Unb  am  ©fmölbe  be«  Cxiujjta  bie  utterntf&li(fie  SBelt. 


1. 

£>ic  praftifche  ^retiofogic  ober  bic  Organenleljre  ift  im 
®anjen  ui<$t  ein  fehtoterige«,  fonbem  ein  teilte«  unb  üBerbie« 
ein  fe^r  lohnenbe«  unb  genußreiche«  ©tubium.  %uäf  ift  fie  einem 
Seben,  ber  nur  einige«  S3eobachtung«talent  beftfct,  jugängtich,  unb 
man  mufe  nicht,  mic  3.  23.  bei  ber  ^tyfiognomif,  ein  Bcfonbere« 
©enie  bafür  befifcen,  um  barin  Süchtige«  511  leiften.  @Benfo 
menig  brauet  man  baju  (belehrter  oon  ftach,  phtlofoph,  9flebi* 
einer  u.  f.  n>.  $u  fein.  ©0  tt)ie  mir  ÜKnfif  erlernen,  otyne  ÜJht* 
fiter  bon  ftach  ya  fein,  fo  f&nnen  (belehrte  unb  Ungeleljrte,  SDfännet 
unb  grauen  —  mit  geringeren  Opfern  an  £c\i  unb  üttülje,  al« 
ba«  Spielen  eine«  mufifalifdjen  Snftrumcnt«  erforbert  —  bie 
praftifche  ^renotogie  mit  ben  baju  nötigen  mebicintfehen  unb 
pftychofogifchen  $enntniffen  erlernen,  unb  ber  ®enufj  unb  ber 
praftifche  SRufeen  btefe«  Söiffen«  ift,  auch  ohne  bafe  e«  fich  jur 
9Keifterfchaft  ergebt,  ein  fefyr  großer. 

£)er  Unterricht  in  ber  prafUfd)en  Phrenologie  fann  nicht 
paffenber  al«  mit  ben  ©orten  eingeleitet  merben,  ba§  bie  $hrcn°s 
togie  ba«  nicht  ift,  für  ma«  man  fie  gemßhnUch  tfilt,  nämlich 
ni^t  bie  Äunft,  au«  ber  Grrforfchung  ber  Äopfgeftalt  ben  ganzen 

20* 


Digitized  by  Google 


308  $raftifcf>cr  Unterricht  in  fcer  ^tyrenotogie. 

(S^araftcr  be«  üttenfchen  nach  allen  einzelnen  3"8en  ttnffenfcbaft* 
lieft  ftd>er  ju  beftimmen.  £ie  ^fyrenologtc  fann  bte«  au«  meh- 
reren (&rünben  nicht  fein,  unter  ^Inberm  be«n>egen  nicht,  n>eil  bie 
^nrnfdjale  Heine  Ungleichheiten  wnb  Unregelmäßigfetten  in  ber 
Dicfe  jeigt,  meldje  bie  genaue  ®ri>ße  ber  einzelnen  ®ehirnorgane 
jn  erfennen  fcerhinbero. 

©enn  aber,  fo  nieten  ^ier  Manche  einwerfen,  ber  Phreno- 
logie biefe  miffenfchaftlicbe  (Sicherheit  im  genauen  ©eftimmen  ber 
(Sharafterjüge  fehlt,  fo  fehlt  ihr  bamit  bie  echte  2Btffenfchaftlich< 
feit  unb  ihr  Urteil  ift  gebrochen,  fciefe  Sehrc  ift  bann  eine 
geifrreiche  Spielerei,  ttrie  etwa  bie  $h*m»gnomif,  »eiche  auch  Wohl 
bielc«  SBahre,  aber  nicht«  wiffenfehaftlich  ^eftftehenbe«  enthält. 
£er  wahre  ^aturforfcher ,  ber  9ftann  ber  ftrengen  SSMffenfchaft, 
ift  baher  in  feinem  fechte,  wenn  er  ber  ^t>rcnclcgic  feinen  ®e= 
fehmaef  abgewinnen  fann  unb  fie  au«  bem  Bereiche  feiner  $or= 
fchungen  au«fchließt. 

Mein  biefe«  Urtheil  beruht  auf  einem  ftehlfäluffe.  £)ic 
Phrenologie  befifct  bielmehr  ben  (^harafter  ber  ftrengen  Riffen« 
fcbaftlicbfeit,  fo  rote  jebe  anbere  ^caturwiffenfebaft,  wie  $.  33.  bie 
(Shemie  ober  bie  phhftf-  £enn  bie  ^3r)rcnotogtc  bermag  jmar 
nicht  bie  ganj  genaue  ®röße  ber  einzelnen  ®ehtrnthette  ober 
Organe  au«  ber  äußern  Hopfgeftalt  ju  erfennen,  aber  fie  ber- 
mag  mit  bollfommener  mathematifcher ,  alfo  wiffenfchaftlicher 
Sicherheit  ein  große«  ®ehirnorgan  oon  einem  f (einen  }ti 
unterfcheiben.  9htr  mit  ber  Crrferfchung  folcher  ©ehimorgane 
aber  hat  e«  bie  Sß^rcnoroötc  al«  ^iffenfehaft  ju  thun,  um  fo 
mehr,  ba  alle  entfehiebenen  (Sharafterjüge  be«  9Eenfchen  auf  ber 
ftarfen  ober  flachen  (Sntwicflung  ber  ®tunbfräfte  be«  (Reifte« 
unb  feiner  Organe  beruhen. 

£)ie  ©ahrheit,  baß  ein  große«  ®ehiroorgan  toon  einem  f lei- 
nen wiffenfehaftlich  ficher  unterfchieben  werben  fann,  finbet  eine 
nähere  JBegrünbung  unb  ^adjweifung  barin,  baß  bie  Ungleichheit 
unb  SSerfchiebenheit  in  ber  £>icfc  ber  £nrnfchale  nur  ^od^ft  unbe- 
beutenb  ift  unb  gar  nicht  im  33erhältniß  fteht  $u  ber  großen  &*er- 
febiebenheit  ber  menfehlicben  (Gehirn  =  ober  Äopfgeftalten.  £)ie 
erftere  ^erfdnebenheit  beträgt  nur  etwa  ben  jelmten  Xfyeü  ber 


Digitized  by  Google 


$raftt|d>er  Unterricht  in  ter  ^venologie.  309 

lefetern,  nur  eine  hafte  bis  anberthalb  hinten,  mährenb  bic  lefc> 
tere  einen  falben  bi«  311  jmei  nnb  bret  3oll  beträgt.  (5in  $opf 
fann  an  ber  ©teile  irgenb  eine«  Organ«  um  einen,  $mei,  ja  brei 
3oü  ftärfer  entmicfelt  fein,  at«  ein  anberer  an  berfelben  Stelle. 
3n  folgen  ftällen  ift  e«  nicht  möglich,  ba§  man  fich  über  bie 
Stärfe  eine«  ©ehirntheil«  im  Söefenttichen  taufet,  menn  ftch  aud; 
beffen  ©röfee  nicht  mathematifch  genau  erfennen  läfjt.  £)iefelbe 
UnooUfommenheit  ber  praftifchen  flunft  im  Skrhältnijj  jur  9ßMffen= 
fchaft  finbet  fich  befanntttefy  bei  allen  9faturn>iffenfchaften ,  toie 
33.  bei  ber  Sljemie.  Senn  ein  9)?ineraln>afjer  chemifd;  unter* 
fud?t  nurb,  fo  finbet  ber  ftorfcfyer  bie  Stoffe,  tuelche  in  Spenge 
fich  barin  befinben,  mit  »oder  ttnffcnfcfyaftlicfyer  Sicherheit  auf, 
aber  er  roeife  ba«  genaue  Sttajj  jebe«  Stoffe«  nicht  mathemattfeh, 
fonbern  nur  annähernb  anzugeben. 

2. 

SDie  Schtuierigfciten,  ioelche  für  bie  prafttfehe  Senologie 
in  ber  Ungleichheit  ber  SDicfe  ber  §irnfc^ale  liegen,  fBnnen  noch 
bebeutenb  baburch  verringert  »erben,  bafe  man  bie  ©teilen  ber 
£)tmfc$ale  fennen  lernt,  to>o  fich  fotd)e  Ungleichheiten  ju  finben 
pflegen,  unb  baf?  man  bann  biefe  Ungleichheiten  bc«  Schäbel* 
fnochen«  bei  ber  23eurthetlung  ber  ©r&jse  eine«  ©ehirnorgan« 
abrechnet.  Serfen  totr  hier  einen  ©lief  auf  bie  SMlbung«* 
gefehlte  be«  Schäbel«. 

©etm  tverbenben  9)?enfchen  ift  ba«  ©ehim  in  feiner  SDfoffe 
unb  feiner  ©eftalt  fchon  ganj  oorljanben,  ehe  erft  ber  Schäbel* 
fnochen  fich  511  bilben  unb  e«  311  übertoachfen*  beginnt.  SDlefe 
33ilbung  be«  Knochen«  geht  oon  einigen  befttmmten  fünften  au«: 
an  jebem  berfelben  fängt  ^nochenmaffe  an  fich  abjufefcen  unb 
toä'chft  bann  oon  ba  an  ring«  ftrahlenförmtg  fort,  fo  toic  ettoa 
an  einer  genfterfcheibe  bie  fteuchtigfett  ftrahtenförmig  gefriert. 
Ü)aburch  entftehen  fehr  bünne  Änochenplatten ,  bie  man  mit 
Schuppen  oergleichen  fann  unb  bie  an  ihrem  Sftittelpunftc  etma« 
ftärfer  an  ÜRaffe  finb,  al«  an  ber  übrigen  fläche.  $)iefe  Knochen* 
fdnippen  bebeefen  enblicb  ba«  ganje  ©chirn,  ohne  jeboch  irgeubmo 
fich  über  einanber  ju  fdn'eben,  fonbern  jetc  Schuppe  grenjt  nur 


Digitized  by  Google 


310 


^3rattifd>er  Unterricht  in  ber  *p^rcnoIogie 


an  bie  anbere  an,  ja  bicö  nicbt  überaß  beim  an  einigen  (Stellen 
bleiben  jtotfe^en  ben  tnochenfehuppen  leere,  bon  ftnochenmaffe  un= 
bebeefte  SKäume,  mekhc  Fontanellen  Ijcifcen.  £)ie  größte  Fonta- 
nelle finbet  fid?  auf  ber  Witte  be«  Obcrfopf«,  ba  mo  bier  tnochen* 
fchuppen  an  einanber  grenjen. 

£>cr  tnochenanfafcpunftc,  alfo  ber  tnochenfehuppen,  finb  (ma« 
bie  obere  33cbecfung  be«  Gehirn«  betrifft  unb  abgefehen  bon  ben 
®eficht«fnochen  unb  ben  Knochen  an  ber  untern  Fläche  be«  ®e* 
hirn«)  im  Jansen  fieben.  3mei  (Schuppen  Reißen  (Stirnbeine; 
ihre  Littel«  ober  ftnochenanfafepunfte  ftnb  auf  ber  obern  <Stirn 
redete  unb  Itntt  bei  Gaufaütat,  ba,  too  man  bei  bieten  SÄen^en 
bie  fogenannten  Sttrnhöcfer  bemerft.  3toet  anbere  puppen, 
bie  größten  bon  allen,  Ijeijjen  (Seitenmanbbeine,  unb  beren  üDttttet* 
punfte  liegen  über  unb  hinter  bem  ©hr  am  höchften  unb  Ijinter* 
ften  XtyiU  ber  «Seitenfläche  be«  topf«  bei  Gautal.  Söenn  ba« 
topf haar  nidt)t  bie  Beobachtung  Ijinberte,  fo  ioürbe  man  bei  btelen 
Sftenfchen  bicr  eine  nodt)  bebeutenbere  tnodt}enerhöhung ,  al«  bie 
Sttrnhöcfer  finb,  bewerfen,  meitere  fleinere  tnochenfehuppen, 
bie  fogenannten  Schläfenbeine,  liegen  an  bem  untern  Seitenteil 
be«  topf«  bom  ?luge  gum  0\)x.  $)ie  fiebente  unb  lefctc  Schuppe, 
ba«  Hinterhauptbein,  h«t  tyten  üfltttclpunft  am  unterften  Streife 
be«  £interfopf«  gerabe  auf  ber  ®renje  jmifchen  topf  unb  £al«, 
jmifchen  Onfantal  unb  ®eneratal.  tiefer  $erfnöcherung«punft 
ift  Geitau«  ber  ftärffte  bon  allen;  faft  jeber  2ttenfch  fann  ^iet  an 
feinem  topfe  eine  bohnengroße  ober  oft  noch  größere  tnodt)en= 
erhöfjung  bemerfen.  £)a  biefe  «Stelle  ber  ungefähre  SWittetpunft 
be«  Hinterhauptbein«  ift,  fo  folgt,  baß  biefe«  noch  Sunt 
bie  untere  Fläche  be«  ®ehirn«  (nämlich  ba«  fogenannte  Meine 
(Gehirn)  umfließt. 

3ur  &it  b«  (Geburt  bc«  ÜDfenfcheu,  mo  bie  Schäbelfnochen 
bie  h^r  betriebene  Söefchaffenheit  hoben,  ift  bie  topfgeftatt  nodt) 
feine  fefte,  fonbem  noch  bon  äußeren  (Sinflüffen  abhängig.  SDcan 
hört  oft  bie  Anficht  au«fprechen,  baß  e«  in  ber  Sftacht  bet  £cb* 
amme  ftehe,  bem  topfe  be«  ttnbe«  für«  ganje  Öeben  biefe  ober 
jene  ®eftatt  ju  geben.  Sßetn,  noch  ^cit  gemaltfamer,  al«  e«  bie 
Hebamme  bermöchte,  mirft  bie  Geburt  fetbft  auf  bie  topfgeftalt 


Digitized  by 


$rafttfcf>er  Unterrtdji  in  bcr  ^brenologie.  31 1 

ein,  aber  felbft  tiefe  (£imoirfimg  (loeldjer  bafc  Erliefen  be$  Äopf« 
oon  ©etten  ber  §ebamme  mir  entgegcimurfen  foli)  ift  nur  eine 
fnrj  borübcrgeljcnbe,  nnb  geio&fmlicfy  fcfyon  nacfy  toenigen  Söocfyen 
nimmt  ber  £opf  (mit  bem  ®ef}irn)  aud^  olmc  alle  äußere  33eb 
fyittfe  bie  ®efta(t  wteber  an,  toefcfye  er  bor  ber  (Geburt  fyatte. 
$)a«  lebenbige  nnb  fdweU  toacbfenbc  ®efyirn  bilbet  ficfy  feljr  balb 


Sdiüöel  txnti  neugeborenen  Rinbe*:  Seiten onfidit. 

Corbete  Hnfidjt. 


■ttyty  »on  Oben.  ^intetonfidjt. 


ben  tobten  unb  no$  unfeften  Änocfyen  in  ber  ®eftaft  an,  tote  cä  - 
fidt)  benfetben  bor  ber  (Geburt  angebitbet  r)atte. 

$)ie  &no$enftfynWen  »adjfen  fefjr  balb  ganj  gufammen,  In* 
bem  au$  bie  ftontanetten  fitfy  fließen  (mit  3lu«naljmc  bcr  gro= 
fjen,  toeldjc  längere  ty'it  offen  bleibt).  £)ie  an  einanber  gren* 
jenben  Änodjenfd?iu?pen  bewarfen  an  ben  föänbcm  einer 


Digitized  by  Google 


312  ^rafttjd)et  Unterricht  in  ter  ^tjrenolpflte. 

einzigen,  ba*  gan$c  <&eljirn  bctccfeutcu  ^nocfyenfchale.  £)ie  33er= 
machfung*ftellcn  tjcifeen  ^ät^tc,  n?elcr)c  (mit  9lu*naljme  bcr  sJiafyt 
jtütf^cn  bcn  beiben  Stirn  beinfcfyuppen)  immer  am  ^noc^en  fic^tbar 
bleiben  imb  ba*  ftutfefycu  einer  feingejaetten  unregelmäßigen  SBer 
^afmung  fyaben.  Souper  ^tätyte  giebt  e*  fyaubtfäcfylich  brei:  bic 
^ranjnafyt,  meiere  ba*  Stirnbein  mit  ben  Seitemoanbbeinen  ber- 
binbet,  fie  täuft  quer  über  ben  Oberfopf,  ntebt  gan$  in  ber  SDittte, 
fonbern  ctiua*  nad?  born  31t  jungen  Bonität  unb  SBcneratal; 
ferner  bie  Vambanatyt,  bic  2$crbinbung*nafjt  jnrifctyen  bem  $nnter= 
liauptbein  unb  ben  Seitemoanbbeinen;  cubli<$  bie  ^feilnatyt 
$nnfctyen  ben  beiben  Seitemoanbbeinen  auf  ber  üftittellinie  be* 
Oberfopfe*,  fie  reicht  oon  ber  transna^t  gut  l'ambanatyt  unb 
geljt  mitten  über  ^eneratat,  uHrmital,  3pfotal  unb  (Soncentratal. 
£)ie  ^ät>te  bitten  fcfmmlc,  fatan  einen  Meinen  Ringer  breite,  batb 
mcljt,  balb  weniger  aufgetoorfene  3Bülfre  ober  (Srljityungen  bc* 
$noct)en*,  toelctye  über  bie  Starte  ber  barunter  liegenben  ($eljirn* 
tljctle  tauften  fimnten,  inbem  man,  burety  jene  Sßülfte  oeranlajjt, 
enttoeber  bie  b  a  r  u  n  t  e  r  liegenben  Organe  für  größer,  ober  aber 
bie  unmittelbar  b aneben  liegenben  für  bergleicbung*toei*  fleiner 
galten  f bunte,  als  fie  finb. 

£)ie  genaue  ßemttntfj  fotoofyl  ber  Änocfyenanfakpunftc,  aß 
ber  ^ät)tc  ift  auc$  barum  bon  SBictytigfeit ,  koett  fie  fetyt  bie 
$enntni§  ber  Stelle  ber  einzelnen  Organe  erleichtert. 

Obgleich  mir  nun  aber  btefe  Uugteichmä&igfeiten  in  ber  £)icfe 
ber  £itnfcfyale  an  ben  begebenen  ©teilen  be*  $opf*  fenneu 
gelernt  fyaben  unb  im*  alfo  fetyon  burd)  biefe  $ enntnijj  bor  großen 
fehlem  in  ber  Jöeurtfycilung  ber  ©efn'rngeftalt  ju  Ritten  toiffen, 
fo  fann  bod^  für  bie  praMifctye  Phrenologie  tttc^t  cinbringlich  gc* 
nug  bie  3Bal)r^eit  rüiebert)olt  »erben ,  baft  mir  nur  bann,  toenu 
ein  ($elnrntljeil  ober  Organ  enttoeber  gro§  ober  Mein  erfctyeint, 
eine  fixere  unb  ftreng  u>iffenfc^aftlic^c  Sßergleidjung  jene«  ®c!)irn= 
ü)eil*  einerfeit*  unb  be*  entfprectyenbcn  ®eifte*bctmi3gen*  anbetet« 
feit*  31t  sieben  im  Staube  finb. 


» 


Digitized  by  Google 


^raftifdtjcr  Unterricht  in  ber  ^^rcnclcgie.  313 


3. 

Um  bei  beut  erften  ©tubium  ber  Phrenologie  ben  ftreng 
nuffenfchaftlichen  Beg  $u  gehen,  bürfen  toir  hier  eigentlich  ned? 
nicht  oon  Organen  feteeje«,  ober  wir  müffen  im«  loenigften«  bie  auf 
einem  @$hiffc  beruhenbe  Bebcuhmg  be«  gebrausten  Söorte« 
Organ  Kar  oor  3lugen  ftellen.  $)enn  ber  pljrenologifctye  Safc, 
ba§  ein  getoiffer  ®efyirntfyeU  ba«  Organ  eine«  getroffen  (Seifte«- 
oermögen«  fei,  enthält  fdfon  einen  @$ftifj  au«  ber  £hatfad;c; 
bie  einfache  ^atfa($e  ift:  in  allen  fallen  ohne  3lu«* 
nahine,  too  ein  beftimmter  Öe^irnt^eil  grofc  ift, 
toirbetnbeftimmte«®eifte«oermögenftarf  gefunben, 
unbebenfo,  too  jener  ©ehirntheil  fleinift,  $eigtfich 
jene«  Vermögen  f d^toad^. 

(£«  oerfteht  fich  oon  felbft,  baf?  ba,  too  e«  fich  oon  jii  er* 
toerbenben  Äenntniffen  ^anbett,  nur  ba«  Stffen,  nicht  ba« 
(glauben  gelten  fann.  3Ber  blo«  ber  Behauptung  ber  $f)reno* 
logen  glaubt,  bafj  ber  obige  @afc  Söahrheit  enthalte,  beffen  Glaube 
hat  toenig  ober  gar  feinen  SBertlj,  beim  ber  ©laubenbe  fönnte 
fpäter  ebenfotoohl  ber  Behauptung  ber  Gegner  ber  Phrenologie 
glauben,  bajj  jener  ©afc  ein  Srrtljum  fei.  £)aher  ift  eine  ber 
erften  Bedingungen  jum  erfolgreichen  ©tubium  ber  Phänologie, 
bafj  loir  allen  ©tauben  an  bereu  Saf;rheit  ju  £aufe  laffen  uub  * 
nur  ba«  eifrige  unb  nüchterne  Beftreben  ju  toiffett  mitbringen, 
b.  i.  i\\  toiffen,  ob  jene  au«nahm«lofe  Uebereinftimmung  gtotfehen 
ber  ©ehirngeftalt  unb  ber  ®eifte«enttrocfluug  ftattfinbet  ober  nicht. 

3ur  Beobachtung  genügt  §icx  bi«toeilen  fchon  ba«  Sluge. 
ÜDenn  toeil  nur  bie  $älte  ber  entfehiebenen  Grnttoicflungcn  eine« 
©chimtheil«  Geltung  fyabm,  fo  toirb  oft  fchon  ba«  blo§c  Be* 
trachten  eine«  $opfe«  mit  fchtoachem  §aartouch«  im«  erfennen 
laffen,  ob  eine  topfftelfe  ftar!  ober  fchtoach  enttoicfelt  ift.  Mein 
theil«  toeil  oft  bie  ftülle  be«  §aare«  ber  Beobachtung  be«  3luge« 
im  Söege  ift,  theil«  toeil  toir  fo  genau  unb  grünblich,  al«  immer 
möglich,  bei  ber  toiffenfehaftttchen  (Srforfchung  einer  3T^atfad^c  ju 
Serie  gehen  müffen,  fo  iß,  toenn  unr  un«  oon  ber  Gnttoicflung 


Digitized  by  Google 


314 


<ßraftifdjcr  Unterricht  in  bet  ^Phrenologie. 


einer  behaarten  Stelle  be«  ßopfe«  unterrichten  wollen,  ba«  33c= 
taften  beffelben  unerläßlich. 

hierbei  ftnb  befonber«  jwet  eben  fo  einfache  at«  wichtige 
Regeln  ju  beobachten,  an  beren  ^iichtfenntnif?  pufig ' fchon  ba« 
Stubium  ber  pra!tifd;en  ^hreno^flie  gefächert  ift.  £>a«  Se* 
taften  geflieht  erften«  nicht,  wie  man  gewöhnlich  glaubt,  mit 
ben  <Spifeen  ber  au«geftrecften  Ringer,  fonbern  bie  bier  Ringer 
ber  $anb  werben  lofe  sufammengelegt  unb  burch  ba«  weiche  unb 
fatte  Slufbrücfen  ber  ganjen  inneren  ^ingerflächen  unb  ba«  t>ict= 
faltige  $in*  unb  £erbewegen  berfelben  fu^t  man  burch  ba«  §aar 
hinburch  eine  Slnfchauung  bön  ber  Sopfgeftalt  ju  gewinnen. 
3weiten«  mujj,  wie  fich  berfteljt,  ba  bie  ganje  Unterfuc^ung  nur 
auf  ber  23ergleichung  ber  einzelnen  ÄopffteUcn  unter  fich  beruht, 
nicht  blo«  bie  eine  topfftelle,  beren  (Sntwtcflung  mir  fennen 
lernen  wollen,  fonbern  jugleich  alle  ring«um  gelegenen  betaftet 
werben. 

ÜDa  bie  ^hre»<>logie  Staturwiffenfchaft  ift,  fo  jerfällt  fie  für 
ba«  praftifche  @tubium  in  ihre  einzelnen  Zfyatfatyn,  b.  t.  in  bie 
al«  erwtefen  betrachteten  Organe,  gür  ben  Anfänger  liegt  nun 
eine  ©chwiertgfeit  in  ber  großen  3a^  btx  Organe.  So  foll 
man  mit  bem  ®tubtum  beginnen,  jumal  wenn  man  bie  leichter 
unb  bie  fchwieriger  ju  erfenneuben  Organe  nicht  ju  unterfcheiben 
weifc?  SBir  wollen  hier  brei  ber  in  ihrer  (Sntwicflung  leicht 
*  ju  unterfcheibenben  Organe,  33eneratal,  (Sautal  unb  Üpfotal,  etwa« 
näher  in«  Sluge  faffen,  um  mit  ihnen  ba«  praftifche  ©tubium 
ber  ^renotogte  beginnen  ju  f&nnen.  Sic  überall,  fo  ift  auch 
hier  nur  ber  $*fang  fchwer.  $öer  an  ber  Unterfcheibung  biefer 
brei  Organe  fein  Urthcil  geübt,  ^at  wettau«  bie  größten  (Schwierig* 
feiten  be«  «Stubium«  ber  praftifchen  ^ßt>renotogte  überwunben. 

4. 

SBeneratal  liegt  unmittelbar  hinter  ber  Äranjnaht,  gerabe 
unter  ber  fogenannten  großen  Fontanelle  auf  bcrSDMttebe« 
Oberfobfe«.  £)a«  Organ  fönnte  bann,  wenn  bie  baoor 
liegenbe  SBulft  ber  ftranjnaht  ftarf  ift,  wegen  ber  ffltt  al«bann 
gefunbenen  febeinbaren  Vertiefung  für  fleiner  gehalten  werben, 


Digitized  by  Google 


^ßraftifctyer  Unterricht  in  ber  Phrenologie. 


315 


af«  e«  ift ,  ein  3rrtfyum ,  ber  natürltd;  (eicfyt  bertnieben  »erben 
fann.  (Sine  »eitere  SBorfid^t  ift  in  Jöejug  auf  bie  ^feifoafyt 
nötfyig.  £)te  üBulft  biefer  9ia^t  (fcenn  borfyanben)  ift  fefyr  leietyt 
burefy  ifyre  @cfymall)ett  bon  ber  ftarfen  Crntttricttung  be8  Organ« 


ftig.  2.  Riet  11 1%  SJeneratal. 


ober  btehneljr  ber  betben  Organe,  ftetcfye  jufammen  bie  t>eUe 
breite  j^eier  Ringer  fyaben,  ju  unterf Reiben.  Slm  getröljulicfyften 
aber  ift  bie  Söutft  biefer  Sßaljt  an  ber  fraglichen  ©teile  gar  nicfyt 
borljanbcn  unb  überhaupt  ber  ftnocfyen  (au«  Urfacfye  fcer  .ge* 


Digitized  by  Google 


316 


*Prattif<$er  Unttrrity  in  ber  $&renelogie. 


mefenen  Fontanelle)  oft  jtemlt^  Mtan,  in  meinem  Falle  bis* 
»eilen  bie  beben  fraglichen  Organe  getrennt  »abgenommen 
»erben  fennen,  jmifcfyen  »eichen  bann,  »eil  fie  nic^t  feft  an  ein* 
anbei  liegen,  eine  Meine  fcfymale  Winne  ober  Vertiefung  gefunben 


ftig.  3.  ©rofec*  SJfttctalal. 


3ifl-  4. 

a.  ftraiipaljt.  b.  $fctlita|jt.  o.  üambanabt.  d.  Stirnbein,   e.  Seitemoanbbein. 
f.  .£>utterf)auptbein.   (g.  Schläfenbein.) 

uütb,  bie  natürlich  für  bie  33enrtfyetfnng  ber  $r5fee  be«  Organ« 
fo  »enig  JBcbcuttmg  fyat,  al$  im  anbem  Falle  bie  an  berfelben 
Stelle  Innlanfenbe,  bnr<$  bie  fdmtale  Söulft  ber  $feilnal>t  gebtl* 
bete  Hebung. 


Digitized  by  Google 


$raftift$er  Unterridjt  in  ber  «Phrenologie. 


317 


£)iefe  <3cfyi(berung  giebt  mm  aber  unb  fann  nocb  feine 
nurfti^e  Äenntnife  beS  Organ«  geben,  fonbern  mir  bie 
Anleitung,  fidj  biefe  burety  eigene  Änf djauung  ju  ermerbeu. 
Ü)Jan  glaubt  oft  fa[fd;Hdj ,  fein  £afcnt  für'  pfyrenotogifdbc  Unter- 
fucfyungen  \\\  Ijaben,  roenn  man  beim  erften  Anfang  eine  Äepf* 
fteUe  gar  nicfyt  %\\  bcurtljeUen,  fie  toeber  ftarf,  nedb  fcfytoad)  ent- 
micfelt  ju  nennen  n>ei§.  SWcin  erft  roenn  man  burdj  9mf$auuug 
eine  53erg(eid?ung  gewonnen,  b.  i.  roenn  man  eine  ftopfftette 


UJrofjcä  ttkiicratal:  3riebri(f>  «ottlob  ftlopftorf. 

bei  einigen  ÄBpfcn  ftarf,  bei  anberen  fdjroacfy  entroicfclt  gefunben 
fyat,  erft  bann  unb  mcfyt  efjcr  fann  man  möglicher  Sföeifc  ein 
Urtivit  über  beren  (Sntroicflung  befreit. 

2BaS  ba«  SBeneratal  fclbft  betrifft,  fo  ift  barüber  bem  2ln* 
fänger,  roetcfyer  ausführlichere  SBerfe  nid^t  jur  §anb  Ijat*), 

*)  23er  „ÄatectyiSmuä  ber  ^renologie"  ift  fcter  nidjt  an«reicbenb;  liber- 
al« ein  SBerfdjen,  toeldjes  befonbere  burd?  bie  Wenge  ber  SBeiftiele  bem  %\u 
fänger  n?ot^(  ganj  genügen  nnrb,  barf  id>  meine  A,^>^rcuologifc^cn  ftranen* 
bitber"  nennen. 


Digitized  by  Google 


Conftontin  ber  Orofee.   »eneratal  flrofe.  ©uftao  «bolpf).   »eiieratal  flrofc. 


Spinoza,   ^eneratal  nein . 


Stephan  bet  «eilige,   «cncratal  grofi.  Seiter.   »eneraiql  fltofe. 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


^raftift&er  Unterridjt  in  ber  ^brenoloflif. 


roenigften«  ba«  ftolgenbe  $u  Riffen  nötyig.  3ft  ©eneratal  feljr 
ftarf,  fo  äußert  fiefy  bie«  fcfyon  in  bet  frühen  3ugenb.  Da«  #inb 
ift  al«bann  feiert  ju  er$ieljen,  felgfam  unb  fügfam,  n>a«  bi«- 
loeilen,  bei  feljr  fcbn>ad>em  Selb.ftgefüljl,  bi«  ju  großer  Scfyücbterm 
fjeit  fteigt.  ©i«roeilen  äußert  fiefy  ba«  ftarfe  ©eneratal  au$  fd>on 
beim  Äinbe  al«  religiefe«  ®efüljl:  ba«  Mtnb  ton  8,  10,  12  3afyren 
liebt  e«  ju  beten,  bie  frircfye  $u  befugen,  aueb  einte  bur$  Orr* 
$iefyung  ober  ©eiftiel  baju  angeleitet  gu  fein,  ©ei  fc$n>ac§em 
Sinn  im  ®egentfyeil  $eigt  ba«  tinb  einen  fanget  an  (£1)x< 
erbietung  gegen  Ottern  unb  tfe^rer,  gegen  ba«  Hlter,  e«  ift  unfüg* 
fam,  eigenfinnig,  nnberfpcnfttg,  ma«  bi«ioetten  bi«  gur  ftred^eit 
gefyt.  ©ei  tnaben,  roeldje  toegen  niebt  ju  jügelnber  Söiber- 
fpenftigfeit  gegen  bie  l'eljrer  au«  ben  S^ulanftalten  entfernt 
werben,  ift  immer  ©eneratal  fcfyrcadj.  3ebo$  oft  fragen  folebe 
Hinber  fräter  sunt  ®uten  um,  werben  tüchtige  unb  roaderc 
9J?enfc$en,  bie«  nämliify  bann,  wenn  bie  übrige  Organifation  eine 
günftige  ift. 

©ei  ben  Grrroacfyfenen  entfpringt  au«  einer  ftarfen  Öntmicf* 
(ung  be«  Sinne«  alle«  Da«,  toa«  man  ^5 i etat  nennt,  biefe« 
Jöort  in  ber  umfaffenbften  ©ebeutung  genommen.  Sltfo  Sinn 
für  Autorität  in  Sachen  be«  Söiffen«  unb  be«  ßeben«,  j.  ©.  in 
Velittfdjer  £rinftdjt  bie  conferbatioe ,  legitimifttfd&e,  abfolutiftifäe 
ftefinnung,  toelcfyer  eine  £>errf<$aft  «ic^t  leitet  ftar!  genug  gu  fein, 
SKajeftät  genug  $u  tyaben  f^cint.  (Autorität,  niefct  Majorität!) 
Dann  ift  ber  ©inn  in«befonbere  bie  ®runblage  ber  religi&fcn 
^efinnung.  Do$  ift  bie  föeügiofität  ber  ^renelogie  nur  allein 
bie  innere  ftrommigfeit  be«  ®emütlj«,  bie  (ebenbige  (gottgläubig* 
feit  be«  $erjen«.  Dagegen  giebt  ?«  eine  anbere,  audj  oft  fo* 
genannte  9Migiofität,  toelc^e  nietyt  au«  unferem  Sinn  Ijerborgeljt,  . 
nämlicfy  bie  äußere  ®ottgtäubigfeit  be«  ©erftanbe«,  ba«  ^ür* 
maljrfyalten  befonberer  beftimmter  $Reltgton«(eIjrett  (bie  9?e$t* 
gläubigfeit).  Docfy  fallen  biefe  beiben  Birten  ber  SReltgiofität  au« 
nafje  liegenben  ®rünben  fcfjr.  oft  jufammen.  ©ei  fetytoad^em  ©ene» 
ratat  finben  fUf  in  ben  genannten  ©ejieljungcn  bie  entgegen* 
gefegten  3uöc:  ^Metät,  ber  Sinn  für  Autorität  fefylt  nadj 
allen  Seiten  Inn ;  in  ber  $olitif  ift  ber  (5fjarafter  ein  ultralibera(er, 


Digitized  by  Google 


* 


«Praftifäer  Unterricht  in  ber  ^f>renotogte.  321 

rabicater,  welchem  leicht  jcbe  wirfliche  £>errfchaft  ju  ftreng,  jebe 
nothwenbigc  Skfchränfung  ber  ftteiheit  $u  brücfcnb  fchetnt,  welker 
oergifct,  bafe  bic  größte  SIriftorratin  bie  Statur  fetbft  ift,  unb  baß 
In  ber  natürlichen  Ungleichheit  unb  Unterorbnung  ber  Sttenfchen 
ein  $orbilb  für  bie  polittfche  liegt.  3n  rcligiöfer  £)inficht  ge* 
hört  ber  (Sfyarafter  gu  benen,  tt>ctd^e  bie  Religion  für  etwas  lieber* 
ftüffigcs  unb  (SntbehrticheS  galten,  ober  welche,  n>enn  fie  auch  baö 
2öort  beibehalten  wollen,  boch  bie  Sache  oerwerfen,  b.  i.  bie 
Religion  in  allgemeine  Sittlichfett  auflöfen  ober  umwanbcln 
möchten. 

Das  Bisher  über  bie  (£fyarafterbef$affenfyeU  bei  ftarfem  ober 
bei  fchwachem  33eneratal  ©efagte  hat  nur  bann  unbebtngte  ®el* 
tung,  wenn  in  ber  Organtfation  nicht  noch  anbere  entfdtiiebene  £üge 
fid)  ftnben,  toeld^e  auf  jenen  (S(;arafterjug  ein  wirf  en.  Seicht  als 
ob  biefcr  3ug  baburch  aufgehoben  würbe,  nein,  er  bleibt  oor= 
hanben  unb  als  oor^anben  nachjuweifen ,  aber  er  tritt  bann  in 
®efetlf<haft  fogenanntcr  Siberfprü^e  auf.  Solche  auf  bas 
SBeneratat  einwirfenbe  Sinne  ftnb  j.  S8.  3pfotal  unb  Oppofitat, 
unb  in  23e$ug  auf  bie  Religion  bie  SBerftanbeSfinne.  3ft  neben 
ftarf  em  Sßenerataf  auch  3pfotat  unb  Jöppofital  ftarf,  fo  machen 
fich  biefe  Sinne  neben  jenem  oollftänbig  geltenb.  Der  9flenfch 
ift  bann  oon  (5h«ta!ter  bemütljtg  unb  ftolj,  fügfam  unb  wib,er* 
fpenftig  ju gleich-  ©n  ^efer  ^rt  h  ®«  ift  leidet  ober 
fd?Wer  ju  erziehen ;  leicht,  wenn  man  es  oerfteht,  burch  ®tite  unb 
23erftanb  baS  33eneratat  anjuregen,  fehwer,  Wenn  man  burch  un* 
oerftänbige  £ärte  unb  Ungerechtigfeit  3pfotal  unb  Dppofitat  jur 
Xhätigteit  aufruft.  3n  ©e$ug  auf  bie  Religion  fommen  mit 
bem  25eneratal  oft  bie  SBerftanbeSfinne ,  wenn  fie  ftarf  finb,  in 
äöiberftrett:  nicht  Wenige  2ttenf<hen  finb  im  £>er$en  gläubig,  im 
Sßerftanb  ungläubig. 

Sehr  ^äufig  werben  neben  einem  ftarfen  SSeneratal  anbere 
ihm  nicht  unmittelbar,  aber  mittelbar  wiberftreitenbe  Sinne 
ftarf  gefunben,  j.  38.  ®eneratal,  Secretat,  Slcquifitat,  Slmbitat  k. 
(Sin  SQfenfch  fann  g.  JS.  fehr  religiös,  gottgläubig  fein  unb  ba= 
neben  irgenb  welche  gro§e  (Sharaftcrfehler  h^oen,  ftnnltch,  falfch, 
geijig  ic.  fein.    3n  biefen  fällen  pflegt  man  bie  2ftenfchen  ge* 

6#et>e,  ^renologifc^e  SBilber.  3.  Kuß.  21 


Digitized  by  Google 


322 


^Jraftifcber  Unterridjt  in  ber  ^brenologic. 


toölmlicf)  für  religiöfe  £eud>ler  $u  galten,  allein  meiften«  mit 
Unrecht. 

5. 

2(ucb  ba«  (iautal  gebort  ju  ben  Organen*),  toelctye  jiemlicty 
leicht,  forooljl  tt>a«  bic  ©teile  betrifft,  d$  in  ber  ®r5fee  ober 
Steinzeit  ju  erfennen  finb.  Die  Stelle  be«  Organ«  ift  gerate 
unter  bem  tnocfyenanfafcpunfte  ober  tnocfyenljocfer  be«  Seitemoanb* 
bein«.  3ft  ba«  Organ  fletu,  fo  ift  ber  topf,  toenn  mir  iljn  auf 
fetner  oberu  ftläcfye  mit  ben  Zingent  fpannenb  überfaffen,  Ijter 
fo  fcfymal  ober  loofyl  noefy  febmäler,  al«  oorn  hinter  ber  Stirn, 


©rofce*  ttautal  (12).  «leine«  Cautal.  Wittlete«  ffautal. 


unb  e«  ift  an  btefer  Stelle  feine  (Srljöljung,  oft  nid^t  einmal  bie 
be«  tnoctycnfyöcfer«,  toenn  biefer  fe^r  unbebeutenb  ift,  ju  ernennen, 
fo  bafc  für  biefen  ftall  bie  genaue  Stelle  be«  Organ*  für  ben 
Anfänger  fdjmer  511  beftimmen  ift.  3n  biefem  ftatt  ift  aber  ju= 
gleich  au«gefprocbeu,  baß  ba«  Organ  flein  ift. 

3ft  ba«  Organ  feljr  grofe,  fo  ift  ber  topf  an  ber  begeic^ 
neten  Stelle  fet)r  breit,  fo  bafc  oft  eine  grojje  §anb  bagu  gehört, 
il)u  fn'er  ju  überfpannen.  3U8^C^  tagt  ba«  Organ  über  ben 
unterhalb  liegenben  Xfyetl  be«  topfe«  (Oppofital)  Ijeroor,  fo  ba§ 
ber  SDurcfymeffer  be«  topfe«  gmifdjen  ben  beiben  (Sautal  größer 
ift,  al«  ber  £>urdmteffer  am  Oppofital.  £)er  tnocfcenljocfer,  aiu$ 
menn  er  bebeutenb  ift,  ift  ttjeil«  an  Umfang  oiel  gu  flein,  tfjeil« 
ni<$t  fo  bie  unteren  Organe  überragenb,  al«  bafj  er  nietyt  feljr 
leicht  ton  bem  Organe  ju  unterfcfyetben  wäre. 

•)  Xk  nriffenjdjaftlidjen  Warnen  bcr  Sinne  werben  aud?  al«  Organen* 
namen  gebraust. 

» 


Digitized  by  Google 


^raftiföer  Unterricht  in  ber  $t)rcnotoßie.  323 

Senn  ba«  Organ  mittelmäßig  groß  ift,  b.  h-  loenn  ber 
topf  an  ber  bezeichneten  ©teile  toeber  fe^r  breit,  noch  fefyr  fchmal 
erfcheint,  unb  toeber  bie  betriebene  ftläche,  noch  bie  große  £er- 
borragung,  fonbem  nur  eine  mäßige  Solbung  zeigt,  fo  fann  fich 
ber  Anfänger  am  leichteften  burdt)  ben  ^injnfommenben  tnochen* 
hocfer  über  ba«  3Waß  be«  Organ«  tauften  (äffen  unb  c«  für 
größer  galten,  al«  e«  ift.  ©a«  ficherfte  Unterfcheibimg«merf* 
mal  ift  bie  Kleinheit  be«  Umfang«,  loelchen  ber  bloße  tnochen* 
Dörfer  hat. 

3m  UntCTfc^iebe  »on  SBcneratal,  bei  luelchem  bie  Unterfuchung 
am  beften  bermittetft  einer,  ber  regten,  §anb  gemalt  nn'rb,  ge= 
flieht  bie  Unterfuchung  bei  (Sautat  am  leichteften  fo,  baß  ber 
Unterfuchenbe  Ijtnter  bie  auf  einem  Stufte  fifeenbe  ^erfon  tritt 
unb  mit  beiben  §änben  bie  ®eftalt  be«  topfe«  an  ber  fraglichen 
©teile  an  ber  regten  unb  linfen  ©eite  ju  gleicher  >}ett  —  unter 
genauer  ^Beachtung  ber  oben  gebauten  boppetten  föegel  —  fich 
Sur  Slnfchauung  bringt. 

Ueber  ba«  (Sautal  felbft  bebarf  e«  !aum  weiterer  (grläute- 
rungen.  Dct  ©hin  fann  burdt)  bie  Sorte :  SSorfid)t,  ©orglidt»feit, 
S9e^utfamfeit,  53ebadt)tfam!eit ,  Umfielt  bezeichnet  loerben,  au« 
melden  Sorten,  roenn  n>ir  fie  in  ©ebanfen  $ufammenfaffen, 
Ziemlich  flar  ber  begriff  be«  ©inne«  h^borgeht.  Slnbere  ©inne, 
loelche  neben  biefem  in"$rage  fommen,  finb  t)auptfädt)Uch  3pfota( 
unb  ©ecretal,  jene«  bem  (Sautat  entgegentretenb,  biefe«  e«  unter* 
ftüfcenb.  9fft  neben  großem  (Sautat  auch  3pfotal  groß,  fo  artet 
jene«  nie  in  zu  große  S8cba$tfamfcit  ober  Unentfd^foffcn^eit  an«, 
fonbem  ber  (Sljarafter  ift  einerfeit«  ebenfo  be^utfam  unb  um* 
fidjtig,  al«  anbererfeit«  entfdn'eben  unb  felbftuertrauenb.  3ft  im 
®egentheil  neben  mittelmäßigem  ober  Keinem  (Sautal  ba«  3pfotat 
fe^r  Hein,  fo  entfielt  ein  3u>etfetn  unb  «Sorgen,  eine  Unfidt)erljeit 
be«  |>anbe(n«,  meldte  oberflächlich  betrachtet  unb  irrtümlich  au« 
einem  großen  (Sautal  abgeleitet  loerben  zu  müffen  fcheinen  fönnte. 
®roße«  (Sautal  neben  fleinem  3pfotat  macht  fich  befto  entfehiebener 
in  jeber  Seife  in  feiner  ©tärfe,  flcine«  (Sautal  neben  großem 
3pfotal  befto  entfehiebener  in  feiner  Schwäche  geltenb. 

Da*  umgefehrte  S3erhättniß  nrie  sioifchcn  (Sautal  unb  3pfotal 

21* 


324  «Proftifäcr  Unterst  in  b«r  ^rcnologie. 

finbet  jroif^cn  (Sautal  unb  Secretal  ftatt.  ®rofee«  (Sautal  totrb 
oon  großem  Sccretal  no#  bebeutenb  unterftfifet,  flehte«  (Sautat 
fann  oon  großem  Secretal,  oberfläc$li($  betrautet,  foft  gang  er* 
fe|t  gu  »erben  feinen.  kleine«  (Sautal  tritt  neben  Keinem  <Se* 
cretal  befto  entfcbtebener  in  feiner  Sdnoacbe  Ijerbor,  u.  f.  n>. 

©ei  (Sautal  fommt  in  Ijofjem  (Srabe  nocfy  ba«  Temperament 
ober  bic  ®efunbljeit  in  ^age.  $ranffjafte  ©efcfyaffenljett  ber 
Unter letbäorgane,  au$  gefcfytoacfyte,  entnerbte  (^efunbfyeit  überhaupt 
gtebt  feljr  Ijäufig  bem  (Sljarafter  eine  Färbung  ber  Scfytoäcfye,  be« 
Staufen«,  ber  Unentf^iebenljeit ,  meiere  mit  einer  ftarfen  (5nt- 
loicflung  be«  (Sautat  &ertoe($fclt  toerben  fonnte. 

£)a«  Spfotal  liegt  (f.  ben  pljrenolog.  #opf  ©.  7)  an  ber 
»Stelle  be«  fogenannten  §aarn>irbel«  auf  ber  Ü)?itteü1nie  be« 
ftopfe«  unter  ber  ^fetlnaljt,  ba  too  ber  Oberfopf  in  ben  £mtter* 
lopf  abfäüt.  <S«  Ijat  etma  bic  ©reite  jmeier  Ringer.  Oft  e« 
fe^r  grofc,  fo  ftellt  e«  ftc$  al«  eine  länglich  ooalc,  ftar!  f>erbor= 
tretenbe  2öölbung  bar,  bte  bon  oben  na#  unten  jene  Stelle  ein* 
nimmt.  Oft  e«  fefyr  Kein  unb  befonber«  ba*  ju  beiben  «Seiten 
liegenbe  Organ  ber  ©eifall«liebe  grofc,  fo  geigt  bie  Stelle  eine 
Vertiefung,  in  bie  man  einen  ober  jtoei  Ringer  legen  fann.  SGßenn 
übrigen«  ber  <S$äbeffnoc$en ,  toie  nietyt  feiten,  feljr  bünn  ift ,  fo 
erfennt  man,  befonber«  bei  ftarfer  (Snttoitflung  be«  Organ«,  leitet 
bie  beiben  Xljetle  beffelben  (ober  bte  beiben  Organe)  burefy  eine 
fcfymale  fötnnc  bon  einanber  getrennt.  !£)te  ©etaftung  be«  $opfe« 
gefcfyiefyt  bei  biefem  Organ  oermittelft  ber  regten  Jpanb,  meiere 
nidbt  fenfrecfyt,  fonbem  toagredjt  quer  über  ba«  Organ  aufgelegt 
mirb.  (Sine  allgemeine  praftifc&e  föegel,  bie  ljauptfä($licfy  auety 
bei  biefem  Organe  nid^t  überfein  »erben  barf,  ift  no<$  bie, 
bat  ber  gu  betaftenbe  Äopf  in  mßglutyft  naturaler,  geraber  <Stel* 
lung,  toeber  bormärt«  no$  rücftoärt«  geneigt,  gehalten  toirb. 

Sa«  ba«  3pfotal  felbft  betrifft,  fo  finb  «Selbstachtung,  <Setbft» 
bertrauen,  Selbftgenügfamfeit,  ©tol$,  Neigung  gum  £errf$en 
einige  3Borte  ä^nli^er  ©ebeutung,  tocl^e  alle  in  ben  Xljätigfeit«* 
frei«  be«  Sinne«  fallen  unb  für  ben  richtigen  ©egriff  beffelben 
gufammenguf  äffen  finb.  211«  auf  Spfotal  eintotrfenb  ift  oorgug«* 
toeife  SBeneratat  gu  nennen,  toic  fcfyon  oben  bemerft  ift. 


Digitized  by  Google 


^rartifdjer  Unterricht  in  ber  s}tyreitotogie.  325 


gig.  2.  ®ro&er  @efdjlf<i)t$ftnn. 


Digitized  by  Google 


326 


$rafttfd>er  Unterrt^t  in  fccr  Wrenotogie. 


Brie-  3-   S^Ie^te  Äopfbilbuiifl. 


Obgleich  ©emäfoe  unb  Zeichnungen  ton  köpfen  ein  t>er= 
g(etc^ungdn?eife  fcfytoacfyer  Crrfafe  füx  bie  ^Beobachtung  ber  Äopf* 
geftalten  lebenber  9Wen{4en  finb,  fo  füge  i$  bodt)  borfteljenbem 
Sluffafce  jur  2$eranfd)auttd?ung  einiger  Unterfäiebe  bct  Äopfgc* 
ftatten  Ijier  toentge  5(bbitbungen  bei. 

$tg.  1—4.  $)iefe  biet  ÄSpfe  finb  in  bet  ©eftalt  fo  fpretfyenb 
al«  möglich  £aum  mBcfyte  e»  eine  ungünftigere  33ttbung  geben 
fönnen,  a(S  bie  ftig.  3,  nnb  launt  eine  günftigete,  a(S  bie  ftig.  1 
((SuripibeS).  £>ort  finb  bie  tljierifcfyen  (Sinne  fefyr  grojj  nnb  jn= 
gleich  bie  <$emüty6finne  bis  jum  3uftanb  be«  @d^ma^finn»  Kein ; 
bie  ©ilbung  ^ig.  2  tft  eine  günftige,  mit  Shiftiafyne  be$  ju 
großen  ©eneratat:  aüe  (Gebauten ,  alle  ©efüljle  werben  ^ier  bon 
biefem  einen  «Sinne  be^errfd^t.  (Da«  feljr  grofje  Selbftgefüfyl 
gig.  4  tritt  in  ®efettfcfyaft  fo  fcbtoacfyer  £enffräfte  unb  ©efüfyle 


Digitized  by  Google 


^raftil'c^cc  Unterricht  in  bei  Phrenologie. 


327 


Öifl.  4.   ®ro&e8  Scl&figefütil. 


auf,  bafc  e«  jmn  (ceren,  täctyeriicfyen  Grigenbünfet  wirb.  3n 
ftig.  1  ift  baä  ©elbftgefüfjl  auefy  giemtic^  grofc,  aber  in  fotd^cr 
2$crbinbung  ift  es  nur  oerftänbiger  unb  ebler  <StoI$. 

fttg.  5—7.  $)er  junge  SWann  mit  ber  aurüdWic^enben 
Unterftim  (5)  ift  ba$  ®egentljeU  eineä  guten,  fixeren,  teilten 
^Beobachters ;  er  fieljt  ntc^t,  b.  i.  er  beobachtet  nic^t  bie  £)inge, 
fe(bft  menn  fie  oor  iljm  ftnb,  fein  f&rperltctyeä  Sluge  mag  noc$  fo 
gut  fein.  (5r  toäre  oertoren  für  einen  9Jaturforfdfc)er  ober  3lr$t, 
für  einen  ftünfüer,  einen  ®eometer,  einen  9)?ilttär  u.  f.  ti>.  ttetni5 
licfye*  gilt  üon  ber  «Stirn  $o(taire'S  (uUg.  6),  nur  baft  fyier  ju« 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


<j3raftifi§er  Unterri^t  in  ber  ^Phrenologie-  329 

gteicf;  He  g'anj  auSnefymenb  bolle  SDberftirn  in  ftrage  fommt. 
£>iefe  umfaßt  (Sonnparttal,  Saufalital,  (Somicatal  unb  Obcalttal 
(S$lx.  34,  35,  20,  19  ber  pfyrenologiftfyen  Organe).  Voltaire  fjat 
buref)  feinen  untfaffenben  ®eift,  feinen  üötjj,  feine  <&i$tungen 
ein  fyalbe«  3af)rl;uubert  lang  bie  Viteratur  Europa«  bel)errfd;t ; 
toatjrenb  bagegen  feinen  ($efcfyt($t«n}erfen  al«  foleben,  auefy  feiner 
^enriabe  ber  SDJangel  an  (§cgenftänblicfyfeit  (Cbieetlbität),  fyerbor- 
gegangen  au«  ber  Scfm>äd)e  feine«  gfaetttaf  unb  Realität  (9tr.  30, 
22),  mit  9te$t  borgeworfen  mirb.  Der  Stopf  be«  Sieget«  (§uftacf/c 
(ftig-  7)  ift  für  bie  (Ürntaücflung  ber  ©emütfysfinne ,  befonber* 
be«  SBofyltoollen«  (92r.  13),  einer  ber  fünften,  bie  man  fennt. 
Gruftacfye  erhielt  bom  franjöfifc^en  Onftitnt  itn  3afyre  1832  beii 
£ugenbprei«  unb  ift  baburd;  bielfad,)  befannt  geworben.  SBäfjrcub 
ber  ©flabenftreitigfetten  auf  8t.  Domingo  u>arcn  feine  uneigen 
Hürtgen  ®emüf)ungen  für  feinen  £>crrn  grenzenlos.  Durcb  feine 
(Sefcfyicf lidt)fctt ,  feine  (Srgebeufyett  unb  feinen  äftutf)  uutrbc  biefer 
mit  meljr  als  bierlumbert  anberen  Zeigen  bor  sJ?iebermcfcetung 
bcmatjrt,  unb  fein  SBermSgen  mehrmals  gerettet.  Slllen  ®enünn, 
ben  (Juftacfye  au«  feinen  SScfcbäfttguugen  gebogen,  unb  alle  ®e* 


Digitized  by  Google 


t 


330 


^raftityer  Unterrity  in  bcr  ^renologie. 


fäenfe,  bte  et  ju  $ari«  erhielt,  toettoenbete  et  jut  Untetftüfeung 
Ungtucflictyer. 

$tg.  8  u.  9.  i'aöater  unb  ©ohate«.  3n  Reiben  tft  2*ene= 
ratat  groß,  bie  SWittc  be«  Obetfopfe«  $o$  unb  &oü\  unb  fo  in 
Reiben  bie  entfd&ieben  religtöfe  9tt$tung.  3n  ©ofrate«  ba«  Com* 
patitat  (bet  t>etgleic$enbe  @cfyarffinn)  fe^t  gtojj,  unb  Sofrate« 
n>ar,  r>on  feinem  ©emütlj«Ieben  abgefeljen,  nut  gtofj  burefy  feinen 
&erg(eic$enben  <5(fyarfftnn ,  toäljrenb  bei  l'afcatet  bie  (#r&jje  btefe« 
@<$arffinn«,  fottrie  be«  Organ«  feljlt.  S3ei  i'a&atet  bie  ftatf  ent^ 
imcfette,  »orragenbe  Unterftirn,  bie  ®r&jje  bex  3Ba!jrneIjmung«= 
vermögen,  h>el<$e  iljn  jum  9ktutbeoba<$ter  matten,  mätytenb  ttnt 
in  Schate«  bei  ben  toer^ättni^mä^ig  fetytoaety  enttoicfelten  2öaf>t= 
nefymung«fcermögen  biefe  <$etfte«ricfytung  nicfyt  finben. 


XVIII. 

IJftrenofugie  und  bildende  üun(lt. 

«üiiftlet,  bu  malft  bie  IKatur :  o  fdjaiie  bem  Ijctrlithru  SBeibf, 
tffje  ba«  «Hb  bu  beßimiflt,  tief  in  bie  Seele  hinein. 


1.    Phrenologie  unb  JJIjijfiognomih. 

£>ie  Aufgabe  bei*  bilbenbcit  $unft  ift,  bie  Matux  barjuftetten. 
T>a«  SSefen  ber  Statur  ift  i^re  •Ucannicfyfaitigfett  in  ber  (Sinfyett, 
ifyre  £>armonte;  es  gtebt  !einen  S&iberfprucfy  in  ber  9totur 
jhrifd&en  Sleujerem  unb  innerem,  jnrifeben  ©eift  unb  $orm.  $>a 
bem  barftellenben  $ünftler  uut  bie  eine  «Seite  ber  Statur,  bie 
gorm,  ju  Gebote  ftetyt,  um  ba«  (Sanje,  auc$  ben  ®etft,  mieber* 
äugeben,  fo  ift  feine  gro§e  unb  unenblicty  fetytoierige  Stufgabe  bie, 
ni^t  in  ©iberfpru($  $u  fallen  jmifd&en  £)em,  ma«  er  gtebt,  ber 
gorm,  unb  £)em,  ma$  er  geben  totö,  bem  (Seift.  3e  ^Btyer  ber 
#ünftler  fteljt,  je  genialer  er  ift,  befto  mefyr  nrirb  in  feinen 
<3d)ityfungen  ba«  begebene  bem  ®ebad)ten,  bie  ftorm  bem  (Seifte 
entfprecfyen.  ÜDeun  ba$  (Senie  be$  tünftterä  ift  eben  nichts  anbetet, 
als  ba$  (Srfaffen  ber  Harmonie  in  ber  'Jfatur,  ba$  (Srfennen 
ber  emigen  Uebereinftimmung  jmifc^en  (Seift  unb  ftoxm. 

2)ie  Äunft  ift  ober  foü  eine  f el bft be mußte  fein,  fte  ftefyt 
befto  Ij&ljer,  je  mefyr  fie  biefeä  ift.  £>ie  erfte  ftrage  ber  ftunft 
ift  bafjer,  ob  e«  eine  2öiffenf$aft  oon  ber  Harmonie  in  ber 


Digitized  by  Google 


332 


^renologic  unb  bilfccnbc  Ämtft. 


Statut  gete?  Söefctyränfen  ttrir  jebocty  btefe  umfaffcnbe  ^tage  Ijier 
auf  ein  Heinere«  (Gebiet,  auf  bic  ^tagc  na$  ber  ©iffenfctyaft 
oen  ber  Harmonie  gtptföen  beut  3nucm  unb  bei«  9leu§ern  be« 
SHenfcfyen.  (Sine  fotd^e  Sötffenfc^aft  mürbe  bie  ben  SWenfcfyen 
barftetlenbe  &unft  auf  fefte  Regeln  grünben,  fie  mürbe  ba«  ($enie 
be«  tünftler«,  mel^e«  ja  niemal«  ein  oollfommene«  ift,  bor  3rr* 
tfjümern  unb  Fehlgriffen  f($üfeen. 

911«  eine  folcfye  95Mffenfcfyaft  galt  bi«ljer  bie  ^fytyfiogno* 
mif,  über  bereu  Söafyrljeit  ober  SG^crt^  ieboeb  befanntlicty  bie 
Meinungen  geteilt  finb.  (gütige  finb  ber  Slnfidjt,  bie  ^fio= 
gnomif  gebe  ooüftänbigen  ?(uffcfctu^  über  bie  Harmonie  smiföen 
bem  3nnern  unb  bem  Beugern  be«  ä*?enfc$en,  fie  leljre  alfo  einer* 
feit«  ben  Gljarafter  jebe«  9Kenfc$en  au«  feinem  3(eu§ern  (®efi$t, 
ftorperferm  :c.)  erfennen,  anbererfett«  gebe  fie  bem  tffinftler  fefte 
Regeln  barüber,  welche  formen  für  bie  £)arftettung  biefe«  ober 
jene«  befttmmten  (Sljarafter«  ju  mäljlen  feien.  ?lnbere,  biefer  9fa= 
fietyt  nriberfprecfyenb,  legen  ber  ^tyftognomtf  feinen  ober  faft  feinen 
SÖcrtlj  bei,  toeber  in  ber  einen,  nodj  in  ber  anbem  jener  Beiben 
©cjteljungen.  Diefc  bie  ^3^fiognomif  oertoerfenbe  Stnfictyt  mag 
looljl  oen  tünftlern  fetbft  faum  jcmal«  geseilt  toorben  fein. 
£>enn  ba  ber  tünftler,  um  ben  ®eift  barjuftetten,  nt<$t«  al« 
bie  Form  l)atf  fo  fönnte  e«  feine  barftellenbe  ftunft  geben,  menn 
e«  fein  2$erftänbnij?  ber  Harmonie  jtoif^en  (Seift  unb  Form 
gäbe.  <&(eidm>oIjl  maren  bon  jefjer  auc$  bie  ^ünftler  fetbft  über 
ben  ©ertlj  ber  ^fiognomif  infofern  geseilter  2tteinung,  a(«  e« 
fieb  fragt,  ob  biefe  Se^re  eine  $ötf  f  enf  <$af  t  bon  ber  §armonie 
jtoifcben  (Seift  unb  Form  fei,  b.  i.  ob  fefte  Regeln  unb  $e  = 
fcfce  biefer  Harmonie  aufgefunben  unb  nadbgemiefen  feien,  eine 
Fra^e,  n>c(cfye  bon  (ginigen  bejaht,  bon  ?lnberen  berneint  nnitbe. 

jDtcfer  (Streit  ift  fo  ju  entfdjetben.  £)ic  i$xa$e,  ob  e«  ein 
93er  ftänbn  ift  ber  Harmonie  jwifcfyen  (Seift  unb  Form  gebe, 
ift  f$led;tljin  ju  bejahen ;  bem  ^toeifelnben  toürbe  jebe  maljrc 
Äunftf^Bpfung  ben  3toc^fc^  ^fcu  müffen.  £>ie  anbere  Ftöge 
aber,  ob  e«  eine  Siffenfc^aft  biefe«  Skr^ältniffe«  gebe,  ift 
ebenfo  entf^ieben  ju  bemeinen.  Ober  mit  anberen  Söorten:  bie 
^fiognomif,  loetl  fte  burc^au«  mafyr  ift,  follte  tootyl  eine 


Digitized  by 


^rcnofogie  unb  ttlbcnbe  ftnttft.  333 

Siffenföaft  fein,  aber  fie  ift  e$  nid&t,  t^rc  Sonetten  fo  Ilten 
auf  Regeln  unb  ©efefce  jurücfgefü^rt  fein,  aber  bis  jefct  wenig* 
ftenS  ift  bieS  ni#t  gefc^en.  SBir  fönnen  biefes  SBer^ältniß, 
wenn  wir  wogen,  bur<$  anbere  äljnltc$e,  3.  ©.  burcty  baS  ber 
menfölic$en  ©eifteSlefjre  ($fy$ofogie)  t>eranfa>ulid(>en.  SBoljl 
giebt  eS  ein  SBerftänbniß  ber  £$ätigfettsgefefee  beS  menfäticfyeu 
©eifteS:  benn  wie  weit  fyaben  es  oft  geniale  SRenföen  in  ber 
Kenntnis  beS  menfölictyen  £erjenS  gebraut!  Slbcr  fefte  Regeln 
unb  ©efefcc,  um  biefeS  SBerftänbniß  nacfyjumeifen  unb  ju  tefjren, 
gab  es  btsfyer  nufy,  b.  i.  bie  menfctylictye  (^etfteSleljre,  —  wie 
fdjon  iljre  nur  toon  SÖiberf prüfen  ber  ^orfc^er  bcrictytenbe  ($e* 
fctyi<$te  jeigt,  —  war  bisher  feine  3Biffenf$aft.  €>o  finb  bie 
Vetren  twn  ben  ®runbftoffen  unb  oon  ben  Gräften  ber  Körper* 
weit  (bie  Chemie  unb  bie  Wfif),  nactybem  fie  audj  lange  &c'\t 
feine  ©iffenfctyaften  gewefen,  eS  erft  in  ber  neuem  £eit  gewor^ 
ben.  $)ie  Söiffenföaf  t ,  baS  $öa?ftc,  was  ber  2Wenfc$engetft  er* 
reiben  fann,  ift  immer  baS  fpäte  (Srgebniß  langen  unb  mülje* 
tollen  «Streben«. 

3eboc$  mar  um  mar  bie  ^fiognomif  bisher  feine  ffitffen* 
fc^aft,  wa*  ober  Wteoiel  fehlte  tyr  bagu?  3n  ieber  ßefyre  ift 
(na$  bem  befannten  Sorte)  fooiel  <$ewißljeit  ober  $öiffenfd?aft, 
als  ÜJfatljematif.  3n  ber  ^fytyfiognomif  nun  fefjltc  bisher  baS 
mattem atifcfye  Clement,  ba  man  no<$  feine  © r ß ß e n oerljält* 
niffe  tu  ben  formen  als  bcftimmcnb  ober  bebeutfam  für  bie  iöe- 
jeicfynung  bcS  (SfyarafterS  aufgefnnben  Ijatte.  @o  fann  3.  Sö.  ein 
9)ienfcty  oon  großem  ober  oon  fleinem  Körperbau  ganj  o^ne  Un= 
terfcfyieb  wenig  ober  t>iel  ®eift  befifcen;  ebenfo  fann,  im  (Sinjel* 
nen,  eine  große  ober  eine  fleyie,  eine  fo  ober  fo  geformte  9cafe, 
ein  großer  ober  ein  fleiner  SDfunb,  ein  runbeS  ober  ein  breites 
ßhtn  2C.  bei  biefem  ober  bei  bem  entgegengefefcten  Buge  beS 
(SJemütfjS,  ber  Neigungen,  ber  Talente  k.  gefunben  »erben. 
£er  ß&araftcr  beS  2»enföen  giebt  fic3t>  alfo  ni^t  in  bem  Größen' 
oerfyältniffe  ber  formen  funb,  fonbern  in  einem  getoiffen  geifti* 
gen  SluSbrudfe,  ber  jmar  00m  Talent  ober  Dom  ©efüfyl  leicht 
waljrjunefymen  unb  $u  oerfteljen  ift,  ber  aber  ni$t  in  ©efefcen  ■ 
unb  Siegeln  wtffenfdjaftlicfy  nachgewiesen  werben  fann.  $)aS 


Digitized  by  Google 


334  ^rcnologie  unb  feiibenbe  Äunf». 

®efagte  crCcibet  jebocb  bie  folgenbe  Keine  ©efchränfung  ober 
Ausnahme. 

£)er  menföücfye  ß^arafter  beruht  theils  auf  beut  2fta&c  ber 
oerfchiebenen  einzelnen  ©runbfräfte  beä  Reifte«  (bet  Triebe,  ber 
ßefftyfe,  ber  Eerftanbetfräfte  *c),  theil«  auf  bem  Temperament 
ober  ber  allgemeinen  &ßrperbefchaffenheit.  3ene  erftere  ®runb* 
tage  be«  GharafterS  tft  bie  ungleich  michttgere,  benn  nur  fie  giebt 
Sluffchlufe  über  ben  befonbern  eigentlichen  <£harafter,  mährenb 
ba«  Temperament  nur  bie  allgemeine  (fönelle,  langfame,  traf* 
tige  ic.)  Thätigfeitfmeifc  ber  fämmtltchen  ßharafterjüge  au«* 
fpricht.  Sir  miffen  bafyer  ocrgletch$meife  fel)r  mentg  oon  einem 
3Wenfchen,  menn  mir  nur  fein  Temperament  rennen;  benn  ein 
Sanguinifer  3.  39.  fann  toenig,  ein  ^^legmatifer  oiel  <$eift  be* 
fifcen,  ton  $mei  3anguinifem  fann  ber  eine  ein  grofje«  Talent  für 
Sprachen,  ber  anbere  für  2ftect)aiiif  ^aben;  oon  jmei  (Sholerifem 
ober  oon  sroei  ^tyfegmatifern  k.  fann  ber  eine  geijig,  ber  anbere 
ocrfct/menbcTifch,  ber  eine  mutljig,  ber  anbere  feig,  ber  eine  offen, 
ber  anbere  oerfteeft,  ber  eine  poetifchen,  ber  anbere  profaifchen 
®emüth«  fein  :c.  Snfomeit  nun  ber  ß^arafter  be«  9ftenfchen 
auf  feinem  Temperamente  ober  feiner  allgemeinen  äorperbe* 
f$affen$cit  beruht,  befifet  bie  ^^fiognomif  für  ihr  Urteil  alter* 
bing«  eine  m  i  f  f  e  n  f  cb  a  f  1 1  i  ct>  e ,  meil  mathematische,  auf  ®röj?en* 
ocr^ältniffen  berur)enbe  ©runblage.  33ei  bem  ^^tegmatifer  j.  Sö. 
finbet  fich  eine  plte  unb  9cunbung  be«  törper«  unb  feiner 
Tljeile,  volle  ober  fyängenbe  Sangen,  ftumpfe  tfeafe,  gerunbete* 
Äinn  ic,  bei  bem  S^olerifer  ftnb  bie  Umriffe  bc$  iörperS 
fcfyarf  ge^etet/net,  magere  Sangen  unb  $inn,  fpitje  ober  fct)arf* 
gefchnittene  9ßafe  tc. 

Senn  nun  bie  ^^fiognomif  in  ihrer  ungleich  mid^tigften 
©ejiefyung,  in  ber  jum  eigentlichen  (iljarafter  be$  üftenfehen, 
bie  toiffenfehaftliche  ©runblage  bisher  entbehrt  r)at,  bürfeu  mir 
TOofjt  hoffen,  bajj  fie  biefe  noct)  erhalten  merbe?  3a,  biefe  £off* 
nung  ift  fogar  föon  erfüllt.  <8o  lange  bie  menfebliche  Reifte«* 
le^re  feine  Siffenfchaft  mar,  fo  lange  fonnte  natürlich  bie  ^* 
•fiognomif,  »eiche  als  Öehre  ber  Harmonie  jmifchen  ®etft.  unb 
ftorm  t>auvtfäc6(ic^  auf  ber  ©eiftcSlehre  beruht,  feine  Siffen* 


Digitizted  by  Google 


Wreriöfogte  unb  bübenbe  tunfl.  '  335 

fäaft  fein.  W\m  ift  aber  bic  ®eifte«(efjre  in  unferer  3eit  in 
bei  ^tjrenotogte  $ur  Söiffenfcfyaft  getoorben,  unb  toie  baburcty 
alte  biejenigen  Seiten,  meiere  bcn  ättenföen  gutn  ©egenftanbe 
Jjaben,  bic  lang  entbehrte  miffenföaftli^e  ©runbtage  erhielten,  fo 
anefy  bie  ^tyfiognomif.  $)ie  $l?renofogie  ift  eine  boppette  Söiffen* 
fcfyaft,  fie  ift  (Dcifte«(eljre  unb  Organenteljre,  inbem  fie  erften« 
bie  ©runbfräfte  be«  mcnfdjücfycn  (Reifte«,  gleitend  bie  ®eljim= 
organe  btefer  ©runbfräfte  naetygennefen  ljat.  3n  btefer  jh>eiten 
(Sigenföaft ,  al«  bie  £cljre  oou  ben  ©eljirnorganen  ber  menfety* 
tiefen  ®eifte«fräfte,  bübet  bie  'Phrenologie  bie  miffenfc$aftüc§e 
©runbtage  ber  ^tyftognomif. 

$)er  (gegenfeitigen)  (Stärfe  ber  einjelnen  ®eifte«fräfte 
mmtty  entfpric^t  bie  (gegenf eltige)  ©röfce  ifyrcr  ©efyirnorganc. 
£)tc  ©eftalt  be«  ©efu'rn«,  be«  ©efammtgan$en  ber  ©etfte«organe, 
ift  ba&er  je  na$  bem  gegenfeitig  terfetyiebenen  3)ta&e  ber  Organe 
eine  Ijöcbft  mannigfaltige,  fotoofyl  ma«  bie  Gruppen  ber  Organe 
Vbie  Stirn,  ben  Oberfopf,  ben  §interfopf),  als  toa«  bie  einsei* 
neu  Organe  (bie  befonberen  (Stellen  iener  topfttyeile)  betrifft, 
©o  wie  bie  «Stirn,  welche  bic  Organe. ber  $erftanbe«fräfte  ober 
latente  umfcfyliejjt,  gegen  ben  übrigen  $opf  enttoeber  int  9lllge> 
meinen  grofc  ober  Mein,  t>oll  ober  flacfy  fein  !ann,  fo  fBnnen 
aua)  beftimmte  einjelne  Steile  ber  <SUrn ,  bic  Stellen  beftimmter 
©eifte«organe ,  entroeber  ftarf  oorragen  ober  ftarf  jurüeftreten. 
@benfo  beim  Obcrfopf,  bem  Sifee  ber  Organe  ber  fyöfyeren  ober 
®emütfy«fumc,  unb  beim  Unter*  unb  £interfopfe,  bem  Stfee  ber 
Organe  ber  nieberen  ober  tljieriföen  (Sinne.  £)ie  ©eftalt  be« 
©efjirttf  beljerrföt  iebo$  auf  biefe  SBctfe  nur  bie  ©eftalt  ber 
Stirn  unb  be«  über  unb  hinter  tyr  tiegenben  topfe«,  nic$t  bie 
©eftalt  be«  ©efic^t«  unterhalb  ber  Stirn,  unb  noc$  weniger 
natürlich  bic  ©cftalt  be«  übrigen  törper«.  £>a«  ©ebiet  ber  • 
^renologte  a(«  Organente^rc  reicht  bafyer  nietyt  fo  meit,  al« 
ba«  ber  ^fiognomif,  unb  menn  bie  erftcre  ber  Ickern  jur 
totffenfc^aftüc^cTt  ©runblage  bienen  foll,  fo  !ann  biefe  ©runb* 
tage  ftcfy  nur  auf  ba«  gemeinfdjaftlicfye  ©ebtet  ber  beiben  Öetyren, 
atfo  nur  auf  einen  £fyeil  be«  ©ebiet«  ber  ^Ijtyfiognomif 
erftreefen. 


Digitized  by  Google 


336  Phrenologie  nnb  bilfcenbe  Äunft. 


gleichwohl  ift  biefe  ®runblagc,  weil  eine  wiffenfehaftliche, 
für  bie  ^^fiognomtf  ton  unenblichem  Gerthe ;  fte  würbe  e«  fein, 
wenn  ba«  an  fieb  feljr  große  (Gebiet  bet  ^tyrcnologte  auch  um 
tiele«  Heinet  wäre.  Denn  e«  ift  werthooller,  eine  ©a^eit 
feft  unb  beftimmt,  al«  unjähüge  nur  %aib,  b.  i.  gar  nicht  gu 
wiffen;  eine  STljatfactye  ift  gewichtiger,  al«  taufenb  ber  wahr* 
fcheinlichften ,  tont  ®enie  gezogenen  ©chlüffe.  Die  ^J^renofogie 
ift  aber  gegen  bie  ^^fiognonüf ,  wa«  ba«  ©iffen  gegen  ba$ 
stauben,  bie  Zfyatfaty  gegen  baS  (Schliefen  ift.  ÜÖa'hrenb  bie 
gan$e  "^^fiognonttf  ohne  bie  ^renologie  nur  eine  3«$wleljre 
ober  ßeichenbeutefunft  ift/  beren  Wahrheiten  oom  ®enie  ober 
tont  (Gefühl  erfaßt  werben  muffen,  bie  nidt)t  wiffenfchaftltch  nach* 
gewiefen  unb  nicht  geteert  werben  fimnen,  bie  enbüch  ber  Xäu* 
f$ung  unterliegen,  fo  fragt  bie  ^Phrenologie  nicht  nach  bloßen 
3eic^en,  fie  urteilt  über  bie  Sache,  bie  Organe  felbft,  ihre 
Wahrheiten  alfo,  weil  auf  ®röfjent>erhältniffe  gegrünbet,  fönnen 
n>lftenfct>aftlict>  nachgewiefen ,  leicht  unb  allgemein  aufgefaft,  alfo 
allgemein  gelehrt  werben,  fie  ftnb  enblich  nicht  ber  Xäuföung 
unterworfen,  ©ei  btefen  Slnbeutungen  ift  übrigen«  bie  Satyr* 
tyeit  als  befannt  ooraufcgef efet ,  ba§  nur  bann,  wenn  ein  Organ 
groß  ober  flein  ift,  ein  wiffenfdjaftliche«  Urttyeil  barüber  gegeben 
werben  fann;  wa«  aber  gleichwohl  nicht  ein  3J?angel  ber  SBiffen* 
fchaft  ift,  ba  Da«,  wa«  wir  im  lieben  (Etyarafterjug  nennen,  wa« 
unö  an  3emanbem  auffällt,  wa«  ibn  oor  Ruberen  au«jeichnet, 
eben  auf  folcfyer  entfe^iebener  Starte  ober  Schwäche  einzelner 
feiner  ©eifteSfräfte  beruht. 

Seit  c«  eine  bilbenbe  Äunft  gtebt,  waren  bie  Äünftler,  weil 
fie  ^tyfiognomifer  waren,  unbewußte  ^tyrenotogen.  Stt 
ftnben  allenthalben  geiftreichc  3J?änner  mit  toller  ©tirn,  ®e* 
müth«menfchen  mit  hohem  Oberfotfe,  leibenfchaftltche  9ttenfchen 
mit  breitem  Untcrfotfe  bargeftellt.  Die  (kriechen  gaben  ihrem 
3eu«  eine  ftarf  gew&lbte  Oberfttrn,  ihrem  £erfule«  eine  flache 
Oberftirn,  aber  einen  ftarfen  Unterfopf  unb  Warfen  u.  f.  W. 
Doch  e«  bebarf  für  eine  Wahrheit,  für  welche  iebe«  ©ilb  3eug* 
niß  giebt,  ber  einzelnen  Jöeifpiele  nicht.  91ber  eben  weil  bie  ^icr* 
bei  befolgten  töcfefcc  nur  unbewußte  roaren,  fo  fetyen  wir  auch 


Digitized  by  Google 


«Pbrenofogie  nnb  SÜbenbe  Äunft.  337 

feljr  t>iete  3?efy(er  bagegen  begangen,  bie  weiften  t>on  miiteftnäjHgen, 
aber  cinjefne  aud?  oon  großen  Äünfttern. 

!£)te  nnbettMtfjte  fünft  fann  afe  feiere  nur  eine  allgemeine 
fein.   £te  ftarfe  ober  f($toac$e  (Juttoirfliing  ber  *5tirn,  be$  Ober* 


gifl.  1-   ©.  SBindelmcmn,  fltofec  Tcnrfräftf  unb  ßrcfsc  3bcalität. 


fopfcä,  be$  UntcrfopfeS,  finb  allgemeine  2)?erfmale  oon  ftarfen  ober 
fdjtuacfyen  Qcnffräf ten ,  ®efüljlen,  Vetbenfdjaftcn.  £>er  Gljarafter 
be«  SD?cnfcfyen  ift  aber  fetten  ober  nie  etn  allgemeiner,  oielmeljr 

©d)«t>e,  ^renologifcfje  4Hlbcr.   3.  ftufU  22 


Digitized  by  Google 


338 


^renofoflic  unb  bitfcenk  Äunft. 


getoöljnttcty  ein  befonberer.  @in  3)iann  fann  getftreidt)  in  ber 
einen  Söejieljung  unb  geiftlo«  in  bet  anbem  fein,  er  ift  ein  großer 
ftelbljerr,  aber  ein  fd?lecfyter  £)tcfyter,  er  ift  3)?a(er ,  aber  nicfyt 
üttufifer  u.  f.  n>.  (Sbenfo  mit  ben  (^efü^lcn  unb  t'eibenfctyaften. 
@«  fann  3cmanb  ein  ftarfe«  ®efüty(  für  @#önl?eit  unb  für  ftunft, 
aber  ein  fcfyroactyeä  für  SMtgiofität  unb  ftrBmmigfett  ljaben,  3e* 
manb  fann  leibenfctyaftttcfy  in  ber  ®efcfy(ecfyt$liebe,  aber  unempfinb* 
licfy  für  iit)xt  fein  u.  f.  n>.   ?llfo  bie  «Stirn  be«  ^elb^emi  ift 


5ig.  2.  3<rto&  )ööl)me,  grofeer  Sinn  bct  SBcrefjrunQ  ober  »eligiofität. 

anber«  geftaltet,  af«  bie  be«  $)tcfyter«,  ber  ^interfopf  be$  gfc 
geijigen  anberS,  als  ber  be«  Sinnlichen  u.  f.  h).  3n  btefer  JBe* 
jiefyung  toirb  aber  unenbUcty  ^aufig  bon  ben  ftünftiern  gegen  bie 
iftatuT  gefegt,  nia^t  aüjufeltcn  aua)  bon  großen  üDieiftern.  (Sö 
möchte  faft  flehten,  als  ob  bie  pfyrenotogifctyen  Äcnntniffe  auc$ 
bei  Dielen  beutfcfycn  ftünftfern  Eingang  gefunben  Ratten,  beim 
»äljrenb  tum  mannen  berfelben  in  ber  fraglichen  ©ejie^ung  nod) 
häufiger  gefegt  nnrb,  muffen  mir  bei  anberen  ein  faft  immer 
glücflicbe$  treffen  be$  Nichtigen  bemunbern. 


Digitized  by 


^Phrenologie  nnb  bilbenbe  Äimft. 


339 


üftandje  $ünftler  unfercr  £age  fjegen  bie  9(nficbt,  bie  ptyrenc 
logifcfyeu  Siegeln,  Nenn  fic  aud;  auf  Safyrljeit  begrünbet  feien, 
Ratten  für  bie  ftunft  nur  untergeorbneteu  2öertfy;  ein  ©i(b, 
meinen  fie,  fönnc  bortrefftteij  fein  trofc  bietet  „pfyreuologifdjer" 
geiler;  c«  fönnc  fid?  ben  Seifaü  unb  bie  Stnerfennung  atfer 
Anbeten  erwerben,  ganj  unabhängig  bon  beut  Söetfatte  ber  ^Ijreno* 
(ogen.  Slflein  bieä  ift  ein  großer  unb  fonberbarer  Srrtljum. 
(£in  SBUb  bcrliert  burefy  einen  »^rcnofogifcfyen''  ^efylcr  in  ben 


3ig.  3.   San  X tief,  gro&c  akobarfMuitflSgabc. 


klugen  beö  9ci#tpf)renofogen  ganj  genau  ebenfomet,  al«  in  ben 
$(ugen  be$  ^fyrenotogen ;  ber  Uutcrfcfyieb  ift  nur,  batf  ber  ^(jreno= 
log  fidj  über  fein  ungünfttgtf  Urt^etl  flfecfyenfcfyaft  ju  geben  toetj}, 
ber  9W<$tytjreno{og  ntctyt.  X)enu  alle  2flenfcfyen  finb  ja  $!jfyftogno= 
mifer  unb  a(fo,  ba  ber  $opf  fo  gut  jur  ^^fiognomie  gebort  wie 
ba«  <&efic$t,  jugfeiefy  unbehnujte  ^fyrenologen.  £)ie  (bettntBte) 
^fyrenofogie  behält  fid?  bafyer  3ur  längft  gefannten  unb  geübten 
^tyfiognomit  be$  $opfe$  nur  ttne  bie  £fyeorie  jur  ^rari«,  wie 

22* 


Digitized  by  Google 


340 


<ßbrtnofogie  unb  fcübcnbc  Äunft. 


bie  Crrttärung  gut  'Sadje.  SBenn  j.  SB.  ein  Äünftfer  einen  ben* 
fenbcn  ättann  mit  flauer,  eingebrücfter  Oberftirn  barfteüen  wollte, 
fo  fönnte  bie«  iljm  trofc  alle«  in  ben .  übrigen  ©eficfyt«jügeu 
ausgekrochenen  ©eifte«  nid^t  gelingen;  ba«  23ilb  mürbe  Den, 
ber  nic$t  meifc,  ba§  bie  Organe  ber  Denffräfte  an  ber  obern 
Stirn  liegen,  gerabe  fo  menig  anfprecfyen,  al«  Den,  ber  e«  toetfe. 
<2>o  lann  ber  Äünftler  ben  ftelbljerrn,  ben  ÜKaler  nur  barfteüen 
mit  fcoUer  unb  offner  Unterftirn,  ben  SRätm  be«  3bealen,  ben 
Dieter  mit  oben  an  ben  (Schafen  tollem  <Seitenfopfe ,  ben  reli* 


Heine  3beaHtfit.  Hl-  5-        Wtni*  «$«»tt«WK(|!eit. 

giöfen,  frommen  üftenfcfyen  mit  in  ber  SOitttc  fjoljem  Oberfopfc, 
ben  feften  (Sljarafter  mit  bon  ttorn  naefy  fyinteu  anfteigenbem 
£)berfo£fe,  ben  (Stoljen  mit  an  ber  Stelle  be«  Söirbel«  au«* 
gemölbtem  $»interfopfe ,  ben  3äfoornigen  unb  ben  ®raufamen 
mit  smifcfyen  ben  Dfyren  oollem  unb  breitem  $opfe  u.  f.  w. 
Segelt  ber  Äünftler  irgenbnne  in  ber  ®eftalt  be«  $opfe«  einen 
fteljler,  fo  oerliert  fein  SBkrf  gerabe  fo  oiet,  al«  ber  fteljler  be* 
trägt,  au  SBirfung  unb  allgemeiner  2lnerfemumg ;  finb  anberer* 
feit«  biefe  SBerljaltniffc  richtig  beobachtet,  fo  tft  bamit  fetyon  bie 
fyalbe  Sirfung  erreicht. 


Digitized  by  Google 


sJtyreno(pgif  unb  bilbenbe  Äunfi. 


341 


©o  SBiete«  bie  ^renotogie  Won  an  fty  bem  ^ünftter  bietet, 
fo  mirb  bocfy  beffen  Söcrty  nodj  toefenttu}  baburd?  ertyityt,  bafc 
fi$  an  ba«  begebene,  at«  an  ben  ibtffenj^aftü^en  9Wittelpunft, 
tiefe«  Rubere  anreihen  unb  fo  in  unffenfdjaftli<$en  3ufammen= 
fyang  bringen  lä'fjt.  Sin  fdj&ne«  33eifpiel  ift  bie  tfetjre  bon  bet 
3JJimif  ober  <&eberbenfprad?e  ber  $örperbemegungen ,  metcfye  be= 
fanntlicty  burd>  bie  ^renotogie  bereit«  ifyre  boüfommene  mtffen* 
ftfyaft(id?e  Söegrünbung  erhalten  fyat.  <So  finb  ferner  fcfyon  35er* 
fuc^e  gemalt,  unb  fie  tuerben  immer  meljr  gelingen,  mit  ber 
$enntni§  ber  (^runbfräfte  be«  Reifte«  unb  ifyrer  Organe  bie 
Söaljrncljmungen  über  bie  iljnen  entfprecfyenben  bemeglictycn  3U0C 
be«  ©eficfyt«  in  erftärenbe  Skrbinbung  ju  bringen.  Äuf  biefem 
Sege  fann  atfo  au$  bie  ^fiognomif  be«  ©efic^t«  felbft  —  at« 
bie  Se^re  bon  ben  bemegltcfyen  ober  au«  beweglichen  ju  feften 
geworbenen  ®eftd)t«äügen  —  jur  2öiffenf#af*  »erben.  09  ift 
in  ber  Sßjiffenfc^oft  mte  im  Scben;  nur  ber  Anfang  ift  fdjtoer: 
»enn  einmal  ber  ®runb  angemiefen  unb  ba«  fefte  ftunbament 
gelegt  ift,  fo  lä§t  fic$  barauf  balb  ba«  ganje  ®ebä'ube  aufführen. 
9ttan  glaube  übrigen«  nutyt,  bafc  fc$on  tn  ber  ßeljre  bon  ben 
Temperamenten  at«  einem,  mie  oben  angebeutet,  töiff enf d^aftl id^en 
Elemente  ber  ^Mjtyfiognomif  ein  folc^er  Anfang«*  ober  -sÜftttelpunft 
für  bie  SBiffenf^aft  borfyanben  gemefen  fei.  Die  (Srfatjrung  Ijat 
ba«  ®egentljeil  gezeigt  unb  e«  fonnte  nic^t  anber«  fein.  Denn 
bie  Reifte«*  ober  (Sfyarafterleljre ,  meit  entfernt,  bur<$  bie  Seljre 
bon  ben  Temperamenten  aufgeftärt  $u  werben,  tourbe  burdt)  bie* 
felbe  auf  einen  fallen  Üß3eg  geführt  unb  fo  nur  no<$  meljr  ber= 
Wirrt.  Denn  man  wollte  befanntlid)  bie  Sljarafterc  felbft  auf 
bie  Temperamente  jurüeffü^ren.  2llfo  audt)  bie  ßeljre  bon  ben 
Temperamenten  fyat  bietmetyr  tyrerfett«  au«  ber  ^renotogte  burdj 
bte  richtige  Slbgrenjung  tyre«  Gebiet«  einen  bebeutenben  Gewinn 
gebogen. 

Die  ungleich  widt)tigfte  §ätfte  ber  Senologie  ift  tyre 
®eifte«leljre,  —  aucl  fogar  für  ben  Äünftler.  Denn 
be«  Sünftler«  erfte«  2öiffen«felb  ift  ba«  be«  Reifte«,  erft  ba« 
jweite  barauf  gegrünbete  ba«  ber  0orm.  Söenn  mir  ben  ©eift, 
ber  un«  au«  einem  2Mlbe  anfprid^t,  am  lüften  ftellen;  wenn 


342 


^brenelogie  unb  bilbcnbe  Äunft. 


eine  gemiffe  [$toft$ft$c  ftamilicnälnilicbfeit  fi$  in  ben  3ügcn 
aller  ftiguren  manche«  tfünftler«  n>ict>crfinbct ;  menn  in  ber  bit* 
benben  tunft,  mie  beim  Dieter  unb  Montan föreiber ,  bie  Dar« 
fteüung  oollenbcter  Ctyarafterc  ben  2)?eifter  macfyt:  fo  ift  burety 
biefe*  Hllc«  bet  flünftler  auf  ba«  Stubium  ber  ®eifte«letyre,  ber 
"Phrenologie ,  hingemiefen ,  meiere  als  bic  tfetyre  bon  ben  fänunt* 
üd^en  ®runbfräften  beä  ©ciftcS  tym  bic  uucnblicty  reiche  3)2onnic^- 
faltigfeit  unb  ftülle  ber  mcnfdjlicfyen  (Sfyaraftere  erfctyltcfet. 


Die  menigen  sur  herauf  ctyaulufmug  be«  Obigen  gegebenen 
Slbbilbungen  bebürfen  feiner  nähern  Grrflärung.  <£«  mürbe  bem 
ftünftler  ni$t  leicfct  gelingen,  einen  gebanfenlofen  unb  gemeinen 
aftenfetyen  mit  bem  #opfe  ben  $ig.  1  bermtttetft  irgenb  melier  3fige 
be$  UntergefictyteS  barjuftellcn,  ober  einen  unmoralif<$cn,  irreligiösen 
2)Jenf$en  mit  bem  ftopfe  bon  ftig.  2,  ober  einen  üttenf$en  bon 
mangelhafter  JöeobadbtungSgabe  mit  bem  $opfe  bon  0%  »ber 
einen  guten,  fanftmütfytgen  unb  ibealen  üftenfctyen  mit  bem  $opfc 
oou  ftig.  4,  ober  enblicfy  einen  cfyarafterfeftcn  2)?ann  mit  bem 
Äopfe  bon  $tg.  5 :  mogegen  jene  (Sfjarafterjüge  auefy  bei  g  l  e  i  ü)  * 
gültiger  ($efi<$t$p!jtyfiognomte  uns  f«$on  au«  ber  ^tytyfiognomie 
bed  ftopfe«  entgegenfprc$eu  mürben. 


Die  f  Ijtyfiognomif  ift  bic  Sftmft,  au«  ber  £örperbefc$affcn* 
Ijeit  be«  üDfenfctycn  feine  ®eifte$bef$affcnfyeit  ju  erfennen.  Der 
ganje  Ä&rper  beftimmt  biefe  Grfenntntft.    Der  geiftig 
fteljenbe  3)tcnfcfy  tyot  $.  23.  eine  ganj  anberc  £anb,  als  ber 


•)  Obgtcid^  tiefer  «eine  SUiffafe  nur  ba«  im  toorigen  Stuffafe  enthaltene 
in  einem  «eityiele  ettoa«  nä^cr  ausführt,  fo  gebe  i($  tyn  boeb.  bjer  un&cr- 
änbert,  toie  er  juerft  unabhängig  ton  bem  erfteren  Sluffafc  getrieben  ift. 


Digitized  by 


^tfnologie  unb  bilbeitbe  Äunft. 


343 


gciftig  niebcrfteljenbe.  Sttein  am  mciften  ma&gebenb  ift  hierbei 
ba«  $efi$t  be«  2)?cnfchen,  Sluge,  9ttunb,  9cafe,  (Stirn  ic.  Die 
^htyfiognomif  ift  fo  eine  ^e^enbeutefunft :  fte  fcfyttefct  au»  3e^cn 
auf  bie  ©aetye.  Diefe  (Sdpffe  finb  nid^t  ma$catatif$tt,  ober 
wiffenfchaftli<her  «Rqjtur,  ba  ftc  fiety  nicht  auf  ein  ÖrBgenmafe 
grünben.  9cur  ber  geiftige  Hu«bru<f  beftimmt  ba«  ph#oguo* 
mifche  Urteil,  ein  $u«brucf,  Welcher  leicht  täuföt,  »eil  et  nur 
gefügt  werben  fann.  Da  auch  biefe«  ®cfiu)(  Dem,  welcher 
e«  nicht  Ijat,  nicht  gegeben  werben  fann,  fo  tarnt  bie  'Phtyfiognomif 
nicht  gelehrt  werben.  2lu«  Vaoatcr'«  trefflichem  Söerf  über 
^^fiognomit  t)at  wohl  9tiemaub  pfaftifche  ^^fiognomif  gelernt; 
wogegen  feljr  33iele  ohne  alle  tfeljre  unb  Weitung  grofee  ?^fto* 
gnomifer  unb  2)?enfchcnfenner  finb.  «Sogar  $mber  haben  oft  ein 
feljr  richtige«  phtyfiognomifche«  (Gefühl  ober  Urt^ctf. 

Da«  (SJefagte  erleibet  jeboch  eine  2lu«nahme.  Da«  phh* 
fiognomifc^e  Urzeit  über  einen  törpertheil  grünbet  fidt)  nicht 
-blo«  auf  ben  geifttgen  2lu«brucf,  fonbem  auch  auf 
ba«  ®rö§enoerhaltnij$  beffelben.  Diefer  törpertheil 
ift  ber  topf  be«  2ttenf#en  mit  ber  Stirn  ohne  ba«  übrige 
®eficht,  b.  t.  ber  Streit  be«  Äopfe«,  welker  unmittelbar  ba« 
®chttn  utnftyicjjt.  Söäljrenb  baljer  j.  ein  geiftreic^er  SWenfd) 
eine  fleine,  ein  geiftlofer  eine  große  SRafc  k.  ^aben  fann,  fo  wirb 
ein  Sttann  oon  feljr  oielfaffenbem  (Reifte  immer  unb  ohne  $lu«* 
nähme  eine  ootle,  au«gewb*lbte  Stirn  (ein  grojje«  SBorbergehirn) 
haben;  ebenfo  wirb  ein  2ftenfdj,  ber  eine  feljr  flache  unb  enge 
Stirn  (ein  fefyr  flehte«  SBorbergehtrn)  ^at,  immer  unb  ohne  $lu«* 
nannte  geift(o«  fein,  (JBlöbfum  au«  Kleinheit  be«  23orbergehtrn«. 
<S.  $atecht«mu«  ber  "Phrenologie  @.  48.) 

Die  Grrflärung  biefe«  phtyftognotnifctyen  Unterfchiebe«  jwifchen 
bem  topf  unb  ben  übrigen  ®eficht«=  unb  $orpertheiten  liegt  nahe. 
Da«  ®etn'm  ift  ba«  Organ  be«  Reifte«.  SBä'hrenb  ba^er  bie 
^^fiognomif  in  öejug  auf  alle  übrigen  ÄerpcrtljeUe  eine  bloße 
3eiä)enbeutefunft  ift,  welche  auf  eine  <Sa$e  au«  gewiffen  außer 
i  1)  r  liegenben  %dti)c\\  fließt ,  fo  ha*  c«  bie  ^r>^fiogttontit  be« 
topfe«  nic^t  mit  bloßen  3c^en/  fonbem  mit  ben  Organen 
be«  (Reifte«  unb  infofern  mit  ber  Sache  fclbft  ju  t^un.  Da 


Hlejranbet  ».  £untbolbt. 


.{wnbolbt  mit  S>ttclliuS'  SHtii. 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


346 


WrenofDjjie  unb  btlbenbe  Äunft. 


bie  ©rb'&c  bed  ©eljirnd  unb  feiner  einzelnen  £!jcite  ber  <Stärf  e 
bed  Reifte«  nnb  feinet  einzelnen  Strafte  entfpricfyt,  fo  ^at  baburd) 
bie  ^fiognomif  bed  Äopfe*  jene  oolle  matyematifcfye  ober  Kiffen* 
Waftücjc  ®td?erf>eit  unb  3mtt$ eilbarfeit ,  Kelche  tyr  in  ©ejug 
auf  alle  übrigen  ft&rpertfyeile  fe^Ct. 

®ie  ^fioguomtf  bed  topfed  tyat  in  biefer  Söeife  eine 
boppelte  Ökuublagc,  tyeild,  nrie  bie  übrige  *ßl>tyfiognomif,  bad 
blo§e  unoerftanbenc,  ni#th>i|fenf(fyaftlictye  ®effil?l,  tljeild  bie  flar 
berftanbene  nriffenföaftlid&e  (Srfenntmfe.  £)ie  ^fytyftognomif  bed 
Äopfed  erfyielt  biefe  (entere  $runblage  erft  in  unferer  $eit  Da; 
burefy,  bap  fie  mit  ber  erft  tnd  £eben  getretenen  SöMffenfcfyaft  ber 
^Phrenologie  —  in  einer  iljrer  §älften,  ber  Organenlehre — 
in  (Sind  jufammenfällt,  nnb  fo  mit  iljr  jur  Sötffenfc^aft  geworben 
ift.  £>ie  beiben  ®runbtagen  ber  ^^fiognomif  bed  topfe«,  bie 
bed  ®efühld  unb  bie  ber  2öiffenfc$aft,  fttmmen  natürlich,  ba  ed 
nur  eine  Wahrheit  gicot,  unter  fich  böllig  überein.  3ur  33er* 
anfehaulichung  möge  und  ein  ©eifpiel  bienen. 

©enn  ber  ftttnftler  33.  bad  $ilb  Stferanber'S  b.  §um* 
bolbt,  ald  eine«  2J?anned  bon  *iclfaffenbem  (Reifte,  olme  ed  gu 
fennen,  barftetlen  follte,  fo  mürbe  er  bem  4öilbe  eine  grofce,  boüe 
©tirn  geben;  ober  menn  mir  bad  wirtliche  33tlb  ^umbotbt'd, 
gleich  tüic  bon  und  nidt/t  gefannt,  phhfiognomifch  beurteilen  feilten, 
fo  mürben  mir  biefem  Äopfe  einen  bielfaffenben  ® eift  jufchreiben. 
(Sbenfo  mürbe  bertünftler  bad  Jöilb  bed  römifchen  taiferd  SBitelliud, 
eined  befannten  <öchlemmerd  unb  rohen  9ttenf$en,  aud  ber  ^^antafie 
mit  nieberem  unb  breitem  Äopfe  barftellen ,  unb  ber  ^fytyfiognom 
würbe  in  bem  mitfüren  Söilbe  eben  biefen  @harafter  audgefprocf>en 
fiuben.  Me  biefe  Urteile  tonnten  btogc  Urteile  bed  ®efü$fd 
ohne  ade  miffenfchaftliche  GrfenntniB  fein,  tommt  biefe  <£rfenntni§ 
511  jenem  Gefühle  $in)tt,  fo  bekräftigt  unb  erflärt  fie  baffelbe  ba= 
burch,  bafj  fie  bie  ©efyirntyeile  ber  Oberftiro  ald  bie  Organe 
ber  Denffrä'fte,  bie  Ztfdk  bed  untern  ©e^irnd  ald  bie  Organe 
ber  nieberen  ober  t^ierifeben  @innc  bed  SÖicnfchen  nachmeift  :c. 

3n  ber  ^^fiognomif  bed  ftopfed  fteljt  natürlich  bie  mtffen* 
fchaftliche  Grrfenntnift  in  ieber  $inftcht  an  Söerth  weit  h$het  ald 
bie  blojje  ©efütjlderfcnntni^.  $)ic  teuere  ift  biclfacfyen  £äufchun= 


* 


Digitized  by  Google 


^brenologic  unb  bilbenbc  Äitnft. 


347 


gen  unterworfen,  bie  erftere  al«  fotefee  ntc^t.  Die  festere  ift 
gcioitynlid?  nur  eine  unbeftimmte  ober  allgemeine,  bic  erftere  giebt 
SfofjtyhUj  über  bie  befonberen  beftimmteu  <5l;arafterjüge.  2(udj 
fyat  bie  ti>iffcnfct>aftlicf>c  Gttemtnijj  bte  früher  ganj  berfannte 
t)o\)c  öebeutung  ber  'ißfybfiognoinif  be«  Mobfc«  felbft  in«  richtige 
Bt($t  gcftetlt.  Sflan  glaubte  bi«t)er ,  getäuföt  burefy  bie  Unftar* 
Ijctt  be«  (logen  ®efülj(«,  ba«  pfytyfioguomtfäe  UrtljcU  grünbe 
ftdj  biet  weniger  auf  ben  $obf  unb  bie  Stirn,  al«  auf  bie 
übrigen  ®efkfy«$üge,  9tugc,  2)htnb,  9?afe  tc.  SSkcfyfeln  wir,  um 
bte  (Smfetttgfeit  biefer  ?Inficfyt  barjutlnin,  bie  Stirnen  ber  bei* 
ben  üttänner,  toäljrenb  bie  übrigen  ®efid)t«jüge  biefetben  bleiben. 
Die  beiben  (Sljaraftere  finb  baburety  meljr  als  jur  §älfte  geäubert. 

9lo$  fei  toenigften«  eine«  bon  ben  häufigen  9)fijiberftänb* 
niffen  über  biefe  neue  Sactye  fyier  erwähnt.  Die  s}tyrenologic, 
meint  man  oft,  urtyeue  nur  über  bic  allgemeine  ®r&fec  be« 
tobfe«,  b.  i.  fic  bergleicfye  bie  allgemeine  ®rofee  eine«  ßotofe« 
mit  ber  eine«  aubern.  $eine«meg«:  bie  ^renologie  bergleictyt 
bor  9111cm  bie  bcrfcfyiebenen  Xtyite  eine«  unb  beffelben 
topfe«  unter  ftdt>-  Die  beiben  Äobfe  (®eljirne)  bon  £>umboIbt 
unb  SSiteüiu«  fennen  ganj  bie  gleite  allgemeine  ®rb*§e  fyaben, 
aber  ber  Unterfcfyieb  ber  beiben  Ctljarafterc  ift  unb  bleibt  berfclbe 
fer)r  grojje:  bei  Apumbolbt  ragen  bie  fyäljeren  Sinne  ftarf  über 
bie  niebeten  bor,  bei  S3itelltu«  nmgefeljrt.  Der  §umbolbt  mit 
33iteüiu«'  Stirn  ift  ein  Sftann  bon  geringeren  Dcntfräften  unb 
juglcicty  fdjmäctyeren  nieberen  Sinnen,  ber  SSiteüiu«  mit  £umbolbt'« 
Stirn  ein  2flann  bon  ftärferen  nieberen  Sinnen  unb  juglei* 
größeren  Dcnffräften. 


> 


* 


Digitized  by  Google 


348  Wrenolcgie  uub  bilbcnbc  ititnfk. 

3.   Gin  Port  über  «fberbrnfprndje. 

£ie  ^Phrenologie  bittet  al$  Orgauenlefyre  auefy  bie  (^ruiib- 
lage  ber  9J?imif  ober  ®ebcrbenfyracfye.  SÖäljrenb  bie  2öortfbrad>e, 
ßrcf?tentt>ci(«  ba«  örgebnifc  jufälliger  Safyl,  taufenbfältig  oer* 
trieben  ift,  fo  ift  bagegen  bie  Webcrbenfpractye,  loeil  fie  auf  bet 
meufcbticfyen  (^elnrnbilbung  beruht,  bei  allen  9J2enf$en  unb  aüeu 
belfern  ber  Crrbe  tuefentüct)  eine  unb  tiefelbe.    !£a$  ®efefc  ber 


ffifl.  1.  ©eberbenfpradje  be*  Sd>ctje«  ober  SBtfef*- 


®eberbenfprac$e  ift  ebenfo  einfach  als  ftar.  Söenn  trgenb  ein 
(Sinn  unb  fein  Organ  befonber«  tfyätig  ift,  fo  nimmt  ber  topf 
eine  Jöctoegung  naety  ber  9H$tung  ljm,  too  ba«  Organ  feine 
Stelle  fyat,  unb  oft  ift  bie$  bon  einer  entfpre^enben  t&rper* 
bewegung  begleitet.  21uf  biefem  ©efefce  5.  Sd.  beruht  e«, 
wenn  toir  bei  einem  freunbücfyen  ®riu)  mit  bem  topfe  niefen, 
ober  »enn  nur  bei  einer  Regung  M  StoljeS  ben  topf  jurücf* 


Digitized  by  Google 


I 


^Phrenologie  unb  bUbenbe  ffunft  349 


ftifl.  2.   Öc6erbeiifpra<$e  bet  3bcatitot. 


loerfen,  ober  Kenn  nur  in  23er(cgenfyeit  ober  im  3»>eifef  mit  ben 

<3cfyuüern  jnefen  ober  mit  ber  £mnb  fyinterm  Oljr  „  44 ,  ober 

loetm  toir  beim  iöefinnen  auf  ein  $Ö$ort  mit  ben  Ringern  bte 
klugen  brütfen  u.  f.  n>.    §ier  einige  Silber  gnr  Söeranfdjau* 


Digitized  by  Google 


350  s^renoloflic  unb  bübenbe  Atunft. 


ftifl.  3.   förbrrbrnfpratfjf  ber  Sorfllidjfrit, 


lidjung  biefcr  ®eberbcnfptacfye.  £)te  Silber  fitib  butdj  fi$  felbft 
»erftänbüd^.  3n  ^tg.  3  wirb  btc  Stelle  be8  Organ«  ber  Sorg* 
licfyfeit  mit  beu  Ringern  berührt;  in  ftig.  4  Hävern  fia?  biefe« 


Digitized  by  Google 


sJtyrenologie  unb  btlbcnbe  Äunft. 


351 


3ifl.  4.  ©ebetbenfpradjc  ber  Sorgltd)teit  unb  bet  3eftiß!eit. 


Organ  unb  bic  <§c$ufter  einanber.  S5on  ber  (SJeberbeufpraaV 
be$  Äimftfum*  (0tg.  8)  fagt  (Ml:  „©ei  ber  Anregung  be$ 
Organ«  (ber  beiben  Organe)  be$  fömftfumd  »erben  ber  $opf 
unb  ber  Körper  balb  auf  bie  eine,  batb  auf  bic  anbere  <3eite 
geneigt,  unb  machen  eine  ttynft$c  öetoegung,  tote  ein  23ogeI, 


Digitized  by  Google 


352 


^(»renoloflif  unb  bübenbe  Äunft. 


3«fl.  5.   ©cbcrbenfpradje  ber  Jtiuberliebc 


ber  eine  <Sac$e  betrachtete  ba(b  mit  betn  einen,  bafb  mit  bem 
onbem  Buge,  ober  ein  §unb,  ber  faitfc^t ,  unb  balb  mit  bem 
(taten,  balb  mit  bem  testen  £)Ijr  fyorctyt.   Sttan  betraute  eine 


Digitized  by  Google 


^renotogte  wib  Mlbcnbe  Äunft. 


353 


gifl.  6.   (»eberbeiifptadjc  bet  *eifall«Htbf. 


Üttobeatbeitcrin ,  toeify  einen  $nit  macfyt;  nie  tcirb  fie,  nm  ju 
beurtljeUen ,  ob  et  gut  gelingt,  ifjn  gerabe  bor  fidj  IjtnftcUen, 
fonbern  ftet«  fcfyief  unb  ben  $opf  föief  nact>  t>orn  neigen;  fie 
Betrachtet  tfyn  toedbfefoeife  bafb  \>on  ber  einen,  bafo  »0»  ber 
anbern  «Seite;  fie  näfyert  Ujn  batb  bem  testen,  bafb  bem  Kufen 
Organ.    <2>onft  ttriirbe  fie  ifyn  gerabe  oor  fiefo  Ratten  unb  mit 

*cln>ue,  ^Uronoloflifd)c  Silber.    3.  «ufl.  «23 


Digitized  by  Google 


354  ^brenofoflie  unb  bifbenbe  Jhmfl. 


ijig.  /.    wrwcrocnipiaajc  oee  wcgcniiunoitnnö. 


beibcn  &ugen  gugfeicty  anfefyen.  Senn  ein  Söitbfyauer  feine  Serfe 
aufmerffam  anfielt,  fteljt  et  ettua«  fcfyief;  mit  ber  ttnfen  £>anb 
unterftütjt  er  ben  (Söfcogen  be«  regten  Htm«,  nnb  mit  bem 
9(u«brucf  bc8  9ia<fcbenfen$  fefct  er  groci  Ringer  ber  £anb  gerabe 
auf  ba«  Organ  be«  Äimftfinn*.  Sein  #opf  ift  fdbjef  jur  Seite 
geneigt.    (Srmübet  er  in  biefer  Stellung,  fo  nimmt  er  biefclfce 


Digitized  by  Google 


•ipljrenologic  unb  6Ubenbe  Äunft. 


355 


3ifl.  8.  ©eberbcnfptacfje  bc«  ftunft--  ober  ^aufinud. 


»on  ber  anbern  «Seite  an.  %\\  bem  ($rafre  t>on  $traneft  fiefyt 
man  eine  (Statue  eine«  nadjbenfenben  ftßnftiert  gerabe  in  ber- 
ieten ©teütntg.* 


2»* 


Digitized  by  Google 


XIX. 
«ßifdergoffcrie. 

»öpff  uifl  unb  maiic&erlri, 
Untertrieb  ift  ßtofe  babri. 

/   

«• 

1.  ' 

%  «ine  Stfinbruditttffl  mit  24  Hopfen, 

gcjei^net  toon  SWorife  9f»genba«. 

ÜDte  SBerfcfytebcnljeit  ber  menf<$Uc$en  Kopfformen  ift  minbeften« 
fo  groß,  a(«  bic  ber  ®efidbt«formen.  3öir  Ijaben  uttfer  $luge 
mcfyt  fo  in  ber  ^Beobachtung  jener  geübt,  befonber«  tt>ctt  uns  nur 
im  ®efi<$te  ba«  ßeben  entgegenfprid?t ,  wogegen  bie  Kopfgeftalt 
ftarr,  febfo«  erfdtjeint.  <£in  $>inbernifc  ift  fn'er  au#  ba«  £>aar. 
£>oc$  fo  gro§  ift  bie  SBerfötcben^eit  ber  Kopfformen,  bafc  ba« 
$aar  iljre  Beobachtung  nid^t  Wled^t^in  Ijhtbcrt.  3*  fenne  einen 
(Snglänber,  ber  ein  tüchtiger  ^renotog  mar,  obgleich  er  niemaf« 
einen  Kopf  Betaftete,  fonbern  nur  bann  über  ein  Organ  ein  Ur- 
tfjcit  gab,  menn  e«  burdt)  ba«  §aar  ober  trofe  feiner  als  entfcfyie* 
ben  groft  ober  Hein  ju  erfennen  mar. 

^oefy  befetyränfter  mirb  unfer  Urttyetl  fein,  menn  mir  au« 
ber  b(ojjen  3etctynung  eine«  Kopfe«  über  feine  Organcnentmicftung 
urtljeUen,  befonber«  audt)  mei(  un«  fyier  nur  eine  Seite  be«  Kopfe« 
»orliegt,  alfo  eine  £)ä(fte  ber  93erg(etcfyimg  megfäüt.  £)ennodj  mirb 
audt)  fn'er,  eben  megen  ber  fo  grojjen  SBerfcfyiebenljctt  ber  formen, 
unfer  UrtyeU  fefyr  oft  ein  fixere«  unb  entfduebene«  fein  fönnen. 


Digitized  by  Google 


» 


Digitized  by  Google 


1.  Chris  uif.  .  2.  Madonna. 

!).  Mai'Chiavell  i.  10.  Michel  Angölo  . 

H.  Goethe  18.  Genera.  Custine. 

Digitized  by  Google 


V. 

V: 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


■ 


* 


> 


Digitized  by  Google 


«ilbcrgotterie.  357 

aWetn  bereiter  ftreunb  föugenba«  ijat  bie  ®üte  gehabt,  auf  meine 
öttte  eine  $eifje  töpfe  auf  ber  beUiegenben  £afel  jufammenju* 
ftetten,  auf  bie  ber  ßefer  mit  mir  einen  23fuf  merfen  möge. 

(StyriftuS  unb  bie  attabonna  (1.  2.),  ebte,  fööngebilbete  ßöpfe; 
bie  Stirne  bei  1.  oielfaffenber.  (SljriftuS  unb  ^perfuleä  (3.), 
Reifte«  *  unb  ®emütlj$gröge  unb  ßörperftärfe.  (^riftuS  unb 
9?ero  (5.),  jener  $opf  Ijocty  unb  fämat,  biefer  niebrig  unb  breit. 
Ctyriftu*  unb  3ttacd?iabeßi  (9.),  ber  Öe^rer  ber  $immfif($en  ©ei«* 
ljeit  unb  ber  ber  irbifcfyen. 

£erfu(e«  mit  ftarfem  Laoten,  grogent  ®efötedjt«finn,  aber 
bie  übrigen  Sinne  fc$tt>acfy,  fofcoljt  tinbertiebe  unb  Slnfjängtu^feit, 
ate  bie  työljeren  ®efüfyl«finne;  unter  ben  33erftanbe«finnen  ba« 
33eoba$tung«oermögen  gut,  bie  £)enffrctfte  fe^r  mtttefotägig;  ba« 
ganje  ®el)irn  fidjtbar  Kein.  £erhrie«  unb  Schate«  (6.). 

(£ere$  (4.)  mit  größeren  ®emütf)Sfinnen  a(S  £>erfule«,  cbenfo 
$iü)ängftdjfeit  unb  ßinbertiebe  grog;  ba«  Heine  ®el)im,  obgleich 
tfjeiüoeife  burd^  ba«  §aar  berbeeft,  ate  Hein  $u  erfennen. 

9lero  mit  burefy  ben  3^f^rung«finn  auSeinanbergetriebenen 
Ofyren  unb  mit  au<$  bon  born  ju  ertennenbem  grogen  ®ef$fc$t^ 
finn.  9}eto  unb  (Mfei  (13.),  9tero  unb  S.  b.  £umbotbt  (21.). 

59ei  Sofrate«  ba&  $erg(ei$ung«bermögen  —  befanntU^  feine 
Stärfe  —  befonber«  grog.  2lüc  töpfe,  bie  mir  bon  Sofrate« 
befifeen,  fo  berf Rieben  fie  in  einzelnen  Keinen  &üQm  fein  mögen, 
fommen  in  biefem  grogen  3uge  unter  ft$  überein. 

ÜDer  fjcüige  §ierontymu«  (7.)  unb  ein  üflömty  (8.).  ©ei  «ei* 
ben  ba«  Organ  ber  93ereljrung  jtcmlic^  ftarf ;  baneben  bei  3enem 
groge,  bei  liefern  Keine  $)enffräfte. 

$8et  üftacdjiabctt  neben  mtttetmägigem  SSeobacfytungSbermögen 
groge  ©enffraft,  befonber«  Sd&lugbermögen ,  groger  £ljatfacfyen- 
finn,  groger  Sinn  für  SKeue«  ober  SBunberbare« ,  mittelmägigcS 
Sofytooflen,  groger  SBerfyeimttctyungSfinn.  Sttacc^iabell  unb  3)?ia>l 
Sfogefo  (10.),  unb  ®alUei,  —  unb  ®oetye  (17.),  —  unb  (Suftine 
(18.),  unb  SB.  b.  §umbo!bt. 

aWid^el  Slngeto'«  Stinte  ift  ber  ®oetfje'S  ätyüicty;  fe^r  gute 
unb  fetyr  fyarmonifä  entmirfette  ^Beobachtung«*  unb  2)en!oermögcn, 
baneben  au«gefptocfyene  Ofoeatttat. 


Digitized  by  Google 


358 


©UbergaOerie. 


3n  ben  ftdpfen  ber  beiben  'pätofte  Alcranber  VI.  (12.)  unb 
£abrian  (11.)  fönnte  ein  9iichttofjrenolog  bielleicht  ben  fefoj  großen 
Unterfchtcb  fo  fange  überfein,  al$  er  nicht  auf  bie  (Stellung 
bc8  Ot;rc$  anfnterffam  tft.  3öte  groß  ift  bte  33erfcl)tebenl)eit  be8 
$orber-  nnb  be8  £httergehirn$  in  ben  beiben  köpfen!  .f)abrian 
würbe  alö  ^ßatoft  gewählt,  nin  bie  burch  9lleranber  ber  Sittlich- 
fett  gefdjtagenen  Söunben  ju  feilen,  ©eint  £efeteren  ift  befonberä 
ber  ($efd;ted>t«ftnn  ungewöhnlich  groß,  ©ei  §abrian  ftnb  fowohl 
bie  SBcrftanbeSfinne  als  bie  fteftigfett  groß:  er  ^at  Sföitlen  nnb 
traft,  ber  Deformation  entgegen  jn  treten,  olme  ftanatiämuS 
gu  jeigen. 

Sie  Slleranber'«  VI.  mächtiger  Äobf  mir  gur  einntichfeit 
beftimmt  Weint,  fo  ber  (Galilei'«  mir  jur  ftorfchung,  5krgleichung, 
Prüfung. 

3n  ®uftab  Stboltoh  (14.)  ift  ber  ftelbherr  —  in  bem  großen 
SBeobacfytungSbermbgen,  —  ber  <$laufeen$fye(b  —  in  bem  großen 
@inn  ber  Verehrung,  —  ber  $)errfcher  nnb  Eroberer  —  in  bem 
großen  <Sefl>ftgefiUjl  —  bereinigt,  (5r  mar  jum  £errfchen  über 
bie  3ttenf($en  nnb  jur  frommen  Unterwerfung  unter  bie  (Gottheit 
gleich  befähigt.  Um  fyter  ba8  Organ  be«  @inne$  ber  SSerehrttng 
at«  groß  su  erfennen,  muß  man  fich  ben  $obf,  ber  etwa«  jurücf^ 
liegt,  mefyr  bormärt«  geneigt  beuten. 

£)er  fotgenbe  flotof  (15.)  fotl  ber  Voltaire'«  fein,  tft  e«  aber 
nicht,  inbem  ^ier  föugenba«  nach  einem  unrichtigen  Original  ge= 
zeichnet  hat.  £>ier  ift  ber  untere  Xtyil  ber  ©Urne  —  über  ben 
Augenbrauen  —  breit  unb  boll,  überhaupt  ba«  ®eftcht  groß,  ber 
obere  ©tirotheil  biet  fcfymäcfyer.  33ei  SBoltaire  mar  e«  umgefeljrt. 
(@.  unten  ein  Söitb  23oltaire'«,  ba«  jiemtict)  richtig  ift.)  liefen 
einen  ®obf  ausgenommen,  finb  Wohl  alle  übrigen  ber  £afel  jiem- 
lich  wahrheitgetreu.  3ch  bemerfe  Ijier  beiläufig,  baß  burd?  biefe 
#ötofe  natürlich  fein  <BewcU  für  bie  ©a^eit  ber  b^eno-- 
logifc^en  Organe  gegeben  fein  foü.  tiefer  ©eWei«  ließe  fidt>  burch 
fmnbert  ober  taufenb  bem  Sefer  borgetegte  tobfseichnungen  — 
wenn  aua>  gang  Wahrheitgetrcu  unb  phrc«ologifch  überein- 
ftimmenb  mären  —  ebenfo  wenig  führen,  al«  burch  einen  einigen: 
benn  neben  biefen  taufenb  übereinftimmenben  fällen  fönnten 


Digitized  by 


»itSergatterie 


359 


ebenfo  \oictc  nic^t  übereinftimmcnbe  liegen.  £>er  .ätoetf  liefet  3l|i 
fammenftettung  ift  lebigli(fy  ber,  bie  tljatfädjticfye  grefee  35erf(^icbcii' 
fyeit  ber  Organeneutnncflungeu  ju  oeranfdjauticfycn. 

£>er  $opf  ber  ftalferin  ßatljarina  (16.)  ift  betefyrenb  burd? 
bie  Stirnform.  ©cfanntttc$  giebt  e«  fetyr  Ijofye  Stirnen  bei  geift* 
tofen  SWenfd&cn,  aber  in  folgen  gälten  ift  bie  <5tirne  immer  flacf>, 
b.  i.  ber  toorbere  ®efM'rntappen  fürs,  atfo  Hein,  ©Urnen  n>ie  bie 
oorliegenbe  bagegen  werben  nie  an  geiftlofen  üflenfcfyen  gefunben, 
fie  finb  nicfyt  Ijocb,  fönnten  öielleicfyt  eljer  für  niebrig  gelten,  jeigen 
aber  bnrd)  il;rc  2(u$ioMbung,  bag  fie  einen  (oon  ber  Ökljirnmttte 
naa)  Dorn  gemeffen)  langen,  alfo  gro§en  oorberen  ®efyirnlappen 
bergen. 

(^oetlje'a  topfbilbung  ift  eine  feljr  fcfyöne.  2lüe  SJerftaube«; 
ftnne  finb  befonberä  fräftig  nnb  fyarmonifd;  cntnridfelt.  $>a$  Or= 
gan  ber  Sbealität  fommt  an  ®rßfce  ben  ^erftanbeäorganen  glei$, 
überragt  aber  mit  i(;nen  bie  übrigen,  ettoa«  geringer  gegebenen 
®efüljl$finne.  (Soetfye  war  ein  ruhiger  2$crftanbe«menf<i?,  befähigt, 
ba«  §ot$fte  511  benfen  nnb  gu  erfennen,  nict)t  fyingeriffen ,  aber 
rufytg  ba$  3beate  erfaffenb,  ba«  ©ctybnfte  in  fidt>  aufnefymenb, 
näfjer  bem  GtjriftuS,  als  bem  2ftacc$iaoelt,  aber  tirie  biefer  talt 
auf  feine  3eit  fcfyauenb.  . 

Guftinc  (1 8.),  ber  ©enerat  en  ©jef  ber  Ütljeinarmee,  ift,  a>a8 
bie  3*erftanbe8fmne  betrifft,  $um  ftelbfyerrn  geboren  burefy  bte 
®rft§e  feiner  33eoba$tung$finne.  (5r  Ijat  biefe  ©tirnform  gemein 
mit  oielen  talentooüen  (Generalen  Scapoleon'S,  bie  nidjt,  nuc  biefer 
felbft,  $uglei$  Staatsmann  toaren.  Cnftine  nnb  ©ofrate«,  — 
unb  9ftacd?iaoetl,  —  unb  äftidjet  Slngelo,  —  unb  ®oettye,  —  nnb 
SB.  b.  §umbolbt,  —  nnb  ^eftafogji  (24.). 
»•.  „$>er  ^Diplomat  ©n.  9tt...t  (19.)  loär  ein  geller  $opf,  ofyne 
ein  groger  ®eift  pi  fein.  £)aS  ©etbftgefüfyl  rnatye  fiefy  in  tym 
fetjr  bemerfliefy,  unb  feine  ©etfattsliebe  oeranlagte  ilm,  felbft  auf 
feine  2leljnti(fyfeit  mit  Oofepl)  Napoleon  ^tnjubeuten.  ©ei  ben 
grauen  rougte  er  fidj  feljr  tooljl  geltenb  ju  matten. " 

„$)er  ^ßatagone  ober  oielmeljr  geuerlänber  (20.)  ift  gleich 
giltig  gegen  bie  grauen;  ©elbftacfytung  unb  SSetfallSltebe  hntrbe 
man  oergeben«  bei  iljm  fu$en,  er  fyat  überhaupt  oon  allen  ©innen 


Digitized  by  Google 


360  SBtlbergaUetie. 

nur  ba$  Grrfenntnijjoerm&gen  forne!  auSgebitbet,  ba§  et  fein  Seben 
ju  ftiften  oerfteljt.*  (£r  fteljt  an  (Seift  überhaupt  fo  niebrig,  al* 
ber  2ttenf$,  otjne  btöbftnnig      fein,  fielen  fann. 

SBifljetm  b.  £umbo(bt,  (Staatsmann,  £nmtanift,  Sprach* 
forf^er.  fX>ic  beiben  an  latenten  fo  reiben  ©ruber  £umbotbt 
geigen  au<$  eine  entforettyenbe  befonber«  ooüe  ©tirnbttbung.  £)ie 
®emütfj«finne  feinen  bei  SBityctm  in  ben  Organen  faft  no$  me^r 
a(t  bei  SUeranber  enttoicfelt.  ®rofc  ift  bei  ttityefot,  fe^r  t>icl 
Heiner  bei  tUcranber  ber  <Spracfc  ober  Sßortfinn.  Slteranber  mit 
ber  gewaltigen  Oberftirne  ift  ber  SeUbetratyer  in  ber  gangen 
toettumfaffenben  £ä'lfte  ber  menfdjUctyen  2tugentt>ett. 


„£)er  Leiermann  ober  3itl)erfpieler  2ttar  ©aier  (22.),  eine 
oon  jenen  gemeinen  Naturen,  bie  e$  im  ®uten  toie  im  @($(ecfyten 
ntcfyt  roeiter  bringen,  al$  gnr  2lbgefcfyma<ftljeit;  fie  finb  im  (Sofoaten*, 
im  Sägerftanbc  gemein  unb  in  ber  bienenben  (Sfaffe  Ijäufig.  SDiefer 
Ijier  ift  ein  gefeiertet  Kumpan  unter  benfelben;  er  ift  guter  ®e= 
feöföafter,  luftiger  «ruber,  er  friert  bie  3ityer  mit  einer  getoiffen 


Digitized  by  Google 


Digitized  by  Google 


I 


Digitized  by  Googl : 


« 

Stfbergatterie.  361 

33irtuofität ,  fingt  unb  jobett ,  fpiett  tomöbie.  (5r  bringt  feine 
3eit  mit  Sagen  nnb  tartcnfptelcn,  mit  Dirnen  unb  Printen  ju. 
Orr  ift  manberung«tufttg  oljne  2öi§fcegierbe ,  üppig  unb  ftnntttfy, 
otme  ber  Setbenfttyaft  fäljtg  $u  fein,  eitel  otjne  ©etbftgef  üljt ,  fecf 
unb  bocfy  feig.  (£r  ift  nic$t  fo  fälimm  organifirt,  bag  ju  ertoarten 
toäre,  bajj  ein  ©ßfettnctyt  au«  tym  mürbe,  aber  nicfyt  gut  genug, 
um  ettoa«  STü^tigc«  in  ber  <&efeüfc$aft  SU  merben.  Die  (£x* 
jiefjung  fruchtet  nictyt  biet  an  biefem  topfe,  er  ift  teer.  Unferc 
®ebtrg«bauern,  unfcre  9?etruten  jeigen  fotcfye  ©rganifationen  feljr 
Ijäufig.  Der  Umfang  be«  @(fyäbet«  gefyt  fetten  über  20  j&Qtt." 

Die  ®iftmörbertn  (Sottfrieb  bon  Bremen  (23.)  unb  ^cftato^i 
finb  ®egenfä|}e,  hrie  fie  faum  fdjroffer  aufgefunbcn  werben  fönntcn. 
Die  Phrenologie  l)ö$ft  merfmürbige  topfgcftatt  ber  ®ottfricb 
tä^t  fidj  in  ber  3"^uung  faum  jur  £)ätfte  erfennen.  2)ian  beute 
ftcfy  ben  nieberen  SBorberfopf  aud)  ganj  befonber«  fdmtal  unb  nadj 
hinten  ju  beim  Organ  be«  3erft&rung«ftnne«  über  ben  Citren  gu 
ungemitynticfyer  güüe  unb  ©reite  ftd?  au«betjnenb.  Unb  baneben 
ber  Wßne  topf  <peftaloföi'«,  be«  2ftenfc$enfreunbc«,  be«  3ugenb- 
freunbe«  unb  Öefyrer«! 


2. 

ßtne  ©afel  mit  adjt  köpfen. 

■ 

Da«  ®etjim  (ber  topf)  bieter  2)?enfcfyen  Ijat  nur  eine  mitt= 
tcre  ober  Dur#fcfynitt«geftatt :  e«  jeigt  meber  an  bicfer,  no$  an 
jener  «Stette  eine  befonber«  ftarfe  ober  befonberö  fdfymatye  (5nt* 
toitftung.  (Sbenfo  ift  ber  (Eljarafter  Dieter  9ttenfc$en  ein  mittlerer 
ober  burd?fd;ntttttcfyer:  fie  jeid^nen  ftcty  meber  burcfy  bie  «Starte, 
nod)  burd;  bie  ©$mäcfye  einer  Neigung,  eine«  latente«  au«.  Senn 
e«  nur  folcfye  SWenfcfyen  gäbe,  fo  märe  e«  natürlich  ni$t  m&gtid), 
bie  ®rö§e  ober  ttetnljeit  einzelner  (&etjtrntl)cite  mit  ber  @tärfc 
ober  ©$h>ä<$e  einjetner  S^arafterjüge  gu  bergteicfyen,  unb  c« 
nmrbe  eine  auf  biefer  23ergteicfyung  beruljenbe  ®efyirntefyre,  eine 
^fjrenotogte,  ntd&t  geben  fßnnen.   Slltein  mir  tonnen  un$  burcfy 


Digitized  by  Google 


362 


SBübergatteric. 


einen  aufmcrffamen  33ltcf  in'«  Vcben  leicht  überzeugen,  ba§  e« 
oicfe  ÜRenfdjcn  giebt,  bereu  ($e$irn  in  ber  $rbfec  (einet  Zweite 
einen  fcfyr  bcbeutenbcn  Unterfdjicb  jeigt,  unb  bercn  ßtyaraftcr  aud; 
fet>r  attögefprodjene  3üge  J«t  Serai  nun  bie  ®röf?e  unb  bie 
SHeuttjeit  eine«  beftimmten  ®ehirntheil«  mit  bcr  <3tärfe  unb 
Schtoactyc  eine«  beftimmten  I5harafter$ug«  immer  unb  au«naintt«fo« 
in  £aufenben  beobachteter  (Sinjetfäüe  jufammentrifft,  fo  ftnb  totr 
genötigt  51t  fcbüefcen,  bafc  jener  ©el;irntt;eit  mit  jenem  CSfyarafter* 
511g  in  Söejtehung  ftefjt,  ober,  toie  bie  gBiffenftyaft  fich  au«brücft, 
baft  jener  ©ebintthcU  baß  „Organ"  jene«  ßharafterjug«  ober 
jener  ®eiftc«fraft  ift. 

3öir  tootten  für  Diejenigen,  loetcfye  ben  großen  Unterfcfyieb  ber 
menfchüchcn  &opf*  ober  (Mn'rngeftalten  btö^er  toeniger  beamtet 
traben,  fjicr  einige  33eifpiele  btcfc«  Unterfchtebe«  oorführen,  unb 
sugtetd;  bie  33ebcutung  biefe«  Unterfd;tcbc«,  tote  bie  Phrenologie 
fie  fennen  tehrt,  anbeuten. 

Der  topf  ^apofeon'«  III.  (1.)  jeigt,  fotocit  bat  39Ub  cd 
erfennen  tagt,  eine  allgemein  ftarfe  (Snttoicflung.  (5r  ift  an  ben 
unteren  Reiten  (um  bie  Öftren)  breit,  ebenfo  ift  bie  Stinte  breit 
unb  ooü.  Straft  unb  Klugheit,  ^erftanb  unb  ^hantafie  (äffen  fid; 
in  ber  Organbilbung  erfennen.  (^ä(;ercö  über  ben  topf  Siapo* 
leon'«  III.,  auch  im  Vergleich  gu  bemjenigen  Napoleon'«  I.,  f.  in 
meinen  „^renologifdjen  fteifebilbern".) 

SÖenn  auch  einige  (belehrte  00m  theoretifchen  Stanbpunft  au« 
ben  Siegern  (2.)  bie  gleiten  geiftigen  Slnlagen  toie  ber  tucijjen 
Stoffe  jufpre^en  toollen,  fo  ftimmen  boch  alte  Diejenigen,  toelcbe 
bie  9?eger  au«  eigener  5lnfchauung  fennen,  barin  überein,  bajj  bie* 
fetben  geiftig  unter  ber  toeijjen  9toffe  ftehen.  Uebercinftimmenb 
bamit  jeigt  bie  Stinte  ber  Sieger  burchfchntttlich  eine  mangelhafte 
enttoieftung:  fie  ift  flach  unb  fchmal.  Sßo^t  $eidmen  ftdj  etnjelitc 
unter  ben  Negern  burefy  grbgerc  ®etfte«gabcn  au«,  aber  bei  biefen 
ift  auch  bie  (Stinte  beffer  eutnucfelt.  23om  t^eorettf^en  Stanb= 
punft  au«  behaupten  311  toollen,  ba§  bie  Sieger  unb  bie  Setfeen 
ober  bafe  bie  Golfer  überhaupt  fich  geiftig  gleichftänbcn,  ift  baß* 
felbc,  al«  toettn  einzelne  ^^itcfo^t^cii  bie  geiftige  (Gleichheit  alfer 
2)Jenfchen  behauptet  haben.  Die  Stotur,  ioelchc  überall  nicht  i&kify 


A  l 


Digitized  by  Google 
■ 


SSUbtcgattcric. 


363 


heit,  fenbcrn  55erfc^iebcnr>eit  imb  9Nannichfaltigfeit  liebt,  fotlte  in 
ihrer  haften  Schöpfung,  beut  menfchlicheu  (Reifte,  gmfermigfett 
gesollt  haben?  Smb  ja  fchon  bic  ftinbet  bcrfelben  gantttie  ocr* 
fdn'cbcn  geifttg  begabt. 

33t«marcf  (3.),  bcr  crftc  Statin  £>eutfd?(anb« ,  toicllcicht  bct 
heutigen  SSclt,  gicbt  und  (Gelegenheit ,  bem  l'efcr  eine  toidjtigc 
^öa^rheit  $ur  9lnfchauung  m  bringen,  bafi  nämlich  bie  getftige 
(Gröfe  ober  l'eiftungSfälngfeit  eine«  9)?enfd;en  al«  fo(d;c  nicht 
ein  (Gegenftanb  be«  p^renoJcgtfcheti  Urtheil«  ift.  3öenu  3M«marcf 
[ich  phttMtogifch  beurteilen  lie&e  (unerfannt  unb  mit  tocrfyülltem 
(Geficht),  fo  fimntc  ber  ^hrenotog,  ba  ba«  (Gehirn  <8i«marcf«  ein 
entfehieben  große«  ift,  nur  von  ber  SMegüchfcit  ober  2Bahrfd)cti^ 
Uchfeit  bcr  geiftigen  (Größe  be«  «curthcilten  fprechen,  ein  Urteil, 
loelche«  fein  ^rcnofogifdhc^  #  fonbern  ein  allgemein  anthrotoolo^ 
gifchcö  unb  barum  ein  fo  unbeftimmte«  ift,  »eil  neben  ber  Ouan* 
tität  be«  (Gehirn«  noch  beffen  Qualität,  bie  nur  nicht  genau 
fennen,  in  frrage  tommt.  SGBenn  ein  großes  (Gelnrn  ein  Vhlcg* 
matifche«  ift,  fo  toirb  ber  (Geift,  ber  e«  bewohnt,  fiefy  nicht  af« 
ein  großer  geigen  f  tonen.  Umgcfchrt  jeboch,  ttcim  ein  (Gehirn 
Kein  ift,  fo  fann  ber  ^J^renotog  mie  jeber  Slnthretooleg  mit  iöc= 
ftimmt&ett  fagen,  baß  er  feinen  getftig  großen  SRann,  feinen 
SWann  mit  großer  geiftiger  &iftung«fähigfeit  toor  fich  $ak.  eitlem 
biefem  gegenüber  mm  betrifft  ba«  beftimmte  p^renologifche 
Urtheit  immer  nur  ben  etjarafter  be«  9)*enfchen  ober  ba«,  n>o- 
burch  ber  2ttenfch,  —  er  mag  toi  et  ober  nun  ig  fein,  toi  et 
ober  toenig  (eiften,  —  anber«  ift,  Rubere«  teiftet,  al« 
Sintere.  Unb  in  biefer  öcjtehung  (Junten  tott  beim  auch  u^cr 
33i«marcf  tohrenologifch  urtheilen,  obgleich  bie  untoollfommene  $cnnt= 
niß,  loelche  ein  bloße«  33  i  t  b  toon  einem  $otofe  giebt,  un«  eine 
fixere  23ergteichung  nur  mit  anbern  mefentlid;  unähnlichen 
ertaubt,  5.  mit  bem  Sieger  (2.),  Robert  Füller  (4.),  üflinna 
8chmibt  (6.).  ©er  tfotof  9catooteon'«  III.  fcheint  an  ber  Seite 
um  bie  Ohren  breiter,  ber  33i«marcf«  fchmäler:  „  SBerheimttchung«* 
fhm*  unb  „SBorficht  ober  ©orgtichfeit"  bei  Scatoolcon  III.  ftätfer 
at«  bei  $3i«mar<f.  3ebenfall«  ift  ber  £opf  93t«marcf  «  an  unb 
für  fich  (bie  (Gehimtheile  unter  fich  felbft  toerglichen)  gegen  bie 


* 


Digitized  by  Google 


364 


•ÄÖilbcräQllprtp 


«rette  lang  unb  am  ©Reitet  $o$.  ^eftigfctt*  unb  „Selbft* 
gefü^l"  ftnb  ftarfer  al«  „93orfia)t  ober  @orgli($fett".  ©i«marcf 
ift  fü$n  unb  fur^tlo«,  fe^r  feft,  fetyr  felbftoertrauenb ,  etma« 
l;errif$,  ettua«  rücffi$t«lo«. 

Sefet  (feit  1870)  tft  ©i«mar(f  mo^l  oon  aüen  Deutzen 
(aüen  9fti($trBmlingen)  bcrefyrt  unb  bemunbert.  ^rü^er  aber  n>at 
blc«  bcfanntlicty  anber«,  ba  ftellten  iljn  bie  (Stnen  feljr  Ijotfy,  liebten 
unb  betounberten  lljn,  bie  Zubern  faßten  tljn.  3dj  fyabe  bamal« 
(1867)  bei  einer  (Megenljett  gefagt,  baß  fic$  biefe  beibertei  Ur= 
tfjeile  über  SttSmartf  pfyrenologtfa)  oercintgen  ober  oerföfynen  ließen, 
nämtitty  in  biefer  Seife.  3eber  cntfd?iebene  Gljarafterjug  — 
jebe  fe^r  ftarfe  ober  fefyr  fömattye  (Sntnncflung  eine«  Sinne«  — 
tft  ein  33orjug  unb  ein  fteljler  be«  (Styarafter«  &ugleid&,  ober  ift 
in  ber  einen  ©ejie^ung  ein  SSorjug,  in  ber  anbem  ein  fteljler. 
3-  ein  ftarfe«  „©elbfigeW  ift  ein  SSorjug,  mo  bie  Um* 
ftänbe  (Selbftoertrauen  unb  fixere«  Auftreten,  c«  ift  ein  ftefyler, 
too  fie  -23ef$eibcnl;ett  unb  Untertoürfigfcit  forbern;  ein  ftarfer 
„SBerljctmlicfyungSftnn"  ift  ein  33orjug,  h>enn  ber  üftenfdj  Oer* 
fcfynnegen  unb  gurüdljaltenb,  ein  ftefyter,  n>enn  er  gerabe  unb  offen 
fein  foll;  ein  ftarfer  „£fyättgfett$finnÄ  („3e*ftS™ng«finn"),  ^ie 
bei  Robert  Sflülfer  (4.),  ift  ein  $orjug,  mfofern  er  große  2^at= 
traft,  ein  Segler,  infofem  er  Seibenfcfyaftlidfyfeit  unb  Apeftigfett 
bcgrünbet.  Sil«  mir  einmal  bie  Gattin  attütler'«,  meiner  burd> 
feine  außerorbentlic^e  Styätigfeit  ein  bebeutenbe«  Vermögen  ermor* 
ben,  über  feine  maßlofe  §eftigfett  Ragte,  fagte  i#  ityr,  fie  fBnne 
iljren  SWann  ruln'g  unb  fanftmütyig  tyaben,  menn  fie  auf  feine 
große  2trbett«fraft  oergid&te.  £)ie  Dame,'  toelctye  eine  Keine  Reiben* 
f<$aft  für  ba«  ®elb  Ijat,  ernrieberte  mir  läa^elnb,  fie  motte  tljren 
9)Zann  fo  behalten,  mie  er  fei.  3n  gleidtyer  SBeife  ftnb  33i«marcf« 
Ctyaraftcrjüge  aucfy  feine  (Sljarafterfeljler,  unb  umgefeljrt.  £)ur<$ 
fein  fyoljc«  latent  unb  bura)  feinen  unbeugfamen,  rttdfficfyt«tofen 
9Wut1j,  —  melier  mit  feinem  rücfft#t«lofen  $errf<$en  au«  ber* 
fclben  Duelle  ftammt,  —  Ijat  er  bie  (Jhujeit  $)eutf$lanb«  gc* 
fctyaffen.  5Die«  erfennt  man  benn  aua)  jefct,  une  gefagt,  allgemein  an, 
unb  läßt  fi<$  feine  toermeintücfycn  freier,  meldte  feine  finb,  gefallen. 

Robert  üttüller  (4.),  ftabrifant,  geigt  eine  feljr  ftarfe  <£nt* 


Digitized  by 


«Ubergattcrte. 


365 


micflung  be«  „^hätigfcitöfinne«"  (bie  Söreitc  be«  $opfe«  über  ben 
Dtyren)  unb  eine  fe^r  fcfyftadje  be«  Sinne«  ber  „Sbealität"  (bie 
Schmalheit  be«  Sßorberfopfe«  an  ber  Stirnfeite).  ÜDtttüer  mar  ein 
anwerft  milber  $nabe,  nur  menn  er  ausgetollt  ^atte,  fonnte  er 
vernünftig  unb  gehorfam  fein.  $)em  9)?anne  ift  jefct  ununter* 
brochene  £fyätigfeit  ©ebürfnife,  er  fennt  faft  feine  (Srmübung  unb 
letftet  in  ongeftrengter  Arbeit  Unglaubliche*;  er  ift  unglücfltch 
unb  launifch,  menn  er  untätig  fein  mufj.  <£r  ift  fefyr  ungebulbig, 
nicht«  geht  iljm  rafch  genug ;  ma«  er  tlnit,  foll  biegen  ober  brechen, 
unb  bt«toeilen  bricht  e«.  &c  ift  feljr  ^eftig  unb  gum  3ähgorn 
geneigt.  9D?an  fann  nicht  fagen,  baj*  er  böfe  ift,  benn  er  fann 
feljr  gut  fein,  aber  er  n>irb  allguoft  bbfe.  $)abei  ift  er  äufcerft 
nüchtern  unb  praftifch,  feine  gange  geiftige  £ljätigfeit  ift,  ofyne 
ba§  ihn  irgenb  anbere  ©ebanfcn  abgiehen,  auf  feine  öeruf«* 
gefc^äfte  gerietet;  ^oefte  unb  $unft  finb  ihm  unbegreifliche  £)inge, 
meld&e  er  äußerlich  anerfennt,  »eil  er  bie«  5lnbere  tlnm  ftefyt, 
.  innerlich  aber  grünblich  beratet.  £)och  ift  er  nicht  geigtg,  er  lebt, 
mie  er  e«  feiner  Stellung  fc^ulbig  gu  fein  glaubt,  unb  lägt  feine 
tinber,  beren  eine  fefyr  grofce  3afjl  ift,  mßglichft  grünblich 
richten,  meil  er  bie  (Sinficht  ^at,  bafe  neben  ftleifc  unb  S£$Ätigktt 
bie  ©Übung  ber  SBeg  gum  9?cid)t^um  ift. 

Söeim  $5nig  bon  Samern  (5.)  ift  bie  obere  Sttrne  ftarf  ent* 
hricfelt,  etma«  ftä'rfer  al«  bie  untere;  ber  $Bnig  ift  mehr  fubjec* 
tio  al«  objectio,  er  benft  mehr,  al«  er  beobachtet.  9Sor  SUlem 
aber  geigt  „3bealität"  (an  ben  oberen  Schlafen)  eine  ungemöhn- 
lieh  ftarfe  (Sntroicflung.  £)er  Sinn  für  Sbeale«  ift  ein  $auptgug 
im  (Sharafter  be«  $önig«  unb  wirb  c«  barum  burch'«  gange  §eben 
bleiben.  Der  Äig  mtrb  fich  glüeflich  fühlen  unb  formen  in  . 
feinen  Sbeen  für  alle*  ©ute,  @ble,  S^ne,  boppelt  glüeflich  al« 
gfixft,  ba  er  fo  SMele«  gur  SBermirflichung  feiner  Sbeen  gu  thun 
oermag ;  unglücflich  baburch,  bafj  er  im  Vergleich  gu  feinen  ibealen 
3Bünfchen  unb  Hoffnungen  toenig  in  ber  äöirflichfeit  erreichen  mirb. 
dx  mirb  ba«  Schiebte,  fiebrige,  (demente  ber  3JJenfchcn  nicmal« 
begreifen  unb  boa)  einen  beftänbigen  $ampf  bagegen  gu  führen 
haben.  (Sr  nrirb  gu  ben  beoorgugten  Sterblichen  gehören,  welche 
immer,  bi«  in«  fpäte  Hilter,  jung  bleiben. 


366 


©Ubergalltrie. 


3d>  füfyre  Sflinna  ©(fymibt  (6.),  ein  artiges  (ungeft  SÜJäbcben, 
in  unfere  ®efellfcfyaft  ein,  um  über  bie  <2>ttrne  ein  2Bort  $u 
fagen,  über  beren  SöeurtfyeUung  biet  Unftarljeit  fyerrfcfyt.  (£$ 
fommt  bei  ber  ©tirne  bor  Mcm  weniger  barauf  an,  ob  fie  fyocty 
ober  niebrig,  at«  ob  fie  bot!  ober  flacfy  ift,  b.  Ij.  ob  fie  biet  ober 
wenig  ^e^im  umfdjUefct.  2öir  müffen  ju  biefem  3tr>ecfe  bie 
(Stinte  bon  ber  (Seite  betrauten.  £)er  Stirnraum  reicht  (bon 
oorn  nad>  rücfwärtS  gemeffen)  bi«  $um  @nbe  ber  Augenbrauen* 
bogen  an  ben  unteren  (Schafen.  sBenu  wir  oom  (Jnbe  be$  linfen 
AugenbrauenbogenS  bis  jutn  (£nbe  be$  recbten  eine  Öinie  (in 
dtebanfen  ober  mit  einer  Scfynur)  im  Söogen  über  bie  Stirne 
Siefen,  fo  fdjttefct  biefer  batb  fefyr  gerobbte,  batb  fefyr  ftadbe 
©ogen  einen  größeren  ober  einen  geringeren  <Stirnraum  ein.  5Die 
Sttrne  Ü0?inna'6  ift  fyodj,  fo  fyodj,  als  bie  SSifdjer'S  (8.),  aber 
gegen  biefe  auf  bie  bezeichnete  Seife  gemeffen,  f(ad^  ober  Kein. 
ÜDiinna  ift  nicfyt  ofyne  alle  ©egabung,  fie  fyat  in  ber  «Schule  feidrt 
auSwenbig  getcrnf,  wenn  fie  audj  nidjt  alle«  gelernte  berftanben; 
fie  Räubert  gern  unb  biet,  über  Alle«  unb  über  9cicfyt«,  unb  man 
Ijort  tfjr  eine  £eit  (ang  mit  Vergnügen  ju;  fie  gUt  unter  iljrcn 
ftreunbinnen  für  redjt  flug,  unb  fyat  aOe  bie  Äcnntmffc  unb  gfix* 
tigfeiten,  welche  bon  Ujr  al«  £>au«frau  werben  geforbert  werben, 
unfebwer  erlernt.  Allein  bon  tieferem  ober  grünblidjem  teufen, 
ober  bon  bem,  Wa«  man  ($eift  nennt,  ift  nid>t$  bei  ifyr  ju  finben. 
Senn  Robert  Sttüller  unb  SQHnna  eine  33orlefung  SBifcfyer'S  über  bie 
Xfycorie  be«  «Schönen  anlj&rten,  fo  würbe  3ener  n&tfn'genfatl«, 
wenn  er  wellte,  bie  Sorte  ber  ^orlcfung  berftefyen  fönnen,  wenn 
er  auety  ben  Sertfy  be«  ®efagten  nietyt  ju  begreifen  bermöa)te; 
ÜÄtmw  aber  würbe  ni$t  einmal  ben  «Sinn  ber  Sorte  ju  faffen 
fä^ig  fein. 

2Mtfe  (7.)  geigt  bei  ftarf  gewölbter  @tirne,  alfo  im  Allge* 
meinen  ftarfen  $)enffräften ,  befonbcrS  audj  einen  ftarfen  „3u= 
fammenfefcungSfinn".  ($)ie  ©reite  unb  #ülle  be«  botberen  Seiten* 
fobfeS  an  ben  unteren  «Schlafen,  unmittelbar  unter  „3bealität".) 
£)ie  getftige  £(jätigfeit  be«  „ßufammenfefcenS"  ober  w3ufawmen- 
ftellcn«"  liegt  ebenfowofyl  bem  Anfertigen  beS  $lane«  eine«  ftetb* 
jug«,  al«  bem  Anfertigen  be«  planes  eine«  SkuwerfcS  $u  ®runbe. 


Digitized  by 


©itberflaffcTte 


3G7 


$>o$  toerben  jur  etfteren  £fyätigfeit,  toeit  e«  ftcb  babet  3.  53.  um 
bie  «eredmung  *on  Urfadje  unb  Sföirfuttg  Rubelt,  äugleid;  ftarfe 
Ijityere  £)enffräfte  erforbert. 

«ei  Söifdbcr  (8.)  jetgert  bie  „Wesen  Denlftäfte*  (JBetfitei- 
cbungSoermogen''  unb  ,,@<$(uj?oermogen'')  $ufammen  mit  „3bea- 
ütät"  eine  fefyr  ftarfe  dnttoieflung.  2Ui$  bie  Organe  ber  unteren 
Stirne  (ber  „23eobad?tung«finne")  fdjetnen  im  ®anjen  siemlicfy 
ftarf  enttoiefett.  (Unficbcrtjeit  in  ber  «eurtfjeUttng  ber  unteren 
©tirne  Grrtoacbfener  bttrdj  bie  ©tirnljefyte  :c.)  3ebenfaü«  jc^toa^ 
ift  Bei  $$ifcfyer  im  3$ergtctcb  31t  ben  (fyöfyeren)  Denffräften  ber 
„$Öortfinn".  CDa«  tiefttegenbe  Auge.)  3öcnn  33ifcfyer  föebner  ift, 
fo  ift  er  e«  burefy  bie  traft  unb  ^itüc  ber  ®ebanfett,  ntebt  bureb 
bie  ©itabc  be«  SBorte«.  3Me«  im  ®egenfafe  51t  3ttinna  (Scr)mibt, 
bei  n>e(df>er  f^macfye  £)enffräfte  unb  ftarfer  SBortfhm.  —  £>en= 
jenigen,  treffe  oon  ber  „§of>e"  ober  „9Hebrigfeit*  einer  (Stinte 
aß  bem  Sflafeftab  tyrer  ®rl%  ober  fleinfyeit  ju  fprectyen  lieben, 
giebt  bie  'pfnrenotogie  unter  ber  Söebmgung  fyierju  bie  Qrrfaubnift, 
ba§  fic  fid)  ben  gu  beurtljcilenben  topf  mit  ber  föücffeitc  nad?  ab^ 
märt«,  mit  ber  <3ttrne  nadfo  aufwärt«  (bie  ^erfon  auf  bem  dürfen 
Itegettb)  oorfteflen.  £)ie  untere  fttädje  (ber  ftujj)  be«  Sttrnberge« 
faßt  bann  mit  bem  Ghtbe  ber  Augenbrauen  bogen  an  ben  «Schläfen 
jufammen,  unb  bie  £)olje  biefc«  23erge«  giebt  (neben  bem  Umfang 
am  $ubc  unb  am  ©ipfet)  einen  richtigen  Ü)?aj$ftab  feiner  ©röije. 
£>er  (Stirnberg  SBifcfyer'«  in  biefer  Seife  gemeffen  jeigt  eine  große 
£öfye  unb  einen  großen  Umfang. 

£)er  ^efer  totrb  bie  SBerfdjiebenljeit  ber  ®efyirn*  ober  £opf= 
geftalten  in  biefen  «eifptefen  jum  £f>ctt  feljr  bebeutenb  finben. 
(St  toirb  ben  23ortourf,  melier  ben  Männern  ber  ,,©iffenfa)aft" 
au«  ber  9cic$tbea<$tung  afler  93erf<$iebcnfyetten  ber  ®e^imgefta(t 
gemalt  toirb,  al«  mefytbcgrünbet  erfennen.  3Ba«  bie  «ebeutung 
biefer  Sßerfcfyiebenljetten  betrifft,  fo  ift  ber  tfefer  31t  ber  $rage  be* 
rednigt,  ob  bie  pfyrenofogife^e  Uebereinftimmung  ätoifcfyen  topf* 
geftaft  unb  ßfjarafter,  tueldje  mir  in  unferen  menigen  «etfpielen 
toafyrnefymen ,  immer,  in  allen  $ätfen  gefunben  mirb?  £)iefc 
$rage  ift,  ba  e«  oon  9caturgefefcett  feine  ?(u6nafntten  geben  fann, 
unbebingt  gu  bejahen.  <3e  tote  c«  teilten  9)Jenfcfyeu  giebt,  meldjer 


368 


«Ubergaflerie, 


oljne  Slugen  fietjt,  fo  fann  e«  j.  SQ.  feinen  üftenfcfyen  geben, 
metetyer  mit  Keinem  SBorbergefyirn  ein  großer  genfer  ift.  3ebocty 
icfy  erfucfye  ben  ßefer,  meiner  Behauptung  bet  au«nahm$lofen  Satyr* 
Ijeit  ber  phreno(ogifd)en  £ljatfachen  nid?t  ofme  Weitere«  (Stauben  gu 
föenfen,  fonbern  fte  gubor  burety  einen  ©lief  in«  Ceben  gu 
prüfen.  $)ie  Uebergeugung  bon  berSBahrtyeit  ober  Untoafyrljeit  biefer 
£hatfacfyen  ift  leietyt  gu  geminnen.  SDenn  eben  meil  bie  ^tyreno* 
(ogie  bie  au*nafym«(ofe  ©a^eit  i^rer  Xljatfachen  behauptet,  fo 
mürbe  bie  Sftacfymeifung  einer  einzigen  Ausnahme  gur  Sfötbertegung 
ber  Behauptung  genügen.  £)ic  ^renologie  nennt  g.  23.  bie 
®ehimtheüe  an  ber  ©time  bie  Organe  be$  $)enfen$.  2Bürbc 
nur  ein  einziger  $all  nacfygemiefen ,  mo  ein  9ftenfch  mit  Heiner 
<3tirne  (mie  2.  ober  6.)  ein  großer  genfer  märe  (mie  8.),  fo 
märe  bamit  feftgefteüt,  bajj  bie  <&ehirntheite  an  ber  <Stime  n  i  ch  t 
bie  Organe  be8  £)enfen$  finb,  nnb  mit  ber  3rrigfeit  biefer  einen 
Behauptung  ber  'Phrenologie  märe  natürlich  fo  gut  al«  bie  Grrig* 
fett  aüer  bargethan.  ^Daffelbc  märe,  menn  ber  ®e^irntfjeil  an 
ben  oberen  Schläfen  (Organ  ber  „3beatität")  in  einem  einigen 
ftalle  fleht  (mie  bei  4.)  gefunben  mürbe,  mo  ber  (S&arafterjug  ber 
„3bealität"  ftarf  ift,  ober  menn  er  groji  (mie  bei  5.)  gefunben 
mürbe,  mo  jener  £ug  fa?macb  ift,  u.  f.  m. 


3. 

jJroanjtg  Jt$y fumriffe. 

(«u«  ber  „©artenlaiifc".) 

SDa«  miffenfehafttich  intereffantefte  unb  michtigftc,  aber  gu* 
gleich  tmglücflichfte  Begegntü  meine«  gangen  bebend  barf  idt)  in 
ber  neuen  Auflage  beö  borltegenbcn  Buche«  mitgtttheiten  nicht 
unterlaffcn.  3n  einem  ferneren  Kampfe  um  bie  ^^renotogte  bin 
idt)  fchmachboll  unterlegen,  meit  ich  bon  ben  Staffen  feine  Slfynung 
^atte  unb  fwben  fonnte,  bie  mein  (Gegner  gegen  mich  in  Slnmen* 
bung  braute,  ©er  Vorgang  geigt  gugleich,  mie  ein  miffenfebaft^ 
lieber  (Gegner  ber  Phrenologie,  menn  er  fich  bon  bereu  Sattheit 


Digitized  by 


SÖtlbergaffcric. 


369 


überzeugt  lj«t,  ein  erbitterter  unb  bösartiger  ftcinb  bcrfelben  mer* 
ben  fann. 

— 

©ä'hrenb  meine«  Aufenthalts  in  $>rc«ben  bor  jefet  jehn 
Sahren  erlieft  ich  ba«  folgenbe  Schreiben  oom  Herausgeber  ber 
©artentaube,  ,,Geebrter  £>err!  3ch  erlaube  mir,  3fjnen  in  bem 
mliegenben  Slbbrucfe  bie  mir  ton  ausmärts  tnttgctf;cilten  ©chäbel* 
umriffc  einer  ftieifje  bon  Scannern  mit  ber  ganj  ergebenen  Bitte 
ut  überfenben,  biefelben  phrenotogifö  begutachten  unb  mir  bann 
geftatten  ju  motten,  ben  Befunb  Öftrer  Unterfudmng  in  meiner 
Gartenlaube  ocröffentltchen  31t  bürfen.  $)a«  Honorar  fur  fc*efe 
Begutachtung  [teile  ich  natürlich  gau$  3hrem  eigenen  (Srmeffen 
anheim,  ünb  bemerfe  nur  noch,  bafe  Sie  burch  Abgabe  3hreS 
UrtyeU*  in  feiner  Söetfe  irgenb  in  unangenehme  (Solliftoncn  fom= 
men  merben,  unb  bafe  bie  Schäbelconturen,  tote  mir  auf  ba$  Be* 
ftimmtefte  oerfichert  mirb,  burch  ganj  authentifche«  9#afenehmen 
gewonnen  morben  finb.  3t!  jebem  $attc  h^ben  @tc  mohl  bie. 
Gelegenheit ,  mir,  menn  irgenb  möglich,  umgehenb  Anjeige  gu 
macben,  ob  <Sie  meinem  Söunfche  ju  entfprechen  geneigt  finb,  unb 
genehmigen  :c.    Vetpjig,  15.  £)ec.  1863.    Crrnft  $eil." 

tiefer  Brief  mußte  mich  überrafchen,  ba  ich  ja  Pro* 
feffor  Bocf  al«  entfehiebenen  (Regner  ber  Phrenologie  fannte.  (£« 
hanbelte  fich  tficx  offenbar  um  eine  thatfächliche  Prüfung 
biefer  ffitff enfehaft ,  unb  bie  Aufgabe,  t>on  Gegnern  geftellt,  mar 
eine  (Schlinge,  um  barin  bie  Phrenologie  51t  fangen.  Erobern 
mar  ich  1°0tcicl  entfchloffen,  bie  Aufgabe  auf  alle  ftalle  anju* 
nehmen;  nur  jweifelte  td;,  ob  es  mir  bei  ber  aujjerorbentltchen 
Befchränftheit  ber  Aufgabe  gelingen  roerbe,  für  bie  Gartenlaube 
flar  unb  populär  genug  ju  fein.  3ch  bat  baher  §errn  $etl  im 
Sntereffe  feiner  Vefer,  bon  ben  §erren  momogtich  ut  biefer  einen 
Vinte  nod;  bie  Vinte  über  ben  Oberfopf  (bie  ©eitenanficht  be« 
ftopfe«)  ^tnsufügen  ut  laffen;  boch  mürbe  ich  attdh  Won  über 
bie  borliegenbe  eine  Vinte  ein  Urteil  abgeben,  ba  gerabe  biefe 
große  <Sch*>terigfeit  ber  Aufgabe  einen  befonberen  föeij  für  mich 
habe.  3<h  ftellte  an  $errn  Äeil  feine  weiteren  fragen,  obgleich 
meine  Vage  ber  (Schlinge  gegenüber  eine  fel>r  unheimliche  mar. 
SBor  allem:  tut e  maren  bie  Umriffe  genommen,  unb  mte  genau 

Sdjctoc,  Wrenologiföe  »Uber.  a.  *ufl.  24 


Digitized  by  Google 


370 


©itberaaUerie. 


waten  fie?  £>err  $eil  hatte  ton  »gang  aiit^entifc^em  ÜRajjnehmcn" 
gefprottyen.  3$  mußte  ihm  barin  oertrauen,  ba  t(fy  e$  für  im* 
möglich  hielt,  baß  er  fich  bor  feinen  t'efern  burcfy  eine  Unwahr* 
^eit  in  biefem  wefentlichften  fünfte  blojsftellen  fönne.  Sehnlich 
behielt  e«  fidt)  mit  ber  grage  nach  bem  Umfang  meiner  Arbeit. 
£err  teil  hatte  mir  barüber  feine  2lnbeutung  gemalt.  <g$  ber= 
ftanb  fty  ia  bon  felbft,  bafe  ich  fobiel  über  bie  ©ebeutung  ber 
$opfumriffe  fagte,  als  ich  $u  fagen  wufete,  je  mehr,  befto  beffer. 
(5in  Sluffafe  mit  20  (Sharafterfchilberungen  fonnte  ntc^t  ganj  furj 
fein.  So  fügte  ich  meiner  bejahenben  Antwort  an  £errn  teil 
außer  ber  gebauten  iöttte  feine  weiteren  Vorbehalte  ober  3ln= 
fragen  ^ingu. 

§err  teil  erwieberte  mir:  „Söobl  fann  id)  begreifen,  baß 
e$  feine  ©chwierigfett  hat,  nach  ben  3fmen  mitgeteilten  topf* 
umriffen  Phrenologie  (Gutachten  abzugeben;  allein  ba  mir  bie 
Sache  fehr  am  £er$en  liegt,  fo  erlaube  ich  mir,  @ie  gu  bitten, 
mir  unter  allen  Umftänben  unb  fobalb  at$  thunlich  tyxe  Urteile 
jufommen  (äffen  ju  »ollen.  3D?it  bem  (5rfu<hen  um  gleichseitige 
gewogentltche  geftfteüung  3^re«  £onorar$  ^abe  ich  bie  (S^re  ic. 
geipjig  19.  £)ec.  1863.    fotft  teil." 

2llfo  £errn  teil  „lag  bie  ©acbe  fehr  am  £er$en" !  £)iefe 
Sleufjerung  oerboppelte  meinen  (Jifcr.  3dt)  fanb  inbeffen  bie 
'Sdjwierigfett  größer,  al«  ich  anfangt  gebadjt,  befonbers  auch  wa$ 
bie  populäre  Sluffaffung  unb  Darftellung  be$  (fangen  betraf. 
(5twa  acht  Xage  braute  ich  bamit  $u,  bie  Arbeit  gu  beginnen 
unb  ba«  ^Begonnene  wieber  ju  berwerfen.  (Snblid)  glaubte  ich 
ben  Seg  gefunben  ju  ^aben,  ber  mir  ganj  genügte,  unb  ber 
micb  auch  an  allen  (Sulingen  borüber  an«  JJiel  führen  mußte. 
Die  Arbeit  würbe  mir  lieb,  was  ich  für  ein  gute«  Beiden  ^ielt. 
£err  teil  fragte  (4.  3anuar  1864)  ungebulbig  nach  bem  ber* 
fproctyenen  Sluffa^e;  ich  bat  Um,  fich  noch  8—10  £age  ju  ge* 
bulben.  £)iefe  3cit  i^m  ungewöhnlich  lang,  er  begann  gu 
fürchten,  wie  er  mir  wieber  fctyrteb,  baß  ich  eine  tfjeoretifcbe 
wiffenf^aftlic^e  Slbhanblung  über  Phrenologie  aufarbeite,  wa«  er 
boä)  nicht  wünfche.  „Vielmehr/  finb  feine  Sorte,  „geht  meine 
Slbftcht  lebtglich  balnn,  eine  auf  bie  ^l^rcnologic  bafirte  öegut« 


Digitizßd  by  VjOOQIc 


©ilbergatterie. 


371 


achtung  ber  fpeciell  fyicr  toorliegcnben  unb  ^nen  in 
§oljfc$mtt  mitgeteilten,  genau  aufgenommenen  topf  formen 
ju  ersten."  3$  ermieberte  ihm,  bafe  mir  eine  theoretifche 
9tbhanblung  über  bie  ^renotogte  toietleicht  jmet  £age  foften 
mürbe,  nicht  toter  $öo$eu;  ich  oerfprach  ihm,  baß  er  befonber« 
auch  mit  berßtnheit  meinet  KuffafceS,  bei  bem  ich  uttch  ftreng 
an  meine  prafttfehe  Aufgabe  gehalten,  jufrieben  fein  fotlc. 

(Snblich  fonnte  ich  ben  fertigen  9tuffafe  £crrn  feil  einfenben. 
3ch  fdjrieb  ihm,  bafe  jebe«  SBort  auf  bie  Sßage  gelegt  fei,  unb 
baß  feine«  ofyne  mich  geänbert  werben  bürfe.  3$  erfuchte  ihn, 
menn  er  9lenberungen  münfebe,  um  Nachricht,  bamit  ich  nach 
Setpjig  fomme  unb  bie  Sache  mit  tym  befpreche.  Sit«  feine  $tnt* 
mort  einige  £age  auf  ftch  marten  liefe,  bat  ich  ihn,  mich  nicht 
burch  längere  Ungeh>ij$eit  $u  benachteiligen,  ba  ich  um  be«  5tuf* 
fafce«  mitten  alle  übrigen  ^ßläne  unb  ©dritte  hintangefefct,  j.©.  einen 
bereit«  angefünbigten  Gurfu«  toon  SSortefungen  niebt  gehalten  hätte. 

£ernt  teil'«  Slntmort  fam:  er  fanbte  mir  ben  Sluffafc  ju* 
rü(f  unb  febrieb:  „Sie  ^aben  fich  ber  (Erfüllung  metner  neutic^en 
33itte  mit  einem  9lufroanb  »on  ©charffinn  unb  SUcufye  unterzogen, 
bie  ich  auf  ba«  ÜDanfbarfte  anerfennen  nun},  allein  ma«  ich  nach 
einer  3hTer  früheren  Slnbeutungen  befürchten  ju  müffen  glaubte 
unb  3^nen  fc^on  oorbeugenb  au«fprach,  ift  eingetroffen:  3^r  2luf* 
fafe,  beffen  SSerth  ich  nicht  im  2flmbeften  beftreite,  tft  für  meine 
3mecfe  minbeften«  um  b  r  e  i  m  a  t  ju  umfänglich  ausgefallen.  2öte 
ich  Sfynen  toon  Anfang  an  [toon  £rn.  feil  unterftric^en]  mit* 
feilte  nnb  in  einem  fpäteren  Schreiben  au«brücflid)  mieber* 
^olte  [toon  §rn.  feil  unterfingen] ,  münfehte  ich  nur  einen 
Slrttfel  ju  ermatten,  ber  in  einer  Kummer  meiner  (Gartenlaube 
jum  5lbfchtufc  gebraut  roerben  f&nnte,  mithin  nicht  länger,  al« 
haften«  5  spalten  fein  bürfte,  3hT  Üftanufcript  aber  mürbe 
minbeften«  burch  bret  Hummern  fortlaufen  müffen.  Htt6  btefem 
©runbe  fcl)e  ich  mich  ju  meinem  Söebauern  in  ber  Sage,  tynen 
in  ber  Slnlage  3hte  Arbeit  mit  bem  angelegentlichen  (Srfuchen 
mteber  $ujuftetten,  biefelbe  auf  ba«  ermähnte  üttafe  toon  etma 
5  ©palten  rebuciren  ju  motten.  —  Söenn  <Ste  eine  folche  Um* 
formung  at«  unthunlich  toon  ber  £anb  meifen  |u  müffen  glaubten, 

24« 


Digitized  by  Google 


372  SUbcrgaaerie. 

* 

fo  wäre  ich  (eiber  in  t»tc  ittothwenbigfeit  oerfefct,  auf  bie  ganje 
Sache  ju  berichten.  —  §aben  Sie  mithin  bie  (Gewogenheit,  bie 
gegebenen  Verhältniffe  ju  berüeffiebttgen,  in  jebem  ftalle  «**  wich 
ju  benachrichtigen,  ob  ich  auf  eine  (Gewährung  meinet  ©itte  ju 
rennen  ^abe  ober  nicht." 

3ch  mar  auf«  Unangenehmfte  überragt  übet  biefen  ©rief 
unb  über  bie  Unwahrheiten,  bie  er  enthielt,  ba  ich  ja  im  JÖcfifc 
ber  ©riefe  bc«  $m.  $cil  war.  8t«  id;  wie  oben  erjagt)  fooiel 
länger,  al«  er  erwartete,  an  bem  9luffafc  arbeitete,  unb  er  mir 
feine  Befürchtung  au«fprach,  bafl  ich  m™  theoretifche  9lbfchwetfungen 
erlauben  möchte,  fyätte  e«  fo  nahe  gelegen,  mir  oon  ber 
Sänge  be«  Sluffafee«  ju  fprechen,  wenn  §r.  teil  einen  Sunfch 
in  biefer^ejiehung  gehabt  hätte,  aber  er  fprach  einen  folchen  ©unfeh 
nicht  au«,  weit  er  ihn  nicht  hatte,  unb  ihn  ber  ücatur  ber  Sache  nach 
nicht  wohl  h«&en  tonnte.  3cmehr  ich  uper  bie  ftopfurartffe  fagte, 
befto  leidster  fonntc  ja  ber         meiner  (Gegner  erreicht  werben. 

$)urch  ba«  Vorgehen  be«  $m.  Seil  (welcher  für  feine  ^erfon 
in  meinen  tilgen  an  ber  Sache  uufchulbig  war)  hielt  iefc* 
ba«  föäthfet  für  gelöft.  (Gegner  ber  ^ß^TenoIogic  hatten  ben 
Verfuch  gemacht,  ob  ich  m^r  vielleicht  einige  ©löfjcn  geben  würbe, 
bie  fich  gegen  bie  ^^renotogte  ausbeuten  liefen.  £)er  erfte  unter 
biefen  (Gegnern,  glaubte  ich,  ^rofeffor  ©oef,  ben  ich  fürjlich 
in  meinen  „  ^Ijrenofogifchen  9teifebilbern"  wiberlegt  ^atte ,  unb 
ber  über  bie  (Gartenlaube  eine  unbebingte  $>errfchaft  übte.  Slber 
ber  3Serfuch  ber  £>erren  war  mißlungen.  2)ieine  Arbeit  war  gu 
gut  unb  grünblich  ausgefallen,  um  fid;  irgenbwie  gegen  bie  ^h*e= 
nologte  oerwerthen  $u  laffen.  3$  glaube  wohl,  bajj  man  in 
jiemlicher  Verlegenheit  war  unb  nicht  ganj  leicht  gu  einem  (Snt* 
fchluffe  fam.  £)aher  aud)  bie  Verzögerung  ber  Antwort  an  mich. 
$Ba«  biefe  Antwort  begweefte,  war  mir  flar.  3ch  h<*tte  mix  m  ben 
Sluffafc  nicht  bie  geringfte  Slbfchwetfung  erlaubt,  }a  ich  tyat*e  §rn. 
Äeil  gefagt,  baf?  „jebe«  $$ort  auf  bie  Söage  gelegt  fei" :  unb  jefct 
follte  ich  ba«  (Ganje  auf  ein  Drittel  fürjen!  2flan  h°ffte 
wahrfcheinüch  burch  ba«  (Smpörenbe  unb  Demüthigenbe  tiefet 
gorberung  meinen  Stolj  berart  51t  reijen,  bafe  ich  ben  Herren 
bie  Sache  oor  bie  ftüjje  würfe  unb  oon  einer  Aufnahme  meine« 


Digitized  by  Google 


SBilbergaffcric.  373 

SluffafceS  in  bie  Gartenlaube  abfrünbe.  Ober  «tan  hoffte  auch, 
nnb  fcl?r  mit  Grunb,  baß  bcr  2(uffafc  nad;  großen  #ür$ungen, 
menn  ich  mich  barauf  eintiefe,  beffere  Gelegenheit  $u  Angriffen 
bieten  tt>ütbe. 

£>er  nrieberholten  Slufforberung  be«  $tit.  $eil,  mit  meinem 
Sluffafc  aiid^  meine  §onorarforberung  cinjufenben,  mar  ich  nic^t 
nachgefommen ,  hauptsächlich  barum,  h>cil  mir  ba$  Honorar  mir 
siebenfache  mar.  3ch  fyatte  fchou  oft  bie  gelegentliche  Sleußerung 
gethan,  menn  mir  ein  ©latt  wie  bie  Gartenlaube  auf  gmet  3ahre 
jur  Verfügung  ftünbc,  fo  mürbe  ich  tu  biefer  &\t  *k  ty^Ttno* 
togie  in  ganj  ®eutfchlanb  jur  Slnerfennung  bringen.  ®urj,  e$ 
war  mir  ton  fetyr  großem  Söerth,  meinen  Sluffafc  in  bie  Garten* 
laube  aufgenommen  ju  fehen,  nnb  ich  *?ätte  ^n  ^ei^  wenn 
er  e$  münfehte,  anch  ohne  Honorar  überlaffen.  3<h  siehe,  bei* 
läufig  gefagt,  überhaupt  au$  meinen  Schriften  feinen  Gelbgeminn, 
weit  ich  Su  fongfam  arbeite,  über  jebeS  Söort  nachbenfe  unb  mit 
Seffern  unb  $ürjen  nicht  3U  (Snbe  fommen  tarnt.  $ür  ben  5luffafe 
in  bie  Gartenlaube  hätte  ich  m  äfften  ö^all  ein  §onorar  nicht 
fofbern  unb  *  erhalten  f önnen ,  welkes  auch  nur  fyaih  meinen 
bafür  aufgemenbeten  Gelbopfern  gleichfam.  Slllein  hictoon  ganj 
abgefehen,  mar  e$  immer  als  „fein  gehanbelt"  oon  mir  anguer* 
fennen,  baß  ich  eme  £onorarforberung  nicht  [teilte.  $>iefe  meine 
Reinheit  mürbe  nicht  ermiebert:  wenn  ich  ftorberung,  ben 
Sfaffafc  auf  ein  drittel  51t  fürjen,  uic^t  nachfam  ober  nicht  nach* 
fommen  tonnte,  fo  follte  ich  fu*  nrn™  ^¥  wib  Opfer  nichts 
erhalten.  SDaju  fommt,  baß  wenn  ich  mit  t>ex  Grmfenbung  bc« 
^uffafces  eine  angemeffene  §onorarforbcrung  geftellt  hätte,  bamit 
ba#  ganje  S0?auiJocr  unmöglich  gemorben  märe.  £)emt  einer  8e* 
rechtigten  Gelbforberung  oon  mir  hätte  man  natürlich  mit  jener 
ganj  unwahren  ^Behauptung  nicht  entgegentreten  f&nnen. 

£)ie  große  ^agc  für  mich  mar  nun,  wa8  ich  thun  follte. 
£>er  einige  richtige  Schritt  mar,  baß  ich  tlagte.  3to^W^n  £rn. 
$eil  unb  mir  mar  ein  Vertrag  gefchloffen,  ber  in  feinen  einjclnen 
fünften  unb  23ebingungen  nicht  flarer  fein  tonnte:  ich  ^atte 
meine  SBerbinblicbfeit  erfüllt,  er  h«tte  jefct  bie  fetnige  ju  er* 
füllen,  ben  Sluffafe  in  bie  Gartentaube  aufzunehmen.   3$  tfaU  e« 


Digitized  by  Google 


374 


33ilfcergaflcrie. 


otelfach  bereut,  ba§  ich  nicht  in  tiefer  äiSeife  »erging,  jumal  ba 
bie  flage  nur  formell  gegen  £>rn.  teil,  unb  in  ber  Xt/at  gegen 
meine  fteinbe  gerietet  mar.  £ikhft  tüa^rfd^einüc^  hätte  §r.  Äeil . 
meinen  guten  Sfuffafc  gerne  in  bie  Gartenlaube  aufgenommen  unb 
meine  $lagc  märe  ilnu  felbft  fehr  ttnllfommen  getoefen,  ba  fic  ilni 
ton  bem  3^anö/  *>«i  w^ne  Seitibe  auf  Uni  übten,  befreite. 
Allein  ich  faf?  bamals  bie  ^acfye  nicht  fo  flar  an:  ieber 
.  ^rojefe  ift  mir  ein  ©reuet,  ich  badete  nicht  an  einen  folgen  ober 
mochte  nicht  einmal  bannt  trotten.  X)a^er  u>ar  bie  ^rage  für 
mich  nur  bie,  ob  id>  bie  gauje  ©acbe  falten  taffen,  ober 
ob  ich  mich  $ur  Äürjung  beä  91nffa}jc$  oerftehen  folle.  £)en 
SluSfcfylag  gab,  baß  td;  ben  fo  fdmüerigen  s4uffafc,  ben  ich  lieb-- 
gemonnen,  nicht  umfonft  getrieben  tyaben  wollte.  ®erabe  bafc 
er  »on  ben  Seinben  jurüefgemiefen  mürbe,  machte  meine  Ucber* 
ieugung  noch  fefter,  bajj  er  gut  fei  unb  ber  Phrenologie  nüfcen 
tonne.  3$  burdjlaS  ihn  mit  bem  ftebanfen  an  toefentltche  $ür* 
jungen  unb  befcfyloü  enblich,  biefe  ju  fragen,  mit  bem  ooUen 
loujjtfein,  nne  gefährlich  fie  bei  ben  oielen  SDtifcoerftänbniffen,  mit 
benen  bie  ^Phrenologie  mie  mit  einem  sJte£e  umfpomten  ift,  für 
mich  locrbcn  tonnten.  3ch  fchrieb  £>rn.  Heil,  ba§  ich  ben  Sbif<« 
fafc  fürjen  merbe,  rügte  aber  bie  Unwahrheit ,  ba§  er  mir  über 
ben  Umfang  beS  9luffa£cä  irgenb  eine  3)iitt^eilung  gemalt  Ijabe. 

Üflan  Um  am  (Snbe  alle«  machen,  was*  man  n>ill.  Wit 
unenbticher  2Wühe  gelang  e«  mir,  ben  9luffafc  auf  faft  ein  £)ritt* 
theil  $u  türjen.  9lber  fehr  oiele  Vorbehalte,  mit  benen  ich  bei 
ber  Unbcfttmmtheit  ber  gegebenen  Umriplinic  meine  Urteile 
über  bie  (^arafterjüge  gleichfam  fc^it^enb  umgeben  hatte,  mußten 
tefct  megf  allen.  3$  legte  ben  Stuf  faß  einem  ftreunbe  oor,  toeldjer 
meinte,  er  mürbe  fid;  auf  bie  Sache  nicht  eingelaffen  haben.  3ch 
bebeefte  eine  stelle  be$  9uffa|€*  mit  ber  £anb  unb  bemerfte, 
um  biefe  eine  Stelle  (Nähere«  f.  unten)  oerfaufe  ich  *>m  ganjen 
2luffafe;  bannt  biefe  ©teile  burch  bie  (Gartenlaube  eine  große 
Verbreitung  finbe,  fefce  ich  wid;  jeber  (Gefahr  au«,  bie  mir  brohen 
tönne.  Uebrigen«  mar  mein  9luffafc  nach  ben  Äürjungen  für 
mich  ein  mabreä  Äinb  ber  21ngft  geworben ;  ich  tonnte  ihn  nicht 
nach  &ipatg  f  Riefen:  e$  genügte  mir  nicht,  £rn.  teil  brieflich 


•  \ 


Digitized  by  Google 


«Ubergaüerie.  375 

gefaßt  51t  (jaben,  bafe  fein  Sföort  geänbert  werben  btirfe,  i$ 
mugte  bie  Ueberjeugung  fyaben,  baß  bie«  nicfyt  gefetyaty. 

3$  fam  nad&  Seidig.  311«  id&  #rn.  Äei(  meinen  Stuffa^ 
übergab  unb  ilm  bat,  mir  31t  fagen,  ob  berfelbe  iefct  feinem 
2öunfd;e  entforecfye,  führte  er  mi#  in  ba«  anftopenbe  Limmer  $u 
einem  §errn,  meiner,  nne  er  mir  fagte,  bie  ganje  @acfye  fenne, 
tuelcfyer  au<$  bie  ©riefe  (in  feinem  tarnen)  gefcfyrieben,  unb  mit 
toeldjem  idj  2Il(e«,  mic  mit  iljm  felbft,  befpredjen  f&nne.  3$ 
nueberljoltc  bem  §crrn  ©ceretär  meine  ^rage,  unb  al«  biefer  ben 
Umfang  bc«  3luffa^cö  berechnet  Ijatte,  fagte  er  mir,  baß  berfelbe 
fidj  jefct  jur  2lufnaf)me  eigne.  3dj  fyielt  bem  $erm  normal« 
münbüc$  bie  Umoafyrljeit  ber  ©efyauptung  oor,  baß  mir  in  frü* 
fyeren  ©riefen  irgenb  3ttittfyeilungen  über  ben  Umfang  be«  9luf5 
fafce«  gemalt  morben  feien,  unb  fragte  ilm,  ma«  bann  gemorben 
loäre,  toeun  ber  2luffafc  fid?  Jttfallig  niebt  tyätte  auf  ein  Dritttfjeil 
fürjen  (äffen?  (ix  fällig  bie  2(ugen  bor  mir  nieber,  al«  er  ant* 
mortete,  er  fyabe  geglaubt,  mir  früher  über  ben  Umfang  be« 
8liffa£e6  Sftittfyeilungen  gemalt  ju  ^aben. 

(£lje  icfy  meinen  Sluffafe  bem  £erm  enbgiltig  überlieft,  ftellte 
idb  jtoei  fragen  an  Um,  bie  mir  al«  SÖebingungen  galten;  juerft, 
ob  er  mir  ertaube,  auf  ein  Heine«  SSerf  oon  mir,  bie  „'pijreno* 
logtfeben  flteifebilber"  ju  oerioeifen.  211«  ber  £err  mir  fyierju 
feine  3uftimm"n9  Ü^r  ityxieh  icfy  in  feiner  (Gegenwart  bie  Heine 
9iote  ju  bem  Sluffafc.  9)?eine  jmeite  ftrage  toar,  ob  icf>  bie  (Sor* 
rectur  be«  Sluffafce«  jugeföicft  ermatten  f&nne?  Anfang«  erffarte 
ber  §err  bie«  nietyt  toefjl  für  t^unlicr) ;  al«  icfy  tym  aber  fagte, 
bie  @a$e  fei  mir  fo  lotcfyttg,  baß  idj  bann,  um  bie  Gorrectur  ju 
tefen,  naefy  tfeipjig  fommen  merbe,  fo  fagte  er  mir,  er  motte  ben 
9luffafc  gleicfy  abfegen  (äffen  unb  mir  bie  (Sorrectur  jufa^trfen. 
3db  fragte  $n>eimal,  ob  id)  mi$  feft  hierauf  oerlaffen  f&nne,  unb 
ber  £err  bejahte  jtoeimal  biefe  ftrage.  £)er  Huffa^  mürbe,  fagte 
mir  ber  £>err,  in  sJ?r.  9  ber  Gartenlaube,  etma  nad>  bret  Sßßodjen 
bon  Ijeute  (3.  Februar)  erfreuten. 

Obgleich  mir  ber  SSerftanb  fagte,  bafe  tefy  alle«  ^Öt^ige  ge* 
tfyan,  um  mi$  gegen  meine  fteinbe  fieser  $u  ftetten,  fo  »erliefe 
icfy  bo$  tfetyjig  mit  bem  unbeftimmten  Gefügt,  »erraten  unb 


Digitized  by  Google 


376 


«Ubergaflcrie. 


oerfauft  $u  fein.  Gr«  ift  eine  eigenttn'tmücfye  Sacfye,  mit  beuten 
ju  tljun  $u  fyaben,  oon  tonen  man  beftimmt  ju  triff  en  glaubt, 
bafe  fic  39&fe«  im  <Sdntb  führen.  2Bar  i$  uidjt  ganj  gefid;crt? 
©efefet,  ber  §crr  {Riefte  mir  bie  (Sorreetur  nid>t  ju,  fo  fonntc  icfy 
immer  jur  entfprecbenbeu  £eit  naefy  Seipjig  fommen  unb  biefetbe 
tefen.  <3o  t?atte  icfy  bie  beften  ©rünbe,  rittng  $u  fein,  unb  bod? 
mar  ic$  e«  nic^t.  3£a«  meine  au«briicftidje  Anfrage  betrifft,  ob 
'  icfy  in  bem  Sluffafee  auf  meine  „^rcnotogifcfyen  föeifebitber"  Inn* 
toeifen  bürfe,  fo  f  Bunte  biefc  Anfrage  fonterbar,  faft  täcfyerlicb 
erfdjeinen.  Cr«  oerftanb  fiefy  ja  oon  fetbft,  baß  icfy  in  meinem 
ftuffafe  fagte,  loa«  id;  tootlte,  alfo  auefy  meine  SRetfebtlber  er* 
toätntte.  Mein  fo  toürbe  bie  Sa$e  unter  getoBfntlicfyen  3$erfyält= 
niffen  ftefyen;  jefct  aber,  too  id?  fteinben  gegenüberftanb ,  beren 
3ntereffe  cd  toar,  baß  gerabe  btefe«  ©uc(>,  toetcfye«  bie  Söibcr* 
legung  33ocf«  enthielt,  in  meinem  2luffafee  nidjt  ermähnt 
tourbe,  toujste  icfy  fetyr  toofyl,  loa«  id?  tfyat,  al«  td?  mir  bie 
au  «brüefliebe  (Srtaubnijs,  jene  Scfyrift  $u  ermahnen,  geben  tiefe. 

3(1«  icfy  ettoa  acfyt  Xage  oergeben«  auf  bie  ^ufenbung  ber 
(Sorrectur  geloartet  fyatte,  bat  tefy  Jperrn  Üeil  brieflich,  mir  burd) 
bereu  umgefyenbe  3ufenbung  bie  Steife  nad>  i'eipjig  $u  erfparen. 
$)en  anbern  £ag  erfu'ett  icfy  bie  (Sorrectur,  aber  —  ber  9uffafe 
toar  ^u  tinfang  oerftümmett,  bie  einteitenben  3eifat  unb  noa) 
einige  anbere  Stetten  umoeit  be«  Anfang«  toaren  toeggetaffeu. 
(SmpBrt  barüber,  ging  icfy  (Samftag,  13.  $ebr.,  14  Jage,  efye 
sJir.  9  ber  ©artentaube  crfcr)ien)  naefy  Öeipjig,  um  $u  oerljüten, 
ba§  ber  Sluffafe  fo  gebrueft  würbe.  3$  fteüte  £rn.  Äeil  toegen 
ber  ^erftümmelung  meine«  Kuffafect  jur  9tcbe,  ba  id;  t$m  boety 
gefdjrieben,  bafe  fein  SB  ort  otntc  meinen  Sitten  geänbert  toerbeu 
bürfe;  überbie«  fyabc  ber  ©ecretär  au«brücfli$  ben  SUtffafe  fo, 
loie  tefy  ifyn  Üjm  übergeben,  gutgeheißen.  8uf  meine  Slnforbcrung 
an  £errn  Äeit,  baj?  mein  $tuffafc  na$  bem  ÜRanufcript  tjergeftettt 
toerbe,  ertoiebertc  er  bebauemb,  ba§  e«  tn'erju  $u  fpät  fei.  $)er 
Sluffafc  erfcfyien  nämücfy,  toie  tefy  jefct  erfuhr,  nicfyt  in  Sit.  9  ber 
©artentaube,  loie  mir  gefagt  toorben  toar,  fonbern  fcfyon  in  Sftr.  8, 
„inbem  jufältig  ettoa«  Rubere«  au«gef alten  unb  ber  Stuffafc  au 
bie  Stette  genommen  märe".   (S«  toar  mir  fyöcfyft  peintic^,  bafe 


Digitized  by  Google 


«ilbcrgatterie. 


377 


mein  Slnffafc,  auf  beffcn  logifd;e  unb  fil>Iiftifc^c  Slbrunbung  ich 
auch  fttetfe  unb  2Wühc  berwenbct,  tu  biefet  28cife  ocrftümmelt 
werben  fotfte,  aber  ich  geftattete  tu  ©ottcö  Tanten,  baf?  bcr  Xtlf» 
fafe,  fo  wie  et  war,  bleiben  bürfe.  28a*  noch  einige  iDrucffehlcr 
betraf,  bie  ich  in  ber  mir  überfenbeten  Gorrcctur  oorgefunben  unb 
angeftrichen ,  fo  oerfidberten  mir  bie  £erren,  ba§  biefe  gewife  be= 
reit«  fcerbeffert  feien,  intern  bie  SHeotfion  immer  genau  nach  beut 
3J?anufcript  burchgefehen  werbe.  2öir  fa^cn  jur  23orficht  einige 
ber  bon  mir  angepriesenen  gehler  in  beut  statte  bcr  SKcbtfion, 
tuclc^ce  bcr  £>crr  «Secretär  bor  fich  hatte,  nach,  unb  fanben  bic 
geiler  wirf  lieh  terbeffert. 

Od)  toertiejj  btcSmal  i'etpjig  mit  leichterem  ^er^en,  al«  ba« 
oorigcmal.  £)ie  ganje  große  (Gefahr,  [bor  ber  ich  gebangt,  ^atte 
fich,  wie  es  fchien,  auf  bic  {(eine  ^erftümmelung  be«  tluffafcc« 
rebucirt,  weld)c  ohne  wtffenfchaftliche  SÖebeutung  unb  am  @nbc 
ju  berfchmersen  war.  £>te  (St  t  Utting  biefe«  $Rücfgug«  meiner 
geinbc  fchien  mir  jicmttch  nahe  $u  liegen.  2)?an  t>attc  bei  meiner 
Söachfamfeit  utd)t  wagen  fönnen,  etwa«  gegen  ben  3luffafc  gu 
unternehmen,  prüefweifen  fonnte  man  Um  nicht  mehr,  unb  fo 
^atte  man  ben  föücfyug  angetreten,  gute  Sfttene  jum  böfen  ©piel 
machenb. 

(Gletd;  nach  meiner  3urncffuuft  nach  Lesben  bat  id;  brtefüd; 
(Sonntag,  14.  gebr.)  £>errn  teil,  wegen  eine«  3)rucffchlcr«  noch 
befonber«  Sftachfchau  halten  ju  (offen ,  bcr  mir  fehr  am  ."perjeu 
Jag,  unb  bcr  jufäüig  nidjt  unter  benen  war,  bic  wir  nachgefehen, 
unb  bon  beren  Serbefferung  ich  mich  überzeugt  hatte.  Och  erhielt 
bon  $etrn  Mi  auf  biefen  Sörief  Antwort,  iubem  er  mir  zugleich 
einige  <£remplarc  ber  (Gartenlaube  mit  meinem  Sluffafc  jufenbete. 
Ägen  be«  £)rucffehlcr«  fchrteb  er:  „£)er  beregte  £)rucffchlcr  ift 
baburch  bermiebeu,  bafc  mich  taumlichc  $erhältntffe  ju  einem 
Söegtaffen  be«  Keinen  ©afce«  nötigten,  wa«  übrigen«  für  ba« 
(Ganse  unb  ben  dtnbrucf  beffelben  feinen  (Eintrag  gethan  haben 
wirbÄ. 

Och  war  auf«  §«>chfre  erfchreeft  unb  traute  meinen  Slttgeu 
nicht,  att  ich  biefe  Beilen  ta«.  §err  «eil  forid&t  bon  ber  SSeg* 
laffung  ,,be«  fleinen  ©afce«":  aber  bcr  £>rucffehler  befanb  fidt) 


378 


«ilbcrgalleric. 


in  ber  für  mich  michtigften  Steüe  be«  ganjen  Auffa^e«  (eben  in 
berjenigen,  oon  ber  ich  fchon  oben  gefprochen;  Nähere«  foglett^). 
Dicf  c  ©teile-  ftanb  unter  fich  im  genaueren  3ufammenhang :  §err 
$ei(  mufcte  atfc  bic  gan$e  ©teile  meggetaffen  ^aben.  Mein  biefe 
mar  bon  bebeutenberem  Umfang,  al«  bie  ©teile  ju  Anfang  be« 
Sluffafce«,  beren  SBeglaffung,  roie  £r.  teil  tonnte,  mich  nach 
t'eipjig  getrieben  ^atte,  um  fic  ungesehen  ju  machen.  SJar  e« 
benn  überhaupt  möglich,  ba§  £r.  &ei(  i  r  g  e  n  b  eine  Jßeränberung 
an  meinem  Kttffaf  machte,  fo  auSbrücflich  gegen  meinen  Sitten 
unb  gegen  feine  3ufage?  5D«W  nach  ber  ffürgung  be*  Stuffa%e€ 
auf  ein  drittel  ^atte  ich  ihn  nur  gegen  ba«  mieberholte  93er* 
fprccfyen,  ba£  jefct  tein  2öort  mehr  geänbert  merbe  ober  wegfiele, 
$tn.  teil  überlaffen.  Unb  —  ma«  noch  oottenb«  entf^eibenb 
ift  —  Ijatte  ich  niebt  bie  (Sorrectur  ju  (efen  berlangt  unb  gelefen, 
um  gegen  aüe  Äürjungen  ober  Säuberungen  gefiebert  ju  fein? 
1Me  (Sorreetur  eine«  ©chrtftftücf«  (efen  fjeifet  nichts  anbere«,  a(« 
baffetbe  fo  (efen,  mie  c«  im  $)rucf  erfcheint.  Dan» 
märe  a(fo  bie  (Sorreetur,  bie  ich  getefen,  eine  fatfd^e  getoefen 
unb  ich  in  biefer  unerfy&rten  Söetfe  getäufcht  tuorben?  Slttein  ge* 
genüber  allen  biefen  Unbegreiflic^feiten  ober  Unmahrfcheinlichfeiten 
gab  mir  gerabe  bie  Chrmägung,  baj?  bie  fragliche  ©teile  bie 
michtigfte  be«  ganjen  Xuffafcel  mar,  ein  befto  flarere« 
Vicht  über  bie  ©ache.  3)?ein  geheimer  fteinb  ^atte  biefe  ©teile, 
meil  fie  bie  michtigfte  mar,  (treiben  laffen,  um  bem  Sluffafc  ba* 
burch  einen  %f)cii  feine«  Söerthe«  ju  nehmen. 

3dj  erhielt  ben  Brief  be«  §rn.  Mi  bor  bem  $adet  mit 
ben  «tattern  ber  Gartenlaube,  meines  ich  erft  oon  ber  $oft  ab* 
Idolen  (äffen  mu§te.   3$  mar  in  fieberhafter  ©pannung,  bis  ich 

ba«  Blatt  falj.  3ch  fah  e«   unb  fanb  meine  fchlimmften 

Befürchtungen  noch  u>eit  übertroffen.  2)Mn  $einb  fyatte  nicht 
Mo«  jene  ganje  ©teile,  morin  fich  ber  gebaute  &ru<f fester  be- 
fanb,  geftrichen,  fonbem  noch  anbete  Stetten,  unb  $mat  bie 
praftifch  unb  miffenfchaftltcb  michtigften  be«  ganjen 
Äuffafce«,  moburch  e«  ihm  möglich  mürbe,  über  meine  Beur* 
theitungen  einige  tabelnbe  unb  fpottenbe  Bemerfungen  beizufügen, 
metche  meit  mehr,  al«  totrffiche  grünbUche  Ausführungen  bte« 


Digitized  by 


S3i(bcigaaeric 


379 


bermocfct  Ritten,  in  ben  klugen  aller  berer,  welche  bie  Senologie 
nic^t  fannten,  biefe  als  SäHffenföaft  bernid^teten.  Ea^u  tarn  noety, 
bafe  bic  Umriffe  nid^t ,  tote  mir  gefagt  loorbcn  toar,  bur$  „gan$ 
autfyentifdje«  2NajmcTnnen"  gewonnen  toaren,  fonbern  —  bon  einem 
£utmacfyer  Ijerrütyrtcn.  $)ic«  tmg  biet  baju  bei,  in  ben  klugen 
aller  Ununterrtcfyteten  bie  ganjc  Sacfye  mit  fammt  meinen  Urteilen 
a(8  inumffenfcfyaftlicfy  unb  ganj  wertlos  erfcfyeinen  ju  laffen. 

$)er  Sluffafc  folgt  Ijier.  ^Dic  mefyrfacfy  ertoäfmte  lotdjtigfte 
Stelle  ift  bic  lefcte  gefahrene,  faft  ju  <£nbe  beä  Sluffafceä 
(S.  399  3. 6  —  21),  in  Neider  icfy,  bon  ben  ^erföntic^feiten  ber 
llmrtffe  fctbft  ganj  abfefyenb,  unb  auf  bie  allgemeine,  au8- 
naljmStofe  äBafyrtycit  ber  pljrenologtfcfyen  £ljatfa$en  Ijtmocifenb, 
ben  gefer  jur  eigenen  praftifetyen  Prüfung  ber  Senologie  ein* 
labe,  £)urcfy  biefe  ©teile,  in  35erbinbung  mit  ber  gleicfy  borfyer 
geftric^enen  (S.  397  u.  398),  fcatte  unb  behielt  ber  Sluffafe  unter 
jeber  33orau«fefcung,  —  bie  Aufgabe  mochte  Ijerrityrcn,  bon  mm 
fie  wollte,  bie  Umriffe  motten  bnrcfy  einen  namhaften  ©ele^rten 
ober  burdj  einen  £utmad&er  abgenommen  fein,  fie  modjten  bc= 
fannten  ober  unbefannten  ^crfönlic^feiten  angehören,  fie  motten 
richtig  ober  falfcfy  fein,  —  unter  allen  SBorauSfefeungen,  fage 
id),  Ijatte  unb  behielt  ber  2(uffafc  burc$  jene  Stelle  nnffenfdjaft* 
liefen  unb  praftifetyen  Söertlj.  ©iSfyer  bin  icfy  bon  ftrcunb  unb 
geinb  toegen  be$  Sfaffafce«,  weisen  beibe  wegen  ber  23erftümme= 
tungen  untotffenfcr>aftttet>  nannten  unb  nennen  mußten,  fcfyoer  ge* 
tabett  toorben:  ftreunb  unb  ftetnb  Ratten  ben  unberftümmelten 
Sluffafe,  befonber«  burety  jene.  Stelle,  als  nnffcnfd?aftlid?  toertyboll 
erfannt  unb  erfennen  müffen.  $ur$,  burdj  bie  93erftümmelungen 
ift  ber  Sluffafc  aus  einem  guten  ober  wertvollen -in  einen  f (bleuten 
ober  roertljlofen  oertoanbett  morben.  £>ie$  ift  jebem  i'efer  fofort 
flar.  £)er  befte  ^öetoeiß  aber  bafür,  bafc  bie  Söafyt  ber  ge* 
ftricfyenen  Stellen  nur  bon  einem  fteinbe  b*S  StuffafceS  beftimmt 
fein  fonnte,  liegt  In  ber  auffallenben  Streichung  be«  f leinen 
Steile«  einer  9fote(S.385)  mit  ber  9Infüljrung  meiner  *^ljreno* 
logtfcfyen  föetfebilber".  £>ie  einjtg  mögliche,  aber  toollfommen  ge* 
nügenbe  <5rftärung  bafür  ift  bie,  bajj  ein  in  bem  genannten  Jöuctye 


380  «ilbcraattcric. 

enthaltener  Sluffafc  (über  §hrtl  unb  ©oef)  in  ber  tforliegenben 
Sache  eine  .Hauptrolle  fpielt. 

£>ie  in  ber  (Gartenlaube  fchlenben  Stellen  be$  ?luffafcc« 
finb  l;icr  geile  für  3eilc  mit  einem  „  bezeichnet.  2)ie  beiben 
erften  Seglaffungen  (geile  1—10 nnb S. 384 beS  SluffafceS)  fanben 
fich  bereit«  in  ber  mir  jugefanbten  (iorrectur ;  alle  folge nben 
als  fc^lenb  bezeichneten  Stellen  waren  in  jener  Gorrectur  bor* 
fyanben.  £)a$  ftotgcnbe  ift  baljer  ber  genaue  Slbbrncf  be« 
Stuffafeeä,  wie  ich  Hw  ÄetI  übergab,  unb  zugleich  (b.  3-  11 
an)  ber  Gorrectur,  welche  mir  &r.  Keil  gugefchieft.  9(1$  lieber* 
fct)rift  be8  9Iuffafce«  hatte  bie  Gartenlaube  gefegt:  „Die  SDtyfterien 
beS  SiDJenfchenf  Jabels",  unb  in  einer  -Note  ^attc  fie  bem  Stuffafce 
biefe  geilen  oorauäge febieft :  „Söei  einem  neulichen  Söefuchc  tu 
einer  ber  größten  beutfehen  £utmanufacturen  tt)etlte  un«  ber 
frcunblichc  2kfi§cr  berfclbcu  eine  9tahe  bon  Schäbelumriffen  theil« 
berühmter,  tl;eil«  in  weiten  Greifen  befannter  unb  bielgenannter 
SJcanner  mit,  bereu  Kopfformen  als  bie  bon  ftehenben  Kunben 
be3  Gtabtiffementö  für  eoentuelle  §utbebürfniffe  aufbewahrt  werben. 
2öir  waren  frappirt  über  bie  fu'er  unb  ba  wahrhaft  wunberfamen 
unb  groteäfen  ©eftalten,  Ausbauchungen,  (Scfen  unb  Knüllen,  welche 
ber  menfehliche  Schabet  bilbcn  fann,  unb  baten  um  bie  Grrlaubnifj, 
einige  ber  merfwürbigften  unb  charafterifchften  biefer  burch  genaue 
abnähme  gefunbenen  Kopfformen  —  fomeit  fidt>  an  btefelben  bie 
tarnen  bekannter  s}5erfönltchfctten  fnüpfen  —  gewiff ermaßen  als 
ein  phrenologifcheS  Problem  in  ber  Gartenlaube  beröffentlichen  ju 
biirfcn.  SDieS  geflieht  benn  hiermit.  Zugleich  taffen  wir  bie 
4öeurtheilung  eine«  geiftbollen  ^$h™nologen  folgen,  bem  Wir  bie 
Schabelconturen  jur  Begutachtung  eiufanbten,  ohne  ihm  bie 
2)Jänner  ju  nennen,  bereu  Köpfe  fie  umjeichnen.  gut  $kr* 
glcichung  feiner  phrenologifchen  SluSfprüche  mit  ber  öffentlichen 
Meinung,  wie  fie  Söebcutuug,  Strffamfett  unb  (Erfolge  biefer 
2Wänner  feftgeftellt  h*fcn,  geben  wir  bie  Dcamen  berfelben  am 
Schluffe  unferer  Kummer,  werben  uns  aber  erlauben,  bei  bem 
einen  unb  bem  anbern  ein  Fragezeichen  beijufefcen.     5D.  föeb." 


Digitized  by 


SMlbergaflme.  381 


(Sine  pljrenologifdje  Deurtljrilung. 
$>ou  ©uftau  Sd>cöc. 

>>3e  größer  eine  neue  $öa(;rl)eit  ift,  je  tueiter  fic  über  ben 
„gewohnten  itreis  ber  3been  hinaufreicht,  befto  mehr  Pflegt 
„bie  ÜI)ichr$ah(  bet  SReufchen  i^t  511  hnberftreben.    (iä  ift  eine 
„beut  SHenföcn  faft  ehrtoürbig  geworbene  Meinung,  baß  fein 
„unfichtbarer  ®eift  ein  unlösbare«  föa'thfel  fei,  baß  er  über 
„benfelben  nicfyt  fo  tt?tc  über  bie  fichtbaren  ©inge,  eine  Kare 
„^enntnip  fjaben  fönne.    Unb  biefer  unfichtbarc  ®etft  (cfl  je^t, 
„toie  man  behauptet,  in  feinem  Söunberbau,  in  feinen  einzelnen 
„Gräften  erfannt,  in  feinen  förderlichen  Organen  g(eid;fam  mit 
„klugen  gefehen,  mit  §änben  gefaxt  »erben!? 
33eim  Söaue  einer  (irifenbahn  toirb  jufäütg  eine  große 
alter  Schabet  ausgegraben.    £)iefe,  von  ben  Arbeitern  jufammen* 
getragen,  gleichen  fiefy  alle,  ieber  macht  a(S  33Ut>  be$  £obc$  ben* 
felben  Crinbruif  auf  bie  Umftehenben.   ©er  möchte  fagen,  welcher 
Schabet  einem  kernige  ober  einem  ©ettter,  einem  guten  ober 
einem  bofen  9)?enfchen,  einem  Strieger  ober  einem  sJJ?anne  be$ 
ftriebenS  angehörte?   Unter  ben  2lmuefenben  finb  einige  Statur* 
forfcher,  u>efcr)e  über  bas  SÜter  ber  Schabet  tt>rc  Anficht  äußern, 
männliche  unb  meiblichc  unterfcheibeu  k.   Sein  Urtfyeit  über  ben 
®eift,  bem  bie  Schabet  als  $ülle  bleuten,  toirb  gehört.  £a 
tritt  ein  ^hTen°fog  ^ingu.    Einige  Schabet  feffetn  oor  anbem 
feine  3(ufmerffamfeit.    Orr  äußert  gegen  einen  $reunk/  fi<h 
bei  einem  Schabet  ber  SJufl  beS  StoljeS,  bei  einem  anberu  ber 
ber  Öhitmüthigfeit  ober  ber  (Siiclfett,  ober  beS  2)?uthcs  auSgc* 
fprochen  finbe.    $)te  Arbeiter  fchüttetn  über  ben  §errn  bie  Stopfe, 
bie  ®elehrten  betrachten  itnt  faum  als  einen  9)fann  ber  »Siffett« 
fchaft".   ^iemanb  l>ä(t  baS,  toaS  er  fagt,  für  wahr. 

Unter  ben  Schäbetn  fiubet  [ich  auch  bie  btofce  untere  §älftc 
eines  folgen  bor.    £>cr  S^äbel  ift  in  feinem  größten  Umfange 


Digitized  by  Google 


«ilbergallcrie. 


burcty  eine  Säge  getljetlt,  unb  bie  obere  £älfte,  bie  ganje  Schabet* 
toölbung  fel)lt.  Crin  Arbeiter  reicht  bem  ^^renologen  läctyelnb 
ba«  Sctyäbelftücf  bar.  ©ein  ftreunb  fragt  iljn,  ob  fic$  auch 
(Herau«  etwa«  über  ben  (Sharafter  beftimmen  (äffe.  @r  erhält 
btc  Slntmort,  baß.ba«  phrenologifche  Urt^cit  immer  nur  auf  ber 
iBergleichung  aller  ©efyirntfyeile  unter  fid?  beruhe,  ba&  es  ba^er 
l>ier  nur  ein  äugerfit  mangelhafte«  fein  fönnte.  — 

SBor  ftargem  erlieft  ich  oon  >>erm  Crnft  $eil  in  Veipjig 
ein  £Matt  mit  20  ftopfumriffen  jugefenbet,  mit  bem  Hnfutfeu, 
„biefe  Schäbclumriffe  einer  $Hei(;e  oon  SRännern  phreuolegifcf) 
beurteilen,  unb  ilnu  bann  geftatten  ju  mollcn,  ben  33efunb  meiner 
Unterfucfyung  in  feiner  (Gartenlaube  bcrßffentttcfyen  511  Dürfen". 

„3ch  ertoicberte  £errn  Weil ,  ba§  bie  phrenologifche  ©eur= 
„Teilung  nach  biefer  einen  Umtifelinie  nur  ^öd)fi  mangelhaft 
„fein  fönnte,  unb  baß  ich  bebauern  mürbe,  bem  Vefcr  ber  (Garten* 
„taube  ein  fo  ärmliche«  unb  barum  etwa«  ferner  oerftänbliche« 
„mtffenfchaftlid;e«  Üttaterial  ju  bieten.  3ch  fragte,  ob  c«  ntc^t 
„möglich  märe,  ba§  menigften«  noch  bie  9)iitteüinie  be«  Stopfe« 
„oon  ber  ^cafcnmurjel  über  ben  Oberfopf  beigefügt  mürbe. 
„(Gleichmohl  erbot  ich  mich,  toeim  £err  ftcil  e«  au«brücflich 
„wünfcfye,  fchon  nach  ber  vorgelegten  einen  Umrißlinie  bie  ©e- 
„urthetlung  ju  oerf liefen,  ba  gerabe  bie  große  Schmierigfeit 
„ber  Aufgabe  auch  mieber  einen  9tei$  für  mich  tjabe. 

„£>err  $cil  mieberholte  mir  feinen  au«gefprochencu  föimfö, 
„inbem  er  fiety  bafür  auch  auf  meine  lefcte  Steu&erung  berief. 
„Unb  fo  ging  ich  an  bie  fernere  Arbeit. 
Da«  Urteil  nach  unfercr  Umrißlinie  gleist  bem  nach  jener 
unteren  ©cfyäbelfyätf te,  ift  aber  noch  um  $telc«  fchmieriger 
unb  befd;ränfter.    Denn  bort,  mo  ich  ba«  Stücf  be«  $opfe«  fetbft 
oor  mir  fyafce,  fenne  ich  genau  bie  Stede  be«  Umriffc«*  l;ier 
aber  weiß  ich  niebt,  mo  —  ob  etma«  ^ö^er  ober  niebriger  — 
ber  Umriß  genommen  ift.    3cfy  fyabe  alfo  enoa«  al«  (Grunblage 
für  mein  Urteil,  aber  id)  metß  nicht  beftimmt,  loa  9  ich  habe, 
unb  ^abe  fomit  nicht«  2Bif f euf chaf tliche«.    Grbenfo  fchlimm 
ift  c«,  baß  td?  t)kx  nicht  fo,  tote  bort,  bie  Stelle  be«  (Gehergange« 
fenne.   Der  (Gcl;örgang  fd>eibct  33otberfopf  unb  §interfopf,  unb 


Digitized  by 


/  EilbergaOerie.  385 

feine  Äenntnig  ift  bürgern*  netljig  für  bie  ^Beurteilung  einiger 
unmittelbar  ober  mittelbar  \>or  ober  hinter  iljm  gelegener  Organe. 
Tie  Aufgabe  mar  alfo  eine  feljr  mipidje,  aber  eben  in  iljrer 
Scfymierigfeit  lag  aiufy  ein  fo  großer  SKeij  für  miefy,  baß  tcb  bem 
au  miefy  geftellten  ^Infiniten  millfafyrte.  3ebodj,  nelmten  mir  bie 
Umviffe  jur  Jpanb,  fud^en  mir  trofe  alter  Scbmierigfeiten  ben 
tobten  ©ilbern  ^Itfyem  nnb  geben  em}iu)au$en. 

(1.  «.) 

Der  $opf  1,  grof?  unb  bebentenb,  ift  feljr  geeignet,  ben 
?efer  in  bie  Sarte  einzuführen.  Unfere  ttittriftinie,  etma  ba  ge- 
nommen, mo  ba«  2knb  be$  meffenben  £uttmacfycrS  ben  $opf  be- 
rührt, trifft  (auf  jeber  Seite)  jel;n  Organe.  $  i  e  r  oon  ber  9J?ittc 
ber  (oberen)  Stirne  bis  )U  ben  (oorberen)  Schlafen  einfcfylteBlicfy : 
s$ergleicfyung$oermögen ,  Scfylujjoermögen  (an  ber  ©teile  ber  bis- 
meilen  gefunbeuen  Stirnljöcfer) ,  Sinn  für  S$er$,  3bealität  (an 
ben  ScfyläfciO.  Dann  brei  bis  jur  breiteten  Stelle  unfefe« 
ftopfeS  einfctylteßlicfy :  (Srmerbsfinn ,  iVrfyeimltcbungSfinn ,  Xfyätig- 
feit«'  ober  „^erftÖrungSfinn"  (gerabe  über  beut  ®el?örgang).  3W* 
lefet  noefy  brei:  Äambffinu,  Hnfyänglicbfeit,  $inberttebe*). 

Um  ju  erfennen,  ob  bei  unferem  $opfe  eine«  ober  einige 
biefer  Organe  groß  ober  flein  finb,  müffen  mir  ifm  mit  ber 
mittleren  Jilopfgeftalt  vergleichen .  Tiefe  ift  für  bie  ßinie  unfere« 


*)  ©tatt  ©inn  ber  .Hinbcrliebe  ober  Crgan  bed  (Sinne«  ber  Äinbertiebe. 
3dj  babe  mir  überall  biete  sÄbfürjungen  ertaubt.  —  gür  ben  2efer,  n>eld>em 
bie  ^brenologic  nnbefannt  ift,  nenne  idj  bicr  nodj  bie  baiU>tfädjücbften  ber 
übrigen  ©inne.    Organe  an  ber  unteren  ©tirn :   ©egenfianbSfinn ,  ©efmlt^ 
ober  ftormenftnn,  frarbenftnn,  3afylcnftnn;  $batfad>enfinn ,  Ortsfinn,  ion- 
ober üttufiffinu,  ttunft*  ober  ©aufinu,  ©fcrac^  ober  üBortfinn.   Organe  auf 
bem  Cberfotfe:  Öoblrootkn,  ^ad^a^mung,  Sinn  für  Meue«  ober  Sunber* 
bare«,  $ereb>ung,  Hoffnung,  J^cftigreit,  ©eroiffenfyaftigfeit,  ©elbfigefü^l,  «ei* 
fattstiebe,  Öinbeitflfinn  ober  (Sonccntrationeigabe.  —  .Site  eine  ©djtift,  toetetye 
«ftdj  tbeil«  jur  erften  Sinfübrung  in  bie  Senologie  eignet,  tbeil«  »on 
-ber  Slnwenbung  berfclben  auf  öerjdjiebene  l'eben«toerbältniffc  unb  fßiffen«* 
„gebiete,  $.       auf  SJölfergefdjidjte,  (ir^iebung,  i'iebe  unb  übt,  Religion, 
„}>olitit,  ^bitoi^P^ic  *c-  töenntnife  giebt,  erlaube  i<$  mir,  meine  „^bieno* 
Jogifctjen  SReifebilber"  (£i<tf)en  1863)  ju  nennen. 
e<f>e»e,  ^^rcnoloflüc^e  »übet.  3.  Hufl.  25 


Digitized  by  Google 


■ 


386  ȟbergaHme. 

.  •  •  . 

Umriffeä,  —  melche  un$  natürlich  hier  allein  befcbäftigt ,  —  bie 
9t\  form,  beren  fchmälerc  Seite  ben  ©orberfopf,  bereu  breitere 
ben  Junterfopf  btlbet.  «Sttoa  mie  bie  $5pfe  5  unb  20.)  Orin 
erfter  ©lief  jeigt  und,  tafi  unfer  $opf  bebeutenb  ton  ber  Criferm 
abtreibt.  Um  biefe  Slbmeidmng  im  Crinjclnen  fennen  ju  lernen, 
Zeichnen  mir  mit  einem  ©leifttft  —  am  heften  nicht  blo*  in 
(tyebanfen  —  bie  ©form  auf  unferen  ^opfumriß.  3n  ber  2Wittc 
ber  Stinte  (bei  ©ergleicfmngStermcgen)  beginnen  mir  einen  über 
unferen  Umriß  etwa«  hinauSreichenben  ©ogen  unb  fefeen  biefen 
feitroärtS  innerhalb  fo  fort,  baß  mir  einen  großen  Xfjeil  ton 
Schlujjtermögen  unb  3ccalitat  abfehneiben.  ©et  Crrroerbäfinn 
läuft  ber  ©ogen  roieber  außerhalb,  um  balb,  bei  2Tljätigfeit$finn, 
abermals  innerhalb  fortzugeben,  inbem  er  r>ier  bie  gr&ßte  ©reite 
be$  ftopfeä  abfehneibet.  (bleich  fjinter  XbätigfeitSfinn,  ton  Äampf- 
finn  bi«  ßinberliebe,  läuft  bie  ©leiftiftlinie  mit  unferem  Umriffe 
Zufammen,  ba  ber  ganze  ^unterfopf  ungefähr  bie  Grigeftalt  ^at. 

2öir  ^aben  auf  biefe  Seife  erfannt,  bajj  Sd>lu§oermogen, 
Realität  unb  £t/ätigfeit«finn  ftarfc,  (SrmerbSfinn  ein  f$ma$er 
3ug  im  (S^arafter  beä  £errn  91.  ift.  Triefe  Urteile  fmb  febon 
barum,  roeil  fie  fo  leidet  ju  fiuben  fmb,  untrüglich,  unb  mir 
fönnen  gleich  ^ier  unfer  fccfeS  pf>rcnolegifcbe$  Sort  auäfprcchen, 
bajj,  menn  ein  einziges  biefer  Urteile  fich  als  irrig  errciefe,  ba= 
mit  bie  ganze  Phrenologie  (als  Crganenlehre)  roiberlegt  märe. 
©orauSgefefct  mirb  Sterbet,  mic  fich  terfteht,  baß  baS  (Gehirn  beS 
£»crrn  51.  ein  gefunbeS  ift,  b.  h-  baß  fyex  roeber  mirfliebe 
(#erfteSfranfheit  (3rrfinu),  noch  jene  öCTftißc  ftränffiebfeit  torliegt, 
welche  $.  ©.  mit  einem  zerrütteten  ^certentyfrem ,  ober  mit  über* 
mä&ig  tormaltenbem  phlegmatifchen  Xemperamcnt  terbunben  $u 
fein  pflegt.  —  Die  gefunbeuen  Urtheile  bebürfen  einer  furjen 
Erläuterung. 

Die  Stirne  unfereS  Umriffe«  ift  bie  breitefte  ton  aßen. 
Unb  ba«  ©orbergehirn  ift  nicht  Mos  breit,  fonbern  auch  (*om 
£>hr  ober  ton  ber  TOitte  beS  MopfeS  au  gerechnet)  lang ,  fo  baß 
bic  ©reite  bei  biefer  tänge  eine  um  fo  grßfjere  ©ebeutung  hat. 
©or  allem  ift  Schlußtermogen ,  bie  (#abe  ber  ©erechnung  ton 
Urfacbc  unb  Söirfung,  ber  überlegenbe  prafttfehe  ©erftanb  für  ein 


Digitized  by  Google 


öilbergafferie. 


387 


folgerichtige«  jpanbeln  ein  ftarfer  £ug  fWCIl  51.  (Sbenfo 
ftarf  ift  ber  Sinn  für  3beafe«  ober  Schöne«.  Söeibc  3u8e  fta** 
(#egenfäfce,  fie  befchränfen  fiefy  baljer  unb  febaffen  bie  nötige 
^armonie.  £err  %.  ift  33erftanbe«menfch ,  aber  nicht  troefener 
5Berftanbe«menfch,  er  ift  SRann  ber  ^^antafie,  boch  nicht  $ntftu.fiaft. 
Senn  ber  topfumrtfe  nicht  in  fo  {(einem  ÜWajjftabe  gegeben  märe, 
fo  mürbe  ich  mahrfcheinlich  auch  ben  Sinn  für  Scherj  dufammcti 
mit  ftarfer  Dcnffraft  zugleich  latent  be«  28tfce«)  al«  ftarf  be< 
jeiebnen  fönnen.  Durch  bie  ftarfe  ftülle  bc«  topfe«  an  ber 
breiteten  Stelle  (über  bem  ®ef;örgang)  ift  ^ätigfeit«finn  al« 
ein  ftarfer  3"8  bezeichnet,  alfo  bie  traft  unb  bie  p^igfeit,  fehr 
tfyätig  jn  fein,  aber  eben  bamit  .jugleuh  bie  traft  unb  bie 
ftafyigfeit,  auflobetn,  ^eftig  toerben  $u  fönnen. 

^egen  bie  genannten  Sinne  ftefjt  (£rmerb«ftnn  meit  jurücf. 
£>err  %.  ift  ba«  ®egentheil  jener  ®efchäft«männer,  bereu  ganzer 
Sinn  mit  &u«f$htj3  aller  anbem  ®eifte«thätigfeit  auf  Cnrroerb 
gerietet  ift.  3)'t  er  taufmann,  fo  fühlt  er  fich  in  feinem  Berufe 
nic^t  gtütf üch  unb  fliegt  unb  finbet  neben  bemfetben  au*>er«arttge 
®cifte«befcl>äfttgungen.  Den  praftifchen  SSerftanb,  ein  guter 
taufmann  gu  fein,  richtig  $u  fpecuüren,  Ijätte  $err  %  (burch 
ba«  Scfylu&bermBgeiO ;  nur  bie  Sßetttenbung  biefe«  23erftanbc«  im 
bloßen  Dienfte  be«  Grrioerbe«  märe  nid^t  feine  Sache. 

SSergtetcfyungSoermbgen,  welche«  bei  £>errn  2(.  jcfyon  bur$  bie 
Vänge  oe«  35orberget;trn«  al«  ziemlich  ftarf  ober  ftarf  erfejeint, 
haben  mir  etroa«  fcfyroädjer  al«  Schlußoermögen  gefunben. 
?(6er  fo  geringe  Unterfcfyiebe  berechtigen  un«  ju  feinem  p^reno- 
logifc^en  Urteil.    „9hir  mo  ein  Organ  grojj  ift  gegenüber  einem 
„Keinen,  ober  fletn  gegenüber  einem  großen,  liegt  ein  gatt  ber 
„Siffenfd^aft,  liegt  bie  9ftügli$feit  eine«  Urteil«  oor.  Die« 
„au«  mehrfachen,  t^etl«  ber  ®eifte«fe^re,  t^eil«  ber  Organen* 
„lehre,  theil«  ber  Schäbellehre  angehörenben  ®rünben. 
(      „llnfere  Urteile  über  bie  genannten  ^arafterjüge  be« 
„£errn  51.  finb  nicht  blo«  barum  mangelhaft,  meil  e«  fo  wenige 
„finb  gegenüber  einer  an  entfötebenen  3ü8cn  vielleicht 
„reichen  ^erf önlichfeit ,  fonbern  auch,  meil  mir  nicht  toi  ff  en, 
„mie  bie  oou  uu«  al«  ftarf  ober  fchmacb  erfannten  3üge  ul 

25* 


Digitized  by  Google 


388 


©Ubergaöerie. 


„tiefen  ber  n?id)ti^ftcn  ©c^iefumgen  be$  VcbenS  fieb  äußern. 

faßte  j.  35.,  £err  ?(.  befi^e  eine  „gemiffe"  ^bantafie, 
„aber  welcher  9lrt  biefelbc,  tverauf  fie  gerichtet  ift,  ob  auf 
„bilbenbe  ftnnft,  auf  Literatur,  ^cefic  2c. ,  baten  Hüffen 
„roir  ntcbt£. 

„Sir  fyaben  unferc  UrtljeUe  über  ben'  (Efjarafter  be$ 
„£errn  51.  auSgcfprcdjen,  ofync  $u  nuffen,  cb  fein  ®eljim  (in 
„^ergteiefc  ju  anbem  ®efyirnen)  grofj  ober  ob  e«  Wein  ift*). 
„Unb  beefy  ift  £err  %.  in  Süfem,  roa«  er  geiftig  leiftet,  ein 
„ganj  anberer  30?cnf($  in  beut  erfteren  unb  in  beut  festeren 
„ftalte.  5iber  bic  VeiftimgSfctyigfett  —  meiere  tfjeil*  auf  ber 
„®rßße,  tfyeite  auf  ber  guten  ©eföaffcnfjeit  be«  ®cljirnc$  be* 
„rutjt  —  gefjert  niefct  bor  oa«  UrtljeU  ber  ^renetegic. 
„5öenn  tdj  baljer  bei  §errn  5(.  bte  Tenffräfte  gegen  Grm>crb$= 
„finu  ftarf  nenne,  fo  tage  icfy  bantit  nur,  bafe  bie  ^äfyigfeit 
„ober  ber  Xrieb  511  benfen,  bei  ifytn  ftärfer  ift,  a(«  bte  ftäln'g- 
„feit  ober  ber  £rieb,  31t  ertverben.  ©ie  ftarf  aber  bie 
„T)en!fraft  fetbft  bei  tfym  ift,  ober  nueoiet  er  int  £)enfen  igegcn 
„Rubere)  feiftet,  fyängt  baoon  ab,  tote  groß  unb  toic  gut  be- 
gaffen fein  (Mefyirn  (gegen  Rubere)  ift. 

(2.  ©.) 

©ei  bem  Umriffe  2  nurb  unfere  ©leiftiftünie  bic  Spifee  in 
ber  3Witte  ber  (Stinte  (bei  SBergteicbungSbermögen)  abfer/tteiben, 
bann  (bei  Sc$tußberm5gen  unb  3beatttät)  ein  mentg  über  ben  . 
Umriß  In'nauäreicfyen ,  toeiter  an  ber  borbem  £älfte  be«  Seiten- 
fopfe«  (bei  (Srmerbäfinn  unb  93erfyeimücfyung8finn)  ebenfobiet  bon 
bem  Umriß  abfcfyncibcn,  ate  fie  an  ber  Hinteren  Raffte  (bei  93or* 
fi$t)  Inn$ufefet.  33on  bem  Organ  ber  33orft#t  fyabe  icfy  oben  bei 
bem  Sopfe  1  nid?t  gefprodjen.  Unfere  Umrifjünie  fann  außer 
ben  bort  genannten  jefnt  Organen  no$  ein  elfte«,  $orfi<$t,  bc* 
rühren,  jnjifc^en  Xt;ätigfeit«finn  unb  ftampffinn,  aber  ü  b  e  r  biefen 

*)  -Sd)  »äre  uerfudjt  ju  glauben ,  baß  bie  sBerfleinerung  unferer  20 
^Umriffe  in  bem  gleiten  9)tafjftab  genommen  iei,  n?enn  id>  in  biefer  %n 
„nafmie  niajt  bura)  ben  Ho\>\  13,  n>etd?er  mir  baju  faft  aUjuflein  idjeint, 
«etwa«  irre  gemalt  mürbe. 


Digitized  by  Google 


SBilbergattevie.  389 

beibeu,  fo  baj?  bie  bret  Organe  ein  Dreiecf  bitben,  mit  ber  Spifce 
i^orficfyt)  na$  otoi.  3ft  bie  Umrijjüme  etwa*  tiefer  genommen, 
fo  berührt  fic  mcfyr  £fyättgfcit*finn  unb  Äampfflnn ,  etma*  fyityer, 
mef;r  93orfid)t.  £>icr  febeint  mir  bte  Umrtjjlinte  auefy  33orficfyt 
]u  berühren. 

Söäljrenb  bei  bem  Umriffe  1  $ergletcbung*bermi>gen  ctma* 
fdjmäcfyer  crfcfyeint,  at*  Scfytupbcrmb'gen,  fo  ift  bei  2  33crgteidt)uug*= 
bermbgen  biet  ftärfer  at*  Scfytnjfrermögen.  Grbenfo  ift  bie  3bea* 
lität  bei  1  biet  ftärfer,  al*  bei  2,  wogegen  @rmerb*finn,  meiner 
bei  1  fcfymacfy  ift,  bei  2  ftarf  erfc^eint.  $erfjetmlicfyung*finn ,  bie 
Stette.bor  £tjättgfeit*ftmt  (mo  mir  im*  biefen  mit  ber  Ofyr= 
offnnng  ungefähr  benfen  mttffen)  erfdjeint  bei  2  ftarf ,  mogegen 
bte  @tetfe  hinter  £t;ätigfeit*ftnu  (33orficfyt)  fctymäcfyer  ift. 

39ei  .fSerrn  ift  3$ergteicfyung*bermögen ,  ba*  allgemeine 
£erntalent  ober  bie  ®abe  be*  Raffen«,  begreifen«,  Urteilen*, 
weit  ftärfer,  at*  Sdjtujsbermbgcn,  ber  potttifcfye,  bcrecfynenbc,  praf* 
tifcfic  $erftanb  für'«  §anbetn.  Diefe  33et;auptung  ift  infofern 
etma*  gemagt,  als  ba«  f<$mäd)ere  <Scfy(u&t>ermögen  ton  bem  ftarfen 
:öerfyeimlidnmgSfinn,  melier  (tnfttnetarttge)  $tugl)eit  giebt,  feljr 
unterftüfet  tonrb,  alfo  baburefy  ftärfer  erlernen  feinte,  at*  e«  ift. 
Slucfy  fb'nnte  Scfylufettermögen  noefy  burdj  einen  ftarfen  ®egen= 
ftanb*fmn  unterftüfct  merben,  bureb  melden  im  herein  mit  ftarfem 
33ergteic^ung«bermögen  ein  objectioer,  flarer  $licf  in  bte  Dinge 
entfteljt,  ma*  bie  ftäfyigfett,  folgerichtig  ju  fyanbeln,  bebeutenb 
fteigert.  3tnbererfeit*  ift  Scfytujsbermögen  tjier  nur  menig  oon 
ber  fcfymäcfyeren  sßorftcfyt  unterftüfct.  $)od)  mirb  $orftcfyt  unter* 
ftüfet  bon  $Berfyeimlicfyung*finn  unb  oft  bamit  bermecfyfelt.  £)err  $8. 
tirirb  in  feinen  £anbtuugen  borficfytig  fein,  mo  bie  SBorficfyt  im 
'Scfymeigen  beftefyt;  mo  aber  33erf#miegenfyett  ober  Offenheit  nicfyt 
in  ftrage  fommt,  mirb  bie  SBorfidjt  oft  nicfyt  ftarf  genug  fein. 
Die*  teuere  Urzeit  mürbe  aber  metyt  gelten,  im  gaüe  @elbft* 
gefügt  feljr  fcfymacfy  märe,  metl  baburd?  bie  SBorfic^t  gefteigert  mürbe. 
(Sie  oiete  335 enn  unb  91  ber!  Diefe  brängen  fidj  un*  nicr)t 
Mo*  barum  auf,  meü  mir  nur  ein  (Sfyarafterbrucfyftücf  bor  un* 
fyaben,  foubem  £crr  33.  gehört  mof)t  überhaupt  $u  ben  etma* 
febmer  $u  oerftefjenben  2)?enfd)en.)   3ft  $err  S8.  (bon  SRatur) 


390  iFilbergallerie. 

mefyr  ®e(efyrter  ober  mefyr  Vraftifdier  (tyeföäftftnann  ?  (Irr  tann 
©eibes  fein.  2U$  (Mefyrter  ift  er  fein  Otceloge,  fein  Utobift, 
fonbern  prafttfefy,  IcbenSftug,  auf  (Srwerb  bebaut  (bie(leid)t  nid?t 
aüjti  fparfam).  %l*  braftifdjer  (9efcfcaft$mann  fann  er  fid;  leidet 
burefy  Äcnntniffe  auäjeictynen. 

tue  33(eiftiftlinie  läfet  uns  (tet  einen  merf  tiefen  Unterfctyieb 
ber  beiben  Linien  fyauptfäcfyiicb  bei  bem  l;ier  fcfjwacfyen  (Srw.erfcS- 
ftnu  erlenneu. 

3  gleidjt  mefyr  1  als  2,  nur  baj*  bei  1  @(fy(u6bermögen 
imb  Obcatttät  ftärfer  finb.  IHucb  3  ift  [ebenfalls  (ton  9tatur) 
lücfyt  ®efd)äft$manu ,  fonbern  weit  niefyr  Wann  beS  SötffenS. 
2krg(äc$ung$bermbgen  ift  lu'cr  ntctyt  nur  ftärfer,  als  Sefyhifeoer* 
mögen  unb  tfrwerbsfinn,  fonbern  es  ift  auefy  überhaupt  (im  35er* 
gleich  jum  ganzen  ftopf)  ftarf,  weit  baS  Eerberljirn  (oon  ber 
mutfymaBtid/en  ©fyrfteu'e  an  gemeffen)  entfetteten  lang  ift.  Um 
fürs  3  mit  1  51t  bergleieben,  würben  wir  fagcu,  bafe,  wäfjrenb 
,gerr  baS  latent  ober  ben  berecfynenbcn  2*erftanb  fjätte,  (9e- 
fe^äftSmann  311  fein,  aber  feine  Neigung  für  biefen  Söernf, 
^err  ß.  mcber  großes  Xalent,  noefy  Neigung  für  benfelben  fyat. 

.;  r  (4.  $).) 

$>ie  Steifriftlinic  I?at  t>tcr  oon  ber  ©reite  beS  SWittelfopfeö 
einen  %f)cH  abjufcfmeiten ,  um  bamit  ben  93orberfobf,  bie  Stirn 
breiter  unb  böller  ju  matten. 

£ie  mangefnbe  fömntmj?  beS  (Überganges  ntadu  mir  biefen 
Äopf  fetywer  berftä'nbtieb,  unb  mein  Urteil  feljr  unfidfat.  Weinte 
td>  ben  ®eb^rgaug  ba  an,  wo  er  mir  am  wafjrfe$emfi$ften  ift, 
ungefähr  in  ber  Witte  beS  tfotfeS,  fo  wäre  bie  (Stirn  fer)r  Kein 
t.  fefyr  furj  bei  ber  ®$matljeit)  gegen  ben  £>interfo)>f ,  bie  ®enf* 
fra'fre  unb  3bealität  biet  fcfywactycr,  als  £fyätigfeitsfinn  unb  ^ampf* 
firm.  $err  £).  würbe  bann  weniger  ein  ÜWauu  ber  ruhigen 
Grlnfidjt  unb  Ue&erfegtiug  fein,  ber  gerne  ®rünbe  anhört  unb  fid> 
fluten  fügt,  fonbern  meljr  ein  SDfann  beS  raffen,  etwas  barfefyen 
#anbelnS,  geneigt  {U  jürnen  unb  $u  ftreiten.  (5r  würbe  baburtf 


Uigitized  by 


Jöüfceraaflerie.  391 

im  Umgang  iüd;t  immer  rüctfidfjtsboll  genug,  nföt  immer  (teBcn«= 
nmrbig  erföchten,  man  würbe  oft  mcfjr  ©ebutb  mit  tfmt  Ijäbcu 
muffen,  a(«  er  geneigt  wäre,  mit  Slnbcrn  ju  tyaben.  £>abei  mürbe 
er  mafjrföetntfö  fcfyr  tfyätig  in  feinem  Berufe  fein,  fer)r  gut  mit 
feinen  £)enffräften  arbeiten  unb ,  mettn  ba«  ®etn'rn  an  ffö  grof? 
ift,  £ücfytige$  (eiften.  3Ba$  fö  eben  bon  ber  auflobemben  $raft 
ober  ber  bisweilen  mangelhaften  ViebenStofirbigfeit  beS  £»errn  $>. 
gefagt,  tonnte,  afc  ju  gemagt  crföeinett,  toeit  fö  ja  bon  $ßoljl* 
wetten,  33ercljrung  ic.  ntcfyts  weifj.  3n  ber  Xfyat  f  Bünte  £>err 
feljr  gut  unb  wofynooUenb ,  fel)r  ehrerbietig  fein;  aber  benttoefy 
bliebe  fö  bei  meinem  Urteile  ftc^eti,  baß  abwecfyfetnb  mit  biefen 
Bügen  au$  bie  bon  mir  genannten  bei  itnn  Ijerbortrcten  mürben. 
£>er  2J?ettfö  ift  ja  aus  Söibcrfariföett  jufammengefefet.  9ta  ift 
nur,  bafc  biefe  bi^er  unerflärten  Siberfpnföe  bur$  unfere 
Siffeuföaft  tyre  (Märung  finben. 

";    • ,  :- ••-    ■  •  •  xs.  e,y:. • . - 

^bgefc^en  bon  ber  UnregetmäBtgfeit  an  ber  Stirn,  über 
meföe  fö:  bei  ber  ftarfen  ^erfleinerung  feine  SBerwutyung  jn 
f äffen  Wage,  fällt  bie  (Siform  hier  jtemffö  mit  unferem  Untriffe 
gufammen.  feines  unferer  Organe  erföeint  ate  feijr  ftarf  ober 
fetyr  fömacty;  boefy  fönnte  baS  eine  ober  baf  anbere  bur#  fefyr 
ftarfe,  uns  «id^t  befannte  Sinne  befonberS  unterftü^t  herben. 

3>ie  rettyte  unb  bie  tinfe  Seite  eine«  Kopfes  fittb  natürlich 
niemals  gan,$  gtefö.  §ner  ift  bie  Ungleföfjeit  eine  jtemlfö  be* 
beutenbe.   3n  allen  foföen  hätten  bürfen  mir  un«  ein  Urzeit 

über  bie  Starte  ber  betreffettben  Organe  nföt  ertauben.    .     .  , 

.  .  .  . 

Die  Criform  bietet  aud)  mit  biefem  Umriffc  —  abgefetjen 
bon  ber  Ungfeföhcit  ber  regten  unb  ünfen  «Seite  —  nur  geringe 
Untcrföiebe  bar:  fie  föneibet  an  ber  SDMtte  ber  Stirn  (SSerglet* 
djttngSbermögen)  etwas  ab ,  unb  fefet  an  ber  Seite  be$  S3orber= 
f  epfeS  (@rmerb$finn) ,  auety  ItnfS ,  etwa«  gu.  SScrgteföungSbcr; 
mögen  ift  ftärfer  als  erwerbsfinn ,  auch  als  Schlugbermogen, 


392  Ctttergftferle. 

Realität  ift  nicfyt  fcbn>acfy.  £err  ft.  ift  mefyr  SWann  be«  Sötffen«, 
al«  praftifdjer  ®efcfyäft«mann. 

(7.  (9.) 

®rofce  ftelmltcfyfeit  mit  1.  £ocb  finto  bei  1  3bealität,  Xtyä-- 
tigfett«finn,  audj  tuefyl  .stampffimt  nod>  ftärfer,  treten  bafyer  tt>ofyl 
nod?  energtfdjer  auf,  al«  bei  7.  ferner  ift  bei  7  23ergleidnmg«= 
i>ermi>gen  unb  5d?(uiftermcgen  ungefähr  gleid)  ftarf,  wäfyrenb  bei 
1  3d&fu§bermegen  etwa«  ftärfer  erfdjeint.  3ebenfatl«  finb  aber 
biefe  Keinen  Untermiete  better  Mcpfc  für  uns  fattm  bon  ©e* 
beutung,  beim  n>a«  bei  1  ftärfer  ift,  fennte  bei  7  burdj  Rubere«, 
un«  nietyt  39efannte«,  mefyr  uuterftüfct  werben. 

(8. 

9Man  wäre  faft  terfudjt,  ben  $opf  untmbrefyen,  ben  3$orber= 
topf  mm  £interfopf  m  madben.  Vk  «Stirn  wäre  bann  jtemUcr) 
regelmäßig  gewölbt  unb  ber  SBorberfepf,  toif  er  foll,  ftfymäler,  al« 
ber  ^interfopf.  Unfere  ©leiftiftltntc  fjat  ba^er  üiel  an  bem  £opf 
|tt  änbern;  fie  mufe  bie  flache  Stirn  mcfyr  au«wölben  unb  bie 
größere  breite  be«  SBorberfopfe«  abfetyneiben  unb  bem  £Mnter= 
fopf  jufefeen. 

Sctylufjmmögen ,  beredjnenber  ^erftanb,  ift  bei  |>errn  $. 
ftärfer,  al«  $ergleidmng«r>crmögen ,  Xalent  für  wiffenfcfyaftlidfye 
91nffaffungen.  Orrtt>erb«finn  unb  3*erfjeimlicfyung«finn  finb  beibe 
ftarf;  5$orficfyt  ift  fdjtoä(fyer,  aber  fet^r  fcon  8d>lui3t>ermögcn  unb 
23crljetmlicfyung«finn  unterftüfct.  3bealität  ift  fcfywädier  al« 
werbdfinn.  -Da«  SBoitergefyirn  fd&etnt  nur  furjf  alfo  %cx- 
gleidntng«t>erm&gen  nict)t  blo«  gegen  Sd)tu§t>ermcgen ,  fonbern 
überhaupt  $iemltd>  fdnvacb  ju  fein ;  allein  weil  id;  leiber  ben  ®e* 
Vorgang  nid^t  fenne,  fo  tarnt  id?  miefy  tner  tauften,  ^ebenfalls 
ift  £err  £.  mefjr  fluger  unb  praftifcb  bcrecfyneuber  ®ei$äft«mann, 
al«  aflaun  be«  Riffen*. 

3$  fefee  f;ier  unb  fonft  bem  ®ef$äft«mann  ben  SDtann  ber 
SSMffenfcfyaf  t ,  nidbt  ben  Äünftler  entgegen;  bie«  nur,  weil  bie 
Sinne,  welche  bie  t>erf(fyiebencn  ftünftlertalente  begrünben,  unferer 
Beurteilung  entjogen  fittb.   Senn  j.  23.  bei  §errn  £).  ®egen- 


Digitized  by 


t 


Söilberflaflerif. .  393 

ftanbefinn,  (Mcftaltfinu,  ftarbenfinn  tc.  fct>r  ftarf  wären,  fo  föimte 
er  ein  tätiget  SWaler  fein,  aber  beety  luütbe  mein  Urtbcü,  bafj 
bei  tt;nt  auch  SchUijfrermBgcn  unb  Crrioerbäfinn  ftarf  finb, 
(Geltung  behalten. 

(9.  3.) 

£>ie  ©tetfriftlinic  geigt  und  ben  Äopf  in  ber  sJ0Jitte  unb  nach 
hinten  $u  etwa«  fctymal. 

£)tc  gewölbte  unb  vcmltcb  breite  Stirn  wage  ich  olme  $cnnt- 
nift  be3  Gch&rgangcS  aud)  lang  }U  nennen,  fo  bap  bie  $aupt* 
ftärfe  biefe«  ftopfe*  in  ber  Stirn  liegt.  33efonbcr<<  ftarf  ift  ©et* 
gleidMngäbermögen ,  fchu>ad;er  SBorftdjt;  and)  X^ätigfeitö=  ober 
gerftorungSfinn  ift  nicht  oorragenb.  3Bir  haben  l;icr  jebeufatl« 
einen  Üflann  be$  hnffenfcfyaftlicfycn  Talente«  bor  im*. 

(10.  Ä.) 

SDie  «leiftiftltnic  fdmeibet  bei  vlbcalität  etwa«  ab  unb  fefet 
bei  (frwcrbäfinn  etwas  311.  $5ie  Vinte  weiter  311  führen,  verbietet 
bie  Unregelmäßigkeit  bc«  Seitenfopfe«. 

£>a$  breite  unb  wofyl  aud)  lange  $orbergcfnrn  jetgt  und 
.'perni  St.  at«  einen  2)iann  ber  Jöiffenfc^aft  unb  ber  sJtyantafie; 
bergletchungsweifc  fchwächer  ift  Verficht. 

(11.  8.) 

Qa  bie  geringen  Unterfctyiebc  biefe«  Umriffc«  gegen  ben  Um* 
rifc  7  in  ber  natürlichen  Gräfte  nicht  3ollc,  fonbem  nur  einige 
Linien  betragen  unb  bafycr  m&glicherwcife  nicht  nur  ben  Unter* 
fdfyieb  in  ber  Gri^e  ber  Gehirntheile,  fonbern  bureb  bie  Unregel- 
mäftigfeiten  in  ber  £)icfc  ber  £)irnfchalc  oerur  facht  fein  femnten, 
fo  fchltc&en  fie  jebeS  p^renologifc^e  Urteil  über  fie  gänzlich  au«. 

Natürlich  tonnte  auch  bei  ber  oollftänbtgften  Gleichheit 
unfeter  Öinie  ber  beiben  $opf=  unb  Gchtrnumriffe  ber  @ha= 
rafter  ber  beiben  Scanner  bureb  anbere  und  niebt  befannte  3"fle 
ber  alleroerfchiebenfte  fein.  £>afwr  ift  e8  auch  bei  allen  torlie- 
genben  Söeurtheitungen  ein  beengenbe«  Gefühl  für  mich,  bajj  ich 
fchlechthin  nicht  weiß,  Wie  biel  ober  wie  toenig  <8cbeutung  bas, 


Digitized  by  Google 


394  SBilberaaüerie. 

*  » 

loa«  id;  über  einen  Gljarafter  fagc,  für  iljn  fyat.    teilte  Urt^cite 
fönnen  anbeten  £>i\a,m  gegenüber  fo  unbebeuteub  fein,  bafc  icfy 
fic  t>ct  einet  g  an  J  e  n  pljrenclogifcfyen  33eurtljcttung  btefteidj>t  nid;t 
ber  Gmuäfmnng  mertt)  gehalten  fyättc  unb  bafe  ber  33etreffenbe 
felbft,  ber  btelktcfyt  biet  mistigere  unb  beftimmtere  Seiten  feine« 
<5ljaraftcr8  fennt,  2ttüfye  fyat,  fiefy  bie  ftrage  $u  beantworten,  ob 
nieine  Urtfyeilc  begrünbet  feien  ober  nicfyt.    „So  ioeijj  iä)  $.  33. 
„Ijier  überall  Mo«  über  bie  allgemeinen  £enffräfte  (S?er= 
„gtcirfumgSbermegen  nnb  Sdrtnßbermogen)  511  fpretfyen,  roäfyrcnb 
,,c«  *>rafttfcfy  gctui>r)nticr>  biel  Hurtiger  ift,  511  üriffen,  met<$e 
„ftadjtalente  beä  ßctcfyrten,  Äünftler«  :c.  borfyanben  ober  nid;t 
„borbanben  finb. 


■ *  ■    1  '     (12.  SO?.)  ! 

£)ie  ©teiftiftltnic  fcfcneibet  Ijier  biel  bon  93erg(eid;nng$ber= 
mögen  ab  nnb  fc^t  biet  bei  33orfidt)t  jn. 

3Serg(eidbnng«bcnnÖgcn  ift  baä  grBgte  Organ  biefeä  Umriffeä; 
^dJfiiRbcrmcgen  unb  befonber«  33orfid?t  ift  }d;n>ac^er.  «fterr 
ift  biet  mcfyr  ein  ÜÖfann  bon  talent  nnb  ®eift,  a(S  ein  SWann 
beä  potitifd;  beredjmenben  $anbetn$ ,  ia  er  fyat  biSioetfen  Urfaefye, 
fid)  felbft  barnber  511  ivuubcrn,  lote  er  trofc  großen  Sctyarffinn« 
unb  rid?tigcr  einfielt  in  bie  £>inge  unb  SScr^ältniffe  bodj  oft 
bie  folgen  feiner  Stritte  nid^t  beregnet,  eta>a«  ju  rafd»  unb 
unbebaebt  banbett. 

#  e    *    1  -  *i  •  *    (  »  »*  1     •  •*  *   *         *.     • .  • 

(13.  SR.) 

£ic  ©tetftifttinic  fefct  etwa«  bei  Scfytn§bermb*gcn  unb  noefy 
biet  metyr  bei  Obeatttät  $n,  fdjneibet  bann  bei  (SrmerbSfinn,  55er= 
fyeimfidutngSfinn  unb  XptigfcitSfinn  eüoaS  ab,  um  e«  bei  2In= 
Ijängti^fcit  jujufefeen. 

So  ift  r?icr  ber  (^e^rgang?  Sbeatität  ift  fe^r  föhnig, 
GrioerbSfinn,  $ert?eimlidjung$ftnn,  ^ätig!cit*ftnn  finb  ftarf.  $Mr 
fyaben  fjier  feinen  Wann  bon  ibealer  ®eifte$ri$tung,  fonbern 
einen  SHann  praftifd&c'n  Streben«  nnb  Strien*  bor  im«.  —  Oft 
ber  Äovf  fo  Hein  gegen  bie  übrigen ,  u>te  er  In'er  erfef^eint  ? 
3^ö  gli<^  loäre  e»,  befonberä  loenn  er  fc^r '  fjoti}  ift.    ,^err  3tt. 


Digitized  by  Google 


»Ubergatterie.  3i>5 

tonnte  bann  immer  bei  fräftigem  Temperament  burd;  (*infid?t  -unb 
Xfyätigfeit  etioaä  £üd;ttges  Ceiftcit.  xHUciu  jcbenfaUa  nritrbc  et 
nicfyt  tmpontren,  fid>  5(nbern  im  $an$eu  nicfyt  überlegen  jeigen. 

■  i     ■ ' '    ■  ./    "f  -      ■  *.  ' "  >  •    *        '     *        •  •        *  . 

■  i 

(14.  Ö.) 

3?ou  ber  Unregelmäjngleit  ber  rechten  unb  linfen  Seite  ab- 
geje^en,  ift  unfer  Umriß  jiemlicty  ctfernttg ;  bie  ©leiftiftlinie 
)d>neibet  bei  £l?ätigfeit*finu  ein  iuentg  ab  unb  fefct  c$  bei  $ot* 
ft#t  ju.      _  . 

' :  '  äs.  so 

2>ie  ©teiftiftlinie  &at  In'er  ber  Seitenftim  eine  toett  größer« 
glitte  *u  geben  unb  bon  ber  grofcen  «reite  be«  Littel-  unb  hinter* 
topft*  oiel  ab$ufdmeiben. 

SBcrgfeidjmtgSbermögen  ftarf,  Sbealttät  merfüct)  fcfytoä^er, 
(Sru>erb$fimnuib  !t&rfyeimlidning$ftnu  jtcutUcr)  ftarf,  £ptfgfeit$* 
finn  fefyr  ftarf,  tampffum  ftarf.  £crr  f .  fyat  bei  $iemli$  grojjew, 
tticUet<$t  audj  U)iffenfc$aftlid)em  Xalent  unb  praftif^er  fötdjtung 
eine  fetyr  große  3^ätigfeit0fraft.  $Senn  er  ein  Biel  in*  Sluge 
gefaßt  fyat,  fo  f$aut  er  nidn  tneC  re<$ts  unb  Unit,  jerfplittert  fi<$ 
nietyt  (toenn  ni<$t  etwa  (Sinljeitsftnn  fer>r  fämfy  ift),  fonbern  fefet 
aUc  unb  jtoar  eine  fefyr  groge  unb  unermübltctye  &raft  ein,  um 
ba«  3iet  ju  meinen.  §err  f.  muß  M  au  tfyun  fyaben,  feine 
äraft  im  ^Berufsleben  aufbrauchen,  fonft  ftellt  fiefy  innere  Unruhe, 
Unjufriebenfyeit  unb  tfaunenfyaftigfeit ,  Anlage  jutn  3äfoorn,  31« 
<Stteitfu<^t  ein.  3ft  babei  ba«  2öo^lmollen  fel>r  fcfymacfy,  fo  ift 
$crr  ty.  fdjroff,  Ijart,  graufam;  ift  e8  fefyr  ftarf,  fo  ift  mit  beut 
3ug  be$  Huflobernä  unb  33öfen>erben$  bie  größte  Jper$en$güte 
oerbunbai.  ... 

.  (16.  O.)         ■  •  t'i 

$)ie  ©leiftiftlinic  Ijat  fyter  oon  ber  ©reite  be$  t>orberftcn 
SBtcrtfjetlS  be$  ÄopfeS  tiel  n>eg$unefjmen,  um  e8  ber  ©reite  te$ 
In'nterftcn  $)ritttfyei(8  tjinjujulefeen. 

Sftacfy  meinem  pljrcnologtfcfyen  ®efüfyl  bin  t$  oerfudjt,  biefen 
topf  ItebenStoürbig  ju  nennen.   Unter  aßen  unferen  Köpfen  ift 


Digitized  by  Google 


3% 


Söübcrflatterie. 


tiefe  Stirne  bie  breiteftc  gegen  bie  übrigen  ftoßfttyeüe  be«  Um= 
riffe«.  !iBerghüd)ung«bermegcn,  Sctylufcoermi^gen,  3beatität  (biet* 
leid?t  and;  Sinn  für  ecfyer^  finb  ftar!  gegen  (£rtoerb«ftnn,  33er= 
fyeimUdntngSftun ,  £ljätigfeit«finn ,  Stampffinn.  $err  Q.  ift  ein 
SKaim,  ber  fteift  nnb  ffjantafie  befifct,  ber  nic^t  ijabfüdjtig  ober 
geizig,  nietyt  bcrfc^loffenen  Cfjarafter«,  nid^t  ftrettfüd&tig  tft,  nie^t 
ju  Öetoalttfyat  ober  ju  3ornau«brüc$en  tu'nneigt,  bei  toetebem  biet* 
mefyr  in  flehten  nnb  großen  fingen  bie  ruhige  (Stuftest  bie  £crr= 
febaft  über  bie  nieberen  Söctoeggrünbe  nnferer  £anblungen  be= 
Rauptet.  91nbcrerfeit«  ift  ju  bermutben,  baf$  £>err  C  feine  gro§en 
Weifte«gaben  niebt  ganj  fo  gut  bertoertfyet ,  al«  maneber  5lnbere 
e«  tfyim  toürbe.  (tyeift  unb  ^fyantafie  finb  ftärfer,  al«  £f)atfraft; 
oielleicfyt  aueb  jerfplittert  er  fid>  ettoa«  (e6  fei  beim,  ba§  (Sinfyeit«* 
finn  fcr)r  ftarf  ift) ;  aud)  ber  SD?utl>,  ba«  33orgefyen  gegen  §inbcr= 
niffc  nnb  Scfytoicrigfeiten,  bürfte  tooljl  bi«toeilen  ettoa«  festen. 
mx  fefjen,  baf?  bie  beiben  ftfyfe  15  unb  16  tote  in  ber  ®eftalt 
be«  Itmriffe«,  fo  im  Gfyarafter  unter  bie  graten  (Segenfäfee  in 
nnferer  ffeinen  ^erfammfung  getreu.  Da«  günftige  SSorurtfjeU, 
toelcbe«  id?  nad>  meinem  toiffenfcbaftlicfyen  ®cfüfyl  für  biefen  Soßf 
gefajU,  ift  natürlid;  bei  unfrer  Unfenntnif?  fo  bielcr  £üge  bor 
bem  toi  ff  enfcfyaft  liefen  Sßerftanb  nicfyt  gerechtfertigt. 

(17.  SR.) 

Der  Umrifi  ift  jicmltct)  fyarmonifcfy,  ettoa  tote  5;  bo$  ift  bie 
Stirne  länger.  §err  9?,  ift  ein  9J?ann  be«  SSiffen«.  Söa«  tft  bie 
Unregelmä&igfeit  an  ber  Stirn? 

(18.  @.) 

Sa«  bie  <91eiftiftlinie  tn'er  an  bem  fn'ntcrften  33iertyeil  be« 
Stopfe*  in  ber  breite  toegnimmt,  fefct  fie  au  bem  oorberften 
DritttljcU  ju. 

'Da«  SSorbergc^irn  tft  noefy  länger  unb  ettoa«  fcfymäler,  al« 
bei  bem  bortgen  Umrife.  @cljr  groft  ift  ber  Äampffinn.  (Der 
$opf  behält  bie  belle  Söreite,  bie  er  über  bem  ®efyörgang  fyat, 
bi«  $u  ettoa  jtoet  $011  toagreebt  rürftoärt«.)  $err  8.  ift  ein 
SOJann  tc«  üttutlje«,  be«  kämpfen«  unb  ©träten«,  er  tft  fct)T  toett 


Digitized  by  Google 


©ilbergaUerie. 


397 


entfernt,  in  mistigen  unb  unmidjttgen  fingen  Hc  Uebeqeugung 
feine«  Reifte«,  bie  Sttnföe  feine«  §erjeu«  für  9hn>  unb  ^rie- 
ben ju  oerf'aufen.  £>te  21  rt  be«  Wutfje«  ober  be«  kämpfen« 
fjängt  bagegen  bon  Ruberem  ab. 

(19.  St.) 

^erni(id)  bem  Umriffc  11  unb  7.  £err  Z.  ift  fein  Wann 
be«  örtoerbe«. 

(20.  U.) 

Sftod?  einmal  ein  faft  eiförmiger  ftb^f.  £>ie  $Meiftift(inie 
fdmetbet  an  ber  breiteften  Steife,  bei  ^orfietyt,  ctma«  ab,  um  e« 
eine  <3tette  roeiter  jurücf,  bei  Sampffinn,  aujufefcen.  £err  U.  ift 
borfidjtig,  forjjüdf),  friebliebenb,  fein  Wann  be«  kämpfen«.  Satyr- 
fd?einttdj  ift  fyier  aud?  Äiubertiebe  ftarf,  ma«  icb  bereit«  auc^  bei 
einigen  anbem  topfen  t;ättc  äupem  fönnen.  3lber  ba«  Urteil 
ift  megen  ber  fyier  häufigen  Ungleichheiten  beö  5d()äbctfncdben« 
nac^  ^em  Mögen,  $umal  fo  fteinen  Umriffe  adju  unfidjer.  $le(m= 
tid^e«  güt  ton  5lnfyänglicfyfeit  bei  einigen  köpfen.  ?(nfyäng(ic^ 
feit  fd;cint  mir  3.  33.  ftarf  bei  3,  11,  15,  etma«  fdnoad; 
bei  13;  bei  16  fctyetnt  mir  ^Intjänglichfeit  ftarf  neben  jiemtid; 
febmacbem  $ampfftnn. 


„Oben  bei  bem  $opfc  1  fagte  i$,  bajj,  toenn  ein  einzige« 
„ber  bort  oon  im«  gefnnbenen  Urtfyeite  unridjttg  märe,  bamit 
„bie  ganje  ^fyrenotogic  mibertegt  fei.  ®enujj !  £)enn  oon  natur* 
„miffenfd;aftlid)en  SBafyrfyeiteu  giebt  e«  feine  2lu«nafymen. 
„Seil  ba«  9luge  ba«  Organ  be«  Sefyeu«  ift,  f 0  giebt  e«  feine  n 
„Wenfctyen,  ber  ofmc  9(ugen  fteljt.  (Sin  beftimmter  (MnrntbeU 
„fanu  nur  immer  ober  niemaf«  ba«  Organ  einer  beftimmten 
„®eifte«fraft  fein. 

„£cr  *ip^rcm>(eg  fann  nid)t  fatfdj  fefyen,  niebt  groß  unb 
„Hein,  ftarf  unb  fd)mad?  oertuedjfeln;  aber  er  fanu  fatfd) 
„benfen,  mit  ben  gefetjenen  £fyatfad)en  fatfd)  re ebnen.  Sa« 


398  »ilbergatterie. 

„felje  icfy  in  unferen  $opf  umriff  en  ?  meiere  £$atfa$cn 
„(legen  mir  in  tfynen  t>or  ?  £>err  $eÜ  bemerfte  mir  bei  lieber* 
„fenbung  ber  Umriffe,  „baß  biefelben,  mie  Üjm  r>erfi$ert  mor* 
„ben,  burefy  ganj  autfyentifcfye«  2)?ajjnefymen  gewonnen  Worten 
„finb".  3cfy  fefce  btefe^  torau«:  allein  icfy  toeifj  nicfyt,  wie  bie 
„Umriffe  gewonnen  würben,  wie  e«  babei  mit  bem  §aar,  wie 
,,e«  mit  ben  $aumu«feln  bei  @rwerb«ftnn  unb  sBerfyeimUd&ung^ 
„finn  gehalten  Horben  ift.  93or  Willem  weiß  i$  nicfyt,  Wo  bc* 
„ftimmt  (3.  33.  wie  weit  über  ber  ^afenwurjet  unb  über 
„bem  ©efy&rgang)  bie  Umriffe  genommen  finb.  3$  fetye  ba* 
„Ijer  in  ben  Umrtffen  etwa«  t>on  ben  $b>fen,  aber  ic$  weiß 
„ntcfyt  genau,  wa«  icfy  oon  ttjnen  fet)c.  liefen  üDfangel  be« 
„(Se^en«  mußte  icfy  bei  meinen  Urzeiten  burefy  Vermutungen 
„ergänzen,  drrft  mit  biefen  Vermutungen ,  ftatt  mit  Xljat- 
„faetyen,  mujjte  i$  reebnen,  erft  auf  biefe  Vermtttlnmgen  fyiu 
„fonnte  i<$  bie  meiften  meiner  Urteile  aufcfprectyen. 

„£>ieS  ift  fo  fcfylimm,  baß  icfy  auf  bie  wif  f  enf cfyaf  tlidbc 
„£Bfung  ber  mir  vorgelegten  Aufgabe  ganj  Ijätte  r>er$tcfytcn 
„müffen,  wenn  bie  '»Phrenologie  in  tyren  Sa^r^etten  nidjt  fo. 
„feljr  flar  unb  beftimmt  wäre.  3$  fann  trofc  aller  <5c$wieTta/ 
„fetten  bie  fofgenben  Urteile  mit  Sicherheit  aufrechen,. ,  ,  n 
Vergleichungäoermbgen  ift  (wenn  ber  Umriß  über- 
haupt über  bie  obere  (Stirn  genommen  ift)  groß  in  2,  6,  9,  1 2, 

15,  18;  f$h)ä($er  al«  <Schlußt>ermb'gen  in  8. 

<Sdb(u ßfcermögen  ift  groß  in  1,  in  8  gegen  Vergleichung«- 
t-ermögen;  in  16  jufammen  mit  VergleichungäoermÖgeu ;  Hein 
gegen  VergletchungSoermßgen  in  2,  6,  12,  13,  15. 

3beafität  ift  grog  in  1,  gegen  <£rwerb«fmn  in  7,  10,  11, 

16,  19;  «ein  in  4,  13. 

@rw  erb  «finn  ift  (wenn  bie  Umrifclinie,  wie  über  bie 
obere  Stirn,  fo  über  bie  $>ölje  be«  Seitenfopfe«  läuft)  gro§  in 
8;  mittelmäßig  ober  fchwach  in  1,  3,  6,  7,  10,  11,  16,  19. 
(£>ie  tfinie  niebriger  laufenb  gebadet ,  mürbe  ftatt  (hwerbsfinn 
Jifrmft*  ober  Skuftnn  treffen.) 

ZI)  ixt  ig  feit  «finn  ift  groß  in  1,  15,  oiel  Heiner  ober 
mittelmäßig  in  9,  12,  16,  wenn  in  ben  brei  testen  ftäüen  bie 


Digitized  by  Google 


Sötlbergallerte.  399 

Umrifjlinie  nid?t  etma  fefyr  entfernt  über  bem  (Geljorgang  läuft, 
unfe.W  niebt  itöer  lefctexem  boe^.  bie  ftarfe  SluSmölbung  mie  bei 
1  unb  15  pnbet.  : . . . 

Äampffinn  ift  groj?  in  18,  mittelmäßig  in  16,  unb  fcemt 
bie  fcinie  gan$  genau  ift,  in  20.  — 

„pr  bie  fltichtigfeit  biefer  meiner  Urteile  bürge  id)  natür< 
„üch  nic^t  bto«  in  Söe.uig  anf  uufere  Umriffe,  fonberu  in  $3e- 
„jug  auf  alle  gälleohnc^uSnahiuc    Senn  ber 
„freuublictye  Vefer  ber  (Gartenlaube  bie  Phrenologie  in  tyren 
j,2$atfa$cn  prüfen  wollte,  unb  er  fänbe  einen  3)?enfc^en  mit 
„einer  »Oberftirn,  mie  2,  9,  12,  unter  beffen  Xalcnten  bie 
„®abe  be«  miffenfchaftlichcn  33egreifeu8  nicht  borragte,  ober 
„einen  üttenföen  mit  einer  Döllen  ©eitenftiru,  tote  1,  16,  ber 
„nur  für  nüchternes  treiben  Sinn  fyätte,  ober  einen  ättenfehen 
„mit  einer  finalen  Seitenftirn,  mie  13,  bei  bem  ber  Sinn 
„für  3beale£  ein  herrfchenber  3ug  märe,  ober  einen  SWenfchen 
„mit  ftarfer  plle  über  bem  Ohre,  mie  1,  15,  ber  metbifcb 
„meich  märe,  ohne  Äraft  toeber  jum  £anbeln,  noch  jum  3»IV 
„nen  u.  f,  m.,  fo  mürbe  er  gleich  bei  bem  erften  folgen  Salle, 
»ohne  erft  nach  einem  gmeiten  fuchen  $u  muffen,  bie  Phrenologie 
,,al«  untpafyr  erfennen,  , 
3um  fSchluffe  erlaube  \ä}  mir,  an  bie  Herren,  oon  bereu 
köpfen  bic  Umriffe  bor  un8  liegen,  eine  ergebene  $itte  31t  rieten. 
ÜJachbem  i$  über  bic  Umriffe  mit  ber  grölten  üttüfye  nur  fo 
tuenige  unb  meiftentheilS  unfi^ere  Urtf>eile  auäfprectyen  fonnte,  fo 
mürben  mich  bic  £erren  511  oielcm  &anfe  ocrpfli^tcn,  menn  fic 
mir  freunblichft  geftatten  mollten,  ihre  Äöpfc  ju  unterfuchen  unb 
oon  itnien  olnie  SD?ü^c  biet  botlftänbigere  unb  beffere,  meit  mtffeu- 
fchaft liiere  (Sharafyerbilber  gu  geiebnen. 


$lm  8c^luffc  be$  blatte«,  ba$  ben  borftel;enbcn  $luffafc  ent= 
hielt,  braute  bie  Gartenlaube  aU  8llfafe  J»  bemfelbcu  bie  folgen* 
ben  geilen: 


Digitized  by  Google 


40U 


©Ubcrgaflerie. 


Mameii  ber  Wänncr,  bereu  ^djäbelumriffe  nnfere  flbbilbmig 

barfteüt: 

1.  <§c$utse*£)eü$fc$.  (Einige  ber  £auptfetten  int  (St- 
raftet be«  großen  3$olf«ma)tne«  reebt  treffenb  cfyarafterifirtJ  - — 

2.  qjrofcfi er  33  o  (f .  ($ert>eimticbung«finn  ?  »tfaf  (Srmerb  bebaebt ?- 
Seine  bieten  Patienten  looüen  nichts  bai>on  bemerft  fyaben!)  — 

3.  aar!  ®ufefore.  —  4.  Sufitti  ftauctycr,  9flitgtieb  ber 
preufcifcfyen  jroeiten  Cammer.  —  5.  ftnebrieb  ®erftacfer.  — 
6.  Dr.  3ofepty,  ber  frühere  fräftbent  ber  fä$ftf$en  streiten 
Hammer.  (ftetn  praftifefeer  ®efd?äft«mann?  3tcmft$  fefjlgefetyoffen, 
$crr  @$e*e!)  —  7.  ^rofeffor  9toBmä§ler.  —  8.  9War  5öirtt>, 
ber  befannte  ^attonal&fonem.  (Crrroerbsfinn  V  33erfyetmü$ung«finn 
ftarf?  mu  niebt  rec^t  antreffen n  —  9.  t>6n  ber  $forbten. 
(SBorfictyt  f<$macfy?  Sa«  meint  ber  Sur,burger  Diplomat  ba- 
ju?)  —  10.  ^rofeffor  Dr.  t>.  ©  ächtet.  (SWann  ber  $b<mtafie? 
Verträgt  fieb  ba«  mit  bem  Corpus  juris,  mit  ^anbeften  unb 
3nftitutionen?)  —  11.  £ofratf>  ^rofeffor  51  l brecht,  einer  ber 
®ötttnger  ©ieben.  —  12.  ÜKittifter  ucn  ftalfen ftetn  tu 
£)re«bcn.  —  13.  £tcfyatf  cfyef.  (Slnbern  im  (Sanken  ntd?t  über^ 
legen?  SLMrb  bem  berülmtten  Xenor  ntctyt  in  ben  Sopf  trotten!)  — 
14.  2>(fyaufpieler  t>ott  fticlifc  in  Sefygig.  —  15.  9lbolf 
SBSttger.  (3bealität  fcfytoäcfyer,  (5rroerb«finn  jtemlicfy  ftarf,  )pxnt- 

*tifc$c  Atting?  Unb  bei  atlebem  ein  beutfetyer  £)t<$ter??>  — 
16.  föo bertcr)  «enebir.  (95Mr  ^retefttren  nicht  gegen  bie 
„t'teben&üürbigfeir  biefc«  ßopfe«.)  —  17.  ton  ber  lann. 
«gm  9ftann  be«  ©iffen«?  SMelleictyt  fteeft  feine  ffiifienföaft  in 
ber  (Scheibe  feine«  Säbel«!)  —  18.  Oberconfiftorialpräftbent 
».  $ atief  in  üflünctyen.  (3a  toofyl,  tfampffinn,  ber  Äampfftnn  ber 
„Kcclesia  militans".)  —  19.  <oofconbttor  Stabtraty  ©.  g  e  t f  d)  c 
in  Veip^ig.  (ftetn  2J2aun  be«  (Srmerbe«?  Setter  Sinn  t?at  al«* 
bann  bie  großartigen  (Stabltffement«  unb  $äuferbauten  be«  $errn 
g.  wrfdbufoet?^  —  20.  Dr.  ?trtl;ur  Vufce  in  tSötfyen.  (So 
bleibt  l>ier  „ber  9)?ann  be«  ©iffen«",  ber  große  „SöunberljeU* 
fünftler"?) 


Digitized  by  Google 


Söübjprgaaertt.  401 

3ucrft  ein  SÖort  über  bie  fpottenben  Söemerfungen ,  welche 
bic  ©artentaubc  $u  meinem  ?luffafe  jn  machen  fid^  erlaubte.  2Ber 
ofme  alle  tfenntuifc  ber  ^fcrenotogie  fie  nur  barum  für  eine  £fyor* 
fyett  fyält,  weil  er  irgenb  einen  namhaften  ©elefyrten  fie  fo  nennen 
fyert,  ber  fann  leicht  burefy  einige  richtige  ptjrenotogifcfye  ©eur= 
Teilungen,  ton  benen  er  3eu8c  opcr  burefy  c*nc  Populäre 
Qjrtäuterung  ber  fo  Maren  sJiaturwiffenfcfyaft  oou  feiner  fatfcfyeu 
9(nfi$t  jurücffommen  unb  oon  ber  Söafyrfyeit  ber  ^Phrenologie  über* 
jeugt  werben,  ^leljmen  wir  ba«  ftolgenbe  an.  £>err  Äeit  fanb 
bei  einem  §utmad;er  eine  Sammlung  oerfcfyiebener  Scfyäbetformen, 
nnb  fein  erfter  ©ebanfe  babei  war,  wie  ein  5luffafc  über  biefe  tnter* 
effante  Sacfye  fiety  trefflicfy  für  bie  ©artentaubc  eignen  würbe.  (§r 
mä^tte  fid>  eine  Bafyl  ber  Umriffe  an«,  ließ  fie  in  oerfteinertem 
9)Jafeftab  anf  einem  23tatt  jufammenftellen,  unb  legte  biefe«  fxo* 
feffor  $ocf  oor,  inbem  er  itnn  feinen  Sunfcfy  au«fpradj,  in  ber 
©artentaube  @tma«  barüber  ju  bringen.  Da  müffen  3ie  fid>, 
erwieberte  S8od  lätfyelnb,  an  einen  ^fyrenologen  wenben ;  fetyretben 
Sie  an  Sd?eoc,  ber  fabricirt  3fynen  oieüeufyt  einen  fotcfyen  Huf* 
fafc.  9tber  wa«  Ratten  «Sie  oon  ber  Sacfye?  fragte  i>err  Äeil. 
X)ic  Phrenologie,  antwortete  ©oef,  ift  ein  Unfinn,  wie  tety  in 
meinen  Söerfeu  unb  öfter  fonft  erflärt  fyabe.  ©Clauen  Sie  biefe 
Umrtfjlinien  an :  fo  wenig  3te  etwas  Sichere«  über  bie  betreffen* 
ben  (Styaraftere  511  fagen  miffen  unb  fo  wenig  tdj  bie«  weijj,  fo 
wenig  weife  e«  irgeub  ein  anberer  9Wenf<$.  Sa«  ber  ^fyrenolog 
barüber  fcfywafet,  ift  teere«  ©efafel:  ein  ptjrenologifcfye«  Urteil 
ift  richtig,  ba«  anbere  falfcfy,  lote  e«  ber  ^ufatt  giebt.  ©0  fönnen 
mir  alfo,  fragte  §err  fteif,  einen  ^luffafe  über  biefe  Umriffe  in 
bie  ©artentaube  nietyt  aufnehmen?  3m  ©egenttjeil,  erwieberte 
Söocf:  ba  e«  nod?  fo  oiete  Dummföpfe  gtebt,  bie  an  ba«  3^8 
glauben,  fo  märe  c«  t>on  3ntereffe,  ben  Scfyminbter  fiefy  in  feiner 
eigenen  Scfyttnge  fangen  $u  taffen;  e«  mirb  für  bie  ©artentaube 
ein  grofje«  ^erbienft  fein,  bie«  toeranlafct  311  fyaben.  So  fenbet 
atfo  §err  Äeit  bie  Umriffe  an  Scfyeoc  unb  fragt  wegen  eine« 
Stuffafee«  für  bie  ©artcnlaube  an.  £)ie  Antwort  ift  bejatjenb. 
Slber  ber  5luffafc  bleibt  fet>r  tange  au«.  £err  ftetf,  welkem  ber 
2lu«fprudj  39ocf«  ba«  3utrauen  $ur  Phrenologie,  aber  nietyt  ba« 

Sdjeue,  *l»renoIoflii^  »Uber.  3.  *ufl.  26 


Digitized  by  Google 


I 


402  »ilbergaflerie. 

3ntereffe  für  bie  Umriffc  unb  für  ben  Suffafc  genommen,  n>irb 
fefyr  ungebulbig.  SDtan  fann  bod>,  äußert  er,  über  biefe  bloßen 
Umrifjlinien  unmöglich  biet  fagen!  loa«  toirb  ber  ^renotog  ba 
am  (£nbe  2Ule«  $ufammenfalbabern  ?  (Snbltdj  fommt  ber  ftuffafc 
an;  er  ift  biet  länger,  alt  §err  fteil  ermartetc:  er  lieft  tyn  fo* 
gleicty  gan$  burefy  unb  fommt  bann  bamit  }u  feinem  ©ecretär. 
£)er  Siuffafe,  fagt  er,  ift  ba«  gerabe  (Segentyeil  bon  bem,  n>a« 
nur  erwarteten,  unb  ®od  ift  mit  feinem  UrtyeU  über  bie  ^^rc* 
notogic  auf  bem  ^otjroeg.  !£er  ?(uffafe  ift  ganj  objeettb  unb 
loiffenfctyaftltcfy  gehalten,  ofme  eine  @pur  bon  leerem  ®cf($tt>äfc 
ober  ^fyantafteret :  bie  meiften  Urteile  finb  richtig,  unb  einige 
fo  auffaüenb,  ba&  fie  unmöglich  auf  bem  j&tfail  berufen  fßnnen. 
Unb  müffen  benn  niebt,  —  fügt  £>err  Steil,  bur<$  ben  5luffafc 
belehrt',  (jinju,  —  müffen  nidjt,  ba  ba«  (Seljirn  ba«  Organ  be« 
(Seifte«  ift,  bie  großen  SBerfdnebenfyettcn  ber  (Seln'rngeftatten  mit 
ben  großen  Sßerfcfyiebenfjeiten  ber  Gtyaraftere  in  3«U™tmenfyang 
ftefyen?  Senn  ba«  SSorbergefyirn  bie  Organe  be«  Kenten«  ent* 
fyätt,  menn  ber  2Mer  einen  großen  Genfer  mit  boller,  einen 
<3cfyn)ad?finnigen  mit  flauer  @time  malt,  warum  foüten  nicfyt 
ebenfo  bie  übrigen  ©elurntfyeile  ir>rc  Söebeutung  für  bie  übrigen 
®etfte«rräfte,  für  bie  Xriebe  unb  Neigungen  fyabcn?  $ur$,  ber 
3tuffa^  fyat  mtcfy  tfyeil&  burefy  bie  lmffenfcfyaftlicfye  33efyanblung  ber 
Sadje,  tfycit«  burd;  feine  9iefultate  bon  ber  Siffenfdjaftlicfyfeit,  ja 
im  (Sanjen  bon  ber  Safyrfyeit  ber  ^fyrcnologte  überzeugt.  §ätte 
idj  nun  freie  £>aub,  fo  würbe  idj  beu  5tuffafc  fogleitfy  in  bie 
(Gartenlaube  aufnehmen  unb  jneinc  bolle  Slnerfennung  mit  93er= 
gnügen  in  einigen  Sorten  beifügen.  Sie  unfer  Sölatt  ben  3rr* 
tljum  befämbft  unb  ben  Unfinn  geißelt ,  fo  I;at  e«  bie  fcfyenc 
$füc$t,  bie  mifefannte  unb  berfolgte  Safyrfyett  }ii  befäüfcen  unb 
i^r  nadj  Gräften  jur  2lnerfennung  ju  bereifen.  £)ocfy  tote 
fdjabe,  —  fo  fcfyliejjt  £crr  ÄciC  mit  einem  feueren  Scufjer  feine 
Sorte,  —  baf?  bie«  Slllc«  wegen  ©od  unmögüd?  ift!  >)cdd)bem 
er  einmal  bie  ^fyrenotogie  für  Unfinn  erftärt  Ijat,  fann  er  fie 
nid;t,  n>eber  mit  Sorten,  no<$  tljatfäd;licfy  bur$  bie  9Jufnalnue 
btefc«  Sluffa^e«,  für  eine  Safyrljett  erflären,  wenn  er  auefy  jefct 
bon  biefer  Saljrljeit  boUfommen  überzeugt  wäre.  Uebrigen« 


Digitized  by  Google 


SMlbcrgatteric.  403 

fommen  mir  baburdj  mit  Scheue,  gegen  meieren  ich  mich  $ur  Sluf- 
nähme  be«  2tuffafce«  verpflichtet  habe,  in  einen  fchltmmen  (Sonflict. 
ß«  foU  mid)  munbern,  tt>ie  Jöocf  fid?  unb  im«  an«  btefer  ^atfe^c 
$ieht.  Diefe«  mirb,  bemerfte  lächelnb  ber  Secretär,  für  ©ecf  ein 
Veichte«  fein:  er  ftreicht  bie  beften  unb  michttgften  Stellen  au« 
bem  Süiffag  meg,  macht  Um  baburch  au«  einem  guten  unb  totfjen* 
($*ftft$en  $u  einem  oberflächlichen  unb  merthlofen,  unb  befommt 
fo  Gelegenheit,  ftatt  3^rer  anerfennenben  Sorte  einige  Sifce  unb 
Spöttereien  bartiber  beijufügen.  ^fui!  jagt  £>err  $eil,  mir 
motten  boch  fo  Grtma«  nicht  fyoffen! 


Senn  ber  i'efer  bie  ilmt  borgefegten  beiben  Geftaltcn  meine« 
2foffafee«,  bie  wahre  unb  bie  gefaxte,  bie  teuere  mit  ihren  £u* 
gaben,  aufmerffam  vergüten  hat,  fo  !ann  er  fid)  bielleicht  meinen 
©eelen$uftanb  borftellen,  al«  ich,  ba«  Sölatt  ber  Gartenlaube  in 
ber  £>anb,  fo  auf  einmal  bie  gange  SBermüftung  meine«  getfttgen 
(Sigentfyume«  unb  meine  fernere  miffenfehaftliche  s)iiebertage  über* 
flaute,  Der  Schlag,  ber  fyier  gegen  mich  unb  bie  Phrenologie 
geführt  mar,  mar  für  mich  feljr  hart-  3$  war  geiftig  fo  ge* 
brocken  ober  niebergebrüeft,  mie  ich  nicht  geglaubt  hätte,  e«  jemal« 
merben  $u  tonnen.  So  tauge  ich  bie  ^(^renofogie  fannte  unb  fo 
tauge  ich  fte  beitrat,  mar  nie  ein  üÖiafel  auf  fie  gefommen;  in 
alten  Hebten  unb  großen  kämpfen,  fo  biete  £mnbertc  ich  DCV™ 
au«gefochten,  hatte  ich  fcen  Sicfl  baoongetragen.  Unb  jefct  mar 
ich  ^  oen  Stugeu  be«  gangen  ungeheuren  Öeferfreife«  ber  Garten* 
laubc  burch  mich  f c £ b ft  getragen,  bie  ^Phrenologie,  bie  flare 
9iaturmiffcnfchaft,  fogar  fchon  burch  bie  Ueberfchrift  meine«  Äuffafee* 
miffenfehafttich  bernichtet,  unter  bie  3)?  ^  f t  c  r  i  e  n  bermiefen.  Denn 
sJiiemanb  fonntc  ja  bon  ben  gegen  meinen  Sitten  gemachten  $ür* 
jungen  ober  ber  gefällten  Ueberfchwft  be«  meinen  tarnen  tragen* 
ben  Sluffafce«  nur  eine  2lhnuil8  ha^en- 

Mein  mein  Gefühl  ber  geiftigen  sJiieberlage  ober  'Ohnmacht 
mährte  nicht  länger,  al«  einige  SWtnuten.  Weine  (SmpBrung 
über  bicApaublung  richtete  mich  juerft  mieber  auf.  Vebcn  mirbenn  im 

2G* 


Digitized  by  Google 


» 


404  SMlbergatlerie. 

neunzehnten  Sahrfmubcrt,  ober  im  fc^jctjnten?  Sinb  £intetlift 
unb  Gemaltthat,  mie  flc  Inet  borliegen,  belfere  uub  eblere  Stoffen 
gegen  bie  SßSa^r^ett,  als  Werfer  unb  ©Weiterlaufen?  Schnell 
^atte  ich  weinen  gangen  üDhith  lieber  burch  bic  Hoffnung,  baß 
ich  *n  bewt  beborftehenben  Sampfe  ben  Sieg  babontragen  müffe. 

SDie  ftrage  mar:  ma$  ift  gu  tlnm?  3ch  orbnete  fa)ncUfteu6 
meine  Ilcinen  Angelegenheiten  in  ÜDreSben  unb  fuhr  nur  gmei 
Xage  fpäter,  als  ich  ^  berhängnißbolle  23latt  ber  Gartenlaube 
erhalten,  meinem,  mte  ich  &  iw  Scherge,  tyalb  *w  (Stufte 
nannte,  l'eipgiger  Schtachtfelbe  entgegen,  3>er  $öeg,  ben  ich  "«^ 
reiflicher  Uebertegung  in  meiner  Sad?e  gu  gel;en  gebaute ,  mar 
ber,  fomehl  gegen  Aperru  teil,  als  gegen  meine  mirflichen  fteinbc 
guerft  m&glichft  lieblich  aufzutreten.  3dj  tydt  es  nicht  für  im* 
möglich,  bafe  id?  £>errn  $cit  mit  £ulfe  feines  SöemufttfeinS,  mir 
fchmcreS  Unrecht  gethan  gu  haben,  gur  Aufnahme  eines  ober  eini- 
ger aubrer  Huffä'fce  bon  mir  beftimmeu  fonnte.  3n  biefem  ftallc 
fonnte  ich  ben  üblen  (Stnbrucf  bcS  berftümmelten  3luffafceS  burch 
S3effereS  bcrmifd;cn,  unb  SlllcS  fonnte  auf  frieblichem  SÖJege  gut 
metben.  $or  Willem  auch  *ww  es  nctln'g,  baß  ich  $errn  fteil  gur 
Aufnahme  eine«  9cad>morteS  gu  meinem  5luffafc  beftimmte,  mo= 
burch  bie  l'efer  ber  Gartenlaube  meutgftenS  bon  ber  Skrftümmc* 
hing  unterrichtet  mürben.  Auch  bie«  mar  am  befteu  nur  burch 
gute  Söorte  gu  erreichen.  Uefaigen*  mar  es  mir  gar  nicht  ferner, 
£errn  teil  meinen  Groll  gu  bet bergen:  ich  hatte  in  bei  £l>at 
faft  feinen  Groll  gegen  tl;n ,  beim  er  mar  ja ,  mie  ich  überzeugt 
mar,  nur  baS  3Berfgeug  in  ber  £>anb  eine«  Anbern:  er  mufjtc 
gmar,  als  er  gu  ber  Sache  gegen  mich  bic  $anb  bot  ober  bieten 
mußte,  bajj  er  unrecht,  aber  er  mußte  nicht,  mie  unrecht  er  gegen 
mich  ^anbcltc.  SJJein  erfter  Gang  in  l'eipgtg  mar  gu  Unn:  ich 
fagte  ihm,  baß  er  gemijj  felbft  nicht  miffe,  maS  er  gethan,  bafc 
mein  Auffafc  burch  bie  großen  tfürgungen  fo  gut  als  nnffcnfajaft* 
Uch  bemichtet,  baß  gerabc  baS  Sfllettoia)tigfte  barauS  geftticheu  fei. 
3ch  erzählte  Unit,  maS  ich  ^tn  ergäbt  hak,  —  mir  traten  mähreub 
beS  GefprächS  in  baS  anftofcenbe  Limmer  beS  SecretärS,  —  baß  ein 
Bhceunb  bon  mit  in  Bresben  mir  abgerathen,  mich  auf  üic  fl^nge 
Sache  eingulaffen,  baß  ich  <wV*  «W  einet  Stelle  millen  bie  itfer= 


Digitized  by  Google 


«übergafleric.  405 

&ffenttichung  be«  3luffafce«  getragt,  unb  baß  gcrabe  auch  biefe 
Stelle  geftrichen  fei.  9l(«  ich  oon  meinem  geheimen  $einbc  fpracb, 
ber  offenbar  bie  Stretdnmg  oerantajjt  habe,  mtberfprachen  mit  bie 
beiben  §erren  auf«  (Sntfdn'ebenfte.  3d;  berief  mich  gegen  ben 
Secretcir  al«  ben  ftarften  «ernei«  für  meine  Behauptung  auf  bie 
Streichung  ber  Keinen  9toft,  in  ber  ich  auf  meine  w^^renotogi= 
fchen  SRctfebUber"  fn'ngemtefen ,  mofür  ich  mir  ton  ihm  bie  au«= 
brütftiche  Grrtaubnift  erbeten  ^atte.  3d;  fefete  ihn  fcharf  megen 
biefer  Streichung  gur  $ebe,  bie  ja  boefy  nicht  oon  ihm  herrühren 
fonnte.  (Sr  tonnte  fein  SBort  ermiebern  unb  ich  fah  ihn  auf  £errn 
Mi  einen  serftotjtenen  «lief  be«  SBcrftänbntffe«  merfen.  $)ie  S5er= 
tegenl;eit  ber  Herren  mar  mir  felbft  fo  peinlich,  bafj  id)  au«  5D?it= 
leib,*  um  biefetbe  iüd>t  noch  gu  fteigern,  bie  ftragc  unterbrüdte, 
bie  ich  auf  ber  3unflc  ^atte,  oon  mem  bie  fpottenben  «emertungen 
über  meine  Urtfjcitc  herrührten?  (S«  mar  ja  fctbftoerftänbttcfy, 
baß  eine  unb  bicfclbc  £>anb  bie  Streichungen  unb  jene  Söemer* 
hingen  gemalt.  3d?  fyätte  au«  bem  9)iunbe  ber  -Sperren  bie  Uu- 
maljrheit,  bie  ja  aflein  für  fic  übrig  Hieb,  nicht  hören  mögen, 
baß  bie  fpottenben  «emerfungeu  auch  oon  Knien  tarnen.  §err 
teil  geigte  fich  gegen  mich  fcl>r  nachgiebig  unb  gefällig.  31t«  ich 
ihm  fagte,  e«  fei  jefct  vor  9Wem  nöthig,  baß  id;  in  einem  «einen 
Wachmort  gu  bem  SCuffafee  bie  Vefer  ber  (Gartenlaube  toon  ben 
Streichungen  unb  bereu  Bebeutung  für  ben  9luffafe  unterrichtete, 
auch  bie  tabetnben  «emerfungen  über  ben  Süiffafe  am  Schliffe 
be«  «tatte«  berichtigte,  geigte  er  fich  fogteid)  gur  Aufnahme  biefe« 
s)tad/morte«  bereit  unb  mar  fid;tüch  froh,  um  biefen  mohlfeilen 
^rei«  oon  meinen  ißormürfen  frei  gu  werben. 

Üflctn  nächfter  «cfuch  gatt  meinem  geheimen  $einbe, 
menn  bie«  mehrere  maren,  einem  berfelben  unb  jebenfalt«  bem 
hauptfächtichften :  ^rofeffor  S3otf .  Da  «od  ber  ^h^notogie  feinb 
mar  unb  ba  er  bie  (Gartenlaube  gang  beherrfchte,  fo  mar  e«  mir 
hechft  loahrfcheintid;,  baß  er  bie  Äürgungen  meine«  Sluffafee«  Oer* 
anlaßt  ^attc.  ®emif?heit  ^attc  id)  barüber  nicht,  meit  ja  außer 
«od  noch  biete  geinbe  ber  ^h^e"ot°gie  in  $eip$ig  tebten,  metche 
oietfeicht  fooiet  (Sinftuß  auf  bie  Gartenlaube  hatten,  um  mit  bereu 
£üfe  jenen  Streich  gegen  mich  Ju  berüben.   «efonber«  mar  mir 


Digitized  by  Google 


406 


SilbergaHerif. 


ton  früher  ein  gctvtffer  Dr.  <K.  im  (GebachtniB ,  ber  mir  immer 
al«  ba«  dufter  eine«  nriithenben  (Gegner«  ber  ^Ijrenologie  galt, 
ba  er  burch  eine  Slnjeige  im  tageblatte  bie  llnterbrücfung  meiner 
SBorlefungen  511  ben>irfen  tcrfud>t  hatte.  Crin  fol^er  2)?ann  blatte 
ebenfo  gut  n?te  ©ecf  ber  Schulbige  fein.  Der  (Srunb  meine« 
33efuche«  bei  $dod  mar  übrigen«  ni^t  ber,  bem  Urheber  jener 
Xfyal  nach$ufpüren ,  fonbern  ich  mellte  mit  $ocf  befannt  tocrben, 
meil  ich  nnr  burch  ilm  meinen  3mecf,  bie  Aufnahme  eine«  ober 
einiger  ^luffa'tje  ton  mir  in  bie  (Gartenlaube,  erreichen  tonnte. 
3ch  ^atte  Söocf«  Äopf  nun  bereit«  zweimal  öffentlich  beurteilt, 
einmal  in  meinen  „^fyrenologtfdjen  SReifcbilbern"  nach  einem 
©Übe  in  ber  Slluftrirten  3c*tlll,9  ^  anbere  2ttal  unter  ben 
Äopfumriffen  in  ber  (Gartenlaube,  aber  beibe  3Me  nac?  ber 
mangelhaften  Vorlage  itatürttc^  fehr  ungenügenb.  3dt)  moHte  nun 
33otf  «  Äopf  grünblich  unterfuchen,  barüber  eine  au«füljrli($e  (Sha* 
rafteriftif  au«arbciten  unb  ihn  bitten,  511  geftatten,  ba§  biefe  in  bie 
ÖaTtenlaube  aufgenommen  mürbe.  3$  fyielt  e«  niebt  für  unmöglich, 
ba§  er  hierauf  einginge :  ich  meinte,  er  merbe  entmeber  eitel  genug 
fein,  mir  bie  SMttc  511  geftatten,  ober  511  ftolj,  fie  mir  abju* 
f  plagen. 

3$  trat  bei  S3ocf  ein :  ber  (linbruef,  ben  feine  ^erfbnlicfyfeit 
auf  mic^  machte,  mar  ein  gemifc^ter.  Söocf  imponirt  fofort  burd> 
feine  entfdjiebene  2)fannlidjfeit  unb  #raft.  ÜDer  breite  unb  gro§e 
Äopf  mit  ber  entfprectycnben  Äörpergeftalt  macht  einen  in  einer 
£Mnfictyt  fehr  günftigen  Grtnbrucf.  dagegen  finbet  fich  in  ©oef 
fein  3(u«brucf  ton  feinem  (Gefühl:  bie  gan$e  (Srfcheinung  (a! 
etma«  äufeerft  SWaffioe«.  9)Jeine  freundliche  33egrü§ung,  meiere 
ich  in  einige  Söorte  über  unfere  literarifd?e  (Gegnerfchaft  einfleibetc, 
mürbe  oou  Söecf  eben  fo  freunblicb  ermiebert.  Unmittelbar  baran 
fnüpfte  er  bie  Söemerfung,  bafc  er  gebort,  icb  §abc  mich  &ei  £errn 
Ä'eil  n)egen  ber  $ür$ungen  meine«  Huffafcc«  beflagt  unb  ton  einem 
geheimen  fteinbe  gebrochen,  ton  bem  biefelben  au«gegangen.  SWan 
habe  auch  Won  ton  anberer  <2eite  ihm  nachreben  mollen,  ba§  er 
bei  bem  Stuffafce  bie  £>anb  im  spiele  gehabt:  aber  er  fßnne  mich 
terfichern,  bafc  nur  £err  Äetl  unb  fein  ©ecretär  bei  ber  (Sache 
betheiligt  feien ;  er  felbft  h^e  ben  Sluffafc  noch  "tc^t  einmal  gauj 


Digitized  by 


«ilbergatterie. 


407 


gelefen.  3ch  mar  erftaunt  über  biefc  Selbftcntfchulbigungen  $ocf  «, 
bte  mit  al«  fo  biete  Selbftanflagen  erfreuten  mieten ;  noch  meht 
aber  fiel  e«  mir  auf,  baß  ©od  ton  meinem  ®efu$  bei  ^>crnt 
fteH  fclmn  Äenntnlfe  ^atte.  ®egen  bier  Uhr  hatte  td)  §crrn  #etl 
oetlaffen,  ohne  ton  iöoef  gefpxocheu  511  fyaben  unb  o^tie  ju  fagen, 
baß  ich  ihn  befugen  mollc.  3d?  mar  ton  ba  in  bte  föeftauratton 
jur  ^oft  gegangen,  mofyin,  mic  ich  mußte,  SBorf  menigften«  früher 
regelmäßig  tarn,  um  mief;  nach  feiner  Sohnung  unb  nach  ber 
3eit,  mann  ich  ifni  am  mahrfd)cinlichften  ju  §aufe  fänbe,  ju  er* 
fimbigen ;  unb  al«  ich  bon  ba  gegen  fech«  Uhr  ju  33orf  fam,  fanb 
ich  ihn  fchon  bon  meinem  S3efud()e  bei  £errn  $eil  unb  ton  meinen 
SSer^anblungen  mit  bemfelben  unterrichtet!!  Stuf  feine  gegen* 
^eiligen  Behauptungen  ober  23erftchcrungen  ermieberte  ich 
bag  bte  Sache  mit  bem  geheimen  feinte  feinen  Bmeifel  leibe, 
ba  bie  Bemeife  51t  Hat  borlägen.  3d?  fagte  ihm  bon  ber  Sich* 
tigfeit  ber  geftrichenen  Stellen  für  ben  Äuffafc  unb  mie  e«  gang 
unmöglich  fei,  baß  bei  biefen  Streichungen  ber  3uf«U  opeT 
guter  Sillc  gemaltet  fyabtn  fönne.  Säljrenb  unfere«  motteten 
®efpräch«  fprang  Söocf  mobl  breimal  ohne  nähere  SBcrantaffung 
mieber  auf  bie  Sache  be«  ^luffa^e«  über,  inbem  er  mich  immer 
berfichern  molltc,  baß  ich  *m  3rrthum  fei,  tu>t  an  einen  geheimen 
$einb  ju  beuten,  bafe  er  bie  beiben  getreu  ganj  genau  fenno,  um 
ton  ber  Wahrheit  ihrer  2lu«fage  bollfommen  überzeugt  ju  fein, 
u.  f.  m.  Da«  eine  2)?al  auch  füflte  W  fymiu,  ich  Bnne  mich  ja 
burch  ben  Slugenfchoin  ton  ber  Sattheit  überzeugen,  inbem  ich 
(im  SWanufeript  ober  bor  ßorrectur)  nachfehe,  bon  meffen  $aub  bic 
Streichungen  gemacht  feien.  Qx  meinte  alfo  bamit,  menn  ich  ^ 
Streichungen  nicht  bon  feiner  £anb  gemacht  fänbe,  fo  müffo  mir  ba« 
ein  Bemei«  fein,  baßfie  nicht  bon  ihm  herrührten !  (Srmiebero  tonnte 
td;  ihm  hierauf  nicht«,  bic  Sache  mar  mir  $u  ftarf:  jefct  aber  mußte 
ich  obonfo  gemiß,  baß  bie  Streichungen  ton  ihm  gemad;t  maron,  al« 
menn  er  mir  bie«  mit  flarou,  einfachen  ^Borten  eingeftanben  hätte: 
ich  mußte  nur  ftaunen,  mto  ba«  bijfe  ®emiffen  auch  einem  gefcheibton 
ÜWonfchen  fo  gang  bielleberlogung  nehmen  tonn.  311«  ©od  ba«  lefcte 
9)?al  auf  fein  £h«na  über  fprang,  fagte  tdj  ihm  mit  fttrgen  unb  bc* 
ftimmten  Sorten,  baß  er  ja  bie  Sache  nicht  tonne  unb  baher  un* 


Digitized  by  Google 


408 


3?tltcr3JÖerie. 


mcglicb  ein  fieberet  Urtfjeil  barüber  fyaben  f  einte,  bafc,  trenn  er 
fie  fännte,  er  beftimmt  meine  Ueber^eugung  teilen  würbe. 

?ll«  id>  ®od  meine  SMtte  au*fpracb,  bap,  nacktem  icb  feinen 
Äepf  Wen  zweimal  fo  mangelhaft  unb  wiffenfcbaftlicty  uiigenügenb 
beurteilt  Ijabe,  et  mir  eine  wirttiefce  unb  grütiblictye  Unterfuc$ung 
geftatten  möge,  fo  antwortete  er,  etyc  icb  tte*  |U  (*nbe  gefpreetyen 
unb  ben  weiteren  3wecf  genannt,  ben  icb  mit  ber  Unterfinning 
rerbanb,  mit  einem  triebt  barfeben,  aber  fategorifetyen  Kein.  Dtefe 
nnbebingte  3$crwcigcruitg  aneb  nur  ber  Äopfunterfudnutg  felbft, 
abgeben  reit  bereit  93eroffeutlicfyung ,  fyatte  i($  !aum  erwartet. 
3d>  50g  barauä  $wci  3ct)(üff c ,  oor  Ottern,  baß  39ocf  ron  ber 
©afyrfyeit  ber  ^breitelegie  überzeugt  ift.  ©er  bic  Phrenologie 
für  ein  £irngefpinft  fyält,  rertreigert  nicfyt  leicht  bie  Unterfucfyuiig 
feine«  $opfc$,  fonbern  freut  fieb,  einmal  tfyatfäcblicb  bie  3rrigfeit 
biefer  Veljre  bargetl;an  ju  fefyen.  9)?ein  jirciter  3d?ltt§  war,  bap 
S3ocf  in  feinen  wirfttcfycn  (Styarafter$ügen  nicfyt  ron  mir  gefanut 
fein  trollte. 

£ur<$  33ocf  $  Verweigerung  ber  &opfuiiterfu#ung  famen  wir 
auf  bie  Senologie  felbft  ju  fprecfyen.  $ocf  wollte  e«  fonberbar 
fitibcn,  baß  icfy  ron  einem  3°^c  betragenben  Unterfcfyieb  unter 
ben  Äepfgeftaltctt  fprecfye.  3$  bat  ifnt,  bie  £anb  auf  meinen 
&opf  ju  legen,  wo  i$  ifmt  einige  Stellen  bemerflidj  machen  Wollte, 
bereu  fcljr  ftarfe  ober  fefyr  fdjwacfyc  ^tttwicflung  gegen  manche 
anbere  ßopfe  wcnigfteuä  jwei  £oii  beträgt.  Allein  er  weigerte 
fi$,  biefe  Slnfdjauung  }U  gewinnen,  tra«  nur  bie  (Jrflärung  511= 
läßt,  bafc  c«  ifmt  unangenehm  gewefen  wäre,  fid?  ron  einer  pljretto* 
logifd?en  3Ba^r^eit  überzeugt  befennen  311  muffen.  3cty  fagte  SBocf, 
ich  rerftänbe  bie  Ätinft,  iebett  itheoretifchen)  (Gegner  ber  $&reno= 
logte  burch  einige  fragen  ju  ihrer  (t^eoretifc^en)  Slnerfcnnung  jtt 
nötigen:  ba$  Keine  $unftftücf  fei  mir  noch  niemals  mifjgtücft 
unb  ich  bitte  tytt,  es  auch  bei  ihm  rerfuc^en  ju  bürfen.  (5r  gc= 
ftattete  bie«  unb  ich  [teilte  an  ihn  bie  folgenben  fragen.  Crrftc 
ftrage:  3ft  nicr)t  ba$  ®ehtrn  ba$  Organ  be«  ®etfte$?  (5r  be* 
jal)t.  3trette  ftrage :  Sinb  nicht  bie  ©eifter  ber  einjeliien  flJienfchen 
fefyr  rerfchiebett,  inbem  ber  eine  SWenfch  (Gefühl«5,  ber  anbere 
23crftanbe«mcnfch  ift,  ber  eine  biefe  ^eibenfcfyaft,  biefe«  Xalettt  ^at, 


Digitized  by  Google 


«tlbergaffcric.  409 

bot  anbcrc  jene«  ?  33cja^inifl.  dritte  $rage:  Sinb  nid^t  bie 
Geljirne  ber  3)?enfd)en  fetyr  ocrfdjieben  in  tf>rcr  (^eftatt  ober  in 
ber  &rc§e  iljrcr  £fjctlc,  inbent  ein  Gctjtrn  fjodj,  ein  anbcrcS 
niebrig,  eine«  breit ,  ein  anbere*  formal  ift,  bei  einem  bic  der- 
beren ,  bei  einem  emberen  bic  Hinteren  X^eife  großer  finb?  33c* 
jafjung.  SSicrtc  unb  entfebetbenbe  ftrage:  3ft  e$  roat)rfc^etntirf; 
ober  anjuneljmen,  baf?  biefe  beiben  großen  ^erfcfyiebcnfjeiteu  — 
bic  bc$  (Reifte«  in  ber  Starte  feiner  Gräfte,  nnb  bie  be8  Geiftcfc 
organ«  in  ber  GrSfie  feiner  £ljci(e  —  unter  fid)  im  3ufammcn' 
fyange  fteljen  ober  ntc$t?  Söocf  fd;icn  anfangt  burdj  bic  etnfaebe 
Satyr^it  ber  Sacfye  ettoaS  verblüfft  ju  fein,  allein  er  buxcr)f>teb 
mit  Getpalt  ben  tnoten  ber  ©dringe,  in  ber  ich  tyit  gefangen. 
„Damit  bemeifen  Sie  nichts",  fagte  er  ungebnlbtg  nnb  ba«  £fyema 
lutj  abbredjenb,  „unb  glauben  Sie  benn  mirflich,  bafe  «Sie  einen 
9)?oljren ,  mie  mich ,  meijjmafdjen  fennen  ?*  W\\  anberen  Sorten 
fagte  er  bamtt:  „Senn  auch  alle  Grünbe  für  bie  ^renotogic 
fprechen:  ich  will  einmal  oon  biefen  Grünben  unb  Sattheiten 
nichts  nriffen".  Ober:  „Obgleich  id)  oon  ber  Sahrheit  ber 
^Phrenologie  überzeugt  bin;  fo  fiJnncn  Sic  boefy  begreifen,  ba§  ich 
biefe  Ucberjeugung  nicht  eingesehen  fann".  3ch  oerftanb  33ccf« 
Sorte  unb  oerliefc  ben  Gegenftanb,  tocil  tcl>  mir  feinen  guten 
Stilen  erhalten  mufete.  Da  nämlich  S9ocf  nun  einmal  Derjenige 
mar,  burd)  ben  allein,  mic  ich  hntfctc,  id>  meinen  <ßlan  erretten 
tonnte,  einen  Sluffafe  in  bic  Gartenlaube  }U  bringen,  fo  mar  ich. 
tebigttch  an  feinen  guten  Sillen  getoiefen.  3$  bat  ihn  aud)  fo* 
fort,  ilmt  einen  Keinen  Sluffafc  „lieber  ben  Scfyriftftcllcrbcruf  ber 
grauen",  melden  id)  für  bic  Gartenlaube  paffenb  hielt,  oorlcgen 
ya  bttrfen.  (£r  erlaubte  gern,  bafc  ich  ifym  ben  9luffafc  brächte, 
unb  ich  verliefe  ifni  nicht  ohne  Hoffnung,  meine  Sache  auf  frieb* 
liefern  Sege  georbnet  ju  fc^en.  lieber  ©ocf'S  $opf  fn'er  noch 
bie  9cotij,  ba§  ber  Umrij?  in  ber  Gartenlaube  (s^o.  2)  in  ber 
SDfttte  ber  Oberftim  ganj  unrichtig  ift;  $erglctchung«bermc,gen  ift 
bei  SBocf  biel  fchmächer,  alö  bort  bezeichnet. 

lieber  baS  Heine  ^adjtoort  }it  meinem  Huffafe,  melcbe«  £err 
$eil  in  bie  Gartenlaube  aufzunehmen  mir  oerfprochen,  t>atte  ich 
mit  tfym  einige  unangenehme  Verhärtungen.    3$  tonnte  nicht 


410 


»ilbcrgaHeric. 


umhin,  ihm  über  feinen  Langel  an  ®cfäüigfcit  gegen  mich,  ben 
er  fo  ferner  oerlefct  hatte,  Vorwürfe  ju  machen,  bie  er  mit  einem 
Slchfetytcfen  beantwortete.  3ch  fonnte  beutlich  fühlen,  wie  hinter 
/perrn  Steil  mein  fteinb  mir  gegenüberftanb.  (£r  geijte  mit  bem 
Raum  weniger  &c\icn,  [trieb  fn'cr  ettoafi  weg  nnb  fefete  bort  etwas 
|U«  3ch  hatte  ).  33.  auSbrücflich  flefagt,  baß  bie  Sürjungen  olme 
mein  ©iffeit  gemalt  waren  unb  baß  ich  fehr  erfchraf,  als  ich 
meinen  2luffafc  fo  oerftümmelt  fanb :  ich  mußte  bieS  ftreichen  nnb 
baftir  fegen,  bie  ^ürjungen  feien  bon  ber  föebaction  gemacht, 
was,  wie  £err  $ctl  meinte,  fcfyon  auSbrücfe,  baß  fie  nicht  bon 
mir  ober  mit  meinem  SBiffen  gemad;t  feien,  ftcxnn  mufjtc  ich 
bie  offenbare  Unwahrheit  fagen,  ba§  bie  ßftrumgen  beS  belauften 
SHaumeS  wegen  gemalt  feien.  Unb  fo  noch  Ruberes.  33et  Bauchem 
aud?  behauptete  idt>  meinen  ©illen.  3$  fagte  j.  bafe  „trofe 
ber  großen  Sdmnerigfeiten  weit  bie  meiften  meiner  Urteile 
richtig  wären",  nnb  blieb  babei  ftefyen,  obwohl  §err  teil  mit 
biefem  „weit"  nicht  einoerftanben  war.  3BaS  fyatte  cS  £errn 
Äcil  $u  fümmern,  was  ich  felbft  in  meinem  Sluffafc  oon  mir 
fagte?  deicht  er,  fonbem  bie  $efer  Ratten  barüber  $u  urteilen, 
ob  icb  recht  ^abe  ober  nicht.  211s  wir  uns  enblich  oerftänbigt, 
battc  ber  flehte  9lrtifel  otel  bon  feiner  (Sin^eit  unb  Stifte  ein* 
gebüfjt.  Um  fidler  ju  fein,  bafe  er  jegt  wenigftenS  fo  bliebe,  wie 
er  war ,  trug  icb  felbft  bie  legte  (Sorrectur  in  bie  ÜDrucferei,  wo 
mir  ber  $err  Factor  beftimmt  berfteberte,  bafe  (eine  Slenberung 
mehr  ftattfinben  werbe.  ?llS  baS  Sölatt  erfchten,  fanb  icb  baS 
erwähnte  „weit"  in  „wohl"  oeränbert.  2ftit  biefem  „wohl" 
aber,  genau  betrautet,  fprach  ich  über  bie  Phrenologie  ober  über 
mieb  als  ^hrenDf°8CI1  23ernid;tungSurthetl  aus.  £)enn  ich 
felbft  j  w  ei  fette  bamit,  ob  bie  meiften  meiner  Urteile  richtig 
ober  unrichtig  wären.  Um  jur  £)älfte  richtige ,  jur  £>älfte  un- 
richtige Urtheile  $u  erhalten,  brauchen  wir  nur  ben  3ufall,  Keilte 
Söiffenfchaft.  3n  biefer  Keinen  Sache  fühlte  ich  techt  lebhaft, 
wie  mir  fein  (Gegner  ber  ^^renofogte,  welcher  ber  Sahth^t  getne 
bie  gljrc  gegeben  hätte,  gegenüberftanb ,  fonbem  ein  boshafter 
fteinb,  ber  bem  bamiebergefchlagenen  fteinbe  noch  fliegt  einen 
fchmerjhaften  Stoß  berfegt. 


Digitized  by 


©itbergatlerie. 


411 


3d>  laffe  f;ier  ba«  «eine  Wadnoort  feinen,  ba«  in  9fr.  11 
ber  Gartenlaube,  3  2öo$cn  naa)  meinem  Sluffafec,  erfa)ien. 

$nt  Skrftänbipng. 

£>ie  geehrte  föebacttcn  ber  Gartenlaube  geftattet  mir  gemtß 
einige  aufflärenbe  23emcrfungen  über  meinen  9luffajj  in  s)lx.  8 
imb  bie  frittfcfyen  Stetigen  barüber  am  <Scfyluffe  jene«  blatte«. 
SDtait  fann  niebt  au«  bem  bloßen  Söeruf  eine«  Sftanne«  auf  feinen 
ßfjarafter  fcbließen.  (Sin  Surift  fann  rea)t  mofjl  ein  2ftann  bon 
^antafte  fein,  trofe  „corpus  juris  unb  ^anbeften".  33et  einem 
TOlitär,  menn  er  etma«  Süchtige«  teiften  foll,  mn|  ba«  Söiffen 
too  anber«  „fteefen,  al«  in  feiner  @äbelfd)etbe\  ©ei  bem  topfe  6 
fagte  tety:  „metyr  üttann  be«  Sötffen«,  al«  praftifeber  Gefcfyäft«* 
mann".  Unter  bem  teueren  9lu«brucf  berftanb  tdj  in  biefem 
Gegenfafc,  rote  au«  Slllem  Kar  Ijerborgeljt,  ben  2)?ann  be«  bloßen 
(Jrroerbe«.  9iun  fyaben  mir  aber  In'er  einen  SWann  be«  Söiffen« 
bor  un«.  23ollenb«  legt  mir  mein  $exx  Krittler  ganj  unnötig 
ben  $lu«bruct  „fein  praftifcfyer  Gef#äft«mann*  in  ben  ÜWunb. 
*8et  19  fagte  i$:  „fein  SMann  be«  (Srroerbe«",  unb  meinte  ba* 
mit  na$  allem  93orau«gegangenen  einen  ÜNann,  bei  bem  bie 
3>nffraft  ftärfer  ift,  al«  ber  (Srroerb«ftnn.  dagegen  beruft  fidj 
mein  $err  tritifer  auf  bie  großartigen  (Stabliffemcnt«  be«  §errn  ft. 
ittein,  £$ättgfeit«ftnn  unb  ÜDenlfraft,  roeld&e  in  bem  Äopfe  19 
borfyerrfctyen,  erfläreu  biet  beffer  al«  (Srroerb«finn  jene  großartigen 
,f>äuf  erbauten.  —  2lbgefeljen  bon  biefen  unb  äljnlidjen  SDftßber* 
ftänbniffen  mar  idj  auf«  £>öcfyfte  überrafcfyt,  ju  erfahren,  baß  bie 
Umriffe  bon  einer  ,£mtmanufactur  fyerrüfjrten.  39ei  Ueberfenbitng 
ber  Umriffe  mar  mir  gefagt  roorben,  baß  fie  „bur$  ganj  autyen* 
tifcfye«  SD^aßne^men"  (morunter  idj  ein  ÜJWaßnefymcn  bon  Scannern 
ber  Siffenfa^aft  berftanb)  genommen  mürben,  baß  fie  bon  au«* 
märt«  ber  Gartenlaube  jugegangen,  unb  baß  id)  mtcfy  o^ne  <Sa)eu 
über  ben  (Sfyarafter  ber  ^erfßnli^fciten  äußern  fönnc.  £>ie«  ju* 
fammen,  aud)  baß  e«  gerabe  20  Umriffe  roaren,  maa^te  e«  mir 
in  Söerbinbuug  mit  bem,  ma«  ia)  in  meinen  ,,^renologif$en 
SRetfebilbern"  bon  Güttingen  erjä^lte,  nicfyt  ganj  unroafyrfcbeinlicb, 
baß  bie  ©acfye  bon  9fubolplj  ©agner  unb  einigen  ju  biefem  3roecf 


412 


SMlbergaHeric. 


bereinigten  6*etttnger  Geteerten  ausgegangen.  Da  nun  aber  mein 
£crr  ßritifer  ben  Urfprung  ber  9J?aßc  fannte,  ba  er  bebenfen 
mußte,  baß  id>  uiebt  bie^&^fe  unterste,  über  bie  ic$  urteilte, 
fonbern  nur  eine  ttnffcnfcbaftlicb  fo  unfi^ere  £inie  bor  mir  ljatte, 
fo  burfte  er  nid>t,  mie  er  getrau  fyat,  fefte  Urteile  gegen  midj 
auSfprecfyen  ober  gar  9luSbrücfe  gebraueben,  mie  ber:  „3iemlid> 
fefylgefcfyoffen,  «Sperr  Scfycbe".  2Beit  meljr  wäre,  ba  trofc  Ottern 
toofyl  bic  meiften  meiner  Urteile  richtig  waren,  ein  allgemeines 
$öort  ber  9lnerfenmmg  bon  feiner  Seite  am  ^lafce  getoefen.  — 
Sdjücßud)  unb  fyauptfäd&licfy  bemerfe  td),  baß  mein  Sluffafc  burefy 
bie  föebactton  beS  befdjränften  Staunte*  megen  bielfältige  unb 
wcfcntltcbe  Stärkungen  erfahren  fjat,  bie  in  meinen  5lugen  bem 
Xilffftfee  fobiel  bon  feinem  3Bcrt^e  nahmen,  baß  ia)  benfelben  in 
biefer  ®efta(t  nic^t  als  ben  meinigen  betrauten  fann, 
mie  aueb  bie  Ueberfä^rift  nid&t  bon  mir  ift.  SBiffenfd^aftltcr) 
SöeffereS  unb  $rünblicfyeS  finbet  ber  Vefer,  ber  fidj  für  bie  ^f)reno= 
logic  tntereffiren  follte,  in  meinen  „'ißfyrenotogifcfyen  SRetfebilbern" 
(Göthen  1863),  einer  Schrift,  bic  fidj  audj  jur  erften  (Sinfüljrung 
in  bie  "Phrenologie  looljl  eignet. 

Jufafc.  Soeben  fyabc  icfy  miefy  überzeugt,  um  eS  gerabc 
noeb  l;ier  anfügen  511  fönnen,  baß  einer  ber  $opfumrtffe,  $lx.  15 
(Slbolf  S&ttger),  mefcntlia>  unrichtig  ift.  <S$ebc. 


?tußer  biefem  flehten  9cacbh>ort  totfl  i$  ^ier  nod)  SÖenigeS  fu'n= 
gufügeu.  9ttetn  unberufener  $rittfer  in  9er.  8  ber  Gartenlaube 
geigte  fiefy  fo  äußerft  fcfytoacfy,  alles  pfty$ologifd)cn  UrtljeilS  fo 
gänzlich  bar,  baß  man  Ijiernacfy  in  iljm  eljer  einen  £aien,  als 
einen  2flann  ber  Siffenfcbaft  bermuttyen  follte.  Allein  biefer  2$cr= 
mutlnmg  fteljt  bie  £fyatfa$e  entgegen,  ber  man,  um  fic  ju  glauben 
ober  ju  berftefycn,  fo  oft,  tote  id?,  im  tfeben  begegnet  fein  muß, 
bie  Xfjatfad&e,  baß  Männer,  bie  in  anberen  SBtffenSjmeigen  für 
fetjr  tüdUtg  gelten,  oft  gättftttg  ummffenb  unb  befc&ränft  in  #e$ug 
auf  ©eifteSfenntniß  finb.  3$  finbe  oft  bei  bem  erften  beften 
Vaien  ober  bei  einer  Dame  me^r  Sßcrftänbniß  l>foa>logifc$er  Söaljr* 


Digitized  by 


«tlbcrgatteric. 


413 


Reiten,  als  bei  manchem  berühmten  ©elehrren,  befonberS  materia* 
liftifdjer  ftächer.  (§S  fann  j.  feine  einfachere  ptychologifche 
Sahrfjeit  geben,  als  bie,  ba&  jeber  9ftenfdj,  n>ie  alle  Körpergliebcr, 
fo  alle  ®runbftäfte  bcS  Reifte«  befifet,  bap  btefe  ®rimbfräfte  bei 
ben  einzelnen  2D?enfä)en  verschieben  ftarf  ftnb,  baft  aus  biefer  ver* 
fdüebencn  <3tärfc  bet  ($runbfräfte  bie  33erfchtebenhett  bet  menfefy- 
ticken  (S^ataftete  hervorgeht,  nnb  bafc  bie  $enntni$  bes  (SfyarafterS 
eines  SRaiftyeu  batauf  beruht,  möglichft  genau  $u  Riffen,  mie 
ftarf  ober  f#n>ad)  bei  i^tn  jebe  ®runbfraft  gegen  jebe  anbete  ift. 
Mein  es  begegnet  nur  täglich,  baß,  wenn  ich  bei  etnev  pfytcno« 
logifd;en  Unter [udjung  eine  ®runbfraft  gtemlich  ftarf  nenne,  biefes 
Söort  ins  SWunbc  bes  Unterrichten  in  ber  nächften  SDttaite  fich  in 
„  ftarf in  ber  nächften  Stunbe  in  „fehr  ftarf",  am  anbern  läge 
in  „ungeheuer  ftarf"  venvaubelt ;  ebenfo  tvenn  id?  einen  (Sinn 
mittelmäßig  nenne,  fo  verioanbelt  fieb  biefeS  in  „fdniKich in  „fehr 
fdnvach",  in  „nicht  vorhanben".  ©anj  biefetbe  Unnnffenfyeit  ober 
(Sebanfenlofigfeit  finbeu  nur  bei  meinem  Kritifer.  9tteiu  Urtheil 
bei  bem  Kopfe  6 :  „mehr  ÜJianu  bcS  ÜBiffenS,  als  praftifdher 
fchäftsmann ",  venoanbelt  er  in  „fein  praftifcher  ®efchäftsmann". 
Iber  noc^  gebanfenlofcr  jetgt  er  fich  barin,  baß  er  glaubt,  vom 
Berufe  eines  ÜJianneS  auf  beffen  beftimmte  (Stjarafterjüge  fd;liej$eu 
$u  fönnen.  Sebermann  weiß,  weil  er  CS  täglid?  vor  klugen  fielet, 
baß  bie  (Sfjarafterjnge ,  Neigungen  unb  2etbenfd)aften  nicht  nach 
ben  SöerufSarten  unter  bie  2)Jenfchen  vertbeilt  fiub,  bafe  oft  ein 
Kaufmann  Liebhaber  ber  9Kalerei,  ein  3urift  9)hifif  f  reunb ,  ein 
<Solbat  SMdjter  ift  :c.  9Uir  ein  Kiub  fönnte  glauben,  ber  Kauf- 
mann beute  nur  aus  (frtverben,  bet  Soloat  mit  ans  Kämpfen, 
bet  3utift  mit  an  feine  ^toceffe.  2öie  fann  batjer  mein  Kritifer 
meine  ftuftfage,  baß  ein  Gurift  ^hantafic>  cm  SDKßMta  u>iffen= 
fchaftlichen  Sinn  habe,  von  vorn  herein  &um  Srrtlnim  ftempcln? 
ÖS  erflärt  fid;  bieS  nur  aus  feiner  (^ebanf enlof igt eit  auf 
bem  ihm  ganj  uubefannten  SiffenSgebiet.  ^Jiicht  viel  vcrftänbtger 
ift,  maS  er  über  §errn  ftelfche  fagt,  beffen  „großartige  (Stabtiffe* 
mentS  unb  £äuferbauten"  er  nia)t  anberS  als  burch  beffen  (Sr* 
tt>erbsfinn  ju  erflären  u>ei{j.  Dies  ift  gerabe  fo,  tote  mich 
einmal  3emanb  fragte,  ob  niebt  Napoleon  einen  enormen  (£rioctbS* 


414 


SMIbfrgaHerie. 


fhttl  befeffen  fyabc,  ba  er  ein  fo  unerfättticher  Eroberer  getoefen. 
3d;  habe  £errn  tfetfehe'«  &opf  unterfuebt  unb  mich  überzeugt, 
bafc  ber  Em>erb«finn  in  ber  £fyat  fein  ^erborragenber  £ug  bei 
ihm  ift.  £err  ftetfebe  ^fltd^tctc  mir  hierin  bollftänbig  bei  nnb 
geigte  ungleich  mehr  ©erftänbmjj  in  biefer  Sache,  al«  mein  tritifer. 
„3ch  haDe"/  fagteer,  „bei  bem,  loa«  ich  machte  unb  toi e  ich  e«  maebte, 
nie  ba«  ®elb  geartet,  id?  würbe  fonft  (er  nannte  eine  gute 
Summe)  mehr  im  haften  h«ben.  ■  £)er  ÜDJenfch,  bei  meinem  ber 
(Srtocrbäfmn  oorherrfcht  ober  ber  §auptgrunb  jur  X^ättgfctt  ift, 
giebt  feinen  Pfennig  über  ba«  Wothwenbigc  ober  ba«  fieser  ®e- 
winnbringenbe  an«.  ^Dagegen  üegt  e«  bem  2$erftänbnijs  fo  natye, 
ba&  ber  thatfräftige  SDtaifö  auch  burdt)  bie  ftreube  an  feinen 
Schöpfungen  fefbft  gut  Efjätigfeit  getrieben  werben  fann,  wobei 
natürlich  aua)  ber  <5rwerb«finn  mttfprtcht,  ber  ja  fo  gnt  wie 
jeber  anbere  @hm  bei  feinem  2ttenfc$en  fe^tt.  —  tiefer  Un* 
wiffenheit  nnb  ®ebanfen(oftgfett  meine«  tritifer«  fommt  nur  nod> 
ber  $ochmuth  unb  bie  9hnnafcung  gleich,  womit  berfelbe  gen>agt 
l;at,  bie  Urteile  eine«  SJianne«,  welcher  fein  ganje«  Sebcn  im 
StubUlm  ber  praftifchen  ®eiftc«lehre  Eingebracht  fyat,  im  Jone 
ber  Unfehlbarkeit  unb  bc«  Spotte«  $u  fritifiren.  SDiefer  Jon 
allein  würbe  jum  SÖeweifc  genügen,  bafj  £err  $eil  unb  fein 
Sccretär  btefe  ftritif  nicht  gef ^rieben  haben. 

Schließlich  füge  ich  hier  noch  bie  für  bie  ganje  oortiegenbe 
Saa>  r>oc^ft  wichtige  öemerfung  bei,  bafc  idt>  mid)  überzeugt  habe, 
bafe  nicht  blo«,  wie  bereit«  erwähnt,  bie  Umriffe  2  unb  15  (*öocf 
unb  ©öttger),  fonbern  auch  19  (§crr  ftelfche)  unrichtig  finb. 
2Mm  legten  Umriß  ift  bie  Einbiegung  am  Seitenfopfe  biet  ju 
ftarf ;  ber  Unterfc^ieb  gegen  bie  mirfliche  topfgeftalt  (in  ber  natür* 
ticken  (Sköße)  beträgt  beftimmt  mehr  al«  einen  falben  $oü. 
£)urch  eine  Photographie  bom  SOitniftcr  bon  galfenftein,  bie  ich 
fürjlich  gefeljen,  babc  ich  wich  auet)  bon  ber  Unrichtigfeit  be« 
Umriffe«  12,  wa«  ben  Stirnbogen  betrifft,  überzeugt,  ^(uet)  bie 
ttopfgeftalt  (Sufefon)'«  glaube  ich  genau  genug  im  (&ebäcbtnij$  gu 
haben,  um  bon  ber  Unricbtigfeit  be«  Umriffe«  3  (an  ber  Seite 
be«  SSorberfopfc«)  überzeugt  gu  fein.  S)ie  übrigen  topfe  finb 
mir  tyeil«  nicht  befannt,  theil«  erinnere  ich  mich  ty***  ™fy  Qanl 


Digitized  by  Ooc 


Söifberßaacrtc. 


415 


genau.  Slbcr  ich  fchliefec  au«  tiefen  fünf  ©eifaielen,  bajj  alle 
Umriffe  (wenn  aitdb  biclleicht  fein  anberer  in  bem  ®rabe  wie  15) 
*  mehr  ober  minber  wefentlich,  b.  h-  um  mehr  ober  weniger 
ba«  ^wnofogifd>e  Urzeit  gu  beränbern,  unrichtig  finb.  £>ajj 
trofebem  weitau«  bie  meiften  meiner  Urteile  gntreffeUb  fein  Tonnten, 
finbet  in  ber  großen  (5ntf  chicbcnhcit  ber  phrenologtfcben 
Sföahrheitcn  feine  (Srftärung.  Unrichtigkeiten  bon  einem  falben 
$otf  finb  am  @nbe  ba  bou  einem  untergeorbneten  Gelange,  wo, 
wie  in  unferen  Umriffen,  Unterfchiebe  bon  einem,  bon  ^wei,  ja 
bon  brei  3oll  ($.  Sd.  jtüifcbcn  1  unb  13)  oorliegen. 


Da  bon  ftex  ab  meine  Sache  mit  ber  (Garteulaube  räum 
noc^  wtfienfdjaftfictyeS  Sntereffe  fyat,  fo  will  ich  nur  ganj  faq 
ben  Verlauf  erjagen.  Da  fich  £>r.  teil  (29ocf)  gegen  mich  }ti 
gar  nicht«  berftanb,  mußte  ich  unoerrichteter  Sache  bon  Seidig 
abreifen.  5öenu  ich  auch  "l  meiner  5rtcbeu«liebe  ben  (Streit  auf 
fich  hanc  Truhen  (äffen  wollen,  fo  war  bie«  boch  ber  äufcerft  ge* 
febäbigten  ^lym^^A^  wegen  nicht  möglich-  ®  blieb  mir  baher 
nicht«  anbere«  übrig,  af«  ba«  (Ganjc  ju  oeröffentüchen,  unb  ich 
fchrieb  ju  biefem  3^°^  eutc  ^CU1C  Schrift  unter  bem  Xitel: 
„Die^h^Nokflic  unb  bie  (Gartenlaube.  (5tue  Ittcrarifche  ftä'lfchung«* 
gefchichte,  erlebt  unb  erjagt  bon  (Gnfta*  Schcoe",  in  welcher  ich 
ben  unberftümmeltcu  Kuffafe  neben  bem  oerftümmeltcn  mittheilte, 
unb  alle«  babei  Vorgegangene  erzählte.  Drei  föecht«gelehrte, 
welchen  ich  M«  bor  bem  Drucf  in  einigen  (^cmplarcn  abgesogene 
Sd>rift  oorlcgte,  beruhigten  mich  barüber,  baß  £r.  fceü  nicht 
etwa  ber  Verbreitung  ber  Schrift  gerichtlich  £unbemiffe  entgegen- 
fefcen  ober  flagenb  gegen  mid;  auftreten  fönne.  (Iriner  ber  §erren 
gab  mir  ein  fchriftlicbe«  Gutachten  bahin,  bap  „gwar  bie.  2(u«- 
brüefe  fcharf,  aber  ganj  ber  Sache  angemeffen  feien,  unb  baj?  ich 
nicht  ju  fürchten  habe,  barüber  mit  ben  (Gerichten  in  GEollifion 
ju  fommen".    Allein  ich  wtt  bem  Drucf,  weil  ich  h°fftc> 

bod;  vielleicht  noch  «*f  frieblichem  Söegc  mein  3iel  erreichen  gu 
tonnen,  unb  weil  bie  Veröffentlichung  ber  Schrift  nur  mein  lefcter 


416 


©ilbergaflerie. 


unb  äufecrfter  Schritt  fein  burfte.  9(uch  war  ich  £rn.  fteil  bte 
tlnmlichfte  Schonung  fdudbig,  mcil  nicht  er,  fonbcrn  ©od  bei 
Schulbigc  war.  Sic  £r.  Keil  $u  ©od  ftanb,  fonnte  er  fid; 
beffen  Stritten  gegen  mich  fanm  wiberfefeen  unb  n>ar  fo,  ofjue 
recht  ju  wtffen  wie,  $u  ber  für  itni  fatalen  Sache  gefommen. 
3ch  fdn'cfte  baljcr  £>rn.  Äeit  ein  (£remplar  ber  «Schrift  jn  unb 
fa)ricb  ihm,  wie  höchft  ungern  ich  btefelbe  beröffentlichen  würbe, 
unb  wie  leidet  c$  für  itju  fei ,  ba$  an  mir  unb  ber  ^fyrenologie 
begangene  fchwere  Unrecht  mieber  gut  311  machen  unb  babureb  bic 
Veröffentlichung  ber  Schrift  ju  oerhinbern.  3ch  bat  bafür  nur 
um  bie  Aufnahme  einiger  8uff%  über  Phrenologie  in  bie  ®arten= 
laube,  unb  —  wie  ich  »A<h  reiftiebfter  Uebcrlegung  hin3ufügtc, — 
um  eine  pecuniäre  (Sntfchäbigung  für  bie  pecuniären  Verlufte,  in 
bie  er  mich  gebracht.  3<h  habe  mir  nämlich  ben  ferneren  Vor* 
murf  ju  machen,  bafe  ich  gewöhnlich  bie  ®clbfrage  au&er  Sicht 
laffe,  ba  ich  auf  *>a$  ®elb  ju  wenig  $ßerth  lege.  ((Sin  Ver= 
mögen,  ba$  ich  toon  4>au1c  gehabt,  berlo'r  ich  baburch.)  3ch  ^icCt 
e$  baher  für  eine  Pflicht  gegen  mich  felbft,  hier  bie  ©elbfragc 
nicht  unberührt  ju  (äffen ,  ba  ich  berausfefcte,  bafj  eä  £>rn.  Äeit 
ein  Vergnügen  fein  würbe,  einen  annen  belehrten,  ben  er  in 
Verlegenheit  gebracht,  barauö  ju  befreien,  (*$  mar  ja  auch  fclbft* 
uerftäublich ,  bafc  ich  ben  Setrag  einer  ßntfehäbigung  nicht  be* 
ftimmen  fonnte,  fonbem  bieä  feinem  Silligfeitögcfühl  anheimgeben 
muffte.  Uebrtgen«  mar  meine  Schrift  mefeutttch  auch  für  $ocf 
berechnet,  inbem  ich  einem  Anhang  bie  Siberlegung  £tyrtf« 
(unb  ©cd'«)  au«  meinen  „^eifebilbern"  aufgenommen  ^atte  ^  fo 
baß  bie  Veröffentlichung  ber  Schrift  für  Söocf  noch  unangenehmer 
gewefen  märe,  als  für  £>m.  ftett.  £>aher  Reffte  ich  faf*  hwcx' 
fichtlich,  bafc  c8  ber  ^ufpradjic  be$  Aprn.  $eil  gelingen  merbe, 
23otf  jur  (£inwilltguug  in  bic  Aufnahme  einiger  p^reii o( o.qifc^ev 
?(uffäfec  in  bic  ©artenlaube  311  beftimmen.  Sahrfchciulich  wäre 
ctf  auch  fo  gefommen  unb  Ellies  gut  geworben,  wenn  nicht  £>r. 
kc'xi,  ehe  er  einen  (fntfchluB  faßte,  baffelbe  gethan,  maß  ich  that' 
baj?  er  fich  bei  ben  9techt$gclebrtcn  föath«  erholte.  Dicfe  aber 
waren  $ufätlig  anbercr  Anficht  al«  meine  föathgeber.  £r.  tfeil 
flagtc  nämlich  gegen  mid>  wegen  Söcleibigung  unb  (^rpreffung. 


Digitized  by 


©Ubergatterie. 


417 


(5r  mürbe  jtuar  ton  bcm  Bericht,  an  ba«  er  ftch  juerft  manbte, 
mit  feiner  Älage  abgemiefen  unb  feine  Älaggrünbe  al«  nichtig 
bezeichnet,  mie  ich  mit  (Genugtuung  fpäter  in  ben  bieten  la«. 
aber  bei  einem  anberen  (Gericht  fanb  er  großenteils  (Geh&r: 
benn  ich  rourbe  megen  Söeleibtgung  in  eine  (Gelbftrafe  (fobtcl  mir 
erinnedid?  etma  20  %tyx.)  unb  megen  „kJi5t(;igung  ■  (meil  id)  $tit. 
Äeil  ju  Grtma«  hatte  nötigen  motten)  $u  10  Jagen  (Gefängniß 
serurtheilt.   2J?eine  Schrift  mürbe  bermdhtet. 

90?an  muß  befanntltch  beim  föecht,  mie  bei  allen  anberen 
fingen,  ba«  Steuere  unb  ba«  innere,  bie  ftorm  unb  ba«  üföefen 
untergeben.  (Sin  ritterliche«  Urteil  fann  äußerlich  ba«  ^ß#e 
föecht  unb  innerlich  ba«  fyikbfte  Unrecht  fein.  (Suromum  jus  — 
summa  injuria!)  3a)  milt  nicht  behaupten,  baß  id)  in  ber  bor- 
liegenben  Sache  unbebingt  ba«  f&rmlidje  9Jed)t  auf  meiner  Seite 
hatte,  baß  ,j.  53.  in  meiner  Schrift  nia)t  21u«brücfe  untertiefen, 
bie  man  für  Söelcibigungen  fyatten  fonnte.  9)?an  fagt  mir  5.  33., 
fd)on  ber  Xitel  w^ätfd)ung«gefd)id)te"  fönne  al«  Söeleibigung  gelten. 
Senn  nun  ein  9fiä)ter  biefer  S(nfiä)t  mar,  fo  tonnte  er  mtd) 
aud)  megen  ©eleibigung ,  bie  ba«  (Gefefe  berbietet,  berurthcilen. 
(5«  mar  bann  meine  Sd;ulb  gemefen,  baß  id)  mich  nicht  beffer 
unterrichtet,  unb  meine  Schrift  nicht  ftatt  breien  fech«  9Jed)t«^ 
gelehrten  borgelegt  t^attc,  bon  benen  boch  bieüeicht  einer  mich  auf 
bie  9)ttglichfeit  jener  Anficht  aufmerffam  gemacht  hätte.  3a  id) 
mußte,  bon  biefem  (Geficht«punft  au«,  mit  meiner  milbeu  5*c- 
ftrafung  fc^v  aufrieben  fein,  £>enu  menn  ba«  (Gcfefc  bie  „Wfftyi* 
gung*  eine«  9)fenfchen  ju  einer  £anbtung  al«  ein  Vergehen  mit 
Strafe  belegt,  fo  mar  für  mein  ttorlicgenbc«  gleichfam  boppelte« 
Vergehen,  —  ich  hatte  ia  ui^t  blo«  £>rn.  ileil  nötigen  motten, 
fonbern  ihn  auch  fcerfüfyren  moüen,  baß  er  feinerfeit«  33ocf  nöthige, 
—  fo  mar,  fage  icb,  jelm  Xage  (Gefängniß  bafür  nur  eine  milbe 
Strafe.  Slud?  tyattc  ber  Anmalt  be«  Jprn.  tfetl  gegen  mich  auf 
w  Grrpreffung "  geflagt,  unb  meil  mein  ?lnfuchen  um  eine  bliebt 
bon  mir  beftimmte  unb  ju  beftimmenbe)  (Gclbentfchäbigung  fich 
nicht  fo  gang  ju  biefer  Auflage  eignete,  fo  hatte  er  abgeführt, 
baß  ich  bie  Aufnahme  „einiger"  ttuffäfec  in  bie  (Gartenlaube  ge- 
forbert,  „bereu  Honorar  eine  niebt  unbeträchtliche  Summe  aUÄ- 
S^etie,  UDrenoIogifdje  «Über.  3.  Wufl.  1  27 


418  Stfitbcrjiallcrie. 

# 

gemacht  hatte",  taß  ich  alfo  tiefe  Summe  ton  ,\;>rn.  Mctt  ^abc 
„  erpreffen "  wollen  <!).  £$eun  tcr  Siebter  tiefer  ^cebft  finnreichen 
Anficht  beigepflichtet  uut  mid>  wegen  (irpreffung,  tie  taS  (55cfe(5 
fc^r  ftreng  beftraft,  $u  einem  ober  jroei  fahren  ©cfängniß  bet* 
urteilt  fyäite,  fo  tyfttte  ich  über  tiefen  Wicbtcrfpruch  als  gegen 
bat  »fo*  tätliche "  $ed?t  oerftoßenb  mich  nn$t  beftagen  tonnen. 

9)Jcine  A^antlungswcife  in  btefer  ganzen  2acbc  £tit  Heil 
gegenüber  war  nicht  nur  in  feiner  2Bc*fc  ftrafbar,  foubern  fic 
terbiente  nicht  einmal  ben  geringsten  Vorwurf,  fic  tvar  turchauS 
tabelloS.  3d;  fann  ttc«<  behaupten,  olmc  bamit  ein  bcfonbcreS 
Vob  meiner  fclbft  auSjufprechen :  benn  wie  bie  Sache  tont  Stnfang 
an  ftanb,  mußte  ich  ftrt*  «wf  eine  Veröffentlichung  beS  (Jansen 
gefaßt  fein  lmt  War  barauf  gefaßt,  fo  baß  alfo  ber  leifefte  Xatef, 
tcr  mich  wegen  eiltet  Schrittes  traf,  mir  mehr  hatte  febaten 
muffen,  als  ber  Sd?ritt  fclbft  mir  nü^en  fenntc.  5luf  ber  anbeten 
Seite  beging  ,\>r.  Heil  gegen  mid>  eine  ffieihe  von  £>antluugcn 
(ober  liefe  fic  begehen),  welche  mich  m  meinem  pcrfönüdjeu  unb 
wiffettfcbaftlid;en  Sntereffe  ftarf  verlebten  unb  freu  fd;werftcu  Xatcl 
oertienten.  JÜJenn  wir  taljcr  nach  bem  Siefen  tcS  Wcd;tcs  oter 
nach  bem  »echte,  wie  cS  fein  feil,  fragen,  wenn  mir  fragen,  mic 
ber  Urthcil^fpruch  tes  Md>tcrS  gegenüber  ber  Klage  tcS  ."Tun.  Heil 
lauten  mußte,  fo  mußte  tiefet  unbetiugt  mit  feinet  Klage  ab* 
gemiefen  werben;  ber  Siebter  mußte  ju  Unu  fprechen :  bu  ^aft 
tem  ©eflagtcn  großes  Unredjt  gethan,  Um  fehwer  Beriefet:  was 
et  gegen  tid>  tyat  otet  thuu  wollte,  baß  et  betn  benehmen  gegen 
Um  öffentlich  erzählte,  war  nur  ein  Umt  allein  übrig  gebliebener 
Sdjritt  ber  "Jcothwchr,  ben  er  fich  uut  feiner  3&iffcnfchaft  fchulbig 
)U  fein  glaubte,  unb  ber  an  fid;  iüd)tö  Unrechtes  war.  9)iögcn 
bie  Slusorücfe  in  ber  Schrift  etwas  fdwrf  fein,  fo  finb  baS  boeb 
nur  fcharfe  &5ortc  gegen  beinc  fdjarfen  ftanbtagen,  unb  fefyr 
tjcr^cihlid;.  Sutern  bu  mich  um  bic  Vernichtung  ber  Schrift  an* 
gehft,  forberft  bu,  tafe  id;  rieh,  ben  Uebclthätcr,  belohne,  unb 
teilten  (Segnet,  tcr  nichts  UcbleS  gctl;an,  beftrafc.  s)cein,  fo  gcl)t 
es  in  ber  „rerf  ehrten  föeft*  ju,  aber  bei  uuS  ift  ber  dichter 
nicht  ba,  um  Uttgcrccbtigfcit ,  fottbern  um  6ercd?tigfett  311  üben. 
Vollcnts  aber  ift  tie  3d;rtft  noch  nicht  erfebienen,  bic  3Mcibigung 


Uigitized 


by  Googl ; 


Silfccrflatterie. 


419 


nod>  nicfyt  jnr  £fyat  gemorben:  c«  ift  rücffid;t«ooll  bon  beinern 
(Gegner,  ba§  er  c«  in  beine  vSpanb  legt,  bie«  jn  oerljinbern, 
inbetn  bn  ilnn  für  ba«  ©cfcfyefyene  geregt  wirft  nnb  feinen  be* 
fcfyeibenen  SBünfcben  nacfyfommft.  9llfo  nic^t  meine,  be«  9tid)ter«, 
3ad>e,  fonbern  beine,  be«  Kläger«  felbft,  @a$e  ift  e«,  bcn  (Segen* 
ftanb  ber  ftfoge  51t  entfernen,  ben  Streit  bnrcfy  ein  billige«  2tb- 
Kommen  s«  fäftyten. 

Die  ^Phrenologie ,  welche  und  ben  inneren  sJ0ienfd>cn  nnb 
bie  wahren  $3emeggrünbc  feine«  Xtnm«  nnb  Vaffen«  feinten  tel;rt, 
lcnjt  nn«  int  Veben  überall  ba«  Sefcn  bon  ber  ftorm  unter* 
fdjeiben  nnb  bringt  babnrcfy  Mtar^cit  in  alte  menfcblidj>en  $er* 
tyciltniffe.  Sfiknn  fie  cinft  allgemein  gefonnt  fein  wirb,  fo  wirb 
ba«  menfd;lid>e  Veben  weniger  al«  {efct  ein  oberflächliche«,  ein 
Scheinleben  fein,  wirb  weniger  al«  jejjt  bie  ändere  ftorm  eine 
Wolle  fpielett,  werben  \.  23.  richterliche  Urtfycilc,  wie  ba«  hier 
befprochene,  meiere  bie  fterm  be«  9?e0t6  haben,  aber  mit  feinem 
Siefen  im  &>iberfprnd;  ftetjen,  weniger  leid?t  möglich  fein. 

M)  l;abe  nod;  fd?liejjlid>  ju  berid;tcn,  »a«  an«  meiner  $elnt* 
tägigen  ®efängiiifeftrafe  geworben.  SOian  fagte  mir,  ich  fönne 
mid;  mit  einem  ®nabengefnd>  an  ben  Ütfnig  menben,  bajs  er  bie 
®efängnij3ftrafe  in  (Mbftrafe  nmmanblc  ober  fie  mir  and>  gan$ 
erlaffe.  3d?  glaubte  nicht,  mir  etwa«  ju  bergeben,  trenn  ich 
biefer  ^Beijnng  folgte:  benn  gerabe  für  bie  Salle,  wo  ba«  l;oc^fte 
Stecht  311m  fyöcfyften  Unrecht  geworben,  fa^eint  mir  bie  Önabe  bc« 
Zeitig«  paffenb  einzutreten.  Doch  bat  ich  in  meinem  ®efncf> 
«ict)t  um  bie  Unnoanblnng  ber  (^efängnißftrafe  in  ®elbftrafe, 
weil  id;  babnreh  meine  Söeftrafnng  al«  gerechtfertigt  anerfannt 
hätte,  fonbern  id;  begrünbete  ba«  ©nabengefnd;  fo,  bafj  ich  bie 
Ungercdnigfeit  meiner  Söcftrafnng  nad^nwetfen  fnd;te.  Da  tdt> 
natürlich  and?  auf  bie  s)iid)terfülfimg  meiner  23itte  gefaxt  fein 
mußte,  fo  fdnoelgte  ich  für  biefen  ftall  fehon  im  iBoran«  in 
meinem  9)färttyrertt;um ,  nnb  nalmt  mir  oor,  bie  ©efanfjmfj- 
ftrafc  bann  jebenfall«  in  l'cipjig,  wo  ba«  Urteil  gefprod>cn 
mar,  $u  bcftcl;cn.  ÜDian  mnfc  l^eut^utage  wegen  feiner  lieber* 
$cngitng  nicht  mcf;r  ben  Scheiterhaufen  befteigen,  aber  noch  in« 
(9cfängni§  manbern.    3d)  ocrglidj  mid>  in  meiner  inneren  23e 

27* 


420  '  «ilbergatlerie. 

friebigung,  fftt  bie  Saf/rtjeit  )u  leiben,  mit  ®ocf,  inbem  ic$ 
mid?  in  feine  Seele  backte.  <5r  toeifc  ebenfo  gut,  mie  id>,  ba§ 
bie  Söafyrljeit  betn  SOianne  ber  Sötffenfcfyaft  ba«  $%<b)te  unb 
§eiligfte  fein  muß:  aber  gcrabe  »eil  er  bie  'pfjrenologie  als 
iBatjrljeit  fennt,  ljafjt  unb  rerfolgt  er  fie.  3>er  $enig  bermam 
belte  meine  ($efängntjjftrafe  in  eine  ®elbftrafe  r»on  fünf  £&alern, 
'  bie  tefy  beim  audj  erlegte,  obgletd^  id&  mir  babureb  melletcfyt 
etma«  bergab. 


Ueber  bie  im  ^orftebenben  oft  ernnibnten  Streidmngen,  fo  über  bie 
©teUe  <S.  412:  „baß  mein  Xttffdfc  burd>  bie  9iebaction  be«  befdjränften 
Staunte«  wegen  toielicUtige  unb  wefentlicbe  Ättr^ungen  erfabren  bat",  babe  icb 
eben  fcor  bem  2)rucfe  ton  einem  ©adjtterftänbigen  eine  Hufflärnng  erbalten, 
bie  idj  bier  gerabe  nodj  fürs  wie  folgt  erhabnen  fann.  ©treidmngen  in  einem 
Sluffafc  im  3ntereffe  ber  (Sadje  ober  ber  ?efer  erlaubt  fidj  jeber  JRebacteur 
eine«  blatte«  unb  muß  fie  fta)  (wo  nieb,  t  Rubere«  fcorbebalten  ift)  erlauben 
bürfen,  weil  er  barin  gewöbjilid)  einen  nötigeren  $licf  bat,  als  ber  Ser- 
faffer  felbft.  Mein  (Streidmugen,  bie  nia>t  im  3ntereffe  ber  ©adje  ober  ber 
fcfei  liegen,  bie  möglicher  i&eife  einen  fluffafc  febäbigen  fönnen,  alfo  ®trei 
dringen  ,,be«  beftbjänften  Stoumc«  wegen"  fmb  in  einem  statte  fcon  ber 
9Irt  unb  bem  Umfang  ber  ©artenlaube  gar  nidjt  beul  bar.  märe  aueb, 
wenn  e$  märe,  ein  fdjled)te$  Job.  Xa  ftnb  nidjt  nur  bie  me&rfadjeu  "Jluf 
fäfce  mit  Sortierungen,  Wo  e«  fid>  nid)t  um  ein  @treid)en,  fonbern  um  ein 
"Abbrechen  banbelt,  fonbern  bie  9iebaction  bat  aueb  immer  mehrere  Keine 
©adjen  jur  $anb,  bie  fie  am  ©djluffe  giebt  ober  nidjt  giebt,  wie  gerabe  ber 
nod)  }u  füflenbe  SJaum  e«  erforbert  ober  julüfjt. 


Digitized  by  Google 


XX. 

Sur  |)rüfung  der  jMirciiuluyic. 

|Ln  jjerrn  >rofe(]Tor  üitdjom! 

SBcc  gab  bem  Sieget  ba«  geflachte  £>atqjt, 
3Bet  wölbte  $Iaton'«  iiniic  6ttcne? 

Slugufi  bon  $latctt. 


©eftatten  «Sic  mit  freunbttcfyft,  oereljrtefter  £>err,  eine  Hüffen* 
fcfyaftltcfye  Sitte  an  Sie  ju  ridbten,  toelctyer  ein  einteitenbc«  58ort 
oorangefyen  möge. 

2J?an  fyßtt  oft  bie  ^Phrenologie  ein  Softem  nennen.  £>te« 
ift  fo  unrichtig,  al«  wenn  man  bie  (Sljemie  ober  bie  ^Ijtyftf  ein 
Softem  nennen  wollte.  ÜDie  Phrenologie  ift,  rote  jebe  anbere 
^aturunffenfebaft ,  eine  roiffenfctyaftlicfye  Sammlung  bon  Xljat; 
fachen.  Da^cr  tonn  man  auc$  bie  Phrenologie  fo  menig,  al« 
3.  $3.  bie  tymk,  bto«  an«  ©uc^ern  fennen  lernen,  ober  au« 
Söüdjern  ein  Urteil  über  fic  gewinnen.  3ur  ©eurtfjeilung  ber 
Phrenologie  befähigt  nur  bie  Äenntnifc  ihrer  ^atfac^en. 

£)ie  ^^renologie  ift  in  SDeutfcfyfanb  noch  menig  gefannt. 
Unter  Rimbert  9J?ännern  ber  Sßtffenfcfyaft  OJlaturforf  ehern,  Ph^0* 
foppen  je.)  finb  oieüeid^t  jeljn,  welche  ein  ptjrenotogifcfye«  3öevt 
gelefen  haben,  deiner  bon  ben  bielen.  beutfehen  (belehrten,  welche 
ich  fennen  gelerot,  ^atte  <M  getefen.  2Bie  feiten  finb  biejenigen, 
welche  bie  Phrenologie  praftifch,  in  ihren  ^atfac^en,  fennen! 


Digitized  by  Google 


422 


3itr  Prüfung  fcer  ^(jrcnologtc. 


(Gleichwohl  fyöxt  man  allgemein  übet  bic  Phrenologie  ur- 
theilen.  3cf>  bin  noch  (einem  (Gelehrten  irgenb  welchen  gadjeS 
begegnet,  welcher  fidb  nid>t  eine  mehr  ober  weniger  entfebtebene 
2(nficbt  über  bie  Phrenologie  gebildet  hatte.  X^iefe  5lnftct)teii  finb 
unenblicb  mannigfaltig  unb  reüben  ton  ber  febroffen  Verwerfung 
bi«  nix  helfen  2tnerfennung. 

Die  Slnerfennung  ober  bic  Verwerfung  ber  Phrenologie  [teilen 
nicht  in  S3e$iehung  ju  beftimmten  wifjenfd>aftlichcn  fächern  ober 
311  latent  nnb  (Seift,  äöie  ber  tücbtigftc  «13t,  ber  gro§tc  philo* 
fop^  bie  Phrenologie  möglicher  SBeifc  nicht  tauten  faitn,  fo  finb 
unter  ben  ?lerjten  unb  philofophen,  unter  ben  gctftbollftcn  nnb 
ben  geiftlofeften  Scannern  einige,  welche  bie  Phrenologie  anerfennen, 
anbere,  welche  fie  berwerfen. 

Die  nnbebingte  9lnerfcnnung  ber  Phrenologie  W  f°  fetten, 
al«  bie  nnbebingte  Verwerfung.  SWan  fytxt  feiten  fagen:  an  ber 
Sß^rcuologic  ift  5Nicht«  wahr,  ober  Mc«  wahr,  fonbern  gewöhnlich: 
an  ber  Phrenologie  ift  wenig  Lahres,  manche«  $Öahrc,  bicle« 
Safyrc.  2Ber  aber  fo  bie  Phrenologie  t^citweife  wahr,  thetlwcife 
irrig  nennt,  tommt  in  Verlegenheit,  wenn  er  ba«  SBahrc  unb 
ba«  3rrigc  in  ihr  beftimmt  bezeichnen  foll. 

Ungeachtet  biefer  unflaren  Stellung  ber  meiften  belehrten 
jur  ^Phrenologie  zerfallen  biefe  im  SlUgemcinen  nur  in  zwei  Staffen: 
In  (Gegner  unb  in  Anhänger.  Denn  weil  bic  Urteile  über  bic 
Phrenologie  nur  au«  allgemeiner  Veruuithung  hervorzugehen  pflegen, 
fo  geftalten  fic  fich  —  bei  aller  Unbeftimmtheit  im  (Sinjelncn  — 
boch  im  (Ganzen  unb  Slllgemeinen  jur  Parteianficht  für  ober  gegen 
bic  Phrenologie. 

gür  Diejenigen,  welche  wenig  ober  nicht«  bon  ber  Phreno* 
(ogic  wiffen,  liegt  beren  Verwerfung  am  nächften.  Denn  ber 
(Gegenftanb  ber  Phrenologie,  ber  unfiebtbare  mcnfchlid;c  (Seift, 
fcheint  einer  ftreng  wiffenfc^aftlichen  Unterfucbung  faum  $ugänglicb 
ju  fein,  lieber  ben  (Seift  unb  feine  9iatur,  feine  mancherlei 
Gräfte,  feinen  3ufammcnhang  »tt  kern  Körper  «.  fann  man, 
fcheint  e«,  Wohl  rtilofo^ircn,  Vermuthungen  anfftellen,  Dicfc« 
ober  3ene«  glauben,  aber  nicht«  23eftimmtc«  wiffen.  Sluch  finb 
ja  —  fo  hott  mau  bom  ^taubpunlt  biefer  2lnfid;t  Wetter  fagen  — 


Digitized  by 


3ur  Prüfung  ber  ^ljreuotogie. 


423 


fcfyon  fo  manche  Xfycorteen  $u  £agc  getreten,  a>eld;e  über  ben 
menfcfyticfyen  (Seift  ober  über  geiftige  £)inge  9tuffc^(u§  ju  geben 
oerfucfyten ,  Xfyeorieen,  für  tocld;e  man  fid;  aud)  auf  bie  ^atnr 
imb  auf  £fyatfac$ew  berief,  ioctd;e  aber  für  bie  tuafyre  üMffenfdjaft 
nic^tö  weniger  als  fruchtbar  erfunben  mürben.  Die  ^fytyfiognomif 
$.  fyat  fid?  ned;  nid;t  {tan  9fange  einer  Söiffenfcfyaft  ju  er* 
Ijcbeu  ocrmocfyt,  unb  bie  l'efyre  oem  9Kenf<$en  ^at  ifyr  irgenb 
wertvolle  Hufföftffe  bt*  jefet  nicfyt  51t  bauten.  Oft  bom  tf;ie* 
rifdjen  3Kagncti«imt«,  oem  «Somnambulismus  (fanttnt  bem  £ell* 
fetten)  ©effere«  511  fagenV  $3ebarf  es  erft  eine«  Ittadnoetfes, 
baji  alte  biefe  unb  äfmlid;e  £beorteen  (bis  gum  fciförttcfen  In'nab!) 
ber  2Biffenfd;aft  ni#t  nur  nicfyt  ®en>iim,  fonbem  sJiadjtt)eil 
brachten?  • 

Söofyl  bürfeu  nur  und  nicfyt  tounbern,  bafc  oiele  (Selcfyrte 
oen  biefem  Stanbpuufte  aus  ber  s}tyrenologie  fcinbli<$  entgegen- 
treten unb  fie  —  wenn  fie  auefy  nadj  ifyrer  üDfeinung  mancbeS 
Saljrc  enthalten  follte  —  bodj  im  (Saugen  als  ununffcnfd)aftlid; 
unb  loertfyloS  oermerfen.  ©cljr  häufig  finbet  ftdj  biefe  21nftd)t 
felbft  bei  geiftoollen  Üttännern,  bei  ftreunben  beS  $ortfd;rittS  unb 
ber  2lufflärung,  n>eld?e  eS  für  tyte  ^ftic^t  Ratten,  cd/te  Riffen* 
fdjaftlicfyfeit  $u  förbem  unb  allem  Dunfeüoefen  entgegenzutreten. 
£0  finb  5.  oft  gang  tüd;tige  unb  nüchterne  Slerjte,  au#  bie 
9iebacteure  frei|"iuniger  Blätter,  fct>roffc  (Segner  ber  Phrenologie. 
Ord  tft  fefyr  übet,  bafl  bie  Männer  biefer  Slnfidjt  getoölntlicfy  für 
immer  in  ifyr  befangen  bleiben,  ba  fie  nict)t  beftimmt  »erben  f i>n= 
neu,  eine  anbere  Stnficfyt  nur  an$ul?örcn  ober  ettoaS  über  ^fyreno* 
logie  gu  lefen. 

2luf  ber  anbern  Seite  liegt  alten  £>enen,  u>c(d;c  nur  einige 
tenntnife  oon  ber  ^fyrenologie  fyaben,  bereu  Slnerfennung  toeit 
näfyer  als  bereu  SSertoerfung.  uDtc  ^rcnologte  tft  bie  t'cfjrc  oon 
ber  $erfctyiebcnf>eit  ber  menföltdfren  (Sljaraftcrc  unb  tfopfgeftalten. 
Sollte  cS  bon  biefer  23crfd;iebenfyeit,  einer  fo  offenbaren,  fo  Itaren 
Sad>e,  eine  Vefyre,  eine  2öiftenfd;aft  ntdjt  geben  f  Sutten?  Sie 
feljr  oerfdjteben  finb  cinerfettS  bie  Gfyarafterc ,  anbererfeits  bie 
&obH®efyirnO®eftalten  ber  üWenfcfycn !  Gin  3Jienfc^  tft  <Sefü$fo«, 
ein  anberer  il>erftanbesmcn[cfy,  bei  einem  fyerrfcfyt  biefe  ^eibenfcfyaft, 


424 


„Hur  Prüfung  ber  ^rcnologte. 


biefe  Neigung,  biefeö  Xalent  oot,  bei  einem  anbetn  jene«.  (Sbenfo 
ift  ein  Äopf  (®eljitn)  Ijocty,  ein  anbetet  niebtig,  einet  bteit,  ein 
anbetet  fetymat,  bei  einem  3Wenf$en  ift  bie  ©titne  gtojj,  bet 
£nntetfopf  Mein,  bei  einem  anbetn  umgefeljtt.  ©inb  toit  nicfyt 
fetyon  bom  ©tanbpunft  bet  93etmutfyung  au«  511  bet  Slnnatyme  ge* 
jungen,  baj?  biefe  beiben  gtofcen  SBetfdjiebenfyeiten,  bie  be«  ®etfte« 
unb  bie  be«  ®eifte«otgan« ,  in  Söejieljung  51t  einanbet  ftetyen? 
bafe  ba^et  bie  "^tenotogte,  welche  biefe  ©ejie^ung  im  einzelnen 
naeftoeift,  auf  SBa^eit  betufjt?  2öa«  fonnte  gegen  biefe  Se^tc 
fptectyen?  (Sttoa  bie  aü>gto§e  @$ioiettgfeit  obet  bie  Unmöglich* 
feit  bet  ftotfctyung  auf  biefem  ©iffen«gebiete?  ®en>i§  nid?t! 
6«  fann  nicht  fchnüetig,  gefchmeige  unmöglich  fein,  einen  ftoljcn 
SRenfc^en  bon  einem  bemütljigen,  einen  mutigen  bon  einem 
futchtfamen,  einen  poettfehen  bon  einem  ptofaifcfymücfytetncn,  unb 
ebenfo  einen  hohen  Äopf  bon  einem  niebtigen>  einen  bteiten  bon 
einem  fdnnaten  :c.  ju  untetfeheiben.  Obet  follte  ba«  eine  23et= 
mutfnxng  gegen  bie  SBaljtfyeit  bet  ^tenotogie  begtünben,  ba§ 
biefe  £ehte  fo  neu  ift?  SBenn  bie  ^^tenotogie  n>a^t  mäte,  hat 
man  mit  gefagt,  fo  nmtbe  bei  bem  (Stfet,  mit  bem  oon  je^et  bie 
gt&gten  £)enfet  ben  2ttenfchen  jum  ®cgcnftaub  thte«  Stubium« 
gemalt  haben,  biefe SBa^eit  längft  gefannt  fein.  Mein  „ teufen" 
unb  „beobachten"  finb  betfcfyiebene  $>inge.  ^ac^gebac^t  hat  man 
feit  3a^ttaufenben  übet  bie  2Belt  unb  ben  3ftenf<hen,  abet  ttriffen* 
fchaftttch  unb  gtünblich  gu  beobachten  hat  man  etft  in  bet  neueten 
3eit  geletnt.  ÜDie  9iatutn>iffenfdt)aften ,  bie  @fyemie,  bie  ^ß^fif, 
bie  ^fytyfiotogic,  finb  Schöpfungen  bet  neuen  obet  neueften  3e*t. 
(5«  entfpttcfyt  ganj  bet  Ghrtoattung,  bafc  bie  Sftatutlehte  be«  menfeh- 
lichen  ®eifte«,  bie  ^öd^ftc  unb  betgteichungSroei«  fchnnetigfte  allet 
s)ktutttriffenfchaften ,  untet  allen  am  fpä'teften  etfe^eint.  $)et 
Sttthum  S5etet,  meiere  bie  ^^c"o(ogie  bet  $t$fiognomif  an  bie 
Seite  ftellen,  bebatf  tooljl  !aum  etft  bet  Söibetlegung.  $)ic 
^^fiognomif  ^at  e«  mit  ben  bloßen  äujjeren  3eichen  be«  Reifte« 
%u  tlntn,  fie  feljtt :  eine  folcfje  Sfcafe,  ein  folget  3Wunb,  eine  folche 
$anb,  ein  folchet  gufj  ift  ba«  £ei<fym  biefe«  obet  jene«  Gtljatäftet* 
jug«.  £)atf  man  fidt)  nmnbetn,  baj$  biefe  3"^enfeeutefunft  feine 
SSiffenfctyaft  ift  obet  bis  jefct  geiootben  ift?   £>te  $hretlotoÖie 


Digitized  by 


3ur  Prüfung  ter  «Phrenologie.  425 

hat  e«  nic^t  mit  blojjen  3c^en  (Reifte«  ju  tljun,  fonbern  mit 
ben  Organen  be«  ®eifte«,  bon  melden  bie  pbtyfiognomtf  nicbt« 
wu§tc,  an  welche  fic  nicht  einmal  backte.  $)aü  aber  bie  PhrCi 
nologte  al«  Or;anenIe$re  eine  3Biffenfc$aft  ift,  liegt  bocb  wohl 
ber  Mermuth  ung  nicht  fem,  fonbcrn  nahe. 

T>k  SWänner,  welche  auf  biefem  Stanbpunft  ber  53eurt^et= 
lung  ber  Phrenologie  flehen,  Ratten  nicht  föon  oon  bornherein 
alte  Xfyatfadjen,  welche  in  berfetbcn  al«  folcbe  gelten,  für  wahr, 
(^letd^tüo^t  Ahmen  fie  im  Allgemeinen  al«  Anhänger  ober  ftrcunbe 
ber  Phrenologie  gelten.  «Sie  erfennen  an,  ba§  bie  Phrenologie 
ben  $öcg  gefunben  nnb  eingetragen  hat,  bie  ®eifte«lehre  $ur 
"Jiaturwiffenfchaft  $u  mad)en.  $)iefe  SJfänner  finb  geneigt  unb 
bereit,  wenn  Urnen  (Gelegenheit  baju  geboten  wirb,  bie  Phreno= 
logie  näher  fennen  ju  lernen. 

3d)  glaube,  berehrtefter  £>err,  baft  id)  Sie  als  einen  2ln- 
hänger  ober  ftreunb  *>ex  Phrenologie  in  biefer  öebeutung  be« 
Söortc«  begrüben  barf.  Hl«  ich  im  bcrfloffenen  SBintcr  in  Berlin 
einige  Borlefungcn  fyeit,  nahmen  Sie  Gelegenheit,  in  einem  3$or= 
trage  im  ©ewerbeberein  fich  über  bie  «Pönologie  au«$ufarechen, 
unb  traten  bie«  fo,  wie  e«  bon  einem  geifte«freien ,  roiffenfehaft* 
lief)  fo  hochfteljenben  üRannc,  Welver  biefe  Setyre  nicbt  pt«ttif($ 
fennt,  ju  erwarten  war,  b.  h-  ®ie  fpractycn  ber  Senologie  im 
Slllgemeinen  ba«  SBort,  ohne  fie  in  allen  ihren  £hatfachen  anju- 
erfennen.  Söcnigc  $leufeerungen ,  welcbe  mir  au«  3hrcm  Vortrag 
beftimmt  mitgetheilt  würben,  finb  bie  folgenben.  Sie  erfannten 
bie  Xljeoric  ber  ^p^renofogic  al«  wahr  an;  Sie  würben,  wenn 
Sljnen  nicht  bie  3cit  baju  gefehlt  hätte,  meine  SBorlefungen  be* 
fucht  haben;  bie  phrenologen  fingen  suwett";  ber  Schluß  3h™« 
Vortrag«  enthielt  bie  SBorte:  Sie  Wollten  mit  bem,  wa«  Sic 
gefagt,  bic  Phrenologie  nicht  anerfannt  ha&en. 

$>ie  93olf«$eitung  braute  bie  unwahre  Nachricht  über  3hren 
Vortrag,  Sie  hätten  bie  Phrenologie  al«  unwiffenfchaftlich  unb 
irrig  bargeftellt.  3$  fyeü  e«  für  meine  Pflicht,  biefe«  Blatt  |u 
einer  Berichtigung  ber  Nachricht  $u  oeranlaffen.  £)a  biefe«,  tcr- 
ehrtefter  £)crr,  am  beften  mit  3l)tcr  «S>Hfc  gefchchen  fonnte,  fo 
wollte  ich       perfönlich  begrüßen,  mich  SWöIcic^  freuenb,  bic  Be* 


Digitized  by  Google 


4  2  * ; 


3ur  Prüfung  ber  ^ruioloflif. 


fauntfchaft  eine«  9)?anneö  $u  machen,  für  wetzen  ich  bie  größte 
Hochachtung  ^ege.  Mein  vtyte  3ett  mx  bamalö  in  fo  auger* 
orbentticher  Steife  in  ?lnfv*ruch  genommen,  bap  id>  ungeachtet 
mehrmaliger  33erfucbe  niebt  ba$  0>Hücf  hatte,  <gic  ju  treffen,  ^a 
meine  Slbrcife  oen  Berlin  nahe  mar,  fo  ertaubte  ich  m™f 
brieflich  ju  bitten,  mir  eine  Staube  für  einen  Befuch  51t  beftimmen. 
Mein  Sie  tonnten  bie$  leiber  nidtf,  tote  Sie  mir  fchrteben,  ba 
Sie  noch  an  bcmfelben  Xage  eine  mehrtägige  fteife  nach  Bommern 
anzutreten  im  begriff  maren. 

3ch  bebauerte,  oen  Berlin  abreifen  ju  muffen,  ohne  Sic  ge= 
fehen  jn  ^abeii.  Mein  ba  bie  Phrenologie  nicht  eine  Sache  bes 
£age«intereffe*  ift;  unb  ba  ich  meiner,  bte  Bolf^citung  betreffen* 
ben  Bitte  an  Sie  noch  anbere,  meit  wichtigere  hinzufügen 
gebachtc,  meldte  eine  recht  reife  unb  befonnene  fein  follte,  fo  treftete 
ich  iwttj  UDCr  fcm  3(uffcbub,  metcher,  wie  ich  h°fftc>  pcr  Sadbe  511 
©Ute  fommen  follte.   N>ier  biefe  Sache  unb  meine  Bitte. 

©enu  ich  auf  paö  jurücfblicfe,  maö  id;  feit  einer  föeihe  ben 
Vahren  burch  meine  Borlefungcn  unb  meine  Schriften  für  bie 
Phrenologie  gewirft,  fo  fühle  ich  mich  einerfeit«  burd;  bie  Erfolge 
meiner  Bemühungen  auf«  J>Mjfftc  bef riebigt.  3d;  ^ahe  bie  un* 
enbüch  zahlreichen  3)aßberftänbnif|c ,  melcbe  über  bie  Phänologie 
herrfchen,  bietfach  mit  (Muf  jerftreut,  fyabc  Xaufcnbe  $um  Stu* 
bium  biefer  l'chre  angeregt,  bie  Semttnig  ber  Phrenologie  in 
Weiten  Greifen  oerbreitet.  bie  Kaufte  Erwartung  hätte  mich 

beim  Beginn  meiner  Laufbahn  biefe  (Erfolge,  bie  ich  dfa  Vehrer 
ber  Phrenologie  mit  meinen  fdnoachen  Gräften  erreicht  Ijabc,  nicht 
oorauöfehen  (äffen.  Slllein  auf  ber  anbern  Seite  finb  gleichwohl 
biefe  (Erfolge,  im  Vergleich  jur  allgemeinen  9(nerfcnnung  ber 
Phrenologie,  nur  gering.  £>enn  auf  bie  fo  feljr  zahlreichen  eigent= 
liehen  (Gegner  ber  Phrenologie,  b.  h-  auf  bie  Männer,  toelche  auf 
bem  oben  bezeichneten  Stanbpünftc  ber  Verwerfung  ftehen,  unb 
weld?c,  weil  fie  bie  Phrenologie  ben  Vornherein  für  einen  3rr* 
thum  ober  für  wiffenfd;aftlid>  wcrthloö  Ratten,  nicht«  barüber 
lefen  noch  ffitm  mögen,  habe  id)  natürlid;  feinen  Crinfluj?  ge* 
Winnen  tonnen.  £>aui  fommt  bie  große  SWaffe  ber  (^leidjgiltigeu, 
welche  an  ber  Phrenologie  baruut  fein  Ontcreffc  nehmen,  weil  fie 


Digitized  by  d 


3ur  Prüfung  ber  Phrenologie. 


427 


bcu  ber  l)o\)C\\  praftifchcn  SBichtigfctt  biefer  Veljre  feine 
2U?nung  haben. 

3luf  bie  fe^r  gro&e  $ahl  aller  biefer  in  Unnriffenfyeit  Se=. 
fangenen  Kirnte  ein  gftann  bon  allgemeiner  liuffenfchaftlicber 
Geltung  burd;  [ein  Urteil  ben  graten  nnb  cntfd;cibenbftcn  Gin* 
flufj  üben.  SBenn  Sie,  berehrtefter  £err,  bat*  unbefangene  Ur- 
fyeü  über  Phrenologie,  welches  Sie  in  3l;rem  Vortrag  im  ®e= 
werbeoerein  ansprachen,  veröffentlichten,  fo  würbe  fdwn  r>icrbiircr> 
ber  glimme  CrinfUifj  fo  bieler  gang  unberechtigter  unb  unnriffen* 
fd>aftlid;er  Urteile  (tute  J.  S.  Don  £tyrtl  nnb  Setf)  befeittgt 
werben.  Slllein  toenn  Sie,  wie  e8  bc8  Oiaturforfd;er$  wohl  würbtg 
ift,  aus  3f)XQX  theorctifd;cn  Stellung  nir  Phrenologie  hervortreten, 
biefelbc  traftifet)  prüfen  unb  ba$  (Srgebutjs  öffentlich  mitreiten 
würben,  fo  würben  Sie  babureb  bie  3öiffenfc6aft  unb  bie  ©ahr* 
heit  aufecrorbentlid;  förbern.  Unb  biefc  praftifcf>e  Prüfung  ber 
Phrenologie  ift  e$,  um  welcbe  ich  ®ie  bertrauungSboll  ju 
bitten  wage. 

Unter  allen  9tfännero  ber  iföiffcnfchaft  in  $eutfcblanb,  ber* 
chrtefter  §crr,  möchte  faum  ein  anberer  gefunben  werben,  welcher 
fid?  in  jeber  «'pinficht  fo  gan$  jur  Prüfung  ber  Phrenologie  eignet, 
als  Sie.  Sic  finb  ein  grojjer  Anatom,  unb  gerabe  unter  ben 
Anatomen  giebt  c$  fo  maud>e,  welche  aus*  gänzlicher  Unfenntuife 
bcr  ^>r;renologie  ihre  (Gegner  finb ;  Sie  finb  ein  SDfotttl  bcö  um» 
faffenbften  unb  bielfcitigften  sBiffcuS,  ber  fchärfften  Beobachtung^ 
gäbe,  ber  freifinnigften  unb  unbeftothenften  Prüfung  ber  9Bahr- 
l;eit  auf  iebem  2Biffen$fclbc.  3fyr  3CU9IUB  f"*  ober  gegen  bie 
thatfächlichc  Wahrheit  ber  Phrenologie  wirb  in  ber  beulten  ®e* 
lehrtemoelt  ben  entfeheibenbem  (Gewichte  fein. 

£)ie  Prüfung  bcr  Phrenologie  toürbe  für  Sie  allein,  ber- 
chrtefter  §err,  nicht  unbebeutenbe  Schwicrigfcitcn  barbieten.  $>cnn 
ba  man  bie  Phrenologie,  um  fie  ju  prüfen,  praftifd;  f ernten 
muj?,  fo  wäre  meine  Sitte  bann  gtcichocbcutenb  mit  ber  Sitte 
be$  traftifcr)cn  Stubium«  biefer  Siffenfcbaft.  $>tefe$  Stubium 
aber  erfordert  2)Jühc  unb  3eit.  Siele  belehrte,  befonberä  3lcr$te, 
welche  bie  Phrenologie  praftifd)  ftubiren  wollten,  Ragten  mir  über 
bie  Sdnuicrigfeiten  gleich  beim  erften  Stubium,    3)Jan  finbet, 


428 


3ur  Prüfung  ber  ^renoloflie. 


fagen  fte,  ohne  prafttfc^e  Einleitung  ferner  einen  Eingang  in  bie 
Phänologie :  wo  foll  man  anfangen  bei  ben  bielen  Organen  unb 
©innen?  woran  erfennt  man  bic  wtffenfcbaftüch  bemerfenSwerthen 
ftällc,  unb  wie  unterfcheibet  man  fie  bon  ben  n>iffcnfä)aftltc$ 
bebeutungSlofcn  ? 

3dj  erlaube  mir  baher,  berehrtefter  $ttt,  3$ncn  $ur  Prüfung 
ber  ^^renotogic  meine  Untcrftüfcung  anzubieten,  etwa  in  ber  fol* 
genben  Seife.  3$  beurteile  mehrere  bon  tynm  beftimmte  Per* 
fönen,  bi«  8ie  fich  bon  ber  Sahrhett  ober  Unwahrheit  ber  Phre* 
nologte  (fofern  meine  Urteile  bie  Siffenfchaft  bertreten  f&nnen) 
überzeugt  ^aben.  Senn  tch  3.  fünfzig  (bunbert)  Urteile  über 
beftimmte  Gfjarafterjüge,  Talente  k.  ausbreche,  welche  alle  richtig 
finb,  fo  wirb  3hncn  biefe«  oieüeid;t  als  ©eweis  für  bie  2Bat)r* 
heit  ber  Phrenologie  gelten,  Sären  bagegen  unter  meinen  Ur= 
teilen  rtdbtige  mit  unrichtigen  gemifcht,  fo  mürben  <§ie  biefeä 
alä  einen  beweis  ber  Unwahrheit  ber  Phrenologie  betrauten. 
Natürlich  barf  ich  ttM(t  nur  niebt  wiffen,  wer  bie  Perfon  ift, 
welche  idt)  beurteile,  fonbern  ich  barf  auch  niebt«  anbereSoon 
ihr  feljen,  alä  ben  Äopftheit,  welcher  ba«  ®ehirn  umfct>(ic§t,  atfo 
nicht  ba«  (^eficht,  auch  nicht  bie  £anb,  nicht  einmal  ben  ®ang. 
(®eficht  unb  (ikftalt  werben  bor  ber  Unterfuchung  berhüllt.) 

Sie  oiele  Perfonen  mir  jur  Prüfung  ber  Phrenologie  nöthig 
haben  werben,  ift  nicht  borau«  ju  beftimmen.  $)ic  Phänologie 
ift  bekanntlich  n  i  cb  t  bie  Äunft,  au«  ber  $opfgeftalt  be«  9ftenfchen 
feinen  Ciharafter  nach  allen  3u8en  su  erfennen*).  ©onbern 
bie  Phrenologie  ift  bi*  Siffenfchaft  bon  ben  ®runb* 
fräften  be«  (Reifte«  unb  ihren  Organen,  unb  biefe 
Siffenfchaft  ift  nur  au6  benjenigen  fällen  jufammen* 
geftellt,  wo  eine  ®runbfraft  unb  ihr  Organ  enttoeber  fehr  ftarf 
ober  fehr  fcr)ru adh  oorhanben  ift.  33et  einigen  äftenfehen  nun 
finb  wenige  (feiten  gar  feine),  bei  anbern  oiele  (feiten  bi«  10 

*)  2)iee  au«  mehreren  ©rünben  nid&t:  wegen  ber  UnmögU<$!e it ,  bic 
©rtffie  ber  Organe  —  bei  ber  Unglei<$ljcit  in  ber  2)itfe  ber  £trnfd)ale,  bei 
bem  SMangel  n?ab.rneb^mbarer  ©renjen  jnnfdjen  ben  Organen  :c.  —  genau 
ju  erfenneu,  toegen  be«  Ginfluffeö  ber  (Srjtcljung,  ber  <Sc^icffa(e,  ber  Äennt* 
mfle,  ber  ©efunbbeit  auf  ben  CEljaratter  u.  f.  to. 


Digitized  by  Google 


3ur  «Prüfung  ber  Phrenologie.  429 

ober  12)  folcfyc  entfdjtebene  3üge  borljanben.  Üflan  fann  bielteidjt 
bie  £)ur$fdmitt«$afyl  ber  mit  mtffenfdjaftlic^er  Sidjerljeit  aufyu* 
fprecfyeiiben  Phrenologien  Urteile  auf  4  bi«  5  beftimmtn,  menn 
ber  ^fyrenolog  ba«  Temperament,  bie  (Srjieljung,  bie  @d>trf[ate 
be$  Untersten  fennt,  imb  auf  2  bis  3,  menn  bem  ^r/renologen 
ntcfyts  weiter,  als  bie  ®etn'rn*  ober  ßopfgeftalt  befaunt  ift*). 

3$  barf  mir  too$l  erlauben,  oereljrtefter  £>err,  In' et  einige 
5lnbeutungcn  für  bie  Safyl  ber  ju  unterfucfyenbcn  ^Serfonen  ju 
geben.  53ei  großen  köpfen  (®el)irnen)  finb  burcfyfdmittlidj  mefyr 
Urteile  auSjufpredjen,  at«  bei  {(einen;  ebenfo  bei  SOcenfdjen  oon 
lebenbigcm,  fräftigem  (fanguinifd)em  ic.)  Temperament  mefyr,  at« 
bei  99ixenfcfyen  pfylegmatifdjen  Temperament«,  ©ei  Sftenfcfyen, 
meiere  fdjon  buvdj  tfyrc  Grrfd}eimmg  imponiren,  melden  (Steift  unb 
(Sljarafter  auf  bem  ®eficfyte  gefdjriebcn  finb,  bei  tfyatfräftigen 
9)?enf$en,  meld;e  fidj  felbft  eine  «Stellung,  einen  gtojjcn  ©irfung«* 
frei«  gefcfyaffen,  bei  9)Jenfcben,  meiere  über  biete  2)?enf<$en  511 
tjerrfcfyen  berftefyen,  bei  ^rofefforen  unb  ^rebigern,  roelcfye  biete 
gufyörer,  bei  9lerjten,  toelcbe  eine  große  ^rart«  tyabeu,  bei  „großen" 
©richten,  <3d?riftftellern,  üMdjtern,  ilünftlern,  furj  bei  SPfenfcben, 
metcfye  bura)  Jpanblungcn  unb  Veiftuugeu  berühmt,  ober  —  burdj 
große  Verbrechen  —  berüchtigt  finb,  bei  allen  biefen  finb  butd^ 
fdniittlicf)  mefyr  pfyrenologifräe  Urteile  au«$ufpred>en ,  al«  bei 


•)  25ie  3abl  biefer  Urteile  rönnte  gegenüber  ber  &ab\  ber  »orbanbeuen 
Sinne  mir  gering  unb  fo  bie  Phrenologie  praftifa)  wenig  bebeutfam  feinen. 
$urä?auö  nicfjt:  beim  bie  3üge  mittlerer  ©tärfe  (weldje  ber  SRenfö  mit 
ber  SDiebrjabl  ber  Weltforen  gemein  bat,)  finb  feine  wirflidjen  <5b,araftcr 
jüge  unb  intereffiren  un«  am  9Wenfa>en  nidjt.  «He«  ba«,  wa«  ein  2)cenfd> 
im  (Sbarafter  ©efonbere«,  für  un«  3ntereffante«,  für  bie  ©rjiebung, 
bie  SÖabl  be«  ©erufe«  ?c.  8ebeutfame8  bat,  —  fo  wenig  ober  fo  oie( 
e«  allemal  fei,  —  fällt  mit  bem  pfyrenotogifd)  9f  anweisbaren  31t* 
fammen.  UebrigenS  finb  bie  negatitoeu  plnenologifcfyen  Urteile,  —  baß 
beftimmte  ©inne  nidjt  fer)r  ftarf  ober  febr  fdjwad)  feien,  —  im  ©runbe 
boef)  wieber  pofitio,  fo  baß  ftreng  genommen  bie  $afy  ber  pbi*nologtfdjen 
Urteile  faft  immer  (bisweilen  mit  Stusnatnne  einiger,  3.  ».  an  ber  ©teile 
ber  ©tirnbityle  gelegenen  Organe)  ber  3abl  ber  oorbanbenen  ©inne  felbft 
gleiAfommt. 


430  3"r  Prüfung  ber  ^breiioloflie. 

fold;en,  welche  eine  niebrige,  untergeorbnetc ,  bienenbe  Stellung 
haben,  unb  ft$  in  ihr  am  ^lafcc  füllen,  ober  bei  folgen,  welche 
nicht«  t^un  unb  Welchen  nicfytä  gelingt,  ober  bei  folgen,  weld>c 
feine  £ugcnben  unb  feine  fehler  f;aben. 

23ei  ftlnbcrn  bi«  511  12  ober  14  3afyren  ift  an  fiefy  bic 
Untcrfuchung  feister  unb  fixerer,  al«  bei  CSrmachfenen.  £)ie6 
wegen  ber  geringeren  Ungleichheit  in  ber  Dicfe  ber  £>trnfchale, 
befonber«  fang«  ber  unteren  Stirne  (Stiinhitylc  tc).  ®leid; 
wohl  fönnen  iHnber  für  unferen  gweef  nicht  bienen,  weil  bie 
demttnif  ihre«  (Sharafter«  ju  unfid;er  ift.  £>ie«  gilt  auch  nocb 
bei  jungen  Vcuten  bi«  511  20  ober  25  fahren.  CS«  bebarf  für 
im«  fid;cr  ju  erfennenbe  (5 tyaraf teigige,  ^erfonen  etwa  bom  30ftcn 
3ahre  an  aufwärt«. 

33ei  Orrauen  flnb  bie  Uvtt)ci(c  burcfefc^nittlid^  etwa«  weniger 
fieser,  ober  bie  fieberen  Urtfycüe  etwa«  weniger  $ahlreich,  al«  bei 
99iänncrn :  bie«  weniger  barum,  weit  ba«  weibliche  (Gehirn  bureb- 
fdniittlich  Heiner  ift,  al«  ba«  männliche,  —  benn  bie«  wirb  ba* 
burch  aufgewogen,  baß  bic  weibtiebe  ^>irnfrf>afc  büuner  unb 
weniger  ungleich  ift,  al«  bie  männliche:  —  altein  ber.  weiblicbe 
(Sharafter  beruht  mehr  al«  ber  männliche  aujjer  auf  bem  ®ehirm 
leben  auch  auf  bem  ^eroenleben,  ift  glctd;fam  beweglicher,  al« 
ber  männliche. 

Unbebingt  au«gefchleffen  bon  unferer  Uuterfudumg  finb  na 
türlid;  geiftig  f  raufe  (wahnfinnige)  9)?enfchen.  £>ic  .(^ro§e 
be«  (Gehirn«  unb  feiner  Steile  fann  ya  nur  bann  eine  SBebcutung 
haben,  wenn  ba«  (Gehirn  ein  gefunbe«  ift.  3lud;  förderlich  franfe 
9)?cnfchen,  wenn  bie  Atranfhcit  eine  langjährige  ober  fehr  fd;merjs 
hafte  ift  unb  fo  auf  ben  (Sharafter  wefentltdjen  Ginflujj  übt, 
finb  au«jufchlicfeen. 

Unfcrc  llntcrfudjung  wirb  befto  leichter  jum  Biete  führen, 
wenn  ^erfonen  berfchicbcncn  CSf^arafterö  $ur  Söcurtheilung 
fommen.  $tm  häufigften  finben  fidj  berfdnebene  (Sharaftcrc  bei 
^erfonen  bon  bcrfd;icbenem  Staub  ober  23eruf:  bei  (belehrten, 
^auffeilten,  $)aubwcrfern ,  ftünftlern,  ©olbaten  k.  £)och  fällt 
uatürlid;  nid;t  ber  23cruf  an  unb  für  fich  ober  immer  mit  bem 
(Sharafter  jufaramen,  ba  er  |a  gegen  bic  Neigung  gewählt  fein 


Digitized  by  Google 


£\iv  $rftfmt0  ber  ^Ijrenologie. 


431 


fann.  So  fann  ].  Sö.  ine>ilid>cr  3S5etfc  ber  Wampffinn  bei  einem 
Soltaten  fcfytoad),  bei  einem  itünftler  ftarf,  ber  (fm>erb$ftnn  bei 
einem  Kaufmann  fdnoad/,  bei  einem  ®clefyrten  ftarf,  ber  «Sinn 
ber  $ereffint0  bei  einem  $eiftlicfyen  fdnoad;,  bei  einem  3nriftcn 
ftarf  fein  it.  f.  n>. 

(ibenfo  menig  nnc  mit  bem  Söeritf  atö  folgern,  fyat  cd  na* 
türlid;  bic  *i>l>rcnologic  mit  ben  .fi  anbringen  bc3  9Mcnfc6en 
als  foleben  511  ttjun,  ba  biefe  ja  bnrd>  v> e t f ct> i ebene  (Sbaraftcr- 
ifkge  ober  bnrd?  ändere  ^erljältniffc  veranlagt  fein  fonnen.  (Sine 
$<mbtitng  ber  Sofyltfyätigfcit  fann  bnrcfy  ben  £>ang  toofjljntfnm 
ober  bnrd;  Stteifallälicbc  :c.,  ein  Diebftafyl  fann  bnreb  ben  ,S>aiiA 
\\i  [testen  ober  bnreb  junger  nnb  t)ietl?  beroorgernfen  fein  ic. 

Ta  nur  allein  ber  Ciliar aftcr  be$  vJ!)Jenfcfyen  als  folcber 
ber  ©egenftant  ber  ^fyrenclcgie  ift ,  fo  fei  mir  Inerübcr  nod)  eine 
furje  Söcmerfnng  geftattet.  3ebcr  SDienfd;  fyat  alle  Wrnnbfrafte 
bc$  (Meifte*  eber  inneren  Sinne,  aber  bei  jebem  finb  fie  un* 
0  leid;  ft  a  r  f :  bei  einem  9)Jenfd>en  ragt  biefer,  bei  einem  anbern 
jener  Sinn  an  Stärfe  oor  ben  übrigen  ber.  ?lu*  biefer  un* 
gleichen  Starte  ber  Sinne  gcfjt  fyanptf ä ct> I i dj  bie 
m c n f et) ( i d) c  CS fyaraf tert>crjd>iebcnl)cit  fyeroor.  die- 
jenigen Sinne,  metd>e  fid)  äfynlid?  finb,  nnterftü^en ,  bie  nnatnt' 
ticken  befämpfen  einanber.  (£fi  imterftüfcen  fid>  \.  ®.  5lnt)äng- 
licfyfeit  nnb  2öoljfa>ollcn,  $3crtjeimfi<$img«frnn  nnb  ^erfidjt,  Setbft- 
gefiifyl  nnb  Jyeftigfeit,  iBercfyrnng  nnb  Ovbcalität.  Iis  befämpfen 
ftc^>  ?lnl>ängüd>feit  nnb  Sclbftgcfüfyl,  r,,3crfti5riin^<5fiim "  nnb  S&ofyf« 
wollen,  (*rmcrbtfftnn  nnb  Sbcalität,  Ü>orfid;t  nnb  Hoffnung  :c. 
^nfofern  jebem  Sinn  ein  anrercr  ober  einige  anberc  entgegen- 
ftcfycn,  fann  man  fagen,  baj?  ber  geiftige  SDtoifc^  gleid;fam  an$ 
^tberfprücben  ^nfammengefe^t  fei.  der  }J?cnfct>  ift  &um  S3cfr- 
»erben,  }iim  Bürnen  geneigt  (bnrdj  ben  „ßerftenmgtffinn''  lt.) 
unb  gutmütig  (bnrd>  baö  Schwellen) ,  er  ift  ftolj  itnrcfy  ba« 
Sclbftgcfnfyl)  nnb  ehrerbietig  (bnrd)  bie  ÜScretyrnng) ,  er  ift  bc* 
fyarrlid;  (bnrd?  bie  fteftigfeit  :c.)  nnb  fd?tt>anfcnb  (bnrd;  bic  2>or- 
fiebt  it.),  er  ift  praftifd?  (bnrd)  ben  Grioerbflfinn  :c.)  nnb  poetifcb 
*tnrcfy  bic  Realität).  Senn  nun  bei  einem  9)ienfcben  biefe  ein- 
aneer  entgcgcnftcfyenKm  Sinne,  J.  33.  Selbftgcfüfyl  nnb  2$erefjrnng, 


432  3U*  Prüfung  ttx  ^brenofccjif. 

betbe.  ftarf  finb ,  fo  fann  ber  ^renolog  fagen ,  ber  9Wenfd& 
fei  ftofj  unb  bemütfn'g  jugleich.  £>er  3Renf$  ift  bann  mcber  (ju) 
ftoig,  noch  (ju)  bemütfng,  ober  et  ift  ba  ftelj,  n>o  ber  ©tolj,  ba 
bemütlng,  n>o  bie  £)emuth  am  ^Jtafce  ift.  £)iefe  fehr  häufigen 
ftälle,  »o  bie  fogenannten  Siberfprüthe  im  3Henfchcn  fich  au«* 
gleichen  ober  fich  bie  Sage  galten,  büben  eine  fcblimme  flippe 
für  ba«  8 et ft  ä  n  b  n if  ber  praftifcben  ^^rcnotogic.  $>enu  toenu 
ber  ^^renolog  einen  9ttenfchen  ftolj  nnb  bemtitln'g,  praftifch  unb 
poetifdj  :c.  jugleich  nennt,  fo  fctyeint  er  mit  biefem  Ihtheii  menig 
ju  fagen;  baffelbc  fcheint  fich  am  (£nbe  bon  felbft  gu  oerfte^en 
ober  fcheint  bon  allen  SOJenfchen  gu  gelten.  Die«  ift.  natürlich 
nicht  fo,  beim  ein  OHenfch,  bei  bem  j.  Selbftgefühl  unb  «er» 
etjrung  ober  (Srtoerb«finn  unb  3bealität  beibe  ftarf  finb,  ift  bon 
IS^arafter  ein  gang  anberer,  al«  ein  2)?enfch,  bei  bem  bie  beiben 
(Sinne  fdjmacfy  finb.  Slber  boch  merbe  ich  iregen  ber  Schwierig* 
feit  be«  ^erftänbniffe«  gälle  biefer  Slrt  ju  meinen  Urteilen  niebt 
(ober  nur  au«nahm«n?eife)  benufeen ;  auch  barum,  meil  in  alten 
biefen  galten  bie  Crrjtehung,  bie  ^erhältniffe  unb  Sdncffale,  toenn 
fte  fef;r  einfeitig  ober  eigentümlich  finb,  für  ba«  Vorwiegen  be« 
einen  ober  be«  anbern  3uße*  ^cn  $lu«f<hlag  geben  fönnen  unb 
fo  ba«  ptyrenofogifcfye  Urteil  unficher  machen. 

itfon  gan*  anbrer  Slrt  finb  in  jeber  ©ejielnmg  bie  gäüe, 
roo  bon  Jtoei  einanber  entgegenfte^enben  binnen  ber  eine,  j.  Sö. 
ba«  Selbftgefühl,  entfe^ieben  ftarf,  ber  anbere,  bie  Verehrung, 
entheben  fchioach  ift.  £ier  ift  im  (S^arafter  be«  9Henfäen 
unbebingt  ber  ^ug  be«  <Stol$e«,  ba«  ®egentfyeil  be«  3ug«  ber 
Demuth,  tor^anben.  S)te«  finb  auch  bie  gälte,  n>o  im  tfeben 
oon  einem  (E^arafterjug  be«  Stolje«  gefproc^eu  toirb.  £>er  ^re= 
uolog  fann  in  feinem  Sinne  unb  in  feiner  roiffenfchaftltchen  <Spracbe 
fagen,  baß  ein  2)ienfa)  bon  CS^arafter  ftolj  unb  bemütln'g  zugleich 
fei:  aber  im  tfeben  ift  biefe  (Sprache  nicht  gebräuchlich,  unb  h>irb 
eben  barum  leicht  mißoerftanben.  Senn  man  im  £eben  bon 
einem  30icnfd)en  fagt,  bajj  er  ftolj  fei,  fo  roill  man  bamit  fagen, 
baß  er  nicht  zugleich  ba«  ©egentheil,  nicht  bemüt^ig  fei.  3n 
gälten  biefer  Slrt  ftimmt  alfo  bie  ^Sprache  ber  ^^"»logte  mit 
ber  Sprache  be«  Veben«  überein.  %  21uch  hat  in  biefen  fällen  bie 


Digitized  by 


Hur  ^riifurifl  ber  ^tyreuofoftir 


433 


(Srgielning  :c.  nic$t  loefentlidjen  Einfluß  auf  ben  (^arafter.  SBei 
ftarfem  Setbftgefüljl  unb  fdjmactyer  33ere^rung  mögen  <£rgie* 
fjung,  «erfyältniffe,  Sdn'cffatc  fein  bon  mefdjer  %xt  ftc  »offen, 
immer  mirb  fid^  jener  Sinn  al«  ftarf,  biefer  al«  fduoacfy  geigen. 
$auptfädt)ltcfy  ftäffe  biefer  3lrt  werben  unb  mtiffen  batjer  unfere 
5Mfpie(e  fein. 

5(üe.  meine  Urtfyeile  werben  erft  baburety  SÖJertlj  erhalten,  unb 
ifjren  erfüllen,  baß  tefy  fie  31jnen,  oereljrtefter  £>err,  miffen* 
fcfyaftlicfy  begrünte.  SÖJit  werben  einen  pljrenologifdjen  topf 
Sur  $anb  (jaben,  unb  wenn  i$  in  einem  ftaffe  einen  Sinn  ober 
(Sljaraftergug  fefyr  ftarf  ober  fefyr  fcfywacfy  nenne,  fo  »erbe  icfy 
3lmen  (unb  ben  übrigen  ettoa  anwefenben  §erren)  auefy  ba«  Or= 
gan  biefe«  Sinne«  al«  fefyr  groß  ober  fefjr  Hein  geigen.  üRan 
fann  befanntli<$  ba«  ®etyirn  mit  ber  33lume  be«  ©himenfofyte 
ocrgfeicfyen,  unb  bie  Organe  ber  inneren  Sinne  mit  ben  Sleftcben 
biefer  $flange,  welche  äffe  in  ber  9J?ttte,  im  Stengel  ber  ^flange 
(bem  föücfenmarf)  gufammentaufen.  SDiefer  ^unft  ber  SBeretni* 
gung  ber  Organe  mit  bem  9fücfenmarf  liegt  in  ber  Süfitte  be« 
^ünterf opfe« ,  ober,  genauer,  in  ber  Mitte  einer  geraben  Siitte, 
meiere  mir  oon  einer  OfyrBffnung  gitr  anberu  quer  burefy  ben 
topf  in  Qebcmfen  gießen.  9Son  biefem  Sflittelpunfte  au«  (welcher, 
Wenn  mir  ben  topf  oon  ber  Seite,  im  Profit  betrauten,  mit  ber 
Ofyröffnung  gufammenfäfft)  fönnen  mir  bie  oerfdnebenen  Organe 
(<^irn*s3Ieftc$en)  (eidfrt  meffeu,  am  (ei$teften  biejenigen,  wefa>  in 
ber  ^roftüinie  be«  topfe«  liegen,  b.  fy.  in  ber  i'inie,  meiere  mir 
bon  ber  SRafenwurget  aufmärt«  über  ben  gangen  topf,  biefen  in 
eine  rechte  unb  linfe  Wülfte  tfyeilenb,  gegogeu  beuten.  SBir  werben 
ba  g.  38.  ba«  Organ  be«  Selbftgefüfyl« ,  an  ber  Stelle  be«  fo= 
genannten  Haarwirbel«,  bei  einem  topfe  oieffeicfyt  2  3off  größer 
finben,  a(«  bei  einem  anberu,  b.  I).  menn  mir  bie  Umriffe  beiber 
töpfe  in  natürlicher  ®ri>ße  über  etnanber  getanen,  fo  baß  bie 
Ofyröffnung  beiber  ben  gemeinfctyaftlidjen  Mittelpunkt  bilbet,  fo 
mürbe  bie  Umrißlinie  be«  einen  topfe«  an  ber  begegneten  Stelle 
möglicher  SBeife  gmei  £off  über  bie  Umrißlinie  be«  anbern  $in< 
ausreißen.  (£)ie«  auefy  bann,  menn  bie  beiben  topfe  ober 
®efn'rne  im  (Saugen  ungefähr  bie  gleiche  ®roße  fyabeu,  fo  baß 

Sdjeue,  *l}n'uoloflif(De  Ȇber.  3.  Knfl.  28 


3«  $rfifttag  ber  ^renotoflie. 


bie  erftcrc  Umrt§linie  an  anbern  Stetten  innerhalb  ber  testeten 
(äge.)  (£ben  biefelben  großen  93crfd;nebenljeiten  »erben  mir  beim 
Organ  be«  <Sume$  ber  SBercfyrung,  gerabe  auf  ber  SDfttte  be* 
Oberfopfe«,  miebcrfinben.  (£in  Äopf  tt>irb  fuer  fyo$  unb  au$* 
gem&lbt,  ein  anbrer  niebrig  ober  oertieft  erf$einen.  2lelmtic$  beim 
Organ  ber  geftigfeit,  be«  SofjftooUenS,  be«  $ergleic^img«' 
oermogenö  ic. 

tiefer  fo  bebeutenbe  Unterfctyteb  in  ber  ®rö6e  ber  ®el?im< 
t^cifc  toiberlegt  jugleidb  ben  Crnmmrf,  freieren  einige  Anatomen 
gegen  bie  ^fyreuologic  ju  machen  pflegen,  ban  toegen  ber  Uuregel* 
mäfjigfeit  in  ber  ^icfe  ber  £)irnfdjale  gro§e  unb  fleinc  ®eljtm* 
tfyeife  (Organe)  aus  ber  äußeren  ftopfgeftalt  mit  ©icfyerljctt  nicfyt 
erfannt  unb  untcrfcfyiebcn  werben  fönncn.  ^cr  Unterfcfyieb  in  ber 
SDicfe  ber  £>lntf$a(e  beträgt  einige  Vinien,  ber  Unterfcfyieb  in  ber 
®r&Be  ber  Organe  fefyr  oft  jtoei  30U :  ber  festere  Unterfc&teb 
ift  bafyer  ettva  $  einmal  bebeutenber,  als  ber  erftere,  fo  ba& 
man  fid?  n  i  cfy  t  tauften  latm,  menn  man  in  einem  folgen  Unter* 
fcfyieb  jroeicr  $  ö  p  f  e  an  einer  beftimmten  Stelle  einen  Unterfctyieb 
ber  ®efyirne  erfennt.  X>cr  fragliche  dinmurf  ber  31natomen^ 
gleist  ganj  bem  (S  i  nun  t  r  f ,  loetcfyen  idj  oon  einigen  $$tfofo$cti 
gegen  bie  Phrenologie  erbeben  Ij&rte,  baj?  e$  feine  beftimmt  $u 
unterfdjeibenbcu  Gljarafterjüge  im  9)?enf cfyen  gebe.  £)er  Unter* 
fc^ieb  unter  ben  (Sljaraftcrjügcn  ber  SDtenfcfyen  ift  ungefähr  ebenfo 
gro§,  ift  ebenfo  (eicfyt  ober  ferner  ju  erfennen,  als  ber  Unter* 
fttyieb  in  ben  topf*  ober  ®cfyirngeftalten.  Söofyt  giebt  e$  oiele 
2flcnfdjen,  bei  weisen  beftimmte  ß^arafterjüge  faum  ober  fcfytoer 
ju  erfennen  finb,  9J?enfd?eu,  bon  benen  man  ni<$t  beftimmt  fagen 
fann,  ob  fie  ftolj  ober  bemütyig,  mutfug  ober  furcfytfam,  feft  ober 
manfefatütyig  le.  gu  nennen  finb,  gerabe  tote  e$  t>iele  9ttenfcben 
giebt,  bereu  $opfgcftatten  einen  fo  geringen  Unterfcfyicb  unter  fü$ 
geigen,  baj?  man  baraus  (bei  ber  ungleid)  bieten  §imf$ale)  auf 
einen  Unterfdjieb  in  ben  ®et)trngeftalten  mit  ©ictyerfyeit  nid^t 
fdjliefjen  fönnte.  Mein  foldjc  ÜDJenfcfyen  bienen  eben  nicfyt  jur 
Jöegrünbung  ober  ^Bereicherung  ber  Söiffenfc^aft ;  e$  gäbe  feine 
^fyrenologie,  menn  e$  nur  fo(c$c  SWenfcfyen  gäbe.  2lber  bie  SRatur 
ift  reieber,  al«  23iele  ju  nriffeu  f^einen.    (£«  giebt  jenen  2ftenfc$en 


Digitized  by 


43fi 


„Sur  VrftfMift  ber  ^brcnctcgic. 


gegenüber  auefy  fetd^e,  bei  benen  bie  Untertriebe  fomofyl  im  (5fya* 
Tafter,  al«  in  ber  ©efyirngeftalt  feljr  bebeutenb  finb,  unb  bafyer 
mit  tfetcfytigfeit  unb  3id)erfycit  naetygemiefen  werben  tonnen, 
9Wenfd;en,  metcfye  fefyr  ftotj  ober  fetjr  bemütljig,  fct;r  mutfng  ober 
fetjr  furefytfam,  fcl>T  poctifefy  ober  fc^r  profaifeb,  in  irgenb  einer 
33e$ieljung  fct;r  tatentfcott  ober  ganj  talentlos  :c.  finb,  unb  bei 
meleben  bie  ebenfo  bebeutenben  —  $c\lc  betragenben  —  Unter* 
febiebe  in  ber  Scopfgcftatt  nur  burefy  bie  Unterfdncbe  in  ber  ®e* 
fytrngeftatt  unb  nidjt  burdj  bie  Unregelmäj?igfeiten  in  ber  Diefe 
ber  .VSirnfcfyate  begrünbet  fein  fftnncn. 

3)Jit  bem  eben  befpro^enen  Grinrourf  gegen  bie  ^renotogie 
t>ermanbt  tft  ein  anberer,  wefdjer  ein  alt  gemeiner  genannt 
werben  !ann,  unb  melden  audj  Sie,  fcereljrtefter  £err,  erhoben 
fyaben,  ber  (Sinmurf,  bafj  bie  ^Ijrenolegen  ju  weit  gefjen.  Ser 
immer  junt  erftcnmal  fcen  ber  ^^reuotogie  tenntnijj  erhält  unb 
eine  pfyrenotogifcfye  ©üjle  mit  ben  fielen  barauf  msetebueten  Or* 
ganen  erbtieft,  unb  noefy  nid;t  bie  «ebeutung  biefer  Organe,  ntebt 
bie  $orfefyung*meife  fennt,  burdj  melebe  fie  aufgefunben  mürben, 
ber  mufi  faft  in  ba*  3Scrurtr)et(  berfaüen,  baß  btefe  Organe  gti 
jaljlreicb  feien,  um  alle  auf  Safyrfyeit  berufen  $u  tonnen,  bafc 
atfo  bie  ^renotogeu  in  ber  SCuffteüiuig  biefer  Organe  „ju  meit 
gefyen".  3n  ber  Xfyat  fyat  ber  (Gebaute,  batf  ber  in  fic$  einige 
menfcfylicfye  (Steift  fo  biete  befonberc  träfte  fyabe,  auf  ben  erften 
«tief  etwa*  fcfjr  Sonberbarc«,  faft  l'äd>crttd;e*.  Stuf  ber  @dm(e 
fyat  man  un«  geteert,  ber  menfd?lia>  (Seift  Ijabc  brei,  toier,  I)i>a> 
ften*  feetys,  fiebeu  ©runbfräfte :  SrfenntniB,  (Smpfinbung,  SBiüen«* 
fraft,  ®ebäcfytni§  ic,  unb  nun  foü  er  naefy  ber  'ißfyrenotogie  gegen 
tierjig  folctye  Gräfte  Ijaben!  3cein,  „bie*  gefyt  ju  weit!"  5lttein 
wenn  mir  bie  ©acfye  ein  wenig  näfyer  anfeljen,  fo  werben  mir 
ba*,  wa*  un«  auf  ben  erften  ©tief  fo  unmaljrfefyemlicty  bünft, 
ooUfommen  natürlich  unb  wafyr  finben.  2lbgefel)en  babon,  bajj 
bie  ^fyrenotogen  bte  (Srunbfräftc  niefyt  erfunben,  fonbem  gefun* 
ben  Ijaben,  fo  fann  un«  bei  bem  unenbücfyen  9tei<$tfyum  be$ 
menfefyUctyen  ©eifte*  an  trieben,  Neigungen,  ©efüfyten,  latenten, 
bie  äafjl  ber  rtrenofogifc^en  Sinne  an  unb  für  fid?  burctyau« 
uiebt  ju  groß  erfdjeinen.    Da*  wtffenfefyafttidje  «Sctyieffat  ber 


Digitized  by 


^ur  Prüfung  bcr  ^brenologic. 


437 


®runbfräfte  be«  (Reifte«  ift  ein  äfmlicfee«  wie  ba«  ber  ®runb- 
ftoffe  ber  Äörpei'.  3d;  (ernte  al«  $tnb  in  ber  ©dmle,  baß  e« 
bier  (Sientente  gebe :  bie«  waren  erfunbene  ober  falf<fye,  jefet  fennt 
man  meljr  al«  ein  Ijatbe«  Rimbert  waljre,  gefunbene  (Slemcnte. 
Die  ^renologte  fennt  al«  ®runbfräfte  be«  Reifte«  j.  Sd.  einen 
Äampffinn,  einen  $erfyeimü<$ung«finn ,  einen  <£rwerb«finn ,  einen 
Sinn  be«  ©elbftgef ityl« ,  bcr  «eifall«liebe ,  ber  f^eftigf ett ,  ber 
Skrefyrung,  be«  Sofylwollcn«,  ber  Gbeatttät  :c.  deiner  biefer 
Sinne  tft  gu  t>iel ,  feinen  fönnten  wir  wegftreictyen ,  oljne  bamit 
einen  wef entließen  £fjeil  ber  geiftigen  Xljätigfett  jn  bernidjten. 
3ludj  feinen  ber  23erftanbc«ftnne ,  beren  große  3a^  pm  weiften 
2lnfto§  jn  erregen  ftfyeint.  ,£uer  fallen  fogar  —  jum  oollften 
$cwei«  ber  Safyrljett  ber  <Sac$e  —  bie  wiffenfc$aftticfycn  Sorte 
unb  bie  Spraye  be«  Veben«  in  (Sin«  jufammen.  £)ie  Sorte 
ftormcnfmn,  ftarbenfinn,  3afylenftnn,  Ortfinn,  £onfinn  IC.  gelten 
im  l'eben  xmb  in  ber  Siffenfctyaft ;  feiner  biefer  ©inne  ift  fdjon 
im  anbern  enthalten.  2ßan  tyört  oft  Oemanben  fagen,  baß  er 
wenig  Ortfinn  ober  3a^te»fmn  £onfinn  :c.  fyabe,  womit 
felbftoerftanben  ift,  baß  anbere  ©inne  ober  Talente  in  ftär* 
ferem  2ttajj  bei  ifnn  oor^anben  fein  fßnnen.  ftürwaljr,  ein  nener 
ftunb  be«  Siffen«  fann  niemal«  an  alten  Xnfutyten,  fonbem 
nur  an  ben  £ljatfacfyen  be«  Öebcn«,  an  ber  9iatur  felbft  geprüft 
werben:  Stnfic^ten  fönnen  fo  alt  al«  bie  Seit  nnb  falfcfy  fein! 

Unb  wie  bie  ^Phrenologie  an«  ber  Sftatur,  an«  bem  Veben 
geköpft  ift,  fo  füljrt  fie  im«  mit  fixerer  £>anb  in«  fceben  jurücf : 
U>r  praftifd^er  Sertlj  für  alle  menfe^en  tfeben«fragcn  ift 
fefyr  groß.  Unfere  3ett  ift  eine  fernere  unb  emfte  3eit  geiftiger 
(Währung,  eine  3eit  be«  Uebergang«  ber  3ttenfd$eit  in  neue 
33afynen  be«  geben«  unb  be«  £)enfen«.  Sin  bie  ©teile  ber  Stuto* 
rität  (in  geben  unb  Siffenfdmft,  in  Religion,  ©itte,  ^olitif  :c.), 
welche  oon  jeljer  bie  Seit  bc!)errf$te,  foll  jefct  bie  Vernunft 
treten.  Sa«  ift  aber  bie  menfc^li^e  Vernunft,  wa«  finb  tl)re 
®efefce  unb  iljre  ©cfyranfen?  Oljne  bie  fixere  Beantwortung 
biefer  ^rage  fann  wofyl  Slfte«  unb  ©cfylettyte«  umgeftürjt,  aber 
nid^t  9te"ue«  unb  Söeffere«  aufgebaut  werben,  oljne  biefe  ©eant* 
wortuug  gefyt  unfere  3eit  unenblicfyen  Sirren  entgegen,  ja  wir 


Digitized  by  Google 


43« 


£ui  Prüfung  bcr  "Jtyrcnologic. 


leben  jum  Xtyil  fchon  mitten  in  biefen  Sirren :  benn  bie  großen 
materieUcn  (Srfinbungen  unferer  3«*/  (Sifenbahnen ,  SDJafchinen, 
Telegraphen  jc,  haben  noch  ba$u  beigetragen ,  bie  Sirren  ju 
fteigern.  3n  bem  Strubel  unferer  materiell  bewegten  3ett  be* 
barf  bie  sJ)^enf^eit  einen  ftärferen  £>alt,  alä  ben  bisherigen, 
bie  Autorität,  unb  boeb  Ijat  fie  felbft  biefen  berloren.  $ann 
aber  bie  Vernunft  ber  SDJenfchhett  ben  verlorenen  f)alt  geben? 
Sie  tarnt  tiefe«  nur  bann,  wenn  fie  in  ihren  ßefefeen  gefannt, 
wenn  fie  eine  felbftbewufjte  ift.  £>te  Vernunft  ift  ber  ®etft: 
SBcnumf tiefte  ift  ®eifte$lehre.  £>ie  fragen:  was  ift  bie  „ber* 
nünftige"  Religion,  bie  „vernünftige"  (Srjte^ung,  ba$ 
„vernünftige"  Staatsrecht  tc  finb  fragen  ber  praftifchen 
SBernunftlehre  unb  tonnen  nur  bon  ihr  beantwortet  werben, 
©teilen  mir  bamtt  bie  33ernunftlefyre,  bie  Phrenologie,  ju  h<>$? 
ermarten  mir  ju  viel  von  il)r  ?  Wein,  fdjon  bie  materiellen  Ghit= 
bedungen  ifabm  bor  unferen  klugen  bie  Seit  umgeftaltet.  Um 
fo  biet  ber  (Öeift  iftyn  ftefyt,  als  ber  Körper,  um  fo  biel  um= 
faffenber  unb  fegenSreicher ,  als  alle  materiellen  ßntteefungen  es 
vermochten,  wirb  bie  (Sntbecfung  ber  magren  menfehlichen  ®cifte«= 
natur  auf  baS  Sohl  ber  SKenfchhett  jurüefwirfen. 

Sie  werben,  verehrtefter  £err,  biefe  meine  Anficht  bon  ber 
praftifchen  Sichtigfeit  ber  Phrenologie  nicht  ganj  theilen.  So 
löte  bie  ^^renotogic  felbft  in  ihren  £hatfa$cn  auf  ben  erften 
iÖlicf  „5U  meit  gu  gehen"  fcheint,  ähnlich  fo  bie  praftifche  9n* 
menbung  ber  ^J^renologic.  (3n  meinen  Schriften  haDe  l$  au$s 
führlich  gegeigt,  wie  bie  (SrjiehungSlehre,  bie  SReligionSlehre  :c. 
in  ber  Phänologie  ihre  wiffenfehaftliche  ©runblage  («Ben.)  Allein 
gewig  werben  Sie  ber  ^5r)renoIogie  fo  oiel  theoretifche  unb  praf= 
tifche  Sichtigfeit  beilegen,  ba§  Sie  meine  33itte  ber  Prüfung  ber* 
felben  gerne  erfüllen.  SDiefe  Prüfung  ift  für  Sie  mit  einiger 
2ttühe  unb  einem  flehten  ^ettopfer  oerbunben.  3dj  glaube,  baß 
jwet  ober  brei  Sulingen,  jebe  bon  wenigen  Stunben,  genügen 
werben.  3m  ftalle  ©ie  etwa«  über  Phrenologie  ju  lefen  wünfehten, 
erlaube  ich  wir,  Shnen  gwei  meiner  neueften  Schriften  $u  über* 
reichen.  3n  ben  „Ütetfebilbern"  finb  vielleicht  einige  ^uffäfee 
(über  bie  Phrenologie  als  ®etfteSlehre,  über  Qtyxti,  Öucae,  Schopeu* 


Digitized  by 


,Sur  Prüfung  fccr  ^renofegic. 


439 


hauer,  bie  rcligiSfcn  ©irren  ber  ®egemoart,  meine  Söegegntffe  in 
Amfterbam,  bie  23erfammlung  ber  Anthropologen  in  (Böttingen  ic.) 
für  <©te  t>on  einigem  Sntereffe.  3n  ben  „ftrauenbilbern"  toürben 
@ie  Näheres  über  bie  uuffenfehafttiche  $ebeutung  phrenologifcher 
Gharafterbeurtheitungen  finben. 

£)aS  (Srgebnifc  3^rer  Prüfung  ber  Phrenologie  —  es  fei 
welches  eS  molle  —  toirb  bom  tykfytaff  3ntereffe  fein,  ©chon 
bie  Prüfung  fetbft  tonrb  bie  „©iffenfehaft  Vielehe  in  #e$ug  auf 
bie  ®etfteSlehre  bis  jefct  im  tiefften  Schlafe  lag,  au«  biefem  er- 
loccfen.  9Ja$bem  bie  ganjc  übrige  Statur  oon  ber  w3Bi|fenfd;aft" 
mit  unenblichem  ®lncf  erobert  unb  ihrem  $errfd;ergebiete  ein* 
oerletbt  toorben,  nac^bem  bie  Chemie,  bie  Phhfif,  bie  Afrronomie, 
bie  Ökologie,  bie  ^3^i>fiologie  3U  ftoljen  unb  mächtigen  >)iatur- 
nriffenfehaften  aufgeblüht,  hat  m*  ie^t  ber  h&chfte  $egenftanb 
ber  SRatur,  ber  menfehüche  ®eift,  für  bie  „Söiffenfchafr  in  ^aetyt 
unb  $>ergeffenhett  gelegen.  @S  gab  nicht  nur  feine  ^caturlehre 
beS®eifteS,  fonbern  bie  w2öiffenf<haft''  badete  nicht  einmal  baran, 
eine  ftftye  ju  [Raffen,  ben  ©eg  gu  einer  folgen  anzubahnen. 
3eber  öaie  fennt  bie  grofce  33erfdt)iebenheit  ber  menfcblichen  £ha* 
raftere  unb  ber  menfdjlichen  $opf*  ober  ®ehirngeftalten :  aber  bie 
w35M|fenfchaft"  fennt  biefe  SBerfchiebenheiten  noch  nicht,  hat  fie 
noch  ,u$t  beachtet,  beibe  nicht  unter  fich  oerglichen,  ba  boch  biefe 
33ergleichung  jur  $enntnij?  ber  ©runbfräfte  beS  ©eiftcS,  zur 
Kenntnis  ber  iöebeutung  ber  ($ehirnoer[chiebenheiten  ju  führen 
üerfpricht.  £>iefe  Trägheit  ber  „Siffenfchaft"  ^at  fürtoahr  fchon 
allzulange  geroä'hrt:  fie  mirb  unb  mu§  ein  (Snbc  fyahen.  3hre 
Prüfung  ber  Phänologie  fchon  als  folche,  unb  abgefehen  oon 
jebem  (grgebniffe,  toirb  bie  „Söiffenfchaft"  gu  ihrer  oerfäumten 
Pflicht,  bie  fo  nahe  gelegten  Beziehungen  gioifchen  ®etft  unb 
®eifteSorgan  gti  erf orfchen,  mit  gtoingenber  ®etoalt  gurücf führen. 
ÜDie  Phrenologie  hat  bie  (SeifteSberfchiebenheit  unb  bie  (Gehirn* 
oerfchiebenheit  unter  fich  verglichen  unb  bie  (Srfunbe  gufammen* 
geftellt.  Grrtoeifen  fich  *>k\t  (£rfunbe  bei  3hrcr  Prüfung  als 
unrichtig,  fo  ift  bie  Aufgabe  für  bie  ^Stffenfchaft" ,  nach  *>en 
richtigen  ju  forfchen,  nur  befto  bringenber.  (£rmeifen  fie 
fich  als  richtig,  fo  ift  es,  ba  nur  baS  ©elbftfehen  ben  9tatur* 


440  8ur  yrftfmtfl  ter  ^brenclegie. 

forfc^er  mad;t,  bie  Sacbe  ber  teutfcfyen  ($elefyrten,  Stylten  nacfy* 
juprüfcn.  Unb  fo  ift  Hoffnung,  baj?  aucfy  bie  (Steifteötefyre 
entlid>  jur  allgemein  gelaunten  3tatuinriffenf$aft  werben,  unb 
banttt  ber  grofce  föing  tiefer  gBijfcnföaftcn ,  mity  alle  Sin 
(Sange«  bitten,  jiun  9hu)me  unfere«  3afyrfyunberts  gesoffen 
toerben  wirb. 

33re«tau,  18.  September  1865. 


9Iuf  bie  torftefyente  9lnfpracfye  an  .£>rn.  ^rofeffor  SMrcfyoto, 
ioeld;e,  ate  Sörofcfyüre  getrueft,  icfy  Umt  mit  einem  befonberen 
Schreiben  überfantte,  erhielt  icfy  ton  ifym  feinen,  a(fo  einen  ab* 
letynenben  Stefäeib.  £)ie«  bielleify,  weit  ifmt  bie  ^renologie 
bodj  mistig  genug  fd^ien,  um  tyr  eine  befonbere  3ftüfye  unt 
3eit  $u  »tonten,  ober,  loa«  mir  mafyrfcfyetnUctyer  ift,  »eil  er  eine 
genriffe  @d>eu  tator  fitste,  fidj  in  bie  iljm  al«  Anatomen  frembe 
unb  fcfynricrige  ($teifte«lefyre  einjutaffen.  Stenn  ber  (entere  ®runb 
ter  toaljre  ift,  fo  ertaube  tefy  mir,  bem  tereljrten  SOianne,  —  tem, 
tote  Ärnotb,  ic$  e$  fyocfy  anrenne,  bafe  fie  unter  alten  namhaften 
Anatomen  unb  "ißfytyfiotogen  !£eutf($tanb$  bie  einzigen  finb,  bie 
fi$  unparteiifcfy  über  bie  ^Phrenologie  ausgeflogen ,  —  meine 
frühere  5Mtte  hiermit  normal«  torjutragen,  intern  idb  bemerfe, 
bag  bie  Prüfung  ber  ^renologie  au$  in  betreff  ber  (Steifte** 
lettre  nur  bann  cr^cbtic^c  «Sdbtoierigfeiten  bieten  fann,  menn  man 
ftc  ofme  .\;>ilfe  eine«  ^renotogeu  tornefmten  tritt.  Wit  meiner 
£Ufe  uurt  tiefe  Prüfung  eine  leiste  fein,  ba  idj  fetjr  ftar  atle 
fragen  beantworten  unb  alte  3lpe^f^  töfen  Werbe,  wetd;c  bie  und 
tortiegenben  £fyatfad;>cn  betreffen,  unb  ba  id)  bie«  gerne  fo  lange 
Munt  n>erbe,  bis  ber  ^rüfenbe  eine  fefte  unb  beftimmte  lieber ; 
jeugung  ton  ter  sBal)rfyeit  ober  llnwaljrljeit  ber  ^Phrenologie 
gewonnen  Ijat. 


Digitized  by  Google 


XXI. 

Untbropofoytc  und  Phrenologie. 

„3fbc  neue  iNidjtuiifl  Ijat  mit  nitflfQeiiftflKiiDfii  ajtrn 
W  Iämpfeit  unb  laitn  dcf)  Üjre  4>alHi  ittAt  btfcftftt,  oliue 
Hut*  utib  redjt*  a\u  unb  umauftofteii." 

Nrcfno  für  «utbrobolofltc  IV.  »b.  «oriuoct. 


L 

ÜDic  Slnt^ro^ologic  umfaßt,  mic  ftd;  tterftetyt,  nic^t  Mos  bic 
8e$re  bom  Körper,  fonbern  aitd^  bie  oom  Reifte  be$  9)Jenfd;en. 
£)ie$  ift  audj  auSbrücfüch  int  SBortuort  bc$  oorliegenbcu  „ArctyibeS" 
auSgef proben*).  („Die  Anthropologie  enthält  bic  ^ftychologie 
gan$.")  ©leichtoohl  pflegen  bie  Anthropologen  ftdj  nicht  mit  bet 
Unterfudmug  be$  (Reifte«,  fonbem  mit  mit  ber  bc«  ilßrpera  jn 
befaffen.  Selbft  ba,  roo  bie  Unterfudmug  be$  t&rper«  auf  bie 
be«  ©eifte«  unmittelbar  ^injunjeifen  fcheint,  —  in  ber  tfefyre  bom 
(Gehirn,  —  getreu  bie  Anthropologen  nicht  auf  bie  (#eifte$lel?re 
ein,  fonbem  bleiben  bei  ber  $ örperlchrc  als  fold;er  fte^en.  3n 
(Böttingen  fanb  t.  3.  1861  eine  33erfammlung  bon  Anthropologen 
ftatt,  ton  bereu  n>iffenfcfyaftlid;en  SBerhanblungcn  ein  ausführlicher 


*)  3$  gebe  ben  ?(uffa^  $ier  un&eränbert,  wie  er  für  baö  „2lrc^t^  für 
tCnt^ropofogie"  getrieben  ift,  unb  fnü^fe  baran  bie  ©itte  an  bie  geehrte 
9iebaction  biefer  3eitf<fyriftf  ben  Stuffafc  audj  aufjunetymen,  ba  berfclbe  ju« 
gleicfy  ald  eine  (t>on  mir  gefdjriebenc)  $iim>eifitng  auf  bie  „^brenologifdjen 
Jöilber'^  gelten  fann. 


Digitized  by  Google 


442  Sntyropolcflie  unb  ^brenolc^ic. 

Bericht  im  £>rucfe  »orliegt.  Triefe  sD?änner  fyaben  ntc^t  nur  feine 
ftrage  bei  ®eifte«lchre  in  bie  Unterfucbung  gejegen,  fonbern,  ob- 
gleich tt>re  breitägigen  Befprechungen  faft  nur  bie  ^orment>er= 
fchiebenheiten  unb  bie  äReffungen  be«  menfehlichen  ©chäbel«  unb 
^eln'rn«  (bie  „Morphologie"  be«  ®ehtrn«)  jum  ®egenftanb  hatten, 
e«  alfo  gtoingenb  nahe  gelegen  hätte,  aueb  bie  ftrage  nach  ber 
Bebeutung  biefer  gormoerfchiebenheiten  ju  ftellen,  fo  nwrbe 
boch  biefe  {frage  oon  ihnen  nicht  einmal  berührt,  gefebmeige  au«* 
führlicb  bef  prochen.  3n  ber  oortiegenben,  bereit«  ju  einer  9?ci^e 
oen  Bänben  angetoaebfenen,  3ettfcbrift  ift  ganj  gegen  jene  ©orte 
bet  Gorrebe  bie  ^ftychologie  nicht  zum  ®egenftanb  ber  Unter* 
fuchungen  gemacht  morben. 

Söoher  biefe  merftoürbige  Gernachläffigung  eine«  ganzen  großen 
(Gebiete«  ber  Anthropologie,  eine«  Gebiete«  jumal,  »eiche«  ba«  etfte 
unb  toichtigfte  biefer  ©iffenfehaft  ift?  Denn  bie  Betrachtungen 
unb  Meffungen  ber  oerfchiebenen  (^ehimformen  fbnnen  ja  nur 
ben  toiffenfehaftüchen  (^nbjmecf  h<*ken,  $ur  Äenntnijj  ber  Bebeutung, 
welche  biefe  Gerfchiebenheit  be«  ®eifte«organ«  für  ben  ®etft  hat, 
ju  führen.  Allein  fo  räthfelbaft  biefer  Mangel  ber  gorfchung 
auf  ben  erften  Blicf  erfcheinen  mag,  bie  (Srflärung  beffelben  ift 
nicht  alljufchtoer :  fie  üegt  bor  Allem  in  ber  fo  fehr  großen  35 er  = 
f$iebenheit  ber  beiben  ©iffen«gebiete,  ber  fterperlehre  unb  ber 
(9etfte«lchre ,  einer  Geriebenheit,  toelche  ein  nriffenfchaftlicbe« 
£erübertreten  oon  jenem  Gebiet  in  biefe«  al«  lattm  möglich 
erfcheinen  lägt.  Dort  ber  fichtbare  unb  greifbare,  bem  Stoffen, 
3ählen,  ©ägen  zugängliche  ®egenftanb  ber  ftorfchung,  t/icr 
bie  ber  unfichtbaren  ©elt  angeh'örenben  menfebüchen  ©cfühle, 
Neigungen,  t'eibenfchaften,  toelche  berm&ge  ihrer  SUatur  einer  toirf* 
liehen  toiffenfchaftlichen  (Srforfchung  unzugänglich  zu  fein  freuten, 
©te  unenblicb  oiel  fchtoieriger  ift  jebenfall«  bie  lefctere  #or* 
fchung,  al«  bie  erftere!  ©enn  jebe  nuffenfchaftliche  Seiftung  eine 
jahrelange  Arbeit  unb  Uebung  in  bem  betreffenben  ftache  oorau«* 
fefet,  toenn  auch  ber  Mann  ber  ^Brperleljre  fidt)  in  feinem  gache 
einer  folgen  Arbeit  unb  Uebung  unterzogen  haken  mu£,  ehe  er 
bie  ©iffenfehaft  burch  feine  Seiftungen  $u  bereichern  hoffen  barf, 
toie  toäre  c«  beufbar,  bajj  er  ohne  ©eitere«  in  bem  ihm  fremben 


Digitized  by 


aiit&voVologie  unb  ^renoloflte.  443 

unb  an  ftcfy  inet  fctynrierigeren  (Gebiet  ber  ($eifte«lefyre  mit  (Srfotg 
al«  $otfd;er  aufzutreten  oermikhte!  Unb  fetbft  angenommen,  er 
fef^reefte  oor  bet  jahrelangen  neuen  Arbeit  unb  Uebung  ntd?t  ju- 
rütf  unb  fänbe  au$  ba$u  bie  3ett,  fo  ift  e«  immer  fraglich,  ob 
er  für  tiefe  gorfchung  ba«  nötige  £alent  mitbringt.  <5r  ift  biet* 
leicht  bei  ftarfem  gormenfinn,  Ort«finn,  3ahtenfinn  2c.  ein  ®enic 
in  ber  $örperfefyre ,  unb  ohne  befonbere«  latent  in  ber 
©eifteSlefyre. 

@c^on  bie«  toürbe  gur  (Srflärung  genügen,  warum  bie  3(n= 
thropologen,  meiere  nur  Scanner  ber  ^örperleljre  finb,  ba«  (Gebiet 
ber  ®eifte«lehre  bi«her  nicht  einmal  ju  betreten  toerfucfyt  ^aben. 
vJcoch  ein  weiterer  (5rflärung«grunb  ift  ber  folgenbe.  Unfere  $eit 
ift  auch  in  wiffenfehaftlicher  ^pinfid^t  merfwürbig  unb  groß  burdj 
ben  erwachten  (Seift  echter  ittaturwiffenfehaft ,  melier  und  einen 
früher  nicht  geahnten  $Reid>thiim  wahren  ffiiffen«  erfchloffen  t>at 
unb  immer  mehr  erliefet.  2öa«  finb  in  öejug  auf  Siffen  unb 
tenntniffe  bie  berfloffenen  3a^rtaufenbe  ber  Wenfc^^ctt  gegen 
nnfer  ^a^r^unbert!  Ueberaü,  in  allen  Gebieten  ber  Sftatur,  wo 
man  früher  nur  ^^itofo^^irte,  träumte  unb  irrte,  tyat  man  jefct 
gelernt,  mit  offenem  3luge  ju  feljen  unb  ju  Hüffen,  unb  ift  eben 
baburdj  auf  bem  fixeren  $Öege,  immer  weiter  in  beut  Grrfennen 
t^atfä'c^lic^er  SGßa^r^citen  fort$ufd?fetten.  3eber  gorfcher  in  ben, 
Gebieten  ber  ^aturmiffenfdjaft  ift  fidj  biefer  wiffenfd;aftltchen 
®röfjc  unferer  3eit  flar  bewufct,  ift  ftolj  auf  ben  gewonnenen 
fixeren  2Beg  ber  gorfchung,  unb  macfyt  nach  feinen  Gräften  bar* 
über,  baß  biefer  Söeg  niemal«  wieber  oerlaffen  werbe.  Sichere« 
unb  befrtmmte«  —  eracte«  —  ©iffen  ift  ba«  groge  Sort  in  allen 
Gebieten  ber  9caturwtffenfchaft  geworben,  im  (Segenfafee  ju  bem 
geträumten  ober  @tfyeimr>iffen  ber  früheren  3«tat.  2)tft  9Jed^t 
wirb  nur  jene«  griffen  für  werthbotl,  biefe«  für  werthlo«  gehalten, 
wie  benn  auch  biefe«  feine,  jene«  unenbltch  reiche  praftifche  (Sr* 
gebniffe  aufauweifen  hat.  £)a  nun  alle  Anthropologen  Scanner 
ber  erbeten  sföiffenfd^aften  finb,  unb  ba  bie  ®eifte«lefyre  oermöge 
ihre«  ®egenftanbe«  bafür  gilt,  nicht  ju  biefen  ©iffenfehaften  ju 
gehören,  bürfen  mir  und  ba  Wunbern,  baf?  bie  Anthropologen 
innerhalb  be«  Gebiete«  biefer  Siffenf  duften  ftehen  bleiben  wollen, 


Digitized  by  Google 


444  Anthropologie  unb  Phrenologie. 

ba§  fie  ein  (Gebiet  nicht  betreten  mögen,  toelche«  an  fich  toerthlo« 
lu  fein  fcheint? 

hiermit  fcheint  jugleich  ein  SBormurf  abgen>tefen  gu  fein, 
ioelchen  man  oielfeicht  ben  Anthropologen  jn  macben  berfncht  fein 
fönnte.  .Senn  auch  biefe  Scanner  fetbft,  —  fo  f&nnte  man  oiel* 
leicht  eimoenben  moüen,  —  ba«  bebtet  ber  ®eifte«lehre  nicht  bc* 
treten  Kimen,  loarum  oerbinben  fie  fich  nicht  mit  ben  Scannern 
ber  ®eifte«lehre  (ben  pftychologen),  nm  ihnen  ben  entfprechenben 
ber  ftorfchung  ju  übertragen,  bamit  bie  große  unb  übte 
V-ücfe  in  ber  Anthropologie  enblich  ergänzt  loerbe  ?  toarum  merben 
nicht  3.  33.  oon  ber  9?ebactton  biefe«  Arcbioe«  namhafte  $ftyc$o* 
logen  oeranla&t,  bie  Söebeutung  ber  erfanntcn  nnb  burch  üKeffung 
feftgeftellten  ®ehirnoerfchiebenheiten  jn  erforfchen?  Allein  ba  bie 
ptychologen  nicht  Männer  ber  c^acten  ©tffenföaft ,  ihre  gw« 
fchungcn  alfo  oon  feljr  nntergeorbnetem  ©erth  finb,  fo  f&nnen 
fid;  biefe  ftorfchungen  ntcbt  $ur  (Srgänjung  ober  2$erfd;mcljung 
mit  ben  ftorfdnutgen  ©er  Anthropologen  eignen.  $)ie«  erhellt 
auch  \d}on  an«  bem  bisherigen  tl>atfäd^Uc^en  fanget  aller  Hüffen* 
fd;aftlichen  (Srgebniffc  ber  pftychologifchen  gorfchungen ,  ein 
Langel,  n>eld>en  oiele  pftychologen  felbft  laut  befennen  nnb  be* 
Hagen.  Sticht  einmal  bie  erfte  miffenfcbaftlidje  (^rnnblage  ift  bi« 
iefet  in  ber  *ßfhdr)ologie  gelegt,  nicht  einmal  eine  loirfliche  $enntnip 
ber  ®runb*räftc  be«  Reifte«  ift  in  ihr  gewonnen *). 

3ft  aber  —  eine  anbere  fich  hier  aufbrängenbe  grage  — 
ift  ba«,  n>a«  bie  Anthropologie  in  ber  ^ftydhologte  ju  finbcn  nicht 
hoffen  barf,  nicht  etma  anber«too,  ift  e«  nicht  in  ber  ^hte.»»* 
logie  $u  finben?  £>ic  Phrenologie  behauptet  ja  nicht  blo«,  bie 
mahre  ®eifte«lehrc  ju  fein,  —  bie  toirf liehen  ®nmbfräfte  be« 


*)  Uebrigeu«  bleibt  bie  ftrage  ju  beantworten  übrig ,  tote  ftdj  hiermit 
bie  oben  erwähnten  ©orte  in  ber  SSorrebe  biefe«  Archioe«  —  baß  /;bie  Anthro* 
pologic  bie  ^fachologie  ganj  enthält",  —  bereinigen  laffen.  (SntWeber  ent* 
hält  bie  Anthropologie  bie  pfychologie:  bann  ift  biefe  bamit  für  eine  toirf» 
lid;e  Siffenfdjaft  erflärt  unb  bie  Anthropologen  bürfen  fie  nicht,  Wie  geflieht, 
thatfächltch  ignoriren.  Cber  aber  bie  pfodjologie  ift  feine  wirtliche  Siffen- 
fdiaft  unb  bie  Anthropologen  haben  9?ed>t,  ftc  3U  ignoriren :  bann  enthält  tic 
Anthropologie  fie  nicht. 


Digitized  by  Google 


445 


Reifte«  aufgefunkelt,  bie  fogenannten  sBiberfprüche  im  3Wenfchen* 
geifte  erflärt  ju  haben  ic,  —  fonbern  fie  behauptet  noch  roetter, 
ba«,  toa«  oor  Willem  bie  Anthropologie  511  fucheu  fyat,  bie  $ennt= 
nt§  bet  Söcbeutung  ber  berfchiebencn  menfchltchen  (Sehtrnge* 
ftatten,  bereit«  ju  befifccn.  (SehriB  ift  e«  bie  Pflicht  be«  SIntfyro* 
pologett,  forgfättig  3tlle«  gu  prüfen,  ma«  bie  große  Öücfe  in  ber 
SSMffenfcfyaft  anzufüllen  nur  einigermaßen  hoffen  (äffen  fann. 
Mein  toenn  bie  Anthropologen  gerechtfertigt  finb,  baß  fie  ben 
SBerfuch  nicht  machen,  bie  Öücfe  burch  bie  Pftydjologie  ju  ergänzen, 
fo  bebürfen  fie  nad)  einer  getoiffen  9)feinung  noch  weniger  einer 
befonberen  Rechtfertigung  bafür,  baß  fie  ben  SBerfuch  mit  ber 
^fyrenologie  nicht  machen  toollcn.  sJiach  biefer  getoiffen  Meinung 
trifft  bie  (Seringfchäjjung ,  toelche  bon  Seiten  ber  ÜDtönner  ber 
e^acten  2öiffenfct;aft  auf  ber  Pftycljologie  ruht,  in  noch  ^ö^erem 
S0?af3  ober  mit  noch  größerem  Recht  bie  Phrenologie.  „£)te  Huf* 
fchlüffe,  —  fo  lautet  ungefähr  biefe  getoiffe  Meinung,  —  n>e(ct>e 
bie  ^htenotogie  über  bie  ®eifte«tf;ätigfeit  ju  geben  behauptet,  finb 
nicht  bto«  teer  uub  ungenügenb,  toie  bie  ber  pftychologie,  fonbem 
fie  tragen  ben  (Stempel  ber  fchlintmften  Untoiffenfchaftltchfeit  auf 
fidj.  £te  ^hre»otoÖie  jerfpaltet  5.  39.  ben  einheitlichen  menfeh* 
liehen  (Steift  in  eine  fehr  große  £aty  befonberer  @inne;  einige 
biefer  <Sinne  —  ÜDieb^finn,  9)Jorbfinn  :c.  —  finb  toohl  ba« 
^tärffte,  toa«  jemal«  in  unbegrünbeten  Annahmen  geleiftet  toorben 
ift;  ftatt  bei  ber  (Srforfcbung  ber  (Sehtrnthätigfeit,  fo  toie  bie 
©iffenfehaft  e«  forbern  roürbe,  anatomifch  oom  innern  39au  be« 
(Gehirn«  au«jugehen,  geht  bie  Sß^renorogic  bon  ber  äußeren  ©e< 
ftalt  be«  (Sehint«,  ja  bon  ber  ®eftalt  be«  Sd?äbel«  au«  it.  f.  tv. 
Äutj,  bie  Phänologie  m***  Sfabere«  ober  nicht«  Söeffere«,  al« 
eine  jener  £)oetrinen,  toelche,  —  toie  j.  $8.  ber  ütte«meri«mu«, 
bie  phhftognomif,  manche  $eitftyfteme,  —  gleich  al«  ßarteaturen 
ber  Siffenfchaft  ober  al«  toiffenfchaftliche  duriofa  bon  $eit  51t 
3eit  auftauchen,  um  balb  toieber  in  ihr  sticht«  }u  berfchtoinbeu. 
äöährenb  baljer  bie  Pftychologie  trofc  be«  Langel«  an  totffen* 
fchaftlichen  (Srgebniffen  burch  ihre  toiffenfchaftliche  Haltung  eine 
getoiffe  Berechtigung  hat,  unb  bavum  auch  immer  tfehrgegenftanb 
auf  ben  £ochM>uten  getoefen  ift,  fo  hat  bie  ^^renotoAte  burch  tytttt 


Digitized  by  Google 


446  Slntftrepoloflic  itnb  Phrenologie. 

augenfcheinfichen  Langel  an  5öiff enf d^af ttic^f eit  eine  faft  unbe^ 
bingte  Nichtbeachtung  bon  (Seiten  ber  Sftänner  bet  SBiffenfchaft 
erfahren. "  <5o  jene  gewiffe  Meinung,  welche  noch  immer  bei  nam- 
haften (belehrten  gefunben  wirb.  <5o  wirb  j.  33.,  tt>ie  ich  be* 
ftimmt  wen},  auf  einigen  $atfjebetn  beutfeher  Uniberfitäten  noch 
t^eute  bie  Phrenotoflie  als  „Unfinn"  unb  „8dmnnbel"  bezeichnet. 

Sollte  naa>  aü  bem  ®efagten  bie  ?ücfe  in  ber  «ntljro* 
pologte  für  eine  nothwenbige  unb  bleibenbe  511  erflären  fein? 
fcUtc  bie  JBiffenfchaft  bom  ÜWenfchen  i^Te  wichtigftc  £älfte,  bie 
®eifte$lehre,  für  immer  entbehren  müffen?  Nein,  biefe  #älfte 
ift  bereit«  borhanben,  unb  jwar  eben  in  ber  Phänologie,  welche 
etwa«  9lnbcre«  ift,  als  fie  ben  üttetften  ju  fein  fcheint.  Die 
Phänologie  ift  nur  bem  s)l  a  m  e  n  nach  bbn  Allen,  in  ihrem  Inhalt 
aber  ober  in  ihrer  wahren  33ebeutung  nur  bon  fehr  SÖenigeu  ge* 
fannt.  >Die  ^ß^renotogie  ift  in  ber  Xfyat  biejenige  naturwtffen* 
fcbaftliche  ®etfte«lehre,  welche  im  (Segenfafc  $ur  pftyho* 
logie  ober  einfettig  philofopfnfchen  ®eifte«tehre  bie  ergänjenbe 
£ätfte  ber  Anthropologie  bitbet.  9Q?an  berachtete  Bi«= 
her  bie  Phrenologie,  Weit  man  fie  nicht  fannte,  unb  man  lernte 
fte  nicht  fennen,  weit  man  fie  berachtete,  ein  übler  Btrfel,  Wetter 
wie  ein  3auberbann  bie  Ntchtfenntnijj  ber  Phrenologie  berewigen 
gu  müffen  fcheint.  3ch  toill  hier  auf  wenigen  ©tattern  ben  SBerfuch 
machen,  ben  Söann  ju  (öfen,  ich  totfl  3U  hcWn  fwc^cn,  baft  bie 
Senologie  gefannt,  in  ihren  SThatfachen  geprüft  ju  werben 
terbient. 


Die  Phrenologie  ift  bor  Allem  ober  in  ber  §auptfache  nicht 
®ehtrntehre  (natürlich  noch  weniger  ©chäbellehre),  fonbern  natur- 
wiffenfehafttiche  ®eifte«lehre.  <3chon  ba$  Söort  Phrenologie 
bebeutet,  wie  Pftychologte,  (SJeifteSlehre  (ober  ©cetenlehre).  9)? an 
wählte  baffelbe,  weit  bie  ^J^renologte  eine  neue,  eine  naturwtffen« 
fchafttiche,  alfo  eine  anbere  ®eifte$lehre  als  bie  Pftychotogie 
ift,  unb  e8  für  bie  neue  SÖiffenfchaft  eine«  neuen  tarnen«  bc* 
burfte.    Die  Phrenologie  at«  naturn>tffenf^aftficr>e  ®eifte«lehrc 


Digitized  by  Google 


ftntyropotoflie  imb  ^renoloßie. 


447 


toäre  eine  große  (Jntbetfung,  eine  große  Söafyrfjett,  wenn  fie 
aucfy  nickte  ton  ®efyirn  loüfcte  ober  teerte,  ober 
10 eil  11  aucfy  alte«  £)a«,  n>a«  fie  bom  ®efyirn  a(« 
®eifte«organ  lefjrt,  irrig  toäre.  $)enn  bie  ^renologie 
tyat  anf  naturn>iffenf$aftlicfyem  2Bege  bie  ®runbfräfte  be« 
®eifte«  anfgefimben.  £>ie  ®runbfräfte  be«  ®eifte«  finb  an 
nuffenfdjaftlidjem  Söcrtlj  ba«  für  bie  ®eifte«lef>re,  loa«  bie  ®runb< 
ftoffe  ober  (demente  bcr  $&r£er  an  toiffenfc^aftlic^em  Scrtfj  für 
bie  törpcrlefjre  finb.  @o  toie  e«  eine  loafyre  (miffenfc^aftac^e) 
ftörperleljre  nicfrt  gab,  fo  lange  man  ton  bier  (Elementen  ber 
Körper  träumte,  b.  fy.  fo  lange  e«  feine  kernte  gab,  fo  fjate« 
eine  toafyre  (natuümffenfcfyaftlicbe)  ®eifte«lefyre  ni$t  gegeben,  fo 
lange  man,  toie  in  ber  s]$ftycfyolegie ,  blofcc  allgemeine  ®eifte«* 
rräfte,  j.  S3.  ®ebäcfytni§,  SöillenSfraft,  drrfenntnijj  JC  für  ®runb* 
fräfte  be«  Reifte«  fyielt.  Sic  fann  man  33.  ba«  <$ebäd&tni§ 
für  eine  ®runbfraft  be«  Reifte«  galten,  ba  bie  einfache  38e< 
obac^tung  ber  9iatur  jeigt,  baf?  baffelbe  tljatfacfyticty  toieber  in 
mehrere  o er fetyt ebene  ®ebä#tmffe  jerfällt.  $itt  Wenfcb  fann 
g.  «.  ein  ftarfe«  OrtSgebädjtnij?  unb  ein  fdjtoad?e«  3atylengebäc^ 
mfj  fyaben,  ein  anberer  umgefefyrt.  (Sfrenfo  fann  ba«  Sollen  ober 
©egefjren  feine  ®umbfraft  be«  Reifte«  fein:  benn  ein  üftenfd; 
begehrt  meljr  uaefy  ®elb  unb  ®ut,  ein  anberer  nadj  9htf;m  unb 
dljre,  einer  naefy  Ötebc  unb  griebe,  ein  anberer  nad)  (Streit  unb 
$ampf  u.  f.  ro.  £5er  grojjc  3rrt1jum  ber  "pftnbologen  finbet  bariu 
feine  (Srflärung,  ba§  alle  ^ft^ologen  bie  (SJrunbfräfte  be«  (Reifte« 
auf  bem  Scge  ber  bloßen  <2elbftbeobacbtung  auffinben  51t  fönnen 
meinten.  £)ie  ©elbftbeobactytung  fann  im«  ni<$t  fagen,  ob  ba« 
Drt«gebä<$tni§  unb  ba«  äafylengcbä'ctytnife  eine  unb  biefelbe  ober 
gtoei  t>erf<$tebene  dMftc«fräftc  finb,  ba  un«  bie  Sßatur  ben  im* 
mittelbaren  33licf  in  ba«  betriebe  unfere«  Reifte«  oerfagt  fyat. 
$)ie  ^Ijtenologie  fa^lug  jur  Ghitbetfung  ber  (Srunbfräfte  be« 
(Reifte«  einen  anbeni  Seg,  ben  ber  allfeitigen  9ftenfd)enbeobacfy* 
tung,  ein.  Säljrenb  un«  bie  <Selbftbeobacfytung  nur  einen 
ü)?enf$en  ober  ba«,  loorin  alle  2ftenfcfyen  einanber  gleicfy  finb, 
fennen  lefyrt,  toarf  bie  ^Phrenologie  ifyren  33ticf  auf  bie  ganje 
üttcnföljeit  unb  entbeefte  in  ber  geiftigen  $erfa)iebenljeit  ber 


Digitized  by  Google 


448 


flntbrcMogie  uitb  ^brrnoiogif. 


9ttenfc$en  ba*  Littel,  bic  @runbfräfte  be«  Reifte«  auftufmben 
unb  nadbjutocifcn.  Denn  toenn  bic  «eoba^tung  jetgt,  bafc  $.  $3. 
ein  9)fenfc$  mel  Talent  für  bie  Auffaffung  &on  OertUc^feiten  unb 
loenig  Xalent  für  Bahlen  fa*»  cnl  anberer  imtgefeljrt,  fo  ift  ba= 
burd?  bet  Ortftnn  (ba$  £)rt$talent,  baä  DrtSgebädjtnijj)  unb  ber 
3afylenfinn  als  befonbere,  als  ($runbfräfte  be$  Reifte«  nacfyge* 
triefen.  (Scfyon  bie  »Spraye  ift  Ijier  längft  biet  weiter  in  ber 
(Srfenntnijj  ber  Söafyrfyeit  borgebrungen,  als  bie  fogenannte  Siffen- 
fdbaft  ber  pftodjologie.  Die  Spraye  fennt  einen  befonbcren  Ort* 
finn,  3atylenfinn,  £onfinn,  gormenfinn,  garbenfmn  :c.,  wogegen 
unter  allen  Prologen  nicfyt  ein  einiger  biefe  (Sinne  al«  foldjc 
ober  al«  ©runbfräfte  be«  Reifte*  erlannte.  Die*  erflärt  fid> 
barau«,  baß  bie  pfydjologen  feine  9taturforf$er,  fonbern  einfeitige 
plnlofopljen ,  blogc  abftracte  Denfer  waren.  3e  weiter  fie  auf 
ifyrem  irrigen  3öege,  bem  ber  <Selbftbeobat$tung ,  vorgingen,  je 
metjr  fie  ftcfy  in  baö  abftracte  Deuten  bertteften,  befto  mefyr  ber= 
loren  fie  ben  freien  ©lief  in  bie  9catur,  faljen  glei^fam  ben  Salb 
bor  Räumen  nictyt. 

©egen  ba«  fyier  ®efagte  fönnte  man  rielleid&t  einen  Einwurf 
ergeben  wollen.  <So  grojj  aud&,  —  fonnte  man  fagen,  —  bie 
geiftige  Eerfäiebenfjeit  ber  SMenföcn  j.  Sd.  in  ber  <Stärfe  ber  ein* 
Seinen  ©ebäctytniffe  ift,  fo  ift  bamit  nocfr  fein  «eweiS  für  bie 
wirftictye  S3erf  d) iebenty eit,  für  bie  in  ber  Statur  felbft 
liegenbe  Trennung  biefer  ©ebäcfytniffe  gegeben.  Söer  fagt  im«, 
ob  bie  berfcfyiebene  <Stärfe  biefer  (Sebäcfytniffe  nicfyt  lebiglicfy  au« 
ber  Skrfcfciebenfyeit  ber  Crrjiefyung,  ber  $ertjä(tniffe,  ber  3nter= 
effen  ber  ü)2enf$en  fyerborgefyt?  Jöirb  nid;t  5.  ber  Kaufmann 
einen  ftärferen  3^^enfinn,  ber  Porträtmaler  einen  ftärferen  gor* 
menfinn,  ber  föeifenbe  einen  ftärferen  Ortfinn  :c.  barum  fyaben, 
weit  ber  Kaufmann  für  ba«  (Srfennen  unb  galten  ber  3atycn, 
ber  Porträtmaler  für  baö  ber  gönnen,  ber  föeifenbe  für  ba«  ber 
Dertlictyfeiten  ein  befonbere«  3ntereffe,  audj  bartn  eine  gr^erc 
Uebung  t;at ?  Angenommen,  bafc  biefer  (Einwurf  begrünbet  ift, 
bap  bon  Statur,  bon  Geburt  au8  alle  Arten  be8  <&ebädjtniffe$ 
(unb  alle  einzelnen  Talente  unb  (£fyarafter$üge )  in  ber  «Stärfe 
einanber  gleicb  finb,  furj  angenommen,  bafc  e$  oerfduebene  unter 


Digitized  by  Google 


vjlntbrot>oloaic  unb  sEbreno(oaie.  4.4.^ 


fich  getrennte  ®etfteSfräfte,  fogunennenbe  ®runbfräfte  beS  ®etfteS, 
gar  nt$t  giebt,  fo  ift  ber  Stforgug,  welker  ber  ^Mjrenofogte 
wegen  beS  aufgefunbenen  nenen  Seges  ber  gorfchung  gugefetyrteben 
werten  foll,  nur  ein  fühlbarer,  fo  ift  bie  ^Phrenologie  als  ®eifteS= 
lel;re  fo  wertlos,  lote  bie  pftychologie. 

%uf  bent  -Stanbpunft  btefeS  3weifelS  an  bem  iBorhauben* 
fein  oon  ®rnnbfräften  beS  Reifte«  unb  beS  In'erau«  gegen  bie 
Phrenologie  erhobenen  bebingten  Einwurfs,  wie  wir  tyn  §kx  for* 
nmlirt  haben,  fteht  bie  grojje  9)*ehrgahl  aller  t'aien  in  ber 
®eifteSlebre.  Natürlich!  benn  bie  grage  nach  ben  ®runbträften 
bes  Reifte«  reicht  in  bie  gange  Xiefe  ber  ®eiftestehre  hinab,  unt> 
wer  bie  grage  wiffenfehaftüch  gu  beantworten  unb  gu  entleiben 
wüßte,  wäre  eben  nicht  mehr  Öaie  in  ber  ^eifte^e^re  *).  Doch 
haben  wir  biefen  bebingten  Einwurf  gegen  bie  Ph*en°l°Stc 
hier  nicht  gu  berüefftchtigen  ober  gu  wiberlegcn,  benn  wer  ihn 
erhebt ,  gäfjlt  barum  nicht  gu  jenen  (Gegnern  ber  ^ß^rmofogie, 
welche  biefelbe  oon  oornhereiu  aU  ber  Prüfung  uuwerth  oerwerfen. 
Diefer  Einwurf,  biefer  $weifel  ift  ein  oollfommen  berechtigter, 
gleichfam  ein  wiffenfchaftlich  nothwenbiger ,  ba  eS  ja  bie  Pflicht 
beS  9caturforfcherS  ift,  jebem  Dinge  ober  ieber  Xhatfache  gegen* 
über,  bie  er  noch  nicht  fennt,  noch  ™fy  geprüft  hat,  gu  gwetfeln. 
@S  wäre  ebenfo  unwiffenfehaftlich,  bie  ^h^n^logie  oon  ooruhercin 
(ohne  Prüfung)  als  wal;r  augunehmen,  als  fie  oon  oornherein 
als  unwahr  gu  oerwerfen.  Sluch  ift,  wie  ftch  oerfteht,  h^r  niebt 
bie  Stelle,  ben  3wetfel  ausführlich  gu  befprechen  unb  gu  heben, 
ben  SöeweiS,  bafj  eS  ®runbfräfte  beS  @eifteS  giebt,  gu  führen. 
Die  ^>t)renologie  felbft  als  naturwiffenfchaftliche  ®eifteSlehre  ift 
in  ihrem  gangen  3nhalt  nichts  anberes,  als  ber  geführte 
beweis,  bafe  bie  geiftige  SSerfchtebenheit  ber  2)fenfchen  (bie  $er= 


•)  ?aien  m  ber  ©eiftedlebje  fmb'auch  bic  ^oebdogen.  Xtnn  ba  bic 
Pfoctjoloaie  feine  toirtliche  3Biffenfd>aft  ift,  fo  tonnte  in  i^r  bie  grage  na* 
ben  ©runbfraften  be«  ©eifte«  nicht  entfebjeben  werben,  toie  benn  att$  unter 
ben  ^fadjolotjen  nid)t  blo«  über  bie  wahren  (Smnbfrafte  be«  Öetfte«,  fonbern 
aua)  barüber  bie  Bnftdjten  geteilt  ftnb,  ob  e«  ttberbauot  »erfcfyiebene  (Ürunb 
früfte  be«  (Reifte*  giebt  ober  nid;t.  2>al?er  ftebj  ber  ^focbolog  auf  bem  *5tanb* 
punft  jebe«  aubern  l'aien  in  bei:  (Seifte«leljre. 

erfjeoe,  ^IjrcHotoflifdic  «Uber.   3.  Inf.  29 


Digitized  by  Google 


448 


«nt^rc^clogic  uiib  ^brenologif. 


9ttenfc$en  ba«  Littel,  bie  ©runbfräfte  be«  Reifte«  auftufinbeti 
unb  nac&iutoeifen.  Staut  wenn  bic  ^Beobachtung  jeigt,  ba§  3.  $5. 
ein  2)ienfcfy  biet  Talent  für  bie  Auffaffung  bon  Oertlictyfeiten  unb 
wenig  latent  für  3a^cn  *?öt/  CU1  ruberer  umgefefyrt,  fo  ift  ba* 
burcfy  ber  Ortfinn  (ba$  Ortätalent,  ba$  OrtfcgebädjtniB)  unb  ber 
3afytenfinn  als  befonbere,  als  ®ruubfräfte  beä  Reifte«  na$ge* 
wiefen.  <3cfyon  bie  ©brache  ift  Ijier  längft  biet  weiter  in  ber 
(Srfenntnifj  ber  Söaljrljeit  borgebrungen,  al«  bie  fogenannte  föiffm« 
fcbaft  ber  pftydjologie.  Die  Spracbe  fennt  einen  befonbcrcn  Ort5 
finn,  3<ri}(enfhm,  £onfinn,  ftonuenfinn,  garbenfinn  zc,  wogegen 
unter  allen  Prologen  nic^t  ein  einiger  biefc  @hme  al«  folcfye 
ober  al«  ®runbfräfte  be«  Reifte«  erfannte.  Die*  erflärt  fi<$ 
barau«,  bafc  bie  Prologen  feine  9caturforf$er,  fonbent  einfeitige 
ptulofopfyen,  bfo§e  abftracte  Denfer  waren.  3e  weiter  fic  auf 
ifyrem  irrigen  Söege,  bem  ber  <2elbftbeobacfytung ,  borgingen,  je 
mcfyr  fic  ftcfy  in  ba$  abftracte  Denfen  bertieften,  befto  mefyr  ber- 
loren  fie  ben  freien  ©lief  in  bie  Statur,  faljen  gleicfyfam  ben  SBalb 
bor  Räumen  nicfyt. 

®egen  ba$  fyier  ®efagte  fbnnte  man  btelletd&t  einen  Einwurf 
ergeben  wollen.  <So  grojj  aud&,  —  fönnte  ntan  fagen,  —  bie 
geiftige  SBerfctyiebenfjeit  ber  9ttenf<$en  j.  38.  in  ber  <5tärfe  ber  ein* 
lebten  ®ebäc$tniffe  ift,  fo  ift  tauft  nodj  fein  beweis  für  bie 
wirflietye  23erf c$ ieben^ eit,  für  bie  in  ber  Statur  felbft 
liegenbe  Trennung  biefer  <$ebä$tntffe  gegeben.  2Ber  fagt  und, 
ob  bie  bcrfcfyiebene  <3tärfe  biefer  ®ebä<$tniffe  ntcfyt  lebiglicb  and 
ber  $erfcbiebenfjeit  ber  Crrjiefyung,  ber  $crljältniffe,  ber  3nter- 
effen  ber  9ftenfd>en  fyerborgeljt  ?  Sirb  nid&t  5.  38.  ber  Kaufmann 
einen  ftärferen  3«^enfinn,  ber  Porträtmaler  einen  ftärferen  gor* 
menfinn,  ber  föeifenbe  einen  ftärferen  Ortfinn  tc.  barum  Ijabcn, 
weil  ber  Kaufmann  für  ba$  grfennen  unb  galten  ber  3afyen, 
ber  Porträtmaler  für  baS  ber  formen,  ber  föeifenbe  für  ba$  ber 
Ocrtlictyfeiten  ein  befonbere«  3ntereffe,  audj  barin  eine  größere 
Hebung  t;at?  Angenommen,  ba&  biefer  Einwurf  begrünbet  ift, 
bajj  bon  9catur,  bon  (Geburt  au«  alle  Arten  be«  ®ebädjtniffe« 
(unb  alle  einzelnen  Talente  unb  (Sfyarafter$üge )  in  ber  ©tärfe 
eiuanber  gleich  finb,  fur$  angenommen,  bafe  e«  berfcfyiebene  unter 


Digitized  by  Google 


Anthropologie  unb  ^renotoflie.  449 


fich  getrennte  ®eifteSfräfte,  fojunennenbe  ®runbfräfte  beS  ®eifteS, 
gar  ntctyt  giebt,  fo  ift  ber  $öor$ug,  meldet  ber  ^renotogie 
wegen  beS  aufgefunbenen  neuen  ÜßegeS  ber  gorfc^ung  jugefc^rieben 
werben  foll,  nur  ein  fcheinbarer,  fo  ift  bie  ^^renologte  als  ©elfte** 
lehre  fo  werthlos,  wie  bie  Pftydjologie. 

2luf  bem  ©taubpunft  btefeS  3  c  1  f e  1 8  an  Dem  SSorhauben* 
fein  bon  ©runbfräften  beS  (Reifte«  unb  beS  ^ietau«  gegen  bie 
Phänologie  erhobenen  bebingten  Einwurfs,  wie  wir  ihn  tficx  for- 
mutirt  traben,  fte^t  bie  große  SOtefyQafy  aller  t'aien  in  ber 
®eifteslebre.  Natürlich!  benn  bie  grage  nach  ben  ©runbfräften 
bcs  Reifte«  reicht  in  bie  ganjc  Xiefe  ber  ©eifteSlehre  hinab,  unb 
wer  bie  ftrage  wiffenfehafttich  *u  beantworten  unb  ju  entfd;etben 
wüßte,  wäre  eben  nicht  mehr  &tie  in  ber  ©eifteSlehre*).  Doch 
haben  wir  tiefen  bebingten  Einwurf  gegen  bie  ^^renologie 
hier  nicht  gu  berüeffichttgen  ober  ju  wiberlegen,  benn  wer  ifyu 
ergebt ,  jählt  barum  nicht  gu  jenen  ©egnern  ber  ^Phrenologie, 
welche  biefelbe  bon  oornfyerem  als  ber  Prüfung  unwerty  oerwerfen, 
tiefer  (Sinwurf,  biefer  3weifel  ift  ein  oollfommen  berechtigter, 
gleichfam  ein  wtffcnfchaftltch  nothwenbiger ,  ba  es  ja  bie  Pflicht 
beS  sJcaturforfcherS  ift,  jebem  Dinge  ober  ieber  I^tfache  gegen* 
über,  bie  er  nod>  nicht  fennt,  noch  nicht  geprüft  $at,  ju  zweifeln. 
@S  wäre  ebenfo  unwiffenfehaftlich,  bie  Phrenologie  oon  oomherein 
(ohne  Prüfung)  al«  wahr  anzunehmen,  als  fie  bon  oomherein 
als  unwahr  $u  berwerfen.  Sluch  ift,  wie  fich  oerfteht,  i)iex  niebt 
bie  Stelle,  ben  3toeifel  ausführlich  ju  befprechen  unb  ju  heben, 
ben  SöewetS,  baß  eS  ©runbfräfte  beS  ©eifteS  giebt,  |U  führen. 
Die  ^3^renoIogie  felbft  als  naturwiffeufchaftliche  ©etfteSlehre  ift 
in  ihrem  ganjen  Inhalt  nichts  anbereS,  als  ber  geführte 
beweis,  baß  bie  geiftige  SBerfchiebenheit  ber  2ttenfchen  (bie  $er* 


*)  fiaien  in  ber  ©eifte«leb>  ftnb'aud;  bic  ^fodjologen.  2>enn  ba  bie 
$fort)o{ogie  feine  n>irflid;e  SBiffenfdjaft  ift,  fo  lonnte  in  ifjr  bie  frragc  nad? 
ben  ©mnbfräften  be«  ©eifte«  nidjt  entfehieben  »erben,  toie  benn  aud)  unter 
ben  s^fpd)ologen  nidjt  Mo«  über  bie  wahren  Öknnbfräftc  be«  ©eifte«,  jonbern 
cuidj  barüber  bie  Änftdjten  geseilt  finb,  ob  e«  überhaupt  öerfdjiebene  ©runb 
fräfte  be*  ©eifte«  giebt  ober  nidjt.  £aber  ftebt  ber  Wttdjolog  auf  bem  *Stanb» 
punft  jebc«  anbern  i'aien  in  bei;  (Seiftesleljre. 

Sdjföf ,  $f)renoIoflifrf>e  «Uber.   3.  «ufl.  29 


Digitized  by  Google 

% 


450  2lntf>ro$>o(ogie  unb  ^Phrenologie. 

fctyiebcnfjeit  in  ber  <Stärfe  ber  einzelnen  ®ebäd;tniffc,  Neigungen, 
Stiebe  jc.)  ntc^t  au«  ber  SBerfötebentyeit  ber  (Srjiefyüng  ober 
bet  äußeren  Sntereffen  fyerborgeljt ,  fonbern  auf  ber  angeborenen 
oerfcfyiebenen  @tärfe  ber  einzelnen  unter  fiefy  getrennten  (&runb= 
fräfte  beruht. 

Uebrtgen«  liegen  bie  33eroei«grünbe  für  biefe  Sföafytfyeit  fo 
nafje  unb  finb  fo  fcfylagenb,  ba§  ber  l'aie  burd)  einen  aufmerf- 
fameu  SÖlicf  in  bie  9iatur  beinahe  fc&on  bie  solle  Uebergeugung 
oon  berfelben  gemimten  fann.  £um  Söeifriel:  bie  ftinber  ber* 
felben  ftamüic,  ganj  gleich  exogen,  finb,  fo  $afclrei<$  fic  feien, 
alle  ocrfcfyiebcncn  Gfyarafter«.  £)ie  Knaben  in  einer  ©cfyule  feigen 
bie  berfcfyiebenften  Anlagen:  —  fetyon  biefe«  Üöort  bejeidmet 
etma«  Angeborene«,  oon  ber  Statur  Angelegte«!  —  ber  (Sine  Ijat 
Xalent  für  Spraken,  ber  Anbere  für  9)catfyematif ,  ber  Anbere 
für  3eid?nen  :c. ,  oljne  ba§  biefe  33erfcfyiebeiü)eit  auf  borau«= 
gegangene  oerfebiebene  Hebung  ober  äuf  ein  tterfcfyiebene«  3nter* 
effe  jurüefgefü^rt  werben  fann.  Gr«  ift  allgemein  anerfannt,  baß 
ba«  ®enie  —  ba«  Ijöcfyfte  9tta§  be«  Talente«  —  angeboren  ift 
unb  nicfyt  anerzogen,  nicfyt  bur$  Uebuug  erlangt  werben  fann; 
aueft  ift  e«  meiften«  ein  einfeitige«:  ba«  be«  Siebter«,  be« 
3J?ec$anifer«,  be«  9)Mer«  :c.  @benfo  ift  ber  angeborene  ©cfywac^ 
finn  ober  Sölobfinn,  ebenfo  ber  angeborene  (angeerbte)  3rr*  ober 
Söafmfinn  meiften«  ein  einfeitiger  ober  t^eilweifer.  Allein  fo 
fcblagenb  auefy  biefe  $3emei«grünbe  für  ba«  iBorljanbenfein  oon 
®runbträften  be«  Reifte«  —  für  bie  2£afyrf;eit  ber  ^^renologie 
al«  (&cifte«leljre  —  finb,  fo  genügt  bod;  it)re  blo«  oberfläcfyltcfye 
Betrachtung  ntdjt,  um  ben  S^f^  8anS  Su  fyeben,  um  bie  wiffen* 
fdjaftlicbe  Ueberjeugung  toon  jener  Söaljrtjeit  j«  begrünben.  (5« 
bebarf  baju  be«  ßingefyen«  in  bie  Söiffenfdjaft ,  bie  Senologie 
felbft.  £)a  aber  biefe«  (Singefjcn  bi«  jefet  fefyft,  fo  bürfen  toir 
un«  ni<$t  munbern,  bafe  bie  'große  aße^a^l  ber  Öaien  an  bem 
3$orf>anbenfein  bon  ®runbfräften  be«  Reifte«  jweifelt,  eine  Ueber* 
jeugung  für  ober  gegen  biefe«  23orfyanbenfem  nietyt  gewonnen  fyat. 

gegenüber  biefer  großen  ÜDieljräaljl  jweifelnber  £aien  giebt 
e«  auefy  einige  wenige  nicfyt  jweifelnbc,  meiere  ba«  SBorljanbenfciu 
getrennter  ober  al«  getrennt  \n  erfennenber  (^runbfräftc  be« 


Digitized  by -Google 

f 


Anthropologie  nnb  ^renologte 


451 


Reifte«  entfdn'cben  leugnen,  wetdje  behaupten,  bafj  im  (Srunbe 
ober  von  Geburt  au«  alle  Sftenföen  getftig  gleid?  feien,  baß  ba$, 
wa$  uns  als  r>crfcfytebene  ($ljarafter$üge  erfcfyeint,  nur  bie  8iOlge 
»crfdu'cbener  (£r$ieljung  ober  Uebung  ober  t>crfcr)iebener  3ntereffen 
fei.  (5m  ^lulofopfy  (fticfyte  in  Bübingen)  War  lange  $eit 
(Sinjige,  ben  td)  als  Vertreter  biefer  Stnfid^t  fennen  gelernt,  unb 
id>  glaubte  audj,  baj$  nur  ein  $l)ilofopt>,  toeldfap  mefyr  gewinnt 
ifr,  bie  £>tnge,  toie  fic  fein  fimnten,  fiefy  in  einem  Aftern  }it* 
fammenmftelfen,  al«  bie  XMfatben  ber  9totur,  toie  fie  finb,  *u 
beachten,  —  bafe  nur  ein  foletyer  sWlofopfj  biefe  $lnfi$t  faffen 
Ginne.  Slllein  id)  fjabe  in  biefen  £agen  Ijier  in  Bremen  (wo  i$ 
biefe  feilen  fcfyreibe)  gu  meiner  Ueberrafcbung  fogar  einen  $lr$t 
fennen  gelernt,  welcher  jene  2lnfid)t  tfjeilt.  3n  einer  £>ifcung 
beS  ärjtlicfyen  herein«,  in  weldjer  idj  über  ^fjrenologie  fpracfy, 
fagte  Dr.  A>orn,  er  fyabe  fieb  feit  17  3afyren  mit  biefer  Doctriu 
befcfyäftigt  unb  fei  m  ber  Uebergeugung  gefommen,  ba§  biefelbc 
burdjauS  auf  3rrtl)um  beruhe,  ba  c$  wirflicfye  (fbarafter^üge  im 
ÜDienfcfyen  n  i  et)  t  gebe:  SÜle«  fei  nnbeftimmt  im  geiftigen  9)?enfcfyen, 
Wicbtö  mit  ©icberfjctt  jui  erfennen,  3emanb,  ben  ber  @inc  ®e^ 
müty«menfcf>  nenne,  ben  nenne  ber  Rubere  $erftanbe«menfdj, 
u.  f.  w.  £>iefe  entfdn'ebcne  3lnfid?t  (orte'S  unb  £orn'$) ,  fo 
merfwürbig  fie  ift,  fyat  im  9)?unbe  ber  (Gegner  ber  ^Phrenologie 
vor  jenem  Bweifel  ein  grofeeS  ^erbienft  t>orau«:  baö  ber  golge^ 
rietytigfeit.  $om  «Stanbpunft  biefer  5lnficfyt  au$  fann  von  einer 
wiffenfcbaftlicben  ^flicfyt,  bie  Phrenologie  als  (SetfteSleljre  (ober 
in  irgenb  einer  ©ejie^ung)  ju  prüfen,  nicfyt  bie  9tebe  fein.  $£enn 
e$  feine  beftiramten  ober  beftimmt  ju  erfennenben  (Sljarafterjüge, 
alfo  feine  nachweisbaren  ®runbfräfte  beS  Reifte«  im  9)fenfd>en 
giebt,  fo  fann  eS  auety  feine  naturmiffenfc^aftli^e  ®elfteSlef;re  *), 
feine  ^renotogie  geben,  unb  biefe  t>ermetnttid?e  Siffenfctyaft  barf 
unb  mufj  von  Dornt?  er  ein  verworfen  werben. 

fragen  mir,  wie  et  möglich  fei,  bafc  nicht  nur  ein  ^In'lo- 
foph,  fonbero  baf?  ein  9)Jann  ber  s}Jaturwiffenfd?aft  biefe  aller 


*)  Unb  toenn  e«  feine  befonberen  <$eifte«fräfte  giebt,  fo  fann  e*  and) 
feine  bejonberen  Organe  biefer  ©eiftc*fräfte ,  alfo  feine  Crganenlefjre  geben. 

29  • 


Digitized  by  Google 


452 


Anthropologie  unb  ^^rcnologt« 


Diaturbcobachtung  wiberfprcchcnbc  Anficht  f äffen  tonne,  fo  famt 
bic  Beantwortung  biefer  ftrage  $ur  ftlarftellung  ber  borltegenben 
Sache  überhaupt  beitragen,  unb  wir  wollen  bafycr  gerbet  einen 
2tugcnblicf  bcrmeiten.  3ebe  (#runbfraft  beä  (Reifte«,  jeber  innere 
Sinn  Kann  ftaxf ,  unb  baneben  jeber  anbere  fchwach  fein.  £)a$ 
2)iaj?  reicht  etnerfeitä  fyinab  btö  jur  äujjcrften  Schwäche,  jum 
ftaftnichtborhanbenfein  eine«  Sinne«  (bie  ftälle  beä  SdniHicbfinnä 
ober  Bl&bfinne),  anbererfeitd  ^inauf  bis  jttt  ^oebften  Starte, 
auefy  bis  sur  franffyaft  gefteigerteu  Xhätigfeit  be$  Stnneö  (bie 
gälle  beS  @eme*,  ber  t'etbcnfchaft ,  be*  Sahnftnns).  £ie  gälte 
ber  fefnoachen  unb  bie  ber  ftarfen  (Sntwicflung  finb  nic^t  bureb 
eine  ®ren$linie  gerieben,  fonbern  fie  bitben  eine  ununterbrochene 
Stufenletter  oon  ber  fcfyroäcfyften  über  bie  mittlere  bi$  jur  ftärffteu 
(£ntwtcflung.  Oft  nun  finb  in  einem  üDienfcfyen  ein  ober  einige 
Sinne  fchwach,  unb  baneben  ein  anberer  ober  einige  anbere 
Sinne  ft  a  r  f :  oft  aber  auch  teerten  in  einem  9Renf$ett  alle  ober 
faft  alle  Sinne  gleich  ober  $i  cm  lieh  gleich  (fchwach  ober 
mittelmäßig  ober  ftarf)  gefunben.  (*8  oerftefjt  ftd),  baß  nur  jene 
erfteren  gälte,  bie  ber  e  i  u  f  e  i  t  i  g  e  n  (Sntwicf lungen,  wo  ein  Sinn 
gegen  bie  übrigen  entfetteten  ftarf  ober  fchwach  tft,  baut  bienen 
fluten,  ben  Sinn  überhaupt  al*  einen  befonberen,  felbftftänbigen 
Sinn  ju  erfennen  unb  nachntweifen.  Senn  es  nur  SRenftyn 
mit  gleich  ober  ziemlich  gleich  ftarfen  Sinnen  gäbe,  fo  wäre  es 
nicht  möglich,  bie  Sinne  als  einzelne  ober  unter  fich  getrennte  ju 
erfennen,  unb  es  fbnnte  feine  ®eiftcslehre ,  feine  ^^renolcgie 
geben.  Dalmer  verfallen  in  ber  borliegeubcn  SBejiclning  alle 
3Renf$en  für  ben  ®etfteSforfchcr  in  gwei  große  (Staffen:  in 
3Renf$en  mit  unb  in  folche  otync  entfehiebene  @harafter$ügc, 
ober  in  folche,  meiere  bem  ®cifteSforfcher  ntr  Bereicherung  feiner 
Siffenfchaft  oon  3ntereffe  finb,  unb  in  folc^c,  welche  eS  nicht  finb. 

§luf  ähnliche  Seife  fönnte  bie  grage  gcftellt  toerben,  ob  bie 
9tf  enfehen  in  förderlicher  £tnftcht,  etwa  in  ben  ÖcfichtSjügen,  unter 
fich  toefentltch  berfchteben  feien  ober  nicht?  Diefe  grage  würbe 
einmal  mir  gegenüber  oon  einem  ^oli^eibeamten  berneint,  welcher 
behauptete,  baS  Signalement  ber  ^äffe  fei  faft  ganj  nu^loS, 
weil  bie  ®cfichtS$üge  ber  SOienfchen  ^entlieft  gleich  feien;  eine 


Digitized  by  Google 


Süttfyropologic  unfc  s}tyrenolpgic. 


453 


Uiafc  5.  $8.,  metdjic  ber  (ürine  groß  nenne,  fönne  ein  Unterer  mittel* 
groß  ober  gar  ftein  ftnbcn.  2(ltein  auef)  biefc  ftragc,  mie  bic 
borige,  läßt  fid^  ntdrt  richtig  beantworten,  otnte  baß  man  babei 
jmei  Staffen  ber  2)Jeuf$cn  untcrfcbcibct.  @S  giebt  otefc  ÜJicnfdjen, 
beren  ®efid)t«jüge  mcfentttd;  niebt  bcrfdjteben  finb,  bei  benen  man 
mögticfycrmetfe  barüber  ftreiten  fann,  ob  ifyre  9^afe  groß  ober  ftetn 
ju  nennen  fei,  meit  fie  meber  entheben  groß  noefy  entfebteben 
Hein  ift.  2(ber  c«  giebt  anbererfeit«  audj  biete  9Renf<$en,  bereit 
®efidjt«$üge  fetjr  mcfcntticfc  unter  ftd>  oerfd;icbcn  finb,  bei  benen  • 
5.  33.  ein  2)?einung«ftrcit  über  bic  ®röße  ober  lltcintjctt  tfjrer 
9cafe,  meit  biefetbe  fetyr  groß  ober  fetjr  ftein  ift,  nidjt  ntb> 
lidj  märe. 

£ierna$  erftärt  fid?  bie  2(nficfyt  fticfytc'ö  nnb  Dr.  £orn'8  fo, 
baj?  ber  33licf  biefer  Männer  iüct>t  frei  genug  mar,  nidjt  meit 
genug  reifte,  um  fie  noei  (Staffen  ber  äftcnfdjen  in  ber  fraglichen 
#e$icl;ung  untcrfa>iben  311  (äffen.  Seit  fie  bei  oielen  3Ncufd;cu 
beftimmte  (angebotene)  eijarafterjügc  ntc^t  auffinben  tonnten, 
nahmen  fie  ofync  Söeitcrcö  an,  bic«  fei  bei  at ten  ber  ftatt. 
Ucbrtgcns  mirb  bie  Unterfcbcttung  ber  beiben  (Staffen  ber  9)ccnfd)cn 
ein  menig  burefy  enoa«  erfcfymert,  ma«  mir  nhfyt  unermälmt  (äffen 
motten:  nämtid;  burd;  ben  Grinftuß,  melden  bie  (Srjietyung  auf 
ben  angeborenen  (Sfyaraftcr  übt.  $öic  groß  biefer  (Sinfluß  fei, 
läßt  fid)  natürlich  genau,  gteicfyfam  matfyemattfd;  ntd?t  beftimmen: 
nur  fooiet  ftefyt  feft,  baß  ber  Einfluß  ber  (£r$ieljuug  auf  ben 
£l;araftcr  um  fefjr  SBielcä  geringer  ift,  at«  ber  Einfluß  ber  Natur, 
ber  Geburt.  £)ie  Natur  giebt,  bic  (Sr$telHing  fann  nur  mit  bem 
(begebenen  arbeiten :  bic  (Eqietymg  fann  nidjt  ba«,  ma«  bie  Stator 
ftein  gegeben,  groß  machen,  nnb  ntcfyt  ba«,  loa«  bie  Natur  groß 
gegeben,  ftein.  Sin  geboruer  3mcrg  ofcer  eul  gc^orncr  33tbb= 
finniger  fann  niebt  burd)  jmeefmäßige  Körper-  ober  ®ctftc«nbung 
•  ein  9tfcfe  ober  ein  ®enie  merben ,  ein  geboruer  SKiefe  ober  ein 
geberneö  ®enie  nicfyt  burefy  oerfäumte  Körper*  ober  ®cifte«übung 
ein  £merg  cil1  ^ötöbf inniger.  (Sbenfo  oerljält  c«  fid)  mit 
ben  einzelnen  ®eiftc«fräftcn.  Söcnn  mir  bie  oerfetyiebene  Stärfc 
ber  inneren  ©inne,  tote  fie  in  ber  <5rfat>rung  gefunben  merben, 
etma  mit :  fc^r  fdjmad;  (1),  fömad&  (2),  mittelmäßig  (3),  jiemtic^ 


Digitized  by  Google 


454 


Wntyx Ökologie  unb  ^Phrenologie. 


ftarf  (4),  ftarf  (5),  fe^r  ftarf  (6)  bejeicfynen,  fo  fann  bie  (£r* 
jietyung  bie  angeborene  Stärfe  eineä  Sinne«  tuelleidjt  um  eine 
biefet  fecb«  Stufen  erfjöfyen,  {ebenfalls  nid?t  um  mefyr.  Sollte 
wettetet  ber  pjilofopt)  ju  glauben  geneigt  fein,  bat?  ber  Einfluß 
beT  ßrsiefjung  hiermit  etwa«  ju  gering  angenommen  fei,  fo  fönnte. 
bagegen  ber  üftann  ber  praftifetyen  (ürrfafyrung,  ber  #eljrer,  biefen 
(SinfluB  hier  Ccid^t  $u  tyoc$  geföäfct  Ratten.  3n  einer  geu>5f>n* 
liefen  Schule  j.  33.  finben  fiety  Schüler,  meiere  auf  ben  beiben 
•  unterften  Stufen,  fet>r  fämä)  (1)  unb  fcfytoacty  (2),  ben  Stufen 
be«  bollftänbtgen  unb  be«  annäfycmben  33lÖbfmnö,  fielen,  gar 
ntcfyt  t>or.  Stucfy  bie  h&djftc  Stufe  (feljr  ftarf  (6),  bie  Stufe  be$ 
®enie«)  ift  eine  $lu«nat)me  unb  toirb  feiten  gefunben.  3n  ber 
SKegel  alfo  finben  fid>  in  einer  Schute  nur  Stüter  ber  brei 
Stufen:  mittelmäßig  (3),  $iemü$  ftarf  (4),  ftarf  (5)  oor.  Unb 
n>ic  groß  jeigt  ftd)  föon  in  biefen  ©renken  bie  Stärfeoerf  Rieben* 
^eit  beffen,  ma«  ber  l'efyrer  ^aturgabe,  latent,  ^ä^igfeit  nennt, 
unb  loa«  er  faft  für  bie  einjige  ©runblage  ber  £eiftungen  feiner 
Stüter  ju  Ratten  burefy  @rfatyrung  gelernt  Ijat.  X)ie  an  ifyn 
gcftellte  ftorberung,  einen  ber  toenigftbegabten  (auf  ber  Stufe: 
mittelmäßig  (3)  fteljenben)  S^üler  burd?  bie  tunft  ber  Qrrjielntng 
ober  ber  Uebung  jur  £eiftung«fäljigfeit  ber  meiftbegabten  (auf  ber 
Stufe:  ftarf  (5)  ftefycnben)  emporzuheben,  —  au«  einem  ber 
unterften  Sattler  einen  ber  oberften  ju  machen,  —  fönnte  er  nur 
bclädjeln:  er  meiß,  roie  fcfytoer  nur  eine  mäßige  Steigerung  ber 
£eiftung«fäf>igfeit  ju  erreichen  ift.  3ebo$  nur  fönnen  biefe  hier 
angenommene,  bergleichungämei«  geringe,  aWemungSocrfdjiebenfyeit 
(jtirifdjen  bem  ^hilofopljen  unb  bem  Öefjrer)  über  ben  (Sinfluß 
ber  Grrjielntng  auf  ben  (Sfyarafter  ober  bie  9caturgabe  auf  ftdj 
berufen  laffen,  ba  eö  feftfte^t,  baß  biefer  Einfluß  feljr  toiel 
geringer  ift,  al«  ber  (£inpuß  ber  Sftatur  felbft.  9li$t  bie  ftölle 
alfo,  m  ein  Sinn  nur  etn>a«  (um  ettua  einen  ®rab)  ftärfer 
ober  f^toä^er  ift,  al«  bie  übrigen,  fonbern  nur  bie  ftälle,  too 
ein  Sinn  gegen  bie  übrigen  bebeutenb  (um  mehrere  ®rabe) 
ftärfer  ober  Wmä^er  ift,  fönnen  al«  «emei«  für  bie  angeborene 
Trennung,  für  bie  Setbftftänbigfeit  be«  Sinne«  bienen.  £)urc$ 
biefe  ©efdjxäufung  ber  3atyl  ber  ftälle  ift  natürlich  bie  Schmierig* 


Digitized  6y  Google 


ftnttyrolsologie  unb  ^tyrenologie. 


455 


fett  ber  ftorfdnmg  für  ben  ÜDZann  bot  Siffenfcfyaft  niti^t  ocrmetyrt, 
ba  bie  ftällc  ber  einfettigen  (Sntmicflung  ber  Sinne  bodj  immer 
aufeerorbentlicfy  jafylreid)  finb.  5lber  woljl  erflärt  e$  ftcty  baburd?, 
wie  ber  tfaie,  Wetter  jene  beiberlei  gälle  nocfy  nicfyt  ju  unter« 
[Reiben  gelernt  hat,  burcty  beren  Verwechslung  beirrt,  ficty  weniger 
leid)t  in  ber  ÖeifteSlehre  $urecht$ufinben  weiß. 


Unter  allen  ben  ja^Creicben  2)iigt>erftänbnifi en  über  bie  $$reno* 
logie,  welche  bie  Schulb  tragen,  baß  man  fic  nähet  fennen  ju 
lernen  nicht  ber  2ttüfye  Werth  ^ält,  nimmt  ba*  eben  befprochene 
bie  etfte  unb  wichttgfte  Stelle  ein.  Senn  wir  jefet  noch  einige 
anbere  biefer  Ütti&oerftänbniffe  in«  Singe  f  äffen,  fo  werben  bafür 
wenige  Sorte  genügen. 

@in  fdwn  oben  angebeutetcr  Einwurf  ift,  baß  bie  ^^reno* 
logie,  auch  wenn  fie  wahr  fei,  feine  exaete,  feine  wirtliche 
$öiffenfd?aft  fei  unb  fein  fenne.  (Sin  namhafter  $^i?fifer,  welker 
bie  Sahrljeit  ber  ^Phrenologie  anerfennt,  fagte  mir,  bie  ^l?reno= 
logic  fttutc  eben  barum,  weil  fie  jum  %f)e\i  (SeifteStefyre  fei,  nic^t 
Siffenfchaft  im  ftrengen  Sinne,  am  allerwenigften  aber  Dcatur* 
wiffenfehaft  genannt  werben,  unb  bie  ^Ijrenologen  fd;abeten  burch 
biefc  angemaßte  ^Bezeichnung  nur  ihrer  guten  Sache.  Allein 
warum  follte  bie  Senologie,  welche  ein  fo  umfangreidjeä 
Siffen  entölt,  nicht  Sffiiffenfc^aft  ju  nennen  fein?  Die  $fo= 
d^ologie  freiließ  ift  feine  Siffenfchaft ,  weil  fie  nichts  weife, 
weil  e$  feine  £fyatfad?e  ober  Sa^eit  giebt,  welche  ber 
"  dwlog  at«  foldjer  mehr  wügte,  al«  ber  sJttcfytyftyd?olog.  Die 
Phrenologie  bagegen  hat  unenblich  oieleS  thatfächüch  s)ceue  ent- 
beeft  unb  ntfämmengeftetlt,  welche«  bor  ihr  üiiemanb  wußte  unb 
aufcer  it)r  s)ciemanb  weifj.  2öenn  e£  befonbere  unter  fich  gc= 
trennte  innere  Sinne  giebt,  einen  Sinn  ber  $inberliebe,  einen 
tampffinn,  einen  GrrmerbSfinn,  einen  3ahlenftnn,  einen  £onfmn  ic, 
fo  barf  unb  mug  biefe«  wohlgeftchtete  unb  wohlgeorbnete  Siffen, 
ebenfo  wie  ba«  ber  ßhemie  ober  ber  f^ftt  eine  Siffenfchaft  ge* 
nannt  werben.    Sohl  ift  ba$  ffilffen  ber  $eifte«lehre  oon 


Digitized  by  Google 


456  Anthropologie  »nib  ^^renologte. 

anberer  2(rt  al«  $.  B.  ba«  ber  Gfyemie,  weil  ber  (tyegen* 
ftanb  bort  unb  fyicr  ein  oerfcfyicbenartiget  ift»  3it  bct  (Reifte«* 
lefyrc  wirb  nicfyt  n>ie  in  ber  Gtyemie  gebogen,  gemeffen,  ge^ctfjlt: 
aber  Dttcmanb  wirb  behaupten  wollen,  baj?  e«  für  ben  9Wenf$en 
feine  anberen  mit  Beftimmtfyeit  ju  erfennenben  Xtyatfactyen,  fein 
anbete«  fixere«  Stffen  geben  fönne,  al«  ein  burä)  3ä^ten  unb 
SWcffen  jn  geminnenbe«.  £>te  t^atfäc^ttc^en  (S&arafterjüge  im 
SMenföen,  ber  3ug  be«  9ttutfye«,  be«  Stotje«,  be«  ®ei$e«,  be« 
$öolj  (wollen«  :c.  fönnen  cbenfowotyl  ®egenftänbe  ber  wiffenfdjafc 
liefen  Beobachtung  nnb  ftotfcfyung,  unb  be«  feften  unb  fidleren 
Söiffen«  fein,  al«  bie  £l)atfacfycn  unb  Söafyrfyeiten  ber  Chemie 
ober  ber  ^fytyftf:  nur  ift  jene«  ftorfctyen  fctywieriger  unb  tflü^ 
famer  al«  biefe«.  Sßenn  bem  (Sfyemifer  wenige  übcrctnftimmenbc 
Xfyatfactyen  genügen,  um  oon  einer  ©afjrljeit  feiner  SfiHffenfctyaft 
eine  Ueberjeugung  $u  gewinnen,  fo  beburfte  c«  für  ben  (Seiftet 
forfd&cr,  um  5.  53.  feftjuftcllcn,  baß  ftinberlicbe  unb  Söofjlmolten 
jwet  befonbere  unter  fiety  getrennte  Sinne  fmb,  ber  Beobachtungen 
oon  fcfjr  otelen  (Stnjetfäüen ,  wo  ber  eine  ber  beiben  3uÖe  cnts 
f Rieben  ftarf  ober  fcfywadj  gegen  ben  anberen  oorljanbcn  war. 
Söenn  aber  ber  ®etfte«forfd?cr  tiefe  erforberten  otelen  ^äüe 
beobachtet  r)at ,  fo  ftefyt  fein  Siffen  oon  ber  Trennung  ber 
beiben  Sinne  ebenfo  feft  unb  fieser  al«  immer  ein  Riffen  be« 
(Sfjemifer«  ooer  be«  'pijtyftfcr«.  Unb  warum  oollenb«  follte  bie 
}M;renelogic  ni<$t  9ß  aturwiffenfctyaft  ju  nennen  fein,  ba  ber 
menfdjüche  (Seift  ein  ®cgenftanb  innerhalb  ber  Watur  ift?  3n 
ber  ^^renotogic  ift  bie  ®eifte«lefyre  jutefct  jur  9iaturwi[fen» 
febaft  erhoben  Worbcn,  weit  fie  bie  fctywierigfte  ift,  aber  fie  ift 
olme  ^rage  unter  allen  9faturwitfenfcfyaften  bie  erfte  unb  fyödjfte.  ' 

ferner  laffen  fiety  ÜWanctye  oon  ber  näheren  Äenntnißnalnne 
ber  ^^renofogie  baburefy  abgalten ,  baß  fie  meinen,  biefelbe  „  jer* 
fpatte  auf  gan$  willfürlic$e  unb  unerhörte  Söeife  ben  einheitlichen 
menfehlichen  ®eift  in  eine  fetjr  große  3aljl  einzelner  «Sinne*. 
£)er  Jon  liegt  tner  nicht  auf  bem  „jcrfpalten",  fonbem  auf  ber 
„fetjr  großen"  3aljl  ber  Sinne,  £ätte  bie  ^renologie  ftatt 
breißig  bi«  oicrjig  ®runbfräfte  bereu  brei  ober  toier  oorgefunben 
unb  naebgewiefen ,  fo  t^ättc  biefe«  3erfpaltcn  be«  einheitlichen 


Digitized  by  Google 


s2lntbvoi>oli>gie  unb  s.ßt?renofogie.  .  457 

(fteifteä,  —  obj^tcid)  brei  ober  bier  fo  menig  (£in«  finb,  al* 
breifng  ober  bterjig,  —  9ciemanben  bon  ber  Kenntnisnahme  ber 
Phrenologie  abgehalten,  Sllfo  nur  bie  bermeintliche  ju  grefec 
3a^(  ber  Sinne  giebt  Slnftof?.  £cr  borliegenbe  ©ntmirf  fällt 
ba^er  mit  einem  anbern  jufammen ,  welchen  man  faft  allgemein 
auSfprechen  hört,  ba§  nämlich  bie  Phrenologen  „ju  n>eit  gefeit" 
tiefer  (Sinmurf  geht  ttnS  eigentlich  ^icr  nicht  an,  ba  er  bem, 
melier  ihn  ergebt ,  nicht  ba8  föecfet  giebt,  bie  Phrenologie  ofmc 
Prüfung  511  bermerfen.  $Öer  ben  (Sinttnirf  macht,  erfennt  ja  bie 
Phrenologie  in  ber  §auptfad;c  alö  toahr  an,  unb  t)at  bie  Pflicht, 
\\\  prüfen,  um  miebicl  bie  Phrenologen  „$u  meit  gehen".  £)ie 
beiben  Einwürfe  berufen  auf  ber  irrigen  StforauSfefeung,  bafe  bie 
^^renologie  etma«  bon  beu  Phrenologen  SluSgcbachte«,  ein 
oon  i^nen  aufgehellte«  „Softem"  fei.  (5in  aufmerffamer  Bltcf 
int  Veben  genügt,  um  511  erfennen,  bap  bie  „fefjr  grofte"  £ahl 
ber  Sinne  in  ber  üiatur  borgef  unbcir  morben  ift.  S5om 
Stanbpunft  ber  Phtlefoplne  aus  unb  bon  ber  Erfahrung  abge- 
fehen/fönntc  man  j.  iö.  behaupten  mollen  unb  hat  mau  oft  be- 
hauptet, ber  Stirn  ber  $inberliebe  unb  ber  Sinn  be«  Söohl* 
loollenä  feien  ttnllfürltch  als  getrennt  angenommen  unb  im  (^ritnbc 
(5tn$  unb  baffelbc;  ein  9)?enfch,  ber  ein  #inberfreunb  fei,  fei 
auch  toohlwollenb,  unb  umgefehrt.  £>ie  Beobachtung  be$  l'ebenö 
bagegen  }eigt,  —  unb  bie  Sammlung  fold?er  Beobad;tttngen  bilbet 
ben  3  n  h  a  1 1  ber  Phrenologie  al«  ®etfte*lehre,  —  bafc  ein  SWenfcb 
oiel  Wohlwollen  unb  wenig  Viebe  $u  tinbern  h^en  tonn,  ein 
anberer  umgefehrt.  Pfarrer  SdjWalb  tu  Bremen  fagte  mir  ftitj« 
lieh,  ct  Wte  c$  fUT  unmöglich,  ba$  ber  Sinn  für  ,,3bcale«" 
unb  ber  Sinn  ber  „SBerehrung"  ober  beä  religiöfen  <$efühl«  unter 
fich  oerfchieben  unb  getrennt  feien.  2lber  eä  giebt  äftenfehen 
mit  ftarfem  Sinn  ber  „Sbealität"  unb  fchwadjem  Sinn  ber 
„SBerehrung",  ebenfo  wie  umgefehrt.  2öte  oft  würbe  mir  gegen- 
über  fchon  behauptet,  ber  tunftfinn  fei  im  ®runbc  immer  unb 
überall  berfelbe,  ein  gebomer  SWaler  5.  .50.  fei  auch  ein  geborner 
IWufifer,  unb  nur  bie  berfebiebene  Hebung  laffe  ben  tunftfinn 
hier  jum  Talent  für  SWufit,  bort  jum  Talent  für  Malerei  fich 
entwickeln.  Stein,  c$  giebt  2Nenfd?en,  weldje  für  TOuftf  fchr  bie(f 


Digitized  by  Google 


45« 


s2tnU)re£ologic  unb  ^reuol^ie. 


für  Sttalerei  fc^r  wenig  (angeborene«)  latent  befifcen.  £)ajj  ber* 
gleiten  Behauptungen,  welche  fo  fehr  ber  Erfahrung  wiberfprechen, 
fo  häufig  aufgeteilt  »erben,  erflärt  fich  barau«,  bafc  e«  natürlich 
auch  *iele  gälle  giebt,  u>o  Sinberliebe  unb  ©ohltoollen,  Sbealität 
unb  Verehrung,  latent  für  Sttufif  unb  für  9ftaleret  gleich  ober 
ziemlich  gleich  ftatf  ftnb,  unb  bag  ber  tfaie  bie  beiderlei  gälte 
nicht  $u  trennen  oerfteht. 

Sin  (Einwurf  gegen  bie  ^^rciiotoflie,  welcher  unter  allen 
fich  vielleicht  am  beften  anhört,  unb  welchen  auch  ber  Unbefangene 
leicht  für  begrünbet  halten  fcmnte,  ift  ber,  ba§  bie  phrcno*°8cn 
bei  ihren  gorfchungen  nicht  fo,  wie  bie  wiffenfchaftliche  ©rünbtich* 
feit  eö  f orbern  toürbe,  oom  Innern  be«  (Gehirn«  ausgingen,  fon* 
bern  in  oberflächlicher  Söeife  bei  ber  Betrachtung  ber  äußeren 
©eftalt  be«  @e$irnft  flehen  blieben.  <5in  tüchtiger  belehrter 
£>eutfchlanb$,  welcher  oon  ber  Wahrheit  ber  ^ß^renotogie  über« 
jeugt  ift,  fprach  mir  fein  Bebauern  bartiber  au«,  bag  bie  Phren°5 
logen  bei  ihren  gorfchungen  bitytx  einen  fo  einfeitigen  unb  un* 
wiffenfchaftlidjen  28eg  gegangen  feieH.  Glicht  eher,  fagte  er,  barf 
bie  ^r)renologte  hoffen,  t>on  leiten  ber  3)iänner  ber  SBiffenfchaft 
Slnerfennung  }it  finben,  al«  bi«  ihre  auf  ber  Beobachtung  ber 
äußeren  ©ehirngeftalt  beruhenben  <Säfee  burch  bie  (Srforfchung  be« 
inneren  ©ehirnbaue«  beftätigt  unb  Wiffenfchafttich  begrünbet  worben 
ftnb.  Stuch  biefer  (Stnwurf  gegen  bie  ^3^reuotogie  beruht  nur  auf 
einem  3rrthum  ober  einem  3)?igocrftänbnig.  Bor  Slllem  ift  ja 
bie  Phrenologie,  —  wa«  nicht  oft  genug  gefagt  werben  fann,  — 
in  ber  ,£>auptfache  nicht  (Gehirn*  ober  Organenlehre,  fonbern 
®eifte«lehre.  ©all  hat  m^  einem  @$arffinn  unb  einer  Be= 
obachtung«gabe,  welche  unfere  h^chfte  Bewttnberung  toerbtenen,  bie 
naturwiffenfchaftltche  ©eifteSlehre  gefchaffen,  unb  ben  leeren  $öort= 
unb  ^hpothefenfram  ber  Pftychologie,  welcher  hifyn  al«  ©elfte«- 
lehre  gegolten,  in  feiner  9ttchtigfett  bargelegt.  Söer  in  ber  Phren0i 
logie  wiffenfehaftliche  ®röge  unb  £iefe  fud;t,  wirb  fich  ™  biefem 
ihrem  £aupttheile  oollftänbig  befriebigt  fühlen.  2luch  bie  gehler 
in  ber  Sföahl  ber  tarnen  ber  (Sinne,  welche  anfang«  in  ©atf« 
£)arftellung  mit  unterliefen  (£>ieb«fimt  :c.),  hat  er  felbft  balb 
oerbeffert.    Slllein  ber  oorliegenbe  Einwurf  ift  auch  bann  un* 


Digitized  by  Google 


Hnt&ropologie  unb  Wrenolosie.  459 

— 

gegrünbet,  toenn  nur  bie  Senologie  blo«  al«  (^eln'rn*  ober  Organen* 
lefjre  betrauten.  ®all  ift  ja  befanntlicfy  autty  al«  Anatom,  burcfy 
bie  (Sntbecfung  be«  ftaferbaue«  be«  (Setyxn*,  unfterblidj.  Seit 
entfernt,  tym  einen  93omntrf  ttjegen  ber  mangelhaften  (Srforföung 
be«  ®ehirn«  mad)en  ju  bürfen,  müfeten  bie  Anatomen  nie  ber* 
geffen,  laut  anjuerfennen,  bafe  er  e«  ioar,  n>eld>er  fic  ba«  ®etn'rn 
grünbli$  ttnffenfcfyaftlicfy  ju  erforf^en  (eljrte.  Unb  ferner:  toarum 
tljun  „bie  Sttänner  ber  $öiffenfcfyaft"  ba«,  toa«  fie  bon  ben  *pijreno* 
logen  forbern,  nicbt  felbft?  n>arum  gefyeu  fie  nicfyt  felbft,  um  bie 
(9efcfce  ber  ®el)trntf}ätigfeit  $u  erforftfyen,  oon  bem  inneren  39au 
be«  ®elurne«  au«?  $)ie  Slnhoort  ift:  biele  tyaben  e«  |it  tfnm 
berfuctyt  unb  berfuä)cn  e«  nod),  aber  bi«ljer  ofyne  allen  Erfolg. 
<5«  t)at  ba^er  feinen  <Sinn,  $u  berlangen,  baß  eine  ftorföung«? 
toeife,  toc%  biefe  2ttänner  felbft  al«  erfolgto«  tauten  gelernt 
haben,  oen  ben  ^hreuologen  befolgt  toerbe,  jumal  ba  ber  ®runb 
biefer  (Srfolglofigfeit  fo  Mar  ju  Xage  liegt.  Sftämltch  bie  fet^r 
zahlreichen  untcrfchetbfcaren  Xl^eile  be«  inneren  G&ehirn«  finb 
in  allen  normalen  (Gehirnen  fo  jtemlid?  bie  gleiten:  toenigften« 
ift  e«  toeber  ®all,  nod)  irgenb  einem  anbern  ftorfcfyer  gelungen, 
in  etwaigen  (5ntnncflung«bcrfchiebenheiten  biefer  £fyei(e  beftimmte 
Slnfnityfung«*  ober  23ergletdning«vunfte  mit  geiftigen  Verschieben* 
fetten  $u  entbecfen.  dagegen  ift  e«  nicht  nur  eine  jefet  allgemein 
anerfannte  Safyrtjeit,  bag  bie  Organe  ber  geiftigen  Sfjätigfeiten 
in  ben  äußeren  Steilen,  ben  SBtnbungen  be«  ®e* 
htrne«,  $u  fuchen  finb,  fonbem  auch  gerabe  an  bicfen  feilen 
(äffen  ficfy  ©uttuuflung«*  ober  ®eftaltoerfchiebenheiten  nachreifen, 
unb  finb  bon  ber  Phrenologie  nad)gett)iefen  loorben,  toelche  3lu= 
halt«*  ober  33erg(ei^ung«punfte  mit  geiftigen  SBerfcfyiebenfyelten 
bieten,  inbem  j.  39.  bie  borberen  äußeren  <$ehimtheile  in  ihrer 
Gnittuitflung  mit  ben  SBerftanbe«fräften,  bie  gitteren  unb  unteren 
mit  ben  nieberen  Sinnen  be«  2ttenfchen  in  Uebereinftimmung 
fielen.  £>ie  5ii^tigfeit  be«  $ter  beforochenen  (Simourf«  gegen 
bie  ^Phrenologie  ergiebt  fich  fchliefetich  tooljt  am  fchlagenbften  au« 
ber  gorf^ungötoeife  ber  Anthropologen.  ®ehen  biefe  9)?änner 
bei  ihren  ^orfc^ungen  bon  ben  inneren  £l)eilen  be«  ®ehirn«  au«? 
Stein,  ber  ganje  3nhalt  be«  oovliegenben  Slrc^ibe«  jeigt  ba« 


Digitized  by  Google 


460  antfcrciwlogie  uub  $fyrenclcgie. 

(9egentheil.  £te  Anthropologen  fprcdjen  bon  einer  „Stforpho* 
togie",  einer  (Seftaltlehre  be«  @e$irn«,  an  melier  fie  eifrtgft 
arbeiten.  Dicfc  betrachtet  aber  mit  föectyt  nict)t  bie  Cmtmtcflimg«* 
toerfchiebenhett  ber  inneren,  fonbern  bie  ber  äußeren  ®ehirutljetlc. 
Unb  biefe  ®eftaltlehre  be«  Gehirn«  ift  in  ber  Wroiobgic  bereit« 
oorhanben.  £)ie  ^^renologic  al«  (Gehirn*  ober  Organenlehre  ift 
nidjt«  anbere«,  al«  ®eftaltlehre  be«  (Gehirne  im  beften,  tinffen- 
fchaftlichen  Sinne.  Alfo  bie  Anthropologie  \  n  d)  t  ebenbaffelbe 
nnb  auf  ebenbemf  clben  $öege,  loa«  bie  Phrenologie  fchon 
längft  gefunben  hat. 

An  ben  eben  befproebenen  (ShllDttTf  gegen  bie  Phrcni>^Sie 
reibt  fid)  ton  Seiten  einiger  Anatomen  noch  ber  anbere  an,  bafj 
bie  Philologen  in  ber  Oberfläd;lichfctt  ober  Utm>i|fenfd;aftüchfeit 
fo  loeit  gingen,  bie  ®eftalt  be«  (Gehirne  fd;on  au«  ber  änderen 
Schäbelgeftalt  erfennen  31t  Kotten,  toa«  boch  loegen  ber  Unregel* 
mäfcigfcitcn  in  ber  ^Dicfc  ber  .fnrnfchale  unmöglich  fei.  Allein 
bie  ftrage,  ob  fich  bie  fäehirngeftalt  au«  ber  äußeren  Äopfgeftalt 
erfennen  (äffe  ober  niebt,  wirb  oou  bieten  anberen  unb  namhaften 
Anatomen  entfehieben  bejaht,  £>er  Anatom  $uf$fe  fagt  in 
feinem  berühmten  Söerfc  „Schäbcl,  $tat<uitb  Seele":  „£)cr 
Sd;äbel  ift  ein  Abbrucf  be«  ®ef;irn«.  Seine  tobte  Schate  lägt 
einen  Schluß  jieljen  auf  ben  tebenbigen  Äcrn,  ben  fie  umhüllt". 
3>er  Anatom  t'ueae  fagt:  „Die  Stubien  über  bie  (Sntmtcflimg 
be«  Schöbet«  tfaben  bie  Ueberjeugung  gebrad;t,  baß  im  normalen 
3uftanbe  bie  33ttbung  ber  Knochen  ber  ftorm  unb  SMtbung  ber 
Organe  folgt."  ....  „Sir  fel)en  e«  für  unb eft ritten  an, 
baß  ba«  Gehirn  feine  Schäbelhöhle  f°wie  ber  3ahn  feuie  Aloeolc 

bilbet."  „Ttoß  im  gefunben  3uftanb  ba«  Gehirn  ber 

Schäbetbccfe  im  Allgemeinen  bie  ®röße  unb  ®eftalt  giebt,  bebarf 
gemtß  feine«  ©emeife«  mehr."  (£>ie  ©orte  be«  Anatomen  Arnolb 
f.  oben  S.  30.) 

ÜDiefe  9ttctnung«berfchiebenheit  unter  ben  Anatomen  erflärt 
fich  kty**  menn  mir  ein  menig  näher  auf  ben  Streitpunft  ein- 
gehen. (5«  fymteU  fich  ^icr  in  ber  Organentehrc  —  ähnlich  fo 
mie  oben  in  ber  ÖMfte«lchre  —  um  bie  Unterfchcibung  jmeier 
klaffen  oon  itftenfchen.   23ci  oielen  2)?enfd;en  ift  ber  Unterfchieb 


Digitized  by  Google 


461 


ber  topfgeftalt  nur  Mn,t  bei  sielen  anberen  gro§.  9bxx  in  ben 
(enteren  gÄflen  liegt  $uglctd>  ein  beftimmt  31t  eifennenber  Unter* 
fcfyieb  ber  ®  e  i  r  n  gcftalt  bor.  Senn  3.  23.  ein  Stopf  am  Scheitel 
(joefy  ift,  ein  anberer  bafelbft  uiebrig,  einer  über  bem  Ohre  breit, 
ein  anberer  fctymal,  bic  Stinte  ober  ber  -Jpinterfopf  balb  aus* 
gcioöfbt,  balb  flac^  :c,  loobei  immer  ®röfjenoerfcbicbenhetten  oon 
einem  ober  einigen  Sotten  oorltcgcn,  fo  finb  biefe  Unterföiebe 
tu  ber  topfgeftalt  $ugleich  Unterfcfyicbe  in  ber  (^e^irngeftalt. 
Senn  aber  ein  topf  an  einer  Stelle  eine  «eine  Crrfyöljuug ,  ein  . 
anberer  bafelbft  eine  Keine  Vertiefung  Ijat,  wobei  ber  Untcrfdncb 
nur  toenige  Vinicn  beträgt,  fo  ift  —  megen  ber  Ungleichheit  in 
ber  $>icfe  ber  .Spirnfchale  —  biefer  Untertrieb  nicht  jugteich  als 
Unterfc^icb  ber  ©efnrugeftalt  ju  betrauten.  ift  nun  fonberbar, 
wenn  manche  Anatomen  biefe  Untertreibung  nicht  511  machen 
roiffeu,  ober  loenn  fic  glauben,  bic  'ip^renotogen  loüpten  bic 
großen  Unterfc^iebe  ber  Wopfgeftalten  oon  ben  Ii  einen  nicht 
ju  untcrf(bcibcn  unb  Rannten  bafjcr  feine  Beobachtungen  übev  bic 
Bebcutung  ber  ocrfd;icbenen  ® el;  trubilbungen  fammeln. 

31  nm.  3u  biefem  Auffafe,  wie  er  für  tat  „%T$it  für  Anthropologie" 
beftimmt  war,  batte  i<6  noch  einige  Sorte  bi«3ua,efügt,  in  beuen  ich  mir  er* 
täubte,  ben  Herren  Antbropotogen  meine  llnterftüfcung  bei  ber  Prüfung  ber 
Phrenologie  anjubieten.  2Mefe  Sorte  fann  ic&  ifkx  weglaffen,  weil  ich  auf 
ba«,  wa«  ich  am  <3cbluffe  bc*  an  §vn.  s4>rof.  Zirchow  gerichteten  Wuffafce* 
gejagt  babe,  fcerweifen  fann.  sJJocb.  eine  Söemertung.  3>on  ber  Prüfung  ber 
Phrenologie  abgefehen,  bebarf  eö  auch  einer  (Sinfüfyrung  in  biefe  Siffen 
fd?aft.  SRan  wirb  nicht  in  einem  ober  jn>ei  3ab.ren  ^b.renologf  befonber* 
wenn  eine  prafttfehe  Einführung  gefeilt.  2)a  j.  mir  jebe  perfönlicbe  An- 
leitung abging ,  fo  beburfte  es  einer  -Mc'ük  oon  3ab;reu ,  bi$  ich  mich-  burdt) 
uuenblich  oielc  3rrthümer  in  bie  SÖiffcnf^aft  rnneingefunben.  tiefer  aü}it 
fdnmcrige  Scg  taun  bureb.  eine  praitifche  Einführung  in  bie  Söiffenfchaft, 
woju  ich  mit^  gerne  erbiete,  bebeuteub  erleichtert  »erben.  Mach  ber  allge< 
meinen  Anertennung  ber  Senologie,  bie  nicht  mebr  ferne  fein  fann,  wirb 
fid)  balb  ba«  «ebürfuifi  junger  wiifenfdjaftlichcr  Gräfte  fühlbar  macben,  be 
fouber*  für  ta«  2ehrfacb  an  Uniöerfttäten.  SBenn  baber  junge  SRÄtuter, 
meiere  einen  richtigen  SMicf  in  baö  fommenbc  .Seitbebürfuifj  baben,  mit  meiner 
•Öülfe  in  bie  ^Ijrcnologie  eingeführt  würben,  fo  tonnten  fte  fcor  fpiiter  Moni 
meuben  einen  großen  ^orfprnng  gewinnen.  ift  uid)t  <2clbftlob,  wenn  ich 
fage,  bajj  idj  etwa  feit  ber  legten  Hälfte  meiner  plneuologifd^cu  Sirffamfeit 
ein  febr  reiche*  pbrenologifd^e«  Siffen  mein  eigen  nenne:  beim  man  fann 


Digitized  by  Google 


äntbjopologie  unb  ^renologie. 


ft<$  ni$t  eine  SKetye  ton  3<u)reu  mit  einer  9?aturtt>iffenföaft  ^rafttf«^  bc 
fdjäftigen ,  ebne  ichr  toiel  ju  lernen.    (£«  foQte  mid;  freuen,  wenn  id>  nod) 
etwa«  bajn  beitragen  fönnte,  baf?  ftdj  unter  ben  jungen  Männern  ber  fBiffen 
fdjaft  einige  tüchtige  «phrenotogen  beranbifben. 


So  —  abgefchloffen  unb  bruef fertig  —  lag  ba$  Ütfanufcrtpt 
biefe«  Huffafee*  unb  »artete  ber  £anb  bc$  ©efcer«.  $1«  bor 
$)rucf  beä  $uche8  etma  bi#  jur  £älfte  oorgefchritten  mar,  I>attc 
ich  burch  (Einiges,  ma«  mir  ju  Citren  fam,  (Gelegenheit,  mir  rcdit 
lebhaft  oor  ?(ugen  &u  ftcllen ,  mie  tief  in  getroffen  Greifen  bie 
SOiiftacbtung  ber  Phrenologie  $tfurjel  gefcblagen,  unb  mie  febroer 
e$  fein  »erbe,  batf  bie  Stimme  ber  Sß3afyr!jeit  ^ier  burchbringe. 
3ch  burd;la«  fofort  \>or  Willem  ben  »erfte^enben  Shiffafc,  um  mid» 
ju  überzeugen,  baj?  er  oorausfichtlich  biefer  Aufgabe  genügen  fenne : 
aber  ftatt  baft  er  mir  früher  gut  unb  ämecfentfpred)enb  fcfyien, 
fam  er  mir  jefct  matt  unb  faft  oberflächlich  Oer.  Vielerlei  ®e* 
banfen  ftürmten  auf  mich  ein,  mie  idt>  facbfidjier  unb  eingeljenber 
t^ätte  fein,  mie  1$  bie$  unb  ba$  nod)  hätte  fagen  muffen.  (So- 
gleich jur  jjfefcet  greifenb,  faßte  ich  pcn  fc^ncUen  <£ntfä)(ufj,  ben 
3uffa|  nicht  51t  änbern,  aber,  fomeit  ber  fchon  jiemlicb  nahe 
gerüefte  <Sefeer  mir  $iet}U  3eit  (offen  mürbe,  burch  einen  ange^ 
hängten  Keinen  ftbfdmitt  (II)  \u  ermeitern.  SDerfelbe  SBemeg* 
grunb  tief?  mich  aud>  meinen  (SntfcbluB  in  betreff  be$  Sluffafce« 
oon  £rirfchfelb  änbern,  ben  ich  h*  bet  oorigen  Auflage  ganj  auf- 
genommen, in  biefer  aber,  al«  nicht  Eigene«,  nicht  mehr  bringen 
mollte.  Allein  meit  ber  oortreffliche  Sluffafe  mir  gerabe  in  ber 
oorliegenben  öejiehung  fo  fchön  $ur  Seite  fteht  unb,  obgleich 
breijug  fahren  gefchrieben,  für  bie  Greife,  für  bie  er  be= 
ftimmt,  jefct  noch  f°  1,eu  tft>  «1$  ob  er  geftern  gefdmeben 
märe,  fo  1)abe  ich  2tu$meg  gewählt,  Um  im  2tu$$uge  (TO 
ju  geben. 


Digitized  by  Google 


Hnt&ropologie  mib  *Jtyrcnol©flif.  463 

■ 

II. 

Die  Anthropologie  —  SWenfchenfunbe  —  in  bcr  roeiteften 
Söebeutung  mürbe  alle  btejenigen  Siffenfchaften  umf äffen,  »eiche 
ben  SDfcnfchen  in  irgenb  einer  $3e$iehung  gum  ($egcnftaub  fyaben, 
alfo  nicht  nur  bie  Anatomie,  $htyfio(ogic,  (&eifte«funbe,  fonbetn 
auch  bie  ®efcfyicfyte,  auch  al«  ßulturgefchichte ,  Jtunftgcfchichte, 
Wcligion«gefchichte  zc,  bie  Sprachnnffenfchaft,  bie  @r$iehung«fehre, 
bie  £citfunbe  n.  f.  m.  Allein  in  bicfem  toctteften  ©inn  mirb 
ba«  SBJort  Anthropologie  niemal«  gebrannt  nnb  ift  j.  23.  auch 
bamal«  nicfyt  fo  gebrannt  morbcn,  al«  mehrere  (gelehrte  unter 
bem  tarnen  Anthropologen  in  einen  herein  jufammcntraten,  um 
über  Anthropologie  Söefprcchungcn  jut  fjdten,  eine  jjcttfchrift  für 
Anthropologie  511  grünben  :c.  Denn  bie  £fyeUung  bcr  Arbeit, 
meiere  heutzutage  in  allen  menfehtichen  Dingen  eine  fo  große 
Wolle  fpielt,  ift  namentlich  and?  in  ber  l&iffenfchaft  eine  SRety 
menbigfeit  geworben.  Wiemanb  fenntc  Antljropolog  in  bem  Sinne 
fein,  bafe  er  aüe  jene  Sifienfchaften  grünblich  umfaßte.  Au* 
toürbe,  menn  eine  ^erfammlung  bon  Anthropologen  au«  Ana* 
tomen,  Sprachforschern,  C^fd?icht«forfchcrn  k.  juifammengcfefet 
märe,  in  bcrfelben  meber  eine  ^ragc  ber  Anatomie,  noch  ber 
Sprad;n>iffcufc&aft,  noa)  ber  <$efdjicfyt$forfdjung  fo  grünblidj  nnb 
mit  folgern  ^ortheil  für  bie  Siffenfcbaft  felbft  befprochen  merben 
(Snnen ,  al«  bie«  unter  Männern  ber  betreffenben  ^aebmifien^ 
fchaften  gefchehen  fimntc. 

Anthropologie  in  ber  praftifchen  ©ebeutung  bc«  Sorte«  ift 
bie  äßiffenfchaft,  meldte  un«  SDfcnfchcnf  enntntfc  lehrt.  So 
ift  ba«  Sort  auch  allgemein  gebraust.  (§«  giebt  bielc  £anb^ 
ober  Vehrbücher  bcr  Anthropologie,  unb  c«  merben  feit  ben  legten 
brei  ober  bter  Sahrjclmtcn  an  Untoerfitätcn  unb  fonft  häufig 
^orlefungcu  über  Anthropologie  gehalten.  Der  Inhalt  biefer 
Bücher  unb  2>orlefungen  ift  immer  unb  überall  im  Söcfcn  ber 
gleiche.  Der  üDienfch  mirb  in  feinen  beiben  £)älftcn,  menn  man 
fo  fagen  barf,  feiner  förderlichen  unb  geiftigen,  möglichft  genau 
gefdnlbert  ober  %\\  fehilbern  oerfucht.  Dabei  ift  jebod?  bie  Schiff 
bertrag  bcr  erftercu  £älftc  unglcicb  oellftänbiger ,  al«  bie  bcr 


Digitized  by  Google 


464  Anthropologie  unb  «Phrenologie. 


legten.  Sitte  Zweite  «"b  Verrichtungen  beS  ÄörperS,  Snochen, 
SttuSfeln,  Werben,  Sölutlauf,  (Ernährung  :c.,,  auch  bie  äußeren 
©tnnesthätigfeiten  mit  ihren  Organen  werben  ausführlich  be= 
fprochen.  9Ittein  bie  geifrigen  X^ätigfeiten,  bie  £riebe,  (Gefühle, 
■Neigungen,  latente  beS  SOfenfcben  unb  ihr  Organ,  baS  (Gehirn, 
werben  bon  ben  metften  Anthropologen,  b.  \j.  ton  allen  benen, 
welche  bie  Phrenologie  nicht  fenucn,  nur  äujjerft  oberflächlich  ober 
fo  gut  als  gar  nicht  bargeftellt:  benn  nichts  2:^atfäc^licf>e«  wirb 
barüber  gelehrt,  fonbern  nur  einige  £>typothefen,  unb  oon  iebem 
Anthropologen  anbere,  bie  alfo  ohne  Serth  finb  unb  nichts 
reuiger  als  wahre  ü)?cnfcbenfenntni§  geben  Kimen,  »erben  barüber 
borgebracht.  2ttan  barf  bat)er  behaupten,  baB  alles  baS,  was  bis* 
her  (außerhalb  per  ^Phrenologie)  als  Anthropologie  galt,  nur  in 
ber  Ä&rperlehre,  ber  untergeorbneten  £>älfte  ber  Anthropologie, 
beftanb.  Aus  bemfelben  (Drimbe  fann  man  umgefehrt  bon  ber 
Phrenologie  fagen,  bafj  fie  im  Sefen  Anthropologie,  bie  t'ehre 
ber  SRenfchenfeimtmj?  ift.  $)aS  oorliegenbe  23uch  l-  Knute 
ich,  ohne  etwas  ju  änbern  ober  guftufefeen,  ebenfowohl  „Anthro* 
pologifcbe  Silber"  ober  „©Uber  ber  SJfenfchenfunbe"  nennen,  unb 
baS  fehlen  bon  ©tücfen  über  bie  ßbrperlehre  baburch  begrünben, 
baß  baS  23ucb  eine  Grrganjung  ber  gewöhnlichen  Sföerfe  über  An- 
thropologie fein  folle,  in  welken  allen  bie  Äörperlehre  fchon  jur 
(Genüge  behanbelt  fei. 

(SS  ift  nicht  wiffenfehaftlich  gefproetyen  ober  gebaut,  wenn  wir 
bie  beiben  £älften  ber  SD^nfcheufunbe  u  uberein  igt  neben  ein- 
ander [teilen,  ba  bie  Bereinigung  beiber  in  ber  ® eh irn lehre 
thatfächlich  borltegt.  £>aS  ©durn  ift  ber  ebelfte  Xtyii  beS  meufaV 
liehen  Körpers,  unb  bie  ©ehirnlehre  ber  TOttelpunft  ber  Körper* 
lehre.  Auch  fann  bie  (^ehirnlehre  nicht  grünblich  berftanben  wer* 
ben,  olme  bie  mit  ihr  aufs  (Sngfte  $ufammenhängenbe  Werbeulehre, 
unb  bie  Werben  lehre  mieber  nicht  ohne  bie  anberweitige  Körper* 
lehre.  Die  ®ehirnlehre  ift  aber  zugleich  (als  Organenfehrc) 
ber  Üftittelpunft  ber  (^eifteSlehre.  Alfo  ift  bie  (Sehirnlebre  beibeS 
zugleich,  Äorperlehre  unb  ®etfteslehre,  g  e  r  a  b  e  b  a  S  W  ä  m  1  i  ch  e , 
was  auch  bie  Anthropologie  ift:  unb  fo  bie  Anthropologie 
unb  bie  (Gehirn  lehre  im  Sefen  IS  in  es  unb  baffelbe. 


Digitized  by  Google 


2tntt)rol>ofo8ie  "nb  ^renologic.  465 

$)amtt  ftefyt  nicht  im  äöiberfpruch,  bafe  in  ber  bisherigen  Anthro- 
pologie ober  in  bem,  loa«  bafür  galt,  oon  einer  torcftic^en  ®e* 
hirnlehre  fo  roenig  ober  eigentlich  nicht«  gegeben  rourbe,  —  man 
tonnte  nicht  mehr  geben  al«  man  hatte  —  f  man  e  r  f  a  n  n  t  e  aber 
boch  bie  ®ehirnlehrc  al«  bie  ©pifce  ober  ben  9flittelpunft  ber 
Anthropologie  nnb  fprach  bielfach  ba«  Bebauern  au«,  nicht  mehr 
al«  iBermuthungen  barüber  geben  ju  fßnnen.  $>a  bie  ^renologic 
(al«  Organentehre)  nicht«  anbere«  al«  ®eh*rnlehre  ift,  fo  ift  auch 
hierburch  flar,  baß  Anthropologie  unb  ^hrenoJo8ie  ™  ®efen 
(5in«  unb  baffelbe  finb,  ober  ba§  betbe  ben  gleichen  Sttittelpunft 
haben. 

£)ie  obige  Söemerfung,  ba§  ba«  $öort  Anthropologie  allge- 
mein in  ber  richtigen  Söebeutung  gebraucht  toerbe,  leibet  eine 
grojje  Au«nahme,  unb  jtoar  burch  ba«  „Arcbib  für  Anthropologie*. 
£)tefe  3^itfchtift  bilbet  infofern  einen  ®egenfafe  ju  allen  übri* 
gen  Serfen  über  Anthropologie,  al«  fie  nicht  roie  biefe  bie 
aflenfcbenfunbe  gum  (Segenftanb,  bie  (Sehirnlehre  jum  üßtttelpunft 
hat,  al«  bielmehr  faft  ihr  ganger  Inhalt  ber  üflenfchenhmbe  mög= 
üchft  fem  liegt,  unb  baher  auch  &ur  gorberung  ber  2ftenfchen* 
fenntnifc  nicht  beitragen  fann.  Sötr  wollen  biefe  Behauptung 
burch  ein  populäre«  Beifpiel  gu  erläutern  fuchen.  (5in  junger 
®ut«herr  ift  burch  feinen  SReichthum  in  ber  gtücf  liehen  Öage,  ganj 
feiner  brennenben  25M§begierbc  leben  ju  fönnen.  93or  allem  bie 
^aturtoiffenfcbaften  gießen  ihn  an  unb  unter  biefen  am  meiften 
bie  SWenfchenfunbe.  (5r  lieft  populäre  unb  roiffenfehafttiche  Serie 
über  Anatomie  unb  ^hhfiologie ,  unb  bie  lefctere  ©iffenfebaft 
intereffirt  unb  erfreut  ihn  in  manchen  ©Reinheiten  ungemein; 
boch  ift  er  noch  ni$t  befriebigt:  je  mehr  feine  $enntniffe  bom 
menfehlichen  #&rper  gunehmen,  befto  mehr  toünfcht  er  auch  etwa« 
®rünbliche«  unb  £hatfä(hli<he«  über  ben  menfehlichen  ®eift  ju 
erfahren,  worüber  bie  phhftologifchen  Söerfe  fo  fehr  toenig  bieten. 
$on  ber  ^Phrenologie  weif?  er  nicht«  unb  will  er  niebt«  nriffen, 
weil  S&cd,  ber  für  ihn  eine  Autorität  ift,  fie  eine  Xfyoxtyit 
nennt.  Sefct  hört  er  »on  einem  herein  bon  Anthropologen, 
SJJännern  ber  iftaturwtffenfchaft,  welche  feit  fahren  eine  ^eitfehrift 
für  Anthropologie  he*au«geben.    Orr  lägt  fich  fogleich  ba«  Serf 

Sdjetie,  Wrertoloßifdje  SBilber.  3.  «ufl.  30 


Digitized  by  Google 


406 


2tnt^rot>oIo8tc  unb  «P&wnologie. 


fommen  unb  freut  fieb  fa)on  beim  Slnblicf  über  beffen  großen 
Umfang,  ber  tym  einen  langen  ®enug  oerfpria)t.  SBeim  Oeffnen 
eine«  ber  mächtigen  Ouartbänbe  fällt  iljm  eine  ftetye  auf- 
geführter 9(bbilbungen*  menfcfyücher  Serfjeuge  auf  ber  Steinjeit 
in$  Bilge,  wie  fic  in  einer  £51jle  aufgefunben  finb.  Der  <$egen* 
[taub  intereffirt  ifnt  fefjr,  er  lieft  bie  fcfybne  unb  grünbliche  %\>- 
tyanblung  mit  oiclem  Vergnügen.  SBcnn  Dinge,  fagt  er  31t  fieb 
felbft,  meiere  ber  Sftcnföenfunbc  eigentlich  fem  liegen,  fo  ein* 
ge^enb  behanbelt  finb,  wa«  barf  td>  erft  oon  ben  2(bf$nttten 
über  wirtliche  Anthropologie  erwarten  I  dx  ftöfct  weiter  auf  eine 
Slbljanblung  über  bie  Spraye  eine«  wilben  $olf«ftainme«.  3luch 
biefer  ®egenftanb  intereffirt  ihn  foweit,  bafj  er  ben  gut  gejcfyrie* 
betten  Sluffafe  mit  $3efriebigung  tieft.  Allein  e«  fäüt  ihm  auf, 
bag  bie  beiben  Auffäfec,  bie  er  jufällig  gelefen,  feine  anthropo* 
(ogifa^en,  finb.  Doch  r)att !  fcr)on  ift  er  beruhigt:  ba  fietjt  er 
£><fyäbelabbUbungen ;  biefe  Abljanblung  greift  mitten  in  bie  An* 
ttjropologie  hinein,  ^ier  wirb  er  enbltch  finben,  wa«  er  fua^t;  e« 
finb  Abbilbungen  bon  Schäbelu  eine«  SBolfe«,  ba«  ju  ben  Sang- 
föpfen  (Doüchocephalen)  gehört.  Gr  burdpegt  ben  Auffafe,  er 
tieft  ihn  normal«,  aber  er  finbet  —  nicht«  bon  bem  wa«  er 
fucfyt,  nicht  bie  geringfte  ©ejietyung  jur  Anthropologie,  gur  tenntniß 
be«  9)?enfchen.  2Ba«  bebeutet  benn,  ruft  er,  ber  lange  $opf 
ober  ba«  tauge  ®el)trn  gegenüber  bem  furjen?  Da  ba«  (Gehirn 
ba«  Organ  be«  (Reifte«  ift,  fo  muß  ber  9)Jenfch  mit  langem 
(Gehirn  in  irgenb  einer  SBejielnmg  ein  geiftig  anbrer  fein,  al«  ber 
mit  furjem.  Söarum  ift  hierüber  gar  niebt«  gefagt?  warum  niebt 
einmat  barnach  gefragt?  gu  welchem  an  bem  Bmecf  fann  man 
bie  (^eftaltoerfcfyiebenfjeiten  ber  Schäbel  unb  (Gehirne  auffuchen 
unb  jeid^nen,  at«  um  bie  anthropologifche  ©ebeutung  birfer  35er* 
f^ieben^eiten  ju  erforfa)en  unb  naefouwetfen  ?  Da«  (£rftaunen 
be«  jungen-  2)ianne«  über  feine  getätigten  Erwartungen  brohte 
in  einen  fomtfehen  3orn  überjuge^en,  inbem  er  faft  im  begriff 
mar,  ba«  ganje  foftbarc  Söerf  jufammenjufaffen  unb  jur  Erbe  $u 
fchleubern.  Aber  ba«  Unbegreifliche  ober  9tät^fe(^afte  ber  Sache 
gab  feinen  (Gebauten  eine  anbere  Stiftung.  3ch  mu§  Aufflärung 
barüber  h«ben,  ruft  er,  wie  bie«  $ufammenhängt.    Auch  bie  leife 


Digitized  by  GoOgt 


Anthropologie  unb  v]>ljvettolocjic.  467 

Hoffnung,  bafe  er  t>teücic^t  bodj  nod)  finben  fihmc,  ma«  et  fucfyt, 

bcftimmtc  ifyu  311  bem  tufyigen  (Sntfcfylujs,  ba«  gange  $öetf  bom 

Anfang  bi«  gum  (Snbc  butcfygulefen ,  ma«  er  aucfy  betjarrlidj  im 

Verlaufe  einiger  $ß$o$eu  burd;füfyrt.    $)a«  ßrgebnij?  ferne«  steige« 

ift  (eiber  fein  anbete«,  a(«  c«  m$  bem  Vefcn  ber  brei  Stuffä^e 

genügen.    T>a«  gange  große,  an  mannigfaltigem  3n(?a(t  reidbe 

Serf  enthält  beinahe  nt$t«  2(ntfjropo(ogif  a)e«;  bie  an* 

tljropofogifdjcn  SÖafyrr/eiten,  bie  e«  entljätt,  würben  in  einem  an* 

tt?ropotogifd?en  £efjrbu$  nia)t  eine  (Seite  füllen;  bäumtet  ift 

g.  33.  bie  in  einigen  9(uffäfeen  erläuterte  2öafyrfyeit,  bie  tym 

nicbt  einmal  neu  ift,  ba$  ein  fetyr  fteine«  ober  berfrüppette«  ($e* 

tn'rn  mit  SMöbfinn  ucrbunben  ift.  3c  mefjr  ber  junge  SOJann  beim 

Vefen  biefe  (*infid;t  gewann,  befto  fyöljer  ftieg  fein  (-rtftaunen  unb 

befto  mefyr  füllte  er  ftcfy  auger  ©taube,  ba«  Siät^fel  gu  töfen. 

$>et  Vorwurf,  beu  mir  tjier  gegen  ba«  „2Itd)tb  für  2(nttjro* 

pologie"  ergeben,  ift  ein  boppefter:  er  betrifft  bat,  ma«  ba« 

5trdt>it>  nidbt  giebt  unb  ba«,  ma«  c«  giebt.    Sltteti  ^ntfjtopo* 

logen  ift  e«  f(ar,  baß  bie  ®eljirnfef>re  ber  2JUttelpunft  ber  Hit* 

tbropotogie  ift.    jftum  33eroei«  bafür  fyaben  au$  bie  meiften  2luf* 

fafce  be«  ,,9(tcfyib«"  ben  ©ctyäbet  ober  ba«  ®efyitn  unb  beten  ®e= 

ftattfcerfcfyicbenfyeiten  gum  (Segenftanb.    3(bet  alle  biefe  SUiffäfce 

geljen  nut  bi«  an  bie  ®efn'ru(efyre  fyetan,  feiner  tritt  in  fie 

fyetein.   3a,  bie  23etfaffet  ber  9luffäfce  ttyun  fo,  al«  ob  e«  eine 

@e^irnter)re  uicfyt  gäbe  ober  at«  ob  fie  t>on  ifyr  nic$t«  müjjten 

unb  ntdjt«  miffen  rooUten,  fie  ermähnen  it)rer  gar  nicfyt,  fragen 

gar  ntcfyt  na$  ifyt:  fie  ftnb,  mit  @inem  2Bott,  btofce  einfeitige 

Anatomen  be«  @$äbe(«  unb  be«  ®et?trn«.    2ttan  fann  bie 

Anatomie  unb  bie  ^fiotogie  in  ber  ttjeoretifcfyen  Siffenfa^aft  bon 

etnanber  trennen,  infofern  bie  Anatomie  bie  ÄenntniS  be«  tobten, 

bie  ^^fiotogic  bie  be«  (ebenben  Körper«  ift,  aber  in  ber  praf* 

tifdjen  Söiffenfd^aft  finb  beibe  immer  bereinigt  unb  müffen  e« 

.fein.    SBenn  man  bem  ©tubenten  ber  SDfebtcin,  bem  fünftigen 

$(rgte,  nur  anatomtfcb  bie  £fyei(e  unb  Organe  be«  tobten  Körper« 

Feimen  teuren  rooüte,  oljne  ifym  ptjtyfiotogtfcfy  etma«  t>on  bet  ©e* 

beutung,  bet  £()ätigfeit ,  ben  Söetridjtungeu  berfetben  gu  fagcn, 

fo  mürbe  3ebermann  bie«  für  einen  unbegreiflichen  Siberfprud) 

30* 


Digitized  by  Google 


468 


in  fich  felbft  Ratten,  ba  ja  bie  Anatomie  31t  bem  3^«* 
lehrt  mirb,  um  bamit  bie  ^Ijtyfiologic  gu  fcerbinben.  SDie  23er* 
faffcr  bot  fraglichen  Auffä^e  ober  behanbeln  ben  Schabe!  imb 
ba«  (Seijim  au«brücflich  nur  anatomtfeh,  obgleich  fie  ba«  Sott 
„ajjor^otogie  be«  (Seljirn«"  im  9ttunbe  führen,  alfo  re$t  roohf 
triff  en,  bafi  biefe  einfeittge  anatomifche  33ehanblung  antljrepolo* 
gifd?  (phhftologifd))  mcrtfjlo«  ober  nicfyt«  ift.  Sie  betoeifen  bamit 
einerfeit«,  bafc  fie  ba«  3icl,  nad>  meiern  31t  ftreben  if;rc  tt>tffcn= 
fcfyaftüc^e  ift,  gattj  mohl  feinten,  aber  $uglctch  bemeifen  fie 

anbererfeit«,  baft  fie  biefe«  3iel  nicht  oerfolgen  sollen  ober  fennen : 
fur$,  fie  fteljen  im  birecten  SMberfprucb  mit  fich  felbft,  fie  ftreben 
nach  ber  (ftelu'rnlchrc  unb  fliegen  oor  iljr  31t  gleicher  $c\t,  fie 
fagen  zugleich  ja  unb  nein.  (itma«  logifch  Unbegreifliche«  finb 
mir  leicht  oerfucht,  un«  burd?  ein  $Mlb  ocranfdjaulichcn  511  motten. 
(Sin  SJcenfch  ift  nach  einer  Sache  in  Scfntfucht  hingezogen  nnb 
im  Söeftrcben,  fich  ifyr  311  nähern,  ftreeft  er  ben  2(rm  barnach  au« : 
aber  3  u  g  t  e  t  df>  ift  er  oon  ber  leb(;afteften  fturcht  oor  biefer  Sad?e 
erfaßt  unb  ftreeft  ben  aubem  Arm  au«  in  beut  (Sebanfen  bor 
tfyr  ju  fliegen:  er  tritt  fid^  belegen,  aber  er  ftctjt  füll,  fein  23e- 
megen  ift  haften«  ein  3ittern ;  er  tritt  ctma«  tfntn,  toitt  hanbeln, 
aber  fein  Xfnm,  fein  £>anbefn  ift  nicht  einmal  Schein,  ift  nidbt«! 

Sooiel  in  ©ejug  auf  ba«,  toa«  ba«  „Artfüo  für  Antfjropo* 
logie"  nid)t  giebt:  feine  Auffasse  über  ben  Schabet  unb  ba« 
(Sehirn,  meldte  antfyropologtfch  fein  feilten  unb  müßten,  finb  e« 
nicht.  $>ie  oiclen  anbeten,  meiften«  trefflichen  Auffäfce  be« 
„Archio«"  —  übet  Utgefä)ia^te,  $&lferfunbc,  Sprachmiffenfchaft  ic. 
—  finb  eben  fo  menig  anthropologifd).  $>ie  feilten  fie  auch? 
Sie  fonnen  oon  Scannern  gefchrieben  fein,  meldte  mogttcfyermeife 
nicht«  oon  Anthropologie  triff  en,  niemat«  einen  S3lkf  in  ein  an* 
ttyropologifctye«  39uch  geworfen  haben.  £iafycr  fönnen  fie  aueb  feine 
^Belehrung  jur  SDcenfchenfunbc  bieten  unb  mürben  in  einem  an* 
tfyropologtfcfyen  Söerfc  feine  Aufnahme,  ja  nicht  einmal  eine  (Er- 
mahnung fiubcn.  9)?an  hat  jmar  mehrfad;  oerfucht,  biefen  3$ortourf, 
ber  mohl  nicht  juerft  bon  un«,  fonbern  genüfc  and)  oon  anberer 
Seite  gegen  ba«  „Arcfn'o  für  Anthropologie"- erhoben  toorben  ift, 
3urücf$Moeifen.    So  finbet  fid?  3-       im  Ara)io  #b.  V.  $.  1. 


Digitized  by  Google 


469 


CSorrefponben$blatt  @.  42  bie  folgcnbe  Stelle  in  einer  SHebc  über 
9(nthropo(ogie :  „Senn  c«  ber  ®egenftanb  ber  ?lnt^to^o(ogte  ift, 
ba«  Scfcn  bc«  Sfteitföen  $u  ergrünben,  fo  Hegt  c«  ja  auf  ber 
£anb,  bajs  ber  Sege  gu  biefer  (Srgrünbung  aufjerorbentlich  »tele 
[ein  muffen,  nnb  bafj  ade  2krfuct)e,  toelcbc  rutr  einen  Seg  bc= 
treten  nnb  auf  biefcm  einen  Sege  fcftjnftcüen  fn^en,  toa«  ber 
9ftenf$  eigentlich  fei  nnb  uüc  er  jn  beurteilen  fei,  minbeften« 
einfeitig  nnb  mer)r  ober  weniger  gefährlich  finb".  Cr«  toirb  noch 
loeiter  berfucht,  ben  fraglichen  Startourf  fogar  in  ein  Sob,  ba«  ber 
^ielfeitigfcit ,  umjiüoanbeln.  ?Iber  biefer  SBerfuct)  ift  mtfcglticft, 
n>eit  ber  SBcrfaffer,  inbem  er  oon  ben  „aufeerorbentlicr)  bieten 
Segen  gur  (Srgrünbung  be«  äVcnfchen"  fpricht,  oergeffen  hat  ju 
fagen,  bag  biefe  Sege  aüc  nach  einem  3)ftttelpunftc  sufarnmen- 
lanfen  muffen,  unb  baj?  biefer  sJttittelpunrt  ber  9tfenfchenfunbe  bie 
föehtrnlehre  al«  Sttpexidpe  unb  al«  ®eifte«lel)re  ift.  Senn  ba« 
$lrcr)ib  biefen  üDZittclpuntt  in«  3lugc  faßte  unb  im  2luge  behielte, 
fo  loürbc  9iiemanb  fo  engherzig  fein,  ihm  einen  5Sortourf  barau« 
ju  machen,  toenn  c«  bt«m  eilen  in  intereffanten-Söeiträgen  recht 
ioeit  bon  bemfetben  abfdnoeiftc.  £)er  S3ormurf  ift  aber  ber,  baj? 
ba«  Slrcfnb,  ioic  »erat  c«  jenen  ÜÜftttelpunft  gar  nicht  rannte,  in 
Willem,  ma«  c«  bringt  (auger  in  ben  einfeitig  anatomifchen 
?(uffäfcen  über  Schöbet  unb  (Schmie),  oon  bemfetben  ganj  ferne 
bleibt.  —  9Wan  fonnte  bicücicht  noch  oon  anberer  Seite  $u 
(fünften  be«  9(rdt>it>ö  fpi^finbig  fragen:  ba  ja  bie  Slnthropotogte 
im  9ttcnfchen  einen  gormenfinn  unb  einen  Sprach5  ober  Sortfinn 
nachreife,  ob  c«  nicht  anthropelogifct)  intereffant  fei,  ju  totffen, 
loelche  gönnen  jene  Scrf$euge  au«  ber  Steinjctt  hatten  °ber 
ioelct)e«  bie  Spradje  jene«  nulben  93o(f«ftamme«  n>ar?  3dt)  ant= 
motte:  anthropologifcr)  intereffant  ift,  toa«  auf  ben  befonberen 
Gt)araUcr  eine«  SWenfchen  (ober  eine«  $otte«)  23ejug  hat  unb 
baher  311  feinem  SBerftänbnife  einer  anttjropologifchen  drftärung 
bebarf.  Säre  $.  $8.  bei  jenen  Serfjeugen  eine  befonbere  tunft* 
fertigfeit  ober  eine  befonbere  Schönheit  aufgefallen,  toetche  einen 
befonberen  (St)arafter  ber  25crfcrtiger  borau«fefete,  ober  hätte  fich 
bie  Sprache  jene«  33olf«ftamme«  burch  eine  (£igenthümlicl)fett  au«* 
gezeichnet,  n>eld;c  mit  feinem  Charafter  in  33ejiehnng  ftanb  ober 


Digitized  by  Google 


470 


Slntljrcpologie  unb  »Phrenologie. 


flehen  fonnte,  fo  mären  btefe  Unterf  Übungen  oon  antcjropolo* 
gif  ehern  Sntereffe,  unb  al«bann  jene  Auffäfee  in  bem  „Archib  für 
Anthropologie"  an  ihrer  ©teile  gemefen.  Allein  ba«  ift  e«  gc= 
rabe,  loa«  mir  bem  „Archib"  jum  23ormurf  machen,  ba§  e«  folche 
Auffäfcc  mit  antfyropologifcfyeu  ©ejielnmgcn  nicht  bringt,  bat?  e« 
bielmehr  feine  Auffäfce  au«  2öiffen«gebieten  hernimmt,  meiere  ber 
Anthropologie  me'glichft  fern  liegen,  9iicht«  anbere«  j.  liegt 
oon  ber  Anthropologie  fo  meit  ab,  al«  bie  Urgefchichte  be« 
9ftenfchen,  unb  gerabe  hierüber  bringt  ba«  Ard)ib  bie  meiften 
Auffäfce :  benn  je  tiefer  ein  ®egenftanb  in  ber  tobten  Urjett  be- 
graben liegt,  je  meniger  mir  oon  ben  bamaligcn  2flenfchen 
miffen,  befto  meniger  ©ejichungen  $ur  Anthropologie  bietet  er 
bar,  befto  leichter  famt  er  ol;ne  folche  £inmeifungen  ober  ohne 
gemaltfame  Umgehung  berfelben  behanbelt  merben.  Sürbe  ba* 
gegen  etwa«  über  9)?enfchenfunbe  au«  ber  ©efchid&te  ber  (Negern 
mart  in  bie  Unterfuchung  gebogen,  2).  ber  topf  ober  Schäbel 
etneT  berühmten  ober 'berüchtigten  "ißerfb'nlichfeit,  fo  läge  bie  33e* 
jiehung  jur  Anthropologie  fo  fehr  nahe,  bafe  fie  nur  gemaltfatn 
unb  auffalligerroeife  umgangen  merben  fönnte.  Daher  bringt 
ba«  „Archib"  folche  Sachen  nicht.  (Sbenfo  jieht  ba«  „  Archib " 
au«  ber  SBblferfunbe  ba«  fternliegenbe,  meiften«  fogenanntc  milbe 
ÜSblferftämme,  in  bie  Unterfuchung,  meil  babei  bie  33e$iehung  jur 
Anthropologie  fich  leichter  umgehen  läftt.  Sie  fehr  biel  anthro* 
pologifch  intereffanter  unb  näher  liegeub  märe  aber  bie  ©etracfc 
tung  unb  2$ergteichung  ber  im«  befannten  europäifchen  SBb'lfer, 
j.  33.  ber  Deutfchen  unb  ber  (Jnglänber  ober  ber  Deutfchen  unb 
ber  ^ranjofen  nach  Äörperbefchaffenheit,  Temperament,  .fopfgcftalt 
unb  Shatatter!  Ober  mic  intereffant  märe  eine  authropologifchc 
Stubte  3.  33.  über  bie  beutfehe  unb  bie  englifche  Sprache,  morih 
bie  (Sigenthümlichfeiten  betber  auf  ben  Giharafter  ber  beiben  Völler 
jurüefgeführt  unb  barau«  erflärt  mürben.  Aber  folche  Dinge, 
mie  gefagt,  bringt  ba«  Archib  nicht,  meil  fie  anthropologifcb 
finb.  Da«  „Ar^ib  für  Anthropologie"  ift  alfo  eine  ^eitfehrift, 
melche  mefentlich  ba«  nicht  ift  unb  niefct  enthält,  ma«  fie  ju  fein 
unb  JU  enthalten  burch  ihren  tarnen  oorgiebt.  Die«  ift  fo  uteri* 


Digitized  by  Googl 


Anthropologie  unb.  ^^rcnologie.  47 1 


würbtg,  bafc  wohl,  feit  e$  überhaupt  SGÖiffcnf  chatten  giebt,  etu>aö 
Aehnliche«  nicht  bagewefen  ift. 

@he  wir  biefe«  grogc  föäthfet  ju  IBfen  berfuchen,  waö  uns 
nicht  fchwer  fallen  bürfte,  muffen  wir  noch  oon  einem  bamit  im 
3ufamment?ang  fte^enben  «einen,  aber  für  im«  ganj  unlösbaren 
föätyfet  Bericht  geben.  3m  „Archib  für  Anthropologie"  4.  53b. 
@.  171  fchreibt  ftriebr.  fc.  £>ellwalb  bei  ber  ©eurtheilung  etneö 
SBerfeS  bon  3ohanne*  £mber  bie  folgenben  SBorte:  *2öir  glauben, 
ba§  gerabe  bie  (Srforfd;ung  beä  £)enfproceffe$,  unb  hierauf  läuft 
ja  Alles  fyinauS,  feinerjeit  eine  Hauptaufgabe  ber  Anthropologie 
bilben  wirb.  Ucberrafchcnb  ift,  bafj  ber  Autor  bei  feinen  9te= 
flejtonen  übet  bie  @etbftftänbtgfeit  be$  £)enfen8  bon  ben  9tc* 
fultaten  ber  tt> t f f enf $af tttchen  Phrenologie  feine 
tttotts  nimmt''.  3ch  muffte  biefe  Söorte  breU  unb  oietmal 
tefen,  bi«  ich  glauben  tonnte  was  ich  fafc.  2)0«  $Hätt>fe(  ift  ein 
boppelteS.  3uerft:  loa«  ift  wiffenfchaftliche  unb  was  nichtwiffen* 
fchaftlichc  Phrenologie?  3ch  h<*oe  wohl  Won  unwtffenfchaftliche 
(angebliche)  Phrenologen  Kennen  gelernt,  aber  eine  unwiffenfehaft* 
liehe  Phrenologie  fann  es  fo  loenig  geben,  als  eine  untoiffen* 
fchaftliche  Chemie  ober  Phhftf-  flfefo  nur  bie  ctne  Ph*™0* 
logie,  bie  in  ®alfS  unfterblichen  SBerten  niebcrgelegt  ift,  unb  mit 
„  welker  alte  übrigen  Phrenologen  m  Herfen  überetn= 

ftimmen,  auch  tch  in  ben  meinigen.  (SS  ntug  ja  £errn  £ellwalb 
befannt  fein,  bafc  bie  Phänologie  bon  ben  meiften  belehrten 
3>eutfchlanb«,  namentlich  ben  Anthropologen  unb  Phhftologen, 
noch  berworfen  wirb,  unb  bafj  barunter  Alle  nur  biefe  Sine 
Phänologie,  bie  es  giebt,  oerftehen.  Auch  bin  ich  Noch  mental* 
fonft  biefer  Unterfcheibung  jwifchen  wiffenfchaftlicher  unb  nichts 
toiffenfehaftlicher  Phrenologie  begegnet.  3toe^cnö:  §err  ^ellwalb, 
welcher  bie  Phrenologie  fennt,  wei|j  bamtt,  bajj  fie  ®ehtrnlehre 
unb  ©eifteSleljre  ift,  unb  ba  er  juglcich  wetg,  ba§  ben  Anthro= 
potogen  mit  ber  Äenntntfj  ber  Phrenologie  bie  ®ehtrnlehre  unb 
®etfte$(ehre  noch  fo  W  e*  unbegreiflich,  Warum  er,  ber 

auSnahmSWcifc  fo  glncftich  ift,  biefe  Äenntnig  ju  fceftfeen,  unb  ber 
überbieS  Mitarbeiter  am  „Archio  für  Anthropologie"  ift,  —  warum 
er  biefe  fo  ungeheuer  wichtige  f  enntnifj  gleich  wie  h^b  tat  93er* 


Digitized  by  Google 


■ 


472  5lnt&toj>ologie  unb  ^reitologie. 

borgenen  Bei  bet  öeurtfyeilung  eine«  pljilofobljtfajen  SöerfcS  ge* 
(cgentüc^  auSfpricfyt,  unb  nicfyt  laut  unb  frolj  unb  glü(ftoünfa>nb 
in  bic  antyropdogtfctye  Seit  IjiuauSruft.  Unb  bollenbS  nennt 
er  es  „überrage  nb",  bajj  ein  ^ilofot^  t>on  ber  ^reno* 


Xer  menfdjlidje  «Retisenbou:  ba*  gtofic  unb  ba«  Heine  ©ebtrn,  ba«  SRüdenmarf 

uno  jeine  »cetoen. 

logie  Jeine  SRotis  nimmt*.  Selbes  Sßort  müfcte  er  erft  bafür 
gebrauchen,  bog  alle  Slntyropologen ,  bereu  @ein  ober  9ct<$tfein 
babon  abfängt,  t>on  berfelben  „ feine  9cott&  nehmen!"  3n  meiner 
ganzen  nnffenfcfyaftltcfyen  tfaufbafyn  bin  icfy  niemals  einem  Wätyf et  be* 


Digitized  by  Google 


&nü)rol>ofogte  unb  ^Phrenologie.  473 


gegnet,  auf  beffen  Ööfuug  icfy  fo  gefpannt  geioefen,  a(S  auf  bie 
bcö  ootlicgenben.  £ett  £cüh>alb  tjat  genujs  bie  ftteunbttcfyfeit, 
um  btc  iä)  Um  etgebenft  etfucfye,  mir  bic  oellftänbige  Söfung 
nic^t  oot$uentl)alten. 

SBir  teuren  gu  unferem  gtofjen  9tätyfe(,  bem  befptocfyenen 
9D?tjjftanb  in  ber  9{ntfytopo(ogie  jutücf,  um  barüber  beu  nötfn'gen 
3luffctylu§  &u  geben,  tiefer  SWijjftanb  fyängt  auf«  Grngfte  mit  bem 
allgemeinen  ^uftanb  bet  (9cljitnlcfyte  in  ber  ^fjtyfiotogic 


Sciteitbutdjfdimtt  be«  mcnfcGlic^cii  Wehjrn«:  ba*  fltofee  OMjirn,  ba*  Hmie  «fljirn,  ein  XfjftI 
M  SHüdmmarfä.   (Der  lurcbjdjititt  ift  mdit  buvd)  bie  Witte  beä  Meijinie  Genommen,  bie 
beiben  #albtußclu  t»on  einanber  trennenb,  fonbern  et  gefjt  bur$  btc  eine  (redjte) 

tfalMugel  (elbft.) 


jufammen,  motauf  mit  ettoaS  näfyet  eingeben  muffen,  tnbem  mit 
bie  (SeJu'tntefyte  bet  ^Ijtenologte  bet  ®eljitnlefyte  bet  "ißljfyfiofogie 
gegenübetfteÜen. 

SBic  mit  oben  (<S.  37  ff.)  gefefyen,  ift  ba«  Scben  be$  ütten= 
fcfyen  ein  boppelteS,  ein  unbennn}te#  obet  Seelenleben  unb  ein  be* 
rougteö  obet  <#eifte«feben.  $)ie  Otganc  be£  etfteteu  unb  bie  im 
ganjen  #btpct  oetbteiteten  Reiben,  bie  be$  leiteten  finb  in  bem 


Digitized  by  Google 


474  «nt&ro^legie  unb  ^renclegte. 

bom  Schäbel  umfchloffenen  (Gehirn  vereinigt.  Die  dictum  wie 
ba«  (Gehirn  befteljen  au«  einer  gweifachen  2Waffc,  einer  »eigen 
ober  ftafermaffe,  u>etcf>c  uir  Veituug  bient,  nnb  einer  grauen  (gratu 
rMl)ti$fn)  ftügelchenmaffe ,  welche  ber  eigentliche  Sifc  be«  im 
Körper  unbewußten,  im  (Gehirn  bemühten  Befall  ift.  Die  fröx- 
pernerven  jerfaUen  wieber  in  jwei  große  £>auptparticn,  erften« 
in  bie  Grmpfinbung«*  unb  bie  39cwcgung«ncrbcn,  welche  bom 
stumpf  unb  bon  allen  Äerpergliebern  im  SRücfenmarf  ^ufammeu; 
laufen  (f.  bie  9lbbi(bung  @.  472),  fetten«  in  bie  große  geflecbt; 
artige  Weroenpartie  ber  inneren  £etbe«h&hlc,  meiere  bie  $etj* 
thätigfeit,  ba«  Verbauen  :c.  »ermittelt.  Hfl  aüen  ben  bieten 
Stellen,  wo  ba«  ^eben  feine  befonberen  Sifee  hat,  finbet  fich 
graue  ÜJcaffe.  So  ift  ba*  ganje  innere  be«  föücfenmarf« ,  einer 
au«  ftafermaffe  befte^enben  föShre,  mit  grauer  üttaffe  aufgefüllt, 
weil  fym  bie  (Smpftnbung«*  unb  bie  33emegung«nerbcn  au«  bem 
ganzen  föb'rpcr  ihre  3$crcinigung«ftcllen  \jabcn.  Die  Serben  be« 
großen  (Geflechte«  in  ber  Veibe«h&hle  haben  an  fcljr  bielen  Stellen 
3lnfcr)wellungen  ((Ganglien),  meldte  mit  grauer  SOkffe  gefüllt  finb, 
unb  bon  benen  au«  ba«  tfeben  be«  Sftagen«,  be«  $}er$en«  »C 
bermittelt  wirb. 

Da«  gan^c  ^ier  betriebene  ^erbenleben  ift  an  unb  für  fia) 
ein  unbewußte«.  Da«  £eben  ber  inneren  £eibe«hi>hle  ift  fogar 
ganj  fowohl  unferem  (Jmpfinben  al«  unferem  ©illen  entjogen, 
inbem  auch  bie  betreffenben  Serben  mit  bem  (Gehirn  nur  wenig 
3ufammen^ang  ^aben.  9Bir  empfinben  nicht«  bon  ber  Verbau* 
ung,  ber  Grrnä'hrung,  bem  Sölutlauf  unb  fönnen  biefe  Vorgänge 
auc^  wtc^t  burch  unferen  Sillen  beeittfluffen.  9luch  ba«  Veben  in 
ben  ©mpfinbung«;  unb  ©cwegung«ncrben,  welche«  im  föücfcnmarf 
feine  SWittelpunfte  fyat,  ift  an  unb  für  fich  ein  fetbftftänbigc« 
u  n  b  e  w tt § t e*.  Gin  enthaupteter  ftrofd)  j.  23.  lütfc^t  eine  äfcenbe 
ftlüffigfeit,  mit  ber  man  eine  Stelle  feine«  Körper«  betupft,  mit 
bem  fruße  ab.  Gin  bewußtto«  geworbener  Sflenfch  bringt  bie  £anb 
an  bie  ^örperfteüc,  wo  fein  Hebet  feinen  Stfe  ^at.  3m  Schlaf 
machen  mir  auf  einen  9fei$  bie  entfprechenben  ^Bewegungen,  ohne 
e«  ju  troffen  unb  ju  wollen.  Sogar  im  ^Sachen,  wenn  unfere 
9(ufmcrffamfeit  auf  Rubere«  gerichtet  ift,  $aben  »ir  Inmbert  Gm- 


Digitized  by  Googl 


fcnttyro^ologie  utib  sJtyrenologie. 


475 


tfutbungen,  bie  mir  nic^t  empfinben,  unb  machen  Rimbert  Jöeme* 
gungcn,  bic  wir  nid^t  Wollen.  3cbocfy  in  bcr  föegcl  ift  ba*  in 
bcn  Grmpfiiibung*'  unb  33cwegung*neroeu  wotynenbe  tfeben  mit 
bcm  bewußten  Beben  oerbunben,  lote  beim  auä)  jene  SRetten 
burd)  ba«  ftüäenmarf  mit  bcm  ©eljirn  in  unmittelbarem  gu* 
fammenfyang  fteljen. 

3u  bem  an  fid?  unbewußten  9icrbenteben  gehört  audj  ba* 
Veben  ber  äußeren  Sinne«nerben,  welcfyc  im  $opfe  liegen,  fo  baß 
bcr  Safc,  bag  nur  allein  ba*  im  Sctyäbel  cingefcfyloffene  ®  e  i  r  n 
ba«  Organ  be*  bemühen  ober  ®eifte*lcben«  ift,  budrftäblicfy  gc* 
nommen  »erben  muß.  Söir  fönnen  bcfanntlicfy  fefyen  ofmc  $u 
fcfyen,  fyeren  erme  jtt  tj&rcn,  b.  fy.  mir  »erben  un«  oft  be«  Sefyen«, 
#&ren«  :c.  nic^t  bewußt,  wenn  nämlid?  mit  ber  £Ijätigfeit  be« 
Seljnerb«  ic.  bic  £fjätigfett  be«  <$el?mi*  fid?  nidjt  oerbinbet. 

■Da«  ©efyirn,  ba«  Organ  ber  bewußten  Seele  ober  be« 
®etfte«,  welche«  in  feinem  53au  mit  ber  $Hume  be«  Sölumen* 
foljl«  ocrglicfyen  werben  fann,  beftefyt  au«  triefen  einzelnen  %e\U 
cfyen,  welcfye  fiefy  ring«  um  ben  Stengel  anreihen  unb  bie  Organe 
bcr  inneren  Sinne  finb.  (S.  bie  2tbbUbung  S.  473.)  $>a« 
©e^im  ift  in  feiner  äußeren  $läa>  in  Söinbungen  gefaltet,  welche 
mit  einer  überall  gleichmäßig  biefen,  fiefy  mit  in  bie  tiefen  galten 
cinfenfenben  Sage  grauer  3ttaffe  bebeeft  finb.  3n  biefen  ßeln'rn* 
öftren  nun,  unb  jwar  in  bereu  grauer  5Öelegung«maffe  fyat  bie 
£Ijätigfeit  bcr  einzelnen  inneren  Sinne  ftatt. 

&a«  t'ebcn  fowoljl  ber  (unbewußten)  Seele  al«  be«  (bemußten) 
©elfte*  fönnen  mir  un«  Melleicfyt  in  folgenbem  S3ilbe  beuten. 
£)ie  unbewußte  Seele,  meiere  mcfyt  einfach,  fonbem  ein  Organi«= 
mit*  ift,  brauet,  um  bem  Seben  eine*  gegliebertcn  ®efcfyb'pfe«  al« 
®runblage  51t  bienen,  erften«  $enntniß  fowofyl  iljrer  eigenen 
(Meberungen  al«  bcr  Seit  außer  tyr,  foweit  fie  mit  berfelben 
in  ©esic^ung  tritt.  Um  fiety  biefe  tenntniß  $11  fyolen,  fenbet  bie 
Seele  oon  ityren  Sifcen  gütjtfäben,  <5mpftnbung«fäben  au«,  £>ie 
Seele  brauet  aber  auefy  jwetten«  bie  9Kacfyt,  t^eil*  auf  tfyre 
eignen  ($lieberungen,  tljeil«  auf  bie  mit  ifjr  in  33c$icl)ung  ftcfyenbe 
2lußenweft  bie  nötige  Grttiwirfung  $u  üben.  ÜDiefe  3ttacfyt  übt 
fie  burefy  anbere  au*gefenbete  gäben,  gleictyfam  2$trfung*fäben 


Digitized  by  Google 


476 


flnttyropologie  unb  ^rcnologie. 


au*.  (Sßßenn  wir  tuer  immer  t?on  ber  ftenntnif;,  ben  öntpfin* 
buitgen  ber  unbewußten  Seefc  —  alfo  ton  einet  ftetttttniß, 
bie  nictyt  gefannt,  bon  einet  (Smpfinbung,  bie  ni$t  empfunben 
ift,  —  fpredjen,  fo  liegen  wir  im  Äricge  mit  ben  mangelhaften 
SSörteru,  bie  teil  fyiet  in  Ermangelung  befferer  gebrauten  muffen. 
Die  Sacfye  ift  abet  wofyt  für  jeben  ßefer  Hat.  Die  unbewußten 
yeben$oerri<$tungen  gefycn  barum  fo  fyarmonifdj  unb  fcbön  bon 
ftatten,  weil  3.  Jö.  baS  2ltljmen,  ber  Sölutlauf,  bie  Crrnäljrung, 
jebeä  bom  anbern  Äenntniß  fyat,  wenn  audj  feine  bewußte, 
unb  weit  jebe«  auf  ba$  anbere  einwirft,  wenn  aucfy  oljne  e$ 
bewußt  ^u  tljun.) 

(Sine  große  (Stufe  Ijbfjer  al«  bie  unbewußte  Seele  ftefyt  bie 
bewußte  (mir  motten  fagen  bie  mcnfcfylid?e)  Seele.  3ene  l)atte  e« 
nur  mit  ber  förderlichen  SBett  at«  f o t et) e r  31t  tfjun. 
2lber  außer  biefer  3öett  giebt  cd  eine  anbere,  bie  man  geiftige 
Seit  nennen  fann,  b.  bie  Seit  ber  &e$ie$  tingelt,  ber 
S5ert;ältntf  f  e,  ber  £agcn,  in  welchen  ber  SJienfc^  ju  feinen 
üDJitmcnfctyen  unb  jur  Außenwelt  unb  fo  auefy  311  fiefy  fetber  ftefyt, 
3.  39.  ba$  33erfyä(tniß  be$  Sftenfcfyen  3U  feinen  Anbern,  31t  feinen 
®cnoffen,  ju  feinen  fteinben,  311  ben  Dingen  bc$  ©gentium«, 
jur  £crrfcfyaft  über  2lnberc,  311m  Söeljcrrfcfytwerbcn  bon  tynen, 
311m  bitten  unb  Schonen,  jum  Scfyledjten  unb  Unfeinen  u.  f.  w. 
Um  biefe  geiftige  2öelt  fennen  31t  fernen,  tyat  bie  Seele  aua) 
ftüfylfäben  ober  $enntntßfäben  auSgefenbet,  —  bie  Organe  be$ 
®eljtrnS  —  unb  ift  fo  gut  geiftigen  $enntntß  bet  geiftigen  95Mt 
gefommen  unb  baburefy,  weil  geiftige  ®enntniß  SB  c  wüßt* 
fein  ift,  bewußte  Seele  ober  ®eift  geworben.  Da$  menfdjltcfyc 
(Meljirn  enthält  auf  feiner  $ugetflädt)e  ba$  ©ilb  ber  geiftigen 
Außenwelt  unb  ift  fo  beren  SBicberljolung  unb  ber  üftenfdj  bie 
fleine  Söelt.  3ebe«  beftimmte  menfd?lid?e  33ert)ältniß  l)at  auf  ber 
farblofen  33etegung«maffe  ber  $ugef  fein  beftimmte«  geiftig  färben* 
reiche«  33tlb.  3c  mistiger  ba*  cin3clne  Eer^ältniß  für  ben 
2ttenfctyen  ift,  je  näfjcr  e$  feinem  menf (bitten  3ntereffe  liegt,  befto 
gr&ßer  ift  ba3  ftclb  be«  SSilbcS.  SMan  fjat  gefragt,  warum 
bie  Organe  ber  nteberen  Sinne  unb  ber  ®emütfyöfmne  fo  gr*ß, 
bie  ber  $erftanbcöfume  im  ^erglcid;  bamit  fo  flein  feien,  ba 


9 

Digitized  by  Google 


'         Mntljro^ologie  unb  ^fjrenologie.  477 

bocfy  ein  latent  etwas  Sd;affenbeS  unb  infofern  mc^t  fei,  als 
eine  Neigung  ober  ein  ®efüljl.  Sieht/  bie  Neigungen  unb  ($e= 
füfyle  machen  ben  5D?enf$cn,  bie  £alente  brandet  er  Mo«  ju 
Ijaben  (ober  au$  nicfyt  ju  f;aben).  Slnljänglicfy  an  bie  ©einen, 
mutfyig,  tfjättg,  fparfam,  oorficfyttg,  recfytlicfy,  moljlwollenb  mujj  ber 
SWenfdjf  fein,  aber  jaulen  ober  rennen,  fingen,  jetefrten  tnug  er 
blos  fönnen  (ober  nid;t  fönnen).  i 

So  mie  alfo  ber  Sttenfd;  bie  änderen  Sinne  (Seijen,  §&reiuc.) 
jnr  tfenntnijmaljme  ber  materiellen  Seit  fyat,  fo  fyat  er  bie  inneren 
Sinne  gnr  $enntnijhialmtc  ber  geiftigen  Seit.  £)iefe  einzelnen 
inneren  Sinne  muffen  nun  nicht  bloS  oon  ber  (geiftigen)  Seit 
aujjer  beut  9)?enfd)en  ftetmtmfj  neunten,  fonbern  fie  muffen  ftcfy 
auefy  gegenfeitig  felbft  fennen  lernen.  £>af)cr  ftrafylen  alle  Organe 
biefer  Sinne  naefy  ber  9)?itte  ju,  mo  fie  tfjetls  unter  fidb  felbft, 
tfyeÜS  mit  ben  Organen  ber  äußeren  Sinne,  tfyetls  mit  ben  tför* 
perner\>en  bie  manmcfjfaltigften  Berbinbungen  eingeben  unb  2luS* 
taufctniugen  machen.  £)ie  bielen  flehten  unb  größeren  Streifeben 
unb  fünfte  grauer  Sftaffe,  bie  mir,  gleid;  hinter  ber  Belegung*«* 
maffc  anfangenb,  in  bie  $afermaffe  beS  ($eljirnS  eingeftreut  finben, 
unb  bie  fiefy  naefy  ber  Witte  511  immer  meifyr  vermehren  ober  ber* 
grßjjeru,  finb  nichts  anbereS,  als  folcfye  Bereinigung^*  ober  9(uS= 
taufctyftetlen. 

£>ieS  ift  in  für$eften  Sorten  bie  pfyrenologtfdjc  ®elnrnlefyre, 
meiere  auf  bem  im«  befannten  Sege  —  ber  SBergletctyung  ber 
®ro>  ber  ©efjirntfjeilc  mit  ber  Starte  ber  ®eifteSfräfte  —  ge* 
»onnen  morben  ift.  3ßan  fann  bem  gegenüber  mit  föecfyt  fagen, 
baß  eS  in  ber  ^tyfiologtc  eine  ®ef?imleljre  nicfyt  giebt,  meil 
bie  ^ijtyfiologen  ben  vfyrenologifcfyen  Seg,  ber  )ii  it;r  füljrt,  niebt 
fennen  ober  ju  gefyen  oerfdmiäfjen ,  unb  meit  fie  einen  anbern 
bis  jefct  nicfyt  aitfgefunben  fyabcn.  Sie  fyaben  gtoar  einen  folgen 
Seg  oerfuebt,  fie  l;aben  nämücfy  lebenben  gieren  einjelne  Steile 
beS  ®eln'rnS  ausgenommen,  um  fo  burefy  bie  Grrforfcfyung  beffen, 
maS  baS  £ljier  baburefy  an  feinen  Seelenrräften  verloren,  bie 
^öebeutung  ber  berfdu'ebenen  (^eln'rntljeile  511  erfunben.  3lber  biefer 
Seg  ift  bis  jefet  olme  Erfolg  geblieben,  Weil  am  gemarterten 


Digitized  by  Google 


478  ^nt^ropologif  unb  ^brenofogte. 

Ztyex  Stubien  über  ba«  Seelenleben  mit  <5rfolg  nictyt  gemalt 
werben  föntten. 

33ei  biefem  Langel  einer  totrflicfyen  ®efyirnleljre  in  ber 
^Ijtyfiologie,  ben  bie  ^ßljfyfiologen  fclbft  anerf  ernten  unb  bef lagen, 
(jaben  bie  ^>^pot^cfcn  einen  großen  Spielraum.  ©ir  fefyen 
uns  ba  in  ber  Xfjat,  obgleich  unter  99Jännern  ber  9iaturtotffen* 
föaft ,  auf  ba«  übel  berufene  (Gebiet  ber  Speculation  berfefet ,  wo 
jcber  ftorfctyer  Rubere«  511  toiffen  glaubt,  jum  ©elwt«  bafe  Sllle 
ntdjt«  toiffen.  @«  fann  un«  Ijier  fefyr  Kar  werben,  toa«  ©iffen 
Ift,  unb  weisen  ©ertfy  e«  fyat:  c«  ift  faft  2Ule«,  e«  ift  £>enfen, 
3$erftanb,  Urteil,  Scfyarffiitn ;  unb  Di  t  cfy  t  to  t  f  f  e  n  ift  t>ott  biefem 
Willem  ba«  ($egentfjeit.  $)tc  Dierbenlefyre  ift  im  l'aufe  unfere« 
3aljrt)unbert«  mächtig  fortgefcbritten  unb  bie  ^fytyfiologen  fyaben 
auf  biefem  tfyrem  ©iffen«gebiet  burcfy  ifyren  Scfyarffinn  unb  ifyren 
ftletB  toafyrfyaft  ®ro§e«  geleiftet,  toooon  jebe«  Apanbbucfc  ber  ^Ijtyfto* 
logie  Beugnu)  giebt.  So  fcf>arf  fi#  aber  Unbetoufctfetn  unb  33e* 
toufctfem  unterföeibeu,  fo  fd^arf  abgefönitten  ift  ba«  ©iffen  unb 
finb  bte  Seiftungen  ber  ffytyftologen  in  ber  Diertjenleljre  unb  in 
ber  ®efytrnlefyre.  3n  ber  Dieroenlefyre  Männer  ber  Diaturtotffen» 
fcfyaft  im  bollften  Sinn  be«  ©orte«,  fctyarffinnig ,  frittfö,  lieber 
felbft  fefjenb,  al«  fremben  SSericbten  glaubenb,  gleiten  fie  in  ber 
(^e^imtc^re,  too  iljnen  fo  ganj  ber  £>alt  be«  ©tffett«  feljlt,  im« 
oerftanbigen,  gebanfenlofett ,  leichtgläubigen  Öaien.  (§«  totrb  mir 
nia)t  fcfytoer  fallen,  biefe«  feljr  fyarte  Urzeit,  meiere«  i<$  leiber 
nicfyt  milber  au«fpre$en  fann,  burefy  einige  ©eifpiele  gu  be« 
grünben. 

Stile  Biologen  toiffen  natürlich,  weil  fie  bie  fctyätigfeit 
ber  Heroen  al«  eine  an  ftety  unbetonte  fennen,  bafe  ba«  ©etoujjt* 
fein  im  (^eln'rn  feinen  Stfc  fjat.  SStele  nennen  au$  ba«  ®ef}irn 
in  beut  Sinn  (Sentratorgan,  al«  barin,  toie  fie  meinen,  alle 
bie  oerfcfyiebenen  an  fiefy  unbetonten  Heroen  in  bem  fönen  Organ 
be«  ©etoufetf  ein«  jufammenlaufen.  SDiancfye  fudben  auefy  im 
®efyirn  materiell  nad?  einem  folgen  23ereintgung«puuft  aller 
Heroen,  too  bie  betoujjte  Seele,  bie  man  fiefy  al«  einfach,  alfo 
einem  $imft  bergleid&bar  benft,  ifjren  Sifc  fyabe. 

3>er  15l^fiolog  ©ubge  („Vetjrbud?  ber  fpeciellen  Ätiologie 


Digitized  by  Google 


9 

ftnt^ro^ofogie  unb  Phrenologie. 


479 


bc«  2)?enfo>n."  8.  üitff.  ©.  737  ff.)  erfcnnt  int  ®cfn'rn  boräug«* 
weife  eine  Bereinigung  ber  <&ttyfinbung$nerben  unb  ber  5öe* 
wegungäneroen,  unb  macfyt  in  biefem  <3inn  feine  (£$>erimente  an 
lebcnben  gieren,  um  bie  33ebeutung  ber  t>erf$iebenen  ©eljirn* 
tfyeile  fennen  ju  lernen.  <5r  fcjmeibet  $.  einem  ftaiüntfyen 
einzelne  £tjeile  be«  (Sefyirn«  au*  unb  prüft  bann  ba«  Xfjier 
barauf,  wie  roeit  e«  feine  bewujjte  (fm^finbung  unb  Bewegung 
no$  fyat  ober  nu$t  mefjr  fjat,  ob  5.  $3.  ein  £>rutf  auf  ben  ftufe 
bem  £fyier  nodj  ©c^merj  berurfacfyt,  ober  ob  ba«  Silier  feine 
(^lieber  nocfy  willfürticty  bewegen  fann.  $)er  gefer  wirb  nitfyt 
erwarten,  ba§  wir  auf  bie  meljrfacfyen  ®rünbe  näljer  eingeben, 
Warum  biefe  Gr^erimente  bon  oorn^erein  al«  für  bie  ®efytrnlefyre 
uufrudjtbar  t)citten  erfannt  werben  müffen. 

ÜJfanctye  "»ßljtyfiologen ,  welche  meinen,  bap  Söewufjtfetn  im* 
gefäljr  fobiel  fei,  al«  Genien,  nennen  ba«  ®efn'm  furjweg 
Denforgan,  wa«  bom  ®el)irn  einen  ganj  fallen  ^Begriff 
giebt,  ba  baffelbe  natürlich  biet  meljr  a(«  blofee«  Denforgan  ift. 
sBenn  ber  §unb,  ber  oon  feinem  #erm  getrennt  wirb,  bor  <§etni* 
fuc^t  nac$  ifym  franf  wirb  unb  ftirbt,  fo  fyat  biefer  bewugte  tiefe 
Scfymcrj  be«  Sln'ere«  feinen  <5\i$  im  ®efn'rn,  aber  niemanb  wirb 
benfelben  auf  ba«  bto&e  SDenten  jurücffü^ren  wollen.  2öenn  ber 
trafeljler  burd)  feine  <Strettfuc$t  fidj  bielfad}  unglücflia)  macbt 
unb  oergebUcfy  mit  ber  £)enffraft  bagegen  anfämpft,  ba  bie 
Veibenfcfyaft  attgu  oft  mieber  bie  ^crrfc^aft  gewinnt,  fo  wirb  au# 
Niemanb  biefe  00m  Denfen  befäntyfte  £eibenfcfyaft  ein  SDenfen 
nennen  woüen.  2öenn  ber  ©et^at«  im  ©olbe  wüfylt,  unb  babei 
hungert  unb  friert,  weil  er  fi$  in  ber  blinben  i'eibenfctyaft  für 
feine  ©djäfee  ntdjt  bom  fleinften  3T^eit  berfelben  ju  einem  ber* 
nünftigen  (t>om  £)enfen  gebotenen)  <&eferauc$  trennen  fann,  fo 
ift  gewijj  aud?  biefe  Setbenfdjaft  nictyt  ein  ÜDenfen. 

2Bie  allgemein  ber  Srrtfyum,  baf?  ba«  (SJeJn'm  Mo«  £}enf* 
organ  fei,  bei  ben  'pfyfyfiofogen  ift,  geigt  3.  33.  au$  fotgenbe 
(Stelle  im  „%T$ir>  für  Slntfyropologte"  ($b.  V.  £.  3.  Literatur). 
(£cfer  fagt  bei  ber  Söefprecfyung  einer  ©cfyrift  bon  Sßfyman: 
„Die  mittlere  ©djäbelcapacitat  ber  56  peruanifcfyen  @<$äbel  ift 
ungefähr  gleich  ber  ber  Sluftralier  unb  Hottentotten,  fo  wie  fte 


Digitized  by  Google 


480 


SWorton  unb  2Heig«  angeben.  (Sine  töace  alfo  ton  einer  {eben- 
falls ^o^en  Kultur  in  ©ejug  auf  Quantität  be«  ®etyirn$  auf 
gleicher  «Stufe  mit  einer  föace,  bie  auf  ber  tiefften  Stufe  ber 
2ttenfchheit  fteht.  ©tnnan  betont  e«  ba^er  fef>r,  unb  lote  mir 
glauben  mit  Stecht,  baß  man  bie  relatioe  Schäbelcapacität  nur 
al«  ein  anatomische«,  nicht  aber  als  ein  phtyfiologifche«  (Sfyarafte- 
rifticum  betrachten  bürfe,  unb  ba§  man,  fo  lange  e«  niebt  möglich 
ift,  mit  ber  Quantität  jugleid)  auch  bie  Qualität  bc«  £urn«  bar^ 
aufteilen,  nicht  berechtigt  ift,  $irnmeffungen  al«  Hu«brucf  ber 
intetlectuetlen  Stufe,  fomoh*  bon  föaeen  al«  Snbioibuen,  $u  be- 
trachten". 9ftan  fönnte  berfucht  fein,  e«  ferner  begreiflieb  ju 
finben,  bafe  Grcfer  hier  ba«  UnroahrfcheinlicheTe,  ba«  fternerliegenbe, 
bie  SBerfchiebenheit  ber  Gehiruqualität  bei  beiben  Gödern  al* 
(£rflärung«grunb  h^rbeigieht  unb  an  ba«,  loa«  h*er  am  nächften 
liegt,  nicht  einmal  benft,  ba|  nämlich  bie  Sluftralier  unb  Hotten- 
totten, n>enn  fie  ben  Peruanern  an  3ntelligen$  nachftehen,  fic 
oielleicht  burch  anbere  geiftige  (Sigenfcbaften,  j.  $8.  burch  93?uth, 
(luergie,  (5harafterfeftigfeit,  übertreffen  tonnen,  fo  bafj  babureb 
bie  einfaßte  unb  befte  (grflärung  ber  Gleichheit  be«  Geturn* 
quantum«  bei  beiben  Elfern  gegeben  märe.  (©gl.  oben  S.  347.) 
9lber  biefe«  fttyfteufen  an  ba«  ftächftüegenbe  ift  infofem  be* 
greiflich,  Ott  e«  ftid^benfen  überhaupt  ift.  (Scfer  backte  niebt 
über  bie  fraglichen  i£rflärung«grünbe  nach,  berglich  f*e  ™fy  unteT 
cinanber,  toählte  nicht  unter  ihnen,  toeil  er  überhaupt  bon  biefen 
(£rflärung«grünben  nicht«  mujte.  Kenten,  ©ergteieben  ober 
Schliefen  ift,  loie  oben  gefagt,  nur  ba  mo  Sßiffen  ift;  mo 
ba«  Siffen  fehlt,  fehlt  ber  Gegenftanb  be«  Kenten«,  be« 
©ergleichen«  ober  Schließen«.  Sin  berühmte«  ober  berüchtigte« 
«eifpiel  au«  ber  (Sulturgefchichte ,  ba«  ^ierr>cr  gehört,  finb  bie 
§erenproceffe.  £>ie  erften  2ttänner  ber  Sntelligenj,  bie  fcharf* 
finnigften  Gelehrten,  bie  berühmteften  ^ßrofefforen  ber  Itmoer* 
fitäten  berurtheilten  bie  $>e$en :  benn  ma«  nüfcte  ihnen  ber  größte 
Scharffinn,  ba  e«  bem  ^erenglauben  gegenüber  nicht«  gab,  feine 
$tufflärung,  feine  92aturmiffenfchaften,  mo  biefer  Scharffinn  eine 
Stelle,  einen  £>alt,  einen  Gegenftanb  finbeu  fonnte.  £)te  9caaV 
melt  mirb  einft  ba«  $mt\Q?  gebanfenlofe  unb  miffeu«lofe  33e= 


Digitized  by  Googl 


Slttt&ro^olögie  unb  ^brenofogie.  481 

fämpfen  ber  "Phrenologie  oon  «Seiten  ber  <Spifeen  ber  ©elefjrten* 
weit  immittelbar  neben  ba«  Verurteilen  ber  Aperen  bon  Seiten 
ber  bamaligen  erften  ©eletyrten  ftellen. 

8.  £  ermann  fagt  in  feinem  „®runbriß  ber  Ätiologie 
be«  Sflenfchen"  (4.  ^lufl.  1872.  @.  455  f.):  ,,£)a«  ©ro^irn  ift 
ber  ©ifc  ber  pftychifd&en  £fjätigfetten.  Söewetfe,  ba§  ben  ®rofc 
birnfyemtfpljäTen  feetifd^e  Xhätigfeiten  jugefchrteben  werben  müffen, 
liegen  in  ^olgenbem:  1.  3n  ber  £hierreilje  finbet  man  eine  um 
fo  ftärfere  (Sntwicflung  be«  $roj$im$  im  Vergleich  jur  $&rper* 
maffe  unb  gum  ©efammtfu'rn,  je  mehr  fich  bie  getfrigen  ftafng* 
feiten  benen  be«  3ttenfchen  nähern,  lieber  ben  ©rab  ber  (Snt* 
muflung  giebt  ba«  Gewicht  Sluffchluß  unb  au&erbem  bie  3atjl 
ber  ®t}xi,  weil  eine  Vermehrung.,  ber  (enteren  bie  oerhältniß* 
mäßige  ®r&ße  ber  Oberfläche  unb  fomit  bie  Spenge  ber  allein  in 

Betracht  fommenben  grauen  €>ubftan$  bermehrt.  2.  JSBei 

angebomer  Kleinheit  ber  ®elnrnfyemifpfyären  (9)Jifrocepbalie,  (Sreti* 
ni«mu«),  bei  Entartung  berfelben  (Hydrocephalus  jc.)  finbet  fich 
eine  entfprec^enbe  Verminberung  ber  fyöheren  €>eelenthätigfeiten 
(^löbfinn).  —  —  4.  Abtragung  ber  ®ro&ljimljemifpIjären  (bei ' 
Vögeln  unb  Säugetieren)  bringt  einen  fchlafäljnlichen  3uft£mi> 
herbor,  in  welchem  alle  willfürlichen  Bewegungen  fehlen,  ©ei 
f^tn?eifer  Abtragung  fotl  eine  altmäfige  Slbnahme'alfer 
S  e  e  l e  n  f  u  u  c  t  i  o  n  e  n  (!)  eintreten  (ftlouren«) ,  eine  SJnbeutung, 
baß  biefelben  nicht  au  befonbere  Orte  be«  £irn«  gebunben,  fon* 
bem  gleichmäßig  bertheilt  finb.  ftxtyexe  eingaben  über  ba«  ®e* 
bunbenfein  befttmmter  (übrigen«  willfürlich  abgeneigter)  ®eifte«* 
gebiete  an  befonbere  ^irnbejirfe,  bor  altem  bie  pljrenologifcfyen, 
berufen  fämmtlich  auf  ÜEäufchung".  Da  ^ermann  ju  Anfang 
ber  mttgcthetlten  Sorte  ben  Sifc  ber  bewußten  Seelenthätigfeiten 
mit  richtig  geführtem  (phrenologifchem)  ©eweife  in  ba«  (Srofc 
hirn  berlegt,  fo  hätte  man  erwarten  bürfen,  bag  er  biefem  33e= 
weife  noch  wenigften«  gu  einem  weiteren  Stritt  treu  geblieben 
märe  unb  fo  gefolgert  hätte:  „Seil  ferner  bie  ®rö§e  be«  Vorber* 
$ixn&  übereinftimmenb  mit  ber  Stärfe  ber  3ntelligenj  gefunben 
wirb,  fo  ift  gu  fließen,  bajj  biefe  im  SBorberfyim  ihren  ©ife 
^at".    Allein  ftatt  biefe«  nafyeliegenben  unb  logifchcn  Stritte« 

Sc^föc,  $l>ccnolo<iifrfje  ©Uber.  3.  Slufl.  31 


Digitized  by  Google 


482 


t^ut  ^ermann  einen  ganj  anbeten  unb  fefyr  unlogifcben.  £r 
hätte  bem  53erichte  be«  oberflächlichen  Beobachter«  fttouren«  fchen 
üon  oornhercin  feine  53eachtung  febenfen  bürfen,  »eil  er  fich  fagen 
mufcte,  ba§  e«  gan$  unmöglich  ift,  an  einem  gemarterten  Xfyme, 
j.  53.  einem  $unbe,  bei  febichtmeifer  Abtragung  feine«  ®roBhirn« 
„eine  allmälige  91  bn  ahme  aUer  feiner  (Seelen* 
f  nnetionen alfo  3.  53.  feiner  Xreue  für  feinen  £erm,  feine« 
9)?uthe«,  feiner  }lafcbhaftigfeit,  feine«  Talente«  für  Äunftftücfe  :c. 
beobachten  ober  naebmeifen  $u  mollen.  Unb  boeb  baut  ^ermann 
auf  biefen  gerabeju  albernen  Bericht  bie  auBerorbentlich  toiebtige 
Folgerung,  „baß  bie  Scclenfunctioneu  nicht  an  befonbere  Orte  be« 
Gehirn«  gebunben,  fonbern  gleichmäßig  fcerthcilt  finb".  $iernacb 
müßte  alfo  jebe  einzelne  geiftige  Xfyätigfeit,  j.  53.  ba«  Kenten, 
jugtetch  in  allen  Sailen  be«  C^irn«  ftattfinben.  Sir  mollen 
gar  nicht  anfangen  bie  ®rünbc  aufzählen,  melche  gegen  biefe 
allen  Xljatfacben  ^tmurertaufenbe  Annahme  fpred)en.  Stenn  aber 
$.  B.  ^ermann  aufmerffam  fich  felbft  beobachten  will,  fo  !ann 
er  fehr  wohl  erfennen,  bajj,  wenn  er  angeftrengt  nachbenft,  biefe« 
:)iadjbenfen  im  5$orberfnrn  an  ber  Stinte,  nict)t  anber«wo  im 
tfopfe  ftatt  h«t.    Sa«  noch  *«e  Iwhe«  betrifft,  mit  benen 

^ermann  am  Schluffe  über  bie  Phrenologie  abfpricht,  fo  märe 
e«  etwa«  rühmlicher  für  Um  gewefen,  wenn  er  über  eine  Saa>c, 
bie  er  augenfeheinlich  fo  wenig  fennt,  etwa«  weniger  fategorifcb 
geurtheilt  hätte. 

£)ie  fonberbarc  Anficht  £>ermann?«,  baß  jebe  fingeine 
(&eifte«thättgfeit  jugleich  in  allen  Zfycikn  ®eh*rn$  ftattfinbc, 
wirb  burch  eine  ähnliche,  aber  noch  fonberbarere  Anficht  bei 
^h^fiologen  Sunbt  „ Vehrbuch  ber  ^hl?H°Nic  2Wenf<$en* .  2. 9lufl. 
S.  668  f.)  übertroffen.  £>iefer  nämlich,  oerwirrt  burch  bie  ein* 
anber  wiberfprechenben  Berichte  ber  einzelnen  Beobachter,  ba  bei 
ben  ®ehirnoerlefeungen  ber  @ine  £>ie«,  ber  Rubere  ba«  gerabc 
ßntgegengefefete  gefehen  h«&en  toill,  meint  ba«  grofce  9täthfel  fe 
l&fen  ju  fönnen,  bafc  er  fagt,  bie  oerfebiebenen  ®ehirntheile  träten 
bei  theilroetfer  Vernichtung  gegen  fettig  ftelloertretenb 
für  ein  an  ber  ein;  wenn  alfo  \.  53.,  meint  er,  ber  <$ehiro? 
theil,  ber  ba«  Starten  vermittelt,  burch  itferlefcung  oerloreu  gehe, 


Digitizedby  Google 


fo  übernehme  ber  ®efn'rntyeil ,  ber  ba«  ®efü!jt  bermitteft,  nun 
aiicb  ba«  Dcnfen,  unb  ba«  ^üljlcn  unb  $)enfen  merbe  bann  burcfy 
tiefen  (^djirntbcil  gemcinfcfyaftlidj  beforgt,  unb  ebenfo  umgcfcfyrt. 
5tnf  bic  Siberlcgung  biefer  natoen  2Infi$t  finb  ni$t  biete  Söorte 
ju  oermenben.    Ühix  $mci  33emerfungcn.  2)?an  fyätte  biefe  ^(iifidbt 
ain  menigften  bon  einem  $^fiologen  ermarten  follen,  ba  bie 
Wert>cnlcfyrc,  bie  ja  mit  ber  ®efu'rntcf>re  niebt  im  ©egenfafc  ftefyen 
tarnt,  fetjr  cntfdjiebcn  ba«  ®egcntyeil  biefer  Hnfictyt  prebigt.  Seber 
ber  bieten  unb  Derfcbiebenen  Serben  ift  nur  allein  für  feine  be* 
fttmmtc  befonbere  Verrichtung  befähigt  erfannt  morben.  $)er 
(5mpfinbung«nerb  empfinbet  nur,  ber  ©emegung«ncro  empfinbet 
ntcfyt,  fonbem  belegt  nur,  ber  <Seljnert>  embfinbet  nid^t  unb  be= 
megt  nic^t,  fonbem  ftcfyt  nur,  u.  f.  m.   3mcitcn«  märe  nic^t  ab* 
jufefyen,  toenn  einmal  ba«  gegenfeitige  Grrfefecn  ber  einzelnen  ®e* 
fyirntfyeile  ftattfänbe,  marum  bie  ^atur  babei  auf  bie  zufällige 
Vernichtung  eine«  ^cfn'rntheU«  martete  unb  biefen  (Srfafc  niebt  • 
auch  bei  ber  ©ch  mäche  eine«  folgen  eintreten  liefee.  Söenn 
V  33.  einem  9)fenfcbcn  irgenb  ein  latent,  etma  ba«  9)?ufiftalent, 
faft  ganj  fehlt,  fo  baj?  er  trofc  allem  Unterricht  unb  altem  ftteifc 
nicht«  in  biefer  Äunft  $u  leiften  fcermag,  fo  märe  nicht  abjufehen, 
marum  bann  nicht  }.  33.  ber  <$e$irntheU ,  ber  ben  ^ormenfinn, 
ober  ben  Ort«fmn,  ober  ba«  ©cfyhifr&erm&gen  oermittett,  bie  Ver- 
richtung bc«  SOcufiffinnc«  mit  übernähme. 

$>er  ^hhftolog  V at entin  ftcüt  bie  ^renotogte  mit  bem 
thierifchen  9J?agneti«mu«  $uf  anraten  unb  termirft  fie  gä^lich  at« 
nur  auf  Xäuföung  beru^enb:  bic«  natürlich  ofme  fie  theoretifeh 
ober  in  ihren  ^atfad^en  $u  lernten.  2Ba«  aber  gegen  bie 
^^renotogie  ju  fpred)en  fchetnt,  unb  menn  e«  ba«  Xfyöricfytfte 
märe,  fteüt  er  tetd&t  at«  ^atfac^e  hin.  (£r  fagt  j.  S&.  („®runbri{? 
ber  ^fjtyfiologie  be«  SWenf^en."  3.  Slufl.  <3.  638):  „£)ie  Pjreno* 
logen  unb  einzelne  9faturforfcher  ^aben  einen  befonberen  @influj? 
auf  bie  ®efchlecht«merfjeugc  bem  Keinen  (fteln'rn  jugefchrieben ; 
bie  ftärfere  Grntmicftung  biefe«  9lbfchmtte«  be«  centralen  sJier\>en* 
ftyftem«  foUte  auch  einen  regeren  ®ef$(ecfyt«trieb  jur  ftotge  tjaben. 

$ie  Crrfahrung  beftätigt  aber  biefen  9Iu«fpruch  feine«meg«.  

£atte  fttouren«  biefen  Xty'ti  be«  centraten  "ifterbenfhftem«  in  einem 

»r 


Digitized  by  Google 


484  antbroDoloflie  unb  ^^rtnologir 

£ahne  abgetragen,  fo  machte  ba«  It^ier  beffenungcachtet  beut» 
liehe  (!)  $3egattung«oerfuche\  Bei  einem  ginn  Xob  bernwnbeten 
Ztyex  ift  nur  ba*  £ine  „beutn*",  bajj  feiner lei  Seelen* 
thätigfciten  ohne  vorgefaßte  üWeinung  „beutliaV' 
\n  eTfennen  finb. 

£)er  $^jtclog  Vubmig,  mit  bem  mir  unfere  fleine  ttmu> 
fchau  abfließen,  hat  eine  Anficht  bom  ®elnrn,  melche  alle  3onber^ 
barfeiten  ober  Schmäcben  ber  übrigen  ^fyDfiologen  tbeit  hinter 
l'icb  läßt,  unb  gang  unerhört  unb  unbegreiflich  ift.  Die  oben  mit- 
geteilten SBortc  be«  ^btyfiofogen  ^ermann  fprecben  in  ihrer  erften 
$älfte  bie  Anficht  aller  heutigen  ^^fiolögen  au*,  baB  nämlicb 
bie  £emtfphären  ber  Sifc  ber  bewußten  «eelent^ätigfeiten  finb, 
theil*  meil  fie  oen  bcn  nieteten  $u  ben  t^^eren  £tneren  unb 
$um  SHenfchen  im  Verhältnis  mit  ben  geiftigen  ^ä^igfeiten  ju* 
nehmen,  theil«  weif  bie  graue  SDtaffe,  oon  ber  e«  feftfteht,  bap 
fie  bie  3eelentt;ätigfeiten  ©ermittelt,  it>re  ftarfe  Söelegung«mafic 
bilbet.  Die«  ift  fo  jmeifello«  unb  fo  Hat,  baj$  jeber  V'aie,  acuter 
j.  Jö.  bie  obige  ^bbilbung  be*  (Gehirn«  (3.  473»  betrautet  unb 
meinem  man  bie  Wahrheiten ,  bie  tycx  in  grage  fommen,  mit« 
theilt,  eine  fo  fefte  unb  beftimmtc  Anficht  Neroon  faffen  fann, 
bafe  fie  flau*  ber  iriffenfcbaftlicbcn  Uebcrjcugung  be«  (Meierten 
gleichfommt.  2fuch  teilen,  wie  gcfagt,  alle  heutigen  ^^fiologen 
biefe  Anficht,  —  auger  Vubwig.  Vubwig  beft reitet  e«  mit 
flaren  unb  bestimmten  Sorten,  baB  bie  Jpemtfphärcn  ber  «Sifc 
ber  (Seelent^ätigfeiten  feien.  (*r  $ählt  brei  Ü)Jethoben  auf,  bie 
e«  gebe,  um  bie  Verrichtungen  ober  bie  Bebcutung  ber  berfcfyie* 
benen  <^er)init^ci(c  511  erforfchen,  nämlich  ^  bie  bergleicbenbc 
SDJethobe,  b.  h-  bie  Vergleichung  ber  ®rin;e  eine«  ®ehirntheil« 
mit  ber  3tärfe  eine«  geiftigen  Vermögen«,  2)  bie  @rafion«= 
met^obe,  ba&  man  lebenben  ^fn'eren  XljeiU  be«  ®ehirn«  au«* 
fctyneibet  unb  bann  unterfucht,  welche  Scelenbermogen  baburcb  ber* 
loren  gegangen,  3)  bie  pathologifchc  Beobachtung,  baj*  man  bei 
Äranfheiten  bc«  ©ehirn«  bereu  ^Birtlingen  auf  bie  ©eefenfräfte 
beobachtet.  t*ubwia*fährt  bann  tr>ertltct)  fort  („Lehrbuch  ber  ^hh!*0* 
logie  be«  3Äeufchen."  2.  5fufl.  <&.  607  f.)  •  „2llle  brei  üWethoben 
häufen  fcheinbar  Sahrfd>einltchfeiten  bafür,  baß  ®eetenthätigfeiten 


Digitized  by  Google 


2Uitl>rot>ologie  nnb  ^tyrenologie.  '485 


unb  namentlich  bie  t^ö^crcn  in  Söejiefmng  flehen  sur  ?lu«bilbung 
ber  ftrofehirnlappcn  <£emifphären).  —  916er  biefen  zahlreichen 
Shatfadjcn  ftchcn  anbcre  entgegen,  inbem  grofce  9ftaffen  bet  ®rofc 
hirnlappen  bei  SOTcnfcbcn  burdj  angeborene  (5igenthnmlichfeit  fehl* 
ten,  ober  Mira)  5$eriounbungen,  $3lutaufltritt,  frembe  ®cfchttutlfte 
n.  f.  m.  jerftört  mürben,  olme  baj?  auch  mir  bie  geringftc  3lb- 
meichung  bon  ben  normalen  geiftigen  Functionen  eingetreten  märe; 
menn  eine  nothmenbige  SBerfnüpfung  jroifc^cn  (Seele  nnb  ben  <$rofi- 
turnlappen  beftünbe,  fo  märe  ba«  lefcte  föefultat  unmöglich.  — 
Der  Siberfprndj  fonnte  fich  bann  löfen,  loenn  etma  nur  einzelne 
Legionen  ber  (^rojHn'rnlappcn  mit  ben  ©celenoermogen  in  35er-  v 
binbung  [täuben;  man  hat  biefe«  in  ber  £fjat  behauptet,  inbem 
eine  bon  Tutoren  sor$ug«meife  bie  borberen,  eine  anbere 
aber  borjugämeifc  bie  {unteren  Vappen  al«  bie  £rä'ger  ber  «Seele 
aufaßen.  Der  sßMberfpruch  in  ben  SWeinungen  rührt  baljer,  baf? 
bie  (Sinen  nur  $eiftc«fti>rung  mit  ^ernid^tung  ber  t>orberen,  nid;t 
aber  mit  33ernid;tung  ber  lunteren  Sappen  fallen,  mährenb  Anbere 
gerabe  bie  umgefefyrtcn  Fälle  beobachteten ;  biefer  Söiberfpruch  in 
ben  33eobad;tungen  genügt  jur  $öibcrlegung  ber  einen  ober  anbern 
§typothcfe".  —  Die  grofee  Frage  ift  nun,  mic  nur  uns  biefe  merf* 
loürbigc  unb  aller  Vernunft  fo  fefa  tinberfpredjenbe  Slnficht  be« 
in  feinem  tfüdje  hochgefchäfcten  unb  fc^arf finnigen  (Mehrten  er* 
Hären  follen?  Da«  föäthK*  jerfällt,  wenn  mir  ihm  auf  ben 
(#runb  gehen,  in  bie  beiben  FtaflM.  Grrften«.  SBenn  tfubhrig 
fieb  ein  (Gehirn  ober  bie  ?lbbilbung  eine«  (Gehirn«  ttorftcllt,  toenn 
.er  gemift  nicht  an  ber  feftftcfyenben  Sattheit  jmcifclt,  ba§  bie 
Seelenthätigfeiten  in  ber  grauen  33  e  1  e  g  u  n  g  «  m  a  f  f  e  ber  £>emi= 
fp hären  ihren  Sifc  ^aben,  menn  er  felbft  fagt,  ba§  alle  brei  9J?e= 
thoben  für  bie  Anficht  be«  Sifce«  ber  Seelenthätigfeiten  in  ben 
®rof#irnlappen  fpred)en,  menn  er  meifj,  ba§  eben  barum  alle 
Biologen  tiefer  Anficht  beipflichten,  menn  biefelbe  alfo  gc^nfac^ 
burch  ®rünbe  unb  l;iinbertfa*  ober  taufenbfadb  burd)  ©njel* 
Beobachtungen  unterftüfet  ift,  melier  ®rab  bon  9ci<htbenfen  ober 
(^cbanfenlofigfeit  gehört  ba$u,  fid;  biefe  auf  miffenfehaftlicher 
Ueberjeugung  beruhenbe  Anficht  burch  irgenb  etwa«,  ma«  e« 
auch  fei,  n  e  l; nie n  -j u  1  a  f  f  e n  ?  3meiten«.  SBenn  irgenb  melier 


Digitized  by  Google 


ftntfyrcpclcgie  uuc  ^brenolcgic. 


unbebeutenbe  (Meljrte,  ober  wenn  jwei  ober  brei  foldje  (^elefyrte 
einige  (Sinjelbeobactyiungen ,  weld)e  mit  jener  2lnfkbt,  alfo  mit 
aller  ©iffcnföaft  in  Siberfprucfr  fielen,  al«  oon  Unten  gemalt 
etilen,  melier  ®rab  bon  ^xttiUofigfeit  unb  geic^tgläubigfcit 
gehört  baju,  biefe  erjagten  bermeintlicfyen  Xljatfacben ,  fo  wie 
£ubwig  tlntt,  al«  ausgemalte  ©afyrfyeit  fytn$unefymen? 
$ur  Beantwortung  ber  beiben  fragen  muß  un«  ba«  genügen, 
ma«  n>ir  oben  »om  Söiffen  im  (Begenfafc  jum  Sftidjtwiffen  gesagt 
fjaben.  £)enfen,  Ueberlegung,  33erftanb  ift  nur  bä,  wo  Stffcn, 
wo  ^euntniß  ift.  ©o  ba«  Siffen  fefylt,  bleibt  überall  nur  <$e- 
banfenloftgfeit  unb  £ei#tgläubtgfeit  übrig.  3d)  will  Iner  au$ 
no$  einen  (Sinjelfall  mitteilen,  melier  jeigt,  ba§  befrtmmte,  be* 
fonbere  Äenntniffe  baju  gefy&ren,  um  überhaupt  prüfen  ju  f&nnen, 
ob  bei  einer  ®efyirnberlefcung  bie  ®eifte«fräfte  unterlegt  geblieben 
finb  ober  nity.  (Sin  3Kann,  erjagt  (Sombe,  welker  bisher  al« 
$audt)rebner  öffentlich  aufgetreten  war,  erlitt  eine  ftarlc  33ep 
lefeung  be«  (^elnrn«  an  ber  Stelle  bc«  oberen  §interfopfe«  (3p* 
fötal).  (£r  würbe  bollftänbig  geseilt  unb  bie  2lerjte  tonnten 
feinerlei  35eränberungen  in  feineu  ®eifte«fräften  finbeu.  £)er 
sJDiann  falj  unb  fyörte  fo  gut  wie  früher,  er  fpradt),  er  la«  unb 
fct)rieb,  er  fannte  alle  $erfonen,  bie  er  gelaunt,  er  ^atte  fein 
üollftänbige«  ®ebäctytnii?,  furj,  e«  war  bei  ber  forgfältigften  Unter; 
fuc^ung  ni<$t  bie  geringfte  «erminberung  feiner  <#eifte«rräfte  ju 
entbeefen.  311«  aber  ber  2ttann  na$  feiner  (Sntlaffung  feinen 
früheren  2eben«beruf  wieber  ergreifen  wollte,  fanb  fi<$,  bag  ba* 
©elbftgcfüljl,  ba«  er  früher  befeffen  unb  ba«  tytt  jum  öffentlichen 
Auftreten  befähigt  fyatte,  ifjm  gänjlid)  fehlte:  er  mufjte  einen  an* 
bern  £eben«beruf  ergreifen.  £)ie  falfd)e  ®cifte«funbe  ber  $er$te 
ift  ^eutjutage  faft  allgemein  bie,  baß  bie  (Mfte«tfyätigfetten  au« 
ben  äujjeren  @inne«tt)ätigfeiten  abgeleitet  werben.  2öa«  bet 
9)cenfd?,  meint  man,  fic^t  unb  tyört  unb  riedt)t  unb  fömeeft  unb 
taftet,  bie«  2llle«,  inbem  e«  in  ben  (Steift  aufgenommen  unb  in 
tym  »erarbeitet  wirb,  madt)t  sulefet  ben  ®eift  in  feinen  ber* 
fötebenen  £$ätigfeiten  au«,  ©enn  bafyer  nadt)  einer  ©efjirn* 
oerlefcimg  ber  9Kenfö  no$  fieljt  unb  Ijört,  no$  fpridt»t  unb  lieft 
unb  f treibt  :c.,  fo  ift  man  bereit  ju  fliegen,  ba§  er  nodt)  alle 


Digitized  by  Google 


■Jlntbroüoloaie  unb  ^brencfoaic  4X7 

feine  geiftigen  ^ä^iglcitcn  tote  früher  befifce.  9£ein,  \\\  einet 
folgen  Prüfung  gehört  bor  allem  bie  ftetttltttif  aller  ber  »et* 
fdnebenen  im  (Reifte  borl)anbenen  Gräfte. 

m%  haben  hier  ben  £uftanb  ber  $ehirnfehre  in  bet  V^fio* 
logie  an  einigen  SBeifpieten  gefchilbert.  SRtcmanb  möd;te  beftreiten, 
and;  bie  %tytyfto(ogcn  felbft  nicht,  baj?  biefer  3uffcm*>  ein  wirf  lieh 
grauenhafter  ift.  Statu  un«  bar)er  —  um  bat)in  $urücf}ufei)ren, 
ben  wo  mir  ausgegangen  finb  —  ba8  Verhalten  ber  s2lntfyro* 
pologen  gegenüber  ber  ®etütitfeljre  rät^fetl)aft  ober  fct)tt>cr  er* 
Kärlich  fct)ien,  fo  werben  mir  jefct  baä  fttäthfel  jur  genüge  auf* 
geflärt  finben.  ^ic  2lntt)ropologen  wagten  barum  feinen  ©ct)ritt 
in  bie  ®ehirnlehrc  ju  thun,  weil  ihnen  bor  ber  argen  ginfter* 
nifc  barin  graute. 


2llö  ich  bie  oorfteljenben  ©lätter  (II.)  einem  ftreunbe  bor* 
legte,  wie  tet)  mit  meinen  Sadjen  bor  bem  £rucf  ju  ttum  pflege, 
meinte  er,  tet)  \}abc  barin  ben  £on  berfet)lt;  meine  Slbfid^t  fei 
bod),  bie  SDfänner  ber  2öiffen[d;aft  für  mid;  ober  für  bie  $hrcn0:s 
logie  ju  gewinnen:  bie«  werbe  ict)  aber  burch  bie  rücfftchtSlofe 
2lrt,  wie  ich  mich  gegen  fie  aufcfpredje,  fchtoerlicb  erreichen:  bie 
SWänner,  bie  eine  fo  h»he  Stellung  in  ber  Sötffenfchaft  unb  in 
ber  öffentlichen  Slnerfennung  einnähmen,  würben  fich  burch  meinen 
Xabel  oerlefet  fühlen  unb  baher  auch  bon  bem  2Bat)ren,  ba$ 
meine  $)arftellung  unzweifelhaft  enthalte,  fich  abwenben.  <So  un* 
gefähr  bie  Söorte  meine«  ftreunbeS,  bie  mich  nicht  überzeugen 
tonnten.  £>ie  Männer  ber  SBtffcnfchaft  fyahen  bisher  ohne  alle 
^Berechtigung  bie  ^^renclogie  gefchmäht  unb  geahnt,  ohne  fich 
babei  um  ben  £on  ihrer  Sorte  ju  rummern:  unb  wenn  ich 
jefet'mit  bottftem  föecbte  unb  pflichtgemäß  btefem  ^Benehmen  ent* 
gegentrete,  fo  folfte  ich  ängftüch  meine  Söorte  abwägen  müffen? 
(Sin  3Wann,  ber,  wie  ich,  f«™  &ben  lang  für  bie  ©ahrheit  ge« 
fämpft  unb  gelitten,  foll  iefct,  nahe  am  <£nbe  feiner  Sage,  nicht 
einmal  bie  Sattheit  ganj  unb  ungefdnninft  fagen  bürfen?  Unb 
nur  bie  halbe,  bie  gefchminfte'  Wahrheit  fänbe  ®et)&r  bei  ben 
Männern  ber  SöiffenfthaftV  9iein,Aid)  bente  beffer  bon  ber  großen 


Digitized  by  Google 


488 


anipropcicflie  unc  vprcncicgic. 


TOe^rsa^l  tiefer  2flänner.  Einige  wenige  unter  ihnen  finb  freiließ 
für  immer  für  t>ie  ^brenologie  oerloren,  tte,  wclcbe,  wie  j.  39. 
£tjrtl,  39o(f,  Vueae,  fiefy  an  ber  Phrenologie  vergangen  traben  unb 
bafür  angemeffen  befrraft  worben  finb.  Einige  wenige  aueb  meßten 
oielleuty  meinen  fo  ober  anber«  geftellten  ©orten  511  Vieb  ober 
ju  £eib  ber  Phrenologie  fic$  freunblicfy  ^uwenben  ober  beleibigt 
ftd)  con  ihr  abwenben.  Sludj  an  ihnen  wäre  ni<$t«  oerloren. 
Slber  weitau«  bie  große  ÜWefyrjal^  wirb  gewiß  in  ihrem  $hun  unb 
Vaffen  nur  allein  bureb  ba«  Streben  naefy  ©ahrheit  geleitet.  £ie 
große  unb  einji^c  ftrage  ift:  foll  unb  mn&  bie  Senologie  enb* 
lieh  geprüft  werben  ober  nicht?  ©enn  bie  SKänner  ber  Riffen* 
fcr>aft  burety  ba«  tiefen  meine«  Söuctye«  bie  Ueberjeugung  gewinnen, 
bafe  biefc  grage  $u  bejahen  ift,  werben  fie  bann  *o$l,  ehe  fic 
naefy  ihrer  Uebcrjeugung  hobeln,  nach  bem  mehr  ober  weniger 
unterwürfigen  Xon  meiner  Sorte  fragen?  Sftein,  wenn  biefer 
£en  ber  ber  ©  a  h  r  h  e  i  t  ift ,  fo  werben  ihn  alle  für  ben  richtigen 
erfennen.  3ch  felbft  bin  mir  bewußt,  ba§  icfy  Dcwmanben  oerlefcen 
wollte  unb  icfy  t>offc  auch,  baß  ^ciemanb  fic$  oon  mir  oerlefct  fühlt, 
©a«  ich  immer  jagte  unb  wie  iety  c«  fagte,  ging  nur  au«  meiner 
rein  fachlichen  Slnfcbauitng  unb  meinem  ©ahrhett«gefühl  tyertor. 
9lm  Ijärteften  $.  39.  fyaben  wohl  meine  ©orte  l'ubmig  getroffen, 
aber  id?  glaube  unb  Iwffe,  baß  fie  iljn  nicht  gefc^mergt  Jjaben. 
©enn  er  mir  jufällig  in  ber  ©efeüf^aft  begegnete,  fo  würbe  er, 
benfe  ich,  al«  echter  SWann  bet  ©iffenfebaft  ftolj  auf  feine 
grofjen  55erbienfte  in  feinem  ©iffen«felbe,  bie  $)tnge  fo  nehmen 
wie  fie  finb,  er  würbe  mir  bie  £>anb  reiben  unb  in  <S<$er$ 
unb  Crrnft  fprectyen:  „£>te  ....  Schweren  ßther!  benn  stieben«* 
würbiger"  fann  tc$  nic^t  fagen,  ba  Sie  über  alle  äRaften  uw 
lieben«würtig  finb.  SIber  i$  fann  Sljnen  trofcbem  nicht  bffe 
fein,  ba  au«  Slllem  beroorgeht,  baß  e«  3^nen,  fo  wie  un«  allen, 
nur  um  bie  ©ahrheit  gu  thun  ift.  3cb  mu§  $ugeftehcn,  at« 
i$  auf  ba«  Gebiet  ber  ®elnrnlehre  hinau«gerieth ,  habe 
ich  ein  wenig  gefd^lafen  unb  etwa«  Unfinn  gefchwafct;  Sie  tyaben 
mich  aufgeweeft  unb  aufgeflärt:  id>  mu§  tynm  für  $h*  33u<h, 
weldje«  gut  ift  unb  feinen  3wecf  erfüllt,  meinen  Danf  au«fprechen. 
3a!  ja!  ja!  bie  Senologie  muß  geprüft  werben,  ich  ftimme  ju, 


Digitized  by  Google 


9lntl>ropol©flte  unb  %tyrenologie. 


489 


unb  gemifc  aud>  bie  Ruberen;  ich  werbe  babei  mithelfen.  Söie 
fchön,  wenn  wir  eine  ®ehirntehre  befämen,  wenn  ba  2ag  würbe, 
wo  fo  tiefe  Wacht  war!" 


III. 

(£irfd?felb  über  foii^ct^  Nerven  unb  (Äclnrufeljrc.) 

1. 

ffia«  vor  3ahrcn  Bürbach  im«  ju  geben  bemüht  war,  ba« 
hat  feinen  Vanb«lctitcn  gonget  in  feinem  Scrf  über  Anatomie 
unb  ^fiofoiiie  be«  Uferoenfoftem«  51t  liefern  gefuebt:  eine  3u* 
fammenftellung  alte«  beffen,  loa«  bi«  bahin  28it|cn«mcrthe«  über 
ben  Söau  unb  bie  Verrichtungen  be«  Weroenfhftem«  ermittelt 
Werben  ift.  $öir  benu^en  Vonget'«  3Öerf,  um  ba«  Verhältnis,  in 
welchem  bic  ftorfchungen  ber  sßfytyfiologic  311  ben  Grntbccfnngen  ber 
Phrenologie  ftehen,  be«  9iä^eren  311  beleuchten. 

3>te  erfte  33  i  ( b  u  n  g  be«  Weroenfhftem«  get)t  in  jebem  fetner 
Steile  felbftftänbig  unb  unabhängig  oon  ben  9cacfybartfyeilen  ober 
oon  einem  gemeinfamen  SOftttetyunft  bor  fidt> ;  bie  IDfittelpunfte 
be«  Weroenfhftem«,  Wücfcnmarf  unb  Gehirn,  bilben  fieb  oielmehr 
erft  au«,  naebbem  in  ben  einzelnen  Organen  (Äörpertl? eilen  ober 
^liebem)  ba«  SBorfjanbenfeiu  ber  Heroen  fct)on  beftimmt  fjat  wahr- 
genommen  werben  fönnen.  £ie  Surjelfafern  ber  Heroen  werben 
in  ben  Organen  gleich  mit  biefen  felber  fichtbar;  ber  <§elmero 
»erlängert  fieb  erft  nach  unb  nacb  $um  ©ehirn  (In  :c.  3eber 
Xtyii  be«  ©Aftern«,  jeber  9?ero,  erfcheint  fo  fct)on  in  feiner 
bnng  al«  ein  Unabhängige«,  für  fich  felbft  ©eftehenbe«,  wa«  mit 
einem  gemeinfamen  «Stamm  in  Verbinbung  •  tritt ,  unb  burd; 
biefen  gut  Harmonie  be«  SBtrfen«,  jur  ©nhett  oerfnüpft  wirb. 

2. 

üDte  <#rc%nentmicflung  be«  Gehirn«  folgt  ganj  anberen 
®efefcen,  al«  bie  be«  übrigen  sJceroenfhftem«.  Die  Heroen  be« 
Rumpfe«  unb  feiner  einzelnen  Organe  entwicfeln  fich  beim  2)Jen- 


Digitized  by  Google 


490  Anthropologie  unb  ^renologic 

fc^en  unb  bei  allen  üBirbcU^teren  in  größerer  ober  geringerer 
Stärfe,  je  nach  ber  Starte  ber  ^cerbentraft  in  bcn 
'  Organen.  Gin  längerer  nnb  ftärferer  ftörpcrmit  mehr  £aut 
nnb  tWuSfelfläche  —  ber  Körper  einer  Giraffe,  eines  SöallfifcheS, 
einer  föicfcnfd?langc  —  erforbcrt  länger  gebeulte  Serben  nnb  ein 
längeres  nnb  ftärfcreS  föücfenmarf,  als  bie  £(n'ere  bon  geringerer 
(9röj?e  nnb  bon  flcinercm  Umfang.  5tubcrS  beim  (Gehirn.  £>ie 
(Sntwtcflung  beffelben  —  im  (Standen  nnb  in  allen  einzelnen 
X^eilen  gleich  bon  ben  erften  2lnfdnoellungcn  beffelben  über  bem 
berlängerten  Wücfenmarf  an  —  $ctgt  fid;  gan$  unabhängig  bon 
ber  ^ferbcnfraft  beS  ftbrpers  ober  einzelner  feiner  Steile:  benn 
cS  finbet  eine  $erminberung  ber  (^eln'mmaffe  je  bei  ben  nieberen, 
weniger  intelligenten  Spieren,  unb  eine  2*ermefyrung  berfelben  bei 
ben  ^ö^eren,  intelligenteren  bis  jum  Weltforen  hinauf  ftatt.  2)ie 
Waffe  ber  .'palbfugeln  inSbcfonbcre  nimmt,  t?emieberfteigenb  bom 
Wenfcben  unb  bcn  Säugct^ieren  51t  bcn  SBögeln,  Reptilien  nnb 
*vifchen,  immer  mefyr  ab ;  bie  .ftalbhigeln  oereinigen  fich  mehr  unb  * 
mefyr  mit  ben  (Ganglien  ber  geftreiften  Ä'örper  unb  ber  Se^ügel 
\u  einem  gemeinfamcu  Wanjen,  einem  $cfammtganglton,  in  wel- 
chem es  fcfyioer  ffült,  bie  genannten  einzelnen  £ljcile  noch  genauer 
oon  einanber  $u  untertreiben.  sJOiit  ben  ^e^ügeln  incluftbe 
aber  erreicht  biefe  2lbnalnnc  ihre  ®rcn$e.  #wifd?en  ben  <Seh* 
Ijügeln  unb  ben  IMerfyügeln  ift  ein  ©Reibung** 
punft,  über  ben  ^inau«  abwärts  bie  2J?affenabnatmie  je  tu  ben 
nieberen  X^ieren  im  ($egentheil  einer  Zunahme  ^(afe  mad?t,  b.  i. 
je  mehr  bon  jenem  ^ßunft  aus  aufwärts  bie  Xfyeile  beS  etgent* 
liefen  (Gehirns  je  in  ben  nieberen  $öirbeltlncren  an  Waffe  ab* 
nehmen,  befto  mehr  nehmen  bon  jenem  ^unf t  aus  abwärts  bie 
-£t?eilc  beS  berlängerten  9fücfenmarfS  an  ®rbfcc  ju.  Söill 
man  bafyer  baS  berlängerte  SRücfenmarf  bom  eigentlichen  (Gehirn 
Reiben,  fo  ift  bereu  ®ren$e  jwifa>n  ben  SSierhügeln  unb  ben 
Sehhügeln  anzunehmen,  nic^t  wie  man,  phhftologifch  nnb  anato* 
mifch  ungenau,  getrau  hat,  am  Eintritt  in  bie  SBarolSbrücfe,  bicS 
auch  fd?on  barum  nicht,  weil  fidt»  bie  Sßarolsbrücfe  nur  bei  ben 
höheren  ^XT^icrcCaffcn  toorfinbet  unb  fomit  für  bie  nieberen  (Staffen 
gar  feine  ®rcnjc  abgeben  fann.    3a)  werbe  bemgcmäjj,  wo  bon 


Digitized  by  Google 


Hnt&ropologie       Wrcnolegie.  491 

einet  Sonberung  be«  verlängerten  töttefenmarf*  vom  eigentlichen 
Gehirn  bie  Webe  \ft,  ferneren  ben  Slbfchnitt  |intct  ben  $iet= 
Mügeln  nnb  vor  ben  ©e^üßeln  alö  <&renje  annehmen,  jene  alä 
lefcte  gangliöfe  HnfchtoeHung  be«  föücfenmarfc,  biefe  al*  erfteö  — 
ober  richtiger  vielmehr,  n?ie  fich  ergeben  tvirb,  ebenfalls  al« 
lefcte«  —  (Ganglion  beS  ®ehirn«  betrachtenb.  Oberes  Würfen* 
marfSenbe,  Behl«  (Gehirn  unb  groj?e«  (#ehim  ftcKen  fidt>  auf  biefe 
Seife  genau  gerieben  bar;  in  ben  33ierhügeln  erfchetnt  ba«  obere 
WücfenmarfSenbe  al«  tvahre«  Grintgung«*  unb  SBerbmbungSgtieb 
be«  großen  unb  beö  Keinen  ®ehtni#,  unb  bie  ganje  9lnfchauung  unb 
Deutung  ber  betreffenben  #irngebilbe  erhält  eine  einfachere  ®runb^ 
tage.  £>a«  Wütfenmarf  unb  fein  obere«  (Ganglion,  bie  SMerhügel, 
nehmen  alfo  an  verhältnismäßiger  ®re§e  ju,  fo  tote  ba«  eigent* 
tiche  ©ehirn  in  ber  ^ierreihe  abnimmt  unb  einfacher  tvirb.  3e 
höher  anbrerfett«  bie  geiftige  ®tufc,  auf  melier  ba$  ($cfchövf 
fteht,  um  fo  viclfeitigcr  unb  beträchtlicher  merben  bie  (ftebilbe  bc« 
(Gehirn«,  welche  ben  vereinigten  ^Jervenftämmcn  be«  ganjen  mate* 
riellen  Organismus  entgegentreten,  um  fich  mit  ihnen  auf  viel- 
fache Seife  ju  freuten,  $u  verflechten  unb  ju  vertveben.  £)tet 
haben  nur  als  veripherifche  ©renje  ber  Nerven  bie  manmchfal' 
tigften  formen  beS  äußern  Organismus,  bort  fchliefit  fich  ^ 
9iervenmaffe  in  fich  felbft  gerunbet  ab;  hier  bilben  materielle 
Organe  bie  Umhüllung  ber  9cervenenben ,  bort  febeibet  fich  nut 
bem  höhereu  geiftigen  ßeben  bie  Umhüllung  ber  fügelchenförmtgen 
grauen  <5ubftan$  von  bem  ftrahligen  meinen  (heftige;  fyex  ift 
2Bacf;>«thum  nach  9tfa§gabe  ber  förderlichen,  bort  nach  Maßgabe 
ber  geiftigen  ^h^tigfett ;  hier  ein  5lufftrahlen  $um  (^ehitn 
cm  Vor,  bort,  fobalb  bie  homogene  3)?affe  fich  beutticher  in  Sftarf« 
unb  9cinbenfubftanj  gefchieben,  ein  lieber  ftrahlen  ber 
toeifcen  Däfern  au«  allen  fünften  ber  grauen  ©ftl* 
bung  ben  törvernerven  entgegen. 

3. 

3u  ber  Sinnahme  tiefer  tefctem  2lnfchauung«toetfe  im  ®egem 
fafc  ju  ber  bis  jefct  gebräuchlichen  ber  fächerförmigen  21  u  S ftrahlung 
beS  verlängerten  WücfcnmarfS  in  baS  Gehirn  fyalte  ich  wich  aufcer 


Digitized  by  Google 


492  «ntljrepolcgie  unb  Wrcnelcflic. 

burch  Rubere«  fcbon  burcb  bie  Sfyatfacbe  berechtigt,  bafe  t>ie  ein- 
feinen  iNerbenftrafjlen  an  tytem  peripMfchen  (Snbe  Weber  ftärfer 
finb,  al«  an  tyrem  centralen,  nocb  an  jenem  burch  eine 
befonbere  niMfcben  typten  angehäufte,  nach  beni  SRücfenmarf  $u 
wegfallenbc  SOtaffc  ton  etnanber  getrennt  finb.  Vielmehr  ficht 
man  in  ber  ^cripfyeric  bc«  (Gehirn«  Strahl  an  ©trafyl  bon  glcict)* 
mäßiger  ©tä'rfc  fief;  einem  gemcinfcbaftlichen  sJWittelpuntt  $uwenben, 
nnb  ba  bei  weiterer  Annäherung  an  bcnfelben  bie  strahlen  felber 
fich  nicht  bitter  lagern,  wofyl  aber  bie  (Mefammtmaffe  ber  weiften 
©ubftanj,  welcbe  bnrd)  ftc  |ufatnmengefefct  wirb,  fo  bleibt  nicht« 
anbere«  übrig,  al«  anf  eine  ober  anbere  ^eife  ein  ^nfammen- 
treten  ber  Straelen  ber  Peripherie,  eine  Bereinigung  mehrerer 
$u  einem  eingeben  im  Verfolg  ir>rer  AnnälKrung  an  bie  <5cntra(= 
[teile  anjuerfennen.  Bei  fächerf&rmigcr  ?lu«ftraljlung  ift  c«  anber«: 
ba  legt  fich  gwtfchett  bie  einzelnen  (Straelen  ein  trenneube«  9We= 
binm,  welcbe«  nm  fo  breiter  wirb,  je  mefyr  jene  aueetttattber* 
gefyen:  ^ier  aber  beftefyt  ba«  $Jebium  felbft  in  Straelen,  welcbe 
alfo  an  ber  Peripherie  einen  Ucberfdmfc  im  Vergleich  51t  ben  am 
2Jcittclpunft  gelagerten  bilben.  ((Statt)  ähnlich  fo  ift  aueb  bie 
Strahlenmaffe  ber  ftörpernerben  an  ihrem  peripherischen  <5nbe, 
wenn  wir  fie  l)icr  $ufammengefafet  beuten,  fetjr  biel  größer,  al« 
an  ihrem  centralen  Qrnbe,  wo  fie  fieb  al«  obere«  9?ücfenmarf«enbe 
mit  bem  (Swljirn  bereinigen.  £iefc  ^ier  au«gcfprochene,  ber 
gewöhnlichen  entgegengefefcte  $(nfchanung«weifc  ber  Strahlung  in 
ben  ^atbfugeln,  in  ben  geftreiften  Körpern  nnb  ben  Sehfyügeln 
ift  infofern  für  bie  richtige  Grrfenntnif;  be«  Werbenleben«  ben 
Söichttgfeit ,  al«  fie  bon  bornfyerein  ben  ®egenfafc  nnb  ba«  Jtt« 
fammentreten  unb  Berfdnnel^en  be«  höheren  geifttgeu  Vcbcn«  mit 
bem  ber  materiellen  äufjetti  Organe  auch  ber  ®eftaltung  nad> 
berfinnlicht ,  unb  ich  finbe  mtd>  um  fo  mebr  beranlafit,  fie  fym 
beftimmter  fjert>or$uhcben ,  al«  gerabe  Gonget'«  »r!  einen  fchla* 
genoen  33ewei«  liefert,  wie  eine  irrtümliche  ®runbibee  in  folgen 
Beziehungen  felbft  ben  nüchteruften  ftorfet/er  auf  Abwege  führen 
unb  feinen  «lief  für  bie  flare  unb  einfache  Sluffaffung  ber  SBirf* 
lichfeit  berbunfeln  tarnt. 


Digitized  by  Google 


Anthropologie  unb  Phrenologie. 


493 


4. 

Der  ®runbgebanfe ,  nacfy  einem  einigen  beftimmten  iDättet- 
vunft  für  bie  gefammte  im  Organismus  gn  £ag  fommenbe  Nerven* 
tfyätigfeit  jucken  ju  muffen,  jtefyt  fiefy  burefy  gonget'«  ganzes  Söerf 
lu'nourcfy;  er  ift  e$,  welcher  ben  itferfaffer  ju  ber  Ueberjeugung 
verleitet,  „bafi  ba«  Stubimn  be$  ßentralnervenfaftem«  mefentlidj 
in  ber  fteftftellung  ber  Bereinigungen  (connexions)  feiner 
verfdu'ebenen  Partien  befteljen  muß"  (3.  148);  er  ift  e$,  melier 
aud?  in  Saasen  mie  ber  folgenbe  feine  geber  geführt  fyat.  „(£ine 
roabre  s}$ln)fiologie  be$  föütfenmarfä,  alä  Deiters  ber  ^Bewegungen 
.  unb  Grmvfinbungen,  erfdjeint  un«  als  unerläßliche  ®runblage*be8 
StubiumS  für  einen  3eben,  welker  anatomtfcfye,  p^fiologifd^e 
unb  felbft  vatfyologifcf;e  ftorfdmngen  über  baS  <$e$irn  aufteilen 
null.  Denn  Dom  anatomifetyen  Stanbvunft  au«  tonnen  mir  nic^t 
anberS  als  baS  Wufenmarf  als  ein  Organ  betrauten,  beffen  ver< 
fdn'ebene  Strange  in  bie  ®elnrnganglien  verlaufen,  unb  menu 
mir  als  bemiefen  annehmen,  baß  bie  Hinteren  föücfenmarfsftränge 
btt  (Jmpfinbungen,  bie  vorberen  bie  ^Bewegungen  vermitteln,  folltc 
es  niebt  vernünftig  fein  anzunehmen,  baß  man,  inbem  man  ein* 
jetu  bie  (Stränge  bes  9?ücfenmarfS  in  baS  (Gehirn  verfolgt,  baß 
(Seilt  tum  au  ff  in  ben  müßte,  von  bem  bie  ^Bewegung 
ausgebt,  unb  eben fo  ben  ^unft  ber  ®eiftc«tljättgfcit 
(%er  ölaborateur),  in  meinem  bie  (impf inbungen  $u* 
fammenlaufen?  So  formulirt  fßnntc  unfer  aufgehelltes 
v^fiologifd^e«  Problem  fi$  leicht  in  eine  &rage  ber  befchreibenbeu 
Anatomie  aufaulöfen  fo^einen,  bie  burch  eine  gefetyiefte  £anb 
früher  ober  f  Väter  eine  befriebigenbe  Vöfung  fänbe.  Otyne  bie 
9W5glicfyfett  eine«  fo  großen  SKefultatS  leugnen  $u 
m ollen,  fo  liegen  boä)  nach  unferem  Dafürhalten  ®rünbe  vor, 
welche  bie  Scbwierigfetten  befouberS  ju  vergrößern  fc^einen"  u.f.m. 

Die  3J^glict;feit,  baß  jeber  X^cil  beS  9fervenftyftemS  ein  für 
fich  beftehenbeS,  ein  $u  feiner  ihm  befouberS  oblicgenben  35er* 
riebtung  fich  felber  ®enügenbeS  fei,  nur  mit  ben  übrigen  Steilen 
bcffelben  WervenfhftemS  $u  gemeinfamen  ^armonifa)en  Steuerungen 
nähere  ober  entferntere,  mehr  unmittelbare  ober  mer>r  mittelbare 


Digitized  by  Google 


494 


SIntbrofcefogic  unb  <ß&reno{o$ie. 


SBerbinbungen  eingehenb,  bleibt  Songet  t>Btüg  fern.  $)er  "p^reno* 
logie  mar  e«  aufbehalten,  btefe  9)iöglichfeit  in  betreff  be«  ®e= 
Inrn«  al«  Söirflichfeit  nachjumeifen ,  unb  je  t>orurtheil«lofer  toix 
bie  über  bie  Xhättgfeit«äu§erungen  be«  9cert>enfhftem«  gefammetten 
reiben  %f)at\atyn  betrauten,  um  fo  mehr  brängt  (ich  bie  Ueber* 
Beugung  auf,  ba§  ba«  gleite  Gefefc  ber  Selbftftänbigfeit  unb 
Selbftgenügfamfeit  auch  in  bem  gefamtnten  übrigen  %)ceroenapparate 
maltet,  unb  ba§  e$  baljer  ein  oergcblicheS  Söemühen  ift,  nach 
einem  einzelnen  9)Jittelpunft  ju  fuchen,  oon  meinem  alle  Heroen* 
traft  auäftrahlt  unb  ,u  meinem  fie  al«  gu  ihrem  ftocuS*  unb 
SammlungSort  jurüeffehrt. 

5. 

gaffen  mir  bie  betreff enben  Erfahrungen  alle  furj  $u- 
fammen.  £rei  3:^atfac^en  mögen  hier  neben  einanber  ftehen. 
Einmal  miffen  toir,  ba&  gänjliche  Zähmung,  Gefühl3  unb  $e* 
mcgungSlofigfeit  im  untern  Körper  oon  ben  ftufefpifeen  bi«  an  bie 
Jpüfte  hinan  ftattfiuben  fann,  mährenb  ber  gefammte  obere  Mörper, 
bie  Geifteäthätigfeit,  ba$  SlUnnen,  bie  ^emegung  unb  Empfinbung 
ber  Staat  ungeftört  in  ihren  Verrichtungen  beharren.  $lnbrerfeit$ 
fimnen  bei  nieberen  unb  bei  ^Ö^cren  £tneren  beibe  Gehirnhälften 
meggenommen  merben,  olme  bafc  bie  Äraft  ber  ©emegung,  ohne 
ba§  baä  Siemen  baburch  beeinträchtigt  mirb.  3a,  Dr.  «öa^er 
erfuhr  1830,  baß  ein  ^inb,  bei  welchem  bie  (Snthirnung  »orge* 
nommen  morben,  bergeftalt,  bafe  beibe  Scheitelbeine  jerbrochen 
unb  bie  @chäbelh&hle  oöllig  entleert  morben  mar,  bret  Minuten 
nach  ber  Geburt  au«  ber  Sermette,  in  melche  e$  gehüllt  lag, 
einen  beutlichen  Schrei  oernehmen  lieft  unb  beim  Deffnen  ber  Um* 
hüüung  ben  erftaunten  S3ticfen  bie  drrfcheinung  eine«  ^itittofen 
Bßtuö  barbot,  melcher  athmete  unb  £)änbe  unb  &ü§e  bemegte. 
$)a«  Scbreien  unb  bie  übrigen  Öeben«jeichen  bauerten  mehrere 
Minuten  lang  fort. 

£ier  faben  mir  alfo  ba$  gehlen  ganjer  groger  Heroen* 
maffen  bei  ftortbauer  ber  eigentümlichen  Stbätigfeit  anberer; 
bort  Unthätigfeit  ber  unteren  XtyiU  be«  ftütf  enmarf«,  bei  unge< 
ftörter  gortoaner  feiner  oberen  Functionen.    9hir  menn  mir,  — 


Digitized  by  Google 


BntbroMoflie  unb  ^renoloflie. 


495 


unb  bie«  ift  unfere  brittc  mistige  Xljatfactye,  —  bem  fünfte 
berlefeenb  nafyc  fommen,  too  in  ber  oberen  §al«gegenb  btc  ba« 
Sühnten  bermittetnben  Nervi  vagi  oon  beiben  Seiten  fi$  im  föücfem 
mar!  31t  einem  gemeinfamen  (Sfanjcn  berbinben,  ftoeft  ptöfetieb 
Sltljcm  unb  Veben,  unb  mit  bem  augenblicflicty  eintretenben  £obe 
fyört  oberhalb  wie  unterhalb  jener  ©teile  iebe  $en>egung,  jebe 
Xfyättgfeitdäufeerung  auf.  £rägt  man  g.  bei  einem  jungen 
£mnbc  nad?  unD  nat$  £>wmfrtären  be«  ®etjivn«,  bie  ge- 
ftreiften  $orber,  bie  Sefyfyügel,  $Merl)tigcl,  ba«  Heine  ®efnru  unb 
bie  itfarot«brücfe  ab,  leert  mit  Einern  Seite  faft  bie  ganje 
^cbäDeUjityle  au«,  fo  gcljt  boefy  bei  unberfefctem  föücfenmarf  ber 
?ltfmumg«proceB  mit  großer  föegelmäjitgfeit  bor  fiefy.  Sobalb  man 
aber  mittetft  freier  Ouerfcfynttte  bie  «eine  Portion  be«  dürfen* 
marf«  fortnimmt,  toelctye  ben  @ingang«punft  be«  Nervus  vagus, 
fammt  einigen  2Bur$eln  be«  Sptralnerb«  umfaßt,  fo  Ijören 
augenblicflicty  alle  2ftljmung«ben)egungen  auf  unb  ba«  £fyier  ftirbt 
an  (frftief  ung.  " 

•  föeidjen  aber  bie  brei  fner  jufammengefteUten  Xljatfad)en 
niebt  üoüfommen  Inn,  barjutfyun,  bafe  im  ®ebirn,  im  obern  £fyeil, 
im  untern  £fyetl  be«  Wücfenmarf«  ein  burcfyau«  felbftftäubige« 
Veben  unb  Sfyätigfein  borljanben  ift?  bafe,  fo  lange  überhaupt 
oou  einem  belebten  Organt«mu«  bie  $ebe  fein  fann,  jeber  biefer 
^ierbentfjeile  gur  ^öef^affuug  ber  tym  eigenen  Obliegenheiten 
fid>  f elber  genügt,  unb  nur  infotoeit  mit  ben  anberen  in  Ü>er- 
binbung  fteljt,  a(«  ber  £inflang,  ba«  notfymcnbige  gufammen* 
roirfen  be«  ganzen  einigen  unb  ungeteilten  Organi«mu«  e« 
erf orbert  V 

9tfag  e«  geftattet  fein,  ein  Söilb  au«  bem  2)iafrofo«mu«  $u 
toäfylen,  um  eine  anbere  ^luficbt  über  tiefe  ütferfyältmffe  im  üftifro* 
fo«mu«  be«  tl;ierifd;en  ^crbenlcben«  ju  berfinnlirten.  33ergleid>t 
boa)  Sofy.  Füller  bie  (Sinflüffe,  n>eld;e  bom  (fteljirn  au«  ben 
©en>egung«nerben  Ujren  3mpul«  mitteilen,  ben  Xaften  eine« 
(ilabier«,  bei  bereu  nafye  an  einanber  Siegen  leidet  umoillfürlid» 
bie  eine  mit  ber  anbem  berührt  mirb.    (5«  ift  aber  mit  ber 


Digitized  by  Google 


4% 


ftnt&ropoloaie  unb  ^brenoloflie. 


^ieroenleitung  be«  SHücfenmarf«  n>tc  mit  einet  koppelten  23afyn* 
linie,  tun«  unb  jurürfftratylenb  au«  entfernten  Steilen  be«  SReicfyö 
naefy  bem  9ftittelpunfte ,  ber  großen  £auptftabt  (bem  ©efytrn). 
2(uf  ber  einen  Söafnt  gelten  bie  ®üter  unb  Sagen  §tn  (53e* 
n>egung«neroen),  auf  ber  anbem  fahren  fie  fyer  «5mpftnbung«= 
nerben).  ^öatmljöfe  finb  oon  Station  gu  Station  (in  alten 
Xfyeilen  be«  föütfenmarf«,  in  ben  Ganglien).  Suf  biefen  tauften, 
freuten  fiefy  bie  (Steife,  fließen  Seitenarme  ein  unb  au«,  unb 
bringen,  fyolen  Saaren  nad>  unb  bon  ber  $auptfrabt.  3n  ber 
£)auptftabt  großem  38aljnfyof  (bem  oerlängerten  fönefenmarf)  ift 
bie« .  Xaufc^en  unb  tonnen  ber  Valuten ,  iljr  SBermefyren  na$ 
allen  Seiten  bielfad)  ftarf,  um  alt  ben  anfommenben  Sagen  unb 
Labungen  tyren  SRaum  }ii  geben.  Die  Sege  ber  §auptftabt 
grenjen  oon  allen  Seiten  an  ben  Söatntfyof  unb  bringen  in  tyn 
ein  (3ufammenftra^len  aüer  ®ef}irnorgane  in  bem  oerlängerten 
töücfenmarf),  bamit  au«  ben  einzelnen  (Waffen  unb  Käufern  naa> 
bem  Stilen  ber  ©etoolnier  2llle«  \af$  jut  prberung  burdj'« 
SHeid;  gelangen  fönne.  Sofyl  ift  t)ier  jeber  einzelne  Äauf^err,  jeber 
Beamte,  Sftintfter  unb  ftürft  im  Staube,  bie  gange  ©abnftretfe 
ju  feinen  ßwefen  gu  benu^en ;  bod)  fann  ber  ißerfefyr  nid^t  minber 
in  jeber  einzelnen  Slbtfyeilung  ber  iöalm  oon  Statten  gefyen,  oljne 
baß  ftet«  ber  eingebe  ©emolmer  ber  £>auptftabt,  ja  oljne  baß 
ftet«  bereu  £errfd?er  barum  ju  toiffen,  baran  £(jeil  gu  nehmen 
brauet.  3ft  In'nter  irgenb  einer  Station  bie  fortleitenbe  $3alm 
burcbfdmitten ,  fo  toerben  oon  ber  £auptftabt  au«  feine  Strand 
porte  meljr  auf  biefetbe  gelangen  tonnen,  toenngleicfy  bie  £fyän> 
teit  auf  ber  abgefcfynittenen  Söalmftrecfe  no#  naefy  Maßgabe  bet 
:ftafyTung«quellen ,  meiere  biefclbe  befifct,  fortbauem  fann.  3ft 
eine  guleitenbe  ©aljn  burcfyfcfynitten ,  fo  gelangen  teine  Saaren 
oon  ben  getrennten  Xfyetlen  mcfyr  gur  §auptftabt,  allein  oberhalb 
ber  £)urcfyfdmitt«ftelle  fönnen  bie  Saaren  fdjon  auf  ber  nä$ft* 
gelegenen  Station  tfyrc  Söefikberung  mieber  in«  9?eid?  hinein* 
befommen.  So  erregt  ber  burcfyfdmittene  33en>egung«nerb ,  an 
feiner  peripl)erifc$en  Dur#fdmitt«fläcfye  gereigt,  noety  3ucfungen 
ber  betreffenben  9ttu«feln,  rocnngleicty  er  bem  Sitten,  bem  (Selnrn, 
ntebt  mefyr  unterworfen  ift,  ber  bürden ittene  (Smpfinbung«nero, 


Digitized  by  Googl 


Anthropologie  nnb  «ßbrenologie.  497 

an  feinem  centralen  (5nbc  geregt,  erregt  neben  ber  Ghnpfinbung 
gleichfalls  2)hi«feljwcfen,  ofme  bafc  für  biefe«  eine  §in*  unb  3u« 
rücfftrahlung  $um  entfernten  $eln'rn  anzunehmen  notbwenbig  ift. 
3n  ber  Xfyat  möchte  lfm  ba«  (Gehirn,  wie  in  unferm  ®(eidnrtffe 
bie  £>auptftabt,  völlig  festen  nnb  bennoch  mürben  bie  gleichen 
Wefultate  erfolgen  f&nnen.  9ln  ber  ©teile,  wo  viele  ©citenarme 
in  bie  Söafynen  etnmünben,  werben  ihre  9(nfchwellungen ,  Ü;re 
©atnt^efe,  größer  fein,  nnb  liegen  fie  nahe  jufammen,  fi<h  felbft 
faft  jn  einem  fortgefefcten  vereinigen  (Ütttcfenmarf).  £>a«  i'eben 
in  ben  einzelnen  23ahn$weigen  ift  überall  ein  für  fich  felbft  be* 
ftehenbe«,  in  ben  verriebenen  Stationen  ju  einem  Verhältnis 
mäßig  unabhängigen  ®an$en  abgesoffene«,  e«  ift  Weber  allein 
burch  bie  £)auptftabt  bebingt,  noch  unmittelbar  von  berfelben  au«* 
gehenb;  e«  ift  vielmehr  in  jebem  einzelnen  fünfte  an  bie  Söahn 
felber  gefnüpft  unb  von  beren  Integrität  abhängig.  @o  ift'« 
auch  mit  ben  einzelnen  Herten,  Gr«  fönnen  it)re  äujjerften  peri* 
Pherifchen  Gruben  abgeftorben  fein,  unb  weiter  bem  Üiücfen'marf  ju 
jeigt  ber  ©tamm  noch  <£mpfinblichfeit.  SBom  ftücfenmarf  getrennt 
fann  ber  Sttervenftamm  burch  längere  <5inwirfung  eine*  föeije« 
gegen  benfelben  fich  abftumpfen  nnb  feine  9flu«felbewegungen  mehr 
hervorrufen,  toätyrenb  berfelbe  SReij  etwa«  weiter  gegen  bie  ^ßeri* 
pherte  fyn  angebracht,  biefe  wieber  auf«  9ieue  anfaßt.  „£>ie 
£>i£e  unb  bie  $älte  fönnen  9)ht«felbewegungen  hcTborrufen :  biefe 
finb  fehr  lebhaft,  wenn  man  ba«  freie  Grnbe  eine«  eben  burd^ 
fchmttenen  39ewegung«nerv«  ber  flamme  einer  Äerje  au«fefct. 
$)urch  Berührung  mit  einem  ©tücfchen  <Si«  erlangt  man  weniger 
entfetyiebene  föefultate.  Uebrigen«  fann  bie  §ifce  unb  bie  $älte, 
fo  angewenbet,  wie  methanifche  ober  chemifche  9tei$mtttel  wirfen, 
inbem  fie  balb  örtlich  bie  Sftervenfraft  jerftört;  reijt  man  aber 
ben  Heroen  gwifchen  bem  gebrannten  ober  erfälteten  ^unft  unb 
ben  9ttu«feln,  fo  jetgt  er  fich  noch  teilbar  unb  bewirft  3ucfnngen." 
(©.  56.)  ©ebarf  e«  noch  fchlagenbern  SSeweifc«,  baj?  auch  ber 
einzelne  9ßerv  nicht  blo«  donbuetor,  fonbern  in  feiner  unb 
für  feine  ©pfjäre  auch  felbftthätig  ift?  ÜDer  vom  ®ehirn  au«* 
gehenbc  unb  au«gcfenbete  Sitte  ift  allerbing«  im  gefunben  £eben«* 
juftanbe  fein  natürlicher  ^r)ätigfett«rcij ;  allein  im  franfen  3lli 

Sdjeöe,  $ljrenoloflifd)e  »Übet.   3.  «ufl.  32 


Digitized  by  Google 


498  Anthropologie  nnfc  Phrenologie. 

ftanbe  fönnen  ohne,  ja  ttofc  beS  Sitten*  butch  abnorme  orga- 
nif<$e  — ,  nach  feinet  Xtennung  felbft  butch  »tele  anbete  mec^a- 
mfcfye,  chemifche  nnb  eleftttfche  föeije  bie  oon  ihm  abhängigen 
äußeren  Crrfchetnungcn  hervorgerufen  merben.  fBäre  im  gefunben 
>$uftanbe  eine  anbete  SReijftaft  als  bie  beS  Hillen«  fut  bie 
(SHiebetbetoegungen  oorhanben,  fo  mürben  biefe,  tote  bie  oon  jenem 
unabhängigeren  SUhmungSbetoegungen,  auch  &w  Trennung 
be«  SKücfenmarfS  noch  fottbeftehen. 

7. 

£ietmit  finbet  auch  bie  ftrage  ihre  Vöfung,  ob  rotr  ben  <5tfc 
bet  Seelenthättgfettcn  allein  im  ®ehitn  ober  burch  ben  ganjen 
DtganiSmu«  oetbtettet  anzunehmen  haben.  2Bir  haben  bie  beiben 
HuSbrücfe:  ©etft  unb  <Seele;  beibe  bettachtet  man,  fo  lange  baS 
tfeben  bauert,  an  ben  irbifchen  $örpet  gebunben,  unb  bebient  fich 
bei  einen  unb  bet  anbetn  Bezeichnung  ohne  beftimmten  Unter* 
fchieb.  ^Öie  bei  otelen  anbeten  Bezeichnungen,  toelchc  fich  auf 
bie  £hätigfett$äufjetungen  be$  ^tetoenlebenS  begehen,  mußte  erft 
eine  richtige  p^^fiotogifc^e  (frfenntnij?  ootangeljen,  um  benfetben 
bie  etfotbetliche  ©enauigfeit  ju  geben,  kennen  mir  «Seele  baS 
Unbefannte,  weiche«  fich  im  gangen  $ötper,  in  ben  2leujje* 
tungen  beS  gangen  9ietoenfhftemS  oom  Gehirn  bis  in  bie  äujjerften 
Meroenjroeige  ju  erfennen  giebt;  ®eift  ba«  unferen  (Sinnen  in 
feinet  Sefenhcit  ebenfo  Unetteichbate,  infofetn  e$  butch  bie  aus* 
fchlieflichete  33ermittelung  be«  ®ehttn«  in  bie  Grrfcheinung 
tritt.  £>ie  «Seele,  als  baS  Umfaffenbete ,  loolmt  in  bem  ganjen 
Äßtpet,  an  jebe  sJietoenfafet  als  ihren  £täget  gebunben  unb  $u* 
nächft  mit  unb  in  betfelben  lebenb  unb  toebenb.  ©ie  ttägt  ebenfo 
alle  geiftige  £hä*igfeit,  hrie  fie  bie  2;hätig!eit  in  ben  förderlichen 
Dtganen  otbnet  unb  leitet.  Det  Ocift  hingegen  ift  ausfchliejjlich 
butch  bie  gtofce  ^etoenmaffe  bes  ©efn'rnS  oermtttelt,  meines  fein 
alleiniget  forderlich«  Präger  unb  «ermittler  ift.  Ü)ie  (Seele 
mohnt  übetall  im  tetpet,  ber  ®cift  nur  im  ®ehirn.  (Sin  Äotpet 
lebt,  fo  lange  in  ihm  Sltlmten  unb  (£tna'htung  fortbefteht;  befeelt 
bleibt  er  auch  ol;ue  £hatigfeitsäufcetungen  beS  ®ehimorganS ; 
bet  ®eift  abet  äujjett  fich  auSfchltejjüch  butch  biefeS,  etftanft  unb 


Digitized  by  Google 


$lnt^ropo(ogie  unb  ^f^renologie.  499 


gcfnnbet  mit  iljm,  mirft  burcfy  beffen  SBerbinbungen  mit  bcm 
übrigen  Organismus  auf  biefen  ein,  unb  mirb  auf  bem  gleiten 
SBerbtnbungSmege  feinerfett«  mieber  bielfacty  bon  bem  Körper  unb 
ftftpequft&nben  befttmmt.  (Sie  ba«  ®etyim  ber  ebetfte  Xtjetl, 
glei^fam  bie  #lütye  be$  t&rperS,  fo  ift  ber  ®eift,  ba$  befugte 
hieben,  gtetcfyfam  bie  Sölütlje  ber  Seele,  be8  unbemujjten  Sebent.) 
$)a$  ®elurn,  ber  Sofntftfc  be$  Reifte«,  ift  bie  £auptftabt  in 
unferm  ®feic§uiffe,  auf  meiere  bie  gange  Söaljnlä'nge  ftcfy  ate 
Ujren  9J?ittelpunrt  begießt,  bon  bem  iljr  in  ber  töegel  alle  3m* 
puffe  ber  £ljätigfeit  gufommen;  bie  Seele  umfaßt  ba$  gange 
l'eben  ber  Söaljn,  in  ber  $auptftabt,  toie  in  allen  i^ren  $ro* 
»ingen.  @«  berftefyt  fi$  übrigen«,  bafj  fyier,  toie  überall,  mo 
n>ir  oom  ©eifte  ober  ber  Seele  fprectyen,  nur  bie  ®efammtyeit 
ber  ^leufeerungen  in  biefer  <£rbeumelt,  melcfye  mit  ienen  Sorten 
begeicfynet  »erben,  gu  berfteljen  ift.  £)er  oom  Körper  getrennte 
®etft,  bie  bon  iljrer  irbifcfyen  $ttttc  entfeffclte  «Seele  gehört  nid?t 
meljr  in  ben  3erei$  toeber  ber  ^(jtyftotogie  im  Allgemeinen,  nod? 
ber  Phrenologie  inSbefonbere. 

8. 

£>urch  unmittelbare  Beobachtung,  bafc  ber  Seljuero  in  bie 
2ttitte  be$  Augapfel«  einbringt  unb  bafe  ba«  Auge  gum  Se^en 
bient,  gelangen  mir  gu  bem  Schliefe ,  bag  burcty  ben  Sefmeroen 
ba«  Se^en  oermittelt  unb  bebingt  ift;  mir  finben,  baß  im  SBer* 
fyältnijj  gu  ber  Seßhaft  be<  9lerb  ftärfer  mirb  unb  abnimmt, 
unb  baß  er  bei  mangelnber  fSefyfraft  beä  einen  ober  be$  anbern 
2luge$  entfprec^enb  fchnunbe}.  £)a  biefe  35er^altnt||e  ftets  auf 
bie  gleite  Seife  fid^  ftellen/  fo  bleibt  intft  über  bie  ©eftimmung 
be$  Sefyneroen  oernünftiger  Seife  fein  ^toeifel  me^r  übrig. 
£)affelbe  gilt  bom  ®ehör=  unb  föiechneroen,  bon  ben  BetoegungS* 
unb  <£mpfmbung«nerben.  Auch  hier  ift  es  bie  unmittelbare  93er- 
gleic^ung  ber  äujjeren  (5rfö)einungen  mit  bem  ^ugegenfein  unb 
bem  3uftanbe  beftimmter  ^eroenfafem,  meiere  uns  gu  bem 
Schluffe  beS  SöebingtfeinS  ber  einen  burch  bie  anbere  berechtigt. 
£)ie  Verfolgung  beS  Bufammenhange«  ber  2terbenfaf  ern ,  morauf 
Vonget  fo  borgugsmeife  meint  ®emicht  legen  gu  muffen,  mürbe 

32' 


Digitized  by  Google 


500 


am  roenigften  barauf  geführt  faUn,  baj?  e«  gefonberte  Herten 
ber  <£mpfmbung  unb  ber  ©emegung  gebe,  ba  beibe  in  berfclbcn 
Scheibe  berlaufen.  ätfancbmal  ift  e«,  mie  beim  Selmerb,  junä^ft 
bie  Sage,  welche  un«  auf  bie  Beftimmung  fetner  Verrichtung 
hinführt;  manchmal  ba«  ftetige  (ftröfentterhältnifc  einer  9lerben^ 
partie  ju  beftimmten  ttorherrfchenben  Grrfcheinungen ,  mie  beim 
C&ehirn  unb  feiner  Beziehung  31t  ber  Ijöfyem  getftigen  X^ätigfeit; 
manchmal  cimlich,  mie  bei  ben  t>eTbcren  unb  Hinteren  Strängen 
be«  töücfcnmarf«  unb  beren  Bewegung«*  unb  @mpfinbung«ber* 
mtttelung,  gerabeju  ber  SBerfuch  eine«  auf  ben  iRerb  angebrachten 
9?cijc«  unb  bie  Beobachtung  ton  beffen  ©irfung.  Kleber  biefer 
ßrfenntnifcwege  ^at  feine  eigentümliche  Berechtigung,  unb  ben 
welcher  (Seite  mir  auch  Wahrheit  juerft  nahe  treten:  mir 
bürfen  fie  al«  erreicht  anfehen,  fobalb  mir  ohne  ftttftnaffltc 
auf  bem  einen  3Bege  ju  ihr  gelangen,  menn  gleich  ^ic  übrigen 
3öege  noch  niefet  bi«  ju  ihr  haben  berfolgt  merben  fönnen  ober 
bielleicht  in  bem  befonbem  ftatle  fich  burch  unfere  menfchlichen 
Gräfte  gar  nicht  bi«  fyin  Su  ty*  berfolgen  (äffen.  $Bir  mögen 
bie  berechnete  $öhe  eine«  Sturme«,  bie  berechnete  ®efchwinbig* 
feit  einer  tugel  burch  ben  finnlichen  Söerfuch  be«  unmittelbaren 
aReffen*  beftätigen:  bei  bem  ßrmeffen  ber  unb  ber  Bemc^ 
gung  ber  Sterne  finb  unfere  Sinne  nie  im  (Staube,  burch  tyxe 
äftafcftäbe  bie  @rgebniffc  be«  jufammenftellenben  Verftanbe«  ju 
bewahrheiten  —  unb  boch  finb  mir  zufolge  ber  Statur  unferer 
geiftigen  Vermögen  jur  Sinnahme  ber  (Mtigfeit  ber  bon  ben 
Slftronomen  ermittelten  Wahrheiten  nicht  minber  berechtigt,  al« 
;,ur  Sinnahme  ber  Xfyatfatym,  welche  notlngenfall«  auch  n<>(% 
mittelft  unferer  p^^fifc^en  (Gegenwart  fich  als  folche  nachmeifen 
(äffen.  Sluf  ähnliche  Seife  geigen  fich  bie  höheren  <Sinne«neroen 
be«  Sluge«,  Ohre«  u.  f.  w.  gegen  mechanifche  unb  eleftrifche  töei$e 
bollfommen  unempfinblidh  unb  burch  ben  unmittelbaren  SBerfucb 
mit  biefen  mürben  mir  niemal«  bahin  gefommen  fein,  beren  3Scr= 
Tötungen  $u  erfennen,  mie  bie«  bei  ben  Serben  ber  Beroegung 
unb  (Jmpfinbung  ftatt  hat«  dürfte  aber  Semanb  mit  $ug  be* 
haupten,  unfere  (£rfenntni§  bon  ber  Verrichtung  be«  Sehnerben 
fei  be*halb  meniger  beftimmt  al«  unfere  (5r!enntni§  t>on  ber  $er* 


Digitized  by  Google 


Hnt^ologte  unb  Wrenofogte. 


501 


ridjtung  ber  verriebenen  sJiervenfafem,  meiere  ba«  föücfenmarf 
ausmalen?  ®emig  nidjt.  Unb  bcnnocfy  mirb  fo  häufig  im  geben 
einer  neu  ermittelten  Söafyrfjeit  bie  Slnerfennung  verweigert,  weit 
fie  nic^t  gcrabe  auf  bem  2öege  juerft  erreicht  mürbe,  ben 'man 
ftcfy  fetter  für  iljre  Ghrforfdmng  auägcmäfylt  fyattc. 

9. 

®raue  vgubftanj  finbet  fiefy  überall  gelagert,  wo  t>erfc^te- 
'  bene  9iervenf afern  ber  loei&en  Subftanj  auf  einanber  ftofcen  unb 
fid?  |U  gemeinfamer  Söectyfelwirtung  mit  einanber  vereinigen:  fo 
in  ben  (Ganglien  ber  vegetativen  Nerven;  in  bem  9tüd enmarfe ; 
beim  äufammenftrablen  von  beffen  vertriebenen  «Strängen  bem 
®efyiru  entgegen,  im  verlängerten  Sßarfe,  ben  SMertyügeln,  ber 
Baroläbrücf e ,  —  unb  ebenfo  anbererfeit«  in  ben  Bereinigung«* 
vunften  ber  <$eljirnfafern,  ben-  geftreiften  Äörvem,  ben  «Se^ügeln 
unb  im  ünnern  be«  fleinen  (Scljirn«. 

mir  graue  ©ubftanj  gewahren,  bürfen  mir  auefy  auf 
einen  Littel* ,  Bereinigung«*  unb  2lu«taufcfyung«punft  verhieben 
gearteter  9ierveufräfte  fd^liegcn ,  unb  eine  fyikbft  bebcutung«volIe 
(Srfdjeimmg  ift  e«,  baß  biefe  Trägerin  be«  ^ityeren  Seelenleben« 
alö  Umlagerung«maffe  be«  ganjen  ®etyirn«  gleidjfam  bie  eine 
©ren&e  unb  jugleid;  ben  Urboben  einer  großen  3)fenge  von  Nerven* 
faferh  bilbet,  mäfyrenb  na$  ber  anbern  Seite  In'n  bie  gefammten 
vielgeftaltigen  äujjeren  (Mulbe  be«  £)rgani«mu«  bie  ^renje  unb 
ben  Urboben  einer  äljnlicfyen  SReilje  von  sJtervenf  afern  abgeben. 
ü)urcfy  bie  Söinbungen,  meldte  ftcfy  ajt  ben  <$eljirnen  ber  fyöljeren 
£fyierctaffen  vorftnben,  wirb  bie  Sttenge  ber  grauen  Subftanj, 
meiere  überall  fi<$  in  biefetben  mit  einfenft,  auf  eine  Söetfe  ver* 
mefyrt,  wie  e«  olnie  unförmliche  2lu«befmung  jene«  Organ«  fonft 
ntdjt  tyätte  geföetyen  fönnen,  unb  eine  ftolge  ber  SBinbungen,  bie 
ft$  bei  bem  Sftenföen  unb  naety  tym  junä^ft  bei  bem  (Sekanten 
am  entmiefettften  jetgen,  ift  e«,  ba§  mir  ju  bem  2lu«fvrim)e  be= 
redjtigt  finb,  bie  graue  STOaffe  be«  ®efnrn«"  nefyne  im  Behält* 
niffe  ju  feiner  meinen  mit  ber  auffteigenben  £fyierreüje  immer 
mefjr  ju  unb  erreiche  beim  9)?enf$en  ba«  Ijöctyfte  9Äajj  be« 
Uebergemidjt«. 


Digitized  by  Google 


< 


502  »nt^ologie  unb  ^rcnologie. 

Cr«  ift  eine  p^t)fiofogifd)e  Söahrhett,  ba§  im  föücfenmarf  unb 
ben  mit  ihm  in  Verbtnbung  ftehenben  9cerbenftämmen  bei  aller 
(Gleichheit  in  ber  äußern  (5rf*einung  eine  föeilje  bon  Wersen* 
fafefn  neben  einanber  belaufen,  beren  Verrichtungen  fo  bBüig 
t>on  einanber  getrennt  unb  belieben  finb,  toie  bie  Begriffe  be« 
(JtmpfmbenS  unb  Bewegen«  e«  au«brü<fen.  Sägt  e«  bei  biefet 
Betrachtung  fich  tvofyi  für  fehr  mahrfcheinlich  Ratten,  ba§  bie  un- 
gleich ^(reicheren  $fterbenfafern ,  meiere  oon  allen  Seiten  be« 
(Gehirn«  ben  gafern  ber  Bewegung  unb  ber  Crmpfinbung  ent- 
gegentraten, uur  mit  einer  einzigen  unb  gleichartigen  93errich; 
tung  begabt  fein  follten?  gonget  ^at  feine  „ftunbamentalfragc" 
getrenntet  Bewegung«*  unb  (SmpfinbungSnerben  im  ®ehfrne  ber* 
geben«  ju  oerfolgen  gefugt;  „faum  finb  hier  einige  tinfang«* 
fpuren  für  eine  tf&fung!"  $ein  ©unber,  benn  im  ®ehirne  ift 
eben  nach  etwa«  Slnberem  al«  biefen  Mo«  animalifchen  Perrich5 
tungen  $u  fuchen. 

9lach  allen  Seiten  hin  werben  oon  ben  9fäcf  enmarf«fträngen  unb 
ihren  einzelnen  2^he^en  bie  mannichfattigften  SBerbinbungen  ge= 
fd;loffen:  allein  bie  Crigenfchaften ,  meldte  fie  au«jeichneten,  bie 
$raft,  unmittelbar  Belegung  unb  Crmpfinbung  herborjurufen,  geht 
berloren,  fobalb  wir  mit  ihnen  an  ba«  eigentliche  (Gehirn  ge- 
langen. 9ttit  ben  Schenfeln  junt  großen  unb  jum  Heilten  Gehirn 
enbigt  bie  (Mtigfeit  ber  «eilten  Vehren;  bi«  ju  ihnen  unb  in 
ben  vorhergegangenen  Äreuntngen  unb  Verbinbungen  ber  dürfen* 
marf«bünbel  untercinanber  (äffen  fie  fich  ^titdeoen  auf  bie  be* 
ftitrimteftc  Söeife  berfolgen.  (Smpfinbung«-  unb  Bewegung«thätia/ 
feit  fommt  ^iet  jum  oollftiinbigften  9lu«taufch ,  fie  fließen  fich  m* 
einanber  ab,  unb  ti>a«  barüber  hwau«  liegt,  bie  gefammte  Berbern 
maffe  be«  Gehirn«,  fteht  mit  ihnen  nur  infofem  in  3ufammcns 
hang,  al«  bie  h&h^e  <3Mfte«thätigfeit ,  al«  ber  SBilfe,  bie  £rtebe, 
bie  (Befühle  unb  ber  Verftanb  be«  3nbibibuum«  auf  Belegung 
unb  <5mt>finbuna;  (Sinflufc  üben.  Sir  erinnern  noch  einmal  an 
ba«  (SHeichnife  ber  £auptftabt  unb  ber  8anbe«bahn.  Verlängerte« 
SRücfenmarf,  ^hramtben,  33arol«brü<fe,  SMerhügel  mit  ihren  25er* 
binbung«maffen  finb  ber  groge  Bahnhof ,  in  welchen  alle  Bahnen 
be«  SReich«  eingehen,  ber  £>auptftabt  ihre  £ran«porte  jutragenb 


Digitized  by  Google 


2lnU)rol5otoflte  unb  ^renotogic. 


503 


unb  ihre  SBeftimmungcn  bon  biefcr  empfangenb.  $11«  —  oft 
(eiber  noch  recht  rohe  —  Öanbbauern  unb  ^robinjialen  fmb  wir 
tfultibatoren  ber  SJßiffenfd^aft  bt«  in  ben  Bahnhof  hineingelangt; 
oon  ber  $aubtftabt  wtffen  wir  aber  nur  im  Mgemeinen,  bafe  fic 
ba  unb  bafe  fie  groß  unb  mächtig  ift.  Unb  Wollen  Wir  ihr  ®e* 
triebe,  ihren  Bau  unb  Sfiöefen  näher  erfennen,  fo  mttffen  Wir  eben 
mit  feineren  «Sinnen  unb  «Sitten  baran  gehen.  ÜDie  grob  mate* 
riellcn  Slnfchauungen  unb  Prüfungen,  wie  fic  auf  ben  weiten 
ftelbern  im  (Gebrauch  finb,  reiben  hier  nicht  au«;  mit  plumper 
Bauernweife  ermatten  mir  !aum  3ntrttt  in  ben  untergeorbneten 
Greifen,  unb  bie  2lnf  länge  ber  jarteren  «Saiten  werben  fo  niemale 
oon  inH  erlaufet  werben.  SRut  im  frieblichen  3uftanbe  weben 
unb  regen  fid^  hier  bie  mannigfachen  Gräfte  ber  h&hern  menfeh*  . 
ticken  Bilbung;  nur  in  ihm  finben  fünfte,  Söiffenf elften  unb 
alle«  eblere  Streben  ihr  ®ebeihen;  nur  währenb  eine«  folgen 
taffen  fie  fich  erfennen  unb  ihrem  9ttafje  nach  Wfeen;  toilbe  3er* 
ftörung  aber  t&ft  auch  *n  ber  £>auptftabt  alle  Banbe  auf,  unb 
wäl;renb  ober  nach  einer  foldhcu  wirb  fich  bon  h$he*er  Sultur 
aud;  ™  ^r  wenig  bor  bem  fremben  (Sinbringling  enthütlen.  @« 
finb,  in«befonbere  bon  franj&fifchen  ^h#°^°3eu  kenn  biefe 
tfnm  e«  in  ber  $raufamfeit  allen  übrigen  jubor,  unb  in  ftran!* 
reich  toor  Ottern  wäre  ein  entfehiebene«  Beto  in  biefer  Begehung 
$u  münfehen  —  eine  unjähüge  Spenge  bon  Beobachtungen  übet 
bie  folgen  angeftellt  worben,  welche  Berlefeungen  be«  einen  ober 
be«  anbern  -  Eljeil«  be«  oertängerten  föücfenmarf«  unb  feiner 
Umfchlingung«*  unb  Bereinigung«maffen  gu  Sßege  gebracht  höben. 
3n«  Grinjelnc  berfelben  einzugehen,  würbe  un«  jeboch  tycx  ju 
weit  führen.  Raffen  wir  nur  ihre  allgemeinen  Grrgebniffe  furj 
jufammen. 

ÜDa«  ®efammtgehirn  fcheibet  fich  in  Bcptg  auf  (Smpfinbung«; 
unb  Bewegung«fraft  in  jwei  Steife,  Gnn  Xtyxl  feiner  ®ebtlbe 
ift,  wie  ftlouren«  e«  nennt,  ercitabel,  ber  anbere  nicht, 
erfterem  gehören  ba«  bertängerte  töücfenmarf,  bie  großen  £trn= 
fd^cnfel,  bie  Corpora  restiformia,  bie  Baro(«brücfe ,  unb,  wenn 
man  tiefer  in  ihre  «Subftanj  einftiebt,  fo  ba§  nicht  blo«  bie  graue 
sJ9iaffe  in  ihrem  Innern  oerlefct  wirb,  aud;  bie  ^ierhügel;  ju 


Digitized  by  Google 


504 


lefcterm  bie  @ehhügel,  bie  geftreiften  Körper  unb  bie  gerammten 
.ftemifphären  bes  großen  unb  Keinen  (Gehirns.  £>iefe  (enteren 
®ebilbe  fönnen  baher,  tt>ie  wir  bereit«  oben  gefehen,  auch  völlig 
fehlen  ober  weggenommen  fein,  unb  bie  Bewegungen  gehen  in 
ihrer  ganjen  9IuSbehnung  ungehinbert  oor  fich-  Söenn  auf  ber 
anbem  <3eite  biete  pattjotogifche  gälte  oorfemmen,  Wo  nach  ftranf* 
heitsprojeffen ,  «lutergüffen ,  Verhärtungen  ober  Wäfferigen  %vA* 
fc^eibungen  in  ben  nicht  ercitabeln  feilen  bennoch  Zähmungen 
einer  ober  ber  anbem  Slrt,  rechts  ober  (int«,- in  ben  oberen  ober 
unteren  ®liebma§en  bemerft  werben,  fo  beweifen  btefe,  mit  jenen 
Ü^atfac^en  gufammengchalten,  nur  fo  biet,  baf?  bie  £l)ätigfeit 
beS  eigentlichen  (Gehirns  —  gleich  beut  Verhalten  ber  £>aupt- 
ftabt  -  mit  ben  Verrichtungen  bes  OtücfenmarfS  mittetft  feiner 
VerbinbungSfafern  tu  inniger  Sechfelwirfung  fteht,  wie  benn  über; 
haupt  im  Organismus  tranfheiten  au  ber  einen  Stcüe  nicht  ohne 
alsbalbige  X^eitna^me  anbercr  mit  ihr  oerbunbener  ftatthaben 
fönnen:  aber  mehr  als  eine  folche  mittelbare  Verbinbung  anju- 
erfennen,  laffen  bie  entgegenftehenben  Erfahrungen,  wo  nach  3lb- 
tragung  be«  ®ehirnS  bie  Bewegung  ungeftört  fortbauert,  burch* 
au«  nicht  ju.  Es  liegt  barin  nur  ber  öewetS,  bat?  man  bei 
urfprünglichen  .gunctionSbeftimtnungen  in  ber  33enufeung  patholo^ 
gifcher  Erfahrungen,  gleichwie  bei  ben  burch  Vibifectionen  er* 
haltenen  Ergebniffen,  mit  äugerfter  Vorficht  ju  3Berfe  gehen  mufc, 
um  ftch  nicht  burch  b*n  ftympathifchen  ^ufammenhang  beS  Orga* 
niSmuS,  welcher  atSbann  in  berftärftem  2ftafee  heroortritt,  in  feinem 
©chluffe  irreleiten  pi  laffen. 

10. 

3n  biefen  furjen  Umriffen  Ijuhcn  fich  alle  wefentlichen ,  phh; 
ftologifch  anerfannten  Ergebniffe  in  23e$ug  auf  unfere  ftttmtnij 
ber  einzelnen  Slbthetlungen  beS  9ierbenfoftemS  jufammenfaffen 
laffen.  Der  ©ell'fche  tfehrfafc  unb  bie  unmittelbar  unfeTen  äußeren 
binnen  angehörige  gunctionSbeftimmung  ber  Heroen  nach  *>cn 
lörperlichen  Organen,  in  welche  fie  fteh  ausbreiten,  —  baS  ift 
5llleS,  was  wir  über  bie  Verrichtungen  ber  ei^elnen  Serben* 
Partien  Wiffen.   2£o  bie  einen  ober  bie  anberen  3)ierfmale  auf* 


«nt&r^ologie  unb  ^renologtc  505 

Ijoten,  ba  erreicht  au*  unfere  (Srfetmtmfi  t^r  (5nbe.  Söaä  batübet 
fyinauS  liegt,  bie  ganje  gewaltige  9iert>enmaffe  beä  ®efyttn«,  mitb 
$ti>at  in  feinet  ®efammtyeit  al«  Otgan  bet  ®eifte«tyätigfeiten 
pfyfyftotogtfcfy  anetfannt,  abet  bic  33eftimmung  feinet  einzelnen 
Steile  ift  ben  gemöfntltd;  bettetenen  gotfd;ung«U)egen  butcfyau« 
fcetfcfylofjen  geblieben.  £>a$  SRücfenmatf,  bie  ©inneSncr&en,  bie 
93erbinbung$äfte  be$  t>egetatit>eu  sJien>enffyftem$  —  fämmtlicfy  fin- 
ben  fte  iljten  (Snb>  unb  SBeteinigung^unft  innerhalb  betjenigen 
(Sebilbe  be$  ©ammtgelutnS,  melcfye,  ald  ejrcitable,  ben  butefy  ä'ufjete 
JReijmittet  fidjtlicfy  nid&t  exritabeln  gegenübetftefyen,  unb  toeldje 
iljte  nidjt  e^cttabedi  $afetn  ebenfalls  biefen  felben  ®ebilben  junt 
2lu«tauf$e  unb  jut  SBeteintgung  entgegeufenben.  $)a«  toetlängerte 
töücfenmarf  mit  feinen  Umgebungen  erfetyemt  fomit  al«  eine  Sltt 
gotbtfctyer  tnoten,  ju  beffen  bollftänbiget  tföfung  fteili<$  noefy 
manche«  3af)t  unb  3af}tljunbett  etfotbetlidfc  fein  mitb,  mäfjtenb 
meldet  mit  abet  ton  ben  ^äben,  bie  tljn  fnüpfen,  allmälig  einen 
naefy  bem  anbetn  fennen  ju  letnen  bemüht  finb.  3ur  richtigen 
SBürbigung  betjenigen  unter  Unten,  melcfye  toon  bem  $brpet  (ut 
bet  ©cfyütaung  be$  ÄuotenS  auffttafjlen ,  Ijat  ©eil,  fyaben  bie 
ftorfd&ungen  »ot  ifnn  im  ©angen  nrie  im  (Sinjelnen  Mieles  unb 
2Bid?ttge«  geleiftet:  übet  benen  bagegett,  bie  aus  bem  ®eifte$= 
ctgane  $u  feinet  33ilbung  niebctfttafylen,  ttttyt  für  bie  meiften 
^fiologen  no#  bie  tieffte  £>unfetyett.  *Bo$(  ift  $iet  bie  ftot* 
fdmng  fo  met  jattet,  fötpetlofet  unb  fcfymetiger;  abet  um  eben* 
fo&iel  ift  auefy  bie  ®etfteSetfennttuj$  eblet,  einflugteid&et,  etljeben* 
bet,  unb  bet  gtögete  £ofyn  entf^ri^t  bet  gtft&etn  Sftülje.  Um 
($eifte$äu§etungen  ticfyttg  fcfyäfcen  unb  roütbigcn  ju  letnen,  mufc 
man  fte  in  ifytet  teinen  sJiatütlicfyfeit  beobachten.  Staju  teicfyt 
ba«  ©tubitjitnmet  nicfyt  au«.  33emegungcn  mtfgen  mit  na<$ 
Söiüfür  bei  Rieten  fyetttottufen.  3fyte  ®eifte«eigcntf)ümlidjfetten 
etlennen  mit  nut  in  bet  ®efunbfyeit  unb  in  bet  natutgemäfjen 
ftretyeit,  unb  auefy  fyier  bleiben  im«  biefelben  noefy  fyättfig  genug  . 
unflar  unb  jmeibeutig,  unb  nut  bie  menfölid&e  (Spraye  toetmag 
und  im  bemegten  Veben  bolle  unb  unjmeibeutige  Huffdfytüffe  übet 
bie  (Sigentljümlicfyfett  beS  tnbtoibuellen  geiftigen  £eben«  $u  geben. 
9iut  £)ty>otl}efen  finb  e$,  welche,  abgefefyen  bon  bet  ?tyre* 


Digitized  by  Google 


506 


8nt&rot>ofo0tc  u«b  ^renofogte 


nologie,  bt«ljer  übet  bie  ®ebilbe,  bie  über  ba«  föücfenmarf 
au«  liegen,  über  ba«  eigentliche  <&ehirn  aufgeteilt  toorben  ftnb, 
.$Wotljefen,  beren  gaffung  in  ber  föegel  fchon  ba«  wenige  £u* 
trauen  beurfunben,  welche«  ihre  Urheber  felbft  ju  ihnen  Ratten. 
9hn  fo  weit  ift  bie  Wtfiofogie  in  ber  neuern  3eit  entheben 
gelangt,  bag  fie,  geleitet  burefy  unb  geftüfct  auf  ba«  ®r&f?enber* 
hältnij?  be«  (Sehirn«  $u  bem  übrigen  9cerbenftyftem,  ienem  Cr* 
gane  bie  SBermittelung  be«  fy&fyem  geiftigen  Seben«  au«fchlie&lich 
$ugefteht,  unb  e«  bleibt  bei  ber  Unumwunbenheit,  mit  welcher  fiety 
auch  ßonget  hierüber  au«ftricht,  beinahe  unbegreiflich,  wie  ber* 
felbe  Öonget  bennoch  immer  wieber  auf«  9tfeue  in  2luffaffungen 
berfallen  !ann,  bie  fi(h  in  ©orten  wie:  organes  cephaliques, 
elaborateurs  des  impressions  et  produeteurs  du  principe  des 
niouvements  volontaires  funb  geben.  <3.  585  im  erften  Sanbe 
heigt  e«  bei  tljm  über  bie  £emifphären:  „Sa«  beim  ©tubium 
ber  (Dehirnljemifphärcn  be«  2ftenfcfyen  juerft  auffällt,  ift  ifyre 
augerorbentttch  ftar!e  Grntwicfelung  im  Vergleich  ju  berjenigen  bet 
anberen  (^eljirnganglien  (geftreifte  ftörper,  €>ehhügel,  SSier^üget  ic.). 
SMefe  Grntwicffung  ift  oon  ber  2trt,  bafe  in  Söcjiehung  barauf 
wenige  Xtytere  bem  9J?enfc^en  nahe  fommen.  £)a«  eigentlich 
fogenannte  Gehirn  ift  gteid?fam  bic&rone  ober  ber 
Seherrfcher  ber  gefammten  Säule  be«  föücfenmarf«; 
e«  ift  ber  ©ife  ober  ba«  Organ  ber  fyöljeten  Vermö- 
gen, meiere  ben  SWcnfchen  auf  einen  fo  h<>hett  föang 
in  ber  (Schöpfung  ftellen  unb  ifyn  in  fo  ebler  Söeife 
oon  ben  übrigen  Xtjteren  untertreiben".  £)a«®r5* 
§enberljättni§  ber  ,$emifphämt  in  ihrer  ®efammtheit 
ift  e«,  toa«  un«  biefege  wichtige  Sßa^r^eit  offenbart,  — 
unb  an  ben  ^emifpljären  ift  e«  wteberum  bie  äußere  graue  ©e* 
legung«maff e ,  welche  termittelft  ber  SBinbungen  beim  9ttenfcfyen 
ganj  oorjugsweife  überwiegenb  ^erbortritt.  2Ba«  aber  oon  bem 
®an$en  gilt,  follte  ba«  nicht  auch  auf  beffen  einzelne  arbeite  feine 
oernunftgemäfce  Slnwenbung  finben?  Söenn  wir  ber  überwiegen» 
ben  ®r&fje  be«  Gehirn«  beim  3flenfchcn  bie  (Srfenntmfc  fcerbanfen, 
ba§  e«  ber  Strager  feiner  geiftigen  ^ä^tgtetten  ift,  ift  ba  nicht 
ber  (Gebaute  nalje  liegenb,  ba§  auch  für  feine  einzelnen  £hcilc 


Digitized  by  Googl 


bad  ®r&§enoerhältni&  jtoecfmiijng  |ttt  (Ermittelung  ber  einzelnen 
®eiftedfa'higfeitcn  müffe  bienen  fönnen?  Sage  unb  ®eftaltung 
geben  ^ier  feinen  2luffc$luj?,  bie  geiftigen  (Eigensten  finb  nid?t 
nrie  bie  9Wudfelben>egung  gerabeju  bureb  unfete  äußeren  ©inne 
maljrneljmbar.  31ud?  l)at  und  webet  ber  SBerfucty,  noety  bie  ftorm* 
betra<$tung  ju  ber  Ueber$eugung  Eingeleitet,  ba§  bad  ®el)irn  bad 
Organ  bed  Reifte«  fei.  2Bir  fatyen  ed  in  ber  auffteigenben  £tyier= 
reilje  an  9teroenmaffe  ftetig  guneljnten,  unb  bie  entfpredjenbe  3Ui 
nannte  an  bem  Reifte  ber  £ln'ere  gab  und  bie  Ueber$eugung, 
bafe  beibe  (Erfcbeinungen  in  bem  SBerfyältniffe  bon  Urfactye  unb 
Söirfung^u  einanber  ftänben. 

®all  ^at  juerft  ben  glücf  liefen  Gebauten ,  bad  rutytige  ®e- 
fütyl  gehabt,  benfelben  ftorfdnmgdtoeg,  ttne  für  bie  (Erfenntnifc 
bed  ®etytrnd,  fo  $ur  (Ermittelung  feinet  befonberen  ^robinjen 
{«  benufcen ;  mit  iljm  ift  bad  erfte  rofige  i'tyt  einer  föbnen,  oief* 
oerfpreebenben  SDiorgenrbt^c  auf  einem  Gebiet  erfreuen,  toelcfyed 
mit  aß  feinem  geahnten  Steinum  bid  balnn  no<$  in  djaotifdjer 
ftinfterni§  balag. 

£>eutfd)lanbd  %^t?ftofogen !  Schaut  mit  Harem,  offenen 
freien  Söticfe  um  (Eucfy !  £)er  (Euern  (Einer  ift« ,  toeldjer  (Eucb  ein 
neued  mäd^tiged  Söefifetljum  ber  SBiffenf^oft  errungen  fjat.  «er* 
folgt  ben  Söeg:  ed  ift  fein  anberer,  ald  ber  <Eucty  fcfyon  bid  an 
bie  ®ren$en  bed  neuen  föeidjd  geleitet.  Utl  biefer  ®renje  ftetyt 
xtyr  unb  ftaunt:  tyx  m&gt  (Eucty  bem  Seg  nic^t  ferner  oertrauen. 
D  lagt  boefy  bie  traurige  (Erfahrung  nicfyt  fo  oft  unb  immer  ftcfy 
toieberljolen ,  bafc  toir  n>otyl  gu  finben,  aber  nicfyt  ju  nüfcen,  ju 
ergreifen  nnffen,  bafe  unfere  größten  SWänner  bei  und  nicfyt  $ur 
Slnerfennung  gelangen!  31)r  wollt  <&enrif$eit,  nic^t  ^tyantaften. 
SBofyl,  fo  prüft:  (Erfahrungen,  9taturbeobad?tungen ,  nic^t  leere 
SBorte,  treten  In'er  (Euerm  ftorfctyergeift  entgegen.  3ft  benn  <#e* 
unweit  unb  SBefriebigung  aller  träfte  unfered  SSerftanbed  auf 
anbere  %xt  ald  auf  biefe  ju  erretten?  3dj  toeife,  bie  5Biffen= 
fctyaft,  oor  allem  bie  beutfdje,  fcifl  feinen  <5nt$ufta*mu«.  Unb 
mit  föecbt.  £>ie  ftorfdjung  fei  nüchtern,  emft,  rutng :  nur  menge 
bad  SBorurtljeil  fiety  nid^t  ftörenb  hinein  unb  bie  <Sucfyt,  oon  oorn 
herein  2lÜed  ju  negiren,  weil  ftdj  Slüed  oon  oorn  tyerein  nidjt 


"SOX  SntbiofcolcMte  unb  Ubrenoleaie. 

gleich  erflären  unb  nadj  allen  Seiten  (in  fyarmonifcfy  beleuchten 
unb  »erfnüpfeu  ju  laffen  föeint.  £)ocfy  finbet  bie  ©egetftemna, 
tyre  riesige  Steüe,  u>o  e«gilt,  gefdjel>e»e«  Unrecht  mieber  gut  ju 
machen,  bie  (Sfyre  ju  geben,  mem  fie  gebührt,  unb  für  eine  Söafjt* 
fyett,  bereu  weitere  Verfolgung  unfer  Stolj  fein  mu&,  in  btc 
Staufen  $u  forbern.  Unb  im  33emugtfein  biefe«  töedjt«  ergebt 
bie  SWa^nung:  Xretet  ju  un«,  prüft  unb  mürbigt  ben  2ßeg,  ber 
in  bie  innere  ßenntnijj  be«  ®eifte«  unb  feiner  Gräfte  einführt: 
ergreift  unb  nüfet  bie  Scfyäfce,  melcfye  (§ucfy  auf  itwt  al«  fo  reiche« 
(SrbtljeÜ  zugefallen! 

2öir  miffen,  ba§  bie  graue  Subftanj  be«  9icrbenfm>m«, 
meiere  in  bebeutenbem  Uebergemictyte  bie  ganje  frei  naefy  Slufcen 
gefegte  9Haffe  be«  menfc$lic$en  Oktroi«  au«ma$t,  al«  am  näd^ 
ften  mit  bem  fyitycren  Seelenleben  toerfnüpft  an$ufcfyen  ift;  mir 
l^aben  gefefyen,  baf?  oon  iljr  au«  taufenbfältige  meijje  Serben* 
fafern  ben  auffteigenben  Stämmen  unb  feigen  Äörper« 
entgegentraten,  unb  bajj  unb  marum  bie  cntgcgengefefcte  $lm 
fcbauung«meife  ber  fächerförmigen  2lu«breitung  be«  SRücfenmarf«, 
fo  allgemein  fie  auefy  Ijerrfcfyt,  al«  naturuubrig  unb  irrefüljrcnb 
bermorfen  merben  muß;  mir  fefyen  femer,  bafj  biefe  jufammen* 
ftrafytenben  9cerbenfafern  junäcfyft  unter  fidj  in  ben  geftreiften 
Äfcrpern  unb  ben  Se^ügeln,  bann  mit  ben  äörperftämmen  unb 
ben  Sinne«nerben  in  befonberen  (Ganglien  fi$  oereintgen,  in 
beten  grauer  3)iaffe  mir  naefy  ber  Analogie  be«  SKücfenmarf«  be* 
recfytigt  fmb,  eine  Verfnüpfung  unb  einen  9lu«taufcfy  ber  fyinju* 
geführten  Gräfte  anjune^men;  mir  erlernten,  baj?,  mie  in  ber 
ganjen  übrigen  Statur,  fo  audj  in  bem  9tcrbenfirfteme  ba«  ®efefe 
giltig  ift,  mornaefy  unter  übrigen«  gleichen  SBerfyältniffen  bie  größere 
iDtaffe  auf  größere  Äraftäufjerung  fcfylte§en  läfjt,  unb  baß  in  ^o(gc 
biefe«  ®efefce«  ba«  ®eljirn  be«  geiftig  fyäljer  begabten  9)tanfcfyen 
an  berfyältntBmäfjiger  ®röfje  unb  2lu«bilbung  bie  aller  feiner 
TOgefc$öpfe  bei  meitem  überragt;  mir  gemäßen  enblicfc,  baj?  bie 
graue  Söötbung,  in  melier  ft<$  ba«  työ&ere  SReroengebilbe,  in  fieb 
felbft  gerunbet,  abfäliejjt,  beim  3Jtanfd)en  gum  bei  meitem  großem 
Steile  in  ber  ®eftaltung  be«  äufern  Stöbet«  ausgeprägt  für 
unferc  äußeren  Sinne  offen  baliegt:  —  erfcfyeint  bei  folgen  53or* 


Digitized  by  Google 


509 


fenntniffen  ber  «Schritt  nicht  ebenfo  einfach ,  fttt  natürlich,  burch 
2$erg(eichung  einzelner  getftiger  I^ätig!eit«5u6enmgcn  mit  ber 
(*ntn?icf(img  unb  HuSbUbung  ber  einzelnen  Streife  be«  ®ehirn* 
aemitfbcS  bie  Beftimmung  biefer  gu  ermitteln?  Die  $crfahrung«* 
n>eife,  toetebe  Urft  für  ba$  ®an$e  a(«  giftig  amrf ernten,  ^at  ®alt 
auf  bie  (grfetmtnifj  feiner  einzelnen  2$ei(e  auSgebehnt;  er  gab 
un6  bie  erfte  nähere,  burch  forgfättige  ^Beobachtungen  eine«  fyafbcn 
3ahrhunbcrtö  nunmehr  bemährte  Äunbe,  metche  befonbere  Gräfte 
unb  bon  mefchen  befonberen  <$egenben  au«  unfer  <&eifte«organ 
bem  gefanunten  übrigen  Organismus  jur  gegenfeitigen  SBechfef* 
mtrfung  entgegenfenbet.  2Me(  ift  bereit*  gesehen;  biet  aber 
bleibt  auc^  noch  |ii  (eiften  übrig.  „3ebe  ©ahrheit  einer  f^ern 
Orbnuug  erreicht  ihre  (intmieflung  nur  bermittelft  tangfamer  unb 
ftufenmeifer  ttnftrengungen",  ^eigt  e«  bei  Vonget,  unb  mie  tief 
(9aü  fetbft  bon  ber  9tothmenbigfeit  ber  Leitern  forgfamen  35er* 
folgung  feiner  tfeljrc  burc^brungen  mar,  mie  feljr  er  ju  rafebe« 
Urtheit  für  oermerflich  tytit,  jeigt  fein  5UtSfpruch,  treiben  ba« 
(Ibinburgcr  $hreno(cgtfche  3ouraa(  als  2)f  otto  geroäblt  ^at :  Qui- 
conque  a  une  trop  haute  idee  de  la  force  et  de  la  justesse 
de  ses  raisonnements,  pour  se  croire  oblige  de  les  soumettre 
ä  une  expe>ience  niille  et  mille  fois  repö  töe,  ne  perfectionnera 
jamais  la  physiologie  du  cerveau.  —  Bietet  fich  noch  niebt 
nach  alten  ®eiten  hin  ^oUfommeneS  bar,  fo  fei  bie*  ein  ®runb 
$ur  $erboüfommnung ,  nicht  aber  jur  SBermerfung  oon  Beobacb* 
tungen  unb  (Sntbecfungen,  bie  ju  ben  nrichtigften  unb  fotgereidjften 
gehören,  welche  feit  SWenfcfyengebenfen  in  ber  (Srtenntnig  unferes 
eigenen  SefenS  gemalt  morben  finb.  9ctcfyt  mir  allein  legen  folcb 
hohen  SBerth  ben  $erbienften,  tr>e(d^e  ®all  fich  um  bie  Riffen* 
fchaft  ermorben,  bei;  e$  ift  bie  Ueberjeugung  9Uler,  melcbe  mit 
finnigem  Huge  bie  toeitgreifenbeu  folgen  überbauten ,  bie  im 
£aufe  ber  3eiten  für  bie  michtigften  Dichtungen  unfere«  menfeh* 
liehen  <StrebenS  fich  au«  benfetben  nothmenbig  entnricfeln  merben, 
ja,  jum  Xtyit  in  ütorbamerifa  unb  in  Britannien  fich  gu  ent= 
micfeln  febon  begonnen  haben.  SBohlan  benn,  prüfen  mir  bie  Orr* 
fahrungen  ®all'S  junächft  auf  bem  t>on  ®aü  betretenen  $8ege; 
behalten  mir  als  ^^t>fio(ofleu  im  tluge,  batf  nicht  foroohl  bie 


Digitized  by  Google 


510  »nt&rot>otogte  «nb  Wrenofogie 


£>ertu'c$feit,  nicfyt  materielles  (Sjrperiment  fyier  bicnen  fönnen,  im$ 
bie  ermünfcbten  $uff$(fi|fe  $u  geben,  fonbern  bafc  wir  beim  ©e= 
turne  tot  Wem  auf  bie  «eobac&tung  be*  ®röjjem>ertyältniffeS 
tnngemiefcn  ftnb,  unb  in  ber  #ergletdnmg  beffelben  mit  ben  gei* 
ftigen  XfyättgfeitSäufjerungen  ber  naturgemäße  Seg  $ur  nähern 
(ftfenntnifc  bet  einzelnen  Functionen  be$  ®eifte$organ8  un«  t>or* 
gejetdmet  liegt. 

Sie  ba$  £immel$gemMbe  erfdjtie&t  aucfy  baS  ®emötbe  beä 
®efu'rn$  feine  <$efe^e  nur  bem  Sluge  einer  fyöfyern  geifrigen  %ox* 
fcfyung.  £)ie  btojje  Slnfcfyauung  ber  ©innc  reicht  nicfyt  au$,  fon- 
bem  bei  iebem  einjetnen  ©dritte  fcormärt«  muffen  unfere  $)enf= 
fcerm&gen,  mujj  eine  umfaffenbe  Urtfjcitefraft  mit  ber  S8eobac$= 
tung  eng  berbunben  $>anb  in  £>anb  gefyen.  @S  mirb  immer 
sJ)ienfcben  geben,  —  unb  mir  fennen  bereu  unter  l'eben«*  unb 
^ilbung^er^ältniffcn,  n>o  nur  fie  uicfyt  metyr  anzutreffen  t>er* 
mutzet,  —  meiere,  gu  fefyr  bon  bem  £>anbgretflt#en  befangen, 
bie  Siffenfcfyaft  ber  9(ftronomie  unb  ifyre  Öefyren  bon  ben  ®rö§en, 
bem  ®efyalte  ber  <&efnrne  unb  uon  tyrer  ^öebeutung  für  bie 
ftreifcbaljn  unferer  (Srbenmelt  in«  SHeicfy  ber  £typoiljefen  bermeifen, 
»on  benen  bie  ®enut$eit  ^iemanb  iljnen  ju  geben  im  Staube 
fei.  ©ie  foüte  un«  eine  ölmlicfye  Slnficfyt  in  betreff  ber  nodj  fo 
jugenbtictyen  SEßiffenfc^aft  ber  ^(jrenologie  ba  mofyl  befremben? 
Allein  mit  bemfelben  Qfofye,  mit  meinem  ber  ^tftronom  feinen 
über  bie  umnittelbarfte  ©innenmelt  erhabenen  (Jntbecfungen  ben 
Stempel  emiger  So^eiten  aufbrüeft,  mit  bemfelben  Siebte 
ftcmpelt  auety  ber  ^fyrenolog  bie  feinigen  als  folcfye,  menn  fie  fia? 
ftets  unb  ausnahmslos  unter  ben  gleichen  Umftänben  auf  bie 
gleiche  SBetfe  roieberljolen. 


Digitized  by  Googl« 


XXII. 


Hu*  meinem  .tieften. 

«Benn  icf>  begreifen  fönnte ,  roie  eine  Ra&e  mouft,  bie  man  gleitf» ,  nod> 
flan*  unerfahren  in  biefer  3acjb,  oon  ihrer  SRutter  »eflgenoromen  hat,  — 
rote  man  jura  Xiditcr  roirb,  roie  Horner,  Shatefpcare,  iUiltoti  unb  Mlopftocf,  — 
wie  man  in  einem  moralifcb,  uerborbeneu  Staate  ein  redjtfdjaffener  Wann 
bleibt,  —  roie  bie  (PefeUföaft  überhaupt  mehr  bur<b  ben  blofien  «lauben  an 
lugenb  unb  Äeliflion,  al«  bie  6ad)e  felbft  beftetjt,  —  roie  biefe  beiben  fi<b 
autb  in  ber  oerborbenften  erhalten  unb  fortroirfen,  —  fo  roollt  td)  tein  Oucb 
mehr  lefen  uub  ali  9Renf<beulebrer  auftreten.  So  fann  ich  nur  träumen, 
fehen,  tjö«n,  bemerfen  unb  »erflleiajen,  unb  bann  fafeln,  roie  jeber  «nbere, 
roenn  id)  etroad  mehr  tbun  wiU.  Wap  ö.  ftlincjer. 


3$  bin  am  4.  3uni  1810  ju  £eibetberg,  mo  mein  Detter 
Kaufmann  mar,  geboren.  <Schon  a(8  tnabe  füllte  ich  mich  jum 
^etyrer  gefc^affen :  mein  3beat  mar,  etnft  oom  tatfyeber  ^erab 
über  bie  menfehtichen  Seelenthätigfeiten  $u  fpre$en,  benn  ich 
glaubte  ein  befonbere«  Talent  bafür  ju  ^aben,  mich  in  bie  Seele 
anberer  SJJenfchen  gu  benfen  unb  ebenfo  meine  (Gebauten  9(nberen 
leidet  flar  ju  machen,  liefen  £ug  jU  beliebigen,  fuchte  ich  mir 
bon  meinem  15.  3ahre  an  Schüler,  benen  ich  Unterricht  im  t'a* 
teintfehen  tc  gab,  unb  bon  jener  3eit  an  bie  ljeMe  bin  ich  un* 
unterbrochen  neben  meinen  Stubien  ü?et)rer  gemefen,  in  «Sprachen 
unb  meiern  Ruberen.  «Kit  18  3at)ren  ging  ich  W  Uniberfität, 
um  mich  bem  Mehrfache  in  ber  föechtämiffenfchaft  ju  mibmen. 
Schmierige  unb  oerroicfelte  Rechtsfragen  in«  Älare  ju  ftellen,  barin 
meinte  ich  etwa*  (elften  ju  fßnnen.   Unter  ben  ^rofefforen  galt 


Digitized  by  Google 


512 


91  u*  meinem  Sefcen. 


mir  3acfyariä  at$  pdbftc«  9)?ufter  juriftifchen  SSerftanhe«.  ©eine 
^^Bicrjifl  Söücher  Dom  (Staate"  roufcte  ich  t>om  ^äufiflen  £efen  faft 
auSrocnbig.  sBenn  mir  einige  Klarheit  be$  Styl«  eigen  ift,  roie 
man  mir  fagt,  fo  oerbanfe  ich  baoon  SMclc«  biefem  mit  rounber- 
barer  S'ogif  unb  «Schärfe  be«  Urteil«  gefchriebenen  Söcrfe.  s3?acf» 
bem  ich  fünf  Safyre  bie  fechte  ftubirt,  erfanntc  ich,  baj?  ich  mich 
oiel  weniger  für  biefe«  Stubium,  al«  für  ba«  ber  9taturroiffen= 
fchaften  eignete.  3ch  roenbete  mich  ben  oerfdH'ebcucn  mebicinifefeen 
fächern  ju.  £>ier  nahm  balb  ber  bamal«  lebhafte  «Streit  ber 
Homöopathie  nnb  Allopathie  meine  3btfntcrffantfeit  in  ^(nfpriidt). 
$11«  (Srgefrmfj  meinet,  roie  ich  glaube,  grünblichen  Oforfchungcn  in 
tiefer  <Sachc,  gab  ich  jroci  Schriften  in  ben  $)rucf.  9lm  metften 
fü^te  id)  mich  jnr  ^htyfiologie,  befonber«  jur  Heroen-  nnb  ®e* 
l>im(et?re  hingezogen,  obgleich  e«  biefe  (entere  eigentlich  nicht  gab. 
3ch  bef  tagte  bie  tiefe,  auf  biefem  Gebiete  I>ercfc$enbe  £>unfelhett, 
in  welche  mein  angeftrengte«  Dfachbenfen  fein  Vic^t  braute.  9cur 
barüber  glaubte  icb  im  deinen  gu  fein,  bafj  oou  Dielen  (belehrten 
für  bie  Qrrflärung  ber  ®eifte«thätigfeiten  ju  Diel  betriebt  auf  bie 
Heroen  im  Vergleich  311m  (Gehirn  gelegt  »erbe.  $öcnn  nur  ein 
(^eln'rn  unbefangen  betrachten  unb  bie  geringe  SDfaffc  ber  ein« 
feinen  Heroen  mit  ber  großen  ÜDfoffe  be«  (Gehirn«  Dergleichen, 
fo  geroinnen  roir  bie  Ueberjengung,  bafc  ba«  (Gehirn  allein  ba« 
Organ  ber  fämmtlichen  bemühten  ®eifte«thätigfeiten  fei,  eine 
Auflebt,  welche  fchon  tauge  Johanne«  Mütter  gegen  Slnbcre  oer- 
treten. 

3n  biefer  3eit  tarn  mir  ein  Keine«  «Schriftchen  über  bie 
fogenannte  ®atffche  «Schäbcllehre  jn  bie  £anb.  Obwohl  .mir 
einige  <Säfcc  biefer  Ve^re  ganj  rooljl  begrünbet  ju  fein  fchtenen, 
unb  e*  namentlich  mid>  beftach,  bafc  ®all  bie  Organe  fämmt= 
licher  Gefühle  unb  Vctbenf  (haften  im  (Sehim  nachroeifen  rooüte, 
fo  bauchte  mir  roieber  5lnbere«,  5.  S8.  bie  (Sintheilung  unb  bie 
angebliche  33ebeutung  ber  einzelnen  (Seelenfräfte,  faft  eine  wiffen* 
fchaftüche  Barbarei  ju  fein,  fo  bafj  icb  einen  ©iberroiöen  gegen 
bie  (Sache  fa&te  unb  fie  gän&lich  falten  liefe.  Allein,  ba  e«  eine 
anbere  (befH'rnlehre  nicht  gab,  fo  fam  ich  nach  einiger  3eit  wie- 
ber zur  (Batl'fchen  Mjre  gurücf,  unb  bielleicht  roeil  fie  mir  jefct 


Digitized  by 


meinem  Siebett. 


nic$t  meljr  fo  neu  mar,  erfdjien  fie  mir  in  ifjten  (Singelljeiten 
lange  nid^t  meljr  fo  fonberbar  ober  fo  unoernünftig.  3n  meinem 
(i^aratter  finb  einige  3üge  fe$r  ftarf,  anbete  fe^r  fämti)  au«* 
geprägt,  unb  ba  bie  oon  ®all  angegebenen  Organe  fid>  in  meiner 
topfbitbung  entfpre^enb  au«gebilbet  fanben  unb  oollenb«,  ba 
ia>  bur$  ba«  gefen  einiger  au«füljrli<$er  pljrenologif($er  Söerfe 
eine  beffere  <ginfi$t  in  ba«  SBefen  biefer  SBiffenfc^aft  getoonnen, 
fo  mürbe  iety  balb  au«  einem  (Gegner  bet  ®a(l'f<$en  Seljre  ein 
eifriger  ftorfcfyer  in  berfelben.  £)ie  SBeranberung,  bie  in  meinem 
Söiffen  borging,  fann  ic$  nity  beffer  al«  mit  bem  2lu«brutfe 
begeidjnen,  ba§  mir  bie  «Schuppen  t»on  ben  klugen  fielen.  $)ie 
Phrenologie  null  mit  2fötye,  oielleid&t  mit  SBMberftreben  fennen 
gelernt  »erben ,  um  bem  gorföcr  fofort  al«  bie  erfte  .unb  Ijö^fte 
unter  allen  menf$li$en  Söiffenfc^aften  gu  gelten.  <3te  gleist 
jenem  oon  einem  bieten  Salbe  umgebenen  fteenföloffe,  in  bem 
eine  munberföcne  Pringeffm  föläft;  mer  bur$  ben  Salb  tyin= 
burcfybringt,  metft  bie  ^ringeffin  unb  füfyrt  fie  al«  ©raut  heim. 
3n  bie  3afyre,  mo  tety  fcfyon  mit  ber  Phrenologie  vertraut  mar, 
fällt  eine  oon  mir  bunt  3ufaÜ  gemalte  Grntbecfung,  ba§  man 
bei  einem  fcblafenben  äRenfctyen  einen  £raum  ^eröorrufen  fann, 
melier  ber  £fjätigfeit  irgenb  eine«  Organ«  entfpric&t,  menn  man 
bie  ©teile  be«  Organ«  im  ©c$(afe  brüeft.  3$  ftellte  biefe  <£nt* 
beefung  in  einem  «einen  Huffafce  bar  (i.  3. 1839)  unb  überreizte 
ihn  ber  ^erfammlung  ber  ftaturforföer  unb  Herste  in  Ormont. 
$on  ben  Gegnern  mürbe  bie  ©aetye  ohne  Prüfung  al«  nichtig 
oertoorfen.  9Kan  fagte,  ber  ftane  ©djäbel  fönne  auf  einen  Dnuf 
nicht  nachgeben.  2lber  ber  Schäbel  ift  fo  gang  ftarr  nict)t:  man 
fann  g.  39.  eine  ^enfterfcheibc ,  meldte  noch  ftarrer  ift,  merfbar 
biegen.  Ueberbie«  mirb  oielleuht  ber  £raunt  nicht  burch  ben 
£)rucf  al«  folgen  hervorgerufen ;  oiellcid^t  mirft  babei  bie  Särme 
ober  ein  gemiffer  tfeben«einflu&. 

SRachbem  ich  in  ber  Phrenologie  feft  genug  gu  fteljen  glaubte 
unb  mir  im  3a$re "  1842  ben  £)octorgrab  ber  ^t>ilo[o^^ie  er* 
morbeu  h«tte,  mollte  ich  an  ber  Unioerfität  gu  £eibelberg  al« 
£)ocent  ber  Phrenologie  auftreten.  3Me  @a^e  fanb  jebod> 
©^mierigfeiten  unb  erft  im  3a^re  1848  erregte  ich  biefe«  mein 

S$f»e,  *ljrenolo8^c  »Über.  8,  «ufl.  33 


Digitized  by  Google 


514 


ftlift  meinem  2thtn. 


• 

fange  erfefjnte«  3ief.  3$  la«  gum  erften  üMe  im  @ommet* 
^albja^r  1849,  a(«  pl&|lu}  ber  *u«*nic}  ber  föebotuüon  He 
Bortefungen  unterbrach,  wa«  miety- oerantafcte,  naefy  ber  <S<$wet$ 
gu  geljen,  wo  icfy  wäfyrenb  be«  Pommer«  in  elf  größeren  unb 
Heineren  ©täbten  Vorträge  gab,  beren  guter  Erfolg  mir  oon 
Beuern  £uft  jum'  Reifen  machte.  (3cty  Ijatte  nämtidj  fetyon  einmal 
im  3afyre  1845  in  <5art«rufye,  {franffurt,  9Wain$  Vorträge  ju 
geben  oerfuetyt.)  3$  fefjrte  ba^er  nicfyt  naefy  £eibelberg  jurü<f, 
fonbern  ging  ju  Anfang  be«  Sinter«  naefy  ÜWünctyen,  wo  ic$  mic$ 
eine«  grojjen  <5rfolge«  erfreute;  i$  wieberljolte  biermal  ben  durfu« 
ber  Vorträge.  Bon  9Rfimfen  ging  icf>  über  bie  ©täbte  Bauern« 
na$  Seidig,  eine  fc^r  günftige  Erweiterung  metner  ©itf* 
famfeit  babur$  eintrat,  ba§  iety  in  ber  3üuftrirten  3eitung  3(uf= 
fäfce  über  'pfyrenotogie  ju  geben  anfing.  Bon  t'eipjig  befugte  ic$ 
Jpatte  unb  bie  <§täbte  Düringen«,  bann  3ttagbeburg  unb  £>re«* 
ben,  in  wettfy  festerer  Stabt  icfy  näc^ft  üftüncfycn  ba«  üfletfte  für 
bie  ^fyrenologie  gewirft  ju  fyaben  glaube,  ©äfyrenb  be«  Söinter« 
1850/51  gab  ic$  BÖrträge  ju  Bremen,  £annooer,  Berlin,  #am* 
bürg,  Bre«lau.  3n  Hamburg  mürbe  ber  (Srfolg  meine«  Stuf* 
treten«  baburety  erfy&fyt,  ba§  gwei  Herjte  öffentliche  Borträge  gegen 
bie  Senologie  gelten.  <5«  ift  mir  immer  leidet,  bie  Oberljanfc 
in  folgen  ©treitigfeiten  $u  begatten,  ba  bie  Herren  Gegner  über 
eine  Sacfce  fpre^en,  bie  fie  faft  gar  nicfyt  fennen. 

^iac^bem  ic$  im  ©ornmer  1851  einige  -ättonate  ju  meiner 
Erholung  in  Baben=Baben  bei  meiner  0amiüe  $ugebrac$t,  er* 
griff  tety  im  ^erbfte  beffelben  3aljre«  ton  Beuern  ben  ©anber* 
ftab.  £)enn  nacfybem  i$  einmal  erfannt,  wie  biet  ein  einjelner 
ÜÖtann  für  eine  gute  ©a$e  ju  Wirten  .oermag,  fyabe  ic$  ba« 
Slpoftetamt  al«  ßeljrer  ber  Senologie  al«  meine  ßeben«aufgabe 
betrauten  gelernt.  £)a§  idt)  bon  $rau  unb  £inb  getrennt  bin, 
bafc  i<$  mit  einem  feit  früher  ffmb^eit  äugerft  fömäc$lic$en, 
Ijalbfeitig  gelähmten  Äßrper  Wenig  für  bie  ©trafen  be«  Reifen« 
tauge ,  bie«  wiegt  nur  leidet  gegen  ba«  ®ef üljl  ber  Befrtebigung, 
ba«  iety  in  meiner  geiftigen  ^fttcfcterfütlung  unb  in  ber  ftetgenben 
Bermcljrung  meiner  ftemttmffe  finbe.  3cty  trat  juerft  im  Bat 
Viebenftein  mit  einigen  Borträgen  auf,  an  melcben  ber  £erjog 


Digitized  by  Google 


fcufi  meinem  jebert.  515 

bon  Sfteiningen  thetlnahm  unb  mich  beftimmte,  in  Stteiningen 
einen  (Eurfu«  ju  geben.  SBon  bort  befugte  ich  Berlin,  Pot«bam, 
■äftagbeburg ,  Sötten,  Öetyjtg.  23on  ^ter  ging  t<h  junächft  nach 
(5 Bin  unb  ben  <5täbten  be«  SR^ein«. 

£)ie  SÖMrffamfeit  meinet  SBorträge  mürbe  um  biefe  3«t  noch 
erh&ht  burch  bie  jmeite  Auflage  meiner  „Phänologien  ©Uber". 
SDajj  bie  erfte  Auflage  biefer  (Schrift  unb  bie  meine«  „$atecht«mu« 
ber  Phrenologie"  fo  fchnell  oergriffen  mürben,  mar  mir  auf  er  einigen 
anberen  *>et  Bcit  eUl  5Be»ei« ,  ba§  bie  Anerlennung  ber 

Phrenologie  in  $)eutfchlanb  nicht  mehr  affju  fern,  ®erabe  bie 
Aerjte,  unter  melden  oergleichung«meife  bie  meiften  (Regner  ber 
Phrenologie  fich  finben,  finb  im  Allgemeinen  einer  beffern  ©nficht 
in  biefer  ©acfye  fehr  mo^t  zugänglich.  Unter  meinen  3u^rern 
habe  ich  immer  Diele,  gum  tyeii  ^oc^gefteüte  Aer^te  gejault, 
meldte  mit  Vergnügen  ein  beffere«  Söerftänbmji  ber  fo  oielfach 
mi&oerftanbenen  Söiffenfchaft  gewannen.  9iur  biejenigen  Sttebi* 
jiner,  toetc^e  einmal  gegen  bie  Phänologie  in  Triften  ober 
Vortragen  öffentlich  aufgetreten,  befonber«  einige  belehrte  oon 
töuf,  fogenannte  Autoritäten  in  ber  Söiffenfchaft ,  finb  nicht  fotoofjl 
©egner,  al«  unoerf &^n(ic^e  fteinbe  ber  ^ß^renotogie ,  unb  ihr  (Sifer 
fteigert  fich  mit  ber  erfannten  (Gefahr  be«  ©iege«  biefer  Sehre. 


2Öa«  bie  (leinen  Söegegniffe  au«  meinem  £eben  feit  bem  ßr* 
fcheinen  ber  borigen  Auflage  ber  „Phrenologien  ©über"  be* 
trifft,  bie  etma  ben  Sefer  intereffiren  tonnten,  fo  barf  ich  bafür 
auf  meine  „Phrenologien  föeifebilber"  »ertoeifen.  3$  fchlie&e 
biefe  9coti$en  mit  einer  ©emerfung  über  ba«  Sttotto  au«  tlinger, 
ba«  ich  ihn«*  oorangeftellt.  Sftiemal«  bin  ich  *>nrdt)  etma«,  ba« 
ich  f°  wpiffen  morben,  nrie  burch  biefe  ©teile,  melche  faft 
buchftäbtich  mein  Seben  unb  ben  SBenbepunft  barin  zeichnet. 
SBon  meiner  finbhett  an  ^atte  ich  iene  öefettwth,  tote  man  fie 
nicht  feiten  fchon  bei  Äinbern  trifft;  biefe  fteigerte  fich  fpäter 
immer  mehr:  Jöücher  maren  mein  3beal  unb  mein  Alle«.  £)a 
lernte  ich  Die  Phänologie  fennen:  —  ich  fc™te  ^greifen,  mie 

33* 


Digitized  by  Google 


516 


flu«  meinem  £efcen 


eine  $afce  mauft,  ohne  H  oon  ihrer  9ttutter  gelernt  gu  ^aBen, 
mie  man  jum  dichter  wirb,  tt>ie  man  in  einem  moralifch  t>er* 
borbenen  (Staate  ein  rechtfehaffener  9ftann  bleibt:  —  unb  feitbem 
hatte  mein  SBiellefen  ein  Grube  unb  idt)  trat  al«  SWenfc^enteljrcT 
auf.  2llle  ©iffenfehaft,  alle  ^ilofop^ie,  wie  ftc  bi«her  in  33ü* 
cfyem  nicbergelegt  war,  ift  gleich  n>ie  tobt  im  ^3ergtetd^  jur  wahren 
^enntnig  be«  menfehlichen  Reifte«,  wie  bie  ^^renotogie  fie  im« 
erliefet.  Scr  burch  biefe  Äenntmf?  ftd?  felbft  unb  bie  2)?enf eben 
»erftefjen  lernt,  ^at  ba«  ®cfü(;l  be«  <5rtoachen«  au«  bem  £>alb= 
Plummer  ber  ?hantaflc  jum  wahren,  Haren,  fetbftbetoufeten 
Söiffen,  welche«  er  allen  2ftenfc$en  gönnen,  aüen  lehren  mochte. 
Allein  gerabe  Weit  biefe«  ©iffen  fo  §0$  über  bem  bisherigen 
fteljt,  fönnen  Sßiele  fiefy  nicht  hinein  fiuben ,  füllen  ftch  bason  wie 
geblenbet.  911«  in  ber  erften  franjöfifchen  föe&olution  bie  <$e= 
fangenen  au«  ber  erftürmten  Söafttlfe  befreit  würben,  tonnten 
einige,  bie  ein  lange«  £ebcu  im  f^inftern  zugebracht,  bie  XageS* 
^elle  nic^t  ertragen  unb  verlangten  in  ihren  Werfer  jurücf.  ^ieran 
wirb  man  erinnert,  wenn  man  manche  heutige  (Seiehrte  fo  feft 
an  ihrem  ©cheinwiffen  hängen  fieht.  (Sewöljnt  ™  fünftlichen, 
am  ©tubirtifche  au«gebachten ,  mit  bem  3irfel  unb  bem  Stneal 
gezogenen  treife  unb  Sinien,  welche  bi«her  al«  «Uber  00m  get* 
fttgen  2flenfchen  galten,  wollen  fie  an  ben  frifchen  unb  färben* 
reiben  @h<itafterbilbern  ber  ^hrcnoIoÖie  b*c  SBeihe  ber  wahren 
Äunft  oermiffen  unb  wenben  fich  geringfehäfeenb  baoon  ab. 
Söährenb  bie  meiften  3u^ter  m  weinen  35orlefungen  ftch  an 
ben  Haren  @chtlberungen  ber  ®eifte«fräfte  unb  an  ber  SBfung 
fo  mancher  SRäthfel  be«  inneren  SWenfchen  erfreuten,  fo  waren 
immer  auch  Einige,  welche  über  bie  grofje  Klarheit  unb  9iatür= 
(ichfeit  be«  Vorgetragenen  bie  9iafe  rümpften  unb  ba«  ®anje 
untDiffenfchaftlich,  mich  einen  „£albgelehrten"  nannten.  28enn 
ber  ^h^nolog  geiftreich  |>$ifofi>)>$if4  $u  erflitren  oerfuebte,  n>ie 
eine  tafee  mauft  ic,  fo  würbe  er,  wenn  auch  feine  Grrftä'rung 
^iemanben  befriebigte,  boch  bon  ben  ^t>c^tt>cifen  9ftännern  ber 
„Siffenfchaft"  gerne  al«  einer  ber  ihrigen  anerfannt :  bajj  er  aber 
bei  ber  ftafce  ein  ftarfe«  <Secretal,  beim  dichter  ein  ftarfe«  3bea= 
lital,  beim  rechtfehaffenen  ÜKann  ein  ftarfe«  (Sonfciental  blo« 


Digitized  by 


2tu«  meinem  Scfceit. 

r 


517 


einfach  a(«  oorfyanben  unb  angeboren  nacfymeift,  moburefy  ba« 
kaufen  bet  tafee,  ba«  £>ic$teriDerbett ,  ba«  töectytfcfyaffenbleibcn 
fl<$  gletd;  U)ie  ton  felbft  erHärt,  einet  fünftüäen  (Srftärung  ntcfyt 
erft  bebarf,  ba«  fteüt  in  ben  $(ugen  jener  Scanner  bte  ganje  bis- 
herige ©iffenfcfyaft  auf  ben  topf  nnb  mufe  untoiffenfc$afttic$  fein. 
O  ber  armen  ($ett)otNUjeit«uuffer!  Wein,  bic  toaljre  SBiffenfcfyaft, 
aud?  bic  oom  (Reifte,  ift  nur  unb  fann  nur  a t u r totffenfe^aft 
fein.  $öie  ber  "pljtyfifer  ober  (Stjenufcr  ba«  Si<$t  unb  bie  Sdftoer* 
fraft  unb  ben  ©auerftoff  ni$t  erft  macfyt ,  fonbem  a(«  oorljanben 
natyoeift  unb  betreibt,  fo  lägt  ber  toatyre  $eiftc«forfc$er  bic 
ßfyarafteraüge  unb  Ealentc  nid>t  fünftücfy  pfytfo[opfyifd&  entfielen, 
fonbern  er  fetyttbert  fie ,  nrie  fie  beim  attenföen  unb  beim  Stetere 
oon  Sflatur  oorljanben  finb.  Unb  fo  ift  bie  ®eifte«tel;re  au« 
einer  ßefyre  bunfter  unb  ftfytoerfäfliger  Qty>ot$efai  jur  Haren  9tatttr- 
nnffenfcfyaft  getoorben,  aüen  3Renf$en  jugängltd?,  für  aüc  eine 
t*efyre  ber  2Bei«ljett.  3ebermann  fann  bie  träfte  be«  (Reifte« 
fennen  unb  ocrftcfycn  fernen,  meiere  bie  9iatur  iljm  unb  HUen 
gegeben :  bte  nieberen  Sinne,  bie  er  mit  ben  Xlneren  gemein  l)at, 
unb  bie  ben  Söegterben  unb  £eibenfc$aften  ju  (Srunbc  liegen,  unb 
bie  tyityeren  Sinne  be«  ®emütlj«  unb  be«  $erftanbe«,  bie  tyn 
jum  üttenfctyen  ma^en  unb  gur  Leitung  unb  öeljerrföung  ber 
nieberen  bienen.  £>ur#  biefe  ®eifte«fctyre,  —  toetetye  in  ft$  felbft 
Seben«(efyre  unb  ©ittenteljre  unb  (£r$ieljung«(eljre  unb  SHeügion«- 
lefyre  ift,  —  eroacfyt  bie  üDlcnfctyfyeit  jur  ftemttmfj  unb  (5rfenntnt§ 
iljrer  fetbft,  tritt  fie  au«  ben  ttnberfcfyuljen  Ijerau«  in«  9lftcr  ber 
Vernunft.  £)ie  fommenbe  SWenfdföeit  wirb  einen  großen  <Stridj 
bur($  bie  ®ef<$ic$te  gießen,  um  bte  &e\t  oor  unb  naefy  biefem 
ifyrem  Grljrentage  gu  unterf Reiben.  — 

3$  gebe  no$  bte  Organenma&e  meine«  topfe«.  Sempera* 
ment:  neroö«*fanguinif^*p^Iegmatif(^.  Umfang  be«  topfe«: 
58,4  Gm.  Sänge  oon  Realität  ju  Snfantat:  19,s  Gm.  ©reite 
über  ben  Ctyren  oon  Petita!  51t  Hctital:  16,t  (5m.  ®eneratal  33/4, 
3nfantal  574,  (Soncentratal  5%  Slmicatal  5*/i,  Oppofitat  23/4, 
Slctitat  4»/8,  Secretal  3,  Slcquifital  23/4,  Gautal  3VS,  Opfotat  5V2, 
Slmbitat  43/4,  girmitat  6,  (Sonfcientat  b%  SBeneratal  3»/*,  <3pe= 
rata*  4»/a,  Bonität  5,  Omitatal  4,  2)HracuUtat  ö'/a,  3bealital 


Digitized 


518 


meinem  feben. 


48/*,  Comicatal  4 V*,  Realität  5!/4,  gormital  51/«,  SRumetatal  3, 
SBetbotal  3'/«,  Gonftructal  4,  3)2uficata(  gactital  3»/s,  £om* 
patital  5*/«#  ßaufatttal  43/|.  $)er  <3<$äbel  ift  auffattenb  bütm 
(toa«  mit  meinem  übrigen  fötoa^en  Shtocfyenbau  unb  mit  meinet 
allgemeinen  <ö($toä<$lic$feit  jufammentyängt) ,  faft  an  bei  ganjen 
Hinteren  £älfte  beffelben  taffen  fi$  bie  (Se^imminbungen  am 
äugeten  <5$äbel  etfennen.  3c$  fyabe  feinen  GtypäabguB  meine« 
Äopfe«,  unb  bie  Otganenbeurtfyeilung  be«  eignen  £opfe«,  toa*  ben 
,<pintetfopf  unb  bie  Hinteren  ©eitentijette  betrifft,  ift  jiemticfy 
fd&toierig,  weit  ba«  £afturtf)eü  übet  gönnen  etwas  unfietyer  wirb, 
fotoie  ttrir  bie  £anb  hinter  un*  btingen.  Xbet  iety  Ijoffe  bodj, 
ba§  wenn  tünftige  ^ßfytenologen  mit  meinem  <3$äbe(  in  bet  £anb 
bie  obigen  3ttaj?e  ptüfen,  fie  wenige  obet  nut  gelinge  geltet 
finben  Werben. 


Digitized  by 


£)ie  beutfcfye  Ötteratut  ber  ^fyrenotogte. 

WU  dinl^IuB  bet  in  früiiidfifdjer  unb  eiißlifdjer  Spraye  erfc^ienenen  3Bcrte 
»on  ©all  unb  Sput^etm. 


%vani  Sofepb  ©all  Wfofopfyifch >mebijintfd>e  Unterfua)ungen  Uber  Sfa* 
luv  unb  -H  mift  im  gefnnben  unb  tranlen  Auftaute  be«  tPt enfdjcit.  1.  $3b. 
JEBien  bei  ©räffer,  1792.  8.  —  2.  «uff.  Setyj.  b.  »aumgärtner  1800.  8. 
XII  u.  727  @.   (©all  auf  beut  SBege  jut  «Phrenologie.) 

?ub.  fjfriebr.  ^xet'xtp  2)arftettung  ber  ganjen  auf  Unterfua^ungen  ber 
Serrityungen  be«  ©ebirn«  gegrünbeten  S^eorie  ber  Wtjfiognomtt  be«  Dr. 
©äff  in  ffiien.  »eimar  im  Sfnbuftriecomptoir  (1800  u.  1801)  1802.  8. 
2Kit  $tpl  —  9to$gebru<ft  ffiien  1802.  8.  (Suerft  in  $oigt'«  neuem 
3Ragajin.) 

«eitrag  ju  $ra.  Dr.  ©all'«  ®a)äbeae&re  ober  Äurje  2ebeu«bef$reU  * 
bung  be«  §ranj  Sttttblberger« ,  eine«  3ttngling«,  beffen,  al«  eine«  »orjüg* 
li^en  Steiner«,  ©Ufte  in  be«  £ra.  Dr.  ©äff'«  (Sammlung  merftoürbiger 
ttyfe  aufgeftellt  ift.    SSien  bei  3)ofl  u.  ©räffer  1801.  8. 

$r.  §einr.  SWarten«  etwa«  Uber  bie  ^tyofioguomit  a(«  ©ettrag  ju 
©all'«  ItKin-ie  be«  ©ebirn<  unb  Öajäbelbaue«.  ?eity.  b.  Mittler.  1801.  8. 

r  critifc^e  2)arftettung  ber  ©atl'föen  anatomifö  *  ^ftofogiföen 
Unterfu^ungen  be«  ©ebirn*  unb  @ü>äbelbaue«.  9Kit  beigefügten  $iftortf($en 
«Rotijen  über  #rn.  Dr.  ©all  unb  beffen  neufte  <3$i(ffale  in  SBien.  3üri<$ 
b.  3ieg(er.    1802.  8. 

SDarfteffmtg  ber  neuen  auf  Uuterfuajungen  gegrünbeteu  £beerie  ber 
^^t>fiognomiI  be«  .§rn.  Dr.  ©all  in  Sien,  dritte  febr  »ermebrte  «ufl. 
Jfflien  1802.  8. 

«ort  «iü er«  Dr.  ©all'«  Barfleffung  be«  ©c^irn«  al«  Organ«  ber 


Digitized  by  Google 


520 


flttbang. 


©eelcnfäbigteüen  unb  ©emtttb«eigenfa)aften.  Siebft  bcr  Äunft  ba«  3nnere 
be«  SKenföen  au«  bcm  Heufjeren  feine«  <S<$äbel«  ju  erfenuen.  (Sin  @<$rei* 
ben  an  kubier.  Ueberfcfet  mit  meint  $emer!ungen,  3u^^n«  ßrweiterun 
gen  unb  ©att'«  eigner  SWatbricfjt  an  ba«  tuiblitum  mmcbrt  t>on  einem 
©$üter  ©all'«.  Sien  unb  ?eij>j.  b.  @<$iegg.  1803.  8.  SRit  1  Ä<>f. 
(14  ©r.) 

$r.  $einr.  harten«  leid)tfa&liü)e  25arfteffung  ber  Xbeorie  be«  ©e 
bjru*  unb  ©djäbelbaue«  unb  ber  barau«  entfaringenben  ^b,oftogncmif(^en 
unb  pft6fctc$\\ä)tn  Folgerungen  be«  Dr.  ©att  in  Sien.   9Kit  »fidft<$t  auf 
bie  bi«ber  barüber  erfajienenen  ©Triften,  ?eib$.  b.  See.  1803.  4.  (2  2tyr.) 

SWariu«  $ageborn  ©eföreibung  nnb  bilblicfc  Earftettung  ber  toent 
Dr.  ©all  im  ©ebjrn  entbedteu  Organe,  in  roelcber  ftorm  unb  ?age  fte  ft<$ 
äufjerlicb  am  @$äbel  barfteffen.  SWit  einem  in  @w«  mobcairteu  @<$abel. 
2)effau  u.  ?eibj.  b.  Sienbratf  1803.  8. 

3o.  Äari  ftriebr.  ?eune  Snttoidlung  ber  ©att'föen  £l>eorie  über  ba« 
©ebirn,  »orjüglidj  betrautet  al«  ein  3nbegriff  ber  Organe  unferer  tu  teilet 
tuetten  unb  moraltfäen  (Sigenf  haften.    3«.  Äbff-   Seibj.  b.  $inri($«  1803. 
8.    (1  2tyr.  12  ©r.) 

3o.  Dan.  SRefeger  über  ben  me  nid)  Ii  eben  topf  in  antfyropotcgifcfyer 
9cü(ffta)t.  9iebft  einigen  ©emerfungen  über  Dr.  ©all'«  §ira*  unb  ©$abet; 
t&eorte.   £önig«berg  1803.  8. 

3©.  «bam  »ergt  »emerfungen  unb  3»eifel  über  bie  ©efjirn*  unb 
©^»bcltbeorie  be«  Dr.  ©all  tu  Sien.   ?eib$.  b.  «ein.   1803.  8. 

Cßb.  %x.  bon)  Saltber  neue  2>arfteaungen  au«  ber  ©att'fäen  ©e- 
tyirn*  unb  @<$äbeflebre,  al«  (Erläuterungen  ber  fcorgebrudften  SJerttjeibigung«* 
fd^rift  be«  Dr.  ©all,  eingegeben  bei  ber  nieberbfterrei<$ifa)en  ^Regierung. 
3Rit  einer  Hb^anblung  über  ben  Sabnftnn,  bie  ^äbagogi!  unb  bie  ^b^fto* 
lügte  be«  ©ebjrn«  naa;  ber  @au"f($en  Stbwrie.  3Rnn$en  bei  euerer  1804. 
8.    (18  @r.) 

Äarl  .<p einrieb  Sdjunbentu«  (2>jonbi)  bie  Organe  be«  ©ebjtn«  nad? 
Dr.  ©att'«  ©eobad)tungen.  (Sine  SJortefung.  Sittenberg  bei  3immermann. 
1804.  8. 

Sity.  ©ottl.  Äcla)  über  ben  @<$äbel  Äant'«,  ein  Beitrag  ju  ©att'« 
$irn*  unb  @ä)abeffebre.    £bnig«berg  1804.  8. 

3o.  fc&eob.  &erb.  Äajetan  »rnolb  ©att'«  e»ftem  be«  ©etynu  unb 
<2><bäbelbaue«  nacb  ben  bi«  jetjt  über  feine  Xbeorie  erfebtenenen  ©Triften. 
911«  Peitfaben  bei  afabemifeben  Sorlefunaen  baraeneflt.  Spitt  1  erlüuternbeu 
Äbf.   Arfurt  b.  Penning«,  1806.   8.   304  <§.   (1  Xblr.  10  @r.) 

«u«ftit>rlia>e  2>arftettung  be«  ®  a  ( I '  fernen  ©bftem«  ber  ©^äbeüe^re. 
9?ad)  ben  neuefteu  SJorlefungen  be«  ^rn.  Dr.  ©all  bearbeitet,  äftagbeburg 
b.  Äeil.    1805.   8.    112  ©.   Sbenbaf.  b.  $etnrt$«$ofen.    1806.  8. 

©.  (5.  ö.  ©elbert  Dr.  ©aK'S  ^orlefungen  über  bie  herrief; tunken 
be«  ®et;trn«  unb  bic  SRögli^leit,  bie  »nlagen  mehrerer  ©eifte«'  nnb  ©e* 


Digitized  by  Google 


«Wang.  521 

mütb«etgenfd)aften  au«  beut  «aue  be«  @d)äbel«  ber  2>tenfd)en  unb  i^icrc 
gu  erfennen.   ©erlitt  b.  Uttger  1805.  8. 

»ntt  =  ©all  ober  fraitioffobifd}e  Fragmente  für  Sefer  unb  5Hiä)tlefer 
ber  @ö>äbettebre.   Seift,  b.  »ruber  1805.  8. 

3o.  ©ottl.  Salter  etwa«  über  £rn.  Dr.  ©all'«  $irnfd>abeffebre. 
2>em  Berliner  ^ublifum  mitgeteilt,  «erlitt  b.  Segeuer.  1805.  .8. 
2.  ebenbaf. 

Gfyriftotf  #einr.  (Sraft  «ifd)off  2)arftettung  ber  @alVfd)ett  ©ebjrtt* 
unb  ©djabefletyre  ;  nebft  «emerfuugen  über  biefe  £efcre  bon  (Stjrifto^b,  Sil' 
heim  $ufelanb.   «erlin  b.  Sittid)  1805.   8.    (16  ©r.) 

©cerg  Huguft  ftlemming  3*ectt  ju  einer  fünftigett  «eurtt)eüuug 
ber  ©all'fdjen  llnterfudjungen  ber  Verrichtungen  be«  ©ebirtt«,  ber  ©etjtrn* 
unb  @d)äbeltt;eorie  be«  Dr.  ©afl,  mit  befouberer  9^itcffi<^t  auf  bie  «crgl'* 
fd)en  «emerfuugen  unb  3»eifel.   «erlin  b.  <Sd)öne.    1805.  8. 

Bug.  <5buarb  Äefjler  Prüfung  be«  ©att'fdjen  ©bfcm«  ber  $irn»  unb 
<3A)äbellebre.   3ena  u.  getft.  b.  ©abler.    1805.  8. 

(#einr.)  «Steffen«  bret  «ortefungen  über  $rn.  Dr.  ©alT«  Organeu* 
lebre.   £atte  in  ber  eocietät«bud)b.  1805  .  8. 

Äarl  »ug.  «löbe  Dr.  3.  ©all'«  ?ebre  über  bie  «errid)tuttgen  be« 
©etnrtt«,  nad)  beffen  ju  2)re«ben  gehaltenen  «orlefungen  in  einer  fafjlid)en 
Orbnung  mit  gemiffenbafter  £reue  bargefteflt.  2Rit  einer  breifadjen  »Ab* 
bilbung  eine«  toon  ©all  be$eid)neten  ©d)abel«.  3)re«ben  b.  Slrnolb  1805. 
8.    2.  vermehrte  u.  *erb.  Büß.  ebenbaf.  1806  .    8.    XX  u.  188  @. 

«eleuditung  ber  ©att'fdjett  ©et)irn*  unb  ©dtäbefletyre  burd)  Vernunft 
unb  Erfahrung  geleitet  ton  einem  toon  aller  ^arteilict)!cit  freien  «eobadjter; 
für  «erjte  unb  5Rid)tär$te.  ÜRit  1  Stpl  «erlin  b.  @d)ime  1805.  8. 
(1  ZtyT.  4  ©r.) 

Reifen  eine«  €d)äbellehrer«.  (Sine  launige  ©cfd) icb)te ,  julefet  ein 
crnftyafter  Anhang,  ^atte  b.  £enbel.  1806.  8.  äRit  iHumitt.  £irelm> 
nette  unb  1  Äbf.  in  4. 

3of.  ©alt  meine  Steife  burd)  Xeutfdtilanb ,  nebft  battjognemifdten  «e* 
merhmgen  über  meine  gemalten  «elattntf haften  unb  einzig  ttxtt)re  E>ar 
ftetlung  meiner  Set)re,  für  ftrcuube  unb  fjfcinbe.    O^ne  Spudort  ($ena) 
1806.    12.   (t  £bjr.  16  @r.)   (©all  erftärte  in  ber  Hamburger  3eitung, 
baß  bie  @d?rift  nidtt  toott  ihm  fei.) 

Die  $irnorgane  be«  ÜRenfd>en,  nad>  ©all'«  «emerhmgen.  2Wit  2 
.HiMf.   £obent)agen  b.  «runner  1806.  8. 

3o.  äRenbel  ©all'«  «orlefungen  fritifc^  analbftrt.  «erlin  b.  @d)mibt 
1806.  8. 

3ac  ftibeli«  «derma nn  bie  ©all'fd)e  #irn*,  ©d)äbel*  unb  Organen« 
leb.ret  bom  ©eftd)t«bunft  ber  Erfahrung  au«  beurteilt  unb  miberlegt.  #ei* 
belberg  b.  Mofa  u.  3immer.    1806.    8.    203  @.    (20  ©r.) 

«eantoortung  ber  B<ter  mannten  «eurtyeiluna,  unb  Siberleguna. 


Digitized  by  Google 


522 


Entlang 


ber  ©aH'töen  #irn*,  @d)abel*  unb  Organeulebre  t>om  ©eftcht«putt!te  ber 
(Srfabrung  ou«.  ©ou  einigen  ©gittern  be«  Dr.  ©all  unb  *on  ibm  felbft 
berichtigt.  Satt,  in  ber  @ocietät«buchh.  1806.  8.  X  u.  407  @.  (2£blr.  6©r.) 

(Srnft  ©artel«  antbropologifd)e  ©emcrfungen  über  ba«  ©ebirn  unb 
ben  i3(bäbei  be«  2Renfd)en,  mit  beftänbiger  ©ejtebung  auf  bic  ©att'fcbcn 
(Sntberfungen.   ©erlin  b.  Oebmiglc.   1806.  8. 

3o.  ftricbr.  Silb.  $tmlü  (Srörtcrung  be«  ©aU'fchen  ©erfud)«  eiuer 
fortgelegten  ©ehirnlehr« ,  nad)  feinem  pfod)ologifchen  ©ehalte.  #affe,  in  ber 
@ocietät«bucbh.  1806.   (1  Ib.fr.)  »euer  Xitel:  »ubolftabt,  $ofbud)banbl. 

1807.  (18  ©r.) 

(<StcpbO  lug.  SB i ntel manu  Beobachtungen  Uber  SBabnftnn,  nebft 
Prüfung  ber  ©alTfchen  @d)abettebre.  (Buch  unter  bem  ütel:  «ro>iü 
für  ©cmfitb>  unb  Wemnfranrbeiten.  1.  GM.)  ©erlin  b.  Oebmigle. 
1806.  8. 

3o.  gricbr.  Silb.  $iml$  ©all  unb  2a»atcr.  ©citrag  jur  »ergleio>en* 
ben  ffiürbigung  ber  alten  unb  neuen  ^btjftognomir.   ©erlin  b.  ©raune« 

1808.  8. 

3o.  (Sbriftian  üoffiu«  bie  ©a^cbe  ©chabettebrc  in  Iritif c^cr ,  pfocbo* 
logifdjer  unb  moralifc&cr  $inftd)t  betrautet,   (Erfurt  b.  ©ebbarb.    1808.  8. 

(Söernbarb)  £uber  ©au"«  ?ebre  unb  ba«  ©efefe  ber  ©etoobnbrit. 
©afel  b.  ftfid  1808. 

ftranj  30f.  ©all  unb  3o.  <Safp.  ©purgheim  Unterfudjungett  über 
bie  Anatomie  be«  ftertocntyßcm«  überhaupt  unb  be«  ©ebirn«  inabefonbere. 
(Sin  bem  ftranjö'fifchen  3nftitut  überreichte«  2Rcmoire.  Webft  bem  ©ericbte 
ber  (Sommiffion  be«  3nfHtut«  unb  beu  ©emerfungen  ber  ©erfaffer  über 
biefen  »erid)t.  $ari«  unb  ©traßburg  b.  2reuttel  unb  SBttrfc,  1809.  8.  2Rit 
3  Äpff.  XII  u.  468  ©.  (2  2blr.  12  ©r.)  3ugletd>  mit  ber  franj.  Bu«* 
gäbe  erfcbtenen. 

Franc.  Jos.  Gall  et  J.  Gasp.  Spur l heim  anatomie  et  Physio- 
logie du  Systeme  nerveux  en  gcneral,  et  du  cerreau  en  particulier, 
avec  des  observations  sur  la  possibüite'  de  reconnaltre  plusieurs  disposi- 
tions  intellectuelles  et  morales  de  l'homme  et  des  animaux  par  la  con- 
tiguration  de  leurs  tetes.  Paris  1810 — 20.  4.  ©ier  ©be.  unb  3tfa« 
in  100  £af.  ftol.  (9htr  bie  betben  erften  ©änbe  in  ©erbittbung  mit  <3pur^ 
beim.)  jDeutfd):  Anatomie  unb  ^bwftologte  be«  9Zert>enf Aftern«  im  9flge* 
meinen  unb  be«  ©ebirn«  iu«befonberc.  9Wtt  ©eobad)tungen  Über  bie  SWög* 
ticbteit,  bie  Anlagen  mehrerer  ©eifte«;  unb  ©emüth«eigenfd)aften  au«  bem 
©au  be«  Äopfe«  bcr  2Jcenfd)en  unb  £biere  ju  ertenuen.  1.  ©b. :  (Stttbal* 
tenb  bie  Anatomie  unb  ^ftologie  be«  5Rert>enfoftem«  im  Allgemeinen  unb 
bie  Anatomie  be«  ©cbirn«  in«befonbere.  3Rit  17  Äbftaf.  $art«  b.  Schöll, 
1810.  8.  (38  £blr.)  2.  ©b.:  (Sntbaltenb  bie  ^fwlogie  be«  ©ehirn« 
iu«befoubere.   2Rit  27  tfpftaf.    IJari«  ebenbaf.  1812.   8.   (42  Ztyx.) 

Franc.  Jos.  Gall  et  J.  Gasp.  Spuraheim  des  dispositions  innres  de 


4 

Digitized  by  Google 


Anfang.  523 


1'ämc  et  de  l'esprit;  du  matdrialisme ,  du  fatalisnie  et  de  la  liberte  mo- 
rale,  avec  des  reflexiona  sur  l'cdueation  et  sur  la  legislation  criminelle. 
Paris  1812.  8. 

(Jo.  Casp.)  G.  Spurzheim  the  physiognomical  system  of  Drs. 
Galt  and  Spurzheim:  founded  on  an  anatomical  and  physiognomical 
examination  of  the  nervous  system  in  general ,  and  the  brain  in  parti- 
eular;  and  indicating  the  dispositions  and  manifestations  of  the  mind. 
Being  at  the  same  time  a  book  of  reference  for  Dr.  Spurzheim's  de- 
monstrative lecturcs.  Illustrated  with  19  copperplates.  London  1815. 
8.  —  The  second  edition  greaüy  improved.  London  and  Edinb.  1815.  8. 

—  on  the  physiognomical  system  of  Drs.  Gall  and  Spurzheim. 
London  1815.  12. 

—  phrenology  or  the  doctrine  of  the  mind  and  of  the  rclation 
between  its  manifestations  and  the  body.  London  1815.  8.  Mit  15 
Abbildungen. 

—  observations  on  the  deranged  manifestations  of  mind  or  insanity. 
London  1817.    8.    Mit  4  Taf. 

—  examination  of  the  objections  made  in  Britain  against  the  doc- 
trines  of  Gall  and  Spurzheim.    Edinburg  1817.  8. 

—  observations  sur  la  folie  ou  sur  les  derangements  des  fonetions 
morales  et  intellcctuelles  de  l'homme.  Paris,  Strasbourg  et  Londres, 
1818.    8.    Mit  2  Taf. 

—  observations  sur  la  Phrenologie  ou  la  connaissance  de  l'homme 
moral  et  intellectuel ,  fondee  sur  les  fonetions  du  Systeme  nerveux.  Paris 
1818.    8.    Mit  1  Steindr. 

—  essai  philosophique  sur  la  naturc  morale  et  intellectuelle  de 
rhomme.    Paris  et  Strasb.  1820.  8. 

—  view  of  the  elcmentary  principles  of  education  founded  on  the 
study  of  the  nature  of  man.    Edinb.  1821.  12. 

@.  ©purjbetm  pbilof.  SJerfud)  über  bie  moralifd)e  unb  intcttcltutöc 
ftatur  be«  2Jcenjd)en.  %.  b.  ftranj.  unt,  mjt  antnerf.  begleitet  bon  3.  3. 
#ergenr3tber.   SBttrjburg  bei  @tabel.    1822.  8. 

Franc.  Jos.  Gall  sur  les  fonetions  du  cerveau  et  sur  celle  de  chacune 
de  ses  parties,  avec  des  observations  sur  la  possibilite'  de  reconnattre  les 
instinete,  les  penchans,  les  talens  et  les  dispositions  morales  et  intellec- 
tuelles  des  hommes  et  des  animaux  par  la  configuration  de  leur  cerveau 
et  de  leur  täte.    Paris  1822—25.    8.    6  Bde. 

Fran$.  Jos.  Gall  et  J.  Gasp.  Spurzheim  sur  les  fonetions  du  cer- 
veau et  sur  celle  de  chacune  de  ses  parties.  Paris  1825.  8.  6  Bde. 
(25a«  üortge  3er!  bauptfätfitid)  mit  SBeglaffung  be«  &natomifd)en.) 

3.  ©orott  Slfroama  über  ®att'«  ©djabeffebre  mit  nüfeltcben  unb  utt= 
terbattenben  9?efler>!ten  für  gebilbete  ?e[er.  3ittau  bei  @d)ity«  1825. 
8.   (4  Or.) 


Digitized  by  Google 


«nbang. 


(Jo.  Casp.)  C.  Spurzheim  a  view  of  the  philosophical  principles 
of  Phrenology.    London  1825.  8. 

—  the  anatoray  of  the  brain  with  a  gencral  vicw  of  the  nervous 
syntein.    Lond.  1826.    8.    Mit  11  Taf. 

(Jo.  Casp.)  G.  Spurzheim  Phrenology  in  eonnexion  with  the 
Btudy  of  phyaiognomy.  Part.  1.  Charactcr  With  34  plates.  London 
and  Edinb.  1826.  8. 

—  outline»  of  phrenology;  being  also  a  manucl  of  reference  for 
the  marked  busts.    With  a  frontispice.    London  1827. 

ftr.  3of.  ©all  neue  ^büftologie  be«  ©ebirn*  unb  Wttdjologie  be« 
menfcblitben  ©eifte«.  21.  u.  b.  X. :  $oKftänbige  ©etfte«funbe  ober  auf  @r» 
fabrung  geftüfete  2>arfteffung  ber  geiftigen  u.  ntoral.  gäbtglctten  unb  ihm- 
lörperlitten  iöebingungen.  ftreie  Ueberfefcung  ber  6  sBänbe  von  ©all'«  Dt 
ganologte.  9Jiit  1  «Stcinbr.  9£ürnb.  b.  Seud)«.  1829.  8.  2.  oerm.  Stuft. 
1833.    (2  £btr.)   (©uter  Hu«jug  au«  ©all.) 

S)a«  ©att'fcbe  ©öftem  ber  @d)äbel lehre  (Sranioflopie).  Ucber  bic 
Bftfaigteiten  unb  träfte  be«  2flenfd)en  unb  bie  Serricbtungeu  be«  ©ebirn«. 
SWad)  ben  legten  t>om  Dr.  ©alt  !urj  »or  feinem  £obe  gemachten  93eobad)* 
tuugen  (!)  unb  nad)  ber  2.  »orn  Dr.  ftoffatt  mit  ber  größten  ©orgfalt  »er* 
mebrten  unb  »erb.  Auflage.  9Kit  iUum.  unb  ftbioarjen  «bbtlb.  ?eibjtg  b. 
©aumgärtner.  1880.    1  «latt  in  $ol.   (16  ®r.) 

$.  Ungern  Itter  bie  $aubtlebren  ber  ^bbftognomtf,  ©£bäbellcl>re 
unb  anberer  Xbeorien  jur  ©eurtbeilung  be«  äußeren  SKenfdjen  au«  ber  §aU 
tung  be«  Äerber«,  bem  ©ange,  ber  $anbfd)rift  u.  f.  n>.  9?ad)  i'aoater,  ©äff, 
@ane,tto,  Garnier  u.  21.  bearbeitet.  SWtt  47  Bbbilb.  auf  16  £af.  Ilmenau 
b.  «oigt.  1830.  8.  (1  2b,tr.  16  ©r.) 

©eorge  (Sombe  ©bftem  ber  ^brenologie,  Überfefet  oon  <S.  öb.  $trfd)fclb. 
JSraunfd)tt>.  b.  SJiemeg.  1833.  8.  XIV  u.  498  <3.  u.  9  litt).  £af.  (3  £btr. 
12  ©r.) 

—  2>a«  fBefen  be«  3Kenfd)en  unb  fein  «erbättniß  jur  »ufjentoelt.  Xu« 
b.  (Sngl.  b.  <Sb.  $irfd)felb.  «remen  b  $eofc.  1838.  8.  XXII  u.  423  @. 
TO  etngebr.  $oljfd)n.   (l  £$Ir.  16  ©r.) 

9lidjarb  £bene»ir  über  ©efd)id)te  unbSBefen  ber  sJtyrenotogie.  Ueberf. 
ton  Sernb.  Cotta.    2>re«ben  u.  Seidig  b.  Xrnotb.    1838.  8.  (18  @r.) 

91.  91.  ÜJioel  einige  Sßorte  über  ^Phrenologie,  hervorgerufen  burd)  einen 
Xuffafe  in  bem  9ftagajin  f.  b.  Literatur  be«  2lu«lanbe«.  2)re«ben  u.  Scip}. 
b.  Xrnolb.    1839.    8.    (6  ©r.) 

einige  SBorte  über  bie  geiftige  ©eljanblung  ber  erften  #inbbeit.  Eu« 
b.  (Sngt.  be«  Slnbr.  Combc  ton  <5b.  ^irfdjfclb.  3um  Seften  ber  Bremer 
tinberbetoabranftalten.   ©remen  b.  £cbfe.    1841.    8.   (4  @r.) 

(Sari  ©uftao  <Saru«  ©runbjüge  einer  neuen  unb  nnffenfd)aft(td)  be* 
grünbeten  (Stanioftopie.  2Rit  2  lityogr.  £af.  ©tuttg.  b.  ©alj.  1841.  VIII 
u.  87  @.   (1  Iblr.)  ((Sine  trefflidje  «riti!  biefer  ben  <Staubpunft  ber  <TCa> 


Digitized  by  Google 


«nhang.  *        .  525 

turtoiffenfchaft  in  merhoürbiger  Seife  oerteugnenben  (anti^renologtf^en) 
@($rift  entert  ba«  fofgcttbc  Serf  oon  SRoet,  l.  Suff.) 

Dt  9t.  9Zoet  ©runbjtige  ber  ^renofogie  ober  Anleitung  jum  ©tubium 
biefer  Siffenfcbaft ,  bargeftefft  in  fünf  Sortefungen.  2>re«ben  u.  fieipjig  bei 
2lrnolb.  1841.  8.  VI  u.  378  <2>.  mit  10  lithogr.  $af.  (1  fc^r.  6  ©r.) 
3»eite  ftarf  oerm.  u.  oerb.  Stuft.   1846.   (3  Ztyx.  24  %r.) 

3.  S.  8.  ©rohmann  IJnterfuchungen  ber  ^renologie  ober  ©aU'fcben 
©chäbeffehre.  ftttr  2Jcenfchenf«mtnif?,  ©eetenlunbe  unb  päbagogif.  3flit 
5  lity.  tafeln,   ©rimma,  $ertag«coml>t.    1842.  8. 

Stttomtjr  itjeoric  ber  Verbrechen  auf  ©runbfäfce  ber  Senologie  baftrt. 
i'eipjig  b.  ©.  Siganb.    1842.  8. 

?eitfaben  ju  ben  ^renol.  »orlefungen  »on  ©eorg  <£ombe  au«  öbim 
bürg,    ätamjeim,  gebr.  bei  $off  u.  Käufer.    1842,   8.    14  ©. 

(5.  ©.  (£aru«  Sttfaö  ber  (Sranioffopie  ober  abbübungen  ber  ©djäbel- 
unb  9tnttifcformen  berühmter  ober  fonft  merhoürbiger  perfonen,  $eft  1. 
Setyjig  b.  SEBetcharbt,  pari«  u.  Sonbon  b.  SBailliere,  1843.  ftol.  24  ©.  u. 
10  @teinbrucf  tafeln.    2.  §eft  1845. 

©uftao  o.  @tru»e  bie  Senologie  in  unb  außerhalb  $eutfa)(anb. 
9Kit  Sitethtpfer  u.  5  (eingebr.)  Hbbilbungen.  $eibetberg  b.  ©roo«.  1843. 
8.    57  6. 

—  Sie  @ei$ic$te  ber  Phrenologie.  2Rit  l  Sitetb.  #eibelberg  b.  ©roo«. 
1843.    60  @. 

©uftao  o.  ©trutoe  unb  (Sbuarb  $irfchfelb  3eitfärift  fiir  Phreno« 
logie.  Unter  SWittmrtung  oieter  (belehrten  herausgegeben.  3  S3be.  ju  je  4 
Cuartatbeftcn.   #eibetberg  b.  ©roo«.  1843—1845.  8.  (k  »b.  2  X^tr.) 

5Df.  fiaftfe  pfyrenotogiföe  Hnatyfe  be«  (Sharalter«  be«  $rn.  Dr.  3nfti- 
nu«  Äerner.  9Äit  einem  ©riefe  be«  £rn.  Dr.  ferner  über  ba«  Serf  an 
ben  Serf.   3».  Äerner'«  SBilbnifj.   #eibetb.  b.  ©roo«.   1844.  8.  75  ©. 

9W.  <£aftle  Phrenot.  Unterfu^ung  be«  Dr.  2)aoib  Biebrich  (Strauß, 
burch  affgemeine  ^renologifäe  unb  ^^ttofop^tfc^e  Änmerfungen  erläutert. 
$eübronn.  1844. 

Dr.  (5b.  $irfchfelb  Umriffe  ber  Phrenologie,  ©er  Waturforfcheröer* 
fammlung  in  ©remen  gaftlicb  bargeboten,    ©remen  1844.  8. 

?ubto.  (5h  out  an  t  »orlefnng  über  bie  «ranioflo^ie  ober  ©chäbellchre, 
oor  einem  Äreife  gebitbetcr  Wichtärjte  gehatten.  9cebft  einem  «nbang :  bie 
©efammttiteratur  ber  tranioftofcie  oon  ©äff  bi«  auf  unfere  Seiten.  2>re«ben 
unb  Seidig  bei  »rnotb.    1844.    8.  8t  <2>. 

(Sin  ©ort  über  bie  Phrenologie  ton  einem  Brjte.  Seidig  bei  ©e* 
bauer.    1844.  8. 

JDie  Phrenologie  oom  »iffcnidiaftiicbeu  rtautiMtnfte  au«  beleuchtet  oon 
©.  2Jc  e  oer.  Bübingen  1844.  8.  (2)iefe  unb  bie  oorige  ©dhrift  forecben 
gegen  bie  Phrenologie  oom  Stanbpunfte  ber  9Jichtfenntnifj  ber  @ache  au«.) 

©uftao  ö.  ©truoe  unb  Dr.  @b.  $irfchfelb  Sula«  jur  örtöuterung 


Digitized  by  Google 


526 


ftnfrattg. 


ber  Setjre  toon  ben  Verrichtungen  te«  ©ebirn«  (12  oon  ©all'«  lafeln).  9ftit 
beutfchem,  frans,  n.  engl.  £ert.  gr.  ftol.  Jpetbelberg  1844,  bei  ©roo«. 
(3  Xtyx.)   (@etjr  brauchbar.) 

©ufta*  ».  <5tru»e  #anbbuch  ber  Phrenologie.  2Äit  6  litb.  £afeln 
unb  £ert*«bbilb.    ?ei*jig  bei  «rocfbäu«.    1845.    8.    (2  Styr.  8  ©r.) 

Dr.  3».  SafUe  bie  Phrenologie,  mit  2  Safein  Hbbüb.  (Stuttgart 
b.  Ärabbe.  1845.  8.  (2  Xtyx.)  ((Sin  gute«  fcanbbucb  bet  Phrenologie, 
boa>  weniger  für  ben  Anfänger  geeignet,  at«  ba«  ton  (Sombe,  ttberf.  »on 
$irfchfelb,  ba«  oon  Moel  ober  ba«  toon  ©tru»e.  Unter  biefen  brei  febr 
brauchbaren  ^anbbüa>ern  möchte  ba«  »on  iKoel,  2.  »ufl.,  ben  Vorjug  »er- 
bienen.  @ehr  ju  empfehlen  ift  auch  ber  in  Dürnberg  1829  (1833)  erfaßte* 
nene  recht  gute  Hu«jug  au«  ©all'«  SBerf,  f.  oben.) 

Dr.  (ingelbue  u.  Dr.  (SUiotfon  jur  Sttrbigung  ber  phöftologie 
be«  ©ebirn«  unb  be«  9)iateriali«mu«.  92ebft  ÜRittheilungen  Uber  ben  (SinfUifj 
be«  tbieviidtcu  SDiagneti«mu«  auf  bie  Xhätigfeit  ber  ©ebirnorgane.  3Äit 
Sfitiiit.  ber  pbvonoi.  Vttfte  unb  beren  örtlärung  nach  ©eorge  (Sombe.  Berlin 
b.  Äraufe.  1846.  ('/» Xtyr-)  (2)ie  $botfachen  be«  (Sinfluffe«  be«  tfcierifü)en 
2Ragneti«mu«  auf  bie  X&atigfeit  ber  ©ehirnorgane  fmb  hW  intereffant.) 

»ernb.  Cotta  »riefe  über  »ler.  ».  $umbolbf«  £o«mo«.  geizig  bei 
«rnolb.  1848.    ((Snthält  eine  febr  »orjüglia>e  2)arfteUung  ber  Senologie.) 

3-  @>among  bie  »okuläre  Phrenologie  ober  fta)ere  atterfmale  ber 
Neigungen,  Talente  unb  ftähigfeiten  ic.  be«  SMenfcben,  ganj  einfach  an  ben 
Heineren  ober  größeren  Erhöhungen  unb  Vertiefungen  feine«  ^irnfa>3bel« 
ju  erlennen.    ?eiüjig  bei  pönicfc.    1850.  8.  («/4  Xtyx.) 

Prof.  3ul.  2  d)  aller  bie  Phrenologie  in  ihren  ©runb3Ügen  unb  nach 
ibrem  wiffenfcbaftl.  unb  »raftifchen  SSerthe.  3)lit  1  £af.  Bbbilb.  Üei&jig 
bei  ©eibel.  1851.  8.  («/,  Xtyx.)  (2>er  Verf.  Witt  »on  tont  roiffenfehafttichen 
Söertb  ber  Phrenologie  f»recben,  ohne  auf  feinem  f»eculati»-»bi'°fatobif<hen 
©tanbtounfte  nur  ju  atmen,  baß  bie  ^^renologie  Stfaturmiffenfchaft  ijt,  — 
oon  beren  &raftifa)em  Söerth,  ohne  eine  einjige  ihrer  £batfaa)en  torafrifa) 
geprüft  ju  hoben.) 

©.  @che»e  Äate<hi«mu«  ber  Phrenologie.  2Kit  Sitelbilb  u.  18  in  ben 
Xtxt  gebr.  »bbilb.         b.  SBeber.    1851.  8.  6.  «ufl.  1874.  (»/3  Ztyx.) 

—  Phänologie  unb  aOlebijin.  «u«  meinen  rotffenfchaftl.  SBegegniffen  ju 
Hamburg.  3Rit  £itelbilb  u.  7  in  ben  £ert  gebr.  «bbilb.  Seifo.  b.  SBeber. 
1861.  («/«  Xf)lx.) 

<£.  @.  «llhufen,  ©ehirnlehre  nach  Dr.  ©all.  1  Vog.  gr.  gol.  Äiel, 
«Itona  Verlag«bureau.  1851.    (1»/,  Xtyx.) 

9J.  Si.  9?oel  bie  ©egrünbung  unb  ba«  SBefen  ber  Phänologie.  2)re«- 
ben  b.  »rnolb.    1852.  8.    (6  5Rgr.) 

3>ie  Phrenologie  ober  öeifte«lehre ,  ein  fixerer  Bewei«  für  (ihrifti 
unübertreffliche  Sehren  unbegrenzter  aWenf^nliebe.  Von  einem  ibrer  SBer^ 
ehrer.   »re«lau  1852.  8. 


Digitized  by  Google 


fcnfong.  527 


Dr.  Äari  @($mibt  ant&ropofogifcbe  »riefe.  3Me  Siffenf^aft  »om 
9Renfd)en  in  feinem  Se&en  unb  in  feinen  Sbaten.  Sitten  ©ebübeten,  t>or* 
jüglin)  allen  Sc^rern  unb  Gqieberu  genubmet.  SWit  56  litb.  HbbUbungen. 
2>effau  b.  Äafc.  1852.  8.  663  ©.  ((Sin  umfaffenbe«  $anbbu$  ber  pbxt* 
nologifdjen  Anthropologie.) 

3.  3.  92a ue  SWimifcfc^brenoJogifdje«.  2)ic  Senologie  iut  ©erbältnijj 
jur  bilbenben  £unfk  be«  «Itertbum«  unb  ber  3e^tjeit.  9Wit  14  litb.  Bbbilb. 
tfbtben  b.  «gtyettler.    1853.  8. 

ibtologifc^e  3*>tfragen,  beantwortet  toon  Dr.  Äarl  @d>mtbt.  Äöt^en 
b.  ©Bettler.  1863.  8. 

Dr.  Äart  @a)mibt.  2)ie  Harmonie  ber  «Selten.  Seidig  bei  ©eibef. 
1853.  8.   (*Bae  »om  *>breno(.  ©efK$t«punft  au«  bie'^büofo^ie  ift.) 

ftr.  Seinfnen>t.  Umriß  ber  ^brenologie.  ein  ©eitrag  jur  «er* 
breitung  biefer  ?eb.re  be*  ©eifie«.    8unjlau  1853.  Xbjr.) 

Dr.  Äaii  Schmitt  söu($  ber  (Srjieljung.  3Me  (Sefefce  ber  (Srjiefmng 
unb  be«  Unterricht«  gegrttnbet  auf  bie  9iaturgefefee  be«  menfeb,  lidjen  ?eibe« 
unb  ©eifte«.  sörtefe  an  (Sit  an,  Setjrer  unb  (Srjictjer.  9Hit  8  ^oljfdmitten. 
Äötben  b.  Bettler.  1854.  8  536  @.  2  £t)(r.  ((Srjietmng  unb  Unter* 
ri$t  nach  pt)reno(ogifc$en  ©runbfäfeen.) 

©.  @ct)eöe  ^t)renofogifa;e  fteifebilber.  9Rit  $ol;ifc$nitten  unb  einer 
@teinfcru(ftafei.   Äötben  b.  e^ett(er  1863.   (24  <Rgr.) 

—  $t)rcno(ogifc$e  ftrauenbilber.  2>re«ben«  @d)riftftetterinnen  ber  ©egen- 
mart.    2>re«ben  b.  @a)b>ff.    (24  <Rgr.) 

—  Die  UngöttH^Ieit  be«  ^Japfttbum«  unb  bie  Äir<$e  ber  Sntonft- 
«Stuttgart  b.  $eifc.  1873. 


kalter  Wiaanb'd  Dudibrurffrei  in  Ufioiia 


3m  ©eriage  be«  Unterjeicbneten  ift  fetner  erfcbienen  unb  bnnb  atte 
$H(bbanbfungen  jn  bejieben: 

tfiutcdusnuis  der     Ii r cn o I u i| i o 

■ 

■ 

(Süßau  Sditiif. 

mit  SitelbUb  nnb  18  in  ben  Stert  gebrueften  «bbilbnngen. 

@e<t#e,  ütrbcffcrte  «uflofle.  1874. 

$rei« :  10  «gr. 


«rfltr  «kfiWtt.     ©ninbjügc  ber 
^brenologie. 

1.  Die  ©eifte«iebre. 

2.  Die  Organenlebre. 
Swrttcr  ÄbfdMittt.    3ur  ©efc&icbte 

ber  *ßbrenoIogie. 
Dritt«  »Mufti.    Sier  |>breno(©: 
gifebe  ©ä&e. 

1.  Dal  ©ebirn  ift  ba«  Organ 
be«  ©eifle«. 

2.  Da«  ©ebiru  ift  nid>t  ein  ein* 
fa(be«,  fonbern  ein  jufammen* 
gefegte«  Organ. 

3.  Die  ©röße  be«  ©ebiru«  ift 
bei  gleicben  übrigen  Verbau 
niffen   ein   SÄaßfiab  feiner 
«raft. 

4.  Die  ©eftalt  be«  ©eljirn«  ift 


au«  ber  äußeren  Äopfgeftalt 
erfennbar. 
Vierter  Vlbfdjnttt.    Die  ©runbfräfte 
be«  Weifte»  unb  ibvc  Organe. 

1.  Die  nieberen  ©iune. 

2.  Die  ©emfitbtfcnne. 

3.  Die  $erftanbe«fmne. 
fünfter  s.»lbfdjnitt.   fragen  au«  ber 

SSiffenfcbaft  unb  bem  ?eben. 
1  •      fielst  ti^Jcit* 

2.  Die  befte  ©eifte«;  ober  @e< 
birnbilbung. 

3.  2Renf<benrenntmfj. 

4.  ^bbfiognomit. 

5.  aWateita(i«mu« ;  SBÜIen«freü 
beit. 

6.  Die  «nwenbung  ber  ^Jbre^ 
nologte. 


Digiti^d  by  Googjj 


This  book  should  be  return 
the  Library  on  or  before  the  la 
stamped  below. 

A  flne  of  flve  cents  a  day  is 
by  retaining  it  beyond  the 
time. 

Flease  return  promptly.